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ENCYKLOPiEDIE
DER
NATURWISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN
VON
Prof. Dr. W. FÖRSTER, Prof. Dr. A. KENNGOTT,
Prof. Dr. LADENBURG, Dr. ANT. REICHENOW,
Prof. Dr. SCHENK, Geh. Schulrath Dr. SCHLÖMILCH,
Prof. Dr. G. C. WITTSTEIN, Prof. Dr. von ZECH.
IL ABTHEILUNG.
m. THEIL:
HANDWÖRTERBUCH DER CHEMIE
HERAUSGEGEBEN
VON
Professor Dr. LADENBURG.
BRESLAU,
VERLAG VON EDUARD TREWENDT.
1884.
o
HMDWORTERBUCH
DER
CHEMIE
HERAUSGEGEBEN
VON
Professor Dr. LADENBURG.
UNTER BÄITWIRKUNG
VON
Dr. BERENU-Kiel, Dr. BEEDERMANN-Berlin, Prof. Dr. DRECHSEL-
Leipzig, Prof. Dr. EMMERLING-Kiel, Prof. Dr. ENGLER-Karlsruhe,
Dr. HANTZSCH-Leipzig, Prof. Dr. HEUMANN-Zürich, Prof. Dr.
HOFFMANN-KiEL, Prof. Dr. JACOBSEN-Rostock, Dr. NIETZKY-
Basel, Prof. Dr. PRINGSHEIM-Berlin, Prof. Dr. v. RICHTER-
Breslau, Dr. RÜGHEIMER-Kiel, Prof. Dr. SALKOWSKI-Berlin,
Prof. Dr. TOLLENS-Göttwoen, Prof. Dr. WEDDIGE-Leipzig,
Prof. Dr. E. WIEDEMANN-Leipzic.
MIT HOLZSCHNITTEN.
ZWEITER BAND.
BRESLAU,
VERLAG VON EDUARD TREWENDT.
1884.
Das Recht der Uebersetzung bleibt vorbehalten.
Antimon*), Sb (Stibium). Atomgewicht nach Rose, Weber, Schnetoer (2)
u. CooKE (3) = 120; nach Dexter, Dumas u. Kessler (4) = 122.
Das natürlich vorkommende Sulfid Sb^S, war schon den alten Griechen
und Römern bekannt und wurde unter dem Namen Stibium als Heilmittel und
Schminke der Augenbrauen verwendet. Die Bezeichnungen Spiessglanz, Spiess-
glas und Antimonium sind neueren Datums und wurden von den Alchymisten
gebraucht, bei deren Arbeiten jener Körper eine grosse Rolle spielte.
Das Element Antimon findet sich in der Natur auch in gediegenem Zustand,
insbesondere in Böhmen und im Harz, jedoch niemals in grösserer Menge. Da-
gegen gehört das natürliche Sulfid, auch Grauspiessglanzerz oder Antimonglanz
genannt, zu den häufiger vorkommenden Mineralien und findet sich auf Erzgängen
des Urgebirgs und des Uebergangsgebirges meist gemeinschaftlich mit anderen
Schwefelmetallen. Mit letzteren bildet es auch bestimmte Doppelverbindungen,
z. B. Kupferantimonglanz Sb^Sj-Cu^Sj, dunkles Rothgültigerz SbgSj-SAgjS.
Auch in den Fahlerzen ist Antimon enthalten, jedoch häufig z. Th. durch das
isomorphe Arsen vertreten.
Die Abscheid ung des Antimons aus dem Grauspiessglanzerz geschieht
auf den Hütten entweder durch Glühen des durch Rösten in Antimontetroxyd
überführten Erzes mit Kohle und Soda (Röstarbeit), oder man zersetzt das Erz
durch Schmelzen mit Eisen (der Reinheit wegen am besten Schmiedeeisen), wo-
bei sich Schwefeleisen bildet. Der erkaltete Tiegel wird zerschlagen und der
Metallregulus von dem über ihm befindlichen Schwefeleisen getrennt. Die ge-
naue Abgrenzung des Regulus vom Schwefeleisen wird durch Zusatz von etwas
wasserfreiem Natriumsulfat und Kohle befördert, weil die aus Natriumsulfid und
Schwefeleisen bestehende Schlacke dünnflüssiger ist als reines Schwefeleisen.
Man verwendet zweckmässig auf 100 Thle. Erz, 42 Thle. Eisen, 10 Thle.
Sulfat und 2^ Thl. Kohle und erhält ca. 65^ rohes Antimonmetall, welches indess
•) i) Gmklin-Kraut's Handbuch. 2) ScHNEroER, J. pr. [2] 22, pag. 131. BrochUre.
BeTlin 1880 bei Gutmann. 3) J. P* CooKE, Sill. Amer. J. [3] 15, pag. 41, 107. Z. anal.
Ch. 17, pag. 531. Her. 12, pag. 2123. Ber. 13, pag. 951, 1132. Cb. News. 44, pag. 245.
4) Kessler, Ber. 12, pag. 1044. Brocbüre, Bochum 1879. 5) Clarke u. Stallo, Ber. 13, pag.
1787. 6) Sabanajew, Z. 1871, pag. 204. 7) Schültz-Seliac, Ber. 4, pag. 13. 8) Clarke
u. Stallo, Ber. 13, pag. 1787. 9) Geuther, Jenaische Z. f. Nat u. Med. 7, pag. 121. Dau-
bawra, Ann. 186, pag. iio. Conard, Chem. Nat. 40, pag. 197. 10) Daubrawa, Ann. 184,
pag. 1 18. 1 1) Schneider, P. i 10, pag. 147. 12) Teclu, Dingl. pol. J. 236, pag. 336. 13) Bunsen,
Ann. 192, pag. 317. 14) Fresenius, quantit. Analyse. 15) Ann. 213, pag. 346. 16) Ber. 14, pag. 1629.
Laoxmburg, Chemie. IT. I
2 Handwörterbuch der Chemie.
ausser durch geringe Mengen sonstiger Metalle besonders durch Eisen verunreinigt
ist und dem durch Röstarbeit erhaltenen Metall nachsteht. Zur Reinigung des
Rohantimons können viele Wege eingeschlagen werden, die aber meist darauf
begründet sind, den Regulus mit Schwefelantimon oder Oxyden des Antimons
zu schmelzen, wobei die fremden Metalle in Sulfide oder Oxyde übergeführt werden.
Nach Bensch werden 16 Thle. des eisenhaltigen Regulus (Eisengehalt ist nöthig; event
Schwefcleisen zuzufügen) mit I Thl. Antimonsulfid und 2 Thln. trockner Soda eine Stunde lang
im hessischen Tiegel geschmolzen, worauf man nach dem Erkalten den Regulus noch ein zweites
Mal mit 1^ Thln. Soda und später noch ein drittes Mal mit 1 Thl. Soda umschmilzt
Das Antimon besitzt starken Metallglanz und eine fast silberweisse Farbe,
zeichnet sich aber vor den übrigen Metallen durch seine bedeutende Sprödigkeit
aus, welche es leicht zu pulvern gestattet. Auf dem Bruch zeigt es blättrig-
krystallinische Structur und lässt sich bei langsamem Erkalten des geschmolzenen
Metalls in würfelähnlichen Rhomboedem krystallisirt erhalten.
Der Schmelzpunkt des Antimons liegt bei 425^; stärker erhitzt verdampft
es und bei Luftzutritt verbrennt dieser Dampf unter Ausstossung eines dichten
weissen Rauches zu Oxyd. Das spec. Gew. ist zu 6,64— 6|72, die spec. Wärme
nach BuNSEN zwischen 0 und 100° zu 0,0495 gefunden worden. Von verdünnter
und selbst concentrirter Salzsäure oder Schwefelsäure wird das Antimon in der
Kälte nicht angegriffen, heisse Salzsäure löst es aber unter Wasserstofifentwicklung
zu Antimontrichlorid und heisse concentrirte Schwefelsäure bildet weisses Antimon-
sulfat, während Schwefligsäuregas entweicht. Salpetersäure löst das Antimon nicht,
sondern verwandelt es je nach ihrer Concentration und Temperatur in weisses
Trioxyd oder Pentoxyd — ein Verhalten, welches das Antimon bei der Analyse
seiner Legirungen von den anderen Metallen zu trennen erlaubt. Königswasser
löst Antimon leicht zu Antimonpentachlorid und derselbe Körper entsteht unter
Feuererscheinung, wenn gepulvertes Antimon in eine mit Chlor gefüllte Flasche
geschüttet wird. Auch mit Brom, Jod, Phosphor und Schwefel vereinigt es sich direkt.
Explosives Antimon. Durch Electrolyse einer salzsauren Lösung von
Antimontrichlorid erhält man bei Anwendung eines schwachen Stromes am nega-
tiven Pol (der aus Platin oder Kupfer bestehen kann, während der weit ab-
stehende positive Pol aus einem Stück Antimon gebildet ist) einen silberglänzenden
Ueberzug, welcher zu Centimeterdicke anwächst. Wird die glatte Oberfläche
dieses Ueberzugs mit einer Feile geritzt, so zerspringt er explosionsartig unter
Zischen und Ausstossung eines weissen Rauches (Gore, Gh. News 8, pag. 201).
Diese eigenthümliche Modiflcation des Antimons explodirt auch beim Erhitzen
auf 200° und giebt nach Böttger, J. pr. Gh. 73, pag. 484; 107, pag. 43 dabei
ein Sublimat von Antimontrichlorid, von welchem das explosive Metall bis 20^
enthalten kann. Die Vermuthung Böttger's, das explosive Antimon enthalte
Wasserstoff occludirt, bestritt F. Pfeiffer (Ann. 209, pag. 161), fand aber ebenfalls
stets Antimontrichlorid in dem Metallniederschlag. Auch aus der Lösung von
Antimontribromid oder -Jodid wird ein explosiver Metallüberzug erhalten, welcher
Bromid resp. Jodid einschliesst.
Die Sprödigkeit des Antimonmetalls verhindert seine Anwendung in der
Technik in isolirtem Zustand, wohl aber dient es zur Herstellung vieler wichtiger
Legirungen; so der Buchdrucklettem (4 Thle. Blei, 1 Thl. Antimon) und des
Britanniametalls (85,6 Thle. Zinn, 10,4 Thle. Antimon, 3 Thle. Zink, 1 Th. Kupfer).
Für bestimmte Zwecke werden auch Legirungen mit Wismuth, Blei und Kupfer
verwendet, wobei der Antimongehalt dem Gemisch eine besondere Härte verleiht.
Antimon. 3
Stellt man Antimon dar durch Reduction des Brechweinsteins oder bei Gegen-
wart von Alkalicarbonaten und Kohle, so nimmt das Metall gleichzeitig eine nicht
unbeträchtliche Menge Kalium oder Natrium auf und bildet damit Legirungen,
welche sich mit Wasser zersetzen oder an der Luft von selbst zu brennen beginnen.
Chloride des Antimons.
Antimontrichlorid, SbClj, auch Antimonchlorür genannt, entsteht beim
Erhitzen von Antimon in einer von trocknem Chlorgas langsam durchströmten
Retorte. Da sich dabei gleichzeitig Pentachlorid bildet, so ist das Produkt mit
gepulvertem Antimon gemischt der Destillation zu unterwerfen. Auch beim
Destilliren einer wässrigen Lösung von Antimontrichlorid erhält man, nachdem
Wasser und Salzsäure entwichen sind, beim Wechseln der Vorlage, sobald die
übergehenden Tropfen erstarren, reines Antimontrichlorid als Destillat
Das lästige Stossen der Flüssigkeit wird durch ausgeschiedenes Chlorblei be-
wirkt, welches häufig als Verunreinigung des Antimonchlorids vorkommt. Man
beseitigt das Chlorblei durch Decantation der Flüssigkeit.
Auch durch Destillation des metallischen Antimons oder des Schwefelantimons
mit Quecksilberchlorid kann Antimontrichlorid gewonnen werden.
Das Trichlorid ist farblos und krystallinisch, zeigt aber butterartige Consistenz
und führt deshalb auch den Namen Antimonbutter oder Spiessglanzbutter.
Bei 73,2° schmilzt es und siedet bei 223® (corrigirt); sein spec. Gew. fand Kopp
bei 26° zu 3,064. In kaltem Alkohol und in SchwefelkohlenstoflF ist das Tri-
chlorid unverändert löslich, Wasser zersetzt es aber sofort unter Abscheidung
von sogen. Algarotpulver. Concentrirte sowie verdünnte Salzsäure lösen das
Chlorid, und in einer solchen Lösung vermag selbst ein grösserer Wasserzusatz
nur schwierig das Antimon zu fallen. Im Handel kommt unter dem Namen
Liquor stibii chlorati eine concentrirte Lösung des Trichlorids in mit Salzsäure
versetztem Wasser vor und wird zu medicinischen Zwecken, sowie zur Darstellung
von Antimonpräparaten und zum Brüniren von Gewehrläufen verwendet. Diese
Flüssigkeit wird durch Auflösen von natürlichem Schwefelantimon in heisser Salz-
säure dargestellt. Soll ein reines Präparat erzielt werden, so ist die zuerst
erhaltene Lösung durch Wasser zu fällen und das ausgewaschene Algarotpulver
von Neuem in Salzsäure zu lösen.
Antimonpentachlorid, SbClg. Trifft feingepulvertes Antimon mit über-
schüssigem Chlor zusammen, so verbrennt es von selbst zu Pentachlorid. Zur
Darstellung desselben in grösserer Menge erhitzt man Antimonstücke in einer
von raschem Chlorstrom durchflossenen Retorte; in der Vorlage sammelt sich
das Chlorid in Form einer meist durch Eisenchlorid gelb gefärbten Flüssigkeit.
In reinem Zustand ist das Antimonpentachlorid völlig farblos, raucht stark an
feuchter Luft und erstarrt in einer Kältemischung zu einer bei — 6° schmelzenden
Masse. Bei wiederholtem Destilliren giebt die Verbindung Chlor ab und enthält
nun ein wenig Trichlorid gelöst. Mit ganz wenig Wasser gemischt liefert das
Chlorid eine klare Lösung, aus welcher sich beim Eindunsten Krystalle der Ver-
bindung SbClj -I- 4H2O absetzen; bei Zusatz einer etwas grösseren Wassermenge
scheidet sich jedoch zunächst das Ox^chlorid SbOjCl aus, welches durch Be-
handlung mit heissem Wasser in unlösliche Antimonsäure übergeht. Bringt man
Antimonpentachlorid sofort in vieles Wasser, so findet völlige Lösung ohne
Bildung eines Niederschlages statt.
Auf viele Reagentien wirkt Antimonpentachlorid chlorirend, indem es selbst
4 Handwörterbuch der Chemie.
zu Trichlorid zurückgeführt wird und dient daher z. B. zur Ueberfiihrung von
Benzolderivaten in Perchlorbenzol oder Perchlordiphenyl. Die Seitenketten der
aromatischen Kohlenwasserstoffe werden in Form von Tetrachlorkohlenstoff ab-
gespalten. Chloroform wird durch Antimonpentachlorid in Tetrachlorkohlenstoff
überführt. Mit Ammoniak verbindet sich das Fentachlond zu einem festen
Körper von der Zusammensetzung SbCljj'GNHj; mit Phosphorpentachlorid und
-oxychlorid, sowie mit Schwefeltetrachlorid vereinigt es sich ebenfalls direkt;
desgl. mit Acetylen und Chlorcyan.
Antimontribromid, SbBrj. Brom und Antimon vereinigen sich unter
Feuererscheinung aber nur in dem der Formel SbBr, entsprechenden Verhältniss;
bei Ueberschuss von Brom bleibt dieses unverbunden. Auch durch Eintragen
von gepulvertem Antimon in eine Lösung von Brom in Schwefelkohlenstoff und
Eindunsten der Flüssigkeit wird Tribromid erhalten. Es bildet rhombische
OctaMer, schmilzt bei 90^, und der Siedepunkt der geschmolzenen Masse liegt bei
275,4° (Kopp). Durch Wasser wird das Tribromid analog dem Trichlorid zersetzt
Antimontrijodid, SbJ,. Wird gepulvertes Antimon mit Jod gemischt, so
findet von starker Erhitzung begleitete Vereinigung der beiden Elemente zu Tri-
jodid statt. Weniger heftig ist der Verlauf der Keaction, wenn das Jod zuvor in
Schwefelkohlenstoff gelöst wird. Auf erstere Art erhalten bildet das Produkt
eine rothe krystallinische Masse, während aus der Schwefelkohlenstofflösung
sechsseitige Krystallblättchen gewonnen werden. Das Trijodid schmilzt leicht
und liefert bei stärkerem Erhitzen ein rothes Sublimat.
CooKE unterscheidet drei Modificadonen : Ein in Form rother hexagonaler
Krystalle auftretendes Jodid vom Schmp. 167° wird durch Verdunsten der
Schwefelkohlenstoff lösung erhalten; erhitzt man diese Krystalle jedoch vorsichtig
(nicht über 114°), so bildet sich ein aus grüngelben rhombischen Krystallen
bestehendes Sublimat, welches über 114° erhitzt wieder in die rothe Modification
übergeht. Eine dritte, dem monoklinen System angehörende Modificarion ent-
steht beim Verdunsten einer Lösung des rothen Jodids in Schwefelkohlenstoff in
direktem Sonnenlicht Diese dritte Modification geht über 125° wieder in die
hexagonale Modification über.
Das Antimontrijodid wird von den concentrirten Lösungen der Alkalijodide
in der Wärme leicht aufgenommen und bildet mit diesen krystallisirbare Doppel-
salze. Wasser zersetzt dieselben, ebenso wie das isolirte Antimonjodid unter Ab-
scheidung eines gelben Oxyjodids.
Fluoride des Antimons.
Antimontrifluorid, SbFl,, lässt sich in reinem Zustand durch Erhitzen
eines Gemenges aus Quecksilberfluorid mit Antimon als weisses, sehr hygros-
kopisches Sublimat erhalten.
In rhombischen Krystallen scheidet sich das Trifluorid ab beim Verdunsten
einer Lösung von Antimonoxyd in concentrirter Flusssäure. Durch Wasser wird
die Lösung des Antimontrifluorids nicht gefallt; beim Eindampfen entweicht aber
ein Theil des Fluorwasserstoffs und es hinterbleibt ein weisses Pulver, wahr-
scheinlich ein Oxyfluorid. Mit Alkalifiuoriden verbindet sich das Antimontrifluorid
analog dem Jodid zu Doppelfluoriden.
Antimonpentafluorid, SbFlj, hinterbleibt nach Marignac beim Ein-
dampfen einer Lösung von Antimonsäure in Flusssäure als amorphe Masse, welche
mit Alkalifluoriden ebenfalls Doppelsalze bildet.
Antimon. 5
Oxyde des Antimons.
Drei Oxyde sind bekannt: das Trioxyd, SbjOs, das Tetroxyd, Sb^O^,
und das Pentoxyd, Sb^Oj.
Antimontrioxyd, Sb^Oj, gewöhnlich Antimonoxyd (auch wohl antimo-
nige Säure) genannt, findet sich in rhombisch und in regulär krystallisirtem Zu-
stand in der Natur und wird dann Antimonblüthe resp. Sdnarmontit genannt.
Künstlich kaim es durch Verbrennen des metallischen Antimons an der Luft
erhalten werden, indem man das Antimon in einem grossen, schief gelegten
Tiegel zum Glühen erhitzt. Der entstehende Oxydrauch verdichtet sich an den
kälteren Stellen des Tiegels zu weissen Krystallnadeln. Auch durch Schmelzen
des Antimons mit Salpeter und primärem (saurem) Kaliumsulfat kann Antimon-
oxyd erhalten werden, welches nach dem Auskochen der Schmelze mit Wasser
als weisses Pulver zurückbleibt. Das saure Sulfat hat den Zweck, das bei der
Zersetzung des Salpeters freiwerdende Kali zu neutralisiren, damit durch seine
Anwesenheit nicht die Bildung von Antiroonsäure begünstigt wird.
Verdünnte Salpetersäure oxydirt Antimon zu Oxyd ohne es zu lösen, conc.
Säure liefert Tetroxyd und Pentoxyd. In reinem Zustand, insbesondere frei von
höheren Oxydationsstufen lässt sich das Oxyd durch Behandeln des basischen
Antimonsulfats oder des Algarotpulvers mit kochender sehr verdünnter Soda-
lösung gewinnen.
Das Antimontrioxyd wird beim Erhitzen gelb, schmilzt und sublimirt bei noch
höherer Temperatur, wobei vorzugsweise prismatische, selten reguläre Krystalle
auftreten. Auch das natürlich vorkommende Oxyd zeigt diese beiden Formen,
und die Aehnlichkeit des Antimons mit dem Arsen wird durch diese gleichartige
Dimorphie der Oxyde besonders deutlich, doch zeigt die arsenige Säure häufiger
die octaedrische Form.
Bei längerem Erhitzen an der Luft nimmt das Antimonoxyd Sauerstoff auf
und geht allmählich in Tetroxyd über, weshalb das durch Verbrennen des Metalls
dargestellte Oxyd stets etwas der letzteren Verbindung enthält. In Wasser ist
das TrioxycJ nur sehr wenig löslich, in Salzsäure, Schwefelsäure oder Weinstein-
säure löst es sich dagegen auf und bildet Salze; doch auch in Natronlauge ist
es löslich und liefert ein krystallisirbares Salz NaSbOj, in welchem das Antimon-
oxyd die Rolle einer Säure spielt.
Antimontetroxyd, Sb204, auch als antimorsaures Antimonoxyd, SbOj-
O(SbO) bezeichnet, bildet sich sowohl beim Glühen der Antimonsäure oder des
Pentoxyds als auch des Trioxyds; im letzteren Fall wird Sauerstoff aus der Luft
aufgenommen.
Am zweckmässigsten stellt man das Tetroxyd dar durch Oxydiren des
metallischen Antimons oder des Schwefelantimons mit rauchender Salpetersäure
und starkes Glühen des zur Trockne verdampften Reactionsproduktes.
Anrimontetroxyd ändert seine weisse Farbe beim Glühen in Gelb um, löst
sich nicht in Wasser und wird auch von Säuren nur wenig angegriffen. In
schmelzendem Kali löst es sich aber und beim Behandeln der erkalteten Masse
mit kaltem Wasser bleibt ein weisses Kaliumsalz von der Formel, K^SbjOg, zu-
rück, welches als unterantimonsaures Kalium bezeichnet werden kann.
Seine Lösung in kochendem Wasser fällt aus den Salzlösungen vieler Schwer-
metalle unlösliche Hypoantimoniate. Eine Lösung des Tetroxyds in Salz-
säure scheidet aus gleichzeitig zugefügtem Jodkalium Jod aus, welches durch
6 Handwörterbuch der Chemie.
Ausschütteln mit Schwefelkohlenstoff an der diesem ertheilten violetten Farbe
erkannt werden kann. Antimontrioxyd zeigt diese Reaction nicht.
Antimonpentoxyd, 80,05 (Antimonsäure-Anhydrid), wird durch
Oxydation von gepulvertem Antimon mit rauchender Salpetersäure oder Königs-
wasser und Eindampfen mit überschüssiger Salpetersäure als weisses Pulver er-
halten, welches durch Erhitzen von der anhängenden Salpetersäure befreit werden
kann; doch darf die Temperatur nicht bis zur Glühhitze steigen, da sonst unter
Sauerstoffaustritt Tetroxyd gebildet wird. Die Hydrate des Pentoxy ds, die
eigentlichen Antimonsäuren, hinterlassen beim Erhitzen ebenfalls reines Pentoxyd.
Antimonpentoxyd ist schwach gelb gefärbt, löst sich in Salzsäure und in
schmelzenden Alkalien und Alkalicarbonaten und lässt sich von Antimontrioxyd
und Tetroxyd mit Hülfe einer ammoniakalischen Silbemitratlösung unterscheiden,
welche beim Erwärmen mit den beiden letztgenannten Oxyden Schwärzung be-
wirkt, während das Pentoxyd nicht verändert wird. Gegen Salzsäure und Jod-
kalium verhält sich das Pentoxyd dem Tetroxyd gleich und kann durch diese
Reaction also nur vom Trioxyd unterschieden werden.
Hydrate des Antimons.
Normales Antimonhydroxyd, Sb(OH)j, entsteht nach F. W. Clarke
und Stallo (5) durch freiwillige Zersetzung der Säure des Brechweinsteins,
C4H5Sb07, welche aus dem correspondirenden Bar3mmsalz durch Schwefelsäure
abgeschieden werden kann. Bei Zersetzung des Brechweinsteins mit verdünnten
Säuren scheidet es sich ebenfalls, wenn auch weniger rein, aus.
Weisses Pulver, das erst über 150° Wasser entlässt.
Das Hydroxyd, Sb,0(0H)4 oder Sb20j-2H,0, ebenfalls von weisser
Farbe erhält man durch Zersetzung einer Lösung von Schwefelantimon in
Natronlauge mit Kupfersulfat und Fällen mit einer Säure. Dieses Hydroxyd
kann auch als antimonige Säure aufgefasst werden.
Ein Hydrat des Antimontetroxyds ist nicht bekannt.
Hydrate des Pentoxyds; Antimonsäuren.
Es sind vier verschiedene Hydrate darstellbar (9).
Die monohydrische Säure, SbOg-OH, bildet sich beim Erhitzen der
trihydrischen Antimonsäure, SbO(OH)j, auf 175°, welche selbst durch
Fällung einer Antimoniatlösung durch Schwefelsäure gewonnen wird. Die Säure,
SbOj'OH, bildet mit Basen Salze, welche An timoniate genannt werden. Das
Antimonsäurehydrat von der Formel, Sb20-(OH)j, entsteht durch Zersetzung
des Antimonpentachlorids durch Wasser. Wird dieses Hydrat bei 100° getrocknet,
so geht es in die Metaantimonsäure FRfeMv's, Sb,07H4 oder Sb203(OH)4
über, welche mit Alkalien die sogen. Metantimoniate bildet.
Salze des Antimons.
Oxydsalze. Wenig beständig. Beim Auflösen von Antimonoxyd in con-
centrirter Salpetersäure kann das Nitrat, Sb^NjO^i, in Gestalt weisser Krystall-
blättchcn erhalten werden. Verdünnte Salpetersäure überführt metallisches Anti-
mon in ein basisches Salz.
Sulfate (7). Wird eine Lösung von Antimonoxyd in massig concentrirter
Schwefelsäure abgedampft, so scheiden sich seideglänzende Nadeln des normalen
Antimonsulfats, Sb^CSO^), oder Sb^Oj-SSOj ab.
Das Sulfat, SbjOj-HSO„ erhielt Pelicot durch Erhitzen von Antimon.
Antimon. 7
oxychlorid mit concentrirter Schwefelsäure und das Sulfat, Sb303*SOj, aus
Antimonoxyd und rauchender Schwefelsäure. Weisse Kiystalle. Heisses Wasser
überführt beide Sulfate in das basische Sulfat, 2Sb30j-S03, welches beim
Kochen mit Sodalösung in Antimonoxyd übergeht
Brechweinstein, ein Doppelsalz von weinsteinsaurem Antimonoxyd und
weinsteinsaurem Kalium, KSb €411^07 -f- HqO, wird entweder als saures wein-
saures Kalium aufgefasst, in welchem das Radical SbO die Stelle von 1 At.
Kalium einnimmt, also als, Sb^]^C4H4 0g, oder als Derivat der antimonigen
Säure, Sb(0H)8, nach der Formel, Sb^Q*^*^«, (Clarke und Stallo) (8).
Der Brechweinstein wird durch Kochen von Weinstein mit Antimonoxyd und
Wasser und Krystallisation der filtrirten Flüssigkeit dargestellt. Er bildet oktae-
drische Krystalle und ist das als Brechmittel gewöhnlich gebrauchte Medicament.
Reactionen der löslichen Antimonoxydsalze*).
Wasser fallt basische Salze, resp. Oxychlorid etc. Kalilauge und Kalium-
carbonat erzeugen einen weissen, im Ueberschuss des Fällungsmittels löslichen
Niederschlag. Der von Ammoniak oder Ammoniumcarbonat bewirkte weisse
Niederschlag bleibt dagegen unlöslich in den fällenden Flüssigkeiten. Schwefel-
wasserstoff oder Schwefelammonium fällt orangegelbes Antimontrisulfid, welches
in gelbem Schwefelammonium, sowie in concentrirter Salzsäure löslich ist, von
Ammoniak aber nur wenig aufgenommen wird. Aus Goldchloridlösung fällen
Antimonoxydsalze metallisches Gold und ammoniakalische Silberlösunig bewirkt
an dem durch Wasser aus einer Oxydlösung gefällten basischen Salz Schwarz-
färbung in Folge der Bildung von Silberoxydul. Antimonsäure zeigen diese
letzteren Reactionen nicht.
Dem Antimonoxyd entsprechende Oxyhalogenverbindungen.
Oxychlorüre.
Antimonylchlorid, SbOCl. Antimonchlorid wird ebenso wie seine Lösung
in wenig Salzsäure durch Wasser unter Abscheidung eines weissen Pulvers zer-
setzt, welches — wenn es bei gewöhnlicher Temperatur dargestellt vidrd — die
Formel SbO Gl besitzt Bei zu wenig Wasser enthält der Niederschlag noch
unverändertes Trichlorid, welches ihm durch Aether entzogen werden kann
Der Niederschlag ist amorph, wenn die Fällung durch viel Wasser erfolgte; in
kleinen Rhomboedem krystallisirt, wenn man auf 10 Thle. Antimonchlorid
17 Thle. Wasser anwendet und einige Tage stehen lässt. Durch trocknes Er-
hitzen zerfällt das Antimonylchlorid in Antimontrichlorid und Algarotpulver,
Sb^OsCl,.
Mit dem Namen Algarotpulver oder pulvis Algaroti (nach dem Arzt
Algarotus, der im 16. Jahrhundert in Verona lebte, so genannt) belegt man den
wechselnd zusammengesetzten Niederschlag, welcher bei der Fällung einer
Antimontrichloridlösung durch viel Wasser entsteht.
Beträgt die zugefügte Wassermenge auf 1 Thl. Trichlorid 5 bis 50 Thle., so
sind die entsprechenden Niederschläge nach Sabanajew (6) amorph und nach der
Formel Sb405Cl2 zusammengesetzt. Bei längerem Stehen unter der Flüssigkeit
verwandelt sich aber der Niederschlag in eine aus seideglänzenden Nadeln be-
stehende Masse. Durch längeres Auswaschen lässt sich der Chlorgehalt ver-
*) Brechweinstein zeigt in mancher Hinsicht ein anderes Verhalten.
8 Handwörterbuch der Chemie.
mindern bis schliesslich krystallinisches Antimonoxyd zurückbleibt. Sodalösung
bewirkt diese Umwandlung sofort. Je nach der Concentration der Antimonlösung,
der Menge anwesender freier Säure, der herrschenden Temperatur und der
zugefügten Wassermenge variirt der Chlorgehalt des Produktes, weshalb dem
sogen. Algarotpulver so verschiedene Formeln früher beigelegt worden sind. —
Je mehr freie Säure zugegen ist, um so mehr Wasser ist zur Fällung nöthig und
um so mehr Antimon bleibt in der Lösung und geht somit bei der Bereitung
des Algarotpulvers verloren. Letzteres findet — wie viele andere Antimon-
präparate Anwendung als Medicament.
Antimonylbromid, SbOBr, bildet sich nach Cooke durch Einwirkung
von Luft und Licht auf eine Lösung von Antimontribromid in SchwefelkohlenstoÖ.
Braunes Pulver. Ein Oxybromid, Sb^OgErg, entsteht nach E. MAavoR
bei der Zersetzung von Antimontribromid durch kaltes Wasser und Extraction mit
Schwefelkohlenstoff.
Antimonyljodid wird bei Zersetzung von Antimonjodid mit Wasser oder
bei Zusatz von Jodkaliumlösung zu Antimontrichlorid erhalten. Beim Abdampfen
scheidet sich ein gelbes krystallinisches Oxyjodid von der Formel Sb405J, ab.
Antimonylfluorid, Sb^OjFlg oder 2SbFl3-Sbj03, hinterbleibt beim Ver-
dampfen einer wässrigen Lösung von Antimontrifluorid.
Salze der Antimonsäuren, s. unter den betr. Metallen.
Hier seien davon erwähnt:
Ammoniumantimoniat, NH4Sb03. Durch Auflösen von Antimonsäure
in erwärmter Ammoniakflüssigkeit zu erhalten. Weisses krystallinisches Pulver.
Antimoniate vieler Schwermetalle lassen sich durch Zersetzung der
löslichen Antimoniate mit den Salzlösungen der betreffenden Schwermetalle dar-
stellen. Sie sind unlöslich oder schwer löslich in Wasser, löslich in Salzsäure.
Ein Bleiantimoniat wird unter dem Namen Neapelgelb in der Malerei an-
gewandt. Man erhält es aus Brechweinstein durch mehrstündiges Schmelzen mit
dem doppelten Gewicht Bleinitrat und dem vierfachen Gewicht an Kochsalz.
Die Masse wird hierauf mit Wasser behandelt.
Saures Ammoniummetantimoniat, (NH4)3H2Sb307H-5H20. Krystalli-
nischer Niederschlag, welcher durch Fällen einer ammoniakalischen Lösung der
Metantimonsäure mit Alkohol erhalten wird.
Das durch Schmelzen von KLaliumantimoniat mit der dreifachen Kalimenge und
Behandlung mit Wasser erhaltene saure Kaliummetantimoniat, KgHjSbgOj,
dient als Reagens auf Natriumsalze, da das entsprechende Natriumsalz,
NajHjSbjOy, in kaltem Wasser fast unlöslich ist.
Oxychloride, welche dem Pentoxyd entsprechen.
Antimonoxytrichlorid, SbOClj. Diese dem Phosphoroxychlorid corres-
pondirende Verbindung entsteht (lo) bei der Zersetzung des Antimonpentachlorids
mit der berechneten Menge eiskalten Wassers nach der Gleichung SbClj-hHaO
= 2HCl-f-SbOClj. Krystallinische, gelblich weisse Masse, welche durch Wasser
und durch Alkohol zersetzt wird.
Sulfide des Antimons.
Antimontrisulfid, Sb^Sj. Das gewöhnlichste, sehr verbreitete Antimonerz,
der sogen. Antimonglanz, auch Grauspiessglanzerz und Stibnit genannt, besteht
aus diesem Sulfid. Es bildet schwarzgraue prismatische Krystalle, welche spröde
Antimon. 9
und leicht schmelzbar sind. Spec. Gew. = 4,62. In Gestalt eines orangerothen,
amorphen Pulvers wird das Antimontrisulfid durch Fällen einer Trichloridlösung
oder einer mit Salzsäure vermischten Brechweinsteinlösung durch Schwefelwasser-
stoff erhalten. Dieses rothe Sulfid enthält jedoch Wasser gebunden, welches erst
bei 200** völlig austritt, wobei schwarzes Sulfid zurückbleibt. Beim Eingiessen
von geschmolzenem Antimonglanz in kaltes Wasser bildet sich eine amorphe
graue Masse, die aber in dünnen Schichten roth durchscheint und beim Zerreiben
ein rothbraunes Pulver liefert. — Durch Wasserstoff wird das Trisulfid zu Antimon
reducirt.
Durch Auflösen von gepulvertem Antimonglanz in Laugen oder Alkalicarbonat-
lösungen und Fällen mit einer Säure wird ein rothbraunes Pulver erhalten,
welches unter dem Namen Kermes als Medicament noch in diesem Jahrhundert
eine sehr wichtige Rolle spielte. Ueber die Zusammensetzung des Körpers erhob
sich ein längerer Streit zwischen den untersuchenden Chemikern bis endlich
Rose und Fuchs nachwiesen, dass der Kermes ein amorphes Trisulfid ist, welches
je nach den besonderen Verhältnissen bei seiner Bereitung in der Regel mehr
oder weniger Antimontrioxyd enthält, das jedoch durch Weinsäure ausgezogen
werden kann.
Mit den Sulfiden der Alkalimetalle vereinigt sich das Antimontrisulfid zu
Sulfosalzen, den sogen. Thioantimoniten.
Durch Zusammenschmelzen des Trisulfids mit Schwefelalkalien werden
braune Massen, sogen. Antimonschwefellebern erhalten, welche in Wasser
löslich sind und durch Säuren unter Abscheidung von Trisulfid zersetzt werden.
Auch durch Erwärmen des Letzteren mit der Lösung alkalischer Sulfide entstehen
diese Verbindungen, welche mit Antimoniten gemengt auch beim Auflösen von
Antimontrisulfid in alkalischen Laugen oder Carbonatlaugen erhalten werden.
DerProzess verläuft nach der Gleichung, 2Sb2S8-l-4KOH=3KSbS2-l-KSb02
-h 2H2O. Bei Zusatz einer Säure fallt aus solcher Lösung ein Gemisch von
Antimontrisulfid mit Oxyd nieder, welches den Kermes bildet.
Das Trisulfid verbrennt flir sich schwierig an der Luft, leicht aber, wenn es
mit Salpeter oder Kaliumchlorai gemischt ist. Die entstehende Flamme ist weiss
und vom lebhaftesten Glanz, weshalb derartige Gemische in der Feuerwerkerei zur
Herstellung bengalischen Weissfeuers Anwendung finden. Ein Salz für Weiss-
feuer besteht z. B. aus 48 Thhi. Salpeter, 13} Thln. Schwefelblumen und 7} Thln.
natürlichem Schwefelantimon. Ausserdem dient* das Trisulfid zur Fabrikation
der an den sogen, schwedischen Zündhölzern befindlichen Zündmasse, welche
sich an einer mit amorphem Phosphor bestrichenen Reibfläche entflammen und
fand ausgedehnte Anwendung zur Herstellung der Zündpillen in dem Dreyse' sehen
Zündnadelgewehre. —
Antimonzinnober, eine schöne rothe Farbe, wird beim Erwärmen einer
Lösung von Antimonchlorid oder Brech Weinstein mit unterschwefligsaurem Natrium,
NajSjOj , erhalten. Zunächst bildet sich hierbei ein gelber Niederschlag, dessen
Farbe aber bald durch Orange in Roth übergeht. Bei zu langem Erwärmen wird
die Farbe braun.
Nach älteren Untersuchungen ist der Antimonzinnober ein Oxysulfid, Teclu
(12) fand aber neuerdings, dass das nach verschiedenen Methoden dargestellte
Produkt nach der Formel SbjSg zusammengesetzt und also eine besondere
Modification des Trisulfids ist.
lo Handwörterbuch der Chemie.
Zur Darstellung wird nach Böttger 1 Thl. einer Lösung von Antimontrichlorid von 1,35 spcc.
Gew. mit einer Lösung von 1^ Thl. unterschwefligsaurem Natrium in 3 Thln. Wasser langsam
erhitzt, bis sich kein neuer Niederschlag mehr bildet. Die erhaltene Farbsubstanz ist zunächst
mit verdünnter Essigsäure und erst dann mit Wasser auszuwaschen, um die Fällung von Algarot-
pulver zu vermeiden. — Nach R. Wagner's Vorschrift werden 4 Th. Brechweinstein mit 3 Thln.
Weinsäure in 16—20 Thln. Wasser gelöst, auf 60—70® erwärmt und dann mit kaltgesättigter
Hyposulfitlösung bis auf 90° erhitzt — Zur Erzielung einer reinen Farbe ist es durchaus nöthig,
dass das verwendete Antimonpräparat keine Spur von Blei oder Kupfer enthält, weshalb das
Antimontrichlorid vor der Verwendung destillirt oder aus gut ausgewaschenem Algarotpulver
bereitet sein muss.
Der Antimonzinnober giebt mit Oelen angerieben eine sehr haltbare, lebhaft
rothe Farbe, welche nur durch alkalische Substanzen leicht zerstört wird, aber
gegen das Licht unempfindlich ist und in dieser Beziehung dem Quecksilber-
zinnober überlegen erscheint.
Antimonpentasulfid, Sb^Sj, auch Goldschwefel genannt, wird vielfach
als Heilmittel benutzt und aus dem Natriumthioantimoniat, NajSbS^ -f-9H20,
welches nach seinem Entdecker gewöhnlich den Namen Schuppe* seh es Salz
führt, durch 2^rsetzung mit Säuren gewonnen.
Das genannte Sulfosalz lässt sich auf trocknem und auf nassem Wege dar-
stellen.
Bei Anwendung des trocknen Verfahrens werden 16 Thle. wasserfreies Natriumsulfat mit
13 Thln. Antimontrisulfid und 5 Thln. Holzkohle in einem hessischen Tiegel zusammengeschmolzen;
die wässrige Lösung der Schmelze ist dann mit 2,5 Thln. Schwefel zu kochen, um das Trisulfid
in Pentasulfid zu überführen. Auf nassem Wege erhält man dasselbe Produkt durch längeres
Kochen von Natronlauge mit Schwefel und Antimontrisulfid. Aus der filtrirten Lösung scheidet
sich das SCHLU>PE'sche Salz in schwach gelblich geftlrbten, sehr grossen Tetraedern aus.
Wird seine Lösung mit verdünnter Schwefelsäure vermischt, so fällt das
Antimonpentasulfid als orangegelbes Pulver nieder. Auch durch Einleiten
von Schwefelwasserstoff zu in Wasser suspendirter Antimonsäure oder zu einer
Lösung von Antimonpentachlorid in angesäuertem Wasser wird Antimonpenta-
sulfid erhalten.
Das Pentasulfid ist in heisser concentrirter Salzsäure unter Abscheidung von
Schwefel und Schwefelwasserstoff löslich; die Flüssigkeit enthält dann Antimon-
trichlorid. Auch in alkalischen Laugen, Alkalicarbonatlösung, sowie in Lösungen
der Alkalisulfide und des Schwefelammoniums ist das Pentasulfid löslich und
zerfällt beim Erhitzen in Trisulfid und Schwefel. Ausser als Heilmittel findet es
Anwendung zum Rothfarben von Kautschukwaaren.
Thioantimoniate.
Von den Sulfosalzen, welche das Antimonpentasulfid bildet, ist die Natrium-
verbindung, das erwähnte in grossen Tetraedern krystallisirende Schlippe' sehe Salz,
NajSbS4 -I- OHqO, ^^ wichtigste. Es ist in Wasser sehr leicht löslich, wird
aber durch Alkohol aus dieser Lösung gefällt. Beim Aufbewahren an der Luft
überziehen sich die Krystalle mit einem braunen, kermesartigen Ueberzug und
werden schliesslich ganz zersetzt. Uebergiessen der Krystalle mit Natronlauge
oder Alkohol schützt sie auf längere Zeit vor der Zersetzung.
Das analog zusammengesetzte Kaliumthioantimoniat wird auf ähnliche
Weise gewonnen. Das Baryumsalz, Ba3(SbS4)3 -l- eHjO, scheidet sich bei
Zusatz von Alkohol zur Lösung des Goldschwefels in Baryumsulfidlösung in
Krystallnadeln ab. — Mit den Lösungen vieler Schwermetallsalze liefern die
Alkalithioantimoniate gefärbte Niederschläge.
Antimon. 1 1
Antimonoxysulfid, SbgOSg, bleibt beim Kochen von Antimonsulfojodid,
Sb S J, mit Wasser und Zinkoxyd und Behandeln der Niederschläge mit Salzsäure
als rothbraunes Pulver zurück. Als Rothspiessglanzerz findet sich diese
Verbindung in der Natur.
Antimonsulfochlorid, SbCljS, entsteht beim Auflösen von Antimontrisulfid
in siedendem Antimonpentachlorid, sowie bei langsamem Einleiten von Schwefel-
wasserstofFgas in dieses Chlorid. Bei letzterem Verfahren wird eine weisse
krystallinische Masse von der Formel SbSClg erhalten. Auch beim Vermischen
von Antimonpentachlorid mit Schwefelkohlenstoff unter guter Abkühlung bildet
es sich (Bertraud u. Finot, Bull. soc. 34, pag. 201).
Antimonsulfojodid, SbSJ, bildet sich beim Auflösen von gepulvertem
Antimontrisulfid in geschmolzenem Antimonjodid und wird durch Aiisgiessen der
erstarrten Masse mit verdünnter Salzsäure, welche das überschüssige Jodid auf-
löst, rein erhalten.
Selenide des Antimons.
Antimontriselenid, SbjSej. Graue Masse, welche beim Zusammen-
schmelzen der Bestandtheile und durch Fällen einer Brechweinsteinlösung mit
SelenwasserstofT gebildet wird.
Antimonpentaselenid, SbQSe^. Braunes Pulver. Wird durch Fällen des
dem ScHLiPPE'schen Salz analogen und isomorphen Natriumselenantimoniats mit
einer Säure gewonnen.
Telluride, SbTe und Sb^Te,. Graue, resp. zinnweisse, metallglänzende
Massen. Durch Zusammenschmelzen der Bestandtheile darstellbar.
Phosphide und Arsenide des Antimons lassen sich in analoger Weise
gewinnen.
Antimonwasserstoff, SbH,.
Wird die Lösung einer Sauersoflf- oder Haloid Verbindung des Antimons in
einen mit Zink und verdünnter Salz- oder Schwefelsäure gefüllten WasserstofF-
entwicklungsapparat gebracht, so mischt sich dem Wasserstoff sofort Antimon-
wasserstoff bei. Die Analogie, welche Letzterer mit dem Arsenwasserstoff hin-
sichtlich dieser Bildungsweise zeigt, wird noch erweitert durch die ganz ähnlichen
Reactionen beider Gase.
Das aus dem Apparat austretende Gasgemisch wird reicher an Antimon-
wasserstoff, wenn man 3 Thle. Zink mit 2 Thlen. Antimon legirt hatte und dann
die Säure zufügt, doch ist es nicht möglich ein einigermaassen reines Antimon-
wasserstoffgas auf diese Weise zu erhalten. Reicher ist das bei Zersetzung von
Antimontrichloridlösung durch Natriumamalgam entwickelte, sowie das beim
Zutropfen einer conc, salzsauren Antimontrichloridlösung zu granulirtem Zink
freiwerdende Gas, doch enthält dasselbe immerhin höchstens 4J SbHj.
Antimonwasserstoff ist ein färb- und geruchloses Gas und verbrennt mit
fahler, weisser Flamme, welche einen aus Antimonoxyd bestehenden weissen Rauch
ausstösst Eine in die Flamme gehaltene kalte Porzellanschale überzieht sich
mit Antimonflecken, welche den Arsenfiecken sehr ähnlich, aber schwärzer
sind. Auch beim Durchleiten durch eine glühende Glasröhre zerfallt das Gas
unter Abscheidung eines Antimonspiegels, der theils silberglänzend, theils
sammetschwarz erscheint und sich von dem mehr bräunlich gefärbten Arsenspiegel
durch seine Unlöslichkeit in verdünnter Chlorkalklösung und durch seine geringere
Flüchtigkeit beim Erhitzen auszeichnet. — Aus Silbemitrat fällt das Antimon*
W^sserstoffgas einen schwarzen Niederschlag, welcher ein Gemenge von Antimon-
12 Handwörterbuch der CHiemie.
silber, SbAgj, mit metallischem Silber ist. Mit Schwefel oder Schwefelwasserstoff
in Berührung liefert das Antimon wasserstoffgas im Sonnenlicht orangerothes
Antimontrisulfid und wird auch durch die Halogene unter Bildung der ent-
sprechenden Antimonverbindungen zersetzt
Ein fester AntimonwasserstoÖ ist noch nicht in reinem Zustand erhalten
worden, obwohl einige Beobachtungen seine Existenz wahrscheinlich machen.
Quantitative Bestimmung des Antimons.
Zur Bestimmung des Antimons ist zunächst eine lösliche Verbindung herzu-
stellen, was durch Behandlung mit Salzsäure oder Königswasser gelingt. Da
beim Eindampfen einer solchen Chloridlösung ein Verlust an Antimon durch
Verflüchtigung stattfindet, so darf das etwa nöthige Concentriren nur nach Ueber-
sättigung mit Alkali geschehen, welches später wieder durch Salzsäure verdrängt
wird. Gewöhnlich fällt man zuerst das Antimon aus der mit Weinsteinsäure
versetzten Lösung durch Schwefelwasserstoff als Trisulfid, filtrirt dasselbe ab und
oxydirt nach dem Auswaschen und Trocknen mit rauchender Salpetersäure in
einem gewogenen Porzellantiegel. Durch weiteres Erhitzen wird die Salpetersäure
und die gebildete Schwefelsäure verjagt und schliesslich die zurückbleibende
Antimonsäure durch Glühen in das constantere Antimontetroxyd, SbjO^, über-
geführt, dessen Gewicht zu bestimmen ist.
Auf maassanalytische Weise lässt sich das Antimon, wenn es als Trioxyd
vorliegt, mit Hülfe titrirter Jodlösung bestimmen. Das Oxyd ist zunächst in
Weinsäure zu lösen, dann mit Natriumcarbonat zu neutralisircn und mit kalt
gesättigter Natriumbicarbonatlösung zu vermischen. Nach Zusatz einiger Tropfen
Stärkekleisterlösung wird mit Jodlösung bis gerade zum Eintritt einer blauen
Färbung titrirt. Dass die blaue Farbe bald verschwindet, darf nicht zu weiterem
Zusatz verleiten.
Da Antimonsäure aus Jodkalium Jod ausscheidet und Antimonoxyd entsteht,
so kann auch das Antimon durch volumetrische Bestimmung des abgeschiedenen
Jods bestimmt werden. Insbesondere eignet sich diese Methode für Legirungen,
welche Zinn und Antimon enthalten (Weller) (15).
Die electrolytische Bestimmung des Antimons lässt sich in der Lösung des
Sulfids im Schwefelammonium leicht und genau ausfuhren (Classen u. von Reis) (16).
Auch ist empfohlen worden, das Antimontrisulfid dadurch zu bestimmen,
dass man den aus ihm durch Kochen mit Salzsäure austreibbaren Schwefel-
wasserstoff bestimmt und die Menge des vorhandenen Antimons darnach be-
rechnet.
Ueber die Trennung des Antimons vom Arsen s. Arsen. Heumann.
Aromatische Säuren. Als aromatische Säuren bezeichnet man die Carboxyl-
haltigen Derivate des Benzols, also diejenigen Substanzen, welche zugleich einen
oder mehrere Benzolreste und eine oder mehrere Carboxylgruppen enthalten.
Die letzteren Gruppen bedingen den Säurecharakter der Verbindungen und be-
stimmen durch ihre Anzahl die Basicität der betreffenden Säure.
Da ein Kohlenstoffatom des Benzolrings nicht gleichzeitig einer Carboxyl-
gruppe angehören kann, so enthält die einfachste aller aromatischen Säuren
sieben Kohlenstoflfatome. Es ist dies die Benzoesäure CgHj-COQH. Diese
Benzoesäure kann aufgefasst werden als Monocarboxylderivat des Benzols, d. h.
als Benzol, in welchem ein Wasserstoffatom durch die Gruppe COjH vertreten
ist, oder als ein Phenylderivat der Ameisensäure, d. h, als Ameisensäure, in
Aromatische Säuren. 13
welcher das direkt an Kohlenstoff gebundene Wasserstoffatom durch den Benzol-
rest CßHg, die Phenylgruppe, ersetzt worden ist. In derselben Weise lassen sich
ganz allgemein die aromatischen Säuren ableiten, einerseits von dem Benzol oder
seinen Homologen durch Vertretung von Wasserstoff durch Carboxyl, andrerseits
von den Säuren der nicht aromatischen Reihen durch Vertretung von Wasserstoff
durch Reste des Benzols oder seiner Homologen.
Die letztere Betrachtungsweise ist für die Nomenclatur der aromatischen
Säuren vielfach verwerthet: CgHs-CO^H = Phenylameisensäure (Benzoesäure),
CßH5.CH2-COaH=Phenylessigsäure, C6H.^.CH2-CH3.COjH=Phenylpropion-
säure.
In den hier genannten Säuren kehrt die Homologie derjenigen nicht aro-
matischen Säuren wieder, auf welche jene bezogen werden. Diese Homologie
entspricht derjenigen, welche auch bei den Benzolkohlenwasserstofien durch Ver-
längerung der einzelnen Seitenketten hervorgebracht wird : CgHg'CHgss Methyl-
benzol, CgH^-CHj-CHa = Aethylbenzol u. s. w.
In gleicher Weise muss eine anderweitige Homologie der aromatischen
Säuren derjenigen entsprechen, welche bei den Benzolkohlenwasserstoffen die
Vermehrung der Seitenketten hervorruft:
CgHj.CHs Methylbenzol, CgH-COgH Benzoesäure,
CH CH
C6^4Cch' Dimethylbenzol, ^e^iCcO^H Toluylsäure,
CH CH
CgHg ~ CH3 Trimethylbenzol, CgH, — CH3 Xylylsäure.
^CH, ^COgH
Aus dieser zweifachen Art der Homologie bei den aromatischen Säuren
ergiebt sich ohne Weiteres eine erste Art der bei ihnen vorkommenden Iso-
merien: Eine aromatische Säure, die sich von einer niedrigeren durch Ver-
längerung einer Seitenkette um die Differenz (CHg)^- ableitet, muss isomer sein
mit einer solchen, welche aus jener niedrigeren Säure durch Vermehrung der
Seitenketten um denselben Betrag, z. B. durch Eintritt von x Methylgruppen, ent-
standen gedacht werden kann:
CH
CßHg-CH^-COaH (Phenylessigsäure) ist isomer mit C6H4C[qq*^ (Toluyl-
^CHj
säure), CgHj-CHj'CH^-COjH (Phenylpropionsäure) isomer mit C^Hj — CHg
^CO,H
(Xylylsäure).
Eine zweite Ursache von Isomerien ist die verschiedene Stellung des Phenyls
an dem Rest derjenigen nicht aromatischen Säure, als deren Phenylderivate die
betreffenden aromatischen Säuren zu betrachten sind. Die dadurch bedingten
Isomerien entsprechen durchaus den Isomerien der einfacheren Substitutions-
derivate jener nicht phenylirten Säuren: CgH^-CHg-CHj-COgH (Phenylpropion-
CH
säure) ist isomer mit CßH^-CH^QQ^jj (Isophenylpropionsäure), wie die ß-Chlor-
CH
Propionsäure CHjCl-CHj-COjH mit der a-Chlorpropionsäure CHCICIqq'pj.
Diesen Isomerien schliessen sich diejenigen an, in welchen nur die schon
bei den betreffenden nicht aromatischen Säuren vorkommenden Constitutions-
verschiedenheiten wiederkehren. Die Möglichkeit solcher Isomerien beginnt
natürlich erst mit dem Auftreten von 4 Kohlenstoffatomen in der Seitenkette:
Die Phenylbuttersäure, CgHs-CHj-CHj-CHa.COjH, ist in dieser Weise
14
Handwörterbuch der Chemie.
CH,
isomer mit der Phenylisobuttersäure, CgHg-CHj-CHCilro'H' ^^ ^^ Buttersäure
selber, CHa.CHj.CHj.COjH, mit der Isobuttersäure, CHj-CH:
-COjPI-
Endlich ist bei aromatischen Säuren, in welchen mehr als ein Wasserstoflf-
atom des Benzolrings ersetzt worden ist, die verschiedene relative Stellung dieser
ersetzten Wasserstoffatome die Ursache sehr zahlreicher Isomerien. Diese ent-
sprechen durchaus den Ortsisomerien, welche überhaupt bei den Di- bis Hexa-
derivaten des Benzols wiederkehren (vergl. unter aromatischen Verbindungen):
CH,
CHj
CH,
f^|CO,H
Ortholuylsäure.
l^JcOjH
Metatoluylsäure.
CO,H
Paratoluylsäure.
CO,H
CO,H
CO,H
Phtalsäure.
I^JcOjH
Isophtalsäure.
1 1
CO,H
TerephtalsSure.
Vorkommen. Einige aromatische Säuren treten fertig in der Natur auf,
und zwar theils in freiem Zustande, theils in Form von Salzen, zusammengesetzten
Aethern oder entfernteren Derivaten. Im freien Zustande ist z. B. die Benzoe-
säure im Benzoöharz und anderen Harzen und Balsamen enthalten, freie Zimmt-
säure im Storax, im Perubalsam und in gewissen Benzoesorten. Aether der
Benzoesäure kommen im Perubalsam und im Oel der Blüthen von Unona odora-
tissima vor, ein Aether der Zimmtsäure im Storax, ihr Aldehyd im Zimmtöl.
Verschiedene Wurzeln und Kräuter enthalten geringe Mengen von benzo^sauren
Salzen. Im Harn der pflanzenfressenden Säugethiere kommt als normaler Be-
standtheil ein Derivat der Benzoesäure, die Hippursäure (BenzoylglycocoU), zu-
weilen auch die Benzoesäure selber vor. Das Nitril der Phenylessigsäure ist im
ätherischen Oel von Tropaeoium majus und Lepidium satkmmy das Nitril der
Phenylpropionsäure in demjenigen von Nasturtium officinaU enthalten. Ziemlich
zahlreich treten endlich im Benzolkem hydroxylirte aromatische Säuren, sogen.
Phenolsäuren und Derivate derselben im Pflanzenreich auf.
Von künstlichen Bildungsweisen der aromatischen Säuren sind die
folgenden von allgemeinerer Bedeutung:
1. Die Oxydation der Benzolkohlenwasserstoffe. Alle Homologen
des Benzols können durch Oxydation in aromatische Säuren übergeführt werden.
Als Seitenketten vorhandene Methylgruppen werden hierbei einfach in Carboxyl-
gruppen übergeführt, so dass Säuren mit ebenso viel Kohlenstoffatomen entstehen,
wie im Kohlenwasserstoff vorhanden waren, also aus Toluol, C^Hg-CHj, die
Benzoesäure, CeHs-CO^H, aus Phenyltoluol, CgHs-CgH^-CHj, die Diphenyl-
carbonsäure, CgH5»CgH4«COj|H. Längere Seitenketten werden fast immer so
weit zerstört, dass erst das letzte, direkt am Benzolring befindliche Kohlenstoff-
atom derselben die bleibende Carboxylgruppe bildet; die entstehenden Säuren
enthalten also weniger Kohlenstoffatome, als die ursprünglichen Kohlenwasser-
stoffe: Propylbenzol, CßHjCHj.CHj.CHj, giebt Benzoesäure, CeHj.COjjH,
CH »CH
Paradiäthylbenzol , ^^k^o^ . rji^ ' ^^^ Paramethylpropylbenzol (Cymol),
Aromatische Säuren. 15
CH
^e^iCcH^-CH «CH ' 8®^^^ ^^s entsprechende Dicarbonsäure die Terephtal-
saure, C«H4^(.q»h'
Nur in Ausnahmefällen gelingt es, die Oxydation einer längeren Seitenkette
so 2U beschränken, dass die Carboxylgruppe nicht unmittelbar an den Benzolring
tritt Solche Fälle liegen vor in der Oxydation des Propylisopropylbenzols,
CH »CH «CH
CftH^:^ CH. , zur sogen. Homoterephtalsäure, C-H.:^^^»;^^»^
(Paterno u. Spica, Ber. 1877, pag. 1746), und in derjenigen des sjnnmetrischen
/CHjCHs .CO3H
Triäthylbenzols, CeHj — CH3.CH3, zur Isophtalessigsäure, C.Ho — CO.H
^CHa-CH, ^CHj.COjH
(Friedel u. Balsohn, Bull. soc. chim. [2] 34, pag. 635).
Beim Vorhandensein mehrerer Seitenketten in den Kohlenwasserstoffen lassen
sich dieselben durch nicht zu energisch wirkende Oxydationsmittel successive
oxydiren, so dass zunächst einbasische, dann zweibasische und eventuell mehr-
basische aromatische Säuren erhalten werden. So giebt das Mesitylen, als ein
/CH3 /CO,H
Trimethylbenzol, CgHj — CH3, zunächst Mesitylensäure, C^Hj— CH3 , dann Uvi-
^CHj ^CH,
/COjH /COjH
tinsäure, CgH,— COjH, und endlich Trimesinsäure, C^H,— CO^H, das Diäthyl-
^CHj ^COgH
C H C H
benzol, CgH^C^r^jj*» zunächst Aethylbenzoesäure, CßH^CT^?) |ji dann Terephtal-
n xj --CO.H
säure, CgH4^(.Q>jj.
Von gleichzeitig vorhandenen Seitenketten verschiedener Länge verfallen die
CH »CH »CH
längeren zuerst der Oxydation: Cymol, C6H4C^qtt* * ', liefert Para-
CH CO H
toluylsäure, CgH4ClrQ*jj» dann Terephtalsäure, CgH^dro^H*
Von Seitenketten mit gleich viel Kohlenstoffatomen aber von verschiedener
Constitution werden anscheinend allgemein die verzweigteren leichter angegriffen,
als diejenigen mit normaler Bindung, welche kein Kohlenstoffatom an weniger
als zwei Wasserstoffatome gebunden enthalten. Das p. Propylisopropylbenzol,
^CHj* CHa' CHj
^e^4 v.r'xx^'^Hs > liefert als erstes Oxydationsprodukt Propylbenzoesäure,
^^--CHj
^ XT .^CHj'CHj-CHj
^6 «4 -^COjH
Die Basicität der als Endprodukte entstehenden Säuren zeigt in allen Fällen
die Zahl der im Kohlenwasserstoff vorhanden gewesenen Seitenketten an.
Die Halogen- und Nitrosubstitutionsprodukte der dem Benzol homologen
Kohlenwasserstoffe, sowie die Sulfosäuren der letzteren lassen sich im Allgemeinen
durch passend gewählte Oxydationsmittel in ähnlicher Weise oxydiren, wie die
Kohlenwasserstoffe selber. Die drei Nitrotoluole, C^H^^^jt*, liefern z. B. die
jQ^O *
entsprechenden drei Nitrobenzoesäuren, C^H^^pQ^j^.
i6 Handwörterbuch der Chemie.
Als Oxydationsmittel benutzt man zur Darstellung der aromatischen Säuren
entweder verdünnte Salpetersäure, oder Chromsäure, oder Kaliumpermanganat
Die Wahl unter diesen Oxydationsmitteln hat sich nach der Natur des
Kohlenwasserstoffs und ausserdem danach zu richten, wie weit man ihn zu oxy-
diren beabsichtigt. In ersterer Beziehung ist zu berücksichtigen, dass Kohlen-
wasserstoffe mit in Orthosteilung zu einander befindlichen Seitenketten nicht die
Anwendung der Chromsäure erlauben, weil sie durch diese vollständig verbrannt
zu werden pflegen. Das Ortho-Dimethylbenzol (Orthoxylol) z. B. lässt sich nicht
durch Chromsäure zu Phtalsäure oxydiren, sondern wird durch diese völlig zer-
stört. Bei solchen Kohlenwasserstoffen lässt sich hingegen verdünnte Salpeter-
säure oder übermangansaures Kalium anwenden.
Die Anwendung der verdünnten Salpetersäure führt bei Kohlenwasser-
stoffen mit mehreren Seitenketten vorwiegend zur Bildung einbasischer Säuren
und ist daher zur Darstellung der letzteren gewöhnlich in erster liinie zu
empfehlen, wenn auch keineswegs die oxydirende Wirkung der Salpetersäure mit
der Bildung jener einbasischen Säuren ihre definitive Grenze erreicht.
Da stärkere Salpetersäure wesentlich nitrirend wirken würde, wendet man
nur etwa 10— löprocentige Säure an. Diese muss anhaltend mit dem Kohlen-
wasserstoff" am Rtickflusskühler gekocht werden. Wenn die Siedhitze nicht er-
reicht werden soll, darf der Kohlenwasserstoff" nur in sehr dünner Schicht die
möglichst grosse Oberfläche der verdünnten Salpetersäure bedecken.
Auch bei der angegebenen Verdünnung ist eine Nitrirung nicht ganz zu
vermeiden, so dass die entstandenen Säuren von Nitrosäuren befreit werden
müssen. Es geschieht dies dadurch, dass man die rohe Säure mit salzsaurer
Zinnchlorürlösung oder mit Zinn und Salzsäure erhitzt und die unangegriffene
Säure, resp. das Gemenge verschiedener einbasischer Säuren, im Wasserdampt-
strom abdestillirt. Die aus den Nitrosäuren entstandenen Amidosäuren bleiben
an Salzsäure gebunden im Rückstand, zusammen mit den eventuell als Neben-
produkt gebildeten mehrbasischen Säuren.
Bei der Oxydation durch Chrom säure wendet man eine Lösung der reinen
Säure, oder gewöhnlicher ein Gemisch von dich romsaurem Kalium und Schwefel-
säure an (etwa 2 Thle. Dichromat, 3 Thle. Schwefelsäure und 5 Thle. Wasser)
und zwar 1 Mol. Dichromat auf jede zu oxydirende Methylgruppe. Auch hier
muss anhaltend gekocht werden. Das Verfahren eignet sich vorzugsweise für die
Fälle, wo nur eine Seitenkette im Kohlenwasserstoff vorhanden ist, oder wo bei
mehreren vorhandenen Seitenketten (soweit hier nach dem oben Gesagten Chrom-
säure überhaupt anwendbar ist) mehrere dieser Seitenketten oxydirt werden sollen.
Die Oxydation durch Kaliumpermanganat hat vor der Anwendung der
Salpetersäure den Vorzug, dass keine Nebenprodukte, wie dort die Nitro-
verbindungen entstehen; gegen die Anwendung der Chromsäure bietet sie den
Vortheil, dass bei Anwendung berechneter Mengen des Oxydationsmittels in
passenden Verdünnungsgraden und durch Einhalten bestimmter Temperaturen es
leichter ist, die Oxydation auch beim Vorhandensein mehrerer Seitenketten
wesentlich auf die Bildung der gewünschten Produkte zu beschränken. Selbst
ziemlich verdünnte neutrale Lösungen des Permanganats wirken in der Kälte
oder in massiger Wärme noch auf die Kohlenwasserstoffe ein, doch ist, wenn
man unter Siedhitze operiren muss, beständiges oder sehr häufiges Schütteln
durchaus erforderlich. Auch Orthoderivate des Benzols, wie Orthoxylol, werden
Aromatische Säuren. 17
durch Kaliumpermanganat in neutraler oder alkalischer Lösung normal oxydirt,
ohne wie durch die Chromsäure verbrannt zu werden.
Wo es sich um die Oxydation kohlenstoffarmer aromatischer Säuren zu
mehrbasischen handelt, ist die Anwendung des Permanganats in schwach alkalischer
Lösung unbedingt jeder anderen Methode vorzuziehen.
Bei allen Oxydationsmitteln ist es ein wesentliches Hindemiss für die stufen-
weise Oxydation der Kohlenwasserstoffe mit mehreren Seitenketten , dass die
Kohlenwasserstoffe sich mit dem wässrigen Oxydationsmittel nicht mischen, während
die bereits entstandenen Säuren sich diesem in gelöster Form darbieten und
deshalb leicht weiter angegriffen werden. Um dieses Hindemiss zu umgehen ist
es in vielen Fällen vortheilhaft, die Kohlenwasserstoffe zunächst in die Amide
ihrer Sulfosäuren überzuführen, diese in schwach alkalischer Lösung mit Kalium-
permanganat bis zu dem gewünschten Grade zu oxydiren und aus den entstandenen
Sulfaminsäuren durch Ueberhitzen mit Salzsäure die betreffenden aromatischen
Säuren abzuspalten.
2. Die Oxydation der aromatischen Alkohole und Aldehyde führt
zu den aromatischen Säuren, wie diejenige des Aethylalkohols und des Acet-
aldehyds zur Essigsäure. Sie findet häufig schon freiwillig an der Luft statt.
Als Oxydationsmittel eignet sich besonders das Kaliumpermanganat oder ge-
schmolzenes Kaliumhydroxyd, zu welchem der Alkohol oder der Aldehyd all-
mählich hinzugefügt wird. Man ist indess selten in der Lage, diese Verbindungen
als Ausgangsmaterial für die praktische Gewinnung der aromatischen Säuren zu
benutzen.
CcHsCHgOH -f- O, = CßHsCOjH -h HjO
Benzylalkohol Benzoesäure.
CeHjCHO -f- O « C6H5.CO4H
Benzaldehyd Benzoesäure.
3. Die Zersetzung der Nitrile mit Alkalien oder Säuren:
CcHjCN -+- 2H3O = CeHj-CO^H -f- NH,
Benzonitril Benzoesäure.
CeH5.CH3.CN -f- 2H3O = CeHj.CHgCOjH -f- NH3
Benzylcyanid Phenylessigsäure.
Man bewerkstelligt die Zersetzung durch Kochen der Nitrile mit concentrirter
alkoholischer Kalilauge am Rückflusskühler, oder wo dieses Verfahren nicht ge-
nügt, durch Erhitzen mit rauchender Salzsäure auf 200^.
Diese auch in der Reihe der Fettsäuren allgemein anwendbare Reaction
gestattet die Darstellung der aromatischen Säuren
a) aus den Sulfosäuren der um ein Kohlenstoffatom ärmeren Benzolkohlen-
wasserstofTe, insofern die Alkalisalze jener Säuren beim Erhitzen mit Cyankalium
(V. Merz, Zeitschr. f Chem. 1868, pag. 33) oder Blutlaugensalz (Witt, Ber. 1873,
pag. 448) die Nitrile liefern:
C«H* C SO,K + <^NK = SO.K, -f C.H, ^ gg»
Toluolsulfosaures Kalium TolunitriL
b) Aus den in der Seitenkette halogensubstituirten Benzolkohlenwasserstoffen
von nächst niedrigerem Kohlenstoffgehalt durch Erhitzen mit alkoholischer Lösung
von Cyankalium (Cannizzaro, Ann. 96, pag. 247):
CeHj.CHjCl H- CNK = C«Hb-CH,.CN -+- KCl
Benzylchlorid Benzylcyanid
(Phenylessigsäurenitril).
c) Aus den Halogennitroderivaten der Benzolkohlenwasserstoffe. Am Benzol-
LAmwBURC, Chcmi«. IL 2
i8 Handwörterbuch der Chemie.
kern selbst halogensubstituirte Kohlenwasserstoffe zersetzen sich mit Cyankalium
oder Blutlaugensalz erst in sehr hoher Temperatur und auch dann nur sehr un-
vollständißf. Wenn aber ausser dem Halogen, und zwar in der Para- oder der
MetaStellung zu demselben, auch die Nitrogruppe am Benzolring vorhanden ist,
so wird diese Nitrogruppe durch die CN-Gruppe verdrängt, wenn man solche
Benzolderivate mit Cyankalium in zugeschmolzenen Röhren erhitzt. Man gelangt
also zu den Nitrilen halogensubstituirter aromatischer Säuren. Die CN-Gruppe
nimmt aber in diesen nicht dieselbe Stellung ein, welche die Nitrogruppe inne
hatte, sondern eine derselben benachbarte (v. Richter, Ber. 1871, pag. 21; 1875,
pag. 1418).
^6^4 C NO, -^ CNK = CeH,^ g'^ + NO,K
Parabromnitrobenzol MetabrombenzonitriL
d) Aus den Amidoderivaten der Benzolkohlenwasserstoife von nächst niedri-
gerem Kohlenstoffgehalt. Diese Aniline werden durch Erhitzen mit Schwefel-
kohlenstoff in Sulfocarbanilide (Schwefelh am Stoffe) und diese durch Kochen mit
rauchender Salzsäure in die Sulfocarbanile (Senföle) übergeführt, welche dann
durch Erhitzen mit Kupferpulver entschwefelt und dadurch in die Nitrile ver-
wandelt werden (Weith, Ber. 1873, pag. 419). Es führt so z. B. die folgende
Reihe von Reactionen von den Toluidinen zu den Nitrilen der entsprechenden
Toluylsäuren:
or w -^^^3 i_ pc poj/NH'C^H^-CHj , tt c
2^6W4\NHjj "^ ^^» - ^^vNH.CßH^.CHg "^ ^a^
Toluidin Ditolylschwefelhamstoff.
^^v^NHCßH^-CHa"^*^^^ — ^6^*\NHa.HCl"*"^6"*\NCS
Ditolylschwefelhamstoff Salzsaures Toluidin Tolylsenföl.
C6H4CSCS + Cu, = Cu,S + C,H,^ gg3
Tolylsenföl Tolunitril.
Als einen zweiten Weg zur Ueberfiihrung der Aniline in Nitrile kann man.
ihre Umwandlung (z. B. durch Einwirkung von Chloroform und alkoholische
Kalilauge, Hofmann, Ber. 1877, pag. 1096) in die Carbylamine benutzen, welche
sich bei längerem Erhitzen über 200° in die isomeren Nitrile umsetzen:
CgHäNH, 4- CHCI3 + 3K0H = CgHg.NC -+- 3KC1 -h 3H,0
Anilin Chloroform Phenylcarbylamin.
QHj-NC = CgH,.CN
Phenylcarbylamin Bensonitril.
4. Schmelzender Alkalisalze von Sulfo Säuren aromatischer Kohlen-
wasserstoffe mit ameisensaurem Natrium (V. Meyer, Ber. 1870, pag. 112).
CßHj.SOaK -h CHOgNa = SO3KH -h CgHg.COjNa
Benzolschwefels. Kalium Benzoes. Natrium.
5. Einwirkung von Kohlensäure und Natrium auf die brom-
substituirten aromatischen Kohlenwasserstoffe. Die letzteren werden
mit Benzol verdünnt und während des Durchleitens der nicht getrockneten
Kohlensäure unter allmählichem Eintragen des Natriums im Wasserbade erhitzt
(KEKULfi, Ann. 137, pag. 178)
CgHjBr H- CO2 -f- Na, = CßHg.COjNa H- NaBr
Monobrombenzol Benzols. Natrium.
CH CH
CßH^-CHl -f- COj H- Naj = CgHs-CH, -h NaBr
""^Br "^COjNa
Monobromxylol Xylylsaures Natrium.
Aromatisclie Säuren. 19
6. Einwirkung von Chlorkohlenoxyd und Aluminiumchlorid auf
Benzolkohlenwasserstoffe und Behandeln mit Wasser.
Nur im direkten Sonnenlicht wirkt Chlorkohlenoxyd auf dampfförmiges Benzol
ein und bildet nach der Gleichung CgH« + COClj = HCl -f- CgH^-COCl Benzoyl-
chlorid, welches mit Wasser Salzsäure und Benzoesäure liefert (Harnitzky, Ann. 132,
pag. 72). Leicht verläuft dieselbe Reaction schon in der Kälte oder in massiger
Wärme bei Gegenwart von Aluminiumchlorid. Da unter dem Einfluss des letzteren
aus Benzoylchlorid und noch unverändertem Benzol Benzophenon entsteht, so
hängt es von den Versuchsbedingungen ab, ob man erhebliche Mengen des
Säurechlorids oder ob man als Hauptprodukt dieses Keton erhält. Die Homologen
des Benzols geben dieselbe Reaction (Friedel, Grafts und Ador, Ber. 1877,
pag. 1854; Ador und Meyer, Ber. 1879, P^g- 1968).
7. Einwirkung von Chlorkohlensäureäther und Natriumamalgam
auf bromirte oder chlorirte Benzolkohlenwasserstoffe und Verseifung
der entstandenen Aether (Wurtz, Ann. Suppl. 7, pag. 124).
CgHftBr -+- ClCOj.CjHg H- Na, = CßHjCOa.CjHs -f- NaCl -h NaBr
Monobrombenzol Chlorkohlens. Aethyläther BenzoSsäure-Aethyläther.
Man verwendet etwa 1 proc. Natriumamalgam und erhitzt auf 100—110°.
Die Reaction ist ganz allgemein anwendbar.
8. Erhitzen der aromatischen Aldehyde mit den Chloriden, oder
besser den Anhydriden der Fettsäuren, in letzterem Falle bei Gegenwart
der entsprechenden trocknen Natriumsalze (Bertagnini, Ann. 100, pag. 125.
Perejn, Chem. soc. J. 1877, I, pag. 388). Es entstehen aromatische Säuren mit
ungesättigter Seitenkette, aus denen durch nascirenden Wasserstoff (Wasser und
Natriumamalgam oder Jodwasserstoff und Phosphor) auch die entsprechenden
gesättigten Verbindungen erhalten werden können:
CeHjCHO -+- CH3.COCI = CßHjCHrCH.COCl -h H^O
Benzaldehyd Acetylchlorid Chlorid der Zimmtsäure.
2CeH6.CHO -h ch'^CO^^ = ^C^H^CUiCH-CO^H -h H^O
Benxaldehyd Essigsäureanhydrid Zimmtsäure.
CßH5.CH:CH.C02H-f-H3 = CgH5.CH,.CH,.COaH
Zimmtsäure Hydrozimmtsäure
(Phenylacrylsäure) (Phenylpropionsäure).
Nach neueren Erfahrungen (Oglialoro, Gazz. chim. ital. 8, pag. 429; 9,
pag. 428, 533; 10, pag. 481, FiTTiG, Ber. 1881, pag. 1826) findet übrigens die
Reaction bei Anwendung von Anhydriden^ wenigstens in vielen Fällen, nicht
zwischen diesen Anhydriden und dem Aldehyd statt, sondern zwischen dem
Aldehyd und dem zugesetzten Natriumsalz, während das Anhydrid nur als wasser-
entziehendes Mittel wirkt Wird z. B. Benzaldehyd mit trocknem phenylessigsaurem
Natrium und Essigsäureanhydrid am Rückflusskühler anhaltend auf 150—160°
erhitzt, so entsteht nicht Zimmtsäure, sondern Phenylzimmtsäure (Oglialoro):
C.Hj.CHO -f- C.Hs.CHj.COjNa « CeHj-CHrCdco^^a "^ ^s^'
Mit bemsteinsaurem Natrium und Essigsäureanhydrid erhitzt, giebt der Benz-
aldehyd ebenfalls nicht Zimmtsäure, sondern Phenylisocrotonsäure und eine
Lactonsäure von der Formel CjiHioO^:
CeH5.COH-hC08H.CH,.CH8.C03H=CgH5.CH:CH.CH,.C03H-f-COjH-H20
Bencaldehyd Bemsteinsäure Phenylisocrotonsäure
und
20 Handwörterbuch der Chemie.
C6H5.COH-f-CO,H.CHj.CHj.CO,H:=CeH5.CH.O.CO.CH8
(LactODSfture CjiHi^jO^).
Der Mechanismus des Vorgangs bei der FERKiN'schen Synthese wird von
FiTTiG (vergl. auch Ann. 216, pag. 97 u. 115 u. Ber. 16, pag. 1436) so gedeutet^
dass zunächst eine Condensation nach Art der WuRxz'schen Aldolbildung statt-
findet, aus Benzaldehyd und essigsaurem Natrium z. B. zunächst eine Phenylmilch-
säure entsteht:
CeHgCHO -h CHjCOjH = CeH5.CH(0H).CH,.C0,H,
aus welcher sich dann durch Wasserabspaltung die Zimmtsäure bildet:
CeH5.CH(0H).CH,.C0aH == H^O 4- CßHjCHiCH.COjH.
9. Einwirkung von Natrium auf die Benzyläther der Fettsäuren
CnH2n02 (CONRAD, Ann. 193, pag. 2.98). Es entsteht der Benzyläther derjenigen
aromatischen Säure, deren Seitenkette n H- 1 KohlenstofFatome enthält:
2CH,CO,.CH,.C6H5-hNa = CeH5.CH3.CH,.C08.CHj.CeH5-i-
Essigsäure-Benzyläther Hydrozimmtsäure-Benzyläther
CHaCOjNa + H
Essigs. Natrium.
Als Nebenprodukte bilden sich gewöhnlich durch weitere Einwirkung des
Natriums auf diese Benzyläther ungesättigte Säuren und Benzolkohlenwasserstofife :
C6H-CH2.CH2-C02.CHj-CßH54-Na=C6H5.CH:CH.CO,Na-HCeH5.CH3-l-H
Hydrozimmtsäure-Benzyläther Zimmtsaures Natrium ToluoL
10. Einwirkung von Benzylchlorid auf die Natriumderivate des
Acetessigäthers, anstatt deren man auch direkt das Produkt der Einwirkung
von Natrium auf Essigäther verwenden kann (L. Sesemann, Ber. 1873, pag. 1086).
Es entstehen benzylirte Acetessigäther, deren Säuren sich beim Verseifen mit
concentrirter Kalilauge wesentlich in Essigsäure und benzylirte Essigsäuren spalten:
CHa.CO.CHNa.COa.C2H5^-C6H5.CH2Cl=CH3.CO.CHC:cS^'c*HVNaCl
Natriumacetessigäther Benzylchlorid BenzylacetessigäÄer.
ch3.co.chc;^q3;^«J}«-*-2KOh==c«H5.ch,.ch,-co,k
Benzylacetessigäther Beuzylessigsaures
(hydrozimmtsaures) Kalium
+ CHj.COjK + CaHj.OH
Essigsaures Kalium Alkohol.
AusDinatriumacetessigäther erhält man in gleicherweise dieDibenzylessigsäure.
Der Benzylacetessigäther lässt sich durch Natriumäthylat in Natriumbenzyl-
acetessigäther und dieser durch Methyljodid in Methylbenzylacetessigäther über-
führen. Der letztere spaltet sich bei der Verseifung wieder nach der Gleichung:
CH.CO.C-CHgCeHj + 2K0H = CeH5.CH,.CHc:SJ?V-f-CH..COoK
\ ppi p TT ^^^ ^^UjÄ.
w .V iu 1* : ^ • l*v Methylbenzylessigsaures -hC^Hc-OH
Methylbenzylacetessigäther (p-Phenyl-isobuttersau^s) Kalium. ^'^>"» ^"^
(Conrad, Ber. 1878, pag. 1056), so dass sich die Reaction auch zur Gewinnung
aromatischer Säuren mit verzweigter Scitenkette benutzen lässt.
Umwandlungen. Derivate.
Die näheren Derivate der aromatischen Säuren können sich von diesen durch
Veränderungen im Benzolkern oder durch Veränderungen in den
Seitenketten ableiten.
I. In ersterer Beziehung können im Allgemeinen die Wasserstoffatome des
Aromatische Säuren. 21
Benzolrestes durch dieselben Atome und Atomgruppen ersetzt werden, wie in
dem Benzol und seinen Homologen.
Es existiren also Chlor-, Brom-, Jod-, Nitroderivate, die zu den entsprechend
substituirten Kohlenwasserstoffen in derselben Beziehung stehen, wie die nicht
substituirten Säuren zu den Kohlenwasserstoffen:
CeHj.CH, Toluol, CßHj.COjH Benzoesäure.
-- Cl Cl
Ci;H4,^PTT Monochlortoluol, CßH^ CT^q tt Monochlorbenzoesäure.
Dem entsprechend entstehen sie durch Oxydation der substituirten Kohlen-
wasserstoffe, wie die nicht substituirten Säuren aus den Kohlenwasserstoffen.
Einen zweiten Weg zu ihrer Gewinnung bietet die direkte Einwirkung der
Halogene resp. der Salpetersäure auf die fertigen aromatischen Säuren.
Chlor und Brom wirken übrigens viel weniger energisch auf die Säuren ein,
als auf die entsprechenden Kohlenwasserstoffe oder führen unter gleichen Be-
dingungen zu weniger hoch substituirten Produkten. Jodsubstitutionsprodukte
erhält man überhaupt nicht auf direktem Wege. Die Nitrirung findet durch
fauchende Salpetersäure in der Kälte oder durch gewöhnliche Salpetersäure in
der Hitze meistens sehr leicht statt.
Die Substitutionsprodukte, welche man auf dem zweiten Wege erreicht, sind
nicht immer identisch, sondern häufig nur isomer mit den nach der ersten
Methode dargestellten, d. h. die Halogene und die Nitrogruppe treten bei direkter
Sabstituirung oft in eine andere Stellung zu dem Carboxyl, als bei Substituirung
in die Kohlenwasserstoffe zu der betreffenden Seitenkette. Während z. B. bei
der substituirenden Einwirkung auf Kohlenwasserstoffe mit einer Seitenkette vor-
wiegend Paraderivate und nebenher Orthoderivate entstehen, gelangen Chlor,
Brom und die Nitrogruppe beim Eintritt in die fertige Benzoesäure wesentlich in
die MetaStellung zum Carboxyl. Enthält indess die aromatische Säure ausser der
Carboxylgruppe noch Alkyl-Seitenketten, so kann, wie z. B. bei der Metatoluyl-
säure, die Stellung der eintretenden Substituenten auch durch diese Alkylgruppen,
anstatt durch die Carboxylgruppe bestimmt werden.
Beim Nitriren einer aromatischen Säure, die eine längere saure Seitenkette
enthält, tritt die Nitrogruppe in die Para- und Orthostellung zu dieser, doch kann
auch hier das Vorhandensein anderweitiger Seitenketten das Resultat abändern.
Durch Einwirkung von nascirendem Wasserstoff* werden aus den halogen-
substituirten Säuren die Säuren selbst regenerirt, aus den Nitrosäuren die betr.
Amidosäuren gebildet:
^6^4 C cOjH "^ ^^» ^ ^«^* -^ COjH "*■ 2^2^
NitrobeDzoesäure Amidobenzoesäure.
Die letztere Reaction entspricht der UeberfÜhrung der nitrirten Benzolkohlen-
wasserstoffe in die Aniline. Wie aus diesen Anilinen werden auch aus den
amidirten Säuren durch salpetrige Säure Diazoverbindungen resp. Diazoamido-
verbindungen erzeugt:
^NHj.NOjH ^N:N.NO, ^
Salpeters. AmidobenzoSsäure Salpeters. DiazobenzoSsäure.
*C.H.C 2?^ + NO.H _ C.H. C^Ö^Ä'"''^*"' ■*'°'" + »H.0
Amidobenzoesäure Diazoamidobenzogsäure.
Die Analogie erstreckt sich auch auf die Bildung von Azoxy-, Azo- und
22 Handwörterbuch der Chemie.
Hydrazosäuren, sowie auf die weiteren Umsetzungen dieser Derivate. Beim
Kochen der Diazoamidosäuren mit Halogenwasserstoflfsäuren entstehen halogen-
substituirte Säuren und die Amidosäuren:
Diazoamidobcnzögsäure
^6^4 -. CO2H "^ ^«^* --^ CO3H "^ ^a
Brombenzoesäure Bromwasserstofisaure
AmidobenzoSsäure.
Beim Kochen mit Wasser liefern die Diazoderivate hydroxylirte Säuren
(Phenolsäuren):
CeH, C CO^H^^' + H,0 = CeH, C c?,H + NO,H 4- N,
Salpetersaure Oxybenzoesäure.
Diazobenzoesäure
Mit Schwefelsäure bilden die aromatischen Säuren Sulfosäuren:
CeH,:;;^*^8 4.SO4H, «CeHj^CH, -f-HjO
UUjH \ COgH
Toluylsäure Sulfotoluylsäure.
Auch dieses Eintreten des Schwefelsäurerestes findet weniger leicht statt,
als bei den Kohlenwasserstoffen, so dass gewöhnlich entweder die Anwendung
von Schwefelsäureanhydrid oder längeres Erhitzen mit rauchender Schwefelsäure
erforderlich ist. Die SOgH-Gruppe scheint hierbei unter allen Umständen, auch
beim Vorhandensein von Alkyl-Seitenketten, wesentlich in die Metastellung zum
Carboxyl zu treten, wenn diese Stellung nicht anderweitig besetzt ist.
Die Sulfosäuren der Benzolkohlenwasserstoife liefern bei der Oxydation eben-
falls Sulfoderivate der aromatischen Säuren, und zwar häufig Isomere der direkt
dargestellten.
In der Kalischmelze geben die Sulfosäuren (und ebenso die halogen-
substituirten Säuren) Phenolsäuren:
CeH^ C co' K -^ 2K0H = CgH^ C cO K "^ SOjK^ 4- H,0 •
SulfobenzoSsaures Kaliumsalz der
Kalium Oxybenzoesäure.
Durch Addition von Wasserstoff" an den Benzolrest können aus aromatischen
Säuren beim Behandeln mit Natriumamalgam sogen. Hydro säuren entstehen,
welche sich von den di-, tetra- oder hexahydrirten Benzolkohlenwasserstoffen
ableiten. Die Wasserstoffaddition findet nur schwierig statt bei den einbasischen
Säuren (Bildung von Hydrobenzoesäure aus der Benzoesäure), leicht bei manchen
mehrbasischen (wie Phtalsäure, Pyromellithsäure, Mellithsäure).
IL Eine zweite Klasse von Umwandlungen der aromatischen Säuren besteht
in Veränderungen der Seitenketten. Diese können eintreten: 1. in den
Carboxyigruppen selber, 2. in dem übrigen Theil längerer, carboxylhaltiger Seiten-
ketten, 3. in Kohlenwasserstoffseitenketten, die ausser jenen carboxylhaltigen am
Benzolring vorhanden sind. Mit Ausnahme der letzten Art stimmen solche Ver-
änderungen natürlich durchaus mit denjenigen tiberein, die man auch an nicht
aromatischen Säuren beobachtet
1. Zu den Veränderungen der ersten Art gehören ausser denjenigen, bei
welchen nur der Wasserstoff* der Carboxyigruppen ersetzt wird (Salz- und Aether-
bildung) solche, welche sich auch auf den Sauerstoff dieser Gruppen erstrecken,
wie die Bildung der Aldehyde, der Säurechloride, Amide, Nitrile, Thiosäuren etc.
Aromatische Säuren. 23
Die Anhydride entstehen, ganz wie diejenigen der Fettsäuren, bei Einwirkung
der Säurechloride auf die Salze der Säure:
CeHj-COCl -f- CeHj.COjK = c^JJ^CO^^ "*" ^^^
Benzoylchlorid Benzoes. Kalium Benzoesäureanhydrid.
Mehrbasische aromatische Säuren bilden, falls nicht in der Hitze Kohlen-
säure abgespalten wird, beim Erhitzen für sich oder mit wasserentziehenden
Mitteln (Schwefelsäure. Acetylchlorid) Anhydride, indess nur so weit sie die Car-
boxylgruppen in Orthostellung zu einander enthalten:
C6H4 d CO^H = ^6^* ^ CO ^^ ^ ^2^
Phtalsäure Phtalsäureanhydrid.
^CO,H .COjH
CeHj ^ CO,H = CßHj ^ CO ^^ -f- H,0
Trimellitbsäure Trimellithsäureanbydrid.
In Aldehyde können die aromatischen Säuren durch Destillation ihrer
Calciumsalze mit ameisensaurem Calcium übergeführt werden:
(C6H5.COj)aCa -h (CUO^)^Csl = 2CeH5.CHO H- 2C0jCa
BenzoSs. Calcium Benzaldehyd.
Mit den Salzen der höheren Fettsäuren entstehen in gleicher Weise die
gemischten Ketone, in welchen die CO-Gruppe eine Alkylgruppe mit dem
Benzolrest verknüpft:
(CeH^.COOaCa 4- (CH3.C0,),Ca = 2C6H5.CO.CHj -h 2C03Ca
Benzoes. Calcium Essigs. Calcium Methylphenylketon
(Acetophenon).
(C6H-CH3.COj),Ca4-(CH8.COj)5Ca = 2C6H5.CH^.CO.CH, -h 2C03Ca
Phenjiessigs. Calcium Essigs. Calcium Methylbenzylketon.
Für sich oder zu mehreren destillirt liefern die Calciumsalze der aromatischen
Säuren neben den Benzolkohlenwasserstoffen Ketone mit zwei gleichartigen oder
ungleichartigen aromatischen Resten:
2(C^U^'C0^)^Cb, = 2C6H5.CO.CeH5 4- 2C0aCa
Benzoesaures Calcium Diphenylketon
(Benzophenon).
(C6H5.C02),Ca 4- (C6H^.CH3.C02),Ca =^ 2C6H,.CO.C6H4.CH, -h 2C03Ca
Benzoes. Calcium Toluylsaures Calcium Phenyltolylketon.
Derartige Ketone geben die aromatischen Säuren (oder ihre Anhydride) auch,
wenn man sie mit Benzolkohlenwasserstoffen und Phosphorsäureanhydrid auf 200^
erhitzt (KoLLARrrs u. Merz, Ber. 1873, pag. 446, 536):
CgHg.COjH -4- CgHg -4- P^Os = CgH^.CO.CgHj ^ 2PO3H
Benzoesäure Benzol DiphenylketoiL
Indirekt durch Wasserstoffaddition zu den Aldehyden, theilweise auch direkt
durch Einwirkung von nascirendem Wasserstoff auf die Säuren selbst können
diese in die entsprechenden aromatischen Alkohole übergeführt werden:
CgHj.CHO -h Hj = CßHßCHjOH
Benzaldehyd Benzylalkohol.
CgHs-COsH -f- 2Hj = CgHg.CHjOH -h H^O
Benzoesäure Benzylalkohol.
Die Addition von Wasserstoff zu den Ketonen führt zu den secundären
Alkoholen:
CßHj.CO.CHs 4- Hj = C6H5.CH(OH).CH3
Acetophenon Secund. Phenyläthylalkohol.
Werden aromatische Säuren mit Phosphorpentachlorid oder ihre Salze mit
Phosphoroxychlorid erhitzt, so entstehen die Säurechloride:
24 Handwörterbuch der Chemie.
CeHj.COjH -f- PClß = CeHs-COCl -4-HCl 4- POCl,,
2C6Hr.CO,K -f- POCla == SCgHß.COCl -H PO3K -h KCl
Benzoes. Kalium Benzoylchlorid.
Die Ueberftihrung der aromatischen Säuren in ihre Amide geschieht meistens
durch Behandlung ihrer Chloride oder Bromide mit Ammoniak oder kohlensaurem
Ammoniak, oder durch Erhitzen ihrer Aether mit Ammoniak:
CeH,.COCl -h 2NHj = C^HgCCNHj 4- NH^Cl
Benxoylchlorid Benzamid.
CgHB.COj.CjHj 4- NHa = CeHj.CO.NHj 4- CaH^-OH
Benzols. Aethyläther Benzamid.
Aus den Amiden und aus den Ammoniaksalzen der aromatischen Säuren
entstehen beim Erhitzen derselben für sich oder mit wasserentziehenden Mitteln
(Phosphorsäureanhydrid, Phosphorpentasulfid, Zinkchlorid) die Nitrile:
CßHj.CONH, = C^H^CN 4- HjO
Benzamid Benzonitril.
Sie können als Cyanderivate der um ein Kohlenstoifatom ärmeren Benzol-
kohlenwasserstoffe angesehen werden und dienen, aus diesen dargestellt, vielfach
zur Synthese aromatischer Säuren.
Die Säurechloride geben mit Kaliumsulfid Thiosänren:
CeH^.COCl 4- K,S = CeHß.COSK 4- KCl
Benzoylchlorid Thiobenzoes. Kalium.
2. Wenn die Carboxylgruppe sich in den aromatischen Säuren nicht unmittel-
bar am Benzolrest, sondern am Ende einer längeren Seitenkette befindet, so ist
bei Einwirkung von Chlor oder Brom ausser einer Substitution im Benzolrest
auch eine solche in dieser Seitenkette möglich:
CeH5.CHj.COjH CßH^BrCHj.COjH C^HR.CHBr.COjH
Phenylessigsäure Bromphenylessigsäure Phenylbromessigsäure.
Die Substitution findet vorzugsweise im Benzolrest statt, wenn die Halogene
in der Kälte, dagegen in der Seitenkette, wenn dieselben in der Hitze auf die
Säuren einwirken.
Die in die Seitenkette eingetretenen Halogenatome sind in gleicher Weise
der Ersetzung durch einwerthige Atomgruppen fähig, wie in den chlorirten Säuren
der Essigsäurereihe. Durch Einwirkung von Alkalien auf derartig monosubstituirte
aromatische Säuren entstehen also aromatische Alkoholsäuren, durch Ein-
wirkung von Ammoniak phenylirte Amidosäuren:
CgH8.CH(0H).C0jH = Phenylglycolsäure (Mandelsäure),
C6H5.CH(NH),.COjH = Phenylamidoessigsäure.
Durch Oxydation der Alkoholsäuren mittelst Salpetersäure können Keton-
säuren entstehen, wie z. B. aus der Mandelsäure die Benzoylameisensäure,
CeHj.COCOjH.
Wenn die saure Seitenkette eine CH-Gruppe enthält, so kann durch Oxyda-
tion mittelst Kaliumpermanganats direkt Hydroxyl an die Stelle des tertiären
Wasserstoffatoms gebracht werden. Es gelingt so z. B. die UeberfÜhrung der
Hydratropasäure, CßH^-CH C] qq'h »n Atrolactinsäure, CgHsCOHC; ^q»j^.
Bei Seitenketten von mehr als zwei Kohlenstoffatomen existiren ausser den
gesättigten Säuren wasserstoffärmere, die durch nascirenden Wa.sserstoflf
(Natriumamalgam) in jene gesättigten Säuren, durch Halogenwasserstoffsäuren in
deren Monosubstitutionsprodukte tibergeführt werden können:
CeHa.CHiCHCOgH 4- HBr = CßHftCHj.CHBrCOjH
Zimmtsäure (Phenylacrylsäure) a-Bromhydrozimmtsäure.
Aromatische Säuren. 25
Die letzteren geben beim Erhitzen, resp. beim Erhitzen mit Alkalien wieder
die wasserstof!anneren Säuren:
CeHsCH^CHBrCOjH = CeHsCHiCH.COjH -h HBr
oc-Bromhydrozimmtsäure Zimmtsäure.
In gleicher Weise können die Monosubstitutionsprodukte dieser wasserstofi-
ärmeren Säuren noch wasserstoflärmere liefern:
CgHjCHrCBrCOjH = CßHj.C-CCOjH -f- HBr
Bromzimmtsäare PheDylpropiolsäure.
Die Einführung weiterer aromatischer Kohlenwasserstoflfreste in längere,
saure Seitenketten aromatischer Säuren gelingt durch Erhitzen der in diesen
Seitenketten bromsubstituirten Säuren mit Benzolkohlenwasserstofifen und Zinkstaub
(ZiNCRE u. Symons, Ber. 1873, pag. 1188):
CeHsCHBrCOjH -f- C^Hß = CgH.CHC ctfk "^ ^^^
Phenylbromessigsäure Benzol Diphenylessigsäure.
CeHj.CHBrCOjH H- CeHj-CHa = CßHj.CHC; ccTh^^* '^ ^^'
Phenylbromessigsäure Toluol Tolylphenylessigäüire.
3. Sind ausser den carboxylhaltigen Seitenketten noch KohlenwasserstofT-
ketten vorhanden, so lassen sich diese, wie in den entsprechenden aromatischen
Kohlenwasserstoffen selber, oxydiren, wodurch die sie enthaltenden aromatischen
Säuren in mehrbasische tibergeführt werden:
C,H3 ^ CH, CeHa ^ CO^H C«H, ^ CO,H
^CO,H ^COjH ^COjH
Mesitylensäure Uvitinsäure Trimesinsäure.
in. Von tiefer greifenden Veränderungen der aromatischen Säuren
haben diejenigen ein allgemeineres Interesse, bei welchen ohne Zerstörung des
Benzolkems eine Abspaltung oder ein Hinzutreten von Carboxylgruppen stattfindet
Aus allen aromatischen Säuren werden die Carboxylgruppen abgespalten,
wenn man die Salze der Säuren mit Alkalien, alkalischen Erden, oder besser
mit Natronkalk stark erhitzt Es entstehen kohlensaure Salze und aromatische
Kohlenwasserstoffe, deren Bildung auf diesem Wege ganz der Entstehung des
Methans aus essigsauren Salzen entspricht:
CeHr,.COaK -h KOH = COjKa -h CgH«
Benzol. Kalium Benzol.
/CH3
CeH,-COaK -h 2K0H = 2CO8K2 H- CeHj-CH,
"^COjjK
Uvitins. Kalium ToluoL
CrCCOsK)^ -h 6KOH = eCOjKj H- CgH«
Melliths. Kalium BenzoL
CeHj.CHj.COjK -h KOH= CO3K, H- CgHs-CH,
Phenylessigs. Kalium Toluol.
CeHj.CHrCHCOgK -h KOH = COjK, -h CgHs^CHiCH,
Zimmtsaures Kalium Styrol.
Bei Säuren, welche mehrere Carboxylgruppen enthalten, kann diese Reaction
durch Einhalten bestimmter Bedingungen mitunter so geleitet werden, dass nicht
alle jene Gruppen abgespalten,^ dass also nicht Kohlenwasserstoffe, sondern aro-
matische Säuren geringerer Basicität gebildet werden:
^ Cd ^
SCgH^C co'^ ^* "*- Ca(C>H)8 = (C6H5.COs),Ca -h SCOjCa
Phtalsaures Calcium BenzolSs. Calcium.
36 Handwörterbuch der Chemie.
CH
2C,H,^CO*- Ca + Ca(OH), = (CgH.CcO*) ^* "^ 2C0,Ca
Uvitins. Calcium Metatoluyls. Calcium.
Nur sehr schwierig und anscheinend keineswegs in allen Fällen lässt sich
durch Ueberhitzen mit concentrirter Salzsäure (bei 250—300'') Kohlensäure aus
den aromatischen Säuren abspalten.
Jenem Abbau der aromatischen Säuren bis zu den Kohlenwasserstoffen steht
ihr Aufbau aus den letzteren nach den unter 3—7 angegebenen Methoden gegen-
über. Auf grössere Schwierigkeiten stösst diejenige Synthese, welche dem Abbau
höherer aromatischer Säuren zu solchen von geringerer Basicität entgegengesetzt
ist Es gelingt z. B. nicht, die unter 3, 5, 7 verzeichneten sjmthetischen Methoden
dadurch für die Gewinnung zweibasischer aromatischer Säuren aus einbasischen
zu verwerthen, dass man anstatt von den betreffenden Substitutionsprodukten
der Kohlenwasserstoffe von den entsprechenden Derivaten einbasischer Säuren
ausgeht. Nur die Reaction von V. Meyer mit ameisensaurem Natrium hat sich,
wenigstens in einigen Fällen, für diesen Zweck als anwendbar erwiesen (V. Meyer,
Ber. 1870, pag. 114; 187 1, pag. 260):
C«H4 C so/nJ + CHO,Na = SO,NaH + C,H, C cojS
Metasttlfobenzoes. Natrium Isophtalsaures Natrium,
CgH^ C B?''^* -t- CHOjNa = NaBr + CgH, ^ Co'h*
MetabrombenxoSs. Natrium Isophtalsaures Natrium.
In gleicher Weise soll aus Parasulfobenzoesäure Terephtalsäure entstehen
(Remsen, Ber. 1872, pag. 379).
Aus aromatischen Säuren mit längerer, saurer Seitenkette wird durch Oxydation
(z. B. mittelst Chromsäure) diese Seitenkette soweit abgespalten, dass die neue
Carboxylgruppe sich unmittelbar am Benzolring befindet. Es entstehen also
niedere Homologe der ursprünglichen Säuren, von gleicher Basicität wie diese:
CfiH5.CHj.COjH 4- 30 = CeHß.COjH 4- COj, 4- HjO
PheDylessigsäure Benzoesäure,
CfiH,.CHa.CHa.COaH 4- 20 == CßH^.COjH -t- CHaCOjH
Hydrozimmtsäure Benzoesäure.
Die umgekehrte Reaction, die Verlängerung saurer Seitenketten, lässt sich
dadurch herbeiführen, dass die Cyanide der Säureradieale durch concentrirte
Salzsäure in die Ketonsäuren (als deren Nitrile sie zu betrachten sind) verwandelt,
und diese Ketonsäuren durch Erhitzen mit Jodwasserstoff reducirt werden:
C^Hj.CO.CN 4- 2U^O 4- HCl = CgHj.CO.COjH 4- NH^Cl
Benzoylcyanid Benzoylameisensäure,
CeHj.COCOjH 4- 4HJ = CeHj.CHjj.COaH 4- H,0 4- 2J,
Benzoylameisensäure Phenylessigsäure.
Allgemeine Eigenschaften. Die aromatischen Säuren sind meistens
feste, krystallisirbare Verbindungen, die sich, mit Ausnahme gewisser mehrbasischer
Säuren, bei denen in der Hitze Anhydridbildung oder Kohlensäureabspaltung
stattfindet, unverändert destilliren oder sublimiren lassen. Die einbasischen sind
auch schon mit Wasserdämpfen mehr oder weniger leicht flüchtig und lassen sich
mit Benutzung dieser Eigenschaft von allen mehrbasischen vollständig trennen.
In Wasser sind von den aromatischen Säuren nur einige mehrbasische oder mehr-
atomige, wie Trimellithsäure, Prehnitsäure, Mellithsäure, Tropasäure, Mandel-
säure etc. leicht löslich, die übrigen werden wenigstens in der Kälte nur wenig
Aromatische Säuren. 27
gelöst, so dass sie sich aus den Lösungen ihrer Salze durch Mineralsäuren fallen
lassen. Mit den Alkalimetallen bilden die aromatischen Säuren meistens sehr
leicht lösliche, mit den Schwermetallen grösstentheils sehr schwer lösliche oder
unlösliche Salze. Besonders gut krystallisirbar pflegen, wenigstens bei den ein-
basischen Säuren, die Calciumsalze zu sein.
Von einzelnen aromatischen Säuren sollen an dieser Stelle diejenigen be-
sprochen werden, welche nur einen Benzolrest enthalten und nicht in besonderen
Artikeln dieses Handwörterbuchs, oder unter allgemeineren Rubriken (wie
Phenolsäuren, Ketonsäuren etc.) oder endlich bei den Kohlenwasserstoffen, von
denen sie sich ableiten, Erwähnung finden:
Aethylbenzoesäuren, CgH^C^Q^Jj.
Bekannt sind die Para- und die Orthosäure. Die Para-Aethylbenzo^-
säure wurde erhalten durch Oxydation des Para-Diäthylbenzols mittelst ver-
dünnter Salpetersäure (Fittig und König, Ann. 144, pag. 290) und aus Para-
bromäthylbenzol durch Einwirkung von Natrium und Kohlensäure (Thorpe und
£ekul£, Ben 1869, P^S- 421)-
Wenig in kaltem, reichlicher in siedendem Wasser, leicht in Alkohol und
Aether löslich. Aus heissem Wasser in Blättchen, aus Alkohol in kleinen Prismen
krystallisirend. Schmp. 110 — 111°. Die Säure schmilzt auch unter siedendem
Wasser, sublimirt schon unter ihrem Schmelzpunkt und ist mit Wasserdämpfen
leicht destillirbar. Bei weiterer Oxydation liefert sie Terephtalsäure.
Ihr BariumsaU, (C9H90,),Ba + 2H,0, bildet leicht lösliche, dUnne Blättchen, die
schon Ober Schwefelsäure verwittern. Das Kupfersalz wird als hellblauer, amorpher Nieder-
schlag, das Silbersalz als weisser, aus heissem Wasser in Nadeln krystallisirender Niederschlag
erhalten.
Die Ortho-Aethylbenzoesäure entsteht durch Reduction der Acetophenon-
PO PH PO
carbonsäure, CeH^CTco' H ' sowie der Phtalylessigsäure, C6H4C;^q;;:;CH.CO,H,
mittelst Jodwasserstoff und rothem Phosphor bei 180° (Gabriel und Michael,
Ber. 1877, pag. 2206). Der Benzoesäure ähnliche Blättchen oder Schüppchen.
Schmp. 62*".
Das Silbersalz krystallisirt aus warmer Lösung in langen, feinen Nadeln.
CH
Toluylessigsäuren. (Alphaxylylsäuren), C6H4Clr;H^-CO H ^^^ diesen
der Phenylessigsäure homologen Säuren wurde zuerst die Metatoluylessigsäure
von VoLLRATH (Ann. 144, pag. 265), aus Xylylchlorid durch Kochen mit Cyan-
kalium und Zersetzung des Nitrils mit Natronlauge gewonnen. Radziszewski u.
WisPEK (Ber. 1882, pag. 1743), gingen später von den aus den reinen Xylolen
gewonnenen Xylylbromiden aus, um auf analoge Weise alle drei Toluylessigsäuren
darzustellen:
Orthotoluylessigsäure. Lange, seideglänzende Nadeln, in kaltem Wasser
schwer, in heissem leicht löslich. Schmp. 85,5 — 86°.
Calciumsalz. (C9HjOj)jCa -j- 4H3O. Sternförmig vereinigte, seideglänzende Nadeln.
Silbersais. Weisser Niederschlag, aus heissem Wasser in Blättchen krystallisirend. Blei-,
Kupfer- und Eisenoxydsalz sind denen der isomeren beiden Säuren durchaus ähnlich.
Metatoluylessigsäure. Atlasglänzende Nadeln, in heissem Wasser leicht,
in kaltem schwer löslich. Schmp. 53— 54^
Ihr Calciumsalz, {Cgll^O^)^^^'^ ZH^O, krystallisirt aus concentrirter wässriger Lösung
l8 Handwörterbuch der Chemie.
in warzenförmigen Aggregaten seideglänzender Nadehi. Das Blei salz bildet einen weissen,
käsigen, das Kupferss^lz einen hellgrünen, das Eisenoxydsa^z einen röthlich gelben Nieder-
schlag. Das Silbersalz wird käsig gefällt; es krystallisirt aus hetssem Wasser in Nadeln.
Paratoluylessigsäure. In kaltem Wasser wenig, in heissem leicht löslich.
In Nadeln, oder aus concentrirter, heisser, wässriger Lösung ähnlich der Phenyl-
essigsäure in glänzenden Blättchen kiystallisirend. Schmp. 89°.
Das Calciumsalz, (C9HjO,),Ca -j- 3HjO, scheidet sich beim freiwilligen Verdunsten
aus seiner concentrirten Lösung in sternförmig vereinigten, seideglänzenden Nadeln ab. Blei-,
Rupf er- und Eisenoxydsalz gleichen den betreffenden Salzen der Metasäure. Das Silber-
salz ist ein in heissem Wasser leicht löslicher und beim Erkalten in glänzenden, dünnen Nadeln
Icrystallisirender Niederschlag.
CH
Hydratropasäure*) (a-Phenylpropionsäure), CgHj'CHC^QQ'jj.
Produkt der Einwirkung von Natriumamalgam und Wasser auf Atropasäure
(i, 2). Die Säure ist ölartig, erstarrt noch nicht bei — 20°, siedet bei 264—265°
und verflüchtigt sich mit Wasserdämpfen leichter als die Atropasäure.
Ihr Calci um salz ist leicht löslich, krystallisirt beim Erkalten seiner Lösung in undurch-
sichtigen Nadeln mit 2H2O, beim Verdunsten der kalten Lösung in langen, durchsichtigen
Nadeln mit SH^O. Das Silbersalz krystallisirt aus siedendem Wasser in kleinen Schuppen.
Substitutionsprodukte der Hydratropasäure entstehen u. A. durch Addition
von Halogenen oder Halogenwasserstoflfsäuren zur Atropasäure (2, 3).
CH
a-Chlorhydratropasäure, CgHj-CClCl qq^H' ^^^ durch Einwirkung
rauchender Salzsäure auf Atrolacdnsäure erhalten (3). Sie ist aus Ligroin kr3rstalli-
sirbar. Schmp. 73—74°. Bei 110° zersetzt sie sich. Beim Kochen mit kohlen-
sauren Alkalien giebt sie wieder Atrolacdnsäure, wobei kein Styrol entsteht
p-Chlorhydratropasäure, CgHj-CHC^^Qjj, entsteht beim Behandeln
der Tropasäure mit Phosphorpentachlorid (4), beim Erhitzen von Acetophenon-
cyanhydrin mit concentrirter Salzsäure auf 130° (s, 6) und beim Erhitzen von
Atropasäure mit Salzsäure (3). Leicht löslich in Alkohol, Aether, Benzol und
heissem Chloroform, schwerer in Ligroin und in heissem Wasser. Aus letzterem
wird die Säure zunächst ölig ausgeschieden, worauf sie zu Nadeln erstarrt. Beim
Erkalten ihrer Lösung in Schwefelkohlenstoflf krystallisirt sie in anscheinend recht-
winkligen Täfelchen, aus der Chloroformlösung auf Zusatz von Ligroin in glänzen-
den Prismen. Schmp. 88—89°. Erst bei etwa 170° tritt Zersetzung ein. Beim
Erhitzen mit kohlensauren Alkalien entsteht Tropasäure neben Styrol (5, 3), beim
Kochen mit Natronlauge Atropasäure.
a-Bromhydratropasäure (2, 3, 7), CgHs-CBr^QQ^jj, entsteht neben
der isomeren ß-Säure bei Einwirkung gesättigter BromwasserstofFsäure auf Atropa-
säure bei gewöhnlicher Temperatur. Rein erhält man sie aus einer Lösung von
Atrolacdnsäure in kalter Brom wasserstoffsäure (7, 3), aus welcher Lösung sie sich
nach kurzer Zeit in kleinen Krystallen abscheidet. Ihre Lösung in Schwefel-
kohlenstoff giebt beim Ueberschichten mit Ligroin grosse, durchsichtige Tafeln.
Schmp. 93—94°. In wenig höherer Temperatur tritt Zersetzung ein. Mit kohlen-
♦) 1) Kraut, Ann. 148, pag. 242. 2) FrrriG u. Wurster, Ann. 195, pag. 145. 3) Mer-
LiNG, Ann. 209, pag. i. 4) Ladenburg, Ber. 1879, pag. 948. 5) Spiegel, Ber. 1881, pag. 236.
6) RÜGHBIMER, Ber. 1881, pag. 449. 7) Frrrio u. Kast, Ann. 206, pag. 28. 8) Tiemann u.
KÖHLB&, Ber. 1881, pag. 198 1.
Aiomadsche Säureiu 29
sauren Alkalien giebt die Säure Atrolactinsäure. Styrol entsteht dabei nicht
Ganz ebenso wirkt Ammoniak, ohne dass dabei eine Amidosäure gebildet würde.
ß-Bromhydratropasäure, CßHj-CHC^PQ^jj, entsteht fast ausschliesslich
bei der Einwirkung kalt gesättigter Bromwassersto£fsäure auf Atropasäure bei 100^
(3). Sie krystallisirt aus heissem Schwefelkohlenstoflf sehr leicht in kleinen, eben-
falls bei 93 — 94^ schmelzenden Prismen, die erst bei etwa 150^ Zersetzung erleiden.
Mit kohlensauren Alkalien entsteht Tropasäure, mit Ammoniak die entsprechende
Amidosäure.
Dibromhydratropasäure, C9HgBr20}, bildet sich leicht bei Einwirkung
Yon Brom auf Atropasäure in Schwefelkohlenstoffiösung. Sie krystallisirt aus
dieser Lösung in langen, seideglänzenden Nadeln, die bei 115 — 116^ schmelzen.
Bei längerem Erhitzen mit wenig Wasser giebt sie u. A. Monobromatropasäure;
beim Kochen mit viel Wasser oder beim Erwärmen mit Sodalösung zerfällt sie
in Acetophenon, Kohlensäure und 6romwassersto£f (2).
Tribromhydratropasäure, CjHjBrjOj, durch Addition von Brom zur
Monobromatropasäure entstehend, krystallisirt aus Ligroin in kleinen, glänzenden,
bei 150° schmelzenden Nadeln (2).
CH
a-Amidohydratropasäure (8), CgHs'CNH^dro'H' ^^ Nitril dieser
Säure erhält man als gelbbraunes Oel beim Erhitzen von Acetophenoncyanhydrin
mit alkoholischem Ammoniak auf 60—80°. Durch Verseifung des Nitrils mit
Salzsäure entsteht die in Nadeln krystallisirende Salzsäureverbindung der Amido-
säure. Durch wiederholtes Aufnehmen in absolutem Alkohol lässt sie sich vom
Salmiak trennen. Aus ihrer Lösung in absolutem Alkohol wird durch vorsichtigen
Zusatz von Ammoniak die freie Amidosäure gefällt. Diese ist sehr leicht löslich
in Wasser, last unlöslich in absolutem Alkohol und Aether. Durch Verdunsten
der wässrigen Lösung erhält man sie in weissen, atlasglänzenden, federartig ver-
zweigten Nadeln, die um 260° sublimiren, ohne zu schmelzen. Durch Erhitzen
ihrer Salzsäureverbindung mit der berechneten Menge salpetrigsauren Natriums
in wässriger Lösung wird die a-Amidosäure glatt in Atrolactinsäure übergeftihrt
CH »NH
ß-Amidohydratropasäure, C^Hj-CHC^^q^jj *, entsteht durch Ein-
wirkung von Ammoniak auf ß-Bromhydratropasäure (3). Schwer löslich in kaltem,
sehr leicht in heissem Wasser, woraus sie in glänzenden Blättern krystallisirt
Schmp. 169—170°.
Atropasäure, CßH^-CC^Tro^H' ^^^"^^^ ^^^ der Zimmtsäure, wurde zuerst
neben Tropin als Spaltungsprodukt des Atropins erhalten, beim Kochen des
letzteren mit heiss gesättigtem Barytwasser, oder unreiner beim Erhitzen desselben
mit concentrirter Salzsäure (Kraut, Ann. 128, pag. 280). Sie ist das Produkt der
Wasserabspaltung aus der hierbei zunächst entstehenden Tropasäure, C^Hs*
CH "OH
CHC^QQ^TT , aus welcher sie am leichtesten durch mehrstündiges Erhitzen
mit gesättigter Barytlösung auf 130° rein erhalten wird (Lossen, Ann. 138, pag. 230).
CH
Sie entsteht auch aus der Atrolactinsäure, CeH5-C(OH)C![co*H' ^^™ Kochen
mit massig verdünnter Salzsäure (Ladenburg u. Rügheibcer, Ber. 1880, pag. 376).
Die Säure löst sich in 700—800 Thln. Wasser von gewöhnlicher Temperatur,
leicht in Alkohol. Aus ersterem krystallisirt sie in Nadeln, aus letzterem in
30 Handwörterbuch der Cheinie.
monoklinen Tafeln. Sie schmilzt bei 106,5°, ist bei 75 Millim. Druck (Siede-
punkt 202—204*^) unter nur geringer Zersetzung destillirbar, mit Wasserdämpfen
schwer flüchtig.
Das Kaliumsalz bildet glänzende, in Weingeist lösliche BiSttchen. Das Silbersalz
krystallisirt aus heissem Wasser in Warzen, das Calci umsalz mit 2H3O in Nadeln.
Beim Erhitzen mit Chromsäure giebt die Atropasäure Kohlensäure und
Benzoesäure, beim Schmelzen mit Kaliumhydroxyd Ameisensäure und Phenyl-
essigsäure. Bei der Behandlung mit Natriumamalgam und Wasser geht sie durch
Aufnahme von zwei Wasserstoffatomen in Hydratropasäure über. Ebenso ver-
einigt sie sich direkt mit Brom, mit Chlor- oder Bromwasserstoff, sowie mit
unterchloriger Säure zu den entsprechenden gesättigten Verbindungen.
Monobromatropasäure, CßHj-CC^pQ rj. Bildet sich bei längerem Er-
hitzen der Dibromhydratropasäure mit wenig Wasser auf 100°. Sehr wenig lös-
lich in kaltem Wasser, leichter in heissem, woraus sie in feinen Nadeln krystalli-
sirt Schmp. 130°. Die Säure wird auch in alkalischer Lösung durch Kochen
nicht zersetzt
Isatropasäuren, CigH^gO^, Lossen (Ann. 138, pag. 230) beobachtete, dass
bei der Einwirkung von Salzsäure auf Tropasäure ausser der Atropasäure eine
viel höher schmelzende Säure von gleicher Zusammensetzung entstehe, die er
Isatropasäure nannte. Sie ist das Produkt einer Polymerisirung der Atropasäure,
welche auch schon bei längerem Erhitzen der letzteren über ihren Schmelzpunkt
(auf 140 — 160°) oder bei anhaltendem Kochen mit Wasser eintritt (Frmo,
Ann. 19S, pag. 148). Die so erhaltene Säure ist übrigens ein Gemenge von zwei
Isomeren (Fittio, Ann. 206, pag. 34), welche Fittig als a- und ß-Isatropasäure
unterscheidet In weit tiberwiegender Menge entsteht immer die a-Säure. Bei
möglichst schwachem, aber andauerndem Erhitzen der trocknen Atropasäure bildet
sie sich fast ausschliesslich, während ihr, wenn die Umwandlung durch Kochen
mit Wasser erfolgte, relativ grössere Mengen der ß-Säure beigemengt sind. Die
Trennung der beiden Säuren geschieht durch Krystallisaticn aus etwas verdünnter
Essigsäure, woraus sich die a-Säure zuerst abscheidet
a-Isatropasäure. Krusten, oder warzige Aggregate sehr kleiner Krjrstalle.
Schmp. 237°, sehr schwer löslich in Wasser, leichter in Alkohol und Eisessig.
Ihr Calciumsals, C^^H^^O^CtL + ^H^O^ scheidet sich auf Zusatz von Chlorcalcium zur
Amxnoniaksalzlösung allmählich, heim Erhitzen sofort, als undeutlich krystallinischer, fast unlös-
licher Niederschlag ah, der erst bei 200^ langsam sein Krystallwasser verliert.
Das Bari ums alz (^^H^O) ist nicht durch solche Fällung zu gewinnen; beim Verdampfen
seiner Lösung scheidet es sich in Krusten ab, die dann auch in siedendem Wasser sehr schwer
löslich sind.
Der Aethyläther krystallisirt aus absolutem Alkohol in kleinen, weissen Krystallen, die
bei 180—181^ schmelzen.
ß-Isatropasäure. In Eisessig, wie auch in siedendem Wasser und Alkohol
leichter löslich, als die a-Säure. Aus Eisessig krystallisirt bildet die Säure ent-
weder schön ausgebildete, an der Lufl klar bleibende, dicke, vierseitige Tafeln,
die sich von gleichzeitig vorhandener a-Säure mechanisch trennen lassen, oder
grosse Drusen von glänzenden, anscheinend octaedrischen Krystallen, die 1 Mol.
Essigsäure enthalten und dieses an der Luft allmählich verlieren. Aus heissem
Wasser krystallisirt sie wasserfrei in kleinen, quadratischen Tafeln. Schmp. 206^.
Längere Zeit auf 220—225° erhitzt wird die Säure unter Braunfärbung fest, indem
sie sich in die a-Säure verwandelt
Aromatische Säuren. 31
Aus dem Ammoniaksalz erhält man durch Chlorcalcium das Calciums alz (3H,0) nach
längerem Stehen in sternförmig gruppirten, kurzen, dicken Prismen, durch Chlorbarium das
Bariumsalz erst beim Kochen als schweren, aus kleinen Prismen bestehenden Niederschlag.
Der Aethyläther konnte nicht zum Krystallisiren gebracht werden.
Bei allen bisher beobachteten Zersetzungen geben die beiden Isatropasäuren
durchaus dieselben Produkte. Bei der Oxydation durch Chromsäure liefern sie
keine Benzoesäure; sondern Orthobenzoylbenzoesäure und Anthrachinon.
Wird a-Isatropasäure über ihren Schmelzpunkt erhitzt, so tritt lebhafte Gas-
entwicklung ein, und es destillirt eine dicke Flüssigkeit, die aus einem Kohlen-
wasserstoff (dem Atronol, C^eHi^), aus Atronsäure, aus a- und ß-Isatropa-
säure und einer nicht isolirten Säure besteht.
Die Atronsäure, C^yKj^Oj, ist einbasisch. Sie bildet, aus ihren Salz-
lösungen gefallt, ein weisses, amorphes Pulver, aus Alkohol oder Essigsäure
krystallisirt schöne, wasserklare, dicke Prismen. Schmp. 164°.
Ihr Calciurosalz, (CjfHj,02)jCa + SHjO, krystallisirt aus heissem Wasser, worin es
sehr schwer löslich ist, in glänzenden Nadeln; das Barium salz (4HjO) ist weniger schwer löslich.
Eine mit der Atronsäure isomere Säure entsteht durch Einwirkung conc.
Schwefelsäure auf a- oder ß-Isatropasäure bei höchstens 50°. Giesst man nach
Beendigung der Kohlenoxydentwicklung die Flüssigkeit in Wasser und dampft
em, so scheidet sich, anscheinend durch Zersetzung ihrer zunächst entstandenen
Sulfosäure entstanden, die Isatronsäure in unlöslichen Krusten ab. In Alkohol,
Aether und Essigsäure ist diese sehr leicht löslich. Aus heissem verdünntem
Weingeist scheidet sie sich in perlmutterglänzenden Blättchen aus. Schmp. 156
bis 157 ^
Ihr Calciumsalz wird als voluminöser, fast unlöslicher Niederschlag, ihr Bariumsalz
(6H,0) als amorpher, anfangs gallertartiger Niederschlag erhalten, der aus siedendem Wasser
in kleinen, dicken Prismen krystallisirt.
Lässt man bei der Einwirkung der Schwefelsäure auf Isatropasäure die Tem-
peratur schliesslich langsam bis auf 90^ steigen, so findet von Neuem Entwickelung
von Kohlenoxyd statt. Nach Beendigung derselben giebt die Flüssigkeit beim
Eingiessen in Wasser einen weissen Niederschlag von Atronylensulfo säure,
CjgHu'SOgH. Diese kann in Sodalösung gelöst, rasch wieder durch Salzsäure
gefällt und aus 50proc. Essigsäure krystallisirt werden. Sie bildet dann grosse,
wasserklare Prismen, die unter Zersetzung bei ca. 258 ° schmelzen. Ihre Lösung
m Baiytwasser oder kohlensaurem Natrium hält sich im Dunkeln unverändert,
scheidet aber am Licht sehr schnell einen weissen, amorphen Niederschlag von
Atroninsulfon, CigHjoSOj ab, welches aus Alkohol in kleinen, bei 193®
schmelzenden Nadeln krystallisirt erhalten werden kann.
Polyporsäure, C9H7O, (?). Von Stahlschmidt (Ann. 187, pag. 177; 195,
pag. 365) in einer auf kranken Eichenstämmen wachsenden Fofyforus-Axt (zu 43,5 J^
vom trocknen Pilz) aufgefunden und daraus durch Ausziehen mit Ammoniak und
Fällen der dunkelvioletten Lösung mit Salzsäure als ockerfarbener Niederschlag
gewonnen. Unlöslich in Wasser, Aether, Benzol, Schwefelkohlenstoflf, sehr wenig
löslich in Chloroform und in heissem Alkohol, woraus die Säure in kleinen,
schellackfarbenen, rhombischen Tafeln mit lebhaftem Bronzeglanz krystallisirt
Sie schmilzt nahe über 300° und sublimirt unter theilweiser Zersetzung in mikros-
kopischen Blättchen.
Von den Salzen sind nur diejenigen der Alkalimetalle, und zwar mit purpuirodier Farbe,
in Wasser löslich. Durch überschüssige Kalilauge werden sie gefWt. Der aus dem Silbersak
gewonnene Methyl ät her, C^H^O^'CH,, krystallisirt beim Verdunsten seiner alkoholischen
32 Handwörterbuch der Chemie.
Lösung in schönen, morgenrothen, monoklinen Krystallen mit purpurviolettem Reflex. Schmelz-
punkt 187°. Der Aethyläther bildet orangerothe, bei 134® schmekende Prismen.
Mit Salpetersäure liefert die Polyporsänre neben Benzoesäure eine bei 230**
schmelzende Nitropolyporsäure. Beim Erhitzen des polyporsauren Kaliums
mit Zinkstaub entsteht Benzol. Bei anhaltendem Kochen mit Kalilauge bildet
die Polyporsäure ohne Kohlensäureabspaltung eine bei 156° schmelzende unlös-
liche Säure von der Formel CjoHjO und die in heissem Wasser leicht lösliche
Hydropolyporsäure, C^H^O^, welche bei 162° schmelzende, farblose Nadeln
bildet. Von letzterer wurden verschiedene Salze und Aether dargestellt.
Durylsäure, C€H,.(CH3)j.C0jH (i, 2, 4, 5) (Cumylsäure). Erstes Produkt
der Oxydation des Durols durch verdünnte Salpetersäure (Jannasch, Zeitschr. f.
Chem. 1870, pag. 449). Die Säure entsteht auch beim Schmelzen von pseudocumol-
schwefelsaurem Kalium mit ameisensaurem Natrium (Reuter, Ber. 1878, pag. 31).
Fast unlöslich in kaltem, sehr schwer löslich in heissem Wasser, ziemlich leicht
in Benzol, sehr leicht in Alkohol und Aether. Aus Benzol in langen, harten
Nadeln, aus Alkohol in compacteren Prismen krystallisirend. Schmp. 149 — 150**.
In langen, sehr feinen Nadeln sublimirbar; mit Wasserdämpfen flüchtig.
Das Bari um salz, (Ci^HnO,),Ba4-7H30, bildet klare, über Schwefelsäure verwitternde,
tafelförmig Prismen, das Calciumsalz (2H,0) kleine, zu Warzen vereinigte Krystalle.
Isodurylsäuren, C6H2-(CH3)3«C03H. Durch Oxydation des Isodurols
mittelst Salpetersäure entstehende einbasische Säuren. Von ihnen stellte Biele-
feld (Ann. 198, pag. 380) die a-Isodurylsäure und ausserdem ein bei 120 — 130**
schmelzendes, als ß-Isodurylsäure bezeichnetes Gemenge dar. Jacobsen (Ber. 1882,
pag. 1853) zeigte, dass bei jener Oxydation alle drei möglichen Isodurylsäuren ent-
stehen. Aus dem mit Wasserdämpfen destillirten Gemenge derselben isolirt man
die a-Isodurylsäure durch Krystallisation ihres Bariumsalzes. Die aus der un-
krystallisirbaren Mutterlauge jenes Bariumsalzes gefällten beiden anderen Säuren
lassen sich durch fractionirtes Krystallisiren aus Petroleumäther trennen, worin
die ß-Isodurylsäure schwerer löslich ist.
a-Isodurylsäure, C6Ha.CH8-CH8-CH3-CÖ2H, die Säure krystallisirt aus
siedendem Wasser, worin sie nur sehr wenig löshch ist, in mikroskopischen
Nadeln, aus Alkohol in compacten Prismen, beim Verdunsten ihrer ätherischen
Lösung in grossen, durchsichtigen, monoklinen Krystallen. Sie sublimirt in
schönen, langen Nadeln. Schmp. 215—216°. Bei der Destillation mit Kalk
entsteht Hemellithol.
BariumsaU, (CjDHjiO,),Ba + 4H,0. Die ziemlich concentrirte Lösung erstarrt beim
Erkalten zu einer voluminösen, welchen Krystallmasse, die aus langen, feinen, bttschelförmig
vereinigten Nadeln besteht
Strontiumsalz (ÖH,0). Lange, feine, seideglänzende NadelbUschd.
Calciumsalz (5H,0). Aus feinen Nadeln bestehende Grappen.
p-Isodurylsäure, CioHijOj: CßHjCHsCHj.CH^CÖjH, kiystallisirt
beim Verdunsten ihrer Lösung in Petroleumäther in kleinen, harten, durch-
sichtigen, glänzenden Prismen. Schmp. 151**. Bei der Destillation mit Kalk
liefert sie Mesitylen.
IhrCalciumsalz ist in der Hitze kaum löslicher, als in der Kälte. Es scheidet sich beim
Verdampfen seiner Lösung plötzlich als krümlig krystallinische Masse ab, die aus sehr kleinen
Naddn besteht und 2 MoL Krystallwasser enthält.
7.Isodurylsäure, CioHi,0,:C«Hj.c'H,.CH,.ckj.c6jH. Die Säure
wird aus kalten Salzlösungen durch Salzsäure in krystallinischen Flocken, aus
Aromatische Säuren. 2%
massig wannen Lösungen zunächst ölig, aus kalter weingeistiger Lösung durch
Wasser in deutlichen Nadeln gefallt. Sie wird von heissem Wasser ziemlich reich-
lich gelöst. Schmp. 84 — 85°. Bei der Destillation mit Kalk liefert sie Pseudocumol.
Ihr Calci umsalz scheidet sich beim Verdampfen seiner Lösung an der Oberfläche in
schneeweissen, dichten Krusten ab, die aus mikroskopischen Nadeln bestehen und 2 Mol. Krystall-
wasser enthalten. Das Bariumsalz ist nicht krystallisirbar. Die concentrirte Lösung des
Kaliumsalzes erstarrt in der Kälte gallertartig.
x^C H
Propylbenzoesäuren, CjoHigO^iCgH^ q^ U. Bekannt sind: Para^
Isopropylbenzoesäure (Cuminsäure) (s. unter Cumol), Para-Propylbenzoesäure und
Ortho-Propylbenzoesäure. Die Para-Propylbenzoesäure ist durch Oxydation des
Propylisopropylbenzols (Paterno und Spica, Ber. 1877, pag. 1746) und des Para-
dipropylbenzols (Körner, Ber. 1878, pag. 1866), mittelst verdünnter Salpetersäure
erhalten worden. Sie ist schwer löslich selbst in siedendem Wasser, leicht löslich
in den andern gewöhnlichen Lösungsmitteln. Aus heissem Wasser krystallisirt
sie in glänzenden Blättchen, aus Alkohol etc. in compacteren Krystallen des
monoklinen Systems. Sie schmilzt bei 140^ und sublimirt in langen, flachen
Nadeln, ist auch mit Wasserdämpfen leicht flüchtig.
Das Bariumsalz, (2H,0), bildet einigermaassen schwer lösliche, grosse, atlasglänzende
Blätter, das Calciumsalz, (dH^O), leichter lösliche, feine Nadehi. Das Ammoniaksalz ist
kiystallinisch, auch in Alkohol und Aether löslich. Schwermetallsalze werden durch seine Lösung
gefiUt.
Ortho-Propylbenzoesäure entsteht durch Reduction der Phtalylpropion-
säure mittelst Jodwasserstoff und amorphem Phosphor bei 200° (Gabriel und
Michael, Ber. 1878, pag. 10 14). Sie krystallisirt aus verdünntem Alkohol in
feinen Blättchen. Schmp. 58°.
Methylbenzylessigsäure, C^QH^oO/.C^UyCH^'CH^^^^^^, Durch
Verseifung des Methylbenzylacetessigäthers mit höchst conc. Kalilauge erhalten
(Conrad, Ber. 1878, pag. 1057). In kaltem Wasser schwer lösliche Krystallmasse.
Schmp. 34°. Siedep. 275°.
Die Lösung des Natriumsalzes f^t Barium- und Calciumsalze nicht, wohl aber Zink-,
Kupfer- und Silbersalze.
Der Benzyläther der Säure ist eine bei 332° siedende, angenehm aromatisch riechende
Flassigkeit
Phenylisobuttersäure, CioHi302:C6H5«CH2-CH qq^j^, wurde durch
nascirenden Wasserstoff (Natriumamalgam) aus der Phenylcrotonsäure dargestellt
(Conrad u. Hodgkinson, Ann. 193, pag. 317). Farbloses Oel.
Das Bariumsalz ist leicht löslich. Zink-, Kupfer- und Silbersalz sind als Nieder-
schläge zu erhalten.
^ CO H
Propenylbenzoesäure, CioHi^OjiCgH^^^ j| , (R. Meyer, Ber. 1878,
pag.1791, 2173; Ber. 1879, pag. 107 5) entstehtbeim Kochen der Oxypropylbenzoesäure,
C«H- ^ rvrktn/CH,, mit sehr verdünnter Salzsäure. Wenig löslich in heissem,
4\C(OH)^^jj»
fast gar nicht in kaltem Wasser. Schmp. 160°.
Von Salzen wurden untersucht: das Ammoniaksalz: durchsichtige, wasserfreie Tafeln,
das Bariumsalz, (1H,0), weisse, glänzende Blättchen, das Silber salz: wasserfreier Nieder-
schlag, und das Kupfersalz, (7H,0).
Der Methyläther bildet sich nach den gewöhnlichen Methoden direkt aus der Oxypropyl-
benzo€sfture, anstatt des Aethers dieser Säure. Er schmilzt bei 53° und siedet bei 254°.
Laobmbuko, Chemie. 11. 3
34 Handwörterbuch der Chemie.
Natriumamalgam führt die Propenylbenzoesäure in Cuminsäure über.
Durch längeres Kochen mit conc. Salzsäure entsteht aus der Ox)rpropylbenzoe-
säure oder der Propenylbenzoesäure eine mit der letzteren isomere (oder poly-
mere?) Säure. Diese ist in Wasser und Alkohol noch viel schwerer löslich, als
die Propenylbenzoesäure. Sie entfärbt Brom nur sehr langsam und wird durch
Natriumamalgam nicht verändert.
Ihr Silber und Bariumsalz entsprechen in der Zusammensetzung ganz den Salzen der
Propenylbenzoesäure. Ihr Methyläther schmilzt bei 83^ und ist sehr schwer flüchtig.
Phenylcrotonsäure, CioHioOjiCgHj'CHiC pq^xj, ist durch Kochen
von Benzaldehyd mit Propionsäureanhydrid und propionsaurem Natrium (Perkin,
Chem. soc. J. 1877 !•» P^g- 3^8)» sowie durch Einwirkung von Natrium auf Propion-
säure Benzyläther oder Benzylpropionsäure-Benzyläther gewonnen worden (Conrad
u. HoDGKiNSON, Ann. 193, pag. 315). Leicht löslich in Alkohol, Aether, sowie in
siedendem Wasser, woraus sie in feinen Nadeln krystallisirt. Schmp. 82°.
Ihr Bariumsalz bildet in kaltem Wasser schwer lösliche Blättchen, welche Krystallwasser
enthalten. Das Kalium saU krystallisirt in Prismen. Seine Lösung giebt mit Calcium-, Zink-
und Silbersaken krystallinische Niederschläge.
Mit Brom bildet die Säure ein bei 135° schmelzendes Additionsprodukt, eine
Phenyldibrombuttersäure.
Isophenylcrotonsäure nennt Perkin eine mit der vorigen isomere Säure,
CeHj-CHrCH-CHj-COjH, welche er beim Erhitzen von Benzaldehyd mit
Bemsteinsäureanhydrid und bernsteinsaurem Natrium erhielt (Chem. soc. J. 1877
I» pag- 388). Sie krystallisirt aus heissem Wasser in farblosen, bei 83 — 84**
schmelzenden Nadeln. Ihr Silbersalz ist ein voluminöser Niederschlag. Wird
die Säure einige Minuten zum Sieden erhitzt, so entsteht unter Wasserabspaltung
a-Naphtol (Firne, Ben 16, pag. 43).
Cymolcarbonsäure, CnHi^OjZCeHj.CjH^.CHa.cdjH. Bei der Destil-
lation von cymolschwefelsaurem Kalium mit Cyankalium entsteht das Nitril und
hieraus durch Kochen mit alkoholischer Kalilauge das bei 138 — 139° schmelzende
Amid dieser Säure. (Paterno u. Fileti, Gazz. chim. 1875, P^g» 3^)- ^^s dem
Amid wurde durch Erhitzen mit Salzsäure auf 180° die in feinen Nadeln krystalli-
sirende, bei 63° schmelzende Säure dargestellt (Paterno u. Spica, Gazz. chim. 1879,
pag. 400).
/C H
Homocuminsäure, CnHi^OjiCgH^ q|t Iqq tt, (Para-Isopropylphenyl-
essigsäure) ist aus ihrem Nitril, und dieses aus Cuminalkohol durch Ueberfiihrung
in sein Chlorid und Umsetzung mit Cyankalium dargestellt worden (Rossi, Ann.
Suppl. I, pag. 139). Kleine Nadeln, leicht löslich in Alkohol, Aether und siedendem
Wasser. Schmp. 52°. Unzersetzt destillirbar.
Das Kaliumsalz ist zcrfliesslich; das Barium- und das CalciumsaU kiystallisirt in
Nadeln, das Magnesium salz in perlmutterglänzenden Schuppen.
Phenylvaleriansäuren, CnHi^OjiCgHR-C^HaCOjH.
1. Normale Phenylvaleriansäure,C6H5*(CHj)4'COjH, erhält man durch
Erhitzen der Hydrocinnamenylacrylsäure mit Jodwasserstoff in Eisessiglösung auf
160" (Baeyer u. Jackson, Ber. 1880, pag. 122). Schwer löslich in heissem
Wasser, daraus in rhombischen Blättern krystallisirend, die bei 58—59° schmelzen.
Bariumsalz schwer löslich, Silbersalz unlöslich.
/C H
2. Phenyläthylpropionsäure, C^Hj'CH^'CH^^^ ^, entsteht aus der
Aromatische Säuren. 35
Phenylangelikasäure durch Natriumamalgam (Baeyer und Jackson, Ber. 1880,
pag. 118). Farbloses Oel, auch in Kältemischung nur dickflüssig werdend, bei
272° (uncorrig.) siedend.
Bariumsalz leicht löslich, nicht krystallisirbar; Silbersalz fast unlöslich.
Mit rauchender Salpetersäure bildet die Säure Nitroderivate, die nur zum
Theil fest werden. Von diesen liefert die Orthonitrosäure bei der Reduction das
demOxindol homologe Aethylhydrocarbostyril, C^H^^^^'^j^^j^^^^'
als eine bei 87—88** schmelzende, in Alkohol, Aether und Benzol leicht, in
Ligrom und in heissem Wasser schwer lösliche Krystallmasse. Durch Phosphor-
pentachlorid wird daraus Aethylchlorchinolin gebildet.
Cinnamenylacrylsäure, CeHjCHiCHCHiCHCOjH. Durch Erhitzen
von Zimmtaldehyd mit Essigsäureanhydrid erhalten (Perkin, Chem. soc. J. 1877 I.,
pag. 388). Schmp. 165—166°. Krystallisirt aus Alkohol in dünnen Tafeln. Schwer
löslich in Petroleumäther.
Das Natriumsalz ist amorph, nur massig leichtlöslich. Seine Lösung giebt mit Calcium-,
Barium- und Magnesiumsalzen krystallinische Niederschläge, föllt Kupfersalze hellgrün, Eisen-
cUorid hellbraun, Blei- und Silbersalze weiss.
Bei der Behandlung mit Natriumamalgam nimmt die Säure nur zwei Wasser-
stoffatome auf und bildet damit die
Hydrocinnamenylacrylsäure, CeHjCHiCHCHj-CHjCOjH, (Baeyer
u. Jackson, Ber. 1880, pag. 122), welche in einer Kältemischung zu grossen,
farblosen, in reinem Zustande bei 28—29° schmelzenden Blättern erstarrt. Die
Säure gestattet die direkte Addition von Brom und von Bromwassersto£f.
Das Dibromid, CnH^jBrjOj, lässt sich aus einem Gemenge von Petroleum-
äther mit wenig Chloroform in Prismen krystallisiren, die bei 108 — 109° schmelzen.
Die weitere Addition von Wasserstoff lässt sich nicht mittelst Natriumamal-
gam, sondern nur durch Jodwasserstoff bewirken.
Phenylangelikasäure, CgHj'CH'.C^Q^ |j, entsteht beim Erhitzen von
Benzaldehyd mit (Normal-)Butyrylchlorid (Fittig u. Bieber, Ann. 153, pag. 358),
sowie durch Einwirkung von Natrium auf Buttersäure-Benzyläther (Conrad und
HoDGKiNSON, Ann. 193, pag. 319). Aus heissem Wasser in langen Nadeln
krystallisirbar, mit Wasserdämpfen flüchtig. Schmp. 82°.
Ihr Barium- und Calciumsalz sind in kaltem Wasser ziemlich schwer löslich.
Perkin (Chem. soc. J. 1877 L, pag. 388), giebt für die aus Benzaldehyd
durch Erhitzen mit Buttersäureanhydrid und buttersaurem Natrium dargestellte
Phenylangelikasäure den Schmelzpunkt 104° an. Das aus dem öligen Chlorid
dieser Säure gewonnene Amid schmolz bei 128°.
Benzylisobuttersäure. Von dieser Säure ist nur der Benzyläther,
CgH5-CH,'C(CH,)jC02-CHjC6H5, dargestellt, und zwar durch Einwirkung
von Natrium auf erwärmten Isobuttersäurebenzyläther (Hodgkinson, Ann. 201,
pag. 166). Der Benzyläther ist ein bei ungefähr 285° siedendes Oel, welches
sich nur sehr schwierig verseifen lässt und dabei nur Benzoesäure und Isobutter-
säure liefert
v^C H
Cumenylacrylsäure, CgH4 p|j.^qjj.qq jj. Aus Cuminaldehyd und
Essigsäureanhydrid erhalten (Perkin, Chem. soc. J. 1877 !•» pag. 388). Weisse
Nadeln, wenig löslich in Wasser, leicht in Alkohol und in heissem Eisessig.
36 Handwörterbuch der Chemie.
Schmp. 157—158°. Zum Sieden erhitzt zerfallt die Säure in Kohlensäure und
Isopropylvinylbenzol, (C^ ^Hj 4).
Das Ammoniaksalz bildet asbestähnliche Krystalle, das Natriumsalz eine undeutlich
kiystallinische Masse; beide sind nur massig leicht löslich. Das schwer lösliche Calciumsalz
krystallisirt in wasserfreien Nadeln. Bei 100^ nimmt es schnell Sauerstoff aus der Luft auf;
Salzsäure fallt dann aus seiner Lösung eine neue, leicht zersetzliche Säure. Barium- und
Strontiumsalz, (2H2O), erhält man als schwer lösliche Niederschläge. Die Schwermetallsalze
sind meistens unlöslich.
Das Chlorid der Säure bildet eine kristallinische, bei ca. 25° schmelzende Masse; das
Amid krystallisirt aus Alkohol in glänzenden Tafeln, die bei 185 — 186** schmelzen.
Mit Natriumamalgam und Wasser liefert die Säure die
^C H
Cumenylpropionsäure, CßH4^Q|j IcK 'CO H' <i*c ^^s ihrer Eisessig-
lösung durch Wasser in glänzenden, bei 70° schmelzenden Schuppen gefallt wird.
Ihr Barium-, Calcium-, Kupfer- und Silbersalz können durch Fällung erhalten werden.
^P TT
Cumenylcrotonsäure, CßH^^ J^lT^^^/CHj , entsteht beim Erhitzen
von Cuminaldehyd mit Propionsäureanhydrid (Perkin, Chem. soc. J. 1877 L,
pag. 388). Leicht löslich in Alkohol und heissem Petroleumäther, aus letzterem
in schiefen Prismen krystallisirend. Schmp. 90 — 91°.
Cinnamenylangelikasäure, CeHj.CHiCH.CHrC:;^^^!^. Aus Zimmt-
aldehyd und Buttersäureanhydrid gewonnen (Perkin, 1. c). Schmp. 125 — 127**.
Cumenylangelikasäure, C6H4 zijz^' ^CjHg . Aus Cuminaldehyd und
Buttersäureanhydrid dargestellt. Krystallisirt aus heissem Alkohol in farblosen,
bei 123° schmelzenden Nadeln (Perkin, L c).
Vulpinsäure, Cj^gHi^Oj. Bestandtheil der Wolfsflechte (Cetraria vulpina),
woraus sie zuerst von Bäbert abgeschieden wurde (Jouni. de Pharm. 17, pag. 696)
und der gelben Wandflechte (Farmelia parietina) (Stein, Journ. pr. Ch. 91, pag. 100;
93, pag. 366) (BoLLEV, Journ. pr. Ch. 93, pag. 354). Von Möller und Strecker
(Ann. 113, pag. 56) näher untersucht.
Man gewinnt sie aus der Wolfsflechte durch Ausziehen mit sehr verdünnter
Kalkmilch, Fällen des Filtrats durch Salzsäure und Krystallisiren des Niederschlags
aus Aether oder heissem Alkohol. Aus der ätherischen Lösung krystallisirt sie
beim Abkühlen in gelben Nadeln, beim Verdunsten in gut ausgebildeten schwefel-
gelben Krystallen des monoklinen Systems. Unlöslich in Wasser, schwer löslich
in Alkohol, leichter in Aether, sehr leicht in Chloroform. Schmp. 148° (Spiegel).
In höherer Temperatur sublimirt die Säure in Blättchen. Sie schmeckt bitter.
Alkalien lösen die Vulpinsäure mit goldgelber, an der Luft sich nicht ver-
ändernder Farbe. Die Säure ist einbasisch.
Das Ammoniaksalz (2H2O), Kaliumsalz (IH3O) und Bariumsalz (7 H^O) krystalli-
siren in gelben Nadeln; das Silbersalz bildet einen wasserfreien, gelben Niederschlag.
Beim Kochen mit heiss gesättigter Barytlösung zerfällt die Vulpinsäure in
Phenylessigsäure, Methylalkohol und Oxalsäure, beim Kochen mit Kalilauge
(spec. Gew. 1,05—1,15) bildet sie Methylalkohol, Kohlensäure und Oxatolylsäure
(Dibenzylglycolsäure). Von Spiegel (Ber. 1880, pag. 1629) ist die Vulpinsäure als
der saure Methyläther der zweibasischen Pulvinsäure erkannt worden (s. d.).
1.2 4
Piperinsäure, C6Hj.(q^CH2)-CH:CH.CH:CH.COjH. Das Kalium-
Aromatische Säuren. 37
salz dieser Säure scheidet sich in gelblichen Blättchen aus, wenn Piperin mit
alkoholischer Kalilauge anhaltend gekocht (v. Babo u. Keller, Joum. pr. Chem. 72,
pag. 53) und dadurch unter Wasseraufnahme in Piperinsäure und Piperidin ge-
spalten wird: Ci^HijNOj-H H3O = C^ jHiq04 -f- CsKj^N (Strecker, Ann. 105,
pag. 317). Die durch Salzsäure aus der verdünnten Kaliumsalzlösung ausge-
schiedene Säure bildet einen gelben, gallertartigen, aus mikroskopischen Nadeln
bestehenden Niederschlag, nach dem Umkrystallisiren aus Alkohol gelblich
weisse, lange, feine Nadeln, welche bei 216 — 217°, nachdem sie aber einmal
geschmolzen sind, constant schon bei 212 — 213° schmelzen (Fittig u. Mielck).
Nahe über dem Schmelzpunkt sublimirt die Säure unter theilweiser Zersetzung.
Sie ist fast unlöslich in kaltem Wasser, leicht löslich in heissem Alkohol, schwer
löslich in kaltem, noch schwerer in Aether, Benzol und Schwefelkohlenstoff.
Die Salze sind fast alle schwer löslich oder unlöslich. Kaliumsalz: rhombische Blätter,
Natriums alz: schwer lösliches Krystallpulver, Ammoniak salz: atlasglänzende Blätter, Barium-
salz: mikroskopische, erst in 5000 Thln. kaltem Wasser lösliche Nadeln, deren Lösung durch
Kohlensäure vollständig zersetzt wird. Calciumsalz ähnlich, etwas leichter löslich. Die
Schwermetallsalze werden als Niederschläge erhalten.
Durch concentrirte Schwefelsäure wird die Piperinsäure blutroth gefärbt.
Mit nascirendem Wasserstoff giebt sie Hydropiperinsäure, C^jH^O^, mit Kalium-
permanganat Piperonal, CßHjl^Q^CHjj-CHO, während Chromsäure sie voll-
ständig verbrennt. Beim Schmelzen mit Kaliumhydroxyd zerfällt sie in Essigsäure,
Oxalsäure und Protocatechusäure. Mit Brom bildet die in kalt gehaltenem
Schwefelkohlenstoff suspendirte Säure das Tetrabromid, Ci2HioBr^04 (Tetra-
brompiperhydronsäure), ein weisses Pulver, welches bei 160 — 165° unter lebhafter
Zersetzung schmilzt Dasselbe giebt mit verdünnter Natronlauge oder heisser
Sodalösung Bromnatrium und Piperonal, mit kalter Sodalösung oder beim Kochen
mit Wasser das Dibrompiperinid, ein aus Weingeist in glänzenden Prismen
kiystallisirendes, bei 136^ schmelzendes lactidartiges Anhydrid von der Formel
Ci,HgBr,0,.
Durch Einwirkung einer ätherischen Bromlösung auf Piperinsäure und Schütteln
mit Sodalösung entsteht ein in perlmutterglänzenden Blättchen sich ausscheidendes
Natriumsalz, CigH^Br^NaOs -H l^HjO. Salzsäure fällt aus seiner kalten Lösung
die Tetrabromoxypiperhydronsäure, CijHjQBr^Oj, als flockigen, bald
krystallinisch werdenden Niederschlag, aus Weingeist krystallisirbar, bei 155°
unter lebhafter Zersetzung schmelzend, mit Sodalösung in der Kälte wieder das
schwer lösliche Natriumsalz, beim Kochen aber Monobrompiperonal gebend
(FiTTio, Ann. 152, pag. 25; 159, pag. 129; 172, pag. 134).
Hydropiperinsäure, CeH3(Q^CH,)cH,CH8CH:CHCO,H. Produkt
der Einwirkung von Natriumamalgam und Wasser auf Piperinsäure (Foster,
Ann. 124, pag. 115). Wenig löslich in kaltem, reichlicher in heissem AVasser,
sehr leicht in Alkohol und Aether. Aus Alkohol oder heissem Wasser in langen,
seideglänzenden Nadeln krystallisirend. Schmp. 71° (Fittig).
Das Ammoniaksalz krystallisirt leicht in glänzenden Schuppen. Calcium- und Barium-
salz sind in kaltem Wasser schwer löslich. Das Silbersalz ist ein fast unlöslicher, krystalli-
nischer Niederschlag. Es existirt ein tibersaures Kaliumsalz, Ci,Hj ^KO^ + C^^Hj^O^,
sowie ein entsprechendes Ammoniaksalz, welche durch Wasser zersetzt werden. Der Aethyläther
ist eine schwere, ölige Fltissigkeit
Mit concentrirter Schwefelsäure oder rauchender Salpetersäure giebt die
38 Handwörterbuch der Chemie.
Hydropiperinsäure eine blutrothe Lösung. Mit verdünnter Salpetersäure entsteht
neben viel Oxalsäure eine halbflüssige Nitrosäure.
Kaliumpermanganat oxydirt die Säure wesentlich zu Piperonal; Chromsäure
verbrennt sie vollständig. In der Kalischmelze entsteht Protocatechusäure und
Essigsäure.
Durch Natriumamalgam lässt sich kein weiterer Wasserstoff in die Hydro-
piperinsäure einführen; mit Brom aber addirt sich diese zu Dibrompiperhydron-
säure, C^^H^^Bt^O^, Diese ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in Aether,
woraus sie in Drusen kleiner, bei 135 — 136° schmelzender Krystalle erhalten
wird. Beim Erwärmen mit Natronlauge giebt sie kein Piperonal, sondern piperin-
saures Natrium (Fittig, Ann. 152, pag. 56; 172, pag. 158).
Piperonylsäure, C6Hj(Q];^CH2)'CO^H(Methylenprotocatechusäure). Die
Säure wird erhalten durch Oxydation der Piperinsäure oder des daraus zunächst
entstehenden Piperonals mittelst Kaliumpermanganat, sowie beim Kochen des
Piperonals, ihres Aldehyds, mit alkoholischer Kalilauge (Fittig u. Mielck, Ann. 152,
pag. 40). Synthetisch wurde sie durch Erhitzen von Protocatechusäure mit Methylen-
jodid und Kaliumhydroxyd dargestellt (Fittig u. Remsen, Ann. 168, pag. 93).
Sie ist fertig enthalten in der Cotorinde (Jobbt u. Hesse, Ber. 1878, pag. 103 1).
Aus den Lösungen ihrer Salze wird die Piperonylsäure als weisses, kaum krystalli-
nisches Pulver gefällt. Sie ist auch in heissem Wasser, sowie in kaltem Alkohol
und Aether nur wenig, in heissem Alkohol leichter löslich. Aus letzterem scheidet
sie sich in nadeiförmigen Krystallen aus. Durch Sublimation erhält man sie in
grossen, derben, anscheinend monoklinen Prismen. Schmp. 228°.
Das Kaliumsalz (IH^O), Natriumsalz (IH,0) und Ammoniaksalz bilden leicht
lösliche kleine Prismen. Das Calciumsalz, (C8H504)jCa -{- 3H3O, kiystaUisirt in seide-
glänzenden Nadehi oder Blättchen, die sich bei 15° erst in 161 Thln. Wasser lösen, das
Barium salz (IH^O) aus heissem Wasser in harten, glänzenden Prismen, das in kaltem Wasser
schwer lösliche Zinks alz in grossen Spiessen. Das Silber salz ist ein krystallinischer Nieder-
schlag, aus heissem Wasser in schmalen Blättchen krystallisirend. Das Kupfersalz (IH,0)
wird als lebhaft grUne, krystallinische, das Blei salz (IH^O) als weisse, krystallinische, das
Eisenoxydsalz als hellbraune, amorphe Fällung erhalten.
Der Aethyläther ist eine leicht bewegliche Flüssigkeit von fruchtätherartigem Geruch.
Beim Erhitzen mit verdünnter Salzsäure auf 170° spaltet sich die Piperonyl-
säure in Protocatechusäure und Kohlenstoff. Wird nur Wasser angewandt, so ist
eine Temperatur von über 200° erforderlich, und statt der Protocatechusäure
treten deren Spaltungsprodukte: Brenzcatechin und Kohlensäure auf (Fittig u.
Remsen, Ann. 168, pag. 96).
Durch Chromsäure wird die Piperonylsäure verbrannt, auch beim Kochen
mit verdünnter Salpetersäure unter Entwicklung von Kohlensäure und Bildung
von etwas Oxalsäure zerstört. Wenn aber heisse concentrirte Salpetersäure nur
sehr kurze Zeit einwirkt, so entstehen hauptsächlich Nitropiperonylsäure und
Methylenmononitrobrenzcatechin. Beim Eintragen der Säure in eiskalte rauchende
Salpetersäure wird Methylendinitrobrenzcatechin gebildet.
Nitropiperonylsäure, CßH3(N02)(Q]!!IlCH2)-C02H, krystallisirt in glän-
zenden, gelben Blättchen, die in Wasser, namentlich in siedendem, ziemlich leicht
löslich sind und bei 172° schmelzen. Ihre Lösung in Alkalilauge ist gelb und
wird beim Kochen blutroth.
Aromatische Verbindungen. 39
Die Salze sind z. Th. gut krystallisirbar. Das Silbersalz ist wasserfrei, Kalium- und
Bleisalz enthalten 1 Mol., das Kupfersalz 4 Mol. Krystallwasser.
Mit Zinn und Salzsäure entsteht ein Amidoderivat, dessen wässrige Lösung
durch Eisenchlorid blauviolett gefärbt wird. Seine salzsaure Verbindung krystalli-
sirt gut, ist aber äusserst leicht veränderlich (Jobst u. Hesse, Ber. 1878, pag. 1031).
Brompiperonylsäure» durch Oxydation des Monobrompiperonals mit
Kaliumpermanganat erhalten, bildet bei 204 — 205° schmelzende, unzersetzt subli-
mirbare Krystalle (Fittig u. Mielck, Ann. 172, pag. 158).
Amarsäure, C4 6H4 20g, neben Desoxybenzoin beim Kochen von Benz-
amaron mit weingeistiger Kalilauge entstehend (Zinin, Chem. Centralbl. 1871,
pag. 211; Ber. 1877, pag. 1735) krystallisirt aus Weingeist in dünnen, vierseitigen
Prismen mit 2 Mol. Krystallwasser, die bei 100° entweichen.
Kaliumsalz, C^gH^^KgO^. Leicht löslich in Wasser und Alkohol. Es wird aus
wässriger Lösung durch ätzende oder kohlensaure Alkalien als Oel ausgeschieden. Aus Aether
kann es in Tafeln krystallisirt erhalten werden. Das Natriumsalz (4H2O) krystallisirt aus
Aether in mikroskopischen Nadeln oder in ziemlich dicken, rhombischen Tafeln, die selbst in
trocknem Zustande leicht in jene Nadeln Übergehen. Das Bariumsalz krystallisirt aus heissem,
verdünnten Weingeist in Drusen rhombischer Tafeln, die an der Luft undurchsichtig werden
und dann noch 2 Mol. Krystallwasser enthalten. Calciumsalz, C^gH^^GaOg + 2H2O, und
Silbersalz sind amorphe Niederschläge.
Ein Anhydrid C4gHj804 entsteht aus der Amarsäure durch Erhitzen auf
140 — 150°. Die anfangs harzartige Masse wird durch Uebergiessen mit Alkohol
in Nadeln krystallisirt erhalten. Schmp. 140,5**.
Zu Homologen der Amarsäure gelangt man, wenn man das Alkali in
Methyl-, Isobutyl- oder Amylalkohol gelöst auf das Benzamaron einwirken lässt
Genauer untersucht ist nur die Isobutylamarsäure, CgoHgoOg. Sie ist in
Wasser fast unlöslich, aus Alkohol in rhombischen Tafeln krystallisirbar. Bei
175—179° schmilzt sie unter Bildung eines anfangs harzartigen Anhydrids
C50H46O4, welches durch Uebergiessen mit Aether in eine hierin schwerer lös-
liche, krystallinische Form übergeführt wird und aus Alkohol in vierseitigen, bei
137° schmelzenden Prismen krystallisirt.
C H
Pyroamarsäure, CigHjgOj (= Benzyläthylbenzoesäure : C^H, CIq^jj^'
COjH?) bildet sich neben Benzoesäure bei vorsichtigem Schmelzen der Amar-
säure oder ihres Anhydrids mit Kaliumhydroxyd (Zinin, Ber. 1877, pag. 1735)-
Sehr schwer löslich in Wasser, leicht in Aether; daraus beim Verdunsten in dicken,
rhombischen Platten oder Prismen krystallisirend. Schmp. 94°.
Die Alkalisalze krystallisiren schlecht. Das AmmoniaksaU zersetzt sich beim Ein-
dampfen seiner Lösmig. O. Jacobsen.
Aromatische Verbindungen.*) Schon seit etwa 30 Jahren unterscheidet
man neben der Gruppe der Fettkörper, d. h. derjenigen Verbindungen, welche
mit den Fetten in näherer Beziehung stehen, die sogen, aromatischen Ver-
bindungen, welche einen verhältnissmässig höheren Kohlenstoffgehalt besitzen
und sich von aromatisch riechenden Oelen ableiten lassen. Im Jahre 1865 hat
K£KUl£ die Ansicht aufgestellt, dass alle diese Körper, die damals schon in
grosser Zahl bekannt waren, als Derivate des Benzols aufzufassen seien (i).
*) l) Bulletin Soc. chim. ÜL, pag. 98. Ann. Chem. 137, pag. 129. 2) Ann. Chem. 172,
pag. 331 ; Ber. Ges. 8, pag. 535 u. 853 3) Ladenburg, Theorie d. aromatischen Verbindungen,
Braunschweig 1876. 4) Ber. 2, pag. 140 u. 272 vergl. Kekul^ Ann. 162, pag. 77 u. Ladenburg,
Bei. 5, pag. 322. 5) Thomson, Ber. 13, pag. 2166 u. Barth, Monatsh. I., pag. 869.
40
Handwörterbuch der Chemie.
1/K
(Gh. 38.)
»/
Heute ist dies wohl allgemein anerkannt und dadurch hat die Constitution des
Benzols eine hervorragende Bedeutung gewonnen.
lieber diese hat schon Kekul^ sehr eingehende Betrachtungen angestellt und
ist dabei zu der Hypothese gelangt, dass die 6 Kohlenstoffatome des Benzols
eine geschlossene Kette bilden, deren einzelne Glieder
abwechselnd durch 1 oder 2 Valenzen gebunden sind.
Die nebenstehende Fig. 33 stellt diese Anschauung
^Ifs graphisch dar, und es hat wohl keine Formel eine
solche Anwendung oder Verbreitung gefunden wie diese,
welche gewöhnlich unter dem Namen Benzolsechseck
bezeichnet wird.
KEKLT.fi hat aus dieser Formel zwei Sätze er-
schlossen, welche fllr die Constitution der aromatischen
Verbindungen von grösster Wichtigkeit sind. Diese
lauten :
1. Die 6 Wasserstoffatome des Benzols sind gleich-
werthig, d. h. von allen Mono- und Pentasubstitutionsprodukten des Benzols ist
nur eine Form möglich.
2. Für alle Bisubstitutionsprodukte existiren 3 isomere Formen.
Mit diesen Sätzen stimmten zur Zeit ihrer Aufstellung die Thatsachen im
Allgemeinen überein, doch waren auch widersprechende Versuche bekannt.
Ladenburg (2) zeigte nun zunächst, dass diese entgegenstehenden Behaupt-
ungen auf Irrthümem beruhen. Es gelang ihm weiter, aus Thatsachen, die er
z. Th. selbst auffand, z. Th, Anderen entlehnte, die obigen beiden Sätze zu be-
weisen (3). Schon früher hatte derselbe gezeigt, dass die von Kekul£ aufgestellte
Sechseckformel des Benzols (Fig. 33) mit diesen Sätzen nicht in vollständiger
Uebereinsdmmung stehe (4), während er andererseits darthun
konnte, dass ein anderes Schema, jetzt unter dem Namen der
Prismenformel des Benzols (Fig. 34) bekannt, diesen beiden
Bedingungen vollständig Rechnung trägt. Freilich hat trotz-
dem, und obgleich auch andere Gründe zu Gunsten der
Prismenformel vorgebracht wurden (5), die letztere keine
grosse Verbreitung gefunden, und dies wohl hauptsächlich
deshalb, weil sie weniger anschaulich ist als die Sechseck-
formel und weil sie nicht so elegant und einfach wie diese,
die condensirten aromatischen Verbindungen wie Naphtalin,
Anthracen, Phenantren etc. zu formuliren gestattet.
Nomenclatur und Schreibweise aromatischer Verbindungen. Schon
oben wurde darauf hingewiesen, dass die aromatischen Verbindungen sich vom
Benzol ableiten und zwar dürfen die meisten als Substitutionsprodukte desselben
angesehen werden. Man trägt dieser Thatsache bei der Formulirung vielfach
Rechnung, indem man die Verbindungen so schreibt, dass sie als substituirte
Benzole erscheinen, z. B. Benzoesäure CgHjfCOjH), Phtalsäure C6H4(CO,H)„
Anilin CgH5(NH2) etc. Da nun aber schon bei den zweifach substituirten
Benzolen und um so mehr bei den höher substituirten Isomerien vorkommen,
so handelt es sich auch um ein Auseinanderhalten dieser Isomeren bei der
Formulirung. Deshalb muss hier das Wesentlichste über die Isomerie bei
aromatischen Verbindungen hervorgehoben werden, während für diejenigen, welche
diesen Gegenstand eingehend studiren wollen, auf die Literatur verwiesen wird (3),
(Gh. 84.)
Arsen. 41
Schon oben sind zwei Sätze als für die Constitution des Benzols fundamental
hervorgehoben. Daraus lassen sich ohne Schwierigkeit die Anzahl der Isomerien
bei den verschiedenen Substitutionsprodukten des Benzols ableiten.
I. Bei den einfach substituirten Benzolen giebt es keine Isomerie.
n. Alle vom Benzol durch Vertretung zweier Wasserstoffatome entstehenden
Verbindungen treten in 3 isomeren Formen auf. Man nennt diese je Ortho (o-)-,
Meta(m.)- und Para(p.)- Verbin düngen und bezeichnet sie beim Schreiben
der Formeln derart, dass man neben die substituirenden Atome oder Atomgruppen
Zahlen setzt, welche ihre relative Stellung (oder besser Beziehung) zu einander
andeuten. Theoretische Betrachtungen, welche durch Thatsachen gestützt sind,
haben dahin geführt (3) mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen zu können, dass
den Orthoverbindungen die Bezeichnung (1.2) oder (1.6) zukommt, wobei die
Zahlen dieselbe Bedeutung wie in den obigen Benzolformeln haben. Die Be-
zeichnung 1.2 sagt also aus, dass diejenigen Wasserstoffatome, welche bei den
obigen Benzolformeln mit diesen Zahlen bezeichnet sind, durch die substituirenden
Gruppen vertreten wurden.
Ebenso ist nachgewiesen, dass den Metaverbindungen die Bezeichnung (1.3) oder
(1.5) zukommt, während die Paraverbindungen durch (1.4) dargestellt werden müssen.
ni. Bei den Trisubstitutionsprodukten des Benzols hat man 3 Fälle zu
unterscheiden:
a) Die 3 eintretenden Gruppen sind einander gleich. Dann hat man 3 Isomere,
welche folgendermaassen bezeichnet werden:
1. (1.2.3) == (4.5.6) = (5.6.1) = etc.
2. (1.2.4) = (1.2.5) = etc.
3. (1.3.5)=: 2.4.6.
b) Von den 3 eintretenden Atomgruppen sind zwei einander gleich und von
der dritten verschieden, dann sind 6 Isomere möglich. Bei der gebräuchlichen
Bezeichnungsweise ist unter 1 stets die zuerst geschriebene Atomgruppe zu ver-
stehen, während die zweite Zahl sich auf die ihr gleiche Atomgruppe beziehen
soll. Man hat dann:
1. 1.2.3= 1.6.5= etc.
2. 1.2.4= 1.6.4= etc.
3. 1.3.2= 1.5.6= etc.
4. 1.3.4= 1.5.4= etc.
5. 1.3.5= 1.5.3= etc.
6. 1.4.2= 1.4.3= etc.
c) Die 3 eintretenden Atomgruppen sind untereinander verschieden. Dann
sind 10 Isomere möglich, deren Bezeichnung in ähnlicher Weise möglich ist.
rv. Bei Tetrasubstitutionsprodukten sind bei gleichen Substituenten 3 Isomere
möglich, während unter derselben Voraussetzung sowohl von Penta- wie von
Hexasubstitutionsprodukten nur je eine Form möglich ist. Ladenburg.
Arsen.*) As = 74,9. Molekulargewicht AS4 = 300, Dampfdichte = 10,6,
wenn Luft= 1 oder 150, wenn Wasserstoff = 1 gesetzt wird.
•) i) Gmelin-Kraut's Handb. 2) V. Meyer, Ber. 12, pag. 11 17. 3) A. Buchner, N. Rep.
Pharm. 22, pag. 265. 4) E. Reichardt, Arch. Phann. [3] 17, i, pag. 291. 5) J. Ogier, C. r. 87,
pag. 210. 6) Janovsky, Ber. 6, pag. 216. 7) Wiederhold, Pogg. 118, pag. 615. 8) Conechy,
Chem. N. 41, pag. 189. 9) F. Selmi, Monit. scient. [3] 8, pag. 1012. O. Johnson, Chem. N. 38,
pag. 301). 10) DE Clkrmont u. Frommei.. 11) £. Fischer, Ber. 13, pag. 1778. 12) Fresenius,
Qoalitatiye u. quantitative Analyse.
42 Handwörterbuch der Chemie.
Schwefelarsen und das gewöhnlich >Arsenik«: genannte Anhydrid der arsenigen
Säure, welche als Naturprodukte vorkommen, waren schon im Alterthum bekannt
und den Namen Arsenicon erwähnt bereits Dioskorides. Das Element Arsen
wurde jedoch erst von Schröder im Jahre 1694 und später (1733) von Brandes
durch Reduction des Arseniks erhalten.
Das Arsen ist ein sehr weit verbreitetes Element und findet sich z. B. in sehr
vielen Mineralquellen, im Meerwasser, in den Steinkohlen u. s. w. in nicht ganz
unerheblichen Mengen- Verarbeitungswtirdig für die Gewinnung des Arsens ist
jedoch nur der aus gediegenem Arsen bestehende Scherbenkobalt oder Fliegen-
stein aus dem Erzgebirge und manche Erze, in welchen das Arsen an Kobalt,
Nickel, Kupfer, Eisen oder Schwefel gebunden ist.
Die wichtigsten Arsenerze sind: Arsenikkies FeAsS und Fe j As Sgl Speis-
kobalt Co As j; Glanzkobalt Co As S; Kupfemickel NiAs; femer die kupferhaltigen
Fahlerze, das Realgar As^Ss und das Auripigment oder Operment AS2S3. Arsenig-
säure-Anhydrid bildet oft als ein secundäres Produkt Ausbltihungen auf den Erzen ;
auch Salze der Arsensäure finden sich in der Natur.
Das rohe, metallische Arsen, welches Handelsgegenstand ist, besteht entweder
aus gediegenem Arsen, dem Scherbenkobalt, oder dem Destillationsprodukt der
Arsenkiese, welche am besten unter Zusatz von Eisen erhitzt werden. Letzteres
zerlegt die Dämpfe des Schwefelarsens, indem es sich mit dem Schwefel verbindet.
Die Destillation wird in thönemen Röhren vorgenommen, welche sich in einem
Galeerenofen befinden und mit als Vorlagen dienenden Röhren aus Eisenblech
versehen sind. Zur Reinigung unterwirft man das durch Waschen mit Chlorwasser
vom Arsenik befreite Rohprodukt der Sublimation in Tiegeln oder Glasretorten.
Auf frischer Bruchfläche besitzt das Arsen Farbe und Metallglanz des Eisens,
an feuchter Luft tiberzieht es sich jedoch bald mit einer schwärzlichen Haut.
Es krystallisirt in rhomboedrischer Form und ist mit Antimon und Tellur isomorph.
Wird Arsen in einem indifferenten Gasstrom sublimirt, so erscheint bei 450°
ausser einem aus Kryställchen gebildeten Sublimat, noch ein schwarzes amorphes
und ein graues, aus kleinen Kügelchen gebildetes Pulver. Diese auch bei der
Zersetzung des Arsenwasserstoffs durch Glühhitze sich bildenden Modificationen
gehen beim stärkeren Erhitzen in krystallisirtes Arsen über (Conechv) (8). —
Das elementare Arsen oxydirt sich beim Aufbewahren unter lufthaltigem Wasser
und giebt an dasselbe arsenige Säure ab. An der Luft stark erhitzt, verbrennt
das Arsen mit weisser Flamme unter Ausstossung eines knoblauchartig riechenden,
weissen Rauches, welcher aus Arsenik besteht
Beim Erhitzen mit conc. Salpetersäure oder Königswasser, sowie beim
Schmelzen mit Nitraten oder Chloraten wird das Arsen leicht zu Arsensäure
oxydirt, dagegen greifen es verdünnte Säuren oder Alkalilaugen nicht an. Mit
Kalium, Natrium, Magnesium, Kupfer und Nickel vereinigt sich das Arsen beim
Schmelzen zu Arsenmetallen, von welchen diejenigen der Alkalien und alkalischen
Erdmetalle durch Wasser unter Entwicklung von ArsenwasserstofF zersetzt werden.
Arsenigsäure-Anhydrid, As40e, auch Arsentrioxyd genannt, ist das ge-
wöhnlich mit der Bezeichnung Arsenik oder weisser Arsenik belegte furcht-
bare Gift. Es bildet sich beim Erhitzen des Arsens oder arsenhaltiger Erze an
der Luft und wird deshalb beim Rösten der Arsenkiese in den Hüttenwerken
gewonnen. Die zu diesem Prozess verwendeten Oefen sind gewöhnlich mufTel-
förmig gebaut, so dass die Feuergase unter der Sohle und über der Wölbung
des Ofens hinstreichen und so ihre Wärme abgeben, ohne sich selbst den Arsenik-
Arsen. 43
dämpfen beizumischen, da letztere sonst theilweise zu Arsen reductrt werden würden.
Durch Oeflfnungen, welche an der Vorderseite des Ofens angebracht sind, tritt
Luft ein, oxydirt die Erze und geht mit Arsenikdampf beladen durch einen Kanal
am hinteren Ende des Ofens in die »Gift fange« genannten gemauerten Kammern,
welche meist übereinander in einem thurmartigen Gebäude angeordnet sind. In
diesen ^Giftthürmen verdichtet sich das Arsenik in Form eines weissen Pulvers,
des sogen. Giftmehls.
Durch Sublimation wird Letzteres gereinigt und dabei, wenn die Vorlage
warm genug gehalten wird, zum grossen Theil als eine fast farblose, völlig
amorphe, glasartige Masse erhalten. Allmählich trübt sich jedoch dieses Glas
von Aussen nach Innen und wird porzellanartig weiss; eine Umwandlung, welche
auf dem Uebergang des amorphen Arseniks in die krystallinische Modification
beruht Bei langsamer Sublimation des Arseniks besteht das Sublimat aus kleinen,
glänzenden Reguläroctaedem, was zum Nachweis benutzt werden kann, doch kann
die Verbindung aus wässriger Lösung auch in rhombischen Prismen krystallisirt
erhalten werden und ist also ebenso wie das Antimonoxyd SbjOj dimorph. Nach
F. Sel^u (9) verflüchtigt sich das Arsenik schon bei 100 — 125° ziemlich merklich.
Die Dampfdichte des Arseniks ist nach Mitscherlich bei 571° und nach neueren
Untersuchungen von V. Meyer (2) selbst bei 1560° eine der Formel As^Og ent-
sprechende, weshalb die früher angenommene Formel AsgOj verworfen werden muss.
Wasser löst das Arsenik nur schwierig; 1 Th. amorphes Arsenik wird nach
A. Buchner (3) bei eintägiger Berührung von etwa 108 Thln. Wasser von 15°
gelöst, während die krystallinische Modification 355 Thle. erfordert. 1 Th.
krystallinisches Arsenik bleibt jedoch in 46 Thln. Wasser von 15° gelöst, wenn
die Lösung zuvor in der Siedhitze vorgenommen wurde. Bei gleichem Verfahren
bleibt 1 Th. amorphes Arsenik in etwa 30 Thln. Wasser gelöst. Die Löslichkeits-
verhältnisse konnten nicht schärfer beobachtet werden, da die beiden Modifica-
tionen in einander übergehen. Die wässrige Lösung schmeckt schwach süsslich,
röthet blaues Lakmuspapier und enthält wahrscheinlidh die eigentliche arsenige
Säure, As(OH)g, beim Verdunsten bleibt jedoch das Anhydrid, As40ß, zurück.
Salzsäure löst den Arsenik viel leichter und reichlicher als Wasser. Die
glasige Modification wird dabei besonders reich aufgenommen und aus einer
solchen heiss bereiteten Lösung scheiden sich beim Erkalten Krystalle aus, deren
Bildung von einem im Dunkeln sichtbaren Funkensprühen begleitet ist. Da eine
Lösung des krystallisiiten Anhydrids diese Lichterscheinung nicht zeigt, so steht
ihr Auftreten wohl mit dem Uebergang der amorphen Modification des Arseniks
in die kiystallisirte in Beziehung.
Die giftigen Wirkungen der arsenigen Säure sind bekannt; sie erstrecken
sich auch auf die Pflanzen. Im thierischen Organismus wirkt der Arsenik am
raschesten, wenn es unmittelbar in das Blut gebracht wird und erzeugt dabei
eigenthümliche Nervenzufalle. Im Magen veranlasst das Gift lokale Entzündungen
und Magenbrennen, femer Erbrechen und Kolik, wobei schreckliches Angstgefühl,
Irrereden, convulsivische Bewegungen, bis schliesslich nach einigen Stunden oder
Tagen der Tod eintritt. Doch sind Fälle bekannt, bei welchen in Folge des
Genusses einer sehr grossen Dosis Arsenik, alles Gift durch das sofort erfolgte
heftige Erbrechen entfernt wurde und Genesung eintrat, während eine geringere
Dosis sicher den Tod bewirkt haben würde. Als Gegenmittel dient ein frisch
bereitetes Gemenge von Eisenchloridlösung mit überschüssiger Magnesia, dessen
44 Handwörterbuch der Chemie.
Wirksamkeit auf der Vereinigung der arsenigen Säure mit dem Eisenhydroxyd
und der Magnesia zu unlöslichen Verbindungen beruht (Bunsen).
In alkalischen Laugen löst sich das Arsenigsäure-Anhydrid leicht, indem sich
Salze der arsenigen Säure bilden. In Ammoniak ist es gleichfalls löslich, doch
liinterbleibt beim Abdampfen der Lösung wiederum nur das Anhydrid, während
Ammoniak entweicht.
Die wässrige Lösung der arsenigen Säure wird durch Schwefelwasserstoff nur
gelb gefärbt, nicht gefallt; erst auf Zusatz einer Säure, z. B. von Salzsäure scheidet
sich das Arsen als Arsentrisulfid aus, ein gelber Niederschlag, der durch seine Lös-
lichkeit in Ammoniak, Ammoniumsulfid und Ammoniumcarbonat charakterisirt ist.
Die Salze der arsenigen Säure, Arsenite genannt, sind ausser den
Alkalisalzen unlöslich oder schwer löslich in Wasser. Solche Salze entstehen
durch Fällung der betreffenden Metalllösungen durch arsenigsaure Alkalien und
werden von Salzsäure unter Zersetzung gelöst. Beim Glühen zerfallen die meisten
Arsenite, wobei entweder arsenige Säure oder Arsen verdampft. In letzterem Fall
hinterbleibt ein arsensaures Salz.
Die Lösungen der arsenigsauren Alkalien liefern mit Silbemitrat einen gelben
Niederschlag von arsenigsaurem Silber, mit Kupfersulfat eine gelbgrüne Fällung
von Kupferarsenit; die Salzlösungen der alkalischen Erdmetalle, sowie die Blei-
salze werden weiss gefällt. Wird eine stark alkalische Arseniklösung mit etwas
Kupfersulfat versetzt, so findet keine Ausscheidung von Kupferhydroxyd statt,
beim Erhitzen fällt aber aus der klaren blauen Lösung Kupferoxydul als rother
Niederschlag aus, während die arsenige Säure in Arsensäure übergeht. — Eine
mit viel Salzsäure vermischte Arsenitlösung erleidet beim Erhitzen mit blankem
Kupfer eine Reduction zu metallischem Arsen, welches auf dem Kupfer einen
aus Arsenkupfer bestehenden grauen Ueberzug erzeugt. Diese Reaction ist ihrer
Empfindlichkeit wegen zum Nachweis geringer Arsenmengen anwendbar.
Die Reduction des Arseniks zu elementarem Arsen geschieht äusserst
leicht auf trocknem Weg, wenn man die Arsenikdämpfe über glühende Kohle
streichen lässt. Zur Erkennung des Arsenigsäure-Anhydrids, wenn es als solches
vorliegt, eignet sich ein solcher Reductionsversuch besonders. Die zu prüfende
Substanz wird in die geschlossene Spitze
a eines Glasröhrchens Fig. 35 gebracht,
b ^^#^- .^^ii0^^^ ein Holzkohlensplitter etwas weiter vom
in den ausgezogenen Theil der Röhre
gelegt und diese nun zunächst an der
Stelle erhitzt, an welcher die Kohle liegt.
Sobald letztere glüht, wird auch die
Substanz erhitzt, so dass die Arsenik-
dämpfe gezwungen sind, über die glü-
hende Kohle zu streichen. Oberhalb der-
(Cii. 35.) selben bei c verdichtet sich das metal-
lische Arsen zu einem braunschwarzen,
metallglänzenden Sublimat, dem sogen. Arsenspiegel. Arsenite, sowie Schwefel-
arsen lassen sich ebenfalls reduciren, wenn man sie mit einem trocknen Gemisch
von gleichen Theilen Natriumcarbonat und Cyankalium in einem Glasröhrchen,
welches unten zu einer kleinen Kugel aufgeblasen ist, zusammenschmilzt Es ist
selbstverständlich, dass die zu prüfende Substanz keine organischen Stoffe ent-
halten darf, welche beim Erhitzen theerige Produkte abgeben. Sollte beim Beginn
Arsen.
45
des Erwärmens noch etwas Feuchtigkeit entweichen, so sind die weiter oben
condensirten Wassertröpfchen durch Fliesspapier wegzunehmen. Bei starkem
Erhitzen, am besten mit Hilfe des Löthrohrs bildet sich im kälteren Theil der
Röhre ein Arsenspiegel. — Diese Methode, welche sich zur Nachweisung des
Arsens besonders eignet, da Antimonverbindungen bei gleicher Behandlung
keinen Spiegel liefern, wird empfindlicher, wenn die Reduction in einem lang-
samen Kohlensäurestrom ausgeführt wird, weil in diesem Fall das Verbrennen
des Arsens zu Arsenik ausgeschlossen ist.
Zur Ausführung dieser Prüfung dient der von Fresenius und von Babo an-
gegebene Apparat (Fig. 36).
(Ch. 36.)
Das in einem constant wirkenden Kohlensäure- Apparat ab (welcher auch
durch eine andere Vorrichtung ersetzt werden kann, insofern sie nur einen regulir-
baren Gasstrom liefert) erzeugte Gas wird zunächst durcii Wasser gewaschen und
dann in einer Chlorcalciumröhre d getrocknet, worauf es in die leere Reductions-
röhre e gelangt. Letztere wird nun, während der Gasstrom sie durchfliesst, eine
Viertelstunde lang zum Glühen erhitzt. Zeigt sich dann gegen das äussere
Röhrenende hin kein dunkler Spiegel, so sind die angewandten Materialien rein.
Nun wird die wohlgetrocknete, aus Substanz, Cyankalium und Natriumcarbonat
bestehende Mischung mit Hilfe einer Rinne aus Kartenpapier in die Mitte der
Röhre gebracht, zunächst zur Austreibung der etwa noch vorhandenen Feuchtig-
keit schwach erwärmt, worauf dann mit einer Flamme die mit e bezeichnete
Stelle und erst dann gleichzeitig mit einer zweiten Flamme das etwas weiter
stromauf befindliche Gemenge zum starken Glühen erhitzt wird, während ein
sehr langsamer Gasstrom den Apparat durchstreicht
Von noch grösserer Empfindlichkeit ist die Nachweisung des Arsens mit
46
Handwörterbuch der Chemie.
Hülfe nascirenden Wasserstoffs und die Erzeugung von Arsenflecken durch Er-
hitzen oder unvollständige Verbrennung des entstandenen Arsenwasserstoffs.
Diese von Marsh angegebene und nach ihm benannte Methode erfordert jedoch
das Arsen in Form von arsenig- oder arsensauren Salzen, da andere Arsen-
verbindungen durch nascirenden Wasserstoff nicht völlig in Arsenwasserstoff über-
geführt werden. Beim Gang der analytischen oder gerichtlichen Untersuchung
wird aber meist das Arsen als SulfÜr erhalten, dessen Identität festzustellen ist.
Dieses Sulflir, resp. der auf Arsen zu prüfende durch Schwefelwasserstoff er-
haltene Niederschlag wird durch Abdampfen mit rauclfender Salpetersäure voll-
ständig oxydirt und dann die Säure durch Abdampfen zum grössten Theil ent-
fernt. Hierauf neutralisirt man mit Natronlauge, fügt gepulvertes Natriumcarbonat
und -nitrat zu und erhitzt das Gemisch langsam im Porzellantiegel bis die Masse
zu einer klaren und farblosen Flüssigkeit geschmolzen ist. Nach dem Erkalten
wird mit Wasser ausgelaugt, wobei etwa vorhandenes Antimon als unlösliches,
antimonsaures Natrium zurückbleibt. Die das Arsen als Arseniat enthaltende
Lösung wird vorsichtig mit überschüssiger verdünnter Schwefelsäure soweit ein-
gedampft, dass schwere, weisse Dämpfe von Schwefelsäure entweichen, ein Zeichen,
dass alle Salpetersäure, welche den Reductionsprocess stören würde, entfernt ist.
Den Inhalt des Schälchens löst man in etwas Wasser und bringt diese Lösung
in den bereits vorgerichteten MARSH'schen Apparat. Derselbe besteht aus einer
sehr kleinen Wasserstoffentwicklungsflasche, Fig. 37, aus welcher das Gas durch
eine mit Chlorcalcium ge-
füllte Trockenröhre in eine
an mehreren Stellen ver-
engte Glasröhre aus schwer
schmelzbaremGlase strömt.
Dass zur Beschickung des
Apparats nur völlig arsen-
freie Materialien angewandt
werden dürfen ist selbst-
verständlich, ebenso dass
man vor dem Zusatz der
auf Arsen zu prüfenden
Flüssigkeit sich von der
■' Reinheit derselben und des
Apparates überzeugt. Die
Gasentwicklung ist bei An-
wendung chemisch reinen Zinks äusserst langsam, lässt sich aber durch Einwerfen
einiger Platindrähte (oder durch Zusatz einiger Tropfen Platinchloridlösung)
sehr beschleunigen. Die Prüfung des Apparates geschieht dadurch, dass man
nach Austreibung der Luft durch das Wasserstoffgas letzteres entzündet und
weisse Porzellanschälchen in die Flamme hält, so dass diese breit gedrückt wird :
es darf sich keine Spur eines dunklen Fleckes zeigen. Hierauf erhitzt man eine
Stelle der schwer schmelzbaren Röhre mit der Gasflamme während einer halben
Stunde zum Glühen und lässt das sich entwickelnde Gas durchstreichen. Auch
hier darf kein dunkler Beschlag im Inneren der Röhre erscheinen. Zur Aus-
führung des eigentlichen Versuchs erneuert man den Inhalt des Apparates und
event. der Chlorcalciumröhre mit denselben Materialien, prüft nochmals in der
angegebenen Weise die Flamme und durch Erhitzen der Röhre während kürzerer
(Ch. 87.)
Arsen. 47
Zeit und giesst dann die auf Arsen zu prüfende Flüssigkeit langsam durch die
Trichterröhre in den Wasserstoffapparat. Sogleich oder nach einigen Minuten
bildet sich bei Anwesenheit von Arsen hinter der erhitzten Stelle der Röhre ein
braunschwarzer Arsenspiegel. Lässt man hierauf die Röhre erkalten, so zeigt
das entweichende Gas den charakteristischen Knoblauchgeruch und liefert beim
Anzünden eine fahle bläulichweisse Flamme, welche an hineingehaltene Porzellan-
schälchen schwarzbraune, glänzende Arsenflecken absetzt —
Um annähernd sämmtliches in Form von Arsenwasserstoff auftretendes Arsen
zu gewinnen, kann man schliesslich das Gas in Silbernitratlösung einleiten. Es
tritt hierbei Abscheidung von metallischem Silber ein, während arsenige Säure
in Lösung geht und nach der Entfernung des in Lösung gebliebenen Silbers
durch Salzsäure mittelst Schwefelwasserstoffs gefallt werden kann.
Als sehr sichere Methode zur Erkennung und Bestimmung des Arsens
empfahl E. Reichardt (4), das Arsen- resp. Antimonwasserstoff enthaltende Gas
in stark salpetersaure Silbemitratlösung zu leiten, dann durch direkten Zusatz
von Bromwasser die arsenige Säure zu oxydiren und nach der Entfernung des
Bromsilbers die Arsensäure durch Ammoniak und Magnesiamischung zu fallen,
wobei etwa vorhandene Antimonsäure in Lösung bleibt.
Bei gerichtlichen Untersuchungen müssen alle Operationen mit grosser Ge-
wissenhaftigkeit und Sorgfalt ausgeführt werden und unter Anwendung vieler
Vorsichtsmaassregeln, welche einerseits die Empfindlichkeit der Reaction sichern
und andererseits jeden Irrthum absolut ausschliessen ; insbesondere müssen die
erhaltenen Arsenspiegel und -flecken noch hinsichtlich ihrer Identität geprüft werden.
Die den Arsenspiegeln ähnlichen Antimonspiegel unterscheiden sich von jenen
durch ihre schwärzere Farbe, geringere Flüchtigkeit und durch ihre Unlöslichkeit
in kein freies Chlor enthaltender Chlorkalk- oder Chlornatronlösung, welche die
Arsenflecken sogleich auflöst.
Arsensäure-Anhydrid oder Arsenpentoxyd AsjOg.
Wird Arsensäure bis zur beginnenden Rothgluth erhitzt, so entweicht Wasser
und Arsenpentoxyd bleibt als weisse Masse zurück, welche bei stärkerem Erhitzen
in Arsenigsäure-Anhydrid und Sauerstoff zerfallt.
In Wasser löst sich das Pentoxyd langsam zu Arsensäure, AsO^Hg, giebt
aber mit Chlorwasserstoff kein dem Pentoxyd entsprechendes Pentachlorid, sondern
unter Chlorentwicklung nur Arsentrichlorid.
Arsensäure. Arseniksäure.
Arsensäure, ASO4H,, bildet sich beim Auflösen des Anhydrids in Wasser,
sowie bei Einwirkung von Salpetersäure auf Arsenigsäure-Anhydrid. Beim Ein-
dampfen der Lösung scheiden sich nadeiförmige Kryställchen der Arsensäure,
AsO^Hj, ab. Dampft man jedoch die syrupdicke Lösung der Arsensäure bei
140 — 180^ ein, so bestehen die nun gebildeten Krystalle aus Pyroarsensäure,
ASjO^H^, und wird längere Zeit auf 200° und darüber erhitzt, so tritt abermals
Wasserdampf aus und die beim Erkalten erstarrende Masse besitzt nun die
Zusammensetzung einer Metaarsensäure, AsOj^OH. Pyro- und Metasäure
lösen sich in Wasser auf, gehen aber dabei in die dreibasische Orthoarsen-
säure, AsO^Hj, über.
Arsensäure ist für den thierischen Organismus ein heftiges Gift, steht aber
in dieser Beziehung dem Arsenik nach. — Zu Reagentien verhält sie sich
folgendermaassen : Ihre Lösung wird durch schweflige Säure und auch durch
48 Handwörterbuch der Chemie.
Schwefelwasserstoff zu arseniger Säure reducirt; Schwefelwasserstoff fällt bei
längerer Digestion oder in der Wärme Arsentrisulfid, welches mit Schwefel ge-
mischt ist. Ammoniumsulfid bewirkt in Arsensäurelösung keinen Niederschlag.
Nascirender Wasserstoff, z. B. mit Zink und verdünnter Schwefelsäure entwickelt,
reducirt die Arsensäure und bildet Arsenwasserstoff
Die Arsensäure bildet wie die Orthophosphorsäure drei Reihen von Salzen,
neutrale, einfach saure und zweifach saure. Die einfach sauren Salze liefern
beim Glühen pyroarsensaure Salze, die zweifach sauren dagegen metaarsensaure
Salze. — Die Orthoarseniate der Alkalien sind in Wasser löslich, unlöslich sind
dagegen die neutralen Salze der alkalischen Erden, der Erden und die Schwer-
metallsalze; Mineralsäuren lösen auch diese Verbindungen. Chlorcalcium und
Bleiacetat fallen die Lösung eines Alkaliarseniats weiss, der mit Silbemitrat er-
zeugte Niederschlag ist rothbraun, derjenige der Kupfersalze blau. Eisenoxydsalze
fallen bräunlich weisses arsensaures Eisenoxyd und auch gefälltes Eisenhydroxyd
vermag die Arsensäure aus ihren Lösungen niederzuschlagen.
In der Technik findet die Arsensäure zur Gewinnung des Fuchsins Anwendung.
Aus den arsenige Säure enthaltenden Fabrikationsrückständen kann das Arsen
durch einen Sublimationsprozess bei Luftzutritt als weisser Arsenik wiedergewonnen
werden.
Arsen Wasserstoff.
Zwei Verbindungen des Arsens mit Wasserstoff sind bekannt, eine gasförmige
und eine feste.
Arsenwasserstoffgas, AsHj.
Dieses dem Ammoniak und Phosphorwasserstoff analog zusammengesetzte
Gas bildet sich wie erwähnt, wenn eine Sauerstoffverbindung des Arsens mit
nascirendem Wasserstoff zusammentrifft. Wenn arsenige Säure oder Arsensäure
oder ein Salz dieser Säuren zu Zink gebracht wird, welches mit verdünnter
Schwefelsäure, oder zu Aluminium, welches mit Kalilauge Übergossen ist, so
mischt sich sofort Arsen Wasserstoff dem entweichenden Wasserstoff bei.*) In
reinem Zustand wird das Gas jedoch durch Auflösen von Arsenmetallen in ver-
dünnter Schwefelsäure erhalten. Arsenzink, Zn^Asj, eine durch Zusammen-
schmelzen der Bestandtheile darstellbare Legirung kann zu jenem Zweck Ver-
wendung finden. Arsennatrium, welches durch Erhitzen von Natrium in dem vom
MARSH^schen Apparat gelieferten, arsenhaltigen Gase gewonnen wird, giebt schon
beim Behandeln mit Wasser oder sehr verdünnter Salzsäure reines Arsenwasserstoff.
Das Gas ist äusserst giftig und das Einathmen kleinster Mengen insbesondere
des aus Arsenmetallen dargestellten reinen Gases kann den Tod herbeiführen.
Aehnlich dem Ammoniak und Phosphorwasserstoff ist auch der ArsenwasserstofT
durch einen charakteristischen Geruch ausgezeichnet, der im höchsten Grade
widerlich genannt zu werden verdient. Das Gas zeigt nach Dumas das spec.
Gew. 2,695 und wird bei — 40° zu einer Flüssigkeit verdichtet. Die Bildungs-
wärme ist nach Ogier (5) — 11700 Cal., also negativ, woraus sich das leichte
Zerfallen des Gases in seine Bestandtheile erklärt, wenn dasselbe wie beim
MARSH'schen Versuch eine glühende Röhre passirt. Das Entstehen eines Arsen-
spiegels beweist die Anwesenheit von ArsenwasserstofT mit grösster Schärfe.
Leitet man das Arsenwasserstoffgas über erhitztes Natrium oder Zinn, so ent-
stehen Arsenmetalle unter Abscheidung von Wasserstoff. — An der Lufl lässt
*) AntiinonverbinduDgen geben mit Aluminium und Kalilauge keinen AntimonwasserstofT
(O. Johnson) (10).
Arsen. 49
sich das Arsenwasserstoff entzünden und verbrennt mit bläulichweisser Flamme
und imter Ausstossung eines weissen Rauches von Arsenigsäure-Anhydrid. Führt
man einen kalten Gegenstand, z. B. eine Porzellanplatte in die Flamme, so con-
densirt sich auf derselben der Arsendampf zu einem schwarzbraunen Fleck —
eine Erscheinung, welche ebenfalls zur Erkennung des Arsenwasserstoffs im
MARSH'schen Apparat dient. Das Gas fällt viele Metalle aus ihren Lösungen
entweder als solche oder als Arsenide; so schlägt es aus Silbemitratlösung
schwarzes metallisches Silber nieder, während gleichzeitig ein Theil des Arsens
als arsenige Säure in Lösung geht. Bei Antimonwasserstoff wird das Antimon
völlig abgeschieden, so dass die über dem Niederschlag von Antimonsilber be-
findliche Flüssigkeit ganz frei von Antimon ist. Kupferlösung absorbirt reinen
Arsenwasserstoff vollständig unter Bildung von Kupferarsenür, CujAs^; Queck-
silber- und Goldchlorid werden gleichfalls gefällt — Eine Lösung von über-
mangansaurem Kalium oxydirt das Arsenwasserstoffgas und die Haloide zersetzen
es, indem sie sich sowohl mit dem Wasserstoff wie mit dem Arsen vereinigen.
Fester Arsenwasserstoff.
Die Existenz eines solchen Körpers scheint sicher zu stehen, nicht aber
seine Zusammensetzung. Janovsky (6) erhielt beim Zusammentreffen von Natrium-
arsenid, NajAs, mit Wasser ausser gasformigem Arsenwasserstoff auch einen
braunen, pulvrigen Körper, welcher die Zusammensetzung As^H, besass. Wieder-
hold (7) gab an, beim Auflösen einer Arsenzinklegirung aus 1 Th. Arsen und
5 Thln. Zink in verdünnter Schwefelsäure ein rothbraunes Pulver erhalten zu
haben, welches der Formel As^H, entsprechend zusammengesetzt war, doch
hatte Janovsky bei diesem Verfahren nur metallisches Arsen erhalten können.
Die quantitative Bestimmung
des Arsens kann auf volumetrischem und gewichtsanalytischem Weg erfolgen (i 2).
Arsenige Säure resp. lösliche Arsenite lassen sich nach Mohr in schwach
alkalischer Lösung mit Jodlösung titriren, wobei die arsenige Säure zu Arsensäure
oxydirt wird; Zusatz von Stärkekleister iässt das Vorhandensein überschüssigen
Jods erkeimen. Die arsenhaltige Lösung muss mit Natriumcarbonat resp. Salz-
säure zuvor neutralisirt und dann mit reinem Natriumbicarbonat versetzt werden,
worauf man ein wenig Stärkekleister zufügt und dann die titrirte Jodlösung, bis
eben die blaue Farbe eintritt. Je acht Atome Jod, welche zur Oxydation ver-
braucht wurden, weisen die Anwesenheit von einem Molekül Arsenigsäure-
Anhydrid nach.
Nach Bunskn's Methode kocht man eine abgewogene Menge Kaliumbichromat
unter Zusatz der die arsenige Säure enthaltenden Flüssigkeit mit Salzsäure, fangt
das entweichende Chlor in Jodkaliumlösung auf und bestimmt die ausgeschiedene
Jodmenge durch Titrirung mit schwefliger Säure oder unterschwefligsaurem
Natrium. Da die arsenige Säure resp. das gebildete Arsentrichlorid zu Penta-
chlorid umgewandelt wird, so gelangt eine entsprechende Menge Chlor in das
Jodkalium weniger, als das Kaliumbichromat sonst geliefert haben würde.
Neuerdings hat E. Fischer (ii) eine zweckmässige Modiücation des von
Schneider u. Tyfe angegebenen Verfahrens empfohlen, bei welchem die arsenige
Säure enthaltende Flüssigkeit mit Eisenchlorür und Salzsäure destillirt wird. Das
ins Destillat übergehende Arsentrichlorid wird dann mit Jod titrirt.
Auf gewichtsanalytischem Weg wird das Arsen entweder als Arsentri-
sulfid, As^S), oder als arsensaures Salz bestimmt.
Ladkkbubc, Chemie. IT. 4
50 Handwörterbuch der Chemie.
Ist der durch SchwefelwasserstofT erhaltene SulfÜmiederschlag frei von fremden
Metallen und von Schwefel, so kann man ihn nach dem Trocknen bei 100^
direkt wiegen. Andernfalls ist der Niederschlag mit stark rauchender Salpeter-
säure zu oxydiren und das Arsen als Arsensäure zu bestimmen. Diese Bestimmung
geschieht häufig analog der Phosphorsäurebestimmung durch Fällen der mit
Ammoniak im Ueberschuss versetzten kalten Lösung durch eine mit viel Chlor-
ammonium vermischte Magnesiumsulfatlösung , wobei ein weisser Niederschlag
von arsensaurem Ammonium-Magnesium entsteht, welcher nach zwölfstündigem
Stehen unter der Flüssigkeit abfiltrirt und nach dem Trocknen bei 105 — 110°
gewogen wird. Auch durch Fällung der ammoniakalisch gemachten Arsensäure-
lösung mit Uranacetat erhält man einen constant zusammengesetzten Niederschlag,
welcher 28,71 f Arsenpentoxyd, As^Og, enthält, und aus dessen Gewicht das
vorhandene Arsen zu berechnen ist
Die Trennung des Arsens von sonstigen mit ihm gemeinschaftlich vor-
kommenden Elementen geschieht bei der quantitativen Analyse auf sehr ver-
schiedene Weise, je nach der Natur der begleitenden Stofie, meist erhält man
bei diesen Scheidungen schliesshch das Arsen gemischt mit dem ihm sehr ähn-
lichen Antimon und es gilt insbesondere diese beiden Elemente von einander zu
trennen. Entweder oxydirt man die Sulfide mit Salzsäure und Kaliumchlorat
oder mit Königswasser, fügt Weinsäure zu und fällt das Arsen als Ammonium-
Magnesiumarseniat, wobei das Antimon in Lösung bleibt — oder man dampft
nach BuNSEN die durch Oxydation mit Kaliumchlorat und Salzsäure erhaltene
Lösung zur Zerstörung des Kaliumchlorats wiederholt mit verdünnter Salzsäure
ein, verdünnt, fällt mit Schwefelwasserstoflf\vasser das Antimon und vertreibt durch
einen stürmischen Luftstrom den überschüssigen Schwefelwasserstoff, worauf der
aus Antimonpentasulfid bestehende Niederschlag abfiltrirt, mit Wasser, Alkohol
und zuletzt mit Schwefelkohlenstoff ausgewaschen und schliesslich nach dem
Trocknen bei 110° gewogen wird; die im Filtrat enthaltene Arsensäure wird
nach einer der angegebenen Methoden bestimmt
DE Clermont und Frommel (ig) haben neuerdings beobachtet, dass Arsen-
sulfür durch Kochen mit Wasser Schwefelwasserstoff entwickelt, während arsenige
Säure in Lösung geht. Durch längeres Kochen der mit Schwefelarsen ge-
mischten Sulfide anderer Metalle mit Wasser unter Einleitung eines Luftstroms
zur Entfernung des Schwefelwasserstofts gelingt es, das Arsen aliein in Lösung
zu bringen, während die anderen Metallsulfide zurückbleiben. Diese Methode
soll sich besonders zur Trennung des Arsens von Antimon und Zinn eignen.
Die oben erwähnte Bestimmungsmethode des Arsen nach der FiscHER^schen
Modification giebt auch bei Gegenwart von Antimon, Zinn und anderen Metallen
genaue Resultate. — Heumann.
Asche.*) Asche nennt man den nichtflüchtigen, unverbrennlichen Rückstand,
welchen pflanzliche oder thierische Substanzen bei ihrer Verbrennung hinterlassen.
Abgesehen von einzelnen Kohletheilchen, welche gewöhnlich in der Asche ent-
halten sind, aber durch längeres Glühen derselben an der Luft völlig verbrannt
werden können, besteht die Asche nur aus mineralischen Stoffen, welche in der
verbrannten Substanz theils in fester, theils in gelöster Form enthalten waren,
doch enthält die Asche niemals sämmtliche unverbrennliche Bestandtheile der
*) S. Fresenius, Quantitative Analyse. Grandeau, AgricultuFchemische Analyse. Bunsen,
Aschen analyse in Annalen der Oenologie. Heidelberg 1869 und Z. anal. Ch. 9, 283.
Asche. 5 1
ursprünglichen Substanz, da in Folge der höheren Temperatur Theile der Asche
verflüchtigt oder durch die austretenden Gase mechanisch fortgerissen werden
und auch unter den Mineralbestandtheiien selbst oft Reactionen eintreten, welche
die Austreibung eines oder des anderen Beslandtheils zur Folge haben. Anderer-
seits werden durch den Verbrennungsprocess selbst mancherlei Produkte erzeugt,
welche in der Asche zurückbleiben. So werden die Salze der organischen Säuren
und die Nitrate in Carbonate verwandelt, Sulfate durch die Wirkung der glühen-
den Kohle zu Sulfiden reducirt, sowie Cyanide und Cyanate in Folge der Ein-
wirkung der Alkalicarbonate auf stickstoffhaltige Kohle gebildet.
Die gewöhnlichen Bestandtheile der Aschen thierischer und pflanzlicher Stolle
sind die Carbonate, Chloride, Sulfate, Sulfide, Phosphate und Silicate der Alkali-
metalle, des Calciums, Magnesiums, Eisens und Mangans. Häufig kommen auch
Bromide, Jodide und Fluoride vor, sowie die Metalle Aluminium, Kupfer und Zink.
Für die Kenntniss der Ernährung der Thiere und Pflanzen ist es von grösster
Wichtigkeit die in dem betreffenden organisirten Körper oder in einzelnen seiner
Theile enthaltenen anorganischen Stoffe zu ermitteln, aber es ist aus dem oben
Gesagten klar, dass die bei der Verbrennung hinterbleibende Asche uns nur ein
sehr unvollkommenes Bild von der Qualität und Quantität der mineralischen
Stoffe bietet, und dass wir nur mit grosser Vorsicht aus der Analyse einer Asche
auf die Natiur der in der organisirten Substanz vorhanden gewesenen Mineralstoffe
schliessen dürfen. Darum wurden viele Versuche ausgeführt, welche die Trennung
der anorganischen Bestandtheile von den organischen durch eine weniger tief-
greifende Reaction als den Verbrennungsprocess zum Ziele hatten. So gelingt
es die organischen Stoffe ziemlich vollständig dadurch zu zerstören, dass man die
Substanz in siedende Salzsäure einträgt und chlorsaures Kalium in kleinen
Mengen zufügt. Das sich entwickelnde Chlor und Chlordioxyd bewirkt eine
durchgreifende Oxydation der organischen Stoffe, so dass in vielen Fällen eine
klare Lösung erhalten wird. Auch durch Behandlung von Pflanzentheilen mit
verdünnter Salpetersäure können fast alle Mineral bestandtheile in Lösung ge-
bracht und dann durch Filtration von der Zellsubstanz getrennt werden, aber
während bei diesen Methoden zwar eine Verflüchtigung von Mineralbestandtheiien
weit eher vermieden wird, als bei der Verbrennung durch Feuer, bewirken die
zugefügten Reagentien wiederum andere tiefgreifende Veränderungen in der
Bindungsweise der Mineralbestandtheile, so dass auch aus diesen Methoden Schlüsse
über die Art der Bindung der Mineralstofie in der organisirten Substanz kaum
zu ziehen sind.
Während viele anorganische Stoffe eine wichtige Rolle im thierischen oder
pflanzlichen Organismus spielen, und dann in den Aschen stets zu finden sind,
begegnen wir häufig nicht unbedeutenden Mengen anderer Mineralbestandtheile in
den Pflanzen, welche als zufällige, von der Natur des Standorts herrührende an-
zusehen sind.
Alkalisalze finden sich stets in allen Pflanzen, doch herrscht in den See-
und Strandpflanzen das Natrium, in den Binnenlandpflanzen das Kalium vor;
geringe Mengen von Lithium und Rubidium konnten mit Hülfe der Spectral-
aoalyse ebenfalls in vielen Aschen gefunden werden. In den Aschen thierischer
Substanzen treffen wir stets Chloride und Schwefelverbindungen, denn die thieri-
schen Säfte sind reich an Kochsalz, und der Schwefel bildet einen wesentlichen
Bestandtheil der Eiweisskörper; auch phosphorsaure Salze sind gewöhnlich in
den Aschen thierischer Stoffe reichlich enthalten.
4*
52 Handwörterbuch der Chemie.
Kieselsäure findet sich regelmässig in den Pflanzen, zuweilen z. B. in Equi-
setuMf in den Gramineen etc. in sehr bedeutender Menge. So enthält die Asche
des Schachtelhalm's bis 97 J Kieselsäure, diejenige des Stroh's bis TOJ^.
Zur Herstellung einer Asche, aus deren Analyse bestimmte Schlüsse
auf die Mineralbestandtheile der betreifenden Substanz gezogen werden sollen,
muss das Object zunächst von Staub und Sand gereinigt sein, dann muss vor
Allem verhütet werden, dass fremde Stoffe z. B. Flugasche des verwendeten
Brennmaterials das Object verunreinigen. Die zu den Analysen nöthige Aschen-
menge beträgt 5 bis 6 Grm., zu deren Erlangung in der Regel mehrere hundert
Grm. der Substanz — je nach deren Gehalt an Mineralstoffen — verbrannt
werden müssen. Um die Verbrennung zu beschleunigen, setzt man oft Ammonium-
nitrat, Quecksilberoxyd oder Platinschwamm zu; um das Entweichen des Schwefels
zu vermeiden, wird Baryt oder Natriumcarbonat beigemischt.
Die gewöhnlichste Art der Einäscherung ist die Verbrennung in einer
thönemen Muffel, welche in einem Kohlen- oder Gasofen zur beginnenden
Rothgluth erhitzt wird, während ein langsamer Luftzug durch die unteren Löcher
des die vordere Oefihung schliessenden Thondeckels eintritt, und entweder durch
eine besondere Abzugsöffnung in der Muffel oder durch die oberen Löcher des
vorgesetzten Deckels ins Freie tritt. Die zuvor getrocknete Substanz wird in
einer Platin- oder Porzellanschale in die Muffel gestellt und diese, solange noch
Dämpfe entweichen, schwach erhitzt, später aber stärker um die Kohle weg-
zubrennen. F. Schulze empfahl, die Einäscherung in einer Platinschale über der
Gasflamme auszuführen und zur Erzeugung eines ruhigen Luftzugs einen Glas-
cylinder auf ein über die Schale gelegtes Drahtdreieck aus Platin zu stellen.
Es liesse sich wohl erwarten, dass die Asche ein und derselben Substanz
eine constante Zusammensetzung zeigt, doch ist es im Gegentheil ziemlich schwierig,
identisch zusammengesetzte Aschen von demselben Körper zu erhalten, da je
nach der Höhe der Temperatur und der Art des Erhitzens verschiedene Verluste
entstehen, welche bald den einen bald den anderen Bestandtheil treften. Bunsen
schlug vor, um wenigstens die zum Theil entwichene Kohlensäure der Carbonate
wieder gleichmässig zu ergänzen, die Asche in Wasser zu suspendiren, Kohlen-
säure einzuleiten und die Flüssigkeit hierauf zur Trockne zu verdampfen, wobei
etwa entstandene Bicarbonate in normale Carbonate verwandelt werden.
Die Analyse selbst wird nach Bunsen in der Art ausgeführt, dass man die
in Wasser löslichen und die darin unlöslichen Aschenbestandtheile für sich
analysirt. Der wässrige Auszug wird in fünf Theile getheilt, von welchen je ein
Theil zur Bestimmung der Schwefelsäure, des Chlors, der Alkalien und der
Kohlensäure dient, während im letzten Antheil Calcium, Magnesium und Phos-
phorsäure bestimmt werden. Der in Wasser unlösliche Theil wird in zwei An-
theile geschieden. Den einen Theil schliesst man durch rauchende Salpetersäure
auf und bestimmt nach Beseitigung der Kieselsäure die Phosphorsäure; im Filtrat
ist dann noch durch Fällung mit Ammoniak Aluminium und Eisen, durch Ammonium-
sulfid das Mangan auszufällen und endlich noch Magnesium und Calcium zu be-
stimmen. Der Rest der in Wasser unlöslichen Substanz wird zur Bestimmung
der Kohlensäure, der Schwefelsäure und der Kieselsäure mit Salzsäure behandelt
Fresenius und Will, Mitscherlich, Wittstein, Knop, Reichardt und noch
viele andere Chemiker haben Vorschriften zur Aschenanalyse gegeben, doch mag
das skizzirte Verfahren hier genügen.
Zur Berechnung der analytischen Ergebnisse ist man bestrebt die
Asphalt. 53
Elemente in der Art zu binden, wie sie in Wirklichkeit in der Asche vorhanden
sind. Sand und Kohle werden daher zunächst in Abzug gebracht, da sie nicht
zu den Bestandtheilen einer reinen Asche gehören; das Chlor ist mit der
Döthigen Menge Natrium resp. Kalium zu vereinigen und das Mangan als Mangan-
ozyduloxyd MnjO^ in Rechnung zu ziehen. Soll das Resultat für die Asche als
solche charakteristisch sein, so ist die Kohlensäure nach Fresenius als wesent-
licher Bestandtheil mit anzuführen/ dagegen wird sie als unwesentlich gleichzeitig
mit Kohle und Sand in Abzug gebracht, wenn das Resultat als Ausdruck der
anorganischen Bestandtheile dienen soll, welche der verbrannte organische Gegen-
stand enthielt. Es ist daher zweckmässig die analytisc)ien Ergebnisse in dieser
doppelten Weise berechnet zusammenzustellen. — Heumann.
Asphalt«*) Unter dem Namen Asphalt versteht man einerseits eine Anzahl
von Repräsentanten aus der Gruppe der natürlichen Erdharze, andererseits be-
zeichnet man mit demselben Worte auch wohl die, bei der Destillation des
Steinkohlentheers in den Retorten zurückbleibenden zähflüssigen, beim Erkalten
starr werdenden Massen.
Natürlicher Asphalt. Von den seitens der Mineralogen zu der Gruppe
der »Erdharze« gezählten Körpern steht das Erdöl (Petroleum, Bergöl, Steinöl,
Naphta) in naher genetischer Beziehung zu dem eigentlichen Asphalt, wie
auch zu dem in Europa häufigeren Eiaterit, dem elastischen Erdpech, denn nach
der Ansicht der Geologen sollen diese durch Oxydation des Erdöls entstanden
sein. In der That sind auch die Uebergänge vom flüssigen Erdöl bis zum festen
Asphalt mit allen möglichen Zwischenstadien (Theer, Pech etc.) schon vielfach
beobachtet worden. — Der eigentliche Asphalt flndet sich namentlich am
todten Meer, im Theersee auf Trinidad und bei Coxitambo in Peru. Das an
diesen Orten in Klumpen gewonnene Material ist fast reiner Asphalt und kann
direkt in den Handel gebracht werden. — In Europa wird hauptsächlich das
zweite, dem Asphalt sehr nahe stehende Erdharz, der Eiaterit oder Bergtheer
gewonnen, imd zwar kommt er vor als bituminöser Kalk und Schiefer, femer als
Asphaltstein, ein Gemisch von Erdharz mit Dolomit oder Kalkstein, und endlich
•) I. Natürlicher Asphalt. Monographien: i) R. Kayser, Unters, über nat. Asphalte
Nttmberg 1879 hei Fr. Korn. 2) L. Meyn: der Asphalt u. seine Bedeutung f. d. Strassenbau
grosser Städte, Halle 1872, Waisenhausbuchhandlung. 3) F. F. Freiherr v. Dücker: Petroleum
o. Asphalt in Deutschland. 2. Aufl. Minden 1881. J. CC. Bruns. Abhandlungen: BoussiN-
GAüLT, J.-B. Compt Rend. HI. 1836, pag. 375 oder Liebig, Ann. XXin., pag. 261; Ann. de
Chun. et Phys. LXXII,.pag. 442 oder Liebig's Ann. XXXV, pag. 354. Ebelmen: Ann. des
Miaes XV 1839, pag. 523. Regnault: Ann. de Chim. LXVI, pag. 337 oder Liebig's Ann. XXV,
pag. 246. Völckel: Liebig, Ann. 87, pag. 139; Wien, Acad. Ber. 55, 2, pag. 564 oder Liebig,
Ann. 143, pag. 267; Joum. f. pr. Chem. 103, pag. 201. Karmarsch: Mitthlg. d. Gew.-Ver. f.
Hannov. 1844. Wktherill: Sill. Ann. Jour. [2] 17, pag. 130. Kersten: Joum. f. pr. Chem. 35,
pag. 271. Stromeyer: N. Jahrb. d. Min. 1862, pag. 883. S. P. Peckham: Americ. Chemist.
«873 IV, pag. 6. L. Videky: Zeitschr. d. österr. Ingenieur- u. Archit.-Ver. 1872, pag. 426 oder
Dwgl. polyt. Joum. CCVII, pag. 240. 328. Jaloüreau: Wagner, J.-B. 1873, P^- 77*- ^' Prince:
Ber. d. deutsch, chem. Ges. 1874, pag. 1297.
^. Ktinstlicher Asphalt: Wright, BerL Ber. 1871, pag. 893. Bresson: Berl. Ber. 1872,
pa^ 442. W. R. Lake: Berl. Ber. 1872, pag. 442. J. Roger u. G. M. Soares, Berl. Ber. 1872,
pag. 443. Pender u. Rae, Berl. Ber. 1872, pag. 736. C. HAussermann: WUrtemb. Gew.-Bl. 1878
oder Indust-BL f. 1878, pag. 338. Dagezan: Dingl., polyt. Joum. 232, pag. 547. A. M. Gobin:
Chemik.-Ztg. 1879, pag. 210. BOUTIGNY: Revue industr. 1879, pag- 54 o<i« Chem. Ztg. 1879,
pag. 206. Green: BerL Ber. 1877, pag. 894a. Bbnnett u. Watt, 1874, pag. 195.
54 Handwörterbuch der Chemie.
in Gängen oder Spalten in mehr oder minder zähflüssigem Zustande. Fundorte
für den Elaterit sind: Pechelbronn, Hatten und Lobsann im Elsass, femer Limmer,
Ahlem, Velber und andere Orte der Provinz Hannover, sowie mehrere Stellen
des nordwestlichen Deutschlands. Die bei Weitem bedeutendsten Fundstätten
sind Val de Travers im Canton Neuenburg und Seyssel im Departement de TAin.
Der reine Asphalt ist dunkelbraun bis schwarz gefärbt, er zeigt einen
muscheligen, glänzenden Bruch, hat die Härte = 2 und das spec. Gew. = 1,1 — 1,2.
Bei 100° C. schmilzt er und verbrennt bei höherer Temperatur an der Luft mit
stark Hissender Flamme. In Wasser und verd. Säuren ist er absolut unlöslich,
etwas löslich in Alkali, Aether und Alkohol, leicht und vollkommen löslich aber
in Terpentinöl.
Das Erdpech ist bald zähflüssig oder schmierig, bald fest und spröde, von
harzartigem Aussehen und muscheligem Bruch. Das reine Produkt ist etwas
leichter als Wasser, in natürlichem Zustande, d. h. mit feinen Gesteinsmassen
durchsetzt, kann sein spec. Gew. jedoch bis auf 1,6 steigen. Gegen Wärme und
Lösungsmittel verhält es sich analog dem reinen Asphalt.
Die Zusammensetzung der Erdharze ist, wie aus nachfolgender Zusammenstdlung hervorgeht,
eine sehr verschiedene; durchweg enthalten sie Kohlenstoff, Wasserstoff, etwas Sauerstoff und
einige enthalten Stickstoff. In nachstehender Analyse I finden sich die Zahlen für das Pechel-
bronner zähe Erdharz, n ist • Jungfemharz « desselben Fundortes, beide von Boussingault
untersucht, No. IQ giebt die Zusammensetzung von Cuba-Asphalt nach Regnault, No. IV Erd-
harz von Bastennes, No. V ein Harz von Pont Navey, beide nach Ebelmen:
l
n
m
IV
V
Kohlenstoff
880
880
81-5
85-7
65-9
Wasserstoff
120
110
9-6
9-6
7-3
Sauerstoff
0
0
9-0
2-9
25-4
Stickstoff
0
1-6
90
1-8
1-3.
Die näheren Bestanddieile des Asphalts sind bislang noch wenig erforscht. Boussingault
hat durch Destillation aus Pechelbronner Erdpech «Petrolen«, C^^H,,, spec Gew. 0.891, Siede-
punkt etwa 280**) und das «Asphalten«, C20H33O3, eine feste, schwarze, asphaltartige Masse,
Beginn des Schmelzens bei 300° dargestellt, doch müssen diese schon als Zersetzungsprodukte
der ursprünglichen Asphaltbestandtheile aufgefasst werden. Als letztere sind vielmehr verschiedene
harzige und bituminöse Stoffe anzusehen.
Der Asphalt kann je nach der Beschaffenheit seines Rohmaterials in verschiedener Weise
rein gewonnen werden. Es geschieht das entweder durch Aussaigern in besonderen Oefen, wie
auf der Insel Brazza bei Venedig, oder man bringt den Asphaltstein in zerkleinertem Zustande
in heisses Wasser und schöpft, nachdem Steine und Sand sich zu Boden gesenkt haben, das
geschmolzene Erdpech oben ab, trocknet es durch weiteres Erhitzen und bringt es schliesslich
in die bekannte Brodform ,* diese Methode ist die in Seyssel und Pechelbronn gebräuchliche.
Der bei Lobsann gewonnene bituminöse Schiefer lässt, in heisses Wasser gebracht, den Asphalt
als schwammige, nicht geschmolzene Masse an die Oberfläche treten. Man nimmt es ab> erhitzt
bis zum Schmehen und formt das getrocknete Harz.
Künstlicher Asphalt. Bei Destillation des Steinkohlentheers bleibt in den Blasen ein
Rückstand, welcher ähnliche Eigenschaften wie der natürliche Asphalt besitzt, und den man des-
halb künstlichen Asphalt genannt hat. Er wird auch häufig anstatt dieses verwendet, noch
häufiger mit demselben gemischt verarbeitet. Je nachdem man die Destillation in den Theer-
blasen mehr oder weniger weit treibt, resultirt das Material in mehr oder weniger festem Zustande.
Zur Gewinnung eines weichen Asphalts wird der Blasenrückstand, aus welchem man die sehr
werthvollen zuletzt übergehenden Anthracenöle möglichst vollsülndig auszubeuten strebt, vor
seinem Ablassen noch mit etwas billigen, schweren Oelen gemischt. Der Theer liefert dabei
ca. i — 1^ seines Gewichtes an Asphalt. Auch den Rückstand des Braunkohlentheers kann man
auf Asphalt verarbeiten.
Aspirator. 55
Die Verwendung des natttrlichen wie des künstlichen Asphaltes ist eine sehr vielfache.
Er wird benfitzt zum Belegen von Strassen, Trottoirs etc., zur Herstellung von Dächern und
Isolirschichten zum Schutz gegen Mauerfeuchtigkeit, als Anstrich von Schiffen, Wasserleitungs-
röhren und Brückenpfählen, zur Anfertigung von Dachpappen, zum Tränken von Tuchen, zum
undurchlässig machen von Back- und Sandsteinen, wie auch zur Leuchtgasbereitung etc. Der
kfinstüche Asphalt wird insbesondere auch als Bindemittel bei der Briquette-Fabrikation verwendet
Asphalt-Kitt oder -Mastix. Man pflegt den Asphalt in Rücksicht auf seine Haltbarkeit
nicht rein, sondern gemischt mit Sand, Kies, Kalkstein etc. als sogen. Asphaltkitt anzuwenden.
Die einfachste Art der Herstellung desselben ist die, dass man in Kesseln den Asphalt mit mehr
oder weniger, je nach Art der Verwendung, von gröblich gemahlenem bituminösen Kalkstein,
Kreide oder Sand zusammenschmilzt und mischt, und dann in Brode oder Platten formt
Im Canton Neuenburg wird Mastix durch Zusammenschmelzen von pulverisirtem Asphaltstein
mit 3 Thln. reinem Mineraltheer (Goudron mineral) von Dax gewonnen.
Soll Mastix aus künstlichem Asphalt hergestellt werden, so lässt man das Pech aus den
Destillirblasen noch warm in angeheizte gusseiseme Kessel fliessen, in denen es mit gröblich
gemahlener, scharf getrockneter und noch heisser Kreide oder mit ebenso vorbereitetem bitumi-
nösen Kalk oder Jurakalk gemischt wird. Um eine möglichst innige Mischung der Materialien
zu eizielen, bedient man sich mit Vortheil des BABONCAU'schen Kessels mit Rlihrvorrichtung.
Bei der Herstellung von Asphaltpflaster verwendet man jetzt den Asphalt in 3 Formen,
1. als Asphaltkitt, 2. als comprimirten oder gewalzten Asphalt, 3. als Asphaltbeton. —
1. Der an Ort und Stelle aus reinem Asphalt erst hergestellte oder der fertige zerkleinerte
Asphaltkitt wird in einen Kessel gebracht, in dem vorher 3 Thle. reines Erdpech geschmolzen
smd, mit diesem gut gemischt, nochmals 1 Th. Erdharz zugesetzt und nun eine »Füllung« von
Kies, Flusssand, Kalkstein etc. in Stückchen von 5 — 10 Millim. Durchmesser mit dem Asphalt
▼enührt Das heisse Material wird auf einer vorher sorglich geglätteten und getrockneten Unter-
lage mit Hokschabem ausgebreitet und auf der Oberfläche entweder mit Sand (taloche) oder
mit feinem Kies (granite) glatt verrieben.
2. Comprimirter oder gewalzter Asphalt Der Asphalt hat die Eigenschaft, in der
Hitze, ehe er schmilzt, zu einem trocknen Pulver zu zerfallen und dieses kann durch genügenden
Drack bei niederer Temperatur in eine zusammenklebende, feste Masse verwandelt werden. Man
edutct einen S Meter hohen, 1 Meter im Lichten messenden cylindrischen Ofen, der im Innern
eine stehende Schnecke und radiale Rührer hat, auf 300^, versetzt Rubrer und Schnecke in
ziemlich starke Drehung und giebt nun von oben Asphalt in Stücken von etwa 8 Centim. Durch-
messer in den Ofen; am andern Ende verlassen sie denselben als zerfallenes etwa 140^ heisses
Pulver. Das Pulver wird in besonderen Transportkästen zur Arbeitsstelle gebracht und wird
noch heiss auf der glatten trocknen Unterlage mit heissen Schaufeln rasch ausgebreitet, von den
Bändern ans zunächst mit Handstampfen fest gestampft und endlich mit Walzen comprimirt,
wobei ein Schwinden der Schicht um 20— 25j ihrer Höhe eintritt Das Pflaster ist nach
5—6 Stunden begehbar. Am geeignetsten ftlr diese Art der Pflasterung ist der Asphalt von
Val de Travers.
3. Asphalt -Beton ist eine Mischung von zerkleinerten möglichst scharfkantigen Steinen
mit Bfastix, die namentlich zur Fundamentirung an feuchten Orten, sowie bei Wasserbauten
Verwendung findet Man mischt hierzu 95 Thle. Mastix mit 5 Thln. Erdharz und 150 Thln.
FflSnng ans scharfkantigem Kies oder Steinen. EngleR.
Aspirator.*) Mit diesem Namen wird eine Vorrichtung belegt, welche dazu
dient, mit Hülfe einer bewegten Flüssigkeitsmasse einen luftverdünnten Raum
*) 1} BuNSEN, Ann. 148, pag. 267. S. auch Tollens, Ber. 9, pag. 1539. Hagsnbeck,
Graham-Otto-Michaelis» Anorg. Ch. I, pag. 244. 2) Arzbbrger u. Zulkowsky, Ann. 176,
P^* 3^7* 3) LiNMEMANN, Ann. 177, pag. 295. Himly, Ber. 6, pag. 1401. Schober, Z. anal.
Ch. 1878, pag. 177. Christiansen, Pogg. 146, pag. 155 u. Dingl., PoL J. 205, pag. 190.
FtocHSR, BiNGL., PoL J. 221, pag. 136 u. Ber. 9, pag. 747. Jagn., Ber. 5, pag. 328 u. Ann. 166,
pag. 208. FooTE, SiU. Amer. J. [3] 360, Ann. 4, pag. 253. Bach, J. pr. Ch. [2] 11, pag. 479
und Dingl., Pol. J. 217, pag. 504. Swan, Ch. News 36, pag. 95. £. Rbnnard, Russ. Z. für
56
Handwörterbuch der Chemie.
zu erzeugen. Als einfachste Form eines Aspirators erscheint ein oben und unten
tubulirtes und mit Wasser gefülltes Gefass, aus dessen unterer Oefihung das
Wasser ausfliesst und hierdurch ein Einsaugen von Luft durch die obere Oefihung
bewirkt. Verbindet man letztere luftdicht mit einem Gefass oder einem System
von Gefässen, Röhren etc. so wird der Druck in diesem ebenfalls vermindert. —
Um aus einem solchen Aspirator das Wasser möglichst vollständig zum Ausfluss
zu bringen, gibt man dem Behälter einen nach unten trichterförmig zulaufenden
Boden. Die Saugkraft eines derartigen Apparates ist gleich dem Gewicht der
hängenden Wassersäule von der Oberfläche des Wassers bis zu seiner Austritts-
stelle gerechnet; da aber während des Abfliessens das Niveau fortwährend sinkt,
so vermindert sich die Saugkraft in gleichem Maass. Jeder gewöhnliche
Laboratoriumgasometer kann als Aspirator benutzt werden, indem man unten
Wasser abfliessen lässt und die zu evacuirenden Gefasse mit der oberen Seiten-
öflhung verbindet. —
Um die öftere Erneuerung des Wassers in solchen Aspiratoren zu umgehen,
wurden verschiedene Apparate construirt, welche wesentlich darauf begründet
sind, dass das abfliessende Wasser in einem zweiten
Gefass gesammelt wird, welches nach seiner Füllung
in eine höhere Stellung gebracht wird und nun selbst
als Aspirator dient, während das zuerst benutzte
entleerte Gefass jetzt das Aufnahmereservoir bildet.
Zur Beseitigung des Uebelstandes, dass mit
dem Sinken des Wasserspiegels die Saugkraft ab-
nimmt, ist die Umgestaltung des Gefasses nach
Art der sogen. MARioTTE'schen Flasche zu empfeh-
len, wobei die einzusaugende Luft durch eine
Röhre von oben bis unter die Wasseroberfläche
geleitet wird. Die Saugkraft ist dann constant
aber freilich geringer, denn hier kommt nur die-
jenige Wassersäule zur Geltung, welche sich zwischen
der unteren Oefihung jener Röhre (durch welche
die Luft eintritt) und der unteren Oefftiung, durch
welche das Wasser ins Freie gelangt, befindet.
Eine zweite Art von Aspiratoren, bei welchen
die Erneuerung des Wassers selbstthätig geschieht,
ist die von Bunsen (i); nach Art der Sprengel* sehen
Quecksilberluftpumpe construirte Wasser-
luftpumpe, welche besonders in den Laboratorien
vielfach verwandt wird, um mittelst des durch sie
erzeugten luftverdünnten Raumes das Filtriren von
Flüssigkeiten zu erleichtem, welche mit grosser
Kraft durch das Filter hindurchgesaugt werden.
^^Die SpRENGEL'sche Pumpe besteht in ihrer ein-
'fachsten Form aus einer unten umgebogenen
(Cii.88.) Barometerröhre (Fig. 38), an deren oberem Ende
Phann. i6, pag. 673. O. Knoblauch, Z. anal. Ch. 1875, pag. 168. Casamajor, Am. Chemist. 4,
pag. 361; 5, pag. 438; 6, pag. 122. Chem. N. 32, pag. 33, 45, 183. Bück, Am. Chemist. 6,
pag« 371« Jesse Lowett, Chem. N. 29, pag. 203. Richards, Chem. N. 22, pag. 7. Bulk,
Ber. 9, pag. 1871. de Koninck, Ber. 3, pag. 286. 5) Drafer, Phil. Mag. [4] 39, pag. 335.
Aspirator.
57
ein Trichter luftdicht befestigt ist. Einige Centimeter tiefer zweigt sich ein
Seitenrohr ab, welches mit dem zu evacuirenden Gefäss verbunden wird. Giesst
man Quecksilber in den Trichter und öffnet den Quetschhahn, so fliesst das Metall
in der Barometerröhre herab, erzeugt durch sein Gewicht, welches von der
Atmosphäre nur zum Theil getragen wird, im oberen Theil der Röhre ein
Vacuum und bewirkt so ein Evacuiren des mit dem Zweigrohr verbundenen
Gefässes. Bunsen ersetzte das Quecksilber durch Wasser, musste aber deshalb
der Fallröhre eine Länge von ungefähr 12 Meter geben, um eine Barometerleere
zu erzeugen. Statt des Trichters führt eine mit der Wasserleitung verbundene
Bleiröhre fortwährend
neues Wasser in die
Fallröhre, Der in Fig. 39
abgebildete Apparat er-
zielt also eine continuir-
lichc Wirkung. Durch
die Röhre IV und einen
durch Quetschhähne be-
liebig zu verengernden
Kautschukschlauch
fliesst das Wasser der
Leitung in das Glas-
geiass c und von hier
in die bleierne Fallröhre
dt durch welche es in
die Tiefe event. in eine
Senkgrube geleitet wird.
Der obere Theil des
Gefässes c, durch wel-
ches die Luft eingesaugt
wird, steht mit einem
Manometer und dem
zu evacuirenden Gefäss
in Verbindung.
Steht eine Hoch-
druckwasserleitung
zur Verfügung, so fin-
det zweckmässiger eine ^^^' ^^-^
andere Aspiratorconstruction Anwendung, bei welcher die saugende Wirkung
dadurch hervorgerufen wird, dass ein kräftiger Wasserstrahl aus einer engen
Röhre in eine weitere einströmt und dabei gleichzeitig, die Luft seiner Um-
gebung mit in die weite Röhre hineinreisst. Auch mit Hülfe eines einzigen
konischen Rohres, an dessen engerer Oeffnung das Wasser eintritt, kann eine
saugende Wirkung hervorgebracht werden; die Saugröhre ist dann nahe am
engeren Röhrenende abzuzweigen und giebt eine um so kräftigere Wirkung,
wenn der eingesaugte Luftstrom nicht unter einem rechten Winkel gegen die
fliessende Wassermasse stösst, sondern sich möglichst parallel mit dem Wasser
bewegt
2^ahb'eiche Constructionen sehr wirksamer Aspiratoren sind auf dieses Princip
gegründet worden und führen den Namen Wasserstrahlpumpen (9). Sie
5»
Handwörterbuch der Chemie.
unterscheiden sich wesentlich nur in der Wahl des Materials und der Anordnung
der Apparattheile. Eine ganz aus Glas gefertigte,
sehr billige Vorrichtung ist die GmssLER'sche,
welche in Fig. 40 in etwa J der natürlichen Grösse
abgebildet ist. Die Röhre a wird mit der Wasser-
leitung, die Röhre b mit dem zu evacuirenden
Gefäss verbunden.
Weniger zerbrechlich ist der Apparat von
Arzberger und Zulkowsky (2) Fig. 41 . Bei C tritt
das Wasser ein, welches durch die Röhre B ab-
fliesst und dabei aus der Röhre D Luft herbei-
saugt Mit g wird ein Manometer und mit / das
zu evacuirende Gefass verbunden. — Linnemann's
(3) Vorrichtung besteht nur aus einem mit Seiten-
kanal versehenen, konisch gebohrten Hahn.
Diese Hinweise mögen zur Charakterisirung
I derartiger Apparate genügen; bezüglich der übrigen
sehr zahlreichen Constructionen muss auf die
Literatur (4) verwiesen werden. Die Wirkung
dieser Aspiratoren ist eine sehr kräftige und hängt
wesentlich vom disponiblen Wasserdruck ab. So
evacuirt z. B. die ARzBERGER*sche Pumpe in
48 Secunden ein Liter fassendes Gefäss bis zu
der durch die Tension des Wasserdampfe gesteckten
Grenze. Nach Beendigung des Evacuirens, dessen
Fortgang am Manometer beobachtet wird, muss
immer zuerst der zu dem ausgepumpten Gefkss
fuhrende Hahn geschlossen werden und erst dann
der Wasserleitungshahn, da sonst das Wasser
in das evacuirte Gefass übersteigt.
Auf gleichem Princip beruhende Aspiratoren, welche einen kräftigen Dampf-
strahl statt des Wassers benutzen (5), haben unter dem Namen »Dampfstrahl-
exhaustorenc in die Technik vielfach Eingang gefunden, z. B. bei der Leucht-
gasfabrikation etc.
Die aus den Wasserstrahlaspiratoren unten gemeinsam mit dem Wasser aus-
tretende Luft kann auch zur Speisung von Gebläsen verwendet werden, in-
dem man wie bei Wassertrommelgebläsen Wasser und Luft in ein grösseres ge-
schlossenes Gewiss leitet, in welchem sie sich von einander trennen. Durch eine
Oefihung im Boden des Behälters fliesst das Wasser ab, wahrend eine die Decke
des Gefässes durchbrechende Röhre die gepresste Luft ihrem Bestimmungsort
zuftihrt.
Pulsirpumpen nennt man eine dritte Art von Aspiratoren, welche zuerst
von Jagn construirt wurden. Das Wasser einer Hochdruckleitung wird durch
einen schief aufwärts gezogenen weichen Kautschukschlauch in eine etwa 90 Centim.
lange, 8 Centim. weite Glasröhre abgeleitet, Fig. 42, deren obere Oeffnung durch
die auf dieselbe sich legende Schlauch wandung geschlossen, aber durch den
Wasserdruck in rascher Folge vorübergehend frei gemacht wird. Hierdurch
findet an dieser Stelle ein continuirliches, von schnurrendem Geräusch begleitetes
Pulsiren des Schlauches statt. In Folge dieser momentanen Unterbrechungen des
(Cb.40.)
(CiL. -II )
Assimilation.
^9
Wasser2uflusses entsteht in der Röhre
ad eine saugende Wirkung, welche da-
durch nutzbar gemacht wird, dass man
das zu evacuirende Gefäss mit der seit-
lichen Röhre er in Verbindung bringt.
Damit jedoch die eingesaugte Luft nicht
während der nächsten Pulsation wieder
zurücktreten kann, ist in der Seiten-
röhre ein Ventil angebracht, welches
sich nur gegen die Wasserröhre hin
öfl&ict Das Ventil, in Fig. 43 beson-
ders gezeichnet, besteht aus einer einer-
seits zugeschmolzenen Glasröhre, welche
bei ^ eine ^ Millim. weite Durchbohnmg
besitzt und in einen ohne Spannung
leicht darüber zu schiebenden Kautschuk-
schlauch geführt ist. Letzterer besitzt
an einer Seite einen 5 Millim. langen
Längsschnitt Die innere Röhre wird
nun so gedreht, dass die Oeffhung g
etwa um eine Vierteldrehung von dem
Schnitt im Kautschukschlauch entfernt
ist, worauf man den Schlauch bei Ai
mit Draht festbindet. Diese Ventih-öhre
wird so bei / eingesetzt, dass die Luft
der zu evacuirenden Gefässe mit der
inneren Röhre communicirt und bei Ver-
minderung des äusseren Druckes durch
die Oefifoung ^ unter dem sich lüftenden
Schlauch zur Schnittöfihung mm und
somit zur Wasserröhre gelangen kann.
Hört in Letzterer die saugende Wirkung
auf, so legt sich der Schlauch des
Ventils fest an die Glasröhre und ver-
hindert das Zurückströmen der Lufl.
Diese Pumpe erlaubt nur ein Vacuum von ungefähr 720 Millim. zu erhalten,
da ausser der Tension des Wasserdampfs noch der Widerstand des Ventils einer
weiteren Evacuirung entgegensteht. Linnemann hat einen etwas solideren Apparat
construirt, dessen Wirkung auf das gleiche Princip zurückzuführen ist.
Heumann.
Assimilation. Jede Thätigkeit irgend eines lebenden Organismus, mag die-
selbe psychischer (Empfinden, Vorstellen, Denken) oder physischer (mechanische
Bewegung, Entwicklung von Wärme, Licht oder Electricität) Natur sein, ist mit
einem Verbrauche von Leibessubstanz unzertrennlich verknüpft, so dass, wenn
letztere nicht wieder ersetzt würde, der Organismus nothwendig in kürzester Frist
an Erschöpfung zu Grunde gehen würde. Um diesem Schicksale zu entgehen
oder doch um dasselbe möglichst weit hinausschieben zu können, ist jeder Or-
ganismus mit Apparaten oder Organen ausgerüstet, welche unter Benutzung des
von der Aussenwelt dargebotenen Materials diesen Ersatz bewirken; wiegt der-
(Ob. 48.)
6o Handwörterbuch der Chemie.
selbe gerade den Abgang auf, so beobachten wir keine Veränderung, ist er da-
gegen grösser oder kleiner, so bemerken wir ein Wachsthum oder ein Hinschwinden
des Organismus. Die Umwandlung der von aussen aufgenommenen Ersatzstoffe,
der Nahrung, in Leibessubstanz kann nur auf chemischem Wege erfolgen, und
ebenso die Zerstörung der Leibessubstanz unter Bildung von Auswurfsstoflfen. Die
Gesammtheit aller dieser chemischen Prozesse fasst man unter der Bezeichnung
»Stoffwechsel« zusammen, und unterscheidet noch die erhaltenden als »Assimila-
tion« von den zerstörenden, dem »regressiven Stoffwechsel.« Ueber den Verlauf
und die Natur dieser Prozesse wissen wir noch so gut wie gar nichts; dieselben
müssen aber sehr mannigfaltig und bei Thieren und Pflanzen verschieden sein,
da ihre Produkte sowohl wie auch das Ausgangsmaterial für dieselben ebenfalls
sehr mannigfaltig sind. Die Pflanzen benutzen als letzteres unorganische Ver-
bindungen wie Kohlensäure, Wasser, Salpetersäure, Salze u. s. w. und scheiden
während der Assimilation freien Sauerstoff aus, also müssen Reduktionsprozesse
vor sich gehen; die Thiere dagegen sind auf die Produkte der pflanzlichen
Assimilation als Nahrung angewiesen, welche sie anscheinend ohne tiefgreifende
Veränderungen in eigene Leibessubstanz umwandeln (s. auch Art Chlorophyll).
£. Drechsel.
Athmung.*) Mit »Athmung« bezeichnet man die Summe derjenigen Vor-
gänge, welche dazu dienen, den Körper des lebenden Thieres mit Sauerstoff aus
der umgebenden Luft zu versorgen und ihn von der durch die Stoffwechselvor-
gänge gebildeten Kohlensäure zu befreien. Das Bedürfhiss nach Sauerstoff geht
in letzter Instanz von dem lebenden Zellprotoplasma aus, resp. bei den höheren
Thieren von den aus zelligen Elementen zusammengesetzten Körpergeweben:
Diese sind es, welche Sauerstoff aufnehmen und Kohlensäure bilden. Nur bei
den niedersten Thieren geschieht indessen die Sauerstoffaufnahme und Kohlen-
säureabgabe direkt an der Oberfläche des Leibes, bei den höher organisirten tritt
die Luft entweder in baumformig verästelte Röhren ein, welche sich in den Ge-
weben des Körpers aufs Feinste verzweigen (so die Tracheen bei den Insekten)»
•) i) Valentin u. Brünner, Arch. f. physiol. Heil. II, pag. 273. 2) Speck, Arch. L exp,
Path. n., pag. 405; Centralbl. f. d. med. W. 1876, No. 17. 3) Finklbr u. Obrtmann, PflÜorr's
Arch. XIV., pag. 38. 4) Valentin u. Brunner, L c. und Vierordt, Physiologie des Atfamens,
Karlsruhe 1845. 5) Valentin u. Brunner 1. c. 6) Leo, Pflüger's Arch. XXVI., pag. 218.
7) Reiset, Compt rend. 1868, Tom L, pag. 172. — Seegen u. Nowak, Pflüger*s Anh. XIX.,
psLg. 307. 8) LossEN, Zeitschr. f. Biol. L, pag. 207. 9) Regnault u. Reiset, Ann. d. Ch. u.
Pharm. LXXIII., pag. 92 u. 129. 10) Pettenkofer u. Voit, Sitzungsb. d. bair. Akad. d. W. 1866.
11) Pflüger, Pflüger's Arch. I., pag. 661; VI., pag. 43 u. 190. 12) Speck, Arch. f. wiss.
Heilk. in., pag. 317. — Vierordt 1. c. 13) Andral u. Gavaret, Ann. de Ch. et de Phys. VUI.,
pag. 129. 14) Speck, Arch. f. exp. Path. II., pag. 405. 15) Scharling, Ann. d. Ch. und
Ph. XLV., pag. 214 u. LVn., pag. i. 16) Pettenkofer u. Voit 1. c. 17) Molbschott,
Moleschott's Unters, t. Naturl. n., pag. 315. -— H. Schultz, PflIJger's Anh. XIV., pag. 78. —
AUBERT, Pflüger's Arch. XXVI., pag. 295. 18) Bütschli, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874,
pag- 348. 19) Colasanti, Pflüger's Arch. XIV., pag. 92. — Carl Theodor Herzog in Baiem,
Zeitschr. f. Biol. XIV., pag. 51. 20) Velten, Pflüger's Arch. XXL, pag. 361. 21) Speck,
Centralbl. f. d. med. Wiss. 1880, No. 45. 22) Moleschott u. Fubini, Molesch. Unters, rur
Naturl. XII., pag. 266. 23) Platen, Pflüger's Arch. XI., pag. 263. 24) Speck, Arch. f. exp,
Path. Xn., pag. 1. 25) Pott, Habilitationsschr. Jena 1875. «6) Pflüger, Pflüger's Arch. X.,
pag. 315. 27) AuBERT, Pflüger's Arch. XXV., pag. 295. 28) W. Müller, Ann. d. Ch. u.
Pharm. CVIII., pag. 257. 29) FriedlXnder u. Herter, Zeitschr. f. phys. Chem. HI., pag. 19.
30) Kaufmann u. Rosenthal, Arch. f. Anat u. Physiol. 1865, pag. 659. 31) E. Krhss, Pflügbr's
Arch. XX VL, pag. 420.
Athmung. 6i
oder es tritt noch ein Zwischenglied zur Vermittlung des Gasaustausches zwischen
den Zellen und der Atmosphäre auf: das Blut, so bei allen Wirbelthieren.
Der Austausch der Gase des Blutes mit denen der Atmosphäre wird befördert
durch mechanische Einrichtungen, welche das Gemeinsame an sich tragen, dass
durch sie die Oberfläche, an welcher der Contact mit der Luft stattfindet, enorm
vergrössertwird: die Lungen bei den Säugethieren, Vögeln, Reptilien, Amphibien,
die Riemen bei den Fischen.
Man nennt den Gasaustausch an diesen Endapparaten, welche in unmittelbarer Berührung
mit der Luft resp. dem im Wasser gelösten Sauerstoff stehen, auch wohl «Lungenathmung«
oder »äussere Athmungc im Gegensatz zur «inneren Athmung,« die in den Zellen stattfindet.
Ein sehr geringft^ger Gasaustausch erfolgt auch durch die Haut.
Zu einer näheren Kenntniss des Athmungsvorganges führt, dem oben Er-
örterten entsprechend, einerseits die Untersuchung der aus den Lungen ausge-
atbmeten Luft »Exspirationsluftt«, im Vergleich zur eingeathmeten, andererseits
die Untersucliung der Gase des Blutes.
Die eingeathmete Luft enthält durchschnitdich 20,8 Vol.} Sauerstoff und
0,03 Vol.^ Kohlensäure, die ausgeathmete im Mittel bei ruhigem Athem 16,03}
Sauerstoff und 4,38} Kohlensäure (i). Nicht sämmtlicher aufgenommene Sauer-
stoff erscheint als Kohlensäure wieder, sondern nur ein namentlich von der
Qualität der Nahrung beeinflusster Bruchtheil, der beim Menschen zwischen
0,864 und 0,994 schwankt (2) (je nach dem Reichthum der Nahrung an Kohlen-
stoff), bei Pflanzenfressern noch niedriger sein kann (3).
Neben diesen fundamentalen Aenderungen zeigt die ausgeathmete Luft noch
einige weniger wesentliche: sie ist in Folge der Berührung mit der durchfeuchteten
Oberfläche der Mundhöhle u. s. w. ganz oder nahezu mit Wasserdampf ge-
sättigt (4) und wärmer wie die Umgebung; durchschnittlich beträgt ihre Tempe-
ratur 36,3° C, kommt also der Körpertemperatur nahe (5). Das Volumen der
ausgeathmeten Luft ist in Folge der Temperaturerhöhung und der Tension des
Wasserdampfes grösser wie das der eingeathmeten, bei Berechnung auf 0° und
trockene Luft zeigt sich jedoch das Volumen um ^\ bis -^q geringer, entsprechend
dem Verschwinden von Sauerstoff. Der Stickstoff verhält sich bei der Athmung
indifferent: er nimmt bei sorgfältiger Ausschliessung aller Fehlerquellen nicht
zu (6), doch wird von manchen Autoren eine Zunahme des Stickstoffs ange-
geben (7). Wiederholt sind Spuren von Ammoniak beobachtet (8), bei Pflanzen-
fressern Wasserstoff und Grubengas (9).
Die Menge der ausgeathmeten Kohlensäure beträgt beim Erwachsenen in
24 Stunden rund 1000 Grm., die des aufgenommenen Sauerstoffs 900 Grm. Die
Schwankungen sind flir die Kohlensäure 686 — 1285 Grm., für den Sauerstoff 594 und
1072 Grm. (10). Das bedingende Moment für die Grösse der Sauerstoffaufnahme
ist ausschliesslich das Bedürfniss der Zellen (11). Willkürliche Aenderung der
Zahl oder Tiefe der Athemzüge, stärkere Ventilation steigert die Kohlensäureaus-
scheidung nur vorübergehend (12). Von grösstem Einfluss sind natürlich Alter
und Körpergewicht; bezogen auf gleiches Körpergewicht ist die Kohlensäureaus-
scheidung bei Kindern grösser als bei Erwachsenen, bei diesen grösser als im
Greisenalter, beim männlichen Geschlecht grösser als beim weiblichen (13).
Auch bei einem und demselben Individuum wird die Grösse der Kohlen-
säureausscheidung durch eine grosse Reihe von Momenten beeinflusst: sie wird
gesteigert durch reichliche Nahrungsaufnahme (14) — um etwa ein Viertel — durch
Muskelarbeit (15); sie ist im wachen Zustand grösser wie im Schlaf. Sehr ver-
62 Handwörterbuch der Chemie.
schiedenartig wirkt die Steigerung der Temperatur der Umgebung. Bei den Kalt-
blütern bewirkt ein Ansteigen der Temperatur in jedem Fall eine ansehnliche
Vermehrung der Kohlensäure, bis auf das Zehnfache der bei niedriger Tempe-
ratur ausgeathmeten Menge (17). Dasselbe ist beobachtet an Schaben (18). Bei
den Warmblütern bewirkt umgekehrt das Sinken der Lufttemperatur eine Ver-
mehrung der Kohlensäureausscheidung (19), in Folge der stärkeren Anregung des
Stoffwechsels zur Erhaltung der Körpertemperatur. Ist die Abkühlung aber so
stark, dass die Körpertemperatur sinkt, dann sinkt auch die Kohlensäureaus-
scheidung, ebenso wie bei den Kaltblütern (20). Beim Menschen ist Abkühlung
mit geringem Sinken der Körpertemperatur ohne Einfluss (21). In hellem Licht
ist die Kohlensäureausscheidung bei Kaltblütern grösser wie im Dunkeln (22),
auch bei Kaninchen ist ein solcher Einfluss zu constatiren (23), beim Menschen
dagegen nicht (24). Im gelben Licht ist die Kohlensäureausscheidung bei ver-
schiedenen Thieren grösser als im gemischten und blauen (25).
Der Transport des Sauerstoffes aus den Lungen nach den Zellen der Gewebe
erfolgt durch Vermittlung des Blutes: der Farbstoff desselben verbindet sich mit
dem Sauerstoff zu einer lockeren chemischen Verbindung, dem Oxyhaemoglobin,
welche sich schon bei starker Erniedrigung des Sauerstoffdruckes dissociirt und
den Sauerstoff in Berührung mit den lebenden Geweben abgiebt. Das des Sauer-
stoffs grösstentheils beraubte und kohlensäurereiche Blut kehrt in die Lungen
zurück, um sich aufs Neue mit Sauerstoü zu sättigen und Kohlensäure abzugeben.
Die Bildung der Kohlensäure erfolgt ganz überwiegend in den Geweben,
nicht, wie Lavoisier glaubte, in den Lungen; ein kleiner Theil bildet sich allerdings
in diesen und auch im Blut — Die Bildung der Kohlensäure ist bis zu einem
gewissen Grade unabhängig von der Aufnahme von Sauerstoff: Frösche leben bei
starker Abkühlung bis gegen 0° noch Tage lang in einer vollkommen sauerstofT-
freien Atmosphäre und fahren fort, Kohlensäure zu bilden (26). Die gebildeten
Kohlensäuremengen sind sogar nicht viel geringer, wie beim normalen Thier bei
derselben Temperatur (27). Der Sauerstoff muss also vorübergehend in Form
einer sauerstoffreichen Verbindung im Körper aufgespeichert sein, welche all-
mählich unter Kohlensäurebildung zerfällt, wenigstens bei Fröschen.
Der Prozess der Abgabe der Kohlensäure in den Lungen ist keineswegs völlig aufgeklärt.
Das Blut reagirt alkalisch, es ist im Stande, noch weit mehr Kohlensäure beim Schütteln damit
aufzunehmen, als es im Leben enthält, es handelt sich also im Blut nicht um freie Kohlensäure,
sondern um kohlensaure Salze ; vermuthlich spielt das Oxyhaemoglobin die Rolle einer schwachen
Säure.
Der völlige Mangel an Sauerstoff in der Athemluft hat bei Warmblütern
schnellen Tod durch Erstickung zur Folge. Dem Tode geht ein sehr kurzes
Stadium des Scheintodes voraus, in dem eine Rückkehr zum Leben bei Her-
stellung der normalen Bedingungen noch möglich ist. Dieses Stadium kann
bei Kaltblütern, wenn dieselben bis auf einen dem Nullpunkt nahen Grad abge-
kühlt sind, tagelang dauern (26, 27).
Der Sauerstoff kann durch kein anderes Gas ersetzt werden, auch nicht durch Stickoxydul,
welches im Gemisch mit Sauerstoff eingeathmet einen rauschartigen Zustand verursacht. In reinem
Sauerstoff ist die Athmung völlig normal, es wird nicht mehr Sauerstoff anfgenommen, wie aus
atmosphärischer Luft, die Verbrennungsprozesse des Organismus werden also nicht, wie die ausser-
halb des Körpers ablaufenden, durch Sauerstoff gesteigert
Verminderung des Sauerstoffes in der Athemluft wird von Thieren bis zu
14,8# ohne Störung vertragen, bei 7^ werden die Versuchsthiere schwerathmig,
bei 4,5 >^ tritt hochgradige Athemnoth ein, bei 3^ ziemlich rasche Erstickung (28).
Atmosphäre. 63
Die Anhäufung von Kohlensäure in der Athemluft wird bis zu hohen Graden ver-
tragen, sofern nur der Sauerstoffgehalt der Luft nicht sinkt (29).
Fremdartige Gase wirken beim Einathmen sehr verschieden: einige sind
ebenso indifferent wie der Stickstoff, so Wasserstoff und Grubengas, andere sind
inrespirabel, indem sie bei dem Versuch der Einathmung Krampf der Stimmritze
erzeugen. Dahin gehören: schweflige Säure, salpetrige Säure, Chlor, Ammoniak,
Ozon, noch andere werden ins Blut aufgenommen und wirken giftig, so Schwefel-
wasserstoff- und Kohlenoxydgas, ersteres indem es auf Kosten des Oxyhaemoglobins
zu Schwefel und Wasser oxydirt wird und andererseits verändernd auf den Blut-
farbstoff einwirkt (30), letzteres, indem es den Sauerstoff im Oxyhaemoglobin ver-
drängt und dasselbe unfähig macht, seine Rolle bezüglich des Transportes des
Sauerstoffes von den Lungen nach den Geweben zu spielen, jedoch werden kleine
Mengen Kohlenoxyd im Blut allmählich zu Kohlensäure oxydirt (31).
E. Salkowski.
Atmosphäre.*^ 1. Bestandtheile der Atmosphäre. Die Erdkugel ist von
einer gasförmigen Hülle umgeben, welche man Atmosphäre (dtfAJc Dampf; o^oTpa
*) i) Ed, Schmidt, Mathematische Geographie, Bd. IL Göttingen 1836, pag. 252. 2) G. G.
Schmidt, Gtlb. Ann. Phys. 62, pag. 309. 3) Lasch, Pogg. Ann., Ergänzungsbd. HL, pag. 322.
4) V^l* ^uich Kohlrausch, Pogg. Ann. 98, pag. 178. 5) Magens, Pogg. Ann. 54, pag. 601 ;
55, pag. I. Regnault, Mem. de l'Acad. des Sciences, XXI, pag. 158. 6) Cailletbt, Compt
rend. 86, pag. 97. 7) Tyndall, Proc. Roy. Soc 30, pag. 10. 8) Violla, Compt. rend. 82,
pag. 662, 729, 896. 9) Lkcher u. Pernter, Wien. Akad. Ber. 82, n., pag. 265. 10) Cornu,
Compt. rend. 88, pag. 1285; 89, pag. 808. 11) Ketteler, Pogg. Ann. 124, pag. 401.
12) HuGGiNS, PhiL Transact. 154, pag. 139; Pogg. Ann. 123, pag. 275. 13) AngstrÖm, Pogg.
'^'^ 94» P^* 141* 14) Grandeau, Chem. News 9, pag. 66. 15) Kundt, Pogg. Ann. 135,
pag. 315. 16) Thal^r, Nova acta Soc. sc. UpsaL [3] 9. 17) Goldstein, Wiener Akad. Ber. 80,
pag. 693. 18) Vogel, Spectralanalyse irdischer Stoffe. Nördlingen 1877, pag. 254. 19) RoscoE,
Spectialanalyse, pag. 164. Braunschweig 1879; Phil. Trans. 1860, pag. 150. Compt. rend. 93,
pag. 788. 20) Egoroff, Compt. rend. 95, pag. 985. 21) Chappuis, Compt. rend. 91, pag. 985.
22) W. N. Hartley, Chem. News 42, pag. 208. 23) H. W. Vogel, Ber. d. ehem. Ges. 1874,
pag. 88. 24) BiOT, Traite de phys., t IL, pag. 458. 25) Lamont, Pogg. Ann. 85, pag. 50;
vdgL auch £. E. Schbcid, Meteorologie, Leipzig 1860, pag. 789. 26) O. Lindemann, Zeitschr.
analyt. Chem. 1879, Bd. 18, pag. 158. 27) Bunsen, Gasometr. Methoden. 11. Aufl. Braunschw.
1877. 28) Cl. Winkler, Chemische Untersuch, der Industriegase , Freiberg 1877, pag. 258.
29) Boussingault, Compt. rend. 57, pag. 885. 30) Clocz, Compt. rend. 57, pag. 870 u. 875.
31) PoLKCK, Zeitschr. analyt. Chem. 1869, pag. 451. 32) Dumas u. Boussingault, Ann. chim.
phys. [3] 3, pag. 257. 33) JOLLY, Ann. Phys. Chem. N. F. 6, pag. 538. 34) F. Fischer, Ber.
d. chem. Ges. 1879, pag. 1696. 35) Regnault, Ann. Chim. Phys. [3] 36, pag. 385. 36) Angus
Smith, Joum. Chem. Soc. 13, pag. 22. 37) Jolly, Ann. Chem. Phys. N. F. 61, pag. 520.
38) Edw. H. Morley, Americ. Journal of Science, Ser. 3, Vol. XXn., pag. 417 u. 429. 89) An-
drews, Ann. Chem. Pharm. SuppL 6, pag. 125. 40) BÖttger, Chem. Centralbl. 1880, pag. 719.
41) Zenger, Wien. Akad. Ber. 24, pag. 78. 42) L^WY, Annuaire de l'observatoire de Montsouris,
1878. 43) E. Schöne, Ber. d. ehem. Ges. 13, pag. 1503. 44) Ders., Ber. d. chem. Ges. 11,
dag. 482, 561, 874, 1028. 45) M. VON Pettenkofer, Abhandlungen der naturwiss. technisch.
Commission d. bayr. Akad. d. Wiss. 2, pag. i; vergL auch Pettenkofer, Ann. chem. Pharm.,
SnppL 2, pag. I. 46) W. Hesse, Vierteljahresschr. f. gerichü. Medicin u. öffentl. Sanitätswesen,
N. F. 31, pag. 2; auch Cl. Winkler, a. a. O., pag. 375. 47) G. Lunge, Dingl., pol. J. 231,
pag- 331; Auch Cl. Winkler, a. a. O., pag. 122. 48) Cl. Winkler, a. a. O., pag. 385.
49) J. Reiset, Compt rend. 90, pag. 1 144. 50) Müntz u. Aubis, Compt rend. 92, pag. 247.
51) Saussure, Pogg., Ann. 19, pag. 391. 52) Verver, Berzelius' Jahresber. 22, pag. 45.
53) Lewy, Compt rend. 31, pag. 725; 33, pag. 345. 54) J. Reiset, Compt rend. 90, pag. 1144
64 Handwörterbuch der Chemie.
Kugel) nennt. Diese Hülle nimmt alle Sfoffe aul, welche auf der Erdoberfläche
sich verflüchtigen und von derselben sich loslösen. Sie ist im Wesentlichen ein
Gemenge verschiedener Gase und Dämpfe. Der Hauptbestandtheil derselben ist
ein Gemisch zweier Gase, des Stickstoffs und des Sauerstofis, welches wir Luft
nennen ♦). Gewöhnlich macht man keinen Unterschied zwischen den Bezeichnungen
Atmosphäre und Luft Das Verhältniss, in welchem die Luftbestandtheile gemischt
sind, ist ein ziemlich constantes, annähernd kommen auf 79 Raumtheile (77 Gewichts-
theile) Stickstoff, 21 Raumtheile (23 Gewth.) Sauerstoff.
"• ^457- 55) Marie-D AVY, Compt rend. 90, pag. 1287. 56) Armstrong, Proceed of the Roy.
Soc. 30, pag. 343. 57) MÜNTZ u. AUBIN, Compt. rend. 92, pag. 1230; 93, pag. 797. 58) Boüssin-
GAULT, Ann. ehem. phys. [3] 10, pag. 470. 59) Th. Scm.OESiNG, Compt rend. 90, pag. 1410.
60) J. B.Laves, Phil. Mag. [5] 11, pag. 206; Chem. Centralbl. 1881, pag. 444. 61) Wolpb&t,
Carl's Repert. 1873. 62) Piche, Zeitschr. f. Meteorolog. 1873, pag. 270. 63) Biedermann, Her.
Üb. d. Ausstellung wissensch. Apparate in London, 1876, pag. 728. 64) Hoeper, Histoire de la
Physique et de la Chimie, Paris 1872, pag. 65. 65) Biedermann, Ber. etc., pag. 415. 66) Ludwig,
Ann. Chem. Pharm. 162, pag. 53. 67) Vogel, Ber. chem. Ges. 1877, pag. 794« 68) A u. G.
DE Nbgri, Zeitschr. anal. Chem. 16, pag. 461. 69) Frankland u. Armstrong, Chem. News 17,
pag. 247. 70) Annuaire de Montsouris 1878; Flügge, Lehrbuch der hygien. Untersachungs-
methoden, Leipzig. 1881, pag. 156. 71) Th. Schloesing, Compt. rend. 80, pag. 265. 72) Bous-
singault, Compt. rend. 44, pag. 1034. 73) Horspord, Ann. Chem. Pharm. 74, pag. 243.
74) L^VY, Compt. rend. 91, pag. 94. 75) Chatin, Compt. rend. 32, pag. 1083. 76) van An-
KUM, Joum. prakt Chem. 63, pag. 257. 77) Müntz, Compt. rend. 92, pag. 499. 78) Pasteür,
Compt. rend. 50, pag. 302; 85, pag. 178. 79) Tyndall, Roy. Inst. Proc. 1870; vergl. auch:
»On dust and diseasec in »Fragments of Science«, London 1876, pag. 151. 80) Miquel,
Compt. rend. 86, pag. 1552. 81) Cohn, Beiträge zur Biologie d. Pflanzen L, pag. 148. 82) Ros-
COE u. Schorlemer, Lehrbuch der Chem. Bd. I., pag. 380. 83) Tissandier, Compt. rend. 1880,
91, pag. 522. 84) V. Lasaulx, Mineralog. u. petrograph. Mitth. N. F. 3, pag. 517; Naturforscher
1881, pag. 225; Encykl. d. Naturwiss. IL Abth. Mineralogie, pag. 75. 85) Phipson, Chem.
News 1880, 45, pag. 28. 86) Neues Handwörterb. d. Chem. Bd. I., pag. 869. ScHLAGiNTWErr,
Pogg. Ann. 80, pag. 177. 87) Boussingault, Ann. chem. phys. [3] pag. 5; Joum. prakt Chem. 58,
pag. 341. 88) Vergl. Senft, Geognosie, Hannover 1876, pag. 10; Naumann, Geognosie, Leip-
zig 1850, pag. 756 u. a. 89) L. Meyer, Zeitschr. f. rationelle Med. N. F. Bd. VÜI. 90) Gorup-
Besanez, Physiol. Chemie, 3. Aufl., pag. 56. 91) Regnault u. Reiset, Compt. rend. 26, pag. 17.
92) Pettenkofer u. Voit, Ann. Chem. Pharm. 141, pag. 299. 93) Essai de statique chim.
des etres organises, par Dumas et Boussingault. 3. edit., pag. 18. 94) Baeyer, Ber. d. chem.
Ges. 3, pag. 66. 95) JOH. Ranke, Physiologie. 3. Aufl. Leipzig. 1875. P*g- 59« 9^) St. Hust,
Chem. News 1882, pag. 83. 97) St. Meunier, Ann. agronomiques 5, pag. 204; Biederhann's
Centralbl. für Agricultur-Chem. 1880, pag. 63. 98) Liebig, Chemie in Anwendung auf Agricultur
u. Physiologie. 9. Aufl. pag. 36 u. Einleitung, pag. 10. 99) Vergl. Hofmann's Bericht üb. die
Londoner Ausstellung wiss. App. Biedermann, Die Agriculturchemie, pag. 682. 100) Vergl.
König, Ventilation in Eülenberg's Handbuch d. öffentl. Gesundheitswesens, Berlin 1882, Bd. 11.,
pag. 1028.
*) Die Etymologie des Wortes «Luft« ist nicht ganz klar. Nach Bezzenberger (Beiträge
zur Kunde der indogermanischen Sprachen, Bd. IV. pag, 334) ist »Luft« verwandt mit griecK.:
Xo^oc (Htigcl) und altslavisch »hiln** (Schädel), und der gemeinsame Grundbegriff dieser Wörter
ist der der Höhe, wie denn auch im Mittelniederdeutschen »buhim nicht allein Luft, sondern
auch oberes Stockwerkeines Hauses bedeutet; im Englischen »lofty luftig und hoch. R. Pischel
hält dafür, dass die auf die Höhe sich beziehenden Bedeutungen erst abgeleitet seien, nachdem
sich «Luft« in einzelnen Dialekten zu »obere Luft« gleich Himmel specialisirt hatte. Nach ihm
weist das niederdeutsche »lucht« auf leicht, althochdeutsch »liht«, Sanskrit »la^hAs*^ latein.
»ÄfwV« u. 8. w., welcher Wortstamm auch in unserem »(die Anker) lichten« und im Englischen
»to UfU enthalten ist.
Nach einer freundlichen brieflichen Mittheilung des Herrn Prof. R. Pischel in Kiel.
Atmosphäre. 65
Nie fehlende Bestandtheile der Atmosphäre sind Kohlensäure und Wasser-
dampf, deren Mengen aber grösseren Schwankungen unterworfen sind, als die
des Sauerstoffs und Stickstoffs, indess im Vergleich mit diesen sehr gering sind.
Durchschnittlich sind in iOO Raumtheilen Luft 084 Volumina Wasserdampf und
0-03 Kohlensäure enthalten.
In noch geringerer Menge sind in der Atmosphäre gewisse Ammoniumver-
bindungen (Carbonat, Nitrit, Nitrat) vorhanden, femer Kochsalz, sowie Staub,
welcher stets thierische und pflanzliche Samen oder Sporen enthält, femer zufällig-
hineingekommene Gase, wie Schwefelwasserstoff, schweflige Säure u. s. w.
2. Masse der Atmosphäre, Höhe derselben. Es ist nicht wohl mög-
lich, die Höhe der Atmosphäre zu bestimmen, weil ihre Dichtigkeit allmählich
abnimmt Die letzte Grenze muss offenbar da sein, wo die Centrifugalkraft der
mit der Erde rotirenden Luft gleich der Anziehungskraft der Erde ist. Infolge
der Centrifugalkraft muss die Atmosphäre, wie die Erde selbst, an den Polen
abgeplattet sein und unter dem Aequator eine erhabene Gestalt besitzen.
Diese Abplattung kann in Folge der Bewegliclikeit der Lufttheilchen sehr bedeutend sein;
sie hat aber wegen der Centrifugalkraft ihre Grenzen. Nach der Berechnung von Laplace verhält
sich bei grösstmöglicher Abplattung die kleine Achse des Luftsphäroids zur grossen wie 2 zu 3.
Nach dem Gesetze von Mariotte ist die Dichtigkeit der Luft dem Druck derselben,
welcher durch die Barometerhöhen angegeben wird, direkt proportional. Wenn die Temperatur
der Luft ein und dieselbe wäre, so würde aus diesem Gesetze folgen, dass die Dichtigkeit der
Luft, also auch die Barometerhöhen, in einer sogen, geometrischen Progression abnimmt,
wenn die Differenzen der Höhen tlber der Erde in einer arithmetischen Progression wachsen.
Danach würde die Luft sich in immer dünneren Schichten ohne Grenzen in den unendlichen
Weltraum verlieren. Allein mit wachsender Höhe der Atmosphäre nimmt die Temperatur der-
selben ab; die niedrigere Temperatur der oberen Luftschichten muss ihre Dichtigkeit vermehren
und so der Atmosphäre eine Grenze setzen. Wie es sich auch mit dieser Grenze verhalten mag,
aus den Beobachtungen über die Abnahme der Dichtigkeit ergiebt sich, dass die Luft in einer
Höhe gleich dem hundertsten Theil des Erddurchmessers nicht mehr wahrnehmbar ist. Aus den
Erscheinungen der Strahlenbrechung lässt sich das Vorhandensein von Luft in einer Höhe von
etwa 10 geograph. Meilen nachweisen. £0. Schmidt (i) bestimmt die Höhe über dem Aequator zu
7*7 , über den Polen zu 5*8 Meilen ,* G. G. Schmidt (2) dagegen findet ihre Aequatorialhöhe gleich
27-5 Meilen, ihre Polarhöhe gleich 27* 1 Meilen. Gewöhnlich wird die mittlere Höhe zu 16 Meil.
= 7 Myriameter gesetzt. Wenn wir uns die Erde als eine Kugel von 10 Meter Durchmesser
vorstellen, so würde unter dieser Annahme die umgebende Gashülle 38 Millim. dick sein.
3. Druck der Atmosphäre. Der Druck, welchen die Luft auf die Erdober-
fläche ausübt, wird durch die Höhe einer Quecksilbersäule gemessen, welche der
Luftsäule das Gleichgewicht hält Dieser Druck nimmt von dem Aequator nach
den Polen hin erst wenig, dann rascher zu, so, dass er zwischen dem 30. und 40.
Breitengrade sein Maximum erreicht. Im Mittel ist das Gewicht einer Luftsäule
am Meeresspiegel gleich dem Gewicht einer Quecksilbersäule von 760 Millim.
Höhe. Das Gesammtgewicht der Luft kommt also dem einer Quecksilberschicht
gleich, welche bei einer Temperatur von 0° die Erdoberfläche in einer Schicht
von 760 Millim. Höhe bedecken würde. Das macht, wenn man für die Erde
die Kugelgestalt annimmt, und den Radius derselben zu 6370284 Meter setzt,
ein Gewicht aus von 5 262 396 000 000 000 000 Kg.
An diesem Gewicht nehmen die Hauptbestandtheile der Atmosphäre in
folgender Weise theil:
Stickstoff: 4 041 200 000 000 000 000 Kgrm.
Sauerstoff: 1 2 1 8 040 000 000 000 000 Kgrm.
Kohlensäure: 3 156 000 OüÜ 000 000 Kgrm.
Laobnbiikc, Chemie. IL 5
66 Handwörterbuch der Chemie.
Nach Lasch (3) wiegt 1 Cbmeter trockner Luft von 0° Temperatur und
760 Millim. Druck zu Berlin: 1-293635 Kgrm., nach Regnault unter denselben
Bedingungen zu Paris: 1-293 187 Kgrm (4). Das Volumen von 1 Grm. Luft in
unseren Breiten kann zu 773 Cbcentim. angenommen werden.
Barometer. Das gewöhnliche Mittel, den Luftdruck zu messen, ist das
Quecksilber-Barometer. In seiner einfachsten Form besteht dies Instrument
aus einem Glasrohre von etwa 790 Millim. Länge, welches oben geschlossen,
unten offen ist, und luftfreies Quecksilber enthält. Wenn es mit dem unteren
Ende in ein Geftiss mit Quecksilber getaucht ist, so wird durch den Druck der
Luft auf das Niveau des letzteren, also auf das Quecksilber am offenen Ende
der Röhre, eine Quecksilbersäule von einer gewissen Länge schwebend erhalten.
Die Thatsache, dass Wasser in der Röhre einer Saugpumpe nicht über eine gewisse Höhe
hinaussteige» soll ein Pumpenmacher in Florenz im Jahre 1643 beobachtet haben. Diese That-
sache entsprach nicht der Theorie des Horror vacui der Natur, mit welcher man damals noch
häufig die saugende Wirkung der Pumpe erklärte. Gaulei gab keine recht befriedigende Er-
klärung der Erscheinung an der Wasserpumpe, obgleich er bereits ausgesprochen hatte, dass die
Luft Gewicht habe. In seinem Dialog Über den Widerstand fester Körper sagt er auch, dass
das Wasser in Saugröhren nicht Über 18 Ellen steige, und dass darüber ein leerer Raum sei.
Sein Schuler Evangkusta Torricelli kam 1643 auf die Idee, Wasser durch eine Flüssigkeit
von grösserem spedfischem Gewicht, z. B. Quecksilber, zu ersetzen, um das Vacuum in einer
kürzeren Röhre zu erzeugen. Er beschrieb genau, wie er verfahren wollte, und nach diesen An-
gaben stellte sein Freund Viviani in der oben angegebenen Weise das erste Quecksilberbarometer
her. Beide Gelehrte fanden bestätigt, dass es wirklich der Druck der Luft sei, welcher der
Quecksilbersäule in der Röhre das Gleichgewicht halte. Torricelli sprach sich in einem Briefe
an Angeld Ricci dahin aus, er könne mittelst seines Instrumentes erkennen, ob die Luft leicht
oder schwer werde, und dass sie am schwersten an der Meeresfläche, und leichter und reiner
sei, wenn man auf die Höhen der Berge steige. Carlo Beriguardi sagt in seinem 1644
gedruckten »Ctrcolo Phano*^ dass das Vacuum in der Quecksilberröhre grösser auf Thurmspitzen
und Bergesgipfeln sei, als am Fusse derselben. Weitere Bestätigung brachte im Jahre 1647
Blaise Pascal der durch Versuche nachwies, dass, wenn die Höhe der umgebenden Luftschicht
vermindert würde, dadurch dass man die ToRRiCEixi'sche Röhre auf einen hohen Ort bringe,
auch das Gewicht Quecksilber verringert werde, welches von der Luft getragen wird. Pascal
selber stellte Versuche an dem (noch erhaltenen) Thurm St. Jacques in Paris an, und auf seine
Veranlassung bestieg sein Schwager Perrier den Puy de Ddme in der Auvergne und beobachtete
die Quecksilberhöhe am Fusse und auf dem Gipfel des Berges. Er fand eine Abnahme von
3 Zoll, was ihn »zu Bewunderung und Erstaunen hinriss«*).
Diese Versuche veranlassten zahlreiche Forscher, sich mit der Construction des Barometers
zu beschäftigen. Der Name »Barometer«, von ßflEpoc, schwer, und (jirpov, Maass, wurde zuerst
1664 von BoYLE (New Experiments on Cold) gebraucht.
Man pflegt drei Formen des Barometers zu unterscheiden: das Gefässbaro-
meter, das Heberbarometer, das Kugelbarometer. Bei allen dreien dient der
lothrechte Abstand des oberen von dem unteren Quecksilberspiegel als Maass
des Luftdrucks.
Die einfachste Art des Gefässbaroraeters ist das ToRRiCELLi'sche Instrument, eine mit
Quecksilber geftülte, genügend lange, an einem Ende geschlossene Glasröhre, deren offenes Ende
unter dem Niveau des in einem beliebigen Gefässe befindlichen Quecksilbers sich befindet. Jetzt
*) An der Entdeckung des Barometers hat auch Descartes Antheil. In einem Briefe aus
dem Jahre 1631 erklärt er das Verweilen des Quecksilbers in einer oben geschlossenen Röhre
durch den Druck der bis zu den Wolken reichenden Luft. Montücla sagt (Hist. des
Mathematiques, IL pag. 205): »Nous avons des preuves, que ce phUosopke (Descartes) reconmU
avant Torricelu h pesanttur de fair,* Auch giebt Descartes in einem Briefe an Carcavi
vom Juni 1649 an, er habe Pascal das oben erwähnte Experiment angerathen.
Atmosphäre.
67
wird dies Geföss mit dem Barometerrohr in dauernde Verbindung gebracht, entweder dadurch,
dass beide Theile an einem gemeinsamen Stativ befestigt sind, oder, was häufiger ist, ein ru-
sammenhängendes Stück bilden (Kugelbarometer). Die Scala, an welcher die Höhe der Queck-
silbersäule abgelesen wird, befindet sich bei diesen
Instrumenten nur an dem oberen Theile (Fig. 44.)
Allein der Spiegel des Quecksilbers in dem Gefäss
ist nicht unveränderlich, der Nullpunkt der Theilung
ist also nicht immer derselbe. Die Höhenschwan-
kungen im Gefäss sind nmal geringer, als die in
der Röhre, wenn der Querschnitt des Gefässes
IT mal grösser ist, als der der Röhre. Man giebt
deshalb dem Quecksilberspiegel in dem GefUsse eine
verhältnissmässig grosse Ausdehnung.
Für genaue Bestimmungen ist es erforderlich,
einen festen Nullpunkt zu haben. Dies wird durch
die Vorrichtung erreicht, welche Jean Fortin*)
ani Barometer angebracht hat. Hier ist der Boden
des Gefässes verschiebbar gemacht, indem derselbe
aus einem Lederbeutel / (Fig. 45) besteht, gegen
welchen der runde Kopf der Schraube s drückt.
Durch entsprechendes Drehen der Schraube kann
man den Quecksilberspiegel heben oder senken.
Man regulirt diesen nun so, dass die Spitxe des
Elfenbeinstiftes r, welcher an dem Deckel des
Geftsses befestigt ist, die Oberfläche des Queck-
silbers eben berührt. Man erkennt dies leicht,
indem man das Spiegelbild des Stiftes auf der
Quecksilberoberfläche beobachtet. Das Barometer-
rohr ist von einer Messinghülse umgeben. Diese
trägt eine Scala, deren Nullpunkt die Spitze des
erwähnten Stiftes ist. Die Hülse hat über dem
Räume, in welchem sich die Quecksilberkuppe j hH
bewegen kann, zwei einander gegenüberstehende Schlitze. Ueber
dieser Hülse ist eine zweite ebenfalls mit Schlitzen versehene ver-
schiebbar. Die oberen Ränder der Schieberschlitze werden bei
einer Beobachtung genau in die Höhe der Quecksilberkuppe ge-
bracht. Die eine Seite des vorderen Schieberschlitzes ist mit einem
Nonius versehen.
Leichter und transportabler als das Gefässbarometer
bei gleicher Genauigkeit das Heberbarometer.
ist
(Ch.45)
Dasselbe ist aus einem, an einem Ende geschlossenen, heberförmig gebogenen Glasröhre ange-
feitigt, welches wenigstens an den Stellen der oberen und unteren Quecksilberkuppe gleichen
Durchmesser haben muss. Bei wechselndem Luftdruck ändert sich in beiden Schenkeln gleich-
massig die Höhe der Quecksilbersäule. Bei den Heberbarometem ist entweder das Rohr und
die Scala fest, oder die Scala ist fest und das Rohr in vertikaler Richtung verschiebbar, oder
das Rohr ist fest und die Scala verschiebbar. Bei Beobachtungen mit Instrumenten der beiden
letzteren Klassen stellt man erst die (untere) Kuppe des offenen Schenkels auf den Nullpunkt
ein und beobachtet dann die Kuppe im geschlossenen Schenkel. Im ersten Falle ist die Scala
am besten auf das Glas geätzt. Man muss dann auch ablesen, wie weit die untere Kuppe von
dem Nullpunkt entfernt ist Am besten erfolgen die Ablesungen aus einer Entfernung von
2—3 Meter mittelst eines Femrohres, welches sich an einem verticalen Stab auf- und abschieben lässt.
Die Genauigkeit der Barometermessungen wird von der Weite des Rohres beeinflusst. In
•) Richtiger Fotin, geb. 17 19 in Paris, gest. 1796 als Professor in Brest.
68 Handwörterbuch der Chemie.
sehr engen Röhren btlsst das Quecksilber an Beweglichkeit ein. Bei einem Durchmesser des
Rohres von mindestens 13*5 Millim. wird der £influss der CapiUarität unmerklich. Man kann
die Grösse dieses Fehlers nicht mit Sicherheit aus der Röhrenweite ableiten; näherungsweise
4.5
addirt man wegen der Capillardepression des Quecksilbers die Grösse — j- Millim., wo d den
d
inneren Durchmesser der Röhre bedeutet. Am besten ist es, ein Barometer mit engem Rohr
mit einem solchen, bei dem der Fehler der CapiUarität ausgeschlossen ist, zu vergleichen.
Die Correktionen, welche wegen der infolge des Temperaturwechsels hervorgerufenen
Aenderungen der Scala und des Quecksilbers angebracht werden müssen, können mit Sicherheit
durch Rechnung ausgeführt werden. Man reducirt die Beobachtungen auf 0*^ und hat dabei der
folgenden Formel sich zu bedienen:
Hier ist h = corrigirte Barometerhöhe,
H== beobachtete Höhe,
/ = Temperatur zur Zeit der Beobachtung,
K = linearer Ausdehnungscoefficient der Scala,
y,Vff = Ausdehnung des Quecksilbers für l® innerhalb 0** und lOO*^.
Wenn man das Barometer anstatt mit Quecksilber mit einer Flüssigkeit von geringerem
specifischen Gewicht füllt, so werden die Schwankungen der Flüssigkeitssäule grösser, das In-
strument wird also empfindlicher, freilich seine Länge auch grösser. Wasser eignet sich nicht
gut, weil wegen seines niedrigen Siedepunktes im Vacuum des Barometers Dämpfe von
beträchtlicher Spannung sich bilden, die auf die Flüssigkeitskuppe drücken. Glycerin dagegen
siedet so hoch (290^t dass dieser Gegendruck nicht in Betracht kommt. Da sein spec. Gew.
etwa gleich i^^^ von dem des Quecksilbers ist, so sind die Höhenschwankungen 10 mal grösser
als beim Quecksilberbarometer, und das Rohr muss etwa 8 Meter lang sein*).
Eine ganz andere Art Barometer bilden die Aneroid- oder Holosterik-Barometer.
Dieselben bestehen aus einer MetallbUchse mit wellig gebogenen dünnen Wänden, welche luftleer
gemacht ist Die Veränderungen des Luftdrucks rufen Bewegungen der Oberfläche hervor, welche
durch Winkelhebel auf einen um seine Axe drehbaren Zeiger übertragen werden, der dieselben
auf einer durch Vergleich mit einem Quecksilberbarometer hergestellten Scala anzeigt. Derartige,
in den mannigfachsten Formen hergestellte Instrumente eignen sich nicht besonders zu wissen-
schaftlichen Beobachtungen, da sie mit der 2^it an Genauigkeit abnehmen.
4. Verhalten der Atmosphäre zur Wärme. Die specifische Wärme der
trockenen Luft bei constantem Druck ist 0*23741 von der des Wassers (Regnault).
Der Ausdehnungscoefficient für je 1 ° zwischen — 30 und -h 200° ist ^tJt o<i«r
0'00366ö (Magnus, Regnault) (5). Bei einer durch flüssiges Stickoxydul hervor-
gebrachten niedrigen Temperatur wurde Luft unter einem Druck von 200 Atmo-
sphären verflüssigt (Cailletet) (6).
Die Schwächung, welche die Sonnenwärme beim Durchgang durch die Atmo-
sphäre erleidet, scheint besonders die am wenigsten brechbaren ultrarothen Wärme-
strahlen des Spectrums zu treffen. Der grösste Theil der Sonnenwärme wird
nicht absorbirt. Die Angabe von Bupf, dass eine etwa 45 Millim. dicke Schicht trockener
Luft beinahe die Hälfte der Wärmestrahlen absorbire, welche von einer auf 100^ erhitzten Wärme-
quelle ausgehen, ist von TTyndall (7) vriderlegt worden. Nach Tyndall soll eine 1 Meter
lange Luftschicht 0*088 ^ Wärme absorbiren. Violle (8) hat indessen durch genaue Messungen
der Intensität der Sonnenstrahlung am Gipfel und am Fusse des Montblanc die Absorption für
1 Meter Luft su 0*0070 J gefunden. Für letztere von ihnen berechnete Zahl sprechen sich auch
Lecher und Pernter aus (9). Das Hauptahsorbens ist wahrscheinlich der Wasserdampf. In-
dessen werden auch die Kohlensäure und die in der Atmosphäre schwebenden Organismen nicht
ohne Einfluss sein.
•) Ueber ein Glycerinbaromcter, vergl. Bericht tiber die Ausstellung wissenschaftlicher
Apparate in London, von R. Biedermann, London 1877, P^* 696.
Atmosphäre. 69
Die Erwärmung der Atmosphäre geschieht also vorzüglich von der Erdober-
fläche aus. Die Temperatur ist daher in den untersten Schichten am höchsten,
sie nimmt hier für ungefalir 195 Meter um 1° ab. In grösseren Entfernungen soll
die Temperaturabnahme in geringerem Verhältniss vor sich gehen.
Die Abnahme der Temperatur bei der Erhebung in die Atmosphäre hat auch
darin ihren Grund, dass die am Boden erwärmte Luft beim Aufsteigen in Folge
der Ausdehnung sich abkühlt. Der durch die Erwärmung der Erdoberfläche
gebildete Wasserdampf steigt mit der erwärmten Luft auf und wird dann durch
Abkühlung in den höheren Luftschichten condensirt Das als Thau unmittelbar
am Boden verdichtete Wasser wird in Folge der Abkühlung der untersten Luft-
schicht durch den Boden niedergeschlagen.
DovE giebt folgende Gesammtmittelwerthe flir die Temperatur der unteren
Luftschichten an:
Januar
Juli
Mittel
Nördliche Hemisphäre
9-4°
21-6°
15-5 "
Südliche Hemisphäre
IS^"
12°
13-6°
Erde
12-3°
16-8°
Üb"
5. Verhalten zum Licht. — Die Luft ist nicht völlig durchsichtig. Die
Theilchen derselben reflectiren das auf sie gefallene Licht, und dieses zerstreute
Licht ist intensiv genug, um das Sternenlicht zu übertönen.
Vor den schwarzen Grund des Weltraumes zieht sich dieser leuchtende Vor-
hang und wir sehen, zumal da die blauen Lichtstrahlen stärker zerstreut werden,
als die übrigen, den Himmel in blauer Farbe.*) In höheren Luftschichten, wo
in Folge der grösseren Verdünnung der Luft die Reflexion des Lichtes geringer
wird, wo der leuchtende Vorhang dünner wird, erscheint der Himmel dunkler
und dunkler. Dass die blaue Farbe des Himmels wie das weisse Licht der
Wolken vom reflectirten Licht herrührt, hat Brewster nachgewiesen, indem er
zeigte, dass dieses Licht polarisirt ist.
Feste Stoffe organischer und anorganischer Natur, Staub, Rauch u. s. w.
beeinträchtigen die Durchsichtigkeit der Luft. Ebenso flüssige Körper, also
Wasser in Form von Nebelbläschen und Wolken. Nach Wild (ig) ist der
DurcbsichtigkeitscoefBcient einer Luftschicht von 1 Meter Länge bei
Staubfreier trockener Luft 0-99718
Trockener staubhaltiger Zimmeriuft 0*99520
Staubfreier, mit Wasserdampf gesättigter Luft 0-99328
Danach vermindert Wasserdampf die Durchsichtigkeit der Luft. Dies wider-
spricht scheinbar der Erfahrung, denn wenn kurz vor oder nach dem Regen viel
Wasserdampf in der Atmosphäre enthalten ist, so erscheint die Landschaft be-
sonders klar. Es ist dies indessen die Folge davon, dass durch die Feuchtigkeit
die Menge des in der Luft suspendirten Staubes und der umherfliegenden Keime
vermindert wird. Beim Verdichten des Wasserdampfes zu flüssigem Wasser passiren
denselben besonders die gelben und rothen Lichtstrahlen, und hierauf beruht die
Erscheinung der Morgen- und Abendröthe. Cornu hat nachgewiesen, dass die
Luft ultraviolette Strahlen absorbirt (10).
Wenn der Lichtstrahl auf seinem Wege aus dem Weltraum in die immer
dichter werdenden Schichten der Atmosphäre gelangt, so wird er von seinem
♦) »Wird die Finsterniss des unendlichen Raumes durch atmosphärische, vom Tageslicht er-
leuchtete Dttnste hindurch angesehen, so erscheint die blaue Farbe.« Goethe's Farbenlehre.
I. Abtheilung. Propos. 155.
70 Handwörterbuch der Chemie.
geraden Wege abgelenkt, er wird gebrochen. Infolge dessen scheinen die Sterne dem
Zcnith näher zu stehen, als es in Wirklichkeit der Fall ist, und wir sehen die Sonne Abends
noch ganz über dem Horizonte, wenn ihr unterer Rand in Wahrheit schon um 33' unter dem-
selben steht ; der wahrnehmbare Sonnenuntergang erfolgt um zwei Zeitminuten später, der Sonnen-
aufgang um zwei Minuten früher, als der wahre. Wenn höhere Luftschichten zeitweilig dichter
sind als die der Erdoberfläche näheren, oder wenn zwischen dem Beobachter und dem sicht-
baren Gegenstand Luftschichten von verschiedener Dichtigkeit sich befinden, so kann die Er-
scheinung der Luftspiegelung, der Fata Morgana, des Seegespenstes u. s. w. eintreten.
Die Brechungsexponenten der trockenen Luft bei 0° und 760 Millim. Baro-
meterstand für die FRAUNHOFER'schen Linien A, B, C, D, E, F, G, H sind nach
Ketteler (ii)
fiA = 100029286 nE = 100029584
nB = 100029345 nF = 1-00029685
«C = 100029383 nG = 100029873
nD^ 100029470 nH^ 1 00030026
Wenn ein elektrischer Funke zwischen Metallelektroden überspringt, so zeigt
das Spectrum nicht nur die Metalllinien, sondern auch die von der glühenden
Luft zwischen den Elektroden herrührenden Linien. Das Emissionspectrum
der Luft tritt am besten auf, wenn die Elektroden möglichst weit von einander
entfernt sind. Um aus den zahlreichen Luftlinien die Metalllinien zu eliminiren,
wendet man Elektroden verschiedener Metalle an; die Linien, welche gemein-
schaftlich in den Spectren vorhanden sind, wenn der Funke zwischen Platinpolen,
und wenn er zwischen Goldpolen übergeht, gehören dem Luftspectrum an. Huggins
(12), Angström (13) und Lecoq de Boisbaudran haben diese Linien genau ver-
zeichnet. Gkandeau (14) und KuNDT (15) haben in dem Spectrum des Blitzes ausser den eigent-
lichen Luftlinien auch die Linien des Wasserstoffs und des Natriums wahrgenommen. Kundt
sowohl wie Wüllner haben beobachtet, dass Zickzackblitze ein Linienspectrum, Flächenblitzc ein
Bandenspectrum (Spectrum erster Ordnung, Verbindungsspectrum) gaben. Das Bandenspectrum des
positiven Pols besteht nach Thalen (16) aus zwei Serien von Banden, die einen von der rothen
und die andern von der violetten Seite, und rührt von Stickoxyd, N O, her. Die Banden variiren
unter Umständen. Der blaue Mantel am positiven Pol zeigt immer dasselbe Spectnun. Die Ver-
schiedenheit des letzteren von dem Spectrum des Lichtes am positiven Pol hat neuerdings Gold-
stein (17) wiederum nachgewiesen. Wenn das Kathodenlicht durch stärkere Verdünnung statt der
gewöhnlichen blauen Färbung eine lila Nuance angenommen hat, so verblasst nach G. ein grüner
Streif, während sonst die Unterschiede mit dem Spectrum des positiven Lichtes bleiben. Dies
letztere aber wird dem des lilablauen Kathodenlichtes völlig gleich, wenn man die Versuchsröhre
mit dem positiven Licht möglichst evacuirt.
Das Absorptionsspectrum der Luft zeigt eine Menge Linien, die man
nur dann wahrnimmt, wenn die durchstrahlte Schicht mehrere Meilen lang ist.
Zanitdeschi fand zuerst, dass, wenn die Sonne sich dem Horizont nähert, neue
Linien sichtbar werden und bereits vorhandene sich verbreitem, was seinen Grund
darin hat, dass das laicht dann einen weit längeren Weg in der Atmosphäre zu-
rückzulegen hat als am Mittag. Namentlich im Orange und Gelb treten Streifen
auf (18). Bei feuchtem Wetter erscheinen die Streifen bei spectroskopischer Be-
trachtung nicht nur des Horizonts, sondern auch der oberen Regionen des Himmels.
Auf hohen Bergen dagegen, wo die Schicht der Atmosphäre dünn ist, sieht man
im Spectrum ultraviolette Theile, deren Wahrnehmbarkeit unter gewöhnlichen
Umständen nicht möglich ist, wie Janssen im Himalaya, Cornu in den Alpen
beobachtet hat. Brewster und Gladstone haben die atmosphärische Absorptions-
linie zuerst aufgezeichnet (19).
Egoroff (20) hat bei Betrachtung des Spectrums eines elektrischen Lichtes auf dem Mont
Atmosphäre. 71
Valerien von der Pariser Sternwarte aus zwei breite Banden und vier schmale Streifen entdeckt, von
welchen bisher nur einer bekannt war, und welche Streifen des Emissionsspectrums nach Ang-
STRÖM und Thal^ entsprechen.
Das Absorptionsspectrum ist neuerdings auch von Chappuis (21) studirt worden. Dasselbe
zeigt 1 1 dunkle Banden, von denen einige mit Linien zusammenfallen, die Angström verzeichnet
hat Chappuis schliesst aus dem Spectrum, dass das Ozon eine Ursache der blauen Farbe des
Hnnmels ist. Dieselbe Ansicht haben auch CoRNU uud W. N. Hartley (22) geäussert
Bei sehr starker Dispersion lösen sich die Absorptionsbanden in feine
Streifen auf. Die Absorption der Atmosphäre erstreckt sich nicht nur auf den
rothen Theil des Spectrums, sondern auch auf den violetten und ultravioletten,
welche Theile gegen Sonnenuntergang fast völlig ausgelöscht werden. Dies ist
leichter mit Hülfe photographischer Platten als durch Okularbeobachtung zu er-
kennen (23).
6. Verhalten zum Magnetismus. Die Luft ist in Folge ihres SauerstofT-
gehaltes eine magnetische Substanz. Man hat die täglichen Variationen der De-
clinationsnadel auf die Aenderungen des magnetischen Verhaltens der Atmosphäre
in Folge der Temperaturschwankungen zurückzuführen versucht
7. Atmosphärische Elektricität Die atmosphärische Elektricität macht
sich besonders in den Gewitterwolken bemerkbar. Zur Nachweisung der elektrischen
Spannung in diesen wendete Benj. Franklin 1749 eine oben zugespitzte, isolirte,
vertikal aufgestellte Metallstange an. Dieselbe wird durch Vertheilung elektrisch;
indem am oberen Ende die der Gewitterwolke ungleichnamige Elektricität durch
die Spitze ausströmt, nimmt man am unteren Ende der Stange die gleichnamige
wahr. Franklin's Apparat ist die Grundlage aller Elektroskopen und Elektro-
meter für atmosphärische Spannungserscheinungen geworden.
Die Elektricität der Gewitterwolken wechselt nach Zeichen und Spannung ungemein häufig.
Saussure fand während eines Gewitters nicht die Zeit, diesen Wechsel aufzuzeichnen. Ein
ähnlich rascher Wechsel findet auch in den Wolken statt, wenn sie sich zu Regen verdichten.
Nebel sind stets positiv elektrisch. Der ganz wolkenlose Himmel übt stets einen positiv elek-
trischen Einfluss aus. Vor Sonnenaufgang |und am Nachmittag zeigen sich zwei Minima, am
Vormittag und in den ersten Nachtstunden zwei Maxima; jährlich tritt ein Maximum im Januar,
ein Minimum im Mai auf.
Während Biot (24) jedes Theilchen der Atmosphäre für elektrisch annimmt,
so zwar, dass mit Entfernung der Luftschichten von der Erdoberfläche die
Dichtigkeit der Elektricität zunimmt, ist nach Lamont die reine atmosphärische
Luft gar nicht elektrisch, sondern die Erde besitzt eine gewisse Menge negativer
Elektricität, welche durch die Erhöhungen der Erdoberfläche und durch die in
der Atmosphäre schwebenden Nebelbläschen modiflcirt wird (25).
8. Quantitative Zusammensetzung der Luft. Erst verhältnissmässig
spät hat man sich mit der chemischen Beschaffenheit der I^uft beschäftigt. Die
Mehrzahl der mechanischen Eigenschaften der Luft waren bereits bekannt, als man
von ihrer wirklichen Zusammensetzung noch nichts wusste. Im 9. Jahrh. hatte der
arabische Chemiker Geber erkannt, dass Blei und Zinn bei ihrer Calcination an der Luft an
Gewicht zunehmen, und er hatte dies ganz richtig der Aufnahme gewisser Lufttheilchen zuge-
schrieben. Eck V. SuLZBACH (1489), Paracelsus und Agricola im 16. Jahrh., Caesalpinüs
(um 1602), Jean Ray (1630), Robert Boyle (1661), sie alle haben die Gewichtszunahme der
in der Luft erhitzten Metalle beobachtet, aber Versuche, um zu erfahren, ob ein Theil oder die
Gesammtheit eines Luftquantums absorbirt würde, wurden nicht angestellt Boyle erklärte die
Gewichtszunahme der Metalle beim Verkalken dadurch, dass er sagte, dieselben nähmen »Feuer-
materie« auf. Hocke erkannte 1665, dass der Salpeter die Verbrennung ähnlich befördere wie
die Lnft und schloss daraus, dass in der Luft und im Salpeter derselbe die Verbrennung unter-
72 Handwörterbuch der Chemie.
haltende Bestandtheil enthalten sei. Mayow, ein Schüler Boyle's, verfolgte diese Thatsache
weiter (1669). Nach ihm verbindet sich das calcinirte Metall mit dem in der Luft enthaltenen
»Spiritus nitroaereus«. Er zeigte auch, dass wenn ein Körper in über Wasser abgesperrter
Luft verbrannt wird, das Volumen der letzteren abnimmt» dass dasselbe bei der Respiration statt-
findet, und er entdeckte somit die Analogie zwischen Verbrennung und Athmung.
Diese richtigen Anschauungen Mayow's über die Zusammensetzung der Luft fanden nicht die
gebührende Beachtung und wurden von seinen Nachfolgern bald vergessen. Die SxAHL'sche Phlo-
gistontheorie kam auf und gewann die Alleinherrschaft in der Chemie. Nicht Theilc der Luft
oder der Innenmaterie verbinden sich mit dem brennenden Körper, sondern das in jedem brenn-
baren Stoffe enthaltene Phlogiston entweiche bei der Verbrennung; der Sauerstoff war dephlo-
gistisirte Luft.
Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wufde die Untersuchung der Luft wieder aufgenommen.
Es war die Epoche der pneumatischen Chemie, der Untersuchung' der verschiedenen Luftarten.
RuTHfeRFORD zeigte 1772, dass die Luft einen Bestandtheil enthalte, welcher den Athmungs- and
Verbrennungsprozess nicht zu unterhalten vermöge. Priestley und unabhängig von ihm Scheele
lehrten bald darauf (1774) den anderen die Verbrennung und das Athmen unterhaltenden Be-
standtheil darstellen. Dass jener als mephitische oder phlogistisirte Luft bezeichneter Stoff ein
einfacher Körper ist, wurde von Lavoisier erkannt, der ihm den Namen Azote gab, während
Chaftal den Namen Nitrogenium einftihrte und im Deutschen das Gas als Stickstoff .bezeichnet
wurde. Der andere, die Verbrennung unterhaltende Bestandtheil der Luft wurde von LAVOISlElt
Oxygene, im Deutschen Sauerstoff genannt.
Bei der Bestimmung der Zusammensetzung der Luft, die nach der Entdeckung des Sauer-
stoffs und Stickstoffs von vielen Seiten in Angriff genommen wurde, kam man in Folge mangd-
hafter Methoden zu verschiedenen Resultaten. Man schloss daraus, dass die Zusammensetsung
der Luft an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten eine andere sei, dass die Luft um
so besser sei, je mehr Sauerstoff darin enthalten sei. Der Apparat, der zur Luftanalyse diente,
sollte die Güte der Luft messen: er wurde deshalb Eudiometer (von e6Wa, heiteres Wetter
und fA^Tpov, Maass) genannt, ein Name, der für das analytische Gasmessrohr Bürgerrecht ge-
wonnen hat
Cavendish Stellte im J. 1881 durch sehr zahlreiche Untersuchungen fest,
dass die Luft stets dieselbe Zusammensetzung habe. Auch Lavoisier und andere
Chemiker fanden, dass die unter verschiedenen Verhältnissen gesammelte Luft,
die über dem Meeresspiegel, die auf hohen Bergen, die im Binnenlande ent-
nommene Luft; Stickstoff und Sauerstoff stets in demselben Verhältniss enthielt.
In Folge dessen lag die Annahme nahe, dass die Luft eine chemische Ver-
bindung sei. In der That glaubten Prout, Döbereiner, Thomson u. A., dass
sie aus 4 Raumtheilen Stickstoff und 1 Raumtheil Sauerstoff chemisch zusammen-
gesetzt sei.
Gegen diese Ansicht lassen sich verschiedene Gründe geltend machen.
Eine aus 4 Atomen Stickstoff und 1 Atom Sauerstoff bestehende Verbindung
^vürde in 72 Gewichtstheilen 4 x 14 = 56 Gewichtstheile Stickstoff und 16 Ge-
wichtstheile Sauerstoff oder in 100 Thln. 77-8 N und 22*2 O enthalten. Die
Analyse ergiebt aber, dass 100 Gewichtstheile von Kohlensäure und Wasser be-
freiter Luft aus 77 Gewichtstheilen Stickstoff und 23 Gewichtstheilen Sauerstoff
bestehen. Die Differenzen mit der für N4O berechneten Zusammensetzung sind
aber zu gross, um sie als Fehler der analytischen Methoden ansehen zu können. —
Femer gewinnt man durch Mischen von 21 Raumtheilen Sauerstoff und 79 Raum-
theilen Stickstofl ein Produkt, welches in seinen Eigenschaften vollständig mit der
Lufl übereinstimmt. Bei dieser Mischung ist aber keine Temperaturverändenmg
wahrzunehmen, was der Fall sein müsste, wenn eine chemische Verbindung ein-
getreten wäre; es tritt auch keine Verdichtung ein, was im letzteren Falle wahr-
Atmo!(phäre. 73
schemlich stattfinden müsste. — Weiter ist die Löslichkeit des atmosphärischen
SauerstofTs in Wasser grösser als die des atmosphärischen Stickstoffs. Das
letztere Gas ditfundirt durch einen porösen Körper in einen luftleeren Raum in
grösserer Menge als der Sauerstoff. Beides würde nicht stattfinden, wenn die
Luft ein chemisches Individuum wäre.
Gegen eine solche Annahme erklärte sich besonders Dalton. Weil der
Sauerstoff schwerer ist als der Stickstoff, so müsse, meinte er, in den unteren
Schichten des Gemenges dieser Gase mehr Sauerstofli enthalten sein als in den
oberen. Diese Ansicht ist indessen durch zahlreiche Versuche widerlegt worden,
unter welchen wir besonders die Analysen von Gay-Lussac, der im Luftballon
Luft aus einer Höhe von 7000 Metern gesammelt hatte und von Brunner, welcher
die Luft auf dem Faulliom und anderen alpinen Gipfeln untersucht hat, er-
wähnen wollen. Neuere Analysen der Luft haben freilich eine sehr geringe Ab-
nahme des Sauerstofls in grösseren Höhen und überhaupt Schwankungen im
Sauerstoffgehalt ergeben.
a) Bestimmung des Sauerstoffs. Um die Analyse der Luft auszu-
führen, suchte man von jeher einem bestimmten Volumen derselben im kohlen-
säurefreien Zustand den Sauerstoff zu entziehen, um alsdann das zurückbleibende
Stickstoff- Volumen zu messen, event auch die Gewichtszunahme des den Sauer-
stoff absorbirenden Stoffes zu bestimmen.
Unter der grossen Menge leicht oxydirbarer Körper hat man zu dem ge-
nannten Zwecke die verschiedenartigsten angewendet. Ohne auf die Geschichte
dieser analytischen Untersuchungen näher einzugehen, wollen wir nur die Methoden
kurz erwähnen, welche genaue Resultate zu geben vermögen.
In der Kälte schon wird einem Luftvolumen der Sauerstoff durch Phosphor
entzogen, welcher Körper zu diesem Zwecke zuerst von Berthollet angewendet
worden ist
In die in einer graduirten Röhre über Qaecksilber befindliche Luft bringt man ein an einem
Platin- oder Kupferdraht befestigtes Stückchen Phosphor und lässt denselben so lange dort, bis
das Gasvolumen nicht mehr abnimmt. Die Absorption wird erleichtert, wenn Feuchtigkeit zu-
gegen ist Nach O. Lindemann (26) wird die Luft aus einer Messröhre, wie bei dem ORSAT'schen
Gasuntersuchungsapparat, in die Absorptionsröhre geschafft, welche mit Wasser und dünnen
PhotphoTStangen geftlUt ist. Nach Verdrängung des Wassers tritt die Oxydation sofort ein, nach
deren raschen Vollendung man das Gas wieder in die Messröhre zurücktreten lässt und hier
dessen Volnmenabnahme ermittelt.
Bei der Absorptionsanalyse mit Phosphor darf die Temperatur nicht zu niedrig sein. Bei
20^ verlftuft die Oxydation in befriedigend rascher Weise, i>ei 7^ hört sie gänzlich auf.
Eine andere volumetrische Methode der Luflanalyse beruht auf der Ver-
bindung des Sauerstoffs mit chemisch reinem Wasserstoff zu Wasser. Das im
Eudiometer befindliche Luftvolumen wird mit einer bestimmten hinreichenden
Menge Wasserstoffgas gemischt, und dies Gemisch wird durch den elektrischen
Funken zur Explosion gebracht, wobei sich 2 Volumina Wasserstoff mit 1 Volumen
Sauerstoff zu Wasser verbinden. Aus der Volumenverminderung des Gasgemisches
nach der Verpuffung und Abkühlung» lässt sich demnach die in Wasser überge-
geführte Menge Sauerstoff leicht berechnen ; sie ist = ^ derselben.
Dies Verfahren, welches zuerst von Volta angewendet worden ist, hat durch R. Bunsen
eine ausserordentliche Schärfe erlangt. Die BuNSEN'schen Verpuffungsröhren sind 800 bis
lOOD Millim. lang, 20 bis 22 Millim. weit, ihre Glasdicke braucht nur etwa 2 Millim. zu be-
tragen. Die Platindrähte, zwischen welchen der elektrische Funke überschlägt, sind am oberen
geschlossenen Ende eingeschmolzen. Die Röhren erhalten mittelst der Theilmaschine eine ge-
74
Handwörterbuch der Chemie.
naue Millimetereintheilung, und die den Graden derselben entsprechende Capacität wird aufs
genaueste ermittelt (27).
Döbereiner benutzte eine verplatinirte Thonkugel, um die Vereiniguni? des
Sauerstoffs mit dem Wasserstoff allmählich und ohne Explosion herbeizuführen;
allein die gasabsorbirende Kraft der porösen Platinthonkugel beeinträchtigt die
Genauigkeit der Resultate.
Dagegen gestattet die Verbrennung des explosiven Gasgemisches mit Hülfe
von Palladium-Asbest oder einem elektrisch glühenden Palladiumdraht nach
Gl. Winkler (28) genaue und gefahrlose Bestimmungen.
Man lässt das Gasgemisch aus einem Messrohr in langsamem Strome durch ein CapUlar-
rohr treten, welches von einem mit Palladium Überzogenen Asbestfaden angefüllt und von einer
Flamme gelinde erhitzt ist. Die Gase gelangen in eine Pipette, aus welcher man dieselben
wieder in die Messröhre zurücktreten lässt. Statt dessen kann man ein CapiUarrohr benutzen, in
welches Platindrähte eingeschmolzen sind, die durch einen ganz dünnen Palladiumdraht verbunden
sind, und man kann diesen durch den elektrischen Strom ins Glühen bringen.
Regnault und Reiset, femer Frankland und Ward haben Apparate zur Bestimmung des
SauerstofTgchalts der Luft construirt, mittelst welcher die Fehlergrenzen bis auf ^j^p herab-
gedrückt sind.
Einem Luflvolumen kann der Sauerstoff rasch durch eine alkalische Lösung
von pyrogallussaurem Alkali entzogen werde. Dies Verfahren ist bereits
1820 von Chevreul eingeführt, später von J. v. Liebig genauer ausgearbeitet
worden.
Man bringt mittelst einer Pipette mit gekrümmter Spitze Kalilauge und dann Pyrogallus-
säurelösung in das Eudiometer, oder man fUhrt die letztere ein, indem man eine an einem
Platindraht befestigte Kugel von Papiermache mit pyrogallussaurem Kali tränkt und in die Röhre
bringt. Die Saucrstoffabsorption erfolgt rasch, indem sich die Flüssigkeit infolge Bildung humus-
artiger Substanzen tiefbraun färbt. Nach Untersuchungen von Boussingault (29), sowie von
Calvfrt und Ci,oez (30), bildet sich dabei eine geringe Menge Kohlenoxyd, was die Genauig-
keit der Bestimmung natürlich beeinträchtigen muss. Das Kohlenoxyd scheint übrigens nur bei
energischer Oxydation aufzutreten, weniger, wenn man mit verdünntem Sauerstoff und wenig
concentrirtem Absorptionsmittel arbeitet. Poleck (31) hat bei Luftanalysen mit Pyrogallussäure
das Auftreten von Kohlenoxyd nicht bemerkt.
Gewichtsanalytisch wurde die Zusammensetzung der Luft zuerst von Dumas
und Boussingault (32) im Jahre 1841 ermittelt Bei dieser Methode dient der
folgende Apparat
(Fig. 46).
Ein Ballon V vob
15 bis 20 Liter Raum-
inhalt ist mit einer
Armatur aus Kupfer
verschen, welche den
Hahn // besitzt und
auf die Luftpumpe ge-
schraubt werden kann.
Der Ballon wird durch
die Hahnröhre r in
Verbindung mit der
Röhre ab aus schwer
(Ch. 46.) schmelxbarem Glase
gebracht, welche mit metallischem Kupfer angefüllt ist. Ballon und Röhre sind luftleer gemacht,
und ihr Gewicht ist mit Sorgfalt ermittelt. Die Röhre, welche in einem Verbrennungsofen liegt,
wird an ihrem Ende ^*durch Vermittlung der Hahnröhre r mit einer Anzahl von Absorption»-
Atmosphäre.
75
röhren C, B^ A, verbunden. A ist ein LiEBiG'scher Kugelapparat, der zum Zweck der Absorption
von Kohlensäure mit Kalilauge geftillt ist; die U-Röhren enthalten mit Schwefelsäure imprägnirtc
Bimsteinstttckchen, um das Wasser der zu untersuchenden Luft zurückzuhalten. Sicherer ist es,
die Anzahl dieser Absorptionsapparate zu vermehren. Man erhitzt nun bei geöffneten Hähnen
r die mit Kupfer gefüllte Röhre zum Glühen. Wird dann der Hahn u des Ballons geöffnet,
so fliesst Luft, deren Geschwindigkeit man durch Beobachtung der den Kaliapparat passirenden
Blasen ermessen kann, durch diesen, wo sie ihre Kohlensäure verliert, durch die Wasser ab-
sorbirenden U-Röhren in die glühende Röhre, wo sich der Sauerstoff vollständig mit dem Kupfer
verbindet, so dass reiner Stickstoff in den Ballon dringt. Sobald hier das Gleichgewicht mit dem
Luftdruck hergestellt ist, schliesst man den Hahn u, lässt die Röhre ab erkalten und wägt beide
Theile. Die Gewichtszunahme des Ballons giebt die Menge des eingetretenen Stickstoffs an, die
Gewichtszunahme der Röhre die Menge Sauerstoff, welche sich mit dem Kupfer verbunden hat,
phis der Menge Stickstoff, welche die Röhre anfüllt. Das Gewicht der letzteren wird bestimmt,
indem man die Röhre lufdeer macht und ein drittes Mal wägt. Wenn man dasselbe zu dem
Gewicht des im Ballon enthaltenen Stickstoffs hinzufügt, so hat man das Gewichtsverhältniss,
in welchem Sauerstoff und Stickstoff in der kohlensäurefrcien und trocknen Luft enthalten sind.
Ein von Ph. v. Jolly (33), angegebener Apparat gestattet, die Bestimmung
des SauerstofTgehalts der Luft in kurzer Zeit mit grosser Genauigkeit auszuführen.
Mittelst desselben wird der Sauerstoff ebenfalls durch glühendes Kupfer entfernt,
das Kupferoxyd aber nicht gewogen.
Das Glasgefäss A von etwa 100 Cbcentim. Inhalt wird mit der zu untersuchenden Lufit
gef)Ult, indem bei passender Stellung des Dreiweg-
halin b das sich hier anschliessende Glasrohrende
mit der Luftpumpe verbunden wird. Durch Um-
hüllung des Gefässes A mit dem Blechcylinder B
der mit gestossenem Eis angefitUt ist, wird die
Luft auf die Temperatur 0° gebracht. Die Messung
des Druckes wird mittelst; der beiden durch Gummi-
scblauch mit einander verbundenen Glasröhren d
und g ausgeführt. Die Röhre g ist in der Hülse
f verschiebbar. Die Höhe des Quecksilbers in g
wird auf der am Stativ befindlichen Millimeterscala
abgelesen. Durch den Dreiweghahn b können
das Gefäss A und die Röhre d zugleich mit der
Atmosphäre in Verbindung gesetzt werden. Es
wird dann g so lange verschoben, bis das Queck-
silber die Spitze bei m gerade berührt. Der Drei-
weghahn wird nun so gedreht, dass A nur noch
mit d communicirt. Der abgelesene Barometerstand
giebt dann den Druck der Füllung bei 0° an.
Nun wird die in A befindliche Kupferspirale durch
den elektrischen Strom ins Glühen gebracht
(Oh. 47.)
Das
Kupfer verbindet sich mit dem Sauerstoff. Nach ^^■
wiederholtem Glühen ist keine Druckabnahme mehr
bemerklich. Der mit schmelzendem Eis gefüllte Blechcylinder wird wiederum um das Gefäss
A gebracht, und die Röhre g wird derart verschoben, dass das Quecksilber in d wieder
gerade die Spitze m berührt. Die Dnickabnahme wird an der Scala abgelesen; sie giebt den
Druck des zurückgebliebenen Stickgases an. Sei z. B. der Druck der Luft vor Erhitzung
des SauerstofEi gleich 708*50 Millim., nachher gleich 562*23 Millim., so ist das Volumen 1 auf
562*23
das Volumen = 0*79355 zurückgegangen. In 100 Raumtheilen sind also 79*355 Stick-
stoff nnd 20*645 Sauerstoff.
F. Fischer hat den Joixv'schen Apparat vereinfacht (34), indem er das KUhlgefäss B bQ-
76 Handwörterbuch der Chemie.
seitigt hat. Infolge dessen sitzt das Gefass A auf dem einen Schenkel des Manometers gd^ dessen
anderer Schenkel verschiebbar ist.
Cavendish fand als Mittel aus 400 Versuchen, dass 100 Thle. I.uft 20*83 Thle.
dephlogistisirte Luft oder Sauerstoff enthalten. Schefxe fand nach vielen Analysen
27 Vol. J Sauerstoff, Lavoisier 27 bis 28. Genauere Untersuchungen wurden im
Jahre 1804 von Gay-Lussac und Humboldt mittelst des VoLTA*schen Eudiometers
angestellt. Sie fanden im Mittel 21 Vol. Sauerstoff in 100 Vol. Luft Aehnliche
Resultate erhielten Davy und andere englische Chemiker.
Dumas und Boussingault fanden im April 1841 nach ihrer gewichtsanaljrtischen
Methode in Paris 23'01 Gew.J Sauerstoff. Nach derselben Methode fand Lew
in Kopenhagen im November und December 1841 im Mittel 22*998 , an der
Küste 23-01, Stas in Brüssel 23*04 bis 23*08, in zwei Versuchen 23-11 und 23*14,
Marignac in Genf, 1842, erhielt 23-01, 23 und 22*97 Gew.J-, Brunner in Bern
23, 22-89 und 22*97, Verver in Groningen 22*998 Sauerstoff.
Die genauen eudiometrischen Methoden von Bunsen, sowie von Regnault
und Reiset haben noch zuverlässigere Resultate ergeben. Ersterer fand in
Heidelberg den Sauerstoffgehalt zu 2096 Vol.J oder 23-17 Gew.J als Mittel aus
einer grossen Zahl von Analysen. Regnault hat sehr viele Analysen von Luft
verschiedener Orte der Erdoberfläche ausgeführt. Einige seiner Resultate sind
die folgenden (35).
Anzahl der Lokalität
Analysen
100 Paris
9 Lyon
30 Berlin
10 Madrid
23 Genf und Chamounix
17 Hafen von Toulon
5 Atlantischer Ocean
2 Ecuador
2 Gipfel des Pichincha
2 Südpolarsee
1 Meerbusen von Bengalen 20*46 —
1 Ganges bei Calcutta 20*39 —
Obgleich die gefundenen Unterschiede nur gering sind, so sind sie doch zu
gross für die bei Regnault's genauer Methode gestatteten Beobachtungsfehler.
Es geht daraus hervor, dass in den tropischen Zonen der Sauerstoffgehalt der Luft
etwas geringer ist, als in den gemässigten.
Aehnliche Verschiedenheiten zwischen Land- und Stadtluft hat Angus SBnTH
gefunden (36). Nach ihm enthält die Lufl der Haiden und Berge des schottischen
Hochlandes gewöhnlich 21 Vol.^ Sauerstoff, in der Lufl grösserer Städte sinkt
der Sauerstoffgehalt auf 20*81, in Bergwerken auf 20*26 J.
JOLLY hat nach seiner oben beschriebenen genauen Methode in den Monaten
Juni, Juli, October und November 1877 in München mehrere Versuchsreihen aus-
geführt (37), aus welchen hervorgeht, dass der Sauerstoffgehalt von 21 Ol bis 20*53jt^
schwankt, wobei die Jahreszeit und besonders die Windrichtung auf die Zusammen-
setzung der Lufl sich von Einfluss gezeigt hat. Während des Aequatorialstroms der
Atmosphäre wurde der geringste, während des Polarstroms der grösste Sauerstoff-
gehalt beobachtet. Es scheint also, dass in den Tropen die Sauerstoffabsorption
Gehalt an
Sauentoff
Minimum Maximum
20-913
20-999
20-918
20-966
20-908
20-998
20-916
20-982
20-909
20-993
20-912
20-982
20-918
20-965
20-960
—
20-949
20-988
20-860
20-940
Atmosphäre. 77
eine reichlichere ist, als in der Nähe der Pole, und dass dort der Sauerstoff-
verbrauch bei der Oxydation bedeutend grösser ist, als die Sauerstoffentwicklung
durch die Vegetation. Es ist sehr wünschenswerth, dass die meteorologischen
Stationen in Stand gesetzt würden, täglich Sauerstoff-Bestimmungen auszuführen, um
die Ursachen der Schwankungen im Gehalt der Luft aus denselben festzustellen.
Frankland hat bei Untersuchung der Luft auf hohen Schweizer Bergen eine
geringe Verminderung des Sauerstoffgehalts in grösseren Höhen constatirt.
Hieran schliesst sich eine Annahme von Morley (38), welcher aus ver-
gleichenden Beobachtungen des Luftdrucks, der Luftströmungen und der
Schwankungen im Sauerstoffgehalt der Luft folgert, dass die Luft, die weniger
Sauerstoff enthält, durch einen absteigenden Strom aus der Höhe der Atmosphäre
herbeigeführt werden, und dass dort der Sauerstoffmangel die Folge davon sei,
dass in einer verticalen Säule eines Gemisches zweier Gase von verschiedener
Dichtigkeit das specifisch schwerere sich unten, das leichtere oben sich anhäufe.
b) Ozon. Die active Modification des Sauerstoffs, das Ozon, wird in der
Atmosphäre stets, aber nur in geringer Menge angetroffen. Das Ozon bildet sich
dort durch mannigfache Processe: durch die Entladung elektrischer Schläge
aus dem Sauerstoff, auch aus dem Wasser in der Luft; femer bei den Ver-
brennungen, bei der Verdunstung von Wasser, endlich durch Aneinanderreihen
der Lufttheilchen, wodurch deren elektrischer Zustand vermehrt wird. Das Vor-
handensein des Ozons ist stets mit der Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd und
Ammoniumnitrit verbunden, welche letzteren beiden Stoffe ihre Bildung dem
Activwerden des Sauerstoffs, der Einwirkung des Ozons auf das Wasser und das
atmosphärische Ammoniak verdanken. Vielleicht aber ist Ozon bisher stets mit
Wasserstoffsuperoxyd verwechselt worden. Der fortwährenden Erzeugung von
Ozon steht ein fortwährender Verbrauch desselben entgegen; besonders die
organischen Verunreinigungen der Luft werden durch das Ozon zerstört.
Das starke Oxydationsvermögen des Ozons giebt Mittel zur Erkennung desselben an die
Han«L Papier, welches mit jodkaliumhaltigem Stärkekleister getränkt ist, wird durch Einwirkung
Yon Ozon infolge des Freiwerdens von Jod gebläut. Freilich wird diese Reaction auc!i durch
Chlor und die höheren Oxyde des Stickstoffs hervorgebracht. Ozonhaltige Luft verliert aber,
wie zaerst Andrews (39) gezeigt hat, diese Eigenschaft, wenn sie durch glühende Röhren geleitet
wird, während bei Gegenwart von Chlor oder den höheren Stickstoffoxyden unter gleichen Um-
ständen die Reaction nicht ausbleibt. Mit Mangansulfatlösung getränktes Papier wird durch Ein-
wirkung von Ozon infolge Bildung von Mangansuperoxyd gebräunt, von Chlor und Brom nicht;
desgl. wird Papier mit Thalliumoxydlösung durch Bildung von Thalliumtrioxyd braun, während
salpetrige Säure darauf ohne Einwirkung ist und Wasserstoffsuperoxyd das gebräunte Thallium-
papier bleicht. Ozon (auch Chlor) entfärbt Indigolösung sofort, Wasserstoffeuperoxyd thut dies
erst nach Zusatz von Eisenvitriol. Nach R. Böitger (40) ist ein gutes Reagens auf Ozon eine
vollkommen säurefreie Lösung von Goldchlorid. Papier, welches ganz schwach mit einer solchen
Lösung getränkt ist, färbt sich durch Einwirkung von Ozon erst schwach, später intensiv dunkel-
violett Salpetrige und Salpetersäure ändern das Papier nicht.
Die Menge des in der Luft enthaltenen Ozons bestimmt man gewöhnlich
colorimetrisch, meist mit Hülfe des von Schönbein zuerst empfohlenen Jod-
kaliumstärkepapiers.
Filtrirpapier wird mit einer Lösung von 15 Thln. Stärke, 200 Thb. Wasser und 1 Thl.
Jodkalinm getränkt und im Dunkeln getrocknet. Nach der Einwirkung des Ozons tritt auf Be-
feuchten des Papiers die blaue Farbe der Jodstärke deutlich hervor. Die Farbennuance wird mit
einer Farbenscala verglichen. Dies Verfahren ist aber sehr ungenau, da andere Stoffe, wie z. B.
salpetrige Säure, ja das Sonnenlicht ebenfalls Blauf^bung hervorrufen, da gewisse Agentien, wie
Schwefelwasserstoff oder schweflige Säure, die blaue Farbe zerstören, da diese auch durch blosse
78 Handwörterbuch der Chemie.
Verflüchtigung des Jods verschwinden kann, da die Beschaffenheit des Papiers von Einfluss ist,
und da endlich der Grad der Färbung nicht der Zeitdauer der Exposition des Papiers pro-
portional ist
HouzEAU benutzt deshalb die Bläuung, welche das aus dem Jodkalium durch Ozoneinwirkung
entstehende Kali auf Lakmus hervorbringt. Streifen aus weinrothem Lakmuspapier werden zur
Hälfte mit Jodkaliumlösung getränkt. Dieser Theil wird dann durch Ozon gebläut; eine Röthung
der andern Hälfte wUrde auf freie salpetrige oder eine andere Säure deuten. Auch dies Verfahren
eignet sich wegen der Schwierigkeit, ein empfindliches Lakmuspapier herzustellen und die Farben-
nuancen zu erkennen, nur zum qualitativen Nachweis.
Papier, das mit einer Lösung eines Thallosalzes getränkt ist, kann wegen der entstehenden
Bräunung ebenfalls zur Ozonoskopie benutzt werden. Das Oxyd btlsst aber durch Kohlensäure-
anziehung an Empfindlichkeit ein.
Um einigermaassen genaue Resultate zu erhalten, muss man gemessene Luftmengen durch
Röhren streichen lassen, welche das Reagenspapier enthalten, oder durch Metallsalzlösungen,
welche durch Ozon dauernd verändert werden. Z£NG£R (41) fand nach dem Passiren von 100 Liter
Luft durch eine verdünnte Lösung von Jodwasserstoff, dass das frei gewordene Jod 0*001 bis
0*002 MiUigrm. Ozon entsprach. Im Observatorium zu Montsouris bei Paris leitet man die Luft
durch eine Lösung von arsenigsaurem Kalium und Jodkalium. Das freiwerdende Jod oxydirt die
arsenige Säure zu Arsensäure. Täglich wird die durchgeleitete Luftmenge notirt, und die Flüssigkeit
mit einigen Tropfen Ammoniumcarbonatlösung und einprocentigem Stärkekleister versetzt. Dann
lässt man aus einer Bürette Jodlösung (1:1000) zutropfcn, bis bleibende Bläuung eintritt. Ein
Parallelversuch wird angestellt, indem man ebenso viel destillirtes Wasser, arsenigsaures Kalium,
Jodkalium, kohlensaures Ammoniak und Stärke nimmt und die Lösung mit derselben Jodlösung
titrirt. Die Differenz ergiebt die Menge des oxydirten arsenigsauren Kaliums, woraus der Ozon-
gehalt der angewendeten Luftmenge zu berechnen ist (42).
c) Wasserstoffsuperoxyd. Nach Em. Schöne sind alle Mittel, welche man
angewendet hat, um das Vorhandensein von Ozon in der Atmosphäre zu be-
gründen, nicht stichhaltig, und der Ozongehalt derselben sei noch unbewiesen.
Dagegen hat Schöne, wie auch früher schon Schönbein u. a., nachgewiesen, dass
Wasserstoffsuperoxyd ein normaler Bestandtheil der Atmosphäre ist.
Dieser Körper giebt mit Jodkalium und Thalliumoxydul dieselben Reactionen wie Ozon.
Eine Bräunung des Mangansulfat-Papiers findet durch Wasserstoffsuperoxyd allein allerdings nicht
statt; wohl aber, wenn eine Spur von Ammoniumcarbonat zugegen ist, welches in der Luft stets
vorhanden ist.
Ein Mittel, welches mit Sicherheit das Vorkommen von Oron in der Atmosphäre beweisen
könnte, ist das metallische Silber. Nur einmal unter vielen Versuchen bemerkte Schöne nach
längerer Frist die Bräunung einer im Freien aufgehängten Silberplatte, von der er indess ver-
muthet, sie sei durch Schwefelwasserstoff hervorgebracht.
Schöne (43) hält es nicht für nötliig, ausser dem Wasserstoffsuperoxyd noch
ein anderes oxydirendes Agens, wie Ozon, in der Luft anzunehmen.
Derselbe (44) hat vom i. Juli 1874 bis 30. Juni 1875 ^Ic atmosphärischen
Niederschläge in Moskau auf Wasserstoffsuperoxyd geprüft. Er schliesst aus
seinen Beobachtungen, dass ein Minimum an Wasserstoffsuperoxyd in den Winter-
monaten, ein Maximum im Juli vorhanden ist. In Bezug auf die Tageszeit soll
ein Maximum in den Nachmittagsstunden (4 Uhr) eintreten, ein Minimum nach
Mitternacht Bei Südwinden enthalten die atmosphärischen Niederschläge mehr
Wasserstoffsuperoxyd als bei Nordwinden, und Schöne glaubt, dass der Gehak
der Atmosphäre an demselben in dem Maasse wächst, als man sich dem Aequator
nähert.
Die Gesammtmenge Wasserstoffsuperoxyd, welche während eines Jahres mit
den atmosphärischen Niederschlägen zum Erdboden gelangt, ist nach Schöne
nur gering; sie beträgt nur 109*4 MiUigrm. auf 1 Q Meter (in 599*9 Liter Wasser)
Atmosphäre. 79
oder 1'094 Kgnn. auf 1 Hektar. In der Atmosphäre selbst ist die Menge dieses
Körpers noch geringer. Das von Schöne beobachtete Maximum beträgt
1*4 Cbcentim. Superoxyddampf in 1000 Cbcentim. Luft, das Mittel nur 0*38 Cubik-
centim. Trotzdem sind diese geringen Mengen nicht ohne Bedeutung für den
Haushalt der Natur; sind sie ja doch nur der Rest derjenigen Menge, welche
zur Oxydation von Ammoniak, organischen Fäulnissprodukten u. s. w. verwendet
worden ist.
d) Kohlensäure. Ein im Vergleich zum Sauerstoff und Stickstoff in nur sehr
geringer Menge vorhandener, aber doch sehr wichtiger Bestandtheil der Atmosphäre
ist die Kohlensäure.
Man kann die Bestimmung der Kohlensäure zugleich mit der des Wasser-
gehalts der Luft nach einem von Regnault, Brunner, Saussure u. a. ange-
wendeten Verfahren ausführen. Dasselbe besteht darin, dass man durch Aus-
fliessen von Wasser aus einem Aspirator ein bestimmtes Volumen Luft durch ein
System von U förmigen Röhren strömen lässt, in welchen geeignete Absorptions-
mittel die Kohlensäure und den Wasserdampf zurückhalten.
Die Luft muss zueist zwei Röhren passiren, welche mit Schwefelsäure getränkten Bimstcin
oder damit benetzte GlasstUcke enthalten. Hier wird die Feuchtigkeit und etwa vorhandenes
Ammoniak zurückgehalten. Zwei folgende Röhren sind mit feuchtem Aetzkalk oder Aetzkali
gefüllt, um die Kohlensäure zu absorbiren. Dann folgen zwei Röhren, die wieder mit Wasser
absorbirenden Mitteln gefUUt sind, um die von der Luft aus den beiden mittleren Röhren mit-
gerissene Feuchtigkeit zurtlckzuhalten. Die Gewichtszunahme der beiden ersten Röhren giebt den
Wassergehalt, die der drei folgenden den Kohlensäuregehalt an. Die letzte mit dem Aspirator
in unmittelbarer Verbindung stehende Röhre soll verhindern, dass aus dem Aspirator Wasserdampf
in die folgende gewogene Röhre gelange.
Das Volumen des aus dem Aspirator geflossenen Wassers ist nicht genau gleich dem
Volumen der eingetretenen Luft, sondern etwas grösser, da die in den Aspirator kommende
ganz trockne Luft sich dort mit Feuchtigkeit sättigt, d. h. sich um das Volumen Wasserdampf
ftusdehnt, welches bei der Versuchstemperatur sich bilden kann. Um diese zu erkennen, ist der
Aspirator mit einem Thermometer versehen. Man muss also das gefundene Volumen feuchter
Luft unter Berücksichtigung der Tension des Wasserdampfs bei der Versuchstemperatur auf
trockne Luft von 0° C. und 760 Millim. Barometerstand reduciren. Das Volumen der in den
Aspirator gedrungenen Luft findet man durch Messung oder Wägung des ausgeflossenen Wassers,
oder, nachdem der Rauminhalt des Aspirators genau bestimmt worden ist, durch gänzliches
Entleeren desselben. Wenn man die gefundene und corrigirte Anzahl Cubikcentimeter Luft mit
0*0012932 (dem Gewicht von 1 Cbcentim. Luft bei 0° und 7G0 Millim. Druck in Grammen)
multiplicirt, so hat man das Gewicht der Luft und kann nun berechnen, wie viel Wasser in 100
oder 1000 oder 10000 Gewichtstheilen Luft enthalten ist.
£in anderes bequemeres Verfahren zur Bestimmung des Kohlensäuregehaltes
der Luft ist von Pettenkofer angegeben (45).
Dasselbe beruht darauf, dass man einem bekannten Volumen Luft eine ge-
messene Menge titrirtes Barytwasser zusetzt. Die Kohlensäure wird von diesem
absorbirt; man lässt das ausgeschiedene Bariumcarbonat sich absetzen und titrirt
einen Theil der klaren Flüssigkeit von neuem mit Oxalsäurelösung. Die Titer-
difTerenz entspricht der Menge der absorbirten Kohlensäure.
Die Luft wird in einer 6 Liter-Flasche abgemessen. Die Capacität derselben bestimmt man
durch Wägen der Flasche, wenn sie trocken und leer und andererseits, wenn sie mit Wasser
gefiült ist Die sorgfältig getrocknete Flasche wird nun mit der zu untersuchenden Luft gefüllt,
indem man einen gewöhnlichen Blasebalg, an dessen Spitze ein bis auf den Boden der Flasche
leichendes Glasrohr befestigt ist, wirken lässt. Man bläst etwa das fünffache Volumen def
Flasche hindurch, um die in der Flasche befindliche Luft sicher zu verdrängen. Es ist daher
So Handwörterbuch der Cliemie.
gut, das von dem Blasebalg bei jedem Hube gelieferte Luftvolumen zu kennen. Nach der
Füllung lässt man mittelst einer Pipette 50 Cbcentim. einer titrirten Barytlösung auf den Boden
der Flasche laufen, verschliesst dann mit einer Kautschukkappe und notirt Temperatur und
Barometerstand. Wenn man wiederholt umschUttelt, ist nach einer halben Stunde alle Kohlen-
säure absorbirt. Man giesst dann den Inhalt der Flasche rasch in ein kleines, trocknes Fläsch-
chen, welches davon nahezu gefüllt wird, und verschliesst dieses sofort. Nach Absetzen des
Bariumcarbonats hebt man mittelst der Pipette einen Theil Flüssigkeit (20 Cbcentim.) heraus und
titrirt diesen mit -^ Normal-Oxalsäure. Wendet man eine Oxalsäurelösung mit 2*8636 Grm. im
Liter an, so entspricht l Cbcentim. derselben O'OOI Grm. CO'.
Aus der erhaltenen Menge Kohlensäure ergiebt sich leicht die von den zugesetzten
50 Cbcentm. Barytlösung absorbirte. Diese Menge war in dem bekannten Luftvolumen minus
50 Cbcentim. (welches Volumen Luft von dem zugesetzten Barytwasser verdrängt worden war) ent-
halten. Man muss noch Correcturen wegen der Temperatur- und Druckschwankungen anbringen,
d. h. das Volumen der analysirten Luft und das der gefundenen Kohlensäure auf 0° und
760 Millim. Barometerstand reduciren.
Um den mittleren Kohlensäuregehalt der Luft während einer längeren Zeit-
periode anzugeben, leitet man mittelst eines Aspirators ein durch dessen Gewichts-
differenz vor und nach dem Versuche zu bestimmendes Luftvolumen durch Baryt-
wasser von bestimmtem Gehalt, welches sich in einer nach dem Lufteintritt zu
geneigten langen Glasröhre befindet. Man lässt die durchstreichenden Luftblasen
in massiger Geschwindigkeit auf einander folgen, so dass man sie einzeln beob-
achten kann. Schliesslich lässt man den Inhalt der Absorptionsröhren in eine
kleine Flasche fliessen und titrirt das Barytwasser wie oben beschrieben. Diese
Methode ist namentlich da anwendbar, wo die Luft eines unzugänglichen Ortes
untersucht werden soll, welche man nur durch Hinftihrung einer Röhrenleitung
erreichen kann.
W. Hesse hat die PEXTENKOFER'sche Methode erheblich vereinfacht (46), in-
sofern als nach seinem Verfahren kleinere Luftvolumina beansprucht werden und
die Titrirung des Barytwassers vor völligem Absetzen des Bariumcarbonats vor-
genommen werden kann.
Mehrere kleine sogen. ERLENMEYER'sche Flaschen (von | bis ] Liter Inhalt) werden an
dem Untersuchungsorte mit Luft gefüllt, indem man daselbst die mit Wasser gefüllten Flaschen
ausleert. Man steckt dann einen doppelt durchbohrten Pfropfen auf die Flasche. In der einen
Dtirchbohrung befindet sich eine mit titrirtem und durch Rosolsäurelösung gefiirbtem Barytwasser
gefüllte 10 Cbccntim.-Pipette, deren Inhalt man in die Flasche fliessen lässt; die verdrängte
Luft kann durch die zweite Durchbohrung entweichen. Hierauf werden beide Oefihungen durch
Glasstäbe verschlossen. Nach einiger Zeit, während welcher wiederholt umgeschUttelt wurde,
bringt man in die eine Ocflnung des Pfropfens eine mit Oxalsäurelösung gefüllte Pipette, deren
Spitze möglichst tief in das Innere der Flasche reicht. Aus dieser lässt man soviel zufliessen,
bis die völlige Entfärbung die Vollendung der Neutralisation anzeigt. Bei Berechnung der
Analysen müssen Temperatur und Druck wie gewöhnlich berücksichtigt werden. Es ist zu be-
merken, dass bei dieser Methode in Folge der geringeren Luftvolumina, die im Vergleich zu der
Pkttknkofer' sehen in Anwendung kommen, die Fehler, z. B. die aus der unvermeidlichen Be-
rührung des Barytwassers mit der umgebenden Luft resultirenden, grösser werden; auch ist beim
Titriren des durch das Carbonat getrübten Barytwassers die Endreaction nur schwer zu erkennen.
Da, wo es auf grosse Genauigkeit nicht ankommt, sondern wo nur grosse
Differenzen constatirt werden sollen, kann man sich des leicht und rasch auszu-
führenden minimetrischen Verfahrens zur Bestimmung der Kohlensäure in
der Luft bedienen, welches von A. Smith herrührt und von G. Lunge verbessert
und in Deutschland bekannt gemacht ist. Nach dieser Methode wird nicht, wie
bei den bisher beschriebenen, ein bestimmtes Luftvolumen mit wechselnden
Atmosphäre. 8i
Mengen Barytlösung behandelt, sondern eine stets gleiche Menge Barytwasser
wird so lange mit der zu untersuchenden Luft behandelt, bis die erste sichtbare
Trübung des Barytwassers eintritt (47).
Ein Fläschchen (sogen. Opodeldok-Glas) von etwa 50 Cbcentim. Inhalt ist mit einem doppelt
durchbohrten Kork verschlossen. In der einen Bohrung steckt ein grades bis zum Boden der
Flasche fahrendes Glasrohr, welches am andern Ende ein Stück Kautschukschlauch trägt; durch
die andere Bohrung geht ein dicht unter dem Kork endigendes Glasrohr, das aussen rechtwinklig
gebogen, durch einen Kautschukschlauch mit einem Gummiballon von etwn 25 Cbcentim. Inhalt
verbunden ist An letzterem Kautschukrohr ist nahe am Fläschchen ein Längseinschnitt an-
gebracht, welcher wohl den Austritt, aber nicht das Eindringen von Luft beim Spiel des Ballons
gestattet Ein zweites Ventil befindet sich am Ende des graden Glasrohres. Dies wird zweck-
mässig so hergestellt, dass man in dem Kautschukschlauch auf einem Ringe eine gestielte Glas-
kugel derart befestigt, dass die Luft von oben her passiren kann, während die Flaschenluft von
unten her das Glaskügelchen an den Ventilsitz presst Man bringt nun in das Fläschchen
10 Cbcentim. Barytwasser (6 Grm. BaO in 1 Liter), verkorkt, schüttelt, und presst dann den
Kautschukballon zusammen. Die Luft desselben entweicht durch das an dem langen Ballon-
schlauch befindliche VentiL Beim Loslassen des Ballons füllt derselbe sich wieder mit Luft, die
aber nur durch das Ventil an der graden Glasröhre eintreten kann und somit das Barytwasser
passiren muss, wo sie ihre Kohlensäure abgiebt Man wiederholt diese Ballonfüllungen so lange,
bis der Inhalt des Fläschens so trübe geworden ist, dass eine Marke an demselben nicht mehr
deutlich erkannt werden kann. Diese Marke besteht in einem schwarzen Strich auf einem weissen
Papier, welches, mit dem Strich nach innen, an der Flaschenwand befestigt ist Die Anzahl der
Ballonfüllungen plus dem Inhalt des Fläschens giebt das Luftvolumen, welches bis zum Eintreten
der Trübung erforderlich war. Diese Luftmengen variiren nach dem Vorhandensein von
Kohlensäure.
Dies Verfahren ist zwar sehr einfach, ist aber mit vielen Fehlem behaftet Volumen des
Fläschens und des Ballons, Durchmesser des ersteren, Dicke und Farbe des Glases, Undeutlich-
keit des Index sind von grossem Einfluss und werden selten bei zwei Apparaten völlig überein-
stimmen. Auch sollte ein jeder Apparat geaicht werden, d. h. es sollte nach der Pettenkofer'
sehen Methode bestimmt werden, welcher Kohlensäuregehalt der Luft der verschiedenen Zahl von
Ballonfüllungen entspricht Lunge hat zwar eine Tabelle dafür entworfen ; allein abgesehen von
der Schwierigkeit, dem Ballon stets genau dieselben Dimensionen zu geben, ist es nicht leicht,
die Luft vollständig aus dem Ballon zu pressen oder dies in sich stets gleichbleibender Weise
zu thun. Man kann von den hieraus sich ergebenden Fehlem dadurch unabhängig werden, dass
man an Stelle des Kautschukballons einen graduirten Aspirator anbringt, aus dem man das
Wasser bis zum Eintritt der Trübung ausfltessen lässt.
Ein Verfahren, die Kohlensäure der Luft direkt auf gasvolumetrischem V^ege
zu bestimmen, ist von Cl. V^inkler mitgetheilt worden (48).
Ein cylindrisches Glasgefäss von etwa 5 Liter Inhalt, welches an beiden Enden in Rohr-
ansätze ausläuft, ist von einem Blechmantel a umgeben. Der Zwischenraum wird zur Abhaltung
von Temperaturschwankungen durch Hahn h mit Wasser geftült Auf dem Glasgefäss sitzt ein
cylindrischer Trichter ^, der durch einen mit Quetschhahn c versehenen Kautschukschlauch mit
jenem verbunden ist Der untere Rohransatz ist mit einer Marke m versehen, bis zu welcher
der Inhalt des Glasgefässes bestimmt ist. An diesem Rohransatz sitzt ein durch einen Quetsch-
hahn e abschliessbarer Kautschukschlauch, welcher ein Stück Glasrohr trägt Dieses kann durch
Sdüauchverbindung mit einer Kautschukpumpe p oder mit einer Bürette ä in Anschluss ge-
bracht werden. Das cylindrische Blechgeftlss ruht mit zwei in der Höhe seines Schwerpunkts
angebrachten Zapfen in den Lagern eines Stativs und kann durch einen einfachen Mechanismus
um diese Achse gedreht werden. Mit Hülfe der Kautschukpumpe ftült man nun das Glasgeftlss
mit der zu untersuchenden Luft, stellt dann die Verbindung mit der mit Wasser geftlllten Bürette
dmch den an dieser befestigten, ebenfalls mit Wasser geftlllten Schlauch / her und lässt nun
aas der Bürette so viel Wasser zufliessen, dass dasselbe bis an die Marke des Rohransatzes
reicht. Man schliesst die Quetschhähne e und c und dreht das GefUss a mehrere Male. Die
Ladsmuikc, Chemie. U. 6
82
Handwörterbuch der Chemie.
Luft hat sich nun mit Feuchtigkeit gesättigt Nachdem man das Gefäss wieder vertikal ge-
stellt hat, öfihet man momentan
den Hahn c, um 'einen Ueber-
druck zu beseitigen, und man
hat nun ein genau abgemessenes,
mit Feuchtigkeit gesättigtes Luft-
volumen im Apparat Durch Ab-
saugen entfernt man die geringe,
unter Marke m befindliche Wasser-
menge, und führt durch Trichter
b und Oeffhen des Quetschhahns
c etwas concentrirte Kalilauge in
den Apparat Man wäscht mehr-
mals mit Wasser nach. Dann
dreht man den Apparat. Nach
rasch erfolgter Absorption der
Kohlensäure stellt man den Ap-
parat vertikal, füllt den Trichter b
mit Wasser, öffnet den unteren
Quetschhahn e und lässt die
Kalilauge abfliessen. Durch Oeff-
nen von c lässt man etwas Wasser
eintreten und durch Oeffhen von
^ wieder ausfiiessen. Nach wenigen
Wiederholungen ist die Kalilauge
völlig ausgewaschen.
Durch die Absorption der
Kohlensäure hat das Luftvolumen
(Ch. 48.) ^^ ^ gjjjg Verminderung erfahren,
welche folgendermaassen bestimmt wird. Man bringt das Wassemiveau wieder bis auf die
Marke m. Dann setzt man in den Hals des Trichters b mittelst eines Gummistopfens ein
mit gefUrbtem Wasser gefülltes U-förmiges Manometer ein. Hierauf verbindet man den mit
Wasser gefüllten BUrettenschlauch / mit dem ebenfalls mit Wasser gefüllten Schlauchende ^,
öffnet den Quetschhahn c und lässt nun solange Wasser aus der Bürette in das Luftgefäss ein-
fliessen, bis die Flüssigkeit in beiden Manometerschenkeln zeigt, dass der Druck im Innern des
Gefässes mit dem äusseren sich ins Gleichgewicht gestellt hat Das Volumen des eingetretenen
Wassers entspricht dem Volumen der in dem verwendeten Luftquantum vorhanden gewesenen
Kohlensäure. Das Resultat wird auf Normaldruck und Normaltemperatur reducirt. Wenn bei
dem Versuche sorgfältig Temperaturänderungen vermieden werden, so giebt der Apparat in kurzer
Zeit zuverlässige Resultate.
Zu sehr genauen Bestimmungen der atmosphärischen Kohlensäure bedient
sich J. Reiset (49) des folgenden Apparates, in welchem die Kohlensäure durch
Baryt absorbirt wird.
In dem Glascylindcr 7" sind drei dünnwandige, leicht konische Platinschalen C, C\ C" durch
Reibung festgehalten. Der Boden dieser 40 Millim. im Durchmesser weiten Schalen ist mit
120 Löchern von 0*5 Millim. durchbohrt. Das Rohr T von 0*6 Meter Höhe wird mittelst der
Kautschukkappe ^ in der doppelt tubulirten Flasche F befestigt. In die Flasche kommen
300 Cbcentim. Barytwasser. Das Rohr A ist in Verbindung mit dem Aspirator. Die zu ana-
lysirende Luft tritt durch Rohr A welches in der Tubulur /' steckt. Wenn der Apparat im Gange
ist, bleibt da^ Barytwasser in den drei Abtheilungen B, B\ B" suspendirt, und die durch die
Lücken der Platinschalen fein zertheUte Luft kommt in häufige Berührung mit dem Absorptions-
mittel. Nach Beendigung des Versuchs enthält die Flüssigkeit in B sehr viel Bariumcarbonat,
die in B' ist milchig, die in ^" ist klar. In der U-Röhre /, welche mit Schwefelsäure ge*
Atmosphäre.
83
tränkten Bimstein enthält, wird die atmosphärische Feuchtigkeit zurückgehalten. Dieselbe ist vor
dem Versuch gewogen. In der kleinen Erweiterung an der Krümmung der U-Röhre kann sich
die herabfliessende verdünnte Schwefelsäure sammeln. Auf diese Weise kann durch das An-
sammeln derselben keine Druckvermehrung sich der durchstreichenden Luft entgegenstellen. Die
ebenfalls gewogene Absorptionsröhre // giebt die Anzahl Cbcentim. Wasser, welche dem Baryt-
wasser hinzugesetzt werden müssen, um das durch die trockene Luft in diesem zum Verdampfen
gebrachte Wasser zu ersetzen. Die Wände des Rohres T werden mit 100 Cbcentim. Wasser ab-
gewaschen, welches man durch die Mündung O einführt Mit Hülfe einer kleinen Pumpe, welche
entkohlensäuerte Luft liefert, wird die Flüssigkeit in F und T vollkommen gemischt Nach der
Mischung wird eine Probe des Barytwassers genommen, welche nach Abscheidung des Barium-
carbonats titrirt wird Dies geschieht, indem der eine Schenkel eines Hebers durch t' bis auf
den Boden der Flasche F gebracht wird und durch die an A angeschlossene Pumpe eine gewisse
Menge in ein kleineres Flaschen gedrückt wird. Für jede Bestimmung werden durch den leicht
zu handhabenden Apparat 600 Liter Luft gesaugt.
Von A. MüNTZ und E. Aubin (50) wird die Bestimmung der Luft-Kohlensäure
in der Weise ausgeführt, dass diese durch einen absorbirenden Körper fixirt, als-
dann in Freiheit gesetzt und dem Volumen nach bestimmt wird.
Eine an beiden Seiten ausgezogene Röhre ist mit Bimsteinstückchen gefüllt, die mit Kali-
lauge imprägnirt sind. Die Lauge wird vorher mit Barythydrat geschüttelt, um sie von Kohlen-
säure zu befreien. Für eine Spur Kohlensäure, die dennoch zurückbleibt, muss eine Correction
angebracht werden. Die Röhren erhalten eine bestimmte Menge Lauge, werden dann zuge-
schmolzen und erst unmittelbar vor Beginn des Versuchs wieder geöffnet. Nach dem Versuch
werden sie wieder zugeschmolzen und können dann zu späterer Zeit im Laboratorium untersucht
werden. Ftir jede Bestimmung werden 200 Liter Luft mittelst eines Aspirators durch eine Kali-
röhre gesaugt. Soll die in dieser fixirte Kohlensäure bestimmt werden, so wird ein Ende ge-
ö&et und die Röhre mittelst der Quecksilberluftpumpe evacuirt. Dann lässt man vom anderen
Ende her verdünnte Schwefelsäure zufliessen, und führt die entwickelte Kohlensäure in eine gra-
duirte Röhre über, wo sie durch Absorption mittelst Kalihydrat bestimmt wird.
Die Schwankungen im Kohlensäuregehalt der Luft erfolgen innerhalb enger
Grenzen und sind von localen Ursachen abhängig.
Th. V. Saussure (51) hat zuerst, 1827, genaue Bestimmungen der Kohlen-
säure (durch Absorption in Barytwasser, Umwandlung des Carbonats in Sulfat und
Wägung des letzteren) ausgeführt. Er fand als höchste Zahl 5*74 Vol., als
niedrigste 3-15, im Mittel 4-1 Kohlensäure in 10000 Vol. Luft. Verver (52) hat
6»
84 Handwörterbuch der Chemie.
im Mittel von 90 Versuchen 4*18 Vol. gefunden, Lewy (53) im J. 1847 ^^^ ^^4^
in Neu-Granada im Mittel 4*01 Vol., Gilm in Innsbruck von 3*8 bis 4*6 Vol.
Nach diesen ziemlich übereinstimmenden Versuchen enthalten 10000 Vol.
Luft im Mittel 4*1 Vol. und dem Gewichte nach 6*2 Thle. Kohlensäure.
Neuere Untersuchungen zeigen indess, dass diese 2^hlen zu hoch sind.
Seit einigen Jahren führt J. Reiset (54) auf einer frei liegenden Feldstation,
8 Kilometer von Dieppe entfernt, Kohlensäurebestimmungen mittelst des oben
beschriebenen Apparates aus. Als Mittel aus einer Reihe von 91 Versuchen von
Juni 1879 bis zum ersten Frost ergaben sich 2*978 Vol. Kohlensäure auf
10000 Vol. Luft Eine frühere Versuchsreihe vom 9. Sept. 1872 bis zum
20. Aug. 1873 hatte 2'842 Vol. ergeben. Die Uebereinstimmung ist also nahezu
vollkommen.
Zu derselben Zeit hat Marii^-Davy (55), im Observatorium vom Montsouris
Bestimmungen vorgenommen, welche Schwankungen des Kohlensäuregehalts der
Luft von 2-2 bis 36 Vol. pro 10000 aufweisen.
Aehnliche Zahlen wie Reiset, hat G. F. Armstrong (56) in Grasmere, West-
moreland, gefunden, nämlich als Mittel zur Tageszeit 2*9603 Vol., zur Nachtzeit
3-2999 Vol. pro 10000.
MüNTZ und AuBiN haben mit Hülfe ihres beschriebenen Apparates Be-
stimmungen der Kohlensäure von Luft aus der Ebene (Stadt Paris und Ebene
von Gravelle) und auf hohen Bergen (Pic du Midi in den Pyrenäen, 2877 Meter)
ausgeführt und im Mittel ftir erstere 2-85, ftir letztere 2*86 Vol. auf 10000 ge-
funden (57). Auch diese Zahlen bestätigen die von Reiset erlangten Resultate.
Früher schon haben Boussingault und Lewy bei ihren gleichzeitigen Ver-
suchen in Paris 3*19, auf dem Lande zu Andilly 2*99 Vol. Kohlensäure ge-
funden (58).
Nach den Beobachtungen von Saussure zeigt sich ein gewisser Wechsel in
dem Gehalt an Kohlensäure nach Tages- und Jahreszeiten. Nachts ist danach
die Luft in der Nähe der Erdoberfläche kohlensäurereicher, als am Ende des
Tages, zu welcher Zeit ein Minimum vorhanden ist. Reiset giebt ftir die Nacht-
zeit den Kohlensäuregehalt zu 3*084 Vol. an, während derselbe am Tage 2*891
beträgt. Am kohlensäurereichsten ist die Luft bei nebligem Wetter, im Mittel
von 12 Beobachtungen 3*166 Vol.
Die Abweichungen, welche Mariä-Davy erhalten hat (s. oben) und welche er für eine
Folge der grossen Windströmungen und deren Verschiedenheit von Reiset's Zahlen als bedingt
durch die Lage der Versuchsorte erklärt, sind nach Reiset die Folge mangelhafter Versuchsan-
ordnung. Letzterer betont die Constanz im Kohlensäuregehalte der Atmosphäre und erklärt die-
selbe durch die Beweglichkeit und Difiundirbarkcit der Luft.
Th. Schloesing (59) schreibt nicht allein diesen Ursachen den Ausgleich im Kohlensäure-
gehalt zu, sondern nennt das Meer den wichtigsten Regulator. Nach seinen Versuchen sind im
Wasser des Canals im Liter 98*3 Milligrm. Kohlensäure und eine Menge von Carbonaten ent-
halten, welche 99*3 Milligrm. Schwefelsäure aequivalent ist. Das Aequivalentverhältniss der
Kohlensäure zu den Basen ist demnach 4*47:2*48, woraus folgt, dass die Kohlensäure zum
grössten Theil in Form von Bicarbonaten vorhanden ist. Wasser, welches gleichzeitig mit einem
Erdcarbonat und einer kohlensäurehaltigen Atmosphäre in Berührung ist, nimmt eine geringe
Menge Bicarbonat auf, welche mit der Spannung der Kohlensäure in dieser Atmosphäre zunimmt
Dieser Vorgang findet beim Meer seit undenklichen Zeiten statt. In Folge der Bewegungen
des Meeres und der Luft findet ein beständiger Wechsel statt; einmal giebt das Meer Kohlen-
säure ab unter Bildung von neutralem Carbonat; dann wieder nimmt es Kohlensäure auf unter
Bildung von Bicarbonat Man nimmt an, dass das Meer, Über die ganze ErdobeHUlche ausge-
Atmosphäre. 85
breitet, eine Tief« von 1000 Metern haben würde. In einem Wasserprisma von dieser Höhe und
1 Q Meter Bodenfläche sind 98*3 Kilogrm. Kohlensäure enthalten. Die Hälfte dieser als Bicar-
bonate vorhandenen Menge, 49 Kilogrm., ist disponibel, um die regulirende Wirkung auszuüben.
Wenn man für die Atmosphäre eine gleichmässige Zusammensetzung und xt^ttv ^^^' Kohlen-
säure annimmt, so würde ein Luftprisma von 1 Q Meter Basis nur 4'7 Kgrm. Kohlensäure ent>
halten, also 10 mal weniger als das im Meer vorhandene Quantum disponibler Kohlensäure,
welches in Bezug auf die Schwankungen des Kohlensäuregehalts der Luft natürlich noch weit
grösser ist.
Auch J. B. Lawes kommt durch einen anderen Gedankengange zu dem Schluss, dass das
Meer das Gleichgewicht der Kohlensäure in der Atmosphäre herstellt. Nach genauer Kritik der
einschlagenden Verhältnisse giebt Lawes (60) an, dass der Boden Grossbritanniens mehr Kohlen-
stoff ausgiebt, als von der lebenden Vegetation gebunden wird, so dass man dort bald zu
Grande gehen würde, wenn man nur von der über Grossbritannien lagernden Atmosphäre ab-
hängig wäre. Das Gleichgewicht wird aber durch den Ocean hergestellt. Nach den Analysen
Frankland's ist das Meer, selbst in grossen Tiefen, reich an organischem Kohlenstoff und Stick-
stoff. Die Menge Kohlenstoff bis zu einer Tiefe von 700 bis 800 Faden im Meer ist 3 mal so
gross als die Menge Kohlenstoff, welche in Form von Kohlensäure in der Atmosphäre Über einer
Reichen Oberfläche ruht. Die Prozesse des thierischen und pflanzlichen Lebens im Ocean müssen
daher auf unsere Atmosphäre einen grossen Einfluss ausüben.
Vorübergehend kann der Kohlensäuregehalt durch besondere Ursachen, wie
z. B« vulkanische Thätigkeit, eine örtliche Zunahme erfahren.
e) Wasser. Das Wasser kommt in der Atmosphäre in dampfförmigem, in
flüssigem als Dunstbläschen und Regen, und in festem Zustande als Schnee und
Hagel vor.
Die Mengen des in der Luft vorhandenen Wasserdampfes sind sehr wechselnd.
Der Grad der Verdunstung des Wassers ist proportional der Temperatur, infolge
dessen auch der Druck (die Spannung, Tension) des Wasserdampfes. Ein be-
stimmter Raum kann für eine gewisse Temperatur nur eine bestimmte Menge
Wasserdampf aufnehmen.
1 Cbmeter mit Wasserdampf gesättigter Luft enthält:
bei — 10° 2-284 Grm. bei 4- 25° 22-843 Grm.
30° 30-095 „
35° 39-252 „
40° 50-700 „
100° 588-730 „
Diesen Mengen entspricht eine bestimmte Dntckgrösse; über dies Spannungs-
maximum hinaus kann sich kein Dampf mehr bilden. Für die obigen Temperalur-
grade ist die Tension / in Millim. Quecksilber ausgedrückt:
— 10° 2-093
0° 4-600
4- 5° 6-534
10° 9-165
15° 12-699
20° 17-391
Die Tension des Wasserdampfs lässt sich bestimmen, indem man einen Tropfen Wasser in
die BarometeTleere bringt und dann das Instrument der gewünschten Temperatur aussetzt und
die Höhe der Quecksilbersäule bestimmt, welche der Spannkraft das Gleichgewicht hält (statische
Methode) ; oder indem man die Temperatur ennittelt, bei welcher die Spannkraft den Atmosphären-
drack eben tiberwindet, d. h. Sieden eintritt (dynamische Methode). Aus den Angaben des Drucks
0"
4-871
5»
6-795
10°
9-362
15°
12-746
20°
17-157
/
•25°
23-550
30°
31-548
35°
41-827
40°
54-906
100°
760
86 Handwörterbuch der Chemie.
kann man, wenn die Temperatur bekannt ist, Gewicht und Volumen des Wasserdampfs berechnen.
Man braucht nur das Lufitgewicht festzusteUen, welches einem bestimmten Druck und einer be-
stimmten Temperatur entspricht, und dasselbe mit der Volumgewichtszahl des Wasserdampfs (auf
Luft bezogen) zu multipliciren, um die Gewichtsmenge des Wasserdampfs zu erhalten, welche
jenem Druck entspricht. Das Gewicht der Luft findet man nach der Formel:
c =- 129^ . - . ^
1 + 000367.^ 760'
worin 1293 das Gewicht von 1 Liter Luft bei 0^ und 760 Millimeter Barometerstand in Müligrm.
bezeichnet, 0*00367 den Ausdehnungscoefficienten der Luft für l**, / die Temperatur, / den
Barometerstand bedeutet. Diese Zahl ist mit 0*623, dem Volumgewicht des Wasserdampfs, zu
multipliciren.
Als Mittel kann man annehmen, dass für 1 Millim. Zunahme der Spannung das Gewicht
von 1 Cbmeter Wasserdampf um 1 Grm. (von 1 Liter um 1 Milligrm.) steigt, wie das auch ans
obigen Tabellen ersichtlich ist.
Aus dem Gewicht kann man das Volumen des in einem bestimmten Räume enthaltenen
Wasserdampfs berechnen, indem man das gefundene Gewicht des Wasserdampfs in 1 Cbmeter
Raum durch das Gewicht dividirt, welches 1 Cbmeter Wasserdampf bei dem Druck der
Atmosphäre hat Dieses findet man, indem man das Gewicht der unter gleichen Verhältnissen
befindlichen Luft mit der Volumgewichtszahl des Wasserdampfs 0*623 multiplicirt.
Hygrometer. Gewöhnlich ermittelt man den Feuchtigkeitsgehalt der Luft
vermittelst des Hygrometer's. Man bezeichnet als »absohite Feuchtigkeit« das
Gewicht des Wasserdampfes, wejches in 1 Cbmeter Luft enthalten ist. Das Ver-
hältniss zwischen dem Gewichte der in einem Luftquantum wirklich vorhandenen
Dampfmenge nnd der bei derselben Temperatur in gesättigtem Zustande mög-
lichen Dampfmenge ist die »relative Feuchtigkeit.« Die letztere Zahl ist daher
stets ein echter Bruch. Man pflegt sie gewöhnlich in Procenten der Maximal-
feuchtigkeit anzugeben und nennt diese Procentzahl den »Feuchtigkeitsgrad.«
Man kann die relative Feuchtigkeit dadurch bestimmen, dass man die Luft
soweit abkühlt, bis die vorhandene Feuchtigkeit für diese Temperatur (Thaupunkt)
das Sättigungsmaximum darstellt und sich zu condensiren beginnt. Auf diesem
Princip beruht das DANiELL'sche Hygrometer.
Es besteht aus zwei durch eine Röhre mit einander verbundenen Glaskugeln, deren eine
geschwärzt oder vergoldet ist und ein Thermometer enthält; die andere ist mit Musselin um-
hüllt. Vor dem Zuschmelzen ist etwas Aether in das Instrument gebracht worden. Man führt
die Beobachtung nun so aus, dass man etwas Aether auf den Musselin träufelt. Durch die Ver-
dampfung desselben wird die Kugel abgekühlt, und der im Innern des Instruments befindliche
Aether verdichtet sich in derselben. Diese Verdampfung veranlasst eine Temperaturemiedrigung
in der geschwärzten Kugel, und man beobachtet nun den Augenblick, in dem sich aus der
äussern Luft Thau darauf niederschlägt, und liest an dem eingeschlossenen Thermometer die
entsprechende Temperatur ab.
Das REGNAULT'sche Hygrometer ist zweckmässiger. Hier ist das Thermometer in eine
Glasröhre eingeschlossen, an welche sich unten ein kleines Gefäss aus polirtem Silber schliesst
Dieses ist mit Aether gefüllt. In dem Stopfen, welcher das Glasrohr verschliesst, stecken ein
Thermometer, eine Glasröhre, welche bis in den Aether taucht, und eine zweite unter dem
Stopfen endigende, welche mit einem Aspirator oder einer Luftpumpe in Verbindung gebracht
werden kann. Beim Durchströmen der Luft durch den Aether verdunstet dieser, und man beob-
achtet nun aus der Feme mittelst eines Teleskopes den Eintritt des Thaus auf dem Silber und
den entsprechenden Temperaturgrad. Lässt man den Aether weniger stark verdimsten, so er-
höht sich die Temperatur wieder und man kann in gleicher Weise das Verschwinden des Thau-
punkts beobachten. Gewöhnlich ist an demselben Stativ noch ein zweites dem ersten ganz ähn-
liches Gefäss angebracht, welches aber keinen Aether und nur ein Thermometer enthält. Die
Unterschiede an den Silberspiegeln lassen sich dann scharf wahrnehmen.
Atmosphäre. 87
Auf einem andern Princip beruht das sehr verbreitete AuGUST'sche Psychrometer. Es
besteht aus zwei genau übereinstimmenden in 2^hntel-Grade getheilten Thermometern, welche an
einem Stativ befestigt sind. Das Gefäss des einen ist mit einem Leinwandläppchen umgeben,
welches durch einen in Wasser tauchenden Docht feucht gehalten wird. Das hier verdunstende
Wasser bewirkt Temperaturemiedrigung, die um so grösser sein muss, je trockner die Luft ist,
je mehr Wasser also verdunsten kann. Aus der Difierens der Angaben beider Thermometer
kann der Feuchtigkeitsgehalt der Luft abgeleitet werden. Da die Luftfeuchtigkeit nicht einfach
dieser Differenz proportional ist, so hat man zur Berechnung derselben eine complicirte Formel
nööiig, oder man bedient sich empirisch, z. B. mit Hülfe des REGNAULT'schen Hygrometers, her-
gestellter Tabellen.
Eine andere Klasse von Hygrometern misst die Feuchtigkeit durch die Längenveränderung
hygroskopischer Fäden, namentlich von Haaren. Das SAUSSURE'sche Haarhygrometer ist so
construirt, dass ein entfettetes Frauenhaar oben an einem Stativ befestigt, unten mehrere Male
um eine kleine Rolle geschlungen und am unteren Ende durch ein kleines Gewicht beschwert
ist Die Achse der Rolle trägt einen Zeiger, der über einem Gradbogen hin und her geht, wenn
die Rolle durch Verlängerung oder Verkürzung des Haares gedreht wird. Durch Absorption
Ton Wasserdampf wird das Haar verlängert. Der Nullpunkt der Scala wird dadurch bestimmt,
dass man das Instrument in völlig trockne Luft bringt. Der Punkt, auf welchen der Seiger in
mit Feuchtigkeit gesättigter Luft zeigt, wird mit 100 bezeichnet Zwischen diesen beiden End-
punkten ist aber die Längenveränderung des Haares infolge der Wasseraufnahme nicht pro-
portional dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft; man muss möglichst viele Hygrometergrade empirisch
ermitteln und kann dann erst interpoliren.
Ein sehr genaues und empfindliches Instrument ist das von Klinksrfues angegebene
Haarhygrometer mit biiUarer Aufhängung. Ein Stäbchen ist an zwei Haaren bifilar aufgehängt,
gleichzeitig aber durch zwei andere hygroskopische Fäden verhindert, g^nz der Torsion der ersten
Faden nachzugeben. Die Ruhelagen, nach welchen die sich entgegenwirkenden Torsionen
streben, sind senkrecht zu einander. Der Zeiger giebt die relative Feuchtigkeit auf einer Scala,
die von 0 bis 100® lautet, direkt in Procenten an. Dem Instrument ist noch ein Thermometer
und eine Reductionsscheibe beigegeben, durch welch letztere der Thaupunkt gefunden wird.
Dieser kleine Apparat, dessen Theorie nur mit Hülfe höherer Rechnungen verständlich zu
machen ist, hat für die Meteorologie und die zahlreichen Gewerbe, bei denen die grössere oder
geringere Trockenheit der Luft von Wichtigkeit ist, eine grosse Bedeutung erlangt.
Auf der meteorologischen Station zu Montsouris bei Paris wird ein Haarhygjometer ge-
braucht, bei dem die Verlängerung des Haares nicht auf einen Zeiger übertragen, sondern direkt
durch ein Mikroskop und Mikrometer beobachtet und gemessen wird.
Aehnlich wie Haar kann man auch Pflanzenfasern verwenden, die aus einer hygroskopischen
und einer nicht hygroskopischen Schicht bestehen und sich daher je nach der Feuchtigkeit der
Luft mehr oder weniger krümmen; so hat Wolpert (61) ein Hygrometer mit Hülfe von Fäden
aus zartem Stroh construirt.
Ein anderes Verfehren zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit besteht in der Messung der
Wassermenge; welche in einer bestimmten Zeit von einer bekannten Fläche verdunstet wird.
Das Atmometer von Piche (62) besteht in einer an einem Ende geschlossenen graduirten
Glasröhre, welche mit Wasser gefüllt wird. Das offene Ende wird durch ein Stück Kupfer-
stecherpapier von bestimmter Grösse bedeckt, welches durch eine Klammer festgehalten wird.
Die Röhre kann daim umgekehrt werden. Das Sinken des Niveaus in der Röhre hängt von
der Schnelligkeit der Verdunstung an den Papierflächen ab.
Das Atmometer von Morgenstern (63) gründet sich auf das Princip der MARiOTTE'schen
Flasche und der Capiflarität Das Verdunstungsgefäss von 1 QDecimeter Oberfläche ist mit
Sand gefüllt Das hier verdunstende Wasser wird aus einer Bürette, welche eine MARiOTTE'sche
Flasche bildet, ersetzt Ein Quecksilberverschluss sperrt dieselbe oben gegen die äussere Luft ab.
Die Luft tritt unten in dem Maasse ein, als Wasser durch Verdunstung verloren geht.
Es sind noch manche andere mehr oder weniger zuverlässige Constructionen von Atmometern
und Evaporimetem vorhanden, welche die Verdunstungsgrösse des Wassers erkennen lassen.
Man kann die Luftfeuchtigkeit durch hygroskopische Substanzen absorbiren lassen und diese
88 Handwörterbuch der Chemie.
beobachten. Eine ungefähre Schätzung erreicht man mittelst der sogen. Wetterblumen. Dies
sind Gegenstände aus Papier oder Zeug, die mit einer Lösung von KobaltchlorUr oder einem
andern löslichen Kobaltsalze getränkt und getrocknet sind. Die wasserfreie Verbindung CoCl,
ist blau, die wasserhaltige CoCl, + GH,0 rosa. Die erstere nimmt an der Luft Feuchtigkeit
auf, und dadurch entstehen Farbentöne zwischen Blau und Rosa.
Genau wird der Wassergehalt der Luft durch Wägung bestimmt, indem man
ein gemessenes Luftvolumen über eine hygroskopische Substanz streichen lässt
(vergl. oben pag. 78). Als absorbirende Mittel benutzt man Chlorcalcium oder
concentrirte Schwefelsäure oder am sichersten Phosphorsäureanhydrid.
Man saugt mittelst eines Aspirators Luft durch zwei bis drei U-Röhren, welche mit Schwefel-
säure getränkten Bimstein enthalten. Dieselben werden vor und nach dem Versuch genau ge-
wogen. Ausser der Ermittelung des Volumens des aus dem Aspirator geflossenen Wassers durch
Messung oder Wägung muss man auch die Temperatur im Aspirator bestimmen, da ja das
Volumen der Luft hier bei einer andern Temperatur ein anderes sein wird als ausserhalb des
Aspirators und diese Grösse wegen des hohen Ausdehnungscoefficienten der Luft (j^j des
Volumens ftlr 1^ eine nicht unbeträchtliche ist. Gewöhnlich combinirt man die Wasserbestimmung
nach diesem Verfahren mit der Ermittelung des Kohlensäuregehalts der Luft
Da diese Methode der Wägung des Wasserdampfes ziemlich umständlich ist, so zieht man
derselben trotz ihrer Genauigkeit meistens die Beobachtung an einem Hygrometer vor.
Die Wichtigkeit, den Grehalt der Luft an Wasserdampf zu kennen oder zu schätzen, wurde
schon seit mehr als 300 Jahren erkannt. Libri sagt in seiner Histoire des mathlmatiques
en Italie, t. m., dass Leonardo da Vinci das Hygrometer erfunden habe. Gewiss ist, dass
Cardan (gest. 1576) aus der Contraction dünner Membrane auf die Feuchtigkeit oder Trocken-
heit der Luft schloss. Der Pater Mersenne (gest 1648) construirte ein »Notiometer« (v^oc
feucht) aus einer Violinsaite, die, mit dem Bogen angestrichen, einen mehr oder minder hohen
Ton gab, je nachdem sie durch die Feuchtigkeit oder Trockenheit der Luft verlängert oder ver-
kürzt wurde (64).
In Florenz sind jetzt noch zwei Hygrometer zu sehen, von denen eines, die M^stra fwtidana,
von FoLLi da Poppi im Jahre 1664, das andere wenig später vom Grossherzog Ferdinand II.
Medici erfunden worden ist. Jenes besteht aus einem Streifen Papier, das an den Enden be-
festigt und in der Mitte durch ein Gewicht beschwert ist Durch Verlängerung oder Verkünung
des Papiers in Folge der Feuchtigkeit senkt oder hebt sich das Gewicht und überträgt mittelst
einer Schnur und Rolle seine Bewegung auf einen Zeiger, der über einem Quadranten spielt.
Die Mitglieder derAccademia delCemento ersetzten das Papier durch Pergament, TORRICELLI
wandte (wie neuerdings Wolpert) Haferstroh als hygrometrischen Körper an.
Das Instrument des Grossherzogs ist ein Condensationshygrometer. Unter einem Bleitrichter
ist ein Glaskegel angebracht. Jener wird mit Eis geftlllt. Das Eiswasser tropft in den Glaskegel
und kann aus einer seitlichen Abflussröhre ausfliessen. An dem auf 0^ abgekühlten Glaskegel
schlägt sich Thau nieder, der an der nach unten gerichteten Spitze in ein graduirtes GefUss
tropft. Unter Berücksichtigung der Zeit setzte man die gesammelte Wassermenge der Feuchtig-
keit der Luft proportional (65).
Die Atmosphäre enthält neben den eigentlichen Luftbestandtheilen immer
noch fremde Gase, deren Menge unter Umständen von Bedeutung sein kann,
besonders da sie hauptsächlich infolge von gewerblicher Thätigkeit an von
Menschen bewohnten Orten auftreten Der Nachweis und die Bestimmung der-
selben, ist desshalb von Wichtigkeit. Sehr selten nur sind die fremden Gase in
solcher Menge in der Luft enthalten, dass man zu ihrer Bestimmung die gewöhn-
lichen eudiometrischen Verfahren anwenden könnte.
f) Kohlenoxyd. Kohlenoxyd dringt häufig aus Heizungsanlagen in Folge
unvollkommener Verbrennung in die Luft; es kann in geschlossenen Räumen sehr
gefahrlich wirken.
Man kann das in einem gemessenen grösseren Luftvolumen enthaltene Kohlenoxyd durch
Atmosphäre. 89
Verbrenn CD in einer mit Kupferoxyd gefüllten Röhre und Auf&ngen der entstandeneu Kohlensäure
im LiEKG'schen Kaliapparat bestimmen. Die Luft muss, bevor sie in die Verbrennungsröhre
tritt, ein Kalirohi passiren, imi entkohlensäuert zu werden ; auch darf sie keine anderen Kohlen*
stoflfverbindungen (Kohlenwasserstoffe) enthalten.
Das Kohlenoxyd in einem abgeschlossenen Luftvolumen kann auch durch Chromsäure in
Kohlensäure übergeführt werden, welche man dann durch Kalilauge absorbirt werden lässt. Man
beolittt dazu Gypskugeln, die mit einer concentrirten wässrigen OiiomsäurelÖsung getränkt sind
und die man längere Zeit in dem Luftvolumen verweilen lässt. Kohlenwasserstoffe werden da-
durch nicht oxydirt (66).
Kohlenoxyd reducirt aus Palladiumchlorürlösungen metallisches Palladium. Man leitet
die zu untersuchende Luft durch einen die Lösung enthaltenden LlEBic'schen Kugelapparat.
Ammoniak und Schwefelwasserstoff müssen vorher entfernt werden. Zu berücksichtigen ist auch,
dass Acetylen ebenso wirkt wie Kohlenoxyd.
Femer wird Kohlenoxyd von einer Lösung von Kupferchlortir in Salzsäure absorbirt.
Acetylen wird nur von aromoniakalischer KupferchlorUrlösung absorbirt. Dagegen vermag die
sanre Lösung Kohlensäure und Sauerstoff aufzunehmen; es empfiehlt sich desshalb, diese Stoffe
▼oiher durch alkalische Pyrogallussäure zu beseitigen. Die geringste Menge Kohlenoxyd in der
KupferchlorUrlösung lässt sich auf Zusatz einiger Tropfen Natrium-PalladiumcMorUr durch Bildung
von schwarzem fein vertheiltem Palladium entdecken.
£^ empfindliches Reagens auf Kohlenoxyd ist das Blut. Wenn dieses mit CO-haltiger,
Luft in innige Berührung gebracht wird, so färbt es sich hellroth; im Spectralapparat bemerkt
man zwei Absorptionsstreifen im GelbgrUn, die denen des Sauerstoff- Hämoglobins zwar $ehr
älinlich sind, aber im Gegensatz zu diesen auf Zusatz von Reductionsmitteln (Schwefelammonium
Zinncblorttr etc.) bleiben und sich nicht, wie bei letzteren der Fall ist, zu einem einzigen
Streifen vereinigen. Auf diese Weise lassen sich 2*5 bis 4 pro Mille Kohlenoxyd in einer Luft
noch nachweisen, wenn 100 Cbcentim. derselben mit 3 Cbcentim. einer sehr verdünnten Blut-
lösnng geschüttelt werden (67).
g) Kohlenwasserstoffe. Wenn Kohlenwasserstoffe in der Luft vor-
kommen, so kann man dieselben durch Verbrennung mit Kupferoxyd bestimmen.
In geringster Menge lassen dieselben sich spectroskopisch nachweisen, wenn
man das von Sauersioff, Kohlensäure und Kohlenoxyd befreite Gas in leeren
GEisSLER'schen Röhren sammelt und den elektrischen Funken durchschlagen lässt.
Durch die Spectralanalyse des entstehenden bläulichen Lichtes kann man die
Linien des Kohlenstoffs erkennen (68).
Aethylengas wird im Eudiometer durch eine mit Schwefelsäure getränkte Cokskugel
vollständig absorbirt Acetylen wird von ammoniakalischer KupferchlorUrlösung absorbirt, mit
welcher dasselbe einen rothen Niederschlag von Acetylenkupfer bildet Methan bestimmt man,
nach Absorption der übrigen Kohlenstoffverbindungen, am besten durch Verbrennung mittelst
Saueistofis im Eudiometer oder mittelst Kupferoxyds.
h) Schwefelwasserstoff. Durch Fäulnissprocesse, aus gewissen Quellen und
infolge vulcanischer Thätigkeit kann Schwefelwasserstoff in die Atmosphäre
gelangen. Der Nachweiss desselben gelingt leicht durch Reagenspapiere, welche
mit Bleilösung getränkt sind, oder durch Nitroprussidnatrium.
Im Eudiometer kann man den Schwefelwasserstoff durch eine mit Phosphorsäure getränkte
Braunsteinkugel oder eine Gypskugel, welcher Bleiphosphat beigemengt ist, absorbiren. Auch
indem man die Luft durch gewogene Röhren streichen lässt, welche mit Kupfervitriollösung
getränkten und dann getrockneten Bimstein enthalten, kann man den Schwefelwasserstoff in der-
selben bestimmen. Am besten geschieht dies wohl in der Weise, dass man ein bestimmtes Luft-
volumen durch ein PETTENKOFER'sches (Kohlensäure-) Absorptionsrohr saugt, welches mit einer
titriiten Lösung von Jod in Jodkalium gefüllt ist, und nachher die Menge Jod, welche nach
Entstehung von Jodwasserstoff infolge der Einwirkung des Schwefelwasserstoffes auf jenes noch
geblieben ist, durch Titrircn mit einer Lösung von Natriumthiosulfat bestimmt
90 Handwörterbuch der Chemie.
i) Schweflige Säure. Eine andere schädliche Schwefel Verbindung, welche m
industriereichen Gegenden durch Verbrennung schwefelhaltiger Steinkohlen und in
Röstgasen, sowie aus Vulcanen in die Atmosphäre kommt, ist die schweflige
Säure. Dies Gas lässt sich, ausser durch den Geruch, dadurch nachweisen, dass
man die Luft durch eine Flüssigkeit streichen lässt, in welcher sich Wasserstoff
(aus Zink und Salzsäure) entwickelt. Die schweflige Säure wird dann in Schwefel-
wasserstoff umgewandelt, welcher durch Bleipapier etc. nachgewiesen werden
kann. Ein mit salpetersaurem Quecksilberoxydul getränktes Papier färbt sich in
schweflige Säure enthaltender Luft grau, indem durch Reducdon metallisches
Quecksilber gebildet wird.
Im Eudlometer kann man die schweflige Säure durch Gypskugeln, die mit Bleiphosphat
und Braunstein gemischt sind, absorbiren. Oder man leitet ein gemessenes Luftvolumen durch
eine titrirte Jodlösung, wobei Jodwasserstoff und Schwefelsäure entstehen. Indem man die Luft
durch Chlorwasser oder Bromwasser leitet, kann man die in jener enthaltene schweflige Säure
in Schwefelsäure umwandeln und darauf diese nach Austreiben des Chlors aus der Flüssigkeit
durch Zusatz eines löslichen Bariumsalzes als Bariumsulfat bestimmen.
k) Ammoniak. Stets, wenn auch nur in geringen Spuren, sind in der Luft
Ammoniak und salpetrige Säure enthalten.
Qualitativ lässt sich das Ammoniak durch empfindliches Lakmus- oder
Curcumapapier nachweisen, von dem man einen Theil der Vergleichung halber
durch Einklemmen zwischen Glasplatten vor Berührung mit der Lufl schützt.
Papier, welches mit salpetersaurem Quecksilberoxydul getränkt ist, wird durch
Berührung mit Ammoniak schwarzbraun, indem sich eine Verbindung von
metallischem Quecksilber und Quecksilberoxydul bildet. Beim Betupfen mit
Salzsäure verschwindet der Fleck. Papier, welches mit einem alkoholischen
Blauholzextract (Hämatoxylin) getränkt ist, verändert durch Einwirkung von
Ammoniak, selbst wenn dies nur in Spuren vorhanden ist, seine gelbe Farbe
in violett.
Um das Ammoniak der Menge nach zu bestimmen, lässt man Luft durch
mit Schwefelsäui[e angesäuertes Wasser streichen. Man fügt NESSLER'sches
Reagens (alkalische Lösung von Jodkalium-Quecksilbeijodid) hinzu. Es entsteht
die rothe Verbindung NHgjJ 4- HgO. Die dadurch hervorgebrachte Färbung
kann man zur Bestimmung des Ammoniaks benutzen, indem man eine colori-
metrische Vergleichung mit Lösungen anstellt, welche eine bekannte Menge
Ammoniak enthalten (Frankland und Armstrong) (69). —
Fleck hat ein titrimetrisches Verfahren angegeben, nach welchem die Verbindung NHg^J
zunächst filtrirt wird. Damit das Quecksilberammoniumjodid völlig ausgefällt wird, setzt man
der Ammoniaklösung vorher etwas Magnesiumsulfat zu, die entstehende Fällung reisst die rothe
Verbindung völlig mit nieder. Der Niederschlag wird auf dem Filter mit Natriumthiosulfat-
lösung übergössen, welche die Quecksilberverbindung löst. In der Lösung wird das Quecksilber
durch eine Schwefelnatriumlösung von bekanntem Gehalt als Schwefelquecksilber ausgefHUt; ein
tiberschüssig zugesetzter Tropfen bringt auf Bleipapier eine dunkle Färbung hervor. Diese
Methode verlangt die Behandlung beträchtlicher Mengen von Luft
Auf dem Observatorium in Montsouris verfährt man so, dass man 100 Cbroeter Luft
durch angesäuertes Wasser streichen lässt. Nach dem Eindampfen macht man die Lösung
schwach alkalisch, destillirt und fängt das Destillat in titrirter Schwefelsäure auf (70).
Th. Schloesing (71) hat zur Bestimmung des atmosphärischen Ammoniaks
einen Apparat construirt, welcher in wenig Stunden 30,000 Liter Luft zu unter-
suchen gestattet.
Eine Glasglocke A mit Hals von 3 Liter Rauminhalt ist durch eine Platinscheibe p
Atmosphäre.
91
r 1 n
sf
l
SL
geschlossen, welche mit 300 Oeffhungcn
y^^ -^ MiUim. durchbohrt ist. Diese Glocke
rnht auf drei GlasstUcken in einem etwas
weiteren Gefässe B. Dieses ist durch einen
Tubolus mit der Röhre C verbunden, durch
welche die Luft von aussen eingeführt wird.
Der Raum zwischen Glocke und Gefäss ist
oberhalb des Tubulus durch ein ringförmiges
Kautschukrohr k geschlossen. Letzteres
steht durch ein mit Hahn versehenes kleines
Zweigrohr / mit einem Wasserreservoir in ^
Verbindung. Durch Füllung des Kautschuk-
rohrs mit Wasser wird ein vollkommen
luftdichter Verschluss hergestellt. Die Glocke
wird mit 300Cbcentim. angesäuertem Wasser
beschickt, und der Hals wird mit einem
Aspirator in Verbindung gesetzt. Die durch
C eintretende Luft treibt das Wasser in die
Glocke und dringt durch die Löcher der
Platinscheibe fein vertheilt in dasselbe, einen (^^- ^'^
Schaum damit bildend. Nach Beendigung des Versuchs wird die Flüssigkeit über Magnesia
destillirt und das Anmioniak bestimmt. Nach den Versuchen Schloesing's werden, wenn die
Grenzen des Ammoniakgehalts der Luft zwischen 0'03 und I Milligrm. pro I Q>centim. liegen,
durch diesen Apparat ^ bis -f^j der Gesammtmenge Ammoniak zurückgehalten.
Die in der Luft enthaltene Menge Ammoniak wurde von Bineau in der Weise
abgeschätzt, dass er zwei Schalen an die freie Luft setzte, von welchen die eine
verdünnte Schwefelsäure, die andere verdünnte Natronlauge enthielt. Nach Ab-
lauf eines Monats wurde untersucht, wie viel Ammoniak die Säure, und wie viel
Kohlensäure das Alkali absorbirt hatte. Unter der Annahme, dass die Luft:
0*0006 ihres Gewichtes an Kohlensäure enthalte, wurde das der gefundenen
Ammoniakmenge entsprechende Gewicht Luft berechnet.
ViLLE hat, mit 20 bis 50 Cbm. Luft operirend, sehr wechselnde Mengen
Ammoniak (Ammoniumcarbonat) gefunden. Bineau fand die Luft in Lyon an
Ammoniak reicher, als in der Umgebung der Stadt; Horsford dagegen fand den-
selben Ammoniakgehalt an der Seeküste und in Boston an einem dicht
bevölkerten Platze, beobachtete aber grosse Unterschiede zwischen Sommer und
Winter, indem die Atmosphäre im December nur ^ so viel Ammoniak zeigte
wie im Juli. Nach Regenwetter ist die Luft wegen der grossen Löslichkeit des
Ammoniaks und der Ammoniaksalze arm an Ammoniak; die atmosphärischen
Niederschläge enthalten immer Ammoniak. Barral fand im Sommer 1852 in
1 Million Gewichtstheilen Regenwasser 1 bis 9 Gewth. Ammoniak; Bineau im
Februar 18 bis 30 Gewth., als Mittel für das ganze Jahr 6*8 Gewth.; Boussingault
(72) in 1 Liter Thau (August bis September 1853) auf dem Lande 3 bis 6 Milligrm.
Ammoniak, in 1 Liter Wasser, welches in Paris durch Abkühlung der Luft an
einem mit Eis gefüllten Gefässe condensirt war, 10 Milligrm., in 1 Liter Schnee-
wasser 1-78 Milligrm.; Horsford (73) im Gletschereis 9 ^ ^ ^ q ^ ^ Ammoniak.
A. LfivY (74) hat kürzlich über den Ammoniakgehalt der Luft und der
atmosphärischen Niederschläge Mittheilungen gemacht, nach welchen in den
Niederschlägen in Paris das jährliche Mittel an ammoniakalischem Stickstoff pro
Liter Wasser 1'17 Milligrm. beträgt. Die Ammoniakmenge in den Meteorwässem
nimmt nach der kälteren Jahreszeit hin zu, nach der wärmeren ab; umgekehrt
92 Handwörterbuch der Chemie.
verhält sich der Ammoniakgehalt der Atmosphäre, wie folgende Zahlen zeigen,
welche den in 100 Cbm. Luft gefundenen Ammoniakstickstoff in Milligrm-^Air
die Monate des Jahres 1879 angeben.
Jan. Febr. März April Mai Juni
1-9 20 1-9 2-2 2-1 2-1
Juli Aug. Sept. Oct Nov. Dec.
21 2-3 2-4 2-2 19 1-7
1) Salpetrige Säure und Salpetersäure. Die Menge der salpetrigen
Säure in der Atmosphäre ist so gering, dass sie sich der Bestimmung in der
Regel entzieht. Man weist sie am besten in den atmosphärischen Nieder-
schlägen nach, indem man die in der Wasseranalyse gebräuchlichen Methoden
anwendet.
Da die salpetrige Säure innerhalb der Atmosphäre sich leicht zu Salpeter-
säure oxydirt, so findet man diese in grösserer Menge, wenn man Luft durch
alkalisch gemachtes Wasser streichen lässt; nach Beobachtungen in Montsouris
2 bis 6 Milligr. Salpetersäure in 100 Cbm. Luft.
m) K o c h s a 1 z. Ausser diesen Gasen findet man noch Kochsalz und überhaupt
die im Meerwasser gelösten Salze in der Luft; der feine Wasserstaub, welcher
durch die Bewegung der sich tiberstürzenden Meereswogen in die Atmosphäre
gelangt, hinterlässt beim Verdunsten salzhaltige Sonnenstäubchen. Deshalb ist
im Spectrum einer BuNSEN-Flamme, in welcher Staub irgend welcher Natur zum
Glühen kommt, stets die Natriumlinie sichtbar.
n) Borsäure und Salmiak steigen aus der Umgebung mancher Vulcane in
die Atmosphäre. Zeitweilig gelangen grosse Mengen vulkanischer Asche in
dieselbe.
o) Jod. Das Vorkommen des Jods in der Atmosphäre ist nicht zweifellos
festgestellt. Jedenfalls ist seine Menge nur äusserst gering. Chatin (75) giebt
für eine Million Gewthl. Luft 0*4 Gewthle. Jod an. Zu einer ähnlichen Zahl
kommt Ankum (76). Andere konnten kein Jod nachweisen.
p) Organische Stoffe finden sich besonders in der Luft bewohnter Räume.
Dieselben sind theüs flüchtig, theils als Staub vorhanden. Meistens enthalten sie
Stickstoff nnd gehören wohl allerlei Uebergangsstufen vom Eiweiss bis zum Am-
moniak und zur salpetrigen Säure an. Sie wirken redudrend auf Silbemitrat
oder Kaliumpermanganat und entwickeln beim Erhitzen Ammoniak. Man kann
das Reductionsvermögen bestimmen, indem man eine bestimmte Luflmenge durch
eine titrirte Lösung von Kaliumpermanganat streichen lässt. Leichter ist der
Nachweis und die Bestimmung dieser Stoffe im Regenwasser, welches mit Cha-
mäleonlösung titrirt wird, oder aus welchem durch Kochen mit Natronlauge Am-
moniak entwickelt wird, welches, aus den Eiweissstoflen stammend, von dem in
der Luft enthaltenen Ammoniak natürlich unterschieden werden muss.
A. MüNTZ hat Alkohol in der Atmosphäre und im Erdboden nachgewiesen.
Alkohol, als eines der Zersetzungsprodukte der organischen Substanzen, bilde
sich sowohl auf der Erdoberfläche als auch im Boden und in der Meerestiefe
und verbreite sich von da in die Atmosphäre (77).
q) Atmosphärischer Staub. Die von der Erdoberfläche und den darauf
befindlichen Wesen abgetrennten Partikelchen sind theils unorganischer, theils
organischer Natur. Unter letzteren sind Keime und Sporen der niederen Pflanzen
und Thiere enthalten, welche die Vorgänge der Gährung, Fäulniss, Ven^'esung
erregen können. Sobald man diese Theilchen entfernt, treten diese Processe in
leicht zersetzlichen Substanzen wie Urin, Milch, Fleischbrühe nicht mehr ein.
Atmosphäre. 93
Zur Untersnchung auf diese suspendirten Theilchen sind mehrere Methoden in Anwendung
gekommen.
Pasteur (78) lässt eine grössere Luftmenge durch ein Glasrohr streichen, welches an einem
Ende mit einem Stopfen von CollodiumwoUe verschlossen ist Bei der Auflösung derselben in
Aether-Alkohol bleiben die von ihr zurückgehaltenen Theilchen, für die mikroskopische Analyse
geeignet, zurück.
TvNDALL lässt einen concentrirten Lichtstrahl durch die Luft gehen, deren Staubtheilchen
dann erleuchtet werden. Wird die zu prüfende Luft durch Baumwolle flltrirt oder werden die
organischen Stäubchen durch Verbrennen zerstört, so ist in dieser Luft der Lichtstrahl nicht
wahrzunehmen. Tyndall (79) nennt dieselbe dann optisch leer.
Der atmosphärische Staub wird durch den Regen herabgeftihrt und kann in demselben
duTCli das Mikroskop geprüft werden. Lemaire hat vorgeschlagen, den Wasserdampf der Luft
als Thau an den Wänden von durch Eis gekühlten Gefässen niederzuschlagen und dadurch auch
das Material zur Prüfung auf Staub zu gewinnen. Auch grosse Überrieselte Leinwanddächer hat
man zur Absorption benutzt.
Auf Glasplättchen, die mit Glycerin oder Chlorcalciumlösung überzogen sind, klebt der
Staub an. Durch Corobination solcher Plättchen mit einer Ginsröhre, die mit einem Aspirator
in Verbindung steht, kann man bestimmte Luftmengen mit denselben in Berührung bringen.
Solche Aeroskope werden im Observatorium zu Montsouris benutzt und sind von Miquel (80)
, näher beschrieben worden.
Pasteur hat, um gewisse organisirte Wesen, Spaltpilze u. dergl., aus dem Luftstaub zu
sammeln, grössere Mengen Luft mit den für diese Pilze geeigneten Nährlösungen zusammengebracht.
Dies Verfahren ist von Ferd. Cohn (81) weiter ausgebildet worden. Auch die auf Glycerin-
plattcn fixirten Organismen lassen sich zur Cultur in Nährlösungen weiter verwenden.
Bei den systematischen Beobachtungen zu Montsouris hat man im Winter
weit weniger Sporen als im Frühling und Sommer gefunden, femer hat man
dort constatirt, dass jeder Regen von längerer Dauer ein starkes Anwachsen der
Sporenmenge hervorruft. Im Durchschnitt der warmen Monate fanden sich
28 Sporen in 1 Liter Luft, nach stärkerem Regenfall 95 bis 120.
Angus Smith hat den organischen, in der Luft enthaltenen Stickstoff^ der
wohl zum grössten Theil ein Bestandtheil dieser Keimsporen ist, als Ammoniak
bestimmt und u. a. gefunden, dass 1 Kilogrm. Luft enthält an organischem Stick-
stoff, als Ammoniak gerechnet, in London 0*62 Grm., in Glasgow 024 Grm.;
in der Nähe eines Misthaufens 0*30 Grm. (82).
Zur Bestimmung der Staubmenge der Luft liess G. Tissandier (83) ein be-
stimmtes Volumen Luft durch destillirtes Wasser streichen, dampfte das Wasser
ab und wog den Rückstand. 1 Cbmeter Luft gab in Paris im Mittel 0'0075 Grm.,
nach achttägiger Trockenheit 00230, nach starkem Regen 00060 Grm. Der
Staub enthielt 27 — M^ verbrennliche und 75 — 66^ mineralische Substanzen,
unter diesen Chloride und Sulfate der Alkalien und alkalischen Erden, Eisen-
ozjd, Erdcarbonate, Spuren von Phosphaten etc.
Der atmosphärische unorganische Staub ist nach A. v. Lasaulx (84) nicht
meteorischen, wie bisher allgemein angenommen wurde, sondern irdischen Ur-
sprungs. Staub von den Schneefeldern des skandinavischen Nordens, von Grön-
land, von Catania, von Kiel etc. erwies sich immer als J:errestrischer Detritus.
Der vorherrschende Bestandtheil war Quarz, vereinzelt kamen Feldspath, Horn-
blende, Glimmer vor; metallisches Eisen nur in verschwindenden Spuren.
Kuglige mikroskopische Kieselkömer im atmosphärischen Staube erklärt
T. L. PHn>soN (85) flir fossile Diatomeen und ähnliche Gebilde.
9. In Wasser gelöste Luft. Die Bestandtheile der Atmosphäre lösen sich
in Wasser. Alles Wasser, das mit der Luft in Berührung kommt, das des Meeres,
94 Handwörterbuch der Chemie.
der Flüsse, Seen, das Regenwasser, enthält die Gase derselben in einem der Lös-
lichkeit dieser Gase und ihren relativen Mengen entsprechenden Verhältniss auf-
gelöst.
Durch Kochen wird die in Wasser gelöste Luft vollständig ausgetrieben.
Diese Luft enthält in Folge der grösseren Löslichkeit des Sauerstoffe von diesem
Gase mehr als vom Stickstoff. Humboldt und Gay-Lussac haben in der von
destillirtem Wasser absorbirten Luft 32-8 Vol.J Sauerstoff gefunden. Noch ver-
hältnissmässig stärker wird die Kohlensäure absorbirt. ^ Der Gehalt von in Wasser
gelöst gewesener Luft an derselben beträgt 2 bis 4 Vol.^. . Morren fand in der
von süssem Wasser absorbirten Luft 32 Vol.^ Sauerstoff auf 2 bis 4 Vol.^ Kohlen-
säure; im Meerwasser 33 Vol. Sauerstoff auf 9 bis 10 Vol. Kohlensäure. Lampadius
fand in der Luft des Schneewassers 30 Vol. Sauerstoff, 1 Vol. Kohlensäure und
69 Vol. Stickstoff; Saussure und Boussingault 32 Vol.^ Sauerstoff. Bischof
hat gefunden, dass die aus den Eislöchern der Gletscher sich entwickelnde Luft
nur 10*2 Vol. Sauerstoff enthält; H. v. Schlagintweit hat aus der Luft, welche
sich beim Abfliessen des Wassers aus den Gletschern sogleich entwickelt,
16*4 Sauerstoff auf 83*6 Stickstoff gefunden; die durch Kochen aus Gletscherwasser
ausgetriebene Luft enthielt aber 29 Vol. Sauerstoff und 71 Stickstoff (86).
10. Vom Erdboden absorbirte Luft. Die Menge der von einem porösen *
Körper absorbirten Luft ändert sich nach der Beschaffenheit des absorbirenden
Körpers; unter Umständen findet hierbei auch eine chemische Einwirkung statt.
Letzteres ist im Erdboden der Fall. Nach den Untersuchungen von Boussingault
und Lewy (87) ändert sich die Zusammensetzung der Luft in Ackerboden, der
reich an organischen Bestandtheilen ist, sehr rasch und damit auch die Menge
der absorbirten Luft. Der Sauerstoffgehalt nimmt ab, die Menge der Kohlen-
säure nimmt zu. Letztere hat sich durch Verbrennung und Verwesung der Humus-
Bestandtheile des Bodens auf Kosten des Sauerstoffs der absorbirten Luft gebildet.
11. Einfluss der Atmosphäre auf die anorganische Natur. Die ganze
Entwicklungsgeschichte der Erde wird und ist aufs höchste von der Atmosphäre
beeinflusst worden. Die Einwirkungen derselben sind mechanischer, physikalischer
und chemischer Natur.
In Folge ihres Druckes auf die Wasserhülle des Erdkörpers wird die Ver-
dunstung derselben und damit die Wolkenbildung regulirt. Der Druck auf die
Erdoberfläche wirkt in demselben Sinne wie die Erdanziehung und hält die Theile
des Erdkörpers zusammen.
Durch die Luftströmungen wird der Ocean in beständiger Bewegung er-
halten, und diese Bewegung der Meere wirkt geologisch verändernd, durch Zer-
stören und Absetzen, auf das Festland. Auch die festen Theile des Erdkörpers
werden durch die Luftströme in Bewegung gesetzt und veranlassen die Bildung
von Dünen, Sandbänken, Sandwüsten u. s. w.; die Asche der Vulkane wird
Hunderte von Meilen über Land und Meer getrieben.
Die Löslichkeit der Bestandtheile der Atmosphäre in Wasser ist die Be-
dingung für eine gewaltige Meeresfauna und -flora.
Die chemischen Wirkungen auf die Masse des Erdkörpers sind noch
mannigfaltiger und grösser. Vor Allem ist es der Sauerstoff (Ozon), welcher
durch oxydirende Thätigkeit Mineralien zerstört und neue Bildungen hervorbringt.
Eisen- und Manganoxydul z. B. werden in Oxyde verwandelt; damit verbunden
gewesene Kohlensäure und Kieselsäure können neue Mineralien bilden. Die
zahlreich verbreiteten Schwefelmetalle werden in Sulfate umgewandelt, und da-
Atmosphäre. --95
durch werden neue Umwandlungen hervorgerufen. Die Umwandlungen von kohlen-
saurem Kalk in Gyps, von Feldspath in Alaun etc. beruhen auf der Oxydation
von Schwefelkiesen. Auch die sauren Humuskörper, welche durch die Oxydation
absterbender Organismen sich bilden, bringen mineralogische Umwandlungen
hervor.
Der Stickstoff wird als Ammoniak, salpetrige und Salpetersäure dem Boden
zugeführt Unter dem Einfiuss verwesender Organismen bei Gegenwart von
Alkalien und Erdalkalien werden salpetersaure Salze erzeugt.
Die Kohlensäure im Verein mit Wasser bildet Carbonate, zersetzt Silicate,
besonders kalkhaltige; weniger energisch alkalireiche, noch weniger Magnesia
und Eisenoxydul-haltige Silicate.
Von grösster Wichtigkeit ist es, dass mit Kohlensäure beladenes Wasser
Mineralien aufzulösen vermag, welche in reinem Wasser unlöslich sind, ohne dass
deren chemische Zusammensetzung geändert wird. Dies ist z. B. der Fall mit
den Carbonaten und Phosphaten der alkalischen Erden, dem Fluorcalcium und
der aus Silicaten frei werdenden Kieselsäure. Bei Verdunstung des Lösungs-
mittels setzen diese Mineralstoffe sich dann wieder ab. Der Kaolin und die
zahlreichen verschiedenen Thonarten verdanken ihre Bildung dieser auf Feldspath-
gesteine ausgeübten lösenden Wirkung.
Alle die mechanischen und chemischen Zersetzungen der Gesteinsmassen, die
man als Verwitterung bezeichnet, sind die Resultate der Einwirkung des atmos-
phärischen Sauerstoffs, der Kohlensäure und des Wassers. Die Verwitterungs-
produkte aber, die erdigen Massen, bilden die wesentliche Bedingung alles or-
ganischen Lebens. Nur in ihnen kann das Pflanzenleben und also auch nur
durch sie das Thierleben bestehen. Femer geben sie das Material zur Bildung
neuer geologischer Massen, der Sandsteine, Conglomerate, Schieferthone u. s. w.
Das atmosphärische Wasser ist das Vehikel für den Sauerstoff und die
Kohlensäure, ohne welches diese Agentien nicht die gewaltigen Wirkungen auf
die feste Erdrinde ausüben könnten. Das Wasser lockert femer die Gesteins-
massen auf, besonders in Folge seiner Ausdehnung beim Gefrieren, es wirkt als
Lösungsmittel und als Transportmittel, indem es die mineralischen Zersetzungs-
produkte von ihrem Entstehungsorte wegführt und an anderen Stellen absetzt.
Als Regen wirkt das Wasser mechanisch verändernd auf die Erdoberfläche ein
und veranlasst die Entstehung von Quellen und Flüssen. Der Aufenthalt des
Wassers in der Atmosphäre ist ein Glied in dem das Leben bedingenden Kreis-
lauf desselben (88).
12. Einfluss der Luft auf die organische Natur. Wie die Beschaffenheit
der unorganischen Natur von der Atmosphäre beeinflusst wird, so ist diese auch
für die lebenden Organismen von fundamentaler Wichtigkeit. Ohne die be-
ständige chemische Wechselwirkung zwischen der Atmosphäre einerseits und dem
Pflanzen- und Thierreich andererseits würde kein Leben auf der Erde vor-
handen sein.
Der Sauerstoff der Luft verursacht alle lebhaften und langsamen Ver-
brennungen. Letzterer Klasse von Erscheinungen gehört auch der Respirations-
prozess der Thiere an. Ein Vergleich der atmosphärischen Luft mit der Zusammen-
setzung der vom Menschen ausgeathmeten Luft und der Blutgase zeigt die
Wirkung der Athmung. In der nachstehenden Tabelle ist von dem veränderlichen
Wassergehalt abgesehen.
96
Handwörterbuch der Giemie.
In 100 Volumtheilen.
Atmosphärische
Luft.
Ausathmungs-
Luft.
Blutgase.
Sauerstoff ....
Stickstoff ....
Kohlensäure . . .
20-81
7915
0-04
16-003
79-557
4-380
3808
3-09
58-83
Die ausgeathmete Luft enthält demnach um \ weniger Sauerstoff als die
eingeathmete Luft; der Kohlensäuregehalt ist aber um 100 mal grösser. In den
Blutgasen ist das Verhältniss des Sauerstoffs zur Kohlensäure ein ziemlich ver-
änderliches. Der Wassergehalt der ausgeathmeten Luft ist bedeutender als jener
der eingeathmeten, wohl eine Folge der Temperaturerhöhung, die sie in den
Lungen erfährt. Deshalb erscheint auch das Volumen der Expirationsluft vermehrt.
Der Sauerstoff wird von dem Blute nicht allein einfach absorbirt, sondern zum
grössten Theil chemisch gebunden (89). Schon Berzelius beobachtete, dass
Blutserum sehr wenig Sauerstoff absorbirt, während bei Gegenwart von Blut-
körperchen eine beträchtliche Absorption stattfindet. Es ist das Hämoglobin, der
färbende Bestandtheil der rothen Blutkörperchen, welches mit dem Sauerstoff
eine lockere chemische Verbindung eingeht (Oxyhämoglobin), die denselben
wahrscheinlich in ozonisirtem Zustande für die Oxydationsprozesse wieder abgiebt.
Im Wesentlichen gelangt der Sauerstoff durch die Lungen in den Organismus ;
aber auch von der Haut werden geringe Mengen aufgenommen (Hautrespiration).
Ein grosser Theil des Sauerstoffs wird zur Bildung zahlreicher chemischer
Verbindungen verbraucht, deren sauerstoflfreichste Glieder der regressiven StofF-
metamorphose angehören und deren Endprodukte als Kohlensäure und Wasser
den Körper verlassen. Durch diese langsamen Verbrennungen wird auch die
thierische Wärme, die von der Aussenwelt unabhängige Körpertemperatur, her-
vorgebracht. Die Oxydationsprodukte entstehen im Thierkörper bei einer
Temperatur, welche ausserhalb des Organismus ihre Bildung nicht einzuleiten ver-
mag. Wohl kann dies aber durch Ozon geschehen, und daher ist es wahrschein-
lich, dass der Sauerstoff auch im Organismus ozonisirt ist (90).
Die Sauerstoffaufnahme, ein wesentlich chemischer Vorgang, ist unabhängig vom Drucke.
Deshalb wird der Respirationsprozess nicht beeinträchtigt, wenn der Sauerstoff der eingeathmeten
Luft um das zwei- bis dreifache vermehrt wird (Regnault und Reiset) (91). Auch eine Ver-
minderung des Sauerstoffgehalts der Luft bis zu einer gewissen Grenze ist ohne Einfluss, voraus-
gesetzt, dass der Kohlensäuregehalt der Luft nicht zu bedeutend ist. Die Thatsache, dass der
Sauerstoff nicht durch einfache Absorption in das Blut aufgenommen wird, sondern als chemische
Verbindung darin enthalten ist, ist von grosser physiologischer Bedeutung. Sie erklärt, dass der
Respirationsprozess in grossen Höhen so gut me an der Meeresfläche vor sich geht, dass der
amerikanische Condor seinen Aufenthalt im Hochgebirge der Anden fast plötzlich mit dem an
der Meeresfläche, einen Druck von einer halben mit dem von einer ganzen Atmosphäre zu ver-
tauschen vermag (Gorup-Besanez).
Ein erwachsener Mensch verbraucht zum Athmen in 24 Stunden in der
Ruhe 708'9 Grm. Sauerstoff und producirt 911*5 Grm. Kohlensäure oder 500 Liter
Sauerstoff auf 465 Liter Kohlensäure; beim Arbeiten verbraucht er 954-5 Grm,
Sauerstoff und producirt 1284*2 Grm. Kohlensäure, also nahezu 670 Liter Sauer-
stoff auf 652 Liter Kohlensäure (Pettenkofer u. Voit) (92). Bei Nacht ist die
Sauerstoffaufnahme grösser als bei Tage, und tagsüber die Kohlensäureausscheidung
stärker als Nachts. Verhältnissmässige Mengen Sauerstoff werden durch die
Respiration der Thiere verbraucht, wiederum enorme Mengen dienen zur Ver-
wesung und lebhaften Verbrennung organischer Substanzen. So verzehrt 1 Kgnn.
Atmosphäre. 97
Holz bei der Verbrennung ungefähr 1 Kgrm. oder 700 Liter Sauerstoff und
liefert dafür 700 Liter Kohlensäure; 1 Kgrm. Steinkohle verbraucht etwa 2*4 Kgrm.
Sauerstoff (1650 Liter) und liefert 1400 Liter Kohlensäure; 1 Kgrm. Oel, Talg u. s. w.
3 Kgrm. Sauerstoff (2100 Liter) unter Erzeugung von 1500 Liter Kohlensäure.
Wenn wir dazu noch den Verbrauch an Sauerstoff in der unorganischen Natur
rechnen, so wird die Frage angeregt, ob bei diesem enormen Verbrauch an
Sauerstoff die Atmosphäre an dieser Lebenslufl im Laufe der Zeit so arm werden
kann, dass Menschen und Thiere nicht mehr zu existiren vermögen.
Nun ist freilich die Menge Sauerstoff in der Atmosphäre ungeheuer gross (vergl.
pag. 65). Wenn ein erwachsener Mensch täglich 580 Liter Sauerstoff verbraucht, so
macht dies im Jahre 212 Cbmeter; die gesammte Menschheit, zu 1000 Millionen
veranschlagt, verbraucht also 212000000000 Cbmeter. Es ist dies ssoboo ^^s
Sauerstoffgehalts der Atmosphäre. Rechnen wir für den übrigen Verbrauch an
Sauerstoff das Neunfache von dem, was die Menschen verzehren, so vermindert
sich der Sauerstoffgehalt der Lufl jährlich um ^^-öVöit» ^^ ^^^ Jahren um y|^.
Nun ist Y^ des Sauerstoffvolumens der Luft gleichbedeutend mit ^ des
Volumens der Luft. Erst in 1800 Jahren würde sich also eine Verminderung
des Sauerstoffgehalts der Lufl um 0*1 Vol.^ zeigen. Diese Differenz würde aber
durchaus Iceinen Einfluss auf das Leben der Organismen haben.
Dumas macht diese Verhältnisse sehr anscliaulich (93), wenn er sagt, das Gewicht der
Atmosphäre ist gleich dem Gewicht von 581000 Würfeln aus Kupfer, deren Seiten 1 Kilometer
lang sind. Der Sauerstoff darin wiegt so viel wie 134000 solcher WUrfeL Von dieser Zahl
wird nach seinen Berechnungen im Laufe von 100 Jahren durch Thiere und Verbrennungen eine
Menge, Sauerstoff consumirt, welche 15—16 solcher KupferwUrfel von 1 Kilometer Seiten^ge
ent^richt. Erst nach 10000 Jahren würde die chemische Analyse eine Verminderung des
atmosphärischen Sauerstoffs entdecken können.
Eine Abnahme des Sauerstoffgehalts der Atmosphäre durch Oxydation der
organischen Körper bedingt eine Zunahme des Kohlensäuregehalts. Für jedes
Volumen Sauerstoff, welches zur Oxydation von Kohlenstoff verwendet wird, ge-
langt ein gleiches Volumen Kohlensäure in die Atmosphäre. Femer dringt eine
gewaltige Menge Kohlensäure in vulkanischen Emanationen in die Luft. Da eine
Luft mit hohem Kohlensäuregehalt tödtlich ist, könnte man sich vorstellen, dass
eine Zeit kommen müsste, in welcher das thierische Leben zu Grunde ginge,' nicht
sowohl aus Mangel an Sauerstoff, als wegen der Zunahme der Kohlensäure in
der Atmosphäre.
Die Besorgniss, dass ein solcher Zustand, wenn auch in fernen Zeiten, ein-
mal eintreten könne, wird beseitigt durch das grosse Naturgesetz der Wechsel-
wirkung zwischen Pflanzen und Thierwelt. Wie die letztere des Sauerstoffs
bedarf, um die Oxydationsvorgänge des Lebens auszuführen, so hat die
vegetabilische Natur Kohlensäure nöthig, um die Reductionsprozesse auszu-
führen, welche zum Aufbau des Pflanzenleibes nöthig sind und das pflanzliche
Leben bedingen.
Diese desoxydirende Kraft, welche die starke Verwandtschaft zwischen
Kohlenstoff und Sauerstoff bricht, wird von der grünen Pflanzenzelle ausgeübt
und kommt nur unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes zur Wirkung. Die
atmosphärische Kohlensäure wird im Organismus der Pflanze in sauerstofiärmere
Kohlenstoffverbindungen verwandelt, in Cellulose, Stärkemehl, Zucker, Fett, Oel,
Kleber, Albumin, und der abgeschiedene Sauerstoff wird ausgeathmet. Die Be-
standtheile der Pflanze werden zu Bestandtheilen des Thieres, der Kohlenstoff
Ladenburc, Chemie. 11. 7
98 Handwörterbuch der Chemie.
jener geht in das Fleisch und Blut dieser über und wird hier durch den ein-
geathmeten Sauerstoff wieder verbrannt zu Kohlensäure. Während in der Pflanze
ein Aufbau von complicirten aus einfachen Stoffen stattfindet, werden diese
compicirten Verbindungen im Thierkörper wieder in jene einfacheren zurück-
verwandelt. Die Mineralstoffe, welche die Pflanze aus dem Boden aufgenommen
hat, werden nach ihrem Uebergang in den Thierleib von diesem dem Boden
wiedergegeben. So bewirkt dieser Zusammenhang des Thier- und Pflanzenreiches,
dass das organische Leben einen in sich geschlossenen Kreislauf des Stoffes bildet.
Die chlorophyllhaltige Pflanzenzelle gebraucht zu ihren chemischen Synthesen Kräfte, die
sie als Licht und Wärme von der Sonne bezieht, der Thierzelle wird von aussen durch Ver-
mittelung des Hämoglobins Sauerstoff geliefert, und durch die Oxydationen werden die von der
Pflanze in der oiganischen Substanz aufgespeicherten Kräfte wieder frei, die sich vor allem als
mechanische Bewegung und thierische Wärme äussern.
Die Reductionsprodukte der Kohlensäure finden im Leben der Pflanze mannigfache Ver-
wendung; sie dienen zum Aufbau des Leibes und zur Reproduction der Art. Dabei findet
nicht nur eine Bildung höherer organischer Verbindungen statt, sondern auch die RUckver-
wandlung eines Theiles der organischen Substanz zu Kohlensäure. Man unterscheidet deshalb
nach Sachs die Assimilation von dem Stoffwechsel (s. Art. Assimilation).
Die Assimilationsprodukte nun erfahren im pflanzlichen Organismus noch mannigfache
chemische Umwandlungen, die nicht mit einer Abscheidung von Sauerstoff, sondern mit einer
Aufnahme desselben und Abscheidung von Kohlensäure verbunden sind. Diese Vorgänge des
Stoffwechsels sind unabhängig von der Einwirkung des Lichts und dem Vorhandensein des
Chlorophylls. Sie werden durch einen Athmungsprocess bedingt, der wie bei den Thieren in
Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe besteht. Doch ist diese Art Athmung eine nur ge-
ringe und wird von der die Assimilation bedingenden vegetativen Athmung der grünen Pflanzen-
organe im Licht weit Ubertroffen. Die ausgeathmete Kohlensäure ist nicht, wie beim Thier,
nutzlos, sondern dient sofort der Pflanze als Nahrungsmittel, sobald sie vom Licht getroffen wird.
Bei Mangel an Licht, zur Nachtzeit, ist aber die Stoffwechsel-Athmung überwiegend, Kohlen-
säure wird ausgeschieden. Dasselbe findet statt bei den chlorophyllfreien Kiyptogamen, die wie
die thierischen Organismen nicht assimiliren, sondern bereits organisirte Stoffe in sich aufiiehmen
und durch deren Zersetzung Kohlensäure producircn.
Die Haupdebenserscheinung der chlorophyllhaltigen Pflanzenzelle, die Assi-
nnilation, ist an eine Einnahme von Kohlensäure und Ausgabe von Sauerstoff
geknüpft, die Hauptlebenserscheinung der Thierzelle an eine Einnahme von
Sauerstoff und Ausgabe von Kohlensäure. Um die 700 — 1000 Grm. Sauerstoff
der Luft zurückzugeben, welche ein Mensch täglich zur Athmung verbraucht,
muss durch die Pflanzenvegetation 16 — 20 Kgrm. Cellulose aus Kohlensäure und
Wasser gebildet werden (95). In diesen Kreislauf der Kohlensäure werden auch
die verkohlten Organismen längst vergangener Schöpfungsperioden hineingezogen.
Aus den Verbrennungsprodukten der Steinkohle erzeugen die Pflanzen wiederum
neue organische Materie.
Bei diesem Kreislauf des Kohlenstoffs durch Pflanzen- und Thierreich könnte man annehmen,
dass eine gegebene Menge Kohlensäure fUr unendliche Zeit dem Bedttrfhiss der organischen Welt
genüge, besonders, wenn man die auf pag. 84 erwähnten regulirenden Wirkungen der Lutt-
strömungen und vor allem des Meeres in Betracht zieht Es werden aber factisch grosse
Mengen von Kohlensäure dem Kreislauf entzogen, namentlich durch zwei Vorgänge. Beim Ver-
wittern der Gesteine entstehen kohlensaure Salze, deren Säure der Atmosphäre entstammt und
nicht dahin zurückgelangt; ferner erleiden grosse Mengen organischer Stoffe eine Mineralisinmg
in den Torf-, Braunkohlen-, Steinkohlen- und Anthracitlagem. Dazu kommt drittens, dass be-
sonders seitdem der intelligente Mensch die Naturkräfte sich dienstbar gemacht hat, eine fort-
währende Zunahme der Organismen auf der Erde stattfindet Der das Dasein der Pflanzen,
Thiere und Menschen bedingende Kohlenstoff entstammt der Kohlensäure der Atmosphäre. Es
Atmosphäre. 99
jnoss also mit der Vennehrung der Organismen und aus den obigen Gründen die Menge der-
selben allmählich so Teiringert werden, dass sie zur ferneren Entwickelung der Pflanzenwelt nicht
mehr ausreicht. Nun wird zwar der Atmosphäre ein Ersatz gegeben durch Verbrennung der
Stein- und Braunkohlen, deren Kohlenstoff in früheren geologischen Epochen als Kohlensäure
einen Bestandtheil der Atmosphäre ausmachte, und somit werden diese längst begrabenen Vege-
tationen eine Quelle neuen Lebens für Pflanzen, Thiere und Menschen. Die auf diese Weise
durch menschliches Thun in die Atmosphäre gelangten Kohlensäuremengen genügen aber nicht,
die durch die genannten Ursachen bewirkten Verluste zu decken. Welche Kohlensäurequelle
fliesst noch für die Atmosphäre?
Die von Stekry Hunt (96) geäusserte Ansicht, dass unsere Atmosphäre den ganzen Weltraum
crfÜUe und sich um die Anziehungscentren verdichte, und dass durch Diffusion die auf der Erd-
oberfläche verbrauchte Kohlensäure wieder ersetzt werde, ist aus mehreren Gründen haltlos.
Stanislas Meunier (97) schreibt den Ersatz der aus obigen Ursachen der Atmosphäre ent-
nommenen Kohlensäure der vulkanischen Thätigkeit des Planeten zu, insofern als aus Erdspalten
Kohlensäure gasförmig und in Wasser gelöst (in Säuerlingen) fortwährend in die Atmosphäre
entweicht Diese Kohlensäure wird nach Meunier aus dem im Erdinnem in grossen Mengen
enthaltenen kohlereichen Roheisen durch Wasser entwickelt Wie an dem Meteoritenfund von
Ovyfak gezeigt worden ist, entwickelt solches Eisen bei Behandlung mit Säuren, ja mit heissem
Wasser (CLOez), Kohlenwasserstoffe, welche nach ihrer Verbrennung die dem Erdinnem ent-
qiiiUende Kohlensäure liefern.
Nachdem wir gesehen haben, dass die Constanz in den Mengenverhältnissen
des Sauerstoffs und der Kohlensäure in der Atmosphäre, hauptsächlich dank
der sich ergänzenden Thätigkeit des Pflanzen- und Thierreiches gesichert ist,
bleibt noch zu untersuchen, wie sich in dieser Beziehung Stickstoff und
Ammoniak verhalten. Die Bildungen von Ammoniak und Salpetersäure auf
Kosten des atmosphärischen Stickstoffs kommen neben der ungeheuren Menge
dieses Gases gar nicht in Betracht Der Stickstoff im Pflanzen- und Thierreich
ist nun nicht dem atmosphärischen Stickstoff entnommen, sondern entstammt dem
Ammoniak imd der Salpetersäure. Dieser Satz ist zuerst von Liebig (98) aufgestellt
und durch Boussingault, Lawes und Gilbert u. A. bestätigt worden. Das
Ammoniak und die Salpetersäure werden dem Erdboden und damit der Vege-
tation durch die atmosphärischen Niederschläge zugeführt. Nach Bestimmungen
von Lawes und Gilbert in Rothamsted empfängt 1 Hektar Land im Mittel
jährlich 806 Kgrm. Stickstoff und zwar 7*23 Kgrm. als Ammoniak, 0*83 Kgrm.
als Salpetersäure (99). Hiermit stimmen Boussingault's Angaben und die in
Dahme, Regenwalde und andern deutschen Versuchsstationen gemachten Be-
stimmungen ziemlich überein. Wie viel von diesem Stickstoff der Vegetation
nutzbar gemacht wird, ist nicht mit Sicherheit anzugeben. Der Hauptmenge
nach werden Ammoniak und Salpetersäure der Pflanze durch die Wurzeln in
gelöstem Zustande zugeführt und nur in geringem Maasse direkt aus der Luft
Die assimilirende Thätigkeit der Pflanze führt den Stickstoff in complicirte orga-
nische Verbindungen, die Eiweisskörper, über. Diese bilden das wichtigste
Nahrungsmittel für das Thier, in dessen Körper sie diurch die regressive Stofi"-
metamorphose zu einlachen Stoflen, namentlich Hamstofl*, oxydirt werden.
Letzterer wird an der Luft zu kohlensaurem Ammoniak; Ammoniak (und dessen
Oxydationsprodukt Salpetersäure) ist auch das Endglied, in welches die stickstoff-
haltigen Bestandtheile der Organismen durch den Process der Verwesung über-
gehen. Wir sehen also, dass der Stickstoff in der Form von Ammoniak einen
ähnlichen Kreislauf durch Atmosphäre, Pflanzen- und Thierwelt macht, wie er
von dem Sauerstoff und von dem Kohlenstoff* der Kohlensäure durchlaufen wird.
13. Zusammensetzung der Atmosphäre in früheren geologischen
7*
loo Handwörterbuch der Qiemie.
Zeiträumen. Wenn nun auch, wie wir gesehen haben, der Kreislauf des Sauer-
stoffs, Kohlenstoffs und Stickstoffs bedingt, dass die Bestandtheile der Atmosphäre
für absehbare Zeiten in ihrem jetzigen Gleichgewicht sich nicht ändern werden,
so muss die Zusammensetzung der Atmosphäre in früheren geologischen Epochen
doch ein andere gewesen sein wie gegenwärtig.
Da die Menge Stickstoff im Mineralreich und als Bestandtheil der organischen
Körper gegenüber der ungeheuren Menge Stickstoff in der Atmosphäre ver-
schwindend klein ist, so muss der absolute Stickstoffgehalt der letzteren im Laufe
der Zeiten annähernd derselbe geblieben sein. Anders verhält es sich in Bezug
auf Sauerstoff, Wasser und Kohlensäure.
Zu einer Zeit, in der die Erde in gasförmigem und später in feurig flüssigem
Zustande war, konnten die Oxyde des Wasserstoffs, Siliciums, Calciums u. s. w.
nicht existiren. Erst mit fortschreitender Wärmeaustrahlung konnten dieselben
sich bilden und eine feste Erdrinde formen. Die grossen Wasserstoff- und Sauer-
stofißnengen konnten bei sinkender Temperatur sich zu Wasser vereinigen, und
dies musste Erscheinungen hervorrufen, wie wir sie heute als Protuberanzen an
der Oberfläche der Sonne beobachten. Denn diese sind wahrscheinlich durch
die chemische Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff in solchen Höhen der
Sonnenatmosphäre hervorgerufen, wo niedrigere Hitzegrade herrschen als auf dem
glühenden Sonnenkörper selbst.
Die Kohlensäure der Carbonate des Calciums und Magnesiums, welche ganze
Gebirgsmassen auf der Erde bilden, wird schon bei schwacher Glühhitze ausge-
trieben. Diese Menge, die mindestens das 200 fache der jetzt in der Atmosphäre
vorhandenen betragen hat, und die gleich unermessliche Menge Kohlensäure,
welche den Kohlenstoff für die organische Natur auf der Erde geliefert hat,
musste einstmals einen Bestandtheil der Atmosphäre bilden. Die Kohlensäure
und zugleich das Wassergas mussten auf den Erdkörper einen ungeheuren Druck
ausüben, unter welchem ein Theil der Kohlensäure flüssig ja fest werden musste.
Flüssige Kohlensäure findet man in der That als Einschluss in Krystallen. Als
die Carbonate sich bilden konnten, nahm der Kohlensäuregehalt der Atmosphäre
mehr und mehr ab; eine üppige Vegetation konnte dann entstehen und die Kohlen-
säuremenge durch Umwandlung in organische Kohlenstoffverbindungen noch mehr
reduciren, zugleich der Atmosphäre einen Theil des ihr durch frühere Oxyda-
tionen entzogenen Sauerstoffe wieder zurückgeben, so dass die Atmosphäre zur
Respiration der Thierwelt tauglich wurde und der jetzige Zustand des Gleichge-
wichtes eintreten konnte.
14. Hygienische Bedeutung der Luft, a) Für die Gesundheit des
Menschen ist der Wassergehalt der Luft von grosser Bedeutung, insofern als die
Wasserdampfausscheidtmg des Körpers und zum Theil auch die Wärmeabgabe
davon abhängen.
Eine mit Feuchtigkeit gesättigte und warme Luft nennen wir »schwüle Die
aus der Haut abgeschiedene Feuchtigkeit kann von solcher Luft nicht mehr
dampfförmig aufgenommen werden und scheidet sich flüssig als »Schweiss« ab.
Der Schweiss ist nicht so sehr die Folge der Temperatur, als des Feuchtigkeitszustandes
der Luft. Die Abnahme der wässrigen Sekretion der Haut bedingt eine Zunahme der Körper-
temperatur. Dieser Zustand kann lethal werden, indem er den Hitzschlag oder Sonnenstich et^
zeugt. Heisse und feuehte Luft, die bei vielen Gewerben in den Fabriken aufhitt, muss durch
gute Ventilation beseitigt und durch firische ersetzt werden. Therapeutisch findet heisse und
feuchte Luft in den russischen Dampfbädern Anwendung.
Atmosphäre. loi
Feuchte und kühle Luft findet sich vorzugsweise in Sumpfgegenden.
Trockene und heisse Luft kommt in vielen Industrien vor, in Glashütten, in
metallurgischen Prozessen, in Gasiabriken, in Trockenräumen u. s. w. Im Allge-
meinen ist dieselbe nicht so gefährlich wie feuchte und heisse Luft, da die vermehrte wässrige
Haatausdttnstung der zu starken Steigerung der Körpertemperatur entgegenwirkt. Ein längerer
Aufenthalt in trockener heisser Luft wirkt aber sehr schädlich auf die menschliche Constitution.
Eine trockene warme Luft wird bei der Luftheizung erzeugt. Man sollte zur Schonung der
Gesundheit, und auch zur Schonung der Zimmermöbel, die warme Luft stets über eine Wasser-
fläche streichen lassen, ehe sie ins Zimmer tritt.
Trockene und kalte Luft wird häufig zur Kühlung in Brauereien und
Brennereien, zur Eiserzeugung, zur Abkühlung grosser Räume u. dergl. erzeugt.
Die WiMDHAUSEN'sche Maschine beruht darauf, dass comprimirter Luft die bei der Compression
entwickelte Wärme entzogen wird; bei der dann folgenden Expansion wird dann ein niedriger
Temperatnrgrad hervorgebracht.
Unter Umständen kann die Atmosphäre durch Gase, namentlich durch
schweflige Säure, Ammoniak, Salzsäure, sowie durch Staub organischer und
mineralischer Natur in gesundheitsschädlicher Weise verunreinigt werden. Regen,
besonders Gewitterregen, Schnee und Wind sind die natürlichen Reinigungsmittel
der Atmosphäre. Manche Winde aUerdings können, abgesehen von den mecha-
nischen Wirkungen, in Folge der rapiden Luftbewegung, durch Trockenheit und
Herbeiführung von Miasmen gefährlich werden, wie der Sirocco, Samum, Chamsin,
Monsoon u. s. w.
b) Verminderter Luftdruck. Der Gesammtdruck der Luft, welcher von
allen Seiten her gleichmässig vertheilt auf den menschlichen Körper wirkt,
schwankt zwischen 15000 und 20000 Küogr. Wird dieser Druck erheblich ver-
mindert, auf Bergeshöhen, so tritt ein eigenthümliches Gefühl des Wohlbehagens
ein, welches eine Folge der erleichterten Thätigkeit der Lungen ist. Die Blut-
drculation ist beschleunigt, die verbrauchte Muskelsubstanz wird daher rascher
wieder ersetzt und Ermüdungserscheinungen verschwinden rascher als in der
Ebene. Gegen Alkoholgenuss soll Immunität eintreten, vielleicht in Folge der
beschleunigten Abdunstung des Alkohols. In stärker verdünnter Luft treten andere
Erscheinungen ein. Während Puls und Respiration beschleunigt werden, ermüden
die Muskeln leicht, was in Bezug auf die unteren Gliedmaassen nach £. H. und
W. Weber auch darin seinen Grund hat, dass der Luftdruck weniger als sonst
beiträgt, den Schenkelkopf in der Pfaime zu halten und diese Arbeit mehr oder
weniger ausschliesslich den Muskeln überlässt Femer treten Ohrenschmerzen
und Schwerhörigkeit ein, da der äussere Druck auf das Trommelfell nicht so
stark ist wie der Luftdruck von der Paukenhöhle aus. In sehr bedeutenden
Höhen und bei sehr starker Luftverdünnung treten spontane Blutungen ein und aus
dem Blute entwickeln sich Gase. Dies kann dem Luftschiffer ebenso verhängnissvoll
werden wie der Mangel an Sauerstoff, wie dies in neuerer Zeit das Schicksal der Luftschiffer
Croc^Spimklli und SrvEL gezeigt hat, welche in einer Höhe von 8600 Metern der verdünnten
Luft lum Opfer fielen.
FoT^esetzte starke Arbeit auf hohen Bergen wird nicht gut ertragen. Die Bergleute auf
dem 7300 Fuss hohen Goldberg in der Rauris erreichen ein mittleres Lebensalter von nur
40 Jahren. Es wird dies dadurch erklärlich (Ldsbig), dass mit der Abnahme des Luftdrucks zu
der täg^chen Arbeitsleistung durch die Glieder eine dauernd gesteigerte Arbeit der Athemmuskeln
för die Athmung und des Herzens für den Blutkreislauf hinzukommt
c) Gesteigerter Luftdruck. In Taucherglocken, bei Brückenbauten, in
Apparaten »u therapeutischen Zwecken kann der Mensch dem Einfluss ver-
l63 Handwörterbuch der Chemie.
dichteter Luft ausgesetzt sein. Es treten Ohrenschmerzen, dann eine bedeutende
Schärfe des Gehörs ein, zuweilen Nasenbluten und Gefühl von Unbehagen;
letzteres besonders beim Uebergang von einem Luftdruck in den andern. Sauer-
stojSaufnahme und Kohlensäureausgabe sollen gesteigert werden.
d) Luft in geschlossenen Räumen; Ventilation. In geschlossenen
Räumen kann die Luft durch Entwicklung von Dämpfen und Gasen, durch
Staub, durch die Produkte der Perspiration und Respiration erheblich verunreinigt
werden. Die Fürsorge filr gute Ventilation in Wohn- und Fabrikräumen ist daher
von grösster Bedeutung für das menschliche Wohlbefinden. Man kann die
Ventilationseinrichtungen entweder so treffen, dass die schlechte Luft durch As-
piration oder Exhaustion entfernt wird, wobei diese dann von frischer durch
Thüren, Fenster und poröse Wände eindringender Luft ersetzt wird (Aspirations-
methode), oder so, dass auf mechanische Weise frische Luft eingetrieben wird
(Pulsionssystem).
Die schlechte Luft kann auf mechanische Weise abgesaugt werden oder durch künstlich er-
zeugte TemperaturdifTerenzen. Letzteres geschieht schon durch die gewöhnliche Ofen- und
Karoinfeuerung, wobei der Schornstein als Exhaustor wirkt Meistens werden die Heizungsgase
durch eine besondere Röhre im Innern des Schornsteins abgefllhrt, und der Raum zwischen dieser
Röhre und den Schomsteinwänden wird mit dem zu ventilirenden Raum in Verbindung gebracht.
Die Temperaturdifferenz zwischen Exhaustor und äusserer Luft soll mindestens 25^ betragen,
wobei sich eine Luftbewegung von 2 bis 3 Meter in der Sekunde ergiebt. In industriellen
Räumen, wo sich viel Wasserdämpfe u. dergl. entwickeln, wird zur Steigerung der Ventilation
eine besondere Saugkammer mit eigenem Abzugsrohr angeordnet, in welche die Luft aus den zu
ventilirenden Räumen tritt und wo sie auf 120 — 150® erhitzt werden kann.
Die Exhaustion mittelst mechanischer Saugapparate findet besonders bei staubproducirenden
Gewerben statt Es werden dazu Glockenexhaustoren und Ventilatoren der verschiedenartigsten
Constniction angewendet.
Die Pulsionsmethode wird häufig bei Bergwerken benutzt und ist bei Arbeiten unter Wasser
nicht zu umgehen. Man wendet auch hierzu Ventilatoren an (loo).
Die industriellen Abf^le, die Küchen- und Hauswässer, die menschlichen
und thierischen Excremente können durch ihre Zersetzungsprodukte die Lufl
vergiften. Dieselben werden unschädlich gemacht durch Desinfection und Abfuhr
an Orte, wo sie in grösseren Mengen angesammelt werden können, ohne schäd-
liche Wirkungen auszuüben, oder indem man die Städte mit einem unterirdischen
System von Canälen versieht, in welchen die Dejektionen aus der Nähe von Wohn-
stätten fortgeschwemmt werden. Diese Massen in die Flüsse zu leiten, ist eine
grosse wirthschaftliche Vergeudung; man sucht daher dieselben für die Land-
wirthschaft nutzbar zu machen, indem man mit den Canalisationswässem direkt
Ländereien berieselt oder durch Filtration und Präcipitation mittelst chemischer
Mittel Dungstoffe daraus herstellt.
15. Technische Anwendungen. Die mechanischen, physikalischen und
chemischen Eigenschaften der Luftbestandtheile gestatten die verschiedenartigsten
Anwendungen der Luft zu machen. Die Luft in Bewegung bildet ein seit den
ältesten Zeiten angewendetes Mittel, um Mechanismen in Bewegung zu setzen
und Arbeit zu erzeugen. Die Windmühlen und Windräder dienen zum Mahlen
der Getreide- und ölhaltigen Körner, zum Heben von Wasser u. s. w. Die
natürliche Luftströmung bewegt Segelschiffe uud giebt den Luftballons ihre
Richtung. Die durch Ventilation auf mechanische Weise in bestimmter Richtung
hervorgebrachte Bewegung der Luft dient in zahlreichen Gewerben zur Weg-
schaifung von Staub, von VVasserdampf, zur Trennung von Pulvern und Körnern
Atomtheorie. 103
nach der Grösse und dem specifischen Gewicht ihrer Bestandtheile u. s. w. Die
natürlich oder künstlich hervorgebrachten Luftströmungen werden zur Trocknung
der verschiedenartigsten Stoffe angewendet, und sind ftir die gesundheitlichen
Verhältnisse der Wohnungen und Fabriken, wo sich schädliche Gase entwickeln,
von grösster Bedeutung. Andererseits dient der in der Luft enthaltene Wasser-
dampf und das niederregnende Wasser zur Befeuchtung von Körpern.
Der atmosphärische Druck dient dazu, um poröse Stoffe, Hölzer z. B., mit
antiseptischen oder färbenden Flüssigkeiten zu imprägniren. Durch Verminderung
des Luftdrucks über erhitzten Flüssigkeiten in geschlossenen Gefässen be-
schleunigt man deren Verdampfung und bringt sie bei niedriger Temperatur zum
Sieden. Dies ist bei der Industrie des Rohr- und Traubenzuckers, der Färb- und
Gerbstoffe und in vielen anderen Gewerben von grosser Wichtigkeit.
Von der verschiedenen Löslichkeit der Luftbestandtheile macht man Ge-
brauch, um Sauerstoff oder eine sehr sauerstoftreiche Luft herzustellen (Mallet),
ein Verfahren, das fUr die Erzeugung hoher Wärme- und Lichtintensitäten von
Wichtigkeit werden kann.
Die zahlreichen chemischen Anwendungen der Luft beruhen zumeist auf der
Afünität des Sauerstoffs. Hierher gehören die Verbrennung der Heiz- imd Leucht-
materialien, die Oxydation vpn Metallen, das Rösten von metallischen Sulfiden,
die langsamen Verbrennungen, die beim Bleichen stattfinden. Von geringerer Be-
deutung für die technischen Gewerbe ist der Stickstoff der Luft. Indessen werden
neuerdings viele Versuche gemacht, denselben in Ammoniak und Ammoniaksalze
überzuführen.
Die in der Atmosphäre enthaltenen Keime und Sporen rufen, z. Th. unter
Mitwirkung des Sauerstoffs, die wichtigen Phänomene der Gährung, Fäulniss und
Verwesung hervor, Processe, die bald nützlich, bald schädlich wirken, und die
man durch Zulassung oder Abschliessung der Lnft fördern oder hindern kann.
RuD. Biedermann.
Atomtheorie*). Schon im Alterthum aufgestellt und zwar vornehmlich durch
DsifOKRiT, gewann die Atomistik eine Bedeutung ftir die Chemie erst durch
Dalton. Nachdem dieser das Gesetz der multiplen Proportionen entdeckt hatte,
zeigte er, dass dafür nur in der atomistischen Hypothese eine Erklärung ge-
funden werde.
Das Gesetz der multiplen Proportionen sagt aus, dass die Mengen der
einzelnen Elemente in ihren Verbindungen stets dargestellt werden können als
Produkte aus einfachen ganzen Zahlen in gewisse für jedes Element feststehende
Zahlen.
Besteht nun die Materie in letzter Linie aus Atomen, aus kleinen, untheilbaren,
von einander getrennten Theilchen, die für jedes Element bestimmte Eigenschaften,
*) i) Stas, Recherches sur les rapports reciproques des poids atomiques und Nouvelles
recherches sur les lois des proportions chimiques, sur les poids atomiques et leurs rapports
motuels. 2) Memoires de la soc. d'Arcueil II., pag. 207. 3) Annales chim. et phys. X., pag. 395.
4) Annales chim. phys. XIV. XIX. XXTV etc. 5) Journal de physique LXXIII., pag. 53.
6) PoGGEHDORFF, Ann. Phys. C, pag. 353. 7) Poggendorff, Ann. CLIV., pag. 367 u. 553.
5) Tho^ison, Annais of phil. VI., pag. 321. 9) Poggendorff, Ann. Phys. XV., pag. 301.
10) Ann. Chem. Phann. Suppl. VUL, pag. 133. 11) Vergl. L. Meyer, Moderne Theorien der
Chemie. 12} Richter, Ueber die neueren Gegenstände in der Chemie. 13) Ann. Chem.
Pharm. 26, pag. 113. 14) Ann. chim. phys. [2] LVI., pag. 400. 15) Ann. Chem. Pharm. 85,
pig. 368. 16) Ann. Chem. Pharm. 104, pag. 129. 17) Geui'HER, Lehrbuch der Chemie.
f04 Handwörterbuch der Chemie«
insbesondere bestimmtes Gewicht, bei verschiedenen Elementen aber verschiedene
Eigenschaften besitzen, so können Verbindungen zwischen den Elementen nur
dadurch entstehen, dass die Elementaratome in verschiedener Zahl sich an ein-
ander lagern und so die kleinsten Theilchen der Verbindungen erzeugen. Die
Zusammensetzung eines solchen Theilchens und folglich auch die Zusammen-
setzung der Verbindung ist daher gegeben durch die Atomgewichte der Elemente
und durch die Anzahl Atome der einzelnen Elemente, d. h. es findet zwischen
Thatsache und Theorie vollständige Uebereinstimmung statt
Femer ergiebt sich die Möglichkeit von Atomgewichtsbestimmungen, sobald
die Anzahl Atome in den kleinsten Theilchen der Verbindungen bekannt ist und
deren Zusammensetzung bestimmt wird. Weiss man z. B., dass im kleinsten
Theilchen Wasser 2 Atome Wasserstoff auf 1 Atom Sauerstoff vorkommen, und
hat man durch die quantitative Anal)rse auf 2 Thle. Wasserstoff 16 Thle. Sauer-
stoff gefunden, so folgt daraus, dass das Atomgewicht des Sauerstoffs 16 mal so
gross ist als das des Wasserstofis. Unsere Atomgewichtsbestimmungen er-
geben also nur Verhältnisszahlen. Nach dem Vorgange Dalton's bezieben
wir sie alle auf das Atomgewicht des Wasserstoffs, welches gleich Eins gesetzt
wird.
Die Bestimmung der Atomgewichte, in diesem Sinne aufgefasst, verlangt also
die Lösung zweier wesentlich verschiedener Aufgaben:
I. Die möglichst genaue Bestimmung der Zusammensetzung einiger Ver-
bindungen von jedem Elemente und
n. Die Kenntniss der Anzahl Atome jedes Elementes im kleinsten Theilchen
dieser Verbindungen.
Die erste ist eine rein praktische Aufgabe, mit welcher sich viele Chemiker
seit Berzelius und auch vor ihm beschäftigt haben. Je feiner und exakter die
hierzugewählten Methoden sind, je grössere Sorgfalt auf ihre Ausführung und auf
die Reindarstellung der Verbindungen gelegt wird, um so genauer werden die
Atomgewichtsbestimmungen. Neuerdings hat namentlich Stas (i) darin Be-
wundemswerthes geleistet.
Werden die Resultate solcher quantitativer Analysen alle auf eine und die-
selbe Menge eines Elements, z. B. auf 1 Th. Wasserstoff umgerechnet, so müssen
die für die andern Elemente gefundenen Zahlen Multiplen oder Submultiplen ihrer
Atomgewichte darstellen. Lange Zeit hat man sich damit begnügt, aus diesen
Zahlen gewisse auszuwählen und nannte sie Verbindungsgewichte, Aequivalent-
gewichte, manchmal auch Atomgewichte.
Die Lösung der zweiten Frage hängt immer mit theoretischen Vorstellungen
zusammen, wenn auch diesen wieder empirisch erkannte Gesetzmässigkeiten zu
Grunde liegen. Dieselbe fffhrt zur Auswahl des Atomgewichts aus den durch
die Analyse ermittelten Multiplen.
Namentlich drei Gesichtspunkte sind es, welche heut in dieser Richtung ver-
werthet werden. Der erste hängt mit dem von Gay-Lussac entdeckten Ver-
bindungsgesetz der Gase zusammen (2), der zweite ist durch das von Dulong
und Pettt ausgesprochene Gesetz über specifische Wärme bedingt (3) und der
dritte, allerdings bei weitem weniger wichtige, ist durch den von Mitscherlich
entdeckten Isomorphismus gegeben.
1. Bei allen Verbindungen zwischen Gasen oder Dämpfen stehen die Volume
der Componenten untereinander und zu dem Volum des Produkts in Gasform
Atomtheoric. 105
in emfacher Beziehung, vorausgesetzt dass diese Volume bei gleicher Temperatur
nnd gleichem Druck (unter gleichen äusseren Bedingungen) gemessen werden.
Da nun auch die Gase sich nach ganzen Atomen verbinden, so muss offenbar
eine einfache Beziehung zwischen Gasvolum und der darin vorkommenden Zahl
Atome stattfinden. Die einfachste Annahme in dieser Hinsicht, wonach nämlich
alle Gase unter gleichen äusseren Bedingungen die gleiche Zahl von Atomen in
dem gleichen Volumen enthalten, ist unmöglich, weil sich manche Gase, wie
Chlor und Wasserstoff, ohne Contraction vereinigen. Jene Hypothese fllhrt aber
in allen solchen Fällen zu der widersinnigen Annahme von Atomtheilen.
AvoGADRO hat, wie es scheint, durch Aufstellung des Molekularbegriffs,
den einzig richtigen Weg gefunden, um Gay-Lussac's Gasverbindungsgesetz mit
der atomistischen Hypothese in Einklang zu bringen (5).
Das Molekül wird heute definirt als die kleinste Menge eines Körpers,
gleichgültig ob chemisch einfach (Element) oder zusammengesetzt, welche im
freien Zustand existirt. Es ist die kleinste Menge, welche chemische Zersetzungen
erleidet, und die kleinste Menge, welche im Gaszustand noch selbständige Be-
wegungen ausführt Das Molekül ist aber im Allgemeinen zusammengesetzt, es
besteht aus Atomen. Bei Verbindungen erscheint dies selbstverständlich und hier
enthält das kleinste Theilchen noth wendig die heterogenen Atome der ver-
schiedenen, die Verbindung zusammensetzenden Atome. Aber auch bei den
Elementen wird im Allgemeinen wenigstens die H3rpothese nothwendig, dass das
Molekül noch aus mehreren gleichartigen Atomen zusammengesetzt ist. Atom
wird definirt als die kleinste Menge eines Elements, welche überhaupt vorkommen
kann, als die kleinste Menge des Elements, die in irgend einem Molekül einer
Verbindung desselben sich findet.
AvoGADRO*s Hypothese geht nun dahin, in gleichen Volumen aller Gase (bei
gleichen äusseren Bedingungen) eine gleiche Molekülzahl anzunehmen.
Durch diese Annahme wird nicht nur Gay-Lussac's Gesetz mit der atomistischen
Hypothese in Zusammenhang gebracht, gleichzeitig giebt dieselbe auch eine Er-
klärung für das gleichmässige Verhalten der Gase bei Temperatur- und Druck-
änderungen, welches bekanntlich in den Gesetzen von MARicrra: (Boyle) und
Gay-Lüssac (Charles) seinen Ausdruck findet. Aber auch noch andere phy-
sikalische Erscheinungen der Gase, auf die hier einzugehen nicht der Ort ist,
drängen zu einer solchen Annahme, so dass Clausius selbständig auf dieselbe
Hypothese etwa 30 Jahre nach Avogadro geführt wurde (6).
Diese Hypothese bildet heute eins der Fundamente der theoretischen Chemie.
Sie führt bei unzersetzt flüchtigen Körpern, d. h. bei solchen, deren Dichtigkeit
im Gaszustand bestimmbar ist, unmittelbar zur Feststellung der Molekularge-
wichte, da diese den Dampfdichten proportional sein müssen. Als Einheit für
die Molekulargewichte ist dieselbe gewählt worden, welche schon oben als Ein-
heit bei Atomgewichtsbestimmungen bezeichnet wurde: das Atomgewicht des
Wasserstoffs. Das Molekulargewicht dieses Elementes wird dann 2, weil ein
Molekül Wasserstoff aus zwei Atomen besteht.
Auch die Frage nach den Atomgewichten lässt sich jetzt bei allen flüchtigen
Elementen und bei solchen, die viele flüchtige Verbindungen bilden, leicht erledigen.
Bei den ersteren braucht nur noch die Zahl der Atome im Molekül bestimmt zu
werden, und diese ergiebt sich aus den Volumverhältnissen, welche bei den Ver-
bindungen dieses Elemente mit andern Elementen im gasförmigen Zustand statt-
Io6 Handwörterbuch der Chemie.
finden. Die Anzahl Atome im Molekül wird gerade so gross angenommen,
dass diesen Thatsachen, ohne Atomtheile vorauszusetzen, genügt wird. So ver-
langt die Erfahrung, dass gleiche Volume von Wasserstoff und Chlor sich zu
einem doppelten Volum Salzsäure vereinigen, die Annahme von zwei Atomen
Wasserstoff und zwei Atomen Chlor in je einem Molekül dieser Elemente
Kennt man von einem Element, auch wenn es selbst nicht flüchtig ist, viele
flüchtige Verbindungen, so hat man einerseits nur die Molekulargewichte dieser
Verbindungen aus ihren Dampfdichten, und andererseits die Mengen der darin
vorkommenden Elemente durch die Analyse festzustellen. Die jeweilig kleinste
in einem Molekül vorkommende Menge giebt das Atomgewicht.
Fehlerhaft kann die Bestimmung nur dann werden, wenn wenige Verbindungen
zu derselben benutzt werden können. In solchen Fällen können Zahlen gefunden
werden, welche das Doppelte oder Dreifache des Atomgewichtes sind.
Würde man z. B. aus der Dampfdichte und Analyse des Aluminiumchlorids
oder Eisenchlorids auf die Atomgewichte von Aluminium und Eisen schliessen
wollen, so würden sich Werthe ergeben, welche zweimal so gross sind als die
Atomgewichte, welche aus dem Gesetz von Dulong und Petit folgen und
welche allgemein angenommen sind. Andererseits aber lassen sich die Atomge-
wichte aller Metalloide in dieser Weise feststellen.
2. Die Atomgewichte der Metalle sind hauptsächlich durch das Gesetz von
Dulong und Petit bestimmt worden, d. h. man hat aus den Multiplen, welche
durch die Analyse von Verbindungen ermittelt werden können, dasjenige ausge-
wählt, welches nach Multiplication mit der specifischen Wärme des betreffenden
Elementes ein der Zahl 6 sich näherndes Produkt liefert Bei den allgemein
adoptirten Einheiten für die Atomgewichte und die specifischen Wärmen (die
specifische Wärme des Wassers gleich Eins gesetzt) wird nämlich die Atomwärme
d. h. das Produkt von Atomgewicht und specifischer Wärme für alle festen Elemente
nahe gleich dieser Zahl (die Schwankungen betragen allerdings gegen 15^ des
Gesammtwerthes).
Bei einigen Elementen und gerade bei solchen, deren Atomgewicht durch
AvoGADRo's Hypothese hat bestimmt werden können, wie bei Kohlenstoff, Sili-
cium und Bor, ergab das Gesetz von Dulong und Petit viel zu grosse Werthe,
oder auch bei Benutzung dieser bereits festgestellten Atomgewichte ergaben sich
viel zu kleine Atomwärmen. Man glaubte daher dem Gesetz über die speci-
fischen Wärmen die allgemeine Gültigkeit absprechen zu müssen.
In neuerer Zeit hat aber Weber (7) gezeigt, dass die specifischen Wärmen der
drei genannten Elemente mit der Temperatur sehr veränderlich sind, d. h. dass
sie mit steigender Temperatur zunehmen, und zwar bis zu einer gewissen Grenze,
wo sie dann constant bleiben. Werden diese letzteren Werthe der specifischen
Wärmen mit den betreffenden Atomgewichten multiplicirt, so erhält man Atom-
wärmen, welche der Zahl 6 nahe kommen, so dass also auch in diesen Fällen,
allerdings unter bestimmten Voraussetzungen, dem Gesetz von Dulong und Petit
Genüge geleistet wird.
3. Unter isomorphen Körpern sind solche zu verstehen, welche in denselben
Formen desselben Krystallsystems mit nahe gleichen Winkeln krystallisiren und
welche auch zusammen zu einem Krystallindividuum sich vereinigen können.
Schon MiTSCHERLiCH, der diese merkwürdige Eigenschaft entdeckte, knüpfte daran
die Hypothese, dass nur Körper von gleicher chemischer Constitution isomorph
Atomtheorie.
107
sein können. Später hat man diese Hypothese dahin präcisirt, dass man bei
isomorphen Stoffen die gleiche Zahl Atome im Molekül voraussetzt. Hierdurch
ist ein Mittel gegeben» den Isomorphismus zu Atomgewichtsbestimmungen zu
yerwerthen, indem man aus den durch die Analyse als möglich erkannten
Multiplen die richtige Zahl auswählen kann. Es ist oben schon hervorgehoben
worden, dass dieses thunlich ist, sobald die Zahl der Atome in einer Verbindung
bekannt ist, und dies letztere gelingt eben für solche Verbindungen, welche mit
anderen isomorph sind, bei denen die Atomgewichte der Elemente und dadurch
die Zahl der Atome bekannt ist
Die erörterten theoretischen Betrachtungen im Verein mit einer grossen 2^1
analytischer Untersuchungen, mit peinlichster Sorgfalt ausgeführt, haben es er-
möglicht, die Atomgewichte aller genau bekannten Elemente mit grosser Sicher-
heit zu bestimmen. Die Resultate dieser Untersuchungen sind in der folgenden
Tafel niedergelegt:
I. Nichtmetalle.
Wasserstoff
Zeichen.
H
Atomgewicht.
10
Telur . .
Zeichen
Te
. Atomgewicht.
1263
Chlor . .
a
35-37
Stickstoff .
N
14-01
Brom . .
Br
79-76
Phosphor .
F
30-96
Jod . . .
J
126-54
Arsen . .
As
74-9
Fluor . .
Fl
19-06
Bor . . .
B
10-9
Saucretoff .
0
15-96
Silicium
Si
28-0
Schwefel .
S
31-98
Kohlenstoff
C
*l-97
Selen . .
Se
78-87
n.
Metalle.
Kalium
K
3903
Mangan
Mn
54-8
Natrium
Na
2^-99
Eisen . .
Fe
55-88
Lithium
Li
7-01
Kobalt . .
Co
58-6
Rubidium .
Rb
85-2
Nickel . .
Ni
58-6
Cäsium
Cs
132-7
Chrom
Cr
52-4
Calcium
Ca
39-91
Molybdän .
Mo
95-9
Strontium .
Sr
87-3
Wolfram .
W
183-6
Barium
Ba
136*86
Uran . .
u
289-8
Beryllium .
Be
9-08
Zinn . .
Sn
117-35
Magnesium
Mg
23-94
Titan . .
Ti
50-25
Zink . .
Zn
64-88
Zirkonium .
Zi
90-4
Cadmium .
Cd
111-7
Thorium
Th
231-96
Blei . .
Pb
206-39
Vanadin
V
511
Thallium .
Tl
208-7
Antimon
Sb
120H)
Kupfer . .
Cu
63-18
Wismuth .
Bi
207-5
Silber . .
Ag
107-66
Tantal . .
Ta
182-0
Quecksilber
Hg
199-8
Niobium
Nb
98-7
Yttrium
Y
89-6
Gold . .
Au
196-2
T^^th^p
La
138-5
Platin . .
Pt
194-4
Cer . . .
Ce
141-2
Ruthenium .
Ru
103-5
Didym . .
Di
145-0
Rhodium
Rh
1041
Erbium
Eb
166
Palladium .
Pd
106-2
Aluinini um
AI
27-04
Iridium .
Ir
192.5
Indium
In
113-4
Osmium •
Os
19:>-0
Gallium
Ga
69-9
Wenn auch hier
nur in
gedrängtester Kürze tlber die Atomtheorie berichtet
nicht
versäumt
werden, auf die grosse
Wichtigkeit hinzu-
lo8 Handwörterbuch der Chemie.
weisen, welche genaue Atomgewichtsbestimmungen für die ganze Chemie be-
sitzen. Wird doch keine quantitative Analyse ausgeführt, ohne direkte oder indi-
rekte Benutzung dieser Zahlen 1 Denn meistens werden die Resultate der Anal]rse
nur gefunden unter Zugrundelegung der Atomgewichte, oder man vergleicht die
durch die Analyse ermittelte Zusammensetzung mit der theoretischen, d. h. der
mittelst der Atomgewichte berechneten.
Weiter muss hier die in der Chemie übliche, aus der Kenntniss der Atom-
gewichte hervorgegangene Zeichensprache Erwähnung finden. Dieselbe rührt
im Wesentlichen von Berzeuus her und hat sich ganz ausserordentlich bewährt.
Sie beruht auf der Bezeichnung der Atomgewichte der Elemente durch den oder
die Anfangsbuchstaben des Elements in lateinischer Sprache, welche Zeichen
oben in der Tafel neben den betreffenden Elementen aufgenommen sind.
Mittelst dieser Zeichen ergiebt sich ohne Weiteres ein Symbol für die
Moleküle der Verbindungen, indem diese durch Nebeneinanderstellung der
Zeichen für die im Molekül vorkommenden Elementaratome dargestellt werden,
wobei jedes Atomsymbol mit einer Zahl rechts unten versehen wird, welche die
Anzahl dieser Atome im Molekül bezeichnet. Aus einer solchen Molekularformel
ergiebt sich, die Kenntniss der Atomgewichte vorausgesetzt, unmittelbar die
Zusammensetzung der Verbindung und femer (nach Avogadro's Hypothese) ihre
Dichte in DampfTorm.
Die Molekularformeln führen ausserdem zur Darstellung chemischer Zersetzungs-
vorgänge mittelst Gleichungen. Die Gleichungsform soll dabei nur ausdrücken,
dass bei jeder chemischen Reacdon das Princip von der Constanz der Masse
gewahrt bleibt, dass also die Anzahl Atome jedes Elements vor und nach der
Zersetzung dieselbe ist, was bei allen solchen Gleichungen der Fall sein muss.
In diesen werden links die aufeinander einwirkenden Moleküle geschrieben, rechts
stehen die Moleküle der entstandenen Verbindungen.
Beziehungen zwischen den Atomgewichten.
Im Jahre 1815 wies Prout daraufhin, dass die Atomgewichte vieler Elemente
ganze Multiplen von dem Atomgewicht des Wasserstoffs seien (8). Es war selbst-
verständlich von grösstem Interesse zu untersuchen, ob sich eine solche Regel-
mässigkeit für alle Atomgewichte nachweisen lasse, denn dann musste sie offen-
bar zur Ansicht einer Urmaterie führen, d. h. zu der Anschauung, dass alle
Elemente condensirter Wasserstoff seien.
Die Thatsachen entschieden aber gegen eine solche Hypothese, und obgleich
namentlich Dumas wiederholt für dieselbe eintrat, und eine Reihe von Atom-
gewichtsbestimmungen, sie zu unterstützen, ausführte, so ist ihr Schicksal doch
endgültig durch die schon erwähnten SxAs'schen Untersuchungen entschieden
worden. Selbst da, wo wie man früher glaubte, einfache multiple Beziehungen
stattfinden, wie bei den Atomgewichten von Sauerstoff (16) und Kohlenstoff (12),
fand Stab durch seine genauere Bestimmungen Zahlen, die von der ganzen Zahl
nicht unerheblich abweichen.
Damit schien vorläufig Prout's Hypothese der Boden entzogen, ganz auf-
gegeben ist sie aber noch nicht. Sie hat von vom herein zu viel Wahrscheinliches,
als dass nicht speculative Köpfe bei passenden Gelegenheiten darauf zurück-
kommen sollten, und so hat namentlich Lockyer neuerdings gelegentlich seiner
Spectralbeobachtungen bei hohen Temperaturen, diese für eine Zerlegung oder
Atomtheorie.
109
Verwandlung der Elemente zu verwerthen gesucht, freilich ohne dass es ihm
gelungen wäre, viele Anhänger für seine Ansichten zu gewinnen.
Hier soll deshalb darauf nicht eingegangen werden, während andererseits
Hypothesen über die Beziehungen zwischen den Atomgewichten für die Chemie
von hervorragender Bedeutung wurden, so dass sie hier nicht übergangen werden
können.
DöBSREiNER (9) zeigte zuerst, dass zwischen den Atomgewichten von Elementen
mit ähnlichen Eigenschaften nahezu dieselben Differenzen gefunden werden.
So ist Cl = 35-37
44-39 Diff.
46-78 „
15-98
16-04
Br== 79-76
J = 126-54
Femer Li = 7*01
Na= 22-99
K= 39-03
Aehnliche Regelmässigkeiten sind auch bei anderen Gruppen von Elementen
gefunden worden, und viele Chemiker, vornehmlich Dumas, Lenssen und L. Meyer
waren bemüht, diesen eine allgemeinere Bedeutung abzugewinnen.
Doch ist es erst Mendelejeff*) im Jahre 1870 gelungen, alle Elemente nach
ihren Atomgewichten so anzuordnen, dass die Beziehungen, welche zwischen
diesen und andern Eigenschaften der Elemente bestehen, klar hervortreten (10).
Mendelejeff erkennt eine periodische Abhängigkeit der Eigenschaften der
Elemente von ihren Atomgewichten, d. h. er findet, dass wenn das Atomgewicht
um eine gewisse Grösse gewachsen ist, dieses wieder einem Elemente mit ähn-
lichen Eigenschaften entspricht Mendelejeff findet femer, dass diejenigen
Elemente, deren Atomgewichte innerhalb einer Phase liegen (so also, dass ihre
Differenzen kleiner sind als jene gewisse Grösse), sich in ihren Eigenschaften
stetig ändern. Er nennt alle Elemente der letztem Art einer natürlichen Reihe
angehörig, während er die chemisch ähnlichen Elemente zu einer natürlichen
Gmppe rechnet. Dadurch dass nun Mendelejeff die Grappen in vertikale
Reihen ordnet und die natürlichen Reihen horizontal stellt, kommt er zu folgender
Anordnung der Elemente:
•) Neuerdings hat Newlands darauf hingewiesen (Chem. News. 46, pag. 278), dass er
lange vor Msndelejbff ähnliche Ansichten ausgesprochen habe.
Handwörterbuch der Gieroie.
ES
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II
II
H
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X
H
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1
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Atomtheorie. 1 1 1
Zunächst ist bei dieser Tafel zu bemerken, dass die Stellung der ein-
geklammerten Elemente noch nicht als entschieden betrachtet wird und dass
Menbelejeff femer 2 Reihen zu einer Periode rechnet, d. h. dass die Analogie
zwischen den Gliedern einer Gruppe, wenn beide einer paaren oder beide einer
unpaaren Reihe angehören, grösser ist, als bei Gliedern in aufeinanderfolgenden
Reihen.
In den Gruppen trägt nun Mendelejeff im Allgemeinen längst bekannten
Analogien Rechnung, welche in ähnlicher Weise schon von Dumas und besonders
von L. Meyer zusammengestellt worden waren. Viel origineller ist die Anord-
nung in Reihen. Die stetige Veränderung der Eigenschaften in einer solchen
Reihe zeigt sich sowohl in chemischen, wie in physikalischen Eigenschaften.
Man hat z. B. folgende Reihe, die höchsten SauerstofTverbindungen der be-
treffenden Elemente darstellend:
Li,0 BeO BjO, CO, NjOg ? ?
NajO MgO AljOj SiO^ P2O5 SOj Cl^O^
Femer für die Chlor- und Wasserstoffverbindungen:
LiCl BeClj BClj CCI4 NCl, OCU
CH4 NH3 oh; FIH
NaCl ' MgClj AljClß SiCl^ PCI5, PCI3 SCI, Cl,
SiH^ PHj SHj CIH
Die Veränderungen der physikalischen Eigenschaften werde hier durch die
Aenderungen der Dichtigkeit und des Atomvolumens d. h. des Quotienten aus
Dichtigkeit in Atomgewicht erläutert.
Li
Be
B
C
N
0
Fl
Dichtigkeit
0,59
2,1
2,68
3,3
—
—
—
Atomvolum
11,9
4,4
4,1
3,6
—
—
—
Na
Mg
AI
Si
P
S
Cl
Dichtigkeit
0,97
1.74
2,49
2,56
2.3
2,04
1,38
Atomvolum
23,7
13,8
10,7
11,2
13,5
16,7
25,7
In Bezug auf Schmelzbarkeit, Flüchtigkeit und elektrochemisches Verhalten
zeigen sich ähnliche Regelmässigkeiten (11).
Von allen Anwendungen, die das Gesetz der periodischen Abhängigkeit der
Elemente von ihren Atomgewichten gefunden hat, soll hier nur eine, die wichtigste,
besprochen werden : nämlich die Prognose der Eigenschaften bisher unbekannter
Elemente. Mendelejeff hat nämlich darauf hingewiesen, dass die Lücken in
obiger Tafel durch noch zu entdeckende Elemente ausgefüllt werden würden und
dass die Eigenschaften dieser Elemente sich ergäben sowohl durch Analogie mit
den Elementen derselben Gruppe, als auch durch Anwendung der Regelmässig-
keiten, welche bei den Elementen einer natürlichen Reihe sich finden. Er hat
in dieser Beziehung namentlich die Eigenschaften von Ekabor (3. Gruppe 4. Reihe)
Ekaaluminium (3. Gruppe 5. Reihe) und Ekasilicium (4. Gruppe 5. Reihe) zu
diagnosticiren gesucht.
Diese Betrachtungen haben namentlich durch die Entdeckung des Galliums
durch Lecoq de Boisbaudran eine eminente Bedeutung gewonnen. Mendelejeff
erkannte sofort, dass das Gallium das von ihm Ekaaluminium benannte Element
sei, und die thatsächlichen Bestimmungen Lecoq's zeigten im Allgemeinen die
grösste Uebereinstimmung mit den Prognosen Mendelejeff's. So ward das Atom-
gewicht zu 69,9 bestimmt, während die Zahl 68 vorhergesehen war. Das spec.
Gew. des Oxyds, welches 5,9 sein sollte, ward zu 5,96 bestimmt. Die Analogie
II« Handwörterbuch der aiemie.
mit dem Aluminium, welche Mendelejeff zu dem Namen Ekaaluminium veran-
lasst hatte, ward durch die Darstellung des Galliumalauns glänzend bestätigt.
Neuerdings glaubt Nilson durch das von ihm gefundene Scandium auch dem
Ekabor reale Existenz verleihen zu können.
Valenz, Werth, Werthigkeit oder Sättigungsvermögen.
Der Begriff der Valenz von Elementen ist abgeleitet aus dem viel älteren
Begriff des Aequivalents oder Aequivalentgewichts, auf welchen deshalb hier kurz
eingegangen werden soll.
Von Aequivalenten sprach man zuerst bei Säuren und Basen, nachdem durch
Richter's Untersuchungen festgestellt war (12), dass diejenigen Mengen von
Basen, welche gerade hinreichten, ein bestimmtes Gewicht einer Säure zu
neutralisiren, auch sich allen anderen Säuren gegenüber gleich verhielten, d. h.
auch von jeder anderen Säure ein und dieselbe Menge zur Neutralisation be-
dürfen. Selbstverständlich gilt der Satz auch, wenn man Basen mit Säuren und
umgekehrt vertauscht, und er sagt also aus, dass diejenigen Mengen von Basen
(resp. Säuren), welche sich einer Säure (resp. Base) gegenüber gleich verhalten,
allen Säuren (resp. Basen) gegenüber gleichwerthig oder äquivalent sind. Die
Untersuchungen über Metallfallungen, namentlich die Erkenntniss, dass die Neu-
tralität bei solchen Reactionen erhalten bleibe, führte zur Ausdehnung des Begriffs
Aequivalent auf Elemente.
Später ward dann von Wollaston, welcher den Namen Aequivalent zuerst
gebrauchte, dieser mit Atom synonym angesehen und so eine Auffassung an-
gebahnt, welche Jahrzehnte lang in der Chemie herrschend war. In jener Zeit
galten Atomgewicht, Mischungsgewicht, Verbindungsgewicht und Aequivalent-
gewicht gleich, und ihre Bestimmung bestand in der Auswahl einer Zahl aus
jenen Multiplen, welche sich durch die Analyse der Verbindungen als für die
Atomgewichte möglich ergeben.
Die Erkenntniss, dass die Aequivalentgewichte nicht immer den Gewichten
der kleinsten Theilchen gleich sein könnten, ergab sich zuerst aus Liebig's be-
rühmten Untersuchungen über mehrbasische Säuren (13). Dort wird nachgewiesen,
was durch Graham's Untersuchung der Phosphorsäure schon nahegelegt war, dass
die kleinsten Theilchen (Moleküle) der Säuren untereinander und mit den Mole-
külen der Basen nicht immer äquivalent sind, dass sie vielmehr in ein- und mehr-
basische unterschieden werden müssen. *
Zu einer ähnlichen Scheidung zwischen Atom- und Aequivalentgewicht bei
Elementen führte die Untersuchung der Substitutionserscheinungen, welche von
Dumas entdeckt wurden (14).
Der Erste übrigens, der von einer bestimmten Sättigungscapacität
eines Elementes sprach, war Frankland, der dazu durch seine Untersuchung
der metallorganischen Verbindungen geführt ward (15). Nach ihm haben viele den
Begriff der Valenz zu präcisiren und allgemeiner anzuwenden versucht, von
wesentlicher Bedeutung ist aber die Anwendung des Begriffs Valenz auf den
Kolilenstoff durch Kekulä (16) und der Versuch, dadurch die Constitution der
organischen Verbindungen zu bestimmen.
Unter Valenz oder Werth eines Elements versteht man heute die Anzahl
Wasserstoffatome, mit der sich ein Atom des betr. Elements verbinden oder
welche es vertreten kann. Man bestimmt die Valenz der Elemente sowohl aus
den Formeln der Wasserstoffverbindungen (resp. Chlorverbindungen), als auch
durch Vergleichung der Formeln von Verbindungen, aus denen sich der Substitutions-
Atomtlieorie.
riS
werth der Elemente ergiebt, d. h. aus denen hervorgeht, wieviel Atome Wasser-
stoff (resp. Chlor) die betr. Elemente ersetzen können.
Bei einer Bestimmung nach der ersten Methode wählt man, um Zweideutig-
keiten möglichst zu vermeiden, nur Verbindungen, welche neben Wasserstoff ein
Atom eines andern Elements enthalten. Da nun viele Elemente, namentlich die
Metalle, keine Wasserstoffverbindungen zu bilden im Stande sind, so benutzt man
hier entweder flüchtige metallorganische Verbindungen, d. h. Methyl- oder Aethyl-
verbindungen, oder auch Chlorverbindungen.
Doch führt schon diese Methode zu Unsicherheiten, was bei der zweiten
Methode noch in weit höherem Masse der Fall ist. Ich erinnere in dieser Be-
ziehung an die Formeln von Zinnchlorür SnClg und Zinnchlorid SnCl^, welche
es unbestimmt lassen, ob dieses Element zwei- oder ob es vierwerthig ist.
In vielen andern Fällen kommt man dagegen zu eindeutigen Resultaten und
ich lasse hier eine Eintheilung der bekannteren Elemente nach ihrer Valenz
folgen:
Einwertbigc
Elemente
2weTthige
Elemente
Swerthige
Elemente
4werthige
Elemente
5werthige
Elemente
6werthige
Elemente
Wasserstoff
Sauerstoff
Stickstoff
Kohlenstoff
Niob
Molybdän
Chlor
Schwefel
Phosphor
Silicium
Tantal
Wolfram
Brom
Selen
Arsen
Aluminium
Vanadin
Jod
TeUur
Bor
Indium
Fluor
Calcium
Thallium
Gallium
Kalium
Strontium
Antimon
Mangan
Natrium
Barium
Wismuth
Eisen
I^irhium
Beryllium
Gold
Kobalt
Rubidium
Magnesium
Nickel
Cäsium
Zink
Chrom
Silber
Cadmium
Blei
Kupfer
Quecksilber
V
Zinn
Titan
Zirkonium
Platin
Selbstverständlich hat der Begriff Valenz nur dadurch Bedeutung gewinnen
können, dass er auch ein Verständniss anbahnt für die Verbindungen mehrwerthiger
Elemente, z. B. der Sauerstoffverbindungen. Häufig enthält die höchste Sauer-
stoffstufe eines Elements halb so viel Sauerstoffatome als der Werth des Elements
Einheiten besitzt; z. B. bei CaO, ZnO, SiOg, COg etc. Die Auffassung derartiger
Verbindungen ergiebt sich unmittelbar aus dem Begriff" der Valenz. Häufig aber
liegen die Verhältnisse anders, und man ist deshalb genöthigt eine Hypothese zu
Hülfe zu nehmen, welche auch aus andern Gründen unerlässlich ist: die Annahme
nämlich, dass auch gleichartige Atome sich vereinigen können und deshalb
gegenseitig Valenzen austauschen. Zu dieser Hypothese wird man unmittelbar
durch die Existenz der Moleküle der freien Elemente geführt, die ja vielfach aus
mehreren Atomen bestehen. Sobald dies aber zugegeben ist, erklären sich auch
Verbindungen wie Eisenoxyd FegOg oder Phosphorsäureanhydrid P^O^ etc. In dem
ersteren tauschen die beiden Eisenatome je eine Valenz aus, so dass ihnen noch
6 freie Valenzen bleiben, mit denen sie die drei Sauerstoffatome binden. In dem
Phosphorsäureanhydrid sind von 4 Sauerstoffatomen je 2 durch 1 Valenz ver-
kettet, während die 4 andern Valenzen dieser Atome an Phosphor gebunden
sind. Die 3 letzten Phosphorvalenzen werden durch das 5. Sauerstoffatom ge-
sättigt Man stellt derartige Anschauungen über Atomverkettung oder Atom-
bindung sehr kurz durch Schemen wie die folgenden dar:
Ladbnbukc, Chemie. Tl. 3
114 Handwörterbuch der Chemie.
Ke=0 '-1
Die Striche bedeuten hier Valenzen.
Nach BuTTLEROw's Vorschlag nennt man solche Schemen Structurfonneln,
und dieselben sind namentlich in der organischen Chemie vielfach in Gebrauch
und dort auch, wo sehr zahlreiche Fälle von Isomerie beobachtet sind, von
grosser Wichtigkeit geworden. Die Aufstellung solcher Formeln beruht einerseits
auf dem Begriff der Valenz, indem jedes Atom mit dem ihm eigenthümlichen
Werth in der Formel erscheinen muss, andererseits aber auf dem thatsächlichen
Verhalten der Substanz, d. h. auf ihren Bildungs- und Zersetzungsweisen. Man
nimmt eben an, dass diejenigen Atomgruppen, aus denen der Körper entsteht,
oder welche bei der Zerlegung gebildet werden, auch bei der fertigen Ver-
bindung sich wenigstens bis zu einem gewissen Grad schon vorfinden.
Genauer auf die Art der Ableitung solcher Formeln einzugehen, ist hier
nicht möglich, doch muss hervorgehoben werden, dass nicht alle Verbindungen
in dieser Weise, d. h. durch Atomverkettung darstellbar sind. Es reicht der
Begriff Valenz nicht aus zur Erklärung aller Verbindungen, und zwar
giebt es 2 Klassen von Substanzen, welche eine derartige Auffassung nicht zu-
lassen: 1. die molekularen Verbindungen, 2. die ungesättigten Verbindungen.
Zu der ersten Klasse gehören alle Körper, bei welchen die Valenzen der
einzelnen Atome nicht hinreichen, um den Zusammenhang des Moleküls zu be-
wirken. Hierzu müssen also alle Verbindungen gerechnet werden, welche durch
die Vereinigung gesättigter Moleküle entstehen, d. h. alle Krystallwasser- (Krystall-
alkohol- etc.) Verbindungen, die meisten sogen. Doppelsalze, alle Ammonium-
verbindungen und Ammoniaksalze, das Phosphorpentachlorid, Jodtrichlorid,
Schwefeltetrachlorid u. s. f. Die Zahl dieser molekularen Verbindungen ist eine
sehr grosse, und wenn sie auch nicht gerade im Widerspruch mit dem Begriff
der Valenz stehen, so zeigen sie doch dessen begrenzte Anwendbarkeit. Da
ausserdem eine scharfe Definition für molekulare Verbindungen zu geben nicht
möglich ist, so erhält durch sie das ganze auf die Valenz gebaute System eine
grosse Unsicherheit.
Zu den ungesättigten Verbindungen zählt man alle diejenigen Körper, bei
welchen kein vollständiger Ausgleich der Valenzen statt hat, so dass man sie
auch Körper mit freien Valenzen nennt. Dahin gehören das Kohlenoxyd CO,
das Stickoxyd NO, das Stickstofliperoxyd NO,, die Isocyanüre wie CHj — N = C,
die einatomigen Moleküle der Elemente Quecksilber, Zink und Cadmium etc.
Die ungesättigten Verbindungen stehen in direktem Widerspruch mit der An-
nahme einer constanten Valenz. Sie sind ein Beweis dafür, dass die Elemente
nicht immer und nicht unter allen Bedingungen denselben Wirkungswerth be-
sitzen. Leider hat sich aber noch nicht bestimmen lassen, von welchen Grössen
die Valenz abhängt und in welcher Weise sie veränderlich ist, so dass also eine
wirkliche Theorie der Valenz erst zu schaffen ist. Jetzt weiss man nur, dass
vielfach bei erhöhter Temperatur die Valenz geringer wird.
Bemerkenswerth ist aber, dass trotz der sehr schwankenden Grundlage,
welche die Lehre von der Valenz bietet, diese in ihren Consequenzen nament-
lich zur Aufstellung von Structurformeln sehr ausgebildet ist, und dass hier viel-
Autoclav-.
115
fach eine erstaunliche Uebereinstimmung zwischen Theorie und Thatsache besteht.
Dies ist auch der Grund, weshalb die meisten Chemiker an der Valenzlehre festhalten.
Allerdings hat man versucht, diese dadurch annehmbarer zu machen, dass
man die Valenz nicht als eine bestimmte Eigenschaft eines Elements ansieht,
sondern als eine veränderliche Grösse, deren Maximum nur bekannt ist, das
aber durchaus nicht in allen Fällen, d. h. in allen Verbindungen erreicht wird.
Dadurch wird es freilich möglich, die ungesättigten Verbindungen in das all-
gemeine System aufzunehmen, andererseits aber wird dieses um so viel unsicherer,
da doch zugegeben werden muss, dass die Annahme einer wechselnden Valenz
nicht eine erkannte Gesetzmässigkeit ist, von der aus sich bestimmte Schlüsse
ziehen lassen.
Dies zeigt sich schon daran, dass das Maximum der Valenz bei vielen
Elementen sehr verschieden angenommen wird. Es tritt eben dann das Be-
streben hervor, auch die meisten oder alle molekularen Verbindungen als Atom-
verkettungen erscheinen zu lassen. Man nimmt daher den Stickstoff, den Phosphor,
das Arsen u. s. w. öwerthig an, um die Ammoniumverbindungen, das Phosphor-
pentachlorid etc. erklären zu können, das Jod wird 3 und selbst 5 und 7 werthig
vorausgesetzt, ebenso Chlor und Brom, der Schwefel erscheint 2, 4 und 6 werthig,
Kalium und Natrium gar 1, 2, 3, 4 und 5 werthig (17).
NBt solchen Principien lässt sich freilich viel, wenn nicht Alles erklären, es
fragt sich nur, ob hier noch Principien vorliegen.
Autoclav wird ein geschlossener Behälter
genannt, in welchem Substanzen über ihren Siede-
punkt erhitzt werden können. Da hierbei im
Innern des Gefässes ein bedeutender Druck ent-
steht, so müssen die Wände aus widerstands-
fiUiigem Material hergestellt sein. Zur Fabrikation
mancher Theerfarbstoffe, z. B. des Methylgrüns,
sowie zur Erzeugung einzelner der Theerfarben-
industrie dienenden chemischen Präparate, z. B.
des Mono- und Dimethylanilins verwendet man
oft mehrere hundert Liter fassende Autoclaven
von Guss- oder Schmiedeeisen, welche mit Mano-
meter, Sicherheitsventil und einem abschraub-
baren Deckel versehen sind (Fig 51).
Zur Erzielung einer gleichmässigen Wirkung
des Autoclaveninhalts ist häufig im Innern des
Apparates ein Rührwerk angebracht, dessen durch
eine Stopfbüchsenpackung luftdicht geführte Welle
von Aussen in Umdrehung gesetzt wird. Zum
Schutz der eisernen Gefässwände vor der Ein-
wirkung der Chemikalien werden jene in der
Regel innen emaillirt, oft stellt man auch nur
eben emaillirten Kessel von passender Grösse
m das Innere des Autoclaven. Die Dichtung
zwischen letzterem und seinem Deckel erfolgt
durch Vermittlung eines Bleirings, gegen welchen
der Deckel durch Anziehen der Schrauben fest
angepresst wird. Gewöhnlich erhitzt man solche
Ladenburg.
(Ch. 51.)
Il6 Handwörterbuch der Chemie.
Autoclaven im Oelbad, mitunter auch im Blei- oder Luftbad, wenn höhere
Temperatur verlangt wird. Der Druck, welchen die Gefasswände auszuhalten
haben, ist oft ziemlich bedeutend und steigt z. B. bei der Fabrikation des Dimethyl-
anilins bis zu 25 Atmosphären. Selbstverständlich müssen daher die Autoclaven
vor der Verwendung auf ihre Widerstandskraft geprüft werden, was in gleicher
Weise wie bei Dampfkesseln durch Einpumpen von Wasser zu geschehen pflegt
Für Laboratoriumsarbeiten in kleinem Maassstab dient gewöhnlich als Autoclav
eine unten zugeschmolzene Röhre aus starkem Glas (schwerschmelzbare böhmische
Glasröhren sind besonders empfehlenswerth), deren obere Oeffnung nach Ein-
fuhrung der zu erhitzenden Substanzen gleichfalls zugeschmolzen wird. Solche
Röhren legt man zum Schutz der Umgebung vor Glassplittern, die bei einer
etwaigen Explosion herumgeschleudert werden könnten, in eiserne Röhren, welche
gewöhnlich in einem Luftbade von geeigneter Constniction, häufig aber auch in
Wasser-, Oel- oder Parafünbädern zur gewünschten Temperatur erhitzt werden.
Die Glasröhren können oft ganz ausserordentlich hohen Druck aushalten, doch
dürfen sie niemals in heissem Zustand geöffnet werden, damit sie nicht nachträglich
zerschmettert werden. Nach völligem Erkalten umwickelt man die Röhre fest
mit einem Tuch und erhitzt die allein hervorragende Spitze in einer Gebläse-
flamme. Die er^veichte Spitze wird durch den oft auch in der erkalteten Röhre
vorhandenen Gasdruck aufgeblasen und letzterer dabei langsam aufgehoben.
Zur Erhitzung kleiner Flüssigkeitsmengen auf Temperaturen, bei welchen
noch kein bedeutender Druck entwickelt wird, dienen manchmal die sogen.
LiNTNER'schen Druckf laschen. Es sind dies starkwandige Glasflaschen, deren
glatt abgeschliffener Hals mit einer Glas- oder Kautschukplatte bedeckt ist, auf
welche eine Metallplatte mit Hülfe einer Schraubvorrichtung fest angepresst wird.
Der ganze Apparat wird in ein Wasser- oder Oelbad untergetaucht und findet z. B.
bei quantitativ analytischen Bestimmungen (zur Ueberflihrung der Stärke in Zucker)
vielfache Anwendung. Heumann.
Azoverbindungen.*) Mit dem Namen Azo Verbindungen werden die zahlreichen
Glieder einer im Molekül mindestens zwei Stickstoffatome enthaltenden Körper-
klasse bezeichnet, bei deren Bildung in der Regel wenigstens zwei Kohlenwasser-
♦) i) MiTSCHERLiCH, Ann. 12, pag. 311. 2) A. W. Hofmann, Ann. 115, pag. 362.
3) Thomsen, Ber. 13, pag. 1806, 2166. 4) Heumann, Ber. 13, pag. 2023. 5) V, Meyer und
CoNSTAM, Ber. 14, pag. 1455. 6) V. Meyfr u. Ambühl, Ber. 8, pag. 751, 1073,* u. Friese,
Ber. 8, pag. 1078, ferner Ber. 9, pag. 384. C. Kappeler, Ber. 12, pag. 2285. 7) E, Fischer
u. Ehrhard, Ann. 199, pag. 325. 8) J. pr. Ch. 36, pag. 93. 9) Rasenack, Ber. 5, pag. 364.
10) Alexkyew, B. I, pag. 324. 11) Glaser, Z. 1866, pag. 308. 12) Petriew, Ber. 6, pag. 557.
13) \Vai.i.ach, Belli u. Kiepenheüer, Ber. 13, pag. 525; 14, pag. 2617. 14) Heumann, Ber. 5,
pag. 911. Hofmann u. Geyger, Ber. 5, pag. 916. Laubenheimer, Ber. 7, pag. 1600; 8, pag. 1623.
Alexeyew, Z. 1866, pag. 269. Beilstein u. Kurbatow, Ann. 197, pag. 84. Gabriel, Ber. 9,
pag. 1408. 15) ZiNiN, Ann. 114, pag. 218. Schmidt, Z. 1869, pag. 421. Petriew, Ber. 6,
pag. 557. Fleischer, Ber. 9, pag. 992. Heumann, Ber. 5, pag. 912. Calm u. Heumann,
Ber. 13, pag. 1185. 16) Schmidt, Z. 1869, pag. 417; Ann. 122, pag. 174. Schraube, Ber. 8,
pag. 619. 17) Werigo, Ann. 135, pag. 176. Rasenack, Ber. 5, pag. 364. Glaser, Ann. 142,
pag. 364. SciLMiiT, J. pr. [2] 18, pag. 196. ScHMmT u. Schultz, Ann. 207, pag. 329. An-
scHÜTz u. Schultz, Ber. 9, pag. 1398. Baeyer, Ber. 7, pag. 1638. 18; Laurent u. Gerhardt,
Ann. 75, pag. 73. E. Fischer, Ann. 190, pag. 133. Petriew, Z. 1870, pag. 265. 19) Schmidt,
Ber. 5, pag. 480. Griess u. Martius, Z. 1866, pag. 132. Kekul^, Z. 1866, pag. 689. Grässler,
DiNGL., Pol. J. 232, pag. 192 u. Chem. Industrie 1879, pag. 49, 346. 20) Griess, Ann. 154,
pag. 208; 131, pag. 89. Claus u. Moser, Ber. 11, pag. 762. Mahrenholtz u. Gilbsrt,
Azoverbindungen. 117
Stoffreste durch die unter sich verbundenen Stickstoffatome zu einem Molekül
vereinigt werden. Nur wenige Verbindungen sind bekannt, bei welchen ein
Kohlenwasserstoflfrest beide auch unter sich verbundenen Stickstoffatome bindet.
In den bis jetzt dargestellten Azoverbindungen gehören die Kohlenwasserstoff-
radicale in den meisten Fällen der aromatischen Reihe an.
MiTSCHERLiCH (i) erhielt im Jahre 1834 durch Reduktion des Nitrobenzols
einen nach der Formel CgH^N zusammengesetzten, rothe Krystalle bildenden
Körper, welchem er den Namen Azobenzid gab und den er als Benzol auf-
fasste, in dessen Molekül 1 At. H durch 1 At. N ersetzt sei. Spätere Unter-
suchungen, insbesondere die Entdeckung des Azoxybenzols liessen es jedoch
wahrscheinlicher gelten, dass dem Azobenzol ein doppelt so grosses Molekül
zugeschrieben werden müsse, und als A. W. Hofmann (2) die Dampfdichte des
Azobenzols als der Formel Ci^HjoNj entsprechend fand, war die Frage ent-
schieden, und die Lösung fand ihre Bestätigung durch die Darstellung solcher
Derivate, in welchen auf 12 Atome Kohlenstoff nur 1 Atom Wasserstoff durch
die Nitro- oder Amidogruppe ersetzt ist.
Da die beiden Benzolreste CgHj im Azobenzol noch völlig intact erscheinen,
so ist anzunehmen, dass die beiden Stickstoffatome zusammen blos zwei Valenzen
äussern und also — wenn wir den Stickstoff als dreiwerthig ansehen — unter
sich mit doppelter Bindung gefesselt sein müssen.
Die Constitution des Azobenzols wird hiernach durch die Formel CgHjN
= NCgHj ausgedrückt.
Die bedeutende Stabilität der Azoverbindungen hat man vielfach auf diese
doppelte Bindung der Stickstoffatome zurückführen wollen, da ja auch in dem
sehr stabilen Stickoxydul NgO eine solche Bindung anzunehmen ist, aber aus
Thomsen's (3) neueren, auf die Verbrennungswärme basirten Untersuchungen
über die Constitution des Benzols scheint hervorzugehen, dass doppelte Bindungen
sich leichter lösen wie einfache und somit Körper solcher Constitution nur als
Uebergangsstufen zu Verbindungen mit völlig gesättigten Valenzen zu betrachten sind,
da erst in diesem Fall ein stabiles Gleichgewicht innerhalb des Moleküls erreicht wird.
Ann. 202, pag. 332. Laur, J. pr. [2] 20, pag. 264. Limpricht, Ber. 14, pag. 1356. Her. 15,
pag. 1155. Janovsky, ^. 2, pag. 221. Wien. Akad. Ber. 83, pag. 646; Ber. 16, pag. i486;
Ber. 15, pag. 1450. 2370. 2575. Griess, Ber. 15, pag. 2188. v. Reiche, Ber. 13, pag. 1747.
Rodatz, Ber. 16, pag. 237. 21) Griess, Ann. 154, pag. 211. Kimich, Ber. 8, pag. 1027. Kekule
0. HiDEGH, Ber. 3, pag. 234. Mazzara, J. 1879, pag. 465. 22) Hepp, Ber. 10, pag. 1652. An-
DREAE, J. pr. [2] 21, pag. 320. Schmitt u. Möhlau, J. pr. [2] 18, pag. 199. 23) Jaeger,
Ber. 8, pag. 1499. Weselsky u. Benedikt, Ann. 196, pag. 340. Bohn u. Heumann, Ber. 15,
P"g. 3037. 24) Baeyer u. Jäger, Ber. 8, pag. 148. Typke, Ber. 10, pag. 1576. R. Meyer u.
Kreis, Ber. 16, pag. 1329. 25) Stebbins, Ber. 13, pag. 44, 716. 26) Weselsky u. Benedikt,
Ber. 12, pag. 227. 27) Griess, Ann. 137, pag. 85. Ber. 9, pag. 627. 28) Card u. Schraube,
Ber. 10, pag. 2230. 29) A. W. Hofmann, J. 1863, pag. 424. Alexeyew, Z. 1868, pag. 497.
30) Schultz, Ann. 207, pag. 311. 31) Calm u. Heumann, Ber. 13, pag. 1181. 32) J. Lermon-
Tow, Ber. 5, pag. 232. 33) Schmidt u. Schultz, Ann. 207, pag. 327. 34) Rasenack, Ber. 5,
pag. 367. Claus, Ber. 8, pag. 39, 600; 6, pag. 723. 35) Ladenburg, Ber. 9, pag. 219. 36) Ja-
novsky, J. 1864, pag. 527. Melmo, Ber. 3, pag. 550. Barsilowsky, Ann. 207, pag. 103. Schmitt,
J. pr. [2] 18, pag. 198. 37) Petriew, Dissertat. Odessa 1872. 38) A. W. Hofmann, Ber. 10,
pag. 218. 39) Buckney, Ber. 11, pag. 1453. 40) Nietzky, Ber. 10, pag. 662. 41) Stebbins,
Ber. 10, pag. 574, 717. 42) Mazzara, Ber. 12, pag. 2367. 43) Ladenburg, Ber. 9. pag. 219.
44) Werigo, Z. 1865, pag. 312. 45) Nietzky, Ber. 13, pag. 471. 46) Doer, Ber. 3, pag. 291.
47) Lecco, Ber. 7, pag. 1290. 48) Chem. Industrie 1878, pag. 240. 49) Griess, Ann. 137,
pag. 61; Ber. 12, pag. 426. 50) Zimmermann, Ber. 13, pag. i960. 51) Wald, Ber. 10, pag. 137.
Ii8 Handwörterbnch der Chemie.
Im Gegensatz zu den leicht zersetzbaren Diazoverbindungen (s. d.) sind Azo-
körper gegen viele Reagentien sehr widerstandsfähig und ein Zerreissen des
Moleküls durch Trennung der StickstofTatome erfolgt nur in wenigen Fällen.
Eine gewisse Verwandtschaft der Azokörper mit den Diazoverbindungen zeigt sich
jedoch in dem leichten Uebergang der letzteren in Azoverbindungen und in der
Eigenschaft beider, beim Erhitzen unter Verpuffung zersetzt zu werden, was wohl
dem Stickstoff zugeschrieben werden müss, welcher durch die bei der Lösung der
Stickstoffbindung frei werdende Wärme plötzlich ausgedehnt wird. Die Diazo-
körper sind aber in weit höherem Grad explosiv als die Azoverbindungen, bei
welchen jene Erscheinung nur durch plötzliches, starkes Erhitzen bewirkt
werden kann.
Die Bildungsweisen der Azokörper sind verschiedener Art
Aus Nitro- und Nitrosoverbindungen entstehen sie durch Reduction,
z. B. 2C6H5NO, — 20 = CeH5Ns= NCeHj; aus Amidokörpern durch Wasser-
stoffwegnahme infolge der Einwirkung von Oxydationsmitteln oder Brom z. B.
2CgH5NHj — 2Hj = CßH5N = NCgH5, und aus Diazoverbindungen durch
Umlagerung. So geht Diazoamidobenzol CßHsN = NNHC^Hj über in Amido-
azobenzol CgHjN = NCgH^NHj. Femer treten Diazokohlenwasserstoffe
mit Phenolen zu Oxyazokörpem zusammen: CuHjNjNOj -H CgHs-OH
= C^HftN = NCeH^.OH -h HNO,.
In analoger Weise entstehen die sogen, gemischten Azokörper, bei
welchen die Reste verschiedener Kohlenwasserstoffe durch die Azogruppe
— N = N — verbunden sind und die mehrere derartige Azogruppen enthaltenden
complicirten Azokörper.
Von theoretischem Interesse ist noch die Bildung einiger Azoverbindungen
aus Nitroso- und Amidokohlenwasserstoffen unter Austritt von Wasser und
das Entstehen von Azobenzol aus Bromanilin und Natrium.
Die auf der Oxydation der Amidokohlenwasserstoffe durch Kaliumpermanganat
Chlorkalk, Bleisuperoxyd oder Zinnoxyd beruhende Darstellungsweise der Azo-
körper liefert im Allgemeinen eine geringere Ausbeute als die übrigen Methoden,
welche zum Theil hohe technische Bedeutung erlangt haben. — Zur Reduction
der Nitrokörper benutzt man nascirenden Wasserstoff, welcher sich aus alkalischen
Flüssigkeiten entwickelt (Natriumamalgam und Wasser oder verdünnte Essigsäure,
Zinkstaub und Natronlauge etc), sowie frisch gefälltes Eisenhydroxydul oder
Zinnchlorür. Auch durch Schmelzen oder längeres Erhitzen mit Aetzalkalien
werden manche Nitrokörper zu Azoverbindungen reducirt, wobei ein Theil des
Nitrokörpers selbst als Reductionsmittel dient und dabei zerstört wird. Natürlich
ist unter diesen Umständen die Ausbeute nur eine geringe. — Die Bildung von
Azokörpem aus Diazoverbindungen verläuft gewöhnlich fast quantitativ.
Durch die erwähnten Reactionen können nicht nur nitrirte, amidirte und
diazotirte Kohlenwasserstofie in Azokörper übergeführt werden, sondern auch die
entsprechenden Chlor-, Brom-, Jod-, Hydroxyl-, Carboxyl- und Sulfoderivate, so
dass die Zahl der entstehenden Verbindungen eine sehr beträchtliche ist Da
wir femer auch im Stande sind, jene Substitutionen nachträglich in den bereits
fertig gebildeten Azokohlenwasserstoffen eintreten zu lassen, so gelingt es auch,
zahlreiche Isomerien auf diese Weise darzustellen.
Während man bis jetzt vergeblich versuchte, an zweifach nitrirten oder ami-
dirten Kohlenwasserstoffen die Bildung zweier Azogruppen zu bewirken, gelang
es Ladenburg, einige Verbindungen herzustellen, welche sich von einem Molekül
AzoverbinduDgen. 119
Benzol durch Ersetzung zweier Wasserstoffatome durch zwei Stickstoffatome ab-
leiten lassen. (S. Azomonophenylen.)
Die erst in neuester Zeit näher untersuchten sogen. Dis- oder Tetrazo-
verb in düngen, welche im Molekül drei Kohlen wasserstoffireste durch zwei
— N == N — Gruppen verbunden enthalten, können auf zweierlei Weise dargestellt
werden.
Analog der Bildung des Oxyazobenzols (Phenol-Azo-Benzol) aus Diazobenzol
und Phenol erhielt P. Griess aus Diazobenzol und Phenol-Azo-Benzol einen
Körper von der Zusammensetzung CgHjNss NCgH4(OH)N = NCßH5. Card
überführte dagegen Amidoazobenzol in Diazo-Azobenzol und combinirte diese
Diazoverbindung mit Phenol zu dem Disazokörper CuHjN = C^H^N =
NC5H4(OH). Aus der Bildungsweise und den Reactionen dieser neuen Ver-
bindungen, welche als Vertreter höchst zahlreicher und als Farbstoffe wichtiger
Körperklassen zu gelten haben, ergiebt sich, dass die nach den beiden Methoden
dargestellten Körper mit einander isomer sind.
Azooxyverbindungen. Bei der Reduction der Nitroverbindungen zu Azo-
körpem erhält man häufig ein Zwischenproduct, welches aus 2 Molekülen des
Nitrokörpers durch Austritt von 3 Atomen Sauerstoff entstanden ist; das im
Molekül bleibende Sauerstoffatom steht mit den beiden Stickstoffatomen in Ver-
bindung, die unter sich daher nur mit einer Valenz gebunden sind. Die so gebil-
deten Körper hat man Azoxyverbindungen genannt und ihnen die Constitution
R'N — NR' (R' = einwerthiges Kohlenwasserstoffradical) zugesprochen. Sie
\/
O
gleichen in ihren Eigenschaffen und Reactionen in hohem Grade den eigentlichen
Azokörpem und gehen durch Reductionsmittel, welche den Sauerstofi wegnehmen,
in dieselben über.
Hydrazoverbindungen. Durch die Einwirkung stark reducirender
Agentien kann in den Azokörpem die doppelte Bindung der Stickstoffatome zur
Hälfte gelöst und durch Wasserstoff gesättigt werden, wobei sog. Hydrazover-
bindungen von der Constitution R'N — NR' entstehen, welche sich dadurch
I I
H H
auszeichnen, dass sie schon durch ganz schwache Oxydationsmittel, oft sogar
durch den Einüuss des Lufbauerstoffs ihren additionellen Wasserstoff verlieren
und in die entsprechende Azoverbindung zurückverwandelt werden. Durch
Berührung mit Säuren werden die indifferenten Hydrazokörper in der Regel in
Basen übergeführt, indem sie sich in Diamidoverbindungen desDiphenyls
oder seiner Homologen umlagern:
CeHjNH ^ CeH^.NH,
C«H,NH ~ CeH,.NH,
Hydrazobenzol Diamidodiphenyl.
Die Einwirkung von Reagentien auf Azokörper kann im Allgemeinen
auf zweierlei Weise erfolgen.
Entweder veranlassen sie Substitutionen in den Kohlenwasserstofiresten und
dann verlaufen die Reactionen genau so wie bei den isolirten Kohlenwasserstoffen
und die entstehenden Brom-, Nitro-, Sulfo- etc.Produkte zeigen einen den ent-
sprechend substituirten Kohlenwasserstoffen sehr ähnlichen Charakter — oder die
Reagentien bewirken eine Aenderung in der Bindung der Stickstoffatome.
Entweder wird die doppelte Bindung in eine einfache verwandelt und die
I20 Handwörterbuch der Chemie.
zwei frei werdenden Valenzen sättigen sich durch an die Stickstoffatome neu an-
gelagerte Atome eines andern* Elements, oder die Stickstoffatome werden völUg
von einander getrennt und das Molekül des Azokörpers spaltet sich in zwei
Moleküle eines substituirten Kohlenwasserstoffs. Diese tiefgreifende Wirkung wird
durch energische Hydrirung oder Halogenisirung ausgeübt. Im ersteren
Fall treten als Spaltungsprodukte Amidokohlenwasserstoffe auf: CgHgN^^NCßHj
+ 4H = 2C6H5NH3, im letzteren Fall bei sogen, durchgreifender Chloiirung
oder Bromirung bilden sich vollständig chlorirte Kohlenwasserstoffe, insbesondere
CßClß und CßBrg, während der Stickstoff als solcher austritt.
Die Ueberführung der Azokörper durch starke Reductionsmittel z, B. Zinn
und Salzsäure in Amine der betreffenden Kohlenwasserstoffe wird ganz allgemein
zur Erkennung der Constitution der Azokörper benutzt, da es hierbei in
der Regel gelingt, letztere in Componenten von bekannter Constitution zu zerlegen.
Erhält man z. B. bei der Reduction eines Dibromazobenzols nur Para-Monobrom-
anilin, so beweist dies, dass der Azokörper symmetrisch constituirt ist und die
Bromatome sich dem Stickstoff gegenüber in der Parastellung befinden.
Bezüglich derjenigen Reactionen, bei welchen eine Substitution in den
Kohlenwasserstoffresten des Azokörpers stattfindet, ist noch hervorzuheben, dass
die Anzahl der bei Ersatz von zwei oder mehr Atomen Wasserstoft durch andere
Atome oder Radicale entstehenden Isomeren eine weit grössere ist als bei4en
entsprechend substituirten Kohlenwasserstoffen. Befinden sich z. B. zwei Nitro-
gruppen im Molekül des Azobenzols, so können beide in demselben Benzolrest
stehen oder jeder Benzolrest enthält eine Nitrogruppe.
In beiden Fällen sind wieder weitere Isomerien möglich, je nachdem die
Nitrogruppen unter sich, sowie gegen den Stickstoff der Azogruppe in die Ortho-
Meta- oder Parastelle getreten sind. Sind in dem Azokörper bereits andere
Wasserstoffatome durch Chlor, Hydroxyl etc. substituirt, so entstehen noch weitere
Isomerien bei dem Eintritt einer Nitrogruppe u. s. f. Die Constitution der
betreffenden Producte lässt sich in den meisten Fällen durch Spaltung des Azo-
körpers mittelst Zinn und Salzsäure ermitteln.
Die Nomenclatur ist bei den Azoverbindungen vielfach eine verworrene; für
dieselben Verbindungen werden oft sehr verschiedene Namen gebraucht, die ihrer
Complicirtheit wegen mitunter schwer verständlich sind oder gar Missverständnisse
und Verwechslung mit Diazoverbindungen hervorrufen. Im Nachfolgenden werden
für die komplicirteren und sofern nöthig auch für die unsymmetrisch substituirten
Azokörper die Namen in der Art gewählt) dass das Wort — Azo — dieselbe Stelle
zwischen den Namen der Kohlenwasserstoffe einnimmt, welche der — N = N —
Gruppe in der Formel zukommt (4).
Azoverbindungen der Fettreihe.
Erst in neuester Zeit wurde eine nur Radicale der Fettreihe enthaltende
Azoverbindung entdeckt. Nitromethan und seine Homologen liefern bei der
Reduction sofort Amine, aber durch Behandlung von Aethylnitrolsäure CHj-
^^N'OH' ^^^ Natriumamalgam erhielten Vict. Meyer und Constam (5) einen
Körper, der allen Reactionen nach wohl als ein symmetrisches Dinitroso-
CH CH
Azoaethan, j^q'CHN = NCHj^q*, anzusehen ist. Wegen seiner Eigenschaft
mit Alkalien orangegelbe Salze zu bilden, wurde diese Verbindung Aethyl-
azaurolsäure genannt. Auch eine Propylazaurolsäure wurde auf analoge
Weise dargestellt
\
Aro Verbindungen. 121
Gemischte Azoverbindungen,
bei welchen die Kohlenwasserstoffreste zum Theil der Fettreihe, zum Theil der
aromatischen Reihe angehören, hat ViCT. Meyer (6) mit seinen Mitarbeitern
durch Einwirkung von Diazobenzolnitrat auf die Natriumverbindungen der Nitro-
kohlenwasserstoffe der Fettreihe dargestellt.
Benzol-Azo-Nitromethan (Azonitromethylphenyl) CßHjN = NCHj-NOj
scheidet sich als ein bald zu rothen, atlasglänzenden Nadeln erstarrendes Oel
aus, wenn stark verdünnte Lösungen von Natriumnitromethan und Diazobenzol-
nitrat vermischt werden. Der Process verläuft nach der Gleichung CHgNaNOg
-h CeHjNgNOa = CßHgN = NCHgNOa + NaNOj. Zur Reinigung des Körpers
löst man ihn in verdünnter Alkalilauge, fällt durch eine Säure und krystallisirt
aus Alkohol. Die Krystalle sind prismatisch; sie schmelzen unter Zersetzung
bei 153° und verpuffen bei stärkerem Erhitzen. In Wasser ist der Körper un-
löslich, wird aber von Benzol, Aether und Schwefelkohlenstoff leicht aufgenommen.
In concentrirter Schwefelsäure löst sich die Verbindung mit blauvioletter Farbe;
bei Wasserzusatz wird sie unverändert wieder ausgefallt. Den Alkalien gegenüber
tritt das Benzol-Azo-Nitromethan als starke Säure auf — eine Eigenschaft, welche
die höheren gleichfalls nitrirten Homologen des Körpers ebenso zeigen.
Benzol-Azo-Aethan, C6H5N = NC2H5, oder Azophenyläthyl, bildet sich
nach Fischer und Ehrhardt (7) bei der Destillation des Diäthyldiphenyl-
tetrazons, (C2H5)2N-N = N-N(CgH5)2, "^^' Wasserdampfund stellt ein stark
riechendes, hellgelbes Oel dar, welches sich direkt mit Jod verbindet und durch
Reductionsmittel in Benzol-Hydrazo-Aethan übergeht.
Benzol-Azo-Nitroäthan, CßKr^N = NCj^^NO, (Azonitroäthylphenyl),
wird in analoger Weise wie die correspondirende Methanverbindung aus Diazo-
benzolnitrat und Natriumnitroäthan dargestellt und bildet gelbe Krystallblättchen,
welche bei 136 — 137° schmelzen. Die Lösung färbt Seide schön goldgelb. Der
Körper bildet wohl charakterisirte Salze, welche jedoch auffallenderweise 2 Atome
des einwerthigen Metalles enthalten und also, da die Constitution nur ein durch
Metalle vertretbares Wasserstoffatom erwarten lässt, als basische Salze aufzufassen
sind. Durch Fällung einer Lösung von Nitroäthankalium mit conc. Natronlauge
wurde indess auch ein normales Benzol-Azo-Nitroäthannatrium erhalten. — Die
Salze der Alkalimetalle sind in Wasser löslich, diejenigen des Zinks, Platins und
Silbers werden dagegen als Niederschläge erhalten, wenn die Lösung des Kalium-
salzes mit den betreffenden Metallsalzlösungen vermischt wird.
Durch Einwirkung von Nitroäthannatrium auf Para-Bromdiazobenzolnitrat
wurde Brombenzol-Azo-Nitroäthan, CgH4BrN = NC2H4N02 erhalten, Meta-
Nitrodiazobenzolnitrat liefert Nitrobenzol-Azo-Nitroäthan, Diazotoluol giebt
Toluol-Azo-Nitroäthan u. s. f. Wird bei diesen Reactionen das Nitroäthan
durch Nitropropan oder Pseudonitropropan ersetzt, so entstehen gleichfalls
entsprechende Azokörper. Wendet man statt des Diazobenzols P-Diazobenzol-
sulfo säure (aus Sulfanilsäure) an, so bilden sich schöne Farbstoffe, welche aus
den Sulfosäuren der nitrirten gemischten Azokörper bestehen (C. Kappeler).
Azoderivate des Benzols.
Azoxybenzol, CgH.N — NCgHg, nennt man das aus Nitrobenzol bei ge-
\/
O
linder Reduction zunächst entstehende Produkt. Zinin (8) erhielt dasselbe bei
122 Handwörterbuch der Chemie.
Anwendung von alkoholischer Kalilauge als Reductionsmittel, doch ist die Rein-
darstellung des Azoxybenzols nach diesem Verfahren wegen der gleichzeitig ent-
stehenden harzigen Nebenprodukte mit einiger Mühe verbunden. Rasenak (9)
verwandte Natron statt des Kalis und behandelte den nach dem Abdestilliren
des Alkohols bleibenden Rückstand mit verdünnter Salzsäure und Chlorwasser.
Schliesslich ist das Azoxybenzol mit Benzol zu extrahiren. Alexevew (10) führte
die Reduction durch Zusatz von Essigsäure und Natriumamalgam aus, wobei in-
dess die Wirkung leicht zu weit geht, so dass ein Ueberschuss von Amalgam
vermieden werden muss. Klinger wendet Nätriummethylat an zur Reduction des
Nitrobenzols (Ber. 15, pag. 865, s. auch Moltschanowsky: Ber. 15, pag. 1575;
^6> pag- 81 u. Klinger, Ber. 16, pag. 941). Nach einer ungedruckten Beobachtung
des Ref. bildet sich bei der Digestion des Nitrobenzols mit einer zur weitergehenden
Reduction ungenügenden Menge an Zinkstaub und verdünnter wässriger Natronlauge
oder wässriirem Ammoniak ebenfalls Azoxybenzol, welches von unverändertem Nitro-
benzol durch Destillation mit Wasserdampf befreit werden kann und einen hohen
Grad von Reinheit besitzt — Auch aus salzsaurem Anilin kann durch Kalium-
permangat Azoxybenzol erzeugt werden [Glaser (i i)], und Azobenzol lässt sich
beim Erhitzen mit einer Lösung von Chromsäure in Eisessig auf 150** zu Azoxy-
benzol oxydiren [Petriew (12)], doch sind diese Bildungsweisen nicht zur Ge-
winnung des Körpers geeignet.
Azoxybenzol bildet hellgelbe Krystallnadeln, welche bei 36° schmelzen. Die
Niedrigkeit des Schmelzpunkts bewirkt, dass sich das Azoxybenzol aus seiner
alkoholischen Lösung meist zunächst als Oel ausscheidet, welches erst nach
einiger Zeit erstarrt. Gegen verdünnte Säuren und Alkalien verhält sich das
Azoxybenzol indififerent und selbst Chlor vermag es nicht anzugreifen, dagegen
geht es durch nascirenden Wasserstoff leicht in Azobenzol über. Dasselbe Pro-
dukt entsteht neben Anilin bei trockner Destillation des Azoxybenzols für sich
oder mit Eisenfeile. Salpetersäure erzeugt Nitroprodukte, concentrirte Schwefel-
säure löst den Körper, bildet aber nicht, wie zu erwarten wäre, eine Sulfosäure,
denn Wasser fallt aus jener Lösung neben unverändertem Azoxybenzol das da-
mit isomere Oxyazobenzol oder Phenol-Azo-Benzol, CgH^'OH-N = NCgHj,
welches als ein Phenol in Alkalien löslich ist und folglich mit Hülfe von Natron-
lauge vom Azoxybenzol getrennt werden kann (13). Bei weiterer Einwirkung
conc. oder rauchender Schwefelsäure werden Oxyazobenzolsulfosäuren gebildet.
Substitutionsprodukte des Azoxybenzols. Haloidderivate (14).
Da die Halogene Chlor und Jod auf Azoxybenzol ohne Wirkung sind, so
können Substitutionsprodukte nur dadurch erhalten werden, dass man die sub-
stituirenden Atome bereits in das zur Azoverbindung zu reducirende Nitrobenzol
einführt. Durch Erwärmen von Monochlor-, Monobrom- und Monojod-nitrobenzol
(Para- und Meta-) mit alkoholischer Kalilauge lassen sich symmetrisch substituirte
Dichlor-, resp. Dibrom- und Dijodazoxybenzole erhalten, welche alle eine gelb-
liche Farbe besitzen. Monosubstitutionsprodukte können auf diesem Wege natür-
lich nicht erhalten werden.
Para-Dichlorazoxybenzol, CgH^ClN — NCßH^Cl. Blassgelbe, seiden-
\/
O
glänzende Nadeln. Schmp. 155—156°.
Meta-Dichlorazoxybenzol. Schmp. 97°.
Azoverbindungen. 123
P-Dibromazoxybenzol. Schmp. 172°.
Meta-Dibromazoxybenzol. Schmp. 111—111,5°.
P-Dijodazoxybenzol. Schmp. 199°.
Tetrachlorazoxybenzol, CgHjCljN — NCgHjC^. Aus Dichlornitro-
\/
O
benzol und alkoholischem Kaliumsulf hydrat. Schmp. 141,5°.
Nitrokörper (15). Azoxybenzol liefert beim Auflösen in concentrirter
Salpetersäure zwei isomere Mononitroazoxybenzole, welche sich durch die
Schmelzpunkte (153° und 49°), sowie durch die verschiedene Löslichkeit in Alko-
hol unterscheiden.
Dem leichter schmelzbaren und löslichen Körper hat man den Namen Iso-
nitroazoxybenzol gegeben.
Trinitroazoxybenzol bildet sich bei Behandlung des Azoxybenzols mit
einem Gemisch von höchst concentrirter Salpetersäure und Schwetelsäure oder
beim Kochen von Azobenzol mit sehr conc. Salpetersäure. Gelbe, bei 152°
schmelzende Nadeln, welche in Alkohol und Aether schwer löslich sind und
aus Salpetersäure oder Benzol leichter krystallisirt erhalten werden.
Tetranitroazoxybenzol. Durch Eintragen von Diphenylsulfohamstoff in
rauchende Salpetersäure imd Fällen mit Wasser darzustellen. Gelbe, in Alkohol
schwer lösliche Krystalle.
Nitro-p-DichlorazoxybenzoL Weissliche, verfilzte Nadeln. Schmp. 134°.
Oxy- und Dioxytrinitroazoxybenzol, Ci9H^(OH)(N02)3N20 und
CijH5(OH),(NO0)5N,O, Durch Oxydation von Nitroazoxybenzol mit in Eisessig
gelöster Chromsäure bei 180° darstellbar.
Amidoderivate (16). Amidoazoxybenzol, CgH^NHjN— NCßHj, wird
\/
O
durch Reduction des schwer löslichen Nitroazoxybenzols mit alkoholischem
Schwefelammonium erhalten und ist eine bei 138,5° schmelzende, in rhombischen
Tafeln krystallisirende Base. Gleichzeitig bildet sich auch durch Wegnahme des
letzten SauerstofFatoms Amidoazobenzol. Man trennt die Chlorhydrate der
Basen durch Alkohol, in welchem dasjenige des Azoxykörpers leichter löslich ist,
als andere Salze.
Tetramethyldiamidoazoxybenzol, CQl{^^{CK^)^N^lfCQll^N(Cli^)^,
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O
ist bei Behandlung von Nitrosodimethylanilin mit warmer alkoholischer Kalilauge
erhalten worden. Zweisäurige Base.
Azobenzol, C6H5N = NC6H5.
Wie erwähnt, entdeckte Mitscherlich diesen Körper als ersten Repräsentanten
der Azoverbindungen, ohne die chemische Constitution desselben sofort zu erkennen.
Azobenzol (17) entsteht durch Reduction des in wasserhaltigem Aether ge-
lösten Nitrobenzols mittelst Natriumamalgam, wobei das zunächst gebildete Azoxy-
benzol weiter reducirt wird; femer bei trockner Destillation von Azoxybenzol
(am besten mit Eisenfeile) oder Hydrazobenzol (neben Anilin). Aus salzsaurem
Anilin entsteht es bei Einwirkung von Kaliumpermanganat oder Chlorkalk und
aus essigsaurem Anilin kann es einer interessanten Reaction zu Folge mittelst
Nitrosobenzol erhalten werden: C6H5NH2-hC6H5NO=HaO + C6H5N=NCgH5.
Parabromanilin liefert in ätherischer Lösung mit Natrium behandelt ebenfalls
1*4 Handwörterbuch der Chemie.
Azobenzol, doch scheint zunächst Hydrazobenzol gebildet zu werden, welches
sich an der Luft zu Azobenzol oxydirt.
Als Darstellungsmethode ist die Reduction des Nitrobenzols mit Zink-
staub und wässriger Natronlauge zu empfehlen. Die Mischung erhitzt sich von
selbst nach einiger Zeit und nimmt eine braune Farbe an. Nach dem Erkalten
wird der wässrige Theil abiiltrirt und der auf dem Filter befindliche Rückstand
mit Alkohol extrahirt. Sind die aus der Lösung zu erhaltenden rothen Krystalle
des Azobenzols in Folge zu weit gegangener Reaction mit weissen Nadeln von
Hydrazobenzol vermischt, so leitet man während einigen Minuten Chlorgas in
die alkoholische Lösung.
Azobenzol krystallisirt in bräunlichrothen Blättern oder Nadeln des rhom-
bischen Systems (Jeremejew und Alexejew, Russ phys. ehem. Gesellsch. 1882,
pag. 198), deren Schmp. bei 68° liegt (Griess); bei 293° verdampft es unzersetzt
Wird Azobenzol rasch erhitzt, so findet Zersetzung statt, in Folge deren Anilin,
Diphenyl etc. entstehen, bei plötzlichem starkem Erhitzen auf dem Platinblech
tritt schwache Verpuffung ein. In Wasser ist das Azobenzol unlöslich, dagegen
leicht löslich in Alkohol, Aether, Chloroform und Benzol. Aus der Benzollösung
scheidet sich beim Verdunsten die Verbindung CiaHioNg-CßHg in rhombischen
Prismen ab. — Chlor wirkt nicht auf Azobenzol, Brom bildet dagegen sowohl Sub-
stitutions- wie Additionsprodukte. Salpetersäure wirkt nitrirend, rauchende Schwefel-
säure sulfirend auf dasselbe ein und eine Lösung von Chromsäure in Eisessig
oxydirt es bei 150*^ zu Azoxybenzol.
Substitutionsprodukte des Azobenzols.
1. Haloidderivate. Para-Dichlorazobenzol ist durch Destillation von
P-Monochlomitrobenzol mit alkoholischem Kali erhalten worden und bildet röth-
lich gelbe Nadeln, die bei 184° schmelzen.
P-Dibromazobenzol (Schmp. 205°) kann analog dargestellt werden, bildet
sich aber auch bei direkter Einwirkung von Brom auf Azobenzol.
Metadibromazobenzol (Schmp. 125°), Meta- und Paradijodazobenzol
(Schmp. 150° resp. 237°) wurden dagegen durch Oxydation der betreffend sub-
stituirten Hydrazobenzole mit Eisenchlorid erhalten.
Tetrabromazobenzol, CgHjBrgN = NCgHjBrj, bildet sich beim Er-
hitzen einer alkoholischen Azobenzollösung mit Brom. Schmp. 320°.
2. Nitroderivate (18). Concentrirte Salpetersäure erzeugt mit Azobenzol
je nach der Stärke der Säure und der Dauer des Erhitzens Mono-, Di- oder
Trinitroazobenzol. Im letzteren Fall entsteht durch gleichzeitige Oxydation auch
Trinitroazoxybenzol.
Nitroazobenzol, Ci3H5(N02)N2, und Dinitroazobenzol , orangegelbe
Nadeln.
Trinitroazobenzol aus Trinitrohydrazobenzol und Quecksilberoxyd.
Dunkelrothe Prismen vom Schmp. 142°. Ein Isomeres aus Azobenzol und
Salpetersäure bildet gelbe, bei 112° schmelzende Blättchen.
3. Amidoderivate (19). Amidoazobenzol, CgHgN = NCeH4NH3, ent-
steht durch Reduction von Nitroazo- oder Nitroazoxybenzol mit alkoholischem
Schwefelammonium, sowie durch Einwirkung dampfförmigen Broms auf Anilin.
Weit wichtiger ist jedoch seine Bildung aus Diazoamidobenzol durch Umlagerung:
CgHjN = NNHCßHj = CgH^N == NCgH^NH^.
Diazoamidobenzol (Diazobenzolanilid) geht bei mehrtägigem Stehen seiner
1
k
Azoverbindungen. 125
alkoholischen Lösung mit ^ seines Gewichtes an salzsaurem Anilin in das iso-
mere Amidoazobenzol über Dieser Vorgang lässt sich durch die Annahme er-
klären, es wirke zunächst ein Molekül Anilin auf den Diazokörper ein, wobei die
Gruppe NHCßHj unter Aufnahme von einem Atom H aus dem Benzol rest des
Anilin abgespalten wird und dabei wiederum Anilin bildet, während der Rest
CgH^NHj an die Stelle der NHCßHj Gruppe im Diazoamidobenzol tritt:
C6H5N = NNHC6H5 + CßH^H-NHj =C«H5N=NC6H^-NH2-hNH2C6H5.
Zur Darstellung des Amidoazobenzols ist jedoch die vorhergehende Isolirung
des Diazoamidobenzols nicht erforderlich, es genügt, die zur Bildung desselben
nötigen Reagentien — Anilin und salpetrige Säure — bei Gegenwart überschüssigen
Anilins einige Zeit der Digestion zu überlassen. Man leitet z. B. gasförmiges
Salpetrigsäureanhydrid in eine warme alkoholische Anilinlösung, bis die Flüssig-
keit eine dunkelrothe Farbe angenommen hat und lässt dann digeriren oder man
mischt 2 Thle. salzsaures Anilin langsam mit 1 Thl. in Wasser gelöstem Natrium-
nitrit ohne die Temperatur über 60** steigen zu lassen, worauf das Gemisch
mehrere Tage stehen bleibt, bis sich das Reactionsproduct in concentrirter warmer
Salzsäure fast völlig lösst. Das überschüssige Anilin wird durch Zusatz von
etwas Wasser zur viel überschüssige Salzsäure enthaltenden Lösung der Chlor-
bydrate entfernt. Das salzsaure Amidoazobenzol scheidet sich in metallisch
schimmernden, fast schwarzen Nädelchen aus, während das Anilin gelöst bleibt
Das aus dem Chlorhydrat durch Ammoniak abgeschiedene Amidoazobenzol
bildet nach dem Umkrystallisiren aus Alkohol gelbe Nadeln, die bei 127,5°
schmelzen und sich sublimiren lassen. Die Amidogruppe nimmt der Azogruppe
gegenüber die Parastelle ein, denn bei der Reduction des Amidoazobenzols
durch Zinn und Salzsäure entsteht Para-Phenylendiamin und Anilin. — Die Base
ist einsäurig und vermag Säuren nur mit sehr geringer Kraft festzuhalten, so dass
die Salze beim Kochen ihrer wässrigen Lösung alle Säure verlieren. Die Salze
sind in Wasser schwer löslich und geben rothe, bei Gegenwart überschüssiger
Säure besonders lebhaft gefärbte Lösungen.
Früher fand die saure Lösung des Chlorhydrats, jedoch nur vorüber-
gehend, Anwendung in der Färberei, da sie schön roth färbt. Doch die Unecht-
heit der Farbe, welche schon durch Berührung mit Wasser in Gelb übergeht,
sowie die leichte Flüchtigkeit der Base beim Dämpfen der gefärbten Stoffe ver-
hinderte die weitere Benutzung. Durch Einführung einer Sulfogruppe in das
Molekül des Amidoazobenzols werden diese Nachtheile beseitigt, so dass ein
werthvoller Farbstoff entsteht (Säuregelb).
Amidoazobenzolsulfosäure kann nach Grässler sowohl durch Erhitzen
von 1 Thl. salzsaurem Amidoazobenzol mit 3—5 Thln. stark rauchender Schwefel-
säure erhalten werden, als auch durch Digestion von Diazobenzolsulfosäure (aus
Sulfanilsäure) mit Anilin. Die Amidoazobenzolsulfosäure wird mit Kochsalz aus-
gefällt und unter dem Namen »Säuregelb« in den Handel gebracht Beim Färben
aus schwach saurem Bad giebt sie schöne kanariengelbe Töne.
Amidoazobenzol liefert beim Erhitzen mit Alkohol und salzsaurem Anilin
auf 160** eine Base, das sogen. Azodiphenylblau, CigHisN^. Dasselbe ent-
steht auch aus salzsaurem Anilin nnd Nitrobenzol oder Anilin und Azoxybenzol.
Es gehört zur Klasse der Induline (s. Farbstoffe).
Substitutionsproducte des Amidoazobenzols werden durch die fruchtbare
Reaction zwischen Diazokörpern und Aminen erzeugt. Wird z. B. Diazobenzol-
lösung oder Diazobenzolsulfosäure mit Mono- oder Dimethylanilin oder mit
126 Handwörterbuch der Chemie.
Diphenylamin zusammengebracht, so entstehen durch directe Vereinigung
gelbe Farbstoffe, welche als Amidoazobenzol aufzufassen sind, in welchem der
Wasserstoff der Amidogruppe durch CHj resp. CgHj ersetzt ist. — Das Kalium-
salz der aus Diazobenzolsulfosäure und Diphenylamin entstehenden Verbindung,
C6H4(S03H)N = NC6H4NHCgH5, löst sich in Wasser mit gelber Farbe, welche
jedoch bei Zusatz von Mineralsäuren in Roth übergeht, während Essigsäure und
andere schwache organische Säuren diese auf der Abscheidung der Sulfosäure
beruhende Farbenänderung nicht herbeiführen. Alkalien stellen die gelbe Farbe
wieder her. Diese Eigenschaft des »Tropaeolin 00« genannten Farbstoffs
macht ihn als Indicator beim Titriren und zum Unterscheiden von freien Mineral-
säuren neben organischen Säuren geeignet.
Diamidoazobenzol, Chrysoidin, CgH5N = NC6H3(NH3),, ein orange-
rother Farbstoff, bildet sich aus Diazobenzolsalzlösung und Meta-Phenylendiamin.
Die Base stellt gelbe Nadeln vom Schmp. 117,5° dar. Mit 1 Mol. Säure bildet
sie beständige, mit gelber Farbe in Wasser lösliche Salze; auf Zusatz über-
schüssiger Säure färbt sich die Flüssigkeit carminroth.
Triamidoazobenzol, Phenylenbraun, CgH^NHgN == NCeHjCNH,)^ (?),
entsteht durch Diazotirung von 1 Mol. Meta-Phenylendiamin und ZufUgen eines
weiteren Moleküls Phenylendiamin. Die Base ist zweisäurig und bildet bei 137**
schmelzende braungelbe Blättchen. — Da der Eintritt der braunen Färbung
schon beim Zusammentreffen von höchst geringen Spuren salpetriger Säure mit
Phenylendiamin zu beobachten ist, so hat Griess das letztere als äusserst em-
pfindliches Reagens auf salpetrige Säure empfohlen.
Sulfoderivate des Azobenzol (20).
Azobenzolmonosulfosäure, C6H5N = NCgH^SOjH, wurde von Griess
durch Erwärmen von Azobenzol mit der 5 fachen Menge rauchender Schwefel-
säure auf 130° erhalten. Wenn sich eine Probe der Flüssigkeit in viel heissem
Wasser klar löst, wird die Flüssigkeit mit dem doppelten Volumen kalten Wassers
gefällt. Die Sulfosäure scheidet sich in rothen Kryställchen ab.
Die Azobenzolsulfosäure zeichnet sich durch die Schwerlöslichkeit ihrer
Alkalisalze aus. Sie liefert durch Reduction Sulfanilsäure.
Azobenzoldisulfosäure. Beim Erhitzen von Azobenzol mit Pyroschwefel-
säure auf 160*^ gelingt es zwei Sulfogruppen in das Molekül einzuführen. Es
entstehen gleichzeitig 3 isomere Säuren. Symmetrische Azobenzoldisulfosäuren,
C6H4(S03H)N = NC6H4(S03H), lassen sich durch Reduction der Nitrobenzol-
sulfosäuren mittelst Natriumamalgam, Eisenhydroxydul oder Zinnclilorür darstellen.
Sie gehen bei Einwirkung reducirender Körper in Hydrazobenzoldisulfosäuren
(Benzidindisulfosäuren?) über.
Oxyazobenzole.
Wird das Kaliumsalz der Azobenzolmonosulfosäure mit dem doppelten Ge-
wicht Aetzkali geschmolzen, so tritt nach Griess OH an die Stelle der Sulfo-
gruppe und beim Ansäuren der in Wasser gelösten Schmelze scheidet sich
Oxyazobenzol (21), Benzol-Azo-Phenol, CgHjN ^NCgH^ -OH, als
braungelber Niederschlag aus, welcher durch Erhitzen seiner ammoniakalischen
Lösung mit Thierkohle, Ausfallung mit Salzsäure und Umkrystallisirung aus
Alkohol rein zu erhalten ist. Gelbe, bei 151° schmelzende, warzenförmig
aggregirte, prismatische Kryställchen.
Dasselbe Oxyazobenzol erhielt Griess, welcher den Körper Phenoldiazo-
Axoverbindungen. 127
benzol nannte, durch Einwirkung von Baryumcarbonat auf gelöstes Diazobenzol-
nitrat. Kimmich gewann die Verbindung aus Nitrosophenol und essigsaurem
Anilin. Diese Bildungsweise lässt sich durch die Gleichung,
C6H4SS -^ CeH^NH, « H,0 + CgH^N = NCgH^ • OH,
erklären, obwohl noch andere Producte gleichzeitig entstehen.
Dass Oxyazobenzol aus Azoxybenzol durch Auflösen in conc. Schwefelsäure
und Fällen mit Wasser erhalten wird, ist bereits bei Azoxybenzol erwähnt worden.
Die bequemste Darstellungsmethode des Oxyazobenzols wird jedoch auf
die von Kekulä und Hidegh beobachtete für die Farbenchemie so folgenreiche
Reaction zwischen Diazobenzolnitrat und Phenolkalium oder -natrium begründet.
Die im äquivalenten Verhältniss gemischten, stark verdünnten Lösungen scheiden
nach einiger Zeit das Oxyazobenzol als harzigen braunen Niederschlag aus,
welcher in der bereits erwähnten Weise gereinigt wird.
Mäzzara empfahl 30 Grm. Kaliumnitrit in 4 Liter Wasser zu lösen und
20 Grm. Anilinnitrat nebst 20 Grm. Phenol in 2 Liter Wasser gelöst zuzufügen.
Nach 24 stündigem Stehen wird das Oxyazobenzol abfiltrirt
Das Oxyazobenzol ist in Alkohol und Aether leicht löslich, in Wasser schwer
löslich. Alkalilaugen und Ammoniak lösen es leicht. Mit Ersteren bildet das
Oxjrazobenzol bestimmte Salze, deren Lösung mit Silbemitrat einen gelben
Niederschlag, die Silberverbindung bildet Das Oxyazobenzol zeigt also ganz den
Charakter eines Phenols, was mit der Bildungsweise aus Azobenzolsulfosäure
übereinstimmt. Die Hydroxylgruppe befindet sich der Azogruppe gegenüber in
der ParaStellung, wie die Bildung aus Para-Nitrosophenol und Anilin beweist. —
Das Oxyazobenzol ist selbst ein gelbrother Farbstoff, praktische Anwendung fand
aber ihrer Löslichkeit wegen nur die mit rauchender Schwefelsäure daraus dar-
stellbare Sulfosäure, deren Natriumsalz denNamen Tropaeolin führt. Dieselbe
Sulfosäure wird auch direct durch Zusammenbringen von Para-Diazobenzolsulfo-
säure (aus Sulfanilsäure) mit Phenol erhalten (Griess) und diese Reaction beweist
für jene Oxyazobcnzolsulfosäure die Constitution als Phenol-p-Azo-p-Benzolsulfo-
säure, CgH^COHON = NCßH^CSOjH). (S. auch Wilsing, Ber. 16, pag. 239.)
Wendet man statt P-Diazobenzolsulfosäure Meta-Diazobenzolsulfosäure an
oder Hydroxyl-, Nitro-, Brom- etc. Derivate des Diazobenzols, so entstehen
Oxyazobenzole, in welchen der Phenolrest unverändert, der Benzolrest aber
hydroxylirt, sulfirt, nitrirt, bromirt etc. erscheint. Wird dagegen das Phenol durch
Nitrophenol, Phenolsulfosäure u. s. f. ersetzt, so entstehen neue Körperklassen,
welche als Oxyazobenzol oder Phenol-Azo-Benzol aufzufassen sind, dessen Phenol-
rest nitrirt, sulfirt u. s. w. ist.
Durch gleichzeitigen Ersatz des Phenols und des Diazobenzols durch
Substitutionsprodukte können voraussichtlich sehr zahlreiche Körper erhalten
werden, von denen jedoch die wenigsten bis jetzt dargestellt sind. Da femer die-
selben Reactionen bei den höheren Kohlenwasserstoffen erfolgen, das Phenol
also auch durch Cresol, Naphtol u. s. f., das Benzol durch Toluol, Xylol, Naph-
talin etc. ersetzt werden kann, so eröffnet sich eine unabsehbare Perspective auf
die Darstellung neuer Azokörper, von welchen viele gelbe, rothe oder violette
Farbstofife sind. In der That haben jetzt schon mehrere hierhergehörige Ver-
bindungen in der Färberei ausgedehnte Anwendung gefunden.
Azophenetole, CßH^(OC3H5)N = NCgH4(OCi|H5), sowie Azoxyphenetole,
128 Handwörterbuch der Chemie.
CeH4(OC2H5)N — NC6H4(OCjH5), entstehen durch Reduction von Nitro-
\/
O
phenetolen bei Einwirkung von Zinkstaub und alkoholischer Kalilauge. Auch
diese Verbindungen können weiter in Hydrazokörper umgewandelt werden, welche
bei Behandlung mit Säuren eine Umlagerung in Diamidodiphenetole,
CeH3(OC3H5)NH2
I erleiden.
CeHjCOC.HJNH^
Dioxyazobenzole
leiten sich vom Azobenzol ab durch Substitution von 2 Wasserstoflfatomen durch
Hydroxylgruppen. Es lassen sich nun verschiedene Isomerien voraussehen, je
nachdem beide Hydroxylgruppen in einen Benzolkern eintreten oder eine Hydroxyl-
gruppe von jedem Benzolrest aufgenommen wird; in beiden Fällen bedingt die
Stellung der Hydroxylgruppen zu einander resp. zur Azogruppe die Bildung
weiterer Isomerien.
Azophenole
oder symmetrische Dioxyazobenzole (23), C^H^-OHN = NCgH^-OH,
können durch Schmelzen von Nitro- oder Nitrosophenolen mit Aetzkali gewonnen
werden. Die Anwendung alkoholischen Kalis oder Zusatz reducirender Stoffe
führt nicht zum Ziel. Bei jenem Schmelzprocess wirkt ein Theil des Phenol-
körpers selbst als Reductionsmittel, natürlich auf Kosten der Ausbeute. Bei der
Zersetzung der Schmelze durch verdünnte Schwefelsäure scheidet» sich unreines
Azophenol in braunen Flocken aus, aus welchen die Verbindung durch Extraction
mit Aether rein gewonnen wird. Ortho- und Paraazophenol sind auf diese Weise
aus Ortho- und Paranitrophenol dargestellt worden; Paraazophenol auch aus
Paranitrosophenol und durch die typische Reaction zwischen salpetersaurem
Diazophenol (aus Para-Amidophenol) und Phenol: C6H4(OH)NjN03 -h CgH;^-
OH = HNO3 H- C6H4(OH)N = NCßH^COH). Das Para-Azophenol bildet also
das erste Glied einer für die Farbenchemie wichtigen umfangreichen Körperklasse,
welche durch Einwirkung von Diazophenolen, sowie deren Substitutions-
produkten und Homologen auf Phenole und deren Derivate und Homologe
entstehen.
Die Azophenole bilden gelbe resp. bräunliche Krystalle, die in Alkohol und
in Alkalien leicht löslich sind. Orthoazophenol schmilzt bei 171 ^ die Para-
verbindung bei 204°.
Unsymmetrische Dioxyazobenzole (24).
Den ersten Repräsentanten dieser Klasse erhielten Baeyer und Jäger durch
Vermischen einer verdünnten Diazobenzolnitratlösung mit Resorcin und über-
schüssiger KaUlauge. Nach Typke bilden sich hierbei gleichzeitig zwei isomere
Dioxyazobenzole, welche sich durch verschiedene Löslichkeit unterscheiden.
Ohne Zweifel sind beide Verbindungen nach der Formel CgHjN = NC6H3(OH),
zusammengesetzt und somit alsBenzol-Azo-Resorcinzu bezeichnen. Die Ver-
schiedenheit der Isomeren ist nur durch die Stellung der Hydroxylgruppen zur
Azogruppe bedingt. Wird bei jener Reaction das Diazobenzol durch Para- oder
Metadiazobenzolsulfosäure ersetzt, so entstehen Sulfosäuren des Azokörpers,
welche die Sulfogruppe im Benzolrest haben, und als Benzolsulfosäure-Azo-
Resorcin, CcH4(S03H)N = NC6H3(OH)2, zu bezeichnen sind.
Trioxyazobenzole (25) können durch Combination von Diazobenzol mit
Phloroglucin oder Pyrogallol, CeHjCOH)^, erhalten werden.
Azoverbindungen. 1 29
Zwei isomere unsymmetrische Tetraoxyazobenzole (26), CßH4(0H)N
= NCgH3(0H)j, Phenol-Azo-Phloroglucine, erhielten Weselsky und Benedict
aus salpetersaurem Diazophenol und Phloroglucin.
In neuerer Zeit sind auch mehrerere Fälle bekannt geworden, bei welchen
entgegen der seitherigen Ansicht Diazoverbindungen sich mit solchen Phenolen
und Amidokörpem vereinigen, in denen die Parastelle schon anderweit suf)stituirt
ist So gelang es Nölting u. Witt (Chemiker-Ztg. 1882, pag. 1330) Diazotoluol
mit Paratoluidin zu combiniren, R. Meyer u, Kreis (Ber. 16, pag. 1329) erhielten
aus p-Diazobenzolsulfosäure und p-Nitrophenol einen Azokörper, so dass die
frühere Angabe Mazzara's (Ber. 12, pag. 2367) aus Diazobenzol und p-Kressol
einen Farbstoff erhalten zu haben, nicht mehr unwahrscheinlich klingt.
Complicirte Azo-Körper. Dis- oder Tetrazoverbindungen.
So wie sich Diazobenzol mit Phenol zu Benzol-Azo-Phenol (Oxyazobenzol)
vereinigt, so lässt sich letzterer Körper, der auch ein Phenol ist, weiter mit
Diazobenzol combiniren zu der dem Oxyazobenzol sehr ähnlichen Verbindung
CeH6N = NC6H3(OH)N = NCeH5. Griess (27), der Entdecker dieses Körpers,
nannte ihn Phenobidiazobenzol, doch da die sehr stabile Verbindung keine
Diazoverbindung, sondern ein Azokörper ist und als Phenol aufgefasst werden
kann, an welches vermittelst zweier Azogruppen zwei Benzolreste gebunden sind,
so ist die Bezeichnung Phenol-disazo-benzol zweckmässiger.
Wird in . jener Reaction einmal statt Diazobenzol die entsprechende
Toluolverbindung verwendet, so resultirt ein Phenoldisazobenzoltoluol,
c.H,(OH)c:g:S?:g;.
Phloroglucin ist eigenthümlicher Weise im Stande, beim Zusammentreffen mit
Diazobenzol sofort 2 Moleküle desselben zu binden und sofort Phloroglucindisazo-
benzol, C5H(0H), C N = NC^H^' ^^ bilden, doch entsteht zuvor wohl ebenfalls
ein einfacher Azokörper.
Card und Schraube (28) haben noch eine weitere Klasse hierher gehöriger
Körper dargestellt, indem sie, analog der Ueberführung des Anilins in Diazo-
benzol, das Amidoazobenzol durch Zusatz von salpetriger Säure diazotirten und
das entstandene salpetersaure Diazo-Azobenzol, CßHj,N =NCßH4N = NN05,
N
mit Phenol combinirten, wobei ein Benzoldisazobenzolphenol, CßH4C^|^
= NC H
=:NC*H^-OH' ^^^^^'» welches mit dem GRiESs'schen Phenol-disazo-benzol (s. o.)
isomer ist.
Das Diazo-Azobenzol kann gerade wie Diazobenzol auch wieder mit Anilin
einen Amidoazokörper erzeugen, welcher seinerseits durch salpetrige Säure diazo-
tirt werden kann, so dass auf solche Weise sich sehr complicirte Azoketten auf-
bauen lassen. Bis jetzt besitzen wir jedoch noch keine nähere Kenntniss der
auf die angegebene Weise dargestellten Verbindungen.
In neuerer Zeit hat O. Wallach (Ber. 15, pag. 22) bei weiteren Unter-
suchungen über complicirte Azokörper gefunden, dass die zweiatomigen Phe-
nole, z. B. Resorcin und Orcin sehr leicht mit zwei gleichen oder verschieden-
artigen Diazoresten verbunden werden können. So gab ihm Benzol-azo-Resorcin
in alkalischer Lösung mit Diazobenzolchlorid zusammengebracht einen Körper
von der Zusammensetzung C8Hj(OH)2Cljyj^ j^q^jj^» welcher aus Chloroform
Ladcmburg, Chemie. U. 0
130 Handwörterbuch der Chemie.
in braunrothen Nadeln krystallisirte, aber ein Gemenge zweier noch nicht scharf
isolirter Körper war. Ebenso entstanden bei der Combination von Diazo-Azo-
benzol (diazotirtem Amidoazobenzol) mit Resorcin gleichzeitig mehrere nicht näher
untersuchte Verbindungen, von welchen wie bei den ersterwähnten Verbindungen
die schwerer lösliche sich mit blauer Farbe, die leicht lösliche mit rother Farbe
in Schwefelsäure auflöste. Aehnliche Körper wurden aus Resorcin-azo-p-toluol
und Diazobenzolchlorid erhalten, femer aus Resorcin-azo-naphtalin und Diazobenzol-
chlorid. Auch Xylol-azo-Resorcin wurde dargestellt. Bei Anwendung von diazo-
tirter Sulfanilsäure statt des Diazobenzols entstehen rothe und rothbraune Farb-
stoffe, welche der Berliner Actiengesellschaft für Anilinfarben patentirt wurden.
Aehnliche Verbindungen basischer Natur beschrieb P. Griess (Ber. 16, pag. 2028).
Aus salpetersaurem Diazobenzol und Chrysoidin bildet sich die Base Phenylen-
diamin-disazo-benzol CgH3(NH)3ClN^C*H*» welche aus heissem Chloroform
krystallisirt in dunkelrothen Nadeln erhalten wird. Analog entsteht aus Toluol-
azo-Phenylendiamin und Diazobenzolnitratlösung Phenylendiamin-disazo-benzol-
toluol und zwar bilden sich gleichzeitig zwei isomere Verbindungen. Wird anderer-
seits Benzol-Azo-Phenylendiamin (gewöhnliches Chrysoidin) mit Diazotoluol com-
binirt, so entsteht in geringer Menge eine identische Verbindung, die Haupt-
produkte beider Reactionen sind aber isomer. In ähnlicher Weise hat Griess
auch Disazoverbindungen hergestellt, welche ausser dem Phenylendiaminrest noch
Naphtalin-, Benzolsulfosäure-, Benzoesäure- etc. reste enthalten. Griess beschrieb
weiter die aus Diazoazobenzol und Phenylendiamin oder Toluylendiamin erhaltenen
Verbindungen z.B. Benzol-disazo-benzoltoluylendiamin CgH^CÜlM^jiq^r^H^fNH )
und deren Sulfoderivate, welche mit Hülfe von Diazoazobenzolsulfosäure gewonnen
wurden und braunrothe Farbstoffe sind.
Auch Verbindungen mit drei Azogruppen, z. B. Chrysoidin -disazo-benzol
NC6H4.N = NC6H5
I) hat Griess dargestellt.
NC6H,(NH,),.N = NCßH5
Azobenzolcarbonsäuren.
Carbonsäuren des Azoxybenzols, Azobenzols und Hydrazobenzols sind 4 be-
kannt und bilden sich durch Reduction von nitrirten Carbonsäuren des Benzols
und seiner Derivate.
Ortho-, Meta- und Paranitrobenzoesäure lieferte bei Behandlung ihrer alko-
holischen oder Natriumsalzlösung mit Natriumamalgam
Azoxybenzoesäuren, CeH4(COOH)N — NCßHJCOOH), und Azo-
\/
O
benzoesäuren*). In allen Fällen wird die gebildete Azosäure durch Salzsäure
gefallt. Die Azoxysäuren sind klein krystallisirt, die Azosäuren amorph, die Meta-
Azobenzoösäure bildet ein hellgelbes, die Para-Azobenzoesäure (Azodracylsäure)
ein fleischfarbenes Pulver. Azobenzoesäure (Para?) wurde von Ad. Claus
(Ber. 15, pag. 2331) auch durch Oxydation von Dibenzylamarin mit verdünnter
Salpetersäure bei 180—200° erhalten, neben Benzoö- und Paranitrobenzoesäure.
Hydrazobenzoesäuren entstehen aus den Lösungen der azobenzo^sauren Alkali-
salze durch Kochen mit Eisenvitriol lösung und Natronlauge und Ausfällen mit
Salzsäure. Die hydrazobenzoesäuren Salze absorbiren in wässriger Lösung Sauer-
•) Grikss, Ber. 7, pag. 1612. Claus, Ber. 6, pag. 723; 8, pag. 41.
Azoverbindungen. 131
Stoff aus der Luft und gehen in azobenzoesaure Salze über. Beim Kochen mit
Salzsäure lagert sich die Hydrazobenzoesäure analog dem Hydrazobenzol in
Diamidodiphensäure um.
Gemischte Azokörper, in welchen der Rest der Benzoesäure an Stickstoff
gebunden vorkommt, lassen sich analog dem Phenol-Azo-Benzol durch Combi-
nadon von Diazobenzo^säure mit Phenolen oder deren Sulfosäuren sowie mit
Amidokörpem herstellen.
Griess*) erhielt auf diesem Wege zahlreiche Derivate, welche z. Th. schöne
Farbstoffe sind, so z. B. Benzoesäure- Azo-Resorcin, CgH4(C00H)N
= NCßHj(0H)2; Benzoßsäure-Azo-ß-Naphtoldisulfosäure. Diazoanissäure, Diazo-
äthylsalicylsäure und Diazohyppursäure liefern ebenfalls mit Phenolen und ihren
Sulfosäuren gefärbte Verbindungen.
Auch Salicylsäure**) kann wie Phenol mit Diazobenzol zu einer Benzol-
Azo-Salicylsäure, CßHjNÄNCgHjViQ^jj, zusammentreten.
Hydrazobenzol, CgHjN — NCeHj.
H H
Eine charakteristische Eigenschaft des Azobenzols, wie seiner Substitutions-
produkte und höheren Homologen ist die Fähigkeit, bei Gegenwart kräftiger
Reductionsmittel oder nascirenden Wasserstoffs noch 2 Atome Wasserstoff zu
binden, wobei die doppelte Bindung der Stickstoffatome zur einfachen wird.
Die neu entstandenen sogen. Hydrazokörper zeigen jedoch grosse Neigung, den
angelagerten Wasserstoff wieder abzugeben. — Während Azobenzol und seine
Substitutionsprodukte und Homologen gefärbte Körper sind, zeichnen sich die
zugehörigen Hydrazoverbindungen durch Farblosigkeit aus. Diess giebt auch das
Mittel an die Hand, die Vollendung der Hydrirung zu erkennen.
Als Agens dient in alkalischer Flüssigkeit sich entwickelnder Wasserstof!,
also Natriumamalgam, oder Zinkstaub und Natronlauge, sowie alkoholische
Lösung von Ammoniumsulfid.
Am bequemsten löst man Azobenzol in alkoholischem Ammoniak und leitet
Schwefelwasserstoff ein bis zum Verschwinden der rothen Farbe (29). Aus der
vom niederfallenden Schwefel abfiltrirten Flüssigkeit wird das Hydrazobenzol
durch Wasser in weissen Flocken ausgefallt und bei möglichst abgehaltener Luft
aus Alkohol umkrystallisirt. — Nach Alexevew kocht man die alkoholische Lösung
des Azobenzols mit Zinkstaub bis zur Entfärbung und fallt dann die filtrirte
Lösung mit Wasser aus. Auch aus Nitrobenzol lässt sich Hydrazobenzol direkt
durch Reduction mit verdünnter wässriger Natronlauge und Zinkstaub darstellen,
wobei man die sich selbst erhitzende Flüssigkeit nicht abkühlt Nach dem Ver-
dünnen wird abfiltrirt und aus dem Rückstand das Hydrazobenzol mit Alkohol
ausgezogen.
Hydrazobenzol krystallisirt in weissen Tafeln oder Blättchen, welche bei
131^ schmelzen und bei höherer Temperatur in Azobenzol und Anilin zerfallen:
2CeH5N - NCeHjj = CeH^N = NCeH^ + 2C6H5NH,,
H H
Chlor oder oxydirende Stoffe verwandeln das Hydrazobenzol leicht durch
*) Gross, Her. 14, pag. 2032; 10, pag. 527.
•♦) Stebbins, Ber. 13, pag, 716.
9*
132 Handwörterbuch der Chemie.
Entziehung des an Stickstoff gebundenen Wasserstoffs in Azobenzol zurück.
Selbst der Sauerstoff der Luft vermag feuchtes oder in Alkohol gelöstes Hydrazo-
benzol in Azobenzol zu tiberfuhren und besonders rasch erfolgt diese Oxydation,
wenn eine alkoholische HydrazobenzoUösung mit Thierkohle behandelt wird, in
welchem Fall der in der Kohle absorbirte Sauerstoff die Wirkung hervorbringt —
Kräftige Reductionsmittel überfuhren das Hydrazobenzol durch Zufügung zweier
weiterer Wasserstoffatome in Anilin; CgHsN — NCßHg -f- Hj = 2C6H5NH,.
H H
Bei Berührung mit verdünnten Mineralsäuren erleidet das Hydrazobenzol
eine merkwürdige Uralagerung. An sich nicht basischen Charakters löst sich das
Hydrazobenzol in jenen Säuren und liefert gut krystallisirende Salze. Diese sind
CeH^NHj
jedoch Salze des Diamidodiphenyls, I , welches durch Umlagerung aus
CßH^NHj
CgHsNH
dem Hydrazobenzol, I , entstanden ist
CeHjNH'
Analoge Reaktion zeigen die meisten Substitutionsprodukte und Homologe
des Hydrazobenzols.
Das bei der Behandlung des Hydrazobenzols mit verdünnten Mineralsäuren
als Hauptprodukt entstehende Diamidodiphenyl hat die Amidogruppen in der Para-
stellung zu der die beiden Benzolreste zusammenhaltenden Kohlenstoffbindung
und führt gewöhnhch den Namen Benzidin. Gleichzeitig entsteht aber nach
Schulz (30) noch das isomere Dip he nyl in (Ortho-Diamidodiphenyl.
Substitutionsprodukte des Hydrazobenzols, in welchen der Benzol-
rest Veränderungen erlitten hat, sind nur aus entsprechend substituirtem Azoben-
zol oder Azoxybenzol durch Einwirkung von Reduktionsmitteln zu erbalten, da
beim Zusammentreffen des Hydrazobenzols mit den Haloiden, mit Salpeter-
säure etc. sofort unter Abspaltung von 2 Atomen Wasserstoff Azobenzol entsteht
Durch Erwärmen substituirten Hydrazobenzols mit verdünnten Mineralsäuren
entstehen im Allgemeinen Substitutionsprodukte des Benzidins; war jedoch das
Hydrazobenzol in der Parastelle durch Chlor, Brom, Jod substituirt, so findet jene
Umlagerung in die Diphenylbase nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen
statt, dagegen spaltet sich leicht der Hydrazokörper in Substitutionsprodukte
des Azobenzols und des Anilins (31). Azokörper, welche der Ortho- oder Meta-
reihe angehören, werden bei der Reduction durch Zinnchlorür in erwärmter
alkoholischer Lösung glatt in Diphenylbasen umgewandelt; Azokörper der Para-
reihe lagern sich am besten um, wenn die gemischten Flüssigkeiten in der Kälte
längere Zeit sich selbst überlassen werden. Sind die Azokörper durch Hydroxyl-
oder Amidogruppen substituirt, so werden sie nicht in Diphenylbasen verwandelt,
sondern an der Bindungstelle der Stickstofifatome gespalten und jede Molekül-
hälfte geht somit in einen Amidokörper über (G. Schultz, B. Bd. 15, pag. 1539).
Dinitroazobenzol, liefert bei Behandlung mit kaltem alkoholischen
Schwefelammonium, das in gelben Nadeln krystallisirende Dinitrohydrazo-
benzol (32) (Sdmip. 220°); in der Siedhitee bildet sich aber Diamidohydra-
zo benzol oder Diphenin, eine zweisäurige Base. Bei längerer Einwirkung jenes
Reduktionsmittels wird das Diphenin schliesslich in Para-Phenylendiamin überführt
Ein DiacetyUHydrazobenzol (33), in welchem die an Stickstoff ge-
bundenen Wasserstoffatome des Hydrazobenzols durch die Acetylgruppe ersetzt
sind, bildet sich bei der Einwirkung von Essigsäure-Anhydrid auf Hydrazobenzol.
Azoverbindungen. 133
Azophenylen
nannten Rasenack und Claus (34) eine bei trockener Destillation azobenzol-
sulfosaurer Salze und bei der Destillation von azobenzoesaurem Calcium mit
Äetzkalk erhaltene Verbindung, welche durch Auflösen in alkoholischem Ammoniak,
Einleiten von Schwefelwasserstoff, Krystallisiren und Sublimiren zu reinigen ist
und die Formel CjjHgNg besitzt.
In geringer Menge bildet sich das Azophenylen auch aus Azobenzol, wenn
letzteres vorübergehend der Glühhitze ausgesetzt wird.
Hellgelbe Nadeln, die bei 170 — 171° schmelzen und sich in conc. Schwefel-
säure mit dunkelrother Farbe lösen.
Charakteristisch für das Azophenylen ist seine Fähigkeit, direkt 2 Atome
Chlor oder Brom zu addiren und auf diese Weise Verbindungen zu bilden,
welche mit den entsprechend substituirten Azobenzolen nicht identisch, sondern
isomer sind und leicht die addirten Haloidatome wieder abgeben.
Auch HaloidwasserstofTverbindungen vermag das Azophenylen zu addiren
und damit krystallisirbare Verbindungen entsprechend der Formel CijHgNj'HCl
zu bilden.
Derivate eines nicht für sich dargestellten, ebenfalls Azophenylen genannten
Körpers, welcher die Formel CßH4N3 besitzt und darum wohl Azomono-
phenylen genannt werden kann, hat Ladenburg (35) untersucht.
Das Amidoazomonophenylen, CßHjNHjNj, entsteht beim Erhitzen
einer schwefelsauren Lösung von Ortho-Phenylendiamin mit Kaliumnitrit; ein Ni-
troamidoazomonophenylen bildet sich bei Einwirkung von salpetriger Säure
auf Nitrophenylendiamin.
Azoverbindungen des Toluols.
Die hierher gehörenden Verbindungen sind in ihren Eigenschaften den ent-
sprechenden Benzolderivaten sehr ähnlich> nur ist zu beachten, dass in der To-
luolreihe je nach der Stellung der Azogruppe zum Methyl verschiedene isomere
Azoxy-, Azo- und Hydrazokörper möglich sind.
Durch Reduction von Para-Nitrotuol (in 6 Thln. Alkohol gelöst) mit 4pro-
centigem Natriumamalgam (22 Thle.) bildet sich sowohl Para-Azoxytoluol (36)
C,H^(CH3)N — NCH4(CH3 (gelbe, bei 70° schmelzende Nadeln), als auch
\/
O
Para-Azotoluol, welches zur Reinigung am besten mit alkoholischem Schwefel-
ammonium in Hydrazotoluol überführt und durch Oxydationsmittel aus
letzterem regenerirt wird.
Para-Azotoluol krystallisirt in orangerothen Nadeln vom Schmp. 144° und
liefert beim Erwärmen mit Salpetersäure von 1,4 spec. Gew. ein Mononitro- und
em Dinitroazotoluol. Ersteres schmilzt bei 76°, letzteres bei 110°. Salpetersäure
von 1,54 spec. Gew. führt das Azotoluol beim Erhitzen in Trinitroazoxyto-
luol (Schmp. 201°) über. Dieser Körper sowohl wie auch Mono- und Dinitro-
azoxytoluol kann auch durch Nitrirung des Para-Azoxytoluols gewonnen werden.
Mononitroazoxytoluol schmilzt bei 84°, die Dinitroverbindung bei 145°.
Alkoholisches Schwefelammonium führt, wie erwähnt, das Para-Azotoluol in
Para-Hydrazotoluol (Schmp. 124°) über, welches sich bei Berührung mit
Säuren analog dem Hydrazobenzol zu Tolidin, einem Diamidoditolyl, umlagert.
Durch Oxydation von Para-Toluidin kann ebenfalls Para-Azotoluol gewonnen
134 Handwörterbuch der Chemie.
werden; bei Anwendung von übermangansaurem Kalium als Oxydationsmittel
bildet sich jedoch ausser der Paraverbindung noch ein isomeres Azotoluol.
Meta-Azotuol wird durch Behandlung von Metanitrotoluol mit alkoholischer
Kalilauge und Zinkstaub erhalten. Schmp. 54°.
Orthoazoverbindungen des Toluols (37) sind aus Orthonitrotoluol durch
Reduction mit Natriumamalgam dargestellt worden. Das bei dieser Reaction sich
bildende Ortho-Hydrazotoluol schmilzt bei 165°, oxydirt sich leicht an der
Luft zu Ortho- Azotoluol und soll durch salpetrige Säure in Azoxytoluol um-
gewandelt werden. — Amido-Ortho-Azotoluol bildet sich bei Einwirkung
von salpetriger Säure auf Ortho-Toluidin.
Ortho-Amidoazotoluol liefert mit salzsaurem Ortho-Toluidin einen Saffranin
genannten rothen Farbstoff, Cs^KjoN^.
Ein Diamidoazotoluol, das Toluol-Azo-Toluylendiamin, (38),
C7H7N = NC7H5(NH2)2, bildet sich nach A. W. Hofmann beim Zusammen-
treffen von Para-Diazotoluol mit Toluylendiamin vom Schmp. 99° Auch ein
symmetrisches Diamidoazotoluol oder ein Azotoluidin ist aus Nitrotoluidin erhalten
worden (39). Eine ausführlichere Arbeit über Azoderivate des Toluol wurde in
neuester Zeit von Barsilowski veröffentlicht (Ann. 207, pag. 102).
Toluol-Azo-Benzol. Ein gleichzeitig den Benzolrest und den Toluol-
rest enthaltender Azokörper ist durch Einwirkung von Para-Diazoamidobenzol
auf Ortho-Toluidin zu erhalten (40). Die Diazoverbindung wird mit dem zehn-
fachen Gewicht an Alkohol und der berechneten Menge salzsaurem Ortho-Tolui-
din versetzt und 4 bis 5 Stunden der Digestion überlassen. Auf Zusatz von
Salzsäure scheidet sich das Chlorhydrat einer Base aus, welche als Toluol-Azo-
amidobenzol, C7H7N = NCgH4"NH2 anzusehen ist.
Toluol-Azo-Phenol, C7H7N = NCgH40H, lässt sich entsprechend dem
Benzol-Azo-Phenol (Oxyazobenzol) darstellen.
Benzol-Azo-Toluylen-Diamin, C6H5N=NC7H5(NH2)a, (auch Diazoben-
zol-Diamidotoluol genannt), ist eine gelbe Krystalle bildende Base, welche aus
salpetersaurem Diazobenzol und a-Toluylendiamin erhalten wird (41).
Benzol-Azo-Cresol (42), CgHsNNC^He-OH.
Amidoazomonotoluylen (43), CgH3(CHj)NH3N2, entsteht aus ß-Toluy-
lendiamin und Kaliumnitrit. Farblose, bei 82° schmelzende Prismen.
Azoderivate des Xylols (44).
Nitroxylol wird bei Behandlung mit Natriumamalgam in Azoxylol, C^Hj
(CH8),N = NCgH3(CH3),, überführt, welches ziegelrothe Nadeln vom
Schmp. 120° bildet. Bei weiterer Einwirkung entstehen farblose Krystalle von
Hydrazoxylol.
Amidoazoxylol bildet sich durch Einwirkung salpetriger Säure auf Xyli-
din (45).
Auch Azoderivate des Cumols und Cymols sind darstellbar, doch noch
nicht näher untersucht
Azoverbindungen des Diphenyls (50).
Durch Reduction des Mononitrodiphenyls mit alkalisclier. Kalilauge bildet sich
CgH^ CgH^
Azoxydiphenyl, I 1 . Gelbliche, bei 205° schmelzende Krystall-
CßH^ N — NCgHs
\/
O
Azoverbindungen. 135
schuppen. Alkoholisches Ammoniumsulfid überführt es in das entsprechende
farblose Hydrazodiphenyl (247° Schmp.), welches durch Oxydation mit Eisenchlorid
CgHj CgXig
inAzodiphenyl, I I , übergeht. Orangerothe Blättcheni die bei
CgH4N = NCßH4
249—250° schmelzen.
Dinitrodiphenyle geben bei der Reduction mit Natriumamalgam und Alkohol
C6H4.NO2 CßH^NO,
Dinitroazoxydiphenyle (51), I I , es gelingt also nicht,
^6^4^ — NCgH^
O
beide Nitrogruppen in demselben Diphenylmolekül zu einer Azogruppe zu reduciren.
Azoverbindungen des Naphtalins.
Azonaphtalin (46), CioH7N= NC^oHy, ist am zweckmässigsten durch
vorsichtiges Erhitzen von Nitronaphtalin mit dem 20 fachen Gewicht Zinkstaub in
einer eisernen Schale mit aufgesetztem Trichter darzustellen. Der gebildete Azo-
körper sublimirt allmählich in den Trichter, doch ist die Ausbeute eine äusserst
geringfügige. Azonaphtalin bildet gelbe, bei 278° schmelzende Nadeln, welche
in Alkohol und Aether kaum löslich sind. Substitutionsprodukte des Azonaph-
talin sind noch nicht direkt erhalten worden, doch ist das
Amidoazonaphtalin (47), CjoH^N = NCioHßNHj, früher Azodinaphtyl-
diamin genannt, schon längere Zeit bekannt.
Es bildet sich analog dem Amidoazobenzol aus dem isomeren Diazoami-
donaphtalin, CioH7N = NNp tt , durch Umlagerung, doch stellt man
letzteren Körper nicht für sich dar, sondern digerirt die Lösung von 2 Mol. salz-
sanrem Naphtylamin mit 1 Mol. Kaliumnitrit und 2 Mol. Kalihydrat. Die
Temperatur und der Verdünnungsgrad sind von Einfluss auf die Reaction, da bei
zu starker Concentration oder zu hoher Temperatur Harzbildung eintritt. Der
beim Vermischen der Flüssigkeiten entstehende Niederschlag soll braunroth
(nicht dunkelbraun) aussehen und stellt die Base in unreinem Zii^tande dar.
Durch Auflösen in heissem Aether-Alkohol und Zusatz einer geringen Menge
heissen Wassers wird das Amidoazonaphtalin in braunrothen Krystallnadeln er-
halten, welche bei 173 — 174° schmelzen. Auch bei Einwirkung gasförmigen
Salpetrigsäure-Anhydrids auf Naphtylamin, sowie durch Oxydation des letzteren
mittelst zinnsaurem Natrium bildet sich jener Körper.
Die Lösung der Base in überschüssiger Säure ist schön violett gefärbt.
Technische Verwendung findet das Amidoazonaphtalin zur Herstellung des
Naphtalin- oder Magdalaroths, welches durch Erhitzen von salzsaurem
Amidoazonaphtalin mit Naphtylaminchlorhydrat dargestellt wird, also analog dem
>Azodiphenylblau€ genannten Farbstoff.
Oxyazonaphtalin(48), Naphtalin-Azo-Naphtol^CjoHjNssNNioHg'OH.
Zwei isomere Verbindungen von dieser Zusammensetzung sind analog dem
Oxyazobenzol aus salzsaurem Diazonaphtalin und a-resp. ß-Naphtol durch Ver-
mischen der Lösungen dargestellt, aber nicht näher untersucht wurden. Ihre
Sttlfosäuren sind schöne rothe Farbstoffe.
Gemischte Azoverbindungen, welche ausser dem Naphtalinrest noch Phenyl
oder seine Homologen enthalten, sind mit Hülfe der Diazoverbindungen darzu-
stellen, doch werden der Reaktionsweise entsprechend nicht die reinen Azo-
Kohlenwasserstoflfe, sondern deren Amido- oder Hydroxylderivate erhalten.
i36 Handwörterbuch der Cbemie.
BeTi7ol-Azo-Amidonaphtalin (49), CgHgN = CjoHg'NHj, bildet sich
beim Vermischen der wässrigen Lösung von salpetersaurem Diazobenzol mit al-
koholischer Naphtylaminlösung. Der sich abscheidende violette Krystallnieder-
schlag besteht aus dem Nitrat des Körpers und kann aus Alkohol umkrystallisirt
in rothenj grün reflectirenden Prismen erhalten werden.
Wird DJazobenzolsulfosäure (aus Sulfanilsäure) statt des Diazobenzols ver-
wendet, so bildet sich die entsprechende Sulfo säure, deren wässrige Lösung selbst
in gross ter Verdünnung durch Mineralsäuren intensiv magentaroth gefärbt wird.
Die Empfindlichkeit dieser Reaktion ist so gross, dass Griess, der Entdecker der-
selben, sie allen anderen Reaktionen zur Nachweisung von Spuren salpetriger
Säure %'Dr3!leht.
Zur Ausführung dieser Reaktion wird die auf salpetrige Säure resp. Nitrite
zu prüfende Flüssigkeit mit reiner Schwefelsäure angesäuert, mit etwas Sulfanil-
säurelösutig vermischt 10 Minuten lang stehen gelassen und dann mit einigen
Tropfen einer durch Thierkohle entfärbten Lösung von schwefelsaurem Naphtyl-
amin versetzt. Die geringste, durch andere Reagentien nicht mehr nachweisbare
Spur von salpetriger Säure bewirkt nach kurzer Zeit lebhafte Rothfarbung der
Flüssigkeit.
N a phtalin-Azo-Di am idonaph talin. Diamidoazonaphtalin ist aus Diazo-
naph talin und Naphtylendiamin zu erhalten und ebenfalls ein Farbstoff.
Tohiol-Azo-Amidonaphtalin und Nitrobenzol-Azo-Amidonaphta-
lin wird in analoger Weise mit Diazotoluol und Diazonitrobenzol dargestellt.
Auch duch Combinirung von Diazobenzol, Diazophenol, Diazobenzolsulfosäure,
Dia3!onaph talin, Diazonaphtalinsulfosäure (Diazonaphtionsäure), u. s. f. mit a-und
p-Naphtol ^^ erden zahlreiche Azokörper gebildet, welche sich durch ihre
färbenden Eigenschaften z. Th. in der Färberei Eingang verschafft haben. Die
Naphtole können auch durch ihre Sulfosäuren sowie durch Dioxynaphtalin er-
setzt werden und stets bilden sich in glatter Reaktion die betreffenden Azokörper.
Auch in complicirte Azokörper ist das Naphtalin eingeführt worden und
insbesondere sind die durch Combination von Diazo-Azo Verbindungen mit
jl-Naphtol erhaltenen Tetrazoverbindungen werthvolle Farbstoffe. Der von
NiETZKi entdeckte sogen. Biebricher Scharlach wird z. B. durch Einwirkung von
^-Naphto! auf die Diazoverbindungen der Amidoazobenzolsulfosäuren dargestellt
Gabruh. nnd Pabst (Bull. soc. chim. 63, pag. 119) erwähnten die Nuance der
Farbstoffe, welche beim Zusammentreffen von Diazonaphtalinsulfosäure oder
Diap:obenÄolsvüfosäure mit den verschiedensten Phenolen und Basen z. B. mit
Com lein j Kosin, Alizarin, Pikraminsäure etc. gebildet werden. Azofarbstoffe,
welche Naphtol-, Xylol-, Resorcin-, Phenanthrol- etc. reste enthalten, hat Stebbtns
(Ch. N. 43, pag. 58) beschrieben.
(S. Artikel: Farbstoffe). Hexjmann.
B
Barium.*) Geschichtliches. Die erste Barium Verbindung, welche die
Chemiker beschäftigte, war der Schwerspath. Im Jahre 1603 stellte Vinc. Cas-
ciAROLOy ein Schuhmacher in Bologna, das Reductionsprodukt dieses Sulfates dar.
Er fand am Berge Patemo das Mineral, in welchem er wegen der Schwere des-
selben Silber vermuthete. Dies Metall dachte er zu gewinnen, wenn er das
Pulver des Minerals mit Mehl mischte und glühte. Er fand, dass das Calcina-
tionsprodukt die Eigenschaft hatte, im Dunkeln zu leuchten. Dies Präparat wurde
als lapis solis oder Bononischer Leuchtstein allgemein bekannt; das Mineral,
aus welchem es dargestellt wurde, erhielt den Namen Bologneser Späth, tnarmor
metaüicum, Marggraf fand 1750, dass es Schwefelsäure enthalte; Scheei^ ent-
deckte 1774 die Baryterde darin und ermittelte seine richtige Zusammensetzung.
Bergman nannte die Erde terra ponderosa und Guyuon de Morveau 1779 Ba-
ratt oder Baryte (von ßapoc schwer). Berzeliüs hat ein Bariumamalgam darge-
stellt, Davv aus diesem das Metall (?) isolirt, das Bunsen und Matthiessen durch
Elektrolyse von Bariumchlorid erhalten haben.
•) 1) Bumsen, Ann. 92, pag. 248. 2) Maithiessen, Ann. 93, pag. 277. 3) Crookes,
Chem. Soc J. 8, pag. 294; Journ. prakt. Ch. 67, pag. 494. 4) S. Kern, Chem. News 31, pag. 243.
5) J. Donath, Ber. 12, pag. 745. 6) Brügelmann, Pogg. Ann. (2) 2, pag. 466. 7) Rammels-
BERG, Ber. 7, pag. 542. 8) Schöne, Ber. 13, pag. 803. 9) Lenoir, Wagn. Jahresber. 1867,
pag. 256. 10) Mohr, Arch. Pharm. 88, pag. 38. 1 1) Thenard, Ann. Chim. Phys. 8, pag. 308.
12} Liebig u. Wöhler, Pogg. Ann. 26, pag. 172. 13) Boussingault, Compt. rend. 32, pag. 261
n- 821. 14) Tessi^ de Motav, Bull. Soc. d'Encour. 1867, pag. 472. 15) Brodie, Jahresb. 1863,
pag. 315. 16) Wöhler, Ann. 78, pag. 125. 17) Chevreul, Ann. Chim. Phys. 84, pag. 285.
18) GoDiN, DiNGL. pol. J. 171, pag. 316. 19) Kuhlmann, Compt. rend. 47, pag. 403, 464, 674.
20) Fresenius, Ann. 59, pag. 127. 21) Krauss, Pogg. Ann. 43, pag. 140. 22) Croft, J. pr.
Oiem. 68, pag. 402. 23) Stolba, J. prakt Chem. 96, pag. 22. 24) Schöne, Jahresber. 1861,
pag. 122. 25) H. Rose, Pogg. Ann. 55, pag. 415. 26) Dumas, Ann. Chim. Phys, 32, pag. 364.
27) Wächter, Joum. prakt. Chem. 30, pag. 321. 28) O. Henry, Journ. de Pharm. 25, pag. 268.
29) Rammelsberg, Pogg. Ann. 90, pag. 16. 30) Kämmerer, Joum. prakt Chem. 90, pag. 190.
31) Millon, Ann. Chim. Phys. (3) 9, pag. 407. 32) Rammelsberg, Pogg. Ann. 44, pag. 545.
33) Garside, Chem. News 31, pag. 245. 34) Rammelsberg, Pogg. Ann. 67, pag. 391.
35) Rammelsberg, Pogg. Ann. 56, pag. 295. 36) Schiff, Ann. 105, pag. 239. 37) Kessler,
Pogg. Ann. 74, pag. 250. 38) Hess u. Lang, Joum. prakt Chem. 86, pag. 297. 39) Würtz,
Ann. Chim. Pharm. (3) 16, pag. 130, 40) Wackenroder, Arch. f. Pharm. 57, pag. 17.
41) VON Ammon, Otto's Lehrb. d. Chem. II. 2, pag. 490.
13^ Handwörterbuch der Chemie.
Vorkommen, beschränkt sich wesentlich auf zwei Mineralien, Schwer-
spath, Bariumsulfat, BaSO^ und Witherit, Bariumcarbonat, BaCOj. Selten
finden sich Barytocalcit, BaCOg, CaCOg, Barytocölestin, (BaSrCa)S04,
Psilomelan (MnBa)O +2Mn02, Harmotom, Hj(K2Ba)Al2Si50i5, Brew-
sterit, H4(SrBa)Al3Si60i8, Hyalophan, KgBa, 2Al3Si8024.
Darstellung und Eigenschaften. Das metallische Barium ist nur sehr
schwierig darzustellen. Davy isolirte es, indem er eine aus feuchtem Barythydrat
geformte Schale mit Quecksilber füllte und dieselbe auf ein Platinblech setzte
welches mit dem positiven Pol einer Batterie von 500 Elementen verbunden war,
während der negative Pol in das Quecksilber tauchte. Es bildete sich ein Amal-
gam (früher in ähnlicher Weise schon von Berzelius und Pontin dargestellt),
das beim Erhitzen in einer geschlossenen und mit Kohlenwasserstoff dampf ge-
füllten Röhre unter Abgabe des Quecksilbers einen Rückstand von Barium gab.
Davy hat unreines Barium auch durch Zersetzung von Baryt oder Chlorbarium
durch Kaliumdampf erhalten.
Clarke will es durch Reduction von Baryt auf Kohle mit Hülfe einer Knallgas-
flamme, aus 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Sauerstoff bestehend, erhalten haben.
BuNSEN hat es durch Elektrolyse von Chlorbarium, das mit salzsäurehaltigem
Wasser zu einem Brei angerührt ist und auf 100° erwärmt wird, dargestellt, wo-
bei der negative Pol aus einem amalgamirten Platindraht besteht. Das sich
bildende silberweisse Bariumamalgam wird in einem Kohlenschiffchen im Wasser-
stoffstrom erhitzt, wobei das Barium als eine sehr poröse metallglänzende Masse
zurückbleibt (i).
Matthiessen hat durch Elektrolyse von geschmolzenem Chlorbarium, dem
ein wenig Chlorammonium zugemischt ist, das Metall als gelbliches Pulver er-
halten (2).
Nach den Angaben von Ckookes (3) bringt man Natriumamalgam in eine
gesättigte Lösung von Chlorbarium und erwärmt auf 93°. Es bildet sich Barium-
amalgam. Man giesst die Flüssigkeit ab, setzt von neuem Lösung zu und er-
wärmt. Man wäscht das zerdrückte Amalgam, trocknet es und presst zwischen
Leinwand, um überschüssiges Quecksilber zu entfernen. Man destillirt aus dem
krystallinischen Amalgam das Quecksilber in einer Kohlenwasserstoff- Atmos-
phäre ab.
Nach Sergius Kern (4) wird Bariumoxyd durch heftiges Glühen mit Kalium
reducin. Das Metall wird durch Quecksilber extrahirt, und dieses wird aus dem
Amalgam durch Destillation entfernt. Leichter gelingt die Bildung des Metalles
aus Jodbarium durch Glühen mit Natrium. Aus der Masse wird ebenfalls das
Amalgam dargestellt.
Wie J. Donath gefunden hat (5), ist das aus Amalgam durch Abdestilliren des
Quecksilbers gewonnene Metall nie reines Barium, sondem enthält noch bis zu
77^ Quecksilber, welches selbst bei Weissgluth nicht ausgetrieben werden kann.
Das Barium ist nach Davy weiss, silberglänzend, (dann aber vermuthlich queck-
silberhaltig), nach BuNSEN, Matthiessfn, Donath gelb, dichter als concentrirte
Schwefelsäure, oxydirt sich leicht an der Luft und im Wasser unter lebhafter
Wasserstofientwicklung. Es schmilzt bei einer Temperatur höher als der Schmelz-
punkt des Gusseisens, ohne sich dabei zu verflüchtigen; es zersetzt Glas bei
dieser Temperatur. Es verbrennt nach Dayy mit röthlichem, nach Clarke mit
grünlichem Licht. Es ist etwas dehnbar. Das von Crookes dargestellte Metall
war schneidbar, enthielt aber vielleicht Natrium und Quecksilber.
\
Barium. 1 39
Das Atomgewicht des Bariums ist vielfach bestimmt worden, so von Berze-
Liüs, TuRNBR, Dumas, Pelouze, Marignac u. A. Die zuverlässigste Zahl ist
136-86. Das Vol.-Gew- beträgt nach Kern 3-75. In seinen Verbindungen ist
CS zweiwerthig. Seine Oxydationswärme (zu BaO) ist gleich 130380 cal.
Verbindungen.
I. Oxyde. Das Barium bildet mit Sauerstoff ein Oxyd BaO und ein Super-
oxyd, BaO,.
Das Bariumoxyd, der Baryt bildet sich durch direkte Oxydation des
Bariums. Man stellt es dar, indem man Bariumnitrat durch Erhitzen zersetzt, wo-
bei dasselbe stark aufschäumt. Die Temperatur muss die Weissgluth erreichen,
weil sonst Nitrit zurückbleibt, darf aber nicht zu lange anhalten, weil der Baryt
sonst bei Benutzung eines Porcellantiegels Kieselsäure und Thonerde, bei Be-
nutzung eines Platintiegels Platinoxyd aufnimmt. Brügelmann (6) hat es auf
diese Weise in Hexaedern krystallisirt erhalten. Nach Rammelsberg (7) entsteht
beim Glühen des Nitrats nicht BaO, sondern eine sauerstoffreichere Verbindung
von der Zusammensetzung 2BaO-i-Ba02.
Durch Erhitzen des Bariumcarbonats, auch gemischt mit Kohle (Russ) und
Traganthgummi, bei Weissgluth erhält man nicht leicht einen von Kohle und
Carbonat freien Baryt.
Ein technisches Verfahren zur Erzeugung von Baryt ist von Edm. J. Mau-
MENfi angegeben.*) Beim Erhiuen von Bariumsulfat mit Eisenoxyd auf 1000 bis
1200° entsteht eine von Wasser nicht angreifbare Verbindung FejOjBaO. Wird
diese bei Rothgluth mit Wasserstoff behandelt, so wird das Eisenoxyd reducirt
und der Baryt kann durch Lösen in Wasser von dem Eisenoxydul getrennt
werden. An Stelle des Bariumsulfats kann auch das Carbonat oder Sulfid benutzt
werden. Bei Anwendung des letzteren entsteht eine Verbindung Fe2S3*3BaO,
welche geröstet werden muss. Wenn man das reducirte Gemisch, also Fe2 H- BaO,
mit Schwefelbariumlösung behandelt, so wird auch aus diesem Baryt gewonnen:
Fe, H- BdO H- 2BaS -f- SH^O = 3BaO H- 2FeS -+- 2Hj.
Der Baiyt ist graulichweiss, zerreiblich, von 4-73 Vol. Gew. (Karsten),
schmelzbar in der Knallgasflamme zu einer undurchsichtigen weissen Masse. Der
Baryt wird durch Elektricität, femer durch Kalium reducirt; Chlor, Phosphor,
Schwefel, Schwefelkohlenstoflf zersetzen ihn in der Wärme. Bei dunkler Roth-
gluth absorbirt er Sauerstoflf und wird zu Bioxyd. An der Luft verbindet sich
der Baryt mit Wasser und Kohlensäure. Er ist eine starke Basis, ist sehr ätzend
und wirkt auf organische Stoffe und Pflanzenfarben wie Kali und Natron; er ist
sehr giftig. Mit Wasser zusammengebracht, verbindet er sich damit unter be-
deutender Wärmeentwicklung, die sich bis zum Glühendwerden des gebildeten
Hydrates steigern kann. Auch mit 2 Mol. Alkohol oder Methylalkohol verbindet
sich der Baryt.
Bariumhydroxyd, Aetzbaryt, Ba(0H)2, entsteht bei der Hydratation des
Baryts. Bei der Siedhitze nimmt dieser etwa 10^ seines Gewichtes an Wasser
auf. Beim Erkalten der Lösung bilden sich farblose, durchsichtige prismatisc\ie
Kiystalle von der Zusammensetzung Ba(OH) 2, 8H,0 (Schöne) (8). Beim Erwärmexv
wf m^ verliert dieses Hydrat 7 Mol. Wasser. Das achte Mol. KrystallwaÄsex
wird erst bei Rothgluth ausgetrieben. Das Hydratwasser kann nicht durch Wa.rxti^
•) Maümen^ D. Pat. No. 17385 v. 21. Juli i88l.
I40 Handwörterbuch der Chemie.
entfernt werden. Das Bariumhydroxyd, ein weisses Pulver, schmilzt bei Roth-
gluth. Durch Krystallisation bei sehr niedriger Temperatur kann sich ein Hydrat
mit 17 Mol. Wasser bilden.
Das Bariumhydroxyd wird auch durch Auslaugen des Zersetzungsproduktes
von Bariumcarbonat und Kohle mit heissem Wasser erhalten; femer durch Be-
handlung einer Lösung von Schwefelbarium mit Kupferoxyd, Zinkoxyd oder Man-
ganbioxyd; im Grossen durch Zersetzung von Bariumcarbonat durch Wasserdampf
bei Rothgluth BaCO, -+- H^O = BaCHO)^ -h CO^ (Lenoir) fy), Mohr (io) räth,
ein äquivalentes Gewicht Bariumnitrat in siedender Natronlauge von TIO bis
ri5 VoL-Gew. zu lösen, und die Lösung nach dem Filtriren langsam erkalten zu
lassen. Die ausgeschiedenen Krystalle können in einer Centrifugalmaschine ge-
trocknet werden. S. auch oben das Verfahren von Maümenä.
Die Lösung des Barythydrats in Wasser ist farblos und klar, trübt sich aber
bald, indem sich Bariumcarbonat bei Berührung mit der Luft bildet.
100 Thle. Wasser lösen bei 0° 20° 40*^ 60*" 80°
BaO 1-5 3-5 7-4 18-8 90*8
Die wässrige Lösung, das Barytwasser, wird zur Absorption der Kohlensäure
bei der Luftanalyse (vergl. pag. 79) und zu anderen analytischen Zwecken ver-
wendet; in der Technik nach dem von Dubrunfaut angegebenen Verfahren zur
Scheidung des Rohzuckers aus der Melasse.
Bariumsuperoxyd, BaOg. Der Entdecker, Thenard (ii), hat diesen Körper
bereitet, indem er einen Strom Sauerstoff oder reiner trockner Luft über dunkel-
rothglühenden Baryt leitete. Liebig und Wöhler (12) haben vorgeschlagen, auf
schwach glühenden Baryt nach und nach das vierfache Gewicht Kaliumchlorat
in kleinen Mengen zu streuen. Unter Erglühen bildet sich Bariumsuperoxyd,
das man nach dem Erkalten durch Waschen mit kaltem Wasser als Hydrat rein
erhält.
BoussiNGAULT (13) sowic Tessiä DU MoTAY (14) haben Apparate angegeben,
um im Grossen nach dem THENARD'schen Verfahren Bariumsuperoxyd zum Zweck
der Sauerstoffgewinnung darzustellen.
Nach Brodie (15) erhält man reines von Monoxyd freies Superoxyd durch
Trocknen des reinen Superoxydhydrats unter der Luftpumpe.
Das Bariumsuperoxyd ist ein fester, graulich weisser, geruch- und geschmack-
loser Körper, unlöslich in Wasser. Bei starkem Glühen verliert derselbe die
Hälfte seines Sauerstoffs. Da der zurückbleibende Baryt in schwacher Gluth
wieder Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen vermag, so ist dadurch die
Möglichkeit der Gewinnung reinen Sauerstoffs gegeben. Im Vacuum tritt schon
bei dunkler Rothgluth (450°) Dissociation des Superoxyds ein. Bei etwa
derselben Temperatur nimmt Baryt unter gewöhnlichem Druck Sauerstoff auf
(BoussiNGAULT, Compt. rend. 84, pag. 521).
Siedendes Wasser zersetzt das Bariumsuperoxyd in Barythydrat und Sauer-
stoff, Kohlensäure in Bariumcarbonat und Sauerstoff. Im Wasserstoffstrome er-
hitzt wird das Superoxyd unter Erglühen in Barythydrat umgewandelt. Kohle,
Bor, Schwefel, Phosphor und die nichtedlen Metalle entziehen ebenfalls das
zweite Atom Sauerstoff. Auch Schwefelwasserstoff und organische Körper werden
dadurch verbrannt.
Säuren in wässriger Lösung lösen das Bioxyd, indem sich ein Bariumsalz
und Wasserstoffsuperoxyd (s. dasselbe) bildet oder Sauerstoffentwicklung eintritt
Wie Wöhler angiebt, geräth Bariumsuperoxyd, in einem Strome Kohlen-
Barium. 14 1
oxydgas erhitzt, ins Glühen, wobei eine leichte Flamme auftritt. Stärker ist die
Erscheinung bei Anwendung von schwefliger Säure (i6).
Wenn Bariumsuperoxyd mit kaltem Wasser behandelt wird, so entsteht das
Hydrat desselben, welches nach Liebig und Wöhler die Zusammensetzung
BaOj, 6HjO besitzt. Derselbe Körper bildet sich, wenn man eine wässrige
Lösung von Wasserstoffsuperoxyd mit Barytwasser versetzt (Thenard), auch wenn
eine dünne Schicht Barytwasser lange Zeit hindurch in einer verkorkten Flasche
mit kohlensäurefreier Luft in Berührung bleibt (Saussure).
Reines Bariumsuperoxydhydrat erhält man am besten, wenn man das fein
zerriebene rohe Peroxyd in verdünnte Salzsäure einträgt, bis diese fast neutralisirt
ist Die filtrirte und abgekühlte Lösung wird vorsichtig mit Barytwasser versetzt,
bis die Kieselsäure etc. gefallt ist und ein schwacher Niederschlag des Hydrats
entsteht. Zu dem Filtrat setzt man so lange Barjrtwasser, als noch ein krystalli-
nischer Niederschlag entsteht. Das gewässerte Bariumsuperoxyd verliert im Vacuum
sein Krystallwasser. Aus den Lösungen gewisser Metalle, z. B. den Nitraten von
Mangan, Zink, Nickel, Kupfer, scheidet dasselbe die metallischen Bioxyde ab,
während das Barytsalz in Lösung bleibt. £s dient zur Darstellung des Wasserstoff-
superoxyds.
IL Bariumchlorid, BaClj,. Nach Davy wird Baryt durch Chlorgas zersetzt.
Salzsäuregas reagirt, wie Chevreul (17) zuerst beobachtet hat, heftig auf erwärmten
Baryt. Unter Entwicklung eines rothen Lichtes bildet sich Wasser und geschmolzenes
Chlorbarium. Auch wenn Baryt im Dunklen mit starker Salzsäure benetzt wird
zeigt sich eine Lichtentwicklung.
Man bereitet das Bariumchlorid gewöhnlich, indem man Witherit (Barium-
carbonat) oder Schwefelbarium mit Salzsäure behandeil, wobei sich Kohlensäure,
bezw. Schwefelwasserstoff entwickelt. Durch Eindampfen der Lösung und Um-
kiystallisadon wird es leicht rein erhalten. Im Grossen gewinnt man das Salz
wohl aus Schwerspath, indem ein Gemisch von 100 Thl. desselben mit 35 bis
50 Kohle, 40 bis 60 Chlorcalcium und 15 bis 25 Kalkstein geglüht wird. Von
dem entstandenen unlöslichen Calciumoxysulfid lässt sich das Chlorbarium durch
Auslaugen leicht trennen (Godin) (18).
Man kann nach einem Verfahren von Bela-Lach*) die besondere Darstellung
von Schwefelbarium aus Schwerspath vermeiden, wenn man bei der Reduction
des letzteren mit Kohle Chlorwasserstoff über die glühende Masse leitet. Unter
Entweichen von Schwefelwasserstoff entsteht gleich Chlorbarium.
Nach dem Verfahren von Kuhlmann (19) wird ein Gemisch von Steinkohle,
Schwerspath und Manganchlorür calcinirt. Letzteres wird durch Eindampfen der
Chlorfabrikationsrückstände, deren überschüssige Säure mit Kreide neutralisirt
worden ist, gewonnen. Von dem Mangan- (und Eisen-) Sulfid des Calcinations-
produktes wird das Chlorbarium durch Auslaugen getrennt.
Das Chlorbarium ist weiss. Bildungswäime (Ba, Clj) = 194250 cal. Es ist
leicht löslich in reinem Wasser, viel weniger in Salzsäure enthaltendem und in
Alkohol. 100 Thle. Wasser lösen
bei 0° 10° 20° 30° 40° 50° 60° 70° 80° 90° 100° 104°
Baa, 32-62 33*3 35-7 382 408 43-6 464 494 524 556 58'8 60-3.
Nach Fresenius (20) vermögen 7500 Thle. absoluten Alkohols bei 14°,
1800 Thle. beim Sieden 1 Thl. Salz aufzulösen.
Sein Geschmack ist bitter, es ist ein starkes Gift. Es schmilzt in der Roth-
♦) Bkia-Lach. D. Pat. Nr. 19188 v. 20 Dec. 1881.
142 Handwörterbuch der Chemie
gluth und bildet beim Erkalten eine durchsichtige Masse vom Vol.-Gew. 3*7.
Beim Erhitzen in Wasserdampf entwickelt sich schon unter der Schmelztemperatur
Salzsäuregas (Krauss) (21).
Das wasserfreie Chlorbarium erwärmt sich bei Berührung mit Wasser und
bildet ein Hydrat BaCl^, 2H2O. Wärmeentwicklung (BaClj -h 211^0) = 7000 cal.
Auch an der Luft absorbirt jenes Wasser. Aus der wässrigen Lösung krystallisiren
rhombische flache Tafeln (isomorph mit Kupferchlorid CUCI2, 2H2O; Maricnac),
die ihr Wasser erst über 200° verlieren. Das Vol.-Gew. beträgt 305. In 100 Thln.
Wasser lösen sich bei 15° 43*5, beim Siedepunkte 70*36 Thle. des krystallisirtcn
Salzes. Die heiss gesättigte Lösung siedet bei 104*4° Die Lösungswärme des
wasserfreien Salzes BaClg auf 400 Mol. Wasser bei 18° beträgt -h 2070 caL, die
des Salzes BaCij, 2HjO unter gleichen Umständen — 4930 cal.
Die Lösung des Chlorbariums (1:10) dient als Reagens auf Schwefelsäure.
Diese Säure muss alles Feuerbeständige aus der Lösung fallen.
Bari ambro mid, BaBr,, bildet ebenfalls ein krystallisirtes Hydrat BaBr,, 2H,0; VoL-
Gew. 4*23; M^rd erhalten durch Sättigen von Baryt, Bariumsulfid oder Bariumcarbonat mit Brom-
Wasserstoff, löst sich leicht selbst in absolutem Alkohol, in 100 Theilen Wasser lösen sich
J24-5 Theile bei 0°.
Baryumjodid, BaJ,, bildet nach Croft (22) ein Hydrat, BaJ,, 7H,0. Das wasserfreie
Salz ist weiss, unschmelzbar, sehr löslich in Wasser, auch in Alkohol, zieht aber nicht Wasser
aus der Luft an. Die wässrige Lösung zersetzt sich an der Laft.
Barium fluorid, BaFl^, weisses Pulver, wenig löslich in Wasser, unzersetzbar durch Hitz«.
Bariumfluorid-chlorid, BaFlCl, bildet sich, wenn man Natriumilaorid mit Bariumchlorid
mischt oder Bariumfluorid in Salzsäure löst und die Lösung mit Ammoniak neutralisirt Leichter
löslich .in Wasser, als das Fluorid, wird aber theilweise davon zersetzt, indem sich hauptsächlich
das Chlorid löst. ^
Bariumfluoborat, BaFl,2BoFl3, wird aus Fluorborsäure und Bariumcarbonat bereitet
Bei Ueberschuss des letzteren wird das gebildete Fluoborat zersetzt. Das Salz krystallisirt ans
der bis zur Syrupsconsistenz eingedampften Lösung in langen Nadeln, bei noch weiterem Ein-
dampfen in flachen ractangulären Prismen. Die Kry stalle enthalten 2 MoL Krystallwasser.
Bariumfluosilicat, BaFl,, SiFl^, fWt allmählich in kleinen Krystallen aus der Mischung
einer Lösung von RieselfluorwasserstofTsäure und einer Chlorbariumlösung; in kaltem Wasser,
sowie in Salzsäure sehr wenig löslich. Bei Rothgluth entweicht Fluorsilicium, und Fluorbarium
bleibt zurück. Vol. -Gew. 4-28. Ein Theil löst sich in 3731 Thln. Wasser von 17•5^ in
1174 ThhL beim Siedepunkt, in 448 Thln. Salzsäure von 4*5f bei 20— 22^ in 272 Thln.
Salpetersäure von 8(, 306 Thln. Salmiak-(gesättigt) und in 2185 Thln. Kochsalzlösung von 10 g^
Aus der siedenden Kochsalzlösung scheidet sich beim Erkalten Natriumfluosilicat aus. Durch
wiederholtes Glühen des Salzes mit Salmiak wird es allmählich in Chlorbarium umgewandelt
(Stolba 23). Die Unlöslichkeit des Fluosilicats ist ein analytisches Unterscheidungsmittel der
Barium- von den Strontiumsalzen.
III. Bariumsulfide. — 1. Einfach-Schwefelbarium, BaS.
Darstellung; a) Man leitet einen Strom WasserstofTgas über lebhaft glühendes Barium-
sulfat b) Man glüht Baryt im Schwefelwasserstoffstrome, c) Man leitet Schwefelkohlenstoff-
dampf über stark glühendes Bariumcarbonat oder -oxyd. Die Glühhitze kann ermässigt werden,
wenn man nach Schöne (24) dem Schwefelkohlenstoffdampf Wasserstoff, SchwefelwasserstoflT
oder Kohlensäure beimischt, d) Aus einem innigen Gemisch von Schwerspath- und Kohle- oder
Cokspulver werden mit Hülfe von Oel, Theer oder dergl. Ballen geformt, die im Tiegel stark
geglüht werden. Dieses Verfahren wird industriell in Flammöfen ausgeführt. Nach dem Erkalten
des Rohprodukts wird dasselbe mit Wasser ausgelaugt, und die Lösung dient dann zur Dar-
stellung von Bariumsalzen.
Das Baryummonosulfid ist weiss bis grau, unschmelzbar, langsam oxydirbajr
in Rothgluth. An feuchter I.uft zersetzt es sich unter Schwefel Wasserstoffen twicklung
X
Barium. 143
ZU Bariumthiosulfat und Bariumcarbonat. In Wasser ist es löslich, zersetzt sich
damit aber theilweise unter Bildung von Bariumsulfhydrat und -Oxysulfid.
Wenn man das rohe Schwefelbarium mit Wasser auskocht und die siedende Lauge in ein
Geßss filtrirti das sogleich fest geschlossen wird, so erhält man eine durch etwas Polysulfid gelb
gefilrbte Lösung, welche zunächst schuppenförmige Krystalle, dann ein Krystallpulver absetzt
Jene enthalten wahrscheinlich eine Verbindung von 4 Mol. Bariumhydroxyd (mit 9 Wasser) und
3 MoL Bariummonosulfid (mit 6 Wasser); während die pulverförmigen Krystalle aus gleichen
Molekülen Hydroxyd und Sulfid (mit 10 Wasser) bestehen. Die Flüssigkeit giebt nach weiterem
Eindampfen beim Erkalten Krystalle von gewässertem Bariumsulfid, BaS + 6H,0, in der Mutter-
lauge ist Bariumsulfhydrat, Ba(SH)2 enthalten. Dies ist nur schwierig frei von Oxysulfid
zu erhalten. Es krystallisirt mit 6 Mol. Krystallwasser, wird an der Luft gelb in Folge von
Oxydation. Es ist eine starke Sulfobase.
Das auf trocknem Wege dargestellte Bariumsulfid hat die Eigenschaft, im
Dunkeln mit orangegelbem Licht zu leuchten, wenn es vorher der Einwirkung
der Sonnenstrahlen ausgesetzt gewesen ist (s. o. pag. 137). Die Wirkung wird durch
die ultravioletten Strahlen des Spectrums hervorgebracht.
Bariumtrisulfid, BaS,. Darstellung: Man schmilzt 2 Thle. Monosulfid mit 1 Thl«
Schwefel, dessen Ueberschuss bei einer Temperatur von nicht über 360° verjagt wird (Schöne)
(24). Es bleibt eine gelbgrüne Masse, welche gegen 400° zu einer schwarzen Flüssigkeit
schmilzt und beim Erstarren schpiutzig grün wird. Ueber 400° entweicht Schwefel; erst bei
Rodigluth sind 2 Atome S auszutj^eiben.
Das Trisulfid löst sich in wirmem Wasser zu einer rothen, kalt rothgelben Flüssigkeit von
stark alkalischer Reaction. An d<tr Luft tritt Zersetzung ein. Beim Abdampfen bilden sich drei
Alten von Krystallen.
1. Gewässertes Bariummonosulfid, BaS, 6H,0, kleine gelblichweisse Tafeln. Dieser
Körper bildet sich auch beim Eindampfen einer Lösung von 5 Thln. Monosulfid und 1 Thl.
Schwefel im luftverdünnten Räume. Unlöslich in Alkohol, wenig löslich in kaltem Wasser.
Das Riystall Wasser entweicht zwischen 100 und 360°.
2. Bariumtetrasulfid, BaS4,H,0, rothe, blumenkohlartig angeordnete Nadeln, die sich
immer bilden, wenn eine Lösung von Bariummonosulfid mit Schwefel eingedampft wird. Die
Farbe geht allmählich in orange über; sie zeigen Dichroismus, gelb im durchfallenden, roth im
reflecttrten Licht Die Lösung verändert sich an der Luft, und Alkohol f^lt dann Tetrasulfid,
sowie zwei andere nicht analysirte Verbindungen, (Schöne) (24).
3. Orangegelbe Prismen von der Zusammensetzung 3(BaS, GH^O) -f- (BaS^jHjO)
+ 6HjO. Die Krystalle sind wenig beständig und verwittern an der Luft; sie zeigen denselben
Dichroismus wie die vorigen.
Bariumpentasulfid, BaSj, existirt nur in Lösung. Man stellt diese dar durch Kochen
einer Lösung des Monosulfids mit der genügenden Menge Schwefel. Beim Erkalten der ge-
sättigten gelben Lösung scheidet sich Tetrasulfid und Schwefel ab, in der zurückbleibenden
Flüssigkeit kommen 5S auf IBa. Bei weiterer Concentration, auch beim Stehen an der Luft,
scheidet sich das fUnfte Atom Schwefel ab. Die Lösung des Pentasulfids vermag beim Kochen
noch mehr Schwefel aufzulösen, der sich beim Erkalten in Octaederform wieder ausscheidet.
Bariumoxysulfide. Aus der wässrigen Lösung des Monosulfids scheiden sich zuerst
schuppige Krystalle von der Formel 4(Ba(OH)j, 9H,0)-f-3(BaS,6HjO), sodann kömige Krystalle
von der Formel, Ba(OH),, 8H,0 H- BaS, H,0. Nach längerer Zeit bilden sich grosse, farblose,
hexagonale Tafeln von der Zusammensetzung Ba(OH)3,, SH^O 4- 3(BaS,6Hj,0) (H. Rose) (25^.
Selen bar ium, BaSe, dargestellt durch Erhitzen eines Gemisches von selenigsaurem Barium
mit ^ seines Gewichtes Russ bei Rothgluth, bis sich kein Gas mehr entwickelt. Der Rückstand
tost sich in Wasser mit Ausnahme von etwas beigemengter Kohle. Die Verbindung zersetzt
sich wie Schwefelbarium in wässriger Lösung, indem sich Barythydrat und em höheres, mit gelb-
rother Farbe lösliches Selenid bilden. Diese Lösung wird durch Säuren zersetzt, indem sich
Sdenwasserstoff entwickelt und Selen niedermit. Bei Reduction von selenigsaurem Barium durch
Wasserstoff erhält man auch ein Gemisch von Barythydrat und höherem Selenid.
144 Handwörterbuch der Chemie.
T ellurbar ium. Unbekannt
Arsenbarium bildet sich, wenn Baryt in Arsendampf geglüht wird, in geringer Menge
neben arsenigsaurem Barium. Mit Wasser befeuchtet, entwickelt die Masse Arsen Wasserstoff
(Gay-Lussac, Soubeiran).
Phosphorbarium. Wenn mittelst eines WasserstofTstromes Phosphordampf über rotfaglUhenden
Baryt geleitet wird, so entsteht neben Bariumpyrophosphat auch Phosphorbarium, BaP,. Nach
Dumas (26) findet die Reaction statt: 7Ba0 4- 12P = .')BaP, -hBa^PjO^.
Der Körper ist dunkelbraun mit geringem Metallglanz und schmelzbar. Mit Wasser bildet
derselbe Phosphorwasserstoffgas und Hypophosphit Chlor greift denselben stark an unter
Bildung von Phosphorchlorttr, Bariumchlorid und -phosphat. — Nach Berzeuus erhitzt man Baryt
in einem Kolben mit langem Halse zum Glühen und wirft Phosphor in kleinen Stückchen darauf.
IV. Sauerstoffhaltige Salze.
Bariumchlorat, chlorsaures Barium, Ba(C103)j-H HgO. — Darstellung
durch Zersetzung von Kaliumchlorat mit Kieselfluorwasserstofi^ure und Neu-
tralisation der filtrirten Lösung von Chlorsäure durch Bariumcarbonat Vol.-Gew.
2-99. Löslichkeit in 100 Thln. Wasser: bei O"" 228 Thle., bei 20'' 37 Thle.,
bei 100° 126-4 Thle. Ba(C105)j. Die Lösungswärme auf 600 Mol. Wasser bei
18° beträgt — 11240 cal. Es krystallisirt unter Lichtentwicklung in monoklinen
Prismen mit 1 Mol. Wasser. Dieses wird bei 120° ausgetrieben, bei 250° be-
ginnt Sauerstoff sich zu entwickeln; bei 400° tritt Schmelzung des Chlorbariums
ein. Bei rascher Erhitzung explodirt das Chlorat (Wächter) (27). Durch Schlag
schon tritt Explosion ein, wenn dasselbe mit einem brennbaren Stoff gemischt
ist. Das Salz löst sich in 4 Theilen kaltem Wasser, leichter in siedendem. Ks
wird in der Feuerwerkerei zur Herstellung grüner Flammen benutzt.
Bariumperchlorat, Uberchlorsaures Barium, Ba(Q04)2 -{-4H,0. Darstellung
durch Neutralisation der Ueberchlorsäure mit Baryt oder Bariumcarbonat; durch Zersetzung von
Zinkperchlorat mit Barytwasser (O. Henry) (28). Es krystallisirt in langen Prismen aus Wasser,
in kurzen mit abgestumpfter Pyramide aus Alkohol. Sehr löslich in Wasser. Bei 100® ent-
weichen 2 Mol. Wasser; bei etwas höherer Temperatur das dritte; beim Entweichen des vierten
tritt Sauerstoffent^ickelung ein.
Bariumchlorit, chlorigsaures Barium. DarsteUung durch Neutralisation einer
Lösung von chloriger Säure mit Barytwasser und Abdampfen, zuletzt im Vacuum. Sehr löslich,
leicht zersetzlich; das wasserfreie Salz zersetzt sich bei 230^-
Bariumbromat, bromsaures Barium, Ba (Br03)2 + H,0. Darstellung durch Mischen
von 100 Thln. heiss gesättigter Kaliumbromatlösung mit einer siedenden Lösung von 160 Thln.
Bariumacetat oder 74 Thln. Chlorbarium und langsames Erkalten; die Mutterlauge liefert eine
zweite Krystallisation. (Rammelsberg) (29). Löslich in 130 Thln. kaltem, 24 Thln. siedendem
Wasser. Bei 200^ Krystallwasserverlust ; bei stärkerem Erhitzen heftige Zersetzung, mit Kohle
Detonation. Schwefelsäure oder Salzsäure entwickeln Brom.
Bariumperbromat, überbromsaures Barium, Ba(Br04),. Weisser Körper, selbst
in siedendem Wasser wenig löslich (Kämmerer) (30).
Bariumjodat, jodsaures Barium, BaQOj)]) + H],0. Darstellung durch
Fällung einer Lösung von Kaliumjodat mit Chlorbarium (Millon) (31); duix:h
Kochen mit Jodsäure werden Reste des Fällungsmittels aus dem Niederschlag
entfernt. Weisses, wenig lösliches Pulver; aus Salpetersäure krystallisirt es in mit
dem Chlorat und Bromat isomorphen Prismen (Marignac). Bei 15° in 1746 Thln.
Wasser löslich, bei 100° in 600 Theilen. (Rammelsberg) (29). Bei 130° ent-
weicht das Krystallwasser. Bei stärkerem Erhitzen entweicht Sauerstoff und Jod,
und es bleibt ein vierbasisches Perjodat.
Bariumperjodat, überjodsaures Barium. Das neutrale Salz ist nicht
bekannt.
1. Basisches Perjodat, BaQO^)^, BaO -h SHjO. Weisser Niederschlag,
Barium. )4S
beim Mischen der etwas angesäuerten Lösung des entsprechenden Natriumsalzes
mit Barythydrat Bei Rothgluth tritt folgende Zersetzung ein :
öCBaJjO^, 3H2O) = 2(Ba JjOia) -h 6J -h 210 H- löHjO.
2. Vierbasisches Perjodat, Ba(J04)2, 4BaO, entsteht aus 1. und beim
Glühen des Bariumjodats, öCBaJgOg) = Ba J^O^ 2 + 8J -4- 180.
Weiss, unlöslich in Wasser, löslich in Salpetersäure. Beim Mischen dieser
Lösung mit Ammoniak, oder beim Fällen einer Lösung von Natriumperjodat
mit Bariumnitrat erhält man einen etwas gelatinösen Niederschlag vonBa5j4 0i9
-h5H|0 oder BajJjOu -{- HjqJjOjj. Bei 100° entweichen Wasser und Sauer-
stoff (Rammelsberg) (32).
Bariumsulfat, schwefelsaures Barium, BaS04. — Vorkommen als
Schwerspath.
Bariumsulfat fällt immer als weisser Niederschlag aus, wenn die Lösung
eines Bariumsalzes mit Schwefelsäure oder einem gelösten Sulfat zusammenge-
bracht wird. Wird die Fällung in der Kälte ausgeführt, so geht der feine Nieder-
schlag leicht durch das Filter. Die Bildungswärme von (BaOgH^aq -h SOgaq),
welche sich aus der Neutralisationswärme und Präcipitationswärme zusammensetzt,
ist gleich 36900 cal.
Zur Darstellung im Grossen wird meistens eine Chlorbariumlösung mit
Schwefelsäure gefällt. Jene hat zweckmässig eine Concentration von 24 bis 25° B,
diese von 30° B. Die Fällung wird in der Kälte vorgenommen. Man erhält
dann eine Salzsäurelösung von 6° B. Es wird auch wohl eine Lösung von
Bariumsulfid mit Natriumsulfat zersetzt. Bisweilen wird es als ein Nebenprodukt
einer andern Fabrikation gewonnen.
Löslichkeit: 1 Theil bedarf 200000 bis 300000 Thle. Wasser. Bei Gegen-
wart von Säuren nimmt die Löshchkeit zu. 1 Thl. BaSO^ löst sich in
23000 Thln. kalter und 4887 Thln. warmer Salzsäure von 1-03 Vol.-Gew., in
9273 Thln. Salpetersäure von 102 Vol.-Gew., in 40800 Thln. Essigsäure von
1*02 Vol.-Gew. Bei der Fällung mit Chlorbarium in der Wärme wird von diesem
Salze etwas mitgerissen und kann nur sehr schwierig durch Auswaschen aus
dem Niederschlage entfernt werden. Auch in concentrirten Lösungen von
Ammoniaksalzen ist bei Abwesenheit von Schwefelsäure oder Sulfaten das
Bariumsulfat ein wenig löslich.
Anwendung: Das künstlich dargestellte Bariumsulfat wird als Fermanent-
weiss oder Blancfixe in der Drückerei, besonders der Tapetendruckerei, ver-
wendet. Der Schwerspath, welcher mit Kohle leicht zu löslichem Sulfid reducirt
werden kann, ist ein Hauptrohstoff zur Darstellung der Bariumverbindungen.
Bariumbisulfat, BaSO^, HjSO^, bildet sich, wenn Bariumsulfat oder ein
anderes Bariumsalz in Schwefelsäuremonohydrat gelöst wird. Wasser zersetzt das
Salz. Bei 100° scheiden sich aus der Lösung nadelartige Krystalle aus, die bei
160—180*' verschwinden, während sich prismatische Krystalle bilden. Beim
Erkalten tritt wieder Lösung ein (Th. Garside) (33).
Bariumsulfit, schwefligsaures Barium, BaSO,, bildet, durch doppelte Zersetzung
CTbalten, ein weisses unlösliches Pulver, löst sich in einer wannen wässrigen Lösung von
schwefliger Säure und krystallisirt beim Erkalten daraus in kleinen hexagonalen Prismen.
Beim Erhitzen in zugeschmolzener Röhre zerfällt es in Bariumsulfat und -sulüd (Rammelsberg) (34).
Bariumthiosulfat (Bariumhyposulfit, unterschwefligsaures Barium, BaS^O,
4-H,0, weisser Niederschlag nach Mischung der Lösungen von Natriumthiosulfat und Barium-
acetat, wobei Alkoholzusatz die völlige Ausfällung bewirkt. Verliert bei 170® Krystallwasser, bei
LAimoMnu;, Chemie. H. lO
146 Handwörterbuch der Chemie.
höherer Temperatur auch Schwefel. Bei Rothgluth ist die Zersetzung nach folgender Gleichung
vollendet: GBaSjOj =BaS -h 2BaSOs + SBaSO^ + 6S (Rammelsberg) (35).
Bariumdithionat, unterschwefelsaures Barium, BaS,Og2H30. Beim Fällender
Lösung des dithionsauren Mangans mit Barytwasser oder Schwefelbarium erhält man eine Lösung
des Bariumsalzes, welche nach der Concentration farblose Prismen liefert. Löslich in 1*1 Th.
siedendem Wasser und in 4*04 Thln. Wasser von 18^; unlöslich in Alkohol, sie decrepitiren beim
Erhitzen (Heerek). Bei langsamer Verdunstimg scheidet sich das Salz mit 4 Mol. Kiystallwasser
aus. Diese Krystalle verwittern an der Luft, indem sie 2 Mol. Wasser verlieren. Es sind
Doppeldithionate von Barium mit Natrium, bezw. Magnesium dargestellt worden (Schiff) (36).
Bariumtrithionat, BaSjOg -|- 2H,0. Durch Sättigen der Trithionsänre mit Barium-
carbonat und Fällung durch Alkohol erhalten. Glänzend weisse Schuppen, deren Lösung leicht
zersetzlich ist (Kessler) (37).
Bariumtetrathionat, BaS40g+2HjO, grosse Tafehi, löslich in Wasser, in ähnlicher
Weise wie das vorhergehende Salz dargestellt (Kesslfr).
Bariumpentathionat, BaSjOg+HjO. Durch doppelte Zersetzung erhalten. Leicht
löslich in Wasser, unlöslich in Alkohol. Die wässrige Lösung zersetzt sich beim Eindampfen,
wobei sich Krystalle bilden von der Zusammensetzung BaS^Og -f- BaSjOg -h 6HjO.
Bariumseleniat, selensaures Barium, BaSe04. Weisses Pulver, unlöslich in Wasser,
wird durch siedende Salzsäure in Selenit umgewandelt, durch Wasserstofif in der Hitze zu Selenid
reducirt.
Bariumselenit, selenigsaures Barium, BaSeO,. Das neutrale Salz ist ein weisses
in Wasser unlösliches, in Säuren lösliches Pulver. Wenn man eine Lösung von seleniger Säure
genau mit Bariumcarbonat neutralisirt, so erhält man bei langsamer Verdunstung ein saures Salz
in weissen kleinen Krystallen (Berzelius).
Bariumtellurat, tellursaures Barium, BaTeO^ + SHjO. Das durch doppelte Zer-
setzung erhaltene neutrale Salz ist ein weisses in Wasser wenig lösliches Pulver. Das BiteUurat
ist eine leichter lösliche flockige Masse, die durch fortgesetztes Waschen mit Wasser in neutrales
Salz und Tellursäure zersetzt wird. Das Quadritellurat ist noch löslicher in Wasser, in der
Wärme gelb (Berzelius).
Bariumtellurit, tellurigsaures Barium, BaTeO,. Weiss, voluminös, löslich in viel
Wasser. Auf trockenem Wege bereitet, sehr wenig in siedendem Wasser löslich. Durch Zer^
Setzung des neutralen Salzes mir verdtlnnter Salpetersäure entsteht ein Quadritellurit, BaTeO,,
STeOj, welches in der Rothgluth zu einem farblosen Glase schmilzt (Berzelius).
Bariumsulfotellurit, 3BaS +TeS^, bildet sich beim Kochen der beiden Bestandtheile.
Hellgelbe, wenig lösliche Prismen (Berzelius).
Bariumnitrat, salpetersaures Barium, Ba(N03)3. Darstellung durch
Einwirkung verdünnter Salpetersäure auf das rohe Sulfid oder auf Witherit und
Krystallisation. Bei Anwendung concentrirter Säure ist die Umsetzung nicht voll«^
ständig, indeifn sich auf dem Witherit eine Schicht Nitrat bildet und vom Sulfid
ein Theil zu Sulfat oxydirt wird.
Das Salz krystallisirt in weissen durchsichtigen regulären Oktaedern vom
Vol.-Gew. 3-185 (Karsten), 3*228 (Kremers), von bitter-salzigem Geschmack.
Beim Erhitzen decrepitirt es, schmilzt und zersetzt sich bei Rothgluth in Sauer-
stoff, Stickstoff, Untersalpetersäure und Baryt, detonirt schwach mit brennbaren
Körpern. Löslichkeit: 100 Thle. Wasser lösen
bei 0° 10° 20° 30° 40° 50° 60° 70° 80° 90° 100° 102°
Ba(N03)a 52 7*0 92 11-6 14-2 17-1 203 23*6 27-0 306 32*2 34-8;
unlöslich in Alkohol und in Salpetersäure. Die Bindungswärme (Ba, Oj, Nj, O4)
beträgt 229 750, die Lösungswärme des Salzes — 9400 cal.
Es sind Doppelsalze von Bariumnitrat mit Bariumacetat, mit Kaliumnitrat,
mit Bariumphosphat dargestellt worden.
Anwendung in der Feuerwerkerei.
Barium. 147
Bariumnitrit, salpetrigsaures Barium, Ba(N02), + H3O. Darstellung durch vor-
flchtiges Erhitzen des Nitrates. Etwa gebildeter Baryt wird aus der Lösung durch Einleiten von
Kohlensäure entfernt. Beim Eindampfen der filtrirten Lösung scheidet sich zunächst unzersetztes
Nitrat, dann das Nitrit aus. Man kann ersteres auch durch Alkohol fällen (Hess und Lang) (38).
Das Salz kann auch durch Einleiten von Salpetrigsäure-Dämpfen in Barytwasser dargestellt
werden; ganz rein durch Fällen einer Lösung von Silbemitrit mit Chlorbarium uud Krystallisation
des FUtrats.
Das Salz krystallisirt in langen hexagonalen Prismen oder in kurzen rhombischen Prismen,
ist also dimorph. Sehr löslich in Wasser, in 64 Thln. Alkohol von 94 f bei gewöhnlicher Tempe-
ratur. Bildet mit Kaliumnitrit ein leicht lösliches Doppelsalz, Ba(NOj)2 -f- 2KN0j -h HjO. Ein
ICckeldoppelsalz, 2Ba(NO,)2 + Ni(N02)2i ist ein hellrothes Pulver, das sich in Wasser mit
grüner Farbe löst
Bariumhypophosphit, unterphosphorigsaures Barium, Ba(H3P03)j
-h HjO, entsteht beim Kochen von Phosphor mit Barytwasser. Glänzende, sehr
biegsame Prismen, die sich am besten bilden, wenn die wässrige Lösung bis zur
beginnenden Trübung mit Alkohol versetzt wird. Das Krystallwasser geht bei
100° fort, das Constitutionswaser bei höherer Temperatur unter Zersetzung. Die
mit unterphosphoriger Säure behandelte wässrige Lösung liefert vierseitige Tafeln,
welche kein Krystallwasser enthalten. Im geschlossenen Gefässe erhitzt, giebt
das Salz Phosphorw'asserstofF aus und wird zu Bariumphosphat. Wird ein Stück
Kalihydrat in die Lösung gebracht, so entwickelt sich beim Erwärmen Wasser-
stoff und Bariumphosphit fallt nieder (Rose, Wurtz) (39).
Bariumphosphit, phosphorigsaures Barium, 2BaHP08 -+- H^O, bildet
sich durch doppelte Zersetzung, löslich, beim Glühen in Phosphat sich umwandelnd.
Das saure Salz, BaCHjPOj)^ -h HgO, bildet sich, wenn man das vorige in
phosphoriger Säure löst und langsam abdampft. Syrupartige Masse, aus der sich beim
Trocknen im Vacuum kleine Krystallkömer ausscheiden, die bei 100° HjO verlieren.
Bariumorthophosphat, orthophosphorsaures Barium,
1. Tribariumphosphat, Baj(P0^)3 -h H^O, durch doppelte Zersetzung mit
dem entsprechenden Natriumsalz erhalten.
2. Bibariumphosphat, BaHP04 oder BajH2(P04)a, durch doppelte Zer-
setzung, am besten mit dem Ammoniumsalz und Chlorbarium. Krystallinische
Schuppen, löslich in 20570 Thln. Wasser von 20°, etwas löslicher in Lösungen
von Ammoniaksalzen, Chlomatrium und Chlorbarium; freies Ammoniak befördert
die Unlöslichkeit; leicht löslich in Salpetersäure, Salzsäure, Essigsäure (in 400 Thln.
Essigs, von 1-032 Vol.-Gew). Aus der Lösung in Säuren fällt Ammoniak Triba-
riumphosphat oder dieses und das Bariumsalz; der Niederschlag enthält auch
Bariumchlorid (oder -Nitrat) und Ammoniaksalz (Berzelius, Wackenroder) (40)
3. Monobariumphosphat, BsiQi^TO^)^,
Darstellung: Man löst eine der beiden vorhergehenden Verbindungen in
Fhosphorsäure und dampft ein. Weisse Krystalle, löslich in verdünnten Säuren,
durch Wasser zersetzt in Bibariumsalz und Phosphorsäure. Aus der Lösung der
genannten Salze in Phosphorsäure scheidet sich auf Zusatz von Alkohol das Salz
2BaHP04 -t- Ba(HjPOJj -h dH^O ab.
Bariumpyrophosphat, pyrophosphorsauresBarium, Ba^Pj^Oj+H^O.
Pyrophospborsäure fallt Barytwasser, ein lösliches Salz jener Säure die Barium-
salze. Weisses amorphes Pulver, sehr wenig löslich in Wasser, löslich in Salpeter-
und in Salzsäure,- unlöslich in Essigsäure. Wenn man allmählich Chlorbarium -
lösung in eine siedende Lösung von Natriump3n'ophosphat giesst, so dass diese
im Ueberschuss bleibt, so fällt ein Doppelsalz ^'Sa.^?^^.^, GBa^PjO^ -i- CH^O aus.
148 Handwörterbuch der Chemie.
Bariummetaphosphat, metaphosphorsaures Barium.
1. Monobariummetaphosphat, Ba(P08)2, bildet sich wahrscheinlich,
wenn man Bariumcarbonat in gewöhnlicher Phosphorsäure löst, abdampft und bis
zu 316° erhitzt. Weisses Pulver.
2. Bibariummetaphosphat, Ba2(P03)4 H- 4H2O, erhalten durch doppelte
Zersetzung mit dem entsprechenden Natriumsalz. Krystallinischer Niederschlag,
schwer löslich in Wasser, in der Wärme durch Soda sowie durch Schwefelsäure
zersetzt, nicht durch conc. Salzsäure oder Salpetersäure, verliert bei 130° alles
Wasser und geht durch Glühen über in
3. Tribariummetaphosphat, Bag(P03)6 -|-6HijO.
Darstellung: 1 Th. Natriumsalz und 2 bis 3 Thle. Chlorbarium in conc.
Lösung geben eine Flüssigkeit, die nach der Filtration rhombische Prismen ab-
setzt. Bei 100° verlieren die Krystalle f ihres Wassers, den Rest in höherer
Temperatur.
4. Hexabariummetaphosphat, gelatinöser Niederschlag, der beim
Trocknen brüchig wird, löslich in Salmiak und in Salpetersäure.
Bariumarsenit, arsenigsaures Barium. BaHAsO,, in Wasser uDlösliches weisses
Pulver, durch Fällung erhalten.
Bariumarseniat, arsensaures Barium.
1. Tribariumarseniat, Ba, (As O ^ ) , , weisser krystallinisch werdender Niederschlag. 1 TU.
erfordert zur Lösung etwa 2000 Thle. kaltes Wasser, 33000 Thle. Ammoniakwasser; etwas lös-
licher in Salmiak, löslich in Essigsäure (Field).
2. Monobariumarseniat, BaHAsOf+H^O, durch Fällung einer Bariumlösung mit
Binatriumarseniat erhalten. Krystallinische Masse, wenig löslich in Wasser, löslich in Essigsäure.
Warmes Wasser zersetzt dasselbe in das saure Salz BaH4(As04)2, welches sich auflöst, und in
unlösliches Tribariumarseniat (MrrscHERUCH).
3. Barium-Ammoniumarseniat, BaNH^AsO^ + 2H,0, erhalten durch Fällung einer
Lösung von Bariumarseniat in Salpetersäure mit Ammoniak. Voluminöser Niederschlag, der sich
bald in prismatische Krystalle verwandelt.
Bariumpyrosulfarsenit, Ba^ASjSj, erhalten durch Digestion von Arsentrisulfid AS|S|
mit Schwefelbarium. Braunrothe, gummiartige, sehr lösliche Masse. Aus der wässrigen Lösung
fällt Alkohol normales Bariumsulfarsenit, Ba3(AsS,)3 in krystallinischen Flocken.
Bariumpyrosulfarseniat, Ba^jAs^S^, entsteht durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff
auf Bariumarseniat. Sehr löslich; die Lösung zersetzt sich beim Eindampfen. Alkohol flült aus
derselben normales Bariumsulfarseniat, Ba3(AsS4)2, als weissen amorphen Niederschlag,
während Bariummetasulfarseniat, Ba,(AsS,),, in Lösung bleibt.
Bariumantimoniat, Ba(Sb03),; durch Fällen von Kaliumantimoniat mit Barium-
chlorid als flockiger, krystallinisch werdender Niederschlag erhalten, in Überschüssigem Barium-
chlorid etwas löslich.
Bariumsulfantimoniat, Ba,(SbS4)3 + GH^O, entsteht beim Lösen von frisch gefälltem
Antimonpentasulfid in Schwefelbariumlösung. Alkohol AÜlt das Salz in weissen Nadeln, die an
der Luft durch Oxydation sich rasch braun färben.
Bariumborat Die verschiedenen Kaliumborate geben mit Qilorbarium entsprechend zu-
sammengesetzte Niederschläge, löslich in Ammoniaksalzen und in Chlorbarium, schmelzbar.
Bariumcarbonat, BaCO,. Vorkommen als Witherit, krystallisirt in rhom-
bischen Prismen, und in compacten Massen. Technisch kann dasselbe nach dem
D. Fat 22364 von K. Lieber aus .Schwerspath dargestellt werden, indem das
Pulver desselben mit 1 Aeq. Chlorcalcium, 4 Aeq. Kohle und ^ Aeq. Eisen ge-
glüht wird. Aus der Schmelze wird das entstandene Chlorbarium ausgelaugt.
Sulfide in den Laugen werden durch Einblasen von Lufl zerstört. Man leitet
dann Ammoniak und Kohlensäure ein, bis alles Carbonat ausgeschieden ist. Aus
Barium. 149
der entstandenen Salmiaklösung wird durch Aetzkalk das Ammoniak wieder in
Freiheit gesetzt. Das Verfahren wird auch zur Darstellung von Strontiumcarbonat
aus Coelestin angewendet.
Vol.-Gew. des Bariumcarbonats 4*29. Löslich in 14000 Thln. Wasser von
gewöhnlicher Temperatur, in 15400 Thln. kochendem Wasser, leichter löslich
bei Gegenwart von Kohlensäure. In dieser Lösung kann das in trocknem
Zustande nicht darstellbare Bicarbonat enthalten sein. Verliert in starker Glüh-
hitze seine Kohlensäure, leichter, wenn das Carbonat mit Kohle gemischt ist,
wobei Kohlenoxyd entweicht.
Um aus dem Carbonat Permanentweiss darzustellen, beschleunigt man die
Einwirkung der Schwefelsäure durch Zusatz von ein wenig Salzsäure.
Bariumthiocarbonat, thiokohlensaures, sulfokohlensauresBarium,
BaCSj, entsteht beim Schütteln von Schwefelkohlenstoff mit Bariumsuliidlösung
als kr3rstallinischer Niederschlag, P. Thenard*), als citronengelbe Masse bei
Einwirkung von Schwefelkohlenstoff auf krystallisirtes Schwefelbarium. 1 Thl.
löst sich in 66 Thln. Wasser. Beim Verdampfen der Lösung im Vacuum scheiden
sich gelbe durchsichtige Krystalle aus (Walter)**). Dumas hat das Bariumthio-
carbonat als Vertilgungsmittel der Phylloxera empfohlen.
Bariumsilicate. Die Mineralien, welche Bariumsilicat enthalten, sind oben
pag. 138 aufgezählt. Durch Fällung einer verdünnten Lösung von Alkalisilicat mit
Gilorbarium wird ein amorpher flockiger Niederschlag erhalten, Ba(Si03)2-|-xH30,
der in heissem Wasser nicht ganz unlöslich, in concentrirter Salzsäure löslich
ist (von Ammon) (41). Bariumsilicat findet sich in dem sogen. Bar3rtglas, Krystall-
^, in welchem Bleioxyd durch Baryt ersetzt ist.
Analytisches Verhalten der Bariumverbindunge.n. Die flüchtigen
Bariumverbindungen färben die nichtleuchtende Flamme gelbgrün. Das Spectrum
dieser Flamme ist ziemlich complicirt. Charakteristisch darin sind mehrere grüne
Banden. Die Löthrohrreacdonen bieten nichts Eigenthümliches dar.
Reactionen der Lösungen.
Die Aetzalkalien rufen nur in concentrirten Lösungen einen weissen
Niederschlag von Bariumhydroxyd hervor. Ammoniak fallt nichts.
Alkalicarbonat fällt den Bar3rt vollständig als weisses Bariumcarbonat.
Dies ist in Chlorammonium etwas löslich.
Schwefelsäure oder lösliche Sulfate fällen vollständig als weisses Barium-
sulfat, unlöslich in Wasser, wässrigen Alkalien und verdünnten Säuren. Sehr
empfindliche Reaction. «
Kieselfluorwasserstoffsäure: weisser krystallinischer Niederschlag, in
verdünnter Salzsäure nicht löslich.
Kaliumchromat fällt gelbes Bariumchromat, löslich in Säuren.
Natriumphosphat, auch -Arseniat und -Borat: weisse, in Säuren lösliche
Niederschläge.
Natriumjodat: weisser Niederschlag aus nicht allzu verdünnten Lösungen,
löslich in Salzsäure.
Oxalsäure und Oxalate fällen stark verdünnte Lösungen nicht.
Chlorsäure, Ueberchlor säure, Schwefelwasserstoff, Schwefel-
ammonium fällen nicht; Ferro- und Ferricyankalium weiss, nur in con-
centrirten Lösungen.
•) P. TKbnard, Compt. rend. 79, 673.
••) Walter, Chem. News 30» pag. 28; Jahresber. 1874, pag. 235.
1^0 Handwörterbuch der Chemie.
Unterscheidungsmittel der Barium- von den Strontium- und
Caiciumverbindungen: Färbung der nicbtleuchtenden Flamme und Spectrum ;
VerhalteTi gegen Chromate und KieselfluorwasserstofF. Ba-Lösungen werden
durch eine Lösung von Gyps oder Strontiumsulfat getrübt. Chlorbarium ist in
absolutem Alkohol weit weniger löslich, als Chlorstrontium und Chlorcalium.
Aehnlich ist das Verhalten der Nitrate. Oxalsäure fällt neutrale Calciumlösungen
vollständig, Bariumlösungen nicht.
Die quantitative Bestimmung des Ba geschieht am besten als Sulfat
Die schwach saure, erwärmte Lösung wird mit verdünnter Schwefelsäure geülllt,
Nach dem Absetzen decantirt man die über dem Niederschlag stehende Flüssig-
keit auf ein Filter, erhitzt jenen mit Wasser, decantirt wieder und u. s. w. und
bringt endlich den Niederschlag auf das Filter, wo derselbe noch mit heissem
Wasser ausgewaschen wird. Auf diese Weise passirt nicht leicht etwas von dem
feinen Niederschlag durch die Poren des Filters. Dies soll auch dadurch ver-
mieden werden, dass man dem Waschwasser etwas Salmiak zusetzt Der Nieder-
schlag wird getrocknet, geglüht und als BaSO^ gewogen.
Wenn die Fällung mit einem löslichen Sulfat vorgenommen wird, oder wenn
in der Bariumlösung viel freie Salz- oder Salpetersäure zugegen ist, so hält der
Niederschlag hartnäckig Spuren von Salzen |ziuück, die demselben nur durch
andauerndes Kochen zu entziehen sind.
Um das Barium als Carbon at zu fällen|, übersättigt man die Lösung mit
Ammoniak und setzt dann Ammoniumcarbonat zu. Nach mehrstündigem Ab-
setzen bringt man den Niederschlag auf das Filter, wäscht mit ammoniakalischem
Wasser aus, trocknet und [glüht. Das Bariumcarbonat ist in Ammoniaksalzen
ein wenig löslich.
Trennung des Ba von den Metallen, deren Sulfate löslich sind.
Die leicht angesäuerte Lösung wird, wie oben angegeben, mit Schwefelsäure ge-
fällt. Bei Gegenwart der Sulfate des Ceriums und der verwandten Metalle, des
Thoriums, und des Yttriums und der Verwandten muss man reichlich verdünnte
Lösungen anwenden und weniger stark erwärmen, da die Sulfate dieser Metalle
in der Wärme weniger löslich sind als in der Kälte.
Trennung des Ba vom Strontium. Man fällt die Lösung mit Kiesel-
fluorwasserstoffsäure unter Zusatz von Alkohol und bringt den Niederschlag auf
cm bei 100° getrocknetes gewogenes Filter.
Trennung des Ba von Strontium und von Calcium. Die Sulfate der
drei Metalle lässt man mit einer Lösung von Ammoniumcarbonat oder von
Kaliumbicarbonat bei einer Temperatur von nicht über 20° 12 Stunden lang
digeriren. Nach dem Abgiessen wiederholt man die Operation und wäscht mit
Wasser aus. Der Rückstand enthält neben Bariumsulfat die Carbonate von
StronHum und Calcium, welche sich von jenem durch Lösen in Salzsäure leicht
trennen lassen. Man kann auch die Lösung von Salzen der drei Metalle mit
einem IJeberschuss von 3 Thln. Kaliumcarbonat und 1 Tbl. -sulfat versetzen,
kochen und den Niederschlag mit Salzsäure behandeln.
Weniger zu empfehlen für die Trennung der drei Basen ist die Fällung mit
KaliumciiTomat, da das Bariumchromat nicht ganz unlöslich ist und andererseits
bei demselben leicht etwas Strontiumchromat bleibt
Von Bleisulfat lässt das Bariumsulfat sich durch Behandlung des Gemenges
mit weinsaurem Ammoniak oder KaUlauge trennen, wodurch jenes in Lösung
gebracht wird. RuD. Biedermann,
Basen. 151
Basen ^. Man versteht unter Basen chemische Verbindungen, welche, in
Wasser gelöst, den Lackmusfarbstoff bläuen (und die Curcuma bräunen) und
welche sich mit Säuren zu Salzen vereinigen. Die letztere Reaction, welche die
basische Natur eines Körpers feststellt, erlaubt gleichzeitig, die Basen in zwei
verschiedene Gruppen zu theilen, da sie entweder mit oder ohne Abscheidung
von Wasser verläuft.
Zu der ersten Klasse von Basen gehören die Oxyde und Hydroxyde der
meisten Metalle, und eine Reihe von Verbindungen, die man als Abkömmlinge
des Ammoniumoxydhydrats NH3, H^O auffassen kann. Zu der zweiten Klasse
gehört das Ammoniak und seine zahlreichen Derivate.
Die Basen der ersten Art sind ausnahmslos sauerstoffhaltig und mit wenigen
Ausnahmen (wie Kaliumhydrat, Natriumhydrat etc.) nicht unzersetzt flüchtig. Es
gehören hierher die stärksten Basen, die Alkalien, welche alle andern aus ihren
salzartigen Verbindungen abscheiden, aber auch viele organische Basen, wie z. B.
das Tetramethylammoniumoxydhydrat, N(CH3)40H, das Tetramethylphosphonium-
oxydhydrat P(CH8)40H, das Triäthylsulfinoxydhydrat S(C8H5)50H und einige
Metallammoniumverbindungen, wie das Roseocobalthydroxyd Co2(NH3)iQ(OH)g,
das Platodiammoniumhydroxyd Pt(NH3)4(OH)2 etc. sind hierher zu rechnen.
Viele dieser Basen sind in Wasser löslich, ziehen aus der Luft Kohlensäure
an, indem sie sich damit direkt zu Carbonaten vereinigen, und verseifen die Fette.
Die in Wasser nicht löslichen Basen werden aus ihren Salzlösungen durch die
ersteren meist ausgefällt, indem nur in einigen Fällen die ausgeschiedene Base
sich im Ueberschuss des Fällungsmittels wieder löst, wie z. B. Thonerde in Kali.
Das letztere findet nur bei sehr schwachen Basen statt, welche mit den als
Fällungsmittel angewandten Basen Verbindungen eingehen, in denen sie selbs
die Rolle einer Säure übernehmen.
Die in Wasser meist löslichen Ammoniumhydroxyde werden aus ihren Salz-
lösungen durch Alkalien im Allgemeinen nicht abgeschieden: durch Zusatz
concentrirter Alkalien fällt sogar liäufig das Salz der Ammoniumbase (z. B«
Tcträthylammoniumjodür) aus. Neuerdings hat man aber auch Fälle beobachtet,
z.B. beim Chinolinbenzylchlorür, in denen durch das Alkali die Ammoniumbase
abgeschieden wird (i). Man wird wohl annehmen dürfen, dass diese Reactionen
durch die Wärmetönungen bedingt werden, d. h. durch das sogen. Prinzip der
grössten Arbeit.
Zu den Basen zweiter Art gehört das Ammoniak und die davon durch Ver-
tretung des Wasserstoffs ableitbaren Basen, die Amine, (vergl. den Artikel), femer
aber auch die Phosphine, Arsine, Stibine etc. Hierher müssen auch die
wichtigen, im Pflanzezureich vorkommenden Basen, die Alkaloide (s. den Artikel)
gezählt werden. Diese Basen sind entweder sauerstoffhaltig oder sauerstoflfrei.
Unter den ersteren sind einige, welche den Namen Alkine erhalten haben (2).
Darunter versteht man tertiäre Basen, (vergl. den Artikel Amine), welche Hydroxyl-
gruppen enthalten und in Folge dessen durch Erwärmen mit organischen Säuren
in salzsaurer Lösung in die Salze neuer Basen übergehen, welche letztere
Alfceine genannt werden, und aus den Alkinen durch Aufnahme der Elemente
jener organischen Säuren unter Austritt von Wasser entstehen, sich also zu den
Alkinen verhalten wie ein Ester zu seinem Alkohol. Zu den Alkinen gehören
*) I) Claus und Himmblmann, Ber. 13, pag. 2045. 2) Ladenburg, Ber. ehem. Ges. 14,
pag. 1876 und 2406, 15, pag. 1143. Roth, Ber. 15, pag. 1149. 3) Ladenburg, Ann. Chem.
RöiüL 217, pag. 74.
152 Handwörterbuch der Chemie.
nicht nur eine Reihe künstlicher Basen, sondern auch das Tropin, und es ist
bemerkenswerth, dass durch Behandlung des letzteren mit Tropasäure in salzsaurer
Lösung Atropin erhalten wurde (3).
Sehr wahrscheinlich ist es, dass auch einige der wichtigeren Alkaloide,
namentlich Morphium und vielleicht Chinin zu dieser Klasse von Basen gezählt
werden müssen.
Ein Eintheilungsprincip ftir die Basen bietet auch ihre Acidität. Diese wird
durch die Anzahl Säureäquivalente oder Moleküle einbasischer Säuren bestimmt,
welche zur Neutralisation eines Moleküls Base nöthig ist. Der Aciditätsbestimmung
muss also die Molekulargewichtsbestimmung der Base vorangehen, was nicht
immer beachtet worden ist.
Zu den einsäurigen Basen gehören die Hydroxyde der Alkalien, das
Thalliumhydroxydul, das Ammoniak, das Hydroxylamin und viele von diesen ab-
leitbaren Basen, z. B. Methylamin, Anilin, Morphin, Atropin etc.
Zweisäur ig sind die Erdalkalien, wie Kalk und Baryt, die sogen. Diamine,
wie Aethylendiamin C2H4(NHj)3 und Phenylendiamin CeH4(NH2)2, das Chinin
und Cinchonin etc.
Drei- und viersäurige Basen sind nur wenige bekannt. Zu den ersteren
gehört das Triamidophenol, das Triamidonaphtol, ein Triamidotoluol, während
die bekannten Triamidobenzole zweisäurig sind. Schon daraus geht hervor, dass
jener früher fiir allgemein richtig gehaltene Satz, wonach die Acidität eines Amins
durch die Anzahl Amm.oniakmoleküle, von dem es sich ableite, direkt bestimmt
werde, nicht ohne Ausnahmen ist Noch weniger aber lässt sich ein sicherer
Schluss aus der Anzahl Stickstoffatome auf die Acidität ziehen. So ist z. B. das
Guanidin CH5N3 einsäurig. Ladenburg.
Basicität*). Der Begriff Basicität ist aus den berühmten Untersuchungen
Liebig's (i) entstanden, die ihrerseits durch Versuche von Graham (2) über die
Phosphorsäure angeregt worden waren. Zur schärferen Fassung trugen spätere
Arbeiten von Gerhardt (3) wesentlich bei, auch hat die Einführung des Begriffs
der Atomicität noch modificirend auf den Begriff Basicität eingewirkt.
Unter Basicität versteht man heute die Anzahl Wasserstoffatome, welche in
einem Molekül einer Säure durch Metallatome ersetzt werden können, d. h.
man nennt eine Säure 1- 2- 3 etc. basisch, wenn in einem Molekül derselben
1-2-3 etc. durch Metall vertretbare Wasserstoffatome vorhanden sind. Die Be-
stimmung der Basicität einer Säure setzt hiemach die Kenntniss ihres Molekular-
gewichts voraus, und es ist sehr einfach, die Basicität einer Säure mit bekanntem
Molekulargewicht festzustellen. Dazu genügt die Analyse des neutralen Natrium-
oder Kaliumsalzes. Die Anzahl der darin vorkommenden Natrium- oder Kalium-
atome giebt direkt die Basicität der Säure an.
Da es nun aber auch allgemeine Kriterien giebt, um einbasische Säuren von
mehrbasischen zu unterscheiden, so kann man auch dadurch die Basicität einer
Säure feststellen, und diese zur Bestimmung des Molekulargewichts verwerthen.
In vielen Fällen genügt zur Feststellung der Basicität die genaue Untersuchung
der Salze einer Säure mit einatomigen Metallen. Bildet sie mit einem solchen
Metall nur ein einziges Salz, so ist sie einbasisch, bildet sie zwei verschiedene
Salze, ein saures und ein neutrales, so ist sie in der Regel zweibasisch, bildet
♦) i) Ann. Chem. Phann. 26, pag. 113. 2) Ann, Chem. Pharm. 25, pag. i. 3) Journal
f. prakt. Chem. 53, pag. 460.
Basicität. 153
sie drei Salze, von denen zwei sauer und das dritte neutral ist, so ist sie meist
dreibasisch etc. Doch ist diese Methode keine sichere. Es giebt einbasische
Säuren, wie Fluorwasserstoffsäure und Essigsäure, welche zwei Kaliumsalze, ein
saures und ein neutrales liefern, während von der zweibasischen Oxalsäure drei
oder vielleicht noch mehr Kalisalze bekannt sind.
Viel sicherer als die Untersuchung der Salze führt die Untersuchung der
Ester zur Bestimmung der Basicität einer Säure, worauf namentlich Gerhardt (3)
hmgewiesen hat.
Eine einbasische Säure liefert mit einem einatomigen Alkohol, z. B. mit
gewöhnlichem Aetbylalkohol nur einen einzigen neutralen Ester, während eine
zweibasische Säure zwei Ester erzeugt, einen sauren und einen neutralen. Die
dreibasischen Säuren geben drei Ester, wovon zwei sauer und einer neutral u. s. f.
Ist erst die Basicität einer Säure bestimmt, so ergiebt sich jetzt das
Molekulargewicht derselben, wie oben die Basicität aus dem Molekulargewicht,
nämlich durch die Analyse des neutralen Kalium- oder Silbersalzes. Es müssen
bei der Berechnung der Formel in diesem Salz so viel Kalium- oder Silberatome
angenommen werden, als die Basicität Einheiten besitzt.
ffier muss aber weiter hervorgehoben werden, dass bei der Untersuchung
nach der Basicität einer Säure nicht nur die Zahl der von dieser gebildeten,
ätherartigen Verbindungen in Betracht gezogen werden darf, sondern dass auch
darauf geachtet werden muss, ob diese wirkliche Ester, d- h. durch Kali voll-
ständig in Säure und Alkohol zerlegbar sind, und ob von den n gefundenen
Estern wirklich n — 1 Säuren sind.
Es giebt nämlich Säuren, welche mehrere ätherartige Verbindungen bilden
und doch nur einbasisch sind; dies kann eintreten bei den sogen. Alkohol-
säuren (vergl. den Artikel). Hier muss neben der Basicität die Atomicität
unterschieden werden.
Die Atomicität oder Atomigkeit einer Säure wird durch die Anzahl der durch
Alkoholradikale vertretbaren Wasserstoffatome in einem Molekül Säure bestimmt.
Sie lässt sich auch dadurch feststellen, dass man die Anzahl der durch Metalle
vertretbaren Wasserstoffatome zu der bei der Einwirkung von Säurechloriden
durch Säureradikale ersetzbaren Wasserstoffatome addirt.
Die Atomicität einer Säure ist übrigens von ihrer Basicität ganz unabhängig,
(freilich niemals kleiner als diese) und es kommen alle möglichen Combinationen
vor, so sind z. B. Glycolsäure und Milchsäure zweiatomig und einbasisch, die
Glycerinsäure ist dreiatomig und einbasisch, die Aepfelsäure dreiatomig und zwei-
basisch etc. (vergl. den Artikel Alkoholsäuren).
Charakteristisch für die Alkoholsäuren ist die Bildung isomerer Aether.
Es giebt nun eine Klasse^ von Alkoholsäuren, die sogen. Phenolsäuren, (vergl.
den Artikel) bei denen die Anzahl der durch Metall vertretbaren Wasserstoffatome
grösser ist als ihre Basicität.
So bildet die einbasische (aber zweiatomige) Salicylsäure C7H5O3 ein Salz
mit zwei Atomen Natrium im Molekül C7H4Na20j, das sogen, basisch salicyl-
säure Natrium. Charakteristisch aber für solche Salze ist es, dass sie nur durch
die Einwirkung der freien Base, also z. B. des Natrons, nicht aber durch Behandlung
der Säure mit dem Carbonat entstehen, und dass diese sogen, basischen Salze
bei der Einwirkung von Kohlensäure wieder zerlegt werden. Ebenso wie man
die Phenole von den Säuren unterscheidet, und die Phenate von den Salzen, unter-
scheidet man auch bei den Phenolsäuren zwischen den dem Phenol entsprechenden
154 Handwörterbuch der Chemie.
WasserstofTatotnen und den eigentlich sauren. Nur die letzteren bestimmen die
Basicität.
Man kann also auch bei den Phenolsäuren die obige Definition der
Basicität beibehalten, wenn man unter »durch Metall vertretbaren Wasserstoff-
atomen c nur solche versteht, bei denen diese Vertretung bei der Einwirkung von
Carbonaten stattfindet. Ladenburg.
Benzoesäure.*) Phenylcarbonsäure, Benzolcarbonsäure , C 7 H^ O ^ =
CßHjCOOH, wurde bereits im Anfange des 17. Jahrh. von Blaise de ViGENfeRE (i)
♦) i) Kopp, Gesch. d. Chem. Bd. 4, pag. 359. 2) Ann. 3, pag. 249. 3) Low, J. prakt
Chem. N. F. 19, pag. 312. 4) Woehler, Ann. 67, pag. 36a 5) Sbligsohn, Chem. CentralbL
1861, pag. 241. 6) Blyth u. Hofmann, Ann. 53, pag. 302. 7) D^poüilly, Jahresber. 1865,
pag. 328. 8) Baeyer, Bei. 2, pag. 94. 9) Carius, Ann. 148, pag. 50. 10) CoQuauoic,
Compt. rend. 80, pag. 1089. 11) Friedel u. Grafts, Compt. rend. 86, päg. 1368. 12) Dies,
u. AooR, Ber. 10, pag. 1854. 13) Kekül^ Ann. 137, pag. 178. 14) WÜRTZ, Ber. 2, pag. 81.
15) Meyer, Ann. 156, pag. 273. 16) Schützenberger, Zeitschr. f. Chem. N. F. 5, pag. 632.
17) Lautemann, Ann. 115, pag. 9. 18) Woehler, Ann. 51, pag. 145. 19) Gukelsberger,
Ann. 64, pag. 80. 20) Ludwig, Arch. ph. (2) 107, pag. 129. 21) Jobst u. Hesse, Ann. 199,
pag. 17. 22) Rad. Dingl. J. 231, pag. 538. Lunge, ibid. 238, pag. 77. 23) Löwe. J. prakt
Chem. 108, pag. 257. 24) Mohr, Ann. 29, pag. 177. 25) Hager, Conmient z. Pharm. Genn. i,
PAg* 43> 26) Stbnhouse, Ann. 51, pag. 486. 27) Ann. 49, pag. 245. 28) Hofmann, Ber. d.
Wiener Weltausstellung 1877, 3. Abth 431. 29) Jahresb. 1868, pag. 549. 30) Lunge, Ber. 10,
pag. 1275. 3O Bodewig, Jahresb. 1879, pag. 675. 32) Kopp, Ann. 94, pag. 303. 33) Beil-
stein u. Reichenbach, Ann. 132, pag. 309; Kolbe, J. pr. Ch. N. F. 12, pag. 151. 34) Medele-
JEFF, Jahresb. 1858, pag. 274. 35) V. u. C. Meyer, Ber. 11, pag. 2258. 36) Ost, J. pr. Ch.
N. F. 17, pag. 232. 37) BoüRGOüiN, Ber. 12, pag. 382, 2379. 38) Ders., Bull. soc. chim. 29,
pag. 245. 39) Schultz, Ann. 174, pag. 202. 40) Mitscherlich, Ann. 9. pag. 39. 41) Barth
u. Schreder, Ber. 12, pag. 1256. 42) Brönner, Ann. 151, pag. 50. 43) Gorup-Besanez,
Ann. 125, pag. 207. 44) Carius, Ann. 148, pag. 50. 45) Oüdemans, Z. Ch. N. F. 5, pag. 84.
46) Meissner u. Shepard, Jahresb. 1866, pag. 397. 47) Woehler, Ann. 44, pag. 245 48) Kolbs,
Ann. 118, pag. 122. Hermann, ibid 132, pag. 75. 49) Baeyer, Ann. 140, pag. 296. 50) Ber-
thelot, Jahresb. 1867, pag. 346. 51) Carius u. Kämmerer, Ann. 131, pag. 153. Sestini,
Z. chem. 1870, pag. 668. Kolbe u. Lautemann, Ann. 115, pag. 191. 52) Pfanküch, J. pr.
Ch. N. F. 6, pag. iio. 53) von Richter, Ber. 6, pag. 876, 1348. Meysr, ibid 6, pag. 1146.
54) Ann. 151, pag. 50. 55) Franchimont u. Kekulj^ Ber. 5, pag. 908. 56) Conrad, Ber. 6,
pa«- 1395- 57) Behr, Ber. 5, pag. 971. 58) PnUA, Jahresb. 1856, pag. 430. 59) Limpucbt
u. List, Ann. 90, pag. 209. Hofmeister, Ann. 159, pag. 203. 60) Cahours, Ann. 108, pag. 319.
61) Meyer, Ann. 156, |pag. 271. 62) Carius, Ann. iio, pag. 210. 63) Scharling^ Ann. 92,
pag. 83. Kopp, Ann. 94, pag. 307. 64) Liebig u. Woehler, Ann. 3, pag. 274, LnxNE-
MANN, Ann. 160, pag. 208. 65) Naumann, Ann. 133, pag. 200. 66) Demarqay, C. rend- 76,
pag. 1414. 67) Gustavson, Ber. 13, pag. 157. 68) Linnemann, Ann. 161, pag. 28. 69) Silva,
Ann. 154, pag. 255. Linnemann, ibid 161, pag. 51. 70) Linnemann, Ann. 161, pag. 192.
71) Friedel u. Cr äfft, Jahresber. 1864, pag. 460. 72) Zinke, Ann. 152, pag. 7. 73) Becker,
Ann. 102, pag. 221. 74) Hofmann u. Cahours, Ann. 102, pag. 197. 75) Würtz, Jahresb. 1859,
pag. 486. Bodewig, Jahresb. 1879, pag. 676. 76) Simpson, Ann. 113, pag. 115. 77) Reboül,
Compt. rend. 79, pag. 169. 78) Oppenheim, Ann. Suppl. 6, pag, 36. 79) Frzedel u. Silva,
Z. Ch. N. F. 1871, pag. 489. 80) Mayer, Ann. 133, pag. 256. 81) Berthelot, Ann. 8S,
pag. 311; 92, pag. 302. Truchot, Ann. 138, pag. 297, 82) Berthelot, Jahresber. 1855, pag, 677
u. 678; 1856, pag. 660; 1860, pag. 509. BoucHARDAT, A. ch. (4) 27, 163. 83) Kraut, Ann. 152,
pag. 131. 84) Cannizaro, Ann. 90, pag. 254. 85) Wicke, Ann. 102, pag. 356. 86) List vu
LuMPRicHT, Ann. 90, pag. 191. 87) Laurent u. Gerhardt, Ann. 75, pag. 75; 87, pag. 161.
88) GuARESCHi, Ann. 171, pag. 140. 89) Engelhardt u. Latschinoff, Z. Ch. 1869, pag. 6x5.
90) Nachbaur, Ann. 107, pag. 243. 91) Doebner, Ann. 210, pag. 256 — 265. 92) DoEBNKR u*
Benzoesäure. 155
aus Benzoeharz dargestellt und im folgenden Jahrhundert von Rouelle und
Scheele aus Harn gewonnen. Liebig und Woehler (2) stellten ihre Zusammen-
setzung fest; sie betrachteten die Säure als das Oxydhydrat des Radikals Benzoyl
C7H5O. KoLBE fasste sie zuerst als Phenylcarbonsäure auf.
Vorkommen und Entstehung. Die Säure findet sich besonders reichlich
im Benzoeharz und kommt ausserdem theils frei, theils in Form von Aethem,
bisweilen neben Zimmtsäure, in anderen Harzen und Oelen vor, z. B. im Drachen-
blut, im Peru- und Tolubalsam, im Storax, im Zimmt- und Cassiaöl. Ausserdem
ist sie in manchen Pflanzen resp. Pflanzentheiien aufgefunden, wie im Wald-
meister, in der Preisseibeere (3) und im Calmus. Sie entsteht femer im
Öiierischen Körper und ist im Bibergeil (4) und den Nebennieren (5) der Ochsen
enthalten, während sie im Harn von Pflanzenfressern in Verbindung mit Glyco-
coll als Hippursäure vorkommt Von den ungemein zahlreichen Bildungsweisen
der Benzoesäure werden nur die wichtigsten angeführt. Sie entsteht:
1. Durch geeignete Oxydationsmittel aus den Homologen des Benzols mit einer
Scitcnkette, gleichgültig, ob dieselbe intact ist oder bereits eine Umwandlung
erlitten hat, also aus den zu den Kohlenwasserstoffen gehörigen Aldehyden, Alko-
holen und Säuren und aus deren Abkömmlingen, z. B. aus Toluol (6), CgHsCHj,
Benzaldehyd, CgH5COH,Benzylalkohol,C6H5CH8-OH,Benzylchlorid,C6HBCHja,
Benzylsulfhydrat, CßHjCHjSH, Benzotrichlorid, CeHgCClj, Aethylbenzol,
CgHjCjHg, Alphatoluylsäure, C^Hf^CK^COcfi u. s. w. Analog den Homologen
des Benzols verhalten sich die Abkömmlinge derselben mit einer ungesättigten
Scitenkette, wie Styrol, C^U^C^H^, Zimmtsäure, CgHjCaHjCOgH, Diphenyl,
CgHjCgHj, u. s. w. Das geeignetste Oxydationsmittel zur UeberfÜhrung aller
dieser Substanzen in Benzoesäure ist ein Gemisch von chromsaurem Kali und
Schwefelsäure oder Salpetersäure.
2. Aus Benzolpolycarbonsäuren durch Abspaltung von CO 2 2. B. durch Er-
hitzen von phtalsaurem Kalk (7) und durch trockene Destillation von Hemimel-
lithsäure (8)
^«^♦COOH "^ ^«^^^^^^ "*" ^^2
COOH
CßHsCOOH = CßHsCOOH -h 2CO,.
COOH
3. Durch Erhitzen von Benzotrichlorid mit Wasser:
CgHsCCl, + 2H,0 = CeHsCOjH -+• 3HC1.
4. Durch Kochen von Hippursäure mit Salzsäure oder Alkalien. Hippursäure
zerfallt in Benzoesäure und Glycocoll:
(CeH5CO)NHCH,C05H -^- HjO = C^U^CO^U -^- NHjCHjCOaH.
5. Neben Phtalsäure durch Oxydation von Benzol (9) mit Braunstein und
Schwefelsäure. In Berührung mit einer Platinspirale (10) werden Benzoldämpfe
bereits durch den Sauerstoff der Luft, wenn auch nur in geringen Mengen in Ben-
zoesäure übergeführt
6. Durch direkte Synthese.
Siedendes Benzol verbindet sich bei Gegenwart von Aluminiumchlorid mit
WoLT, Bcr. 12, pag. 661. 93) Hlasiwetz u. Pfaundler, Ann. 119, pag. 199. 94) Hofmann,
Bct. n, pag. 329; 12, pag. 1373. 95) VON Wagnfr, St. Jahresb. 8, pag. 345. 96) Barth
n. ScHREDER, Ber. 16, pag. 419. 97) von Romburgh, Bcr. 16, pag. 394. 98) Tuttscheff,
Ann. 109, pag. 367.
15^ Handwörterbuch der Chemie.
trockener Kohlensäure (ii) zu Benzoesäure, mit Chlorkohlenoxyd (12) zu Ben-
zoylchlorid:
C,He -+- CO3 = CgHjCOaH
CßHg -f- COCI3 = CgHsCOCl + HCl.
Wird eine Lösung von Brombenzol (13) in Aether oder Benzol mit Natrium
und Kohlensäure behandelt, so entsteht benzoesaures Natron:
CßHgBr + 2Na -f- COj = C6H5COjNa + NaBr.
Wird ein Gemenge von Brombenzol (14) und Chlorkohlensäureäther mit
Natriumamalgam auf 100—110'' erhitzt, so entsteht Benzoesäureäthyläther:
CßHjBr -h Cl CO2C2H5 4- 2Na = NaCl -+- NaBr 4- CgHsCOjCjHs.
Durch Schmelzen von benzolsulfosaurem Natron (15) mit ameisensaurem
Natron wird benzoesaures Natron gebildet:
Na
C6HBS03Na + HC02Na = C6H5CO,Na4-S03jJ .
Durch Erhitzen von Benzol mit vierfach Chlorkohlenstoff (16) und Schwefel-
säureanhydrid auf 100° und Behandlung des entstehenden Produktes mit Wasser
entsteht Benzoesäure neben Salzsäure, Benzolsulfosäure und Sulfobenzid.
Durch Behandlung von Benzonitril, CgHjCN, welches auf verschiedenen
Wegen synthetisch dargestellt werden kann (s. Benzonitril) mit Säuren oder Alkalien,
wird ebenfalls Benzoesäure gebildet:
CßH^CN 4- 2H2O = CßHjCOOH 4- NH,.
7. Chinasäure geht beim Behandeln mit Jodwasserstoff (17) fast glatt in Benzoe-
säure über; beim Erhitzen (18) dieser Säure über ihren Schmelzpunkt wird eben-
falls, neben anderen Substanzen, Benzoesäure gebildet, während bei der Ein-
wirkung von Phosphorpentachlorid das Chlorid der Metachlorbenzoesäure erhalten
wird. Die Benzoesäure entsteht femer durch Oxydation von Eiweisskörpem (19)
und von Atropin (20), sowie durch Behandlung gewisser in den Cotorinden (21)
enthaltenen Substanzen mit Salzsäure oder mit schmelzendem Kali.
Darstellung. 1. Aus Benzoeharz. Die zu officinellen Zwecken benutzte Säure wird
durch Sublimation (23, 24, 25) des Harzes gewonnen. Man verwendet am besten Siam-Benzoe,
welche frei von Zimmtsäure ist Das zerkleinerte Harz wird für sich oder mit Sand gemengt in
ein eisernes öeföss von ca. 5 Centim. Höhe gebracht, die Oefihung mit porösem Papier verklebt,
mit einem gut schliessenden Helm von dickem Papier oder Holz bedeckt und ganz allmählich
auf 170° erwärmt. Die Ausbeute schwankt zwischen 4 und lOJ. Will man dem Harze (26)
die Säure vollständig entziehen, so wird dasselbe (4 Thle.) mit 1—2 Thln. Kalkhydrat und
40 Thln. Wasser kalt angerührt ganz allmählich zum Sieden erhitzt, dann auf die Hälfte einge-
dampft und filtrirt. Das noch heisse Filtrat, welches die Säure als benzoesauren Kalk enthält,
wird mit Salzsäure zersetzt und die abgeschiedene Säure nach dem Erkalten durch Waschen
mit kaltem Wasser gereinigt. Statt des Kalkes kann auch kohlensaures Natron zur Bindung der
Säure angewandt werden; das so gewonnene Produkt ist jedoch stärker gefärbt Nach
WoEHLER (27) wird das Harz zur Ueberfuhrung in Benzoesäureäthyläther mit Alkohol und
rauchender Salzsäure behandelt und der Aether durch Kochen mit Kalilauge zerlegt. Auch Di-
gestion (95) des Harzes mit starker Essigsäure ist vorgeschlagen.
2. Aus Harn (28). Man lässt Pferde- oder Kuhham, welche Hippursäure (Benzoylglycocoll)
enthalten, faulen, versetzt mit Kalkmilch und gewinnt die Säure ent^^eder durch Zersetzen der
eingedampften Lösung mit Salzsäure oder stellt nach Entfernung des überschüssigen Kalkes durch
Kohlensäure, mittelst Eisenchlorid in Wasser unlösliches benzoesaures Eisen dar und zersetzt das-
selbe ebenfalls durch Salzsäure. Die rohe Säure wird gereinigt. Die Ausbeute beträgt 1% des
verarbeiteten Harns. Die Säure ist am Geruch zu erkennen.
3. Aus Phtalsäure. Die aus Naphtalin dargestellte Säure (7), wird mit \ KaüchydraS
Benzoesäure. 15^
gemengt, mehrere Stunden auf 330 — 350^ erhitzt, wobei benzoesaurer und kohlensaurer Kalk ent-
stehen. Nach Laurent und Castehaz (29) wird phtalsaures Ammoniak durch Destillation in
Phtalunid, und dieses durch Destillation mit Kalk in Benzonitril Übergeführt, welches durch
Kochen mit Natronlauge in benzoesaures Natron umgewandelt wird.
. ^«^*C00NH; = CsH,cS>^ -^ NH3 -^ 2H,0,
CeH^CO/^" = C.HjCN -h CO,.
4. Aus Toluol. Man kocht 1 Th. Benzylchlorid (30) CgHjCHjCl mit 3 Thln. Salpeter-
siure von 35^ B. und 2 Thln. Wasser, bis das Gemisch nicht mehr nach Bittermandelöl riecht.
Die Säure enthält geringe Mengen einer gechlorten Benzoesäure. Sehr viel Benzoesäure wird
jetzt als Nebenprodukt bei der Darstellung des Bittermandelöls gewonnen.
Eigenschaften. Die Benzoesäure bildet meist lange, biegsame, glänzende,
glatte Nadeln oder Tafeln, welche dem monoklinen System (31) angehören. Sie
schmilzt bei 121*4° (32) und siedet bei 249-0 unzersetzt, sublimirt jedoch bereits
unter ihrem Siedepunkte. Die Dämpfe reizen zum Husten. Geringe Verun-
reinigungen (33) verändern den Schmelzpunkt. Spec. Gew. = 1'201 bei 21° (34).
= 1-0838 bei 121-4 (Schmelzpunkt). Dampf dichte (35) gef. =4*24, her. =4-22.
Die reine Säure ist geruchlos, die durch Sublimation erhaltene riecht angenehm
aromatisch. Die Hambenzoesäure besitzt einen an Harn erinnernden Geruch;
1 Th. Säure löst sich bei 0° in 640 Thln. Wasser (36); 1000 Thle. (37) Wasser
lösen bei 10°: 2068, bei 40°: ö'551, bei 50°: 7.719, bei 80°: 27250, bei 100°:
58'750 Thle. Säure. Die Lösung reagirt und schmeckt sauer. Beim Kochen ver-
flüchtigt sich die Benzoesäure mit Wasserdämpfen (1 Grm. mit 2 Liter Wasser).
60 Thle. Aether (38; lösen bei 50°: 23*68 Thle. Säure. 100 Thle. 90^ Al-
kohoU (38) lösen bei 15°: 2939 Thle. 100 Thle. absoluten Alkohols bei 15°
31 '84 Benzoesäure. Von Schwefelsäure, fetten und flüchtigen Oelen, Schwefel-
kohlenstoff, Chloroform, Aceton etc. wird die Säure ebenfalls leicht aufgenommen.
Umwandlungen und Zersetzungen. Wird der Dampf der Benzoe-
säure über glühenden Bimstein geleitet, so zerfallt sie in Kohlensäure und
Benzol; durch Destillation mit Kalk (40) resp. Baryt oder durch Schmelzen mit
Aetznatron (41) wird die Zersetzung noch leichter bewirkt. Kleine Mengen von
Diphenyl (42) werden als Nebenprodukt erhalten. Beim Durchleiten durch ein
stark erhitztes Rohr wird unter Abscheidung von Kohle, Wasserstoff, Kohlenoxyd,
Kohlensäure und Diphenyl gebildet Beim Schmelzen mit Kali (96) liefert die
Benzoesäure sämmtliche drei Oxybenzoesäuren (Salicylsäure in Spuren), a-Oxy-
isophtalsäure, p. und m. Diphenylcarbonsäure und nicht isolirte Condensations-
produkte. Oxydationsmittel wirken z. Th. nur schwierig auf die Säure ein.
Ozon (43) oxydirt dieselbe grösstentheils zu Kohlensäure und Wasser. Durch
Kochen mit Braunstein und Schwefelsäure (44) entstehen Kohlensäure und Ameisen-
säure neben geringen Mengen von Phtalsäure und Terephtalsäure (45). Bleisuper-
oxyd {46) und verdünnte Schwefelsäure liefern etwas Bemsteinsäure. Letztere
Säure (46) entsteht auch neben Hippursäure (17) als Hauptprodukt beim Durch-
gang der Benzoesäure durch den thierischen Organismus. Reductionsmittel
wirken sehr verschieden. Durch Natriumamalgam (48) wird in saurer Lösung neben
einem Körper C14H14O2 Benzylalkohol und Benzoleinsäure C^Hj^Oj gebildet. Er-
hitzter Zinkstaub (49) reducirt zu Benzaldehyd. Durch Erhitzen mit Jodwasserstoff
(50) wird die Säure zunächst in Toluol, bei Anwendung eines grossen Ueberschusses
in Heptan, C^H^q und Hexan CgH^^ übergeführt. Chlor und Brom bilden Sub-
stitutionsprodukte; ebenso Jod bei Gegenwart von Jodsäure. Rauchende Salpeter-
15^ JElandwÖTterbuch der Chemie.
säure oder ein Gemenge von Salpeter- und Schwefelsäure bilden nitrirte BenzoC'
säuren. Schwefelsäureanhydrid oder rauchende Schwefelsäure Sulfobenzoesäure.
Durch Phosphorpentachlorid resp. Zweifach Chlorschwefel wird Benzoylchlorid
gebildet. Durch Destillation mit Schwefelcyankalium entsteht BenzonitriL Die
Umwandlungen der Salze sind bei diesen beschrieben.
Salze der Benzoesäure (51). Die Benzoesäure ist eine ziemlich starke,
einbasische Säure, welche auch übersaure Salze bildet. Sie treibt Kohlensäure
aus; die alkoholische Lösung des Kaliumsalzes wird jedoch durch Kohlensäure
gefällt. Die Salze sind meist löslich in Wasser, viele auch in Alkohol. Thier-
kohle entzieht das Barium- und Natriumsalz ihren Lösungen. Besonders inter-
essant ist das Verhalten der benzoesauren Salze beim Erhitzen für sich und mit
anderen Salzen. Das Kaliumsalz liefert für sich erhitzt geringe Mengen von
Diphenyl, grössere beim Erhitzen mit Phenolkalium (52). Beim Erhitzen mit
ameisensaurem Kali (53), entstehen wechselnde Mengen von iso- und terepbtal-
saurem Kali. Dieselben Säuren werden beim Schmelzen des benzoesauren
Natrons (56) für sich gebildet. Benzoesaurer Kalk (54, 55, 57) resp. Baiyt
liefern als Hauptprodukte Diphenylketon und kohlensaure Salze,
{C^ll,C0^)^G2L = COjCa -H CßH.COCeHs.
Als Nebenprodukte entstehen Diphenyl und Anthrachinon. Wird das Kalk-
salz mit ameisensaurem Kalk (58) destillirt, so bildet sich Benzaldehyd, wird
das ameisensaure Salz durch Salze der Essigsäure oder einer ihrer Homologen
ersetzt, so werden gemischte Ketone erhalten z. B.
(C6H5C02)3Ca + (HC05,),Ca == 2CaC03 4- 2CeH5COH
(C6H5COj)3Ca 4- (CHjC08)2Ca = 2CaC03 + 2C6H5COCH3.
Benzoesaures Kupfer (59) liefert bei der Destillation neben wenig Diphenyl
hauptsächlich Phenyläther CßHgOCgHj und benzoesaures Phenol, CgHgCOjC^Hj.
Ammoniumsalz, CgHjCOjNH^. Rhombische, leicht zerfliessliche Krystalle. Beim
Verdunsten entsteht das saure Salz, CgHjCOjNH^ -+- CgHjCOjH. Durch Erbitten mit
Phosphorsäureanhydrid wird Benzonitril gebildet.
Kaliumsalz, CgH^CO^K + SH^O, leicht verwitternde Blättchen. Mit 1 Mol. Bensoesiuie
entsteht ein in Wasser schwer lösliches saures Salz. Durch Einwirkung von Bromcyan (60) wird
das wasserfreie Salz unter Bildung von Bromkalium, Kohlensäure und Benzonitril zersetzt
CßH^COjK H- CNBr = KBr -f CO, ■+■ CcHjCN.
Natriumsalz, CgNsCOjNa-f H,0, leicht verwitternde Nadehi. Kalksalz (CgH5CO,),Ct
+ 2H3O, rhombische NadeUi. 1 Thl. löst sich in 37,7 Thln. Wasser von 5^ Barytsalz,
(CgHjCO,),Ba H- 3H,0, harte, glänzende in kaltem Wasser wenig lösliche Nadeln. Zinnsalz,
(C0H,CO,)2Sn, leicht lösliche Tafeln. Eisenoxydsalz wird durch Eisenchlorid aus löslichen
Salzen als ein röthlichbrauner, voluminöser Niederschlag gefällt. Kupfersalz (CgHjCO,),Ctt
+ 2H,0, hellblaue Nadeki oder Blättchen. Bleisalz, (C0HjCO,)3Pb + H,0, in Wasser und
Alkohol lösliche Blättchen. Silbersalz, (CgHgCO,)Ag, käsiger Niedersdilag , welcher ans
heissem Wasser in glatten Nadeln kiystallisirt. Dasselbe setzt sich mit Chlorkohlenoxyd (61)
in Chlorsilber, Kohlensäure und Benzoylchlorid um. Quecksilberoxyd- und Oxydulsalze
sind in Wasser schwer lösliche krystallinische Niederschläge.
Aether der Benzoesäure. Benzoesäure -Methyläther (62, 63),
CßHßCOgCH,, wird durch Sättigen einer Lösung von Benzoesäure in Meüiyl-
alkohol mit Salzsäure, Digeriren auf dem Wasserbade, Fällung mit Wasser, Trocknen
und Rectificiren dargestellt. Er entsteht auch durch Destillation von Methylalkohol,
Benzoesäure und Schwefelsäure. Balsamisch riechende Flüssigkeit, welche b«
198,5° siedet. Spec. Gew. = 11026 bei 0^ 1-0921 bei 12-3'*. Der Aether findet
sich unter den Destillationsprodukten des Tolubalsams.
Benzoesättre. 150
Benioesäüre-Aethyläther (64), CgHjCOgCjHj, wurde bereits von
Scheele dargestellt. Man gewinnt ihn analog dem Methyläther, oder stellt ihn
durch Einwirkung von Alkohol auf das Chlorid resp. Anhydrid der Benzoe-
säure dar. Er enstehi auch beim Erhitzen von Alkohol mit Benzoesäure
auf 100^ Angenehm riechende, in Wasser unlösliche Flüssigkeit, welche bei
211-22° siedet. Spec. Gew. = 1 -0502 bei 16°. Leicht flüchtig mit Wasser-
dämpfen. Wässriges Kali zerlegt ihn in der Kälte langsam, beim Erhitzen rasch
in Alkohol und benzoesaures Salz. Aetzbarjrt wirkt bei 150 — 180° in derselben
Weise. Wässriges und alkoholisches Ammoniak bilden Benzamid. Durch Erhitzen
mit Brom (65) bis 270° entsteht Benzoesäure und Aethylenbromid. Phosphor-
pentachlorid ist ohne Einwirkung. Rauchende Salpetersäure bildet hauptsächlich
m-Nitrobenzoesäureäther. Mit Titanchlorid(66), TiCl^, verbindet sich derBenzoe-
säureäthyläther (auch Methyläther) in verschiedenen Verhältnissen zu krystallinischen
Verbindungen, welche sämmtlich durch Wasser und Alkohol unter Regeneration des
Aethers zersetzt werden. Mit Aluminiumchlorid (67) vereinigt er sich ebenfalls
za einer krystallinischen, in Benzol löslichen Verbindung, (CeH5C02C2H5)2AljClg,
welche durch Wasser zersetzt wird.
Benzoesäure-Propyläther (68), C^HjCOgCHjCgHj, dikflUssiges Liquidum. Siede-
punkt 229.5; Spec. Gew. = 10316 bei 16**.
Benzoesäure-Isopropyläther (69), C^HjCOjCHCCHj),, flüssig, zcrfiült bei der
Destillation, in Benzoesäure und Propylen.
Benzoesäure-Btttyläther (70), CeHjC02CH,CH,C,H,, dicke, bei 247'3° siedende
Flüssigkeit Spec Gew. = 100 bei 20°.
Benzoesäure-Isoamyläther ist eine gegen 261° siedende Flüssigkeit. Spec. Gew.
= 1-0039 bei 0°, 0*9925 bei 14°. Octyläther (72). CgHjCOjCgHi^, bei 805-306°
siedende Flüssigkeit Cetyläther (73), C^H^COgCieH,,, bei 30° schmelzende in Aether leicht,
in Alkohol schwer lösliche Schuppen. Allyläther (74), CeHjCOjCgHj, bei 228° siedende
Flüssigkeit
Benzoesäure-Aethylenäther (75), (CgHjC0),0,C2H^, aus benzoesaurem Silber und
Aethylenbromid dargestellt, bildet glänzende bei 67° schmelzende Prismen. Benzoesäure-
Aethylenchlorhydrin (76), CßHjCO^CjH^Q, ist eine bei 260—70° siedende Flüssigkeit
CH CO C H
Benzoesäure-Propylenäther, 1) ^I^sch'cO^C^H* ^7^^' *"* normalem Propylen-
bromid und benzoesaurem Silber bildet bei 53° schmelzende Krystalle. Aus Acetonchlorid
(CH,)jCa, (78), und Isopropylenbromid, CHjBrCHBrCH, (79), entetehen zwei Isomere.
Ersterer bildet monokline bei 69—71° schmelzende OctaSder, letzterer ist eine zähe Flüssigkeit
Amylcnäther (80), (CgHjCO,),CjHio» bei 123° schmeUende Blätter.
Benzoesäure-Glycerinäther (81,97). I>er neutrale Aether, (C6H5CO,),C,H5, durch
Erhitzen von 1 Thl. Glycerin mit 20 Thln. Benzoesäure auf 250° oder von Epichlorhydrin mit
Bcnzoesänieanhydrid dargestellt, krystallisirt in Nadeln. Schmp. 74°. Die übrigen Aether (81)
smd flüssig.
Die Benzoesäureäther (82) des Erythrits, des Mannits, Dulcits, Pinnits, und
einiger Zuckerarten sind, mit Ausnahme des benzoesauren Dulcits, welcher bei 147° schmelzende
Kiystalle bildet, flüssige oder harzige Substanzen.
Bcnzoesäure-Benzyläther, CßHjCOjCgHj, Bestandtheil des Pcrubalsams (83), vrird
durch Einwirkung von Benzylchlorid auf Benzylalkohol (84) dargestellt Weisse, bei 20°
sdunelzende Nadeln. Siedep. 303—304°.
Benzylidenäther (85), (C6H5COj),CHC6H5, aus Benzylidenchlorid und benzoesaurem
Silber dargestellt, bildet bei 50° schmelzende Krystalle.
Benzoeäther der ein- und mehratomigen Phenole werden allgemein
durch Erhitzen von Benzoylchlorid mit den Phenolen bis zum Aufhören der
t6ö Handwörterbuch der Chemie.
Salzsäureentwickelung, und Umkrystallisiren des meist festen Produktes aus Alkohol
oder Aether dargestellt.
Phenyläther (87), CgHjCOjCgH^, entsteht auch bei der Destillation von benxoe*
saurem Kupfer (86) und durch Erhitzen von Phenol (88) mit Benzamid. Lange, glänzende
Säulen, welche bei 71^ schmelzen, unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol und Aether. Durch
alkoholisches Kali erfolgt bereits in der Kälte Zersetzung; durch wässeriges bei 150**. Chlor
und Brom substituiren den Wasserstoff im Phenyl imter Bildung kristallinischer Derivate (86).
Durch Schwefelsäure entsteht als Hauptprodukt Benzoyl-p-Phenolsulfosäure, CgHjCOjCjH^SOjH,
welche gut krystallisirende Salze bildet. Aus Di- und Trinitrophenol (87) und Benzoylchlorid
entstehen Benzoesäuredi- und Trinitrophenyläther, gelbe rhombische resp. goldgelbe Blättchen,
beide fast unlöslich in Alkohol.
Kresyläther (89), CgH^COjCgH^CH,.
o-Kresyläther flüssig.
p-Kresyläther, sechsseitige bei 70** schmelzende Tafeln.
m-Kresyläther, weisse bei 38° schmelzende Krystallmasse. Die verschiedenen Eigen-
schaften der o- und p- Verbindung, werden zu Trennung des im Steinkohlentheer enthaltenen
Gemenges von o- und p-Kresol benutzt
OC OC H
Dibenzoyldioxybenzole, CgH^^p^-wp^^*.
Dibenzoylbrenzcatechin (91), bildet grosse Blätter. Schmp. 84^
Dibenzoylresorcin (91), bei 117° schmelzende Schuppen.
Dibenzoylhydrochinon (91), bei 199° schmelzende Nadeln. Die Chlorsubstitutioiifi-
Produkte des Resorcins und des Hydrochinons liefern ebenfalls krystallinische Benzoylderivate.
TribenzoylphloToglucin (93), CgH,03(COCgH5),, bildet glänzende Schuppen, fast
unlöslich in siedendem Alkohol.
Benzoylderivate (94) der Pyrogallussäure, Methyl- und Popylpyrogallussäure.
Benzoylpyrogallussäuredimcthyläther, ^e^JocQcn • Schmp. 118^.
Bcnzoylmethylpyrogallussäuredimethyläther, ^e^ii^^irocoCH ' ^^^^^^'
punkt 118—119°
Benzoylpropylpyrogallussäuredimethyläther,C6H,(C,H,)^^^^|j . Schmp. 91*>.
Abkömmlinge der Benzoesäure, welche durch Umwandlung des
Carboxyls entstehen.
Benzoylchlorid.*) CgHrjCOCl, wurde zuerst von Liebig und Woehler
(i), durch Einleiten von Chlor in Bittermandelöl dargestellt. Es entsteht ausser-
dem 1. durch Einwirkung von Phosphorspentachlorid (2) resp. Trichlorid (3) auf
*) i) Ann. 3, pag. 262—66. 2) Cahours, Ann. 60, pag. 255. 3) Bächamp, J. pr. Ch. 68,
pag. 489. 4) Gerhardt, Ann. 87, pag. 63. 5) Carius, Ann. 106, pag. 302. 6) Friedel,
Ber. 2, pag. 80. 7) Reketoff, Ann. 109, pag. 256. 8) Ber. 10, pag. 1854. 9) Lieben, Ann.
178, pag. 43. 10) M. Saytzeff, J. pr. Ch. (2) 6, pag. 130. 11) Klinoer, Ber. 16, pag. 994.
12) LiMPRiCHT, Ann. 139, pag. 323. 13) Laurent u. Gerhardt, Compt rend. des trav. de
Chim. 1850, pag. 123. 14} Casselmann, Ann. 98, pag. 235. Bertrand, Ber. 14, pag. 118.
15) Claisen, Ber. 14, pag. 2473. i^) Claisen, Ber. 10, pag. 430. HttSNSR und Buchea,
Ber. IG, pag. 480. 17) Claisen, Ber. 12, pag. 626. 18) Kolbe, Ann. 98, pag. 347.
19) MiQüEL, Compt. rend. 81, pag. 1209. 20) Gerhardt, Ann. 87, pag. 57. 21) Wunder,
J. prakt. Chem. 61, pag. 498. 22) Anschütz, Ber. 10, pag. 1882. 23) Jenssen, Ber. la,
pag. 1495. 24) Schröder, Ber. 12, pag. 161 2. 25) Mosling, Ann. 118, pag. 303. 26) LotR,
Bull. SOG. chim. 32, pag. 168. Greene, Ber. 13, pag. 1139; 14, pag. 1203. 27) CmozzA,
Ann. 84, 106; 85, pag. 231; 86, pag. 259. Malerba, Ann. 91, pag. 102 28) Brodie, Ann. 108,
pag. 80. 29) Liebig u. Woehllk, Ann. 3, pag. 268. 30) Gerhardt u. Chiozza, Ann. chim.
Benzoestture. i6i
Benzoesäure I von Phosphoroxychlorid (4) und Schwefelchloriden (5) auf deren
Salze, 2. durch Erhitzen von Benzoesäure und Phosphorsäureanhydrid (6) im
Salzsäurestrom auf 200° oder durch Erhitzen von Benzoesäure mit Chlomatrium
und saurem schwefelsaurem Natron (7), 3. durch Einwirkung von Chlorkohlen-
oxyd (8) auf Benzol bei Gegenwart von Aluminiumchlorid.
Zar Darstellung erhitzt man 4 Thle. geschmolzener Benzoesäure mit 7 Thin. Phosphor-
peotachlorid und reinigt das Produkt durch fractionirte Destillation.
Stark lichtbrechende, stechend riechende Flüssigkeit, welche bei 198*5° siedet
und in einer Kältemischung erstarrt (9). Leicht löslich in Aether und CSj.
Spec. Gew. ss 1*25 bei 15°. Das Chlorid liefert mit Wasser und Alkalien Benzoe-
säure resp. Salze derselben. Mit Ammoniak oder Aminen entstehen Benzamid
oder Substitutionsprodukte desselben. Beim Erhitzen mit KupferwasserstofT oder
beim Ueberleiten von Benzoylchlorid und Wasserstoff über erhitzten Palladiummohr
(10) wird Benzaldehyd gebildet Natriumamalgam (11) wirkt auf eine ätherische
Losung unter Bildung von Benzil und Isobenzil ein. Durch Einwirkung von Cyan
und Jodkalium entstehen Cyan- oder Jodbenzoyl. Durch Erhitzen mit Phosphor-
pentachlorid (12) auf 180° wird es in Benzotrichlorid, CßH^CClj umgewandelt.
Das Benzoylchlorid erzeugt mit Bittermandelöl (13), mit Aluminiumchlorid
und Titanchlorid (14) krystallinische Verbindungen.
Benzoylbromid (15). C^H^COBr, wird durch Einwirkung von Phosphor-
tribromid (2 Mol.) auf Benzoesäure (3 Mol.) dargestellt. Wasserhelle, zwischen
218° und 219° siedende Flüssigkeit, welche bei — 24° erstarrt. Spec. Gew. = l-ö7.
Mit 1 Mol. Benzaldehyd entsteht eine bei 69—70° schmelzende, krystallinische
Verbindung.
Benzoyljodid (i), CßHjCOJ, entsteht durch Erhitzen von Jodkalium und
Benzoylchlorid. Farblose Krystalle, welche rasch braun werden.
Benzoylfluorid (61 a), CßHßCOFl, farbloses bei 16ö-5° siedendes Oel,
welches durch Behandlung des Chlorids mit Fluorwasserstoff-Fluorkalium dar-
gestellt wird.
Benzoylcyanid, CßHgCOCN, wird durch Destillation von Benzoylchlorid
mit Cyanquecksilber erhalten (16). Weisse, bei 32*5 — 34° schmelzende Krystalle,
welche dem monosymmetrischen System angehören (17). Siedep. 206 — 208°.
Wird durch Alkalien in Benzoesäure und Blausäure zerlegt. Rauchende Salz-
Phys. 46, pag. 135. 31) Dumas, Malaguti u. Leblanc, Compt. rend. 25, pag. 734. 32) Kekul£,
Bct. 6, pag. 113. 33) Weddige, J. pr. Ch. (2) 7, pag. 100. 34) Schwartz, Ann. 75, pag. 195.
35) Dessaignb, Ann. 82, pag. 234. 36) Klein u. Pinner, Ber. lo, pag. 1897; 11. pag- 10.
37) Oppenheim, Bcr. 6, pag. 1392. 38) Jacobsen, Ann. 157, pag. 245. Wallach, Ber. 5,
P*ß- 255. 39) Pinner u. Klein, Ber. 11, pag. 10. 40) Barth u. Senhofer, Ber. 9, pag. 975.
41) Fischer u. Troschke, Ber. 13, pag. 708. 42) Baumert u. Landolt, Ann. in, pag. 5.
43) HAUJtfANN, Ber. 9, pag. 846. 44) Hepp u. Spiess, Ber. 9, pag. i424->28. 45) Limpricht,
Ann. 99, pag. 119. 46) Nencki, Ber. 7, pag. 159. 47) Medicus, Ann. 157, pag. 44. 48) Ger-
uch, J. pr. Ch. (2) 13, pag. 272. 49) LossEN, Ann. 161, pag. 347. 50) Waldstein, Ann. 181,
{Mg. 384. 51) GüRKE, Ann. 205, paß. 278. 52) Ders., Ann. 205, pag. 285—91. 53) LossBN
u. Zanni, Ann. 182, pag. 220. 54) Lossen, Ann. 161, pag. 347. 55) Steiner, Ann. 178,
pag. 226. 56) GÜRKE, Ann. 205, pag. 279. 57) Klein u. Trechmann, Ann. 186, pag. 76 u. ff.
58) LossBN, Ann. 175, pag. 271. 59) Eiseler, Ann. 175, pag. 326. 60) Lossen, Ann. 186,
pag. I. 61) Piper, Ann. 217, pag. i. 61 a) Borodtne, Ann. 126, pag. $8. 62) Klein,
Ann. 166, pag. 184. 63) Schiff u. Tassinari, Ber. 10, pag. 1785. 64) Schäfer, Ann. 169,
pag. III. 65) Klein, Ann. 161, pag. 363.
Laobcbitvg, Chemie. U. II
1
i62 Handwörterbuch der Chemie.
Säure (i6) führt es in der Kälte in Benzoylameisensäure über. Durch Zink und
Salzsäure entsteht Benzaldehyd (i8). Durch PCI 3 wird Phenyldichloracetonitril,
CcHrCCIjCN (17), ein bei 223—224° siedendes Oel erhalten.
Benzoylrhodanid(i9), CßH^COSCN oder C6H5CONCS, entsteht durch
Einwirkung von Benzoylchlorid auf Rhodanblei. Es ist eine unter Zersetzung
siedende Flüssigkeit (Siedep. im Vacuum gegen 200") von M97 spec. Gew.
(bei 16°). Es liefert mit Ammoniak Benzoylhamstoft.
C H CO
Benzoesäureanhydrid, r^jj^CO^* Dasselbe entsteht 1. durch Einwirkung
von Benzoylchlorid auf benzoesaüres Natron (20) und dem entsprechend auch
von Phosphorpentachlorid und Phosphoroxychlorid (21) auf dieses Salz, sowie
durch Erhitzen des Chlorids (22) mit Benzoesäure auf 160—220°,
C6H5COCI 4- CeHgCO^Na = NaCl -f- (C6H5CO)jO.
2. Durch Erwärmen von Chlorbenzoyl mit trocknem oxalsaurem Kali (22)
oder mit entwässerter Oxalsäure (22). 3. Durch Erwärmen von Benzotrichlorid,
CgHjCCls (23), (1 Thl.) mit conc. Schwefelsäure (3Thle.), welche 4-5#Wasser enthält
2C6H5CCI3 -f 3H2O r= 6HC1 -h (C6H5CO)20.
Zur Darstellung werden 6 Thle. benzoesaüres Natron mit 1 Thl. Phosphoroxychlorid auf
150° erhitzt, das Produkt mit verdünnter Sodalösung gewaschen und durch Umkiystallisiren aus
Aether resp. Alkohol, oder durch Destillation gereinigt. Oder man erhitzt 4 Thle. Chlorid mit
1 Thl. Oxalsäure und reinigt wie angegeben.
Das Anhydrid bildet rhombische Prismen, welche bei 42° schmelzen.
Siedep. 360° (22). Spec. Gew. = 1-231 — 1'247 bei 4° (24). Unlöslich in Wasser,
ziemlich leicht in Aether und Alkohol löslich. Von heissem Wasser wird es allmäh-
lich unter Bildung von Benzoesäure zerlegt, rasch von Alkalien. Beim Kochen mit
Alkohol entsteht Benzoesäureäther (25). In Salzsäuregas erhitzt, zerfällt es in
Benzoylchlorid und Benzoesäure. Schwefelwasserstoff (25) erzeugt neben anderen
Produkten Benzoylsulfid. Durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf die Salze
von anderen einbasischen Säuren oder von den Chloriden der letzteren auf
benzoesaure Salze entstehen gemischte Anhydride der Benzoesäure.
C H CO
Essigsäure-BenRoesäureanhydrid (26), ^^ ^q O, ist ein schweres Oel, welches
bei der Destillation in Essigsäureanhydrid und Benzoesäureanhydrid zerfällt Die Benzoesäure-
anhydride (27) der Isovaleriansäure, Oenanthsäure und Pelargonsäure sind, ebenfalls fltissig, die-
jenigen der Myristin- und Stearinsäure feste Körper.
C H CO
Benzoylsuperoxyd (28), c^HrCO^»» entsteht durch Einwirkung von Barium-
superoxyd auf Benzoylchlorid und bildet grosse, glänzende Krystalle. Wird über
100° zerzetzt unter schwacher Explosion.
Benzamid, CgHjCONH^. Von Liebig und Woehler (29), 1832 entdeckt.
Das Amid entsteht 1. durch Einwirkung von Ammoniak (29) oder kohlensaurem
Ammoniak (30) auf Benzoylchlorid, von Ammoniak auf Benzoesäureäther (31)
oder Anhydrid. 2. Durch Destillation von Benzoesäure mit Rhodanammonium (32),
3. Durch Kochen von Benzonitril (33) mit Kaliumsulfhydrat. 4. Durch Kochen
von Hippursäure (34) mit Wasser und Bleisuperoxyd oder durch Erhitzen der-
selben mit trockner Salzsäure.
Zur Darstellung wird Benzoylchlorid mit kohlensaurem Ammoniak verrieben, das Produkt
durch Waschen mit kaltem Wasser von den Ammonsalzen befreit und das Amid aus heissem
Wasser oder Alkohol umkrvstallisirt.
Benzoesäure. 163
Monokline Krystalle (62), welche bei 128° schmelzen. Spec. Gew. (24) = 1-341
bei 4°. Das Amid ist fast unlöslich in kaltem Wasser, leicht löslich in heissem, be-
sonders ammoniakalischem Wasser, in Alkohol und Aether. Durch Erhitzen mit
wasserentziehenden Mitteln, Phosphorsäureanhydrid, Phosphorpentachlorid, conc.
Schwefelsäure wird es in Benzonitril übergeführt. Mit Brom entsteht ein unbe-
*»tändiges Additionsprodukt. Aus der heissen salzsauren Lösung (35) krystallisirt
CijHjCONHg, HCl, in langen Prismen, welche an der Luft Salzsäure verlieren.
Dieselbe Verbindung entsteht durch Einwirkung von Wasser und Salzsäure auf
Benzonitril (36). Mit Quecksilberoxyd bildet die warme wässerige Lösung des
Amids eine krystallinische Verbindung, (C6H5CONH)2Hg (37).
Diurch Auflösen von Benzamid in (38) Chloral entsteht Chloralbenzamid,
CCI3COH, NHjjCOCßHj, rhombische Tafeln, welche bei 150—151° schmelzen.
Dieselbe Verbindung kann durch Einleiten von Salzsäure (39) in gleiche Moleküle
Benzonitril und Chloralhydrat erhalten werden. Analog dem Chloral verhält sich
Butylchloral.
Butylchloralbenzamid(63), C^HjC^O, NHjCOCßHg, bildet bei 132— 33°
schmelzende, in Wasser fast unlösliche Krystalle.
Dibenzamid, (CgH5CO)2NH, wird durch Behandlung von Benzonitril (40)
mit Schwefelsäure und Phosphorsäureanhydrid dargestellt; es entsteht auch
(neben Benzamid) durch Oxydation von Lophin (41) und durch Einwirkung von
Benzoylchlorid auf Kaliumamid (42).
Zar Darstellung trägt man in 7 Thle. Vitriolöl und 4 Thle. Phosphorsäureanhydrid nach
und nach 7 Thle. Benzonitril ein, giebt nach einigen Stunden Wasser hinzu, und krystallisirt die
sich abscheidenden Krystalle aus verdünntem Alkohol um.
Rhombische, bei 148** schmelzende Nadeln, schwer löslich, selbst in sieden-
dem Wasser, leicht in Alkohol, Aether und Benzol. Der ImidwasserstofF ist durch
Metalle, (Ag,Na), ersetzbar. Durch Erhitzen von Benzamid in Salzsäuregas auf
130° entsteht ein Hydrat (64) des Dibenzamids, (C6HjiCO)2NH -+- 2Hj,0,
Blätter, welche bei 99° schmelzen. Durch Erhitzen mit kohlensauren Alkalien
zerfMllt es in Benzoesäure und Ammoniak.
Derivate des Benzamids mit Kohlenwasserstoffradicalen. Die
aromatische Radikale enthaltenden Derivate sind bei den entsprechenden Amiden,
Amidophenolen, Hydrazinen beschrieben.
Dimethylbenzamid (43), CgHjCON(CH3)^, aus Benzoylchlorid und Dimethylamin in
itherischer Lösung erhalten, bildet bei 41—42" schmelzende Krystalle. Siedep. 255— 257".
Es setzt sich mit Chlorkohlenoxyd nach folgender Gleichung um:
CgH^CONCCH,), 4- COCI3 = CgHsCCljNCCHj), 4- CO3.
Diäthylbenzamid (43), zwischen 280—282® siedendes Oel.
Derivate des Benzamids mit Aldehydradicalen.
NHCOC H-
Methylendibenzamid (44), ^^aNHCOC^H * ^*"^ Lösung von 2 Mol. Benzo-
6 ö
nitril in 1 Vol. Chloroform wird mit conc. Schwefelsäure und dann unter Abkühlen mit 1 Mol.
Methylal versetzt, die Masse in Wasser gegossen, das Chloroform abdestillirt und der mit
Ammoniak gewaschene Rückstand aus Alkohol umkrystallisirt. Bei 212° schmelzende
Nadeln. In Wasser fast unlöslich, leicht in Aether, Alkohol etc. Durch Kochen
mit verdünnten Säuren entsteht Benzamid, mit conc. Säuren oder alkoholischem
Kali Benzoesäure.
NHCOC H-
Aethylidendibenzamid, CH^CHxjjTpQp^TT*, kann analog dem vorigen
164 Handwörterbuch der Chemie.
aus Benzonitril (44) und Paraldehyd dargestellt werden; es entsteht ausserdem aus
Aldehydamraoniak (45) und Benzoylchlorid, sowie aus Aldehyd (46) und Benzamid
bei Gegenwart von Salzsäure. Bei 204° schmelzende Nadeln. Wird der Par-
aldehyd durch Chloral ersetzt, so entsteht das bei 257° schmelzende Trichlor-
NHCOr* H
äthylidendibenzamtd (44), CCljCHj^JlQQQßjJ^ Durch Oxydation von
Hippursäure entsteht ein Hipparafilln genannter Körper, welcher identisch mit
dem Aethylidendibenzamid zu sein scheint.
Oenanthylidendibenzamid(47), C7Hi4(NHCeHj^CO)j, ist eine bei 128*
schmelzende Krystallmasse.
Derivate des Benzamids mit Cyan (48).
Benzoylcyanamid, C^HßCONHCN, entsteht durch Einwirkung von Benzoyl-
chlorid auf in Aether suspendirtes Natriumcyanamid. Höchst unbeständiges» bei
seiner Bildung theil weise in Kohlensäure, Cyanamid und Benzonitril zerfallendes
Produkt. Die ätherische Lösung liefert durch Polymerisation Tribenzoylmelamin
(CgH5CONHCN)8, gelbes, in Wasser, Alkohol und Aether unlösliches Pulver,
welches bei 275° unter Zersetzung schmilzt. Dasselbe erzeugt beim Erhitzen iip
WasserstofFstrom neben anderen Produkten das leicht krystallisirende Dibenzoyl-
dicyanamid (CßHjCONHCN)^. Leicht löslich in Alkohol und Aether, schwer
in Wasser. Schmelzpunkt 112°.
Benzoylammelin, CgHjCONHCjHgN^O, bildet sich aus Benzoylchlorid
und trockenem Natriumcyanamid. Braunes, in Wasser und Aether unlösliches,
in Alkohol, Benzol, Alkalien und Essigsäure leicht lösliches Harz.
Hydroxylderivate des Benzamids.
Durch Einführung von Benzoyl an Stelle des Wasserstoffs im Hydroxylamin
entstehen drei Arten von Verbindungen, welchen nach Lossen folgende Formeln
zukommen.*)
COCeH.
COCgH,
COCeHj
NH
NH
NCOCjHj
OH
OCOCgH,
OCOC^Hg
Qzhydroxamsäure.
Dibenthydroxamsäure.
Tribenzoylhydroxyiamin.
Die beiden ersten Verbindungen sind einbasische Säuren, die letztere ein
neutraler Körper, welcher in drei physikalisch verschiedenen, chemisch jedoch
gleichen Modifikationen existirt.
Benzhydroxamsäure (49, 95) entsteht neben Dibenzhydroxamsäure aus
Benzoylchlorid und wässrigem Hydroxylamin.
Zur Darstellung wird 1 Thl. salzsaures Hydroxylamin in 8 — 10 Thbi. Wasser gelöst, die
Lösung mit einer zur Bindung des Chlors hinreichenden Menge von kohlensaurem Natron ver-
setzt und 3 Thle. Benzoylchlorid, unter Vermeidung stärkerer Erwärmung allmählich jcugefUgt.
Die schwerlösliche Dibenzhydroxamsäure wird vollständig, die Benzhydroxamsäure nur zum Theil
ausgeschieden. Man versetzt daher die filtrirte Lösung mit Barytwasser, und zerlegt das gut
ausgewaschene Baiytsalz mit der genau erforderlichen Menge Schwefelsäure. Das Gemenge der
beiden Säuren wird in kochendem Alkohol gelöst, aus welchem zuerst die Dibenzhydroxamsäure
auskrystallisirt. Die in den Mutterlaugen zurückbleibende Benzhydroxamsäure wird durch Um-
krystallisiren aus wenig Alkohol gereinigt.
Die Säure bildet rhombische Tafeln oder Blättchen, welche zwischen 124**
und 125° schmelzen. Sie ist ziemlich leicht, auch in kaltem Wasser (mit saurer
*) Die Benzhydroxamsäure kann vielleicht auch als ein den Oximidoverbindungen analoges
Produkt CgHjC^Qjj aufgefasst werden (s. Lossen, Ber. i6, pag. 873).
Benzoesäure. 165
Reaction) löslich, leicht löslich in Alkohol, wenig in Aether. Durch Erwärmen
mit Mineralsäuren zerfällt sie in Benzoesäure und Hydroxylamin. Obwohl ein-
basisch, bildet sie mit den Alkalien, auch mit Baryt, vorzugsweise saure Salze,
welche meist gut krystallisiren. C7H5ONHOK, C7H5ONHOH in Wasser leicht
lösliche Prismen. C^H^ONHONa, C7H5ONHOH -f- SHjjO Prismen.
Eisenchlorid bringt in der Lösung der Säure oder ihrer Alkalisalze einen
dunkelrothen Niederschlag hervor, welcher im Ueberschuss des Chlorids mit tief
COCeHj
dunkelrother Farbe löslich ist. Wird der in der Benzhydroxamsäure, NH ,
OH
enthaltene Wasserstoflf des Hydroxyls durch ein Alkoholradikal ersetzt, so entsteht
ein Benzhydroxamsäureäther , welcher sich wie eine schwache Säure verhält,
jedoch nicht weiter ätheriücirt werden kann, während durch Substitution eines
Amidwasserstoffs eine isomere Aethersäure entsteht.
COCeHj.
Benzbydroxamsäureäthyläther. NH , kann sowohl durch Behandlung einer
OCjHj
alkoholischen Lösung von Benzhydroxamsäure (l Mol.) mit Actzkali (2 Mol.) und Jodäthyl
(so) (l Mol.), als auch durch Einwirkung von Benzoylchlorid (51) auf Aethylhydroxylamin er-
halten werden. Dicke Tafeln. Wenig löslich in Wasser, leicht in Alkohol und Aether.
Schmp. 64 — 65^. Er löst sich in Alkalien. Säuren, selbst Kohlensäure fällen ihn aus diesen
Lösungen. Beim Erhitzen mit Salzsäure entsteht Benzoesäure und Aethylhydroxylamin.
COCeHs
Aethylbenzhydroxamsäure (52), NCjHs , existirt in zwei isomeren
OH
Modificationen, welche durch Einwirkung von Kali auf die isomeren a und ß
Dibenzhydroxamsäureäthyläther (siehe unten) gebildet werden.
i COCeH., COCeHs
«.pNCjHc -h2KOH = a.ß.NC,H5 4-C«H5CO,K
OCOCgHs OH
Die beiden Säuren gehen unter Einwirkung von alkoholischem Kali und Jod-
! äthyl in Aethyläther über. Beim Erhitzen mit Salzsäure zerfallen beide in
Bcnzoesäureäthylester und Hydroxylamin; die Aethyläther in Benzoesäureester
und Aethylhydroxylamin.
tt- Säure. Monokline Prismen oder Tafeln, welche bei 53,5*^ schmelzen. Spec.
Gew. = 1,2072. In 74,2 Thle. Petroleumäther (spec. Gew. = 0,6518) löslich. Der Aethyläther
siedet bei 244®.
ß-Säure. Monokline Krystalle, welche bei 67,5—68® schmelzen. Spec. Gew. = 1,1867.
In 45,2 Thle. Petrolcumäther löslich.
COC.Hj
MethylbenÄhydroxamsäure (53). NCH, , der Aethylvcrbindung analog aus
OH
Wbenxhydroxamsäuremethyläther dargestellt, bildet rectanguläre, bei 64-65° schmelzende Tafeln.
Dibenzhydroxamsäure. NH , (Lossen) entsteht aus Hydroxyl-
OCOCßHji
amin oder Benzhydroxamsäure und Benzoylchlorid. Sie wird am besten aus
unreinem Hydroxylamin (54) dargestellt. Rhombische Prismen (55); welche bei
153° schmelzen. Sie ist fast unlöslich in Wasser und Aether, löslich in heissetn
Alkohol. Die alkoholische Lösung wird beim Erwärmen mit Salzsäure \n
Benzoesäure und Hydroxylamin zerlegt. Alkalien, auch Barytwasser bilden Benz^
*»ydroxamsäure und Benzoesäure. Bei der trocknen Destillation entstehen KoMexv-
«ittic, Benzoesäure, Benzanilid und Phenylcyanat. Die Alkalisalze krystallisir^xi
r
1
l66 Handwörterbuch der Chemie.
gut. Beim Kochen ihrer Lösungen wird neben benzoesaurem Salz und Kohlen-
säure Diplienylharnstoff gebildet. Wird das Silbersalz der Dibenzhydroxamsäure
mit Jodäthyl behandelt, so entsteht
COCgHj
Diben»hydroxain!jHureJlthyläther (56), NC3H5 , und zwar in zwei, in ihren
OCOCgHj
ZtfSCUungcn gleichen, jedoch physikalisch verschiedenen Modificationcn.
Ä-Aether. Hauptproduct Rhombische Krystalle. Schmp. 58". Leicht löslich in
Alkohol und Aelhet, unlöslich in Benzol.
p-Aetliei. Triklin. Schmpt. 63®. Leichter in Alkohol und Acther löslich als die «-Vcr-
bmdung. Der Actber entsttibt auch durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf a- und ß-Aethyl-
hr n 1 hy tl rox am sHu re.
Die Aether zcrfaUen beim Erhitzen in Aldehyd, Benzoesäure und Benzonitril.
COCßHs
Tribenzhydroxylamin (49, 55, 57, 58), NCOCßH^ , wird durch Ein-
OCOCeHj
Wirkung von trockenem, salzsaurem Hydroxylamin auf eine Lösung von Benzoyl-
('hlorid in ToUiol oder durch Erwärmen von Benzoylchlorid mit dem Silber- resp.
Kaliumsab der Dibenzhydroxamsäure dargestellt Es entstehen drei Modificationcn,
welche durch Aetber getrennt werden.
a) Monökbfit Krysiatlf. Leicht löslich in Acther und siedendem Alkohol. Schmp. 100**.
Wirt] durch Sak^äure leicht i erlegt.
ß) MonokJinc Krystalle. Unlöslich in Aether und Wasser, schwer löslich in kaltem Alkohol.
leichter m heissem. Schmp. 141 — 142°.
y) Mfinokltne KryslaUc. Schmp. 112". Kann durch Behandlung mit verdünnter Salzsäure
ii> die f3-VcrbinduTig Übergcfillirt werden.
Benzanishydrox am säure (58) NH(C7H50)(CgH702)0, durch Erwärmen
von Anisylchiorid mit Benzhydroxamsäure dargestellt, krystallisirt in Prismen oder
Nadeln, welche bei K^l^— 132° schmelzen. Die Säure wird beim Erwärmen
inil Barytwaiiser in Anissäure und Benzhydroxamsäure zerlegt; das Kaliumsalz
bildet beim Kochen mit Wasser Kohlensäure, Anissäure und Diphenylharnstoff.
Bei der trockenen Destillation entsteht Kohlensäure, Anissäure und Anisanilid.
Anisben^hydrnxa 311 säure (58), NH(C8H702)(C7H50)0, entsteht aus
Ben?:oykhlurid und Anishydroxamsäure. Nadeln oder Prismen, welche bei 147
bis 148'" schmcUen. Durch Barytwasser wird sie in Kohlensäure, Benzoesäure
und Anishydroxamj^säure verlegt; das Kaliumsalz zerfallt mit Wasser in Kohlen-
.säure, Benzoesäure und Dianisylharnstoff. Sie zerfallt bei der trockenen
Destillation in Kohlensäure, Benzoesäure und Benzoylamidoanisol.
Benz^nisäthylhydroxylamin (61) existirt in ftinf Modifikatienen.
I. a-BontanishydrfiAamsäureäthyläther N(C7H50)(C8HyOo)(C,Hj)0, aus benz-
anishydroxacisiiLirem Silber und Jodäthyl dargestellt, bildet monoklinc, bei 74° schmelzende
KiystttUc.
2* 3*Bcnzanishydro ^amsäureäthyläther wird aus Anisylchiorid und Aethylbenc-
(»ydroxamsäurt* dargestellt. Monokline, bei 89° schmelzende Krystalle.
^. Anisben thydroxamsäureäthyläiher, N(C8H70jj)(C7H50)(C2Hj)0, aus Anisben z-
hydrox^imsifwrt* und Jndstthyl gewonnen, schmilzt bei 79°.
i* Benzjlthy lanrshydroxylamin, N(C7H50XC.^H5)(CgH70j)0, aus Anisylchiorid und
flt'm Silbtrsalz von HenihydTt^xEimsäureäthyläther erhalten, bildet trikline, bei (>4° schmelzende
Krystnllc-
5. Anisüthylben/hydroxylamin, N(Cj,H70.^)(C.^H5)(C7H50)0, aus Benzoylchlorid
und Ani'shydfoxtiRi^'ttUTclithyliitheir bildet monokline, bei 93°— 94° schmelzende Krystalle.
Bcnssanifiben^hydroxylamin (60), N(C7H50)(C8H70,)(C7H50)0, entsteht
Benzoesäure. 167
in drei Modificationen durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf Benzanishydro-
zamsaures Silber.
«) Hauptprodukt. Kurze trikline Säulen. Schmp. 113— lU®. Wird von Salzsäure leicht
in Benzoesäure, Anissäure und Hydroxylamin zerlegt.
P) Rhombische Prismen, welche bei 124"— 12.5^ schmelzen.
7) Monokline Tafebi. Schmelzp. ca. 110" (?) Durch Einwirkung von Salzsäure wird es
tlio'Iweise in ß-Modification umgewandelt.
Üibenzanishydroxylamin(6o), N(C7H50)j(CgH702)0, entsteht ausAnisyl-
chlorid und dibenzhydroxamsaurem Silber. Zwei Modificationen.
a) Monokline Nadeln. Schmp. 110—110*5.
3) Kleine bei 109—110" schmelzende Krystalle. Die a-Moditation wird durch Salzsäure
leichter als die ß-Modification in Anissäure und Dibenzhydroxamsäure zerlegt.
Anisdibenzhydroxylamin (60), N(C8H702)(C7H50)20, entsteht in zwei
Modificationen aus Benzoylchlorid und anisbenzhydroxamsaurem Silber.
a) Monokline Tafeln. Schmp. 137—137-5".
ß) Kleine Krystalle, Schmp. 109"5 — UO'Ö" Durch Salzsäure wird a leicht, ß schwierig
in Benzoesäure und Benzhydroxamsäure gespalten.
Anisbenzanishydroxylamin (60), N(CgH702)(C7H50)(CgH702)0, aus
Anisylchlorid und anisbenzhydroxamsaurem Silber dargestellt, bildet zwei Modifi-
cationen.
a) Monokline Prismen. Schmp. 152 — 153".
ß) Monokline Tafeln. Schmp. 148—149".
a-Verbindung wird leicht von Salzsäure gespalten.
Dianisbenzhydroxylamin (60), N(C8H 703)2(071150)0, wird aus Benzoyl-
chlorid und dianishydroxamsaurem Silber dargestellt und bildet bei 147'5°
schmelzende Krystalle.
Benzdianishydroxylamin, N(C7H50)(CgH702)20, entsteht in zwei Modi-
ficationen aus Anisylchlorid und benzanishydroxamsaurem Silber.
a) Trikline Säulen. Schmp. 137-5- 138-5".
ß) Trikline Tafeln, Schmp. 137.5—138". Beide Modificationen werden leicht durch Salz-
säure zerlegt.
Benzoylderivate der Oxysäuren und Amidosäuren der Fettreihe
sind weiter unten beschrieben.
Substitutionsprodukte der Benzoesäure.
Chlorbenzoesäure*), CgH^ClCOjH.
o-Chlorbenzoesäure (Chlorsalylsäure). Die wichtigsten Entstehungs-
•) i) CmozzA, Ann. 83, pag. 317. Glu'I*z, Ann. 143, pag. 194. 2) Emkierling, Ber. 8, pag.
880—83. 3) Henrv, Ber. 2, pag. 136, 493. Richter, Ber. 4, pag. 463. 4) Klepl, Privatmitthlg.
5 a) Koi3E u. Lautkmann, Ann. 115, pag. 183. Beilstein u. Reichenbach, ibid 132, pag. 311.
5b) HöBNER u. Uppmann, Z. Ch. 1870, pag. 293. 6a) Ost, J. pr. Ch. (2) 11, pag. 385.
6b) Kekule, Ann. 117, pag. 188. 7) Schreib, Ber. 13, pag. 465. 8) Beh^tein u. Geit.ner,
Ann. 139, pag. 336. 9) Beilstein u. Kuhj.berg, Ann. 146, pag. 328; 147, pag. 344. 10) Beil-
stein u. WiLBRAND, Ann. 128, pag. 270. 11) Müller, Z. Chem. 1869, pag. 137. i2a)FiELD,
Ann. 65, pag. 55. 12 b) Otto, Ann. 122, pag. 157. 13) Hübner u. Weiss, Ber. 6, pag. 175.
14) Wroblewsky, Ann. 168, pag. 200. 15) Beilstein u. Schlun, Ann. 133, pag. 239. 16) LiM-
PRiCHT u. UsLAR, Ann. 102, pag. 259. 17) Dies., Ann. 106, pag. 35—36. 18) Griess, Ber. 2,
pag- 370- 19) Schultz, Ann. 187, pag. 260 — 70. 20) Oti'O, Ann. 122, pag. 147; 123, pag. 225.
21) Beilstein, Ann. 179, pag. 284—91. 22) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 152, pag. 232.
23) Dies., Ann. 152, pag. 225. 24) Claus u. Pfeifer, Ber. 5, pag. 658; 6, pag. 721. Claus
u. Thiel, Ber. 8, pag. 948. 25) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 1S2, pag. 234. 26) Jannasch,
Ann, 142, pag. 301. 27) Salkowsky, Ann. 163, pag. 28. 28) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 152,
t68 Handwörterbuch der Chemie.
weisen sind: Erhitzen von Salicylsäure mit Phosphorpentachlorid (i), Oxydation
von o-Chlortoluol mit einer verdünnten Lösung von übermangansaurem Kali (2)
oder von o-Chlorbenzalchlorid, CgH^ClCHCl,, mit Chromsäure und Zersetzung
Cl
des o-Chlorbenzonitrils (3), CßH^p^^, mit Salzsäure.
Zur Darstellung (5 a) wird 1 Mol. Salicylsäure oder Salicylsäureäther mit 2 MoL Phosphor-
pentachlorid gemischt, bis zum Aufhören der Salzsäureentwicklung am aufsteigenden Kühler ge-
kocht, destillirt, das zwischen 220° und 300® übergehende durch siedendes Wasser zersetzt und
von dem zurückbleibenden Oel (Chlorbenzotrichlorid, CßH^ClCCl,) getrennt Beim Erkalten
krystallisirt ein Gemenge von Salicylsäure und Chlorbenzoesäure, welches zur Trennung durch
Digeriren mit Kalkmilch in schwer lösliches basisch salicylsaures Calcium und leicht lösliches
chlorbenzoesaures Salz umgewandelt wird. Die Säure wird aus letzterem mit Salzsäure abge-
schieden und durch Umkrystallisiren aus Alkohol gereinigt. Auch Destillation mit Wasserdämpfen, .
mit welchen nur die Salicylsäure flüchtig ist, lässt sich zur Trennung benutzen. Nach Ver-
suchen von Klepl (4) wird das o-Chlorbenzotrichlorid durch Kochen mit wenig Wasser ent-
haltender Schwefelsäure leicht in Chlorbenzoesäure übergeftihrt; es lässt sich daher die Säure
auch aus diesem leicht rein darzustellenden Chlorid gewinnen.
Die Säure bildet seideglänzende Nadeln, welche bei 137° schmelzen. 1 Tb.
löst sich bei 0° in 881 Th. Wasser. Durch Natriumamalgam (5 b) wird sie in Ben-
zoesäure, durch schmelzendes Alkali (6 a) in o- und m-Oxybenzoesäure umgewandelt.
Das Kalksalz ist sehr leicht löslich. (Unterschied von p- und m-Chlorbenzoe-
säure.)
Das Chlorid (2, 7), CgH^ClCOCl, siedet bei 235— 238^
Das Amid (6b), CgH4ClCONH2, bildet bei 139» schmelzende Nadeln.
Das Nitril (3), C^H^CICN, krystallisirt in langen bei 42—43** schmelzenden Nadeln.
Siedep. 2320.
Das Anilid (6b), C^H^ClCONHCgHs, bildet weisse, in heissem Wasser wenig lösliche
Nadeb.
m.- Chlorbenzoesäure. Ihre wichtigste Bildungsweise beruht auf der Ein-
wirkung von Chlor resp. Chlor abgebenden Substanzen, z. B. Salzsäure und
chlorsaurem Kali (12 a), Salzsäure und Braunstein (13), Chlorkalk (12b), Antimon-
pentachlorid etc. auf Benzoesäure. Ausserdem wird sie durch Oxydation von
m-Chlortoluol (14) und seiner Derivate und durch Zersetzung von m-Amidobenzoc-
säure (30) erhalten.
pag. 245. 29) Hartmann, J. pr. Ch. (2) 12, pag. 204. 30) Griess, Ann. 117, pag. 13 — 15.
31) Grabe, Ann. 138, pag. 197. 33) v. Richter, Ber. 4, pag. 463, Griess, Ann. 135,
pag. 121. 34) BöTTiNGER, Ber. 7, pag. 1779. 35) Zinke, Ber. 7, pag. 1502. 36) Rahus,
Ann. 198, pag. 102. 37) Hübner, Ohly u. Philipp, Ann. 143, pag. 257. 38) Fittig u. König,
Ann. 144, pag. 283. Meusel, Z. Ch. 3, pag. 322. Schulz, Ann. 174, pag. 209, 216, 219.
39) Halbf.rstadt, Ber. 14, pag. 907. 40) Wroblewsky, Ann. 168, pag. 156. 41) Jackson.
Ber. 9, pag. 931. 42) Wurster, Ann. 176, pag. 149. 43) Hübner u. Friedburg, Ann. 158,
pag. 26. Hübner u. Angerstein, Ann. 158, pag. 2. Hübner u. Petermann, Ann. 149, pag. 131.
44) Barth, Ann. 164, pag. 144. 45) Hübner u. Angerstein, Ann. 158, pag. 10. 46) Burg«
hardt, Ber. 8, pag. 557—60. 47) Lawrie, Ber. 10, pag. 1704—5. 48) Beilstein u. Geitner,
Ann. 139, pag. 4. 50) Richter, Ber. 8, pag. 1422. 51) Nevill u. Winther, Ber. 13. pag. 970 — 73.
52) Reinere, Z. Chem. (2) 5, pag. 110. 53) Smffh, Ber. 10, pag. 1706. 54) Vollbrecht,
Ber. 10, pag. 1708. 55) Pfeiffer, Ber. 5, pag. 656. 56) Griess, Ber. 4, pag. 521. 57) Richter,
Ber. 4, pag. 553. 58) Kekule, Ber. 7, pag. 1006. 59) Körner, Z. Ch. (2) 4, pag. 327.
60) Schultz, Ann. 207, pag. 333. 61) Grothe, J. pr. Ch. (2) 18, pag. 324. 62) Peltzer, Ann. 136,
pag. 200. 63) Richter, Z. Ch. (2) 5, pag. 459. 64) Claus u. Lade, Ber. 14, pag. 1168.
65) Paterno u. Oliveri, Ber. 15, pag. 1197. 66) v. Richter, Ber. 4, pag. 465.
'C
^.
Benzoesäure. 169
Zur Darstellung (13) erhitxt man 7 Grm. Benzoesäure, 6 Grm. Braunstein und 40 Grm.
ranchende Salzsäure auf 150® und reinigt die entstandene Säure durch Umkrystallisiren.
Die Säure setzt sich aus Alkohol in concentrisch gVuppirten, bei löS"*
schmelzenden Nadeln ab. 1 Th. ist bei 0° in 2830 Th. Wasser löslich. Durch
schmelzendes Kali wird sie in m-Oxybenzoesäure übergefiihrt. Die Salze sind
meist löslich in Wasser.
Das Chlorid, welches auch durch Erhitzen von m-Sulfobenzoylchlorid (16), C6^4roCl
sowie aus Chinasäure (31) und PCI5 entsteht, siedet bei 225®.
Das Amid (17) bildet Blättchen. Schmp. 122®.
Das Nitril (17, 18) krystallisirt in Prismen. Schmp. 40®.
p-Chlorbenzoesäure (Chlordracylsäure), entsteht durch Oxydation
von p-Chlortoluol (2, 8), p-Chlor-Benzylalkohol, resp. Aldehyd, durch Zersetzung
von p-Diazoamidobenzoesäure (10) mit Salzsäure, durch Behandlung von p-Chlor-
benzol (11) mit Braunstein und Schwefelsäure und durch Einwirkung von Phos-
phorpentachlorid auf p-Oxybenzoesäure (29).
Zur Darstellung aus p-Chlortoluol wird 1 Th. desselben mit einem Gemisch (8) von
4 Thln. dichromsaurem Kali und 6 Thln. Schwefelsäure und demselben Volumen Wasser
oder mit einer Lösung von 3 Thln. übermangansaurem Kali (2) erwärmt. Nach Beendigung der
Reaktion wird zunächst das unzersetzte Chlortoluol mit Wnsserdämpfen abdestillirt und bei An-
wendung von Kaliumdichromat die Säure nach dem Erkalten der Flüssigkeit abfiltrirt. Hat über-
maogansaures Kali zur Oxydation gedient, so wird das Manganoxyd durch Filtration entfernt und
das Kalisalz durch Salzsäure zerlegt. Hat man zur Oxydation rohes Chlortoluol (o-Chlortoluol
endialtend) angewandt, so werden die beiden Säuren durch Ueberführung in die Kalksalze
(p-chlorbenzoesanres Calcium ist schwer löslich in Wasser) getrennt
p-Chlorbenzoesäure bildet Nadeln oder Schuppen, welche bei 237° schmelzen.
Das Chlorid (2) bildet eine zwischen 220—222^ siedende Flüssigkeit, das Amid (2) bei
170*^ schmelzende in Wasser schwer lösliche Nadeln. Anilid, bei 194^ schmelzende Nadeln.
Dichlorbenzoesäure, CgHgCljCOjH.
Säinmtliche drei bekannte Modificationen dieser Säure (a, ß, y) entstehen durch Erhitzen
TOD rohem Dichlorbenzotrichlorid (19), CgH,CljCCl,, mit Wasser auf 200". Man trennt sie
durch Ueberführung in die Barytsalze, von denen dasjenige der ß-Säure am schwersten, das der
7-Säure am leichtesten löslich ist
«•Dichlorbenzoesäure (21, 24), CgHjCOjHClQ, wird ausser auf dem bereits ange-
1 3 3 oder 5
führten Wege (24) durch Chloriren von o-Chlorbenzoesäure und m-Chlorbenzoesäure resp. Ben-
zoesäure dargestellt Nadeln, welche bei 156° schmelzen. Sie siedet unzersetzt bei 301°.
1 TbL löst sich bei 11° in 1193 Thle. Wasser.
Baiytsalz, (C,H,a,C0j)8Ba -^ 3H, O. 100 Tbl. H^O lösen bei 16° 2,64 Thle.
Amid bildet wollige, bei 156° schmelzende Nadeln.
ß-Dichlorbenzoesäurc, CgHjCOjHClCl, zuerst durch Zersetzung von Dichlorhippur-
1 s 4
saure (20) mit Salzsäure dargestellt, entsteht ausserdem durch Einwirkung von Pentachlorantimon
auf p-Chlorbenzoesäure (21), durch Oxydation von Dichlortoluol (23) und seiner Derivate und
durch Behandlung von Benzoesäure oder m-Chlorbenzoesäurc mit Chlorkalk (22), chlorsaurem
Kali (21) und Salzsäure etc. und zwar neben der a-Säurc. Die Trennung wird durch die
Barvtsalze bewerkstelligt Glänzende Nadeln, welche bei 201° schmelzen. 1 TI1I. Säure ist in
U63 Thln. Wasser löslich.
Barytsalz, (CjH,Cl,CO,),Ba + 4H3O. 100 Thl. H,0 lösen bei 18° MO Thle.
Amid bildet Nadeln, welche bei 133° schmelzen.
7-Dichlorbenzoesäure (19), Stellung unbekannt Sie krystallisirt aus Alkohol in
Nadehi, welche bei 126*5° schmelzen.
Barytsalz. {CgH,Cl,CO,)jBa -^ 3iH,0, bildet kleine Nadehi. 100 Thle. H,0 löseu
bei 4® 4*7 Thle. Das Salz ist auch in Alkohol leicht löslich.
17© Handwörterbuch der Chemie.
Amid bildet bei 166® schmelrende NadelD.
Trichlorbenzoesäure, CßHjCIgCOjH, ist in zwei Modificationen bekannt.
a-Trichlorbenzoesäure, CgH^COjHClClCl, entsteht durch fortgesetztes Kochen von
1 8 4 (?)
Benzoesäure oder jü-Dichlorbenzoesäure (25) mit Chlorkalklösung, durch Oxydation von Trichlor-
toluol (26) (Schmp. 75— TG'') und durch Erhitzen von Trichlorbenzotrichlorid (25) (Schmp. 82^
mit Wasser auf 250—260°. Nadeln, welche bei 163** schmelzen. In Wasser fast unlöslich.
Der Aethylester bildet bei 65 ^ das Amid bei 167*5" schmelzende Nadeki. Das
krystallisirende Chlorid schmilzt bei 41° und siedet bei 272°.
p-Trichlorbcnzoesäure (27), CgH^COgH CICICI, durch Zersetzung von Chrysanissaure
1 345
(Dinitro-p-Amidobenzoesäurc) mit rauchender Salzsäure bei 200 — 210° erhalten, krystallisirt in
glänzenden Nadeln, welche bei 203° schmelzen. Fast unlöslich in Wasser, leicht löslich in
Alkohol und Aether.
Das Chlorid bildet Nadeln, welche bei 36° schmelzen. Amid schmilzt bei 176°,
Aethylester bei 86°.
Tetrachlorbenzoesäure, CgHCl^CO^H, entsteht durch Erhitzen von Tctrachlorbenzo-
trichlorid (28), CgHCl^CClj, mit Wasser auf 280°. Sie schmilzt bei 187° und bildet ein in
Nadeln krystallisirendes Barytsalz. Durch Behandlung von o-Chlorbenzoesäure (21) mit Penta-
chlorantimon wird ebenfalls eine Tetrachlorbenzoesäure erhalten. Es ist noch nicht fest
gestellt, ob dieselbe identisch oder isomer mit der ersteren ist.
Brombenzoesäuren, CfiH4BrC02H.
o-Brombenzoesäure, zuerst aus salpetersaurer o-Amidobenzoe säure {33)
erhalten, entstellt in geringen Mengen neben der Metaverbindung durch direkte
Bromirung (34) von Benzoesäure, durch Erhitzen von m-Bromnitrobenzol (66) mit
Cyankalium auf 200° und durch Oxydation von o-Bromtoluol.
Zur Darstellung wird am besten o-BromtoluoI oxydirt. Das roJie (p-Bromtoluol haltige)
Produkt wird mit Salpetersäure (35) (1 Vol. NO3H, 3 — 4 Vol. H.jO) oder Übermangansaurem
Kali (36) mehrere Tage am RUckflusskühler erhitzt und darauf das unzersetzte Ocl mit Wasser-
dämpfen abdestillirt. Aus der erkalteten Flüssigkeit setzt sich die Hauptmenge der p-Säurc ab;
aus dem mit Ammoniak neutralisirten und auf ^ seines Vol. eingedampften Filtrat wird die
O-Brombenzoesäure mit Salzsäure abgeschieden und durch Umwandlung in das leicht lösliche
Barytsalz, von dem schwer löslichen p-brombenzoesauren Baryt getrennt.
Die Säure krystallisirt aus Wasser in seideglänzenden Nadeln, welche bei
150" schmelzen. Wenig flüchtig mit Wasserdämpfen.
Die Salze sind meist leicht löslich in Wasser. Barytsalz, (CgH^BrCO,)jBa, bildet
Warzen. Methyl- und Aethylester sind flüssig.
Anilid, CgH^BrCOHNCgHj, krystallisirt in farblosen, bei 141 — 142.5** schmelzenden
Nadeln.
m-Brombenzoesäure entsteht analog ihren Isomeren aus m-Amidobenzoe-
säure, aus m-Bromtoluol (40) und anderen m-Bromderivaten (41) des Benzols.
In kleinen Mengen wird sie beim Erhitzen von m-l)ibrombenzol (42), Natrium
und Chlorkohlensäureester gebildet.
Zu ihrer DarsteUung (43) werden 2 Mol. Brom mit 1 Mol. Benzoesäure und wenig Wasser
im geschlossenen Rohr auf 100 oder U'O^ erhitzt, die unzersetzte Benzoesäure durch Destillation
mit Wasserdämpfen entfernt, die Säure in das Barytsalz übergeführt und dieses durch Umkrystalli-
5iren gereinigt
Die Säure krystallisirt aus Alkohol in glatten Nadeln, welche bei 155°
schmelzen. Siedep. 286*^. Schwer löslich in Wasser. Durch sehmelzendes
Kali (44) entsteht aus Brombenzoesäure Oxybenzoesäure neben kleinen Mengen
von Salicylsäure. Durch Erhitzen mit Salzsäure und chlorsaurem Kali auf 100**
wird Brom durch Chlor ersetzt. Das Barytsalz, (C6H,BrCO,),Ba -h iH^O ist
schwer löslich in Wasser.
Benzoesäure. 171
Methylester schmilzt bei 31— 32^
Chlorid ist ein bei 239° siedendes Oel.
Amid bildet perlmutterglänzcnde, bei 150^ schmelzende Blättchen.
Nitril ist eine bei 38^ schmelzende Krystallmasse.
p-Brombenzoesäure, Bromdracylsäure, zuerst aus p-Amidobenzoe-
^^TC (33) erhalten, wird am besten durch Oxydation von p-Bromtoluol (37) in
der bei der o-Chlorbenzoesäure angegebenen Weise dargestellt. Sie entsteht
ausserdem durch Einwirkung von Oxydationsmitteln auf Benzolderivate (38),
welche Brom und ein zu Carboxyl oxydirbares Radikal in der ParaStellung ent-
halten. Interessant ist ihre Bildung aus p-Nitrobenzoesäure (39), welche beim Er-
hitzen mit Brom auf 270—90° als Hauptprodukte p-Brombenzoesäure und Tetra-
brombenzol neben Dibrombenzol und Dibrombenzoesäure liefert. Die Säure
bildet farblose, bei 251° schmelzende Nadeln. Sie sublimirt unzersetzt und ist
mit Wasserdämpfen wenig flüchtig.
Der Aethylester ist flüssig.
Das Barytsalz, (CgH4BrCOj)5,Ba, bildet pcrlmutterartig glänzende Blättchen. Anilid,
farblose Blättchen. Schmp. 197°.
Dibrombenzoesäure, CßHjBrgCOOH, ist in füiif Modificationen darge-
stellt, über welche theilweise sich widersprechende Angaben vorliegen.
«) CgHjCOjHBrBr, entsteht durch Oxydation von Dibromtotuol (51), aus m-Bromnitro-
1 7 i
benzoesäure (47) (Schmp. 141°), aus Nitro-p-Dibrombenzol (50) (Schmp. 84°) mit Cyankalium
und durch Einwirkung von Brom auf o-Nitrobenzocsäure (64). Glänzende, bei 151—153°
schmelzende Nadeln.
p) CgHjCOjHBrBr (51) entsteht durch Oxydation von o-p-Dibromtoluol. Schmp. 168
bis 70° * ' *
T) C^HjCOjjHBrBr, entsteht durch Oxydation von Dibromtoluol (Schmp. 39°) (51) aus
1 s s
Dibrom-p-Amidobefizoesäure (48) und aus Nitro-m-Dibrombenzol (50) (Schmp. 61°) mit Cyan-
kalium. Bei 208—209° schmelzende Nadeln.
h) CgHjCOjHBrBr, entsteht durch Oxydation des entsprechenden Dibromtoluols (51).
1 3 4 (2)
Schmp. 232 — 233°. Durch Erhitzen von Benzoesäure (45) mit der berechneten Menge Brom
entsteht eine vielleicht mit jener identische Säure.
c) aus p-Bromnitrobenzoesäure (46) (Schmp. 15)9^*) uml m-Bromnitrobenzocsäurc (47)
(Schmp. 250°) dargestellt, bildet farblose, bei 229— 2H0° schmelzende Nadeln. Vielleicht iden-
tisch mit a.
Eine bei 146 — 48° schmelzende Säure ist durch Oxydation von Dibromtoluol (51)
(Schmp. 27*4— 27*8) und durch Einwirkung von Brom auf o-Nitrobenzoesäure (64) erhalten
worden.
Tribrombenzoesäure, CgHgBr^COjH. Vier Isomere.
a) entseht durch Einwirkung von Brom (52) und Wasser auf Benzoesäure oder m-Brom-
benzoesänre bei 140—161. Seideglänzende bei 235° schmelzende Nadeln.
P) aus Amidobrombenzoesäure (53) (Schmp. 229°) dargestellt, bildet bei 195° schmelzende
Nadeln.
7) aus Tribrom-m-Amidobenzoesäure (54) (Schmp. 170*5°) erhalten, bildet bei 186-5°
schmebende Nadeln.
l) aus m-Bromnitrobenzoesäure (47) (Schmp. 141°) neben 5-Dibrombenzoesäure erhalten,
bildet farblose, bei 178° schmelzende Nadeln.
PentabrombenzocsUure (52), CgBrj-COjH, bildet sich durch Erhitzen von Bromben-
zoesänre, Wasser und Brom oberhalb 200°, wobei ein Theil der Säure in Pentabrombenzol und
Kohlenstture zcrföllt. Sie krystallisirt aus Alkohol oder Benzol in Nadeln, welche bei 234—235°
idimeben.
\
172 Handwörterbuch der Chemie.
Chlorbrombenzocsäure (55), CgHjBrClCOjH, ist in zwei Modificationcn durch Ein-
wirkung von Brom auf o- und m-chlorbenzoesaures Silber in hcisser wässriger Lösung darge-
stellt worden.
Brom-o -Chlorbenzoesäure, glänzende Nadeln, welche bei 151*^ schmelzen. Bei 21^
in 380 Thln. H,0 löslich.
Brom-m-Chlorbcnzoesäurc, kleine bei 160" schmelzende, leicht sublimirbare Nadeln.
Bei 21» in 1080 Thln. H^O löslich.
Jüdbenzoesäure, CgHJCOgH. Es existiren nur die Monojodsubstitutions-
prodiikte der Benzoesäure.
o-Jodbenzoesäure, entsteht durch Einwirkung von Jodwasserstoifsäure auf
schwefelsaure o-Diazobenzoesäure (57), durch Oxydation von o-Jodtoluol (58)
und durch Einwirkung von Cyankalium (57) auf m-Jodnitrobenzol (Schmp. 35 bis
36°), neben wenig p-Jodbenzoesäure. Weisse Nadeln, welche bei 157° schmelzen.
Durch schmelzendes Kali entsteht Salicylsäure.
p-Jodbenzoesäure, entsteht aus p-Diazobenzoesäure (56), aus Jodtoluol (59)
und p-Dijoddiphenyl (60). Farblose, bei 256° schmelzende Blättchen, welche un*
zersetzt sublimiren.
Der Methylester bildet lange bei 114" schmelzende Nadeln.
m-Jodbenzoesäure, bildet sich analog der entsprechenden Chlor- und
Brombenzoesäure durch Erhitzen von Benzoesäure mit jodsaurem Kali (62) und
Schwefelsäure oder von benzoesaurem Natron mit Jod und Jodsäure (63). m-Dia-
zoamidobenzoesäure (61) lässt sich ebenfalls in m-Jodbcnzoesäure umwandeln.
Nadeln, welche bei 186—187° schmelzen.
Nitril schmilzt bei 40®.
Fluorbenzoesäure (65), C6H4FICO3H, die drei isomeren Säuren entstehen
durch Einwirkung von Fluorwasserstoff auf die entsprechenden Diazoamidoben-
zoesäuren.
o-Fluorbenzoesäure, bildet feine Nadeln, welche bei 117 — 118° schmelzen.
Die Säure ist in Wasser leichter löslich als ihre Isomeren.
p-Fluorbenzoesäure, krystallisirt aus Alkohol, Aether und Benzol in
glatten Nadeln, welche bei 180—181° schmelzen.
m-Fluorbenzoesäure, schmilzt bei 123—124°. Der Methylester siedet
bei 192—194°.
Nitrobenzoesäure*), CßHiNOjCOjH. Es existiren drei Isomere, welchö
*) i) FiTTiCA, Ber. 8, pag. 252; 11, pag. 1207. J. pr. Ch. (2) 17, pag. 184. 2) Gribss,
Ber. 8, pag. 526. Ladenburg 8, pag. 535. Hübner 8, pag. 570. Widnmann, Ann. 193,
pag. 213. Claus, Ber. 13, pag. 891. Liebermann, Ber. 10, pag. 1036. 3) Bodewig, B. 12,
pag. 1983. 4) GRIESS, Ber. 8, pag. 526; 10, pag. 1870. 5) Widnmann, Ann. 193, pag. 204 — 5.
6) Monnet, Reverdin u. Nölting, Ber. 12, pag. 443. 7) Radziszewsky, Ber. 3, pag. 648.
8) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 163, pag. 134. 9) Rudolph, Ber. 13, pag. 311. 10) Claisen
und Shadwell, Ber. 12, pag. 351. 11) BÄrthlein, Ber. 10, pag. 1713. 12) Gl^nard und
BouDAULT, Ann. 48, pag. 343. 13) Beii>stein u. Wilbrand, Ann. 128, pag. 257 u. ff. 14) Beil-
STEIN u. Geitner, Ann. 139, pag. 335. 15) Rosknstiehi^ Z. Ch. (2) 5, pag. 701. 16) Beil*
stein u. Kuhlberg, Ann. 163, pag. 128. 17) Michael u. Norton, Ber. 10, pag. 580.
18) Hassenpflug, Kekule, Lehrb. III., pag. 550. 19) Beilstein u. Reichenbach, Ann. 132,
pag. 141. 20) Fricke, Ber. 7, pag. 132 1. 21) Mulder, Ann. 34, pag. 298. 22) Gerland,
Ann. 91, pag. 185. 23) Bertagnini, Ann. 78, pag. 118. 24) Beilstein u. Kuhlberg 163,
pag. 136. 25) Bertagnini, Ann. 79, pag. 266. 26) Paterno u. Oglialoro, Ber. 6, pag. 1203.
27) Socoloff, J. 1864, pag. 343. 28) Salkowsky, Ber. 10, pag. 1258. 29) Chancel, Ann. 72,
pag. 275. 30) Claisen u. Thompson, Ber. 12, pag. 1943. 31) Gerhardt, Ann, 87, pag. 158^
Bensoesäure. 1 73
sämmtlich durch direktes Nitriren von- Benzoesäure entstehen. Nach Angaben
von FiTTiCA (i) sollen bei Anwendung bestimmter Nitrirungs methoden airs
der Benzoesäure noch flinf andere isomere Nitrobenzoesäuren erhalten werden,
deren Existenz jedoch nach den zahlreichen und genauen Versuchen anderer
Chemiker (2, 3) mehr als in Zweifel gestellt ist.
G-Nitrobenzoesäure entsteht ausser durdi Nitrirung (4, 5) der Benzoe-
säure durch Oxydation von Ortlionitroderivaten des Benzols, z. B. o-Nitrotoluol (6),
o-Nitrophenylessigsäure (7), o-Nitrozimmtsäure (8), o-Nitrobenzaldehyd (9) u. a
Darstellung. 1. Aus Benzoesäure (4, 5). Ein Gemisch von 1 Thl. geschmolzener Benzoe-
slnre und 2 Thln. Salpeter wird unter Umrühren in 3 — 4 Thle. concentrirter Schwefelsäure ein-
getragen, und daxauf die Mischung so lange erwärmt, bis sich die Säuren als Oelschicht auf
derselben absetzen. Die erkaltete Schicht wird gewaschen, zur Entfernung der unzersetzten
Benzoesänre mit der 20 fachen Menge Wasser gekocht und heiss mit Aetzbaryt neutralisirt.
Beim Erkalten der filtrirten Lösung scheidet sich zuerst die grösste Menge des m-nitrobenzoe-
sauren Baryts in Nadeln aus. Durch wiederholtes Eindampfen der Mutterlauge, Wiederauflösen
in wenig Wasser und langsames KrystaUisiren erhält man grössere Kiystalle von o-nitrobenzoe-
saorem Baiyt, welche sich vermöge ihrer honiggelben Farbe und ihres süssen Geschmackes von
dem p-nitrobenzoesauren Baryt trennen lassen. Zur Darstellung der Säure werden die Krystalle
in Wasser gelöst, mit Salzsäure zerlegt und aus Wasser oder Alkohol umkrystallisirt. Beim
Nitriien der Benzoesäure entstehen 18 — 25} o-Nitrobenzoesäure und 2} p-Nitrobenzoesäure.
2. Aus Nitrotoluol (6). Man kocht 1 Thl. Nitrotoluol, 3 Thle. übermangansaures Kali
and 100 Thle. Wasser zwei Tage am RückflusskUhler und destillirt das unzersetzte Nitrotoluol
ab. Enthält das Letztere p- und m-Nitrotoluol, so werden die Säuren durch UeberfÜhrung in
die Barytsalze getrennt.
Die O-Nitrobenzoesäure bildet grosse, farblose Nadeln, Prismen oder Tafeln,
welche dem triklinen System angehören. Schmp. 147°. Spec. Gew. = 1-57Ö
bei 4^ Sie ist ziemlich schwer löslich in kaltem Wasser, jedoch leichter als
ihre Isomeren. 163 Thl. H,0 lösen bei 16° 1 Thl. Säure. Die Lösung schmeckt
süss. Von Alkohol und Aether wird die Säure leicht gelöst. Durch Chromsäure
wird sie leicht zu Essigsäure oxydirt.
Das Barytsalt, (C5H4NOjCO,),Ba -f 3H,0, bildet honiggelbe, trikline Tafeln.
Aethylester (8), CgH^NOjCOjCjHj, bildet trikline, bei 30" schmelzende Krystalle.
Chlorid (10), CgH^NOjCOCl, bildet eine gelbe Flüssigkeit, welche selbst im Vacuum
nicht ohne Zersetzung destillirt. Dasselbe bildet mit Cyansilber ein
Cyanid (10), CgH^NO,COCN, bei .54*^ schmelzende Prismen.
Amid (II), C^H^NOjCONHj,. Bei 174 <* schmelzende Nadeln.
Nitril (II). CjH^NOjCN, bildet bei 109« schmelzende Nadehi.
m-Nitrobenzoesäure ist die am längsten bekannte der drei Isomeren.
Sie wurde zuerst durch Einwirkung von Salpetersäure (2 1), später von Salpeter-
32) Bsn^STKiN u. Reichenbach, Ann. 132, pag. 141. 33) Medicus, Ann. 157, pag. 47. 34) Griess,
^- 7» P«g- 1223—28. 35) Hübner u. Stromeyer, Ber. 13, pag. 461. 36) Claus u. Halber-
stadt, Bcr. 13, pag. 815. 37) Würster, Ann. 176, pag. 162. 38) Cahours, Ann. 69, pag. 241.
39) Stadel, Ber. 14, pag. 902. 40) Beilstein u. Kurbatow, Ber. 13, pag. 355. 41) Michler,
A*"»- '75» P«g- "52. 42) MuRETOW, Z. Ch. (2) 6, pag. 641. 43) Tiemann u. Jüdson, Ber. 3,
pag. 224. 44) Z. Cb. (2) 2, pag. 614—15. 45) Hübner u. Weiss, Ber. 6, pag. 175. 46; Kekülä,
Lehrbuch HI., pag. 563—64. 47) Grübe, Ber. 10, pag. 1703. 48) Wachendorfp, Ann. 185,
P>^*275. 49) Beilstein u. Kühlberg, Ann. 152, pag. 239. 50) Rahlis, Ann. 198, pag. 109.
51) Hübner, Ohly u. Philipp, Ann. 143, pag. 233—48. 52) Hübner u. Petermann, Ann. 149,
P*S* 132. 53) Raveill, Ber. 10, pag. 1707. 54) Hübner u. Angerstein, Ann. 158, pag. 13.
55) Sürrn, Bcr. 10, pag. 1706. 56) Grothe, J. pr. Ch. (2) 18, pag. 324. 57) Glassner,
Ber. 8, pag. 562.
174 Handwörterbuch der Chemie.
und Schwefelsäure auf Benzoesäure (4, 5, 22) dargestellt Sie entstellt ausserdem
d«rch Nitriren der Hippursäure (23) und Zersetzung der Nitrosäure durch HCl,
und durch Oxydation von m-Nitroderivaten des 'Benzols mit einer kohlenstofF-
haltigen Seitenkette, z. B. m-Nitrotoluol (6, 24), m Nitrobenzaldehyd (25) u. s. w.
Zur Darstellung wird der m-nitrobenzoesaure Baryt (4, 5) (pag. 1 73) durch Umkrystallistren aus
Wasser gereinigt und die Lösung durch Salxsäure zerlegt.
Die Säure krystallisirt aus Wasser in Blättchen, aus Alkohol in Tafeln.
Der Schmelzpunkt liegt bei 140— 4r (5). Spec. Gew. = 1494 bei 4°. Die
langsam abgekühlte Säure schmilzt bei 135°— 136°; ihr ursprünglicher Schmelz-
punkt wird jedoch durch rasches Erkalten oder durch längeres Aufbewahren
wieder hergestellt. Nach Bodewig (3) beruht diese Verschiedenheit auf der
Existenz von drei physikalisch isomeren Modifikationen. Beim Erhitzen mit
Wasser schmilzt sie unter Aufnahme des letzteren zu einem Oel, welches gegen
65° wieder erstarrt. Sie sublimirt bereits gegen 100°. 100 Thle. Wasser lösen
bei 16°-5 0*235 Thle. Säure. Durch Oxydation mit Chromsäure entsteht
Essigsäure. Mit Cyankalium entsteht Terephtalsäure (26). Die Salze (21, 27)
krystallisiren grösstentheils.
Das Kalksalz, (CgH^NOjfCOj^),^ -f H,0, bildet mit 1 MoL benzoesaurem Kalk (28) ein
krystallinisches Doppelsak, welches 3 Mol. H^O enthält. Das Barytsalz, (C^H^NOgCOs^^Ba
+ 4U^O, bildet dünne Prismen; es ist schwerer in Wasser löslich als die freie Säure.
Methylester (29), CgH^NO^CC^CHj , bildet rhombische, bei 70® schmelzende
Prismen. Siedep. 279®.
Aethylester (29), CgH^NOjCOjCjHj, monokline Krystalle. Schmp. 42®. Siedep. 298®.
Chlorid (30), CjH^NOj,COCl, aus der Säure und Phosphorpentachlorid dargestellt, er-
starrt nach dem Schmelzen zu diamantglänzenden Kry stallen. Schmp. 33 — 34®. Ks siedet
(unter 50—56 Millim. Druck) bei 183—84®. Beim Destilliren über Cyansilber entsteht das
m-Nitrobenzoylcyanid (30), CgH^NOjCOCN, hellgelbes Liquidum, welches unter
142—147 Millim. Druck bei 23i: — 231*5® siedet.
m-Nitrobenzoesäureanhydrid (31), (CgH^NO.^CO)jO, aus dem Nationsalz und
Phosphoroxychlorid dargestellt, bildet eine weisse, in Alkohol und Aether fast unlösliche Masse.
m-Nitrobenzamid (32), CjH^NOjCONHj, aus dem Aethyläther oder dem Chlorid mit
Ammoniak dargestellt, bildet gelbe Nadeln, welche bei 140—142® schmelzen. Mit Oenanthol
entsteht bei 176® schmelzendes Oenanthylidennitrobenzamid (33).
m-Nitrobenzonitril (20), C^H^NO^CN, aus dem Amid und Phosphorsäureanhydrid
gewonnen, bildet farblose, bei 115° schmebcende Nadeln. Leicht löslich in Alkohol, Aether und
Chloroform.
p-Nitrobenzoesäure, Nitrodracylsäure, wurde zuerst durch Behandlung
von Toluol (12) mit Salpetersäure dargestellt. Sie entsteht in kleinen Mengen
bei der Nitrirung von Benzoesäure (4, 5), durch Oxydation von p-Nitroderivaten
(13, 14, 15, 16, 17) des Benzols mit einer zu Carboxyl oxydirbaren Seitenkette,
vorzüglich des p-Nitrotoluols und seiner Derivate und durch Einwirkung von
Braunstein und Schwefelsäure auf p-Nitrobenzol (18).
Zur Darstellung dient das leicht rein zubeschafTende p-Nitrotoluol (17). 1 Mol. desselben
wird mit 2^ Mol. Kaliumpermanganat und 40 Thle. Wasser auf 1 Thl. Manganat gekocht
Die Säure krystallisirt in glänzenden, bei 240° (238** Widnmann) schmelzenden
Blättchen, welche in Nadeln sublimiren. 1 Thl. löst sich in 140 Thl. sieden-
den Wassers und in 1200 Thln. von 17°. Durch Oxydation mit Chromsäure (5)
wird £ssigsäure gebildet. Die Salze krystallisiren gut.
Das BarytsaU, (C5H^NO.^COj)jBa + 5HjO, bildet gelbe, monokline Säulen. Löslich
in 250 Thln. kaltem und in 8 Thln. heissem Wasser. Das KalksaU bildet mit benioesaurem
Kalk ein Doppelsalz.
r
Benzoesäure. 175
Methylester (13). CgH^NOjCOjCHj, perlglänzende, bei 97® schmelzende Blättchen.
Aethylester (13), CgH^NOaCOaC^Hs, bei 57® schmelzende, trikline Krystalie.
Amid (19), CgH^NO-^CONH.^, krystallisirt in Nadeln, welche bei 197—98® schmelzen.
.Schwer löslich in Wasser.
Nitril (20), CßH^NOjCN, bildet perlmutterglänzende, bei 147® schmelzende Blättchen,
Dinitrobenzoesäuren, C^H^ (N02)j^C02H. Es sind fünf Modificationen
bekannt, welche durch Nitriten der drei Mononitrobenzoesäuren dargestellt werden.
Die o-Nitrobenzoesäure liefert drei (a, % 7), die p-Nitrobenzoesäure zwei (7, e.) und
die m-Nitrobenzoesäure eine Dinitrosäure (8).
a) o-o-Dinitrobenzoesäure(34), CgHjCOjHNOjNOj, entsteht neben ß und
1 2 6
7 und neben St3rphninsäure beim Nitriren von o-Nitrobenzoe.säure.
Zur Darstellung trägt man 1 Thl. Säure in 10 Thle. einer gelinde erwärmten Mischung
gleicher Theile Salpetersäure und rauchender Schwefelsäure ein, kocht 15 Minuten und giesst das
Produkt in Wasser, worauf die Säuren theils sogleich, theils nach 3—4 wöchentlichem Stehen sich
abscheiden. Nach dem Waschen mit Wasser, werden die Säuren durch Kochen mit kohlen-
saurem Baryt in Lösung gebracht und die ungleiche Löslichkeit dieser Salze in Wasser zur
Trennung benutzt Zuerst krystallisirt styphninsaurer Baryt, darauf werden die Salze der ß, 7, a-
Säure in der angegebenen Reihenfolge abgeschieden.
Weisse Nadeln, welche bei 202° schmelzen. Leicht löslich in heissem Wasser.
Die Säure zerfällt bei der Destillation in Kohlensäure und m-Dinitrobenzol. Durch
Zink und Salzsäure wird sie unter Abspaltung von Kohlensäure in m-Phenylen-
diamin (Schmp. 63°) umgewandelt.
BarytsaU, (CßH3(N03).2CO,),Ba-f 2H2O, ist sehr leicht löslich in Wasser.
ß) o-m-Dinitrobenzoesäure (34), CgHoCOgHNOjNOn, krystallisirt beim
1 9 5
freiwilligen Verdunsten ihrer wässrigen Lösung in farblosen Prismen, welche bei
177° schmelzen.
Barytsalz, (CgH,(N03,)^C0,)j,Ba -f 4HjO, ist fast unlöslich in kaltem, schwer löslich in
heissem Wasser.
7) o-p-Dinitrobenzoesäure, CgH.COgHNOgNO«, entsteht ausser aus
13 4
o-Nitrobenzocsäure (34) beim Behandeln von p-Nitrobenzoesäure (35, 36) mit
Salpeter- und Schwefelsäure neben der e-Säure, und durch Erhitzen von Dinitro-
toluol (37) (Schmp. 705°) mit Salpetersäure auf 160°.
Glänzende Nadeln, oder rhombische Tafeln und Prismen, welche bei 179°
schmelzen. 100 Thle. Wasser lösen bei 25° 1-849 Thle. Säure. Sie lieifert mit
Zinn und Salzsäure ebenfalls m-Phenylendiamin.
Barytsalz, (C5H3(NOj)2COj)jBa -{- SH^O, ist schon in kaltem Wasser ziemlich leicht
löslich.
S) m-m-Dinitrobenzoesäure, CßHgCO^HNOgNOj, die zuerst bekannte
] X 5
Dinitrobenzoesäure, von Cahours (38) dargestellt. Sie entsteht durch Kochen von
Benzoesäure oder m-Nitrobenzoesäure mit Salpetersäure und Schwefelsäure, und
durch Oxydation von Dinitrotoluol (39), (Schmp. 91—92°) oder von a und ß-
Dinitronaphtalin (40).
Zur Darstellung kocht man Benzoesäure (41, 42) mit 4 Thln. rother rauchender Salpeter-
säure und 2 Thln. conc. Schwefelsäure.
Sie krystallisirt aus Wasser in quadratischen Tafeln. Schmp. 204 -—205°.
Durch Zinn und Salzsäure wird Diamidobenzoesäure gebildet.
Barytsah, (CgHj(NOj)3COj)._jBa + 5H/), bildet warzige Krystalie. AethylSther,
C,H,(NO,)jCOgC,H5, bildet seideglänzende, bei 91 « schmelzende Nadeln.
Dinitrobenzamid, C6H3(N02)j,CONHj, gelblich gefärbte Krystalie. Schmp. 180°.
176 Handwörterbuch der Chemie.
e) m-p-Dinitrobenzoesäure (36), C^HjCO^HNO^NO,. Ihre Entstehung
1 * 4
wurde bei der 7-Säure erwähnt. Zur Trennung der beiden Säuren dienen die
Barytsalze und die verschiedene Löslichkeit der Säuren in Wasser. Schmp. 161**.
100 Thle. Wasser lösen bei 25° 0*673 Thle. Säure.
Trinitrobenzoesäure, C6H2(N02)3C03H (43), durch mehrwöchentliches
Erhitzen von Trinitrotoluol mit rauchender Salpetersäure auf 100° dargestellt,
"krystallisirt aus Wasser in rhombischen Prismen, welche bei 190° schmelzen.
Chlornitrobenzoesäuren: CgHaClNOjCOjH.
Man kennt sechs isomere Säuren dieser Zusammensetzung.
1. a) o-Chlor m-Nitrobenzoesäure (44), CßHjCOjHClNO,, entsteht
12 8 oder 5
durch Eintragen von o-Chlorbenzoesäure in rauchende Salpetersäure. Seide-
glänzende bei 164 — 165° schmelzende Nadeln. Reductionsmittel führen sie in
m-Amidobenzoesäure über.
Barytsalz, (CeH,ClNO,CO,),Ba + H,0, bildet in Wasser ziemlich leicht lösliche Nadein.
Aethylestcr, CgHjClNOjCOjCjHj. Schmp. 28—29".
2. m-Chlornitrobenzoesäuren. Beim Nitriren von m-Chlorbenzoesäure
(44, 45, 46) entstehen zwei isomere p und 7-Chlomitrosäuren, welche durch
UeberfÜhrung in die Barytsalze getrennt werden. Eine dritte m-Chlornitrobenzoe-
säure ($) wird aus m-Nitro-m-Amidobenzoesäure durch Substitution des Amids durch
Chlor erhalten.
ß) CßHjCOjHClNOg (45) krystallisirt aus der ätherischen Lösung in Prismen,
1 3 6
welche bei 135° schmelzen. Die Säure kann in Chlorsalicylsäure übergeführt
werden.
Barytsalz, (C6HjClNO,CO,)jBa 4- 3HjO, bildet leicht lösliche Nadeln.
Der Aethylester ist flüssig. Siedep. 282°.
7) CßHjCOjClNOa. Verfilzte Nadeln (46), welche bei 104° schmelzen.
15 6
(Nach andern Angaben bei 217° resp. 225°). Schwerer in Wasser löslich als die
p-Säure.
Ö) CßHaCOjHClNOj (47), kleine, bei 147° schmelzende Nadeln. Schwer
I 3 &
löslich in Wasser.
3. e) p-Chlor-m-Nitrobenzoesäure (44), CgHjCOjHClNO,, entsteht
1 4 s
durch Nitriren von p-Chlorbenzoesäure und durch Oxydation von Chlor-p-Nitro-
toluol. Kleine bei 181^ schmelzende Nadeln, schwer löslich in Wasser. Sie
kann in m-Amidobenzoesäure übergeführt werden.
Barytsalz, (CgH,ClNOjCO,),Ba H- 4HjO, bildet in Wasser schwer lösliche Nadeln.
Aethylester, CgHjaNOjCOjCjHj, bei 59<^ schmelzende Nadeln.
4. C) Chlor-p-Nitrobenzoesäure (48), durch Oxydation von Chlomitro*
toluol (Schmp. 64—65°) dargestellt bildet bei 136—137° schmelzende in Wasser
leicht lösliche Krystalle.
Trichlornitrobenzoesäure (49), CgHClsNOjCOjH, durch Erhitzen von
Trichlorbenzoesäure (Schmp. 163°) mit Salpeter-Schwefelsäure gewonnen, krystalli-
sirt aus Alkohol in Nadeln, welche bei 220° schmelzen. In Wasser schwer
löslich. Das in Wasser ebenfalls schwer lösliche Barytsalz enthält 2 Mol. H,0.
Bromnitrobenzoesäuren, CgHjBrNOjCOjH, werden analog den Chlor-
verbindungen dargestellt.
l.(a)o-Brom-m-nitrobenzoesäure[(5o), CeH3COjHBrNOj, entstehtdurch
1 s &
Nitriren von o-Brombenzoesäure. In kaltem Wasser schwer lösliche Nadeln,
Benzoesäure. 177
welche bei 179° — 180° schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak
wird sie z. Th. in p-Nitranilin umgewandelt.
AethylSther, CgH,BrNO,CO,C,H5 schmiltt bei 65— 66®.
2. m-Brom-o-Nitrobenzoesäure (51, 52), entsteht in zwei Modificationen
(p, 7) durch Nitriren von m-Brombenzoesäure in der Kälte. Die Schwerlöslich-
keit des ß-bromnitrobenzoesauren Natrons wird zur Trennung benutzt.
p) CgHjCOjHBrNO^, krystallisirt aus Wasser in glänzenden, bei 140—141°
1 3 6
schmelzenden, monoklinen Säulen. Sie ist in die a-Dibrombenzoesäure (Schmelz-
punkt 151—152°) übergeführt worden.
Aethyläther bUdet glänzende, bei 55° schmelzende Säulen.
7) CgHjCOjHBrNOj, krystallisirt aus Wasser in grossen, monoklinen
15 6
Krystallen, welche bei 250° schmelzen.
Aethyläther bildet bei 135° schmelzende Säulen.
3. 8) p-Brom-m-Nitrobenzoesäure (51, 53), CßHjCOjHBrNOj, wird
1 4 s
durch Behandlung von p-Brombenzoesäure und durch Oxydation des bei 34°
schmelzenden Nitrobromtoluols dargestellt. Feine bei 199° schmelzende Nadeln.
Wird durch Reductionsmittel in m-Amidobenzoesäure übergeführt.
Aethyläther bildet bei 74° schmelzende, monokline Säulen.
Dibromnitrobenzoesäure (54, 55), CßHjBraNOjCOjH, wird durch Auf-
lösen von Dibrombenzoesäure (Schmelzp. 232—233°) in rauchender Salpeter-
säure dargestellt und krystallisirt aus heissem Wasser in farblosen, bei 162°
schmelzenden Nadeln, Wird durch Reductionsmittel in o-Amidobenzoesäure um-
gewandelt.
Barytsalz, (CgHjBrjNOjCO,)j,Ba4- 2Hj,0, bildet seideglänzende Nadeln.
Jodnitrobenzoesäure, CeHjJNOgCOgH, existirt in vier Modificationen.
Drei derselben entstehen durch Nitriren von m-Jodbenzoesäure und werden
durch Ueberführung in die Barytsalze getrennt, a und ß werden durch Reductions-
mittel in o-Amidobenzoesäure tibergeführt. Die vierte Modification wird aus
p-Jodbenzoesäure dargestellt.
m-Jodnitrobenzoesäure (56). Die drei Säuren sind sämmtlich krystalli-
nisch. Die Schmelzpunkte derselben sind a) 235°, ß) 179°, 7) 192°. Die Baryt-
salze von a und 7 krystallisiren mit 3 Mol., dasjenige von ß mit 6 Mol. Wasser.
p-Jodnitrobenzoesäure (57), Schmelzp. 210°.
Amidobenzoesäuren*), CßH^NHjCOgH. Die drei isomeren Säuren ent-
stehen durch Reduction der Nitrobenzoesäuren. Sie verbinden sich mit Basen und
*) i) FiUTSCHE, Ann. 39, pag. 76. 2) Beilstein und Kuhlberg, Ann. 163, pag. 138.
3) WiDNMANN, Ann. 193, pag. 231 — 234. 4) Cohn, Ann. 205, pag. 302. 5) Hübner u. Peter-
mann, Ann. I49i pag. 142 — 48. 6) Liebig, Ann. 39, pag. 91. 7) Baerthlein, Ber. 10, pag. 17 14.
8) Jackson, Ber. 14, pag. 885—88. 9) Bedson u. King, Ber. 14, pag. 263. 10) Brückner,
Ann. 205, pag. 127 — 130. ii) Griess, Ber. 2, pag. 415. 12) Ders., Ber. 11, pag. 1985—88.
13) Ders., Ber. 11, pag. 2180. 14) Ders., Ber. 13, pag. 977—79- 15) I^ers., J. pr. Ch. (2) 5,
pag« 371» 456. 16) ZiNiN, Berz. J. 26, pag. 450. 17) Chancel, J. 1849, pag. 359. 18) Beil-
STEIN n. WiLBRAND, Ann. 128, pag. 264—265. 19) Beilstein u. Kurbatoff, Ber. 12, pag. 688.
20} Rosenstiehl, Z. Ch. (2) 5, pag. 471. 21) ibid. 4, pag. 548. 22) Hübner u. Petermann,
Ai>>>- I47i P%- 263 — 269. 23) Beilstein u. Reichenbach, Ann. 142, pag. 140—42. 24) Fricke,
^'' 7> P^- 1321—22. 25) GRIESS, Ber. i, pag. 191. 26) Griess, Ber. 8, pag. 861. 27) Griess,
Ber. 8, pag. 325. 28) Griess, Ber. 6, pag. 586—87. 29) Griess, Ber. 5, pag. 1036—41.
30) FosTER, Ann. 117, pag. 165. 31) Müretow, Ber. 5, pag. 330. 32) Griess, J. pr. Ch. (2) 4,
Laodcburg, Chemie. II. 12
"17^ Handwörterbuch der Chemie.
Säuren zu Salzen. Sie werden durch salpetrige Säure in die entsprechenden Oxy-
säuren übergeführt.
o-Amidobenzoesäure, A nth ran il säure wurde zuerst von Pritsche (i)
durch Einwirkung von Kali auf Indigblau dargestellt.
CgHgNO H- 211^0 H- O = HCOgH + CgH^NHjCOjH.
Sie entsteht ausserdem durch Reduction von o-Nitrobenzoesäure (2, 3) und
ihrer Chlor, Brom, resp. Jod enthaltenden Derivate. (Siehe diese.) Bemerkenswerth
ist ihre Bildung aus Phtalylhydroxylarain (4), welches beim Kochen mit Kali in
O-Amidobenzoesäure und Kohlensäure zerfallt:
CO
^6^4CON 4- KOH = CO. + CeH.^JJv
OH V.U2K.
Zur Darstellung wird am besten o-Nitrobenzoesäure (3, 5) mit Zinn und Salzsäure
oder mit Zinnchlortir reducirt, die vom Zinn befreite I^sung eingedampft , der Rückstand zunächst
mit Ammoniak alkalisch gemacht, die Säure mit Essigsäure geMlt und unter Zusatz von Thier-
kohle aus Wasser umkrystallisirt. Aus der Mutterlauge kann der gelöst bleibende Theil durch
essigsaures Kupfer abgeschieden und dieses durch Schwefelwasserstoff zerlegt werden.
Zur Darstellung aus Indigo (i, 5, 6; wird derselbe mit der zehnfachen Menge Kalilauge
(1,35 spec. Gew.) unter Ersatz des verdampfenden Wassers gekocht und in kleinen Portionen
Braunstein zugesetzt. Sobald alles Indigblau zersetzt ist, wird die Lösung mit verdünnter
Schwefelsäure neutralisirt, durch Auskrystallisiren der grösste Theil des schwefelsauren Kalis
entfernt und aus der eingedampften Mutterlauge das amidobenzoesaure Salz mit Alkohol
extrahirt. Nach dem Abdestilliren des Alkohols wird das Salz mit Essigsäure zerlegt, oder die
Anthranilsäure als Kupfer Verbindung gefällt.
Die Säure krystallisirt aus heissem Wasser in dünnen, rhombischen Nadeln
(3), welche bei 145° schmelzen. Sie sublimirt unzersetzt; bei der trockenen
Destillation zerfallt sie in Anilin und Kohlensäure. Natriumamalgam (5) bewirkt
ihre Umwandlung in Benzoesäure.
NH HCl
Salze (5). Salzsäure-o-Amidobenzoesäure, CftH.^,^*''„ ,, . ^ ,,
^•'^ ' 6 *COjjH , welche in farblosen,
bei 191° schmelzenden Nadeln krystallisirt, bildet kein Platindoppelsalz. Die Salze der
Schwefelsäure, Salpetersäure und Oxalsäure sind ebenfalls gut krystallisirende Ver-
bindungen.
o-Amidobenzoesaures Kali, CßH^p^'w, -{- HjO, bildet flache, glänzende Tafeln.
Kupfersalz ist ein in Wasser fast unlöslicher grüner Niederschlag.
o-Amidobenzonitril (7), CgH^NHjjCN, bildet gelbliche, bei 103° schmelzende Nadeln.
Durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid (8) auf o-Amidobenzoesäure ent-
steht die schwach basische
pag. 296. 33) Grikss, Ber. 8, pag. 322—26. 34) Griess, Ber. 7, pag. 574. 35) Griess, Her. 3,
pajr. 703. 36) Grikss, Z. Ch. (2) 3, pag. 533. 37) Griess, Ann. 172, pag. 172. 38) Griess
u. Lkibins, Ann. 113, pag. 232. 39) Fischer, Ann. 127, pag. 142. 40) Michael, Ber. 10,
pag. 577— 578. 41) Ladenkurg, Ber. 6, pag. 130 42) Beilstein u. Reichenbach, Ann. 132—144.
43) MicHLER, Ber. 9, pag. 400. 44) Michler u. Gradmann, Ber. 9, pag. 1912. 45) Hofmann,
Ber. 9, pag. 1302. 46) Griess, Ber. 9, pag. 796 47) Wachendorkf, Ber. 11, pag. 701.
48) Griess, Ber. 2, pag. 416. 49) Grikss, Ber. 11, pag. 1730—34. 50) Menschutkin, Ann. 153,
pag. 84. 51) Griess, Ber. 2, pag. 47. 52) Grikss, J. pr. Chem. (2), 4, pag. 292. 53) Grikss,
J. pr. c:h. (2) 5, pag. 453. 54) Grikss, J. pr. Ch. (2) 5, pag. 369. 55) Griess, Ber. 5, pag.
192—198. 56) Arzruni, Ber. 4, pag. 406. 57) Merz u. Weith, Ber. 3, pag. 244. 58) Rathke
und ScirÄKER, Ann. 169, pag. loi — 103. 59) Griess, Z. Ch. (2)4, pag. 670. 60) Merz und
Weith, Ber. 3, pag. 812. 61) Griess, Ber. 16, pag. 336. 62) Traube, Ber. 15, pag. 21 16.
63) Ders., Ber. 15, pag. 2113. 64) Ders., Ber. 15, pag. 2122. 65) Griess, Ber. 15, pag. 2199.
66) Griess, Ber. 15, pag. 1878 — 82.
Benzoesäure. 1 79
NHCOCH
Acetyl-o-Amidobenzoesäure, ^e^i rnnn ^» ^^^^ Verbindung,
welche auch durch Oxydation von Acetyl-o-Toluidin (9), C6H4q^^ ^*
CHiCCHj '
und von Aethylketol (8), C6H4 / , mit Kaliumpermanganat dargestellt
NH
werden kann. Sie krystallisirt aus Eisessig in prismatischen Nadeln, welche
bei 179 — 80° schmelzen. Durch Salzsäure wird sie in ihre Componenten
gespalten. Phosphorpentachlorid (8) erzeugt als Hauptprodukt Dichloracetyl-o-
Amidobenzoesäure, welche bei 173° schmelzende Nadeln bildet.
NH.COC H
Benzoyl-o-Amidobenzoesäure (10), CgH^QQQpj * *, durch Oxydation
des entspreclienden Benzoyltoluidins erhalten, schmilzt bei 182° und bildet gut
krystallisirende Salze.
Cyanderivate der o-Amidobenzoesäure.
Durch Einwirkung von Cyan (11, 12) auf o-Amidobenzoesäure entstehen
verschiedene Körper, je nachdem dasselbe in eine wässrige oder in eine
alkoholische Lösung der Säure eingeleitet wird.
C7H7NO2 -f- 2CN = C9H5N3O -f- HjO
Dicyanamidobenzoyl.
C7H7NOJ 4- 2CN -h C2H5OH = CioHioNgOa + CNH 4- H3O
Oxäthylcyanamidobenzoyl.
NH— C — CN
Dicyanamidobenzoyl, CgH^ II (13), wird durch längeres
CO — N
Einleiten von Cyangas fi2) in eine kalte, concentrirte Lösung von o-A'midobenzoe-
säure und Umkrystallisiren des Niederschlages aus Alkohol dargestellt. Kleine
gelbliche Prismen, in kaltem und heissem Wasser schwer, leichter löslich in
heissem Alkohol. Reagirt sauer und giebt mit Basen Salze.
NHCOC2H5 /
Oxäthylcyanamidobenzoyl, C6H4 H (Derivat der Säure
CON \
CßH. =NH 1, bildet sich beim längeren Stehen einer mit Cyangas
CO(OH) /
gesättigten Lösung von o-Amidobenzoesäure in Alkohol. Der nach dem Verdunsten
des Alkohol bleibende Rückstand wird mit kohlensaurem Ammon gewaschen und
aus Alkohol unter Zusatz von Thierkohle umkrystallisirt. Weisse, bei 173°
schmelzende Prismen. In kleinen Mengen unzersetzt destillirbar. Durch Kochen
mit Salzsäure entsteht aus der Verbindung unter Abspaltung von Alkohol Ur-
amidobenzoyl. (Siehe Uramidobenzoesäuren).
Durch längeres Erhitzen des Oxäthylcyanamidobenzoyls mit alkoholischem
Ammoniak (11, 14) im Rohr auf 100° entsteht
NH — C = NH
o-Benzglycocyamidin , C-H. I (13), eine in perlglänzenden Blättchen
* *CO-NH
krystallisirende einsäurige Base, welche auch durch Einwirkung von Cyanamid (14) auf o-Amido-
benzoesäure gebildet wird.
CgH^NHjCOjH -f CNHN2 = CgH^NjO 4- H^O,
Sie ist in Wasser und Alkohol sehr schwer löslich. Das salpetersaure Salz, CgH7N30»
HNOj, bildet weisse, schmale, in Alkohol und Wasser fast unlösliche Blättchen.
Bleibt eine stark alkalische Lösung von o-Benzglycocyamidin und Jodmethyl in Methylalkohol
sich mehrere Tage Überlassen, so scheidet sich
i8o Handwörterbuch der Chemie.
N(CH,) — C = NH
a-o-Methylbenzglycocyamidin (14) (a-o-Benzloreatinin), C^H^ I
c o ——^ im
in Krystallen ab, welche durch Waschen mit Kalilauge und Umkrystallisiren aus heissem Wasser
gereinigt werden. Weisse, glänzende Nadeln mit schwach bitterem Geschmack. Unlöslich in
kaltem Wasser, leicht in heissem Alkohol; in kleinen Mengen ohne Zersetzung destillirbar. Mit
Säuren entstehen gut krystallisirende Salze. Ein isomerer Körper, das
NH— C=NCH,
ß-o-Methylbenzglycocyamidin(i4)(ß-o-Benzkreatinin), CgH^ j 4-HjO,
CO — NH
entsteht beim Erhitzen von Oxäthylcyanamidobenzoyl mit wässrigem Methylamin auf 100^. Das-
selbe ist der a- Verbindung sehr ähnlich, bildet ebenfalls weisse, schwach bitter schmeckende
Nadeln, unterscheidet sich jedoch durch seine Löslichkeit in Barytwasser und Kali.
m-Amidobenzoesäure wurde zuerst von Zinin (16) durch Einwirkung von
Schwefelammonium auf m-Nitrobenzoesäure dargestellt und Benzaminsäure genannt
Chancel (17), welcher die Säure durch Kochen von Amidobenzamid mit Kali-
lauge gewann, nannte sie Carbanilsäure. Kolbe betrachtete sie zuerst als Amido-
benzoesäure.
Die Säure entsteht ausser aus m-Nitrobenzoesäure durch Einwirkung von
Ammoniak auf m-Jodbenzoesäure und durch Reduction der bei 212° schmelzenden
Nitrophtalsäure (19).
Zur Darstellung wird m-Nitrobenzoesäure (18) in der bei der Anthranilsäure angegebenen
Weise mit Zinn und Salzsäure reducirt.
Die Säure krystallisirt aus heissem Wasser in kleinen, röthlichen Krystall-
warzen (3). Schmp. 174°. Spec. Gew. = 1,5105 bei 4°. Sie ist z. Th. unzer-
setzt sublimirbar. Schwer löslich in kaltem Wasser, leicht in Alkohol und Aether.
Die Lösungen sind süss und bräunen sich. Die Säure destillirt z. Th. unzersetzt;
mit Platinschwamm oder Baryt destillirt zerfallt sie in Kohlensäure und Anilin.
Beim Erhitzen mit Jodwasserstoff (20) auf 180 — 200** wird sie in Toluidin über-
geführt. Mit Aldehyden entstehen unter Wasserabspaltung theilweise krystallisirende
Verbindungen. Natriumamalgam (21) bildet Benzoesäure.
NH HCl
Salze der m-Amidobenzoesäure (18, 22). Salzsaures Salz, ^s^Arou* Nadeln,
leicht löslich in Wasser. Schwefelsaures Salz (C6H4NH,COjH)jH,SO^ + HjO, Nadehi.
Das wasserhaltige Salz schmilzt bei 225°, das wasserfreie bei 230°.
Kalksalz, (C6H4NHjC02)2Ca4- 3H,0, bildet in Wasser und Alkohol leicht lösliche
Nadeln. Barytsalz, (CßH4NH,CO,)jBa -h 4H,0, krystallisirt in langen Nadehi. Kupfer-
salz, ein grttnes, schwer lösliches Pulver.
NH
Aether der Amidobenzoesäure. Methyläther, CjH^pq'^tt . Durch Reduction
von m-Nitrobenzoesäureäther dargestellt, ist flüssig. Aethyläther, ebenfalls farblose Flüssigkeit.
Beide bilden mit Säuren Salze.
NH
m-Amidobenzamid (23), C6^4cONH "+" ^»^» ^^^ m-Nitrobenzamid erhalten, bildet
bei 75° schmelzende Krystalle. Verbindet sich mit Säuren.
m-Amidobenzonitril (24, 25, 26) am besten durch Destillation von m-Uramidobenzoe-
säure (s. d.) mit Phosphorsäureanhydrid (26) dargestellt, bildet lange, bei 54° schmelzende
Nadeln. Siedep. 288—290° Einsäurige Base, welche gut krystallisirende Salze bildet
Derivate der m- Amidobenzoesäure mit Alkohol- und Säure-
Radikalen.
NHCH
Methylamidobenzoesäure, CgH^^Q jj ^ (27), entsteht durch Kochen
von a-m-Methylbenzglycocyamin (s. d.) mit Barytwasser:
Benzoesäure. i8i
CeH^N~C(^fH)NH, + 2H,0 = C^H^J^JJ^J^a 4. CO, 4- 2NH3.
COOH CUUH
Röthlich weisse Blättchen. Verbindet sich mit Salzsäure zu einem in silber-
glänzenden Blättchen kiystallisirenden Salze.
Dimethylamidobenzoesäure (28) C^H^q^ h' ' *"^ ihrem Methyläther
durch Kochen mit Kalilauge entstehend , bildet weisse bei 151° schmelzende
Nadeln.
Der Methyläther (28), CgH^^^TpU', entiteht in Folge einer Atomverschiebung beim
Schmelzen des isomeren TrimethylbenzbetaXns. Schwach aromatisch riechende bei 270° siedende
FlQssigkeit, welche auch mit verdünnten Säuren leicht Salze bildet
N(CH,),
Trimethylbenzbeta!n(28), CjH^ »-H,0. Die Base bildet sich
durch mehrtägiges Stehen einer Mischung von 1 Mol. Amidobenzoesäure, 3 Mol.
Aetzkali (als starke Lauge) und 3 Mol. Jodmethyl in Methylalkohol. Nach dem
Abdestilliren des Alkohols wird der Rückstand mit Jodwasserstoffsäure übersättigt,
und das abgeschiedene Jodür mit Bleioxydhydrat zerlegt Kleine, weisse Nadeln,
welche das Krystallwasser bei 105^ verlieren. In kaltem Alkohol sehr löslich,
an der Luft zerfliesslich, unlöslich in Aether.
Das Jodhydrat, C,oH,,NQ,- JH + H,0, bildet kleine kurre Prismen. Schwer löslich
in kaltem Wasser.
Aethylamidobenzoesäure (29), CeH^^Q^pj* *% entsteht neben der Diäthyl-
verbindung durch Kochen von Jodäthyl mit m-amidobenzoesaurem Kali in alkoholischer Lösung.
Die Trennung geschieht durch Ueberftlhrung in die Chlorhydrate, von denen das Salz der
Monoverbindung in kalter, verdünnter Salzsäure sehr schwer, das andere leicht löslich ist.
Kleine Nadeln oder Prismen, welche bei 112° schmelzen. Schwer löslich
in kaltem, sehr schwer in heissem Wasser, leicht in Alkohol und Aether. Die
Säure geht mit Basen und Säuren Verbindungen ein. Essigsäure zersetzt die
Alkaliverbindungen unter Abscheidung der freien Säure.
Salxsaures Salz, CjHnNOaHCl, Nadeln. Barytsalz, (C3HioNO,),Ba + 2H,0,
Blättchen.
Diäthylamidobenzoesäure(29),CeH4Q^^^*^*4-2HjO, glänzende Säulen
oder Prismen. Schmp. 90°.
Salzsaures Salz, CiiHi^NO^HCl + 2H,0, glasglänzende, vierseitige Tafeln. Baryt-
salz, (CiiHi4NO,),BaH- lOHjO, weisse Blättchen.
Diallylamidobenzoesäure (29), ^^^rCkK-^ * analog der vorigen dar-
gestellt, bildet weisse in Wasser wenig lösliche Blätter. Siedep. 90°; nicht ohne
Zersetzung destillirbar.
NHCOCH
Acetylamidobenzoesäure (30), C6H4QQQJJ *, durch Erhitzen von
m-Amidobenzoesäure mit Essigsäure auf 160° oder von amidobenzoesaurem Zink
mit Chloracetyl auf 100° dargestellt, bildet ein aus mikroskopischen Nadeln be-
stehendes Krystallpulver. Unzersetzt sublimirbar, schmilzt zwischen 220 — 230°.
Sie bildet mit Metalloxyden Salze.
CO
Succinamidobenzoesäure (31), C^H^QQNCgH^COOH, und
CONHC H COOH
Succindiamidobenzoesäure (31), CjHiqqj^tjp^jj^pqqjj, entstehen
t^Z Handwörterbuch der Chemie.
durch Schmel^.en von Bemsteinsäure mit m-Amidobenzoesäure. Ersteres bildet
bei 235"^ schmelzende Nadeln, letzteres ist ein amorphes Pulver.
Cyanderiviite der m-Amidobenzoesäure. Die Einwirkung von Cyangas
auf m-Amidobeivzoesäure ist ebenfalls verschieden, je nachdem sie in wässeriger
oder alkoboliscber Lösung erfolgt. In ersterem Falle entstehen zwei Verbindungen,
m-Amidobenzoesäurepercyanid und m-Cyancarbimidamidobenzoesäure, in letzterem
misser dem Percyanid zwei neue Verbindungen, m- Carbi midamidobenzoesäure
und m-Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure.
2(c.H.2g»H) + 2(CN) = 2(c,H,NHg2CN
Amidobenzoesäurepercyanid.
NH, _ NH-C(NH)CN
Cyancarbimidamidobcnzoesäure.
2t^«H*S§;H + 2(CN) = C(NH){;Sg*S;gg;JJ
Carbimidaraidobenzoesäure.
C«H.^5;h + 2(CN) + C,H,OH = C,H,NH-C(NH)OC,H,
Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure.
Amidobenzoesäurepercyanid (12, 25, 61), 2(CßH4PQ^Tj)2CN. Griess
legte demselben in seinen ersten Mittheilungen die Formel CgH^pQ^^ ^*
bei. Zur Darstellung wird das durch Einwirkung von Cyan auf wässerige m-Amido-
benxoesäure entstehende Produkt gewaschen und mit Salzsäure behandelt, welche
unter Lösung der Cyancarbimidamidobenzoesäure das Cyanid zurticklässt. Gelbe,
krystallinische, in Wasser, Alkohol und Aether kaum lösliche Masse mit sauren
Eigenschaften. Durch Kochen mit Salzsäure oder Kalilauge wird sie in m-Benz-
glycocyamin übergeführt Beim Erhitzen mit Alkohol auf 130° entsteht m-Amido-
benzosäure und Oxalamidobenzoesäure (61):
2(C^H^NHsCÜjH).2CNH-3HjO=C6H^NHjCO,H-+-CeH4^Q^^^^«^H-2NH,.
Gyancarbimid-m-Amidobenzoesäure (12, 61), C^H^qq ^i »
weiss«, elliptische Blättchen, schwer löslich in kaltem Wasser, leicht in heissem
Alkohol. Sie wird bereits durch siedendes Wasser zersetzt und verbindet sich
mit Säuren und Basen. Beim Erhitzen mit aromatischen Aminen entstehen sub-
stituirte Benzkreatine.
Ostäthylcarbimidamidobenzoesäure (32), ^s^irn yt ^ ' ^ *.
Eine alkoholische Lösung von m-Amidobenzoesäure scheidet beim Einleiten von
Cyan sofort gelbes Amidobenzoesäurepercyanid ab, während in dem Filtrat nach
einigen Wochen ein weisser Niederschlag von Oxäthylcarbimid- und Carbimid-
amidobenzoesäure entsteht. Beim Kochen mit Wasser bleibt erstere ungelöst.
Krystallisirt in Nadeln mit 3 Mol. H3O. Sie ist in Säuren und Alkalien löslich
und ierseUt sie li beim Kochen der Lösungen in Uramidobenzoesäure (s. d.) und
Alkohol. Durch mehrwöchentliches Stehen mit conc. Ammoniak (33) zerfällt die
Säure in Alkohol und
j^TT /-» "■" N rlj
fii-BenEgl>'cocyamin (Benzkreatin) (33), CgH^ =NH . Dasselbe kann auch
CO,H
Amth Einwirkiiag ^^n Cyanamid (34) auf eine Lösung von Amidobenzoesäure in Alkohol, und
ilisrdi Rnchen von Amidobenzoesäurepercyanid (35) mit Kalilauge dargestellt werden:
Benzoesäure. 183
MW Mwr* 3
C^H^^^«^^^» 4- H,0 = C^H^^^^NhV CO.
CO,H CO,H
Farblose Tafeln, welche mit 2 Mol. H^O kiystallisiren. In heissem Wasser ziemlich lös-
lich, schwer in heissem Alkohol. Es wird durch Kohlensäure aus seiner Lösung in Kalilauge
gefällt. Mit Mineralsäuren entstehen Salze. Beim Kochen mit Barytwasser wird es in Uramido-
benzoesäure, Amidobenzoesäure, Harnstoff und Ammoniak zerlegt.
Durch Einwirkung von Jodmethyl und Kali auf eine kalte methylalkoholische Lösung von
m-Benzkreatin entsteht
o-Methylbenzglycocyamin (33), CgH^^^^^^C JJ|^>, kleine glänzende Blättchen,
mit H MoL H,0, schwer löslich, selbst in heissem Wasser und Alkohol. Verbindet sich mit
Salzsäure zu einem gut kiystallisirenden Salze. Ein isomeres Produkt, das
ß-Methylbenzglycocyamin (33), CgH^ NH , wird durch Einwirkung von
COOK
Methylamin auf Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure gebildet Blättchen, in kaltem Wasser und
kochendem Alkohol schwer, in heissem Wasser leichter löslich. Salzsaures Salz bildet weisse
Säulen oder Prismen.
Die a-Verbindung zerfallt beim Kochen mit Baryt in Methylamidobenzoesäure und Harn-
stofif, die ß- Verbindung in Amidobenzoesäure und Methylamin.
Pheiiylbenzglycocyamin(6i),C5H^ NH -+- H ,0, entsteht durch Kochen von
CO2H
Anilin (4 Thin.) mit Cyancarbimidamidobcnzoesäure bis zum Aufhören der Blausäureentwicklung:
*j„pCN ^„^NHCgHj
CßH^ "^NH 4- CgHjNHj = CßH^^^^NH + CNH.
CO,H COgH
Undeutliche, weisse Nadeln oder Blättchen. Kaum löslich in Alkohol, löslich in Alkalien,
durch Essigsäure wieder fällbar. Derselbe Körper scheint sich beim Schmelzen von m-Cyan-
amidobenxoesäure (62) (s. d.) zu bilden. Schmp. 165^.
j^jj^^NHC^oHy
ß-Naphthylbenzglycocyamin (61), CgH^ NH , in analoger Weise darge-
COaH
stellt, bildet kleine, kiystaUinische Kügelchen.
j^irpNHCjH^NHj
Amidophenylbenzglycocyamin (61), CßH^ NH , aus p-Phenylendia-
CO3H
min erhalten, bildet grau gefärbte, kleine Prismen.
Carbimid -m-Amidobenzoesäure (36) (Guanidindibenzoesäure),
NHC H CO H
C(NH)j^TTQ^jT*QQ*TT, welche ausser auf dem bereits erwähnten Wege auch
durch £inwirkung von Ammoniak und Quecksilberoxyd auf Sulfoharnstoffbenzoe-
säure (37) entsteht, wird durch Essigsäure aus ihrer alkalischen Lösung als amorpher
Niederschlag gefallt, welcher sich bald in Nadeln umwandelt. Sie verbindet sich
mit Säuren und Alkalien.
m-Cyanamidobenzoesäure (63), CgH^pQ tt , wird durch Einleiten von
Chlorcyan in eine alkoholische Lösung der Amidobenzoesäure und Eingiessen
des Produktes in viel Wasser dargestellt. Sie krystallisirt in weissen, flachen, perl-
mutterglänzenden Nadeln. Schwer löslich in kaltem, leichter in siedendem und in
heissem Alkohol. Beim Erhitzen beginnt ihre Zersetzung gegen 140°, und ver-
läuft rasch bei 210—220°, indem unter Entwicklung von Cyansäure ein Conden-
sationsprodukt entsteht. Beim Kochen mit Salzsäure entsteht m-Uramidobenzoe-
säure; beim Stehen mit Schwefelammonium wird Thiuramidobenzoesäure gebildet.
I$4 Handwörterbuch der Chemie.
Von den Sfilzt^rt ist das Kupfersalz ein charakteristischer brauner Niederschlag.
p<Amidobenzoesäure, Amidodracylsäure, wird durch Reduction der
p-Nitrobenzoe säure (3, 18, 39) mit Zinn und Salzsäure oder durch Oxydation (40)
CO
von p-Tolylsuccinimid, C2H4PQNCßH4CH3, (1 Mol.) mit Kaliumpermanganat
{4 Mol.) und Zersetzung der dabei entstehenden Oxysuccinyl-p-Amidobenzoesäure,
CfiH^CO^*^^^**^^*^' nij^ Salzsäure dargestellt (50—60* theoret. Ausbeute).
Sie krystallisirt aus Wasser in langen Krystallnadeln von röthlich gelber Farbe,
welche bei ISfi — 187° schmelzen. Ziemlich leicht löslich in Wasser, leicht in
Alkohol und Aether. Durch Erhitzen über ihren Schmelzpunkt wird sie in Anilin
und Kohlensäure gespalten, leichter beim Erhitzen mit Salzsäure auf 160 — 180^
SaUe. Barytsall, (C6H4NH3CO,)3Ba, glänzende, leicht lösliche Blättchen. Durch
esst|r5flure5 Blei (41) entsteht selbst in heissen verdünnten Lösungen von p-Amidobenzoesäure
ein kryss^linischcr NkderschUg von cH^CcT'^^*^^'
Sttlzsiiurcs Sah., CgH^^^»^, Blätter oder Säulen. Schwefelsaures Salx,
(C^H^NHj,C05,H),HgS04, in Wasser wenig lösliche Nadeln.
NHN
p-Amidobcnz^imid (42), CgH^p^^-Tj 4- iHjO, durch Reduktion aus p-Nitrobenzamid
datge&telli, bildet grf>ssc hellgelbe, bei 178—179^ schmelzende Krystalle.
CN
ji-ÄmidobenEOnitril(24), C^H^pq' , entsteht aus p-Nitrobenzonitril und krystallisirt
in farblos^ni bei 110^ schmelzenden Nadeln. Es bildet mit Mineralsäuren krystallinische Salze.
Derivate der p-jAmidobenzoesäure mit Alkohol- und Säureradi-
kalen.
Dimethyl-p-Amidobenzoesäure (43), CgH^^^ ^'^*, wird durch mehr-
stündiges Kochen von p-Amidobenzoesäure (in Alkohol gelöst) mit 3 Mol. Jod-
methyl und 2 Mol. Kali am Rtickflusskühler oder durch Zersetzung ihres Chlorids
mit Wasser darge^itellt. Kurze, farblose, bei 235° schmelzende Nadeln. Sic
verbindet sich mit Säuren und Basen. Dimethylparamidobenzoesäurechlorid (41),
Cfi^4 COCl^ '' ^^t^t^^* durch Erhitzen von Dimethylanilin mit Chlorkohlenoxyd
C,H,N(CH3), -+- C0Clj=CeH,gg^^»^2 -+- HCl.
N f C H ^
Diäthyl-p-Amidobenzoesäure (44), ^6^irQ\{^ » analog der Methyl-
verbindung daigestellt, bildet gelbliche bei 188*^ schmelzende Blättchen. Aus
p-Amidobenzoesäure und Aethylenoxyd entsteht die in Prismen krystallisirende
NHC H OH
Oxaethyl-p-Ämidobenzoesäure (41), C^H^qq tI * . Schmp. 187°.
NHCOCH
Acetyl-p-Amidobenzoesäure (45), CgH^^Q pj ', wird durch Oxy-
dation \'on Acetparatoluidin (Schmp. 145°) mit übermangansaurem Kali ge-
wonnen und bildet in Wasser schwer, in Alkohol leicht lösliche Nadeln, welche
bei 250 "" unter Zersetzung schmelzen.
NHCOC H
Benzoyl-p- Amidobenzoesäure (10), CgH^pQ tt ^ *, aus Benzoyl-
p-Tohiidin dargestellt, bildet bei 278° schmelzende Nadeln.
NHCOC H CO H
Oxysuccinyl-p-Amidobenzoesäure (40), CßH^QQ jj ^ * * , durch
Benzoesäure. 185
Oxydation von p-Tolylsuccinimid mit übermangansaurem Kali erhalten, bildet
gelbliche, bei 225—226° schmelzende Nadeln.
Kohlensäurederivate der Amidobenzoesäuren.
m-Urethanbenzoesäure (46) , m - OxäthylcarboxamidobenzoesäureJ,
NHCOOC H
CjH^PQQTT ^ *, entsteht durch Einwirkung von salpetriger Säure auf eine
salzsaure I-,ösung von Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure und durch Erhitzen von
m-Amidobenzoesäure mit Chlorkohlensäureäther.
CeH,2HC(NH)0C,H, _^ ^^^^ ^ ^^^^NHCOO C,H, ^ ^^ ^ ^^^
2/ ' NH, \ r H - r H NHCOOC.Hj NHaHCl
Sie bildet weisse glänzende Blättchen, welche bei 189° schmelzen. Schwer
löslich in heissem Wasser, leicht in Alkohol und Aether. Die Salze sind krystal-
linisch. Ueber ihren Schmelzpunkt erhitzt zerfallt die Säure in Kohlensäure,
Alkohol, Hamstoifbenzoesäure (s. d.) und
Uretlianbenzoesäureäthyläther(47),CgH4^Q^^ 2 5, in kaltera und heissem Wasser,
in Alkohol und Aether leicht lösliche Blättchen, welche bei 100—101" schmelzen. Während der
Aether mit alkoholischem Ammoniak in Hamstofif und Amidobenzoesäureäther zerlegt wird, bildet
er anter dem Einfluss von wässrigem Ammoniak
NHCO C H
Urethanbenzoesäureamid (47), CgH^p^^-r* 2 5^ einen mit schwach basischen
Eigenschaften begabten Körper, welcher aus Benzol in Nadeln krystallisirt. Schmp. 157 — 158".
Uramidobenzoesäure, CßH4^Q tt ^, ist in drei Modificationen be-
kannt, welche sämmtlich durch Einwirkung von cyansaurem Kali auf Salze der
Amidobenzoesäuren entstehen. Werden die Amidobenzoesäuren mit Harnstoff
geschmolzen, so liefern die m- und p- Verbindung ebenfalls Uramidosäuren,
während die o- Verbindung unter Abspaltung von Wasser in das Anhydrid der
o-Uramidobenzoesäure tibergeht.
^ „ NHjHCl n^rMT r^ xr NHCONHo . „^,
o. m. p. CgH^QQ ^jj -h CNOK = o. m. p. C^H^qq jj ^ -h HCl.
NH NH NH — CO
«■ CeH,2S;H + C^nS: = ^- CeH,^^ _ ^^ + NH3 -h H,0.
o-Uramidobenzoesäure (49) ist nicht beschrieben. Ihr Anhydrid, das
NH -CO
Uramidobenzoyl (48), C^H^ 1 , dessen Entstehung aus o-Oxäthylcyan-
CO — NH
amidobenzoyl (pag. 179) schon erwähnt wurde, bildet schmale Blättchen, welche
über 350^ schmelzen. In Wasser, Alkohol und Aether schwer löslich.
m-Uramidobenzoesäure (50, 51, 64) entsteht auch durch Einwirkung
von Salzsäure auf Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure.
P „ NHC(NH)0C,H5 ^ „ ^ ^ „ NHCONH2 . p TT ow
Die Säure krystallisirt mit 1 Mol. Wasser in kleinen Nadeln. Schwer löslich
in Wasser (1 Thl. in 98-5 Thln. bei 100""), leichter in Alkohol. Beim Erhitzen über
200® geht sie in HarnstoÖ und m-Harnstoffbenzoesäure über.
Das in Wasser leicht lösliche Kalksalz, (C8HgNjO,)jCa ^-iH^O, bildet zu kugligen
Ag^gaten vereinigte Nadeln, das Silbersalz, CjH8N20,Ag, glänzende Schuppen.
iSö Handwörterbuch der Chemie.
Äcihy Jäther (52), C6^4cO C H ' ^"^^^®^* ^^^^^ molekulare Umlagerung beim Schmel-
zen voti Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure, CgH^p,^ ^ ^ 25^ und wird ausserdem durch
l'Iltiwirkung; von Kaliumcyanat auf salzsauren Amidobenzocsäureäther dargestellt. Glänzende, bei
17G'* schmcbende Blättchen.
Atnid (50)» ^6^*roNH *' ^"^^^^^^ *"s salzsaurem Amidobenzamid und Kaliumcya-
nat und ] lüdet krystallinische Schuppen oder lange Nadeln.
Acihyl-m.Uramidobenzoesäure(53), CgH^^^^^^^^«^*, wird durch Cyansäurc-
HlliyJillheT aus einer kalt gesättigten alkoholischen Lösung von m-Amidobenzoesäure abgeschieden.
reine, seihst in kochendem Wasser schwer, in Alkohol leicht lösliche Nadeln.
Das Barytsalz, (CjoHj ,Nj03)3Ba + SHjO, ist selbst in kaltem Wasser leicht löslich.
p-Uramidobenzoesäure (54), längliche Blättchen, welche selbst in
kochendem Wasser schwer, in heissem Alkohol jedoch ziemlich leicht löslich
sind. Beim Erhitzen wird unter Austritt von Harnstoff p-Hamstoffbenzoesäure
gebildet.
Nitrouramidobenzoesäuren (55).
Durch Eintragen der Uramidobenzoesäuren in rothe, von salpetriger Säure befreite Salpetcr-
NOj
sHute LiitstcUen Dinitrouramidobenzoesäuren, CgH,N(NO,)CONH,. Die m-Uramidobenzoe-
COjH
sHmtc liefert auf diese Weise drei (a, ß, y), die p- und o-Uramidobenzoesäure je eine (h und t)
Dinitrosaurc. Die a-, ß-, y-Verbindung sind in ihren Eigenschaften so ähnlich, dass eine
direkte 7Vcnnung derselben nicht ausgeführt werden kann. Sie werden daher zunächst durch
NO,
Kochen mtt wässrigem Ammoniak in Mononitrouramidobenzoesäure, CgHjNHCONHj, umge-
CO3H
wnndclr, und die noch heisse ammoniakalische Lösung mit Chlorbarium versetzt Beim Erkalten
«scheidet sich zuerst das Salz der ß-Säure in Nadeln ab, das Filtrat liefert beim Eindampfen das
«-S^lr, m den letzten Mutterlaugen ist das y-Salz enthalten. Durch Behandlung mit Salpeter-
sStnre wird jede einzelne Mononitrosäure in Dinitrouramidobenzoesäure zurUckverwandelt
NO,
Nitrouramidobenzoesäuren (49, 55), CßH,NHCONH,, entsehen durch Kochen der
CO3H
Dlnitroru^midobenzoesäuren mit Ammoniak:
NO2 NO,
C6H8N(N02)CONH3 + H^O = CgH,NHCONH, 4-NO3H.
CO,H CO,H
a) CgHaCOjHNOjNHCONHj,
13 5
P) C^HjCOjHNOjNHCONH,,
1 4 5
t) C,H^CO,HNO,HNCONH,,
13 3
S) C\^H,C02HN0,NHC0NH„
1 s 4
t) C.H.COjHNOjNHCONHj.
l S 6
!>!f a^ ß-, y-Säuren bilden sämmtUch gelbe Krystalle, schwer löslich in Wasser, leicht in
kodi^ndem Alkohol. Durch Kochen mit Kalilauge wird die ß- und $-Säure in m-p-Azimido-
lltiiÄOcsiiure (66), CgHjCOgHN — N, die y-Säure in o - m-Azimidobenzoesäure»
1 >\/*
NH
C|H|GÜ^FiN — N umgewandelt:
NH
NO, N\j^j^
CßHa NHCONH, = CgH,N/^" + CO, + H3O.
COOH CO,H
Benzoesäure. 187
Amidouramidobcn zocsäuren (55, 66), CgH^NHCONH^. Durch Einwirkung von
"COjH
Zinn und Salzsäure auf a-, p-, $-Nitrouramidobenzoesäurcn entstehen die entsprechenden Amido-
uramidobenzoesäuren. Die a- und ß-Säure bilden weisse Krystalle. Die $-Säure ist nicht be-
schrieben. Die a-Säure vereinigt sich mit Basen und Säuren, die ß-Säure nur mit Basen.
Werden die sehr verdünnten salzsauren Lösungen (66) der ß- und 5-Amidouramidobenzoe-
säurcn mit salpetrigsaurem Kali versetzt, so entsteht m-Azimidouramidobcnzosäure.
CO,H (i)
ß) CeHjNHCONH, (3) C0,H
NH, (4) _ r „ N '
CO„H (0 ■" ^« ' I ^N.CONH,.
6) C6H3NH, (3) N^
NHCONHj (4)
Durch Kochen der ß-Amidouramidobenzoesäure mit Salzsäure oder Barytwasser entsteht
unter Abspaltung von Ammoniak die sogen«
ß-Amidocarboxamidobenzoesäure (55), CgH^N^Cj, kleine weisse unlösliche
Kiystalle. Eine isomere Verbindung, die
f-Amidocarboxamidobenzoesäure (56), wird durch Reduction der y-Nitrouramido-
benzoesäure mit Zinn und Salzsäure dargestellt.
Dinitrouramidobenzoesäure (55, 66), C6H,N(NO,)CONH,.
COjH
Die a-, ß-, y-Säuren bilden gelblich weisse Kry stallnadeln, schwer hislich in Wasser, leicht
in Alkohol und Aether. Sie vereinigen sich mit Basen zu Salzen. Die S- und e-Säurcn sind
nicht näher beschrieben (s. jedoch Nitrouramidobenzoesäurcn).
m-Thiouramidobenzoesäure (56), CgH^QQ rj ^, entsteht beim
Verdampfen einer wässerigen Lösung von schwefelsaurer m-Amidobenzoesäure
und Sulfocyankalium. Kleine Krystalle, in kaltem Wasser und Alkohol schwer
löslich, leicht in heissem Wasser. Sie giebt mit Metallsalzen Niederschläge.
T^T-ir^QMr^ TT
Ein Phenylderivat (57), CgH^pQ tt ^ ^, wird aus m-Amidobenzoesäure und
Schwefel erhalten. Schmp. 190—191°.
m-Harnstoffbenzoesäure (Carboxamidobenzoesäure) (47, 58, 59, 64),
NHC H CO H
^^NHC*H*CO*H' ^^^s^^^^ durch Erhitzen von m-Uramidobenzoesäure auf 200°
(neben Harnstoff), von m-Urethanbenzoesäure über ihren Schmelzpunkt (189°) und
durch Entschwefelung von Schwefelharnstoffbenzoesäure mit Quecksilberoxyd.
Im Wasser, Alkohol und Aether fast unlöslich. Sie bildet Salze und wird aus
ihrem Kali- oder Ammonsalz durch Säuren in mikroskopischen Nadeln gefällt
Durch Erhitzen von m-Uramidobenzoesäureäthyläther über seinen Schmelzpunkt
entsteht der bei 162° schmelzende
Aethvläther CO^^^ß^*^^»^»^*
Acinyiamer, ^^NHCßH^COjCaHj'
p-Harnstoffbenzoesäure krystallisirt in Nadeln.
m-Schwefelharnstoffbenzoesäure, ^S^rTr^xj^rQ^jj» entsteht durch
Einwirkung von Schwefelkohlenstoff auf eine alkoholische Lösung von m-Amido-
benzoesäure (60):
und durch Erhitzen von Schwefelhamstoff (58) mit m-Amidobenzoesäure. Feine
Nadeln, welche über 300° unter Zersetzung schmelzen. Beim Kochen in Salz-
saure wird sie in
i88 Handwörterbuch der Chemie.
NCS
Senfölbenzoesäure (58), CgH^p^ „, ein amorphes Pulver, übergeführt.
Diamidobenzoesäure*), CeHg(NHj)jC03H. Die vier bis jetzt bekannten
Modificationen entstehen durch Reduction der Dinitrobenzoesäuren oder Nitro-
amidobenzoesäuren (s. d.). Der o-o-Dinitrobenzoesäure und o-p-Dinitrobenzoe-
säure entsprechende Diamidobenzoesäuren sind bis jetzt nicht dargestellt, da sie
sehr leicht in Kohlensäure und m-Phenylendiamin zerfallen.
Die Diamidobenzoesäuren zeigen saure und basische Eigenschaften, Beim
Erhitzen zerfallen dieselben leicht in Kohlensäure und Phenylendiamin.
1. o-m-Diamidobenzoesäure, CgH.COoHNHoNHj, entsteht aus o-Nitro-
m-Amidobenzoesäure (i, 2) und krystallisirt in gelblich weissen Nadeln. Bei der
Destillation entsteht o-Phenylendiamin. Durch salpetrige Säure wird sie in
CO3H
m-Azimidobenzoesäure, CrHjN-^^„, umgewandelt. '
Das schwefelsaure Sak, (CgH,(NH,)3COj)jH3SO^ +iH30, bildet schwer lösliche Tafeln.
2. O-m-Diamidobenzoesäure (2, 3), CgH.COnHNHjNHj, wird aus
1 ' .*
o - m - Dinitrobenzoesäure und aus den entsprechenden Nitroamidobenzoesäuren
(2, 3) dargestellt Kleine Prismen. In der neutralen Lösung erzeugt Kalium-
nitrit einen gelben Niederschlag. Sie liefert bei der Destillation p-Phenylendiamin.
Durch salpetrige Säure entsteht ein basischer Körper, C14H1JN5O4.
3. m-m-Diamidobenzoesäure, CgH.CO.HNHjNH,-!- H,0, entsteht aus
18 5
der entsprechenden Dinitrobenzoesäure (5). Sie krystallisirt in langen, fast weissen
Nadeln, welche gegen 240° schmelzen. Ziemlich schwer löslich in kaltem Wasser
(1000 Thle. lösen bei 8° 11 Thle.), leichter in heissem Wasser, leicht in Alkohol
und Aether. Sie liefert bei der Destillation mit Baryt m-Phenylendiamin (5). Eine
verdünnte wässrige Lösung wird durch salpetrige Säure gelb gefärbt Beim Erhitzen
mit Harnstoff entsteht Diuramidobenzoesäure.
Das schwefelsaure Salz, CgH,(NH,),CO,HHjSO^, büdet in Wasser und Alkohol
schwer lösliche Nadeln. Das salzsaure Salz, CgH,(NH,),C03H2HCl, Nadeln, leicht löslich
in Wasser und Alkohol. Barytsalz, (CgH,(NH2)aC03)3Ba -+- 1|H,0, Säulen, sehr leicht in
kaltem Wasser löslich.
•) i) GRIESS, Her. 2, pag. 435. 2) Grfess, Ber. 5, pag. 198—199. 3) Griess, J. pr. Ch.
(2) 5, pag. 231. 4) Gerdemann, Z. Ch. (2) i, pag. 51. 5) Wurster u. AMBüm., Her. 7,
pag. 213. 6) Griess, Ber. 2, pag. 47. 7) Muretov, Z. Ch. (2) 6. pag. 642. 8) Griess, Ber. ^,
pag. 39* 9) Brühl, Ber. 8, pag. 485. 10) Griess, Ber. 2, pag. 434 — 35. 11) Griess, Her. 5,
pag. 855—856. 12) Ladenburg u. ROgheimer, Ber. 11, pag. 595, 1656. 13) Salkowski,
Ann. 163, pag. 12. 14) Hübner u. Biedermann, Ann. 147, pag. 258 — 264. 15) Hübner und
Cunze, AniL 135, pag. iii. 16) Hübner u. Weiss, Ber. 6, pag. 175. 17) Hübner, Ber. 10^
pag. 1703. 18) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 152, pag. 240. 19) Burghard, Ber. 8, pag. 558
bis 560. 20) Smith, Ber. 10, pag. 1706. 21) Hübner, Philipp u. Ohly, Ann. 143, pag. 241
bis 244. 22) Hübner u. Petermann, Ann. 149, pag. 133—34. 23) Raveil, Ber. 10, pag. 1707.
24) Greiff, Ber. 13, pag. 288. 25) Beilstein u. Geitner, Ann. 139, pag. i, 26) Dies. 139,
pag. 6. 27) Vollbrecht, Ber. 10, pag. 1708. 28) Griess 154, pag. 332. 29) Grothe, J. pr.
Ch. (2) 18, pag. 326. 30) Benedikt, Ber. 8, pag. 384. 31) Michael u. Norton, Jahresb. 1878,
pag. 451 33) Griess, Ber. 11, pag. 1730— ^734. 34) Griess, J. pr. Ch. 5, pag. 234 n. ffi
35) Rahlis, Ann. 198, pag. 112. 36) Hübner, Ber. 8, pag. 1216, 1219. 37) Hübner, Ber. io>,
pag. 1698—99. 38) HÜBNER, Ann. 195, pag. 37. 39) Ber. 10, pag. 1702 — 4. 40) Salkowski,
Ann. 173, pag. 52. 41) Salkowski, Ann. 173, pag. 40. 42) Cahours, Ann. 74, pag. 308.
43) Salkowski, Ann. 163, pag. i. 44) Salkowski u. Rudolph, Ber. 10, pag. 1254. 45) Fus-
dcrici, Ber. 11, pag. 1975.
'■y--^^i^^m
Benzoesäure. 189
Diamidobenzamid (7), C6Hj(NH3)3CONHj, entsteht durch Reduktion von Dinitro-
benzamid. Grosse bräunliche KrystaUnadehi. Bildet auch saure Salze.
Hexamethyldiamidobenzoesäure (8), durch Einwirkung von Jodmethyl (6 Mol.) und
Aetckali (1 MoL) auf eine methylalkoholische Lösung (10 Thie.) von Diamidobenzoesäure
(l Thl.) entsteht das in sechsseitigen Tafeln krystallisirende Jodid, CyHj(CH3)eN202 .2JH
N(CH,)J
+ H,0 = [CeH,N(CH3),J] (?) (9), welches beim Kochen mit Silberoxyd die freie Base als
CO,H
hygroskopische, aus zarten weissen Blättchen bestehende Krystallmasse liefert. Dieselbe ist stark
basisch, zieht Kohlensäure an und fUllt Metalloxyde.
Das salzsaure Salz, C,H,(CH3)5NjOj 2HC1 -f- 4HjjO, bildet scchsseirige Blättchen. Das
kohlensaure Salz bildet in Wasser leicht lösliche Blättchen mit stark alkalischer Reaktion.
4. m-p-Diamidobenzoesäure (2, 10, 11), CgHjCOjHNHjNHj, entsteht
1 34
aus den entsprechenden Nitroamidobenzoesäuren (6 und 7). Blättchen, welche
unter Zersetzung gegen 211^ schmelzen. Schwer in kaltem, leicht in heissem
Wasser löslich. Liefert bei der Destillation mit Kalk o-Phenylendiamin. Durch
CO,H
salpetrige Säure entsteht m-p-Azimidobenzoesäure, CgHjN-^^-j
Das schwefelsaure Salz bildet schwer lösliche Blättchen.
Triamidobenzoesäure (13), CgHjCOjHNHjNHjNH«, 4H«0, entsteht
1 945
durch Reduction von Dinitro-p-amidobenzoesäure mit Zinn und Salzsäure und wird aus der vom
Zinn befreiten und eingedampften Lösung durch essigsaures Natron in Form feiner Nadeln abge-
schieden, welche durch Umkrystallisiren aus Wasser zu reinigen sind.
Glänzende, schwach braun gefärbte Nadeln, seh wer löslich in kaltem Wasser,
Alkohol und Aether, leicht in heissem Wasser. Sie reagirt sauer. Bei der
trockenen Destillation zerfallt sie in Triamidobenzol und Kohlensäure. Zwei-
säurige Base; einbasische Säure.
SalzsaurcsSalz, C6Hj(NHj)3CO,H.2Ha, bildet leicht lösliche Nadeln. Schwefel-
saures Salz, C6H3(NH,),CO,H.H3SO^ + HjO, hellbraune Tafeln.
Kalk salz, (CgH2(NH2)sC02),Ca, braune, harte krystallinische Krusten.
Triamidobenzoesäure (65), CgH^CÖjHNHjNHjNHa, entsteht durch
1 9 s 5
Einwirkung von Zinn und Salzsäure auf Azodimetadiamidobenzoesäure p-Benzol-
NrrrrNCßH^SOjH
sulfosäure, CßH3(NH,)2, , welche dabei in Sulfanilsäure und Triamido-
COjH
benzoesäure zerfällt. Sie bildet farblose Warzen, welche bald braun werden.
Das schwefelsaure Salz ist selbst in heissem Hj,0 schwer löslich.
Chlor amidobenzoesäuren, CgH,ClNH,CO,H, entstehen durch Reduction der ent-
^rechenden Chlornitrobenzoesäuren. Als Reductionsmittel dient Zinn und Salzsäure.
1. (a) o-Chlor-mAmidobenzoesäure (14), CgH.COjHClNH,. kleine, bei 212*'
1 2 (3-5)?
schmelzende Nadeln. Wird durch Natriumamalgam in m-Amidobenzoesäure Ubergefllhrt.
2. (p) m-Chlor-o-Amidobenzoesäure (15, 16), gelbe, bei 148® schmelzende und
subUmirbare Krystalle. Schwer in Wasser, leicht in Alkohol löslich. Sie wird durch salpetrige
Siure in Chlorsalylsäure Übergeführt. Baryt- und Kalksalz krystallisiren mit 2^ Mol. H^O
iHid sind schwer löslich.
3. (8) m-Chlor-m-Amidobenzoesäure (17), CgHjCOjjH- CINH,, lange, bei 215— 216®
1 35
scbmeUende Nadeln.
4. (c) p-Chlor-mAmidobenzoesäure (14), CgHjCOjHClNH,, kurze, farblose, bei
1 4 i
212® scfamekende Nadeln. Wird durch Natriumamalgam in m-Amidobenzoesäure tibergefUhrt.
Trichloramidobenzoesäure (18), CgHCljNHjCOjH, entsteht aus Trichlomitrobenzoe-
190 Handwörterbuch der Chemie.
säure und bildet feine, bei 210^ schmelzende Nadeln. Schwer löslich in heissem Wasser. Baryt-
salz, (CßHCl3NH.XOj)2Ba4-3H.^O, leicht lösliche Säulen.
Bromamidobenzoesäuren, CgHjBrNHgCOjH, entstehen durch Reduktion der
entsprechenden Bromnitrobenzoesäuren.
1. (a) o-Brom-m-Amidobenzoesäure (19,20), C^HjCOjHBrNH,, breite, bei 180<*
1 3 &
schmelzende Nadeln, leicht löslich in Wasser.
2. (ß) m-Brom-o-Amidobenzoesäure (21, 22), CßHjCOjHBrNHj. lange, bei 208®
1 3 6
schmelzende Nadeln. Wird durch Natriumamalgam in o-Amidobenzoesäure Übergeführt.
3. (y) m-Brom-o-AmidobeDzoesäure (21, 23), CgHjCOjHBrNHj, in Wasser schwer
I 5 6
lösliche Nadeln, welche bei 171 — 172^ schmelzen. Durch Natriumamalgam wird sie in o-Ami-
dobenzoesäure Ubergefllhrt.
4. ifi) p-Brom-m-Amidobenzoesäure (19, 22), CgHgCOjHBrNHj, hellgelbe, bei
1 4 s
220 — 221 ^ schmelzende Nadeln. Wird durch Natriumamalgam in m-Amidobenzoesäure Ubergefiiliit
Dibromamidobenzoesäure, CgHjBrjjNH^COjH.
Dibrom-o-Amidobenzoesäure (20, 24), CgHjCOjHNHjBrBr, entsteht durch Reduc-
1 '^8 4
tion der bei 162^ schmelzenden Dibromnitrobenzoesäure und durch Einwirkung von Brom auf
o-Nitrotoluol, welches auf 170" erhitzt ist. Farblose bei 225° schmelzende Nadeln. Durch
Natriumamalgam entsteht o-Amidobenzoesäure.
Dibrom-p-Amidobenzoesäure (25), CgHjCOjjHNH,BrBr, entsteht neben Tribromanilin
1 4 3 s
durch Einwirkung von überschüssigem Bromwasscr auf eine wässrige Lösung von p-Amidoben-
zoesäure. Die Säure wird durch Auflösen in Ammoniak und Ausfällen mit Salzsäure gereinigt
Sie krystallisirt aus Alkohol in bräunlichen Nadeln. Sie wird, über ihren Schmelzpunkt erhitzt,
zersetzt. Durch salpetrige Säure entsteht y-Dibrombenzoesäure (Sclmip. 209°).
Natronsalz, CgH.jBr.^NHj5COjjNa-|-5Hj,Ü, krystallisirt in seideglänzenden Nadeln.
Barytsalz, (C6H5,BraNH2C02)j,Ba + -IHyO, lange KrystaUe.
Tribrom-m-Amidobenzoesäure (26, 27), CgHBr3NHjCO.jH, entsteht durch Ein-
wirkung von Bromwasser auf m-Amidobenzoesäure. In Wasser schwer lösliche Nadeln, welche
bei 170'5° schmelzen. Zerfällt bei der Destillation in Kohlensäure und Tribromanilin. Barium-
salz, (CgHBr3NHjC05,)3Ba + 5iH20, krystallisirt in Tafeln.
Tribromdiamidobenzoesaure (28), CgBr3(NHj)2COjH, aus m-m-Diamidoben-
zoesäure und Brom dargestellt, bildet lange, weisse Nadeln.
Jodamidobenzoesäure (29), CgHjJNHjCOjH.
Die zwei bis jetzt dargestellten Säuren entstehen durch Reduktion der a- und ^mjod-o-
nitrobenzoesäure.
a-m-Jod-o-Amidobenzoesäure, bildet dunkelbraune, leicht lösliche Krystalle,
welche bei 137° schmelzen. Geht durch Reduction in o-Amidobenzoesäure über. Barytsalz,
(CgH3JNH.jC02)2Ba-|-H20, rechtwinklige Tafehi. Salzsaures Salz, CgHJNHjCOjHHCl,
Nadehi.
ß-m-Jod-o-Amidobenzoesäure schmilzt bei 209° unter Zersetzung. Die Salze sind
leicht zersetzlich. Barytsalz ist wasserfrei.
Dijod-m-Amidobcnzoesäure (30), CgHjjJjNHjCOjH, wird durch Eintragen von
Chlorjod (2 Mol.) und Quecksilberoxyd in eine alkoholische Lösung von m-Amidobenzoesäure
(l Mol.) dargestellt und bildet lange unter Zersetzung schmelzende Nadeln. In Wasser schwer,
in Alkohol leicht löslich.
Dijod-p-Amidobenzoesäure (31), CgH^JjjNH^COjjH, entsteht durch Eintragen
von Chloijod (2 Mol.) auf eine Lösung von p-Amidobenzoesäure in überschüssiger Saksäure.
Die in Wasser unlösliche Säure bildet weisse Über 300° schmelzende Blättchen. Verbindet sich
nicht mit Säuren. Barytsalz, (CeHj2NHj,COj,)jjBa + 4H5,0, Nadeln, in kaltem Wasser
fast unlöslich, in heissem leichter löslich.
Nitro am idobenzoesäuren, CßHjNOjNHjCOjH.
o-Nitro-m-Aniidobenzoesäure (2, 10, 33, 34), C»;H3COjjHNOj.NH^,
Benzoesäure. 19 1
entsteht durch Kochen von f-Dinitro-m-uramidobenzoesäure mit Wasser. Dicke
Säulen. Leicht löslich in heissem Wasser in Alkohol und Aether. Durch Re-
duction entsteht (i) o-m-Diamidobenzoesäure.
Barytsalz, (CgH3NOaNHj,COj),Ba + 7H,0, in Wasser sehr leicht lösliche Nadeln.
2. o-Nitro-m-Amidobenzoesäure (i, 2, ^^)f CßHgCOjHNO^iNHj, aus
1 2*5
a-Dinitro-m-Uramidobenzoesäure dargestellt, bildet gelbe Nadeln. Durch salpetrige
Säure wird sie in o-Nitrobenzoesäure, durch Reductionsmittel in o-m-Diamido-
benzoesäure übergeführt.
Barytsalz, (CgH3NO,NH,CO,)2Ba + SH^O, gelbe, in Wasser leicht lösliche Nadeln.
3. m-Nitro-o-Amidobenzoesäure, CßHjCOgHNOjNHg, entsteht durch
1 3 6
Kochen von E-Dinitro-o-Uramidobenzoesäure (33) mit Wasser, durch Kochen von
ihrem Amid (s. d.) mit Barytlösung und durch Erhitzen von a-o-Brom-m-Nitro-
benzoesäure (35) mit Ammoniak. Feine, gelbe Nadeln, welche bei 2G3° (36)
schmelzen. Sie wird durch salpetrige Säure in m-Nitrobenzoesäure, durch Reduc-
tionsmittel in o-m-Diamidobenzoesäure übergeführt.
Barytsalz, (C6H,NOjNH,CO,),Ba + SH^jO, lange gelbe Nadeln.
Amid (36), C6HjNOjNH.^CONHj, aus dem Diäthyläther, der bei 228^ schmelzenden
Nitrosalicylsäure dargestellt, bildet bei 140^ schmelzende Nadeln.
4. ro-Nitro-o-Amidobenzoesäure (36, 37, 38), CgNaCOjHNOgNH,,
1 5 6
entsteht durch Kochen ihres Amids mit Barytwasser. Lange gelbe Nadeln, welche
bei 204^ schmelzen. Wird durch salpetrige Säure in m-Nitrobenzoesäure über-
geführt.
Barytsalz, (CgH5NOjNHj,CO,)jBa-i-2HjO, schwer löslich in kaltem, leicht in heissem
Wasser.
Aethyläther, CgHjNOjNHjCOjC^Hs, bei 104^^ schmelzende Blättchen.
.Amid, CgHjNOjNHjjCONHj, aus dem Aether der bei 144— 145^ schmelzenden Nitro-
salicylsäure mit Ammoniak dargestellt, bildet bei 109" schmelzende Blätter oder Nadeln.
5. m-Nitro-m-Amidobenzoesäure (39), C6H3CO2HNO2NHJ, entsteht
1 3 &
durch Reduction von m-m-Dinitrobenzoesäure mit Schwefelammonium. Lange,
helle, goldglänzende Nadeln, welche bei 208° schmelzen. Durch salpetrige
Säure entsteht m-Nitrobenzoesäure. Durch Einwirkung von Bromäthyl wird sie in
NO2
Nitroäthylamidobenzoesäure, CßHaNH^CaHg) (Schmp. 208°) übergeführt.
CO^H
6. m-Nitro-p-Amidobenzoesäure, CeHgCOjHNOjNHj, entsteht aus
13 4
Dinitro-p-Uramidobenzoesäure (11) und durch Erhitzen von Nitroanissäure
mit Ammoniak (40). Gelbe Blättchen. Schmp. 284° Durch salpetrige Säure
entsteht m-Nitrobenzoesäure, durch Reductionsmittel m-p-Diamidobenzoesäure.
Barytsalz, (CeH3NOj,NH.^C02)3Ba -r 5HjO, selbst in heissem Wasser schwer lös-
liche rothgelbe Nadeln.
7. p-Nitro-m-Amidobenzoesäure (i, 2), CcHoCOaHNOjNH«, entsteht
14 5
aus ß-Dinitro-m-Uramidobenzoesäure. Gelbrothe Blätttchen. Sie wird durch
Reductionsmittel in m-p-Diamidobenzoesäure umgewandelt.
Barytsalz, (C6HjNOjNHjCO.j).^Ba4-2H20, gelbrothe Säulen, schwer in kaltem,
leichter in heissem Wasser löslich.
Dinitroamidobenzoesäure, C6Hj(N03)2NH3C02H; es ist ein Dinitro-
derivat der o- und p-Amidobenzoezäure bekannt.
Dinitro-o-Amidobenzocsäure (41), CcH.^COgHNH^NOj^NOa. Der
4
192 Handwörterbuch der Chemie.
Aether oder das Ammoniaksalz entstehen durch Erhitzen von Diroethyl- oder Diäthy)-
äther der bei 173° schmelzenden Dinitrosalicylsäure mit Ammoniak.
COjCHs CO^CH,
CßHaOCH, H- NHg = CßHaNHg ■+- CH.OH.
(N0,)8 (NOg),
Die Säure krystallisirt aus siedendem Alkohol in goldglänzenden, bei 256°
schmelzenden Schuppen.
Natronsalz, C6H2NH./NOj)3,C03Na -f- HgO, lange gelbe Schupperi.
Methyläther und Aethylhther bilden gelbe, bei 165^ resp. 135" schmelzende Blättchen.
D i n i t r o-p-Am idobenzoesäure, Chrysanissäure(42)C6 H^CO^HNO j NH^NOj
1 s 4 s *
entsteht durch Einwirkung von Ammoniak auf Dinitroanissäure (43) und durch
Oxydation von Dinitro-p-Toluidin (45) (Schmp. 168°) mit chromsaurem Kali und
Schwefelsäure.
Zur Darstellung (42, 43) wird Nitroanissäure mit dem dreifachen Gewicht rother, rauchender
Salpetersäure gekocht oder die Säure (40 Grm.) in ein kaltes Gemisch von 140 Grm. Salpetersäure
(1*4 spec. Gew.) und IGO Grm. Schwefelsäure eingetragen. Das Rohprodukt, welches ausser
Dinitroanissäure, Di- und Trinitroanisol enthält, wird mit Ammoniak gekocht, die Chrysanissäure aus
dem Filtrat mit Salzsäure gefällt und aus Alkohol umkrystallisirt.
Sie krystallisirt aus heissem Wasser in Nadeln, aus Alkohol in goldglänzen-
den Blättchen, welche bei 259° schmelzen. Schwer löslich in Wasser, leicht in
Alkohol. Die Säure wird durch Zinn und Salzsäure in Triamidobenzoesäure,
durch Schwefelammonium in Nitrodiamidobenzoesäure übergeführt. Durch Kochen
mit Kali entsteht Nitro-p-Oxybenzoesäure, welche durch Erhitzen mit Wasser auf
170° in Kohlensäure und 0-0-Dinitrophenol (44), CßHgOHNOjNOg, gespalten
1 8 6
wird. Durch Erhitzen mit conc. Salzsäure wird ß-Trichlorbenzoe säure gebildet
Ammonsalz bildet glänzende gelbe Nadeln.
Methyläther, aus chrysanissaurem Silber und Jodmethyl dargestellt, bildet goldglänzende,
bei 144® schmelzende Blättchen.
Aethyläther bei 114® sehmelzende, grosse, glasglänzende Blätter.
Benzoylderivate der Oxysäuren.
OCOC H
Benzoylglycolsäure*), CH^qq h ^ ^' entsteht durch Einwirknng von
salpetriger Säure (i) auf eine wässrige Lösung von Hippursäure:
CH^gg^H ^«"* + NO,H = CH^gg^^H^e«» + H,0 + 2N.
•) i) Strecker, Ann. 68, pag. 54. 2) Gössmann, Ann. 90, pag. 181, Conrad, J. pr.
Ch. [2] 15, pag. 251. 3) Otto, Ann. 145, pag. 350. 4) Strecker u. Sokoloff, Ann. 80, pag. 17.
5 Dies., Ann. 80, pag. 42. 6) Wislicenus, Ann. 133, pag. 264. 7) Dessaignes, Jahr. 1867,
pag. 307. 8) Perkin, Ann. Suppl. 5, pag. 274. 9) Anschütz u. Pictet, Ber. 13, pag. 11 78. j
10) Engelhardt und Latschinoff, Z. Ch. 1868, pag. 234. 11) Lössner, J. pr. Ch. [a] 10, i
pag. 235- 12) ZiNiN, Ann. 92, pag. 403. Geuther, Scheitz u. Marsh, Z. Ch. 1868, pag. 305. !
13) Miquel, Ann. ehm. ii, pag. 289 u. ff. 14) Leuckart, Joum. pr. Ch. [2] 21, pag. 33.
15) Creath, Ber. 7, pag. 1739. 16) Kretschmar, Ber. 8, pag. 103. 17) Pike, Ber. 6, pag. 755.
18) Kraut, Jahresber. 1858, pag. 573. 19) Henneberg, Stohmann u. Rautenberg, Ajxn. 124,
pag. 181. 20) Liebig, Ann. 50, pag. 170. 21) Hofmeister, Jahresber. 1873, pag. 870.
22) Schwarz, Ann. 54, pag. 29. 23) Hallwachs, Ann. 106, pag. 164. 24) Weismann, Jahres-
bericht 1858, pag. 572. 25) Verdeil u. Dollfuss, Ann. 74, pag. 214. 26) Meissner u- Shk-
PARD, Untersuchungen Über die Entstehung der Hippursäure im thierischen Organismus. HaxiDo-
ver 1866. 27) Lautemann, Ann. 125, pag. 9. 28) Grabe u. Schultzen, Ann. 142, pag. 346.
29) E. Salkowski u. H. Salkovvski, Ber. 12, pag. 653. 30) Naunyn u. Schultzen, Z. ehem. 1868,
r
■'V'^W'^-
Benzoesäure. I93
oder durch Einleiten von Chlor (2) in eine alkalische Lösung der letz-
teren. Sie krystallisirt in Säulen oder Tafeln. Schwer löslich in kaltem
Wasser, leicht in heissem, in Alkohol und Aether. Durch Kochen mit Wasser
oder besser mit Säuren resp. Alkalien zeriällt sie in Benzoesäure und Glycol-
säure. Durch Natriumamalgam (3) wird sie in zwei isomere Wasserstoff reichere
Säuren C, 3H24O7 umgewandelt, welche wenig untersucht sind. Die Salze (4)
sind meist krystallinisch.
Das Kalksalz, (C9H70^)jCa4- H,0, bildet feine Nadeln. Ebenso das Barytsalz.
Der Aethyläther, aus Chloressigsäureäther und benzoesaurem Natron dargestellt, siedet bei
277-2790
OCOC H
Benzoylmilchsäure, CH,CHqq jt * *» wird durch Erhitzen von Ben-
zoesäure (3) mit Milchsäure auf 180° und durch Einwirkung von Benzoyl-
Chlorid (6) auf Milchsäure oder deren Salze dargestellt. Sie krystallisirt in farb-
losen, bei 112° schmelzenden Tafeln, welche schwer löslich in Wasser sind.
Die Salze krystallisiren. Der bei 188° siedende
OCOC H
Aethyläther, CHjCHp^ r H ^* ^^^^ durch alkoholisches Ammoniak in das Amid (6)
CH,CH^q2^«^5 umgewandelt, welches bei 124° schmelzende Warzen bildet.
Bei allen Darstellungen der Benzoylmilchsäure entsteht ein öliges Hydrat (6),
CiqHiqO^ -hHjO, welches bei längerem Stehen in die krystallisirte Säure
übergeht.
Benzoylweinsaure, CHfOffiCO H ' durch Erhitzen von Wemsäure
(7) und Benzoesäure dargestellt, bildet mikroskopische Warzen. Ihr
Aethyläther (8), CuHgO^CCjHs),, welcher durch Behandlung von WeinsäureUthyläther
mit Benzoylchlorid entsteht, bildet bei 64^ schmelzende Prismen.
Durch verdünntes alkoholisches Kali wird er in
Aethylbenzoylweinsäure,QTj>QUNQ(5 H * ^ ^, übergeführt, welche
in Wasser schwer lösliche Krystallbtischel bildet. Durch Acetylchlorid wird der
Benzoylweinsäureäther in
Acetylbenzoylweinsaureathylather, rnrOCOCH VcO C H ' ^'^
dickflüssiges Oel, umgewandelt.
pag. 29. 31) Schmiedeberg u. Bunge, Jahresber. 1876, pag. 66. 32) Jahresber. f. Thierchem. 1879,
pag.356,' Ber. 12, pag. 2164. 33) Low, J. pr. ehem. [2] 19, pag. 309. 34) Dessaignes, Ann. 87,
P*C*325* 35) Derselbe, Jahresber. 1857, pag. 367. 36) Jazukowitsch, Jahresber. 1867, pag. 430.
37) CuRTius, J. pr. Ch. 26, pag. 145 u. flf. 38) Conrad, J. pr. Ch. 15, pag. 241. 39) LiM-
PRiCHT u. USLAR, Ann. 88, pag. 33. 40) Kraut, Jahresber. 1863, pag. 348. 41) Schwarz,
Ann. 75, pag. 201. Jahresber. 1878, pag. 775. Maier, Ann. 127, pag. 161. 42) Gorup-Besanez,
Ann. 125, pag. 217. 43) Warklyn u. Chapmann, Jahresb. 1868, pag. 296. 44) Otto, Ann. 134,
pag- 303. 45) Schwanert, Ann. 112, pag. 59. 46) Schwarz, Ann. 54, pag. 29; 75, pag. 192.
Schabus, Jahresber. 1850, pag. 411. Kraut u. Hartmann, Ann. 133, pag. 107. 47) Sal-
Kowsn, Jahresber. 1867, pag. 429. Putz, Jahresber. 1877, pag. 795. 48) Campani u. Bizzori,
BolL s. ch. 34, pag. 527. 49) Campani, Ber. 1 1, pag. 1247. 50) Jaquemin u. Schlagdeschauffen,
Jahresber. 1857, pag. 368. 51) Otto, Ann. 122, pag. 129. 52) Bertagnini, Ann. 78,
pag. 100— 112. 53) Schwanert, Ann. 122, pag. 129. 54) Conrad, J. pr. Ch. 15, pag. 254—258.
55) Maier, Z. Ch. 1865, pag. 415. 56) Preusse, Hoppe -Seiler, Jahresber. 5, pag. 63.
57) GRIESS, Ber. i, pag. 190. 58) Jaff^ Ber. 7, pag. 1673. 59) Griess, J. pr. Ch. i, pag. 235.
60) CüRTiüs, J. pr. Ch. 26, pag. 145 u. ff. 61) Ders., Ber. i6, pag. 756. 62) Jaffäe, Ber. 10,
pag. 1925; II, pag. 406. 63) Destrem, Ber. 12, pag. 290, 373.
LAOB.iBtJKG, Chemie. U. I3
s
i^ Handwörterbuch der Chemie.
Dibenzoylweinsäureanhydrid (9), C2ii2i^^^^6^b)iCO^^' ^^^^^^^
durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf trockene Weinsäure und krystallisirt
aus Alkohol in weissen, bei 174^ schmelzenden Nadeln.
Benzoyltraubensäureäther(8), €1111807(09115)5, wird aus Benzoylchlorid
und Traubensäure erhalten. Krystalle, welche bei 57° schmelzen.
CH OCOC H
Benzoylisäthionsäure (10), Qjj^gQ h ^ *' Freie Säure nicht bekannt
OCOC H
Das Kaliumsalz, CgH^ qq j^ ^ *, entsteht durch Erwärmen von Benzoylchlorid mit
isäthionsaurem Kali auf 150°. Es krystallisirt aus siedendem Wasser in grossen
Tafeln, aus Alkohol in dünnen Blättern. Bariumsalz, (C9H9S05)5Ba -hH^O,
grosse dünne Tafeln, in kaltem Wasser ziemlich schwer löslich.
Benzoylderivate der Amidosäuren.
Benzoylderivate der Carbaminsäure. Benzoylcarbaminsäure
NHCOC H
äthyläther (11), COqq h ^ ^t wird durch Kochen einer verdünnten alko-
holischen Lösung von Benzoylthiocarbaminsäureäther mit Bleioxyd dargestellt
und krystallisirt aus 40 — 45proc. Alkohol in kurzen, bei 119° schmelzenden
Nadeln. Leicht löslich in absolutem Alkohol und Aether, schwer in Wasser.
Er enthält ein durch Kalium ersetzbares Wasserstoffatom. Das Salz, C^ ^Hj j^NOjK,
fällt beim Vermischen der alkoholischen Lösung mit alkoholischem Kali als
kömiger Niederschlag aus und ist leicht löslich in Wasser.
NHCOC H
Benzoylharnstoff (12), COj^tt ^ *, wird durch Erhitzen von Harn-
stoff mit Chlorbenzoyl oder Benzoesäureanhydrid dargestellt und krystallisirt aus
Alkohol in dünnen flachen Blättern, welche gegen 200° schmelzen. 1 Thl. ist in
24 Thln. siedendem Alkohol löslich. Bei vorsichtigem Erhitzen zerfällt er in
Benzamid uud Cyanursäure.
Aethylbenzoylharnstoff existirt in zwei isomeren Modificationen.
NHCOC H
1- ^^NHC H* * entsteht durch Entschwefelung des Aethylthioben2oylhamstofl&( 13) mittelst
gelben QuecksUberoxyds und bildet rhomboedrische, bei 192° schmelzende Krystalle. Durch
Einwirkung von Chlorbenzoyl auf AethylhamstofF entsteht (14) ein bei 168® schmelzender, in
Nadeln krystallisirender Aethylbenzoylharnstoff, vielleicht identisch mit jenem.
2. C0^^2^5)COCgH5^ ^^^^^ Behandlung des Benzoylthiocarbaminsäureäthers (11) mit
alkoholischem Ammoniak dargestellt, krystallisirt aus 40 — -iöproc. Alkohol in ziemlich grossen
Rhomboedem. Durch Einwirkung von Benzoylchlorid wird er in einen bei 191® schmelzenden
Körper übergeführt.
NHCOC H
Dibenzoylharnstoff (15), ^^nHCOC^H^' entsteht durch Erhitzen von
Benzamid mit Chlorkohlenoxyd auf 160—170° und durch Einwirkung von Ben-
zoesäureanhydrid auf kohlensaures Guanidin bei 100°. Er krystallisirt aus heissem
Alkohol in Nadeln. Schmp. 210°. Zerfallt beim Kochen mit Salzsäure in Am-
moniak und Benzoesäure.
NHCOC H
Benzoylallophansäureäther (16), COj^jj^q ^ j| , durch Erhitzen von
Benzoylchlorid mit Urethan dargestellt, bildet bei 163° schmelzende Krystalle.
Guanidinderivate, s. Guanidin.
NHCOC H
Benzoylthiocarbaminsäure (13), CSqjj ^ ^. Die Säure ist nicht
Benzoesäure. 195
bekannt. Ihre Aether entstehen durch Einwirkung von Alkoholen und Phenolen
auf Rhodanbenzoyl.
Methyläther, CSq^^^^«^* (13), feine farblose Nadeln, welche bei 97°
s
schmelzen. Schwer löslich in Wasser, leicht in Alkohol und Aether. Beim Er-
hitzen mit Wasser auf 100° zerfallt er in Kohlensäure, Schwefelwasserstoff,
Methylalkohol und Benzamid, beim Erhitzen auf 155° wird Ammoniak und Ben-
zoesäure erzeugt. Durch alkoholisches Natron wird er in ein kiystallinisches
Natronsalz, C^HgNSOaNa übergeftihrt.
NHCOC H
Aethyläther (11, 13), CSqq h ^ *' in Wasser sehr schwer, in Alkohol
und Aether schwer lösliche, gelbe, prismatische Krystalle, welche bei 73 — 74*^
schmelzen. Durch alkoholisches Kali entsteht das Salz, CioH^^NSO^K (11),
welches beim Digeriren mit Bromäthyl in alkoholischer Lösung ein schweres
gelbes Oel, CSq^^« »^«^ (?) liefert Dasselbe zerfällt bereits bei 45 » in
Mercaptan und Benzonitril. Durch alkoholisches Ammoniak Wird es in Aethyl-
benzoylhamstoff übergeführt.
Amyläther (13), kleine Prismen.
NHCOC «H
Phenyläther (13), CSqq h ** '^^ schwach gelbe, bei 93° schmelzende
Krystalle, unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Aether.
NHCOC H
Benzoy^thioharnstoff, CSj^ jj ^ *, entsteht durch Erhitzen von Thio-
hamstoff (17) mit Benzoylchlorid auf 120° und durch Einwirkung von Rhodan-
benzoyl (13) auf schwaches Ammoniak. Er krystallisirt aus siedendem, wässngen
Alkohol in prismatischen Krystallen, welche bei 171° schmelzen. Schwer löslich
in kaltem Wasser.
NHCOC H
Aethylbenzoylthioharnstoff (13), CSj^u/-. jj * *' ^^^ Aethylamin und Rhodan-
benzoyl dargestellt, bildet feine Prismen, welche bei 134° schmelzen. In Wasser unlöslich,
leicht löslich in siedendem Alkohol.
NHCOC H
Phenylbenzoylthioharnstoff (13), CSj^„^ H * *' ^^^ Anilin und Rhodanbenzoyl
erhalten, bildet lange, bei 148 — 149° schmelzende Nadeln. Salpetersäure erzeugt
Nitrophenylbenzoylthioharnstoff, Schmelzp. 230°.
NHCOC H
Benzylbenzoylthiohamstoff (13), CSj^„pTT A t| t Prismen. Schmelzp. 145°.
NHCOC H
p-Tolylbenzoylthioharnstoff (13), CSj^jj^ „ CH ' ^*°^® ^^ ^^^° schmelzende
Prismen.
N HCOC H
Naphtylbenzoylthioharnstoflf (13), CS^^^^^ jj* *, gelbe, metallisch glänzende, bei
172 — 173° schmelzende Prismen.
Er wird durch Salpetersäure in ein Nitroprodukt umgewandelt
NHCOC H
Benzoylamidoessigsäure,Hippursäure, CHgQQ xT * *• Die Säure,
bereits von Rouelle im Kuhham aufgefunden, wurde von Vauquelin und
FouRCROY nach ihrem Vorkommen im Pferdeham Hippursäure genannt.
Vorkommen und Bildungsweisen. Die Säure findet sich als normaler
Bestandtheil im Harn von Pflanzenfressern, besonders von Ochsen (19), Kühen (18),
Pferden (20), Schafen (21), Kameelen (22) etc. Der Gehalt des Harns an Hippur-
säure hängt von der Art des Futters und der Arbeit der Thiere ab. Der Harn
13*
196 Handwörterbuch der Chemie.
von Pferden (20), welche stark angestrengt werden, enthält z. B. nur Benzoesäure.
Im normalen Menschenharn sind etwa 0'03 — 004J^ Hippursäure enthalten; die
Menge derselben kann jedoch durch vorherrschende vegetabilische Nahrung (24)
und durch krankhafte Zustände des Organismus gesteigert werden. Im Ochsen-
harn (19), können bis zu 2*7 J Hippursäure enthalten sein, der Kuhham (19), ent-
hält durchschnittlich 1*3^. Ausser im Harn Rndet sich die Hippursäure fertig ge-
gebildet im Ochsenblut (25); sie ist auch in den Hautschuppen des Menschen bei
Ichthyose aufgefunden worden.
lieber die Entstehung (26) der Hippursäure im Thierkörper sind zahlreiche
Untersuchungen angestellt worden. Gewisse aromatische Substanzen, z. B. Benzoe-
säure (27), Toluol (30), Phenylessigsäure (29), Phenylpropionsäure (29), Mandel-
säure (28), Zimmtsäure (28), Chinasäure (27), gehen innerlich genommen in
Hippursäure über. Substituirte Benzoesäuren werden auf dieselbe Weise in
substituirte Hippursäuren, Homologe der Benzoesäure in Homologe der Hippur-
säure umgewandelt, so dass die Fähigkeit des thierischen Organismus, aromatische
Säuren mit GlycocoU zu vereinigen, ganz allgemein zu sein scheint.
CßHsCOOH -h CH,(NH2)COOH = H^O -h CH, Jqq^^«^*.
Sie wird nur durch anormale Zustände, z. B. durch Nierenaffectionen beim
Menschen aufgehoben.
Die Bildung der Hippursäure wird durch die Nieren (31) vermittelt; bei
einigen Thieren scheint sie jedoch auch in der Leber und im Darm (32) vor
sich zu gehen. Aid Quelle der im Harn von Pflanzenfressern auftretenden Hippur-
säure kann mit ziemlicher Sicherheit die in den Pflanzen vorkommende Benzoe-
säure resp. Chinasäure (33) angesehen werden. Ein Theil verdankt jedoch
seine Entstehung den Eiweisskörpem (29), aus denen bei der pankreatischen
Fäulniss sehr frühzeitig Phenylpropionsäure entsteht, welche dann im Organismus
in Hippursäure übergeht Auf diese Weise lässt sich auch die Anwesenheit von
Hippursäure im Harn von Fleischessern und Hungernden erklären.
Synthetisch entsteht die Hippursäure durch Einwirkung von Glycocollzink {34)
auf Chlorbenzoyl, durch Erhitzen von GlycocoU mit Benzoesäure (35) auf 160**,
durch Erhitzen von Benzamid (36) mit Chloressigsäure auf dieselbe Temperatur
und durch Erwärmen von Glycocollsilber (37) mit einer Lösung von Benzoyl-
Chlorid in Benzol, in letzterem Falle neben Hippuiylamidoessigsäure,
^^«CO^H ^^'^^^^^'^'' "'^^ ^^'^^^ Sä"^^' CioHi.NjO,.
CHscSoH -+-^6H5COCl=CH2^g§2^«^^ 4- AgCl.
2CH,J^g5fjH-2CeH5COCl=CH,gg§2^^«^^^^^"sH-2AgCl4-C^
' Zur Darstellung der Hippursäure wird das aus dem Harn von Pflanzenfressern durch
Salzsäure abgeschiedene Produkt mit etwas weniger Wasser versetzt, als zur völligen Lösung bei
Siedehitze erforderlich ist, die Masse durch Dampf zum Sieden gebracht und gleichzeitig Chlor
eingeleitet, bis der Geruch desselben deutlich wird. Die heiss filtrirte Lösung wird rasch, am
besten durch Vertheilung und häufiges Umgiessen abgekühlt, und die abgeschiedene Säure noch
einmal in derselben Weise mit Chlor behandelt, bis die braune Lösung hellgelb geworden ist.
Durch einmaliges Umkrystallisiren unter Zusatz von Thierkohle wird die aus dieser Lösung ab-
geschiedene Säure rein erhalten.
Die Hippursäure krystallisirt aus heissem Wasser in farblosen, langen, rhom-
bischen Prismen, welche bisweilen undurchsichtig sind. Schmelzp. (38) 187'5^
Benzoesäure. 197
Sic ist schwer löslich in kaltem Wasser (1 Thl. in 600 Thln. HjO bei O"") und
Alkohol, leichter bei Siedehitze. Sie ist fast unlöslich in kaltem Aether, Benzol
und Schwefelkohlenstoff (38). Von heissem Chloroform (37) wird sie nur schwierig
aufgenommen. Sie zerfällt beim Erhitzen (39) auf 240 — 250° in Benzoesäure,
Benzonitril und harzige Produkte. Beim Erhitzen mit Baryt (38, 40) wird
Benzol, Methylamin und Ammoniak erzeugt. Durch Schmelzen mit Chlorzink
wird ebenfalls Benzonitril gebildet. Durch Kochen mit Alkalien und Mineral-
säuren wird die Säure in Benzoesäure und Glycocoll gespalten.
Wird die Hippursäure mit Bleisuperoxyd (41) und Schwefelsäure gekocht,
so werden Hippar affin (S. Aethylidendibenzamid) und Hipparin, CgHjNOj
gebildet Letzteres krystallisirt in grossen, bei 45*7° schmelzenden Nadeln.
Durch Ozon (48) und MnO^H (43) wird die Hippursäure vollständig zerstört.
Salzsäure und chlorsaures Kali erzeugen Chlorsubstitutionsprodukte, Salpeter- und
Schwefelsäure Nitrohippursäure. Die Umwandlung in Benzoylglycolsäure durch
salpetrige Säure und Chlor wurde schon angeführt. Durch Einwirkung von
Nat^iumamalgam (44) auf eine conc. Lösung von Hippursäure in Natronlauge
entsteht zunächst Hydrobenzursäure, C13H24N2O«, eine terpentinähnliche,
erst nach langer Zeit erstarrende Masse, welche bei anhaltender Einwirkung von
Natriumamalgam in Glycocoll und Hydrobenzylursäure, CißHjiNO^, ein gelb-
liches, allmählich erstarrendes Oel zerfällt. In saurer Lösung werden andere
Produkte erzeugt. Wird 1 Mol. Hippursäure mit 2 Mol. Phosphorpenta-
Chlorid (45) destillirt, so gehen zuerst Phosphoroxychlorid und Benzoesäure-
chlorid, dann zwei neue Chloride, CgHgNOCl und C^H^NOClj, über.
Ersteres bildet monokline Säulen, welche bei 40 — 50° schmelzen. Siedep. 220**.
Unlöslich in Wasser und Aether, leicht in Alkohol Das Chlorid CjHjNOCl,,
welches nur in kleiner Menge entsteht, ist ebenfalls krystallinisch.
Salze (46) und Aether der Hippursäure. Die Hippursäure ist eine
starke Säure, welche Zink löst und kohlensaure Salze zerlegt. Die Salze sind
meist löslich in Wasser.
KalisaU, CH,^^^^^«^* -+- H3O, ist undeutlich krystaUinisch und bfldct mit 1 MoL
Hippursäure atlasglänzende Blätter eines sauren Salzes. AmmonsaU, quadratische Säulen,
gicbt leicht Ammoniak ab. Barytsalz, (cHj^q^^^«^») Ba + H,0, büdet quadratische,
dßs Kalksair, ^CHj^^^^^«^*) Ca + 3HaO, rhombische Säulen. Das Zinksalz,
(^">CO^^^*"0 Zn + 5H,0, bildet Blättchen. 1 Thl. ist bei 17° in 52 Thln. Wasser
löslich. Das Blei, Kupfer und Silbersalz sind ebenfalls krystallinisch. Das Eisensalz
(47), dessen Zusammensetzung verschieden angegeben wird, ist unlöslich in Wasser.
Hippursäuremethyläther (38), CHj^^^^^e^*, durch Sättigen einer Lösung der
Sänre in Methylalkohol mit Salzsäure dargestellt, bildet weisse, bei 80'5^ schmelzende Prismen.
Der analog dargestellte
Hippursäureäthyläther (38). CH,^q^^^«^5, krystallisirt in Nadeln, welche bei
SO'O^' schmelzen.
Btttyläther (48), CH,^q^^^«^*, Prismen, welche bei 40« schmelzen. Isobutyl-
äther (48) und Isoamyläther (49) bilden bei 45—56^ resp. bei 27—28^ schmelzende
Krystalle.
NHCOC H
Hippursäureamid (38, 50), CHj^qj^j^j * ^, bildet sich beim längeren
]
t^S Handwörterbuch der Chemie.
Stehen des Methyl- oder Aethyläthers mit alkoholischem, oder beim Erwärmen
mit ronc- wässerigem Ammoniak. Bei 183° schmelzende Krystalle. In kaltem
Wasser, Alkoliol und Aether ist es fast unlöslich, leicht löslich in heissem Wasser
und AlkohoL Mit conc. Salzsäure entsteht eine leicht zersetzbare Verbindung.
Substitutionsprodukte der Hippursäure.
ra^Chlorhippursäure (51), CH^^q^^^^^^I Dieselbe entsteht durch
Einwirkung von Salzsäure und chlorsaurem Kali auf Hippursäure, und zwar meist
neben Dichlorhippursäure, von welcher sie durch ihre grössere Löslichkeit in
Wasser getrennt wird. Sie bildet sich femer beim Durchgang von m-Chlorbenzoe-
säure durch den thierischen Organismus und wird im Harn abgeschieden, ün-
krystallinische, zähe Masse, fast unlöslich in kaltem Wasser, leicht in Alkohol
und Aether.
Da5 Kalksalz, (CgH^aN0j)3Ca + 4H,0, und das Silbersal« sind krystallinisch.
NHCOC H Cl
Dichlorhippursäure (51), CH^qq h ^ ' ^' bildet eine körnige,
krystaUinische, selbst in heissem Wasser schwer lösliche Masse. Durch Salzsäure
wird ste in m-p-Dichlorbenzoesäure und GlycocoU zerlegt Die Salze sind meist
krystaUiniscb .
NHCOC H Br
Bromhippursäure, CH2rQ w ^ * ' durch Einwirkung von Brom auf
eine siedende alkoholische Lösung von Hippursäure (55) wird eine in feinen
Nadeln kr)'stallisirende Säure, wahrscheinlich m-Bromhippursäure, erhalten.
Die p Bromhippursäure (56) findet sich neben p-Brombenzoesäure im
Kam eines Hundes, welcher mit p-Bromtoluol gefUttert ist. Flache Nadeln.
NHCOC H T
Jodhippursäue, CHjpQ jj * *•'; durch Einwirkung von Jodwasserstoff (5 7)
auf Schwefelsäure -Diazohippursäure entsteht eine beständige, in Blättchen
krystallisirende Jodhippursäure. Eine andere Säure (55) wird durch Einwirkung
von Jod auf Hippursäure erhalten. Sie zersetzt sich bei 90° unter Abscheidung
von Jod.
Nitrohippursäure(52, 53), CHjQQ pj ^ * ^, m-Nitrohippursäure.
Dieselbe (54) wird durch Erhitzen von 1 Thl. Hippursäure und 4 Thln. rother, rauchender
SdpetersHure, welche mit dem gleichen Vol. conc. Schwefelsäure versetzt ist, in geschlossenen
Cc fassen auf 30 — 40® dargestellt und krystallisirt aus der mit Wasser verdünnten Reactionsmassc
nach melirtilgigem Stehen aus.
Die Säure entsteht auch beim Durchgang von m-Nitrobenzoesäure (52) durch
den Organismus. Weisse Prismen, welche bei 162° schmelzen. Leicht löslich
in heissem Wasser, in Alkohol und in Aether.
Die Salic lind meist krystallinisch. Barytsalz, (C5HyN,Oj)jBa, bildet Blättchen.
p-Nitro hippursäure (58) findet sich neben p-Nitrobenzoesäure in Form
von p*nitrohippursaurem Harnstoff im Harn eines Hundes, welcher mit p-^fit^o-
toluol gefLittert ist. Sie krystallisirt aus heissem Wasser in grossen, orangerothen
Prismen, welche bei 129° schmelzen. Schwer löslich in kaltem, leicht in heissem
Wasser, in Alkohol und Aether.
Das Barytsalz, (CgH7N,05),Ba4- 4H,0, bildet unbeständige, schwach gelbe Nadeln.
Der p-nitrohippur saure Harnstoff bildet perlmutterglänzende, bei 179 — 180^ schmelzende
Blättchen. Li^icht löslich in Alkohol und Wasser, schwer in Aether.
NHCOC H NH
m*Amidohippursäure (52, 53, 54), CH,qq h ^ * *, wird durch Be-
Benzoesäure. 199
handlung der m-Nitrohippiirsäure mit Schwefelammonium gewonnen. Blättchen
oder kleine Nadeln. Schmp. 194°. Leicht löslich in siedendem Wasser und
Alkohol. Sie vereinigt sich mit Mineralsäuren zu zerfliesslichen Salzen. Durch
salpetrige Säure wird sie in Oxyhippursäure umgewandelt.
m-Uramidohippursäurc (59), CH,^q^^^«^^*^^^^^^«, durch Schmelren von
m-Amidobenzoesäure mit HamstofT erhalten, bildet in heissem Wasser leicht lösliche Warzen.
Neben der vorigen Säure entsteht eine geringe Menge von Carboxamidohippursäure (59),
CijHijN^Oy, welche in heissem Wasser schwer lösliche Blättchen bildet.
Hippurylamidoessigsaure (60), CHjpQ rr * ® **, entsteht,
wie bereits erwähnt, neben Hippursäure und einer Säure C10H13N3O4 bei
der Einwirkung von Benzoylchlorid auf Glycocollsilber, welches in Benzol sus-
pendirt ist. Sie krystallisirt aus heissem Wasser in Nadeln oder Täfelchen, welche
bei 206,5° schmelzen. Unlöslich in kaltem Aether, Chloroform, Benzol und
Schwefelkohlenstoff. Sie zerfallt beim Kochen mit Salzsäure in 1 Mol. Benzoe-
säure und 2 Mol. Glycocoll. Starke Säure, welche mit Silber, Barium, Kupfer,
Zink und Thallium gut krystallisirende Salze bildet
Aethyläther, CH,^Q^^^^a^^^^^«^», bildet atlasglänzende Nadeln oder Tafeb.
Schmp. 1170.
A 'A r'TT NHCOCH,NHCOC-H. , . ,, ^ .. • a • i j
Amid, ^H,p^|^TT ' ^ ^1 aus dem Aether und wassngem Ammoniak dar-
gestellt, bildet grosse, bei 202^ schmelzende Kfystalle.
Dasselbe verbindet sich mit Salzsäure zu einem durch Wasser zersetzlichen Salze. Durch
Erhitzen von GlycocoU mit HippursäureSthyläther entsteht neben der bereits erwähnten Säure
Cj^Hj^NjO^t eine bei 172° schmelzende Säure, welche als
Benzoyldiamidoacetylamidoessigsäure,CH,^Q „ * • « *,
anzusehen ist
Benzoyldiamidovaleriansäure (62). Benzoylomithin,
NHCOC H
C4H7NH2QQ n ^ ^9 entsteht durch Kochen von Omithursäure mit Salz-
säure bis zur Lösung. Sie bildet farblose, harte, bei 230° schmelzende Nadeln.
In Wasser ist sie leicht, in Aether und Alkohol kaum löslich. Durch Kochen
mit conc. Salzsäure wird sie in Benzoesäure und Diamidovaleriansäure gespalten.
Dibenzoylamidovaleriansäure(62), Omithursäure, C4H7XQ TT * ^^*.
Sie bildet sich im Organismus von Vögeln, welche mit Benzoesäure gefüttert
werden, und ist in den Excrementen derselben enthalten. Zur Darstellung
werden die Excremente mit Alkohol ausgekocht und die darin enthaltene Säur»^
auf einem complicirten Wege gereinigt. Sie krystallisirt aus heissem Alkohol in
kleinen, farblosen Nadeln, welche bei 182° schmelzen. Sie ist sehr schwer
löslich in heissem Wasser, fast unlöslich in Aether, leicht löslich in Essigäther.
Schwache Säure, welche mit schweren Metallen unlösliche Salze bildet.
(NHCOC H \
C5H1QPQ * *j O, ist
eine in Wasser unlösliche, amorphe Substanz, welche beim Erhitzen von Leucin
mit Benzoylchlorid auf 100° entsteht. Schmp. 85°.
Benzophosphinsäure*) (i), CßH^^Q^jj ^*, wird durch Oxydation von
•) 1) Michaelis u. Panek, Ber. 14, pag. 405. 2) La Coste, Ann. 208 u. ff. 3) Michaelis
Q Czimatis, Ber. 15, pag. 2018.
200 Handwörterbuch der Chemie.
p-Tolylphosphinsäure, CeH4PTT^ ^*, mit übermangansaurem Kalium, auf dem
bei Benzarsinsäure beschriebenen Wege dargestellt. Sie krystallisirt aus Salzsäure
in glänzenden Tafeln, aus heissem Wasser in atlasglänzenden Nadeln. Sie
schmilzt über 300° unter Zersetzung. Durch Erwärmen mit Phosphorpente-
P O Cl
Chlorid entsteht Benzophosphorsäurechlorid, ^b^aqqqi^ » ^^^ ^®* ^^'^
schmelzende und bei 315° völlig unzersetzt siedende Krystallmasse.
Die Säure ist dreibasisch. Das zweifachsaure Kaliumsalz, ^6^4CO K "^ ^'^*
bildet feine, in Wasser leicht, in Alkohol schwer lösliche Nadeln. Aus seiner Lösung im HG
wird das schwer lösliche
Ubersaure Salz, CgH^^^^^^)« 4- CgH^^^^^^^«, abgeschieden.
Das Silbersalz ist amorph; der daraus gewonnene Methyläther flttssig.
Trimethylphosphorbenzbetam (3), CcH^^^q^^^^^O -h 3H,0. Das
salzsaure Salz entsteht durch Oxydation von p-Tolyltrimethylphosphoniumchlorid,
prcH^ Cl
Cf H4pVt ^^ , mit Kaliumpermanganat. Die freie Base wird durch Alkalien
aus dem Chlorhydrat abgeschieden und kr>'stallisirt aus Wasser in gut aus-
gebildeten Rhomboedem. Sie bildet mit Säuren gut krystallisirende Salze.
Das salzsaure Salz, CjH^^^q^^»^, bUdet kurze, glänzende Prismen.
p-Benzarsinsäure (2), C^H^qq |j ^*, entsteht durch Oxydation von
Tolylarsinsäure, CeH^Q^^^^^*.
Zur Darstellung versetzt man eine Lösung von 10 Grm. Tolylarsinsäure mit 6 Grm. KOH
in ^ Liter Wasser allmälich mit 14 Gnn. Kaliumpermanganat in ^ Liter Wasser, und lässt bis
zur Entfärbung bei 60^ stehen. Nachdem das Mangansuperoxyd durch Filtration entfernt ist,
wird die auf ein kleines Vol. eingedampfte Lösung mit Essigsäure versetzt, und der Uebeischass
an Säure auf dem Wasserbade verjagt. Der trockene Rückstand wird mehrmals mit Alkohol
ausgekocht, wobei unter Lösung von Kaliumacetat saures benzarsinsaures Kalium zurückbleibt
Letzteres wird in heisser Salzsäure gelöst, worauf beim Erkalten die Säure in Krystallen ab-
geschieden wird.
Sie bildet grosse, farblose, durchsichtige Tafeln, löslich in heissem Alkohol.
Durch Erhitzen geht die Säure unter Wasser^'erlust in
AsO
Arsinobenzoesäure, C^U^qq |j, über, welche ein gelbes Pulver bildet.
Jodwasserstoff und Phosphor fuhren die Benzarsinsäure in
Benzarsinjodür, ^s^aqqh» g^^^^» ^^* 1^3° schmelzende Krystalle über.
AsCl
DurchPhosphortrichloridwirdsieinBenzarsinchlorür,CeH4PQ A, umgewandelt,
welches farblose, bei 157° schmelzende Nadeln bildet
Die Benzarsinsäure ist in kohlensauren Salzen unter Kohlensäureentwicklung löslich.
Das ubersaure Kaliumsalz, C^H^^^^^^)« 4- C^H^^^^")», bildet triklin«
Tafeln. * *
Das neutrale Silbersalz, C^H^^q Ac ' ^^^ ^ weisser, amorpher Niederschlag.
Es liefert beim Erhitzen mit Jodmethyl auf 100^ den
Methyllther, C^H^^q ^^ ^"^^ eine durch kochendes Wasser zerseUlicbe Krystallmasse.
Benzoesäure. 201
p-Benzarsinige Säure, C6H4PQ u , wird aus der Lösung von Benz-
arsinjodür in kohlensaurem Natron durch Salzsäure gefällt und krystallisirt aus
heissem Wasser in farblosen, feinen Nadeln. Schmp. 145—160°. Sie verliert
AsO
beim Erhitzen 1 Mol. Wasser und bildet C^H ^qq u
Das Kalksall, (CeH^^^^^a) Ca, krystallisirt in pcrlmutterglänrenden Blättchen.
OH
p-Dibenzarsinsäure, AsO,q jj qq jjx , entsteht durch Oxydation von
OH
Ditolylarsinsäure, AsO/Q tt qu n , mit Kaliumpermanganat. Glänzende Blättchen,
m Alkohol und Wasser schwer löslich. Sie wird durch Jodwasserstoff und rothen
Phosphor in Dibenzarsinjodür, A.sIq tt qq tt\ , und dieses durch kohlen-
OH
saures Natron in Dibenzarsinige Säure, As/q tt qq t^\ , übergeführt.
p-Tribenzarsinsäure, As;p h^CO H^ ' entsteht durch Oxydation von
Tritolylarsin AsCCeH^CH,), mit Kaliumpermanganat und krystallisirt aus Alkohol
oder Aether in krystallinischen Kruslen. Durch Jodwasserstoff" und Phosphor
entsteht tribenzarsinige Säure.
Thiobenzoesäuren*) entstehen aus Benzoesäure durch Austausch des
Sauerstoffes im Carboxyl gegen Schwefel. Es sind demnach drei Thioderivate
möglich, welche den folgenden Formeln entsprechen.
CeHjCOSH CeHjCSOH CeHjCSSH
a-Thiobenzoesäure ß-Thiobenzoesäure Diüiiobenzoesäure.
a-Thiobenzoesäure (i), CeHjCOSH. Das Kaliumsalz entsteht durch
Einwirkung von Benzoylchlorid auf eine alkoholische Lösung von Schwefelkalium
und durch Kochen von Benzoesäureanhydrid oder Benzoesäurephenyläther mit
alkoholischem Kaliumsulfhydrat. Benützt man zur Darstellung Benzoylchlorid,
so wird das ausgeschiedene Chlorkalium abfiltrirt, der Alkohol verdunstet und
die Säure aus der wässrigen Lösung des Kaliumsalzes mit Salzsäure gefälll.
Gelbes Oel, welches durch Abkühlung erstarrt und gegen 24° schmilzt. Die
Säure wird bereits durch den Sauerstoff der Luft in Benzoyldisulfid umgewandelt.
Das Kalisalz, CgHjCOSK, kiystallisirt aus Alkohol in gelblichen Tafeln.
Das Barytsalz. (CgH5COS)jjBa, bildet wasserhaltige Blättchen. Blei- und Silber salz
sind weisse, leicht zersetzliche Niederschläge.
Thiobenzoesäureäthyläther (2), CgHsCOSCjHj, aus Blcunerkaptan und ätherischem
Benzoylchlorid dargestellt, ist ein bei 243° siedendes, nach Mercaptan riechendes Oel.
Thiobcnzoesäurephenyläthcr (3), CgHsCOSCgHs, wird durch Erhitzen von Benzoyl-
chlorid mit Phenylsulfhydiat erhalten und krystallisirt aus Benzol in glänzenden, bei 56 <*
tcluBelzenden Nadeln. Der analog dargestellte
•) I) Engelhardt, Latschinoff u. Malyscheff, Z. Ch. 1868, pag. 353—57- *) Tütt-
5CHKFF, Z. J. 1863, pag. 483. 3) SCHU.LER u. Otto, Bcr. 9, pag. 1634. 4) Otto u. LDders,
^' >3. pag. 1285. 5) MossLiNG, Ann. 118, pag. 303. 6) Klinger, Ber. 15. pag- »^5-
7) Engelhardt. Latschinoff, Z. Ch. 1868, pag. 455. 8) Cahours, J. 1847—48» P^g- 595-
9)toNTHSEM, Ann. 192, pag. 31. 10) Hofmann, Ber. i, pag. 102. 11) Ders., Ber. 2. pag. 645.
») KUNGER, Ann. 192, pag. 48. 13) Wanstrat. Ber. 6, pag. 332—35- >4) Bernthskn,
^•»97, pag. 348-50. 15) Pinner u. Klein, Ber. 11, pag. 1825. 16) Engler, Ann. 14^,
PH- 299- 17) Hofmann, Ber. i, pag. 197.
n
202 Handwörterbuch der Qiemie.
p-Tolyläther (3), CgHjCOSCgH^CHj, bildet grosse, bei 75^ schmelzende Säulen.
Thiobcnzoesäurebenryläther (4), CgHjCOSCHjC^Hj, aus Benzylmcrcaptan und
Benzoylchlorid entstehend, bildet bei 39,5*' schmelzende Krystalle des asymetrischen Systems.
C H CO
Benzoylsulfid (i), ^^jj^pqS, entsteht durch Einwirkung von Benzoyl-
chlorid auf trockenes thiobenzoesaures Kalium und krystallisirt aus Aether in
grossen, bei 48° schmelzenden Prismen. Unlöslich in kaltem Wasser. Durch
Erwärmen mit Ammoniak wird es in Benzamid und Thiobenzoesäure zerlegt.
C H-CO
Benzoyldisulfid, r'^H^CO^^- Dasselbe entsteht durch Einwirkung von
Oxydationsmitteln, z. B. verdünnter Salpetersäure auf Thiobenzoesäure, durch
Erhitzen von Benzoesäureanhydrid in einem Schwefelwasserstoffstrome (5) und
durch Behandlung einer wässerigen Lösung von thiobenzoesaurem Kali mit Eisen-
Chlorid oder Jod (i).
2(CeH,C0SK) + 2J =^«^50052 + 2JK.
I^etztere Methode ist die geeigneteste zur Darstellung. Es krystallisirt aas
Schwefelkohlenstoff in Prismen oder sechsseitigen Tafeln, welche bei 128*^ schmelzen
und meist etwas röthlich gefärbt sind.
ß-Thiobenzoesäure (6), CgHßCSOH, soll durch Oxydation von Benzylidcn-
Sulfid CgHjCHS mit Salpetersäure entstehen. Nach neueren Untersuchungen
ist das sogen. Benzylidensulfid identisch mit Benzyldisulfid , und daher die
Existenz der Säure mehr als zweifelhaft
Dithiobenzoesäure(7)C6H5CSSH. DasKaliumsalz entsteht durch längeres
Digeriren einer sehr verdünnten alkoholischen Lösung von Schwefelkalium mit
Benzotrichlorid.
CßH.CQs -h 2KjS = 3KCI H- CßHsCSaK.
Zur Darstellung der Säure wird das Chlorkalium abültrirt, aus der Lösung zunächst durch
Zusatz von wenig essigsaurem Blei Schwefelblei gefUllt, und darauf durch weiteren Zusatz dithio-
be'nzoesaures Blei, in Gestalt von rothen Nadeln abgeschieden. Dasselbe wird aus siedendem
Benzol umkrystallisirt, mit Salzsäure zerlegt, und die Säure durch Ausschütteln mit Aetber
gewonnen.
Rothviolettes, sehr unbeständiges Oel, in Alkohol und Aether leicht löslich,
in Wasser unlöslich. Es verharzt an der Luft.
Dithiobenzoesaures Blei, (C5H5CS2)jPb, bildet feine, rothe Nadeln. Dithio-
benzoe saures Quecksilber, (CgHjCS3)2Hg, krystallisirt aus Alkohol in röthlich gdbcn
Blättchen.
p-Chlordithiobenzoesäure, CgH^ClCSjH, aus p-Chlorbenzotrichlorid, CgH^QCQ|,
dargestellt, ist ebenfalls ein violettrothes Oel.
Thiobcnzamid (8, 9), CgH^CSNHg. Dasselbe wird durch Einleiten von
Schwefelwasserstoff in eine mit wenig Ammoniak versetzte alkoholische Lösung
von Benzonitril dargestellt.
CßHöCN + HgS = CßHsCSNHa.
Das Amid krystallisirt in gelben Nadeln, welche bei 117° schmelzen. Durch
Kochen mit Quecksilberoxyd und Wasser wird Benzonitril regenerirt. Durch
Zink und Salzsäure wird es in alkoholischer Lösung in Benzylamin (10) um-
gewandelt. Natriumamalgam (12) erzeugt neben anderen Produkten amorphes
und krystallisirtes Benzylidensulfid. Wird die alkoholische Lösung mit Jod (11)
versetzt, so wird unter Abscheidung von Schwefel eine in weissen, bei 90**
schmelzenden Nadeln krystallisirende Verbindung Ci^HjoNjS erhalten, welche
durch Zink und Salzsäure in eine mit dem Aethenyldiphenyldiamin isomere Base
Bcnxol. 203
^14^14^2 (11) tibergeführt wird. Die letztere krystalHsirt aus Wasser in Blättchen
(Schmp. 71°) und bildet gut krystallisirende Salze.
Benzimidothioäthyläther (14), CgHjC__g^„ . Das salzsaure Salz entsteht durch
Einleiten von Salzsäure in ein Gemenge von Benzonitril und Mercaptan, das jodwasserstofTsaure
Salz wird durch Einwirkung von Jodäthyl auf Thiobenzamid erhalten. Der aus diesen Salzen
durch Alkali abgeschiedene Aether ist ein in Wasser leicht lösliches Gel, welches leicht in
Mercaptan und Benzonitril zerßQlt.
Das Chlorhydrat, CgH^C^^^^^ bildet dicke, bei 188^ schmekende Prismen, das
Jodhydrat, C^HjCg^y^, bei 142** schmelzende, monokline Krystalle.
NH
Benzimidothioamyläther (15), CgH.Cc/- », , ist eine leicht bewegliche Flüssigkeit,
dessen in Nadeln krystallisirendes Chlorhydrat aus Amylmercaptan , Benzonitril und Salzsäure
gebildet wird.
N H
Benzimidothiobenzyläther (14), C^HjCg^jr r H ' *^* ^^"^ ^^^ unbeständige Base.
Das Chlorhydrat, analog dem vorigen erhalten, bildet bei 181** schmelzende Tafeln.
Ami do thiobenzamid, C6^4CSNH ' '^^ '^ ^^^^ Modificationen bekannt,
welche durch Reduction von m- und p-Nitrobenzonitril mit Schwefelammonium'
entstehen.
m-Amidothiobenzamid (17) krystallisirt aus Wasser in Nadeln^ welche über 100° in
H,S und Benzonitril zerfallen. Schwache Base. Durch Jod (13) wird sie in eine Verbindung
Cj^HjjNjS umgewandelt.
p-Amidothiobenzamid (17) bei 170<^ schmelzende Krystalle. A. WeDDIGE.
Benzol^, Phenylwasserstoff, Benzin, CgH^. Dasselbe wurde 1825
zuerst von Faraday (i) im Oelgase aufgefunden und 1833 von Mitscherlich (2)
durch trockne Destillation von Benzoesäure mit Kalk in reinem Zustande dar-
gestellt Leigh (3) und später Hofmann (4) wiesen seine Anwesenheit im Stein-
kohlentheer nach.
Das Benzol entsteht durch Destillation von Benzolcarbonsäuren mit Kalk und
beim Durchleiten (5) von kohlenstoffreicheren aromatischen Kohlenwasserstoffen
und von Substanzen der Fettsäurereihe, wie Essigsäure, Alkohol, Aethyläther etc.
durch glühende Röhren. Besonders reichlich wird es nach letzterer Methode
aus Acetylen (6), CjHj, erhalten, jedoch neben kleinen Mengen von Styrol,
Naphtalin und anderen complicirt zusammengesetzten Kohlenwasserstoffen. Es
bildet sich femer bei der trockenen Destillation der Chinasäure (7), beim lieber-
•) i) POGG., Ann. 5, pag. 306. 2) Ann. 9, pag. 39. 3) Mon. scient. 1865, pag. 446.
4) Ann. 54, pag. 200. 5) Berthelot, Jahresb. 1866, pag. 542. 6) Ders., Jahresber. 1866,
P«g. 515. 7) WoEm^ER, Ann. 51, pag. 146. 8) Bolley, Handbuch d. ehem. Technologie V. 2,
pag. 203 u. ff. 9) Hofmann, Ber. 4, pag. 163, 10) Ber. 15, pag. 2893; Ber. 16, pag. 1465.
11) Groth, Ber. 3, pag. 450. 12) Thomsen, Ber. 15, pag. 328. 13) Andrieenz, Ber. 6, pag. 442.
Pbati u. Patern6, J. 1874, pag. 368. Janovsky, Monatsh. d. Ch. i, pag. 311. 14) Wreden
Q. ZnatÖwicz, Ann. 187, pag. 163. 15) Leeds, Ber. 14, pag. 975. 16) Carius, Ann. 148,
pag. 5a 17) Carstanjen, J. pr. Ch. 107, pag. 331. 18) Etard, Ann. ch. phys. 22, pag.
218 — 287. Ber. 14, pag. 848. 19) Krafft, Ber. 10, pag. 797. 20) Carius, Ann. 140, pag. 322.
21) Leeds, Ann. ehem. 2, pag. 277. 22) Abeljanz, Ber. 9, pag. 10. 23) Mitscherlich, Pogg. 35,
pag. 37a Heys, Z. Ch. 1871, pag. 293. Leeds u. Everhardt, Am. ehem. 2, pag. 205.
24) ZwiN, Z. Ch. 1871, pag. 284. 25) Mitscherlich, Pogg. 35, pag. 374. 26) Carius,
Ann. 136, pag. 323; 140, pag. 322. 27) Güstavson, Ber. ii, pag. 21 51.
\
304 Handwörterbuch der Chemie.
leiten v<m Pbenoldampf über glühenden Zinkstaub und bei der trokenen Destillation
vun Holz und besonders von Steinkohlen.
Darsitflluftg, Das in der chemischen Industrie (8) in grossen Mengen gebrauchte Beniol
wird lediglich aus Stoinkohlentheer gewonnen. Es wird das bei der Destillation des Theers xucrst
iiber^chcode leichte Theeröl durch Schütteln mit Natronlauge und Schwefelsäure von Phenolen
und basisdifMi Körpern befreit, und dann in besonders construirten Apparaten einer sorgfältigen
Rectifikation untenvorfen, wobei zunächst ein aus Schwefelkohlenstoff, Amylen, Alkohol, Aceto-
nitri] uthI anderen Substanzen bestehender Vorlauf, dann Benzol und später Toluol und Homologe
übergehen. Zur Reindarstellung bringt man das Benzol durch Eis zum Gefrieren (9) und befreit
CS dorch Pressen \ox\ den nicht erstarrenden homologen Kohlenwasserstoffen.
Das aus Steinkohlentheer dargestellte Benzol, welches lange Jahre für ein
chemisches Jndividuum gehalten wurde, enthält nach den neuesten Unter-
suchtingen von V. Meyer (ig) als steten Begleiter einen schwefelhaltigen Körper,
das Thiophen, C^H^S. Im reinsten Benzol sind circa 0*5 J^ enthalten. Es kann
dem Benzol durch Schütteln mit concentrirter Schwefelsäure entzogen werden.
Ueber die Constitution des Benzols sowie über die Bezeichnung seiner
Derivate s, Art, Aromatische Verbindungen, pag. 39.
Eigenschaften und Umwandlungen. Das Benzol ist eine wasserhelle,
leicht bewegliche Flüssigkeit, welche unter 0° zu rhombischen Prismen (11) er-
starrt, Schmp. circa -+-6°. Benzol siedet bei 80*3° (12) und brennt mit
leuchtender Flamme. Spec. Gew. (13) = 0*885 bei 15°. Verbrennungswärme (12)
des aus Theer dargestellten Benzols bei 19° = 805800«=, des aus Hippursäure
dargestellten — 787950<=. Benzol ist unlöslich in Wasser, mischbar mit Alkohol,
Aether etc. Ks löst sehr leicht Fette und Harze, daher seine Anwendung als
Fl eck Wasser.
Wird Benzol (14) durch glühende Röhren geleitet, so entstehen: Diphenyl,
Diphenylben^ol, Iiiodiphenylbenzol, Triphenylen, Benzerythren und ölige Kohlen-
wasserstoffe.
Die meisten Reductionsmittel greifen das Benzol nicht an. Durch Erhitzen
mit conc. Jodwasserstoff (14) auf 280° entsteht Hexahydrobenzol. Ozon (15)
verwandelt das Benzol in Essigsäure und Oxalsäure. Bringt man Benzol
mit gelbem Pliosphor, der mit Wasser übergössen ist, zusammen, so entsteht
durch das nascirende Ozon im Sonnenlicht Oxalsäure und Phenol (15). Letz-
teres (15) Wird auch durch Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd und Palladium-
Wasserstoff auf Benzol erzeugt. Braunstein (16) und Schwefelsäure oxydiren
Benzol i^ii Amcif^ensäure, Benzoesäure und Phtalsäure. Chromoxychlorid (17)
ftiUrt BeiiKül in Fisessiglösung in Trichlorchinon über. Mit reinem Benzol ver-
einigt sich das Chlorid zu der Verbindung C6H^(Cr02Cl)j (18), welche mit
Wasser Chinon liefert. Durch Einwirkung von chlorsaurem Kali (19) und ver-
dünnter Schwefelsäure entsteht Dichlorchinon und Trichlorhydrochinon. Unter-
chlorige Säure (20) verbindet sich mit dem Benzol zu Phenosechlorhydrin,
C^H^,(ClOH)s. Chlor und Brom verbinden sich im Sonnenlicht direkt mit dem
Benzol, ausserdem wirken sie substituirend auf den Wasserstoff desselben ein. Jod
substituirt denselben nur bei Gegenwart von Jodsäure. Salpetersäure bildet
Nitroprodukte. Wird Untersalpetersäure (21) in Benzol geleitet, so entstehen unter
anderem Nitrobenzol, Pikrinsäure und Oxalsäure. Concentrirte Schwefelsäure
iithn das Benzol in Sulfosäuren, Schwefelsäureanhydrid in Sulfobenzid über.
Kalium {22) erzeugt Benzolkalium. Das Benzol bildet zwei Reihen von Derivaten:
Additionsprodukte und Substitutionsprodukte.
Benzol. 205
Additionsprodukte des Benzols.
Hexahydrobenzol (14), CgHgHß, entsteht c^urch fünfstündiges Erhitzen
von 0*6 Ccentim. Benzol mit 20 Ccentim. bei 0° gesättigter Jodwasserstoffsäure
auf 280°. Bei 69° siedende Flüssigkeit. Spec.-Gew. = 076 bei 0°.
Benzolhexachlorid (23), CßHßClß, entsteht durch Einwirkung von Chlor
auf Benzol im Sonnenlicht oder durch Einleiten von Chlor in siedendes Benzol.
Glänzende monokline Krystalle, welche bei 157° schmelzen. Unlöslich in Wasser,
schwer löslich in Alkohol. Es siedet bei 288° und zerfallt dabei in Salzsäure
und o-p-Trichlorbenzol, eine Umsetzung, welche sehr leicht und vollständig durch
alkoholisches Kali erfolgt.
CeHeCle = CeH3Cl3 + 3HCl.
Durch Einwirkung von Zink (24) auf die alkoholische Lösung wird Benzol
regenerirt. Die Substitutionsprodukte des Benzolhexachlorid sind bei den ent-
sprechenden Benzolderivaten beschrieben.
Benzolhexabromid (25), CgH^Br^, aus Benzol und Brom im Sonnenlicht
dargestellt, krystallisirt aus Aether in mikroskopischen, schiefen, rhombischen
Säulen. Es zerfällt mit alkoholischem Kali in Bromwasserstoffsäure und Tribrom-
benzol. Durch Einwirkung von Zinkäthyl auf eine Benzollösung von Benzol-
hexabromid entsteht ein Produkt, aus welchem durch Chromsäure Benzoesäure,
Dibrombenzoesäure, Iso- und Terephtalsäure erhalten werden.
Unterchlorigsäure Benzol (26), C6Hg(C10H)3.
Zu seiner Darstellimg wird aus 216 Grm. Quecksilberoxyd und 1 Liter Wasser durch Ein-
leiten von Chlor unterchlorige Säure bereitet, auf 0® abgekühlt, 26 Grm. Benzol zugesetzt und
nach zweitägigem Stehen im Dunkeln das Quecksilber durch Schwefelwasserstoff gefällt und
die Verbindung mit Aether ausgezogen.
Farblose, dünne Blättchen, welche bei 10° schmelzen. Unzersetzt flüchtig,
leicht löslich in Alkohol und Aether, schwer in Wasser. Durch Einwirkung von
kohlensaurem Natron wird ein dem Traubenzucker isomerer Körper, die Phenose,
C6Hj(OH)g, erzeugt (s. Zucker).
Aluminiumchlorid-Benzol (27), GCgHß'Al^Clß, durch Einleiten von Salz-
säure in eine Lösung von Aluminiumchlorid in Benzol dargestellt, bildet ein
orangefarbenes Oel, welches bei — 5° zu einer krystallinischen Masse erstarrt
und beiH- 3° schmilzt Spec-Gew. = M4 bei 0°, 112 bei 20°. Ueberschüssiges
Brom erzeugt Hexabrombenzol. Aluminiumbromid liefert eine analoge Verbindung.
Substitutionsprodukte des Benzols.
Chlorsubstitutionsprodukte.*) Chlorbenzol, CgHjCl. Dasselbe ent-
*) i) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 176, pag. 27 u. ff. 2) Dies., Ann. 182, pag. 94.
3) Müller, Z. Chem. 1864, pag. 65. 4) Aroniieim, Ber. 8, pag. 1400. 5) Dubois, Z. Chcm.
1866, pag. 705. 6) Gerhardt u. Laurent, Ann. 75, pag. 79. 7) Andrieenz, Ber. 6, pag. 443,
8) Kramers, Ann. 189, pag. 135. 9) Kekule, Ber. 6, pag. 944. 10) Beh^tein u. Kuhlberg,
Ann. 192, pag. 228 — 236. 11) Dies., Ann. 192, pag. 236 — 240. 12) Ladenburg, Ann. 172,
F^- 331* 13) BEU.STSIN u. KimLBERG, Ann. 150, pag. 247. 14) Müller, Z. Ch. 1864, pag. 40.
1$) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 150, pag. 309. 16) Regnault, Ann. 30, pag. 350. Basset,
Z. Ch. 1867, pag. 732. 17) Grabe, Ann. 146, pag. 32. 18) Berthelot u. Jungfleisch, Ann.
S«ppl- 7» pag. 256. 19) RuoFF, Ber. 9, pag. 1483. 20) Merz u. Weith, Ber. 5, pag. 460.
21) CoupSR, Ann. 104, pag. 225. 22) Andrieenz, Ber. 6, pag. 443. 23) Riese, Ann. 164,
pag. 176. 24) Körner, J. 1875, P*6- 302—304. 25) Meyer u. Stüber, Ann. 165, pag. 169.
26) Würster, Ann. 176, pag. 170. 27) Friedel, J. 1869, pag. 387. 28) Schröder, Ber. 12,
P*t- 563- 29) Herzig, Ber. 12, pag. 1265. 30) Körner, J. 1875, P^g« 308—312. 31) Wroblevs-
KY, Ber. 7, pag. 1060. 32) Mayer, Ann. 137, pag. 225. 33) Mitscherlich, Ann. 16, pag. 173.
306 Handwörterbuch der Chemie.
Steht durch Einwirkung von Chlor auf Benzol bei Gegenwart von Jod (3) oder
Molybdänpentachlorid (4), durch Erhitzen von Benzol mit Sulfurylchlorid (5) auf
150° und durch Behandlung von Phenol mit Phosphorpentachlorid (6).
CeHe -I- 2C1 = CßH^Cl + HCl,
CßHß + SOjClj = CßHaCl H- SO, -+- HCl,
CßH.OH + PCI5 = CßHjCl -h POCI5 -f. HCl.
Zur Darstellung leitet man in Benzol, welches mit Jod oder Molybdänpentachlorid versetzt ist,
annähernd 2 Atome Chlor, wäscht das Produkt mit wässrigem Alkali und reinigt das getrocknete
Oel durch Destillation.
Stark lichtbrechendes Oel (7), welches bei 132° siedet, bei — 50° krystallinisch
erstarrt und bei — 40° wieder schmilzt. Wird es in Dampfform durch ein
glühendes Rohr geleitet, so entstehen Biphenyl, Chlordiphenyl und Diphenyl-
benzol. Braunstein und Schwefelsäure liefern Ameisensäure und p-Chlorbenzoc-
säure. Wird Chlorbenzol einem Hunde eingegeben, so geht es als Chlor-
mercaptursäure, C^j^HijClNSOj in den Harn über. Rauchende Salpetersäure
führt Chlorbenzol in o- und p-Chlornitrobenzol über.
Dichlorbenzol (i, 2), CgH^Clj. 1. o-Dichlorbenzol, entsteht in kleiner
Menge, neben p-Dichlorbenzol als Hauptprodukt, durch Einwirkung von 2 MoL
Chlor auf jodhaltiges Benzol.
Das flüssige o-Dichlorbenzol wird zunächst durch Abpressen von dem festen p-Derivat ge-
trennt, dann das Oel 48 Stunden mit rauchender Schwefelsäure auf 210^ erhitzt, wobei nur die
o- Verbindung als Sulfosäure in Lösung geht. Man verdünnt mit Wasser, neutralisirt die filtrirte
Lösung mit kohlensaurem Baryt, zersetzt den o-chlorbenzolsulfosauren Baryt mit Schwefelsture
und zerlegt die freie Säure durch Destillation:
CjHjQjSOjH 4- H,0 = S O^Hj + CßH^Clj.
Das O-Dichlorbenzol wird auch durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid
auf o-Chlorphenol erhalten. Flüssigkeit, welche bei 179® siedet. Spec. Gew.
= 1-3278 bei 0®. Erstarrt nicht bei — 14^ Durch Salpetersäure entsteht bei
43® schmelzendes Dichlomitrobenzol.
2. m-Dichlorbenzol (2) entsteht durch Einwirkung von Aethylnitrit auf
Dichloranilin und ist auch aus m-Diamidobenzol erhalten worden. Siedep. 172^.
Spec. Gew. = 1-307 bei 0®. Durch Salpetersäure entsteht bei 33® schmelzendes
Dichlomitrobenzol.
3. p-Dichlorbenzol, dessen Entstehung unter o-Dichlorbenzol besprochen
ist, bildet sich ausserdem durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid (i) auf
p-Chlorphenol und p-Phenolsulfosaures Kali (9). Krystallisirt aus Alkohol in
monoklinen Blättern, welche bei 53® schmelzen. Siedep. 172®. Leicht löslich
in heissem Alkohol, in Aether und Benzol. Salpetersäure liefert bei 54*5*
schmelzendes Dichlomitrobenzol.
Trichlorbenzol(io), CßH.CU. 1. C^HaClClCl, wird durch Einwirkung von
18 3
Salpetrigsäureäther auf Trichloranilin, CgHjNHjClClCl dargestellt Es krystallisirt
1 9 s 4
34) Wurster, Ber. 6, pag. 1490. 35) Baessmann, Ann. 191, pag. 206— -8. 36) Mayer, Arn.,
pag. 137/ 227. 37) Körner, J. 1875, pag. 343. 38) Richter, Ber. 8, pag. 1428. 39) Richb
u. B^RARD, Ann. 133, pag. 52. 40) Kekul^, Ann. 137, pag. 161— 172. 41) Halbexstadt,
Ber. 14, pag. 911. 42) Diehl, Ber. 11, pag. 191. 43) Gessnfr, Ber. 9, pag. 1507. 44) RuoFf,
Ber. II, pag. 403. 45) Körner, J. 1875, pag. 319. 46) Ders., J. 1875, pag. 326. 47) Scrügham,
Ann. 92, pag. 318. 48) Griess, Ann. 137, pag. 76. 49) Körner, Jahresber. 1875, pag. 318-
50) Kekule, Z. Ch. 1866, pag. 688. 51) Schützenberger , Jahresber. 1862, pag. 251.
52) Rudolph, Ber. 11, pag. 81. 53) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 176, pag. 43. 54) Griess,
Z. Ch. 1866, pag. 455.
\
Benzol. 207
aus Alkohol in langen, breiten Tafeln, welche bei 53—54** schmelzen. Siedep.
218—219®. Leicht löslich in Schwefelkohlenstoff und Aether, schwer in Alkohol. '^
Salpetersäure liefert Trichlomitrobenzol (Schmp. 55®).
2. CeHjClClCl, entsteht durch Chloriren von Benzol bei Gegenwart von
12 4
Jod, durch Zerlegen von Benzolhexachlorid mit Kalilauge, durch Einwirkung
von Phosphorpentachlorid auf Dichlorphenol und durch Substitution des Amids
im o-p- resp. m-p-Dichlöranilin durch Chlor. Schmp. 16®. Siedep. 213®. Spec.
Gew. = 1-574 bei 10® (im festen Zustande). Durch Salpetersäure entsteht
Trichlomitrobenzol (Schmp. 58®).
3. CßH.ClClCl, wird durch Einwirkung von Salpetrigsäure -Aether auf das
1 s 5
entsprechende Trichloranilin dargestellt. Schmp. 635®. Siedep. = 208,5® bei
763-8 Millim. Leicht löslich in Aether, Ligroin, Benzol, schwer in Alkohol. Durch
Salpetersäure entsteht Trichlomitrobenzol (Schmp. 68®).
Tetrachlorbenzol (11), CeHgCl^, 1. C6H2CICICICI, aus Trichloranilin
12 8 4
(Schmp. 67-5) dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in langen Nadeln, welche bei
45—46® schmelzen. Siedep. 254® bei 761-3 Millim. Durch Salpetersäure wird es
in Nitrotetrachlorbenzol (Schmp. 64*2) tiberführt.
2. CßH^ClClClCl, wird in reinem Zustande aus Trichloranilin (Schmp. 715®)
12 3 5
dargestellt. Es krystallisirt aus Alkohol in farblosen, bei 50—51® schmelzenden
Nadeln. Siedep. 246®. Schwer löslich in kaltem Alkohol, leicht in Benzol und
Schwefelkohlenstoff. Durch Salpetersäure entsteht Nitrotetrachlorbenzol (Schmp.
21-22®).
3. CeHjClClClCl, ist durch Chloriren von Benzol und aus Trichloranilin
12 4 5
(Schmp. 95—96®) dargestellt worden. In kleiner Menge entsteht es auch beim
Emleiten von Chlor in siedendes Trichlortoluol, CgHgCla- CH3. Schmp. 137—138®.
Siedep 243—246®. Wenig löslich in Alkohol und Ligroin, leichter in Benzol.
Durch Salpetersäure entsteht neben dem bei 98® schmelzendem Nitrotetrachlor-
benzol eine geringe Menge Tetrachlorchinon.
Pentachlorbenzol (12, 13), CgHClä- Dasselbe entsteht durch Einwirkung
von Chlor auf Benzol, Sulfobenzid und Tetrachlorbenzylchlorid (13) C6H-C14CH2C1.
Es krystallisirt aus Alkohol in feinen Nadeln, welche bei 85—86® schmelzen.
Siedep. 275—277®. Spec. Gew. = 1*842 bei 10®. Schwer löslich in kaltem Alko-
hol, leicht löslich in Aether, Benzol und Schwefelkohlenstoff. Es existirt nur in
einer Modifikation. Die Angaben über ein zweites Pentachlorbenzol sind von
Ladenburg (12) endgültig widerlegt.
Hexachlorbenzol (Julin's Chlorkohlenstoff), C^Clg.
Zur Darstellung (14) wird Chlor in ein Gemenge von Benzol und Antimonpentachlorid
geleitet, so lange dasselbe absorbirt M-ird, das Produkt zur Entfernung des Antimonchlorids mit
verdünnter Salzsäure behandelt, das Ungelöste aus Benzol oder Alkohol umkrystallisirt und durch
Sablimation gereinigt.
Das Hexachlorbenzol entsteht ausserdem durch Chloriren von Toluol und Xylol
bei Gegenwart von Antimonpentachlorid, beim Durchleiten von Chloroform oder
Tetrachloräthylen durch glühende Röhren (16), durch Einwirkung von Phosphor-
pentachlorid auf Pentachlorphenol (20), CgCl^OH, oder Tetrachlorchinon (17),
CjCl^O,, durch lOOstündiges Erhitzen von Acetylentetrachlorid (18), CaH^Cl^,
auf 360® und endlich durch Erhitzen von überschüssigem Chlorjod (19), mit ver-
schiedenartigen aromatischen Kohlenwasserstoffen und anderen Verbindungen,
2o8 ^Handwörterbuch der Chemie.
z. B. Diphenyl, Naphtalin, Anthracen, Phenanthren, Phenol, Anilin, Campher etc
auf 200^. Hexachlorbenzol krystallisirt aus einem Gemisch von Benzol und
Alkohol in langen dünnen Prismen, welche bei 226® schmelzen. Siedep. 326*.
Schwer löslich in Alkohol und Aether, leichter in Benzol und Schwefelkohlenstoff.
Bromsubstitutionsprodukte. Brombenzol, C^HsBr, entsteht duicfa
Einwirkung von Brom (2 1) auf Benzol und von Phosphorpentabromid auf Phenol
Zur Darstellung lässt man gleiche Moleküle Brom und Benzol mehrere Tage im zerstreuten
Lichte stehen, wäscht das Produkt mit Kalilauge und befreit es durch Destillation von geiiogen
Mengen Dibrombenzol und Benzolhexabromid.
Farblose (22), bei 154-86— 15Ö-520 siedende Flüssigkeit Spec. Gew.= 1-5176S
bei 0^. Salpetersäure erzeugt zwei Bromnitrobenzole. Im thierischen Organismus
geht es in Bromphenylmercaptursäure, CnHijBrNSOj, über. Natrium entzieht
dem Brombenzol Brom unter Bildung von Diphenyl. Gemenge von Brombenzoi
und Alkyljodiden der Fettreihe werden durch Natrium unter Bildung von
Homologen des Benzols zersetzt. Brombenzol und Methyljodid liefert z. B.
Methylbenzol.
Dibrombenzol, CeH4Br3. 1. o-Dibrombenzol entsteht in geringen
Mengen (23) neben p-Dibrombenzol bei der Einwirkung von Brom auf Benzol.
Es wird am besten aus o-Bromnitrobenzol (24) durch UeberfÜhrung desselben
in o-Bromanilin und Diazobrombenzolperbromid dargestellt. Flüssigkeit, welche
bei 223-8 (751*64 Millim.) siedet Erstarrt bei — 6^ und schmilzt bei — l«.
Spec. Gew. = 2003 bei 0«, 1*858 bei 99«.
m-Dibrombenzol kann durch Einwirkung von Aethylnitrit auf m-Dibrom-
anilin (25) und durch Umwandlung des m-Nitrobrombenzols (24) und m-Dinitro-
benzols (26) dargestellt werden. Farbloses (24), bei 219'4<> (754'80 Millim.)
siedendes Oel, welches bei — 20° nicht erstarrt.
p-Dibrombenzol. Seine Darstellung aus Benzol und Brom \nirde bereits
erwähnt. Es lässt sich ausserdem aus p-Bromphenol und Phosphorpentabromid
und durch Umwandlung von p-Bromnitrobenzol (24) gewinnen.
Zur Darstellung wird ein Gemisch (23) von 1 Thl. Benzol und 8 Thln. Brom mehxcit
Tage am RUckflusskUhler gekocht» der Ueberschuss des Broms entfernt, und das mit Natronlauge
gewaschene Oel abgekühlt Das feste p-Dibrombenzol wird durch Abgiessen von der flüssigen
o-Verbindung getrennt.
Monokline (27) Prismen, welche bei 89*3° schmelzen. Siedep. 218*6^
(757-66 Millim.). Spec. Gew. (28) = 2*222. Schwer löslich in kaltem Alkohol,
leicht in heissem und in Aether. Beim Kochen mit concentrirter Schwefelsäure
entsteht Tetrabrombenzol (Schmp. 136—38®) und auch etwas Hexabrombenzol.
Tribrombenzol, CgHjBrj. 1. CßHjBrBrBr, durch Einwirkung von
1 9 s
Salpetrigsäureäther auf Tribromanilin (CgHaNHjBrBrBr) dargestellt, bildet
13 4 5
grosse, rhombische Tafeln, welche bei 87*4° schmelzen und leicht sublimiren.
2. CßHjBrBrBr. Dasselbe wird aus sämmtlichen drei Dibrombenzolen {31)
19 4
durch Erhitzen mit Brom und wenig Wasser erhalten. Es entsteht ausserdem
durch Einwirkung von Phosphorpentabromid auf m-Dibromphenol (32), aus
Benzolhexabromid (33) und alkoholischem Kali und durch Umwandlung von
o-p-Dibromanilin (34). Weisse, bei 44° schmelzende Nadeln. Siedep. 275 — 76"*.
Auch in warmem Alkohol schwer löslich.
3. CßHjBrBrBr, wird aus Tribromanilin (30, 35) (Schmp. 119-6°) und
Aethylnitrit pder durch Umwandlung von m-m-Dibromanilin (Schmp. 56"5*^ dar-
Benzol. 209
gestellt. Durchsichtige, bei 119*6° schmelzende Prismen. Siedep. 278^ Schwer
löslich in siedendem Alkohol. Durcli Erliitzen mit concentrirter Schwefelsäure
entsteht Hexabrombenzol (29).
Tetrabrombenzol, CgHoBr^. 1. C^HgBrBrBrBr, entsteht durch Ein-
1 9 s 5
Wirkung von Phosphorpentabromid auf Tribromphenol (36) (Schmp. 92°), und
durch Umwandlung von Tetrabromanilin (37) undTribromanilin (38) (Schmp. 1 19'6°).
Zur Darstellung (38) übergiesst man Tribromanilin mit Eisessig, leitet salpetrige Säure ein,
bis alles gelöst ist, fügt concentrlrte BromwasserstofTsäure zu und kocht bis zum Authören der
StickstofTentwicklung. Beim Erkalten scheidet sich Tetrabrombenzol aus, welches durch ein-
maliges Umkrystallisiren gereinigt wird.
Feine, bei 98,5° schmelzende Nadeln. Siedep. 329°. Schwer löslich in
kaltem Alkohol, leicht in heissem und in Aether.
2. CgHjBrBrBrBr (39, 40), durch Erhitzen von p-Dibrombenzol oder Nitro-
12 4 5 (?)
benzol mit Brom auf 150°, resp. 250° dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in
langen, bei 137 — 140° schmelzenden Nadeln.
3. Ein drittes Tetrabrombenzol (41) entsteht neben anderen Produkten durch
Erhitzen von p-Nitrobenzoesäure mit Brom auf 270 — 290° und krystallisirt aus
Alkohol in kleinen, weissen, bei 160^ schmelzenden Nadeln.
Pentabrombenzol, C^HBrg, entsteht neben Tetrabrombenzol durch Er-
hitzen von Nitrobenzol (40) mit Brom auf 250®, ferner durch mehrtägiges Erhitzen
von m-m-Tribrombenzol (35) mit rauchender Schwefelsäure auf 100®. Auch
durch Erhitzen von Alizarin mit Bromjod auf 250® ist es erhalten worden.
Krystallisirt aus einem Gemisch von Benzol und Alkohol in Nadeln, welche bei
260^ schmelzen.
Hexabrombenzol, CgBr^, entsteht durch Erhitzen von Bromjod (43) mit
Benzol oder Toluol auf 350—400®, durch Einwirkung von Phosphorpentabromid
(44) auf Bromanil, C^Br^Oj, und durch Behandlung von Benzol mit Brom bei
Gegenwart von Aluminium. Krystallisirt aus Toluol in langen, oberhalb 315®
schmelzenden Nadeln, ist kaum löslich in Alkohol, schwer in Toluol und Benzol.
Chlorbrombenzol, CgH^aBr. 1. p - Chlorbrombenzol (45) aus p - Chloranilin oder
p-Bromanilin durch Einführung von Brom resp. Chlor an Stelle des Amids dargestellt, schmilzt
bei 67-4»* und siedet bei 196-3® (756-12 Millim.). 2. Durch Einwirkung von Brom auf
p-Chloranilin (46) und Behandlung des Produktes mit Aethylnitrit dargestellt, ist eine bei
196® siedende Flüssigkeit.
Jodsubstitutionsprodukte. Jodbenzol, CgHJ, entsteht durch Ein-
wirkung von Jod bei Gegenwart von Jodsäure (40) auf Benzol, durch Einv/irkung
von Jodphosphor (47) auf Phenol und durch Zersetzung von schwefelsaurem Di-
azobenzol (48) (durch Vermischen von gleichen Molekülen Anilin, Schwefelsäure
und salpetrigsaurem Kali dargestellt) mit concentrirter Jodwasserstoffsäure.
Farblose, bei 190—190-5® siedende Flüssigkeit. Spez. Gew. = 1-64 bei 15®.
Dijodbenzol, C6H4J2. Sämmtliche drei Dijodbenzole entstehen durch
Umwandlung der entsprechenden Jodaniline; p-Dijodbenzol wird auch durch Er-
hitzen von Jodbenzol (40) mit Jod und Jodsäure, sowie durch Einwirkung von
Chloijod (51) auf benzoesaures Silber gebildet.
o -Dijodbenzol (49) krystallisirt leicht.
m-Dijodbenzol (52). Rhombische Tafeln, welche bei 36*5® schmelzen.
Siedep. 285®.
p-Dijodbenzol (50). Blättchen, welche bei 129*4® schmelzen. Siedep. 285®.
LADBKBtrvG, Chemie. IL I4
^•lo Handwörtefbuch der Chemie.
Trijodbenzol (40), CgHgJj, wird neben p-Dijodbenzol l)eim Erhitzen von
Jodbenzoi mit Jod und lodsäure erhalten. Kleine, bei 76® schmelzende Nadeln.
Chlorjodbenzol, CgH^ClJ. o- und p-Chlorjodbenzol entstehen durch Einführung von
Jod an Stelle von Amid aus o- und p-Chloranilin. p-Chlorjodbenzol ist auch durch Um-
wandlung von p-Jodanilin (54) dargestellt worden.
o-Chlorjodbenzol (45) ist ein bei 233^ siedendes Oel. Spec. Gew. = 1-928 bei U^.
p-Chlorjodbenzol (45) bildet grosse, bei 56® schmelzende Blätter. .Siedep. 227-5°.
Brom jodbenzoi (45), CgH^BrJ, existirt in drei isomeren Modificationcn , welche ans
den entsprechenden Jod-, resp. Bromanilinen dargestellt werden.
o -Bromjodbenzol. Oel, welches bei 257-5® siedet.
m-Bromjodbenzol. Oel, welches bei 252® siedet.
p-Bromjodbenzol, krystallisirt in Tafeln oder Prismen, welche bei 91-9® schmelzen.
Siedep. 251 '5®. Wird p-Bromjodbenzol mit starker Salpetersäure erhitzt, so wird unter Austritt
von Jod Bromnitrobenzol gebildet.
Nitrosubstitutionsprodukte.*) Nitrobenzol, CßH^NOj, von Mitscher-
LiCH (i) entdeckt, entsteht durch Einwirkung von rauchender Salpetersäure oder
von Salpeter- und Schwefelsäure auf Benzol.
Zur Darstellung im Grossen lässt man ein Gemenge von 130 Thln. Salpetersaure
(1-4 spez. Gew.) und 200 Thln. Schwefelsäure (1-84 spez. Gew.) unter stetem UmrOhren 'm
100 Thle. Benzol fliessen und trägt Sorge, dass sich das Gemisch erst gegen das Ende der
Operation erwärme. Nach dem Erkalten wird das Oel von der Schwefelsäure getrennt, mit Sodi
und Wasser gewaschen und durch Destillation von unverändertem Benzol getrennt.
Nitrobenzol ist eine gelbliche, nach Bittermandelöl riechende Flüssigkeit
Es erstarrt in der Kälte und schmilzt bei -f- 3® (i). Siedep. (2) 2094® bei
745-4 Millim. Spec. Gew. = 12002 bei 0®, und 11866 bei 140. Es ist kaum
löslich in Wasser, leicht in Alkohol, Aether etc. Nitrobenzol findet in der
Farbentechnik und in der Parftimerie (Mirbanöl) Anwendung. Es wirkt stark
giftig-
Die Einwirkung von Reductionsmitteln auf Nitrobenzol ist eine verschiedene,
da einige nur den Sauerstoff entziehen, andere ihn durch Wasserstoff substituiren.
Im ersteren Falle entstehen Azo- und Azoxybenzol, im zweiten Hydrazobenzol und
Anilin. Durch Erhitzen (6) mit concentrirter Salzsäure oder Bromwasserstoffsäure auf
♦) i) MiTSCHERLTCH, Ann. 12, pag. 305. 2) Brühl, Ann. 200, pag. 188. 3) Kopp,
Ann. 98, pag. 369. 4) Laubenhkimer, Ber. 7, pag. 1765. 5) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 182,
pag. 102. 6) Baumhauer, Ann. Suppl. 7, pag. 204. 7) Kekul^, Ann. 137, pag. 169. 8) ^tard,
Ann. ehem. phys. [3] 22, pag. 272. 9) Rinne u. Zinke, Ber. 7, pag. 1372. 10) Beilstein u.
Kurbatow, Ann. 176, pag. 43. 11) Körner, Jahresber. 1875, pag. 330 — 32. 12) Bodewig,
Jahresber. 1879, pag. 375. 13) Laubenheimer, Ber. 9, pag. 1828; ii, pag. 1155. 14) Hbpp,
Ber. 13, pag. 2346. 15) Rudnew, Z. Ch. 187 1, pag. 203. 16) Salkowski, Ann. 174, pag. 270.
17) Rinne u. Zinke, Ber. 7, pag. 869. 18) Hepp, Ann. 215, pag. 344. 19) FribdlÄndek,
Jahresber. 1879, P*g- 394« 2°) Socoloff, Z. Ch. 1866, pag. 621. 21) Engelhardt u- Lat-
scHiNOFF, ib. 1870, pag. 229. 22) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 182, pag. 102—107.
23) Laubenheimer, Ber. 7, pag. 1765. 24) Bodewig, Ber. 8, pag. 162 1. 25) von Richtek,
Ber. 4, pag. 463. 26) Riche, Ann. 121, pag. 357. 27) Griess, Jahresber. 1866, pag. 457.
28) VON Richter, Ber. 8, pag. 14 18. 29) Clemm, J. pr. Ch. [2] i, pag. 125. 30) Jungfleisch,
Jahresber. 1868, pag. 345—48. 31) Laubenheimer, Ber. 9, pag. 76a 32) Pisant, Ann. 92,
pag. 326. Clemm, J. pr. Ch. [2] i, pag. 150. 33) Liebermann u. Palm, Ber. 8, pag. 380.
Mertens, ib. II, pag. 844. 34) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 176, pag. 41. 35) Dieselben,
Ann. 182, pag. 97- 103. 36) Körner, Jahresber. 1875, pag. 323— 325. 37) Engelhardt u.
Lattschinoff, Z. Ch. 1870, pag. 234. 38) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 192, pag. 228 — 236.
39) Dieselben, Ann. 192, pag. 236 — 240.
r^
Benzol. 211
250° resp- 190° wird es in m-Dichlor- oder in Di- resp. Tribromanilin tibergeführt.
CMor wirkt nur bei Gegenwart von Jod (4) oder Antimonpentachlorid (5) unter
Bildung von Chlomitrobenzolen auf Nitrobenzol ein. Brom (7) verwandelt das-
selbe bei 250° in Tetrabrombenzol. Mit Chromoxychlorid (8) entsteht eine
leicht zersetzbare Verbindung, welche durch Einwirkung von Wasser in Nitro-
chinon übergeführt wird.
Dinitrobenzol, C6H4(N02)2. Durch starkes Nitriren (9, 10, 11) von
Benzol entstehen sämmtiiche drei Dinitrobenzole und zwar m-Dinitrobenzol als
Hauptprodukt, o- und p-Dinitrobenzol in kleiner Menge.
Zur Darstellung (9, 10, 11) der Dinitrobenzole wird Benzol in ein Gemisch von gleichen
Volumen rauchender Salpetersäure und concentrirter Schwefelsäure, ohne abzukühlen, eingetragen,
kurze Zeit gekocht und dann das Produkt in Wasser gegossen. Wird die abgepresste Krystall-
masse in siedendem Alkohol gelöst, so scheidet sich zunächst reines m-Dinitrobenzol aus,
vihrend sich aus der Mutterlauge nach einigem Stehen Krusten der p-Verbindung absetzen,
velche durch Umkrystallisiren aus Alkohol zu reinigen sind. Die Mutterlaugen der p-Verbindung
enthalten o-Dinitrobenzol, welches am besten durch Umkrystallisiren aus 25 J Essigsäure ge-
reinigt werden kann.
Die drei Dinitrobenzole werden durch Schwefelammonium in Nitraniline,
durch Zinn und Salzsäure in Phenylendiamine übergeführt.
O-Dinitrobenzol krystallisirt in monoklinen (12) Tafeln, welche bei
117-9« (11) schmelzen. 100 Theile siedenden Alkohols (99*4^) lösen 33 Theile.
Wenig löslich in heissem Wasser. Das eine Nitryl (13) wird leicht gegen andere
Radikale ausgetauscht (Unterschied von m- und p-Dinitrobenzol> Beim Kochen
mit Natronlauge entsteht o-Nitrophenol, beim Erhitzen mit alkoholischem
Ammoniak o-Nitranilin.
m-Dinitrobenzol. Rhombische Tafeln, (12), welche bei 89"9*^ schmelzen.
100 Theile Alkohol (99*3 g) lösen bei 24-6^ 5*9 Theile der Verbindung. Durch
Oxydation (14) mit rothem Blutlaugensalz in alkalischer Lösung entstehen die
bei 63® und 114® schmelzenden Dinitrophenole. m-Dinitrobenzol lässt sich auch
aus m-Dinitranilin (15) und aus m-Dinitrophenol darstellen.
p-Dinitrobenzol (16) bildet monokline (12), bei 172° schmelzende Nadeln.
Trinitrobenzol, CgHaNOgNO^NOj (18).
13 5
Zu seiner Darstellung werden 40 Grm. m-Dinitrobenzol mit 300 Grm. krystallisirter
Pyroschwefelsäure und I "20 Grm. rauchender Salpetersäure, welche durch Destillation mit 2 Thln.
Schwefelsäure möglichst entwässert ist, am aufsteigenden KUhler 1 Tag auf 80", dann zwei
Tage auf 120^ erhitzt. Dis Masse wird in Wasser gegossen, mit Soda gewaschen und aus
Alkohol umkrystallisirt.
Es krystallisirt in rhombischen Blättchen oder Nadeln, welche bei 121 bis
122® schmelzen. In kleinen Mengen ist es sublimirbar. Es ist in kaltem Alkohol
und Wasser wenig löslich. Durch eine Lösung von Ferridcyankalium bei
Gegenwart von Soda wird es zu Pikrinsäure oxydirt. Es liefert mit Anilin und
Kohlenwasserstoffen Additionsprodukte. Das auf analogem Wege durch Nitrirung
von p-Dinitrobenzol dargestellte Trinitrobenzol konnte nicht rein erhalten werden.
Chlornitrosubstitutionsprodukte. Chlornitrobenzol, CgH^ClNOg.
o-Chlornitrobenzol bildet sich in kleiner Menge neben der p-Verbindung
durch Einwirkung von Salpetersäure auf Chlorbenzol (20). Durch Einwirkung
von Phosphorpentachlorid auf o-Nitrophenol (21) entstehen ebenfalls geringe
Mengen.
Zur Darstellung (22) wird am besten m-Chlor-p-Nitranilin (Schmp. 157*^) in alkoholischer
Lösung mit salpetriger Säure zerlegt.
«4*
212 Handwörterbuch der Chemie.
Es krystallisirt in Nadeln, welche bei 32*5° schmelzen. Siedep. 243^
Durch Erhitzen mit Natronlauge wird es in o-Nitrophenol, mit alkoholischem
Ammoniak in o-Nitranilin übergeführt. Cyankalium (28) ist ohne Einwirkung auf
o-Chlornitrobenzol.
m-Chlornitrobenzol entsteht durch Chloriren von Nitrobenzol bei Gegen-
wart von Jod (23) oder Antimonchlorid (22) und durch Zersetzung von m-Diazo-
nitrobenzol.
Zur Darstellung (22) wird durch ein erwärmtes Gemisch von 200 Grm. Nitrobenzol und
40 Grm. Antimonchlorid ein rascher Chlorstrom geleitet, bis das Gewicht der Masse um 68 Gnn.
zugenommen hat. Nach dem Abkühlen wird die Masse durch einen Krystall von m-Chlomitro-
bentol zum Erstarren gebracht und nach Entfernung des flüssig bleibenden durch mehrfaches
Umkrystallisiren aus Alkohol gereinigt
Rhombische (24) Krystalle, welche bei 44*4° schmelzen. Siedep. 235*5^
Spec. Gew. = 1-534. Leicht löslich in heissem Alkohol, in Aether und Benzol.
Durch Einwirkung von Cyankalium (25) wird m-Chlornitrobenzol in das Nitril
der o-Chlorbenzoesäure übergeführt.
p-Chlornitrobenzol. Zur Darstellung (26) wird Chlorbenzol in kalter
rauchender Salpetersäure gelöst, mit Wasser gefallt und aus Alkohol umkrystal-
lisirt. Es ist ausserdem aus p-Nitranilin (27) und p-Nitrophenol (21) erhalten
worden. Rhombische, bei 83° schmelzende Blätter. Siedep. 242°. Es geht
beim Erhitzen mit Natronlauge auf 130° in p-Nitrophenol über. Durch Ein-
wirkung von Cyankalium wird p-Chlomitrobenzol (28) in das Nitril der m-Chlor-
benzoesäure übergeführt.
Chlordinitrobenzol, CeH^CKNOa)^.
1. C6H2CINO2NO2 entsteht durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid
1 a 4
auf Dinitrophenol (29) (Schmp. 114°) und durch Behandlung von p- resp. o-Chlor-
nitrobenzol (30) mit Salpeter- und Schwefelsäure. Es bildet rhombische, bei
50° schmelzende Krystalle. Siedep. 315°. Spec- Gew. = 1-697 bei 22°. Natron-
lauge oder Ammoniak wirken unter Bildung von Dinitrophenol oder Dinitranilin
auf die Verbindung ein. Durch Erhitzen von o-Chlorbenzol mit rauchender
Salpetersäure entsteht neben der oben beschriebenen Verbindung ein Chlor-
dinitrobenzol (30), welches in rhombischen, bei 42° schmelzenden Prismen
krystallisirt. Siedep. 315°. Spec. Gew. = 1*687 bei 16'5°. Dasselbe geht be-
reits durch Berührung mit einem Krystalle von CgHjClNOjNOj in dieses über.
12 4
2. CßHjClNOijNOg existirt in 4 physikalisch verschiedenen Modifica-
13 4
tionen (31).
Zur Darstellung werden 40 Grm. m-Chlomitrobenzol mit 200 Grm. rauchender Salpeter-
säure und 200 Grm. conc. Schwefelsäure erwärmt, nach beendeter Reaction noch 2b Minuten
gekocht und darauf das Produkt in Wasser gegossen. Das dabei ausgeschiedene und allmäh-
lich erstarrende Oel besteht aus der a-Modification , während die wässrige Lösung Nadeln der
y- Modification abscheidet.
a-Chlordinitrobenzol krystallisirt aus Aether oder Alkohol in mono-
klinen Prismen. Schmp. 363''. Durch Erhitzen auf 40° geht es in ß-Chlor-
dinitrobenzol über, welches monokline, bei 37' 1° schmelzende Prismen bildet
7-Chlordinitrobenzol, entsteht aus der a- Verbindung bereits beim Reiben,
aus a- und ß- Verbindung durch Schmelzen. Bei 38*8° schmelzende Nadeln.
6-Chlordinitrobenzol ist flüssig.
Chlortrinitrobenzol, Pikrylchlorid (32), CgH^C^NOg),, entsteht aus
Pikrinsäure und Phosphorpentachlorid.
Benzol. 2 1 3
Zur Darstellung werden 100 Grm. Pikrinsäure mit 100 Grm. PG5 einige Zeit zum Sieden
erhitzt, der grösste Theil des entstandenen Phosphoroxychlorids abdestillirt, der Rückstand mit
Wasser und Aether behandelt und aus Alkohol oder Ligroin umkrystallisirt.
Monokline Tafeln oder Nadeln, welche bei 83° schmelzen. Durch Kochen
mit Alkalien wird es in Pikrinsäure, durch Ammoniak in Trinitranilin übergeführt.
Es vereinigt sich mit Benzol, Naphlalin etc. zu krystallinischen, jedoch unbe-
ständigen Verbindungen (33).
Dichlornitrobenzol, CgHgCljNOj, existirt in 4 Modificationen, von
denen drei (1, 2 und 4) durch Behandlung der drei Dichlorbenzole mit Salpeter-
säure, die vierte durch Entfernung des Amids aus Dichlomitranilin (Schmp. lOO*')
dargestellt wird.
1. Dichlornitrobenzol (34), C^HgClCNO,, krystallisirt aus Alkohol in langen, bei
43^ schmelzenden Nadeln.
2. Dichlornitrobenzol (35, 36), C.H.CICINO,, durch Nitriren von m-Dichlorbenzol
18 4
dargestellt, bildet lange, bei 83^ schmelzende Nadeln. Durch Zinn und Salzsäure wird es in
o-p-Dichloranilin, durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak in m-Chlor-p-Nitranilin Ubergefilhrt.
3. m-m-Dichlornitrobenzol (36), CgH,ClQNOj, aus Dichlor-p-Nitranilin erhalten,
ISS
bildet dtinne, bei 65,4° schmelzende Blätter. Durch ZinnchlorUr entsteht m-m-Dichloranilin.
4. p-Dichlornitrobenzol (30), welches in geringer Menge auch beim Chloriren von
Nitrobenzol (35) entsteht, bildet trikline Krystalle. Schmp. 54*5^. Siedep. 266^.
Dichlordinitrobenzol, CßHjCl2(NOj)j. Von den drei isomeren Modificationen ent-
stehen zwei (1 und 2) durch Behandlung von p-Dichlorbenzol oder Nitro-p-Dichlorbenzol mit
Salpeter- und Schwefelsäure, die dritte auf demselben Wege aus m-Dichlorbenzol.
1. p-Dichlordinitrobenzol (36, 37), CgHjCiaNOjNO-, bildet monokline Blätter,
14 9 €
welche bei 104*9^ schmelzen. Es siedet geg^n 312^ unter schwacher Zersetzung. In Alkohol
schwerer löslich als das folgende. Durch Kochen mit kohlensaurem Natron geht es in Dinitro-
chlorphenol (Schmp. 80®) über.
2. Dichlordinitrobenzol (30, 36, 37), CßHjClClNO.NO,, farblose Nadeln, welche
14 2 $ oder h)
bei 101*3® schmelzen. Es siedet gegen 318® unter Zersetzung. Durch Einwirkung von kohlen-
saurem Natron entsteht Chlordinitrophenol (Schmp. 70®), durch alkoholisches Ammoniak Di-
chlomitranilin (Schmp. €6*4®).
3. m-Dichlordinitrobenzol (36), schwach grünlich gefärbte Prismen. Schmp. 103®.
Trichlornitrobenzol (38), CgHjCljNOg, existirt in vier isomeren Modificationen, von
denen drei (1, 2 und 4) durch Nitriren der drei Trichlorbenzole entstehen, während die vierte aus
Dichlomitranilin (Schmp. 67—68®) dargestellt wird.
1. CeHjClClClNO,, Seideglänzende, bei 55— 56® schmelzende Nadeln. Durch Reduktion
12s 4
geht es in Trichloranilin (Schmp. 67*5) über.
2. CeHjClCiaNOg, bildet bei 58® schmelzende Nadeln. Siedep. 288®.
12 4 5
3. CeH.ClClNOjjCl, aus Nitrodichloranilin (Schmp. 67—68®) dargestellt, krystallisirt in
1 s 3 4
farblosen, bei 88 — 89® schmelzenden Nadeln.
4. CeH.QNO.aCl, lange Nadeln, welche bei 68® schmelzen.
1 2 s s
Trichlordinitrobenzol (30), C6HCl3(N03)j, durch mehrstündiges Erhitzen von
1*2*4 Trichlorbenzol mit Salpeter- und Schwefelsäure dargestellt, krystallisirt- in hellgelben, bei
103-5® schmelzenden Prismen. Siedep. 335®.
Tetrachlornitrobenzol (39), CgHCl^NO^i existirt in drei Modificationen, welche
durch Einwirkung von Salpetersäure auf die Tetrachlorbenzole entstehen.
1. CjHaaCiaNOj, kleine, bei 64*5® schmelzende Nadebi.
1 2 s 4 5
2. CgHaaCiaNOj, Nadein. Schmp. 21—22®.
12s» «
r
«14 Handwörterbuch der Chemie.
3. CcHClCiaClNOj, Trikline Krystalle, welche bei 98** schineUcn und bei 304® unter
l Si 4 5 6
ftarkcr Zerscti^ung sieden.
Pentacblornitrobenzol (30), CßCljNOj, durch Kochen von Pentachlorbenzol mit
rauchendi^r Salpetersäure dargestellt, krystallisirt aus Schwefelkohlenstoff in monoldinen Tafeln.
SchOTp. 146^. Siedep. 328 0.
Bromnitrosiibstitutionsprodukte.*) Bromnitrobenzol, C^H^BrNOg.
1. o-Bromnitrobenzol, entsteht neben der p-Verbindimg, von weicheres
dtirch seine leichtere Löslichkeit in Alkohol zu trennen ist, beim Erwärmen von
Brombenzol (1) mit Salpetersäure. Gelbliche, lange Krystalle (2), welche bei
41— 4 i ■5'" schmelzen. Siedep. 261°. Es ist leicht löslich in rauchender Schwefel-
säure (3). Durch Erhitzen mit Kalilauge im geschlossenen Rohr wird es in
o-Nitrophenol übergeführt.
2. m -Bromnitrobenzol wird am leichtesten aus p-Brom-o-Nitranilin (4)
(Sclimp. 104'^) dargestellt. Es entsteht auch durch Zersetzung von m-Diazonitro-
ben^olperb^omid (5). Hellgelbe Blätter (7), welche dem rhombischen System (6)
angehören und bei 56° schmelzen. Siedep. 256*5°. Es wird von Kalilauge kaum
angegriffen.
3. p-Bromnitrobenzol kann, ausser auf dem angeführten Wege (i), auch
aus p-NitraniUn (5) und aus Bromnitranilin (8) (Schmp. 15P) dargestellt werden.
Nadeln (9), welche bei 126— 127 «> schmelzen. Siedep. 255— 256<>. Durch Er-
hitzen mit Kalilauge wird es in p-Nitrophenol übergeführt.
Bromdinitrobenzol, C6H3Br(NOj,)2. Drei Isomere.
1. CgHjjBrNOgNOg, durch Nitriren von Brombenzol (10) mit Salpeter- und
' 1 a 4
Schwefelsäure dargestellt, bildet gelbe, bei 72^ schmelzende Krystalle. Es kann
durch geeignete Reactionen in o-p-Dinitranüin (n), in m-Phenylendiamin (12)
und in o-p-Dinitrophenol (Schmp. 114®) übergeführt werden.
2. CfiH3BrN02N02 entsteht (13) neben geringen Mengen eines isomeren
I s 4
Produktes durch Erhitzen von m -Bromnitrobenzol mit Salpetersäure und
rauchender Schwefelsäure. Grüngelbe monokline Krystalle (6), welche bei 59*4®
schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak entsteht Bromnitranilin.
3. C6H3N02N02Br. Aus o-Dibrombenzol (14) dargestellt, bildet bei 87«^
18 5
schmelzende Krystalle.
•) 1) Wai.kkr u. Zinke, Ber. 5, pag. 114. 2) Fittig u. Mager, Ber. 7, pag. 1179.
3) KÖRNER, Jahresber. 1875, P*&- 3^0 — 23. 4) WuRSTER u. Grübenmann, Ber. 7, pag. 416.
5) Grjesp. Jnbrc'^ber. 1863, pag. 423. 6) Bodewig, Jahresber. 1877, pag. 423 — 24. 7) Fittig
u, Mac ER, Ber. 3, pag. 363. 8) Wurster, Ber. 6, pag. 1544. 9) Fittig u. Mager, Ber. 7,
pag. 1175- 10) Kekul^, Ann. 137, pag. 167. 11; Clemm, J. pr. Ch. [2] i, pag. 172. 12) Zinke
u, SI^JTEKIS^ Ber. 5, pag. 791. 13) Körner, Jahresber. 1875, pag. 332. 14) Austen. Ber. 8,
pag. iißz. 15) Körner, Jahresber. 1875, pag. 305—309. 16) Groth, Ber. 7, pag. 1563.
17) AüSTEN, Ber. 8, pag. 1182. 18) KÖRNER, Jahresber. 1875, pag. 333. 19) Austen, Ber. 9,
pag. 621. 20) Ders., Ber. 9, pag. 918. 21) Körner, Jahresber. 1875, pag- 31-2 -3i7-
22) WuRSTLK. u. ^eran, Bcf. 12, pag. 1821. 23) Panebianco, Jahresber. 1879, P^- 3^7*
24) KÖRNER, Jahresber. 1875, pag. 312. 25) Ders., Jahresber. 1875, P^ß- 3^7- 26) WuRSTKR
u. Beran, Ber. 12, pag. 182 1. 27) von Richter, Ber. 8, pag. 1427. 28) Longfürth, Ann. 191,
pag* 202. 29) Körner, Jahresber. 1875, pag. 325—327. 30) Ders., Jahresber. 1875, P*g-
3Z0— 322. 31) GRIESS, Z. Ch. 1866, pag. 218. 32) Körner, Jahresber. 1875, pag- 35^
33) KEKULi, Ann. I37i pag. 168. 34) Körner, Jahresber. 1875, P^g- 327—328. 35) Ders.,
jÄhfCsber. 1875^ pag. 329 — 30.
Benzol. 215
Dibromnitrobenrol (15), C^HjBrjNO,. Dasselbe existirt in fünf isomeren Modifica-
tionen, von denen zwei (i und 5) durch Nitriren von o- resp. p-Dibrombenzol, zwei (2 und 3)
durch Nitriren von m-Dibrombenzol erhalten werden, während die fünfte aus Dibrom-o- resp.
p-Nitranilin gewonnen wird.
1. CgHjBrBrNOj bildet hellgelbe, monokline (16) Tafeln, welche bei 58-€® schmelzen.
13 4
Siedep. 296*'. Es kann in 1, 2, 4 Tribrombenzol übergeführt werden.
2. CgHjBrBrNOj krystallisirt aus Alkohol in weissen, seideglänzenden Nadeln, welche
15 6
bei 82-6'^ schmelzen. Flüchtig mit Wasserdämpfen. Durch alkoholisches Ammoniak wird es bei
180** in Nitro-m-Phenylendiamin umgewandelt.
3. CjHjBrBrNO, krystallisirt aus ätherhaltigem Alkohol in schwefelgelben, triklinen (16)
1 3 4
Kiystallen, welche bei ßVß^ schmelzen. Leicht flüchtig mit Wasserdämpfen. Es kann in
1, 2, 4 Tribrombenzol übergeftihrt werden.
4. CgHjBrBrNOj bildet farblose, dünne Blätter des monoklinen Systems (6), welche bei
1 3 s
104*5^ schnaelzen.
5. CjHjBrBrNO, krystallisirt aus Aether-Alkohol in grünlich gelben, dünnen Tafeln,
14 5
welche bei 85 '4° schmelzen. Durch Zinn. und Salzsäure wird es in Dibromanilin (Schmp. 51**)
übergeftihrt. Es kann in 1, 2, 4 Tribrombenzol übergeführt werden.
Dibromdinitrobenzol, C6H36r2(N02)3» existirt in sechs isomeren Modificationen.
1. a-o-Dibromdinitrobenzol (17) entsteht neben der ß-Verbindung durch Kochen von
o-Dibrombenzol mit Salpeter-Schwefelsäure. Die Trennung wird durch Eisessig, in welchem die
a-Verbindung schwer löslich ist, ausgeführt. Zoll lange, weisse, stark glänzende Nadeln, welche
bei 158^ schmelzen.
2. ß-o-Dibromdinitrobenzol(i7) bildet kleine, glänzende^ bei 120^ schmelzende Krystalle.
3. a-ni-Dibromdinitrobenzol(i8) durch Erwärmen von m-Dibromnitrobenzol (Schmelz-
punkt 61*6°) mit Salpetersäure und rauchender Schwefelsäure bei 100° dargestellt, krystallisirt
in grünlich gelben Nadeln, welche bei 117-4*' schmelzen. Durch Erhitzen mit Kalilauge ent-
steht m-Bromdinitrophenol (Schmp. 91'5®).
4. p-m-Dibromdinitrobenzol (15) wird durch Nitriren von m-Dibromnitrobenzol
(Schmp. 82-6°) dargestellt. Grünliche Krystalle. .
5. a-p-Dibromdinitrobenzol (19) entsteht neben der ß- Verbindung durch Erwärmen
▼on p-Dibrombenzol mit Salpeter- und Schwefelsäure. Es krystallisirt aus Eisessig in durch-
sichtigen Nadeln, welche bei 159^ schmelzen. Durch Ammoniak entsteht bei 75° schmelzendes
Dibromnitranilin.
6. ß-p-Dibromdinitrobenzol, bildet dicke, zugespitzte Nadeln, welche bei 99—100°
schmelzen. Durch Ammoniak entsteht bei 160° schmelzendes Bronmitranilin.
Tribromnitrobenzol, CgHjBrjNOj, existirt in fünf isomeren Modificationen.
1. CgHjBrBrBrNOj (21) wird aus 0-0-Dibrom-p-Nitranilin (Schmp. 202*5°) und aus dem
13 3 5
bei 151 '4° schmelzenden Tribromnitranilin dargestellt und bildet durchsichtige, fast farblose
Krystalle, welche bei 112° schmelzen. Es wird durch alkoholisches Ammoniak in 0-0-Dibrom-
p-Nitranilin (Schmp. 202*5°) umgewandelt.
2. CeHjBrBrBrNOj (21) entsteht neben dem folgenden durch Behandlung von 1, 2, 4
13 4 5
Tribrombenzol mit rauchender Salpetersäure. Lange, schwefelgelbe Nadeln, welche bei 93*5°
schmelzen. Durch Ammoniak wird es in Bromnitro-p-Phenylendiamin übergeführt
3. CeHjBrBrBrNO.. (21) krystallisirt aus Aetheralkohol in fast farblosen, rhombischen
1 3 4 s
Tafeln oder Prismen.
4. CgHjBrBrBrNOj (21) entsteht aus o-p-Dibrom-o-Nitranilin (Schmp. 127*3°) und bildet
13 4 6
seideglänzende, bei 119*5° schmelzende Nadeln. Durch alkoholisches Ammoniak wird es wieder
in o-p-Dibrom-o-Nitranilin übergeführt.
5. CgHjBrBrBrNO.^ (21) wird durch Kochen von 1, 3, 5 Tribrombenzol (22) mit
tl6 Handwörterbuch der Chemie.
SalpetersHurc und durch Entfernung von Amid aus Tribromnitranilin (Schmp. 102*5*^ dargc-
stelll. Grofise, durchsichtige, monokline Prismen (23) oder Tafeln mit schwach giünlicbem
Schimnier. Sdimp. 125*1*^. Siedep. 177® bei 11 Millim. Durch Zinn und Salzsäure entsteht bei
n9*^ schmelzendes Tribromanilin. Durch alkoholisches Ammoniak wird es in Bromnitro-
iD*Phepylendiamin übergeführt.
Tribromdinitrobenzol, C5HBrj(NOj)3.
1. ]i 2, 4 Tribromdinitrobenzol (24), aus Tribromnitrobenzol (Schmp. 93*5®) oder aus
1, 2» 4 Tribrombenzol mit Salpeterschwefelsäure dargestellt, krystallisirt aus Aether in grossen,
hiskss grüngelben Prismen oder Tafeln, welche bei 135*5'' schmelzen und dem monoklincn
System angehören. Durch alkoholisches Ammoniak entsteht Bromdinitrophenylendiamin.
2r ], 3, 5 Tribromdinitrobenzol (25, 26), durch Kochen des entsprechenden Tribromnitro-
i»co£ols mit einem Gemisch von gleichen Theilen rauchender Salpetersäure und krystallisirter
t suchender Schwefelsäure dargestellt, bildet glänzende, bei 192® schmelzende Nadeln.
Tctrabromnitrobenzol, CgHBrBrBrBrNO« , entsteht durch Behandlung (27) des
1 3 s & 6
entsprechenden Tetrabrombenzol mit Salpetersäure (Spec Gew. 1-59) und bildet bei 96®
Kcbmelzende Krystalle. Die rasch abgektihlte Substanz schmilzt bei 60®, wird jedoch allmähhch
wieder in die bei 96® schmelzende Modification umgewandelt. Auch aus absolutem Alkohol
werden feine, bei 60® schmelzende Nadeln (28) abgeschieden, welche sich allmählich in constant
btii B6^ schmelzende Blättchen umsetzen.
Tetrabrom-m-Dinitrobenzol (27), CeBr4(N02)2, wird durch Einwirkung von
rauchender Salpetersäure (Spec. Gew. = 1*54) auf Tetrabrombenzol dargestellt und krystallisirt
aus Beniol in monoklinen, bei 227 — 228® schmelzenden Prismen.
C hl orbiomnitro Substitutionsprodukte (29).
[ . m-Chlorbromnitrobenzol. Durch Nitriren von m-Chlorbrombenzol entsteht ein Chlorbrom-
mtrobenzo], welches nach seinen Zersetzungen als ein Gemenge von zwei Isomeren anzusehen ist
2. CgH^aBrNO, entsteht durch Ersatz von Amid durch Brom im m-Chlor-o-Nitranilin
L 4 5
(Schmp, 123—124®) und krystallisirt aus Alkohol in grünlich gelb gefärbten, bei 49-5°
schmchenden Nadeln.
3. C^HjClBrNO,, aus Chlorbromnitranilin (Schmp. 106*4**) dargestellt, krystallisirt in
13 6
schmalen I dünnen Blättern, welche bei 82*5** schmelzen.
4. CgHgClBrNO, entsteht durch Einwirkung von Salpetersäure auf p-Chlorbrombenzol
14 6
Kiy stalle f welche bei 68*6** schmelzen.
Jodnttrosubstitutionsprodukte. Jodnitrobenzol, CeH4JN02. o-Jod-
nitrobenzol (30) entsteht neben der p-Verbindung durch Nitriren von Jodbenzol.
Die Trennung derselben beruht auf der leichteren Löslichkeit des o-Jodnitroben-
xüls in Alkohol. Citronengelbe Nadeln, welche bei 49'4® schmelzen. Bei der
Keduction entsteht neben Anilin wenig o-Jodanilin.
m-Jrjdnitrobenzol (31, 32), aus m-Diazonitrobenzol dargestellt, bildet mo»
nokline, bei 36® schmelzende Blättchen. Siedet gegen 280®.
p-Jodnitrobenzol (30), welches auch aus Jodbenzol {^^) und Salpetersäure
entsteht, krystallisirt aus Alkohol in platten, hellgelben, diamantglänzenden Nadeln.
Schmp. 17 15®. Durch Reductionsmittel wird es in p-Jodanilin übergeführt,
Joddinitrobenzol, C6H3J(N02)2.
1. CßH3jN02NOa (30) entsteht in kleinen Mengen, neben dem folgenden
13 6
als Hauptprodukt, von welchen es durch seine leichtere Löslichkeit in Alkohol
zu trennen ist, durch Behandlung von o-Nitrojodbenzol mit Salpeter- und Schwefel-
säure. Es krystallisirt aus Alkohol in tief orangegelben, rhombischen Prismen,
welche bei 113'7® schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak
wird es in 0-0-Dinitranilin (Schmp. 138°) übergeführt.
2. CtjHjJNOjNOj (30), einziges Produkt der Einwirkung von Salpeter- und
1 s 4
Benzol. 2 1 7
Schwefelsäure auf p-Jodnitrobenzol , krystallisirt aus Aetheralkohol in grossen,
dunkelgelben Tafeln oder Prismen, welche bei 88*5° schmelzen. Durch Erhitzen
mit alkoholischem Ammoniak wird es in o-p-Dinitranilin (Schmp. 182*^) tibergetührt.
m-Dijodnitrobenzol (29), CgHjJJNOj, entsteht durch Auflösen von m-Dijodbenzol
IS 4
in Salpetersäure (Spec. Gew. = 1*52) und bildet citronengelbc Krystallc, welche bei 168*4°
schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak wird es in m-Jod-o-Nitranilin über-
^efähit»
Chlorjodnitrobenzol (34), CeHjClJNOj.
1. CgH-ClJNO.., durch Austausch von Amid gegen Jod im m-Chlor-o-Nitranilin (Schmelz-
18 4
punkt 123 — 124°) dargestellt, krystallisirt in gut ausgebildeten Prismen, welche bei (53-4°
schmelzen.
2. m-Chlorjodnitrobenzol wird durch Nitriren von m-Chlorjodbenzol erhalten. Krystallinische
Verbindung, welche höher schmilzt als die vorige.
3. C-HjClJNOj, aus p-Chlor-o-Nitranilin dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in conccn-
14 5
Irisch gnippirten Nadeln, welche bei 63*3** schmelzen.
Bromjodnitrobenzol (35), CgHjBrJNOj. Fünf Isomere.
1. o-Bromjodnitrobenzol, CgH,BrJNOj, wird durch Nitriren von o-Bromjodbenzol oder
1 ) 5
durch Austausch von Jod gegen Amid in o-Brom-p-Nitranilin (Schmp. 104"5°) dargestellt und
bystallisiTt aus Alkohol in schwach grünlich gelben Prismen oder Nadeln, welche bei 10G°
schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak entsteht o-Bromnitranilin.
2. CgHjBrJNOj, aus m-Brom-o-Nitranilin (Schmp. 15 ll**) dargestellt, bildet intensiv
13 4
gelbe, bei 83*5° schmelzende Krystalle. Durch alkoholisches Ammoniak entsteht m-Brom-o-
Nitranilin.
3. u. 4. m-Bromjodnitrobenzol. Die beiden Verbindungen entstehen durch Erwärmen von
m-Bromjodbenzol mit conc. Salpetersäure. Das Hauptprodukt bildet citronengelbc Prismen oder
Nadeln, welche bei 126*8** schmelzen. Es giebt mit alkoholischem Ammoniak m-Jod-o-Nitra-
5. CjHjBrJNOj, aus p-Brom-o-Nitranilin (Schmp. 111-4**) dargestellt, ist eine bei 90-4°
1 4 6
schmelzende Substanz.
Antimon-, Arsen- und Phosphorderivate des Benzols.*)
Triphenylstibin (8), (C6H5)3Sb, entsteht durch Einwirkung von über-
schüssigem Natrium auf ein Gemenge von Antimon trichlorid und Brombenzol in
Benzol gelöst. Es krystallisirt aus Alkohol in schwach gelben Blättchen, welche
bei 48° schmelzen. Mit Brom und Chlor vereinigt es sich zu krystallinischen
Additionsprodukten.
Phenylarsenchlorür (i), CgH^AsClg. Dasselbe entsteht 1. beim Durcli-
Iciten von Arsentrichlorid und Benzol durch ein rothglühendes Rohr und zwar
neben Diphenyl:
AsClj -+- CeHß = CßH.AsCla 4- HCl
2. Durch Erhitzen von Arsentrichlorid mit Quecksilberdiphenyl:
2ASCI3 -^-Hg(C«H,)3 = 2C6H5ASCI2 -^-HgClg
3. Durch Erhitzen von Triphenylarsin mit Arsentrichlorid (8) auf 250®.
Die erste Methode ist zur Darstellung nicht geeignet, da das Chlorid nicht vom Diphenyl
•) 1) La Coste u. Michaelis, Ann. 201, pag. 191—200. 2) Ibid. 203. 3) Michaelis
u. Link, Ann. 207, pag. 195. 4) Ibid. 305—307. 5) La Coste u. Michaelis, Ann. 201,
pag. 212—215. 6) Ihid. 215 u. ff. 7) La Coste u. Michaelis, Ann. 201, pag. 235. 8) Michae-
lis u. Reese, Ber. 15, pag. 2876. 9) La Coste u. Michaelis, Ann. 201, pag. 237. 10) Dies.,
Ann. 201, pag. 200 — 212. 11) Schulte, Ber. 15, pag. 1955. '^) Michaelis und Schulte,
Bei. 15, pag. 1952. 13) Dies., Ber. 14, pag. 912.
2i8 Handwörterbuch der Chemie.
zu trennen ist. Man stellt es nach 2 dar und erhitxt 700 Grin. AsQj mit 70 Grm. Hg(CjHj),
einige Zeit auf 254° und unterwirft die abfiltrirte Flüssigkeit der fractionirten Destillation.
Das Chlorür bildet eine farblose, stark lichtbrechende, leicht bewegliche
Flüssigkeit, welche an der Luft nicht raucht und bei 252—255° siedet. Es riecht
in der Kälte schwach unangenehm. Wirkt ätzend auf die Haut. Es wird selbst
von siedendem Wasser nicht angegriffen; von Alkalien wird es leicht zersetzt
Phenylarsentetrachlorid (2), CßH.i^AsCl^, entsteht durch Einleiten von
Chlor in das Phenylarsenchlorür. Es erstarrt bei gewöhnlicher Temperatur allmäh-
lich, bei 0° sofort zu breiten, gelben Nadeln, welche erst bei 45° wieder schmelzen.
Es raucht an der Luft; von Wasser wird es unter Bildung von Phenylarsenoxyd
und Phenylarsinsäure zersetzt. Durch Erliitzen im ofienen Gefässe wird es in seine
Componenten zerlegt, ebenso durch Einleiten von Kohlensäure. Im Rohr auf
150° erhitzt wird es in Chlorbenzol und Arsentrichlorid gespalten.
Phenylarsenbromür (2), C g H 5 As Br 2 . Durch Erwärmen von Phenylarsenoxyd
mit conc. Bromwasserstoffsäure dargestellt, bildet eine schwach gelbe, bei 285
unter schwacher Zersetzung siedende Flüssigkeit. Es wird von Wasser nicht zer-
setzt. Brom wirkt unter Bildung von Brombenzol und Arsentribromid darauf ein
Phenyldimethylarsin (4), C6H;,As(CH3)3.
Zur Darstellung lässt man mit Aether oder Benzol verdtinntes Phenylarsencfalorttr zu Zink-
methyl tropfen und scheidet nach dem Abdestilliren des Aethers das Arsin aus dem ztnfick-
bleibenden Synip durch Kalilauge ab. Dasselbe wird nach dem Trocknen Über Chlorcaldum
durch Destillation gereinigt.
Es bildet eine farblose, in Wasser unlösliche, mit Alkohol und Benzol
mischbare Flüssigkeit, welche bei 200° siedet. Durch Einwirkung von Jodmethyl
entsteht
Phenyltrimethylarsoniumjodid (4), CgHjAs(CH3),J, welches aus schwach alkalischem
Alkohol in weissen, bei 244° schmelzenden Nadeln krystallisirt. Das Platindoppelsalz,
(C6H6As(CH3)3)aPtCl4, krystallisirt aus Wasser in schön rothen, bei 219° schmelzenden
Lamellen.
Phenyldiäthylarsin, C6H5As(C2H5)2 (5), der Methylverbindung analog
aus Zinkäthyl dargestellt, ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit von
unangenehmem Gerüche. Siedep. 240°. Es verbindet sich mit Chlor zu dem
schön krystallisirenden Chlorid, C6H;,As(CeH5)2Cl2. Durch Erhitzen mit Jod-
äthyl im Rohr auf 100° entsteht
Phenyltriäthylarsoniumjodid (5), CgHjAs(C3Hj)2J, welches aus Wasser in farblosen,
prismatischen, bei 112 — 113° schmelzenden Krystallen abgeschieden wird. Es schmeckt bitter.
Es ist leicht löslich in Alkohol, unlöslich in Aether; durch vorsichtiges Erhitzen im Kohlensäure-
Strom wird es in Jodäthyl und Phenyldiäthylarsin gespalten. Durch Erhitzen mit Silberoxyd
und Wasser auf 100^ entseht eine S3nrupaTtige stark alkalische Oxybase, deren salzsahires Ssl«
mit Platinchlorid ein in goldgelben Blättchen krystallisirendes Doppelsalz, [CgH5As(C,Hj),],Pta4,
bildet.
Diphenylarscnchlorür (3, 6), (C6H,r,)2AsCl, entsteht als Nebenprodukt
bei der Bereitung von Monophenylarsenchlortir.
Zur Darstellung werden 230 Grm. des letzteren mit 60 Grm. Quecksilberdiphenyl in einem
Kolben mit aufgesetztem Glasrohr einige Zeit zum Sieden erhitzt, nach dem Erkalten von dem
entstandenen Bodensatz abgegossen, das abdestillirte Monophenylarsenchlortir mit weiteren
50 Grm. Quecksilberdiphenyl in derselben Weise behandelt und darauf die erhaltenen Flüssig-
keiten im Kohlensäurestrom fractionirt.
Hellgelbe, ölartige Flüssigkeit von schwachem Geruch. Es siedet im Kohlen-
Säurestrom unzersetzt bei 333®. Spec. Gew. =1-42231 bei 15®. Unlöslich in
%
V
Benzol 219
Wasser, leicht löslich in Alkohol, Benzol und Aether. Es wird von Alkalien auch
beim Kochen wenig gelöst. Durch Kochen mit conc. Salpetersäure entsteht Di-
phenylarsinsäure. Mit Chlor vereinigt es sich zu
Diphenylarsentrichlorid (6), (CeH5)jAsClj, welches aus wasserfreiem Benzol in
farblosen, bei 174° schmekenden Tafeln krystallisirt. Es zerfällt beim Erhitzen auf 200 **
in Fhenylarsencblorür und Chlorbenzol.
Diphenylarsenbromür (6), (C6H5)2AsBr, wird aus Diphenylarsenoxyd
und conc. BromwasserstofFsäure dargestellt und bildet eine selbst im Kohlen-
säurestrom nicht unzersetzt destillirbare Flüssigkeit.
Diphenylmethylarsin (3), (C6H5)2AsCH3, durch Vermischen von Zink-
methyl und Diphenylarsenchlorür in Benzollösung dargestellt, ist eine stark licht-
brechende, in Wasser unlösliche Flüssigkeit. Siedep. 306°. Es vereinigt sich
mit Jodmethyl zu
Diphenyldimethylarsoni um Jodid (3), (C5H5).^As(CHj)2J, welches aus schwach
alkalischem Alkohol in farblosen, bei 190° schmelzenden, spiessigen Krystallen abgeschieden wird.
Schwer löslich in kaltem Wasser, unlöslich in Aether. Das Pia tindoppel salz krystallisirt in
flachen, rothgelben Tafeln. Schmp. 219°.
Diphenyläthylarsin (7), (C6H5)2AsC2H5, analog der Methylverbindung
aus Zinkäthyl erhalten, bildet eine obstartig riechende Flüssigkeit, welche im
Kohlensäurestrom bei 305° siedet. Es vereinigt sich mit Chlor zu
Diphenyläthylarsendichlorid (7), (C5H5)3AsC2HjCl2, welches aus Benzol in langen,
&rblosen, bei 137° schmelzenden Nadeln krystallisirt. Das Chlorid wird von Wasser unter
Bildung eines krystallinischen Produktes zersetzt.
Diphenyldiäthylarsoniumjodid (7), (C6H5)2As(C2H5)oJ, wird durch Erhitzen von
Diphenyläthylarsin mit Jodäthyl auf 100® erhalten und bildet weisse, bei 184® schmelzende
Nadeln. Das Platindoppelsalz krystallisirt in goldgelben Blättchen.
Diphenylmethyläthylarsoniumjodid (3), (CfiH5)jAsCH3C3H5J, farblose, dem
rhombischen System angehörende Krystalle, welche bei 170® schmelzen. Es zerfällt beim Er-
hitzen im Kohlensäurestrom in Diphenylmethylarsin und Jodäthyl. Das Platindoppelsalz,
[(CjHj),AsCH,CjH5]2Pta4, krystallisirt in gelbweissen, bei 214® schmelzenden Nadeln, das
Pikrat bildet gelbe Nadeln. Schmp. 95®.
Triphenylarsin (9), (C6H5)3As, entsteht in geringen Mengen bei der Dar-
stellung von Mono- und Diphenylarsenchlorür. Es wird durch Erhitzen von Phenyl-
arsenoxyd, CgHjAsO, welches dabei in Arsenigsäureanhydrid und Triphenylarsin
zerfallt, oder besser durch Einwirkung von Natrium (8) auf ein Gemisch von Areen-
trichlorid, Brombenzol und Aether dargestellt. Es krystallisirt aus Alkohol in
farblosen, zerbrechlichen Blättchen, aus Arsentrichlorid in grossen, glasglänzenden
Tafeln, welche bei 58—59° schmelzen. Es siedet im Kohlensäurestrom unzer-
setzt bei»360^ Unlöslich in Wasser, leicht löslich in Aether und Benzol.
Versetzt man eine alkoholische Lösung des Arsins mit Quecksilberchlorid, so
entstehen perlmutterglänzende Blättchen von As(C6H5)gHgCl2i welches durch
siedende Kalilauge unter Bildung von
Triphenylarsinhydroxyd, (C6H5)3As(OH)3, zerzctzt wird. Mit Chlor vereinigt sich
das Arsin zu
Triphenylarsindichlorid, (CgH5)3AsCl3, welches farblose, bei 171^ schmelzende
Tafeln bUdet.
Phenylarsenoxyd (10), C^HgAsO.
Zur Darstellung wird PhenylarsenchlorUr mit Sodalösung zerlegt und das dabei entstehende,
feste Produkt aus Alkohol umkrystallisirt.
Es bildet bei 119—120° schmelzende, krystallinische Krusten, riecht anisartig
1
"iio Handwörterbuch der Chemie.
und ffreift beim Erwärmen die Schleimhäute an. Unlöslich in Wasser, leicht lös-
lich in Benzol.
Ptienylarsin^äure (lo), C6H5AsO(OH)2.
Die Säure wird durch Eindampfen von Phenylarsentetrachlorid mit Wasser und Um-
krystaihfiTen des zurückbleibenden, zähen, krystallinischen Rückstandes aus heissem Wasser dargesteUt
Sie krystallisirt in langen Säulen. Ziemlich leicht löslich in kaltem, leicht
in lieissem Wasser. Löslich in wässrigem und absoluten Alkohol. Sie ist sehr
glAtg. Bei 158^ beginnt sie zu erweichen und geht dabei unter Wasserverlust
in das Anhydrid über. Die Säure löst sich in Ammoniak und Alkalien.
Dil! dabei entstehenden sauren Salze sind mit Ausnahme der Ammonium -Verbindung
nicht ltr}'?tallinisch. Barium- und Calciumsalz sind ebenfalls krystallinisch. Blei- und
Kupf*^r^nlz bilden amorphe Niederschläge.
Phenylarsinsäureanhydrid (lo), CßHjAsO.^, dessen Darstellung schon erwähnt wurde,
ist em amorphes Pulver.
Phcnylarsinsäurechlorid (lo), CgHsAsOQj, durch Zersetzung von Tetrachlorid mit
i Mol. Wasser, oder besser durch Einwirkung von Chlor auf Phenylarsenoxyd dargestellt,
bildet eine weisse, krystallinische Substanz, welche an der Luft raucht. Schmp. 100®.
L7iphenylarsenoxyd (6), [(C6H5)2As]20, wird durch Kochen von Diphenyl-
arsenchiorür mit alkoholischem Kali bereitet und krystallisirt aus heissem Aether
in war?;en förmigen Krystallen, welche bei 91 — 92® schmelzen. Es vereinigt sich mit
Chlor zu Diphenylarsenoxychlorid, einem weissen, bei 117® schmelzenden Pulver.
Diphenylarsinsäure (6), (C6H5)2AsOOH, welche aus Diphenylarsentetra-
oder -üxychlorid und Wasser erhalten wird, bildet feine, weisse, bei 174*
schmeljiende Nadeln. Sie ist leicht löslich in Alkohol und in heissem Wasser,
kaum in Benzol und Aether. Von Ammoniak und Alkalien wird sie unter
Bildung neutraler Salze aufgenommen.
D^^ krystallinische Ammoniumsalz verliert bereits an der Luft sämmtliches AmmoniaL
Barium' und Kupfersalz sind amorph. Das Bleisalz bildet feine Nadeln.
Tfiphenylarsinhydroxyd (6), (C6H5)3As(OH)8, entsteht durch Kochen
von IViphenylarsindichlorid mit verdünntem Ammoniak. Es krystallisirt aus
Wasser oder Alkohol in farblosen, bei 108® schmelzenden Tafeln, welche über
Schwelelsäure unter Wasserverlust in das bei 189® schmelzende Triphenyl-
arsenoxyd, (CßH5)8AsO, tibergehen.
Phenylarsensulfid (ii), CßHgÄsS, entsteht durch Erhitzen von Arseno-
ben/.ol mit Schwefel und durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Phenyl-
arsenoxyd. Weisse, bei 152® schmelzende Nadeln. Leicht löslich in Schwefel-
k ob Jen Stoff und siedendem Benzol, schwer in Alkohol und Aether.
Phenylarsensesquisulfid (ii), (CßH5)jAs2S3, durch Sättigen einer
ammuniakalischen Lösung von Phenylarsinsäure mit Schwefelwasserstoff erhalten,
krystallisirt aus siedendem Eisessig in langen, dünnen Blättchen.
Triphenyl,arsinsulfid (9), (C6H5)3AsS, durch Zusammenschmelzen von
Triplenylarsin oder durch Kochen von gelbem Schwefel ammonium mit Triphenyl-
arsinchlorid dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in seideglänzenden, bei 162^
schmelzenden Nadeln.
Arsenobenzol(i2, 13), CßH.^ASjCgHj. Dasselbe bildet sich durch Reducdon
von Phenylarsenoxyd und Phenylarsinsäure. Die Reduction wird am besten durch
Kochen der alkoholischen Lösung dieser Körper mit phosphoriger Säure bewerk-
stellipt. Ks bildet gelbliche, bei 196® schmelzende Nadeln. Unlöslich in Wasser
und Aether, löslich in Chloroform, Benzol und Xylol. Es vereinigt sich direkt
mit Halogenen und Schwefel.
Benzol. 221
Jodarsenbenzol (12, 13), (C6H5)2As2J2, wird durch Reduction von Phenyl-
arsenjodür mit phosphoriger Säure erhalten und bildet höchst zersetzliche, an
der Luft zerfliessliche, rothgelbe Nadeln. Beim Aufbewahren wird es unter
Bildung von Phenylarsenjodtir und Phenylarsinsäure zersetzt.
Phenylphosphin*) (2), CeHjFHa. Dasselbe entsteht durch Zersetzung des
jodwasserstoffsauren Phosphenyljodids und durch Destillation von phosphenyliger
Säure:
SCeHjPCOH), = CßHsPH^ -+- 2C,H,?0{0U)^.
Zur Darstellung wird rohes Phosphenylchlorid, CgH^PG,, in Alkohol gegossen, vom aus-
geschiedenen Phosphor abfiltrirt, die grösste Menge des Alkohols im Kohlensäurestrom abdestillirt
nad der dickflüssige Rückstand in einer kleineren Retorte, ebenfalls im Kohlensäurestrom
destülirt. Das oberhalb 2ÖÜ® Uebergehende, welches aus zwei Schichten, Wasser und dem
leichteren Phosphin mit Benzol gemengt, besteht, wird getrennt, und das über Chlorcalcium ge-
trocknete Phosphin rectificirt
Es ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit von durchdringendem
Geruch. Siedep. 160—161°. Spec. Gew. = 1001 bei 15°. Es oxydirt sich an
der Luft zu phosphenyliger Säure und verbindet sich bei 100° mit Schwefel zu
CJH5PH2S. Von warmer conc. Salpetersäure wird es unter Feuererscheinung
oxydirt. Mit trockner Jodwasserstoffsäure entsteht Phenylphosphoniumjodid,
CjHjPHjJ (1), welches in weissen, bei 138° schmelzenden Nadeln krystallisirt.
Die Lösung von Phenylphosphin in Salzsäure giebt mit Platinchlorid ein
kiystallinisches Doppelsalz. Durch Erhitzen des Phosphins mit Schwefelkohlen-
stoff (3) auf 150° entsteht eine spröde, glasartige Masse, C14H1JP2S3, welche
als Phenyldiphosphorsulfocarbaminsäure bezeichnet ist.
Phosphenylchlorid (4), C^H-PClj, bildet den Ausgangspunkt für die
meisten Phosphorverbindungen des Benzols. Dasselbe entsteht durch Erhitzen
von Phosphortrichlorid mit Quecksilberdiphenyl auf 180^ und, neben Diphenyl,
beim Durchlciten von Phosphortrichlorid und Benzol durch ein rotliglühendes
Porzellanrohr:
CßHg 4- PCI3 = CeHjPClj -h HCl.
Zur Darstellung nach letzterer Methode wird ein von Michaelis (4) construirter Apparat
benfitzt, das erhaltene Produkt durch Erhitzen auf 180 bis 200^ von freiem Phosphor (5) be-
freit und durch Rectification gereinigt.
Das Phosphenylchlorid (4) bildet eine durchdringend riechende Flüssigkeit,
welche an der Luft raucht und bei 224® (cor.) unter schwacher Bräunung siedet.
Spec. Gew. = 1-319 bei 20®, 1-3428 bei 0®. Es ist mit Benzol, Chloroform,
Schwefelkohlenstoff mischbar. Mit Wasser entsteht phosphenylige Säure. Durch
Erhitzen (5) auf 280" wird es in Phosphortrichlorid und Diphenylphosphorchlorür,
•) 1) Köhler u. Michaelis, Ber. 10, pag. 807. 2) Micil\elis, Ann. 181, pag. 341.
3) Michaelis u. DrrrLER, Ber. 12, pag. 338. 4) Michaelis, Ann. 181, pag. 280. 5) Broglie,
Ber. 10, pag. 628. 6) KÖm.ER, Ber. 13, pag. 1626. 7) Michaelis, Ann. 181, pag. 294.
8) Michaeus u. Köhler, Ber. 9, pag. 519. 10) Michaelis, Ann. 181, pag. 298—301. 11) Ders.,
Ann. 181, pag. 359. 12) Michaeus u. Köhler, Ber. 10, pag. 814. 13) Michaelis, Ann. 181,
pag. 345. 14) Gleichmann, Ber. 15, pag. 198. 15) Michaelis u. Gleichmann, Ber. 15,
pag. 802. 16) Michaelis u. Link, Ann. 207, pag. 208. 17) Michaelis, Ber. 10, pag. 627.
18) Michaelis u. Reese, Ber. 15, pag. 1610. 19) Michaelis, Ann. 181, pag. 345. 20) Köhler
*u. Michaeus, Ber. 10, pag. 816. 21) Michaelis, Ann. 181, pag. 321. 22) Michaelis u. Ben-
ziNGSR, Ann. 188, pag. 275. 23) Köhler u. Michaelis, Ber. 9, pag. 1053. 24) Götter u.
Michaelis, Ber. 11, pag. 885. 25) Köhler u. Michaeus, Ber. 10, pag. 815. 26) Köhler,
^^- «3» pag- 463. 27) Köhler u. Michaelis, Ber. 9, pag. 1053. 28) Michaelis, Ber. 8, pag. 499.
2Z2 Handwörterbuch der Chemie.
(CeHp,)3pCl, gespalten. Es vereinigt sich leicht mit Halogenen und mit Antimon-
pentacblorid (6), Durch Einleiten von Jodwasserstoff entsteht Jodwasserstoff-
ph osph en ylj od i d ^ C ^j H ^ F 1 3 - H J.
Phosphenyltetiachlorid (7), CgHsPCl^, ist ein krystallinischer, schwach gelb gefärbter
Körper, wülchef bei 73^' schmilzt. Er zerfällt mit Wasser in .Salzsäure und Phosphenylsäure.
PhoBphcnylbromid (8)^ CgH^PBr^, durch Zersetzung von Phosphortribromid mit Queck-
silberdiphenyl oder durch Einwirkung von trocknem Bromwasserstoff auf erhitztes PhosphcDyl-
chlorid darj^cstellt, ist oiri^ bei 255—257® siedende Flüssigkeit. Vereinigt sich mit Halogenen.
Phosphenyltftrabromid (8), CgHj^PBr^, gelbrothc, bei 207° schmelzende Nadeln.
Phosphenylhexabroiiiid (8), CgH^PBr^, dunkclrothe, bei 110® schmelzende Nadeln.
Phosphenylcliloroljromid (lo), CgHjPCl^Brg, gelbrothe, monokline Krystalle, welche
l>üi '2Ü8® schmeUcn.
Ph osph eny Ich loTOtelrabromid (lo), CgH^PCL^Br^, rothe Krystallmasse.
Phenyldimetbylphosphin (ii), CeH5P(CH3)2, aus Zinkmethyl und
Phosphenylchlotid dargestellt, ist eine penetrant riechende Flüssigkeit, welche bei
192^ (cor.) siedeL Spec. Gew. = 0*9786 bei 11°. Es wird an der Luft zu
PenyldimctbyliJhos[>hinoxyd oxydirt. Mit 1 Mol. trockner Salzsäure entsteht ein
festesj mit 2 Mol ein flüssiges Chlorhydrat. Das Platindoppelsalz bildet
orangegelbe Blätlclien.
Ph enyltrimethylphosphoniumjodid, CgH5P(CH,)3J, ist eine krystallinische bei205''
schmehcnde Masse,
Penyldiäthylphosphin (13), CßH5P(C3H.i)2, ist eine stark lichtbrechende,
widerlich riechende Flüssigkeit, welche bei 221*9° (cor.) siedet. Spec. Gew. = 0*9571
bei 13^ Die Base wird an der Luft äusserst langsam oxydirt, verbrennt jedoch
im Sauerstoff! Sie bildet der Methylverbindung analoge Chlorbydrate. Sie ver-
bindet sich mit Halogenen, Sauerstoff' und Schwefel.
PhL^nyUliüthylphosptnnchlorid, CgH5P(C3H5)3Cl3, angenehm riechende Fltissigkeit,
welche bei 0'^ krystsillinisch wird. Spec. Gew. = 1*216 bei 13®.
Phenyldiüthylphfjiiphinoxyd, CgH5P(C2H5)20, farblose, bei 55 — 56° schmelzende
Nadeln von obstartigeni Geruch,
PhenyldijUhylphosphinsulfid, CgH5P(CjjH5)2S, widerlich riechende, in einer Kältc-
mi^chutig erstarrende Substanz.
Phenyltriiithylphoi^phoniumjodid, CgH5P(C2H5)3J, bildet bei 115® schmelzende
Nndeln, Das durch Silbertmd entstehende Hydrat ist ebenfalls krystallinisch.
Phcnyldimcthyläthylphosphoniumjodid,CgHäP(CH3)2C2HJ, bei 137® schmelzende
Krystallmnssü.
Phenyldimethyllrrnmüthylphosphoniumbromid (14), CgH5P(CH3)2C3H^BrBr,
aus Bromäthyl en und Dimcthylphenylphosphin dargestellt, bildet bei 173® schmelzende Tafeln.
Vereinigt steh mil vier Atomen Brom zu einer krystallinischen Verbindung.
Phenylmcthyldiäthylphosphoniumjodid, C6H5pCH3(C2H5)2J, weisse, bei 95^
schmelzende Krystalle.
Pr* TT ^CPT ^ Br
AethylcntelrAnicthyMiphenylphosphoniumbromid (14), ^2^4j>c 11 (Qii ('ßr'
oberhalb 300"^^ .schmelzendes Kystallpulver. Es vereinigt sich mit Brom zu krystallinischen Ver-
bindungen,
Diplienyiphosphin (15), (CgHrJgPH. Dasselbe entsteht neben Diphenyl-
phospbinsäure durch Zersetzung von Diphenylphosphinchlorid mit Natronlauge.
2(CeH;,)3pCl + 2H2O = (CgHJgl'H -+- (C6H5)jPOOH -h 2HC1.
Zur DaT*itellung lüsst man das Chlorid in einer Wasserstoffatmosphäre zu verdünnter Natron-
lauge tropfen, erwärmt auf dem Wasserbade und trennt das abgeschiedene von der Lösung des
diphenylphosphiTiüriuTcn Nntrons.
Es ist eine wasserhelle, stark unangenehm riechende Flüssigkeit, welche bei
>-S-T5^.
Benzol. 223
280® siedet. Es ist löslich in conc. Salzsäure, jedoch durch Wasser wieder
fällbar.
Diphenylphosphorchlorür, (C6H3)2PCl, entsteht durch Erhitzen von
Quecksilberdiphenyl (16) mit Phosphenylchlorid und durch Erhitzen des letzteren (5)
im Rohr auf 280®, wobei es in Phosphortrichlorid und Diphenylphosphorchlorür
gespalten wird.
Zur Darstellung (16) werden 400 Grm. Phosphenylchlorid mit 50 Grm. Quecksilberdiphenyl im Oel-
bad erhitzt, nach einstündigem Kochen der Inhalt mit Benzol ausgekocht, von dem Unlöslichen,
welches aus Quecksilberphenylchlorid besteht, abfiltrirt, das Benzol abdestillirt und dann im
Kohlensäurestrom firactionirt. Mit dem bis 200^ übergegangenen unzersetzten Phosphenylchlorid
wird dieselbe Operation noch viermal mit 50 Grm. Quecksilberdiphenyl wiederholt, und aus den
oberhalb 200*^ übergehenden Oelen das ChlorUr durch Destillation gewonnen.
Es ist eine farblose Flüssigkeit, welche gegen 320^ siedet. Spec. Gew. = 1.2293
hei 15**. Mit Chlor entsteht krystallinisches Diphenylphosphortrichlorid (17).
Diphenylmethylphosphin (16), (CgH5)jPCIi3, stark lichtbrechende, bei 284® siedende
Flüssigkeit. Spec. Gew. = 1'0784 bei 15**.
Diphenyldimethylphosphoniumjodid (16), (CgHj)jP(CHj)jJ, bei 241® schmelzende
Kadeln.
Diphcnyläthylphosphin (16), (C6H5)jPC,H5, bei 293® siedende Flüssigkeit.
Diphenyldiäthylphosphoniumjodid (16), (C^Hj^).^P(C^H^)J , farblose, bei 208®
schmelzende Kiystalle.
Diphenyläthylmethylphosphoniumjodid (16), (CgHj)3PC3HjCH3J, rhombische
Kiystalle, welche bei 181® schmelzen. Das Pikrat bildet gelbe, bei 86® schmelzende Nadeln.
Triphenylphosphin (15), (CßHg),?, entsteht durch Einwirkung von Natrium
auf Phosphenylchlorid resp. Phosphortrichlorid und Brombenzol.
Zur Darstellung (18) wird in ^in Gemisch von 1 Mol. Phosphortriclilorid und 3 Mol.
Brombenzol, welches mit dem vierfachen Vol. Aether verdünnt ist, unter Abkühlung Natrium in
Scheiben eingetragen. Nach 12 Stunden erhitzt man am Rückflusskühler, giesst den Aether ab,
zieht den Rückstand wiederholt aus, und krystallisirt die nach dem Verdunsten des Acthcrs er-
haltene Krystallmasse aus Alkohol um.
Es bildet glasglänzende Prismen, welche bei 75—76® schmelzen. Unlöslich
in Wasser, löslich in Aether, Alkohol, Benzol. In einem indifferenten (iasstrom
siedet es unzersetzt oberhalb 360®. Es vereinigt sich mit Sauerstoff, Schwefel und
Alkoholhalogenäthem. Das Sulfid bildet lange, bei 250—251® schmelzende
Nadeln.
Triphenylmethylphosphoniumjodid (15), (C6H5)jPCHjJ, glasglänzendc, bei
165—166® schmelzende Blättchen.
Methylenhexaphenylphosphoniumjodid (15), CH,pL*^„5^H, kleine, glänzende
NSdelchen. Schmelzp. 230—231®.
Aethylenhexaphenylphosphoniumjodid(i5), C.H.p^J^c!? *n r farbloses, über 300®
schmelzendes Kr3r5tallpulver.
Phosphenylige Säure (19), CßHjPOQxj.
Zur Darstellung lässt man Phosphenylchlorid langsam in Wasser tropfen, erwärmt zum
Sieden, dampft im Kohlensäurestrom ein und wäscht die Säure mit Wasser.
Weisse Blättchen, welche bei 70° schmelzen. Durch Oxydationsmittel wird
sie leicht in Phenylphosphinsäure tlbergefiihrt. Durch Einwirkung von Phos-
phorpentachlorid wird Phosphenylsäurechlorid gebildet:
CeHjPOQH -+- 2PCI5 = CeHjPO^ -+- POCl» 4- PCI3 4-2HC1.
Eisenchlorid erzeugt in der Lösung der Säure einen weissen, in kalter conc.
224 Handwörterbuch der Chemie.
Salzsäure unlöslichen Niederschlag. Die Säure ist einbasisch. Die Alkalisalze
sind zerfliessHch. Das Bariumsalz, (C6H5POHO)2Ba -+- 411^0, bildet schief rhom-
bische Krystalle. Durch Einwirkung von Phosphenylchlorid (20) auf Natrium-
alkoholat entstehen zwei Aether, CeHgPOHOCjHs und CeHgPCOCjHs), welche
vielleicht den sauren und neutralen Aether der phosphenyligen Säure darstellen.
Phosphenylsäure (21), C6H5PO(OH)2.
Dieselbe wird durch Eintragen des Phosphenyltetrachlorids in Wasser und mehrfaches Ein-
dampfen der Lösung auf dem Wasserbade zur Entfernung der Salzsäure dargestellt.
Sie bildet schief rhombische, glasglänzende Blättchen, welche bei löS''
schmelzen. Spec. Gew. = 1*475. Sie ist löslich in Wasser, Alkohol und Aether,
unlöslich in Benzol. 100 Thle. Wasser lösen 232 Thle. Säure bei 15°. Beim
raschen Erhitzen zerfällt sie in Benzol und Metaphosphorsäure. Sie ist eine
zweibasische Säure.
Das neutrale Natronsalz, CgHjPOjNaj + 12HjO, bildet spiessige, das saure CgHjPOjHNt,
prismatische Krystalle. Das Kalk-, Zink- und Kupfersalz sind ebenfalls krystallinisch.
Dimethyläther, CgHjPOjCCHj)^, ist eine bei 247° siedende Flüssigkeit.
Diäthyläther, CgHjPOjCCjHjj, bei 267^' siedendes Oel, mit einem an Senföl er-
innernden Geruch.
OC H
Aethylphosphenylsäure.CeHjPO^j^a s, aus dem Tetrachlorid und absolutem Alkohol
dargestellt, ist ein dicker Syrup. Einbasische Säure.
OCH
Phenylphosphenylsäure, CgHjPOQ-r® *i aus Phosphenylsäurechlorid uud Phenol dir-
gestellt, krystallisirt aus wässerigem Alkohol in haarfeinen, bei 57^ schmelzenden Nadeln. Sic
bildet Aether und Salze.
Phosphenylsäurechlorid, CgH^POCl,, wird am besten durch Einleiten von schwefliger
Säure in Phosphenylchlorid dargestellt und ist eine dicke, obstartig riechende Flüssigkeit, wdche
bei 258° unter Bräunung siedet Spec. Gew. = 1-357 bei 20''.
Nitrophosphenylsäure (22), C6H4(N02)PO(OH)o, wird durch Erliitzen
von Phosphenylsäure mit rauchender Salpetersäure auf 100—105^ dargestellt
Sie krystallisirt aus Aether in weissen Nadeln, welche bei 132° schmelzen. Die
wässrige Lösung ist gelb gefärbt. 100 Thle. Wasser lösen 98 Thle. Säure bei
22°. Leicht löslich in Alkohol und Aether. Ueber 100° erhitzt wird sie unter
Explosion zersetzt.
Die Alkalisalze sind nicht krystallisirbar. Das Bariumsalz, CgH4(NO,)P03Ba + 2H,0,
bildet lebhaft glänzende, gelbe Blättchen.
Amidophosphenylsäure (22), C6H4(NHj)PO(OH)j, durch Reduction
der Nitrosäure mit Zink und Salzsäure dargestellt, krystallisirt aus Wasser in
feinen, glänzenden Nadeln. Sie schmilzt nicht beim Erhitzen und färbt sich unter
Zersetzung oberhalb 280° blaugrün. Unlöslich in Alkohol und Aether. Löslich
in Wasser. 100 Thle. Wasser lösen bei 20» 0-43, bei 100» 0*52 Thle. Säure.
Sie bildet, obwohl in Salzsäure löslich, mit Säuren keine Salze.
Die Salze, deren Lösungen sich an der Luft roth färben, sind meist amorphe Nieder-
schläge. Das Natriumsalz, CgH^(NH3)PO,Naj -j- 3Hj,0, krystallisirt in Prismen.
Diazophosphenylsäure(22). Das salpetersaure Salz CgH4(N2 NO 3)PO(OH),,
durch Einleiten von salpetriger Säure in eine heisse salpetersaure Lösung der
vorigen Säure dargestellt, bildet weisse Prismen, welche bei 188® schmelzen
und darüber erhitzt heftig explodiren. In Wasser und Alkohol leicht, in Aether
wenig löslich. 100 Thle. Wasser lösen 5782 Thle. bei 18», 59-03 Thle. bei 80».
Die Salze sind gelb gefärl)t. Natrium-, Kalium- und Bariumsalze sind krystallinisch.
Diphenylphosphinsäure, (CeH5)2POOH; dieselbe bildet sich durch
Benzol. 225
Oxydation (15) von Diphenylphosphorchlorür oder Diphenylphosphin mit Salpeter-
säure. Sie entsteht auch neben Phosphenylsäure bei der Zersetzung von 1 Mol.
Phosphenylchlorid (24) mit 1 Mol. Wasser und kann von derselben durch Alkohol
getrennt werden. Sie krystallisirt aus conc. Salpetersäure in weissen Nadeln (17),
welche bei 190® schmelzen. Spec. Gew. = 1*339. Unlöslich in Wasser, leicht in
heissem Alkohol löslich.
Bei 230® bildet sie ein Anhydrid, [(C6H5),PO],. Die Sake sind krystallinisch. Der
Aethyläther krystallisirt in farblosen, bei 165® schmelzenden Nadeln.
Phosphenylsulfid (i), C^HjPS. Dasselbe entsteht neben einem krystalli-
nischen, bei 138® schmelzenden Sulfid, (C6H5P)3S, durch Erhitzen von Phenyl-
phosphin mit Schwefel. Gelbe, in Alkohol und Aether leicht lösliche Flüssig-
keit Durch längeres Erhitzen wird es in Phenylphosphin, Schwefelwasserstoff und
Isophosphenylsulfid, (CeH5P)2S2, gespalten. Dieselbe Verbindung ent-
steht neben (CßH3)4P4S3 (25), welches weisse, bei 192 — 193® schmelzende
Kiystalle bildet, durch Einleiten von Schwefelwasserstoff in siedendes Phosphenyl-
chlorid Es ist eine dicke Flüssigkeit, welche durch Salpetersäure zu Diphenyl-
phosphinsäure oxydirt wird.
Phosphenylsulfochlorid, CgHsPSCIj, entsteht durch Erwärmen von
Phosphenylchlorid (27) mit Schwefel und durch Behandlung des Chlorids mit
Chlorschwefel (26), im letzteren Falle neben Phosphenyltetrachlorid. Es bildet
eine gegen 270° nicht unzersetzt siedende Flüssigkeit. Spec. Gew. = 1.376 bei
13*^. Mit Kalilauge scheint das Kaliumsalz der Thiophosphenylsäure, CßH5PS(OK)2,
zu entstehen. Mit Alkohol entsteht deren Aether, C6H5PS(OC2H5)j.
Phosphobenzol (i), CßHjPjCgHs, dem Diazobenzol entsprechend, ensteht
ganz glatt durch Einwirkung von Phosphenylchlorid auf Phenylphosphin:
C,H,PC1, ^ CeHsPH, = CßH^PgCeHs -+- 2HC1.
Es bildet ein schwach gelbes Pulver, unlöslich in heissem Wasser, Alkohol
und Aether, leicht löslich in heissem Benzol. Es schmilzt bei 149 — 150° zu
einer harten, krystalUnischen Masse. An der Luft wird es allmählich zu Diphos-
phenyloxyd, durch verdünnte Salpetersäure zu phosphenyliger Säure, durch con-
centrirte zu Phosphenylsäure oxydirt. Die über ihren Schmelzpunkt erhitzte Substanz
wird durch Salpetersäure in Diphenylphosphinsäure und Phosphorsäure übergeführt.
Diphosphobenzol (28), CgHjPjOH, beim Durchleiten von selbstentzünd-
lichem Phosphorwasserstoff durch Phosphenylchlorid entstehend, ist ein schön
gelbes, in Wasser und Alkohol unlösliches, in Schwefelkohlenstoff leicht lösliches
Pulver.
Phenylderivat von P4HJ (24), C6H5P4H. Durch Einwirkung von 1 Mol.
Wasser auf 1 Mol. Phosphenylchlorid und Erhitzen der dabei entstehenden Pro-
dukte erst auf 200° und dann auf 260° wird eine harte Masse gebildet, welche
nach der Behandlung mit Wasser und Alkohol vollständig in Schwefelkohlenstoff
löslich ist Aus der Lösung scheidet sich beim Verdunsten C6H5P4H als amor-
phes, dunkelgelbes Pulv'er ab. Die Mutterlauge enthält eine zweite Substanz,
(CgH5)jP503H, welche in gelben Nadeln krystallisirt.
Borderivate des Benzols*) (i), Phenylborchlorid, CßHjBClj.
Zur Darstellung erhitzt man 20 Grm. QuecksUberdiphenyl mit 20 Grm. Borchlorid, BCI3, einige
Stunden im geschlossenen Rohr auf 180 — 200^, giesst nach dem Erkalten die Flüssigkeit von
*) 1) Michaelis u. Becker, Ber. 15, pag. 180. 2) Ladenburg, Ann. 173, pag. 151.
3) Otto u. Dreher, Ann. 154, pag. 93. 4) Aronheim, Ann. 194, pag. 148. 5) Otto u.
Dreher, J. pr. Ch. [2] i, pag. 179. Zeitschr. 1870, pag. 9.
LAOKNBi'itc, Chemie. I(. 15
326 Handwörterbuch der Chemie.
den au$gi*s£hiedenen Krystallen ab, rieht letztere mit Benzol aus und fractionirt die vereinigten
Lösungen,
Das Chlorid bildet eine farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit, welche
bei ITa*^ siedet und in einer Kältemischung zu einer bei 0° wieder schmelzenden
Krystallmasse erstarrt. Es vereinigt sich mit Chlor zu einer leicht zersetzliclien
Verbindung. Lässt man das Chlorid langsam zu Wasser tropfen, so scheidet sich
Fhenylborsäure, CgH3B(0H)^, als weisses Pulver ab, welches durch Er-
hit7.eTi gelöst, beim Erkalten in Nadeln auskrystallisirt. Schmp. 204°. Mit Wasser-
dampfen fluchtige, schwache Säure. Durch Destillation wird sie in Phenylbor-
oxyd llbergeführt, ebenso beim Aufbewahren im Exsiccator. Die Säure wirkt
stark antiseiitisch. Die Salze sind meist krystallinisch. Das Ammonsalz reducirt
Silberlösnng. Selbst verdünnte Lösungen der Säure geben mit Quecksilber-
chlorid einen Niederschlag.
NatriumfaU, CgHjBOjNaj, bildet quadratische Tafeln, das Calciumsalz, (C6HjBO,H)jCa,
farblose Kry stalle.
Aethyläther, C6H5B(OC.^H5)j, ist eine angenehm riechende Flüssigkeit. Siedep. IW\
Phenylboroxyd, CgH^BO, dessen Darstellung schon beschrieben wurde, ist eine farblose,
l>ei 190 f' schmelzende Krystalbnasse. Siedep. 360^. Unlöslich in Wasser, - löslich in Alkohol
und Aether,
Siliciiimderivate desBenzols(2). Phenylsiliciumchlorid, CgHjSiClj.
Zur Darstellung wird 1 Thl. Chlorsilicium, SiCl^, mit 2 Tliln. Quecksilberdiphenyl im Rohr
auf 300** LThitÄt und das Phenylsiliciumchlorid durch fractionirte Destillation leicht vom unier-
scttten SiiiciuEnchlorid getrennt.
Farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit, welche bei 197° siedet. Un-
zersetzt löslicli in Aether und Chloroform. Durch Alkohol wird es in Ortho-
üilicobenzoeäther, CßH5Si(OC2H5)3, eine stechend riechende, bei 235°
siedende Flüssigkeit übergeflihrt. Wird derselbe mit Jodwasserstoff behandelt, so
entsteht
Si Uc ob enz Ölsäure, CgHgSiO-OH, welche ebenfalb aus Phenylsilicium-
chlorid und Ammoniak dargestellt ist.
Um die Säure rein zu erhalten, wird die in beiden Fällen entstehende Reaktionsmnsse in
nbsolut iilkohnljschem Kali gelöst, Kohlensäure eingeleitet, der Niederschlag mit absolutem
Alkohol gewnschen und diese Lösungen auf dem Wasserbad verdunstet.
Glasartige Masse, welche bei 92° schmilzt. Leicht in Aether löslich. Sie
bildet keine Salze- Durch Erwärmen auf 100° wird sie in das amorphe An-
hydrid, {C„H5SiO).^0 umgewandelt.
Phcnylsiliciumtriäthyl, CeHgSi (€2113)3, durch Erhitzen des Chlorids
mit Zinkätlyyl auf 150— 1G0° dargestellt. Es ist eine farblose, bei 230° siedende
Flüssigkeit, deren Dampf dem Nelkenöl ähnlich riecht. Spec. Gew. = 0*9042
bei 0". Unlöslich in Wasser, löslich in Aether. Durch Einleiten von Chlor in
das abgekülilte Phenylsiliciumtriäthyl entsteht als Hauptprodukt das Chlorid,
SiCj^HijiCl, ein dickflüssiges, bei 260—650 siedendes Oel, welches durch alko-
holisches» Kiiliumacetat nicht zersetzt wird.
Querk Silberderivate des Benzols. Quecksilberdiphenyl, (CgHj)jHg.
Dasselbe entsteht aus Brombenzol (3) und Natriumamalgam:
2(CeH,Br) + RgNa^ = (CßHJaHg -h 2NaBr.
Zu seintr Darstellung (3, 4) wird Brombenzol in dem gleichen Volumen Xylol gelöst, mit
^Q is^mt-'-i Gewiclites an Essigäther und überschtlssigem 2'7proc. Natriumamalgam längere Zeit
Mt\ RLlckllub^kü liier erhitzt, heiss ültrirt, der Rückstand nochmals mit heissem Benzol extrahirt,
und dAä ausgeschiedene Produkt aus Benzol oder Alkohol umkrystallisirt
Benxol. 227
Es bildet rhombische Krystalle, welche bei 120® schmelzen. Spec. Gew.
= 2-318. Wenig flüchtig mit Wasserdämpfen. Es destillirt unter 300® unter
tbeilweiser Zersetzung in Quecksilber, Benzol und Biphenyl. Leicht löslich in
Benzol, Schwefelkohlenstoff, siedendem Alkohol etc., unlöslich in Wasser. Durch
Einwirkung von Halogenen entsteht das betreffende Halogenderivat des Benzols
und des Quecksilberphenyls, z. B.:
(CeH5)aHg 4- 2Br = CeH^HgBr -+- CßH.Br.
Durch Erhitzen mit einbasischen Säuren der Fettreihe entstehen Säurc-
derivate des Quecksilberphenyls neben Benzol, z. B.:
(C,H,),ilg 4- CH3CO3H = CeHjjHgCOaCHj -h CßHß.
Quecksilberphenylchlorid (3), CgH^HgQ, welches auch durch Erhitzen von Queck-
silberdiphenyl und Quecksilberchlorid mit Alkohol auf 100^ dargestellt ist, bildet rhombische,
bei 250^ schmelzende Täfelchen.
Quecksilberphenylbromid (5), CeH^HgBr, rhombische, bei 275^ schmelzende Tafeln.
Quecksilberphenyljodid (3), CgHjHgJ, rhombische, bei 265 — 266^ schmelzende
Tafeln.
Quecksilbe rphenylcy an id (5), CgH^HgCN, aus Quecksilberdiphenyl und Cyan-
quecksilber dargestellt, bildet feine rhombische Prismen. Schmp. 203— 204 ^
Quecksilberphenylrhodanid (5), C^HjHgSCN, analog dem vorigen erhalten, bildet
klebe, bei 226—227** schmelzende Täfdchen.
Queck8ilberphenylnitrat(5), CgHjIigNOj, bei 165 — 168® unter Zersetzung schmelzende
Tafeln.
Quecksilberphenylformiat (3), CgHjHgCOjH, bei 171° schmelzende Tafeln.
Quecksilberphenylacetat (5), CgHjHgCOjCH,, schief rhombische Prismen. Schmeli-
punkt 148 — 149°. Die Derivate der Propionsäure und Myristinsäure sind ebenfalls krystallinisch.
Quecksilberphenyloxydhydrat (5), CgHjHgOH, durch Kochen des
Chlorids mit Silberoxyd und Alkohol dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in
rhombischen Prismen. Schmilzt oberhalb 200° noch nicht. In kaltem Wasser
wenig, in Alkohol und heissem Wasser mehr löslich. Es reagirt alkalisch und
treibt Ammon aus.
Quecksilberphenylsäure (3), CgH-.HgOjH, durch Oxydation des Queck-
silberdiphenyls mit Chamäleonlösung dargestellt, ist ein weisses, bei 251 — 252®
schmelzendes Pulver. Schwer in kaltem, leicht in heissem Wasser löslich. Ein-
basische Säure.
Zinnderivate des Benzols.*) Zinnphenyltriäthyl (i), C6H5Sn(C2H5)3.
Die Verbindung entsteht durch Erhitzen einer ätherischen Lösung von Zinn-
triäthyljodid und Brombenzol mit Natrium. Es ist eine bei 254® siedende
Flüssigkeit, unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Aether. Spec.-Gew.
= 1-2639 bei 0®. Es verbindet sich mit Zinnchlorid zu Zinnphenyläthyl-
chlorid, CgHjSnCgH.^Clg, welches aus Aether in Tafeln krystallisirt. Schmelz-
punkt 45®.
Zinndiphenylchlorid(2), (CßHOgSnClj, dasselbe wird durch Einwirkung
von Quecksilberdiphenyl auf Zinntetrachlorid neben Zinndiphenylhydroxychlorid
erhalten. In Bezug auf die Details der complicirten Darstellung sei auf die
oben citirte Abhandlung (2) verwiesen. Es entsteht auch aus dem unten be-
schriebenen Hydroxychlorid durch Erwärmen im Salzsäurestrom auf 45®. E.s
krystallisirt, am besten aus Ligroin, in farblosen, triklinen Prismen, welche bei
42« schmelzen. Es siedet unter partieller Zersetzung bei 333—337®. In Aetber
•) i) Ladenburg, Ann. 159, pag. 251. 2) Aronhkim, Ann. I94» P^g- «45- 3) E>ers.,
^. 12, pag. 509.
15*
p
aaS Handwörterbuch der Chemie.
und Alkoiiol sehr leicht, in Wasser unter partieller Zersetzung zu Hydroxychlorid
löslich. Durch Einwirkung von Natriumamalgam auf die ätherische Lösung ent-
steht ^mntriphenylchlorid. Dasselbe Produkt entsteht durch Erhitzen des Chlorids
in Ammoniakgas auf 100 — 200® und durch Einwirkung (2) von Natriumnitrit
auf eine T^ösung des Chlorids in Eisessig.
Zinndiphenylhydroxylchlorid, (C gH 5) jSnCl OH, dessen Darstellung aus
dem Chlorid bereits erwähnt wurde, bildet ein amorphes Pulver, welches bei
187** schmilzt. Unlöslich in den gewöhnlichen Lösungsmitteln. Nicht unzersetzt
flüchtig. Durch Einwirkung von Alkalien wird es in
Zinndiphenyloxyd, (CßH5),SnO, übergeftihrt Das Oxyd, welches auch durch Ein-
iipirkung von Alkali auf das Chlorid entsteht, ist ein nicht flüchtiges, unlösliches Pulver.
Zinndiphenylbromid, (CgH5),SnBrg, durch Erwärmen des Oxyds in Bromwasserstoil^
gewonnen, bildet bei 38® schmelxende Krystalle.
Zinndiphenylchlorobromid, (CgHj)2SnClBr, durch Einwirkung von Bromwasserstoff
auf das Hyttroxylchlorid dargestellt, bildet bei 39® schmelzende Krystalle.
Zinndiphenylchlorojodid, (CgH5)jSnClJ, aus Hydroxylchlorid oder dem Chlorid und
JadwasserstofT dargestellt, krystallisirt in glashellen, monoklinen Prismen. Schmp. 69**.
Zinndiphenyldiäthyloxyd, (CgH5),Sn(OC3H5)j, entsteht durch Zersetzung des
Chlßride!^ mit Natriumalkoholat und bildet kleine, bei 124® unter Zersetzung schmelzende Krystalle.
Zinntriphenylchlorid, (C6H5)3SnCl, dessen Darstellung unter dem Chlorid
erwähnt wurde, krystallisirt aus Aether in schwach gefärbten Krystallen, welche
bei 103** schmelzen. In alkoholischer Lösung wird die Verbindung durch
Ammoniak in das Hydrat Sn(C6H5)30H -h l^H^O umgewandelt.
A. Weddige.
Betizylverbindungen*). Als »Benzyl« bezeichnet man nach Liebig's Vor-
gang die früher von Gerhardt »Toluenyl« genannte Atomgruppe C7H7, d. h.
^) i) Kraut, Ann. X07, pag. 208; 109, pag. 255, Ber. 1869, pag. 180. 2) Busse, Ber. 1876,
pag- 830* 3) Cannizzaro, Ann. 88, pag. 129. 4) Ders., Ann. 96, pag. 246. 5) BeU-STEIN u-
GEfTNKR, Ann. 139, pag. 331. 6) Lauth u. Grimaux, Ann. 143, pag. 79. 7) Lunge u. Petii,
Ber. 1877^ pag. 127$. 8) LmPRiCHT, Ann. 139, pag. 307. 9) van DoRP, Ber. 1872, pag. 107a
10) ZiscKK, Ber. 1874, pag. 276. 11) Cannizzaro, u. Rossi, Ann. 121, pag. 250. 12) Aron-
HKM^ Ber. 1875, pag. 1406. 13) Zincke, Ber. 1869, pag. 739. 14) Perkin und Hodgkinson,
Chem. soc, J. 1880, pag. 721. 15) Zincke, Ann. 159, pag. 367, Ber. 1871, pag, 298, 510; 1873,
pag. 119; 1S76, pag. 31. 16) Paterno, Ber. 1872, pag. 288. 17) Paterno u. Spica, Ber. 1877,
pAg- ^94' t8) Aronheim, Ber. 1872, pag. 1068. 19) Köhler u. Aronheim, Ber. 1875, P^* S^*
20) L. Seskmann, Ber. 1873, pag- 1085; ^^77, pag. 758. 21) Neuhof, Ann. 146, pag. 319.
aa) Bk[t/?tew u. Kuhlberg, Ann. 147, pag. 339. 23) Jackson u. Field, Ber. 1878, pag. 904.
Ainer. chcni^ J. 2, pag. 94. 24) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 146, pag. 317. 25) Dieselben.
Ann* 150, pag. 290. 26) Paterno u. Mazzara, Ber. 1878, pag. 1384. 27) Grimaux, Ann. 145«
pag. 47. 28) Strakosch, Ber. 1873, pag. 1056. 29) Wachendorff, Ann. 185, pag. 259.
50) STRAKckSCH, Ber. 1873, pag. 328. 31) Kekul^, Ann. 137, pag. 188. 32) Beilstein, Ann.
»43p P^g. 369. 33) Lauth und Grimaux, Zeitschr. Chem. 1867, pag. 378. 34) Jackson und
LfiwtJiv, Btr. 1875, pag. 1672. 35) Jackson, Ber. 1876, pag. 931. 36) Jackson und WHrrE,
Ber. 18S0, pag. I2l8. Amer. chem. J. 2, pag. 316. 37) Dies., Ber. 1879, pag- 1965. 38) Die*;.,
Amet. CUenK J. 2, pag. 391. 39) Mabery u. Jackson, Ber. 1878, pag. 55; 1881, pag. 995.
Amer. ehem. J. i, pag. 103; 2, pag. 250. 40) Wachendorff, Ber. 1876, pag. 1345. 41) Gukun«
Hand b. VI., pag. 38. 42) Lieben, Joum. pr. Ch. 107, pag. 119. 43) V. Meyer, Ber. 1877;
pag. 311. 44) Cannizzaro, Ann. 90, pag. 252; 92, pag. 113. 45) Friedel, Bull. soc. chün. 1862,
pag. Ig. 46) Herrmann, Ann. 132, pag. 75. 47) Lippmann, Ann. 137, pag. 252. 48) Nieoerist,
Ann. tgfj, pag. 349. 49) Fremy, Ann. 30, pag. 328. 50) Laubenheimer, Ann. 164, pag. 289.
51) Tjlckn» Pharm. J. Trans. (3) 5, pag. 761. 52) R. Meyer, Ber. 1881, pag. 2394. 53) Kach-
BcDzylverbindungen. 229
den einwerthigen Toluolrest C^Hg -CHg — • Die Benzylverbindungen sind danach
als Derivate des Toluols zu betrachten, welche sich von diesem durch Vertretung
eines WasserstofFatoms seiner Seitenkette ableiten. Einige derselben, wie das
Benzylchlorid und Benzylbromid, lassen sich durch direkte Substitution aus dem
Toluol gewinnen und bilden das gewöhnlichste Ausgangsniaterial für die Dar-
stellung der übrigen Benzylverbindungen.
Die Benzyläther der Benzoesäure und der Zimmtsäure kommem fertig vor im
Penibalsam (i), und im Tolubalsam (2), derjenige der Zimmtsäure neben dem
Styracin anscheinend auch im Storax (50).
Aus der angegebenen Beziehung der Benzylverbindungen zum Toluol ergiebt
sich, dass sie isomer sind mit denjenigen Toluolderivaten, die sich durch die
LER, Ber. 1869, pag. 512. 54) Kopp, Ann. 94, pag. 311. 55) Brühl, Ber. 1879, pag. 2142.
56) Graebe, Ber. 1875, P^- ^^SS' 57) Councler, Ber. 1877, pag. 1657;, 1879, pag. 133.
58) Meyer u. Wurster, Ber. 1873, pag. 963. 59) Paterno u. FmEXt, Ber. 1876, pag. 81.
60) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 152, pag. 224. 61) Jackson u. Lowery, Ber. 1877,
pag. 1209. 62) jAFFi, Zeitschr. physiol. Chem. 2, pag. 55. 63) Cahours, Compt. rend. 80,
lag. 1317; 81, pag. 1163. 64) SiNTENis, Ann. 161, pag. 329. 65) Canizzaro, Jahresber. 1856,
pag. 581. 66) Paterno, Ber. 1872, pag. 288. 68) Naquet, Ann. Suppl. 2, pag. 248. 68) Neu-
hof, Ann. 147, pag. 344. 69) Lauth u. Grimaüx, Ann. 143, pag. 81. 70) Stadel, Ber. 1881,
pag. 898. 71) Cannizzaro, Ann. 92, pag. 115. 72) Jackson, Jahresber. 1880, pag. 480.
73) Brunner, Ber. 1876, pag. 1745. 74) Orth, Ber. 1882, pag. 1136. 75) Conrad u. Hodg-
HNSON, Ann. 193, pag. 298. 76) Hodgkinson, Chem. soc. J. 1878 [i], pag. 495; Ann. 201,
pag. 168. 77) Cahours u. Demarqay, Compt. rend. 83, pag. 688. 78) Cannizzaro, Ber. 1870,
pag. 517; 1871, pag. 412. 79) Campisi u. Amato, Ber. 1871, pag. 412. 80) Wallach u.
LtEBMANN, Ber. 1880, pag. 507. 81) Leits, Ber. 1872, pag. 90. 82) Strakosch, Ber. 1872,
pag. 692. 83) Del Zanna u. Guareschi, Gazz. chim. ital. 1881, pag. 255. 84) CLAessoN
u. Lundvall, Ber. i88o, pag. 1703. Henry, Ber. 1869, pag. 637. 86) Barbagija, Ber. 1872,
pag. 689. 87) Jackson, Ann. 179, pag. 8. 88) Piria, Ann. 56, pag. 37. 89) Moitessier,
Jahresber. 1866, pag. 676, 677. 90) Beilstein u. Reinecke, Ann. 128, pag. 179. 91) Greene,
Compt rend. 90, pag. 40. 92) Beilstein u. Seelheim, Ann. 117, pag. 83. 93) Nencki, Arch.
f. Anat. u. PhysioL 1870, pag. 399. 94) Cannizzaro u. Körner, Ber. 1872, pag. 436.
95) van der Velden, Joum. pr. Ch. [2] 15, pag. 163. 96) Tiemann u. Will, Ber. x88i,
pag. 969. 97) Herzfkld, Ber. 1877, P^* 1267. 98) Bernheimer, Monatsh. f. Ch. i, pag. 456.
99) Bötsch, Ebend. i, pag. 621. 100) Dennstfj>t, Ber. 1878, pag. 2265. loi) Schiff,
Ber. 1881, pag. 304. 102) Kraut, Ann. 156, pag. 123. 103) Gerhardt, Ann. chim. phys. [3] 7,
pag. 215. 104) GiACOSA, Joum. pr, Ch. [2] 21, pag. 221. 105) Cannizzaro u. Bertagnini,
Ann. 98, pag. 188. 106) Cannizzaro, Ann. 134, pag. 128. 107) Ders., Ann. Suppl. IV, pag. 24, 80.
108) Limpricht, Ann. 144, pag. 304. 109) Mendius, Ann. 121, pag. 144. 11 o) Hofmann,
Ber. 1868, pag. 102. iii) Rudolph, Ber. 1879, pag. 1297. 112) Berlin, Ann. 151, pag. 137.
113) Brunner, Ann. 151, pag. 133. 114) Rohde, Ann. 151, pag. 366. 115) Panebianco,
Garz. chim. ital. 8, pag. 354. 116) Ladenburg u. Struve, Ber. 1877, pag. 43. ir7) v. Meyer,
Bei. 1877, pag. 309. 118) Ladenburg, Ber. 1877, pag. 561, X153, 1634. 119) v. Meyer,
Ber. 1877, pag- 9^4> ^291. 120) Wyss, Ber. 1877, pag. 1368. 121) Fleischer, Ann. 138,
pag. 225. 122) Bfrnthsen u. Tromtetter, Ber. 1878, pag. 1760. I23)Michler u. Gradmann,
Ber. 1876, pag. 1915; 1877, pag. 2078. 124) Willm u. Girard, Ber. 1875, pag. 1196.
125) Meldola, Ber. 1881, pag. 1385. 126) Witt, Ber. 1877, pag. 657. 127) Vasca-Lanza,
Ber. 1874, pag' 82. 128) Tiemann u. Friedländer, Ber. 1881, pag. 1969. 129) Cannizzaro,
Gazi. chim. ital. 1871, pag. 41. 130) Paterno u. Spica, Ebend. 1875, pag. 388. 131) Cam-
pisi u. Amato, Ebend. 187 1, pag. 39. 132) Spica, Ebend. 1877, pag. 90. 133) Hofmann,
Ber. 1872, pag. 100; 1873. pag. 302. 134) Ders., Ann. Suppl. L, pag. 323. 135) Cannizzaro,
-^o- I37f pag- 244. 136) Ders., Ann. 117, pag. 238. 137) Gabriel, Ber. 1869, pag. 1641.
138) Gabriel u. Borgmann, Ber. 1883, pag. 2064.
r/"?.;-'..xv
1
t$o . Handwörterbuch der Chemie.
entsprechende Vertretung eines Wasserstoffatoms im Benzolrest von demToluol
ableiten. Isomer sind z. B. Benzylchlorid C^Hj-CHjCl und die MonocWor-
toluole CßH^Cl-CHg, Benzylalkohol CgHs-CH^OH und die Kresole
CeH4(OH).CH3, Benzylamin CßHft.CHjNHa und die Toluidine C6H4(NH,>
CH„ Benzylsulfosäure CeHj.CHa-SOjH und die Toluolsulfosäuren C6H4(SO,H).
CH3.
Benzylchlorid, CgHg'CHjCl. Zuerst von Cannizzaro (3) 1853 durch
Einleiten von Salzsäuregas in aus Bittermandelöl gewonnenen Benzylalkohol,
später auch durch Behandeln von siedendem Toluol mit Chlor (4) dargestellt.
Gewinnung. Man leitet einen raschen Chlorstrom in die Dämpfe von Toluol, welches
an einem RtickflusskUhler im Sieden erhalten wird, und reinigt das entstandene Benzylchlorid von
unverändertem Toluol und von chlorreicheren Produkten durch fractionirte Destillation (4 — 6).
Die Temperatur ist bestimmend ftir die Art der Einwirkung des Chlors auf
das Toluol. Während in Siedhitze Benzylchlorid entsteht, bildet sich in der
Kälte, namentlich bei Anwesenheit von Jod, als erstes Substitutionsprodukt das
damit isomere Monochlortoluol. (Parachlortoluol mit etwas Orthochlortoluol.)
Das Benzylchlorid ist eine farblose, stark lichtbrechende, stechend riechende,
mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeit. Spec. Gew. = 1107 bei 14° (Limpricht).
Siedep. 176°.
In seinem chemischen Verhalten unterscheidet sich das Benzylchlorid von
den isomeren Monochlortoluolen sehr wesentlich dadurch, dass sein Chloratom
sich sehr leicht gegen andere Atome oder Atomgruppen austauschen lässt. Schon
durch anhaltendes Kochen mit Wasser, leichter durch Erhitzen mit Kalilauge,
wird Benzylalkohol gebildet.
Erhitzen des Benzylchlorids mit den Salzen der meisten Säuren fuhrt zu den
Benzylestern der letzteren. Mit Alkoholaten oder Phenolaten entstehen die ent-
sprechenden gemischten Benzyläther, wie Aethylbenzyläther, Phenylbenzyläther,
mit alkoholischem Ammoniak die Benzylamine, mit alkoholischen Losungen von
Kaliumsulfid oder Kaliumsulfhydrat Benzylsulfid oder Benzylsulfhydrat, beim Er-
hitzen mit Cyankalium Benzylcyanid (das Nitril der Phenylessigsäure). —
Durch Oxydation des Benzylchlorids mit verdünnter Salpetersäure werden
Benzaldehyd und Benzoesäure gebildet (6, 7). Ersteren erhält man reichlicher
bei Anwendung von salpetersaurem Blei als Oxydationsmittel (6). Durch Chrom-
säure wird Benzoesäure erzeugt (5).
Die Einwirkung von Chlor in der Kälte, namentlich bei Gegenwart von Jod,
fiihrt zu Substitutionsprodukten des Benzylchlorids, wie CgHiCl-CHjCl, während
bei Siedhitze das Chlor in die schon chlorhaltige Seitenkette tritt und zunächst
Benzalchlorid CeH.,.CHCl, bildet (5).
Durch concentrirte Jodwasserstoffsäure wird das Benzylchlorid bei 140° zu
Toluol reducirt.
Bei manchen Reactionen werden aus dem Benzylchlorid unter Abspaltung
von Salzsäure oder Austritt von Chlor Condensadonsprodukte gebildet Wird
z. B. Benzylchlorid mit Wasser in zugeschmolzenen Röhren auf 200° erhitzt und
das Produkt destillirt, so erhält man neben kleinen Mengen von Benzyläther,
Benzaldehyd und Anthrachinon wesentlich Anthracen (8) und Benzyltoluol (9).
Diese beiden Verbindungen entstehen erst bei der Destillation des Rohprodukts,
und zwar das Benzyltoluol durch Zersetzung eines zunächst entstandenen Chlorids
C,4HiaCl(= 2C7H,C1 - HCl) (10).
Durch Einwirkung von Natrium auf Benzylchlorid entsteht Dibenzyl (11).
Beneyl Verbindungen. ^31
m
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Beim Erhitzen mit einprocentigem Natriumamalgam auf 110 — 120° liefert
das Benzylchlorid unter lebhafter Salzsäureentwicklung kleine Mengen von
Stilben (12). Beim Erhitzen mit feinvertheiltem Kupfer oder Silber entsteht
unter stürmischer Entwicklung von Salzsäure ein fester, harzartiger Kohlenwasser-
stoflF von der Zusammensetzung (C7H6)n (13). Aluminiumchlorid wirkt in der
Hitze heftig auf Benzylchlorid ein, wobei Toluol und Anthracen entstehen (14).
Bei seiner grossen Reactionsfähigkeit ist das Benzylchlorid ein werthvolles Material >^
für die Synthese zahlreicher complicirterer Benzolderivate.
Wird es mit Benzolkohlenwasserstoffen und Zinkstaub erhitzt, so tritt die
Benzylgruppe ein- oder mehrmals für je ein WasserstofFatom in den Kohlen-
wasserstoff ein. Bei Anwendung von Benzol erhält man Benzylbenzol (Diphenyl-
methan) und Dibenzylbenzole (15), aus Toluol Benzyltoluol u. s. w. In gleicher
Weise, wie in jene Kohlenwasserstoffe lässt sich das Benzyl in andere aromatische
Verbindungen einführen. So entsteht Benzylphenol, C6H5-CHj-CßH4-OH (16),
wenn Benzylchlorid mit Phenol und Zinkstaub erhitzt, Benzylkresol (26) oder
Benzylanisol (16), wenn anstatt des Phenols ein Kresol oder Anisol angewandt
wird.
Mit Zinkäthyl liefert das Benzylchlorid Normalpropylbenzol (17), mit Allyl-
jodid und Natrium Phenylbutylen (18), mit Amylbromid und Natrium Capryl-
benzol (18), mit Isopropyljodid und Natrium Isobutylbenzol (19), mit den
Natracetessigestern Benzylessigsäure(Hydrozimmtsäure) undDibenzylessigsäure (20).
Chlorsubstitutionsprodukte des Benzylchlorids können entweder
durch Einwirkung von Chlor auf kaltes, mit Jod versetztes Benzylchlorid, oder
durch Behandlung der betreffenden gechlorten Toluole mit Chlor in Siedhitze
gewonnen werden. Sie sind isomer mit den höheren Chlortoluolen.
Von den möglichen drei Monochlorbenzylchloridcn wurde das Parachlorbcnzylchlorid,
1 4
CjH^a-CHja, (21—23), von Jackson und Field (23) durch Chloriren von Parachlortoluol
bei 160® in reinem Zustande dargestellt. Farblose, glänzende Nadeln oder Prismen, unlöslich
in Wasser, leicht löslich in warmem, weniger in kaltem Alkohol, sehr leicht in Aether, Benzol,
SchwcfelkohlenstofT und Eisessig. Schmp. 29'^. Siedep. 213 — 214^ (21). Schon bei gewöhn-
licher Temperatur sublimirend, von angenehm aromatischem Geruch, aber äusserst heftiger Ein-
wirkung auf die Schleimhäute. Wie bei den chlorreicheren Substitntionsprodukten des Benzyl-
chlorids zeigen die Chloratome der Verbindung die ihrer verschiedenen Stellung entsprechende,
verschiedene Reaktionsfähigkeit Beim Kochen mit Wasser entsteht Parachlorbenzylalkohol (23),
durch Oxydation Parachlorbenzoesäure (22).
3*4 1
m-p-Dichlorbenzylchlorid, C^HjCl^-CHjCl- (24). Durch Chloriren von m-p-Dichlor-
toluol in der Hitzj, sowie durch Einwirkung von Chlor auf jodhaltiges Benzylchlorid in der
Kälte dargesteUt, flüssig. Siedep. 24 1^.
Trichlorbenzylchlorid, C^Hj^Clj-CHjCl (25), entsteht durch Chloriren von Trichlor-
toluol in der Hitze. Flüssig. Spec. Gew. 1.547 bei 23° Siedep. 273°
Tctrachlorbenzylchlorid, CgHCl^-CHjCl (25). Ebenso aus Tetrachlortoluol ge-
wonnen. Flüssig. Spec. Gew. 1-634 bei 25°. Siedep. 296®.
Pcntachlorbenzylchlorid, Cga^-CHja (25), erhält man durch Chloriren von
siedendem Pentachlortoluol, oder zweckmässiger, indem man Benzylchlorid anfangs in der
Kälte bei Gegenwart von Jod, später in der Wärme bei Gegenwart von AntimonchlorUr mit
Chlor behandelt. Feine, weisse Krystallnadeln, schwer löslich in siedendem, unlöslich in kaltem
Weingeist Schmp. 108**. Siedep. 325—327°.
p-Nitrobcnzylchlorid, C5H4(NO,).CHaa, entsteht neben einer flüssigen Verbindung
beim Eintragen von Benzylchlorid in rauchende Salpetersäure (5, 27), welche zweckmässig auf
— 15^ abgekühlt wird (28). Die durch Eingiessen in Wasser ausgeschiedene breiförmige
r
1
«5» Handwörterbuch der Chemie.
Masse wird au^irepresst und der feste Antheil aus Alkohol krystallisirt. Die Verbindung bildet
sich auch beim Einleiten von Chlor in p-Nitrotoluol bei 185 — 190*^ (29). Feine Nadeln od«
ptfflmutterglHnicnde Blättchen. Schmp. 71^. Chromsäure oxydirt die Verbindung zu Paranitro-
bcnioe säure (5). Kalilauge spaltet Salzsäure ab und bildet Dinitrostilben (30).
1 s
iH'Nitrobenzylchlorid, CgH^(N03)«CH2Cl. Durch Einwirkung von Phosphorpenta-
düprid auf in-Nitrobenzylalkohol erhalten. Lange, hellgelbe Nadeln, bei 45 — 47** schmelzend
uad unter eLncni Druck von 30 — 35 Millim. zwischen 173 und 183® siedend (138).
1 3
o-Nitrobcnzylchlorid, C6H4(N02)'CH3C1. Ebenso aus o-Nitrobenzylalkohol gc-
litniiicn- Efi krystallisirt aus Petroleumäther in derben, gelblichen Krystallen, die bei 48—49^
sdiinelzcTi (13S).
Benzylbromid, CgHj'CHjBr. Es entsteht beim Sättigen von Benzylalkobol
mit Brom Wasserstoff (31), sowie bei der Einwirkung von Brom auf siedendes oder
dampfförtniges Toluol (^^, 32). An der Luft rauchende Flüssigkeit, deren Dämpfe
äusserst stark zu Thränen reizen. Spec. Gew. 1'4380 bei 22°. Siedep. 198 bis
199°. Das Benzylbromid geht ebenso leicht, oder noch leichter Zersetzungen
ein, wie das Chlorid.
p-Chiorbcnzylbromid, CgH^Cl'CHjBr (23). Aus p-Chlortoluol durch Bromiren in
der Hitic dargestellt. Dem p-Chlorbenzylchlorid sehr ähnlich. Schmp. 48*5°.
P'Brombi^nzylbromid, CgH^Br-CH^Br (34, 35). Durch Bromiren von siedendem
p-BTt)mtoluol gewonnen. Krystallisirt aus Alkohol in Nadeln, aus Orthobrombensylbromid in
grosäftif rham bischen Prismen. Mit Wasserdampf destillirbar. Geruch angenehm aromatisch,
aber die Schleimhäute stark angreifend. Schmp. 61**.
m-Brombenrylbromid, CgHjBr-CHjBr (35). In entsprechender Weise aus Meta-
bromtoliiol dart^eptellt, aber nur in sehr geringer Ausbeute erhalten. Blätter oder flache Nadeb.
Schinp. 41 '^ Ziemlich leicht in kaltem, reichlicher in heissem Alkohol, leicht in Aether,
Scbwflelknhlensioff und Eisessig löslich. Mit Aetherdampf sehr leicht flüchtig, weniger leicht
mit AlkolioJ-t schwer mit Wasserdampf. Chromsäuremischung greift die Verbindung nicht an,
oxydirt aber tlcn daraus zu gewinnenden Alkohol zu Metabrombenzoesäure.
1 3
o-Brombcnzylbromid, CgH^Br-CHjBr (35, 36), ensteht nur langsam und schwierig
hctm Brom Ire ti des o-Bromtoluols in Siedhitze. Die zunächst fltlssige Verbindung krystallistTt,
nachdem liie <liirch Destillation im Bromwasserstoflstrom gereinigt ist, beim Abkühlen in
rhombischen Tafeln, die bei 30® schmelzen (36). Nicht unzersetzt siedend, aber mit Wasser-
dampf destill irbnr, Chromsäuremischung greift die Verbindung nicht an. Der aus letzterer dargestellte
Alkohol wird durch Chromsäure zerstört (35), durch Einwirkung von Natrium auf eine ätherische
Lösung des O'ßrombenzylbromids entsteht wesentlich Anthracen (3?), neben etwas Phenantiiren,
Diben^ylj Ditolyl etc. (38).
p-Jodbenzylbromid, CgH^J-CH^Br (39). Durch Bromiren von p-Jodtoluol bei 115
bis 150^ erhalten. Aus Alkohol in flachen Nadeln krystallisirbar, in kaltem Alkohol sehr schwer
löslich. Schmp. 78*75°. In Nadeln sublimirbar.
1 3
TTi-Njtrobcnzylbromid, CgH^(N0j)«CH3Br (40, 29), entsteht beim Erhitzen von
m-Nitrotoluol mit der berechneten Menge Brom in geschlossenen Röhren auf 120 — 130**. Aus
hetsftem Alkohol In feinen Nadeln oder Blättchen krystallisirbar. Schmp. 57 — 58®.
1 4
p-Niirqbetizylbromid, C6H4(NOj)'CH2Br (29). Auf gleiche Weise aus p-Nitrotolttol
ürhaJten. Es krystallisirt aus heissem Alkohol in seideglänzenden, verfilzten Nadeln. Schmelz-
l*unkt 99^100*^.
B en z y 1 j o di d , CgHg • CHgJ. Eine Benzyljodid enthaltende Flüssigkeit gewann
Can^nizzaro durch Eintragen von Jod in eine Lösung von Benzylalkobol und
Phosphor in Schwefelkohlenstoff und Abdestilliren des letzteren (41). Rein er-
hält man das Jodid durch wochenlange Einwirkung von Jodwasserstofisäure
:'v^-m
Bcnzylverbindungen. 233
(Spcc. Gew. 1-96) auf Benzylchlorid im Dunkeln bei gewöhnlicher Temperatur (42).
Es lässt sich auch durch Jodkalium aus Benzylchlorid gewinnen (43). — Farblose,
bei 24*1<> schmelzende Krystallmasse, unlöslich in Wasser, löslich in Aether,
wenig in Alkohol und Schwefelkohlenstoff von 0®. Geruch sehr stark zu Thränen
reizend. Die geschmolzene Verbindung hat bei 25° das Spec. Gew. 1-7335. Bei
weiterem Erhitzen färbt sie sich roth und zersetzt sich bei beginnendem Sieden
(circa 240**) vollständig in Jod, Jodwasserstoff, einen dem Toluol ähnlichen
Kohlenwasserstoff und einen schwarzen, schmierigen Rückstand. (Für Benzyl-
jodid, welches durch Einwirkung von Methyljodid auf Benzylsulfid erhalten war,
bestimmte Cahours (63) den Siedepunkt zu 218— 220<>.)
Benzylalkohol, C^Hj-CHa-OH. Einfachster aromatischer Alkohol. Isomer
mit den Kresolen und dem Anisol. In unreinem Zustande schon von Fremy
(49) aus Perubalsam dargestellt und als »Peruvin« bezeichnet. Rein zuerst von
Cannizzaro 1853 aus dem Benzaldehyd durch Einwirkung von alkoholischer
Kalilauge, (2C6H5.CHO -+- KOH = CgHs-CH^-OH -+- C6H5.CO2K) (3, 44),
später auch durch Ueberfiihrung des aus Toluol bereiteten Benzylchlorids in den
Essigester und Verseifung des letzteren gewonnen (4).
Der Alkohol entsteht auch durch Einwirkung von Natriumamalgam und
Wasser auf Benzaldehyd (45) oder auf Benzoesäure (46), beim Behandeln von
Benzoylchlorid mit Natriumamalgam und Salzsäuregas (47), beim Erhitzen von
Benzylchlorid mit Wasser (48) oder mit Wasser und Bleihydroxyd (6).
Kleine Mengen von freiem Benzylalkohol sollen neben seinem Benzoesäure-
und Zimmtsäureester im Perubalsam und im Tolubalsam vorkommen (2). Tilden
(51) hält eine im Kirschlorbeeröl gefundene Substanz für Benzylalkohol.
Darstellung. 1. Benzylchlorid wird etwa 24 Stunden lang mit der 20— 25 fachen Menge
Wasser am RückfiusskUhler gekocht Man erhält ungefähr 76^ der theoretischen Ausbeute (48).
2. 10 Thle. Benzaldehyd werden in einem Stöpselcylinder mit einer Lösung von 9 Thln.
Kaliumhydroxyd in 6 Thln. Wasser bis zur bleibenden Emulsion geschüttelt und die Mischung
12 Stunden stehen gelassen. Sic erstarrt zu einem Krystallbrei von benzoesaurem Kalium. Man
▼erdttnnt zur klaren Lösung, schüttelt mit Aether aus, destillirt den Aether ab und rektiftcirt
den Benzylalkohol (52).
3. Penibalsam wird mit dem doppelten Volumen Kalilauge vom spec. Gew. 1*2 stark ge-
schüttelt, die emulsionartige Flüssigkeit mit Aether erschöpft und der Aether abdestillirt. Das
zurückbleibende gelbliche Oel erhitzt man mit dem 4 fachen Volumen wässriger Kalilauge vom
Spec Gew. 1'3 bis eine klare Lösung entstanden ist. Diese erstarrt beim Erkalten zu einem
weichen Brei von zimmtsaurem und benzoesaurem Kalium. Die Salze werden zwischen Lein-
wand ausgepresst Die abgelaufene Flüssigkeit destillirt man, so lange das Destillat noch milchig
ist, trennt den sich absetzenden Benzylalkohol von der wässrigen Flüssigkeit und entzieht dieser
die letzten Antheile desselben mittelst Aether (53).
Farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit von schwachem, angenehm
aromatischem Geruch, mit Alkohol, Aether etc. in allen Verhältnissen mischbar,
bei 17*^ in 25 Thln. Wasser löslich (52). Spec. Gew. 1-0628 bei 0°, 10507 bei
15*4° (54). Siedep. 204 *> (corrig.) (44, 52). Das Ausdehnungsvermögen ist von
Kopp (54), die Molecularrefraction von Brühl (55) bestimmt worden.
Durch verdünnte Salpetersäure, beim Kochen mit salpetersaurem Blei und
Wasser, sowie bei Gegenwart von Platinmohr schon durch den atmosphärischen
Sauerstoff wird der Benzylalkohol zu Benzaldehyd, durch Chromsäure zu Benzoe-
säure oxydirt. Durch Erhitzen mit Jodwasserstoff und Phosphor auf 140^
wird er in Toluol übergeführt (56). Bei der Destillation mit starker alkoho-
lischer Kalilauge entstehen Toluol und Benzoesäure: SCßHg-CHj-OH-H KOH
r I
^34 Handwörterbuch der Chemie. |
= ^CgH^^CHg -h CßHft-COaK -+- SH^O (44). Wasserentziehende Mittel bilden
bei gemässigter Einwirkung Benzyläther; bei intensiverer Einwirkung fiihren die-
selben (z. B. Schwefelsäure oder in der Wärme Zinkchlorid, Phosphorsäure-
anhydrid, Borfluorid) zur Bildung eines harzartigen Kohlenwasserstoffe, (C7Hß)n(44).
Beim Einleiten von Borchlorid in Benzylalkohol entstehen unter lebhafter
Salis5äureentwicklung Benzylchlorid und Dibenzyl (57).
Auf ein Gemisch von Benzylalkohol und Benzol einwirkend erzeugt mit Eis-
essig verdünnte Schwefelsäure Diphenylmethan (58). Bei Anwendung von
Phenul anstatt des Benzols resultirt in geringer Menge ein Phenol des Diphenyl-
melhans (59).
p-Chlorbenzylalkohol, CgH^Cl-CHj-OH. p - Chlorbenzylacctat, aus dem p-Chloi-
Innzylchlnrid mittelst alkoholischer I,ösung von essigsaurem Kalium dargestellt, wird mit
Ammr\nbk auf 160*^ erhitzt (22) oder p-Chlorbenzylchlorid (resp. -bromid) mit Wasser am Rück-
flusskühk'r erhitzt (23). Schwer löslich in heissem Wasser, fast gar nicht in kaltem, sehr leicht
in Alkohtd und Aether. Aus heissem Wasser scheidet sich die Verbindung in langen, spiessigen
Kry&tallen aus. Schmp. 70*5®. Unzersctzt siedend.
m-fi-Dichlorbenzylalkohol, CgHjClj-CHj «O H. Aus dem Dichlorbenzylacetat durch
Erliitzen mit Ammoniak auf 180" dargestellt (22). Schwer löslich in heissem Wasser, daraus
in ^iüjileglänzenden Nadeln krystallisirend. Schmp. 77".
Triehlorbenzylalkohol, CgHoClj • CHg »OH (60), entsteht direkt beim Erhitren von
Trichtnrlptnzylchlorid mit einer weingeistigen Lösung von essigsaurem Kalium auf 150 — 160**.
In *iiedt:tidcm Wasser schwer lösliche Krystalle.
Ti^irachlorbenzylalkohol, CgHCl^«CHjj«OH (60), wurde auf gleiche Weise aus dem
Tcirachlorbenzylchlorid bei 180" erhalten. Aus Weingeist oder siedendem Wasser krystallisirbar.
l\*n(achlorbcnzylalkohol, CgCl^-CHj'OH (60), in derselben Weise aus dem Penta-
chlorbeniLyJ Chlorid bei 200" gewonnen, krystallisirt aus einem Gemisch von Benzol und Alkohol
in kmen^ kurzen Nadeln, die bei 193" schmelzen und selbst in siedendem Alkohol nur wenig
iOsUch sind* Durch Chromsäuremischung wird er verbrannt.
1 2
o-Brombenzylalkohol, CgH^Br-CH^-OH (61), durch Kochen von Orthobrombenzyl-
bn^mid nni Wasser dargestellt, krystallisirt aus heissem Wasser in flachen Nadeln. Mit Wasscr-
dümprcn kicht flüchtig. Schmp. 80".
1 4
p-Brom benzylalkohol, CgH^Br« CHj'OII, wurde durch Erhitzen von Parabrombcnzyl-
atütai mit Ammoniak auf 150'\ besser durch tagelangcs Kochen von Parabrombenzylbromid mit
Wasser tltT rgestellt Lange, flache Nadeln, bei 77" schmelzend (72), wenig in kaltem, leichter in
siicttcndL-n; Wasser, sehr leicht in Alkohol und Aether löslich. Mit AVasscrdämpfcn schwer
llUchtig.
I 4
Jj-Jodbenzylalkohol, CgH^J'Cfl^'^^^ (39)> wurde nach den bei der vorigen Verbiodung
angtfgchentn beiden Methoden aus p-Jodbenzylbromid dargestellt. Es krystallisirt aus Schwefel-
kohkn<!tonr in seideglänzenden Schuppen. Leicht löslich in Alkohol, Aether, Benzol, wenig in
Wft£scr> Schmp. 71*8".
1 2
o-Nitrobenzylalkohol, CgH^(N02)-CH./0H (62). Diese Verbindung entsteht beim
Kochen der nach Genuss von o-Nitrotoluol im Hundeharn enthaltenen »Uronitrotoluolsäure«,
(C^ j,Ffj jNOg), mit verdünnter Schwefelsäure. Lange, feine Nadeln, bei 74" schmelzend, bei
vorsichtigem Krhitzcn unzersctzt flüchtig, leicht löslich in Alkohol und Aether, ziemlich schwer
Ui kaltem Wasser. Bei der Oxydation durch Chromsäure entsteht o-Nitrobenzoesäure, bei der
Destillation mit Kalilauge o-Nitrotoluol und o-Azoxybenzoesäure. VergL (138).
m-Nitrobenzylalkohol, CgH4(N02)'CH2*OH (27), wurde anscheinend in unreinem
Zustande von Grimaux beim Erhitzen von m-Nitrobenzaldehyd mit alkoholischer Kalilauge er-
halten und als ein nicht krystallisirbares, nur unter sehr vermindertem Druck unzersetzt destillir-
h^TV's Od beschrieben. Vergl. (138).
BeDzylverbindungen. 235
p-NitTobcnzylalkohol, C6H4(NO.^)-CH./OH (22), entsteht beim Erhitzen des p-Nitro-
benzylacetats mit wässrigem Ammoniak auf 100®. Wenig in kaltem, leicht in heissem Wasser
loslich und daraus in feinen, farblosen, am Licht gelb werdenden Nadeln krystallisirend.
Schmp. 930 [91** (70)].
Methylbenzyläther, CgHj-CHa-OCHjj, bikiet sich beim Erwärmen von
Bcnzylchlorid mit Methylalkohol und Kaliumhydroxyd (64), sowie beim Erhitzen
von Methylsulfid mit Benzylbromid und Benzylalkohol (63). Siedep. 167 — 168°
(64). Spec. Gew. 0-938— 0-987 bei 19—20° (63). Chlor erzeugt in der Kälte
Methylchlorid und Benzaldehyd.
Aethylbenzyläther, C6H5-CH3-OC2H5. Durch Kochen von Benzyl-
chlorid mit alkoholischer Kalilauge erhalten. Leicht bewegliche, auf Wasser
schwimmende Flüssigkeit von angenehmem Geruch. Siedep. 185° (65). Durch
Einwirkung von Chlor entstehen in der Kälte Salzsäure, Aethylchlorid und Benzal-
dehyd, in höherer Temperatur Aethylchlorid und Benzoylchlorid , in der Kälte
bei Gegenwart von Jod: Aethyljodid und Aldehyde gechlorter Benzoesäuren (64).
Brom erzeugt in der Kälte BromwasserstofF, Aethylbromid, Benzaldehyd, Benzyl-
bromid und Benzoylbromid (66).
p-Chlorbenzyläthyläther, C5H4Cl-CH.^*OCjU5, wurde erhalten beim Kochen von
p-Chlorbenzylchlorid (67, 21,64) oder von p-Chlorbenzylacetat (68) mit. alkoholischer Kalilauge.
Siedep. 215 — 218**. Chlor erzeugt in der Kälte Parachlorbenzaldchyd, in der Hitze Parachlor-
beozoylchlorid (64). '
Benzylphenyläther, CgH^-CHj-OCeHj, entsteht beim Erhitzen von
Bcnzylchlorid mit Phenolkalium und Alkohol auf lOO'^ (69). Perlmutterglänzende
Schuppen. Schmp. 38—39**. Siedep. 286—287'* (uncorrig.) (64). Durch con-
centrirte Chlor- oder Brom wasserstoffsäure wird der Aether bei 100** in Phenol
und Benzylchlorid oder -bromid zerlegt. Chlor und Brom erzeugen schon in der
Kälte neben Benzylchlorid oder Benzylbromid Substitutionsprodukte des Phenols.
Ebenso entsteht durch Jod Jodphenol. Bei Gegenwart von frisch gefälltem Queck-
silberoxyd wirken hingegen Chlor und Brom ohne Spaltung des Aethers substi-
tuirend auf denselben. Es entstehen:
Benzylmonochlorphenyläther, CgHj-CHj-OCßH^Cl (64), farblose Nadeln, bei
70 — 71® schmelzend, und
Benzylmonobromphenyläther, CgHj'CHj« OCgH^Br (64). Lange Nadeln, die bei
59—59-5** schmelzen.
Trinitrobcnzylphenyläther, CgH4(NOj)-CH20CfiH3(NOj)(N02) (70). Product der
Einwirkung von concentrirter Salpetersäure (Spec-Gew. 1*5) auf kalten Benzylphenyläther.
Schmp. 198**. Giebt mit alkoholischem Ammoniak schon in niederer Temperatur p-Nitrobenryl-
alkohol und a-Dinitranilin.
Auf dieselbe Weise wie die beschriebenen analogen Verbindungen wurden
noch dargestellt:
Benzyl-o-kresyläther, CH.^-C6H4-0-CH2«C6H5 (70), farbloses, allmählich
gelb werdendes, dicküüssiges Oel von lauchartigem Geruch. Siedep. 285 — 290^*.
Trinitrobenzyl-o-kresyläther, CH,-CgH2(Nb2)(NO,.)-6-CII/C6H4(Nb3). (70).
Schmp. 145**. Giebt mit alkoholischem Ammoniak p-Nitrobcnzylalkohol und ein bei 208**
schmelzendes Dinitrotoluidin.
Benzyl-p-kresyläther, CH3.Cf,H4-6-CH2C6H5 (70). Krystallisirt aus
Alkohol in seideglänzenden Blättchen oder in durchsichtigen, sechsseitigen Säulen.
Schmp. 41**. Concentrirte Salpetersäure erzeugt kein einfaches Substitutions-
produkt, sondern Dinitro-p-kresol und p-Nitrobenzylnitrat.
13& Handwörterbuch der Qiemic.
Benzylätbefj C6H5-CH2-0-CH2-C6H5. Von Cannizzaro (71) durch
Erhitzen von Benzylalkohol mit Borsäureanhydrid auf 120 — 125® dargestellt. Ent-
steht in kleiner Menge auch beim Erhitzen von Benzylchlorid mit Wasser auf
190^ (8). Oelartige, etwas fluorescirende Flüssigkeit, bei 310 — 315® siedend,
liber 315^ erhitzt wesentlich in Benzaldehyd und einen Kohlenwasserstoff (Toluol?)
zerfallend.
Salpetersäure-Benzylester (Benzylnitrat), CgHj-CHj-NOj, scheint bei
der Einwrkung von Benzylchlorid auf salpetersaures Silber zu entstehen. Bei
der Destillation des Produkts tritt aber eine stürmische Entwicklung salpetriger
DlLmpfe ein, und es destilliren Benzaldehyd und Benzoesäure (73).
1 4
SaJpctersäurc*p-Nitrobenrylester, C6H^(N02)-CH3-N03. Zuerst von Beilsthn
tiMil KuHLüERC (22) durch Einwirkung von höchst concentrirter Salpetersäure auf p-Nitrobcniyl-
»Ikohül gewonnen und für Dinitrobenzylalkohol gehalten. Von Staedel (70) und Orth (74)
richtig erkannt- Man erhält die Verbindung auch durch Erhitzen von p-Nitrobenzylchlorid mit
Salpeter saurem Silber in alkoholischer Lösung (74). Sie entsteht ausserdem neben Dinitro-
p-Krcsol bei der Behandlung des Benzyl-p-Kresyläthers mit sehr concentrirter Salpetersäure (70).
]ii Alkohol leicht in Wasser sehr wenig lösliche Nadeln. Schmp. 71®. Durch Chromsäurc wird
ilie Verbindung zu p-Nitrobenzoesäure oxydirt (70).
Essigsäure-Benzylester, CgHj.CHg-O-C^HjO, entsteht beim Erhitzen
von Benzylalkohol mit Essigsäure und Schwefelsäure (3), wird zweckmässiger dar-
gestellt diircli Erhitzen von Benzylchlorid mit essigsaurem Kalium in weingeistiger
I^ösung (4J. Angenehm aromatisch riechende Flüssigkeit. Spec. Gew. 1'0570
bei 16%5o. Sicdep. 206® (75).
Natrium wirkt bei etwa 120® unter lebhafter Wasserstoifentwicklung auf
Essjgsätirebenzylesier ein. Es entsteht neben essigsaurem Natrium der Benzyl-
€Ster der Hydrozimmtsäure (ß-Phenylpropionsäure):
4CfiH5- CH^ O-CgHgO -h Na^ = 2C6H3.CHj.O.CO.CHa.CH3.C6H5
-+-2C2H30aNa-hH2.
Durch weitere Einwirkung des Natriums auf den Hydrozimmtsäurebenzylester
entsteht zimmtsaures Natrium und Toluol:
2CHH5/CH3*0*CO.CH2.CH2.C6H5-hNa2 = 2C6H5.CH:CH.COaNa
4-2CeH,.CH3-hHa (75).
EsMg:fäurt-p-Chlorbenzylester, CgH^Cl-CHa-O-C^HgO (21), flüssig. Sicdep. 240**.
34 1
Essigsäur^-m-p-Dichlorbenzylester, CgHjCL/CHj-O'CjjHjO (22), flüssig. Siede-
punkt 259H
Essigsätire-p-Btombenzylester, CgH^Br-CHj'O'CjHgO (61). Angenehm riechende,
iilige FlUssigkeitp y.ivi stehen 250 und 2G0® unter erheblicher Zersetzung siedend.
4 1
Ks5ig!>äurt-p-Jodbenzylester, CgH^J-CHj'O'CjHjO (39). Nur in unreinem Zu-
i^lünile :ils fin s^chon durch Wasser leicht verseifbares Oel erhalten.
4 1
Essigsäure-p-Nitrobenzylester, CgH^(N03)'CH3'0*CjH,0. Durch Einwirkung von
e^sigsnurem Kalium auf p-Nitrobenzylchlorid (27), sowie durch Nitriren von Essigsäurebenxyl-
elfter (22) dargestellt. Lange, hellgelbe Nadeln, die sich am Licht dunkler färben. Leicht
Iftstich in heisserot w^n'ig in kaltem Alkohol. Schmp. 78® (22).
Propionsäure-Benzylester, C6H5-CH2'0-C3H50 (75). Angenehm
rieehende, mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeit. Spec. Gew. 1'0360 bei 16'5*.
Siedep. 219—220^. ZerföUt beim Erhitzen mit Natrium in propionsaures Natrium
und Phenylbuttersäure-Benzylester, (CßH^-CgHg'COj-CyHY).
Buttersäure-Benzylester, CßHg-CHg-O «041170 (75). Angenehm
riechende Flüssigkeit. Spec. Gew. 1*016 bei 16<>. Siedep. 238—2400. Beim
Benzylverbindungen. 237
Erwärmen mit Natrium entsteht neben buttersaurem Natrium der Benzylester der
Phenylvaleriansäure.
Isobuttersäure-Benzylester, CgHß-CHj'O'C^HYO (76). Angenehm
riechendes, stark lichtbrechendes Oel. Spec. Gew. 10160 bei 18<>. Siedep. 228°.
Giebt beim Erwärmen mit Natrium Benzylisobuttersäure-Benzylester: (CßHj-CHj-
C(CH,),.C02.C7H,).
Oxalsäure-Benzylester, (C6H5'CH2)2*C204, wurde durch Einwirkung
von Benzylchlorid auf trocknes oxalsaures Silber (22) und durch Erhitzen von
entwässerter Oxalsäure mit Benzylalkohol (77) dargestellt. Krystallisirt aus heissem
Alkohol in glänzenden Schuppen. Schmp. 80-5®. Unter geringer Zersetzung
destillirbar. Beim Lösen der Verbindung in höchst concentrirter Salpetersäure
entsteht Oxalsäure-p-Nitrobenzylester (22).
Bernsteinsäure-Benzylester krystallisirt in Blättchen, die bei 41*5 — 42*5^
schmeken (83).
Adipinsäure-Benzylester ist eine angenehm riechende, in Wasser unter-
sinkende Flüssigkeit, die sich beim Erhitzen zersetzt (S^),
Oxaminsäure-Benzylester, CgHjj'CHj'O'CjOj-NHj. Aus Oxamethan-
chlorid, CjHj-COj'CClj-NHj, und Benzylalkohol gewonnen (80). Krystallisirt
aus Alkohol in färb- und geruchlosen Nadeln, die bei 134 — 135® schmelzen.
Carbaminsäure-Benzylester (Benzylurethan) , CßHj-CHj-COj-NHj,
entsteht neben Dibenzylhamstoff, wenn festes oder gasförmiges Chlorcyan auf
kalten Benzylalkohol einwirkt (78), sowie beim Erhitzen von Benzylalkohol mit
salpetersaurem Harnstoff auf 130—140° (79). Sehr leicht löslich in Alkohol,
massig leicht in Aether, schwer in heissem Wasser; aus letzterem in farblosen
Blättern krystallisirend. Schmp. 86°. Bei 220° zersetzt sich die Verbindung in
Benzylalkohol und Cyanursäure.
Orthothioameisensäure-Benzylester, (CßH5-CH2S)3 011(100), entsteht
beim Erhitzen einer wässrigen Lösung von Natriumbenzylmercaptid mit Chloroform.
Wohlausgebildete Krystalle, leicht löslich in Chloroform, Aether und siedendem
Alkohol. Schmp. 98°. Erst bei 250° wird die Verbindung durch rauchende
Salzsäure in Benzylsulfhydrat und Ameisensäure gespalten.
Isocyansäure-Benzyleste r, s. unter »Cyanverbindungen«.
Benzylsenföl, s. unter »Senfole«.
Benzylsulfacetsäure (Benzylthioglycolsäure), CgHä.CHg-S.CHa-COjH
(137). Aus Benzylsulfhydrat durch Einwirkung von Monochloressigsäure und
Natronlauge erhalten. Die Säure krystallisirt aus siedendem Wasser in flachen
Täfelchen. Schmp. 58—59°.
Ihr Silbersalz bildet feine, in heissem Wasser lösliche Nadeln. Der Aethylester
siedet zwischen 275 und 290^. Er giebt mit Ammoniak bei 100^ das Amid, welches bei
97® schmilzt und aus heissem Wasser in grossen, rechtwinkligen Platten krystallisirt.
Sulfocyansäure-Benzylester (Benzylrhodanid), CgHs-CHg-SCN, wird
durch Erhitzen von Benzylchlorid mit Rhodankalium und Alkohol erhalten (85, 86).
Schöne Prismen, in Alkohol, Aether und Schwefelkohlenstoff leicht löslich.
Schmp. 41° (86), [36—38° (85)]. Siedep. 230—235° (86), [256° (85)]. Bei der
Oxydation durch Salpetersäure entstehen Benzaldehyd und Benzoesäure. Mit
trocknem Bromwasserstoif verbindet sich das Rhodanid zu einem krystallinischen,
in Aether unlöslichen Körper, der durch Wasser zersetzt wird (85).
Salfocyaosäure-p-Chlorbenzylester, CgH^Cl.CHj.SCN (23), Schmp. 17«.
r
238 Handwörterbuch der Chemie.
Suirocyansäurc-p-Brombenzylester, CßH^Br.CHj.SCN (61), in Alkoirf sehr
kieht lösliche Nadeln von unangenehmem Geruch. Schmp. 25®.
SuUocyansäure-o-Brombenrylester, CgH^Br-CHj'SCN (36), ist ein auch in der
Kälit nicht erstarrendes Gel.
Sulföcyansäure-p-Jodbenzylester, CßHJ-CHj.SCN (39), krystallisirt aus Alkohol
tu langen^ glänzenden Platten. Wenig löslich in kaltem Alkohol, leicht in Aether, Benzol und
Sdtwertilkohlenstofr. Schmp. 40®.
SuJfocy ansäure -p-Nitrobenzylester, C6H4(NO,).CH,. SCN. Sowohl durch
Nitriren des Sulfocyansäureesters, wie aus p-Nitrobenzylchlorid und Rhodankalium zu ge-
winaea (B5). Krystallisirt aus Alkohol in kleinen, spröden, gegen 70® schmelzenden Nadeb.
Nicht untersetzt destillirbar.
Selencyansäure-Benzylester, CgH.'CHg-SeCN (87), entsteht schon
in der Kälte aus Benzylchlorid und Selencyankalium in alkoholischer Losung.
Nadeln oder Prismen von höchst widerwärtigem Geruch. Schmelzp. 71*5°.
Selencyansäure-p-Nitrobenzylester, C6H^(NOj).CHj.SeCN (87). Wie die ent-
sprechend*.' Schwefelverbindung darstellbar. Fast geruchlose, sternförmig vereinigte Nadeln.
SchiQp. \*22'b^ (uncorrig.). In Aether nicht, in Wasser und Alkohol nur bei Siedhitze ziemlich
lüsJid).
Üxybenzylalkohole, C6H4(OH)CH2 0H.
i. Ortho -Oxybenzylalkohol, C6H4(OH)CH2 0H, (Saligenin). Zuerst
aus seinem Glycosid, dem Salicin, durch Spaltung mittelst Emulsin oder vcr-
tlannten Säuren dargestellt (88): C,8Hig07 -f- HgO = C7H8O2 -h C^H, jO^.
(Dextrose), Auch wenn in einer an der Luft stehenden wässrigen Lösung von
Salicin Schimmelbildung eintritt, spaltet sich dieses in Saligenin und Zucker (89).
Saligenin wird femer aus dem Salicylaldehyd durch Behandlung mit Natrium-
amalgam und Wasser erhalten (90). Es lässt sich synthetisch durch anhaltendes
Erhitzen von Phenol mit Methylenchlorid und concentrirter Natronlauge auf 1(W
darstellen: CßH^OH H-CR^Cla -+- 2NaOH = C7H8OJ -h 2NaCl -h H3O (91)-
Darstellung. 50 Thle. gepulvertes Salicin werden mit 100 Thlen. Wasser angerieben
iHifr mit *] Thln. Mandel-Emulsin versetzt. Man erwärmt auf 40", lässt die Lösung 10— 12 Stun-
(Wn in j^i;Hnder Wärme stehen, sammelt dann den schon herauskrystallisirten Antheil des Sau-
ge 11 ins uml entzieht der Fltissigkeit den Rest desselben mittelst Aether (88). Das Saligenin wird
schliL'^sHch durch Umkrystallisiren aus Benzol gereinigt (92).
Perlmutterglänzende, rhombische Tafeln oder kleine Rhomboeder, in ungefähr
i:'i Thlen. Wasser von 23°, fast in jedem Verhältniss in siedendem Wasser lös-
iiclu sehr leicht löslich auch in Alkohol und Aether (88). Bei 18° bedarf es
^22 Thle. Benzol zur Lösung, in Siedhitze viel weniger. Spec. Gew. 1-1613 bei
^5^ (92)» Es schmilzt bei 82° und beginnt schon bei 100° zu sublimiren. An-
haltendes Erhitzen auf 140—150° verwandelt es in Saliretin. Ebenso wirken in
der Wärme Kalilauge, verdünnte Mineralsäuren, Essigsäureanhydrid u. s. w.
Concentrirte Schwefelsäure löst das Saligenin mit intensiv rother Farbe. Durch
KtseiKhlond wird seine wässrige Lösung tief blau geförbt. Durch Oxydations-
mittel, wie verdünnte Salpetersäure, Chromsäure, Silberoxyd, schmelzendes Aetz-
kali, Platinmohr wird es in Salicylaldehyd resp. Salicylsäure übergeführt. Beim
Kuclien mit Mangansuperoxyd und verdünnter Schwefelsäure entstehen nur
AnitiisLnisäure und Kohlensäure. Chlorgas fällt aus wässriger Saligeninlösung
Trichlurphenol. — Im Organismus geht das Saligenin in Salicylursäure über (93).
Mvt all Verbindungen. Wässrige Saligeninlösung wird durch Metallsalze nicht gef&llL
Trägt m^ti Natrium in eine Lösung von Saligenin in absolutem Aether ein, so scheidet sich
•'■•:'■ :^i
Ben^ylverbindungcn. 239 :*!
unter WasserstofFentwicklung eine Natriumverbindung als weisser Niederschlag ab, der in ^ ^|
Wasser und Alkohol leichl löslich ist und durch Kohlensäure zersetzt wird. Eine Lösung von ; /^j
Saligenin in Barytwasser hinterlässt beim Verdunsten im Vacuum wawellitartige Krystalle einer v r ,
Bari um Verbindung (92). ' ''• ij
Aether. Methyl-Saligenin, CHj-O-CgH^- CHj(OH), entsteht, wenn eine mit der be- ''■''■■
rechneten Menge Kaliumhydroxyd versetzte Lösung von Saligenin in Methylalkohol mit Methyl-
jodid erhitzt wird. Oelige Flüssigkeit, die erst in einem Gemisch von Aether und fltissiger
Kohlensäure glasig erstarrt. Spec. Gew. M20 bei 23^, 1.0532 bei 100''. Siedep. 247-50(94).
Als das mit diesem Phenoläther isomere Aetherphenol, HO- CgH^ »0113(0 CHj), ist an- 1 *^'
scheinend das Caffeol, CgH^pO.^ zu betrachten, welches neben Caffein, Essigsäure, festen Fett- ^
säuren, Kohlensäure und kleinen Mengen Pyrrol, Hydrochinon, Methylamin und Aceton beim
Rösten der Kaffebohnen auftritt. Es ist ein angenehm nach Kaffee riechendes Oel, bei 195 bis
197^ siedend, in einem Kältegemisch nicht erstarrend, et%vas löslich in heissem Wasser, leicht .: ',
löslich in Alkohol und Aether," schwer in concentrirter Kalilauge. Eisenchlorid färbt die alko- .»*
holische Lösung roth. In der Kalischmelze entsteht Salicylsäure (98).
Aethyl-Saligenin, CjHj- O.C5H^-CHj(OH). Aus Saligenin durch Erhitzen mit
Afthyljodid und Kaliumhydroxyd dargestellt. Angenehm ätherisch riechende, in Wasser unlös-
liche Flüssigkeit, bei 0^ erstarrend, bei 205 ^ siedend. Eisenchlorid giebt keine Färbung. Bei
der Oxydation mittelst Salpetersäure entsteht Aethylsalicylsäure (99).
Chlorsaligenin, CgHjCl (OH) '0112(011), lässt sich aus dem Monochlor- '
salicin durch Spaltung mittelst Emulsin gewinnen. Es krystallisirt aus Wasser in
rhombischen Tafeln, die auch in Alkohol und Aether leicht löslich sind. Eisen-
chlorid färbt die Lösung blau. Concentrirte Schwefelsäure löst die Verbindung
mit intensiv grüner Farbe. Verdünnte Mineralsäuren wirken verharzend (88).
Saliretin,C,4Hi405 = HOC6H4CH2-OC6H4CHaOH. Durch Wasser-
austritt aus dem Saligenin entstehendes Condensationsprodukt. Es wird aus dem-
selben erzeugt durch Erwärmen mit verdünnten Mineralsäuren (88) oder mit
Essigsäureanhydrid (92), beim Behandeln mit Phosphorpentachlorid (92), beim
Erhitzen einer wässrigen Saligeninlösung über 100° (89). Es bildet sich auch
neben Glycosan direkt aus Salicin, wenn dieses auf 230 — 240° erhitzt wird (loi).
Darstellung: s. (102).
Gelbliches Pulver, löslich in Alkohol und in Alkalien. Aus der letzteren
Lösung wird es niclit nur durch Säuren, sondern auch durch Kochsalzlösung ge-
fällt. Bei 200° sintert es ohne Wasserverlust zusammen und bräunt sich. Durch
Oxydation mit Chromsäure oder mit übermangansaurem Kalium werden weder
Salicylaldehyd, noch Salicylsäure, nocli andere wohlcharakterisirte Produkte er-
halten (102).
Salireton, Cj^Hj^Oj. Diese Verbindung entsteht bei anhaltendem Erhitzen von Sali-
genin mit etwa dem gleichen Gewicht Glycerin oder Mannit oder Methylal aut 100". Sie lässt
sich aus dem durch viel kaltes Wasser gefällten Ilarz durch siedendes Wasser ausziehen und
krystallisirt beim Erkalten in rhombischen Blättchen oder Nadeln. Schmclzp. 12 1*5°. Leicht
löslich in Alkalien, schwer in Anmjoniak. Concentrirte Schwefelsäure färbt das Salircton schön
roth. Durch Eisenchlorid wird seine Lösung nicht gefärbt. Beim Erhitzen auf 135—140°, so-
wie beim Kochen seiner wässrigen Lösung wird das Salireton allmählich in ein Harz C^HgO
verwandelt (104).
2. Meta-Oxybenzylalkohol, C6H4(OH)-CH2-OH (95). Es entsteht
(neben m-Oxybenzaldehyd) (96) bei Einwirkung von Natriumamaigam auf Meta-
oxybenzoesäure in schwach saurer Lösung. Weisse Krystallmasse, bei 67 ^
schmelzend, gegen 300*^ unter theilweiser Zersetzung siedend. Leicht löslich in
Alkohol, Aether und heissem Wasser, schwer in Chloroform. Die wässrige
Lösung röthet Lakmus und färbt sich mit wenig Eisenchlorid violett. In der
r
240 Handwörterbuch der Chemie.
Kalischmeke liefert der Alkohol Metaoxybenzoesäure. Concentrirte Salzsüire
verwandelt ihn in ein zähflüssiges Harz.
Von den Essigsäure-Metaoxybenzylestern (95) entsteht die Verbindung C5H4(OH)'
CHgO-C^HjO beim Eintragen des Oxyalkohols in eine Mischung von Eisessig und Schwefel-
säure. Sie bildet eine in Wasser unlösliche, in Alkohol und Aether leicht lösliche, strahlig
krystaliinische Masse, die bei 55° schmilzt und bei 295 — 302® unter theilweiser Zersctiung
siedet. Mit Eisenchlorid fUrbt sie sich violett.
Das Diacetat, C6H4(O.CjHjO).CHjO. CjH,0, wird durch Erhitzen des m-Oxybeniyl-
alkohols mit überschüssigem Essigsäureanhydrid auf 160® erhalten. Gelbliche, bei etwa 290*
dcstjllirendc, bei — 18® noch nicht erstarrende, in Wasser fast unlösliche Flüssigkeit, die sich
Hill Eisenchlorid nicht färbt. Schon durch kalte, verdünnte Kalilauge wird sie vollständig ver-
seift (gs). ^ ^
a. Para-Oxybenzylalkohol, C6H4(OH)CH,-OH (97). Durch Ein-
Wirkung von Natriumamalgam und Wasser auf p-Oxybenzaldehyd dargestellt.
Aus heissem Wasser krystallisirbar. Schmelzp. 197*5 **. Leicht löslich in Alkohol,
Aether, schwer in Benzol und Chloroform. Eisenchlorid färbt vorübergehend blau.
Vergl, Bd. I, pag. 663.
Der Methyläther diesesAlkoholsistderAnisalkoholjCHjO-CgH^-CHj-OH.
Benzylsulfhydrat, Benzylsulfid, Benzyloxysulfid, Benzylsulfonetc.
s. unter jMercaptane«.
Benzylsulfosäure, Benzylsulfinsäure etc. s. unter »Sulfosäuren«.
Eenzyiselenid, (C6H5-CH2)2Se (87). Man lässt fünffach Selenphosphor
bei Luftabschluss auf alkoholische Natronlauge einwirken und kocht die so ent-
standene, Selennatrium enthaltende Lösung mit Benzylchlorid. Die Verbindung
krystallisirt aus Alkohol in langen Nadeln oder Prismen, leicht löslich in Alko-
hol und Aether, unlöslich in Wasser. Schmelzp. 45*5 ®.
Das Bensylselenid bildet mit Säuren leicht zersetzliche Verbindungen, von denen das
BenxylseLeiiidnitrat durch gelindes Erhitzen mit starker Salpetersäure erhalten wird und
nus Alkohol in kleinen, rhombischen, bei 88® schmelzenden, in Wasser und Aether fast unlös-
lichen Kryjit allen anschiesst. Das Benzylselenidchlorid (?) wird aus der alkoholischen
Lösung düs Nitrats durch Salzsäure krystallinisch gefällt. Er zersetzt sich beim Umkrystallisireo,
wobei £unitchät gelbe Nadeln entstehen. (Oxychlorid?) BromwasserstofTsäure scheidet aus der
alkoholischen Lösung des Nitrats Selen ab.
BenJiylselenid-Platinchlorid, [(C5H5-CHj)2Se]3 -PtCl^ , wird durch Platinchlorid
au& der alkoholischen Lösung des Selenids als gelbes, amorphes, leicht zersetzliches Pulver gefällt
Benzyldiselenid, (CeH5*,CH3)Se2 (87). ' Aus Benzylchlorid und rohem
Natriumdinelenid erhalten. Krystallisirt aus heissem Alkohol in geruchlosen,
strohgelben Schuppen, die sich am Sonnenlicht roth färben. Schmelzp. 90°. In
Aelher schwerer, in Alkohol leichter löslich, als das Monoselenid.
Bei längerem Digeriren des Diselenids mit überschüssigem Methyljodid entsteht neben Benzyl-
jodid und Trimethylseleninjodid das Benzyldimethylselenintrijodid: (CgHj'CH,),Sej
H-{JCHjJ^ C6H5-CHJ + (CHj)3SeJ-hC6H5-CH/(CH3)j,SeJ,. Dasselbe bUdet. aus
heissem .Vlkuliol krystallisirt, schwere, schwarze, metallisch glänzende Nadeln von widri^m Ge-
ruch. Schmelzp. 65°.
Das Platindoppelsalz des Benzyldimethylselenins, (CgHj-CHj-(CH,)jSeCl),-PtC\^,
-bildet gelbe, mikroskopische, quadratische Blättchen.
Bcnzylselenige Säure, CgHsCHjSeOjH (87). Produkt der Oxydatioii
von ßenzyldiselenid durch starke Salpetersäure. Schöne, flache Prismen von
schwachem Geruch, wenig löslich in kaltem, leicht in heissem Wasser und in
Alkohol, fast unlöslich in Aether. Schmelzp. 85®. Die Verbindung reagirt stark
sauer vind treibt Kohlensäure aus deren Salzen aus.
Benzylverbindungen. 241
Salze. Ammoniak-, Natrium- und Barium salz sind sehr leicht löslich. Das Blei-
salz ist ein unlösliches Pulver. Das Silbersalz wird als käsiger Niederschlag erhalten, der
aus sehr viel heissem Wasser in haarfeinen, ver61zten Nadeln krystallisirt.
Benzylamine. Von den Aminbasen des Benzyls wurde zuerst das Tribenzyl-
amin 1856 von Cannizzaro durch Einwirkung von alkoholischem Ammoniak
auf Benzylchlorid dargestellt (65). Später wies derselbe nach, dass bei dieser
Reaction alle drei Aminbasen: Benzylamin, CgHs-CH^-NH,, Dibenzylamin,
(CgH5.CHa)3NH, und Tribenzylamin, (CßH5-CHi)3N, entstehen (106). Die
Ammoniumbase bildet sich nicht auf diese Weise und ist, wenigstens im freien
Zustande, überhaupt nicht bekannt. Wenn das Ammoniak bei gewöhnlicher
Temperatur auf Benzylchlorid einwirkt, so entsteht verhältnissmässig viel Benzyl-
amin, während beim Erhitzen im Wasserbad wesentlich Tribenzylamin neben
wechselnden Mengen von Dibenzylamin und nur sehr wenig Benzylamin gebildet
wird.
DieMethoden zurTrennung dergleichzeitig entstandenen drei Basen (107, 108,82)
benutzen die verschiedene Löslichkeit ihrer salzsauren Salze in Wasser oder in
Alkohol. Das salzsaure Tribenzylamin ist in beiden Lösungsmitteln weitaus am
schwersten, das Benzylaminsalz am leichtesten löslich.
Benzylamin, CßH^-CHj-NHj. Zuerst 1862 von Mendhjs (109) durch Be-
handlung von Benzonitril in alkoholischer Lösung mit Zink und Salzsäure darge-
stellt. Das aus Benzonitril darstellbare Thiobenzamid liefert bei derselben
Behandlung ebenfalls Benzylamin (iio). Ausserdem entsteht die Base, vde oben
angegeben, bei Einvdrkung von alkoholischem Ammoniak auf Benzylchlorid,
femer bei der Zersetzung des Cyansäurebenzyläthers durch Kaliumhydroxyd (106),
beim Erhitzen von Benzylacetamid mit alkoholischer Kalilauge (m), sowie bei
der trocknen Destillation des Cyansäurebenzylesters und Versetzen des zum Theil
erstarrenden Destillats (Benzylamin und benzylcarbaminsaures Benzylamin) mit
Salzsäure (128). Für die praktische Gewinnung eignen sich besonders die drei
letzten Methoden (82, iii, 128). Das Benzylamin ist eine bei 185° siedende,
stark alkalische Flüssigkeit vom spec. Gew. 0*990. Es ist mit Wasser, Alkohol
und Aether mischbar, wird aber durch Natronlauge aus seiner wässrigen Lösung
abgeschieden. Es zieht aus der Luft rasch Kohlensäure an.
Salse. Salzsaures Benzylamin krystallisirt aus Alkohol in sehr schönen, grossen
quadratischen Tafeln, die bei 240 ® schmelzen und in Wasser sehr leicht löslich sind.
Platindoppelsalz, (CyH^-NH,-HCl)jRCl4. In heissem Wasser ziemlich leicht lös-
licher und daraus in schönen, orangefarbenen Tafeln krystallisirender Niederschlag.
Golddoppelsalz. Leicht lösliche, goldgelbe Nadehi.
Ein Quecksilberdoppelsalz scheidet sich aus alkoholischen Lösungen von Quecksilber-
chlorid und salzsaurem Salz in Nadeln aus.
Bromwasserstoffsaures B. Sehr leicht löslich, in Blättern krystallisirend, aus alko-
bohscher Lösung durch Aether krystallinisch föllbar.
Schwefelsaures B. Leicht lösliche, derbe, durchsichtige Krystalle.
Kohlensaures B. Krystallinisch.
Cyanbenzylamin, (C(Hj*CH,-NH2)y(CN), (82), scheidet sich allmählich aus, wenn
Cjangas in eine kalt gehaltene Benzylaminlösung geleitet wird. Farblose, glänzende Krystalle,
onlöslich in Wasser, löslich in Alkohol und Aether. Schmp. 140". Durch Zusatz von Salz-
sitire zur alkoholischen Lösung wird das Salz, (CgH5-CH,-NH,),(CN),-2Ha, in seideglänxenden
Nadeln aasgeschieden. Es ist löslich in Alkohol und in Wasser. Mit Platinchlorid liefert es
ein krystallinisches Doppelsalz.
Substitutionsprodukte. p-Chlorbenzylamin, CgH^Cl'CH,'NH, (112,23). Aus
Ladbkbusg, Cbemie. IL 16
2#1 Handwörterbuch der Chemie.
ämn p'Chtorhenzylbromid durch Ammoniak gewonnen. Farblose Flüssigkeit. Das salz saure
S Alf bildet leichtlösliche, kleine Nadeln, die bei 239— 244° schmelzen (23). Sein Platin-
doppelsAlz krystallisirt in mikroskopischen Blltttchen, ziemlich leicht löslich in Wasser nnd
Alkohol (iia). Das bromwasserstoffsaure Salz schmilzt bei 225— 230^ das in Tafeln
kiystalHsirende kohlensaure Salz bei 114 — 115® (23).
s 1
O'Bxombenzylamin, CgH^Br'CHj-NHj (36). Oelartige Flüssigkeit. Das salz-
satire Snli schmilzt bei 208 ° und liefert eine in orangegelben Nadeln krystallisirende, schwer
löbliche Platin Verbindung. Das kohlensaure Salz bildet in Wasser und Alkohol lösliche
Kiysiallt;, die bei 95° schmelzen.
p-Jodbenzylamin, C^HJ-CHj-NH, (39), flüssig. Salzsaurcs Salz: Bei 240^
schmLUf^ndc, leicht lösliche Nadeln. Kohlensaures Salz: Krystallinisch, bei 113° schmelzend.
Dibenzylamin, (C6H5CH3)3NH, kann aus den Produkten der Einwirkung
von alkoholischem Ammoniak auf Benzylchlorid isolirt werden (106, 82). Es
entsteht aus dem salzsauren Tribenzylamin neben Benzylchlorid beim Ueber-
leiten von trocknem Salzsäuregas bei 250°, neben Benzaldehyd beim Erhitzen
des Tribenzylamins mit Wasser und Brom oder Jod (108).
Farbloses, dickflüssiges Oel vom spec. Gew. 1033, unlöslich in Wasser,
leicht lüsHch in Alkohol und Aether. Es zieht aus der Luft keine Kohlensäure
an. Nabe über 300° destillirt es z. Th. unverändert, zerfallt aber, namentlich
bei langsamer Destillation, grösstentheils in Toluol, Stilben, Dibenzyl, Lophin,
Ammoniak und zwei nicht flüchtige Basen (113).
Durch dieselben Reactionen, durch welche das Dibenzylamin aus dem Tri-
benzylamin entsteht, lässt es sich, wenn auch schwieriger, in Benzylamin über-
führen (ioS). Umgekehrt wird aus Benzylamin durch Benzylchlorid leicht Di-
benzylamin und aus diesem Tribenzylamin gebildet
SaliEe (108). Salz saures Dibenzylamin. Flache Prismen oder Blätter. Schmelz-
punkt 256°» Platindoppelsalz: Orangefarbene, concentrisch vereinigte Nadeln, in heisscm
Wasser und Weingeist leicht löslich.
Bromwasserstoffsaures Salz. Grosse, perlmutterglHnzende Blätter. Schmp. 266®.
Jodwasserstoffsaures Salz. Lange, flache Prismen. Schmp. 224®. Salpetersaures
Sälx. Schwerer löslich als die anderen Salze, durch Salpetersäure aus den concentrirten
LöüUDgen fällbar. Flache Prismen oder Nadeln. Schmp. 186®.
Nitrosodibenzylamini (CgH5'CHj)2N*NO (114), durch Kochen einer concentrirten
iilkoliolischL'ii Lösung von Tribenzylamin mit ^ Vol. rother Salpetersäure dargestellt; (CgHs*
CHi)aN + NO,H«=(CeHj-CHj),N NO -h CßHs'CHO. Das allmählich krystallinisch er-
starrende Produkt wird mit Wasser gewaschen und aus Alkohol oder Aether krystallisirt. Farb-
}o&e, quadr;i tische Tafeln. Schmp. 52®. Nicht basisch. Bei der Behandlimg mit Natriuxnamal-
gjiin und Wasser oder mit Zinn und Salzsäure entsteht Dibenzylamin: (CgH5'CH,),N-NO -+-
3H, ^ (C,Hj-CH,)2NH4-NHj +HjO. Ebenso wird beim Erhitzen der Verbindung in Salx-
säurega^ od^r bei Einwirkung von Salzsäure auf ihre alkoholische oder ätherische Lösung salz-
^ures Dibenzylamin erzeugt.
Sub:^titutlonsprodukte. D urch Erhitzen von rohem Monochlorbenzylchlorid mit alko-
bolischom Ammoniak auf 100° erhielt Berlin (112) ausser salzsaurem Trichlortribenzylamtn
die Salze von angeblich vier verschiedenen Modificationen von Dichlordibenzylamin.
{C^H^C1'CH^),-NH. Aus reinem p-Chlorbenzylchlorid erhält man nur das Di-p-Chlordi-
beniylamitt, (CgH4Cl-CH,)j'NH (23) (Berlin's a-Modification). Es bildet Krystalle, die
bei 29^ schmelzen. Das salzsaure Salz krystallisirt aus Weingeist in schwer löslichen
Bmttchen. Es schmilzt bei 288— 289^ Platindoppelsalz: In kaltem Wasser und Alkohol
fus,K UTiLü^lichc, hellgelbe Schuppen. Das schwer lösliche bromwasserstoffsaure Salx krystal-
lisirt in Nadeln, die bei 283—290® schmelzen.
s 1
Di-ü*Bromdibenzylamin, (C5H4Br-CH2)jNH (36), Rhombische Krystalle. Schmelz-
'<.-^
'"■'i
Benzylverbindungep. . 243
ptinkt 36^. Das salzsaure Salz bildet in kaltem Wasser schwer, in Alkohol leichter lösliche
Nadeb, die bei 166^ schmelzen. Sein Platindoppelsalz ist ein gelber, kaum krystallinischer
Niederschlag. \J
Di-p- (?) Bromdibenzylamin (114). In mireinem Zustande durch Einwirkung von * ;^
Brom auf Nitrosodibenzylamin erhalten. -^ -^
Di-p-Joddibenzylamin, (CjH4J*CH,),NH (39). Aus p-Jodbenzylbromid durch Am- '^
rooniak neben Tri-p-Jodtribenzylamin erhalten und von letzterem vermöge seiner grösseren Lös- ' ■']
lichkeit in heissem Alkohol trennbar. Bei 76® schmelzende Nadeln. Das salzsaure Salz '
ist in Wasser fast unlÖsHch^ schwer löslich in Alkohol und Benzol, leicht in Schwefelkohlenstoff
und Eisessig. Seine Platin Verbindung ist hellgelb, krystallinisch, fast unlöslich.
4 1 * T
Di-p-Nitrodibenzylamin, [C5H4(NO,)CH,],'NH (28), entsteht beim Erhitzen von
p-Ifitrobenzylchlorid mit wässrigem Ammoniak auf 100® (neben Trinitrotribenzylamin, welches
beim Behandeln des Produktes mit heiss.er, verdünnter Salzsfture ungelöst bleibt). Es krystallisirt
aus Alkohol in grossen, gelblichen Blättern. Schmp. 93®. Das salz saure Salz bildet
glänzende, gelbliche Säulen, bei 212® schmelzend, in heissem Wasser und Alkohol schwer lös-
Hch. Sein Platindoppelsalz krystallisirt in kleinen, hellgelben Nadeln.
Aus der Mutterlauge des salzsauren Salzes wurde das leicht lösliche, in Warzen kiystalli-
sirende Salz eines zweiten Dinitrodibenzylam ins erhalten. Die daraus abgeschiedene freie
Base schmolz erst über 100®.
Di-p-Amidodibenzylamin [CgH^(NH3)CH,]jNH (28). Durch Reduction der vorigen
Verbindung mit Zinn und Salzsäure erhalten. Atlasglänzende Nadeln, in der Wärme sowohl in
Wasser wie in Alkohol und Aether löslich. Schmp. 106°. Unzersetzt destillirbar. Mit Wasser-
dimpfen nicht flüchtig. Das salzsaure Salz, [CsH4(NH,)CH,],NH*dHa, bildet glänzende
Blättchen, in Wasser leicht, in Salzsäure schwerer, in Alkohol und Aether nicht löslich. Sein
Platindoppelsalz krystallisirt aus heissem Wasser in grossen, rothgelben, spiessigen Nadeln.
Das salpetersaure und das schwefelsaure Salz bilden atlasglänzende, leicht lösliche
Nadeln.
Tribenzylamin, (CeH5*CHj)3N, Hauptprodukt der Einwirkung von alko-
holischem Ammoniak auf Benzylchlorid bei 100° (65). Grosse Blätter oder
derbere monokline Tafeln (115). Unlöslich in Wasser, schwer löslich in kaltem,
leicht in heissem Alkohol und in Aether. Schmp. 91*3°. Nur in kleineren
Mengen 2. Th. unverändert destillirbar. Wesentlich zersetzt sich die Base bei
der Destillation unter Bildung derselben Produkte, die aus dem Dibenzylamin
entstehen (113). Aus den halogenwasserstoffsauren Salzen entsteht bei der
trocknen Destillation wenig Toluol; im harzigen Rückstand ist Lophin ent-
halten /^ii4). Ueber die Umwandlung in Dibenzylamin s. d.
Die Salze, welche meistens sehr gut krystalliren (108), sind von Panebianco krystallo-
graphisch untersucht worden (115). Salzsaures Salz. Hexagonal. Wenig löslich in kaltem
Wasser, leichter in Alkohol. Platindoppelsalz. Kleine, orangerothe, monokline Prismen.
Bromwasserstoffsaures Salz. Bei 208^ schmelzende Prismen (114). Das Tribromid,
(CjH,*CH,),N-HBr-Br, (108), entsteht bei der Einwirkung von Brom auf eine ätherische
Lösung des Tribenzylamins als gelber, amorpher Niederschlag, der beim Kochen mit Wasser in
Benzaldehyd, Dibenzylamin und Brom Wasserstoff zerfallt. Jodwasserstoff saures Salz. Bei
178^ schmelzende Prismen. Salpetersaures Salz. Rhombische Krystalle, in Wasser und
Aether unlöslich, in Alkohol schwer löslich. Bei 120^ unter Zersetzung schmelzend (115). Bei
220—340 ® liefert es als Zersetzungsprodukte Toluol, Nitrotoluol, Benzaldehyd und Dibenzylamin
(114). Schwefelsaures Salz. Monokline Krystalle, löslich in Alkohol, unlöslich in Wasser
und Aether; bei 106 — 107® unter beginnender Zersetzung schmelzend. Tribenzylamin-
Alann, Al,[(CyH,),N],(SOJ^-|-24H,0(ii5). Regulär. Löslich in Wasser, nicht in Alkohol.
Sdmiilzt bei 110® im Krystallwasser und zersetzt sich schon bei 120®.
Sttbstitutionsprodukte: Tri-p-Chlortribenzylamin, (C0H4C1*CH|),N (112,23).
KiyttaDisirt aus Alkohol in schönen rhombischen Prismen. Schmp. 78.5® (23). Das salzsaure
.6' I
^44 Handwörterbuch der Chemie.
Sali (2H,0) ist unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol, woraus es in grossen, bei 196^
schmeUenden RhomboMem krystallisirt
3 1
Tri*o*BroDQtribenrylamin, (C6H4Br-CHj),N (36). Fast unlöslich in Wasser und
AlkoHot, leicht lödich in Aether, Bensol und heissem Ligroin. Schmp. 122^.
4 1
Tri-p-BromtTibenzylamin, (CgH^Br*CHj)jN (61). Hauptprodukt der Einwirkung
von Amitioniiik auf p-Brombenzylbromid. Nadeln oder Prismen. Unlöslich in Wasser, löslich
in Aether tind Alkohol. Schmp. 78 — 79®. Das bromwasserstoffsaure Salz bildet kleine
Schuppen f die bei etwa 270® schmelzen. Es ist unlöslich in Wasser, kaum löslich selbst in
siedendem Alkohol, aber leicht löslich in Aether.
Trt-p-Jodtribenzylamin, (C6HJ*CH3)jN (39), krystallisirt aus Aether in farblosen
Njidjcln von angcnelimem Geruch, unlöslich in Wasser und kaltem Alkohol, fast unlöslich in
hei»sem Alkohol, löslich in Aether, Benzol und Schwefelkohlenstoff. Es verbindet sich nicht
mit Salisäure. Mit Pladnchlorid aber giebt die ätherische Lösung der Base die Platinver-
bindung, [(CcHJCH,)3N-Ha],PtCl4, welche gelbe, in Wasser und Alkohol fast unlösliche
Nadeln bildet,
Tri-p-Nitrotribenzylamin, (CgH^(NO,)'CH2)jN (28). Durch Einwirkung von Am-
monimk auf p-Mtrobenzylchlorid, sowie durch Erhitzen von Dinitrobenzylamin mit alkoholischer
NitTobcDzylchlondiö^ung dargestellt. Es krystallisirt aus heissem Eisessig in Nadeln, die sich
nicht in Wa^strr und Aether, nur sehr wenig in heissem Alkohol lösen und bei 163® unter Ent-
wickJujig ein ES angt^ nehmen Geruches schmelzen. Die Verbindung besitzt keine basischen
Eigenschaflen mehr^
Tri-p*AniidotTibenzylamin, (CgH^(NHj)'CH,),N (28), entsteht aus der vorigen
Verbindung durch nicht zu lange fortgesetzte Einwirkimg von Zinn und Salzsäure. (Bei zu
langer Ein wirk ui;g tritt Spaltung in Amidobenzylamin und p-Toluidin ein). Diamantglänzende
Oktaeder, löslich m heissem Alkohol und Aether, unlöslich in Wasser, anscheinend unzersetzt
destillirbar, abi^r mit Wasserdämpfen nicht flüchtig. Schmp. 136®. Das salzsaure Salz bildet
gelbe Krystallnadelii, in Wasser, Salzsäure und Alkohol äusserst leicht löslich. Es giebt ein
geLheSt amorphem Pintlndoppelsalz.
Tetrabenzylammoniumchlorid, (CßHj' C 112)4 NCl (?). Bei der Destilla-
tion von Di- oder Tribenzylamin, bei welcher Toluol, Dibenzyl und Stilben über-
geben^ bleibt ein nicht flüchtiger Rückstand, aus dessen alkoholischem Auszug
nach 2^usatz von Salzsäure ein in concentrisch gruppirten, quadratischen Säulen
kry stall isirendes, bei 230° schmelzendes Salz erhalten wurde. Dieses Salz scheint
das Chlorid der nicht bekannten Benzylammoniumbase zu sein (113).
Gemischte Benzylamine entstehen durch Einwirkimg von Alkyljodiden
auf Benzyl- oder Dibenzylamin, sowie durch Einwirkung von Benzylchlorid auf
Alkylamine^ resp. Aniline:
DiäthylbeoKylamin (CyHyXCjHji)^^ Das jodwasserstoffsaure Salz bildet
sich lieben demjenigen des Benzyläthylamins und Benzyltriäthylammoniumjodid
beim Erhitzen von Benzylamin mit Aethyljodid auf 130° (116). Die Base wurde
auch aus Benzylchlorid und Diäthylamin bei 100° gewonnen -(i 1 7). Sie ist ein
farbloses Oel Sicdep. 211—212° (corrig.).
Trtäthylbenzylammoniumchlorid, (C7H7)(C2H5)5NC1 (116). Durch Er-
hitzen von Benzylchlorid mit Triäthylamin auf 100° dargestellt. Leicht lösliche
krystallinische Masse, Bei der trockenen Destillation spaltet sich die Verbindung
glatt in Benzylchlorid und Triäthylamin.
Da* Jodid, (C^Ht)(CjHj),NJ (116, 117), hat man einerseits aus dem Chlorid durch Be-
handeln tnit Jüdwasstrstoffsäure und Silberoxyd, andererseits aus Diäthylbenzylamin und Aethyl-
jodid dargestellt t uni nach genauer Vergleichung der nach diesen verschiedenen Methoden ge-
%'onntntT* SoUstaiiien »us ihrer Identität oder Verschiedenheit auf die Gleichwerthigkeit od«
BenEylverbindungen. 245
Ungleichwerthigkeit der fUnf Stickstof!verbindungen zu schliessen. Ladenburg (116, 118) fand,
dass das aas Benzylchlorid und Triäthylamin gewonnene Jodid verschieden sei von dem aus
Diätbylbenzylamtn und Aethyljodid dargestellten, sich aber leicht in dieses letztere umwandle.
Nur das erstere Jodid zerfiel beim Kochen mit JodwasserstofTsäure in Benzyljodid und jod-
wasserstofisaures Triäthylamin. v. Meyer (117, 119) wollte hingegen die Identität beider Jodide
erweisen. Mit alkoholischer Jodlösung bildet das Jodid ein Perjodid, (C7H7){C,H5)jNJ,,
welches in schwarzblauen, metallisch glänzenden, bei 87^ schmelzenden, monoklinen Prismen
bystallisirt und in seinen Eigenschaften nicht von der Darstellungsweise des Jodids beeinflusst
wird. Ebenso erhält man aus dem Jodid von dieser oder jener Bereitung ein anscheinend nicht
verschiedenes pikrinsaures Salz, welches aus heissem Wasser in hübschen gelben, unter
lOO*' schmelzenden Nadeln krystallisirt (116).
Glyoxalinbenzylchlorid, C3H3N2(C7H7)-C7H7C1 (120), wurde durch
Kochen von Glyoxalin mit Benzylchlorid erhalten: CjüsN-NH-i- 2C7H7CI
Sein Platindoppelsalz, (Ci7HiyN2Cl)jPtCl4, ist ein gelber, flockiger Niederschlag»
unlöslich in Alkohol, Aether und kaltem Wasser, aus heissem Wasser in schönen, perlmutter-
glänzenden, gelben Blättchen krystallidrend.
Benzylanilin (Phenylbenzylamin), (C6H5)(C6H5-CHj)NH, entsteht beim
Erhitzen von 1 Mol. Benzylchlorid mit 2 Mol. Anilin auf 160*^ (121). Es wurde
auch aus dem Thiobenzanilid, CgHj-CS-NH-CßHg, durch Behandeln mit Zink-
staub und Salzsäure oder mit Natriumamalgam erhalten (122). Die Base
krystallisirt aus heissem Weingeist in vierseitigen Prismen. Schmp. 33 ^. Siedep.
über 3100.
Den Salzen wird durch Wasser ein Theil der Säure entzogen. Das salzsaure Salz
krystallisirt in Blättchen, die bei 197® schmelzen. Sein Platindoppelsalz bildet in Wasser
ziemlich leicht lösliche, gelbrothe Blättchen (122).
Eine Cadmiumverbindung, CjjHjjNCdCl,, krystallisirt aus heissem Alkohol in
bttschelförmig vereinigten Nadeln.
Oxalsaures Salz. Bei 155° schmelzende Blättchen (121).
p-Nitrobcnzylanilin, C5H4(NO,).CH3,*NH-CgH5 (28), entsteht beim Erhitzen von
p-Nitrobenzylchlorid mit Anilin. Sein salzsaures Salz lässt sich vermöge seiner Schwerlöslichkeit
von demjenigen des Anilins leicht trennen. Die durch Natronlauge daraus abgeschiedene Base
kiystallisirt aus heissem Alkohol in goldgelben Nadeln. Schmp. 68®. Das salzsaure Salz
krystallisirt aus heisser Salzsäure in Blättchen, die durch Wasser zersetzt werden. Sein Platin-
doppelsalz bildet in Wasser lösliche, braune, gläiuende Blättchen.
p-Amidobenzylanilin, CgH4(NH3)-CH,*NHC8H5 (28). Durch kurze Einwirkung von
Schwefelammonium bei 100® aus der vorigen Verbindung entstehend, wird durch Natronlauge
aas seinem salzsauren Salz in seideglänzenden Schuppen ausgeschieden, die sich an der Luft
röthen. Löslich in Wasser, Alkohol, Aether und Benzol. Schmp. 88®.
Dimethylphenylbenzylammoniumhydroxyd, (CH,)^ -(0^115X07117)
NOH (123). Das Ohlorid dieser Base entsteht durch Einwirkung von Dime-
thylanilin auf Benzylchlorid in der Kälte. Es krystallisirt in leicht löslichen
Tafeln, die bei 110° schmelzen. Bei der trockenen Destillation zerfällt es in
Benzylchlorid und Dimethylanilin. Findet die Zersetzung des Ohlorids im ge-
schlossenen Rohr unter Druck bei 220—230° statt, so entstehen durch moleku-
lare Umlagenmg die Salze verschiedener tertiärer Basen, anscheinend hauptsäch-
lich von (C6H5.0HjOeHJ(OH3)8N oder von (OHjOeH^XOeHs-OHjXOH,)^
Das Chlorid wird weder von Alkalien noch von Silberoxyd angegriffen, durch
schwefelsaures Silber aber leicht in das schwefelsaure Salz übergeführt, aus
welchem durch Barytlösung die freie Base gewonnen wird. Ihre Lösung
r ; ^ V 346 Handwörterbach der Cliemie.
^ . ' lunterlässt im Vacuum eine S3rrupdicke, stark alkalische Masse, die isich bei der
!*:;; trockenen Destillation glatt in Benzylalkohol und Dimethylanilin spaltet.
^ \ . Diphenylbenzylamin, (CeH5)j(C6H5-CHj)N (122). Aus Thiobenzodi-
phenylamid, CßH5«CS-N(CeH5)j, durch Behandlung mit Zink und Salzsäure er-
\l ■]:■ halten. Lange Nadeln, leicht löslich in Aether und heissem Alkohol. Schmelz-
c*\, punkt 87° (95^ (124). Es besitzt keine basischen Eigenschaften. Beim Erhitzen
i" ■■' mit Salzsäure und Arsensäure auf 100^ entsteht das salzsaure Salz einer neuen
> Base. Dasselbe bildet nach der Reinigung ein broncefarbenes, mikrokiystallinisches
ij Pulver und findet als grüner Farbstoff Verwendung (»Viridinc oder »AlkaU-
^V; grün«) (125).
M Aetbyldibenzylamin, (CjH5)(C7H7)2N (108), durch Erhitzen von Benzyl-
* amin mit Aethyljodid und Alkohol auf 100^ dargestellt. Flüssig.
Diäthyldibenzyljodid, {C^}^^)^{C^li^\^] (117), entsteht schon bei
'' mittlerer Temperatur aus Diäthylbenzylamin und Benzyljodid. Schwer löslich in
\j' ^ kaltem Wasser. Aus siedendem Wasser krystallisirt es in schön diamantglänzen-
' • den Spiessen. Mit concentrirter Jodwasserstofifsäure destillirt entwickelt es Ben-
zyljodid. Die freie Ammoniumbase wurde nicht dargestellt.
-> EinDibenzyltoluidin, (CgH5-CH2)2NC6H4-CHj, ist durch Erhitzen von
2 Mol. Benzylchlorid mit 1 Mol. Toluidin auf 100 ^ dargestellt. Es krystallisirt
' ' aus heissem Alkohol in sehr feinen Nadeln, die in kaltem nur wenig löslich
sind, sich am Licht gelblich färben und bei bb^ schmelzen.
Das salzsaure Salz und seine krystallisirbare Platinverbindung werden durch Wasser
sersetzt.
Dibenzylchrysoidin (Dibenzyl-Diamidoazobenzol), CeH5'Nj«CgH,(NH-
i^ CtHy)^ (126), entsteht aus Benzylchlorid und Chrysoidin bei 100®.
Methyltribenzylammoniujmhydroxyd, (CH,)(C7H7)sN'OH.
' < Das methylschwefelsaure Salz dieser im freien Zustande nicht darge-
stellten Base entsteht beim Erhitzen von Tribenzylamin mit Methylsulfat und
Benzol auf 100®. Es krystallisirt in sternförmig gruppirten Prismen oder
Blättchen (84).
Das Platindoppelsalz der Base ist ein hellgelber, höchst schwer löslicher Niederschlag.
Aethyltribenzylammoniumjodid, (C2H5)(C7H7)8NJ (127), Durch Er-
hitzen von Tribenzylamin mit Aethyljodid erhalten. In Alkohol lösliche, bei
190 ^ schmelzende Krystalle. Mit Silberoxyd liefert es nicht die freie Ammonium-
base, sondern zerfällt wieder in Tribenzylamin und Aethyljodid.
Benzylacetamid, CßHs-CHj-NH.CjHjO, wird durch anhaltendes
Kochen von Benzylamin mit Eisessig (82) oder zweckmässiger durch Einwirkung
von Benzylchlorid auf Acetamid (iii) gewonnen. Es krystallisirt aus Aether oder
Petroleumäther in farblosen Blättchen, ist unlöslich in Wasser, sehr leicht löslich
in Aether und Alkohol, ziemlich schwer in Petroleumäther. Schmelzpunkt 57*.
Siedep. 300®. Wässrige Alkalien oder Säuren greifen es nicht an; mit alko-
holischer Kalilauge zerfällt es in Essigsäure und Benzylamin, für dessen Dar-
stellung sich dieser Weg vielleicht empfiehlt.
Ein Nitrobensylacetamid erhält man durch Nitrirung des Benzylacetamids and Aus-
schütteln der neutralisirten Flüssigkeit mit Aether (82). Gelbe, zerfliessUche Nadeln oder Blätter.
t Dibenzyloxamid, (CeH5-CH,-NH)2-C30, (82), entsteht beim Kochen
K^ von Benzylamin mit Oxalsäureester oder von Cyanbenzylamin mit Salzsäure.
^ ' Unlöslich in Wasser und Aether, schwer löslich in heissem Alkohol, woraus es
in atlasglänzenden Schuppen krystallisirt Schmp. 216°
\
^^'
Benzylverbindungen. 247
BenzylcarbaminsauresBenzylamin,(C7Hj)NH»COj'NH8(C7H7)(i28),
bildet sich neben Kohlensäure und Benzylamin bei der trocknen Destillation der
Phenylamidoessigsäure. Nachdem das Benzylamin aus dem erstarrenden Destillat
durch Aether entfernt ist, wird das Salz aus Alkohol in glänzenden Blättchen
krystallisirt erhalten, die bei 99^ schmelzen. Es ist leicht löslich in Wasser und
verflüchtigt sich beim Eindampfen. Alkalien scheiden Benzylamin aus. Auf Zu-
satz von Salzsäure wird Kohlensäure entwickelt, worauf die Lösung ausschliesslich
salzsaures Benzylamin enthält
Benzylharnstoff, (C6H5-CHj)HN-CO-NHj, bildet sich neben Dibenzyl-
hamstoff, wenn Benzylchlorid mit cyansaurem Kalium oder mit Hamstofi und
Alkohol längere Zeit erhitzt wird (129), femer bei Einwirkung von alkoholischem
Ammoniak auf Benzylcarbonylamin (81), bei kurzem Erhitzen einer I^ösung von
salzsaurem Benzylamin und cyansaurem Kalium (130) und beim Kochen von
ßenzylcyanamid mit Salzsäure (82). Lange Nadeln. Schmp. 144°. Fast unlöslich
in kaltem, löslicher in heissem Wasser, leicht löslich in Alkohol. Mit Salzsäure
und Platinchlorid entsteht ein unlöslicher Niederschlag. Bei 200° zerfällt der
Benzylharnstoff in Ammoniak und symmetrischen Dibenzylhamstoff (129).
Symmetrischer Dibenzylhamstoff, (C6H5-CHa)HN.CO-NH(CHj.
C5H5), entsteht aus Benzylchlorid und cyansaurem Kalium neben der vorigen
Verbindung (129), ist ein Produkt der Zersetzung derselben durch Hitze (129),
bildet sich neben Kohlensäure beim Erhitzen von Benzylcarbonylamin mit
Wasser in geschlossenen Röhren auf 100° (81), neben Benzaldehyd beim Erhitzen
von Benzylalkohol mit salpetersaurem Harnstoff auf 100° (131) und durch Ent-
schwefeln des entsprechenden Dibenzylsulfohamstoffs (81). Unlöslich in Wasser,
leicht löslich in Alkohol, aus letzterem in schönen Nadeln krystallisirend.
Schmp. 167®. Mit Salzsäure und mit Salpetersäure konnten keine festen Ver-
bindungen erhalten werden; auf Zusatz von Salzsäure und Platinchlorid aber
entsteht eine schwer lösliche Platinverbindung.
Unsymmetrischer Dibenzylhamstoff, (C6H5-CH2)jN«CO-NH3 (130),
wurde durch Erhitzen einer concentrirten Lösung von salzsaurem Dibenzylamin
mit cyansaurem Kalium dargestellt. Er krystallisirt aus absolutem Alkohol in
derben, harten Prismen, wenig löslich in kaltem, leicht in siedendem Wasser und
in Alkohol. Schmp. 124— 125<>.
Phenylbenzylharnstoff, (CgHj.CHOHN.CO.NHCCeHs) (81), aus
Benzylcarbonylamin und Anilin schon bei gewöhnlicher Temperatur entstehend,
krystallisirt aus Alkohol in Nadeln, die bei 168® schmelzen.
Benzylcyanamid, C^H^-CHj-NH-CN (82), entsteht neben salzsaurem
Benzylamin beim Einleiten von trocknem Chlorcyan in eine abgekühlte ätherische
Lösung von Benzylamin. Es krystallisirt aus Aether in durchsichtigen Platten,
ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Aether. Schmp. 33®.
Beim Kochen mit Salzsäure liefert es Benzylharnstoff. Beim Aufbewahren ver-
wandelt es sich allmählich, beim Erwärmen rasch in das polymere
Tribenzylmelamin (Tribenzylcyanuramid), (CfiHg-CHj-NH-CN), (82),
welches aus Alkohol in Blättern krystallisirt und viel höher schmilzt, als das
Benzylcyanamid.
Das 8alzsaureTribenzylmelamin,(C^H5-CH,*NH*CN),-2HCl, krystallisirt in,Nadeln,
die sich schwer in Wasser, leichter in Salzsäure and in Alkohol lOsen.
Dibenzylcyanamid, (CßH5-CH^)2N«CN (108), wurde durch Einleiten von
r
148 Handwörterbuch der Chemie.
Chlorcyan in ebe alkoholische Lösung von Dibenzylamin erbalten. Grosse, in
Wasser unlösliche, in Alkohol und Aether leicht lösliche Blätter. Schmp. 53—54®.
Dibenzylguanidin,NHC(NH.CHj.C6H5)j (82), bildet sich beim Kochen
von Benzylcyanamid mit salzsaurem Benzylamin in alkoholischer Lösung, sowie
beim Einleiten von Chlorcyan in trockenes Benzylamin. Es krystallisirt aus
Alkohol in farblosen Blättern oder Platten, die in Wasser, Alkohol und Aether
löslich sind und bei 100® schmelzen.
Dos Salzsäure Salz ist in Wasser schwer, in Alkohol leichter löslich. Schxnp. 17B^
Es bildet ein kT>'staUisirböres Platindoppelsais.
EenzylsuKoharnstoff, (CgHft- CH2)HN • CS • NH, (130). Durch Ein-
wirkung von salzsaurem Benzylamin auf SulfohamstofT erhalten. Sehr leicht
löslich in Wasser, aus absolutem Alkohol gut kiystallisirbar. Schmp. 101®.
Symmetrischer Dibenzylsulfoharnstoff , (C^Hj • CHj) HN • CS•
NH(CHa-C^H5) (82), wird gewonnen durch Digeriren von Benzylamin und
Schwefelkohlenstoff in alkoholischer Lösung bis zum Aufhören der Schwefel-
wasserstofFentwicklung. Grosse, glänzende, vierseitige Tafeln, unlöslich in Wasser,
löslich in Alkohol und Aether. Schmp. 114®. Die Verbindung liefert, in alko-
holischer Lösung durch Quecksilberoxyd entschwefelt, den symmetrischen Di-
bcnzylhamstoff.
Unsymmetrischer Dibenzylsulfoharnstoff, (C6H;,.CHj)2NCS-NH,
(130), Aus salKsaurem Dibenzylamin und Rhodankalium gewonnen. Lange, in
Wasser schwer, in Alkohol und Aether leicht lösliche Nadeln. Schmp. 156 — 157®.
Benzylselenharnstoff, (CeH5.CH,)HN-CSe.NH, (132), entsteht bei
Einwirkung von sak saurem Benzylamin auf Selencyankalium in kalter, alkoholischer
Lösung. In Wasser, Alkohol und Aether lösliche Krystalle, die bei 70® unter
Zersetzung schmelzen.
Auch die Lösungen zersetzen sich sehr leicht unter Abscheidung von Selen.
Concentrirte Salzsäure spaltet die Verbindung glatt in Selen, Blausäure und
Benzylamin.
Unsymmetrischer Dibenzyiselenharnstoff, (CeH5'CH^)jN«CSe-NH,
(132)1 wird auf demselben Wege aus salzsaurem Dibenzylamin und Selencyan-
kalium erhalten. Dünne Prismen oder Nadeln, die bei 150® sich zersetzen. In
Aether, Alkohol und heissem Wasser leicht löslich. Durch concentrirte Salzsäure
wird die Verbindung in Selen, Blausäure und Dibenzylamin gespalten.
Benzylphosphin, CgHj'CHj'PHa (133). Man erhält diese dem Benzyl-
amin entsprechende Verbindung, indem maii Benzylchlorid (oder Benzalchlorid,
C^HjXHClg, oder das Trichlorid, CgHs-CCl,, somit auch das Rohprodukt der
heissen Chlorirung von Toluol) mit Jodphosphonium und Zinkoxyd stundenlang
auf 160® erhitzt: SC^H^Cl -h 2PHJ -^- ZnO = 2(C7H7)PH3.HJ-hZnCl,-hH,0.
Bei der Destillation des Produkts mit Wasserdämpfen geht das Benzylphosphin
über, während das gleichzeitig entstandene Dibenzylphosphin neben anderen
Substanzen zurückbleibt.
Das Benzylphosphin ist eine im WasserstofFstrom bei 180® destillirende
Flüssigkeit, die sich an der Luft unter heftiger Selbsterhitzung und Bildung
dicker, weisser Nebel oxydirt. Unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol
und Aether.
Jodwas^er&toff^aures Benzylphosphin entsteht als weisse Fällung beim Mischen des
PhoKphins mit mtichender JodwasserstofTsäure. In der heissen Säure löst es sich und krystallisirt
dam US in schönen Tiifeln.
Bernsteinsäure. 249
«
Das salzsanrcunddasbrom was sersto ff saure Salz konnten nichtkrystallisirterhalten werden
Die Platinverbindung des ersteren ist ein gelber, unlöslicher Niederschlag.
Dibenzylphosphin, (C^Ylr^'Cll^)^^^ (^33)^ entsteht neben dem Benzyl-
phosphin nach der Gleichung: 2C7H7CI -f- PHJ -h ZnO = (C7H7)jPH.HJ
4-ZnCl, -f-HjO.
Der Rückstand von der Destillation mit Wasserdampf erstarrt, namentlich
auf Zusatz von festem Aetzkali, allmählich zu einem Krystallbrei, der durch Aus-
pressen und wiederholtes Umkrystallisiren aus Alkohol zu reinigen ist. Lange,
geruch- und geschmacklose Nadeln, unlöslich in Wasser und Aether, schwer
]ös]ich in kaltem, leichter in heissem Alkohol. Schmp. 205®- In höherer
Temperatur verflüchtigt sich die Verbindung unter theilweiser Zersetzung. Sie
zeigt keine basischen Eigenschaften, löst sich nicht in Säuren und wird selbst in
der Wärme an der Luft durchaus nicht oxydirt.
Triäthylbenzylphosphoniumchlorid (134), bildet sich beim Erhitzen
von Benzalchlorid mit Triäthylphosphin und Weingeist auf 120— 130<>:
HC^^öh^ -h CeH^.CHCl, -4- H,0 = (C,H5),P.HC1 -h (C2H5),PO
-h(C,H5)3(CeH,.CH,)PCl,
farblose Krystallmasse.
Die freie Phosphoniumbase wurde nur in Form einer stark alkalischen Lösung erhalten.
Das Jodid krystallisirt gut, ist aber sehr zerfliesslich.
Das Platindoppelsalz krystallisirt aus heissem Wasser in kleinen Blättchen.
Oscar Jacobsen.
Bemsteinsäure.'^ Die Theorie lässt die Existefiz von zwei isomeren, zwei-
basischen Säuren von der Zusammensetzung C2H4(COOH)3 voraussehen, denen
•) i) Kopp, Geschichte der Chemie, Bd. 4, pag. 361. 2) Gmelin, Handbuch der organ.
Chemie, Bd.* 5, pag. 252. 3) Köhnke, das., pag. 253. 4) Walz, Jahresber. 1860, pag. 263.
5) Brunmer u. Brandenburg, Ber. 9, pag. 982. 6) Heintz, Jahresber. 1849, pag. 558.
7) v. Gorup-Besanez, Ann. 98, pag. 28. 8) Vergl. Gmelin-Kraut, Handb. d. Gh., Suppl. 2,
pag. 822. 9) Chevreul, Bromeis, Sthamer, Radcliff, Ronalds, Sacc, Arppe, Gmelin-Kraut,
Handb. d. Gh., Bd. 5, pag. 253; Suppl. 2, pag. 823. 10) Heldt, Ann. 63, pag. 40. ii) Schor-
LEMMER, Ann. 147, pag. 214. 12) PinpsoN, Gmelin-Kraut, Handb. d. Gh., Suppl. 2, pag. 823.
13) Hlasiwktz u. Barth, Ann. 138, pag. 76. 14) Friedel u. Machuca, Ann. 120, pag. 283.
15) SocpsoN, Ann. 118, pag. 373; 121, pag. 153; Geüther, Ann. 120, pag. 268. 16) Erlen-
meyer u. Mühlhäüser, Ann. 145, pag. 365; Simpson, das., pag. 373. 17) v. Richter, Zeit-
schrift f. Ch. 1868, pag. 449. 18) Steiner, Ber. 7, pag. 184. 19) Schmitt, Ann. 114, pag. 106;
Dbssaignes, Ann. 115, pag. 120. 20) Schmidt, Jahresber. 1847—1848, pag. 466; Pasteur,
Ann. 105, pag. 264. 21) Pasteur, Jahresber 1862, pag. 477. 22) Dessaignes, Ann. 70,
pag. 102. 23) Liebig, Ann. 70, pag. 104, 363. 24) Kohl, Jahresb. 1855, pag. 466; 25) Bour-
GOIN, Jahresber. 1874, pag. 592. 26) Ders., Bull. soc. chim. 29, pag. 243. 27) Franchimont,
^^* 7t pag- 216. 28) Seexamp, Ann. 133, pag. 253. 29) Kolbe u. Koch, Ann. 119. pag. 173.
30) Besthelot, Ann. 147, pag. 376. 31) Kekulä, Ann. 131, pag. 84. 32) Bourgoin, Jahresb.
1867, pag. 385. 33) Büchner, Ann. 78, pag. 207. 34) Bechamp, Jahresber. 1870, pag. 632.
35) DöpPiNG, Ann. 47, pag. 253; Fehling, Ann. 49, pag. 154. 36) Fehling, Ann. 49, pag. 195.
37) Eghis, Ber. 6, pag. 11 77. 38) Kopp, Ann. 95, pag. 327. 39) Fehling, Ann. 49, pag. 192.
40) Herrmann, Ann. 211, pag. 306,* Rbmsen, Ber. 8, pag. 1408. 40 a) Herrmann, Ber. 16,
pag. 141 1. 41) Duisberg, Ber. 16, pag. 133. 42} Duisberg, Ann. 213, pag. 149; Ber. 15,
pag. 1378. 43) DEMARgAY, Jahresber. 1873, pag. 516. 44) Cahours, Ann. 47, pag. 297.
45) Heintz, Jahresber. 1859, pag. 280. 46) Silva, Ann. 154, pag. 255. 47) Guareschi u.
Del-Zanna, Ber. 12, pag. 1699. 48) Tüttschefp, Jahresber. 1860, pag. 406. 49) LouRENgo,
Ann. 115, pag. 361; v. Richter, Joum. f. pr. Ch. [2] 20, pag. 207. 50) LouRENgo, Ann. 115,
PH' 35^ 5') Wurtz u. Friedel, Jahresber. 1861, pag. 378. 52) Wislicenus, Ann. 133
pag. 262. 53) d*Arcet, Ann. Chim. Phys. [2] 58, pag. 282. 54) Gerhardt u. Chiozza,
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(
350 Handwörterbuch der Chemie.
CHjCOOH CH
die Formeln I und nxj^^nr\nxT\ zukommen. In der That sind zwei
CH2COOH CH(COOH),
Ann. 87, pag. 290. 55) Anschütz, Ber. xo, pag. 326, 1883. 56) Kraut, Ann. 137, pag. 254.
57) Heintz, Pogg. Ann. 108, pag. 73. 58) Möller, Joum. f. pr. Ch. [2] 22, pag. 194.
59) Wreden, Ber. 3, pag. 96. 60) Wischin, Ann. 143, pag. 262. 61) A Saytzeff, Ann. 171,
pag. 258. 62) Perkin u. Duppa, Ann. 117, pag. 130; Rekul^, Ann. Suppl. 2, pag. 86.
63) Fehling, Ann. 49, pag. 196. 64) Menschutkin, Ann. 162, pag. 181. 65) Ders., Ann- 163,
pag. 173. 66) Wallach u. Ramenski, Ber. 14, pag. 170. 66 a) Gerhardt u. Laurent.
67) Teuchert, Ann. 134, pag. 136. 68) Menschutkin, Ann. 162, pag. 174. 69) Ders.,
Ann. 182, pag. 90. 69a) Gerhardt. 70) Erlenmeyer, Zeitschr. f. Ch. 1869, pag. 174.
71) BuNOE, Ann. Suppl. 7, pag. 117. 72) Menschutkin, Ann. 162, pag. 165. 73) Ch. A. Bell,
Ber. 13, pag. 877. 74) Bernthsen, Ber. 13, pag. 1047. 75) Dessaignes, Ann. 82, pag. 234.
76) Gerhardt u. Chiozza, Jahresber. 1856, pag. 507. 77) Kekulä, Ann. 117, pag. 120.
78) Carius, Ann. 129, pag. 7. 79) Kekul^ Ann. 130, pag. 21, 30. 80) Frmc u. Dorn,
Ann. 188, pag. 88. 81) Orlowski, Ber. 9, pag. 1604. 82) Kekuije, Ann. Supp. i, pag. 129.
82 a) Ders., Ann. Suppl. 2, pag. 87. 83) Fittig u. Petri, Ann. 195, pag. 56. 84) Anschütz,
Ber. 10, pag. 1885. 85) Perkin u. Duppa, Ann. 117, pag. 130. 86) Kekülä, Ann. Suppl. i,
P^S* 354' 87) Anschütz, Ber. 10, pag. 1884. 88) Ossipoff, Ber. 12, pag. 2096. 89) Anschütz,
Ber. 12, pag. 2280. 90) Franchimont, Ber. 6, pag. 199. 91) Keselinsky, Jahresber. 1877,
pag. 706. 92) PiCTET, Ber. 13, pag. 1669. 93) Bourgoin, Compt rend. 76, pag. 1267.
94) PussON, Gmelin-Kraut, Handb., Bd. 5, pag. 356. 95) Ritthausen, Jahresber. 1868,
pag. 820; 1869, pag. 806; Kreusler, das., pag. 808. 96) Hlasiwetz u. Habermann, Ann. 159,
P^> 325; 169, pag. 162. 97) Scheibler, Jahresber. 1866, pag. 399. 98) Dessaignes, Ann. 83,
pag. 83. 99) Ders., Compt rend. 30, pag. 324; Jahresber. 1850, pag. 375, 414. 100) Pasteüi,
Ann. 82, pag. 324. 10 1) GuARESCHi, Ber. 9, pag. 1436. 102) Ritthausen, Jahresber. 1869,
pag. 807. 103) ScHAAL, Ann. 157, pag. 24. 104) Pirlv, Gmelin-Kraut, Handb. 5, pag. 363.
105) Dessaignes, Jahresber. 1850, pag. 414. 106) Grimaux, Ber. 8, pag. 545. 107) Liebig,
Ann. 7, pag. 146. 107a) LiEBiG, Ann. 26, pag. 125, 161. 108) KoLBE, Ann. 121, pag. 232.
109) Dessaignes, Ann. 82, pag. 237. iio) Dessaignes u. Chautard, Gmelin, Handb. 5,
pag. 365. iii) PiRiA, das., pag. 365. 112) Dessainges, Chautard, Gmklin, Handb., Bd. 5,
pag. 366. 113) Griess, Ber. 12, pag..2ii7. 114) Fehling, Ann. 38, pag. 285; 49, pag. 203.
115) Carius, Ann. 129, pag. 9, 116) Kämmerer u. Carius, Ann. 131, pag. 167. 117) Credner,
Jahresber. 1870, pag. 733. 118) Messel, Ann. 157, pag. 15. 119) Weselsky, Ber. 2, pag. 518.
120) Wichelhaus, Jahresber. 1867, pag. 461. 121) Züblin, Ber. 12, pag. 1112. 122) v. Richter,
Jahresber. 1868, pag. 519. 123) Byk, Jahresber. 1868, pag. 534; 1870, pag. 659. 124) Kres-
TOWNiKOFF, Ber. 10, pag. 410. 125) Conrad u. Bischoff, Ann. 204, pag. 146. 126) Ban-
DROWSKI. Ber. 10, pag. 838. 127) Ders., Ber. 12, pag. 2212. 128) Ders., Ber. 15, pag. 2694.
129) Ders., Ber. 15, pag. 2698. 130) Ders., Ber. 13, pag. 2340. 131) Nöldecke, Ann. 149,
pag. 232. 132) £. u. H. Salkowski, Ber. 12, pag. 650; Gautier u. Etard, Ber. 16, pag. 2527.
133) SoROKiN, Ber. 12, pag. 2096. 134) Funaro, Ber. 14, pag. 2240. 135) Urech, Ber. 13,
pag. 1692; 14, pag. 340. 136) Anschütz, Ber. 12, pag.2281. 137) A. Saytzeff, Ber. 13, pag. 1061.
138) Emmert u. Friedrich, Ber. 15, pag. 1851. 139) v. Bemmelen, Jahresber. 1856, pag. 602;
Funaro u. Danasi, Jahresber. 1880, pag. 799. 140) Schacherl, Ber. 14, pag. 637. 141) Ax-
SCHÜTZ u. Bennert, Ber. 15, pag. 640. 142) Hnx, Ber. 13, pag. 734. 143) Ossipoff,
Ber. 13, pag. 2403. 144) W. H. Perkin, Ber. 15, pag. 2362. 145) Claus, Wagner q. Tenmss«
Ber. 15, pag. 1847. 146) Claus u. Wagner, Ber. 15, pag. 1844. 147) Claus o. Tenxbb«
Ber. 15, pag. 1849. >48) Claus u. Helpenstein, Ber. 14, pag. 624; Claus u. Tenner, Ber. 15.
pag. 1848; vergL Lehrfeld, Ber. 14, pag. 18 16. 149) Beilstein u. Wiegand, Ber. 15, pag. 14-99-
150) Claus u. Calliess, Ber. 11, pag. 495. 151) In Betreff der optischen Eigenschaften des
Asparagins und der Asparaginsäure sei auf eine Abhandlung von A. Becker, Ber. 14, pag. losS,
verwiesen. 152) Körner u. Menozzi, Ber. 14, pag. 2239. 153) Rüdorff, Ber. 12, pag. 252.
154) MiQUEL, Ber. 12, pag. 672. 155) £. Schulze, Ber. 15, pag. 2855, 156) Grohaux, Ber. 15,
pag. 2364. 157) Kauder, Ber. 16, pag. 2506. 158) Mulder u. Hamburger, Ber. 16, pag. 401.
Bernsteinsäure. 25 1
solcher Säuren bekannt, die Bersteinsäure und die Isobemsteinsäure. Der Bem-
steinsäure ist nach Bildung und Verhalten die erste der gegebenen Structur--
fonneln zuzuschreiben, während der Isobernsteinsäure die zweite zuertheilt werden
muss..
Die Bernsteinsäure (Aethylenbernsteinsäure, Succinylsäure),
CH,(COOH).CH2(COOH), wird bereits von Agricola (1350) als flüchtiges
Bemsteinsalz beschrieben; Lemery (1675) erkannte ihre saure Natur (i), während
erst Berzeuus ihre Zusammensetzung kennen lehrte.
Sie findet sich im Bernstein und manchen anderen fossilen Pflanzenresten (2).
Aber auch in lebenden Pflanzen wird sie angetroffen, so u. a. im Kraut von
Lactuca satwa und virosa (3), im Saft von Fapaver somniferum (4), in unreifen
Trauben (5). In manchen thierischen Produkten ist ihr Vorkommen gleichfalls
constatirt, so in Echinocockenbälgen (6), in der Thymusdrüse des Kalbes, der
Tkfrtcfidea^ der Milz des Rindes (7), im Harn mancher Thiere (8).
Bemsteinsäure erhält man vielfach als Oxydationsprodukt organischer Körper.
Sie bildet sich z. B. weim Fette oder höhere Fettsäuren, wie Talg, japanesisches
und Bienenwachs, Wallrath, Stearin-, Sebacin- und Azelainsäure u. s. w. mit
Salpetersäure (9) behandelt werden, bei der Oxydation von Buttersäure durch
Brom (14), von Valeriansäure durch übermangansaures Kali (12), femer bei der
Einwirkung von Salpetersäure auf Santonin (10), auf Hexyl- und Octylwasser-
stoff (11), auf Lävulinsäure (131), beim Schmelzen von arabischem Gummi und
von Milchzucker mit Kali (13), bei der Oxydation von Diallyl mit Chromsäure
oder Kaliumpermanganat (133). Von anderen Bildungsweisen der Bernsteinsäure
mögen die folgenden erwähnt werden:
Sie tritt bei der Alkoholgährung des Zuckers (20), beim Uebergang von
Alkohol in Essigsäure unter dem Einfluss von Micoderma aceti (21) und ver-
schiedenen anderen Gährungsprozessen sowie bei der Fäulniss von Fleisch auf (132).
Sie entsteht femer beim Behandeln von Aepfelsäure, (s. Bd. I, pag. 31), Fumar-
säure (s. Bd. I, pag. 38), Maleinsäure (s. Bd. I, pag. 41) und verschiedenen Brom-
substitutionsprodukten dieser Säuren mit Reductionsmitteln und bei der Ein-
wirkung von Jodwasserstoflisäure auf Weinsäure (19). Auch ist ihre Bildung als
Nebenprodukt bei der Darstellung der Malonsäure durch Einwirkung von
Cyankalium auf Monochlor- oder Monobromessigester und Kochen der ent-
stehenden Cyanide mit Kali nachgewiesen (27). Man erhält Bersteinsäure
ausserdem beim Verseifen des Acetsuccinsäureesters (s. Bd. I, pag. 20), bei der
Einwirkung von molekularem Silber auf Bromessigsäure, CH^BrCOOH (18),
beim Behandeln der ß-Cyanpropionsäure, CH2(CN)CHaCOOH, mit Kali (17)
und bei der Einwirkung von alkoholischem oder wässrigem Kali, Salpetersäure
oder Salzsäure auf Aethylencyanür, CHa(CN).CH2(CN) (15). Die zuletzt er-
wähnten synthetischen Entstehungsweisen sprechen u. a. ganz besonders für die
Richtigkeit der für die Bemsteinsäure angenommenen Constitutionsformel
CHj(COOH).CHjCOOH. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass man auch
bei der Einwirkung von Kali auf das aus Aethylidenchlorid, CHjCHClj, und
Cyankalium entstehende Cyanid gewöhnliche Bemsteinsäure erhält (16).
In grösserer Menge entsteht Bemsteinsäure, wie Dessaignes zuerst beob-
achtete, bei der Gährung des äpfelsauren Calciums (22), und man kann sich
dieses Prozesses zur Darstellung derselben bedienen.
Zu dem Behnfe rührt man nach Li^big 1-^ Kilo rohen äpfelsauren Kalk, wie man den-
selben aus dem ausgepressten Vogelbeersafte nach mehrmaligem Auswaschen mit Wasser arhält
r
t$2 Handwörterbuch der Chemie.
(fi* Bd. I. pa^, 32), mit 5 Kilo Wasser an und setzt der Mischung 120 Grm. faulen mit Wasser
«rtfrri ebenen K^tse zu. Es tritt sehr bald Gahning ein, nach deren vollständiger Beendigung man
den gebildeten kömig krystallinischen Absatz, welcher aus kohlensaurem und bemsteinsaurem
Kalk besteht, nbfiltrirt, mit kaltem Wasser mehrmals auswäscht und so lange mit verdünnter
SchwefelsäurL' vt^rsetzt, bis kein Aufbrausen mehr bemerkbar ist. Man setzt sodann nochmals die
i^kiche Menge Schwefelsäure hinzu und erhitzt bis zur vollständigen Umsetzung zum Sieden.
Die FlUs^sigkeit wird sodann vom ausgeschiedenen Gyps getrennt, bis zum Entstehen einer
Kiystallhaut eingedampft und mit Schwefelsäure solange versetzt, als noch ein Niederschlag ent-
steht. Man verdünnt sodann mit Wasser, filtrirt und erhält durch Eindampfen des Filtrats lur
Krystnllisntinn die entstandene Bemsteinsäure, welche durch Umkrystallisation aus Wasser unter
ZusatK von Thierkohle vollständig gereinigt wird. Ausbeute: 3 Kilo äpfelsaurer Kalk geben
$60 — 000 Gmi. Bemsteinsäure. Auch durch Bierhefe kann die Gähmng eingeleitet werden (23). —
Nach Kohl soll man den äpfelsauren Kalk durch Auswaschen möglichst von Zucker befreien, da
t1 essen Anwesenheit die Bildung von 'Milchsäure und secundären Produkten bewirke, l Kilo
äpfeküuren Kfilk mit 3 Kilo Wasser und 60 Grm. im höchsten Grad der Fäulniss begriffenem
Kjlse vcffietzen und die Gähmng bei einer zwischen 15 und 20® liegenden Temperatur vor sich
geht*n lassen (34).
Zu medieinischen Zwecken verwendet man die unreine, hellgelb gefärbte, noch brenzliche
Oele (Berns teinöl) enthaltende Säure, wie man sie durch trockne Destillation des Bernsteins und
theilwei<ie Reinigung des Produktes erhält
Die Bemsteinsäure bildet monokline Blättchen oder Säulen. Sie schmilzt,
rasch erhitzt, bei 180° und siedet bei 235° unter Zersetzung in Wasser und Bern-
stein säure anhydrid; bereits weit unterhalb ihres Schmelzpunktes findet partiell
diese Zersetzung und Sublimation statt. — In 100 Thln. Wasser lösen sich bei
0^ 2 8S Thle., bei 14-5° 5-14 Thle., bei 48° 20*28 Thle. und bei 100° 120'86 Thle.
Bernsteinsäure (25). 100 Thle. OOproc. Alkohols lösen bei 15° 11-004 Thle.,
100 Thle. absoluten Alkohols 6*98 Thle. und 100 Thle. Aetiier 1-249 Thle.
Bemsteinsäure (26).
Die Bemsteinsäure geht unter Abspaltung von CO, in Propionsäure über,
wenn man dieselbe mit Kalkhydrat erhitzt (29), wenn man bemsteinsaures
Uranoxyd enthaltende Lösungen dem Sonnenlichte aussetzt (28), wenn man
ihr Kalksalü unter Anwendung von Mikrocymakreide (Kreide von Sens, welche
nach B^CHAMP ein von ihm Microzytna cretae benanntes Ferment enthält) und
etwas Fleisch vergähren lässt (34). Das Natriumsalz derselben liefert bei der
dürcli Mandelkleienextract eingeleiteten Gähmng Essigsäure, Buttersäure und
Kohlensäure (33). Die meisten Oxydationsmittel, wie Salpetersäure, Chromsäure,
Chamäleün> sowie auch Chlor, ein Gemenge von chlorsaurem Kali und Salz-
säure lassen Bemsteinsäure unverändert; ebenso sind viele Reductionsmittel, wie
Zink, Zinn im d Salzsäure, Natriumamalgam, ohne Einwirkung. Durch schmelzendes
Kalihydrat wird sie in Essigsäure übergeführt (29), beim Erhitzen mit üb»-
scbüssiger JodwasserstofFsäure auf 280° wird Butan, bei Anwendung geringerer
Mengen des Reductionsmittels Buttersäure gebildet (30). Bei der Elektrolyse von
bemsteinsaurem Natron in conc. wässriger Lösung zerfällt die Bemsteinsäure
unter Bildung von Aethylen, Kohlensäure und Sauerstoff (31), wenig Acetyleo
und Spuren von Kohlenoxyd, wenn dem Salz bis zu einer bestimmten Menge
freies Natronhydrat beigemengt ist. Ist dieses nicht der Fall oder ist mehr
freies Alkali zugegen, so entsteht der Hauptsache nach Sauerstoff und Kohlen-
ojtyd neben Kohlensäure. Die gleichen Produkte bilden sich auch bei der
Elektrolyse der freien Säure (32).
.\uf trockene Bemsteinsäure wirkt Brom kaum ^in, bei Gegenwart von
^-♦■i..^'
f.:
Bernsteinsäure. 253
Wasser entstehen Bromsubstitutionsprodukte (s. unten). Ueber Schnelligkeit der
Substitution vergl. Urech, Ber. 13, pag. 1695.
Bernsteinsaure Salze (35). Als zweibasische Säure ist die Bemsteinsäure befähigt,
sanre und neutrale Salze zu bilden. Es seien erwähnt:
Saures bernsteinsaures Kalium, CjH^COOK-COOH -h 2HjO. Sechsseitige, ver-
witternde Säulen. Bildet mit 1 MoL Bemsteinsäure ein Ubersaures Salz.
Neutrales bernsteinsaures Kalium, CjH4(COOK)3, krystallisirt mit JH^O in dünnen,
rhombischen Tafeln oder mit 2H2O in zerfliesslichen Krystallen.
Saures Natriumsalz, CjH^COONaCOOH. Mit 3HjO rhombische Tafeln.
Neutrales Natriumsalz, C,H^(COONa)j -f 6HjO. Rhombische, tafelförmig ver-
breiterte Säulen.
Bernsteinsaures Ammoniak, C3H4(COONH^)2. Sechsseitige Prismen von schwach
»aurer Reaction. Geht beim Erhitzen zunächst unter Verlust von NH, in das saure Salz und
sodann unter Wasserabgabe in Succinimid, C^H^^q NH, tiber.
Bernsteinsaures Baryum, C2H^(COO)gBa, fällt krystallinisch aus, wenn man eine
Lösimg von bemsteinsaurem Alkali mit Chlorbaryum versetzt In Wasser sehr schwer, in Salz-
säure und Salpetersäure leicht löslich.
Saures bernsteinsaures Calcium, (CjH4COOH-COO)aCa + 2H,0.
Neutrales bernsteinsaures Calcium, CgH^(COO)3Ca, krystallisirt mit SH^O nach
einiger Zeit in Nadeln aus, wenn concentrirte Lösungen von Chlorcalcium und bemsteinsaurem
Alkali gemischt werden. Kochend zusammengebracht erzeugen diese Lösungen sofort ein mit
1 MoL Kiystallwasser ausfallendes Salz. — Produkte bei der trojcknen Destillation von bemstein-
saurem Kalk (134).
Das neutrale Magnesium-Salz ist in Wasser löslich, dagegen sind die neutralen
Salze von Silber, Zink, Kupfer, Quecksilber (-oxydul und -oxyd) in Wasser schwer oder
nicht löslich, sowie auch das neutrale und die basischen Bleisalze der Bemsteinsäure.
Für die analytische Erkennung der Bemsteinsäure sind unter diesen Salzen namentlich das
neutrale Calcium- und das Baryumsalz wichtig, welche in Wasser schwer, in Weingeist unlöslich
sind. Femer erzeugt neutrales bemsteinsaures Alkali in den Lösungen von Thonerde- und
Eisenoxydsalzen charakteristische Niederschläge von basischen, unlöslichen Salzen, während
Eisenoxydul- und Manganoxydullösungen durch bemsteinsaures Alkali bei hinreichender Ver-
dfinnnng nicht gefällt werden.
Bernsteinsäure-Methylester, C3H4(COOCH,)j, entsteht beim Sättigen einer methyl-
alkoholischen Lösung von Bemsteinsäure mit Salzsäuregas. — Schmp. 20^. Siedep. 198^ (36).
Bernsteinsäure-Aethylester, C2H^(COOCaH5)2, stellt man am besten
durch zweistündiges Kochen von 20 Grm. Bemsteinsäure, 8 Grm. Alkohol und
1 Grm. concentrirter Schwefelsäure am Rtickflusskühler dar (37). Siedep. 217'7*'
(cor.), spec. Gew. 1*0475 bei 25'5°. Bildet mit Titanchlorid verschiedene Doppel-
verbindungen (43). Substitutionsgeschwindigkeit beim Behandeln mit Brom (135).
Succinylobernsteinsäureester, CuHigOg. Produkt der Einwirkung
der Alkalimetalle auf Bemsteinsäureester. Der Körper wurde von Fehling (39)
entdeckt. Geuther ertheilte ihm zuerst die oben gegebene Formel, welche durch
die eingehenden Untersuchungen von Hermann (40) bestätigt wurde.
Die Darstellung des Succinylobemsteinsäureesters geschieht am besten in folgender Weise
(40): 80 Grm. Natrium schmilzt man unter Petroleum auf dem Sandbade und bewirkt durch
heftiges Umrtthren eine Vertheilung des Metalls in feine Kügelchen, welche bei Vermeidung
▼on Eischtitterung während des AbkUhlens erhalten bleiben. Das so vorbereitete Metall
wird nach dem Abspülen mit Petroleumäther in kleinen Antheilen allmählich in 300 Grm.
Bemsteinsäureester eingetragen. Ist der Bemsteinsäureester vollständig rein, so wirkt Natrium
nicht auf denselben ein, wohl aber, wenn Spuren von Alkohol zugegen sind (41), und zwar
geht die Reaction unter Wasserstoffentwicklung vor sich. Nachdem das Metall eingetragen,
wird das Gefäss, in welchem man die Reaction vornimmt, durch ein Quecksilberventil abgesperrt.
\
254 Handwörterbuch der Chemie.
Nach 5 bis 6 Wochen wird die erhaltene lockere, staubtrockene, schwach röthlich geftrbte
Masse — die Natriumverbindung CjjHj^OßNaj des Succinylobemsteinsäureesters — mit Hilfe
' eines feinen Siebes von den Partikehi des unangegriffenen Metalles getrennt, durch Uebedeiten
von Kohlensäure oder Eintragen in verdünnte Schwefel- oder Salzsäure zersetzt und nach dem
Auswaschen mit Wasser und Trocknen durch Krystallisation aus Alkohol, nachheriges Waschen
mit Wasser und abermaliges Umkrystallisiren aus Aether gereinigt. Auch durch Lösen io ver*
^. dUnnter Natronlauge, Ausfällen durch Kohlensäure und längeres Auswaschen mit Wasser kann
der Succinylobemsteinsäureester rein erhalten werden.
Die Natriumverbindung des Succinylobemsteinsäureesters entsteht wahr-
scheinlich nach folgender Gleichung:
2C2H4(COOCjH5)j -h 4Na = C^ jHj^OgNaj + 2NaOCjiH5 H- 4H.
Der Succinylobemsteinsäureester bildet sich auch nach Duisberg (42, 41),
wenn man den durch Einwirkung von 1 Mol. Brom auf 1 Mol. Acetessigester
(s. Bd. I pag. 10) erhaltenen Monobromacetessigester mit alkoholischem Ammoniak
oder Natrium in ätherischer Lösung behandelt. Was die Constitution des
Succinylobemsteinsäureesters anbetrifft , so kommen nach den seitherigen Unter-
suchungen in erster Linie die beiden Formeln
COOC2H5
CHCO CHjCOCHCOOCjHs
CHjCH, "^ CHjjCO CHCOOC^Hs
COCHCOOCjHj
in Betracht (40, 41). Die zweite sei den nachfolgenden Entwicklungen zu
Grunde gelegt.
Der Succinylobemsteinsäureester krystallisirt aus ätherischer Lösung beim
langsamen Verdunsten des Lösungmittels in grossen, gut ausgebildeten, hellgrünen
triklinen Krystallen von vollkommener Spaltbarkeit. Er ist löslich in 62*5 TWn.
absoluten Aethers bei 17° und in ö5'8 Thln. bei 20°, femer löslich in Ligroin,
Benzol, Alkohol, Eisessig, Schwefelkohlenstoff und concentrirter Schwefelsäure,
dagegen unlöslich in Wasser bei gewöhnlicher Temperatur. Seine Lösungen
in neutralen Mitteln zeigen intensiv hellblaue Fluorescenz; die alkoholische wird
von Eisenchlorid tief kirschroth gefärbt, welche Färbung bei Zugabe von sauren
oder basischen Agenden wieder verschwindet. Schmp. 126 — 127® ; spec. Gew. 1*4057
bei 18*^, bez. auf Wasser von 4®. Wird selbst bei 140® von Essigsäureanhydrid
nicht angegriffen. Kali- und Natronlauge lösen ihn zu einer intensiv gelb ge-
färbten Flüssigkeit, wogegen er in Ammoniak unlöslich ist. Lässt man über-
schüssiges Alkali enthaltende Lösungen längere Zeit bei I^uftabschluss stehen,
säuert sodann mit Schwefelsäure an und behandelt mit Brom, so erhält man
Bromanil, CgBr^Oji. wahrscheinlich neben anderen Substitutionsprodukten des
Chinons.
Die alkalischen Lösungen enthalten Metallsubstitutionsprodukte. Die Verbindiing
CHjCOCKCOOCjHe CH,COCKCOOC,H.
;:. , ^^^»,^^^^ „ erhält man als weissen, die Verbindung a,» ^^x,^ ^^^« ^
CHjCOCHCOOCjHj ^ CHjCOCK-COOCjHj
orangefarbenen Niederschlag, wenn man alkoholische Kalilauge in geeigneter Menge rar
ätherischen Lösung des Esters fügt. Natrium verhält sich dem Kalium analog. Versetzt nun
die wässrige Lösung der Alkaliverbindungen mit den Salzlösungen anderer Metalle, so werden
diese an die Stelle der Alkalimetalle in den Ester eingeführt. So kann man z. B. eine Magnesium-
Verbindung CjjHi^MgOg -H2HjO als rothen Niederschlag erhalten.
Succinylobernsteinsäure-Monoäthylester,C6HßO,(COOC,H5)COOH,
und Succinylobernsteinsäure, C0H6O3(COOH)2.
Die Lösimg des Succinylobemsteinsäureesters in Normalnatronlauge (unter Vermeidung eines
1^
Bemsteinsäure. 255
Ueberschusses) bleibt bei LuftabscUuss stehen , bis sie sich zu trüben beginnt. Unzersetzter
SacdnylobemsteinsäuTeester wird durch Einleiten von Kohlensäure abgeschieden und durch
Filtration entfernt. Essigsäure föllt sodann den Monoäthylester und nach Abtrennen des letzteren
Schwefel- oder Salzsäure die Succinylobemsteinsäure.
Der Monoäthylester krystallisirt aus Aether in schwach gelb gefärbten
Prismen. Seine Lösungen in neutralen Mitteln fluoresciren hellblau und werden
durch Eisenchlorid violett gefärbt. Er löst sich in kohlensauren Alkalien. Bei
78*^ schmilzt er unter Kohlensäureverlust und geht in
o . , . , , CHjCO.CHCOOCjH. ^ ^.
Succmylopropionsäureäthylester, • ' • , über. Dieser
ist eine nicht unzersetzt destillirbare, beim Stehen an der Luft sich zersetzende
Flüssigkeit, deren Lösungen stark fluoresciren und durch Eisenchlorid intensiv
violett gefärbt werden.
Die Succinylobemsteinsäure fallt in mikroskopischen Nadeln, deren
alkoholische Lösungen durch Eisenchlorid violett gefärbt werden, und welche sich
beim Verweilen unter Wasser langsam bei gewöhnlicher Temperatur, rasch beim
Erhitzen unter Kohlensäureentwicklung lösen. Dabei bildet sich wahrscheinlich
Succinyl ©Propionsäure, welche auch entsteht, wenn Succinylobemsteinsäure-
ester mit überschüssigem Alkali unter Luftabschluss verseift wird. Wird die
Succinylobemsteinsäure zwischen Uhrgläsem sublimirt, so erhält man neben
einem kohligen Rückstand
Chinontetrahydrür, C^-HgOg. Krystallisirt aus Wasser bei langsamer
Verdunstung in flachen Prismen, welche bei 75^ schmelzen. Sublimirt bereits
unter 100*^. Seine mit Alkali versetzten Lösungen bräunen sich an der Lufl:. Bei
der Einwirkung von Brom liefert es Bromanil, CgBr^O,.
Oben wurde erwähnt, dafis überschüssiges Alkali auf Succinylobemsteinsäure bei Abschluss
der Luft unter BUdung von Succinylopropionsäure einwirkt. Daneben entsteht ein mit dem er-
wähnten Chinontetrahydrür isomerer Körper, welcher aus Wasser in rhombischen Prismen von
der Formel C^HgOj+^HjO krystallisirt, sein Krystallwasser bei 110^ vollständig verliert und
dann bei 170° unter Zersetzung schmilzt.
Alle im Vorstehenden beschriebenen Verseifungsprodukte des Succinylo-
berasteinsäureesters reduciren ammoniakalische Silberlösung und alkalische
Kupferlösung schon bei gewöhnlicher Temperatur. Ihre alkalischen Lösungen
bräunen sich an der Lufl unter Aufnahme von Sauerstoff. Die Lösungen der
carboxylhaltigen zeigen hellblaue Fluorescenz und werden durch Eisenchlorid
charakteristisch gefärbt.
Diese Eigenschaften theilt eine Säure von der Formel CgHj^jOg, welche unter den Zer-
setzungsprodukten mit überschüssigem Alkali aufgefunden worden, nicht. Dieselbe krystallisirt
in rhombischen Tafeln, schmilzt bei 139° und bildet krystallinische Salze. — CgHgBaOß -f- 2H3O.
, . .. . CHCO-CHCOOCoHg
Chinonhydrodicarbonsäureester, CH-CO-CHCOOC H ^^^^^eht
bei der Einwirkung von Brom auf in Schwefelkohlenstoff gelösten Succinylobem-
steinsäureester. Rhombische Tafeln oder Prismen oder platte Nadeln von grün-
Kchgelber Farbe und hellblauer Fluorescenz. Schmp. 133—1 33-5°. 1 Thl. löst
sich in 63"5 Thln. absoluten Aethers. Löslich auch in Ligroin, Benzol, Alkohol,
Eisessig und Schwefelkohlenstoff. Die Lösungen zeigen hellblaue Fluorescenz, die
alkoholische wird von Eisenchlorid blaugrün gefärbt. Löst sich in Alkalien und
bildet Metallsubstitutionsprodukte wie der Succinylobemsteinsäureester. Durch
Verseifen mit Alkali bei gewöhnlicher Temperatur unter Luftabschluss erhält man
aus dem Chinonhydrodicarbonsäureester
256 Handwörterbuch der Chemie.
Chinonhydrodicarbonsäure-Monoäthylester, CßH402(CO,C|H})
GOOH. — Nadeln oder Prismen vom Schmp. 184°, gut krystallisirende Salze
bildend — und
u ^ ^- u CHCOCHCOOH „^. , ., .,
Chinonhydrodicarbonsaure, 'ATTr^r\r-TTr-r\r\u' ^''^ ^^^ *^^** S^hea
durch stärkere Säuren als grünlichweisser Niederschlag gefällt, welcher sich in der
Flüssigkeit bald in ein krystallinisches Pulver von der Formel CgH^Og -h 2H2O
verwandelt. Verliert das Krystallwasser über Schwefelsäure. In kaltem Wasser
sehr schwer, in heissem etwas leichter löslich, schwer löslich in Alkohol und in
Aether. Krystallisirt aus Alkohol in gelben Blättchen mit blauem Flächenschiller.
Die wässrige Lösung fluorescirt smaragdgrün, die alkoholische und die äthemche
hellblau. Eisenchlorid färbt die Lösungen rein blau. Die Säure schmilzt bei
sehr hoher Temperatur unter Zersetzung. Schmelzendes Kalihydrat wirkt unter
Bildung von kleinen Mengen Hydrochinon auf dift Säure ein. In grösserer
Menge, wenn auch immerhin in nicht sehr glatter Weise, bildet sich das letztere
bei der trockenen Destillation (CgHßOg = (CgHgO, -i- 2C0j). Durch rauchende
Hydrochinon
Salpetersäure wird sie in Nitranilsäure übergeführt.
Salze der Chinonhydrodicarbonsaure. Die Chinonhydrodicarbonsaure bildet neu-
trale, saure und basische Salze. Dieselben sind in Alkohol unlöslich. Die wässrigen Lösungen
f- zeigen schwach smaragdgrüne Fluorescenz und werden durch geringe Mengen Eisenchlorid blau-
violett, durch grössere rein blau gefUrbt.
Neutrales Kaliumsalz, CsH40,(C00K),. Strohgelbe Nadeln.
Neutrales Natriumsalz, CgH4 0,(C00Na), -f- 2HjO. HellbräunUch geftrbte. platte
' Prismen. Fällt aus Lösungen, welche eine höhere Temperatur als 50® besitzen, krystallwasseHrei.
Neutrales Ammoniumsalz. Hellbraune, dicke Prismen.
Die Salze der alkalischen Erden werden durch Zusatz ihrer neutralen Lösungen zur Lösung
des Kaliumsalzes in kiystallinischem Zustand ausgeschieden.
Neutrales Calciumsalz, CgH^CaOg + 5H,0. Gelb geförbte Nadeln.
Neutrales Baryumsalz, CgH^BaO^. Charakteristische, atlasglänzende, platte Nftdelcbeo
mit einem schwachen Stich ins Grünliche, welche beim Pressen das Aussehen von Schuppen an-
nehmen. Selbst in siedendem Wasser schwer löslich.
NeutralesSilbersalz, CgH^Ag^O^. Kryptokrystallinischer, fast unlöslicher Niederschlag
von grünlich gelber Farbe. Verändert sich am Licht nicht.
Die sauren Salze entstehen auf Zusatz von Essigsäure zu den nicht allzu verdtUmten
Lösungen der neutralen Salze als krystallinische Niederschläge und zersetzen sich, wenn man
sie aus Wasser umzukrystallisiren versucht.
Saures Kaliumsalz, CeH40,(C00H)C00K. Krystallinischer, lebhaft gelber Nieder-
schlag mit einem Stich ins Grünliche. Aus stark verdünnten Lösungen fUllt es in kleinen,
glänzenden Prismen.
Saures Natriumsalz, C5H40,(COOH)COONa -h 2H,0. Fällt aus verdünnten
Lösungen in gelben, glänzenden, prismatischen Krystallindividuen.
Saures Calciumsalz, (CeHjOe),Ca+ 5H,0. Hellbräunliche, gekrümmte Nadeln.
Saures Baryumsalz. Langgestreckte, gelblichgrün geförbte Nadeln.
Die neutralen Salze der Alkalimetalle lösen sich in Alkalilaugen zu grün fluorcscirenden
Flüssigkeiten, welche auf Zusatz concentrirter Alkalilauge allmählich prachtvoll ausgebildete
Krystalle der basischen Salze fallen lassen, welche nur in der concentrirten Mutterlauge anter
Luftabschluss beständig sind. Das Natriumsalz, CgH^Na^O^ + 2NaOH + 10H,O, bUdet an-
scheinend rhombische, flächenreiche, durchsichtige Krystalle, die im durchfallenden Licht grün-
lichgelb, im reflektirten dagegen hellblau erscheinen.
Die Chinonhydrodicarbonsaure und ihre beschriebenen Derivate zeigen nur
geringe Beständigkeit gegen oxydirende Einflüsse. Die mit Alkalihydrat oder
Bemsteinsäure. 257
-carbonat im Ueberschuss versetzten Lösungen bräunen sich schnell an der Luft.
Sie reduciren ammoniakalische Silberlösung und aJkahsche Kupferlösung schon
bei gewöhnlicher Temperatur.
Perchlorbernsteinsäureester, C^Cl^ 04(0305)2(44).
Acthylbernsteinsäure, C2H4(COOCaH5)COOH (45).
Bernsteinsäure-Isopropylester, €2114(00003117),. Siedep. 228° (46).
Bernsteinsäure-Amylester, C,H4(0OO05Hn),. Siedep. 2899° (cor.)
bei 728 Millim. Druck (47).
Bernsteinsäure-Oetylester, 0,H4(OOOOi6H3j)j. Schmp. 58° (48).
Bernsteinsäure-Aethylenester, OjH^pqq^O^H^ (49).
Oxyäthylbernsteinsäure, CaH^^Q^n*^*^^ (50).
Succinylglycerin (Succinin), €3115(0 H)(04H404). Durch Erhitzen von
Glycerin mit Bemsteinsäure auf 200° erhalten. Syrup (139).
0000 H
Aethylbernsteinsäure-Milchsäureester, O2H4PQ qV jj 0000 H
Aus a-Chlorpropionsäureester und äthylbemsteinsaurem Kalium. Siedep. 280° (51).
Succinylodimilchsäureester, 04H4O2-(O0jH4COO0jH5),. Aus
Sacdnylchlorid und Milchsäureäthylester (52). Siedep. 300—304°. Aus bem-
steinsaurem Kalium und a-Ohlorpropionsäureester (51).
OH,— OOv,
Bernsteinsäureanhydrid, I .0, bildet sich beim Erhitzen der
^ OH, — 00^
Bemsteinsäure (53) für sich oder mit wasserentziehenden Mitteln, wie Phosphor-
säareanhydrid, Phosphorsuperchlorid (54), Essigsäureanhydrid, Acetylchlorid (55),
sowie bei der Einwirkung von Benzoylchlorid auf bernsteinsaures Natrium (54)
oder Bemsteinsäureester (56), von Succinylchlorid auf essigsaures Natrium (57)
und auf Oxalsäure (136). Am besten destillirt man zu seiner Darstellung gleiche
Mol. Bemsteinsäure und Succinylchlorid, welches für diesen Zweck nicht voll-
ständig gereinigt zu werden braucht (55, 58). — Nadeln. Schmp. 119*6, Siede-
punkt 250°. In Aether wenig löslich. Lässt sich aus absolutem Alkohol um-
krystallisiren, vereinigt sich jedoch bei längerem Behandeln damit zu Aethylbern-
steinsäure. Durch die Einwirkung des Wassers wird es in Bernsteinsäure über-
geführt. Brom wirkt bei 140° unter Bildung von Dibrömbemsteinsäureanhydrid,
C4H2Br203, auf den Körper ein (59).
Succinylchlorid, 04H40j'Cl3, wird durch Einwirkung der nöthigen
Menge Phosphorsuperchlorid auf Bemsteinsäure oder Bemsteinsäureanhydrid er-
halten (54). Siedep. 190°, spec. Gew. 1*39; erstarrt bei 0° zu Krystallen. Bildet
mit Wasser Bemsteinsäure, mit Alkohol Bemsteinsäureester. Succinylchlorid
gebt bei der Reduction mit Natriumamalgam in 7-Butyrolacton (61) (137), beim
Behandeln mit Zinkäthyl in Diäthylbutyrolacton (60) (138) über (s. d. Art. Lactone).
Bei der Einwirkung von Brom entsteht ein bei 218—220° nicht unzersetzt
siedendes bibromirtes Succinylchlorid, 04H2Br2O20l2y welches sich auch bei
der Einwirkung von Brom auf Fumarylchlorid bildet (62). Erhitzt man Succinyl-
chlorid mit Ohlorphosphor auf 230°, so entsteht ein Körper von der Zusammen-
setzung 0401^0, welcher durch längere Einwirkung von conc. Schwefelsäure in
der Hitze in ein bei 119*5° schmelzendes Säureanhydrid O4OI2O3 verwandelt
wird (157).
Succinamid, 04H4O2(NH2)s, entsteht bei der Einwirkung von wein-
1. 17
258 Handwörterbuch der Chemie.
1
geistigem oder wässrigem Ammoniak auf Bernstein säureäth er bei gewöhnlicher
Temperatur (63), sowie beim Behandeln von Succinimid mit alkoholischem
Ammoniak (64). Nadeln, in 220 Thln. Wasser von 19°, in 9 Thln. siedendem
löslich, in absolutem Alkohol und in Aether fast unlöslich. Geht beim Erhitzen
in Succinimid über und bildet, mit Quecksilberoxyd behandelt, eine Verbindung
C,H,0a(NH)3Hg-h l^H^O (65).
Dimethylsuccinamid, C4H402(NHCH3)2. Schmp. 175° (66).
CHjCONH,
Succinaminsäure, I . Beim schwachen Erwärmen von Suc-
CHjCOOH
cinimid mit der äquivalenten Menge von Barythydrat (67), sowie beim Erhitzen
desselben Körpers mit Bleioxyd (67), Kalkhydrat oder Ammoniak (68) bilden
sich die entsprechenden Salze dieser Säure. Die Succinaminsäure kann in
grossen Krystallen erhalten werden, welche in Wasser leicht, weniger in ver-
dünntem Alkohol, nicht in absolutem Alkohol und in Aether löslich sind. Die
Säure sowohl als auch ihre Salze zersetzen sich leicht beim Kochen mit Wasser
unter Bildung bernsteinsaurer Salze (67).
Succinaminsaures Baryum, (C3H4CONH,COO),Ba. Nadeln, in Wasser Idcfat,
weniger in verdünntem Alkohol, nicht in absolutem Alkohol und in Aether löslich (67).
Succinaminsaures Calcium, (C^Hg03N).^Ca — Magnesiumsalz, (C4H^O|N}2Mg
+ 6H2O — Zinksalz, (C4H60,N)aZn — Cadmiumsalz, (C^HßO,N),Cd -h H,0 (67) -
Bleisalz, (C^H60,N)jPb(68) — Kupfersalz,(C4HgO,N)3Cu — Mangansalz,(C4H40jN),Mn
+ 5H,0 — Silbersalz, C^HgOjNAg (67).
Bibromsuccinaminsaures Ammoniak, CaHjBrjpQQjTTT (146).
/CH,CONHC,HA
Aethylsuccinaminsaures Baryum, 11^ J Ba (69).
CHgCO..
Succinimid, I ^NH, entsteht beim Erwärmen von Bernsteinsäure-
CHjCO^
anhydrid in Ammoniakgas (53), sowie beim Erhitzen von bemsteinsaurem Am-
moniak resp. Succinamid (63). Am leichtesten erhält man es durch rasche
Destillation von bemsteinsaurem Ammoniak. — Krystallisirt aus Wasser in rhom-
bischen Tafeln oder Oktaedern, welche an der Luft verwittern, sich leicht in
Wasser, weniger in Alkohol und in Aether lösen, bei 100° ihr Krystallwasser
verlieren und bei 125 — 126° schmelzen (70). Krystallisirt wasserfrei in Rhomben-
oktaedern aus trockenem Aceton (71). Siedep. 287 — 288° (72). Kann in Suc-
cinamid und Succinaminsäure (s. d.) übergeführt werden. Liefert bei der Ein-
wirkung von Brom neben Bromfumarimid (s. Bd. L, pag. 40) und einem bei
105 — 120° schmelzenden Körper Dibromsuccinimid (Schmp. 225°) (91), bei der
Destillation über Zinkstaub Pyrrol (73) und bei der Einwirkung von Phosphor-
superchlorid u. a. ein bei 145 — 148° schmelzendes Chlorid (t^). Der Imid Wasser-
stoff kann durch Quecksilber, Silber, verschiedene Säure- und Alkoholradikale,
sowie durch Jod ersetzt werden.
Succinimidquecksilber, (C4H402N),Hg, entsteht beim Behandeln einer wtssrigco
Lösung von Succinimid mit Quecksilberoxyd in der Wärme (75), krystallisirt in feinen Prismen
und ist sehr leicht in Wasser, ziemlich leicht in Alkohol löslich. Vereinigt sigh in concentrirter
wässriger Lösung mit Quecksilberchlorid zu (C4H^OjN)^Hg -+- HgQj, einer in glänzenden
Krystallflittem ausfallenden Verbindung (72), sowie mit Quecksilbercyanid zu (C4HjOjN),Hg
+ Hg(CN)j (Blättchen, in kaltem Wasser schwer löslich) (69). — Succinimidsilber,
C4H4O2N Ag (69a), bildet sich beim Zusammenbringen von Succinimid mit salpetexsaurem ^ber
Bemsteinsäure. 259
in alkoholischer Lösung in Gegenwart von Ammoniak. Verfikte Nadeln, wenig löslicli in kaltem
Wasser und Alkohol, verpufft beim Erwärmen. — C^H^OjNAg -f- ^H,0 (66a, 67) entsteht
beim Lösen des vorigen Salzes in Wasser bei Gegenwart von Ammoniak, sowie bei der Ein-
wirkung von Barytwasser auf eine wässrige Lösung von Succinimid und salpetersaurem Silber. Vor-
theflhafter gewinnt man die Verbindung durch Einwirkung von Silberoxyd auf Succinimid (71) in
Gegenwart von Wasser. Kleine, glänzende Krystalle, welche in kaltem Wasser und in Alkohol wenig
löslich sind, bei 100® ihr Krystallwasser verlieren und beim Erhitzen nicht verpuflfen (67, 72).
Die Lösung in Ammoniak hinterlässt beim Verdunsten eine in Säulen krystallisirende Ver-
bindung, C^H^O^NAg + NH,. Durch Jodäthyl wird Succinimid zurUckgebildet, während Jod
in trockener Aceton- oder Aetherlösung unter Bildung von
Jodsuccinimid, C^H^OjNJ, einwirkt (71). Dieses krystallisirt in farblosen, quadratischen
Prismen, welche leicht in Wasser und Aceton, etwas weniger in Alkohol, wenig in Aether löslich
sind und beim Kochen mit Silberoxyd in wässriger Lösung Succinimidsilber liefern.
Bei der Einwirkung von Succinylchlorid auf Succinimidsilber in ätherischer
Lösung entsteht
Trisuccinamid, (C4H^02)8N2. Krystallisirt aus Aether in kleinen, bei 83°
schmelzenden Krystallen und wird von Wasser unter Abscheidung von Succin-
imid zersetzt (76).
Methyl succinimid, C4H402-NCHg, entsteht bei der Destillation von
bemsteinsaurem Methylamin. Schmp. 66*5°. Siedep. 234° (69).
Aethylsuccinimid, C4H402-NC3H5, bildet sich wie die vorige Ver-
bindung aus bemsteinsaurem Aethylamin. Schmp. 26°. Siedep. 234°. Liefert
bei der Destillation über Zinkstaub Aethylpyrol (73).
Monochlorbernsteinsäure, C2H3Cl(COOH)2. Man erhitzt Fumarsäure
mit einer bei 0° gesättigten Lösung von Chlorwasserstoff in Eisessig 12 — 14
Stunden im Wasserbade. Schmp. 151*5— 152°. Leicht in Wasser und heissem
Eisessig, schwerer in kaltem Eisessig, sehr schwer in Chloroform löslich (141).
CHCICO^
Monochlorbernsteinsäureanhydrid, I .0, bildet sich aus
Malemsäureanhydrid und Chlorwasserstoff (144) und wird vortheilhaft durch Er-
hitzen von Monochlorbernsteinsäure mit Acetylchlorid im Wasserbade dargestellt.
Das Reactionsprodukt wird unter vermindertem Druck destillirt. Siedep. 130
bis 131° bei 14—15 Millim. Quecksilberdruck. Schmp. 40—41°. Geht bei der
Destillation unter gewöhnlichem Luftdruck in Malemsäureanhydrid über (141).
CHBrCOOH
Monobrombernsteinsäure, I , entsteht beim Erhitzen von
CHjCOOH
Bernsteinsäure mit Brom und viel Wasser (77, 78), sowie bei der Einwirkung von
Bromwasserstoffsäure auf Aepfelsäure, Weinsäure und Traubensäure (79). Um
sie darzustellen, erhitzt man Fumarsäure mit einem grossen Ueberschuss einer
bei 0^ gesättigten Lösung von Bromwasserstofifsäure in Wasser (82, 80) oder
Eisessig (141) auf 100°, oder man behandelt Bernsteinsäureester (1 Mol.) mit
Brom (2 Mol.) bei 130—140° (140). Im letzteren Falle entstehen Bromäthyl,
Monobrom- und Dibrombemsteinsäure, und zwar erhält man aus 174 Grm.
Bcmsteinsäureester und 320 Grm. Brom 85 Grm. Monobrom- und 80 Grm.
Dibrombemsteifisäure.
Die Monobrombernsteinsäure ist leicht löslich selbst in kaltem Wasser und
krystallisirt daraus in glänzenden, bei 160° schmelzenden Krystallen. Von
siedendem Wasser wird sie in Fumarsäure (80), von Silberoxyd in Aepfelsäure (77),
17*
26o Handwörterbuch der Chemie.
1
von Schwefelkalium in Thioäpfelsäure (78) übergeführt. Natriumamalgam reduciit
sie zu Bemsteinsäure.
Monobrombernsteinsäureäthylester, C2H3Br(COOC5H5)3, eine nicht
ohne Zersetzung siedende Flüssigkeit, liefert bei der Behandlung mit Cyankalium
ein nach Zwiebeln riechendes flüssiges Cyanid, C2H3(CN)(COOC2H5),, welches
bei der Einwirkung alkoholischen Kalis in die Säure C2H3(COOH)3 über-
geht (81).
CHBr-CO
Monobrombernsteinsäureanhydrid, • 1^0, bildet sich beim
CHj'CO
Erhitzen von Monobrombernsteinsäure mit Acetychlorid. Man destillirt unter
vermindertem Druck und erhält das Anhydrid als eine bei 11 Millm. Quecksilber-
druck bei 137° siedende Flüssigkeit. Schmp. 30—31°. Geht mit Wasser in die
Säure über und zersetzt sich beim Destilliren unter gewöhnlichem Luftdruck in
Maleinsäureanhydrid und Bromwasserstoff (141).
CHBrCOOH
Dibrombernsteinsäure, u^^ r-r\r\u> entsteht neben anderen ge-
bromten Säuren beim Behandeln der Bemsteinsäure mit Brom und Wasser (77),
beim Bromiren des Bemsteinsäureesters (s. Monobrombernsteinsäure), wenn das
Produkt der Einwirkung von Brom auf Succinylchlorid mit Wasser behandelt
wird (85), neben Bromfumarsäure bei der Reaction von Bromwasserstoff auf
Brommaleinsäure oder deren Anhydrid, neben Isodibrombemstein säure bei der Ein-
wirkung von Bromwasserstoff auf Bromfumarsäure bei 100° (^3, 84), beim Er-
hitzen von Mucobromsäure mit Brom (142).
Um sie darzustellen erhitzt man 10 Thle. Fumarsäure mit 14 Thln. Brom und 10 Thln.
Wasser zehn Minuten im Wasserbade und reinigt die gebUdete Säure durch Umkrystallisiren aas
Wasser (82, 83).
Die Dibrombemsteinsäure bildet in Wasser schwer lösliche, schöne, glänzende
Krystalle, welche beim Erhitzen im Capillarrohr bis 200° unverändert bleiben,
bei Erhöhung der Temperatur verknistem und sich schlieslich unter Bromwasser-
stoffabgabe verflüchtigen. Mit Wasser längere Zeit gekocht liefert sie Brom-
male'insäure (83). Beim Kochen der wässrigen Lösung des Bariumsalzes der
Dibrombemsteinsäure entsteht Brommaleinsäure (86), bei gleicherBehandlung des
Silbersalzes oder Kalksalzes Weinsäure (85, 86), und des Natriumsalzes Brom-
äpfelsäure (86). Mit Essigsäureanhydrid anf 120—130° erhitzt, liefert Dibrom-
bemsteinsäure Brommaleinsäureanhydrid (87), bei der Einwirkung alkoholischen
Kalis Acetylendicarbonsäure (s. unten) und bei der Reduction in saurer Lösung
Fumarsäure (143). Behandelt man Dibrombemsteinsäure mit alkoholischem
Ammoniak, so wird das Brom durch Amid ersetzt (s. unten); lässt man Natrium-
äthylat auf das Natriumsalz derselben in alkoholischer Lösung einwirken, so ent-
KT . • CHBrCOONa , „,
steht äthoxylbrombernstemsaures Natrium, ^jj,q^ ^ KOON ^^^^'
Salze der Dibrombemsteinsäure (86). Die Salze zersetzen sich beim Kochen ihrer
wässrigen Lösungen.
Dibrombernsteinsaures Natrium, C^H^Br^O^Na, 4- 4H,0, krystallisirt aus Alkohol
in perlmutterglänzenden Blättchen.
Ammoniaksalz, C4H2Br,0^(NH4),. Grosse, durchsichtige Krystalle.
Kalksalz, C^HjBrjO^Ca -H 2H3O.
Silbersalz, C^HjBrjO^Ag,. Weisser Niederschlag.
Dibrombemsteinsäure methylester, C2H2Br3(COOCH3)2. Schmelz-
punkt 61-5—620 (88, 89).
Bernsteinsäure. 26 1
Methyldibrombernsteinsäure, C8H5Br2(COOCH,)COOH. Würfel-
ähnliche Krystalle, welche sich bei 245° zersetzen. — C,H,Brj(COOCH,)COONa
H- 4H,0 (146).
Dibrombernsteinsäureäthylester, CjH^Br^CCOOCjHj),. Schmelz-
punkt 58^ (86, 89). Liefert bei der successiven Behandlung mit Cyankalium
und Kalihydrat Bernsteinsäure (150). Bildet bei der Einwirkung von Zink zink-
haltige Verbindungen, welche sehr leicht in Fumarsäure, resp. deren Ester über-
geben (14s).
Aethyldibrombernsteinsäure, C,H,Br,CC00CaH6).C00H. Schmp.
2750. — C,H,Br,(COOC2H5)COOK H- HHaO— C,H3Br3(COOCaH5)COONa
-f 2H,0 — C,H,Br,(C00C,H5)C00 Ag (146).
Dibrombernsteinsäuremethyläthylester,C,H,Br,(COOCH8)COOC,H5.
Schmp. 62-5« (146).
Dibrombernsteinsäureanhydrid, C^H^Br^O,, entsteht bei der Ein-
wirkung von Brom auf Bemsteinsäureanhydrid bei 140® (59).
Dibromsuccinylchlorid und Dibromsuccinimid s. unter Succinylchlorid
und Succinimid.
CBr^COOH
Isodibrombernsteinsäure, I . bildet sich neben Fumarsäure
CHjCOOH'
(83) bei der Einwirkung von Brom auf Maleinsäure (82 a), neben Dibrombemstein-
säore bei der Behandlung von Bernsteinsäure mit Brom und Wasser (90, 93) und
bei der Einwirkung von rauchender Bromwasserstoffsäure auf Bromfumarsäure bei
100** (83, 84). Man stellt sie vortheilhaft durch Zersetzen ihres Anhydrides (s. unten)
mit Wasser dar (92). Die Isodibrombernsteinsäure schmilzt bei 160** und zersetzt
sich bei wenig höherer Temperatur. Sie ist sehr leicht löslich in Wasser.
Kocht man das Baryumsalz der Isodibrombernsteinsäure (82 a) oder diese Säure
selbst mit Wasser, so liefert sie Bromfumarsäure (82 a, 83). Natriumamalgam
ftihrt sie in Bernsteinsäure (92), alkoholisches Kali in Acetylendicarbonsäure
(s. unten) über. Bei der Zersetzung ihres Baryumsalzes mit Silberoxyd entsteht
Brenztraubensäure.
Isodibrombernsteinsäure methylester und Isodibrombernstein-
sättreäthylester sind nicht unzersetzt destillirende Oele (92).
CBr^COv,
Isodibrombernsteinsäureanhydrid, I ^O. Reines Malemsäure-
^ CHjCO <
anhydrid wird mit der berechneten Menge Brom und trocknem Chloroform zwei
Stunden auf 100<> erhitzt. Man erhält das Anhydrid nach dem Verdunsten des
Chloroforms als Oel, welches bei niederer Temperatur zu KrysUllen erstarrt, die
bei etwa S2^ schmelzen. Es zieht mit grosser Begierde Wasser aus der Luft an
ond zersetzt sich damit zu Isodibrombernsteinsäure. Zerfällt wenig über 100^
erhitzt in Bromwasserstoff und Brommalemsäureanhydrid (92).
Tribrom bernsteinsäure, C3HBr,(COOH),. Brommaleinsäure (10 Thle.)
wird mit Brom (10 Thle.) und Wasser (6 Thle.) bei gewöhnlicher Temperatur
geschüttelt und die dickflüssige, noch freies Brom enthaltende Lösung im Va-
cuum neben Schwefelsäure zur Krystallisation verdunstet. Bromfumarsäure liefert
mit Brom das gleiche Produkt — Kurze, nadelförmige, zu Büscheln vereinigte,
W 136-137« schmelzende Krystalle. Sehr leicht löslich in Wasser, Alkohol
«nd Aether, leicht in Benzol, schwer in Ligroin und Schwefelkohlenstoff. An
feuchter Luft zerfliesslich. Beim Erwärmen mit Wasser geht die Tribrombernstein
262 Handwörterbuch der Chemie.
säure unter Abspaltung von Kohlensäure und Bromwasserstofif in Dibromacryl-
säure über (93).
Amidobernsteinsäure (Asparaginsäure, Asparagsäure, Asparamin-
säure, Aspartsäure), C2H5(NHj)(COOH)2, wurde von Plisson (94) entdeckt;
nachdem von Liebig (107, 107 a) ihre Zusammensetzung ermittelt und als zwei-
basische Säure erkannt worden war, wurde von Kolbe (108) ihre chemische Con«
stitudon vollständig aufgeklärt. Sie bildet sich beim Zersetzen von Asparagin mit
Säuren oder Basen, beim Kochen von Proteinstoffen (Casein, Eiweiss, Hom etc.)
mit Schwefelsäure (95^ und beim Behandeln solcher Körper mit Brom oder Snn-
chlorür und Salzsäure (96).
Der mit Kalk behandelte Saft der Runkelrübe und namentlich die Melasse entfaSlt eine
nicht unbeträchtliche Menge von (durch Zersetzung des Asparagins gebildeter) Asparaginsäure.
Um sie daraus zu gewiimen, versetzt man die massig verdünnte Lösung mit Bleiessig, filtiirt
nnd fällt aus dem Filtrat die Asparaginsäure mit Salpeters. Quecksilberoxydul. Das Quecksilber-
salz wird nach dem Auswaschen mit Schwefelwasserstoff zersetzt, das Filtrat zum Syrup ver-
dampft und die auskrystallisirende Säure durch Ausziehen mit massig starkem Alkohol undUm-
krystallisiren aus Alkohol gereinigt (97). — Das Asparagin zersetzt man zweckmässig zur Dar-
stellung der Asparaginsäure durch dreistündiges Kochen mit überschüssiger Salzsäure. Man
verdunstet, löst die zurückbleibende salzsaure Asparaginsäure in Wasser, neutralisirt zur Hälfte
mit Ammoniak und lässt krystallisiren (98).
Dessaignes (99) hat Amidobernsteinsäure künstlich dargestellt durch Be-
handeln des beim Erhitzen von saurem äpfelsaurem, saurem malemsaurem oder
saurem fumarsaurem Ammoniak (s. dieses Bd. L, pag. 38) entstehenden Pro-
duktes mit Salzsäure oder Salpetersäure. Während jedoch die nach den oben
angegebenen Methoden dargestellte Asparaginsäure und deren Salze optisch activ
sind, ist diese künstliche sowohl in freiem Zustand, wie auch in Form ihrer Salze
optisch inactiv. Auch in der Löslichkeit, sowie in der Krystallform ihrer Salze
unterscheiden sich die beiden Säuren von einander. Die active Säure wird in
die inactive übergeführt, wenn man acdves asparaginsaures Ammoniak auf 200°
erhitzt oder activen asparaginsauren Baryt mit äthylschwefelsaurem Kali erhitzt
und die entstehenden Produkte mit Salzsäure oder Salpetersäure kocht.
Optisch active Asparaginsäure krystallisirt in undeutlichen Formen des
rhombischen Systems. Die Krystalle haben das Aussehen rectangulärer, an den
Ecken abgestumpfter Blättchen (100). Spec. Gew. 1-6613, bez. auf Wasser von
12-5^ 1 Thl. Säure löst sich bei 0° in 376-3, bei 100° in 18-6 Thln. Wasser (loi).
In absolutem Alkohol ist sie unlöslich. Optische Eigenschaften (151). Bei der
Einwirkung salpetriger Säure liefert sie Aepfelsäure (s. Bd. I., pag. 32), beim Be-
handeln mit Jodmethyl und alkoholischem Kali Fumarsäure (152).
Als Amidosäure verbindet sich die Asparaginsäure sowohl mit Säuren als auch mit Basen.
Salzsaure Asparaginsäure, C2H,(NH2)(COOH),*HCl. Rhombische, an der Luft ze^
fliessliche Prismen. Wird beim Lösen in Wasser theilweise unter Abscheidung von Aspara-
ginsäure zersetzt (98, 100).
Schwefelsaure Asparaginsäure, C3H,(NH,)(COOH),*H,S04. Grosse, zusammen-
gewachsene Prismen.
Saures asparaginsaures Natrium, C,Hj(NHj)COOH-COONa-+- H,0. Rhombische
Prismen. 100 Thle. Wasser lösen bei 1220 89*194 Thle. des Salzes.
Neutrale Alkalisalze sind nicht bekannt.
Asparaginsaures Baryum, C,H3(NH3)(COO),Ba + 3HjO, kiystallisirt in Prismen
und entsteht beim Lösen der Säure in heissem Baiytwasser. Kohlensäure zersetzt es unter
Bildung des sauren Salzes, (C,H,(NH,)COOHCOO),Ba + 4H^O, welches in feinen Naddn
krystallisirt und beim Behandeln der Säure mit kohlensaurem Baryt direkt erhalten wird.
h
r
Bernsteinsäure. 263
Asptraginsaures Kupfer, C,H,(NHj)(COO)3Cu + HH,0 (102). Feine, blaue Nadeln.
Asparaginsaures Silber. Das neutrale Salz, C2H|(NH,)(COOAg)2, erhält man durch
Zusatz von salpetersaurem Silber zu einer ammoniakalischen Lösung von Asparaginsäure als
amorphen Niederschlag. Die überstehende Flüssigkeit lässt nach einiger Zeit Krystalle desselben
Salzes fallen. Das saure Salz, C3H,(NH3)COOH-COOAg, am besten durch Lösen von
Süberoxyd in Asparaginsäure bereitet, bildet gelbliche Krystalle (98, 100;. Bei der Einwirkung
Ton Jodäthyl auf diese Silberverbindungentstehtder Asparaginsäure-Monoäthylester (103).
Inactive Asparaginsäure bildet kleine, monokline Krystalle von
1-6632 spec. Gew. bez. auf Wasser von 12*5°, 1 Thl. inactiver Säure löst sich
in 208 Thle. Wasser von 13-5°.
Salzsaure Asparaginsäure, C3H,(NH,)(COOH)2'Ha, bildet monokline Krystalle.
Aach dieses salzsaure Salz wird wie dasjenige der activen Säure beim Zusammenbringen mit
Wasser theilweise zersetzt. Jedoch bleibt die freiwerdende Asparaginsäure, welche leichter lös-
lich ist als die wirksame, ganz oder grösstentheils gelöst
Asparaginsaures Natrium. Monokline Krystalle. 100 Thle. Wasser lösen bei 12*5^
83-8 Thle. des Salzes.
Asparaginsaures Silber, C,H3(NH,)(COO Ag),. Amorpher Niederschlag oder kugel-
föim^ Krystallmassen (100).
NH— CHCOOH
Inneres Amid der Asparaginsäure, C4H5N03= I I (113)-
CO — Cxl^
Fein gepulvertes Asparagin (s. unten) wird in massig starker Kalilauge gelöst, die Lösung
mit Methylalkohol gemischt und nach und nach mit Jodmethyl (ungefähr das Fünffache vom
Gewicht des Asparagins) versetzt, wobei dafllr gesorgt werden muss, dass die Flüssigkeit stets
stark alkalisch bleibt. Nach dem Abfiltriren des Tetramethylammoniumjodids, welches sich in
Kiystallen ausgeschieden hat, wird die Lösung eingedampft und obige Verbindung durch Salz>
säure abgeschieden. Die Umsetzung erfolgt nach der Gleichung: C^HgN,0,-h4CHjJ
= C^HjNO, -h (CH,)^NJ + 3HJ.
Vierseitige Blättchen oder Krystalle von prismatischer oder tafelförmiger
Gestalt. Ziemlich reichlich in heissem Wasser, weniger in kochendem Alkohol,
wenig in kaltem Wasser, fast gar nicht in Aether löslich. Starke Säure.
Baryumsalz, (C4H4NOj),Ba-|- 6H3O. — In kaltem Wasser schwer lösliche Blättchen.
Neutrales Silbersalz, C4H^NO|Ag. Die neutrale Lösung des Ammoniaksalzes wird
mit sa^tersaurem Silber versetzt. In heissem Wasser leicht lösliche Nadeln oder Blättchen.
Basisches Silbersalz, C^HjNOjAgj. Amorpher, beim Kochen mit Wasser sich zer-
setzender Niederschlag, den salpetersaures Silber in der stark ammoniakalischen Lösung der
Säure erzeugt.
Bromamidobernsteinsäure, CjHjBr(NH,)(COOH),. Das Ammoniaksalz
dieser Säure entsteht neben geringen Mengen von diamidobemsteinsaurem
Ammoniak beim Erhitzen von Dibrombemsteinsäure mit alkoholischem Ammoniak
im Wasserbade. — Nadeln, Schmelzp. 140°. — CaHaBr(NH,)(COOAg)a (147).
Amidosuccinaminsäure (Asparagin, Spargelstoff, Asparamid, AI-
thäin), CjH3(NH2)CONH,COOH, wurde von Vauquelin und Robiquet und zwar
in den Sprossen von Asparagus officinalis entdeckt Ihre Zusammensetzung wurde
zuerst von Lkbig (107) richtig ermittelt und ihre chemische Constitution von
KoLBE (108) erkannt. Sie findet sich auch in Asparagus acuHfolius, in den Kar-
toffelluioUen, in den Eibischwurzeln, in der Stissholzwurzel, den Runkelrüben, in
Kürbiskeimlingen, in süssen Mandeln, in den Wicken, in den jungen Blättern
vieler Holzgewächse, in den Sprossen des Hopfens und in vielen anderen Pflanzen,
in deren Lebensprocess sie eine grosse Rolle spielt. Sie ist in diesen Pflanzen
2^isetzungsprodukt der Albuminate und tritt in grösserer Menge namentlich
während der Keimung auf. Besonders reich an Asparagin sind die Keimlinge
264 Handwörterbuch der Chemie.
der Leguminosen, und benutzt man solche vortheilhaft für die Darstellung des-
selben.
Man lässt Wicken, Erbsen oder Bohnen in feuchtem Sand oder feuchter Gartenerde bis zu
einer Höhe von etwa 6 Decim. keimen, schneidet sie dann ab, presst sie aus und kocht den
erhaltenen Saft zur Coagulirung des Eiweisses. Nach dem Filtriren wird zur Krystallisation ein-
gedampft und das sich ausscheidende Asparagin durch Umkrystaüisiren aus heissem Wasser unter
Zusatz von Thierkohle gereinigt Künstlich erhält man es bei der Einwirkung von Ammoniak anf
Asparaginsäuremonoäthylester ( 1 03).
Rhombische Krystalle vom spec. Gew. 1-552 (153). In absolutem Alkohol
und in Aether ist sie fast unlöslich. 1 Th. Asparagin löst sich bei 0^ in 105*3,
bei 100° in 1*89 Thl. (loi) Wasser. Aus seinen Lösungen wird es durch
salpetersaures Quecksilberoxyd gefallt (155). Es krystallisirt aus Wasser mit
1 Mol. Krystallwasser, das bei 100° vollständig entweicht. Löst sich in Säuren
und Basen. Seine Lösungen sind opisch activ (151).
Beim Kochen mit starken Basen oder Säuren geht es in Asparaginsäaie
(s. oben), beim Behandeln mit salpetriger Säure in Aepfelsäure (s. Bd. I., pag. 32]
über. Bei der Gährung liefert es Asparaginsäure und dann Bemsteinsäure (104,
105, 154), mit Harnstoff erhitzt Malylureidsäureamid (106, loi). Produkte beim
Erhitzen des Asparagins für sich und mit Salzsäure (105, 103, loi, 156). Einmrkimg
der Halogene auf Asparagin (10 1).
Von Salzen desAsparagins, welches sich sowohl mit Säuren und Basen, als auch mit
gewissen Salzen verbindet, seien die folgenden erwähnt:
Salzsaures Asparagin, C^HgN^Oj'HCl, bildet grosse Krystalle und wird am leichtesten
durch Auflösen von Asparagin in der nöthigen Menge verdünnter Salzsäure, Eindampfen bei
gelinder Wärme und nachherigen Zusatz von Alkohol erhalten. Beim Ueberleiten von Salzsänre-
gas über trockenes Asparagin entsteht 2(C4H8NjO,)j 'HCl. — Auch mit Salpetersäure bildet
das Asparagin ein gut krystallisirendes Salz (109).
Amidosuccinaminsaures Cadmium, [C,H,NH,(CONH,)COO],Cd, bildet feine,
glänzende Prismen (109).
Zinksalz, (C4HrN30,)3Zn. Krystallisirt in Blättchen (lio).
Kupfersalz, (C4HfN30,),Cu. Zur Darstellung mischt man heiss gesättigte Lttsongea
von Asparagin und essigsaurem Kupfer. — In kaltem Wasser fast unlösliche, in heissem schwer
lösliche, blaue Krystalle (in).
Asparagin-Salpetersaures Silber, C4HgN30,*2NO,Ag, krystallisirt aus Wasser in
feinen Nadeln (na).
Asparagin-Quecksilberchlorid, C^HjNjOg'SHgQj. Feine Prismen (109).
Diamidobernsteinsäure, C2H2(NH2)2(COOH)9. Diamidobemsteinsäuredi-
äthylester (s. unten) wird in absolut-alkoholischer Lösung mit etwas weniger als 2 Mol. Kali-
resp. Natronhydrat, welche ebenfalls in Alkohol gelöst sind, versetzt. Das Alkalisalz fällt bald ans
und wird nach dem Umkrystallisiren aus Wasser in solchem gelöst; die Lösung wird mit Aether
Uberschichtet und unter UmschUtteln tropfenweise mit verdünnter Salzsäure versetzt. Die Di-
amidobemsteinsäure geht in die ätherische Lösung.
Nadeln oder säulenförmige Krystalle vom Schmp. 151 ^ In Aether, Alkohol
und Wasser löslich. Wird von concentrirter Salzsäure zersetzt (148).
Diamidobernsteinsäurediäthylester, CaH,(NH,),(COOC,H5)2, ent-
steht beim Behandeln von Dibrombemsteinsäureester mit einem Ueberschuss von
alkoholischem Ammoniak in der Kälte. — Nadeln oder rhombische Säulen vom
Schmp. 122 ^ In Alkohol und Aether leicht, in Wasser fast unlöslich (148).
Diamidobernsteinsäurediamid, C3H,(NH2),(CONH5)2, bildet sich
beim 2 — 3 stündigen Erhitzen der vorigen Verbindung mit 2 Mol. Ammoniak in
Berns tein.«äurc. 265
alkoholischer Lösung auf 120*^. — Feine Nadeln vom Schmp. 160*^. In heissem
Alkohol leicht, wenig in kochendem Wasser, nicht in Aether löslich (148).
CH(C00H).S03H
Sulfobernsteinsäure, I , bildet sich bei der Einwirkung
CHjCOOH ^
des Dampfes von Schwefelsäureanhydrid auf Bemsteinsäure (114), bei der
Oxydation von Thioäpfelsäure (s. Bd. I., pag. 35) mit Salpetersäure (115), bei der
Einwirkung von Succinylchlorid auf schwefelsaures Silber und Zersetzen des
Produktes mit Wasser (116), sowie beim Behandeln von Fumarsäure (117) oder
Maleinsäure mit sauren, schwefligsauren Alkalien (118). — Zerfliessliche Krystalle.
Zersetzt sich beim Kochen mit Wasser unter Bildung von Schwefelsäure. Drei-
basische Säure.
Sulfobernsteinsaures Kalium. Neutrales — C^H, SOjK, + HjO. Einfach-
saures — C^H^SO^Kg 4- 2H,0 — bildet sich direkt beim Behandeln von Fumarsäure oder
Maleinsäure mit neutralem schwefligsaurem Kalium. Beim Zusammenbringen seiner Lösung mit
Bleizuckerlösung entsteht ein Blei-Kaliumsalz, welches beim Behandeln mit Schwefelwasserstoff
das zweifachsaure Salz, C^H^SOjK, liefert.
Sulfobernsteinsaures Ammoniak, C^H,SOj(NH^)3 -4- HjO. Nadeln.
Sulfobernsteinsaures Blei, (C4H,SOf),Pb,. Durch Fällen der Lösung des zweifach-
sauren Kalimnsalzes mit Bleizucker erhaltener, beim Kochen krystallinisch werdender Niederschlag.
In Wasser wenig, leicht in Essigsäure löslich.
Baryumsalz, (C4H,SOj)jBa,. In kaltem Wasser wenig, in heissem reichlicher löslich.
Silbersalz, C^HySO^Agg. In kaltem Wasser etwas, reichlich in heissem löslich. Wird
aas seiner Lösung in Salpetersäure durch Ammoniak nicht wieder gefällt (114, 118).
Thiobernstein Säure, C4He,02S2, wird in Form ihres Kaliumsalzes,
C4H4O2SJKJ, beim Kochen von Succinylphenol, C4H402»(OCßH5)j, mit Kalium-
sulfhydrat in absolut-alkoholischer Lösung erhalten. Dasselbe scheidet sich in
Form büschelweise vereinigter Nadeln aus und ist in Wasser sehr leicht, auch
in Weingeist und Aether leicht löslich. Die Lösungen, besonders die wässrige,
zersetzen sich beim Verdunsten an der Luft; auf Metallsalze reagiren sie, selbst
wenn sie frisch bereitet, wie die Lösung eines Schwefelalkalis. Säuren zersetzen
die Lösung unter Entwicklung von Schwefelwasserstoff und setzen
Thiobernsteinsäureanhydrid(Sulfosuccinyl),C3H4(CO)2S, in Freiheit,
welches der Lösung durch Aether entzogen wird. Dasselbe bildet farblose, in
Wasser, Weingeist und Aether leicht lösliche, bei 3P schmelzende Krystalle (119).
Isobernsteinsäure, CH5CH(COOH)3, von Wichelhaus entdeckt, bildet
sich beim Zersetzen des durch Einwirkung von Cyankalium auf a-Chlorpropion-
säureester entstehenden Cyanpropionsäureesters durch Kali (120). Am einfachsten
erhält man die Säure durch Verseifen des bei der Einwirkung von Jodmethyl
auf Natriummalonsäureester, CHNa(COOC2HB)2, entstehenden Isobemsteinsäure-
äthylesters (121).
Die Isobemsteinsäure bildet schöne, bei 130^ schmelzende, in 54 Theilen
kalten Wassers lösliche Krystalle, welche unter 100^ in mikroskopischen Tafeln
sublimiren. Zum Unterschied von gewöhnlicher Bernsteinsäure zersetzt sich die
Isobemsteinsäure bei der Destillation vollständig in Propionsäure und Kohlensäure,
und ihre neutralen Alkalisalze geben mit Eisenchlorid keinen Niederschlag. Beim
Behandeln mit Brom und Wasser bei 100^ liefert die Isobemsteinsäure ein
Monobromsubstitutionsprodukt, CHgCBr(C00H)2 (123).
Salze der Isobemsteinsäure 0^2, 123, 124).
Neutrales Kaliumsalr, CHjCH(COOK), + 2H2O. An der Luft zerfliesslich.
Saures Kaliumsalz, CH,CH(COOK)COOH. Grosse Tafeln, schmilzt bei 140^
■jy
266 Handwörterbuch der Chemie.
Neutrales Natriumsair, C,H^(COONa)j + 4HjO, LuftbcstSndige Schüppchen.
Baryumsals, C^H^O^Ba-f- 2HjO. Amorph.
Kalksalz, C^H^O^Ca + HjO. Kleine Krystallnadeln.
ZinksaU, C^H^O^Zn -4- 3H,0. Krystallinische Kömer.
BleisaU, C^H^O^Pb + H2O, Mt in der Kälte in Flocken, in der Wanne körnig-
krystallinisch. Schwer löslich in Wasser und in Essigsäure, leicht in Überschüssigem Bleiaoetat
Silbersalz, C^H^O^Ag,, fUUt aus der concentrirtcn Lösung des Ammonsalses als schwerer,
kömiger Niederschlag, der beim Uebergiessen mit Wasser in nadeiförmige Krystalle Übe^ht
In kaltem Wasser sehr schwer, etwas leichter in heissem löslich.
Isobernsteinsäureäthylester, CHjCHCCOOCaHj),. Siedep. 195»;
spec. Gew. 1021 bei 22® gegen Wasser von 25^ (125).
C— COOK
Acetylendicarbonsäure, II (126, 127, 128). Beide Dibrom-
^ C— COOK ^ ' " >'
bemsteinsäuren gehen, wie bereits oben erwähnt, beim Behandeln mit alkoholischem
Kali in Acetylendicarbonsäure über. Man verwendet auf 1 Mol. Säure 4 Mol.
Kali und erhitzt nach Beendigung der sehr heftigen Reaction noch 2 Stunden
auf dem Wasserbade. Man trocknet den entstehenden Niederschlag, welcher
Bromkalium und acetylendicarbonsaures Kalium enthält, übergiesst ihn mit ver-
dünnter Schwefelsäure und entzieht der schwefelsauren Lösung die Acetylendi-
carbonsäure durch Aether. Die Säure wird durch Krystallisation aus Aether
gereinigt. — Mit 2 Mol. Krystallwasser bildet sie grosse, in Wasser, Alkohol und
Aether leicht lösliche Krystalle, welche beim Stehen über Schwefelsäure ihr Wasser
vollständig verlieren. Wasserfrei krystallisirt sie aus Aether in dicken, viereckigen
Tafeln, welche bei 175® unter Zersetzung schmelzen. Beim Kochen der
wässrigen Lösungen werden sowohl die Säure, als auch ihre Salze zersetzt (s.
unter Propargylsäure). Bei der Reduction mit Natriumamalgam liefert sie
Bemsteinsäure, beim Behandeln mit Brom Dibromfumarsäure (s. Bd. I, pag. 40) und
bei der Einwirkung der Halogenwasserstoffsäuren die entsprechenden halogenisirten
Fumarsäuren.
Saures acetylendicarbonsaures Kalium, C4O4HK. Kleine, glänzende, in Wasser
schwer lösliche Krystalle.
Natriumsalz, C^O^Na, -f- 3^H,0. Wird aus der wässrigen Lösung durch Alkohol in
feinen, seideglänzenden Nadeln gefällt.
Bleisalz, C404Pb -h H<^0. Bleiessig wird zu einer wässrigen Säurelösung getröpfelt. — In
Wasser unlösliche, atlasglänzende KrystäUchen.
Silber salz. Salpetersaures Silber erzeugt selbst in sehr verdünnten Lösungen der
Acetylendicarbonsäure einen bald dunkel werdenden weissen Niederschlag eines beim DarauP
schlagen und Erhitzen detonirenden Silbersalzes. Das Sak wird von concentrirter Salpetersinre
unter Bildung von Cyansilber oxydirt
Kupfersalz, C^O^Cu + 3H,0.
Methylester, C404(CH3)3. Aus dem sauren Kaliumsak, 2 Thln. concentrirter Schwefel-
säure und 4 Thln. Methylalkohol. Siedet bei 195—198*^ unter geringer Zersetzung und ver-
bindet sich direkt mit Brom und den HalogenwasserstofTsäuren.
Erwärmt man Acetylendicarbonsäure in wässriger Lösung oder unterwirft
man dieselbe der Destillation, so zersetzt sie sich im Wesentlichen nach der
Gleichung: C4O4H5 = COj -+- CaH^O». Man erhält
PropargylsäureCPropiolsäure, Acetylencarbonsäure), CH^iCCOOH
(129, 130), als eine bei 144^ unter Zersetzung destillirende Flüssigkeit, welche
bei niedriger Temperatur zu langen, seideglänzenden Krystallen erstarrt und
bei 6^ schmilzt Die Säure riecht nach Eisessig, löst sich in Wasser, Wein-
geist, Aether und Chloroform und bräunt sich beim Stehen an der Luft
Beryllium. 267
Ihre wässrige Lösung erzeugt mit ammoniakalischer Silbemitrat- oder Kupfer-
chlorürlösung charakteristische, leicht zersetzliche, beim Erwärmen explodirende
Niedei-schläge. In Quecksilberchloridlösung bringt sie einen weissen, sich bald
schwärzenden Niederschlag hervor, der sich beim Erwärmen der Flüssigkeit voll-
ständig unter Quecksilberausscheidung zersetzt. Auch die mit Silbemitratlösung
erzeugte weisse Fällung schwärzt sich bald; beim Erwärmen entsteht ein Silber-
sptegel. Platinsalze werden durch die Säure gleichfalls reducirt. Von Natrium
amalgam wird sie in Propionsäure, von den Halogenwasserstoffsäuren in die ent-
sprechenden halogenisirten Acrylsäuren und von Brom in Dibromacrylsäure
übergeführt (s. den. Art Oelsäuren).
Die Salze der Propargylsäure sind durchweg krystallinische, in Wasser leicht lösliche Körper.
Das Kaliumsalz, CHas CCOOK + H,0, bildet sich leicht beim Kochen der wässrigen
Lösung von saurem acetylendicarbonsaurem Kalium bis zum Eintritt neutraler Reaction
(C404HK = CO,4-C,HOgK). Beim Eindunsten der Lösung über Schwefelsäure erhält man
in Wasser leicht lösliche Säulen, welche beim Erhitzen auf 105® verpuffen. Seine Lösungen
erzeugen in ammoniakalischer Silbemitratlösung eine seidenartig glänzende, in ammoniakalischer
KopferchlorUrlösung eine zeisiggrUne Fällung. Beide Niederschläge explodiren beim Erhitzen.
Beim Kochen seiner wässrigen Lösung zersetzt sich das Salz unter Bildung von Acetylen.
RÜGHEIMER.
Beryllium*), Glucinium. Metallisches Beryllium wurde zuerst von Wöhler (i)
1827 nach dem bei der Darstellung des Aluminiums angewendeten Verfahren
durch Schmelzen des Chlorids mit Kalium dargestellt. Die Beryllerde wurde 1797
von Vauqueun im Beryll von Limoges entdeckt Wegen des süssen Ge-
schmackes der Salze dieser Erde gab V. derselben den Namen »Glucine.c
Die Beryllerde kommt in verschiedenen Silicaten vor, namentlich im Beryll
(Smaragd), Si^OigAlQBej, Euklas, Gadolinit, Leukophan, Phenakit, Helvin, als
Thonerdeverbindung im Chrysoberyll, Al^O^Be.
Das von Wöhler dargestellte Metall war ein graues Pulver, das unter dem
Polirstahl Metallglanz annahm. Debray (2) hat dasselbe in compacter Form nach
folgendem Verfahren erhalten. In eine weite Glasröhre, durch welche Wasser«
stoffgas streicht, werden zwei aus einer Mischung von Kalk und Thon geformte
Schiffchen gebracht, von denen das eine Berylliumchlorid, das andere Natrium
enthält Beim Erhitzen wird der Dampf des Chlorids von dem Wasserstoffstrom
über das Natrium geführt, welches sich allmählich mit krystallinischen Krusten
bedeckt. Diese — wahrscheinlich eine Legirung beider Metalle — verschwinden
bei Gegenwart von überschüssigem Chlorid, wobei die Temperatur erheblich
steigt. Die Reduction ist vollendet, wenn jenseits des Schiffchens mit Natrium
Bcrylliumchlorid sublimirt. Die schwärzliche, voluminöse Masse wird unter einer
Kochsalzdecke im Tiegel geschmolzen; das Metall bildet dann metallische Blättchen
oder kleine Kügelchen.
Eigenschaften. Das Beryllium ist ein weisses Metall vom Vol. Gew. 21.
•) i) WÖHLER, PoGG. Ann. 13, pag. 577. 2) Debray, Compt. rcnd. 38, pag. 784;
Jakrcsber. 7, pag. 336. 3) Marignac, Ann. chim. phys. [4] 30, pag. 45. 4) Nu^on u. Pettersson,
^- *3» I»g- 1451. 5) L. Meyer, Ber. 13, pag. 1780. 6) Emerson Reynolds, Ber. 11,
pag. 1835. 7) Nn^ON, Ber. 13, pag. 2035. 8) H. Rose, Pogg. Ann. 9, pag. 39- 9) Atter-
BKRc, BulL soc. dum. 24, pag. 358. 10) Thomson, Ber. 3, pag. 827; 7i P*g- 75- ^^) Atter-
BERG. Ber. 6, pag. 1288. 12) Scheffer, Ann. 109, pag. 146. 13) Joy, Joum. pract. Chem. 92,
pag. 232. 14) Ebelmen, Ann. 80, pag. 213. 15) Debray, Ann. chim. phys. 44. pag- *5-
16) Ordway, Sülün. Amer. Joum. [2] 26, pag. 197; Joum. pract Chem. 76, pag. 22. 17) Klatzo,
Joum. pract. Chem. 106, pag. 233.
«68 Handwörterbuch der Chemie.
Es lässt sich schneiden und strecken, schmilzt unterhalb des Schmelzgrades des
Silbers, wobei es sich in oxydirender Flamme mit einer dünnen Oxydschicht be-
deckt In fein vertheiltem Zustande verbrennt es mit lebhaftem Glanz. Sehr
stark glühend zersetzt es nicht das Wasser. Es verbindet sich in der Wärme
unter Feuerscheinung mit Chlor, Brom, Jod, das fein vertheilte Metall auch mit
den Dämpfen von Schwefel, Selen, Tellur, Phosphor und Arsen. Salzsäuregas
greift das Beryllium an; in wässriger Salzsäure löst es sich unter Wasserstoffent-
wicklung, ebenso in verdünnter Schwefelsäure, in concentrirter unter Entwicklung
von schwefliger Säure. Beim Lösen in conc. heisser Salpetersäure bildet sich Stick-
oxyd. Ammoniak ist ohne Einwirkung, Kalilauge wirkt lösend.
Atomgewicht und Werthigkeit des Berylliums sind noch nicht endgültig fest-
gestellt, da bis jetzt die Dampfdichte einer flüchtigen Verbindung desselben
n
nicht bestimmt worden ist. Der Formel BeO für das Oxyd entspricht dasAtom-
III
gewicht 9-3, der Formel Be^O, dagegen 13*65. Berzelius hat dem Oxyd die
Formel BegOj gegeben wegen äusserer Aehnlichkeit mit der Thonerde, Al^Oj,
mit der es auch die Eigenschaft der Löslichkeit in fixen Alkalien theilt Für
n
die Formel BeO spricht indessen, dass die Beryllerde keine Alaune bildet, dass
das Hydroxyd aus Salmiaklösung Ammoniak entwickelt, dass das Beiylliumsul£ftt
mit den Sulfaten der Magnesiumgruppe angeblich somorph ist. Letztere Angabe
von Klatzo wird indessen von Marignac (3) bestritten. Andere Angaben
ni
machen die Formel Be^Og wahrscheinlich. Nilson und Pettersson (4)
fanden die specifische Wärme des Metalles zu 0*4246 zwischen 0° und 150^ «1
0*5060 bei 300°. Die Atomwärme des Metalls bei Annahme von Be^O, entspricht
hiemach gut dem DuLONG-PEXiT'schen Gesetz, wenn man das Atomgewicht
13*65 annimmt, welches Nilson und Pettersson aus Aequivalentbestimmungeo
des gut krystallisirten neutralen Sulfats ableiten. Allein mit diesem Atomgewicht
passt Beryllium nicht in das periodische System der Elemente. Be zeigt wahr-
scheinlich erst bei höheren Wärmegraden die normale specifische Wärme
(I^. Meyer) (5). Femer hat Emerson Reynolds (6) die specifische Wärme des
n
Berylliums zu 0*642 bestimmt, was für Be = 91 spricht. Nilson (7) hebt da-
gegen hervor, dass die Molecularwärme der Beryllerde (18*61), deren specifische
Wärme = 0-2471 gefunden wurde, die Formel Be^O, und Be = 1365 wahrschein-
lich macht.
Berylliumchlorid, BeCl,. Darstellung: 1. durch Einwirkung von Chlor
oder Chlorwasserstoff auf Beryllium; 2. durch Einwirkung von Chlor auf ein zu
Kugeln geformtes Gemenge von Beryllerde und Kohle in der Glühhitze (H. Rose) (8).
Weisse Krystalle, die an der Luft zerfliessen und rauchen; es ist schmelz-
bar und flüchtig bei Rothgluth, zeigt im Spectroskop eine rothe und eine grüne
Linie; sehr löslich in Wasser unter Wärmeentwicklung. Beim langsamen Ab-
dampfen der wässrigen Lösung scheidet sich das wasserhaltige Chlorid,
BeCl, -i- 4H2O, in farblosen Krystallen aus (Awdejeff, Atterberc). Letzterer (9)
hat auch mehrere basische Chloride dargestellt, sowie eine krystallisirte Ver-
bindung von Berylliumchlorid mit 2 Mol. Aether.
Platinchlorid-Berylliumchlorid, PtCl^, BeQ, -h 8HjO, achtseitige
Tafeln, durch Verdunsten einer mit Platinchlorid versetzten wässrigen Lösung von
Berylliumchlorid über Schwefelsäure erhalten (Thomsen) (10).
Beryllium. 269
Quecksilberchlorid-Berylliumchlorid, 3HgCl,, BeCl,-h6HjO, durch
Verdunsten eines entsprechenden Lösungsgexnisches erhalten (Atterberg) (ii).
Zinnchlorid-Chlorberyllium, SnCl^, BeCl, -f 8HjO, weisses Pulver,
durch Verdunsten des entsprechenden Lösungsgemisches erhalten (Atterberg).
Doppelverbindungen, welche Aluminiumchloriddoppelsalzen von der Formel
n
AljClß, 2 MCI oder AljClßMCl, analog wären, sind nicht bekannt.
Berylliumbromid, BeBr,. Weisse Nadeln, flüchtig, löslich in Wasser, wie das Chlorid
erhalten.
Berylliumjodid, BeJ^, weniger flüchtig als das vorige, durch Sauerstoff unter Frei-
werden von Jod in Beryllerde umgewandelt. Beryllium vereinigt sich bei dunkler Rothgluth
mit Jod.
Berylliumfluorid, BeFl,, durch Auflösung von Beryllerde in Fluorwasserstoffsäure und
Abdampfen der Lösung als farblose, flüssige Masse erhalten, die bei 100^ unter Wasserverlust
opalartig wird. Das nach vollständiger Trocknung erhitzte Sak bleibt löslich in Wasser. Ein
Doppelsalz, BeFl, + 2KF1, wird erhalten, wenn eine reine Lösung des Fluorids mit einer
Lösung von Fluorkalium vermischt und verdunstet wird. Krystallinische Schuppen, in heissem
Wasser löslich. Bei einem Ueberschuss von Fluorberyllium scheidet sich beim Eindampfen
BeFl, +KF1 aus. Auch mit Fluomatrium und Fluorammonium bilden sich Doppelsalze
(Marignac) (3).
Kieselfluorwasserstoff saures Beryllium, SiFl^^BeFl,, weisse, sehr lösliche Masse
TOD zusammenziehendem, nicht süssen Geschmack.
BerylHumoxyd, Beryllerde, BeO. Darstellung aus dem Beryll. 1. Man
schmilzt das gepulverte Mineral mit 3 Thln. Fluorkalium und digerirt die Schmelze
mit Schwefelsäure. Aus der filtrirten Lösung krystallisirt bei hinreichender Con-
centradon die Thonerde als Alaun aus. Nachdem aus der Mutterlauge noch
einmal Alaun auskrystallisirt ist, wird die Lösung in eine warm gesättigte Lösung
von Ammoniumcarbonat gegossen. Nach einigen Tagen giesst man von dem
Niederschlage (Thonerde und Eisenhydroxyd) ab, wäscht diesen mit warmer Am-
moniumcarbonatlösung, säuert die vereinigten Lösungen mit Salzsäure an und
fiQlt dann mittelst Ammoniak die Beryllerde als Hydrat. Dieses wird gewaschen,
getrocknet und geglüht (Scheffer) (12).
2. Man kann den Beryll auch in der Weise aufschliessen, dass man ein
Gemenge von 1 Thl. mit 2 Thln. Kaliumcarbonat schmilzt. Die Schmelze
wird mit Wasser aufgeweicht und mit Schwefelsäure erhitzt, bis die Kieselsäure
unlöslich geworden ist. Das Filtrat wird eingedampft, bis Alaun auskrystallisirt
und weiter wie oben behandelt.
3. Wenn die Schmelze des aufgeschlossenen Minerals mit Salzsäure be-
handelt wird, so wird die Lösung nach Beseitigung der Kieselsäure mit Am-
moniak gefällt. Der Niederschlag, aus den Hydraten der Beryllerde, der Thonerde
und des Eisenoxyds bestehend, wird feucht mit einer concentrirten Lösung von
Ammoncarbonat behandelt. Hierbei wird aber nicht allein das Beryllerdehydrat,
sondern auch geringe Mengen von Eisenoxyd und Thonerde gelöst (Jov) (13).
Die Lösung wird angesäuert und mit Ammoniak gefallt.
Berzelhjs hat empfohlen, die Beryllerde von der Thonerde durch Kochen
mit concentrirter Salmiaklösung zu trennen. Jene wird gelöst, indem unter Frei-
werden von Ammoniak Berylliumchlorid entsteht.
Der Beryll kann nach Debray (15) auch durch Schmelzen mit Kalk, oder
auch mit Bleiglätte aufgeschlossen werden.
Das reine Berylliumoxyd bildet ein leichtes, weisses, in Wasser unlösliches
Pulver, unschmelzbar, flüchtig im Knallgasgebläse. Die geglühte Beryllerde löst
'270 Handwörterbuch der Chemie.
i
sich in schmelzendem Kalihydrat, selbst im Carbonat unter Entwicklung lon
Kohlensäure. Ebelmen (14) hat Beryllerde in hexagonalen Prismen erhalten, in-
dem er eine Lösung derselben in geschmolzener Borsäure einer hohen Tempe-
ratur aussetzte. Nach Debray (15) erhält man diese Krystalle auch durch Glühen
der Doppelcarbonate von Beryllium und Ammonium.
Beryllerdehydrat wird durch Ammoniak aus den Berylllösungen gefällt,
wobei die Anwesenheit von Ammoniaksalzen nicht hinderlich ist. Gelatinös,
ähnlich der Thonerde, absorbirt aber die Kohlensäure der Luft. Löslich in
Ammoniumcarbonat, in Kalihydrat; aus letzterer Lösung scheidet es sich bei
Siedetemperatur als dichtes Pulver wieder aus. Löslich ferner in den Alkalicar-
bonaten, in schwefliger Säure, in Ammonbisulfit.
Berylliuxnsulfid. Fein zertheiltes Beryllium (das Be von Wöhler) entzündet sich in
Schwefeldampf.
Berylliumphosphid.- Graue, durch Wasser zersetzbare Masse, die sich beim Erhitzen
von Beryllium im Phosphordampf bildet.
Silicium-Beryllium, ein harter, spröder Körper, entsteht immer, wenn Be in PorceUm-
gelKssen dargestellt wird, indem etwas Kieselsäure durch das Metall reducirt wird. Dieses kann
bis zvL 20^ Süicium aufiiehmen.
Berylliumnitrat, salpetersaures Beryllium, Be(N05),. Durch doppelte
Zersetzung zwischen dem Sulfat und Bariumnitrat erhält man eine Lösung« die
nur schwierig krystallisirbar ist. Durch sehr langsames Verdunsten hat Ordway
(.16) Krystalle von der Formel Be(N08)2 -H SHgO erhalten. Zerfliesslich, löslich
auch in Alkohol. Durch längeres Erhitzen auf dem Wasserbad verliert das Salz
60 J an Gewicht; der dicke, leicht lösliche Rückstand enthält Be(N03)j|, BeO
-t-SHjO. Dieses basische Salz entsteht auch, wenn man das neutrale Nitrat
mit Bariumcarbonat behandelt; in der Wärme wird alles Beryllium in der Form
eines noch basischeren Salzes niedergeschlagen. Auch durch Digeriren des neu-
tralen Nitrats mit Beryllhydrat entsteht ein basisches Salz. Hieraus und aus den
Thatsachen, dass auch das essigsaure und ameisensaure Salz, sowie das Chlorür
und Jodür basische Salze geben, glaubt Ordway schliessen zu dürfen, dass das
Berylloxyd der Thonerde sich zur Seite stelle.
Berylliumsulfat, schwefelsaures Beryllium, BeSO^ -f- 4H,0, durch
Lösen des Carbonats in verdünnter Schwefelsäure und Concentriren der schwach
sauren Lösung dargestellt. Quadratische Oktaeder; nach Klatzo (17) auch klino-
rhombische Prismen, welche der Bittersalzreihe angehören, von der Formel
BeSO^-hTHjO. Weiss, von sauer-süssem Geschmack, bei 14^ im gleichen Ge-
wicht Wasser löslich, weniger löslich bei Gegenwart von Schwefelsäure oder von
Alkohol.
Basische Sulfate werden durch Behandlung der Lösung des neutralen
Salzes mit Berylliumcarbonat oder Bariumcarbonat oder mit metallischem Zink
erhalten. BeSO^, BeO, eine gummiartige Masse, bildet sich beim Kochen der
Lösung des neutralen Sulfats mit Berylliumcarbonat, bis sich keine Kohlensäure
mehr entwickelt. Nach dem Verdünnen mit Wasser und Trennung von dem
entstandenen Niederschlag wird die Lösung eingedampft. Der Niederschlag ist
BeSO^, 5 BeO, ein weisses Pulver mit SH^O (Berzelius).
BeSÖ4, 2 BeO, gummiartige Masse, wie das einfach basische Salz erhalten,
aber ohne dass man die Lösung mit Wasser verdünnt.
Beryllium-Kaliumsulfat, BeK,(S04)2 -4- 2H,0. I>ies Salz lässt sich
nicht als Alaun au£fassen, und seine Existenz ist ein Hauptgrund dafür, dass das
Beryllium. 271
Beryliiumoxyd nicht analog der Thonerde zusammengesetzt ist. Es setzt sich in
krystallinischer Form aus der Lösung äquivalenter Mengen beider Bestandtheile
ab (Awdejeff).
Berylliumsulfit, BeSO,, sehr lösliches Sak, zersetzt sich beim Kochen der Lösung.
Berylliumselenit) BeSeO,, unlösliches weisses Pulver. Das saure Salz, BeSeO^SeOj,
ist eine gummiartige, lösliche Masse.
Berylliumtellurit und -Tellurat, BeTeO, und BeTeO^, sind weisse, unlösliche
Körper.
Berylliumcarbonat, kohlensaures Beryllium, BeCOj -i- 4H3O, dar-
gestellt durch Einleiten von Kohlensäure in Wasser, welches basisches Carbonat
enthält, und Eindampfen über Schwefelsäure in einer Kohlensäure-Atmosphäre.
(Klatzo). Durch Fällen von Berylliumlösungen mit Alkalicarbonat erhält man
einen weissen, flockigen Niederschlag, welcher BeCOj, 2BeO -i- 5HjO ist.
Dies basische Salz ist löslich in den Alkalicarbonaten. Beim Kochen der
Losung in Ammoniumcarbonat scheidet es sich pulverförmig wieder aus. Alko-
hol fallt aus dieser Lösung durchsichtige Krystalle von Beryllium-Ammo-
niumcarbonat, SBeCOg, BeO, HgO H- 3(NH4)2C08 (Debray) (15). Sehr lös-
lich in kaltem Wasser, durch heisses Wasser zersetzt.
Berylliumkaliumcarbonat, wie das vorige erhalten und von analoger
Zusammensetzung, durch siedendes Wasser gleichfalls zersetzt.
Beryliiumsilicate. Das Orthosilicat BejSiO^ ist der Phenakit.
Doppelsilicate von Beryll- und Thonerde sind der Beryll (Smaragd,
Aquamarin), SigO^gAl^Be,, der Euklas, RgBe^AlgSigOiQ.
Leukophan ist ein Beryllium-Calcium-Silicat, 5(CaBe)Si03, NaFl.
Die Ansicht von Berzeliüs, die Beryllerde (Be^Oj) könne die Thonerde er-
setzen, ist nicht gerechtfertigt. Besonders ist im Chrysoberyll das Verhältniss
zwischen den Bestandtheilen stets dasselbe. Dies Mineral ist Berylliumaluminat,
AljO^Be.
Berylliumphcsphate. In den Beryllsalzlösungen bringt Natriumphosphat
einen weissen Niederschlag von der Formel BeHP04 -+■ SH^O hervor, welcher
bei 100° 2H2O verliert.
Aus einer mit Salmiak versetzten Lösung von Berylliumnitrat fällt Natrium-
phosphat^ BeNagCNHJaCPO^)^ h- 7HaO.
Aus einer Lösung des Berylliumphosphates in Phosphorsäure fallt Alkohol
ein Gemisch 3BeH4(P04)2 + 2BeHP04 n- HjO, welches von Wasser zer-
setzt wird.
Natriumpyrophosphat fallt aus den Berylllösungen einen weissen, pulver-
formigen Niederschlag, BegPaO^-i- öHjO (Scheffer).
Berylliumphosphit ist unlöslich, Berylliumhypophosphit löslich in
Wasser (H. Rose (8).
Berylliumarseniat, BeHAsO^, gelber, unlöslicher Niederschlag. Ein saures SaU ist
sehr löslich und nicht krystallisirbar.
Beryllium sulfarseniat, löslich, bildet sich durch Digestion von Beryllerdehydrat, Arsen-
pcntasulfid und Wasser.
Analytisches Verhalten. Die Berylliumsalze rufen keine Flammen-
färbung hervor. Das Funkenspectrum zeigt zwei charakteristische Linien im Blau.
Die Aetzalkalien erzeugen in den Lösungen einen voluminösen Nieder-
schlag, der sich im Ueberschuss des Alkali löst. Aus dieser Lösung fällt Sal-
miak Beryllerdehydrat. Durch längeres Kochen wird die Beryllerde vollständig
27^ Handwörterbuch der Chemie.
niedergeschlagen und löst sich beim Erkalten nicht wieder auf (Unterschied von
Thonerde).
Ammoniak fallt Beryllerdehydrat, im Ueberschuss nicht löslich. Bei Gegen-
wart von Weinsteinsäure bringt weder Ammoniak noch bringen die Alkali-
hydrate eine Fällung hervor. Erst durch längeres Kochen wird nach Ueber-
sättigung mit Kalihydrat die Beryllerde aus der Weinsteinsäure enthaltenden
Lösung ausgeschieden.
Alkalicarbonate bewirken einen voluminösen Niederschlag, der sich in
einem grossen Ueberschuss des Fällungsmittels, sowie in Aetzkali löst.
Ammoniumcarbonat löst im Ueberschuss das gefällte Hydroxyd leichter
auf, als die Carbonate der fixen Alkalien. Durch Kochen wird die Beryllerdc
wieder gefällt. Geglühtes Berylliumoxyd ist in Ammoncarbonat unlöslich.
Baryumcarbonat fällt die Beryllerde bei gewöhnlicher Temperatur nicht,
wohl aber beim Kochen.
Natriumacetat, Oxalsäure, Schwefelwasserstoff fällen nicht,
Schwefelammonium fällt Hydroxyd.
Bestimmung des Berylliums geschieht als Berylliumoxyd. Bei der
Fällung mit Ammoniak ist ein Ueberschuss des Reagens zu vermeiden.
Um die Beryllerde von der Thonerde zu trennen, benutzt man die Löslich-
keit jener in Ammoncarbonat. Man digerirt die Flüssigkeit, welche beide Erden
enthält, mehrere Tage lang mit Ammoncarbonat im Ueberschuss. Die Beryll-
erdelösung wird eingedampft. Bei Gegenwart von Salmiak darf man die trockne
Masse nicht glühen, da sich sonst Chlorberyllium verflüchtigt. Man kann auch
beide Erden erst mit Ammoniak fällen und den Niederschlag mit Ammonium-
carbonat digeriren. Nach einer zweiten Methode wird die salzsaure Lösung
beider Erden mit soviel Kali versetzt, dass der anfangs entstehende Niederschlag
sich völlig wieder auflöst Nach dem Verdünnen mit Wasser wird durch Kochen
die Beryllerde gefällt, die heiss filtrirt und ausgewaschen werden muss. Bei zu
grosser Verdünnung oder zu starker Concentration fallen die Resultate unge-
nau aus.
Nach einem Verfahren von Berzelius versetzt man die Lösung mit Salmiak,
fällt mit Ammoniak und kocht, bis kein Ammoniak mehr entweicht. Man muss
sehr lange kochen, da die Beryllerde nur langsam das Chlorammonium zer-
setzt und sich als Chlorid löst. Man kann auch nach dem Verfahren von Jov
durch Zusatz von Kaliumsulfat und Schwefelsäure zu der Lösung Alaune bilden,
diese auskrystallisiren lassen und auf diese Weise die Thonerde beseitigen.
Biedermann.
Das Bier*) ist ein in langsamer Nachgährung begriffenes Getränk, das
aus gekeimtem Getreide (Malz), namentlich Gerste, seltener aus Weizen und
*) Handbücher, Monographien etc.: Lintnbr, Lehrbuch d. Bierbrauerei, in Otto
Birnbaum's Lehrb. d. landwirtfaschaftL Gewerbe, Fr. Vi e weg, Braunschweig 1881. Ldttnek,
Untersuchung des Biers in PosT's ehem. technisch. Untersuchungen, Fr. Vi e weg, Braunschweig 18S1.
H. V. d. Planitz, Geschichte des Biers, Mttnchen 1879. J. Cartuyvels u. Ch. STAiofOt,
Traite compL theorique et pratique de la fabrication de la bi^re et du malt, Bmzelles et
Li^e 1879. Alois Schwarz, Die Bierbrauerei auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1878,
BrUnn 1879. J. Bersch, Fabrikation von Malz etc., Berlin 1880. J. Bersch, Die Bier-
brauerei etc., Berlin 1881. M. Ch. Blondeau, La science de la brasserie, Aix. G. Holzner,
Tabelle zur Bieranalyse mittelst des Sacharometers u. Thermometers allein, München 1877.
G. Danbhl, Die Fälschung des Biers, Berlin bei Habel 1877. ^ Stirlin, Das Bier,
Bier. 273
deren Hülsenfrüchten wie Mais und Reis durch einen wässrigen Extractions-
process und darauf folgende Vergährung des Extraktes bereitet wird. Der
Hopfeni der in den meisten Fällen, jedoch nicht immer, zugesetzt wird, bezweckt
lediglich eine Verfeinerung im Aroma und Geschmak sowie eine Erhöhung der
Bekömmlichkeit und Haltbarkeit des Bieres.
Die Materialien zur Bierbrauerei sind Wasser, Stärkemehl oder zuckerhaltige
Steife, Hopfen, Fermentstoffe.
Das Wasser. Da die Beschaffenheit des zum Bierbrauen verwendeten
Wassers von grösstem Einfluss auf die Güte des Bieres ist, so ist eine gründliche
Prüfung (s. d. Art. Wasser) desselben dringend geboten. Das zu verwendende
Wasser sei ein weiches, möglichst frei von organischer Substanz und suspendirten
Theilen. Wo man gezwungen ist, harte Wasser zu verarbeiten, befreit man die-
selben durch Stehenlassen an der Luft, seltener durch Kochen von dem grössten
Theil der härtebedingenden Salze. Organische Substanzen und suspendirte Ver-
unreinigungen entfernt man durch Filtriren durch Kies-, Sand- oder Kohlefilter.
2. Die Stärkemehl- resp. zuckerhaltigen Materialien. Von allen, für die
Zwecke der Bierbrauerei verwendeten, Alkohol liefernden Materialien, wie Cerealien,
Reis, Kartoffelstärke, Kartoffelzucker, Melasse etc. nimmt in Bezug auf die Allgemein-
heit der Verwendung die Gerste und namentlich die zweizeilige oder Blattgerste die
erste Stelle ein. Die durchschnittliche Zusammensetzung der Gerste nach König ist:
Wasser ^^''^^' Fett Zucker ^^'J^" Stärke Holzfaser Asche.
Substanz etc.
13-78 11-16 212 1-56 1.70 6225 4-80 2-63
Verfjüschung und die Mittel solche nachzuweisen, Berlin 1878. Alb. Schmidt, Bier, Ver-
fälschung und Prüfung desselben im Archiv der Pharm., Festschrift der Internationalen Hopfen-
aosstellnng in Nürnberg 1877. E. Thausing, Theorie und Praxis der Malzbereitung und Bier-
fabrikation, Leipzig 1877. C. Reischauer, Die Chemie des Bieres, Augsburg 1877. Ladiolaus
▼. Wagner, Handbuch der Bierbrauerei, Weimar 1877. Charixs H. Piese, The Chemistry of
the Brewing-Room, London 1877. L. Pasteur, Etudes sur la biere etc., Paris 1876. Anton
Belohoubek, Studien über Presshefe, Prag 1876. G. Holzner, Die Attenuationslehre f. Cymo-
tedmiker, Berlin 1876. Ant. Belohoubek, Einige Worte über den Bau und die Einrichtung v.
Brauereien, Prag 1875. Hetss, Die Bierbrauerei, Augsburg 1874. Gustav Noback, Die Bier-
produktion in Oesterreich-Ungam etc., Wien 1873. Officieller Ausstellungsbericht, Bier, Malz etc.,
Wien 1874. A. Galland, Faits et Observations sur la Brasserie, Paris 1874. C. Schneider,
Die Malzerei, Leipzig 1874. Bierproduktionskarte von Oester.-Ungam, Prag 1872. A. Markt,
Die Fabrikation der Pfund- oder Presshefe, Prag 1872. Rüdinger, Die Bierbrauerei und die
Malzextrakt-Fabrikation. Hartlebe n's ehem. techn. Bibliothek.
Periodische Schriften: Lintner, Zeitschrift für das gesammte Brauwesen. Mittheilungen
ans dem Weihenstephaner Laboratorium. Anbry's Jahresberichte d. Laboratoriums der wissen-
schafttichen Station für Brauerei in Milnchen. Allgemeine Hopfenzeitung. Allgemeine Zeitschrift
fto Bierbrauer. Der praktische Bierbrauer. Norddeutsche Brauerzeitung. Allgemeine Zeitschrift
f^ Brauerei u. Malzfabrikation. Der böhmische Bierbrauer (v. Schmelzer). Der Bierbrauer
aus Böhmen (v. Jos. Thom. Suck). Das Musterbrauhaus. A. Hayn, Brauerei-Kalender, Würz-
bmg. C. Homanns, Deutscher Brauereikalender, Nürnberg. Moniteur de la Brasserie. Medde-
lelser fra Carlsberg Laboratoriet Udgive ved Laboratoriets Bestyrelse, Kjöbenhavn. (Mittheilung.
ans dem Laboratorium f. Brauerei Carlsberg bei Kopenhagen). Archiv für russische Bier-
bnoer. Der Amerikanische Bierbrauer. Ausserdem finden sich zahlreiche Abhandlungen in
Wagnxr's Jahresberichten; Zweitschrift für analytische Chemie; Dingl., polyt. Journal; Annalen
der Landwirthschaft; Landwirthschafüiche Versuchsstation, Journal für Landwirthschaft; Sitzungs-
bericht des Vereins zur Förderung des Gewerbefleisses ; Chemiker-Zeitung; Journal für praktische
Chemie; Bayrisches Industrie- und Gewerbeblatt; Industrieblätter; Pharmaceutische CentralhaUe;
BoDet de la societ d'encouragement; Monit scientific; The Engineer.
LADBXBtmc, Chanic. IL 18
«74 Handwörterbuch der Chemie.
Da von diesen Bestandtheilen bei dem Malzprocess die Stärke hauptsächlich
die in Lösung übergehenden Extraktbestandtheile liefert, so muss für den Bnuiei
diejenige Gerste die vortheilhafteste sein, welche pro Maasseinheit die grösste
Stärkemenge, d. h. das grösste absolute Gewicht aufweist. Man beurtheilt des-
halb auch den Werth der Gerste vielfach blos nach ihrem specifischen Gewicht
Zuverlässigere Resultate liefert allerdings die Methode, bei welcher man die
Menge des Extraktes ermittelt, die die Gerste durch Verzuckerung ihrer Stärke
mittelst Malz liefert. Die aus verschiedenen Materialien durch den Maischprocess
zu erzielenden Extraktmengen sind nach Balling die folgenden:
Weizen 68— 72*
Roggen 63— 67^
Gerste 58— 62J
Hafer 40—44*
Mais 67—70*
Reis 74*
Kartoffelmehl 73*
Kartoffelstärke 82*.
3. Der Hopfen wird in Gestalt der getrockneten, unbefruchteten, weiblichen
Blüthendolden der cultivirten Hopfenstaude verwandt. Man baut diese Pflanze
in Deutschland vorwiegend in Bayern, Württemberg, Baden, Elsass, Provini
Posen, Altmark, Braunschweig und Hannover, Sachsen, Hessen und Rheinprovinz.
Die durchschnittlich in guten Jahren producirte Hopfenmenge beträgt nach
Wagner in Deutschland 670000 Ctr., d. i. fast ebenso viel als alle übrigen
europäischen Staaten zusammengenommen, unter denen England nächstdem die
bedeutendste Production aufweist. Von den nicht europäischen Staaten hat Nord-
Amerika die bedeutendste Hopfenproduktion.
Angesichts des grossen Einflusses, den die Güte des Hopfens auf die Schmack-
hafligkeit des Bieres hat, ist die Behandlung desselben bei der Ernte, sowie
seine Conservirung für die Bierbrauerei von grösster Bedeutung. Er muss bei
möglichst trockenem Wetter, im richtigen Reifezustand geemtet und schnell, doch
ohne starkes Bewegen und Rütteln getrocknet werden. Dieses Trocknen ge-
schieht entweder an freier Luft, was jedoch sehr grosse Trockenräume erfordert,
oder man bedient sich der Hopfendarren, in welchen der auf Hürden ausge-
breitete Hopfen durch Ventilation mittelst warmer Luft sehr rasch getrocknet
werden kann. Wegen Verflüchtigung des Aromas geht man dabei nicht tiber 40®.
Zum Zweck besserer Conservirung hat man in den letzten Jahren allgemein
das Schwefeln des Hopfens eingeführt Man setzt zu diesem Zwecke den
in geschlossenen Kammern auf Hürden befindlichen Hopfen mehrere Stunden
lang der Einwirkung von schwefliger Säure aus, die durch Verbrennung von
Schwefel in dem unter der Hürde beflndlichen Räume erzeugt wird. Zuweilen
wird das Schwefeln in betrügerischer Absicht zur Verjüngung alten Hopfens an-
gewandt. Geschwefelten Hopfen erkennt man daran, dass das durch Vermischen
desselben mit Zink und verdünnter Salzsäure sich entwickelnde Gas in alkalische
Nitroprussidnatriumlösung geleitet letztere tief violettroth färbt. Der Hopfen
wird nach dem Trocknen bezw. Schwefeln am besten in wasserdichten Säcken,
auch in eisernen oder anderen luftdichten Gefassen in zusammengepresstem Zu-
stande aufbewahrt. Vielfach wird er auch nur in gewöhnliche Säcke gebracht
und auf luftigen Bodenräumen aufgestellt. Besser ist es aber zweifellos, den
Hopfen stark zu comprimiren, und es werden deshalb ofbnals hydraulische Pressen
"^^Tf^
Bier. 275
zur ADwendimg gebracht Naumann und Pohl besprengen den Hopfen behufs
besserer Conservirung vor dem Pressen mit Weingeist.
Die für die Bierbrauerei wichtigen Bestandtheile der Hopfendolde finden ,
sich 1. vorwiegend in dem sogen. Hopfenmehl oderLupulin, welches sich in
Gestalt eines aus kleinen goldgelben Körnchen bestehenden Mehles unter den
Schuppen der Dolde befindet. Ausserdem enthalten aber auch die blattartigen
Theile der Dolde selbst werthvolle Stoffe. Diese sind: 2. das Hopfenöl, ein
schwefelfreies ätherisches, stark bitter und etwas brennend schmeckendes, schwach
nach Hopfen riechendes gelblichgefärbtes Oel vom spec. Gew. 0*908. Es ist
etwa im Verhältniss 1:600 in Wasser löslich und mit Wasserdämpfen flüchtig,
^eine hauptsächlichsten Bestandtheile sind der Kohlenwasserstoff C^Hg und der
sauerstoffhaltige Körper C^oHigO, welcher an der Luft Valeriansäure bildet.
3. Hopfenharz und Hopfenbitter sind diejenigen Bestandtheile, welche dem
Bier seine Haltbarkeit, seinen eigenthümlich bitteren Geschmack, leichtere Ver-
daulichkeit etc. verleihen, für Herstellung eines gesunden Bieres also sehr wesent-
lich sind. Ersteres löst sich in Aether, letzteres nicht, beide sind löslich in
Alkohol, Zucker- und Hopfenöl-haltigem Wasser. Während der Bitterstoff sich
auch in reinem Wasser löst, ist das Harz darin völlig unlöslich. Aus der Bier-
würze, in der sie gelöst sind, scheiden sie sich bei der Gährung theilweise aus.
4. Die Hopfen-Gerbsäure. Dieselbe unterscheidet sich erheblich von der
gewöhnlichen Gerbsäure (Tannin); sie giebt bei Gährung keine Gallussäure, beim
£rhitzen keine Pyrogallussäure, besitzt überhaupt mehr den Character eines zu-
sammengesetzten Aethers. Mit Eisensalzen tritt Grünfärbung ein, sie steht also
der Moringerbsäure nahe. Die Gerbsäure trägt wesentlich zur Klärung des
Bieres bei, indem sie sich mit suspendirten Proteinstoffen, Kleistertheilchen u. a.
verbindet und dieselben niederschlägt.
Untersuchungen, welche auf der Versuchsstation Wien über die Zusammen-
setzung österreichischer Hopfensorten ausgeführt worden sind, ergaben (nach
König) folgenden Procentgehalt:
Von dem Weingeist-
u/...^ »^»«Cmki In Alkohol Davon rttckstand in r*,K«ö..«. A«che Kohlensäure « j
Wasser Hopfenöl ,^y^^ „^^^ Wasserlöslich. Gerbsaure cO,^i in 100 Asche ^and
org. Stoffe Asche
Maximum 9*90 013 2012 14*57 685 310 1*38 3'57 515 0*29
Minimum 1713 0-48 3312 18*09 11-24 5*42 5*13 10*01 13*99 2*27
Mitte 13*53 0*27 25*25 16*98 9*13 4*14 3*65 609 9*67 0*92
Von der Anwendung der Hopfenextrakte ist man, obgleich die wesentlichen
Bestandtheile des Hopfens verhältnissmässig leicht in Lösung übergeführt und darin
weit besser als in den Hopfendolden conservirt werden können, wieder voll-
ständig abgegangen, da Reinheit und Güte solcher Präparate zu schwer zu con-
trolliren sind. Auch hat man versucht, billigere Surrogate wie Wallnussblätter,
Alo^xtrakt, Colchicum, Lactucarium, Bitterklee, Weiden-Rinden, Pinus-Rinden,
Quassia» Pikrinsäure etc. zu verwenden. Selbstredend ist jedoch der Gebrauch
solcher, theilweise geradezu gesundheitsgefährlicher Stofife auf das entschiedenste
zu verwerfen.
4. Die Ferment-Stoffe. Als solche kommen hauptsächlich in Betracht:
Diastase, welche als sogenanntes ungeformtes Ferment einen Bestandtheil des
gekeimten Getreides, also des Malzes ausmacht, und die Hefe, welche aus den-
selben lebenden Hefepilzen (Saccharomyces cerevisiae) besteht, wie die Hefe, die
ebenso wie die Diastase schon bei der Bereitung des Alkohols beschrieben
wurde (siehe diese). Da wie dort bezweckt man mit der Diastase die Umwandlung
i8»
276 Handwörterbuch der Chemie.
der Stärke in Zucker, Maltose, Dextrose und Dextrin, mit der Hefe die Spaltung
des Zuckers in die Produkte der geistige» Gährung, im Wesentlichen also in
Alkohol und Kohlensäure. Während man in der Spiritusbrennerei zum Vennischen
der stärkemehlhaltigen Stoffe nur gerade soviel Gerste keimen lässt, bezw. in
Malz verwandelt, dass sich die zur Umwandlung der Stärke in Zucker und
Dextrin nothwendige Menge Diastase dabei bildet, macht in der Brauerei meist
die gesammte Getreidemenge den Keimprocess durch und enthält somit jedes
Korn die zur Verzuckerung seines Stärkemehls nöthige Fermentmenge.
Die Bierhefe, im Wesentlichen ein Gemisch von Hefepilzen und Bier,
resultirt beim Brauprocess selbst; sie setzt sich nach der Hauptgährung als
Schlamm zu Boden und wird zur Einleitung der Gährung zu neuer unver-
gohrener Würze gesetzt. Dabei entwickelt sie sich auf Kosten der in der
Flüssigkeit enthaltenen Nährstoffe rasch weiter und bewirkt die Gährung. Durch
Erwärmung der Flüssigkeit kann man den Gährungsprocess derart steigern, dass
die Hefe durch die sich rasch entwickelnde Kohlensäure an die Oberfläche ge-
rissen wird, eine Erscheinung, die man Obergährung nennt, während man den
gegentheiligen Verlauf mit Untergährung bezeichnet. Obgleich die Hefepilic
bei beiden Gährungsprocessen identisch sind, bewirkt doch die sogen. Oberhefe
auch wieder leichter die stürmische Obergährung, die Unterhefe dagegen die
träge Untergährung. Durch Aenderung der Temperatur lässt sich jedoch die
eine Gährungserscheinung in die andere tiberführen. Zur Conservirung der Bier-
hefe vermischt man sie entweder mit starker Würze oder befreit sie durch Sieben
und Auswaschen von den beigemischten Bestandtheilen und verwandelt die ge-
waschene Masse durch Auspressen in die sogen. Presshefe. Die Darstellung
der letzteren bildet bekanntlich einen Industriezweig für sich.
Die Bierbrauerei zerfällt in die Bereitung des Malzes, die Bereitung der Bier-
würze, die Gährung der Würze und die Nacharbeiten bei Aufbewahrung des Bieres.
1. Die Bereitung des Malzes (Mälzen) hat den Zweck, durch Keimung
der Gerste aus deren stickstoffhaltigen Bestandtheilen die Diastase zu erzeugen,
ausserdem aber auch meist noch durch einen nach dem Keimen ausgeführten
Darrprocess einen Theil der Kohlenhydrate des Malzes in Röstprodukte über-
zuführen, die durch ihren Geruch und Geschmack, sowie auch ihre Farbe die bd
Genuss des Bieres ausschlaggebenden Eigenschaften mitbedingen. Nach Griess-
MAYER bildet sich beim Keimen des Getreides neben Diastase ein zweiter ferment-
artiger Körper, die Peptase, durch welche, insbesondere beim Dickmaischverfiihren,
Proteinstoffe in Peptone und Parapeptone, also in lösliche Nährstoffe, umgewandelt
werden. Endlich findet durch die im keimenden Getreidekom verlaufenden
chemischen Umwandlungen auch eine mechanische Lockerung seiner Bestand-
theile statt, durch welche der nachfolgende Maischprocess erleichtert wird.
Das Einquellen oder Weichen. Dabei wird die Gerste in grossen Be-
hältern aus Holz, Sandstein, Cement oder Eisen so lange unter Wasser gehalten,
bis die einzelnen Körner vollständig mit Wasser durchdrungen sind, was man
daran erkennt, dass sich beim Zerdrücken die Hülsen leicht und vollständig vom
mehligen Kern ablösen, und dass die vorher spröden Kömer biegsam geworden
sind. Der Kern nimmt dabei das zum nachfolgenden Keimprocess nöthige
Wasser, circa 50^, auf und giebt andererseits an das Quellwasser 1 — 2^ löstiche
Bestandtheile, die den Geschmack des Bieres beeinträchtigen würden, ab. Da
diese löslichen Stoffe im Wasser leicht in Gährung gerathen, muss dasselbe
oft erneuert werden. Je nachdem man es mit junger oder alter Gerste zu thon
\
Bier. 277
hat, dauert der Process des Einweichens 2—4 Tage, ausnahmsweise sogar noch
länger. Man giebt den Qudlbottichen z^^eckmässig einen trichterförmigen Boden
und stellt sie so auf, dass man durch Oeffhen eines Ventils die durchweichte
Gerste direkt in die darunter befindlichen Keimtennen ablassen kann.
Das Keimen der mit Wasser durchtränkten Gerste kommt auf der sogen.
Keimtenne, auch Wachstenne oder Wachskeller genannt, zur Ausführung.
Die betreffenden, 3—4 Meter hohen Räume müssen durch entsprechende Lage
und Umfassungsmauern vor zu grossen Temperaturschwankungen geschützt, auch
gut ventilirt sein; der Boden ist gepflastert, besser geplattet oder cementirt.
Behufs Abtrocknens der Gerste und Einleitung des Keimprocesses breitet man
dieselbe auf der Tenne zu Beeten von 10—15 Centim. Höhe aus und sorgt
durch oftmaliges Umschaufeln für gleichmässige Entwicklung des Keims, dessen
erstes Auftreten in Form kleiner Würzelchen man das Stechen, Spitzen,
Aeugeln oder Guzen nennt. Durch Zusammensetzen erhöht man jetzt die
Beete auf 25—30 Centim., erhöht dadurch die Temperatur, beschleunigt die
Keimbildung, hat aber darauf zu achten, dass im Innern des Beetes eine Temperatur
von 25—27° nicht überschritten wird. Dabei tritt das sogen. Schwitzen ein,
was durch Niederschlagen des in den unteren, wärmeren Malzpartien gebildeten
Wasserdampfs auf den äusseren Schichten bedingt ist Nach Eintritt des
Schweisses, bezw. der damit in Verbindung stehenden Erwärmung des Haufens,
wird derselbe in je drei Stichen seines Querschnittes umgesetzt, so dass die
kälteren Theile nach innen und damit die Keime aller Körner in gleichmässige
Entwicklung kommen. Nach 2— 4 maligem Umsetzen müssen die in einander
Terfilzten Wurzelkeime eine Länge von circa 1-5 Centim. haben, und der Blatt-
keim soll bis in die Mitte des Kornes eingedrungen sein. Durch Auseinander-
ziehen der Haufen in flachere Beete wird jetzt die weitere Entwicklung des
Keims unterbrochen. Je nach der Lufttemperatur dauert der Keimprocess
1—2 Wochen.
Die moderne Mälzerei unterscheidet sich von dem beschriebenen Ver-
fahren insbesondere dadurch, dass man durch schwächeres Einquellen und durch
Keimen bei niederer Temperatur die Bildung des Wurzelkeims möglichst unter-
drückt und die Entwicklung des Blattkeims verlangsamt. Das betreffende Bier
soll gehaltvoller, insbesondere reicher an stickstoflFhaltigen Nährstoffen sein,
während Malz nach der ersteren Methode bereitet ein klares und glänzenderes
Bier liefert.
Beim Keimen findet ein Verlust von Trockensubstanz statt, der hauptsäch-
lich durch die sich entwickelnde Kohlensäure bedingt ist; er beträgt rund 3^.
Ausserdem absorbirt die Keimbildung ca. 3*5^ fester Bestandtheile, so dass im
Ganzen ein Verlust von 6'5J entsteht, auch geht schon ein kleiner Theil der
Stärke in Zucker und Dextrin über.
Das so erhaltene Malz nennt man Grünmalz, welches durch Ausbreiten
und Trocknen an der Luft in sogen. Luftmalz übergeht. Letzteres Malz wird
in seltenen Fällen direkt zur Bierbereitung genommen, und dabei die dunklere
Farbe des Biers durch Zusatz einer kleinen Menge stark gebrannten Malzes erzeugt.
Das Darren des Malzes ist ein Trocken- und Röstprocess, der auf der
sogen. Darre zur Ausführung kommt. Je nachdem man die Feuergase direkt
oder indirekt zur Erhitzung des Malzes verwendet, unterscheidet man zwischen
Rauchdarren oder Luftdarren. In seltenen Fällen hat man auch Dampf
(Dampf darre) zur Erhitzung angewendet. Da das Malz bei den Rauchdarren
278 Handwörterbuch der Chemie.
durch direkte Berührung mit der Feuerluft den betreffenden Raüchgeruch an-
nimmt, werden jetzt meistens die Luftdarren angewendet. Dieselben bestehen
aus einem hohen, thurmartigen Raum, in welchem unten die Heizvorrichtungeo
(Oefen, Heissluft-Röhren etc.) sich befinden, von welchen die warme Luft in die
Höhe steigt. Darüber befindet sich die Darrfläche, ein durchbrochener Boden,
bestehend aus nebeneinander gelegten durchlochten Eisenblechen oder Einsätzen,
die aus Drahtgeflecht gebildet sind, und auf welchen das zu darrende Malz aus-
gebreitet wird. Ueber der ersten Darrfläche befindet sich manchmal noch eine
zweite, darüber hie und da sogar noch eine dritte, um die von der unteren
Darrfläche ausströmende warme Luft zum Vortrocknen des Malzes auszunutzen;
oben entweichen Luft- und Wasserdämpfe durch einen Schornstein. Durch be-
sondere im Heizraum befindliche Züge kann kalte Luft zum Ventiliren der Darre
eintreten.
Je nach dem zu erzeugenden Malz ist die Darrtemperatur verschieden. Unter
allen Umständen soll sie vor Entfernung der Feuchtigkeit 62° nicht überschreiten,
weil sonst Verkleisterung der Stärke und Bildung von Glasmalz eintritt, und auch
dann steigert man die Temperatur nur allmählich. Für helleres Malz geht man
dabei bis gegen 100°, flir dunkleres auf 125 — 150° Malztemperatur. Auch die
Darrzeit, zwischen 12 und 24 Stunden, ist hierbei maassgebend.
Während des Darrens wird das Malz von Zeit zu Zeit umgewendet, was bis-
her mittelst Handarbeit bewerkstelligt wurde. Zum Ersatz dieser sehr lästigen
Arbeit sind in neuerer Zeit die mechanischen Darren zur Einführung ge-
kommen. Dieselben sind von sehr verschiedener Construction, mit bewer^lichcn
und feststehenden Darrflächen, doch haben sich bis jetzt die Darren mit fester
Darrfläche und einer darüber sich walzenartig bewegenden Wendevorrichtung am
meisten Eingang verschaflt.
Die Trennung der Keime vom Korn wird unmittelbar nach dem Darren
durch Treten oder mittelst Trommeln, Putzmühlen etc. ausgeftlhrt Der dadurch
bedingte Verlust beträgt ca. 3*5^. Die Veränderungen, welche die Gerste
während des Mälzprocesses erleidet, ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung
nach OuDEMANs:
Gerste Luftmalx Schwach^danrtes Stark^^dairtes
Röstgummi — ~ 7.8 14*0
Dextrin 5*9 80 66 102
Stärkemehl 670 58-1 * 586 47-6
Zucker — 0*5 07 0*9
Cellulose 9*6 144 108 11*5
Eiweissstoffe 121 13*6 104 105
Fett 5-6 2-2 2-4 2*6
Asche 31 3-2 27 27.
Farsky, der aus 100 Thln. Gerste 855 Thle. Darrmalz (abgelagert) eihicl ,
fand folgende Zusammensetzung:
' Gerste Darnnalz, abgelagert
Wasser 1042 6-06
Stickstoffhaltige Stoffe 9*99 956
Stickstofffreies Extrakt 67*62 72*57
Fett 2-07 1-85
Faserstoff 7-42 7*68
Asche 2-37 227.
Bier. 279
Nach LiNTNER verliert gute Gerste durch das Mälzen 8—10^ ihrer festen
fiestandtheile, ausserdem natürlich das Wasser, welches jedoch beim Kochen des
Malzes theilweise wieder aufgenommen wird. Die in kaltem Wasser löslichen
Theile sollen sich je nach dem Grade des Darrens um 8 — 12^ vermehren, was
insbesondere auf die Vermehrung des Dextrins und Röstgummis zurückzu-
führen ist
Von Surrogaten sind, abgesehen von den übrigen Getreidearten, sowie dem
Mais und dem Reis, alle zu verwerfen, denn alle in Betracht kommenden
Materialien wie Stärkezucker, Kartoffelmehl, Kartoffelstärke, Melasse, Syrup etc.
haben eine von dem Gerstenmalz so abweichende Zusammensetzung, dass sie
einen entsprechenden Ersatz dafür nicht bieten.
IL Die Bereitung der Bierwürze. In dieser Operation wird das ge-
schrotete Malz mit Wasser eingemaischt, worauf man die erhaltene Lösung von
den Trebertheilen trennt, kocht und mit Hopfen versetzt.
Beim Schroten oder Quetschen des Malzes verfolgt man den Zweck, die
inneren Theile des Malzkomes bloszulegen, dabei aber die Hülse möglichst
wenig zu zerstören, damit sie nach Verzuckerung der Stärke möglichst leicht von
der gebildeten Extraktflüssigkeit getrennt werden kann. Die Zerkleinerung ge-
schieht deshalb in der Regel zwischen einem Walzenpaar, der sogen. Schrot-
mühle, durch welche man das Malz passiren lässt. In Bayern wo die Malz-
steuer besteht, ist die Mühle mit dem Messapparat verbunden.
Das Maischen. Dabei werden durch Vermischen des Malzschrotes mit
Wasser (Einteigen) die darin enthaltenen löslichen Bestandtheile (Zucker, Dextrin,
Röstgummi, Diastase etc.) extrahirt, insbesondere aber bildet sich durch die
Wirkunjg der Diastase auf Stärke und Wasser Zucker (Maltose und etwas Dex-
trose) und Dextrin. Die beim Keimen ebenfalls entstandene Peptose wandelt,
wie schon oben bemerkt, einen Theil der Proteinstoffe in Peptone und Para-
peptone um, was für den Nährwerth des Bieres von Wichtigkeit ist Die günstigste
Maischtemperatur liegt bei 70—75*'.
Als Maischapparat dient ausschliesslich der offene Maischbottich mitRühr-
werk, sowie er auch in der Spiritusbrennerei zur Anwendung kommt (s. d. Art.
Alkoholfabrikation). Nur ist derselbe mit einem Seihboden versehen, durch den
man von unten her klares Wasser zuleiten oder die bereitete Würze von den Trebem
abfiltriren und abziehen kann. Häufig findet man neben diesem Maischbottich einen
besonderen Seihbottich aufgestellt, der zur Trennung der Trebem von der Würze
dient und für diesen Zweck auch mit Wassersprengvorrichtung versehen ist Unter
dem Maischbottich steht ein Behälter zur Aufnahme der bereiteten Würze, der
Grund. Endlich sind grosse offene oder geschlossene, auf freiem Feuer oder
mittelst Dampf erhitzte Kochkessel, die Braukessel, vorhanden, die entweder
direkt oder mittelst des Grundes mit dem Maischbottich in Communication stehen.
Die Bereitung der Maische geschieht in operativer Beziehung entweder nach
der Decoctions- oder nach der Infusionsmethode.
Das Decoctionsverfahren. Das Malz wird im Maischbottich mit kaltem
Wasser angesetzt, eingeteigt, während man einen andern Theil des Wassers
im Kessel zum Kochen erhitzt und denselben alsdann unter Bewegung des Rührers
nachsetzt. Bei dem bayrischen Dickmaischverfahren bringt man alsdann
ca. die Hälfte der Maische, vorwiegend den dickeren Theil derselben, in den
Kessel, kocht ^ — f Stunden und giebt unter Umrühren zurück, wiederholt den
Frocess noch einmal, worauf in einer dritten Operation ein Theil der Flüssigkeit
28o Handwörterbuch der Chemie.
Läutermaische, abgezogen, gekocht und zurückgegeben wird. Auf diese Weise
hat sich die Temperatur successive auf die günstigste Maischtemperatur, 70—75°,
gehoben, was wesentlich ist, da bei plötzlicher Erwärmung zu starke Verkleisterung
des Stärkemehls eintreten würde. Nach ca. zweistündigem Stehen ist die Ver-
zuckerung beendigt und man lässt alsdann die Würze durch die Seihvorrichtung
von den Trebem ablaufen. Letztere werden mit Wasser noch mehrmals abge-
waschen und die dabei erhaltenen dünnen Würzen entweder theilweise mit der
ersten vermischt, oder für Bereitung der sogen. Nachbiere verwendet. Auf 1 VoL-
Theil Malz werden 3—4 Vol.-Theile Wasser genommen, man erhält daraus nach
Wagnfr 202-3 Vol. Schenkbier oder 1734 Vol. Lagerbier.
Beim Brauen auf Satz nach der in Nürnberg, Augsburg, Erlangen etc. an-
gewendeten schwäbischen Methode, ebenso bei der fränkischen, wird
ähnlich verfahren, doch nur klare Würze portionsweise aus dem Maischbottich
abgezogen und im Kessel zum Kochen gebracht.
Die Infusionsmethode. Bei diesem Verfahren, welches insbesondere io
England, Norddeutschland, Frankreich etc. zur Anwendung kommt, wird das
Malz zunächst mit warmem Wasser eingeteigt und dann das Ganze durch Zusatz
von kochendem Wasser auf 75° gebracht. Nach erfolgter Verzuckerung wird die
erste Würze klar abgezogen und auf gleiche Weise eine zweite und dritte bereitet
Methodisch unterscheidet sich dieses Verfahren vom Decoctionsverfahren dadurch,
dass man keine Maische abzieht, um sie im Kessel zu kochen und zur Erhöhung
der Temperatur zurückzugeben, letztere wird vielmehr nur durch Nachsetzen von
heissem Wasser erreicht
Als Produkte des Maischprocesses erhält man einerseits die Würze, deren
Concentration sich nach der Stärke des zu erzeugenden Bieres richtet und mittelst
des Saccharometers ermittelt wird, andererseits die Trebem, welche als Viehfiitter
verwendet werden. Die Würze schmeckt süss in Folge ihres Zuckergehaltes und
zeigt schwach saure Reaction, welche meist von etwas Phosphorsäure und Milch-
säure herrührt; ausserdem enthält sie Dextrin, Röstgummi, Proteinstoffe, Pflanzen-
leim, Pepton und Parapepton, etwas unverändertes Stärkemehl, Aschebestand-
theile etc. gelöst.
Das Kochen der Würze hat den Zweck, einen Theil der Proteinsubstanzen
zu coaguliren und ausserdem die oft noch zu dünne Flüssigkeit zu concentriren.
Zu gleicher Zeit wird auch der Hopfen zugesetzt, durch dessen Gerbsäure sus-
pendirte Proteinstoffe und verkleisterte Stärketheilchen niedergeschlagen werden.
Die Würze erfährt also auch eine Klärung. Als Apparat dient der schon er-
wähnte Braukessel oder ein zweiter Kessel von ähnlicher Construction. — Je
nachdem man nur klären oder zugleich auch die Würze concentriren will, muss
man das Kochen eine oder mehrere Stunden lang fortsetzen. Biere, die lange
gelagert werden sollen, werden länger gekocht Der Zusatz des Hopfens erfolgt
erst am Schluss des Kochens, und zwar setzt man ihn entweder zu der Würze
in den Kessel oder lässt die kochend heisse Würze durch einen Siebkasten,
den Hopfenseiher passiren, in welchem sich die Hopfen befinden und ihre lös-
lichen Theile an die Würze abgeben. Zu langes Kochen der Würze mit dem
Hopfen liefert zu bitteres Bier. Die Menge des Hopfens ist sehj- verschieden;
je länger das Bier gelagert werden soll, desto mehr muss es gehopft sein, auch
sind selbstverständlich der Geschmack der Consiunenten und die Qualität des
Hopfens maassgebend. Als Maximal werthe gelten in Bayern 2, in England 4*5 f
Hopfen vom Gewicht des Malzes.
Bier. 281
Die Abkühlung der Würze. Da zwischen 20 und 40° sehr rasch Milch*
Säurebildung eintritt, muss die Würze möglichst rasch auf die darunter liegende
Gährtemperatur abgekühlt werden. Dies geschieht grossentheils in den Kühl-
schiffen, flache, in luftigen Räumen aufgestellte Behälter aus Eisenblech, selten
mehr aus Holz, über denen vermittelst Windflügeln oder anderen Ventilatoren
ein starker Luftstrom hervorgebracht wird. Die Abkühlung erfolgt hier theils
durch Wasser-Verdunstung, durch welche eine Concentration der Würze im
Extraktgehalt von | bis 1^ eintritt, theils durch Leitung, theils durch Strahlung.
Im Sommer wendet man zum letzten Abkühlen häufig noch die Eiskühlung an,
wobei man das Eis direkt oder in sogen. Eiskübeln in die Würze giebt, oder
aber die Würze nach Verlassen des Schiffes durch Kühler passiren lässt, welche
nach Art der LiEBiG'schen Kühler mittelst Eis oder Eiswasser gekühlt sind.
Auch sogen. Flächenkühler bei welchen das Wasser in einem Röhrensystem
oder entsprechend geformten Blechgefässen circulirt, an deren Aussenwandungen
die Würze herabläuft, kommen in neuer Zeit vielfach zur Anwendung. Die
Temperatur, auf welche die Würze zu bringen ist, beträgt je nach der Brau-
methode 5 — 15^ Beim Ableiten der Würze von den Schiffen muss durch sorg-
fältigen Abzug dafür gesorgt werden, dass die ausgeschiedenen festen Theile,
circa 3J vom Gewicht der Würze und Kühlgeläger genannt (feste Theilchen
der Hopfendolden, Trebem, Verbindungen der Gerbsäure mit Protein, Stärke,
coagulirtes Eiweiss), möglichst zurückbleiben.
Die Zusammensetzung der Würze ist sehr verschieden je nach der Art
des zu erzeugenden Bieres; im Allgemeinen enthält sie zwischen 8 und 14^
Extraktbestandtheile. W. Schultze giebt als Mittel aus 4 Analysen von Wiener
Würzen folgende Zusammensetzung pro 100 Gew. Thle. Würze an:
Extrakt Zucker ^^^^^^ Protein Asche ^^^^;
9-584 4-419 3-373 0-671 0179 0-905.
1% Zucker liefert bei der Gährung circa ^^ Alkohol; soll also ein Bier mit
d'öf Alkohol und 4# Extrakt erzeugt werden, so muss die Würze 3-5x2 + 4=11^
Extrakt enthalten.
Gährung der Würze. Bei diesem Process wird durch Hefe, welche
einer vorhergehenden Gähroperation entnommen wird, der in der Würze ent-
haltene Zucker grösstentheils in Alkohol und Kohlensäure gespalten. Dabei
findet eine erhebliche Vermehrung der Hefezellen und dem entsprechend eine
Verminderung der stickstoffhaltigen Substanz der Würze statt, gleichzeitig scheidet
der gebildete Alkohol andere leicht zersetzliche stickstoffhaltige Stoffe in un-
löslicher Form aus und bewirkt so eine Klärung und Reinigung des Bieres. Die
Abnahme des Stickstoffgehalts beträgt nach Versuchen von Grimmer ca. ^ des
vorhandenen. Je höher die Anstelltemperatur und die Temperatur des Gähr-
raums, je grösser das Hefequantum, welches man zusetzt, desto rascher ist der
Verlauf der Gährung, während man durch niedrige Temperatur, geringe Hefe-
menge, ausserdem auch durch starkes Dörren des Malzes, längeres Kochen und
starkes Hopfen der Würze den Gährprocess verlangsamen kann. Auch bewirkt,
wie schon oben bemerkt, Oberhefe immer eine stürmischere Gährung als Unter-
hefe. Rasche Gährung, also Obergährung, bewirkt man bei Würzen, die ein rasch
zu consumirendes Bier liefern sollen, ausnahmsweise auch bei sehr zuckerreichen
Würzen, wie sie beispielsweise in England erzeugt werden, für Lagerbier. Bei
>('^f^y>j^':A:-^:'^[
a8a Handwörterbuch der Chemie.
den gewöhnlichen guten bayrischen und verwandten Lagerbieren wird dagegen
fast ausnahmslos die langsame Untergährung gewählt.
Untergährige Biere. Die Bereitung derselben aus der Würze zerfällt in
die drei Gährungsstadien der Hauptgährung, Nachgährung und stillen Gähning,
Die Hauptgährung kommt in Holzbottichen ä 1000—3000 Liter Capacität zur
Ausführung, welche in kühlen Räumen, meist gewölbten Kellerräumen, aufgestellt
sind. Je nach der Temperatur dieses Gährraums kühlt man die Würze für
Winterbier auf 7 — 10°, für Sommerbier auf 5 — 7° ab. Kann der Raum nicht
genügend kühl erhalten werden, so hilft man sich durch Einsetzen von mit Eis
gefüllten flachen Eimern in die gährende Flüssigkeit. Das Vermischen der Hefe
mit der Würze, das Anstellen, geschieht meist in der Weise, dass man eine
kleine Partie Würze mit der Hefe vereinigt, und dann hie und da, nachdem diese
Mischung schon in Gährung übergegangen ist, hie und da aber auch sofort die
Hauptpartie nachsetzt. Die Hefenmenge beträgt pro 100 Liter Würze J— J Liter
dickbreiige Hefe. Nach 8 — 12 Stunden zeigt sich zuerst an der Oberfläche
weisser Hefeschaum, nach weiteren 12 Stunden tritt deutliche Entwicklung von
Kohlensäure ein und zeigt sich das Krausen, wobei die neugebildete Hefe in
Form von ringförmigen Bändern vom Rande des Gefässes nach der Mitte zu
sich bewegt und hin und wieder untertaucht, eine Erscheinung, die 2—4 Tage
fortdauert. Alsdann verliert sich die kräftige Wirkung wieder, und die Hefe-
theile setzen sich nach und nach zu Boden; auch sinkt die Temperatur, die im
kräftigeren Gährungsstadium sich wesentlich steigerte, wieder und wird constant
Die Gährzeit schwankt gewöhnlich zwischen 8 und 14 Tagen; sie ist kürzer für
die Jung- und Schenkbiere, länger für Sommer- und Lagerbiere.
Durch die Hauptgährung werden gewöhnlich ca. 50 — 75 f des vorhandenen
Extraktes vergährt, wovon etwa die eine Hälfte in Alkohol, die andere in Kohlen-
säure übergeht Den Vergährungsgrad kann man deshalb auch mittelst des
Saccharometers ermitteln, denn je weiter die Gährung vorschreitet, desto ge-
ringer wird die Saccharometeranzeige. Bei direktem Abspindeln des Bieres
mittelst des Saccharometers erhält man jedoch nur den scheinbaren Ver-
gährungsgrad, indem die Saccharometeranzeige nicht blos bedingt ist durch
das vorhandene Extrakt, sondern auch durch den gebildeten Alkohol. Je mehr
von dem letzteren vorhanden ist, um so geringer muss die Saccharometeranzeige
ausfallen, und man erhält deshalb den wirklichen Vergährungsgrad mittelst
des Saccharometers nur dadurch, dass man vorher den Alkohol durch Kochen
entfernt und den dadurch entstandenen Gewichtsverlust der Probe wieder durch
Wasser ersetzt
Nach beendigter Gährung entfernt man die theüweise aus Harz bestehende
Schaumdecke und zieht das Bier (grünes Bier, Jungbier) möglichst klar von
der darunter befindlichen Hefeschicht ab. Letztere enthält in ihren mitdereo
Partien die beste Hefe (ca. 12— 15J vom Malz), welche zum Anstellen neuer
Würze benutzt wird. Der Rest (ca. 6 — 8} des Malxgewichtes) wird hie und da
verkauft oder in den Spiritusbrennereien verwendet
Die Nachgährung kommt in grossen Fässern, die in sehr kalt gehaltenen
(3—5^ Kellern lagern, und in welche das Bier nach der Hauptgährung gebracht
unrd, zur Ausführung. Die Fässer sind im Innern entweder mittelst heissem
Pech oder Harz ausgepicht oder auf andere Weise mittelst sogen. Fassglasur,
einer Lösung von verschiedenen Harzen in Alkohol, mit einem harzigen Ueber-
zuge versehen. Je nach Beschafienheit des Bieres und der Temperatur kommt
Bier.
283
dasselbe in diesen Fässern nach etwa 1—8 Tagen in die Nachgährung, was sich
durch Auftreten eines weissen Schaumes am offen gelassenen Spundloch zeigt.
Dabei wird das Bier nach und nach heiler und klarer, die Schaumbildung
immer schwächer. Tritt kein Schaum mehr aus, so legt man den Spund blos
lose auf und spundet jeweils nur etwa 8 — 14 Tage vor Gebrauch des Bieres
dicht ab. Während dieser letzteren Zeit entwickelt sich dann noch eine hin-
reichende Menge Kohlensäure, um das Bier moussiren zu lassen. Die letzte
Periode der Gährung, welche das Bier unmitt|Jbar vor Gebrauch durchmacht,
nennt man die stille Gährung; sie verläuft auch noch in den kleineren
Fässchen, in welche das Bier aus den grossen Lagerfässem abgezogen wird, event.
auch noch in den Flaschen; denn das Bier muss im Moment des Consums
immer noch in ganz schwacher Gährung sich befinden.
Ueber die Menge der einzelnen Materialien sowie über die sonstigen
beim Brauprocess beobachteten Verhältnisse giebt die folgende Zusammenstellung
nach LiNTNER über die Bereitung unserer wichtigsten Biere Aufschluss:
Wasser Saccharometer-Aiueige
I
I
I
I
l|
1
1
ll
1
ll
Klgr.
Stunden
Ccentim.
Tage
BAU4NG
Balung
1-5
2
4-5«
375
14
13»
n
1-8
2
5»
500
10-12
13»
6-5*
2-24
2
5»
500
10-18
10—12»
4-5-6«
ftamnetliode Klgr. Liter Liter
Wiener 100 247 280 72-74*'
Bayerische 100 374 236 W
Böhmische 100 264 264 74-75^
Die mehr oder weniger dunkle Farbe des Bieres rührt von verschieden stark
gedarrtem Malz her; bei je höherer Temperatur gedarrt wird, desto dunkler
wird das Bier. Nicht selten jedoch erzeugt man aus helleip Malz dunkles
Bier durch Zusatz einer geringen Menge stark gebrannten Malzes oder etwas
Zuckercouleur.
Obergährige Biere. Dieselben unterscheiden sich in solche, die für so-
fortigen Consum bestimmt sind, wie z. B. die norddeutschen Weissbiere und
die obergährigen I^agerbiere, zu welchen die englischen Biere (Porter, Ale etc.),
auch einige belgische und böhmische Biere gehören. Während bei Bereitung
der letzteren im Ganzen die gleichen Gährungsstadien, jedoch in rascherer Auf-
einanderfolge zur Durchführung kommen wie bei den untergährigen Lagerbieren,
machen die obergährigen Biere der ersteren Art nur die Hauptgährung durch,
worauf sie sofort abgefüllt und also in stark gährendem, aber auch trübem und
wenig haltbarem Zustand consumirt werden. Die Anstelltemperatur beträgt
12—18°. Der Gewichtsverlust der Würze beträgt bei untergährigem Bier etwa
5— 6f, bei obergährigem 1—2^.
Zum Conservircn des Bieres bedient man sich in neuerer Zeit vielfach
eines Zusatzes von Salicylsäure. Auch Benzoesäure, Calciumsulfit u. a. Chemi-
kalien wurden genommen. Ehe jedoch die Untersuchungen über die Wirkungen
dieser letzteren Stoffe auf den menschlichen Organismus abgeschlossen sind, ist
in ihrer Verwendung Vorsicht geboten. Unschädlich und dabei sehr wirksam
ist ohne Zweifel das sogen. Pasteurisiren des Bieres, wobei dasselbe zur^Zer-
Störung der Fermente in luftdicht verschlossenen Gefässen auf ca, 60 ^^ ^r-
hitzt wird.
: r '";-> J^'
284 Handwörterbucli der Chemie.
Die Bestand th eile des Bieres. Als Hauptbestandtheile gelten: Alkohol,
Kohlensäure und Extrakt
Der Alkoholgehalt der einzelnen Biere ist sehr verschieden, er ist ab-
hängig von der Menge des zu seiner Bereitung verwendeten Malzes, ferner von
der Art des Malzes (stark gedarrtes Malz giebt weniger Alkohol als schwach ge-
darrtes) und von dem beim Maischen, Kochen und Gähren eingehaltenen Ver-
fahren. Leichte Biere enthalten 2 — 3^, gute und starke Lagerbiere im Allge-
meinen zwischen 3 und 5 Ge\^-^ Alkohol, doch giebt es auch schwere Biere,
die, wie beispielsweise die enghschen Biere, erheblich mehr als 5^ Alkohol ent-
halten.
Kohlensäure enthält das Bier O-l— 0*25 Gew.-J. Dieselbe ist im ver-
schlossenen Gefäss unter Druck in dem Bier gelöst, entweicht aber theilweisc
und unter Aufschäumen, wenn das Bier verzapft wird; dieselbe trägt wesentlich
zum guten frischen Geschmack des Bieres bei.
Extrakt. Die Menge desselben beträgt bei gewöhnlichen Bieren 4— 6J,
bei Export- und Bockbier 6— 8^; es bedingt die Dicke des Bieres. Im Allgemeinen
soll ein normales Bier \ — 1^ mehr Extrakt als Alkohol enthalten. In diesem
Extrakt sind die Hauptbestandtheile: Dextrin und Röstgummi, welche die
Hauptmenge desselben ausmachen, Maltose-Zucker 0*2 — 1%, selten mehr,
Proteinstoffe und Peptone (Parapeptone), dieselben betragen 5 — 13^ des
Extraktgewichtes und bilden einen wichtigen Nährstoff des Bieres, Glycerin
0*05 — 0*30^, dasselbe soll unter keinen Umständen mehr als 4 J- der Extractiv-
menge betragen, organische Säuren (besonders Milchsäure, Essigsäure und
Bernsteinsäure) 2—4^ vom Extraktgewicht, ausserdem geringe Mengen von Harz,
Bitterstoffen und Fett aus dem Hopfen, sowie Asche 0*2 — 0'4J mit
mindestens 0*05^ Phosphorsäure. Als Mittel aus einigen 100 Analysen der ver-
schiedensten Biersorten ergiebt sich nach König die folgende mittlere gewichts-
procentische Zusammensetzung:
Proteine Dextrin Phoaiihot*
Wasser Kohlensäure Alkohol Extrakt und Zucker und Milchsäure Glycerin Asche ^SmT^
Peptone Gununi ^^
Schenk- oder Winterbiere.
91-81 0-228 2-565 4*988 0-811 0442 2-924 0-116 0*202 0-200 0026
Lager- oder Sommerbiere.
90-71 0-218 3-000 5612 0-491 0872 4-390 0-128 0-218 0-223 0*030
Export- oder Bockbier.
88-72 0-245 3-254 7227 0710 0900 — 0166 — 0*267 0070
Das spec. Gewicht des Bieres bewegt sich im Allgemeinen zwischen den
Grenzen 101 und 103.
Bestimmung der Hauptbestandtheile des Bieres.
Alkohol nach Lintner. Man destillirt aus einer Retorte im Oelbade
unter Anwendung des Liebig' sehen Kühlers aus 75 Ca Bier gegen 50 Cc. in ein
Piknometer ä 50 Cc. ab, füllt bei 15*5 auf die Marke mit Wasser auf und besdmiDt
das Gewicht. Ist s das spec. Gew. des Bieres, D das Gewicht der 50 Cc. Destillat
in Grammen, P die Anzahl Alkoholprocente für das gefundene spec. Gew. des
Destillats nach untenstehender Tabelle von Fownes, so ergeben sich die Gewichts-
procente (A) Alkohol des Bieres nach der Gleichung:
^ £>xF
'^" 75.x
\
•,* ^
Bier.
285
Tabelle zur Bestimmung der Gewichtsprocente an Alkohol in einer
alkoholischen Flüssigkeit nach dem specifischen Gewichte derselben,
von FowNES
Gewichts-
Spedfiiches
Gewkbtt-
Spcdiisches
Gewichts-
Specifisches
procente
Gewicht
Pmcente
Gewicht
procente
Gewicht
an Alkohol
b«i 15^0 C.
an Alkohol
bei 15,50 C.
an Alkohol
bei 15,50 C.
0,5
0,9991
34
0,9511
68
0,8769
1
0,9961
35
0,9490
69
0,8745
2
0,9965
36
0,9470
70
0,8721
3
0,9947
37
0,9452
71
0,8696
4
0,9930
38
0,9«M
72
0,8672
5
0,9914
39
0,9416
73
0,8649
6
0,9696
40
0,9896
74
0,8625
7
0,9684
41
0,9876
75
0,8608
8
0,9669
42
0,9856
76
0,8581
9
0,9855
43
0,9885
77
0,8557
10
0,9841
44
0,9814
78
0,8588
11
0,9626
45
0,9292
79
0,8508
12
0,9815
46
0,9270
80
0,8488
13
0,9803
47
0,9249
81
0,8459
14
0,9789
48
0,9228
82
0,8484
15
0,9778
49
0,9206
83
0,8408
16
0,9766
50
0,9184
84
0,8882
17
0,9758
51
0,9160
85
0,8857
18
0,9741
52
0,9185
86
0,8381
19
0,9728
53
0,9118
87
0,8805
20
0,9716
54
0,9090
88
0,8279
21
0,9704
55
0,9069
89
0,8254
22
0,9691
56
0,9047
90
0,8228
23
0,9678
57
0,9025
91
0,8199
24
0,9665
68
0,9001
92
0,8172
25
0,9652
59
0,8979
93
0,8145
26
0,96S8
60
0,8956
94
0,8118
27
0,9628
61
0,8982
95
0,8080
28
0,9609
62
0,8908
96
0,8061
29
0,9593
63
0,8886
97
0,8081
30
0,9578
64
0,8868
i 98
0,8001
31
0,9StiO
65
0,8840
99
0,7969
32
0,9544
66
0,8816
100
0,7938
33
0,9638
67
0,8793
:k
Alkohol und Extrakt mit Hülfe der Waage, a) Alkohol: Man entfernt
durch Schütteln des Bieres die Kohlensäure, bestimmt das spec. Gew. mittelst
Saccharometer oder Piknometer, wägt ein bestimmtes Quantum in einer Schale
ab, verdampft auf ^ — } des Volums, verdünnt auf das ursprüngliche Gewicht
mit Wasser und bestimmt wieder das spec. Gew. Ist s das spec. Gew. des von
Kohlensäure befreiten Bieres, S das spec. Gew. der durch Einkochen von
Alkohol befreiten, mit Wasser auf das ursprüngliche Gewicht gebrachten
s
Flüssigkeit, Pr= Alkoholprocente der FowNEs'schen Tabelle (s. oben) für -^ so
erhält man die Gewichtsprocente Alkohol (Ä) nach der Gleichung:
b) Den Extraktgehalt kann man nach dem spec. Gew. der von Alkohol
befreiten, mit Wasser auf das ursprüngliche Gewicht gebrachten Flüssigkeit direkt
auf der Tabelle von Ballino (s. Art Zucker) ablesen.
Alkohol und Extrakt ohne Anwendung der Waage: METz'sche Bier-
286 Handwörterbuch der Chemie.
probe. Das Bier wird durch Schütteln von der Kohlensäure befreit und das
spec. Gew. mit einer besonders empfindlichen von 1*010 — 1*035 reichenden
Araeometerspindel bestimmt. Davon misst man in einer Halbliterflasche 500 Cc.,
dampft in einem dem Apparate beig^gebenen Messingkesselchen bis zur Marke
(i—i des Volumens) ein, giesst in die Halbliterflasche zurück, bringt mit Wasser
wieder auf 500 Cc. und bestimmt wieder das spec. Gew. Temperatur für die
Messungen: 14° R. Bezeichnet s das spec. Gew. des kohlensäurefreien Bieres,
2 das spec. Gew. des entgeisteten, mit Wasser auf das ursprüngliche Volumen
gebrachten Bieres, £ den Extraktgehalt des Bieres in Gewichtsprocenten, F d\t
s
Alkoholprocente nach Fownes' Tabelle für — , wobei a das dem Extraktgehalt £
entsprechende spec. Gew. bedeutet, so erhält man den Extraktgehalt £ nach der
Gleichung:
2 X zugehörige Extraktprocente
xi = —
S
und den Alkoholgehalt A in Gewichtsprocenten nach:
Den Extraktgehalt für sich allein stellt man am sichersten fest durch Ver-
dampfen einer Probe des Bieres in einer im Oelbade stehenden, auf 110° er-
hitzten Trockenröhre, durch die man trockene Luft hindurchleitet, bis das Ge-
wicht des Rückstandes constant geworden ist. Aus dem Gewicht des Rück-
standes ergiebt sich leicht der Prozentgehalt an Extrakt.
Zucker. Zur Bestimmung desselben wird das auf ca. 1^ Extraktgehalt
verdünnte Bier mittelst FEHLiNo'scher Lösung titrirt. Man giebt 10 Cc. FEHLiNc'scher
Lösung in eine Abdampfschale, setzt 30 Cc. Wasser zu und erhitzt zum Kochen.
Dazu lässt man aus einer Bürette von dem auf ca. 1^ Extraktgehalt verdünnten
Biere so lange zufliessen, bis die blaue Farbe der FEHUNc'schen Lösung völlig
verschwunden ist. Als Indikator zur Bestimmung des Endpunktes wendet man
vortheilhaft die Tüpfelprobe mit einer Lösung von gelbem Blutlaugensalz an,
wobei mit den geringsten Mengen noch gelösten Kupfers rothbraune Färbung
entsteht.
Das Dextrin wird zu seiner Bestimmung durch 6 stündiges Erhitzen des
angesäuerten Bieres in zugeschmolzenen Röhren oder Drucküaschen auf 1 10° in
Zucker umgewandelt und dann mit FEHUNc'scher Lösung titrirt. Man nimmt
auf 20 Cc. Bier 3 Cc. 15proc. Schwefelsäure. Subtrahirt man von dem so
gefundenen Gesammtzucker den direkt ermittelten Zuckergehalt des Bieres, so
ergiebt der Rest unter Berücksichtigung, dass 1 Gew.-Th. Zucker = 0*9 Gew.-Thln.
Dextrin entspricht, den Dextringehalt.
Den Aschengehalt des Bieres ermittelt man durch Eindampfen von
100 Cc. Bier in einer Platinschale zur Trockne, Einäschern und Wägen des Glüh-
rückstandes. Selbstverständlich muss bei der Ausrechnung das spec. Gew. des
Bieres in Rechnung gezogen werden. Engler.
Blei*) (i) Pb = 207. Das Blei wurde früher häufig mit Zinn verwechselt, ist
aber den alten Griechen und Römern jedenfalls bekannt gewesen, wenn auch
*) i) Kerl, Gnindriss der MetallhUttenkunde, 1881, pag. i; BoLLEV-BiRNtoAUM, Handbuch
Q. Technologie, Bd. 7; Metallurgie v. Stölzel, pag. 841 ; Musprath-Stohmann, Bd. I, pag. 1107.
2) Stas, Bull. acad. belg. [2], Bd. 10, pag. 295. 3) Marx, Schw. 57, pag. 193; Stolba,
DiNGL. 164, pag. 371. 4) Reich, J. pr. Ch. 78, pag. 328 (Reductionstabelle auf 0*0« 5) ST. Claolkt
Blei. 287 j
eist Plinius jene Metalle schärfer unterschied und das von uns Blei genannte
Metall mit plutnbum nigrum zum Unterschied von plumbum album (Zinn) bezeichnete. '
Die Alchymisten belegten das Blei mit dem Zeichen des Saturnus. i
Gediegenes Blei wurde in einigen indischen Mineralien vertheilt vor- I
gefunden, ausserdem in einer Meteorsteinmasse, welche in der Wüste Tarapaca !
gefallen war. Weit wichtiger ist jedoch das häufige Vorkommen von Bleierzen, i
unter welchen das natürliche Schwefelblei, der Bleiglanz, ein im regulären System \
kiystallisirendes, starkglänzendes, metallgraues Mineral, die erste Stelle einnimmt.
Weissbleierz, natürliches Bleicarbonat, welches rhombische, meist farblose
Kiystalle bildet, wird ebenfalls in manchen Gegenden durch einfaches Nieder-
schmelzen mit Kohle und Kalkzuschlag in Schachtöfen auf Blei verarbeitet.
[ Zur hüttenmässigen Gewinnung des Bleis aus Bleiglanz werden ver-
; schiedene Methoden angewandt, für deren Auswahl die das Erz begleitenden
\ Mineralien entscheidend sind. Ist das Material arm an fremden Metallsulfiden,
aber reich an Kieselsäure oder Silicaten, so wird häufig die sogen. Nieder-
schlagsarbeit angewandt, welche früher im Niederschmelzen des Erzes mit
Eisenabfällen (Granulireisen) bestand; neuerdings aber dienen statt des Eisens
meist Kiesabbrände der Schwefelsäurefabriken, Braun-, Roth- oder Spatheisenstein
oder auch Eisenfrischschlacken und sonstige eisenhaltige Hüttenabfälle. Bei An-
wendung von Eisen ist der Process der Theorie nach ein sehr einfacher, indem
das Eisen das Schwefelblei zerlegt und neben metallischem Blei Schwefeleisen
als geschmolzene Masse liefert. In der Praxis bietet das Verfahren aber wegen
ungenügender Ausbeute und vermehrter Arbeit, welche die Ausnutzung des blei-
reichen Rückstandes (Steins) beansprucht, viele Schwierigkeiten und wird wohl
mit der Zeit den anderen Methoden weichen müssen. Bei Anwendung von
Eisenoxyd enthaltenden Zuschlägen treten noch complicirte Oxydationsprocesse
hinzu.
Die Schmelzarbeit geschieht gewöhnlich in Schachtöfen.
Die beistehenden Figuren zeigen einen freistehenden Rundschachtofen neuerer
Construction (Fig. 52 und Fig. 53).
Auf dem Sohlstein Z>, welcher mit einer gusseisernen Platte überdeckt ist,
: befindet sich ein aus feuerfestem Mauerwerk hergestellter Ring E^ dessen innere
I Höhlung mit Schlacken und darüber geschichteten Ziegelbrocken ausgefllllt ist.
\ Oberhalb des Mauerringes erhebt sich die nur im unteren Theil aus feuerfesten
} Ziegeln gebaute Ofenwand, welche von einem, durch vier eiserne Säulen
I Deviixb, CompL rend. 40, pag. 769. 6) Stas, Bull. Acad. belg., Bd. 10, pag. 298. 7) Marignac,
\ Arch. phys. nat, Bd. I, pag. 209. 8) Dumas, Ann. chim. phys. [3] 55, pag. 129. 9) Berzklius,
; PoGG. 19, pag. 300. 10) Turner, Ann. 13, pag. 14. 11) Longchamp, Ann. chim. phys. 34,
pag. 105. 12} DULONG, Schw. 17, pag. 229; Boussingault, Ann. chim. phys. 54, pag. 264;
J. pr. 2, pag. 162; Pelouze, Ann. chim. phys. 79, pag. 108; J. pr. 25, pag. 486. 13) Nögge-
RATH, Deutsche geolog. Ges. 6, pag. 675; Pogg. Ann. 100, pag. 128. 14) Fremy, Compt.
itnd. 15, pag. 1109. 15) Payen, Ann. chim. phys. [4] 8, pag. 302. 16) Schabus, Wien. Acad.
Her. 1850, pag. 456. 17) Gmelin-Kraut's Handb., Bd. III, pag. 245. 18) Hausmann, Göttinger
Abh. 4, Jahresber. 1850, pag. 26; Cotta, Min. Jahrb. 1850, pag. 432. 19) Lang, Sv. Acad.
HandÜDg. 1860, Jahresber. 1862, pag. 100. 20) Gmelin-Kraut's Handb., Bd. m, pag. 261.
21) Ibid., pag. 235. 22) C. Schultz, Pogg. 133, pag. 137. 23) Kühn, Arch. Pharm. [2] 50,
p«g. 381. 24) Thi^ard, Traite de chim. 6 Ed. III, pag. 158. 25) Benson, Dingl. 74,
pag. 223. 26) Kersten, Pogg. 55, pag. 118. 27) Moser, Wien. Acad. Ber. 1849,
38S
Handwörterbuch der Chemie*
(Ch 52J
»>
{CK 53.)
Bleiglanz^ welcher wenig fremde Sulfide
Kieselsäure ist, wird durch eine sRöst arbeite
gestützten Mantel
aus Eisenblech um-
schlossen ist Etwas
über der Herdsohle
ist die Ofen wand von
vier sogen. Formen
durchbohrt, d. h. von
beiderseits offenen,
konischen Röbren-
stücken, welche dop-
pelwandig sind und
fortwährend von
Kühlwasser durch-
flössen werden. Letz-
teres fliesst aus dem
ringförmig geboge-
nen Rohr in die
Formen ein.
Durch diese For-
men werden die
Düsen Z eingeführt,
welche den Gebläse-
wind aus der Wind-
leitung K dem Ofen
zuleiten. Die Höhe
des Ofenschachtes
von den Formen bis
zur »Gichtf (oberster
Theil des Schachtes)
beträgt 56 Meter,
die Weite des Schach-
tes ist an der Gicht
1-68 Meter, an den
Formen 09 Meter. In der
Gicht ist ein weites Blech-
rohr M eingesetzt, welches
die Ofengase nach den
Flugstaubkammem leitet, m
welchen sich mitgerissene
Oxyde etc. absetzen.
Durch das Stichloch
und eine Rinne, [Fig. 53,
kann das Metall ausfliesseo. j
F stellt den Vorherd, G den]
Stichtiegel und JI die sogen.j
Schlackentrift dar, in welch
die Schlacke abgelassen wir
enthält und zugleich arm an^
zunächst theilweise oxydirt,
I
Blei.
289
(Ch. 54.)
WOZU die durch Walzen in kleine Kömer zerdrückten Erze auf der Sohle eines
Flammofens (Fig. 54) während 4 Stunden unter Umarbeiten zu rösten sind. Der
in Tamowitz z. B. angewandte Ofen ist 507 Meter lang und 2*77 Meter breit;
seine Sohle ist nächst dem hinteren Herdende am tiefsten, und diese Stelle,
der »Sumpfe,
steht in Verbin-
dung mit dem
»Stichherdc 5.
Die Herdsohle
ist aus aufge-
schmolzenen
Herdfrisch-
schlacken ge-
bildet, unter
welchen Ziegel
und Sand
schichtenweise
übereinander
gelagert sind.
Die auf dem
langen Roste R
erzeugten Flam-
men schlagen
über die durch
einen Luftkanal
gekühlte Feuer-
brticke F und
oxydiren das er-
weichte Erz. Die (Ch. 55.)
Gase ziehen durch die Schlitze des Fuchses U in ein System von Flugstaub-
kammem und von hier in die Esse. Ist die Oxydation genügend vorgeschritten,
so wird durch vermehrtes Schüren die Reactions- und Schmelzperiode herbei-
gefübrty wobei die Masse flüssiger wird und schon nach 1 Stunde der erste Ab-
stich des im Sumpfe angesammelten Bleis erfolgen kann. Nach siebenstündiger
Schmelzzeit ist bei einer Beschickung von 3750 Kilo Erz nach 5 Abstichen die
Arbeit beendigt.
Kieselsäurereicher und mit fremden Sulfiden vermischter Bleiglanz wird am
besten in Schachtöfen verarbeitet, welche dem bei der Niederschlagsarbeit er-
wähnten ähnlich construirt, aber mit 6 — 8 Gebläseformen versehen sind. Das
Rösten geschah früher häufig auf offenen Haufen, doch werden hierbei die
flüchtigen Produkte verloren, während in den immer mehr in Gebrauch kommenden
Röstöfen, welche entweder Flammöfen oder Schachtöfen mit continuirlichem
Betrieb sind, nicht nur die schweflige Säure zur Schwefelsäurefabrikation benutzt
werden kann, sondern auch eine gleichmässigere Abröstung erreicht wird.
Bei der Röstung verwandelt sich das Schwefelblei z. Th. zu Bleioxyd PbO,
[Bleisulfat PbSO^ und metallischem Blei. Wird nun später niedergeschmolzen,
■ (event. unter Zusatz von Kalk und Kohle), so wirken Bleioyd und Bleisulfat auf
unverändertes Schwefelblei und bewirken nach den Gleichungen: PbS-f-2PbO
= 3Pb -H SOj resp. PbS 4- PbSO^ = 2Pb 4- 2S0j die Abscheidung metallischen
II.
19
"^''^-r./,.::^' f-j/U't
1
z ^
290 Handwörterbuch der Chemie.
Bleis. Ein Theil des Erzes bildet jedoch einen an Schwefelblei reichen »Blei-
K../ stein«, der später von Neuem geröstet und verschmolzen wird.
^ Das auf die eine oder andere Weise erhaltene rohe Blei führt den Namen
>r »Werkblei« ; es enthält viele fremde Metalle, (insbesondere reichert sich in ihm
I 1 • der Gold- und Silbergehalt des Erzes an und lohnt häufig die Abscheidung. Zu
15-'^ ' diesem Zweck wird das Werkblei auf einem »Treibherd« in Bleioxyd überRihrt,
vj: indem man einen stärkeren Luftstrom, von einem Gebläse geliefert, direkt auf
;, das geschmolzene Metall leitet. Das Oxyd bildet eine leicht flüssige Decke,
\- welche abgezogen wird und nach dem Erkalten zu einer gelbbraunen, glänzenden
'^'^' Masse (Bleiglätte) erstarrt (Abtreiben des Bleis.) Die fremden Metalle,
^: insbesondere Gold und Silber, bleiben auf dem Boden des kesseiförmigen Herdes
I;- zurück. Die Glätte wird durch einfaches Niederschmelzen mit Holzkohlen, Stein-
y- kohlen oder Coaks in Schachtöfen zu Metall reducirt, welches dann den Namen
^'^ »Frischblei« führt. In der Regel wird Letzteres noch »raffinirt«, indem man es
auf der Sohle eines Flammofens schmilzt und während einiger Stunden einem
schwachen Gebläseluftstrom aussetzt, welcher vorwiegend die fremden Substanzen
oxydirt, die sich in einer Kruste ansammeln und continuirlich abzuziehen sind.
Das so »raffinirte Blei» wird in Formen gegossen und in den Handel gebracht
Ist das Frischblei noch verhältnissmässig reich an Silber, so unterliegt es dem
sogen. Pattin soniren (s. bei Silber).
Chemisch reines Blei erhält man nach Stab (2) in folgender Weise: Blei-
zuckerlösung wird mit sehr dünn ausgewalzten Bleiblättern bei 40 bis 50° digerirt,
wodurch sich das gelöste Silber und Kupfer abscheidet Die filtrirte Flüssigkeit
ist mit verdünnter Schwefelsäure zu fällen, das entstandene Bleisulfat hierauf
durch Ammoniak und Ammoniumcarbonat in Bleicarbonat zu überführen und
rein auszuwaschen. Ein Theil dieses Carbonats wird durch Erhitzen in einem
Platingefass in Bleioxyd überführt, das übrige Carbonat aber mit einer zur Lösung
unzureichenden Menge an verdünnter Salpetersäure zum Sieden erhitzt und nun
das Bleioxyd eingetragen, welches die Ausfällung des Eisenoxyd.sbewirkt Die
kochend filtrirte Flüssigkeit wird mit Ammoniumcarbonat gefällt und hierauf das
ausgewaschene und getrocknete Bleicarbonat durch Schmelzen mit Cyankalium
in einem unglasirten Porzellantiegel reducirt. Das geschmolzene Metall muss eine
convexe Oberfläche zeigen wie das Quecksilber, andernfalls ist es noch unrein.
Das geschmolzene Blei lässt sich durch langsames Erkalten und Ausflieesen-
lassen des noch nicht erstarrten Theils durch die mit einem glühenden Eisenstab
durchbohrte Decke in regulären Octaedern krystallisirt erhalten, welche oft dem
Salmiak ähnlich, farnkrautartig zusammengewachsene Aggregate bilden (3). Auch
aus der wässrigen Lösung der Bleisalze lässt sich das Blei in Krystallblättem
erhalten, wenn ein Zinkstab in jene Lösung eingehängt (Bleibaum) oder ein
galvanischer Strom durch dieselbe geleitet wird.
Das Blei ist bei gewöhnlicher Temperatur weich und auf Papier abfärbend;
mit dem Messer lässt es sich schneiden, auch kann es dünn ausgewalzt, nicht
aber zu dünnem Draht gezogen werden. Durch öfteres Schmelzen an der Luft
wird das Blei härter; auch ein geringer Gehalt an fremden Metallen, an Antimon,
Arsen oder Schwefel ertheilt dem Blei grössere Härte. Die Farbe des chemisch
reinen Bleis ist weisser als die bläulichgraue des gewöhnlichen Metalls. Das
spec. Gew. des reinen Bleis ist nach Reich (4) bei 0° 11*370; dasjenige des sehr
langsam erkalteten Metalls ist nach Deville (5) 11*254, dasjenige des in Wasser
gegossenen Bleis aber 11*363. Der Schmelzpunkt des Bleis wurde zwischen 326
■■^rmm
Blei. 291 >"^i^
und 334** gefunden. Bei starker Rothgluth beginnt das Blei zu verdampfen und • ,>*^|
gelangt bei Weissgluth in lebhaftes- Kochen. ' I*^
Das Atomgewicht des Bleis ist von Stas (6) zu 206*918 und 206-934 (0=16;
N= 14-044) gefunden worden; Marignac (7) fand 207-04; Dumas (8) 207-10, Ber- ;V|
ZEUüs (9) 207.12 und 207-16; Türner (10) 207-22 und Longchamps (11) 207*30.
Nach L. Meyer und Seubert ist das wahrscheinlichste Atomgewicht 206-39.
In seinen Yerbindungen tritt das Blei zwei- und vierwerthig auf
Oxyde des Bleis.
Mit Sauerstoff bildet das Blei folgende Verbindungen: Pb^O, PbO, PbjO^,
PbjO, und PbO,.
Bleisuboxyd, Pb^O,
bildet sich beim Erhitzen von oxalsaurem Blei auf 300® bei abgehaltener
Luft (12). Unter Entwicklung eines aus Kohlenoxyd und Kohlensäure bestehenden
Gasgemisches geht das weisse Bleisalz in ein sammtschwarzes Pulver über, welches
erst nach völligem Erkalten aus dem Gefäss herausgenommen werden darf, da
sonst Selbstentzündung an der Luft eintritt. Bei Luftabschluss stark erhitzt zer-
ßLllt das Suboxyd in ein Gemenge von Bleioxyd und Blei, während es bei Luft-
zutritt erwärmt lebhaft erglüht und unter langsamem Weiterglimmen völlig in
gelbes Bleioxyd übergeht. Salze vermag die Verbindung nicht zu bilden, denn
bei der Behandlung mit verdünnten Säuren oder Alkalilaugen werden nur Oxyd-
verbindungen gebildet, während sich metallisches Blei in Pulverform abscheidet.
Bleioxyd, PbO.
Als Naturprodukt wurde das Bleioxyd in Zomelahuacan bei Veracruz (13) ge-
funden. Künstlich bildet es sich leicht durch Oxydation des metallischen Bleis
und durch Zersetzung mancher seiner Salze. Wird Blei an der Luft geschmolzen,
so überzieht es sich mit einer grauen Haut, welche bei längerem Erhitzen in
ein gelbes Pulver, Bleioxyd, übergeht. An feuchter Luft oxydirt sich das Blei
ebenfalls, aber es entsteht in Folge der Anwesenheit von Wasser und Kohlen-
säure Bleihydroxyd und basisches Carbonat. Bei Weissgluth vermag das Blei
auch direkt das Wasser zu zersetzen und in Bleioxyd überzugehen. Durch Er-
hitzen von Bleisuboxyd an der Luft, durch gelindes Glühen von salpetersaurem
oder kohlensaurem Blei oder von Bleihydroxyd wird ebenfalls Bleioxyd erhalten.
Zur Gewinnung reinen Oxyds eignet sich die Zersetzung des Carbonats oder
Nitrats am besten, wobei so lange erhitzt wird, als noch Gase entweichen. Im
Grossen erhält man ungeschmolzenes Bleioxyd durch Abziehen der beim
oxydirenden Schmelzen des metallischen Bleis an der Oberfläche gebildeten gelben
Haut. Auch bei der Darstellung von Natriumnitrit durch Erhitzen von Blei mit
Chilisalpeter wird Bleioxyd als Nebenprodukt gewonnen. Das gemahlene und ge-
schlämmte Produkt ftihrt den Namen Massicot. Das beim Abtreiben des Werkbleis
(s. o.) zur Gewinnung der in demselben enthaltenen Edelmetalle entstehende Blei-
oxyd ist in Folge der hohen Temperatur geschmolzen und erstarrt nach dem
Abfliessen zu einer glänzenden, blättrigen Masse, welche Bleiglätte genannt und
auf Blei verschmolzen oder nach dem Mahlen und Schlämmen in den Handel
gebracht wird. Bei raschem Abkühlen wird hellgelbe Glätte, sogen. Silberglätte
erhalten, bei langsamerem Erkalten aber rothgelbe Glätte, sogen. Goldglätte.
Die Glätte enthält ebenso wie Massicot in der Regel Bleikörner, Eisenoxyd, Kupfer-
oxyd, Kieselsäure und sonstige Verunreinigungen. Sie dient zur Fabrikation von
Mennige, Bleizucker, Bleiweiss, Chromgelb, Bleikrystallglas, Flintglas, femer zu
Bleiglasuren für Töpferwaaren und zur Herstellung von Oelflrnissen.
19*
k:.--'
1
292^ Handwörterbuch der Chemie.
&^ > Das Bleioxyd kann sowohl durch langsames Erkalten des geschmokenen
\i*;j^ Oxyds als auch durch Abscheidung aus seiner Lösung in Natronlauge in rhom-
r'.;.' bischen Krystallen erhalten werden. Auch die Niederschläge, welche Bleisalz-
>^v,, lösungen mit überschüssigem Alkali oder Ammoniak liefern, gehen bei längerem
J" ; Stehen unter der Flüssigkeit in krystallinisches Oxyd über. Die kleinen Kiyställchen
^■^^,, besitzen oft würfelähnlichen Habitus und eine gelbe, rothe, grünliche oder weisse
^ V Farbe. Beim Erhitzen wird das Bleioxyd braunroth, nimmt aber beim Erkalten
|f- :, eine röthlich gelbe Farbe an; bei Rothgluth schmilzt es und verflüchtigt sich
[J^ ein wenig in der Weissglühhitze. Spec. Gew. 9-2092— 9-363. Geschmolzen
[■-^ gewesenes Oxyd hat 9*50 spec. Gew. In verdünnter Salpetersäure löst sich
/^v Bleioxyd leicht, etwas schwieriger in Essigsäure. Concentrirte Salzsäure ver-
r%\. wandelt es in schwer lösliches Bleichlorid, PbCl2, Schwefelsäure in fast unlös-
r liches Bleisulfat, PbSO^. In erwärmter Kali- oder Natronlauge löst sich Bleioxyd
^-/ auf; Schwefelwasserstoff überführt das Oxyd in schwarzes Schwefelblei, Jodwasser-
•^ Stoff in gelbes Bleijodid. Durch Wasserstoff oder Kohlenoxyd wird lockeres Blei-
y oxyd schon bei einer 100° nicht sehr übersteigenden Temperatur zu Metall re-
r,, \ ducirt, Bleiglätte, d. i. geschmolzen gewesenes Oxyd ist dichter und reducirt
sich daher erst bei 310®. Kohle bewirkt bei schwacher Glühhitze die Reduk-
^;' tion des Bleioxyds vollständig, auch Cyankalium oder metallisches Natrium
^ V scheidet Blei aus ihm ab.
;. Bleitetroxyd, Mennige, Pb804.
Die Mennige, auch rothes Bleioxyd genannt, findet sich zuweilen als Natur-
!; Produkt, aber durch secundäre Wirkung aus anderen Bleierzen entstanden.
V. Künstlich kann man sie darstellen durch längeres Erhitzen des Bleioxyds auf
• 450® (dunkle Rothgluth) oder durch Erhitzen eines Gemenges aus 2 Moi. Blei-
oxyd und 1 Mol. Bleisuperoxyd in verschlossenem Gefass auf 450®. Ein Hydrat
\^ des Tetroxyds erhielt Fr^my in Form eines gelben Niederschlags, als er eine
Lösung von bleisaurem Kalium und eine Lösung von Bleioxyd in Kalilauge
f.... vermischte. Beim Erhitzen ging der Niederschlag unter Wasseraustritt in rotlie
Mennige über.
Im Grossen geschieht die Gewinnung der Mennige durch 24 stündiges Erhitzen
^ fein gepulverten Massicots auf dem Herde eines Flammofens bei freiem Luftzutritt
Bleiglätte oxydirt sich ihres dichteren Zustandes wegen am langsamsten und
unvollkommensten, am sichersten erfolgt die Umwandlung bei solchem Oxyd,
■ ' das durch Erhitzen von Blei weiss erhalten wird. Ein besonders reines Blei-
tetroxyd wird durch Erhitzen von reinem Bleioxyd mit Natronsalpeter und chlor-
V saurem Kalium auf dunkle Rothgluth gewonnen, während die käufliche Mennige
i alle Verunreinigungen der zu ihrer Darstellung verwendeten Glätte und viel un-
verändertes Bleioxyd enthält.
Die Mennige ist ein scharlachrothes Pulver, das sich beim Erhitzen dunkel-
' roth, dann fast schwarz färbt, beim Erkalten aber wieder die rothe Farbe an-
nimmt. Spec. Gew. 8-62— 9-08.
An oxydirbare Substanzen überträgt die Mennige leicht einen Theil ihres
Sauerstoffes und geht dabei zunächst in Bleioxyd über. Durch starkes Glühen
zerfallt sie in gleichem Sinn. Verdünnte Schwefelsäure, Salpetersäure und Essig-
säure zerlegen das Tetroxyd in unlösliches braunes Bleisuperoxyd, PbO,, und
in sich lösendes Bleioxyd. Conc. Schwefelsäure bewirkt in der Wanne die
Bildung von Bleisulfat unter Abscheidung von Sauerstoff. Wenig Chlorwasser-
Blei. 293
stoffsäufe erzeugt Chlorblei und Bleisuperoxyd, ein Ueberschuss der Säure ver-
wandelt das Superoxyd unter Chlorentwicklung ebenfalls in Chlorblei. Eisessig
(Essigsäurehydrat) löst dagegen die Mennige ohne Sauerstoffabscheidung völlig
auf und aus der dunkelbraunen Flüssigkeit fallen Alkalien einen gelbrothen
Niederschlag, der sich in Eisessig wieder zur ursprünglichen Flüssigkeit löst. Die
Eisessiglösung zeigt stark oxydirende Eigenschaften: schweflige und arsenige Säure
überflihrt sie in höhere Oxydationsstufen; Schwefelblei wird zu Bleisulfat oxydirt,
Indigolösung wird gebleicht, Guajactinktur gebläut und Blei, Kupfer und Queck-
silber werden durch sie in Oxyde verwandelt.
Die Mennige findet als rothe Farbe vielfache Verwendung; sie dient femer
ihrer oxydirenden Eigenschaften wegen in der Fimissfabrikation und wird zur
Herstellung von Bleikrystall- und optischem Glas, sowie zur Erzeugung des
sogen. Mennigkittes verwendet, welcher aus Mennige und Leinöl besteht und
zum Kitten von Metallgegenständen, die der Wärme ausgesetzt werden sollen,
vielfache Anwendung findet.
Bleisesquioxyd, PbjOj.
Aus alkalischer Bleioxydlösung fällt unterchlorigsaures Natrium einen bräunlich
gelben, wasserhaltigen Niederschlag, welcher nach dem Trocknen ein rothgelbes
Pulver darstellt, das nach Winkelblech der Formel Pb^O* entsprechend zu-
sammengesetzt ist. Bei Glühhitze zerfallt die Verbindung in Sauerstoff und
Bleioxyd, spaltet sich aber bei der Behandlung mit Säuren in sich lösendes
Bleioxyd und niederfallendes Bleisuperoxyd.
Das Sesquioxyd ist also nicht fähig correspondirende Salze zu bilden. Kalte
ChlorwassersfofFsäure vermag das Sesquioxyd zu einer gelben Flüssigkeit zu
lösen, aus welcher Alkalien das gelbe Oxyd wieder ausfällen; aber nach wenigen
Minuten schon zersetzt sich die salzsaure Lösung von selbst und es tritt Chlor-
blei und freies Chlor auf.
Bleisuperoxyd, Bleihyperoxyd, PbOj.
Das natürlich vorkommende Bleisuperoxyd, Schwerbleierz genannt, bildet
eisenschwarze sechsseitige Säulen mit Pyramiden combinirt; künstlich lässt sich
das Bleisuperoxyd durch Digestion von Mennige mit verdünnter Salpetersäure
erhalten, wobei salpetersaures Blei in Lösung geht und Bleisuperoxyd zurück-
bleibt.
Eine billigere Darstellungsmethode bestellt in der Erhitzung feingepulverten Bleizuckers
(Bleiacetats) mit einem Ueberschuss von klarer Chlorkalldösung, bis eine abültrirte Probe der
Flüssigkeit durch Schwefelwasserstoff nicht mehr geschwärzt wird, also kein Blei mehr enthält.
Der braune, aus Bleisuperoxyd bestehende Niederschlag ist hierauf zu waschen und zu trocknen.
Bleisuperoxyd bildet sich auch bei der Electrolyse von Bleisalzlösungen,
wobei es sich in krystallinischen Schuppen am positiven Pol abscheidet; ausser-
dem bildet es sich bei der Digestion von Bleioxyd mit Chlorwasser, beim Ein-
leiten von Chlorgas zu in Wasser suspendirtem Bleicarbonat, femer durch
Schmelzen von 4 Thln. aus Bleicarbonat dargestelltem lockerem Bleioxyd mit
1 Thl. chlorsaurem und 8 Thln. salpetersaurem Kalium, worauf die erkaltete
Masse mit Wasser und verdünnter Salpetersäure auszuziehen ist. Endlich ent-
steht auch Bleisuperoxyd beim Kochen von Bleihydroxyd mit überschüssiger Kali-
lauge und einer concentrirten Lösung von Ferridcyankalium.
Das künstlich dargestellte Bleisuperoxyd bildet ein schwarzbraunes oder
rothbraunes Pulver vom spec. Gew. 8*9 bis 919; es wird durch das Licht oder
r.^'
m
^
394 Handwörterbuch der Chemie.
Rt'.: gelinde Wärme mit der Zeit in Sauerstoff und Mennige zerlegt, bei stärkcrem
ä.'^ Erhitzen bleibt nur Bleioxyd zurück. Die leichte Abgabe des Sauerstoffs macht
5J,r> das Bleisuperoxyd zu einem wichtigen, auch in der Technik vielfach benutzten
^ > Oxydationsmittel. Mit leicht brennbaren Stoffen, z. B. rothem Phosphor oder
j^)^^' Schwefel zusammengerieben bewirkt es Entzündung, mit gelbem Phosphor tritt
r' ' sogar Explosion ein. Von Salpetersäure oder kalter Schwefelsäure wird das
ij- Superoxyd nicht verändert, beim Erhitzen mit Schwefelsäure entweicht jedoch
1,1'" Sauerstoff und es bildet sich Bleisulfat. Chlorwasserstoflfeäure giebt mit Bleisuper-
^: oxyd sofort Chlorblei und freies Chlor, aus Jodkaliumlösung scheidet es Jod ab;
I f ' in Schweffligsäuregas erglüht es und geht in Bleisulfat über. Ferrocyankalium
' • :■ wird in verdünnter Lösung durch Bleisuperoxyd bei zeitweiligem Neutraiisiren
K' / des sich bildenden Kaliumhydroxyds mit Kohlensäure vollständig in Ferridcyan-
^." kalium übergeführt. In alkalischer concentrirter Lösung findet eine Reaction im
vj- umgekehrten Sinne statt (s. o.).
5: In der Technik findet das Bleisuperoxyd zur Fabrikation der an einer mit
^1 ^ amorphem Phosphor bestrichenen Reibfläche entzündbaren Streichhölzer sowie
%f'\ , zur Herstellung ganz phosphorfreier Feuerzeuge vielfache Verwendung; ebenso
'•v ' auch als Oxydationsmittel in der Farbentechnik.
;»^' ■ Beim Glühen von Bleisuperoxyd mit Kali soll nach Fremy (14) ein bleisaures
.^ Kalium entstehen, dessen Lösung aus anderen Metalllösungen Niederschläge
;. liefert, welche als bleisaure Salze zu bezeichnen sind.
Hydroxyde.
t\ . Bleihydroxyd (Bleioxydhydrat), Pb(0H)2, scheidet sich als weisser, aus
mikroskopischen Kryställchen bestehender Niederschlag ab, wenn die Lösung
r eines Bleisalzes mit Alkalilauge oder Ammoniak versetzt wird. Im letzteren Fall
^ kann es bei längerem Verweilen unter der 20 — 25° warmen Flüssigkeit auch in
1 grösseren Octaedern erhalten werden (15). Auf 130° erhitzt entlässt das Blei-
y'' hydroxyd etwas Wasser und wird bei 145° ganz in wasserfreies Oxyd überführt
a\ Alkalilaugen lösen das Hydroxyd leicht, Ammoniak vermag es nicht aufzulösen.
Bleisalze.
'[ r^ Die löslichen Bleisalze entstehen durch Auflösen des Oxyds, Hydroxyds oder
v Carbonats in den betreffenden verdünnten Säuren; Bleinitrat wird auch durch
Behandeln des metallischen Bleis mit Salpetersäure erhalten. Die unlöslichen
:V Bleisalze stellt man durch Fällung eines in Wasser gelösten Bleisalzes mit einem
f/ Alkalisalz der betreffenden Säure dar.
Haloidsalze.
Bleichlorid, Chlorblei, PbCl2i kommt als Mineral »Cotunnitc im Krater
r, des Vesuv vor und bildet sich beim Zusammentreffen von Bleioxyd oder in
wassergelösten Bleisalzen mit Chlorwasserstoffsäure. Aus den Bleisalzlösungen
'' fallen auch lösliche Metallchloride z. B. Chlornatrium das Chlorblei aus.
l Metallisches Blei wird von Salzsäure erst in der Wärme langsam angegriffen.
Das Chlorblei bildet ein in Wasser schwer lösliches Krystallpulver, welches
aus siedendem Wasser in weissen, seideglänzenden Nadeln oder Blättchen, die
l\ dem rhombischen System angehören, krystallisirt (16).
• Am wenigsten löslich ist das Chlorblei in schwach salzsäurehaltigem Wasser
[ (1 Th. in 1636 Th.), die wässrige Lösung wird daher durch Salzsäure gefällt
Concentrirte Salzsäure löst dagegen Chlorblei reichlich, bei Wasserzusatz wird
i
Blei. 295
aus solcher Lösung das meiste Chlorblei wieder ausgefällt. Alkohol löst das-
selbe nur sehr wenig.
Noch unter der Glühhitze schmilzt das Chlorblei zu einer weisslichen, beim
Erkalten erstarrenden, homartig schneidbaren Masse (Hornblei).
Alkalische Laugen und Ammoniak überführen das Chlorblei in ein basisches
Chlorid von der Formel PbCl^-SPbO -41120; dieselbe Verbindung entsteht auch
aus Bleioxyd und Kochsalzlösung. In wasserfreiem Zustand werden derartige
Orychloride beim Zusammenschmelzen von Chlorblei mit Bleioxyd erhalten,
z. B. die Verbindungen PbClj.PbO und PbCla.2PbO.
Diese Oxychloride finden sich auch fertig gebildet in der Natur vor und ^t^^
bilden weisse oder gelbe Krystalle. Mit dem Namen »C asseler Gelbe wird
ein Oxychlorid des Bleis belegt, welches durch Schmelzen eines aus Bleioxyd,
Bleicarbonat oder Mennige und Salmiak bestehenden Gemisches dargestellt wird
und ungefähr der Formel PbClg-TPbO entsprechend zusammengesetzt ist.
Bleibromid, Bromblei, PbBr^, wird analog dem Bleichlorid aus Bleioxyd ^.5^
und Bromwasserstoff oder einer Bleisalzlösung und Bromkalium dargestellt und
bildet ein weisses Krystallpulver, das aus heissem Wasser in Nadeln krystallisirt
erhalten wird. Bleibromid schmilzt bei starkem Erhitzen zu einer rothen
Flüssigkeit, wobei es an der Luft allmählich in gelbes Oxybromid PbBrg-PbO
übergeht (17).
Bleijodid, Jodblei, PbJ2. Aus der Lösung eines Blei^alzes wird durch
Jodwasserstoff oder lösliche Jodide, z. B. Jodkalium, Bleijodid als gelber, krystalli- ■ \^
nischer Niederschlag gefallt, weh:hes aus heissem Wasser umkrystallisirt gold- -ru
glänzende, sechsseitige Blättchen oder Säulen bildet. Auch durch Auflösen von :^
Blei oder Schwefelblei in Jodwasserstoffsäure wird Jodblei erzeugt. Dasselbe färbt
sich beim Erhitzen erst ziegelroth, dann rothbraun, nimmt aber beim Erkalten
die gelbe Farbe wieder an. In starker Hitze schmilzt es unter Abgabe von Jod,
und der Rückstand löst sich nur noch theilweise in Wasser, wobei ein Oxyjodid
zurückbleibt. Kochender Aether entzieht dem Jodblei einen Theil des Jods und
erzeugt ebenfalls ein unlösliches, blassgelbes Oxyjodid. Zur Lösung erfordert
das Jodblei 1235 Theile kaltes oder 194 Theile kochendes Wasser und liefert
eine farblose Lösung. Concentrirte Jodalkalimetalllösungen wie z. B. Jodkalium-
lösung nehmen beträchtliche Mengen an Jodblei auf, doch wird dasselbe beim
Verdünnen mit Wasser wieder abgeschieden.
Oxyjodide des Bleis, PbJ^-PbO und PbJ2-2PbO, entstehen auch beim
Fällen von Jodkaliumlösung mit einem grossen Ueberschuss an essigsaurem Blei
oder Bleiessig; die Verbindung PbJg-SPbO -21120 bildet sich beim Fällen einer
siedenden, wässrigen Jodbleilösung mit Ammoniak.
Chlorojodide des Bleis oder Doppelverbindungen aus Chlorblei und Jod-
blei, z. B. 2PbCl8-PbJ2 und PbClj.PbJj, entstehen beim Vermischen der
Lösungen von Chlorblei und Jodnatrium oder Jodblei und Chlorammonium oder
Weisser Salzsäure und bilden gelbe Krystallnadeln.
Fluorblei, Bleifluorid, PbF^. Blei wird von Fluorwasserstoffsäure T\\c\^t
angegriffen. Bleihydroxyd oder Bleicarbonat werden aber leicht durch Flusss^vi^e
in Fluorblei überführt, welches durch Eintrocknen der Masse und starkes "RT\A\ti.eTv
von überschüssiger Flusssäure zu befreien ist. Weisses, schmelzbares ^\iVv^^*^
schwer löslich in Wasser und in Flusssäure. Beim Erhitzen in Wasser^t.^^^^
wird Fluorblei reducirt und von Schwefelsäure unter Bildung von Fluorwa^^^^^^^^
leicht zersetzt. Eine Verbindung von der Formel PbFlj.PbCla l^a.TiTv ^^x^^^
c. -*
-i -4
V ' ao6 Handwörterbuch der Chemie.
%y' • '■ ■ * ^
H Fällen von Flüornatriumlösung mit kochender Chlorbleilösung als weisses Pulver
' ^ erhalten werden.
'l;: Bleisulfid, Schwefelblei, PbS.
Der Bleiglanz, das wichtigste Bleierz^ besteht aus Schwefelblei. Künstlich
£ ' lässt sich diese Verbindung auf trockenem Wege sowohl durch Erhitzen von Blc
V . oder Bleioxyd mit Schwefel, als auch durch Reduction von Bleisulfat durch
:.' Glühen mit Kohle oder im Wasserstoffstrom erhalten; auf nassem Weg wird
; ' Schwefelblei beim Zusammentreffen von Bleisalzen oder deren Lösungen mit
Schwefelwasserstoff, Schwefelalkalien, Ammoniumsultid, Schwefel calcium etc
. ' gebildet und stellt dann ein amorphes, braunschwarzes Pulver dar. (In Salzsäure-'
; - haltiger Bleilösung oder Chlorbleilösung bewirkt wenig Schwefelwasserstoff zu-
' nächst die Bildung eines rothen, etwa der Formel 3PbS«2PbCl3 entsprechend
\^: zusammengesetzten Niederschlages, welcher mit einem Ueberschuss des Fällungs-
>^/ mittels in schwarzes Bleisulfid übergeht). In reguläre Krystalle kann das
amorphe Schwefelblei durch Sublimation bei Luftabschluss überfuhrt werden; auch
.^.; bei der Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Chlorblei bei hoher Temperatur,
beim Glühen von Bleioxyd in Schwefelkohlenstoffdampf oder selbst auf nassem
j. Weg bei Zusatz von Schwefelwasserstoff zu einer viel Salpetersäure enthaltenden
- > Bleisalzlösung kann in Würfeln krystallisirtes Schwefelblei erhalten werden.
- ' In Würfeln krystallisirter Bleiglanz findet sich auch gelegentlich als zufalliges
Hüttenprodukt (i8).
Der Bleiglanz bildet dunkelgraue, reguläre Krystalle, welche sehr starken
; Metallglanz besitzen und sich mit grösster Leichtigkeit den Wtirfelstücken parallel
spalten lassen. Spec. Gew. der Krystalle ist 7-25 bis 7'7. Härte = 2*ö. An der
Luft erhitzt oxydirt sich das Schwefelblei unter Entwicklung von Schwefligsäure-
r - g35 ^^^ Bildung von Bleioxyd und Bleisulfat. In Wasserstoffgas geglüht wird
/^^ \ Schwefelblei allmählich zu Blei reducirt, ebenso giebt ein Gemenge von 1 Mol.
. ; • Schwefelblei mit 2 Mol. Bleioxyd beim Glühen metallisches Blei unter Entwicklung
von Schwefligsäuregas. Eisen scheidet aus Schwefelblei in der Glühhitze Blei aus
■ V und bildet Schwefeleisen. Concentrirte Salpetersäure wirkt heftig auf Bleisulfid
ein und liefert Bleinitrat, Schwefel und Bleisulfat. Concentrirte Salzsäure löst
Schwefelblei beim Erhitzen unter Schwefelwasserstoffentwicklung zu Chlorblei.
Selenblei, PbSe. Natürlich als Clausthalit, ein dem Bleiglanz ähnliches
Mineral. Durch Zusammenschmelzen von Blei mit Selen künstlich als graue
Masse darstellbar.
."; Salpetrigsaures Blei. Bleinitrit.
- Das normale Salz, Pb(N02)2 -+- HjO, wird durch Zusammenreiben von
Silbemitrit mit Chlorblei unter Zusatz von wenig Wasser und Verdunsten der
Lösung erhalten (19). Gelbe Säulen oder Blättchen. Die Lösung zersetzt sich
5 ' beim Verdampfen in der Wärme.
Basische Bleinitrite werden durch Kochen von Bleinitratlösung mit Blei
]{. erhalten; so die Verbindung Pb(N03)2'3PbO -f- HjO, welche bei 12sttindigem
i Kochen entsteht, wobei die Flüssigkeit sich zunächst gelb färbt, später aber farb-
los wird und beim Erkalten blassrosenrothe oder weisse, zu Sternen vereinigte
Nadeln jener Verbindung abscheidet. Die anfangs gebildete gelbe Flüssigkeit
liefert gelbe, säulenförmige Krystalle des rhombischen Systems. Diese können als
: Pb(NO,), -h Pb(N08)2 + 5PbO -h SH^O angesehen werden. Bei gleichem Ver-
i r: fahren bilden sich auch noch andere ähnliche Verbindungen, welche theils gelb,
[ theils Orangeroth gefärbt smd.
Blei. 3^7
Salpetersaures Blei. Bleinitrat.
Das normale Bleinitrat PbCNOj)^, entsteht beim Auflösen von Blei, Blei-
ozyd oder Bleicarbonat in Salpetersäure und Krystallisiren der Lösung. Ist letztere
neatral, so sind die Krystalle milchweiss, wasserhelle Krystalle werden aus einer
freie Salpetersäure enthaltenden Lösung gewonnen. Die Krystalle sind regulär;
Octaeder vorherrschend. Zur Lösung erfordert 1 Thl. Bleinitrat 7^ Thle. kaltes
Wasser und erzeugt dabei bedeutende Temperaluremiedrigung. Aus der Lösung
schlägt Salpetersäure das Salz nieder« Bleinitrat verknistert beim Erhitzen und
spaltet sich in Bleioxyd und Stickstoffdioxyd (Untersalpetersäure) (20).
Basische Nitrate, z. B. Pb(N03)jj H- öPbO oder Pb(N03)3 -+- 2PbO,
werden bei Digestion des normalen Salzes mit Ammoniak oder durch Fällen von
Bleiessig mit salpetersaurem Kalium erhalten und bilden weisse, in Wasser schwer
lösliche, aber z. Thl. daraus krystallisirbare Verbindungen, welche beim Erhitzen
gelb werden.
Clilorsaures Blei, Bleichlorat, Pb(aOj)3 + HjO. Aus Bleicarbonat und Chlorsäure
darstellbar. Weisse, monokline Blättchen.
Ueberchlorsaures Blei, Bleiperchlorat, Pb(C104), + 3Hj,0. Durch Auflösen von
Bleicarbonat in Ueberchlorsäure darzustellen. Sehr leicht lösliche Nadeln.
Bromsaures Blei, Bleibromat, Pb(BrOg)3 + H3O. Analog den vorigen darstellbar.
Weisse Krystalle.
Jodsaures Blei, Bleijodat, Pb(J03)3. Aus Bleilösungen durch Jodsäure oder jodsaures
Kalium als weisses Pulver fällbar.
Ueberjodsaures Blei, Bleiperjodat, Pb(J04)3, analog dem Jodat durch Uberjodsaures
Kalium zu fällen. Weisses Pulver.
Unterschwefligsaures Blei. Thioschwefligsaures Blei, PbSjO,, fällt als weisser
Niederschlag aus, wenn eine Bleilösung mit unterschwefligsaurem Natrium, Na^SjOg, vermischt
wird. Schwärzt sich beim Erhitzen und liefert Schwefelblei, Bleisulfat, Schwefel und Schweflig-
säor^as. Bei Luftzutritt erhitzt verbrennt das Salz mit schwacher Flamme und wird neuerdings,
mit sauerstof&eichen Stoffen vermischt, zur Herstellung phosphorfreier Zündhölzchen benutzt.
Schwefligsaures Blei, Bleisulfit, PbSOg.
Aus Bleisalzlösungen und schwefligsaurem Natrium darzustellen. Weisses, in Wasser un
lösliches Pulver.
Schwefelsaures Blei (21). Bleisulfat. Normales Sulfat, PbS04, oder
Bleivitriol kommt als ein meist aus Bleiglanz entstandenes Mineral natürlich vor.
In Form eines weissen, schweren Pulvers entsteht es beimjErhitzen von Blei mit
concentrirter Schwefelsäure oder bei Zusatz von verdünnter Schwefelsäure oder
irgend einer Sulfatlösung zu der Lösung eines Bleisalzes. Bleioxyd und ver-
dünnte Schwefelsäure liefern ebenfalls Bleisulfat, ebenso entsteht es beim Zu-
sammentreffen von Bleisuperoxyd mit schwefliger Säure.
In klein krystallisirtem Zustand kann das Sulfat durch Zusammenschmelzen
von Chlorblei mit Kaliumsulfat und Ausziehen mit Wasser, oder bei sehr all-
mählichem Vermischen einer Bleilösung mit einer Sulfatlösung erhalten werden.
Die KiystaUe gehören dem rhombischen System an. Das Bleisulfat ist isomorph
mit Schwerspath und Coelestin. In der Glühhitze schmilzt das Bleisulfat unzersetzt
und wird durch Wasserstoff oder Kohle zu Schwefelblei reducirt; dabei zersetzt
sich letzteres z. Thl. mit unangegriflfenem Bleisulfat und liefert metallisches Blei
und Schwefligsäuregas: PbS04 -+- PbS r= 2Pb H- 2SO2.
Auch durch Eintauchen einer Zinkplatte in einen aus Bleisulfat und Wasser
hergestellten Teig wird die Abscheidung von Blei bewirkt, welches aber als
schwammige Masse zurückbleibt.
?^-r
r*.^ .
ff^'
398 Handwörterbuch der Chemie.
^i^; Es löst sich in 22800 Thln. kalten Wassers, ist aber leicht löslich in Ammo-
jt* ' niaksalzen, namentlich im Acetat und Tartrat, auch Alkalilaugen lösen das Sulfat
völlig auf, Alkalicarbonatlösungen überflihren es in Bleicarbonat. Concentrirte Sal-
peter- oder Salzsäure lösen Bleisulfat ein wenig, concentrirte Schwefelsäure löst es
gleichfalls (Bleigehalt der in Bleipfannen abgedampften Schwefelsäure des Handels),
bei Wasserzusatz wird es aus dieser Lösung bis auf Spuren wieder ausgefällt. —
^4^', Ein saures Bleisulfat, PbH2(S04)3-|-H30, scheidet sich aus einer Lösung
^li : , des normalen Sulfats in conc. Schwefelsänjpe ab (22).
^-v ^ Basisches Bleisulfat, PbSO^ -I- PbO, entsteht durch Digestion des nor-
|V 1 malen Salzes mit Ammoniaklösung. Weisse, krystallinische Masse; schwer löslich
^^ in Wasser (23).
f^^y,- Unterphosphorigsaures Blei, Bleihypophosphit, PbPjH^Og. Aus Bleicarbonat
X^ '■ und wässriger unterphosphoriger Säure. Weisse, schwer lösliche, rhombische Rrystalle.
^^'' Phosphorigsaures Blei, Bleiphosphit, PbPHOj. Durch Fällen einer Bleisalzlösung
p; .' mit phosphorigsauren Alkalien oder Neutralisation von wässriger phosphoriger Säure mit Bki-
carbonat darrustellen. Weisses Pulver.
Phosphate des Bleis. Phosphorsaures Blei. Orthophosphorsaures Blei
Bleiorthophosphat.
^- ■; ' Gesättigtes Orthophosphat, Pb3(P0^),, entsteht durch Fällung von Bleiacetatlösang
'^'^ . init I gesättigtem orthophosphorsaurem Natrium, Na^HPO^. Bei dieser Reaction wird Essig-
f i ' säure abgeschieden; wendet man aber statt des Bleiacetats Bleinitrat an, so mischt sich dem
;% Niederschlag auch die folgende Verbindung bei.
g; . I gesättigtes Orthophosphat, PbHPO^ oder Pb.^Hj(PO^)j, wird durch FiDen einer
»'.In kochenden Bleinitratlösung mit wässriger Phosphorsäure als weisser, krystaüinischer Niederschlag
i "" erhalten.
*•* * *
•.^ ^ gesättigtes oder saures Bleiorthophosphat, PbH^(PO^)g, kann aus dem vorigen
^. '. Salz durch Auflösen in Phosphorsäure dargestellt werden.
^V Pyro- und Metaphosphate des Bleis sind durch Fällung einer Bleisalzlösung mit den
^>' betreffenden Alkaliphosphaten zu erhalten.
^V' Borsaures Blei. Bleiborat.
i'f Das borsaure Blei, PbB^O^'HjO, scheidet sich beim Vermischen kalter concentrirter
Lösungen von Bleinitrat Und Borax und Digestion des Produkts mit Ammoniaklösung als weisses
Pulver aus.
^- . Saures Borat, 2PbO-3B20j + 4H2O, wird aus Bleilösungen und überschüssiger Borax-
?- - lösung erhalten.
i'^ Ein Salz, PbO-2Bj05 + 4Hj,0, entsteht aus dem vorigen durch Kochen mit Borsäurdösong.
'^'.- Alle diese Borate schmelzen in der Glühhitze zu farblosen, stark lichtbrechenden Gläsern.
[*. ; Auch durch Zusammenschmelzen von Bleiglätte mit Borsäure in verschiedenen Verhältnissen
^ werden Bleigläser erhalten, welche um so gelblicher sind, je mehr Blei sie enthalten und um so
^ "*, ^ härter, je grösser der Gehalt an Borsäure ist (S. Strass).
Kohlensaures Blei. Bleicarbonat.
^:^ Normales Bleicarbonat, PbCOg, findet sich in der Natiir im rhombischen
C-" System krystallisirt als Weissbleierz (isomorph mit Arragonit, Strontianit,
.; Witherit und Kalisalpeter), kann aber auch künstlich durch Fällen der Losung
i! eines normalen Bleisalzes mit einem Ueberschuss an Alkalicarbonat erhalten
t»; werden, doch mischen sich leicht basische Carbonate bei. Aus verdünnter Blei-
acetatlösung fällt Kohlensäure das normale kohlensaure Blei als weissen
"^ . krystallinischen Niederschlag.
Eine Lösung von Bleioxyd in Wasser wird durch Kohlensäure getrübt, bii
Ueberschuss an Kohlensäure wird die Flüssigkeit wieder klar, was die Bildung
V eines sauren Carbonats wahrscheinlich macht, doch ist Bleicarbonat in kohle i-
Blei.
399
sänrehaltigem Wasser nur sehr wenig löslich. In der Glühhitze geht das Blei-
carbonat unter Kohlensäureverlust in Bleioxyd über.
Basisches Carbonat, 2PbC03 -h PbO -h H^O, bildet den wesentlichen
Bestandtheil des sogen. Blei weisses, welches auf verschiedene Art bereitet
werden kann. Durch Fällen einer Bleiessiglösung (Lösung von basischem Blei-
acetat). mit Kohlensäure scheidet sich ein Theil des gelösten Bleis in Form jener
Verbindung als weisser Niederschlag aus. Die über demselben befindliche
Flüssigkeit kann von neuem mit Bleioxyd gesättigt werden und zur weiteren
Bleiweissgewinnung dienen, so dass die Essigsäure abgesehen von unvermeid-
baren Fabrikationsverlusten immer wieder zurückgewonnen wird.
Die bei dieser Art der Bleiweissfabrikation (sogen, französische Methode
von Thänard und Roard) (24) nöthige Kohlensäure wird durch Verbrennen von
Kohle für sich oder mit Kalkstein erzeugt In Brohl verwendet man die aus
dem Boden strömende Kohlensäure. Nach einer anderen Fabrikationsmethode
(sogen, englische Methode von Benson) (25) werden 100 Thle. fein gemahlene
Bleiglätte mit der Lösung von 1 Thl. Bleizucker zu einem Teig angerührt und
dieser unter Umrühren mit Kohlensäure in Berührung gebracht, bis kein Gas
mehr aufgenommen wird. Das Produkt wird dann mit mehr Wasser gemahlen
und geschlämmt, wobei Kupfer und Eisen als Acetate in Lösung gehen und
entfernt werden können. Bei diesem Process ist anzunehmen, dass das Bleioxyd
sich nach und nach mit Bleiacetat zu basischem Satz verbindet und aus dieser
Verbindung durch die Kohlensäure als Carbonat abgeschieden wird, denn Blei-
glätte wird für sich allein von Kohlensäure kaum angegriffen.
Bei der holländischen Methode der Bleiweissfabrikation werden spiralförmig
gebogene Bleiplatten in . Thontöpfe eingesetzt, auf deren Boden etwas roher
Essig sich befindet. Die mit Bleiplatten bedeckten Töpfe werden in grosser
Anzahl neben- und übereinandergestellt (Fig. 56) und ganz ^^^^^^^^^^
mit Pferdemist überschichtet. Die in dem Miste ein-
tretende Fäulniss erzeugt Wärme und Kohlensäure; die
Essigsäure verdampft langsam, bildet über dem Blei eine I
Kruste von basischem Acetat, welches durch die ein-
dringende Kohlensäure allmählig in Bleiweiss umgewandelt
wird. Nach Verlauf vieler Wochen wird die Bleiweiss-
schicht von den Bleispiralen abgeklopfl, worauf die Spiralen
zu einer neuen Operation dienen. In neuerer Zeit hat
man das Mistbad weggelassen und die Töpfe durch geheizte Kammern ersetzt
und Kohlensäure eingeleitet.
Auch durch Fällen einer Bleiessiglösung mit einem ganz geringen Ueber-
schuss an Soda scheidet sich (nach Hochstetter) die Verbindung 2PbC03
-♦-PbO-i-HjO aus.
Das Bleiweiss, welches annähernd obiger Formel entspricht, aber nicht
ganz constante Zusammensetzung zeigt, bildet eine dichte, schwere Masse,
welche von allen weissen Farben am meisten Deckkrafl besitzt, aus lauter
nmden oder ovalen Körnchen besteht und bei 155° alles Wasser verliert; bei
1B3° beginnt Kohlensäure auszutreten.
(Ch. 56.)
■'4
■'Vi
Legirungen des Bleies mit Antimon.
Eine annähernd der Formel PbigSb entsprechende, sechsseitige
bildende Legining wurde als Hüttenprodukt gefunden (26).
Sä.u\^^
ilV
/
pf\ 300 Handwörterbuch der Chemie.
;,yt: Alle an Antimon reichen Legirungen sind blättrig oder krystallisirt. Die
:'v VerbindungPbjSb verliert selbst beim Weissglühen kein Antimon; antimonreichere
f !; Legirungen entlassen in der Glühhitze einen Theil des Antimons.
:7 • Eine Legirung aus gleichen Theilen Blei und Antimon ist spröde und blättrig,
f' eine solche aus 3 Thln. Blei und 1 Thl. Antimon ist hart aber ductil. Ein gutes
Letternmetall enthielt nach Moser (27) 77-9^ Blei und 21*88^ Antimon und
^,- ~ ' besass ein spec. Gew. von 9 "54.
^';- Legirungen des Bleies mit anderen Metallen s. bei diesen.
''h_ ^ Analytisches Verhalten der Bleiverbindungen.
/ Alle Bleiverbindungen geben mit Soda auf der Kohle in der Reductions-
;^ flamme des Löthrohres geschmolzen ein Bleikorn, welches durch seine Dehnbar-
> ' keit, Weichheit und abfärbende Eigenschaft charakterisirt ist. Die Kohle be-
; schlägt sich rings um das Metallkom mit einem gelben Anflug von Bleioxyd.
r Die normalen löslichen Bleisalze röthen blaues Lakmuspapier und werden
: durch Glühhitze zersetzt. Alle, auch die unlöslichen Bleiverbindungen gehen beim
-, Zusammentreffen mit Schwefelwasserstoff, Schwefelammonium oder
Alkali Sulfiden in schwarzes Schwefelblei über.
Bleisalze werden aus saurer wie aus alkalischer Lösung durch Schwefelwasser-
stoff* gefällt. Bei zu grossem Säureüberschuss tritt die Fällung erst bei Ver-
dünnung mit Wasser ein. HCl haltige Bleilösung oder Chlorbleilösung scheidet
mit wenig Schwefelwasserstoff zunächst einen rothen Niederschlag von Chlorblei-
Schwefelblei ab, der bei weiterem Schwefelwasserstoffzusatz in Schwefelblei übergeht
] ' Das entstehende Bleisulfid ist in verdünnten Säuren, Alkalilaugen, in den Lösungen
- der Schwefelalkalien und des Cyankaliums unlöslich. Heisse Salpetersäure zer-
legt das Schwefelblei und scheidet Schwefel aus.
>. Salzsäure und lösliche Metall chloride bewirken in concentrirten Blci-
^ Salzlösungen die Fällung eines aus Chlorblei bestehenden, schweren, weissen
Niederschlags.
Schwefelsäure und lösliche Sulfate fallen aus Bleisalzlösungen schwefel-
saures Blei als in Wasser und besonders in schwefelsäurehaltigem Wasser fast
unlöslichen weissen Niederschlag.
Alkalilaugen und Ammoniak schlagen basische Salze nieder; die weissen
Niederschläge lösen sich in Kali oder Natronlauge, nicht in Ammoniak.
Natriumcarbonat fällt basisches Bleicarbonat als weissen Niederschlag.
Chromsaures oder dichromsaures Kalium bewirkt in Bleisalzlösungen
die Fällung von gelbem Bleichromat (Chroingelb), welches in verdünnter Salpeter-
säure schwer löslich, in Alkalilauge aber leicht löslich ist.
Die quantitative Bestimmung des Bleis geschieht gewöhnlich durch
Wägen des aus der Verbindung dargestellten Bleisulfats, mitunter kann das
Blei auch als Bleioxyd, Bleichromat, Chlorblei oder Schwefelblei gewogen werden.
Chlor-, Brom- und Jodblei können auch durch Wasserstoffgas bei schwach«
Glühhitze zu metallischem Blei reducirt und als solches bestimmt werden.
Zur Bestimmung als Bleisulfat bringt man die Substanz in Lösung und
fällt mit verdünnter Schwefelsäure völlig aus, mischt dann das doppelte Volumen
an Weingeist zu, lässt absitzen, filtrirt, wäscht mit Weingeist aus^ trocknet und
glüht mit der Vorsicht, dass keine reducirenden Gase mit dem Sulfat in Be-
rührung kommen.
:' In organischen Bleiverbindungen kann das Blei direct durch Zusatz von
concentrirter Schwefelsäure, Eindampfen und Gltlhen bestimmt werden.
Bleicherei. 301
Soll da$ Blei als Chromat gefallt werden, so darf die Lösung keine freie
Mineralsäure enthalten; es ist daher nöthig, essigsaures Natrium zuzufügen.
Nach der Fällung mit Kaliumbichrom at in gelinder Wärme wird der Nieder-
schlag auf einem bei 100° getrockneten Filter gesammelt, gewaschen und nach
dem Trocknen bei gleicher Temperatur gewogen.
Die Bestimmung |des Bleis als Bleisulfid lässt sich sowohl in sauren, als
neutralen oder alkalischen Lösungen ausfuhren. Der Gehalt der Lösung an
freier Säure soll nicht zu gross sein, sonst fallt das Bleisulfid erst beim weiteren
Verdünnen mit Wasser vollständig aus. Der ausgewaschene und getrocknete
N^iederschlag wird am besten unter Zusatz von etwas Schwefel im Wasserstoff-
strom geglüht und als Bleisulfid gewogen. Auch kann man den Niederschlag
durch rauchende Salpetersäure und nachherigen Schwefelsäurezusatz in Bleisulfat
überführen und dieses nach dem Glühen auf die Wage bringen. Heumann.
Bleicherei.*) Durch das Bleichen bezweckt man die Beseitigung von
färbenden Stoffen aus Natur- oder Kunstprodukten meist vegetabilischen oder
animalischen Ursprungs. Nur in den seltensten Fällen kann dies vermittelst eines
mechanischen Waschprocesses durch blosses Auslaugen der färbenden Substanzen
erreicht werden; man ist vielmehr genöthigt, chemische Processe zu Hülfe zu
nehmen, durch welche die Farbstoffe entweder zerstört oder doch in eine Form
•) Handbücher, Monographien etc.: KuRRER, Die Kunst zu bleichen. Nürnberg 1831.
JOCLET, Handbuch der Bleichkunst. Leipzig 1878. A. Ktelmayer, Die Entwicklung d. Färberei,
Druckerei u. Bleicherei. Ausgsburg 1879. Joclet, Handbuch der gesammten Wollenfärberei.
Leipzig 1878. Prüfer, Die Wollen u. HalbwoUen-Stückfarberei etc. Leipzig 1878. W. ScHMTOT,
Die Seidenfärberei. Zürich 1878. W. Crookes, a pratical Handbook of Dyeing etc. London
1S74. J. Napier, a Manual of Dyeing. London 1875. J- Heim, Appretur der Baumwollen-
waaren. Stuttgart 1868. D^pierre (deutsch von Bötsch), Die Waschmaschinen etc. Wien 1883.
Zeitschriften: M. Reimann's Färberzeitung, Organ für Färberei, Druckerei u. Bleicherei. Berlin.
Weigel's Musterzeitung für Färberei, Druckerei u. Bleicherei. Leipzig. »ITie Textile Coloriste.«
Journal of Bleaching etc. Manchester. «Bull. d. 1. Societe industrielle de Mulhouse.« Mulhouse.
Einzelne Abhandlungen: i) Odlnig, Handb. d. Chem. I, pag. 59. Wolters, Joum. f.
pract Chem. 1874, pag. 128. Limpach, Chem. Centralbl. 1876, pag. 257. Lunge u. Schäppi,
DiNGL. Joum. 237, pag. 63. SchÄppi, Auszug aus d. Inaug. Dissertat. in Wagner's Jahresber.
1881, pag. 281. 2) J. KoLB, DiNGL. Joum. 191, pag. 351. Schunck, Dingl. Joum. 188,
pag. 496. 3) C. Beyrich, Deutsche Ind. -Ztg. 1878, pag. 391, siehe auch Joclet, Zeitschr. f.
Textilindustrie I, pag. 45. 4) J. Kolb, Dingl. Joum. 187, pag. 55. 5) Leuchs, Dingl. Joum. 157,
pag. 134. 6) Engler, Histor. krit. Untersuchungen über d. Ozon. Leipzig 1879. 7) Heeren,
Karmarsch u. Heeren, Technisch. Wörterb. I, Aufl» i, pag. 272. 8) Barnetp u. Stade, Ber.
d. deutsch, chem. Ges. 1874, pag. 827. 9) Bolley u. Jokisch, Schweiz. Polyt. Zeitschr. 1866,
pag. 120. Oliver, Grantham, Sinnok u. Leverson, Engl. Patent 1873. 10) Orioli, Dingl.
Joum. 157, pag. 155. 11) Varrentrapp, Dingl. Joum. 158, pag. 316. 12) v. Dienheim u.
Brochocky, Chem. Ztg. 1879, pag. 383. 13) J. A. Engeler, D. R. P. 12 127. 14) Deutsche
Ind.-Ztg. 1866, pag. 355. 15) Deutsche Ind.-Ztg. 1867, pag. 362. 16) Dingl. Joum. 195, pag. 554.
17) Clement, Industrieblätter 1880, pag. 341. 18) Mulder, Poggend. Annal. 37, pag. 594.
19) Cramer, Inaug. Dissertat. Zürich 1863. 20) Bolley, Dingl. Joum. 124, pag. 449.
21) Tabounin u. Lemaire, Bull. soc. chim. 1866; 2, pag. 429. 22) R. Wagner, Dingl.
Joum. 136, pag. 313. 23) Hessler, Musterztg. f. Färberei etc. 1878, pag. 218. 24) R. Meyer,
Zeitschr. f. d. chem. Grossgew. m, pag. 651. 25) Girazdoni, Engl. Pat 1879, No. 3359.
26) BiDTEL, Deutsche Ind.-Ztg. 1879, pag. 279. 27) Wagner's Jahresber. 7, pag. 602;
9t pagr- 627; 20, pag. 400. 28) P. Ebeix, Ind.-Blätter 1882, pag. i. Zeitschr. d. Ver. deutsch.
Ingen. 1882, pag. 621. 29) T. J. Smith, Ber. der deutsch, chemisch. Ges. 1876, pag. 723.
30) Wagner's Jahresber. 10, pag. 587. 31) Ibid. 15, pag. 642. 32) Ibid 10,. pag. 588.
50? Handwörterbuch der Chemie.
umgewandelt werden, welche die nachherige mechanische Trennung von dem
^^i bisherigen Träger gestattet. Letzterer darf selbstverständlich durch die Bleich-
iSä: •. • Operationen keine merkliche Veränderung in seiner mechanische und chemischen
1^^' , Struktur erleiden.
^w. Je nach der Struktur der zu bleichenden Stoffe sind die Bleichmittel ver-
Wt'-' schieden zu wählen, denn nicht bloss zeigen die Stoffe gegenüber den ver-
|?u.'; schiedenen Bleichmitteln sehr verschiedene Widerstandsfähigkeit, sondern auch
^# '- V die färbenden Substanzen unterliegen der bleichenden Wirkung der einzelnen
p!|/; Bleichmittel in sehr verschiedenem Grade. Immer aber soll die förbende Substanz
E" durch das Bleichmittel zerstört oder für die nachfolgende Beseitigung auf mecha-
pftjC/ nischem Wege vorbereitet werden, ohne dass der Träger derselben erheblich
^v" .' afficirt wird. Die chemischen Processe, deren man sich dabei bedient, sind viel-
fach Oxydation sprocesse, seltener kommen Reduktionsprocesse oder anderweitige
j^tVA/'
B
^^ ^
%,;^^
iT/
;♦. ■ ; chemische Processe zur Anwendung.
Die Bleichmittel, welche für die verschiedenen Materialien zur Anwendung
kommen, sind ausser der atmosphärischen Luft, die in der Rasenbleiche ausge-
dehnte Anwendung findet, für die vegetabilische Faser insbesondere Chlor-
kalk, auch freies Chlor in Form von Chlorgas oder Chlorwasser, seltener unter-
chlorigsaure Salze (eau de Labarraque oder »Chlornatron« und eau de Javelle),
endlich ausnahmsweise übermangansaure und chromsaure Salze, Ozon und
Wasserstoffsuperoxyd. Für die thierische Faser, welche vermittelst Chlor-
kalk etc. nicht gebleicht werden kann, weil sie durch Chlor energisch ange-
griffen, auch gelb gefärbt wird, kommt fast ausnahmslos die schweflige Säure zur
Anwendung und zwar meist in Gasform, seltener in wässriger Lösung oder in
Form von schwefligsauren Salzen des Natrons, Kalkes etc. Uebermangansäure,
Chromsäure, Ozon etc. lassen sich ebenfalls zum Bleichen gewisser Stoffe ani-
^-1 malischen Ursprungs verwenden. Als Bleichmittel sind des ferneren vorge-
\r[ " schlagen : Chlorozon (ein Gemisch von Chlornatrium, Soda und Natriumhypo-
J;>^ ' chlorit), Bariumsuperoxyd, Bleikammerkrystalle, unterschwefligsaures Natron,
* :' Schwefelalkalien, Schwefelwasserstoff u. a. m. Zum Entfärben von gelösten
•: . Stoffen wie Rohrzucker, Traubenzucker etc. sowie von Fetten, von Paraffin, Cere-
5^ , sin etc, dient endlich die Thierkohle.
V Der Chlorkalk, auch Bleichkalk oder Bleichpulver genannt, enthält ge-
}> wohnlich zwischen 30 und 40 J Chlor, welches durch Zersetzen mittelst Säuren
j frei gemacht werden kann. Die bleichende Wirkung mit Chlorkalk in sauren
Flüssigkeiten beruht deshalb lediglich auf freiem Chlor. Letzteres wirkt beim
c" Bleich process jedoch nicht, wie man früher annahm, direkt auf die Farbstoflfe
; ■ ein, bildet vielmehr mit dem immer anwesenden Wasser freien Sauerstoff
]■■■' ^ (H2O -f- CI2 = 2HCI H- O), welcher in statu nascendi die Zerseteung der färben-
^ den Stoffe bewirkt (die Annahme der Bildung von Ozon ist weder nothwendig
noch auch gerechtfertigt). Wahrscheinlich tritt dabei nach Kolb (2) der Säuer-
te ' Stoff mit dem Farbstoff zu einer farblosen Verbindung zusammen, die nach-
r her ausgewaschen werden kann. Doch ist auch die Möglichkeit nicht ausge-
•■, schlössen, dass theilweise eine weitergehende Zersetzung des Farbstoffes eintritt.
i^^ * Damit durch das auftretende Chlor nicht auch eine Zerstörung der zu bleichendeii
: V Fasern selbst eintritt, muss der Chlorkalk immer in ganz verdünntem Zustande?
^ angewendet werden (spec. Gew. 1-0025— 1*03). Als zersetzende Säure vird;
.^ meistens Schwefelsäure oder Salzsäure, nach dem Patent von C. Beyrich aucfci
^; Oxalsäure angewendet. Kolb (4) zeigte übrigens, dass der Chlorkalk schor.
r
Bleicherei.
303
ohne jeden Säurezusatz bleichend auf die Pflanzenfaser einwirkt. Analog wie beim
Chlorkalk ist die Wirkung des gasförmigen und in Wasser gelösten Chlors, so-
wie der eben genannten unterchlorigsauren Salze. Auch bei Anwendung
der Uebermangansäure, der Mangansäure, der Chromsäure, bezw. deren
Salze, sowie des Ozons und des Wasserstoffsuperoxyds beruht die
bleichende Wirkung auf frei werdendem Sauerstoff.
Ganz anders dagegen muss nach Leuchs die Wirkung der schwefligen
Säure aufgefasst werden (5). Dieselbe verbindet sich mit den färbenden Stoffen
zu farblosen Verbindungen, die, in Wasser und in alkalischen Laugen löslich,
mittelst der letzteren also aus den Stoffen entfernt werden können. Durch
Schwefelsäure und andere stärkere Säuren kann die Verbindung der schwefligen
Säure mit dem Farbstoff wieder zersetzt und letzterer regenerirt werden (Farb-
stoff der Rosen, Nelken etc.), ebenso durch Chlor, Jod, viel Weingeist .und
Schwefelwasserstoff, welch letzteres beweist, dass bei der Einwirkung der schwefligen
Säure auf den Farbstoff nicht auch gleichzeitig ein Reductionsvorgang stattge-
funden haben kann. Nicht regenerirt wird dagegen der Farbstoff der Wolle aus
seiner Verbindung mit schwefliger Säure durch Schwefelsäure, was man dadurch
«klären kann, dass die entstehende Verbindung mit Schwefelsäure ebenfalls
wenig gefärbt ist.
Mit dem Bleichprocess in Verbindung steht beinah immer eine Reinigung
der betreffenden Stoffe von Substanzen, die neben den Farbstoffen darin abge-
lagert sind, und deren Natur und Menge bei den verschiedenen Materialien wie
Hanf, Flachs, Baumwolle, Wolle etc. sehr verschieden sind. Sowohl die Be-
seitigung dieser Beimischungen, welche durch Vorarbeiten geschieht, die dem
Bleichprocess vorausgehen, als auch die eigentliche Entfarbungsarbeit verlangt
eine sehr verschiedenartige Behandlungsweise der einzelnen Stoffe.
Bei Hanf und Flachs wird noch vielfach die sogen. Rasenbleiche ange-
wendet. Dabei kocht man die Zeuge wiederholt abwechselnd mit alkalischen
Flüssigkeiten und mit Säuren und breitet sie zwischen hinein auf Rasenplätzen
an der Luft aus. Hier haben wir es sehr wahrscheinlich mit einer Ozon Wirkung
zu thun, bei welcher das in der Luft enthaltene Ozon theils direkt, theils durch
Lösung in der Feuchtigkeit der Stoffe oxydirend anf die Farbstoffe einwirkt.
Inwieweit hierbei auch das bei der Verdunstung von Wasser, sowie das beim
Wachsthum der Pflanzen sich entwickelnde Ozon zur Wirkung kommt, ist noch
nicht entschieden. Ebenso wissen wir auch noch nicht, ob bei der Rasenbleiche
das Wasserstoßsuperoxyd der Luft eine Rolle spielt. Wahrscheinlich sind je-
doch alle diese Momente von Bedeutung (6).
Da die Fasern von Hanf und Flachs im rohen Zustande neben der Cellulose
bis zu 36^ fremde Bestandtheile, insbesondere Pectose, Eiweiss, Pflanzenschleim,
harzartige, wachsartige, fettige und anorganische Stoffe, sowie stickstoflfhaltige
Farbstoffe enthalten, so müssen hier dem Bleichprocess ganz besondere Reinigungs-
arbeiten vorausgehen. Die erste Vorbereitungsarbeit schliesst sich meist direkt
an die eigentlich landwirthschaftliche Arbeit an und wird von den betreffenden
Feldbesitzem selbst durchgeführt. Sie besteht in dem sogen. Rotten, Rösten
oder Rotzen, wobei man die Pflanze entweder an der Luft liegend dem Thau
und dem Regen aussetzt oder einige Zeit unter Wasser hält. Durch den dabei
eintretenden Gährungs-, bez. Fäulnissprocess geht die Pectose in Pectin und Pectin-
säure über, deren Reste nach der mechanischen Trennung der Faser vom Holz
des Stengels und der Umarbeitung derselben in Garn oder Gewebe leichter zu
.■■•>*:
V-'^
L
304 Handwörterbuch 'der Chemie.
entfernen sind. Die erste Operation, welche in der Bleicherei selbst zur Aus-
führung kommt, besteht in dem Bäuchen oder Bücken der Leinwand. Da-
bei wird die letztere in einem schwachen alkalischen Bad von Potasche oder
Soda, Aetznatron, Kalk oder auch Kalk und Soda einige Zeit gekocht. Als
Apparat dienen entweder eiserne Kessel mit direkter Feuerung oder geschlossene
Kessel mit Dampfheizung und auf Ueberdruck eingerichtet. Durch die alka-
lischen Laugen gelien die PectinstofFe grösstentheils als Metapectinsäure in
Lösung, ebenso werden die Harze, die wachsartigen nnd fetten Substanzen ver-
seift und ebenfalls in lösliche Form übergeführt. Nach einiger Zeit wird das
Kochen unterbrochen und das Zeug mit Wasser in besonderen Wasch-
maschinen oder Waschrädern gewaschen, wobei die vorher löslich ge-
wordenen Stoffe sowie die noch anhaftende Lauge entfernt werden. Alsdann
kommt der Stoff in ein schwaches Säurebad, meist eine ganz verdünnte Schwefel-
säure, welches den Zweck hat, die vorher gebildeten, theil weise nicht in Lösung
übergegangenen Verbindungen wie Harzseife, event. Kalksalze der Fettsäuren etc.
wieder zu zersetzen, worauf auch die anhaftende saure Flüssigkeit sowie die da-
durch löslich gewordenen Stoffe durch einen Waschprocess wieder entfernt werden.
Man wiederholt jetzt das Bäuchen, jedoch mit einer etwas verdünnteren Lange,
ebenso das Waschen, Säuren und Wiederwaschen, event. sogar ein drittes Mal,
worauf der noch feuchte Stoff auf dem Bleichplan mehrere Tage dem Licht
und der Luft ausgesetzt wird.
Die zuerst von Heeren (7) beschriebene Irische Methode des Bleichens
der li ein wand ist eine Combination von Rasen- und Chlorbleiche. Folgendes
Beispiel erläutert dieses Verfahren. Vor dem Auslegen der Leinwand auf den
Rasen wird sie unter jedesmaligem Nachwaschen mit Wasser zunächst zur Ent-
fernung der Schlichte in warmem Wasser zur Gährung gebracht, dann zweimal mit
Aetzkalklauge gekocht, in's Säurebad gebracht und nochmals mit ganz verdünnter
Sodalösung gekocht. Nach viermaliger Wiederholung dieser Bäuchprocesse mit
jedesmal nachfolgender Luftbleiche folgt nach je einem Säurebad und einer Kochung
mit Sodalösung das erste Einlegen in ein ganz schwaches Chlorkalkbad (wässriger
Auszug des Chlorkalk), ein Waschprocess und nochmaliges Kochen mit Soda*
lösung und Waschen. Endlich folgt auf mehrtägiges Bleichen an der Luft ein
zweites stärkeres Chlorkalkbad, sowie, verbunden mit jedesmaligem Waschprocess:
Kochen mit Sodalösung, Einlegen in noch stärkere Chlorkalklösung, dann in
Säure und Walken mit Seifenlösung. Dieses combinirte Verfahren wird unter
den verschiedenartigsten Abweichungen bezüglich alkalischer Laugen und Auf-
einanderfolge der einzelnen Operationen zur Durchführung gebracht.
In ähnlicher Weise kann die Leinwand auch ohne Rasenbleiche,
nur mittelst Chlorbädern gebleicht werden. Da man wegen der Eoipfind-
lichkeit der Leinenfaser nur ganz verdünnte alkalische Laugen anwenden darf
und in Folge dessen genöthigt ist, um alle löslichen Stoffe zu entfernen, das
Bäuchen entsprechend oft zu wiederholen, nimmt dieses Bleichverfahren sehr
lange Zeit in Anspruch; je nach der eingehaltenen Methode dauert es 2 bis
3 Wochen, oft noch erheblich länger.
Beim Bleichen der Baumwolle wird fast ausschliesslich der Chlorkalk
als Bleichmittel verwendet. Auch die Baumwolle enthält neben der vegeta-
bilischen Faser Substanzen (circa 5 f ), die entfernt werden müssen, insbesondere
gefärbte, organische Substanzen, harzige und fettige Stoffe, Aschenbestandthdle,
ausserdem bei gesponnenem und gewobenem Material: Schlichte, Schmutz etc Man
k
Bleicherei. 305
bringt die vorher gewaschenenen und gereinigten Stoffe abwechselnd ein oder
mehrmals in Säurebäder und Chlorkalkbäder. Für erstere dient Schwefelsäure,
seltener Salzsäure, deren Concentration, da sonst die Baumwollfaser leidet, unter
5— 6 J Säuregehalt zu nehmen ist. Aus demselben Grunde wird auch die Chlor-
kalklösung immer unter einer Concentration von 5° B. gehalten, meist giebt man
nur 1—3°; die Stärke der Chlorkalklösung muss selbstverständlich derjenigen
des Säurebades entsprechen. Die Bereitung der Chlorkalklösung geschieht durch
Uebergiessen des Chlorkalkpulvers mit Wasser, wiederholtes Umrühren, Absitzen-
lassen und Abziehen der klaren Flüssigkeit. Meist werden dabei mechanische
Vorrichtungen benutzt; das Einlegen der Stoffe in die Chlorkalklösung dauert
gewöhnlich 6—8 Stunden. Die Reihenfolge der mit den zu bleichenden Zeugen
auszuilihrenden Operationen, wobei jetzt fast immer maschinelle Vorrichtungen zu
Hülfe genommen werden, ist bei den verschiedenen Bleichmethoden auch hier sehr
verschieden. Im Allgemeinen wird zuerst blos mit Wasser gewaschen, dann folgen
Laugeprocesse mit Kalk oder Soda, oder auch mit beiden, bez. mit Aetzalkalien,
verbunden mit jeweiligem Nachwaschen mit Wasser. Daran schliesst sich ein mehr-
stündiges Einlegen in das Chlorkalkbad, dann in das Säurebad, oft auch zuerst in
das letztere, dann ein Wasch- und Laugeprocess mit Soda oder Aetznatron, worauf
man das Einlegen in das Chlorkalkbad und das Säurebad event. noch einmal
wiederholt etc. Zwischen den Bädern von Chlorkalk und Säure wird entweder
gar nicht oder nur schwach gewaschen, damit die beiden Agenden in dem Stoffe
aufeinander zur Wirkung kommen. Dass übrigens eine Chlorkalklösung auch
ohne irgend einen Säurezusatz stark bleichend wirkt, ist schon oben hervor-
gehoben worden (4). Wichtig ist es, dass der letzte Waschprocess sehr gründ-
lich durchgeführt wird, damit die noch anhaftenden letzten Spuren von Chlorkalk
oder freiem Chlor aus dem Zeug entfernt werden. Andernfalls findet eine Nach-
wirkung statt, durch die der Stoff stark leidet. Zur Entfernung der letzten Spuren
von Chlor wird desshalb häufig etwas Antichlor, und zwar meist unter-
schwefligsaures Natron den Waschwassem zugesetzt. Dadurch wird das freie Chlor
sofort in Salzsäure bezw. Chlomatrium umgewandelt, welche unschädlich sind
und ausserdem auch leicht ausgewaschen werden können. Auch etwas Ammoniak
hat ähnliche Wirkung (2). Als Antichlor kommen ausserdem zur Anwendung
Zinncblorür, schweflige Säure und deren Salze, salpetrigsaure Salze, lösliche
Schwefelmetalle, auch arsenige Säure etc. Barnett und Stade (8) haben vor-
geschlagen, die Bleichflüssigkeit aus Chlorkalk durch Fällen mit Natron und
Sättigen der Lösung mit Kohlensäure herzustellen, was im Grunde genommen
auf die bisher ebenfalls schon verwendete Methode der Umsetzung der Chlor-
kalklösung mit Sodalösung, also auf die Anwendung einer Lösung von unterchlorig-
saurem Natron hinauskommt. Da sich hiebei in dem Schwefelsäurebad anstatt
des schwer löslichen und relativ schwer auszuwaschenden Gjrpses das leicht
lösliche schwefelsaure Natron bildet, so hat diese Methode allerdings einen
gewissen Vorzug, doch ist sie umständlicher und theurer, desshalb selten in
Anwendung. Das Gleiche gilt von den Magnesia-, (9) Thonerde- (10)
und Zinkbleichflüssigkeiten (11), die man durch Umsetzen von Chlorkalk,
mit den entsprechenden schwefelsauren Salzen erhält, sowie auch von dem
unterchlorigsauren Kali. Chlorozon (12), das Gemisch von unterchlorigsaurem
Natron mit Kochsalz und Soda, soll insbesondere der zerstörenden Wirkung der
ach beim Bleichprocess bildenden Salzsäure entgegen wirken. Engler (13)
IL 20
. 3o6 Handwörterbuch der Chemie.
endlich empfiehlt zum Bleichen verarbeiteter Baumwolle Chloroformdämpfe (?),
die er aus Alkohol und Chlorkalk entwickelt.
Die übermangansauren Alkalien, welche von Tessii^ du Motey und
Marächal (14), Scharf (15) und Pubetz (16) als Bleichmittel eingeführt worden
sind, werden gemischt mit schwefelsaurer Magnesia zum Bleichen von Baumwoll-
stoffen angewendet. Beim Einweichen des Baumwollzeugs in die betreffende
Lösung scheidet sich unter Abgabe von Sauerstoff Manganoxyd und Mangan-
superoxyd auf der Faser ab, die man später mittelst Schwefelsäure oder
schwefliger Säure wegnimmt; die Schwefelsäure bildet dabei mit den Mangan-
oxyden nochmals freien Sauerstoff. Das in der ersten Reaction frei werdende
Alkali wird durch die zugesetzte schwefelsaure Magnesia unter Bildung von
schwefelsaurem Alkali und Magnesiahydrat abgestumpft. Auch ein Gemisch von
Permanganaten mit Dichromaten ist neuerdings empfohlen worden (17).
Zum Bleichen der Wolle verwendet man ausschliesslich die schweflige
Säure. Die betreffenden Gespinnste und Gewebe, deren Wolle schon vor der
mechanischen Verarbeitung durch die Fabrikwäsche von den hauptsächlichsten
Verunreinigungen, insbesondere dem Wollschweiss befreit wurde, werden vor der
Behandlung mit schwefliger Säure ähnlichen Vorbereitungsarbeiten unterworfen
wie die Baumwolle. Der Gesammtverlust durch die Wollwäsche und die übrigen
Vorbereitungsarbeiten beträgt hiebei 30-— 50^, oft sogar noch mehr. Wegen der
grossen Empfindlichkeit der Wollfaser gegenüber ätzenden Alkalien und Kalk
nimmt man dabei jedoch nur kohlensaure Alkalien, als Soda, kohlensaures
Ammoniak oder Seifenlösung. Nach genügender Vorbereitung kommen die ge-
waschenen noch feuchten Zeuge in die Schwefelkammern oder in wässrige
Lösungen von schwefliger Säure. Die Schwefelkammem bestehen in luft-
dichten Räumen, welche zum Eindringen von atmosphärischer Luft mit Ventilen
versehen sind und in welchen die zu bleichenden Materialien aufgehängt werden.
Die schweflige Säure erzeugt man entweder in der Kammer selbst durch Ver-
brennen von Schwefel in Schalen, Tiegeln etc. oder ausserhalb durch Verbreimen
des Schwefels in besonderen Ofen, ausnahmsweise auch durch Glühen von Eisen-
vitriol mit Schwefel in Retorten und leitet das Gas durch Röhren in die
Kammern. Nachdem die Stoffe 1 — 2 Tage in den Kammern verbracht haben,
ventilirt man die letzteren und nimmt die Zeuge heraus. Es folgen event. wieder-
holt alkalische Bäder und Schwefeln, bis die Faser genügend gebleicht erscheint,
worauf zum Schluss nochmals mit Sodalauge und Wasser gründlich ausgewaschen
wird. An manchen Orten wendet man statt gasförmiger schwefliger Säure wässiige
Lösungen derselben an, sehr häufig wurden in neuerer Zeit auch Lösungen
von sauren schwefligsauren Alkalien und von saurem schwefligsaurem Kalk als
Bleichfltissigkeiten verwendet Die betreffenden Lösungen bereitet man sich in
Thürmen, die in ihrer Einrichtung mit den Condensationsthürmen für Salzsäure
übereinkommen und durch die man die schweflige Säure im Gegenstrom gegen
herunterrieselndes Wasser bezw. verdünnte Alkalilaugen hindurchleitet. Bei
Herstellung von saurem schwefligsaurem Kalk lässt man die schweflige Säure
in gleicher Weise durch Tuffsteine, die von Wasser berieselt sind, hindurcfatretea
Solche Lösungen bewirken ein gleichmässigeres Bleichen der Stoffe, sind abtt
etwas theurer als gasförmige schweflige Säure, auch kommen bei Verwendung
von Salzen der schwefligen Säure häufig noch Säurebäder zur Anwendung. Auch
die übermangansauren Salze köimen übrigens zum Bleichen der Wollfaser
verwendet werden.
Blut. 307 • * - 1
Mengen einer wachsartigen Verbindung besteht, durch wiederholtes Abkochen
mit einer Seifenlösung, schliesslich mit möglichst kalkfreiem Wasser in Lösung
gebracht. Der Gewichtsverlust beträgt 25—40^. Es folgt die Behandlung mit
schwefliger Säure, wobei man neuerdings vorwiegend wässrige Lösungen zur
Anwendung bringt. Der Behandlung mit schwefliger Säure gehen manchmal auch
noch Bäder von Soda und Säuren voraus. Statt Seifenlösung kann nach Bolley (20)
eine Lösung von Borax, nach Tabounin und Lemaire (21) Wasserglas verwendet
werden. Souplirte Seide ist eine durch Behandlung mit einer Mischung (15® B.)
von 80J Salzsäure und 20J Salpetersäure degummirte Seide, ein Process, wobei
Dar 12— 18# Verlust eintritt, jedoch keine so schöne Seide erhalten wird. Auch
mit alkoholischer Salzsäure kann nach Baumi^ (22) die Seide degummirt werden.
Ais Bleichmittel für Seide sind in neuerer Zeit endlich die salpetrige Säure (23)
und die Bleikammerkrystalle (24) genannt, von welchen die letzteren in Lyon
zum Bleichen der Seide verwendet werden sollen.
Stroh wird am besten mittelst schwefliger Säure gebleicht, wobei man die
Säure entweder gasförmig, oder durch aufeinanderfolgende Bäder von schweflig-
sauren oder unterschwefligsauren Salzen und von Säure in gelöster Form ver-
wendet. Auch hier geht dem wiederholt auszuführenden Bleichprocess immer
eine Behandlung mit schwach alkalischen Laugen voraus.
Ganz ähnlich werden auch Rosshaare, Kuhhaare, Kälberhaare,
Schweinsborsten etc. gebleicht
Zum Bleichen von Papierstoff oder Papierzeug aus Hadern verwendet
man Chlorkalk, der in dem Holländer zugesetzt wird, seltener Chlorgas, für
Strohstoff zur Papierbereitung ebenfalls Chlorkalk, für Holzstoff ebenfalls
Chlorkalk, besser jedoch schweflige Säure oder saure schwefligsaure Salze.
}ute soll nach Girardoni's Patent (25) durch Behandlung mit Bädern von
Chrorosäure, Chlorkalk oder unterchlorigsauren Alkalien und von übermangan-
sauren Salzen gebleicht werden, während Bidtell (26) aufeinanderfolgende Bäder
von schwefelsaurem Anilin und übermangansaurem Kali mit schwefelsaurer
Magnesia vorschlägt.
Elfenbein, Federn etc. können durch verdunstendes Terpentinöl,
Photogen etc. durch die sogen. Ozonbleiche (6) gebleicht werden. Auch das
Wasserstoffsuperoxyd kommt in neuester Zeit unter den Bleichmitteln in
Betracht Schon vor langer Zeit wurde es für diesen Zweck vorgeschlagen (27),
neuerdings hat Ebell (28) gezeigt, dass es sich zum Bleichen von Federn,
Haaren und Seide vorzüglich eignet. Hierher gehört auch die Anwendung
des Bariumsuperoxydes (29) zum Bleichen von Seide u. a. thierischen Fasern.
Die Bleichmittel wie Schwefelwasserstoff (30), lösliche Schwefelmetalle(3i)
Wasserstoffsupersulfid (32) haben sich nicht bewährt. Engler.
Blut.*) Das Blut (1) des Menschen und der Wirbelthiere ist eine dickliche,
loche, undurchsichtige Flüssigkeit von fadem, süsslich-salzigem Geschmack und
^ i) Hermann, Handb. der Physiologie, IV., i. Abth., pag. 3. C. LuDWio, Lehrb. d.
Vtyüoh, TL Aufl., ü., pag. i. Kühne, Lehrb. d. physiol. Chemie, pag. 160. v. Gorup-Bbsanbz,
Ldab. d. physioL Chemie, 3. Aufl., pag. 338. Hoppe-Seyler, Physiologische Chemie, pag. 365.
2o*
:J^
Dem Bleichen der Seide geht das Degummiren oder Entschälen ^:
voran. Dabei wird der sogen. Seidenleim, der nach Mulder (18) und Gramer (19)' ;^
im Wesentlichen aus einer in Wasser löslichen leimartigen Substanz und geringen ; ^^
.• «'^
-L
1-^'^"
3o8 Handwörterbuch der Chemie.
schwachem, charakteristischem Geruch, welche während des Lebens innerhalb
eines besonderen Röhren- oder Gefösssystems in beständiger kreisender Bewq;ung
Neues Handwörterb. d. Chemie von v. Fehling, II., pag. 104. 2) Welker, Zeitschr. f. nOioo.
Med. [3], XX., pag. 263. 3) Ders., ebenda, pag. 279. 4) Malassez, Compt rend. 75, pag. 1528;
De la numeration des globules rouges du sang, Paris 1873; Archiv, de physioL 1874, pag. 32.
5) Hayem et Nachet, Compt. rend. 80, pag. 1083, 6) Rollet, Sitzungsber. d. Wien. Akad,
2. Abth. XLVn, pag. 356; 2. Abth. XLVIII, pag. 178; siehe a. Hermann, Handb. d. PhysioL
7) L. WooLDRiDGE, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1881, pag. 387. 8) Hoppe-Seyler, Med.-chein.
Untersuchungen, pag. 133; physiol- Chem., pag. 366 ff, 9) W. Preyer, Die Blntkrystilk.
Jena 1871. 10) Hoppe-Seyler, Med. -ehem. Untersuchungen, pag. 181; physiol. Chemie, pag. 375-
11) V. Lang, Sit£.-Ber. d. Wien. Acad., math.-naturw. CL XL VI, 2. Abth., pag. 85. 12) Hom-
Seyler, Med.-chem. Untersuch., pag. 189. 13) Hüfner, Zeitschr. f. physioL Ch. 4, pag. 3^2.
14) HÜFNER, Zeitschr. f. physiol. Ch. i, pag. 317 u. 386. 15) Dybkowski, in Hoppe-Seyle«,
Med.-chem. Untersuchungen, pag. 128. 16) Hüfner u. Otto, Zeitschr. f. physiol. Ch. 7, pag.6s.
1 7) Hoppe-Seyler, W, Preyer, d. Blutkjystalle, pag. 139. 18) Weyl u. v. Anrep, Arch. f. (Anat u.)
Physiol. 1880, pag. 227. 19) Hoppe-Seyler, Handb. d. physiol. u. pathol.-chem. Analyse, 5. AiA,
pag. 137; Med.-chem. Unters., pag. 540. 20) Hopee-Seyler, Handb. d. physiol. u. pathoL-chcm. Ana-
lyse, 5. Aufl., pag. 241 u. 239. 21) HöGYES, Med. Centralbl. 18, pag. 289; Chem. CentralbL [3] n,
pag. 365. 22) Hoppe-Seyler, Her. d. deutsch, chem. Ges. 7, pag. 1065. Maly, Ann. d Chaa.
u. Pharm. 163, pag. 77. 23) Stokes, Hoppe-Seyler, A. Jäderholm, Vierordt u. A.; siek
die Zusammenstellung in Hermann, Handb. IV. i, pag. 46 ff. 24) Leichtenstern, Untersoci
üb. d. Hämoglobulingehalt des Blutes; Leipzig 1878. 25) Preyer, die Blutkrystalle, pag. 117
(berechnet nach Bestimmungen von Becquerel et Kodier). 26) Max Schultze, Arch. f. mikroskop.
Anat I, pag. x. 27) Hayem, Hämatoblasten : Arch. de physiol. 1878, pag. 692. Bizzoze&o,
Blutplättchen: ViRCHOW's Arch. 90, pag. 261. 28) Wooldridge, Arch. f. (Anat u.) Physiol. iSSi,
pag. 387. Hoppe-Seyler, Med.-chem. Untersuch., pag. 14a 29) Miescher (Eitercellen), ia
Hoppe-Seyler, Med. -chem. Untersuch,, pag. 441. 30) Salomon, Deutsch-med. Wochenschr. 1877,
No. 35. 31) Nicolai Heyl, Zählungsresultate, betreffend die farblosen und die rothen ffint-
körperchen; Inaug.-Dissertat. Dorpat 1882. 32) s. bes. Alfjc. Schmidt, die Lehre von dea
fermentativen Gerinnungserscheinungen in den eiweissartigen thierischen Körperflttssi^eitea;
Dorpat 1876 (enthält einen zusammenfassenden Bericht Über die früheren Arbeiten des V^erfs.V
33) M. Edelberg, Arch. f. experim. Pathol. 12, pag. 283. L. Birk, das Fibrinfennent in
lebenden Organismus; Inaug.-Dissert. Dorpat 1880. 34) O. Hammarsten, Maly's Jahresbcr. $*
pag. 19; 6, pag. 15. 35) Vergl. Al. Schmidt, Pflüger's Archiv 13, pag. 146. Hammarstsn,
ebenda 14, pag, 211. 36) A. Schmidt-Mülheim, Arch. f. (Anat u.) Physiol. 1880, pag. 3>
G. Fang, ebenda 1881, pag. 277. 37) L. Wooldridge, Arch. f. (Anat. u.) PhysioL 1883,
pag. 389. 38) F. Rauschenbach, über die Wechselwirkungen zwischen Protoplasma u. Bh*-
plasma; Inaug.-Dissert Dorpat 1882. 39) Albertoni, Rendiconti delle ric. sperim. eseg. nd-
gabin. di flsiol. della univ. di Siena 1878 (Pankreatin; ref. in Hofmann-Schwalbe, Jahicsba.
üb. d. Fortschr. d. Anat. u. Physiol. 1878, II. Abth., pag. 252); ders.. Med. Centr.-Blatt 16,
pag. 641 (Pepsin, ref. a. a. O.); Edelberg, Birk, a. a. O. (Fibrinferment); N. Bojanus, experim.
Beiträge z. Physiol. u. Pathol. d. Blutes der Säugeth., Inaug.-Dissert., Dorpat 1881; F. HoFT-
mann, ein Beitrag zur Physiol. u. Pathol. d. farbl. Blutkörperchen; Inaug.-Dissert, Dorpat 1881;
N. Heyl, a. a. O. Qauche, Fibrinferment). 40) Fang, lo Sperimentale, Settembre e Ottobie 1882.
41) Hammarsten, Pflüger's Archiv 18, pag. 11 o. 42) Ders., ebenda 17, pag. 459. 43) TnsasL,
ebenda 23, pag. 27^. 44) s. d. umfangreiche Literatiu* bei Hermann, Handb. d. Physiol. 4, L*
pag. 121. 45) Abeles, Wien. med. Jahrb. 1875, P^g- 269. 46) Picard, De la presence de
l'uree dans le sang, Strassbourg 1856; Compt rend. 83, pag. 991 u. 1179. 47) Drechsel, Ber.
d. kgl. Sachs. Ges. d. Wiss. 27, pag. 172. 48) Garrod, Transact of the med. chir. soc QA
London 35, pag. 83. '49) Meissner, Zeitschr. f. rat Med. [3] 31, pag. 148. 50) Vorr, Zeitschr.
f. BioL 4, pag. 93. 51) Spiro, Zeitschr. f. physiol. Chem. i, pag. no. $2) Meissner u. Siä-
PARD, Unters. U. d. Entst. d. Hippurs. im thier. Organismus, Hannover 1866, pag. 15. 53) R5hrig.
Ber. d. k. sächs. Ges. d Wiss. 26, pag. i. 54) Zawilski, Arbeiten aus d. physioL Anstalt xa
V
Blut. 309
begriffen ist. Diese wird durch die rhythmischen Zusammenziehungen des Herzens
hervorgebracht, welches bei den höheren Wirbelthieren doppelt ist; aus dem
rechten Herzen strömt das Blut durch die Lungenarterie in das Capillametz der
Longe und hierauf durch die Lungenvene in das linke Herz zurück, um von
hieraus durch die Körperarterien in die Capillaren des ganzen übrigen Körpers
zu fliessen, worauf es durch die Körpervenen in das rechte Herz zurückkehrt
und den Kreislauf von Neuem beginnt. An den verschiedenen Punkten seiner
Bahn bat das Blut durchaus nicht überall dieselbe Beschaffenheit, vielmehr zeigt
es ganz bestimmte Verschiedenheiten, die sich am auffalligsten zwischen dem
Blute, welches aus den Lungen kommt und in die Körperarterien geht, und dem-
jenigen, welches aus den Körpercapillaren kommt und durch die Körpervenen
nach den Lungen fliesst, bemerklich machen. Man unterscheidet desshalb
arterielles und venöses Blut. Ersteres ist hellroth, sauerstoffreich und kohlen-
säurearm, letzteres dunkel- bis schwarzroth, sauerstoffarm und kohlensäurereich.
Diese Unterschiede stehen in der innigsten Beziehung zu der physiologischen
Aufgabe des Blutes: den einzelnen Organen und Geweben des Körpers die
nötfaigen Nährstoffe und freien Sauerstoff zuzuführen und die Produkte des Stoff-
Lcipfig 1876, pag. 147. 55) Hammarsten, in Hoffmann u. Schwalbe, Jahresber. d. Anat. u.
PbjrsioL 7, 2. Abth., pag. 253. 56) Sktschenow, Mem. de TAcad. imp. d. scienc. de St. Peters-
lourg 26, 7me ser. No. 13 (1879). 57) Maly, Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wiss. zu Wien 85,
m Abth., pag. 314. 58) G. Bunge, Zeitschr. f. Biol. 12, pag. 191. 59) Derselbe ttb. d. Be-
deutung d. Kochsalzes u. d. Verhalten d. Kalisalze im menschlichen Organismus; Inaug.-Diss.
Doipat 1873. 60) Ders., Zeitschr. f. physiol. Chem. 3, pag. 63. 6i) Vergl. besonders: Flügge,
Zeitschr. f. Biol. 13, pag. 133. Drosdoff, Zeitschr. f. physiol. Chem. i, pag. 233. 62) C. Ludwig
0. Alex. Schmidt, Verh. d. k. sächs. Gesellsch. d. Wiss., math.-physik. Classe, 1867, pag. 30.
63) E. Pflügsr, Unters, a. d. physiol. Laborat zu Bonn; Berlin 1865. 64) Robert Boyle,
Nova ezperimenta pneumatica respirationem spectantia, V., pag. 118; XIII., pag. 31. Genevae
1636; s. d. Literaturzusammenstellung von Zuntz in Hermann, Handb. d. Physiol. 4, IL, pag. 24.
65) Lothar Meyer, die Gase des Blutes, Göttingen 1857, auch Zeitschr. f. rat Med., N. F. 8,
pag. 256. 66) C. Ludwig, Zusammenstellung d. Unters, tlb. Blutgase, welche a. d. physiol. An-
stalt d. Josefs-Acad. hervorgegangen sind, im Med. Jahrb. Wien 1865. 67) £. Pflüger, Arch.
t d. ges. Physiol. i, pag. 61 u. 274. 68) Ders. Üb. d. Kohlensäure des Blutes, pag. 6. Bonn
1864. 69) VergL Hofpe-Seyler, Handb. d. physiologisch- u. pathologisch-chemischen Analyse,
5. Aufl., pag. 427 ff. 70) Preykr, Ann. d. Chem. u. Pharm. 140, pag. 187. 71) Vierordt,
Die Anwendung des Spectralappaiates zur Photometrie d. Absorptionsspectren u. zur quantit. chem.
Analyse; TUbingen 1873. 7*) Hüfner, Zeitschr. f. physiol. Chem. 3, pag. 1. 73) Hammarsten,
Pflüger's Archiv 17, pag. 447 u. 457. 74) Pribram, Ber. d. kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. 23,
pag. 279. Gerlach, ebenda 24, pag. 349. 75) Welcker, Prager Vierteljahresschr. 4, pag. 1 1 ;
Zeitschr. f. rat. Med. [3] 4, pag. 145. Heidenhain, Arch. f. physi«l. Heilk. N. F. i, pag. 507.
Gscheidlen, Pflüger's Arch. 7, pag. 530. 76) Grähant et Quinquaud, Compt. rend. 94,
pag. 145a 77) Vergl. d. Tabelle bei Hoppe-Seyler, Physiol. Chem., pag. 462. 78) Hoppe-
SiYLER, Handb. d. physiol. u. pathol. chem. Analyse, 5. Aufl., pag. 529. Vergl. auch F. Selmi,
Plann. Centralh. 20, pag. 221, u. Zeitschr. f. anal. Chem. 19, pag. 129. D. Vitali, Ber. d. d.
cbem. Ge«. 12, pag. 684, u. 13, pag. 1887. H. Schmid, Med. Centralbl- 17, pag. 608. H. Struve,
VacHOW's Archiv 79, pag. 524. Vibert, Arch. de physiol. 9, pag. 48. V. Schwarz, 2^itschr.
l anal Ch. 21, pag. 311. 79) TiegIel, Pflüger's Archiv 23, pag. 278. 80) L. Fr^dericq,
Compt rend. 87, pag. 996; Bull, de l'Acad. Roy. de Belg. [2] 47, pag. 409. 81) Krukenberg,
Med. CentialbL 18, pag. 417. 82) L. Fr^^cg, BulL de l'Acad. Roy. de Belg. [3] i, No. 4.
83) Ders., Archives de Biologie i, pag. 457. 84) A. £. Burckhardt, Arch. f. exper. Pathol.
0. Phaimakol. 16, pag. 322. 85) A. Schöffer, Med. Centralbl. 1866, pag. 657. 86) Vergl.
besonders EuGJCNX Lambung, Des proc^des de dosage de l'hemoglobine; Nancy 1882.
3IO Handwörterbuch der Chemie.
wechseis aus denselben fortzuschafTen. Gewisse Organe, besonders Nieren und
Lunge, haben die besondere Aufgabe das Blut von diesen Abfallstoffen zu be-
freien und ihm neuen Sauerstoff" zuzuführen.
Das Blut fühlt sich klebrig an; es ist schwerer als Wasser und sein spec
Gew. schwankt beim Menschen zwischen 1-045 und 1-075. Sobald das Blut
aus dem Körper heraustritt, fängt es an, sich in eigenthümlicher Weise zu ver-
ändern, indem es gerinnt; es gesteht zunächst binnen kurzer Zeit, einigen Minuten,
zu einer zitternden Gallerte, welche allmählich fester wird, sich zusammenzieht
und dabei eine farblose bis röthlich-gelbe, klare Flüssigkeit das Blutserum, aus-
presst, welches über der festen, rothen, geronnenen Masse dem Blutkuchen,
steht. Letzterer zeigt die Form des Gefasses, in welchem die Gerinnung vor sich
gegangen, in verjüngtem Maassstabe. Wird dagegen das frisch aus der Ader ge-
lassene Blut mit einem festen Körper, einem Glasstabe, geschlagen oder gequirlt,
so bleibt es flüssig und roth, während sich an dem Glasstabe eine geronnene
Masse das Blutfibrin, in dicken aufgequollenen, nur seh wachröthlichen Massen
absetzt Das rückständige flüssige rothe Blut bezeichnet man als defibrinirtes
Blut. Im Allgemeinen gerinnt das Blut um so schneller, je verdünnter es ist
(z. B. nach wiederholten Aderlassen oder bei Hydraemie) und je reicher an
Sauerstoff* und je ärmer an Kohlensäure es ist (arterielles Blut gerinnt rascher
als venöses). Kühlt man das Blut unmittelbar nach dem Austritte aus dem Körper
möglichst rasch auf 0^ ab, oder fängt man es in conc. Salzlösungen auf, so ge-
rinnt es nicht, sondern bleibt flüssig (s. u. Blutgerinnung).
Unter dem Mikroskop erscheint das Blut als eine nahezu farblose Flüssig-
keit, in welcher eine ausserordentlich grosse Menge meist gefärbter fester Bc-
standtheile aufgeschwemmt ist; die Gegenwart derselben kann man schon mit
blossem Auge wahrnehmen, wenn man einen an einer Glaswand herabrinnenden
Tropfen defibrinirten Blutes betrachtet: man bemerkt ein eigenthümliches Flimmern,
ähnlich demjenigen in Flüssigkeiten, welche fein krystallinische Niederschläge
suspendirt enthalten. Demgemäss muss zwischen flüssigen, bez. gelösten und
festen, nur aufgeschwemmten Bestandtheilen des Blutes unterschieden werden.
L Aufgeschwemmte morphotische Bestandtheile des Blutes. Als
solche sind gefunden worden: rothe und farblose oder weisse Blutkörperchen,
sowie andere, weniger genau bekaimte Elemente, welche als Körnerkugeln,
Körnchenhaufen, Haematoblasten, Blutplättchen u. s. w. beschrieben worden
sind, welche aber vermuthlich nur Umwandlungs- oder Zerfallsprodukte der weissen
Körperchen darstellen.
1. Die rothen Blutkörperchen (Blutzellen, Blutscheiben) sind beim
Menschen und fast allen Säugethieren kleine kreisrunde Scheiben mit einer cen-
tralen Depression auf beiden Seiten, so dass der Querschnitt die Form einer
Hantel oder eines Biscuits zeigt. Kreisförmigen Umriss haben auch die Blut-
körperchen der Cydostomen; dagegen sind diejenigen des Kameeis und des
Lamas unter den Säugern, sowie die der Vögel, Amphibien und der meisten Fische
elliptische Scheibchen. Einen Kern besitzen nur die Blutkörperchen der letzt-
genannten drei Wirbelthierklassen, nicht die des Menschen und der Sliugetbiere.
Die rothen Blutkörperchen sind die Träger des Blutfarbstoffes; unter dem Mikro-
skope erscheinen sie aber nicht roth, sondern gelblich oder grünlich, erst wenn
mehrere übereinanderliegen, tritt die rothe Farbe auf. Sie sind äusserst dehnbar
und elastisch, sodass sie die feinsten Capillaren in Gestalt von Fäden durch-
wandern können imd hernach vollkommen ihre alte Gestalt wieder annehmen.
Blut.
3"
In den Präparaten ordnen sie sich häufig geldrollenartig an. Die Grösse dieser
Gebilde ist ausserordentlich gering; beim Menschen ist ihr Durchmesser im
Mittel = 7-74 ji (ji = 0-001 Millim), ihre Dicke = 1-90 [i. gefunden worden, und
ihr mittleres Volum hat man zu etwa 0000000072217 Cmm., ihre Oberfläche
zu 0-0001280 DMillim. geschätzt (Welker) (2). Folgende Tabelle enthält die
Grösse des Durchmessers der Blutkörperchen bei verschiedenen Thieren nach
Welker (3):
Kreisscheibeiilbniuge
Blutkörperchen von
Durchmesser
Hund .
Katze
Kaninchen
Schaf .
Ziege (alt)
Ziege (8 Tage)
Moschus Jcammcus
PttroinyuoH tnoti .
Ammacoet. branch.
7-3 1*
6-5 fx
6-9 Ht
50 H^
41 fi
5*4 H'
2-5 1*
150 fx
11-7 |Ji
Elliptische Körpercken
von
Lama . . .
Taube (alt) .
Taube (flügge)
Ente . . .
Rana temp,
Triton crisL .
Proteus oftgu,
Stöhr . . .
Lepidosiren annect.
langer
Durchmesser
80 fx
14-7 fx
13-7 fx
12-9 fx
22-3 (X
29-3 fx
58-2~57-9 fx
13*4 (X
410 fx
Durchmesser
4-0 fx
6-5 |x
7-8 fx
80 fx
15-7 fx
19-5 fx
33-7~35-6 IX
10-4 fx
290 fx
Die Anzahl dieser Gebilde im Blute ist ausserordentlich gross; sie beträgt
beim Menschen etwa 5000000 in 1 Cmm., doch sind die Zahlen je nach Alter,
Geschlecht, Ernährungszustand, Lebensweise etwas schwankend, und bei gewissen
Krankheiten, wie Anaemie und Leukaemie, kann ihre Anzahl beträchtlich sinken.
Dieselbe wird bestimmt, indem man ein genau gemessenes kleines Blutvolum
mit einer genau gemessenen Menge einer Salzlösung stark verdünnt und mit
dieser Mischung einen genau calibrirten Capillarraum füllt; die in diesem be-
findlichen Körperchen werden sodann unter dem Mikroskope gezählt [Welker,
Malassez (4) Hayem (5) u. A]. Unter der Annahme, dass 1 Cmm. menschliches
Blut im Mittel 5000000 Körperchen von dem oben angegebenen Volum und
Oberfläche enthält, ergiebt sich der Gehalt des Blutes an Körperchen zu 36 Vol.-
Proc. und die Gesammtoberfläche aller Körperchen in 1 Cmm. zu 640 D Millim.
(Welker). Diese Zahlen zeigen deutlich, welche ungeheure Fläche diese Gebilde
den auf sie wirkenden Gasen darbieten.
Gegen äussere Einflüsse zeigen die Blutkörperchen nur eine geringe Resistenz.
Lässt man elektrische Entladungsschläge durch Blut hindurchgehen, so wird
dasselbe allmählig lackfarben; die Körperchen bekommen dabei zunächst einen
gekerbten Rand, werden rosettenförmig, dann maulbeerförmig, nehmen hierauf
unter Verschmächdgung der Zacken mehr die Form eines Stechapfels an, ziehen
dann die Zacken ein und gehen in eine gefärbte Kugel über, welche allmählig
verblasst und einen schwach lichtbrechenden, ungefärbten Rest hinterlässt
(Rollett) (6). Dieser wird als das Stroma der Blutkörperchen bezeichnet; er
hinterbleibt auch zunächst, wenn die Körperchen durch öfteres Gefrieren und
Wiederaufthauenlassen zerstört werden, zerfallt aber bei längerer Einwirkung der
elektrischen Schläge wie des Temperaturwechsels in immer kleinere Bruchstücke
und verschwindet zuletzt ganz. Während dieser Zerstörungsprocesse löst sich
der Farbstoff der Körperchen in der Blutflüssigkeit auf, das Blut wird dunkler
und durchscheinend, lackfarben. Dieselbe Veränderung erleidet das Blut durch
2^satz verschiedener Stofie, wie Wasser, Aether, gepulverte Salze, Galle oder
gallensaure Alkalien; die Stromata quellen dabei in solchem Grade auf, dass sie
durchsichtig und desshalb in der dunkelrothen Flüssigkeit unsichtbar werden.
312 Handwörterbuch der Chemie.
Fügt man aber dieser ein paar Tropfen einer stark verdünnten Säure zu, sc
schrumpfen sie wieder auf ihr früheres Volum und scheiden sich als flockiger
Niederschlag ab. Auf dieses Verhalten gründet L. Wooldridge (7) folgendes
Verfahren zur Darstellung des Stromas in grösserer Menge. Frisches defibriniites
Blut wird centrifugirt und der rothe Körperchenbrei so oft mit 2% NaCl-Lösungauf
der Centrifuge ausgewaschen, bis das Serum entfernt ist. Hierauf wird er mit
5—6 Vol. Wasser vermischt, und soviel reiner, alk,ohol- und säurefreier Aether
zugesetzt, bis die Mischung ganz durchsichtig geworden ist; alsdann wird sie noch
so lange centrifugirt, bis sich keine Leukocyten (s. u.) mehr daraus absetzen.
Zu der nun erst vollkommen klaren Flüssigkeit fügt man solange tropfenweise
eine 1^ Lösung von saurem schwefelsaurem Natron hinzu, bis sie ähnlich trübe
erscheint wie frisches Blut; die Stromata ballen sich rasch zusammen, senken
sich und können nun abfiltrirt und auf dem Filter ausgewaschen werden. Unter
dem Mikroskope zeigen sie noch die Form der Blutkörperchen, sie haben aber
das Vermögen in reinem oder aetherhaltigem Wasser zu quellen verloren. Frisch
dargestellt sind sie in 0*2^ Salzsäure vollkommen löslich; bei längerem Aufbe-
wahren unter Wasser in einem kalten Räume, wird ein Theil des Stromas unlös-
lich in der Säure und verhält sich dann ähnlich dem Nuclein. In der Regel i^
das Stroma nicht absolut farblos, sondern enthält eine Spur Hämoglobin, welche
sich nicht auswaschen lässt. Als Bestandtheile desselben fand WooLDRmGE*.
Cholesterin, Lecithin, Paraglobulin und eine Art Nucleoalbumin, zuweilen auch
Spuren von Kalk und Eisen. Hoppe-Seyler (8) hatte früher ebenfalls Cholesterin,
Protagon (bez. Lecithin) und Albuminkörper gefunden.
Mit dem Stroma steht der Blutfarbstoff das Hämoglobin (9) auch Hä-
matoglobulin oder Hämatocrystallin genannt) vielleicht in lockerer chemischer
Verbindung, da er durch die Blutflüssigkeit unter gewöhnlichen Umständen nicht
aus den Körperchen ausgezogen wird, sondern nur, wenn diese eine Quellung
oder Zersetzung erleiden. Das Hämoglobin ist ausgezeichnet durch sein Ver-
mögen mit Gasen, besonders Sauerstoff, eigenthümliche, lockere Verbindungen
zu bilden, welche zum Theil leicht und schön krystallisiren. Zur Darstellung
der SauerstofFvrerbindung, des sogen. Oxyhämoglobins, benutzt man am besten
Pferde- oder Hundeblut, dessen Körperchen man nach dem Defibriniren sich ab-
setzen lässt und dann durch öfteres Decantiren mit 0*5->2f NaCl-Lösung vom
Serum befreit, wobei eine Centrifuge die besten Dienste leistet. Der gewaschene
Blutkörperchenbrei wird sodann mit etwas Wasser und soviel reinem (alkohol-
und säurefreiem) Aether versetzt, bis eine klare rothe Lösung entstanden ist,
welche man zweckmässig noch so lange centrifugirt, bis sich keine Leukocjten
mehr daraus absetzen. Dann kühlt man die völlig klare Lösung auf 0° ab, und
setzt, falls nicht direkt Krystallisation eintritt, ^ Vol. reinen, auf 0° abgekühlten
Alkohol in ganz kleinen Mengen unter gutem Umrühren hinzu, schüttelt noch
mit atmosphärischer Luft oder Sauerstoffgas, und lässt 24 — 48 Stunden bei — 5
bis — lO*' stehen. War die Lösung einigermassen concentrirt, so gesteht sie
fast ganz zu einer glitzernden Krystallmasse. Die Krystalle werden abfiltrirt, mit
kleinen Mengen eiskalten Wassers gewaschen, und durch UmkrTstallisiren aus
möglichst wenig Wasser von 20—30° durch Abkühlen und Versetzen mit ^ Vol.
Alkohol gereinigt; schliesslich trocknet man sie unter 0° über conc. Schwefel-
säure. Grosse Verluste sind indessen bei diesem Verfahren unvermeidlich, da
sich beim Wiederauflösen der Krystalle in lauem Wasser stets ein Theil derselben
zersetzt (10). Nicht alle Blutarten eignen sich gleich gut zur Darstellung der
Blut. 313 ^:-k
■•■-••^
Krystalle; am leichtesten krystallisiren Meerschweinchen-, Eichhörnchen-, Ratten-, ;^
Hunde-, Pferde- und Katzenblut, weniger leicht Menschen-, Schaf- und Kaninchen-
blut, noch schwieriger Schweine-, Rinder- und Froschblut. Ausser im Blute der , y^u
Wirbelthiere findet sich das Hämoglobin auch in den rothen Muskeln derselben, .,^^
sowie auch bei einigen Wirbellosen, z. B. Lumbricusy Ophiactes. ..-•:;*
Die Krystalle des Oxyhämoglobins zeigen je nach der Blutart, der sie ent -^
stammen, gewisse Verschiedenheiten in ihrer Form und in Wassergehalt; meist
sind sie prismatisch oder nadeiförmig, bei Meerschweinchen und Ratten dagegen
ihombische Tetraeder (11) und nur beim Eichhörnchen hexagonale Tafeln, alle
aber sind pleochromatisch. Der Gehalt an Krystallwasser beträgt 3— 9*4^,
welches beim Erhitzen der untet 0*^ getrockneten Krystalle auf 110° ohne Zer-
setzung derselben entweicht In Wasser sind die Krystalle verschiedener Her-
kunft ungleich löslich; diejenigen aus Gänseblut lösen sich sehr leicht, schwerer
die aus Pferdeblut, noch schwerer die aus Hunde- und Eichhömchenblut und
am schwierigsten die aus Ratten- und Meerschweinchenblut. In der Kälte werden
sie durch wenig Alkohol unverändert aus ihren Lösungen ausgefallt, durch starken
Alkohol werden sie aber zersetzt, ebenso durch Kochen mit Wasser. Das Hämo-
globin ist durch seinen Gehalt an Eisen ausgezeichnet, welches in organischer
Verbindung darin enthalten ist, d. h. durch die gewöhnlichen Reagentien nicht
unmittelbar nachgewiesen werden kann, aber beim Verbrennen der Krystalle
als rothe Asche (Eisenoxyd) zurückbleibt. Die procentische Zusammensetzung
der Krystalle verschiedenen Ursprungs wurde fast identisch gefunden; flir Hunde-
blutkrystalle z. B.: 0:53-85^; H:7.32^; N: 16.17*. S : 0-39*; Fe:0.43J;
0 : 21-84 f (in Mittel) (12). Ob die Krystalle verschiedener Herkunft als chemisch
identisch anzusehen sind, ist mindestens zweifelhaft; die bedeutenden Unterschiede
hinsichtlich der Form und der Löslichkeit deuten vielmehr auf die Existenz
verschiedener Hämoglobine hin.
Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass das Hämoglobin sich mit Gasen
zu verbinden vermag, und die beschriebenen Krystalle sind denn auch Sauer-
stoff- oder Oxyhämoglobin. Wird die wässrige Lösung desselben ins Vacuum
gebracht oder em Wasserstoffstrom durch dieselbe hindurchgeleitet, so entweicht
der nur lose gebundene Sauerstoff und es hinterbleibt eine Lösung von reinem
Hämoglobin. Dieses ist auch krystallisirbar, doch nur schwierig (Rollett,
KüHNE^; lässt man Blut in einer zugeschmolzenen Glasröhre faulen (wodurch die
Eiweisskörper zerstört, das Oxyhämoglobin aber nur in Hämoglobin verwandelt
wird), so erhielt man eine dunkelpurpume Flüssigkeit, aus der beim Eintrocknen
dünner Schichten Krystalle von Hämoglobin anschiessen (13). Auch durch ge-
wisse Reductionsmittel, wie Schwefelammonium, weinsaures Eisenoxydulamraon etc.
wird Oxyhämoglobin in wässriger Lösung in Hämoglobin umgewandelt. 1 Grm.
des letzteren vermag nach den neuesten, genauesten Bestimmungen 1*16 Cc. Sauer-
stoff (bei 0** und 1 Meter Hg-Druck (14) zu binden, nach älteren 1-566 Cc. (15).
Diese Fähigkeit des Hämoglobins sich mit Sauerstoflf zu verbinden, ist von der
höchsten physiologischen Bedeutung, da auf derselben die Umwandlung des
venösen Blutes in arterielles und der Transport von atmosphärischem Sauerstoff
in die Gewebe und Organe des thierischen Organismus beruht.
Ausser dem Oxyhämoglobin existirt noch eine andere Verbindung des Hättvo^
globins mit Sauerstoff das Methämoglobin, welches bei der Einwirkung g^^
wisser Oxydationsmittel, wie Ferridcyankalium, Chamäleon etc., auf Hämog\o\>\^
entsteht. Dasselbe (vom Schwein) krystallisirt in rehfarbenen, mikroskopiscVi^^
314 Handwörterbuch der Chemie.
Nadeln und Prismen^ ist in Wasser mit brauner Farbe löslich, kann nicht durch
blosses Auspumpen, wohl aber durch Fäulniss in Hämoglobin übergeführt werden
(i6). Ob das Methämoglobin mehr oder weniger Sauerstoff enthält als das
Oxyhämoglobin ist noch nicht entschieden.
Mit Kohlenoxyd vereinigt sich Hämoglobin sehr leicht zu Kohlenoxyd-
häraoglobin (17), welches auch entsteht, wenn man das genannte Gas durch
eine Lösung von Oxyhämoglobin hindurchleitet, wobei der Sauerstoff ausgetrieben
wird. Es bildet bläulichrothe Krystalle, die etwas schwerer löslich sind als die
des Oxyhämoglobins. Durch Reductionsmittel wird das Kohlenoxydhämoglobin
nicht verändert, daher behält mit Kohlenoxyd vergiftetes und dadurch hdlrotfa
gewordenes Blut beim Faulen seine helle Farbe; gegen Oxydationsmittel
(Chamäleon, chlorsaures Kali, Jodjodkalium) ist es widerstandsfähiger als Oxf-
hämoglobin (18).
Femer verbindet sich Hämoglobin mit Stickoxyd, Acetylen, Cyanwasserstofi,
und zwar nimmt 1 Grm. desselben von allen diesen Gasen stets dasselbe Volum
wie von Sauerstoff auf.
Das Hämoglobin zeigt schwach saure Eigenschaften; es vermag im Vacuum
kohlensaure Alkalien ;zu zersetzen. In Folge dessen entweicht im Vacuum nicht
nur die locker gebundene oder sogen, auspumpbare Kohlensäure des Serums aus
dem ganzen Blut, sondern die Gesamtmenge derselben, indem sich das Hämo-
globin der Körperchen in der Flüssigkeit löst.
Durch Erhitzen seiner wässrigen Lösung für sich und besonders mit Säuren
oder Alkalien wird das Oxyhämoglobin leicht zersetzt unter Bildung von Eiwdss-
Stoffen (Acidalbuminen, bez. Albuminaten) und einen eisenhaltigen Farbstoff, dem
Hämatin; ausserdem entstehen geringe Mengen von Ameisensäure, Buttersäure
und Kohlensäure. Das Hämatin entsteht indessen nicht unmittelbar aus dem
Blutfarbstoff, sondern aus sauerstofffreiem Hämoglobin wird durch Säurewirkung
zunächst ein mit purpurrother Farbe löslicher Körper, das Hämochromogen,
gebildet, welches bei Zutritt von Sauerstoff in Hämatin übergeht, bei Abwesen-
heit desselben unter weiterer Säurewirkung aber in eisenfreies Hämatopor-
phyrin (19). Zur Darstellung des Hämatins bereitet man sich zweckmässig erst
die Verbindung desselben mit Salzsäure, das sogen. Häm in, indem man defibri-
nirtes Blut mit einem grossen Ueberschuss einer Mischung von 1 Vol. gesättigter
Kochsalzlösung und 10—20 Vol. Wasser versetzt, die nach 24 Stunden abgesetzten
Körperchen mit Wasser in einen Kolben bringt, mit dem halben Volum Aethcr
schüttelt, den Aether abhebt, die wässrige Blutfarbstofflösung filtrirt und in
flachen Schalen bei gewöhnlicher Temperatur zum Syrup verdunstet. Dieser wird
sodann mit 10 — 20 Vol. Eisessig vermischt und ein bis zwei Stunden auf dem
Wasserbade erhitzt, wobei sich Häminkrystalle abscheiden; das Ganze wird sodann
mit dem mehrfachen Vol. Wasser verdünnt und absitzen gelassen. Der Kiystall-
brei wird zur möglichst vollständigen Reinigung erst mit Wasser gewaschen, dann
mit starker Essigsäure ausgekocht, bis alles Eiweiss daraus gelöst ist, wieder mit
Wasser decantirt, dann filtrirt und mit Alkohol und Aether gewaschen. Werden
diese Krystalle in äusserst verdünnter Kalilauge gelöst und die filtrirte Lösung
mit verdünnter Salzsäure versetzt, so fällt Hämatin als brauner, flockiger Nieder-
schlag aus, der mit heissem Wasser vollständig ausgewaschen und dann getrocknet
wird (zuletzt bei 120—150°) (20). So dargestelltes Hämatin ist blAuschwars,
lebhaft metallglänzend, aber nicht erkennbar krystallinisch; zerrieben giebt es
ein braunes Pulver. Beim Erhitzen zersetzt es sich erst oberhalb 180*^. ohne zu
j
Blut. 315
schmelzen unter Entwickelung von Blausäure \ind Hinterlassung einer Asche von
£isenoxyd (12*6J^). In Wasser, Alkohol, Aether oder Chloroform jst Hämatin
ganz unlöslich, ein wenig dagegen in Eisessig; von wässrigen Säuren wird es
gar nicht, von alkoholischen etwas gelöst, mit grösster Leichtigkeit dagegen von
ätzenden und kohlensauren Alkalien und selbst von Alkohol bei Gegenwart von
kohlensaurem Kali. Diese alkalischen Lösungen sind schön roth, in dünnen
Schichten olivengrün, die sauren dagegen braun. Gegen Alkalien ist Hämatin
sehr beständig, etwas gegen concentrirte Salzsäure; von verdünnter Salpetersäure
wird es beim Kochen langsam angegrififen, schnell von Chlor in alkalischer
Lösung, und von concentrirter Schwefelsäure wird es unter Abspaltung von Eisen
in einen rothen Farbstoff (Hämatopoiphyrin) umgewandelt. Die Zusammensetzung
des Haematins entspricht der Formel CggHjoNgFejOio» mit Salzsäure verbindet
es sich unter gewissen Umständen zu Hämin: CßgH^QNgFcjOjQ -4- 2HC1. Dieses
bildet ein blauschwarzes, seideglänzendes, aus lauter mikroskopischen, braun durch-
sichtigen, jQachen rhombischen Prismen bestehendes Krystallpulver; nach Högyes
sind die Krystalle aber wahrscheinlich triklinisch und stets von derselben Form,
gleichgültig, in welchen Formen das zur Darstellung verwandte Hämoglobin
krystallisirt (21). In Wasser ist es völlig unlöslich, kaum löslich in heissem
Alkohol oder Aether, sehr leicht in ätzenden und kohlensauren Alkalien: aus
letzteren Lösungen lallt Salpetersäure Hämatin aus, und in der Mutterlauge
kann dann das Chlor durch Silber bestimmt werden. Mit concentrirter Schwefel-
säure entwickelt das Hämin Salzsäure, es ist also eine salzartige Verbindung
von Hämatin mit Salzsäure.
Das Hämatin vermag sich auch mit den alkalischen Erden zu braunen, un-
löslichen Verbindungen zu vereinigen. Von besonderem Interesse ist der
Zusammenhang des Hämatins mit dem Bilirubin und dem Urobilin, den Farb-
stoffen der Galle und des Harns: derselbe ist zwar noch nicht vollkommen klar
gelegt, da es noch nicht gelungen ist, Bilirubin aus Hämatin darzustellen, aber
er ist ganz unzweifelhaft erwiesen, da sowohl Hämatin (und Hämochromogen)
als auch Bilirubin durch Behandlung mit starken Reductionsmitteln, wie Zinn und
Salzsäure, leicht in Hydrobilirubin bez. Urobilin umgewandelt werden (22). Ein
weiterer Beweis dafür liegt in der Identität der sogen. Hämatoidinkrystalle
(welche sich überall in alten Blutextravasaten finden) mit dem Bilirubin.
Das Hämoglobin und seine Derivate sind durch ihr spectroskopisches Ver-
halten ausgezeichnet, indem alle diese Körper sehr charakteristische Absorptions-
spectren zeigen, an denen sie leicht und mit Sicherheit erkannt werden können.
Concentrirte Lösungen lassen häufig gar kein Licht durch, dagegen treten die
charakteristischen Absorptionsstreifen noch bei sehr verdünnten Lösungen deut-
lich hervor (s. a. Valenitn, Zeitschr. f. Biol. 18, pag. 173).
Oxyhämoglobin lässt in 1^ Lösung in einer Schicht von 1 Centim. nur
rothes Licht um C herum durch; verdünnt man nun allmählich, so wird der rothe
Streifen breiter, und bei etwa 0*85^ tritt grünes Licht zwischen E und F auf;
bei 0*65 J spaltet sich der breite Absorptionsstreifen zwischen D und b in zwei,
welche bei steigender Verdünnung immer schmäler werden, indem sich der
Zwischenraum zwischen beiden verbreitert; gleichzeitig hellt sich das Spectrum
nach dem violetten Ende zu immer mehr auf, bis endlich bei Concentrationen
von O'Ol — 0*003^ nur noch der Streifen bei D zu sehen ist. Derselbe berührt
diese Linie bei 0'4^ und überdeckt sie bei steigender Concentration.
Hämoglobin lässt auch in 1^ Lösung einen schmalen Streifen grünes
f .^ 316 Handwörterbuch der Chemie.
Licht bei F durch; bei zunehmender Verdünnung tritt aber nur ein Absorptions-
streifen auf, welcher dem Raum zwischen den beiden Streifen des Oxybämo-
globins entspricht.
Methämoglobin zeigt in alkalischer Lösung 3 Streifen, einen schmalen in
Roth und zwei breitere, welche in ihrer Lage fast vollkommen mit den Oxyhämo-
globinstreifen tibereinstimmen.
Kohlenoxydhämoglobin giebt zwei Streifen, welche genau dieselbe Lage
haben, wie die Oxyhämoglobinstreifen, aber durch Behandlung mit Schwefel-
ammonium oder anderen Reductionsmitteln nicht zum Verschwinden gebracht
werden können.
Hämochromogen zeigt in genügend verdünnten alkalischen Lösungen
einen tiefschwarzen Streifen zwischen Z> und E, und einen zweiten, nicht so
dunklen, und bei steigender Verdünnung früher verschwindenden zwischen £
und d, und diese Linien mit den Rändern überdeckend.
Hämatin giebt, je nachdem es in Alkalien oder Säuren gelöst ist, ver-
schiedene Spectren. In ersterer Lösung ist nur ein einziger Streifen zwischen
C und Z>, nahe an letzterem, zu sehen, in (oxal-) saurer, alkoholischer Lösung
aber vier: ein scharfer, etwa in der Mitte zwischen C und I?, ein sehr
zarter nahe an I? (auf der Seite nach E hin), ein dritter breiterer nahe an E
und ein vierter breitester bei E (letztere beide auf der Seite nach D hin).
Werden alkalische Hämatinlösungen mit reducirenden Substanzen behandelt, so
treten an Stelle des einen Streifens, der verschwindet, zwei neue auf: einer etwa
in der Mitte zwischen D und E, und ein schwächerer zwischen E und ^, beide
Linien mit seinen Rändern bedeckend. Dieses Spectrum wird als dasjenige des
reducirten Hämatins bezeichnet; durch Schütteln mit Luft geht es wieder
in das des Hämatins über.
In allen beschriebenen Spectren ist besonders das violette Ende etwas ver-
kürzt, um so mehr, je grösser die Concentration der untersuchten Lösung; das
rothe dagegen nur sehr wenig (23).
Der Gehalt des Blutes an Hämoglobin schwankt etwas je nach Alter und
Geschlecht. Am reichsten daran ist das Blut der Neugeborenen; setzt man dessen
relativen FarbstofFgehalt = 100, so ist der des Blutes von ^ bis 5 Jahren = 55;
5—15 Jahren = 58; 15—25 Jahren = 64; 25—45 Jahren = 72; 45—60 Jahren
= 63 (24). Das Blut der Männer ist auch durchschnittlich etwas farbstoflrcichcr
als dasjenige der Frauen; 100 Grm. Blut von gesunden Männern enthält 12*09
bis 15-07 Grm. Hämoglobin, von gesunden Frauen: ir57— 13*69 Grm., von
schwangeren Frauen: 8'8 1—11*67 Grm. (25). Innerhalb des Gefässsystems ist
der Hämoglobingehalt des Blutes zu gleichen Zeiten und unter gleichen Be-
dingungen an allen Punkten derselbe. Die angeführten Zahlen lassen erkennen,
dass die Grenzen, zwischen denen der Hämoglobingehalt verschiedener gesunder
Individuen schwankt, nicht sehr weite sind; bei gewissen Krankheiten jedoch,
besonders Chlorose, Anämie, Leukämie, kann derselbe sehr bedeutend, bis auf
\ des normalen, sinken bei gleichzeitiger starker Abnahme der Anzahl der roÜ\en
Körperchen.
2. Die weissen oder farblosen Blutkörperchen, Leucocyten sind be-
wegungsfähige Zellen, welche einen oder mehrere Kerne besitzen, und mit den
weissen Lymph- und Eiterzellen identisch sind. Sie kommen von verschiedener
Grösse und Form vor (26), und es ist höchst wahrscheinlich, dass die neuen
Formelemente, welche von verschiedenen Forschem in der letzten Zeit im Blute
Blut. 317
V
gefunden worden, nur Umwandlungs- oder Zerfallsprodukte der bereits bekannten
eigentlichen Leukocyten sind (27). Ihre Anzahl im normalen Blute ist jedenfalls
sehr viel mal geringer, als die der rothen Körperchen, aber aus weiter unten zu
erwähnenden Gründen noch nicht genau bekannt, (nach Malassez schwankt das
Verhältniss derselben zu den rothen Körperchen bei gesunden Personen zwischen
1:1250 und 1:650); bei gewissen Krankheiten, besonders Renaler Leukämie, ist
ihre Menge dagegen so bedeutend vermehrt, bei gleichzeitiger Verminderung der
rothen Körperchen, dass das Blut eine hellere Farbe erhält. Ueber ihre chemischen
Bestandtheile ist vorläufig noch wenig bekannt Vermischt man Peptonblut
(s. u. Gerinnung) unmittelbar nach dem Austritte aus der Ader mit dem gleichen
Volumen halbgesättigter Bittersalzlösung, macht es dann mit Aether lackfarbig
und centrifugirt nun, so setzen sich die Leukocyten als eine weisse Scheibe am
Boden des Gewisses ab, welche aus Kernen, zerbröckeltem Protoplasma und un-
deutlichen Fasern besteht (Wooldridge). Sie lösen sich in verdünnten Alkalien,
nicht aber in 0*2^ Salzsäure, in Kochsalz oder schwefelsaurer Magnesia; Pepsin
verdaut nur sehr langsam einen Theil davon; Alkohol und Aether entziehen
Lecithin und Cholesterin (28). Ausserdem enthalten sie Eiweisskörper und
Nuclein (29), sowie Glykogen (30).
Blutgerinnung. Die Leukocyten sind ausserordentlich leicht veränderliche
Gebilde, welche wahrscheinlich schon in/ra vitam innerhalb des Kreislaufs fort-
während zu Grunde gehen; hat das Blut einmal den Organismus verlassen, so
zerfallen sie bis auf eine geringe Anzahl und die Folgen äussern sich in der
Gerinnung des Blutes. Verfolgt man dieselbe mikroskopisch, so sieht man die
Leukocyten ihre Form verändern, zu Kömermassen werden, von denen aus sich
em Netzwerk feinster Fäden durch die Flüssigkeit erstreckt, und schliesslich
bleiben nur diese Fäden mit einigen wenigen eingeschlossenen Kömern zurück,
während die meisten der letzteren verschwinden. Geht schon aus dieser Beob-
achtung deutlich hei-vor, dass die Leukocyten bei der Blutgerinnung stark be-
theillgt sind, so finden sich weitere Stützen bez. Beweise dafür in folgenden
Thatsachen. Die Anzahl der Leukocyten im ganzen Blute ist stets viel bedeuten-
der, als im defibrinirten; in 11 Versuchen wurde der Verlust an Leukocjrten
während der Gerinnung zu 71 '3^ im Mittel gefunden (31). Die Produkte dieses
Zerfalls sind nach Alex. Schmidt einerseits das Gerinnungssubstrat (Fibrinogen
und Paraglobulin, s. Eiweisskörper) und andrerseits das Fibrinferment (32). Das
Gennnungssubstrat ist auch bereits im circulirenden Blute enthalten, nicht aber
unter normalen Verhältnissen das Fibrinferment, dessen Anwesenheit nothwendige
Bedingung für den Vorgang der Gerinnung d. h. der Umwandlung und Ver-
einigung von Fibrinogen und Paraglobulin zu Fibrin, ist. Die Menge des letzteren
wächst in geradem Verhältnisse mit der Menge des Fibrinogens und (nach Schmidt)
des Paraglobulins, doch bleibt von letzterem immer ein Theil unverändert in der
Flüssigkeit gelöst. Während des physiologischen Zerfalls der Leukocyten inner-
halb der Blutbahn wird wahrscheinlich auch Ferment gebildet, allein sofort wieder
vernichtet; injicirt man eine Fermentlösung direkt in eine Vene, so tritt nur bei
verhältnissmässig grossen Mengen unmittelbar Gerinnung des Blutes und in Folge
dessen der Tod ein, geringere Mengen kommen gar nicht zur Wirkung und ver-
schwinden binnen kurzer Zeit aus dem Blute (33). Während der spontanen Ge-
rinnung des Blutes ausserhalb des Körpers werden rasch grosse Mengen Ferment
gebildet; dieselben bleiben zum grössten Theile in der Flüssigkeit, dem Serum,
gelöst. Fällt man dieses mit absolutem Alkohol und lässt den Niederschlag
3i8 Handwörterbuch der Chemie.
mehrere Wochen bis Monate (um das Eiweiss möglichst vollständig unlöslich zu
machen) unter Alkohol stehen, filtrirt ihn ab und trocknet ihn an der Luft, so
kann man durch viertelstündiges Behandeln desselben mit Wasser und Filtriren
eine sehr wirksame Fermentlösung erhalten (A. Schmidt).
Dieser Zerfall der Leukocyten kann unter gewissen Bedingungen zwar nicht
vollständig verhindert aber doch beträchtlich verzögert werden, sodass die Flüssig-
keit nicht gerinnt. In dieser Weise wirkt möglichst schnelles Abkühlen des aus
der Ader kommenden Blutes auf 0°, oder Vermischen desselben mit conc. Lösungen
von Neutralsalzen (am besten 28proc. schwefelsaure Magnesialösung), oder In-
jection gewisser Stoffe in den Kreislauf. Lässt man auf 0° gekühltes Blut einige
Stunden bei dieser Temperatur stehen, so senken sich allmählich die rothen und
weissen Körperchen (letztere zuletzt) und über denselben steht eine farblose
oder gelbliche klare Flüssigkeit, das Plasma; aus dem mit Salzlösungen ver-
mischten Blute erhält man ebenso das sogen. Salzplasma. Lässt man das Plasma
sich auf Zimmertemperatur erwärmen, so gerinnt es nur äusserst langsam, schnell
dagegen auf Zusatz einer Fibrinfermentlösung, oder von Serum, oder noch besser
von defibrinirtem Blute. Salzplasma gerinnt unter diesen Umständen nicht,
sondern erst nach Verdünnung mit Wasser, da Salze in dieser Concentration
hemmend auf den Gerinnungsprocess einwirken. Andrerseits ist aber für das
Zustandekommen desselben ein gewisser Salzgehalt der Flüssigkeit nöthig, denn
salzfreie Lösungen von Fibrinogen und Paraglobulin in verdünnten Alkalien gerinnen
auf Fermentzusatz allein nicht, sondern erst auf Zusatz von etwas Kochsalz; ohne
letzteres bildet sich nur ein in Alkalien schwer löslichen Zwischenprodukt
(A. Schmidt). Gefrorenes Plasma gerinnt nach A. Schmidt beim Aufthauen sofort
Nach Hammarsten (34) ist indessen das Paraglobulin nicht direkt zur Ge-
rinnung nothwendig, vielmehr ist es das Fibrinogen allein, welches unter Aus-
scheidung von Fibrin gerinnt — ein Vorgang, der der Case'ingerinnung durch
Lab und auch der Eiweissgerinnung durch Hitze überhaupt analog ist. Trotzdem
übt das Paraglobulin einen Finfluss bei der Gerinnung aus, doch kann dieser
noch nicht näher definirt werden. Gewisse natürliche Transsudate (Hydrocele)
können, wie von A. Schmidt gefunden, durch Fermentzusatz allein nicht zur Ge-
rinnung gebracht werden, wohl aber durch Ferment 4- Paraglobulin (Serum) ; es
gelingt aber aus solchen Flüssigkeiten ein Fibrinogen abzuscheiden, welches mit
Ferment allein gerinnt, woraus Hammarsten auf die Anwesenheit gerinnungshemmen-
der Substanzen in solchen Transsudaten schliesst. Derselbe fand auch, dass in
solchen Fällen ein Zusatz von Chlorcalcium ebenso »fibrinoplastischc wirkt, wie
das Paraglobulin (35).
Auch durch intravenöse Injection von Pepton, kann das Blut seine Fähigkeit
zu gerinnen vollkommen oder doch in sehr hohem Grade einbüssen. Spritst
man einem Hunde 0-3 Grm. Pepton pro Kilo Körpergewicht in O-ö^ NaCl-Lösung
gelöst in Einem Zuge in die Jugularis ein, so zeigt sich schon eine Minute nach
der Operation das aus der Carotis entnommene Blut vollkommen gerinnungsun-
fahig, sodass erst bei Eintritt der Fäulniss leichte Fibrinflöckchen sich auszuscheiden
beginnen. Nach einer Stunde aber hat das im Körper circulirende Blut seine
Gerinnbarkeit wieder erlangt, und widersteht nun auch der Einwirkung einer
neuen Peptoninjection; erst nach ca. 24 Stunden kann es durch Pepton wieder
ungerinnbar gemacht werden. Letzteres verschwindet dabei so rasch aus dem
Blute, dass es schon ^ Minute nach der Injection nicht mehr in demselben nach-
gewiesen werden kann (36). Bei Kaninchen ist Pepton wirkungslos, aber durch
Blut * 319
Ittjection von Hundepeptonblut wird ihr Blut auch gerintiungsunfähig (Fano).
Immerhin ist diese Gerinnungsunfähigkeit keine absolute, denn wenn man das
Peptonblut oder das durch Centrifugiren daraus abgeschiedene Peptonplasma
mit Wasser verdünnt oder Kohlensäure einleitet, so gerinnt dasselbe ebenso wie
normales Blut. Doch ist nicht Alles zur Gerinnung Nöthige im Plasma gelöst vor-
handen, sondern wird z. Th. erst durch das Wasser oder die Kohlensäure aus den auf-
geschwemmten Leukocyten gebildet, denn wenn man diese durch genügend lange
fortgesetztes Centrifugiren völlig aus dem Peptonplasma entfernt, so hat es damit
auch seine Gerinnbarkeit durch Fibrinferment, Kohlensäure oder Verdünnung mit
Wasser verloren. Trotzdem ist noch ein gerinnungsfähiger Körper darin enthalten,
denn wenn man erst Kohlensäure durchleitet und dann Fibrinferment zusetzt, so tritt
sehr leicht Gerinnung ein. Dieselbe Wirkung wie das Fibrinferment wird durch
einen aus Lecithin und einer kleinen Menge Fettsäuren bestehenden Alkohol-
Aetherauszug von Lymphdrüsenzellen hervorgebracht; dieser wirkt an sich auch
ohne Kohlensäuredurchleitung, hat man aber die Fettsäuren erst durch Soda
neutralisirt, so ist Kohlensäure (oder eine andere Säure) zur Gerinnung noth-
wendig (37). Neurinhaltiges Lecithin ist unwirksam (37); dagegen bewirken
andere lecithinreiche Zellen, wie Hefe und Spermatozoen, in durch Abkühlung erhal-
tenem normalen Pferdeblutplasma rasch Gerinnung (38). Aehnlich wie Injectionen
von Pepton wirken auch solche von Pepsin, Pankreatin, Fibrinferment und Jauche (39).
Welche Veränderungen die Leukocyten in Folge solcher Injectionen erleiden,
ist noch nicht sicher bekannt; Albertoni fand nach Pankreatininjection gar
keine mehr im Blute und Bojanus, Hoffmann und Hkyl fanden in ihren Ver-
suchen ihre Anzahl wenigstens erheblich verringert und nehmen ebenfalls
an, dass die verschwundenen zerstört worden. Dem entgegengesetzt fand
WooLDRiDGE (28) nach Peptoninjection das Gewicht der Leukocyten vergrössert
(von 0-46 Grm. in 100 Ccentim. Normalblut auf 0*59 Grm. in 100 Ccentim.
Peptonblut, von 0*39 auf 057, und von 0-31 auf 0.41 Grm.) worin eine Stütze
für die Vermuthung liegt, dass wenigstens ein Theil des Peptons von ihnen
aufgenommen worden sei (Hofmeister), und Fano giebt an, dass das Gewicht
der rothen Körperchen durch Peptoninjection vergrössert werde (40). Endlich
mag noch erwähnt werden, dass man diejenigen Leukocyten, welche sich im
defibrinirten Blute finden, als verschieden von denjenigen, welche bei der Ge-
rinnung zu Grunde gehen, betrachtet hat, da sie eben zu dieser nichts beitragen,
n. Aufgelöste Bestandtheile des Blutes. Aus dem bisher Mit-
getheilten geht deutlich hervor, dass im Blute äusserst leicht chemische Ver-
änderungen eintreten, welche nicht ohne Einfluss auf die Qualität der gelösten
Stoffe bleiben können. Wenn die Leukocyten wirklich einem stetigen, physio-
logischen Zerfall innerhalb des Kreislaufs unterliegen, so müssen die Produkte
desselben wenigstens theilweise in die Blutflüssigkeit übergehen, sie verschwinden
aber auch wieder daraus. Daher kann man zur Zeit nicht mit völliger Sicherheit
angeben, welche Bestandtheile im kreisenden Blute gelöst vorhanden sind,
sondern höchstens, welche in der auf die eine oder die andere Art erhaltenen
Blutflüssigkeit, dem Plasma oder dem Serum, gefunden worden sind. Das
Plasma ist (oder soll sein) Blut minus aufgeschwemmte geformte Elemente; man
erhält es am reinsten durch möglichst schnelles Abkühlen frischen Aderlassblutes
auf 0^ und Absitzenlassen der Körperchen, es bildet eine farblose oder gelbliche
klare Flüssigkeit, die unter den oben angegebenen Bedingungen gerinnt. Das
Serum ist defibrinirtes Blut minus Körperchen; man erhält es am besten, wenn
\
320
Handwörterbuch der Chemie.
man Blut in cylindrischen Gefässen auffangt, nach ein paar Minuten den Rand
des sich bildenden Gerinnsels an der Oberfläche von der Gefässwand vorsichtig
ablöst und nunmehr das Ganze einige Stunden lang centrifugirt, es ist eine dem
Plasma äusserlich gleichende Flüssigkeit aber völlig ungerinnbar. Plasma und
Serum enthalten beide Eiweisskörper gelöst, ersteres Fibrinogen, Para-
globulin (ist vielleicht ein Gemenge von zwei Eiweissstoffen) (84) und Serum-
albumin, letzteres nur Paraglobulin und Serumalbumin.
Die quantitativen Verhältnisse sind noch wenig untersucht. Hammarsten (41)
fand in einigen vergleichenden Bestimmungen das Serum ärmer an Globulinen uod
festen Stoffen überhaupt als das entsprechende Plasma, wie folgende Tabelle zeigt'.
No.
Feste Stoffe
Gesammteiweiss
Globuline
Serumalbumin
Lecithin, Pect,
Salxe etc.
Plasma
Serum
Plasma I Serum
Plasma
Serum
Plasma
' Serum
Plasma
Serum
1.
2.
3.
8-040«
8-60«
8-085«
7-67«
8-50«
7-72«
6-70«
7-10«
7-035«
6-28«
6-95«
6-682«
4-87«
4-35«
4-25«
4-483«
4-167«
3-855«
1-83«
2-75«
2-785«
1-797«
2-788«
2-827%
1-34«
1-50«
1-05«
1.39«
1-55«
1-038«
Dieses Minus an Globulinen rührt offenbar von der Fibrinausscheidung her;
die Menge des erhaltenen Fibrins (0'62f in No. 1) ist aber nach Hammarsteh
kleiner als diejenige ursprünglich im Plasma vorhanden gewesenen Fibrinogens,
auch wird ein Theil des durch die Fibrinausscheidung bedingten Verlustes duich
den Austritt von Paraglobulin aus den zerfallenden Leukocyten compensirt wie
denn nach M. Schmidt alles Paraglobulin aus dieser Quelle stammt und im
reinen Plasma gar nicht enthalten ist. Mit völliger Genauigkeit werden sich
diese Verhältnisse erst ermitteln lassen, wenn eine Methode zur Bestimmung des
Fibrinogens neben Paraglobulin gefunden sein wird.
Die Menge des Gesammteiweisses im Serum schwankt etwa zwischen 6— 8|
doch ist das gegenseitige Verhältniss zwischen Paraglobulin und Serumalbumin bei
verschiedenen Thierarten ein sehr verschiedenes wie aus folgender Tabelle her-
vorgeht (42):
Serumart (100 Ccentim.)
Feste StoflFe
Gesammt-
eiweiss
Globulin
albumin
Lecithin.
Fett, Saite etc.
Pamsloboli.
Seninalbumin
Pferdeblutscrum ....
8-597
7-257
4-565
2-677
1-340
1:0*591
Rindsblutsenim ....
8-965
7-499
4169
8-330
1-466
1:0842
Menschenblutsenim . . .
9-208
7-620
3-103
4-516
1-588
1:1-511
Kaninchenblutserum . .
7-525
6-225
1-788
4-436
1-299
1:2-5
Hundeblutserum (Salvioli)
—
5-82
2-05
3-77
—
1:1-84
Vorstehende Zahlen sind Mittelwerthe aus mehreren Bestimmungen an Blut
von verschiedenen Individuen; vergleicht man die Maxima und Minima, so wird
man zu dem Schluss geführt, dass individuelle Schwankungen in der Zusammen-
setzung des Blutes vorkommen. Für menschliches Blut schwankten in 6 Fällen
die Werthe in folgenden Grenzen (Reihenfolge wie in der Tabelle): 8-49 — 10-21 f;
7-02—8-11«^; 2-49—3-78^; 3-85— 5-38«; 1-32— 2-10^; 1:102—1:1-97. Bemerkens-
werth sind die engen Grenzen für das Gesammteiweiss im Gegensatze zu den
ziemlich weiten fUr die einzelnen Eiweissstoffe, was darauf hinzudeuten scheint,
dass für den Organismus die Gesammtmenge des Eiweisses von grösserer
Wichtigkeit ist als das Verhältniss, in welchem die einzelnen Stoffe gemischt
sind. Indessen scheint dieses Verhältniss nach Versuchen von Salviou (43)
wenigstens bei höheren Thieren (Hund) individuell constant zu sein, denn #*
fand zwar bei verschiedenen Individuen Unterschiede im Gehalte des Serums an
Blut. 321
Paraglobulin und Serumalbumin, aber bei einem und demselben Individuum
änderten sich die Zahlen kaum bei Hunger oder starker Fleischfütterung,
während andrerseits Biaickhardt (84) nach Hunger stets eine Zunahme des
(durch Dialyse gefällten) Paraglobulins und Abnahme des Serumalbumins bei
Hunden beobachtete. Ebenso konnte Tiegel (43) bei Schlangen während des
Hungers ein fast vollständiges Verschwinden des Serumalbumins nachweisen.
(Die nähere Beschreibung von Fibrinogen, Paraglobulin und Serumalbumin s. u.
Eiweisskörper.)
Von nicht zu den Eiweisskörpem gehörenden organischen Stoffen sind in
Blutserum gefunden worden (44):
1. Zucker, jedenfalls Dextrose, da derselbe nach Abeles (45) u. A. rechts-
drehend ist; sein Vorkommen ist nicht an den Zuckergehalt der Nahrung ge-
bunden. Die Menge desselben fand Mering im Carotisserum des Hundes zu
0115-O-235# (46).
2. Harnstoff im menschlichen Blute zu 0*016 J (Picard) (46), beim Hunde
zu 0*011 — 0*085^. 3. Carbaminsäure (Drechsel) (47), 4. Harnsäure nament-
lich bei Gicht, (Garrod) (48); bei Hühnern, (Meissner) (49), ö. Kreatin (Voit) (50),
6. Hippursäure, 7. Fleischmilchsäure (Spiro) (51), 8. Bernsteinsäure
(Meissner) (52).
9. Fette kommen stets im Plasma und Serum vor; letzteres ist nach stark
fetthaltiger Nahrung milchig getrübt und kann dann bis 1*25^ enthalten (Röhrig)
(53). Die Fette verschwinden rasch wieder aus dem Blute (54); sie sind stets mit
Cholesterin und Lecithin gemengt. Da übrigens auch aus ganz klarem
Serum geringe Mengen von Fett abgeschieden werden können, müssen sie z. Th.
darin gelöst sein, der grösste Theil findet sich aber im emulgirten Zustande vor.
10. Farbstoffe. Die gelbliche Farbe des Plasmas und Serums rührt von
einem nicht näher bekannten goldgelben Farbstoffe (Lute'in?) her; im Pferdeblut-
serum fand Hammarsten (55) Bilirubin. Möglicherweise sind aber diese Stoffe
nicht als solche sondern als Chromogene im Serum enthalten (Setschenow) (56).
Von mineralischen Substanzen hat man im Blute gefunden: Kalium,
Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen (Mangan, Kupfer), Chlor, Kohlensäure,
Phosphorsäufe (Phosphor und Schwefel in organischen Verbindungen), Spuren
von Schwefelsäure und Kieselsäure, tn welcher Weise dieselben zu Salzen unter-
einander verbunden sind lässt sich gegenwärtig noch nicht mit vollkommener
Sicherheit angeben, da wir kein Mittel besitzen, um zu entscheiden, welche Salze
in einer gemischten Lösung mehrerer Salze verschiedener Basen und Säuren
vorhanden sind. Die Analyse der Blutasche kann auch keinen unmittelbaren
Aufischlass über diesen Punkt geben, da bei der Einäscherung Aenderungen in
der Zusammensetzung der Salze eintreten können. Aus dem Schwefel der
Eiweisskörper und dem Phosphor des Lecithins entstehen Schwefelsäure und
Pbosphorsäure, welche vorhandene Carbonate zersetzen; die Chloride der Alkalien
werden beim Glühen in feuchter Kohlensäure th eil weise unter Entweichen von
Chlorwasserstoff zersetzt, wenn nicht ein grosser Ueberschuss von kohlensaurem
Alkali zugegen ist, und in derselben Weise wirken neugebildete Schwefel- und
Phosphorsäure. Auch die grosse Flüchtigkeit der Chloralkalien kann zu Ver-
lusten bei der Einäscherung Veranlassung geben. Eine weitere Schwierigkeit liegt
darin, dass die Mineraibestandtheile auf die Körperchen und das Plasma vertheilt
sind und zwar z. Thl. mit den Eiweissstofifen verbunden. Das Paraglobulin ist
nur durch Vermittelung der Salze im Serum gelöst, der phosphorsaure Kalk*
n. 21
322 Handwörterbuch der Chemie.
ebenso durch die Eiweisskörper, und wenn letztere durch Coagulation ab-
geschieden werden, fällt stets der phosphorsaure Kalk wenigstens theilweise mit
aus. Dennoch können wir mit Bestimmtheit die Anwesenheit gewisser Salze in
der Blutflüssigkeit behaupten: des Chlornatriums, weil dessen Bestandtheile in
weitaus überwiegender Menge vorhanden sind; des sauren kohlensauren Natrons,
weil das Serum sich im Vacuum wie eine Lösung dieses Salzes verhält; dci
phosphorsauren alkalischen Erden, weil die vorhandenen Mengen Phosphorsäure
und alkalische Erden annähernd äquivalent sind, diese Salze in Eiweisslösungctv
löslich sind und mit den coagulirten EiweissstofFen ausfallen, und salzartiger Ver-
bindungen des Paraglobuhns, da dieses nur durch Vermittlung der Salze gelöst
ist. Von Wichtigkeit in dieser Hinsicht erscheint auch die Thatsache, dass Kalk,
Magnesia, Phosphorsäure und Chlor direkt aus dem Serum durch die gewöhn-
lichen Reagentien ausgefallt werden können (74).
Die Reaction des frischen Blutes, bez. des Plasmas, ist deutlich alkalisch,
wird aber während der Gerinnung schwächer, da das aus dem Zerfall der Leu-
kocyten hervorgehende Paraglobulin einen Theil des Alkalis neutralisirt (gesättigte
Lösungen von Paraglobulin in sehr verdünnten Alkalilaugen reagiren neutral).
Dieser alkalischen Reaction wegen hat man das Blut als eine alkalische Flüssig-
keit augesehen, aber mit Ururecht, denn es enthält in Wirklichkeit saure Salze,
wie saures kohlensaures Natron (57). Daher hat auch eine Bestimmung der AI-
kalinität des Blutes, durch Titrirung mit einer verdünnten Säure, keinen Sinn,
da 1 Aeq. der zugesetzten Säure aus dem Bicarbonat 2 Aeq. Kohlensäure ausr
treibt, somit nicht die Alkalinität, sondern die Acidität bei der Titrirung herab-
gesetzt wird. Fügt man zu frischem Serum titrirte Natronlauge im Ueberschuss,
(äl\t dann mit Chlorbaryum aus und titrirt das Filtrat mit Säure bis neutral, so
verbraucht man stets weniger Säure, als der anfangs zugesetzten Natronlauge
entspricht — ein Beweis, dass in dem Serum saure Salze vorhanden sind. Auf
diese Weise wurde z. B. gefunden, dass 100 Ccentim. menschliches Serum
01088Grm. NaOH.(mit Lakmus titrirt) bez. 0*1482 Grm. (mit Phenolphtalein)
zu binden vermögen, ebenso Rinderserum (57). Lässt man Serum gegen Wasser
dififundiren, so ist das Diffusat noch saurer als das angewandte Serum, da Säuren
schneller diffundiren, als neutrale Salze.
Quantitative Zusammensetzung des Blutes. Nach dem, was oben
über die einzelnen Bestandtheile des Blutes mitgetheilt worden, ist es kaum
nöthig noch besonders auf die ausserordentlichen Schwierigkeiten hinzuweiseo,
welche sich der genauen Ermittelung der quantitativen Zusammensetzung des
Blutes entgegenstellen. Schon die Bestimmung des Gewichtes der feuchten Blut-
körperchen ist nur unter ganz besonderen Verhältnissen möglich, diese selbst |
aber kann man immer nur mit, sei es auch noch so wenig, Serum oder einer I
Salzlösung durchtränkt erhalten, und im letzteren Falle liegt die Gefahr nahe,
dass sie durch Diffusion gegen die Waschflüssigkeit Aenderungen in ihrer Zu-
sammensetzung erfahren haben. Da ferner das Gesammtblut seiner Gerinn-
barkeit wegen nur selten eine Trennung von Körperchen und Plasma erlaubt,
hat man in der Regel das frische Blut defibrinirt, und hierauf Körperchen und
Serum getrennt untersucht. In folgender Tabelle sind drei Analysen verschiedener
Blutarten zusammengestellt, welche von demselben Beobachter (Bunge) (58) her-
rühren, nach derselben Methode ausgeführt und daher untereinander vergleich-
bar sind, was natürlich tür Analysen verschiedener Autoren nach verschiedenen
Methoden nicht ohne Weiteres gilt.
Blut
3*3
s=s==s=^
"* Schweineblut
Pferdeblut
Rinderblut
Bestand-
theüe
Korperchen in
Senim in
Körperchen in
Serum in
Körperchen in
Serum in
43-68 T.
100 Th.
56-8-2 T.
100 Th.
5315 T. 100 Th.
4G-85 T.
100 Th.
31-87 T
lÜ0ThJ6813T.
100 Th.
Wasser
27-61
63-21
51-79
91-96
32-36 60-89
42-01
89-66
19-12
59-99
62-22
91-33
FesteStoffe
16-07
36-79
4-53
804
20-79
39-11
4-84
10-34
12-75
40-01
5-91
8-67
Hämoglob.
11-40
2610
—
—
—
—
—
—
8-94
2805
—
—
Eiweiss
3-76
8-61
3-81
6-77
—
—
—
—
3-42
10-73
4-99
7-32
Org. Stoffe
0-52
1-20
0-28
0-50
_
—
—
—
0-24
0-75
0-38
0-56
Anorg. „
0-39
0-89
0-43
0-77
—
—
—
—
0-15
0-48
0-54
0-79
Kafi
0-2421
0-5543
0-0154
0-0273
0-262
0-492
0-013
0-027
0-0238
0-0747
0-0173
0-0254
Natron
--
—
0-2406
0-4272
—
—
0-208
0-443
0-0667
0-2093
0-2964
0-4351
Magnesia
0-0069
00158
00021
0-0038
—
—
—
—
0-0005
0.0017
0-0031
0-0045
Kalk
— :
. —
0-0072
00136
—
—
—
—
___
—
0-0070
0-0126
Eisenoxyd
—
—
0-0006
0-0011
—
—
—
—
— .
0-0007
0-0011
CUor
0-0657
0-1504
0-2034
0-3611
0-102
0193
0176
0-375
0-0521
0-1635
0-2532
0-3717
Phosphors.
0-0903
0-2067
0-0106
0-0188
—
—
—
—
00224
00703
0-0181
0-0266
Aus diesen Zahlen geht die merkwürdige Thatsache hervor, dass die Blut-
körperchen reicher an Kali sind, als das Serum, und dass sie bei manchen
Thieren gar kein Natron enthalten, welches seinerseits in grösster Menge im Serum
aufgespeichert ist; auch der Chlorgehalt findet sich beim Serum grösser als bei
den Körperchen, während hinsichtlich der Phosphorsäure das umgekehrte Ver-
hältniss obwaltet. Auf Grund dieser Thatsache und weiterer Beobachtungen
fibcr die Wirkung der Kalisalze auf den Organismus hat Bunge die Hypothese
aufgestellt, dass die rothen Blutkörperchen unter anderen auch die Function
haben, aus dem Blute die giftigen Kalisalze soweit nöthig aufzunehmen und all-
mählich in den Nierencapillaren in den Harn wieder auszuscheiden (59). Ein
direkt angestellter Versuch (60) zeigte ihm später, dass die aus defibrinirtem
Rinderblute abgeschiedenen Körperchen aus einer verdünnten Lösung von
phosphorsaurem und kohlensaurem Kali kein Kali aufnehmen, indessen ist zu
berücksichtigen, dass die Körperchen, bereits mit Kali gesättigt, oder abgestorben
und deshalb zur Kaliaufnahme untauglich sein konnten. Ferner verdient der
Umstand Beachtung, dass (wenigstens beim Schwein und Rind) der Kalk nur
im Serum enthalten ist, sowie dass der Kali- und Natrongehalt aller Blutarten
im Serum fast genau derselbe ist, während sich bei den Körperchen gewisse Ver-
schiedenheiten in dieser Hinsicht zeigen.
Die Frage, ob das Blut aus verschiedenen Gefassbezirken desselben Indivi-
duums merkliche Verschiedenheiten in seiner Zusammensetzung darbiete, ist —
abgesehen vom Unterschiede des arteriellen und venösen Blutes, s. a. unter Blut-
gase, — noch nicht mit völliger Sicherheit entschieden; a priori muss man die-
selben erwarten, aber die analytischen Methoden sind für solche Untersuchungen
noch nicht genügend ausgebildet (61).
Blutgase. Ausser den bisher abgehandelten Bestandtheilen enthält das
Blut noch gewisse Gase, welche theils in den Lungen aus der atmosphärischen
Luft aufgenommen, theils innerhalb der Gewebe und des Blutes gebildet
werden. Diese Gase sind Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure. Der Gehalt
des Blutes an denselben ist nicht an allen Punkten des Kreislaufs derselbe ; die
grössten Unterschiede zeigen sich beim arteriellen und venösen, da ersteres reich
an Sauerstoff und arm an Kohlensäure, letzteres umgekehrt arm an Sauerstoff
und reich an Kohlensäure ist. Uebrigens ist der absolute Gasgehalt auch indi-
viduellen Schwankungen unterworfen. Wird Blut in das Vacuum gebracht, so
3*4
Handwörterbuch der Chemie.
lässt es seine Gase entweichen; hierauf gründet sich die Methode zur Entgasung
des BluteS; bez. zur Bestimmung seines Gasgehaltes. Die Quecksilberpumpen,
deren man sich zu diesem Zwecke bedient, müssen aber eine besondere Ein-
richtung haben, da die Eigenschaft des entgasten Blutes, mit grösster Begierde
wieder Gase aufzunehmen, es unumgänglich nöthig macht, das ausgetriebene Gas
vor der Compression behufs Ueberführung in das Messgefäss von dem Blute ab-
zuschliessen. Pumpen, welche dies gestatten, sind von C. Ludwig (62) und
E. Pflüger (63) construirt worden.
Der erste, welcher im frischen Blute Gase mittelst der Luftpumpe nachwies,
war Robert Boyle (64); Priestley wies den Sauerstoff, Davy die Kohlensäure
in den Blutgasen nach. Spätere Untersuchungen schienen diese Resultate wieder
in Frage zu stellen, bis Magnus Sauerstoff, Kohlensäure und Stickstoff mit
Sicherheit als Bestandtheile der Blutgase erkannte und dieselben auch quantitati?
zu bestimmen versuchte. Lothar Meyer (65) untersuchte sodann die mittelst
einer eigenthümlichen Methode aus dem Blute erhaltenen Gase nach dem Ver-
fahren von BüNSEN und bestimmte auch die durch Zusatz von Weinsäure frei
gemachte gebundene Kohlensäure des Blutes. Aber erst durch die Arbeiten von
C. Ludwig (66) und seinen Schülern wurden die Methoden der Blutgasgewinnang
so verbessert, dass die Untersuchung derselben wirklich fruchtbringend wurde.
Spätere Versuche von E. Pflüger und dessen Schülern haben dann zu denselben
Resultaten geführt (67). Es würde zu weit führen, hier alle Blutanalysen aufzu-
führen, es möge dalier folgende Tabelle genügen, welche die Resultate der Ver-
suche von Setschenow und Schöffer (66) mit Hundeblut enthält:
Auspump-
bare Gase
N
0
Auspump-
barc
CO,
Ge-
bundene
CO,
Ge-
sammte
CO,
Rlutart
Rcmerkun^en
3905
4-73
1-16
37-42
29-41
39-33
1-40
1-18
Spuren
—
—
31-92
4-2-61
> Erstickungsblut
Setschenow (Wien. Acad
40-81
1-96
Ii
—
—
40-64
Sitz.-Ber. 36, pag. 293>
46-90
45-88
1-19
1-20
1505
16-41
—
—
33-20
30-59
> Arterielles Blut
r 46-42
1 37-01
4-18
11-39
—
—
32-78
arterielles Blut
3-05
4-15
—
—
35-31
venöses „
ii
—
—
—
—
32-37
arterielles
II
—
—
—
—
38-07
venöses
II
f 50-65
143-06
1-25
1-00
17-70
9-20
—
—
31-65
36-10
arterielles
venöses
II
1
Schöpfer (Wien. Acad. Sitx.-
Ber. 41. pag. 589)-
142-92
1-23
15-24
^
—
26-44
arterielles
,
\ 4 1-62
117
12-61
—
—
29-50
venöses
1
141-34
142-64
1-66
11-76
—
—
29-28
arterielles
1
1-25
8-85
—
—
3559
venöses
1
45-55
141-87
1-80
16-96
—
— .
27-47
arterielles
1
115
10-4Ü
—
—
31-83
venöses
1
(Alle Zahlen in dieser TabeUe
41-48
11-28
41-74
~
:
10-20
23-77
26-21
33-97
26-59
Blut
Serum
Blut
beziehen sich auf 1(X) Tble.
Flüssigkeit; die Gasvolimüna
sind bei 0® und 1 Meter
17-93
—
—
16-06
16-65
32-71
Serum
Hg-Dnick gemessen.)
—
—
—
16-00
—
—
Serum
—
—
—
—
1-77
—
Gemenge von aus-
gepumptem Blut
und Sera
im
•
Blut. 325
Bd der Betrachtung dieser Zahlen fallen sofort die grossen Unterschiede
auf, welche sich in der Zusammensetzung der Gase verschiedener Blutarten
finden. Zunächst hinsichtlich des Sauerstoffs. Das Erstickungsblut enthält nur
Spuren desselben, das venöse Blut immer weniger als das arterielle; der Sauerstoff
wird also innerhalb des Körpers von den Geweben für gewöhnlich grossentheils,
unter besonderen Umständen (Erstickung, d. h. Abschneidung der Zufuhr frischen
Sauerstoffs durch die Lungen) so gut wie vollständig aufgebraucht. Die im arte-
riellen Blute vorhandene Menge desselben ist aber bedeutend grösser als die-
jenige, welche dem Absorptionscoefficienten der Blutflüssigkeit (welcher eher
kleiner als der des Wassers sein wird) für dieses Gas entspricht; der Sauerstoff
kann demnach nicht einfach absorbirt im Blute enthalten sein, sondern er be-
findet sich darin in lockerer Verbindung mit dem Hämoglobin der Körperchen
(5. o.). Diese sind übrigens auch im arteriellen Blute nicht völlig mit Sauerstoff
gesättigt, da dasselbe von letzterem noch eine kleine Menge aufzunehmen vermag.
Bei der Kohlensäure sind die Verhältnisse noch verwickelter. Zunächst er-
giebt sich, dass ein Theil derselben unmittelbar aus dem Blute durch Auspumpen
entfernt werden kann, ja es gelingt sogar, aus dem Blute die gesammte Menge
derselben auszupumpen; beim Serum (und ebenso beim Plasma, wenn man
dasselbe vor der Gerinnung schützen könnte) ist dagegen ein grosser Theil der
Kohlensäure nicht direkt auspumpbar, sondern erst nach Zusatz einer Säure.
Dieses Verhalten des Serums entspricht ganz demjenigen einer verdünnten
Lösung von doppeltkohlensaurem Natron, welche beim Auspumpen allmählich
in eine solche von neutralem kohlensauren Natron übergeht; ein Unterschied
besteht aber insofern, als das Serum die Kohlensäure leichter als das doppelt
kohlensaure Natron abgiebt. Diese Verschiedenheit ist darin begründet, dass im
Serum Substanzen vorhanden sind, welche im Vacuum Kohlensäure aus kohlen-
saurem Natron auszutreiben vermögen, was namentlich von den Eiweisskörpem
gilt. Im höchsten Grade besitzt diese Fähigkeit das Hämoglobin der
Körperchen, sodass aus dem Blute, wie Schöffer (66) zuerst fand, durch Aus-
pumpen die gesammte Kohlensäure bis auf Spuren gewonnen werden kann, und
solches Blut mit ebenfalls völlig ausgepumptem Serum versetzt, nochmals
Kohlensäure entwickelt Pflüger (68) wies sodann nach, dass das Blut bei ge-
nügend lange fortgesetztem Auspumpen seine Kohlensäure völlig abgiebt und
dann noch im Stande ist, zugesetztes kohlensaures Natron zu zerlegen; ein Be-
fund, den Schöffer später völlig bestätigen konnte (85).
Bemerkenswerth erscheint das Verhalten der rothen Körperchen während
der Auspuropung des Blutes. Wird dieselbe nur soweit getrieben, dass aller O
entwichen ist, nicht aber sämmtliche CO3, so färbt sich das Blut schwarzroth,
nimmt aber nach dem Schütteln mit Luft die arterielle Farbe wieder an, und
die Körperchen zeigen sich zum grössten Theil unverändert. Wird dem Blute
aber ausser dem O auch noch alle CO^ entzogen, so wird es unter Zerstörung
eines grossen Theils der Körperchen lackfarben, der Farbstoff tritt in Lösung,
imd das Blut wird weder durch Schütteln mit Sauerstoff oder Versetzen mit
schwefelsaurem Natron allein wieder hellroth, sondern nur durch beide Agentien
zusammen (66).
Quantitative Analyse des Gesammtblutes. Von den aufgeführten
Bcstandtheilen des Blutes lassen sich nicht alle direkt bestimmen, da sie nicht
ohne eine Veränderung zu erieiden, von den übrigen getrennt werden können;
das Gewicht derselben muss daher auf indirekte Weise ermittelt werden. Ferner
:r^S'
K *:
3*6 Handwörterbuch der Chemie.
verlangen die morphotiscben Elemente besondere Berücksichtigung, gegenüber
dem Plasma und dem Serum. Im Folgenden sollen nur die wichtigsten Methoden
mitgetheilt werden (69).
1. Den Wassergehalt des Blutes bestimmt man durch Eintrocknen einet
gewogenen oder gemessenen Menge Blut in einem gewogenen Schälchen, zuletet
bei 110° C.
2. Fibrinbestimmung. Man überzieht ein kleines Bechergläschen mit
einer Kautschukkappe, welche oben einen röhrenförmigen Ansatz trägt, durch
welchen ein bis auf den Boden des Gläschens reichendes Fischbeinstäbchen
hindurchgeht. Der Apparat wird gewogen, nach Abnahme der Kappe mit
30—40 Ccentim. Blut unmittelbar aus der Ader gefüllt, sofort mit der Kappe
bedeckt und das Blut mit dem Stäbchen 10 Minuten lang geschlagen; nach
völligem Erkalten wägt man wieder und erßlhrt so das Gewicht des Blutes.
Dann wird die Kappe geöffnet, das Gläschen mit Wasser gefüllt und die Flüssig-
keit gut umgerührt; nach dem Absitzen des Fibrins decantirt man in ein grosses
Becherglas, übergiesst das Fibrin wiederum mit Wasser, dem etwas Kochsalz zu-
gesetzt ist, decantirt wieder und wiederholt dies, bis die Flüssigkeit über dem
Fibrin fast völlig klar bleibt. Fibrinfasern, welche am Stäbchen haften
geblieben, kann man leicht mit einer Pincette abnehmen und dem übrigen
zufügen. Dann bringt man das Fibrin auf ein kleines gewogenes Filter und
wäscht solange mit reinem Wasser, bis dasselbe völlig farblos abläuft, und aoch
das Fibrin höchstens hell rosa gefärbt erscheint. Hierauf wäscht man noch einige
Male mit siedendem Alkohol (um Fett, Cholesterin, Lecithin zu entfernen),
trocknet bei 110—120° und wägt. In derselben Weise verfährt man zur Be-
stimmung des Fibrins in Plasma, nur fängt man dann das aus der Ader
kommende Blut unmittelbar in stark abgekühlten Gefässen auf und lässt dasselbe
bei 0° stehen, bis sich die Körperchen gesenkt haben; dann bringt man mittelst
einer Pipette die nöthige Quantität klares Plasma in den beschriebenen Apparat
(Hoppe-Seyler).
3. Die Bestimmung des Hämoglobins (86), kann entweder gewichts-
analytisch durch Bestimmung des Eisengehaltes oder durch optische Metboden
geschehen. In ersterem Falle verascht man 50—100 Grm. Blut vorsichtig (am
besten unter Zusatz von etwas kohlensaurem Natron) und bestimmt in der Asche
das Eisen wie gewöhnlich, am besten durch Titriren mit Chamäleon. 0'42 Gnn.
Fe = 100 Grm. Oxyhämoglobin.
Die optischen Methoden beruhen entweder auf direkter Vergleichung der
Färbekraft des Blutes mit der einer reinen Oxyhämoglobinlösung von bekanntem
Gehalte oder auf der Untersuchung der Blutlösung mittelst des Spectralapparates.
Behufs der colorimetrischen Bestimmung bereitet man sich eine reine Oxy-
hämoglobinlösung, und bestimmt in einem aliquoten Theile derselben den
Gehalt an Farbstoff durch Eindunsten und Trocknen bei 120®; dann bringt man
eine gemessene Menge derselben Lösung in ein Glaskästchen mit parallelen
Wänden, die genau 1 Centim. von einander entfernt sind, und in ein gleiches
Gefäss eine ebenfalls gemessene Menge des auf das 20 fache Vol. verdünnten
Blutes. Beide Gefässe stellt man sodann dicht nebeneinander vor einen weissen
Papierschirm und verdünnt die dunklere Flüssigkeit (wohl immer die Blutlösung)
so lange mit gemessenen Wassermengen, bis die Farbe beider Proben gleich ist
Man wiederholt di^ Bestimmung unter Anwendung einer verdünnteren Normal-
lösung; eine etwaige Trübung der Lösungen kann man leicht durch Zusatz einer
Blut 327
Spar Alkali beseitigen. Sind die Flüssigkeiten auf gleichen Farbenton gebracht,
so enthalten sie in gleichen Volumen auch gleiche Mengen Oxyhämoglobin, und
man kann dann durch eine einfache Rechnung den Gehalt des Blutes an Farb-
stoff finden (Hoppe-Seyler).
Die spectroskopischen Methoden können hier nur angedeutet werden; die
von Preyer (70) vorgeschlagene beruht darauf, dass man sich eine Normaloxy-
hämoglobinlösung herstellt, welche bei 1 Centim. Dicke gerade noch grünes Licht
durchlässt (s. o. Hämoglobin) und dann diesen Punkt bei einer verdünnten Blut-
lösung von derselben Dicke bestimmt; ist dieser erreicht, so ist der Farbstoffge-
halt in beiden Lösungen derselbe. Die Methoden von Vierordt (71) und
HüFNER (72) beruhen dagegen auf der Ermittelung des Lichtabsorptionsver-
hältnisses der Hämoglobinlösungeh in verschiedenen Spectralbezirken ; Hüfner's
Methode gestattet namentlich auch Hämoglobin und Oxyhämoglobin in einer
Flüssigkeit nebeneinander zu bestimmen.
4. Die Bestimmung der feuchten rothen Blutkörperchen kann nur
auf indirektem Wege ausgeführt werden, da keine Methode bekannt ist, welche
dieselben völlig unversehrt vom Plasma zu trennen gestattet. Die indirekte Be-
stimmung ist möglich, da sowohl das Plasma als auch die Körperchen Sub-
stanzen enthalten, welche ihnen eigenthümlich sind; zur Bildung des Fibrins
tragen die rothen Körperchen nichts bei, und der Farbstoff fehlt dem Plasma.
Man kann daher folgendermaassen verfahren:
Man fllngt 2 Blutportionen auf, die eine (kleinere) im oben beschriebenen
Fibrinapparate, die andere (grössere) in einem gut gekühlten GefUsse und lässt
die Körperchen sich absetzen. Dann bestimmt man sowohl im Blute als auch
im Plasma der zweiten Portion das Fibrin, aus welchen Daten sich die Menge
der feuchten Körperchen dann leicht berechnen lässt Man hat: 100 Blut = j^
Körperchen H- jc Plasma; femer: 100 Blut geben /Fibrin, 100 Plasma: ^Fibrin,
woraus x = 1(^0 fiF folgt (Hoppe-Seyler). Die Menge des Fibrins in Blut und
Plasma ist aber nur sehr gering, und deshalb die Methode nicht sehr genau;
auch giebt es nicht viele Blutarten, aus denen man eine für die Bestimmungen
hinreichende Quantität Plasma gewinnen könnte.
Tysig^gen lässt sich das Gewicht der feuchten Körperchen auch aus dem
Eiweiss- und Hämoglobingehalte des Blutes, der Körperchen und des Serums
berechnen. Man bestimmt zu dem Zwecke: I. die coaguHrbaren Substanzen des
Gesammtblutes durch Fällung mit Alkohol, Auswaschen mit kochendem Alkohol,
Aether und Wasser, Trocknen bei 110—120°, Wägen, Einäschern, Wägen der
Asche, Bestimmung des in dieser enthaltenen Eisenoxyds und Abziehen von
(Asche — Eisenoxyd) von dem Gewicht der getrockneten Eiweisskörper.
n. in derselben Weise die Eiweisskörper in den Körperchen H- Fibrin, indem
man Blut defibrinirt, die Körperchen sammt dem ausgeschlagenen Fibrin durch
Centrifugiren oder Absitzenlassen mit 2^ Kochsalzlösung von Serum befreit und
dann mit Alkohol coagulirt etc.
in. in derselben Weise die Eiweisskörper des Serums, und
IV. das Fibrin im Gesammtblute. Bezeichnen wir diese vier Grössen,
sämmtlich auf 100 Th. Blut oder Serum berechnet, mit (der Reihenfolge nach)
a, h, c und/, so ergiebt sich zunächst: 100 ^~" -+-/ = Plasma in 100 Thln. Blut,
und hieraus K(örperchen) = 100— flOO^-^ -h/1 (Hoppe-Seyler).
328 Handwörterbuch der Chemie.
5. Bestimmung des Paraglobulins und Sernmalbumins im Serum.
Man verdünnt 1 Vol. Serum mit 5 Vol. einer gesättigten Lösung von schwefel-
saurer Magnesia und sättigt das Gemisch damit durch Eintragen des gepulverten
Salzes, filtrirt durch ein gewogenes, mit gesättigter Bittersalzlösung angefeuchtetes
Filter, wäscht mit dieser Salzlösung vollständig aus, bis das Filtrat ganz eiweiss-
frei, trocknet bei 100—110° C, wäscht mit kochendem Wasser völlig aus, dann
mit Alkohol und Aether, und trocknet wieder bei 100—110° C. Aus dem Eil-
träte und den Bittersalz Waschflüssigkeiten wird das Serumalbumin durch Kochen
unter Zusatz einer Spur Essigsäure ausgefallt, auf einen gewogenen Filter gesam-
melt, mit Wasser, Alkohol und Aether gewaschen und bei 100 — 110°C. getrocknet
(Hammarsten) (73), Eine optische Methode hat L. Frädäricq (83) angegeben.
6. Bestimmung der Eiweissstoffe, Extractivstoffe, Fette, Leci-
thin, Cholesterin und Salze. Eine gewogene oder gemessene Menge Blut
oder Serum wird mit 3—4 Vol. Alkohol nach und nach unter gutem Umrühren
versetzt, der Niederschlag nach einigen Stunden auf einem gewogenen Filter ge-
sammelt, mit Weingeist, kochendem absolutem Alkohol, Aether, Alkohol und kochen-
dem Wasser in verschiedene Gläser gewaschen, getrocknet (zuletzt bei 120° C.) und
gewogen. Der weingeistige Auszug wird verdunstet, der Rückstand mit dem
alkoholischen und ätherischen Auszage Übergossen, durch ein gewogenes
Filter filtrirt, mit Alkohol und Aether gewaschen, hierauf mit dem wässrigen
Auszuge in ein anderes Glas gewaschen, hierauf mit destillirtem Wasser gewaschen
und bei 120° C. getrocknet; dieser Rückstand besteht noch aus EiweissstofTen.
Der wässrige Auszug wird sodann in einem gewogenen Schälchen verdunstet, bd
HO — 115° C. getrocknet, gewogen, bei massiger Hitze verascht und wieder ge-
wogen; diese Asche enthält die löslichen Salze. Das alkoholische und ätherische
Extract wird bei massiger Wärme (nicht über 70° C.) verdunstet, der Rückstand
mit Aether extrahirt, auf einem Filter gesammelt, mit Aether (in ein Kölbchen)
gewaschen, dann mit Wasser vom Filter in ein gewogenes Schälchen gespült, g^
trocknet, bei 100— 110°, C. getrocknet, gewogen, bei massiger Hitze verascht
und gewogen; diese Asclie enthält einen anderen Theil der löslichen Salze. Der
Aetherauszug wird grösstentheils abdestillirt, der Rückstand mit Alkohol in ein
gewogenes Becherglas gebracht, zur Trockne verdunstet, nach dem Erkalten
schnell gewogen, wieder in Alkohol gelöst und mit überschüssiger alkoholischer
Kalilauge ca. 1 Stunde lang gelinde gekocht, mit etwas Wasser verdünnt, der
Alkohol abgedunstet, der Rückstand in Wasser gelöst und mit Aether ausge-
schüttelt. Die Aetherlösungen werden abdestillirt, der Rückstand mit Alkohol und
Aether in ein gewogenes Becherglas gespült, hierin getrocknet, durch Waschen
mit kaltem Alkohol von etwas Seifen befreit, getrocknet (bis 80°) und gewogen:
Cholesterin. Die alkoholischen Waschflüssigkeiten werden zu der mit Aether aus-
geschüttelten Lösung gebracht, Salpeter zugesetzt, in einer Silberschale zur
Trockne verdampft und bis zur völligen Verbrennung der Kohle geschmolzen,
die Schmelze in Wasser gelöst und die Phosphorsäure darin wie gewöhnlich als
MgjPjOy bestimmt; das Gewicht dieser mit 7-2748 multiplicirt giebt die Quanti-
tät des vorhandenen Lecithins. Zieht man dessen Gewicht -+- dem des Choles-
terins von dem des Rückstandes des Aetherauszuges ab, so erhält man das
Gewicht des Fettes. Die Menge der Extractivstoffe ergiebt sich aus den Ge-
wichten des Wasser- und des Alkoholextractes durch Subtraction der Aschen-
gewichte. Die unlöslichen Salze erhält man durch Veraschen der Eiweissnieder-
schläge (Hoppe-Sevler).
j
Blut. 329
7. Bestimmung der anorganischen Bestandtheile des Blutes und
des Serums. Dieselbe kann natürlich durch die quantitative Analyse der nach
6. erhaltenen Asche geschehen (für das Gesammtblut der einzige Weg), im Serum
aber lassen sich wenigstens einzelne Bestandtheile direkt bestimmen. Versetzt
man Serum mit verdünnter Essigsäure bis zur sauren Reaction und fugt oxal-
saures Ammon hinzu, so fallt der Kalk als Oxalat aus, welches abfiltrirt und
wie gewöhnlich bestimmt wird; aus dem Filtrate kann durch Ammoniak und
phosphorsaures Natron die Magnesia als Tripelphospat ausgeschieden werden,
oder die Phosphorsäure in derselben Form durch blossen Zusatz von Ammoniak
(74). Durch Behandlung mit kohlensaurem Silberoxyd kann man dem Serum
das ganze Chlor entziehen, doch geht etwas Eiweiss in den Niederschlag über.
8. Bestimmung der Blutmenge eines Thieres. Bisher wurde dieselbe
so ausgeführt, das dem Thiere eine bestimmte Menge Blut entzogen, und de-
fibrinirt wurde; hierauf wurde dasThier verblutet, geöffnet, Darmkanal und Galle
entfernt, und so gut wie möglich zerkleinert, die ganze Masse mit Wasser bis
zur Entfärbung ausgewaschen, und sämmtliche Waschflüssigkeiten mit der Haupt-
blutmenge vermischt. Alsdann wurde die Färbekraft dieser Flüssigkeit im Vergleich
zu dem ursprünglichen Blute bestimmt und daraus berechnet, wieviel Blut durch
das Verbluten und Auswaschen gewonnen wurde. Diese Methode leidet an dem
Fehler, dass das den rothen Muskeln eigene Hämoglobin als Bhithämoglobin in
Rechnung gebracht wird (75). Neuerdings haben Grähant und Quinquaud (76) eine
Methode angegeben, welche darin besteht, dass man einem Thiere eine be-
stimmte Menge Blut entzieht, und dasselbe dann eine Zeit lang in ein bestimmtes
Volum einer Mischung von O, H und CO athmen lässt, worauf eine zweite Blut-
probe genommen wird. Man bestimmt sodann von beiden Blutproben ihr Ver-
mögen, O zu absorbiren, und femer das rückständige CO in dem Gasgemisch.
Z.B. 100 Ccentim. frisches Blut absorbiren 18-1 Ccentim. O, 100 Ccentim. ver-
giftetes aber nur 10*1 Ccentim., letztere enthalten demnach 8 Ccentim. CO;
femer wäre dass verschwundene Volum CO = 64 Ccentim., so ergiebt sich die
Blutmenge x aus der Proportion: 100: 8 = :«:: 64 gleich 800 Ccentim. Der be-
treffende Hund wog 1015 Kilo, seine Blutrnenge ist also = 1/12*7 des Körper-
gewichts. Greha5it und Quinquaud's Bestimmungen schwanken bei Hunden
zwischen 1/11 und 1/13-8, oder 0091 und 0072 des Körpergewichts; Bischoff
fand die Blutmenge bei hingerichteten Verbrechern zu 0'071 und 0077, Welcker
bei neugeborenen Kindern zu 0*0526 (77).
Blutflecken. Ob dunkle Flecken auf Zeug, Holz, Metall etc. von Blut
herrühren, lässt sich auf verschiedene Art und Weise erkennen. Sind die Flecke
nicht zu alt, so lassen sich nach dem Aufweichen mit 0*5^ Kochsalzlösung
unter dem Mikroskop bisweilen noch die Blutkörperchen erkennen, doch sind
Schlüsse auf die Natur des Blutes, ob menschlich, ob thierisch, nur selten mög-
lich, wenn die Körperchen elliptisch sind, einen Kern haben etc. Behandelt
man den Flecken mit Wasser, und färbt sich die Lösung roth, so untersucht
man mittelst des Spectroskopes, wobei man bei eingetrockneten Blute das Methämo-
globinspectrum sieht Hat man genügendes Material zur Verfügung, so setzt man
einer Probe etwas Schwefelammonium zu und beobachtet, ob nun das Hämo-
globinspectrum, und nach dem Schütteln mit Luft das Oxyhämoglobinspectrum
auftritt Eine andere Probe der Substanz wird mit einer Spur Chlomatrium und
8 — 16 Tropfen Eisessig auf einem Uhrgläschen zerdrückt und zum Kochen er-
hitzt, hierauf auf dem Wasserbade die Essigsäure verjagt, und der Rückstand
330 Handwörterbuch der Chemie.
unter dem Mikroskope auf die rhombischen Plättchen von Hämin untersucht.
Sind solche vorhanden, so ist damit der Nachweis des Blutes erbracht Ge-
kochtes Blut, lufttrocken erhitztes oder mit Säure oder Kali behandeltes Methämo-
globin geben od keine oder nur unsichere Häminreaction, aber mit Natronlauge
eine rothe, in dünner Schicht grünliche Lösung, welche mit etwas Schwefel-
ammonium schön hellroth wird und die Streifen des Hämochromogens erkennen
lässt, welche bei kurzem Schütteln mit Luft verschwinden, bei ruhigem Stehen
aber wieder erscheinen, nach Behandlung der Flüssigkeit mit einer starken Säure
dagegen nicht wieder hervorgerufen werden, weil hierdurch das Hämochromogen in
Hämatoporphyrin übergeführt wird (Hoppe-Seyler) (78).
Blut anderer Thiere. Das Blut anderer Thiere, als der Säuger und
Vögel, ist noch wenig untersucht. Nach Tiegel (79) gerinnt das Blut aus der
Vena cava von Schlangen (Elaphis- und Tropidonotus-krt^n) in längstens \ Stunde,
Aortenblut dagegen niemals nach 3^, sehr häufig nicht einmal nach 24 Stunden.
Das Coagulum haftet den Gefasswandungen fest an, trennt sich in Kuchen nnd
Serum, zerfallt aber beim Schütteln in kleine Fetzen und giebt solche auch beim
Schlagen. Plasma von hungernden Schlangen enthält nur Faraglobulin, von ver-
dauenden auch Serumalbumin.
Das Blut von Octopus vulgaris enthält nach L. Frädäricq (80) einen fiarb-
losen Eiweisskörper, der beim Schütteln mit Luft dunkelblau (unter Aufnahme
von Sauerstoff), im Vacuum, in Berührung mit lebenden Geweben oder beim
Aufbewahren wieder farblos wird. Er nennt diesen Körper Hämocyanin;
derselbe ist in Wasser löslich, gerinnt bei 68—69°, giebt die Reartionen der Ei-
weisskörper und enthält eine bedeutende Menge Kupfer in organischer Verbindung.
Das Hämocyanin findet sich auch im Hummer- und Krabbenblute, sowie bei
vielen anderen niederen Thieren (81). Im Blute aus dem Rückengefässe der
Larve von Oryctes nasicornis konnte Frädäricq (82) keinen dem Hamoglobio
oder Hämocyanin ähnlichen Körper auffinden; dasselbe ist farblos, enthält ebe
grosse Menge farbloser Körperchen und coagulirt spontan. E. Drechsel.
Boden.*) Wir verstehen unter Boden den zum Anbau der Culturpflanzen
geeigneten Theil der festen Erdoberfläche. Jeder Boden bildet eine aus mineni-
♦) i) Ferd. Senft, Der Steinschutt und Erdboden (Eisenach). 2) De«., Humus-, Marsch-,
Torf-, Limonitbildung (Leipzig 1862). 3) Fesca, Journ. f. Landw. 27 (SuppL), 1879, pag. 60.
4) A. Orth, Ber. 15, pag. 3025. 5) Hensen, Landw. Jahrhttcher (1882), Bd. XI, pag. 661.
6) Darwin, P. E. Müller, v. Lengerke, vergl. No. 5. 7) Berzelius, Gmelin VII, pag. 1861, 1863.
8) Mulden, J. pr. Ch. 21, pag. 203, 321; 32, pag. 321. 9) A. Petermann, Biedermanns
Centralbl. 12, pag. 361. 10) Hermann, J. pr. Ch. 22, pag. 65; 23, pag. 375; 25, pag. 189;
27i pag' 165; 34, pag. 156. II) Detmer, Versuchsstat. 14, pag. 248. 12) G. LoGES, Ebend. 38,
pag. 229. 13) Herz, Handwörterb. d. Chemie m, pag. 715. 14) Ad. Mayer, Versnchsst 29,
P^- 3 'S- 15) ^- Fleischer, Thätigkeit der Centr. Moor-Commission (Berlm 1882), pag. 8.
16) Jentzsch, Ber. Centr. Moor-Commiss., V. Sitz. (1877), pag- 3i- »7) Salfeld, Landw.
Jahrbücher 12, pag. 21, 22. 18) C. ViRCHOW, Ebend. 12, pag. iii, 127. 19) Runde, Statist
d. Moore Schlesw.-Holsteins (Schriften d. Centr. Moor-Commiss. 1880), pag. 3. 20} Grisxbacb,
gesammelte Abh. z. Pflanzengeographie, Leipzig 1880. 21) Emeis, waldbauL Forsch. (Berlin 1875).
pag- 35i 38- 22) ScHÜBTXR, Grundsätze d. Agriculturchemie 1838. 23) Haberlandt, Agric
Jahresber. 9, pag. 49, 52; 18/19, pag. 26, 28, 35, 36, 38, 40; 20, pag. 43; WoLLNY*s Agr.
Physik. Forsch. I, pag. 148. 24) Pfaundler, Pogg. Ann. 129, pag. 102. 25) Platter, Agr.
Jahresber. 13/15, pag. 104. 26) Ad. Mayer, Landw. Jahrbtlcher 3, pag. 753; Wolln^s Agi.
Phys. Forsch. 3, pag. 150. 27) Ebermayer, Physik. Einwirk. d. Waldes auf Luft u. Boden,
Berlin (1873). 28) Kessler, Agric. Jahresber. 16/17, pag. 49. 29) Oemlbr, Ebend. l6jl7,
Boden. 331
lischen, gröberen und feineren Theilchen zusammengesetzte Masse, gemengt und
aufs Innigste verbunden mit einer gewissen Menge organischer Substanz (Humus).
pag. 31. 30) A. C. u. Edm. Becquerel, Compt. rend. 82, pag. 587, 700; 80, pag. 141, 773.
31) Gazzeri, vergl. Orth, Versuchsstat 16, pag. 56. 32) Bronner, vergl. Mohr, Ann. 127,
pag. 125. 33) Thompson, Huxtable, vergl. Knop, Kreislauf d. Stoffs, pag. 116 und J. Roy.
Agr. Soc. n, pag. 68. 34) Way, J. Roy. Agr. soc. IX (1850), pag. 313; XUI, pag. 123;
XV, pag. 491. 35) Liebig, Ann. 94, pag. 373. 36) Ders., Ann. 105, pag. 109, 120. 37) Henne-
berg u. Stohmann, Ann. 107, pag. 152. 38) Brustlein, Ann. chim. phys. [3] 56, pag. 157.
39) Völcker, J. Roy. soc. 21, pag. 105. 40) u. 41) Rautenberg, Agr. Jahresber. 5, pag. 30;
J. f. Landw. 1862. 42) Eichhorn, Landw. Jahrbücher 4, pag. i. 43) Beyer, Agr. Jahresber. 11/ 12,
pag. 67. 44) Knop, Die Bonitirung der Ackererde (Leipzig 1871). 45) Biedermann, Versuchs-
stationen 15, pag. 21. 46) Frey, Versuchsstat. 18, pag. 3. 47) A. König, Landw. Jahrbuch. 11
(1882), pag. I. 48) Peters, Versuchsstat. 2, pag. 113. 49) Frank, Ebend. 8, pag. 45.
50) Treutler, Ebend. 12, pag. 184; 15, pag. 368. 51) P. Wagner, J. f. Landw. 1874,
pag. 353. 52) TuxEN, Versuchsstat. 27, pag. 107. 53) Liebig, Ann. 105, pag. 1 17. 54) E- Heiden,
Agr. Jahresber. 9, pag. 27. 55) van Bemmelen, Versuchsstat. 21, pag. 135; 23, pag. 265.
56) VöLCKE, Agr. Jahresber. 8, pag. 22. 57) Küllenberg, Ebend. 8, pag. 15. 58) Kalmann
u. Böcker, Versuchsstat. 21, pag. 349. 59) Lemberg, Agr. Jahresber. 20, pag. 35. 60) Iwanoff,
Ebend. 20, pag. 34. 61) Biedermann, Versuchsstat. 11, pag. i, 81. 62) Fiedler, Ebend. 26,
pag. 135. 63) Ullik, Ebend. 23, pag. 347, 350. 64) Ritthausen, Agric. Jahresber. 18/19,
pag. 51. 65) Eichhorn, Landw. Jahrbücher 4, pag. i. 66) H. Albrecht u. Vollbrecht,
Ebend. 9, pag. 115. 67) Knop, Versuchsstat. 5, pag. 137. 68) Grouven, Agric. Jahresber. i,
pag. 13. 69) Fraas u. Zöller, Ebend. 2, pag. 11. 70) Schlösing, Compt. rend. 70, pag. 98.
71) A. Völcker, Agric Jahresber. 16/17, pag« »36. 72) E. Heiden, Ebend. 8, pag. 33.
73) F. Schulze, Versuchsstat 6, pag. 409. 74) Knop, Agric. Jahresber. 7, pag. 31. 75) Rob.
Hoffmann, Versuchsstat 5, pag. 193. 76) Cossa, Ebend. 8, pag. 54. 77) Emmerling u. Loges,
Bieoermann's Centralbl. 12, pag. 655. 78) Emmkrling, Mitth. Verein Schlesw.-Holst Aerrte
(1883) ni, pag. 124. 79) W. Wolf, Landw. Jahrbücher 2, pag. 407. 80) Pagel, Ebend. 1877,
Suppl., pag. 351. 81) P. Petersen, Versuchsstat 13, pag. 155. 82) W. Wolf, Landw. Jahr-
bücher 2, pag. 389. 83) Privatmitth. des Ref. 84) C. Schmidt, Agric. Jahresber. 23, pag. 6.
85) Bretschneider, Ebend. 8, pag. 29. 86) Knop u. Wolf, Versuchsstat 3, pag. 109, 207.
87) Osswald, Landw. Jahrbücher, 1877 Suppl., pag. 378. 88) Fittbogen, Ebend. 3, pag. 109.
89) Knop, Versuchsstat 5, pag. 137. 90) Boussingault, Ann. chim. phys. [4] 29, pag. 186.
91) Emmerling, Agric. Jahresber. 16/17, pag. 18. 92) Schlösing, Compt rend. 77, pag. 203, 353.
93) Knop, Versuchsstat 5, pag. 151. 94) Boussingault, Agronomie, 2. Aufl. (Paris 1868) II,
pag. 69. 95) Schlösing, Compt rend. 73, pag. 1326. 96) Privatmitth. des Ref.
97) Alex. Mt^iXER, Ber. 10, pag. 789. 98) Schlösing u. Müntz, Compt rend. 84, pag. 301.
99) Warrington, Versuchsstat. 24, pag. 161. 100) Boussingault, Compt rend. 82, pag. 477.
loi) Chabrier, Compt rend. 73, pag. 186, 1480. 102) Gayon u. Düpetit, Agric. Jahresber. 25,
pag. 24. 103) Deherain u. Maguenne, Ebend. 25, pag. 24. 104) Schönbein, Ann. 124,
pag, I. 105) Carius, Ann. 174, pag. 43. 106) Deherain, Compt rend. 73, pag. 1352,* 76,
pag. 1390. 107) Simon, Versuchsstat 18, pag. 452. 108) Schlösing, Compt rend. 82,
pag. 1202. 109) Brustlein, Ann. chim. phys. [3] 56, pag. 157. 11 o) Eichhorn, Agr. Jahresber. 3,
pag. 27. iii) Ammon, Wollny's Forsch, a. d. Geb. d. Agric. Physik U, pag. 33. 112) Bret-
schneider, Agric. Jahresber. 13/15, pag. 85. 113) Koch, Ebend. 24, pag. 42. 114) E. Wolff,
Anleitung u ehem. Unters, landw. wicht. Stoffe (Berlin). 115) Grandeau, Handb. f. agric.
ehem. Analysen (Berlin 1879). 116) Krocker, Agric. ehem. Analyse (Breslau). 117) F. Schulze,
Ztscbr. f« analyt Chemie (1870), Bd. IX, pag. 400. 118) Tiemann, Ber. 6, pag. 1041.
119) Schlösing, Compt rend. 37, pag. 858. 120) Böhmer, Versuchsstat 28, pag. 251.
isi) Emmerling, Ebend. 24, pag. 129. 122) Schöne, Ztschr. analyt Chemie 7, pag. 29.
123) Orth, Ber. 15, pag. 3025. 124) Jahresber. f. Agriculturchemie, Bd. I— XXV, 1858— 1883
(Berlin). 125) Schönbein, J. pr. Chemie 84, pag. 193. 126) Schönbelv, Ebend. 105, pag. 208.
127) Boussingault, Agronomie, 2. Aufl. (Paris 1868) II, pag. 69. 128) Berthelot, Bull, soc.
33* HandwÖrtCTbuch der Chemie.
Die mineralische Grundmasse eines jeden Bodens entsteht durch Verwitterang
der (Gesteine. Wenn die Produkte der Verwitterung noch an dem Ort ihTct
Bildung, also auf dem Muttergestein lagern bezeichnet man den Boden als
Verwitterungsboden; sind dieselben durch das Wasser fortgeführt, auf frerodcm
Gestein abgelagert, als Schwemmboden. Bodenbildende Kräfte sind daher
die Verwitterung der Gesteine und die Transportmittel der Natur, insbesondere
das Wasser. Die Verwitterung besteht in dem mechanischen Zerfall des Ge-
steins und der Zersetzung der Mineralien unter dem Einfluss des Wassers und
der Atmosphärilien. Die Verwitterbarkeit der einzelnen Mineralien ist eine sehr
verschiedene. Zu den leichter verwitternden gesteinsbildenden Mineralien zählen
die Feldspathe, insbesondere Oligoklas, schwer verwittern Glimmer, Talk, Chlorit,
Augit, Hornblende, die beiden letztgenannten jedoch leichter als die ersteren.
Das Produkt der Verwitterung der Gesteine kann bezeichnet werden als der
gesammte Gebirgsschutt (i). Derselbe gliedert sich a) in den Steinschutt
oder das Produkt des mechanischen Zerfalls der Gesteine und Mineralien, und
b) in den Erdschutt, der vorwiegend die feinpulvrigen Produkte der chemischen
und mechanischen Verwitterung einschliesst
Der Steinschutt ist wieder zu zerlegen in den groben Stein seh utt, um-
fassend alle Gesteinstrümmer, welche mindestens die Grösse einer Haselnuss
haben, GeröUe, Geschiebe bis zu den grösseren isolirten Felsblöcken; und in
den feinen Steinschutt oder Sand, welcher alle Gesteins- und Mineral-
trümmer einschliesst, die Erbsen bis Kirschkemgrösse nicht übersteigen.
Der Erdschutt besteht in dem feinerdigen thonigen Produkt der Ver-
witterung, gemengt mit einem durch Reibung und Abschleifung entstandenen
mineralischen Detritus (namentlich Quarz und häufig etwas Glimmer). Der
thonige Antheil ist ein Gemenge, da das bei der chemischen Verwitterung
entstehende feinerdige Produkt selbst zusammengesetzter Art ist. Eine Betrachtung
über die Verwitterung der gesteinsbildenden Mineralien, auf die wir hier näher
nicht eingehen können, lehrt, dass der thonige Bestandtheil im Allgemeinen ent-
hält: Kieselsaure Thonerde (reiner Thon), wasserhaltiges (durch Säure zersetz-
bares) Silicat, kieselsaures Eisenoxyd, Eisenoxydhydrat, kohlensauren Kalk,
Magnesia, Eisenoxydul. Da einige dieser Bestandtheile, namentlich das Eisen-
oxydhydrat und der kohlensaure Kalk (resp. Magnesia und Eisen) leicht
veränderlich und löslich sind, so pflegt man zu den Bestandtheilen des eigent-
lichen Erdschuttes nur die beständigen Theile desselben, also kieselsaure Thon-
erde (resp. kieselsaures Eisenoxyd) und den beigemengten mineralischen Detritus
zu zählen.
Der Gebirgsschutt wird durch die bewegende Kraft des Wassers zeitweilig
oder stetig fortbewegt und tiefer gelegenen Orten zugeführt Gleichzeitig findet
eine Sonderung der feineren von den gröberen Theilen statt, da die Schlämm-
bark ei t je nach dem Geweht resp. mittleren Durchmesser und spec. Gew. eine
sehr verschiedene ist. Der Thon und mineralische Detritus, welche im Wasser
suspendirt bleiben, eilen voraus, die Sande lagern sich vielfach schon an den
Flussufem ab, träge folgt am Grund der Flussbette der grobe Steinschutt, Gerolle
und glatte Kiesel bildend. Eine bleibende Ruhestätte erreicht der Sand und das
chim. 26, pag. 58; Ann. chim. phys. [5] 12, pag. 445. 129) Ders., Ann. chim. pbys. [5] 10,
pag. 52. 130) Grandeaü, Compt rend. 87, pag. 60. 131) Lawes, Goaert u. Waringtok,
Biedermann's CentralbL 11, pag. 649. 132) Bohug, Ann. 125, pag. 21. 133) FRÜH, Biedbr-
mann's Centralbl. 13, pag. 6.
\
Boden, 333
Gerolle erst an der Ausmündung der Flüsse in Seen oder Meere mit dem
Aufhören der Strömung. Der grossartigste Absatz von Gesteinsschutt findet
im Meere in der Nähe der Ausmündung der Flüsse statt Der thonige Erdschutt
und Detritus erfordert zur Ablagerung eine grosse Ruhe des Wassers. Ein solcher
Ruhezustand wird vermittelt durch die stromaufwärts vordringende, also der
Richtung der Wasserströmung entgegenwirkende Fluthwelle des Oceans. Auf den
überschwemmten Fluss- und Seeufem, überall wo diese nur sanftes Gefälle haben,
lagert sich zur Zeit der P'luthhöhe eine Menge feiner sandiger Detritus, Thon
und Reste vieler mikroskopischer Organismen ab, welche bei der Vermischung
des Salzwassers mit süssem Wasser zu Grunde gingen. Durch die tägliche
Wiederholung des Vorgangs vermehrt sich der Absatz (Schlick), dessen Bildung
oft durch künstliche Schutzvorrichtungen noch begünstigt wird.
Auf diese Weise sind die Marschen (2) an der Mündung vieler Ströme ent-
standen. Man unterscheidet Flussmarschen und Seemarschen, je nachdem
dieselben dem Ufergebiet der Flüsse angehören, oder jenseits der Flussmündungen
an den benachbarten Seeküsten entstanden sind. Der Absatz der Flüsse wird
auch begünstigt durch natürlich gebildete Schutzwälle, welche bei sanft abfallenden
Meeresufern leicht an der Ausmündung grosser Ströme durch Anhäufung von
Gebirgschutt, Baumstämmen und andern Pflanzenresten entstehen. In dem Be-
reich dieser Ufer wälle, die sich allmähhch über das Wasser erheben (Lagunen)
wird die Wasserströmung gehemmt, so dass nun auch eine Menge Thon zum
Absatz gelangen kann. Auf diese Weise sind grosse Flächen eines fruchtbaren
thonigen Bodens, die sogen. Deltabildungen entstanden, z. B. an der Mündung
des Missisippi's, Nil's, Po's, Rhein's, der Donau.
Aach die im Wasser als lösliche Produkte der Verwitterung fortgeführten
Bestandtheile gelangen zum Theil zum Absatz. Dies gilt namentlich vom kohlen-
sauren Kalk, an dem die Meere arm sind, obgleich ihnen durch die Flüsse grosse
Mengen zugeführt werden. Der Niederschlag wird vermittelt durch Organismen
verschiedener Art, welche den Kalk zum Bau ihrer schützenden Umhüllungen,
Panzer, Schalen, Muscheln verwerthen und nach dem Absterben am Meeresgrunde
anhäufen. Die Foraminiferen sind es besonders, welche eine der grossartigsten
Bildung dieser Art, die Kreide, im Ocean erzeugt haben und noch erzeugen. In
ähnlicher Weise werden kieselige Organismenreste abgelagert (Infusorienerde).
Der Stein- und Erdschutt älterer geologischer Perioden ist durch Verdichtungs-
processe, auf die wir hier nicht näher eingehen, zu festem Gestein erstarrt
(Deuterogene Gesteine). Wurden diese Formationen durch vulkanische Kräfte
oder durch Senkungen der Umgebung gehoben, so beschrieb der sich alsdann
bÜdende Gebirgsschutt den Weg nach den Niederungen ein zweites Mal, vielerorts
vermengt mit den Produkten des ersten Zerfalls ursprünglicher Felsarten.
Versuchen wir jetzt die Bodenarten zu classificiren so haben wir zunächst
folgende Haupteintheilung (3):
I. Verwitterungsboden. IL Schwemm boden.
A. der Primitiv-Gesteine.
B. der deuterogenen Gesteine.
Die Verwitterungsbodenarten ruhen auf dem Muttergestein und sind
daher geologisch einzutheilen nach den Felsarten, welchen sie angehören: Gneiss-
boden, Basaltboden, Sandsteinboden u. s. w.
Eine allgemeinere für beide Hauptbodenklassen durchführbare Eintheilung
gründet sich auf die Thatsache, dass die Kategorien des feinen und groben
334 Handwörterbuch der Chemie.
Steinschuttes in allen Bodenarten wiederkehren, nur nach Menge, Komgrösse
und mineralischer Natur wechselnd. Man gelangt hiemach, wenn man noch die
kalkreichen Bildungen hinzunimmt, zu folgender Eintheilung: Bodenbildungen,
welche vorwiegend bestehen aus I. grobem Steinschutt, U. feinem Steinschutt,
III. Erdschutt, IV. gemengtem Erdschutt (Stein- und Erdschutt), V. Kalkboden-
arten.
I. Bodenbildungen aus grobem Steinschutt (Schuttböden). Die
Gesteinsfragmente der Verwitterungsschuttböden sind von eckiger, scharfkantiger
Form (Breccien-, Tuff-, Grusböden), die der angeschwemmten Böden meist auf
dem Wassertransport glattgerieben und abgerundet (Geröllböden). Die Cultur-
fähigkeit dieser Bodenarten hängt davon ab, ob die Gesteinsfragmente verwitter-
bare Mineralien enthalten, welche die für das Pflanzenwachsthum nothwendige
Feinerde zu bilden vermögen. Wo dies nicht der Fall, kann von einer Cultur
der Schuttböden überhaupt nicht die Rede sein.
II. Bodenbildungen aus feinem Steinschutt (Sandboden), bestehen
vorwiegend aus Gesteins und Mineraltrümmem unter 2 Millim. Durchmesser, sie
gehören ebensowohl den Schwemmbodenarten, als den Verwitterungsböden an,
und finden sich hier besonders häufig im Gebiet der Sandsteine (3}.
Die Sandbodenarten sind näher zu gruppiren nach der Komgrösse des Sandes.
Orth (4) unterscheidet folgende Körnungsstufen:
Mittlerer Durchmesser 0*05 — 0*2 Millim. feiner Sand,
„ „ „ 0*2 — 0*5 „ mittelkömiger Sand,
„ „ „ 0*5 —2 „ grobkömiger Sand,
„ „ „ über 2 „ Grand und Kies.
Im Allgemeinen enthält ein Sandboden Gemengtheile verschiedener Kömungs-
grade, deren Verhältniss durch die mechanische Bodenanalyse ermittelt werden
kann. Die Sandbodenarten sind ferner näher zu gruppiren nach der mineralischen
Natur der Sandkörner. Besonders wichtig sind die folgenden:
1. Quarzreicher Sand.
2. Feldspathhaltiger Quarzsand, mit wechselndem Gehalt an Feldspath (his ca. 25f)>
Neben Feldspathen finden sich in der Regel auch andere Mineralien, wie Augit, Glimmer, Horn-
blende.
3. Glimmerhaitiger Sand, ein Quarzsand mit einem Gehalt an Glimmer (2 — 5|). Da-
hin gehört der feinkörnige, oft kalkhaltige Wattensand, Marschsand.
4. Kalkhaltiger Sand, mit einem bis ca. 10^ betragenden Gehalt an kohlensauTcn
Kalk. Dieser ist oft in Form von Conchylien-, Korallenresten, Muscheln vorhanden. Dahin ge-
hört z. B. der Korallensand des imteren Diluviums, mit Resten von Bryozooen (Mooskoralleo)
aus der Kreideformation.
5. Eisenschüssiger Sand; bestehend aus Quarz und Fragmenten eisenhaltiger Mineralien.
Die Quarzkörner sind mit einer dünnen Schicht von (durch Verwitterung gebildetem) Eisenoxjd
überzogen. Der obere Diluvialsand, in den Geest- und Haidedistrikten Norddeutschlands sehr
verbreitet, ist oft eisenreich. Das in der Tiefe sich verdichtende Eisen bedingt hier oft St
Bildung einer undurchlässigen, culturfeindlichen Sandsteinschicht (Ortstein).
6. Kalkreicher Sand; d. h. ein solcher, welcher zu 80—95^ aus kohlensaurem Kilk
besteht. Er kommt als ein Produkt mechanischer Zertrümmerung im Kalkgebirge vor. Der
Kalksand der Dünen besteht aus splittrigen und schaah'gen Fragmenten von Conchyliengehttusen,
Korallen etc.
Alle diese Sande gehen in einen der Cultur würdigen Ackerboden erst über
durch eine Beimengung feinerer thoniger Theilchen, sei es, dass diese dorcb
Verwitterung aus den Mineralien des Sandes erzeugt, oder von vornherein mit
Boden 335
dem Sande zum Absatz gelangt, oder künstlich (durch Mergelung) hinzugefügt
seien. Nach der Art dieser feineren Theilchen (thonig, mergelig, lehmig, quarz-
staubig oder fehlend) sind dann die Sandbodenaiten noch näher zu classificiren
und zu bezeichnen.
III. Vorwiegend aus Erdschutt bestehende Bodenbildungen. Diese
werden im Allgemeinen als Thone, Thonböden bezeichnet Wir haben beim
Erdschutt (s. o.) die gemengte Natur desselben hervorgehoben. Man unterscheidet
demnach je nach der Reinheit und der Art der Beimengungen verschiedene
Thone, von denen die wichtigsten sind:
1. Kaolin, reinster Thon; vorherrschend durch Verwitterung der Feldspathe erzeugtes
Thonerdesüicat, gemengt mit Gesteinsfragmenten, Quarzstaub, Glimmer, kieseligen Einlagerungen.
2. Töpferthon, weniger rein, ein Gemenge von Thonerdesüicat mit sehr feinem Sand,
Eisenoxydhydrat, kleinen Antheilen von Kalk, Magnesia, Alkalien. Im feuchten Zustand teigartig,
sehr knetbar, fühlt er sich im trocknen fettig an (fetter Thon) und lässt sich mit dem Finger-
nagel glätten. Bei grösserem Gehalt an Kieselmehl und Eisenoxyd fUhlt er sich rauh und mager
an (magerer Thon), lässt sich weder glätten, noch in dilnne Platten auswalzen, wie der fette Thon.
3. Eisenschüssiger Thon, mit höherem Gehalt an Eisenoxyd. Je nachdem dieses in
Form eines dem Kaolin entsprechenden Eisenoxydsilicates oder in Form von freiem Oxydhydrat
vorhanden, nähern sich seine physikalischen Eigenschaften mehr denen des fetten oder mageren
Thones.
4. Glimmerreicher Thon, zeigt eine Neigung zur Schieferung und oft bedeutenden
Eisengehalt; bildet bedeutende Lager in den Thälem des Gneiss und Glimmerschiefergebirges.
5. Bituminöser Thon, durch organische Substanz dunkel gefärbt, kommt namentlich
im Braunkohlengebirge und im Gebiet der Moore vor.
Gesellt sich zum Thon ein bedeutender Kalkgehalt, so bezeichnet man ihn,
je nach dem Gehalt an kohlensaurem Kalk als mergeligen Thon (ö— lOJ
kohlensaurem Kalk), als Thonmergel (12 — 25^), als gemeinen Mergel
(25—50^), als Kalkmergel (50—90^). Diese Thonmergelarten besitzen mildere
Eigenschaften wie die kalkarmen Thone. Sie sind im trockenen Zustand mürb
und zerfallen leicht zu einem krümligen Pulver.
Die Thone sind für sich allein ungünstige Bodenarten, da sie im feuchten
Zustand zäh und sehr schwer zu bearbeiten sind, beim Trocknen stark schrumpfen,
rissig werden und dadurch die Pflanzen wurzeln gefährden. Nur wenn der Thon
eine gewisse Menge Sand enthält, bildet er einen culturfahigen Boden. Ein
solcher Thonböden enthält noch 50 — 75 J fein schlämmbarer Theilchen. Bei
hohem Gehalt an solchen bezeichnet man denselben als zähen oder schweren
Thonböden, bei geringerem Gehalt und grösserer Sandbeimengung als sandigen
Thonböden. Man unterscheidet femer kalkarmen und kalkhaltigen, und bei
hervortretendem Eisengehalt den eisenschüssigen Thonböden.
IV. Bodenarten aus gemengtem Erdschutt, nehmen die Mitte ein
zwischen Sand- und Thonböden und gehören zu den verbreitesten und cultur-
fähigsten Bodenarten. Der Hauptrepräsentant derselben ist der Lehmboden.
Derselbe ist in der Hauptsache ein Gemenge von Thon und viel Sand, wechselnd
nach Mengenverhältniss, Schlämmbarkeit der feinen Theilchen, Kömungsgraden
des Sandes. Uebersteigt der Thongehalt eine gewisse Grenze (vergl. Thonböden),
so würde der Lehm in thonigen Boden, liegt er unter einer gewissen Grenze in
lehmigen Sandboden übergehen. Für den Charakter eines Lehmbodens ist die
Mineralnatur und Kömungsgrösse des sandigen Antheils von Bedeutung. Ist ein
beträchtlicher Antheil des letzteren in gröberer Form (über 2 Millim.) vorhanden,
so bezeichnet man ihn als grandig. Sehr häufig enthält der Lehm, wie der
336 Handwörterbuch der Chemie.
des Diluviums auch gröberen Steinschutt, Gerolle, Geschiebe. Ein Feldspath- und
Kalkgehalt fördert die Fruchtbarkeit des Lehmes, ein Humusgehalt (Humus vergl
unten) mildert, wie der Kalk, seine Eigenschaften (milder Lehmboden), eine
grandige Beimengung erhöht seine Durchlässigkeit für Wasser.
Eine besondere Varietät des Lehms bildet der Löss, ein feinsandiger Lehm,
dessen thonige Theilchen begleitet sind von einem grösseren Antheil quarzigen
Detritus (Quarzstaub). Derselbe enthält auch einige Procente Calciumcarbonat.
Zu den lehmigen Bodenarten zählen femer viele Marscherden, da di^
selben im Wesentlichen Gemenge bilden eines mit Quarzmehl vermischten Thones,
mit glimmerfuhrendem feinem Meeressand (Wattensand). Daneben kommen
wenige Procente Calciumcarbonat und Reste kieseliger Organii;men (Diato-
meen etc.) vor. Ein kalkreicher Lehmboden, dessen Gehalt an kohlensaurem
Kalk 5 — 10^ beträgt, wird als mergeliger Lehmboden, bei höherem Kalk-
gehalt (15— 2öJ) als Mergelboden oder Lehmmergelboden bezeichnet Da-
hin gehört der in Nord-Deutschland so sehr verbreitete Geschiebemergel des
Diluviums. Derselbe bildet in den Hügellandschaften des baltischen Höhenzuges
bei genügender Entwässerung eine Bodenart von ausgezeichneter Fruchtbarkeit
Aber der ursprüngliche Kalkgehalt ist aus den oberen Schichten durch Regen
meist bis auf einen kleinen Rest ausgelaugt, und der Geschiebemergel hierdurch
in Geschiebelehm verwandelt, in dessen Untergrund sich die kalkreiche
Mergelbank oft noch vorfindet.
Obgleich die Lehme vorwiegend zu den Schwemmböden zählen, treten sie
doch nicht selten als Verwitterungsbodenart auf (i).
V. Kalkbodenarten. Hierher rechnet man alle sehr kalkreichen Boden-
arten, von denen wir einige (kalk reicher Sand, Thonmergel) schon früher er-
wähnt haben. Ein Thon mit 50— 75J^ kohlensauren Kalks wird als Kalk-
mergelboden, und bei noch höherem Kalkgehalt als Kalkthonboden b^
zeichnet. Es sind dies vorwiegend in den Kalkgebirgen auftretende Bodenarten.
Dieselben neigen zur Erhitzung und Trockenheit und geben daher nur in feuchter
schattiger Lage und bei starker Düngung gute Erträge.
Bei dieser Classification der Bodenarten wurde noch keine Rücksicht g^
nommen auf den Humusgehalt. Als Humus bezeichnet man die Summe der
im Boden vorkommenden organischen Substanzen. Diese bilden sich durch Ver-
wesung der in der Erde zurückbleibenden Pflanzenreste, Wurzeln, Blätterab-
falle etc. Der Process der Humusbildung (Humificirung) wird ohne Zweifel
durch die Thätigkeit von Organismen verschiedener Art (Insecten, Nematoden
(5), Bacterien (113) unterstützt und beschleunigt, und zwar sowohl durch
mechanische Einwirkungen, indem die pflanzlichen Abfälle bei der Durch Wanderung
des Verdauungskanals zerkleinert werden, als durch chemische Einflüsse, indem
die Verdauungssecrete Zersetzungen hervorbringen und manche Ausscheidungs-
Produkte thierischen Ursprungs sich hinzumischen. Am gründlichsten untersucht
wurde die Betheiligung des Regenwurmes (5, 6) an den Processen der Humus*
bildung, den man in gewissem Sinne als Humuserzeuger bezeichnen darf.
Das Endprodukt aller Zersetzungsprocesse der pflanzlichen Reste im Boden
bildet der Humus in der engeren Bedeutung des Wortes oder die Hu mus säure.
Es existiren mehrere Humussäuren, von denen jedoch die meisten noch unge-
nügend untersucht sind. Die bekannteste derselben ist die Huminsäure. Be-
handelt man eine humusreiche Bodenart mit Alkalien, so löst sich die Humin-
säure, während ein indifierenter Körper, das Hu min, imgelöst zurückbleibe
Boden. 337
^5b
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Ausserdem hatte Berzelius (7, 8) zwei Humussäuren unterschieden: die Quell- j^
säure (Krensäure) und die Quellsatzsäure (Apokrensäure), welche ihre Namen , '^
von dem Umstände ableiten, dass sie auch in vielen Quellwassern vorkommen
sollen. Beide sind in Wasser und Weingeist löslich. Die Natur derselben ist
noch sehr wenig erforscht.
Die Quellsäure wird als gelbe, amorphe, sauer reagirende, in Wasser lös-
liche, durch ammoniakalisches Kupfer (nicht aus essigsaurer Lösung) fällbare
Substanz beschrieben. Die Quellsatz säure fallt schon aus einer essigsauren
Lösung durch Kupferacetat nieder. Mulder (8) und Hermann (10) erhielten
ähnliche Verbindungen aus dem Ackerboden und aus Torf (Humusquellsäure
Torfquellsäure). Vielleicht ist auch die in neuerer Zeit durch Dialyse des Bodens
gewonnene organische Substanz (9) der Quellsäure verwandt.
Auch die über mehrere andere verwandte Verbindungen, wie Torfsäure,
Tulasäure, Holzhumussäure, Nitrolin, Torfquellsäure, Anitrokrensäure, Torfoxykren-
säure, Humusoxykrensäure (10), Geinsäure (8), vorliegenden Angaben lassen die
Existenz derselben als chemische Individuen noch sehr zweifelhaft erscheinen.
Genauere Angaben liegen vor über die wichtigste Humussubstanz, die
Huminsäure (8, 11). Man erhält dieselbe durch Fällen eines alkalischen oder
axnmoniakalischen Bodenextraktes durch Salzsäure. Die Aschenbestandtheile
(Kieselsäure, Kalk, Magnesia, Eisen) sind durch specielle Fällungsmittel zu ent-
fernen. Nur durch wiederholte Behandlung mit kochender Kalilauge gelang es,
eine stickstoffhaltige Beimengung grösstentheils zu entfernen. Die Analysen
führten zu der Formel CjoH^gOg (11), welche jedoch, um die Zusammensetzung
des Silbersalzes ausdrücken zu können, verdreifacht werden muss: CgoH-^^O^y.
Die Huminsäure bildet eine schwarze, amorphe Masse von glänzendem Bruch.
Im lufbtrocknen Zustand ist sie in Wasser unlöslich. Im wasserhaltigen Zustand
löste sich 1 Grm. reine Huminsäure bei 6° in 8333, bei 18° in 3571, bei 50°
in 1190, bei 100° in 625 Th. Wasser (11). Bei höherer Temperatur gesättigte
Lösungen lassen beim Abkühlen nichts abscheiden. Säuren lösen nur Spuren,
Phosphorsäure etwas mehr Huminsäure. In Alkalien löst sie sich dagegen
leicht auf und wird daraus durch Säuren wieder in Flocken gefällt. Das
huminsäure Ammoniak bildet eine glänzende, schwarze Masse: CgQH4 8(NH4)g027.
Es existirt ferner ein Calcium-Ammoniumdoppelsalz, C6oH46Ca8(NH4)2027, ein
Eisenammoniumdoppelsalz: CgQH4eFe2(NH4)202 7. Das Silbersalz hat die Zu-
sammensetzung C^QÜ^^Ag^O^j, Eine aus hellbraunem Torf dargestellte Humin-
säure erwies sich mit der aus Haideerde gewonnenen identisch (11). Mit Chrom-
säuregemisch erwärmt verbrennt die Huminsäure zwar zum grössten Theil zu
Kohlensäure und Wasser, liefert aber auch eine kleine Menge Essigsäure (12).
Huminsäure aus Braunkohlen hat eine wenig verschiedene Zusammensetzung:
Carbo-ulminsäure^CsoHigOg und Carbo-huminsäure = CjoH^gOy (13).
Ebenso ist sehr ähnlich zusammengesetzt der in Torflagen Hollands, der Schweiz
und Tirols vorkommende Dopplerit, eine amorphe, bräunlich schwarze, glas-
glänzende Humussubstanz (14) (133).
Manches Aehnliche nach Zusammensetzung, Verhalten, Eigenschaften haben
die bei Einwirkung von Säuren und Alkalien auf Zucker, Gummi, Pflanzenfaser etc.
entstehenden humusartigen Verbindungen: Ulmin, C^qH^^^^^, Ulminsäure,
C4QHJ0O13, auf deren nähere Beschreibung wir hier verzichten (8).
Die Humussäuren bilden einen wichtigen Bestandtheil der Ackererden und
einen wesentlichen Faktor der Fruchtbarkeit. Je nach dem Reichthum oder der
Laoknbuius, Chemie, il. 22
333 Handwörterbuch der Chemie.
Armuth des Bodens an basischen Bestandtheilen, namentlich des Kalkes, darf
man die Humussäure im freien oder im verbundenen Zustande (als humussaurea
Kalk) im Boden annehmen. Die Huminsäure ist stets begleitet von unvollständig
zersetzten Pflanzenresten und den intermediären Produkten der Verwesung, mit
denen zusammen sie den Humusgehalt (Rohhumus) des Ackerbodens aasmacht
Die Färbung des Bodens wird vornehmlich durch seinen Humusgehalt bedingt
und ist im Allgemeinen um so dunkler, je höher derselbe. Sandbodenaiten
nehmen schon bei massigem Humusgehalt eine graue, im feuchten Zustande
schwarzgraue Färbung an, während lehmige und thonige Bodenarten dunkelbraun
bis gelbbraun gefärbt erscheinen. Da durch den Humusgehalt der Ackererden
noch andere (namentlich physikalische) Eigenschaften der Krume bedingt werden,
so ist derselbe bei der Beschreibung und Classification der Bodenarten zu
berücksichtigen. Eine jede der oben aufgestellten Bodenarten würde hiemadi
noch in zwei weitere Abtheilungen zu zerlegen sein: a) in humusarme, b) in
humusreiche.
Dettmer (ii) bezeichnet Böden mit 0 — 3^ Humus als humusann, 3— 5{f humushakig,
5 — 10 J humos, 10 — 15 J humusreich, tiber 15 J humusüberreich.
Man pflegt jedoch solche Bodenarten, in welchen eine starke Anhäufung
von Humussubstanzen resp. Pflanzenresten stattgefunden, ihrer Eigenart wegen
als Moorbodenarten von den übrigen zu trennen.
Die beiden Hauptmoorformationen bilden die Hochmoore und die
Niederungsmoore. Für die nähere Classification wurde folgende Nomcnclatar
vereinbart (15):
A. Hochmoore, mit den beiden Unterabtheilungen:
a) ursprüngliches Hochmoor,
b) abgetorftes Hochmoor.
B. Niederungsmoor, ebenfalls mit den beiden Unterabtheilungen:
a) ursprüngliches Niederungsmoor,
b) abgetorftes Niederungsmoor.
C. Moosbrüche (namentlich in der Provinz Preussen vorkommend) (16).
D. Sumpfmoor (breiartige Beschaflenheit).
E. Pulvermoor, gänzlich ausgetrocknete, structurlose , pulverige, moorige
Massen.
Die Hochmoore sind von ungleich grösserer Ausdehnung als die Niederungsmoore. Sie
bildeten sich in grossen Mulden von geringem Gef^e, deren Wasserabfluss oft noch durch vor-
gelagerte DUnen gehemmt war (17). Durch Ansammlung von Schlamm und Pflanieoitsten
wurde die Sohle (Sohlband der Hochmoore) undurchlässig. In den stehenden Gewässem toKl
Sümpfen entwickelten sich zuerst Torfmoosarten (Sphagnwn und Hypnum)^ die sich attniähfich
so stark anhäuften, dass sie wie ein Schwamm die ganze Wassermasse aufsogen^ Auf dieser
Grundlage entwickelte sich eine neue Generation, namentlich die Eriken (vulgctris und triraSx),
in geringerer Menge Cyperaceen (Eriophorunt vagimUum und Sdrpus caespUosus), auch Stitfi
paUustre, Andromeda und andere Begleiter der Eriken. Die letzteren erzeugen kleine Httgd
(sog. Bulten), zwischen denen die Cyperaceen wachsen. Die Moore entstehen also durch ds
Wachsthum dieser Pflanzen, und es erklärt sich auch die Erscheinung des Wiederwachseos ab-
getorfter Moore (vergL Senft (2), pag. 158) und der Name Hochmoore, da das Wachsthum in
die Höhe rascher erfolgt als die Verbreiterung, wodurch die Bildung einer gewölbten Oberflldie
bedingt wurde.
Die Niederungsmoore, weniger passend als Grünlandsmoore bezeichnet, bildeten sich
hauptsächlich aus den Glumaceen (Cyperaceen und Gramineen). Sie gehören im Allgemeinen den
Uebprschwemmungsgebieten der Flussthäler an, auf deren sandigen oder kiesigen, von oft er-
neuertem Wasser durchtränkten Ufern und Auen sich Wasserpflanzen üppig entwickeln und
Boden. 339
sdiliesslich so stark anhäufen konnten, dass die Oberfläche im Sommer trocken blieb, eine Be-
dingung fUr die Entstehung eines rasenartigen Ueberzuges, der von unten mit Feuchtigkeit ver-
sorgt, sich hier kräftig weiter entwickeln konnte. Eine besondere Art der Niederungsmoore
bilden die Dargmoore, welche besonders häufig und in bedeutender Mächtigkeit in der Nähe
der Meeresküste vorkommen. Dieselben bildeten sich vorwiegend aus Rohrschilf (17, 18)
(PkragmUts commums, RsED, Ried).
Solche Dargmoore haben sich mit Vorliebe auf dem kalkhaltigen Marschboden entwickelt
und bildeten oft wieder die Grundlage für neue Marschbildungen (z. B. in der Wilster Marsch
io Holstein). Zuweilen enti;k'ickelte sich aber auch auf der Dargschicht ein Hochmoor, wie in
dem Kehdinger Moor (18).
Während man als Moor die Formation dieser humusreichen Bodenarten bezeichnet, drUckt
*Torf«, wenn wir absehen von der alltäglichen Bedeutung dieses Wortes als der eines BrennV
materials, die petrographische Natur jener Bodenarten aus. Die Substanz der Moore sind also
die Torfarten, unter denen nach Senft (2) besonders die folgenden unterschieden werden:
A. Torfarten, deren Masse aus noch mehr oder weniger deutlich erkennbaren
zusammengefilzten Pflanzenresten besteht (Schwamm- oder Filztorf).
1. Moostorf, vonpviegend auf Hochmooren auftretend. Leichte, weisse, gelbliche bis gelb-
braune, aus mehr oder weniger verfilzten Wasseimoosen bestehende Masse. Quillt mit Wasser
schwammig auf. Verbrennt mit geringer Heizkraft ohne merkliche Entwicklung harzig riechender
Dämpfe.
2. Gras-undWiesentorf (nebst Darg), vorwiegend den Niederungsmooren angehörend,
bildet eine ziemlich schwere, unrein gelbbraune bis schwarzbraune Masse, welche aus einem
Gemenge fein zertheilter erdiger Humussubstanzen und verfilzten oder zusammengepressten Wurzel-,
Stengel- und Blattresten von Cypcraceen besteht. Backt beim Trocknen fest zusammen und ver-
brennt unter Entwicklung widerlich brenzlich riechender Dämpfe und ZurUcklassung einer be-
deutenden Aschenmenge.
Der Darg besteht nach Allmers (18) aus einer compacten, reich mit schwefelhaltiger
Substanz durchzogenen dunkelbraunen Schicht von Blättern, Halmen, Wurzeln des gemeinen
Rohrs (Phragmites),
3. Haidetorf, das Hauptbildungsmaterial der Hochmoore; eine sepienbreunei aus erdigen,
humosen Theilen und filzig durcheinander gewebten Resten, namentlich Wurzelfasem der Eriken
bestehende Masse. Backt beim Austrocknen fest zusammen und verbrennt mit Flamme unter Ent-
wicklung talg- oder pechähnlich riechender Dämpfe und ZurUcklassung von viel erdiger Asche.
4. Blätter- oderWaldtorf, gelbliche bis dunkelbraune, filzige und fasrige oder blättrige,
oft in papierdUnne Lagen spaltbare Massen, welche Blätter resp. Nadeln von Kiefern, Erlen,
Birken, Weiden, Aspen und manchmal auch von Ulmen und Aliom erkennen lassen.
5. Algentorf findet sich in der Nähe des Meeres, wo er aus einer Anhäufung von Algen
und Seetang entsteht. An den Ufern der Ostsee entsteht daraus nur ein sehr loser, schlechter
Torf (19).
B. Torfarten, deren Masse vorherrschend aus amorpher, im nassen Zustand
schlammiger oder teigartiger, im trocknen Zustand pulvriger, stein- oder pech-
ähnlicher kohlenartiger Substanz besteht und keine oder nur wenige, meist un-
deutliche und stark gebräunte Pflanzenreste zeigt (Eigentlicher Torf, Torfkohle).
L Staubtorf (Bunk- oder Torferde), häufig in Wiesenmooren, auch als oberste Lage in
trocken gelegten Hochmooren vorkommend. Schwarzbraunes bis tiefschwarzes Pulver, welches
nur im durchnässten Zustand einigen Zusammenhang besitzt und in der Regel die oberste Schicht
unter der Vegetationsdecke bildet. Verglimmt beim Erhitzen unter Entwicklung eines unangenehm
brenzlich talgartig riechenden Qualmes.
2. Pechtorf (Stich- oder Specktorf), vorkommend in den tieferen Lagen der Hochmoore,
ist nach dem Baggertorf der beste und reinste Torf. Derselbe ist schwarzbraun bis schwarz
gefilrbt, schwer, im nassen Zustand klebrig, schneid- und formbar; beim Austrocknen zu einer
harten, berstenden Masse von muschligem, wachs- oder glasglänzendem Bruch erstarrend. Brennt
mit grosser Heizkraft mit roth leuchtender Flamme und liefert bei der trocknen Destillation Paraffin.
540 Handwörterbuch der Chemie. .
3. Schlamm-, Streich- oder Baggertorf, vorwiegend am Grund von stehenden Ge-
wässern, wasserreichen Mooren vorkommend. Derselbe soll hauptsächlich durch schwimmende
oder auch am Gnmd von Gewässern lebende Pflanzen erzeugt werden (z. B. Conferven, Na-
jaden, Myriophyllcn u. a.). Bildet im frischen Zustand eine schwarze, schlammige oder breiige,
im trocknen Zustand eine feste, dichte, schwere Masse, welche von Erdpech und Bitumen durch-
drungen ist und daher mit grosser Hitze unter Verbreitung wachsartig bituminös riechender
Dämpfe verbrennt.
Den Uebergang der in einem Moor angeliäuften Masse von Pflanzenresten
in eine stnicturlose, erdartige Humussubstanz bezeichnet man als Vertorfung.
Die Ansicht, dass aus jedem Moostorf, durch den Druck der oberen Massen und
fortgesetzte Vermoderung sich ein schwarzer, amorpher Torf bilden könne, ist von
Grisebach (20, 17) als unrichtig erwiesen. Im Papenburger Moor finden sich
z. B. unter einer 20 Fuss hohen Schicht reifer Torfe unveränderte Wassermoose.
Der Moostorf ist sehr wenig vertorft, sondern im Wesentlichen als ein unter
Wasser und Luftabschluss conservirtes Torfmoos zu betrachten.
Grössere Neigung zur Vertorfung zeigen die C)rperaceen und Gramineen der
Niederungsmoore. Erstere vertorfen unter Wasser rasch mit Ausnahme ihrer
stark verkieselten Blattjjcheiden, die mari daher in den betr. Torfen unversehrt
antrifft. Die Pflanzenfaser der an der Luft rasch verwesenden Gramineen wider-
steht dagegen ihres hohen Kieselsäuregeh^lts wegen unter Wasser lange der Ver-
torfung, wie die nur gebleichten oder gebräunten, sonst wohl erhaltenen Reste
ihrer Halme, Blattscheiden selbst in tiefen Lagen des alten Torfes beweisen (2).
Die Haidearten (Ericaceen) der Hochmoore verwesen zwar sehr langsam, sind
aber wegen ihres Reichthums an Wachsharz und Gerbstoff" gute Torfbildner.
Die Anhäufung der Humussubstanz beschränkt sich nicht auf die feuchten und
sumpfigen Bodenlagen. Auch hoch über dem Wasserspiegel in trocknen Höhenlagen
siedelt sich auf ärmerem sandigen Boden leicht die Hai de an, welche daher in Ge-
genden, wo die Cultur wegen zu geringen Ertrags aufgegeben werden musste, leicht
zur Herrschaft gelangt. Ein nebliges, nasskaltes Klima begünstigt die Ausbreitung
der Haide, die daher besonders häufig im Hochgebirge und in den nördlichen
Zonen auftritt. Durch Verwesung der Ericaceen und Flechten, welche sich, wie die
Rennthierflechte, die kleinen Schorfflechten (2, 21) namentlich auf älteren Haiden
hinzugesellen, entsteht ein Humus, der auf dem an Kalk fast ganz verarmten
Sandboden, sich nur langsam weiter zersetzt und daher in der Oberlage anhäuft.
Die in Wasser etwas lösliche Humussäure reducirt und löst das Eisenoxyd und
wird im Verein mit diesem den tieferen Bodenlagen zugeführt, wo in der weniger
entkalkten und manchmal schwach lehmigen Bodenschicht das Eisen sich oft
wieder niederschlägt. Durch diesen Niederschlag werden die Sandkörner zu
einem wahren Sandstein (21) (Ortstein) vereinigt, der den Boden für Wasser und
die meisten Pflanzen wurzeln undurchlässig macht. Nur die Wurzeln der Ericaceen
durchdringen diese Schicht und vermögen sich daher auch in trocknen Zeiten
aus dem Unterboden hinreichend mit Wasser und Pflanzennähr^tofien zu ver-
sorgen. Es sind daher die Bedingungen zur Anhäufung des Humus auch auf
diesem dürren, armen Boden gegeben. Der entstehende Ericaceenhumus ist
wahrscheinlich im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Haidetorf der Hoch-
moore.
Der älteste Flechten- und Haidehumus ist grau oder blauschwarz, erdig und
enthält vereinzelte Pflanzenreste (21). Zu eigentlichen Torflagern wird es in
dieser Höhenlage nur selten kommen. Der Haideboden der Höhenlage ge-
Boden. 341
hört daher nicht zu den Mooren, sondern ist als ein humusreicher Sandboden
zu bezeichnen, der dem allgemeinen System unterzuordnen wäre. Da diese
Bodenbildung jedoch durch manche Aehnlichkeit und vielfache Beziehungen den
Hochmooren verwandt ist, glaubten wir sie im Anschluss an diese hier kurz be-
schreiben zu sollen.
Physikalische Eigenschaften der Bodenarten.
Obgleich die physikalischen Eigenschaften des Bodens eines der wichtigsten
Capitel der Bodenkunde ausmachen, müssen wir uns mit Rücksicht auf den Zweck
dieses Handbuches hier auf einige Literaturnachweise beschränken.
In älterer Zeit hat sich namentlich Schübler (22) Verdienste um die Physik
des Bodens erworben. Aber seine Methoden entbehrten noch der wissenschaft-
lichen Schärfe, welche die heutige Zeit fordern darf. Die Aufgabe, die physi-
kalischen Bodeneigenschaften mit Hilfe verbesserter Methoden genau zu ergründen,
wurde in neuerer Zeit besonders durch Wollny und seine Schüler und Mitarbeiter
cifolgreich bearbeitet, deren Untersuchungen nebst Referaten über alle neueren
Forschungen auf dem Gebiet der Bodenphysik sich vereinigt finden in der Zeit-
schrift tForschungen a. d. Geb. d. Agricultur-Physik« , herausgegeben seit 1878
durch E. Wollny.
Es ist hier jedoch auch noch der Arbeiten von Haberlandt (23), Pfaundler
(24), Platter (25), Ad. Mayer (26), Ebermayer (27), Nessler (28), Oemler (29),
A. C. und Edm. Becquerel (30) zu gedenken. Ein zur Orientirung über den
Stand der Bodenphysik zur Zeit, als Wollny's Forschungen erschienen, geeignetes
Referat ist das von v. Liebenberg verfasste: Der gegenwärtige Stand der Boden-
physik (Wollny^s Forschungen Bd. L, pag. i).
Bodenabsorption.
Eine der wichtigsten Eigenschaften des Bodens ist sein Absorptionsvermögen,
d. h. seine Fähigkeit, einer Flüssigkeit, welche gelöste Stoffe enthält, einzelne
derselben zu entziehen. Die Erscheinung erinnert in ihrem äusseren Verlauf an
die bekannte Eigenschaft der Thierkohle^ Farbstoffe aus Lösungen aufzunehmen.
Zuerst wurde dieselbe beobachtet von Gazzeri 181 9 (31), unabhängig von ihm
von Bronner 1836 (32) und 10 Jahre später von Thompson (33) und Huxtable
(33)' Eine theoretische Bearbeitung fand die Absorption erst durch Way (34).
Er zeigte, dass, wenn die Kali- oder Ammoniaksalze der Salpetersäure, Schwefel-
säure, Salzsäure über Ackererde filtrirt werden, die Säuren unverändert im Filtrat
vorgefunden werden, während aber an Stelle von Kali oder Ammoniak theilweise
andere Basen, besonders Kalk, in die Lösung übertreten.
Way zeigte femer, dass auch freie Alkalien vom Boden absorbirt werden.
Von Säuren zeigte nur die Phosphorsäure erhebliche Absorption. Salze, deren Basis
und Säure absorbirbar ist, können vom Boden vollständig festgehalten werden.
Zur Erklärung der Absorptionserscheinungen stellte Way eine Theorie auf,
welche durch neuere Forschungen im Wesentlichen bestätigt wurde. Nach Way
enthält der Ackerboden wasserhaltige Doppelsilicate (Zeolithe), bestehend aus
kieselsaurer Thonerde einerseits, kieselsaurem Kalk oder Alkali andererseits.
Die Basen (Monoxyde) sind in denselben nur sehr locker gebunden und des
Austausches gegen andere, in Salzform dargebotene Basen in hohem Grade fähig.
Die sehr verschiedene Stärke der Absorption wird erklärt durch den verschiedenen
34* Handwörterbuch der Chemie.
Grad der chemischen Verwandtschaft derselben. Der Vorgang der Absorption
ist hiemach ein chemischer, auf Wechselaustausch der Basen beruhender.
Dieser Ansicht Way's widersprach Liebig (35) besonders auf Grund der Be-
obachtung, dass Verbindungen des Ammoniaks mit der Kieselsäure nicht
existirten. Er betont, dass die Vorgänge der Absorption zum Theil auch auf
physikalischen Ursachen beruhen und abhängig seien von einer gewissen
mechanischen Beschaffenheit oder Porosität der Erden (36).
Neuere Untersuchungen dokumentären dagegen die Richtigkeit der WAY*schen
Theorie besonders für die Absorption der Basen aus ihren Salzen, während sich
eine Anzahl anderer Absorptionserscheinungen einfacher durch physikalische
Bindung erklären lässt. Im Folgenden theilen wir die Resultate dieser neueren
Untersuchungen, geordnet nach den einzelnen absorbirbaren Stoffen, mit
Die Absorption des Ammoniaks wurde zuerst näher erforscht von .
Henneberg und Stohmann (37) durch Versuche mit kalkreichem Boden. Aus
Lösungen äquivalenter Mengen von Chlor-, salpetersaurem-, schwefelsaurem
Ammonium wurden nahezu gleiche Ammoniakmengen vom Boden absorbirt,
bedeutend mehr aus freiem und phosphorsaurem Ammonium. Die Zeit übte
keinen bedeutenden Einfluss auf die Reaction. Aus einer concentrirten Lösung
wurde mehr Ammoniak absorbirt, als aus einer verdünnten. Bei Vergrösserung
des Fltissigkeitsquantums auf das Doppelte steigerte sich die absorbirte Ammoniak-
menge um ca. \. Verdünnte Ammoniaklösungen werden relativ stärker erschöpft,
als concentrirte. Die in die Lösung übertretenden Mengen Kalk, Magnesia
waren dem von der Erde aufgenommenen Ammoniak annähernd proportional.
Das absorbirte Ammoniak war schwer löslich, 1 Theil erforderte ca. 20000 Thlc.
Wasser zur Auflösung.
Nach Brustlein (38) nimmt die Ammoniakabsorption aus einer Lösung von
der 4. — 24. Stunde nur noch um ein Geringes zu. Beim Eintrocknen einer Erde,
welche absorbirtes Ammoniak enthält, namentlich bei öfterem Anfeuchten und
Wiedertrocknen, geht Ammoniak theilweise verloren.
Völcker (39) bestätigte im Wesentlichen die Resultate von Henneberg und
Stohmann und beobachtete femer, dass ein sandreicher Boden das Ammoniak
aus neutralem Salz viel schwächer absorbirt, als ein thoniger Boden. Rautek-
BERG (40, 41) kann nach erneuter Prüfung sein früher erlangtes Resultat, dass
die Ammoniakabsorption mit dem Eisenoxyd- und Thonerdegehalt des Ackerbodens
wachse, nicht aufrecht erhalten und kehrt zur WAv'schen Ansicht zurück, dass
die Erscheinung von den wasserhaltigen Silicaten des Bodens abhänge. Für
Bolus ergab sich ein grosses, flir Kaolin ein geringes Absorptionsvermögen.
Dasselbe verschwindet durch Behandlung mit Säuren, kann aber durch Zusatz
von kohlensaurem Kalk wieder hergestellt werden. Die WAv'sche Theorie findet
auch eine Stütze in den Versuchen von Eichhorn (42), nach welchen die natür-
lichen Zeolithe in Pulverform eine starke Ammoniakabsorption zeigen. Da solche
Silicate leicht durch Säure zersetzt und gelöst werden, so giebt die Menge der
in Säuren löslichen Sesquioxyde und Monoxyde einen annähernden Massstab für
die Grösse der Ammoniakabsorption, worauf schon die Versuche von Beyer (43)
hindeuten. Der Nachweis, dass die Absorption des Ammoniaks proportional
mit der Menge der in Säure löslichen Basen des Bodens, wurde aber namentlich
von Knop (44, 45) geführt, welcher jene Basen als aufgeschlossene Silicat-
basen bezeichnet Die Proportionalität ist jedoch nur eine annähernde und nicht
ausnahmslose, wie aus zahlreichen Bestimmungen von Biedermann (45) und von
Boden. 343
Frey (46) hervorgeht. Vergleicht man aber Bodenarten derselben Art unter ein-
ander» so wird die Uebereinstimmung eine grössere (45).
Das Verhalten der Ammoniaksalze gegen die Moorbodenarten wurde in
neuerer Zeit von A. König (47) näher untersucht. Moostorf absorbirte aus
äquivalenten Mengen der Neutralsalze (Chlorid, Nitrat, Sulfat) annähernd gleiche
Ammoniakmengen. Dasselbe ergab sich für Niederungstorf, doch war in diesem
Falle die Absorptionszahl höher als bei Moostorf. Freies Ammoniak, Carbonat,
Phosphat wurde von Moostorf, wie von Haide- und Niederungstorf ungleich
stärker absorbirt, als das Ammoniak der Neutralsalze. Ein mit Salzsäure
extrahirter, also von mineralischen Basen befreiter Sphagnumtorf absorbirte die
Base aus der Lösung von freiem Ammoniak, Carbonat, Phosphat ebenso stark
wie vorher, während die Absorption aus den Neutralsalzen sich verringert hatte.
Auch hier beruht die Absorption der Basis auf einem chemischen Austausch,
während die sehr starke Absorption des freien Ammoniaks oder der alkalisch
reagirenden Salze wahrscheinlich auf physikalische Ursachen (Oberflächenattraction)
zurückzuführen ist
Die Absorption des Kalis. Ueber die Gesetze derselben sind wir
namentlich durch eine mustergültige Arbeit von Peters (48) belehrt worden.
Die Versuche waren mit einem aus Thonsteinporphyr gebildeten Boden an-
gestellt worden, welcher neben feinem und grobem Sand 33 Thle. Thon enthielt
Das Absorptionsvermögen gegen Kali war ein hohes. Die aus äquivalenten Mengen
Chlorkalium, Kaliumsulfat und Nitrat absorbirten Mengen der Basis differirten
wenig von einander, während aus Carbonat und Phosphat weit grössere Mengen
aufgenommen wurden. 100 Grm. Erde absorbirten z. B. aus 250 Cc. einer Lösung,
welche 0 59 K5O in verschiedenen Salzformen enthielt, bei Anwendung von Chlorid:
0-199, Sulfat: 0*209; Nitrat: 0-252, Carbonat: 0*315, saurem Phosphat 0*49 KjO.
Die Absorption erfolgte rasch. Schon nach \ Stunde waren | des überhaupt ab-
sorbirbaren Kalis aufgenommen; die Absorption hört aber erst nach 2 Tagen voll-
ständig auf. Wie beim Ammoniak wurde aus concentrirter Kalisalzlösung absolut
mehr Kali aufgenommen, als aus einer verdünnten, die letztere aber stärker
erschöpft. Die Absorption beruht auch hier auf einem Wechselaustausch der
Basen. An Stelle von Kali finden sich Kalk, Magnesia, Natron in der Lösung
vor. Durch reines Wasser können nur sehr geringe Mengen des absorbirten
Kalis in die Lösung übergeführt werden. Mehr wird durch mit Kohlensäure
partiell gesättigtes Wasser gelöst Durch fremde Salze, wie die Neutralsalze des
Natriums, Ammoniums, Magnesiums, Calciums, kann ein Theil des absorbirten
Kalis gelöst werden. Salzsäurehaltiges Wasser entzog dasselbe dem Boden
wieder vollständig. Die mit Salzsäure behandelte Erde hatte ihr Absorptions-
vermögen den Neutralsalzen des Kalis gegenüber fast vollständig verloren, er-
langte diese Fähigkeit aber durch Behandlung mit einer Auflösung von kohlen-
saurem Kalk in kohlensäurehaltigem Wasser wieder zurück. Auch die Absorption
des Kalis hängt ab von den thonigen Theilchen des Bodens und nimmt mit der
Menge derselben zu.
Dass durch fremde Salze, wie Na Cl, Mg Cl^, Ca SO4, Na NO, etc. das Kali
länger in Lösung erhalten, die Absorption also verlangsamt wird, wurde noch mehr-
fach von anderen Seiten bestätigt (49, 50, 43, 51, 52). Es ist dies praktisch
wichtig, deim daraus folgt, dass das Kali in Begleitung solcher Salze (z. B. rohes
Stassfurter Kalisalz) tiefer in den Boden eindringen kann, als bei Anwendung
der reineren Salzformen. Aus Bever's (43) Versuchen geht auch hervor, dass
344 Handwörterbuch der Chemie.
die Erden gegen Kali ein beträchtlich höheres Absorptionsvermögen haben, als
gegen Ammoniak. Sechs Erden absorbirten z. B. 0*050 — 0*182 Ammoniak, da-
gegen 0*179— 0-451 Kali pro 125 Grm. angewandter Erde. Dass bei Anwendung
von kieselsaurem Kali gleichzeitig mit dem Kali auch mehr oder weniger
Kieselsäure absorbirt wird, zeigte Liebig (53). Die Ursachen der Kaliabsorplion
. sind dieselben, wie die der Ammoniak absorption, d. h. beruhend auf der Gegen-
wart eines leicht zersetzbaren, wasserhaltigen Doppelsilicats im Boden. Mit
natürlichen und künstlichen, wasserhaltigen Silicaten konnte Heiden (54) der
Kaliabsorption entsprechende Erscheinungen hervorrufen. Beyer (43) zeigte
ferner, dass die Kaliabsorption mit der Menge der in Säure löslichen, wichtigeren
basischen Bodenbestandtheile (Fe^O,, Al^Oj, CaO, K2O) zunehme. Es erklärt
sich also das schon von Peters (48) beobachtete Verschwinden des Absorptions-
vermögens gegen Kali durch Behandeln der Erde mit Säure, ein Verhalten,
welches neuerdings auch van Bemmelen (55) bestätigt hat.
Torfarten zeigten nach A. König (47) bei der Absorption des Kalis ein
ähnliches Verhalten, wie bei der Absorption des Ammoniaks. Aus alkalischen
Salzen wurde auch hier ungleich mehr absorbirt als aus Neutralsalzen.
Ueber die Absorption von Natron, Magnesia, Kalk liegen nur sehr
wenige Versuche vor. Die Absorption des Natrons aus gelöstem Chlomatrium
durch verschiedene Bodenarten wurde von Völker (56) studirt. Seine Versuche
zeigen, dass in den meisten Fällen die Natronabsorption nur etwa ^ betrug von
der entsprechenden Kaliabsorption.
Kalk wird nach Küllenberg (57) aus den concentrirten Lösungen seiner
Neutralsalze stärker absorbirt als aus verdünnten, die letzteren aber mehr
erschöpft. Bei Gyps war die Absorption stärker als bei Calciurachlorid und
Nitrat. Die aus Gyps absorbirte Kalkmenge nimmt mit der Concentration und
mit der Zeit der Berührung zu (58). Aehnlich dem Kalk verhielt sich die
Magnesia, doch wurde hier die Grösse der Absorption weniger durch die Natur
des sauren Bestandtheils beeinflusst (57).
Für die relative Stärke, mit welcher diese Basen und die früher betrachteten
durch Absorption gebunden werden, hatte Peters (48) folgende Reihe aufgestellt:
1. Kali, 2. Ammoniak, 3. Natron, 4. Magnesia, 5. Kalk. Jedenfalls stehen
hinsichtlich der Absorptionskraft Kali, Ammoniak einerseits in einem Gegensatz
zu Natron, Magnesia, Kalk andererseits. Es ist leicht, die letzteren Basen durch
erstere, z. B. Kalk durch Kalisalz zu verdrängen, schwierig das Umgekehite.
Dass selbst ein grosser Ueberschuss von Chlomatrium das Kali aus einem künst-
lichen Doppelsilicat nicht verdrängt, zeigen die instructiven Versuche von Lem-
BERG (59). Ueber die Absorption des Lithiums vergl. Iwanoff (60).
Die Absorption der Phosphorsäure folgt andern Gesetzen, als die
Absorption der Basen, da sie nicht auf Wechselzersetzung, sondern auf der
Bildung unlöslicher Verbindungen im Boden beruht.
Die Thatsache, dass auch die Phosphorsäure vom Boden absorbirt wird,
wurde zuerst von Way (34) beobachtet, welcher auch schon nachwies, dass, wenn
die Phosphorsäure in Verbindung mit einer leicht absorbirbaren Base, wie Kali,
Ammoniak steht, eine Absorption des ganzen Salzes eintritt. Eine starke Ab-
sorption der Phosphorsäure aus Lösungen von phosphorsaurem Kalk in kohlcn-
säurehaltigem Wasser beobachtete Liebig (53). Dass die Absorption der Phosphor-
säure aus einer Lösung von phosphorsaurem Kali erheblich, aber von der Zeit
abhängig ist, zeigte Peters (48). Bei Anwendung verschiedener Phosphate fand
j
Boden. 345
KüLLENBERG (57) die höchstc Absoqjtion der Phosphorsäiire beim Kalium-, eiAe
geringere beim Natrium-, die geringste beim Ammoniumsalz. Auch hier wurde
aus concentrirteren Lösungen am meisten Phosphorsäure aufgenommen, ver-
dünntere Lösungen aber stärker erschöpft. Die Absorption scheint mit der
Temperatur zuzunehmen (61). Die Gegenwart mancher Salze wie Kochsalz,
Natronsalpeter, wenn dieser nur in geringer Menge (62) angewandt wird, erhöht
in manchen Bodenarten die Grösse der Phosphorsäureabsorption (62, 52). Aus
einer Superphosphatlösung wurde ungefähr die doppelte Menge Phosphorsäure
absorbirt, als aus einer Lösung von reiner Phosphorsäure (63).
Die Bodenbestandtheile, welche die Phosphorsäureabsorption bedingen, sind
noch nicht vollkommen festgestellt. Wahrscheinlich ist, dass die leichter zersetz-
baren Verbindungen des Kalkes, der Magnesia, des Eisenoxyds und der Thon-
erde unter Bildung der entsprechenden schwer löslichen Phosphate dieser Basen
an dem Vorgange betheiligt sind. Es kommen hier also verschiedene Ver-
bindungen in Erwägung, Nach Ritthausen (64) verwandelt z. B. der kohlen-
saure Kalk in Berührung mit einer Lösung von saurem Calciumphosphat dieses
in die schwerer lösliche Form des neutralen Phosphats, welches dabei auch
krystallinisch erhalten wurde. Diese Umwandlung wurde befördert durch die
Gegenwart von etwas Kohlensäure. Die Phosphorsäure kann aber auch, wie
Eichhorn (65) zeigte, gebunden werden von natürlichen, wasserhaltigen Doppel-
silicaten. Eine Abhängigkeit der Phosphorsäureabsorption von dem Eisenoxyd-
und Thonerdegehalt der Bodenarten lässt sich aus den Versuchen von Bieder-
mann (61) nicht mit Sicherheit ableiten; dagegen giebt Beyer (43) an, dass die-
selbe mit dem Kalkgehalt des Bodens zunehme. Damit stimmen auch die Ver-
suche von Albrecht und Vollbrecht über das Verhalten des Superphosphats
zu verschiedenen Bodenarten überein (66). Der in vielen Bodenarten zweifellos
vorkommende humussaure Kalk scheint sich an der Phosphorsäureabsorption
nach den Versuchen von Eichhorn (65) mit Superphosphat ebenfalls zu be-
theiligen, während die freie Humussäure keine Phosphorsäure aufnimmt. Nach
König (47) absorbirte der aschenarme Sphagnumtorf die Phosphorsäure aus den
Ammoniumsalzen gar nicht, der Haidetorf absorbirte ebenfalls nur schwach, nach
mehrmaligem Brennen stärker durch Bildung wirksamer Aschensalze. Der an
Mineralstoffen und Kalk reiche Niederungstorf absorbirte dagegen die Phosphor-
saure stark.
Die Absorption der übrigen Säuren.
Dass Chlorwasserstoff, Salpetersäure, Schwefelsäure frei oder in Salzform
dem Boden dargeboten nicht absorbirt werden, hat schon Wav (34) gezeigt
und ist seitdem von mehreren Seiten bestätigt worden (48, 53, 57), für humose
Medien von König (47). Die Nichtabsorbirbarkeit der Salpetersäure ist durch
viele Versuche von Knop (67) und von Anderen erwiesen. Für Kieselsäure zeigte
Liebig (53), dass die Menge derselben, welche aus einer Wasserglaslösung ab-
sorbirt wird, um so geringer, je höher der Humusgehalt der Erden.
Die Löslichkeit der Bodenbestandtheile in Wasser.
Die ZusJimmensetzung der Bodenflüssigkeiten liefert eine Bestätigung der
Absorptionsgesetze. Diese machen es wahrscheinlich, dass die Bodenflüssigkeit
solche Bestandtheile, gegen welche der Boden eine hohe Absorptionskraft besitzt,
(Kali, Ammoniak, Phosphorsäure) in geringer Menge, die anderen Basen aber in
grösserer Menge enthält Dies wird durch die Analyse des Bodenwassers voll-
rv:*v
r.y
346 Handwörterbuch der Chemie.
kommen bestätigt, sei es, dass dieses in Sammelgefässen unter der Erde (Lysi-
meter) aufgefangen, oder den Drainröhren entnommen sei. Solche Wasser ent-
halten nach zahlreichen Analysen (68, 69, 70, 71) vorwiegend die Chlorver-
bindungen, Sulfate, Nitrate, doppeltkohlensaure und kieselsaure Salze des Cal-
ciums, Magnesiums, Natriums. Die Kalimenge war stets geringer als die des
Natrons, Ammoniak trat nur in Spuren auf. Kieselsäure war stets vorhanden,
während Phosphorsäure nicht oder nur in sehr geringen Mengen nachzuweisen
war (73, 74, 72).
Die organischen Substanzen oder der Humus zeigt in den verschiedenen
Bodenarten eine verschiedene Löslichkeit, da in thonigen, lehmigen, kalkhaltigen
Erden die Humussubstanzen in einer festeren Verbindung mit den feinsten Boden-
theilchen, z. Th. als schwer lösliches Salz mit den Basen des Bodens stehen,
während im humusreichen, kalkarmen Sandboden auch freie löslichere Huminsänre
auftritt. Angaben über die Menge der aus dem Boden sich in Wasser lösenden
organischen Substanz liegen mehrfach vor (75, 68, 76), können aber, da die or-
ganische Substanz aus dem Gltihverlust bestimmt wurde, nur annähernd genau
sein. Für humusreichere Bodenarten Schleswig-Holsteins ergab sich (77):
Aus 100000 Thln. des ganzen Bodens lösten sich in der 3fachen Menge
Wasser in 14 Tagen:
a) Haidetorf (grausandige Haide mit 29 J Humus) . . 66 Thle. Humus
b) Buchenhumus (14,8^ Humus) 678 „ „
c) Haidetorf (sumpfiges Hochmoor mit 80^ Humus) . . 197 „ „
Von einem Moostorf löste sich in Wasser 0*388 J, wovon 0*081 mineralische
Bestandtheile (78). Die Löslichkeit des Humus einer aus Tannennadeln imd
Haidekraut erzeugten Haideerde in Wasser ermittelte Dettmer (11).
Ueber das Verhalten der organischen Substanzen des Bodens li^en
einige Versuche vor von W. Wolf (79). Derselbe schloss russische Schwarzerde
im feuchten Zustand in ein Gefäss ein und analysirte nach 14 Tagen die darüber
befindliche Luft. £s war aller Sauerstoff verbraucht und in Kohlensäure um-
gewandelt, während der Stickstoffgehalt der Luft unverändert geblieben war.
Aber auch bei anderen Bodenarten waren reichliche Mengen von Kolilensäure
gebildet und nur ein Theil des Sauerstoffs unverändert geblieben. Petersen (81)
beobachtete eine Kohlensäurebildung bei verschiedenen Bodenarten im Luftstrom,
welche durch Zusatz von kohlensaurem Kalk um so mehr beschleunigt wurde,
je grösser der Zusatz war. Ein Einfluss der Temperatur auf die Kohlensäure-
bildung zeigte sich bei einer Bodenart (Laubholzerde) deutlich, bei einer anderen
(russische Schwarzerde) nicht. Eine energische Kohlensäurebildung beobachtete
Pagel (80), welcher Moorsubstanzen mit Luft über Quecksilber in Berührung
Hess und jene dann eudiometrisch analysirte. Wiesenmour und Moor von
Culturdämmen (Cunrau) absorbirte den Sauerstoff im SonnenHcht sehr begierig,
während keine Spur Stickstoff aufgenommen wurde. Die direkte Einwirkung des
Sonnenlichtes schien, wenn auch nicht nothwendig, so doch ungemein forderlich
für den Process zu sein. Mit SO^iger Kalilauge gesättigte Moorsubstanz (Niederungs-
moor) absorbirte Sauerstoff aus der Luft sehr stark (100 Grm. im Mittel in
24 Stunden 1854 Ccentim.). Feuchter Moostorf in Berührung mit Luft verändert
langsam die Zusammensetzung derselben unter Kohlen^äurebildung, ein Vorgang»
der mit der Temperatur merklich gesteigert wird (78).
Boden. 347
Die stickstoffhaltigen Verbindungen des Bodens.
Der Stickstoff des Bodens ist vorwiegend in der Form von Humus (Roh-
humus) in demselben enthalten. Erden mit hohem Humusgehalt sind daher im
Allgemeinen auch stickstoffreich, wenn auch eine strenge Beziehung nicht
existirt.
Nach W. Wolf (82) kommen auf 100 Thle. Humus im Boden 4-.3— 11-9 Stick-
Stoff; bei der Analjrse einer grösseren Zahl Schleswig-Holsteinischer Erden (83)
stellte sich die Stickstoffmenge auf 2'ö— 6'3, wenn Humus = 100 gesetzt wurde.
C. Schmidt (84) ordnete die von ihm analysirten Schwarzerden nach steigenden
Kohlenstoff- (Humus) gehalten und beobachtete mit wenigen Ausnahmen für den
zunehmenden Stickstoffgehalt dieselbe Reihe. Bestimmte organische Stickstoff-
verbindungen wurden aus dem Rohhumus des Bodens noch nicht isolirt. Welcher
Art diese Verbindungen auch seien, sie liefern das Hauptmaterial für die Salpeter-
bildung im Boden. Dieser Process, auf den wir unten näher eingehen, besteht
in einer Zersetzung der organischen stickstoffhaltigen Substanz des Bodens unter
Mitwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs. Man nimmt an, dass zuerst Am-
moniak abgespalten, welches durch Oxydation unter Luftzutritt dann nitrificirt
werde. Im Allgemeinen finden sich daher sowohl Ammoniak als Salpeter-
säure im Boden vor, doch giebt es auch Bodenarten, welche einer Salpeterbildung
unfähig sind, in welchen man daher von löslichen anorganischen Stickstoffver-
bindungen nur Ammoniak vorfindet.
Die Ammoniakmenge in 100000 Th In. Boden fand Bretschneider (85)
= 0*96, Knop und Wolf (86) im sandigen, etwas humosen Lehmboden 0*12, im
kalkreichen, sandigen, gedüngten, brachliegenden Lehmboden in den Monaten
Mai — September im Mittel 066— 0*48; derselbe Boden, mit Kartoffeln bestanden,
enthielt in den Monaten Mai— September im Mittel resp. 0*95—0*7ö — 0*68 — 0*85
— 0'95. In 3 Fuss Tiefe desselben Bodens war der Ammoniakgehalt ebenso
gross, während derselbe in 6 Fuss Tiefe verschwunden war. W. Wolf fand in
verschiedenen Ackererden Sachsens einen Ammoniakgehalt von 4*44— 0.29 in
lOOOOO; Brustlein (109) im Lehm und lehmigen Sandboden 0*22 — 0'66, in
einem Thonboden 0*86 (Weizenfeld), in einem stark gedüngten Gartenboden
MO p. 100000. Grösser sind die Ammoniakgehalte der Moorbodenarten.
Pagel (80) fand im rohen Moor (Cunrau), in welchem das Grundwasser
noch stand, in der oberen Schicht 51, in der zweiten 27, in der dritten
32 Theile Ammoniak in 100000 lufttrockener Moorerde; Osswald (87)
im rohen, theilweise entwässerten Moor in der oberen Schicht 51, in der
darauf folgenden Schicht 29 Stickstoff in Ammoniakform in 100000. Die
obere Moorschicht unter den RiMPAU*schen Dämmen (aufgetragene Sandschicht)
enthielt in zwei Fällen 23*2 und 25*5 Ammoniak, während der aufgetragene
Cultursand enthielt resp. 4*5 und LS Ammoniak in 100000. In einem dunkel-
braunen, zerreiblichen Sphagnumtorf mit 3^ Gesammts tick Stoff wies Fittbogen
(88) 109 Ammoniumoxyd in iOOOOO Thln. nach.
Die im Boden in Form von Salpetersäure enthaltenen Stickstoffmengen
sind ebenso wie die des Ammoniaks sehr variabel, da Salpeter sich fortwährend
neu bildet, aber auch wieder verschwindet, theils durch Uebergang in die Pflanze,
theils durch das auslaugende Regenwasser. Wir führen im Folgenden die Resul-
tate einiger Bestimmungen an:
Knop (89) fand in sandigem Lehmboden (3J Humus) 1-5 Thle., in moorigem
Haideland (12^ Humus) 7*9 Thle., in einer humusreicheren, moorigen Erde (18 J
348 Handwörterbuch der Chemie.
Hnmns) 6*3 Thle. Stickstoff in Form von Salpetersäure; in russischer Schwarz-
erde 0-2— 0-6 Salpetersäure resp. 0052— Ol 56 Stickstoff in 100000; Bret-
SCHNEIDER (85) in einer Erde 09 1 Salpetersäure = 0*23 Stickstoff; Brustlein (109)
in mehreren lehmigen und lehmig sandigen Bodenarten 0'63 — 1*83, in einem staik
gedüngten Gartenboden 9*3 Salpetersäure in 100000 Thln. Erde. Boussincaült,
welcher schon früher (94) die grosse Verbreitung der Salpetersäure in den ver-
schiedensten Erden nachgewiesen hatte, fand in der von ihm zu Versuchen über
Salpeterbildung (s. d.) benützten humusreichen Erde 0'75 Stickstoff in Fonn
von Salpetersäure p. 100000 (90). In mehreren lehmigen Erden des östlichen
Holsteins wurde gefunden resp. 0*3, 0-6, 1*3 Salpetersäure in 100000 (91).
Ueber das Vorkommen von Salpetersäure im eigentlichen Moorboden vergL
folgenden Abschnitt.
Die Salpeterbildung im Boden (Nitrification).
Ueberlässt man eine feuchte Erde der Einwirkung der Luft, so bildet und ver-
mehrt sich allmählich der Salpeter. Boussingault setzte eine durch anhaltenden
Regen erschöpfte Erde eines Gemüsegartens angefeuchtet, in Form eines Prismas
der Luft aus und fand darin am Anfang, den 5. Aug. 0*96, den 17. Aug. 6*28, den
2. Sept. 180, den 17. Sept. 21.6, den 2. Oct. 20-6 Salpeter (berechnet als Kali-
salpeter in lüOOOO Thln.). Ueber die Betheiligung der atmosphärischen Bestand-
theile bei der Nitrification stellte Boussingault (90) Versuche mit einer Erde an,
die er 11 Jahre lang in einem Ballon in Berührung mit dem eingeschlossenen
Luftquantum sich selbst überliess. Es hatte sich viel Salpeter gebildet, der
Stickstoff der Luft bei diesem und einem zweiten Versuch aber nur um ein sehr
Geringes abgenommen, woraus folgt, dass der atmosphärische Stickstoff bei der
Salpeterbildung nicht wesentlich betheiligt ist.
ScHLösiNG (92) bewies die Abhängigkeit der Salpeterbildung von dem Sauer-
Stoffgehalt der Luft, indem er über je 2 Klgrm. Erde einen Gasstrom von wechseln-
dem relativen Gehalt an Sauerstoff und Stickstoff leitete. Bei höherem Gchah
an Sauerstoff nahm die durch Oxydation der organischen Substanz erzeiig;te
Kohlensäure, wie auch die gebildete Salpetermenge zu. Bei 16° betrug die er-
zeugte Kohlensäure nur ca. die Hälfte im Vergleich mit der bei 24° entwickelten.
Im reinen Stickstoffgas wurde nicht allein kein Salpeter gebildet, sondern der ur-
sprünglich vorhandene sogar noch reducirt Wurde der Erde Salpeter zugesetzt,
so verschwand auch dieser bei längerem Verweilen im Stickstoffgas unter Bildung
von Ammoniak. Es findet also bei Abwesenheit von Sauerstoff ein Reductions-
prozess statt, bei welchem Salpetersäure in Ammoniak übergeführt wird. Die
Ammoniakmenge war jedoch im Vergleich zu der des verschwundenen Salpeters viel
zu gering. Es erklärte sich dies durch eine Entwickelung von gasförmigen
Stickstoff, welche direkt nachgewiesen wurde. Durch die Thatsache, dass bei
Abwesenheit von Sauerstoff sich kein Salpeter bildet, vorhandener Salpeter sogar
verschwinden kann, erklärt sich noch manche anderweitige Beobachtung. Ksof
(93) hatte schon früher wahrgenommen, dass wenn man den Moorerden gewogene
Mengen Salpeter zusetzt, man in den wässrigen Extracten nicht die ganze Menge
desselben zurückerhält. In Bodenarten, welche durch grossen Vorrath leicht oxydir-
barer Substanz den eindringenden Sauerstoff rasch verzehren, fehlt Salpeter oft
gänzlich, während Ammoniak reichlich vorhanden ist. Schon Boussingault (94)
•hat in manchen Fällen eine grosse Armuth der Waldböden an Salpetersäure
nachgewiesen. Schlösing (95) bestätigt dies, während er im Feldboden reich-
Boden. 349
liehe Mengen vorfand. Nach Analysen von G. Loges (77) enthielt der grau-
sandige Haidetorf, der Torf eines nassen Hochmoors, Buchenhumus auf Grau-
sand weder frisch, noch nach 8 wöchentlichem Lagern an der Luft Salpetersäure,
dagegen reichliche Mengen von Ammoniak. In einem andern Falle (96) war
auch im Buchenhumus auf Lehm keine, auf Grausand nur eine Spur Salpeter-
säure nachzuweisen. Dennoch fehlt die Salpetersäure nicht allen Moorbodenarten.
FiTTBOGEN (88) fand in einem braungefarbten, zerreiblichen Sphagnumtorf 53 Thle.
Salpetersäure= 14 Thle. Stickstoff in 100000, deren Menge durch verschiedene
Znsätze, namentlich Pottasche noch vermehrt wurde. Pagel (80) fand im Cunrauer
Moor an Stellen, wo das Grundwasser noch im Moor stand, keine Salpetersäure;
dagegen in der Sandschicht eines RiMPAu'schen Moordammes 2 Thle. Salpetersäure
NO3H = 0-44 Stickstoff, in der darunter befindlichen, oberen Moorschicht 4 Thle,
Salpetersäure (NO3H) = 0-88 Stickstoff in 100000. Osswald (87) fand in einem
in Dämme ausgelegten Niederungsmoor in der obersten Moorschicht 3-55 Salpeters.
= 0-7 S Stickstoff, in der mittleren 1*21 Salpeters. = 0*27 Stickstoff; in einem
andern Falle in der oberen Moorschicht aus einem Torfstich 2 '36 Salpetersäure
= 0*52 Stickstoff, in der mittleren und unteren Moorschicht 1*31 Salpetersäure
= 0*29 Stickstoff in 100000. An einer dritten Stelle war Salpetersäure weder
im cultivirten, noch im rohen Moore nachzuweisen, resp. nur in Spuren vorhanden.
Dass die Salpeterbildung im Boden von Fermenten oder niederen Organismen
abhänge, wurde zuerst auf Grund eigener Erfahrungen von Alex. Müller (97)
vermuthet. Schlösing und Müntz (98) machten dies femer wahrscheinlich, indem
sie zeigten, dass die Nitrification in einem mit Abfallwasser gesättigten, geglühten
Sande nach 20 Tagen begann, sich dann allmählich steigerte, aber beim Be-
handeln mit Chloroformdämpfen aufhörte, auch nach Wegnahme dieser Dämpfe
sich nicht wieder einstellte. Warrington (99) zeigte, dass auch andere fäulniss-
widrige Mittel wie Schwefelkohlenstoff, Carbolsäure die Salpeterbildung im Boden
vernichten. Der humushaltige, fruchtbare Boden enthält ein salpeterbildendes
Ferment. Wurde eine Lösung von Ammoniak, welche zugleich etwas phosphor-
saures Kali enthielt, mit einer kleinen Menge solchen Bodens in Berührung ge-
bracht, so verwandelte sich das Ammoniak theilweise in Salpetersäure. Das Licht
war der Wirkung des salpeterbildenden Fermentes hinderlich, Dunkelheit günstig.
Vielleicht erklärt sich hierdurch die Beobachtung von Boussingault (100), dass,
»renn man geglühten Sand oder auch Kreide mit verschiedenen stickstoffhaltigen
Substanzen mischt (Weizenstroh, Rapskuchen, Knochenmehl, Hornspähne, Woll-
lumpen, Fleisch, Blut) und dann im feuchten Zustand in Flaschen, die nur durch
sine feine Oeflfoung mit der Atmosphäre communicirten, 5 Jahre lang sich selbst
iberliess, sich doch nur Spuren von Ammoniak und Salpetersäure bildeten,
irährend dagegen ein guter Ackerboden etwa die Hälfte des Stickstoffgehalts
1er zugesetzten Substanzen nitrificirte.
Durch Reduction der Nitrate im Boden kann auch salpetrige Säure
entstehen. Auf die Gegenwart derselben im Boden wurde von Chabrier (ioi)
.ufmerksam gemacht. Derselbe beobachtete, dass die Menge der salpetrigen
\äare mit zunehmender Cultur des Bodens wächst. In 100000 Thln. waren ent-
alten im Gartenboden 0*452, Feldboden i. Mittel 0*216, in einem mit Obst-
^umen bestandenen Boden O'löl, im Waldboden (Fichten) 0*075, im Oedland
■007 Thle. salpetrige Säure. In der Oberkrume eines Getreidebodens wurde bei
'ockener Witterung (December) gefunden 0*117 salpetrige und 7 594 Salpetersäure;
n Untergrund (25 Centim. tieQ 0*315 salpetrige und 5*552 Salpetersäure; auf
'M
>.
350 Handwörterbuch der Chemie.
einem Olivenfeld in der Oberkrume 0*073 salpetrige und 2'258 Salpetersäure, in
25Centim. Tiefe 0198 salpetrige und 1-319 Salpetersäure in 100000 Thln. Erde.
Nach Gayon und Düpetit (102) ist es wahrscheinlich, dass auch die Reducdon
der Nitrate eine Wirkung niederer Organismen sei. Eine Reduction des Nitrats
findet auch in Lösungen von Salpeter in Abfallwasser, Bouillon und im Gemenge
mit verschiedenen organischen Stoffen (Zucker, Olivenöl, Glycerin) nach Zusatz
von faulendem Harn statt. Der Prozess wird durch Erhitzen oder Zusatz von
Chloroform, Kupfervitriol aufgehoben. Das betreffende Ferment ist ein Anaerobie,
denn durch Luftzutritt wird seine Wirksamkeit geschwächt. Als Reductionsprodokte
wurden bei den erwälmten Versuchen StickstofTgas und Ammoniak beobachtet
Der analoge Versuch mit Ackererde angestellt, lieferte als Reductionsprodukte
Stickoxydul, Stickoxyd und Nitrite.
Auch D£h£rain und Maguenne (103) beobachteten in einem mit Salpeter
versetzten Boden die Entwickelung von Stickoxydul. Die Reduction soll jedoch
nur bei Gegenwart grösserer Mengen organischer Substanz vor sich gehen und unter
der Bedingung, dass die Bodenluft frei sei von Sauerstoff. Eine Erde, welche
durch Erhitzen oder Einwirkung von Chloroform das Vermögen, die Nitrate zu
reduciren, verloren hatte, erlangte dieselbe wieder nach Zusatz von frischer Erde.
Uebrigens hat Schönbein (125) schon früher gezeigt, dass Nitrate durch viele
.organische Substanzen, wie Albuminstoffe, Leim, Kohlenhydrate, besonders durch
Stärke, Milch- und Traubenzucker bei längerer Berührung zu Nitriten reducirt
werden. Bei der Art und der langen Dauer der Versuche war eine Mitbetheiligung
niederer Organismen wahrscheinlich. Femer zeigte Schönbein (126), dass Nitrate
auch in Berührung mit Conferven, Hefe, Pilzen reducirt werden.
Verhalten des atmosphärischen Stickstoffs zum Boden. Gewisse
Erscheinungen des Wachsthums und der zunehmenden Fruchtbarkeit mancher
Bodenarten, ohne Zufuhr stickstoffreicher Düngemittel, lassen die Frage wichtig
erscheinen, ob der Boden resp. gewisse Bestandtheile desselben die Eigenschaft
habe, sich den Stickstoff der Atmosphäre anzueignen, denselben zu fixiren, sei es
in Form von organischen, sei es in Form jener einfachen und für die Fflanie
leicht assimilirbaren Stickstoffverbindungen, des Ammoniaks und der Salpeter-
säure. Da die ScHöNBEiN'sche Beobachtung (104) über die direkte Vereinigung
von Stickstoff und Wasser zu Ammoniumnitrit beim Verdunsten von Wasser an
der Lufl durch Bohlig (132), besonders aber durch Carius (105) direkt wider-
legt wurde, so war noch zu prüfen, ob die organischen Substanzen im Allgemeinen,
und speciell die im Boden vorkommenden, die Fähigkeit haben, unter gewissen
Bedingungen den atmosphärischen Stickstoff zu fixiren. D£h]£rain (106) beobachtete,
dass Stickstoff mit Glucose und Alkali auf 100° erhitzt absorbirt werde, und
Simon (107) fand; dass der Humussäurc die Eigenschaft zukomme, den Stickstoff
der Luft unter Ammoniakbildung zu binden. Diese letztere Angabe steht aber
im Widerspruch mit denen von Boussingault (90), W. Wolf (79), Pagel (So),
welche den Stickstoffgehalt der Luft, welche mit Erde längere Zeit in Berührung ge-
standen, unverändert fanden. Zu einem gleichen Resultat gelangte auch Schlösikc
(108), welcher sogar eine kleine Zunahme des Stickstoffgehalts der Luft nach
6 monatlicher Berührung mit Erde nachwies. Ferner konnte Schlösing den er-
wähnten Versuch von Dähärain nicht bestätigen.
Dagegen vereinigt sich Stickstoff, wie Berthelot (128) gezeigt hat, unter
dem Einflüsse der sogen, stillen, electrischen Entladung schon bei schwacher
Tension (entsprechend der electrischen Differenz von 7 DANiELL'schen Elementen)
Boden. 3^1
mit manchen organischen Substanzen wie Benzin, Terpentinöl, Papier, Dextrin.
Bei einer 7 Monate währenden Einwirkung stieg der StickstofTgehalt des Papiers
von 010 auf 0*45, bei Dextrin von 0*12 auf 1-92 in 1000 Thln.; das Licht war
ohne Einfluss auf die Reaction. Die Vereinigung findet auch schon bei der ge-
ringen Tension der atmosphärischen Electricität statt (129). Von welchem Ein-
fluss dieser Vorgang auf die Vermehrung des Stickstoffs im < Boden und auf die
Erhöhung der Fruchtbarkeit desselben ist, lässt sich noch nicht voraussehen,
doch sprechen auch einige Vegetationsversuche von Grandeau (130), bei welchen
die eine Pflanze unter dem Einfluss der atmosphärischen Electricität sich ent-
wickeln konnte, während die andere diesem Einfluss durch Anwendung eines
sogen. FARADAv'schen Käfigs entzogen war, dafür, dass die erstere Bedingung die
für Massenbildung und Höhenwachsthum der Pflanzen günstigere ist.
Als eine weitere Quelle flir den Zuwachs des Bodens an Stickstoff ist noch
die Aufnahme der in der Luft vorkommenden kleinen Mengen von Ammoniak,
salpetrigen und Salpetersäure zu betrachten. Die durch die atmosphärischen
Niederschläge einer bestimmten Bodenfiäche jährlich zugeführten Mengen dieser
Stickstoffverbindungen können eine Bereicherung des Bodens an Stickstoff allein
nicht erklären, da sie schon durch die Verluste in Folge der Entwässerung und
Drainage übertroffen werden (131). Jedoch ist hierbei noch nicht berücksichtigt
die direkte Aufnahme oder Absorption der in der Luft auftretenden kleinen
Mengen von Ammoniak, resp. Ammoniumcarbonat, -Nitrat, -Nitrit Brust-
lein (109) hat zuerst gezeigt, dass die Erde ein gewisses Condensationsvermögen
für Ammoniakdämpfe besitzt, in Folge dessen sie auch aus einer ammoniak-
armen Luft dieselben absorbirt. Nachdem über feuchte Erde (55 Grm.) 950
Liter Luft geleitet waren, welche wenig Ammoniak enthielt, wurden Spuren
der Base nicht mehr zurückgehalten, und die Erde hatte nun 00311 Grm. Am-
moniak fixirt. Eine auf diese Weise ammoniakhaltig gewordene Erde verliert
wieder einen Theil der Base durch Verflüchtigung, wenn sie an der Luft der
Verdunstung ausgesetzt wird, besonders beim wiederholten Anfeuchten. Trockne
Erde hält dagegen das in ihr noch vorhandene Ammoniak hartnäckig fest.
Eichhorn (iio) stellte das Vermögen, Ammoniakdämpfe zu absorbiren, flir
eine Anzahl Substanzen fest. Nach neueren Untersuchungen von Ammon (in)
kommt diese Fähigkeit besonders dem Eisenoxydhydrat und Humus (Torf) in
höherem Grade zu. Für eine Anzahl Substanzen in Pulverform fand er folgende
Grössen des Absorptionsvermögens für reines Ammoniakgas und 100 Grm. Sub-
stanz bei 0 und 20°, ausgedrückt in Gem. Gas:
„ Eisenoxyd- ^ Kohlensaurer jr ^' /-.
Humus j^y^J Quarz ^^^^ Kaolm Gyps
bei 0° 29517 38992 938 1552 2447 15134
bei 20° 20017 25513 1117 781 1473 —
In diesen Substanzen Hess sich nach der Absorption die Gegenwart einer
kleinen Menge Salpetersäure nachweisen, welche bei Eisenoxydhydrat am
grössten war. Nach Schlösing (108) wird Ammoniak auch von trockener Erde
aufgenommen, aber nur durch feuchte Erde nitrificirt. Aus 2 Versuchen wurde
berechnet, dass die Fläche von 1 Ha. in 14 Tagen 259, in 28 Tagen 4-097 Klgrm.
Ammoniak aus der Luft absorbirt hatte. Als über fruchtbare Erde ein Luft-
strom geleitet wurde, ging Ammoniak durch Verflüchtigung verloren. Von
grosser Bedeutung ist zweifelsohne, dass die in den Bodenarten überall ver-
breiteten Humussubstanzen ein bedeutendes Condensationsvermögen für Am-
fc^:-^ ■
352 Handwörterbuch der Chemie.
moniak besitzen. Dies folgt auch schon aus älteren Versuchen von Bret-
SCHNEIDER (112) mit Ulmin, einer aus Zucker dargestellten humusähnlichen Sub-
stanz. Mit je 15 Klgrm. Quarzsand wurden vermischt resp. a) 150 b) 450
c) 750 Grm. Ulmin; nach Verlauf eines Jahres, in welchem man von jeder
Portion allmählig 16 Klgrm. Wasser verdunsten Hess, betrug die ohne Zweifel
von einer Ammoniakabsorption aus der Luft herrührende Stickstofifzunahme bei
a) 0-0690 b) 0-2394 c) 0-4535.
Bezüglich des Vorkommens niederer Organismen im Boden lehrt
Koch (113), dass die oberen Schichten ausserordentlich reich sind an Bacterien-
keimen, vorwiegend Bacillen. In frisch entnommener Erde kommen auch Micro-
coccen, jedoch in der Minderzahl vor. Beim Trocknen verschwinden die Micro-
coccen, während die Bacillen lebensfähig bleiben. Es Hess sich eine Reihe woM
charakterisirter Bacillenarten nachweisen. Der Reichthum an niederen Or-
ganismen scheint mit der Tiefe abzunehmen; in 1 Meter Tiefe war der Boden
fast frei von solchen.
Bezüglich der Methoden der Bodenanalyse muss auf die betreffenden
Anleitungen von E. Wolff (114), Grandeau (115), Krocker (116), Knop (44)
u. A. verwiesen werden.
Die Salpeterbestimmungen sind nach der Methode von Schlösing mit den
Modificationen von Schulze (117) oder zweckmässiger nach Tiemann (118) aus-
zuführen. Die Ammoniakbestimmung ist nach Schlösing (119), sicherer in den
Modificationen von Böhmer (120) oder des Referenten (121) zu machen. Der
Humusgehalt lässt sich, wie Loges (12) gezeigt hat, bei den meisten Boden-
arten genau nur durch Bestimmung des Kohlenstoffs ermitteln, für welche er
einen vereinfachten Weg angiebt. Die Bestimmung mit Chromsäure ist nicht
hinreichend genau, die Ermittlung des Humnsgehalts aus dem Glühverlust in
den meisten Fällen, mit Ausnahme der Moor- und Sandböden, unsicher.
Die Schlämmanalyse oder mechanische Bodenanalyse wird am besten mit
dem Schlämmaparat von Schöne (122) ausgeführt. Es empfiehlt sich, hierbei
die Stromgeschwindigkeiten nach den Orth' sehen Vorschlägen zu reguliren (123).
Resultate von Bodenanalysen liegen in grosser Zahl vor, leider nicht
immer vergleichbar, da oft nach verschiedenen Methoden ausgeführt Solche
Analysen werden häufig gemacht, um die Beziehungen des Gehalts des Bodens
an den wichtigeren Pflanzennährstoffen zu der Fruchtbarkeit oder Ertrags fähigkdt
zu ermitteln. Eine sichere Methode, die Fruchtbarkeit eines Bodens im Voraus
durch Analyse zu ermitteln, existirt jedoch nicht, und alle vorliegenden Analysen
können nur einen angenäherten Ausdruck für die Fruchtbarkeit der Bodenarten
bilden. Dennoch haben diese Analysen schon vielseitige Aufschlüsse über die
Natur der Bodenarten geliefert und sich im einzelnen Falle häufig schon durch
den Nachweis eines Mangels an dem einen oder andern Stoff oder der
Gegenwart schädlicher Substanzen als nützlich erwiesen. Zu welchen Resultaten
man bisher in dem Bestreben, die Fruchtbarkeit der Bodenarten analytisch fest-
zustellen, gelangt ist, hier darzustellen, würde dem Zweck dieses Werkes wider-
sprechen, da eine solche Darlegung ein näheres Eingehen auf die landwirth-
schafllichen Begriffe der Fruchtbarkeit und Bonität erfordern würde.
Die Literatur über die Bodenanalysen selbst findet sich fast vollständig in
dem Jahresbericht der Agriculturchemie (124), auf welchen wir hiermit verweisen.
Emmerung.
Bor. 353
Bor*), B = 10*9. Wir begegnen dem Bor in der Natur nur in Form seiner
Sauerstoffverbindung, der sogen. Borsäure oder deren Salzen, unter welchen das
Natriumsalz als das wichtigste hervorzuheben ist. Unter dem Namen Tinkal
wurde es schon in den ältesten Zeiten aus Indien in den europäischen Handel
gebracht und flihrt im gereinigten Zustand den Namen Borax.
Das neben Natrium und Sauerstoff im Borax enthaltene Element wurde erst
im Anfang dieses Jahrhunderts von Gay-Lussac u. Thänard (i) durch Zerlegung der
Borsäure mittelst Kalium in Form eines griinlichbraunen, amorphen Pulvers er-
halten und »Boracium« oder »Boron«, später aber kurzweg »Bor« genannt.
Wie Berzelius (2) im Jahre 1824 fand, lässt sich jenes Element auch aus Bor-
fluorkalium mittelst Kalium abscheiden, aber auch hier entsteht nur ein amorphes
Pulver; dagegen gelang es Wöhler und Saint Claire-Deville (3) im Jahre 1857,
durch starkes Glühen des amorphen Bors mit Aluminium in einem mit Kohle
gefüllten Tiegel ein krystallisirtes Bor darzustellen. Das amorphe Bor löst sich
in Aluminium auf und krystallisirt, wie der Kohlenstoff" aus dem Gusseisen, beim
Erkalten wieder aus. Der Metallregulus wird mit verdünnter Salzsäure behandelt,
welche das Aluminium löst, während dunkelbraune, durchsichtige Borkrystalle
zurückbleiben, gemengt mit leicht abschlemmbaren, dünnen, sechsseitigen Blättchen,
welche aus StickstoffT)or bestehen. Derjenige Theil des Bors, welcher nicht in
den krystallisirten Zustand übergegangen ist, findet sich stets als Stickstoff*bor
vor, denn die Wirkung des Stickstoff*s der Feuerluft lässt sich nicht völlig aus-
schliessen.
Zur Darstellung des sogen, krystallisirten Bors ist es vortheilhafter, ge-
schmolzen gewesene uud zerkleinerte Borsäure (100 Grm.) mit Aluminium in
dicken Stücken (80 Grm.) fünf Stunden lang in einem Kohletiegel, der in einem
mit Kohle ausgefüllten Graphittiegel steht, auf starke Gluth zu bringen. Unter
der aus Borsäure und Thonerde bestehenden Schlacke findet sich nach dem
Zerschlagen des Tiegels noch eine metallgraue, blasige Masse, welche Borkrystalle
enthält. Durch Behandlung mit Salzsäure und Abschlemmen sind letztere rein
zu erhalten. Bei verhältnissmässig niedriger Temperatur entstehen vorzugsweise
schwarze, metallglänzende Blättchen, welche als »graphitartiges Bor« bezeichnet
werden, im Gegensatz zu dem bei Nickelschmelzhitze gebildeten und rothgelbe,
octraedrische Krystalle darstellenden sogen, »diamantartigen Bor«.
Wie schon die Entdecker dieses Körpers beobachteten, zeigen solche Bor-
krystalle, sogen. Bordiamanten, stets einen geringen Gehalt an Aluminium
und Kohle, Hampe (4) fand indess bei neueren Versuchen den Gehalt an Alu-
minium und Kohle auch bei verschiedenen Darstellungen constant, so dass die
•) Gmelin-Kraut's Handbuch, Bd. 11. i) Gay-Lussac u. Th^nard, Gilb. Ann., Bd. 30,
pag. 363. 2) Bergelius, Pogg. Ann. 2, pag. 113. 3) Wöhler u. St. Clahie-Deville, Ann.,
Bd. 101, pag. 113; Bd. 103, pag. 347; Bd. 105, pag. 67; Compt. rend., Bd. 43, pag. 1088; Bd. 44,
pag. 342; Bd. 45, pag. 888; Ann. chim. [3] 52, pag. 63. 4) Hampe, Ann., Bd. 183, pag. 75.
5) Groddek, Ann., Bd. 138, pag. 83. 6) Councler, J. pr. [3] 18, pag. 399. 7) Michaells
u. Becker, Ber. 13, pag. 58. 8) Frankland, Proc. Roy. Soc. 25, pag. 165. 9) Reinitzer,
M. 1880, pag, 792. 10) Jones u. Taylor, Ch. Soc. J. 1881, pag. 213. 11) Dumas, Pogg. 57,
pag. 604. 12) Warington, Jahresber. 7, pag. 892. 13) Bolley, Ann. 68, pag. 122. 14) Bechi,
Ber. 1878, pag. 1190. 15) Kenngott, Wien. Akad. Ber. 12, pag. 26. 16) Miller, Pogg. 23,
pag. 558. 17) Brandes u. Firnhaber, Arch. Pharm. 7, pag. 50. 18) Ditte, Compt. rend. 85,
pag. 1069. 19) Schafpgotsch, Pogg. 107, pag. 427. 20) Ebelmen u. Bouquet, J. pr. 38,
pag. 221.
LAOBMKmc, Chemie. II. 23
354 Handwörterbuch der Chemie.
Zusammensetzung der schwarzen Krystalle durch die Formel BjjAl und diejenige
der rothgelben Krystalle durch die Formel B^gAljCg dargestellt werden köime.
Die schwarzen Krystalle werden reichlicher gewonnen, wenn man ein Ge-
menge von Borfluorkalium mit Aluminium und einem aus gleichen Theilen CWot-
kalium und Chlomatrium bestehenden Flussmittel zusammenschmilzt und die
Masse später mit Salzsäure auszieht.
Die schwarzen Krystalle sind fast so hart wie Diamant, gehören nach Wühler
und Deville dem quadratischen System, nach v. Groddek (3) aber dem mono-
klinen System an und enthalten nach den erst genannten Chemikern 97 '6 J Bor
und 2*4 J Kohlenstoff, nach Hampe aber keinen Kohlenstoff, sondern 17^ Alu-
minium. Die rothgelben Krystalle, deren Härte zwischen derjenigen des Coninds
und des Diamants liegt, gehören zum quadratischen System nnd enthalten nach
WöHLER und Deville 891^ B, 4*2^ C und 6*7^ AI; Hampe fand jedoch bei
verschiedenen Darstellungen die der oben angegebenen Formel entsprechende
Zusammensetzung: 82-81$ B, 3-76$ C und 13-15$ AI.
Zur Gewinnung des amorphen Bors wird nach Wöhler und Deville (3) ein
Gemenge aus 100 Grm. wasserfreier Borsäure mit 160 Grm. Natrium in einen
stark glühenden eisernen Tiegel eingetragen und mit 50 Grm. ausgeglühtem
Kochsalz überdeckt. Nach erfolgter Reaction wird die durchgerührte Schmelze
noch heiss in Wasser gegossen, welchem man Salzsäure beifügt Das Bor scheidet
sich als braunes Pulver ab, während sich die Schlacke löst.
Das amorphe Bor oxydirt sich beim Erhitzen an der Luft und verbrennt
mit lebhaftem Funkensprühen, dabei verflüchtigt sich aber nur ein Theil des
entstandenen Bortrioxyd, während der Rest das noch unverbrannte Bor mit einer
glasigen Schicht tiberzieht und vor der Oxydation schützt Beim Verbrennen im
Sauerstoff werden von 1 Grm. Bor 14420 cal. erzeugt. Mit Salpeter geschmolzen
bewirkt amorphes Bor kräftiges Verpuffen, beim Schmelzen mit Alkalien od«
Potasche wird in ruhigerer Weise ein Alkaliborat gebildet Alkalische Laugen
lösen das amorphe Bor nicht.
Salpetersäure und conc. Schwefelsäure oxydiren das Bor besonders leicht
in der Wärme zu Borsäure. Die Angabe von Berzelius, dass Bor in Wasser etwas
löslich sei, ist auf die Gegenwart eines festen Borwasserstoffs (s. d.) zurück-
zuführen.
Mit Chlor, Brom, Schwefel, mit verschiednen Metallen, ganz besonders auch
mit Stickstoflt geht das amorphe Bor direkt Verbindungen ein und vermag sogar
die genannten Elemente aus manchen ihrer Verbindungen abzuscheiden.
Das Bor tritt meist als dreiwerthiges Element auf, doch sind neuerdings
einige Verbindungen bekannt geworden, in welchen es als lünfwerthig anzusehen
ist So stellte Councler (6) ein Boroxychlorid BOCI3 dar, nach Mtchaeus und
Becker (7) ist die Existenz einer Verbindung BCl^CCßHg) wahrscheinlich und
Frankland (8) brachte Gründe für diejenige eines Körpers von der Zusammen-
setzung B^{C^H,){OC^U,),.
Borwasserstoff. Erst in neuester Zeit wurden Verbindungen des Bors mit
Wasserstoff beobachtet. Reinitzer (9) fand, dass der beim Auswaschen des durch
Einwirkung von Kalium auf Borsäure oder Borfluorkalium erhaltenen Bors nachEnt-
feinung der Kalisalze in Lösung gehende und dieselbe dunkelgelb färbende Körper
nicht, wie Berzelius annahm, eine löslich allotropische Modification des Bors ist,
sondern eine Verbindung des Bors mit Wasserstoff. Durch Zusatz von Chlorcaldum
Bor. 355 ,,^
zu der eingedampften Flüssigkeit schied sich ein grtinlichbrauner Schlamm aus,
welcher nach dem Waschen mit Alkohol und Trocknen über Schwefelsäure in
ein grünlichschwarzes Pulver überging. Beim Erwärmen in einer Glasröhre er-
glühte dasselbe und entliess dabei ein entzündbares, mit grüngesäumter Flamme
brennendes Gas. Die nicht rein zu erhaltende Substanz ergab, einen Gehalt von
2-67^ Wasserstoff.
Einen gasförmigen Borwasserstoff erhielten Jones u. Taylor (io) durch
Zersetzung des Bormagnesiums durch Salzsäure. Das Bormagnesium lässt sich
durch Zusammenschmelzen von Borsäure mit überschüssigem Magnesiumpulver
oder durch Erhitzen von amorphem Bor mit dem 3 fachen Gewicht an Magnesium-
pulver im Wasserstoffstrom oder gut verschlossenen Tiegel darstellen, wird aber
auch beim Ueberleiten von Borchloriddampf über erhitztes Magnesium erhalten.
Der aus Bormagnesium und conc. Salzsäure entweichende Borwasserstoff enthält
viel freien Wasserstoff- und kann über Wasser oder Quecksilber aufgefangen
werden. Das Gas ist farblos und besitzt einen sehr unangenehmen Geruch,
welcher sich aHch dem Wasser mittheilt, das mit dem Gase in Berührung war.
An der Luft entzündet, brennt das Gas mit glänzender, grüner Flamme und scheidet
dabei Borsäure als Verbrennungsprodukt ab. Auf einer in die Flamme gehaltenen
Porzellanplatte setzt sich amorphes Bor ab, ebenso wenn das Gas eine glühende
Röhre passirt. In Silbemitratlösung erzeugt das Gas einen Silber und Bor ent-
haltenden schwarzen Niederschlag, der schon von heissem Wasser unter Ent-
wicklung von Borwasserstoff zersetzt wird. Mit Ammoniak scheint der Bor-
wasserstoff eine Verbindung einzugehen, die aber noch nicht isolirt wurde. Die
Analyse des rohen Borwasserstoffgases ergab Zahlen, welche die Formel BH,
für die reine Verbindung wahrscheinlich machen.
Borsäure- Anhydrid, Bortrioxyd, BjOg, bildet sich direkt beim Verbrennen
von Bor in Sauerstoff, doch wird es zweckmässiger durch starkes Glühen der Borsäure
dargestellt, welche das Anhydrid als glasähnliche Masse hinterlässt. Dasselbe löst
sich in Wasser unter starker Erhitzung zu Borsäure auf. Während letztere eine
sehr schwache Säure ist und aus ihren Salzen durch die meisten Säuren ab-
geschieden wird, vermag das Borsäure-Anhydrid wegen seiner grösseren Feuer-
beständigkeit aus vielen Salzen bei Glühhitze die Säuren auszutreiben. Chlor-
natrium, auch Natriumsulfat z. B. werden auf diese Weise leicht zersetzt. Die
Oxyde der meisten Schwermetalle lösen sich in geschmolzenem Bortrioxyd, und
es entstehen glasartige Massen, welche — je nach dem in ihnen enthaltenen
Metall — verschieden gefärbt sind. Bei manchen derartigen Gläsern ist die Farbe
so charakteristisch, dass man sie zur Erkennung des betreffenden Metalls in der
qualitativen Analyse benutzt, indem man die zu prüfende Substanz mit Borsäure
oder Borax vor dem Löthrohr zusammenschmilzt
Das Bortrioxyd wird von Kohle nicht reducirt, wohl aber scheiden Alkali-
metalle aus ihm amorphes Bor ab (30). Die Constitution des Bortrioxyd kann
OB
durch die Formel qb^^ ausgedrückt werden.
Borsäure, B(0H)3. Mit dem Namen »Sassolin« bezeichnet der Mineraloge
die krystallisirte Borsäure, welche sich in der Nähe der Fumarolen oder Suffionen
Toscanas absetzt. Unter Fumarolen versteht man Wasserdämpfe, welche aus
Erdspalten hervordringen, sich an der Erdoberfläche z. Th. verdichten und so die
Bildung kleiner Bassins verursachen, derMi^-Wasser durch den nachquellenden
Dampf im Sieden erhalten wird. D^fl^^orsäuregehalt des aus jenen Dämpfen
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^>:. 356 Handwörterbuch der Chemie.
:-: ' entstehenden Condensationswassers beträgt nur etwa ^J, kann aber bis Ij
y/'l vermehrt werden, wenn man die Dämpfe längere Zeit durch ein mit siedendem
^:~ Wasser gefülltes Reservoir streichen lässt. Durch die Anwendung der von den
;^^ Dämpfen selbst gelieferten Wärme gelingt es so, die Concentration der schwachen
; Lösung ohne sonstiges Heizmaterial vorzunehmen, so dass alljährlich über 1 Million
Kilo Borsäure in den Handel gebracht werden können.
- ' Am Monte Cerboli hat man die Erdspalten, aus welchen der borsäurehaltigc
'^ Dampf strömt, mit Cystemen überbaut, in welche Wasser geleitet wird. Nachdem
dasselbe sich hinlänglich gesättigt hat, wird es in terassenformig aufgestellte,
grosse, bleierne Verdampfpfannen gebracht, unter welche die heissen Dämpfe
anderer Fumarolen geleitet werden. Die Lösung wird von den oberen Pfannen
V zeitweise in die unteren abgelassen. Statt einzelner Bleipfannen ist in neuerer
Zeit auch eine 300 Fuss lange, schiefe Ebene aus wellenförmig gebogenen Blei-
platten in Anwendung gekommen. Die Borsäurelösung fliesst langsam über die
durch Fumarolen erhitzte Fläche herab und wird, nachdem sie sich durch
Decantation geklärt hat, in mit Blei ausgeschlagenen Bottichen znm Krystallisiren
gebracht. Die auf solche Weise erhaltene rohe Borsäure enthält 74 — 84 J^ reine
Borsäure, ausserdem Sulfate des Ammoniums und der Alkalimetalle etc.
Die Frage nach dem Ursprung der Borsäure in den Fumarolen ist noch nicht
bestimmt beantwortet.
' Nach Dumas (i i) soll ein Schwefelbor, nach Warington (12) ein Stickstoffbor in
der Tiefe der Erde durch den Wasserdampf zersetzt werden. Bolley (13) erklärte
die Borsäurebildung durch die Wirkung von Salmiaklösung auf borsäurehaltige
Mineralien, Bechi (14) und andere sind der Ansicht, dass Wasserdampf allein oder
mit Kohlensäure aus borsäurehaltigen Mineralien die Borsäure frei zu machen
vermöge.
Natürlich vorkommende borsaure Salze werden ebenfalls auf Borsäure und
Borsäurepräparate verarbeitet. Der Borax (zweifach saures Natriumborat) wird
schon seit den ältesten Zeiten unter dem Namen Tinkal aus Indien importirt
Boracit (borsaures Magnesium mit Chlormagnesium) und Boronatrocalcit (borsaures
Natrium mit borsaurem Calcium) finden sich besonders in den Stassfurter Salz-
lagern, sowie in Californien und Nevada in vulkanischen, an heissen Salzquellen
reichen Gegenden, wo ebenfalls die Gewinnung von Borax betrieben wird.
Zur Darstellung reiner Borsäure wird am besten der Borax des Handels in
siedendem Wasser gelöst und durch Zusatz von soviel conc. Salzsäure zersetzt,
dass die Flüssigkeit Lakmus kräftig röthet. Die Reaction erfolgt nach der
Gleichung: Na2B407 -h 2HC1 -i- öHgO = 4B(OH)3 -h 2NaCl. Beim Erkalten
scheidet sich die Borsäure in Form farbloser Blättchen aus, welche durch Um-
krystallisiren von fremden Salzen und durch Erhitzen in getrocknetem Zustande
von anhängender Salzsäure befreit wird.
Die Borsäurekrystalle gehören nach Kenngott (15) zum monoklinen, nach
Miller (16) zum triklinen System. Sie lösen sich in dem 25^6 fachen Gewicht
Wasser von 15° und im 2*9 fachen Gewicht siedenden Wassers; beim Erkalten
krystallisirt also der grösste Theil der Säure aus. Die Löslichkeit bei anderen
Temperaturen wurde von Brandes und Firnhaber (17) und von Ditte (18) bestimmt.
Längere Zeit auf 100° erhitzt, geht die Borsäure unter Wasseraustritt in Meta-
borsäure, BO-OH (Schaffgotsch) (19), über.
Bei 160° entsteht eine von EbeläJJen und Bouquet (20) Tetraborsäure,
\
Brom. 357
HJB4O7 genannte, glasartige Verbindung, deren Natriumsalz der Borax bildet.
Starkes Erhitzen bewirkt die Bildung von sogen, glasiger Borsäure, welche aus
dem Anhydrid besteht.
Die Salze der Borsäuren werden auch Borate genannt. Die Orthoborate,
B(0M')3 sind sehr unbeständig, die Aether der Orthoborsäure aber stabil und
gut bekannt Boronatrocalcit, Borax und Borocalcit sind Derivate der Tetrabor-
säure. Nur die Borate der Alkalimetalle sind in Wasser leicht löslich ; alle Salze
schmeken leicht in der Glühhitze zu glasartigen Massen.
Mit Wasserdämpfen ist Borsäure flüchtig, wie schon ihre Gewinnung beweist;
aus alkoholischer Lösung verflüchtigt sie sich noch leichter, da ein Borsäure-
Aether entsteht.
Analytisches Verhalten der Borverbindungen.
Werden Borverbindungen mit etwas Natriumcarbonat am Platindraht in die
BüNSEN'sche Gasflamme gebracht, so zeigt dieselbe im Spectralapparat ausser der
Natriumlinie 4 helle, grüne bis blaugrüne Linien, die in fast gleichen Abständen
von einander stehen. Auch das Funkenspectrum ist für Borverbindungen
charakteristisch.
Wenn Borsäure oder ihre Verbindungen, die mit etwas Schwefelsäure ver-
setzt sind, mit Alkohol gemischt auf Asbest gebracht werden, so zeigt die Flamme
nach dem Anzünden des Alkohols eine schön gelbgrüne Farbe. Kupfer-
salze färben die Flamme ebenfalls grün und müssen daher vor der Prüfung durch
Schwefelwasserstoff entfernt worden sein. Die Anwesenheit von Chlormetallen
ist zu vermeiden, da entstehendes Chloräthyl grünen Flammensaum bewirkt und
zu Verwechslung Anlass geben könnte.
Borsäurelösung, welche Lakmus röthet, färbt bei Zusatz von etwas Salzsäure
gelbes Curcumapapier nach dem Trocknen roth. Borsaure Salze verhalten sich
ebenso.
Chlorbaryumlösung fallt aus den Lösungen borsaurer Alkalien borsaures
Baryum als weissen Niederschlag, der in Säuren und in Ammoniumsalzen löslich ist.
Silbernitrat erzeugt in concentrirten Lösungen der Borsäure oder ihrer
löslichen Salze einen weissen oder gelblichweissen Niederschlag von borsaurem
Silber. Aus verdünnten Borsäurelösungen entsteht nur ein rothbrauner Nieder-
schlag von Silberoxyd.
Quantitativ wird die Borsäure sehr häufig indirekt, oder aus der Differenz
bestimmt. Bei Gegenwart von freien Alkalien wird mit Salzsäure neutralisirt und
mit Chlormagnesium und Chlorammonium versetzt; dann dampft man zur Trockne,
glüht, behandelt den, überschüssige Magnesia und borsaures Magnesiinn enthalten-
den Rückstand mit siedendem Wasser, glüht, wiegt, löst das Produkt in Salz-
säure, bestimmt den Magnesiumgehalt und erfährt so aus der Differenz die
Menge der Borsäure. — Auch alsBorfluorkalium lässt sich das Bor bestimmen,
doch dürfen nur Alkalimetalle sonst noch zugegen sein. Bei Bestimmung der
Borsäure ist stets zu beachten, dass sie mit Wasser- oder Alkoholdämpfen flüchtig
ist und daher nur alkalische Borsäurelösungen abgedampft werden dürfen.
Heumann.
Brom*), Br=80. Balard entdeckte das Brom (i) im Jahre 1826 in der
Mutterlauge des Meerwassers und gab dem neuen Element seines unangenehmen
•) 1) Gmeun-Kraüt's Handbuch. 2) Joss, J. pr. i, pag. 129. 3) A. W. Hofmann's
Eotwickl. der ehem. Industrie i, pag. 107. 4) Frank, Rob. Müller u. Röckel, Ch. Ind. 1879,
358 Handwörterbuch der Chemie.
Geruches wegen den Namen Brom von ßpwfioc, Gestank. Zwar war dieser
Körper schon vor Balard von Joss und Liebig (2) beobachtet, aber nicht als ein
besonderes Element erkannt worden. Liebig hielt es für das allerdings ähnliche
Chlorjod JCl.
Das Brom besitzt so grosse Verwandtschaft zu Wasserstoff und zu Metallen,
dass es in freiem Zustand in der Natur nicht vorkommen kann; sehr verbreitet
findet es sich aber in Verbindung mit Metallen. Das Meerwasser enthält Brom-
magnesium uud Bromnatrium, und dieselben Salze sind in sehr vielen Mineral-
wassem, insbesondere demjenigen von Kreuznach, in den Abraumsalzen Stassfurts
und vielen anderen Steinsalzlagem und im Chilisalpeter enthalten. Auch als
Bromsilber findet sich das Brom in Mexiko und Chile.
Zur technischen Gewinnung des Broms dient hauptsächlich die Mutterlauge
des eingedampften Meer- oder Mineralwassers oder die Camallitmutterlaugc,
welche bei Verarbeitung der Stassfurter Salze erhalten wird (3). Nachdem ein
grosser Theil des Chlornatriums, Chlormagnesiums etc. durch Krystallisation und
Abkühlung entfernt ist, erwärmt man die Mutterlauge in Bleiretorten (odei
retortenartigen Gefässen aus Sandstein) mit Braunstein und Salzsäure oder
Schwefelsäure, so lange noch rothbraune Bromdämpfe übergehen, welche in
einer mit Wasser gekühlten Vorlage condensirt werden. Treibt man den Process
nicht zu weit, so enthält das übergehende Brom nur geringe Mengen von Chlor,
da das aus den Chloriden gleichzeitig abgeschiedene Chlor die vorhandenen
Bromide zersetzt und Brom frei macht. Auch continuirlich arbeitende Apparate,
bei welchen die frische Salzlauge den Chlor- und Bromdämpfen entgegenfliesst,
wurden patentirt (4).
Es ist schwierig, das Brom ganz chlorfrei zu erhalten. Im Kleinen gelingt
die Arbeit nach Stas (5) durch Auflösen des rohen Broms in Barytwasser, Ver-
dampfen der Flüssigkeit und Ueberfuhren des aus Brombaryum und bromsaurem
Baryum bestehenden Rückstandes durch Glühen in Brombaryum, welches von
beigemengtem Chlorbaryum durch Extraction mit Alkohol getrennt wird. Letzterer
löst nur Brombaryum. Aus diesem gewinnt man das reine Brom durch Destil-
lation mit Braunstein und Schwefelsäure. Auch durch öfteres Destilliren des
rohen Broms über gepulvertem Bromkalium soll das Chlor zurückgehalten
werden (6).
Das Brom gehört mit Chlor, Jod und Fluor zu den Haloiden oder Sak-
bildern, d. h. es vermag direkt mit Metallen vereinigt Salze zu bilden.
Hinsichtlich seiner Reactionsfahigkeit und sonstiger Eigenschaften ist das
Brom zwischen Chlor und Jod einzureihen.
Bei gewöhnlicher Temperatur bildet das Brom eine dunkelbraunrothe, in
dicken Schichten fast schwarze Flüssigkeit, welche immer von rothbraunen Dämpfen
überlagert ist. Der Geruch des Broms ist chlorähnlich reizend und erstickend;
es ätzt die Haut und sein Dampf greift die Schleimhäute äusserst heftig an. Das
spec. Gew. des Broms ist bei 0°: 31872 (Pierre), bei 15°: 2-97 bis 2*99 [Balard
pag. 42. 5) Stas, Ann. Suppl- 4, pag. 197. 6) Adrian, J. pharm. [4] 11, pag. 20. 7) Balakd»
Ann. chim. phys. 32, pag. 337; J. pr. 4, pag. 165. 8) Löwig, Das Brom u. seine chem- V^er-
hältnisse; Heidelberg 1829. 9) Philipp, Ber. 12, pag. 1424. 10) Baumhauer, Ber. 4, pag>927>
11) Landolt, Ann. 116, pag. 177. 12) V. Meyer u. Züblin, Ber. 13, pag. 405. 13) Mosjer.
PoGG. 160, pag. 177. 14) Slessor, Tabelle u. Löslichkeit; Ch. Centralbl. 1858, pag. 49«-
15) Wagner, Dingl. 218, pag. 251, 329. 16) Heumann, Ber. 1876, pag. 1577. 17) Kmof.
Ch. Centr. 1870, pag. 132. 18) Kämmerer, J. pr. 85, pag. 452.
Brom. 359
(7) und Löwig (8)]. Es erstarrt nach neuerer Beobachtung Philipp's (9) bei
— 7-3°, nach Liebig bei —25°, nach Baumhauer (10) bei — 24*5° zu einer roth-
braunen, krystallinischen Masse.
Nach St AS siedet das Brom unter 0-7597 Meter Druck bei 63°, Andrews
und Landolt (ii) fanden den Siedepunkt unter 0*760 Meter Druck bei 58*0 resp.
5S'6°, Die Dampfdichte des Broms ist zu 5*54 (statt 5*5248) gefunden worden,
bei Gelbgluth (circa 1570°) betrug sie nach V. Meyer (12) und Züblin nur f
der tlieoretischen. Das Molekulargewicht ist Brj = 160. Das Absorptions-
spectrum des Bromdampfes zeigt in einem mit mehreren Prismen versehenen
Spectralapparat eine grosse Anzahl feiner, schwarzer Linien in Orange, Gelbgrün,
Grünblau und Blau; in kleineren Apparaten erscheint nur das Blau gleichmässig
verdunkelt. Bei hoher Temperatur wird die Intensität der meisten Absorptions-
linien vermehrt und auch der Bromdampf sowie das flüssige Brom zeigen eine
weit dunklere Farbe in der Wärme, als bei niederer Temperatur (13). Nach
Schönbein besitzt das Brom bei — 50° eine hellrothgelbe Farbe. Das Spectrum,
welches der elektrische Funken beim Durchschlagen durch Bromdampf zeigt,
besteht aus vielen grünen und blauen Linien, welche aber mit dem Absorptions-
spectrum durchaus nicht coincidiren.
Die spec. Wärme des flüssigen Broms ist nach Regnault zwischen 48*4°
und 10° gleich Ol 1094; nach Andrews zwischen 45° und 11° gleich 01071.
Das Brom ist löslich in Wasser, Aether, Alkohol, Schwefelkohlenstoft, Chloroform,
concentrirter Bromwasserstoff- und Chlorwasserstoffsäure, sowie in concentrirter
Alkalibromidlösung. 1 Thl. Brom erfordert bei 15° 333 Theile Wasser zur Auf-
lösung; diese wässrige Bromlösung, gewöhnlich »Bromwasser« genannt, besitzt
eine rein gelbe bis orangegelbe Farbe und scheidet unter 4 ° rothe, octaedrische
Kiystalle von sogen. Bromhydrat Brs'lOH^O aus, welches sich bis zu einer
Temperatur von 15° in festem Zustand erhält
Die Löslicbkeit des Broms in Wasser ist bei höherer Temperatur geringer
wie bei niederer (14), und schon beim Stehen an der Luft, besonders rasch beim
Erwärmen tritt das Brom aus der Lösung aus. Unter der Einwirkung des
Sonnenlichtes wird auch ein Theil des Wassers zersetzt und unter Bildung von
Bromwasserstoff, welcher dem zurückbleibenden Wasser sauere Reaction ertheilt,
Sauerstoff entwickelt: H2O -f-Br^ = 2HBr -f- O.
Die Lösungen des Broms in Aether oder Alkohol erleiden allmählich Zer-
setzung, indem Bromderivate entstehen. Aus der wässrigen Lösung wird das
Brom durch Schütteln mit Aether, Schwefelkohlenstoff oder Chloroform in letztere
Lösungsmittel überführt. Dass das Brom sich in concentrirter Bromwasserstoff-
säure und Alkalibromidlösung reichlich auflöst, beruht vielleicht auf der Bildung
besonderer Additionsprodukte, da solche Lösungen manche Reactionen zeigen,
welche sich mit der Annahme, dass freies Brom in der Lösung sei, nicht er-
klären lassen.
Mit Wasserstoff vereinigt sich das Brom in der Kälte nicht, wohl aber beim
Erhitzen; mit Phosphor zusammengebracht, findet von Entzündung u. Explosion
begleitete Vereinigung statt. Auch mit Schwefel verbindet sich das Brom leicht.
Während Kalium sich mit Brom bei gewöhnlicher Temperatur unter Feuerer-
scheinung und Explosion vereinigt, kann Natrium mit Brom auf 200° erhitzt
werden, ohne dass Reaction stattfindet. Die Schwermetalle verbinden sich leicht
mit Brom. Die entstehenden Bromide sind in Wasser löslich, ausgenommen
Bromsilber, Kupferbromür und Quecksilberbromür (Bromblei ist schwer löslich),
360 Handwörterbuch der Chemie.
und gleichen in ihren Eigenschaften den entsprechenden Chlorverbindungen in
hohem Grade. Selbstverständlich können die Metallbromide auch aus Brom-
wasserstoff und dem betreffenden Metalloxyd, -hydroxyd oder -carbonat dargestellt
werden, aber da nicht die Bromwasserstoffsäure, sondern das Brom der gewöhn-
lichere Handelsartikel ist, so geht man zur Darstellung von Bromiden gewöhnlich
vom Brom aus. Oft wird zunächst aus Brom, Wasser und Eisenspähnen eine
Lösung von Eisenbrom ürbromid, FcjBrg, hergestellt, welche man hierauf mit
Kaliumcarbonat, Natriumhydroxyd etc. fallt und so eine Lösung des Alkalibromids
erhält.
Manche Wasserstoflfverbindungen werden von Brom mit Leichtigkeit zersetzt;
so scheidet es aus Schwefelwasserstoff Schwefel ab (der sich dann weiter mit
Brom zu Bromschwefel verbindet), aus Ammoniak wird Stickstoff freigemacht
Auf manche organische Farbstoffe wie Lakmus, Indigo etc. wirkt das Brom
bleichend, wenn auch schwächer wie Chlor; auch zerstört es üblen Gemch.
Stärkemehl wird durch Brom gelb gefärbt. Bei Gegenwart von Wasser vermag
das Brom ähnlich dem Chlor oxydirbare Körper zu oxydiren, wobei sich gleich-
zeitig Bromwasserstoff bildet.
Das Atomgewicht des Broms wurde von Marignac und Stas aus der Zu-
sammensetzung des Bromsilbers festgestellt; das Mittel war 79*95 (O = 16;
Ag = 107-93). Nach Meyer und Seubert ist es 79*76. In den meisten seiner
Verbindungen tritt das Brom monovalent auf, in seinen Sauerstoffverbindungen
kann es auch als drei-, fünf- und sogar siebenwerthig aufgefasst werden.
Die Verwendung des Broms (15) hat erst in neuerer Zeit einige Ausdehnung
gewonnen. Manche seiner Verbindungen sind officinell, andere werden in der
Photographie benutzt und das Brom selbst dient zur Herstellung einiger rosen-
rother Theerfarbstoflfe, der sog. Eosine, deren Grundsubstanz erst durch Ersau
von Wasserstoflfatomen durch Brom oder Jod die prachtvolle rothe Farbe erhält
In der analytischen Chemie bedient man sich häufig des Broms an Stelle des
unbequem zu handhabenden Chlors. Auch die wässrige Lösung des Broms,
das Bromwasser, ist ein sehr geschätztes Oxydationsmittel. — Die Producdon
des Broms ist keine sehr grosse. Im Jahre 1873 sollen in den Vereinigten
Staaten Amerikas 88*000 Kilo, in Stassfurt 20*000 Kilo und in England und
Frankreich zusammen etwa ebensoviel Brom producirt worden sein.
Die Erkennung desBroms in freiem Zustande bietet keine Schwierigkeit
Sein Geruch, die braunrothe Farbe des Dampfes und die Bildung einer braun-
gelben wässrigen Lösung erlauben, es von Salpetrigsäure- Anhydrid, Sdckstofidioxyd,
Chromylchlorid etc. zu unterscheiden. In Verbindung mit Wasserstoff oder mit
Metallen lässt sich das Brom besonders leicht daran erkennen, dass diese Körper
mit Chlorgas oder mit Braunstein u. Schwefelsäure zusammengebracht rothbraune
Bromdämpfe entwickeln. Chlorwasser zersetzt die Metallbromide ebenfalls unter
Bildung einer braungelben Bromlösung. Um sehr kleine Mengen eines löslichen
Bromids zu erkennen, fügt man zu der Lösung ein wenig Chlorwasser, dann
einige Tropfen Chloroform oder Schwefelkohlenstoff und schüttelt, wobei das
frei gewordene Brom sich in diesen im Wasser untersinkenden Flüssigkeiten löst
und denselben eine gelbe Farbe ertheilt. Ein Ueberschuss an Chlor ist ru
vermeiden, da er die Färbung in Folge der Bildung von Chlorbrom wieder
aufhebt.
Enthält eine Flüssigkeit auch Jodwasserstoff oder ein Jodmetall gelöst, so wird
bei Ausführung dieser Prüfung durch das Chlorwasser zunächst Jod abgeschieden,
Brom. 361
welches sich im Chloroform oder Schwefelkohlenstoff mit violettrother Farbe
löst. Wird dann vorsichtig noch mehr Chlorwasser zugefügt, so verschwindet
die rothe Farbe, und wenn ein Bromid zugegen war, färbt sich nun das Lösungs-
mittel braungelb. Bei Anwesenheit von Jod ist es indess bequemer, zunächst
das Jod zu entfernen, was durch Zusatz von verdünnter Schwefelsäure und
etwas Kaliumnitritlösung oder durch Zufügen einiger Tropfen einer Lösung von
Nitrosylschwefelsäure (Bleikamrtierkrystalle) in concentrirter Schwefelsäure (durch
Einleiten von Salpetrigsäuregas in conc. Schwefelsäure darstellbar) geschieht. Das
freigewordene Jod wird durch wiederholtes Schütteln mit Schwefelkohlenstoff ent-
entfernt und die nunmehr entfärbte und jodfreie Flüssigkeit mit Chlorwasser und
Schwetelkohlenstoff direkt auf Brom geprüft.
Bromide geben mit concentrirter Schwefelsäure Übergossen weisse Dämpfe
von Brom Wasserstoff mit gelbem Bromdampf untermischt, welche in Folge der
Zersetzung von etwas Bromwasserstoff durch die Schwefelsäure, der Gleichung
2HBr -h H2SO4 =s 2Br + SOj -f- 2H3O entsprechend, auftreten. Salpetersaures
Silber giebt mit den Lösungen von Bromwasserstoff oder Brommetallen einen
dem Chlorsilber ähnlichen, käsigen, aber etwas gelblicher gefärbten Niederschlag,
welcher von verdünnter Salpetersäure nicht, von Ammoniakflüssigkeit schwierig
gelöst wird (Chlorsilber ist sehr leicht löslich in Ammoniak).
Die quantitative Bestimmung des Broms wird gewöhnlich den Clorbe-
stimmungen analog ausgeftihrt. Freies Brom kann durch eine titrirte Lösung
von arsenigsaurem Natrium bestimmt werden, da es letzteres zu arsensaurem
Salz oxydirt; auch durch Zusatz von überschüssigem Jodkalium und Titrirung
des ausgeschiedenen Jods mit unterschwefligsaurem Natrium ist das freie Brom
zu bestimmen, wobei 1 Atom Brom genau 1 Atom Jod in Freiheit setzt. Aus
löslichen Bromiden und aus Bromwasserstoff fällt Silbemitrit alles Brom als
Bromsilber, welches gewaschen, getrocknet, schwach geglüht und gewogen wird.
Aus unlöslichen Bromiden ist zunächst das Brom durch Kochen der Substanz
mit chlorfreier Natronlauge oder Schmelzen mit Natriumcarbonat in lösliches
Bromnatrium überzuführen.
Bromsaure und überbromsaure Salze sind zuvor durch Reductionsmittel, wie z. B.
schweflige Säure, in Bromide zu überführen, worauf deren Bromgehalt bestimmt wird.
Handelt es sich darum, das Brom neben gleichzeitig anwesendem Chlor zu
bestimmen und dieser Fall kommt am häufigsten vor, so sucht man zunächst,
im Falle viel Chlor neben wenig Brom vorhanden ist, die Chlormenge zu ver-
ringern, was durch Eindampfen mit Natriumcarbonat und Extrahiren mit heissem
Alkohol zu bewerkstelligen ist. Der Alkohol löst alles Bromid, aber nur einen
kleineren Theil des Chlornatriums. Die wässrige Lösung der gemischten Haloid-
saJze wird dann durch Silbernitrat ausgefällt, der Niederschlag gewaschen, ge-
schmolzen, gewogen und dann in einer von Chlorgas durchströmten Glasröhre
geschmolzen. Das Bromsilber wird hierdurch ebenfalls in Chlorsilber überführt
und aus dem Gewichtverlust, welcher in Folge des Ersatzes von 80 Gewichtsthln.
Brom durch 35*46 Thle. Chlor eintritt, lässt sich die vorhanden gewesene
Brommenge berechnen, indem die Gewichtsabnahme mit 4*2202 multiplicirt
gleich der Menge des zersetzten Bromsilbers ist.
Das Chlor ergiebt sich schliesslich aus der Differenz zwischen dem Gewicht
des gemischten Haloidsilbers und demjenigen des Bromsilbers. Wie bei allen
indirecten Methoden giebt dieses Verfahren keine zuverlässigen Resultate, sobald
das eine Haloid bedeutend vorherrscht.
3^3
\l.iw\ wrtrt ltI k ti c i 1 f k- r C 1 1 enii c ,
Brom wnsE^ersto ff, HRr.
Dieses dein Chlonvasscrsü^tT ähnliche (Jas bildet sicli ohne Kxplosion, wenn
ein (icmcnpic \on WnssoTstoft' \u^d liroiiidninpf stark t:iliitzt oder mit einer
Fl am nie hc rührt wird. Aurh der ek-ktrihclie Funken vermag die Vereinigim^
berhüi/nfiElirenH lichii Ziibammcnfreii'cn von Krom nvit wasserstolThaliigen Sab-
Klangen, /. H. Sehwerulwasscrsioft' uder Ammoniak, entstellt ebenfalls Brom wasser-
stijrt", der im letzteren Fall mit Ammoniak sofort zn l'roniainmoninni zusammentritt^
Zur Darstellung; xuw lir^jmwasserstoffVas kann man das hei Chlorwasserstoff
tibi ich eA'erfahren anweiulcn und der(ncic!iunir: XaHr-hD^HS()^=^Hnr-hNaHSO^
enlsprc<:hcnd, nroii-matriinn niit mässis; cunc. Scluvefelsaure (l Vol. H^O und 3 Vol.
conc. Säure") ulier^icsscn, und nachdem daü erste Aufbrausen vorüber ist, durch
gebndcs Frwarnien einen regelmässigen (iaf^strom erzielen- Doch wird dabei
ctvvas Hrt>m Wasserstoff dürcii die Sehwefelsäure zerlegt (s, oben) und das ent-
weichende llromwasser£itofl]^as enthalt desshalb etwas Bromdampf. Lässt nun
das eins durch eine :20 t.\ntuii, lange, mii feuchtem, amorphem Phosphor oder
mit Bimvteinstucken, welche mit ennc. Ibomwasserstotisäure getränkt sind, gefüllte
Köhre gehen, so wird der r>romdam|>f und die entstandene schweflige Säure zunkk-
gebalfeti. — Wird die Scliwefelsaurc durch rhosphorsäure ersetzt (z. B. K»n Gmi.
KBr, ]üO {irnu l'O^H,^ und IMM} (,rm, H.())j so i^t das entweichende Gas frei
von Bromdampf, da Bhosjdnirs/nire von Ib um Wasserstoff nicht reducirt w^ird.
Atuli mit rot he in Thosphor (l Thl,) und einer Auflösung von (12 Thln)
Brom in concentrirtcr l'ronikabumlösung (7%^ Thle.) kaTin Brom wasserstoffgas
erhalten v\'eiden und /war in ganz: reinen> Zustand. Man bedient sich hierj^u
des in big. 'i7 af>gebi bieten Apparates.
Uli. r>T.i
\n ffu' KctniU' a wird tlor u\\h<L- I'hn-[ihm- -.jL^lirriclit^ Hie Hrondopiing büfmdL't '^ich n\ Her
Kir^^tl 1i, \\i (füri 11,1]-. (kr KLtdfU' ki^i iri^n tViicliUn, n'Hi^n Phosphor, wckht^T dn> Entvrcichen
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Her ]lrom\sa*'.serstD ff ist ein farbloses, wie Sal/s;iure riechendes und an der
fenrhten Ltift schwere, weisse Neliel von wässriger Säure bildendes Gas. Nach
F^RAOAV \erdiehtet es sirh bei — 7^^ zu einer farblosen Flüssigkeit, w^elchc
beim Verdunsten z, Dd. ersiarrt. Wasser abiiorlnrt das Gas unter bedeutender
Brom. 363
Wärmeentwickelung und mit grösster Heftigkeit, so dass beim Einleiten des
BromwasserstofTgases in Wasser besondere, das Zurücksteigen der Flüssigkeit
verhütende Vorrichtungen angebracht werden müssen. Bei der Bildung des Brom-
wassersto^ases tritt 1 Vol. Bromdampf mit 1 Vol. Wasserstoff zu 2 Vol. Brom-
wasserstoffgas (also ohne Verdichtung) zusammen. Das spec. Gew. des Gases
ist 2-79703, 1 Litef wiegt bei 0° u. 760Miilim. Druck 3-6167 Grm.
Die wässrige Lösung des Bromwasserstoffgases, die gewöhnlich wässrige
Bromwasserstoffsäure genannt, kann selbstverständlich durch Einleiten des Gases
in kaltes Wasser dargestellt werden, zweckmässiger ist es aber, 1 Thl. rothen
Phosphor mit 15 Thln. Wasser und dann langsam mit 10 Thln. Brom zu ver-
setzen und aus der mit Vorlage versehenen Retorte, die wässrige Säure abzude-
stilliren. Auch aus Bromkalium (1 Thl.), conc. Schwefelsäure (J Thle.) und
Wasser (10 Thle.) kann durch Destillation wässrige Brom Wasserstoff säure erhalten
werden. Ebenso wird die Säure erhalten, wenn man Schwefelwasserstoffgas zu
mit Wasser übergossenem Brom leitet und dann destillirt (16). Wird eine ver-
dürmte Säure destillirt, so geht zuerst soviel Wasser mit sehr wenig Bromwasser-
stoff über, bis die Säure 47-8^ enthält, dann destillirt die Säure von solcher
Concentration unverändert in die Vorlage. Concentrirtere Säure kann durch Ein-
leiten von Bromwasserstoffgas in der Kälte dargestellt werden, beim Destilliren
entweicht aber zunächst soviel Gas, bis obige Concentration der unverändert
destillirenden Säure erreicht ist, deren Siedepunkt bei 126° liegt.
Die wässrige Bromwasserstoffsäure ist farblos und raucht an der Luft, wenn
sie concentrirt ist Die stärkste Säure entspricht der Zusammensetzung HBr
-i-H,0; sie enthält 8202 J HBr und besitzt das spec. Gewicht 1-78. (Tabelle
über die Concentration der Säuren und deren spec. Gew. s. Topsoe, Ben 1870,
pag. 464.)
Die Bromwasserstoffsäure reagirt auf Lakmus stark sauer und zeigt die
Reactionen der löslichen Metallbromide. Viele Metalloxyde, -Hydroxyde oder
-Carbonate werden von ihr zu Bromiden gelöst und auch manche von Chlor-
wasserstoff ungelösten Metalle zersetzen Bromwasserstoffsäure unter Entwickelung
von Wasserstoff und Bildung eines Bromids; auch vermag ein Gemisch von
Bromwasserstoffsäure mit Salpetersäure ähnlich dem Königswasser Gold und Platin
zu lösen.
Unterbromige Säure, BrOH,
ist ebensowenig wie Bromsäure oder Ueberb romsäure im isolirten Zustand be-
kannt. Salze der unterbromigen Säure, sog. Hypobromite, entstehen beim Auf-
lösen von Brom in verdünnten Alkalilaugen, doch enthält die farblose Flüssig-
keit ausser dem Hypobromit auch Brommetall gelöst: 2NaOH -I- 2Br = NaBr
-f-NaOBr^-HgO. Die leichte Zersetzbarkeit des Hypobromits erlaubt jedoch
nicht, es aus diesem Gemenge zu isoliren, dessen Lösung, analog der Auflösung
des Chlors in Alkalilauge, bleichende Eigenschaft besitzt. Bei Zusatz einer ver-
dünnten Säure zu solcher alkalischer Bromlösung färbt sich dieselbe gelb durch
freigewordenes Brom; unterbromige Säure tritt dagegen neben Brom nur auf,
wenn Kohlensäure die Zersetzung bewirkt.
Reiner lässt sich die unterbromige Säure durch Digestion von Bromwasser
mit Quecksilberoxyd gewinnen, wobei nach der Gleichung: 4Br-f- 2HgO -f- H^O
= 2H0Br -f- HgaOBr^ unterbromige Säure und unlösliches Quecksilberoxy-
bromid entsteht. Da sich ein Theil der unterbromigen Säure mit Quecksilber-
oxyd zu einem löslichen Salz verbindet, so muss zur Isolirung der freien Säure
364 Handwörterbuch der Chemie.
die gelbliche Flüssigkeit im Vacuum destillirt werden. ' Steigt dabei die Tempe-
: ' ratur über 60°, so zersetzt sich die Säure zu Brom und Bromsäure. Die con-
i^- • centrirteste Lösung der unterbromigen Säure, welche dargestellt wurde, besass
r, strohgelbe Farbe und zersetzte sich schon bei 30°.
V Bis jetzt hat weder die unterbromige Säure, noch eines ihrer Salze technische
V Verwendung gefunden; zur volumetrischen Bestimmung des StickstoÜs in Harnstoff
> oder ähnlichen Verbindungen wendet man im KNOP'schen Azotometer (17) eine alka-
lische Bromlösung an, wobei der Gleichung: CO(NH3)2 -+ 3H0Br = SHBr -H N,
i, -h 2H2O -f- COj entsprechend, aller Stickstoff in Freiheit gesetzt wird und ge-
messen werden kann.
Bromsäure, BrOjH.
Brom löst sich in concentrirten Alkalilaugen unter Entfärbung leicht auf,
aber neben Brommetall entsteht bromsaures Salz, während in verdünnten Laugen
ein Salz der unterbromigen Säure gebildet wird. Der Vorgang lässt sich durch
■i die Gleichung: 6Br -+- 6KOH = 5KBr-f- KBrO, -f- SU^O darstellen. Wegen
der Schwerlöslichkeit des bromsauren Kaliums oder Baryums kann bei An-
wendung von Kalilauge oder Baiyumhydroxyd das Bromat leicht rein erhalten
werden, da es sich als Krystallpulver abscheidet, während Bromkalium resp.
Brombaryum in der Lösung bleiben. Durch Krystallisation aus kochend ge-
sättigter Lösung ist das Bromat vollends zu reinigen.
; Zur Darstellung einer wässrigen Bromsäurelösung wird bromsaures Baryum mit
der berechneten Menge verdünnter Schwefelsäure zersetzt, wobei indess eine etwas
Schwefelsäure enthaltende Lösung hinterbleibt. Nach Kämmerer (18) empfiehlt
es sich, das durch Wechselzersetzung von bromsaurem Kalium mit Silbemitrat
^ darstellbare, schwer lösliche bromsaure Silber mit Wasser und soviel Brom zu
digeriren, dass sich die Flüssigkeit gelb zu färben beginnt.
Die auf die angegebene Weise zu erhaltende, färb- und geruchlose Brom-
säurelösung kann im Vacuum bis zu einem Gehalt an 50*59 ^ Bromsäure, welche
der Formel BrOgH-i-THjO entspricht, concentrirt werden.
Diese Säure zerfällt beim Erhitzen in Brom, Sauerstoff und Wasser und wirkt
auf oxydirbare Körper kräftig ein. Aus Schwefelwasserstoff scheidet sie Schwefel
ab, Alkohol wird zu Essigsäure oxydirt, schweflige Säure zu Schwefelsäure. Das
Anhydrid der Bromsäure ist nicht bekannt.
Die Bromsäure ist eine einbasische Säure und bildet daher nur eine Reihe
von Salzen. Die löslichen Salze können aus freier Bromsäure und dem be-
treffenden Hydroxyd oder Carbonat dargestellt werden (Kalium- und Baryum-
bromat direct aus Brom und den Hydroxyden), das schwer lösliche Bleisalz
und Quecksilberoxydulsalz auch durch Fällung einer Lösung von Kaliumbromat
durch die Nitrate jener Metalle. Nach Kämmerer bildet sich bromsaures Kalium
auch beim Schmelzen von Bromkalium mit chlorsaurem Kalium, sowie bei Zusatz
von Brom zu einer mit Chlor bis zum Beginn des Aufbrausens gesättigten con-
centrirten Kaliumcarbonatlösung.
Zur Erkennung der bromsauren Salze dient deren Eigenschaft, beim Erhitzen
unter Sauerstoffentwicklung in Brommetalle überzugehen; auch die Reduction der
Bromatlösung durch schweflige Säure und nachherige Nachweisung der Gegen-
wart eines Metallbromids ist ein sicheres Erkennungsmittel.
Die quantitative Bestimmung der Bromate erfolgt in der zuletzt erwähnten
Weise, wobei das Brom des entstandenen Bromids auf gewöhnliche Weise be-
stimmt wird.
Brot. 365
Ueberbromsäure, Br04H.
Diese Säure soll nach Kämmerer aus Ueberchlorsäure und Brom erhalten
werden können. P. Mum und Mac Ivon bestritten diese Angabe.
Arsenbromür,*) AsBr,. Bildet sich, wenn gepulvertes Arsen mit Brom
Zusammengebracht wird. Ist das Brom in Schwefelkohlenstoff gelöst gewesen,
so erhält man beim Eindampfen die Verbindung in farblosen Krystallen Destillir-
bar. Schmp. 20—25°. Siedep. 220°. Wird durch Wasser zersetzt.
Bortribromid,**) BBrg. Aus amorphem Bor und Brom oder aus Borsäure,
Kohle und Bromdampf bei Glühhitze darstellbar. Farblose, dicke Flüssigkeit.
Siedep. 90°. Raucht an der I.uft, mit deren Wassergehalt die Verbindung Bor-
säure und Bromwasserstoff erzeugt. Heumann.
Brot.***) Das Brot besteht im Wesentlichen aus einem Gemisch von Mehl und
Wasser, welches in Teigform durch in der Masse sich entwickelnde Kohlensäure
schwammartig aufgetrieben und durch Erhitzen in consistente Form gebracht
worden ist. Es ist der Zweck der Bereitung des Brotes, die Bestandtheile des
Mehles chemisch und physikalisch derart zu behandeln, dass sie zwischen den
Zähnen leicht zerkleinert und von den die Verdauung befördernden Flüssigkeiten,
also Speichel und Magensaft, leicht durchdrungen und in Angriff genommen
werden können.
Die Bestandtheile des Mehles sind verschieden je nach der Getreideart,
aus welcher dasselbe bereitet, so wie auch nach der Art und Weise, wie es durch
den Mahlprocess hergestellt worden ist. Die folgende Zusammenstellung giebt
die durchschnittliche Zusammensetzung verschiedener Mehlsorten nach König (i):
•) NiCKLES, Ch. CentT. 1859, pag. 688. Skrullas, Schweig. J. 55, pag. 345. Wallace,
J. pr. 78, pag. 119.
••) P0GGIAI.E, Ann. 60, pag. 191. Wöhler u. Deville, Ann. 105, pag. 73.
•*•) Handbücher, Monographien u. Zeitschriften: v. Bibra, Die Getreidearten und
das Brot, Nürnberg 1861. K. Birnbaum, Das Brotbacken, Braunschweig 1878. J. König, Die
menschl. Nahrungs- u. Genussmittel, Berlin 1879/80 u. 1882/83. Roret, Enciclopädie (Boulanger),
Paris 187 1. Payen, Precis des substances alimentaires , Paris 1865. Parmentier, Art de la
Boulangerie. Rollet, Memoire sur la meunerie, la boulangerie etc., Paris 1847. Horsford,
Report on Vienna Bread, Wassington 1875. Melnikoff, Fabrikation der Roggenbiscuit« etc.,
Odessa 1878. Abhandlungen u. Citate: 1) König, Die menschl. Nahrungs- u. Genussmittel,
Berlin 1880, pag. 300 u. f. 2) K. Birnbaum, Das Brotbacken, Braunschweig 1878, pag. 103.
3) Ibid. 104. 4) Liebig, Dingl. Journ. 187, pag. 182 u. 346. 5) Horsford, Chem. News.
1861. IL, pag. 174 u. Dingl. Journ. 212, pag. 438. 6) G. Meyer, Zeitschr. f. Biologie 1871
[7], pag. I. 7) Siehe bei Odling, Dingl. Journ. 155, pag. 148; Oppenheim, ibid. 160, pag. 457.
F. Hoffmann, ibid. 175, pag. 159; F. Knapp, Vierteljahrsschr. f. üffentl. Ges.-Pflege 1878, pag. 288.
8) KuHLJktANN, Dikgl. Joum. 39, pag. 439; EuiXNBURG u. Vohl, ibid. 197, pag. 531. 9) Siehe
Birnbaum, a. a. O. 157 u. f. 10) Ibid. 187. 11) Ibid. 204. 12) Ibid. 218 u. f. 13) Heeren,
Dingl. Journ. 131, pag. 276 u. 441. 14) Rivot, Ann. chim. phys. [3] 47, pag. 50; Dingl. Journ« 143,
pag. 380. 15) V. BiBRA, a. a. O. 16) v. Fehling, Dingl. Journ. 131, pag. 283. 17) Lawes
u. Gilbert, Chem. soc. 10, pag. 269; Wagn. Jahresber. 1857, pag. 254. 18) J. König, a. a. O.
332. 19) Barral, Compt. rend. 56, pag. .1118, siehe auch Birnbaum, a. a. O. 254 u. 280.
20) BoLAS, Dingl. Joum. 209, pag. 399. 21) Birnbaum, a. a. O., pag. 256. 22) Oppel, Dingl.
Journ. 120, pag. 398. 23) Grou\t.n, Vorträge über Agricult.-Chem., Köln 1859, auch Birnbaum,
a. a. O. 264. 24) Brand, Wagn. Jahresber. 1864, pag. 366. 25) Thomson, v. Bibra, a. a. O.
26) s. König, a. a. O. 334. 27) Boussingault, Ann. chim. phys. [3] 36, pag. 490. 28) Birn-
baum, Dingl. Joum. 233, pag. 322. 29) Schierse, D. R. P. No. 8757. 30) F. W. Fischer,
D. R. P. No. 14893. Siehe auch »Bäcker- u. Conditor-Zeitung«.
|::
366
^"*, •
Wasser
Feinstes Weizenmehl
14-86
'•>'"'
Gröberes Weizenmehl
1218
>i y-
Roggenmehl . . .
14-24
' J! ■ ' '
Gerstenmehl . . .
14-83
5*..' ■
Hafermehl ....
10-07
'.: '
Maismehl ....
10-60
Starke
HoWaser
Asche
65-93
0-33
0-51
66.61
0-84
0-84
58-73
1-62
1-48
62-27
0-47
063
60-41
2-24
2-02
63-92
0-86
Hahdwörterbuch der Chemie.
Stickstoff- p 7urWer Gummi u.
Substanz *^*" ^"'^''*' Dextrin
8-91 1-11 2-32 603
11-27 1-22 1-88 5-16
10-97 1-95 3-88 7-13
10-89 1-23 3-10 6-48
14-29 5-65 2-25 307
1400 3-80 3-71 3-05
Zur Bereitung des Brotes wird vorwiegend Weizen- und Roggenmehl, seltener
Gerstenmehl, Hafermehl und Maismehl verwendet. Je nach Feinheit des Mehles
und der Natur der Lockerungsmittel erhält man verschiedene Brotsorten: aus
Weizenmehl mit Hefe das Weissbrot, aus Roggenmehl mit Sauerteig das
Schwarzbrot, doch werden auch gemischte Brotsorten hergestellt.
Als Lockerungsmittel, welche in erster Linie den Zweck haben, in dem
Teig Kohlensäure zu entwickeln, die dann insbesondere bei dem nachfolgenden
Erhitzungsprocess ein schwammartiges Aufblähen des Brotes veranlasst, werden
vorwiegend Gährungsmittel zur Anwendung gebracht. Für das Schwarzbrot
bedient man sich des Sauerteiges, d. i. ein in alkoholischer, milchsaurer, butter-
saurer und essigsaurer Gährung begriffener Teig, der von einer vorhergehenden
Operation der Brotbereitung aufgehoben worden ist. Derselbe versetzt, mit
frischem Teig zusammengebracht, auch diesen in Gährung, Stärkemehl wird ver-
zuckert, die dadurch gebildete Maltose mit dem schon vorhandenen Zucker zer-
fallt theilweise in Alkohol und Kohlensäure, welche in dem Teig zunächst noch
gelöst bleiben, theilweise in Milchsäure, Essigsäure und Buttersäure, welche als
Lösungsmittel für gewisse Proteinkörper dienen, durch welche dann die ganze
Brotmasse gleichmässig durchdrungen wird. Dieselben Säuren wandeln auch
einen Theil des Klebers des Mehles in eine lösliche Substanz um, welche die
Eigenschaft besitzt, an der Luft sich rasch dunkel zu färben, woher es auch
kommt, dass das mittelst Sauerteig hergestellte Brot immer eine dunkle Farbe
besitzt. Je länger man den Sauerteig aufbewahrt, desto weiter schreitet die
saure Gährung bezw. die Bildung der betreffenden Fermente vor und um so
saurer und dunkler wird dann auch das damit bereitete Brot. Deshalb darf der
Sauerteig nicht zu lange aufbewahrt werden, oder aber er wird, wenn lange Auf-
bewahrung nicht zu umgehen ist, von Zeit zu Zeit angefrischt, wobei man
durch wiederholte Zuführung von zucker- und stickstoffhaltigen Stoffen das Ferment
der Alkoholgährung zu erhalten, die Säure-Fermente dagegen zu unterdrücken
strebt.
Für feinere und weisse Brotsorten bedient man sich der Hefe als Gährungs-
mittel. Während man früher allgemein dazu die Bierhefe verwendete, • ist man
des von dem Hopfenharz herrührenden bittem Geschmacks, sowie auch der
trägen Wirkungsweise der neuerdings meist erzeugten Untergährungshefen w^en
allgemein zu der Presshefe tibergegangen. Die Anwendung der letzteren hat in
Folge ihrer Haltbarkeit und leichterer Transportfahigkeit noch den Vorzug, dass
man sie zu jeder Zeit und an jedem Ort leicht beziehen kann. Wird die Hefe
dem Teig beigemengt, so vermehren sich die darin enthaltenen Fermentzellen
und bewirken dementsprechend eine starke alkoholische Gährung, beziehungs-
weise die Entwickelung von Alkohol und Kohlensäure.
Da die Entwickelung der Hefezellen, die Bildung des Alkohols und der
Kohlensäure etc. auf Kosten der Substanzen des Mehls vor sich gehen, wodurch
Brot. 367
nach einem Versuch Heeren's (2) ein Verlust an Trockensubstanz des Mehles von
153^ vor sich geht, hat man schon vor Jahren versucht, an Stelle der Gährung
andere Lockerungsmittel in Anwendung eu bringen» Schon seit langer Zeit wird
fiir gewisses Backwerk das Ammoniumsesquicarbonat (Hirschhornsalz) verwendet.
Henry (3) und später Whiting (3), Liebig (4) u. A. empfehlen zur Entwickelung
der Kohlensäure im Brotteig einen Zusatz von Salzsäure und Natriumbicarbonat,
in England benutzte man statt der Salzsäure Weinsäure oder Weinstein, auch
kam statt des Natriumbicarbonates das Calciumcarbonat zur Anwendung. Bei
Weitem wichtiger ist aber das von Liebig sehr empfohlene Backpulver von
HoRSFORD (5) geworden. Dasselbe besteht aus zwei Präparaten, dem Säurepulver
(Gemisch von saurem Calcium- und Magnesiumphosphat) und dem Alkalipulver
(Gemisch von Natriumbicarbonat und Chlorkalium), welche dem Teig zugleich
mit dem Mehl aufs innigste beigeknetet werden. Dabei wirken dann theils in
der Kälte, theils beim Erwärmen zuerst Chlorkalium und Natriumbicarbonat
unter Bildung von Chlomatrium und Kaliumbicarbonat auf einander ein, während
später durch die Wirkung der sauren alkalischen Erdphosphate auf Kaliumbicar-
bonat Kaliumphosphat und freie Kohlensäure entstehen. Indem man auf diese
Weise neben dem Lockerungsmittel auch noch Nährsalze erzeugte, hoffte man,
durch das HoRSFORD'sche Backpulver auch den Nährwerth des Brotes zu erhöhen;
es hat sich diese Hoffnung jedoch nach den bei Voit in München durch G. Meyer
(6) ausgeführten Versuchen nicht bewahrheitet. Endlich sei noch die Methode
von Dauglish (7) erwähnt, nach welcher man die Kohlensäure in Form von
kohlensäurehaltigem Wasser dem Teig beimischt, ein Verfahren, welches in
mehreren Brotfabriken Englands, auch in Berlin und Paris durchgeführt ist.
Man erzeugt dabei die Kohlensäure aus Calciumcarbonat und Salzsäure, leitet
sie in besonderem Apparat unter Druck in das Wasser und vermischt dieses in
geschlossenem Behälter vermittelst mechanischer Vorrichtungen und ebenfalls
unter Druck aufs innigste mit dem Mehl.
Als Lockerungsmittel mit sehr verschiedener Wirkungsweise seien noch er-
wähnt: Weingeist, Potasche, Fett, Eiweiss zu Schnee geschlagen; für verdorbenes
Mehl: Alaun, Kupfervitriol und Zinkvitriol, welch* letztere Salze jedoch in Folge
ihrer giftigen Wirkung unbedingt zu verwerfen sind (8).
In operativer Beziehung zerfallt die Brotbäckerei in das Anmachen, Kneten,
Gährenlassen und Formen des Teiges, sowie in das Erhitzen, beziehungsweise
das eigentliche Backen desselben.
1- Anmachen, Kneten und Gährenlassen des Teiges. Dabei werden
Mehl, Gährungsmittel, Wasser und event. Kochsalz mit einander durch Kneten
derart aufs Innigste vermischt, dass man das Mehl dem in Wasser vertheilten
Gährungsmittel (Hefe, Sauerteig) nach und nach unter jedesmaligem Durchkneten
zusetzt. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass das Wasser das Mehl voll-
kommen durchdringt und dass das Gährungsmittel in dem Teig ganz gleichmässig
vertheilt und zu starker Entwicklung gebracht wird. Vor jedesmaligem Nach-
setzen frischen Mehles lässt man den Teig an einem warmen Ort ruhig stehen,
wobei in Folge der Umwandlung des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure durch
das sich entwickelnde Hefeferment der Teig sich aufbläht. Die Zumischung des
Mehles geschieht in 2—4 Portionen. Auf 100 Thle. Mehl kommen durchschnitt-
lich 75 Thle. Wasser, ausserdem Lockerungsmittel und meist etwas Salz, die
beiden letzteren jedoch nur in ganz geringen Mengen.
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^'"'^ 368 Handwörterbuch der Chemie.
Während in den kleineren Bäckereien das Kneten des Teigeg mittelst Hand-
arbeit geschieht, ist man in grösseren Etablissements schon längst dazu überge-
' gangen, diese beschwerliche Arbeit duich Knetmaschinen (9) zu ersetzen. Die
meisten derselben sind von sehr einfacher Construction, sie bestehen entweder
J>,; aus drehbaren Trommeln, in welchen sich feste Vorrichtungen zur Zertheilung
der Materialien befinden, oder aus feststehenden Trommeln mit beweglichen Rühr-
oder Mischvorrichtimgen, die an der die Trommel durchziehenden horizontalen
Welle befestigt sind. Auch Knetmaschinen, bei welchen Trommel und Rühr-
werk in entgegengesetzter Richtung beweglich sind, hat man construirt. Andere
Knetapparate bestehen aus senkrecht stehenden cylindrischen oder nach unten
>■ '" « schwach conisch verlaufenden Gehäusen, in welchen der Teig durch schrauben-
^^ förmig an der rotirenden senkrechten Welle befestigte Messer durchgearbeitet
;*' * ^ und nach unten zu gewunden wird, woselbst er beim Oeffnen eines Schiebers
■^"'} austritt. Während auf diese Knetmaschinen die Construction der Thon-Ki\et-
r^ apparate in den Ziegelpressen übertragen ist, giebt es andererseits auch Apparate,
^v / ^ die in ihrer Construction mit den Maischbottichen der Bierbrauereien und
Spiritusbrennereien übereinkommen, endlich auch solche, die beides vereinigen
V und bei welchen das Anmachen des Teiges in einem Bottich mit Rührwerk ge-
schieht, während der angemachte Teig dann erst in die darunter befindliche
Knetmaschine gelangt, so dass also Anmachen und Kneten des Teiges in ge-
trennten Theilen der Maschine zur Ausführung kommen.
Unter allen Umständen muss der Teig, weil er durch das Kneten zusammen-
gedrückt wird, nach dieser Operation noch einmal am warmen Ort sich selbst
überlassen werden, damit er durch den Gährungsprocess wieder aufgetrieben wird.
2. Das Formen des Teiges geschieht entweder ganz aus freier Hand oder
in Formen aus Strohgeflecht, Holz, Eisen etc., wobei es insbesondere darauf an-
kommt, die einzelnen Teigstücke von einem solchen Uebergewicht herzustellen,
dass sie nach Verlust des Wassers durch den Backprocess gerade das richtige
Gewicht behalten. Nach Birnbaum nimmt man hierbei fiir Wasserweck
>. ä 50 Grm. ein Uebergewicht von 28 J des Brotgewichtes, fiir ein sogenanntes
Groschenbrot aus Weizenmehl ein Uebergewicht von 21^, für 2 — 3 pfundiges
rundes Halbschwarzbrot 11 — 12^. Je kleiner die Brote und je grösser ihre Ober-
fläche, bezw. die sich bildende Kruste im Verhältniss zum Gesammtvolumen,
desto grösser muss das Uebergewicht sein. So rechnet man in Paris auf 1 Laib
zu 1 Kgrm. 162 Thle. Teig, auf Laibe ä 4 Kgrm. nur 114 Thle. Teig pro
100 Thle. Brot.
Um das umständliche Abtheilen der einzelnen Brote, insbesondere auch das
Wägen der einzelnen Teigstücke zu umgehen, hat man in neuerer Zeit Teig-
theilmaschinen (10) eingeführt. Dieselben bestehen aus zwei Pressplatten, auf
deren unterer der Teig bis zum Rand ausgebreitet wird, während die obere den
Teig in dem auf der unteren Platte gegebenen ringförmigen Raum gleichmässag
vertheilt. Durch ein System von Messerformen, welche durch entsprechende Schlitze
in der unteren Platte sich von unten nach oben bewegen, wird dann diese Teig-
platte in beliebig viele gleichgrosse Teigtheile zerlegt. Die geformten Teigstücke
überlässt man, damit sie wieder aufgehen, einige Zeit sich selbst und bringt sie
dann in den Ofen.
3. Das Erhitzen oder Backen. Zweck dieser Operation ist es, den
in dem Teig enthaltenen Ueberschuss an Wasser durch Verdampfen zu ent-
1
V
Brot 369
fernen, ausserdem aber auch die ganze Teigmasse zur Bildung der Brotkrume
auf mindestens 100° zu erhitzen und ebenso durch Erhitzung der äusseren
Schicht des Teiges auf 200° die Kruste zu bilden. Die Wärmemenge, welche
zum Ausbacken von 1 Kilo Brot erforderlich ist, berechnet Birnbaum zu 272, rund
300 Wärmeeinheiten. Da 1 Kilo Holz 3000 Wärmeeinheiten liefert, so mtissten
damit 10 Kilo Brot gebacken werden können, mit 1 Kilo Steinkohle sogar
23 Kilo Brot Die Praxis bleibt jedoch weit hinter diesen Zahlen zurück, was
von den weitgehenden, theils nicht zu vermeidenden Wärmeverlusten herrührt.
Wesentlich ist, dass der Ofen von vornherein auf die für den Backprocess noth-
wendige Temperatur erhitzt wird, indem bei nur allmähliger Erwärmung Kohlen-
säure des Teiges durch Kanäle entweichen würde, ohne das Brot gleichmässig
aufzutreiben; auch die Rindenbildung geht unvollständig vor sich, wenn man all-
mählich erwärmt.
Bezüglich der Bauart eines Backofens stellt Birnbaum die Anforderung, dass
derselbe aus schlechten Wärmeleitern erbaut oder wenigstens von solchen um-
geben sei, dass er über einer flachen Sohle ein Gewölbe trage, welches die
Wärme in den Backraum strahlt, und dass er endlich zur Vermeidung eines Ver-
lustes von Wasserdampf und zur Verhütung zu starker Abkühlung leicht dicht
abzuschliessen sei. Der noch jetzt viel gebräuchliche alte Backofen besteht aus
einer runden oder ovalen, horizontalen oder nach vom geneigten Ofensohle,
darüber ein flaches möglichst niedriges Gewölbe mit verschliessbarer Arbeits-
öffiiung und bei neuerer Construction ein Fuchs oder mehrere Züge, welche
die Verbrennungsgase etc. in den Kamin ableiten. Unter dem Backofen befindet
sich meist ein Raum für die Kohlen, darüber die Backstube zum »Gehenlassen«
des Teiges.
Zur Ausflihrung des Backens wird der Ofen durch Verbrennen von Holz,
seltener Reisig, Stroh etc. in seinem Innern auf eine Temperatur von 200 — 250°
erhitzt, was man daran erkennt, dass der anfanglich angesetzte Russ wieder ver-
brannt ist, und dass beim Bestreichen der Innenflächen mit einem Holzspahn oder
Bestäuben mit Mehl sich Funken zeigen. Alsdann zieht man die Kohlen heraus,
lässt sie in geschlossenen Blechbehältern abkühlen (sie können an Stelle ge-
wöhnlicher Holzkohlen zu allen Zwecken verwendet werden), schiebt die ge-
formten, vorher mit Mehlwasser bestrichenen Teigstücke ein und verschliesst den
Ofen. Es bildet sich zunächst viel Wasserdampf, der den Ofen völlig anfüllt,
die Laibe also vor der zersetzenden Einwirkung der Luft schützt. Je grösser
das Brot und je grösser sein Inhalt im Verhältniss zur Oberfläche, desto länger
die Backzeit; auch braucht schwarzes Brot längere Zeit als weisses. Schliesslich
wird das fertige Brot ausgezogen und der Ofen meist erkalten gelassen. Dass
bei derartig periodischem Betrieb ein ganz enormer Wärmeverlust stattfindet, liegt
auf der Hand, und man ist deshalb in den Brotfabriken zum continuirlichen
Betrieb tibergegangen. Aber auch bezüglich der Ofenconstructionen hat man
erhebliche Verbesserungen eingeführt (11). Die Heizung geschieht bei Grossbe-
Crieben in den seltensten Fällen mehr durch Feuerung im Backraum, wobei das
Holz unerlässliches Brennmaterial ist, sondern vielfach mittelst ausserhalb liegender
Feuerungen und Durchzug der Feuergase durch den Backraum, oder aber man
verwendet muffelartig construirte Backräume, die von dem Feuer nur umspült
sind, auch solche, bei denen erhitzte Luft oder überhitzter Dampf in den Back-
raum geleitet oder der letztere durch eingelegte Heizröhren mittelst überhitztem
Wasserdampf geheizt wird. Dabei kann selbstverständlich jedes beliebige Brenn-
Ladknbckc, Cbcmie. 11. 24
;:■.•? :
370 Handwörterbuch der Chemie.
material angewendet werden. Zur Erleichterung des continuirlichen Betriebes
hat man endlich die Backöfen mit maschinellen Einrichtungen versehen, die ein
bequemes und rasches Beschicken und Entleeren gestatten. Dazu gehört der
Ofen von Rolland (12) mit karousselartig beweglicher Heerdscheibe, der Ofen
von Slater (12) für Biscuitbäckcrei mit röhrenförmiger Muffel, durch die ein
Kettenpaar ohne Ende zur Aufnahme des auf Blechen liegenden Brotes so
schnell hindurchzieht, dass letzteres beim Durchgang gerade gebacken wird, der
Ofen von Wieghorst (12), Lehmann (12) u. A.
Die Ausbeute an Brot ist verschieden nach der Mehl- und nach der Brot-
sorte. Je kleiner das Brot und je grösser die Oberfläche im Verhältniss zum In-
halt, desto grösser der Verlust. Nach Heeren (13) liefern 100 Thle. lufttrockenes
Weizenmehl im Mittel 125—126 Thle. Weissbrot, 100 Thle. Roggenmehl mindestens
131 Thle. Schwarzbrot Rivot (14) findet für 100 Thle. Weizenmehl ä 17J
Wassergehalt je nach Form und Grösse des Brotes Ausbeuten von 120 — 135 Thln.
Auch V. BiBRA (15), Fehling (16), Lawes und Gilbert (17) u. A. haben Versuche
hierüber angestellt.
Der Trocken-Substanz-Verlust, der durch den gesammten Backprocess
bedingt ist, beträgt nach Heeren 1-57, nach Fehling 4-21 nach Gräger 2-14f (c8).
Zusammensetzung. Das Brot besteht aus Krume und Rinde» deren
relative Mengen je nach den Brotsorten sehr verschieden sind. Barral (19) giebt
für das Gewicht der Rinde zwischen 15 und 42^ des gesammten Brotgewicht&
an, im Mittel berechnet er 24J Rinde und 76^ Krume. Abgesehen vom Wasser-
gehalt, welcher bei der Rinde naturgemäss geringer ist (Barral: 8*67 — 35'44$)
als bei der Krume (33*16 — 4920), unterscheiden sich die beiden Theile auch im
Uebrigen etwas in ihrer chemischen Zusammensetzung, wie die Analyse einer
grossen Zahl von Brotsorten durch v. Bibra (15) beweist. Während jedoch dieser
in der Rinde relativ etwas weniger Stickstoff als in der Krume findet, ergeben
Barral's Versuche das Gegentheil. Im Uebrigen jedoch sind in Bezug auf die
Bestandtheile der Rinde und Krume keine erheblichen Abweichungen constaüit
Die Hauptbestandtheile des Brotes sind erheblich verschieden von denjenigen
des Mehles. Die Stärke ist grossentheils in die Form eines aufgeblähten Kleisters,
theilweise in Dextrin, etwas Zucker imd in der Rinde in Röstprodukte (sogen.
Assamar) tibergegangen. Der schon vorhandene sowie der durch Gähning
gebildete Zucker ist theilweise wieder zersetzt in Alkohol und Kohlensäure, von
welchen die letztere beim Backprocess fast vollständig, der erstere grossentheils
entweicht (nach Bolas (20) enthält ganz frisches Brot noch 0'245 — 0*399 J Alkohol).
Des weiteren geht ein kleiner Theil des Zuckers während der Gährung in Milch-
säure, ein Theil des Alkohols in Essigsäure über, woher es auch kommt, dass
ein wässriger Auszug des Brotes immer sauer reagirt; ein Rest des Zuckers bleibt
jedoch in dem Brot zurück. Die stickstoffhaltigen Stoffe, also die Proteinstoffe
und löslichen Eiweisskörper werden nicht unerheblich verändert, insbesondere
gehen sie durch das Erhitzen theilweise in unlösliche Form über. Nach Barral's
Untersuchungen enthält die Rinde erheblich mehr in Wasser lösliche Stickstoff-
Substanz als die Krume: erstere 7—8^, letztere nur 2—3^ Stickstoff des löslichen
Theiles. Fett und Asch enbestandth eile des Mehles sind ziemlich vollständig im
Brot erhalten. Nach Birnbaum (21) enthält normal ausgebackenes Weissbrot im
Mittel 45^, Schwarzbrot 48 J, doch geht der Wassergehalt des Brotes nach
V. Fehling bis auf 54^.
Brot. 371
Brotanalysen sind insbesondere zahlreich von v. Bibra (15), femer von OppßL
(22), Grouven (23), Bband (24), Thomson (25) u. A. ausgeführt, bezw. mitgetheilt,
Aschenanalysen insbesondere von Rivot (14). Die gewichtsprocentische Zu-
sammensetzung der verschiedenen Brotsorten geht aus der folgenden Zusammen-
stellung von König (26) hervor.
W"-' ^.uSSf ■ ^-^ 2-»'- '^ttoff?"' H°^'f-" Asche
Weizenbrot.
Minimum 26-39 481 O'IO 0-82 38-93 033 084
Maximum 4790 869 100 4-47 62*98 0*90 1-40
Mittel für feineres Brot 38-51 682 0*77 237 4097 038 1-18
Mittel für gröberes Brot 41 02 6-23 0-22 2- 13 4869 0*62 109
Roggenbrot.
Minimum 3549 349 010 123 32*82 029 086
Maximum 48*57 9*22 0*83 455 5113 0*39 308
Mittel 4402 602 048 2*54 45*33 030 1.31
Pumpernickel.
Mittel 43-42 7-59 1-52 325 41-87 094 1-42
Veränderung beim Aufbewahren. Das weiche, frische Brot geht ver-
hältnissmässig rasch in den scheinbar trockenen, altbackenen Zustand über und
zwar nehmen kleinere Weizenbrote diesen Zustand schon nach wenigen Stunden,
grössere Roggenbrote erst nach 1 — 2 Tagen an. Dass dieses Altbackenwerden
nicht durch Austrocknen bedingt ist, haben Versuche von Boussingault (27) und
V. Bibra (15) bewiesen, wahrscheinlich hat es vielmehr seinen Grund nur darin,
dass das Wasser, welches dem ganz frischen Brot blos mechanisch beigemischt
ist, sich mit der Zeit mit den Bestandtheilen des Brotes, zumeist wohl der auf-
geblähten Stärke, verbindet. Daher kommt es auch, dass man altbackenem Brot
durch blosses Erhitzen auf kurze Zeit wieder die äusserliche Beschaffenheit von
frischem ertheilen kann; man treibt eben dabei das vorher chemisch gebundene
Wasser durch die Erhitzung wieder aus, so dass dem Brote die Feuchtigkeit blos
wieder mechanisch anhaftet
Abweichende Brotarten. Feineren Brotarten und Gebacken wird meist
ein Zusatz, Zucker, Butter, Gewürze etc., gegeben, welcher einen specifischen
Geschmack derselben hervorruft. Ein Brot von hohem Nährwerth, das Kleb er-
brot, wird in neuerer Zeit hergestellt aus dem bei Bereitung der Weizenstärke
abfallenden Kleber, dem man etwas Mehl und andere Zusätze giebt (28).
Kleienbrot. Zur Erhöhung des Nährwerthes hat man den Vorschlag ge-
macht, dem Mehl bei der Brotbereitung ein gewisses Quantum Kleie, welche
erhebliche Mengen von Nährstoffen enthält, zuzusetzen. Nach neueren Unter-
suchungen scheint jedoch der Nährwerth eines solchen Brotes nicht grösser zu
sein, als der des gewöhnlichen Brotes. Schterse (29) bereitet Brot aus unge-
mahlenetn Getreide, das er mit heisser Kochsalzlösung zu Teig anmacht Eine
ähnliche Brotsorte wurde F. W. Fischer (30) patentirt. — Zu erwähnen ist
hier noch, dass man dem Weizenmehl oder Roggenmehl bei hohen Preisen
häu6g andere billigere Mehle, so von Bohnen, Erbsen, Linsen, Mais, Kartoffeln etc.
zusetzt, auch dass nicht selten das Mehl bezw. das Brot durch Zusatz von Gyps,
Kreide, Schwerspath, Thon etc. verfälscht wird. Engler.
24*
m^
372 Handwörterbuch der Chemie.
Butter.*) Die Butter ist die Form, in welcher eines der wichtigsten mensch-
lichen Nahrungsmittel, das Milchfett, auf den Markt kommt Zur Gewinnu^
der Butter wird fast ausschliesslich Kuhmilch verwendet. Das Fett ist in der
Milch in einer äusserst feinen Vertheilung, nämlich in Gestalt von Milchkügelchen
enthalten, welche ihrer Grösse nach sehr variabel, einen mittleren Durchmesser
von 00042 Millim., schwankend von 0-0016— 0-01 Millim., besitzen (i). Ein
Liter Milch würde hiernach bei einem Fettgehalt von 4 J^ ungefähr 80000 Millionen
solcher Kügelchen enthalten, (i). Die Reihenfolge technischer« Operationen,
durch welche das flüssige Milchfett in die feste Form der Butter übergeführt
wird, bezeichnet man als den Meier eiproce ss. Als Handbücher, welche diesen
mit Ausführlichkeit behandeln, sind zu empfehlen: Fleischmann, das Molkerei-
wesen (Braunschweig 1875) "^^ W. Kirchner, Handbuch der Milchwirthschaft
(Berlin 1882). Hier beschränken wir uns auf einige wenige Angaben über den
Meiereiprocess. Die wesentlichsten Abschnitte desselben bilden 1. die Aufrahmung
und 2. das Buttern.
Das Ziel der Aufrahmung bildet die Gewinnung des Rahms, des Produktes emer
Scheidung der MilchfettkUgelchen von dem MUchserum. Diese Trennung vollzieht sich als eine
Folge des verschiedenen specifischen Gewichtes des Milchfettes und des Milchsenims. Die
Scheidung ist indessen nie eine vollständige, da auch bei den besten Aufrahmmethoden ein
kleiner Antheil des Milchfettes in der abgerahmten Milch zurückbleibt. Bei vielen und besonders
den älteren Aufrahmverfahren beruht jene Sonderung darauf, dass die specifisch leichteren Müdi-
kügelchen in der ruhenden Milch nach oben steigen und sich hier als fettreiche Rahmschicht in-
sammeln. Die Gefässe, in welchen man diese Art der Rahmbildung sich vollziehen lässt, werden
als Milchsatten bezeichnet, von denen die bekanntesten die holsteinischen hölzernen Milchsatten sind.
Einen Einiluss auf den Ausrahmungsgrad, d. h. die procentische Menge des Fettes, welche von
der Milch in den Rahm tibergeht, übt die Höhe der SchUttung, wie auch das Material der
Satten aus. Letztere werden auch von Blech, Emaille, Thon, Glas angefertigt. Besonders gut
haben sich Satten von Weissblech bewährt.
Die Temperatur übt bei allen Ausrahmverfahren einen bedeutenden Einfluss auf den Aus-
rahmungsgrad, und zwar derart, dass derselbe mit der Temperatur zunimmt. Aber die höhere
Temperatur übt wieder einen nachtheiligen Einfluss durch zu frühe Säurebildung auf <^
Qualität des Rahms resp. der Butter, so dass der Producent einer wirklich feinen Butter es
•) i) Fleischmann, das Molkereiwesen (Braunschweig 1875), P^g« 20. 2) Sohxlet, Landw.
Versuchsstat. 19, pag. 118. 3) RiCH. Meyer, Chemiker-Ztg. Vni. (1884) No. 7, pag. 104.
4) Chevreul, Rech. chim. sur les corps gras d'origine animale, Paris 1823. 5) Le&ch, Ann. 49.
pag. 212. 6) Heintz, Pogg. Ann. 90, pag. 137. 7) Bromeis, Ann. 42, pag. 46. 8) HEnrre,
Ztschr. f. analyt. Chem. 17, pag. 160. 9) Wein, Maly's Jahresber. üb. Thierchemie VII, pag. 41 •
10) Grünzweig, Ann. 158, pag. 117; 162, pag. 215. 11) Grimm, Ann. 157, pag. 264.
12) E. Schulze u. Reinicke, Ann. 142, pag. 191. 13) Hehner u. Angell, Ztschr. f. analyt.
Chemie 16 (1877), pag. 145. 14) Koettstorfer, Ebendas. 18, pag. 199, 431. 15) Flktsch-
mann u. Vieth, Ebendas. 17, pag. 287. 16) Kretzschmar, Ber. 10, pag. 2091. 17) Küleschoft.
Ber. II, pag. 514. 18) E. Schmidt, Biedermann's Centralbl. 12 (1883), pag. 553. 19) E. Rei-
chert, Ztschr. f. analyt. Chemie 18, pag. 68. 20) Meissl, Dingler's polyt. Joum. 1879,
Bd. 233, pag. 229. 21) Ambühl, Ber. 14, pag. 1123. 22) Medicus u. Schkrer, Ztschr. för
analyt. Chemie 19, pag. 159. 23) V. Storch, Biedermann's Centralbl. 7 (1878), pag. 618.
24) Mylius, Corr.-Bl. Ver. analyt. Chemiker 1878, pag. 34. 25) Skalweit, Ebendas. 1879,
No. 5 u. 13. 26) Hassal, Ztschr. f. analyt. Chem. 19, pag. iii. 27) Arthur Angbll, Ebeo-
das. 20, pag. 466. 28) E. Schmidt. Biedermann's Centralbl. 12 (1883), pag. 553. 29) Adolf
Mayer, Ztschr. f. analyt. Chemie 20, pag. 376. 30) Taylor, Biedermann's Centralbl. 11 (1882)
pag- 345- 31) KÖNIGS, Corr.-Bl. d. Ver. analyt. Chemiker 1878, No. 3 u. 4. 32) üffhaosem*
Fleischmann, Molkereiwesen, pag. 574. 33) Ad. Mayer, Landw. Versuchsstationen 29, pag. 215.
34) Münier, Ztschr. f. analyt. Chemie 21, pag. 394. 35) Asb6th, Ebendas. 22, pag. 388.
i
Bntter. 373
zumal im Sommer häufig vorzieht, die Milch bei niederen Temperaturen, wenn auch auf Kosten
der Fettausbeute aufrahmen zu lassen. Uebrigeiis kann der hierbei stattfindende Verlust theilweise
durch eine längere Dauer der Aufrahmung compensirt werden, welche bei guter Kfihlung ohne
Gefahr frühzeitiger Säuerung möglich ist.
Von den Aufrahmverfahren mit Abkühlung der Milch hat sich besonders das
SwARTz'sche Verfahren gut bewährt, bei welchem die Milch in hohen Satten von Weissblech
von 30—50 Liter Inhalt in ein geräumiges KUhlbassin gesetzt und hier durch möglichst
kühles Quellwasser oder durch mit Eis gekühltes, stagnirendes Wasser ca. 24 Stunden auf einer
niedrigen Temperatur erhalten wird. Die Milch erhält sich dabei länger süss, und gestattet das
Verfahren daher ein sicheres Arbeiten und die Erzielung eines gleichmässigen Produktes auch im
Sommer, wo dasselbe bei dem alten Aufrahmverfahren so leicht durch die höhere Temperatur
der Luft des Milchkellers ungünstig beeinflusst wird. Der gewonnene Rahm ist häufig volu-
minös und besitzt dann einen entsprechend geringeren Fettgehalt, als der nach dem gewöhnlichen
Verfahren dargestellte. Die in Folge der hohen Schüttung in den ca. 40—50 Centim. tiefen
SwARTz'schen Gefassen verlangsamte Geschwindigkeit der Aufrahmung wird theilweise compensirt
durch die als eine Folge der äusseren Abkühlung in der Flüssigkeit entstehenden Strömungen,
welche den Auftrieb der Fettkügelchen beschleunigen.
Eine bedeutende Concurrenz bereiten in neuerer Zeit der Aufrahmung in Satten jene Methoden,
welche auf der Anwendung der Centrifugalkraft beruhen. Lässt man Milch in einem ganz oder
theUweise verschlossenen Cylinder um eine verticale Achse mit grosser Umdrehungsgeschwindigkeit
rotircn, so erfahren die Fettkügelchen wegen ihres kleineren specifischen Gewichtes eine geringere
Beschleunigung durch die Centrifugalkraft, als ein entsprechender Raimitheil des Milchserums. Die
Folge davon ist eine Sonderung der Milch in eine äussere Serum- und eine innere Rahmschicht,
welch' letztere bei grosser Umdrehungsgeschwindigkeit eine sehr consistente Beschaffenheit an-
nnmnt Diese beiden Schichten lagern sich als der Cylinderwand parallele Schichten an, während
der innerste Raum hohl bleibt. Ueber die Theorie des Vorgangs vergl. Fleischmann L c. pag. 698.
Beim allmählichen Ablaufen nimmt die Flüssigkeit langsam die frühere Gestalt wieder an. An
der Oberfläche schwimmt dann der Rahm, von welchem die Magermilch nunmehr geschieden
werden kann. Auf diesem Princip beruht die zuerst in den Grossbetrieb eingeführte, von Lefeld
in Schöningen construirte Milchcentrifuge. Dieselbe hat seitdem zahlreiche Verbesserungen
erfahren, von denen sich mehrere dauernd bewährt haben. Während die ältere LEFELD'sche
Centrifuge ein häufiges, zeitraubendes Ablaufenlassen der Maschine erforderte, ist dieselbe neuer-
dings auch auf continuirlichen Betrieb eingerichtet worden, derart, dass man in die
rotirenden Cylinder in continuirlichem Strome Vollmilch (ganze Milch) zufliessen, und ebenso
stetig den gewonnenen Rahm ablaufen lassen kann, (vergl. W. Kirchner 1. c. pag. 247).
Das Princip des continuirlichen Betriebes wurde jedoch zuerst bei einer von de Lavale
construirten Centrifuge, dem Separator, angewandt, welche durch eine besondere Einfachheit
bei sehr beschränkten Dimensionen ausgezeichnet ist (vergl. W. Kirchner 1. c. pag. 238). Von
weiteren Centrifiigen, welche Eingang in die Praxis gefunden haben, erwähnen wir die von
Tksca (Ebendas. pag. 242) und den dänischen Patent- Separator von Nielsen und Petersen
(Ebendas. pag. 252). Während bei allen diesen Apparaten das Entrahmungsgefäss um eine
verticale Achse rotirt, dreht sich dasselbe bei der continuirlich wirkenden Centrifugal-Milch-
schälmaschine von H. Petersen um eine horizontale Achse. Dieselbe besitzt mit dem er-
wähnten dänischen Patent-Separator noch die Eigenheit, dass Rahm und Magermilch durch
passend gestellte, feststehende aber verstellbare Röhren abgeschält werden (Kirchner 1* c. pag. 249).
Die Anwendung der Centrifugen hat im Vergleich mit dem gewöhnlichen Aufrahmver-
&hren den Vorzug, dass der Ausrahmungsgrad ein höherer ist, besonders wenn die Milch vor
der Entrahmung etwas (höchstens 20 — 25°) erwärmt wurde. Da der Process nur kurze Zeit
dauert, so übt eine solche Erwärmung keinen nachtheiligen Einfluss auf die Qualität der Butter,
wenn man nur, was durchaus nothwendig, den gewonnenen Rahm alsbald abkühlt, um einer zu
raschen Säurebildung entgegenzuwirken.
Der zweite Haupttheil des Meiereiprocesses besteht in dem Butteren. Bei diesem Vorgang
wird der Rahm in besondem Apparaten, den Butterfässern, längere Zeit gerührt oder ge-
stossen, wodurch die zuvor noch isolirten Fettkügelchen sich zu zusammenhängenden, festen
574 Handwörterbuch der Chemie.
Fettmassen vereinigen. Es existiren Butterfässer von sehr verschiedener Construction flir grösseren
und kleineren Betrieb, die je nach der Art der Einrichtung in die Gruppe der Stossbutterßsser,
Schlagbutterfässer mit verticaler und mit horizontaler Welle,' Roll- und Wiegebutterfösscr cinru-
theilen sind.
Die wahrscheinlichste Erklärung für die Wirkungsweise der Butterfässer hat Sohxlet (2)
gegeben. Wie die mikroskopische Beobachtung lehrt, bewahren die Fettkflgelchen der Milch ihren
flussigen Zustand noch bei Temperaturen, bei welchen die daraus gewonnene Butter schon feste
Form annehmen wtirde. Es ist dies ein Phänomen der Ueberschmelzung, die wahrscheinlich
eine Folge ist der Oberflächenspannung, herrtlhrend von der in der Attractionssphäre der
Ktlgelchen liegenden, unendlich dUnnen Serumschicht, welche man auch als die Serumhdlle des
Müchkügelchens bezeichnet. Wie eine überschmolzene Masse allgemein durch heftige Er-
schütterung zum Erstarren gebracht werden kann, so erreicht man auch durch das Buttern des
Rahms dasselbe Ziel. Die festgewordenen Fetttheilchen vereinigen sich dann in Folge ihiei
Cohäsion leicht zu grösseren Fettmassen. Durch das Buttern wird also die doppelte Arbeit ver-
richtet, dass die Fetttröpfchen zum Erstarren gebracht und die festen Theilchen dann zu einer
zusammenhängenden Masse vereinigt werden. Die letztere Vereinigung vollzieht sich bei
geeigneten Temperaturen, bei welchen die Cohäsion der Theilchen eine hinreichende, sehr leicht
Es folgt daraus die Nothwendigkeit auch beim Buttern, gewisse Tcroperatui^enzen, bei welchen
die Cohäsion der Theilchen eine gentlgende ist, einzuhalten. Unter Berücksichtigung der dnrch
das Buttern selbst eintretenden Erwärmung wählt man zweckmässig bei Anwendung von
gesäuertem Rahm eine Anfangstemperatur von 15— 16"C, bei süssem Rahm eine solche von
II — 12^ C. Je nach der Masse des Rahms und den äusseren Temperaturbedingungen kann es
nothwendig werden, während des Butterns die Temperatur zu reguliren, was am zweckmässigsten
durch den Einsatz von Blechbüchsen geschieht, die mit kaltem resp. warmem Wasser gefülh
sind, niemals durch direkten Wasserzusatz bewirkt werden darf. Ein Beweis für die Richtigkeit
der SoHXLET'schen Annahme, dass die Milchkügelchen beim Buttern erst nach vorhergehender
Erstarrung zu festen Massen vereinigt werden, ist darin zu erkennen, dass die Vereinigung in
der That sehr leicht erfolgte, wenn man die Milchkügelchen durch starkes Abkühlen in K9lt^
mischung erstarren und die Milch daim wieder die frühere Temperatur annehmen Hess. Die so
behandelte Milch butterte uiigleich rascher aus, als eine Controlprobe, welche diesen Temperatur-
Wechsel nicht durchgemacht hatte (2). Im Allgemeinen buttert man den Rahm, nachdem er
schwach sauer geworden. Zu diesem Zweck lässt man den vollkommen süss gewonnenen Rahm
in der Rahmtonne an einem ca. 12 — 15® C warmen Orte so lange stehen (12 — 24 Stunden),
bis derselbe die äusseren Merkmale des richtigen Grades der Säuerung (Dickwerden) zeigt, dessen
Erkennung einige Erfahrung erfordert.
Seltener wird Butter aus süssem Rahm gewonnen (Dänemark, Normandie), da die
Hauptgeschmacksrichtung des Publikums die aus saurem Rahm gewonnene Butter vorzieht und
die Butterausbeute aus süssem Rahm um 3— 4f niedriger ist Dagegen wird eine sorgfältig
. bereitete Butter aus süssem Rahm an gewissen Handelsplätzen höher bezahlt, da dieselbe zur
Herstellung der präservirten Butter dient. An dieses Produkt, welches in Dosen verpackt,
vornehmlich zur Versorgung der Schiffe auf grosse Fahrt und nach südlichen Zonen bestimmt
ist, werden die höchsten Anforderungen hinsichtlich der Haltbarkeit gestellt Dass diesen
Anforderungen bisher besonders durch eine aus süssem Rahm bereitete Butter genügt wurde,
ist wohl namentlich der besonderen Accuratesse zu verdanken, mit welcher die Milchwirthe bei
der Gewinnung einer solchen Butter verfahren müssen, durch welche die von einer unvorsichtig
geleiteten Rahmsäuerung herrührenden Fehler sicher vermieden werden. Dass aber bei
sorgfältiger Arbeit auch aus schwach gesäuertem Rahm eine sehr haltbare, zu gleichen
Zwecken verwendbare Butter gewonnen werden kann, ist nach neueren Erfahrungen nicht in
Abrede zu stellen. Die grössere Leichtigkeit, mit welcher das Fett aus dem gesäuerten Rahm
ausbuttert, beruht wahrscheinlich auf einer Veränderung in dem Serum des Rahms. Die er-
wähnten Serumhüllen der Milchkügelchen setzen der Vereinigung beim Buttern einen gewissen
Widerstand entgegen, welcher dem Anschein nach sich verringert, je mehr sich das im Senun
vorkommende gequollene Caseto durch Säurebildung jenem Zustande nähert, welcher der Ge-
rinnung vorhergeht, oder bei welchem diese in ihr erstes Stadium tritt
Butter. 375
I
Der Theorie nach muss es möglich sein, statt Rahm unmittelbar die Milch im frischen
und im gesäuerten Zustand zu verbuttern. In der That kann, wenn auch mit grossem Verlast,
aus süsser Milch durch schnelle Umdrehung unter Kühlung Butter gewonnen werden. Von
einiger praktischen Bedeutung wurde jedoch nur das Buttern von saurer Milch (Milchbuttern).
Unter gewissen wirthschaftlichen Verhältnissen kann dasselbe, da der ganze Aufrahmprocess um-
gangen wird, Vortheile darbieten. Dies Verfahren wird daher nicht selten, besonders in kleineren
Wirthschaften ausgetibt. Es kommt dabei besonders auf den richtigen Grad der Säuerung und
auf eine gewisse Temperatur (17 — 18^) beim Buttern an. Zum Milchbuttem lässt sich jedes gute
Btttterfass anwenden; doch ist etwas längere Zeit als beim Rahmbuttern und schon desshalb
mehr Arbeit erforderlich, weil ein viel grösseres FlUssigkeitsvolumen verbuttert werden muss.
Der Ausrahmungsgrad ist von dem des Rahmbuttems nur wenig verschieden. Einer Verallge-
meinerung des Milchbuttems steht namentlich im Wege, dass dabei nicht die fUr die vollständige
Verwerthang der Milch (Käsebereitung) so wichtige süsse Magermilch, sondern nur Buttermilch
als Nebenprodukt gewonnen wird.
Die aus dem Butterfass hervorgehende Butter wird durch Bearbeitung von eingeschlossener
Buttermilch möglichst befreit. Diese Arbeit wird sehr erleichtert durch die vorzüglich bewährte
amerikanische Butterknetmaschine. Die Entüemung der Buttermilch ist erforderlich für
die Haltbarkeit der Butter, da die Zersetzung, welche eine ungenügend gereinigte Butter bald,
eine gute Butter erst nach längerer 2^it erfährt, wahrscheinlich angeregt wird durch Veränderungen
in dem eingeschlossenen Rahmserum, Umwandlung des Milchzuckers in Milchsäure etc. Durch
das Salzen der Butter, welches in Nord-Deutschland allgemein und überall da üblich, wo man
eine für den Weltmarkt bestimmte Dauerbutter feiner Qualität herstellen will, wird eine
grössere Haltbarkeit schon dadurch erreicht, dass das eingeknetete Salz, wenn es einige Zeit ein-
wirkt, die Buttermilch gewissermaassen anzieht, in Tröpfchen ansammelt, so dass bei dem
zweiten Durchkneten die Entfernung derselben eine vollständigere wird. Ausserdem darf man
annehmen, dass die Gegenwart einer gewissen Salzmenge direkt die eintretenden 2^rsetzungen
verlangsamt. Man verwendet zum Salzen ein reineres (z. B. LUneburger) Salz, welches aus den
bekannten treppenfbrmigen Krystallen besteht, einen bestimmten Grad der Körnung besitzt und
neben dem Chlomatrium ca. 0*4 Chlormagnesium und 0*16 Natriumsulfat enthält. Die zuge-
setzte Menge wechselt je nach der Geschmacksrichtung der Consumenten von 2— 6f. Dauerbutter
erhält etwas mehr Salz (höchstens 6 f ) als solche, welche einen raschen Consum erfährt (höchstens
4(). Eine massige, zweckentsprechende Verwendung des Salzes bildet ein wichtiges Moment
bei der Erzielung der feineren Qualitäten der Buttersorten des Handels.
Wenn die Entfernung der Buttermilch als gleich wichtig fUr die Haltbarkeit wie für den
guten Geschmack der Butter bezeichnet werden darf, so wird andererseits das charakteristische
feine Aroma der Butter durch einen kleinen Rest von Buttermilch, resp. der löslichen Extrakt-
stoflfe des Milchserums, wie Milchzucker, Milchsäure, Spuren flüchtiger Fettsäuren hervorgebracht,
so dass eine absolute Entfernung der Buttermilch ebensowohl zu vermeiden ist, als ein imge-
nllgendes Auskneten 'derselben. Aus diesem Grunde ist auch das Waschen der Butter während
des Knetens nicht zu empfehlen, da hierdurch das feinere Aroma beeinträchtigt wird.
Die Farbe der Butter ist eine wechselnde nach der Jahreszeit und der Fütterung der
Kflhe. Eine bei Stallftitterung, besonders bei reichlichen Strohgaben erzeugte Butter ist fast
weiss, während beim Weidegang der Kühe eine gelbe Butter gewonnen wird. Da Seitens der
Consumenten, besonders in manchen Ländern (Grossbritannien, Spanien) viel Gewicht auf gute
Farbe gelegt wird, und es im Interesse des Producenten nur liegen kann, eine gleichmässige
Waare zu liefern, so ist das Färben der zu hellen Butter allgemein üblich geworden. Als
Farbstoffe dienen hierzu namentlich der Orleans- oder Anatto-Farbstoff (Bixin), welcher aus dem
Fleisch der Frucht von Bixa oteüana gewonnen wird. Die fabrikmässig dargestellte Butterfarbe
ist eine Lösung dieses Farbstoffes in Lein- oder Hanföl. Andere Farbstoffe wie Safiran,
Möhrensaft sind weniger zu empfehlen, theils weil sie den Geschmack beeinflussen, theils weil
sie nicht in geeigneter Form im Grossen nach dem Bedürfhiss der Meiereien dargestellt werden.
Das Färben geschieht, indem man eine abgemessene Menge der Farbe (auf 100 Kgrm. Milch
oder dem daraus gewonnenen Rahm ca. 5 Grm. Butterfarbe) zu dem Rahm setzt. Beim Buttern
veitheflt sich die Farbe dann sehr gleichmässig, während nur wenig Farbstoff von der Butter-
376 ' Handwörterbuch der Chemie.
milch zurückgehalten wird. Eine lebhaft haferstrohgelbe Farbe genügt den gewöhnlichen An-
forderungen. Ein nachträgliches Färben der Butter ist zu vermeiden, da dieselbe hierbei
»flammig« oder »streifig« wird.
Die Zusammensetzung der Butter schwankt je nach der Bereitungsart und
Qualität. Für die einzelnen Bestandtheile giebt Kirchner (L c, pag. 366) folgende
Grenzwerthe an: Wasser = 610— 13-46 J; Fett = 83*32— 90-18 J; Käsestofif, Milch-
zucker etc. = 0-90— 1-83^; Salz (Asche) = 1-04— 3-60^^. Für gut ausgearbeitete
Butter darf man mindestens 80J und höchstens 88^ Fett erwarten.
Die mittlere procentische Zusammensetzung ist etwa die folgende:
Gesalzene Butter
Ungesalzene Butter
Wasser. . . . 1100
14-00
Fett 8500
84-00
Proteinstoffe . . 0-60
0-65
Milchzucker etc. 0-60
1-25
Asche, Salz . . 2-80
0-10
10000 100-00
Das specifische Gewicht fand Fleischmann (1. c. pag. 602) bei 15° C für
ungesalzene Butter = 0-9437, ftir gesalzene Butter = 0-9515. Asböth (35) beob-
achtete für eine Butter innerhalb der Temperaturen 15—30° die spec. Gewichte
resp. 0*91109 — 0*87055. Als Schmelzpunkt einer frischen, ungesalzenen Butter
wurde von Fleischmann 33°, als Erstarrungspunkt 22° gefunden. Rick. Meyer (3)
beobachtete unter Anwendung eines Capillarröhrchens den Schmp. 34°. Den
Gehalt an Milchsäure giebt Storch (23) an für Butter aus süssem Rahm =0*02J,
für Butter aus saurem Rahm = 0*10J.
Im Handel existiren eine Reihe verschiedener Buttersorten, die zunächst in die Hauptgiuppcn
der ungesalzenen und gesalzenen Butter eingetheilt werden. Die erstere von mildem,
lieblichem Geschmack wird namentlich in Süd-Deutschland, einem Theil von Mittel-Deutschland,
in Oesterreich, dem grössten Theil von Frankreich und in manchen Gegenden von Finnland,
Kussland, Belgien, Italien consumirt, zeigt jedoch im Allgemeinen geringe Haltbarkeit. Die ge-
salzene Butter vereinigt bei sorgfältiger Herstellung pikanten Geschmack und feines Aroma imt
grosser Haltbarkeit. Auf Ausstellungen werden gewöhnlich folgende beiden Haupt-Abtheilnngcs
unterschieden:
1. Frische Butter, d. h. ungesalzene oder schwach gesalzene Butter, deren feinste Sorten
als Thee-, Tisch-, Tafelbutter bezeichnet werden, welche für den Consum in der nächsten
Umgebung des Produktionsortes bestimmt sind.
2. Dauerbutter, ftlr weitere Versendung, welche sich mehrere Monate hindurch,
mindestens aber doch 4 Wochen halten muss. Es wird dazu nur gesalzene Butter verwendet
Nach der Jahreszeit, in welcher die Butter bereitet wurde, werden auf dem Hamburger Maxirt
folgende Buttersorten unterschieden: Altmilchsbutter, Frischmilchsbutter (Winter-, Stallbutter),
Maibutter, Vorsommerbutter, Nachsommer- und Stoppelbutter. Die 4 letztgenannten Sorten
tragen auch den gemeinsamen Namen Gras- oder Sommerbutter (Fleischmann, 1. c. pag. 623, 641)-
Die Natur des Butter- resp. Milchfettes wurde zuerst eingehender von
Chevreul (4) untersucht. Von ihm wurden als Bestandtheile nachgewiesen die
Glyceride der Buttersäure, Capronsäure, Caprinsäure, Oelsäure. Femer erhielt
er ein Gemenge fester Fettsäuren, über deren wahre Natur erst die Untersuch-
ungen von Heintz (s. u.) Aufschluss gaben. Lerch (5) lehrte noch das Vor-
kommen der Caprylsäure in Form ihres Glycerides. Heintz (6) wies im Gegen-
satz zu Bromeis (7) mit Bestimmtheit nach, dass die in der Butter enthaltene
Oelsäure von der gewöhnlichen Oelsäure nicht verschieden sei. Die bei der
Verseifung gewonnenen festen Fettsäuren wurden von ihm nach der Nffethodc
Butter. 377
der fractionirten Fällung isolirt, wobei dieselben im Wesentlichen als ein Ge-
menge von viel Palmitinsäure mit wenig Stearinsäure erkannt wurden. Ausserdem
wurde eine kleine Menge von Arachinsäure (n. Heintz Butinsäure) und von
Myristinsäure erhalten. In einer späteren Untersuchung wurde Heintz (8) durch
Beobachtungen über die Löslichkeit der aus der Butter abgeschiedenen fetten
Säuren dahin geführt, auch die Gegenwart der Laurinsäure in denselben voraus-
zusetzen. Dies als richtig angenommen, würde das Butterfett die Glyceride der
ganzen Reihe fetter Säuren mit einer paaren Anzahl von C-atomen, von C4 bis
CjQ enthalten, während die Säuren mit unpaaren Kohlen stoffatomen fehlten.
Diese wurden auch manchmal, wie z. B. die Oenanthylsäure von Lerch (5) ver-
geblich gesucht. Die Angaben von Heintz wurden im Wesentlichen bestätigt
und vervollständigt von Wein (9), der ausser Palmitin-, Stearin- und Oelsäure
ebenfalls geringe Mengen von Arachinsäure und Myristinsäure aus der Butter
isolirte. Die Buttersäure des Milchfetts war, wie schon Grünzweig (ig) nachge-
wiesen hatte, die normale. Auch die Capronsäure hat nach den Untersuchungen
von Wein (9) wahrscheinlich die normale Constitution. Die Caprylsäure stimmte
in ihrem Siedepunkte annährend mit jener, welche durch Oxydation des Octyl-
alkohols erhalten wurde, und besitzt daher wie diese wahrscheinlich ebenfalls
die normale Constitution. Die aus der Butter dargestellte Caprinsäure stimmte
in ihrem Siedpunkte mit jener, welche Grimm (ii) aus dem ungarischen Wein-
fuselöl erhielt, nicht aber mit der von Borodin aus Valeraldehyd dargestellten
Isocapronsäure. Wein gelang es nicht, die Gegenwart von Propionsäure, Valerian-
säure, Oenanthylsäure, Pelargonsäure nachzuweisen. Dagegen wurden Spuren
von Ameisensäure und Essigsäure beobachtet.
Das Butterfett ist von andern Fettarten wesentlich unterschieden durch das
Auftreten der Glyceride einer Reihe kohlenstoffarmerer flüchtiger Fettsäuren.
Hierdurch ist es auch bedingt, dass die Elementarzusammensetzung einen ge-
ringeren Kohlenstoff- und etwas höheren Sauerstoffgehalt aufweist, als bei den
meisten anderen thierischen Fetten, Talg, Schweinefett etc., welche flüchtige Fett-
säuren nur in geringer Menge enthalten. Durch folgende, den Analysen von
E. ScHULTZE und Reinecke (12) entnommene Daten möge dies veranschaulicht
werden.
C
H
0
Butterfett
75-63
11-87
12-50^
Ochsenfett
76-50
11-91
11-59*
Schweinefett
76-54
11-94
11-52*.
Das für die Butter charakteristische Auflxeten der flüchtigen Fettsäuren bildet
femer eine Handhabe zur Entdeckung einer Verfälschung der Butter mit Talg
oder andern thierischen und pflanzlichen Fetten, sowie zur Unterscheidung von
natürlicher und künstlicher Butter (s. u.) Es sind besonders zwei Methoden,
welche zu dieser Prüfung geeignet sind, jene von Hehner (und Angell) und die
von Reichert, über welche wir unten einige Angaben machen- Beide Methoden
zielen dahin, den Antheil der niederen Glieder der homologen Reihe der Fett-
säuren, welche durch Flüchtigkeit und grössere Löslichkeit in Wasser von den
höheren Gliedern der Reihe unterschieden sind, summarisch quantitativ zu be-
stimmen. Während Hehner die Löslichkeit in Wasser benützt, basirt die
REiCHERT'sche Methode auf der Bestimmung des flüchtigen Antheils der Fettsäuren.
Bei der von Hehner und Angell (13) eingeführten Methode wird zunächst das Butterfett im
Wasserbad rein ausgoschmolzen, und nachdem suspendirte Theilchen sich zu Boden gesenkt,
^
JTS Handwörterbuch der Chemie.
dureh ein trocknes Filter im Heisswassertrichter filtrirt. Die numerischen Resultate werden
fitds auf das reine Butterfett bezogen. Von letzterem werden 3 — 4 Grm. abgewogen und in
timt^T Äbdampfschale durch Erwärmen mit 50 Cc. Alkohol und 1 — 2 Grm. festen Kalis auf dem
W^i.sscrhade verseift. Die Verseifung erfordert mindestens 5 Minuten (13), sicherer ist es, die
Eitjwffkung 15 Minuten (14) dauern zu lassen. Dieselbe ist als gelungen zu betrachten, wenn
c^ln kleiner Wasserzusatz keine oder doch nur eine solche Trübung hervorbringt, welche beim
fortgeactiten Erwärmen wieder verschwindet. Die auf dem Wasserbade bis zur Synipsconsisteni
eingedickte Seifenlösung wird in 100 — 150 Cc. Wasser aufgenommen, die Fettsäuren dorch
TCfdiinnte Salz- oder Schwefelsäure abgeschieden und noch eine halbe Stunde erwärmt, bis die
unlöslichen Fettsäuren als Gel an der Oberfläche schwimmen und die Flüssigkeit sich geklärt
hvU Die letztere wird dann durch ein vorher bei 100® getrocknetes und gewogenes, ange-
feuchtetes Filter von sehr dichtem Filtrirpapier filtrirt und solange mit heissem Wasser aus-
gewaschen, bis das Abtropfende nicht mehr sauer reagirt. Das Filter wird in demselben Becher-
glas, JTi wulchem es leer getrocknet wurde, wieder getrocknet und gewogen. In der Regel genOgt
nach gutem Auswaschen zweistündiges Trocknen bei 100^ zur Herstellung eines constanten Gewichts.
J^lEHKER tind Angell geben an, dass nach den in England gemachten Beobachtungen die Ge-
halte de^ Butterfettes an unlöslicher Fettsäure von 86*5 — 87*5} schwanken, so dass man als obere
Grenie 88 1{ annehmen könne. Dagegen beobachtete Fleischmann und Vieth (15) die Grcm-
werthe 85 79— 89-73, Kretzschmar (16) 88-8— 89*6, Kuleschoff (17) 87-92— 89*72. Denmadi
kann ein Gehalt von 90 J unlöslicher Fettsäure als obere Grenze für Butterfett aDgenommeo
werden (15, j6, 18), so dass auf eine Verfälschung mit firemden Fettarten geschlossen werden
darf^ w^nn ^in höherer Gehalt als 90% an unlöslichen Fettsäuren bei der Analyse gefunden
wurde. Zur annähernden Berechnung des Procentgehaltes x einer unächten Butter an fremdem
Fett kann die Formel dienen x = ^ -^ wo m den gefundenen Procentgehalt der Butter an
n — a
unlöslichen Fettsäuren, a den der Berechnung zu Grund zu legenden Maximalgehalt des ächten
Butterfette s an unlöslicher Fettsäure, und n den Durchschnittsgehalt derjenigen Talgsorten und Fett-
itrten an unlöslicher Fettsäure bedeutet, welche als Zusätze Anwendung finden. In Bezug auf letztere
liegen eine Anzahl Bestimmungen vor, von welchen wir hier einige mittheilen: Gehalt an unlös-
lichen Fettsäuren im Rindstalg (Nieren) 95*7 (15), Hammeltalg 95'8 (15), Schweinefett 95*7 (15),
05-5— yj'S (16), Olivenöl 96*18 (*5)» Amerikanisches Oleomargarin (s. u. Kunstbutter) 95-5JKi5).
Bei dersi^lben Bestimmung ergab femer das Milchfett der Stute 93 f, der Ziege 88*3], des
Schafe* %V%% (15).
Bei der Methode von E. Reichert (19) werden die durch Verseifung gebildeten, flüchtigen
Fettsäuren ibdestillirt und durch Titriren alkalimetrisch bestimmt.
'i'5 Gnn. wasserfreies über Baumwolle filtrirtes Fett werden in einem ERLENMEYER'schen
Kolbchen von 150 Cc. Inhalt mit 20 Cc. SOproc. Weingeist und l Grm. festem KaBhydiat
ver^tct und im Wasserbad behandelt, bis die Masse schmierig wird und nicht mehr schäumt,
dann in 50 Cc. Wasser gelöst und die Fettsäuren durch Zusatz von 20 Cc verdünnter
Schwefelsäure (1: 10) frei gemacht. Man destillirt dann die flüchtigen Säuren ab, wobei Reichert,
um das Stossen zu verhindern, einen langsamen Luftstrom durch die Flüssigkeit leitet. Meissl(20)
And et CS zweckmässig, das Kölbchen mit einigen Hanf korn grossen Bimsteinstückchen zu be-
schicken, wodurch ein ruhiges Sieden bewirkt wird. Als Aufsatz verwende man eine einfich
gekrümmte, aber weite (3) Destillirröhre. Ist es auch schwierig, durch DestiUiren die gesaminte
Menge fluchtiger Fettsäure zu gewinnen (20), so lassen sich doch durch Innehalten gleicher
Verhältnisse, indem man stets dieselbe Menge von Destillat (50 Cc. nach Reichert) gewinnt,
Uhcrcinstirnmende resp. unter einander vergleichbare Resultate erzielen. Das Titriren des ganzen
oder cinc^ ediquoten Theils des filtrirten Destillats geschieht mit -^ Normalalkali und Lakmns,
und ist dann als beendigt anzusehen, wenn die blaue Farbe auch nach längerm Schütteln unver-
ändert bleibt. Bei reiner Butter schwankte der Verbrauch an -f^ Normalalkali bei 13 Ver-
michen (19) von 13-0— 1495 Cc. für 2-5 Grm. Butterfett. Der Mittelwerth betrug 14*00 mit
einer w:ihr!^cheinlichen Abweichung von db 0*45. AmbiIhl (21) erhielt bei ächter Butter einen
Mittelwerth von 14*67 Cc. und Schwankungen von 14*20—15*55 -fts Normalkali. Meissl (20)
brauchte bei Anwendung von 5 Grm. Substanz bei 17 imzweifelhaft echten Buttersoxten 37H)
Butter. 379
bis 31-5 Cc., im Mittel 28-76 Cc. ^^ Normalalkali. Munier (34) verwendet zur Ersetzung der
Seife Phosphorsäurc und giebt an, dass der Gehalt der Butter an flüchtigen Fettsäuren mit der
Jahreszeit schwanke. Auf Grund seiner Untersuchungen schlägt er für die Monate October —
Februar die (Minimal-) Grenzzahl 10*0 Cc, März, April, 12-1, Mai— Juli 12*4, August,
September 11-0 Cc. ^ Normalalkali vor, welche Zahlen also erheblich niedriger liegen, als die
der obigen Beobachter. Liegt der Gehalt an flüchtigen Fettsäuren unterhalb einer gewissen,
aus vervielf^tigten Versuchen abzuleitenden Minimalgrenze, so ist die Butter als mit fremdem
Fett vermengt anzusehen, da alle Fette, welche bei der Bereitung von Kunstbutter oder zur
Fälschung verwendet werden, einen sehr geringen Gehalt an flüchtigen Fettsäuren aufweisen, wie
aus folgenden Bestimmungen hervorgeht. Der besagte Gehalt betrug bei Nierenfett 0*25 (19)
(Cc. ^ Normalalkali für 2*5 Gr. Fett), Rindsfett 0-25 (21), Schweinefett 0*30 (19), 0*2 (21, 22),
Rüböl 0-25 (19), 0-3 (22), 0-15 (21), entschwefeltes Rapsöl 0*4, Sesamöl 0-35, Olivenöl 0*3,
Pahnöl 0-5 (22), Cocosnussfett 3*70 (19). Zur Berechnung des Gehalts an reinem Butterfett
auf Grund der Bestimmung der flüchtigen Fettsäuren wurde von Reichert (19) eine Formel
au%estellt, deren Constanten noch einer Correction auf Grund neuer Beobachtungsreihen be-
dürfen. Auf die Nothwendigkeit sorgfältiger Durchmischung des Butterfettes auch während des
Erstairens vor Entnahme einer Durchschnittsprobe zur Analyse haben Medicus und Scherer
(22) aufmerksam gemacht.
Weitere, wenn auch weniger sichere Mittel zur Unterscheidung echter Butter bilden die
mikroskopische Prüfung und die Bestimmung des spec. Gew. Unter dem Mikroskop besteht die
echte Butter aus zusamtaenhängenden Massen, in welchen sich schwache Kreise und grössere
oder kleinere Tröpfchen wässriger Flüssigkeit erkennen lassen. In der aus saurem Rahm be-
reiteten Butter soll in den eingeschlossenen Tröpfchen ein Caseingerinnsel wahrzunehmen sein (23).
Krystalle zeigen sich im Allgemeinen nicht. Feder- und nadelartige Krystalle sind dagegen in
der Kunstbutter und in solcher wahrzunehmen, welche durch Talg oder andere thierische Fette
verfälscht ist. Dieselben lassen sich unter dem Mikroskop besonders mit Hilfe der Polarisations-
apparate beobachten (24) und bilden daher ein Mittel zur Unterscheidung unechter oder verfälschter
Butter (24, 25, 30). Diese Prüfungsmethode ist jedoch nicht ganz sicher, da auch in echter Butter zu-
weilen Krystalle beobachtet wurden, wie von Hassal (26) in einer älteren Butter, von Angeix (27) in
reiner Butter aus angebrühtem Rahm, von £. Schmidt (28) ebenfalls in reiner Butter. Da das
Batterfett ein von andern Fetten dlfferirendes und zwar höheres spec. Gew. hat, so lässt sich
auch die Ermittlung des letzteren als ein Hilfsmittel bei der Butterprüfung verwerthen. Da es
sich jedoch dabei um die Ermittlung sehr geringer Differenzen handelt, so erfordert diese Prüfung,
welche mit dem auf 100® erwärmten geschmolzenen Butterfett vorgenommen wird, sorgfaltiges
Arbeiten und genaue Ablesung der Aräometer, fllr welche Ad. Mayer eine Verbesserung mit-
theilte (29). Königs (31) beobachtete ftlr reines, bei 100** geschmolzenes Butterfett ein
spec. Gew. von 0-865— 0'868; dagegen bei Rinds- und Hammelfett OSGO; Schmalz 0'861,
Pferdefett 0'86I, Kunstbutter 0*859. Zu ähnlichen Resultaten gelangte Ambühl (21). Bei der
Untersuchung darf man nie unterlassen, auch den Wassergehalt der Butter festzustellen, wobei zu
beachten, dass ein abnorm hoher Wassergehalt nicht- immer als absichtliche Fälschung zu deuten
ist, da er ebensowohl die Folge einer fehlerhaften Bearbeitung der Butter sein kann. Die
Wasserbestinmiung ist um so nothwendiger, als eine mit Wasser stark imprägnirte Butter äusserlich
TOD der gewöhnlichen Butter nur wenig unterschieden ist (32). Die zuweilen vorkommende Ver-
ilüscfaung mit gekochten Kartoffeln, Stärkmehl etc. ist durch mikrochemische Reactionen leicht zu
entdecken.
Bez. der Analyse der Butter auf die normalen Bestandtheile muss auf die Handbücher der
landwirthschaftlich chemischen und Nahrungsmittelanalyse (vergl. Bd. I, pag. 605), sowie auf die
Specialwerke von Fleischmann (1. c. pag. 587) und Kirchner (1. c. pag. 609) verwiesen
werden.
Die Kunstbutter, welche, falls sie mit diesem Namen in den Handel ge-
bracht wird, ein wohlberechtigtes und zu vielen Zwecken brauchbares, billiges
Ersatzmittel der Butter bildet, wird in verschiedener Weise, besonders mit Hilfe
des sogen. Oleomargarins hergestellt.
380 Handwörterbuch der Chemie.
•
Das letztere wird gewonnen (Kirchner. 1. c. pag. 409), indem man das zuvor zwischen
Zahnwalzen zerkleinerte Fett mit Wasser unter Zusatz von Potasche und Schweinemagen bei
45® ausschmilzt. Das fltlssige Fett lässt man dann nach Passirung eines Siebes unter Salzzusatx
sich klären und hierauf 24 Stunden bei 25® stehen. Das hierbei flüssig bleibende, von dem
erstarrten Antheil durch Pressen geschiedene Fett, welches vorwiegend aus Olein besteht, bfldet
das Oleomargarin, das entweder für sich als Butterersatzmittel dient oder zur Darstellung der
eigentlichen Kunstbutter verwendet wird. Letzteres geschieht durch Vermischen von 50 Klgnn.
Oleomargarin, 25 Liter Kuhmilch, 25 Klgnn. Wasser mit 100 Grm. zerkleinerter Milchdrüse,
wozu nach Bedtlrfniss noch Butterfarbe und Cumarin gesetzt wird, um Farbe und Aroma der
echten Butter nachzuahmen. Das ganze Gemenge wird im Butterfass gebuttert und die aos-
geschiedene Masse dann in derselben Weise wie die echte Butter weiter bearbeitet, gesalzen etc.
Aus 83 Klgrm. Rohtalg werden 18 Klgrm. Butter nebst verschiedenen zur Herstellung von
Stearinkerzen, Oleinseifen, Glycerin verwerthbaren Abfällen gewonnen.
Die Zusanunensetzung der Kunstbutter hinsichtlich Wasser, Fett, Salz ist von der echten
Butter wenig zu unterscheiden. Dagegen kann dieselbe durch ihren höheren Gehalt an unlös-
lichen und geringeren Gehalt an flüchtigen Fettsäuren nach den Methoden von Hehner und
Reichert von der echten Butter unterschieden werden. Fleischmann und Vieth (15) fanden
den Gehalt des Oleomargarins an festen Fettsäuren nach Hehner = 95*5 J, der Kunstbutter ans
Wien = 95*6, dsgL aus Hamburg 94*9 J; Kretzschmar (16) fand in Kunstbutter 95-1— 95'5|
fester, unlöslicher Fettsäure. Nach Reichert (19) erforderten 2"5 Grm. Fett aus Oleomargarin*
butter nur 0*95 Cc. rf^ Normalalkali zum Titriren der flüchtigen Fettsäure. Nach Ad. Mayer (33)
ist die Kunstbutter nahezu ebenso verdaulich als die ächte Butter, jedoch mehr zur Zubereitung
von Speisen, als zum Genuss mit Brod oder Kartoffeln geeignet. EmmerlIVG.
Buttersäure.*) Man kennt zwei einbasische Säuren von der Formel €4X1,0,,
die Buttersäure und die Isobuttersäure.
*) i) Chevreul, Recherches sur les corps gras. Paris 1823. 2) Grünzweig, Ann. 162,
pag. 193. 3) Franchimont u. Zincke, Ann. 163, pag. 193. 4) van Renesse, Ann. 166,
pag. 80. 5) Zeise, Ann. 47, pag. 212. 6) Süllivan, Jahresber. 1858, pag. 280; Vohl, Ann. 109,
pag. 200. 7) Anderson, Jahresber. 1866, pag. 310. 8) Marsson, Jahresber. 1850, pag. 494*
9) Redtenbacher, Ann. 59, pag. 41. 10) Bouis, Ann. 80, pag. 303. 11) Buckton, Jahres-
ber. 1857, pag. 303. 12) Nedbauer, Ann. 106, pag. 59. 13) Scharung, Ann. 46, pag. 236.
14) Liebig, Ann. 57, pag. 127. 15) Guckelberger, Ann. 64, pag. 39. 16} Erlenmeyer il
Wanklyn, Ann. 135, pag. 129. 17) Blyth, Ann. 70, pag. 73. 18) Seekamp, Ann. 133,
pag. 254. 19) BuLK, Ann. 139, pag. 62. 20) Berthelot, Ann. 147, pag. 376. 21) Würtz,
Gmelin-Kraut, Handb., Suppl. 2, pag. 786. 22) Rebling, Jahresber. 1857, pag. 402. 23) NÖllner,
Ann. 38, pag. 299; Nickles, Ann. 61, pag. 343; Limfricht u. Uslar, Ann. 94, pag. 331.
24) Pelouze u. Gelis, Ann. 47, pag. 241. 25) Lerch, Ann. 49, pag. 216. 26) Schöyen,
Ann. 130, pag. 233. 27) FRANKLAND u. DUPPA, Ann. 138, pag. 218. 28) Geuther u. Fröuch,
Ann. 202, pag. 305. 29) Linnemann u. Zotta, Ann. 161, pag. 175. 30) Bensch, Ann. 61.
pag. 174. 31) Sticht, Jahresber. 1868, pag. 522. 32) Linnemann, Ann. 160, pag. 224-
33) Grillone, Ann. 165, pag. 127. 34) Lieben u. Rossi, Ann. 158, pag. 145. 35) Vetcl,
Ann. 148, pag. 167. 36) HECHT, Ber. 1 1, pag. 1053. 37) Dessaignes, Ann. 74, pag. 361.
38) Friedel u. Machuca, Ann. 120, pag. 283. 39) Berthelot, Ann. Suppl. 6, pag. 184;
Phipson, Jahresber. 1862, pag. 247. 40) Erlenmeyer, Ann. 181, pag. 126. 41) Kopp, Ann. 9S«
P^S' 315» Kahlbaum, Ber. 12, pag. 344. 42) Krämer u. Grodsky, Ber. 11, pag. 1356.
43) Linnemann, Ann. 162, pag. 42. 44) Silva, Ann. 153, pag. 136. 4$) Lieben u. Rossi,
Ann. 158, pag. 170; Linnemann, Ann. 161, pag. 195. 46) Delffs, Ann. 92, pag. 277.
47) Dollfus, Ann. 131, pag. 285. 48) Loir, Ber. 12, pag. 2377. 49) Lieben, Wien. Monats-
hefte i, pag. 919. 50) Ueber Löslichkeit von buttersaurem Kalk vergleiche HechTi Ann. 213,
pag. 65. 51) S. u. A. Chevreul, Recherches etc., Bromeis, Ann. 42, pag. 66; Pelouze u.
Gelis, Ann. 47, pag. 241; Lerch, Ann. 49, pag. 216; RedtEnbacher, Ann. 49, pag. 218;
Chaneel, Ann. 60, pag. 319; Markownkoff, Ann. 138, pag. 361; Popp, Ann. 131, pag. 200;
Laroque, Jahresber. 1847/48, pag. 555; Bulk, Ann. 139, pag. 66; v. Alth, Ann. 91, pag. 176.
Buttersäure. 381
Die Buttersäure (Normale Buttersäure, Gährungsbuttersäure,
Butyrylsäure), CHgCHjCHjCOOH, wurde von Chevreul (1818) als Produkt
WöHLER, Ann. 94, pag. 44; Grünzweig, Ann. 162, pag. 193; Linnemann u. Zotta, Ann. 161,
pag. 177; Fitz, Ber. 13, pag. 1314; Hecht, Ann. 213, pag. 65; Lieben, Wien. Monatsh. i,
pag. 919. 52) Gerhardt, Ann. 87, pag. 71. 53) Linnemann, Ann. 161, pag. 178. 54) Brühl,
Add. 203, pag. 19. 55) Freund, Ann. 118, pag. 35. 56) Berthelot, Jahresber. 1857, pag. 344.
57) Cahours, daselbst. 58) Gerhardt, Ann. 87, pag. 155. 59) Schützenberger, Jahres-
ber. 1862, pag. 248. 60) Sayi'zeff, Jahresber. 1869, pag. 514. 6x) Brodie, Jahresber. 1863,
pag. 318. 62) A. W. Hofmann, Ber. 15, pag. 979—982. 63) Chanebl, Ann. 52, pag. 294.
64) Bückton u. A. W. Hofmann, Jahresber. 1856, pag. 516. 65) Ulfjch, Ann. 109, pag. 280.
66) Markownikoff, Zeitschr. 1868, pag. 621. 67) Belbiano, Ber. 10, pag. 1749; 11, pag. 348.
68) Karetnikoff, Ber. 12, pag. 1488. 69) Pinner, Ber. 12, pag. 2056. 70) Brühl, Ann. 203,
pag. 27. 71) Pelouze u. Gelis, Gmeun, Handb., Bd. V, pag. 280. 72) Dieselben, Gmelin,
Handb., Bd. V, pag. 281. 73) Krämer u. Pinner, Ber. 3, pag. 389. 74) Jüdson, Ber. 3,
P*ß' 7^5- 75) Pinner, Ber. 8, pag. 1564. 76) Garzarolli-Thürnlak, Ann. 182, pag. 181.
77) Kahlbaum, Ber. 12, pag. 2337. 78) Sarnow, Ann. 164, pag. 93. 79) Borodine. Ann. 119,
pag. 121. 80) Goruf-Besanez u. Klincksieck, Ann. 118, pag. 248. 81) Naumann, Ann. 119,
pag. 115. 82) Schneider, Ann. 120, pag. 279; Suppl. 2, pag. 70. 83) Friedel u. Machuca,
Ann. 120, pag. 279; Suppl. 2, pag. 70. 84) Tupoleff, Ann. 171, pag. 248. 85) YoüNQ,
Ann. 216, pag. 39. 86) WisucENUS u. Urech, Ann. 165, pag. 93. 87) Hemillin, Ann. 174,
pag. 322. 88) Cahours, Ann. Suppl. 2, pag. 76. 89) Körner, Ann. 137, pag. 233. 90) Bulk,
Ann. 139, pag. 68. 91) Michael u. Norton, Jahresber. 1880, pag. 790. 92) Limpricht u.
Delbrück, Ann. 165, pag. 296. 93) Sarnow, Ann. 164, pag. 105. 94) Pinner, Ber. 8, pag. 1324.
95) FiTTiG u. Alberti, Ber. 9, pag. 11 94. 96) Hell, Ber. 6, pag. 28. 97) Markownikoff,
Ann. 182, pag. 329. 98) Ders., Ann. 153, pag. 240. 99) Hemilian, Ann. 176, pag. i.
100) Berthelot, Gmelin-Kraut, Handb., Suppl. 2, pag. 848. loi) Dessaignes, Ann. 82,
pag. 234. 102) Hofmann u. Buckton, Ann. 100, pag. 152. 103) Duvillier, Ann. chim.
phys. [5] 20, pag. 188. 104) Balbiano, Ber. 13, pag. 312. 105) Duvillier, Ber. 12, pag. 1210.
106) Erlen&ieyer, Ber. 10, pag. 636. 107) Firne u. Thomsen, Ann. 200, pag. 83.
108) Kaschirski, Ber. 14, pag. 2065. 109) C. Kolbe, Ber. 15, pag. 2246. 110) Wleügel,
Ber. 15, pag. 1057. iii) Redtenbacher, Ann. 57, pag. 177. 112) Sigel, Ann. 170, pag. 345.
113) FmiG, Kopp u. Köbig, Ann. 195, pag. 83, 95. 114) Schmidt u. Berendes, Ber. 10,
pag- 835. 115) Kelbe, Ber. 13, pag. 11 57. 116) Brieger, Ber. 10, pag. 1027. 117) Erlen-
meyer, Jahresbericht 1864, pag. 489. 118) Markownikoff, Jahresber. 1865, pag. 318;
Ann. 138, pag. 361. 119) Frankland u. Duppa, Ann. 138, pag. 337. 120) Fittig u. Paul,
Ber. 9, pag. 122. 121) Geromont, Ber. 5, pag. 492. 122) Linnemann, Ann. 162, pag. 9.
123) Popoff, Zeitschr. f. Ch. 1871, pag. 4; Erlenmeyer u. Grünzweig, Ber. 3, pag. 899;
Ann. 162, pag. 209; Schmidt u. Münde, Ber. 7, pag. 1363. 124) Richard Meyer, Ber. 11,
pag. 1787. 125) Krafft u. Chappuis, Ber. 9, pag. 1088. 126) Vergl. Markownikoff,
Ann. 138, pag. 369; Linnemann, Ann. 162, pag. 9; Grünzweig, Ann. 162, pag. 209; R. Meyer,
Her. II, pag. 1790; Frrz, Ber. 13, pag. 13 16. 127) Pierre u. Puchot, Ann. 163, pag. 272.
128) Dieselb., Ann. 163, pag. 283. 129) Dieselb., Ann. 163, pag. 288. 130) Urech, Ber. 13,
pag. 1693. 131) Markownikoff, Zeitschr. f. Ch. 1866, pag. 501. 132) Brühl, Ann. 203,
pag. 20. 133) Prianichnikoff, Jahresber. 187 1, pag. 421. 134) Moritz, Ber. 14, pag. 523.
135) Letts, Ber. 5, pag. 672. 136) MüNCH, Ann. 180, pag. 340. 137) A. W. Hofmann,
^^' 15» P^* 979 — 9^2. 138) Ders., Ber. 15, pag. 755, 139) Henry, Bull. soc. ch. 26, pag. 24.
140) Balbiano, Ber. 11, pag. 1693. 141) Gottlieb, Jahresber. 1873, pag. 566; 1875, pag. 529.
142) MoRAWSKi, Jahresber. 1875, V^S- 54'- ^43) Markownikoff, Ann. 153, pag. 229. 144) Hell
u. \Vau>bauer, Ben 10, pag, 448. 145) Markownikoff, Ann. 182, pag. 336. 146) Fittig,
Paul u. Engelhorn, Ann. 200, pag. 65. 147) Cahours, Ann. Suppl. 2, pag. 349. 148) Fittig
u. Paul, Ann. 188, pag. 58; vergl. Ann. 200, pag. 67. 149) Urech, Ann. 164, pag. 268.
i^o) Heintz, Ann. 192, pag. 339. 151) Ders., Ann. 198, pag. 42. 152) Tiemann u. Fried-
lamdkk, Ber. 14, pag. 1970. 153) Kachler, Wiener Monatsh. 2, pag. 562. 154) Kaschirski,
382 Handwörterbuch der Chemie.
der Verseifung der Kuhbutter entdeckt (i). Seitdem ist sie vielfach als Produkt
der Lebensthätigkeit von Pflanzen und Thieren sowohl, als auch als Zetsetzungs-
produkt von pflanzlichen und thierischen Substanzen ausserhalb des Organismus
aufgefunden worden. Jedoch bleibt es dahingestellt, ob in allen Fällen die als
Buttersäure angesprochene Säure in der That die normale oder die ihr sehr
ähnliche unten zu beschreibende Isobuttersäure gewesen ist (2). Man fand sie
in den Früchten des Seifenbaums, in den Tamarinden, unter den flüchtigen
Säuren des* Crotonöls, im Leberthran, in der Fleischflüssigkeit der Säugethiere,
in der Milzfltissigkeit, im Schweisse, in der Flüssigkeit, welche mehrere Laufkäfer
durch den After ausspritzen (in Betr. der Literatur vergl. Grünzweig, Ann. 62,
pag. 194), in den menschlichen Fäces, in den Excrementen fleischfressender Vögel,
im Schlangenkoth (22) (116). Sie findet sich in den thierischen und pflanzlichen
Produkten theils in freiem Zustand, theils in Form von Estern, so z. B. in der
Kuhbutter als Buttersäure-Glycerinester, im Heracleumöl als Buttersäure-Hexyl-
ester (3), in den Früchten \on Fastinaca saüva als Buttersäure-Octylester (4).
Buttersäure tritt häufig als Produkt der Gährung und Fäulniss auf. So bildet
sie sich bei der durch faulen Käse (24) und verschiedene andere Körper einge-
leiteten Gährung des Zuckers in Gegenwart einer Base, bei der Fäulniss resp.
Gährung von Kartoffelkleie, diabetischem Harn, Fibrin, Casein, Fleisch (163),
Erbsen und Linsen, Hefe, der Runkelrübenschlempe, des Weizenmehles u. s. w.
(in Betr. d. Literatur vergl. Gkünzweig, Ann. 162, pag. 195), bei der Schizomyceten-
gährung verschiedener Oxysäuren, wie Weinsäure (23), Aepfelsäure (Lkibig), Milch-
säure (s. unten), Glycerinsäure, und mehratomiger Alkohole, wie Glycerin, Erythiit
(Fitz). Sie entsteht bei der trockenen Destillation von Tabak (5), Torf (6), Holz (7)
(42), und Bernstein (8).
Buttersäure tritt häufig als Oxydationsprodukt von hochmolekularen Fettsäuren,
Säuren des Oelsäurereihe und vielen anderen hochmolekularen Verbindungen auf.
So entsteht sie z. B. bei der Oxydation von Oelsäure (9), Caprylalkohol (10),
von chinesischem Wachs (11) mit Salpetersäure, von Valeriansäure • mit überman-
gansaurem Kali in alkalischer Lösung (12), von Butylmethylcarbinol mit chrom-
saurem Kali und Schwefelsäure (16). Sie bildet sich beim Behandeln von Aethal
und Palmitinsäure mit Kalikalk (13), beim Schmelzen von Casein mit Kali (14),
beim Behandeln von Casein, Albumin, Fibrin und Leim mit Braunstein oder
chromsaurem Kali und Schwefelsäure (15) u. s. w. Normale Buttersäure entsteht
bei der Oxydation des Coniins mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure (17)
(2), bei der Einwirkung des Sonnenlichts auf eine wässrige Lösung von Brenz-
Weinsäure in Gegenwart von Uranoxyd (18), bei der Reduction der Crotonsäure
mit Natriumamalgam (19) und von Bernsteinsäure mit Jodwasserstoff" (20), bei der
Oxydation des Butylalkohols (21).
Die Zusammensetzung der Buttersäure wurde von Pelouze und G£li8 (24}
und von Lerch (25) richtig ermittelt, synthetisch wurde die Säure zuerst von
ScHöVEN (26) durch Synthese des Butylalkohols aus Diäthyl und Oxydation des-
Ber. 14, pag. 2064. 155) Fittig u. Krusemark, Ann. 206, pag. 14. 156) Swarts, Jahns*
her, 1873, pag. 583. 157) Berthelot u. Luca, Ann. 100, pag. 360; Cahours u. A. W. Hof-
MANN, Ann. 102, pag. 296. 158) L0UREM50, Ann. 114, pag. 122. 159) WURTZ, GMSUN-KaAirr,
Handb., Suppl. 2, pag. 808. i6o^ Simpson, Ann. 113, pag. 117, 118. 161) Bbrtbelot» Gmbl»-
Kraitt, Handb. Suppl. 2, pag. 811. 162) Truchot, Ann. 138, pag. 298. 163) Gautikr und
Etard, Ber. 16, pag. 2527. 164) Friedrich, Ann. 219, pag. 371. 165 Nattsrsr, Wiener
Monatehefte 4, pag. 551. 166) Jahn, Wiener Monatehefte i, pag. 703.
Buttersäure. 3»3
selben hergestellt. Seitdem hat man die Buttersäure synthetisch erhalten durch
Zersetzen des aus Jodäthyl und Natriumacetessigester dargestellten Aethylacetessig-
esters (s. Bd. L, pag. 17) (27), aus Butyronitril mit alkoholischem Kali (29), durch
Behandeln eines Gemenges von Natriumäthylat und essigsaurem Natrium mit
Kohlenoxyd bei höherer Temperatur (28), bei der Einwirkung von Kalk auf
Essigester (Lyubawin).
Darstellung. Wie Pelouze und G^is (24) zeigten, kann man Zucker durch Gährung
in Buttersfinre überführen. Dabei entsteht xunächst Milchsäure, welche unter Entwicklung von
Kohlensäure und Wasserstoff in Buttersäure Ube^eht (2C,HgO,= C^HgO, + 2CO3 +4H).
Nach Bensch (30) verfuhrt man am besten folgendermaassen: Man löst 3 Klgrm. Rohrzucker
und 15 Grm. Weinsäure (zur Ueberführung des Rohrzuckers in Glykose) in 13 Klgrm. siedendem
Wnsser und lässt mehrere Tage stehen, setzt hierauf ca. 120 Grm. alten, stinkenden Käse,
welchen man in 4 Klgrm. abgerahmter, geronnener, saurer Milch vertheilt hatte, sowie 1^ Klgrm.
Schlemmkreide hinzu und lässt bei 30—35^ gähren, indem man täglich mehrere Male gut um-
rührt. Nach 8 — 10 Tagen erstarrt die ganze Masse zu einem steifen Brei von milchsaurem
Kalk (C5Hi,Oj= 2C,Hj03). Lässt man länger stehen, so wird die Masse wieder dünn-
Glykose Milchsäure
flüssiger, und nach 5 — 6 Wochen ist die Milchsäure in Buttersäure übergegangen. Sobald die
Gährung beendigt ist, was man an dem Aufhören der Gasentwicklung bemerkt, mischt man die
Flüssigkeit mit ihrem gleichen Volumen kalten Wassers, versetzt mit einer Lösung von 4 Klgrm.
krystaüisirter Soda und dampft d^s Filtrat vom ausgeschiedenen kohlensauren Kalk bis auf
5 Klgrm. ein. Hierauf wird die Buttersäure durch vorsichtigen Zusatz von 5^ Klgrm. Schwefel-
säure (1 Th. Schwefelsäure und 1 Th. Wasser) in Freiheit gesetzt. Nach dem Abtrennen der
Oelschicht durch den Scheidetrichter wird zur Gewinnung der gelösten Säure die wässrige
Lösung destiUirt und das Destillat nach dem Abstumpfen mit Soda eingedampft. Man scheidet
die Buttersäure aus dem Natriumsalz mit Schwefelsäure ab und unterwirft die Gesammtmenge
der fractionirten Destillation, nachdem mau auf je 1 Klgrm. 30 Grm. Schwefelsäure zugefügt
hat, um die Abscheidung wasserfreien Glaubersalzes, welches heftiges Stossen veranlassen würde,
zu vermeiden. Die rectificirte , noch wasserhaltige Buttersäure unterwirft man nach dem Zu-
sammenstehen mit geschmolzenem Chlorcalcium einer nochmaligen fractionirten Destillation.
Die Hauptfraction, von ca. 155 — 1()5^ siedend, enthält die Buttersäure neben etwas Essigsäure
(32» 33) und Capronsäure (31). Durch sehr häufiges Fractioniren kann man die Buttersäure
rein erhalten (32). Einfacher gelangt man zum Ziele durch Lösen der Hauptfraction in Wasser
(wobei Capronsäure, wenn solche noch zugegen, zurückbleibt und getrennt werden kann) und
Sättigen der Lösung mit Kalkmilch. Beim Abdampfen scheidet sich der buttersaure Kalk wie
Schaum an der Oberfläche ab und kann abgeschöpft werden. Man fährt mit dem Abdampfen
und Abschöpfen je nach dem Grade der Reinheit der angewandten Buttersäure mehr oder minder
lange fort. Die letzten Mutterlaugen geben in der Regel kein reines Produkt mehr. Durch
starke Säuren wird aus dem Kalksalz die Buttersäure abgeschieden (34).
Für die Ueberführung in Buttersäure können selbstverständlich auch Zucker liefernde, wie
z* B. stärkehaltige Materialien verwandt werden; auch statt des Käse kann man andere Substanzen,
wie z. B. Fleisch, Ackerkrume u. s. w. in die in Gährung zu versetzende Lösung bringen.
Bei dem beschriebenen Verfahren werden selbstverständlich die verschiedensten Arten von
Gährungserzeugem zugeführt. Daher wird die Gährung theilweise auch in anderer als der ge-
wünschten Richtung verlaufen. Frrz (Ber. 11, pag. 52) hat daher vorgeschlagen, eine Aussaat
von reinen Spaltpilzen zu verwenden. 2 Liter Wasser werden auf 40^ erwärmt, 100 Grm«
Kartoffelstärke, O'l Grm. phosphorsaures Kali, 0*02 Grm. schwefelsaure Magnesia, 1 Grm.
Salmiak und 50 Grm. kohlensaurer Kalk zugefügt und eine Spur von BadUus subtiUs eingetragen«
N'ach lOtägigem Stehen bei 40^ lässt sich Stärke nicht mehr nachweisen, es bleiben nur Reste
▼00 Cellulose-Skeletten. Man erhält 1 Grm. Alkohol, 34*7 Grm. Buttersäure, ca. 5*1 Grm«
Essigsäure und 0'3d Grm. Bernsteinsäure. Es ist wahrscheinlich, dass bei der Stärkegährung
durch den BadUus suöH&s die Buttersäure direkt entsteht, ohne dass Milchsäure sich als Zwischen^
Produkt bildet (FlTZ a. a. O.).
^^M-r^^.^"^^^^'^
384 Handwörterbuch der Qiemie.
Die reine Buttersäure ist eine bei 163-2° (corrig.) siedende, im conc. Zu-
stand der Essigsäure ähnlich, im verdünnten unangenehm ranzig riechende Flüssig-
keit, welche bei niederer Temperatur krystallinisch erstarrt und bei ca. 0° schmilzt
Spec. Gew. 0*958 bei 14° (32). Sie ist mit Wasser in jedem Verhältniss misch-
bar; aus ihren wässrigen Lösungen wird sie durch lösliche Salze sowie starke
Säuren ölig abgeschieden. Bei der Oxydation der Buttersäure mit Braunstein
und Schwefelsäure treten Buttersäureäthyl- und Propylester auf (35), bei der Oxy-
dation mit Chromsäure entstehen Essigsäure und Kohlensäure (2, 36) und beim
Behandeln mit conc. Salpetersäure (37) oder mit Brom bei höherer Temperatur
(38) oder mit übermangansaurem Kali in alkalischer Lösung (39) u. a. Bernstein-
säure. Durch Jodwasserstoffsäure wird Buttersäure zu Butan reducirt (Berthelot).
Bildet mit saurem schwefligsaurem Natron eine unter 20° beständige Doppel Ver-
bindung (48). Ebenso bildet sie mit Chlorcalcium eine nach der Formel CaClj*
2C4H3O2 -+- 2H5O zusammengesetzte Verbindung, welche durch Wasser zersetzt
wird und über Schwefelsäure im Exsicator in CaCla'C^HgOa übergeht (49). Ver-
halten gegen Zinkstaub (166).
Die Salze der Buttersäure (51) siod in Wasser und meist auch in Alkohol löslich.
Manche werden von Wasser schwer benetzt und zeigen daher, auf Wasser geworfen, eine
rotirende Bewegung wie Campher. Trocken sind sie geruchlos, feucht riechen sie schwach nach
Buttersäure. Die Alkalisalze sind zerfliesslich. Von anderen Salzen seien die folgenden
erwähnt:
C H C O O Vw
Buttersaures Strontium, c^u^ coCi ^^^~^^^i^' Abgeplattete, durchsichtige, mono-
küne Prismen. 100 Thle. Wasser lösen bei 4® 35-6 Thle. (Chevreul), bei 20° 39*2 Thle. und
bei 22® 40*2 Thle. krystallwasserhaltiges Salz. Verliert sein Krystallwasser bei 100°.
Buttersaures Calcium, (C4H70,)3CaH-HjO. Ftlr die Buttersäure besonders chaiak-
teristisches Salz. Krystallisirt beim freiwilligen Verdunsten der wässrigen Lösung in rhombischen
Blättchen. In warmem Wasser weniger löslich als in kaltem (Che\'äeul). Die kal^esätdgte
Lösung lässt beim Erhitzen das Salz in Form keilförmiger, rhombischer Prismen fallen. Die
Ausscheidung beginnt bereits bei 30° und schliesslich erscheint die ganze Masse zu schuppigen
Krystallen erstarrt. Eine nicht ganz gesättigte Lösung scheidet erst dann Krystalle aus, wenn
die Überschüssige Menge Wasser durch Abdampfen entfernt ist, und zwar reichen schon geringe
Mengen Wasser hin, die Ausscheidung zu verhindern. Die in verschiedener Art gebildeten
Krystalle enthalten immer 1 Mol. Krystallwasser, welches sie bei 100° veriieren. 100 Thle
Wasser lösen bei 15° 19-06 Thle. (Chevreul), bei 22° 19*61 Thle. krystaUwasserhaltigcs Salz
(50). Durch Erwärmen der wässrigen, gesättigten Lösung verwandelt sich das buttersaure Calcium
mit der Zeit z. Th. in isobuttersaures Calcium (40). — Beim Verdunsten einer Lösung von
Chlorcalcium in reiner Buttersäure über Schwefelsäure und Kalk bilden sich Krystalle einer
Verbindung CaQ^-CaCC^H^Oj), -r iC^HgO, (49).
Butter saures Silber, CjHjCOOAg. Krystallisirt aus der heiss gesättigten Lösung in
dendritenartig gruppirten Nadeln, beim freiwilligen Verdunsten in monoklinen Prismen. Ist die
Säure durch Essigsäure verunreinigt, so bilden sich moosartige Verzweigungen, welche zu
Kugeln gruppirt erscheinen. Ist eine Säure von höherem Molekulargewicht zugegen, so biklexi
sich mehr warzige Formen. Schwer in kaltem Wasser, leichter in heissem löslich. 100 Thle.
Wasser lösen bei 16° 0*413 Thle. Salz.
Buttersaures Zink, {C^UjO^)jZn -^211^0. Durchsichtige, abgeplattete, raonoklinc
Prismen, welche beim Liegen an der Luft verwittern und ihr Krystallwasser über Schwefelsiore
vollständig verlieren. Die wässrige Lösung lässt beim Erwärmen ein basisches Sah fallen
(Chevreul). Beim Trocknen bei 100° geht neben dem Krystallwasser allmählich Buttersäare
weg. 100 Thle. Wasser lösen bei 16° 10*7 ITile. krystallwasserhaltiges Salz (2).
Buttersäure-Methylester, CHgCH^CHjCOOCH,. Durch Einwiricung
von Schwefelsäure auf ein Gemenge von Buttersäure und Methylalkohol oder
Buttersäure. 385
durch Einleiten von Salzsäuregas in die methylalkoholische Lösung von Butter-
säure erhalten. Siedep. 102° (24). Spec. Gew. 0*9475 bei i"* (41, 42).
Buttersäure- Aethylester, CHjCHjCHjCOOCjHj, bildet sich, wenn
man Jodäthyl auf das Einwirkungsprodukt von Natrium auf Essigester reagiren
lässt(s. Bd. L, pag. 1 1), und kann dem Methylester analog dargestellt werden (24, 25).
— Angenehm obstartig riechende Flüssigkeit vom Siedep. 121-1° (corr.) (29).
Seine Lösung in Weingeist bildet als Ananasessenz (ßtu-appU oH) ein Handelsprodukt
niid findet zum Aromatisiren schlechter Rumsorten und anderer Getränke, von Confituren, in der
Paifiimerie u. s. w. Verwendung. Ein noch mit etwas Essigester versetztes Produkt ist die
sogenannte Erdbeeressenz. Technisch verwendet man wohl meist zur Herstellung dieser Essenzen
das Gemenge von Estern, welches man durch Aetherificiren der beim Verseifen der Butter oder
bei der Gährung von Johannisbrod entstehenden Säuren erhält.
Buttersäure-Propylester, C^HyOj-CjH,. Siedep. 143-40 (corr.) (43).
Buttersäure-Isopropylcster, C^H^Og.CjHy. Siedep. 128®, spec. Gew. 0-8652 bei
13» 0-8787 bei 0» (44).
Buttersäure-Butylester, C^HyO^-C^Hg. Siedep. 165®, spec. Gew. 0-8885 bei 0®,
0-8717 bei 20®, 0'8579 bei 40®, bez. auf Wasser von gleichen Temperaturen, 0-876 bei 12® (45).
Buttersäure-Isobutylester, C^HiOj-C^H,. Siedep. 150—153®, spec. Gew. 0*8798
bei 0®, 0*8664 bei 16®, 0*8184 bei 98*4®, bez. auf Wasser von gleichen Temperaturen (2).
Buttersäure-Amylester, C^HfO^-C^Hn (aus GähruDgsamylalkohol). Siedep. 176®,
ipec. Gew. 0*852 bei 15®, bez. auf Wasser von 15® (46).
Buttersäure-Hexylester, C^H^Oj-CgH^j. Aus Heracleumöl. Siedep. 201— 206® (3).
Buttersäure-Octylester, C^HjOj'CgH^Y* Aus den Früchten von Pastinata sativa,
Siedep. 244—245®, spec. Gew. 08752 bei 0®, 0-8G92 bei 15®, 0*8575 bei 30® (4).
Buttersäure-Cetylester, C^H^Oj-C^H,,. Siedep. 260—270®, Schmp. 20®, spec.
Gew. 0*856 bei 20® (47).
Buttersäure-AUylester. C^H^Oj-CjHj. Siedep. ca, 140-145® (157).
Monobuttersäure-Aethylenester, C,H/OH)C4HyOj. Siedep. ca. 220® (158).
Buttersäure-Aethylenester, C^H^iC^H^O^)^. Siedep. 240®, spec. Gew. 10-24 bei 0®
(159).
Buttersäureester des Aethylenchlorhydrins, C4H70.^-CH2CH2C1. Aus Butter-
säure, Glycol und Salzsäuregas. Siedep. ca. 190®, spec. Gew. 1*0854 bei 0® (160).
Buttersäure-Essigsäure-Aethylenester, c*h'oO^»^*' Siedep. 208— 215® (160)
(158).
Monobuttersäure-Glycerinester (Monobutyrin), C^H|0,'C,Hj(OH),. Spec.
Gew. 1-068 bei 17® (161).
Dibuttersäure-Glycerinester (Dibutyrin), (C4H,0,),C,H40H. Siedet bei 320®
anter theilweiser Zersetzung. Spec. Gew. 1*081 bei 17®. Mit Ammoniak liefert es Butyramid (161).
Buttersäare-Glycerinester (Tributyrin), (C4H70,),C,Hj. Spec. Gew. 1*056 bei
8« (161).
Bnttersäureester des Dichlorhydrins, CfH,0,-C,HjCl,. Siedep. 226—227® (bei
738 Bar.); spec. Gew. 1194 bei 11® (162).
Butyrylchlorid, CH,CH2CH2C0C1(S2). Man erhitzt 1 Aequ. Phosphortrichlorür
mit 2 Aequ. Buttersäure, wovon man zweckmässig nicht mehr als 180 Grm. auf einmal anwendet,
6 Stunden im Wasserbade. Nach je zwei Stunden giesst man von dem sich bildenden Syrup
ab, destillirt schliesslich im Oelbade bei 100—130® und unterwirft das Produkt der fractionirten
Destillation.
Siedep. 100-101*5'' (53). spec. Gew. 1*0277 bei 20'' gegen Wasser von 4"* (54).
Wird von Natriumamalgam in Gegenwart von Buttersäure zu Butylalkohol reducirt
(60) (53).
Lftsst man auf das Chlorid Natriumamalgam einwirken, so bildet sich
Dibutyryl, C,HfCO*COC,HY, welches auch in kleiner Menge neben Buttersäureäther
Lamexbc«c, CKemie. II. 25
386 Handwörterbuch der Chemie.
und Chloräthyl entsteht, wenn man eine ätherische Lösung des Chlorids auf Zink reagiren lisst
Das Dibutyryl ist eine zwischen 245 und 260^ nicht ganz unzersetzt destillirendc Flfissigkeit,
welche sich mit Kalilauge unter Bildung von Buttersäure und einer esterartig riechenden Sub-
stanz zersetzt (55).
Butyrylbromid, C^H^OBr. Aus Bromphosphor und Buttersäure. Siede-
punkt gegen 128° (56).
Butyryljodid, C4H7OJ. Aus Jodphosphor und buttersaurem Kalium (57).
Siedep. 146—148°
Butyrylcyanid, CHjCHjCHjCO.CN. Aus Butyrylchlorid und Cyansüber.
Siedep. 133—137°. Gleichzeitig bildet sich Dibutyryldicyanid (Siedep. 232°
bis 235°) (134).
C H O
Buttersäureanhydrid, r^H^O^^' ^"^^^^^ ^^* ^^^ Einwirkung von
Phosphoroxychlorid oder Benzoylchlorid auf buttersaures Natrium (58) und von
Butyrylchlorid auf buttersauren Kalk. Am besten stellt man es aus Butyrylchlorid
und Buttersäure dar (53). — Siedep. 191—193°, spec. Gew. 0*978 bei 12-5°.
Mischt sich nicht mit Wasser, wird aber von Wasser allmählich in Buttersäure
übergeführt. Natriumamalgam reducirt das Buttersäureanhydrid zu Butylalkohol(S3)-
Behandelt man dasselbe bei guter Kühlung mit Unterchlorigsäureanhydrid, so bildet ädi
buttersaures Chlor, C3H7COOCI, eine gelbliche, in der Wärme verpuffende, am Licht sich
langsam zersetzende Flüssigkeit, welche durch Einwirkung von Brom in butter saures Brom
(farblos, explosiv) und von Jod in buttersauresjod, (C^Hy02)5J. übergeht Dieses entsteht
auch beim Vermischen von Chlorjod mit buttersaurem Natron, Kali oder Zink, kiystalluiit aus
Essigsäureanhydrid in weissen Nadeln, ist am Licht unveränderlich und zersetzt sich in der
Wärme in Jod, Kohlensäure und Buttersäure-Propylester (59).
Butyrylsuperoxyd, (€41170)302. In Wasser wenig lösliches Öel (61).
Butyramid, C3H7CONH2, erhält man durch Einwirkung von Ammoniak
auf Ester der Buttersäure (63) (100) und von Buttersäure und concentrirter
Schwefelsäure auf Rhodankalium (99). Wird am besten durch 5 — 6 stündiges
Erhitzen von trockenem buttersaurem Ammoniak auf 230^ und nachherige Destilla-
tion des Produktes hergestellt (62). Schmp. 115° (63); Siedep. 216"* (64). —
Quecksilberbutyramid (loi)-
Thiobuttersäure, C3H7COSH. Aus Buttersäure und Phosphorpentasulfid.
Unerträglich riechende Flüssigkeit, gegen 130° siedend. — Thiobuttersaures
Blei, (C3H7COS)2Pb (65).
a-Chlorbuttersäure, CHsCH^CHClCOOH. Durch Einleiten von Chlor
in kochendes, mit Jod versetztes Butyrylchlorid erhält manChlorbutyrylcblorid
(Siedep. 129—132°; spec. Gew. 1,257 bei 17°), welches beim Erhitzen mit Wasser
die a-Chlorbuttersäure als schweres Oel und beim Behandeln mit absoluten
Alkohol den a-Chlorbuttersäureester, CHaCHjCHClCOOCjHj, eine bd
156—160° siedende Flüssigkeit vom spec. Gew. 1,063 bei 17,5°, liefert Beim
Kochen mit Barytwasser erhält man aus diesen Körpern a-Oxybuttersäure (98).
p-Chlorbuttersäure, CHjCHClCHgCOOH. Erhalten bei der Einwirkung
von Chlor auf Buttersäure im Sonnenlicht oder in Gegenwart von Jod (66, 67),
bei der Oxydation des Chlorbuttersäurealdehydes, welcher bei der Einwirkung
von Salzsäure auf Crotonaldehyd entsteht (68), aus Cyanallyl und Salzsäure (69).
— Schmp. 98—99° (66). Bildet ein leicht zersetzliches krystallinisches Silbersalz
(69). — Der Aethylester, welcher durch Sättigen der alkoholischen Lösung
der Säure mit Salzsäuregas gewonnen werden kann, siedet bei 168 — 169° (bei
741 Millim. Druck), hat das spec. Gew. 10517 bei 20° gegen Wasser von 4*
Buttersäure. 387
und wird von Kalihydrat oder Barytwasser in Crotonsäure und Oxybuttersäure
übergeführt (67). Er bildet sich auch beim Einleiten von Salzsäuregas in die
alkoholische Lösung von Crotonsäure neben Crotonsäureester (70) (vergl. 99).
Dichlorbuttersäure, C3H5CI2COOH, entsteht, wenn roan trockenes
Chlor im Sonnenlicht durch Buttersäure leitet. — Zähe Flüssigkeit (71). —
Dichlorbuttersäureäthylester, C3H;,Cl3COOCjH5 (72).
a-ß-Dichlorbuttersäure, CH3CHCICHCICOOH. Beim Einleiten von
trocknem Chlor in Crotonsäure, CH,CH == CHCOOH, erhält man eine zähe,
gelbliche Flüssigkeit, welche sich bei der Destillation unter Salzsäureabspaltung
und Bildung von Chlorcrotonsäuren zersetzt (164).
Trieb lorbutter säure, CH3CHCICCI2COOH, (früher unter dem Namen
Trichlorcrotonsäure (73, 74) beschrieben), entsteht bei der Oxydation von Butyl-
chloral, C,H4Cl3-COH (s. Bd. L, pag. 198) mit Salpetersäure (73, 74, 76), Chlor
in wässriger Lösung oder chlorsaurem Kalium und Salzsäure (76). — Schmelz-
punkt 60° (77), Siedep. 236—238'* (74). Die Säure nimmt 33^ Wasser auf;
1 Th. löst sich in 25 Thln. Wasser (74). Durch Behandeln mit Zink und Salz-
säure (74), mit Zinkstaub und Wasser (78), sowie beim Erhitzen mit pulver-
förmigem Silber auf ca. 160^ (75) geht sie in a-Monochlorcroton säure über, aus
welcher durch Chloriren wieder Trichlorbuttersäure entsteht (75). Beim Kochen
des Silbersalzes der Trichlorbuttersäure, sowie bei der Einwirkung verdünnter
Alkalien liefert sie Dichlorpropylen, C3H4CI3 (74, 75).
Trichlorbuttersaures Ammoniak, CsH^CljCOONH^. Glasglänzende, in Wasser,
Alkohol und Aether lösliche Krystalie. — Trichlorbuttersaures Calcium, (C4H^aj03,)5,Ca.
In Wasser, Alkohol und Aether sehr leicht löslich. — Trichlorbuttersaures Blei,
(C4H^Cl,02)3Pb. Unlöslich in kaltem Wasser, schwer in heissem; löslich in Alkohol, besonders
leicht in Aether. Krystallisirt aus Aether in seideglänzenden Drusen, aus Wasser in kleinen
Nadeln. — Trichlorbuttersaures Silber, C^H^ajO^Ag. Krystallinisch, in Wasser schwer
löslich. Zersetzt sich beim Kochen mit Wasser (s. oben) (74, 76). — Trichlorbuttersäure-
Aethylcster, C^H^ajO/C^Hj. Siedep. 2\2'^ (74). — Trichlorbutyrylchlorid,
C^H^a,OCl, Siedep. 162—1660 (74). - Trichlorbutyramid, C^H^CljO-NH,. Silber-
glänzende Schuppen. Schmp. 96^ (74).
Trichlorbuttersäure, CHsjClCHClCHClCOOH od. CHaClCHjCClaCOOH
(165). Leitet man durch o-y-Dichlorcrotonaldehyd, CHjaCH = CCICOOH (durch Conden-
sation aus Monochloraldehyd, CH^CICOH, entstehend) bei 0^ einen Strom von Chlorwasserstoff
und lässt die mit letzterem gesättigte Flüssigkeit längere Zeit stehen, so bildet sich der Aldehyd
der in Rede stehenden Trichlorbuttersäure, welcher durch rauchende Salpetersäure in die Säure
abergelllhrt wird.
«Schmp. 73—75°. Besitzt einen scharfen, an Chloressigsäure erinnernden
Geruch. In ungefähr 20 Thln. Wasser löslich. Die Lösung wirkt, auf die Haut
gebracht, blasenziehend.
Tctrachlorbuttersäure, C^H4Cl402, bildet sich beim Chloriren der
Buttersäure im Sonnenlicht. — Schiefe, rhombische, nicht in Wasser, leicht in
Aether und Weingeist lösliche Säulen. Schmp. 140° (72).
a-Monobrombuttersäure, CHjCHjCHBrCOOH, bildet sich bei der
Einwirkung von Brom auf buttersaures Silber (79) und auf Buttersäure (80, 81,
^2, S^p 98), sowie bei der Einwirkung von Bromwasserstoffsäure auf Crotonsäure
(87) und bei der Ueberführung des durch Behandeln von Butyrylchlorid mit
Brom entstehenden Chlorids in die Säure (98).
Zur Darstellung erhitzt man 1 Mol. Buttersäure mit 1 Mol. Brom im Wasserbade bis zur
Entfärbung (106) und reinigt das Produkt durch Destillation im Vacuum.
«5*
388 Handwörterbuch der Chemie.
Die Säure siedet bei gewöhnlichem Druck unter theilweiser Zersetzung bei
217°, dagegen unzersetzt bei 110° unter 3 Millim. Druck (83). Liefert beim Be-
handeln mit Basen oder Wasser ««Oxybuttersäure (81, 83, 107). — (C4HßBrOj)|Pb.
— C4H6BrO,Ag (82). — a-Brombuttersäure — Methylester, CH,CH,
CHBrCOOCHg. Siedep. 165—172° (105).
a-Monobrombuttersäure-Aethylester, CHjCHjCHBrCOOCjHa (80,
82, 84, 85, 88, 96). Siedep. 178° (corr.).
Man leitet trockenes Salzsäuregas in das mit dem doppelten der theoretisch berechneten
Menge absoluten Alkohols versetzte rohe Produkt der Einwirkung von 1 MoL Brom auf 1 MoL
Buttersäure (s. oben die Darstellung der Monobrombuttersäure) bis zur Sättigung, erhitzt koize
Zeit auf dem Wasserbade, scheidet nach dem Erkalten den Ester durch Wasser aus und unter-
wirft ihn ohne vorheriges Trocknen der Iractionirten Destillation.
a-Brombutyrylbromid, CH,CH,CHBrCOBr (108).
p-Brombuttersäure, CHjCHBrCHjCOOH, entsteht in kleiner Menge
beim Bromiren der Buttersäure (86) und beim Behandeln der Crotonsäure mit
Bromwasserstoff (87).
Dibrombuttersäure, C4HeBr202 (wahrscheinlich CHjCHjCBrjCOOH),
entsteht beim Erhitzen von Buttersäure mit 2 Mol. Brom oder von Monobrom-
buttersäure mit 1 Mol. Brom auf 150—160° (82, 83). — Siedepunkt gegen 150*
bei 3 Millim. Quecksilberdruck (83,. 88).
a-?-Dibrombuttersäure, CHjCHBrCHBrCOOH. Produkt der Einwirkung
von Brom auf Crotonsäure und Isocrotonsäure (89, 90, 91, 109). Schmp. 87®.
Tribrombuttersäure, C3H4Br3COOH. Aus der zuerst erwähnten Dibrom-
buttersäure entsteht beim Erhitzen oder beim Behandeln mit alkoholischem Kali
oder Ammoniak eine Monobromcrotonsäure , welche sich mit Brom zu einer
Tribrombuttersäure vom Schmp. 111° verbindet (91).
Aus a-ß-Dibrombuttersäure bildet sich bei der Einwirkung alkoholischen Kalis
eine Bromerotonsäure, welche ebenfalls Brom in Schwefelkohlenstofflösung auf-
nimmt und eine aus Alkohol oder Benzol in grossen, rhombischen, bei 114°
schmelzenden Tafeln krystallisirende Tribrombuttersäure liefert (91).
Tetrabrombuttersäure (?) CjHjBr^COOH. Aus Mucobromsäure, Brom
und Wasser. — Tafeln vom Schmp. 115° (92).
Chlordibrombuttersäure, CH,CHBrCCIBrCOOH. Aus a-Chlorcrotonsfiure und Brom.
— Schmp. 92 0 (93)-
Chlotribrombuttersäure, C^H^ClBrjO,. Durch Oxydation mit Salpetersäure aus dem
bei der Einwirkung von Brom auf Chlorcrotonaldehyd (s. Bd. I, pag. 200) entstehenden Alde-
hyd dargestellt — Schmp. 140° (94).
a-Jodbuttersäure, CHjCHjCHJCOOH, ist das Hauptprodukt der Ein-
wirkung von Jodwasserstoff auf Crotonsäure. — Schmp. 110®. Liefert beim Be-
handeln mit Kali a-Oxy buttersäure, CH3CHaCH(OH)COOH (87, 95). — Der
Aethylester, CHaCHgCHJCOOCjHj, entsteht beim Erhitzen des a-Brom-
buttersäureesters (s. oben) in alkoholischer Lösung mit gepulvertem Jodkalium. —
Siedep. 190—192° (96).
p-Jodbuttersäure, CHjCHJCHaCOOH, entsteht als Nebenprodukt bei
der Darstellung der a-Säure. — Flüssig. Geht beim Behandeln mit Aetzkali in
ß-Oxybuttersäure über (87, 95).
a-Cyanbuttersäureäthylester, CH,CH,CH(CN)COOC,H5.
a-Brombuttersäureester wird mit dem dreifachen Volum Alkohol verdünnt und 24 StondeB
mit Cyankalium-Cyanquecksilber auf 130° erhitzt Der Alkohol wird verdampft und der Ester
mit Wasser abgeschieden.
Buttersäure. 389
Siedep. 208*4— 209-4° (coir.) bei 752 Millim. Bar.; spec. Gew. 1009 bei
0° (97). Beim Behandeln mit Salzsäure oder Kalihydrat geht die a-Cyanbutter-
säure in Aethylmalonsäure über (86, 97).
Isonitrosobuttersäure, CH3CHjC(N0H)C00H (iio), entsteht bei der
Einwirkung der salpetrigen Säure auf Aethylacetessigester. — Zweigartig zusammen-
gewachsene, seideglänzende N'adeln, welche bei 151° unter Zersetzung schmelzen.
In Alkohol leicht, weniger in Wasser und Aether löslich. — Silbersalz,
C4HßAgNOj. In Wasser unlösliches Pulver.
a-Sulfobuttersäure, CH3CH,CH(S03H)COOH. Produkt der Ein-
wirkung von rauchender Schwefelsäure auf Butyramid (102, 99), von Chlorsulfo-
säure, SO, HCl, auf Buttersäure und von schwefligsaurem Ammoniak aufa-Brom-
buttersäureester (99). — Zäher, hygroskopischer Syrup. Liefert bei der Einwirkung
von Phosphorsuperchlorid a-Chlorbutyrylchlorid und von rauchender Schwefelsäure
in Gegenwart von Phosphorsäureanhydrid Disulfopropiolsäure (99).
et-Sulfobuttersaures Baryum, C^H^BaSOj -h 2H,0. Rhombische Blättchen. —
Kalksalz, C^HgCaSOj + 2H,0. Beim Verdunsten der wässrigen Lösung scheidet es sich in
vanigen Massen ab. Versetzt man seine Lösung in öOproc. Alkohol mit dem gleichen Volum
Aether, so krystallisirt es nach und nach in zolllangen Nadeln aus. — Silbersalz, CiH^AggSO^.
Quadratische Prismen, in Wasser löslich, nicht in Alkohol. — Zinksalz, C^HgZnSOj -h 5HjO. —
Kupfersalz, C^HgCuSOj -h 4H,0. — Bleisalz, C^H^PhSOs -h 2H,0 (99).
ß-Sulfobuttersäure, CH,CH(S05H)CH2COOH. Aus p-Chlorbuttersäure-
ester und schwefligsaurem Ammoniak. — An der Luft zerfliessliche Gallerte,
amorphe Salze bildend.
ß-Sulfobuttersaures Baryum, C^H^BaSOj + H,0. Wird aus der wässrigen Lösung
durch Alkohol pulverig gefällt Enthält, bei 180** getrocknet, noch 1 Mol. Wasser, welches erst
ttber 200^ unter Zersetzung des Salzes entweicht (99).
a-Amidobuttersäure(Propalanin), CH3CH2CH(NHj)COOH, entsteht
beim Digeriren von a-Monobrombuttersäure mit wässrigem oder alkoholischem
Ammoniak (82, 83). — Krystallisirt aus starkem Weingeist in farblosen, kleinen
Blättchen und stem- oder garbenartig gruppirten Nadeln. 1 Th. löst sich in etwa
3-5 Thln. Wasser von mittlerer Temperatur; sehr schwer in kaltem, wenig löslich
in siedendem Alkohol (1 Th. in etwa 550 Thln.), unlöslich in Aether. Sie besitzt
einen deutlich süssen Geschmack und bildet sowohl mit Säuren als auch mit
Basen Salze.
Salzsaure o-Amidobuttersäure, C^HgNOj'HCl, krystallisirt aus Wasser in leicht
löslichen, spiessigen Krystallen. — Salpetersaures Salz, C^HgNOj'HNOj. Famkrautartig
Terwachsene, seideglänzende Nadeln, die in Wasser und Alkohol leicht löslich sind und deren
wflssrige Lösung Lakmus röthet — a-Amidobuttersaures Silber, C^HgNOj'Ag. Kleine,
zu .kugeligen Massen vereinigte Säulen, die sich am Licht rasch dunkel färben und sich bei 100^
zersetzen. — Basisches Bleisalz, (C^H8NOjj)j,Pb + Pb(OH)j. Durch Kochen der wässrigen
Sänrelösung mit überschussigem Bleioxyd erhalten. Schwierig in Wasser lösliches, krystallinisches
Pulver.
Methyl -a-Amidobuttersäure, CH3CH2CH(NHCH8)COOH (103).
Durch 8— 10 stündiges Erhitzen von 1 Mol. a-Brombuttersäure mit 2—3 Mol.
Methylamin (in conc. wässriger Lösung) auf 100° dargestellt. — Süsslich
schmeckende Blättchen, welche beim Erhitzen sich unter Zersetzung verflüchtigen,
ohne zu schmelzen und ohne sich zu schwärzen. Leicht löslich in Wasser, ziem-
lich in siedendem Alkohol, wenig in kaltem Alkohol, unlöslich in Aether. Die
Lösungen reagiren schwach sauer.
Methyl-a-Amidobuttersäure bildet Salze mit Säuren und Basen. — Salzsaures Salz,
C^HiiNPa-HCl. In Wasser und Alkohol, nicht in Aether lösliche Krystalle. — Platin-
3go Handwörterbuch der Chemie.
do ppel salz, (C5HjjNO,'HCl),PtCl4. Dicke, in Wasser und in Alkohol ausserordentiich
leicht, nicht in Aether lösliche Krystalle. Fällt bei einer Temperatur von 0^ aus seinen Lösungen
mit Krystallwasser (5 Md.?) aus. — Golddoppelsalz, CjH,iN0,-HClAua,4-H,0. Pris-
matische, gelbe, in Wasser, Alkohol und Aether leicht lösliche Krystalle, welche ihr Wasser bei
100—105® abgeben. — Salpetersaures Salz, CjHjjNOj-HNO,. — Schwefelsanres
Salz, (C5HiiN03),H,S04. — Methylamidobuttersaures Kupfer, (CjHj^>NO,),Cu
+ 2HjO. In Wasser und Alkohol lösliche, dunkelblaue Krystalle, welche ihr Wasser bei
110—1200 abgeben.
Aethyl-a-Amidobuttersäiire,CH3CHjCH(NHCjH5)COOH(io3). Wie
die Methylamidobuttersäure aus Aethylamin und a-Brombuttersäure dargestellt. —
Blätteben. Leicht in Wasser, nicht in Aether, wenig in kaltem, etwas reichlicher
in heissem Alkohol löslich. Verhält sich beim Erhitzen wie die Methylamido-
buttersäure.
Aethyl-a-Amidobuttersäure bildet Salze mit Säuren und Basen. — Salzsaures Sali,
CgH j jNOj-Ha. Sehr leicht in Wasser, wenigef in Alkohol, nicht in Aether lösliche Krystalle. —
Platindoppelsalz, (CgHjjNOj-HCO^PtQ^. In Alkohol und Wasser sehr leicht, nicht in
Aether löslich. — Schwefelsaures Salz, (CgHj,N0j),HjS04. Krystallisirt aus absolutem
Alkohol in feinen Nadeln. — Aethyl-a-Amidobuttersaures Kupfer, (CgHj,NO,),C«
+ 2H,0. Blaue Blättchen. Ziemlich löslich in heissem Wasser, wenig in kaltem, löslich anch
in Alkohol. Verliert sein Krystallwasser bei 120®.
ß-Amidobuttersäure, CH3CH(NHj)CH2COOH (104). Sehr zerfliessliche
Blättchen.
Erhitzt man ß-Chlorbuttersäureester (s. oben) mit einem Ueberschuss von alkoholisdiein
Ammoniak zwei Tage auf 70 — 80^ so wird derselbe in ß-Amidobuttersäureamid, eine in
Wasser und Alkohol reichlich, wenig in Aether lösliche, syrupöse Fltlssigkeit, Obergefilhrt, welche,
mit Salzsäure und Platinchlorid versetzt, ein aus Wasser in orangefarbenen Tafeln krystallisiTendes,
weniginAlkohol, nicht in Aether löslichesPlatinsalz — [CH8CH(NHa)CHgCONH,-Ha],Pta4
— liefert Durch Kochen des Amids mit Wasser und Bleioxydhydrat erhält man ein Bleisalz, ans
welchem durch 2^rsetzen mit Schwefelwasserstoff die ß-Amidobuttersäure gewonnen wird.
Isobuttersäure, (CH,),CHCOOH, findet sich im Johannisbrod (iii)(2),
in der Wurzel von Arnica montana (112), im Römisch-Kamillenöl (113), Crotonöl
(114), Harzöl (115). Auch in den menschlichen Excrementen hat man sie auf-
gefunden (116). Sie wurde von Erlenmeyer (117) und gleichzeitig von Markow-
NiKOFF (118) synthetisch dargestellt und zwar durch Zersetzen des Isopropyl-
CH
cyanürs, qjj']]]^CHCN, mit Kalihydrat. Man erhält sie ausserdem u. a. durch
Spaltung des Dimethylacetessigesters (s. Bd. I., pag. 16) mit Alkalien (119)»
durch Reduction der Methacrylsäure (120), der Chlor- und Brommethacryl-
säuren (aus Citra- und Mesaconsäure) (121, 142, 155, 156) mit Natriumamalgam»
aus normaler Buttersäure durch Erhitzen ihres Kalksalzes (pag. 384) in wässrigjer
Lösung (40), sowie durch Oxydation des Gährungsbutylalkohols (Erlenmever).
Diese Reaction kann zur Darstellung der in Rede stehenden Säure benutzt werdeo:
Man trägt den Isobutylalkohol in die nöthigc Menge einer auf 50^ erwärmten 8proc QiTom-
säurelösung (118 Grm. saures chromsaures Kali und IGT Grm. englische Schwefelsäure zu 1 Liter
verdünnt) nach und nach ein und unterstützt die Reaction zuletzt durch Erwärmen. Nach Be-
endigung derselben wird die Flüssigkeit ungefähr bis zur Hälfte abdestillirt, das saure DestObt
mit kohlensaurem Natrium gesättigt, abgedampft und aus der conc. Salzlösung die Isobuttersäurt
durch Schwefelsäure abgeschieden. Man trennt das Oel, trocknet es mit entwässertem Glauber-
salz und dann mit Phosphorsäureanhydrid und unterwirft es der fractionirten DestiDatioo (2).
Die Isobuttersäure bildet eine leicht bewegliche Flüssigkeit von der normalen
Buttersäure ähnlichem, aber weniger unangenehmem, nicht so lange haftendem
Geruch. Siedep. 153-Ö— lö4ö° (corr.). Spec. Gew. 09598 bei 0^ 0*9208 bei
Buttersäure. 391
50°, 0*8965 bei 100^ auf Wasser von derselben Temperatur bezogen. Sie ist
nicht wie die normale Säure mit Wasser in allen Verhältnissen mischbar, bei 20°
erfordert sie 5 Thle. zur Lösung (122). Wird von Chromsäure zu Aceton, Essig-
säure und Kohlensäure oxydirt (123), von übermangansaurem Kali in alkalischer
Lösung zu a-Oxyisobuttersäure, (CH3)2C(OH)COOH (124); bei durchgreifender
Chlorirung liefert sie Perchlormethan, Perchloräthan und Perchlorpropan (125).
Salze der Isobuttersäure (126). Von Salzen der Isobuttersäure seien die folgenden
erwähnt:
Isobuttersaures Strontium, [(CH,)aCHCOO],Sr + 5H,0. Monokline Krystalle.
Kiystallisirt beim langsamen Verdunsten der Lösung in grösseren Krystallen. Aus der heiss
gesättigten Lösung fallen beim Erkalten mikroskopische Nadeln. 100 Thle. Wasser lösen bei
W 44*1 Thle. des wasserhaltigen Salzes.
Kalksalz, (C4HyO,),Ca + 5HjO. Gleicht in Krystallform dem vorher beschriebenen
Salze. Die Krystalle verwittern mit der 2^it und verlieren bei 100^ und Über Schwefelsäure
ihr Wasser. In heissem Wasser löslicher als in kaltem (Unterschied von normalbuttersaurem
Kalk). 100 Thle. Wasser lösen bei 18^ 36 Thle. des wasserhaltigen Salzes.
Silbersalz, C^H^O^Ag. Tafelförmige Blättchen. Aus der Lösung eines Gemenges von
nonnalbuttersaurem und isobuttersaurem Silber krystallisirt (wie unter dem Mikroskop leicht
beobachtet werden kann) zuerst das Salz der Normalsäure und erst zuletzt erscheinen die Blättchen
des isobutters. Silbers. 100 Thle. Wasser von 16^ lösen 0*928 Thle. des Salzes.
Zinksalz, (C4HfO,),Zn + H,0. Lässt sich nur bei Gegenwart überschüssiger Säure
umkiystallisiren. Monokline Prismen. Beim Kochen zersetzt sich die Lösung unter Bildung
eines basischen Salzes. 100 Thle. Wasser von 19'5^ lösen 17'3 Thle. des wasserhaltigen Salzes.
Isobuttersäure-Aethylester, (CH3)aCHCOOC,H5. Siedep. 110°, spec.
Gew. 0-8893 bei 0° (118).
Isobuttersäure-Propylester, (CH,),CHCOOC,H,. Siedep. 135'250 bei 765 MiUim.
Bar.; spec. Gew. 0'8872 bei 0^ (127).
Isobuttersäure -Isobutylester, (CH,)3CHCOOC4H9 (128). Siedep. 149-5° bei
758 Millim. Bar.; spec. Gew. 0'8719 bei 0^. Substitutionsgeschwindigkeit bei der Bromirung
des Esters (130).
Isobuttersäure-Amylester (aus Gährungsalkohol) , (CH3),CHCOOC5Hj,. Siede-
pankt nO'b^ bei 765 MiUim. Bar.; spec. Gew. 08769 bei 0° (129).
Isobutyrylchlorid, (CH3)5CHC0C1 (131, 133). Isobuttersäure wird mit
Phosphorchlorür behandelt. — Siedep. 91-5— 92*5° bei 748*2 Millim. Bar.; spec.
Gew. 1-0174 bei 20°, bez. auf Wasser von 4° (132).
Isobutyrylbromid erhält man bei der Einwirkung von Brom und rothem
Phosphor auf Isobuttersäure (154).
Isobutyrylcyanid, (CH3)2CHCO-CN. Aus dem Isobutyrylchlorid und
Cyansilber. — Siedep. 117—120°. Gleichzeitig bildet sich Diisobutyryldi
Cyanid, welches bei 226—228° siedet (134).
Isobuttersäureanhydrid, (CH ) CHCO^^' ^*^^^^ ^^^^ ^®^ ^^' ^^^'
Wirkung von Phosphoroxychlorid auf isobuttersaures Natrium neben Isobutyryl-
chlorid. — Siedep. 180—181°. Geht beim Erwärmen im Wasser in Isobutter-
säure über (131).
Isobutyramid, (CH3)2CHCONH2, bildet sich bei der Destillation von
Isobuttersäure mit Rhodankalium (135) und bei der Einwirkung von Ammoniak
auf Isobuttersäureisobutylester (136). Am leichtesten erhält man das Amid durch
5 — 6 stündiges Erhitzen von trockenem isobuttersaurem Ammoniak auf 230° und
nachherige Destillation (137). — Schmp. 128—129°. In Wasser reichlich löslich.
Bildet beim Behandeln mit Brom (zur Darstellung verwendet man am besten
392 Handwörterbuch der Chemie.
2 Mol. Amid und 1 Mol. Brom) ein aus Wasser oder Aether in farblosen Nadeln
krystallisirendes, bei 92° schmelzendes Bromamid, (CH,)jCHCONHBr(i38).—
Behandelt man Isobutyrylchlorid mit Ammoniak, so erhält man gleichfalls Isobntyr*
amid, jedoch entsteht hauptsächlich
Diisobutyramidi (C4H70)3NH, welches durch Wasser, worin es unlöslich,
von ersterem getrennt werden kann. Das Diisobutyramid kiystallisirt aus Alkohol
in langen, glänzenden Nadeln, welche bei 174° schmelzen und bereits unter 100°
sublimiren.
Trichlorisobuttersäure, C4H5CI3O3, entsteht beim Einleiten von Chlor
in eine Lösung von citraconsaurem Natrium (am besten vom spec. Gew. 116)
(141) aus zunächst sich bildender Monochlormethacrylsäure (142) neben gechlorten
Acetonen. — Sie bildet kleine, atlasglänzende, bei 50° schmelzende Prismen, ist
mit den Wasserdämpfen flüchtig und sublimirt bei vorsichtigem Erhitzen unzersetzt
Bei 140° färbt sie sich gelb und zersetzt sich bei höherer Temperatur. In Be-
rührung mit Wasser verflüssigt sie sich. Beim Behandeln mit Zinkstaub und
Salzsäure liefert die Trichlorisobuttersäure Monochlormethacrylsäure, C4H5CIO,,
beim Kochen mit Alkalien Dichlormethacrylsäure , C^H^CljOj, welche von
Natriumamalgam zu Isobuttersäure reducirt wird.
Die Sake der Trichlorisobuttersäure sind nur bei niederer Temperatur beständig. Da^
Ammoniaksalz, C^H^CljÖj'NH^, bildet krystallinische Krusten oder deutlich ausgebildete,
kleine Krystalle. — Das Kaliumsalz, C^H^Ci^ö^lli^ krystallisirt aus Alkohol in grossen
Kryslallen. — Baryumsalz, (C4H^a,Oj)jBa. Kleine Octaeder. — Bleisalz, (C^H4Cl,0,),Pb.
Feine^ seideglänzendc, drusig vereinigte Nadeln.
a-Bromisobuttersäure, (CH8),CBrC00H, bildet sich beim Erhitzen
gleicher Molekulargewichte von Brom und Isobuttersäure auf 140° (143)* Sie
wird durch Umkrystallisiren aus Aether gereinigt
Die Säure bildet tafelförmige Krystalle, schmilzt bei 48° und siedet unter
geringer Zersetzung bei 198—200°. Spec. Gew, 15225 bei 60°, 1-500 bei 100^
bez. auf Wasser von derselben Temperatur. In Alkohol, Aether und Benzol ist
die Säure leicht löslich. Mit Wasser zusammengebracht verflüssigt sie sich,
wahrscheinlich in Folge einer Hydratbildung. Bei längerem Kochen mit Wasser
geht sie glatt in a-Oxyisobuttersäure über (144). Dieselbe Säure entsteht beim
Behandeln mit rauchender Salpetersäure (153).
a-Bromisobuttersäureäthylester, (CH3)jCBrCOOC,H5. Siedep. 162-7*'
(corr., Bar. 746 Miilim.), spec. Gew. 11323 bei 0° (144, 145).
CH
ß-Bromisobuttersäure, ^pj'p^^^^CHCOOH. Man lässt Methacrylsäure mit
dem vier- bis fünffachen Volum bei 0® gesättigter Bromwasserstoffsäure einige Zeit bei 0* »
Berührung und entzieht der verdünnten Lösung die Säure mit Schwefelkohlenstoff'.
Schmp. 22^. Wird beim Kochen mit überschüssiger Barytlösung in Meth-
acrylsäure übergefilhrt (146).
Dibromisobuttersäure, CHj,BrCBr(CH3)C00H, entsteht bei der Addi-
tion von Brom an Methacrylsäure. — Schmp. 48°. Zerfallt beim Kochen mit
Wasser in Bromwasserstoff, Kohlensäure, Propionaldehyd, Brommethacrylsäarc
und Brom-a-Oxyisobuttersäure. Dieselben Zersetzungsprodukte der Qualität nach
bilden sich beim Kochen der Säure mit kohlensaurem Natrium, während bei der
Einwirkung von Natronlauge nur Brommethacrylsäure erhalten wird (109).
Tribromisobuttersäure, C^HjBrjO,. Monobrommethacrylsäurc (aus Citncon-
Btittersäure. 393
sioie) wird mit 1 Mol Brom auf 100® erhitet und das Produkt durch Abpressen und Abwaschen
mit Aether gereinigt. — Prismen; geht beim Erwärmen in alkalischer Lösung in
Dibrommethacrylsäure über (147).
Tetrabromisobuttersäure, C4H4Br^Oj. Erhitzt man die vorhergenannte
Dibrommethacrylsäure mit 1 Mol. Brom auf 120— 125°, so erhält man Tetrabrom-
isobuttersäure, welche nach dem Reinigen durch Umkrystallisiren aus Aether
einen in undeutlichen Prismen krystallisirenden, leicht schmelzbaren, in Alkohol
und in Aether leicht, in Wasser schwer löslichen, nicht unzersetzt flüchtigen
Körper bildet (147).
Jodisobuttersäure, C3HJCOOH (wahrscheinlich ^|^«j^ C HC 00 h),
scheidet sich aus der bei gewöhnlicher Temperatur bereiteten Lösung von Meth-
aciylsäure in bei 0** gesättigter Jodwasserstoff"säure nach einiger Zeit aus, wenn
kein zu grosser Ueberschuss von letzterer vorhanden. Sie krystallisirt aus Schwefel-
kohlenstoff in bei 36° schmelzenden, tafelförmigen Krystallen (148).
a-Amidoisobuttersäure, (CH,),C(NH2)C00H, bildet sich beim Erhitzen
(CH3),C — NH .
von Acctonylhamstoff, I ^ CO, mit rauchender Salzsäure auf
150 — 160° (149), beim Zersetzen der beim Erhitzen von salzsaurem Diacetonamin
mit wässriger Blausäure auf 120° entstehenden Produkte mit rauchender Salz-
säure (150), bei der Oxydation von schwefelsaurem Diacetonamin mit saurem
chromsaurem Kali und Schwefelsäure (151), sowie beim Verseifen des bei der
successiven Einwirkung von Blausäure und alkoholischem Ammoniak auf Aceton,
CHjCOCH,, entstehenden Nitrils (152).
Man digerirt Aceton längere Zeit mit der äquivalenten Menge 20— SOprocentiger, wässriger
Bknstture oder man giesst eine ätherische Lösung des Acetons auf die äquivalente Menge gevulverten
Cjankalium« und lässt die zur Zersetzung des letzteren erforderliche Menge concentrirter Salz-
säure zatropfen, fUgt sodann eine äquivalente Menge alkoholischen Ammoniaks hinzu und erhitzt
in geschlossenem GefUss auf 50—60^, bis der Geruch nach Ammoniak nahezu verschwunden
ist. Zur Zersetzung des entstandenen Nitrils versetzt man mit concentrirter Salzsäure und über-
lässt das Gemisch einige Zeit sich selbst, ftlgt sodann verdtlnntere Salzsäure hinzu und kocht
unter RQckfiuss, wobei der Kühler flir kurze Zeit entfernt wird, um den vorhandenen Alkohol
zu verjagen. Man dampft zur Trockne , trennt die salzsaure Amidoisobuttersäure mit Hilfe
96proc. Alkohols vollständig vom Salmiak, behandelt das salzsaure Salz in wässriger Lösung
mit ttberschOssigem Silberoxyd und zersetzt nach dem Filtriren das gebildete Silbersalz mit
Schwefelwasserstoff (152).
Die Amidoisobuttersäure ist leicht in Wasser, schwierig in Alkohol und gar
nicht in Aether löslich. Sie krystallisirt aus Wasser in Blättchen und Tafeln,
welche beim Erhitzen im Röhrchen bei 220** sublimiren, ohne zu schmelzen; bei
rascbem Erhitzen zersetzt sie sich. Die wässrige Lösung schmeckt süss. Durch
salpetrige Säure wird sie in a-Oxyisobuttersäure übergefiihrt.
Die Alkali- und Erdalkalisalze sind sehr hygroskopisch und in Wasser sehr leicht löslich.
Bariumsalz, (C4H9N02),Ba + 3H,0. Nadeln. Verliert sein Krystallwasser bei 105^.
Magnesiumsalz, (C4HgN02),Mg. Derbe Prismen.
Silbersalz, C^H^NO^Ag. Zarte, glänzende, in heissem Wasser lösliche Nadeln.
Kupfersalz, (C4H,NO,),Cu. Blättchen. Löst sich in Wasser mit tief violetter Farbe
and ist in Alkohol kaum löslich.
Salzsaure a-Amidoisobuttersäure, C^H^NO^-HCI.' Glänzende Prismen.
RÜGHEIMER,
mm:':--
^ ■ .
394 Handwörterbuch der Chemie.
Butylene.*) Kohlenwasserstoffe der Olefinreihc von der Formel C^Hg, von
den Butanen durch einen Mindergehalt von zwei Wasserstoffatomen verschieden.
Von den drei theoretisch möglichen und thatsächlich bekannten Butylenen leiten
sich zwei vom normalen Butan, das dritte vom Isobutan ab:
CHaCHj.CHiCHj CHjCHiCHCH, (CH3),C:CH,
a-Butylen ß-Butylen Isobutylen.
Ein Butylen wurde zuerst von Faraday in der durch Compression von Oel-
Leuch^as erhaltenen Flüssigkeit aufgefimden (i). Welches von den drei Butylenen
oder ob es ein Gemenge und von welchen es ein solches sei, ist bei diesem Butylen
aus Oelgas ebensowenig bekannt, wie bei demjenigen, welches im Steinkohlen-
leuchtgas spurweise vorkommen soll (2), oder welches bei der trocknen Destillation
von essigsaurem Natrium, von buttersaurem Calcium oder Barium, femer bei der
trocknen Destillation von Traubenzucker, von ölsaurem Calcium, von essigsaurem
Natrium mit Natronkalk auftritt (3), oder von demjenigen, welches sich unter
den beim Auflösen von Gusseisen auftretenden Gasen befindet (4),
1. a-Butylen (Normal-Butylen," Aethyläthylen), CHj- CH^-CHiCH,.
Es entsteht bei Einwirkung von Zinkäthyl auf Monobromäthylen {5), neben
Aethylbutyläther beim Erhitzen von normalem Butyljodid mit alkoholischer Kali-
lauge (6, 7, 8) und neben Butylalkohol beim Behandeln des normalen Butylamins
mit salpetriger Säure (9). Siedep. — 5° bei 758 Millim (5).
•) i) Faraday, Philos. Trans. 1825, pag. 44a 2) Berthelot, Compt. rend. 82, pag. 871,
927. 3) Ders., Ann. chim. phys. [3] 53, pag. 69. 4) CLOez, Ber. 1874, pag. 823. 5) Würtz,
Ann. 152, pag. 21. 6) Saytzekf, Joum. pr. Ch. [2] 3, pag. 82. 7) Lieben u. Ros», Ann. 158,
pag- 137' 8) Grabowski u. Saytzeff, Ann. 179, pag. 325. 9) V. Meyer, Ber. 1877, pag. 136.
10) Lieben, Ann. 151, pag. 121. 11) de Luynes, Compt. rend. 56, pag. 803; 58, pag. 1089;
Ann. chim. phys. [4] 2, pag. 385. 12) Lieben, Ann. 150, pag. 108. 13) Nevol^ BuU. soc
chim. [2] 24, pag. 122. 14) Le Bel u. GrEene, Ebend. 29, pag. 306. 15) Dies., Compt
rend. 89, pag. 413. 16) Konowaloff, Ber. 1880, pag. 3395. ^7) Eltekoff, Ber. 1880, pag. 2404.
18) Ders., Ber. 1877, pag. 1904. 19) Pagenstecher, Ann. 195, pag. 108. 20) Wurtz, Ann. 144,
pag* 234. 21) Grossheintz, Bull. soc. chim. [2] 29, pag. 201. 22) Puchot, ebend. 30, pag. 188.
23) DE Luynes, ebend. 6, pag. 166. 24) Marko wnikoff, Zeitschr. Chem. 1870, pag. 29.
25) Butlerow, ebend. 1870, pag. 236. 26) Ders., Ann. 144, pag. i. 27) Kolbe, Ann. 69,
pag. 269. 28) Wurtz, Ann. 104, pag. 242. 29) Butlerow, Ann. 145, pag. 371. 30) Prunier,
Bull. soc. chim. [2] 19, pag. 109. 31) Butlerow, Ber. 1870, pag. 95. 32) Linnbmann, Ann. 162,
pag. 12. 33) Brauner, Ber. 1879, pag. 1877. 34) Nevolä, Compt. rend. 83, pag. 228.
35) Konowaloff, Ber. 1880, pag. 2395. 36) Eltekoff, Ber. 1880, pag. 2404. 37) Butlsiow,
Ber. 1873, pag- S^i. 38) Zalessky, Ber. 1872, pag. 480. 39) Butlerow, Ber. 1870, pag. 4*2.
40) Zeidler, Ann. 197, pag. 251. 41) Kekule, Ann. 162, pag. 77. 42) Jaff^ Ann. 135,
pag. 300. 43) Caventou, Ann. 127, pag. 347. 44) Butlerow, Zeitschr. Chem. 1870, pag. 524;
Ber. 1870, pag. 623. 45) Caventou, Ann. 127, pag. 93. 46) Jüdson, Ber. 1870, pag. 79CX
47) Lieben, Ber. 1875, pag. 1017. 48) Lieben u. Bauer, Ann. 123, pag. 130. 49) Lieben,
Ann. 146, pag. 180. 50) Kekul^, Ann. 162, pag. 310. 51) Wurtz, Compt rend. 76, pag. 1165;
Joum. pr. Ch. [2] 7, pag. 318. 52) Nevolä, Compt. rend. 83, pag. 65, 146. 53) Ders.,
Ber. 1876, pag. 448. 54) Henry, Ber. 1876, pag. 1034. 55) Cahours u. Demar^ay, Compc
rend. 86, pag. 991. 56) Haitinger, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 286. 57) Husemann, Ann. 126,
pag. 269. 58) Wurtz, Ann. chim. phys. [3] 55, pag. 400. 59) Bruylants, Ber. 1875, pag, 41»-
60) Oeconomides, Compt. rend. 92, pag. 884. 61) Menschutkin, Ber. 1880, pag. 181».
62) Haitinger, Ann. 193, pag. 366. 63) Hofmann, Ber. 1874, pag. 515. 64) Fairt^by, Abb.
Suppl. m, pag. 371. 65) Nevolje u. Tscherniak, Compt. rend. 86, pag. 14 11. 66) BuTLEROiv'*
Ann. 189*, pag. 44. 67) J. Lermontoff, Ann. 196, pag. 116. 68) Butlerow, Ber. iSSa,
P*ß' '575' ^9) Dobbin, Chem. soc. J. 37, pag. 236. 70) Butlerow, Ber. 1879, P*^* ^^
Butylene. 395
Das a-Butylen verbindet sich leicht mit Jodwasserstoff zu secundärem Biityl-
jodid (s, 6, 7), langsam mit unterch loriger Säure zu dem gechlorten Methyläthyl-
carbinol, CH3.CH2.CH(OH).CH,Cl (10).
ß-Butylen (Pseudobutylen, Symmetrisches Dimethyläthylen), CHj-CH:
CHCH,.
Es wurde neben dem betreffenden Essigester erhalten bei der heftigen Ein-
wirkung von secundärem Butyljodid auf essigsaures Silber (11); es entsteht femer
aus dem secundären Butyljodid durch alkoholische .Kalilauge oder Silberoxyd
(11, 12), neben wenig a-Butylen bei der Einwirkung von Zinkchlorid aufNormal-
butylalkohol (15), neben Isobutylen bei Einwirkung von Zinkchlorid (13, 14) oder
von Schwefelsäure (16) auf Isobutylalkohol, bildet sich unter der gleichen mole-
kularen Umlagerung beim Erhitzen von Isobutyljodid mit Bleioxyd (17), entsteht
femer aus dem Trithioaldehyd, (C,H4S)3, beim Erhitzen mit reducirtem Kupfer
CH
(18), beim Behandeln von Bromhydrotiglinsäure, CHg-CHj-CBrC^^QQ^jj, mit
Sodalösung (19), endlich neben nur geringen Mengen von Isobutylen und von
dem bei normalem Verlauf allein zu erwartenden a-Biitylen beim Erhitzen eines
Gemenges von Methyljodid und AUyljodid mit Natrium (20, 21).
Darstellung. Man lässt Isobutylalkohol auf erhitttes Chlorzink tropfen, lässt das Iso-
Imtylen durch Schwefelsäure, die mit ihrem halben Volumen Wasser verdünnt ist, dann das da-
von nicht aufgenommene ß-Butylen durch Brom absorbiren und regenerirt den letzteren Kohlen-
wasserstoff aus seinem Dibromid durch Natrium (14).
Siedep. -h T bei 741-4 Millim. (12). Spec. Gew. 0635 bei — 13-5° (22).
In einem Gemisch von Aether und fester Kohlensäure erstarrt das p-Butylen zu
einer aus feinen Nadeln bestehenden Krystallmasse (23).
Mit Jodwasserstoff verbindet es sich leicht zu secundärem Butyljodid (ii),
3. Isobutylen (7-Butylen, Unsymmetrisches Dimethyläthylen), (CH3)2C:CHj,
Es entsteht sowohl aus dem Isobutyljodid (24, 25) wie aus dem tertiären
Butyljodid (26) bei der Behandlung mit alkoholischem Kali, bildet sich femer
beim Erhitzen des Trimethylcarbinols mit massig verdünnter Schwefelsäure (26)
oder mit wasserfreier Oxalsäure (55), bei der Spaltung des tertiären Butyliso-
cyanats in der Hitze (ss)* t>ei der Electrolyse von baldriansaurem Kalium (27, 31),
neben Aethylen und Propylen beim Durchleiten der Dämpfe von Amylalkohol
(28, 39) oder von Petroleumäther (Siedep. 60—90°; (30) durch glühende Röhren,
neben Trimethylcarbinol und dessen Essigester beim Behandeln des Isobutyl-
jodids mit Eisessig und Silber- oder Quecksilberoxyd (32), neben vorwiegendem
p-Bqtylen und Polybutylenen bei der Einwirkung von Zinkchlorid auf Isobutyl-
alkohol (13, 14) und, von geringen Mengen ß-Butylen begleitet, beim Erhitzen des
Isobutylalkohols mit Schwefelsäure (35) oder des Isobutyljodids mit Bleioxyd (36).
Darstellung. Man lässt 2 Thle. Isobutyljodid zu 4 Thln. alkoholischer Kalilauge (aus
1 ThL KOH und 3 Thln. OOproc. Weingeist) und ] ThI. trocknem Kaliumhydroxyd fliessen und
erwännt am RUckflussktihler. Ausbeute 80— 90# der theoretischen (25).
Unangenehm leuchtgasartig riechendes Gas. Siedep. — 6°. Bei 15—18°
bedarf es zur Verflüssigung eines Drucks von 2—2.^ Atmosphären (25).
Mit Jodwasserstoff oder Chlorwasserstoff verbindet es sich zu tertiärem Butyl-
jodid resp. -Chlorid (38). Die erstere Reaction findet schon beim Einleiten in
kalte» gesättigte, wässrige Jodwasserstoffsäure statt (37), während für die zweite
das Isobutylen mit concentrirter Salzsäure auf 100° erhitzt werden muss (38).
Concentrirte Schwefelsäure absorbirt das Isobutylen unter starker Wärmeentwick-
lung, wobei hochsiedende Polymere desselben entstehen. Lässt man die Absorp-
39^ Handwörterbuch der Chemie.
tion in der Kälte durch ein Gemisch von 3 Thln. Schwefelsäure und 1 Th. Wasser
stattfinden, so tritt keine Polymerisirung ein, und die Flüssigkeit liefert bei der
Destillation mit Wasser Trimethylcarbinol (25, 39). Unterchlorige Säure addirt
sich dem Isobutylen zu dem Chlorhydrin, (CH3)8-CCl-CH8-OH (26).
Bei der Oxydation des Isobutylens durch übermangansaures Kalium entstehen
Kohlensäure, Ameisensäure, Essigsäure und Oxalsäure, bei Anwendung von
Chromsäure ausserdem noch Aceton (40).
Butylenchloride und -bromide s. unter »Butyl Verbindungen«.
Substitutionsprodukte der Butylene.
Monochlor-a-Butylen, CHg-CH^-CChCH,, entsteht als erstes Produkt
der Einwirkung von alkoholischer Kalilauge auf das Dichlorbutan, CHj-CH,-
CClj-CHj. Es siedet gegen 55° (59).
Monochlor- Isobutylen, (CH,).2C:CHC1. Neben Isobutylidenchlorid
durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Isobutylaldehyd erhalten. Siede- j
punkt 66—70°. Spec. Gew. 09785 bei 12° (60). !
Dichlor-p-Butylen (Crotonylidenchlorid), CHj-CHrCH-CHCl,. Durch
Phosphorpentachlorid aus Crotonaldehyd erhalten (41). Schwach ätherisch
riechende Flüssigkeit vom spec. Gew. 1131 bei 20°. Siedep. 125—127°. Bei
anhaltendem Kochen mit alkoholischer Kalilauge entstehen neben harzartigen
Produkten anscheinend die Verbindungen C4H5CI (Siedep. ca. 65°) und C^HgQ« |
OCjHj (Siedep. 133—135°). !
Ein Tetrachlorbutylen, C4H4CI4, wurde aus Butylchloral und Phosphor-
pentachlorid gewonnen. Siedep. 200° (46).
Ein Pentachlorbutylen, C4H3CI5, entsteht bei der Einwirkung von Chlor |
auf Trimethylcarbinol. Schwere, ölige Flüssigkeit von starkem, campherähnlichctn
Geruch. Siedep. 185—188° bei 460 Millim. (47). i
Monobrom-ß-Butylen, CHjCHiCBr-CH,, bildet sich beim Erhitzen !
mit Wasser oder schon beim Behandeln mit kalter Sodalösung aus der Dibrom- 1
CH '
hydrotiglinsäure, CHj-CHBr-CBrC^pQ*!^, welche durch Addition von Brom j
zur Tiglinsäure oder zur Angelicasäure erhalten wird (42, 19). Siedep. 86—88°. !
Es förbt sich beim Aufbewahren gelb. Mit überschüssigem Kali behandelt liefert
es Crotonylen.
l)ibrom-ß-Butylen (Crotonylendibromid), CHjCBriCBrCH,. Erstes
Produkt der Einwirkung von Brom auf abgekühltes Crotonylen. Es siedet unter
theilweiser Zersetzung bei 148 — 150° (43).
CH
a-Brom-Isobutylen (Isocrotylbromid), CHBriCCTrH* » entsteht aus dem
Isobutylendibromid beim Kochen mit alkoholischer Kalilauge. Farblose, in
Wasser untersinkende Flüssigkeit von allylartigem Geruch. Siedep. 91° Mit
überschüssiger alkoholischer Kalilauge oder Natriumalkoholat auf 130° erhitzt,
giebt die Verbindung kein Crotonylen, sondern Aethylisocrotyläther, C^H^O-C^Hj.
Bei der Oxydation durch Chromsäuremischung liefert sie Essigsäure, beim Erhitzen
mit Silberoxyd eine Buttersäure (44). Durch Erhitzen mit Wasser auf 220° wird
sie nicht verändert (34).
Das rohe Butylendibromid, welches Caventou aus seinem durch 2^rsetzung von Amyl-
alkoholdampf in RothglUhhitze gewonnenen Butylen darstellte, gab mit alkoholischer Kalflauge
ein bei 82—92° siedendes Monobrombutylen. Das daraus durch Addition von Brom ent-
stehende Brombutylendibromid (Siedep. 208—215°) lieferte bei der Behandlung mit alkoholischer
Kalilauge ein Dibrombutylen, C^HjBrj, welches zwischen 140 und 150° siedete (45).
Butylene. 397
Ein Hexabrombutylen, C4H2Biß, scheint der Körper zu sein, welcher
durch sehr anhaltendes Erhitzen von Hexabromisobutan mit jodhaltigem Brom
auf 320 — 340*^ erhalten wurde. Bei 52—53° schmelzende, undeutliche Krystalle,
leicht löslich in Alkohol, mit Wasserdämpfen langsam flüchtig (47).
Nitro-Isobutylen, (CH5)3C:CH(NOg), entsteht neben Essigsäure, Blau-
säure, Kohlensäure u. s. w. beim Eintropfen von Salpetersäure in Trimethyl-
carbinol (62) und neben etwas Isobutylendinitrit bei der direkten Nitrirung des
Isobutylens (56). Blassgelbes Oel von starkem, stechendem Geruch und brennen-
dem Geschmack, unter gewöhnlichem Druck bei 154—158° unter theilweiser
Zersetzung siedend, fast unlöslich in Wasser, leicht löslich in Natronlauge. Mit
Reductionsmitteln liefert es fast nur Ammoniak. Mit 20 Thln. Wasser auf 100°
erhitzt zerfällt es in Nitromethan und Aceton (62). Beim Erhitzen mit concen-
trirter Salzsäure auf 100° entstehen Ammoniak, Hydroxylamin, Kohlensäure,
Ameisensäure, a-Oxyisobuttersäure und eine flüchtige, neutrale Substanz (56).
DieNatriumverbinduDg, (€113)30 :C^NOg)Na, wird beim Versetzen des Nitroisobutylens
mit alkoholischer Natronlauge als gelbliches, in Wasser äusserst leicht lösliches, in der Hitze ver-
puffendes Pulver ausgeschieden (^62).
Butylenglycole. Aether und Ester derselben.
Von den theoretisch möglichen sechs Butylenglycolen sind vier bekannt:
1. a-Butylenglycol, CH3.CH.^.CH(OH)CH3-OH. Aus dem entsprechen-
den Dibromid des a-Butylens durch Ueberflihrung in den Essigester und Ver-
seifung des letzteren mit Kalium- oder Bariumhydroxyd dargestellt (8). In Wasser
und Alkohol leicht lösliche, dickliche Flüssigkeit. Siedep. 191 — 192° bei 7471 Millim.
Spec. Gew. 1*0189 bei 0°, 10059 bei 17*5°. Bei der Oxydation durch verdünnte
Salpetersäure entstehen Glycolsäure und Glyoxylsäure.
Ein Chloräthylin dieses Butylenglycols, Cil^'CH.^'CU(OC.^H^yCH^C\, ist der »Aethyl-
cUoräther«, der bei Einwirkung von Zinkäthyl auf eine ätherische Lösung von Dichloräther ent-
steht (48, 49). — Aromatisch riechende Flüssigkeit, unlöslich in Wasser, mit Alkohol und Aether
mischbar. Siedep. Ul». Spec. Gew. 0-9735 bei 0».
Der Butylenglycoldiäthyläther, CHj-CHj .CH(OCj,H5).CH,(OCjH5), wird aus
der Torigen Verbindung durch anhaltendes Erhitzen mit Natriumalkoholat erhalten (49). An-
genehm ätherartig riechende, auf Wasser schwimmende Flüssigkeit Siedep. 147®.
2. ß-Butylenglycol, CH,.CH(0H).CH2.CH,(0H). Entstehtingeringer
Menge neben Aethylalkohol bei Einwirkung von Natriumamalgam auf eine sauer
gehaltene wässrige Lösung von Acetaldehyd (50). Es verdankt hier seine Ent-
stehung der vorgängigen Bildung von ß-Oxybuttersäure-Aldehyd (Aldol), aus
welchem es auch direkt durch Natriumamalgam erhalten werden kann (51). Dicke,
süss schmeckende, in Wasser und Weingeist lösliche, in Aether unlösliche Flüssig-
keit. Siedep. 204°. Bei der Oxydation durch Salpetersäure oder Chromsäure
entstehen Essigsäure und Oxalsäure neben etwas Crotonaldehyd.
3. Y-Butylenglycol (Pseudobutylenglycol), CH8.CH(OH).CH(OH).CH3.
Aus dem rohen Bromid des aus Amylalkoholdampf gewonnenen Butylens (58),
später auch aus reinem Pseudobutylen (61) dargestellt. Siedep. 183 — 184°. Spec.
Gew. 1'048 bei 0°. Mit Wasser, Alkohol und auch mit Aether in allen Verhält-
nissen mischbar. Salpetersäure oxydirt dieses Glycol zu Oxalsäure; bei sehr ge-
mässigter Einwirkung scheint daneben eine Oxybuttersäure zu entstehen (58).
Das Diacetat ist eine in Wasser unlösliche, gegen 200^ siedende Flüssigkeit.
4. Isobutylenglycol, (CH3)2C(OH).CH2(OH). Aus dem Isobutylen-
bromid durch Kochen mit einer Lösung von kohlensaurem Kalium dargestellt.
L^'U 398 Handwörterbuch der Chemie.
h
;>i;' Siedep. 176—178°. Spec. Gew. 10129 bei 0^ 1-003 bei 20°. UeberoEngan.
saures Kalium erzeugt Kohlensäure und Essigsäure. Beim Erwärmen mit Salpeter-
säure (1'33) entsteht eine bei 136—138° siedende Flüssigkeit von der Fonnel
CßHiaOfi (52). Bei langem Erhitzen mit Wasser auf 180—200° wird Isobutter-
Säurealdehyd gebildet (53).
Dbs Chi orhy drin, (CH3),>CCl>CH,«OH, entsteht durch Addition von iinterchl(m|er
Säure zu Isobutylen. In viel Wasser lösliche, bei 137^ siedende Flüssigkeit Natriumainalgain
reducirt sie zu Isobutylalkohol (26). Durch Salpetersäure wird sie zu ChlorisobuttersXiut
oxydirt (54).
Das Nitrit, (CH,)j. C (ONO) • CH,(ONO), wurde in geringer Menge neben Nitroisobutykii
durch Nitrirung des Isobutylens als weisse KrystaUmasse erhalten (56).
Der Perthiokohlensäureest.er, CS,(C4H9), ist ein braungelbes Oel vom specifischen
Gew. 1-26 bei 20^ (57)-
Stickstoffbasen derButylene sind nicht mit Sicherheit bekannt. Durch
Erhitzen von Isobutylendibromid mit alkoholischem Ammoniak auf 100° erhielt
Hofmann (63) ein sehr complexes Gemenge zwischen 80 und 300® siedender Basen.
Das Butylendiamin, CHj(NHj).CH2 -CH^-CHjCNH,), glaubt Fauiley (64) dnrch
Behandeln von Aethylencyanid mit Zinn und Salzsäure als eine oberhalb 140** siedende Flüssig-
keit erhalten zu haben. (Vergl. 65).
Polybutylene.
Isodibutylen, (CHj)3-C:CH-C(CH3)3, entsteht neben Isotributylen durch
Polymerisirung des IsobutyleHs beim Erwärmen mit Schwefelsäure. Man erhält
es z. B., wenn man flüssiges Isobutylen oder auch Trimethylcarbinol mit dem
doppelten Volumen einer Mischung aus gleichen Gewichtstheilen Schwefelsäu«
und Wasser versetzt und nach erfolgter Lösung einen Tag lang auf 100° erhitzt (66).
Es bildet sich gleichfalls beim Erhitzen von Isobutylen mit tertiärem Butyljodid
und Kalk auf 100° (67).
Leicht bewegliche, scliwach nach Petroleum riechende Flüssigkeit. Siede-
punkt 102-5° bei 756 Millim. Spec. Gew. 0-734 bei 0°, 0'715 bei 25°.
Mit den Halogenwasserstoffsäuren verbindet sich das Isodibutylen bei 100*
leicht zu den Aethem des Isodibutols, (CH3)a.C(0H) CHj-CCCH,),. Bei der
Oxydation durch Chromsäuremischung entstehen Aceton, Trimethylessigsäurc,
Essigsäure, Kohlensäure, eine flüssige Octylsäure, CgHigOj (Isodibutolsäure), und
ein Keton, CyHi^O (66), bei der Oxydation durch übermangansaures KaUum
ausser Trimethylessigsäure, ein krystallinischer, einatomiger Alkohol, CgHjjOj
(Oxoctenol), und eine krystallinische Oxyoctylsäure, CgHjßOj (68).
Isotributylen, (CH3)2-C:CC[Q/(^fj*\*. Es bildet sich neben Isodibutylen
beim Erwärmen von Isobutylen mit Schwefelsäure (37), ferner beim Erhitzen von
Isobutylen oder Isodibutylen mit tertiärem Butyljodid und Kalk auf 100° (67),
sowie beim Schütteln dieses Jodids mit Zinkoxyd bei gewöhnlicher Temperatur (69).
Darstellung. Man lässt Isobutylen von einem massig abgekühlten Gemisch aus 5 Tbb.
Schwefelsäure und 1 Tbl. Wasser absorbiren und rectificirt den als ölige Schicht sich ab-
scheidenden Kohlenwasserstoff (70).
Leicht bewegliche Flüssigkeit, selbst bei — 30** nicht erstarrend. Siedep.
177.5— 178-5°. Spec. Gew. 0774 bei 0°, 0-746 bei 50°. Das Isotributylen ab-
orbirt aus der Luft allmählich Sauerstoff. Mit Brom bildet es unter lebhafter
Reaction Additions- und Substitutionsprodukte. Zu den Halogenwasserstofisäuren
addirt es sich nur träge und unvollständig. Chromsäuremischung erzeugt Essig-
säure, Trimethylessigsäure, etwas Aceton, indifferente Oele und als Hauptprodukl
V
^^^
Butylverbindungen. 399
Methyldibutylessigsäure (CnHjaO,). Die letztere Säure bildet sich nicht bei
Anwendung von übermangansaurem Kalium als Oxydationsmittel, sondern es
entstehen hier ausser sauerstoffhalligen neutralen Oelen nur Essigsäure und Tri-
metbylessigsäure (70). Oscar Jacobsen.
Butylverbindungen.'^) Je nach der Constitution der als »Butyl« bezeichneten
einwerthigen Gruppe C4H9 sind die »Butylverbindungen« als Monoderivate eines
•) 1) FkANKLAND, Ann. 71, pag. 171. 2) Schöyen, Ann. 130, pag. 233. 3) Löwig,
Journ. pr. Ch. 79, pag. 442. 4) Berthelot, Jahresber. 1867, pag. 342. 5) Lwow, Ber. 187 1,
pag. 479. 6) Pklouze u. Cahours, Ann. chim. phys. [4] i, pag. 5. 7) Ronalds, Chem. soc.
h M 3t P>g- 54* S) LEFi:vR£, Compt. rend. 67, pag. 1352. 9) FouQui, ebend. 68, pag. 1045.
10) BuTLEROW, Zeitschr. Chem. 1867, pag. 363. 11) Merz u. Weith, Ber. 1878, pag. 2244,
12) BuTLEROW, Ann.. 144, pag. i. 13) Krafft u. Merz, Ber. 1875, P^* 129^* I4) Likbbn
IL Rossi, Ann. 158, pag. 137. 15) Linnemann, Ann. 161, pag. 178. 16) WuRTZ, Ann. 93,
pag. 107. 17) LiNNEMANN, Ann. 162, pag. 12. 18) Pierre u. Puchot, Ann. 163, pag. 276.
19) BaxLEROW, Zeitschr. Chem. 1864» pag* 385, 702. 20) Ders., Ber. 1872, pag. 478. 21) Za-
LKSSKY, Ber. 1872, pag. 480. 22) Bruylants, Ber. 1875, pag. 412. 23) Kolbe, Ann. 69,
pag. 257. 24) Oeconomides, Compt. rend. 92, pag. 884. 25) Prunier, Bull. soc. chim. [2] 24,
pag. 24. 26) WuRTZ, Ann. 93, pag. 114. 27) Eltekoff, Ber. 1873, P^* 1258; 1875, pag. 263,
1244. 28) RoozEBOOM, Ber. 1881, pag. 2396. 29) Wurtz, Ann. 152, pag. 21. 30) Gra-
BowsKY u. Saytzefp, Ann. 179, pag. 325. 31) Wurtz, Ann. 144, pag. 234. 32) de Luynes,
Ann. 129, pag. 200. 33) Lieben, Ann. 150, pag. 87. 34) Eltekoff, Bull. soc. chim. [2] 29,
p^- 536. 35) LiNNEMANN u. V. ZoTTA, Ann. 162, pag. 33. 36) Michael, Ber. 1881, pag. 2105.
37) Carius, Ann. 126, pag. 195. 38) Caventou, Ann. 127, pag. 93. 39) Prunier, Bull. soc.
chim. [2] 20, pag. 72. 40) Henninger, ebend. 34, pag. 195. 41) Ders., ebend. 19, pag. 145.
42) Caventou, Ber. 1873, pag. 70. 43) Helbing, Ann. 172, pag. 281. 44) Caventoü,
Ann. 127, pag. 347. 45) Brühl, Ann. 203, pag. 21. 46) Krafi^, Ber. 1877, pag. 805.
47) Butlerow, Ber. 1873, pag- S^i. 48) Linnemann, Ann. 160, pag. 195. 49) Brühl,
Ber. 1880, pag. 1521. 50) Markownikoff, Ber. 1869, pag. 659; Zeitschr. Chem. 1870, pag. 29.
51) LiNNEMANN, Ann. 154, pag. 130. 52) Butlerow, Ann. 168, pag. 143. 53) Linnemann,
Aiui. 154, pag. 367. 54) DE Luynes, Compt. rend. 55, pag. 624. 55) Saytzeff, Ber. 1870,
pag. 870. 56) DoBBiN, Chem. soc. J. 37, pag. 236, 245. 57) Gareinow, Ber. 1872, pag. 479.
58) LiNNEMANN, Ann. 152, pag. 125. 59) Pagliani, Ber. 1877, pag. 2055. 60) Lieben,
Ber. 1881, pag. 515. 61) Fitz, Ber. 1876, pag. 1350. 62) Ders., Ber. 1877, pag. 276.
63) Ders., Ber. 1878, pag. 42. 64) Ders., Ber. 1880, pag. 13 11. 65) Rabuteau, Compt.
rend. 86, pag. 500. 66) Saytzeff, Zeitschr. Chem. 1870, pag. 107. 67) Diakonow, Ber. 1876,
pag. 1312. 68} Wurtz, Ann. 85, pag. 197. 69) Jahresber. 1852, pag. 603. 70) Pierre u.
Puchot, Ann. 151, pag. 299. 71) Krämer u. Pinner, Ber. 1869, P^g* 4Q4; 1870, pag. 77.
72) Köbig, Ann. 195, pag. 92. 73) Reimen, Ber. 1870, pag. 756. 74) Barbaglia, Ber. 1873,
pa^. 912. 75) DucLAUX, Ann. chim. phys. [5] 13, pag. 91. 76) Pierre u. Puchot, Compt.
«»<*- 73t pag- 599- 77) Popoff, Zeitschr. Chem. 1871, pag. 4. 78) Krämer, Ber. 1874,
pag. 252. 79) Schmidt, Ber. 1874, pag. 1361. 80) Gladstone u. Tribe, Ber. 1878, pag. 1835.
81) DK Luynes, Compt rend. 56, pag. 803. 82) Ders., ebend. 58, pag. 1089; Ann. 132,
pag. 274. 83} LiNNEMANN, Ann. 162, pag. i, 12. 84) Lieben, Ann. 151, pag. 121. 85) But-
uaiow tt. OssoKiN, Ann. 145, pag. 263. 86) Kanonnikoff u. Saytzeff, Ann. 175, pag. 374.
87) Wagner, Ann. 181, pag. 261. 88) V. Meyer, Ber. 1877, pag. 130. 89) Reymann,
Ber. 1874, pag. 1287. 90) Butlerow, Zeitschr. Chem. 1863, pag. 484. 91) Ders., Ber. 1869,
pag. 660. 92) LiNNEMANN, Ann. 170, pag. 211. 93) Freund, Joum. pr. Ch. [2] 12, pag. 25.
94) Butlerow, Zeitschr. Chem. 1870, pag. 237. 95) Ders., Ann. 180, pag. 246. 96) Pawlow,
Ber. 1876, pag. 131 1. 97) BUTI.EROW, Zeitschr. Chem. 1871, pag. 273. 98) Brühl, Ann. 203,
pag. 17. 99) Butlerow, Ber. 1871, pag. 932. 100) HAiTmcER, Ann. 193, pag. 366. 10 1) Loidl,
Ber. 1875, pag. 10 17. 102} d'Otreppe, Ber. 1882, pag. 946. 103) Butlerow, Ber. 1876,
j>ag. 1605. 104) Chapman u. Smith, Chem. soc. J. [2] 7, pag. 153. 105) Tscherniak,
400
Handwörterbuch der Chemie.
CH
der beiden Butane CHa.CHj.CHj.CH, und CHj-CHC^ch' ^" betrachten.
Da sich von jedem dieser Butane zwei verschiedene Monoderivate ableiten, je
nachdem die Vertretung von Wasserstoff an einem EndkohlenstofTatom oder in
einem Zwischenglied der Kette stattfindet, so sind vier isomere Reihen von
Butylverbindungen zu unterscheiden:
CH,
CH,
CH, CH,
CH, CH,
1
CH,
CH,
CH
CJ
CH,
Normales, primäres
Butyljodid
CH,
'H,
1
CH,
Secundäres
Butyljodid
Isobutyljodid
Tertitres
Butyljodid.
CH,
CH,
CH, CH,
CH, CH,
1
CH,
CH,
CH
COH
CH,
'H,
^OH
'H
yoH
CH,
IH,
^OH
CH,
Normaler, primärer
Butylalkohol
Secundärer
Butylalkohol
Isobutylalkohol
Tertiärer
ButylalkoboL
Butane, C^Hj^ (Butyl Wasserstoffe, Tetrane).
1. Normales Butan, CHg-CHj-CHa-CH, (Diäthyl, Methyl propyl). Von
Frankland 1849 durch Erhitzen von Aethyljodid mit Zink auf 150** dargestellt
und als das isolirte Radical Aethyl aufgefasst (i), von Schöven (2) in normalen
Butylalkohol und in Buttersäure tibergeftlhrt. Ausser auf dem angegebenen
Wege (i, 2) lässt sich der Kohlenwasserstoff durch Einwirkung von gepulvertem
Natriumamalgam auf Aethyljodid in der Kälte darstellen (3). Berthelot (4) erhielt
ihn als Produkt der Reduction von normaler Buttersäure oder Bernstetnsäure
durch Jodwasserstoff, Lwow (5) neben Aethylenjodid beim Erhitzen von Methylen-
Jodid mit Zinkäthyl.
Das normale Butan ist ein Bestand theil des rohen Petroleums (6, 7, 8) und
der aus Petroleumquellen entweichenden Gase (9).
Farbloses Gas, bei -h 1*^ flüssig (10). Spec. Gew. der flüssigen Verbindung
Ber. 1876, pag. 155. 106) Lieben u. Rossi, Ann. 165, pag. 109. 107) Clarkr, Her. 1878,
pag. 1506. 108) Behrend, Ber. 1876, pag. 1338. 109) Menschutkin, Ann. 139, ptg. 347.
iio) Coüncler, Joum. pr. Ch. [2] 18, pag. 382. iii) Cahoürs, Compt. rend. 77, pag. 1408.
112) Humann, Journ. pr. Ch. 67, pag. 37. 113) RÖsb, Ann. 205, pag. 227. 114) Myuus,
Ber. 1872, pag. 972. 115) Ders., Ber. 1873, pag- 3". Ii6) Blankenhorn, Journ. pr. Ch. [2] 16,
pag. 358. 117) Kessei^ Ann. 175, pag. 50. 118) Züblin, Ber. 1877, pag. 2083. 119) Demoli,
Ber. 1874, pag. 709, 790. 120) Züblin, Ber. 1877, pag. 2087. 121) V. Mevkr u. LocBn,
Ann. 180, pag. 133. 122) V. Meyer, Ber. 1876, pag. 701. 123) Tscherniak, Ann. 180,
pag. 155. 124) V. Meyer u. Locher, Ber. 1874, pag. 15 10. 125) L^bkn u. Rossi, Ann. 158,
pag. 172. 126) Linnemann u. v. Zotta, Ann. 162, pag. 3. 127) Reimer, Ber. 1870, pag. 756.
128) Mac-Hughes u. Römer, Ber. 1874, pag. 511. 129) Ladenburg, Ber. 1879, pag. 948.
130) Sachtleben, Ber. 1878, pag. 733. 131), Williams, Ann. 109, pag. 127. 13a) Andbrsoh,
Ann. 70, pag. 32; 80, pag. 53. 133) Hofmann, Ber. 1874, pag. 512. 134) Rkymann, Her. 1874,
pag. 1289. 135) Brauner, Ber. 1879, pag. 1874, 1877. 136) Rudneff. Bull, soc chim. [2] 33.
pag. 297; Ber. 1878, pag. 988, 1938; 1879, pag. 1023. 137) Hofmann, Ber. 1873, T^-n^
138) Ders., Ber. 1873, pag. 303. 139) Cahours, Compt rend. 77, pag. 1403. 140) l>a%.^
ebend. 89, pag. 68.
5
Butylverbindungen. 401
0-60 bei 0°; Dampfdichte gefunden: 2'11 (7). Unlöslich in Wasser, löslich in
Alkohol und Aether (7, 4).
Ein Gemenge des Butans mit 2 Vol. Chlor verdichtet sich im dififusen Tages-
licht zu Butylchlorid (6, 2, 7) (Siedep. 65—70° ?) (6). Die durchgreifende Bromirung
des Butans bei 250° führt wesentlich zu Tetrabromäthylen (11).
2. SecundäresButan, CHj-CHC^Qg' (Isobutan, Trimethylmethan), bildet
sich beim allmählichen Hinzufügen von tertiärem Butyljodid zu granulirtem Zink
und Wasser: 2C(CH3)3J -+- Zn, -+- HjO = 2C(CH,),H -i- ZnJ, -+- ZnO. Es kann 'j
durch Brom von dem gleichzeitig entstandenen Butylen und darauf durch Kalium- !
hydroxyd vom Bromdampf befreit werden (12).
Erst bei — 17° flüssig werdendes Gas. Im Tageslicht erzeugt Brom mit dem
Isobutan etwas leichter als mit dem normalen Butan ein ölartiges Gemenge von
Substitutionsprodukten. Chlor bildet zunächst Isobutylchlorid (12). Bei der
schliesslich mittelst Chlorjod in starker Hitze bewirkten durchgreifenden Chlorirung
entstehen Perchlorpropan und Perchlormethan (13).
Chlorderivate der Butane.
Butylchloride (Monochlorbutane), C4H9CI.
1. Normales, primäres Butylchlorid, CHj-CHj-CHj-CH^Cl, entsteht
durch Einwirkung von Chlor auf normales Butan, sowie beim Erhitzen von nor-
malem Butylalkohol mit Salzsäure.
Darstellung. Nonnaler Butylalkohol wird mit Salzsäuregas gesättigt und dann unter Zu-
satz von etwas rauchender, wässriger Salzsäure anhaltend auf schliesslich 100^ erhitzt, die obere
Schicht gewaschen, über Chlorcalcium getrocknet und rectificirt (14).
Nonnales Butyljodid wird mit der dreifachen Menge Quecksilberchlorür auf 120—130^ er-
Utzt (15).
Farblose, stark lichtbrechende, in Wasser ganz unlösliche Flüssigkeit
Siedep. 77-96° (corr.). Spec. Gew. 0-8972 bei 14° (15), 0-9074 bei 0° (14).
2. Isobutylchlorid, (CH3,),.CH-CHjCl, wurde aus dem Iso-(Gährungs-)
Butylalkohol durch Behandeln mit Phosphorpentachlorid oder Phosphoroxychlorid
(16), sowie durch Sättigen mit Salzsäuregas und Erhitzen auf 100° (17) dargestellt.
Leicht bewegliche Flüssigkeit von angenehmem Geruch. Siedep. 68'5° (17).
Spec. Gew. 0-8953 bei 0°, 0-8651 bei 27-8°, 0-8281 bei 59° (18).
3. Tertiäres Butylchlorid, (CH,)3CC1, entsteht bei Einwirkung von
Phosphorpentachlorid auf den tertiären Butylalkohol (19), beim Chloriren des
Trimethylmethans (12), femer beim langsamen Eintragen von Chlorjod in die
berechnete Menge Isobutyljodid: (CH,)jj.CH.CHJ-H JCl = (CH,),.CC1.CHJ
-h HJ = (CHj)8-CCl4- Jj (17), und beim Erhitzen von Isobutylen mit concentrirter
Salzsäure auf 100° (21). Siedep. 50—51°. Durch 24stündiges Erhitzen mit
5—6 Vol. Wasser auf 100° wird das Chlorid vollständig in tertiären Butylalkohol
übergeführt (12).
Dichlorbutane, C4H3CI,.
Das Butylidenchlorid, CHj-CClj-CHj-CH,, wird durch Einwirkung von
Phosphorpentachlorid auf Methyläthylketon erhalten (22). Bei 95 — 97° siedende
Flüssigkeit von stechendem Geruch, unlöslich in Wasser. Schon beim Sieden
zerfallt es theilweise in Salzsäure und Monochlorbutylen; bei langem Erhitzen
mit Wasser wird das Keton zurückgebildet.
Isobutylenchlorid, (CH3)5«CCl-CHjCl, entsteht durch Vereinigung von
Isobutylen mit Chlorgas (23). Bei 123° siedende Flüssigkeit von süsslichem Ge*
ruch und Geschmack, unlöslich in Wasser. Spec. Gew. 1*112 bei 18°.
n. 26
402 Handwörterbuch der Chemie.
Isobutylidenchlorid; (CH3)2«CH-CHCl2, wurde neben Monochloriso-
butylen durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Isobutylaldehyd erhalten
(24). Siedep. 103—105°. Spec. Gew. 10111 bei 12°.
Ein Trichlorisobutan (Chlorisobutylenchlorid), (GH,),- GGl- GHCl, >, ent-
steht beim Einleiten von Isobutylen in Antimonperchlorid und nachheriger
Destillation (23).
Das Tetrachlorbutan, CHjCl-GHGl-GHGl-GH,Cl, bildet sich beider
Behandlung von Erythrit mit Phosphorpentachlorid, sowie durch Addition von
Ghlor zu dem Butin GHsiCH-GHrGH^, welches aus dem Erythrit durch Rochen
mit Ameisensäure erhalten wird. Bei 73° schmelzende Prismen (40).
Ein Hexachlorisobutan, G4H4GI5, erhielt Prunier (25) neben andern
Substitutionsprodukten bei der Einwirkung von Ghlor auf Isobutyljodid. Es siedete
im Vacuum (45—50 Millim.) bei 146—148°. Spec. Gew. 1-67 bei 18°.
Bromderivate der Butane.
Butylbromide (Monobrombutane), G4H9Br.
1. Normales, primäres Butylbromid, GHj-GHa-CHj-CHgBr.
Darstellung. Normaler Butylalkohol wird mit Bromwasserstoff in der Kälte gesättigt und
nach Zusatz wässriger, rauchender Bromwasserstoffsäure auf 100 — 120® erhitzt, das Produkt mit
Wasser gewaschen, getrocknet und rectificirt (14, 15). Oder man erhitzt Butyljodid mit Kupfer-
bromid, Kupferbromür und Wasser anhaltend auf 120 — 130® (15).
Leicht bewegliche Flüssigkeit. Siedep. 99*88° (corrig.) (15). Spec. Gew. 1*305
bei 0° (14), 1-2990 bei 20° (15). Durch Erhitzen mit jodhaltigem Brom auf
schliesslich 240 — 260° wird das Bromid fast glatt in Brom Wasserstoff und Tetra-
bromäthan gespalten (11).
2. Isobutylbromid, (CH3),-CH-CH2Br. Aus dem Isobutylalkohol durch
Einwirkung von Brom und Phosphor (26) oder durch Sättigen mit Bromwasser-
stoff tmd Erhitzen auf 150° (17) zu gewinnen. Angenehm riechende Flüssigkeit.
Siedep. 92-33°. Spec. Gew. 1-2038 bei 16° (17).
3. Tertiäres Butylbromid, (CH3)3-CBr, entsteht aus dem Isobutylbromid
durch Erhitzen auf 230 — 240°, indem dasselbe sich in Isobutylen und Brom-
wasserstoff spaltet, die dann zu dem tertiären Bromid wieder zusammentreten (27).
Man erhält letzteres auch durch Absorption von Isobutylen in rauchender Brom-
wasserstoffsäure vom spec. Gew. 1-7 (28). Siedep. 72°. Spec. Gew. l'21ö bei
20°. Inaktiv. Erleidet in hoher Temperatur eine Dissociation in Isobutylen and
Bromwasserstoff (28).
Dibrombutane, C4H8Br,.
a-Butylenbromid, CHjCHjCHBr-CHjBr. Ausa-Butylen undBrom(29),
sowie beim Erhitzen von normalem Butylbromid mit Brom auf 150** (15) ent-
stehend. Siedep. 164—165°. Spec. Gew. 1-8503 bei 0°, 1-8204 bei 20° (geg«
Wasser von 0°) (30). Bei anhaltendem Erhitzen mit Wasser auf 150° entsteht
Methyläthylketon (83).
Aus normalem Butan gewann Carius (37) durch Erhitzen mit Überschüssigem Brom auf
100° ein Dibrombutan, für welches er den Siedep. 155—162** beobachtete, welches aber nach
seiner Bildungsweise mit dem a-Butylenbromid identisch sein muss.
p-Butylenbromid, CH3-CHBr.CHBr.CH3, entsteht beim Einleiten von
ßButylen in Brom (31—33)- Siedep. 158°. Spec. Gew. 1-821 bei 0°. Beim Er-
hitzen mit Bleioxyd und Wasser auf 140—150° wird das Bromid in Methyläthyl-
keton und Bleibromid gespalten (34).
Isobutylenbromid, (CH3),-CBr-CH,Br, entsteht aus Isobutylen undBrom,
L
Butylverbindungen. 403
sowie bei Einwirkung von Brom auf Isobutyljodid (35). Siedep. 148 — 149® bei
737 Millim. Spec. Gew. 1-798 bei W. Beim Erhitzen mit Wasser auf 150*"
bildet das firomid Isobutylaldehyd (35), mit Wasser und Bleioxyd bei derselben
Temperatur ausser diesem Aldehyd etwas Isobutylenglycol (34).
Butylidenbromid, CHj^CH^-CHj-CHBr^, wurde durch Einwirkung von
Phosphorchlorobromid auf Butylaldehyd dargestellt. Beim Erhitzen mit alkoho-
lischem Ammoniak entsteht daraus neben anderen Produkten Paraconiin (36).
Tribrombutane, C4H7Br3.
Ein »Brombutylenbromid«, welches bei 208 — 215° siedete, erhielt Caventou
(sS) durch Addition von Brom zu seinem Brombutylen (aus Butylen, welches
durch Erhitzen von Amylalkoholdampf erhalten, also wohl wesentlich Isobutylen
war). Vielleicht damit identisch ist das »zweifach gebromte Isobutylbromidc
(Siedep. 214—218°), welches Linnemann (35) durch anhaltendes Erhitzen des
Isobutylbromids mit Brom auf 150° darstellte.
Tetrabrombutane, C4HgBr4.
Ein »Dibrombutylenbromidc erhielt Caventou (38) durch Addition von Brom
zu seinem Dibrombutylen (C^HgBrg vom Siedep. 140—150°). Es bildet eine in
Aether und heissem Alkohol lösliche, weisse, krystallinische Masse, die sich nicht
bei gewöhnlicher Temperatur, wohl aber bei 120° allmählich verflüchtigt und bei
200°, ohne zu schmelzen, Zersetzung erleidet.
Andere Tetrabrombutane resuldren bei der Addition von Brom zu den Bu-
tinen C^Hg:
Aus dem Aethylacetylen wurde das Tetrabromid CHj-CHj'CBrj'CHBr,
in weissen Krystallen erhalten (22). Das Butin CH^rCH-CHiCHj (aus Erythrit)
bildet das Tetrabromid CHjBr'CHBr-CHBr-CHjBr, welches in weissen, flachen
Nadeln oder rhombischen Blättern krystallisirt. Schmp. 116°. Unzersetzt sublimir-
bar (41). Fast denselben Schmp. (113—115°) giebt Prunier (39) an für das
Tetrabromid desjenigen Butins, welches beim Durchleiten von Aethylen und
Acetylen durch schwach glühende Röhren entsteht (Aethylacetylen?). Denselben
Schmp. (115—116°) fand Caventou (42) für das Tetrabromid des aus Leuchtgas
condensirten Butins. (Helbing (43) beobachtete hingegen an dem Tetrabromid
eines aus Benzolvorlauf isolirten Butins den Schmp. 99°.) Das Tetrabromid des
Dimethylacetylens CH^-CBr^-CBrj-CH, ist ebenfalls fest, krystallinisch, schon
bei gewöhnlicher Temperatur etwas flüchtig (44).
Hexabromisobutan, C4H4Brg, wurde als Endprodukt der Einwirkung von
Brom auf Isobutan resp. Isobutylbromid bei 150—170° erhalten (11). Es krystalli-
sirt aus heissem Alkohol in Nadeln, aus Schwefelkohlenstofi* in Prismen oder
grossen Tafeha. Schmp. 108—109°.
Jodderivate der Butane.
1. Normales, primäres Butyljodid, CHj'CHj-CHj-CHjJ. Aus nor-
malem Butylalkohol durch Einwirkung von Jodwasserstofl* oder von Jod und
amorphem Phosphor darstellbar (14, 15).
Farblose, bald gelblich werdende, etwas dickliche Flüssigkeit, ganz unlöslich
in Wasser, unter geringer Zersetzung bei 129*8° (corr.) siedend. Spec. Gew. 1*5804
bei 18° (15). Siedep. 130-4— 131*4° bei 745*4 Millim.; spec. Gew. 1*6166 bei
20° gegen Wasser von -f-4° (45). Spec. Brechungsvermögen 0*3068 (49). Bei
der durchgreifenden Chlorirung durch Chlorjod bei 250° zerfällt es glatt in Per-
chloräthan: C^HJ-h llClj = 20,01« -*- 9HC1-H JCl (46); beim Erhitzen mit
jodhaltigem Brom auf 250° liefert es in analoger Weise 2 Mol. Perbromäthylen (11).
26»
404 HandwdrteiliDch der Chemie.
2. l8obut3rljodid,(CH,),CH-CHJ. Aus Isobutjlalkohol dmdi Bdxnddi
mit Jod und Phosphor (i6) oder mit Jodwasserstoff (47) daigestdit
Farblose, leicht beweg^che Flüssigkeit, die sich am Licht rochfidi &ix.
Siedep. IgOe** (corr.). Spec. Gew. 1-6081 bei 19'5^ (48). [Siedep. llSh4— 1»4'*
bei 745*4 Millim.; spec. Gew. 16056 bei 20^ (45)]. Spec BrechmigsraiBöga
0-3064 (49). Bei der durchgreifenden Chlorirun^ mittelst Chloijod bei srhHrBsfif^
240^ zerfällt das Isobutjljodid in Perchlorpropai. und Perchlormethan (i3\ Alko-
holische Kalilauge bildet aus dem Jodid den entsprechenden IsobniylalkohoL bei
grösserer Concentration und längerem Erhitzen aber Isobutylen (50). Bei der
Behandlung mit Eisessig und feuchtem Silberoxyd entsteht wenigstens grossoi-
theils der Essigester des Trimethylcarbinols (51, 53). Ebenso erhält man bst
ausschliesslich die Aminbase des Trimethylcarbinols, wenn man das Isobo^Fyodid mit
trocknem, cyansaurem Silber behandelt und das Produkt mit Aetzkali schmilzt /53I
3. Secundäres Butyljodid, CHjCHa-CHJCH,, entsteht ans dem
Erythrit, C^K^^Olli)^, beim Erhitzen mit concentrirter Jodwassersto&anre '^\
ferner aus dem Aethylchloräther, CH,ClCH(CjH5)OC2H5, beim Eihitzen mit
höchst concentrirter Jodwasserstoffsäure auf 140° (33) und aus dem nonnalen
Butylen durch Addition von Jodwasserstoff (29, 55).
Farblose, am Licht sich röthende Flüssigkeit. Siedep. 119—120*'. Spec
Gew. 1-6263 bei 0^ 1-5952 bei 20^ 1-5787 bei 30° (gegen Wasser von 0*^(53)-
4. Tertiäres Butyljodid, (CHs),*^, bildet sich leicht beim Sättigen des
Trimethylcarbinols mit Jodwasserstoff (12), wird aber am zweckmässigsten durch
Einleiten von Isobutylen in kalte, rauchende Jodwasserstoffsäure gewonnen (47).
In Wasser unlösliche Flüssigkeit von petroleumartigem Geruch, bei 98—99*
unter theilweiser Zersetzung siedend. Die Verbindung zerfallt überhaupt leicbt
in Jodwasserstoff und Isobutylen, so dass bei der Verseifung selbst mit sehr ver-
dünnter weingeistiger Kalilauge oder mit feuchtem Silberoxyd neben dem Tii-
methylcarbinol Isobutylen auftritt (12). Schon durch Schütteln mit Wasser von
gewöhnlicher Temperatur wird das Jodid allmählich in den Alkohol übergeführt.
Die Einwirkung von trocknem Zinkoxyd führt zur Bildung von Isotributylen, die-
jenige von Natrium in der Hitze zu Isobutylen, Isotributylen und Wasserstoff (56).
Mit trocknem Quecksilberoxyd entsteht das Nitril der Trimethylessigsäure (20),
mit Zinkäthyl das Trimethyläthylmethan (57).
Butylalkohole, C^H^-OH.
1. Normaler Butylalkohol (Propylcarbinol), CH,-CHj.CHj.CH,.OH.
Von ScHöYEN (2) als Derivat des normalen Butans beobachtet, von Lieben und
Rossi (14) aus normalem, durch Destillation von buttersaurem mit ameisensaurem
Calcium erhaltenen Butylaldehyd dargestellt und zuerst untersucht. Der Alkohol
befindet sich auch bereits unter den Produkten der trocknen Destillation von
buttersaurem und ameisensaurem Calcium (59). Er entsteht gleichfalls durch
Reduction des Buttersäureanhydrids (58, 15) und des Crotonaldehyds (60), ferner
bei der Schizomycetengährung aus Glycerin (61 — 64). Nach Rabuteau (65) soll
er sich neben dem Ibobutylalkohol in Fuselölen vorfinden. Linnemann (48) £Euid
ihn darin nicht.
Darstellung. Normaler Butylaldehyd wird in wässriger Lösung unter jeweiligem An-
säuern mit Schwefelsäure mit einprocentigem Natriumamalgam behandelt, der rectificirte Alkohol
durch kohlensaures Kalium getrocknet (14). ^ Ein Gemenge von Buttersäureanhydrid mit der
drei- bis vierfachen Menge Buttersäure wird bei 0^ mit öproc. Natriumamalgam behandelt, der Aber
kohlensaurem Kalium rectificirte Alkohol schliesslicl^ durch Erhitzen mit Aetzbarytauf 130® völlig
ButylverbinduDgen. 405
entwässert (15). — Ein frisch bereitetes Gemenge von 1 Mol. Butyrylchlorid mit 2 Mol. Butter-
süure wird mit 3proc. Natriumamalgam (66) oder besser mit Natrium (67) behandelt, der durch
kohlensaures Kalium abgeschiedene Buttersäure-Butylester durch anhaltendes Erhitzen mit conc
Kalilauge auf 150^ verseift. — Auch die Gährung des Glycerins eignet sich zur praktischen
Gewinnung des Alkohols (61).
Farblose, etwas dickliche Flüssigkeit von fuseligem Geruch. Mit stark
leuchtender Flamme brennend. Optisch inaktiv. Bei — 22° noch nicht fest
1 Vol. löst sich bei 22° in 12 Vol. Wasser und vermag seinerseits 6'15 Vol.
Wasser zu lösen. Salze, wie kohlensaures Kalium, Chlorcalcium, scheiden den
Alkohol aus seiner wässrigen Lösung ab. Von concentrirter Salzsäure wird er
leicht gelöst Siedep. 116-88° (corr.). Spec. Gew. 0*8239 bei 0°, 0-8135 bei
22° (15). Spec. Brechungs vermögen 0-4903 (49). Ein Gemenge des Alkohols
mit Wasser siedet constant bei 93° und das Destillat enthält annähernd 1 Vol.
Wasser auf 2 Vol. Alkohol (63). Oxydationsmittel fllhren den Alkohol in Butyl-
aldehyd und Buttersäure über.
2. Isobutylalkohol(Isopropylcarbinol, Gährungsbutylalkohol), (CH3)2'CH-
CHj'OH. Dieser zweite primäre Alkohol wurde zuerst 1852 von Wurtz aus
Kartoffelfuselöl abgeschieden (68), worin er indess nicht immer vorkommt (69).
Er ist gewöhnlich auch im Runkelrübenfuselöl enthalten (16) (70, vergl. 71).
Das Römisch-Camillenöl enthält neben andern Estern den Isobuttersäure- und
den Angelicasäureester des Isobutylalkohols (72). Künstlich bildet sich der Alko-
hol durch Einwirkung von Natriumamalgam und Wasser aus dem Isobutylchlor-
hydrin, (CH,),-CCl-CH,-OH, welches durch Addition von unterchloriger Säure
zu Isobutylen entsteht (12).
Reindarstellung. Der durch wiederholte Fractionirung des Fuselöls möglichst gereinigte
Alkohol wird in Jodid übergeführt, das bei etwa 121*^ siedende Isobutyljodid von Aethyl-, Pro-
pyl- und Amyljodid durch fractionirte Destillation befreit, in den Essigsäureester verwandelt, dieser
dnrch conc Kalilauge verseift, der Alkohol durch kohlensaures Kalium getrocknet und rectificirt
(16. 48) (vergl. 71. 73, 74).
Farblose Flüssigkeit, dünnflüssiger als der Amylalkohol, diesem ähnlich, aber
schwächer riechend, optisch inaktiv, leicht entzündlich, mit leuchtender Flamme
brennend. 1 Thl. des Alkohols löst sich bei 15° in 10 Thln. Wasser und ver-
mag seinerseits Ol 5 Thle. Wasser zu lösen. Leicht lösliche Salze scheiden den
Alkohol aus seiner wässrigen Lösung ab.
Siedep. 108-4^ Spec. Gew. 08168 bei 0^ 0.8003 bei 18° (48). Spec.
firechungsvermögen 0*4887 (49). Ueber das specifische Gewicht der wässrigen
Lösungen s. (75). Ein Gemenge des Alkohols mit Wasser siedet constant bei
90-5° und das Destillat enthält ungefähr 1 Vol. Wasser auf 5 Vol. Alkohol (76).
Bei der Oxydation des Isobutylalkohols durch Chromsäuremischung entstehen
Isobutylaldehyd, Isobuttersäure und ausserdem — durch weitere Oxydation der
letzteren (77, 79) Aceton, Kohlensäure und Essigsäure (78).
Chlorcalcium löst sich in dem Isobutylalkohol auf und bildet damit eine kiystaüisirbare Ver-
bindung. Mit Kalium entsteht das krystallinische Aethylat, C^HgOK (19). Ein Aluminium-
älhylat, (C4H90)^A1,, wurde durch Einwirkung von Aluminium und Jod auf den Alkohol dar-
gestellt (80).
3. Secundärer Butylalkohol (Methyläthylcarbinol, Butylenhydrat), CH,-
CHj.CH(OH)'CHj. Zuerst von de Luvnes aus secundärem Butyljodid (aus
Erythrit) dargestellt (81, 82). Da dieses secundäre Jodid auch aus Jodwasserstoff
und normalem Butylen entsteht, welches letzteres aus dem normalen Butyljodid
erhalten wird, so ist auf diesem Wege die Ueberftihrung des normalen Butyl-
4o6 Handwörterbuch der Chemie.
alkohols in den secundären möglich. Der secundäre Alkohol entsteht femer bei
Einwirkung von Natriumamalgam auf das Chlorhydrin CH3 • CHCl • CH(OH) • CH,,
welches sich durch Addition von unterchloriger Säure zu Pseudobutylen bildet (84).
Wenn Zinkäthyl unter einer schützenden Schicht von Benzol mit Glycoljodhydrin
zusammentrifft, so treten die folgenden Reactionen ein:
Die letztere Verbindung liefert bei der Zersetzung mit Wasser den secundären
Butylalkohol (85).
Man erhält diesen Alkohol femer, wenn man auf ein Gemenge von gleichen
Molekülen Methyljodid, Aethyljodid und Ameisensäure-Aethylester überschüssiges
Zink und etwas Zinknatrium einwirken lässt und das Produkt mit Wasser be-
handelt (86).
Die krystallinische Verbindung CH8-CH(OC3H5)-ZnC,H5, welche aus Zink-
äthyl und Acetaldehyd entsteht, zersetzt sich mit Wasser in Zinkhydroxyd, Aethan
und secundären Butylalkohol (87).
Bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf Normalbutylamin entsteht
neben dem normalen Alkohol und Butylen (vermuthlich aus letzterem und Wasser)
auch etwas secundärer Butylalkohol (88). Dieser Alkohol muss endlich durch
Behandlung des Methyläthylketons mit Natriumamalgam und Wasser erhalten
werden können.
Darstellung. Secundäres Butyljodid wird allmählich zu mit Eisessig angeriebenem essig-
saurem Silber hinzugefügt und am RUckflusskÜhler auf schliesslich etwa 120^ erhitzt. Es ent-
stehen in ungefähr äquivalenten Mengen Pseudobutylen und der Essigester des secundären Bnt]^*
alkohols. Dieser Ester wird durch anhaltendes Erhitzen mit sehr conc. Kalilauge auf 110® ^a-
seift, der abgehobene Alkohol durch kohlensaures Kalium, schliesslich durch Erhitzen mit etvas
Natrium entwässert und rectificirt (33).
Wasserhelle Flüssigkeit von angenehm weingeistigem Geruch, in Wasser etwas
löslich, durch Salze daraus abscheidbar. Siedep. 99° bei 738-8 Millim. Spcc
Gew. 0-827 bei 0°, 0-810 bei 22° (33). Bei der Oxydation liefert der Alkohol
zunächst Methyläthylketon, dann Essigsäure. Beim Erhitzen auf 240-— 250° spaltet
er sich in Wasser und Pseudobutylen (82).
4. Tertiärer Butylalkohol (Trimethylcarbinol), (CH,)3-C0H. Zuerst von
BuTLEROw 1863 dargestellt durch Einleiten von Carbonylchlorid in Zinkmethyl
und Behandeln der entstandenen, die Verbindung (€113)3 -CO- ZnCHj enthalten-
den Krystallmasse mit Wasser (90).
Diese krystallisirte Verbindung entsteht auch, wenn man 1 Vol. Acetylchlorid
bei 0° sehr allmählich mit 4 Vol. Zinkmethyl versetzt:
CH3.COCI -+- 2(CH3)5Zn = (CH3)3.CO.ZnCH8 4- ZnCHjO.
Zusatz von Wasser zum Reactionsprodukt bewirkt die Zersetzung:
(CH,)3.C0.ZnCH, -t- Zn-CHj-Cl -f- 4H2O = (CH8)3.COH -h 2CH4
4- 2Zn(OH)2 4- HCl (19, 96). —
Isobutylen verbindet sich mit Jodwasserstoff zu tertiärem Butyljodid, aus
welchem durch Behandeln mit feuchtem Silberoxyd in der Kälte das Trimethyl-
carbinol erhalten wird (50, 91). Ebenso erhält man diesen tertiären Alkohol,
wenn Isobutylen von Schwefelsäure absorbirt und die Flüssigkeit mit Wasser
destillirt wird (94, 95). Da das Isobutylen aus Isobutyljodid durch Kalilauge ge-
Butylverbindungen. 407
Wonnen wird, so erlauben diese Reactionen die Ueberftihrung des Isobutylalkohols
in Trimethylcarbinol.
Lässt man bei Gegenwart von Eisessig essigsaures Silber oder besser Silber-
oxyd oder Quecksilberoxyd auf Isobutyljodid einwirken, so bildet sich neben dem
(bei Anwendung von trocknem essigsaurem Silber allein entstehenden) Essigester
des Isobutylalkohols auch derjenige des Trimelhylcarbinols, so dass durch Ver
seifting des Produkts und Fractionirung dieser tertiäre Alkohol gewonnen werden
kann (51, 83, 52, 92). Ebenso entsteht Trimethylcarbinol beim Behandeln des
Isobutylamins mit salpetriger Säure (83). Durch Destillation des aus Isobutyl-
jodid und trocknem cyansaurem Silber entstehenden Cyanats mit Kaliumhydroxyd
wird neben wenig Isobutylamin die Aminbase des Trimethylcarbinols erhalten,
welche mit salpetriger Säure in normaler Weise diesen Alkohol bildet (53, 83).
Das tertiäre Butylchlorid wird bei längerem Erhitzen mit Wasser auf 100°
vollständig in Trimethylcarbinol und Salzsäure zerlegt (12), das tertiäre Butyljodid
sogar schon bei gewöhnlicher Temperatur allmählich in entsprechender Weise
zersetzt (56). Durch Verseifung eines aus käuflichem Butylalkohol dargestellten
Butylchlorids erhielt Butlerow (12) auch etwas Trimethylcarbinol und hielt dar-
nach das Vorkommen dieses Alkohols im Gährungsbutylalkohol für wahrscheinlich.
Nach Freund ist derselbe nicht darin enthalten; es entsteht aber neben Isobutyl-
chlorid in erheblicher Menge das tertiäre Butylchlorid bei der Behandlung reinen
Isobutylalkohols mit überschüssiger Salzsäure (93).
Darstellung. Man lässt Isobutylen unter guter Kühlung von Schwefelsäure absorbiren,
die mit ^ ihres Gewichts Wasser verdünnt ist, versetzt die Flüssigkeit unter Vermeidung des £r-
hitzens mit viel Wasser und destillirt (94).
Man sättigt Isobutylalkohol mit Chlorwasserstoff, setzt das zehnfache Gewicht concentrirter
wässriger Salzsäure hinzu und erhitzt einen Tag lang im Wasserbad. Die erhaltenen Butyl-
cUoride werden mit etwas rauchender Salzsäure gewaschen und mit dem sechsfachen Volumen
Wasser in geschlossenen Röhren auf 100° erhitzt, wobei nur das tertiäre Chlorid in den Alkohol
and Salzsäure zerfällt. Die vom unangegriffenen Isobutylchlorid getrennte wässrige Flüssigkeit
wird destillirt, der Alkohol aus dem Destillat durch >Potasche abgeschieden und getrocknet (93).
VergL (83).
Farblose, feste, krystallinische Masse, beim langsamen Erstarren oft grosse,
rhombische Prismen oder Tafeln bildend. Schmp. 25—25,5° (97), 29° (93).
Der geschmolzene Alkohol ist eine dickliche, eigenthümlich riechende Flüssigkeit,
mit Wasser, Alkohol und Aether in allen Verhältnissen mischbar. Spec. Gew.
0-7788 bei 30°. Ausdehnungscoefficient zwischen 30 und 50° = 0'0136 (97),
vergl. (17, 98). Siedep. 82*94° (corrig.) (17).
Geringe Spuren Wasser erniedrigen den Schmelzpunkt sehr merklich. An
der Luft zieht der Alkohol rasch Feuchtigkeit an und zerfliesst. Er bildet mit
Wasser unter erheblicher Concentration ein bestimmtes Hydrat, 2C4HioO-hH30,
welches bei 80° siedet, noch bei 0° flüssig bleibt, aber in Rältemischung zu
einer aus feinen, seideglänzenden Nadeln bestehenden Masse erstarrt. Spec.
Gew. des Hydrats = 0'8276 bei 0°; Ausdehnungscoefficient zwischen 0 und 30°
= 0-00108 (97).
Völlig entwässertes Chlorcalcium löst sich in erwärmtem Trimethylcarbinol
auf. Die Lösung erstarrt zu einer festen Masse, welche bei Anwendung von
1 Mol. Chlorcalcium auf 2 Mol. des Alkohols diesen erst bei 150—200°, schliess-
lich unter theilweiser Aetherbildung, wieder abgiebt (17).
Bei der Oxydation mit Chromsäure liefert das Trimethylcarbinol fi '
Kohlensäure, Essigsäure und etwas Isobuttersäure (99).
4o8 Handwörterbuch der Chemie.
Bei vorsichtigem Eintröpfeln concentrirter Salpetersäure in den Alkohol ent-
steht neben Essigsäure und anderen Produkten Nitroisobutylen (loo). Durch
Einwirkung von Chlor wurden Pentachlorbutylen (loi) und gechlorte Butane (102)
erhalten. —
Das Trimethylcarbinol spaltet sich leicht in Wasser und Isobutylen. Mit
concentrirter Schwefelsäure entstehen verschiedene Polymere des letzteren.
Schwefelsäure, die mit ihrem gleichen Volumen Wasser verdünnt ist, erzeugt bei
100° wesentlich Diisobutylen (103). Mit dem doppelten Volumen Wasser ver-
dünnte Schwefelsäure löst den Alkohol ohne Trübung, und beim Erhitzen der
Lösung entsteht Isobutylen neben Polymeren.
Zusammengesetzte Aether (Ester) der Butylalkohole.
Salpetersäure-Isobutylester, NO^^C^Hg. Durch Zusatz von unzureichendem Iso-
butyljodid zu einem trocknen Gemisch von salpetersaurem Silber und Harnstoff (16), sowie durch
Eintragen von Isobutylalkohol in ein stark abgekühltes Gemisch von 2 Vol. Schwefelsäure ond
1 Vol. Salpetersäure (104) dargestellt Siedep. 123"*. Spec. Gew. 10384 bei 0^ 1,020 bei
16* (104).
Salpetrigsäure-Isobutylester, NOj-C^Hj. Durch langsames Einleiten von salpetriger
Säure in den Alkohol gewonnen. Gelbe, leicht bewegliche Flüssigkeit, bei ungefähr 67* siedend.
Spec Gew. 0894 bei 0*, 0877 bei 16* (104).
Der Salpetrigsäureester des Trimethylcarbinols, NO^'C^H^, entsteht neben etwas
tertiärem Nitrobutan bei Einwirkung von salpetrigsaurem Silber auf tertiäres Butyljodid. In
Wasser wenig lösliche, bei 76—78* siedende Flüssigkeit (105).
Normalbutylschwefelsäure, SO^H-C^Hg. —
Das Bariumsalz krystallisirt in Blättchen mit 1H,0 (106).
Isobutylschwefelsäure, SO^H-C^H, (16). —
Das Barium salz, (2HjO), bildet leicht lösliche, grosse, rhombische Blätter. Spec
Gew. 1*778 (107). Das Calci um salz krystallisirt wasserfrei in leicht löslichen, mikroskopischen,
sechseckigen Blättchen, das Kaliumsalz aus heissem Alkohol in breiten, perlmutterglänzenden,
ebenfalls wasserfreien Blättern.
Isobutylschwefelsäurechlorid, C4HgO-S03Cl, entsteht aus dem Isobutylalkohol
durch Sulfurylchlorid. Farblose, stechend riechende Flüssigkeit, die schon bei gewöhnlicher
Temperatur verharzt (108).
Schwefel säure-Isobutyl est er, S 0^(04119)2, entsteht in der Kälte aus Isobutyljodid
und schwefelsaurem Silber, wird aber sofort grossen theils zersetzt (16). Die gemischten
Ester S04(CH,)(C4Hg) und S04(C,H5)(C4H,) wurden durch Einwirkung des Isobutyl-
schwefelsäurechlorids auf Methyl- resp. Aethylalkohol gewonnen (Behrend).
Isobutylphosphorigsäurechlorid, C^Hg-POCl,, wurde als Produkt der Einwirkung
von Phosphortrichlorid auf Isobutylalkohol erhalten. Wasserhelle Flüssigkeit Siedep. 154 — 156^
Spec. Gew. M91 bei 0*. Zerfällt mit Wasser in phosphorige Säure und den Alkohol (109).
Borsäure-Isobutylester, BO,(C4H9),, durch Erhitzen des Isobutylalkohols mit Borsäure-
anhydrid auf 160—170* dargestellt, ist eine leicht bewegliche, bei 212* siedende Flüssigkeit (i 10).
Kieselsäure-Isobutylester, Si04(C4H9)4. Durch Siliciumchlorid aus dem Alkohol
gewonnen. Leicht bewegliche Flüssigkeit von schwachem, an Butylalkohol erinnernden GerucL
Siedep. 256—260*. Spec. Gew. 0*953 bei 15* (in).
Kohlensäure-Normalbutylester, 00,(04113),. Aus dem normalen Butyljodid durch
kohlensaures Silber gewonnen. Siedep. 207* bei 740 Millim. Spec. Gew. 0'9407 bei 0*,
0-9111 bei 40* (106).
Kohlensäure-Isobutylester, 00,(04119),. Durch Erhitzen von Isobutyljodid mit
kohlensaurem Silber (16), durch Einwirkung von Ohlorcyan auf feuchten Isobutylalkohol (112),
am besten aus Ohlorkohlensäure-Isobutylester und Isobutylalkohol (113) zu gewiimen. Angenehm
C&£nde Flüssigkeit. Siedep. 190*8* (corrig.). Spec. Gew. 0*919 bei 15*. Brechungsexponent
wenn-ei_22* (113).
destillirt
Butylverbmdungen. 409
Chlorkohlensäure-Isobutylester, Q-CO^OC^Hg, durch Einwirkung von Phosgen
anf den Alkohol erhalten, siedet bei 128-8*^ (corrig.). Spcc. Gew. 1-053 bei 15° (113)-
Kohlcnsäure-Methyl-Isobutylester. C03(CH,)(C4H9). Siedep. 143-6° (corrig.).
Spec. Gew. 0951 bei 27° (113).
Kohlensäure-Aethyl-Isobutylester, CO,(C3H5)(C4H9). Siedep. 160-1** (corrig.).
Spec. Gew. 0-931 bei 27° (113).
Orthokohlensäure-Isobutylester, 004(04119)4. Aus Natriumisobutylat und Chlor-
pikrin erhalten. Siedep. 244*9*^ (corrig). Spec. Gew. 0*900 bei 8° (113).
Carbaminsäure-Isobutylester (Isobutylurethan), C4H9*C02*NU3. Durch Einwirkung
Ton Chlorcyan auf Isobutylalkohol (112), sowie von Ammoniak auf Chlorkohlensäure-Isobutyl-
ester (114) und auf Isobutylthiokohlensäure-Aethylester (115) dargesteüL Perlmuttergläniende
Blättchen, löslich in Alkohol und Aether, unlöslich in Wasser. Schmp. 55^. Siedep. 206 bis
2070 (114).
Aethylthiokohlensäure-Isobutylester, C3H50-CO-SC4H,. Aus Chlorkohlcnsäurc-
Aethylester und Natriumisobutylmercaptid. Farblose, stark lichtbrechende Fltissigkeit. Spec
Gew. 0-9938 bei 10<^. Siedep. 190—1930. Giebt mit alkoholischem Ammoniak Aethylurethan
und Isobutylmercaptan, mit alkoholischer Lösung von Aetzkali oder Kaliumsulfhydrat Isobutyl-
mercaptan, Kohlensäure und Alkohol (115).
Isobutylthiokohlensäure-Aethylester, C4H90-CO.SC3H5. Aus Chlorkohlensäure-
Isobutylester und Natriumäthylmcrcaptid. Der vorigen, isomeren Verbindung äusserst ähnlich.
Spec Gew. 0*9939 bei 10®. Siedep. 190—195®. Giebt mit alkoholischem Ammoniak Aethyl-
mercaptan und Isobutylurethan, mit alkoholischer Kalilauge Aethylmercaptan, Kohlensäure und
Isobutylalkohol (115).
Isobiitylxanthogensäure, C^H^O-CS-SH (114). Das Kaliumsalz entsteht
auf Zusatz von SchwefelkohlenstoiT zu einer Lösung von Kaliumhydroxyd in Isobutylalkohol.
Gelblich weisse Nadeln. Natriumsalz. Aehnliche Nadeln, in Wasser, Alkohol und Aether-
weingeist äusserst leicht löslich. Der Aethylester, C4H90'CS.SC2H5, wurde aus dem
Kaliumsalz durch Aethyljodid gewonnen. Gelbe Flüssigkeit von unangenehmem Geruch und
anisartigem Geschmack. Siedep. 227—228°. Spec Gew. 1*003 bei 17°. Der Isobutylester,
C4H,O.CS.SC4H5, siedet bei 247—250°. Spec Gew. 1-009 bei 12°.
Isobutyldioxysulfocarbonat, (C4H90.CS3)2t bildet sich beim Einleiten von Chlor
in eine wässrige Lösung von isobutylxanthogensaurem Kalium. Schweres, gelbes Oel, bei — 10°
nicht fest, nicht destillirbar.
Thiocarbaminsäure-Isobutylester (Isobutylmonösulfurethan), C4H9O «CS^NH,, ent-
steht neben isobutylxanthogensaurem Ammoniak und Schwefel beim Behandeln der vorigen Ver-
bindang mit alkoholischem Ammoniak. Krystallisirt aus Weingeist oder Aether in grossen, ^Ib-
üch weissen, rhombischen Tafeln, die bei 36° schmelzen und bei der Destillation grösstentheils
in Cyansäiire und Isobutylmercaptan zerfallen (116).
Die isomere Verbindung C4H9S«CO'NH3 scheint neben der vorigen bei Einwirkung
von Salzsäure auf ein Gemenge von Isobutylalkohol mit Rhodankalium zu entstehen (li6).
Perthiokohlensäure-Isobutylester, CS,(C^Hg)j. Durch Erhitzen von trisulfokohlcn-
saurem Kalium mit Isobutyljodid gewonnen. Orangerothes Oel, nur schwach riechend. Siedep.
285 — 289^. Giebt mit alkoholischem Ammoniak Rhodanammonium und Isobutylmercaptan (ll$).
Isobutylpcrthiokohlensäure, C4HgS'CS.SH. Das Natriumsalz entsteht aus Natrium-
isobutylmercaptid und Schwefelkohlenstoff. Gelbe, sehr leicht lösliche Nadeln (115).
Butyläther, (C4H9)20.
Normaler Butyläther, (CH3-CH3.CHa-CH2)20. Durch Erhitzen von
normalem Butyljodid mit Natriumbutylat am Rückflusskühler dargestellt. Siede-
punkt 140-5° bei 741-5 Millim. Spec. Gew. 0784 bei 0°, 0-7685 bei 20°, 0-7555
bei 40** (106).
Isobutyläthcr, [(CH3)a«CH'CH2],0. In noch etwas unreinem Zustande
aus Isobutyljodid und Silberoxyd als eine bei 100—104° siedende, in Wasser un-
lösliche Flüssigkeit gewonnen (16).
41 o Handwörterbuch der Oiemie.
(CH \
P t| ^CHJ O. Entsteht durch Einwirkung
von Zinkäthyl auf das Aethylidenoxychlorid CH3.CHCl-0CHCl-CHs. Siede-
punkt 120— 121 ^ Spec. Qew. 0-756 bei 21° (117).
Gemischte Butyläther.
Aethylbutyläther (normal), C5H5-0-C4H9. Durch Einwirkung von
Natriumäthylat auf normales Butylbromid oder -Jodid erhalten. Siedep. 91*7*
bei 742-7 Millim. Spec. Gew. 07694 bei 0**, 07522 bei 20°, 07367 bei 40° (14).
Aethylisobutyläther, CjH5-0-C4H9. Aus Aethyljodid und Kaliumiso-
butylat gewonnen. Siedep. 78—80°. Spec. Gew. 0*7507 (16).
Butylmercaptane, Butylsulfide u. s. w. siehe unter »Mercaptanct.
Nitrobutane.
Normales Nitrobutan, CHj-CHj-CH^-CHg-NO,, entsteht neben dem
Salpetrigsäure -Ester beim langsamen Eintragen von salpetrigsaurem Silber in
normales Butyljodid. Angenehm riechende, farblose Flüssigkeit, auf Wasser
schwimmend, löslich in Kalilauge und durch Säuren wieder daraus abscheidbar.
Siedep. 151 — 152°. Der Dampf ist nicht explosiv (118).
Monobromnitrobutan, CHj-CHj-CHj-CHBr-NO,. Dargestellt durch Einwirkmig
von Brom auf Nitrobutankalium. Schweres, schwach gelbliches Oel, bei 180 — 181® fast ohne
Zersetzung siedend, mit Wasserdämpfen flüchtig. Es besitzt die Eigenschaften einer Säure.
Dibromnitrobutan, CHj'CHj-CHj'CBrj'NO,, entsteht bei Einwirkung von Brom
auf Nitrobutan in Gegenwart von Kalilauge. Schweres, gelbliches, stechend riechendes Od, mit
Wasserdämpfen flüchtig, für sich bei 203 — 204® unter geringer Zersetzung siedend. Unlöslich
in Kalilauge.
Normales Dinitrobutan, CH3.CHj.CH2CH(N02)2. Durch Einwirkung
von salpetriger Säure auf Monobromnitrobutan erhalten (118):
CsH^. CBr(N02)H -h NOgH = CsH^-CBrCNO^KNO) -I- H^O. —
C3H7.<:Br(NO,)(NO) -+- HgO = C3H7.CH(N03)2 -h HBr.
Gelbliches Oel von eigenthümlich stissliehem Geruch. Bei etwa 190° beginnt
es unter Zersetzung zu sieden. Es bildet mit Basen Salze, die nicht explosiv sind.
Kaliumsalz, C^lij(SO^)^K, Glänzende, goldgelbe Blättchen oder rechtwinklige Tafein,
in Wasser und Alkohol mit rein gelber Farbe löslich*
Silbersalz, C^H,(N02),Ag. Aus dem Kaliumsalz durch salpetersaures Silber flUIbar.
Es krystallisirt aus heissem Wasser in grossen, tiefgelben, im reflectirten Licht blauvioletten
Blättern.
Bromdinitrobutan, CHj'CHj •CHj«CBr(NO,),. In reinem Zustande als schwach
gelbliches Oel durch Bromwasser ans Dinitrobutankalium erhalten.
Normalbutylnitrolsäure, CH3-CH2-CH2.C(NOj)(NOH). Entsteht bei
der Behandlung des Nitrobutans mit salpetriger Säure als gelbliches, in Alkalien
mit intensiv rother Farbe lösliches Oel (118).
Nitroisobutan, (CH3)2CH-CH2-NOa, bildet sich neben dem Salpetrig-
säureester bei vorsichtigem Hinzufügen von Isobutyljodid zu salpetrigsaurem Silber.
Schwach gelbliches Oel von eigenthümlich pfefferminzartigem Geruch, auf Wasser
schwimmend, löslich in Kalilauge. Es giebt keinen Niederschlag mit alkoholischer
Natronlauge.
Monobromnitroisobutan, (CH,),»CH-CHBr.N03. Schweres Oel, leichtlöslich in
Natronlauge. Siedep. 173—175® (120).
Dibromnitroisobutan, (CH,)j.CH.CBr,.NOj. Schweres, bei 180— 185° siedendes
Oel von stechendem Geruch, unlöslich in Natronlauge (119).
Dinitroisobutan, (CH3)a.CH.CH(N03)j. Durch Einwirkung von sal-
Butyl Verbindungen. 411
pctriger Säure auf Monobromnitroisobutan erhalten. Gelbliches, nicht unzersetzt
destillirbares Oel. Es bildet mit Basen Salze, welche nicht explosiv sind (120).
KaliumsaU, C4H^(N0,)jK. Kleine, gelbe Nadeln, in Wasser sehr leicht löslich.
Das Silbersalz, C4Hj(N0j,)jAg -f- iH,0, krystallisirt aus heissem Wasser in gelben,
sehr lichtempfindlichen Nadeln.
Bromdinitroisobutan, (CH,),«CH«CBr(NOj),. Durch Einwirkung von Bromwasser
auf Dinitroisobutankalium erhalten. Farblose, kampherähnliche Masse. Schmp. 38°. Alkalien
zersetzen die Verbindung sehr leicht unter Rückbildung von Dinitroisobutan (120).
Isobutylnitrolsäure, (CH8),.CH.C(N05)(NOH). Aus Nitroisobutan durch
salpetrige Säure entstehend. Syrupdicke Flüssigkeit, in Alkalien mit rother Farbe
löslich, mit Silbersalzen einen orangefarbenen, leicht zersetzlichen Niederschlag
gebend. Mit concentrirter Schwefelsäure zerfällt sie in Isobuttersäure und Stick-
oxydul (119}.
Secundäres Nitrobutan, CH3.CHj.CH(NO,)-CH3, entsteht neben
normalem Butylen und dem Salpetrigsäureester aus secundärem Butyljodid und
salpetrigsaurem Silber. Bei etwa 140° siedende Flüssigkeit von pfefferminz-
ähnlichem Geruch.
Pseudobutylnitrol, CH8-CH,.C(NOj)(NO).CH8. Produkt der Ein-
wirkung von salpetriger Säure auf secundäres Nitrobutan. Weisse, krystallinische
Masse von stechendem Geruch, aus Chloroform gut krystallisirbar, in kaltem
Aether schwer löslich, unlöslich in Wasser und Alkalien. Schmp. 58°. Die ge-
schmolzene Verbindung sowie ihre Lösungen sind tief blau gefärbt (121).
Secundäres Dinitrobutan, CH3-CH3-C(NOj),-CHj, entsteht aus dem
Pseudonitrol, wenn dieses mit Chromsäure oxydirt oder für sich im Wasserbade
erhitzt wird. Angenehm riechendes, leicht bewegliches, in Wasser untersinkendes,
indiflerentes Oel. Siedep. 199° (corrig.). Durch Zinn und Salzsäure werden
Hydroxylamin und Methyläthylketon erzeugt (122).
Tertiäres Nitrobutan, (CH8)3-C(N02), bildet sich in sehr zurücktretender
Menge neben dem Salpetrigsäureester aus tertiärem Butyljodid und siilpetrigsaurem
Silber. Zwischen 110 und 130° siedende Flüssigkeit, unlöslich in Alkalien, mit
salpetriger Säure weder eine Nitrolsäure, noch ein Nitrol gebend; vcrgl. (124).
Butylamine.
Normales Butylamin, CHj-CHj-CHjCHgNHj. Dargestellt durch Er-
hitzen des Isocyansäurebutylesters mit Alkalien (125, 88), durch Behandeln des
Butyronitrils mit Zink und Schwefelsäure (126) und durch Reduction des Nitro-
butans mittelst Zinn und Salzsäure (118). Leicht bewegliche Flüssigkeit von
stark ammoniakalischem Geruch, sehr hygroskopisch, an der Luflt rauchend, mit
Wasser in allen Verhältnissen mischbar. Spec. Gew. 0-7553 bei 0°, 0-7333 bei
26°. Siedep. 755° bei 740 Millim. (125).
Das Butylamin reducirt alkalische Kupfer-, Silber- und Quecksilberlösungen
(118). Mit salpetriger Säure giebt es ausser dem normalen Alkohol normales
Butylen und secundären Butylalkohol (88).
Das Salzsäure Salz trocknet Über Schwefelsäure zu einer fettglänzenden, blättrigen, an
feuchter Luft wieder zeriliessenden Masse ein. Auch in Alkohol ist es leicht löslich. Es schmilzt
bei 195** und ist in höherer Temperatur unter theilweiser Zersetzung destiUirbar (126).
Platindoppelsalz, 2(C4Hg*NH,-HCl)PtQ4. In kaltem Wasser schwer lösliche, orange-
gelbe, rhombische Blätter (125, 126).
Normales Dibutylamin, (C4H9)3NH. Zugleich mit dem Tributylamin
als Nebenprodukt bei der Bereitung des Monamins aus rohem Isocyansäurebutyl
f'
412 Handwörterbuch der Chemie.
;;^ ester, sowie bei der Darstellung der normalen Baldriansäure aus rohem Butyl-
», Cyanid erhalten (125, 106). Siedep. 158—160°.
-> \ Das Platindoppelsalz bildet schwer lösliche, lange, gelbe Nadeln.
^v\ Nitrosodibutylamin, (C^Hg)jN'NO, Als Nebenprodukt bei der Behandlung unreinen
N Butylamins mit salpetriger Säure erhalten. Gelbliches Oel. Siedep. 234—237° (corr.) (88).
Normales Tributylamin, (04119)3^ Neben der Ammoniumbase aus
Mono- und Dibutylamin durch Erhitzen mit Butyljodid erhalten. Es wird aus
l \ seinen Salzen durch Alkalien oder Ammoniak als ölige Flüssigkeit ausgeschieden.
:-^'^\ Spec Gew. 0-791 bei 0°, 07782 bei 20°, 0*7677 bei 40° gegen Wasser von
gleicher Temperatur. Siedep. 211—215° (corrig.) bei 740 Millim. (106).
Tetrabutylammoniumjodid, (C4Hg)^NJ. Weisse, nicht hygroskopische, auch in
Alkohol lösliche Blättchen (106).
• Isobutylamin, (CH8)2CHCHjj-NH5. Dargestellt durch Erhitzen von
Isobutylbromid mit alkoholischem Ammoniak auf 150° und vom Di- und Triamin
nach der HoFMANN'schen Oxaläthermethode getrennt (127). Auch aus dem Iso-
r cyansäureisobutylester durch Kochen mit alkoholischer Kalilauge gewonnen (16, 17),
^ ; vergl. (145). Es entsteht in geringer Menge bei der Digestion von isobutyl-
schwefelsauren Salzen mit Ammoniak (127). — Mit Wasser mischbare Flüssigkeit
von ammoniakalischem Geruch. Spec. Gew. 0*7357 bei 15° (17). Siedep. 65-5° (128).
Das salzsaure Salz ist zerfliesslich, bei 15° in 0*73 Thln. Wasser, leicht auch in Wein-
geist löslich. Es schmilzt bei 160°.
Das Platindoppel salz bildet schwer lösliche, goldgelbe Schuppen (17).
Das Butylamin, welches neben Amylamin beim Kochen von Wolle mit con-
p centrirter Kalilauge entsteht (130), sowie die von Anderson als Petinin be-
zeichnete Base C4H1 iN, welche sich unter den Destillationsprodukten der Knochen
befindet (131), sind wahrscheinlich mit dem Isobutylamin identisch.
Diisobutylamin, (C4H9)5NH. Durch Erhitzen von Isobutylbromid mit
alkoholischem Ammoniak auf 150° dargestellt und durch Ueberftihrung in die
Nitrosoverbindung gereinigt. Es wird aus seinen concentrirten Salzlösungen durch
Kalilauge als leichtes Oel abgeschieden, welches bei 135 — 137° (uncorr.) siedet (129).
\ Das Platindoppelsalz ist in Wasser, Alkohol und Aether leicht löslich.
Das Golddoppelsalz löst sich schwer in kaltem Wasser und krystallisirt aus heissem in
gelben, rechtwinkligen Tafeln.
Nitro so diisobutylamin, (C^Hg)jN«NO, entsteht bei der Behandlung des Düsobutyl-
amins mit salpetriger Säure in der Hitze. Oelige Flüssigkeit von unangenehmem Geruch, in
einer Kältemischung erstarrend, bei 213 — 216** unter geringer Stickstoffoxydentwicklung siedend.
Beim Behandeln mit Salzsäuregas bei schliesslich 110° entsteht wieder Diisobutylamin (129).
Triisobutylamin, (C4H9)3N (127, 130, 129). Wasserhelle, leicht bewegliche
Flüssigkeit von stark ammoniakalischem, an Häringslake erinnerndem Geruch.
Mit Wasser nicht mischbar. Spec. Gew. 0785 bei 21°. Siedep. 184— 186° (130)-
Beim Erhitzen der Base mit Isobutylbromid entsteht keine Ammoniumbase, sondern
bromwasserstoffsaures Triisobutylamin und Butylen (127); durch Erhitzen mit
Isobutyljodid auf 120—130° scheint indess Tetraisobutylammoniumjodid zu ent-
stehen (130).
Das salzsaure, salpetersaure, schwefelsaure und phosphorsaure Salz sind äusserst
leicht löslich und zerfliesslich. Das Platindoppelsalz krystallisirt aus heissem Wasser in
schönen, orangerothcn Blättern. Das Golddoppelsalz ist ein in Wasser fast unlöslicher, hell-
gelber Niederschlag (130).
Secundäres Butylamin, CH3.CH2.CH(NHa).CH3. Durch Einwirkung
von Ammoniak auf secundäres Butyljodid dargestellt (133), zur völligen Reinigung
Butylverbindungen . 413
in das Senföl (künstliches Cochleariaöl) übergefilhrt und durch concentrirte
Schwefelsäure daraus regenerirt (134). Siedep. 63°. Durch weitere Einwirkung
von secundärem Butyljodid entsteht Dibutylamin, aber nur schwierig das Triamin
und anscheinend gar nicht die Ammoniumbase (134).
Das Platindoppelsalz bildet goldgelbe Nadeln, in Wasser und Alkohol leicht löslich.
Tertiäres Butjrlamin, (CH3)3-CNH2 (Trimethylcarbinamin), bildet sich,
wenn der Isocyansäureester des Trimethylcarbinols mit Kaliumhydroxyd oder
Salzsäure zersetzt wird. Jener Ester wird erhalten, wenn man Isobutyljodid ohne
besondere Vorsichtsmaassregeln mit Silbercyanat behandelt, während bei ge-
mässigter Einwirkung (bei Abkühlung oder Verdünnung mit Sand) wesentlich der
Isocyansäure-Isobutylester resultirt (17, 135), vergl. (133). Builerow erhielt das
tertiäre Butylamin als Nebenprodukt bei der Bereitung der Trimethylessigsäure
aus tertiärem Butyljodid und Quecksilbercyanid (136). Leicht bewegliche, stark
ammoniakalisch riechende Flüssigkeit, die mit wenig Wasser unter Erhitzung
eine dickliche Flüssigkeit bildet. Durch Aetzkali oder kohlensaures Kalium wird
es aus seiner wässrigen Lösung ölig abgeschieden und kann durch Bariumoxyd
entwässert werden. Spec. Gew. 0*7137 bei 0^. Ausdehnungscoeßicient zwischen
0° und 15° = 0-002. Siedep. 44'5° bei 745-7 Millim. (136).
Salzsaures Salz. In Wasser und Alkohol äusserst leicht löslich, aus letzterem in
glänzenden Blättchen krystallisirend. Schmp. 273° (i35)-
Das Platindoppelsalz wird aus weingeistiger Lösung in grossen, monoklinen Prismen
erhalten.
Salpetersaures Salz. Grosse, durchsichtige, in Wasser und Alkohol sehr leicht lösliche
Kiystalle.
Das schwefelsaure Salz erhält man beim freiwilligen Verdunsten seiner Lösung in
grossen Blättern. Beim Eindampfen in der Wärme entweicht ein Theil der Base (136).
Tertiäres Dibutylamin, (CH8)j-C-NH-C(CH3)j. Das Jodid entsteht
aus der vorigen Base und tertiärem Butyljodid bei höchstens 50°. Bei dem Ver-
such, daraus durch Kalilauge die Base frei zu machen, sowie schon beim Kochen
des Jodids mit Wasser zerfällt die Base in tertiäres Butylamin und Isobutylen (136).
Isobutylphosphine (137).
Isobutylphosphin, (CH3)2-CH*CH,*PH,. Neben dem Diphosphin durch Digeriren
von Isobutyljodid mit Jodphosphonium und Zinkoxyd erhalten. Farblose, bei 62^ siedende
Flüssigkeit.
Diisobutylphosphin, (C^H,),*?^ Wasserhelle Flüssigkeit, die sich an der Luft
äusserst leicht oxydirt, unter Umständen von selbst entzündet Siedep. 153^
Triisobutylphosphin, (C^Hg)jP. Durch Erhitsen der vorigen Verbindung mit Isobutyl-
jodid aaf 100^ erhalten. Siedep. 215^. Bildet mit überschüssigem Isobutyljodid bei langem
Erhitzen auf 120^ das Jodid der Phosphoniumbase.
Isopropylisobutylphosphin, (C,H7)(C4H9)PH. Siedep. 139— 140^
Aethylisopropylisobutylphosphin, (CjH5){C,Hy)(C4H9)P. Siedep. ungefähr 190°.
Methyltriisobutylphosphoniumjodid, (CH,)(C4Hg),PJ. Schöne, auch in Alkohol
lösliche KrystaUe.
Met hyläthylisopropylisobutylphosphoni umJodid, (CHjXCjHjXCjHyXC^Hg)?/.
Gat kxystallisirbar (137)*
Isobutylphosphinsäure, C^Hg'PO^H,. Aus salzsaurem Isobutylphosphin durch Oxy-
dation mit rauchender Salpetersäure erhalten. Paraffinartige, in Wasser und Alkohol lösliche
Masse, bei 100° schmelzend. Das Silber salz ist ein weisser, amorpher Niederschlag (138).
I>i isobutylphosphinsäure, (C4H9),-POjH. Produkt der Oxydation des Diisobutyl-
phosphins. In Wasser unlösliches Oel (138).
Triisobutylarsin. Eine Verbindung dieser Base mit Arsenjodid wurde durch Einwirkung
von gepulvertem Arsen auf Isobutyljodid bei 180^ erhalten. Rothe KrystaUe {139).
414 Handwörterbuch der Chemif.
Metallisobutylverbindungen.
Quecksilberisobutyl, Hg(C^Hg)2, entsteht aus Isobutyljodid und Natriumamalgun bö
Gegenwart von Essigäther (i04i I39)< Farblose, stark lichtbrechende Fltlssigkeit von nur
schwachem Geruch. Spec. Gew. 1'835 bei 15®. Siedep. 205—207® (^9)«
Zinkisobutyl, Zn(C4H9),. Durch Erhitzen der vorigen Verbindung mit Zink auf
120—130® gewonnen. Bei 1.88® siedende, an der Luft sich lebhaft oxydirende Flüssigkeit (139).
Zinndiisobutyljodid, Sn(C4H,)2J2 (140), entsteht bei anhaltendem Erhitzen von Iso-
butyljodid mit Zinnfolie auf 120—125®. Es siedet unter theilweiser Zersetzung bei 290—295^.
Ammoniak oder Kalilauge fUllen aus der wässrigen Lösung das
Zinndiisobutyloxyd, Sn(C4H,),0, in weissen Flocken. Mit verschiedenen organischen
und unorganischen Säuren liefert dasselbe krystallisirbare Salze.
Das Chlorid, Sn(C4H,),a,, siedet bei 260—262® und erstarrt bei -h5® lu cioer
asbestähnlichen KrystaUmasse.
Das Bromid ist bei gewöhnlicher Temperatur ebenfalls flüssig.
Zinntriisobutyljodid, Sn(C4Hg),J (139, 140), bildet sich, wenn Isobutyljodid mit
einer Natrium-Zinnlegirung anhaltend erhitzt wird. Flüssigkeit von starkem, reizendem GenidL
Siedep. 284—285®.
Zinntriisobutylhydroxyd, Sn(C4H,)|*0H, entsteht aus der vorigen Verbindung diodi
Kochen mit Kalilauge. Farblose, schwere, stark alkalische Flüssigkeit. Siedep. 311—314^.
Aluminiumisobutyl, Al2(C4H9)g (i39)* Durch Erhitzen von Quecksilberisobutjl mit
Aluminium auf 125—130® erhalten. Farblose, an der Luft weisse Dämpfe ausstossende Flfissi^
keit, mit stark leuchtender Flamme brennbar. Wasser zersetzt die Verbindung stürmisch unter
Bildung von Isobutan. OsCAR JaCOBSEN.
c
Cadmium.*) Geschichtliches. Als Stromeyer in Göttingen im Jahre 1817
bei Gelegenheit einer Apothekenrevision bemerkte, dass ein aus der Fabrik von
Salzgitter bezogenes Zinkcarbonat nach dem Glühen eine gelblich bräunliche
Farbe behielt, obgleich es eisenfrei war, fand er alsbald, dass die Ursache davon
•) i) Stromeyer, Schweigger's Joum. 21. pag. 297; 22, pag. 362. 2) Hermann, Gdjb.
A^- 59i pag- 95- 3) LÖWE, Pogg. Ann. 38, pag. i6i. 4) Muspratt's Chemie, 4. Aufl. pag, 4.
5) Schröder, Pogg. Ann. 106, pag. 226; 107, pag. 113. 6) Wood, Watt's Dictionary.
7) DiTTE, Compt rend. 73, pag. 945. 8) Carnelley u. Carleton Williams. Chem. soc. J, 33,
pag. 287. 9) Ste. Claire-Deville u. Troost, Ann. 113, pag. 46; Compt. rend. 52, pag, 920.
10) Lbnssen, J. prakt. Ch. 79, pag. 281. ii) Huntington, Zeitschr. anal. Ch. 21, pag. 319.
12) Kämmerer, Ber. 7, pag. 1724. 13) Lorenz, Wiedem. Ann. 13, pag. 422 u. 582; Landolt
u. Börnstein, Physik. Chem. Tab., pag. 231. 14) Matthiessen, Pogg. Ann. 130, pag. 50,
15) Bunsen, Pogg. Ann. 141, pag. i. 16) Persoz, Pogg. Ann. 76, pag. 426. 17) Gaugain,
Compt. rend. 42, pag. 430. 18) Crookewitt, J. prakt Ch. 45, pag. 87. 19) Kopp, Ann. 40,
pag. 186. 20) Matthiessen, Pogg. Ann. 11 o, pag. 21. 21) Wood, Dingl. polyt Joum. 158,
pag. 271, 376; 164, pag. 108. 22) Evans, Dingl. pol. J. 115, pag. 397, 466. 23) Lipowttz
Dingl. pol. Joum. 158, pag. 376. 24) v. Hauer, Dingl. pol. J. 177, pag. 154; J. pr. Ch. 63,
pag. 432; 64, pag. 477; 66, pag. 176; 69, pag. 121; 72, pag. 338. 25) SiDOT, Compt rend. 69,
pag. 201. 26) Schüler, Ann. 87, pag. 34. 27) Croft, Ann. 44, pag. 263. 28) Rammelsberg,
Pogg. Ann. 55, pag. 241. 29) Berzeuus, Pogg. Ann. i, pag. 26. 30) Sidot, Compt rend. 62,
P^- 999« 31) Hautefeuille, Compt rend. 93, pag. 826. 32) Little, Ann. 112, pag. 211.
33) Uelsmann, Ann. 116, pag. 122. 34) Margottet, Compt rend. 85, pag. 1142. 35) Emmbr-
ling, Ber. 1879, pag. 154. 36) Oppenheim, Ber. 1872, pag. 979. 37) Regnault, Compt.
rend 76, pag. 283. 38) Ordway, Jahresber. 1859, pag. 115. 39) Wächter, J. prakt Ch. 30,
pag. 321. 40) RAMMEI.SBERG, PoGG. Ann. 55, pag. 74. 41) Kammelsberg, Pogg. Ann. 44,
pag. 566. 42) Lang, Jahresber. 1862, pag. 99. 43) Hampe, Ann. 125, pag. 334. 44) v. Hauer,
J. prakt Ch. 72, pag. 372. 45) H. Rose, Pogg. Ann. 20, pag. 152. 46) Malagüti u. Sarzeau,
Ann. Chim. Phys. [3] 9, pag. 431. 47) Müller, Ann. 149, pag. 70. 48) Rammelsberg, Pogg.
Ann. 67, pag. 256 49) Fordos u. Gius, J. prakt Ch. 29, pag. 288. 50) Schwarzenberg,
Ann. 65, pag. 153. 51) Reynoso, Jahresber. 1852, pag. 319. 52) Persoz, Ann. Chim. Phys. 56,
pag. 334. 53) H. Rose, Ann. 84, pag. 212. 54) Grothe, J. prakt Ch. 92, pag. 175; Foii.enius,
Ztschr. anal. Ch. 13, pag. 289. 55) Follenius, Ztschr. anal. Ch. 13, pag. 286. 56) Beilstbin
o. Jawein, Ber. 1879, pag. 759. 57) Schiff, Ann. 115, pag. 73, 58) Follenius, Ztschr. anal.
Ch. 13, pag. 412. 59) Deville u, TRoost, Compt rend. 90, pag. 773 u. Becqubrbl, Ann.
chim. 68, pag. 73.
^Jtl^rP^ •■;- '^ ■■■:.■■ -.
ii>
416 Handwörterbuch der Chemie.
die Gegenwart eines neuen Metalloxyds sei (i). Etwas später wurde bei einer
gleichen Gelegenheit Zinkoxyd als arsenikhaltig angesehen, weil es mit Schwefel-
wasserstoff einen gelben Niederschlag gab. Hermann, aus dessen Fabrik in
Schönebeck dies Zinkoxyd bezogen war, wies nach, dass es frei von Arsenik war,
aber einen neuen Körper enthielt (2). Er schickte von diesem aus Schlesien
stammenden Zinkoxyd an Stromeyer, der das entdeckte Oxyd näher untersuchte
(i) und zu Metall reducirte, welchem er den Namen Cadmium (von cadmia for-
nacunii Ofenbruch oder xaSfiCa, Galmei) gab, während Gilbert den Namen
Junonium vorgeschlagen hatte.
Vorkommen, Schwefel-Cadmium, CdS, bildet das Mineral Greenockit,
zuerst bei Bishoptown in Schottland gefunden. In geringer Menge ist Cadmium
ein häufiger Begleiter der Zinkblende und des Galmeis. In der schwarzen,
strahligen Blende von Przibram fand Al. Löwe l'b—l'lb^ Cadmium (4).
Darstellung. Da der Siedepunkt des Cadmiums (etwa 800°) niedriger als
der des Zinks (etwa 940^ liegt, so entwickeln sich bei der Destillation des Zinks
zuerst Cadmiumdämpfe, die zusammen mit Zinkdämpfen an der Luft verbrennen.
Das Oxyd wird mit Kohle geglüht und das Cadmium durch Destillarion von
dem Oxyd möglichst getrennt. Reiner erhält man das Metall, indem man das
Roh-Cadmium in Salzsäure löst und durch Zink das Cadmium ausfallt. Oder
die saure Lösung wird mit Schwefelwasserstoff gefällt, das Schwefelcadmium wird
abfiltrirt und von neuem in Säuren gelöst. Aus dieser Lösung wird durch kohlen-
saures Ammoniak das Cadmium als Carbonat gefallt, das nach dem Auswaschen
und Trocknen durch Glühen mit Kohle reducirt wird.
Hüttenmännisch wird das Cadmium aus Zinkofenrauch und Zinkstaub g^
Wonnen^ In Oberschlesien wird der bräunlich gelbe Zinkrauch bei schwacher
Rothgluth mit Coksklein erhitzt. Die dazu gebrauchte Mufifel mündet in eine
Vorlage aus Eisenblech, in welcher sich Zinkdampf in Tröpfchen condensirt,
während zinkarmes Cadmiumoxyd im vorderen Theile des Vorstosses sich ab-
setzt und Gase durch einen durchlöcherten Holzpfiock entweichen können. Das
angereicherte Oxyd wird in kleinen Mengen mit Holzkohle gemischt und aus
einer kleinen Eisenretorte bei schwacher Rothgluth destillirt. Das übergegangene
Cadmium wird in Sandformen zu kleinen cylindrischen Stangen gegossen. Ein
etwas erheblicher Zinkgehalt macht das Cadmium spröde.
In ähnlicher Weise verfahrt man in Belgien, zu Engis, wo eine cadmium-
reiche Blende verhüttet wird, indem man den Flugstaub durch Erhitzen mit
Steinkohlenpulver erst anreichert und dann das angereicherte Oxyd reducirt
Da bei diesen Verfahren das Cadmium nie ganz zinkfrei wird, so hat Jaeckzx
die Gewinnung auf nassem Wege empfohlen (4). Das cadmiumhaldge Zink wird
granulirt und mit soviel Salzsäure Übergossen, dass ersteres im Ueberschuss bleibt
Es löst sich nur Zink, da etwa aufgelöstes Cadmium von dem überschüssigen
Zink wieder gefällt wird. Die Lösung wird mit Zinkstaub völlig gesättigt und
durch Kalkmilch wird daraus Zinkoxyd gefällt. Der cadmiumreiche Rückstand
wird wieder mit Salzsäure behandelt, so dass sich etwas Cadmium mit auflöst,
welches durch Zink gefällt wird. Der aus Cadmium und Blei bestehende Rück-
stand wird mit Kohle reducirt imd das Cadmium abdestillirt.
In Schlesien (Reg.-Bez. Oppeln) wurden im Jahre 1882 auf den Zinkhätten
3671 Kgrm. Cadmium im Werthe von 34537 Mark gewonnen.
Eigenschaften. Das Cadmium ist ein zinnweisses, glänzendes, geschmeidiges
Cadmium. 417
Metall, härter als Zinn, lässt sich mit dem Messer schneiden. Beim Biegen wird
ein Geräusch wie das sogen. Zinngeschrei hörbar.
Das Volumgewicht wurde von Stromeyer zu 8*604, das des gehämmerten
Metalls zu 8-6944 bestimmt (i); Schröder (5) fand 8-546 bezw. 8*667. Es
schmilzt bei 315° [Wood (6), Ditte (7)] und siedet bei etwa 800° (59) (Deville
und Troost) (1859), bei 763 — 772° (Carnelley und Carleton Williams (8).
Der Dampf ist dunkelgelb und hat das Volumgewicht 3-94 (Deville u. Troost)
(9), oder auf Wasserstoff bezogen 55*8. Das Molekulargewicht des Cadmiums
ist also 2x55-8 =111*6.
Das Atomgewicht wurde von Stromeyer (4) zu 111*2 bestimmt, von Dumas
zu 11203, von Lenssen (ig) (1860) zu 111-76, von Huntington (ii) (1881) zu
111-9. Die wahrscheinlichste Zahl ist 111*7. Das Atomgewicht stimmt also
überein mit dem Molekulargewicht, d. h, das Molekül Cadmium besteht aus
einem Atom. Cd ist in seinen Verbindungen zweiwerthig.
Das Cadmium krystallisirt in regulären Octaedem, Dodecaedem und anderen
Formen, die besonders deutiich auftreten, wenn das Metall im Wasserstoffstrom
sublimirt wird (Kämmerer) (12).
Die elektrische Leitungsfahigkeit des Cadmiums, bezogen auf Quecksilber
von 0°, beträgt bei 0° 13-46 (Lorenz) (13). Die Leitungsfähigkeit für Wärme,
bezogen auf die des Silbers, = 100, ist 20*06 (Lorenz) (13). Der lineare Aus-
dehnungscoefiicient zwischen 0 und 100° ist 0*00003159 (Matthiessen) (14).
Die specifische Wärme des Cadmiums zwischen 0 und 100° ist nach Bunsen
(15) 0 0548, die Atomwärme also = 6*1, die latente Schmelzwärme nach Person
(16) 13*66 Kg. cal. Bei Bildung des Cadmiumhydroxyds wird eine Wärme von
(Cd, O, H3O) = 65*680 cal. entwickelt.
Oxyde, Halogen-, Schwefel-, Phosphor- u. dergl. Verbindungen.
Cadmiumoxyd, CdO, braunes, amorphes Pulver, welches entsteht, wenn
das Metall an der Luft verbrannt wird, oder wenn das Hydroxyd oder Carbonat
oder Nitrat erhitzt wird. Im Sauerstoffstrom bei Weissgluth erhitzt sublimirt es
in dunkelrothen Krystallen (Sidot) (25), beim Glühen des Nitrats bildet es
dunkelblauschwarze, mikroskopische Octaeder (Schüler) (26). Vol.-Gew. 6*9502.
Es wird schon bei massiger Rothgluth durch Kohle reducirt. Beim Erhitzen auf
Kohle mittelst des Löthrohrs verbrennt das verdampfende Metall und bildet einen
braunen, wohl als Pfauenschweif bezeichneten Beschlag.
Cadmiumhydroxyd, Cd(OH)a, wird als weisser, amorpher Niederschlag
durch Fällen der Lösung eines Cadmiumsalzes mittelst Alkali erhalten. Bei 300°
verliert es Wasser und verwandelt sich in das Oxyd (H. Rose) (45).
Die Cadmiumsalze sind farblos oder weiss^ die wässrige Lösung derselben
reagirt sauer; sie sind giftig.
Cadmiumchlorid, CdClg. Beim Abdampfen der Lösung des Metalls,
Oxyds oder Carbonats in Salzsäure bilden sich Prismen von der Formel CdClj
4- 2H2O, welche leicht verwittern. Beim Erhitzen geht das Krystallwasser fort,
dann tritt Schmelzung ein, dann Sublimation in perlmutterglänzenden Blättchen
vom Vol.-Gew. 3*625. Das Chlorcadmium ist in Wasser leicht löslich; bei 20°
lösen 100 Thle. Wasser 140*8 CdClg.
Wasserfreies Chlorcadmium absorbirt unter Wärmeentwicklung Ammoniakgas
(Croft). Aus einer Lösung von Chlorcadmium in conc. Ammoniakflüssigkeit
Laoskbuvg, Cbemie. IL 27
4i8 Handwörterbuch der Chemie.
scheiden sich beim Verdunsten Kry stalle von CadmiumdiammonchlorüT aus,
die nach v. Hauer die Zusammensetzung CdCi^, 2NH3 oder Cd (NH3C1)2 haben
(24). Aus höchst concentrirter Ammoniakflüssigkeit krystallisirt Cadmium-
hexammonchlorür, Cd(NH3)gCl3, welche Verbindung auch entsteht, wenn
trocknes Chlorcadmium genügend lange einem Strom von trocknem Ammoniak-
gas ausgesetzt wird. An der Luft oder schneller beim Eindampfen der wässrigcn
Lösung verliert der Köiper vier Ammoniakmoleküle.
Das Chlorcadmium bildet mit den Chloriden anderer Metalle, namentlich der
Alkalien und Erdalkalien, Doppelverbindungen. CdCl2, 2KC1 -4- HgO kiystalli-
sirt aus einer concentrirten Lösung von Chlorcadmium und Chlorkalium in seide-
glänzenden Nadeln (v. Hauer). Die Mutterlauge giebt Granatoeder von der
Zusammensetzung CdClj, 4KC1. Aehnliche Doppelverbindungen bilden sich mit
Chlorcalcium bezw. Chlorammonium, die von Croft (27) und von v. Hauer (24)
untersucht worden sind. Letzterer hat auch Doppel Verbindungen mit den Chloriden
der alkalischen Erden, mit Manganchlorür, Eisenchlorür, Kobaltchlorür, Nickel-
chlorür und Kupferchlorür dargestellt.
Cadmiumbromid, CdBrg. Die Lösung desselben wird einfach durch Di-
gestion von Cadmium mit Brom und Wasser erhalten. Beim Verdampfen krystalli-
siren Nadeln mit 4 Mol. Wasser, das zur Hälfte bei 100°, völlig bei 260° entlassen
wird (Rammelsberg). Bromcadmium absorbirt Ammoniak wie das Chlorcadmium
und verhält sich diesem auch in Bezug auf die Bildung von Doppelverbindungen
ähnlich.
Cadmiumjodid, Cdjg. wird wie das Bromid erhalten. Aus der Ixisung
krystallisiren grosse, sechsseitige, luftbeständige Tafeln, die in Alkohol löslidi
sind und das Vol.-Gew. 4*576 besitzen. Bei 20° lösen 100 Thle. Wasser 92*6 Thlc-
Cdjg. Cadmiumjodid absorbirt wie das Chlorid 6 Mol. Ammoniak. Die Lösung
des Jodids in Ammoniakflüssigkeit liefert beim Verdunsten Krystalle von Cd}«,
2NH3. Es wird durch das Licht leicht gelb. Man verwendet dasselbe in der
Photographie. Da von allen Jodirungssalzen die Cadmiumsalze am beständigsten
sind, so würde man sie ausschliesslich anwenden, wenn ihre saure Reaction die
Empfindlichkeit des Präparats nicht etwas schwächte. Jodcadmium bildet ähnliche
Düppelsalze wie das Chlorid. Jodcadmium-Jodkalium, CdJa» 2KJ-4-2H2O, findet
Anwendung als Reagens auf Alkaloide.
Cadmium fluorid, CdFlg, schwer löslich in Wasser, löslich in überschüssiger
Flusssäure (Berzelius (29).
Cadmiumfluorsilicat, CdSiFl^, leicht löslich in Wasser, in langen Säulen
krystallisirend, die an der Luft verwittern (Berzelius).
Cadmiumsulfid, CdS, kommt in der Natur als Greenockit in hexagonalcn
Prismen krystallisirt vor und hat in dieser Form die Härte des Feldspaths und
das Vol.-Gew. 4*8. Durch Erhitzen von Cadmium oder Cadmiumoxyd mit
Schwefel wird selbst bei hohen Temperaturen nur schwierig das Sulfid gebildet;
v. Hauer (24) erhielt es als amorphe, hellgelbe, während des Glühens dunkel-
rothe Masse durch Glühen von Cadmiumsulfat im Schwefel wasserstoffstrom. Aus
Cadmiumsalzlösungen wird es durch Schwefelwasserstoflf oder Schwefelammoniutn
gefällt. Je nachdem die Lösung mehr oder weniger sauer ist, variirt die Farbe
von hellgelb bis dunkelrothgelb. Krystallisirt es Cadmiumsulfid, künstlicher Gree-
nockit, wurde durch Zusammenschmelzen des amorphen Sulfids mit Schwefel
und Kaliumcarbonat erhalten (Schüler) (26), auch durch Zusammenschmelzen
Cadmium. 419
von Cadmiumsulfat mit Schwefelbarium und Chlorcalcium (St. Claire-Deville
und Troost) (9). SrooT (30) hat schöne Greenockit-Krystalle durch Erhitzen
von Cadmiumoxyd im Schwefeldampf bei Weissgluth erhalten. Vermuthlich wird
bd der hohen Temperatur das Cadmiumoxyd dissociirt, und die Dämpfe des
Cadmiums und des Schwefels verbinden sich in den weniger heissen Theilen des
Apparats. Neuerdings hat Hautefeuille (31) durch starkes Erhitzen amorphen
Schwefelcadmiums in einem mit Thonerde völlig angefüllten Tiegel Greenockit-
Krystalle erhalten. Auch hier wird der Bildung derselben wohl eine Dissociation
des Sulfids voraufgegangen sein.
Das krystallisirte Sulfid hat das Vol.-Gew. 4*5, das geschmolzene 4*605. Es
hat eine schöne, tiefgelbe Farbe, die in der Hitze dunkler wird; erst bei Weiss-
gluth ist es schmelzbar. Es ist in verdünnter Salzsäure selbst in der Wärme wenig
löslich, unlöslich in Kali, Ammoniak und Schwefelammon, löslich in concentrirter
Salzsäure, in verdünnter kochender Schwefelsäure und Salpetersäure. Von dem
in der Farbe ähnlichen Schwefelarsen unterscheidet es sich durch seine Feuer-
beständigkeit, sowie durch seine Unlöslichkeit in Alkalien und in Schwefelammon.
Das Schwefelcadmium findet Anwendung als schön gelbe, stark deckende,
unveränderliche Malerfarbe. Durch Fällen von Cadmiumsulfatlösung mit Schwefel-
barium wird eine hellere Mischfarbe von Cadmiumsulfid und Bariumsulfat darge-
stellt. Auch in der Färberei und Druckerei wird Cadmiumgelb verwendet, ge-
wöhnlich indem man den Webestoff erst mit einer Chlorcadmiumlösung behandelt,
und dann durch Schwefelkalium oder durch Natriumthiosulfat und nachfolgendes
Dämpfen die Farbe hervorruft. Mit wenig Oel abgerieben dient das Cadmium-
gelb zum Färben von Seifen. Mit Ultramarin gemischt giebt das Schwefel-
cadmium eine grüne Farbe. Man kann eine solche auch erzeugen, indem man
durch ein Gemisch von Kaliumferricyanid, Eisenchlorid und Cadmiumchlorid ,
Schwefelwasserstoflf leitet, wobei dann das reducirte Eisenchlortir mit dem Kalium-
ferricyanid TumbuH's Blau bildet.
Cadmiumpentasulfid, CdS^; gelber Niederschlag, durch Fällen einer
Cadmiumlösung mit Fünffach-Schwefelkalium erhalten (Schiff) (57). Nach Folle-
Niüs (58) ist derselbe ein Gemisch von CdS und Schwefel.
Cadmiumselenid, CdSe, wird durch Erhitzen von Cadmium in Selendampf als goldgelbe,
kiystallinische Masse von 8*789 Vol.-Gew. erhalten (Little) (32), als dunkelbrauner Niederschlag
beim Fällen einer Cadmiumlösung mit Selenwasserstoff (Uelsmann) (33). In blutrothen Blättchen
vom Vol.-Gew. 5*80 hat es Margottet (34) bei der Einwirkung von Cadmium auf durch
Wasserstoff verdünnten Selenwasserstoff bei Rothgluth und Destillation des Produkts im Wasser-
stofSstrom erhalten.
Cadmiumtellurid, CdTe, schwarze Krystalle, vom spec. Gew. 6*20, hat Margottet
durch direkte Vereinigung von Cadmium mit Tellur und Sublimation der Verbindung im Wasser-
stofistrom dargestellt
CadmiumphosphUr hat StromeV£R als graue, schwach metallisch glänzende Masse
erhalten, indem Cadmium mit Phosphor erhitzt wurde. In dieser grauen Masse hat Emmerling (35)
kleine, zerbrechliche Nadeln von der Zusammensetzung Cd^P gefunden, die sich in Salzsäure
unter Entwicklung von PhosphorwasserstoflT lösen. Nach Oppenheim bildet sich CdjPj durch
Einwirkung von Phosphor auf eine alkalische Lösung von Cadmiumoxyd und Erhitzen des
braunen Niederschlags im Wasserstoffstrom, wobei Wasser, Phosphor und Phosphorwasserstoff
abgegeben wird. Denselben Körper nebst CdPg hat Regnault erhalten durch Erhitzen von
Cadmium oder dessen Oxyd oder Carbonat im Phosphordampf bis auf dunkle Rothgluth. Der
Körper CdPj bildet rubinrothe Nadeln, bisweilen indigoblaue Blätter. Man befreit ihn von der
Verbindung Cd,Pj durch Behandlung mit schwacher Salzsäure, welche nur die letztere löst Das
27»
420 Handwörterbuch der Chemie.
PhosphüT CdPj bildet sich auch beim Erhitzen der Phosphate von Ammonium und Quecksilber
oder Zinn mit Cadmiumcarbonat und Kohle (37). Der Körper löst sich gepulvert in concen-
trirter Salzs»iurc unter Entstehung von nicht selbstcntzündlichem Phosphorwasserstoffgas, untcr-
phosphoriger Säure und einem amorphen, schön gelben Körper von der Zusammensetzung P^H^O.
Sauerstoffhaltige Salze.
Cadmiumnitrat, Cd(N03)2, wird beim Verdampfen seiner Lösung in Form
zerfliesslicher, auch in Alkohol löslicher Nadeln oder Säulen von der Fonnel
Cd(N03)3 -h4HaO erhalten, schmilzt bei 100° in seinem Krystallwasser (v. Hauer),
siedet (zersetzt sich?) bei 132° (Ordway) (38).
Cadmiumchlo'rat, Cd (CIO 3)2. Aus der durch Zersetzung von Cadmium-
sulfat und Bariumchlorat erhaltenen Lösung krystallisiren beim Eindampfen zer-
fliessliche, auch in Alkohol lösliche Prismen Cd(C103)2 ■+■ 2HaO (Wächter) (39).
Cadmiumperchlorat, Cd(Q0^)3, zerfliessliche, alkohollösliche Krystallmassc.
Cadmiumbromat.in ähnlicher Weise wie das Chlorat darzustellen. Aus der Lösung kiystalli-
siren beim Eindampfen über Schwefelsäure rhombische Säulen von der Formel Cd (BrO 5)3+1130.
Aus der Lösung des Salzes in erwärmter AmmoniakflUssigkeit scheiden sich beim Verdunsten
Krystallc von bromsaurem Cadmium-Ammoniak, Cd(Br03)j -f- 3NH,, ab (RAiMMELSBERg) (40).
Cadmiumjodat, CdQOj), , wasserfrei, unlösliches, krystallinisches Pulver (Rajoiels-
berg) (41).
Cadmiumnitrit, Cd (N 03)2-1-1120, gelbe, zerfliessliche Krystallmasse, durch Doppel*
Zersetzung des Sulfats mit Bariumnitrit erhalten (Lang) (42). Durch Erhitzen desselben oder
Behandlung mit absolutem Alkohol wird ein basisches Salz gebildet (Hampe) (43).
Cadmiumsulfat, schwefelsaures Cadmium, CdSO^. Cadmium löst
sich in verdünnter Schwefelsäure unter Wasserstoffentwicklung. Die Lösung wird
durch Zusatz von Salpetersäure beschleunigt Bei freiwilligem Verdunsten der
concentrirten Lösung scheiden sich grosse, durchsichtige, monokline Tafeln von
der Zusammensetzung 3CdS04 -h SH^O ab (v. Hauer) (44), die bei 100 "" 3H,0
verlieren. Wenn eine Lösung von Cadmiumsulfat, welche überschüssige Säure
enthält, bei Siedehitze concentrirt wird, so scheiden sich warzenförmige Krystallc
von der Zusammensetzung CdSO^ -4- H3O aus (Kühn, v. Hauer). Es sind auch
noch Cadmiumsulfate mit anderem Wassergehalt, mit 4 und 3 Mol. H2O, darge-
stellt worden, indessen, wie es scheint, kein dem Zinkvitriol entsprechendes Sah
mit THgO. In höherer Temperatur verliert das Sulfat die Hälfte Säure und
bildet ein basisches Salz S02[OCd(OH)]2, welches in Wasser schwer löslich ist.
Von dem normalen wasserfreien Salz lösen sich bei 20° 59 Thle. in 100 Thln.
Wasser, bei 100° wenig mehr. Das Cadmiumsulfat wird in der Medicin zu In-
jectionen und als Augenwasser (gegen Homhautflecke) angewendet.
Das Cadmiumsulfat bildet mit den Sulfaten der Alkalien und des Magnesiums
Doppelsalze, von denen die mit Ammonium- und Kaliumsulfat wie die ent-
sprechenden Zinkdoppelsalze 6 Mol. Krystallwasser enthalten.
Trocknes Cadmiumsulfat absorbirt Ammoniak unter Wärmeentwicklung. Das
weisse Pulver hat die Zusammensetzung CdS04, 6NH3 (H. Rose) (45). Wein-
geist fällt aus einer ammoniakalischen Lösung von Cadmiumsulfat kleine, gelbe,
leicht zersetzliche Krystallc (Malaguti und Sarzeau) (46), oder sechsseitige
Prismen von der Zusammensetzung 2CdS04, 8NH3 4- öH^O (Müller) (47).
Cadmium Sulfit, schwefligsaures Cadmium, CdSOj, durch Auflösen des
Carbonats in wässriger schwefliger Säure erhalten, wasserfrei krystallisirend,
schwer löslich in Wasser, zerfallt beim Erhitzen in schweflige Säure, Cadmiunn-
oxyd, Schwefelcadmium und Cadmiumsulfat (Rammei^berg) (48). Beim Behandd
Cadmimn. 421
von Cadmium mit wässriger schwefliger Säure entstehen Schwefelcadmium und
Cadmiumsulfit; durch vorsichtiges Concentriren der Lösung erhielten Fordos und
G£lis (49) schwer lösHche Krystalle CdSOj -+- 2H3O. Mit Ammoniumsulfit sind
Doppelsalze dargestellt worden, auch mit Ammoniak verbindet sich das Cadmium-
sulfit (Rammelsberg).
Cadmiumphosphate. Das Orthophosphat wird durch Fällen einer
Cadmiumlösung mit gewöhnlichem Natriumphosphat erhalten; in analoger Weise
das Pyrophosphat. Das weisse Pulver ist löslich in Ammoniak, unlöslich in
Aetzkali. Aus der Lösung in wässriger schwefliger Säure krystallisirt es in perl-
glänzenden Blättchen (Schwarzenberg) (50). Mit Wasser in zugeschmolzener
Röhre auf 300° erhitzt, zersetzt es sich in saures Cadmiumorthophosphat, welches
gelöst bleibt, und in gesättigtes Orthophosphat (Reynoso) (51).
Cadmiummetaphosphat ist von Persoz (52) dargestellt worden, indem
die Lösung von Cadmiumnitrat mit Metaphosphorsäure, dann mit Ammoniak ver-
setzt wurde. Der Niederschlag löst sich im überschüssigen Ammoniak, scheidet
sich aber beim Verdunsten desselben allmählich wieder ab.
Cadmiumcarbonat, CdCOg. Die Niederschläge, welche in Cadmium -
lösungen durch Alkalicarbonate hervorgebracht werden, sind fast neutrales
Cadmiumcarbonat, enthalten fast kein Hydroxyd (während Zink- und Magnesium-
lösungen unter gleichen Verhältnissen basische Carbonate geben). Das Cadmium-
carbonat ist getrocknet ein weisses Pulver von 4*5 Vol.-Gew., das seine Kohlen-
säure erst bei starker Rothgluth verliert (H. Rose) (53).
Cadmiumborat, schwer lösliches, weisses Pulver (Stromeyer).
* Analytisches Verhalten.
1. Erkennung. Die nichtleuchtende Flamme wird durch Cadmiumsalze
nicht gefärbt Das Funkenspectrum zeigt viele helle Linien, von denen eine im
Orange, eine im Gelb, zwei im Grün, zwei im Blau charakteristisch sind. Vor
dem Löthrohr auf Kohle geglüht geben die Cadmiumverbindungen einen braunen
Beschlag, der nach aussen hin bunt angelaufen erscheint.
Aus den Lösungen fallen die Alkalien und deren Carbonate weisse
Niederschläge von Cadmiumhydroxyd, bezw. -Carbonat, die im Ueberschuss un-
löslich sind. Gegenwart von Ammoniak kann die Fällung z. Th. verhindern.
Weinsteinsäure verhindert in der Kälte die Fällung durch Kalihydrat, nicht
durch Alkalicarbonat; Citronensäure, Aepfel-, Bernstein- und Benzoesäure beein-
trächtigen die Fällung des Hydroxyds nicht; wohl aber Zuckerlösung, warm so-
wohl wie kalt (54).
Ammoniak bringt einen weissen Niederschlag hervor, der sich im Ueber-
schuss des Fällungsmittels sehr leicht löst. In dieser Lösung erzeugen die Aetz-
alkalien, nicht aber deren Carbonate, einen Niederschlag von Cadmiumoxyd.
Kalium Cyanid erzeugt einen weissen, im Ueberschuss leicht löslichen
Niederschlag von Cadmiumcyanid.
Bari um carbonat fallt Cadmiumoxyd schon bei gewöhnlicher Temperatur.
Natriumphosphat fallt weiss.
Ferrocyankalium fallt einen weissen, schwach gelblichen Niederschlag, der
in Salzsäure löslich ist.
Ferricyankalium: gelber, in Salzsäure löslicher Niederschlag.
Zink fällt metallisches Cadmium.
422 Handwörterbuch der Chemie.
Schwefelwasserstoff, in sauren, neutralen und ammoniakalischen Lösungen,
und Schwefelammon fällen gelbes Seh wefelcadmium ; charakteristische Reaction.
Beim Trocknen wird der Niederschlag orange. Derselbe ist in conc. Salzsäure
löslich. Von andern gelben Sulfiden, denen des Zinns, Arsens und Antimons,
unterscheidet er sich durch seine Unlöslichkeit in Schwefelammon und in Aetz-
alkalien. Durch diese Reaction wird das Cadmium von diesen Metallen getrennt
Die Trennung von Blei kann man auf die Weise ausfuhren, dass man aus
der salpetersauren Lösung das Blei durch Schwefelsäure fallt. Ferner wird das
Blei durch Bariumcarbonat bei gewöhnlicher Temperatur nicht gefallt
Die Trennung von den übrigen Metallen wird bei diesen angegeben.
2. Quantitative Bestimmung, a) Man fallt die Lösung durch Soda oder
besser durch Kaliumcarbonat, da der Niederschlag sich dann besser auswaschen
. lässL Der Niederschlag wird getrocknet und durch anhaltendes Glühen in Oxyd
verwandelt. Wegen der leichten Reducirbarkeit des Oxyds muss das Filterpapier
möglichst von dem Niederschlag befreit und für sich verbrannt werden, oder
man bedient sich eines Asbestfilters (55).
b) Sicherer ist die Bestimmung als Sulfid. Dieses darf dabei nicht durdi
überschüssigen Schwefel verunreinigt sein, denn man darf es wegen seiner
Flüchtigkeit nicht im Wasserstoflfstrom erhitzen, sondern muss es auf einem ge-
wogenen Filter bei 100° trocknen.
c) Electrolytisches Verfahren. — Man fallt die Cadmiumlösung mit Kali, löst
den Niederschlag in Cyankalium und unterwirft die Lösung der Wirkung eines
von drei BuNSEN-Elementen erzeugten galvanischen Stromes. Die Lösung soll
etwa 0*2 Grm. Cd in 75 Cbcm. enthalten; stündlich scheiden sich dann etwa
0-08— 0*9 Grm. Cadmium ab (Beilstein u. Jawein) (58). Rud. Biedermann.
Cäsium,*) Cs. Atomgewicht = 133. Im Jahre 1860 entdeckten Bünsen
und Kirchhoff (i) bei Gelegenheit ihrer spectralanalytischen Untersuchungen in
der Mutterlauge, welche beim Eindampfen der Dürkheimer Salzsoole hinterblieb,
ein Alkalisalz, welches in der Flamme verflüchtigt, bei Betrachtung derselben
durch den Spectralapparat zwei blaue Linien erkennen Hess. Das diese Er-
scheinung bewirkende Metall erhielt den Namen Cäsium (von caesitis, himmelblau).
Die Verbindungen des Cäsiums sind ebenso wie diejenigen des bei gleicher
Veranlassung entdeckten Rubidiums sehr verbreitet in der Natur, doch findet
man sie nirgends in grösserer Menge. Beide Metalle begleiten gewöhnlich das
Kalium, Natrium und Lithium in den verschiedensten Mineralwässern, Mineralien
und Pflanzenaschen. So fand Bunsen es im Lepidolith von Rozena (Mähren),
•) i) Bunsen u. Kirchhoff, Pogg. Ann. 1 13, pag. 342 ; 119, pag. i ; Ann. Chem. 122, pag. 347»
125, pag. 367. 2) ScHRÖTTER, Wien. Acad. Ber. 50, pag. 268. 3) Grandeau, C. r. 53, pag. iiooi
54, pag. 450 u. 1057. Ann. chim. phys. [3] 67, pag. 155. 4) Pisani, Ann. 132, pag. 3*-
C. r. 58, pag. 714. 5) Plattner, Pogg. Ann. 69, pag. 443. 6) Laspeyres, Ann. 134, pag. 349-
7) Bunsen s. o., Allen, J. pr. 88, pag. 81. Lecoq de Boisbaudran, Bull. soc. chim. [2] 17.
pag. 551. 8) GoDEFFROY, Ann. 181, pag. 176. Stolba, Böhm. Ges. d. Wiss. 1878. J. B. 1878,
pag. 1057. 9) Redtenbacher, J. pr. 95, pag. 148. Wiener acad. Anx. 1865, pag. 39-
ig) Godeffroy, Ber. 1874, pag. 241; Z. an. Ch. 1874, pag. 170. Cossa, Ber. 1878, pag. 81 2-
11) Stolba, Dingl. 197, pag. 336; 198, pag. 225. Sharples, Amer. Chem. 3, pag. 451
12) L. Smith, Amer. Chem. 6, pag. 106. Setterberg, Ann. 211, pag. 100. 13) Bunskn, Pogg.
119, pag. I. 14) Johnson u. Allen, Sill. am. J. [2] 35, pag. 94; J. pr. 89, pag. 354. 15)^^^'
cer (Frankland), Ch. N. 8, pag. 18. 16) Godeffroy, Ann. 181, pag. 189. i7)Clark8, Am
Ch. J. 3, pag. 263. 18) Bunsen u. Kiächhoff, l. c. Godeffroy, L c.
Cäsium. 423
ScHRöTTER (2) im Lithionglimmer von Zinnwald, doch beträgt die Gesammtmenge
von Cäsium und Rubidium nur i— IJ. Feldspath von Carlsbad, Carnallit von
Stassfurt, Triphyllin von Finnland enthalten ebenfalls jene beiden Metalle. Von
den vielen, Cäsium führenden Mineralwässern seien ausser dem Dürkheimer noch
angeführt das Wasser von Nauheim, Ebensee, Villefranche und Bourbonnes-les-
Bains. Letzteres enthält nach Grandeau (3) im Liter 0-032 Grm. Chlorcäsium
neben 0-019 Chlorrubidium. In den Mutterlaugen der eingedampften Soolen
concentriren sich diese Salze und werden daher hier leichter gefunden.
In der Asche von Eichenholz, von Tabak, Kaffee und Thee und in mancher
Potasche wurden ebenfalls jene seltenen Metalle gefunden, doch ist mit wenigen
Ausnahmen der Gehalt an Cäsium noch geringer wie der an Rubidium. Allein,
ohne die Begleitung des Rubidiums findet sich das Cäsium in dem PoUux ge-
nannten, sehr seltenen Mineral, welches Breithaupt im Granit der Insel Elba
entdeckte. Dasselbe enthält nach Pisani's (4) Analyse 34*07 3^ Cäsiumoxyd.
Plattner (5), welcher schon im Jahre 1846 das Mineral analysirte, erhielt bei
Berechnung der gefundenen Bestandtheile auf Procente nur die Summe 9275
statt 100, was davon herrührte, dass er den mit Platinchlorid erhaltenen Nieder-
schlag für Kaliumplatinchlorid ansah, welches ein niedrigeres Molekulargewicht
besitzt als die Verbindung des damals noch unbekannten Cäsiums.
Eine Zusammenstellung des Vorkommens von Cäsium und Rubidium gab
Laspeyres (6).
Zur Gewinnung von Cäsiumverbindungen benutzt man am besten das an
Cäsium reichste Material, das Mutterlaugensalz der Nauheimer Soole, welche bei
der Verarbeitung etwa 1 g Cäsiumplatinchlorid auf 100 Thle. Salz berechnet
liefert. Natürlich gewinnt man Cäsiumverbindungen auch aus den an Rubidium
reicheren Materialien, z. B. Lepidolith, gleichzeitig mit den Rubidiumverbindungen
und Lithiumverbindungen. Je nach der Art des Materials ist die Arbeit etwas
verschieden, doch sucht man in allen Fällen die Kieselsäure und die alkalischen
Erden, Thonerde und Eisen wegzuschaffen, und im Falle bei diesen Operationen
Ammoniumsalze in die Flüssigkeit kommen, so sind diese durch Eindampfen
und Glühen zu entfernen. Dann fallt man die alle Alkalimetalle enthaltende
Ixjsung in der Art mit Platinchlorid, dass nur die schwerer löslichen und daher
zunächst sich abscheidenden Platindoppelsalze des Cäsiums und Rubidiums völlig
abgeschieden sind, doch nur ein möglichst kleiner Theil des Kaliums mit ge-
fallt wird.
Zuerst wird das Cäsium, dann das Rubidium gefallt und erst, wenn diese
völlig ausgeschieden sind, bewirkt ein weiterer Zusatz von Platinchlorid die
Fällung von Kalium. Auch kann das Platinchlorid ganz durch eine Lösung von
Kaliumplatinchlorid ersetzt werden, welche Cäsium und Rubidium als Platin-
doppelsalze ausfällt.
Der erhaltene gelbe, krystallinische Niederschlag wird mit Wasser ausgekocht,
wobei zunächst hauptsächlich sich Kaliumplatinchlorid löst, dann auch Rubidium-
platiüchlorid. Von Zeit zu Zeit prüft man die Flüssigkeit auf Gehalt an den
seltenen Metallen im Spectralapparat. Ist alles Kalium entfernt, so wird zur Trockne
verdampft und der Rückstand im Wasserstoffstrom erhitzt und schliesslich Cäsium-
und Rubidiumchlorid durch Wasser vom reducirten Platin getrennt.
Die Trennung des Cäsiums vom Rubidium kann nun nach verschiedenen
Methoden erfolgen.
-/ , 424 Handwörterbuch der Chemie.
BuNSEN bestimmte zunächst in einer abgewogenen Probe der gemischten
Chloride das Chlor und berechnete hiernach den Gehalt an Cäsium und Rubi-
dium und überführte dann die Chloride in Carbonate. Die Lösung derselben
wird nun mit etwas mehr Weinsäure versetzt als nöthig ist, um das Rubidium
^ " in zweifach weinsaures und das Cäsium in neutrales weinsaures Salz überzu-
führen, worauf die Lösung zur Trockne zu verdampfen ist. Der Salzrückstand
wird gepulvert und auf einem mit Papierfilter versehenen Trichter an einen sehr
feuchten Ort gestellt. Das zerfliessliche Cäsiumtartrat tropfl allmählich durdi
A das Filter, während das luftbeständige Rubidiumsalz oben bleibt. Durch Um-
krystallisiren können beide Salze rein erhalten werden (7).
Eine ältere, von Bunsen (Ann. 122, pag. 353) zur Gewinnung des Rubidiums
angegebene Trennungsmethode des Rubidiums vom Cäsium, welche auf der
I . Leichtlöslichkeit des kohlensauren Cäsiums und Schwerlöslichkeit des Rubidium-
* carbonats in absolutem Alkohol beruht, ist zur Reindarstellung der Cäsium-
verbindungen nicht anwendbar, da sich stets etwas Rubidiumsalz mit auflöst,
Nach GoDEFFROV (8) führt die von Redtenbacher (9) angegebene Methode,
Cäsium und Rubidium durch Krystallisation ihrer Alaune zu trennen, am raschesten
zum Ziel. Die Verschiedenheit der Löslichkeit der Alaune steht im Verhältniss
K:Rb:Cs=22:4: 1, während die Löslichkeit der Platindoppelchloride = I4:l'7:l
ist, also eine ungünstigere für die Trennung. Besonders gelang ihm die Rein-
darstellung des Cäsiumalauns schon durch wenige Krystallisationen. Zur Rein-
darstellung des Cäsiumsulfates aus jenem Alaun ist die Thonerde durch Am-
moniak auszufällen und der bei dem Eindampfen des Filtrats hinterbleibende
Rückstand zur Entfernung des Ammoniumsulfates zu glühen.
Ebenfalls auf das Verhalten der Alaune gründete Setterberg (Ann. 211,
pag. 100) eine Methode zur Reingewinnung der Cäsium Verbindungen aus den
als Nebenprodukt bei der Lithiumgewinnung aus Lepidolith erhaltenen gemengten
Alaunen. Das Verfahren gründet sich auf die Beobachtung, dass die schwerer
löslichen Alaune in der gesättigten Lösung des leichter löslichen Alauns unlöslich
sind. So lange also noch Kaliumalaun in solcher Menge vorhanden ist, um mit
I dem anwesenden Wasser eine gesättigte Lösung zu liefern, bleiben die Alaune der
j anderen Alkalimetalle ungelöst, resp. begeben sich in den auskrystallisirenden Theil.
Mehrere Centner des rohen Alauns wurden in soviel Wasser gelöst, dass
diese Lösung 1*152 spec. Gew. besass. Nach dem Absetzenlassen Hess man bei
45° krystallisiren, wobei aller Cäsium- und Rubidiumalaun mit Kaliumalaun ge-
mengt sich abscheidet. Durch Wiederholung dieser Operation bei niedrigerer
Temperatur mit weniger Wasser wird schliesslich eine concentrirte Kaliumalaun-
lösung erhalten, welche nur noch Spuren von Cäsium und Rubidium enthält,
während diese bei der letzten Krystallisation ganz frei von Kalium sich ab-
scheiden. Dasselbe Verfahren wird angewendet, um Cäsium- und Rubidiumalaun
von einander zu trennen. Letzterer ist der leichtlöslichere, und die Verschieden-
heit der Löslichkeit ist bei 80° grösser als bei 0°.
Um eine Spur anhaftenden Chlorrubidiums zu entfernen, kann man die
Lösung des Chlorids in concentrirter Salzsäure mit einer ebensolchen Lösung
von Antimontrichlorid vermischen. Es entsteht ein mit concentrirter Salzsäure
auswaschbarer Niederschlag von der Formel SbClj- 6CsCl, während das Rubidium
in Lösung bleibt (10). Das Antimontrichlorid lässt sich, doch weniger gut, auch
durch Zinntetrachlorid ersetzen (11).
Cäsium. 425
Cäsiummetall ist schwierig aus seinen Verbindungen abzuscheiden, da
seine Verwandtschaft zu Sauerstoff eine ungemein grosse ist (12).
Bei der Electrolyse des Cäsiumchlorids wirkt das abgeschiedene Metall sofort
auf das übrige Chlorid und bildet ein smalteblaues Subchlorid, welches sich mit
Wasser unter Wasserstoffentwicklung und Bildung von Cäsiumchlorid und Cäsium-
hydroxyd zersetzt.
Die Electrolyse einer wässrigen Chlorcäsiumlösung liefert bei Anwendung
von Quecksilber als negative Electrode ein silberweisses, krystallinisches Amalgam,
welches sich äusserst rasch an der Luft oxydirt. Die Verwandtschaft des Cäsiums
ist eben die grösste von allen Metallen.
Dagegen gelang es Setterberg (12), das Cäsium durch Electrolyse eines
eben geschmolzenen Gemisches aus 4 Thln. Cyancäsium und 1 Th. Cyanbarium
zu isoliren. Es ist silberweiss, weich und dehnbar, entzündet sich rasch an der
Luft, sofort auf Wasser und zeigt bei 15° ein spec. Gew. von 1*88. Sein Schmelz-
punkt liegt bei 26—27°.
Das Atomgewicht des Cäsiums fand Bunsen (13) zu 132*99, Johnson und
Allen (14) zu 133-036, Mercer (15) zu 133 und Godeffroy (16) zu 132-6.
Clarke (17) berechnete es zu 132*583 (H = 1).
Das Cäsiumspectrum zeichnet sich durch zwei blaue Linien aus, welche,
selbst wenn das 1500 fache an Chlorlithium beigemengt ist, noch 0*001 Milligrm.
Chlorcäsium erkennen lassen; schwieriger sind die Linien zu erkennen bei An-
wesenheit von Chlorkalium oder Chlomatrium.
Das Cäsium ist das electropositivste von allen Metallen, da sein Amalgam
sich selbst gegen Kalium und Rubidium positiv elektrisch verhält.
Cäsiumhydroxyd.
Das Cäsiumoxyd ist noch nicht bekannt Das Hydroxyd wird durch Fällen
des in Wasser gelösten Sulfats mit Barythydrat und Eindampfen der Lösung er-
halten. Grau weisse, hygroskopische Masse, welche an der Luft Kohlensäure anzieht.
Salze (18) des Cäsiums.
Chlorcäsium, CsQ. Weisse, wUrfelähnliche Rhomboeder; bei rascher Krystallisation sich
federförmig gruppirend. Wird beim Schmelzen an der Luft rasch alkalisch in Folge seines
Wassergehaltes. Mit Antimontrichlorid bildet es die Verbindung SbCI,'6CsCl; ebenso ähnliche
Doppelsalze mit den Chloriden des Mangans, Palladiums und Platins.
Schwefelsaures Cäsium, CsjSO^. Kurze, platte Nadeln, welche nicht hygroskopisch
sind und sich in Alkohol nicht lösen. ' 100 Thle. Wasser lösen bei — 2® 158'7 Thle. Cäsium-
sulfiait, während nur 2 Thle. Kaliumsulfat aufgelöst werden. Mit schwefelsaurem Aluminium bildet
Cäsiunasulfat analog dem Kalium und Rubidium einen Alaun, Cs3Al,(S04)^ + 24H,0. Der-
selbe ist in siedendem Wasser leicht löslich, in kaltem aber schwerer löslich als Kalium- oder
Rubidiuinalaun. 1000 Thle. Wasser lösen bei 17^ 135 Thle. Kaliumalaun oder 22*7 Thle.
Rubidiumalann, aber nur 6 '2 Thle. Cäsiumalaun. Dieses Verhalten wird zur Trennung der drei
Alaune benutzt (s. o.).
Saures Sulfat, CsHSO^. Krystallisirt in kleinen, rhombischen Prismen.
Pyrosulfat, Cs^S^O^, hinterbleibt beim Schmelzen des vorhergenannten Salzes, geht aber
bei stärkerem Erhitzen unter Abspaltung von Schwefelsäure-Anhydrid in normales Sulfat über.
Salpetersaures Cäsium, CsNO,. Hexagonale Krystalle. Bei schneller Krystallisation
entstehen gestreifte, salpeterähnliche Spiesse.
Kohlensaures Cäsium, Cs,CO,. Bildet undeutliche, sehr hygroskopische Krystalle,
deren wftssrige Lösung alkalisch reagirt Auch in Alkohol ist das Salz löslich. 100 Thle. des-
selben lösen bei IS"* IM Thle. Carbonat; bei 78'' 201 Thle.
426 Handwörterbuch der Chemie.
Silico Wolfram saures Cäsium, CsgSiWjgO^j» entsteht beim Zusammentreffen von
Chlorcäsiumlösung mit Silicowolframsäure als weisser, krystallinischer Niederschlag, der ach in
Wasser nur sehr wenig auflöst. 100 Thle. Wasser lösen bei 20° 0*005 Thle. des Salies, bei
100° aber 0-52 Thle.
Was das analytische Verhalten der Cäsiumverbindungen betrifft, so
zeigen sie die grösste Aehnlichkeit mit den Verbindungen des Kaliums. Cäsium-
hydroxyd ist eine sehr starke Base und geht mit den meisten Säuren in Wasser
leicht lösliche Salze ein. Durch besondere Schwerlöslichkeit zeichnet sich das
Platincäsiumdoppelchlorid, sowie das silicowolframsäure Cäsium aus. Von den
übrigen Alkalimetallen lässt sich das Cäsium durch die prachtvoll viokttc
Flammenfarbung, weit besser aber durch das charakteristische aus 2 blauen
Leitlinien und mehreren schwachen Linien bestehende Spectrum erkennen, welches
die BuNSEN'sche Flamme zeigt, wenn eine Spur einer Cäsiumverbindung in die-
selbe gebracht wird.
Kohlensaures Cäsium ist erheblich leichter löslich in Alkohol als Rubidiura-
carbonat, und es kann daher dieses Verhalten zur annähernden Trennung beider
Metalle dienen, doch geht immer etwas Rubidiumsalz bei der Behandlung des
Salzgemisches mit Alkohol ebenfalls in Lösung. Ebenso kann auch auf die
Schwerlöslichkeit des Cäsiumplatin Chlorids in kochendem W^asser eine zur An-
reicherung des Cäsiums in einem Salzgemisch dienende, vorbereitende Behandlung
gegründet werden, wie solche z. B. bei der Prüfung eines Rubidiumsalzes auf
spurenweisen Gehalt an Cäsium der spectralanaly tischen Untersuchung voran-
zugehen hat.
Bei einer quantitativen Bestimmung, des Cäsiums wilrd man dasselbe stets
nach Abscheidung der Erdmetalle, Schwermetalle etc., gemeinschaftlich mit den
anderen, durch Platinchlorid fallbaren Alkalimetallen erhalten. Eine präcise
Trennungsmethode der Cäsiumverbindungen von denjenigen des Rubidiums und
Kaliums ist noch nicht bekannt. Am sichersten wird die Bestimmung indirekt
ausgeführt, indem man den Chlorgehalt der gemischten Chloride oder den
Schwefelsäuregehalt der Sulfate bestimmt. Heumann.
Calcium.*) Geschichtliches. Der Kalkstein, das Brennen desselben
und die Anwendung des Kalks zu Mörtel ist schon seit den ältesten Zeiten be-
•) i) Plinius, Hist. nat. Lib. 36, § 57; Wittstein's Uebersetzung, Bd. 3, pag. 227.
2) Davv, Philos. Transactions, pag. 1808 u. f. 3) Bunsen u. Matthiessen, Ann. 94, pag. 107.
4) LiES-BoDART u. Jobin, Ann. Chim. Phys. [3] 54, pag. 364. 5) Sonstadt, Chem. News 0,
pag. 14a 6) Caron, Compt. rend. 50, pag. 547. 7) Frey, Ann. 183, pag. 367. 8) MATTmESSES,
POGC. Ann. 100, pag. 177; Landolt u. Börnstein, Physikal. Chem. Tab., pag. loi. 9) Cappei,
POGG. Ann. 139, pag. 628. 10) Lockyer, Proc. Roy. Soc. 28, pag. 157. 11) WöHLER,
Ann. 138, pag. 253. 12) Schröder, Pogg. Ann. Jubelb., pag. 452. 13) Brügelmann, Wiedkm.
Ann. 2, pag. 466; 4, pag. 277. 14) Filhol, Ann. Chim. Phys. [3] 21, pag. 415. 15) Gmeun-
Kraut, Handbuch II, i, pag, 410. 16) Handb. d. Architektur, I. Thl., 3. Cap.; Hauenschilv.
Die Mörtel u. ihre Grundstoffe; Darmstadt 1880; pag. 164 ff. 17) Thenard, Ann, chim. 8,
pag. 313. 18) Struve, Z. anal. Ch. 1872, pag. 22. 19) CoNROV, J. chem. soc. [2] 11, pag. 808.
20) Schöne, Ber. 1873, pag. 172. 21) Hammerl, Wien. Akad. Ber. 1872, pag. 287. 22) Gmeum-
Kraut, Handb. ü, i, pag. 397. 23) Lies-Bodart u. Jobin, Compt. rend. 47, pag. 23.
24) R. Wagner. Ch. Centralbl. 1863, pag. 143. 25) Kremkrs» Pogg. Ann 103, pag. 65.
26) Berzelius, Schweigg. J. 23, pag. 443. 27) Flight, Jahresber. 64, pag. 147, 28) Langlois,
Ann. Chim. [3] 34, pag. 207. 29) Rammelsberg, Pogg. Ann. 134, pag. 405. 30) Rammels-
BERG, Pogg. Ann. 137, pag. 313. 31) Kingzett, Jouni. chem. soc. 28, pag. 404. 3a) Lcnge
Calcium. 427
kannt Plinius berichtet auch von der medicinischen Anwendung des gebrannten
Kalks: »Der Kalk wird in der Medicin häufig gebraucht; am besten aber frisch,
nicht gelöscht. Er brennt, vertheilt, zieht aus und verhindert das Umsichgreifen
der Geschwüre« (i). Später wurde das Wort Kalk (calx) auf alle Körper ange-
wendet, in welche die Metalle durch Einwirkung des Feuers übergeführt wurden,
und diese Operation wurde als Calcination bezeichnet. Dieselben Kalke wurden
auch durch Erhitzen der Metalle mit Salpeter oder durch Behandeln derselben
mit Säuren erhalten. Fr. Hoffmann unterschied 1722 zuerst bestimmt die Kalk-
erde von andern alkalischen Erden, besonders von der Bittererde. H. Davy
entdeckte 1808 das Metall der Kalkerde, das Calcium.
Vorkommen. Das Calcium gehört zu den verbreitetsten Stoffen der Natur.
Weder das Metall noch sein Oxyd, der Kalk, kommt in freiem Zustande vor,
sondern es sind Kalksalze, die einen grossen Theil der Erdkruste bilden. In
besonders grosser Menge und in mannigfachen Formen kommt das Calcium-
carbonat vor, als Kalkstein, Marmor, Arragonit, Kalkspath, Kreide, Tropfstein u. s. w.
(vergl. diese Encyklopädie, Handbuch der Mineralogie, Art. Carbonate, pag. 92).
Als Doppelsalz mit Magnesiumcarbonat bildet es das petrographisch wichtige
Gestein Dolomit, krystallisirt den Bitterspath. Noch mit manchen andern Car-
bonaten verbunden kommt das Calciumcarbonat vor. In grosser Menge findet
sich das Calciumsulfat als Gyps und Anhydrit. Auch Calciumphosphat ist sehr
verbreitet, mit Calciumchlorid oder -Fluorid die Mineralien Apatit und Phosphorit
bildend. Fluorcalcium ist das bekannte Mineral Flussspath. Calciumborat kommt
u. ScHÄPPi, DiNGL. poL J. 237, pag. 63; Chem. Ind. 1881, pag. 289. 33) Lunge u. Naeff,
Ber. 1883, pag. 842. 34) Ber. 11, pag. 997. 35) Ber. 13, pag. 1249; Chem. Ind. 1880,
pag. 197. 36) Ber. 17, pag. 57. 37) Berzelius, Pogg. Ann. 19, pag. 296. 38) Lunge u.
Schock, Ber. 1882, pag. 1883. 39) Müspratt, Ann. 50, pag. 274. 40) Rammelsberg, Pogg.
Ann. 67, pag. 249. 41) E. Mitscheruch, Pogg. Ann. 21, pag. 321. 42) Manross, Ann. 82,
pag. 348. 43) Hoppe-Seyler, Ann. 82, pag. 348. 44) Struve, Zeitschr. Ch. 1869, pag. 324.
45) Schott, Dingl. pol. J. 202, pag. 52, 355, 5x3. 46) Marignac, Ann. chim. phys. [5] i,
pag. 274; Landolt u. Börnstein, Chem. phys. Tab., pag. 155. 47) Knauer u. Knop, Dingl.
pol. J. 177, pag. 486. 48) REISSIG, Verh. Ver. f. Gewerbfl. 1877, pag. 386. 49) v. Deckend,
D. R. Patent No. 3203. 50) Filsinger, Verh. Ver. f. Gewerbfl. 1877, pag. 286. 51) Popp,
Ann. Suppl. 8, pag. i. 52) H. Rose, Pogg. Ann. 1 10, pag. 297. 53) Fassbender, Ber. 1876,
pag. 1968. 54) Kessler, Pogg. Ann. 74, pag. 282. 55) Herschell, Ann. Chim. 14, pag. 355.
56) Pape, Pogg. Ann. 139, pag. 224. 57) Topsöe, Wien. Akad. Ber. 66, pag. 17. 58) Heeren,
Pogg. Ann. 7, pag. 178. 59) Gmelin-Kraut, Handb. n, pag. 390. 60) Aeby, Ber. 7, pag. 555.
61) Forchhammer, Ann. 90, pag. 77. 62) H. Ste. Claire-Deville u. Caron, Compt. rend. 87,
pag. 985. 63) Debray, Compt. rend. 52, pag. 44. 64) VVöhler, Pogg. Ann. 4, pag. 166,
65) Liebig, Ann. 106, pag. 185. 66) Vauqueltn, J. Phys. 85, pag. 126. 67) Wöhler, Ann. 98,
P»g- M3- 68) Kolb, Compt. rend. 78, pag. 825. 69) Gerland, Chem. News 20, pag. 268.
70) Wöhler, Ann. 51, pag. 437. 71) Baer, Pogg. Ann. 75, pag. 155. 72) Regnoso, Compt.
rend. 34, pag. 795. 73) Maddrell, Ann. 61, pag. 61. 74) Fleitmann, Pogg. Ann. 78,
P*& 255. 75) Fleitmann u. Henneberg, Ann. 65, pag. 331. 76) H. Rose, Pogg. Ann. 76,
P*g' 8. 77) Salzer, Ann. 194, pag. 36. 78) H. Rose, Pogg. Ann. 9, pag. 26. 79) Rammei,s-
berg. Ber. i, pag. 186. 80) H. Rose, Pogg. Ann. 9, pag. 364; 12, pag. 79. 8x) Michaelis,
Jahresber. 1872, pag. 210. 82) Simon, Pogg. Ann. 46, pag. 417. 83) Heffter, Pogg. Ann. 86,
pag. 418; 98, pag. 293. 84) G. Rose, Pogg. Ann. 42, pag. 354. 85) James Hall, Edinb.
Transact. V.; Gehler's J. V. 86) G. Rose u. Siemens, Pogg. Ann. 118, pag. 565. 87) A W.
Hofmann, Jahresb. 1865, pag. 171. 88) A. Vogel, J. prakt, Ch. 7, pag. 453. 89) Becqüerel,
Ann. Chim. Phys. [3] 47, pag. 9. 90) Pelouze, Compt. rend. 60, pag. 427. 91) Knapp, Ann. 158,
pag. 114. 92) Heldt, J. prakt. Ch. 94. pag- 129. 93) Pelouze, Ann. Chim. Phys. [3] 33, pag. 13.
428 Handwörterbuch der Chemie.
für sich und in Verbindung mit andern Mineralien vor, und Calciumsilicate sind
Bestandtheile sehr vieler Mineralien. Fluss- und Quellwässer lösen Gyps und
dank der in ihnen enthaltenen Kohlensäure Calciumcarbonat auf.
Auch in der Pflanzen- und Thierwelt finden sich Calciumverbindungen, in
jener besonders in den Blattorganen. Die Eierschalen, Muschelschalen, Korallen
bestehen fast ganz aus Calciumcarbonat, Knochen und Zähne wesentlich aus
Calciumphosphat nebst etwas Carbonat und Fluorid.
Die Spectralanalyse hat Calcium in der Sonne und den Fixsternen nachge-
wiesen. Auch in Meteoriten hat man Calcium gefunden.
Darstellung. Davy gewann das Metall durch Electrolyse eines Gemisches
von Kalk und Quecksilberoxyd, welches, auf einem Platinblech liegend, mit dem
positiven Pol einer Batterie in Verbindung gesetzt wurde, während der negative
Pol in Quecksilber tauchte, das sich in einer Aushöhlung des Gemisches befand (2).
Das dabei erhaltene Amalgam hinterliess beim Glühen sehr leicht oxydirbare
Metallkügelchen. Es ist wahrscheinlich, dass dies nicht ganz reines Calcium
war, da es nicht messinggelb, sondern silberweiss aussah. Matthiessen hat nach
einem von Bunsen herrührenden Verfahren grössere Mengen hergestellt (3), indem
er ein Gemisch von 2 Mol. Chlorcalcium mit 1 Mol. Chlorstrontium (als Fluss-
mittel) und Salmiak schmolz, bis der letztere Körper verflüchtigt war. Das Ge-
misch wird dann in einem erhitzten Porzellan tiegel durch den galvanischen Strom
zersetzt, wobei dieser von der positiven Kohlen-Electrode in einen Eisendraht
übergeht.
Man kann das Calcium auch durch Reduction von Jodcalcium mittelst
metallischen Natriums erhalten. Man bringt 1 Tbl. Natrium in einen eisernen
Tiegel, darüber 7 Thle. Jodcalcium und erhitzt zur Rothgluth Bei Weissgluth
kann die umgekehrte Reaction eintreten (Lifes-BoDART u. Jobin) (4). Der Tiegel
muss mit einem fest aufgeschraubten Deckel bedeckt sein.
Nach SoNSTADT lässt das Jodcalcium sich durch ein Gemisch von Jodkalium
und Chlorcalcium vortheilhaft ersetzen (5).
Caron hat folgendes Verfahren angegeben (6)., In einem Tiegel wird ein
Gemisch von 300 Thln. geschmolzenem Chlorcalcium, 400 Thln. Zinkgranalien
und 100 Thln. Natrium auf Rothgluth erhitzt. Nach einer schwachen Reaction
mässigt man das Feuer so, dass keine Zinkdämpfe mehr entweichen. Nach dem
Erkalten findet man einen Regulus, der eine Legirung mit 10 — 15 J Calcium ist
Durch Destillation in einem Kohletiegel erhält man das Calcium als messinggelbes
Metall.
Eigenschaften. Das Calcium ist hellgelb. Nach Frey, der es durch
Electrolyse von Chlorcalcium mittelst eines schwachen Stromes dargestellt hat,
zeigen die Metallkügelchen die Farbe des Aluminiums. Die frisch angeschnitten
sehr glänzenden Flächen werden an der Luft bald blind. Es ist weicher als
Zink, härter als Zinn, sehr dehnbar. Seine elektrische Leitungsfahigkeit ist 12*46
bei 16*8, wenn die des Quecksilbers bei 0° = 1 ist (8). Die Leitungsfähigkeit
für Wärme ist nicht bestimmt Das specifische Gewicht liegt zwischen 1*566 und
1-Ö84. Das Calcium schmilzt bei Rothgluth. In dem complicirten Linienspectnim
des Ca sind zwei Linien besonders charakteristisch, eine im Grün Caß (558*8
auf der Scala von Kirchhoff), eine im Orange Caa (612*1 der KiRCHHOFF'schen
Scala). Die Empfindlichkeit des spectralanalytischen Nachweises ist für Ca sehr
gross. Nach Cappel lassen sich in der Flamme des Bunsenbrenners noch
I
Calcium. "* 4«9
y^^ Milligrin., bei Anwendung des Inductionsfunkens noch i q o flV o tro Milligrm.
erkennen (9). In der hohen Temperatur des elektrischen Flammenbogens ver-
schwindet der grüne Streifen Caß und statt dessen treten drei feine, grüne Linien
auf, die aber mehr nach dem Blau zu liegen; statt Caa erscheinen drei mehr
nach dem Gelb hin liegende Linien. Lockyer (10), der das Linienspectrum des
Calciums besonders genau beobachtet hat, zieht aus diesen Thatsachen den
Schluss, dass dies Metall ein zusammengesetzter Körper sei und in höherer
Temperatur sich dissociire.
Das Atomgewicht des Calciums wurde von Berzelius (1809) zu 40*37, später
(1843) zu 40-12, von Dumas (1859) zu 39*955, von Baup (1841) zu 39*88 gefunden.
Andere Forscher haben ähnliche Zahlen erhalten. Die wahrscheinlichste Zahl
ist 39*91 (H= 1). Das Calcium ist ein zweiwerthiges Metall.
Das Calcium zersetzt das Wasser schon bei gewöhnlicher Temperatur, An
der Luft erhitzt verbrennt es mit lebhaflem Glanz, solange die Oxydschicht das
Metall nicht bedeckt. In trockner Luft hält es sich lange Zeit. Chlor, Brom,
Jod greifen es in der Kälte langsam an, in der Wärme findet Vereinigung unter
Feuererscheinung statt. Auch die Affinität zum Schwefel und zum Phosphor ist
sehr gross. Die verdünnten Mineralsäuren lösen das Calcium. Concentrirte
Salpetersäure greift das Metall bei massiger Temperatur nicht an, sondern erst
beim Sieden der Säure, dann aber sehr energisch.
Legirungen des Calciums mit andern Metallen sind durch Zusammen-
schmelzen der betreffenden Bestandtheile zu erhalten. Das Aluminiumcalcium ist
nach WöHLER (11) eine bleigraue, in Luft und Wasser unveränderliche Masse von
starkem Glanz.
Verbindungen. L Oxyde.
Calciumoxyd, Kalk, Aetzkalk, ungelöschter Kalk, CaO. Die Be-
reitung von Aetzkalk durch Erhitzen von kohlensaurem Kalk (Kalkstein, Muschel-
schalen) und die Verwendung desselben zur Bereitung von Calciumhydroxyd
und Mörtel wird wohl nicht mit Unrecht als eine der ältesten Ausübungen
chemischer Thätigkeit des Menschen angesehen.
Das Calciumoxyd kommt wegen seiner stark basischen Eigenschaft als solches
in der Natur nicht vor. Man erhält es durch Glühen von Calciumcarbonat, wo-
bei Kohlensäure fortgeht: CaCOs = CaO -I- CO^. Die Austreibung der Kohlen-
saure ist nur dann vollständig, wenn ein anderes Gas als Kohlensäure vorhanden
ist, in welches die sich entwickelnde Kohlensäure abdunsten kann. In einem
gut bedeckten Tiegel oder in einer Kohlensäureatmosphäre wird kohlensaurer
Kalk auch durch starkes Glühen nur unvollkommen oder gar nicht zerlegt.
Deshalb legt man auf den Boden des Tiegels wohl ein Stück Kohle, welche in
der Hitze mit Kohlensäure Kohlenoxyd bildet; dieses Gas führt dann Kohlen-
säure aus dem Tiegel mit fort; oder in dem Boden des Tiegels befindet sich ein
Loch, so dass ein die Kohlensäure mit sich führender Zug durch den Tiegel geht.
Eigenschaften. Je nach der Beschaffenheit des angewendeten Calcium-
carbonats ist der Kalk mehr oder weniger rein. Krystallisirter Kalkspath und
rein weisser Marmor liefern chemisch reinen Kalk. Derselbe ist eine weisse,
amorphe Masse, welche selbst bei den höchsten Temperaturen unschmelzbar ist.
Durch die Knallgasflamme in's Glühen versetzt strahlt der Kalk ein blendendes
Licht aus. Das Vol.-Gew. des Calciumoxyds ist 3'15 (Schröder) (12). Brügel-
MAirti hat durch Glühen des Calciumnitrats den Kalk in Würfeln krystallisirt
m
450 Handwörterbuch der Chemie.
erhalten. Das Vol.-Gew. dieser Krystalle ist 3-251, auch haben dieselben grössere
Härte als der amorphe Kalk (13). An der Luft liegend nimmt das Calcium-
oxyd Kohlensäure und Wasser auf.
Calciumhydroxyd, Kalkhydrat, gelöschter Kalk, Ca(OH)g. Ge-
brannter Kalk vereinigt sich mit Wasser unter starker Wärmeentwicklung;
(CaO -h H3O) = 15100 cal. Für 1 Thl. Kalk gebraucht man etwa i Thl. Wasser.
Selbst wenn dieses als Eis angewendet wird, steigt die Temperatur auf 100°.
Man nennt diese Hydratation das Löschen des Kalks.*) Das Kalkhydrat ist
ein lockeres, weisses, amorphes Pulver von 2-078 Vol.-Gew. (Filhol) (14). Aus
concentrirten Lösungen von Calciumsalzen kann es durch Alkalien ausgefällt
werden. Es löst sich wenig in Wasser, und zwar ist es in kaltem Wasser lös-
licher (lCaO:750 bei 16°), als in heissem (1 CaO: 1300 bei lOO^O (15)- ^
Lösungen von Kochsalz und andern Salzen ist die Löslichkeit des Kalkhydrats
grösser als in Wasser.
Die wässrige Lösung, das Kalkwasser, reagirt stark alkalisch. Beim Ver-
dunsten derselben scheiden sich kleine Krystalle von der Formel Ca (OH), aus.
Das Kalkwasser zieht begierig Kohlensäure aus der Luft an und wird dann trübe
durch sich ausscheidendes Calciumcarbonat. Wegen dieser Eigenschaft benutzt
man das Kalkwasser zum Nachweis der Kohlensäure in der Luft und andern
Gasen. Das Kalkwasser wird medicinisch als Stypticum und Antacidum ange-
wendet. In der Rothgluth entlässt das Kalkhydrat Wasser und wird zu CaO.
Kalkwasser in Gemisch mit mehr oder weniger Kalkhydrat, also Gemische,
die durch Behandeln von Aetzkalk mit weniger oder mehr Wasser erhalten
werden, heissen Kalkbrei, bezw. Kalkmilch. Ist der Kalk sehr rein, so bat
man einen »fetten« Brei; ist er mit Sand, Thon u. dgl. verunreinigt, so liefert er
einen »magern« Brei.
Der Kalkbrei bildet an der Luft in Folge der Anziehung von Kohlensäure
allmählich eine steinharte Masse. Hierauf beruht die ausgedehnte und uralte
technische Anwendung des Kalks zu Mörtel. Der Mörtel ist ein mit Wasser
angemachter Brei von gelöschtem Kalk und Quarzsand. Er dient zum Ausfüllen
der Fugen zwischen den Materialien, die bei Herstellung eines Gebäudes ver-
wendet werden, und zur Verbindung der einzelnen Bautheile. Für die Erfiillung
des erstgenannten Zweckes ist es erforderlich, dass die Mörtelmasse beim Ueber-
gang in den starren Zustand ihr Volumen möglichst wenig ändere, was durch
Beimengung geeigneter Magerungsmittel zum Kalk bewirkt wird. Solche Füll-
stoffe sind vornehmlich Sand, ferner Steintrümmer, Schlacken, Ziegelmehl u. dgl,
bisweilen auch Sägespähne u. dgl.
Worin die verkittende Kraft der Mörtel beruht, ist noch nicht ganz sicher festgestellt.
Hauensciuld sieht das Wesen der Verkittung in der Massenanziehung, vermittelt durch eine
colloidale Substanz. Letztere soll der Kalkbrei sein, der das Kalkhydrat in einer Form wie »^
zu Kleister aufgequollenen Stärkekörner« enthält; zwischen diesen ist aber eine Lösung ton
(krystallinischem) Kalkhydrat, welches mit grosser Begierde Kohlensäure aufnimmt. Dadurch
wird der feste Zustand herbeigeführt, und die Adhäsion zwischen festem Körper und colloidakr
Substanz geht in wirkliche Adhäsion zwischen festen Körpern tiber (16). Es ist zu bemerken,
dass die Existenz dieses »colloidalen« Kalkhydrats nicht thatsächlich bewiesen ist, ebensowenig
die Angabe, dass das krystalloide Kalkhydrat heftiger als das colloidale die Kohlensäure ab-
•) Wie merkwtird^, ruft Pliniüs aus, dass ein Körper nach dem Brennen sich noch durch
Wasser entzünden l'ässt. Plin., Hist. nat. 36, § 53.
n-
Calcium. 43 ^
sorbire. Jedenfalls steht fest, dass beim Erhärten des Mörtels aus dem Kalkhydrat sich kohlen-
saurer Kalk bildet unter Austreibung von Wasser. Der Sand im Mörtel dient nicht dazu, ein
Kalksilicat zu bilden, wie wohl angenommen wird, sondern soll die Masse porös machen, um
der Kohlensäure der Luft leicht Eingang in das Innere der Masse zu verschaffen.
Der aus Kalk und Sand bestehende Mörtel, der sogen. Luftmörtel, ist
ganz ungeeignet für Wasserbauten. Wasser würde das Kalkhydrat, auch das
Kalkcarbonat, alsbald aus den Fugen der Mauersteine herausspülen, bezw. auf-
lösen. Gewisse Zusätze aber bewirken, dass der Mörtel mit Wasser erhärtet,
dass er hydraulisch wird. Ein solcher Wassermörtel wird aus einem Kalk-
stein oder Mergel erhalten, der neben Calciumcarbonat auch Magnesiumcarbonat,
Kieselsäure, namentlich aber Thon und andere Silicate enthält. Solche Kalke
löschen sich noch mit Wasser zu Pulver, erstarren im Wasser allmählich, erhärten
und widerstehen dem Wasser dann dauernd.
Ein Kalk mit 16— 18# Thon giebt nach dem Brennen und Pulvern mit
Wasser noch einen Brei, der aber körnig, mager ist. Während fetter Kalk beim
Löschen sein Volumen auf das Drei- bis Vierfache vermehrt, nimmt ein solcher
magerer Kalk nur wenig an Volumen zu und giebt einen Mörtel, der rasch
erhärtet, aber nicht sehr ausgiebig in Bezug auf Verkittung ist.
Bei einem grösseren Gehalt an Silicaten löscht der gebrannte und fein ge-
pulverte Kalkstein sich nicht mehr, er besitzt aber hydraulische Eigenschaften,
d. h. er nimmt, mit Wasser zusammengebracht, solches auf und erhärtet, was,
wie bei dem erwähnten Wassermörtel, wahrscheinlich auf der Bildung von Ver-
bindungen des Calciumoxyds mit Thonerde und Kieselsäure beniht. Eine solche
Masse ist als hydraulischer oder natürlicher Cement oder meist als Roman-
Cement bekannt. Dieser wurde 1796 zuerst von zwei Engländern, Parker und
WvATTS fabricirt, welche gewisse thonreiche Mergel aus Somerset und Glamorgon
leicht calcinirten.*) Der Romancement-Mörtel eignet sich besonders zu Wasser-
bauten; er hat von allen hydraulischen Bindemitteln die kürzeste Bindezeit..
Wenn eine künstliche Mischung von Kalk und Thon in solchen Verhältnissen
hergestellt wird, dass dieselbe bei Weissgluth sintert, aber noch nicht schmilzt,
so bildet sich eine Masse, die nach dem staubfeinen Mahlen mit Wasser zwar
weniger rasch abbindet als der Romancement, aber bald eine viel grössere Festig-
keit, Luft- und Wasserbeständigkeit erlangt als jener. Dieses in neuerer Zeit
ausserordentlich wichtig gewordene und sehr vielfach angewendete Baumaterial
ist der Portland-Cement. Derselbe darf keine gröberen Kalkkörner enthalten,
weil sonst nach dem Abbinden ein Quellen oder eine Volumvermehrung desselben
eintritt, welche das schädliche »Treiben«, d. h. Zerbersten des Mörtels veranlasst;
er darf auch beim Anmachen mit Wasser sich nicht erwärmen. Der Portland-
Cement besteht aus etwa -J Thln. Kalk und J Thon. Die Rohmaterialien werden
zunächst in ungebranntem Zustande gemahlen, innig mit einander vermischt,
dann in Ziegelform gebracht, getrocknet und bei Weissgluth gebrannt. Die ge-
brannte, gesinterte Masse wird dann fein gemahlen. Der Portland-Cement wurde
1824 von einem Maurer in England, Namens Joseph Aspdin, erfunden. Näheres
darüber im Art. Cement.
•) Auch Plinius hat den hydraulischen Cement schon gekannt. Er sagt, Ilist. nat. 35, § 47
(Wittstein 111., pag. 163): »Muss man sich nicht darüber wundem, dass der schlechteste, Staub
genannte Theil der Erde auf den puteolanischen Hügeln sich der Brandung des Meeres
widersetzt, unter Wasser sogleich zu einer Steinmasse wird, die den Wogen Trotz bietet und
mit der Zeit an Festigkeit zunimmt!«
432
Handwörterbuch der Chemie.
Eine dritte Art von Wassermörtel wird mittelst fetten Kalks und geeigneter
Zuschläge hergestellt. Solche Zuschläge sind vulkanische Massen mit nur ge-
ringem Kalkgehalt, Puzzolane, Santorinerde, Trass. Sie geben für sich allein
keinen Mörtel, liefern aber, gepulvert dem Fettkalk zugesetzt, einen hydraulischen
Mörtel, der langsam erhärtend allmählich eine grosse Festigkeit erlangt
Folgende Analysen geben eine Vorstellung von der Zusammensetzung der erwähnten Mörtel
Luftmörtel
Hydraulische Zuschläge
Hydraulisch. Kalk
Luftmörtel
aus RU-
dersdorfer
Kalk,
trocken
Römischer
Mörtel, ■
1500 Jahr
alt
Puzzolan
Trass
Santorin-
erde
Secundä-
rer Kalk
von Meu
Cement-
stein von
Haus-
*^
Minden
Kalk ....
12-76(1)
25-75 (3)
8-8
2-6
2-84
68-19
68-56
Magnesia
—
—
4-7
10
106
2-66
209
Thonerde
}l-61
—
16-0
16-8
15-01
5-73
6-84
Eisenoxyd
—
12-0
50
5-93
3-29
6-32
Kieselsäure
86-51 (2)
54-50 (2)
44-5
570
65-43
18-47
17-18
Kali . .
—
—
11
7-0
2-94
—
—
Natron
__
—
41
10
4-67
—
—
Thon . .
—
18-00
—
—
MnjO,
1-64
—
Gyps . .
__
015
—
—
—
—
—
Wasser .
—
0-92
9-2
9-6
4-29
—
—
Roman-Cement
Portland-Cement
Cement
von
Haus-
hcrgea
bei
Cement
von
Vassy
Cbaux
du
Thcil
Teplitzer
Wasser-
kalk
Mergel von
Perlmoos
bei
Kufstein
Derselbe
gebrannt
Stern
Stettin
Minden
Kalk . .
58-88
55-69
74-64 (3)
60-62 (3)
70-64 (3)
55-78
61-64
61-74
Magnesia .
2-25
112
—
—
1-02 (4)
1-62
—
2-24
Thonerde .
7-24
8-88
1-12
6-55
5-94
8-90
617
6-17
Eisenoxyd .
7-97
12-47
1-28
9-55
3-98
605
2-13
0-45
Kieselsäure
23-66
21-82
22-95
23-62
15-92
22-53
2300
26-63
Kali . .
—
—
—
—
0-55
0-75
—
0-60
Natron
—
—
—
—
0-82
1-06
—
0-40
Thon . .
—
—
—
—
—
—
1-28
118
Gyps . .
—
—
—
—
0-34
1-85 (6)
1-52
1-64
Wasser .
—
—
—
0-79
CO, 1-46
—
—
Die Oefen, in welchen Kalk »gebrannte wird, kann man in vier Gruppen
theilen; 1. Oefen fiir periodischen Betrieb mit grosser Flamme; 2. solche mit
kleiner Flamme; 3. Oefen für continuirlichen Betrieb mit kleiner, 4. ebensolche
mit grosser Flamme.
Die Oefen der ersten Art haben meistens einen inneren Ofenraum von ellipsoidischer Form.
Man baut in denselben zunächst ein spitzbogenartiges Gewölbe aus grösseren Kalksteineo,
welches den Feuerraum abschliesst. Auf dieses Gewölbe schüttet man durch die Gicht die
übrigen Kalksteine. Man heizt allmählich an bis zur Weissgluth. Bisweilen ist ein Rost f^ die
Feuerung vorhanden.
Die Oefen der zweiten Klasse haben eine ellipsoidische Form oder die eines umgekehitCD
abgestumpften Kegels. Nachdem auf der Ofensohle oder dem Rost ein Reisigfeuer angezündet
ist, pflanzt sich die Gluth in die Beschickung fort, welche so hergestellt ist, dass über <
I) 10-96 Ca(OH), und 1-80 CaCO,.
Magnesia.
2) Sand. 3) Kohlensaurer Kalk. 4) Kohlensaure
Calcium.
433
Kalksteingewölbe abwechselnd Schichten von Kcihk und Kalkstein aufgegeben sind (?;. Fig. 58),
Man erkennt, dass dieser Ofen auch einen
(ClLää.
continuirlichen Betrieb gestattet, indem aus
dem gewöhnlich verschlossenen Abzug unten
nur ein Theil fertigen Kalks gezogen wird
und oben neue Schichten Brennmaterial unti
Kalkstein aufgegeben werden. Dadurch, dass
in diesen Oefen die Asche des Brennmaterials
in unmittelbare Berührung mit dem Kalk
kommt, ¥ard ein etwas geringwerthiges Produkt
erieugt Die continuirlichen Oefen mit kleiner
Fhmme in ihren vielen Modificationen sind
meist trichter- oder flaschenförroig und haben
mehrere OefJhungen zum Ausziehen des Kalks,
Der Grossbetrieb bedient sich meistens
der continuirlichen Oefen mit grosser Flamme,
Besonders bewährt hat sich der Ofen der kgl.
preussischen Kalkbrennereien in Rudersdorf,
Der 12 Meter hohe Schacht C hat an der
Gicht und der Rast a 2 Meter, in der Höhe
der Feuerungen ö 2*8 Meter Durchmesser.
Die Wand ä besteht aus Ziegelsteinen,
ist aber in den unteren 8 Meter mit feuer-
festen Steinen ausgekleidet. Zwischen ä
und der Kalksteinmauer e ist ein freier
Raum, der mit schlecht wärmeleitenden
Stoffen gefüllt ist Das ganze Schacht-
gemäuer wird von der äusseren Mauer BB
umgeben, zwischen welcher und der
Mauer e mehrere gewölbte Räume pp
sich befinden. Die Oefen haben 3, 4
oder 5 Rost-Feuerungen (d). Die Ver-
brennungsluft wird der Feuerung, die
bei ^ abschliessbar ist, durch den Ca-
nal A zugeführt Der Aschenfall / kann
bei z verschlossen werden. Die Asche
wird in den Raum £ gezogen und von
hier entfernt Die KalkabzUge a liegen
immer zwischen zwei Feuerungen. Durch die C^nüle /■ kniin die Hitze tk's j;^lühend ausgesogenen
Kalks in die Räume P entweichen. Die Prodüttiim einen (lrei?^chUrt|jeu fJfcns betragt tagÜch
9000 Kgnn. Stückkalk. Man hat diese Oefen auch für Gcncratorgasfcucrung aptirt.
Die HoFFMANN-LiCHT'schen Ringöfen, auch die für Gasfeuerufig eingerichteten, werden vieJ-
lach zum Brennen von Kalk benützt Näheres libcr diese im Art, Thon.
Calciumsuperoxyd, CaO^, ist als Hydrat von Tuenard (17) durch Fällung
einer Lösung von Wasserstoffsuperoxyd mit Kalkwasscr dargestellt worden. Es
ist ein weisser, wenig beständiger Körper, der nich unter Was^ser, Kumal beim
Erwärmen, allmählich zersetzt. Wenn man das Hydrat im luftleeren Raum ent-
wässern will, so tritt Zersetzung unter iSauerstoilentwicklung ein. Nach Struve
bildet es sich in geringer Menge, wenn man Calciumcarbonat oder -oxalat in Be-
rührung mit Luft schwach glüht (18). Die Zusammensetzung des Hydrats ist
nach CONROY (19) CaOj, 8HjO. E, ScHüNt: (20) hat seine Krystallform näher
bestimmt; es gebort dem tctragonalen System an und ist isomorph mit den
Hydraten des Barium- und Strontiumsuperoxyds,
Laobhburg, Chemie. II. ^g
(Ch. i9 )
434 Handwörterbuch der Chemie.
2. Halogenverbindungen.
Calciumchlorid, CaClj. Durch Auflösen von Calciumcarbonat in Salzsäure
und Abdampfen der Lösung wird ein farbloses, sehr zerfliessliches Salz erhalten,
das Hydrat CaClj, 6H3O. Dasselbe krystallisirt in hexagonalen Prismen, die oft
in Pyramiden endigen. Nach dem Trocknen im luftleeren Raum bleibt CaCl,,
2HjjO. Das Chlorcalcium ist eins der löslichsten Salze. In 100 Thln. Wasser
lösen sich (21) bei
0° 36-91 CaCl, oder
72-82 CaCl,,
6H,0
7-39" 38-77
76-49 „
13-86° 41-03
80-95 „
19-35° 42-50
83-85 „
24-47° 45-33
89-44 „
29-53° 50-67
99-97 „
Mulder (22) gebraucht 1 Th. CaCl, bei
0°
2-016 Thle
. Wasser
10°
1-667 „
»1
20°
1-351 „
tf
40°
0-909 „
n
60°
0-775 „
tf
80°
0-704 „
»f
90°
0-694 „
tt
Durch die Lösung bei gewöhnlicher Temperatur wird viel Wärme gebunden.
Die Lösungswärme des Hydrats CaClj, GHjO ist — 3258 cal. Ein Gemisch von
3 Thln. des Hydrats mit 1 Th. Schnee bewirkt ein Sinken des Thermometers
bis auf — 36°.
Mit der Concentration der Lösung nimmt deren Siedepunkt zu, wie folgende
Tabelle nach Legrand zeigt.
Siedep.
Proc. CaCl,
Siedep.
152*
.Proc. CaQ,
110°
44-0
178-1
115°
58-6
160°
212-1
120°
73-6
172°
276-1
130°
104-6
179-5°
325-0
140°
136-3
Bei Einwirkung der Wärme schmilzt das Chlorcalcium zunächst in seinem
Krystallwasser bei 29°. Nachdem alles Wasser entwichen und die Temperatur
über 100° gestiegen ist, tritt feuriger Fluss ein. Es kann dann in Stücke ge-
gossen werden, und in dieser Form wird es häufig als Trocknungsmittel ange-
wendet. Für manche Zwecke eignet sich besser das getrocknete, poröse Salz.
Das geschmolzene Chlorcalcium reagirt immer alkalisch, wenn beim Schmelzen
nicht etwas Salmiak zugesetzt war; es phosphorescirt, und nach Einwirkung des
Sonnenlichtes leuchtet es einige Zeit im Dunkeln.
Chlorcalcium absorbirt lebhaft Ammoniak; 100 Thle. nehmen 119 Thle.
Ammoniakgas auf. Man schreibt dem Körper die Formel CaCl,, 8NH5 zu. Aus
diesem Grunde kann Chlorcalcium nicht zum Trocknen von Gasen dienen, welche
Ammoniak enthalten. Da auch eine Chlorcalciumlösung das Ammoniak sehr
stark aufzulösen vermag, so hat man solche zur Magazinirung dieses Gases vor-
geschlagen. Chlorcalcium löst sich in absolutem Alkohol, und beim Verdampfen
der Lösung krystallisiren Prismen aus, welche als »Krystallwasser« 50 J Alkohol
enthalten.
Calcium. 435
Calciumoxychlorid, CaClj, 3CaO -f- löH^O. Eine concentrirte Lösung
von Calciumchlorid, die mit Kalkhydrat zum Sieden erhitzt wird, scheidet beim
Erkalten lange, feine Nadeln des obigen Körpers ab. Durch Wasser oder Alkohol
werden die Krystalle leicht in Chlorcalcium und Calciumhydroxyd zersetzt. Auch
beim Glühen feuchten Chlorcalciums an der Luft bildet sich unter Entweichen
von Salzsäure dieses Oxychlorür und verursacht alkalische Reaction der Masse.
Calciumfluorid, CaFlj, kommt als Flussspath in reichlicher Menge in
der Natur vor, besonders als Begleiter von Metalladem, oft in schönen Krystallen,
Würfeln oder Würfeln, die auch Octaeder-, Hexatetraeder- oder Hexoctaeder-Flächen
zeigen, in den verschiedenartigsten Farben, besonders violett, gelb, grün, farblos.
Der Flussspath schmilzt bei lebhafter Rothgluth, hat die Härte 4 und das Vol.-
Gew. 3*18. Fluorcalcium ist femer in sehr geringer Menge in einigen Mineral-
wässern aufgeftmden und macht einige Tausendstel der Mineralmasse der Knochen
und des Zahnschmelzes aus.
Wasserdampf zersetzt bei Rothgluth das Fluorcalcium unter Bildung von
Fluorwasserstoffsäure und Calciumoxyd. Alkalien und Alkalicarbonate zersetzen
es auf trocknem Wege unter Bildung löslichen Fluorkaliums etc. Sauerstoff und
Chlor entwickeln bei hoher Temperatur wahrscheinlich Fluor aus dem Fluorcalcium.
1 Th. Fluorcalcium löst sich in 26000 Thln. Wasser. Es wird daher aus
löslichen Calciumsalzen und löslichen Fluoriden gefällt. Concentrirte Flusssäure
und Salzsäure lösen dasselbe, und aus der Lösung wird es durch Ammoniak in
gelatinösem Zustande gefallt.
Der Flussspath wird in der Metallurgie als Schmelzmittel angewendet; femer
ist er das Material zur Darstellung der Fluorwasserstoffsäure.
Calciumbroxnid, CaBr,, büdet lange, farblose und zerfliessliche Nadeln, sehr löslich in
Wasser, auch in Alkohol. 100 Th. Salz bedürfen zur Lösung bei 0^ 80, bei 20^ 70, bei 60° 3G,
bei 105 ^^ 32 Thle. Wasser. Das trockne Salz absorbirt Ammoniakgas.
Calcium Jodid, Cajg, weisses, zerfliessliches Salz in prismatischen Nadeln krystallisirend,
sehr löslich in Wasser, auch in Alkohol. Beim Glühen an der Luft zersetzt es sich zum Theil.
Ausser durch Einwirkung von Jodwasserstoffsäure auf Kalk oder kohlensauren Kalk kann es dar-
gestellt werden durch Sättigen einer Schwefelcalciumlösung mit Jod, Abdampfen und Calciniren
des Rackstands (Lits-BoDART und Jobin) (23), oder durch Zusatz von Jod zu einem Gemisch
▼on Kalkmilch und Calciumsulfit (R. Wagner) (24). 100 Thle. Jodcalcium bedürfen nach
Kremers (25) zur Lösung bei 0** 52, bei 20** 49. bei 40** 44, bei 92** 23 Thle. Wasser.
3. Sulfide.
Calciummonosulfid, CaS, entsteht durch Glühen des Calciumsulfats mit
Kohle oder im Wasserstoffstrom, oder wenn man ein Gemisch von Kohlensäure
und Schwefelkohlenstoffdampf über glühenden Kalk leitet.
Das reine Schwefelcalcium ist eine weisse, pulverige Masse, in Wasser fast
unlöslich, zersetzt sich aber allmählich mit demselben unter Bildung von Calcium-
suifhydrat und Calciumoxyd. Das Calciumsulfid leuchtet im Dunkeln, wenn es
vorher dem Licht ausgesetzt war. Marggraf stellte 1750 einen solchen Leucht-
stein durch Reduction von Gjrps her; als Canton's Phosphor (1768) war lange
das durch Glühen mit Schwefel erhaltene Schwefelcalcium bekannt.
Calciumsulfhydrat, Ca(SH),, entsteht durch Zersetzung von Calcium-
monosulfid mit Wasser, oder wenn Schwefelwasserstoffgas durch Kalkmilch oder
auf trocknes Calciumhydroxyd geleitet wird. Beim Eindampfen der I^ösung zer-
fällt das Sulfhydrat in Schwefelcalcium und Schwefelwasserstoff. Das Caldum-
salfhydrat wird in der Gerberei* und sonst als Enthaarungsmittel angewendet.
28»
43^ Handwörterbuch der Chemie.
Es ist der wirksame Bestandtheil des sogen. Rhtisma Turcarum, welches durch
Vermischen von Arsensulfür (Auripigment), Aetzkalk und Wasser bereitet wird.
Ein dicker Kalkbrei, durch welchen Schwefelwasserstoff geleitet worden ist, ent-
fernt die Haare nach wenig Minuten.
Calciumtetrasulfid, CaS^, entsteht, wenn 1 Mol. Monosulfid mit 3 At
Schwefel und Wasser erwärmt wird. Die Lösung zersetzt sich beim Eindampfen,
indem Schwefelwasserstoff entweicht.
Calciumpentasulfid, CaSj, erhält man beim Kochen von Monosulfid
mit der hinreichenden Menge Schwefel in rothgelber Lösung, welche beim Ver-
dunsten im luftverdünnten Räume das Pentasulfid als amorphe, gelbe, auch in
Alkohol lösliche Masse zurück lässt. Beim Einkochen tritt Zersetzung in Schwefel
und Monosulfid ein. Beim Kochen von Kalkmilch mit Schwefel entsteht auch
Calciumpentasulfid-Lösung, daneben aber noch Calciumthiosulfat :
3CaO -I- 12S == 2CaS5 -^- CaS^Oj.
Beim Kochen von 3 Thln. trocknem Kalkhydrat mit 1 Thl. Schwefel und
20 Thln. Wasser bildet sich ein Oxysulfid, das sich beim Erkalten der Lösung
in orangefarbenen Prismen von der Formel Ca^OgS^-h 12H2O ausscheidet (Schöne).
Glüht man Kalk mit etwa dem gleichen Gewicht Schwefel im Tiegel, so
entsteht ein Gemenge von Schwefelcalcium und Calciumsulfat, die sogen. Kalk-
schwefel 1 eher. Es ist dies ganz analog der Bildung von Alkalischwefelleber;
allein etwa gebildetes Calciumthiosulfat sowie Calciumpolysulfid wird bei der
hohen Temperatur zersetzt. Wird beim Glühen noch Kohle zugesetzt, wie manche
Pharmakopoen vorschreiben, so wird eine entsprechende Menge Calciumsulfat
reducirt, und die Masse besteht wesentlich aus Calciummonosulfid. Gewöhnlich
ist die Zusammensetzung BCaS -i- CaS04. Die gelbröthliche Masse wird ge-
pulvert aufbewahrt und dient zur Herstellung von Bädern gegen Hautkrankheiten.
Das Präparat oder seine wässrige Lösung muss mit Salzsäure reichlich Schwefel-
wasserstoff entwickeln.
4. Selen- und Phosphor-Verbindungen.
Selencalcium Beim Zusatz von Selenkalium zu Chlorcalciumlösung entsteht ein fleisch-
rother Niederschlag. Erhitzt man Selen mit Kalk zum Gltlhen, so resultirt ein hellbraunes Ge-
menge von Selencalcium und selenigsaurem Calcium; bei einer Temperatur unter Glühhitze ent-
steht auch Calciumpolyselenid. Durch Sättigen von Kalkwasser mit Selenwasserstoff bei Luf^*
abschluss kann man Selencalcium in Krystallen erhalten (Berzelius) (26). Alle diese Körper
sind nicht genau untersucht.
Phospliorcalcium, Phosphorkalk. Diese braune, amorphe Masse wird
durch die Einwirkung von Phosphordampf auf rothgltihenden Kalk erhalten.
Nach P. Thenard ist die Zusammensetzung dieses Körpers {(Z2lO)^V^\ er stellt
vermuthlich ein Gemisch von 5 Mol. Phosphorcalcium und 2 Mol. pyrophosphor-
saurem Calcium dar, nach der Gleichung
UCaO -h UP == öCa^Pa -f- 2Ca3P307.
Wenn dieser Körper mit Wasser in Berührung kommt, so bildet sich selbst-
entzündliches PhosphorwasserstofFgas und Calciumhypophosphit.
5. Sauerstoffhaltige Salze.
Calciumnitrit, salpetrigsaures Calcium, Ca(N02)s + H,0. Zerfliessliches Salz,
durch doppelte Zersetzung von salpetrigsaurem Silber und Chlorcalcium leicht darzustellen.
Calciumnitrat, salpetersaures Calcium, Ca(N03)2, zerfliessliches,
auch in Alkohol lösliches Salz. Es krystallisirt in hexagonalen Prismen mit
4 Mol. HjO. Es schmilzt bei 44° in seinem Krystallwasser. Durch Einwirkung
Calcium. 437
der Wärme wird «s in Calciumoxyd, Sauerstoff und Stickoxyde zerlegt. 1 Gewth.
wasserfreies Salz erfordert zur Lösung bei 0° 1'07 Gewth. Wasser, bei 152°, dem
Siedepunkt der gesättigten Lösung, 0*28 Thle. Das Calciumnitrat bildet häufig
den sogen. Mauerfrass, die weissen Efflorescenzen, die bei Gegenwart sich zer-
setzender Thierstoffe an feuchten Mauern entstehen. Dieser Mauersalpeter hat
früher in grossem Maassstabe zur Bereitung von Salpeter gedient, und noch jetzt
ist dies an einigen Orten der Schweiz und Schwedens der Fall. Die Efflores-
cenzen werden gesammelt und ausgelaugt, und die Lauge wird mit einer Holz-
aschenlauge zersetzt. Die vom kohlensauren Kalk getrennte Lösung von Kalium
Salpeter wird zur Krystallisation gebracht.
Calciumchlorat, Ca(C103)2, kann auf direktem Wege oder durch Be-
handlung einer Lösung von Kaliumchlorat mit fluorkieselsaurem Calcium erhalten
werden. Sehr lösliches, zerfliessÜches Salz, das nur schwierig krystallisirt. Wenn
die Lösung im luftleeren Raum verdampft wird, so bilden sich schräge Prismen,
die 2 Mol. Krystallwasser enthalten und bei 100° in diesem schmelzen.
Calciumperchlorat, Ca(ClO^),. Durch Neutralisiren einer Lösung von Ueberchlor-
säure mit Kalkhydrat und Verdampfen der Lösung im Vacuum erhält man cerfliessliche, auch
in Alkohol lösh'che Prismen.
Calciumbromat, Ca(Br03)2 +H,0, ziemlich lösliche Prismen, die ihr Krystallwasser
bei 180° verlieren.
Calcium] odat, CaQOi),, durch doppelte Zersetzung zwischen Kaliumjodat und Chlor-
calcium zu erhalten oder durch Auflösen von Jod in Calciumhypochlorit, wobei alles Jod in
Jodat umgewandelt wird (Flicht) (27). Es krystallisirt in rhombischen Prismen mit 6 Mol, HjO, .
von denen es 5 beim Erwärmen bis 150 ^ das letzte bei 200° verliert; wenig löslich in Wasser;
bei 0° erfordert ein Thl. 400, bei 100° 100 Thle. Wasser.
Calciumperjodat, Uberjodsaures Calcium. Aus einer Lösung von ttberjodsaurem
Natrium fällt Calciumnitrat einen weissen, krystallinischen Niederschlag (Ca,J,Og + 7H,0)
(Langlois) (28). Aus einer Lösung von Kalk in überschüssiger Uebeijodsäure erhielt Rammels-
BERG (29) durch Verdunsten neben Schwefelsäure kleine, röthliche Krystalle von der Formel
Ca^jO^ + dHiO, aus einer sehr sauren Lösung das Monocalciumperjodat, CaQO^),.
Beim Glühen des jodsauren Kalks entsteht Pentacalciumperjodat, Ca^QO^), (Rammels-
BÄG) (30).
Calciumhypochlorit, unterchlorigsaures Calcium, Ca(0Cl)2, ist
durch Neutralisiren einer Lösung von unterchloriger Säure mit Kalk darzustellen.
Es bildet sich neben Chlorcalcium beim Einleiten von Chlor in Kalkmilch, sowie
beim Behandeln von Chlorkalk mit Wasser. T. Kingzett (31) hat das Salz
Ca(C10)2 -f- 4H2O in langen Krystallen beim Verdunsten einer wässrigen Chlor-
kalklösung im luftleeren Räume über Schwefelsäure erhalten.
Chlorkalk oder Bleichkalk wird das weisse, meist etwas feuchte Pulver
genannt, welches das Produkt der Einwirkung von Chlor auf gelöschten Kalk
ist Dieser Körper findet als Bleichmittel eine ungemein grosse technische An-
wendung.
Durch Einleiten von Chlor in dünne Kalkmilch bei niedriger Temperatur
entsteht eine Lösung von Chlorcalcium und Calciumh)rpochlorit:
2Ca(OH)3 -+- 2CI3 = Ca(OCl)a + CaClj -h 2H,0.
Wenn aber Chlor auf trocknes Kalkhydrat einwirkt, so bleibt eine gewisse
Menge von diesem unverändert. Man war deshalb früher der Meinung, der
Chlorkalk sei ein Gemenge von Calciumhydroxyd, Calciumhypochlorit imd
Calciumchlorid. Allein freies Chlorcalcium lässt sich keineswegs in so gros.ser
Menge darin nachweisen (durch Löslichkeit in Alkohol z. B.), wie es die obige
43^ Handwörterbuch der Chemie.
Gleichung verlangt. Auch wird niemals sämmtliches Kalkhydrat umgewandelt
Ueber die Natur der bleichenden Verbindung im Chlorkalk sind im Laufe der
Zeit viele Ansichten laut geworden, von denen nur einige erwähnt seien. Die
von Balard zuerst ausgesprochene und von Gav-Lussac unterstützte Angabe,
der Chlorkalk sei ein Gemisch der erwähnten Art, hat bis in die neueste Zeit
viele Anhänger gehabt Da das Chlorcalcium nicht in genügender Menge nach-
gewiesen werden konnte, nahm Fresenius an, der Chlorkalk enthalte ein Calcium-
oxychlorid, CaCl^SCaO, und entstehe nach der Gleichung
4Ca(OH), 4- 2CI3 = Ca(OCl), + CaCl,2CaO-t- 4H3O.
Nach dieser Gleichung können indessen im Chlorkalk höchstens 32^ wirk-
sames Chlor enthalten sein, während technischer Chlorkalk 35^ und mehr ent-
hält. Sehr plausibel erscheint eine von Odling aufgestellte Formel, nach welcher
Cl
CaClj und Ca(0Cl)2 zu zwei Molekülen einer Verbindung Ca C1[qq zusammen-
gezogen sind, also ein Chlorcalcium darstellen, dessen eines Chloratom durch
das Radical der unterchlorigen Säure ersetzt ist Diese Verbindung zersetze sich
sehr leicht, schon mit Wasser, in CaClj und Ca(OCl)j. Diese Formel erklärt
nicht die unvermeidliche Gegenwart von Kalkhydrat im Chlorkalk. Göpner und
einige andere Chemiker halten die bleichende Verbindung für ein Additions-
produkt von Kalk und Chlor und kommen damit auf eine schon von MnxoN
ausgesprochene Ansicht zurück.
Stahlschmidt suchte die unvollständige Umwandlung des Kalkhydrats da-
durch zu erklären, dass ein basisches Hypochlorit entstehe nach der Gleichung
3Ca(OH)2 -h 2CI3 = 2CaCroci "^ ^^^^2 "*" ^^a^-
Diese Formel verlangt 39*01 J wirksames Chlor, was mit Analjrsen von Stahl-
scH\nDT gut übereinstimmte. Lunge und Schäppi haben indess mit Leichtigkeit
Chlorkalk von 44 J bleichendem Chlor erhalten. Femer muss nach dieser Formel
wieder eine grosse Menge, 30*49^, freies Chlorcalcium angenommen werden.
Die Angabe Stahlschmidt's, dass 2 Mol. Wasser bei niedriger Temperatur zu
verjagen sind, das dritte Mol. (Constitutions-) Wasser dagegen selbst bei Roth-
gluth nicht, sondern beim Erhitzen mit Soda, fanden Lunge und Schäppi nicht
bestätigt; nach ihnen geht vielmehr sämmtliches Wasser des Chlorkalks beim
Erhitzen bis zur Rothgluth auch ohne Zusatz von Soda fort.
Indem wir eine lange Reihe anderer Arbeiten von Richters und Juncker,
Wolters, Opl, Kopfer, Limpach, Kraut, Davis, Schorlemer u. a. übergehen,
heben wir hervor, dass nach den gründlichen Untersuchungen von Lunge und
Schäppi (32), sowie von Lunge und Naeff (33) die OüLiNo'sche Formel für die
bleichende Substanz die wahrscheinlichste ist, zumal da die letzteren Chlorcaldum
durch unterchlorige Säure allein unter Entweichen von Chlor in Chlorkalk um-
gewandelt haben. Die Gegenwart von Kalkhydrat im technischen Chlorkalk lässt
sich wohl nur nach einer schon von Bolley ausgesprochenen Ansicht so erklären,
dass dasselbe mechanisch durch die bleichende Verbindung vor der Einwirkung
des Chlors geschützt werde. Nach Lunge und Schäppi ist die bleichende Ver-
bindung als Hydrat im Chlorkalk enthalten und hat die Formel 2CaOClj, H^O.
Technische Darstellung. Die Fabrikation von Chlorkalk wird immer
mit der Sodafabrikation combinirt. Hier werden bei der Umwandlung des Koch-
salzes in Sulfat ungeheure Mengen Salzsäure als Nebenprodukt gewonnen, aus
welcher am vortheilhaftesten Chlor zur Erzeugung von Chlorkalk entwickelt wird.
Calcium.
439
Das Chlor wird aus der Salzsäure entweder mittelst Braunsteins entwickelt,
oder, was jetzt gebräuchlicher ist, mittelst des nach dem WELDON'schen Verfahren
aus den Manganlaugen der Chlorentwickler regenerirten Braunsteins oder Weldon-
Schlamms. In einigen Fabriken wird das Chlor nach dem Verfahren von Deacon
durch Zersetzung eines Gemenges von Salzsäuregas und überschüssiger Luft
unter Einwirkung poröser mit Kupfersulfat getränkter Stoffe bei 370 — 400° erzeugt
Näheres über die Chlordarstellung bei Chlor.
Der Kalk muss möglichst rein sein, frei von Thon, Sand und Eisenoxyd,
er wird aus reinem Kalkstein oder Kreide gebrannt. Er wird so gelöscht, dass
das Hydrat etwas überschüssiges Wasser enthält, denn ganz trocknes Kalkhydrat
absorbirt das Chlor nur unbedeutend. Die Menge überschüssigen Wassers wird
verschieden angegeben; 2—ß^ (26— 30J Gesammtwasser) scheinen hinreichend
zu sein. Das Kalkhydrat wird dann gesiebt; das feine Pulver kommt, nachdem
es einige Tage gelagert hat, in die Chlorkalkkammern. Diese sind meistens aus
mit Theer getränkten Sandsteinplatten, auch aus Bleiplatten oder mit Asphalt
überzogenen Eisenplatten hergestellt. Gewöhnlich bringt man einfach auf den
Boden der etwa 2 Meter hohen Kammern eine 75 — 100 Millim. hohe Schicht
Kalkhydrat, in deren Oberfläche man mittelst eines Rechens Furchen zieht. Das
Chlorgas wird vor dem Eintritt gekühlt, damit Wasser möglichst zurückbleibt.
Aus der ersten Kammer geht das Gas in eine zweite. Sobald man durch Schau-
fenster in der Kammer eine grüne Chloratmosphäre wahmimmmt, ist die Ab-
sorption vollendet. Nach 24 Stunden Ruhe wird der Kalk umgeschaufelt und
wiederum Chlor eingeleitet. Je niedriger die Temperatur ist, um so vollständiger
ist die Absorption; 25° C. sollen nicht überschritten werden, da sich sonst Calcium-
chlorat bilden kann.
Da das nach dem DEACON-Verfahren dargestellte Chlor stark mit Stickstoff
verdünnt ist, so muss man bei
Anwendung dieses Gases die Ab-
sorprion systematisch vornehmen.
Die Kammern sind grösser, und
in ihnen liegt der Kalk auf Hür-
den, die so miteinander^verbunden
sind, dass das Chlor, wie die
Pfeil« in Fig. 60 zeigen, nach ein-
ander über dieselben streicht und
zuerst mit einer chlorreichen Masse
in Berührung kommt. Diese
Kammern bewähren sich auch
für Chlor, welches nach anderen
Methoden dargestellt ist, vor-
züglich.
Um die Chlorkalkbildung zu
beschleunigen, bringt man neuer-
dings das Kalkhydrat in feiner
Zertheilung mit dem Chlor in Be-
rührung. Der von MaljStra an-
gegebene Apparat (Deutsch. Patent
No. ioo6) (34) ist ein horizontaler
Cylinder, durch welchen eine mit Schaufelarmen versehene Welle geht, welche
jAl
Ai-O
(Ch. 60.)
f
440 Handwörterbuch der Chemie.
10 — 20 Umdreliungen in der Minute macht Dadurch wird der Kalk umher-
geworfen und dem Angriff des in dem oberen Theil des Cylinders eintretenden
Chlors gut ausgesetzt.
In dem Apparat von F. Kopfer (D. Fat. 9398) (35) wird das Kalkhydrat-
pulver mittelst einer Centrifugc in der Chlorkammer ausgestreut. In der Decke
derselben befindet sich eine Oeffnung mit Ansatirohr und Wasserverschluss, durch
welche qin Holztrichter A^ Fig. 61, reicht. Ein Patemosterwerk P schafil in
diesen das Kalkhydrat, welches
dann in die Centrifuge A fällt
Diese hat Drahtnetzwandungen,
deren Maschen 0*5 Centim. Weite
haben. Die Centrifuge macht
600—1200 Umdrehungen in der
Minute.
In ähnlicher Weise benutzt
Fehres (D. Pat 24702) (36) einen
Zerstäubungsapparat in der Chlor-
kalkkammer, welcher einen mit
Schlitzen und Oefinungen ver-
sehenen Trichter bildet. Durch
ein Rohr wird Luft eingeblasen,
welche das Kalkhydrat durch die
Oeffnungen treibt und zerstäubt
^* ^*'^ Bei der Absorption des Chlors
durch den Kalk wird eine grosse Menge Wärme entwickelt. Man muss deshalb
durch Mässigung des Gasstroms, durch Zulassung von Luft oder durch äussere
Abkühlung dafür sorgen, dass die Temperatur nicht zu hoch steige, weil sich
sonst Calci unichlornt bildet. An den Absorptifinsapparaten müssen immer Ther-
mometer angebracht sein.
Der fertige Chlorkalk soll ein gleicbmässigesj weisses Pulver sein, das schwach
nach untercbloriger Säure riecht und an der Luft nur sehr langsam feucht wird.
Mit Wasser lässt er sich zu einem Brei anrühren; die Lösung enthält wesentlich
Calci umbypochlorit und Chlorcalcium* Sobald eine Säure, auch Kohlensäure,
mit der F.ösung zusammenkommt, tritt die bleichende Wirkung ein in Folge der
Entwicklung von Chlor:
Ca(OCl).j -h 4HCI = CaCi^
2HaO
2CU
Bei Anwendung von wenig Säure wird unterchlorige Säure frei, deren Bleich-
kraft doppelt so gross ist wie die ihres Clilorgehalts.
Ca(0C])5 + 2HC1 = CaClj, 4- 2H0C1.
Der Chlorkalk wird hei längerem Liegen an der Luft in Folge der Ein-
wirkung der Kohlensäure ganz unwirksam. Auch Sonnenlicht bewirkt Zersetzung.
Beim Glühen entwickelt Chlorkalk Saucrsto%as. Auch wenn man eine Chlor-
kalklösung mit Kobaltüxyduihydrat (welches nach Zusatz von ein wenig Kobalt-
chlorürlüsung gefällt wird) erwärmt^ so entwickelt sich Sauerstoff in regelmässigem
Strome.
IJer Clilorkalk wird in grösster Menge zum Bleichen von Textilstoffen pflanz-
lichen Ursjirungs, Papier u, dgh gebraucht^ femer zur Desinfection, in der Fär-
berei^ z. B. zur Erzeug ving weisser Muster auf türkischroth gefärbtem Zeuge, weiter
zur Darstellung von Chloroform und Chloral, zu Oxydationen überhaupt u. s. w.
Calcium. 44 ^
Chlorimetrie. Die Art der Herstellung und das Alter des Chlorkalks bedingen den
Grad der bleichenden Kraft desselben. Da derselbe sehr wechselnd ist, so muss er vor An-
wendung des Präparats bestimmt werden. Die Bleichkraft richtet sich nach der Menge unter-
cUorigsauren Calciums, die man als im Chlorkalk vorhanden ansehen kann. Man bestimmt
aber nicht den Procentgehalt an unterchloriger Säure, sondern den an wirksamem Chlor, wobei
zu beachten ist, dass 1 Aeq. Unterchlorigsäureanhydrid so stark bleichend (oxydirend) wirkt
wie 2 Aeq. Chlor.
Es sind verschiedene chlorimetrische Methoden im Gebrauch. 1. Die von Gay-Lussac
beruht darauf, dass Chlor in Gegenwart von Wasser arsenige Säure tu Arsensäure oxydirt:
AsjOj -h Cl^ 4- 2HjO = A.^05 4- 4HC1.
Man stellt eine Normallösung von arseniger Säure durch Lösen von 4*425 Grm. AsjOj in
1 Liter salzsäurehaltigem Wasser her. Von dem zu prüfenden Chlorkalk verreibt man 10 Grm. mit
Wasser und verdünnt zu 1 Liter. Von dieser Lösung lässt man aus einer Bürette zu 10 Cbcm.
Arsenigsäurelösung, bis Indigoschwefelsäure, welche dieser als Indicator zugesetzt ist, durch freies
Chlor entförbt wird.
2. Die Methode von Graham und Otto gründet sich auf die Oxydation von Ferrosulfat
tu Ferrisulfat durch Chlor:
2FeO H- CI3 + HjO = Fe^Og -f 2HC1.
Man wendet eine Eisenvitriollösung von bestimmtem Gehalt an und setzt von der Chlorkalk-
lösung so lange zu, bis ein Tropfen derselben mit Ferricyankaliumlösung keinen blauen Nieder-
schlag mehr giebt.
3. Nach R. Wagner löst man 24*8 Grm. Natriumthiosulfat zu 1 Liter. Man vertheilt
10 Grm. Chlorkalk in 1 Liter Wasser und setzt zu 100 Cbcm. dieser Lösung 25 Cbcm. einer
lOproc. Jodkaliumlösung und verdünnte Salzsäure, wobei eine dem wirksamen Chlor entsprechende
Menge Jod in Freiheit gesetzt wird. Dann titrirt man mit der Natriumthiosulfatlösung, bis die
durch das freie Jod veranlasste Färbung verschwunden ist
2Na,SjOj 4- 2 J = Na,S^Og + 2NaJ.
4. Die am häufigsten angewendete Methode ist die von Penot, nach welcher eine alkalische
Lösung von arseniger Säure angewendet wird. Man löst 4*95 Grm. (^ Mol.) arseniger Säure,
AsjOj, im vierfachen Gewicht Soda und verdünnt auf 1 Liter. Man verreibt 3*55 Grm. Chlor-
kalk mit Wasser zu 500 Cbcm. Von dieser Flüssigkeit werden 50 Cbcm. mit der Arsenlösung
versetzt, bis Jodkaliumstärkepapier nicht mehr gebläut wird. Die verbrauchten Cubikcentimcter
geben direkt die Procente wirksames Chlor an. Sicherer verfährt man so, dass man nach dem
Zusatz von etwas zuviel Arsenlösung etwas Stärkekleister (mit verdünnter Chlorzinklösung ange-
macht) hinzufügt und mit der Jodlösung zurücktitrirt, bis Blaufärbung eintritt. Es sind dann
jrCbcm. Arsenlösung — ^Cbcm. Jodlösung = Procente Chlor.
Der Gehalt des Chlorkalks an bleichendem Chlor wird entweder in Gewichtsprocenten an-
gegeben (die in Deutschland, England, Amerika gebräuchlichen Grade) oder in GAY-LussAc'schen
oder französischen Graden, welche besagen, wie viel Liter Chlor bei 0** und 760 Millim. Druck
aus 1 Kgnn. Chlorkalk entwickelt werden. Wenn man erwägt, dass 1 Liter Chlorgas 3' 18 Grm.
bei 0^ und 760 Millim. wiegt, so kann man leicht die eine Angabe in die andere verwandeln.
Calciumhypobromit, unterbromigsaures Calcium. Ein Gemenge von Kalkhydrat
and Brom oder Kalkmilch und Brom hinterlässt beim Verdunsten über Kalihydrat eine rothe,
bleichend wirkende Masse, die wahrscheinlich ein Gemenge von Calciumhypobromit und Mehrfach-
Bromcalcium ist.
Calciumhypojodit, unterjodigsaures Calcium. Wird ein Gemenge von Kalkhydrat
und Jod im Vacuum neben Kali auf 30^ erwärmt, so lange noch Jod entweicht, so bleibt eine
schwarze Masse, die mit Wasser in eine dunkelbraune Lösung und Kalkhydrat zerfällt (Berzelius)
(37). Aus Kalkmilch und Jod haben Lunge und Schock eine farblose, bleichende Verbindung
von der Zusammensetzung CaOJ, erhalten, die also dem Chlorkalk analog und als Jodkalk
zu bezeichnen ist.
Calciumsulfit, schwefligsaures Calcium, CaSOj, wird aus einer
Calciumsalzlösung durch eine Sulfitlösung als weisser Niederschlag gefallt. Der-
443 Handwörterbuch der Chemie.
selbe bedarf zur Lösung 800 Thle. Wasser. Im Grossen leitet man auch wohl
schweflige Säure über pulverförmiges Kalkhydrat, welches in 3—5 Centim. hohen
Schichten auf Horden in einer verschliessbaren Kammer ausgebreitet ist oder
durch andere gebräuchliche Vorrichtungen mit dem Schwefiigsäuregas in Be-
rührung kommt. Es muss dabei so viel Wasser vorhanden sein, dass das Salz
CaS03H-2HjO entstehen kann. Das Sulfit löst sich in wässriger schwefliger
Säure. Aus der Lösung krystallisirt CaSOj 4- 2H2O in kleinen, glänzenden
Krystallen (Muspratt) (39); Rammelsberg hat indessen ein Salz von der Formel
SCaSOj -h HjO erhalten. Die Lösung in wässriger schwefliger Säure ist unter
dem unrichtigen Namen doppeltschwefligsaurer Kalk ein Handelsprodukt, das
häufig an Stelle von schwefliger Säure gebraucht wird, z. B. in der Bierbrauerei
zum Schwefeln der Fässer, neuerdings in grosser Menge zur Darstellung von
Holzzellstofl*, wobei Holz mit einer solchen Lösung unter Druck digerirt winL
Calciumsulfat, schwefelsaures Calcium, CaS04. Dieser Körper wild
als Mineral Anhydrit oder Karstenit genannt. Es findet sich selten gut
krystallisirt (rhombisch), meist derb und stengelig zusammen mit Gyps und Stein-
salz in den Lagern der Salzgebirge. Sein Vol.-Gew. ist 2'964. Durch vorsichtiges
Schmelzen von Calciumsulfat hat Mitscheruch (41) Anhydrit in Krystallaggregaten
erhalten, Manross (42) orthorhombische Prismen durch Schmelzen eines Gemenges
von Kaliumsulfat und Chlorcalcium und Auswaschen der erkalteten Schmelze.
Hoppe-Seyler hat nachgewiesen (43), dass beim Erhitzen von Gyps mit einer
gesättigten Kochsalzlösung im geschlossenen Rohre auf 140° sich Anhydrit bildet.
Dies kann zur Erklärung des Zusammen Vorkommens von Anhydrit und Kochsalz
beitragen. Nach Struve erhält man Anhydrit beim Verdampfen einer Lösung
von Calciumsulfat in Schwefelsäurehydrat (44).
Das gewässerte Calciumsulfat, CaS04 -h 2H2O, ist als Gyps und
Alabaster weit verbreitet, krystallisirt monoklinoedrisch. Der Habitus der
Krystalle ist sehr verschieden, häufig tafelförmig, und oft kommen dieselben als
Zwillinge (Schwalbenschwänze) vor. Der Gyps findet sich auch derb, grob- und
feinkörnig (Alabaster), faserig krystailinisch (Fasergyps), in schuppigen Aggregaten
(Schaumg)rps) und erdig. Eine durchsichtige, in dünne Blättchen spaltbare Varietät
wird Marienglas oder Fraueneis genannt. Seine Härte ist 1-5 — 2; sein Vol.-Gew.
2*2 — 2'4; er kommt farblos, weiss, röthlich, gelb, braun, grau vor.
Der reine Gyps ist farblos, vom Vol.-Gew. = 2-31. Er enthält 20*9 J Krystall-
wasser. Dieses Wasser verliert der Gyps schon bei 80°, wenn er in einem Lutt-
strom erhitzt wird, bei 115° im geschlossenen Gefässe. Der entwässerte Gyps
nimmt in Berührung mit Wasser die beiden Moleküle mit grosser Leichtigkeit
unter l'emperaturerhöhung wieder auf, wobei er krystailinisch wird und sein
Volumen vergrössert. Deshalb eignet er sich gut zum Giessen in Formen, deren
Vertiefungen er vollständig ausfüllt. Nach kurzer Zeit wird die Masse fesL Wenn
beim Gypsbrennen die Temperatur 160° erreicht wurde, so nimmt der gebrannte
Gyps das Wasser nur sehr langsam auf, und in dunkler Rothgluth, nach Schott (45)
über 300°, wird er todtgebrannt. Solcher Gyps ist indessen nicht ganz indifferent
gegen Wasser; wegen seiner grösseren Dichtigkeit verbindet er sich nur weit
langsamer damit. Gegen 500° geht der Gyps in eine hydraulische Modification
über, die das Wasser nur in geringer Menge und sehr langsam bindet; das Er-
härtungsprodukt hat aber grössere Dichtigkeit als gewöhnlicher Gypsguss und ist
alabasterartig durchscheinend und etwas glänzend.
Das Calciumsulfat ist etwas löslich in Wasser. 100 Thle. Wasser lösen bei
Calcium. 443
0° 0-190 Thle. CaSO^, bei 20° 0-206, bei 40° 0-214, bei 60° 0208, bei 80° 0-195,
bei 100° 0*174 (Marignac) (46). Leichter löst es sich in gewissen Salzlösungen
wie in Ammoniaksalzen und Kochsalzlösung, besonders leicht in einer Natrium-
thiosulfatlösung, auch in verdünnten Mineralsäuren; in Alkohol ist es unlöslich.
Der Gyps wird durch Glühen mit Kohle oder im Wasserstoifstrom leicht zu
Schwefelcalcium reducirt. Auch in wässriger Lösung kann diese Reduction durch
organische Stoffe erfolgen und zur Entwicklung von Schwefelwasserstoff Anlass
geben.
Die Anwendungen des Gypses sind mannigfach und wichtig. In grossen
Mengen wird der ungebrannte Ciyps als Düngemittel gebraucht. Seine Wirkung
beruht wohl wesentlich darauf, dass er sich mit dem durch Zersetzung organischer
Stoffe im Boden entstehenden kohlensauren Ammoniak umsetzt und diese flüchtige
Verbindung in das nicht flüchtige schwefelsaure Ammoniak umwandelt, welches
somit dem Boden erhalten bleibt. Aus demselben Grunde ist es vortheilhaft,
Düngerhaufen und den Boden von Ställen mit Gyps zu bestreuen.
Natürlicher Alabaster wird zu Bildhauerarbeiten, Schnitzereien benützt.
Künstlich gefällter oder fein gemahlener, natürlicher Gyps wird unter dem
Namen ^Pear/ hardeningt oder i^Annalin^ von den Papierfabrikanten als Füllstoff
billiger Papiere benützt.
Die ausgedehnteste Anwendung erfahrt der gebrannte G)rps als Material zur
Verfertigung von Abgüssen. Dieser Gebrauch ist sehr alt. Plinius sagt, Lib. XXXVI.
§ 59*) *<ier Gyps ist ein geschätztes Material zu weissem Tünchwerk, kleinen
Figuren für Häuser und zu Kränzen«, und Lib. XXXV. § 44 berichtet er, dass
Lysistratus von Sicyon der erste war, welcher die Form eines menschlichen
Gesiebtes in Gyps abnahm, und dass diese Kunst älter sei als der Erzguss.
Um Abgüsse von Büsten, Medaillen u. dgl. zu machen, rührt man den nicht
zu stark gebrannten Gyps mit Wasser zu einem Brei und giesst in eine geölte
Gypsform oder in eine Leim- oder Kautschukform. Solcher Gypsbrei wird auch
in der Chirurgie als ^Gypsverband« benützt. Durch kurzes Eintauchen der Gyps-
güsse in geschmolzene Stearinsäure oder Paraffin oder durch Bepinseln derselben
mit einer Auflösung von Paraffin in Petroleumäther oder dgl. kann man die
Masse abwaschbar machen. Um die Härte der Gypsgüsse zu erhöhen, sind ver-
schiedene Verfahren angegeben. Nach Knauer und Knop (47) versetzt man ge-
ronnene Milch mit Kalilauge, bis alles Casei'n gelöst ist. Diese Flüssigkeit ver-
setzt man noch mit \ Vol. Wasserglaslösung und trägt sie dann auf den Gyps.
Nach dem Trocknen wird dies wiederholt und schliesslich wird mit Kalkwasser
gewaschen. Auf diese Weise ist z. B. das Gypsstandbild des Wilhelm Teil in
Altdorf gegen die Einwirkung der Luft geschützt worden.
Reissig empfiehlt das Bepinseln der Gypsgüsse mit Barytwasser. Es bildet
sich dann Bariumsulfat und Kalk, welcher allmählich in Calciumcarbonat über-
geht Auch Bestreichen mit Wasserglaslösung wird empfohlen. Zur Dichtung
der Poren werden die Gypsgegenslände nach mehrtägigem Trocknen mit einer
heissen, wässrigen oder alkoholischen Seifelösung behandelt. Da durch den Baryt
aus vorhandenen Eisenverbindungen Eisenhydroxyd gefällt wird, welches gelbe
Flecken verursacht, so verfährt v. Dechend (49) so, dass er die Gypsgüsse zu-
nächst durch Tränken mit einer warmen Boraxlösung härtet, dann einen Anstrich
von wartner Chlorbariumlösung giebt und schliesslich von heisser Seifenlösung;
*) In WlTTSTEiN's Uebersettung (Leipzig 1882), VI. Band, pag. 227 u. 159.
444 Handwörterbuch der Chemie.
der Ueberschuss von Seife wird abgewaschen. Rationeller erscheint das Verfahren
von FiLSiNGER (50) der auf einander folgenden Tränkung mit Barytwasser und
Borsäurelösung.
Der Gyps wird gehärtet, wenn man denselben nach dem Brennen mit Alaun-
lösung tränkt, trocknet, wiederum brennt und ihn dann mit Alaunlösung statt
mit Wasser anmacht (Keene's Cement). Aehnlich wirkt Borax. Der »Parian-
Cement« besteht aus 1 Thl. calcinirtem Borax und 44—45 Thln. Gyps. Das
Härten von Gyps mittelst Wasserglaslösung ist nur schwierig ausführbar, da der
Gyps beim Anmachen mit Wasserglas gleich in's Stocken kommt und aus den
Gypsgüssen Alkalisulfat auswittert. Ein gutes Härtemittel ist Kieselfluorwasser-
stoifsäure.
Stuck ist eine in der Baukunst vielfach gebrauchte, den Marmor imitirende
Mörtelcomposition aus Gyps, Kalk, Sand, Ziegelmehl, Farbstoffen, Marmor-
staub u. dgl., mit Leimwasser angemacht, in welcher der G)rps der vorherrschende
Bestandtheil ist. Der Stuck nimmt eine schöne Politur an.
Eine ähnliche Masse, Scaliogla, ist ein Gemisch von feinem gebrannten
Gyps, rohem Gypsspath und Leimwasser. Die unter dem Namen Tripolith
neuerdings im Handel vorkommende Masse ist ein Gemenge von etwa 75^ Gyps
mit Thon, Sand, kohlensaurem Kalk und Coks (12J); es hat keine Vorzüge
vor gewöhnlichem Gyps.
Das Brennen des Gypssteins im Grossen gleicht im Allgemeinen dem Kalk-
brennen; nur muss die Temperatur eine viel niedrigere sein, und wegen der
leichten Reducirbarkeit des Calciumsulfats darf das Brennmaterial nicht mit dem
Gyps in Berührung kommen. Man erhitzt das Rohmaterial wohl in eisernen
Kesseln oder in Cylindem oder backofenähnlichen Oefen. In dem RAMDOHR'scben
Ofen wird der Gyps in stehenden, eisernen Retorten gebrannt, deren oberer
Theil von der Flamme einer Rostfeuerung umspielt wird, während der untere
Theil aus dem Ofen herausragt, so dass hier der gebrannte G)^s sich abkühlen
kann. Auch der HoFFMANN*sche Ringofen kann zum Gypsbrennen benutzt werden.
Neuerdings sind mehrfach Gypsbrennöfen patentirt worden.
Das Calciumsulfat bildet mit einigen andern Sulfaten Doppelsalze.
Calcium-Ammoniumsulfat, CaSO^, (NH^)jSO^ -|- HjO, kommt in den Borsäure-
Lagunen Toskanas vor (O. Popp) (51). Concentrirte Ammoniumsulfatlösung löst Gyps; bei be-
stimmter Concentration scheidet sich das Doppelsulfat aus [H. Rose (52), Fassbender (53)].
Die Übrigen Doppelsulfatc siehe bei den betreffenden Metallen.
Calciumthiosulfat, thioschwefelsaures (auch unterschwefligsaures genannt) Calcium.
Nach dem Vermischen heisser, concentrirter Lösungen von Chlorcalcium und Natriumthiosulfat
und Verdampfen unterhalb 50° krystallisirt erst Chlornatrium, dann beim Erkalten Calciumthio-
sulfat (Kessler) (54). Es wird auch durch Erhitzen von Calciumsullit und Schwefel mit Wasser
erhalten oder durch Kochen von Kalkmilch und Schwefel und Durchleiten von Schwefligsäure-
gas bis zur Entfärbung (Herschell) (55). Es bildet sich auch bei Oxydation von Schwcfel-
calcium an der Luft, z. B. aus dem Rückstande der Sodafabriken. Das Salz bildet wasserhelle,
grosse, sechsseitige Säulen des triklinischen Systems von der Zusanmiensetzung CaSjO, -f- 6HjO.
Die Krystalle verwittern an der Luft bei 40**, 1 llil. Salz löst sich in 1 ThL Wasser von 3**
(Herschell). Beim Erhitzen der conc. Lösung tiber 60® bildet sich unter Schwefelausscheidnng
Calciumsulfit. Es dient zur Darstellung von Antimonzinnober (vergl. pag. 9), auch als Heil-
mittel gegen Hautkrankheiten und innerlich gegen Lungenphthisis.
Calciumdithionat, unterschwcfelsaures Calcium, CaSjOg+4H,0, wie das
Bariumsalz zu erhalten. Luftbeständige, rhomboedrische Krystalle, welche in festem Zustande
die Ebene des polarisirten Lichtes ablenken (Pape) (56). VoL-Gew. 2' 18 (Topsöe) (57). Die
«
« Calcium. 445
Krystalle verwittern bei 78®; löslich in 2-46 Thln. Wasser von 19®, unlöslich in Alkohol
^Heeren) (58).
Calciumselenit, selenigsaures Calcium, CaSeOj, wenig lösliches, krystallinisches
Salz, wird beim Fällen von Chlorcalcium mit selcnigsaurem Natrium in kleinen Prismen erhalten,
welche die Zusammensetzung SCaSeOj-l- 4H2O haben (Nilson) (59). Aus der Lösung von
1 Mol. CaO in 2 Mol. seleniger Säure scheiden sich beim Verdunsten schöne, monoklinische
Säulen, CaSeOj, HjSeOj-f-HjO, ab, bei höherer Temperatur sechsseitige Tafeln von der
Zusammensetzung 2 CaO, HjO, 4Se02 (Nilson).
Calciumselenat, selensaures Calcium, CaSeO^ -|- 2H2O, isomorph mit Gyps, dem
es Überhaupt völlig gleicht. Die Löslichkeit in Wasser ist dieselbe. Das gebrannte Selenat
bindet Wasser gerade wie gebrannter Gyps (v. Hauer).
Calciumtellurit, tellurigsaures Calcium. Man kennt ein neutrales Salz CaTeO,,
ein Bitellurit CaTe^Oj und ein Tetratellurit CaTe^Og. Das erste ist unlöslich, schmilzt noch
nicht bei Silberschmelzhitze, das zweite schmilzt bei Weissgluth und bildet beim Erstarren perl-
mutterglänzende Schuppen; das dritte ist noch leichter schmelzbar.
Calcium tellurat, tellursaures Calcium, CaTeO^, weisse, in siedendem Wasser lös-
liche Flocken.
Calciumorthophosphate. — 1. Tricalciumorthophosphat, neutrales
phosphorsaures Calcium, Ca3(P04)2. Dieses Phosphat bildet den wesent-
lichen Bestandtheil der Knochen (etwa 80^). Nach Aeby (60) enthalten die
Knochen eine Verbindung von Tricalciumphosphat und Calciumcarbonat,
3Ca3(P04)2, CaCOj, neben beigemischtem Calciumcarbonat. Das Calcium-
phosphat findet sich auch in den weichen und flüssigen Theilen des Thierkörpers,
sowie in den Pflanzen. Es kommt ziemlich häufig und bisweilen in grosser
Menge im Mineralreich vor. Die Koprolithen, Knochen und Excremente
fossiler Thiere, enthalten wesentlich dies Phosphat, daneben noch Trimagnesium-
phosphat, Calciumcarbonat, Magnesiumcarbonat, Ferriphosphat, Fluorcalcium,
Sand, organische Stoffe (Harnsäure). Mit Chlorcalcium und Fluorcalcium ver-
bunden bildet es den Apatit, 3Ca3(P04)2, Ca(Cl, Fl)2, ein hexagonal krystalli-
sirendes Mineral von der Härte 5 und dem Vol.-Gew. 3-2— 3'5. Der Apatit ist
auch künstlich dargestellt worden. Manross (42) hat ihn durch Glühen von
Natriumphosphat mit einem Ueberschuss von Chlor- und Fluorcalcium erhalten,
Forchhammer (61) durch Schmelzen von Tricalciumphosphat mit Chlornatrium,
H. Ste. Claire-Deville und Caron (62) durch Glühen von Tricalciumphosphat
mit ^ Fluorcalcium und einem Ueberschuss von Chlorcalcium, Debrav (63) durch
Erhitzen von Bicalciumphosphat, CaHPO^, mit einer Chlorcalciumlösung auf 250°.
Grosse Lager von Phosphorit, einem dem Apatit ähnlichen Minerale, finden
sich in Spanien in der Provinz Estremadura, in Deutschland namentlich im Lahn-
thale. Diese Phosphate werden in Monocalciumphosphat umgewandelt und bilden
dann ein werthvolles Düngmittel.
Man erhält das Tricalciumphosphat durch Fällen einer mit Ammoniak ver-
setzten Chlorcalciumlösung mit gewöhnlichem Natriumphosphat, NajHPO^, als
weissen, gelatinösen Niederschlag. Aus der essigsauren Lösung desselben kann
das Phosphat krystallisirt erhalten werden. Durch Lösen von Knochenasche in
Salzsäure und Fällen mit Ammoniak erhält man das Phosphat verunreinigt mit
Ammonium-Magnesiumphosphat, Fluorcalcium u. s. w.
Das Tricalciumphosphat ist nahezu unlöslich in Wasser. Die Gegenwart
von Ammoniaksalzen, besonders Salmiak (Wöhler) (64), erhöht die Löslichkeit,
ebenso die von Chlomatrium oder Natriumnitrat (Liebig) (65). Citronensaures
Ammoniak, in Lösung von 109 Vol.-Gew., löst bei 30—35° den gefällten phos-
44^ Handwörterbuch der Chemie.
phorsauren Kalk völlig, nicht aber den Phosphorit Auch Wasser, welches Stärke-
mehl, Thierleim oder andere organische Stoflfe enthält, wirkt lösend [Vauqüeun
(66), WöHLER (67)]. Säuren lösen das Phosphat leicht, indem sie ihm Kalk ent-
ziehen, selbst kohlensäurehaltiges Wasser, welcher Umstand für die Assimilation
des Phosphats durch die Pflanzen wichtig ist Nach Liebig löst 1 Liter mit
Kohlensäure gesättigtes Wasser bei 5—10° 0*527 — 0*60 Grm., und wenn es noch
IJ Salmiak enthält, 0*739 Grm. Phosphat
Bei der Einwirkung von Schwefelsäure entsteht neben G3rps MonoCalcium-
Phosphat: CaaCPO^), H- 2HaS04 = CaH4(P04)a 4- 2CaS04. Wenn aber noch
neutrales Salz zugegen ist, so entsteht durch Einwirkung desselben auf das Mono-
calciumsalz (zweifach saure Salz) auch das einfach saure Calciumphosphat:
CaH^CPOJj -f- CasCPOJ^ = 4CaHP04.
Nach KoLB entsteht, wenn 2 Mol. Schwefelsäure auf 1 Mol. Tricalcium-
phosphat einwirken, zunächst Gyps und freie Phosphorsäure, welche erst allmäh-
lich das einfach saure Salz bildet (68).
Das phosphorsaure Calcium ist in wässriger schwefliger Säure löslich. Bdo
Erhitzen der gesättigten Lösung scheidet sich unter Entwicklung von schwefliger
Säure ein Niederschlag von der Zusammensetzung CsiJl^^TO^)^, CaSOj+HjO
ab (Gerland) (69).
2. Bicalciumphosphat, einfach saures phosphorsaures Calcium,
CaHPO^ oder Ca2Hj(P 04)3, wird aus einer Chlorcalciumlösung durch Natrium-
phosphat, NajHPO^, gefällt. Weisser, krystallinischer, in Wasser fast unlöslicher
Körper. Wenn man Chlorcalcium zu einer mit Essigsäure angesäuerten Lösung
von Natriumphosphat giebt, so bildet sich ein krystallinischer Niederschlag
CaHP04 -h 2H2O, der sich im Gegensatz zu dem wasserfreien Salz in Essig-
säure nur schwierig löst. Das Salz mit 2 Mol. Wasser kommt im Holze der
Tectonia grandis und im Belugenstein, einer Concretion aus dem Störe, vor
(Wöhler) (70). In Säuren, selbst in kohlensäurehaltigem Wasser, ist das Bi-
calciumphosphat löslich. Auch die Gegenwart von Salzen, besonders Salmiak,
erhöht die Löslichkeit in Wasser. Beim Glühen geht dies Salz in Calciumpjro-
phosphat über.
3. Monocalciumphosphat, zweifach saures phosphorsaures Cal-
cium, CaH4(P04)j. Wenn man eines der vorhergehenden Phosphate in der
erforderlichen Menge Phosphorsäure oder einer andern Säure löst, so erhält man
beim Verdunsten rhombische Tafeln dieses Salzes, welche 1 Mol. Wasser ent-
halten. Beim Erhitzen der concentrirten wässrigen Lösung scheidet sich das em-
fach saure Salz aus. Beim Erhitzen des Salzes geht bei 100*^ das Krystallwasser
fort, dann entsteht ein Gemenge von pyrophosphorsaurem Calcium und Meta*
phosphorsäure.
Das Monocalciumphosphat ist ein technisch sehr wichtiges Salz. Es dient
zur Darstellung von Phosphor und von künstlichem Dünger. Man wandelt die
Phosphate der Knochen, des Guanos und der natürlichen Phosphorite durch Be-
handlung mit Schwefelsäure in das zweifach saure Calciumphosphat um. Dabei
entsteht natürlich eine der angewendeten Menge Schwefelsäure entsprechende
Menge Gyps. Diese Gemenge führen im Handel den Namen Superphosphat
Näheres darüber in dem Art. Dünger.
Calciumpyrophosphat, CagP^O^, durch Fällen von Chlorcalcium mit pyrophospborsaiiiem
Natrium zu erhalten. Amorpher, weisser Niederschlag Ca^PjO^ + 4HjO. Aus der Ldsong in
Essigsäure wird das Salz in Krystallkrusten erhalten (Baer) (71). Bdm Gltthen gehen 4H,0
Calcium. 447
fort Es wird durch Wasser bei 280° in freie Phosphorsäure und Orthophosphorsäuren Kalk
zcrsctrt (Reynoso) (72).
Calciumnietaphosphat,^Ca(P0j)2, witd durch L,ösen von Calciumcarbonat in Phosphor-
säurc, Abdampfen und Erhitzen auf über 300® erhalten (Maddrell) (73). — Dimetaphosphor-
saures Calcium, CaP^Og + SH^O, entsteht durch Fällen von Chlorcalcium mit dimetaphos-
phoTsaurem Natrium (FtKiTMANN) (74); auf analoge Weise tetraphosphorsauresCalcium,
Ca,P|Oi, oder CaOCa2(PO,)4, weisses, unschmelzbares Krystallpulver (Fleitmann und Henne-
berg) (75); femer hexaphosphorsauresCalcium, ein voluminöser, bald dicklich werdender
Niederschlag (H. Rose) (76).
Calciumhypophosphat, unterphosphorsaures Calcium, CaPOj oder CajPjOg,
wird aus Calciumsalzlösungen durch unterphosphorsaures Natrium als sehr schwer löslicher,
amorpher Niederschlag gefüllt (Selzer) (77).
Calciumphosphit, phosphorigsaures Calcium, CaHPO,. Fällt allmählich nach
dem Vermischen der Lösungen von Chlorcalcium und phosphorigsaurem Ammoniak. Das luft-
trockene Sak enthält 2H,0. Beim Glühen entwickelt sich Wasserstoff, und es hinterbleibt pyro-
phosphoTsaures Calcium, welches durch etwas Phosphor braun gefärbt ist (H. Rose) (78),
(Rammelsberg) (79).
Calciumhypophosphit, unterphosphorigsaures Calcium, Ca(PH302)3.
Darstellung durch Kochen von Kalkmilch mit Phosphor, bis dieser unter Entwicklung von
selbstentzündlichem PhosphorwasserstofTgas verschwunden ist Man befreit die Lösung durch
Einleiten von Kohlensäure von überschüssigem Kalk und verdunstet das Filtrat zur Krystallisation
(H. Rose) (80). Man kann auch Phosphorkalk mit Wasser zersetzen und die Lösung wie vor-
hin verarbeiten. Das Salz krystallisirt in farblosen, monoklinischen Blättchen von Glasglanz.
Beim Glühen entwickelt sich entzündliches PhosphorwasserstofTgas; im Rückstand ist Kalk,
Phosphorsäure und Phosphor. Auch Wasser und Wasserstoff ist bei der Zersetzung gefunden
worden, so dass dieselbe nach der Gleichung TCaCPHjOj), = CaCPO,), 4-3Ca3P,Oy-f-6PH,
4- 8H + H,0 stattzufinden scheint (Michaelis) (81). Das Salz löst sich in 6 Thln. Wasser.
Kalkhypophosphit-Syrup wird innerlich gegen Lungenschwindsucht empfohlen.
Calciumarseniat, arsensaures Calcium. Das neutrale Sak, Ca3(AsO^)3, wird als
in Wasser unlöslicher, in Säuren löslicher, weisser Niederschlag erhalten.
Das saure Arseniat, CaHAsO^ oder CajH3(As04)2, wird durch Fällung einer Chlorcalcium-
iösung mit Binatriumarseniatlösung als weisser Niederschlag erhalten. Dies Salz ist^ 5 Mol.
Krystallwasser enthaltend, das alsPharmakolith bekannte Mineral, vom Vol.-Gew. 2*6, welches
besonders im Harz vorkommt, meist durch Kobalt röthlich gefärbt. Als Haidingerit ist ein
Mmcral, CajHjCAsO^)^. HjO, bekannt.
Das sweifachsaure Arseniat, CaH4(As04)3, ist löslich und krystallisirbar.
Calciumarsenit, Ca3(As03)2, wird aus Chlorcalciumlösung durch eine Lösung von
arseniger Säure in Ammoniakflüssigkeit gefällt (Simon) (82). Die Zusammensetzung der in Kalk-
wasser mittelst arseniger Säure hervorgebrachten Niederschläge ist nicht festgestellt.
Calciumantimoniat, Ca(SbOj)2, krystallinischer, durch Wechselzersetzung erhaltener
Niederschlag. Beim Fällen in der Wärme ist der Niederschlag flockig und hat die Formel
Ca(SbO,), -h5H,0 (Heffter) (83).
Calciumcarbonat, CaCOg, gehört zu den verbreitetsten Mineralien. Das-
selbe kommt unter den verschiedensten Formen vor, die meist alle besonders
benannt sind. Es ist dimorph. Der Kalkspath oder Calci t krystallisirt in
sehr zahlreichen, meist hemiedrischen Formen des hexagonalen Systems. In der
Grundfonn, einem stumpfen Rhomboeder, und ganz rein und durchsichtig kommt
der Kalkspath in Island vor. Diese Varietät hat den Namen isländischer
Doppelspath, weil sie die Doppelbrechung des Lichtstrahls besonders gut zu
beobachten gestattet. Das Vol.-Gew. des Kalkspaths ist 2*723, seine Härte = 3.
Die dimorphe Modification, der Arragonit, krystallisirt im rhombischen System;
sein VoL-Gew. ist 2-95, Härte = 3-5. Der Marmor ist kömig krystallinisches
44^ HandwörterbucK der Chemie.
Calciumcarbonat, häufig geförbt durch Metalloxyde und kohlehaltige Stoffe. Als
Kalkstein bezeichnet man die einen grossen Theil der sedimentären Gesteine
ausmachenden Ablagerungen von kohlensaurem Kalk. Der Muschelkalk be-
steht fast ganz aus Versteinerungen einer vorweltlichen Fauna. Der Kalksteia
ist selten rein; Eisen- und Magnesiumcarbonat, sowie Thon sind in der Regel
vorhanden. Ist die Menge Thon erheblich, so geht der Kalkstein in Mergel
über, in Gesteine, welche nach dem Brennen hydraulische Kalke liefern (s. pag. 431).
Kreide ist ein erdiges Calciumcarbonat, wesentlich aus den Schalen mikro-
skopischer Polypen bestehend. Kalktuff, ein sehr poröser Kalkstein, Kalk-
sinter, Sprudelstein, Tropfstein, Oolithenkalk sind Kalkarten, die sich
aus kohlensäurehaltigem Wasser abgeschieden haben. Ein jedes irdische Wasser,
besonders Quellwasser, welches aus Kalkboden kommt, enthält Calciumcarbonat,
welches darin in Folge der Gegenwart von Kohlensäure gelöst ist.
Femer findet das Calciumcarbonat sich im Thierreich. Es bildet ungeßihi
^ des Knochengerüstes der Wirbelthiere und ist der Hauptbestandtheil der Eier-
und Muschelschalen. Im Pflanzenreiche bildet es oft Concretionen im Blattei-
gewebe, z. B. in der Oberhaut der Cacteen, in den Blättern des Feigenbaums u. s. w.
Jede Pflanzenasche enthält kohlensauren Kalk.
Aus der Lösung eines Kalksalzes wird durch kohlensaure Alkalien, aus Kalk-
wasser durch Kohlensäure Calciumcarbonat als weisses Pulver gefällt Die Bilduugs-
wärme (CaO -h CO2) ist = 42490 Cal.
Das Volumgewicht des gefällten amorphen Calciumcarbonats ist 2*716. D«
durch wenig Kohlensäure in kaltem Kalkwasser entstehende Niederschlag ver-
wandelt sich bald in Kalkspathrhomboeder, der in heissem Kalkwasser entstehende
in Arragonitkrystalle (G. Rose) (84). Aus einer Lösung von kohlensaurem Kalk
in kohlensäurehaltigem Wasser scheiden sich bei hoher Temperatur (über 90^^
Arragonitkrystalle, bei niedriger Rhomboeder aus (G. Rose).
In der Glühhitze zerfallt das Calciumcarbonat in Kalk und Kohlensäure.
Wird dabei aber die Kohlensäure zurückgehalten, so erreicht die Zersetzung eine
Grenze, welche von der Glühtemperatur und dem Druck der vorhandenen Kohlen-
säure abhängig ist. Bei 860° tritt diese Grenze bei 85 Millim. Druck, bei 1040°
erst bei 520 Millim. Druck der Kohlensäure ein. Wenn die Kohlensäure nidit
entweichen kann, so schmilzt das Calciumcarbonat in hoher Temperatur und
erstarrt beim Erkalten kömig krystallinisch, so dass die Masse von carrariscbem
Marmor nicht zu unterscheiden ist. Diese schon 1805 von James Hall (85) beob-
achtete Thatsache ist von G. Rose und Siemens (86) bestätigt worden.
Die Löslichkeit in Wasser ist sehr gering. 1 Th. bedarf 16600 Thle. kaltes,
8860 Thle. siedendes Wasser zur Lösung. Durch Gegenwart von freiem oder
kohlensaurem Ammoniak wird die Löslichkeit noch verringert; es sind dann
65000 Thle. erforderlich (Fresenius). Bei anhaltendem Kochen einer Lösung
von zweifach-kohlensaurem Kalk bleiben im Liter 34 Milligrm. gelöst (Hofmanx)
(87). In wässrigen Ammoniaksalzen, besonders Salmiak, löst sich das Calcium-
carbonat leicht (A. Vogel) (88). Kohlensäurehaltiges Wasser löst den kohlensauren
Kalk viel leichter als reines Wasser. Man kann in der Lösung das Vorhanden-
sein von doppeltkohlensaurem Kalk annehmen. Beim Kochen der Lösung scheidet
sich unter Kohlensäure -Entwicklung kohlensaurer Kalk aus. Mit Kohlensäure
gesättigtes Wasser kann unter gewöhnlichem Druck im Liter bei 0** 0*7 Grm.,
bei 10° 0*88 Grm. kohlensauren Kalk lösen. In den natürlichen Wässern wird
die Kohlensäure ursprünglich unter einem hohem als dem Atmosphärendruck ge-
Calcium. 449
halten. Wenn nun solche Wässef an die Erdoberfläche kommen, so entweicht
ein Theil Kohlensäure und die entsprechende Menge kohlensaurer Kalk scheidet
sich aus. Dies ist die Ursache davon, dass manche Quellen Sinter und Sprudel-
stein absetzen, sowie von der Bildung der Stalaktiten und Stalagmiten.
Das Calciumcarbonat erfahrt eine ausgedehnte Anwendung. Der isländische
Doppelspath wird in optischen Instrumenten, besonders Polarisationsapparaten
(da die gebrochenen Lichtstrahlen polarisirt sind) angewendet. Die Verwendung
des Marmors*) und Kalksteins in der Baukunst und Sculptur ist allgemein bekannt.
Der aus dem Kalkstein dargestellte gebrannte Kalk wird in der chemischen In-
dustrie in der grossen Mehrzahl der Fälle angewendet, wenn man eine alkalische
Substanz nöthig hat. Der dichte Kalkstein von Solenhofen und Pappenheim ist
der lithographische Stein. Die Kreide findet vielfache Anwendung in der In-
dustrie und zu häuslichen Zwecken.
Gewässertes Calciumcarbonat, CaCO, -t- öHjO. Dieses Salz scheidet sich aus einer
Zuckerkalklösung, wenn ein galvanischer Strom hindurchgeleitet wird, an der positiven Electrode
ab (Becquerel) (89); bildet sich auch beim Einleiten von Kohlensäure in Kalkwasser oder in
Zuckerkalk oder durch Doppelzersetxung bei 0 bis 2° (P£LOUZe) (90). Das Volumgewicht dieser
in spitzen Rhomboedem krystallisirenden Verbindung ist 1*78. Bei 30^ zersetzt es sich in
Wasser und gewöhnliches Carbonat
Barium-Calciumcarbonat, BaCO,, CaCO,. Dieses Doppelsalz kommt als Baryto-
calcit in monoklinischen, als Alstonit oder Bromlit in rhombischen Formen in der Natur
vor. Es ist künstlich nicht dargestellt worden. Wasser, welches doppeltkohlensauren Kalk ent-
hält, wird durch Barytwasser und Erwärmen getrübt, indem sich ein aus Bariumcarbonat und
Calciumcarbonat bestehender Niederschlag abscheidet (Knapp) (91).
Calciumsilicate. Die Mineralien, welche ein Calciumsilicat enthalten, sind ausserordentlich
zahlreich. Der Wollastonit besteht aus normalem Calciumsilicat allein, CaSiO,, krystallisirt
tesseral mit geneigtflächiger Hemiedrie. Die Gruppe der Zeolithe wird von wasserhaltigen
Thonerde-Kalksilicaten gebildet,* Apophyllit hat die Zusammensetzung 4k(li^C&Si^0^y ^s^)
-i-KF, Diopsid Ca(Mg)SiO, u. s. w. Das Calciumsilicat ist insofern von grosser Wichtig-
keit, als es einen Hauptbestandtheil des Glases ausmacht.
Wenn eine ChlorcalciumlÖsung mit Wasserglaslösung versetzt wird, so bildet sich ein weisser,
gelatinöser Niederschlag von Calciumsilicat, welcher in Wasser unlöslich, in Salzsäure löslich ist.
Nach dem Trocknen an der Luft enthält er noch sehr viel Wasser. Kohlensäure zersetzt ihn
allmählich, auch Wasser bei sehr lang dauernder Berührung. Auch nach dem Glühen wird er
von Salzsäure zersetzt, die je nach der stattgehabten GlUhtemperatur entweder gelatinöse oder
harte Kieselsäure zurUcklässt. Nach Heldt hat das durch Fällen von Chlbrcalcium mit Kalium-
sflicat, (K^O, 3SiOj), gefällte Calciumsilicat nach dem Trocknen bei 100° die Zusammensetzung
CaO-3SiO, -l-HjO (92). Der gelatinöse Niederschlag wird allmählich kiystallinisch. Calcium-
silicate werden auch durch Zusammenschmelzen von Kieselsäure und Kalk oder Calciumcarbonat
erhalten.
Calci umfluosilicat, CaFl,» SiFl^, wird in regelmässigen, tetragonalen Prismen durch
Verdampfen einer Lösung von Kalk in Kieselfluorwasserstoffsäure dargestellt Wasser zersetzt
es zum Theil, indem sich Fluorcalcium abscheidet. Es löst sich ohne Zersetzung in Salzsäure.
Calciumborate. Ein Borat von der Formel CaB^O^ -f- 6H3O bildet das als Boro calci t
oder Hayesin bekannte Mineral, welches bei Iquique in Peru, auch in Toskana vorkommt.
Das Borat kann durch Zusammenschmelzen, durch wechselseitige Zersetzung oder durch Auflösen
von kohlensaurem Kalk in Borsäure dargestellt werden. Durch Schmelzen von Kalk mit über-
schfissiger Borsäure und Chlomatriumkalium erhält man Krystalle CaB^O^. Man gebraucht das
Mineral cur Gewinnung von Borsäure, auch als Schmelzmittel.
*) Die weltberühmten Marmorbrüche von Carrara wurden schon seit der Zeit der Römer
ausgebeutet. Sie sind 8 Kilom. lang; der jährliche Export beträgt 100000 Centner im Werthe
von etwa 1 BAOl. Maift.
TtAjDtBnvstGf Chemie. 11. 29
450 Handwörterbuch der Chemie.
Ein Calciumborosilicat von der Zusammensetzung Ca^Si^O^, 60, 0,, H,0 ist der
Datolith, welcher in schönen, monoklinen Krystallen vom VoL-Gew. 2*8 — 3 bei Arendal in
Norwegen gefunden wird.
Aehnlich zusammengesetzt ist das im rhombischen System krystallisirende Mineral Danburit,
CaSijOj, B,0,. Vol.-Gew. 2*95.
Calciumfluoborat, CaBo^Flg, ein durch Wasser zersetzbares Pulver, welches sich beim
Behandeln von kohlensaurem Kalk mit Borfluorwasserstofisäure bildet.
Calciumaluminat ist ein weisser, gelatinöser Niederschlag, den man nach Pei.ouzs dordi
Zusatz von Chlorcalcium zu einer Lösung von 2 Thln. Alaun erhält, die mit 10 Thln. Kali-
hydratt in Alkohol gelöst, versetzt ist (93). Die Verbindung ist sehr schmelzbar und löst &di
leicht in Säuren.
Analytisches Verhalten.
Die nichtleuchtende Gasflamme wird durch flüchtige Calciumverbindungen,
besonders Chlorcalcium, roth gefärbt Das an Linien reiche Spectnim dieser
Flamme zeigt als besonders charakteristisch eine grüne Linie Caß und eine
orange Caa.
Reactionen der Lösungen. Kalkwasser reagirt stark alkalisch, bräunt
Curcuma- und bläut Lakmuspapier.
In den Lösungen der Calciumsalze bringen bei nicht zu grosser Verdiinnung
Aetzalkalien einen Niederschlag hervor. Ammoniak fällt nichts aus denselben.
Die Alkalicarbonate, Natriumphosphat, -arseniat und -berat ver-
halten sich wie gegen Bariumverbindungen.
Bariumcarbonat fallt nur theilweise und nach langem Kochen.
Oxalsäure rufl selbst in sehr verdünnten Lösungen einen weissen Nieder-
schlag von Calciumoxalat hervor. Uebersättigen mit Ammoniak befordert das
Absetzen desselben. In Salz- und Salpetersäure ist das Oxalat löslich, in Essig-
säure nicht.
Verdünnte Schwefelsäure oder verdünnte Lösungen von Sulfaten erzeugen
in verdünnten Kalklösungen keinen Niederschlag. Durch Zusatz von Alkohol
kann indessen die ganze Menge Kalk ausgefällt werden. Alkalicarbonate, auch
Ammoniumcarbonatlösung zersetzen das Calciumsulfat schon bei gewöhnlicher
Temperatur.
Kaliumchromat fällt nicht. Ebensowenig: Kieselfluorwasserstoffsäure,
Schwefelammonium, Schwefelwasserstoff.
Trennung und quantitative Bestimmung.
Man bestimmt das Calcium als Sulfat, Oxalat, Carbonat oder Oxyd. Durch
Fällen mit Ammoniumcarbonat oder -Oxalat trennt man den Kalk von den
Alkalien, mittelst Schwefelwasserstoffs bezw. Schwefelammoniums von den schweren
und Erdmetallen. Ueber die Trennung von Baryt s. pag. 150. Die Trennung
vom Strontian führt man auf die Weise aus, dass man die als Carbonate gefällten
Erden in verdünnter Salpetersäure löst und die Lösung zur Trockne verdampft
Beim Digeriren der Nitrate mit einer aus gleichen Theilen bestehenden Mischung
von Alkohol und Aether löst sich nur das Calciumnitrat Die Lösung wird mit
Wasser verdünnt und der Kalk mit Schwefelsäure oder Oxalsäure gefällt Man
kann auf diese Weise das Calcium auch von dem Barium trennen.
Zur Bestimmung des Calciums als Sulfat setzt man bei der Fällung mit
Schwefelsäure der zu fällenden Lösung das l^fache Volumen starken Alkohols
zu und wäscht den Niederschlag mit wasserhaltigem Alkohol aus. Vor dem
Glühen muss man die Filterasche mit etwas Schwefelsäure btfeuchten.
Campher. 45 1
Die zweckmässigste Fällung des Calciums ist die als Oxalat. Der durch
oxalsaures Ammoniak aus neutraler oder ammoniakalischer Lösung gefällte Nieder-
schlag setzt sich oft langsam ab, schneller aus einer erwärmten Lösung. Es
empfiehlt sich nicht, denselben nach dem Trocknen auf gewogenem Filter zu
wägen, weil der Wassergehalt nur schwierig zu entfernen ist. Man glüht besser
das Oxalat im Platintiegel einige Zeit zur Weissgluth und wägt nach dem Erkalten
des Tiegels im Exsiccator das Calciumoxyd. Oder man ©rhitzt das Oxalat nach
dem Trocknen über einer kleinen Flamme zu dunkler Rothgluth bei Luftzutritt,
damit etwa ausgeschiedene Kohle verbrennen kann. Da leicht etwas Kohlensäure
ausgeschieden wird, so muss die Masse mit einer concentrirten Lösung von
Ammoniumcarbonat befeuchtet und gelinde erhitzt werden.
Wenn der Kalk als Phosphat in salzsaurer Lösung vorhanden ist, so wird
er entweder mit Schwefelsäure gefällt, oder man muss, um mit Oxalsäure fällen
zu können, an Stelle der Salzsäure eine schwächere Säure bringen, indem man
essigsaures Natrium zusetzt oder Ammoniumoxalat in hinreichendem Ueberschuss
anwendet; oder man entfernt die Phosphorsäure vorher als Ferriphosphat
Maass analytisch kann man das Calcium bestimmen, indem man mit einem
bestimmten Ueberschuss titrirter Oxalsäurelösung fallt, filtrirt, das Filtrat mit
Schwefelsäure ansäuert und in einem aliquoten Theil desselben den Oxalsäure-
überschuss durch Titriren mit Chamäleonlösung bestimmt Rud, Biedermann.
Campher.*) Allgemeines. Unter Campherarten versteht man eine Gruppe
von Körpern, welche bisher ausschliesslich als Produkte des Pflanzenreiches auf-
•) i) Kekulä, Ann. iio, pag. 33. 2) Armstrong, Ber. 16, pag. 2260. 3) Dumas, Ann. 6,
pag. 252. 4) Blanchet, Sell, Ann. 6, pag. 291. 5) Walter, Ann. 28, pag. 312. 6) Walter,
Ann- 32, pag. 288. 7) Kane, Ann. 32, pag. 285. 8) Beckett, Wright, Jahresber. 1876,
P*g- 504- 9) LUGININ, Ann. chim. [5] 23, pag. 387. 10) Kannonikow, Ber. 14, pag. 1699.
11) Oppenheim, Ann. 120, pag. 351. 12) Oppenheim, Ann. 130, pag. 177. 13) Menschutkin,
Russ. phys. ehem. Ges. 13, pag. 569. 14) Atkinson, Yoshida, Soc. 41, pag. 50. 15) Moriya,
Soc. 39, pag. 77. 16) Beckett, Wrigth, Bull. 26, pag. 86. 17) Montgolfier, Bull. 31,
P^- 530- 18) Pelouze, Ann. 40, pag. 326. 19) Gerhard, Ann. 45, pag. 43. 20) Bruylants,
Ber. II, pag. 455. 21) Berthelot, Ann. 115, pag. 245. 22) Baubigny, Zeitschr. 1867, pag. 71,
23) Baubigny, Z. 1868, pag. 298. 24) Kachler, Ann. 197, pag. 99. 25) Montgolfier, Ann.
chim. [5] 14, pag. 38. 26) Montgolfier, Ber. 10, pag. 729. 27) G. Arth, Compt. rend. 97,
pag. 323. 28) L. Jackson u. Menke, Am. ehem. jour. 5, pag. 270. 29) Kachler, Spffzer,
Monatshefte 2, pag. 235. 30) Berthelot, Ann. 112, pag. 366. 31) Kachler, Spitzer, Ann. 200,
pag. 342. 32) Kachler, Spitzer, Monatshefte i, pag. 588. 33) Riban, Ann. ehim. [5] 6,
pag. 382. 34) Haller, Compt. rend. 94, pag. 869. 35) G. Arth, Compt. rend. 94, pag. 872.
36) Kachler, Ann. 164, pag. 78. 37) Oppenheim, Pfaff, Ber. 7, pag. 626. 38) Hanbüry,
FlGckiger, Jahresber. 1874, pag. 537. 39) Jeanjean, Ann. 201, pag. 95. 40) Perrot, Ann. 105,
pag. 67. 41) Armstrong, Tilden, Ber. 13, pag. 1755. 42) Bentham, Flora Austral. 3 [1866],
pag. 142. 43) ScHMiDL, Jahresber. 1860, pag. 480. 44) Blanchet, Ann. 7, pag. 161. 45) Wright,
Lambert, Ber. 7, pag. 598. 46) Kawalier, Wien. Acad. Ber. 9, pag. 313. 47) Grosser,
Ber. 14, pag. 2485. 48) Jacobsen, Ann. 157, pag. 232. 49) Gintl, Jahresber. 1879, pag. 941.
50) Wright, Jahresber. 1875, pag. 852. 51) Vogel, Berz, Jahresber. 24, pag. 479. 52) Wagner,
J. 1853, pag. 516. 53) Gorup-Besanez, Ann. 89, pag. 214. 54) Faust, Homeyer, Ber. 7,
pag. 1427. 55) HiRZEL, Jahresber. 1854, pag. 592. 56) Kraut, Wahlforss, Ann. 128, pag. 294.
57) VöLCKEL, Ann. 87, pag. 315. 58) Herzog, Jahresber. 1858, pag. 444. 59) Perrot, BuU. soc.
chim. [2] 7, pag. 313. 60) Roretz, Jahresber. 1875, P^^- '^S^- 61) Dumas, Ann. 6, pag. 248.
62) Laixemand, Ann. 114, pag. 197. 63) MuiR, Soe. 37, pag. 685. 64) Rochleder, Ann. 44,
pag. I., 65) Faltin, Ann. 87, pag. 376. 66) Döpping, Ann. 49, pag. 350. 67) Oppenheim,
Ber. 5, pag. 613. 68) Bkrthelot, Ann. iio, pag. 367. 69) Kachler, Ann. 164, pag. 77.
29»
452 Handwörterbuch der Chemie.
gefunden, dagegen s)mthetisch aus Körpern von bekannter Constitution noch nicht
dargestellt worden sind. Sie sind fest, leicht flüchtig, von starkem Geruch, meist
optisch aktiv und dann häufig in melireren physikalisch isomeren Modificationen
bekannt. Die wichtigsten Campherarten enthalten 10 Atome Kohlenstoff im
Molekül; kohlenstoffarmere sind bis zur Zeit noch nicht aufgefunden worden.
Bezüglich ihrer chemischen Eigenschaften stehen sie in nächster Beziehung zu
den Terpenen (s. d.), und mit letzteren zu den aromatischen Verbindungen, be-
sonders zum Cymol (Para- Methyl -Normalpropyl- Benzol), und erscheinen als
Additionsprodukte derselben, resp. als deren Derivate. Das liir die Campherarten
charakteristische Sauerstoffatom enthalten sie bisweilen in der Form von Gar-
70) Landolt, Ann. 189, pag. 334. 71) Kekulä, Fleischer, Ber. 6, pag. 936. 72) Kachur,
Ann. 159, pag. 283; Ber. 7, pag. 1728. 73) H. Schulze, Jour. f. pr. Chem. [2] 24, pag. 171.
74) BiNEAU, Ann. chim. phys. [3] 34, pag. 326. 75) Landolph, Jahresh. 1878, pag. 640. 76) Zhdlq,
Jahresber. 1878, pag. 645. 77) Cazeneüve, Bull. 36, pag. 650. 78) Perkin, Chem. Soc J. [2] 3,
pag. 92. 79) Cazeneüve, Imbert, Bull. 34, pag. 209. 80) Kraut, Arch. Pharm. [2] 116,
pag. 41. 81) Armstrong, Miller, Ber. 16, pag. 2259. 82) Weyl, Ber. i, pag. 94. 83) Ray-
MANS, Preis, Ber. 13, pag. 346. 84) Fittig, Köbrich, YilkE, Ann. 145, pag. 129. 85) Mont-
GOLPiER, Ann. chim. [5] 14, pag. 87. 86) Reuter, Ber. 16, pag. 624. 87) Schrötter, Ber. 13,
pag. 1621. 88) Alex^ew, Russ. phys. chem. Ges. 12, pag. 187. 89) Flesch, Ber. 6, pag. 478.
90) Delalande, Berz. Jahresher. 20, pag. 381. 91) Chautard, Compt rend. 44, pag. 66.
92) Kachler, Ann. 164, pag. 90. 93) Spftzer, Ann. 196, pag. 262. 94) Spttzbr, Monats-
hefte I, pag. 319. 95) Pfaundler, Ann. 115, pag. 29. 96) Kachler, Spitzer, Monatsh. 4,
pag. 494. 97) Kachler, Ann. 162, pag. 268. 98) NÄgeu, Ber. 16, pag. 499. 99) Wheeus,
Ann. 146, pag. 73. 100) Cazeneüve, BulL soc. chim. 39, pag. 501. loi) Cazeneüve, Compt
rend. 94, pag. 730. 102) Keller, Jahresber. 1880, pag. 726. 103) R. Schiff, Ber. 13, pag. 1407.
104) Kachler, Spitzer, Monatsh. 3, pag. 205. 105) R. Schiff, Ber. 14, pag. 1379. 106) Kachlsi,
SprrzER, Monatsh. 4, pag. 554. 107) Zepharowich, Monatsh. 3, pag. 231. 108) Hallki,
Jahresber. 1878, pag. 643. 109) Cazeneüve, Compt rend. 96, pag. 589. iio) R. Schifp,
PuLiTi, Ber. 16, pag. 887. 11 1) Schrötter, Monatsh. 2, pag. 226. 112) Chautard, Jahres-
ber. 1863, pag. 555. 113) RiBAN, Bull. 24, pag. 19. 114) Kallen, Ber. 6, pag. 150S;
Ber. 9, pag. 154. 115) Wright, Ber. 6, pag. 147. 116) Kachler, Ber. 4, pag. 36. 117) BfiU-
STEIN, KuPFFER, Ann. 170, pag. 290. 118) Müller, Jahresber. 1853, pag. 514. 119) Kams,
Ann. 32, pag. 286. 120) Butlerow, Jahresber. 1854, pag. 594. 121) Kachler, Spttzeb,
Monatsh. 4, pag. 643. 122) Kügler, Ber. 16, pag. 2841. 123) Kachler, Spitzer, Monatsh. 4,
pag. 470. 124) Walter, Ann. 48, pag. 35. 125) Schmidt, Ber. 10, pag. 189. 126) Momt-
GOLFiER, Bull. 28, pag. 414. 127) Rizza, Ber. 16, pag. 23 11. 128) Kachler, Spitzer, Ber. 13.
pag. 1412. 129) Silva, Ber. 6, pag. 1092. 130) R. Schiff, Puuti, Ber. 16, pag. 887.
131) Delande, Ann. 38, pag. 337. 132) Malin, Ann. 145, pag. 201. 133) Kachler, Ann. 169,
pag. 192. 134) Wreden, Ber. 10, pag. 714. 135) Wreden, Ann. 163, pag. 323, 136) Wrkhen,
Ann. 187, pag. 156. 137) Ballo, Ann. 197, pag. 322. 138) Meyer, Ber. 3, pag. 117-
139) Hlasiwetz, Ann. 145, pag. 205. 140) I^elt, Ber. 16, pag. 2621. 141) LoiR, Aiui.
chim. [3] 38, pag. 483. 142) Mai^guti, Ann. chim. [2] 70, pag. 360. 143) Anschütz, Ber. lo*
pag. 1881. 144) Brodie, Jahresber. 1863, pag. 319. 145) Moftessier, Ann. 120, pag. 352.
146) Laurent, Ann. 60, pag. 326. 147) Wallach, Kaminski, Ber. 14, pag. 164. 148) Laurk?«t,
Ann. 68, pag. 35. 149) Walter, Ann. chim. [3] 9, pag. 177. 150) Zepharowich, Jahres-
ber. 1877, pag. 642. 151) Chautard, Ann. 127, pag. 121. 152) Jungfleisch, Ber. 6^
pag. 68a 153) Nägeli, Ber. 16, pag. 2981. 154) Kanonnikov^, Ber. 16, pag. 305a 155) HjELTt
Ber. 13, pag. 797. 156) Kachler, Ann. 191, pag. 143. 157) Hlasiwetz, Grabowski, Ann. 145.
pag. 212. 158) Schmiedeberg, Meyer, Ber. 12, pag. 2252. 159) Brandes, Kemper, Jahres-
ber. 1862, pag. 270; ibid. 1864, pag. 402. 160) Bouillon-Lagrange, Ann. chim. 23, pag. 153.
161) Fittig, Ann. 112, pag. 309. 162) Moitessier, Jahresber. 1866, pag. 410. 163) Kachler,
Spitzer, Monatsh. 5, pag. 50. 164) Kachler, Sptfzer 1. c, pag. 237.
i
Campher. 453
bonyl (CO), und besitzen dann ketonartige Eigenschaften, häufiger aber in der
Form von an Kohlenstoff gebundenem Hydroxyl, und zeigen dann das Verhalten
von Alkoholen, indem sie Aether, Ester, Metallverbindungen etc. geben. Analog
den Beziehungen zwischen Ketonen und secundären Alkoholen lassen sich die
Campherarten der ersten Gruppe durch Reduction in die der zweiten überführen,
während umgekehrt diese zu jenen oxydirt werden können (vergl. Japan- und
Bomeocampher).
Durch wasserentziehende Mittel (bes. P^Oj) zerfallen die ketonardgen
Campherarten meist glatt in Wasser und einen Kohlenwasserstoflf der Benzol-
reihe, die alkoholartigen in Wasser und ein Terpen (CiQH,ß). Die Constitution
der Campherarten ist noch nicht sicher festgestellt Für den gewöhnlichen
oder Japancampher, CioH^O, ist die von Kekulä aufgestellte Strukturformel
/CH^
I I
CH CO
(i), welche auf Grund optischer Verhältnisse vielleicht zu folgender
= C^
I
CH,
/C>^
CH,
zu modificiren ist: I ,
CHj
CHjj
I (154) am wahrscheinlichsten; sie erklärt leicht
CH3
die glatte Bildung von Cymol durch P^Og, die der einbasischen Campholsäure
durch Alkalien, die der zweibasischen Camphersäure durch Oxydationsmittel, so-
wie deren Ueberftihrung in Isopropylbemsteinsäure durch Schmelzen mit Kali.
Hiemach leiten sich für die wasserstoffreicheren Campherarten Bomeol, CioH^gO,
und Menthol, Ci^Hj^O, folgende Formeln ab:
CjH^ CjjH^
/CH\ /CH\
CH, CH^ CH, CH,
CH CH(OH) CH, CH(OH)
^C^ ^CH^
I I
CH, CH,
Bomeol MenthoL
Eine von Armstrong für den Japancampher aufgestellte Formel
/CH,\
OH, CH CH,
r-xj J^TT J^/i^TT \ A^ (2) gründet sich zumeist darauf, dass aus dem-
selben durch Zinkstaub kein Cymol, sondern ein Gemenge mehrerer Isomerer
desselben entsteht. Der wasserstofifreichste Campher ist das wie eine gesättigte
Verbindung sich verhaltende
Menthol, Pfefferminzcampher, CioH,oO = CioHjj-OH (3, 4, 5, 6, 7).
1^ ^^#^'V*
^r '-r
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.,•/
454 Handwörterbuch der Chemie.
•f« Ist neben einem Terpen CißHig der wesentliche Bestandtheil des Pfeflfenninzöles
5 : . (aus Mentha piperita), und wird aus diesem entweder durch fractionirte Destilla-
tion oder durch Ausfrierenlassen abgeschieden. Säulen, nach Pfeffenninzöl
riechend; Schmp. 42°; Siedep, 212° (8). Spec. Gew. 0*890 bei 15°; linksdrehend;
(a)D = — 59*6°. Wenig in Wasser, sehr leicht in conc. Salzsäure, Alkohol,
Aether etc. löslich. Verbrennungswärme (9) und Molekularrefraction (10) sind
die einer gesättigten Verbindung. Das Menthol besitzt alkoholische Eigenschaften,
es ätherificirt sich wie ein secundärer Alkohol; Natrium löst sich zu
Mentholnatrium, CiQHjgONa; durch Phosphorperchlorid (6) oder durch Erhitxcn mit
conc. Salzsäure auf 100° (11) entsteht
Menthylchlorid, CjoHigCl; flüssig. Siedep. 204°. Eigenschaften (12) (27).
Menthyl-Bromid und Jodid werden analog erhalten (12).
Menth ylacetat, C^oH^^-O'CjHjO; aus Menthol und Eisessig oder Essigsäureanhydrid.
Siedep. 222-224° (11).
Menthylbutyrat, CjoHig-O-C^H^O. Siedep. 230—240°.
Menthylurethan, COj^"» „ . Schmp. 165°, und
Menthylcarbonat, CO(OCjQH^g)3, Schmp. 105°, entstehen aus Mentholnatrium and
Cyan, durch nachherige Behandlung mit Wasser (35).
Chromsäuregemisch oxydirt £u dem ketonartigen Menthon, C^^HjgO (14). Siedep. 206**;
spec. Gew. 0*9126 bei 0°; Constitution (154). Verhalten des Menthols gegen Salpetersäure nnd
Brom (15), gegen JodwasserstofTsäure (14).
Phosphorsäureanhydrid spaltet das Menthol in Wasser und Menthen, Cj^Hig (14);
Siedep. 167*4°, spec. Gew. = 0*8226 bei 0°; rechtsdrehend (6), Bromderivate (16).
Dimenthen, C^oHgg, neben dem vorigen durch conc. Schwefelsäure entstehend. Siede-
punkt 320°. Inaktiv (17).
Von den Campherarten der Formel CioHigO = CipHijOH (allgemdn
CnH2n-20) existiren mehrere Isomere; das wichtigste derselben ist:
Borneol, Borneocampher; Constitution s. pag. 453; findet sich im freien
Zustande in den Stämmen der auf Bomeo und Sumatra heimischen Dryobaiawffi
camphora (18) und als Ester in kleiner Menge in verschiedenen ätherischen Oelen
(19, 20); entsteht auch durch Destillation von Bernstein mit Kalihydrat (21).
Kommt viel seltener nach Europa als der gewöhnliche Campher (Laurinol) und
wird daher am zweckmässigsten aus diesem dargestellt, welcher durch Natrium
in Borneol- und Laurinol-Natrium gespalten wird (22, 23, 24, 25):
2CioHi60-hNa, = CioHi,ONa-hCioHi,ONa,
durch dasselbe aber in alkoholischer Lösung z. Th. zu Borneol reducirt wird
(28) (163).
Die so erhaltenen Campherarten sind zwar im Uebrigen identisch und drehen
auch sämmtlich nach rechts (26), jedoch in verschiedenem Grade. Das natürliche
Borneol besitzt das Rotationsvermögen -+-33*4°, das aus Japancampher H- 44'9°
das aus Bernstein +4*0°. Regulär, Schmp. 198°, Siedep. 212° (18). Rotirt auf
Wasser und ist darin wenig löslich, leicht aber in Alkohol u. s. w. Wird von
Salpetersäure erst zu gewöhnlichem Campher oxydirt und dann wie dieser weiter
zersetzt.
Borneolnatrium, CjoHi^ONa; bildet sich direkt; sechsseitige Blättchen (29). Liefert
mit Methyl- und Aethyljodid
Borneolmethyläther, CjoHi^-OCH,, Siedep. 194*5°, und
Borneoläthyläther, Q^^Yi^^OQ^YL^, Siedep. 202° (23).
Borneoläther, Ca^Hj^O = (CioH, 7)30. Siedep. 285--290° (20).
Borneolchlorid, Q.^^^^Q\\ aus Borneol und Salzsäure bei 100° (30) oder Phosphor-
\,
Campher. 455
pentacfaloiid (24). Scbinp. 157°. Sehr leicht in Salzsäure und ein festes Camphen, CiqHj^,
lerfallcnd (31). Sonstige Zersetzungsprodukte (32, 33).
Borneolbromid, Cj^HjyBr. Schmp. 74 — 75° (24).
Borneolformiat, Stedep. 225—230°, Borneolacetat, Siedep. 221°, und
Isovalerianat, Siedep. 255 — 260°, finden sich im Baldrianöl (20). Stearat (30).
Borneolurethan, COt^t;« „ , Schmp. 115°, und Borneolcarbonat, COXr^'®u^^
Schinp. 215° entstehen durch Einwirkung von Cyangas und dann von Wasser auf Bomeol-
natrium (34),
OH
Borneolkohlensfiure, CO^^ „ • als Natriumsalz aus Bomeolnatrium und Kohlen-
dioxyd bei 130° (23). Darstellung (29). Sehr zersetzlich.
Borneen, CioH^g,* aus P3O5 und Bomeol (18); gehört zu den Terpenen; Siedep.
176—180° (36), 173—178° (37); isomer mit demselben ist
Borneocamphen, durch Erhitzen von Bomeolchlorid mit Wasser auf 90° entstehend
(24) (31). ebenfalls ein Terpen; Schmp. 51—52°, Siedep. 160—161°. Mit Salzsäure Bomeol-
chlorid regenerirend.
Mit dem rechtsdrehenden Bomeol ist isomer das ebenso viel nach links
drehende sogen.
Linksborneol, Ngai- oder Blumeacampher; aus Blumea balsamifera
in Ostasien (38). Vorkommen im Krappfuselöl (39). Entstehung aus gewöhn-
lichem Campher (25). Regulär. Schmp. des Linksbomeols aus Krappfuselöl 35°;
Siedep. 210° (40); Schmp. des aus Blunua balsamifera erhaltenen 204°. Giebt
oxydirt linksdrehendes Laurinol.
Ein inaktives Bomeol, Schmp. 198 — 199°, wird aus Terpentinöl gewonnen (41), ein
anderes, flüssiges Isomeres ist der Hauptbestandtheil des Baldrianöles (20).
Cajuputol, CjoHisO; das ätherische Oel der Myrtacee MekUeuca CajupiUi
besteht vollkommen (44), das von M, Leucodendron zu f aus Cajuputol. Auch im
Osmitesöl enthalten (53). Dünnflüssig, spec. Gew. 0-903— 0*926 bei 20°; meist
(durch Spuren von Kupferverbindungen) hellgrün, rein farblos. Siedep. 175 — 178°.
Linksdrehend; campherartig riechend. Liefert mit Phosphorsäureanhydrid
Cajuputon, Ci^jH^^; Siedep. 160—165°; spec. Gew. 0-850 bei 15°,
Isocajuputon, C,oHi^; Siedep. 176—178°, spec. Gew. 0-857 bei 16° und
Paracajuputon, CjoH,,; Siedep. 310—316° (43).
Cajuputolhydrat, C^gH^gO -211,0, entsteht aus Cajuputol durch verdünnte Schwefel-
säure bei gewöhnlicher Temperatur, concentrirte Säure verwandelt siedendes Cajuputol in die
Verbindung (CioH,e),-H,0. Durch Salzsäure entsteht der Körper CioHi5-2HCl, welcher
bei der Destillation die bei 160° siedende Flüssigkeit Ci^Hj^-HCl liefert (43).
Cajuputol giebt mit überschüssigem Brom ein bei 60^ schmelzendes Cajuputenbromid,
^10^1 6 ^'4 (43)' °^^^ ^ ^^^* ^^ ^^ ^^^ ^^^ Destillation in H3O, 2HBt und Cymol zerfallende
Dibromid CioHijOBr, (45), mit Jod die Verbindungen (CjoH^ß, HJ),, H,0 (Schmp. 80*0
und CjoHij, HJ (43). PjSj liefert u. a- Cymol (45).
Corianderöl, aus Coriandrttm sativum, enthält u. a. einen bei ca. 150^ siedenden Campher
CjgHjgO (46, 47), daneben aber auch noch Condensationsprodukte und Polymere; liefert mit
P,0, ein Terpen (Siedep. 178—180®) und Polyterpene. Zersetzungen und Derivate (47).
Geraniol, CioH^gO; im indischen (48), deutschen und französischen (49)
Geraniumöl. Flüssig, Siedep. 232—234°; spec. Gew. 08851 bei 15°. Inaktiv;
zerfällt durch Chlorzink in Wasser und Geranien, CioHie» Durch Einleiten
von Salzsäure in Geraniol entsteht
Geraniolchlorid, Cj^H^fCl; Ölig, nicht unzersetzt flUchtig; Brom-, Jod- und Schwefel-
kaliom führen es in das Bromid, Jodid und Sulfid Über.
Geranioläther, C^oHg^O; aus dem Chlorid und Wasser bei 200^ entstehend. Siede*
punkt 187 — 190^* Noch weniger untersuchte Isomere des Bomeols sind:
456 Handwörterbuch der Chemie.
Citronellol (Citronellacampher) ; aus Andropogon Nardus {y>) und Galgan thol aus dem
Oel der Galangawurzel (Alpina offictnarum) (51).
Das Hopfenöl enthält neben einem Terpen vom Siedep. 175° einen bei 210® siedenden
Campher Cj^H^gO (52); auch im sogen. Rainfarrenöl (aus Tannacetum vulgare) findet sich
ein isomerer, bei 203—205® siedender Campher (20) ; auch das sogen. Wurmsamenöl, Olam
cinae^ aus Arteviisia-hx\.tvi^ vom Siedep. 173 — 174®, scheint im Wesentlichen ein Campher von
der Formel C^qH^jO ru sein. Eigenschaften und Oxydationsprodukte (54, 55, 56, 57).
Dagegen ist ein Homologes dieser Campherarten das
Angosturaöl,Cj3H240; aus der echten Angosturarinde, Siedep. 260° (58), und
Der Campher aus Rosmarinöl (Ledum palustre), welcher den Formeln
Cij^Hg^O oder C^^Yi^^O entspricht und bei 105° schmilzt (127).
Von den Campherarten der Formel C^oHieO (allgemein CnH2n-40),
welche zu den bisher besprochenen von der Formel CnH2n— 2O sich verhalten, wie Ketone sa
Alkoholen, ist der wichtigste:
Gewöhnlicher Campher, Japancampher oder Laurinol, CioH,ßO
(Constitution s. pag. 453). Findet sich in allen Theilen von Laurus campkora,
des in China, Japan, auf der Insel Formosa etc. vorkommenden Campherbaunies;
wird nach einem ziemlich rohen Verfahren durch Destillation des zerkleinerten
Holzes mit Wasserdampf zuerst als Rohcampher gewonnen und, meist in Europa,
nochmals raffinirt (59, 60). Ist auch in verschiedenen ätherischen Oelen theils
fertig gebildet (61, 62, 63), theils durch Oxydation aus solchen zu erhalten (64, 65);
desgl. in kleiner Menge aus Bernstein (66), Cymol (67), Terpentinöl (68). Der
auf diese Weise künstlich erhaltene Campher gleicht dem natürlichen bis auf
Verschiedenheiten der optischen Aktivität, dagegen ist der durch Oxydation von
Borneol dargestellte Campher auch hierin diesem völlig gleich (18, 69).
Das Laurinol krystallisirt hexagonal, besitzt einen höchst charakteristischen
Geruch, schmilzt bei 175° und siedet bei 204°, sublimirt aber schon stark bei
gewöhnlicher Temperatur. Spec. Gew. bei 0° fast = 1. Brechungsexponent 1*4804.
Rechtsdrehend (70). Rotirt, auf reines Wasser geworfen, und löst sich in etwa
1000 Thln. desselben, sehr leicht in Alkohol, Aether u. s. w., ia flüchtigen und
fetten Oelen und in kalter concentrirter Schwefelsäure.
Campher verbindet sich mit einigen Säuren; beim Lösen in Salzsäure bildet sich ein Gel,
wohl die salzsaure Verbindung; Jodwasserstoff-Campher, Cj ßHjgO, HJ, entsteht durch Kocheo
von Campher mit Jod und nachherige Destillation (71), Camphernitrat, (C2oHjgO)jN,Oj,
ähnlich durch Salpetersäure (72). Mit Salpetersäure, aber nicht für sich, destillirbar; wird ron
Wasser zersetzt. Brom und Jod geben mit Campher in der Kälte Additionsprodukte (78). Campher
absorbirt 308 Vol. Schwefligsäureanhydrid (73), reichlich auch Untersalpetersäure unter Ver-
flüssigung. Durch direkte Vereinigung der Componenten entstehen die losen Molekidarverbindungeo
Fluorborcampher, Ci^H^gO-BKlj (75), Schmp. 70^,
Chloralhydratcampher, CjoHijO -CjHjCljOj (76),
Chloralalkoholatcampher, CioHigO-C^HyCljO, (76), und
Aldehydcampher (77, 79).
Zersetzungsprodukte des Camphers. Beim Durchleiten von Campher-
dämpfen durch glühende Röhren entsteht u. a. Cymol (80). Durch Phosphor-
pen toxyd zerfallt er beim Erhitzen glatt in Cymol und Wasser (81), desgl. durch
Salzsäure bei 170° (88), Phosphorpentasulfid liefert daneben noch Isomere, höhere
und niedere Homologe und Thiocarvacrol (7 1). Dagegen entsteht beim Erhitzen
mit Jod zu etwa gleichen Theilen gar kein Cymol, sondern hauptsächlich Camphen,
C10H20» und Dimethyläthylbenzol (81), mit wenig (^ Th.) Jod u. a. Carvacrol (71);
bei 250° entsteht eine ganze Reihe KohlenwasserstojQfe CnH2n-6 (83). Auch
Jodwasserstoff liefert beim Erhitzen mehrere Kohlenwasserstoffe, von denen ge-
Campher. 457
nauer untersucht wurden: Camphin, CioH^g; flüssig, Siedep. 163° und Cam-
pholen, C^H^ß, Siedep. 135 — 137° (82). Zinkchlorid wirkt in sehr complicirter
Weise; hauptsachlich entsteht hierbei Metacymol, Dimethyl-äthyl- und Tetramethyl-
benzol (81, 84, 85, 86), daneben auch Toluol, Xylol und Pseudocumol, von
Phenolen nur Carvacrol. Bei der Destillation über Zinkstaub entstehen grössten-
theils dieselben Kohlenwasserstoffe (87); Chlorjod bei 250° giebt chlorirte Aethane
und Perchlorbenzol; Natriumamalgam wirkt nicht ein; in alkoholischer Lösung
wird aber Campher durch Natrium z. Th. zu Bomeol reducirt (28) (163); Verhalten
gegen Natrium in Lösung von Toluol s. pag. 454 und der so entstehenden
Natriumverbindungen gegen COj (96) und Sauerstoff (26); Verhalten des Camphers
gegen alkoholisches Kali (97); Schwefelsäure liefert beim gelinden Erwärmen ein
mit Campher isomeres Oel (90), beim Sieden Cymol und sogen. Camphren (91),
CgHj^O, vielleicht identisch mit Phoron (92). Chlor wirkt kaum ein, Phosphor-
pentachlorid liefert in der Kälte
Campherchlorid, CjoHigClj (93) (31), beim Erwärmen chlorreichere Pro-
dukte (94, 95). Schmelzpunkt des Chlorids 155°; giebt bei der Reduction durch
Natrium Camphen, CjoHig; stearinartig, Siedep. 158° (32), mit Natrium und
Alkyljodüren Homologe des Camphens.
Alkylirte Campher entstehen aus Natriumcampher und Alkyljodüren. Methyl-
campher, CioHi5(CH3)0, Siedep. 194°; Aethylcampher, CioHi5(C,H5)0,
Siedep. 226°; Amylcampher, CioHi5(C5Hii)0, Siedep. 277° (23).
Thiocampher, CjqHj^S(^), entsteht aus Campher durch Erhitzen mit alkoholischem
Schwefelammonium.
Camphoroxim, CioHjgN(OH). Laurinol geht als ketonartiger Körper im Gegensatze
zu Bomeol und Menthol durch salzsaures Hydroxylamin in oben bezeichneten Körper über; der-
selbe schmilzt bei 115° und siedet bei 249— 254° (98), zerfällt selbst durch concentrirte Säuren
nicht in Campher und Hydroxylamin und bildet Salze und Aether. Cn,NigN(OH), HCl,
CioH,,N(ONa), CioHjßNCOCjHj), Siedep. 208— 210O
Durch Einwirkung von Acetylchlorid entsteht ein nicht basischer Körper der Formel
C,oHi,N (153).
Substitutionsprodukte des Camphers.
Monochlorcampher, C^qH^CIO; aus Campher und unterchloriger Säure.
Schmp. 95° Zersetzungspunkt 200° (99); auch aus Chlorcamphocarbonsäure
(iio). Giebt mit nascirendem Wasserstoff und Campher durch alkoholisches
Kali u. a. Oxycampher (100).
Dichlorcampher, CiqHj^CIjO, entsteht durch Chlorirung von Campher
in alkoholischer Lösung bei 80° (loi). Schmp. 93°. Siedep. unter Zersetzung 263°.
Monobromcampher, C^oHj^BrO. Aequivalente Mengen von Campher und Brom
werden in Lrösung von Chloroform stehen gelassen; dann destillirt man letzteres ab und krystalli-
sirt den Rückstand aus Aether um (102). Schmp 76 ^ Siedep. 274®. Verhalten gegen Chlor-
zink (103). Wird durch PClj nicht verändert, durch Wasserstoff in Campher zurUckverwandelt.
Dibromcampher, Cj^Hj^HrjO, existirt in zwei Isomeren. a-Dibromcampher , durch
Erhitzen von Monobromcampher mit 1 Mol. Brom gewonnen (104), schmilzt bei 61®. Um-
setzungen (105), durch Salpetersäure (106). ß-Dibromcampher bildet sich beim Erhitzen des
vorigen mit tlberschUssigem Brom (123). Schmp. 115® (107).
Jod campher, CiqHijJO; aus Natriiuncampher und Jod oder Jodcyan. Schmp. 43 — 44® (108).
Bromnitrocampher, CiQHi4Br(N0j)0, aus Bromcampher und Salpetersäure
(103), schmilzt bei 104— 105°, Chlornitrocampher, Ci0H,4Cl(NO2)O, analog
aus Chlorcampher, bei 95° (109, 1 10); Dibromnitrocampher, CiQHigBrj(NOj)0,
aus p-Dibromcampher (106), bei 130°. Monobromcampher wird leicht reducirt,
zunächst zu
'^'.'' ■'-'■■'
:■)} 458 Handwörterbuch der Chemie.
Nitrocampher, Ch,Hib(NOj)0 (103); Schmp. 83°; von phenolartigen
^ Eigenschaften; dann, durch Natriumamalgam zu
.-•' Amidocampher, Ci0Hi5(NH,)O, einerstarken, primären, bei 246° sieden-
' ' den, reducirend wirkenden Base (103).
; Das salzsaure Salz liefert bei der Destillation mit Wasser nicht fluchtiges, basisches
, '^ Camphimid, C^oHj jN, und übergehendes indifferentes Dicamphorolimid, CjoHi^NOi;
Schmp. 160^ (13). Salzsaures Camphimid geht durch Kaliumnitrit Über in
Diazocampher, CjoHi^NjO; Schmp. 73—74°; dieser zerfällt bei 140® in Stickstoff und
; _ sogen. Dehydrocampher, Cj^jH^^O (Schmp. I600)(iO5). AusCamphematrium und Cyan entsteht
..*' Cyancampher, C^qH^jCNO; Schmp. 127°, Siedep. 250°; liefert em Bromdcrival
CjoHj^BrCNO (34) und geht mit Kali gekocht in eine Säure CjiHjgO^ über.
Oxycampher, CiqHi5(OH)0, existirt in mehreren Isomeren. Der aus
Chlorcampher durch Kaliumalkoholat entstehende schmilzt bei 137° (99), der aus
■ '' Dibromcampher durch Natriumamalgam erhaltene ist ein bei 265° siedendes Oel
(104), dessen Natriumsalz und Bariumsalz krystallisiren (121). Der Oxycampher, aus
Amidocampher durch salpetrige Säure, schmilzt bei 155° (103). Durch Oxydation
mit Chromsäure liefert das Camphen aus Campherchlorid einen bei 59—61**
schmelzenden (31), Bomeolacetat einen bei 248 — 249° unter Zersetzung schmelzen-
<ien (iii) Oxyisocampher.
Nitrooxycampher, C,oH^4(NOj)(OH)0, Schmp. 170®, giebt der aus Dibromcampher
entstehende Oxycampher durch rauchende Salpetersäure. Ersterer liefert reducirt den salzbildendeo
Amidooxycampher, CioH,4(NH,)(OH)0 (121).
Camphocarbonsäure, C^jH^gO,, bildet sich neben Bomeolkohlensäure beim Behandeln
des Einwirkungsproduktes von Natrium auf Campher mit CO, bei 100° (23). Schmilzt unter
Zerfall in CO, und Campher bei 128— 124® ; durch die Zusammensetzung der Salze (128) wird
die Formel C^jHjjOg wahrscheinlicher gemacht. Acetylchlorid liefert den Körper CjjHjgO^,
Schmp. 196®, P,Hj die Verbindung CjjHjoO^, Schmp. 265®, PQ^ das sauerstofflfreie Chlorid
CjjHjgag, Schmp. 45® (164). Bromcamphocarbonsäure, CjoHi^BrO-CGOH (1291
Schmp. 110®. Chlorcamphocarbonsäure, CjoHi^ClO.COOH, Schmp. 94® (130).
' Isomere des gewöhnlichen Camphers:
Linkslaurinol oder Matricariacampher. Im ätherischen Oel von
McUricaria Parthenium findet sich (112) ein auch durch Oxydation von linb-
drehendem Terpentinöl entstehender (113) Campher, der mit Laurinol bis auf
sein entgegengesetzt gleiches Drehungsvermögen vollkommen identisch ist. Das-
selbe gilt von einem inaktiven Campher aus Lavendelöl und aus inaktivem
Terpen (41). Andere Isomere sind:
Alant ol, aus dem Oele von ItmJa Helemum; flüssig; Siedep. 200® (114).
Eucalyptol, aus dem Eucalyptusöl; Siedep. 216—218® (54).
Myristicol, aus dem Muskatnussöl; Siedep. 212 — 218® (115).
TannacetylhydrUr, aus dem Rainfarrenöl (20); flüssig, Siedep. 195—196®; verbindet sick
mit saurem Natriumsulflt, wirkt reducirend, giebt mit Natriumamalgam ein Isomeres des Borneols.
Die ätherischen Oele von Mairiatria CkamomiUa (Kamillenöl) (116) und von Artemm
Absinihiitm (Wermuthöl) enthalten neben Terpenen azurblaue, zwischen 270 — 300® siedende
Polymere (CioHjgO)». Absinthol, C,oHjgO; Siedep. 294®. Aehnliche Körper finden sich
im Oele der Pichurimbohnen (118), des Poleis (119) und von Pulegium micrantkum (120).
Homologe des Camphers.
Maticocampher, C^H^qO, aus Piper angustifolium; geruch- und ge-
schmacklos. Schmp. 94°, Siedep. 200° (122).
Cederncampher, CijHjßO, im Cedemöl (aus Juniperus virginiana),
Schmp. 74°. Siedep. 282°. Spaltet sich durch PjOj in Wasser und Cedien
C15HJ4 (124).
Campher. 459
Cubebencampher, CisH^^O, im Oele aus alten Cubeben, der Früchte
von Piper Cubcba (4). Schmp. 65— 70^ Siedep. 248°. Zerfallt leicht in Wasser
und Cubeben Cj^Hj^ (125).
Patchoulicampher, Cj jHjßO, im Patchouliöl, dMsPogosiemon Pate houii (126),
Schmp. 59°, Siedep. 296°. Aeusserst leicht zerfallend in Wasser und Patchoulen
C15HJ4.
Säuren aus Campher.
Der gewöhnliche Campher geht durch Einwirkung von Basen, so beim
Ueberleiten Über Kalikalk bei 300° (131), beim Kochen mit alkoholischem Kali
(97), am besten beim Behandeln mit Kalium (132) und Natrium (25) unter Auf-
nahme von Wasser über in
Campholsäure, C^Q^i^O^^^^C^'R^^f^COOlit Strukturformel nach Kekulä:
C3H7
/CHx,
CH, CH3
r-TT r^r\r\T^'^ Schmp. 95°; Siedep. 250°; in Wasser kaum, in Alkohol und
I
CH,
Aether leicht löslich. Zerfallt durch Erhitzen mit Natronkalk oder PjO^ in
Wasser und Campholen, CgHjg, Siedep. 137°. Salze (132, 131, 97).
Das Chlorid, C^^VL^^O-CX, siedet bei 222— 22«;°; der Aethylester ist nach den üblichen
Methoden nicht darstellbar.
Phoronsäure, isomer mit Campholsäure, bildet sich in kleiner Menge neben derselben.
Schmilzt bei 169^ (25).
Camphersäuren.
Die verschiedenen Campherarten C^QH^gO und CjoH^gO geben beim an-
haltenden Kochen mit Salpetersäure verschiedene, besonders durch ihr optisches
Verhalten charakterisirte und hierin an die Weinsäuren erinnernde zweibasische
Säuren der Formel CioHjgO^ = C8Hi4(COOH)j. Nach Kekulä (71) besitzen
C3H7
/CHv.
CH^ COOK
diese Camphersäuren, wenigstens die gewöhnliche, die Formel I r^r\r\\^*
CH COOH
^C^
I
CH3
welche u. a. auch die Entstehung von Pimelinsäure = Isopropylbemsteinsäure
bei der Kalischmelze einfach erklärt; nach Kachler (133) und Wreden (134)
sind sie wegen ihrer Ueberfiihrbarkeit in Tetra- resp. Hexahydroisoxylol und
Tetrahydroäthylbenzol Dicarbonsäuren dieser Kohlenwasserstoffe und zwar wahr-
scheinlich des letzteren.
1. Gewöhnliche oder Rechts-Camphersäure; wird am besten durch Er-
hitzen von 160 Grm. Campher mit 2 Liter Salpetersäure (spec. Gew. 1*27) bis rum Verschwinden
der rothen Dämpfe dargestellt. Man erhält ca. 50^ Ausbeute (13$). Entsteht auch durch Oxyda-
tion der Campholsäure (97).
Monokline Blättchen oder Säulen; Schmp. 178° Spec. Gew. 1-193; löst
sich bei 12° in 88 Thln., bei 100° in etwa 10 Thln. Wasser, leicht in Alkohol
und Aether etc. Rechtsdrehend: -h 3887°. Zerfällt beim Erhitzen mit Jod-
wasserstoff auf 200° in CO, und Hexahydroisoxylol, CgHig, und Tetrahydroiso-
460 ' Handwörterbuch der Chemie.
xylol, C^H^^ (136). Letzteres bildet sich auch beim Erhitzen der Säure mit
Chlorzink oder Phosphorsäure (137); mit Salzsäure entstehen bei 200° neben
COj und CO zwei ähnliche Kohlenwasserstoffe CgHj4 undCgH^g (136). Beim
Erhitzen mit Natronkalk entsteht das dem gewöhnlichen Phoron isomere Campher-
phoron oder Camphren (138), beim Schmelzen mit Kali Pimelinsäure (139) = Iso-
propylbemsteinsäure (140).
Camp ho rate. Die Camphersäure bildet als zweibasische Säure neutrale Salze ▼(» der
Formel CgH^^O^-Mj und saure Salze von der Zusammensetzung CgHj^O^-M (159, 160).
Die neutralen Salze der Alkalien und alkalischen Erden krystallisiren und sind in Wasser lös-
lich ; die Angaben über ihre Löslichkeit variiren sehr. Die Salze der Schwermetalle sind schwcr-
oder unlöslich, mit Ausnahme derer des Mangans und Cobalts. Beim Erhitzen für sich liefeit
das Kalksalz Phoron (161), das Kupfersalz neben Camphersäureanhydrid einen bei 105^ sieden-
den Kohlenwasserstoff, CgH,^ (162).
(H4N)3.CjoHi404, leicht löslich und leicht Ammoniak verlierend. Kj-Cj^Hj^O^ und
Najj. CjoHj^O^ sind nach (159) sehr leicht, nach (160) schwer löslich. Ba-CjoHi^O^ -f-4iH,0,
leicht lösliche Nadeln. — CaCj^Hj^O^ -f- 4^HjO, etwas schwerer löslich. — Mg-C^^Hi^O^
krystallisirt mit 7^, 12 oder IS^HjO. Zn-CioH^^O^, schwer lösliches Pulver. — Cu-CioH^O^,
hellgrün; Blei-, Silber-, Zinn-, Quecksilberoxyd- und Oxydulsalz sind weiss und unlöslich. Von
sauren Salzen wurden nur dargestellt : Ba(C j qH^ 5O4) j 4-2H2O, schwer löslich. — Ca(Ci ^H^ jO^),,
ohne oder mit TH^O krystallisirend und ein Salz von der Formel Ca(CiQHj 5O4) j-|- 2CaCi<,H,404
+ 8H3O (159).
COOCH
Ester. Der saure Methylester, CgH^^^Q^jJ ', durch Erhitzen von Camphersame
mit Methylalkohol und Schwefelsäure erhalten (141), schmilzt bei 68^ zersetzt sich bei der
Destillation und liefert Salze.
COOC H
Der saure Aethylester, C8Hi4^qqj^« ^, bildet sich wie der Methylester, ist flüssig,
und zerfällt beim Erhitzen in Wasser, Camphersäureanhydrid und den neutralen Ester
CgHj^(COOCj,H5),. Siedep.285—287^- durch Chlorirung erhält man C8Hi4(COOC,H,a,),(i4i)-
Camphersäureanhydrid, CiqK^^O^= CßHi^QQ^O, entsteht ganz ana-
log dem Anhydrid der Bernstein- oder Maleinsäure mit Leichtigkeit schon durch
Erhitzen der Säure für sich, noch leichter mit 1 Mol. PCI5 oder Acetylchlorid (143)-
Sehr leicht sublimirend. Schmp. 217°. Siedep. über 270''. Ist in viel Wasser
unzersetzt löslich ; löst sich leichter in Alkohol und Aether. Giebt mit Baryumsuperoxyd
Campherylsuperoxyd, Cj^Hj^O^ (144), mit Brom ein leicht zersetsliches Dibromid
CjoHi^OjEr,; mit PQ^ das Chlorid CgH^^CCOa),, welches bequemer aus der Säure selbst
erhalten wird (145); letzteres geht durch Ammoniak in das Amid CgHj4(CONH,)2 Aber (145)«
COOH
während das Anhydrid hierdurch Camphoraminsäure, ^e^iiCONH * ^^^^^ i^A-^)' ^***
bildet Salre; das Ammonsalz zerfällt bei 160^ in Ammoniak und Campherimid, C^H^^^qJ^H;
Schmp. 180^ (137)* Analog giebt das Aethylaminsalz der Camphersäure Campheräthylimid,
CgHj^^Q^NCjHj,- Schmp. 49—500, siedep. 276^ (147); letzteres geht mit PQj bchanddi
CCl "Vi.
Über in das Imidchlorid CgHi^^^'^NCgHs, und aus diesem wird durch Aethylamio das
stark basische Campheräthylimid-Aethylimidin, CgHi^^^^'^'^NCaHj, Siedep. 286^
erhalten (147); Camphersäurenitril, CgH^^CCN), (137).
Camphoranil, CgH^^^Q^NC^Hj, aus Anilin und dem Anhydrid, Schmp. 116°, gie*>^
CO OH
mit alkoholischen Alkalien Camphoranilsäure, ^s^iirON^C H ^H C'^^)*
Substitutionsprodukte der Camphersäure.
Monobromcamphersäureanhydrid, CjoHijBrO,, durch Erhitzen des Anhydrids mit
Brom auf 130 ^ entstehend (135), schmilzt bei 215®. Schon durch Kochen mit Wasser entsteht
Campher. 461
Oxycamphersäureanhydrid, C,j^Hj,(OH)Oj (135) (97); leicht sublimirbar; schmilzt
bei 201®. Krystallisirt aus Wasser mit 1 oder 2 Mol. Wasser, welches schon über Schwefel-
säure wieder entweicht, verbindet sich mit Basen. Der Aethylester, CnjH,,(OC2Hj)Oj, ent-
steht aus dem bromirten Anhydrid durch Alkohol bei 150*^; Schmp. 63®.
Amidocamphersäureanhydrid, CioHj3(NH3)0,, entsteht aus letzterem analog durch
Ammoniak (135). Schmilzt bei 208®, sublimirt schon bei 150®. Geht durch salpetrige Säure
und concentrirte Kalilauge Über in Oxycamphersäureanhydrid, durch verdünnte in
Amidocamphersäure, CjqHj j(NHj)0^ (^SS)« Schmilzt und geht zugleich ins Anhy-
drid über bei 160®. Salze meist wenig beständig. Eine Camphersäure, aus welcher ein Carboxyl
ausgetreten, und in deren Molekül entweder OSO^OH oder SO3OH und OH eingetreten ist,
ist die sogen.
Sulfocamphersäure, CgHjßSOg + 2H,0. Bildet sich durch Erwärmen
des Anhydrids mit Schwefelsäure auf 65°: CioH^gOa + HaSO^ = CgHißSOg
+ CO + H2O (149) (133). Schmp. 160—165°. Optisch inaktiv.
Sehr leicht löslich, auch in Wasser. Zweibasisch. Auch die Salze (150) sind sehr leicht
löslich, meist auch in Alkohol, und meist amorph, mit Ausnahme des krystallinischen Blei- und
Silbersalzes. Die Säure liefert beim Schmelzen mit Aetzkali einen Körper CgH^gO, vom
Schmp. 148^ der sich in Alkalien löst, aber keine eigentlichen Salze bildet (150).
2. Linkscamphersäure, entsteht analog wie die Rechtscamphersäure aus
Laurinol, durch Oxydation von Linkscampher (pag. 458), polarisirt eben so stark
nach links wie diese nach rechts und ist im Uebrigen mit ihr identisch (112).
Beim Abdampfen gleicher Mengen dieser optisch Isomeren entsteht
3. Inaktive (oder Para-) Camphersäure, identisch mit der durch Oxydation
von inaktivem Campher erhaltenen Säure (151). Krystallisirt triklin und schwieriger
als die aktiven Isomeren, ist auch schwieriger löslich. Beim Erhitzen mit Alko-
hol und Aether liefert sie theils das Anhydrid C10H14O3, theils den Aether
^^^^(COOCaHs), vom Siedep. 270—275°.
4. Mesocampher säure, gleichfalls optisch inaktiv, entsteht durch Erhitzen
von Rechtscamphersäure mit conc. Jod- oder Chlorwasserstoffsäure auf 140 — 160°
(135) oder mit Wasser auf 180° (152), in kleiner Menge bei der Einwirkung von
Schwefelsäure (133) und von Salpetersäure auf Campher. Schmp. 113°; leichter
löslich als Rechtscamphersäure, und in der Kälte durch conc. Schwefelsäure
nicht, wie diese, das Anhydrid gebend. Beim Erhitzen entsteht Rechtscampher-
säureanhydrid.
Säuren von unbekannter Constitution aus Campher.
Bei der Oxydation von Campher (72) oder von Campholsäure (97) oder von
Bibromcampher (106) entstehen neben Camphersäure, und als Oxydationsprodukt
der letzteren, auch aus dieser, zwei Säuren der Formel C9Hi40g:
1. Camphoronsäure, C9H12O5 -h H3O; gehört zu den Laktonsäuren;
wird aus den ammoniakalisch gemachten Mutterlaugen von der Darstellung der Camphersäure
durch Chlorbarium als Barytsalz gefällt, aus welchem Schwefelsäure die Säure frei macht.
Sehr leicht lösliche Nädelchen, die wasserhaltig bei 110°, wasserfrei bei 115°
schmelzen und fast unzersetzt destilliren. Die gleichfalls meist wasserhaltigen
Salze entsprechen den Formeln MegC^HgO^ oder MegCgHioOg.
Dagegen entsteht durch Aetherification mitSalzsäure nur derDiäthylester(C3H5)jCjH, ^Oj.
Derselbe siedet bei 302° und zerfällt hierbei in Alkohol und den Monoäthylester Cj^H^-CgHuO^,
TOD dem eine flüssige und eine feste, bei 67° schmelzende Modification existirt (155). Durch
Einwirkung von Ammoniak auf diese Ester entstehen eigenthUmliche, amidartige Verbindungen,
die sich abweichend von echten Amiden verhalten (155).
2. Hydrooxycamphoronsäure, C9Hi40g, eine echte dreibasische Säure
C-H| I (CO OH) 3; wird aus dem Filtrate vom Barytsalze der Camphoronsäure, nach Entfernung
462 Handwörterbuch der Chemie.
des Überschüssigen Baryts durch CO,, durch Kupferacetat gefüllt und aus dem Kupfersalze dorch
HgS freigemacht (156).
Grosse, bei 164*5° schmelzende, schwerer als Camphoronsäure lösliche
Krystalle. Von den Salzen sind Repräsentanten aller drei möglichen Reihen
bekannt.
Durch Erhitzen mit 1 Mol. Brom auf 130° geben beide Säuren C3Hi40g zwei
Säuren C^HijOg:
1. Oxycamphoronsäure, CgHijOg + HjO, entsteht aus Camphoronsäure
(72); schmilzt wasserfrei bei 210°; destillirt unzersetzt und scheint zufolge der
Zusammensetzung ihrer Salze eine zweibasische Oxysäure zu sein.
2. Iso oxycamphoronsäure, CgH^jOg; aus Hydrooxycamphoronsäure
entstehend (156); Schmp. 226°.
Noch weniger untersucht sind: die durch Oxydation von Camphematrium entstehende
Camphinsäure, CnjHjgOj (25), welche durch Kaliumpermanganat zu Oxycamphinsäare,
CjoHjgO,, oxydirt wird; die sogen. Oxycamphersäure, Cj^Hj^Oj, welche sich durch
Schmelzen des Camphers mit Kali bilden soll (157), und zwei in geringer Menge bei der Oiy-
dation des Camphers auftretende Säuren von den Formeln C^H^^Oj und C^Hj^O^ (156).
Futtert man Hunde mit Campher, so findet sich in deren Harn neben einer Stickstoff'
haltigen, als Uramidocamphoglycuronsäure bezeichneten Substanz
Camphoglycuronsäure, C^^H^^Og, in zwei Modificationen (158): Die a-Säme enthält
1 Mol. H,0, welches sie bei 100° verliert, worauf sie bei 128—130® schmilzt; die p-Säore ist
amorph, erstarrt schwer, ist dann wasserfrei und schmilzt bei 100*^ und entsteht aus der a-Modi-
fication durch Erwärmen mit Baryt. Beide zerfallen beim Kochen mit verdünnten Säuren in
das den Oxycamphem isomere, aber nicht mit Basen, sondern mit Säuren sich verbindende, bei
198® schmelzende Campherol, CnjHjgOj, und in die als Derivat des Traubenzuckers zu b^
trachtende Glycuronsäure, CgH^jOy. HaNTZSCH.
Capillarität.*) Bei der Berührung eines festen Körpers mit einem flüssigen
können eine Reihe verschiedener Erscheinungen eintreten, je nachdem die An-
♦) i) Ad. Mayer, J. f. Agriculturphysik. II, pag. 1879. 2) J. D. van der Waals, Con-
tinuität d. gasförmigen und flüssigen Zustandes deutsch v. Roth, pag. 115. 3) J. D. vak d»
Waals 1. c. pag. 107. 4) Röntgen, Wied., Ann. 3, pag. 321. 5) Schi^eiermacher, Wiro^
Ann. 8, pag. 52. 6) Volkmann, Wied., Ann. 1 1, pag. 182. 1880. 7) Plateau, Bull, de Brux. DI, 21.
pag. 470. 1882. 8) B&DE, Chem. cour. de l'acad. de Belg. 25. 9) Volkmann, Wied., Ann.II.
pag. 78. 1880. 10) Simon, Ann. chem. Phys. 132, pag. 1850. 11) R. Schiff, Chem. Ber. 15.
pag. 2965. 1882; BeibL 7, pag. 228. 12) J. W. Wolf, Pogg. Ann. loi, pag. 350; 102, pag. S9>
13) Clarke, Chem. News. 40, pag. 8; Beibl. 4, pag. 21; Phil. Mg. [5] iio, pag. 148; BeibL 4.
pag. 773. 14) Frankenheim, Pogg. Ann. 75, pag. 229. 15) B^de, Chem. coar. d. Brax. 30^
pag. I. 1862 16) Quincke, Pogg. Ann. 105, pag. 1^48. 1856. 17) Pisati, Acc. dei L'mcei [jj.
T. 105, BeibL 1877, pag. 447. 19) D. Mendelejeff, C. R. 50, pag. 52; 51, pag. 97-
20) W. BfeDE, Mem. cour. de Brux. 30, 5, pag. i. 21) Wilhelmv, Pogg. Ann. 109, pag. 44J
122, pag. I. 1863. 22) Scholz, Pogg. Ann. 148, pag. 62 — 77. 23) Quincke, Pogg. Ann. iS3'
pag. 161—205. 1874. 24) Volkmann, Wied. Ann. 16, pag. 328. Poisson, Nouv. Theorie de
l'action cap. P. 1831, pag. 107. 25) Danger, Pogg. Ann. 76, pag. 297. 26) Desadcs, Poca
Ann. 86, pag. 49. C. R. 34, pag. 765—767. 27) M. Mendelejeff und Frl. C. Gontkowsk^,
J. de phys. Ges. «u St. Petersb. Vm, pag. 212. Beibl. I, pag. 455. 1877. 28) Mathieu, BeibL 2,
pag. 106. 29) Quincke, Wied. Ann. 2, pag. 193. 1873. 30) Volkmann, Wied. Ann. 17.
pag. 353. 1882. 31) Lord Rayleigh, Phil. Mag. [5] 16, pag. 309. 1883; BeibL 8, pag. 108-
32) Oberbeck, Wied. Ann. 11, pag. 634. 1880. 33) de Heen, Bull. Acad. Roy. Belg. [3] 5«
pag. 492. 1883; Beibl. 7, pag. 663. 34) Wilhelmv, Pogg. Ann. 119, pag. 177. 1863.
35) E. WiEDEMANN, WiED. Ann. 17, pag. 980. 1882. 36) G. Quincke, Pogg. Ann. 138, pag. 141-
1869. 37) G. Quincke, Pogg. Ann. 131, pag. 623. 1868. 38) H. Rodenbeck, Inaug.-Diss.
Bonn 1879; Beibl. 4, pag. 104. 39) G. Quincke, Pogg. Ann. 160, pag. 337. 1897. 40) Caillktit,
Capillarität ^ 463 '
Ziehung zwischen den Molekülen des festen und flüssigen Körpers, die Adhäsion,
grösser oder kleiner ist als die Anziehungen zwischen den Molekülen des festen
Körpers allein und denen des flüssigen allein, d. h. ihrer Cohäsion. Im Folgen-
den sind die hierbei möglichen Fälle zusammengestellt:
I. Die Cohäsion des festen Körpers ist kleiner als die Adhäsion.
a) Die Adhäsion ist kleiner als die Cohäsion der Flüssigkeit: der feste
Körper zerfallt (Schlemmkreide in Wasser).
b) Die Adhäsion ist grösser als die Cohäsion der Flüssigkeit: es tritt eine
Lösung ein.
n. Die Cohäsion des festen Körpers ist grösser als die Adhäsion: der feste
Körper bleibt in der Flüssigkeit unverändert.
a) Die Adhäsion ist kleiner als die Cohäsion der Flüssigkeit: es tritt keine
Benetzung' ein.
b) Die Adhäsion ist grösser als die Cohäsion der Flüssigkeit: es tritt Be-
netzung ein.
Die mit dem unter Ib aufgeführten Fall zusammenhängenden Phänomene
betrachten wir in einem besonderen Artikel unter »Lösungc.
Die unter la fallenden Erscheinungen sind noch wenig untersucht worden.
Indess dürften hierher ausser dem Zerfallen fester Körper, wie Schlemmkreide,
in einer Flüssigkeit diejenigen Phänomene (i) gehören, wo ein in Wasser aufge-
schwemmter Körper, z. B. Thon, bei Zusatz einer Salzlösung weit schneller zu
Boden sinkt als ohne einen solchen. Die Adhäsion der Wassertheilchen zu den
Theilchen des festen Körpers überwindet die Cohäsion der ersteren zum Theil;
es bildet sich um letztere eine Hülle von condensirtem Wasser. Das mittlere
specifische Gewicht dieser und der Theilchen selbst ist wenig grösser als das des
Wassers. Bei Zusatz von Salz ist aber die Anziehung der Salztheilchen zu den
Wassertheilchen grösser als die Adhäsion der Wassertheilchen an den Thon-
theilchen; letztere sinken nieder und ballen sich zusammen.
Bei dem Zusammenballen selbst dürften hauptsächlich capillare Kräfte in
Wirksamkeit treten, doch können auch chemische Einflüsse sich geltend machen.
Es könnten etwa aus den in die Lösung übergegangenen Bestandtheilen des
Thons sich neue Theilchen desselben bilden, welche dann die bereits vorhandenen
gleichsam aneinander löthen. Dass wirklich verschiedene Momente bei der Aus-
scheidung der suspendirten Theilchen in's Spiel kommen, ersieht man daraus,
dass bei destillirtem Wasser, Ammoniak und Lösungen der Alkaliphosphate die
Abscheidung der einzelnen Theilchen genau nach der specifischen Grösse (d. h.
nach dem Verhältniss der Oberflächen zu den Massen) statt hat, während aus
Mineralsäuren und Salzen derselben selbst bei Ueberschuss der Basis sich zu-
sammenhängende Massen niederschlagen. Zwischen beiden Klassen von Lösungen
stehen in ihrer Wirkung die Lösungen der neutralen AlkaHsulfate.
Allgemeine Einleitung. Im Folgenden betrachten wir die Fälle unter IL,
bei denen die sogen. Capillaritätsphänomene ♦) auftreten.
Um die Capillaritätsphänomene zu erklären, stellen wir folgende, freilich
C R. 90, pag. 210. 1880; Beibl. 4, pag. 322. 41) A. Kündt, Wied. Ann. 12, pag. 538. 1881.
42) Hannay u. Hogarth, Proc. Roy. Soc. Lond. 30, pag. 178. 1880; Beibl. 4, pag. 335.
43) Frankenheim u. Sonthauss, Pogg. Ann. 72, pag. 211. 1847.
*% I>eT Name Capillarität rtlhit daher, dass die einschlägigen Erscheinungen zuerst in engen
Röhren, sogen. Haarröhren oder Capillarröhren, beobachtet wurden.
464
Handwörterbuch der Chemie.
(Gh. 61)
I.
nicht g;nr\z strenge Betrachtung an. AB sei die Oberfläche einer Flüssigkeit, CD
die vertikale Wand eines festen Körpers. Auf ein im Punkte A gelegenes
Theilchen können wir die folgenden Kräfte, die jeweilig um 45° gegen die
Horizontale geneigt sind, als wirkend annehmen:
Eine Kraft /^ die nach dem Inneren der Flüssig-
keit wirkt, und zwei Kräfte Q, die einander gleich sind,
und schräg nach oben und unten nach dem Inneren
des festen Körpers gerichtet sind. Die vertikalen
Componenten dieser letzteren heben sich auf, die
horizontalen addiren sich algebraisch zu der horizon-
talen von Pf nämlich P'Cos 45°, so dass die ganze
horizontale Kraft (2^ — P)cos 45°, die ganze vertikale
P'Cosib° wird.
Je nachdem (2Q — -f^^O ist, muss die Oberfläche
horizontal, am festen Körper auf- oder absteigend
sein; denn dann ist die Resultante aller Kräfte vertical nach unten gerichtet,
gebt nach dem Inneren des festen Körpers oder dem der Flüssigkeit, und im
Gleichgewichtsmstand niuss ja die freie Oberfläche einer Flüssigkeit stets senkrecht
zur wirkenden Kraft stehen. Nimmt aber die erste an der Wand anliegende
Schicht eine gekrümmte l-age an, so ist dies auch ftir die ihr benachbarten, wenn
aacb in abnehmendem Maasse, der Fall. Durch die Grösse der Krümmung,
welche an dem aufsteigenden oder absteigenden Theile der Flüssigkeit vorhanden
ist, sind die Capillaritätsphänomene bedingt.
Durch die besprochenen Kräfte sowie die ganz analogen, welche auftreten
würden, wenn man die feste Wand gleichfalls als aus einer Flüssigkeit bestehend
ansehen würde, \vobci nur an Stelle der Adhäsion von einem festen an einen
flüssigen Körper die Adhäsion zweier flüssigen Körper an einander treten würde,
sind eine grosse Anzahl von Erscheinungen bedingt
J, Die Erhebung benetzender Flüssigkeiten (Wasser) und die Depression von
nicht benetzenden (Quecksilber) in Capillarröhren. Die freie Oberfläche der
Flüssigkeiten ist in denselben gekrümmt und bildet einen Theil einer Kugel-
oberfiäche. Bei benetzenden Flüssigkeiten ist die Oberfläche concav, bei nicht
benetzenden convex. T.ei^t man im ersteren Falle durch den tiefsten Punkt der-
selben eine Kbcne senkrecht zur Achse des Rohres, im letzteren durch die
Berührungslinie der gekrümmten Oberfläche mit dem Glasrohre, so heisst der
oberhalb dieser Ebenen gelegene Theil der Meniscus.
Hieran schliesst sich dos Ansteigen von Flüssigkeiten zwischen zwei Platten,
an einer Platte und an einem Draht. Die aufsteigende Flüssigkeit hängt an
demselben und sucht ihn nach unten zu ziehen. Es kann daher vorkommen,
dass ein zum rheil in Wasser tauchender, dünner Platindraht schwerer erscheint
als in der Luft, troti seines Gewichtsverlustes durch das verdrängte Wasser.
Bei Aräometemiessiingen macht sich dieselbe Erscheinung als Fehlerquelle
geltend.
2. Die Troirfenbildung» sowohl wenn Flüssigkeitsmengen auf eine Unteriage
aufgelegt werden, als auch wenn sich Tropfen am unteren Ende eines Stabes
bilden. Mit den hierfür geltenden Gesetzen hängen auf das Engste diejenigen
zusammen, welche die Form von Luftblasen bestimmen, wenn sie sich unterhalb
eines festen Körpers in einer Flüssigkeit befinden.
Capillarität 465
3. Das Schwimmen von nicht benetzten, im Verhältniss zur Flüssigkeit relativ
schweren Körpern.
4. Die Wechselwirkung zweier schwimmender Körper, die eine anziehende
ist, falls beide benetzt oder beide nicht benetzt werden; dagegen eine abstossende,
falls der eine Körper benet;S:t wird, der andere nicht.
5. Die Bildung von hohlen Seifenblasen und die Contraction derselben in
Folge der capillaren Drucke.
6. Die Gestalt von Flüssigkeitsmengen in einer anderen Flüssigkeit, mit
der sie sich nicht mischen und die mit ihnen ein gleiches specifisches Gewicht
hat, so dass sie gleichsam der Schwere entzogen sind.
7. Die Bildung von Flüssigkeitslamellen an Gerippen von Draht und die
Gesetze über die Formen derselben, sie bilden sogen. Minimalflächen.
8. Die Ausbreitungserscheinungen zweier Flüssigkeiten übereinander.
Strenge Theorien der Capillaritätsphänomene sind von Laplace, Poisson und
Gauss aufgestellt worden.
Alle gehen von der Annahme aus, dass die Molekularkräfle nur in unmess-
bar kleinen Entfernungen wirken; damit hängt aber eng zusammen, dass die
Wirkung, welche eine Wand auf eine Flüssigkeit ausübt, sich nicht mit der end-
lichen Krümmung der letzteren zu verändern vermag.
Gegen diese Hypothese sind von Wilhelmy Einwände erhoben worden, die
indess durch spätere Beobachtungen widerlegt wurden. Die Theorien der obigen
drei Gelehrten gehen weiter von folgenden Gesichtspunkten aus: Laplace und
mit ihm Gauss nehmen an, dass die Dichte der Flüssigkeit durchweg dieselbe ist,
also an der freien Oberfläche und an der Grenzfläche zwischen Flüssigkeit und
Wand denselben Werth besitzt wie im Inneren der Flüssigkeit; oder mit anderen
Worten setzen beide, da Molekularkräfte thätig sind, die Flüssigkeit als incom-
pressibel voraus. Dagegen nahm Poisson auf die Compressibilität Rücksicht und
polemisirte gegen die I.APLACE*schen Entwicklungen. Seine Einwände sind indess
nicht stichhaltig, doch hat er auf eine Reihe wichtiger Punkte der Capillaritäts-
theorie aufmerksam gemacht. Die PoissoN'schen Betrachtungen sind neuerdings
von Mathieu (28) in strengerer und einfacherer Form weiter entwickelt worden.
Um die in Frage kommenden Grössen kennen zu lernen, stellen wir folgende
Betrachtung an:
Haben wir einen kugelförmigen Flüssigkeitstropfen in der Luft vom Radius -ff,
so ist der in Folge der Molekularkräfte auf die Oberflächeneinheit wirkende, nach
Innen gerichtete Druck
dabei ist i^T der bei einer ebenen Oberfläche (für ^ = 00) auftretende Druck und
ff eine Constante, und es ist das positive resp. negative Vorzeichen zu nehmen,
je nachdem man es mit einer convexen oder concaven Fläche zu thun hat. JC ent-
a
spricht vollkommen unserer früheren Grösse -^ (s. unter Aggregatzustand), wo
hier für t/ das sehr kleine Volumen der Gewichtseinheit der Flüssigkeit zu setzen
ist (als Volumeneinheit ist dasjenige der Gewichtseinheit Gas beim Drucke 1 und
der Temperatur 0° genommen).
ff' hat die folgende Bedeutung. Es sei eine kugelförmige Oberfläche mit
dem Radius 1 gegeben, dann ist -äT numerisch diejenige Kraft, welche die zwischen
der Tangentialebene an die Kugel und dieser selbst gelegenen Theilchen auf die-
LAOSHBifBiG, Cfcemie, IL jO
464
Handwörterbuch der Chemie.
'Ü
/
■•
^ -
.e
A-
k
i,
/
Id
a
IT
(Ch. 62.)
nicht ganz strenge Betrachtung an. AB sei die Oberfläche eiir^^r Jip^
die vertikale Wand eines festen Körpers. Auf ein im F^ui-ijf^/
Theilchen können wir die folgenden Kräfte, die jeweilig
Horizontale geneigt sind, als \p^
Eine Kraft P, die nach d/ ?
keit wirkt, und zwei Kräfte Q | ^
und schräg nach oben ur- /" f 1
des festen Körpers ge' ^" ^ j 5
Componenten dieser | .5 f !.
horizontalen addirer | ^ f ' .^
talen von P, näm\ ^ > ^ c
horizontale Kraft ; / x V ;
F' cos 45° wird ^ £ ! f '
Jenachd • 1 ' ^ ; :
horizontal, ^ ^ r
sein; denn dann ist die Resultante
geht nach dem Inneren des festen
Gleichgewichtszustand muss ja die
zur wirkenden Kraft stehen. ? ; »*
Schicht eine gekrümmte Lage a -
auch in abnehmendem Maa ^ aem Stoff der Wand und der Flüssigkeit
welche an dem aufsteigend ■' 9, um so vollkommener ist die Benetzung;
ist, sind die Capillaritätsr , • ang vorhanden. Der Winkel <j) liegt bei reinem
Durch die bespror '^ früheren Angaben zwischen 30—40°. Dann wird
würden, wenn man d* ^ (^9) und Volkmann (30) ist an der freien Oberfläche
ansehen würde, wc^ , wässrigen und alkoholischen Salzlösungen gegen Wasser
Üüssigen Körj^er r'
sind eine grosse
L Die Er" -^"'Zrht MH nach Mendelejeff als Molekularcohäsion. PoissoNhat
■-'■^ TT
nicht benet - -"
Flüssigkeit
oberfläch / ^u/ti
uen das
"^t derselben
-tetig in die Wand-
Randwinkel ^ ist be-
.,^ eine vollkommene Benetzung eintritt.
f häufig H mit dem Namen Cohäsion, das Produkt aus ü in
(i^^iit a^ = Y' ^o ^ ^^s specifische Gewicht ist, eingefühlt.
./] den Radius einer Capillarröhre giebt <z^ die Steighöhe in derselben.
benetzf ,»^^''.^^>: ^^c^^"* ^* ^^^ specifische, a = Hß die wirkliche Cohäsion; dod
^ C^^^jie Cohäsion für diese Grösse wenig passend, da dieselbe durchaus
selbe*
Ber ^ ^T^kt <Jic ^^^*^^ misst, mit der zwei in einer Ebene aneinander stosscndc
oT" t^^\^^ti^sx\\^^'^^^^ ;lii einander haften, sondern von dieser Grösse in höchst com-
/^^^ ^Veii^e abhängig ist. Es wäre daher besser, statt des Namens Cohäsion
/j/Jf^^^ij^fjftick Capillaritätsconstante einzuführen.
^^'^ froren i^v^ ci l lllssigkeiten 1 und 2 mit einander in Berührung, so lassen sich
jjjre Grcn^rtächt^ Grössen K^^, a^g, H^^ ermitteln, welche ebenso wie die
sscn A'. ^, // an der Grenze der Flüssigkeit und Luft die Phänomene bc-
jlat man drui Flüssigkeiten 1, 2, 3 übereinander geschichtet, so ist streng,
^ie Lord Raylüigh (31) nachwies,
1. ^1 3 = ^1 2 + -^8 3
und angenähert
Set^^t man als dritte Flüssigkeit Luft und macht 3 = 0, so wird jedenfalls
3. -^12 ""^ -^1 — -^2'
r
'-i*
<^
Capillarität. 467
1. ist durch die Versuche vollkommen bestätigt, nicht so die
\, "hl in den nicht ganz strengen Voraussetzungen, aus denen
^ Grund hat, wohl aber 3.
h ^<ji ^ ^. ist nach Volkmann (30) eine Grenze zwischen
^Ä.• «fv ^^- ■ ist aber a.a>-^ — -, so mischen sich die-
<2& ^ "^ ^ swand, die man als die Flüssigkeit 2 be-
^ ^ **<>• '^^>- ir '^^^^ folgenden Werthe; dabei
%. %. % '^''^^ ' '>-^, '"'' ^m Zustand befinden, der mit
5^. -^ *"•%: "^'i,-^ '^<^ '^'^ .re übereinstimmt, d. h. dass ihre
^' ^ %\ ''^\^^^'" '^^ ^^^ ^^' Druck ein gleicher ihres
^'*>>^^'^\ . -'t- ^ ^atur 273° und 1 Atmosphäre von den
o '^'^ ^^:^ ^ - angegebenen Werthe von K sind nicht als
'^ • '*'<''♦ ' "%* "^^^ doch ein Urtheil über die Grössenordnung. —
% "^^^^ ^"4 "^ -ser 10700 Atm. Kohlensäure 2820 Atm.
^"^"^ vJhloräthyl 2040 „ Methylacetat 2225 „
Schwefelige S. 3060 „ Diäthylamin 1500 „
Zahlen (3) beziehen sich auf Flüssigkeiten unter einem Druck
'^ ^e und gelten für 0°. Die zugehörigen Werthe von ZT in Milligramm-
ocehen darunter.
Aether Alkohol CS, H^O
ir Atmosphäre 1300 2400 2990 10500
^ Milligrm.-Millim. 37 50 66 155.
Betrachtet man den Druck K genauer, so zeigt sich, dass dieser die Summe
(aller der Anziehungskräfte ist, welche auf die in einer Schicht von der Dicke der
Wirkungssphäre an der Oberfläche gelegenen Moleküle wirken; die äussersten
\ Theile dieser Schicht erfahren demnach kleinere Drucke als die inneren. Die
\ Oberflächenschicht muss demnach eine geringere Dichte haben als die mehr im
Innern gelegenen Theile. Dies hängt wieder damit zusammen, dass, sobald wir
anziehende Kräfte zwischen den einzelnen Molekülen annehmen, bei den Ueber-
/i/hfungen von Theilen aus dem Innern an die Oberfläche eine Arbeit geleistet
werden muss. Die frühere Ansicht, dass die Oberflächenschicht dichter ist als das
Innere der Flüssigkeit, dürfte nur noch wenig Anklang finden.
Jedenfalls besitzen die Flüssigkeitstheilchen der Oberflächenschicht ganz
andere Eigenschaften als im Innem der Flüssigkeit, so zeigt sich z. B. beim Wasser
eine Oberflächenzähigkeit, die sich nachweisen lässt, wenn man ebene Platten
einmal im Innem der Flüssigkeit und dann in der Nähe der Oberfläche oder in
dieser schwingen lässt; ob diese Zähigkeit von condensirten Luft- oder Staub-
theilchen etc. herrührt, ist noch nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt, ist aber
nach Oberbeck's (32) Untersuchungen nicht mehr wahrscheinlich. Bei anderen
Substanzen wie Alkohol, Lösungen von CuCl, und Ca Gl 2 in Alkohol, bei
Terpentinöl und Schwefelkohlenstoff" ist die Erscheinung nicht merklich.
Nach i>E Heen (30) besitzt die Oberflächenschicht einen Ausdehnungs-
cocfficienten, <ier bei allen Substanzen 1*608 mal so gross ist als derjenige der
Flüssigkeit l>ei normaler Dichte.
Auch an <ier Grenze zweier Flüssigkeiten oder eines festen Körpers (i) und
30*
466 Handwörterbuch der Chemie.
jenigen Theilchen der Flüssigkeit ausüben würden, welche in einem Cylinder
von dem Querschnitt Eins gelegen sind» der in der Richtung des Radius nach
dem Innern der Flüssigkeit geht. H ist sehr viel kleiner als K und ist ausser-
dem, wie eine genaue Discussion zeigt, das Produkt aus einer Kraft in eine
Länge a, also eine Arbeit und zwar die Molekular-Arbeit, welche geleistet wird,
wenn sich die Schicht der Oberflächeneinheit von veränderlicher Dichte in
homogene Flüssigkeit, wie sie im Innern vorhanden ist, verwandelt. Die Länge a
ist von derselben Grössenordnung wie der Radius der Wirkungssphäre, also sehr
klein. K ist eine Kraft selbst.
Die Grösse H hängt nur von den specifischen Eigenschaften der Flüssig-
keit ab. Lassen wir von ihr allein die Capillaritätserscheinungen bestimmt sein,
so machen wir stillschweigend eine Annahme über die Kräfte zwischen dem
festen Körper und der Flüssigkeit und zwar diejenige, dass die Flüssigkeit den
Körper vollständig benetzt, oder dass der Randwinkel 9, der Winkel, den das
letzte an die Wand grenzende Element der Flüssigkeitsoberfläche mit derselben
bildet, 0° beträgt, also gleichsam die Flüssigkeitsoberfläche stetig in die Wand-
fläche übergeht. Dies ist aber fast nie der Fall. Der Randwinkel ^ ist be-
stimmt durch
wo e eine mit H gleichartige, aber von dem Stoff der Wand und der Flüssigkeit
abhängende Constante ist. Je kleiner 9, um so vollkommener ist die Benetzung;
für <p = 0 ist vollkommene Benetzung vorhanden. Der Winkel 9 liegt bei reinem
Glas und Wasser in Luft nach früheren Angaben zwischen 30 — 40°. Dann wird
e == 0*7— 0*8, nach Quincke (29) und Volkmann (30) ist an der freien Oberfläche
von Wasser, Alkohol, wässrigen und alkoholischen Salzlösungen gegen Wasser
meist 9 = 0°, so dass eine vollkommene Benetzung eintritt
Man bezeichnet häufig H mit dem Namen Cohäsion, das Produkt aus H in
das Molekulargewicht MH nach Mendelejeff als Molekularcohäsion. PoissoN hat
TT
statt H den Quotient ä^ -= — ^ wo 5 das specifische Gewicht ist, eingeführt
Dividirt durch den Radius einer Capillarröhre giebt a^ die Steighöhe in derselben.
Quincke nennt ä* die specifische, a = Hß die wirkliche Cohäsion; doch
ist der Name Cohäsion für diese Grösse wenig passend, da dieselbe durchaus
nicht direkt die Kraft misst, mit der zwei in einer Ebene aneinander stossende
Flüssigkeitsmassen aneinander haften, sondern von dieser Grösse in höchst com-
plicirter Weise abhängig ist. Es wäre daher besser, statt des Namens Cohäsion
den Ausdruck Capillaritätsconstante einzufuhren.
Treten zwei Flüssigkeiten 1 und 2 mit einander in Berührung, so lassen sich
für ihre Grenzfläche Grössen A"i j, aj 3, Hy^^ ermitteln, welche ebenso wie die
Grössen K, a, H ^m der Grenze der Flüssigkeit und Luft die Phänomene be-
stimmen.
Hat man drei Flüssigkeiten 1, 2, 3 übereinander geschichtet, so ist streng,
wie Lord Ravleich (31) nachwies,
1. ^13 = -^12 -+" -^2 3
und angenähert
2. V^=/^,+V'/^„.
Setzt man als dritte Flüssigkeit Luft und macht 3 = 0, so wird jedenfalls
3. -^12 '^ ^\ — -^2'
Capillarität. 467
Die Relation 1. ist durch die Versuche vollkommen bestätigt, nicht so die
Gleichung 2, was wohl in den nicht ganz strengen Voraussetzungen, aus denen
sie entwickelt ist, seinen Grund hat, wohl aber 3.
Sobald aj«<-^— 5 — - ist, ist nach Volkmann (30) eine Grenze zwischen
den beiden Flüssigkeiten vorhanden; ist aber «ia>~^~9 — ~* so mischen sich die-
selben. Der Randwinkel an einer Glaswand, die man als die Flüssigkeit 2 be-
trachten kann, ergiebt sich aus
2ai9 — OL
K{^) hat für eine Reihe von Flüssigkeiten die unten folgenden Werthe; dabei
ist vorausgesetzt, dass die Flüssigkeiten sich in einem Zustand befinden, der mit
demjenigen des Aethers bei 0° und 1 Atmosphäre übereinstimmt, d. h. dass ihre
Temperatur derselbe Bruchtheil ihrer kritischen und der Druck ein gleicher ihres
kritischen ist, wie die absolute Temperatur 273° und 1 Atmosphäre von den
kritischen Grössen des Aethers. Die angegebenen Werthe von K sind nicht als
sehr genau zu betrachten, geben aber doch ein Urtheil über die Grössenordnung. —
Aether 1430 Atm. Wasser 10700 Atm. Kohlensäure 2820 Atm.
Aikohol 2400 „ Chloräthyl 2040 „ Methylacetat 2225 „
CS, 2890 „ Schwefelige S. 3060 „ Diäthylamin 1500 „
Die folgenden Zahlen (3) beziehen sich auf Flüssigkeiten unter einem Druck
von 1 Atmosphäre und gelten für 0°. Die zugehörigen Werthe von ^in Milligramm-
Millimetern stehen darunter.
Aether Alkohol CS,, H,0
K Atmosphäre 1300 2400 2990 10500
^ Milligrm.-Millim. 3*7 50 6*6 15*5.
Betrachtet man den Druck K genauer, so zeigt sich, dass dieser die Summe
aller der Anziehungskräfte ist, welche auf die in einer Schicht von der Dicke der
Wirkungssphäre an der Oberfläche gelegenen Moleküle wirken; die äussersten
Theile dieser Schicht erfahren demnach kleinere Drucke als die inneren. Die
Oberflächenschicht muss demnach eine geringere Dichte haben als die mehr im
Innern gelegenen Theile. Dies hängt wieder damit zusammen, dass, sobald wir
anziehende Kräfte zwischen den einzelnen Molekülen annehmen, bei den Ueber-
fuhrungen von Theilen aus dem Innern an die Oberfläche eine Arbeit geleistet
werden muss. Die frühere Ansicht, dass die Oberflächenschicht dichter ist als das
Innere der Flüssigkeit, dürfte nur noch wenig Anklang finden.
Jedenfalls besitzen die Flüssigkeitstheilchen der Oberflächenschicht ganz
andere Eigenschaften als im Innern der Flüssigkeit, so zeigt sich z. B. beim Wasser
eine Oberflächenzähigkeit, die sich nachweisen lässt, wenn man ebene Platten
einmal im Innern der Flüssigkeit und dann in der Nähe der Oberfläche oder in
dieser schwingen lässt; ob diese Zähigkeit von condensirten Luft- oder Staub-
theilchen etc. herrührt, ist noch nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt, ist aber
nach Oberbeck's (32) Untersuchungen nicht mehr wahrscheinlich. Bei anderen
Substanzen wie Alkohol, Lösungen von CuCl, und CaClj in Alkohol, bei
Terpentinöl und Schwefelkohlenstoff" ist die Erscheinung nicht merklich.
Nach DE Heen (30) besitzt die Oberflächenschicht einen Ausdehnungs-
cocfficienten, der bei allen Substanzen 1-608 mal so gross ist als derjenige der
Flüssigkeit bei normaler Dichte.
Auch an der Grenze zweier Flüssigkeiten oder eines festen Körpers (i) und
30*
468 Han4wörteTbuch der Chemie.
einer Flüssigkeit (2) müssen Dichtigkeitsänderungen auftreten, die, falls die
Grösse K^^ die Grösse JC^ überwiegt, Verdichtungen darstellen.
Zu beachten ist indess, dass bei den Capillarphänomenen nicht immer die-
selben Theilchen die Grenzschicht bilden, sondern fortwährend in Folge dei
Molekularbewegung einzelne Moleküle dieselbe verlassen und andere in sie
hineintreten.
WiLHELMY (34) hat versucht, die Verdichtung in der Weise zu ermitteln, dass
er den Verlust, den ein Körper in Wasser erfahrt, experimentell bestimmte und
ihn aus den gemessenen Dimensionen desselben berechnete. Die WiLHELMv'schen
Versuche ergaben dabei in der That eine Verdichtung, als aber Röntgen (4),
Schleiermacher (5), Volkmann (6) immer für denselben Körper (Gyps, Glimmer,
Glas oder Kalkspath) einmal im Ganzen und dann nach grosser Zertheilung die
specifischen Gewichte bestimmten, fanden sie stets dieselben Resultate, so dass also
die Menge der verdichteten Substanz nicht sehr gross sein konnte. Dass indess
verdichtete Wasserschichten auftreten, hat man auf andere Weise aus Capillaritäts-
phänomenen abzuleiten gesucht. So hat Plateau (7) aus den Versuchen von
BfeDE (8) auf Wandschichten von O'OOl Millim. Dicke geschlossen und Volkmann
(9) aus seinen eigenen Versuchen über die Steighöhe zwischen parallelen Platten
und in verschieden weiten Röhren auf solche von 0*004 Millim. Dicke ; ähnliches
ergeben auch die Versuche von Simon (ig).
Dass keine Condensationen von Flüssigkeiten sich aus specifischen Gewichts-
bestimmungen ergaben, lässt sich aus der Theorie der Molekularkräfte entwickeb
(35), wenn man annimmt, dass die von der festen Wand ausgehenden Kräfte eine
Schicht von der Dicke der Wirkungssphäre comprimiren. Bei Wasser werden
sich auf einen Quadratcentimeter höchstens 25x10-^ Grm. condensiren, also
eine verschwindend kleine Menge.
Wohl zu beachten ist, dass bei der Entwicklung der Theorie aller Capillar-
phänomene der Druck K aus der Rechnung herausfällt, dass also die Grösse ff
und der Randwinkel allein maassgebend sind.
Betrachten wir z. B. das Gleichgewicht in einer Capillarröhre, welche in
ein weites mit einer Flüssigkeit vom spec. Gew. s gefülltes Gefass getaucht ist und
in welcher die Flüssigkeit in die Höhe steigt, so wirken auf die an ihrer untersten
Oeffhung vom Querschnitte co gelegene Schicht, die unter der äusseren Ober-
fläche um A, unter der inneren um A' gelegen ist, zwei Druckkräfte. Die eine,
welche nach dem Innern der Capillarröhre gerichtet ist, ist gleich dem Druck
der Flüssigkeitssäule bis zur äusseren Oberfläche, also = m^sÄ-^ K). Von innen
wirkt dagegen nahezu ein Druck coij^' + Ä' — -^j, wenn jR die Krümmung an
der inneren Oberfläche darstellt. Zum Gleichgewicht ist daher nöthig, dass:
o)(j// -h AT) = CD (sA' + jc— ^y
oder die Steighöhe im Capillarrohr wird:
d. h. unabhängig von K, und ebenso ist es in anderen Fällen.
Statt die Grösse ff, welche die Arbeit einer Oberflächenenergie darsteUt,
zu betrachten, kann man auch die sogen. Oberflächenspannung einführen, deren
numerischer Werth für die Längeneinheit gleich ist demjenigen der Oberflächen-
energie für die Flächeneinheit.
Capillarität. 469
Eine ausgespannte Flüssigkeits-Oberfläche sucht sich nämlich in Folge der
Molekularkräfte zusammenzuziehen. Sie zeigt darin das Verhalten einer Kautschuk-
membran.
Indess sind zwei Unterschiede vorhanden, 1. ist die Spannung bei der Flüssig-
keit in jedem Punkte nach allen Seiten gleich und 2. ist sie bei der Flüssigkeit
unabhängig von der Grösse der Membran.
Bestimmung der Constanten. Um die Grössen H^ a^ und 9 zu bestimmen,
verfahrt man in sehr verschiedener Weise.
1. Man ermittelt die Steighöhe A in einem kreisförmigen Capillarrohr vom
Radius r, dann ist angenähert:
Ist 9 = 0 und das Rohr nicht zu eng, so ist genauer
(1 r r«\
H.___0-l284^j.
Schiff (11) schlägt statt der obigen die folgende Formel vor:
dabei ist Ac die mit Rücksicht auf den Meniscus corrigirte Steighöhe, A die beob-
achtete und / die Höhe des Meniscus.
2. Man bringt auf eine horizontale Unterlage einen Tropfen der sie nicht
benetzenden Flüssigkeit. Ist dann A die ganze Höhe desselben, A^ der Abstand
derjenigen Stelle von der Unterlage, an welcher der Tropfen am breitesten ist,
so wird A^ = a, ^ = ö"|/1 -+- cos(f.
3. Man bringt in die mit einem horizontalen Deckglas bedeckte Flüssigkeit
eine Luftblase und bestimmt für diese die Grössen A und A^, dann ist
^ = 2^1 =2tf.
4. Man bestimmt die Grösse der Tropfen, die von einem cylindrischen
Stabe herabfallen und benutzt folgenden Satz: Ist das Gewicht eines Tropfens,
der an einem benetzten Cylinder vom Umfang (7 hängt, gleich P, so ist
So hat Quincke für geschmolzene Substanzen Werthe von ^gefunden; indem
er dann sie weiter auf eine von ihnen nicht benetzte Unterlage fallen und dort
erstarren liess, konnte er aus ihren Dimensionen nach der Methode 2 auch leicht
tf* berechnen.
5. Man misst den Winkel 9 direkt auf optischem Wege.
6. Auch wenn man die Zahl der Tropfen bestimmt, welche von einer be-
stimmten Flüssigkeitsmenge geliefert werden, kann man die Capillaritätsconstante
nach obiger Formel berechnen. Statt die Tropfen direkt aus einem Capillarrohr
abtropfen zu lassen, wie es Hagen, Duprä und Duclaux thaten, spannt de Heen
(33) über eine kleine runde Oefihung in einem Kartenblatt vier sehr feine Glas-
faden. An diesem unter der Oefftiung befindlichen Quadrat bilden sich dann die
abfallenden Tropfen stets unter denselben Bedingungen.
Im Anschluss an die obigen allgemeinen Betrachtungen geben wir im Folgen-
den eine Reihe der gefundenen numerischen Resultate.
Für Quecksilber (14) ergab sich die Capillarconstante a^ unter 100° und über 100°.
ö^» = 3-98(1 -h 000133 /) und a^^ = 4-050(1 -h 0*00143 /).
470
Handwörterbuch der Chemie
Für Quecksilber ist es fast unmöglich, genaue Werthe der Capillaiitäts-
constanten zu erhalten, indem sich dieselben schon wenige Sekunden, nachdem
das Quecksilber an der Luft als Tropfen oder in einer Capillarröhre gestanden,
verändern.
Für (p findet man etwa 45°, für a etwa 2-6— 2-7 Millim. im Mittel. Vereuche
von QxnNCKE (i6) zeigten gleichfalls grosse Schwankungen. Wie weit die Zahlen
von einander abweichen, mögen folgende Angaben zeigen. Es ist
nach
YOUNG
?
40°
a
Laplace
24° 12'
Gay Lussac
45°
2-55
POISSON
45° 40'
Bravais
35° 58'
2-554
BOHNENBERGER
56°
Danger
37° 52'
2-59
Desains
41° 56-3'
2-62-65
Hagen
2-65—2-62
BfeDE
2-66.
Wir geben im Folgenden die Werthe, die Quincke für eine Reihe von ge-
schmolzenen Substanzen ermittelt hat, und zwar sind die in Tabelle II nach der
Methode 2., die in Tabelle I nach der Methode 4. gefunden worden, dabei be-
deutet <7q das specifische Gewicht bei gewöhnlicher Temperatur, j aber bei
der Schmelztemperatur und zwar berechnet aus Jq und dem Ausdehnungs-
coefficienten, so dass a nur angenähert richtig sein kann.
Tabelle I (36).
No.
CapiUaritätsc
Substanz
.onstantei
Schmp.
1 geschn
lolzener
Körper
a
Ä>
a
1
Platin
(20000)
(19500)
(12000)
360«
360«
3200
2300
—400
3300
10000
2«50
580
900
4320
(10000)
(10000)
12000
11000
12000
20033
11-4
18002
7-119
7-119
8-627
7-267
13-596
11-266
10-621
9-819
0-865
0-972
6-620
2-6
2-509
2-502
5-55
2-452
2-300
2-219
18-915
10-8
17-099
6-900
6-900
8-394
7-144
10-952
10-002
9-709
6-528
2-5
2-45
2-041
2-45
5-5
2-38Ö
2-2
2
2-15
MUlignn.
169-04
(136-4)
100-22
87-68
82-79
70-65
59-85
58-79
45-66
42-75
38-98
(37-09)
25-75
24-92
21-60
20-96
18-25
20-57
19-01
18-09
16-33
16-33
15-31
D NElHm.
17-86
25-26
11-71
25-42
24
16-84
16-75
8-646
8-339
8-549
8-019
85-74
52-97
7-635
17-28
17-11
17-88
16-69
6-911
15-21
14-82
16-33
14-24
Millim.
4-227
2
3
Palladium . . .
Gold ....
5-026
3-423
4
5
6
7
Zink (in COj) .
Zink (in Luft) .
Cadmium (in CO 3]
Zinn ....
5-042
4-899
4103
4-094
8
9
10
Quecksilber . .
Blei (in COj) .
Silber ....
2-941
2-887
2-923
11
12
13
14
15
Wismuth (in CO 3)
Kalium (in CO 2)
Natrium (in CO^)
Antimon (in CO,)
Borax ....
2-831
8-768
7-278
2-764
4-254
16
17
18
19
20
Natriumcarbonat
Natriumcarbonat
Phosphorsalz
Chlorsilber . .
Glas ....
4-136
4-23
4-098
2-629
3-899
21
22
23
Kaliumcarbonat .
Kaliumcarbonat .
Chlorcalcium . .
3-846
4-04
3-774
Capillarität.
47«
No.
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
Capillaritäts-Constanten geschmolzener Körper
Substanz
Chlorlithium . . .
Chlomatrium . .
Borsäure ....
Kaliumnitrat . . .
Gilorkalium . . .
Wasser ....
Selen
Brom
Schwefel ....
Phosphor (in CO,)
Wachs
Schmp.
^0
a
a
fl«
Milligrm.
D Millim.
1-998
12-07
1210
2-092
204
11-63
11-40
(13000)
1-83
1-75
10-69
12-22
3390
2059
204
9-954
9-759
1-932
1-870
9-516
10-18
00
1
8-79
17-58
2170
4-3
4-2
7-180
3-419
-210
3187
3-25
6-328
3-895
1110
2033
1-966
4-207
4-280
430
1-986
1-833
4-194
4-575
680
1-833
3-40
7-061
Tabelle H (37).
Millim.
3-478
3-377
3-495
3-124
3-19
4-193
1-849
1-973
2-068
2140
2-657
Capillaritäts-Constanten geschmolzener Körper
No.
Substanz
Schmp.
gp
a
a
tf»
a
Millignn.
n MUlim.
MUIim.
1
Gold
12000
18-002
17-099
131-5
15-39
8-923
2
Gusseisen (Kupferhammer)
12000
7-5
101-7
2714
(5-21)
3
Gusseisen (Carlshtttte) . .
7-5
96-81
25-81
(5-08)
4
Silber») ....
10000
10-621
10-002
79-75
15-94
3.993
5
Kupfer . . .
10900
8-95
8-2
59-2
14-44
3-8
6
Lithiumcarbonat
2-111
1-787
15-54
17-39
4-17
7
Natriumcarbonat
2-609
2-041
16-58
16-24
4-03
8
Kaliumcarbonat .
2-267
2
14-82
14-82
3-85
9
Natriumsulfat
2-66
2-104
18-56
17-64
4-2
10
Kaliumsulfat .
2-66
2-1
16-73
15-92
3-99
11
Natriumsulfat
2-104
18-55
17-64
4-20
12
Kaliumsulfat .
21
18-11
17-25
4-15
13
Natriumnitrat
2-26
1-878
8-03
8-55
2-92
14
Kaliumnitrat .
2-087
1-702
7-11
8-35
2-89
15
Chlorlithium .
1-998
1-515
6-46
8-53
2-92
16
Chlomatrium
2-16
1-612
6-78
8-41
2-90
17
Chlorkalium .
1-995
1-612
7-06
8-76
2-96
18
Chlorcalcium
2-205
2-120
10-07
9-49
3-08
19
Chlorstrontium
2-960
2-770
11-33
8-18
2-86
20
Chlorbarium .
3-851
3-700
15-34
8-29
2-88
21
Chlorsilber .
5-55
5-3
21-68
8-18
2-86
22
Bromnatrium
3-079
2-448
5-00
4-08
2-02
23
Bromkalium .
2-415
2199
4-93
4-49
2-12
24
Bromsilber
6-425
6-2
12-4
4
2
25
Jodkalium
3-076
2-497
6-04
4-84
2-20
26
Rohrzucker .
1600
1-606
1-6
6-82
8-53
2-92
27
Traubenzucker
1-39
1-3
5-85
9
3
28
Pectinzucker .
1600
9-18
3-03
29
WaUrath . .
440
0-842
3-32
7-89
2-81
30
Paraffin . .
540
0-766
3-16
8-14
2-85
31
Borsäure . .
17000
1-75
8-631
9-865
3-141
♦) In einer späteren Notiz giebt Quincke (N. Cim. [2] XU, pag. 235—238, 1882) bei
reinem geschmolzenem Silber a = 86*64 Milligrm., a' = 17320 Q Millim. an.
472
Handwörterbuch der Chemie.
Die Vergleichung der beiden Tabellen lässt ersehen, bis zu welchem Grade
die Werthe von a und a^ als wirklich mit Sicherheit bestimmt angesehen werden
können. In vielen Fällen ist die Ueberein Stimmung eine befriedigende, in anderen
wie beim Golde weichen die Werthe dagegen beträchtlich von einander ab.*)
Der im Folgenden angegebene, von Quincke für Temperaturen nahe dem Schmelz-
punkte abgeleitete Satz, dass alle geschmolzenen Substanzen specifische Capillaritäts-
constanten zeigen, die sich nahezu wie 1:2:3 etc. verhalten und Multipla von 4-3
sind, kann daher nur angenäherte Gültigkeit besitzen. Im Speciellen ergiebt sich:
1. Geschmolzene Substanzen von ähnlicher Constitution haben dieselbe
specifische Capillaritätsconstante.
2. Setzen wir die specifische Capillaritätsconstante des Quecksilbers gleich
Eins, so ist dieselbe bei Verbindungen für
a) Wasser, Carbonate, Sulfate (wahrscheinlich auch Phosphate) •= 2.
b) Nitrate, Chloride, Zuckerarten, Fette = 1.
c) Bromide imd Jodide = ^.
Bei Elementen
a) Selen, Brom, Schwefel, Phosphor ^ ^.
b) Bei Wismuth, Antimon = 1.
c) Platin, Gold (nach der ersten Tabelle würde Gold in die folgende
Gruppe gehören), Silber, Kadmium, Zinn, Kupfer = 2.
d) Zink, Eisen, Palladium = 3.
e) Natrium = 6.
Ist obiger Satz von Quincke streng gültig und nimmt man an, dass die Ab-
hängigkeit der Molekularkräfte von der Masse und der Entfernung für alle Körper
die gleiche ist, so folgt daraus, dass in der Oberflächenschicht, deren Dichte nicht
constant ist, bei verschiedenen Substanzen Massen enthalten sind, die sich wie
die Zahlen 1, 2, 3 etc. verhalten.
Für die Steighöhen in demselben Capillarrohre fand Pisati (17) für einmal
geschmolzenen Schwefel und solchen, der über 2 Stunden auf 300° C. erhalten war:
Cap. Steighöhe
Cap. Steighöhe
Temp.
Ursprünglicher Modificirter
Temp.
Ursprünglicher Modificirter
Schwefel
Schwefel
125-60
6-63 MiUim.
7-84 Millim.
162-60
8-00 Millim.
8-57 MUUm.
135-60
6-41 „
7-97 ..
163-60
8-51 „
8-66 ..
145-60
6-24 „
7-98 „
165-60
8-96 ,,
8-87 ..
155-60
6-04 „
8-06 „
168-60
9-48 „
—
158-60
613 „
8-13 „
170-60
9-70 „
9-93 ..
159-60
6-45 „
—
175-60
9-45 „
1019 „
160-60
6-95 „
8-36 „
180-60
8-79 „
910 ,.
161-60
7-54 „
—
190-60
8-09 „
8-05 „
Für eine Reihe von Alkoholen und anderen organischen Verbindungen liegen
folgende Messungen für a vor, diese Zahlen dürften indess alle nur angenähert
richtig sein.
•) Eine viel grössere Uebereinstimmung ist auch nicht zu erwarten. Die Bestimmung der
Capillaritätsconstante gehört zu den allerschwierigsten Aufgaben, worauf vor Allen auch QuiNCM
hingewiesen hat
Capillarität
473
Mendels- B&de
JEFF (19) (20)
Aethylalkohol . 2-43 2-42
Methylalkohol . 2*36 234
Amylalkohol . 244 243
Essigsäure . , 2-96 2-95
Buttersäure . . 2-78
Valeriansäure . 270
Essigs. Aethyl . 2*55
Butters. Aethyl . 255
Ameisens. Amyl 2-61
Essigs. Amyl .2*61
Butters. Amyl . 2-62
Valerians. Amyl 260
Bittermandelöl. 416
CumiDol . . . 3-67
Oxals. Aethyl . 333 31 1
Essigs.Anhydrid 3*30
Milchsäure . . 394
Salicylige Säure 4-77
Methylsalicyl-S. 4* 11
Benzol . . . 283 270
WiLHELMY
(21)
2-32
2-43
2-97
2-56
Mendele-
JEFF (19)
. 2-75
. 2-85
. 1-75
. 2-76
. 2-44
Bede
(20)
WiLHELMY
(21)
300
Xylol . .
Cymol . .
Amylen
Getan . .
Bromäthyl . . 2*44 2*52
Chloräthyl . . 1-98
Jodäthyl . . .2-91 2-84
Chloramyl . . . 2-45
Bromamyl . . . 2-60
Jodamyl . . . 2-88
Benzoes. Methyl . 3*88
Benzoes. Aethyl . 3*67
Benzoylchlorid . 4-07
Aethyl-Amyläther 2*34
Aceton .... 246 249 258
Ameisens. Aethyl — 2*63
Essigs. Methyl . — 2-58
Chloroform . . — 2*81
Aethylenchlorid . — 3*26
Aether (Brunner) 1-80 1*89 1-81
Toluol . . . 2-85
Aus diesen Daten lassen sich flir den Capillaritätscoefficienten a folgende in
vielen Fällen gültige Sätze ableiten.
1. Aufnahme von C, O und von C = 0 in das Molekül erhöht den Werth
von a, Aufnahme von H erniedrigt ihn. Ferner erhöht denselben Aufnahme von
0 unter gleichzeitiger Abgabe von H und ebenso Aufnahme von Cl, Br, S bei
gleichzeitiger Abgabe von H. Aufnahme von nCHj verändert bei Verbindungen
derselben Reihe a nicht. Aufnahme von O unter Aufnahme oder Abgabe von
nCHj erhöht a. Isomere Verbindungen zeigen nur bei gleichem chemischen
Charakter gleiche Werthe von a.
Aus der Reihe der Fettsäuren fand nach weiteren sehr genauen Messungen
RODENBECK (38) für
6-3531 2-5205 ]
61873 2-4914 [ 0*030
6-0549 2-4606 j
5-8807 2-4250 0036
5-7393 2-3757 0029.
Beim Uebergang von einem Glied der Reihe zum nächst höheren wächst
also a um etwa gleich viel.
Für eine Reihe von Flüssigkeiten hat Schiff (ii) die Capillaritätsconstanten
bei gewöhnlicher Temperatur / und beim Siedepunkt T bestimmt und folgende
Werthe für a^ gefunden; d bedeutet die Dichte.
Ameisensäure . .
Essigsäure . . .
Propionsäure . .
Buttersäure, normal
Valeriansäure . .
/
-?
^T
r
«»
«7-
Methylalkohol . .
Aethyhdkohol . .
PropyUlkohol . .
7-3
5-5
5-8
0-012
5-456
6-223
0-7475
0-7381
0-7366
64-2
78-0
97-05
5-107
4-782
4-753
1-909
1-765
1-750
474
Handwörterbuch der Chemie.
/
«/
^T
7
«^
«r
Isopropylalkohol*) .
Choroform . . .
Tetrachlorkohlenstoff
Aethylenchlorid . .
Benzol
Toluol
Xylol»*) ....
Metaxylol ....
Paraxylol**») . . .
Paracymol ....
5-3
8-0
7-4
8-0
6-7
5-8
5-0
4-0
4-0
3-4
5-780
3-874
3-600
5-499
6-968
7-038
7-026
6-990
7-018
0-7413
1-4081
1-4802
1-1576
0-8111
0-7780
0-7559
0-7571
0-7543
0-7248
81-1
60-6
75-2
83-2
79-85
109-8
1411
139-2
1381
176-2
4-592
3-242
2-757
4-198
5-33
4-786
4-430
4-437
4-416
3-853
1-702
2-280
2-040
2-430
2-161
1-346
1-675
1-680
1-665
1-346
Folgende Werthe erhielt Scholz (22) aus Versuchen über Steighöhen und
Abreissen von Platten.
Spec. Gew.
Spec. Coh.
1
(7
a'
a
DMillim.
Milligrm.
Schwefeläther . . .
0-7348
3-17
1165
Salpeteräther
0-8352
3-795
1-584
Essigäther .
0-8604
3-891
1-674
Butteräther .
0-8349
3-94
1-644
Chloräther .
0-8307
3-762
1-563
Rumäther .
0-8505
3-896
1-657
Ameisenäther
0-8631
3-902
1-684
Melonenäther
0-8575
3-689
1-581
Erdbeeräther
0-8617
3-830
1-650
Galläpfeltinctur . .
0-9548
4-933
2-355
Zweif. oxals. Kali .
10245
5-727
2-934
Kaliumeisencyantlr .
1-0620
6-042
3-207
Kaliumeisencyanid
10536
6-12
3-325
Schwefels. Ammoniak
0-9774
5-96
2-912
Chloranmionium .
1-0239
6-442
3-298
Essigs. Baryt . . .
1-0282
9-149
4-705
Brunnenwasser
• •
1
8-494
4'242
Für die Capillaritätsconstante a^j ""d « verschiedener Flüssigkeiten gegen
Luft und Quecksilber fand G. Quincke (23) folgende Werthe.
Capillarconstanten
Verschiedene
Flüssigkeiten
Vom
Procentgehalt
Vom
spec. Gew.
Gegen Luft
a
Gegen
Quecksilber
Chlorwasserstoff . .
37-8
1-1865
Milligrm.
8-0O4
Milligrm.
40-88
II II II • •
12-7
1-0615
8-327
40-77
II II II • •
0-03
10084
8-586
38-41
Ammoniak ....
12-83
0-9487
7-242
45-50
II ....
4-78
0-9798
7-623
44-99
11 ....
0-496
0-9976
8-541
45-66
Chlorkalium . . .
13-89
10931
8.847
42-66
•) Vielleicht nicht vollständig rein.
**) Fast ausschliesslich Orthoxylol.
^ Fast ausschliesslich.
Capillarität
475
Capillarconstanten
Verscliiedene
Flüssigkeiten
Gdomatrium . .
Wasser ....
Alkohol ....
Glycerin ....
Salpetersäurehydrat
Schwefelsäurchydrat
II II II
Quecksilber . .
Vom
Procentgehalt
Vom
spec. Gew.
Milligrm. Milligrm.
21-09 M574 9-401 4266
100 1 8-253 42-58
100 0-7906 2-699 40-71
100 (?) 1-2535 7-348 42-29
33-39 1-2068 8-021 (28*05)
15-30 1-0915 8-418 32-73
2-08 10110 8-568 35-55
44-59 - 1-3473 8766 3320
6-57 10430 8-570 3517
100 13-543 55-03 0
Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung von Mischungen und Lösungen.
Wie für einfache Flüssigkeiten eine Grösse H existirt, so ist dies auch für
Flüssigkeitsgemische der Fall; gilt -^ fiir das Gemisch mit der Dichte p, H^
und H^ für die Componenten des Gemisches, sind u^ und u^ die Bruchtheile
der Flüssigkeiten I und II in dem Gemisch und sind deren Dichten p^ und p^i
so ist nach Volkmann (24) für nicht bei der Mischung sich zusammenziehende
Flüssigkeiten
Gegen Luft
Gegen
Quecksilber
«1^
a = «j' c
«1» ==i-^i2»
^U^U
a«i2
2«i«8Vp7p^öi8*
«2^p2«a'
2 —
M2
yprp«'
Kennt man demnach n^ und a^ für irgend zwei Flüssigkeiten und das a für
irgend ein Gemisch, so kann man den Werth von a für jedes andere Gemisch
berechnen.
''n giebt ein Maass für die Anziehung der Theilchen der verschiedenen
Flüssigkeiten auf einander.
sem.
Für mischbare Flüssigkeiten muss stets
Die obige Gleichung hat Volkmann (24) an Beobachtungen von Rodenbeck,
Gav-Lussac und sich selbst geprüft und eine befriedigende Uebereinstimmung
gefunden, was auch nach der mathematischen Form der Gleichungen zu erwarten
war, ohne dass doch in dieser Uebereinstimmung eine Stütze für die Richtigkeit
der Theorie gefunden werden kann.
Nach Versuchen von Quincke an Flüssigkeiten; die in jedem Verhältniss
mischbar sind, geht stets diejenige, welche die kleinste Oberflächenspannung a
besitzt, an die OberBäche.
Bei einer Salzlösung müsste, da die Oberflächenspannung des geschmolzenen
Salzes grösser ist als die des Wassers, das Wasser sich an die Obeifläche begeben.
In der That liegen bei Salzlösungen die Grössen a nicht allzuweit von der des
Wassers ab, sinken aber in einigen Fällen beträchtlich unter dieselbe bis zu
6 und 5*2, während die kleinsten bei reinem Wasser nach längerer Zeit nach
der Bildung der Oberfläche von Quincke gefundenen Werthe nur 7-9 bis 7*3
betrugen. Aus etwaigen Dissociationsvorgängen in der Salzlösung unter Bildung
von freier Säure lassen sich die Phänomene nicht ableiten. Ebenso spricht
476 Handwörterbuch der Chemie.
das Verhalten von Mischungen von Wasser und Alkohol gegen die Bildung
feiner Oberflächenschicht aus derjenigen Substanz, welche den kleinsten Wertb
von a besitzt. Eine Ausbildung solcher Oberflächenscbichten ist bei mischbaren
Flüssigkeiten aber schon wegen der molecularen Bewegung nicht wahrscheinlich,
da diese stets Theilchen aus dem Innern in die Oberflächenschicht xmd umge-
kehrt aus dieser in das Innere führen. Die Verhältnisse gestalten sich also weit
complicirter, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. Die Concentration ist
aber jedenfalls in der Oberflächenschicht eine ganz andere, als in den weiter nach
innen gelegenen Schichten, indem ja die Theilchen je nach ihren specifischen
Eigenschaften in Folge der Molekularbewegung verschieden weit nach der Ober-
fläche sich hin bewegen.
Für eine grosse Anzahl von Lösungehi hat Quincke (39) die CapiUaritäts-
Constanten ermittelt und ist dabei zu folgenden Resultaten gelangt
Mit Ausnahme von Lösungen von flüchtigen Substanzen wie Chlorwasserstoff-
säure, Salpetersäure und Ammoniak, bei denen die Capillaritätsconstante a mit
zunehmender Concentration abnimmt, wächst dieselbe mit der Concentration und
zwar nahezu proportional dem Salzgehalt
Aequivalente Mengen der Chloride in gleichen Mengen Wasser und Alkohol
gelöst geben Lösungen von nahezu gleichen Constanten (a) (bestimmt in flachen
Luftblasen) und a, und es wächst a und (a) proportional der Zahl m der gelösten
Aequivalente in 100 Aequivalenten Lösungsmittel, so dass für die Chloride
in Wasser a = 8-30 H- 01870 »1, (a) = 735 H- 0-1783 «,
in Alkohol a = 2*336 -f- 0*1097 m.
Bei wässrigen Lösungen von Magnesiumsulfat, Natriumsulfat und Kalium-
carbonat gelten vielleicht ähnliche Relationen, bei anderen Salzen nicht Allge-
mein ist der Satz also jedenfalls nicht. Volkmann (30) will ihn auf einzelne Gruppen
beschränken.
Weniger als die Constante a ist a^ von der Concentration abhängig, sie
nimmt bei wässrigen Lösungen mit Ausnahme von NH4CI mit derselben ab. Im
Allgemeinen ist die Aenderung bei grossem Salzgehalt kleiner als geringem; bei
MgClj und K3CO3 nimmt bei sehr hohem Salzgehalt a^ wieder ab, am grösstcn
sind die Aenderungen bei Salzen mit grossem Aequivalentgewichte, Bei den
alkoholischen Lösungen der Chloride mit kleinem Aequivalentgewicht (LiQetc)
zeigt sich sogar eine Zunahme.
Der Grenzwinkel ist bei Salzlösungen nach Quincke etwa 30°, während
Volkmann wenigstens für einige derselben eine vollständige Benetzung fand.
Die flir Flüssigkeitsgemische geltende Formel wendet Volkmann auch auf
Lösungen an und berechnet aus einer Reihe von Beobachtungen nach der Me-
thode der kleinsten Quadrate a^j und a^ (der Index 1 bezieht sich auf das
Wasser, der Index 2 auf das Salz), indem er für die Salze annimmt, dass sie im
wasserfreien Zustande in den Lösungen vorhanden seien, obgleich wir durdi
andere Untersuchungen, wie über Dampfspannungen etc, für viele derselben das
Gegentheil wissen. Wenn er trotzdem Uebereinstimmung zwischen der Theorie
und den Versuchen findet, so hat das seinen Grund in der Anwendung der ver-
dünnten Lösungen, bei denen die Uebereinstimmung nicht geändert wird, mag
das Salz als Hydrat vorhanden sein oder nicht, so dass seine Angaben nicht
ganz einwurfsfrei sind. Ueberhaupt dürfte es fraglich sein, ob bei der grossen
Schwierigkeit der Versuche und den fiir die verschiedenen Concentrationen acm-
lich nahe aneinanderliegenden Werthen von a^ eine Bezeichnung von a, möglich ist
CapiUarität 477
Wir geben im folgenden die von Volkmann (30) aufgestellten Tabellen für
aj) und a^. (a^) bedeutet die von Quincke aus Beobachtungen an geschmolzenen
Salzen berechneten Capillaritätsconstanten. Die in Klammer gesetzten Zahlen
sind die weniger sicheren.
9
«1»
«9
(«,)
BaCl,
3-879
10-6
15
15-3
SrClj
3-054
10-3
30
11-3
CaCl,
2-219
10-7
28
10-1 (15-3)
KCl
1-95
9-55
13
7-1 (9-5)
NaQ
2-15
10-4
22
6-8 (11-6)
KjCO,
2-339
9-5
30
16-3
NajCO,
2-500
101
12
18-3 (21-0)
KjSO^
2-66
10-6
—
16-7
Na,S04
2-62
10-2
10
18-6
KNO,
2-06
8-6
8
7-1 (10-0)
NaNO,
2-20
9-0
12
8-0.
In allen Fällen ist hier aj, <i{ai -h
«,).
Diese Verbindungen
theilt Volkmann
in folgende Gruppen, flir deren jede
die von Quincke (39) ar
igegebene Gleichung gilt: a =
Const. -\- x-m.
Die Constante setzt Volkmann •
= 7-4.
Aeq.
X
Aeq. X
BaCl, 208
0-174
KjSO^
174 0-153
SrCl, 158-5
0-187
NajSO*
142 0-152
CaCl, 111
0-204
Mg SO,
120 0133
MgCl, 95
0197
2KNOs
202 0105
2KC1 149
0-159
2NaN0,
170 Olli
2NaCl 117
0-181
K,CO,
138 0-194
2NH4CI 107
0-130
Na,CO,
106 0-112.
Eine Ausnahme macht NagCO, und KjCOj.
Trägt man als Abscissen den Salzgehalt 5, als Ordinaten ö^ oder a auf, so
ergeben sich für die resultirenden Curven folgende Sätze:
I. Curven für ö».
1. Die Curven einer Gruppe schneiden sich nicht.
2. Die Curven einer Gruppe, welche grösseren Werthen von a!^ entsprechen,
scheinen stärker gekrümmt.
3. In den Gruppen: (BaClj, SrCl,, CaClj, MgClj), (2KC1, 2NaCl), (2KN0j,
2NaNOj) hat der Stoff mit kleinerem Aequivalentgewicht einen grösseren Werth a*.
In den Gruppen: (K2SO4, NajSO^), (KgCOj, NagCO,) hat der Stoff mit
kleinerem Aepuivalentgewicht einen kleineren Werth ö*.
n. Curven für a.
1. Die Curven einer Gruppe schneiden sich nicht.
2. Die Curven einer Gruppe, welche näher der a-Achse kommen, sind concav
gegen die a-Achse, die, welche näher der 5-Achse kommen, sind concav gegen
die ^-Achse.
3. In jeder Gruppe kommt den Stoffen mit kleinerem Aequivalentgewicht
ein grösserer Werth von a zu.
4. Die Curven einer Gruppe, welche eine grössere Cohäsion darstellen,
weisen auch einen grösseren Zahlenwerth für a auf.
Eine Ausnahme von diesen vier Sätzen macht die Gruppe (KjCOj, Na^COj).
47^ Handwörterbuch der Chemie.
Bei Gemengen von Alkohol und Wasser fand Rodenbeck (38) bei 17-5° folgende
Werthe. (/ bezeichnet die Volumenprocente Wasser, s das specifische Gewicht)
p
0-2
12
20
27
35
44
49
54
s
0-800
0-840
0-860
0-880
0 900
0-920
0-930
9-940
a«
5-00
6-09
6-26
6-43
6-56
6-74
6-78
7-07
/
60
68
77
86
100
s
0'950
0-960
0-970
0-980
0-998
a2
7-42
7-87
8-70
10-17
14-64.
Quincke (39) fand, wenn 5 den Gehalt an wasserfreiem Alkohol in 100 Thln.
Wasser bedeutet,
S 0 M9 9-84 111-08 00
s 1-000 0-9973 0-9852 0-9110 07904
ö> 16-83 13-77 10-29 6-21 6-80.
Hierbei ist zu beachten, wie sehr schon kleine Mengen von Alkohol die
Capillaritätsconstante des Wassers erniedrigen.
Messungen für die Capillarconstanten von verschiedenen Gemischen von fast
ohne Contraction mischbaren Flüssigkeiten sind ebenfalls von Rodenbeck (38)
angestellt worden. Er fand, dass, wenn d, d^, d^ die Dichten, C, C^, C^ die
Capillaritätsconstanten der ungemischten Substanzen und des Gemisches sind, wird
Diese Gleichung bestätigt sich an Gemengen von
Alkohol : Chloroform und Aether : Chloroform.
Für die Abhängigkeit der Steighöhe von der Temperatur folgt aus der Theorie
von Laplace und Poisson für vollkommen benetzende Flüssigkeiten, dass die
Gestalt der freien Oberfläche dieselbe für alle Temperaturen bleibt, und dass
die Anziehung einer Flüssigkeit auf sich selbst proportional der Dichte sei.
Dann müssten aber die Steighöhen sich wie Dichten der Flüssigkeiten ver-
halten. Dies wird aber nicht durch die Erfahrung bestätigt, sondern die Steig-
höhen nehmen weit schneller als die Dichten ab.
Dem Dichtemaximum des Wassers entspricht kein Maximalwerth der Grösse j *.
Die Capillaritätsconstante a^ lässt sich darstellen durch eine Gleichung
Ö/2 = a^{\ — aZ-H ß/^ . . .), wo / die Temperatur, a, ß, . . Constante sind.
Brunner bricht die Reihe mit a/ ab, während Frankenheim und Sondhaüss
sie bis ß/2 fortführen, es ist dann z. B. für Wasser a = 0-0017940, ß = O-O0000093.
Aus der Gleichung at^ =a^{l — a/) würde folgen, dass für eine bestimmte
Temperatur / = — die Steighöhe in einem Capillarrohre Null wird und för
höhere Temperaturen eine Depression eintritt. Das hat Wolf (12) bestätigt, er
fand, dass bei etwa 190° die Steighöhe des Aethers Null und seine Oberfläche
eben ist, und dann erstere negativ, letztere convex wird. Ein ähnliches Resultat
ergiebt sich für Naphta.
Auch Wasser, das in Röhren bis 200—300° erhitzt wurde, zeigte erst einen
concaven, dann einen ebenen, endlich einen convexen Meniscus. Analoges hat
Clarke (13) an schwefliger Säure beobachtet, die bei 69° in einem in ein
weiteres Rohr eingesetzten Capillarrohre innen und aussen gleich hoch stand.
Aehnliche Erscheinungen lassen sich bei allen Körpern beobachten, die man
bis zum kritischen Punkt erhitzt
Capillarität.
479
Für a und ß liegen eine Reihe von Bestimmungen vor, so fand Brunner für
Wasser a = 000187 Aether = 000523 Olivenöl = 000140
Frankenheim und Sondhauss (43) geben folgende Werthe:
«10*
Wasser 179
Essigsäure 123
Schwefels. 181
Aetzkali 47
ßxlO«
93
100
1120
218
«10*
Citronenöl 201
Steinöl 255
Terpentin 221
Alkohol 192
ßxlO»
339
303
171
845
«10*
Aether 470
Schwefelkohlenstoff 198
ß
Wolf giebt bei Wasser zwischen den Temperaturen / und /j, a und ß folgende
Werthe:
ß ^ h «10* ßio«
0 0 25 1818 416
6 82-3 182 —
/ /i «10-5
0 8 194
13 25 186
Andere fanden für:
17-5
3-7
410
5-3.
Schwefelkohlenstoff.
/=— 31 — 1-5 —0-8 — 0-3 8-2 12*7
a= 3-3 3-4 3-6 35 37 38
/ = 18-7 230 30-2 335 407 430
a= 3-7 3-8 4-3 4:4 4-4 50.
Chloroform.
/ = 3-7 100 20-5 28-2 340
a= 1-6 2-2 3-4 3.8 4-7
Die Aenderungen der Capillaritätsconstanten einer Reihe organischer Flüssig-
keiten mit der Temperatur hat de Heen {j^^ bestimmt. Die folgende Tabelle ent-
hält unter tc die aus Steighöhen, unter v die aus der Zahl abfallender Tropfen
erhaltenen Aenderungscoefficienten c in der Gleichung Ht=^ H^(y — cf),
7t V
000350 Propylvalerat 000248
0-00342
0-00304
000324
000321
Propylvalerat
Butylvalerat
Butylbutyrat
Amylbenzoat
0-00314
000298
000220
Methylbenzoat 000226
000293
000280
000288
000205
000231.
Methylpropionat 000357
Aethylpropionat 000350
Propylpropionat 000329
Aethylbutyrat 000335
Methylvalerat 0*00336
Zu den Capillaritäts- Phänomenen sind auch die Ausbreitungserschei-
niingen zu zählen.
Tritt ein fester Körper mit zwei Flüssigkeiten in Berührung und übersteigt
die Spannung der Trennungsfläche des festen Körpers an der einen Flüssigkeit
die Summe der Spannungen der beiden andern Grenzflächen, so zieht sich die
erste von selbst zu einem Tropfen zusammen, und die zweite breitet sich über
die ganze Oberfläche aus.
Ist die eine der beiden Flüssigkeiten Luft, die andere eine tropfbare Flüssig-
keit, so bildet diese, falls sie der ersten der beiden obigen Flüssigkeiten entspricht,
Tropfen, falls sie der zweiten entspricht, breitet sie sich über die ganze Ober-
fläche aus.
Es ist z. B. die Spannung an der Trennungsfläche von Luft und Wasser
grösser als die Summe der Spannungen an derjenigen von Luft und Oel und Oel
und Wasser; ein Oeltropfen kann daher auf einer Wasseroberfläche nicht im
Gleichgewicht sein, sondern er verflacht sich mehr und mehr, bis er das Wasser
in grosser Ausdehnung bedeckt. Der Process geht so lange fort, bis das Oel
so dünn ist, dass es seiner Dicke nach nur noch wenige Moleküle enthält, daher
nicht mehr die Eigenschaften einer Flüssigkeitsmasse besitzt.
4&0 Handwörterbuch der Chemie.
Bringt man in einander lösliche Flüssigkeiten auf einander, so treten höchst
beachtenswerthe Phänomene auf.
Ein Tropfen Alkohol auf Wasser gebracht erniedrigt an der betreffenden
Stelle die Oberflächenspannung von 8*5 auf 26, das Wasser sucht sich dabei
ringsherum zusammenzuziehen und die dabei eingetretene Oberflächenbewegung
reisst die tiefer gelegenen Partien mit sich.
Schon die von einem Aethertropfen , der über eine Wasseroberfläche ge-
halten wird, ausgehenden Dämpfe, die sich dann auf dem Wasser condensiren,
können solche Phänomene hervorrufen.
Diese Ausbreitungserscheinungen erklären auch das Aufsteigen des Wernes
an Glaswandungen. Aus der am Glase aufsteigenden Schicht verdunstet an ihrem
oberen Ende zunächst Alkohol und dadurch erhält sie eine grössere Oberflächen-
spannung und zieht dadurch Flüssigkeiten an sich, das Wasser geht weiter in die
Höhe u. s. f., bis die emporgestiegene Flüssigkeitsmenge so gross ist, dass sich die
verschiedenen Theile mischen und als Tropfen an der Wand des Glases herabrinnen.
Man nennt diese Erscheinungen Weinthränen.
Sobald die Verdunstung des Alkohols aufhört, etwa dadurch, dass sich der
Wein in einer zugestöpselten Flasche befindet, deren Luft sich mit Alkoholdampi
sättigt, so hört auch das Thränen auf.
Dieselben Erscheinungen treten bei der Berührung von Fetten und Oelen mit
Terpentinöl und Benzin auf. Die fetten Oele haben eine grössere Oberflächen-
spannung als z. B. Benzol. Befindet sich in einem Stück Zeug ein Fettflecken
und befeuchtet man die eine Seite mit einer der Substanzen, so bewegen sich
die aus einer Mischung von Oel und Benzol bestehenden Theilchen vom Benzol
nach dem Fett hin.
Würde man also einen Fettfleck in der Mitte mit Benzol befeuchten, so
würde sich das Fett immer weiter verbreiten. Man umgiebt daher denselben mit
einem Benzolring und berührt ihn selbst in der Mitte mit Löschpapier, um die
Flüssigkeiten aufzusaugen.
Um Fettflecke zu entfernen, kann man auch die Thatsache verwenden, dass
die Oberflächenspannung mit zunehmender Temperatur abnimmt; hat daher ein
fettiges Zeug an verschiedenen Stellen verschiedene Temperaturen, so geht das
Fett von den heissen zu den kalten Stellen. Dies kann bei einem Fleck etwa
dadurch hervorgerufen werden, dass man ihm von der einen Seite ein heisscs
Eisen nähert; bringt man an die andere Seite Löschpapier, so saugt dieses das
zurückweichende Fett auf
Auf die gekrümmte Oberfläche von Flüssigkeiten in Röhren hat man Rück-
sicht zu nehmen, wenn man das Volumen von Wasser oder Quecksilber in
cylindrischen Röhren vom Durchmesser ä genau berechnen will. Man setit
dann an Stelle der krummen eine ebene Oberfläche, die um cm. unter (bei Queck-
silber) oder über (bei Wasser) dem Scheitel der Kuppe liegt. Die folgenden Tabellen
enthalten einige Angaben von Danger (25) und Desains (26) für die Temperatur /.
Für Quecksilber:
d
e
d
e
d
e
d
c
1
0178
6
0-548
11
0-643
20
0-495
2
0-310
7
0-610
12
0-637
30
0-355
3
0-410
8
0-630
13
0-627
40
0-248
4
0-486
9
0-639
14
0-616
50
0-187
5
0-544
10
0-643
15
0-590
60
0178.
d
C
1
0-3] 7
2
0-607
3
0-839
4
0-998
5
1-140
6
1-252
CapillariäU.
Für Wasser
d
c
7
1-365
8
1-299
9
1-244
10
1-193
11
1-142
12
1-091
481
d
c
13
1-041
14
0-992
15
0-945
20
0-744
25
0-603
30
0-504.
Genaue neuere Messungen über die Capillardepression (27) des Quecksilbers
haben Mendelejeff folgende, von den Ersteren wesentlich abweichende Resultate
ergeben:
Höhe des Meniscus in Millimetern
0-4 0-6 0-8 1-0 1-2 1-4 1-6 1-8
Durchmesser
der Röhre
4-042
0-8
1-20
1-47
5-462
—
—
0-69
8-606
—
1-62
0-235
2-712
—
■ —
0-055
Depression in Millimetern
1-93 2-30 -- — —
0-98 1-22 1-51 — —
0-312 0-380 0-458 0-530 0-610
0-078 0-103 0-122 0-140 0-153.
Bei demselben Rohre ist nach Mendelejeff der Quotient aus der Depression
und der Höhe des Meniscus nahezu constant.
Von besonderem Interesse ist es zu untersuchen, wie sich die Capillaritäts-
constante einer Flüssigkeit ändert, wenn sie grössere und grössere Mengen eines
Gases absorbirt. Es hängt dies eng zusammen mit der Aenderung der kritischen
Temperatur eines coerciblen Gases bei Zumischung von permanenten Gasen.
So wird nach Cailletet (40) beim Comprimiren eines Gemisches von fünf Vo-
lumen CO, und einem Volumen Luft bei Temperaturen unter 26° C. die Kohlen-
säure leicht condensirt; comprimirt man dann aber weiter auf 150 — 200 Atmo-
sphären, so wird der Meniscus der Kohlensäure immer flacher, bis derselbe bei
zunehmendem Drucke verschwindet und mit ihm zugleich auch die Flüssigkeit
verschwunden ist. Die Flüssigkeit ist mithin durch blosse Druckzunahme in den
Cagniard de LA TouR'schen Zustand übergegangen, ist ein Gas geworden oder
hat sich, wie Cailletet sich ausdrückt, in dem Gase aufgelöst.
Nimmt man an, dass das, was Cailletet für flüssige CO, und N^O beobachtet
hat, für alle Flüssigkeiten gilt, so muss jede Flüssigkeit bei gewöhnlicher Tem-
peratur durch blosses Hinzupumpen eines Gases, welches sich über seiner kri-
tischen Temperatur befindet, bei einem hinreichend hohen Druck selbst über
die kritische Temparatur gebracht werden können, d. h. gasförmig werden.
Dabei muss die gemeinschaftliche Oberflächenspannung zwischen Flüssigkeit
und Gas von dem ursprünglichen Werthe bei zunehmendem Druck des Gases
immer mehr abnehmen, bis sie schliesslich Null wird.
Genauere Versuche über diesen Gegenstand sind von Kundt (41) angestellt
■worden und zwar bei einer Temperatur von 20°. Er gelangt dabei zu folgenden
Resultaten:
1. Die gemeinschaftliche Oberflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Gas
nimmt für Alkohol, Aether, alkoholische Lösung von Chlorcalcium, Schwefel-
kotilenstoff, Chloroform und Wasser erheblich mit zunehmendem Druck des
Gases ab.
2. Diese Abnahme ist bei niederen Drucken grösser als bei höheren.
I^ADBNBUKG, Chemie. 11. ^I
482 Handwörterbuch der Chemie.
3. Dieselbe ändert sich für eine und dieselbe Flüssigkeit mit der Natur des
Gases, welches mit der Flüssigkeit comprimirt wird. Bei Alkohol, Aether, alko-
holischer Chlorcalciumlösung bedingt Luft eine grössere Verminderung der
Capillarconstante, als Wasserstoff. Dies tritt am deutlichsten hervor, wenn man
die mittlere Erniedrigung der Capillarconstante ($100) ^^ ^^^^ Druckzunahme
von 1 auf 100 Kgrm./D Cm. berechnet, wie aus folgender Zusammenstellung
ersichtlich ist.
Aether-Wasserstoff 8^00= 00028, Aether-Lufl 5 1 0 0 = 0-0077,
Alkohol-Wasserstoflf 8100 = 0*0027, Alkohol-Luft 8100 = 0*0066,
Chlorcalciumlösung-Wasserstoflf Sioo = 0*0028,
Chlorcalciumlösung-Lufl 8100 = 00059.
Ob allgemein die Gase, welche die Constante a stärker beeinflussen, von
den Flüssigkeiten auch stärker absorbirt werden, wird sich wohl erst auf Grund-
lage eines reichhaltigeren Beobachtungsmaterials entscheiden lassen.
4. Die Abnahme der Capillarconstante ist für einige der untersuchten Flüssig-
keiten so erheblich (bei Aether und Luft ist a schon bei einem Druck von
140 Kgrm./DCm. auf die Hälfte gesunken), dass vermuthlich schon mit Gas-
drucken, die wir ohne zu grosse Schwierigkeiten erreichen können, die Ober-
flächenspannung Null wird, mithin die Flüssigkeiten bei gewöhnlicher Temperator
in den Cagniard de la TouR'schen Zustand übergehen können.*)
Bei etwas höherer Temperatur wird voraussichtlich die Capillarconstante mit
dem Gasdruck schneller sinken und mithin jener Zustand eher erreicht werden.
Wenn Flüssigkeiten durch Hinzupumpen eines Gases in den Gaszustand
übergeführt werden können, so muss dies auch für diejenigen festen Körper
möglich sein, deren Schmelzpunkt mit steigendem Drucke erniedrigt wird.
Gehen femer, wie Hannay und Hogarth gefunden haben wollen, gelöste Sub-
stanzen mit ihren Lösungsmitteln zugleich in den Cagniard de la TouR'schcn
Zustand über, so muss man auch gelöste Salze durch Gasdruck verdampfen können.
Webdemann.
Celluloid.**) Das Celluloid ist zu betrachten als eine iimige Mischung von
Pyroxylin (Schiessbaumwolle oder CoUodiumwoUe) mit Campher, entstanden durch
Lösen des ersteren in letzterem. Die Lösung kann bewirkt werden durch Ein-
tragen von Pyroxylin in geschmolzenen Campher, durch heftiges Zusammenpressen
beider Theile, wobei man annimmt, dass unter momentaner Verflüssigung des
Camphers das Pyroxylin in demselben sich auflöst, oder aber unter Zuhülfenahme
eines Lösungsmittels, wie z. B. Alkohol oder Aether, in welchem man nach-
einander den Campher und dann das Pyroxylin zur Lösung bringt, um es nach-
*) Diese letztere Betrachtung durfte indess nicht ganz streng sein, da nur darauf Rflcksidit
genommen ist, dass die Constante a oder dass /T^s ^° unserer früheren Entwicklung bei der
Berührung zweier Substanzen gleich Null geworden ist Damit aber keine freie Oberfläche existirt,
muss Ä'=0 werden, was nicht noth wendigerweise gleichzeitig mit dem Nullwerden von /^dcr
Fall ist. Schweflige Säure, Wasser etc. (s. oben) zeigen z. B. bei gewissen Temperaturen hori-
zontale Oberflächen, besitzen also ein a = 0 und bleiben doch scharf begrenzt. |
•♦) Fr. Böckmann, Das Celluloid, Leipzig (Hartleben) 1880. i) Hyatt, D. R. P. j
No. 3392. 2) Rkuleaux, Sitzungsber. d. Ver. z. Bef. d. Gewerbefl. 1878, pag. 41. 3) Tu- j
BOunxET und de Besanc£:le, D. R. P. No. 6828. Dingl. Journ. 235, pag. 203. 4) Wagnsi's j
Jahresber. 1878, pag. 1162. 5) Böckmann, Celluloid, pag. 52. 6) Dingl. Jouni. Bd. 23$*
pag. 204. 7) Claus u. Parker, Wagner's Jahresber. 1881, pag. 949. 8) Böckmann. Dingl.
Journ. 239, pag. 62.
Celluloid. 483
her wieder zu verflüchtigen. Endlich kann auch unter Anwendung einer unzu-
reichenden Menge Lösungsmittel, aber unter gleichzeitiger Wirkung starken Drucks
die Bindung beider Componenten zu Celluloid bewerkstelligt werden. Die letztere
Methode ist zur Zeit die gebräuchlichste.
Die Fabrikation des Celluloids zerfallt demgemäss in die Darstellung
des Pyroxylins, die Mischung dieses letzteren mit Campher und die Formgebung.
1. Die Darstellung des Pyroxylins. Dieses kommt gewöhnlich in Form
der sogen. Collodiumwolle, seltener als Schiessbaumwolle zur Verwendung, ja es
wird in neuester Zeit der Feuergeföhrlichkeit bei Herstellung und Verwendung
des Celluloids wegen mit grosser Sorgfalt darauf geachtet, dass beim Nitrirungs-
process höchstens die Tetra- und Pentanitrate der Cellulose [Ci2Hig(N03)40io
und C|jHi5(N02)50iq], nicht aber Hexanitrat (Schiessbaumwolle) gebildet wird.
Man erreicht dies am besten dadurch, dass man die Cellulose-Materialien in
nicht zu concentrirte Salpetersäure oder in ein entsprechendes Gemisch von
Salpetersäure und Schwefelsäure unter schwacher Erwärmung der Flüssigkeit ein-
trägt, während bekanntlich die Schiessbaumwolle beim Behandeln von Cellulose
mit concentrirtester Salpetersäure schon in der Elälte gebildet wird.
Nach Hyatt (i) zu Newark bei New-York, dem Entdecker des Celluloids,
wird Seidenpapier auf eigenen Maschinen in kleine Stückchen zerrissen, in ein
Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure bei 26—32° eingetragen und un-
gefähr 20 Minuten lang ruhig damit stehen gelassen. Die Trennung der Nitrir-
säure, welche mit frischer Schwefel-Salpetersäure vermischt zum Nitriren neuer
Partien verwendet wird, von den gebildeten Cellulose-Nitraten geschieht mittelst
Centrifugen; schliesslich wird mit Wasser gewaschen.
Anderweitigen Angaben zufolge (2) wird in der Fabrik der Gebrüder Hyatt
zu Newark das Seidenpapier von Rollen abgewickelt und dabei in seiner ganzen
Breite mit einem Gemisch von 2 Thln. Salpetersäure und 5 Thln. Schwefelsäure
berieselt. Das in dieser Weise grossen theils schon nitrirte Papier kommt noch
in einen mit Säure gefällten Trog, aus diesem aber sofort wieder heraus in das
Waschwasser. Es ist jetzt eine knetbare Masse geworden, die man ausschleudert,
presst und trocknet. Oder aber man wäscht das nitrirte Pyroxylin im Holländer
unter gleichzeitigem Zerkleinern desselben mit Wasser, presst in durchlöcherten
Gelassen aus und bringt dieses Material noch feucht mit Campher zusammen.
Das Verfahren von Tribouillet und de Besanc^le in Paris (3). Die ge-
mahlenen und bei 100° getrockneten Rohstoffe (Papier, Baumwolle, Leinen etc.)
werden in das Säuregemisch eingetragen, welches sich in einem flachen Behälter
aus Glas, Thon oder glasirtem Eisen befindet. Der Boden des Behälters ist
von aussen durch Wasser gekühlt, und in einer Nute seines Randes sitzt ein Glas-
kasten, durch welchen der Arbeiter vor den Säuredämpfen geschützt ist. Zum
Einfüllen der Säure dient ein im Deckel des Glasaufsatzes angebrachter, mittelst
Schiebers verschliessbarer Trichter, während durch zwei seitliche OefTnungen der
Arbeiter seine Arme in zwei Gummiärmel stecken und in diesen in dem Säure-
gemisch herumarbeiten kann. Es wird zweimal nitrirt: das erste Mal in Nitrir-
säure von einer vorhergehenden Operation, das zweite Mal in frischem Säure-
gemisch von 3 Thln. Schwefelsäure zu 1'83 spec. Gew. und 2 Thln. conc. Salpeter-
säure, in welcher noch salpetrige Säure gelöst ist. Der jedesmaligen Nitrirung
folgt ein Abpressen der Masse in einer Presse aus glasirtem Eisen tmd ihrer
Form nach ein durchlöcherter Cylinder, in welchem sich ein Presskolben bewegt.
Schliesslich wird mit viel Wasser gewaschen, dem man zuletzt etwas Ammoniak
3i^
484 Handwörterbuch der Chemie.
oder Soda zusetzt. Starke Lösungen von Soda, Ammoniak etc. sind wegen der
leichten Zersetzlichkeit der Cellulose-Nitrate durch alkalische Flüssigkeiten ja
vermeiden.
Die Schering' sehe Collodiumwolle, welche in der Celluloidfabrik von
Magnus & Comp, in Berlin verwendet wird, besteht im Wesentlichen aus dem
Tetranitrat der Cellulose und wird nach Böckmann's Vermuthung erhalten durch
Behandlung von Baumwolle während 15 Minuten mit einem Gemenge von gleichen
Raumtheilen Schwefelsäure vom spec. Gew. 1*845 und Salpetersäure vom spec
Gew. 1-40 bei 80°.
Auch durch Eintragen von 1 Gew.-Theil feinstem, aus reinem Hanf oder
Flachs bereiteten Seidenpapier in 20 Gew.-Theile eines 30—40° warmen Gemisches
von 2 Thln. Schwefelsäure von 66° B. und 1 Th. Salpetersäure von 36— SS'^B.
während 5 Minuten wird ein für Celluloid-Fabrikation sehr geeignetes Cellulose-
Nitrat erhalten, welches nur noch durch Auspressen, Waschen mit Wasser in
grossen Bütten, zuletzt unter Zusatz von etwas Soda und Ausschleudern in Centn-
fugen von der anhaftenden Säure zu befreien ist Es empfiehlt sich, das Säure-
gemisch nur für zwei Nitrirprocesse zu benützen und dasselbe dann an Schwefelsäure-
fabriken, in deren Gloverthurm sich Schwefelsäure und Salpetersäure leicht wieder
verwerthen lassen, zurückzugeben.
2. Die Mischung des Pyroxylins mit dem Campher wird in der ver-
schiedenartigsten Weise durchgeführt Gewöhnlich werden etwa 2 Gew.-Theile
Pyroxylin auf 1 Gew.-Theil Campher angewendet
Nach einem älteren, wahrscheinlich noch bei Gebrüder Hvatt in Newark
eingeftihrten Verfahren (4) werden Campher und Vyroxylm in Wasser zermahlen,
zerstossen oder gewalzt, alsdann, theils um das Wasser nach Möglichkeit auszu-
treiben, theils um Campher und Pyroxylin in noch innigere Berührung zu bringen,
unter sehr starkem Druck gepresst. Diese Masse wird dann in Formen gebracht,
welche dem herzustellenden Gegenstand entsprechen. In der oberen Oefihung
dieser Form sitzt ein kleiner Kolben, welcher mittelst einer hydraulischen Presse
auf die Masse, die während dem auf 65 — 130^, je nach Grösse des Gegenstandes,
erhitzt ist, heruntergepresst wird. Ftwaige Farbstoffe und andere Zusätze giebt
man den Materialien bei ihrer mechanischen Durchmischung zu.
Nach dem Patent von Tribouillet und Besanc^le (3) wurden 100 Thlc.
Pyroxylin mit 42 — 50 Thln. Campher innig gemischt, mit einem wiederstands-
fahigen Gewebe umgeben und in einem Haarpressbeutel in einer Wannpresse
gepresst Die Presskuchen passiren schliesslich noch eine angeheizte Cylinder-
presse und werden in Räumen, in welchen Chlorcalcium oder Schwefelsäure auf-
gestellt ist, vollständig getrocknet
Ein anderes, zur Zeit in mehreren Fabriken geübtes Verfahren besteht darin,
dass man den Campher in möglichst wenig Alkohol löst, diese Lösung durch
eine feine Sieb-Brause auf das in einem Kasten ausgebreitete, vollständig trockne
Pyroxylin aufgiesst, darauf eine zweite Schicht P)rroxylin auflegt, welche man
wieder mit Campherlösung bebraust u. s. f., bis man ein genügendes Quantum
Celluloidmasse vereinigt hat Letztere sinkt zu einem transparenten Klumpen
zusammen, welcher nun zwischen eisernen, platten Walzen bearbeitet wird: zuerst
1 — 1^ Stunden kalt, dann ca. 1 Stunde zwischen Walzen, welche von innen durch
Dampf schwach erwärmt sind. Dabei legt sich die Celluloidmasse in Gestalt
eines Mantels um die Walze herum, so dass sie zur gründlichen Bearbeitung
durch Längsschnitte von den Walzen abgelöst und oben wieder aufgegeben
Celluloid. 485
werden muss, ganz in gleicher Weise wie dies bei Bearbeitung der Kautschuk-
massen geschieht. Schliesslich werden die ca. 1 Centim. dicken Walzkuchen,
aus welchen jetzt die Hauptmasse des Alkohols verdampft ist, in Platten von
etwa 70 Centim. Länge und 30 Centim. Breite zerschnitten und in mehreren Lagen
übereinander auf hydraulischen Pressen stark ausgepresst. Die Pressen sind von
allen Seiten mit doppeltem Dampfmantel umgeben, in deren Zwischenraum Dampf
circulirt, so dass die in der Presse befindliche Celluloidmasse, ohne, mit Dampf
in direkte Berührung zu kommen, auf 70° erwärmt, wird. Die Pressung dauert
bis 24 Stunden. Alsdann lässt man erkalten, nimmt den dicken Presskuchen
heraus, zerschneidet ihn mit einer Art Foumir-Hobelmaschine in Platten von
gewünschter Dicke und trocknet diese letzteren in besonderer Trockenstube bei
30—40° während 8 — 14 Tagen vollkommen aus. Die getrockneten Platten werden
dann schliesslich in kleinere Stücke zerschnitten und entweder durch Pressen in
warmen Formen oder durch anderweitige mechanische Bearbeitung auf fertige
Waaren verarbeitet.
Magnus & Comp, zu Berlin tibergiessen in einem Steingutgefäss 50 Gew.-Thle.
CoUodiumwoUe mit 100 Gew.-Thln. Aether und 25 Gew.-Thln. Campher, gegen
zu rasche Verflüchtigung des Aethers bedeckt man das Gefäss lose mit einer
Kautschukplatte, rührt aber unter Beseitigung der Platte von Zeit zu Zeit um.
Allmählich entsteht eine gallertartige, transparente Masse, welche dann zwischen
Calanderwalzen so lange bearbeitet wird, bis sie plastisch geworden ist. Es
folgt eine starke Pressung der erwärmten Celluloidplatten.
In der Fabrik zu Stains wird nach Böckmann (5) ähnlich wie bei Magnus &
Comp, gearbeitet, nur dass statt Aether Holzgeist genommen wird.
Gefärbte Celluloidwaaren erhält man durch Beimischung der verschieden-
artigsten Farbstoffe theils in gelöster, theils auch ungelöster I?orm. Die Zu-
mischung geschieht von vornherein beim Mischen des Camphers und Pjn-oxylins.
Marmorirtes Celluloid wird hergestellt, indem man beim Pressen der
Celluloidplatten von beliebiger Grundfarbe zwischen die einzelnen Platten Stücke
von gefärbtem Celluloid einlegt. Die Massen drücken sich dabei ineinander,
und, da sie noch nicht ganz trocken sind, zerfliessen bis zu einem gewissen Grad
an den Rändern. Nimmt man als Grundmasse nicht künstlich gefärbtes, sondern
reines, also transparentes, gelbliches Celluloid und presst dunkelgefärbte Massen
ein, so entsteht ,nach dem Trocknen die beliebte künstliche Schildpat-Masse.
Transparentes Celluloid erhält man (6) durch Auflösen von Pyroxylin,
Wiederverdunsten des Lösungsmittels und direkte Formgebung.
Nicht transparente Celluloidwaaren werden meist aus beschwerter Masse
heigestell^ wozu man bis zu 50 f Zinkweiss, auch Permanentweiss u. a. nimmt (7).
Zusammensetzung und Eigenschaften. Die Zusammensetzung des CeUuloids ergiebt
sich ans seiner Bereitungsweise ; es enthält etwa f Gew.-Thle. Pyroxylin und | Gew.-Thl.
Campher, doch kommen auch Celluloide von abweichender Zusammensetzung vor. Bei grösseren
Mengen von Campher tritt der Geruch desselben in unangenehmer Weise hervor, auch verliert
das CeUuloid an Festigkeit, weshalb für bessere und feinere Celluloidwaaren eher die Menge des
I^roxylins vermehrt wird« Ob das Celluloid als eine chemische Verbindung oder lediglich als
eine Mischung zu betrachten ist, steht noch dahin. Böckmann bezeichnet es als eine lederartige
Verbindung, in welcher der Campher zwischen den Celluloidfasem mechanisch niedergeschlagen
ist Die Möglichkeit der Bindung variabler Mengen von Campher und Pyroxylin zu Celluloid,
des Herauslösens des Camphers durch bestimmte Lösungsmittel, des Herausbrennens des Pyro-
zylins ans glimmendem Celluloid unter gleichzeitiger Verdampfung des Camphers spricht jedenfalls
4S6 Handwörterbuch der Chemie.
gegen die Annahme einer chemischen Verbindung in gewöhnlichem Sinne. 19eben Campher ual
Pyroxylin enthält auch das reinste Celluloid immer noch etwa 1*3^ Asche.
Das CeDuloid entzündet sich nur durch offene Flamme und brennt dann zwar rasch, doch
ohne Verpuflung weiter; auch durch Druck lässt es sich nicht zur Explosion bringen. Dagegen
geht es beim Erhitzen auf 150^ ziemlich plötzlich in Rauch auf. Man kann es daher ohne Ge-
fahr mit dem Hammer, unter Pressen und zwischen Walzen bearbeiten. Durch letztere ISsst es
sich zu Blättern bis zu 0*5 Millim. Dicke auswalzen. In kochendem Wasser wird es weidi,
ohne sich zu lösen, und kann dann geformt werden. Schon bei 75^ ist es Übrigens plastisch,
doch erwärmt man es behufs Formens in Matrizen auf etwa 120^. Sein specifisches Gewicht
ist je nach Grad der Pressung und nach Menge und Natur der Zusätze verschieden, reines
Celluloid zeigt nach Böckmann (8) im Mittel etwa das spec. Grcw. r35*
Vermöge seiner Festigkeit, Elasticität, Leichtigkeit der Formgebung und Bearbeitung; PolitlI^
fähigkeit und der Möglichkeit, dasselbe in transparenter Form oder in beliebigen Färbungen da^
zustellen, ist die Verwendung des Celluloids eine sehr ausgedehnte. Es dient als Ersatz fiir
Hom, Hartgummi, Elfenbein, Schildpat, Malachit, Bernstein, Korallen, zur Herstellung von
Messergriffen, Kämmen und ähnlichen Gegenständen, sowie auch von Schmucksachen.
Encler.
Cement*), Hydraulischer Kalk, Roman-Cement, Portland-Cement
Unter Cement verstand man in früheren Zeiten ganz allgemein Zuschläge, welche
1
*) Handbücher, Monographien etc.: W. MiCHAEUS, Die hydraulischen Mörtel, insbe-
sondere der Portland-Cement. Leipzig 1869. H. ZwiCK, Hydraulischer Kalk u. Portland-CemcBt,
Hartlebens BibL 1879. W. Michaelis, Die Beurtheilung des Cements, Berlin 1876. W. Maoat,
Der Portland-Cement; deutsch von B. Stahl u. R. Rudloff, Leipzig 1880. R. Dyckerhoff, Ueber
Cement- u. Trass-Mörtel (Vortrag), Berlin 1881. Scott u. Radgrave, Bernays u. Grant, Oi
Portland-Cement, London 1880. H. Nagel, Die Bereitung und Verwendung der Cemente cte,
Stuttgart 1880. £. BÖHMER u. F. Neumant«, Kalk, Gyps u. Cement, Weimar 1870. H. ▼.
Gerstenbergk, Die Cemente, ihre Bereitung etc., Weimar 1874. Heusinger v. Waldegg, Dk
Kalk-, Ziegel- u. Röhrenbrennerei, nebst Anleitung zur Herstellung von Cementen, Leipzig 1861.
H. Klose, Der Portland-Cement u. seine Fabrikation, Wiesbaden 1873. W. Leonhardt, Die
Kitt-, Leim, Cement- etc. Fabrikation, Leipzig 1870. A. Lipowitz, Die Portland-Cement-FabrikalioB,
Berlin 1868. P. Loeff, Anleitung zum Bau von Kalk-, Cement- etc. Oefen, Berlin. E. Vicat,
Die Ziegel- u. Cement-Fabrikation, Berlin 1863. W. A. Becker, Anleitung zur Anwendung da
Cemente etc., Berlin 1868. Zeitschriften: Fr. Hoffmann, Notizblatt des deutsch. Ver. fo
Fabrikation von Ziegeln etc. u. Cement, Berlin (Bureau d.. Vereins). Seger u. Aron, Thoa-
industrie-Ztg., Berlin. Stegmann, Zeitschr. f. Thonwaarenindustrie u. verwandte Gewerbe, Bnnn-
schweig. Deutsche Töpfer- u. Zieglerzeitung, Berlin. Notizblatt d. Vereins fUr Ziegelüabrikatiott.
Olschewsky, Hauenschild u. Eckhardt, Jahresberichte über Neuerungen und Erfahrungen m
der Thonwaaren- u. Kalkindustrie, Berlin. Siehe auch: Verhandlgn. des Ver. deutsch. Cemcnt-
Fabrikanten. Einzelne Abhandlungen: i) Siehe Bestimmungen des Cement-Comites des
Oesterr. -Ungar. Ingen.- u. Archit.-Ver. , Wien 1880 (Vereins-Secretariat , Eschenbachgasse 9).
2) Demarchi u. Fodera, Engineering Mining Joum. 34, pag. 45; Wagn. Jahresber. 18S2,
pag. 636. 3) Bayr. Ind.- u. Gew.-Blatt 187 1, pag. 141. 4) Dingl. Joum. 197, pag. 146 a. 197-
5) Maschinenbauer 1872, pag. 144. 6) Siehe bei Schafhäutl, Dingl. Joum. las, pag. i86l
7) Ibid., pag. 198. 8) Feichtinger, Dingl. Journ. 174, pag. 433. 9) Zwick, Hydraiil. Kalk
u. Portland-Cement, pag. 80. 10) Dorn, Der Liasschiefer, Tübingen 1877; siehe auch Wagm.
Jahresber. 1877, pag. 617. ii) Zwick a. a. O., pag. 116. 12) Feichtinger, Dingl. Joum. i74i
pag« 433- 13) Thonindustrie-Ztg. 1878, No. 27. 14) Zwick a. a. O., pag. 159. 15) Bermully,
Verhandig. der 4. Versammig. d. Ver. Deutsch. Cement-Fabrikanten 1881; siehe auch Wa««.
Jahresber. 1881, pag. 510. 16) Dietsch, Dingl. Joum. 250, pag. 52a 17) Bertdca, TOpler*
u. Ziegler-Ztg. 1878, pag. 412. 18) Thomei, Verhandlgn. d. Ver. deutsch. Cement-Fabrikanteo
1882; siehe auch Wagn. Jahresber. 1882, pag. 638, u. Thonindustrie-Z^. 1879, P%- ^
19) R. Dyckerhoff, Wagn. Jahresber. 1882, pag. 639. 20) Erdmenger, Wagn. Jahresber. iSSo^
I
Cement. 4S7
mit gewöhnlichem Kalkbrei vennischt einen unter Wasser erhärtenden uhd fest
bleibenden Mörtel lieferten. Als solche Zuschläge dienten insbesondere Puzzolan-
erde, Trass und Santorinerde, natürliche Thonerde-Silicate, welche ihre Kiesel-
säure gegenüber dem gewöhnlichen Thon vorwiegend in durch Säuren aufschliess-
barem Zustande enthalten. Jetzt versteht man dagegen unter Cement ganz all-
gemein unter Wasser erhärtende Kalke, welche durch Brennen von natürlichen
oder künstlichen Gemischen von Kalkstein und Thon oder einem andern kiesel-
säurehaltigen Material erhalten sind. Die wesentlichen und wirksamen Bestand-
theile sind dabei der gebrannte Kalk und die durch das Brennen des Thones
aufgeschlossene Kieselsäure und Thonerde. Je nach der Natur der zur Darstellung
pag. 505. 21) Derselbe, Thonindustrie-Ztg. 1882, pag. 27, 35, 65; siehe auch Wagn. Jahres-
ber. 1882, pag. 637. 22) R. Dyckerhoff, Dingl. Joura. 248, pag. 245. 23) W. Michaelis,
DiNGL. Joum. 248, pag. 390. 24) R. Dyckerhoff, Dingl. Journ. 233, pag. 392. 25) Kämmerer,
Thonindustrie-Ztg. 1878, pag. 33. 26) R. Dyckerhoff, Deutsche Bau-Ztg. 1882, pag. 98.
27) L£ Chatelier, Compt. rend. 94, pag. 867; siehe auch Wagn. Jahresber. 1882, pag. 659.
28) Candrin, Compt. rend. 94, pag. 1054; Wagn. Jahresber. 1882, pag. 660. 29) Engineer 54,
pag. 98. 30) Erdmenger, Thonindustrie-Ztg. 1877, pag. 265. 31) Ibid., 1877, P^* ^^'
32) Töpfer- u. Ziegler-Ztg. 1879, No. 4. 33) Frühling, Dingl. Joum. 233, pag. 319. 34) Raasche,
Töpfer- u- Ziegler-Ztg. 1879, pag. 26; Dingl, Joum. 233, pag. 318. 35) Feichtingbr, Bayr.
Ind.- u. Gew.-Blatt 1879, pag. 71. 36) Dyckerhoff, Deutsche Bau-Ztg. 1878, No. 7. 37) Der-
selbe, Wagn. Jahresber. 1880, pag. 514. 38) Michaelis, Baugew.-Ztg. 1878, No. 27. 39) Böhme,
Wagn. Jahresber. 1882, pag. 644. 40) Vicat, Compt. rend. 38, pag. 105. 41) Feichtinger,
Dingl. Joum. 152, pag. 40 u. 108. 42) RnroT u. Chatoney, Compt. rend. 43, pag. 302; Dingl.
Joum. 143, pag. 352. 43) Kühlmann, Compt. rend. 45, pag. 738, 787; Bd. 46, pag. 920.
44) Herzog, Wagn. Jahresber. 1882, pag. 647. 45) Erdmenger, Dingl. Joum. 209, pag. 286.
46) Jahresber. d. Baugew. 1867, pag. 421; Deutsche Töpfer- u. Ziegler-Ztg. 1879, pag. 175.
47) Wagn. Jahrerber. 1880, pag. 511. 48) Thomei, Thonindustrie-Ztg. 1878, pag. 234.
49) Riehle, Dingl. Joum. 233, pag. 318. 50) Studt, ibid. 233, pag. 318. 51) Krafft,
Wochenschrift d. Oesterr. Archit- u. Ingen.- Ver., Wagn. Jahresber. 1881, pag. 530. 52) Klebe,
Bayr. Ind.- u. Gew.-Blatt 1883, pag. 126. 53) R. Dyckerhoff, Dingl. Joum. 233, pag. 392.
54) Zwick, a. a. O., pag. 254. 55) Dyckerhoff, a. a. O. 56) Siehe bei Dingl. Joum. 49,
pag. 271. 57) Heldt, Joum. f. prakt. Chem. 94, pag. 129. 58) Dingl. Joum.113, pag. 351.
59) Fbichtinger, Dingl. Joum. 152, pag. 40 u. 108. 60) Dingl. Joum. 142, pag. 106.
61) Feichtinger, Dingl. Joum. 174, pag. 437; Bd. 175, pag. 208; Bd. 176, pag. 378; Bd. 178,
pag. 223. 62) Fremy, Compt. rend- 60, pag. 993; Dingl. Joum. 177, pag. 376. 63) Michaeus,
Joum. f. prakt. Chem. 100, pag. 257. 64) RivoT u. Chatoney, Compt. rend. 93, pag. 302 u. 715;
Dingl. Joum. 143, pag. 352. 65) Knapp, Amt!. Ber. über die Wiener Weltausstellg. 2, pag. 583;
siehe auch Dingl. Joum. 102, pag. 513. 66) Schott, Dingl. Joum. 102, pag. 434. 67) Früh-
ling, Bayr. Ind.- u. Gew.-Blatt 1883, pag. 132. 68) Haüenschild, Wochenschr. d. Niederösterr.
Gew.-Ver. 1881, pag. 271; Wagn. Jahresber. 1881, pag. 539. 69) Erdmenger, Thonindustrie-
Ztg. 1879, pag. 5, 171, 179. 454; 1880 No. 1—42; 1881, pag. 96, 228, 333, 340; Wagn.
Jahresber. 1879, pag. 652; 1880, pag. 499; 1881, pag. 541. 70) Engineering 29, pag. 301;
Wagn. Jahresber. 1880, pag. 498. 71) Engl. Pat. 1879, No. 15 10; Wagn. Jahresber. 1880,
pag. 499. 72) Roth, D. R.-P. No. 19800; Dingl. Joum. 247, pag. 257; Wagn. Jahresber. 1882,
pag. 636. 73) D. R.-P. 4048, Thonindustrie-Ztg. 1879, pag. 71; Dingl. Joum. 233, pag. 262.
74) Thonindustrie-Ztg. 1879, pag. 131; DiNGL. Joum. 233, pag. 262. 75) St. Claire-Deville,
Compt. rend. 41, pag. 11 68; Dingl. Joum. 179, pag. 309. 76) Calvert, Compt rend. 61,
pag. 1168; Dingl. Joum. 179, pag. 383. 77) Erdmenger, Dingl. Joum. 211, pag. 13; Bd. 214,
pag. 40. 78) Ibid. 192, pag. 421. 79) Sorel, Compt. rend. 65, pag. 102; Dingl. Joum. 185,
pag. 392. 80) Wagn. Jahresber. 1877. 81) Heintzel, Thonindustrie-Ztg. 1877, pag. 46; Wagn.
Jahresber. 1878, pag. 734. 82) Künis, Thonindustrie-Ztg. 1879, pag. 187; Dingl. Joum. 233,
pag. 173. 83) Hauenschild, Dingl. Joum. 202, pag.. 386.
488
Handwörterbuch der Chemie.
der Cemente verwendeten Materialien, aber auch nach der Art und Weise des
Brennens und dem Verhalten beim Vermischen mit Wasser unterscheidet man
die Cemente in hydraulischen Kalk im engeren Sinn, in Roman-Cement und in
Portland-Cement (i), von deren speciellen Eigenschaften weiter unten die Rede
ist. Demgemäss hat man jetzt zu unterscheiden zwischen hydraulischen Zuschlägen
oder Cementen, nach deren Hauptrepräsentanten auch Puzzolane genannt, im
früheren und engeren Sinn, worunter durch natürliche oder künstliche Erhitzung
aufgeschlossene Silicate zu verstehen sind, die mit Kalkbrei erst hydraulischen
Mörtel liefern, und zwischen Cement im weiteren Sinn, worunter im Allgemeinen
jeder gebrannte Silicat- oder kieselsäurehaltige Kalk zu verstehen ist, der unter
Wasser erhärtet.
L Die hydraulischen Zuschläge, Cemente im früheren und engeren
Sinn, auch Puzzolane finden sich in der Natur an verschiedenen Orten fertig
gebildet, es können aber auch Stoffe von gleicher Wirkungsweise durch Brennen
von Thon erhalten werden. Die natürlichen Puzzolane sind: die Puzzolanerde,
der Trass und die Santorinerde.
1. Die Puzzolane oder Puzzolanerde hat ihren Namen von der unweit
des Vesuvs gelegenen italienischen Stadt Puzzuoli, woselbst sie schon von den
Römern zur Herstellung von Mörtel zu Wasserbauten verwendet wurde. Dasselbe
Material findet sich auch längs der südwestlichen Seite der Apenninenkette bis
in die Gegend von Rom, in der Auvergne, in den Departements l'Herault und
de l'Ardiche. Sie bildet ein vulkanisches Tuffgestein von poröser Struktur und
sehr verschiedener Festigkeit, welches der Hauptsache nach aus mehr als der
Hälfte seines Gewichtes Kieselsäure und aus Thonerde, etwas Eisenoxyd und
anderen basischen Bestandtheilen besteht, von denen immer ein erheblicher Theü
in starker Schwefelsäure oder Salzsäure löslich ist. Je grösser die Menge der in
Säure löslichen Theile, desto hydraulischer sind im Allgemeinen die Eigenschaften
der Puzzolane. Die folgenden Analysen zeigen die Zusammensetzung verschiedener
Sorten. No. 1 und 2 italienische Puzzolane auf wasserfreien Zustand berechnet
nach Elsner- Stengel bezw. Elsner- Reinhardt, No. S italienische Puzzolane
nach RivoT, No. 4 aus Departement l'Herault nach Rivot, No. 5 aus der Auvergne
nach Rivot:
Kieselsäure 10*25
10-25
3.
19-5
4.
21-0
J>
Thonerde
901
2-56
9-7
10-7
Eisenoxyd
4-76
4-56
6-3
6-8
H
Kalk
1-90
1-58
8-0
1-5
•g
Magnesia
—
—
0-9
11
■•a
Kali
1-50
1-50^
1-47 /
2
Natron
2-6
30
Wasser
—
—
10-2
12-4
<ü
Kieselsäure 48-90
49-56
32-7
35-5
'S
Thonerde
12-27
13-79
81
8-2
H
Eisenoxyd
—
—
—
—
4>
Kalk
—
—
1-2
1-3
Magnesia
—
—
—
—
:0
Kali
2-87 \
^_
.^
§
Natron
6-23 /
12-66
5.
28-2
20
21-8
9-0
1-2
41
250
6-7
1-3
Cement.
489
Nach einer Analyse von Demarchi und Fodera (2) enthält PuzzoUane aus
der Nähe von San Paolo:
Kieselsäure 47*66
Thonerde 14-33
MagneMa 3*86
Eisenoxyd 10*33
Kalk 7*66
Wasser 7*03
Alkalien und flüchtige Stoffe 4*13
Sand 5-00.
Dieselben geben an, dass die Puzzolane je nach beabsichtigter Verwendung
mit 15 — 45 J Kalk versetzt werden müssen; einen guten hydraulischen Cement
erhalte man schon durch Zusatz von 18f Kalk.
2. Der Trass, Duckstein, Tuffstein findet sich an den Ostabhängen der
Eifel, vornehmlich im Brohlthale und im Nettethale in der Nähe von Andernach
und Neuwied. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Produkt vulkanischer
Ausbrüche und lässt vornehmlich drei verschiedene Schichten unterscheiden: die
unterste Schicht, der echte Trass, ist von der Härte eines Ziegels mit scharf-
kantigem Bruch, porös, gelblichgrau bis graublau geßirbt. Die zweite Schicht,
wahrscheinlich von einer späteren Eruption herrührend und Knuppen oder
Tauch genannt, bildet ein weicheres, nicht so poröses Material und ist mit
. Bimsstein und Thonschiefer vermischt. Die oberste und jüngste Schicht besteht
im Wesentlichen aus einer lockeren, weissgrauen, vulkanischen Asche; man nennt
sie wilden Trass. Die Production beträgt nach Michaelis im Nettethal
70000 Tonnen Trass, im Brohlthale nach Löhmann 2000 Tonnen Tuffsteine,
15000 Tonnen Knuppen, 20000 Tonnen wilden Trass pro Jahr.
Nach Analysen von Elsner (No. 1), Vohl (No. 2) und Feichtenger (No. 3 u. 4)
enthält der Trass:
Kieselsäure, in Kalilauge löslich
Kieselsäure, nach der Zersetzung
mit Salzsäure in Kalilauge löslich
Kieselsäure
Thonerde
Eisenoxyd
Manganoxyd
Kalk
Magnesia
Kali
Natron
Wasser
s
.9
•s
••3
1.
11*50
17*70
11-77
315
2*20
0-29
2*43
7-65
515
16*02
3*33
0*65
1*25
0*81
3*52
2*47
12*65
3.
218
13*22
012
5*95
4*66
Spur
2*98
1*20
4.
2*57
613
0*18
5*48
3*55
Spur
2*57
1-32
d
CO N
'S CO
Kieselsäure 37*43 47*93 43*54 59*85
Thonerde 1-25 2*26
Eisenoxyd 0*57 0*48
Kalk 2*25 —
Magnesia 0*27 0*50
Kali 0-07 0*65
Natron 111 1*27
Glühverlust (Wasser) — —
7*46
110
1*71
0*88
2*91
0-35
5*66
8*45
2*95
1*78
0*95
1*82
0*34
2*59.
490
Handwörterbuch der Chemie.
Für Herstellung eines guten Wassermörtels werden 2 Vol. Trasspulver mit
1 Vol. Fettkalk vermischt.
3. Der Santorin oder die Santoririerde findet sich auf den griechischen
Inseln Santorino, Theresia und Aspronisi und ist ebenfalls ein vulkanisches Tuff-
gestein, welches mit Kalk vermischt zu vielen Wasserbauten an den Ufem des
mittelländischen Meeres verwendet wird. Sie unterscheidet sich von Puzzolane
und Trass durch ihren hohen Gehalt an Kieselsäure, sowie auch dadurch, dass
sie mit Salzsäure keine Gallerte bildet, sonach wenig durch Säuren aufschliess-
bare Theile enthält. Ein durch Vermischen von Santorinerde mit Kalk herge-
stellter Mörtel besitzt ausserdem die Eigenthümlichkeit, nur unter Wasser fest zu
bleiben. Nach Versuchen von Feichtinger (4) enthält sie 20*3 J amorphe, in
verdünnter Kalilauge lösliche Kieselsäure, welcher sie ihre Hydraulidtät verdankt.
Derselbe hat auch Analysen der bei 100° getrockneten Santorinerde (No. 1) aus-
geführt, zugleich aber festgestellt, dass man dieselbe in gepulvertem Zustande
durch Schlämmen in dreierlei Theile: \ Bimsstein (Analyse No. 2), f eigentliche
Santorinerde (No. 3) und •}- Obsidiansand (No. 4) zerlegen kann.
In Wasser
[Schwefelsaurer Kalk
1.
. 005
2.
3.
4.
löslich \ Chlornatrium . .
005
£
Kieselsäure . .
. 3-40
Spur
Spur
Spur
•äs'
Thonerde . . .
. 1-36
0-75
1-31
1-64
Eisenoxyd . . .
. 1-41
0-28
0-54
1-86
wi2
Kalk
. 0-40
0-40
0-84
0-68
S
Magnesia . . .
0-23
0-25
0-54
1-86
Kieselsäure . . .
66-37
72-84
71-44
63-07
V
Thonerde . . . .
12-36
11-51
8-56
14-03
1-6
Eisenoxyd . . . .
2-90
4-07
3-30
6-87
|i'
Kalk
2-58
215
1-80
3-15
Magnesia . . .
106
1-33
1-36
1-58
1— 1
Kali
2-83
1-28
1-86
1-87
Natron ....
4-22
2-65
3-74
3-86
Wasser
4-06
2-25
4-61
1-14
Kieselsäure, löslich in ver-
dÜE
inter Kalilauge . .
5-2
28-4
3-4
Zur Erzeugung von Wassermörtel nimmt man auf 5 Thle. Santorinerde
2 Thle. mit Meerwasser gelöschten Kalk.
Während nach den Versuchen von Berthier und von Fuchs die hydraulischen
Eigenschaften der Puzzolane und des Trass vorwiegend auf den darin enthaltenen
aufschliessbaren Silicaten beruht, deren Kieselsäure und Thonerde mit dem zu-
gesetzten Kalkhydrat unter Aufnahme von Wasser zu Verbindungen zusammen-
treten, verdankt die Santorinerde jene Eigenschaft nur der darin enthaltenen
freien, amorphen Kieselsäure, die sich mit dem zugesetzten Kalk vereinigt
Auch gewisse Kunstprodukte, welche aufgeschlossene oder leicht aufschliess-
bare Kieselsäure enthalten, liefern mit Fettkalk vermischt gute, hydraulische
Mörtel. So nimmt man in Spanien (5) ein Gemenge von 1 Th. Ziegelmehl,
1 Th. Kalk und 2 Thln. Sand. Auch Rohkupferschlacken, besonders aber
Hochofenschlacken hat man in neuerer Zeit durch Vermischen mit Kalk als
Wassermörtel benützt, doch entsteht dabei ein Mörtel von weit geringerer Binde-
kraft. Huck (6) hat vorgeschlagen, aus Hochofenschlacken die lösliche Kiesd-
Cement 491
säure durch Salzsäure auszuscheiden, auszuwaschen und zu trocknen, um sie dann
mit Kalk zu Wassermörtel zu vermischen.
Hydraulischer Kalk, Roman-Cement und Portland-Cement. Nach
dem Vorgange von Vicat, Michaelis, Zwick u. A. unterscheiden wir die Cemente
in hydraulischen Kalk, Roman-Cement und Portland-Cement und verstehen unter
den beiden ersteren hydraulische Kalke, die aus natürlichen Kalk-Thon-Gemischen
durch einen nicht bis zur Sinterung getriebenen Brennprocess erhalten
werden und noch freien Kalk enthalten. Dabei kann man noch unterscheiden
in hydraulischen Kalk im engeren Sinne, das ist ein gebrannter Thon-Kalkstein,
der durch blosses Anfeuchten mit Wasser in 'Pulver zerfallt, und in Roman-
Cement, das ist ein gebranntes Material, welches mit Wasser nicht zerfallt, also
mechanisch pulverisirt werden muss. Mit Portland-Cement endlich bezeichnet
man alle hydraulischen Kalke, die aus natürlichen oder künstlichen Gemischen
von Kalk und Thon durch einen bis zur Sinterung getriebenen Brenn-
process erhalten werdön.
Die Rohmaterialien für die Bereitung sämmtlicher Cemente bestehen so-
nach aus natürlichen oder künstlichen Gemischen von Kalkstein und Thon,
und da diese je nach ihren Fundorten von sehr wechselnder Zusammensetzung
und physikalischer Beschafifenheit sind, so müssen sie durch eine einfache chemische
Analyse bezw. auch durch eine Schlämmanalyse, damit eine richtige Gattirung
derselben zu normalen Gemischen stattfinden kann, auf ihre Hauptbestandtheile
geprüft werden.
Den Kalkstein prüfl man auf seinen Gehalt an kohlensaurem Kalk in der
Weise, dass man etwa 2 Grm. desselben zuerst bei 120° trocknet, wobei der
Wassergehalt festgestellt werden kann, dann mit einem Ueberschuss von Normal-
salpetersäure versetzt, erwärmt und den Ueberschuss der Säure mittelst Normal-
alkali zurücktitrirt. Aus der verbrauchten Normalsäure berechnet sich, da 1 Cbcm.
derselben 0*050 Grm. kohlensaurem Kalk entspricht, leicht der Gehalt an letzterem.
In manchen Fabriken ermittelt man den kohlensauren Kalk-Gehalt auch durch
Bestimmung der Kohlensäure vermittelst des ScHEiBLER'schen Apparates.
Thon und thonhaltige Zuschläge. Darin werden bestimmt: kohlensaurer
Kalk und kohlensaure Magnesia, Eisenoxyd, Thon (Thonerde, Kieselsäure und
Eisenoxyd), Sand, sowie der Glühverlust (Wasser, Kohlensäure, organische Stoffe).
Man erwärmt das feingepulverte Material mit Salzsäure vom spec. Gew. 11 04,
dampft zur Trockne, nimmt mit verdünnter Salzsäure wieder auf, filtrirt ab und
bestimmt im Filtrat auf dem Wege der gewöhnlichen Gewichtsanalyse Thonerde,
Eisenoxyd, event. Manganoxyd, Kalk, Magnesia und Alkalien. Den Rückstand
kocht man mit kohlensauren Alkalien, worin sich die lösliche Kieselsäure auflöst,
aus, filtrirt ab und bestimmt darin in gewöhnlicher Weise die Kieselsäure; der
in kohlensauren Alkalien unlösliche Theil besteht aus dem unzersetzten Thon-
rest (Kieselsäure, Thonerde, Eisenoxyd), der für Fabrikzwecke nicht auf seine
einzelnen Bestandthcile untersucht wird.
Bei thonreichen Kalksteinen (Mergel) kann man entweder das eben
beschriebene Verfahren einschlagen, oder aber man begnügt sich mit einer Be-
stimmung des kohlensauren Kalkes durch Titration oder mittelst des Scheibler-
schen Apparates und einer Feststellung des »Thonrestesc 1 Grm. des feinst-
gemahlenen Kalksteins wird mit verdünnter Salzsäure unter Zusatz von etwas
Salpetersäure aufgekocht, mit Ammoniak bis zur alkalischen Reaction versetzt,
nochmals zum Sieden erhitzt, abfiltrirt und ausgewaschen, und der auf dem Filter
492 Handwörterbuch der Chemie.
befindliche Thonrest, bestehend aus unzersetztem Thon und gefälltem Eisenoxxt
und Manganoxyd, nach dessen Glühen gewogen.
Selbst bei Durchführung genauer chemischer Analysen ist es nothwendig,
die gattirten Gemische noch durch Probebrennen im Kleinen auf ihre Brauch-
barkeit zur Cementbereitung zu prüfen, indem nicht blos die chemische, sondern
auch die physikalische Beschaffenheit der Rohstoffe von Einfluss ist Man mischt
die getrockneten, feinpulverigen Materialien innigst, formt sie unter Zusatz von
Wasser zu Ziegeln und brennt diese in einem Probirofen.
U. Hydraulischer Kalk .und Romancement. Dieselben werden im
Allgemeinen durch Brennen thonhaltiger Kalksteine nicht bis zur Sinterung her-
gestellt. Smeaton gebührt das Verdienst, constadrt zu haben (1793), dass die
Kalke, welche hydraulischen Mörtel liefern, insgesammt beim Behandeln mit Säuren
einen thonigen Rückstand hinterlassen. Bald darauf (1796) erhielt der Engländer
Parker ein Patent auf Bereitung eines neuen Wassermörtels durch Brennen
nierenfbrmiger, Thon und Kreide enthaltender Masseti, welche sich in einer
über der Kreide lagernden Thonschicht, dem sogen. Londonthon, an den Ufern
der Themse in der Gegend von London finden. Das daraus dargestellte Produkt
wurde Roman-Cement, englischer oder römischer Cement genannt Dieselben
Thonnieren finden sich auch auf den Inseln Wight und Sheppey, an den Küsten
von Kent, Sommerset und Yorkshire, sowie an der gegenüberliegenden Küste
Frankreichs, bei Boulogne sur mer, woselbst zu Anfang dieses Jahrhunderts (1802)
aus dem Material ebenfalls Roman -Cement gebrannt wurde. Die Zusammen-
setzung des Materials ergiebt sich aus den folgenden Anal3rsen englischer Steine
von Davy (i), Loftüs (2), Mulgrave (3), und eines Boulogner Kalks von Drappier (4)
1. 2. 3. 4.
Kalk 550 55-5 550 550
Thonerde 9-0 5-0 7 5 75
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Kieselsäure 22-0 255 210 239.
Nach einer Analyse Schafhäutl's (7), woraus sich auch die mit Salzsäure
aufschliessbaren Theile ergeben, enthält der ebenfalls hierher gehörende Sheppey-
Stein:
In Säuren löslich In Säuren unlöslich
Kieselsäure — 16*51
Thonerde 0-41 4*20
Eisenoxyd — 1*03
Kohlensaures Eisenoxydul . 5*50 —
Manganoxyd — 0'61
Kohlensaures Manganoxydul 1*55 —
Kohlensaurer Kalk ... 67-12 —
Kohlensaure Magnesia . . 1*33 —
Magnesia — 0*41
Kali, mit Spuren Natron . — 0*88
75^ 23^
Auch an andern Orten, so in Deutschland bei Altdorf in der Gegend von
Nürnberg, bei Culmbach, auf der Insel Rügen finden sich ganz ähnliche Steine.
Nachdem durch eine Reihe von Untersuchungen, wozu in erster Linie die-
jenigen von Fuchs (1830) zu zählen sind, das Wesen in der Zusammensetzung
der hydraulischen Kalke erkannt worden war, fand man fast allerwärts geeignete
1
Cement.
493
Materialien, und die Fabrikation des Cements nahm einen raschen Aufschwung.
Die meisten thonhaltigen Kalksteine, in welchen kohlensaurer Kalk und Thon-
rest in richtigem Verhältniss enthalten sind, lassen sich durch einen richtig ge-
leiteten Brennprocess zu hydraulischem Kalk brennen. Der Erfahrung gemäss
liefern thonhaltige Kalke mit 22—25^ Thonrest den vorzüglichsten hydraulischen
Mörtel. Sie lassen sich auch am leichtesten brennen. Solche mit weniger als
20^ Thon brennt man langsam und nicht zu stark, während bei 30^ und mehr
Thongehalt rasch und stark gebrannt werden muss. Es richtet sich sonach das
Brennen in erster Linie nach dem Thongehalt des Kalkes, wobei vor Allem
auch noch der dem Thone immer beigemischte Quarzsand von grossem Einfluss
ist Grober Sand setzt sich b^eim Brennen viel langsamer und unvollständiger
mit dem Kalk um als feiner Staubsand oder als die feinvertheilten Thonerde-
silicate, ja es verhindern grobe Quarzkömer die Einwirkung auf die Silicate, so
dass man aus Material mit grobem Sand gar nicht oder nur schwer einen gleich-
massigen Cement erhalten kann. Je feiner der beigemengte Thon und dessen
Sand, desto besser eignet sich der Kalkstein für Cementbereitung. Hierüber
giebt eine Schlämmanalyse Aufschluss. Endlich ist auch noch die sonstige physi-
kalische Beschaffenheit des Materials von Kinfluss; je dichter und fester der Kalk,
desto dichter ist auch das Produkt und umso fester wird der hydraulische Kalk
nach dem Erhärten.
Entsprechend der Häufigkeit seines Vorkommens wird deshalb der Mergel
auch am häufigsten zur Bereitung von hydraulischem Kalk benutzt und derselbe
liefert einen um so besseren hydraulischen Mörtel, je mehr er sich bezüglich
seines Kalk- und Thon-Gehalts der oben angegebenen Normalzusammensetzung
nähert.
Durch Gattiren thpnarmer und thonreicher Materialien lassen sich oftmals
gute Cementmischungen erzielen. Die folgende Zusammenstellung nach Michaelis
enthält eine Anzahl von Analysen hydraulischer Kalke vor und nach dem Brennen
von verschiedener Qualität.
I. Magere hydraulische Kalke,
a) Ungebrannt, auf wasserfreien Zustand berechnet.
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5-8
ä1
1.
Kohlens. Kalk . . . 890
„ Magnesia . . 2*0
„ Eisenoxydul . —
„ Manganoxydul —
Eisenoxyd .
Thonerde .
Kieselsäure
90
2.
880
1-89
0-90
3-26
3-82
3. 4. 5. 6.
87-71 86-87 86-19 82-5
— 3-90
0-42 —
4-23
9-37 —
500
— 4-1
0-85 —
0-66 —
708 13-4
4-64 —
7.
82-82
3-76
1-66
11-76
Kalk . . .
Magnesia
Thonerde .
Eisenoxyd .
Manganoxyd
Kieselsäure
Sand und 'Thon
b) In gebranntem Zustande.
83-36 84-16 83-56 81-44 79-09 7506 7530
1-59 — — 3-11 — 3-17 2-91
5.56
3-74
1505 ~
6-52
— 11-60 21-77 —
7-08 0-96 - — 2-69
16-42 — 0-74 — —
8-36 7-60 — 19-09
494
Handwörterbuch der Chemie.
1. Giyphitenkalk von Digna, Jura (Berthier). 2. Omberg*s Kalk (Pasch).
3. Kalksteinknollen von Motala (Pasch). 4. Kalkstein von Holkin Mountain bei
Holywell in Flintshire (Muspratt). 5. Falhagens's Kalk (Pasch). 6. Kalkstein
von Nismes (Berthier). 7. Kalkstein von Holkin Mountain (Muspratt). 8. Kalk
von Grenoble (Vicat).
n. Mittelmässige hydraulische Kalke,
a) Ungebrannt, auf wasserfreien Zustand berechnet
I
'S
•-3
1.
Kohlens. Kalk . . . 80*00
„ Magnesia . . 1*50
„ Eisenoxydul . —
„ Manganoxydul —
Eisenoxyd .
Thonerde .
Kieselsäure
10
170
2.
76-5
3-0
30
1-5
3-6
11-6
3.
72-9
9-3
5-3
2-7
7-4
4.
76-82
2-81
3-21
1-86
3-75
1103
5.
631
12-3
2-4
2-2
5-3
11-2
b) In gebranntem Zustande.
1.
70-54
112
1-57
2.
68-19
2-66
5-73
3-29
1-64
18-47
3.
65-73
7-25
4-25
8-52
4.
68-56
209
5-84
6-32
5.
5601
9-28
8-88
6-18
6.
74-83
7.
72-00
1-67
6-34
1-67
5-67
6.
84-48
1-03
3-91
10-57
8.
7113
1-87
3-16
4-00
Kalk . . .
Magnesia
Thonerde
Eisenoxyd
Manganoxyd
Kieselsäure . . 2677 1847 11-95 17-18 17*75 17-1.4 20-67 16-83
Sand und Thon — — — — — — — 30O
1. Mergel von Senouches, bei Dreux (Collet-Descotils). 2. Secundärer
Kalk von Metz (Berthier). 3. Kalk von Horb, Württemberg (Knauss). 4. Cement-
stein von Hausbergen bei Minden (Muspratt). 5. Kalk von Horb (Knauss).
6. Kalk von Fdcamp (Rivot). 7. Kalk von Plassac, Gironde (Vicat). 8. Kalk
von Paviers, Indre-et-Loire (Vicat).
Cement
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1
49^ Handwörterbuch der Chemie. |
1. und 2. Cementstein von Hausbergen bei Minden (Muspratt). 3. Kalk- |
nieren des London-clay, »Sheppeystone« : (Mittel aus 6 Analysen). 4. Kalkstein
vom Krienberge bei Rüdersdorf. 5., 6., 7., 8. Bayrischer Mergel (Feichtinger).
9. Mergel von Perlmoos bei Kufstein in Tyrol (Feichtinger). 10. Kalkstein aus
der Grafschaft York, Whitby-Cement (Knauss). 11. Kalksteinknollen von Motala,
geschätztere Sorte (Pasch). 12. Kalkstein von Aigenteuil (Vicat). 13. Kalkstein
von Pouilly, C6te-d'Or (Vicat). 14. Kalk von Vassy (Vicat). 15. Kalkstein aus
der Grafschaft Essex, Harwich-Cement (ICnauss). 16. Kalkstein aus der Graf-
schaft Kent, Sheppey-Cement (Knauss). 17. Kalk von Theil, Carridre Alignole,
Mittel aus 6 Analysen (Rivot). 18. Kalk von Theil, Carridre Gaillant, Mittel aus
3 Analysen (Rivot).
Die ftlr hydraulischen Kalk und Roman-Cement geeigneten Mergel treten in
, zahlreichen Fundstätten auf und werden dementsprechend jetzt auch fast in allen
Ländern ausgebeutet und auf Cemente verarbeitet. Nächst dem englischen und
französischen erfreuen sich insbesondere die Kufsteiner Cemente schon seit
lange grosser Beliebtheit Sie werden aus dem Mergel eines in der Umgegend
von Kufstein sich findenden Lagers schon seit den 30 er Jahren gewonnen und
sind von Feichtinger (8) eingehend untersucht worden. Auch die Bayrischen
oder Ulmer-Cemente, von Feichtinger, Pettenkofer u. a. untersucht und j
aus einem in den bayrischen Voralpen vorkommenden Mergelkalk gewonnen,
sind berühmt.
Nach ZwicK (9) werden in Deutschland vielfach auch bituminöse Schiefer
für Cementfabrikation verwendet. Dorn (10) empfiehlt bitumenreiche Lias-
schiefer, wobei das beigemischte Bitumen zugleich als Heizmaterial dient
Auch thonreiche Muschelkalke in den Vogesen, in der Lüneburger Heide, in
Hessen etc. hat man schon auf hydraulischen Kalk verarbeitet.
Das Brennen des hydraulischen Kalks wird im Allgemeinen in gleicher
Weise ausgeftihrt wie beim Portland-Cement, worüber weiter unten die nöthigen An-
gaben gemacht sind. Durch das Erhitzen wird zunächst der Kalk gebrannt und wiikt
dann im kaustischen Zustand auf die Silicate derart aufschliessend ein, dass nach
dem Brennen fast nur noch in Säuren lösliche Kieselsäure vorhanden ist Ausser-
dem enthalten die hydraulischen Kalke durchweg einen Ueberschuss von nicht
gebundener Kalkerde, welche beim Benetzen das Zerfallen der einzelnen Stücke
veranlasst.
IIL Der Portland-Cement wird nach der oben gegebenen Definition er-
halten durch Brennen natürlicher oder künstlicher Gemische von Kalk und Thon
bis zur Sinterung und hat seinen Namen von dem zuerst von Aspdin (1824) in
Leeds dargestellten hydraulischen Cement, welcher durch Brennen eines innigen
Gemisches von gelöschtem Kalk und Thon erhalten und nach seiner äusseren |
Aehnlichkeit mit dem in England zu Bauzwecken vielfach verwendeten Portlands- |
Thon Portland-Cement genannt wurde. Schon vorher hatte man in Frankrdch
erfolgreiche Versuche der Herstellung von Cement durch Brennen künstlicher
Mischungen gemacht, wobei vor Allem die eingehenden Untersuchimgen und
erfolgreichen Bestrebungen Vicat's zu erwähnen sind. Der letzte Schritt geschah
durch Paswey (1828), welcher fand, dass durch Brennen eines Gemisches blauen
Thons des Medway-Flusses mit trocknem Kreidepulver ein ausgezeichneter Cement
erhalten wird. Erst spät fasste die Fabrikation des Portland-Cements auch in >
Deutschland Fuss, indem Gierow 1850, Bleibtreu 1852 in Stettin Portland-
Cement darstellten.
Cement. 497
Die Rohmaterialien für Portland-Cement bestehen aus Kalk und Thon,
welch' letzterer insbesondere die Kieselsäure zu liefern hat. Nur versuchsweise
hat man auch Feuerstein und Infusorienerde als Kieselsäure-Material angewendet.
Als Kalk eignet sich jeder natürliche oder künstlich erhaltene kohlensaure
Kalk, der von genügender Reinheit ist. In der Praxis verwendet man jedoch
vorwiegend die leichten, porösen Materialien und nicht den dichten Kalkstein,
weil dieser durch die nothwendige Zerkleinerung zu viele Schwierigkeiten und
Kosten verursacht. Insbesondere kommen sonach Kreide, leichter Mergel
und Süsswasserkalke in Betracht. In gewissen Mergelarten ist der Thon
qualitativ und quantitativ derart vertreten, dass daraus durch Brennen bis zur
Sinterung ohne weiteren Zusatz direkt Portland-Cement gewonnen werden kann.
Hierzu gehört vor Allem der von Feichtinger (12) analysirte Mergel bei Perl-
moos in Tyrol, der hier in einem fast unerschöpflichen Lager vorhanden sein soll.
Der Thon für Portland-Cement hat ebenfalls ganz bestimmten Anforderungen
zu entsprechen; er muss möglichst homogen sein und aus möglichst fein ver-
theilten, plastischen Massentheilchen bestehen. Insbesondere darf man mit
blossem Auge keine fremden, gröberen Bestandtheile erkennen, eventuelle krystalli-
nische Einschlüsse, wie Sand und Silicate, seien möglichst feinkörnig und gleich-
massig durch die ganze Masse vertheilt. Zwischen den Zähnen darf er nicht
knirschen und mit Wasser zu einem Brei angemacht, muss er sich geschmeidig,
nicht aber rauh und griffig anfühlen. Dass man die Menge des beigemischten
Sandes durch Schlämmanalyse feststellt, ist schon weiter oben bemerkt worden;
je weniger Sand, und je feiner vertheilt der letztere, desto besser der Thon.
Ganz feiner Staubsand soll in seiner Wirkung dem reinen Thon ziemlich gleich
kommen. Bezüglich der chemischen Zusammensetzung weiss man, dass der
Thon um so werthvoller ist für Cement-Fabrikation, je mehr Kieselsäure in seiner
kieselsauren Thonerde derselbe enthält. Die folgende Zusammenstellung enthält
die Analysen einer Anzahl für Bereitung von Cement erprobter Thonsorten nach
Michaelis.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Kieselsäure 6006
59-25
6000
62-48
68-45
64-72
Thonerde 17-79
2312
22-22
20-00
11-64
24-27
Eisenoxyd 708
8-53
8-99
7-33
14-80
7-64
Kalk 9-92
—
418
6-30
0-75
1-89
Magnesia # 1-89
2-80
1-60
1-16
—
—
Kali 2-50
1-87
1-49
1-74
1-30
—
Natron 073
1-60
0-72
0-37
210
—
Gyps 0*60
2-73
• 0-89
0-60
—
—
1. Thon aus der Provinz Sachsen (Michaelis), 2. aus Vorpommern (Michaelis),
3. vom Oberharz (Michaelis), 4. aus der Mark Brandenburg (Michaelis), 5. Medway-
Thon (Feichtinger), 6. Medway-Thon (Faraday).
Bezüglich des in den Thonen neben Thonerde und Kieselsäure immer vor-
handenen Eisenoxyds ist zu bemerken, dass ein geringer Gehalt vortheilhaft, ein
grösserer Gehalt dagegen nachtheilig wirkt
Die Mischung der Materialien hat zum Zweck, aus bestimmten Mengen
von Kalk und Thon, bezw. von Mergel und Kalk oder Thon Compositionen
herzustellen, die nach dem Brennen die Zusammensetzung notorisch guter Cemente
haben. Vorzügliche Cemente lassen sich in ihrer Zusammensetzung meist auf
j^ADBtnvRG, Chemie. 11. 32
49^ Handwörterbuch der Chemie.
die Fonnel 10(Al,Oj, SiO,), 20CaO zurückführen, entsprechend z. B. den
Hauptbestandtheilen in Procenten:
Kalk 5806
Kieselsäure 25*72
Thonerde 7*09
Eisenoxyd 3-23-
Nach diesen Mengenverhältnissen hat man sich bei Mischung der Materialien
in erster Linie zu richten, wobei noch zu bemerken ist, dass bezüglich der rela-
tiven Mengen zwischen Kalk und Thon dieselben Nonnen gelten wie beim
hydraulischen Kalk und Roman-Cement Dabei werden auf der einen Seite Kalk
und Alkalien, auf der andern Kieselsäure, Thonerde, £isenoxyd, Manganoxyd,
auch Schwefelsäure verrechnet. Die Magnesia, welche man früher als Kalk er-
setzend in die Rechnung mit einführte, muss dabei gänzlich unberücksichtigt bleiben.
Aufbereitung der Rohmaterialien. Diese ist für das Gelingen des
nachfolgenden Brennprocesses von grösster Wichtigkeit, denn nur wenn die beiden
Materialien Kalk und Thon in feinstes Pulver verwandelt und aufs innigste mit-
einander vermischt sind, findet beim Brennen des Gemisches diejenige innige
Berührung der einzelnen Theilchen statt, welche die Bildung der hydraulischen
Verbindung bedingt Man kann dabei die Rohstoffe in trocknem Zustande zer-
kleinem und mischen (trockner Process), oder aber im Wasser zertheilen bezw.
schlämmen und nass mischen (nasser Process), oder aber den durch Schlämmen
mit Wasser erhaltenen Kalkbrei mit trocknem Thonpulver vermengen (halbnasser
Process). Thone, auch weichere Kalke und Mergel werden vor ihrer Zerkleinerung
meist getrocknet, wozu man sich der trocknen Zugluft und der Sonnenwänne,
gewöhnlich jedoch der künstlichen Erwärmung bedient. Das Material wird dabei
auf grossen Darrböden oder Tennen, unter deren aus Eisenplatten, Backsteinen etc.
gebildetem Boden Feuerluft circulirt, ausgebreitet, öfters umgewendet und so
lange getrocknet, bis beim Durchbrechen der einzelnen Stücke auch im Inneren
keine Feuchtigkeit mehr wahrzunehmen ist. Hartes Material, so insbesondere
harte Kalksteine, trocknet man, falls es überhaupt nothwendig ist, in besonderen
Trockenkammern oder Trockenöfen. Je vollständiger die Stoffe getrocknet sind,
desto leichter und vollständiger gelingt ihre Zerkleinerung. Als Zerkleinerungs-
apparate bedient man sich je nach Beschaffenheit der Materialien der Stein-
brecher zum Vorbrechen grosser und fester Stücke, insbesondere des Kalksteins,
femer der Walzwerke, der Kollermühlen, der gewöhnlichen ^ihlen mit horizon-
talen Steinen, der Desintegratoren. Nach den Zerkleinerungsapparaten passiren
die gemahlenen Massen Siebvorrichtungen, meist aus mit Drahtgewebe überzogenen
Trommeln bestehend, in denen die gröberen Theile zurückgehalten werden.
Man nimmt dabei für feste Materialien die Maschenweite geringer (500 Maschen
pro Quadratcentimeter) als für weichere (360 Maschen pro Quadratcentimeter),
weil, je fester das Material, um so kleiner das Korn sein muss. Das Mischen
der Materialien geschieht erst nach deren Zerkleinerung und zwar am einfachsten
durch Einwerfen der abgewogenen Mengen beider Theile in eine Mischtrommel,
bestehend in einem rotirenden Holz- oder Blech-Cylinder, dessen Innenwandungen
mit Hubblechen etc. versehen sind. Es folgt das Einsumpfen der Mischung
mit Wasser, event. das Homogenisiren durch ein- oder mehrmalige Bearbeitung
in einer Thonschneidemaschine und das Formen der Ziegel, was entweder durch
Handarbeit oder mittelst sogen. Ziegelpressen geschehen kann. Die Steine
werden schliesslich in Trockenschuppen an der Luft oder in besonderen künst-
Cement. 499
lieh erwärmten Darr-Räümen getrocknet. Als Trockenluft lässt sich die aus
den Kesselfeuerungen und Brennöfen entweichende Abhitze mit Vortheil ausnützen.
Einrichtungen dieser Art sind von Schott, von Nagel und Kamp (13), von Lippo-
wiTZ (14), Bock und Gebr. White (15), Dietzsch (16) beschrieben.
Weit häufiger als der vorstehend beschriebene trockne Process kommt die
sogen, nasse Aufbereitung der Materialien zur Anwendung. Kalk und Thon
werden dabei nach ihrer Zerkleinerung in bestimmtem Mengenverhältniss einem
Schlämmprocess unterworfen, wobei es darauf ankommt, die mit Wasser ange-
machten Pulver in einen feinen Schlamm zu verwandeln. Es gelingt dies leicht
mit Thon und weichen Mergelarten in der Weise, dass man das Material in einem
Rührtrog mit Wasser umarbeitet und durch einen gleichmässig durch den Trog
sich bewegenden Wasserstrom die suspendirten Theile fortführt, um sie dann in
grossen Schlämmbassins wieder absetzen zu lassen. Zwischen Rührtrog und
Absatzbehälter sind meist noch Vorrichtungen zum Zurückhalten gröberer Theile
und des Sandes angebracht. Feste und dichte Kalksteine und Mergel müssen,
um geschlämmt werden zu können, vorher auf nassen Mühlen gemahlen werden ;
reinen Kalk kann man auch behufs nachheriger inniger Mischung vorher brennen
und dann durch Ablöschen in einen feinen Schlamm verwandeln. Beim Aufgebep
von Kalk und Thon in den Schlämmapparat muss berücksichtigt werden, dass .
während der Schlämmarbeit je nach Beschaffenheit der Materialien mehr von dem
einen oder von dem andern ausgeschieden wird, und muss deshalb, um in den
Schlämmbassins zu den richtigen Proportionen zu gelangen, ein durch Erfahrung
festgestellter Ueberschuss eines der beiden Materialien in den Schlämmapparat
gegeben werden. Endlich ist zu berücksichtigen, dass entsprechend den ver-
schiedenen specifischen Gewichten und Komgrössen in den Schlämmbassins un-
gleichmässige Ablagerungen entstehen, die durch das sogen. Nachmischen in
steifteigiger Form, sei es in den Schlämmbassins selbst durch Rührwerke oder
Handarbeit, in besonderen Sümpfen oder in eigenen Kalk- bezw. Thonschneide-
maschinen zu einer völlig homogenen Masse vermischt werden müssen. Das
Formen und Trocknen der Steine geschieht in gleicher Weise wie beim trocknen
Process.
Beim halbnassen Process mischt man zu dem durch Schlämmen zer-
kleinerten und gereinigten Kalkschlamm trocknes Thonpulver in genau abge-
wogener Menge. Für Bestimmung der richtigen Thonmenge muss selbstverständ-
lich immer eine Feststellung des Wassergehalts des Kalkschlamms erfolgen. Die
Mischung beider Stoffe geschieht durch Durcharbeiten, Rühren, zuletzt mit der
Mischmaschine.
Das Brennen des Cementes wird meist in Schachtöfen oder in Ringöfen
ausgeführt. Die Schachtöfen unterscheiden sich von den gewöhnlichen Kalk-
brennöfen für periodischen Betrieb im Wesentlichen nur durch eine sehr solide
Ausfühnmg mit feuerfesten Steinen, sowie durch Zugschomsteine, welche auf die
Gicht des Ofens aufgesetzt sind. Die Beschickung des Ofens geschieht schichten-
iTireise mit Coaks und zu brennenden Steinen, wobei die relative Dicke der Coaks-
schicht nach der zu erzeugenden Hitze, die für die verschiedenen Materialien
sehr verschieden ist, zu wählen ist. Die Entzündung geschieht von dem unten
befindlichen Rost aus und wird der Ofen nach dem Anstecken so lange sich
selbst überlassen, bis er völlig ausgebrannt ist. Bei 5 Tonnen fassenden Oefen
rechnet man nach Zwick 24 Stunden, bei 100—150 Tonnen 30—40 Stunden
Brennzeit. Die gebrannten Steine werden entweder noch heiss oder nach ihrem
32*
500 Handwörterbuch der Chemie.
Erkalten herausgeschafft, wobei zur Trennung verschmolzener Massen meist
Brecheisen zur Anwendung kommen müssen. Bertina (17), Tomei (18) u. A.
haben continuirlich arbeitende Cement-Schachtöfen construirt Mit Tomei's Ofen
soll eine Erspamiss von 30 J Brennstoff erzielt werden.
Mehr und mehr werden in den letzten Jahren die Schachtöfen auch in den
Cementfabriken durch die HoFMANN'schen Ringöfen, besonders in der von
LiPOwiTZ zuerst vorgeschlagenen oblongen Form ersetzt. Die Oefen bestehen
aus einer grösseren Anzahl mit einander communicirender Kammern, die zu-
sammen einen ringförmigen Canal bilden. Jede einzelne Kammer kann durch
besondere Ventile oder Thüren mit der äusseren Luft, mit der benachbarten
Kammer oder mit dem in der Mitte stehenden Zugschomstein in Verbindung
gebracht werden. Ist der Ringcanal in 12 Kammern getheilt, so strömt die
frische Luft beispielsweise in Kammer 1 ein, geht in Kammer 2, 3 u. s. f., um
schliesslich aus Kammer 10 in den Schornstein zu entweichen (2 Kammern sind
immer in Füllung bezw. Entleerung begriffen). Das Brennmaterial wird an der,
der Lufteinströmung entgegengesetzten Stelle des ganzen Ringcanals, also etws
bei Kammer 5, 6 und 7 eingeworfen und in diesen Kammern findet sonach der
Hauptbrand statt. Nur die abziehende Feuerluft geht noch durch Kammer 8, 9, 10,
um die hier befindlichen Steine vorzuwärmen. Ist der Inhalt von Kammer 5 ge-
nügend gebrannt, so schreitet man mit Einleitung der Luft, Einwurf des Brenn-
materials und Ableitung der Feuerluft um je eine Kammer vor, es sind also dann
Kammer 2 — 11 in Function, 12 und 1 in Entleerung und Füllung begriffen, in
den Kammern 6, 7, 8 wird geheizt, und in gleicher Weise geht es von Kammer
zu Kammer weiter. Durch die einströmende kalte Luft wird der Inhalt der
Kammern, durch welche sie strömt um zu den in Brand befindlichen Kammeni
zu kommen, soweit abgekühlt, dass beim jeweiligen Ausschalten einer Kammer
sofortige Entleerung und dann Wiederfullung derselben eintreten kann. Die
Luft selbst wird dabei vorgewärmt (s. auch das Kapitel Thonwaaren). Die
kleinsten Ringöfen liefern täglich 2500, die grössten 50000 und mehr Steine.
Abgesehen von continuirlichem Betrieb hat der Ringofen gegenüber dem Schacht-
ofen die Ersparung von 40— 70J Brennmaterial voraus. Auch Ringöfen mit
Generatorgasfeuerung sind neuerdings in Anwendung.
Die Brenntemperatur muss für jedes Material besonders ausprobirt werden,
sie hält sich im Allgemeinen auf Weissgluth (2000°), schwankt jedoch bei ver-
schiedenen Materialien sehr erheblich. Hauptsache ist, dass alle Cementsteine
gleichmässig erhitzt werden. Die an der Cementmasse sich zeigenden Farben-
änderungen werden zur Beurtheilung des Brennprocesses benutzt Durch dunkle
Rothgluth geht der kohlensaure Kalk in Aetzkalk über, wird der Thon aufge-
schlossen und nimmt die Masse eine gelblichbraune Farbe an. Die Erhärtungs-
fahigkeit ist noch gering. Mit beginnender Weissgluth färben sich die Steine
dunkler, und der vorher gebildete Aetzkalk wirkt theilweise auf das Thonerde-
Silicat ein, während bei heller Weissgluth der Cement eine grünlichgraue Färbung
annimmt und die Erhärtungsfähigkeit am grössten ist. Bei noch weiterer Steigerung
der Hitze nimmt der Cement an Qualität rasch ab.
Die gebrannten Cementsteine stellen eine gesinterte, mehr oder weniger
poröse Masse dar, die an einzelnen Stellen glasartig geschmolzen erscheint
Die Farbe sei graugrün.
Schliesslich werden die Massen zerkleinert und pulverisirt, wobei e%
\
Cement. 501
wie neuere Untersuchungen von R. Dyckerhoff, H. Delbrück u. A. dargethan
haben, zur Erzeugung eines stark bindenden Cementes lediglich darauf ankommt,
möglichste Feinkömigkeit zu erzielen. Für die erste Zerkleinerung der groben
Stücke dienen meist Steinbrecher, manchmal auch Brechwalzen und Desintegra-
toren, während die Zerkleinerung auf feinstes Mehl in den, den gewöhnlichen
Mahlmühlen entsprechenden Cementmtihlen, neuerdings auch in Schleudermühlen
und in Walzwerken (19) zur Ausführung kommt Behufs Ausschluss der gröberen
Theile passirt dann das Cementmehl noch Sieb- und Beutelvorrichtungen.
Diese bestehen aus Cylindersieben, die mit feinst durchlochtem (1 Millim.) Blech,
mit Metalldrahtnetz oder Gaze bespannt sind. Zum Versand kommt der Cement
in Säcke oder in Fässer und muss überhaupt vor seinem Gebrauch vor Kohlen-
säure und Feuchtigkeit der Atmosphäre möglichst geschützt werden. Durch die
Zusätze, welche dem Cement manchmal vor dem Brennen, manchmal erst nach
und während des Pulverisirens gegeben werden, verfolgt man sehr verschiedene
Zwecke. So mischt man der Cementmischung manchmal leicht schmelzbare
Stoffe wie Diabas (20), Diorit, Eisenerz u. a., auch Flussspath bei, von
welchen nach Erdmenger (21) insbesondere der letztere das Sintern der Steine
wesentlich befördern soll, ohne zu glasigem Zusammenschmelzen Veranlassung
zu geben. Als Zuschlag, der nach dem Brennen, also erst dem pulverisirten
Cement gegeben wird, spielt in neuerer Zeit insbesondere die Hochofenschlacke
eine hervorragende Rolle. Durch eingehende Untersuchungen R. Dvckerhoff's (22)
und neuerdings auch Böhmens (Generalversammlung deutscher Cement-Fabrikanten
1884) ist dargethan, dass Hochofenschlacke sowohl als auch andere Zusätze (Pulver'
von Kalkstein und von Kalk, Feinsand) die Festigkeit des normalen Cement-
Mörtels im Allgemeinen vermindern; nur nach langer Bindezeit erhöhen Zusätze
von Puzzolanerde, Trass, Schlacke, wie auch Michaeus (23) constatirt
hat, die Festigkeit gewisser Mörtel. Der Verein deutscher Cement-Fabrikanten
lässt deshalb Zuschläge höchstens in einer Menge von 2^ zu. Ueber die Wirkung
des Sandes und des Kalkes als Zuschläge beim Anmachen des Cementes liegen
ebenfalls Versuche von Dyckerhoff (24) Vor, nach welchen der Kalk bei mageren
hydraulischen Kalken sehr günstig wirkt, fette Cemente dagegen verschlechtert.
Positiv schädlich wirken die Sulfate, Sulfite, Hyposulfite, Sulfide des Calciums, .
ebenso Schwefeleisen (25). Als färbende Zusätze werden nach Dvckerhoff
(26) genommen für Schwarz: Braunstein, für Roth: Caput tnortuum, Grün: Ultra-
maringrün, Blau: Ultramarinblau, Gelb und Braun: Ocker.
Seiner Zusammensetzung nach besteht auch der Portland-Cement aus
aulgeschlossener Kieselsäure und Thonerde, welche mit der durch das Brennen
gebildeten Kalkerde theil weise in Verbindung getreten sind, le Chatelier (27)
hat durch Untersuchung von Cement-Dtinnschliflfen mittelst des Polarisations-
mikroskops in Verbindung mit Synthesen der betreffenden Verbindungen folgende
Bestandtheile erkannt: Tricalciumaluminat, AlgOj, 3CaO, Calciumsilicat (Kalk-
peridot), CajSiO^, nach ihm der wesentlich wirksame und vorherrschende Bestand-
theil, Ferroaluminat, 2(AlFe)303, 3CaO, letzteres besonders leicht schmelzbar;
I^ANi>MN (28) dagegen glaubt, dass die beiden löslichen Calciumaluminate
AljOj, 2CaO und AljOj, CaO in den Cementen enthalten sind.
Aus den in folgender Tabelle enthaltenen Portland-Cement-Analysen ergiebt
sich öie im Grossen und Ganzen übereinstimmende Zusammensetzung der ver-
schiedenen Cement-Sorten:
1.
2.
8.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
61-350
62-472
61-459
60-23
62-81
61-64
61-91
57-18
62-02
0-669
0-841
0-449
0-82
114
—
1-15
1-32
113
8-869
8-763
6-593
6-92
5-27
6-17
7-66
9-20
6-52
4-998
4-412
5-386
3-41
2-00
2-13
2-54
512
2-82
0-978
1-100
0-437
0-73 \
1-27
—
0-77
0-58
0-57
—
—
0-429
0-87 j
—
0-46
0-70
1-70
20-990
18-917
21-307
24-07
23-22
23-00
2419
23-36
22-58
0-886
0-929
1-422
1-67
1-30
2-54
—
—
0-64
115
1-260
2-566
2-894
1-47
__
1-32
^_
502 Handwörterbuch der Chemie.
Kalkerde . .
Magnesia . .
Thonerde . .
Eisenoxyd . .
Kali ....
Natron . . .
Kieselsäure
Schwefelsäure .
Schwefels. Kalk
Unlösliches
Kohlensäure . — — —— — — — 1*90^
Wasser ... — — — — — — — — /
1., 2. und 3. Folkestoner-Cement (29). 4. Cement White-Brothers (Michaelis).
5. Cement von Stettin (Michaelis). 6. Stem-Cement (Michaeus). 7. Wldauer
Cement (Michaeus). 8. Cement von Bonn (Feichtinger). 9. Gebr. Heyn, Lüne-
buig (Prtifungsstation für Baumaterialien, Berlin).
Nach R. Fresenius (Bericht über die Generalversammlung deutscher Cement-
Fabrikanten 1884) soll reiner Portland -Cement hinsichtlich seines chemischen
Verhaltens folgende Grenzzahlen aufweisen: einen Glühverlust zwischen 0*34 und
2*59 J; Alkalität der Wasserlösung von 059, entsprechend 40— 6*25 Cbcm.
r^ Normalsäure; einen Verbrauch von Normalsäure durch 1 Grm. Cement
zwischen 18'8 und 21*67 Cbcm.; eine Reductionswirkung gegen Chamäleonlösung,
so, dass 1 Grm. Cement entspricht zwischen 0*79 und 2*8 Milligrm. übermangan-
saurem Kali; eine Kohlensäureaufnahme durch 3 Grm. Cement von 0 — 1*8 Millignn.
Form und Feinheit des Kornes sind für die Bindekraft nächst der
chemischen Zusammensetzung in erster Reihe massgebend. Portland-Cemait
zeigt unter dem Mikroskop mehr schiefrige, dicht auf einander liegende Theilchen,
die hydraulischen, beim Brennen nicht gesinterten Kalkpulver dagegen bestehen
aus mehr kugelförmigen Partikelchen. Da im ersteren Fall die Berührungsflächen
weit grösser sind als im letzteren, erklärt sich dadurch die grössere BindefiÜiig-
keit und Dichtheit des pulverförmigen Portland-Cementes. Die gröberen Theilc
des Cementpulvers spielen nur die Rolle von Sand; Michaelis giebt an, dass
bei gewöhnlich gemahlenem Portland-Cement 20 — 40^ nicht durch ein Sieb von
900 Maschen pro 1 Quadratcentim. hindurchgehen und dass diese unwirksam
sind. Ein guter Cement darf auf einem solchen Sieb nicht über 25 f Rückstand
hinterlassen.
Die Farbe des Cementes soll grau, nicht ins gelbliche, vielmehr ins bläu-
liche spielend sein. Bläuliche Farbe deutet auf hohen Kalkgehalt gegenüber
Eisen, dunkelgrüne Färbung bei gutem Brande auf hohen Eisengehalt
Das specifische Gewicht der Cemente ist eingehend von Erdbiencer (30),
Aron (31) u. A. studirt; es schwankt zwischen 2*7 und 3*2 und ist im Allge-
meinen bei gut gebrannten, garen Sorten höher als bei ungaren. Nach dem Be-
richt der Generalversammlung deutscher Cementfabrikanten des Jahres 1884 soll
guter Portland-Cement ein spec. Gew. von mindestens 3" 125, jedenfalls nicht
unter 3*1 zeigen.
Die Wasserdichtigkeit ist für Verwendung des Cementes zu Röhren.
wasserdichten Behältern etc. von grosser Wichtigkeit. Michaelis (32) hat rar
Bestimmung derselben einen Apparat construirt, der es gestattet, das innerhalb
Cetnent. 503
bestimmter Zeiten in eine Cementscheibe von bestimmten Dimensionen ein-
dringende Wasser seinem Volumen nach zu messen. Die Cementscheibe ist
dabei über einen zu evacuirenden Glascylinder luftdicht aufgesetzt, so dass das
tiberstehende Wasser durch den äusseren Luftdruck eingepresst wird. Aehnliche
Apparate sind von Frühling (33) und Raasche (34) construirt. Nach einer andern
Methode des ersteren bestimmt man die Schnelligkeit des in einem Cementcylinder
durch Capillarität aufsteigenden Wassers nach dem äusseren Aussehen. Der
Cylinder ist äusserlich mit Wachs oder Fimiss bestrichen und nur an den End-
flächen frei und wird mit der unteren Fläche in Wasser getaucht
Unter Binden oder Abbinden versteht man den Uebergang des mit Wasser
allein oder unter noch anderen Zusätzen (Sand, ELalk) in knetbaren Mörtel ver-
wandelten Cementes in den starren Zustand. Da jeder Cement ein ganz be-
stimmtes Quantum Wasser aufnehmen kann, muss der Wasserzusatz hiemach
eingerichtet y jedenfalls aber etwas mehr als das Maximum des aufnehmbaren
Wassers zugesetzt werden.
Die Aufnahme des Wassers geht nach Feichtinger (35) bei Portland-Cementen
(i) und hydraulischen Kalken (2, 3, 4) in sehr verschiedener Weise vor sich:
1. 2. 3. 4.
Gleich nach Anmachen . . 0-99# 128^ 0*61 J 6-79 J
Nach 4 Stunden .... V4l% 1-67^ 0-71^ 7*80^
„20 „ .... 2-29* 2-08^ M4^ 8-26^
„ 3 Tagen 5*62^ 342^ 1-82^ 8-87^
„ 7 „ 6-58» 3-85# 2-15* ll-20{^
„ 14 „ 7-96» 4-46{f 263» ll-80|f
„ 28 „ 10-ö2l[ 6-86j[ 4-90^ 13-92^
„ 42 „ ll-35# 8-30^ 6-20» 14-68»
„ 80 „ 11-56» 9-50» 7-40» 14-65».
In der Praxis werden gewöhnlich gegen 50», also ein grosser Ueberschuss,
genommen, so dass also wieder mehr als 30» davon durch Verdunsten abgegeben
werden. Je dichter, kalkreicher, gesinterter der Cement, und je schärfer das
Korn nach dem Pulverisiren, desto langsamer geht das Abbinden vor sich.
Cemente, welche mehr als ^ Stunde Zeit brauchen, bis sie erhärten, nennt man
langsam bindende, die andern rasch bindende. Auch nach dem ersten
Hartwerden nimmt die Festigkeit des Cementes, wie Dyckerhoff (36) durch Ver-
suche dargethan hat, noch bedeutend zu und erreicht oft erst nach Wochen und
Monaten den höchsten Grad. Für guten Portland-Cement rechnet man eine Zeit
von höchstens 15 Tagen bis zur vollständigen Erhärtung. Die Raschheit des
Abbindens ist übrigens auch sehr von der Temperatur abhängig, ebenso, wenn
auch in geringerem Grade, nach Michaelis (38) von der Reinheit des Wassers.
Von Böhme (39) sind eingehende Untersuchungen über Abbindezeit im Zusammen-
hang mit eintretender Temperaturerhöhung etc. ausgeführt worden.
Dass das Meerwasser dem raschen Abbinden entgegenwirkt und dass ge-
wisse Cemente, die im Süsswasser sehr fest werden, im Meerwasser entweder
gBx nicht oder nur in geringem Grad erhärten, unter Umständen treiben und
mürbe werden, ist schon seit Langem bekannt. Während Vicat (40) diese Er-
scheinungen vorwiegend auf eine Umsetzung der Kalkerde des Cementes durch
schwefelsaure Magnesia in Gyps zurückführt, scheint nach Versuchen Feichtinger's
(41) der Grund neben den Magnesiasalzen vornehmlich in dem Gehalt des
Meerwassers an Chloriden des Kaliums, Natriums und Calciums zu liegen. Die
504
Handwörterbuch der Chemie,
zerstörende Wirkung des Meerwassers auf Cementmauerweiic rührt nach Rivot
und Chatoney (42) hauptsächlich von den darin gelösten Gasen (Kohlensäure,
Schwefelwasserstoff) und Salzen, vor allem dem Magnesiasalze her. Kuhlmann (43)
empfiehlt zur Gegenwirkung einen Zusatz, Michaeus einen 2 — 3 maligen Anstrich
von Wasserglas.
»Die bei dem Abbinden eintretende Temperaturerhöhung tritt bei rasch
bindender Masse deshalb stärker hervor, weil die äussere Abkühlung dabei eine
relativ geringere ist. Herzog (44) fand bei einem Portland-Cement, den er mit
Wasser einmal zu einem Würfel ä 10 Centim., das andere Mal ä 20 Centim.
Seitenlänge formte und bei einer Anfangstemperatur der Materialien von 13*5**,
folgende Temperaturen:
k 10 Centim.
)i 20 Centiiii.
Gleich nachFormen des Würfels leo"
Gleich nach dem Fonnen
190"
Nach 30 Minuten
170"
Nach 1 Stunde 30 Min.
20-5"
„ 1 Stunde 10 Min.
17-5°
» 2
n
30 „
22-0°
„ 4
l>
18-0"
» 4
tt
30 „
240"
„ 5
>l
IS-S"
„ 5
n
30 „
380°
„ 6
>l
23-5°
„ 7
»f
43-0"
„ 6
„ 30 „
27-0''
„ 8
it
45-0"
„ 7
„ (Maximum)
29-5°
,. 8
99
30 „
(Maximum) 455**
Da die Temperatursteigerung im ersteren Fall 16°, im letzteren 32** betragt,
so verhalten sich im vorliegenden Fall die Temperatursteigerungen proportional
den Würfelseiten, woraus zu ersehen, dass alle bisherigen Angaben über
Temperatursteigerungen beim Abbinden des Cementes, bei denen die Volumen
nicht angeführt sind, keinen Werth besitzen.
Der Cement soll volumbeständig sein, insbesondere nicht beim Erhärten
sein Volumen vergrössem, eine Eigenschaft, die man das »Treibenc nennt
Dasselbe rührt von freiem Kalk her, der durch Aufnahme von Wasser unter
Hydratbildung sich ausdehnt. Nach Michaeus soll ein richtig zusammengesetzter
Cement durch Hydratisirung der sonstigen Hauptbestandtheüe und inniges mecha-
nisches Ineinanderbinden der entstandenen Hydrate dem sich ausdehnenden
Kalkhydrat einen so grossen Widerstand entgegensetzen, dass ein Treiben nicht
stattfinden kann. Nach ihm tritt sonach trotz Bildung von Kalkhydrat bei guten
Cementen keine Volumvermehrung ein. Man bestimmte früher die Volum-
beständigkeit durch Eingiessen des Cementbreis in ein Glasfläschen oder einen
Glascylinder, worin man die Masse erhärten Hess und beobachtete, ob ein Zer-
springen des Glases eintrat; da jedoch durch jede Temperaturänderung und vor-
übergehende Volumenvergrösserung die Gläser gesprengt werden, streicht man
jetzt blos einen dünnen Cementkuchen auf Glas oder Dachziegel aus und lässt
unter Wasser erhärten. Es sollen dabei keine Krümmungen und Kantenrisse
entstehen. Nach Erdmenger (45) zeigen besonders die aus dolomitischem Kalk-
stein hergestellten Cemente starkes Treiben.
Eine der wichtigsten Eigenschaften des Cementes ist seine Druckfestigkeit;
da jedoch die direkte Ermittlung dieser zu viel Schwierigkeiten bereitet, begnügt
man sich bei Beurtheilung des Cementes meist mit Bestimmung der Zugfestig-
keit. Als Apparat dient die MiCHAELis-FRÜHLiNG'sche Cementwaage (46), eine
Decimalwaage, bei welcher man den Moment des Abreissens bei zunehmender
Belastung dadurch scharf beobachten kann, dass man anstatt eines Laufgewichtes
einen Eimer an den langen Hebelarm anhängt, in welchem man so lange Schrot
Cement. 505
oder Wasser einlanfen lässt, bis der an der anderen Seite des Hebels befestigte
Cementprobekörper auseinander gerissen wird. In diesem Moment sistirt man
Schrot- bezw. Wasserzulauf und bestimmt auf einer gewöhnlichen Waage das
Gewicht des geftillten Eimers. Der Probekörper hat die Form eines gefüllten
Achters, dessen Querschnitt an der eingezogenen Stelle genau 5 D Centim. beträgt.
Das gefundene Abreissgewicht muss, um die Zugfestigkeit pro 1 D Centim. zu er-
halten, durch 5 getheilt werden. Von grösstem Einfluss auf die Resultate ist die
Art und Weise der Herstellung der Probekörper, Wassermenge, Quantität und
Qualität des beizumischenden Sandes, Dauer der Erhärtung. Nach den vom
Verein deutscher Cementfabrikanten angenommenen Normen wird Sand von be-
stimmter Komgrösse, sogen. Normalsand, genommen. Man erhält diesen durch
Waschen und Trocknen reinen Quarzsandes, Durchschlagen durch ein Sieb von
90 Maschen pro 1 D Centim., dann des durchgesiebten Theils durch ein Sieb
ä 120 Maschen, wodurch man die feinsten und die gröbsten Theile dadurch
ausschliesst, dass man nur den auf dem letzteren Sieb zurückbleibenden Sand
verwendet Auf 250 Grm. (1 Gew.-Thl.) Cement werden 750 Grm. (3 Gew.-Thle.)
Normalsand mittelst 100 Grm. Wasser rasch zu einem gleichmässigen Teig ange-
macht, welchen man in die zu dem Apparat gehörigen Formen füllt, lässt den
erhaltenen Probekörper 24 Stunden an der Luft, alsdann 27 Tage unter Wasser
liegen. Unmittelbar nach Herausnehmen aus dem Wasser ist die Prüfung vorzu-
nehmen. Das Mittel aus 10 Bruchgewichten ergiebt die Festigkeit des geprüften
Cementmörtels (Näheres siehe die oben citirten iNormen«), Aus Versuchen
A. Dyckerhoff's (47), ToBdEi's (48) u. A. scheint übrigens hervorzugehen, dass
nicht allein die Grösse, sondern auch die Form der einzelnen Sandkörner, ob
eckig oder rund, von grösserem Einfluss ist, und es ist deshalb wichtig, zur Be-
reitung des Normalsandes immer eine und dieselbe Sandart zu wählen. Aehn-
liche Apparate sind von Riehle (49), Stüdt (50), Krafft (51), Klebe (52) u. A.
constniirt.
Gute Cemente sollen eine Minimalfestigkeit von 10 Kgrm. pro 1 D Centim.
aufweisen; sie zeigen jedoch meist mehr: 15—25 Kgrm. und darüber.
Während das Verhältniss zwischen Zugfestigkeit und Druckfestigkeit nach
Versuchen von Dyckerhoff (53) bei Portland -Cementen ein ziemlich gleich-
bleibendes ist, schwankt es sehr erheblich bei mageren hydraulischen Kalken,
und bei diesen kann man deslialb aus der Zugfestigkeit keinen einigermaassen
sicheren Schluss auf die Druckfestigkeit ziehen. Für solche Kalke muss also
die Druckfestigkeit direkt bestimmt werden. Auch hierftlr haben Michaelis und
Frühung (54) einen Apparat construirt Man bringt den Cement meist in Würfel-
form ein, und es zeigt dabei ein guter Cement pro 1 D Centim. ungefähr das Zehn-
fache der Zugfestigkeit. Dyckerhoff (55) hat übrigens gefunden, dass auch hier
die Form des Probekörpers von grossem Einfluss auf das Resultat ist und dass
z. B. mit Mörtel in Scheibenform die Druckfestigkeit viel höher gefunden wird
als in Würfelform.
Auch der erhärtete Cement wird noch langsam von Wasser angegriffen;
15 Grm. gaben bei Versuchen Feichtinger*s an 60 Liter Wasser ab:
Portland-Cement Bayr. hydraul. Kalk
Kalk 1-408 0-868
Thonerde 0032 0020
Kieselsäure 0102 Ol 37.
Das Cementmauerwerk in Wasserbauten wird nur dadurch vor allmähliche]:
5o6 Handwörterbuch der Chemie.
2^rstöning durch das Wasser geschützt, dass die in dem letzteren enthaltene
Kohlensäure mit dem Kalk des Cementes eine schützende Kruste von kohlen-
saurem Kalk bildet. Erhärtete alte Cemente enthalten bis zu 12 und 18f Kohlen-
säure.
Der Erhärtungsprocess, welcher nach dem Anmachen des Cementes mit
Wasser eintritt, wird zur Zeit noch in verschiedener Weise aufgefasst; eine nach
allen Richtungen genügende Erklärung existirt bislang noch nicht Die Einen
fuhren das Erhärten auf die Bildung wasserhaltiger Silicate, besonders Kalkhydro-
silicate zurück, die Anderen betrachten es als einen durch chemische Processe
veranlassten Vorgang. Diesen Erklärungen liegen meist sehr abweichende Auf-
fassungen über die Natur der in dem gebrannten Cement enthaltenen Verbindungen
zu Grunde.
Nach Fuchs (56} beruht die Erhärtung hauptsächlich auf einer unter dem
Einfluss des Wassers allmählich eintretenden chemischen Verbindung der Kiesel-
säure und des Kalkhydrats, die in dem Cement enthalten sind. Durch Versuche
that er dar, dass künstliche, durch Fällung aus Lösungen erhaltene, oder auch
natürliche amorphe Kieselsäure (Opal) mit ihrem halben Gewichte Kalkhydrat
vermischt innerhalb 4—5 Wochen unter Wasser erhärtet und dabei in eine durch
Salzsäure aufschliessbare Verbindung übergeht. Auch krystallinische Kieselsäme
(Quarz) giebt, mit Kalk bis zum Sintern geglüht, einen Cement. Ganz in gleicher
Weise sollen Silicate beim Glühen auf Kalk wirken. Beim Cement tritt nach
Fuchs durch das Brennen Umwandlung des kohlensauren in kaustischen Kalk
und des Thones in aufschliessbares Silicat ein, ein Theil des Kalks dient dabei
zum Aufschliessen des Thons. Bringt man dann dieses Gemisch in Wasser, so
entsteht aus dem gebrannten Kalk Kalkhydrat, dies wirkt dann auf das gebrannte
Silicat ein und bildet damit unter gleichzeitiger Bindung von Wasser neue Silicate.
Heldt (57) nimmt bei hydraulischen Kalken die Bildung der Verbindungen
5CaO, 3Si02-+-5HjO, Michaelis 2CaO, SiO, -h 2H,0 an, während nach
ersterem der Portland-Cement durch Zerfallen stark basischen Kalksilicates und
von Calciumalu minat erhärten. Sichere Beweise für das Vorhandensein eines
oder des anderen Kalksilicates konnten jedoch bis jetzt nicht beigebracht werden.
Hopfgarten u. Pettenkofer (58) nehmen ebenfalls Bildung von Kalkhydrosilicaten
an, führen aber den Grad der Erhärtung auf Dichte und Komform zurück; je dichter
der Cement, desto fester und härter wird derselbe, was im Grossen und Ganzen
als richtig gilt. Nach Feichtinger (59) erfolgt das Abbinden des Cementmörtels
durch Hydratisirung der Silicate, der Kieselsäure und des Aetzkalks, während
das eigentliche Hartwerden in erster Linie durch die Einwirkung des Kalkhydrates
auf Kieselsäure und Silicate, später auch noch durch Ueberftihrung des kaustischen
in kohlensauren Kalk bedingt ist Winkler (60) nimmt im Roman-Cement und
im Portland-Cement zweierlei Wirkungsweisen an; im ersteren tritt nach ihm zu>
erst Hydratisirung des Kalkes und dann Einwirkung des Kalkhydrates auf die
aufgeschlossenen Silicate unter Bildung von Kalkhydrosilicaten ein, im Portland-
Cement dagegen, welcher nach ihm keinen freien Aetzkalk enthält, soll das durch
Brennen gebildete Kalk-Thonerdesilicat unter Ausscheidung von Kalkhydrat in
dieselben Verbindungen zwischen Kieselsäure und Kalk, sowie Kalk und Tbon-
erde zerfallen, die sich auch beim Erhärten des Roman-Cementes bilden. Der
freigewordene Kalk wird an Kohlensäure gebunden. Feichtinger (61) u. A.
haben dagegen nachgewiesen, dass auch der Portland-Cement freien Aetzkalk
enthält, auch ist die Voraussetzung Winkler's, dass beim Abbinden und £rt)iiten
Cement. 507
des Portland-Cementes keine Wärme frei werde, unrichtig (siehe oben). Fremy (62)
folgt in seiner Auffassung des Erhärtungsprocesses den Anschauungen von Fuchs,
nur dass er noch ein mit Wasser fest werdendes Calciumaluminat im Portland-
Cement annimmt. Auch nach Michaelis (63) enthält der Portland-Cement keinen
freien Kalk, sondern Kalksilicat, Calciumaluminat und Eisenoxydkalk, welche
durch Aufnahme von Wasser die Erhärtung bedingen. Auch Rivot und Chatonev
(64) führen die Erhärtung des hydraulischen Mörtels nur auf Hydratisirung zurück.
Den zahlreichen, mehr oder weniger hypothetischen Ansichten über das
Wesen des Erhärtungsprocesses bei hydraulischen Mörteln gegenüber macht
Knapp (65) darauf aufmerksam, dass man noch nicht mit Bestimmtheit hat nach-
weisen können, welche Verbindungen sich beim Brennen des Cementes bilden
und schliesst sich den Auffassungen Schott's (66) an. Dieser hatte gefunden,
dass ein Portland-Cement in einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak besser
erhärtet als in Wasser, trotzdem das Produkt 56*6^ kohlensauren Kalk schon
vor dem Abbinden fertig gebildet enthielt. Damit sind dem Cement im vor-
liegenden Fall 1^ seines disponiblen Kalkes entzogen, und trotzdem enthielt der
mit kohlensaurem Ammoniak erhärtete Cement 9*18 J, der mit Wasser bloss 0*883 J
lösliche Kieselsäure. Femer fand Schott, dass Gemenge von
1. 2' 3. 4.
Kieselsäure 248
23-8
23-3
24-3
Thonerde 11-4
—
6-5
6-9
Eisenoxyd —
11-4
4-7
4-8
Kohlens. Kalk 648
64-8
65-4
641
beim Brennen bei Weissgluth, fein zerrieben und mit Wasser angemacht, insge-
sammt stark erhärten. Hieraus schliessen dieselben, dass das Erhärten des
Cementes nicht lediglich auf einer bestimmten chemischen Verbindung beruhe.
Alle Gemenge aus obigen Stoffen, die beim Brennen hinreichend dicht werden
und sintern und nach dem Glühen nicht zerfallen, eignen sich zu Cementen.
Alle kommen in der Eigenschaft überein, Wasser langsam und ohne merkliche (?)
Entwicklung von Wärme zu binden. Knapp insbesondere macht darauf aufmerk-
sam, dass das Festwerden des Cementes, wie auch bei anderen Mörtelarten,
lediglich auf der Entstehung irgend eines zusammenhängenden Ganzen aus fein
vertheiltem Material beruhe, dass aber dieses Zusammenwachsen wiederum auf
das Zusammenwirken eines chemischen und eines mechanischen Processes unter
ganz bestimmten Bedingungen zurückzuführen sei. Insbesondere das ganz ver-
schiedene Verhalten des Portland-Cementes in verschieden fein zertheiltem Zu-
stand weist darauf hin. Frühling (67) schliesst sich dieser Auffassung, wonach
das Erhärten des Cementes im Wesentlichen ein mechanischer Process ist, an
und macht darauf aufmerksam, dass es noch nicht gelungen sei, bestimmte
Silicate als Grundlage der Erhärtung nachzuweisen, und dass ein erhärteter Cement
chemisch und physikalisch nur als ein dichtes Kalkhydrat wirke. Kieselsäure,
Thonerde und Eisenoxyd haben nach ihm lediglich die Aufgabe, die Einwirkung
des Wassers auf das Kalkhydrat des erhärteten Mörtels zu verhindern. Das Ab-
binden des Cementes führt er auf die Wirkung der Thonerde zurück und zeigt
durch Versuche, dass eine künstliche Mischung von Thonerdehydrat mit Kalk-
hydrat in Wasser sich gerade wie abbindender Cement verhält. Eine Mischung
von Kalkhydrat und Kieselsäurehydrat zerfällt dagegen rasch unter Wasser. Auch
Hauenschild (68) hat die von den früheren Annahmen wesentiich abweichende Auf-
fassung, dass das Binden des Cementes lediglich auf der Bildung colloidaler Sub^
5o8 Handwörterbuch der Chemie.
stanzen beruht, welche eine mechanische Verkittung der einzelnen festen Theilchen
des Cementes bedingen. Nach Erdmenger (69) endlich befindet sich im Portland-
Cement eine glasige, amorphe Substanz, die durch Wasserzusatz aufgeschlossen
wird und Gallertconsistenz annimmt, sowie sehr viel freier Kalk. Setzt man des-
halb zu Cementpulver Wasser, so tritt durch die Gallertbildung Gerinnen ein»
es findet Abbinden statt. Das alsdann allmählich aufquellende trockne, th eil weise
auch sich hydrati sirende Kalkpulver drückt die Gallerte von allen Seiten zusammen
und drängt sie dazu, alle Poren zu schliessen und eine wachsend dichtere Ver-
filzung, damit aber auch eine dichtere und festere Masse zu bilden. Den Aetz-
kalk nimmt er in ganz langsam sich löschendem, sogen, indifferenten Zustand
an, sowie er durch Brennen von kohlensaurem Kalk bei ganz hohen Tempera-
turen resultirt, ist jedoch der Ansicht, dass durch das gleichzeitige Glühen des
Kalks mit Silicaten dieser Zustand im Portland-Cement bei erheblich niederer
Temperatur erreicht wird. Ob dabei eine chemische Verbindung zwischen Kalk
und Kieselsäure anzunehmen ist oder nicht, lässt er dahin gestellt; jedenfalls
kann nach ihm die Verbindung nur eine so lose sein, dass sie schon durch
Wasser zerlegt wird, da die Erscheinungen des Abbindens und Erhärtens lediglich
diejenigen eines langsam zerfallenden und sich hydratisirenden freien Aetzkalks sind.
Andere Cementsorten. Solche hat man in den letzten Jahren insbe-
sondere mittelst Hochofenschlacke zu erzeugen versucht. So soll durch Ver-
mischen und Brennen von 4 Thln. Schlacke und 7 Thln. Kalkstein ein sehr fester
Cement entstehen (70). Nach Watson's Patent (71) brennt man Schlacke mit
Kalk und Thon. Roth (72) schlägt vor, die Hochofenschlacke mit Kalk und
Bauxit gemischt bis zur Sinterung zu brennen.
Nach einem Patent von Seibel (73) werden gleiche Aequivalente Kieselsäure
und Aetzkalk mit Chlorcalcium- oder Chlomatriumlösung angemacht und geglüht
Heintzel (74) gewinnt einen hydraulischen Kalk, Neutrass, durch Vermischen
staubförmigen Kalkhydrats mit Infusorienerde.
Magnesia- Cement Auf die hydraulischen Eigenschaften der Magnesia
haben zuerst Macleod und später Vicat aufmerksam gemacht; St. Claire-Deville
(75) war jedoch der erste, welcher genauere Versuche darüber anstellte und ins-
besondere fand, dass bei Rothgluth gebrannte Magnesia unter Wasser alabaster-
artige Beschaffenheit annimmt, gemischt mit Kreide und Wasser aber zu einer
steinharten Masse erstarrt. Bei stärkerer Erhitzung nimmt die Hydraulicität jedoch
wieder ab. Brennt man Dolomit gerade so stark, dass die Kohlensäure der
Magnesia, nicht aber diejenige des Kalks vertrieben ist, so hat das Produkt
ebenfalls stark hydraulische Eigenschaften, nicht dagegen mehr, wenn auch die
Kohlensäure des Kalks entwichen ist. Hiermit stimmen die Resultate überem,
welche Calvert (76) mit magnesiahaltigem Kalkstein erhielt, der auf der Insel
Anglesea durch nicht zu starkes Brennen und nachheriges sofortiges Mahlen in
einen guten Cement verwandelt werden kann. Die Zusammensetzung verschiedener
Sorten desselben ist:
1. 2. 3.
Kohlcns. Magnesia . . . 61*15 55-23 15'86
Kalk 21-41 33-99 7223
„ Eisenoxydul . . 8*76 3*85 3-21
Kieselsäure 5*58 5-58 \ « „^
Thonerde 2-07 2-27 / ^'^^
Organ. Substanz und Wasser 110 3*40 6"00
i
Cement. 509
Von diesen Kalken eignet sich nach Calvert No. 1 besonders für hydrau-
lischen Cement, No. 2 für hydraulischen Kalk, No. 3 für Stuck. Auch bei Jena
wurde später ein dolomitischer Kalkstein mit 27^ kohlensaurer Magnesia und
50^ kohlensaurem Kalk auf hydraulischen Kalk verarbeitet; ebenso an ver-
schiedenen anderen Orten, doch steht nach Untersuchungen Erdmenger's (77)
der auf diese Weise erhaltene Cement bezüglich seiner Festigkeit erheblich hinter
gutem Portland-Cement zurück. Dieselbe betrug pro 1 DCentim. nur 3 — 10 Kgrm.,
während guter Portland-Cement nie unter 10 Kgrm. Zugfahigkeit zeigen darf.
Der Cement enthielt 504 J Kalk, 20^ Magnesia, IM^ Sesquioxyde und 17-1 J^
Kieselsäure, war also kein reiner Magnesia-Cement, sondern ein Gemisch dieses
letzteren mit gewöhnlichem hydraulischen Kalk. Dass aber in solchen Gemischen
die Magnesia nicht zur vollen Wirkung kommen kann, ist bei den verschiedenen
Brenntemperaturen selbstverständlich. Hierher gehört auch ein aus dolomitischem
Mergel in der Nähe von Heidelberg gewonnener Cement, der von Götschen-
BERGER (78) beschrieben ist. Sorel (79) ist der Entdecker einer zweiten Sorte
Magnesia-Cement, die durch Anrühren von gebrannter Magnesia mit Chlor-
magnesiumlösung von 20—40° B. erhalten wird. Das Material eignet sich unter
Beimischung entsprechender billiger Materialien insbesondere auch zur Herstellung
künstlicher Steine. Die Union -Stone- Comp, in Boston (80) stellte nach dem
SoREi/schen Verfahren künstliche Steine aus Magnesia-Cement im Grossen dar.
Eine in Pennsylvanien und Maryland sich findende Magnesia mit 95 J MgCOg und
etwas unlöslicher Kieselsäure wird bei niedriger Temperatur vorsichtig gebrannt,
zu staubfeinem Pulver zerrieben, mit variabeln Mengen Marmorpulver, Schiefer etc.
vermischt und mit soviel Chlormagnesiumlösung von 15 — 20° B. versetzt, dass eine
plastische Masse entsteht, die schliesslich geformt wird. Eine Woche nach
dem Herausnehmen aus den Formen bildet die Masse ein steinhartes Material,
welches pro 1 DCentim. eine Druckfestigkeit von 500 — 1510 Kgrm. aufweist. Auch
für Herstellung von Schmirgel lässt sich das Material verwenden. Heintzel (8i)
hebt ebenfalls hervor, dass die Magnesia nur schwach gebrannt sein darf, dass
sie ausserdem frei von Eisen und Kalk sein soll. Das specifische Gewicht der
Chlormagnesiumlösung muss nach ihm mindestens 30° B. sein. Reinhardt (82)
in Würzburg fabricirt künstliche Steine (Schmirgelscheiben, Schleifsteine, Mühl-
steine), künstlichen Marmor, künstliches Elfenbein, Knöpfe etc. durch Anmachen
von gebrannter Magnesia mit entsprechenden Zusätzen, desgleichen Kunis (93),
der jedoch statt Zusatz von Chlormagnesiumlösung einen Theil der gebrannten
Magnesia mit Salzsäure abstumpft und dann mit den Zuschlägen vermischt. In
seinem englischen Patent (1881, No. 2662) mischt Sorel der gebrannten Magnesia
schwefelsaure Magnesia bei. Albolith ist eine Mischung von Magnesia, Chlor-
magnesium und amorpher Kieselerde, worin letztere, wie es scheint, nur die
Rolle des Sandes spielt. Auch der Cajalith enthält als Grundmasse Magnesia-
Cement.
Nach Hauenschild (84) besteht der gewöhnliche Magnesia-Cement aus regel-
los nebeneinander gelagerten, kleinen, rhombischen Kryställchen. Beim Anmachen
mit Wasser nimmt die gebrannte Magnesia Hydratwasser auf und wird krystallinisch.
Indem sie dabei ihr Volumen vergrössert, treten die Einzeltheilchen einander
näher und die Masse wird entsprechend dichter und fester. Da ein Ueberschuss
von Wasser durch Capillarität eindringen und die Masse lockern würde, darf nur
gerade so viel Wasser genommen werden, als zur Hydratisirung noth wendig ist.
Bei längerer Berührung des Magnesia - Cementes mit Kohlensäure geht das
5IO Handwörterbuch der Chemie.
Magnesiahydrat theilweise in kohlensaure Magnesia über, was eine weitere Er-
härtung der Masse zur Folge haben soll.
Nach den Untersuchungen Bender's (75) scheint die Erhärtung des aus
gebrannter Magnesia mit Chlormagnesiumlösung erhaltenen Cementes auf der
Bildung einer wasserhaltigen Doppelverbindung von Magnesia und Chlormagnesiuin
(öMgO -hMgClj -h 17H,0) zu bestehen. Diese Verbindung soll beim Erhitzen
auf 100** 9 Moleküle, auf 150—180° 11 Moleküle Wasser abgeben. Mit kaltem
Wasser lässt sich aus der Verbindung ein Theil, mit kochendem Wasser alles
Chlormagnesium entziehen, doch wird dadurch der ursprüngliche Zusammenhang
nicht aufgehoben. Längere Zeit mit Luft in Berührung gebrachter Magnesia-
Cement enthält erhebliche Mengen Kohlensäure. Krause erhält durch Einwirkung
von Chlormagnesiumlösung auf Magnesia das Salz lOMgO -4- Mg Gl, + lOH^O.
An der Luft hergestellter Magnesia-Cement besteht nach Krause immer aus
einem Gemisch dieses Salzes mit basisch kohlensaurer Magnesia. Engler.
Cerebrine.*) Im Gehirn und Nervenmark findet sich eine kleine Gruppe
eigenthümlicher Körper, welche von dem Orte ihres Vorkommens als Cerebrine
bezeichnet werden. Fremy (6), welcher zuerst dieselben in etwas reinerem Zu-
stande unter den Händen hatte, betrachtete sie als eine Säure, welche er
Cerebrinsäure nannte; sein Präparat war aber noch phosphorhaltig und ebenso
die Cerebrinsäure von v. Bibra. Erst W. Müller (i) zeigte, dass die von ihm
dargestellte Substanz, welche er noch für einheitlich hielt, phosphorfrei ist und
keine sauren Eigenschaften besitzt; er änderte deshalb den Namen in Cerebrin
um. BouRGOiN (2) fand in seinen Präparaten weniger Stickstoff als Müller, und
Otto und Köhler (3) kamen sogar zu der Ansicht, dass das Cerebrin stickstoff-
frei sei. Geoghegan (4) bestätigte aber den Stickstoffgehalt des Cerebrins, und
Parcus (s) wies nach, dass das nach dem MüLLER*schen Verfahren erhaltene
Cerebrin ein Gemenge von drei einander sehr ähnlichen Körpern ist, welche er
als Cerebrin, Homocerebrin und Enkephalin unterschied.
Zur Darstellung des Gemenges dieser drei Körper kann man entweder
zerriebenes, von Blut und Häuten befreites Gehirn kalt mit Alkohol und Aether
extrahiren, den Rückstand mit Alkohol kochen, heiss filtriren und die beim Er-
kalten ausgeschiedene Masse durch Aether von Cholesterin, und durch Kochen
mit Barytwasser von Lecithin befreien, den Baryt mit Kohlensäure fallen, das
Cerebrin wieder in heissem Alkohol lösen, filtriren und in der Kälte auskiystalli-
siren lassen; oder man rührt das mit Wasser gewaschene und durch ein Tuch
gepresste Gehirn mit conc. Bar)rtwasser an, erhitzt unter Umschütteln zum ein-
maligen Aufkochen (ist die über dem Niederschlage stehende Flüssigkeit trüb,
so muss noch mehr Baryt zugesetzt und nochmals aufgekocht werden), filtriit,
wäscht mit heissem Wasser aus, trocknet den Rückstand und extrahiit ihn mit
kochendem Alkohol, wobei das Cerebrin weniger in den ersten, als hauptsächlich
in die folgenden Auszüge übergeht und sich beim Erkalten ausscheidet Durch
Waschen mit Aether befreit man es von Cholesterin, durch Auflösen in Alkohol
bei 60*^ von beigemengten Barytsalzen, deren letzte Spuren durch Waschen des
Cerebrins mit kohlensäurehaltigem Wasser und Umkrystallisiren aus Alkohol ent-
fernt werden können.
•) i) W. MÜLLER, Ann. Chem. Pharm. 105, pag. 365. 2) Boürgoin, Bnll. de la soc
chini. de Paris 21, pag. 482. 3) Köhler, Virchow's Archiv 41, pag. 265. 4) Geogbegak,
Zeitschr. f. physiol. Chem. 3, pag. 332. 5) Parcus, Joum. f. pr. Chem. (2) 24, pag. 3»o»
6) Fremy, Jooro. de pharm. 27, pag. 453.
Cerebrine. 511
Das SO erhaltene Rohcerebrin ist anscheinend ganz homogen; kiystallisirt
man es aber aus Alkohol um und lässt die Mutterlaugen vorsichtig verdunsten,
so scheiden sich aus denselben am Rande feine Blättchen, oder auch schon beim
blossen längeren Stehen gallertartige Fetzen aus, welche kein Cerebrin sind.
Daher muss das Cerebrin zur völligen Reinigung so oft aus Alkohol umkrystallisirt
werden (etwa 20 — 30mal, Parcus), bis die erwähnten Verunreinigungen aus der
Mutterlauge verschwunden sind. Die Blättchen und Gallertklumpen bestehen aus
Homocerebrin und Enkephalin, deren Trennung nur durch sehr häufiges Um-
krystallisiren aus Alkohol und Aceton gelingt, worüber das Nähere bei Parcus
nachzusehen ist
Das nach Parcus völlig gereinigte Cerebrin stellt getrocknet ein schnee-
weisses Pulver dar, welches sich in kochendem Alkohol leicht, in kaltem schwer
löst und unter dem Mikroskope al^ aus durchsichtigen, sehr schwach anisotropen
Kügelchen bestehend erscheint. In heissem Aceton, Chloroform, Benzol, Eisessig
ist es löslich, aber nicht in Aether; in heissem Wasser quillt es etwas auf, ohne
jedoch einen Kleister zu bilden, und setzt sich beim Erkalten in Flocken ab.
Im Reagensrohr vorsichtig über einer kleinen Flamme erhitzt schmilzt es ohne
Zersetzung; versucht man aber den Schmelzpunkt in gewöhnlicher Weise zu be-
stimmen, so färbt es sich bei 145^ gelb, bei 160° unter beginnendem Schmelzen
stark braun und schmilzt bei 170° zu einem braunen Oel. Trocken destillirt
liefert es ein braunes Oel, eine beim Erkalten krystallinisch erstarrende Substanz,
und eine wässrige, sauer reagirende Flüssigkeit, welche FEHLiNo'sche Lösung
beim Kochen reducirt (Parcus). Mit Salzsäure gekocht giebt es ebenfalls eine
FEHLiNG*sche Lösung reducirende Substanz, welche nach Geoghegan eine Säure
ist In conc. Schwefelsäure löst sich Cerebrin zunächst ohne Färbung auf; all-
mählich wird die Lösung durch Wasseranziehung purpurroth bis violett und
schwarz, wobei sich eine fasrige Masse ausscheidet. Diese ist durch Waschen
mit Wasser und Lösen in Aether gereinigt weiss, sehr leicht in Chloroform oder
Aether löslich, schmilzt bei 62 — 65°, giebt mit Kalihydrat geschmolzen unter
Wasserstoff- und Methanentwicklung Palmitinsäure; Geoghegan nennt diese Sub-
stanz Cetylid und giebt ihr die Formel C3 2^4 2^5* ^i^ conc. Salpetersäure
gekocht verwandelt sich Cerebrin unter Gelbfärbung und Gasentwicklung in ein
gelbes Oel, welches beim Erkalten amorph erstarrt und vermuthlich Palmitinsäure
ist (Müller, Geoghegan). Parcus fand für vollständig gereinigtes Cerebrin die
Zusammensetzung: 6908^ C; 11-47JH; 213^ N; 17*32^0, woraus sich drei
Formeln: C^qH^^qN^Ou; CjgHis^NgOj^ und CgoHigoNjOu ableiten lassen,
zwischen denen aber . vorläufig eine Entscheidung nicht möglich ist.
Das Homocerebrin scheidet sich aus der heissen, alkoholischen Lösung
niemals in kömigen Gebilden, wie das Cerebrin, sondern als gallertartige Masse
aus, welche concentrirtere Lösungen vollständig erstarren macht. Unter dem
Mikroskope erscheint es in schönen, äusserst feinen Nadeln krystallisirt. Im All-
gemeinen zeigt es dasselbe Verhalten wie das Cerebrin, ist aber in Alkohol
leichter löslich und scheidet sich noch langsamer daraus ab; sind, nach Parcus,
je 1 Grm. Cerebrin und Homocerebrin in je 500 Cbcm. Alkohol gelöst, so ent-
hält die Mutterlauge gelöst:
nach 16 Std. n. weiter. 1 Tag n. weiter. 8 Tgn. n. weiter. 8 Tgn.
1 Th. Cerebrin in 2688 Th. 4956 Th. 9912 Th. 12200 Th.
1 „ Homocerebrin in 592 „ 1043 „ 1800 „ 1934 „
Gegen Wasser, Salzsäure und beim Erhitzen verhält es sich wie Cerebrin«
512 Handwörterbuch der Chemie.
Die Zusammensetzung fand Parcus: 7006 J C; ll'595f H; 2-23 j^ N; 16il5JO,
woraus sich die Formeln C7QHjsgN20i3, CjeHj^jN^Oig und CgQHjsgNjOji
ableiten lassen; ob es mit Cerebrin homolog ist oder sich von demselben nur
durch einen Mindergehalt von H^O unterscheidet, ist noch unentschieden.
Das Enkephalin ist nur in sehr geringer Menge im Gehirn enthalten; es
krystallisirt in leicht gekrümmten, schönen Blättchen, und vermag mit Alkohol
eine Gallerte zu bilden. Mit Wasser gekocht liefert es einen vollkommenen
Kleister, der auch beim Erkalten fortbesteht; im Uebrigen verhält es sich ähnlich
wie Cerebrin und Homocerebrin. Seine Zusammensetzung fand Parcus: 68'40JC,
11'60JH, 3-09JN, 16-91 JO, woraus man die Formel CiojHjogN^Oig ableiten
kann. E. Drechsel.
Cerium*), Ce = 141,2. Im Jahre 1751 entdeckte Cronstedt (i) in einem zu
Bastnäs gefundenen Mineral, Schwerstein genannt, eine zuvor unbekannte Erde.
Doch obwohl Bergmann im Jahre 1 784 die Untersuchung fortführte, so gelang es
doch erst Klaproth (2), Berzelius und Hisinger (3), welche gleichzeitig und un-
abhängig von einander arbeiteten, die neue Erde im Jahre 1803 zu isoliren. Kläp
ROTH nannte dieselbe »Ochroiterde«, während die beiden anderen Forscher dem
ihr zu Grunde liegenden Metall den Namen »Cerium c gaben, nach einem kurze
Zeit zuvor neuentdeckten und Ceres genannten Planeten.
Die sogen. Cererde erwies sich jedoch bei den späteren Untersuchungen
Mosander's (4) als nicht völlig gleichartig, denn es gelang ihm in den Jahren 1839
und 1841 noch zwei andere Erden aus ihr abzutrennen, die Oxyde des Lanthans
und Didyms.
Die Cererde findet sich in sehr zahlreichen, besonders schwedischen Mineralien,
doch immer nur spärlich und in der Regel von Lanthan- und Didymverbindungen
begleitet. Cer haltige Silicate sind: Cerit, Gadolinit, Akanit, Bodenit, Erdmannit,
Murmontit und Michaelsonit; Fluorcerium ist in Fluorcerit, Fluorcerin und Yttro-
cerit; Ceriumphosphat in Monazit, Tumerit, Churchit und Cryptolit enthalten.
Kohlensaures Ceroxydul findet sich im Parisit, Kischtimit, Hamartit und neben
Niob und Tantal kommt Cerium auch im Aeschinit, Euxenit, Fergusonit, Samar-
skit u. a. vor. In kleineren Mengen wurde Cer in noch vielen anderen Mineralien
gefunden, deren Verarbeitung weniger lohnend ist. Der Apatit von Jumüla in
Spanien enthält 1-75^ Ceriterden (Ce, La und Di) [de Luna (5)], im Apatit von
Kragerö sind phosphorsaure Ceriterden in solcher Menge enthalten, dass nach
Nordenskjöld's (i) Schätzung jährlich 500 — 1000 Centner Ceriterden in jenem
Apatit aus Norwegen exportirt werden.
•) i) Gmelin- Kraut's Handb. Bd. 2. Abth. i, pag. 499. 2) Klaproth. A. Gehl. 2,
pag. 303. Beiträge 4, pag. 140. 3) Berzelius u. Hisinger, Afhandl. i Fys Kemi och Mineral i,
pag. 58. A. Gehl. 2, pag. 397. 4) Mosander, Sv. Vet. Akad. Handb. 1826, pag. 299. Pogc ii,
pag. 406. 5) de Luna, C. r. 63, pag. 220. 6) Marignac, A. sc. phys. nat. 8, pag. 265.
7) BuNSEN, PoGG. 155, pag. 375. 8) Wöhler, Mineralanalyse. Göttingen i86r, pag. 126.
9) Gmelin-Kraut's Handb. Bd. 2. Abth. i, pag. 500. 10) Jolin, Bull. soc. chim. [2] 21, pag. 533.
II) BUNSKN, PoGG. 155, pag. 375. 12) GiBBS, SiU. am. J. [2] 37, pag. 352. J. B. 1864, pag. 702.
13) Gmelin-Kraut's Handb. L c. pag. 501 u. f. 14) Pattinson u. Clarke, Chem. N. 16,
pag. 2^9. 15) Hillebrand u. Norton, Pogg. 155, pag. 633; 156, pag. 466, 16) Wohles,
Ann. 144, pag. 251. 17) Marignac, Arch. sc. phys. nat 8, pag. 265. Ann. 6S, pag. 212*
18) BuNSEN u. Jegel, Ann. 105, pag. 45. 19) Rammelsberg, Pogg. 108, pag. 43. 20) Wolf,
SiU. am. J. [2] 45, pag. 53. 21) Wing, ibid. 49, pag. 358. 22) BÜHRIG, J. pr. [2] 12, pag. 226.
23) Mendelejeff, Ann. Sappl. 8, pag. 186. 24) Hillebrand, Pogg. 158, pag. 71.
Cerium. 513
Zum Zweck der Abscheidung des Ceriums ms jenen Mineralien sind zunächst
die Ceriterden aus dem Material auszuziehen, eine Arbeit, welche mittelst Salz-
säure oder Königswasser, weit zweckmässiger aber mit Hilfe von Schwefelsäure
auszuführen ist. Das (um es leichter pulverisirbar zu machen) zuvor ausgeglühte Erz
wird gepulvert und mit einem bedeutenden Ueberschuss an concentrirter Schwefel-
säure in einem hessischen Tiegel zusammengerührt. Nachdem die erste Reaction
vorüber ist, erhitzt man den Tiegel längere Zeit zur beginnenden Glühhitze. Die
erkaltete Masse wird nun gepulvert und langsam in eiskaltes Wasser eingetragen,
unter der Vorsicht, dass sich dieses nicht erhitzt, und es gelangen so die aufge-
schlossenen Ceritoxyde in die Lösung. Der Rückstand ist noch mehrere Male
der Behandlung mit conc. Schwefelsäure auszusetzen, damit alle Ceriterden in
Lösung gehen. Der grösste Theil des Eisens bleibt als unlöslich zurück, die
Lösung selbst wird aber zum Kochen erhitzt, wobei sich die Sulfate der Cerit-
erden abscheiden. Man löst sie wieder in kaltem Wasser und fällt sie durch
abermaliges Erhitzen [Marignac (6), Bunsen (7), Wöhler (8)].
Zahlreiche andere Fällungsmethoden der Ceriterden sind angegeben worden (9),
doch zeichnet sich die erwähnte durch ihre Einfachheit vor jenen aus.
Die Trennung des Ceriums von Lanthan und Didym kann mit mehr oder
weniger Erfolg auf sehr verschiedene Weise vorgenommen werden, doch ist oft
eine mehrfache Wiederholung der Operation nöthig, um die Cerverbindung völlig
von jenen Substanzen zu befreien.
Besonders gerühmt wurde das von Jolin (10) angegebene, auf der Methode
Mosander's beruhende Verfahren, nach welchem das rohe Oxyd in Salzsäure
gelöst und dann durch überschüssige Natronlauge gefällt wird, worauf man in
die den Niederschlag enthaltende alkalische Flüssigkeit Chlorgas einleitet, wobei
Lanthan- und Didymoxyd gelöst werden, während das gelbe Cerhydroxyd unan-
gegrififen bleibt. Die ganze Operation ist so oft zu wiederholen (5 — 6 mal), bis
die concentrirte Lösung der Ceroxyde keine dem Didym zugehörigen Absorptions-
streifen mehr zeigt. Zum Schluss fällt man die salzsaure Lösung der Cererde
durch Oxalsäure, wäscht und glüht den Niederschlag, löst ihn unter Beihilfe von
schwefliger Säure in Schwefelsäure, entfernt andere Metalle durch Schwefelwasser-
stoff und lässt endlich das Cersulfat aus der Lösung auskrystallisiren.
BuNSEN (i i) löst die beim Eindampfen der salpetersauren Lösung der Cerit-
oxyde hinterbleibende Masse in kaltem Wasser und kocht längere Zeit unter
Zusatz von höchst verdünnter Schwefelsäure (2 Cbcm. conc. Schwefelsäure auf
1 Liter Wasser; auf je 250 Grm. Oxyde 3 Liter). Das meiste Cer fällt als basisches
Sulfat aus, welches durch Schwefelsäure gelöst und durch viel kochendes Wasser
wieder gefällt wird.
GiBBS (12) empfiehlt, die Lösung der Oxyde in verdünnter Salpetersäure mit
Bleisuperoxyd zu kochen, wobei die Lösung in Folge der Bildung von Ceroxyd-
salz Orangeroth wird; dann dampft man zur Trockne und kocht mit salpeter-
säurehaltigem Wasser Lanthan und Didym aus. Der Rückstand wird in Salpeter-
säure gelöst und schliesslich, nachdem fremde Metalle mit Schwefelwasserstoff
gefällt sind, das Ceroxydul durch Oxalsäure niedergeschlagen.
Von den zahlreichen sonstigen Trennungsmethoden (13) sei noch das sehr
einfache Verfahren von Pattinson und Clarke (14) erwähnt. Hiernach löst man
die Ceriterde in Chromsäure, verdunstet zur Trockne und erhitzt auf 110°. Wird
nun der Rückstand mit heissem Wasser behandelt, so lösen sich Lanthan und
Didymoxyd auf, während Ceroxyd zurückbleibt.
LiADCKBUftG, Chemie. IL ^^
514 Handwörterbuch der Chemie.
Zur Abscheidung des metallischen Ceriums aus seinen Verbindungen
wandten Bunsen, Hillebrand und Norton (15) die Electrolyse des geschmolzenen
Ceriumchlorürs an unter Benutzung eines dicken Eisendrathes als negative Elec-
trode und Anwendung von 4 Kohlenzinkelementen. Es wurden Metallkugeln
bis zu 6 Grm. Gewicht auf diese Weise erhalten.
WöHLER (16) gewann das Cerium durch Schmelzen eines Gemisches aus
Ceriumchlorür, Chlorkalium und Salmiak und Eintragen der gepulverten und mit
Natriumstücken vermengten Schmelze in einen glühenden Tiegel. Es wird
schliesslich noch bis zur Verflüchtigung des überschüssigen Natriums erhitzt
Beim Zerschlagen des Tiegels zeigen sich viele kleine Metallkugeln in der grauen
Schlacke, welche durch Wasser von denselben getrennt wird.
Das electrolytisch gewonnene Cerium ist eisengrau und sehr ductil. Sein
specifisches Gewicht ist 6*628, nach dem Umschmelzen 6*728. Seine Härte ist
die des Kalkspaths und Silbers, sein Schmelzpunkt liegt zwischen demjenigen
des Antimons und Silbers. Das durch Natrium reducirte Metall, welches wohl
noch etwas Lanthan und Didym enthielt, zeigte ein spec. Gew. von 5*5.
Das Atomgewicht des Ceriums fand Marignac (17) zu 138; Bunsen und
Jegel (18) zu 138-5; 13803; 138-2; Rammelsberg (19) 138*22, Wolf (20) und
WiNY (21) 137; BüHRiG (22) 141*27.
Früher hatte man die Formel des Ceroxyduls als CeO und die des Oxyds
als Cß304 angenommen und dabei das Atomgewicht 92 berechnet Mendelejeit
(23) schlug aber vor, für das Cerium, damit es in der Tabelle des periodischen
Gesetzes den seinen Eigenschaften entsprechenden Platz erhalte, die Zahl 138 = f 92
als Atomgewicht anzunehmen. Neuere Untersuchungen, insbesondere die Be-
stimmung der specifischen Wärme des Ceriums durch Hillebrand (24), welche
0*04479 ergab, bestätigten jene Annahme. Hiemach ist das Oxydul als Ce^Oj
zu betrachten und das Ceriumdoppelatom in dieser Verbindung sechswerüüg,
das Ceratom im Oxyd als vierwerthig anzunehmen.
Oxyde des Cers.
Ceroxydul, Ce^Oj, entsteht beim starken Glühen des MetaJles an der Luft
und beim Glühen des Oxyds im Wasserstoffstrom ; im letzteren Fall findet die Reduc-
tion nicht vollständig statt. Durch Glühen des Oxalsäuren oder kohlensauren Salzes
in Wasserstoffgas wird das Oxydul am reinsten gewonnen, doch oxydirt es sich
leicht von selbst wieder, sobald es an die Luft gebracht wird. Gelbliche, graue
oder weisse Masse. Krystallisirt (in tesseralen Formen) erhielt es Nordenskjöld
(25) durch Glühen von Ceröxyd mit Borax.
Cerhydroxydul scheidet sich als weisser, an der Luft grau und gelb werden-
der Niederschlag bei Vermischen der Ceroxydulsalzlösungen mit Alkalilauge aus,
Ceriumoxyd, CeO^. Durch Erhitzen des Metalles an der Luft verbrennt
ein Theil desselben mit glänzender Flamme zu Oxyd. Auch durch Glühen des
Ceriumnitrats oder -carbonats wird es erhalten. Citrongelbes Pulver, beim Er-
hitzen vorübergehend dunkelgelb werdend.
Cerhydroxyd bildet sich, wenn Chlorgas zu in Wasser suspendirtem Cer-
hydroxydul geleitet wird; ferner bei der Fällung seiner Salzlösungen durch
Alkalien. Citrongelbes Pulver.
Ceriumchlorür, Ce2Clg. Aus Cerium und Chlorgas oder durch Ein-
dampfen einer mit Salmiak vermischten Lösung des Oxyduls in Salzsäure und
Glühen darstellbar. Weisse Masse. Mit 15 Mol. Krystallwasser verbunden
Cerium. 515
krystallisirt das Salz aus der S)rrupdicken Lösung in farblosen, vierseitigen Prismen,
welche an der Luft zerfliesslich sind.
CeriumoxychlorUr, Ce^OCj, bleibt als Rückstand beim Glühen des wasserhaltigen
Chlorüis an der Luft. Aus der Schlacke, welche bei der Gewinnung des Metalls mittelst Natrium
erhalten wird, scheidet das Oxychlorür sich beim Behandeln mit Wasser als dunkelpurpumes,
schimmerndes Pulver ab.
CeriumbromUr und -jodUr werden aus den Lösungen des Oxyduls in Brom- oder Jod-
wasserstoffsäure erhalten. Farblose und hygroskopische KrystaUe.
Cerium fluorUr, Ce^Fl^. Natürlich als Fluocerit. Aus dem Chlorür und Fluornatrium
darstellbar. Weisser Niederschlag.
Ceriumsulfür, Ce^S,. Beim Erhitzen des Cermetalls in Schwefeldampf verbrennt es zu
gelbem SulfÜr. In Form gelber, dem Musivgold ähnlicher Schuppen wird es erhalten, wenn
1 Tbl. Ceroxyd mit 3 Thln. Kalischwefelleber geglüht wird. Verbrennt beim Glühen an der
Luft in indifferenten Gasen. Erhitzt wird es roth, dann schwarz, beim Erkalten wiederum gelb.
Selbst die schwächsten Säuren zersetzen das SulfÜr unter Schwefelwasserstoffentwicklung.
Schwefelsaures Ceroxydul, Ce2(SO^)3. Aus Ceroxydulcarbonat und verdünnter
Schwefelsäure oder Ceroxyd und schwefliger Säure. Krystallisirt je nach Umständen mit 5 Mol.,
6 MoL, 8 Mol., 9 Mol. oder 12 Mol. Krystallwasser in farblosen Krystallen. Die wasserhaltigen
Salze hinterlassen bei stärkerem Erhitzen wasserfreies Sulfat als weisses Pulver.
Ein Ceroxyduloxydsulfat von dunkelgelbrother, dichroitischer Farbe bildet sich beim
Erhitzen von Ceroxyd mit concentrirter Schwefelsäure. Seine Lösung ist gelbroth.
Salpetersaueres Ceroxydul, Ce2(N03)g + I2H2O. Aus Cersulfat und Bariumnitrat.
Farblose Tafeln. ^
Kohlensaures Ceroxydul, Ce,(CO,), mit 5 und 9 Mol. H3O. Wird durch Fällen
einer Oxydulsalzlösung mit Natriumcarbonat erhalten und bildet einen weissen, nach dem Trocknen
silberglänzenden Niederschlag, welcher aus mikroskopischen Prismen besteht.
Schwefelsaures Ceroxyd, C(SO^), + 4H30. Krystallisirt aus der gelben Lösung des
Oxyds in verdünnter Schwefelsäure in gelben Massen. Bei Zusatz von Wasser scheidet sich aus
dem normalen Sulfat oder seiner Lösung in verdünnter Schwefelsäure ein gelbes, basisches Salz
ab, das an siedendes Wasser allmählich alle Schwefelsäure abgibt.
Salpeter säur es Ceroxyd. Honiggelbe Krystallmasse.
Kohlensaures Ceroxyd. Weisses Pulver.
Reactionen der Cerverbindungen.
Die normalen Ceroxydulsalze sind farblos. Alkalien fallen aus ihren
Lösungen weisses, an der Luft grau und dann gelb werdendes Hydroxydul.
Alkalicarbonate scheiden Ceroxydulcarbonat aus, Alkaliorthophosphat analog
weisses Cerphosphat. Eine concentrirte Lösung von Kalium- oder Natriumsulfat
föllt aus etwas concentrirten Ceroxydulsalzlösungen krystallinische Doppelsalze.
Natriumhypochlorit fällt aus Ceroxydulsalzlösungen gelbes Cerhydroxyd. Ferro-
cyankalium scheidet weisses Cerferrocyanür aus.
Die Ceroxydsalze sind wenig beständig. Wird ihre wässrige, mit Salz-
säure versetzte Lösung gekocht, so entstehen Oxydulsalze unter Freiwerden von
Chlor. Alkalien fällen aus den gelben Lösungen gelbes Cerhydroxyd. Ferro-
und Ferricyankalium erzeugen ebenfalls gelbe Niederschläge.
Strychninhaltige Schwefelsäure wird durch Ceroxyd blauviolett gefärbt wie
durch Chromsäure.
Die Lösungen der Ceroxydulsalze sowohl als die der Oxydsalze zeigen kein
Absorptionsspectrum. —
Die Trennung der Cerverbindungen von denjenigen anderer Metalle ergiebt sich
aus den oben erwähnten, zur Reingewinnung der Cerverbindungen anzuwendenden
Scheidungsmethoden. Heuücann.
33*
5i6 Handwörterbuch der Chemie.
Chemie,*) Name. Im Zeitalter der Ptolemäer, als die jüdischen Hellenisten
in Aegypten begannen, die biblische Weltgeschichte mit den Historien der Griechen
•) i) Synkellos, Chron., pag. 12. 2) Clementina ed. DE Lagarde 9, pag. 3 £ 3) Collat.
8, 21. 4) VergL Petrus Lambecius Prodrom, histor. literar. lib. I. c. IV, 3. Die alten
Quellen findet man sorgfältig gesichtet in H. Kopp's Beiträgen zur Geschichte der Chemie 1869,
die hier stets vorausgesetzt, nur selten citirt werden. 5) Synkellos Chronogr. ed. Bonn, pag. 13.
6) Vergl. noch Suidas unter <Pauvoc und BoRRiCHius de ortu et progressu chemiae, pag. 53.
7) Hieronymus, Quaest. in Genesin ed. de Lagarde, pag. 13, 26. 8) Gegen Boeriiave bei Kopp,
Beiträge pag. 55. 9) Vergl. Lobeck, Aglaophamus 1340 f. — Das Ms. Fol. 199 r giebt ein
wohl auch von Zosimos überliefertes chemisch -hieroglyphisches Alphabet 10) Jamblich,
de myst. 8, 5; 10, 7. 11) Histoire de la chimie 1843 L, pag. 502. 12) VergL weiter
unten. Die Allegorie stammt aus Ezechiel i, 4 »aus der Wolke wie das Chaschmalauge mitten
aus dem Feuer«. — Ms. Gotha 190 r oben. 13) VergL Gelesan bei Stephanos in Idelsr's
Physici et medici Graeci II, 247, 23. 14) Exercit. Plin. ad Solin., pag. 1098. 15) Ideux,
Phys. Graec. 1842 II, pag. 246. 16) Diese beiden Worte haben im gothaer Ms. das Tilgangs-
zeichen; vielleicht mit Unrecht s. u. Pizimentius lässt sie aus. 17) Ibn-an-Nadim's Flhrist ed.
Flügel I, 353, 24. 18) Müller, Fragm. bist Graec. n, pag. 548 f. vergl. Ebers, Papyros-
Ebers, Vorrede. Brugsch, Geschichte Aegyptens 1877, pag. 70. 19) Navhxe in Rrnie
Egyptologique 1880 I, pag. 165. Note 3. Brugsch a. a. O., pag. 562 f. 20) Verg^ Maspero
in Lepsius' Zeitschrift für ägypt Sprache 1882, pag. 129, XXVII, i. 21) De myst. 8, 3.
22) Jablonski, Pantheon ^egypt I, pag. 96. 23) Vergl. die pantheistischen Ammon-
hymnen: Papyrus Harris übers, von Chabas in Records of the Past, London X, pag. 137 f;
Stern in Lepsius* Zeitschrift 1873, pag. 76. 24) Synkellos, p. P. 359. 25) Astron. lib. m,
5, 90 loco. 26) Etym. ling. lat. Amstel. 1695, pag. 20. 27) Beiträge pag. 45. 28} Astn».
lib. VI. praef. ed. Aid. Sollte nicht Überall fAopcoT^^eacc dgL d. h. die Geburt nach den Con-
stellationen in den Th eilen des Zodiakus, herzustellen sein? 29) S. femer V. praeü ; V, 1;
Petosiris Vm, i. VIU, 5. 30) Plin. bist nat. VU, pag. 49 (50). 31) VergL Pauly's
Realencyclop. der class. Alterthumsw. V, pag. 497. 1393. 32) Letronne in Notices et Extzaits
desMss. de la bibl. Imperiale XVni, pag. 236. 33) Ms. British Museum Egerton 709 FoL45r,
welches in einer Abschrift des Herrn Prof. Baethgen vorliegt. 34) Firmicus V, i6l
35) Ibd. IV, 14. 36) Fabriciüs, Bibl. Gr. 1740 XII, pag. 765, vergL Kopp, Beiträge pag. 91,
Ms. Gotha FoL 175 r. 37) Vergl. hierüber unten pag. 527. 38) x^tpotlJiV^^ erklärt sich ans
Irefuv bei Synesios in Fabricius BibL Gr. 1729 t VIII, pag. 329 § IX; es hat ebenso Geltung
wie y(tipoTt)(yf^'za und x^^P^^^^' chemische Manipulationen. 38 a) S. die Noten zum Hierodes
XXVII, 70 hinter Gaisford's Stobacus, pag. 178. 38 b) Vergl. z. B. den Anfang der syxiscben
Uebersetzung des Demokritos. 38 c) Firmicus Astron. VII. praef. 38 d) Hoefer, Histoire de la
chimie I. ed. I, pag. 503. 38 e) Ed. Meyer, Set-Typhon 1875, pag» »3- 38f)PLEW, de Sarqiide
Regiomonti 1868 Diss., pag. 13 f. 39) Lobeck, Aglaophamus I, pag. 740 N. 40) S. Brugsch
in Lepsius' Zeitschr. f. ägypt. Sprache 1881, pag. 99. No. 42. 41) Ms. Gotha FoL 94 b, vergL
85V 87V 89r 91 V 93V iisr 164 v. 42) Hoefer, Hist. I, pag. 503. 43) Der Text der gothacr
Handschrift ist sehr verwahrlost. Ich stelle ihn dem Sinne nach her. 44) Skithe lag in der
nitrischen Wüste im W. des Deltas; Terenuthis ist Terrane: vergL die Karten bei Larsow, die
Festbriefe des heiligen Athanasius 1852, pag. 3 f. — 'Qtvrfi li^o^ »Eierstein c, heisst Fol. 137 v
im Lexikon noch TcpevouDev und ^puaoxoXXa. Denn das Eidotter (aus dem Hephästos der Vater
des Imuth entsprang) Sonne u. Gold gelten den Chemikern gleich. Daher die zahlreiclien
Xeria, welche aus li^iem bereitet werden. (Syr. Ms. Egerton.) 45) Hoefer, Hist de la cfaim.
I ed. I, pag. 258. 273. Syr. Ms. Egerton 709, FoL 56 rect. 46) Hoefer I, pag. 503. Im
Ms. Gotha FoL 2i4r 'Opfxavoud. Wahrscheinlich ist damit der Isistempel in Menuthis (Eumenuthis),
ganz nahe bei Kanobos, gemeint. L. Jablonski, Pantheon Aeg. m, pag. 153. 154 und Boeckb
C. I. Gr. No. 4683b. Brugsch, Geogr. Inschr. altägypt. Denkm. I, pag. 29a 47) Veigl.
Pott in Zeitschr. der deutsch. morgenL Gesellsch. XXX, pag. 17. 48) Lobeck; Aglaoj^iamBS
936 N. 49) BoRRiCHius de ortu et progressu chemiae 1688, pag. 28 ff. Chwohlsok, Ssabierü,
pag. 839. 50) Ms. Mus. Brit. Syr. Egerton 709 Fol. 44 r. Abschrift Basthgen's. 51) Veigl.
Chemie. 5 1 7
und Aegypter durch Ausdeutung in Einklang zu setzen, wurde der Ursprung der
heidnischen Wissenschaften, wie der Kosmetik, der Metallurgie und Astronomie,
zumal wenn sie im Zusammenhang mit dem Priesterthum oder der Magie standen,
dem in der Genesis 6, i — 2 berichteten Umgang der Menschentöchter mit
den Söhnen der Götter vor der Sintfluth, insonderheit dem Engel Azazel, zuge-
schrieben. Aus den apokryphischen Büchern der Juden, wie dem Buche Henoch (i)
(Ende des zweiten Jahrhunderts v. Chr.), wurden diese Sagen von den Christen
der ersten Jahrhunderte entlehnt. So wird in dem christlichen Roman des
Römers Qemens (2) Cham, der Sohn Noa's und Vater Mestrems, d. i.
Aegyptens, als der Magier vorausgesetzt, welcher spätem Geschlechtem die vor-
sintfluthliche Wissenschaft vererbt habe. Jo. Cassianus (3), ein Schriftsteller des
Synesios in Fabricius BibL Gr. VHI, pag. 235 § in f. Schon im Griechischen ist sehr häufig
das Zeichen des zunehmenden Mondes in »Mond« statt Quecksilber verlesen. 52) Vergl.
Stephanos in Ideler's Pbysici Graeci n, 204, 29; 205, 20; 216, 20 u. s. w. 53) Theatrum
chemicum Argentorati 1659 m, pag. 434. 726. IV, pag. 546. 891. 54) Mangeti bibliotheca
Vol. I, pag. 63. Cap. n, pag. 64, op. I. 55) de Iside et Osiride c. 33. 56) Stobaeus, pag. 951
ed. Gaisford I, pag. 406. 57) Titel einer hermetischen Schrift bei Stobaeus. 58) Bei manchen
Operationen, scheint es, wurde diese Schwärze in einem StUck Leinwand (n^GcXov) in die >Wachs-
schmelxe« XTjpoTOxic, eine Art Tiegel gethan. 59) Vergl. schon Salmasiüs Exercit. Plin. ad
Solin., pag. 1060. Auf dieselbe schwarze ZersetzungsbrUhe bezieht, sich der Ausdruck »Fäule der
Isisc bei Stephanos s. u., d. h. der um den todten Osiris trauernden Gattin? vergl. Plutarch
de Is. c 52. Amob. i, 36. Orph. Hymn. 42, 9. 60) Oben pag. 520. 61) Diod. Sic. I, 25.
Lepsius, Zcitschr. f. ägypt. Sprache 1875, P*g- 54i *'5J ^^74, pag. 79. 62) Vergl. die Daten
bei dem Syrer Ms. Egerton 709, Fol. 17b, Nisän bis TischriU 11; Chzfrän bis Tischri.
63) Plutarch. de Iside c. 39. 64) Fol. 183b 83a 178b vergl. Stephanos bei Ideler, Phys.
Grr. n, pag. 212, 13. 14. Die Juden dachten dabei an den Nordwind, Ezechiel i, 4 vergl.
Anmerk. 12. 65) Plut de Is. c. 39. 66) Vergl. du Gange, Lex. med. Graec. unter xtp^a.
Ein anderer Name der Chemie ist V| piepcx^ "^X^ »Kunst der Proportionen der Metalle« bei
Hdros an Kronamm6n, FoL 183 v 83a,* so (xepncal xaxaßa^l bei Zosimos, Imuth, Omega, An-
fang. — Kijpfov erklärt sich leicht aus Synesios bei Fabricius, BibL Gr. Vm, pag. 239 § Vm.
67) Bei Clemens, Protrept, pag. 14 Sylb. 68) Histor. eccles. II, 23. 69) S. Brugsch in
Lepsius Zeitschr. f. ägypt Sprache 1881, pag. 100, No. 45, vergl. pag. 89, No. 10. Dümichen
ibid. 1879, P<^' 9^- Lepsius, Die Metalle in den ägypt Inschriften (Abh. d. Berl. Akad. 187 1),
pag. 54. 70) Plut de Is. c 22. 71) Vergl. die Hekate aus dreifarbigem Wachs bei Porphyr.
in £iueb. piaep. ev., pag. 202 c 204 d mit lambl. de myst ed. Parthey, pag. 233, 12; 234, 9.
72) Setea-roman in Records of the Past, London IV, pag. 35. 73) Chwohlson, Die Ssabier n,
pag:. 396, Note 97. 74) Erhalten bei Stephanos in Ideler Phys. Grr. n, pag. 248, 35 ff.
75) Plew de Sarapide, Regiomonti 1868, pag. 31 Diss.; Pietschmann, Hermes Trismegistos,
pag^. 24. 76) Diodor, Lib. I, pag. 25, vergl. mit Stobaeus phys. 928 etc. 77) Hoefer, Hist de la
chimie I, pag. 503. 78) Lepsius Zeitschrift 1879, pag. 85; 1880, pag. 137. 79) Böttiger, Klein.
Schrift. H, 2 10 ff. 80) S. o. 81) Jablonski, Pantheon Aeg. I, pag. 81. 82) Im Lexikon, Ms. Gotiia,
Fol. 134V und bei du Gange. 83) Ideler, Phys. Grr. H, pag. 252, 30. 84) Ibid. n, 236, 36,
vergL Ms. Gotha, Fol. 29 r. 85) Bei Stephanos, a. a. O. n, pag. 127. 86) Es ist nicht er-
sichtlich, ob Ideler nach der gothaer Hs. oder ihrer pariser Vorlage ediert hat. Die gothaer
hat FoL 14b die Worte xM*^ ^offlti so ohne Zeichen, am Rande bei der zugehörigen Zeile.
PIZOCBNTIUS in Democritus Abderita de arte magna Patavii 1673, pag. 37 lässt sie aus.
87) Ms. Gotha Fol. 96 r 97 r I38r u. a. 88) Kopp, Beiträge, pag. 57 u. 73. 89) Zeitechrift
d. deutsch, morgenl. Gesellsch. XXX, pag. 537. 90) Stephanos bei Ideler II. 253, pag. 4;
2C>6, pag. 27, 30; 249, pag. 24, 31. 91) Bei du Gange Lex. med. Graec. Notarum characteres
pag. 16 steht X 6 X"f*^^ 9^) Boeckh, C. I. Gr. 1570. I, pag. 750. 93) Nach dem Fihrist
des Ibn-an-Nadim ed. Flügel I, pag. 354, 19 schrieb Sergios von Resaena in Mesopotamien ein
Buch an den Bischof Kyros vonEdessa. Ein Pseudepigraphon? 94) Vergl. du Gange, pag. 15 15.
5i8 Handwörterbuch der Chemie.
4. Jahrhunderts, ^eiss, dass Cham dieselbe auf »Platten« aus verschiedenen
Metallen eingegraben, wie man sonst Aebafiches von Seth, dem babylonischen
Xisuthros u. A. erzählte, um sie hinter dem Rücken seines Vaters Noa vor der
Zerstörung durch das Wasser zu retten. Schon zu Beginn des 2. Jahrh. n. Chr.
lief in Aegypten in gnostischen Kreisen ein Buch um, welches »eine Prophetie
des Cham« enthielt, in welcher vom Himmel und der Natur in solchen Alle-
gorien geredet wurde, dass man den Griechen Pherekydes der Entlehnung seiner
geheimnissvollen Metaphern aus derselben beschuldigte. Diese Thatsachen (4)
muss man im Auge behalten, wenn man zur Beurtheilung der berufenen Her-
leitung des Namens Chemie schreitet, welche der Philosoph Zosimos von Pano-
polis — vielleicht im 4/ oder 5. Jahrh. — im elften Buchstaben des von ihm an
Theosebeia gerichteten Buches Imuth (5) (über die »Handarbeiten«) also giebt:
»Es berichten die heiligen Schriften, d. h. die Bibel, o Frau, dass es ein Dämonen-
geschlecht giebt, welches sich mit Weibern einlässt Auch Hermes hat es er-
wähnt in den Physica, und fast jede öffentliche und geheime Schrift hat des-
selben gedacht. Nun haben die alten und göttlichen Schriften dies gesagt: dass
gewisse Engel der Weiber begehrten, herunterkamen und denselben alle Werke
der Natur lehrten; weswegen sie, sagt er (so), Anstoss erregten und deswegen
vom Himmel ausgeschlossen blieben, weil sie den Menschen alles Böse und seiner
Seele Unnütze gelehrt. Von denselben, berichten dieselben Schriften, wären
auch die Giganten erzeugt. Es existirt nun von denselben die erste Ueberlieferung
ChSmeu (so, nicht Chlma hahen die Hss.; die richtige Lesart ist vielleicht X'i](i43u, d. b. des
Chemes) über diese Künste. Er nannte aber dieses Buch ChSmeu (des
ChSmds), woher auch die Kunst Chemeia heisst« (6). Wenn nun auch Cham
als Sohn des Noa von der frommen sethitischen Linie und nicht von den bib-
lischen Giganten abstammt, so hindert das doch nicht anzunehmen, dass Zosimos
oder vielmehr wahrscheinlich schon die von ihm citirte Schrift des Hermes seinen
Chemeu ftir identisch mit Cham hielt; denn beide sind nach der Sintfluth die
ersten Ueberlieferer der vorsintfluthlichen Naturwissenschaften. Nun wird sich
weiter zeigen, wie sehr Zosimos tiberzeugt davon war, dass die Chemie, als
die Kunst, unedle Metalle in edle zu verwandeln, ihren Ursprung in
seiner Heimath Aegypten und ihre Ueberlieferung bei ägyptischen Priestern hatte;
sowie femer, nach einem Citat des Stephanos von Alexandria aus einer alten, chemischen
Schrift, dass die Aegypter die erste Aufsuchung des Metallverwandlungsmittels seit
der Gründung Aegyptens datirten. Da nun Aegypten auf nordägyptisch wirklich
Chfimi hiess, so lag nichts näher, als dem Cham, dem Vater des Mestrem =
Aegypten == ChSmt die Aussprache Chömeu (Ch6m6s) zu geben, um so mehr,
als der jüdischen Tradition die Verknüpfung des einheimischen Landesnaniens
in der Verdrehung Ham mit dem Noasohne Cham auch sonst vertraut war (7).
Indem aber Zosimos einem Eponymos des Chfimi-landes das nach ihm betitelte
Buch zuschreibt, wird er keinen andern Anlass gehabt haben, von ihm in seinem
chemischen Buche zu reden, als weil das Chemeu-buch in die Chemie anschlug,
sonst hätte er auch den Namen der Kunst nicht damit zusammenbringen können.
Dass der Wortlaut jener SteUe nur allgemein auf die Werke der Natur geht, steht dem nidit
im Wege. Denn in der Herauskehrung der Natur aus den Metallindividualittlten sieht die
älteste Chemie ihre eigentliche Aufgahe; daher auch des Demokritos' Chemie »Physica« im
Titel trägt (8). Mithin bedeutete dem Zosimos chömeia: die Kunst des ersten
Chemikers Ch6m£s.
Wie geläufig nicht nur dem Zosimos, einem begeisterten und ideal gesinnten
Chemie. 5 19
Vertreter seines Fachs, sondern auch seinen Vorgängern eine solche Art des
Syncretismus war, ersieht man aus den umfangreichen Fragmenten seines Buches
Imuth über die Cheirokmeta, welche z. B. in der gothaer Handschrift, Ch.
n. 249 b, Fol. 138V (einschliessend ein Fragment aus dem Agatharchides) bis
166 r und 195 r ff. (ausser andern Stellen) unzweifelhaft erhalten sind.
Das Buch umfasste ein Alphabet Abhandlungen in Briefen an Theosebeia; doch mögen
einige an andere Personen (Lazaros?) gerichtet sein. In der Vorrede des Onuga, Fol. 195 f.,
welches Über den chemischen Kamin und Apparate handelt, theilt Zosimos — ein leidenschaft-
licher Buchstabenspekulant (9) und Etymolog — die Verächter einer seiner Schriften über den
Sublimationsapparat als Banausen der adamitischen, von der Heimarmend beherrschten Menschen-
klasse zu; (ganz solchen ägyptisch-neuplatonischen Anschauungen huldigend, wie sie bei Jam-
blichos (10) Bitys vorträgt, den er neben dem trismegas Platon und dem myrwmegas Hermes
mit der ^ Tafel des BUos* citirt). Sich selber und die philosophisch gebildeten Chemiker be-
zeichnet er als Streber nach der höchsten Vernunft, nach der Vereinigung mit dem Princip,
dessen höchsten Namen nur »der verborgene Nikotkeos* (El-Gibb6r?) weiss, dessen Beiname
das Licht ist, welches als Jesus Christus in die Adamiten dringt. Diese stammen von Adam,
nach seinem Etymon »der jungfräulichen, blutigen, fleischigen Erde«. Adam nennen ihn Chaldäer,
Parther, Meder und Hebräer; die Aegypter aber Tkoytk d. i. Hermes; die Griechen Prometheus
und Epimetheus, deren Fessel Pandora dieselbe wie Eva ist. Das Licht (Ocuc) Christus hat
die Aufgabe, jeden Adam zur Reue zu bewegen, ihn erst zum Menschen (<I>(i><) nämlich Licht-
(0(ik) -menschen zu machen, ihn der Vernunft zu gewinnen und ihn der Heimarmene, d. i. dem
Einfluss der Gestirne zu entziehen. Zuletzt wird dieses Licht den Kampf aufnehmen nicht nur
gegen den Antimimos, sondern auch gegen den von diesem gesandten Vorläufer, der
aus Persien kommt Dieser hat einen Namen mit neun Buchstaben, unter denen ein Vocal
doppelt ist ((^^0770^). (Man erräth leicht Zoroastres, den er vorher auch citirt) Dass
Thoytk, als Hermes trismegistos und als ein von Zosimos sehr gepriesener Seelenführer und
Chemiker, wenigstens als bekehrter Adamit auch Jesu gleichen mttsste, entspräche den An-
sichten des Zosimos, aber er sagt es nicht Sollte dem Priester der Chemie, welcher nach der
Lösung des chemischen Problems und damit zugleich nach der höchsten Vernunft strebt, auch
die »ZusammenfUgung der Knochen« des Retortenbaues nicht gelingen — Anspielung auf
Exechiel, K. 37 — : das bringt ihm keinen Untergang. Wehe aber den adamitischen Verspottem
seines Kunstwerks! — »Nur die hebräischen und heiligen Bücher des Hermes,« sagt Z. wörtlich,
»sprechen über den lichtvollen Menschen und seinen Wegweiser, den Gottessohn; über den
irdischen Adam und seinen Führer, den Antimimos, der sich mit böser Rede und Täuschung
den Sohn Gottes nennt« Und vorher: »Dasselbe ist in den Bibliotheken der Ptolemäer ge-
funden worden, welche (?) sie in jedes Heiligthum, am meisten in das Sarapeum (tcJ) 9apa7t{v<{))
niederlegten, als sie Asenon (Simon?) den Hohenpriester von Jierusalem (Äoevov xaiv dp)rtepoaoX6|i«>v)
einladen, ihnen Hermes (so) zu schicken, welcher das ganze Hebräische (Buch?) griechisch und
ägjrptisch übersetzte.«
Dass aber die Verbindung des Cham mit dem Chemes (Chemeu) und dieses
mit chemeia geradezu eine jüdische Schöpfung sei, um der Chemie einen histo-
rischen Erfinder zu geben, wird erst recht wahrscheinlich, wenn man die Art
der ältesten chemischen Literatur berücksichtigt, welche dem Zosimos nach seinen
Citaten vorlag. Dieselbe bestand aus durchweg pseudepigraphischen Lehrbüchern
der Kunst, die zwar alle ägyptischer Heimath sind,' aber dreifacher Herkunft:
ägyptisch-hellenistischer, persisch-hellenistischer und jüdisch-hellenistischer. Die
häufigste Form, in welcher die Geheimwissenschaft ägyptischer Priester — daftir
die Chemie zu halten, werden wir allen Grund haben — tiberliefert wurde, ist,
dass ein Gott sich seinem Priester oder Propheten, ein Lehrer seinem Schüler,
ein Vater seinem Sohn mittheilt. Weniger Bekanntes sei angeftihrt:
Hermes an Pauseris (= Pausiris, richtig: Lepsius' Zeitschrift 1883^ pag. 164), Hs. Gotha,
FoL 103 r, vergL 175 v; Hemus, t^ rM^V^ ü^er die Komarif gemäss den Mdem Verbmdungen,
520 Handwörterbuch der Chemie.
Fol. 103 r; lob bei Stephanos. Ausser andern Schriften des Hermes citirt Zosimos, wie bei
Synkellos, im Omega des Imuth auch die Trepl f6ocu)v foL 195 v. — Horos der Gold^äber an
Kronamtnon (Kpovfltv|jLu>jj.a) irepl tt^c {upcxTJc t^^^c Fol. i83v. vergl. iSßr, 83 r. — Isis an Horos,
FoL 2i4r. Bei Hoefer (ii) fehlen aber die Recepte, auf die auch weisen: FoL i3or, 148 r,
64 r. — Orakelsprüche des Apollo», FoL 10 ir, 152V, I79r, I75r. — Die Ausgabe des ApolUm,
FoL i65r. — Agathodämon, sehr häufig; Agathodämonäen, eine Chemikerklasse 138V. — Pammenes^
FoL 143V. — Pibickios (richtig: Pibechios) oft. — Theophilos, Sohn des Theogenes, Fol. 176V,
165 r 3U. — Demokritos an Leukippos, 2i2v. — Afrikanos, I52r, l69r. — (^studo) Synesios
an Dioskoros, — Ostanes über Sophar, öfter.
Ganz analog gebärden sich nun die jüdischen Schriften; vor allem die beliebte der Pro-
pheHn Maria aus dem yivoc dßpaa|jLiatov, Fol. 183 r, welche ihre chemischen Recepte für direkte In-
spirationen Gottes ausgiebt: FoL I58r. Eine ihrer Schriften wird citirt: ht r^ (td^j^ x^ dpocvoccSouc
buwdmo Toö Cf^Uoo Map^ac, FoL i83r, oder hd •m^ bnmxjdczm tou C<»^0Ui FoL I58r, 155 r. Das
hier gemeinte Thier ist eine Allegorie des Goldes oder Silbergoldes, welches bei der Subli-
mation in der Wolke des Quecksilbers aufsteigt Was unter ihm liegt ist die Anfangsoperation
der «Schwärzung«, über ihm die der »Gilbung« (12). — Femer die »Maxa des Moyses*, ein
Präparat, Fol. I58r; Mosis Diplosis (Mischneh kesef?), FoL I90r. Erwähnt wird in einem Ausspruche
des Hermes *der Landmann Achaab* (= Ahab), FoL 175V, sowie der Erzengel und Priester Amnail
(Variante Amnull) in der Schrift Isis an Höros. Auch sonst kommt Zosimos oft auf die jüdischen
oder hebräischen ChemiebUcher zu sprechen. Er kennt eine Schrift des Juden Solomon (Fol. 191 r),
in welcher ein Egelasa (anderswo Gelasa (13), d. h. Uebersetzung von Jishaq >er lacht«) an Exakusios
(d. i. Jischmall) über chemische Instrumente schreibt In derselben wird der Sublimation (arsis)
gedacht, »welche durch diese und ähnliche von Noa herrührende (dic6 toO NoSc) Instrumente
bewirkt wurde«: FoL 20 iv oben. An eine syrische Uebersetzung des Demokritos sdiliesscn sich
chemische * Recepte aus deni Buche des weisen Schrifigelehrten Ezra* : Ms. Cambridge 6, 29, Fol. i i6t
bis i2or.
Bei solchem Aussehn der Literatur, solcher Namen-; Gedanken- und Ge-
schichtsklitterung der verschiedenartigsten Nationalitäten wird man kaum fehl-
greifen, wenn man den »Chemeu« bei Zosimos, den Verfasser des gleichnamigen
Buches, als eine jüdische Schöpfung aus Cham und Chemeia betrachtet. Aber
nicht das allein. Es ist auch kein Grund vorhanden, einen C^fiMts oder CmM£s,
einen chemischen Schriftsteller sehr gefeierten Namens, dessen natürlich pseud-
epigraphische Schrift öfter genannt wird, mit dem ersten nicht für identisch zu halten.
Vorab bemerke ich, dass die Schreibung mit t oder 1} in der gothaer Handschrift, wie
überhaupt in den späten chemischen Handschriften, auch in andern Wörtern beliebig mit einander
wechselt. Die bereits von Salmasius (14) angeführten Citate des Ch^^ bei 2k>simos, und
zwar unzweifelhaft dem echten, finden sich auch in der gothaer Handschrift, und zwar in dieser
Gesellschaft: Fol. I53r »die ganzen Schriften und Chimes und die Maria*; I58r Maria; des Most
Masa; »Chinies an vielen Stellen*; Pibechios , über die »Brennung«; 158V zum Schlüsse derselben
Abhandlung: »Und der Prophet Chimes nannte es (das Verbrennungsprodukt) nach sechs Eimvwrfen
tanzend zweimal, * sagte er (ist zu tilgen), schattenloses Gelb*, d. i. Gold.
Am häufigsten wird Chimes wegen des Fundamentalsatzes der alten Chemie
angeführt, welchen er, nach Olympiödoros, dem Commentator des Zosimos, von
Parmenides nicht entlehnt, aber ihm parallel mit besonderer Anwendung auf
die Chemie ausgesprochen hat: Fol. lyar f. An dieser Stelle allein wird er Chemes,
sonst immer Chimes geschrieben. Zosimos sucht, Fol. 152 r, denselben Grundsatz, wonach die
Verwandlung aller Metalle und Minerale in einander auf einem Färbstoff (phab^ = baphe) Ton
identischer Beschaffenheit beruht, nachzuweisen aus Aeusserungen des Demokritos, Airikuios,
Chimes, P^bichios, Maria und Agathodämon. Er sagt: Chirons aber hat es sdiön ausge-
sprochen: »denn Eins ist das All. Eins ist das All und wenn nicht Alles enthielte das AU,
so wäre das All nicht entstanden.« Bei Salmasius, pag. 1098, folgt noch: »also mosst du
dieses All hineinwerfen, damit du das All auch gemacht habest« — Vielleicht aus einer
Chemie. 521
andern Stelle de? Zosimos, jedenfalls aus einem alten Chemiker geschöpft, findet
sich derselbe Spruch bei Stephanos von Alexandria (7. Jahrh.) (15). Dieser drückt
sich über das Gelingen der Metallverwandlung, welche durch die drei Prozesse
der Oxydirung (I6sis) oder Schwärzung (Melansis), der Weissung (Leukösis) und
Gilbung (Xanthftsis) hindurchgeht, in traditionellen, doppelsinnigen Allegorien, die
später besprochen werden sollen, so aus: »Eine ist die Schlange, welche die
beiden Zeichen (weisse und rothe Krone von Ober- und Unter-Aegypten; = Verbindungen,
die gold- und silberfarbene) und das Gift (auch Oxyd = QuecksilbeTpräparat, s. unten) enthält^
denn Eins ist das All, durch welches das All; allmächtiger Chimes (16); und wenn
nicht das All das All enthielte, (wäre) das All nichts, sagt der allmächtige Chimes,
Und es sagt dX^ priesterliche Stimme: Gefunden ist der Pan, der seit der Gründung
Aegyptens gesucht wird!«
Aus den griechischen Listen der Chemiker ist der Chimes auch in die reichhaltigeren der
Araber übergegangen als Kimds (17)
Noch gewisser wird der judische Ursprung dieses ChimSs dadurch, dass sein Name mit der
griechischen Form irgend eines sonst bekannten, altägyptischen Namens sich nicht leicht verein-
baren lässt. Man hat an den König Chembcs, den Erbauer der ersten Pyramide gedacht. Aber
nur Diodor (I, 63) nennt diesen so: sonst heisst er Cheops d. i. Chufu. Wenngleich derselbe
unter dem Namen Suphis als Verfasser des heiligen Buches der Aegypter genannt wird (18):
er steht nicht am Anfang der ägyptischen Geschichte, sondern gehört der vierten Dynastie an.
Noch weniger kommt wegen des letztem Grundes Chamus Xa{jLO(c in Betracht, wie mehrere könig-
liche Personen Messen, namentlich der Sohn Ramesses II., Oberpriester des Pthah, Zauberer und
Inhaber eines Zauberbuches (19). Unter den Göttern — Chemes wäre ja ein degradirter Gott
gewesen — leuchtet verführerisch »Chem« entgegen, der Pan von Koptos, der Stadt der Berg-
leute, und von Chemmis-Panopolis, ein ithyphallischer, mit Ammon pantheistisch vereinigter Lokal-
gott Allein dieses Irrlicht verjagt Adolf Erman, indem er bestätigt, dass der Name dieses
Gottes Min zu sprechen ist. Diese Lesung, von Brugsch früher behauptet, von den übrigen
nicht angenommen, von ihm selber aufgegeben, sei nunmehr durch die phonetische Schreibung
der Pyramiden gesichert (20). Endlich ist, z. B. von Re[nesius, eine Combination des Chenieu,
als ungriechischer Nominativ, mit dem Katnephis vorgeschlagen, der allerdings schwerlich ver-
schieden ist von dem Em^h oder Hhneph bei Jamblichos (21). Mit diesem Beinamen des
höchsten Gottes Ammön-Ra: Ka mtf, welcher »Bulle (Gemahl) seiner Mutter«, d. h. Erzeuger
seiner selbst, bedeutet, bezeichneten die spätesten ägyptischen Priester den Ersten aller himm-
lischen Götter, die vor dem Anfang stehende, sich selbst denkende Vernunft, dabei aber auch
Urerzeuger und Sonne (22). Aber obschon dieser sich zu einem Patron des chemischen Eins
in Allem wohl eignete: (23) die in den Schriften der Hellenisten noch ziemlich ursprünglich
bewahrte Form seines Namens macht dessen gleichlaufende Verstümmelung in Chemeu und
Chim^ sehr unwahrscheinlich.
Wenn wir also auch zu dem Ergebniss kommen, dass jener Chimes der
Chemie nicht seinen Namen gegeben hat, diese vielmehr seine Mutter und sein
Vater Cham ist: wir würden diese Untersuchung nicht so eingehend geführt haben,
wenn wir der Tradition über die ältesten Verhältnisse dieser Kunst so wenig
Vertrauen entgegenbrächten, wie im Allgemeinen z. B. von dem trefflichen Kopp
geschieht. An der Hand der Ueberlieferung suchen wir nun annehmbar zu
machen, dass der Ursprung der Chemie und auch ihres Namens in Aegypten
Hegt
Man erinnere sich zunächst der ältesten Nachrichten, welche der Chemie
unter diesem Namen gedenken. Dem Kaiser Alexander Severus (222 — 234 v. Chr.)
widmete der Chronograph Jul. Africanus eine Sammelschrift, betitelt Kestoi,
welche ausser medicinischen, physischen und ackerbaulichen Excerpten auch
-/u|fcetmxoiv duya|j.8tc, tKräfte chemischer Fräparatec, umfasste.
522 Handwörterbuch der Chemie.
Dies erzählt, wohl nicht nach Eusebios Pamphilos, sondern nach dem ägyptischen Mönch
Panodoros, der um 400 unter Arcadius lebte, Georgios der Synkellos (24). Denn die arme-
nische Uebersetzung des Eusebios deckt diese Notiz nicht Nach dem was Suidas von dem
Inhalt der Kestoi erzählt, passen chemische Dinge recht wohl hinein : überdies citir^ die Chemiker
den Afrikanos (s. o.).
Im Einklang hiermit berichtet von Diocletian, der im Jahre 296 einen Auf-
stand der Aegypter mit sehr harten Maassregeln dämpfte, eine Notiz aus der
Chronik des Joannes Antiochenus, welche auch Suidas unter x^H-^^ ^^*» dass
dieser Kaiser »die über die Chemie Silbers und Goldes (irepl xir)ji.eiac dpTupoo xai
Xpujyou) von den Alten der Aegypter geschriebenen Bücher aufsuchen und ver-
brennen« Hess. Zwar wird im Verfolg dieser Mittheilung dem Kaiser das Motiv unterstellt,
er habe den Aegyptem die Mittel zum Aufruhr aus der Goldquelle ihrer nationalen Kunst ab-
schneiden wollen; indessen statt sie zu verdächtigen, verstärkt dieser Umstand nur die Zurer-
lässigkeit jener Nachricht, insofern er zeigt, dass die Verehrer der Chemie aus einer gelegent-
lichen Verfolgung und Schädigung derselben, etwa bei Einäscherung der Tempellaboratorien, ein
Argument für ihre Kunst ableiteten. — Zum ersten Mal direkt in einer alten Schrift
erscheint der Name derselben bei Jul. Firmicus Maternus (25). Wenn der Mond»
heisst es, an neunter Stelle vom Horoskop ab, im Hause des Mercur steht,
schenkt er die Astronomie , wenn in dem des Jupiter, den religiösen
Cultus und scientiam in lege, wenn im Hause des Satnm, scientiam chimiae.
So, statt scientiam alchimiae, wie Aldus edirte, steht nach G. J. Voss in den Hand-
schriften. Die Lesart ckimüu, und keineswegs etwas anderes, wie Kopp argwöhnt (27), setst auch
Kircher voraus, da deutlich seine Meinung ist, dass Firmicus zwar chimia, im Sinne von
Metallurgie, nicht aber Alchimie gekannt habe. Dass indessen Firmicus unter chimia die auf
Goldpräparirung ausgehende Metallverwandlungskunst verstanden, geht aus dem Zusatz sdattk
hervor fUr den, welcher berücksichtigt, dass der mit seinen Ausdrücken genau unterscheidende
Autor sonst oft erwähnt: aurifices (Goldschmiede) aut fossores auri aut absconsarum qoa-
rundam artium magistros (m, 8, 4^ loco); metallorum inventores (Vm, 17); aurifices et qoi
ex auri operatione lucrentur (Vm, 22) u. s. w. Ohnehin ist chemia noch nirgends in der Be-
deutung »Metallurgie« erwiesen worden. Der Grund, wanmi Saturn mit dem Silbermond Chemiker
d. h. geheimnissvolle Gold- und Silberpräparanten hervorbringt, während die Übrigen Planeten
hier andere Priesterwissenschaften zeitigen, liegt nach der im Buche II, 10 gegebenen Charak-
teristik jenes ernstesten und tiefsinnigen Planeten nahe: bewirkt er doch auch magicam aitem;
wie ebenso im Verein mit Mercur nach V, 12: rerum occultarum inquisitores ut thesatuomm,
sepulchrorum aurique et argenti absconditique metalli et omnium denique rerum quae a commimi
hominum consuetudine sunt alienae u. s. w., also Geheimwissenschaften.
Nun aber hat Firmicus den Ausdruck scientia chimiae gewiss nicht erfunden;
sondern ihn aus der griechischen Bearbeitung eines ägyptischen Buches über
Astrologie entnommen. Das bezeugt er selbst, indem er in der Vorrede zu dem
betreffenden dritten Buche das in diesem abgehandelte Thema, nämlich die Ein-
richtung des menschlichen Mikrokosmus gemäss dem Einfluss des siderischen
Makrokosmus, ebenso wie die daraus folgenden Einzelheiten auf eine Schrift des
Petosiris und des (ägyptischen Königs) Necepso zurückführt, von der er noch
oft spricht.
Beide Männer, sagt er weiter (m, i), seien in der Beschreibung der genitura mundi »secati
Aesculapium et Anubium, quibus potentissimum Mercurii numen isttus scientiae secietm
commisit.« Dieses Buch des Aesculap habe den Titel fiopiOT^eatc, vergL V, i: si vero myrio-
genesin Aesculapii legeris quam sibi venerabilem Mercurii stellam intimasse professos
est, invenies. IV, i Omnia enim quae Aesculapio Mercurius Enichnus que (L ? Anubiusque)
tradiderunt, quae Petosyris explicavit et Necepso; quae Abraham ... in bis perscripsimos
libris (29). Solche Schriften des Petos!ris und Nechepsos, wie Plinius (30) sagt, ans der schola
Aesculapi, sind schon im augusteischen Zeitalter bekannt (31) und finden sich mit derselben
Chemie. 523
Rttckleitung auf den »Hermes und Asklepios, das ist Imuthes, den Sohn des Hephaestos« auch
i. J. 138 V. Chr. in Gebrauch bei einem Horoskopsteller (32).
Das Vorkommen der scientia chimiae in dieser Literatur datirt dasselbe
zwar nicht, verbietet aber, seine Zeit herabzusetzen. Wenn das Patronat der
ägyptischen Schriftstellergottheiten: des Ibis Thoyth, des schakalköpfigen Anubis,
des Pthahsohnes Imuth die Astrologie als priesterliche Wissenschaft erweist,
warum sollte dasselbe zweifelhafter für die Chemie sein, der zu Ehren noch der
gnostische Christ Zosimos sein Lehrbuch Imuth, d. i. Asklepios, nannte?
Das »Buch Imuth über Alles was mit der Hand gearbeittt wird* nennt es auch eine syrische
Handschrift (33). Wie nahe beide Literaturkreise einander standen, zeigt nicht nur ein viel
gebrauchter Satz des Ostanes und Demokritos, der sich bei Necepso wiederfindet: una natura
ab alia vincitur (34), sondern auch gelegentliche Berührung in allegorischer Terminologie : Andro-
(da)mas heisst das 63. Lebensjahr bei den Aegyptem (35), bei den Chemikern u. a. der Pyrites.
Ausserdem steht nun aber den Chemikern selber, wie dem mittheilsamen
Zosimos und Olympiodoros, der Zusammenhang ihrer Speculation mit dem heid-
nischen Priesterthum Aegyptens ganz fest. Sie nennen sich beständig Priester
oder Hierogrammaten, oder Mysten der heiligen, mystischen, geheimen Kunst.
Zosimos erzählt (36) — nach der richtigen Lesart — dass die Aegypter vor den
Griechen, welche die vier ehrbaren Künste allein trieben, zwei voraus gehabt
hätten: die »der präparirten und die der natürlichen Mineralien« [twv xe xatpixcSv (37)
xal TÄv <püjixü>v ^iy.^iA>i ist zu lesen]. Die erste göttliche und dogmatische Kunst,
auch ,'idie der Handschnitte € (38), d. h. Manipulation der Mineralzerlegung ge-
heissen, war allein den Priestern bekannt. T>Die Behandlung der natürlichen
Sander, d. h. die Metallurgie war Monopol der ägyptischen Könige; beide
Künste Priester- und Staatsgeheimniss. — Häufig genug ist femer von Tempel-
laboratorien die Rede.
Freilich, wenn Zosimos erzählt (Fol. 191 r), dass er selber »im Heiligthum zu Memphis einen
alten in Stücke gegangenen (chemischen) Kamin gesehn, welchen die Mysten der HeiligthUmer
nicht zusammen zu setzen verstanden«, ist bei dem allegorisirenden Pathos dieser Leute wahr-
scheinlicher, dass er mit dem »Heiligthum« eine chemische Klosterktlche bezeichnet hat. Aehnlich,
wenn er (Fol. i62r) seine gelehrte Theosebeia vor der Chcmielehrerin Taphnutie als einer
Charlatanin warnt, und zur Abschreckung ihr von unglücklichen Goldkochereien erzählt, welche
nach deren Recept und zu deren Schadenfreude der fromme Priester (Bischof? Abt?) Neilos
angestellt habe.
Noch unmittelbarer als diese feststehende Costümirung beweist das heidnische
Priesterthum der Chemie ihre absichtlich doppelsinnige Terminologie, welche, je
älter desto mehr, aus Anspielungen auf den heidnischen Gottesdienst, zumal den
Osiriscult besteht, und nach deren Beispiele die jüdischen Chemiker Allegorien
ihrer Tradition, sowie die mit Ostanes sich persisch gebärdenden, Gleichnisse wie
es scheint aus den Mithrasmysterien entlehnt haben. Insonderheit ist nicht zu
zweifeln, dass die Geheimgilde der Chemiker ähnliche alter Priestermysterien
fortsetzt: 1. weil vom Chemiker ganz wie vom Mysten und Theurgen (38 a), bevor
er an sein Werk der Goldbereitung ging, die Heiligung seines Leibes wie seiner
Seele verlangt ward (38b), wie er denn tlberhaupt. nicht nach dem Goldmachen
um des Goldes willen, sondern nach der Lösung des Metallverwandlungsproblems
trachtete. 2. weil die Chemiker sich ähnlich wie die Astrologen (38 c) durch
einen Eid zur Geheimhaltung ihrer Kunst verpflichten mussten, und weil dieser
Bd nach dem ganz heidnischen Formular, welches in der Schrift Isis an Horos
vorliegt (38 d), sich selbst in Ausdrücken an Altägyptisches anschliesst.
Der Chemiker soll schwören u. a. bei den Göttern der Leichnamconservirung, die auch
524 Handwörterbuch der Chemie.
seine Seele im Hades zu behüten haben, >bei Hermes und Anubis, bei dem Bellen des Kahn-
verschlingenden Drachen und dreiköpfigen Hundes Kerberos.« Die typhonische Schlange Apep
(Apopis) (38 e), welche die Barke des Osiris wie die jedes Todten bedroht, mit dem Kcrbeios-
hunde in einem Bilde vereint, war die Darstellung des sinopischen Gottes Sarapis, nachdem
dieser die Rolle eines unterweltlichen Osiris übernommen (38 f). Der Chemiker rief femer die
drei Nöthe an: Feuer oder Gift oder Strang (39), Geissei und Schwert Wenn er hierdurch
versprach, die ihm gewordene Ueberlieferung Niemandem zu verrathen, »ausser seinem Kinde oder
wahren Freundet, so findet sich diese Phrase fast genau so im hieroglyphischen Texte des Osiris-
mysteriums an den Wänden des zur Römerzeit erbauten Tempels von Dendera (40). Darum
heisst die Kunst im gothaer Ms. zuweilen TexvoirapdSoxoc (Variante te^on) und TcorcponapdAoTOC.
Zwar die Chemiker der uns Vorliegenden Literatur, wie schon Pseudo-Demo-
kritos, wollten je mehr und mehr nur eine jiüotix^ T!^^^^ Wort haben, d. h.
behaupteten, dass in den mythischen von den Altvordern überkommenen Aus-
drücken stets ein technischer Sinn absichtlich verhüllt sei; und dies mit Recht
Aber dennoch, die Art dieser Mystification wäre unerklärlich, es sei denn, man
hätte diese Allegorien einmal ernst genommen als eine wirkliche fiu&tx^ '/Cil^««^
d. h., wie die natürlichen Metalle, so die chemischen Präparate für Erscheinungs-
weisen und Verkörperungen der Götter gehalten. Dies soll der Verlauf dieser
Auseinandersetzung bestätigen.
Dem Aegypterthum der Chemie widerspricht auch nicht, dass der Perser Ostanes als einer
ihrer Koryphäen auftritt. Sein Perserthum wird durchaus festgehalten (41), und es ist too
persischen Methoden der Präparirung die Rede. Präparate heissen: »Mithrisches Geheimnisse
Fol. 99 r I, «Perserknochen« 138 v. Allein die Mithrasmysterien gab es überall, und Ostuies
war längst in Aegypten naturalisirt. Nach einer freundlichen Mittheilung von Adolf Erjiah
vrird in der letzten Ptolemäerzeit Ostanes mit dem Hermes Thoyth (Techuti) identificirt In da
Inschriften von Dendera z. B. heisst es von Bausculpturen : sie seien ebenso wie nach des
Worten des Thoyth, so »nach dem, was die Schriften des Astnu sagen«, gebaut.
Bei dieser Sachlage, und da, wie wir sehen werden, das Griechische keine
Hilfe gewährt, ist die Herleitung des Wortes Chemia aus dem Aegypdschen das
Wahrscheinlichste. Die nächstliegende und längst vorgeschlagene £t3rmologie ist:
chemia heisse »ägyptische Kunst«, weil ch6m! auf niederägyptisch das Land
Aegypten heisst. Für diese Deutung spricht anscheinend 1. der Ausdruck "^vbtr
diese ägyptischen Künste€, mit besonderem Hinweis auf die Bücher der alten ägyp-
tischen Könige bei Demokritos an den Arzt Leukippos, Fol. 212 v; femer: ydie
heilige Kunst Aegyptens^ in Isis an Horos (42). 2. Die Verbindung des jüdischen
Cham als Vater von Mestrem mit dem Namen der Kunst durch Chemes. 3. Eine
ähnliche Verbindung, welche in dem Titel eines chemischen Lehrbuchs des
Theophilos, Sohnes des Theogenes, liegt. Dieser beschrieb »alle Goldbergwerke
der Gaubeschreibung« (^a xh. t^c x^poYpa^iac /pufftopoxei«, Fol. 176V, bei
Olympiodor). Nämlich die Chemie wird mit dem Lande Chemi, Aegypten,
identificirt, und statt zu sagen wie, wird gesagt, wo in ihr Gold zu finden ist
Das erbellt aus den Proben, welche Olympiodoros (ohne Theophilos sn nennen) giebt
(43), Fol. I74y: »Höre nun, gottbegeisterte Vernunft, dass (die Alten) wie an Aegypter ge-
schrieben haben, ohne aus ihrem Problem heraus zu treten, und unzählige »Goldgruben« be-
schrieben haben. Ja sie haben sie sogar als Heüigthümer dargestellt (UpdxEuaGcv o^rctQ, und die
Maasse der Gruben und Abstände gegeben, indem sie die Lage der Tempel, (d. h.) ihrer Ein-
gänge, nach den vier Himmelsgegenden bestimmten; zuweilen den Osten dem weissen Wesen
(o6<rfa), den Westen dem gelben zutheilend. (Citat): »Die Goldgruben des arsenoitischen
Tempels; an der östlichen ThUr, d. h. am Eingange dieses Heiligthums findest du die weisse
Usia. In Skith^ aber und in Terenuthis (44) im Tempel der Isis, am westlicben Ein-
gang des Tempels wirst du den »gelben Sand, bei drei Ellen, manchmal einer Elle (tiefen)
Chemie. 525
Nachgraben finden. Bei der Hälfte der drei Ellen wirst du einen schwarzen Gurt finden. Heb'
ihn auf und richte ihn zu«; und anderswo einen grüngelben Gurt )(Xa>p^v; dies letztere sind
die in das westliche libysche Gebirge gezeichneten (TeypafifAiva 1? xe^aporjffjiva gehauenen)
Goldgruben, ganz im Geheimen gesagt. Lauf nicht vorbei. Es sind grosse Geheimnisse«. Wer
den Jargon kennt, braucht des Olympiodoros Erklärung nicht, dass hier zeitlich sich folgende
Erscheinungen bei den Operationen der »Schwärzung, Weissung und Gilbung« gleichsam
graphisch dargestellt werden. — Es hängt hiermit die weitere häufige Allegorie zusammen,
welche den Sublimationsapparat als Tempel der Metallgötter darstellt (45). Er heisst geradezu
Ormanuthi (46) (Hormanuthi) in der Einleitung der Schrift Isis an Horos, die nichts weiter
als eine allegorische Darstellung der Goldpräparation ist Isis steht ftlr Kupfer, Amnael der hohe
Priester (ein Jude) ist der verwandelnde Quecksilbergeist (der sogen. i6c yipws6^) an der Decke
des Destillirkolbens »am ersten Firmament«.
Soviel darf hiernach zugegeben werden, dass die Chemiker den anklingenden
Landesnamen Ch^ml mit dem Namen der Kunst zusammenbrachten. Aber die
Kunst kann schwerlich >Aeg)rpten< heissen. Deswegen nicht, weil die griechischen
Ableitungen von x^f*'* ^^^^ XIP'^'*» ^^ X^K-^^'"^^ X'I*^*^^ "• s« ^'> beweisen, dass
das Wort, soweit Ueberlieferung zurückreicht, als ein substantivum abstr actum
nach Analogie entweder von \La'^t(a u. s. w. oder von Tapixeia, |jietaXXe(a aufge-
fasst wurde (47), d. h. eine Thätigkeit, Beschäftigung bedeutete, entweder:
eines NN, oder: mit einem XX. Auch »Beschäftigung derAegypter« konnte
es nicht bedeuten, da chSmt das Land, nicht die Leute, heisst. Dazu kommt,
dass dieser Name nicht von Nationalägyptem, sondern von Einwanderern, wie
Juden, welche die Chemie eifrig trieben, oder Griechen gegeben sein müsste.
Für die Verfasser der Petosiris- und Nechepsosschriften ist die Astrologie ebenso
gut eine äg)rptische Kunst. Auf der andern Seite begriffe man nicht, warum
die Tradition der Chemiker, die sich auf Aegypten doch sonst so viel zu
Gute thun, grade den Nationalnamen ihrer Wissenschaft so selten gebraucht
hätte. Im gothaer Codex kommt er ein paarmal bei Stephanos von Alexandria
vor; nur einmal bei Olympiodoros (Fol. i79r), wo dieser andeutet, dass auch Jesus
T^v xexpu|jL|iiv7)v xexvTjv t^c yrruLtia^ (so) gekannt habe. Sonst sagt Olympiodor:
yi^^UD-nxr^ Ti^yri 187V; ^i^Xo>f '/iiLtunxrf^ 171 v; xif^l^euttx^c uXt)C xal efdouc, x^f^f^^^'^t*^^
eföoc (= chemische Spezerei) 187 v; 7cp<i)Tou jiyLiLwxoZ 189V; Stephanos: ^ |j.ufttx^
X^}jLta (so) 7r; (luorix^c X'f^^^ 7^- —
Nach diesen Ablehnungen sei es erlaubt, eine Vermuthung vorzutragen:
}(72)teia kann »Beschäftigung mit einem schwarzen Präparate — »schwarz« heisst
chdmt auf ägyptisch — bedeutet haben, nämlich demjenigen, welches nach den
Schilderungen der ältesten Kunstverständigen das A und das O der Verwandlungs-
kunst war. Mit dieser Etymologie wäre Chemie, d. i. die Metallverwandlung,
zugleich auf ihren principiellen Ursprung, wie alsbald soll wahrscheinlich gemacht
werden, im Osirismythos zurückgeführt.
Von erheblicher Wichtigkeit für die Geschichte der Metallverwandlung wäre,
bestimmt zu wissen, welche Nation zuerst das Quecksilber mit dem Planeten
Mercur verbunden hat. Es giebt im Wesentlichen zwei Reihen der Planeten-
metalle, denen gemeinsam ist: Sonne' == Gold, Mond = Silber, Mars = Eisen,
Saturn = Blei, Venus = Erz (zuweilen Orichalcum); von welchen die eine aber
dem Jupiter das Electrum, d. i. silberhaltiges Gold, dem Metcur dos Zinn zu-
theilt (48), und diese Reihe entspricht der ältesten Metallzählung. Dagegen die
andere, also die jüngere und in der Chemie üblich gewesene, schreibt dem
Jupiter das Zinn, dem Mercur das Quecksilber zu (49). Merkwürdig dabei ist,
dass die chemischen Zeichen für Zinn: der Caduceus des Mercur, für Quecksilber
526 Handwörterbuch der Chemie.
die Sichel des zunehmenden Mondes — die abnehmende gehört dem Silber an;
jene ist also wohl mit Beziehung auf argentum vivum oder hydrargyros gewählt —
an die ältere metallurgische Reihe angeschlossen sind. Darf man rückwärts von
der Wirkung auf die Ursache schliessen, so sollte man meinen, dass Quecksilber
Mercur genannt sei zuerst von denen, welche diesem Metall unter den übrigen
die Mittlerrolle bei der Metempsychose der Metallkörper zuwiesen; welche den
Hermes logios und psychopompos als die sich durch das All erstreckende Natur-
kraft wie den Quecksilbergeist als den Grundstoff der Metalle ansahn: d. h. den
Aeg)rptem und Chemikern. Diese Bedeutung des Quecksilbers (ägyptisch thrim)
für die Metallverwandlung steht am Anfange der Chemie. Die ältesten Chemiker
sind voll davon; z. B. Pibfichios (so die richtige Aussprache) sagte (50): >alle
Körper (d. h. Metalle) sind Quecksilber, c Die Zustände des Quecksilbers werden
durch alle Phasen der chemischen Operation zur Verwandlung des Kupfers in
Silber und Gold verfolgt. Hier spielt es eine Rolle namentlich in einer gleich
zu besprechenden schwarzen Wasserauflösung, dann, dem Feuer ausgesetzt,
als Quecksilbersublimat. Nun wird die Metallverwandlung stets als Färbekunst
aufgefasst. Die Farbe, nicht sowohl die »äusserlichec, als vielmehr die »inner-
liehet, d. h. so viel als möglich alle übrigen Eigenschaften der Metallindividualität
einschliessende, entscheidet für letztere. Damach besteht die Arbeit aus drei
einander folgenden Operationen: der Schwärzung, Weissung und Gilbung. Da
Silber und Gold als Ziel vorschweben, werden die letzten beiden am meisten
genannt. Aber die vorhergehende »Schwärzung« ist conditio sine qua non.
Jene werden wesentlich durch »Brennung«, diese mittelst einer Brühe (51) ans
Säften von Pflanzen, darunter manchen den Aegyptern heiligen, aus Essig u. s. w.
bewirkt, der sogen. Wäsche, Zersetzung, Fäule. Z. B. dem Kupfer, ah Grund-
lage der Bearbeitung, fügt man Blei und Quecksilbersublimat nebst jenen Feuchtig-
keiten hinzu — es giebt viele Recepte. Diese Brühe, von gelindem Feuer er-
wärmt, bleibt lange stehen, bis man ein schwarzes Produkt, »wie Schreiber-
tinte«, erhält, welches eine Legion Namen hat. Die Vorstellung ist, dass in
diesem Compositum die Individualitäten der einzelnen Metalle in ihr Genus auf-
gelöst, ihre Körper entkörpert, in ihren UrstofF, in ein aus ihnen »herausgekehrtesc
Naturin zurückgeführt sind. Aus diesem sollen sie demnächst durch die Ent-
schwärzung, d. i. die Weissung oder Gilbung, je nach der Behandlung, zu neu
geordneten Metallindividualitäten gebracht werden. Die durchgehende Seele
dieser Körper, der jedenfalls in dem tiefschwarzen Produkt der Brühe ent-
haltene gemeinsame Bestandtheil aller Metalle, der verwandelnde Stoff, heisst
bald, namentlich bei den Agathodämoniten (Fol. 138V), Quecksilber, bald
Bleikupfer, bald Unser Blei, im Gegensatz zu dem natürlichen Blei, indem
bei diesen Namen weniger an das Haben als an das Soll gedacht wird.
Was diese schwarze Tinte, wie sie auch heisst, oder dasselbe Produkt in Pulverform wirklich
gewesen sein kann, mögen Chemiker entscheiden, nachdem sie die wegen der schwankenden
Nomenclatur schwer zu verstehenden Recepte erwogen haben. Ueber diese Melansis-SchwSrzong
giebt es Aussprüche des Agathodämon Fol. 152 r, des Hermes und der Maria lySv I79r;
Apollon, Theophilos 16$ r 130 r und viele andere (52). Die Sache ist durch's ganze BCittelaher
bekannt: philosophorum Mercurms et mgredo perfecta ist identisch (53). KmcHER, der Feind der
Alchimie, giebt eine ausführliche Darstellung (54).
Von diesem »Bleie also, aus welchem nach Zosimos (Fol. 151 v) die Ägypter
alle Metallwesen (odaiat), insonderheit Kupfer, Eisen, Zinn entstanden glaubten,
dem unzerstörbaren, feuerfesten Grundstoff der Metallkörper, von diesen! Schwarz,
Chemie. 527
welches im Gegensatz zu Weiss, der Farbe der Scheidung, die der Zusammen-
fassung ist, sagte nach Olympiodor (Fol. i78r) der Panopolit: »es stelle die
Pupille des Auges und die himmlische Iris dar«. Wem fallt hierbei nicht
ein, dass nach Plutarch (55) die Aegypter das Schwarze des Auges -/Yjfxia
nennen? wem nicht, dass der Hermes -Tho)rth, Schreiber des Himmels und
Quecksilberpatron zugleich, der Gott jener »Vollkommenen Schwärze«, d.h.
Tinte ist, mit welcher der Urvater der Götter ChamSphis die Isis beehrte (56).
Wie jenes Schwarz die »Farben« sämmtlicher Metalle, seine Iris in sich barg,
so war es »die Pupille der Welt« (57) im Sonnenauge des Ra, d. h. lag im
Golde versteckt, sobald dieses durch die Behandlung des Kupfers erzielt war.
Den wichtigsten Vergleich aber geben »die Orakelsprüche des Apollon« bei
Olympiodoros, Fol. 1791. Damach ist »jene schwarze Sauce (Ccoji^c), jenes
,Bleikupfer' das Grab des Osiris. Was ist das? Es ist ein mit Binden
(xeipfaic) festumwickelter Leichnam (58), der nur ein nacktes Antlitz hat. Und
es sagt das Orakel (ursprünglich in Jamben), den Osiris verdolmetschend: Osiris
ist das eingeschnürte Grab, welches alle Glieder des Osiris birgt. Die ,Körper*
barg und setzt in Staunen die Natur. Denn er (Osiris) der Herrscher jeder
feuchten Wesenheit ist durch des Feuers Sphären festgebannt. Er [zu lesen? es
(das Feuer)] hat des , Blei es* Ganzes zusammengeschnürt«. — So Fol. loor:
Quecksilber nennen die Lehrer dasGrab desOsiris, d. h. die Tödtung mittels
Kochens (bei gelindem Feuer) (59).
Die Essenz des schwarzen Präparats, welches im ersten Akte der Operation
in »der Fäule« erzeugt wird, und auch 26c (Grünspan, Kupferoxyd) heisst, spielt
durch die folgenden Operationen zur Gold- und Silberbereitung seine Rolle
weiter. Daher sagt Stephanos Alexandrinos (60) von dem schliesslich erzeugten
Golde:* »Gefunden ist der Pan, der seit der Gründung Aegyptens gesucht
wird«, mit unverkennbarer Anspielung auf den Freudenruf, in welchen Priester
und Volk an dem Festtage der Auffindung des Osiris ausbrachen. Auch ist die
Identificirung des Osiris mit Pan bekannt (61). — Auf denselben Osirismythos
scheint auch der Ausdruck Tapi^sia »die Einsalzung der Leichname« für jene
Einweichung der Metallkörper namentlich deswegen zu gehen, weil die letztere
nach dem Ausspruch des Hermes (Fol. 84 r 89 r i66v) zwischen dem 24. Mechir
(Februar) und 24. Meson (August) womöglich im Monat Pharmuthi vorgenommen
werden sollte (62). Denn dies ist die Zeit, wo das Nilwasser am niedrigsten
steht, wo die Dürre des Typhon über der Erde herrscht: wo Osiris im Hades
ruht. Wie die feuchten etesischen Nordwinde vor den südlichen des Typhon
mit Osiris in den Hades entweichen (63), so heisst jenes schwarze »Bleikupfer«
denn auch die »etesische Wolke« oder der »etesische Stein« (64); zu der
Brühe, in der er sich entwickelt, gehört Milch von der schwarzen Kuh: lag der
Gott im Grabe, ward das goldne Rind, des Osiris, mit schwarzem Mantel be-
kleidet (65). — Zosimos nennt die von den ägyptischen Priestern chemisch be-
handelten Minerale xatptxÄc (xepixotc) 4'a(i,(ju>oc, Fol. 197V; derselbe auch Leute,
welche in chemischen Operationen Glück haben: xdc xatpixÄc eÖTüxoüvrec. Dieser
Ausdruck könnte etwa von xTjpiov »Wabe«, wie das Verwandlungspräparat in
Wachsform heisst, stammen; aber wegen der Schreibung ist es wahrscheinlicher
von xatp^a, einer seltneren Orthographie für xeip(a (66), abzuleiten, und die
Minerale wären als bei der Präparation in Leinwandbinden, wie wirklich geschah,
gehüllte Mumien gedacht. In der That, wie die Götter der Einbalsamirung
l*hoyth und Anubis, Vorsteher der Wissenschaft, so waren die, nicht Menschen-
528 Handwörterbuch der Chemie.
leiber, sondern den Osirisleib einbalsamirenden Priester Chemiker. Man weiss
schon aus Athenodoros (67), dass die Statue des Osiris aus einem Präparat ge-
gössen ward, welches aus sämmtlichen sechs Metallen (Quecksilber wird nicht
genannt) und einer Reihe von Edelsteinen gestossen und zusammengeknetet be-
stand; desgleichen die des Sarapis, was auch Ruünus bestätigt (68). Die ganze
Masse wurde ausserdem cyanblau gefärbt, so dass die Statue schwärzlich aussah.
Alles dies bestätigen nun hieroglyphische Inschriften der römischen Kaiserzeit
im Tempel von Tentyra, welche eine bis in*s Einzelste gehende Beschreibung
von der Anfertigung der Statuette des unterirdischen Osiris geben, die nachher
in eine andere des Gottes Sochar gesteckt ward. Sie zählen nicht weniger
als 24 Mineralien auf, welche zerstampft und mit vielen Vegetabilien ver-
mischt fUr den Guss verwendet wurden (69). Der vom typhonischen Feuer
getödtete schwarze (70) Osiris, in sich alle buntfarbigen Minerale bergend,
dann wieder auflebend und als junger Koros hervorbrechend: was hätten die
Bereiter seines mystischen I^ibes mit der Durcheinanderknetung der irdischen
Stoffe anders darstellen wollen, als dass sie alle die Seele des einen dunklen
Gottes durchzieht? und umgekehrt, war dies nicht praktisch die erste Verwirk-
lichung der metallischen Metempsychose in der schwarzen Brühe aus allen mög-
lichen mineralischen, vegetabilischen und animalischen Stoffen? Oefter hört man
von Zusammenstellungen verschiedener Metalle zur Bildung von Statuen, z. B.
der des Sochar (71), oder von Einschachtelungen, wie die, in welchen das
hermetische Zauberbuch am Grunde des Nil liegt (72): allein erst diese Zu-
sammenarbeitung der Osirispaste darf man als die erste chemische Operation
ansehen, eine }i.u&ix9) x^^eia, insofern sie den speculativen Zweck des mineralischen
Alls in dem Einen und umgekehrt hat, und nicht wie die vielen Electuarien im
Papyros-Ebers der Medicin dient Damach verdankt die Chemie ebenso wie die
Astronomie ihren Ursprung der Theologie; weder von der Sucht nach Gold, noch
von der Zauberei ist sie ausgegangen. Wie spät in's Mittelalter hinein unter
Chemikern das Andenken an den Osiris-Sarapisleib erhalten, zeigt die Ueber-
tragung seiner Bildung auf den Hermes, den Regenten des Quecksilbers und
also des Verwandlungsprincips, bei den einem philosophirenden Heidenthum er-
gebenen CoUegen in Harrän in Mesopotamien. Auf diese geht zurück, wenn
dort die Statue des Mercur ein Hohlguss aus allen Metallen und Porzellan, in-
wendig mit Quecksilber ausgefüllt, war (73).
Noch weitere Beweise des Ursprungs der chemischen Idee im ägyptischen
Priesterthum fallen in die Augen. Oftmals wird das feuchte, schwarze Präparat,
wenn es bei der Sublimation aus dem unteren Gefäss durch den Cylinder in die
obere Kugel steigt, wobei öfter, um die Gold färbe zu erzielen, Schwefel hinzu-
gesetzt wird, und es also zur Erweckung des Osiris bereit ist, das »göttliche,
unberührbare (ädixxov) Wassere oder auch »das gesegnete Wasser« genannt, Aus-
drücke, mit welchen, wie das Gespräch der Kleopatra mit Ostanes (74) deutlich
zeigt, angespielt ist auf das mystische Wasser, welches Osiris der todten Seele
zu ihrer Läuterung und Erhaltung zu trinken giebt (75), und mit dem Isis den
todten Horos lebendig machte (76).
Es ist dasselbe wie jenes »durchsichtige Wasser«, welches in der Parabel Isis an Horos (77)
der Hohepriester, d. h. Choachyt (78) Amnael mit dem Abzeichen des Uräus? auf dem Kopf
in dem Kruge trug; dasselbe, welches bei der Isismesse der ministrirende Priester wie eine
Hostie vor den Augen der Gemeinde im Hydreion emporhub (79): eine Ceremonie, anf weldie
die viel berufenen Worte des Demokritos von der »Erhebung der Wolke und des Wassas«,
i
Chemie. 529
d. h. die Sublimation anspielen. Aus 'dem »göttUchen Wasser« ^tov 5du>p ward nach dem
griechischen Wortspiel wohl erst später »Wasser des Göttb'chen oder Schwefelwasser « gemacht.
Denn wie Quecksilber die weisse, so repräsentirt Schwefel die gelbe Verbindung mit demselben
Grundstoff. Dieser heisst noch vom Kupfer aus los, d. i. doppelsinnig Grünspan (Oxyd) und
Gift. Daher die Allegorie des beweglichen, wandelbaren, giftigen Quecksilbergeistes mit der
Schlange, die ihren Schwanz verschlingt (SptiSxcov o6poß<{f>oc) (80). Denn von der
schwarzen Brtlhe wandert das Princip durch's weisse, gelbe u. s. w. wieder in die Schwärze.
Man deutete diese Schlange, diesen 6cp(ou}(0< 5a((A(i>v, Zosimos, Fol. 174V, als die »des Agathodämon
(Fol 171 v), des guten Dämons von Aegypten« — daher die beiden Syntheroata die Kronen von
Ober- und Unterägypten; — und zugleich die »der Welt«, weil dieses Wort mit dieser Schlange
hieroglyphisch geschrieben wurde. Sie ist der Gott Knuph, der auch Chnubis oderKneph gesprochen
wird (81), denn nur ihretwegen heissf der Alcmbicus (dffjiiioS so) Kvou^v, d. i. Knuphtempel (82).
Von dieser Verwendung der Götter zur Personificirung des metallverwandelnden
Princips schritt die Analogiebildung dahin fort, für historisch gehaltene Personen,
die Hohenpriester der Chemie, zu demselben Zweck zu gebrauchen; denn diese
konnten ganz gemäss einer neuplatonischen Theurgie die Verkörperungen ihrer
Gottheiten vorstellen. Das lag um so näher, je mehr man sich den Process im
Retortentempel als Gottesdienst ausmalte. So erscheint denn jener Amnael als
Vertreter des Quecksilbergeistes; so der Komarios, den Kleopatra (83) »Gott und
Vaterc nennt, wie es wenigstens nach der Ueberschrift des Buches ȟber die
beiden Synthemata und die Komaris« scheint; so der »Erzpriester Neilos in den
Fluthen des Neilosc (wieder die Brühe) (84); so tritt endlich Chem es, der Vater
der Chemie, wenn nicht Alles trügt, in diesem Citat aus einem alten Schriftsteller
auf (85): »Kämpfe Kupfer! Kämpfe Quecksilber I Vermähle das Männliche und die Weibliche;
d. h. mische das rothe Kupfer ein, tauche das »Goldoxyde unter. Welches (Groldoxyd)? d. i.
die Fäule der Isis (die goldwirkende, schwarze Sauce). Sie macht Metalle und Wunder.
Kämpfe Kupfer I Chemoi hilft« (xe(Aol ßoi^Oei) und von neuem wiederholt er die Rede:
»Kämpfe Kupfer! Kämpfe Quecksilber!« Also für Quecksilber, das entscheidende Ingredienz,
tritt Chemoi auf. Demnach wäre der grammatische Vocativ Xi^fU oder Xv]{ji^ herzustellen (86).
Nach der itacistischen Art aller dieser späten Handschriften ist dieser Chemes mit den anfangs
Besprochenen identisch. Die Vermuthung, die sich hier leicht aufdrängt, als könne in dem
Chemes etwa ein Beiname des Osiris »Schwarzer« = chemt stecken, rathen die angeführten
Analogien wie andere Erwägungen zu verwerfen.
Endlich, mit jener Grundsuppe den Mutterschooss vergleichend, liess man das chemische
Princip daraus auch als Menschlein (dvdpuntdptov bei Zosimos) aufsteigen und zum Kupfer-,
Silber-, Gold- oder auch Silbergoldmenschen (dl9Y]fi«Ev9pamoc) heranwachsen (87). Ob zu diesem
Homuncnlus der Mythos von »Horos dem [Sonnen- d. i. Gold-]Kinde«, dem Harpokrates, den
ersten Anstoss gab?
Man sieht, wie viel die Deutung der x^(i.e(a als »Bereitung der Schwärze«
für sich hat. Zum Schutze derselben sind noch einige Punkte hervorzuheben.
Aus der Vermischung des Chemes oder Chimes mit dem Worte chemia
(oder chemeia, das ist gleichgültig) entstand wahrscheinlich die Bezeichnung
7e(ftT) bei Cedrenus (88). Mag jener MetallgrundstofF personificirt auch Chimes
genannt sein, wie gezeigt worden ist: niemals, weder im gothaer Codex, noch
in der syrischen, unmittelbar aus dem Griechischen, aber in arabischer Zeit ge-
machten Uebersetzung — dieser fehlt es überhaupt — kommt das Wort x^jtefa
als Bezeichnung dieses oder eines andern Präparats vor. Salmasius, Reinesius,
X.AMBECIUS, DU Cange, in griechischen Chemikern belesenen und der Sache nach-
spürenden Männern wäre das auch nicht entgangen. Man sagte }&eXav (= chSmt)
dafür. Das Substantiv yj^^^io. ist den alten Schriftstellern schlechthin
Name ihrer Wissenschaft ohne Appellativbedeutung, die verschollen war.
LjiD<HBU«G, Ghemie. IL 34
530 Handwörterbuch der Giemie.
Zwar zwischen den Schreibungen x^V-^^^f ^^^ ^^^^ ^^ ^^^ gothaer Handschrift
nirgends findet, und xiQ^eia oder ^tfieia kann aus unseren späten Handschriften
keine Entscheidung getroffen werden. Dennoch spricht die grosse Mehrzahl der
Fälle, dann aber die syrische und arabische Orthographie, die sich nach viel
älteren griechischen Vorlagen richtet, entschieden fiir i oder e. Auch muss das
erwartet werden; denn jedenfalls ist der Schreibung der Chemie durch diejenige
des Chemes präjudicirt.
Ableitung des Wortes aus dem Griechischen kann weder auf den bekannten
Sprachgebrauch, sei es des Wortes selber, sei es seines Etymons, noch auf die
Geschichte der Sache gestützt werden. Selbst Gildemeister's Versuch, wonach
^u(jLe(a von Yu\i,6<: (89) kommt und ein flüssiges Elixir, wie Xßrion ein pulvriges
bedeute, scheitert daran, 1. dass chemia im Griechischen für ein Präparat nicht
gebraucht wird. Würde es aber noch einmal in dieser Bedeutung erwiesen, so
wäre diese als secundär anzusehen. Denn solche Metaphern wie »die Körper
(die Metalle) sind die Kunst« kommen vor (90); 2. dass die feuchten Präparate
andere Namen, wie Cci>(jl6c, iöc u. s. w. führen; 3. dass die dazu verwandten
Säfte x^^o^ heissen, sowie 4. dass x^H^t (i^ der gothaer Handschrift vielleicht
nur einmal) (91) bei den Chemikern seine gewöhnlichste Bedeutung: humores
des menschlichen Körpers hat. — Höchstens käme x^p.» = xs^ij*« in Betracht;
d. i. rohes in Barren gegossenes Metall (92). Daraus könnte »Beschäftigung
mit metallurgischen Rohprodukten (der afi[Laza x^o) behufs Goldbereitung« xOf^ek
wie \Lt'zaXkdoL bei Suidas abgeleitet werden. Aber dann sollte es eher xu{iaTe(a heissen,
und man erwartete dabei x^ji« häufig gebraucht, was nicht der Fall ist u. dergl. m. —
Aus x^J^sfa oder x^lF^^ haben die Araber mit Vorsetzung ihres Artikels al-
Ktmijä gemacht; und diese, wie Gildemeister sehr schön gezeigt hat, nicht nur
als Namen der Kunst, sondern auch des verwandelnden Stoffs gebraucht In
Beidem hatten sie die Syrer zu Vorgängern. Diese haben wahrscheinlich schon
im sechsten Jahrhundert, bevor sie unter dem Islam den Arabern diese Kenntnisse
vermittelten, griechische Chemie getrieben, obgleich das nicht ganz sicher ist (93).
Nur dass sie, nach den syrischen Lexikographen zu urtheilen, statt Chemie
Khemalea oder Khemelea sagten, nämlich ya^iaikitas. Denn, sagt das Lexikon
Fol. 136 r, »die Körper (= Metalle) aber in der Zusammensetzung (iv ouvOe^ei)
heissen y(a[Laikiv>y<L (94). Chamäleon heisst hier wieder das verwandelnde Princip
oder Stoff, welcher derselbe bleibt, so oft er auch die Farben der Metalle
wechselt.
Der Name XW^^^ ^^^^ X^V-^^ ^** keine griechisciie, sondern eine äg3rptische
Etymologie. Er bedeutet schwerlich die »Beschäftigung Aegyptens«; viel wahr-
scheinlicher »die Bereitung der Schwärze«, nämlich des schwarzen Metall-
verwandlungsprincips, dessen Gedanke der Speculation über den Leib des unter-
irdischen Osiris entsprungen ist. Man darf Chemie oder Chimie, und sollte
Alchimie schreiben: Alchymie ist falsch.
Literatur. Ohne Herausgabe der zahlreichen griechischen Handschriften über Chemie und
ihrer syrischen Uebersetzungen in London und Cambridge kann ihre älteste Geschichte nicht auf-
geklärt werden. Ueber die gothaer Handschrift vergl. Jacobs und Ukbrt, Beiträge zur älteren
Literatur oder Merkwürdigkeiten der Herzogl. Bibliothek zu Gotha I, pag. 216 fL Das älteste
Denkmal, der griechische Papyros Anastasi 383, 384, herausgegeben von Leemanms, blieb unsn-
anglich. Ebenso die zweite Ausgabe von Hoefer, Histoire de la chimie, Paris, welches neue
Texte aus pariser Handschriften abdruckt. Alle tibrigen Nachweise s. bei Kopp, Betträge zor
Geschichte der Chemie 1869. Professor G. HOFFMANN, Kiel.
Chinasäure. S3I
Chinasäure,*) CjHiaOg -f- H^O, wahrscheinlich: Hexahydrotetraoxy-
(OH),
BenzoesäurCi CgHgH -h HoO. Eine in den echten Chinarinden zu
COOH
5—8^ und in der sogen. China nova (i), in geringen Mengen auch in den
Heidelbeeren (2), den Caffeebohnen, im Wiesenheu und vermuthlich in allen
denjenigen Pflanzen vorkommende Säure, aus welchen Chinon erhalten werden
kann. Ist in den betr. Pflanzen meist als Kalksalz vorhanden. Wird aus den
kalten, wässrigen Extrakten der Chinarinden durch Versetzen derselben mit Kalk
und Eindampfen des Filtrates bis zum Syrup als Kalksalz erhalten (3), welches,
umkrystallisirt, am besten durch Zerlegung mit Oxalsäure die freie Säure liefert (4).
Oder man kocht Heidelbeerkraut mit Wasser und Kalk aus, entfernt aus der ab-
gepressten Flüssigkeit Farbstoffe und Unreinigkeiten durch Bleiacetat, den Ueber-
schuss des letzteren durch Schwefelwasserstoff und erhält so ebenfalls beim Ein-
dampfen das Kalksalz, mit welchem dann wie oben angegeben verfahren wird (5).
Die freie Säure bildet farblose, der Weinsäure ähnliche, monokline Säulen,
vom spec. Gew. 1-637 bei 8^ ist an der Luft unveränderlich, löst sich in 2*5 Thln.
kaltem Wasser, viel reichlicher in heissem, dagegen weniger in Alkohol und
kaum in Aether; ihre Lösungen sind linksdrehend (6). Bei 161*6° schmilzt sie
unter Verlust des Krystallwassers (7), bei 220 — 250° geht sie in Chinid über (s. d.) (4),
über 280° liefert sie als Zersetzungsprodukte Phenol, Benzoesäure, Benzol, Salicyl-
aldehyd und Hydrochihon (8). Viele ihrer Salze verhalten sich ähnlich, geben aber
oft neben letzterem Körper auch noch Brenzcatechin (2, 5). Concentrirte Schwefel-
säure führt die Säure unter Entwicklung von Kohlenoxyd in Hydrochinondisulfon-
säure über (9), Bleisuperoxyd, verwandelt sie langsam in Hydrochinon (7), Braun-
stein und Schwefelsäure rasch (10) in Chinon, Phosphorpentachlorid in das Chlorid
der Metachlorbenzoesäure (11), Jodwasserstoff bei 120°, leichter noch Jodphosphor
in syrupdicker Lösung in Benzoesäure (12), Salzsäure bei 150° in Hydrochinon
und m-Oxybenzoesäure (13). Dagegen liefert sie Protokatechusäure, CyHgO^,
(Brenzkatechincarbonsäure) sowohl durch Einwirkung von Brom in wässriger
Lösung (13), als auch durch S<:hmelzen mit Kalihydrat (11) oder Natronhydrat
(13) und, neben Benzoesäure, durch Erhitzen mit rauchender Bromwasserstoffsäure
auf 130° (14). Beim Erwärmen von Chinasäure mit Jod und Kalilauge entsteht
Jodoform (15).
Die Chinasäure, deren richtige Zusammensetzung Liebig (16) und Woskre-
SENSKY (io) ermittelten, wurde zuerst von Graebe (ii, 17) entgegen den Ansichten
von KoLBE (18) und Lieben (15) auf Grund der Thatsache, dass sie bei fast
allen glatt verlaufenden Reactionen in Benzolderivate übergeht, zu den Additions-
produkten der aromatischen Verbindungen gerechnet und wird so jetzt fast all-
gemein als Hexahydro-ietraoxy-Benzoesäure aufgefasst.
Die Chinasäuren Salze, der Formel C^H^^MeO^ entsprechend, sind in Wasser meist
•) i) Hlasiwetz, Ann. 79, pag. 144. 2) Zwenger, Ann. 115, pag. 108. 3) Baup, Ann. 6,
pag. 7. 4) Hesse, Ann. 110, pag. 334. 5) Zwenger und Siebert, Ann. Suppl. 1, pag. 77.
6) HsssE, Ann. 176, pag. 124. 7) Derselbe, Ann. 114, pag. 292. 8) Wöm.£R, Ann. 51, pag. 146.
9) Hesse, Ann. iio, pag. 195. 10) Woskresensky, Ann. 27, pag. 257. 11) Graebe, Ann. 138,
pag. 197. 12) Lautemann, Ann. 125, pag. 12. 13) Hesse, Ann. 200, pag. 237. 14) Fittig
und Hilx£BRAndt, Ann. 193, pag. 197. 15) Lieben, Ann. Suppl. 7, pag. 232. 16) Likbig,
PoGG. Ann. 21, pag. i. 17) Graebe, Ann. 146, pag. 66. 18) Kolbe, Lehrbuch 2, pag. 656,
19) Clemm, Ann. iio, pag. 348. 20) Hesse, Ann. iio, pag. 194, 333. 21) Menschutkin,
Her. XV. pag. 164.
34*
53^ Handwörterbuch der Chemie.
leicht, in Alkohol nicht löslich, und krystaUisiren gut (19, 20). Ausserdem kennt man basische
Salze des Kupfers, Bleies und Eisens. Kalium- und Ammoniumsalz sind zerfliesslich (19).
Natriumsalz, CjHj^NaOg+ 2H,0, grosse, rhombische Krystalle, bei 15^ in ^ ThL
Wasser löslich, bei 100° im Krystallwasser schmelzend (19).
Bariumsalz, (C^Hi,Oe),Ba + 6H,0 (3, 19).
Strontiumsalz, (CyHiiOg),Sr4- 10 oder 15H,0, in 2 Thln. Wasser von 15** löslich.
Calciumsalz, (C^H^ ]Og),Ca+ IOH3O, Darstellung s. unter Chinasäure. Seideglänzende,
rhombische Blättchen, löslich in 6 Thln. Wasser von 15% äusserst leicht in heissem, bei 120°
verwitternd.
Magnesiumsalz, (CyHii05)jMg + 6H,0, weisse Warzen.
Mangan salz, (CjH, jOg)2Mn, rosenroth, in 200 Thln. Wasser löslich.
Zinksalz, (CjHjiOg)3Zn, weisse Warzen oder Krusten, leicht löslich.
Nickelsalz, (CyHiiOg),Ni 4- ÖH^O, grün, schnell verwitternd.
Kobaltsalz, (CjHiiOß),Co + 5H,0, roth, vorigem ähnlich.
Eisen oxydsalz, basisches, (C,HjjOg-C,Hj()Of),Fe3, entsteht durch Verdampfen von
Lösungen anderer Salze mit Eisenchlorid ; mikroskopische Blättchen (7).
Cadmiumsalz, (C7H^,0g),Cd, in 230 Thln. Wasser löslich.
Kupfersalz, neutrales, (CjHjiOg),Cu + 5H20, blassblau, in 3 Thln. Wasser löslich.
Durch Lösen von Kupferoxyd in etwas überschüssiger Säure zu erhalten.
Basisches Salz, C^H^oCuO^ + 2H,0, durch Erwärmen der Säure mit Überschüssigem
Kupferoxyd entstehend; schöne grüne Krystalle, in 1150 — 1200 Thln. kaltem, leichter in heissem
Wasser löslich.
Bleisalz, neutrales, (CyHii06)3Pb4-2H,0, in Wasser und Alkohol leicht löslich.
Basisches Salz, C7HgPbgOg + xH^O, aus chinasauren Salzen und Bleiessig, weiss,
voluminös, wenig löslich.
Silbersalz, C^H^jAgOg, warzenförmige Krystalle, leicht sich schwärzend und leicht löslich.
Aethylester, CjHii(C3H5)Og, aus dem Silbersalz und Jodäthyl (20) erhalten; gelb-
licher, zäher Syrup, in Wasser und Alkohol leicht, in Aether nicht löslich,* in wässriger Losung
und beim Erhitzen sich leicht zersetzend.
Aetherificationsgeschwindigkeit der Chinasäure (21).
Tetracetylester, CiyHj40io = CyHy^QQ^ j^«^*, aus dem Ester und Essigsäureanhy-
drid (14). Rhombische Blättchen, Schmp. 135% unzersetzt sublimirend. Schwer löslich in Wasser,
kaltem Alkohol und Aether.
Chinid, CjH^gOj, entsteht durch Erhitzen von Chinasäure auf 250° (4), Shnelt dem
Laktid (s. d.). Salmiakähnliche Krystalle, regenerirt durch Alkalien die Säure. Giebt mit Essig-
säureanhydrid bei 170°
Tetracetylchinid, CjsHigOj^CyHsOCOCOCHj)^. Schmp. 124° (13).
Chinasäureanilid, CyHjjOg.NHCgHj+HjO, aus der Säure durch Anilin bei 180° ent-
stehend (20); seideglänzende Nadeln, leicht in Wasser und Alkohol löslich, bei 90° verwitternd,
bei 174° schmelzend. A. HantzSCH.
Chinolin,*) C9H7N. Gerhardt fand 1842, als er Chinin (i) mit Aetzkali
schmolz, eine sauerstoffhaltige Base, welche er Chinolem nannte, und für welche
*) i) Gerhardt, Ann. Chem. 42, pag. 310. 2) Ders., Ann. Chem. 44, pag. 279. 3) Lau-
rent, Ann. Chem. 62, pag. 10 1. 4) Bromeis, Ann. Chem. 52, pag. 130. 5) Hofmann, Ann.
Chem. 47, pag. 37; 53, pag. 427. 6) Williams, Journ. pr. Ch. 66, pag. 334; Jahrb. f. Gh. 1860,
pag. 361. 7) Spalteholz, Ber. 16, pag. 1847. 8) Liebig u. Wöhler, Ann. Chem. 59, pag. 291;
61, pag. I. 9) Ador u. Baeyer, Ann. Chem. 155, pag. 295. 10) Baeyer, Ber. 12, pag. 132a
11) Weinberg, Inaug.-Diss., München 1882, pag. 9. 12) Skkaup, Monatsh. f. Ch. i, pag. 317;
2, pag. 141. 13) DöBNER, Ber. 14, pag. 2812; 15, pag. 3075; 16, pag. 2464. 14) Fried-
LÄNDER, Ber. 15, pag. 2573; 16, pag. 1834. 15) Knorr, Ber. 16, pag. 2595. 16) Königs,
Ber. 12, pag. 453. 17) Ders., Ber. 13, pag. 911. 18) Wischnegradsky, Ber. 13, pag. 2318.
19) Goldschmiedt u. Schmidt, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 17. 20) Hoogewjcrff u. v. Dorf,
Rec. trav. ch. i, pag. 9. 21) Claus u. Istel, Ber. 15, pag. 824. 22) Shmith a. Davis
Chinolin. 533
er die Fonnel CjgHjjNjOj aufstellte. Als er Cinchonin (2) und Strychnin dem-
selben Process unterwarf, glaubte er dieselbe Base wiedergewonnen zu haben,
Ber. 16, pag. 243. 23) Donath, Ber. 16, pag. 1770. 24) Oechsner, Bull. soc. chim. 37,
pag. 209. 25) Schiff, Ann. Chem. 131, pag. 112. 26) Friese, Ber. 14, pag. 2805. 27) Williams,
Jahrb. f. Ch. 1858, pag. 357. 28) Skraup, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 141. 29) Baeyer, Ber. 14,
pag. 1322. 30) Schiff, Ann. Chem. 131, pag. 112. 31) Williams, Jahrb. f. Ch. 1855, pag. 521.
32) Hoogewerff IL Y. Dorf, Ber. 13, pag. 1640. 33) Williams, Jahrb. L Ch. 1856, pag. 534;
LA CosTE, Ber. 15, pag. 192. 34) Körner, Gaz. chim. 11, pag. 548 u. 551. 35) Babo, Jahrb.
f. Ch. 1857, pag. 504. 36) Claus u. Himmelmann, Ber. 13, pag. 2045. 37) Claus u. Tosse,
Ber. 16, pag. 1277. 38) Claus u. Glyckherr, Ber. 16, pag. 1283. 39) Berend, Ber. 14,
pag. 1349. 40) Rhoussopoulos, Ber. 16, pag. 370. 41) Ders., Ber. 16, pag. 202. 42) Ders.,
Ber. 16, pag. 881. 43) Würtz, Bull. soc. chim. 37, pag. 194; Compt. rend. 95, pag. 263.
44) Gehrichten, Ber. 15, pag. 1254. 45) Pictet, Compt. rend. 95, pag. 300. 46) Brunk u.
Grabe, Ber. 15, pag. 1783. 47) Rhoussopoulos, Ber. 15, pag. 2006. 48) «Skraup, Monatsh.
f. Ch. I, pag. 317. 49) Hock, Ber. 16, pag. 885. 50) Williams, Jahrb. f. Ch. 1878, pag. 891.
51) Claus, Ber. 14, pag. 1940. 52) Weidel, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 491. 53) Japp u. Gra-
ham, Chem. Soc. 39, pag. 174. 54) Weidel, Monatsh. f. Chem. 2, pag. 501. 55) Königs,
Ber. 12, pag. loi u. 252; 14, pag. 99; Wischnegradsky, Ber. 12, pag. 1481. 56) Wischn^
GRADSKY, Ber. 12, pag. 1481; 13, pag. 2400. 57) Hoffmann u. Königs, Ber. 16, pag. 727.
58) Dawar, Jahrb. f. Ch. 1877, pag. 445; 1880, pag. 949. 59) LA CosTE, Ber. 15, pag. 559.
60) Friedländer u. Ostermai&r, Ber. 15, pag. 333. 61) Friedländer u. Weinberg, Ber. 15,
pag. 1424. 62) LA CosTE, Ber. 15, pag. 558. 63) Lubavin, Ann. Chem. 155, pag. 318.
64) Claus u. Istel, Ber. 15, pag. 820. 65) la Costb, Ber. 14, pag. 915. 66) Ders., Ber. 15,
pag. 190. 67) Grimaux, Compt. rend. 95, pag. 85. 68) Claus u. Istel, Ber. 15, pag. 824,
69) LA CosTE, Ber. 16, pag. 673. 70) Königs, Ber. 12, pag. 449; 14, pag. 99. 71) la Coste,
Ber. 16, pag. 669. 72) Ders., Ber. 15, pag. 19 18. 73) Ders., Ber. 15, pag. 561. 74) Bedall
u. Fischer, Ber. 14, pag. 2573. 75) Riemerschmied, Ber. 16, pag. 725. 76) Lubavin, Ann.
Chem. 155, pag. 318; Fischer u. Bedall, Ber. 15, pag. 683. 77) ia Coste, Ber. 15, pag. 191a
78) Fischer, Ber. 15, pag. 1979; Riemerschmied, Ber. 16, pag. 721. 79) Fischer u. Bedall,
Ber. 14, pag. 442, 1366. 80) Bedall, Inaug.-Diss., München 1882. 81) Bedall u. Fischer,
Ber. 14, pag. 1368. 82) Dies., Ber. 14, pag. 2571. 83) Fischer, Ber. 16, pag. 714. 84) Wurtz,
Compt. rend. 96, pag. 1269. 85) Weidel, Ann. Ch. 173, pag. 93; Königs, Studien Über Alka-
loide, pag. 63; Leo Hoffmann u. Königs, Ber. 16, pag. 736. 86) Skraih», Monntsh. f. Ch. 3,
P^* 559; Riemerschmied, Ber. 16, pag. 722. 87) Riemerschmied, Ber. 16, pag. 723. 88) Skraup,
Monatsh. f. Ch. 3, pag. 534; Weidel, ibid. 2, pag. 565. 89) Kopp, Ann. Chem. 64. pag. 373;
CmozzA, ibid. 80, pag. 117; Joum. f. Ch. 56, pag. 339; Beilstein u. KthiNER, Zeitschr. f.
Ch. 1865, pag. i; Baeyer u. Jackson, Ber. 13, pag. 115; Tiemann u. Oppermann, ibid. 13,
pag. 2016; Morgan, Ch. News 36, pag. 269. 90) Friedländer u. Ostermaier, Ber. 15, pag. 332.
91) KÖNIGS u. Körner, Ber. 16, pag. 2152. 92) Friedländer u. Ostermaier, Ber. 15, pag. 336;
Weinberg, ibid. 15, pag. 2680. 93) Weinberg, Inaug.-Diss., München 1882, pag. 43. 94) Ders.,
ibid., pag. 51; Baeyer u. Blöm, Ber. 15, pag. 2148. 95) Weinberg, Inaug.-Diss., München 1882,
P^- 54- 96) Baeyer u. Blöm, Ber. 15, pag. 2149. 97) Friedländer u. Weinberg, Ber. 15,
pag. 1425. 98) Weinberg, Inaug.-Diss., München 1882, pag. 46. 99) Friedländer u. Wein>
BERG> Ber. 15, pag. 2684. 100) Dies., Ber. 15, pag. 1425. loi) Schmiedeberg u. Schultzen,
Ann. Chem. 164, pag. 158; Kretschy, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 68. 102) Kretschy, Monatsh.
f. Ch. 4, pag. 156. 103) Brieger, Zeitschr. f. phys. Ch. 4, pag. 89. 104) Kretschy, Monatsh.
t Ch. 2, pag. 68. 105) Friedländer u. Weinberg, Ber. 15, pag. 2681. 106) Dies., Ber. 15,
pag. 2683; Baeyer u. Blöm, Ber. 15, pag. 2151. 107) Baeyer u. Blöm, Ber. 15, pag. 2152.
108) Baeyer u. Homolka, Ber. 16, pag. 2217. 109) Friedländer u. Ostermaier, Ber. 14,
pag. 1918. iio) Friedländer u. Weinberg, Ber. 15, pag. 2684. iii) Baeyer u. Homolka,
Her. 16, pag. 2218. 112) Skraup, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 153. 113) Dies., ibid. 3, pag. 381,
114) Dies., ibid. 2, pag. 158. 115) i. Döbner u. ▼. Miller, Ber. 14, pag. 2812; ibid. 15,
pag. 3075; Skraup, Ber. 15, pag. 897; 2. Schultz, Ber. 16, pag. 2600; 3. Drewsen, Ber. r6,
534 Handwörterbuch der Chemie.
und änderte, da die Analyse keinen Sauerstoffgehalt ergab, die Formel in C,gH4jjNj.
Laurent (3) war der Erste, welcher an der Hand des Anal)rsenmaterials von
Gerhardt und Bromeis (4) die richtige Formel C9H7N aufstellte. Hofmann (5)
untersuchte eine von Runge im Anilin entdeckte Base, das Leucolin und con-
pag. 1963; 4. Fisc^^ER u. KuzEi,, Ber. 16, pag. 165; 5. Fischer u. Göhring, Ber, 16, pag. 165.
ti6) DÖBNER u. V. Miller, Ber. 16, pag. 2464. 117) Dies., ibid. 16, pag. 2467. 118) Jackson,
Ber. 14, pag. 889. 119) DÖbner u. v. Miller, Ber. 16, pag. 2468. 120) Jacobsen tu Redier,
Ber. 16, pag. 2606; Traub, bid. 16, pag. 297. 121) Dies., Ber. 16, pag. 1082, 2602. 122} Knorr,
Ber. 16, pag. 2595. 123) Williams, Jahresber. f. Ch. 1855, P*g* 55°»* Hoogewerff u. v. Dorp,
Ber. 13, pag. 1639; 16, pag. 1381; Rec. trav. chim. 2, pag. 1—27; Behr u. v. Dorf, Ber. 4,
pag. 753; Weidel, Monatsh. f. Gh. 3, pag. 75. 124) Williams, Jahresber. f. Ch. 1863, pag. 430.
125) KÖNIGS, Studien Über die Alkaloide, 1880. 126) Williams, Jahresber. f. Ch. 1878, pag. 891.
127) Ders., ibid. 1856, pag. 536; 1863, pag. 431. 128) Leeds, Ber. 16, pag. 289; Williams,
Jahresber. f. Ch. 1856, pag. 537. 129) DÖbner u. ▼. Miller, Ber. 16, pag. 2469. 130) Dies.,
pag. 2470. 131) Dies., Ber. 16, pag. 2471. 132) Baeyer u. Jackson, Ber. 13, pag. 121.
133) Williams, Zeitschr. f. Ch. 1867, pag. 428. 134) Zorn, Joum. f. Ch. [2] 8, pag. 303.
135) Williams, Zeitschr. f. Ch. 1867, pag. 420. 136) la Coste, Ber. 15, pag. 562. 137) Döbnkr
u. V. Miller, Ber. 16, pag. 1665; Grimaux, Compt. rend. 96, pag. 584; FriedlXnder u.
GöHRiNG, Ber. 16, pag. 1835. ^3^) I^i^-> Ber. 16, pag. 1836. 139) Fischer u. Rudolph,
Ber. 15, pag. 1503; Besthorn u. Fischer, ibid. 16, pag. 68. 140) Dies., Ber. 15, pag. 1500.
141) Dies., Ber. 15, pag. 1502. 142) Fischer u. Bedall, Ber. 15, pag. 684; Skraup, Monatsh.
f. Ch. 2, pag. 530; LA Coste, Ber. 15, pag. 197. 143) Skraup, Monatsh. f. C. 2, pag. 526.
144) Fischer u. Bedall, Ber. 14, pag. 2574; Monatsh. f. Ch. 2, pag. 519. 145) Döbner vu
V. Miller, Ber. 16, pag. 2472. 146) Dies., Ber. 15, pag. 3075. 147) Grabe u. Caro, Ber. 13,
pag. 100; Riedel, Ber. 16, pag. 1609. 148) Weidel, Ann. 173, pag. 84; Monatsh. £ Ch. 3,
pag. 79; Königs, Ber. 12, pag. 97; Skraup, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 601; Ann. Ch. 201, pag. 301 ;
Forst a. Böhringer, Ber. 14, pag. 436. 149) Weidel, Monatsh. f. Ch. 3, pag. 80. 150) Königs,
Ber. 12, pag. 100. 151) Weidel, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 29; 3, pag. 61. 152) Ders.,
Monatsh. f. Ch. 3, pag. 73, 66, 62. 153) Weidel u. Cobenzl, Monatsh. f. Ch. i, pag. 845.
154) Weidel, ibid., Monatsh. f. Ch. 2, pag. 565. 155) Skraup, Monatsh. f. Ch. 2. pag. 601;
4, pag. 695; Weidel, ibid. 2, pag. 571. 156) Ders., Monatsh. f. Ch. 2, pag. 589; 4, pag. 695.
157) Königs, Ber. 12, pag. 99; Königs u. Körner, Ber. 16, pag. 2152. 158) Liebig^ Ann.
Chem. 86, pag. 125; 108, pag. 354; Kretschy, Monatsh. f. Ch. 2, pag. 58; Schmiedeberg u.
ScHULTZEN, Ann. Chem. 164, pag. 55. 159) Böttinger, Ann. Chem. 191, pag. 321; Her. 14,
pag- 90; 16, pag. 2357. 160) Fischer u. Göhring, Ber. 16, pag. 1837. 161) Besthorn u.
Fischer, Ber. 16, pag. 70. 162) Grabe u. Caro, Ber. 13, pag. 100. 163) Bernthsbn u.
Bender, Ber. 16, pag. 18 18. 164) Friedländer u. Göhring, Ber. 16, pag. 1838. 165) Skraop,
Monatsh. f. Ch. 2, pag. 165. 166) Skraup u. Cobenzl, Monatsh. f. Ch. 4, pag. 436. 167) Skraup
u. Vortmann, Monatsh. f. Ch. 3, pag. 570. 168) la Costb, Ber. 16, pag. 675. 169) Dies.,
ibid. 4, pag. 569. 170) Grabe u. Caro, Ann. Ch. 158, pag. 265; dies., Ber. 13, pag. 103;
Brenthsen u. Bender, Ber. 16, pag. 767, 1802; Fischer, Ber. 16, pag. 1820; ders., Ber. 17,
pag. loi; Medicus, Ber. 17, pag. 196. 171) Grabe, Ber. 16, pag. 2830. 172) Grabe u. Caro,
Ann. 158, pag. 265; Grabe, Ber. 16, pag. 2832; Bernthsen u. Bender, Ber. 16, pag. 1849, 1973.
173) Grabe, Ber. 16, pag. 183 1. 174) Bernthsen u. Benderr, Ber. 16, pag. 1808. 175) Dies.,
Ber. 16, pag. 1809. 176) Grabe, Ann. Ch. 201, pag. 344; ders., Ber. 17, pag. 17a
178) Happ, Ber. 17, pag. 191. 179) Metzger, Ber. 17, pag. 186. 180) W. Spalteholz,
Ber. 16, pag. 1847; Hoogewerff u. v. Dorp, Ber. 17, pag. 48; dies., Ber. 16, pag. 1501.
181) Williams, Chem. News. 2, pag. 219; Dingl. pol. J. 159, pag. 321. 182) Ders., LoikL
R. Soc. Proc. 12, pag. 85; Jahresber. f. Ch. 1862, pag. 361. 183) Hoogewerff u. v. Dorp.
Ber. 17, pag. 48. 184) W. Spalteholz, Ber. 15, pag. 1847. 185) Hofmann, Jahresber. f.
Ch. 1862, pag. 351, Nadler u. Merz, Z. f. Ch. 1867, pag. 343. 186) Hofmann, Jahresber. £.
Ch. 1862, pag. 351; Schönbein, Z. f. Ch. 1865, pag. 733. 187) RttoHEiMER, Ber. 17, pag. 235, 73^
188) La Coste u. Bodewig, Ber. 17, pag. 926.
Chinolin. 535
statirte die Identität mit dem Chinolin. Diese aber wurde von Williams (6) be-
stritten, welcher fand, dass Cinchonin-Chinolin mit Jodamyl und Kalihydrat be-
handelt allein die Fähigkeit habe, einen blauen Farbstoff, das Cyanin zu bilden.
Dieser Unterschied ist in der letzten Zeit vollständig hinfällig geworden, nachdem
Spalteholtz (7) nachgewiesen hat, dass der Farbstoff nur dann entsteht, wenn
ein Gemenge von Chinolin und Lepidin, bezw. Cinchoninchinolin in Anwendung
kommt. Die tertiäre Natur der Base hat Williams zuerst erkannt. Liebig und
WöHLER (8) glaubten Chinolin gewonnen zu haben, als sie Trigensäure erhitzten
und die alkalische Lösung des Produkts mit Wasserdampf behandelten und
ebenso beim Erhitzen des Thialdins mit Kalkhydrat. Wahrscheinlich haben sie
nach Ador und Baeyer (9) Collidin unter Händen gehabt.
Körner hat zuerst eine bestimmte Ansicht über die Constitution des Chinolins
ausgesprochen. Nach dieser ist dasselbe, je nach der Betrachtungsweise, welche
man wählt, als Abkömmling des Benzols oder des Pyridins aufzufassen. In dem
Chinolin ist ein Pyridinkem mit dem Benzolkem derart verbunden, dass zwei
benachbarte C- Atome gemeinsam sind. Seine Constitution entspricht einem
Naph talin, in welchem eine CH-Gruppe durch ein N-Atom ersetzt ist.
CH CH CH^CHy
HC'^'^C'^'^CH HaC'^'^./^CHß
III I I I
HCv^^Cv^^CH HjCv^^ n^^CH«
C CH C N
H Hl
Naphtalin Chinolin.
Diese Hypothese gewann an Wahrscheinlichkeit durch die Synthese aus
Allylanilin, welche derjenigen des Naphtalins aus Phenylbutylen analog ist.
Die wesentlichste Stütze wurde ihr aber zu Theil durch die Synthese, welche
Baeyer (10) vom Hydrocarbostyril, dem Lactam der Orthoamidohydrozimmtsäure
ausgehend ausführte:
^ „ ^CH,— CH- — CO ^ „ ^CH=.CC1-CC1 ^ „ ^CH = CH— CH
Hydrocarbostyril Dichlorchinolin Chinolin.
Die Analogie mit dem Naphtalin kann man noch durch folgende Thatsache
erweitem. Oxydirt man Chinolin unter gewissen Bedingungen, so entsteht unter
Sprengung des Benzolkems eine Pyridindicarbonsäure, welche der Phtalsäure
entspricht.
In neuester Zeit ist eine Controverse über die Vertheilung der Valenzen des
Stickstoffs aufgetaucht. Einige Beobachtungen, die Weinberg (ii) am Aethyl-
hydrocarbostyril gemacht hat, und die Synthesen des Acridins werden dahin
gedeutet, dass der Stickstoff mit zwei seiner Valenzen an die benachbarten
C-Atome und mit der dritten an das 7-C-Atom gebunden sei, vergl. auch BernthsEn,
Ber. 16, pag. 1808 und Ladenburg, ibid., pag. 2063.
4 7
/
1 N
Auf Veranlassung des Herrn Herausgebers führe ich die im Schema veran-
schaulichte Ortsbezeichnung ein.
Diese hat vor der SKRAUP*schen Bezeichnungsweise für die im Benzolkern
536 Handwörterbach der Chemie.
substituirten Derivate, wie z. B. Ortho-, Meta-, Para-Toluchinolin, den Vortheil,
dass sie in Bezug auf die Metaderivate, deren ja zwei (2 und 4) möglich sind,
jeden Ixrthum ausschliesst. Es sei bemerkt, dass Skraup für die nach seiner
Methode dargestellten und sonst bekannten Metaderivate die Stellung >4« an-
nimmt, da sie höher schmelzen als die Paraderivate. Käme ihnen die Stellung »2c
zu, so müsste nach seiner Ansicht sich ihr Schmelzpunkt innerhalb der Grenzen
derjenigen der Ortho- und Paraderivate bewegen.
Die Oxydation ist ein brauchbares Mittel zu entscheiden, wie viele Sub-
stituenten im Benzolkem oder im Pyridinkem oder in beiden zugleich vorhanden
sind. Im Allgemeinen wird bei der Oxydation der Benzolkem gesprengt unter
Bildung einer Pyridindicarbonsäure oder deren Derivate. Es giebt Fälle, in denen
es gelungen ist, den Pyridinkern aufzulösen, aber sie sind noch zu vereinzelt, um
in jedem Falle das Oxydationsprodukt voraussagen zu können. Durch nasdrenden
Wasserstoff wird der Pyridinkem hydrirt und das Chinolin geht in eine secundäre
Base über. Eigenthümlich ist das Verhalten des a-Chlorchinolins; es geht durch
Erhitzen mit Wasser in a-Oxychinolin über, während das Chlor in den anderen
Chlorchinolinen sehr fest gebunden ist.
Es seien hier einige Synthesen aufgeführt, die einer allgemeineren Anwendung
fähig sind.
1. Skraup's S3mthese (12). Man erhitzt Anilin oder seine Derivate mit
Glycerin, Nitrobenzol und HjSO^. In erster Phase wirkt die H,S04 wasscr-
entziehend, und es bildet sich Acroleinanilin, das in zweiter Phase durch Nitro-
benzol zu Chinolin oxydirt wird:
CßHj — N(H, .+- 0)CH — CH = CH2 = HjO -h CeH^N = CH — CH = CH,
Anilin AcroleYn Acroleinanilin.
^•^»^ I -2H = C,H, I
AcroleYnanUin Chinolin.
2. Synthese der Chinaldine von Döbner und v. Miller (13). Anilin wird
mit Paraldehyd und HCl erwärmt. Hier wird wohl der Aldehyd in Aldol tiber-
geführt:
® CßH.NHj, 4- 2C,H40 = C»H«CH,N + 2H2O 4- H,.
3. Synthese des Chinolins (14) und seiner ß- Derivate von Friedlander.
Amidobenzaldehyd wird mit Acetaldehyd und Natronlauge gelinde erwärmt Es
entsteht Chinolin nach der Gleichung:
^COH CH, /CHOH-CH,
1- CeH.^NH, -^ioH^^^^^^NH, COH
Der folgende Process der Wasserabspaltung kann nach zwei Richtungen hin
verlaufen:
^CHOH — CHn ^CH^
oder
H
3 /CHOH-CH, ^C-CH
* *^NH, COH * *^N — CH
Wird anstatt Acetaldehyd Aldehyd von der Formel R — CH, — COH, so
entstehen ß-Deiivate des Chinolins, z. B. aus Phenylacetaldehyd, C,Hj — CH,
— COH, entsteht ß-Phenylchinolin.
Chinolin. 537
4. Synthese von a-Derivaten von Friedländer. Amidobenzaldehyd wird mit
Aceton oder Acetonen von der Formel R — CO — CH3 und Natronlauge er-
wärmt. Es entsteht mit Aceton Chinaldin:
COH ^^3 ^CH=CH
C.H4CNH, -^(!:0-CH,^^«"*^N=CCH,-
5. Synthese von Knorr (15). Anilin und Acetessigester werden erhitzt und
die gebildete Anilacetessigsäure mit conc. H2SO4 Übergossen. Es entsteht
p-Methyl-Y-oxychinolin OH
CH, — C — CH. — COOK /^"^CH
N-CeHs ' V^^C-CH3
6. Synthese von Rügheimer (187). Malonamidsäuren, welche im Ammoniakrest
durch aromatische Radikale substituirt sind, werden durch PCI 5 in gechlorte
Chinoline (s. z. B. aßY-Trichlorchinolin) übergeführt.
Chinolin, Leukolin, CgHjN. Gerhardt fand es bei der Destillation von
Chinin, Strychnin und Cinchonin mit Kali (i) neben seinen Homologen. Wird
bei dieser Operation CuO zugesetzt, so entsteht nur Chinolin (18). Man gewinnt
aus dem Knochentheer und Steinkohlentheer ein Gemenge des Chinolins und
seiner Homologen, die durch fractionirte Destillation schwer zu trennen sind.
Im Stuppfett, einem Nebenprodukt bei der Quecksilbererzverarbeitung ist Chinolin
nachgewiesen worden (19). Synthetisch ist es dargestellt worden durch Ueber-
leiten von Allylanilin über glühendes Bleioxyd (16), durch trockne Destillation
des Acroleinanilins (7J) (17), durch Reduction von a-ß-Dichlorchinolin (29), durch
Erwärmen von o-Amidobenzaldehyd und Acetaldehyd mit etwas Natronlauge (14).
Zur Darstellung (12) löst man 38 Grm. Anilin in 100 Grm. Vitriolöl und fUgt 24 Grm.
Nitrobenzol und 120 Grm. Glycerin hinzu, erhitzt am KUhler vorsichtig bis die ersten Blasen
sich zeigen und nimmt dann sofort vom Sandbade. Man wiederholt dieses so lange, bis die
Reaction ruhig verläuft. Nach mehrstündigem Sieden verdünnt man den Kolbeninhalt mit
Wasser, treibt mit Wasserdampf das Nitrobenzol ab, macht alkalisch und lässt ebenfalls mit
Wasserdampf das Chinolin übergehen. Zur Reinigung kann man dasselbe in das saure Sulfat
oder Chromat verwandeln.
Das Chinolin ist eine farblose, bewegliche, stark lichtbrechende und durchdringend
liechende Flüssigkeit, die an der Luft sich bräunt. Siedep. 235*65 bei 760 Millim.,
237-1 bei 7468 Millim., 240-4— 241-3 bei 750'1 Millim. Spec. Gew. bei 0° C.=M081,
bei 20° C. = 1-0947, bei 50° C. = 1-0699, bei 15° C. = 1084.*) Es erstarrt in einem
Kältegemisch von COj und Aether vollständig zu weissen Krystallen. Nach und
nach nimmt es 1^ Moleküle Wasser auf. Dieses Hydrat trübt sich bei Blutwärme
(20). Gegen Oxydationsmittel ist es sehr widerstandsfähig. Mit KMn04 entsteht
Chinolinsäure. Mit CSj auf 250° C. erhitzt bleibt es unverändert, hingegen mit S
auf 200° C. erhitzt entsteht ein noch unbekanntes Produkt (21). Bei erschöpfender
Chlorirung entstehen Perchlorbenzol und Perchloräthan (22). lieber die anti-
pyretischen, antiseptischen und antizymotischen Eigenschaften hat Jul. Donath
(Her. 14, pag. 178 u. 1769) berichtet
Reactionen (23). KOH fällt die Lösung eines Chinolinsalxes milchig-weiss; Na^CO,
ebenso unter CO, -Entwicklung; NH, ebenso, Überschüssig zugesetzt wieder lösend; Jod-Jod-
kali um: rothbrauner, in HCl unlöslicher Niederschlag (Reactionsgrenze 1:25000). Phosphor-
molybdänsäure, unter Zusatz von HNO, bis zur stark sauren Reaction gelblich weisser
Niederschlag, in NH, löslich (1 :25000). Pikrinsäure: gelber, amorpher Niederschlag, in KOH
•) Reines Chinolin siedet unter einem Druck von 753 '5 Millim. bei 231 '5*^ C. Siehe
Spalteholtz, Inaug.-Dissertation, Berlin 1883.
53^ Handwörterbuch der ^C3iemie.
sich mit röthlich gelber Farbe lösend (1:17000). HgCl, : weisser, flockiger Niederschlag» in
HCl leicht, in C^H^O, schwieriger löslich (1:5000). Kaliumquecksilberjodid: gelblich
weisser, amorpher Niederschlag, der sich auf Zusatz von HQ in bernsteingelbe Nadeln verwandelt.
Charakteristisch (1:3500). K^FeCy^ färbt röthlich. Zusatz von Mineralsäuren erzeugt einen
röthlichgelben , krystallinisch werdenden Niederschlag. Salzsaures Ferricyankalium lässt
in concentrirten Lösungen schöne Kryställchen fallen. K^Cr^O^, vorsichtig zugesetzt, zierlich
dendritische Krystalle, im Ueberschuss dieselben wieder lösend.
Salze: Chlorhydrat, CgHyN, HCl (24), kleine, glanzlose, weisse Wärzchen; zcrfliess-
lich. Schmp. 93—94® C. Leicht löslich in Alkohol, CHClj, heissem Wasser, Aether, Benzol,
etwas weniger in kaltem Wasser, wenig in kaltem Aether und Benzol. Nitrat, C^H^N, HNO, (25),
krystallisirt aus Alkohol in weissen Nadeln. Bichromat, (CgHj^)^H^CT^Ojj krystallisirt aus
heissem Wasser in glänzenden, gelben Nadeln (Charakteristisch). Schmp. 164 — 167° C Bei
raschem Erhitzen explodirt es. Bei 10° C. in der 274*5 fachen Menge Wasser löslich. Dioxalat,
CgHyN, HjCjO^, seideglänzende Nadeln (aus Alkohol). Tartrat, 3C5,HyN, 4C4HSO5 (26),
grosse, flache, anscheinend rhombische Nadeln. Schmp. 125°C. Pikrat, CgHyN, CjH,(OH)(NO,),
(19), feine, hellgelbe Nadeln (aus Benzol). Schmp. 203° C. Salicylat, CgH^N, C7H5O, (26),
undeutlich krystallinisches Pulver von röthlich grauer Farbe.
PlatinchlorUrverbindung, (CgH7N)2PtCl3 (27); entsteht durch Kochen von Chinolin
mit PtCl,. Blassgelbes, in Wasser unlösliches Pulver, das in Chinolin sich löst Ans dieser
Lösung fHUt Salzsäure, (C9HyNHCl).^PtCl,.
Platindoppelsalz, (CgH^N, HCl),PtCl4 + 2H3O (28). In der Kälte gefUUt ein licht-
orangegelber Niederschlag, der aus heisser werdendem HCl in glänzenden, schön orangegelben
Nadeln anschiesst; in kaltem Wasser schwer löslich, weit leichter in kochendem. Schmp. 225° C
A. Baeyer fand nur 1 Mol. Krystallwasser (29). Golddoppelsalz, C^H^N, HCl'AuQ,,
kanariengelbe, in kaltem Wasser schwer lösliche Nadeln. Zinkverbindung, (CgHfN)2ZnQ|
(30)1 gypsähnliche Säulen. Zinkdoppelsalz, (C9H7N, HCl)3ZnCl2 (30), krystallisirt pracht-
voll in Nadeln und ist wegen seiner Schwerlöslichkeit zur Reinigung des Chinolins empfohlen
worden. Cadmiumdoppelsalz, CgH^N, HClCdCl, -|-H,0 (31), lange Nadeln (aus Alkohol).
Zinndoppelsalz, (CgH^N, HCl)3SnCl3 -h 2H,0 (30), lange Nadeln. Antimontrichlorid-
Verbindung, CgH^N-SbCl, (30), krystallinischer Niederschlag. Antimondoppelsali,
CgHyN, HCl-SbCl, (30), lange Nadeln. Wismuthdoppelsalz, (C^H^N, HCl),BiCl, (30),
rhombische Prismen. Uranylchloriddoppelsalz, (C^H^N, HCl)jU03Cl3, kurze, gelbe
Nadeln. PalladiumchlorUrdoppelsalz, (CgHyN, HCl)3PdCl,, kastanienbrauner, krystalli-
nischer Niederschlag. Cadmiumjodidverbindung, (CjHyN)3CdJj (30); Quecksilber-
nitratverbindung, (CgH7N)3Hg(NO,)2 (30), krystallinischer Niederschlag. Silbernitrat-
verbindung, (CgHyN)jAgNO, (32), weisse Nadeln.
Natriumbisulfitverbindung, CgH^N, (HSOjNa), (?), eine in Wasser leicht lösüche,
krystallisirte Verbindung. Die Lösung zerlegt sich beim Erwärmen auf 60 — 70° C.
Kaliumbisulfit Verbindung ist der Natriumverbindung analog.
Chinolinmethyljodid, C9H7N, CHjJ (33), entsteht beim Vermischen von
gleichen Molekülen Chinolin und Methyljodid und krystallisirt aus Alkohol in
grossen, schwefelgelben Krystallen. Schmp. 72° C.
Chinolinmethylhydroxyd, C9H,N(CHj)OH. Behandelt man das Jodmetiiylat m
wässeriger Lösung mit Ag^O, so erhält man eine stark alkalische Lösung dieser Base, die sich
rasch roth fUrbt und allmählich einen gelbrothen Niederschlag absetzt. Die alkalische Lösung
absorbirt rasch CO,. Leitet man sofort CO, ein, so entsteht keine Färbung, und dampft im Vacmm
ein, so bleibt eine braungefärbte Masse zurück, die mit HQ übergössen CO, entwickelt Fügt
man Bromwasser hinzu, so wird ohne Färbung 1 MoL Br aufgenommen, wahrscheinlich nach der
Gleichung: 2CgHyN(CHj)OH4- 2Br = C9HyN(CH,)Br-h CgHyN(CHj)OBr4-H,0. Die
gebromte Lösung reagirt neutral. Mit Pikrinsäure entsteht ein Pikrat CjHtN.CH,CjH,OH(N0,),,
das identisch ist mit dem aus dem Jodmethylat gewonnenen und bei 164 — 165^ C. schmilzt.
Behandelt man eine wässerige Lösung des Jodmethylats mit K OH, so entsteht ein Oel, aus dem
sich beim Fractioniren bei 240® C. eine Base, CgH^N-CH,, gewinnen lässt (48). Nebenbei
i
Chinolin. 539
entsteht Dimethylanilin (34). LA Coste (33) erhielt mit Na OH im geringen Ueberschuss eiiie
flockige Fällung des Chinolinmcthyloxyds, [C9H7N(CHj)],0, die ausgewaschen und ge-
trocknet ein gelblich weisses, amorphes, in Wasser unlösliches Pulver darstellt; dieses ist leicht
in Alkohol und Aether löslich und hinterbleibt aus letzterem in krystallinischen Krusten, die
sich beim Trocknen röthen. Mit Wasserdämpfen scheint es flüchtig zu sein. Mit JH
entsteht C,HyN.CHJ, mit HCl und PtCl^: (C5HyNCH3a),PtCl4 und mit Pikrinsäure:
CjH7NCH,CgH,OH(N03)8. feine, heUgelbc Nadeln.
Chinolinäthyljodid. CgH^NCjHJ (33). Grosse, blassgelbe Krystalle. Mit AgO,
behandelt entsteht die freie Base, die sich in der Wärme karmoisinroth färbt. Dampft man
eine Lösung ihres schwefelsauren Salzes ein, so geht die rothe Farbe in eine schwarze über, es
verbleibt eine kupferglänzende, Indigo ähnliche Masse, die in Wasser gelöst und mit KOH ver-
setzt einen röthlich violetten Niederschlag giebt. Babo erhielt ähnliche Produkte aus Chinolin-
methyl- und -äthylsulfat (35).
Chinolinäthylbromid, CgH^N'CjHjBr-f-HjO (37), krystallisirt aus Wasser und Alkohol
in grossen, rhombischen Tafeln. Schmp. 80" C Die entwässerte Verbindung löst sich sehr leicht
in Chloroform, nicht in Aether, ein den analogen Cbinolinvcrbindungen gemeinsames Verhalten.
Chinolinäthylchlorid, CgH^NCjHjCH- Hjü (37), entsteht aus dem Bromid durch
Schütteln mit AgCl. Schöne, grosse, rhombische Tafeln. Schmp. 92*5° C.
Platindoppelsalz, (CgHyN-CjHjCDjPtCl^, schön gelbgeftrbter Niederschlag, in Wasser
fast unlöslich. Schmp 226° C.
Chinolinäthylnitrat, CjHjNCjHjNOj (37), entsteht durch Verreiben des Bromids
mit AgNO, und Ausziehen mit heissem Wasser. Grosse» wasserhellci rhombische Krystalle,
die sehr hygroscopisch sind. Schmp. 89° C.
Chinolinamylbromid, CgHjN- C^H^Br -|- H^O (37), entsteht aus Amylbromid und
Chinolin unter Zusatz von etwas absolutem Alkohol im geschlossenen Rohr bei massiger Wärme.
Es krystallisirt aus Alkohol in schönen, gelblichen Nadeln. Schmp. 87° C, wenn entwässert, bei 140° C.
Platindoppelsalz, (CgHyNC5HjiCl)3PtCl4; röthlich gelber Niederschlag. Schmp. 220° C.
Chinolinisoamyljodid, CgH^N^C^H^iJ (33); gelbgrUne, metallglänzende Krystalle.
Mit Kali gekocht entsteht ein Cyanin.
Platindoppelsalz, (C,4HigNa)3PtCl4.
Chinolinbenzylchlorid, CgH^N-CgH^CHjCl -h 3Hj,0 (36), gewinnt man durch Er-
hitzen von Chinolin und Benzylchlorid unter Luftabschluss bei 100° C; es krystallisirt aus
Wasser in grossen, tafelförmigen Krystallen. Schmp. 65° C. Diese verlieren an der Luft 1 Mol.
HjO und schmelzen dann bei 129— 130° C. Schmp. der wasserfreien Krystalle 170° C.
Platindoppelsalz, (C9HyNCgH5CH3Cl),PtCl^; dunkelgelbe, in Wasser sehr schwer
lösliche, kleine Kryställchen. Schmp. 142° C.
Versetzt man (37) Chinolinäthylchlorid, Chinolinamylbromid, Chinolinbenzylchlorid mit Ag^O,
NH, oder Alkalien, so scheiden sich die freien Aethyl-, Amyl- und Benzylbasen ab, die durch
Aufnehmen in Aether vor 2^rsetzung geschützt werden. Diese sind in Wasser, AJkohol, Aether,
CHCl, , Benzol u. s. w. löslich. Die stark alkalischen Lösungen fällen, mit Ausnahme der
Alkalien, sämmdiche Metallsalze und treiben NH, aus. Die Alkylchinoline ziehen nur in
wässeriger Lösung COj| an, entlassen dieselbe sofort, sobald ihnen das Wasser entzogen wird.
Die Basen sind nie wasserfrei zur Analyse erhalten worden. Was die Constitution anbetrifft, so
nimmt Claus den N fünfwerthig an. Wird Chinolinbenzylchlorid mit KMnO^ oxydirt, so entsteht
1. Formylbenzylorthoamidobenzoesäure, C6H^N(C7HyCHO)COOH, Schmp. 196° C.
2. Benrylamidobenzoesäure, CgH4NH.CyHy(COOH), Schmp. 176° C. (38), und 3. Benzoe-
säure.
Bromäthylchinolinbromid, C5HyN(CjH4Br)'Br (39), bildet sich beim Erwärmen von
gleichen Molektllen Chinolin und Aethylenbromid auf 75—80° C. Krystallisirt aus Alkohol in
derben Nadeln.
Bromäthylchinolinchlorid, C9HyN(C,H4Br)Cl (39), bildet sich aus dem Bromid mit
AgQ und liefert ein
Platindoppelsalz, (CjiHiiNBrC^jPtCl^. Orangegelbe Nadeln (aus heisser conc. HO).
Aethylendichinoilchlorhydrat, CjH4(CgHgN»HCl), (40), entsteht bei der Einwirkung
540 Handwörterbuch der Chemie.
von 1 Mol. Aethylenbromid auf 2 Mol. Chinolfn im Rohr bei 100^ C KrystalUsirt aus Alkohol
in leichten, weissen, kleinen, dttnqen Nadeln.
Platindoppelsalz: C3H4(C9HeNHCl)jPtCl^.
Aethylendichinoilbromhydrat, C,H4(C9HgN«HBr)3 (40), gewinnt man wie das CUoiid
bei 40° C; dünne Nadeln.
Methylenchinoilchlorhydrat, CH,(CgHßN.HCl), (40). Man schüttelt dfc Jodhydrat-
verbindung mit AgCl und engt das Filtrat ein. Weisse, glänzende Tafeln, leicht löslich in
Wasser und warmem Alkohol, unlöslich in Aether und kaltem, absolutem Alkohol.
Methylendichinoiljodhydrat, CHj(CgHgN"HJ)3. Darstellung wie die des Aeöiylen-
chlorids unter Verdünnung mit Alkohol bei Stägiger Erhitzung auf 100°. Lange, schöne, gelbe
Nadeln, die sich beim Umkrystallisiren aus Alkohol oder Wasser leicht zersetzen. Schmp. 132° C
Platindoppelsalz: CHj(C5HgNHCl)jPtCl4. Prismatische Naddn, bei langsamer
Krystallisation Würfel und Octaeder.
Methantrichinoiljodhydrat, CH(C9HgN'J), (41). 1 Mol. Jodoform in Aether gelöst
wird mit 3 Mol. Chinolin, ebenfalls in Aether gelöst, gemischt. Bald scheiden sich schöne, grosse,
farblose, durchsichtige Nadeln aus, die in Aether, Ligroin, Benzol, Essigäther u. s. w. löslich
sind. Schmp. 65° Alkohol zerlegt die Verbindung in seine Componenten. In kaltem Wasser,
Säuren und Alkalien unlöslich; erwärmt man, so tritt Schmelzung und Zersetzung ein.
Chinolinchloralhydrat (?), a.C.CHC^ I (42). Man vermischt ätherische
^NCgHy.HaO
Lösungen von Chloral und Chinolin; nach einigen Stunden filtrirt man von einer butterartigCD
Ausscheidung ab und verdunstet den Aether. Die zurückbleibenden, wawellitartigen KrystaDe
werden durch Suspension in Wasser von salzsaurem Chinolin getrennt und aus Benzol umkrystalli-
sirt. Wawellitartige Nadeln oder dicke Stäbchen oder Täfelchen. In Alkohol und Wasser m
der Wärme zersetzlich. Schmp. 66° C.
Platindoppelsalz, (CgH^N-COH-CCl, -h HjO)3 3PtCl^. Fällt aus alkoholischer
Lösung als hellgelbes Pulver, das aus Wasser umkrystallisirt Chinolinplatinchlorid liefert.
Aethoxylchinolinchlorid, CgHy(C3H^OH)Cl (43), wird in Prismen gewonnen bei
Erhitzung von Aethylenchlorhydrin mit Chinolin auf 100° C.
Platindoppelsalz, (CjiHj3NOCl)2Pta^, ein in viel heissem Wasser lösliches, lachs-
gelbes Krystallpulver.
Golddoppelsalz, Cj^HuNOClAuCl,; kleine, spitze, gelbe Rhomboeder, kaum löslich
in siedendem Wasser.
Quecksilberverbindung, 5CiiHi,NOC1.6Hgaj, farblose Blättchen.
ChinolinglycocoUäthylätherchorhydrat, CgHyN-CHj.COj-CjHjQ (47). Schüttelt
man gleiche Moleküle Chinolin und Aethylmonochloracetat tüchtig, so scheiden sich Kiystalle
aus, die aus wasserfreiem Aether in stemförmiggruppirten Nadeln gewonnen werden. Ungemein
löslich in Wasser, ziemlich leicht in Alkohol.
Platindoppelsalz, (Cj jHj^N02Cl)2PtQ^, krystallisirt aus einer Mischung von Alkohol
und Wasser in kleinen, dünnen, zu Bündeln und Kreuzen vereinigten Nadeln.
Chinolin-BetaYn, C^Uj^^^^O -h H^O. Behandelt man das Chlorhydrat der vor-
hergehenden Verbindung mit Ag^O, so entsteht keine Ammoniumbase, sondern das Betain.
Der durch Verdampfen des Filtrats von AgCl hinterbleibende Rückstand krystallisirt aus Alkohol
in kurzen, dicken, compacten Krystallen, die in Wasser und Alkohol löslich sind und durch
Aether gefällt werden. Schmp. bei 17 1 ° C. Gehrichten erhielt die saksaure Verbindung durch
Erhitzen von Monochloressigsäure mit Chinolin (44).
Chlorhydrat, Ci^HgNOg'HCl, schöne, dicke, glänzende Krystalle, löslich m Alkohol i
und Wasser. 1
Platindoppelsalz, (C, iH9N02HCl)jPtCl4 ; orangefarbige, sternförmig gnippirte Nadehi; \
in Wasser ziemlich leicht löslich. |
AUylchinolinjodid, CgliyN-CjHgJ. Aus Allyljodid und Chinolin.
Allylchinolinchlorid (?), CgH^N.CjHjCl ('45). Wird Chinolin mit Dichlorhydrin und
etwas Wasser auf 100° erhitzt, so entstehen Chinolinchlorid und AUylchinoUnchlorid nach 6a
Chinolin. 541
Gleichung 2C9HyN + C,HgOCl, = CgH^NCjHjCl + CgH^N-HCl + HjO. Bei Gegenwart
von Bleioxyd geht fast alles Chinolin in die Allylverbindung über.
Platindoppelsair, (CgH7N-CjH5Cl)jPta4, unlöslich in Wasser.
Golddoppelsalz, CgHjN'C^HjCl'AuCl,, kiystallisirt aus heissem Wasser in kleinen,
goldgelben Blättchen.
Resorcinchinolin, (CgH7N)2*C|.H4(OH)2 (49), erhält man entweder durch Schmelzen
von 2 MoL Chinolin mit 1 Mol. Resorcin und Umkrystallisiren der Schmelze aus absolutem Alkohol,
oder durch Lösen derselben Mengen in HCl und folgender Abscheidung mit NajCO,. Silber-
glänzende Blättchen aus einer alkoholischen Lösung, die bis zur Trübung mit Wasser versetzt
wird. Diese Verbindung besitzt einen bitteren, kratzenden Geschmack. Schmp. 102° C Löst
sich wenig in Wasser (1:400), leicht in Alkohol, Aether und Chloroform. Kocht man mit
Wasser, so tritt Zersetzung ein.
Hydrochinonchinolin, (C9H7N)jCgH^(OH)2 (49). Im Wesentlichen der vorigen
Verbindung gleich. Beide sollen sich durch hervorragende antiseptische und antipyretische
Eigenschaften auszeichnen.
Dichinolin, CigHi^N^, erhält man entweder durch Kochen von Chinolin
mit 10} Natriumamalgam (50) oder durch Erhitzen von salzsaurem Chinolin mit
und ohne Zusatz von Anilin oder Chinolin auf 180 — 200° während 6 — 8 Stunden (51).
Darstellung: Man dampft die nach dem zweiten Verfahren erhaltene Schmelze mit einem
Ueberschuss von verdtlnnter HNO, zur Trockne ein, behandelt den Rückstand mit Wasser,
fiitrirt und fällt mit NH, und krystallisirt den Niederschlag aus verd. Alkohol um.
Hellgelbe Nadeln. Schmp. 114° C. Verflüchtigt sich nicht mit Wasserdämpfen.
Löst sich nicht in Wasser, leicht in Alkohol, Aether und CHCI3; aus diesen
Lösungsmitteln hinterbleibt es als Harz. Verdünnte Säuren lösen es unter Roth-
farbung. Zersetzt sich nicht beim Abdampfen mit verd. HNO3. Oxydirt liefert
es eine Dipyridintetracarbonsäure. Die Salze sind fast alle amorph.
Platindoppelsalz, (CigHi^NjHCl),PtQ^, gelbrother, krystalli nischer Niederschlag. Ver-
kohlt bei 220^ C.
a-Dichinolylin, CjgHijNg (52). Darstellung: Man erhitzt 100 Grm. wasserfreies
Chinolin mit 15 Grm. in einem lose verkorkten Kolben im Oelbade 2 — 3 Stunden auf 192^ C.
Diese Reactionstemperatur erhält sich auch längere Zeit, wenn der Kolben aus dem Oelbade
genommen wird. Das harzige Produkt wird in Benzol gelöst, um das Natrium zu entfernen.
Man giesst ab und schüttelt die Lösung so lange, als das Wasser sich noch braun färbt. Es
scheiden sich häufig bei dieser Behandlung Krystalle aus, die mit der Benzollösung vereinigt
werden; diese wird destillirt. Nachdem Benzol und Chinolin Übergegangen sind, wird der Rest
in einem kleineren GcfUsse im H-Strome erhitzt; es geht ein dunkel rothgelb gefärbtes Oel
über, das erstarrt und von den zuletzt übergehenden, flüssigbleibenden Tropfen getrennt wird.
Die Krystalle werden abgepresst und in warmer conc. HCl gelöst. Nach 7 — 8 maligem Um-
krystallisiren des salzsauren Salzes aus verd. HCl wird die Base mit NH, geföUt und aus Alkohol
umkiystallisirt.
Glänzende, fast farblose Blättchen oder Nadeln. Unlöslich in kaltem und
heissem Wasser. Leicht löslich in heissem Alkohol, Aether, Benzol und CHCI3.
Die alkoholische Lösung reagirt neutral. Aus dieser scheiden sich messbare
Krystalle des monoklinen Systemsaus: a:d:c=l'S7 : 1 : 1'3*2, n ■= 109° 58'. Schmp.
für die krystallisirte Substanz: 175-5° C, für die sublimirte 176— 177° C. Siede-
punkt über 400° C. Oxydationsmittel greifen schwer an. Dampfdichte = 8*73
(ber. = 8-86).
Salze: Sulfat, CjgHjjNj'HjSO^ -r HjO, krystallisirt aus der Auflösung der Base in
verd. HjSO^ (1»6) ^^ harten Krystallkömern, förbt sich bei 100° intensiv gelb, muss deshalb
bei 120** im H-Strom getrocknet werden. Wasser zerlegt es.
Chlorhydrat, C^^Ui^^^'2KCl-{' AH^O, feine, lange, asbestähnliche, kaum gefUrbte
Nadeln. Wasser zerlegt ebenfalls.
542 Handwörterbuch der Cliemie.
Basisches Chlorhydrat, CjgH^^^s'^^^ entsteht aus vorigem durch Trocknen bei
100° bis zur Gewichtsconstanz.
Platindoppelsalz, (Ci8Hi2N,-2HCl)Pta^ + HjO, föllt auf Zusatz von PtQ^ zur
heissen, salzsauren Lösun£f sofort in licht röthlichgclben, mikroskopischen Nadeln, in kaltem und
heissem Wasser sowie in HCl fast unlöslich.
Golddoppelsalz, CjgHi ^Nj-HCl-AuClj + 2H2O. Man verfährt mitAuClj wie benn
Platinsalz. Kleine, lichtgelbe Nadeln.
Jodmethylat, CjgHjjNg-CHgJ (52). Wird dargestellt durch Erhitzen
gleiclier Moleküle der Base und Methyljodid im Rohr auf 100°. Das Produkt
wird nach Verdampfen des Jodids aus heissem Wasser umkrystallisirt. Kleine,
anscheinend rhombische, stark glänzende Krystalle. Löslich in heissem Alkohol,
in geringem Maasse auch in Aether, CHClg und Eisessig. Bräunt sich bei 200** C
und schmilzt unter Zersetzung bei 280—286° C.
Dichinolindisulfosäure, CigHio(HS03)2N2 (52).
Darstellung: 10 Grm. Base werden mit Vitriolöl und NO3H (3: 1) im Rohre 3—4 Stunden
auf 170° C. erhitzt. Der Röhreninhalt wird mit Wasser verdünnt; die Säure scheidet sich bald
in mikroscopischen Nadeln aus, die man durch Umkiystallisiren aus Wasser oder Alkohol nicht
ganz rein erhalten kann.
Kaliumsalz, CjgHjQ(KS03)2N2 + ÖHjO, wird erhalten durch genaues Neutralisiren
der siedenden, wässerigen Lösung der Sulfosäure mit Na^CO, in undeutlichen Krystallen, die
aus einer Lösung in 50 f Weingeist in kleinen, farblosen, prismatischen Nadeln gewonnen
werden. In heissem Wasser und verdünntem Alkohol leicht löslich, schwer in absolutem Alkohol
p-Dichinolylin, CigH^aNg (53), entsteht durch mehrstündiges Erhitzen
gleicher Volume Chinolin und Benzoylchlorid auf 240— 250° C, femer in sehr
geringer Menge bei der Destillation der Cinchoninsäure mit Kalk (54). Es
krystallisirt aus Alkohol in grossen, seideglänzenden, monoklinen Tafeln.
Schmp. 191° C, nach Weidel 192*5° C. Sublimirt in Tafeln. In Wasser unlöslich,
in Aether wenig, in siedendem Alkohol massig, in kaltem kaum löslich, sehr
leicht in CHCI3 und heissem Benzol. Besitzt nur schwach basische Eigenschaften
und giebt mit CH3J keine Verbindung; Wasser schlägt die Base aus ihren Salz-
lösungen nieder.
PlatindoppelsaU, (CjgHi jNj2Ha)PtCl4 , ist ein körniger, hellgelber Niederschlag,
der durch Versetzen einer Lösung des PtCl^ in conc. HCl mit einer Lösung der Base in kalter
conc. HCl entsteht.
Hydrochinolin, CiqHiqNj (55), kann man gewinnen durch Behandeln
von Chinolin mit Zn-Staub und Essigsäure, durch Kochen mit Alkohol und
Natriumamalgam, durch Behandeln mit Zn und HCl oder mit Zn-Staub und NH,.
Darstellung: Chinolin wird mit Zn-Staub und NH, am RUckilussktthler auf dem Wasser-
bade erwärmt. Nach vollendeter Reduction wird mit Wasserdämpfen intactes Chinolin fibeige-
trieben. Der feste Rückstand wird mit Benzol extrahirt und mit Ligroin gefWt; das Produkt
wird wiederholt in Benzol aufgenommen (Zusatz von Thierkohle) und mit Ligroin partiell behandeb.
Amorphes, gelbliches Pulver. Schmp. 161— 162° C. Die schwache Base ist
nicht unzersetzt flüchtig und giebt keine krystallisirbaren Salze; Wasser föUt sie
theilweise aus ihren Lösungen in concentrirten Säuren. Natriumacetat bewirkt
vollständige Fällung. Methyljodid wirkt bei 130 — 140° kaum ein. Natriumnitrit
erzeugt in sauren Lösungen röthlich gelbe Fällung. Königs vermuthet, dass diese
Base identisch sei mit dem Reductionsprodukt, welches Baeyer aus Dichlor-
chinolin und Natriumamalgam gewonnen hat.
Tetrahydrochinolin, CgH^N (56).
Darstellung: Man löst 1 Thl. Chinolin in 30 Thln. starker HQ, erwännt auf dem
Wasserbade und fügt allmählich Z—^ Thle. Sn hinzu. Man verjagt die Überschüssige HCl, setzt
Chinolin. 543
concentrirte Alkalilauge im Ueberschuss zu und destillirt im Wasserdampfstrom Chinolin und die
Tetrahydrobase über, bis KjCijOj keine dunkle Färbung mehr erzeugt. Man trennt Chinolin
vom Tetrahydrochinolin durch Einleiten von HCl in ihre trockne ätherische Lösung und Um-
kiystallisiren der Fällung aus absolutem AlkohoL
Die freie Base ist flüssig und erstarrt, wenn rein, bei Winterkälte zu farb-
losen Nadeln. Siedep. 244—246° C. bei 724 Millim. Sie löst sich leichter in
Wasser als Chinolin. CrOj oxydirt sie zu Chinolin. Nitrosoreaction. Leitet
man Dämpfe der Base durch ein rothglühendes Rohr, so entsteht Indol und
Chinolin. Durch Einwirkung von conc. HjSO^ bei 220° ist ein noch nicht ge-
nau untersuchtes Barytsalz einer Disulfosäure gewonnen worden. Bei längerem
Erwärmen mit conc. HNO3 (1:2) entsteht Weidel's Chinolsäure.
Salze: Chlorhydrat, CgH^jN-HCl, krystallisirt aus Alkohol in feinen Prismen.
Schmp. 180—181°. Aus wässerigen Lösungen entstehen Tafeln.
Platindoppelsalz, (C9HiiN.HCl),PtCl4; röthlich gelbe Krystalle. Schmp. 200** C.
Saures Sulfat, CgH^jN'HgSO^ ; krystallisirt aus Alkohol in schönen Prismen vom
Schmp. 136 — 137®, aus Wasser in grossen, monoklinen Tafeln.
Das Tartrat und Oxalat sind leicht löslich, das Pikrat bildet schöne, gelbe, schwer
lösliche Nadeln, die beim Erwärmen unter Wasser schmelzen. Das Zinkchloriddoppelsalz bildet
weisse, leicht lösliche Nadeln. Das Quecksilberchloriddoppelsalz sehr schwierig lösliche, weisse
Nadehi.
Nitronitrosotetrahydrochinolin, CgH^ClN^NO (S^)'
Darstellung: Das Nitrosamin, welches auf Zusatz von NaNO^ zur schwach sauren
Lösung der Tetrahydrobase als gelbes Oel fällt, wird rasch mit HNO, [1 Vol. Säure (1-4),
2 Vol. H,0] geschtittelt. Die entstehende feste Verbindung wird aus heissem Alkohol um-
krystallisirt.
Schöne, gelbe Nadeln. Schmp. 137— 138° C.
Tetrahydrochinolinhydrazin, CgH^QN-NH^ (57).
Darstellung: Nitrosamin in alkoholischer Lösung wird auf dem Wasserbade mit Zn-
Staub und Eisessig erwärmt. Nach Beendigung der Reaction verjagt man den Alkohol, setzt
überschussiges Alkali hinzu und extrahirt mit Aether. Conc. HJSO4 (^-ö) fallt aus der äthe-
rischen Lösung das Sulfat, das zersetzt wird.
Das Hydrazin krystallisirt aus Ligroin in weissen Krystallen. Schmp. 55—56° C.
Es siedet gegen 255° C. unter theilweiser Zersetzung. Es reducirt Gold- und
Platinsalze in der Kälte, FEHLiNG'sche Lösung in der Wärme.
Sulfat, (C9HioN-NHa)jHjS04 + 2HjO. Es ist in kaltem Wasser ziemlich schwer
löslich, und krystallisirt aus demselben in gelben, glänzenden Blättchen.
Chlorhydrat ist in kaltem Wasser ziemlich leicht, in conc. HCl schwerer löslich.
^ Tetrahydrochinolintetrazon, C9HioN-N = N-NC9Hio (57), wird durch
Schütteln einer kalt gehaltenen ätherischen Lösung des Hydrazins mit gelbem
Quecksilberoxyd erhalten. Man entfernt unangegriflfenes Hydrazin durch Schütteln
mit verd. H^SO.,. Zur Reinigung kocht man den Aetherrückstand mit Benzol
und Thierkohle und fällt das concentrirte Filtrat mit Alkohol.
Das Tetrazon ist eine starke Base, unlöslich in Wasser, sehr schwer löslich
in Alkohol, leicht in CHCI3, Aether, CSg und Benzol. Farblose Nadeln.
Schmp. 160° C. Verdünnte Mineralsäuren lösen es nicht, zerlegen es aber in der
Wärme in Hydrochinolin und Chinolin; dasselbe bewirkt unter Lösung und
Rothfärbung Eisessig.
Methyltetrahydrochinolin, CgHi^N-CHj (57).
Zur Darstellung lässt man Methyljodid vorsichtig unter guter KUhlung zur Base fliessen
und erwärmt noch kurze Zeit. Nach Vertreiben von CH3J zerlegt man das Produkt mit KOH
und extrahirt mit Aether. Man trennt unangegriffene Tetrahydrobase von der Methylbase durch
544 Handwörterbuch der Chemie.
Rochen mit Essigsäureanhydrid, das abdestillirt wird« Der Rückstand wird mit Natronlange kah
behandelt, dann durch successives Ausschütteln mit Aether und verdünnter H^SO^ von der
acetylirten Hydrobase getrennt. Aus der schwefelsauren Lösung ftllt Alkali
die Methyltetrahydrobase als Oel, welches zwischen 242— 244°C. bei 720Millim.
siedet. Mit NaNO^ in saurer Lösung entsteht unter gelbrother Färbung eine
Nitrosoverbindung, die durch Alkali als Oel sich ausscheidet, in der Wärme nicht
angegriffen wird, in Aether mit grüner Farbe sich löst und mit massig conc
HNO3 ein festes, kaum basisches Produkt liefert, wahrscheinlich analog dem
Nitrodimethylanilin.
Die einfachen Sake dieser Base sind zerfliesslich. Das saure Sulfat krystallisirt aus abso-
lutem Alkohol in weissen, säulenförmigen Krystallen, die an der Luft zerfliessen.
PlatindoppelsaU, (C,HnjN(CH,)HCl),Pta4. Ziegelrother, krystallinischer Nieder-
schlag, schmilzt bei 177° C. unter Gasentnricklung.
Monomethyltetrahydrochinolinmethyljodid,C9H^oN«CHj-CHjJ(57),
hinterbleibt in der alkalischen, mit Aether behandelten Lösung bei der Darstellung
obiger Base. Die Ammoniumbase wird nach E. Fischer's Verfahren in saurer
Lösung mit K4FeCyß gefallt, mit CuSO^ zersetzt, das Filtrat mit Baryt und
CO 2 behandelt Aus dem letzten Filtrat hinterbleibt das kohlensaure Salz der
Ammoniumbase, welches in das salzsaure Salz übergeführt wird.
Chlorhydrat, CjHißN«CH,HCl; kurze, weisse Prismen (aus Alkohol).
Platindoppelsalz, (CgHjoN.CHjHCOjPtCl^ ; krystallisirt.
Aethyltetrahydrochinolin, CjHj^jNCCjHj) (56). Aus Jodäthyl und Tetrahydrochinolio
entsteht das krystallinische Jodid, aus der Kali die Base frei macht Siedep. 255^ C.
Aethyltetrahydrochinolinäthyljodid, C9HioN(C,Hj).C,HJ. Alkalien serlegco
es nicht. Ag,0 liefert die freie, starke Base CgHjoN(C,Hj)OH.
Acetyltetrahydrochinolin, CgHioN(C,H,0) (56), entsteht durch Kochen der Base
mit Essigsäureanhydrid und siedet bei 295 ^^ C. Mit KMnO^ oxydirt entsteht Oxalylanthranilsäure.
Benzoyltetrahydrochinolin, C9HioN(C7HjO) (56), krystallisirt aus Alkohol in mono-
klinen Tafehi. Schmp. 75° C.
Tetrahydrochinolinharn.stoff, NH^CONCgHj^ (57). Vermischt man die wässerigen
Lösungen äquivalenter Mengen der salzsauren Base mit KCNO, so gesteht die Flüssigkeit so
einem Brei weisser Nadeln, die aus Wasser umkrystallisirt werden. Schmp. 146*5° C Wenig
löslich in kaltem Wasser, fast nicht löslich in Alkohol. Verdünnte Säuren bewirken keine Ver-
änderung. Alkalien regeneriren die ursprüngliche Base.
NH
Leukolinsäure bezw. Chinolinsäure, CgH^ rXr CO— COOH^^^^S^^
Dewar erhielt durch Oxydation des Chinolins mit KMnO^ eine Säure, die in Nadeln kiystalli-
sirt, bei 143*' schmilzt, in Wasser sehr schwer lösUch ist, mit Kali erhitzt Anilin liefert Bei
ähnlicher Behandlung des Leukolins erhielt er eine Säure gleicher Zusammensetzung in Tafeln oder
Nadeln. Schmp. 162^0. In kaltem Wasser wenig löslich, löslich in Alkohol und Aether. Mit
Natronkalk geglüht entstehen Anilin, NH, und wenig Picolin. Das Kalisalz, trocken destilliit,
liefert CO,, H,0, CO^K^ und Anüin. Die Kalischmelze enthält Salicylsäure. Das Süber-
salz krystaUisirt in feinen Nadeln. Da jetzt nachgewiesen ist, dass Chinolin und Leukolin iden-
tisch smd, so bedürfen die beschriebenen Säuren einer wiederholten Prüfung.
Monochlorchinolin, ClC^HgN (59), wird dargestellt aus Paracbloranilin,
Glycerin und Schwefelsäure u. s. w. Dasselbe ist eine farblose Flüssigkeit, die
sich schnell bräunt. Siedep. 256° C.
Salze: Chlorhydrat, ClCgHßNHCl; feine, farblose Nadehi, in Wasser sehr leicht lösKdt
Platindoppelsalz, (ClCjHßNHC^jPtCl^ + 2H,0, hellgelber, krystallinischer Niederschlag. Jod-
methylat, ClCgHgN,CH,J, hellgelbe, krystallinische Krusten, in Wasser leicht, in Alkohol
schwerer löslich; unlöslich in Aether. Chlormethylplatinat, (ClCgHgN, CH,a),Pta^, ws
dem Jodmethylat durch Behandeln mit AgCl und PtCl^; orangegelbe KrystaÜe.
Chinolin. 545
Chlorchinolin 4, ClCgHgN, entsteht nach der SKRAUP'schen Reaction aus
m-Chloranilin, Nitrobenzol u. s. w. (188). Farblose, stark lichtbrechende, ölige
Flüssigkeit Siedep. 264— 266° C. Die Base ist fast unlöslich in Wasser, leicht
löslich in verdünnten Säuren, Alkohol, Aether und Benzol.
Salxe: Cblorhydrat, ClCgHgN'Ha. Farblose, zerfliessliche Tafeln. Wird die alkoholische
Lösung des Sakes mit wasserfreiem Aether versetzt, so erscheint es in stemfömig gruppirten Nadeln.
Platindoppelsalz, (aG9H8NHCl)jPtCl44-2HjO; orangegelbe, seideglänzende Nadeln,
die bei 105— 106® C. wasserfrei werden.
Chromat, (ClCgHgN)jH3Crj07; feine, goldgelbe Nadeln, die schwer löslich in kaltem
Wasser sind und bei 153® C. unter starker Zersetzung schmelzen.
Jodmethylat, ClC,HgN-CH,J; lange, citronengelbe Nadehi, die sich bei 231— 232® C.
schmelzend zersetzen.
Nitrochlorchinolin, NO3CIC9H5N. Nitrirt man i-Chlorchinolin, so erhält
man zwei isomere Nitrochlorchinoline, von denen das eine bei 185 — 186° C, das
andere bei 120— 123^*0. schmilzt.
Dichlorchinolin r-3, Cl^CgHjN (59). Aus 1 : 2 : 4-Dichloranilin, welches
durch Einwirkung von Cl auf Acetanilid entsteht Ist schwerer löslich als die
folgende 1 • 4- Verbindung. Lange, feine, farblose Nadeln. Schmp. 103 — 104° C,
Salze. Platindoppelsalz, (Cl^C^HsNHCOjPtCl^.
Dichlorchinolin 1-4, CI2C9H5N (59). Aus l:2:5-Dichloranilin, Nitro-
benzol, Glycerin und HjSO^; krystallisirt aus Alkohol in kurzen, concentrisch
vereinigten, farblosen Nadeln, aus Aether in farblosen, langen, schmalen Tafeln.
Schmp. 92—93° C; unzersetzt flüchtig.
a-Chlorchinolin, CgHgClN.
Darstellung: Carbostyril wird mit etwas mehr als der berechneten Menge PClj und
wenig POa, einige Stunden im Oelbade auf 130 — 140® C. erwärmt Das Reactionsprodukt
wird in Wasser gegossen, neutralisirt und mit Wasserdampf übergetrieben. Das Chlorderivat
erstarrt rasch in der Vorlage und wird aus verdünntem Alkohol umluystallisirt. Es entsteht auch
nach demselben Verfahren als Nebenprodukt aus HydrocarbostyriL
Das a-Chlorchinolin bildet lange Nadeln, schmilzt bei 37 — 38° C. und siedet
unzersetzt bei 266 — 267° C. In Wasser nahezu unlöslich, äusserst leicht löslich
in Alkohol, Aether und Benzol, Ligroin u. s. w. Die basische Natur ist sehr
schwach, denn Wasser fällt die Base aus ihrer Lösung in concentrirten Mineral-
säuren wieder aus. Mit Wasser auf 120° erhitzt geht es glatt in Carbostyril
über. Mit JH in Eisessig wird es zu Chinolin reducirt. Bei der Reduction mit
Sn und HCl entsteht Tetrahydrochinolin. Mit alkoholischem Kali erwärmt bildet
sich sein Aethyläther.
PlatindoppelsaU, (C^HgClN, Ha),PtCl4 + 2HjO. Aus concentrirter HQ-Lösung
fällt PtCl^ dasselbe in Nadeln, Wasser «ersetzt es wieder.
a^-Dichlorchinolin, CgHgCljN (61).
Darstellung: y-Chlorcarbostyril mit dem 7 fachen Gewicht PQj innig verrieben und
dann mit POQ, angefeuchtet, wird einige Stunden auf 135— 140° C. erhitzt Das Produkt in
Eiswasser eingetragen und neutralisirt wird mit Wasserdämpfen abgetrieben. Die Dichlorbase
erstarrt schon im Kühler und wird schliesslich mehrfach zur Reinigung aus heissem, verdünnten
Alkohol umkrystallisirt.
Das ay-Dichlorchinolin riecht schwach, in heissem Wasserdampfe stechend.
Schöne Nadeln. Schmp. 67° C. Es ist in kaltem und heissem Wasser unlöslich,
löst sich dagegen leicht in Alkohol, Aether, Benzol und Chloroform.
Ladknbukg, Chemie. II. j^
546 Handwörterbuch der Chemie.
aß
aß-Dichlorchinolin, CgHgCljN (lo).
Darstellung: Reines Hydrocarbostyril wird mit 6 — 7 Thln. PG, und etwas P0C1|
einige Minuten im Oelbad auf 140^ C. erhitzt Es entstehen drei Produkte : aß-Dichlordünolin,
a-Monochlorchinolin und ein hochschmelzender, in Alkalien unlöslicher, phosphoihaltiger Köiper.
Mit Wasserdämpfen wird ein bei 70 — 80^ C. schmelzendes Gemisch übergetrieben, ans dem
durch öfteres Umkrystallisiren aus Alkohol
die Dichlorbase in farblosen Blättchen sich gewinnen lässt Schmp. 104° C.
Dieselbe löst sich in allen Lösungsmitteln ausser Wasser leicht auf. Man kennt
ein schön krystailisirendes, jodwasserstofFsaures Salz. Mit PtCl4 entsteht kein
Doppelsalz. Durch Reduction mit JH entsteht Chinolin.
ft)«T
(?)a7-Trichlorchinolin, C^H^CljN (6i). Durch Erhitzen von a^-Dichlor-
chinolin mit PCI 5 entsteht dieses Trichlorid, das mit Wasserdämpfen schwierig
flüchtig isty aus Alkohol in feinen Nadeln krystallisirt und nur schwach basische
Eigenschaften besitzt. Schmp. 160-5° C.
aßY-Trichlorchinolin, C9H4CI3N (187), hat Rügheimer durch Einwirkung
von PCI5 auf Malonanilidsäure erhalten. Es schmilzt bei 107'5° C. und krystallisirt
aus Alkohol in Form langer, farbloser Nadeln. In heissem Alkohol ist es leicht
löslich, in kaltem weniger löslich; leicht löslich in Benzol und Ligroin. Mit
Wasserdämpfen ist es flüchtig.
Monobromchinolin 3| BrCsH^N (62).
Darstellung: 86 Parabromanilin werden mit den entsprechenden Mengen H^SOfi
Glycerin und Nitrobenzol nach der Angabe von Skraup erhitzt u. s. w. Enthält das Brom-
anilin Dibromanilin, so setzen sich beim Ueberdestilliren des Nitrobenzols weisse Kiystalle eines
Dibromchinolins ab.
Das Monobromchinolin siedet bei 276—278° C.
Salze: Chlorhydrat, BrC^H^N, HQ, kleine Nadehi.
Platindoppelsalz, (BrCjH^N, Ha),PtCl4H- 2HjO, flockig kiystallinischer Niederschlag.
Monobromchinolin, TBrC^HgN (65).
Darstellung: Dieses entsteht neben Di- und Tribromchinolin, wenn gleiche Molekflk
von salzsaurem Chinolin (in concentrirter wässeriger Lösung) und Er im geschlossenen Rohr
auf 180^ C erhitzt werden. Das rothbraune, flüssige Produkt erstarrt nach einiger Zeit imd
wird in der Wärme mit Wasser und verdünnter HCl behandelt Es gehen Mono-, Di- and
etwas Tribromchinolin in Lösung; im Rückstande die höher gebromten Basen. Die Lösung
wird mit Wasser verdüimt, es fallen Tribromchinolin und etwas Dibromchinolin. Man filtriit
und schüttelt aus dem Filtrat mit Aether das Dibromprodukt aus. Aus der wässerigen Lösnng
scheidet Natronlauge Chinolin und das Monoprodukt ab. Letzteres giebt mit Weinsäure kein
Salz, hiermit ist die Treimung vom ersteren gegeben.
Das Monobromprodukt ist ein gelbliches Oel von schwachem, chinolinähn-
liehen Geruch. Siedep. 270° C. Nitrirt man dasselbe, so erhält man ein Nitro-
Produkt, das vielleicht identisch ist mit demjenigen, welches durch Nitriren des
3-Bromchinolins erhalten wird.
Chlorhydrat, BrC^H^N, HCl. Luftbeständige Säulen (aus wanner, verdünnter HO),
anscheinend monoklin. Verflüchtigt sich ohne zu schmelzen.
Platindoppelsalz, (BrC^H^HC^sPtCl« + 2H,0, ferne, orangerothe Nadeha, die in
heissem Wasser löslich sind.
Jodmethylat, BrCgHgN, CH3J. Das durch Erhitzen der Brombase mit
Jodmethyl im Rohr auf 100° C. erhaltene Produkt wird aus heissem Wasser um-
krystallisirt. Goldgelbe Nadeln. Mit Ag^O oder Na OH behandelt entsteht das
stark basische Hydroxyd C9HßBrN(CHj)0H. Verdunstet man seine Lösung,
so scheidet sich das Anhydrid [C9HgBrN(CH,)]90 aus, welches aus absolutcin
Chinolin. 547
Alkohol in glänzenden Nadeln krystallisirt, Schmp. 146—147° C, sich in kaltem
Alkohol schwer, in heissem leicht, in Aether und kochendem Wasser sehr schwer
löst Mit heisser verd. HCl gekocht scheidet es sich unverändert wieder aus (66).
Dibromchinolin, Br^CgllßN 1:3? (62), wird neben 3-Monobromchinolin
erhalten und krystallisirt aus Alkohol in farblosen Nadeln, die unzersetzt flüchtig
sind. Schmp. 100— 101° C.
SaUe: Platindoppelsair, (BrjCjHjN, HCl)jPtCl4, auf Zusatr von PtCl^ zur alkoho-
lischen Lösung der Base.
Dibromchinolin 1*4, Br^CgHsN (179), hat Metzger erhalten durch Er-
hitzen von Paradibromanilin mit Nitrobenzol, Glycerin und H^SO^. Nach dem
Verflüchtigen des Nitrobenzols ' mit Wasserdämpfen wird das Reactionsgemisch
mit Aether extrahirt. Die nach dem Verdunsten des Aethers hinterbleibende
Masse wird mit HCl angesäuert und mit Kaliumbichromatlösung gekocht. Auf
Zusatz von Na OH scheiden sich Flocken ab, die filtrirt, mit Wasser gewaschen,
aus siedendem Alkohol das Dibromid in langen, weissen Nadeln liefern. Schmp. 127
bis 128°C. Es ist mit Wasserdämpfen flüchtig, ebenso flir sich erhitzt. Unlöslich
in Wasser, Alkalien, Alkalicarbonaten, leicht löslich in Säuren, Aether, Alkohol,
Benzol, Ligroin u. s. w.
Salze: Chlorhydrat, CgHjBrjN-HCl, kleine, breite Nadeln; kaltes Wasser
zersetzt es. Pikrat, lange, schöne, gelbe Nadeln. Leicht zersetzbar. Bichromat,
(CgH5Br2N)2H3Cr207. Mikrokrystallinisches, lebhaft orangerothes Pulver, wird
durch warmes Wasser zersetzt.
Dibromchinolin, TBrgC^HjN (65) (Stellung unbekannt). Darstellung beim
Monobromchinolin angegeben. Aus Alkohol umkrystallisirt bildet es feine
Nädelchen, aus verdünnter HCl oder heisser Essigsäure ziemlich grosse, glänzende
Nadeln. Schmp. nicht ganz constant bei 126° C. Ohne Zersetzung flüchtig. Leichter
löslich in Aether als die Triverbindung.
PlatindoppelsaU, (BijCgHsN, HCl)jPta4, fällt aus alkoholischer mit etwas HCl ver-
setzter Lösung der Base mit alkoholischen PtQ^. Hellgelber, metallisch glänzender, in Aether
onlöslicber Niederschlag. Wasser bewirkt Zersetzung.
Jodmethylat, C^HsBrgN-CHjJ (66), krystallisirt aus heissem Wasser in
feinen, hochrothen Nadeln, die sich ohne zu schmelzen verflüchtigen. Unlöslich
in kaltem, wenig löslich in heissem Alkohol, unlöslich in Aether. Na OH fällt
aus der wässrigen Lösung das Anhydrid [C9H6Br2N(CH3)]30; feine, kleine
Nadeln (aus Alkohol).
Tribromchinolin, TBr3C9H4N (63).
Darstellung: Man stellt eine Uhrschale mit B Grm. Chinolin und ein Gefäss mit 6 Grm.
Brom in einen Exsiccator. Ist das Brom verschwunden, so behandelt man das Produkt mit ge-
wöhnlichem Alkohol, in welchem es sich mit rother Farbe bis auf einen kleinen Rückstand löst.
Nach 12 stundigem Stehen scheiden sich weisse Kiystalle ab, die aufs Filter kommen, ausge-
waschen und aus heissem Alkohol umkrystallisirt werden.
Die Tribrombase besteht aus lockeren, weissen Nadeln. Schmp. 173 — 175° C;
sie verdampft unter Schmelzung ohne Zersetzung. Sie ist auch gewonnen worden
bei Einwirkung überschüssigen Broms auf Tetrahydrochinolin in Chloroform-
lösung (57). Unlöslich in Wasser, sehr schwer löslich in kaltem, gut in heissem
Alkohol. Conc. HCl und HjSO^ lösen sie mit Leichtigkeit, auf Wasserzusatz
fällt sie wieder aus. Wässriges und alkoholisches Kali sind ohne Einwirkung,
ebenso siedende conc. H^SO^.
Tetrabromchinolin, TC^HjBr^N (64).
Darstellung: Man löst Chinolin in CS, und lässt etwa sein doppeltes Gewicht Brom
3S*
54^ Handwörterbuch der Qiemie.
in siemlich viel CS, gelöst, zutropfen. Darauf wird eingedampft, die zähe, rothe Masse mit
Aether oder CS, extrahirt. Die aus diesen Lösungsmittehi hinterbleibende Substanz wird ent-
weder aus Alkohol oder CS, umkrystallisirt oder vorsichtig sublimirt.
Die Tetrabrombase krystallisirt aus Alkohol in farblosen, prachtvoll seiden-
glänzenden, zolllangen Nadeln, aus CS2 in dicken, gelblichen Säulen. Schmp. 11 9^ C
Sie ist unlöslich in Wasser und verdünnten Säuren und besitzt keine basischen
Eigenschaften. Concentrirte Säuren lösen sie auf; Wasser lässt sie unverändert
wieder ausfallen. Concentrirte wässrige oder alkoholische Kalilauge sind auch
in der Siedhitze ohne Einwirkung. Im geschlossenen Rohr auf 180^ C. erhitzt
erleidet sie keine Veränderung.
Monobromtetrahydrochinolin, TCgHi^BrN (57), wird dargestellt durch
Einwirkung von 1 Molekül Br auf 1 Molekül Tetrahydrochinolin in Chloroform
neben einem Bromprodukt. Nach dem Verjagen des Chloroforms zieht man
durch Kochen mit verd. BrH den Monobromkörper und unangegriffene Base aus
und filtrirt. Auf dem Filter bleibt das Oel der Dibrombase; aus dem Filtrat
scheidet sich das Bromhydrat der Monobase aus, welche frei gemacht ein Oel
darstellt, das beim Reiben krystallinisch erstarrt und in der Plandwärme schmilzt.
Bromhydrat, C^Hi^BrNKBr, krystallisirt aus verd. BrH in weissen, seide-
glänzenden Nadeln. Schmp. 192° C.
Dibromtetrahydrochinolin, TBrgCgHgN (64).
Darstellung: Man trägt Natriumamalgam in die alkoholische Lösung der Tetrabrombase
im Ueberschuss ein; der Alkohol wird verdunstet und der ölartige Rückstand mit Wasserdampf
behandelt. Das mit den Wasserdämpfen Übergehende Oel wird in Aether aufgenommen. Nach
dem Verdunsten des Aethers hinterbleibt
die Base in schönen, tafelförmigen Krystallen, die sich am Licht röthen.
Schmp. 65—66° C. Sie ist leicht löslich in Alkohol, Aether, CS, und CHCla, un-
löslich in Wasser, und zeigt die Nitrosoreaction, ist also eine secundäre Aminbase.
Salze: Chlorhydrat, Br^C^H^N, HO, entsteht durch Einleiten von HCl in die ätherische
Lösung. Röthlich gefärbte, sternförmig gruppirte Nädelchen. Schmp. 74—75^ C
Nitrat, BrjC^HjN, HNO,; röthlich geftrbte, säulenförmige Krystalle. Schmp. 189® C
Sulfat, (Br,C9HgN),H,S04, scheidet sich in weissen Blättchen aus auf Zusatz von Schwefel-
säurehydrat zu einer alkoholischen Lösung. Schmp. 246^ C.
Oxalat, tafelförmige, farblose Krystalle, die sich schnell roth färben. Schmp. 171® C
Platindoppelsalz, (Br^C^H^N, Ha),Pta4 + 2HjO, hellgelber, krysallinischer Nieder-
schlag. Auf 166® C. erhitzt tritt Zersetzung ein.
Dibromtetrahydrochinolin, CgHjBrjN (57), ist ein zähflüssiges Oel, das
in einem Kältegemisch erstarrt. Natrium in alkoholischer Lösung wirkt bd
160** C. unter Abscheidung von NaBr ein.
Chlorhydrat, C^HjBrjN-HCl, krystallisirt aus massig concentrirter HCl sehr schöD.
Schmp. 162° C. Wasser zersetzt es.
Platindoppelsalz, (C,H5Br,N.HCl)jPta4,- krystallinisch.
Chinolintetrabromid, C^H^N^Br^ (67). Dieses Additionsprodukt entsteht durch Zu-
satz von 2 Thln. Br zu I Thl. Chinolin, das in 2—3 Thln. Wasser gelöst ist Es krystallisizt
beim raschen Abkühlen der heissen Chloroformlösung in chromsäureähnlichen, feinen, roöien
Nadeln. KOH und H,S bilden Chinolin zurück. Geht leicht in das Dibrombromhydrat über.
Chinolindibromid, CgH^N'Br, (67). Sein Bromhydrat löst sich leicht in Alkohol und
Aether, wenig in BrH, nicht in Chloroform. Schmp. 88° C. Zerfällt mit Wasser gekocht KOH
und H^S regeneriren. Auf Zusatz von NH, in der Kälte entwickelt sich N.
Chinolinhexabromid, C^H^Br^N (64); bildet sich beim Erhitzen von Chinolsäure mit
immer neuen Mengen Wasser und Br zuerst auf 100°, schliesslich auf 180° und kzystallisiit aas
Alkohol in Nadeln. Schmp. 88 — 90° C. Natriumamalgam rcducirt es zu Chinolin.
Chinolin. 549
Dijodchinolin, CgHyJgN (68). Dieses entsteht durch allmähliches Ver-
mischen gleicher Moleküle Chinolin und Jod, beide in CSj gelöst. Es krystalli-
siren alsbald dunkelgrüne, prachtvolle, metallisch glänzende Nadeln aus, die in
Alkohol, Aether, CHCI3, CS, und Eisessig leicht lösHch sind. Schmp. 90° C.
Wirkt Jod in Dampfform auf Chinolin ein, so entsteht dieselbe Verbindung. Mit
Natriumamalgam behandelt entsteht ein basisches Harz, das ein schönes, gelbes
Platinsalz liefert.
NitrochinolinT, NO^CjHgN, wird entweder aus Orthonitranilin dargestellt nach
der SKRAUP'schen Methode, wie sie beim Nitrochinolin (F) aus Paranitranilin angegeben ist (69),
oder durch Behandeln des Chinolins, das in conc HNO, gelöst ist, mit einem Gemisch von
4—5 Thln. rauchender HNO, und 8 Thln. schwach rauchender HjSO^ (8— 10# SO,) und
Versetzen des mit Wasser stark verdünnten Reactionsprodukts mit Natronlauge. Die Ausscheidung
wird mit Wasser gewaschen, auf porösem Material getrocknet, mit Benzol unter Zusatz von
Thierkohle kochend gelöst und filtrirt. Das Filtrat wird mit Petroleumäther gefällt; die sich
ausscheidenden Oeltropfen erstarren krystallinisch. Die Reinigung vervollständigt man durch Um-
krystallisiren aus Alkohol (70). Als Nebenprodukt entsteht Chinolsäure.
Die Nitrobase bildet zolllange Spiesse, sie ist eine starke Base, die sich in
verdünnten Säuren leicht löst. In kaltem Wasser ist sie schwer löslich, ziemlich
leicht in Alkohol und Aether, leicht in Benzol. Schmp. 89° C.
Platindoppelsalz, (NO,C9HjN«Ha)3Pta^; aus salzsaurer, alkoholischer Lösung mit
Pta^. Schöne, rothgelbe Nadeln.
:,Nitrochinolin 3, NÖjCgHgN (71).
Darstellung: 25 Grm. p-Nitranilin oder die entsprechende Menge p-Nitracetanilid, 60 Grm.
Glycerin, 50 Grm. conc. HjSO^ und 15 Grm. Nitrobenzol werden wie bei der Synthese des
Chinolins behandelt. Nach 3 — 4stUDdigem Kochen wird mit Wasser verdünnt; nach längerem
Stehen scheidet sich Harz ab, das entfernt wird. Die Lösung mit Na OH, nach und nach neu-
tralisirt, scheidet ebenfalls Harz ab, das zu beseitigen ist; es krystallisirt alsdann das Nitroderivat
in etwas dunkeln, verfilzten Nadeln massig aus. Das Harz und die Mutterlauge werden durch
Ausschütteln mit warmem Benzol behandelt, um den Rest der Nitrobase zu gewinnen. Das un-
reine Produkt wird zuerst aus Wasser umkrystallisirt, dann in Alkohol gelöst, mit Thierkohle
gekocht und filtrirt. Aus dem Filtrat fällt Wasser, bis zur Trübung desselben zugesetzt, reines
Nitrochinolin aus. Dieses stellt sehr feine, farblose, seideglänzende Nadeln dar,
die unzersetzt sublimiren. Schmp. 149 — 150° C. In kaltem Alkohol und Wasser
ist es schwer löslich, bedeutend leichter in heissem; in verdünnten Säuren und
Benzol löst es sich sehr leicht, in Aether und Ligroin nur wenig.
Salze: (CjHgNN03Ha)3PtCl4, krystallisirt aus heissem, etwas HCl enthaltendem
Wasser in kleinen, hellgelben Nädelchen.
Jodmethylat, CgHgNNOj'CHjJ, gewinnt man durch Digeriren einer
alkoholischen Lösung der Base im geschlossenen Rohr auf 100° C; es ist in
heissem Wasser leicht, in verdünntem Alkohol etwas schwerer löslich. Glänzende,
zu Büscheln vereinigte, rothgelbe Nadeln.
8 Q)
Nitrobromchinolin, C^HgNBrNO, (72).
Zu seiner Darstellung lässt man ein Gemisch von 2 Thln. conc. H,SO^ und 1 Thl.
rauchender HNO, zu 1 Thl. der freien Brombase zufiiessen unter guter Kühlung. Das Produkt
giesst man in viel Wasser ein. Ein Theil der Nitrobase fallt aus, meist mit Harz verunreinigt.
Der in Lösung gebliebene AntheU wird durch Neutralisiren mit Soda gewonnen und nach dem
Trocknen . zweimal aus heissem Alkohol unter Zusatz von Thierkohle umkrystallisirt. Die erste
Füllung wird nach Behandlung mit Natronlauge ebenso gereinigt.
Die Nitrobrombase bildet gelblichweisse, lange, glänzende Nadeln. Schmelz-
550 Handwörterbuch der Chemie.
punkt 1B3° C. Sie sublimirt unzersetzt, ist in Aether und siedendem Alkohol leicht,
in kaltem schwerer löslich. Wasser löst sie in geringer Menge. Schwache Base.
Behandelt man das durch direktes Bromiren erhaltene Bromchinolin wie
hier angegeben, so erhält man ein Bromnitroprodukt, das ebenfalls bei 133^ C.
schmilzt.
Platindoppelsalz, (C9H5NBr-N02Ha)2Pta4; wird aus alkoholischer Lösung der Base
mit PtCl^ als hellgelber, krystallinischer Niederschlag gefällt. Mit Wasser zerfUllt es. Aus viel
heisser, verdünnter HQ können kurze, orangegelbe Prismen erhalten werden.
1:3
Dinitrochinolin 1:3, (N03)2C9H5N (73). Aus l«2-4-Dinitranilin nach
der SKRAUP*schen Methode. Der nach dem Abtreiben des Nitrobenzols ver-
bleibende Rückstand wird mit viel Wasser versetzt, wodurch ein braunschwarzer
Niederschlag entsteht. Dieser wird unter Zusatz von Thierkohle aus siedendem
Alkohol umkiystallisirt und liefert die Dinitrobase in langen, feinen, glänzenden,
braunen Nadeln, die beim Erhitzen auf dem Platinblech verpuffen. Schmp. 149
bis 150° C.
Amidochinolin l, NHjCgHgN (74), wird dargestellt durch Schmelzen
von Oxychinolin T mit Chlorzinkammoniak auf 180° C während 2 Stunden.
Man löst die Schmelze in HCl, übersättigt mit Natronlauge und behandelt mit
Wasserdämpfen, mit welchen die Amidobase als schnell erstarrendes Oel tibergeht
Diese wird aus Ligroin in prächtigen, schmalen Blättchen erhalten. Schmp. 66 — 67°C
Sie löst sich leicht in verdünnten Säuren und bildet mit ihnen gelbgeförbte Salze.
Das Sulfat bildet mit K2Cr207 einen blutrothen Farbstoflf. Dasselbe Amido-
chinolin erhielt Königs aus Nitrochinolin, welches er durch direktes Nitriren er-
halten hatte.
_ 4
Amidochinolin 4, NH^C^HgN (75). Zu seiner Darstellung muss 1 Th.
Oxychinolin 4 mit 3 Thln. Chlorzinkammoniak auf 300° erhitzt werden. Die
Schmelze wird in verd. HCl gelöst, mit Na OH übersättigt und mit Aether extra-
hirt. Aus der stark gelben, grünlichblau fluorescirenden Aetherlösung hinterbleiben
beim Verdunsten gelbliche Nadeln der Amidobase, die mit Aether und Thierkohle
gekocht in gelblich gefärbten Blättchen auskrystallisiren. Schmp. 109 — 110°C.
Sublimirt rasch erhitzt unzersetzt. Die Base ist in kaltem Wasser schwer, in
heissem Wasser leichter löslich; Alkohol, Aether, Holzgeist sind gute Lösungs-
mittel, in der Wärme auch Benzol. Ligroin löst nicht. Das Pikrat bildet lange,
rothe Nadeln. Die Diazosalze des Amidochinolins geben mit Phenolen und
tertiären Basen intensive Azofarbstoffe, mit ß-Naphtolnatrium einen rothen, mit
Dimethylanilin einen gelbbraunen Farbstoff.
Amidochinolin 3, NHaCjHgN. Darstellung (71): Die berechnete Menge Sn
wird in eine frisch hereitete, salzsaure Lösung der 3-Nitrobase eingetragen; ist dasselbe gelöst,
so erhitzt man noch einige Zeit auf dem Wasserbade. Die dunkelgelbe Lösung wird tot-
sichtig eingeengt, bis sich ein schwarzgrUner Niederschlag ausscheidet; nach dessen Entfemoog
setzt sich das Sn-Doppelsalz ab. Dieses wird in heissem Wasser gelöst und durch H^S entzinnt.
Das Filtrat vom SnS wird zur Vertreibimg der HCl zur Trockne eingedampft. Der Rttckstand
wird in wenig heissem Wasser aufgenommen, filtrirt und vorsichtig mit Ammoniak versetzt Es
entsteht eine Trübung und es scheidet sich die
Amidobase in Form von Oeltröpfchen, die krystallinisch erstarren, aus. Bei
überschüssigem Ammoniak lösen sich dieselben wieder und erscheinen beim Ver-
dunsten als kleine, farblose Blättchen oder kurze, flache Nadeln, die man aus
Ligroin umkrystallisirt. Die aus wässeriger Lösung erhaltenen Krystalle halten
Chmolin. 551
2H9O. Schmp. der wasserfreien Rrystalle 114^ C In Alkohol und Aether leicht
löslich; sublimirt unzersetzt
SaUe: Chlorhydrat, (CjHgNNH,Ha),Pta^H-H,0, gelber, krystaUinischerNiederschkg.
Pikrat, C^HgNNHj + 2CjH,OH(NOj),, fällt auf Zusats wässeriger Pikrinsäurelösung
zur wannen, verdünnten, salzsauren Lösung in wolligen Nadeln.
Dimethylamidochinolin 3, C9H8NN(CH3)2 (71). Darstellung: Aus Di-
methyl, p-Phenylendiamin, Glycerin u. s. w. in demselben Verhältnisse, welches bei der Dar-
stellung des Nitrochinolins in Anwendung kommt. Das vom Nitrobenzol befreite Reactions-
produkt wird mit Na OH Übersättigt und mit Aether extrahirt. Der Rückstand der ätherischen
Lösung wird im H-Strome destillirt; bei etwa 335^ C geht das bald erstarrende Oel der
Dimethylbase über, die sich an der Luft rasch dunkel fllrbt; sie ist in Alko-
holy Aether und Benzol leicht löslich und scheidet sich aus diesen Lösungsmitteln
stets als Oel ab. Schmp. 54^-56° C. Die Lösungen in verdtlnnten Mineralsäuren
sind von intensiv gelbrother Farbe.
Salze: Das Pt-Doppelsalz ist nicht darstellbar.
Pikrat, C5HgNN(CH,)jC4H,OH(NOj),. Der durch Zusatz wässeriger Pikrinsäure zu
einer Salzlösung entstehende, schwierig lösliche Niederschlag wird mit Eisessig und Thierkohle
längere Zeit gekocht Die ausfallenden Nädelchen werden aus viel siedendem Wasser um-
kiystaUisirt; rothgelbe Nädelchen. Schmp. 215^ C.
Jodmethylat, C9HeNN(CH,),CH3J. Glänzende, hochrothe Nadeln.
Platindoppelsalz, [CgH,NN(CH,)jCH,a],Pta4. Gelber, krystallinischer Niederschlag.
8 (?)
Amidobromchinolin, CjHjNBr'NHj -f- H^O (72). Zu seiner Gewinnung
fUgt man eine säurehaltige Lösung von SnCl, in geringem Ueberschuss zur erwärmten alkoho-
lischen Lösung des Nitrobromchinolins. Das in gelbrothen Krystallen sich ausscheidende Zinn-
doppelsalz wird in Wasser gelöst und bis zur Lösung des Zinnniederschlages mit verd. Natron-
lauge versetzt Die ungelösten gelben Flocken der Amidobase werden aus Wasser umkiystallisirt
Dieselbe krystallisirt in farblosen, langen, sehr dünnen, biegsamen Nadeln,
die über HjSO^ ihr Krystallwasser verlieren. Die wasserfreie Substanz krystalli-
sirt aus Aether in ziemlich grossen, gelblichen, anscheinend monoklinen Prismen.
Schmp. 164°. Die wässerige Lösung der Base reagirt nicht alkalisch. In Alkohol
ist sie leicht löslich. Sie verbindet sich mit 1 Mol. einbasischer Säuren zu inten-
siv gelbroth gefärbten Salzen.
Nitrat, C^H^NBr-NH^^HNO,; glänzende, goldgefärbte Nadehi, die beim Erhitzen, ohne
zu schmelzen, verpuffen.
Chlorhydrat, CgH^NBr-NH^^HCl; rothe, durchsichtige, sehr leicht lösliche Prismen.
Platindoppelsalz, (C9HjN*Br'NH,-HQ),PtQ4; orangegelbe, mikroscopische Nädel-
chen, die nicht ohne Reduction in heissem Wasser sich lösen.
8 (?)
Acetamidobromchinolin, C9H5NBrNH(COCH3) (72), wird erhalten durch
Erhitzen der Amidobase mit Essigsäureanhydrid unter Druck bei 140—150^ C. Das Produkt
wird zuerst durch Erwärmen mit etwas Wasser vom Anhydrid und der Amidobase getrennt.
Das hinterbleibende, erstarrende Oel wird mit kaltem Wasser gewaschen und dann aus grossen
Mengen siedenden Wassers umkrystallisirt Farblose, dUnne, glänzende Blättchen. Schmp. 105^ C.
Mit verd. HCl erwärmt entsteht das rothe Chlorhydrat des Amidobromchinolins.
ChinolinsulfosäureT, HSOjCjHgN (76). Man erhitzt Chinolin mit der 7 facUen
Menge rauchender HjSO^ 5 Stunden lang im Oelbade. Man giesst die Masse in die 3 — 4 fache
Menge Wasser; es scheidet sich die Sulfosäure bald ab (HO — 120^ des angewandten ChinoUns).
In Lösung bleibt ß-Sulfosäure. Man reinigt die a-Säure durch Umkiystallisiren aus "Wasser.
Grosse Krystalle. Mit Natron geschmolzen entsteht das entsprechende PKexiol.
Mit Wasser und Brom auf 100° erhitzt bilden sich H2SO4, Tri- und Tetrabrotn-
chinolin.
552 Handwörterbuch der Chemie.
BariumsaU, Ba(C9HgNSO,)3, ist ein amorphes, schwierig lösliches Salz.
Chinolinsulfosäurel, HS03C9HgN(78), wird erhalten, wenn man Chinolin
mit der vierfachen Menge Nordhäuser H^SO^ bis auf 200—270° erhitzt. Die
Ausbeute hängt vom Anhydridgehalt der HjSO^ ab. Man verfährt, wie bei der
a-Säyire angegeben.
Die von der ausgeschiedenen a-Säure filtrirte Lösung wird mit Ca CO, gesättigt. Der
a-sulfosaure Kalk ist viel schwerer löslich als der ß-sulfosaure und scheidet sich zueist aus
Hierdurch ist eine Trennung ermöglicht. Die freie ß-Sulfosäure krystallisirt bei langsamem Ver-
dunsten in grossen, monoklinen Krystallen.
Chinolinsulfosäure 3, (HS03)C9HeN H- HHjO, hat Happ durch Erhitzen
von Sulfanilsäure mit Glycerin, Nitrobenzol und H2SO4 gewonnen nach der
SKRAUP'schen Methode (178). Nach dem Abtreiben des Nitrobenzols wird die
Flüssigkeit mit BaC08 gesättigt. Nach der Trennung des in Wasser löslichen
chinolinsulfosauren Baryts vom BaS04 ^^^p^ man ein und macht mit H2SO4
die Sulfosäure frei.
Farblose, stark lichtbrechende, glänzende, harte, luftbeständige Nadeln, die
bei 260° C. noch nicht schmelzen. Schwer löslich in kaltem, leichter löslich in
heissem Wasser und heissem Alkohol.
Salze: Bariumsalz, [C9Hß(S03)N]2Ba, krystallinische Blättchen; Kalium-
salz, C9H8(S03)NK, glänzende Tafeln; Natriumsalz, C9H9(S03)NNa, spiessige
Krystalle; Silbersalz, C9Hß(S03)NAg, feine, weisse Nadeln, durch Sättigen
mit Ag^COj; 2[C9Hß(S03)NAg].C9H(SH03)N, saures Silbersalz. Nadehi, durch
Versetzen des Ammoniumsalzes mit AgNOj.
8 (?)
a-Bromchinolinsulfosäure, Br(HS03)C9H5N (77).
Darstellung: Man lässt Chinolin zu der fünffachen Menge erwärmter PyroschwefelsSuic
fliessen und erhitzt darauf noch kurze Zeit auf 130 — 150^C. Man giesst das erkaltete Produkt
in viel Wasser. Es scheiden sich sofort Krystalle von zwei isomeren Bromsulfosäuren aus, die
sich innerhalb 24 Stunden noch vermehren. Die in Lösung bleibenden Säuren werden durch
Ueberführen in das Caiciumsalz gewonnen. Man trennt sie durch ihre Kaliumsalze. Das Kalium-
salz der a-Bromsulfosäure ist in Wasser schwerer löslich als das der ß-Bromsulfosäure und
krystallisirt zuerst aus.
Die a-Bromsulfosäure krystallisirt aus Wasser in kurzen, glänzenden Nädelchen, ist in kaltem
Wasser sehr schwer, in heissem leichter löslich. 1 Thl. löst sich in 1255 Thln. Wasser tod
22^0. und 115 Thln. von lOO^ C
Reactionen: Mit einer neutralen Ammonsalzlösung ausgeführt.
BaCl, fällt einen flockig-krystallinischen, in siedendem Wasser wenig löslichen Niederschlag
CaCl, erzeugt keinen Niederschlag. Beim Verdunsten hinterbleibt das Caiciumsalz in feinen
Nadeln. MgSO^, keine Fällung, nach einiger Zeit krystallisirt das Mg-Salz in grossen, dünnen
Blättern oder durchsichtigen, gestreiften Prismen aus. ZnSO^, krystallinischer Niederschlag, der
sich in heissem Wasser schwierig löst und in kurzen Nadehi auskrystallisirt MnQ,, kleine,
hellgelb gefärbte NadekL FeSO^, krystallinisch gelber Niederschlag. FejClg, krystallinisch
gelbbrauner Niederschlag. NiSO^, krystallinisch grtlner Niederschlag. C0SO4, krystallinisch
rother Niederschlag. Fb{C^li^O^)^t flockiger, in heissem Wasser schwer löslicher Niederschlag,
krystallisirt in warzenförmigen Aggregaten. HgCl,, keine Fällung, später Ausscheidung in
krystallinischen Krusten. CuSO^, grün weisser, pulverig krystallinischer , in heissem Wasser
kaum löslicher Niederschlag. AgNO,, lichtbesülndiger, weisser Niederschlag, schwer löslich in
heissem Wasser; krystallisirt in kurzen Nadeln.
Salze: Kaliumsalz, C^HsNBrSOjK. Kurze, derbe, gestreifte Prismen, die in Nadehi
zerfallen. 1 Thl. löst sich in 73 Thln. Wasser von 17 ^ C. und inU'G Thln. siedenden Wasseis.
Ammoniumsalz, CjH5NBrSO,H-NH3; feine, verfilzte Nadeln.
Chinolin. 553
Bariumsalz, (C9H5NBrSO,)3Ba; Iciystallinischer Niederschlag, in heisscm Wasser kaum
löslich.
Magnesiumsalz, (C9H5N.Br.SO,),Mg+ 10H,O; farblose, an der Luft verwitternde
Krystallblättchen.
Zinksalz, (C9HjNBrS03)3Zn 4-4H,0; dünne, glänzende, farblose Blätteben.
Mangansalz, (C9H5NBrSO,),Mn H-4HjO; hell grünlichgelb gefärbte Nadeln.
Silbersalz, CgHjNBrSOjAg, krystallisirt aus viel siedendem Wasser in glänzenden Nadcki.
i (?)
P-Bromchinolinsulfosäure, Br(HS03)C9H5N -hH,0 (77).
Ihre Darstellung ist bei der o-Säure angegeben. Sie verliert das Krystallwasser bei
150—160® C. In kaltem Wasser ist sie schwer, in heissem bedeutend leichter löslich. 1 ThL
Säure löst sich in 646 Thln. Wasser von 22» C. und 36-3 Thln. von 100<^ C.
Ihre Salze sind leichter löslich und krystallisirbar als die der a-Säure.
Salze: Kaliumsalz, C5H5NBrSO,K+ l^H^O; ziemlich grosse, farblose, durchsichtige
Tafeln.
Bariumsalz, (C9H5NBrSO,),BaH- 2H20,- Nadeln, die zu halbkugeligen Aggregaten
vereinigt und in heissem Wasser ziemlich schwer löslich sind.
Magnesiumsalz, (C,H5NBrSO,)3Mg4- 9H,0; kleine, farblose Nadeln.
Zinksalz, (C5HjNBrS03)jZn + SHjO; grosse, durchsichtige, zuweilen gestreifte, sechs-
seitige Tafeln, die in heissem Wasser leicht löslich sind.
Mangansalz, (CjH5NBrS0j)jMn-+- 6H2O; in heissem Wasser leicht lösliche Tafeln.
Das Krystallwasser entweicht erst bei 170— 180° C.
Silbersalz, CgHjNBrSOjAg; farblose, glänzende Nadeln.
OxychinolinT, WEroEL's a-Chinophenol, OHC^H^N (79), entsteht bei der
Destillation (153) der a-Oxychinolinsäure, femer aus o-Amidophenol, o-Nitrophenol, Glycerin
und Schwefelsäure und bei folgender Darstellung: Man schmilzt 60 Grm. feingepulverte Chinolin-
sulfosäure, die portionenweise zugegeben wird, mit 120 Grm. Na OH. Sobald die Masse grün-
lich flüssig wird und ein an Cyanbenzol erinnernder Geruch auftritt, ist die Operation beendigt.
Die erkaltete Schmelze wird in Wasser unter Zusatz überschüssiger, verd. HjSO^ gelöst und
gelinde erwärmt. Nach Zusatz von Na^CO, in kleinem Ueberschuss föllt das Oxychinolin in
^ig^i graugrünen Nadeln, die durch Destillation im überhitzten' Wasserdampfistrom gereinigt
werden.
Die Oxybase krystallisirt aus verdünntem Alkohol, Aether, Benzol u. s. w.
in langen, weissen, prismatischen Nadeln, die einen safranähnlichen Geruch ver-
breiten. Schmp. 75° C, Siedep. 258°. Sublimirt in weissen Nadeln. In Wasser
ziemlich schwer löslich, sehr leicht in verdünnten Säuren und Alkalien. Na^CGj
fallt sie aus saurer Lösung. Aether entzieht sie ihrer sauren oder alkalischen
Lösung nicht. Trägt man die Base in conc. Na OH ein, so entstehen kleine
Krystalle einer Natriumverbindung. Mit Brom und conc. HNOj entstehen Sub-
stitutionsprodukte. SnClg führt es in das Tetrahydrür über. Beim Erhitzen des
Methyläthers mit Chlorzinkammoniak entsteht Amidochinolin. Ammoniakalische
Silbersalzlösung wird in der Wärme reducirt.
Reactionen: In neutraler Lösung der Oxybase erzeugt Fe, Clg grüne Färbung, die durch
Soda rothbraun wird. FeSO^ fUrbt roth, später fUUt ein schwarzer Niederschlag. AgNOj,
weisse Fällung, die sich in der Wärme löst. Anmioniakalische Silberlösung wird reducirt.
Pb(C^H,0,),, weisse Trübung. Cu(C3H30j)a, grüne, in der Wärme sich lösende Flocken.
Salze: Chlorhydrat, C9He(0H)N.HCl. Glänzende, gelbliche Nadeln,
die sich in Wasser und Alkohol sehr leicht lösen.
Platindoppelsalz, (C9H6(OH)N. HCl)2PtCl4 H- aH^O. Gelbe, seide-
glänzende Nadeln, schwer löslich in kaltem Wasser und Salzsäure.
Methoxychinolin T, Weidel's Chinanisol, CgHß(OCH3)N (79), wird
554 Handwörterbucli der Chemie.
leicht erhalten, wenn man 40 Grm. Oxychinolin mid 18 Grm. KOH in 80 Gim. Methylalkohol Idst
und 40 Grm. CH,J zugiebt und auf dem Wasserbade erwärmt Wenn keine Abscheidung von
KJ mehr erfolgt, destillirt man den Alkohol ab, löst in Wasser, übersättigt mit Na OH und
extrabirt mit Aether. Das beim Verdunsten zurückbleibende gefärbte Od wird destilliit
Die Methoxybase stellt ein farbloses Oel dar, das sehr hoch siedet, leicht in
Benzol, Alkohol, schwerer in Aether und Ligroin, wenig in Wasser sich löst
Mit Wasserdämpfen ist sie flüchtig. Mit Chlorzinkammoniak erhitzt entsteht
Amidochinolin. Ihre Salze mit Säuren krystallisiren gut, sind aber sehr hygro-
scopisch.
Salze: Chlorhydrat, C9Hg(0CH,)N. HCl. Leitet man H Q in eme ätherische Lösong
der Base ein, so scheidet sich eine flockige, harzige Masse ab, die durch Lösen in Alkohol md
geringen Zusatz von Aether in schöne, dicke Prismen sich verwandelt
Platindoppelsalz, [C9Hg(OCH,)N.HCl]jPtCl4, entsteht auf Zusatz von PtCl^ rar
alkoholischen Lösung des Chlorhydrats in langen, gelben Nadeln, die in Wasser und Aedier
schwer löslich sind.
Pikrat, C9H6(OCH,)NC6H,OH(N02), ; gelblicher, krystallinischer Niederschlag anf
Zusatz einer heissen Pikrinsäurelösung in die alkoholische Lösung der Base.
Dichloroxychinolin, CgH^Qj^OHN (8o), scheidet sich beim Einleiten von Q in dfc
Chloroformlösung der Oxybase in gelbgefärbten Krystallen aus, die durch verdünnten Alkohol
gereinigt werden. Schöne, weiche, seideglänzende, wollige Nädelchen. Schmp. 163 — 165®C.
Leicht löslich in Alkohol, CHQj, CS,, kaum in Wasser. Natronlauge ist ohne Einwirkimg.
Wasser scheidet die Dichloroxybase aus ihrer Lösimg in concentrirten Säuren wieder aus.
1 •
Dibromoxychinolin, C^H^Br^OH-N (8o), wird leicht gewonnen durch Einwirkung von
2 Mol. Br auf Oxychinolin in CSj-Lösung. Weisse, seideglänzende, strahlig gruppirte Naddn.
Schmp. 193—195^ C. Unlöslich in Wasser, schwer löslich in Ligroin, leicht in Alkohol, Bciuol
und CSj. Verhält sich gegen Säuren, Alkalien und AgNOj wie die Dichlorverbintfung.
Dijodoxychinolin, CgH^Jj(OH)N (8o). Man giesst so lange eine alkoholische Jod-
lösung zu einer alkoholischen Kalisalzlösung der. Base, bis die Lösung braun wird und die
Fällung sich nicht vermehrt. Die Dijodverbindung wird mit Alkohol und Wasser ausgevraschea
und krystallisirt dann aus Alkohol in mikroscopischen Nadeln oder Prismen. Schwer löslidi in
Alkohol; in Wasser, Benzol, CHCl, unlöslich.
Dinitrooxychinolin, C9H4(NOj)jOHN (8o), durch Eintragen von Oxychinolin in conc.
HNO, und folgendes Verdünnen mit Wasser scheidet es sich als amorphes, gelbes Pulver ans,
das beim Verdunsten aus- conc. HNO, in gelben KIrystallen erhalten wird. Löst man das
Dinitroprodukt in warmer, concentrirter Sodalösung, so scheiden sich schöne, goldgläozeiKk
Nädelchen eines Natriumsalzes, C9H4(N03)jONa«N, aus.
Nitrosooxychinolin, C^HgOHN'NO (8o), fällt als gelbbrauner, krystallinischer Niede^
schlag beim Einleiten von N^O, in eine conc. Lösung der Base in H^SO^. Man wäscht mit
Wasser aus, kocht mit Alkohol und Thierkohle. Die immer noch grün gelUrbten Blättdia
werden durch öfteres Umkrystallisiren aus viel heissem Wasser silberglänzend erhalten. Diese
lösen sich in Wasser und Alkohol schwer, in kohlensauren und ätzenden Alkalien leicht Mit
Phenol und H,S04 tritt nach dem Verdünnen mit Wasser rothe Färbung ein, welche durch
Na OH in gelbbraun übergeht.
Oxychinolinsulfosäure, C9H50H(SO,H)N H- 2iHjO (8o), wird quantitativ gcwonBen.
wenn Oxychinolin mit der zehnfachen Menge reiner conc. H^SO^ 24 Stimden in der KÜte
gestanden hat Beim Verdünnen mit Wasser fällt sie krystallinisch aus. Aus heissem Wasser
krystallisirt sie in gelben Blättchen oder Nadeln. Die Sulfogrüppe scheint nicht festgeboDdcB
zu sein, denn beim Erhitzen im Reagenzrohr bildet sich Oxychinolin unter Entwicklung von SOy
Salze: Natriumsalz, C5H6(SO,Na)O.N4- 3H,0, entsteht beim Neutralisiren mit Soda
in grossen, glänzenden Krystallen.
Bariumsalz, C^HjN^^ «^Ba) -h4H,0, wird erhalten in prachtvollen, gelben Nadeb,
Chinolin. 555
wenn der beim Neutralisiren mit Barytwasser entstandene Niederschlag durch öfteres Kochen
mit Wasser in Lösung gebracht wird.
Primäres Bariumsalz, (C9HßONS03)jBa H- l^HjO. ist in dem Filtrat vom secun-
dären Bariumsalz enthalten und krystallisirt in perlmutterglänzenden Blättchen.
1
Oxychinolintetrahydrür 1, C^HipOHN (8i).
Darstellung: Man trägt Oxychinolin in ein Reductionsgemisch von Zinn und HCl ein.
Nach einstündigem Erwärmen auf dem Wasserbade wird abgegossen und eingedampft Das in
zolllangen Nadeln ausgeschiedene Zinndoppelsalz wird in viel Wasser gelöst und mit HjS be-
handelt Das Filtrat vom SnS wird bis zur Trockne eingedampft, in wenig Wasser gelöst und
durch Soda
das Tetrahydrür in weissen, glänzenden Blättchen gefällt, die aus Benzol in
Nadeln krystallisiren. Es ist leicht löslich in heissem Wasser, Alkohol, Aether,
Benzol, schwerer in kaltem Wasser. Mit Wasserdämpfen nicht flüchtig. Schmp. 120°C.
Fe^Clg giebt mit einer Lösung der Base in Säuren eine charakteristische, roth-
braune Färbung und wird beim Erwärmen reducirt.
Salze: Zinndoppelsalz, CjoHnNO, HClSnCl,; in HCl schwer löslich, leicht in
Wasser, aus welchem es sich in schön irisirenden Blättchen bei sehr langsamem Verdunsten, in
zolllangen, dicken, gelblichen Prismen abscheidet.
Zinkdoppelsalz, CioHuNOHCl, ZnQj, schwer löslich in conc HCl; daraus in hell-
glänzenden, sechseckigen Tafeln krystallisirend.
Chlorhydrat, CioHjiNOHCl, wird zuweilen bei langsamem Verdunsten seiner Lösung
Über Kalk in dicken Krystallen gewonnen.
Reactionen: K^FeCyg erzeugt in conc. saurer Lösung einen weissen, krystallinischen
Niederschlag, der alsbald grUnlichblau wird. Mit Essigsäureanhydrid gekocht nimmt die Oxy-
hydrobase eine intensiv rothe Färbung an.
Nitrosohydrooxychinolin, C9H9dHN(NO) (8i), scheidet sich auf Zusatz
von NaNOj zu einer kalt gehaltenen Lösung der Hydrobase in verd. HjSO^
aus und krystallisirt aus Ligroin in schwach gelblichen, dreieckig zugespitzten
Tafeln. Schmp. 67—68° C.
Methoxytetrahydrochinolin, Hydrochinanisol, C9Hio(OCH3)N (82),
bildet sich bei der Reduction des Methoxychinolin mit Zn und HCl. Es ist
ein dickliches Oel, welches in der Kälte süsslich, in der Wärme stechend beissend
riecht und mit Wasserdämpfen flüchtig ist. Es löst sich sehr leicht in Alkohol
und Benzol, schwerer in Aether und Ligroin, kaum in Wasser.
Chlorhydrat, C9Hio(OCHj)N-HCl, wird durch Einleiten von HQ in die alkoholische
Losung der Base imd Fällen mit Aether in dicken, weissen Prismen gewonnen, die leicht in
Wasser und verd. Alkohol löslich sind.
Platindoppelsalz, [CgHio(OCH3)NHa]jPta4, ist in Wasser schwer löslich, wenn
einmal abgeschieden, und scheidet beim Kochen Platin ab.
Nitrosomethoxytetrahydrochinolin, C9H9(OCH3)N-NO (82). Wird
wie die Nitrosoverbindung der Oxyhydrobase hergestellt. Es scheidet sich zuerst
als dickes, gelbes Oel aus, das erstarrt, und krystallisirt aus Ligroin in dicken
Prismen. Schmp. 87° C. Es ist in Alkohol und Benzol leicht löslich, schwerer
in Ligroin. Verdünnte Säuren spalten NjOj ab, und es entsteht ein rother,
durch Alkalien fällbarer Farbstoff.
OxyhydromethylchinolinT, C9H9.OHN.CH3 (83). Man mische vox^
sichtig 1 Mol. Base mit 1 Mol. Jodmethyl; die Reaction tritt von selbst ein, ^^yx«
weilen sehr stürmisch; sie wird schliesslich auf dem Wasserbade bis zum >i7"^y-
schwinden des Jodmethylgeruches beendigt. Die Reactionsmasse wird mit 'VVa.ss^^
$$6 Handwörterbuch der Chemie.
ausgezogen und der Auszug mit Soda neutralisirt; die abgeschiedene Base wird
entweder mit Wasser gewaschen oder in Benzol oder Aether aufgenommen;
zuletzt wird dieselbe aus heissem Aether umkrystallisirt. Das Oxyhydromethyl-
chinolin besitzt starke Basicität; leichte Löslichkeit in ätzenden Alkalien, in
Benzol, warmem Alkohol, Holzgeist und in Aether, Wasser löst es schwierig;
aus Aether wird es in tafelförmig ausgebildeten, rhombischen Krystallen, aus
Alkohol in Prismen erhalten. ä:^:^ = 0-6309: 1:1-5383. Siedep. 114°.
' Reactionen: In kalter, alkoholischer Lösung erzeugt ein Tropfen Fe^Clg
eine tiefbraune Färbung, es entsteht Trübung, schliesslich scheiden sich dunkel-
braune Flocken ab. Ueberschüssiges FcgClg färbt dunkel schwarzbraun. FeSO^
erzeugt in derselben Lösung vorübergehend eine dunkelrothe Farbe; ist die
Lösung concentrirt, ergiebt sich ein schmutziger Niederschlag. K^FeCyg bringt
selbst in sehr verdünnter saurer Lösung einen farblosen Niederschlag hervor, der
aus siedendem Wasser in kleinen, bläulichgrünen Nädelchen krystallisirt
Salze: C^^HuNO, HCH- H^O. Salzsaure Oxyhydromethylbase, O. Fischer's »Kairin«.
Farblose, glänzende, monokline Krystalle, leicht löslich in Wasser; sie förben sich leicht violett
und verlieren bei UO^C. ihr Krystallwasser. a:^:tf= 0-7180:1:03858. Die neutrale Lösung
wird durch schwache Oxydationsmittel wie CHüoranil in alkoholischer Lösung bläulichroth ge-
ftirbt (Kairin als antipyretisches Mittel, s. Prof. Filehne), (Berl. Klin. Wochenschrift 1882,
No. 45, und 1883, No. 6).
Sulfat, (CioHijNO),HjS04, aus verdünnter HjSO^-Lösung durch Verdunsten über Kalk
in leicht löslichen, glänzenden, flachen Prismen.
Pikrat, CioHigNOCeHjOHCNOj)^, krystallisirt aus 20— 30# Alkohol in hübschen,
grünlichgelben, glänzenden Täfelchen, die in Wasser schwer löslich sind.
Oxyhydroäthylchinolin, C9H9OHNC2H5 (83). 1 Mol. Oxyhydrobasc wird
mit 1 Mol. Bromäthyl hn Rohre auf 120^ C. erhitzt; der Röhreninhalt löst sich klar in Wasser
und Soda, scheidet die Base in röthlichen Blättchen ab; man filtrirt rasch, wäscht mit Wasser
und krystallisirt aus Aether und Ligroin.
Blendend weisse Tafeln oder Blättchen. Schmp. bei 76° C. Benzol, Alkohol,
Holzgeist und Aether sind gute Lösungsmittel; Wasser löst sehr schwer, Ligroin
ziemlich schwer.
Salze: C,Hio(NOC3H5)Ha (KaYrin A). Blendend weisse Prismen, in Wasser leicht, in
Salzsäure schwer löslich. PtCl^ oxydirt in der Wärme unter Rothfärbung.
Kairocoll, CiiHi^NOa (83). Werden 2 Mol. Hydrobase und 1 Mol. Chlor-
essigsäure in wässriger Lösung unter Druck bei 100—110° C. erhitzt, so resultiren
im Rohre eine schwach röthlichgelbe, strahlige Masse und eine Lösung salzsaurer
Hydrobase; die feste Masse wird getrocknet und gepulvert mit heissem Ligroin
ausgezogen, aus dem schneeweisse, lange, feine Nadeln sich ausscheiden. Schmelz-
punkt 66° C. ; schwer löslich in Wasser, leicht in Alkohol und Aether.
(OH)C9HgN.C2H4(OH)Cl (84), eine quatemäre Verbindung des Oxychino-
lins 1 mit Aethylenchlorhydrin. Das Chlorhydrat bildet kleine, gelbe, wasser-
freie Krystalle und liefert in wässriger Lösung mit AggO eine alkalische, rothe
Flüssigkeit. Das Platinsalz ist ein in Wasser sehr wenig lösliches Krystallpulver.
Das Goldsalz zersetzt sich rasch.
Oxychinolin 4, OHC^HßN, Skraup's Metaoxychinolin, Fischer's und
Riemerschmied 's ß-Oxychinolin (86). Der SKRAUP'schen Synthese mittelst Metamido-
phenol, Metanitrophenol etc. ist das Schmelzen der Chinolinsulfosäure (4), wie schon beim
Oxychinolin (1) angegeben, vorzuziehen. Nachdem die (l)-Oxybase durch Wasserdampf über-
getrieben, wird die zurückbleibende (4)-Oxyba8e in warmer Soda gelöst; es bleibt das grüne
Chinolin. 557
Harz und etwaige (l)-Oxybase ungelöst; aus der Lösung fUUt nach genauer Neutralisation ein
etwas graues Pulver, das aus heissem Holzgeist unter Zugabe von etwas Thierkohle in langen,
weichen, seideglänxenden, schwach gelblichen Nadeln sich ausscheidet.
Die Base ist geschmack- und geruchlos. Schmp. 235—238° C. (Skraup);
sublimirt bei raschem Erhitzen unzersetzt; nicht flüchtig mit Wasserdämpfen; in
heisser Soda vollkommen löslich, kann daraus durch Ausschütteln mit Aether
wieder gewonnen werden. In Methylalkohol und Alkohol sehr leicht löslich, in
der Wärme etwas schwerer in Benzol, Aether und Chloroform, nicht in Ligroin,
in kaltem Wasser kaum, etwas mehr in warmem. Verdünnte Säuren und Alkalien
lösen leicht; alle sehr verdünnten Lösungen fluoresciren grün, namentlich schön
die in sehr verdünntem Weingeist. Das Oxychinolin bildet sich auch beim Er-
hitzen der Xanthochinsäure.
Reactionen: Eine verdünnte alkoholische Lösung wird auf Zusatz von Fe^Q^ schön
braunroth. Eine Lösung in verdünntem Alkali wird durch conc. KOH nicht gefällt; AgNO,
fällt eine weisse Gallerte; HgCl, flockig, kanariengelb, ebenso Pb(NO,)j; KjCr^Oy fällt freie
Base, in saurer Lösung gelbe Nadeln eines Chromats.
Salze: CLlorhydrat, C^H^NO-HCl+l JHjO, krystallisirt in hellgelben, gut ausge-
bUdeten Prismen aus Wasser in feinen, weissen Nadeln auf allmählichen Zusatz von Aether zu
einer Alkohol-Lösung. In Wasser sehr leicht löslich, sehr schwierig in kaltem, leicht in heissem
Alkohol, schwer in Salzsäure.
Platindoppelsalz, (C9H^NOHa),PtCl4 -+- 2H,0 (Skraxjp), krystallisirt in glänzenden,
orangegelben Nadeln aus warmer Lösung.
(C 5HyNOHCl)j,PtCl4 +4 H,0 (Riemerschmied), prachtvolle, glänzende, orangegelbe Tafeln.
Pikrat, CgHyNOC,H,OH(NO,),, wird erhalten durch Zusate alkoholischer Pikrinsäure-
lösung zu in heissem Alkohol gelöster Base in feinen, kurzen, gelben Nadeln, welche in kaltem
Alkohol schwer löslich sind. Schmp. 244 — 245^ C. unter vorhergehender Schwärzung.
Kupfersalz, C9HyNOCu(C,H,03)j. Versetzt man eine alkoholische Lösung der Base
mit Cu(C2H,02)j, so entsteht eine grünliche Fällung der freien Cu-Verbindung, die mehrere
Tage hindurch sich vermehrt; dampft man aber ein, so scheiden sich dunkelviolette, diamant-
glänzende KIrystallkörner ab; ftigt man nun vorsichtig Essigsäure zu, so geht der grünliche
Niederschlag in violett über. Den grünen Niederschlag erhält man auch, wenn die Base, in
Aomioniak suspendirt, mit Essigsäure übergössen wird, in gallertartiger Form aus feinen, laub-
grünen Nadeln. Die violetten Krystalle werden rein erhalten, wenn zu I Mol. Base i MoL
(C2H,03)jCu und einige Tropfen CjH^O^ gegeben werden nach Verdunstung über HjSO^.
Dicke, dunkle, amethystblaue Prismen, beim Trocknen ohne Gewichtsverlust in lichtviolett um-
schlagend. Alkohol löst sie in der Wärme ziemlich leicht, ebenso kaltes Wasser, beim Erwärmen
hingegen tritt Zersetzung ein.
Chromat, {C^Hj'NO)2CT20jy rothgelbe Nadeln, bei Zusatz von K^Cr^Oj zu einer sauren
Lösung der Base.
Nitrooxychinolin, CjHyNONOj (86); die feingepulverte Base wird in rauchende
HNO3 nach und nach unter Kühlimg eingetragen; die rothbraune Flüssigkeit wird allmählich
auf ihr 3 — 4faches Volumen mit Wasser versetzt, es scheiden sich körnige Krystalle eines Nitrats
der Nitrobase ab, das durch Kochen mit wässerigem Alkohol zerlegt wird; die freie Nitrobase
schiesst nach dem Erkalten in gelben, glänzenden Blättern an. Schmp. 250 — 255^ uncorr. In
kochendem Alkohol und Wasser kaum löslich, leichter in wässerigem AlkohoL
Monobromoxychinolin, C^H^BrNOBrH (86), entsteht durch Zusatz von so viel
titrirtem Bromwasser als 2 Mol. Brom auf 1 MoL der in HQ gelösten Base entspricht; das
erste MoL Brom wird substituirt, das zweite addirt; das Additionsprodukt wird in Alkohol erhitzt
und gelöst, wobei sich schwach Br entwickelt; die Lösung wird eingedampft, in wenig heissem
Alkohol unter Zurücklassung eines Harzes gelöst und sofort mit Wasser bis zur Trübung ver-
setzt, wodurch sich wieder Harz abscheidet; schliesslich wird mit Thierkohle gereinigt, und es
scheidet sich alsbald die bromwasserstoffsaure Bromverbindung aus. Gelbliche, mikroscopische
Krystallkömer, die mit viel kaltem Wasser übergössen in feine Nadeln zerfallen. Schmp. 272—273 ^ C.
558 Handwörterbuch der Chemie.
Methoxychinolini", C0HeN(OCH3). Darstellung wie bei dem Methoxy-
chinolinT; ein helles mit Wasserdämpfen flüchtiges Oel, siedet nicht ohne Zer-
seteung bei 275° unter 720 Millim. Druck.
1. Salre: Platindoppelsali, [C,HgN(0CH,)HCl]jPta4, lange, braungelbe Prismen,
schwer löslich in Wasser.
2. Pikrat, C9H6N(OCH,)CßH,OH(NOj)„ dünne, zu BUschehi vereinigte Nadeln, sehr
schwer löslich in Wasser.
Oxalat, seideglänzende Nadeln, in Wasser und Alkohol sehr leicht löslich.
_ ^
Benzoyloxychinolin 4, C9HeN(OC7H50), wird wie die Benzoylverbin-
dung des Orthophenols gewonnen. Aus der getrockneten ätherischen Lösung
hinterbleibt es als Oel, das bald zu feinen Prismen erstarrt. Schmp. 86— 88°C.
PlatindoppelsaU, [C9H5N(OCyH50)HCl],PtCl4, ist ein gelber, krystallinischer Nieder-
schlag, entstanden durch Zusatz von PtCl^ zu kochender, salzsaurer, alkoholischer Lösung.
OxyhydrochinolinT, Cj^HnNO (87), wird reducirt wie das 1-Oxychinolin;
krystallisirt aus Aether in strahligen Kiystallen; es löst sich leicht in Alkohol, Holz-
geist, Aether u. s. w., sehr schwer in Ligroin, in kaltem Benzol ziemlich schwer, aus
demselben in sternförmig gruppirten Nadeln sich wieder ausscheidend; kochendes
Wasser nimmt es ziemlich auf. Schmp. 116— 117° C, sublimirt fast unzersetzt
Fe^Clg erzeugt in der wässrigen Lösung eine tief dunkelrothe, fast schwarz-
rothe Färbung. Zinndoppelsalz, lange Prismen.
Nitrosoverbindung, C^HioNOCNO) (87); Mit als braungefärbter Niederschlag auf
Zusatz von NaNOj zu der Lösung des Hydrokörpers in verd HjSO^; nach mehrmaligem Um-
krystallisiren aus Holzgeist erhält man es in schwachgefarbten Täfelchen. In Wasser und ver-
dünnten Säuren unlöslich, leicht in Alkohol und Holzgeist; zeigt Liebermann's Reaction.
Oxyhydroäthylchinolin, CgHgOHNCjHj (87). I Mol. Hydrobase wird mit 1 MoL
Jodäthyl auf dem Wasserbade digerirt, bis der Geruch nach letzterem verschwunden; das roth-
geförbte Produkt wird in warmem Wasser gelöst, mit Soda neutralisirt und mit Aether extrahirt;
das beim Verdimsten des Aethers resultirende, dicke Oel zur Reinigung mit HCl versetzt; das
salzsaure Salz wird alsdann mit Soda genau zerlegt und die freie Verbindung mit Aether aus-
gezogen; nach dem Verdunsten erscheinen strahlige, etwas röthliche Krystalle. Schmp. 73^ C.
Leicht löslich in Holzgeist, Alkohol, Benzol, schwer in Wasser und Ligroin.
Reactionen: Die alkoholische Lösung giebt mit Fe,Clg eine dunkelrothbraune Färbung;
mit NaNOj einen intensiv gelbbraunen Farbstoff. K^FeCy^ erzeugt in der salzsauren Lösung
einen schwerlöslichen, krystallinischen, weissen Niederschlag.
Salze: Chlorhydrat, CgHioNCjHjOHCl + H3O; prächtige, weisse Blättchen oder
Tafeln, schwerlöslich in Wasser; verliert bei 110^ sein Krystallwasser ; besitzt einen brennenden,
bitteren Geschmack; physiologische Wirkung ähnlich der des Kairins.
Oxychinolinsulfosäure, C9HeNO(SO,H) + HjO (87). Zu ihrer Gewinnung sctrt
man unter gutem Kühlen die 8 fache Menge rauchender H^SO^ zur Oxybase. Nach 48 stündigem
Stehen fällt man mit der ifachen Menge Wasser. Die Fällung liefert beim Umkrystallisiren aus
Wasser hellgelbe, glänzende Blättchen. Schmp. 210^ C. Fe^Clg erzeugt schwarzgrüne Färbung.
__ s
Oxychinolin 3,. OHCgH^N (88). Skraup's Paraoxychinolin , Wetoel's
ß-Chinophenol, bildet sich bei der Destillation der Xanthochinsäure und nach
folgender Methode:
7 Thle. Para-Nitrophenol, 15 Thle. salzsaures Para-Amidophenol, 25 Thle. Glycerin und
20 Thle. engl HjSO^ werden unter Rückflusskühlung 5—6 Stunden bei massigem Sieden
erhalten. Das Produkt in sein dreifiaches Volumen Wasser gegossen und mit Kalilauge fractioniit
gefällt; die ersten Fällungen sind schwarzbraun und ballen sich in der Hitze bald zusammen,
so dass dieselben durch Abgiessen entfernt werden können. Jetzt wird die Lösung bis zur Neu-
tralisation mit Aetzkali versetzt (eine etwaige Alkalität wird durch Essigsäure gehoben), wobei
sie reingelb wird und das Oxychmolin sich als lichtbräunlich gelber, krystallinischer Niederschlag
Chinolin. ^ 559
absetzt; der Niederschlag in überschüssiger Säure gelöst, wird in der Wärme mit etwas Zinn-
chlorUr versetzt, dann mit H,S ausgefällt und die Lösung im H,S- Strome kochend auf ein
kleines Volumen gebracht; dieses Verfahren wiederholt man so oft, bis die KrystaUisationen
ungefärbt erscheinen. Aus dem salzsauren Salz wird nun die Oxybase durch Alkali in Freiheit
gesetzt.
Kleine, spröde Prismen aus absolutem Alkohol und Aether, blättrige Krystalle
aus verdünntem Alkohol, feine Nädelchen aus heissem Wasser, feine, wollige
Fädchen beim Sublimiren. Schmp. 193° C. Weidel's ß-Chinophenol 190—191° C.
Siedep. über 360° C, schwer löslich in kaltem, etwas leichter in heissem, schwer
in Alkohol, sehr schwer in Aether, noch schwieriger in Benzol und Chloroform;
Säuren und Alkalien lösen unter Gelbfärbung. Mit KMnO^ wird es in eine
Pyridintricarbonsäure übergeführt.
Reactionen: FegCl^ färbt alkoholische Lösungen nur» wenn die Substanz nicht genügend
rein ist. FeSO^ ohne Einfluss. Aetzkalilösung giebt mitAgNO, einen gelblichen, gelatinösen,
HgClj einen lichtgelben, feinpulverigen, Pb(N0,)2 einen nahezu weissen, feinflockigen,
Ba(NOj)j keinen Niederschlag. Cu(C,H30j)j, zur alkoholischen Lösung gegeben, daraut
Ammoniak bis zur BlaufUrbung und Vernichtung dieser durch Essigsäure, erzeugt einen grünen
Niederschlag. K^CrO^ erzeugt in alkalischer Lösung einen gelblichweissen Niederschlag, der
sich in der Hitze löst und beim Erkalten bräunlichgelb wieder erscheint und freies Oxychinolin
ist. K^Cr^Of erzeugt in der neutralen, salzsauren Lösimg ein Chromat, aus schönen, goldgelben
Nädelchen bestehend.
Salze: Chlorhydrat, C^H^NO, HCl + HjO; Prismen, wenn rem farblos, sonst schwach-
gelb bis grünlich gefärbt; in Wasser sehr leicht löslich, in heissem Alkohol schwer, nicht in Aether
löslich. Concentrirte Salzsäure und gesättigte NaCl-Lösung haben nur geringes Lösungsvermögen.
Pikrat, C9HyNOCgHjOH(NOj),; durch Vermischen beiderseitig alkoholischer Lösungen
scheiden sich glänzende Nädelchen aus; diese, aus heissem Alkohol umkrystallisirt, ergeben gold-
glänzende Nadeln, die lufttrocken bei 235— 236 ° C. uncorr. schmelzen.
Platinsalz, (CgH7NOHCl)jPtCl4; wird erhalten in orangegelben Nädelchen, wenn der aus
der concentrirten Chlorhydratlösung entstandene Niederschlag aus viel heissem Wasser gelöst wird.
Kupferacetatverbindung, (CgHgNO)2Cu(CjH402),; es entsteht sofort auf Zusatz ver-
dünnter Cu-Acetatlösung zur alkoholischen Lösung der Base eine intensiv schwarzgrUne Farbe;
innerhalb 24 Stunden scheiden sich dunkle, verwachsene, ziemlich grosse, spitzkeilförmige Krystalle
aus, die im auffidlenden Licht fast schwarz, im durchfallenden amethystblau erscheinen. In
kochendem Alkohol mit schön blaugrüner Farbe löslich fallen sie beim Erkalten mit der ursprüng-
lichen Farbe wieder aus; in Wasser unlöslich.
Bromoxychinolin 8", CgHjBrNO; wird durch Soda aus der verdünnten alkoholischen
Lösung seines Bromhydrats gefällt; der gelbliche Niederschlag wird mit Wasser gewaschen und
aus verdünntem Alkohol umkrystallisirt. Zarte, weisse Nadeln, die trocken einen bräunlichen Stich
haben; diese sind in verdünnten Säuren und Kalilauge mit gelblicher Farbe löslich. Schmp. 184
bis 185*>C
Bromhydrat, C^HgBrNO, BrH; fügt man zur alkoholischen Lösung tropfenweise Brom, so
fallen schwere, kömige, röthlichgelbe Krystalle aus; man braucht in der Regel auf 1 Mol. Base
10 j- Br mehr als 2 Mol. Br entsprechen. Die Krystalle werden mit absolutem Alkohol ausge-
waschen. In absolutem Alkohol auch in der Hitze schwer löslich, gut in heissem, wässerigem
Weingeist; löst man in heissem Wasser, so fällt je nach dem Grade der Verdünnung entweder
das Bromhydrat oder die Brombase selbst aus.
Nitrooxychinolin 8", C9Hg(N03)NO; das unten beschriebene Salpetersäure Salz wird in
überschüssigem Natriumcarbonat aufgelöst, Essigsäure zugesetzt, worauf das freie Nitroprodukt in
gelben Nädelchen ausfällt; es ist leicht zu lösen in heissem Alkohol, in Alkalien und Mineral-
säuren, aber nicht in Wasser. Schmp. 139— 140° C.
Nitrat, CjHe(NOj)NO, HNOj+HjO; man trägt die Base nach und nach in die 4--5 fache
Menge HNO,; man erwärmt jedesmal sehr vorsichtig, bis Lösung gerade erfolgt ist; man giebt
nach Beendigung der Operation die 2 — 3 fache Menge Wasser hinzu, und es fallen gut ausge-
560 Handwörterbuch der Chemie.
bildete« spitze, orangerothe Prismen ; diese werden mit wenig Wasser gewaschen und auf poröser
Platte getrocknet. Massig warmer Alkohol löst reichlich, aus ihm scheidet sich das Nitrat in
bräunlichgelben Prismen aus.
Acetylbase; diese wird analog der T-Acetylverbindung gewonnen; ein lichtgelbes Oel,
geruchlos und schwerer als Wasser; unter Umständen erstarrt es zu blendend weissen Krystallen-
Siedep. 298° C. Schmp. 35°. In Aether und Alkohol sehr leicht löslich, ebenso in heisscm
Wasser ; alle drei Lösungen scheiden die Base fiUssig ab, wenn nicht ein Krystall eingeworfen wird.
[C9H6NO(CjH30)HCl],PtCl4; hübsche, gelbe Prismen.
Benzoyläther entsteht beim Kochen der Oxybase mit fünffacher Menge Benzoylchlorid. Die
in Wasser geworfene Masse wird mit gelöster Soda fein zerrieben, mit Wasser ausgewaschen und
aus Eisessig umkrystallisirt. Die analytischen Daten stimmen nicht befriedigend auf eine ein-
heitliche Substanz.
Methyläther oder ChinanisolS" erhielten höchst wahrscheinlich Bütlerow und Wischne-
GRADSKY bei der Einwirkung von Kali auf Chinin. Diese Forscher hielten ihn für ein Oxy-
lepidin, welches Königs Chinolidin zu nennen vorschlug. Vielleicht ist auch diese Base dieselbe,
welche Gerhardt zuerst beim Schmelzen des Chinins mit Aetzkali auffand und Chinolylin nannte.
Darstellung: Je 1 Mol. Aetzkali, Oxybase und Methyljodid, in Methylalkohol gelöst,
werden auf dem Wasserbade 1^ Stunde gekocht; der nach dem Abdestilliren des Alkohols ver-
bleibende, stark alkalische Rückstand wird mit Aether ausgezogen. Die Aetherlösung enthält
ein Oel, das nicht zum Erstarren gebracht werden konnte.
Chlorhydrat, C9HgN(0CH,)HCl; lange, weisse Prismen, in Wasser zeriliesslich, in Alko-
hol ziemlich leicht, in Aether und Aether-Alkohol schwer löslich.
Chloroplatinat, [C5HgN(OCH,)Ha]jPtCl4 4- 4H,0; spitze, orangerothe Nädelchen;
in kaltem Wasser schwer, leicht in heissem Wasser löslich.
Chinolsäure, Nitrodioxychinolin, C9H4N(OH)aN02, hat Weidel bei
der Behandlung der Cinchoninsäure mit HNO3 im eingeschlossenen Rohr auf
120 — 140° C. neben Cinchomeronsäure erhalten. Nach Königs entsteht sie als
Nebenprodukt beim Nitriren des Chinolins und bei der Einwirkimg von conc.
HNO, auf Tetrahydrochinolin (85).
Die Säure bildet leichte, wollige, glanzlose, kleine Krystalle mit einem Stich
in's Gelbliche, sie ist äusserst schwer löslich in Alkohol und Aether, fast unlös-
lich in Wasser. Aus ihrer Lösung in Säuren wird sie durch Wasser wieder ge-
fällt. Charakteristisch ist folgende Reaction: bringt man minimale Mengen der
Säure mit einem Tropfen Alkali oder Ammoniak zusammen, so entsteht eine
intensiv carminrothe Färbung. Die Säure schmilzt und sublimirt unter Zersetzung
des grössten Theils.
Salze: Silbersalz, C^HjAgN^O^, flült auf Zusatz vonAgNO, zu einer ammoniakalischen
Lösung als Gallerte, die nach und nach krystallinisch wird.
Chlorhydrat, C^HgNNOg'HCl, bildet sich a,us einer in der Hitze mit HQ bis zum
Lösen versetzten wässrigen Lösung der Säure in zolllangen, prismatischen Nadeln.
Platindoppelsalz, (C9HgN304HCl),PtCl^, entsteht beim Vermischen conc. Lösungen
des PtQ^ und der salzsauren Base in schönen, dunkel orangegelben Nadeln.
a
a-Oxychinolin, Carbostyril, C9H6(OH)N (89), wurde 1852 von Chiozza ent-
deckt bei der Reduction der Orthonitrozimmtsäure mit Schwefelammonium. Es
wurde auch gewonnen durch Erhitzen des orthoamidozimmtsauren Baryts mit
Bariumhydrat und Ferrohydrat Es bildet sich ferner durch Erhitzen des a-Oxy-
cinchoninsauren Silbers (91).
Am zweckmässigsten wird es dargestellt durch Digeriren von 30 — 40 Grm. Orthonitro-
zimmtsäureäther in überschüssigem alkoholischen Schwefelammonium in geschlossenen, dick-
wandigen GefUssen während mehrerer Stunden auf 110^ C. In der erkalteten Flüssigkeit hat
sich Oxycarbostyril-Ammoniak ausgeschieden. Das Filtrat wird zur Trockne eingedampft und
Chinolin. 561
mit verdünnter Natronlauge ausgesogen. In diese wird CO, eingeleitet, wodurch das Carbostyril
in feinen, weissen, verfilzten Nadeln ausgeschieden wird. Darauf fUllt H^SO^ noch Oxycarbostyril.
Die Oxybase krystallisirt aus Alkohol in grossen Prismen. Schmp. 198 — 199° C.
Sublimirt unzersetzt In verdünnter HjSO^ auf 200° erhitzt bleibt sie intakt.
In kaltem Wasser ist sie kaum löslich, leicht in kochendem, sowie in Alkohol
und Aether; in NH3 unlöslich, löslich in viel HCl. In schmelzendem KOH
löst sie sich bei 170 — 180° klar auf, wobei ein deutlicher Geruch nach Indol
auftritt Weinberg gewann sie aus der Schmelze fast quantitativ wieder. In
alkalischer Lösung mit KMnO^ oxydirt entsteht neben Isatin Carbostyrilsäure,
COOH
d. i. wahrscheinlich Oxalylanthranilsäure, CgH^C^j^jj CO— COOH (^°^' ^^^
PCI5 behandelt entsteht Monochlorchinolin. Bei Einwirkung von Jodäthyl und
alkoholischem Kali oder von Jodäthyl auf das Kali- oder Silbersalz entsteht der
Aethyläther. Ihre Alkalisalze werden durch CO^ zerlegt. Mit den Schwermetallen
entstehen keine Salze.
Salze. Das K- und Na-Salz sind in Wasser leicht löslich, sie follen durch überschüssiges
Alkali in silberglänzenden Blättchen.
Bariumsalz, (CgHgON),Ba, fUllt auf Zusatz von Baiytwasser zur heissen, wässrigen
Lösung in glänzenden, schwer löslichen Blättchen aus.
Silbersalz, C9Hß(0Ag)N, fällt auf Zusatz von AgNO, zu einer warmen, neutralen
Lösung von Carbostyrilammoniak in feinen, lichtbeständigen Nadeln.
a-Aethoxylchinolin, Aethylcarbostyril, CgHj(0C,H5)N (90), wird dargestellt durch
Erhitzen von Carbostyril mit Jodäthyl und KOH in alkoholischer Lösung oder durch Erhitzen
von a-Monochlorchinolin mit alkoholischem KOH. Es ist ein mit Wasserdämpfen flüchtiges Oel
von angenehmem, charakteristischen Geruch. Siedep. 256^ C. Wässrige HCl spaltet bei 120^
die Aethylgruppe wieder ab, ebenso Wasser bei einer höheren Temperatur. Mit Mineralsäuren und
a
Essigsäure entstehen sehr zerfliessliche Salze. Das Platindoppelsalz, [C9H5N(OCjH3)HCl],PtCl4,
ist leicht löslich und krystallisirt gut K^FeCy^ erzeugt einen schwer löslichen, krystallinischen
Niederschlag eines ferrocyanwasserstofisauren Salzes.
a
a-Dihydroäthylcarbostyril, C9HgN(OCjH5)N (90), wird gewonnen durch Einwirkung
von Natriumamalgam auf Aethylcarbostyril in alkoholischer Lösung. Silberglänzende Blättchen.
Schmp. 199^ C. Die Base wird aus ihren sauren Lösungen durch Alkali geföllt.
a
0-Methoxylchinolin, Methylcarbostyril, C9Hg(OCH3)N (90)', wird wie der ent-
sprechende Aethyläther dargestellt. Farbloses, nach Orangenblüthen riechendes Oel. Siedep. 246
bis 247^ C. Das Platinsalz krystallisirt in schönen Blättchen.
a
a-Phenoxylchinolin, Phenylcarbostyril, C9Hg(OCgH5)N (90), aus Phenolnatrium
und a-Monochlorchinolin. Glänzende, sublimirbare Blättchen. Schmp. 68 — 69^ C.
« P
aß-Oxychlorchinolin, ß-Chlorcarbostyril, C9H6(0H)(C1)N (92), ent-
steht bei der Behandlung mit conc. HCl des aß-Dichlorchinolins bei 160^ C, oder des ß-Chlor-
carbostyriläthers bei 110^ C. Das entstandene Produkt ist dem Carbostyril in seinem Verhalten
durchaus analog, nur löst es sich schwieriger als dieses. Flache Nadeln oder Blättchen.
Schmp. 241® C PCI5 führt es wieder in oß-Dichlorchinolin über.
a ß
ß-Chlorcarbostyriläthyläther, C9Hj(OC,H5)(Cl)N (93), ist in den Eigenschaften und
im Geruch dem Carbostyriläther sehr ähnlich und entsteht leicht durch Einwirkung von alkoho-
lischem Kali auf a ß-Dichlorchinolin. Schmp. 269® C. Das salzsaure Salz ist in überschüssiger
HCl schwer löslich. Alle Salze werden durch viel Wasser zersetzt.
ay-Oxychlorchinolin, y-Chlorcarbostyril, C9H5(0H)(C1)N (94), lässt sich entweder
durch Verseifen seines Aethyläthers mit HCl bei 110® C. oder durch Kochen einer Lösung von
Ladbmburg, Chemie. IL ^5
562 Handwörterbuch der Chemie.
Orthoamidphenylpropiolsäure in verdünnter HCl darstellen. Seideglänzende, sublimirbare Nadeln.
Schmp. 146*^ C. Es ist schwerer löslich in den meisten Lösungsmitteln als die ß-Vcrbindimg.
PCI 5 ftihrt es in ay-Dichlorchinolin über.
« T
Y-Chlorcarbostyriläther, C5H5(OC,H5)(a)N (95). Er ist eine mit Wasserdämpfen
sehr flüchtige Substanz, die durch Behandeln von ay-Dichlorchinolin mit alkoholischem Kali ent-
steht Schmp/ 43® C. Siedep. 270® C. Flache Nadeln, die nur in Wasser und Alkalien nicht
löslich sind.
« T
ay-Oxyjodchinolin, Jodcarbostyril, C9H5(OH)(J)N (96), ist aus Orthoamidophcnyl-
propiolsäure und verd. HJ dargestellt worden. Schmp. 276® C. Unzersetrt spblimirbar.
« T
ay-Oxybromchinolin, y-Bromcarbostyril, CgH5(0H)(Br)C (97), wird gewonnen durch
Verseifen seines Methyläthers. Sublimirbare Nadeln. Schmp. 267 ® C. Schwer löslich in Alkohol
Baeyer und Bloem haben es durch Kochen der bromwasserstofisauren Amidopropiolsäure er-
halten (94).
« T
ay-Monobromcarbostyrilmethyläther, CgH5(CH30)(Br)N (98); wirkt Brom in
Dampfform auf Aethyl- oder Methylcarbostyril in der Kälte ein, so erstarrt der Aether und wird
bei weiterer Bromaufnahme wieder flüssig; die in Aether unlöslichen Bromadditionsprodukte
werden durch SO,, Aceton oder durch Umkrystallisiren aus verdünntem Alkohol zersetzt; neben
öligen Produkten entstehen weisse Nadeln obiger Verbindung von schwach basischen Eigenschaften
und Leichtlöslichkeit in gebräuchlichen Lösungsmitteln. Schmp. 93® C.
(?) "
a-Chlorchinophenol, (OH)C9H5(Cl)N (99), entsteht durch gelinde Einwirkung tob
PClj auf a-OxychinophenoI und krystallisirt aus verdünntem Alkohol in grossen, glänzendes
Nadeln. Schmp. 180® C.
Pt «
ßYa-Dichloroxychinolin, ßy-Dichlorcarbostyril, (Cl)2(OH)CgH5N (100), entsteht
durch Kochen von Carbostyril, gelöst in Eisessig und Salzsäure, mit überschüssigem K CIO, und
krystallisirt aus Eisessig in schwer löslichen, feinen Nadeln. Schmp. 240® C. PCI 5 fürt es in
Trichlorchinolin über.
(?)
Kynurin, Oxychinolin, C9H6(OH)N -f- 3HjO. ScHiknBX>EBERG und
ScHULTZEN fanden es beim Schmelzen der Kynurensäure. Nach Kretschv erhitzt
man zu seiner Darstellung Kynurensäure längere Zeit auf ihre Schmelztemperatur
C253— 258° C.) und krystallisirt die Schmelze aus Wasser um. Es bildet farblose,
monokline, wasserfreie Prismen (a:^:r= 1-0764:1 : 1-6056 -ar = 107*' 34')» oder
bei raschem Auskrystallisiren schnell verwitternde Nadeln, welche 3 Mol. H|0
enthalten. Schmp. 201° C. Es ist in kaltem Wasser wenig löslich, leichter in
kaltem Alkohol, sehr leicht in warmem Wasser und Alkohol. Beim Destilliren
zersetzt es sich. FejClß erzeugt eine schwach carminrothe, FeSO^ eine schwach
gelbliche und Millon's Reagenz eine gelbgrüne Farbe. In alkalischer Lösung
mit KMn04 oxydirt entsteht die mit der Carbostyrilsäure Friedländer's isomere
Kynursäure (102). Acetylchlorid erzeugt eine durch Wasser zersetzliche Ver-
bindung. PCI 5 und POCI3 geben Monochlorsubstitutionsprodukte. Das Platin-
salz entspricht der Zusammensetzung: [C9H6(Cl)N.HCl]2PtCl4 H- 2H2O. lieber
Zinkstaub destillirt entsteht Chinolin. Mit Natriumamalgam entsteht eine Hydro-
base.
Tribromkynurin, C9H3(OH)Br3N (103). Beim Kochen des Tetrabrom-
kynurin mit Alkohol entsteht es neben Aethylbromid und HBr. Farblose Nadeln,
in Wasser unlöslich, schwer löslich in kaltem Alkohol, leicht in heissem. Es
wird aus seiner Lösung in Alkalien durch Säuren gefällt. Lässt man Bromwasser
auf Kynurin einwirken, so entsteht ein Niederschlag, der mit Alkohol gekocht
dasselbe Tribromkynurin liefern soll.
Chinolin. 563
* Tetrabromkynurin, C9H2(OH)Br4N (103), erhielt Brieger beim Erwärmen
der Kynurensäure mit Bromwasser unter CO^-Abspaltung. Gelbes Krystallpulver.
Mit Alkalien behandelt entlässt es Brom und scheidet aus KJ Jod ab. Mit
Alkohol erwärmt entsteht die Tribrombase.
Hydrokynurin, C^gHaoNgOg (104), entsteht durch Reduction des Kynurins
durch Natriumamalgam. Man wäscht den entstandenen Niederschlag mit* Essig-
säure. Er hinterbleibt beim Verdunsten seiner alkoholischen Lösung als gelbes
Pulver zurück. Sehr schwache Base, die sich schon gegen 100° verflüchtigt.
aß-Dioxychinolin, ß-Oxycarbostyril (105), C9H5(OH)2N. Schmilzt man
ß-Chlorcarbostyril bei 180—200° mit KOH, so wird das Cl-Atom durch die
Hydroxylgruppe ersetzt; die Schmelze wird mit CO, behandelt, um etwaiges
Chlorcarbostyril zu entfernen und auf Zusatz verdünnter H2SO4 fallt ein feiner,
weisser, krystallinischer Niederschlag. Die Dioxybase ist in den gewöhnlichen
Lösungsmitteln fast unlöslich; schmilzt oberhalb 300° und sublimirt unzersetzt.
PCI 5 führt sie in aß-Dichlorchinolin (Schmp. 104° C.) über. Ihre basischen Eigen-
schaften sind schwach, denn sie fällt auf Zusatz von Wasser zu ihrer Lösung in
conc. HCl wieder aus. Hingegen besitzt sie starke Acidität und bildet mit Alkalien
gut charakterisirte Salze, man kennt femer ein leicht lösliches, saures Barytsalz
und eini nicht lichtbeständiges Silbersalz. Die Lösung der Base in Ammoniak
wird nicht verändert.
a^-Dioxychinolin, 7-Oxycarbostyril, C9H5(OH)2N, haben Friedlander und
Weinberg (105) durch Schmelzen des 7-Chlor- oder 7-Bromcarbostyrils mit KOH
dargestellt; femer Baever und Bloem (106) durch Erwärmen der Orthoamido-
phenylpropiolsäure mit der 10 fachen Menge conc. H3SO4 auf 145° C. und Ver-
dünnen des Produkts mit Wasser.
Darstellung: Y'^l^l^^' ^^^ y-Bromcarbostyril tauschen bei 200^ C. in schmelzendem
KOH das Halogenatom gegen OH aus; es entstehen neben zwei isomeren Dioxybasen etwas
Indol und ein in Wasser löslicher Körper, den FejCl^ intensiv grün färbt. Die Schmelze wird
angesäuert, der entstandene Niederschlag mit kochendem Alkohol extrahirt, welcher a-Oxychino-
phenol aufnimmt, es hinterbleibt das
7-Oxycarbostyril, welches aus heisser HCl in schönen Nadeln krystallisirt und
bei 320° noch nicht schmilzt. Ganz analog der ß-Verbindung. Das Silbersalz
ist sehr lichtbeständig. Die Lösung der Base in wässrigem Ammoniak färbt sich
blau; in alkoholischem Ammoniak scheiden sich kleine, schwer lösliche, kupfer-
glänzende Krystalle aus. PCI 5 führt die Base in a^-Dichlorchinolin über. Mit
HNO, entsteht eine Nitrosoverbindung. Rothe Nadeln (?). Sie zeigt die Lieber-
MANN'sche Reaction nicht.
a^-Dioxychinolinsulfosäure, 7-Oxycarbostyrilsulfosäure, (HSO,)
C9H4(OH)2N (107), entsteht durch Erhitzen der Orthoamidophenylpropiolsäure
mit conc. H2SO4 auf 200 — 220°. Sie ist in kaltem Wasser ziemlich schwer, sehr
leicht in heissem löslich. Zersetzt sich noch nicht bei 280° C. Das Baryt- und
Silbersalz sind leicht löslich.
Nitroso-7-Oxycarbostyril, CgHßNjO, (108).
Darstellung: Zu einer Lösung des y-Oxycarbostyrils in ganz verdünnter Na OH fügt
man etwas mehr als 1 Mol. NaNO, und giesst sie nach und nach in kalte verdünnte H,SO^;
der entstandene, ziegelrothe Niederschlag wird mit Wasser gewaschen, getrocknet, und aus Alko-
hol unikrystallisirt.
Die Nitrosoverbindung bildet orangegelbe, kleine Prismen, die schwer in Wasser,
kaltem Alkohol, Aether, Benzol und Chloroform löslich sind. Schmp. 208° C.
(Zersetzung). Mit conc. HCl gekocht entsteht Isatin und Hydroxylamin. Mit Zn
36*
564 Handwörteibnch der Chemie.
und Eisessig; reducirt entsteht Acetyldioxytetrahydrochinolin. Mit SnO, entstdit
Trioxychinolin.
Die Carbonate der Alkalien und des Ammoniaks lösen es mit smangdgräner,
Alkalien mit rothbrauner Farbe.
a7- Acetyldioxytetrahydrochinolin (108).
Darstellung: Zinkstaub wird zu einer Lösung des y-Nitrosooxycaibostyrfl in Eisessig
bis zur Entfärbung unter Erwärmen zugesetzt Die heisse Lösung wird filtriit und mit don
gleichen Volumen heissen Wassers versetzt; beim Erkalten enthält die Lösung hn^e, faiUose,
atlasglänzende Nadeln der Hydrobase.
Die Verbindung ist, wenn trocken, luftbeständig, feucht entsteht ein violettrother Faibstofi^
der durch Reduction wieder in die Muttersubstanz übergeführt wird. In kaltem Wasser. Alkohol
und Aether ist sie schwer löslich, ziemlich leicht in warmem Eisessig; wenig Alkali löst sie mit
violetter, tiberschUssiges mit blauer Farbe. Säuren fallen sie wieder aus, in anfangs rödilickeii
Flocken, die nach und nach weiss werden.
a
a-Dioxychinolin(?), Oxycarbostyril, CgHjOH-N-OH (109), ist das Neben-
produkt des Carbostyrils bei der Reduction des Orthonitrozimmtsäureäthers. Es ist in den ge-
bräuchlichen Lösungsmitteln etwas schwerer löslich als das Carbostyril. Aus heissem Wasser
kr)'stallisirt es in perlmutterglänzenden Blättchen und sublimirt in Nadeln. Schmp. 190*5® C
Beim Erwärmen einer wässerigen Lösung der Base mit einigen Tropfen HNO, entsteht eise
charakteristische, intensive RothfMrbung. Concentrirte HNO, erzeugt Nitroprodukte, Brom, Bnun-
produkte. HCl und Zn-Staub, Sn und Eisessig reduciren es zu Carbostyril. Natrinmamalgam
erzeugt ein hochschmelzendes Condensationsprodukt. Bei der Einwirkung von JodXthyl auf das
Kaliumsalz entsteht Aethyloxycarbostyril. In alkalischer Lösung mit KMn04 oxvdirt geht die
Base in Orthonitrobenzoesäure über.
Das Oxycarbostyril ist eine starke, einbasische Säure, welche Carbonate zersetzt Die
Alkalisalze sind leicht löslich. Schwermetalle bilden unlösliche Niederschläge. Das Eisenoxyd*
salz ist intensiv violett braun, das Oxydulsalz ziegelroth geförbt.
Das Bariumsalz, (C9HgN0,),Ba, krystallisirt in haarförmigen, verfilzten, weissen Nadeb.
Aethyloxycarbostyril, C9Hj(CjH5)NO,, wird durch Einwirkung von Jodäthyl auf das |
Kaliumsalz des Oxycarbostyrils erhalten, krystallisirt aus einer Mischung von Aether und Ligrois |
in langen, prachtvollen, dicken Prismen und destillirt unzersetzt. Schmp. 73^ C Es ist in !
Wasser unlöslich und mit diesem nicht flüchtig. Durch saure Reductionsmittel bildet es Carbo-
styril.
Salze: Chlorhydrat, CuHuNOj'HCl, ist sehr hygroscopisch und wird durch Ein-
leiten von HCl-Gas in eine ätherische Lösung dargestellt
Platindoppelsalz, (C^iH, jN0,-Ha),PtCl4, krystallisirt gut.
a
a:(?)-Oxychinophenol, (O H) €9115(0 H)N (i 10). Beim Schmelzen des y-Chlor-
oder Bromcarbostyril mit KOH entsteht neben Y-Oxycarbostyrü ein in Alkohol lösliches Isomefcs;
dieses wird aus heissem Benzol unter Zusatz von Ligroin umkrjrstallisirt Es stellt weisse, oon-
centrisch gruppirte Nadeln dar und schmilzt bei 189^ C. Die Stellung des einen Hydroxyk im
Benzolkem ist unbestimmt.
Silbersalz, C^H^AgNO,; ein in Wasser unlösliches, kiystallinisches, weisses Silbeisalf
von grosser Lichtbeständigkeit
ß-7«a-Trioxychinolin, ß^-Dioxycarbostyril, 09114(0 H),N (m)-
Darstellung: Nitroso-y-Carbostyril wird bis zur vollständigen Lösung mit in conc HG
gesättigter ZinnchlorUrlösung Übergossen, dabei geräth das Gemenge ins Sieden; hierauf faDt
nach dem ZufUgen eines gleichen Volumens conc. HCl beim Erkalten ein farbloses Zinndoppel-
salz aus. Dieses wird mit conc. HCl gewaschen, in Wasser suspendirt und mit H^S zeriegt
Die von SnS abfiltrirte Lösung wird zum Sieden erhitzt und bis zum Erkalten ein rasdie
O-Strom hindurchgeleitet, während dessen scheidet sich die Trioxybase aus.
Das ß-if-Dioxycarbostyril krystallisirt in langen, farblosen Nadeln, ist schwer
Chinolin. 565
löslich in Wasser, Aether und Benzol, leicht in Alkohol und geht beim Erhitzen
auf 260° C. in einen braunen Körper tlber, der bei 310® noch nicht schmilzt.
Durch FejClg entsteht Chinisatinsäure, d. i. Orthoamidophenylglyoxylameisensäure,
CeH4(NH,)CO-CO.COOH. Verdünnte Alkalien lösen mit blauer Farbe, diese
verschwindet bald an der Luft, und es scheidet sich ein violetter Niederschlag
aus. Versetzt man eine Aether -Alkohollösung der Base mit wenigen Tropfen
Na OH, so fallt ein tiefblauer, flockiger, gelatinöser Niederschlag.
1-Methylchinolin, SKRAUP'sOrthotoluchinolin, CHjCgHßN (112), wird
aus Orthotoluidin, o-Nitrotoluol, Glycerin und H,S04 wie das Chinolin dargestellt,
s. 4-Methylchinolin. Eine schwach gelbliche Flüssigkeit, stark lichtbrechend, ohne
Einwirkung auf Lakmuspapier, von brennendem Geschmack, riecht ebenso wie
Chinolin; schwer löslich in Wasser. Siedep. 247-3— 248*3 bei 751*3 Millim. Druck,
spec. Gew. bei 0° = 1*0852, bei 20°= ] -0734, bei 50°= 1*0586. Erstarrt nicht
in einem Gemisch von fester CO2 und Aether. Durch Oxydation mit KMnO
entsteht Chinolinsäure.
Salze: Chlorhydrat, CioHgNHQ 4- 2^1130; durch Verdunsten der alkoholischen
Lösung der Base mit HCl über H^SO^ gut ausgebildete» strablig angeordnete Prismen; sehr
flüchtig ohne erhebliche Zersetzung. Saures Sulfat, C^gH^NH^SO^, entsteht auf Zusatz von
conc. HgSO^ zu einer Lösung der Base im doppelten Volumen Alkohol; schneeweisse Prismen ;
in Alkohol schwer, in Wasser leicht löslich. Platindoppelsalz, (C, oH9NHCl),PtCl4 -f- H,0,
auf Zusatz von PtCl^ zu einer Lösung in verdünnter HCl. Gut ausgebildete, dunkelorange-
gelbe Prismen, weit schwieriger löslich, als das entsprechende Chinolindoppelsalz. Pikrat,
CißH,NCgH,(0H)(N0,)3; auf Zusatz einer kochenden, in der Kälte gesättigten Lösung der
Pikrinsäure zu einer heissen^ weingeistigen Lösung der Base fallen nach und nach intensiv
schwefelgelbe Blättchen; schwer löslich in Aether und Benzol. Schmp. 200® C. Jodmethylat,
C,,jH,NCH,J; beim Erhitzen der Base mit überschüssigem CHjJ im geschlossenen Rohr bei
100° C. Gelbe KrystaUe, leicht löslich in Wasser und Alkohol, schwer in Aether; Aetzkali
scheidet in der Kälte ein fast farbloses Oel ab, s. Claus u. Himmelmann, B. B. 1880, pag. 2045.
4-Methylchinolin, Skraup's Metatoluchinolin, CH3C9HgN (113).
Reactionsmischung: 42 Grm. Metatoluidin, 27 Grm. Metanitrotoluol,
100 Grm. Glycerin und 90 Grm. conc. H2SO4; Operationsweise wie beim Chi-
nolin. Ausbeute 70#. Die Base ist eine stark lichtbrechende, schwach gelbliche
Flüssigkeit; bei 20° C. noch nicht fest. Siedep. unter 747 Millim. Druck, 259*7 corr.
Spec. Gew. bei 0°= 1-0839, 20°= 1-0722, 50°= 1-0576.
SaUe: Platindoppelsalz, (CioH^NHCQjPtCl^ 4- 2H,0. Auf Zusatr von PtQ^ zu
einer heissen Lösung in verdünnter Salzsäure krystallisiren orangegelbe, glänzende Prismen aus;
bei 100— 110^ C. entweicht das Krystallwasser.
Salzsaures Sak, grosse, wasserhelle Prismen, schwer von der Mutterlauge zu trennen, daher
nicht analysirt worden. Ein mit der Salzlösung befeuchtetes Papier färbt sich schön carminroth.
Ein schwefelsaures Salz ist erhalten worden auf Zusatz von 1 Cbcm. conc. H^SO^
zu 2'7 Cbcm. Base in 5 Cbcm. Alkohol. Die analytischen Daten weisen auf ein Gemisch von
neutralem und saurem Sulfat hin.
Sulfat, (CioH9N),(HjS04),, entsteht beim Vermischen von 2*3 Cbcm. Base mit M Cbcm.
conc. HjSO^; dttnne Nädelchen^ wasserhaltig, leicht verwitternd; die Formel gilt filr das bei
100<> getrocknete Salz.
Das Pikrat bildet mikroscopische Prismen, intensiv gelb. Schmp. 206 — 207^ uncorr.
Jodmethylat, Ci^H^N'CHjJ + ^H^O. Darstellung beim 3-Toluchinolin angegeben;
aus verdünntem Alkohol in langen, spröden, lichtgelben Nadeln.
Jodmethylat, C^qH^NCHiJ, scheidet sich nach zweitägigem Stehen in schwach gelblichen
Prismen ab, wenn eine ätherische Lösung der Base mit Jodmethyl in einem Rohr eingeschlossen wird.
566 Handwörterbuch der Chemie.
3-Methylchinolin, Skraup's Paratoluchinolin, (CH5)C9HeN (114)-
Entsteht aus 1 : 4-Nitrotoluol und 1 : 4-Amidotoluol. Löslichkeitsverhältnisse
und sonstige Eigenschaften wie bei der l-6ase; erstarrt ebenfalls nicht. Siede-
punkt bei 745 Millim. Druck 257-4— 258'6° C. Spec. Gew. bei 0°= 1-0815, bei
20°=1-0681, bei 50°=10560. Durch Oxydation mit KMnO^ entsteht Chinolinsäure.
Salze: Platindoppelsalz. (CioH9NHa)3Pta4 + HjO. In der Kälte fällt ein schwach
gelblicher, krystallinischer Niederschlag, der aus verdünnter Salzsäure umkrystallisirt in licht-
gelben, haarfeinen Prismen erscheint; das Krystallwasscr entweicht bei 120® C. vollständig.
Saures Sulfat, Cj^HgNHjSO^ + H,0. Darstellung und Verhalten genau wie das des Ortho-
salzes; verliert nach längerem Stehen überHjSO^ das Krystallwasser; weisse Prismen. Chlor-
hydrat, CjoHgNHCl + iHjO, wie das Orthosalz dargestellt; verfilzte Nadeln, die schwer von
der Mutterlauge zu trennen. Pikrat, CioHjNCgHjOHCNOj),, wie das Orthopikrat ausgefiUlt
als ein Pulver von schön gelber Farbe, schwerer löslich als die Ortho -Doppelverbindung in
Alkohol, in Aether und Benzol spärlich. Schmp. 229® C.
3-aß7-Methyltrichlorchinolin, Paratoluchinolintrichlorid,
» «Pt
CH3C9H3CI3N, haben Rügheimer und Hoffmann (Berl. Ber. Bd. 17, pag. 739)
durch Behandeln der Malon-p-toluidsäure mit PCI 5 erhalten. Lange Nadeln.
Schmp. 134° C.
a
a-Methylchinolin, Chinaldin, C9Hg(CHs)N, wurde von Doebner und
Miller aus Anilin, Nitrobenzol, Glycol und HJSO4 zuerst daigestellt Man
kennt jetzt viele Entstehungsweisen desselben (115).
1. Erhitzen von Anilin, Nitrobenzol, conc. H3SO4 mit Glycol, Aldehyd, Paral-
dehyd, Crotonaldehyd, Acetal und Milchsäure. 2. Vermischen der wässrigen Lösung
des salzsauren Anilins mit Aldehyd, Stehenlassen in der Kälte und Schmelzen des
salzsauren Salzes einer entstandenen, festen Base mit Chlorzink. Aldehyd kann
durch Paraldehyd, Acetal, Aldol und andere Aldehyd liefernde Substanzen ersetzt
werden. Technische Darstellung. 3. Reduction des Orthonitrobenzylidenacetons
mit SnClg in salzsaurer Lösung. 4. Kochen des Orthonitrocinnamylacetessigesteis
mit SnCl2. 5. Behandeln eines Gemisches von Orthonitrobenzaldehyd und Aceton
mit Natronlauge bei gelinder Wärme. 6. Schmelzen von Anilin und Milchsäure
mit Chlorzink. 7. Erhitzen des 7a-Oxymethylchinolin mit Zinkstaub.
Darstellung: Ein Gemisch von 1^ Thln. Paraldehyd, 1 Thl. Anilin und 2 Thle. roher
HCl werden mehrere Stunden auf dem Wasserbade erwärmt Das salzsaure Chinolin wird zer-
setzt und mit Wasserdampf übergetrieben. Dem Destillat wird die Base durch Aether entzogen (i 16).
Diese stellt eine, farblose, lichtbrechende Flüssigkeit dar von schwachem
Chinolingeruch. Siedep. 238—239° C. Sie kommt im Steinkohlentheer in ziem-
licher Menge vor (20 — 25^), kann aber durch Fractioniren nicht gewonnen werden.
a
MitHNOj oxydirt entsteht Nitrochinolincarbonsäure, C9H5(N02)(COOH)N, mit
NHCOCH
KMnO^ Acetanthranilsäure, CgH^I^roOH '' ^°^ ™* Cr03 und H2SO4
a
a-Chinolincarbonsäure = Chinaldinsäure, C9Hg(C00H)N (Ber. 15, pag. 3075).
Salze: Das Chlorhydrat, Nitrat, Sulfat, Acetat krystallisiren gut und sind leicht
löslich. Platindoppelsalz, (C2oHgN'HCl)gPtCl4,' lange, orangerothe Prismen, weniger lös-
lich als das Chinolinplatinsalz. Golddoppelsalz, C^^Hj^N'HCl'AuCl,; gelber, krystallinisdicr
Niederschlag. Pikrat, C9H6(CH8)N-CgHj(OH)(N08)8; hellgelbe KrystaUe. In kaltem
Wasser und kaltem Alkohol schwer, in heissem Alkohol reichlich löslich. Bi Chromat,
a
[C9Hg(CH,)N]3Cr30yH3; ausserordentlich schöne, gelbrothe Nadeln. In kaltem Wasser sehr
schwer, in heissem Wasser leicht löslich. Jodmethylat, CjqH^NCHjJ, wird durch Erwäimen
von 1 Mol. Chinaldin und 1 Mol. CH3J bei Wasserbadtemperatur gewonnen und krystallisiit aas
Chinolin. 567
heissem Alkohol in citronengelben, zolllangen Nadeln; leicht löslich in Wasser, unlöslich in
Acther. Schmp. 195° C. KOH erzeugt in der Wärme einen rothcn Farbstoff. Ber. 16. 185 1.
Jodäthylat, CjoHgNCjHsJ; strohgelbe Nadeki, zersetzt sich beim Erhitzen auf 226*^ C
Tetrahydrochinaldin, C|oHi3N(ii7), hat Jackson zuerst durch Reduciren
des Orthonitrophenyläthylketon dargestellt (118).
Darstellung: 1 Thl. Chinaldin, 2 Thle. conc. HCl und Überschüssiges Sn werden
mehrere Stunden auf dem Wasserbade erwärmt; die heisse Lösung wird vom Sn abgegossen
und mit H^S entzinnt, filtrirt, neutralisirt und aus ihr die Hydrobase durch Ausschütteln mit
Aether gewonnen.
Diese bildet eine farblose, angenehm riechende Flüssigkeit, die unzersetzt
siedet, in Wasser schwer, in Alkohol, Aether und Benzol leicht löslich ist.
Siedep. 246—248° C. bei 709 Millim. Druck, 243—246° C. bei 699 Millim. Druck.
Reactionen: Charakteristisch ist die blutrothe Färbung, hervorgerufen in
den wässrigen Salzlösungen der Hydrobase durch Oxydationsmittel wie Fe^Clg,
CrOj, FeCyßK^. Salpetrige Säure erzeugt eine gelbe Nitrosoverbindung.
Salze: Chlorhydrat, C,^Hi,N, HCl, bildet hübsche Nadeln. Platindoppelsalz,
(Ci^HjjNHCl)2PtQ^, bildet hellgelbe Nadeln. Soweit andere Salze untersucht worden sind,
krystallisiren dieselben und lösen sich grösstentheils leicht in Wasser.
Methylhydrochinaldin, Cj^H^gNCHj (119), bildet sich beim Erwärmen der Hydro-
base mit CH,J und ist eine farblose Flüssigkeit Siedep. 245—248** C. bei 708 Millim. Druck.
Mit Benzotrichlorid und Chlorzink erwärmt, entsteht ein smaragdgrüner Farbstoff.
Salze: Platindoppelsalz, (CiiHijNHa)3PtCl4, ist in Wasser schwer löslich.
a-Benzylidenmethylchinolin, Benzylidenchinaldin, C^HgN — CH
= CH — CßHj (120). Dieses Condensationsprodukt haben Jacobsen und Reimer
durch Erhitzen von Benzaldehyd oder Benzalchlorid und Chinaldin mit Chlorzink
gewonnen. Die Schmelze wird in conc. HCl gelöst und in Wasser eingegossen.
Es scheidet sich das Chlorhydrat aus, welches mit Ammoniak zerlegt wird. Die
feste Base ist unlöslich in Wasser, schwer löslich in kaltem, leicht löslich in
heissem Alkohol, CS, und CHClj. Nadeln. Schmp. 99— 100° C. Unzersetzt
sublimirbar. Mit Br entsteht ein Additionsprodukt. Sämmtliche Salze sind in
kaltem Wasser schwer löslich.
Salze: Chlorhydrat, feine, gelbliche Nadeln. Platindoppelsalz, (Ci^HuN-HCOaPtCl^
^-2H,0. Pikrat, CiyHi,NCeH,(OH)(NOj)3 + 2iH,0; feine, röthlichgelbe Nadeln.
Schwer löslich auch in siedendem Wasser.
Dibrombenzylidenchinaldin, CgHgN — CHBr— CHBr — CgH^, entsteht durch Ein-
wirkung eines Molektlls Brom auf die Base in CS, -Lösung. Es krystallisirt aus Alkohol in
weissen, irisirenden Blättchen. Schmp. 173—1740 C.
Chinophtalon, Jacobsen's und Reimer's Chinolingelb,
CsjHfiN — CH = CjOg =.CeH^ (120).
Darstellung: 1 Mol. Chinaldin und 1 Mol. Phtalsäureanhydrid werden mit Chlorzink auf
200 0 erhitzt Die Schmelze löst man zur Beseitigung unangegriffener Base und Säure bei 100^
in conc. HgS04 und giesst dann in die 20 fache Menge Wasser. Der ausgeschiedene Farbstoff
wird zuerst aus Eisessig, dann aus Alkohol umkiystaUisirt
Goldgelbe, sublimirbare Nadeln. Schmp. 234—235° C. Unlöslich in Wasser,
wenig löslich in Aether, leichter in heissem Alkohol und Eisessig. Rauchende
Salzsäure bewirkt bei 240° C. Spaltung in Chinaldin und Phtalsäure. Das Chino-
phtalon färbt ohne Beize Seide und Wolle lebhaft gelb.
Traue hat aus Cinchoninchinolin ein ß-Phtalon dargestellt, welches bei 235° C.
schmilzt und sonst in seinen Eigenschaften dem oben beschriebenen Phtalon ganz
analog erscheint. Doch muss das Experiment lehren, welches Methylchinolin
im Cinchoninchinolin die Bildung bewirkt hat.
568 Handwörterbuch der Chemie.
« T
7a-Oxymethylchinolin, 7-Oxychinaldin, CgHsCHjOHNCiaa) (Ber. 17,
pag. 540-
Darstellung: Man erhitzt gleiche Moleküle Acetessigester und Anilin unter Lnfkabscfaloss
einige Stunden auf 120^ und trägt das Produkt (Anilacetessigsäure) in conc. H^SO^ ein and
lässt längere Zeit stehen. Nach dem Verdünnen mit dem gleichen Volumen Wasser und genanem
Neutralis iren unter steter Kühlung mit Natronlauge, fällt die Base als dicker Niederschlag aus. Duicii
öfteres Lösen desselben in verd. H^SO^ und Neutralisiren mit Alkali wird sie rein weiss erhalten.
Die Oxymethylbase ist schwer löslich in Wasser, leichter in heissem Alkohol,
unlöslich in Aether. Schmp. 222® C. Vorsichtig erhitzt destillirt sie unzersetzL
Mit Zinkstaub erhitzt wird sie zu Chinaldin reducirt Sie bildet mit Basen und
Säuren Salze. CO3 fallt sie aus ihrer alkalischen Lösung. Ihr Chlorhydrat kiystalli-
sirt in sehr schönen Nadeln, das durch Kochen mit Wasser zerlegt wird. Ihr Sul-
fat, Chloroplatinat und Natronsalz zeichnen sich durch schöne Kiystallformen aus.
laß-Dimethyloxychinolin, Orthotolu-f-oxychinaldin,
CH3C9H4CH3OHN, entsteht durch Einwirkung von conc.HjSO^ auf Orthotoluidin
und Acetessigester (Ber. 17, pag. 542) dem 7-Oxychinaldin ganz ähnlich. Schmp. 1 85° C.
Sa^-Dimethyloxychinolin, Paratolu-7-oxychinaldin,
CH3C9H4CH3OHN. Schmp. 245° C. Entsteht wie die Orthoverbindung (Ber. 17,
pag. 542).
p-Naphto-7-oxychinaldin, Cj^H^NO, aus ß-Naphtylamin, Acetessigester
und Schwefelsäure (Ber. 17, pag. 542). Schmp. 200° C. Bei hoher Temperatur
unzersetzt destillirbar. Nadeln. Mit Zn-Staub erhitzt entsteht Naphtochinaldin.
Cyanine nennt man Farbstoffe, welche bei der Einwirkung von Kaliumhydrat
auf ein Gemisch gleicher Moleküle von Chinolinalkyljodid und irgend einem
Methylchinolinalkyljodid unter Austritt eines Moleküls Jodwasserstofifsäure und
sehr wahrscheinlich eines Moleküls Wasserstoff entstehen nach folgender Gleichung:
CjH.N . (XJ) -+- Ci 0H9N (YJ) = Gl 9H1 3N, (X YJ) -h HJ 4- H,.
X und Y bedeuten hier beliebige Alkylradikale (180). Das erste Cyanin war
von Williams (181) aus Ghinolinamyljodid dargestellt worden. Dieses war aus
Cinchoninchinolin gewonnen worden, welches, wie ihm nicht bekannt war,
Lepidin enthielt. Hofmann (182) hat den Farbstoff genauer untersucht und schloss^
dass er ein Gondensationsprodukt zweier homologer Ghinolinalkyljodide sei. In
jüngster Zeit haben W. Spalteholz und Hoogewerff und v. Dorf (180) durch Dar-
stellung verschiedener Gyanine nach obiger Gleichung Hofmann's Ansicht bestätigt
Dimethylcyaninjodid, CjiHigN,}, entsteht aus Ghinolinmethyljodid
und Lepidinmethyljodid (183). Feine, grüne Nadeln (aus verd. Alkohol).
Schmp. 291° G. Wenig löslich in Wasser mit rothblauer Farbe, die durch Ein-
leiten von GO2 verschwindet und beim Stehen an der Luft wieder erscheint
Es löst sich in Säuren mit gelber Farbe und wird von Ammoniak unverändert
wieder ausgeschieden. Ghloroform und Aceton lösen es wenig, Benzol und
Aether fast gar nicht.
Diäthylcyaninjodid, GjjH^jNjJ. Ghinolinäthyljodid und Lepidinäthyl-
Jodid (183). Grüne, glänzende Prismen. Schmp. 271—273.
Diäthylcyaninjodid, GjsHjjNJ-h iH50(?). Aus Ghinolinäthyljodid und
Ghinaldinäthyljodid (184). Rhombische Prismen und zugeschärfte Tafeln von
glänzender, cantharidengrüner Farbe.
Diisoamylcyaninjodid, G^gH^jN^J, hat Hofmann aus Ghinolinjodisoamylat
erhalten (185). Orthorhombische, cantharidengrüne Tafeln.
Chinolin. 569
Cyanin, C8qH,9N2J, stellte Hofmann aus Lepidinisoamyljodid dar (186).
Glänzende, metallgrüne Prismen, die beim Erhitzen in Amylen, Isoamyljodid und
Lepidin zerfallen.
Es sind ferner Cyanine aus Chinolinalkyljodiden und 3-Toluchinolinalkyl-
jodiden dargestellt worden (183).
f-Methylchinolin. Williams' Lepidin, Weidel's Cincholepidin,
CgHß(CHj)N, (123) wurde von Williams zuerst durch Destillation des Cincho-
nins mit Kali erhalten.
Weidel erhielt es bei der Destillation der salzsauren Tetrahydrocinchonin-
säure mit der 30 fachen Menge Zinkstaub in einer Ausbeute von 58 f.
Darstellung: Nach der besten Vorschrift von Hoogewerff und van Dorf destillirt man
8 Thle. Cinchonin mit 10 Tliln. Bleioxyd aus einer Eisenretorte. Aus der Fraction 230—300° C.
solirt man das Lepidin als saures Sulfat, welches aus Alkohol umkrystallisirt und dann durch
Kali zerlegt wird (1 Kilo Cinchonin pebt 35 Grm. Lepidin) (123).
Die Mssige Base löst sich nicht in Wasser, aber in Alkohol und Aether,
besitzt einen brennenden Geschmack und einen chinolinartigen Geruch. Bildet
mit 2H2O ein Hydrat Siedep. 256-8° C; 256— 258*^; 261— 263° C. Bei der
Oxydation mit CrO., und H2SO4 entsteht Cinchoninsäure, mit KMnO^ Methyl-
pyridindicarbonsäure, zuletzt Pyridintricarbonsäure.
Salze: Chlorhydrat^ C^oHgNHQ; Nadehi. Nitrat, CjoHgNHNO,, feine Prismen.
Saures Sulfat, CiqH^N'HjSO^ ; Nadeln, welche in Alkohol schwer löslich sind; es entsteht
auf Zusatz von H^SO^ zur alkoholischen Lösung der Base. Bichromat, (C^oHgN),H,Cr,Oj,
fiUlt zuerst als Harz, das durch Umrühren krystallinisch wird. Goldgelbe Nadeln (aus heissem
Wasser). Pikrat, CioH9N-CgHjOH(N03), , kleine, gelbe Nadeln, beim Vermischen der
warmen, alkohohschen Lösung der Säure und der Base. Schmp. 207— 208^ C. Tartrat,
CjjjHgN'C^HjOj +H,0, analog dem vorigen Salz bereitet, verharzt auf dem Wasserbade.
Platindoppelsalz, (CioHjNHCOjPtCl^, ist in heissem Wasser und heisser HCl löslich.
PrismenfÖrmige Nadeln von starkem Glanz und gelbrother Farbe. Triklin. Williams und Hooge-
WBRFF und VAN DORP fanden 2 Mol. Krystallwasser. Golddoppelsalz, CjoHgN-HCl-AuClj.
Löslichkeit analog der Pt-Verbindung. Lichtgelbe, glänzende, anscheinend monokline, prismen-
förmige Nadeln. Schmp. 188—190*^ C. Zersetzung tritt beim längeren Erwärmen auf 100— 1 10° C.
ein. Silberdoppelsalz, (CjQHgN)jAgNOj, entsteht durch Erwärmen der Base mit verdtlnnter
Silbemitratlösnng. Weisse Nadeln, welche schon auf dem Wasserbade schmelzen (123).
Jodisoamylat, CioHgN-CjHi J.
Dilepidin, CjoHi^Nj, erhielt Williams bei der Einwirkung von lO^Natrium-
amalgam auf Lepidin in der Siedhitze. Eine Flüssigkeit Das Nitrat, CjoHi^Nj-
HNO3, krystallisirt in scharlachrothen Krystallen (126).
Lepamin, CjoHjjN, (124), wird nach Williams gewonnen, wenn das bei
der Darstellung des Jodisoamylats neben diesem entstehende, in Wasser unlös-
liche Produkt längere Zeit mit Alkalien gekocht wird. Es ist eine Flüssigkeit.
Siedep. 275° C. Dampfdichte = 10-4 (ber. = 10-4). Jodäthyl giebt eine ölige
Substanz, welche mit Kali destillirt eine flüssige Base liefert
Chlorhydrat, C3oH,,N,-(HCl),; schwer löslich. Schmp. unter 100°.
Platindoppelsalz, [Cj^,H,,N3-(HCl),]PtCl4; klebriger, zersetzlicher, in Alkohol lös-
licher Niederschlag.
Nitrolepidin, C9H5(CH3)(N02)N (125), wird dargestellt wie das Nitro-
chinolin. Rhombische Täfelchen (aus Alkohol). Schmp. 125— 127° C.
Platindoppelsalz, [CioH8(NO,)N-HCl]j,PtCl4.
Amidolepidin, C9H5(CH3)(NH2)N (125), ist das Reductionsprodukt des
Nitrolepidins mit Sn und HCl. Schmp. 74° C. Es löst sich in verdünnten Säuren
S70 Wandwörterbuch der Chemie.
mit gelber Farbe. In Wasser ziemlich leicht löslich. In verdünnter HjSO^ ge-
löst giebt es mit Kaliumbichromat eine dunkelrothe Färbung.
Platindoppelsalz, [CioHg(NHj)N-Ha],PtCl4, ist in kalter, verdünnter HQ lödich.
Iridolin, CjoH^N (127), fand Williams im Steinkohlentheer; es siedet bei
252—257° C. Spec. Gew. = 1072 bei 15° C. Es wird wohl mit dem Lepidin
identisch sein.
Cryptidin, Dimethylchinolin (?), (CH3)2C9H5N (128). Nach Leeds wird
Xylidinacrolein in kleinen Portionen destillirt, das gesammelte Destillat durch
Filtriren durch ein nasses Filter von Wasser getrennt und auf 100° bis zum con-
stanten Gewicht getrocknet. Zur Reinigung wird das salzsaure Salz dargestellt;
die dicke, übelriechende Mutterlauge wird abgegossen. Die Krystalle werden
durch Pressen zwischen Fliesspapier gereinigt, in wenig Wasser wieder ge-
löst, filtrirt und die Lösung zur Krystallisation gebracht; dieses Verfahren wird
bis zur völligen Reinheit der Substanz wiederholt Man zersetzt nun mit wenig
Kalilauge, wäscht das Oel mit Wasser, filtrirt, trocknet bei 100° C. und destillin.
Siedep. 270°. Williams fand im Steinkohlentheer ein Cryptidin. äedep. 275° C
Salze: Chlorhydrat, CjjHjjNHa, feine, dünne, farblose, tafelförmige Krystalle, die
unter theilweiser Zersetzung sublimirbar sind.
Platindoppelsalz, (Ci,HiiNHCl)3PtCl4, feine, gelbe Krystalle.
3:2oder 3:4-Dimethylchinolin, 09X15(0 H3)2N, hat Berend nach Skralt»*s
Methode aus Orthoxylidin 1:2:3 dargestellt. Eine gelbliche Flüssigkeit. Siede-
punkt 273—274° 0. Mit rauchender H^SO^ behandelt entsteht eine Sulfosaure,
welche bei 265—266° schmilzt und in der Kalischmelze eine mit Wasserdämpfen
flüchtige Oxybase liefert
Salze: Das Ohloroplatinat und das neutrale Sulfat sind denjenigen des
3-Toluchinolin ganz analog. (S. Berl. Her. Bd. 17 Juliheft.)
1 «
Dimethylchinolin, a:l-OrthomethylchinaldinDöBNER's, (0H,)C9H5(CH,)N
(129).
Darstellung: Wird in gleicher Weise wie das Giinaldin aus Orthotoluidin und Paraldeliyd
gewonnen. Siedep. 252^ C. Farblose Flüssigkeit, die sich am Licht bräunt, in Wasser wenig
löslich, sich mit Wasserdämpfen verflüchtigt und sich in Alkohol und Aether leicht löst.
Salze: Bichromat, (CjiHiiN)3Cr,07H,, krystallisirt aus heissem Wasser, in dem es
leicht löslich ist, in orangegelben Prismen. Platindoppelsalz, (Cj,Hj jNHCQjPtCl^, bildet
hellgelbe, in Wasser schwer lösliche Nadeln.
Hydroverbindung, CHjCiqHjjN, bildet sich wie das Hydrochinaldin ; ÜBrblose FlOssig-
keit; Siedep. 260—262" C Fe^Qg erzeugt in ihren Salzlösungen blutrothe Färbung.
Salze: Chlorhydrat, CjjHijNHCl; Nadehi; in HQ schwer löslich. Platindoppcl-
salz, (C,jHj5NHCl)jPta4; braunrothe, runde Aggregate ganz feiner, concentrisch grappirter
Nadeln. Methylverbindung, CjjHi^NCH,, entsteht durch Erwärmen der Base mit
CH J u. s. w. Siedep. 242—2450 C.
t «
a3-Dimethylchinolin, Paramethylchinaldin, (OH3)09H5(OH3)N(i3o),
wird aus Paratoluidin und Paraldehyd gewonnen. Grosse, farblose, mehrere
Oentimeter lange, rhombische Prismen. Schmp. ca. 60° 0. Siedep. 266—267° C
Die Base riecht ausgesprochen nach Anis, ist in heissem Wasser schwer, in Alko-
hol, Aether und Benzol leicht löslich.
Salze: Das Chlorhydrat, Nitrat, Sulfat und Acetat sind in Wasser leicht löslich.
Bichromat, (CnHnN),Cr307Hj; eigelbe, lange Nadeln, die in kaltem Wasser schwer, in
heissem leichter löslich sind. Platindoppelsalz, (Cj^HuN, Ha)jPtCl^ ; fieist farblose, feine
Nadeln, die in kaltem Wasser sich nicht, in heissem schwer lösen. Hydrobase, CH^C^^Hj^K.
Darstellung wie die der Orthohydrobase ; farblose, leicht bewegliche Flüssigkeit. Siedep. 267^ C
Chinolin. 571
Wasser löst sie schwer, Alkohol und Aether leicht In den Salzlösungen der Base ruft FejClg
eine rothe Färbung hervor.
. 4 a
a4-Dimethylchinolin, Methylchinaldin, (CH3)C9H5(CH3)N (131).
Darstellung bei den isomeren Basen angegeben. Farblose Nadeln. Schmp. 61 ^^ C.
Siedep. 264 — 265° C; in Wasser schwer, in Alkohol, Aether und Benzol leicht
löslich.
Salze: Chlorhydrat, Nitrat, Sulfat leicht löslich. Bichromat, (CjiHuN),Cr,07.H3,
krystallisirt aus heissem Wasser in zolllangen, orangerothen, derben Nadeln. Platin doppelsalz,
(CjjHnNHCOjPtCl^, bildet kleine, hellgelbe, zu BüscheUi gruppirte Nadeln, die in Wasser
schwer löslich sind.
ß
ß-Aethylchinolin, C9H6(CaH5)N (132). Die Darstellung aus Chloräthyl-
chinolin entspricht ganz derjenigen des Chinolins aus Dichlorchinolin. Die Base
verhält sich ähnlich dem Chinolin. Siedepunkt noch nicht festgestellt.
Platindoppelsalz, (CiiHiiN-HCl)2PtCl4, wird aus sehr verd. HQ umkiystallisirt; in
heissem Wasser ziemlich leicht, in kaltem sehr schwer löslich, in Alkohol unlöslich. Die aus
Wasser gewonnenen kurzen, orangegelben Krystalle scheinen Krystallwasser zu enthalten.
ß «
aß-Chloräthylchinolin, CjHß-CjHjClN (132). Wird wie das Dichlorchinolin
durch Einwirkung von PQj auf Aethylhydrocarbostyril erhalten, mit der Modification, dass man
die Flüssigkeit vor dem Uebertreiben mit Wasserdampf mit Soda neutralisirt. Die Aethylbase
ist in den gewöhnlichen Lösungsmitteln, Wasser ausgenommen, leicht löslich. Schmp. 72 — 73° C.
Sie ist eine schwache Base. Das schön kiystallisirende Platinsalz ist in Alkohol leicht löslich
und wird durch heisses Wasser zersetzt.
« ß
Aethylcarbostyril, aß-Oxyäthylchinolin, C9Hß<OH)(C8H5)N (132).
Diese Verbindung verbleibt bei der Darstellung des Chloräthylchinolins nach dem Abtreiben mit
Dampf als krystaUinischer Rückstand, der aus heisser, verd. HCl gereinigt wird. Schmp. 168° C.
Das Platinsalz wird durch Wasser zersetzt.
Dispolin, CuHi,N (133), ist eine ölige Base, welche Williams aus dem Cinchonin-
destillat isolirte. Siedep. (?)° C. Platindoppelsalz, (CiiHiiNHCl),PtCl^.
Tetrachlordispolin, CuH^a^N (134); als solches wird ein von Zorn Tetrachlor-
kiyptidin genanntes Qilorirungsprodukt des Hydrocinchonins in salzsaurer Lösung angesprochen.
Von dem gleichzeitig entstehenden Hexachlorhydrocinchonin wird es durch alkoholfreien Aether
getrennt, worin dieses sich nicht löst. Feine Nadeln. Schmp. 135° C. Unlöslich in Wasser,
schwer löslich in Aether, sehr leicht in Alkohol. Mit Wasserdämpfen flüchtig.
Tetrachinolin, Ci,HijN.
Pentachinolin, CjjHijN.
Isolin, Cj^Hj^N.
Ettidin, CijHjgN.
Validin, CisHjiN.
Diese ftinf flüssigen Basen hat Williams bei der trocknen Destillation des Cinchonins er-
halten und durch UeberfÜhren in ihre Platinsalze getrennt (135)*
3-Phenylchinolin, CßHjCgHgN (136). Stellte La Coste nach Skraup's
Methode aus Paraamidodiphenyl, Nitrobenzol u. s. w. dar. Die nach dem Verjagen
des Nitrobenzols alkalisch gemachte Flüssigkeit wird mit Aether ausgezogen und
der nach dem Verdunsten desselben verbleibende Rückstand aus Petroleumäther
umkrystallisirt.
Die Phenylbase bildet farblose, zu Rosetten vereinigte rhombische Tafeln.
Schmp. 108 — 109° C. Sie ist mit Wasserdämpfen nicht flüchtig und soll bei hoher
Temperatur unzersetzt destilliren. Leicht löslich in verdünnter Salzsäure.
Das salzsaure Salz bildet eine harzartige Masse.
Platindoppelsalf, [C9Hg(C5H5)NHCl]2PtCl4; orangegelbes, krystallmisches Pulver,
57« Handwörterbuch der Chemie.
a
a-Phenylchinolin, C9Hß(C6H5)N (137), wurde zuerst von Döbner und von
Miller durch Erwärmen von Zimmtaldebyd, Anilin und rauchender HCl anf
200—220° C. dargestellt. Grimaux gewann es durch Erhitzen eines Gemisches
Zimmtaldebyd, Anilin, Nitrobenzol und H^SO^. Frtedländer und Göhring be-
reiteten es nach folgender Methode:
Man erwärmt eine Lösung von Orthoamidobenialdehyd und etwas überschüssigem AcetoplienOD
in verdünntem Alkohol kurze Zeit mit einigen Tropfen Natronlauge. Das überschüssige Aceto-
phenon und der Alkohol werden verjagt und durch Na OH aus der rohen angesäuerten Losoog
die Base gefällt, die aus verdünntem Alkohol umkrystallisirt wird.
Zolllange, seideglänzende Nadeln. Schmp. 84° C. Die Base ist in den ge-
bräuchlichen Lösungsmitteln und in Säuren löslich, hingegen fast unlöslich in
Wasser und schwierig flüchtig mit Wasserdämpfen.
Salze: Platindoppelsali, (Ci5HnN.Ha)jPtCl4; gekrümmte, gelbe Nadeln, in heissem
Wasser kaum löslich. Bichromat, Cj jH-^^N^H^Cr^O,; sehr charakteristische, goldgelbe
Blättchen. .
p
ß-Phenylchinolin, C9Hß(CßH5)N(i38), entsteht nach Friedlämder und GöHRUtc,
auf Zusatz von wenig Natronlauge zu einer Lösung von Phenylessigsäurealdehyd und Orthoamido-
benzaldehyd in verdünntem Alkohol. Man reinigt dasselbe durch Umkrystallisiren des ziemÜck
schwer löslichen, salzsauren Salzes aus verd. HQ von Zersetzungsprodukten des Phenylaod-
aldehyds. Natronlauge fällt die Base als farbloses, in der Kälte erstarrendes Oel.
Die Base löst sich leicht in den gebräuchlichen Lösungsmitteln und ist mit
Wasserdämpfen schwer flüchtig.
Salze: Chlorhydrat, CuHuN-HCl; feine, weisse Nadeln. Schmp. ca. 93® C.
Platindoppelsalz, (CijHnN-HCOjPtCl^; feine, gelbe, in kaltem Wasser onlöslicbe
Nadeln.
Flavolin, a7-Phenylmethylchinolin, CjHjCgHgCHjN (139). Zu seiner
Darstellung werden 2 — 4 Grm. Flavenol mit der 10 fachen Menge Zn-Staub innig
gemischt und bei dunkler Rothgluth destillirt; die tibergegangene Base trennt
man von Flavenol mit Natronlauge, nimmt sie in Aether auf, trocknet mit KOH
und destillirt. Bei 360° geht ein hellgelbes Oel über, welches in der Kälte-
mischung zu schönen, farblosen, viereckigen, dicken Tafeln erstarrt, die aus
Ligroin zu reinigen sind. Schmp. 64 — 65° C. Geruch der Base in der Wäimc
an Chinolin erinnernd. Durch KMnO^ geht sie in eine Methylchinolincarbon-
säure über.
Salze: Chlorhydrat, Cj^Hj^NHCl; krystallisirt aus einer Auflösung der Base in staiker
HCl in langen, farblosen Prismen. Platindoppelsalz, (CieH|,NHCl),ltCl4; rötfalicfagelbe
Nadeln, schwer löslich in Wasser. Pik rat, schöne, gelbe Blättchen, äusserst schwierig lösücfa
in siedendem Alkohol. Chromat, sehr schwer löslicher, gelbrother Niederschlag.
Mononitroflavolin, Orthonitrophenylmethylchinolin, C5H5CJH4
(N02)CH,N (139). Ein röthlichgelber Körper, der neben anderen Nitroprodukten
beim Digeriren des in der 10 fachen Menge rauchender Salpetersäure gelösten
Flavolins bei 20— 60° C. erhalten wird. Reducirt man ihn mit Zink und Eisessig
so erhält man das bekannte Flavanilin.
Flavanilin, a^-Orthoamidophenylmethylchinolin,
C9H5(CeHlNH,)(CH3)N (140).
Darstellung: Man erhitzt mehrere Stunden Acetanilid mit Chlorzink auf 250 — 270^ C
Die Rohschmelze wird mit HCl ausgekocht, und der Farbstoff durch Aussalzen unter Zusatz
von etwas Natriumacetat abgeschieden und gereinigt. Auf Zusatz von Ammoniak oder ADcali
' zur verdünnten, wässerigen Lösung des Flavanilinsalzes entsteht ein milchiger Niederschlag; amck
kurzer Zeit finden sich in der Flüssigkeit lange, üarblose Nadeln der%eien Base.
Giioolin. 573
Diese ist in Wasser sehr schwer löslich, leicht dagegen in Alkohol. Aus
Benzol gewinnt man sie in zoUlangen, weissen Prismen. Schmp. 97° C. Die
Base bräunt sich rasch an der Luft, ist bei hoher Temperatur unzersetzt flüchtig
und gegen Reductionsmittel sehr beständig. Sie wird auch erhalten, wenn Ortho-
amidoacetophenon mit Chlorzink auf 230° C. erhitzt wird. In ihren einfach sauren
Salzen bildet die Base rothgelbe Farbstoffe mit prächtiger, moosgrüner Fluorescenz.
Salpetrige Säure verwandelt Flavanilin in Flavenol.
Salze: Zweifach salzsaures Salz, CjgHj^N22HQ. Man löst die Base in verd.
HCl und giesst die nicht zu verdünnte Lösung in conc. HCl; nach einiger Zeit fallen farblose
Nadeln, die in Wasser unter Dissociation leicht löslich sind. Versetzt man die Lösung dieses
Salzes mit etwas essigsaurem Natron und Na Gl, so scheidet sich das einfach saure Salz in gelb-
rothen Prismen mit blaurothem Oberflächenschimmer ab.
Platindoppelsaz, (CigHj^N,, 2HQ)PtCl4, entsteht auf Zusatz einer heissen Lösung
der Base in conc. HCl zu einer siedenden Platinchloridlösung; schwer löslicher, krystallinischer
Niederschlag.
Aethylflavanilin, Jodhydrat, CigHijNjCCgHJHJ. Entsteht durch Erhitzen der
Base mit Jodäthyl unter Druck bei 110° C. Der Röhreninhalt wird aus verd. JH umkrystallisirt
Lange, rubinrothe Nadeln. Ammoniak fällt Aethylflavanilin als farbloses Harz. Phenylflavanilin
entsteht durch Erhitzen der Base mit Uberschtlssigem Anilin und etwas Benzoesäure.
« T
Flavenol, a7-Orthooxyphenylmethylchinolin, C9H5(CgH40H)CH3N
(141).
Darstellung: Flavanilin wird in Überschüssiger HCl gelöst und stark mit Wasser ver-
dünnt, durch Eis gekühlt und mit einem geringen Ueberschuss vonNaNO, versetzt. Man ver-
treibt durch einen kräftigen CO^-Strom Spuren von salpetriger Säure und kocht rasch auf; so-
bald die N-Entwicklung aufgehört hat, versetzt man mit conc. HCl. Nach dem Erkalten scheidet
sich salzsaures Flavenol in farblosen, büschelförmig vereinigten Nadeln ab; man gewinnt durch
Zersetzung demselben mit Ammoniak
das Flavenol, welches aus Alkohol sich in prächtigen, farblosen, irisirenden
Blättchen abscheidet, die unzersetzt sublimiren. Schmp. 238° C. Diese Base ist
sowohl saurer als auch basischer Natur, löst sich ohne Färbung in verdünnter
Natronlauge, dagegen ist sie fast unlöslich in Ammoniak. Mit KMnO^ in alka-
lischer Lösung oxydirt entsteht entweder Methylchinolincarbonsäure (7 a) oder
Picolintricarbonsäure. Mit Zinkstaub destillirt entsteht Flavolin.
Salze: Das Chlorhydrat und Sulfat sind krystallwasserhaltig. Das Platindoppel-
salz ist schwer löslich; gelbe Nadeln. Die Alkalisalze sind intensiv geförbt Das Natronsalz
bfldet schöne, gelbe Blättchen, das Ammoniaksalz prächtige, goldgelbe Tafeln.
Acetylflavenol, C9H5CgH4(OC,HjO)CH,N, wird erhalten durch einstündiges Kochen
von Flavenol mit Essigsäureanhydrid ; das Reactionsprodukt wird mit Wasser verdünnt und mit
Alkali neutralisirt; die ausgeschiedenen Flocken werden aus Alkohol umkrystallisirt. Lange,
prächtige Nadeln oder schmale Blättchen. Schmp. 128'' C.
1-Chinolinmonocarbon Säure, Orthochinolinbenzcarbonsäure,
(COOH)C9HgN (142), wird neben der Metasäure beim Verseifen des rohen
Cyanchinolins gewonnen, ebenso nach folgender
Darstellung: 9 Grm. o-Nitrobenzoesäure, 15 Grm. Amidobenzoesäure, 20 Grm. Glycerin
und 25 Grm. H^SO^ werden 3 Stunden erhitzt Entgegen dem der Darstellung der 3. und 4.
Carbonsäure befolgten Verfahren wird die in Wasser gelöste Reactionsmasse mit BaCl, genau
aosgeÜQlt und das Filtrat von BaSO^ auf dem Wasserbade bis zum dünnen Syrup eingedampft;
nach längerem Stehen erscheinen feine Nädelchen der salzsauren Säure, welche sich durch Zusatz
von Alkohol vermehren lassen. Ausbeute 3—4 Grm. Man krystallisirt wiederholt aus salzsäure-
haltigem, sehr verdünnten Alkohol unter Zusatz von Thierkohle um. Da die salzsaure Carbon-
sänre durch Wasser nicht zersetzt wird, so theilt man eine Lösung derselben in zwei Theile;
574 Handwörterbuch der Chemie.
der eine Theil wird mit so viel Ammoniak versetzt, bis die sich ausscheidenden Nadeln völÜf
verschwinden und dann mit dem anderen Theile vereinigt Die Flüssigkeit gesteht zu einem
Brei weicher Nadeln, welche aus Wasser umkrystallisirt werden.
Die freie Säure scheidet sich aus concentrirten Lösungen wie die Ben7x>esäuie
in weissen, weichen, aus verdünnten Lösungen federartig verästelt anschiessenden
Nadeln ab. Schmp. 186— 187-5® C. Ohne Zersetzung sublimirbar. In kaltem
Wasser und Alkohol ist sie merklich, in der Hitze leicht löslich. Alkalien und
Säuren nehmen sie leicht auf. Mit Aetzkalk erhitzt entsteht Chinolin.
Reactionen: Die wässerige Lösung erzeugt mit Fe^Cl^ schwache Gelbfäri»ung, mit
FeSO^ nichts; mit Ammoniak neutralisirt entstehen mit Ag- und Pb-Salzen weisse, kr^-stallinisclie
Niederschläge, Co-Salze fallen fleischrothe Nädelchen, Ni-Salxe leicht apfelgrüne Schüppchen,
Fe^Clg bräunliche Flocken, in ein gelbes Pulver übergehend. K,Cr,Of, lange, gelbe Nadeln.
Das charakteristische Reagenz ist FeSO^. Es färbt die Ammonsalzlösung im ersten
Moment dunkelpurpurroih, gleich darauf scheidet sich unter Entfärbung der Lösung ein purpor-
rothes bis purpurbraunes, krystallinisches Pulver ab.
Salze: Chlorhydrat, CjoH^NOj.HCl; glänzende Prismen (aus verdünnter HCl), in
kaltem Wasser ziemlich löslich. Alkohol und HCl vermindern die Löslichkeit (CjoH^NO^HCl,
basisches Salz, entsteht beim Verdunsten einer heiss bereiteten Lösung des neutralen SaUes io
grossen, glänzenden, iriklinen Prismen. 100 -001 = 76** 50'; 010-001 = 68** 12'; 100: 010=^86*' 6'.
Schmelzbar nach 001.
Platindoppelsalz, (Cjo^r^^a^^)!^^^!« * auf Zusatz von PtCl« zur fast kochenden
Lösung der Säure in verdünnter Salzsäure scheiden sich feine, orangegelbe Nädelchen ab, die
in Wasser schwer, in heisser, nicht zu verdünnter Salzsäure leichter löslich sind; aus letzterer
fallen sie als rothe Kömer aus.
Silbersalz, C^oH^NO^Ag; entsteht durch Fällen der sehr verdünnten AmmonsalzIOsnag
als ein weisses, grobkrystallinisches Pulver; sonst als gallertartige Masse.
Jodmethylat, C^He(COOH)N.CH,J; feine, goldgelbe Nadehi. Mit Ag,0 behandeb
hinterlässt das Filtrat von AgJ bei freiwilligem Verdunsten einen schwach röthlichen, kiystalli-
nischen Rückstand. Dampft man aber das Filtrat ein, so erhält man die ursprüngliche Säure
wieder.
3-Chinolinmonocarbonsäure, Parachinolinbenz carbonsäure,
s
(COOH)C9HßN; Darstellung wie bei der 1 : 4-(meta) Säure, doch scheiden sich
beim Erkalten der Reactionsmasse allmählich feine Krystalle ab, die vor Zusatz
von Aetzbaryt abgesaugt und mit wenigem Wasser gewaschen werden. Die
Säure stellt ein leichtes, weisses Pulver dar, welches unter dem Mikroskop ge-
sehen aus vierseitigen Täfelchen besteht; in Wasser ausserordentlich schwer, doch
leichter löslich als die 1:4-Säure, reichlicher in heissem Alkohol, sehr leicht in
verdünnten Säuren und Alkalien. Im Capillarrohr sintert sie bei 260° C, erweicht
um 280° C. und verflüssigt sich bräunend bei 291—292° C. Zerfällt mit Aetzkalk
erhitzt in CO^ und Chinolin.
Reactionen: In Wasser suspendirt weder mit Fe^Cl^ noch FeSO^ eine FHrbung. Das
AmmonsaU giebt folgende Niederschläge: mit AgNO,, weiss, in der Hitze pulverig, in der
Kälte gelatinös; Co(NOj),, röthlich flockig; Ni(NO,),, grünlich flockig; KjCrO^, nach einigem
Stehen gelb, körnig krystallinisch; Cu(C,H,0^)2, grünlich blau, wenig kiystallinisch ; FeSO«.
grünlich flockig; BaCl,! sofort weisse, kurze Nadeln; CaCl,, nach einiger Zeit weisse KiystaD-
fUden.
Salze: Kupfersalz [(C,oHgNO,)^Cu+2H,0, basisch?], entsteht durch rasches Hinzofttgen
von Kupferacetat zu einer heissen, höchst concentrirten Lösung der salzsauren Säure und Kochen,
bis die amorphe Fällung krystallinisch geworden. Mikroskopische Blättchen, lichtblaogrQn.
Silbersalz, CjoHgNO^Ag, ganz analog dem Silbersalz der 1:4-Säure, ohne Krystallwasscr.
Kalksalz, (C,oHeNOj),Ca-h2H,0; man kocht die in Wasser suspendirte Säure mit CaCO,;
Filtrat scheidet weisse, dünne Prismen ab. Im kalten Wasser schwer, etwas leichter in heissem
Chinolin. 575
Wasser löslich. Chlorhydrat, CnjHyNOjHa-f HjO. Dies Hydrochlorat erscheint in zwei
Formen, als lange, weiche, durchsichtige Krystallnadeln und als weisses, krystallinisches Pulver;
die erste Form verwandelt sich in die andere bei längerem Verweilen m der Mutterlauge;
Verhalten sonst der 4 Salzsäureverbindung gleich. Platindoppelsalz, (CioHyNOjHCl)3PtCl4,
fallt zuerst in kreuzförmig vereinigten Nadeln, welche in grosse, röthliche Blätter übergehen.
4- Chinolin monocarbonsäure, Metachinolinbenzcarbonsäure,
(COOH)C9HgN (144), entsteht aus Cyanchinolin neben der Orthosäure und durch 5 stündiges
Erhitzen von 18 Thln. Metanitrosäure, 30 Thln. Metaamidosäure, 50 Thln. Glycerin und 40 Thln.
HjSO^; die Reaction tritt bei 140 — 145° C. ein; die Menge wird mit Wasser verdünnt, mit
Ba(OH), genau neutralisirt, ein etwaiger Ueberschuss durch CO, beseitigt, rasch filtrirt, das
Filtrat mit Silbersalzlösung gefällt. Rasche Filtration und Auswaschen wegen eintretender Zer-
setzung durch fremde Körper unbedingt nöthig. Ausbeute ca. 50^. Die Silbemiederschläge in
verdünnter Salzsäure suspendirt, mit HjS zerlegt; durch öfteres Umkrystallisiren in salzsäure-
haltigem .Wasser oder Alkohol unter Zusatz von Thierkohle gereinigt.
Die sublimirte Säure stellt ein überaus leichtes, mikrokrystallinisches Pulver
von blendend weisser Farbe oder auch ein wollartiges Gebilde dar; die gelallte,
ein körnig krystallinisches Pulver; nicht löslich in Aether, Benzol, Schwefelkohlen-
stoff; in Wasser spurenweise, in Alkohol sehr schwer, leicht in verdünnten Säuren
und Alkalien. Siedepunkt über dem Siedepunkt der Schwefelsäure.
Reactionen: Eine neutrale Lösung der Säure in Ammoniak wird von AgNO, weiss, fein-
pulverig gefällt; vonBleiessig weiss, flockig, der Niederschlag wird beim Kochen kiystallinisch,
löslich in verdünnter Essigsäure, aus der dann wieder Wärzchen anschiessen; CaCl, erzeugt
augenblicklich weisse Nadeln; BaCl, auch bei grösster Concentration nichts; Cobaltnitrat
nach einigem Stehen rosagefärbte Prismen (sehr charakteristisch); Nickelnitrat, lichtgrUner
Niederschlag, anfangs flockig, später kiystallinisch ,* Kupferacetat, lichtgrUn, amorph, allmählich,
besonders beim Erwärmen, in schöne, blauviolette Krystalle übergehend; Eisenchlorid, gelb-
flockig; Eisenvitriol, grünlich amorph, Kaliumbichromat, gelbkömig.
Salze: Silbersalz, Cj^HgAgNO, -f- 2HjO; feines, weisses Pulver, in Wasser schwer
löslich, rein vollkommen weiss und gegenLicht wenig empfindlich. Kupfersalz, C^ g^e^^a^"^^
-|-2HgO, basisches Salz, blauviolette, mikroskopische Blättchen; in Wasser und überschüssigem
Kupferacetat unlöslich. Krystallwasser entweicht bei 200° C. Kalksalz, [(CioH6NO,)3Ca],
-J-CiqHjNO, -4- 6HgO, lange, weisse Nadeln, verlieren bei 200° ihren gesammten Wassergehalt.
Chlorhydrat, C10H7NO3HCI+ l^HjO, lange, farblose Nadeln, trocken, ziemlich luft-
beständig; mit Wasser zusammengebracht scheidet sich Carbonsäure aus und HCl wird firei
(80— 90J); salzsäurehaltiges Wasser und absoluter Alkohol lösen unzersetzend. Platindoppel-
salz, (CioHyNOjHa)jPtCl^. Auf Zusatz von PtQ^ erscheinen nach einiger Zeit schöne,
gelbe Kryställchen, unter dem Mikroskop als strahlig gruppirte Blättchen sich zeigend; einmal
gebildet, schwer löslich in Wasser und verdünnter HCl.
a
a-Chinolinmonocarbonsäure, Chinaldinsäure, C9Hg(COOH)N-f-H20
(145), entsteht durch Oxydiren von 10 Grm. Chinaldin mit 28 Grm. CrO, und 40 Grm. conc.
HjSO^ in 100 Cbcm. H,0 auf dem Wasserbade während 4 — 5 Tagen, bis alle CrOg reducirt
ist Mit Ammoniak gefällt, im Filtrat mit berechneter Menge Ba(OH)3 die HjSO^ gefällt;
beide Niederschläge sind auszukochen. Aus der von BaSO^ getrennten Flüssigkeit werden
Chinaldin und NH3 mit Wasserdampf entfernt und das in ihr enthaltene Ammonsalz ins Baryt-
salz verwandelt, dieses genau mit H^SO^ zerlegt, das Filtrat zur Krystallisation eingedampft.
Aus 40 Grm. Base 8 Grm. Säure.
Die Säure krystallisirt aus heissem Wasser in asbestähnlichen, farblosen
Nadeln, welche in der Kälte schwer löslich sind; sie verliert schon beim Liegen
an der Luft das Krystallwasser; trocken schmilzt sie bei 156**, weiter erhitzt zer-
fällt sie glatt in CO2 und Chinolin.
Salze: Sulfat, CjoHyNOjHjSO^ ? in Wasser leicht löslich. Nitrat, CjoHyNOjHNO,,
ixi salpetersäurehaltigem Wasser in der Kälte schwer, in der Hitze leicht löslich ; schöne Prismen.
Sy6 Handwörterbuch der Giemie.
Chlorhydrat, CioHjNOjHQ + HjO; in Wasser ziemlich schwer löslich; aus heissem, salx-
säurehaltigem Wasser in Jossen, wohlausgebüdcten Tafeln. B i Chromat, (Cj j,HyNO,),H,Cr,Oy,
fällt auf Zusatz von CrO, als krystallinisches Pulver; aus heissem Wasser rothe, warzenförmige
Krystalle. Pikrat, CjoHyNOjCgH^OHCNO,),, lange, gelbe, büschelförmig vereinigte Naddn,
in heissem Wasser und Alkohol leicht löslich. Platindoppelsalz, (Cj^HyNOjHCQjPtQ^
-I-2H3O; aus heisser, salzsaurer Lösung in messbaren, tafelförmigen Krystallen. Die Alkalisalze
sind in Wasser leicht löslich. Calciumsalz, Ca(CiQHgN02),, auf Zusatz von CaClj zur
Lösung des Ammoniaksalzes; weisser Niederschlag. Kupfersalz, Cu(CioHjNO,)j -h 2H,0;
Zusatz von CuSO^ zur wässerigen Säurelösung; mikrokrystallinischer, blaugrttner Niederschlag;
in verdünnten Mineralsäuren schwer löslich. Silbersalz, Ag(Cn,HßNOj)-f-(Cij,HyNO,)NO,H
-^H.^O; aus heisser Silbemitratlösung in seideglänzenden Nadeln; lichtbeständig.
(?) «
Nitrochinolincarbonsäure, (N03)C9Hß(COOH)N (146).
Darstellung: 20 Grm. Chinaldin werden mit 200 Grm. conc. HNO, (spec. Gew. 1'4) $0
lange gekocht, bis in einer Probe Ammoniak ein Niederschlag erzeugt wird, der im Ueberschoss
des Fällungsmittels sich wieder löst, was etwa in 40 Stunden eintritt; die eingedampfte, donkel-
gelb« Lösung wird in Wasser gegossen. Es scheidet sich eine gelbe, spröde, harzartige Masse
ab, welche von der Flüssigkeit getrennt wird; aus letzterer gewinnt man mit Aetfaer noch Sub-
stanz, welche mit der Ausscheidung zu vereinigen ist; diese löst man in conc. HQ, filtrirt von
Harzen ab und dampft zur Trockne ein; der Rückstand scheidet sich aus kochendem Wasser in
farblosen Krystallen ab.
Die Säure schmilzt bei 219—220° C, ist schwer löslich in kaltem, leicht in
heissem Wasser. Krystalle zwillingsartig verwachsen.
Salz: Silbersalz, C^oH,AgN204, f^t als ein in Wasser schwer lösliches, farbloses,
krystallinisches Pulver auf Zusatz vonAgNO, zur neutralen wässrigen Lösung des Ammonsalzes.
ß
ß-Chinolinmonocarbonsäure, C9He(COOH)N (147), entsteht durch Er-
hitzen von Acridinsäure auf 120 — 130° oder durch Oxydation von ß-AethylchinoIin.
Darstellung: Man löst 3 Thle. Aethylchinolin in einer hinreichenden Menge verdllnnter
H^SO^, erwärmt auf dem Wasserbade und tropft nach und nach eine Lösung von 3*5 Thln.
CrO, in 15 Thln. Wasser und mit der zur Bildung des schwefelsauren Chromoxyds erforder-
lichen Menge H3SO4 hinzu. Nach Reduction der CrO, fagt man zur Lösung Barytwasser im
Ueberschuss, der durch CO, beseitigt wird; man kocht noch einige Zeit, um intactes Aethyl-
chinolin zu verjagen und gelösten, doppelt kohlensauren Baryt zu zerlegen, und filtrirt; das
Filtrat wird eingeengt und der Baryt mit H^SO^ ausgefällt. Aus dem conc Filtrat scheidet sich
die ß-Carbonsäure fast rein aus. Kleine, undeutliche, gelbe Tafeln. Schmeb-
punkt 271 — 272° C. unter Zersetzung; schwer löslich in kaltem, leichter in heissem
Wasser, ziemlich leicht in heissem Alkohol. Mit CaO geglüht entsteht aßß'-Pyridin-
tricarbonsäure.
Salze: Chlorhydrat, C9H6N(COOH)Ha, lange, farblose, in Wasser leicht löslidie
Nadeln. Pikrat, C^HeNCOOHCsHgOHCNO,),; lange, feine, glänzende Nadek. Sdimp.
bei 216° (Zersetzung). Platindoppelsalz, [C9HgN(COOH)HCl],PtCl4, derbe, orang^elbe,
concentrisch gruppirte Nadeln oder röthlich gelbe Tafeln. Beträchtlich löslich in kaltem, leicht
in heissem Wasser. Kupfersalz, (CjHgNC 00) jCu, blaugrün. Silbersalz, C^H^NCOOAg,
sehr kleine, weisse Prismen, in kochendem Wasser etwas löslich.
Cinchoninsäure, WEiDEL'sY-Chinolinmonocarbonsäure, CgH^COOHN
(148), entsteht bei der Oxydation des Cinchonins mit HNO3, CrOj undKMn04;
bei der Oxydation des Cinchonidins, Cinchotenins und Cinchotenidins mit CrOj,
ferner bei anhaltendem Kochen des Lepidins mit CrO 3 und HjSO^.
Darstellung: Zu einer siedenden Losung von 50 Grm. Cinchonin mit 160 Grm. conc
H,SO^ in 1^ Liter Wasser wird eine Lösung von 110 Grm. CrO^ tropfenweise zufliessen ge-
lassen. Man regelt den Zufluss derart, dass die Farbe der Flüssigkeit nicht zu stark gelblich ist.
Chinolm. 577
Nach beendigter Oxydation wird in der nodi heissen Flüssigkeit das Chrom mit NH, gefällt.
Das Filtrat wird etwas eingedampft, genau neutralisirt, mit Cu(C2HgOj), versetzt und noch
einige Zeit erwärmt. Das ausgeschiedene Kupfersalz wird mit kaltem Wasser gewaschen, in
heissem Wasser suspendirt und durch H^S zersetzt
Die reine Säure kiystallisirt in feinen Nadeln mit 1 Mol. H^O oder in
monoklinen Tafeln oder Prismen mit 2 Mol. HjO. Letztere sind monoklin.
a:^:r = 0-35085: 1:0-54122; ör = 82°16'. Die Krystalle beider Modificationen
verlieren ihr Wasser bei 100** C, erweichen bei 235 — 236° C, und schmelzen bei
253—254° C, sind unlöslich in Aether, sehr schwer löslich in Wasser und Alkohol,
leichter in säurehaltigem Wasser. Starke Säure, welche aber auch mit Säuren
Salze giebt KMn04 verwandelt sie in a-Pyridintricarbonsäure (a-ß-Y). HNO3
lässt zuerst Chinolinsäure, dann Cinchomeronsäure entstehen. Beim Glühen mit
CaO entstehen Chinolin und etwas p-Dichinolylin. Mit KOH geschmolzen ent-
steht ttY-Oxycinchoninsäure.
Salze: Kaliumsalz, KCjoHgNOj -h-J^HjO, entsteht durch vorsichtiges Sättigen der
Säure mit KOH. Blumenkohlartige Krystallvegetationen. Calciumsalz, Ca(C^QH^N0,)2
H-(1^H,0?), kann enti»-eder durch Absättigen mit Ca CO, oder Versetzen der Ammonsalzlösung
mit CaCl, erhalten werden. Glänzende, prismatische Krystalle, in kaltem Wasser fast unlöslich.
Skraup fand kein Krystallwasser. Kupfersalz, Cu(CioHgNO,)j. Setzt man Cu(CjHjO,)j zur
wässerigen Lösung der Säure, so scheidet sich dieses sehr charakteristische Salz in dunkelveilchen-
blanen Blättchen aus, die in kaltem und heissem Wasser gleich schwer, in verdünnten Mineral-
sauren leicht löslich sind. Silbersalz, AgC^oH^NO,; schlägt sich auf Zusatz von AgNO,
zur Ammonsalzlösung nieder; undeutlich krystallinisch, in heissem Wasser fast unlöslich. Feine
Nädelchen, wenn CO, langsam in eine ammoniakalische Lösung des Silbersalzes geleitet wird.
Sulfat, (CnjHyN0,)jH,S04; lange, schwach gelbliche Prismen, durch Wasser leicht zersetz-
lich. Chlorhydrat, C^qH^NO,, HQ, besitzt denselben Habitus und gleiches Verhalten wie
das Sulfat. Nitrat, Ci^H^NO,, HNO,; feine, strahlig gruppirte Nadeln oder grosse, derbe
Prismen. Platindoppelsalz, (C,oHyNO,Ha),PtCl^ (i49); krystallisirt aus viel heisser HCl
in prächtig glänzenden, triklinen Krystallen. <i:^:^= 1*9622:1: 1*3590. Wasser zersetzt es.
« ß
aß-Chlorchinolincarbonsäure, C9H5CICOOHN, entsteht durch Erwärmen
der oß-Oxychinolincarbonsäure mit PQ, auf 140® C Weisse Nadehi. Schmilzt bei 200 <* C,
dabei z. Th. CO, und Chlorchinolin bildend. Durch Kochen mit alkoholischem Kali bildet sich
Aethoxylchinolincarbonsäure.
ttY-Chlorchinolincarbonsäure, a-Chlorcinchoninsäure, Ci^HgClNOj
(150), entsteht durch Erwärmen der ay-Oxysäure mit 5 Thln. PCI5 bei 100—120°. Das
Produkt wird in Wasser eingegossen, mit Soda und Thierkohle gekocht; das Filtrat wird mit
HCl versetzt und der Niederschlag aus kochendem Alkohol umkrystallisirt.
Die gechlorte Säure besteht aus kurzen, weissen Nadeln. Mit JH und P auf 180° erwärmt
entsteht eine Base. Mit Wasser im geschlossenen Rohr auf 170° erhitzt wird die Oxysäure regenerirt.
Tetrahydrocinchoninsäure, C^jHiiNO^ (151); ist bislang noch nicht
in freiem Zustande dargestellt worden; die meisten Umwandlungen sind mit ihrer
Sälzsäureverbindung vorgenommen worden. Bei der Destillation über Zinkstaub
entsteht Cincholepidin -= 7-Methylchinolin. Beim Erhitzen mit einem Gemisch von
Vitriolöl und conc. HjSO^ auf 180—220° C. entsteht ein Gemenge von Disulfo-
und Trisulfocinchoninsäure.
Darstellung: 20 Grm. Cinchoninsäure, 10 Grm. SnCl,, 28 Grm. Sn und 100 Grm.
conc. HCl werden erhitzt; die Lösung färbt sich orangegelb, nach einigen Minuten entfärbt sie
sich wieder und die Reaction ist dann beendigt Der Ueberschuss der Salzsäure wird auf dem
Wasserbade verjagt und das Zinn mit H,S gefällt; das Filtrat wird in einer Retorte im CO,
oder H-Strom eingedampft; die ausgeschiedenen Krystalle der salzsauren Verbindung werden aus
Wasser unter Zufügen von Thierkohle umkrystallisirt
Laoenburg, Chemie. 11. ^j
57& HanclwÖrterbuch der Chemie.
Salie: Chlorhydrat, CioHijNO,HCl -f- l^KjO; monoklineKry staue; ar^ir = 0*9321:
l:l-9425-ß= 90^41'. Das Salz ist ia kaltem und warmem Wasser leicht löslich, anch m
Alkohol. Fe^Gg färbt die wässerige Lösung braungrün, dann grün, schliesslich tritt Entfärbung ein.
Platindoppelsalz, (CioHnNOjHC^jPtCl^; dunkelgelbe Blättchen auf ZusaU von PlQ,
zu einer mit wenig HQ versetzten wässerigen Lösung der salzsauren Verbindung.
Nitrosotetrahydrocinchoninsäure, CiqHio(NO)NOj (152), gewinnt man durch ßn-
tragung von AgNO, in eine heisse, verdünnte Lösung der salzsauren Hydrosäure. Beim Er«
kalten scheidet sich die Nitrosoverbindung ab ; sie ist ziemlich zersetzlich. Kleine, zarte, gelblidi-
weisse, glänzende, prismenförmige Nadeln, die sich in kaltem Wasser fast nicht, in heissem Wasser,
Alkohol und Aether leicht lösen.
Acetyltetrahydrocinchoninsäure, CioHio(C,H,0)NO, (152). Die vollständig ge-
trocknete, salzsaure Hydrosäure wird mit der 40 fachen Menge Acetylchlorid im geschlossenen
Rohre auf 100° erhitzt, bis Lösung eingetreten ist; der Ueberschuss von Acetylchlorid wird ab-
destillirt; nachdem auf dem Wasserbade die letzten Reste des Chlorids verjagt sind, giebt min
zu dem Syrup etwas Alkohol, wodurch alsbald dieser kry stallin isch erstarrt. Die Krystalle werden
aus verdünntem Weingeist und dann aus Wasser rein erhalten. Durch Eindunsten Ober
HjSO^ erhält man stark glänzende, fast farblose Individuen des rhombischen Systems,
a:^:^ = 0*8477 : l:0*5696. Die Acctoverbindung verbindet sich nicht mit Säuren und Pta^.
Die bis jetzt bekannten Metallsalze sind alle leicht in Wasser löslich.
Calciumsalz, [CioH9(C,H30)NO,]3Ca + 2H,0; weisses, glanzloses Pulver, aus raiter
dem Mikroskop sichtbaren, vierseitigen, zugespitzten Prismen bestehend; man gewinnt es durch
Versetzen der wässrigen Lösung mit Ca CO,.
Methyltetrahydrocinchoninsäure, CioHiq(CH3)NO, -h HjO (152);
feingepulverte, absolut trockne, salzsaure Hydroverbindung wird mit Methylalkohol befeuchtet,
im Rohre mit der dreifachen Menge Jodmethyl 3 — 4 Stunden auf IQO*' erhitzt Es bilden sich
zwei Schichten; die leichtere, bräunliche wird verdunstet, die ausgeschiedenen KrystaUnideln
werden von der Mutterlauge getrennt, aus Wasser umkrystallisirt und durch Aether von etmügem
Harz befreit.
Zur Darstellung der freien Säure wird eine kalte, ziemlich verdünnte Lösung dieser KiystaBe
so lange mit aufgeschlämmtem Ag^O versetzt, bis durch einen Ueberschuss desselben der Nieder-
schlag von weiss in braun umschlägt. Man leitet in das Filtrat H^S ein und concentrirt staik,
um Spuren von Ag^S abzuschneiden; bei weiterer Concentration erscheinen farblose, wavdlit-
artige Nadeln, die nur noch einmal aus Alkohol umzukrystallisiren sind.
Die Hydromethylsäure ist eine schwache Säure, welche kohlensaure Salze fast nicht zu zer-
legen vermag. In Wasser zerfliesslich, in Alkohol sehr leicht löslich, nur spurenweise in Benzol,
Aether, Chloroform. Schmp. 169 — 170°; bei 100° erleidet sie schon theilweise Zersetzung.
Chlorhydrat, C^jH, o(CHj)N03HCl + H,0; grosse, vollkommen farblose, demanl-
glänzende Krystalle, welche staurolithartige Durchkreuzungszwillinge bilden. Monoklin. a:iu
= 1-2955: 1:1- 1925 ß = 93° 25' 5". Platindoppelsalz, [CjioHio(CH,)NO,HCl]jPta4;
grosse, gelbrothe, stark glänzende Krystalle mit sehr starker Flächenkrümmung. Jodhydrat,
CjoHio(CH,)NO,.HJ + HjO; farblose, stark glänzende Krystalle. Monoklin. a'Mt
= 1-3104: 1:11417; ß = 90°46'6".
1 17- Sulfochinolincarbonsäure, a - Sulfocinchoninsäure Weidel's»
CioHe(srf03)NO,H-H,0 (153).
Darstellung: 10 Grm. wasserfreie Cinchoninsäure, mit 20 Grm. P3O5 tmd 20 Gm.
Vitriolöl gemischt, werden in geschlossenem Rohr auf 170 — 180° C. erhitzt Die zihe, brann-
gelbe, durchsichtige Masse wird in 150 Cbcm. Wasser eingetragen; die Sulfosäure ftllt aas.
Diese wird von der Mutterlauge abgesaugt, mit Eiswasser von den Mineralsäuren getrennt and
aus siedendem Wasser unter Zusatz von Thierkohle umkrystallisirt Aus der Mutterlauge wird
der Rest gewonnen, indem man dieselbe mit Barytwasser neutraUsirt; es fallen die anorganisdieo
Barytsalze. Das Filtrat wird mit Bleizucker versetzt und das Bleisalz in der Siedehitze durdi
Hj|S zerlegt. Ausbeute 70^.
Chinolm. 57^
Die Sulfosäure ist unlöslich in kaltem Wasser, Alkohol, Aether, Chloroform
und Benzol, siedendes Wasser bringt sie erst allmählich in Lösung. Ihre Krystalle
sind farblos, stark glänzend, sublimiren und schmelzen nicht. System: triklin.
ä:^:^ = 20470:1:0-9954. Das Krystallwasser entweicht bei 100° C. Beim
Schmelzen mit Kali wird a-Oxycinchoninsäure gebildet. Erhitzt man die Sulfo-
säure mit rauchender H2SO4 auf 250°, so geht sie in die ß-Sulfosäure über.
Salze: Kaliumsalz, Cj^gHjKgNSO^ , seideglänzende Nadeln, durch Absättigen der
Säurelösung mit KOH; einmal abgeschieden sehr schwer löslich. Ammoniumsalz,
CjoH4(NH4)jNS05 4-2H20, entsteht durch Verdunsten einer Auflösung der Säure in verd.
Ammoniak im Vacuum in grossen, stark glänzenden Tafeln, die in Wasser ungemein leicht, in
Alkohol schwierig löslich sind. Monoklin, a:^:f = M9: 1:3*53; ß = 95°14'. Calciumsalz,
CjoHjCaNSOj -+- 2-JHjO, wird gewonnen durch Versetzen der Ammonsalzlösung mit CaCl,
oder durch Sättigen der Säurelösung mit Ca CO, in Krystallnadeln, die anscheinend monoklin
sind. Das Krystallwasser lässt sich erst bei 240 — 260^ C. völlig vertreiben. Bariumsalz,
Cj^HjBaNSOj + SHjO; dargestellt wie das Ca-Salz mit BaClj oder BaCOj. Harte, grosse,
weisse, glänzende Krystalle des triklinen Systems. a\b\c^ 3*6890 : 1 : 1*2303. 2 Mol. Krystallwasser
entweichen bei 150° C, das dritte zwischen 260—280'* C. Kupfersalz, CiqHjCuNSOsH-HjO.
Anf Zusatz von Cu(C2H303)2 zur Ammonsalzlösung scheiden sich bei massiger Wärme meer-
grüne Kryställchen ab, die in Wasser kaum löslich sind und bei 150 — 160° wasserfrei werden.
Bleisalz, Cj^HjPbNSOj -i-HjO, fällt nach einigen Tagen auf Zusatz von Bleizucker zu einer
sehr verdtinnten Säurelösung in langen, feinen, seideglänzenden, in Kugelform vereinigten Nadeln,
die in Wasser unlöslich sind und bei 190° ihr Krystallwasser verlieren.
3:7-Sulfochinolincarbonsäure, ß- Sulfocinchoninsäure Weedel's,
Ci,He(SH03)NO,4.2H20 (154).
Darstellung: 4 Grm. getrocknete y : 1-Sulfocinchoninsäure werden mit 16 Grm. starken
Vitriolöls gemischt 8—10 Stunden im geschlossenen Rohr auf 260—270° erhitzt. Die Masse
wird in Wasser eingegossen und löst sich in demselben auf, falls die Reaction vollständig war,
anderenfalls muss von der ausgeschiedenen yil-Sulfosäure abfiltrirt werden. Nun wird mit PbCO,
nur der grösste Theil der HjjSO^, etwa 90 #, gebunden und filtrirl; das Filtrat wird auf ein
kleines Volumen gebracht. Die Sulfosäure scheidet sich alsdann in Btlscheln langer, feiner
Nadeln ab; diese werden in Wasser gelöst und in der Wärme mit wenig verdünnter Bleiessig-
lösnng versetzt, um H^SO^ und Färbesubstanz völlig zu entfernen. Nach Filtration wird das
ttberschUssige Blei mit HgS gefällt und die vom PbS getrennte Flüssigkeit zur Krystallisation
eingedampft; es erschemen alsbald gelblich weisse, prächtig glänzende, wavellitartige Nadeln, die
nochmals unter Zusatz von Thierkohle umkrystallisirt zur völligen Farbloslgkeit gebracht werden.
Ausbeute 72 f.
Die Sulfosäure kann sehr hohe Temperatur vertragen ; sie hat einen äusserst
bitteren Geschmack und färbt Lackmus intensiv roth. Mit KOH geschmolzen
liefert sie ß-Oxycinchoninsäure.
Reactionen: Bleizucker fällt weder in der Kälte noch in der Wärme; Bleiessig er-
zeugt einen voluminösen Niederschlag, der im Ueberschuss des Fällungsmittels als auch in Blei-
zucker sich löst; Kupferacetat zur siedenden concentrirten Lösimg gegeben, ruft einen schönen,
krystallinischen, lichtblauen Niederschlag hervor; Silbernitrat lässt einen weissen, krystallini-
schen, lichtbeständigen Niederschlag fallen. CaCl, und BaCl, geben weder in der wässerigen
noch in der mit NH3 neutralisirten Lösung eine Fällung.
Salze: Saures Ammonsalz, CjoHg[S(NH^)03]N03, kiystallisirt aus einer Lösung
der Sulfosäure in überschüssigem Ammoniak über H^SO^; feine, weisse, seideglänzende, con-
centrisch gruppirte Nadeln.
Bariumsalz, C^oHjBaSNOj 4-H2O; entsteht durch Absättigen einer verdünnten,
siedend heissen, wässerigen Lösung der Säure mit BaCO,; aus dem concentrirten Filtrat scheiden
sich kleine, abgestumpfte, mikroskopische Prismen ab, die nunmehr in Wasser fast unlöslich
sind; das Krystallwasser entweicht erst bei 250° C. vollständig.
37*
5S0 Handwörterbuch der Chemie.
Bleisalz, C^oH^PhSNOg + 4H,0; entsteht wie das Ba-Salz durch Absättigen mit PbCO|;
prächtige, perlmutterglänzende, unregelmässig begrenzte Blättchen, ebenfalls kaum löslidi in
Wasser; bei 105^ verflüchtigt sich das Krystallwasser.
1 :7-Oxychinolincarbonsäure, a-Oxycinchoninsäure WEmEL's,
(0H)C9H5(C0bH)N (153).
Darstellung: 40 Grm. a-Sulfosäure werden in 200 Grm. Aetzkali, welche in 750 Cbcm.
Wasser gelöst sind, eingetragen und rasch eingedampft; die Masse geht beim SchmeUen dnidi
citronengelb in Chromgelb über; man hört zu schmelzen auf^ wenn eine Probe auf Zusatz von
verd. HjSO^ lebhaft SO, entwickelt. Die abgekühlte Masse, in 1| Liter Wasser gelöst, wird
genau mit der dem KOH äquivalenten Menge H,SO^ (sechsfach mit Wasser verdünnt) veisetzt
Nach 8 Stunden wird das röthlich gefärbte Krystallpulver aufs Filter gebracht, mit Wasser ge-
waschen und aus siedendem Wasser umkrystallisirt Um die Säure vollständig zu reinigen, wird
dieselbe in Wasser suspendirt und in der Hitze mit BaCO, versetzt und in Lösung gebradiL
Die von BaCO, befreite Flüssigkeit wird mit Barytwasser versetzt, worauf Ausscheidung erfolgt;
letztere wird in Wasser vertheilt und der Baryt mit H,SO^ abgeschieden; das Filtrat Tom BaSO^
scheidet bald lichtgelb gefärbte, anscheinend monokline, kleine Prismen ab. |
Die Oxysäure ist schwer löslich in Wasser, Benzol etc., etwas leichter in \
siedendem Alkohol, Amylalkohol und Eisessig. Schmp. 254 — 256 ^ Sublimirt
tmter Schmelzen des Restes. KMnO^ oxydirt sie zu Pyridintricarbonsäure, ftir
sich selbst destillirt zerfällt sie in 1-Oxychinolin und CO,.
Reactionen: Aus wässriger Lösung der Säure fällt AgNO, gelb krystallinisch — Blei-
zucker nichts, dagegen Blei es sig, den Niederschlag in seinem Ueberschuss auflösend. Fe|Q|
färbt grün, auf Zusatz von Na^CO, schwärzlich grün. FeSO^ verändert nicht Cu(C,H,0,)|
fällt gelbgrüne Flocken.
Salze: Saures Barium salz, (CjoH^NOj),Ba. Die in Wasser suspendirte Säure
wird mit BaCO, versetzt; das sehr eingeengte Filtrat scheidet lichtgelbe, undeutlich krystallinisdie
Massen ab. Basisches Bariumsalz, CjoH^BaNO, + H^O, wird erzeugt durch Znsatz von
Barytwasser zu einer neutralen Barytsalzlösung; fast weisse, verfilzte Nädelchen; bei 130^ wasser-
frei* Silbersalz, Cj^jHjAgNOj+CjoH^NOj+HjO. Silbemitrat zu einer verdünnten, kalten,
wässrigen Lösung der Säure gegeben, fällt lichtcitronengelbe Flocken, die sich in mikroskopisdie
Nädelchen verwandeln, unlöslich und lichtbeständig sind. Chlorhydrat, C, oHyNOgHCl+HjO;
krystallisirt beim Verdunsten aus einer salzsauren Lösung der Säure in orangegelben, stark-
glänzenden Nädelchen, in grossen Individuen aus einer ziemlich concentrirten Lösung bei 40^ C
Wasser zerlegt in der Wärme. Krystallform: monoklin. <j:^ = 2*817: 1; ß = 107** 4'. Platin-
doppelsalz, (CioHyNO,Ha),PtCl4 + 2H,0. Concentrirtes PtQ^ wird in die salzsanie
Lösung der Oxysäure eingetragen; überH^SO^ erscheinen hellgelbe, asbestähnliche Nadeln, die
auf porösen Platten getrocknet werden, da Wasser und HCl zersetzend wirken.
3:7-Oxychinolincarbonsäure, ß-Oxycinchoninsäure Weidel's, Xan-
thochinsäure Skraup*s, C9H5(0H)(C00H)N -f- H5O (155), ist von Skraup er- |
halten worden durch Verseifen der ChininsäurCi ihres Methyläthers und wird nach
folgendem Verfahren dargestellt.
10 Grm. Sulfosäure werden in 50 Grm. KOH, das in wenig Wasser gelöst^ eingetragen
und erhitzt ; ist alles Wasser verdampft und beginnt das Schmelzen, so ist die Umsetzung scbon
vollendet; die eigelbe Schmelze, welche reichlich SO, entwickeln muss, wird in wenig Wasser
gelöst und mit H^SO^ genau neutralisirt ; durch Zusatz von Eis wird die Oxysäure Tollständig
abgeschieden ; diese wird durch Absaugen von der Flüssigkeit getrennt und mit grossen Mengen
Alkohol in der Siedehitze behandelt Nach dem Verdunsten des Alkohols hinterbleiben gelbge-
färbte Krusten, die mehrere Male aus siedendem Wasser umkrystallisirt werden.
Die Oxycinchoninsäure krystallisirt in kleinen, gelblich weissen, blättcfaen-
förmigen, glitzernden, mikroskopischen, rautenförmigen Tafeln des monoklinen
Systems, ist in kaltem Wasser unlöslich, schwierig löslich in heissem Wasser und
Alkohol, sublimirt unter theilweiser Zersetzung. Schmp. bei 320^ C. Bei der
Chinolin. 581
Destillation entsteht CO, und 3-CbinophenoL Mit KMnO^ liefert sie Pyridin-
tricarbonsäure.
Reactionen: Die wässerige Lösung der Säure wird erst nach einiger Zeit durch AgNO^
krystallinisch geflQlt ; Bleizucker fWt nichts, B 1 e i e s s i g dagegen einen gelblichen Niederschlag,
der im Ueberschuss des Reagenz löslich ist; Fe^Cl^ und FeSO^ fUrben nicht.
Salze: Neutrales Bariumsalz, Ci^^H^BaNO,, entsteht auf Zusatz von BaCO, zur in
siedendem Wasser suspendirten Säure; undeutliche, gelblichweisse , krystallinische Krusten.
Saures Bariumsalz, (CiQHgNO,),Ba + 6H,0, wird gefüllt auf Zusatz von BaCl, zur neu-
tralen Ammonsalzlösung; schwer löslich in kaltem Wasser ; Krystallkrusten mattgelber Farbe; das
Krystallwasser geht erst bei 160® vollständig ab. Saures Calciumsalz, (Cij,HgNO,),Ca
+ 10H,O, wird wie das Ba-Salz dargestellt mittelst CaCl^-Lösung; lichtstrohgelbe Nädelchen,
aas der Mutterlauge ziemlich lange, spröde Nadeln; bei 170® entweicht erst das Krystallwasser.
Silbersalz, C|0HgNO,Ag4-2H2O. Silbemitrat, mit der Ammoniaksalzlösung vermischt, erzeugt
einen erst weissen, dann gelbflockigen Niederschlag, der, auf porösen Platten getrocknet, homogen
Uchtgelb wird; verwittert überHgSO^ vollständig; bei 170® färbt er sich braun. Kupfersalz,
(CjQHgNO,)jCu4-HjO, wie oben, mittelst Kupferacetat. Beim Fällen entstehen zeisiggelbe
Flocken, die beim gelinden Erwärmen sich in ein schweres, tief dunkelgrünes Krystallpulver ver-
wandehi, kaum löslich in Wasser. Chlorhydrat, CjoHTNOjHa + H,0 (lufttrocken), scheidet
sich aus einer Lösung der Oxycinchoninsäure in conc. HCl als ein Haufwerk feiner, schwach
gelblicher, stark glänzender, anscheinend monokliner Nadeln aus. Wasser zerlegt das Salz.
Chlorhydrat, C|oH7NO,HQ+ 2H,0, gewinnt man aus verdünnten, wenig freie HCl ent-
haltenden Lösungen in goldgelben Nadeln. Wasser zersetzt ebenfalls; Alkohol löst auch in der
Wärme unverändert. Ueber H^SO^ oder bei 2 stündigem Trocknen bei 100® verschwindet das
erste Mol. HjO, bei 110—120® das zweite. Sulfat, (CioHtNO,),H,S04 4- 3H,0. 1 Mol.
Xantfaocfainsäure wird mit der 1 Mol. H^SO^ entsprechenden Menge Normal-H^SO^ übergössen, auf
Zusatz von Alkohol und etwas H^SO^ und Erwärmen tritt dann Lösung ein. Nach dem Erkalten
erscheinen goldgelbe Prismen. 2 MoL H,0 entweichen bei 130®; das dritte MoL geht bei 190®
noch nicht ab. Platindoppelsalz, (CioHTNO,HCl),PtCl4 +H,0 (?), scheidet sich auf
Zusatz conc. PtCl^ zur Lösung der ß-Oxycinchoninsäure in starker Salzsäure in gelbgefkrbten,
kleinen, glänzenden, anscheinend monoklinen Tafeln ab, welche durch Wasser zerlegt werden.
Platindoppelsalz, (CioHyNO,HCl),PtCl4 + 6H,0. Vermischt man eine salzsaure Lösung
, der Xanthochinsäure mit PtQ^, so entsteht ein Haufwerk breiter Nadeln von gelbbrauner Farbe
und lebhaftem Glanz, die nach dem Pressen und Trocknen mnsivgoldähnlich erscheinen.
Methyläther der ß- Oxycinchoninsäure, Chininsäure Skraup's,
CnH.NOj (156).
Darstellung: Zu 10 Thln. Chininsulfat, [(C,oH,4N,0,)HjS04 4- 2H,0], und 30 TMn.
conc. HjSO^ in 200— 250 Thln. Wasser werden in der Siedehitze 20 Thle. CrO, in wässeriger
Lösung derart tropfenweise zugeftlgt, dass diese Operation in nahezu 2 Stunden beendigt ist.
Man kocht im Ganzen 2^ Stunde, reduzirt dann unzersetzte CrO, durch etwas Alkohol; die
grttne Flüssigkeit wird unter stetem Rühren in eine kalte Auflösung von 80—90 Grm. KOH
in ^ Liter Wasser eingetragen. Die klargrüne, alkalische Lösung wird in kupfernen Kesseln
gekocht, bis alles Cr^O, geftlllt ist; die nun gelbe Flüssigkeit wird abgehebert, der Niederschlag
durch Decantiren gewaschen, colirt und gepresst; das Waschwasser wird mit der gelben Flüssig-
keit vereinigt, mit H^SO^ nahezu neutralisirt und concentrirt Man lässt 2 — 3 mal Kalium-
solfat auskrystallisiren; die Mutterlauge, mit dem gleichen Volumen Alkohol vermischt, wird
nach mehrstündigem Stehen vom ausgefallenen K,SO^ getrennt; man destillirt den Alkohol ab,
dampft ein und fällt die gesuchte Säure mit HCl oder H,SO^ aus; diese wird aus verdünnter,
heisser Salzsäure umkrystallisirt unter Zusatz von Thierkohle.
Chininsäure krystallisirt in schwach gelblichen, langen, dünnen Prismen; sehr
schwer löslich in kaltem und heissem Wasser; verdünnte HCl und H^^SO^ lösen
leicht mit gelber Farbe, Essigsäure schwieriger, Alkalien leicht und ungefärbt,
Aether und Benzol nur spurenweise. Alkohol löst kochend schwierig mit sehr
582 Handwörterbuch der Chemie.
schöner, blauer Fluorescenz. Schmp. 280° C. Bei der Oxydation von Chinidin
entsteht ebenfalls Chininsäure.
Salze: AgNO, erzeugt in der neutralen Ammoniaksalzlösung einen pulverigen, licht-
beständigen Niederschlag, CuHgAgNO,.
Calciumsalz, (CiiHgN0,)2Ca + 2HjO; zu der in siedendem Wasser suqpendiiten
Säure wird bis zur vollständigen Auflösung dUnne Kalkmilch gegeben und der ttberschüssige
Kalk durch CO, ganz ausgefällt; nach dem Erkalten scheiden sich flache Rosetten weisser
Nadeln aus, die in kaltem Wasser ziemlich leicht, in heissem reichlicher löslich sind. Das
Kry Stallwasser entweicht zwischen 155 — 200° C.
Bariumsalz, (Cj2HgNO,)2Ba + 4H,0, wird analog dem Ca-Salz mittelst Barjtwasser
hergestellt Kupfersalz, (CiiHgNO,),Cu + l^H^O; Kupferacetat föllt aus einer Lösung der
Säure in starker Essigsäure nach einiger Zeit Nadeln der freien Säure; aus dem grünen Fütrat
erscheinen nach dem Verdunsten dunkelgrasgrtlne, mit gelblichen Individuen vermischte KrystBÜe.
die nicht analysirt sind. Fügt man Kupferacetat zur Ammonsalzlösung, so entsteht beim Er-
wärmen ein schweres Pulver, grauviolette Krystalle, die gewaschen und getrocknet lichtlavendel-
blau sind und obige Zusammensetzung zeigen. Chlorhydrat, C^ jH^NO^HCl + 2H,0,
krystallisirt aus Lösungen der Säure in massig verdünnter HCl in gut ausgebildeten, tafelartigen
Krystallen, die asymetrisch sind und monosymmetrischen Habitus haben. 110:001 = 75' 28'.
110-001 = 74'* 41', 110:110 = 55'' 10'; durch Wasser wird die Verbindung leicht zcriegt
Platindoppelsalz, (CiiHjNO,Ha),Pta4 4- 4H,0, fällt auf Zusatz von PtQ^ zu einer
ziemlich verdünnten, wenig überschüssige HCl enthaltenen Lösung der Salzsäureverbindung in
langen, lichtgelb gefärbten Nadeln. (CiiH9NO,HCl)3PtCl4 entsteht, wenn in der vorbeschrie-
benen Lösung mehr Salzsäure vorhanden oder aus den Mutterlaugen derselben, in ziemlicli
grossen, orangerothen Prismen.
■
aß-Oxychinolincarbonsäure, Carbostyril-ß-carbonsäure, CjHjOH-
P
COOH'N, entsteht beim Erhitzen von Orthoamidobenzaldehyd und Malonsäure auf
120° C. Krystallisirt aus Alkohol in breiten Nadeln oder langen Spiessen. Schwer
löslich in den gebräuchlichen Lösungsmitteln, etwas leichter in kochendem Eis-
essig und Alkohol. Schmp. Ober 320° C. Beim Erhitzen des Silbersalzes im
COjj-Strom sublimirt Carbostyril. Mit PCI5 auf 140° C. erwärmt entsteht aß-Chlor-
chinolincarbonsäure, welche mit alkoholischem KOH gekocht in aß-Aethoxyl-
chinolincarbonsäure, welche bei 133° C. schmilzt, übergeführt wird. Friedlander
und GöHRiNG, Ber. 17, pag. 456.
Salze: Bariumsalz, (C2oH0NO,)2Ba, kleine, vreisse Nädelchen. Kupfersalz, blass-
grtlne Nädelchen. Silbersalz, CioHjNOjAg^, gelbliche Nädelchen. '
a7-Oxychinolincarbonsäure, 7-Carbostyrilcarbonsäure, Oxycin-
choninsäure Königs, CioHjNOj (157).
Darstellung: Cinchoninsäure wird mit 3 — 4 Thln. KOH und wenig Wasser geschmokeo.
Die Masse schäumt stark auf und wird bräunlich, man erhitzt nicht zu lange, um Ammoniak-
und Chinolinentwicklung zu vermeiden. Die Schmelze löst sich klar in Wasser auf. HCl ftUt
braune, voluminöse Flocken der neuen Säure, welche einige Male aus kochender verd. HQ ood
zuletzt unter Zusatz von Thierkohle aus kochendem Wasser umkrystallisirt werden.
Die Oxysäure krystallisirt entweder in weissen, kurzen, sternförmig gruppirten
oder in langen, feinen, verfilzten, seideglänzenden Nadeln, ist in kaltem Wasser
kaum löslich, in heissem auch noch schwierig, leichter in heissem Alkohol und
Eisessig. Schmp. 310°. Bei vorsichtigem Erhitzen sublimiren gelbe Nadeln.
Durch Erhitzen des Silbersalzes entsteht neben Chinolin Carbostyril. Mit PCI5
wird a-Chlorcinchoninsäure erhalten. MitJH und P auf 180° erhitzt entsteht eine
Base. Ihre Ag-, Ba-, Ca-, Pb-, Hg- und Ag-Salze sind ziemlich leicht löslich.
Salze: Silbersalz, CjQHgNOjAg; weisse Schuppen oder Flocken, (C,0HjNO,)^Cn,
hellgrüne Nädelchen.
Chinolin. ' 5S3
Aethoxylcinchoninsäure, C9H5N(OC2H5)COOH (157). Die gechlorte
Säure wird mit einer Natriumalkoholatlösung gekocht. Der Rückstand nach dem
Verjagen des Alkohols mit verd. HCl oder H^SO^ angesäuert; die Chlorchinolin-
säure bleibt ungelöst; das saure Filtrat wird mit NajCO, nahezu neutralisirt und
mit CjHjOjNa versetzt, die Ausfallung wird durch Kochen mit Wasser und Thier-
kohle gereinigt.
Der Aether erscheint in schönen, haarförmigen Nadeln. Schmp. 145—- 146°;
er ist in heissem Wasser und Alkohol leicht löslich, ebenso in verdünnten
Mineralsäuren.
Salze: Bleiacetat erzeugt einen schwer löslichen Niederschlag.
Silbersalz, [C9H5N(OCj,H5)COjAg + C9H5N(OC,H5)COOH]. entsteht durch Um-
kiystallisiren des auf Zusatz von AgNO, entstehenden, gelatinösen Niederschlag aus sehr viel
heissem Wasser.
Platindoppelsalz, (C, jHiiNO,HCl)jPta4, ein schön krystallisirendes Salz.
Erhitzt man den Aether auf 230—240°, wobei er bei 146** klar schmilzt, bei 170® zu einer
Krystallmasse erstarrt, pulvert die Schmelze, schüttelt mit kalter Sodalösung und krystallisirt den
Rückstand, so erhält maiL in schönen Nadeln den isomeren
« T
Aethylester der Oxycinchoninsäure, C3HjN(OH)COj,C3Hj (157). Schmp. 206 bis
207*^ C.
« T
Diäthyläther, C9HjN(OC,Hj)(C03C5,H5), entsteht durch Vermischen des äthoxylsauren
Silbersahes mit C^H^J und als Nebenprodukt bei der Destillation des Fauren äthoxylsauren Silbers.
? ?
Kynurensäure, Oxychinolincarbonsäure, C9H;.(OH)(COOH)Nh-H30
(158). Dieselbe ist von Liebig im Harn von Hunden gefunden worden, die aus-
schliesslich mit Fett oder sehr fettreichen Substanzen gefuttert wurden, Kretschv
fand indess, dass die Ausbeute an Säure bei ausschliesslicher Fleischnahrung am
grössten sei.
Zur Darstellung wird der frisch gelassene Harn sofort filtrirt, mit HQ angesäuert. Man
lässt die angesammelte Tagesquantität 24 Stunden stehen. Der Niederschlag wird filtrirt und gut
ausgewaschen. Die lufttrockne Substanz wird öfters in verdünntem, kaltem Ammoniak gelöst iind
mit Essigsäure wieder ausgefällt.
Ein anderes Verfahren giebt Hofmeister an (2^itschr. f phys. Chemie V, pag. 70). 10 Liter
Hundeham werden mit 1 Liter conc. HCl und so lange mit Phosphorwolframsäure versetzt, als
noch eine Fällung entsteht Diese wird mit verdünnter HjSO^ (öilOOHjO), bis kein Chlor
mehr nachweisbar ist und darauf mit Barytwasser angerührt, siedend mit Barythydrat stark alkalisch
gemacht und filtrht. Nachdem überschüssiges Barythydrat durch CO, entfernt ist, wird das
Filtrat concentrirt. HCl scheidet dann die Kynurensäure aus.
Dieselbe krystallisirt in silberglänzenden, schmalen Nadeln (wahrscheinlich
rhombisch). Sie verliert ihr Krystallwasser erst bei 140— 145° C. Schmp. 257
bis 258° C. In Wasser fast unlöslich, löslich in heissem Alkohol und etwas in
Aether. Mit KOH längere Zeit geschmolzen geht sie unter CO 2- Abspaltung in
Kynurin über. Mit Bromwasser behandelt entsteht Tetrabromkynurin und CO3.
Mit Zn im CO^-Strom geglüht wird Chinolin und COj, gebildet MitKMnO^ in
alkalischer Lösung oxydirt entsteht Kynursäure, ein Isomeres der Carbostyrilsäure
(102). Mit Essigsäureanhydrid entsteht eine unbeständige Acetylverbindung, mit
PCI5 und POCI3 erwärmt eine gechlorte Säure.
SaUe: Bariumsalz, (CioHgNOj)jBa 4- 4^1130, feine, seideglänzende, pfriemenähnliche
Nadeln, die in kaltem Wasser schwer, leichter in heissem Wasser löslich sind. Beim Trocknen
ttberHjSO^ geht 1 Mol. H,0 fort, der Rest bei 150— löö'^C. Calciumsalz, (CioH5NO,),Ca
+ 2HjO, feine, seideglänzende, schneeweisse Nadeln, die etwas löslicher sind als die des Baryt-
584 Handwörterbuch der Chemie.
Salzes. Kupfersair, (CioHaNO,)jCu + 2H,0, entsteht auf Zusatz von CuQ, nur oArtnüen
Aminonsalzlösung. Gelblichgrttne Fällung mikroskopischer Nadeln, die äusserst schwer lösüdi
smd. Silbersalz, CjoHgNOjAg + HjO. Ein weisser, beständiger Niederschlag auf Zusats
von AgNO, zur neutralen Ammonsalzlösung. Das Wasser ist nicht ohne Zersetzung auszutrdbcD.
Ammonsalz, C^oHgNO^'NH^, ungemein löslich, entsteht durch Ueberleiten von Ammoniak-
gas tlber die trockne Säure. Kaliumsalz, CioHgNO,K + 2H,0. Lange, flaumige, seide-
glänzende Nadeln, die sehr leicht löslich sind. Chlorhydrat, C^qHyNO^'HQ, wird durch
Wasser zerlegt.
a*l-Methylchinolincarbonsäure, Orthochinaldincarbonsäure, Döb-
NER u. Miller, Ber. 17, pag. 938. Aus Anthranilsäure, Paraldehyd und conc. HO.
Farblose Nadeln. Schmp. 151° C. Bei höherer Temperatur verdampft sie unter
theilweiser Zersetzung und Abspaltung von Chinaldin. Etwas löslich in kaltem,
sehr leicht in heissem Wasser und Alkohol. Aus Wasser umkrystallisirt enthält
die Säure iHjO.
Salze: Chlorhydrat, C^jH^NO,, HCl, krystallisirt aus wenig heissem Alkohol in
schiefen Täfelchen.
Platindoppelsalz, (C,iH9NO,-HCl),PtCl4 +2H3O, grosse, rothe Prismen. Schwer
löslich in kaltem Wasser.
Kupfersalz, (CiiHgNO,),CuH- 1|H,0, dunkelgrüne, kleine Nadeln. Bei 100® C ge-
trocknet entweicht nur 1 Mol. H3O.
a • 3-Methylchinolincarbonsäure, Parachinaldincarbonsäure,
s a
COOHCjHßCHjN, entsteht aus Paramidobenzoesäure, Paraldehyd und conc.
HCl. Nadeln, nicht ohne Zersetzung sublimirbar. Die Säure ist in siedendem
Wasser sehr schwer löslich, leicht in siedendem Alkohol. Schmp. 259° C, sich
vorher bei 240^ C. bräunend (s. Berl. Ber. 17, pag. 939).
Salze: Chlorhydrat, Cj jH^NO^-HCl + H3O, feine Nadeln, welche sich allmählich in
gut ausgebildete Prismen verwandeln (aus heisser, salzsaurer Lösung). Das Salz ist schwer I5s-
lich in HQ und wird von ihr aus wässriger Lösung ausgefällt
Platindoppelsalz, (C, ,HjNO,.HCl),PtCl4 + 4H,0, tafelförmige, monokline KiystiUc.
Nur in heissem, salzsäurehaltigem Wasser löslich. Das Krystallwasser entweicht bei 100® C,
auch über H^SO^.
Chromat, (CiiH9N02)2Cr207H3, rothe Nadeln. In kaltem Wasser schwer, in heissem
leicht löslich.
Calciumsalz, (CiiH8NO,)3Ca+ 2H,0, federartig gruppirte Kiystalle. Schwer löslicb
in Essigsäure. Das Krystallwasser entweicht erst bei 250® C vollständig.
Silbers alz, C^^H^NO^Ag, fällt auf Zusatz von AgNO, zur Ammonsalzlösung als gallert-
artiger Niederschlag, der durch Kochen in ein schwer lösliches, krystallinisches Pulver Ubeigeht
Kupfersalz, (Ci2H3NO,)3Cu + 6H,0, kleine, concentrisch verwachsene Blättchen.
Bleis alz. Gut ausgebildete Prismen.
a-4-, oder a'2-Methylchinolincarbonsäure, Metachinaldincarbon-
säure, COOHC9H5CH3N, vard gewonnen aus Metamidobenzoesäure, Paraldehjd
und conc. HCl. Lange, seideglänzende Nadeln. In Wasser fast unlöslich, in
Alkohol ziemlich leicht, namentlich in heissem. Sublimirt unter theilweiser Zer-
setzung in feinen, wolleartigen Nadeln. Schmilzt bei 285° C, unter Bräunung
bei 270° C. (s. Berl. Ber. 17, pag. 941).
Salze: Chlorhydrat, C^^H^NO, »HCl + H3O, kleine Tafeln. Schwer löslich in kaltem,
leicht in heissem Wasser; in salzsäurehaltigem sehr schwer löslich.
Platindoppelsalz, 4(CiiH9NOj-HCl)PtCl4 (?) monokline Prismen.
Chromat, (C, ,H,N0,),Cr30^Hj, goldgelbe, büschelförmig vereinigte Nadeln.
Calciumsalz, (CjjHgNOjJjCa + 2HjO. Prismen. Schwer löslich in Wasser, leicht in
Essigsäure.
Chmolin. 585
Silbersalz, CnHgNO,Ag, voluminöser Niederschlag, der in der Wärme krystallinisch wird.
Kupfersalz, (Cj^HgNO,)3Cu + 3H,0, blaugrtlner Niederschlag, der sich nach und nach
in hellgrüne Täfelchen verwandelt. Das Krystallwasser ist nur durch die Elementaranalyse bestimmbar.
Aniluvitoninsäure, Methylchinolincarbonsäure(?), CjHjCHj-COOH,
hat BöTTiNCER entdeckt (159).
Darstellung: 1 MoL Brenztraubensäure wird mit einer etwas mehr als 1 Mol. ent-
sprechender Menge Anilin gemischt und mit» Wasser verdünnt in einem Kolben unter Ersatz des
verdunstenden Wassers zwei Stunden lang gekocht. Nach Zusatz von HCl wird die Flüssigkeit
eingedampft. Der hinterbleibende, dickliche Syrup wird, um ein Harz zu entfernen, mit viel
Wasser versetzt und filtrirt. Etwas salzsaures Anilin wird durch Zerlegen mit Ammoniak und
Aufnehmen in Aether beseitigt. Aus der wässrigen Lösung scheidet sich dann das salzsaure
Salz ab.
Die Säure entsteht auch beim Kochen der Anilbrenztraubensäure, und wird
durch Zerlegen des salzsauren Salzes durch Wasser in glänzenden Blättchen ge-
wonnen, welche bei 241—242° C. schmelzen; sie sublimirt beim vorsichtigen Er-
hitzen z. Th. in kleinen Nadeln.
In kaltem Wasser löst sie sich schwierig, in heissem leichter, leicht in Alko-
hol und Aether. Verdünnte Säuren und Alkalien nehmen sie sehr leicht auf
unter Bildung von Salzen. Bei der Destillation mit Natronkalk geht Chinolin
über, bei derjenigen mit Aetzkalk Methylchinolin. Reducirt man sie mit Zn und
HCl, so entstehen Anilin und das salzsaure Salz eines Körpers, der auf Zusatz
von PtCl^ unter Abscheidung von Pt wahrscheinlich das Platindoppelsalz der
Aniluvitoninsäure liefert. Brom oder Chlorhydrat wirken auf die in Chloroform
suspendirte Säure addirend ein; doch werden sie durch Wasser wieder vollkommen
abgespaltet. Erhitzt man Brom im geschlossenen Rohr mit der Säure, so ent-
steht neben Additionsprodukten eine unlösliche Bromverbindung.
Salze: Chlorhydrat, Cj|HgNO,*HCl, lange, farblose Nadeln, die sich leicht in verd.
HQ, schwieriger in conc. HCL lösen. Alkohol nimmt sie in der Wärme reichlich auf. Wasser zer-
legt das Salz in seine Componenten. Bromhydrat, C| jH9NO,*HBr+2H,0 undC^^H^NO^^BrH
-I- ^H,0. Die erste Modification scheidet sich aus verdünnten Lösungen in prächtig irisirenden,
grossen, prismatischen, tafelartigen Krystallen ab, die zweite aus heiss gesättigten Lösungen beim
raschen Abkühlen in langen Spiessen. Chloroplatinat, (C2iH9NO,HCl),PtCl4 + 2H,0,
durch Versetzen einer Lösung des Chlorhydrats mit PtCl^ und Umkrystallisiren der erhaltenen
Krystalle aus heissem, salzsäurehaltigem Wasser. Barium salz, (CjjHj)NOj),Ba, entsteht durch
Lösen der Säure in Barytwasser. Nadeln oder compakte Krystalle, die in kaltem und heissem
Wasser schwer löslich sind. Silbersalz, CjjHgNOgAg, weisses krystallinisches Pulver, das
in NH3 und HNO, leicht löslich ist und bis auf 120^ C. ohne Zersetzungerhitzt werden kann.
Jodmethylverbindung. Beim Erhitzen des in Methylalkohol gelösten Cblorhydrats mit
Jodmethyl resultirt ein in kaltem Wasser unlösliches Pulver, welches aus Aether-Alkohol in
cantharidenglänzenden Krystallen anschiesst Schmp. bei 218° C. Bei 164° C. findet schon Zer-
setzung statt
aß-Methylchinolincarbonsäure, CJ1H9NO,.
Darstellung: Die Säure wird gewonnen durch Erhitzen ihres Esters mit Na OH auf dem
Wasserbade oder mit wässriger HCl auf 120° C; aus der Lösung fällt sie bei vorsichtiger
Neutralisation als schwer löslicher, weisser, krystallinischer Niederschlag.
Die Säure ist in den gebräuchlichen Lösungsmitteln schwer löslich, in Wasser
fast unlöslich; aus viel Alkohol krystallisirt sie in farblosen, breiten Nädelchen.
Schmp. 234° C.
Das salzsaure Salz ist in tIberschUssiger HCl schwer löslich und liefert mit PtCl^ ein
Doppelsalz.
aß-Methylchinolincarbonsäureäthyläther, CjH5N(CH,)(CO^C,H5)
(160).
586 Handwörterbuch der Chemie.
Darstellung: Eine wässrige Lösung von Orthoamidobenzaldehyd wird mit einer alkalischen
Lösung von Acetessigester versetzt; die Flüssigkeit trUbt sich, und nach kurzer Zeit entstehen
lange, weisse Nadeln des Esters, die aus verdünntem Alkohol umkrystailisirt werden.
Der Ester ist in den gebräuchlichen Lösungsmitteln und Mineralsäuren leicht
löslich, nicht in Wasser. Schmp. ca. 71° C.
Salze: (Cj,Hi3NOjHCl)2PtCl4 + 2HjO, wird gefällt aus salzsaurer Lösung mit Pta4
und aus heissem Wasser umkiystallisirt. Breite, goldgelbe Nadeln.
7a(?)-Methylchinol in carbon säure, Lepidincarbon säure,
C9H5CH3COOHN (161).
Darstellung: Zu 5 Grm. Flavenol, das in wenig sehr verdtlnnter Natronlauge gelöst ist,
fügt man nach und nach eine kalt gesättigte Lösung von 30 Grm. KMnO^ hinzu; sobald die
Energie der Einwirkung nachlässt, wird dieselbe durch Erwärmen auf dem Wasserbade be-
schleunigt. Man filtrirt, stumpft nahezu mit verd. HNO 3 ab und engt die nur noch schwach
alkalische Flüssigkeit ein. Die sich abscheidenden Salpeterkrystalle werden entfernt, die Lösung
kalt mit HNO, genau neutralisirt und mit Bleinitrat gefällt; das Bleisalz wird mit kaltem
Wasser ausgewaschen und mit HjS behandelt; nach Verdunsten des Filtrats resultiren gelb ge-
färbte Nadeln der Säure, welche aus wenig Wasser mit Hilfe von Thierkohle gereinigt werden.
Die Lepidincarbonsäure ist sehr leicht löslich in Wasser, besitzt einen gelben
Stich. Ihr Verhalten erinnert an die organischen Amidosäuren. Sie schmilzt bei
182° unter stürmischer COj-Entwicklung unter Hinterlassung eines Oeles, welches
wohl mit Y-Lepidin identisch ist.
Das Platindoppelsalz bildet schöne, goldgelbe, flache Tafeln, welche lichtbeständig sind,
das Blei-, Baryt- und Silbersalz sind in kaltem Wasser schwer löslich. Das Nickelsalz ist leicht
löslich.
Acridinsäure, aß-Chinolindicarbonsäure, C9H5(COOH)2N -h 2H,0,
erhielten Graebe und Caro durch Oxydation des Acridins mit KMnO^ (162).
Sie lösten 10 Grm. salzsaures Acridin in der geringsten Menge heissen Wassers, setzten
Na OH bis zur schwachen Alkalinität hinzu. Zu der auf dem Wasserbade erhitzten Lösung liessen
sie äusserst langsam Chamäleonlösung (60 Grm. KMnO^, 1000 Grm. H3O) zufliessen, filtriitcn
vom Mangan ab und fällten mit HCl.
Feine Nadeln, die aus einer warmen, concentrirten Lösung in Tafeln wieder
erscheinen. Kaum löslich in kaltem, ziemlich leicht in heissem Wasser, sehr
leicht in Alkohol. Aether nimmt wenig auf. Auf 120—130° C. erhitzt spaltet
sich CO2 ab und es bildet sich ß-Chinolincarbonsäure. Mit Aetzkalk geglüht ent-
stehen Chinolin, Spuren von Indol und COj.
aß7-Chinolintricarbonsäure, C9H4N(COOH)3 (163), ist erhalten worden
durch Oxydation des Methylacridins; eine syrupförmige, in Wasser äusserst lös-
liche Säure, deren mit Ammoniak neutralisirte Lösung nicht mit Ca Gl 2 oder
Cu(C3H30a)2, dagegen mit BaCl^, Pb(N03)j und AgNO, Niederschläge giebt.
Silbersalz, C^^H^NOgAg, ; es zersetzt sich plötzlich beim Erhitzen und ist sehr hygros-
copisch.
« p
aß-Oxychinolinmethylketon C9H6(OH)(COCH8)N (164).
Darstellung: Erhitzt man Orthoamidobenzaldehyd und Acetessigester, so tritt bei ca.
160® C. lebhafte Reaction ein unter Entwicklung von Alkohol und Wasserdämpfen; das feste,
krystallinisch erstarrende Reactionsprodukt wird durch Mischen mit Aether vom Acetessigäther
befreit und aus Eisessig umkrystailisirt.
Das Carbostyrilmethylketon bildet feine, weisse Nadeln. Schmp. 232°; es
ist isomer mit den Lepidincarbonsäuren, löst sich nicht in kohlensaurem Natron,
leicht in verdünnter Natronlauge und wird aus dieser Lösung durch CO, wieder
gefällt. Salze mit Mineralsäuren konnten ihrer Leichtlöslichkeit wegen nicht er-
Chinolin. 587
halten werden; die gebräuchlichen Lösungsmittel lösen schwierig; aus viel heissem
Wasser scheidet sich das Oxyketon in feinen, verfilzten Nadeln aus.
a ß
aß-Oxychinolinphenylketon, C9H5(OH)(CO.CeH5)N. Darstellung: Wird
auf dieselbe Weise wie das Oxymethylketon durch Erhitzen des Orthoamidobenz-
aldehyds mit Benzoylessigester dargestellt. Ist schwieriger löslich als die vorher-
gehende Verbindung. Schmp. 270° C.
a-Acetonylchinolin, C9H6(CH2COCH3)N (164), haben E. Fischer und
Kugel durch Reduction des o-Nitrocinnamylacetons gewonnen.
Zur Darstellung wird eine concentrirte alkoholische Lösung des Nitroketons mit über-
schüssiger SnCl^-Lösung zum Sieden gebracht. Die Reduction ist vollendet, wenn auf Zusatz
von Wasser kein Oel mehr ausgeschieden wird. Durch überschüssiges Na OH föUt Acetonyl-
chinolin als Oel aus, welches in der Kälte sofort erstarrt. Man extrahirt zur weiteren Reinigung
mit Aether; die nach dem Verdunsten desselben verbleibende Substanz wird in verd. HCl ge-
löst, kalt mit Thierkoble entfärbt und mit Natronlauge geföllt.
Das Acetonylchinolin krystallisirt aus heissem Wasser in langen, goldgelben
Nadeln. Schmp. 76^ C. In kaltem Wasser kaum löslich, schwierig in heissem
Wasser. Es destillirt theilweise unzersetzt. Die wässrige Lösung färbt Seide und
Wolle gelb. Mit Säuren bildet es leicht lösliche Salze. Mit HCl oder H^SO^
auf 160—170° C. erhitzt entsteht Chinaldin.
a-Naphtochinolin, C13H9N, hat Skraup (166) folgendeimaassen dargestellt:
28 Grm. a-Naphtylamin, 13 Grm. Nitrobenzol, 50 Grm. Glycerin und 40 Grm. HjSO^
werden im Oelbade gegen 160° C. erhitzt. Es tritt heftige Reaction ein und der Kolben wird
herausgehoben. Ist die Reaction ruhiger geworden, so wird sie 5 Stunden lang bei derselben
Temperatur fortgeführt. Man ftQlt, wie beim ß-Naphtochinolin beschrieben, partiell mit KOH die
Harze u. s. w. Die nach dem Verflüchtigen des Aethers gewonnene Base wird in das neutrale
Sulfat Übergeführt und das schwer lösliche Sulfat des unveränderten Naphtylamins durch I^Ösen
in Wasser abgeschieden. Zu dem Filtrat wird so lange K^Cr^O^ zufliessen gelassen, als noch
Ausscheidung des blauen Oxydationsprodukts des a-Naphtylamins erfolgt Die gelbe Lösung
scheidet auf Zusatz von NH3 ein in der Kälte leicht erstarrendes Oel ab, das nach einmaliger
Fraction ein reines Produkt liefert. Ausbeute 25 J.
a-Naphtochinolin stellt, wenn rein, ein farbloses Oel dar, welches beim Zusatz
bereits krystallisirter Substanz sofort erstarrt zu strahlig angeordneten, blendend-
weissen Prismen; leicht löslich in Aether, Benzol, Alkohol, in einer Mischung
gleicher Volumina Alkohol und Aether. Schmp. bei 50° C. Siedep. 251° C. bei
747 Millim. Druck. Skraup vindicirt der Base folgende Struktur:
CH CH
H n!
C
H
Durch Oxydation des o-Naphtochinolins erhält man a-Phenylpyridindicarbon-
säure, aus welcher durch Destilliren über Aetzkalk a-Phenylpyridin und aus diesem
durch Oxydation Picolinsäure entsteht.
SaUe: Platindoppelsair, (CijHgNIICOjPta^ 4-HjO. Auf Zusatz von PtCl^ zu
einer stark verdünnten, salzsauren Lösung der Base fallen mikroskopische, lichtgelb gefärbte
Prismen; in Wasser und verdünnter Salzsäure schwierig löslich; das Krystallwasser entweicht
bei 110^ C. Saures Sulfat, C^gH^NH^SO^; schwach gelbliche Prismen, in Wasser äusserst
588 Handwörterbuch der Chemie.
Uicht, schwer in kochendem Alkohol löslich; kann bis 160^ erhitzt werden. Chlorhydrat,
CjsHgNHCI, erscheint aus wässriger Lösung als ein Aggregat schwach gelber Nädelcfaen; in
absolutem Alkohol nicht, sehr leicht in verdünntem Alkohol und Wasser löslich. Pik rat,
Cj,H3N«CgH2(N 02)2(0 H), hellgelbe, mikroskopische Prismen.
p-Naphtochinolin (166), C13H9N.
Darstellung: 28 Grm. ß-Naphtylamin, 13 Grm. Nitrobenzol, 50 Grm. Glycerin und 40 Orm.
engl H,SO^ werden vor dem Rttckflussktthler erhitzt Gegen 150^ tritt lebhafte Reaction ein;
der Kolben wird aus dem Bade gehoben, schliesslidi lässt man bei 150 — 160^ durch fünf
Stimden die Reaction sich vollziehen, es ist dann alles Nitrobenzol verschwunden. Man f>
eine concentrirte Lösung von 20 Grm. Aetzkali zu der mit ihrer dreifachen Menge Wasser ver-
dünnten Masse, trennt durch Filtration vom Theer; das Filtrat wird nun mit Aether ttberschichtet
und unter Schütteln und sorgsamer Kühlung alkalisch gemacht. Das Naphtochinolin geht in
den Aether über, der nach dem Trocknen mit Pottasche abgetrieben wird. Die zurückbleibende
Base wird zur Reinigung zwei Mal über freiem Feuer destillirt oder auch nur einmal destiDiit
und in ihr Sulfat ttbergeftlhrt.
Frisch dargestellt ist das ß-Naphtochinolin farblos, kleinstrahlig krystalliniscfa,
sehr leicht löslich in Aether, Alkohol, Benzol und verdünnten Säuren, schwierig
in Wasser, aus welchem es in kleinen, glänzenden, schneeweissen Schüppchen
krystallisirt; mit der Zeit färbt es sich röthlich bis gelblichbraun. Mit Wasser-
dämpfen sehr schwer flüchtig. Schmp. 90° C. Durch Oxydiren entsteht Phcnyl-
pyridindicarbonsäure, welche sich durch vorsichtiges Erhitzen in ß-Phenylpyridin-
monocarbonsäure verwandelt; aus dieser geht durch weiteres Oxydiren Nicotin-
säure hervor. Auf diese Thatsache gestützt ertheilt Srraup dem ß-Naphto-
chinolin folgende Strukturformel:
Jh
"^^CH'^^^C/^^^N
Reactionen: Fe,Clg erzeugt in der alkoholischen Lösung der Base braune Fiibimg,
^äter fallen eisenhydroxydähnliche Flocken aus; Fe 80^ nichts, AgNO, einen galleitartigeD,
beim Schütteln krystallinisch werdenden Niederschlag, der nicht ohne Zersetzung im heisscn
Wasser löslich ist; Cu(C3H30,),, eine olivengrüne, bei weiterem Zusatz smaragdgrüne Färbung;
es erfolgt Trübung und Ausfallen hübscher, grüner Kryställchen in Prismenform.
Salze: Chlorhydrat, CijHgNHQ-*- 2HjO. Lange, weisse, spröde Nadeln, durch
Zusatz von conc. HCl zur alkoholischen Lösung der Base, welche in Wasser leicht löslich, nicht
aber zerfliesslich sind. Im Röhrchen sublimirbar mit schwacher HCl -Entwicklung; Krystall-
Wasserbestimmung nicht ausführbar.
Platindoppelsalz, (Ci,H9NHCl),Pta^ -f-H,0; röthlich gelber Niederschlag, in Wasser
unlöslich, in HQ sehr schwer löslich.
Bichromat^ (Ci,HgN),H,Cr,07; gelber, krystallinischer Niederschlag, aus der schwefel-
sauren Lösung der Base mit wässeriger Cr O 3 -Lösung gefällt
Pikrat, Ci,H9NCgH,(0H)(N0,),; lichtgelber Niederschlag, der, aus heissem Alkohol
oder Benzol gelöst, beim Erkalten in feinen Prismen ausf^t. Schmp. 251— 252^ C
Jodmethylat, C^H^N, CH,J-h2HaO. IJ Mol. CH,J werden der Base, welche in
der 12 fachen Menge Aether gelöst ist, zugesetzt; nach tmd nach erscheinen feine, grüngelbe
Nadeln, die aus Wasser umkrystallisirt werden und dann lichtgelb sind. Schmp. 200— 205® C
Die Lösungen fluoresciren schwachblau.
Phenanthroline sind bis jetzt zwei bekannt; das eine ist aus Metadiamido-
Chinolin. 589
benzol, das andere, das Fseudophenanthrolin, aus Paradiamidobenzol mittelst der
Glycerinsynthese von Skraup dargestellt worden; sie haben folgende Constitution:
H H
C C
r II I 1
HC-^ =^C^ HC^ ^C^
HC>. ^,-^C>^ HC>
I
H H
Phenantiirolin Pseudophenanthrolin.
Dieselben gehen bei der Oxydation in Dipjo-idylcarbonsäuren über, welche
der Diphensäure entsprechen.
Phenanthrolin, CijHjNj -+- 2H,0 (167). Dasselbe erhielt auch La Coste
aus Metanitranilin, Nitrobenzol, Glycerin und H2SO4 anstatt des erwarteten
Metanitrochinolins.
Darstellung: 95 Grm. Zinndoppelsalz des m-Diamidobenzols, 15 Grm. m-Dinitrobenzol,
100 Gnn. Glycerin und 100 Gnn. conc. H^SO^ werden 6 Stunden lang bei massigem Sieden
erhalten am RückflusskUhler; die mit Wasser verdünnte Flüssigkeit wird von ausgeschiedenem
Harz fUtrirt, alkalisch gemacht und oft mit Aether, dem etwas Alkohol zugefllgt wird, ausge-
schüttelt. Der ätherische Auszug wird mit HCl behandelt und die dunkelrothbraune, salzsaure
Lösung eingedampft bis zur beginnenden Krystallisation und mit dem gleichen Voluinen Alkohol
versetzt. Das ausfallende Chlorhydrat wird abgesaugt und mit absolutem Alkohol gewaschen.
Die Matterlaugen werden mehrere Male ebenso behandelt, die letzte Krystallisation aber durch
porttse Mittel von ihr getrennt; den Krystallen der ersten wie der folgenden Abscheidungen
haften noch fremde Substanzen an, die durch Oxydation entfernt werden. Man löst also das
Chlorhydrat in Wasser, versetzt mit der berechneten Menge K,Cr,OY, worauf das in kaltem
Wasser schwer lösliche Chromat in langen, gelben Nadeln fällt; dieses, mit Wasser gewaschen,
in Wasser suspendirt, wird in der Wärme durch Ammoniak zerlegt; zuerst scheidet sich die
Base als Oel ab und erstarrt dann zu einem Brei feiner Nadeln. Ausbeute, auf das Diamin be-
zogen. = 70^
Um die wasserfreie Base zu erhalten, trocknet man entweder über H^SO^ oder durch
1— 2stündiges Erhitzen ^uf 100^ und destillirt; zuerst geht etwas wasserhaltige Base über, die
in ineinandergeschobenen Tafeln erstarrt; man destillirt nochmals.
Das Phenanthrolin krystallisirt als Hydrat in langen, weichen Nadeln, die
über HjS04 getrocknet bei 65-5° schmelzen; das Destillat bildet vierseitige
Täfelchen, welche bei 78 — 78*5° C. schmelzen und ziemlich hygroskopisch sind.
Siedep. weit über 360°. Die Base löst sich kaum in kaltem Wasser, leichter in
kochendem; Alkohol löst sie sehr leicht, dagegen Aether, Benzol, Petroleumäther
fast gar nicht; die kalte, wässrige Lösung reagirt nahezu neutral, die kochend
concentrirte alkalisch. Mit Sn und HCl entsteht ein Gemenge von Tetra- und
Octohydrobasen.
Salze: Chlorhydrat, Ci,HgNj.HCl-t-H,0; basisches Chlorhydrat, krystallisirt in
langen, weissen Prismen auf Zusatz von Alkohol zu einer salzsauren Lösung; in Wasser sehr
leicht löslich; wird bei 120® wasserfrei. Dichlorhydrat, Ci,HgN,'2HCl-t-H,0, neutrales
Salz, ist wenig beständig. Krystallform der des basischen entsprechend. Es entsteht durch
Auflösen in möglichst wenig conc. HCl bei gelinder Wärme. Nitrat, CjgHgN,-HNO,. Man
löst die Base in conc. HNO,, verdünnt mit Wasser und fügt NH, hinzu, ohne die saure
Reaction zu vernichten, es fallen alsdann glänzende, dttnne Prismen, die mit absolutem Alkohol
59© Handwörterbuch der Chemie.
zur Reinigung ausgekocht werden. Bichromat, (Ci3HgN,)jHjCr20y ; goldgelbe, glänzende
Nadeln, die in kaltem Wasser schwer, weit leichter in heissem, noch besser in verd. HQ lös-
lich sind. Pikrat, C^ jH8NsCgHjOH(NOj),; lichtgelbe, mikroskopische Prismen, die bei
205^ sintern und bei 238— 240^ schmelzen und in kochendem Alkohol sehr schwer löslich sind.
Sulfat und Tartrat sind dargestellt worden, beide sind in Alkohol, letzteres auch in Wasser
sehr schwer löslich.
Jodmethylat, CjjHgNjCHjJ + HjO. 4 Thle. Methyljodid, 5 Thle. Methylalkohol
werden mit 1 Thl. Base 2 — 3 Stunden im geschlossenen Rohr auf 100® erhitzt; die resultirenden,
dunkelgelben, centimeterlangen, breiten Prismen werden aus heissem Wasser umkrystallisirt; Ver-
halten dem der analogen Chinolinverbindung ganz ähnlich; merkwürdig ist hier, dass nur 1 MoL
CH3J in Reaction kommt, also die Addition nur an einem Pyridinkem stattfindet
Bromadditionsprodukte, Octobromid, C^^HgNjBrg, fSJlt auf Zusatz von Brom zo
einer heissen, alkoholischen Phenantrolinlösung in rothen Krystallen. Schmp. 176 — 17S^ C
Dibromid, C^gHgN^Br^, entsteht bei der Einwirkung von Bromwasser auf die wässerige
Lösung des Phenantrolins als hellgelber; mikrokrystallinischer Niederschlag. Schmp. 145)®. Er-
hitzt man denselben kurze Zeit vorsichtig mit Alkohol, so entstehen dunkehothe Krystalle von
der Zusammensetzung Cj .^HgNjBr^ -}- C, jHgN^-HBr, die mit Wasser erwärmt Br entwickeln.
Schmp. 178® C. Setzt man das Kochen des Dibromids mit Alkohol fort, so erhält man schliess-
lich die farblosen Nadeln des Bromhydrats, CijHgNj-HBr + JH,0. Schmp. 278— 280® C.
Bromsubstitutionsprodukte entstehen, wenn Phenantrolin mit Brom und Wasser in
Röhren erhitzt wird. Anscheinend ein Gemenge von Di- und Tribromprodukten.
Oxyphenanthrolin, CigH^OHN^ (168), tritt als Nebenprodukt bei der
Darstellung des Phenanthrolins aus Metanitranilin u. s. w. auf und krystallisirt
entweder in kurzen, schwach gelbgefärbten Nadeln oder in zu Rosetten vereinigten,
vierseitigen Tafeln. Schmp. 159 — 160® C. Diese Oxybase löst sich leicht in
kalter, verdünnter Natronlauge und wird durch CO^ wieder ausgefallt und ist
reichlich löslich in warmem Alkohol, Benzol und verdünnten Säuren; La Coste
vermuthet das Hydroxyl in der a-Stellung.
Salze: [CijH7(OH)NaHCl],PtCl4 + I oder liH,0; feine, gelbe Nädelchen.
Pseudophenanthrolin, (C9H7NHCl)2PtCl4 H- 2HjO (169).
HO Grm. Zinndoppelsalz des Paradiamidobenzols, 31 Grm. Nitrobenzol, 100 Grm. Gljcerio
und 100 Grm. engl. H.JSO4 werden am RUckflusskühler 5 — 6 Stunden bis zum mässigeii Sieden
erhitzt. Die Reaction ist stets unvollständig, in Folge dessen unangegriffenes Nitrobenzol mit
Wasserdampf entfernt werden muss. Man verfUhrt weiter, wie beim Phenanthrolin angegeben
ist, doch bestehen die Krystallisationen aus einem Gemenge des salzsauren PseudophenanthroUns
und des salzsauren Diamins. Die Trennung gelingt durch conc. HCl, welche aus concentriiter
wässriger Lösung nur das Diamin Üält; das eingeengte Filtrat wird nochmals so behandelt und
der letzte Rest des Diamins beseitigt; die überschtlssige HCl wird durch Eindampfen verjagt
und K,Crj|Or in der Kälte zugefügt. Das Chromat wird mit Wasser ausgewaschen und in der
Wärme mit NH, zersetzt; die Base ßült als gelbliches Oel, das bald erstarrt
Die reine Base geht oberhalb der Thermometergrenze als farbloses Oel über,
das 2u einer schnee weissen Masse erstarrt, die leicht zerreiblich, aus kleinen
Prismen zusammengesetzt ist und am Licht sich röthet. Es empfiehlt sich, bei
der Destillation die Gefösse mit COg zu füllen, Schmp. sowohl der wasser-
haltigen als wasserfreien Base 173° C.
Das Krystall Wasser entweicht schon an freier Luft, bei 100° unter Verlust
eines Theils der Substanz. Wasser löst die Base in der Wärme leicht« ebenso
Benzol und SchwefelkohlenstoflF in der Siedhitze; verdünnte Säuren nehmen sie
leicht auf ohne Fluorescenzerscheinung.
Reactionen: Die schwach alkalisch reagirende, alkoholische I^sung fUrbt sich mit Fe,Qf
rotfagelb. CuCCjHjO,), scheidet grüne Flocken ab, welche in der Wärme kiystallinisch werden;
Chinolin. 591
AgNO, erzeugt eine Gallerte, welche in der Hitze sich in schimmernde Nädelchen verwandelt;
FeSO^ bildet nach längerem Stehen eine gclblichgrüne Trübung.
Salze: Monochlorhydrat, Cj jHgNjHCl -+- 2HjO; lässt sich darstellen durch Ver-
dampfen ' gleicher Moleküle Base und Säure. Weisse Blättchen, welche aus absolutem Alkohol
als Nädelchen wieder erscheinen.
Dichlorhydrat, C^^H^N, 2HC1, krystallisirt aus Lösungen der Base in überschüssiger
HCl in grossen, dicken, durchsichtigen Prismen, die krystall wasserfrei sind. Krystallform : mono-
klin. tf:^:f= 1-2369: 1:0-8913; t) = 102» 53'.
Bichromat, (Cj3HgN2)2HjCrj07 + 2iHjO; feine Nadeln oder Prismen von schön
orangegelber Farbe, die zu schmalen Blättchen gereiht sind; schwer löslich in kaltem, leichter
in heissem Wasser.
Platindoppelsalz, CijHgN,(HCl)jPta4 + 2iHjO; orangegelber, feiner Niederschlag,
der in Wasser nicht, in kochender HCl sehr schwer löslich ist.
Jodmethylat, C^jH^N,, CHgJ-f-HjO; citronengelbe Nadeln; sie entstehen, wenn die
in Methylalkohol gelöste Base mit einem Molekül CHjJ versetzt bei gewöhnlicher Temperatur
sich selbst überlassen wird; die Löslichkeitsverhältnisse stimmen mit derjenigen der folgenden
Dijodmethylverbindung fast vollkommen überein. KOH fällt ein Oel, das krystallinisch wird
(Pseudophenanthrolin ?).
Dijodmethylat, Ci,HgN3(CH3J), + H,0. Erhitzt man 1 Thl. Base, 5 Thle. CH,J
und 10 Thle. Methylalkohol 3 Stunden auf 100—110^, so erhält man ein Gemenge grosser,
rothbrauner Krystalle der Dijodmethyl- und kleiner, gelber Krystalle der Monojodmethylverbindung;
erstcre werden durch öfteres Umkrystallisiren von letzteren, welche etwas leichter in Wasser löslich
sind, getrennt. Dicke Tafeln oder mit ihrer Basis aufeinandergestellte Doppelp}ramiden, die in
kaltem Wasser ziemlich, in heissem sehr leicht löslich sind, ebenso in verdünntem Weingeist,
schwer in absolutem Alkohol, nicht in Aether. KOH färbt die alkoholische Lösung kirschroth;
beim Erwärmen scheidet sich ein dunkles, geruchloses Oel ab.
Bromadditionsprodukte: Lässt man Bromwasser auf die salzsaure Base in wässeriger
Lösung einwirken, so entsteht ein gelber, zersetzlicher Niederschlag, C^jH^N^Br^. Dieses
Tetrabromid geht Unter BraunfUrbung und Abgabe von Brom in das Dibromid, Cj^HgN^Brj,
über. Dieses löst sich zuerst in wenig warmem Alkohol und scheidet sich alsbald in langen,
gelben Nadeln : C^aHgN^^HBr-Br, aus. Kocht man längere Zeit, so erhält man das Bromhydrat
des Pseudophenanthrolins.
Acridin, CijH^N (170).*) Ueber dasselbe hat v. Richter (Bd. i, pag. 30)
schon berichtet. Indess haben kürzlich Bernthsen (174) und Fischer dasselbe
S3mthetisch dargestellt, seine Constitution ermittelt und Riedel (Ber. 16, pag. 1609)
hat seine Zugehörigkeit zur Chinolingruppe festgestellt. Bernthsen gelang die
Synthese durch Erhitzen eines Gemisches von Diphenylamin und Ameisensäure mit
Chlorzink; Fischer gleichzeitig und unabhängig von ihm durch Erhitzen von
Formyldiphenylamin mit Chlorzink und eines Gemenges von Diphenylamin und
Chloroform mit Chlorzink; femer Grabe beim Durchleiten von Ortholylanilin
durch eine bis zur schwachen Rothgluth erhitzte Röhre. Aus diesen Processen
ergiebt sich für das Acridin folgende Strukturformel:
H
CH C CH
HC-^^C^ ^C^^CH
CH N CH
Diese ist weiter bestätigt worden durch die Oxydation des ß-Aethylchinolins,
*) Eine ausführliche Abhandlung Über Acridin erschien während des Druckes von A. Berntm-
SKN in LusBiG's Annalen Bd. 224. Heft i und 2.
592 Handwörterbuch der Chemie.
welches eine Säure liefert, welche identisch ist mit der durch Abspaltung einer
Carboxylgruppe aus der Acridinsäure gewonnenen Säure.
Salze: Acridinsulfat, (Cj3HgN),H,SO^ +H2O, krystallisirt aus einer Lösung der
Base in nur wenig überschüssiger Säure. Goldgelbe Nadeln oder ziemlich grosse Säulen.
Saures, schwefelsaures Acridin, 2C^,HgN-3H,S04, scheidet sich aus einer stark
schwefelsauren I^ösung in gelben Nadeln ab. Durch UmkrystaUisiren aus Wasser geht es in
das neutrale Salz über. Chlorhydrat, Ci,H3N.Ha + 2H„0; bräunlichgelbe, lange Säulen;
in Wasser leicht löslich. Platindoppelsalz, (C,,H9N»Ha)2PtCl4; mikroskopische, in
Wasser kaum lösliche Nadeln. Golddoppelsalz, (Ci,H,NHCl)AuCl,; gelbe, kiystaUinische
Fällung, in Wasser unlöslich. Quecksilberdoppclsalz, (CigHgNHCl),Hga,; gelber,
krystallinischer, in Wasser unlöslicher Niederschlag. Saures, chromsaures Salz, C^^H^N*
HjCrjO^; orangegelbe Nadeln, in kaltem Wasser wenig, in viel kochendem leichter löslidL
Salpetersaures Salz, CjjH^N'HNO,, in Wasser leicht lösliche, gelbe Nadeln. Schweflig-
saures Acridin, (C2|HgN)3H,S03 (171), wird durch Einleiten von SO, in eine Lösung
▼on salzsaurem Acridin in Form von unlöslichen, röthlichbraunen Nadeln dargestellt oder auch
durch Vermischen der Lösungen von salzsaurem Acridin und schwefligsaurem Natron und An-
säuren mit HCl. Es ist beständig. Ucberschüssige HCl oder HjSO^, ebenso NH, und Alka-
lien wirken zersetzend ein. Schwefligsaures Acridinnatron, C^jH^N, HSO^Na, bildet
sich, wenn man das Ansäuren nach dem Vermischen der Lösungen von salzsaurem Acridin und
schwefligsaurem Natron unterlässt, in farblosen Säulen, die in Wasser, welches überschflssiges
neutrales oder schwefligsaures Natron enthält, beständig sind und daraus umkrystallisirt werden
können. Beim Erhitzen der reinen Lösungen entsteht Acridin, bei vorsichtigem Zusatz von HQ
entsteht (C, jH9N),H3S04.
HyperJodid, Cj,HgNHJJ, (?), entsteht auf Zusatz von Jodlösung zu einer alkoholischen
oder wässerigen Lösung des jodwasserstoffsauren Salzes in braunrothen Krystallen, die aus heissem
Alkohol gereinigt werden. Grosse, braunrothe Tafeln; in Wasser unlöslich.
Jodäthylat, (Ci,H3N)jCjH J und Cj jH^N.CjHJ; entstehen gleichzeitig beim Kochen
der Base mit CjHJ. Die erste Verbindung ist in Wasser ziemlich schwer löslich; grosse, röth-
liche Nadeln. Die andere ist in Wasser leicht löslich; kleine, rothe Nadeln; sie geht allmahUdi
in die erste Verbindung über. Beide Verbindungen bilden bei häufigem UmkrystaUisiren Acridin
zurück.
a-Mononitroacridin, CuHgNNO, (i7o)> ^^^ neben ß-Mononitroacridin und Dinitro-
acridin erhalten, wenn man Acridin mit Salpetersäure (spec. Gew. 1*45) erwärmt; man verdünnt
mit Wasser; es fällt Binitroacridin, in der Lösung sind die salpetersauren Mononitrobasen ; diese
werden durch NH, zerlegt und durch UmkrystaUisiren aus Alkohol getrennt. Es scheidet sich
zuerst das schwer lösUche
a-Nitroprodukt aus. Goldgelbe, glänzende Blättchen, dem Chloranü ähnUch. Diese
schmelzen bei 214^ und sublimiren unverändert. In Wasser unlöslich, wenig löslich in kaltem
Alkohol, etwas mehr in siedendem, wenig in Aether, ziemlich reichlich in Chloroform. BQdet
mit Säuren Salze, deren Lösungen nicht fluoresciren.
ß-Mononitroacridin. Dampft man das alkoholische FUtrat vom a-Nitroprodukt ein, so
erhält man ein Gemenge beider. Man krystaUisirt so lange um, bis die KiystaUe bei 154^ C
schmelzen. Harte Blättchen oder Tafeln, die in heissem Alkohol sehr leicht, weniger in kaltem
löslich und in Wasser unlöslich sind. Bildet mit Säuren Salze.
Binitroacridin, Cj,H7N(NO,),. Dasselbe entsteht am reichUchsten, wenn Acridin mit
einem Gemisch von HjSO^ und HNO, einige Stunden auf dem Wasserbade erwärmt wird.
Der auf Zusatz von Wasser sich abscheidende gelbrothe Niederschlag wird mit heissem Wasser
ausgewaschen und aus Eisessig umkrystaUisirt. Röthlichgelbe Tafeln. In Alkohol, Aether und
Benzol schwer löslich, reichlicher in siedendem Eisessig. Verbindet sich nicht mit Säuren.
Hydroacridin, CgH4:;;^^^'^C4H4.Ci,HuN (172), haben Grabe und Card duzdi
Reduction des Acridins in alkoholischer Lösung mit Natriumamalgam erhalten. Dieselben
schrieben ihm die Formel C^gH^oN, zu, aber die gegebene scheint nach der SUbemitratreaction,
welche Beri<thsbn und Bender ausführten, die richtige zu sein und vielmehr dem mdösliciieii
ChinoHn. 593 ]
Hydroacridin zuzukommen. Es krystallisirt in farblosen Säulen aus Alkohol und sublimirt un-
lersetzt in derselben Form. Schmp. 169° C. Zerfällt beim Erhitzen auf 300 ^ C. in Wasserstoff
und Acridin. Es ist unlöslich in Wasser, wenig löslich in kaltem Alkohol, leicht in heissem
und in Aetfaer. Es giebt mit Säuren keine Salze und wird aus einer Lösung in Vitriolöl durch
Wasser unverändert wieder ausgefällt. CrO, oxydirt es zu Acridin.
Unlösliches Hydroacridin, C^jH^jN (Graebe), C^g^so^ (Berntosen), wird ge-
wonnen, wenn alkoholische Acridinlösung in der Siedhitze mit Natriumamalgam behandelt wird.
Farbloser, in Alkohol, Aether, CHCl,, CS, und Benzol unlöslicher Niederschlag. Es löst sich
in heissem Nitrobenzol und erwärmtem Vitriolöl, dabei in Acridin Übergehend.
Acridinoctohydrür, CjjH^yN (173), hat Grabe gewonnen durch Erhitzen von Acridin
mit Phosphor und HJ auf 220 — 230° C. Das ausgeschiedene jodwasserstoffsaure Salz wird zerlegt
und die Hydrobase aus Alkohol in farblosen Blättchen oder Tafeln gewonnen. Schmp. 84° C,
Siedep. bei 320° C. Essigsäureanhydrid und Benzoylchlorid erzeugen in der Wärme Acctyl-
bezw. Benzoylverbindungen. Mit Jodmethyl wird die Methylbase gewonnen. In Gegenwart von
NH, reducirt die Base Silbersalze.
Chlorhydrat, Cj,HjjN-HCl, farblose Tafeln, die in heissem Wasser leicht, in kaltem
ziemlich schwer löslich sind.
Methylacridin, CijHgCHjN, ist von Bernthsen und Bender entdeckt worden und
wird ähnlich wie Flavanilin durch Erhitzen von Diphenylamin, Eisessig und Chlorzink gewonnen
(174). Zur Isolirung bedient man sich des salzsauren Salzes. Die Base krystallisirt aus Ligroin
in farblosen, tafelförmigen Krystallen und schmilzt bei 114° C; ihr Verhalten ist dem des
Acridins sehr ähnlich, doch ist die Löslichkeit in Wasser geringer. Durch nascirenden H entsteht
eine kiystallisirbare Hydro Verbindung, die durch conc. HNO, wieder oxydirt wird; durch Per-
manganat entsteht eine Chinolintricarbonsäure.
Methylacridin-Jodmethylat, C14H11N, CH,J, bildet sich beim Er-
wärmen von Methylacridin mit überschüssigem CH j auf 100° C. Schöne, seide-
glänzende, rothe Nadeln. In heissem Wasser leicht, in heissem Alkohol schwer
löslich. Schmp. 185° C. Durch Fällen einer wässrigen Lösung mit NaOH ent-
steht die noch nicht genauer präcisirte Ammoniumbase.
Butylacridin, Ci3H8N(C4H9)(Ann. 224), wird erfialten durch Erhitzen eines
Gemenges von Valeriansäure und Diphenylamin mit Chlorzink. Die freie Base ist
schwierig krystallisirbar. Destillirt fast unzersetzt
Salze: Chlorhydrat, Ci^Hi^N-HCl, dunkelgelbe oder braungelbe, glän-
zende, längliche, schief abgeschnittene Säulen oder kalkspathähnliche Krystalle
(aus Alkohol). Schmp. 191° C. Leicht löslich in Wasser und Alkohol. Fluores-
cenz in verdünnter Lösung blaugrün.
Nitrat, C^yKj^N, HNO3, glasglänzende, orangegelbe Säulen. In reinem
Wasser nicht ohne Dissociation löslich. Schmp. 139° C.
Chromat, Ci7Hi7N-H3Cr04, rothgelber Niederschlag mikroskopischer
Nadeln. Sehr schwer löslich in Wasser.
Hydrobutylacridin, C17H19N, entsteht durch Reduction der Butylbase
mit HCl und Zn-Staub und krystallisirt aus heissem Alkohol in schönen, weissen.
Blättchen. Leicht löslich in Aether. Schmp. 98— 100° C.
Phenylacridin, C^ ,Hg(C5H5)N (174). I>iese Base entsteht durch Erhitxen gleicher Moleküle
Diphenylamin und Benzoesäure mit Chlorzink in einer Ausbeute von 48 f; femer durch Ein-
wirkung von Benzonitril auf salzsaures Diphenylamin im geschlossenen Rohr auf 230 — 250° C-
In geringer Menge findet sie sich auch im Reactionsprodukt von Benzotrichlorid auf Diphenyl.
amin. Ihr Schmelzpunkt ist bei 181 ° C. gefunden worden, indess zeigen manche reine Präparate
einen solchen bei 179—180° C. Ueber 360° C. destillirt sie unzersetzt In Benzol ist sie
leicht löslich, massig leicht in Aether, in kaltem und relativ auch in heissem Alkohol schwer
löslich, die sauren Lösungen fluoresciren grünlich. Mit 1 Mol Krystallbenzol krystallisirt das
Phenylacridin in dicken, gelblichen Prismen des monoklinen oder triklinen Systems, die ungemein
Ladbhburg, Chemie. U. ^g
594 Handwörterbuch der Chemie.
rasch verwittern. Unter Umständen erhält man benzolfreie, tafelförmige, monokline, gelbe
Krystalle mit sechseckiger Basis, die auch aus Alkohol erhalten werden. a:^u = 0*5875: 1:0*50 14;
ß = 5l0 23'.
Erhitzt man die Base 1 — 2 Minuten mit conc. HNO,, so entstehen auf Zusatz von Wasser
gelbe Blättchen eines Nitroproduktes. Reductionsmittel erzeugen eine farblose, nicht basische
Hydroverbindung. Es ist bis jetzt nicht gelungen, eine Chinolintricarbonsäure zu gewinnen, denn
die Base ist gegen Permanganat beständig, ebenso gegen Salpetersäure. Giromsäure in Eisessig
verbrennt sie bis zur Benzoesäure etc. Die Salze dissociiren beim Uebergiessen mit Wasser sofort.
Salze: Chlorhydrat, C^^HijN, HCl, krystallisirt aus heisser, salzsaurer Lösung in
prächtigen, granatrothen bis rothgelben, nadeiförmigen, schmalen Prismen. Schmp. über 220** C
Platindoppelsalz, (Cj^H^jN, HC!)3PtCl4, ist aus salzsäurehaltigem Alkohol in gnmat-
rothen Nädelchen erhalten worden.
Nitrat, zarte, dünne, gelbe Nädelchen oder lange, platte Nadeln, ungemein schwierig lös-
lich in salpetersäurehaltigem Wasser (1:1000).
Sulfat, gelbrothe, compakte, rhombische Krystalle, die in heissem Wasser sehr leicht
löslich sind.
Pikrinsäure, K^CrO^, HgCl^, KJ, geben gelbe Niederschläge.
Phenylacridiniummethyljodid, CjgHjjN, CHjJ, entsteht, wenn die Base mit Über-
schüssigem Jodmethyl im Rohr auf 70 — 100® C. erhitzt wird. Es krystallisirt aus heissem Alkohol
in schwarzen, glänzenden Krystallen, die fein zerrieben ein zinnoberrothes Pulver dairstellen.
Versetzt man seine wässrige Lösung mit Silberoxyd, Natronlauge oder Ammoniak, so fklli:
Phenylacridiniumhydroxyd, CjgHjjNCHjOH, als eine in Wasser unlösliche Ver-
bindung, zuerst milchig und weich. Diese wird aus Alkohol in Prismen erhalten. Schmelz-
punkt 108® C. Beim Trocknen bei 70® C. fKrbt sie sich stets etwas roth, ohne indess verändert
zu werden. Mit JH und Alkohol entsteht wieder das Jodid. Beim Erhitzen über den Schmdz-
punkt entstehen neben etwas Harz Acridin und Methylalkohol. Als starke Base nimmt sie Saue-
dämpfe aus der Luft unter Gelbförbung auf. Ihr Chlorid bildet in Wasser leicht lösliche Nadeln,
ihr Nitrat schwer lösliche, gelbe, lange Nadeln. KjCrO^, HgClj, PtCl^, JK, J, geben analoge
Niederschläge wie das Phenylacridin. Die verdünnten Lösungen ihrer Salze mit Ausnahme des
Jodids fluoresciren stark grün.
Dinitrophenylacridin, Ci9H,i(N02)2N, entsteht, wenn Phenylacridin mit 2 MoL
HNOj nitrirt wird. Hellgelb. Löst sich in HCl in der Hitze.
Trinitrophenylacridin, Ci9Hio(N03)3N, gewinnt man durch Nitriren des Phenyl-
acridins in einem Gemisch von HNO, und HjSO^. Gelbe, mikroskopische Nadeln (aus Tolaol).
In HCl kaum löslich.
Diamidophenylacridin ist nach O. Fischer und G. Körner (Berl. Ber. 17, pag. 203)
identisch mit Chrysanilin.
Triamidophenylacridin bildet sich bei der Reduction des Trinitrophenylacridins mit Sn
und HCl oder Eisessig mit Zn-Staub. Niclit näher untersucht.
Phenylacridindisulfosäure, Cj^H, jN(S03H)j, entsteht beim Sulfurircn des Phenyl-
acridins mit rauchender H^SO^ bei 140 — 160® C. Die freie Säure ist noch nicht rein dar-
gestellt; ihre wässrigen Lösungen zeigen prächtige, grüne Fluorescenz. Das Natronsalz,
Cj5HjiN(S03Na)2, krystallisirt in weissen Nadeln und fluorescirt in seinen sehr verdtlnnten
Lösungen blau. In der Kalischmelze sollen sich geringe Mengen Dioxyphenylacridin bilden,
Hydrophenylacridin, CgH^ j^jT^ ® *' CgH^. Dieses wird gebildet, wenn man die
salzsaure Lösung der Base mit Zinkstaub erhitzt oder die warme, alkoholische Lösung der Base
mit Natriumamalgam behandelt. Im ersten Falle trennt man den Zinkstaub von der keine
organische Substanz enthaltenden Flüssigkeit und kocht ihn mit Alkohol aus; es scheiden sich
alsbald prächtige Nadeln der Hydroverbindung ab, die bei 163— 164® C. schmelzen. Durch
Oxydation mittelst Silbernitrat wird sie in die ursprüngliche Base übergeführt. Das abgeschiedene
Silber entspricht 2 Atomen H. Die Hydrobase zeigt keine basischen Eigenschaften Erhüh man
sie kurze Zeit im Sieden oder kocht sie mit wenig Wasser, verdünnter H^SO^ oder verdOnoter
HNO 3 u. s. w., so erfolgt Rückbildung.
Chinolin. 595
Methyl-Hydrophenylacridin, CjgHj^NCHj. Dieses gewinnt man durch Erhitzen
der Hydrobase mit 1 Mol. Jodmethyl auf 130 — 140® C. Das Produkt aus Alkohol umkrystallisirt
liefert weisse Nadeln oder Prismen. Schmp. 104** C. Ohne Analogon ist das Verhalten dieser
Verbindung gegen Oxydationsmittel. Wird nämlich ihre alkoholische Lösung mit NaNOj und
HCl behandelt, so entsteht sofort gelbe Farbe und grüne Fluorescenz. Nach Verjagen des
Alkohol, Aufnehmen in Wasser und Fällen mit Alkali gewinnt man das schon beschriebene
Methylphenylacridiniumhydroxyd.
Acetylhydrophenylacridin, CjgHj^NCjHjO. Dieses durch 4sttindiges Erhitzen des
Phenyläcridins mit Essigsäureanhydrid entstehende Acetylderivat wird durch Ueberschichten seiner
Benzollösung mit Ligroin in harten Krystallen gewonnen. Schmp. 128® C. Es ist in Alkohol,
Aether, Benzol, Chloroform und Aceton sehr leicht löslich.
Trinitroacridincarbonsäure, Ci3H5(NOj)3N-COOH (Ann. 224), bildet
sich beim Erhitzen des Methylacridins mit HNOg (1,33) am Rückflusskühler.
Gelbe, glänzende Prismen, welche in den meisten Lösungsmitteln sich schwer'
lösen. Zersetzt sich bei 190° C.
Acridylbenzoesäure, CigHgN-CgH^-COjH (Ann. 224), wird bereitet durch
Schmelzen von Phtalsäureanhydrid, Diphenylamin und Chlorzink. Gelbes, krystalli-
nischeb Pulver. In kochendem Wasser fast unlöslich, sehr wenig löslich in sieden-
dem Alkohol, aus welchem sie in Nadeln krystallisirt. In Aether, Chloroform und
Benzol auc hsehr wenig löslich. Auf 300° C. erhitzt bleibt sie unverändert. Wird
sie sehr hoch erhitzt, so spaltet sich COg ab unter Bildung von Phenylacridin.
Salze: Chlorhydrat: CjqH^jNOj'HCI, kleine Nadeln, auch kleine Tafeln von dunkel-
gelber Farbe. Schwer löslich in heissem Wasser, leichter in heisser HCl, etwas in siedendem
Alkohol. Schmp. 163® C. unter Gasentwicklung.
Natronsalz, CjoHjjNOjjNa 4- (l^HjO ?), entsteht auf Zusatz von conc. NaOH zu einer
erhitzten Lösung der Säure in verd. NaOH, bis die entstehende Trübung verschwindet. Beim
Erkalten scheiden sich perlmutterglänzende, farblose Blättchen oder lange Nadeln aus,
Anthrachinolin, C^^Hi^N, hat Graebe in neuester Zeit aus Anthrarain,
Nitrobenzol, HgSO^ und Glycerin synthetisch dargestellt (176).
Darstellung: 1 Th. Alizarinblau wird mit 10 Thln. Zn-Staub vermischt, am besten in
einer bis zum Hals geftlllten Retorte rasch destillirt; die tibergehende Base setzt sich erstarrend
im Retortenhals fest und wird aus Alkohol umkrystallisirt, wobei Alizarinblau ungelöst bleibt.
Spuren von Anthracen werden durch Auflösen der Base in HCl beseitigt
Die Base krystallisirt in Blättchen oder Tafeln, die sich leicht bräunlich färben; sublimirt
in farblosen Blättchen; unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol, Aether, Benzol. Schmp. 170® C.
Siedep. 446® C. Die Lösungen fluoresciren intensiv blau. Die Salze sind alle gelb gefärbt und
besitzen eine intensiv grüne Fluorescenz.
Salze: Chlorhydrat, Ci^H^N, HCl, bildet aus Wasser krystallisirt kleine, gelbe Säulen,
aus alkoholischer Lösung der Base mit H Cl gefällt feine, gelbe Nadeln ; wenig löslich in kaltem,
viel reichlicher in heissem Wasser, sehr wenig in Alkohol.
Jodhydrat, Cj^H^N, HJ, krystallisirt aus Wasser in dunkelgelben Nadeln und ist noch
schwerer löslich als das Chlorhydrat.
Saures Sulfat, Cj^HuN, HjSO^, föllt in gelben Nadeln auf Zusatz verd. H2SO4 zu
einer alkoholischen Lösung der Base; reichlich löslich in heissem, ziemlich leicht in kaltem
Wasser, kaum in Alkohol.
Platindoppelsalz, (CuH^iN, HCl)3Pta4, gelbe, mikroskopische Nadeln, in Wasser
unlöslich.
Pik rat, Ci^Hj^N, CeHjOH(NO.^)j, feine, gelbe Nadeln, die sich in Wasser nicht, in
Alkohol kaum lösen; Ammoniak zerlegt dieselben.
Jodäthylat, C^^Hj^N, C^HjJ, wird durch Erwärmen äquivalenter Mengen der Base und
Jodäthyl im geschlossenen Rohre auf 100® C. in goldgelben Nadeln gewonnen; in heissem Wasser
sich reichlich lösend, weniger in kaltem Wasser und Alkohol; grüne Fluorescenz. Mit Silberoxyd
behandelt entstehen in Wasser leicht lösliche, gelbe Krystalle einer Ammoniumbase.
38*
596 Handwörterbuch der Chemie.
Anthrachinonchinolin, Cj^HgO^N (176). Darstellung: Man löst 1 Th. Antfara-
chinolin in Eisessig und fUgt in der Siedbitze nach und nach 2 — 3 Thle. CrO^ hinzu; die grüne,
essigsaure Lösung wird in Wasser gegossen, wobei das Chinon zum Theil sofort, zum Theil nach
dem Erkalten in feinen Nadeln sich abscheidet. Man reinigt aus Benzol.
Das Chinon krystallisirt und sublimirt in gelben Prismen ode: N'.deln. Schmp. 185® C
Es ist unlöslich in Wasser und Alkalien, leicht löslich in Aether, Alke ol und sehr leicht in
Benzol. Bei Gegenwart von Zn-Staub wird es von verdünnter Natronlauge wie Anthrachinon
gelöst mit intensiverer Farbe als dieses. CrO, greift es äusserst schwierig an; H^SO^ erzeugt
l)ei Temperaturen über 100^ C. Sulfosäuren. Zn-Staub regenerirt dasselbe zu Anthrachinolin;
die Salze sind meistens unbeständig.
Salze: Cj^HgNO,, C6H,OH(NOj)5, gelbe Nadeln, die in kaltem Alkohol und Benzol
schwer, leichter in kochendem löslich sind.
Chlorhydrat, Cj^HgNOj, HCl, gelbe Nadeln, welche sofort entstehen, wenn man trockenes
HCl-Gas in die Lösung des Chinon in Toluol leitet; sie sind schwer in Wasser löslich und
werden durch dasselbe zersetzt.
Platindöppelsalz, (Ci7H9NOjHCl)3Pta^, hellgelber, krystallinischer Niederschlag,
nicht beständig. BeREND.
Chinone.*) Allgemeines. Unter Chinonen versteht man eine Gruppe
bisher ausschliesslich bei den sogen, aromatischen Verbindungen beobachteter
•) i) WosKRESENSKY, Ann. 27, pag. 268; vergl. auch Wöhler, Ann. 45, pag. 354. 2) Ger-
hard, Traitc 3, pag. 131. 3) Kolbe, Lehrbuch I, pag. 475. 4) Schrader, Ber. 8, pag. 759.
5) KeküliS, Ann. 137, pag. 127. 6) Kolbe, Journ. pr. Chem. iii, pag. 136. 7) B. Scheid,
Ann. 218, pag. 217. 8) Grabe, Zeitschr. f. Chem. 1867, pag. 39. 9) Grabe, Ann. 146, pag. i.
10) ZiNCKE, Ber. 6, pag. 137. 11) Fittig, Ber. 6, pag. 167. 12) Cariüs, Ann. 143, pag. 315.
13) Carstanjen, J. pr. Chem. [2] 8, pag. 9. 14) Herrmann, Ann. 211, pag. 306. 15) Larch,
Ann. 124, pag. 24. 16) WtJRTZ, Dict. Art. Rhodizonique. 17) NiETZKi, Ann. 215, pag. 129.
18) NiETZKi, Ann. 215, pag. 135. 19) Wichelhaus, Ber. 12, pag. 1504. 20) H. Schulz,
Ber. 15, pag. 653. 21) Zincke, Ber. 16, pag. 1555. 22) Schrader, Ann. 158, pag, 25a
23) GRIESS u. Martius, Ann. 134, pag. 376. 24) J. pr. Chem. [2] 8, pag. 2. 25) Wöhler,
Ann. 51, pag. 152. 26) Hofmann, Jahresber. 1863, pag. 415 u. 422; Meyer u. Ador, Ann. 159,
pag. 7. 27) Strecker, Ann. 107, pag. 233; Stenhouse, Ber. 89, pag. 247. 28) NiKTzn,
Ann. 215, pag. 127. 29) Ibid., pag. 129 ff. 30) WrcHELHAUS, Ber. 5, pag. 248, 846.
31) WiCHELHAUS, Ber. 12, pag. 1501. 32) Städeler, Ann. 69, pag. 314. 33) Wichelhacs,
Ber. 5, pag. 848. 34) Geuther, Ann. 219, pag. 90. 35) Städeler, Ann. 69, pag. 302.
36) Städeler, Ann. 69, pag. 302. 37) Levy u. Schulz, Ann. 210, pag. 145. 38) Laubsn-
HEiMER, Ber. 9, pag. 770. 39) Levy u. Schulz, Ann. 210, pag. 150. 40) Carius, Ann. 143,
pag. 316. 41) Kr ÄFFT, Ber. 10, pag. 800. 42) Weselsky, Ber. 3, pag. 646. 43) Grabe,
Ann. 146, pag. 9. 44) Schmitt u. Andreren, J. pr. Chem. 23, pag. 436. 45) Carstaiiien,
Ber. 2, pag. 633. 46) Knapp u. Schulz, Ann. 210, pag. 174. 47) Stenhouse, Ann. SuppL6,
pag. 208. 48) Levy u. Schulz, Ber. 13, pag. 1430. 49) Sarauw, Ann. 209, pag. 106-
50) Böhmer, Journ. pr. Chem. [2] 24, pag. 464. 51) Prunier, Ann. chim. [5] 15, pag. 67.
52) Stenhouse, Ann. Suppl. 8, pag. 20. 53) Herrmann, Ber. 10, pag. iio. 54) Losanttso^
Ber. 15, pag. 474. 55) Levy u. Schulz, Ann. 210, pag. 160, 56) Levy, Ber. 16, pag. 1444.
57) Krause, Ber. 12, pag. 53. 58) Benedikt, Monatsh. i, pag. 347. 59) Etard, Ann. cbim.
[5] 22, pag. 273. 60) Hesse, Ann. Chem. 114, pag. 293. 61) Levy u. Schulz, Ann. 310,
pag. 184. 62) Hofmann, J. 1863, pag. 514. 63) Wichelhaus, Ber. 5, pag. 851. 64) Zlmcks,
Ber. 16, pag. 1555. 65) Neuhöffer u. Schulz, Ber. 10, pag. 1793. 66) Hesse, Ann. 114,
pag. 306. 67) Schmitt u. Anresen, Journ. pr. Chem. [2] 24, pag. 431. 68) A. W. Hofmahn,
Ber. II, pag. 332. 69) Merz u. Zetter, Ber. 12, pag. 2040. 70) Erdmann, Ann. 48, pag. 315.
71) Koch, Zeitschr. f. Chem. 1868, pag. 202. 72) Erdmann, Journ. pr. Chem. 22, pag. 280.
73) Hesse, Ann. 1 14, pag. 293. 74) Stenhouse, Chem. Soc. J. [2] 8, pag. 9. 75) Erdmann,
Ann. 48, pag. 321. 76) Stenhouse, Ann. 91, pag. 311. 77) Sarauw, Ann. 209, pag. 115.
78) Krause, Ber. 12, pag. 54. 79) Levy u. Schulz, Ann. 210, pag. 163. 80) Nietzki, Ann. 215,
Chinone. 597
Körper, welche aus den betr. Kohlenwasserstoffen durch Substitution von zwei
Wasserstoffatomen durch zwei Atome Sauerstoff hervorgehen. Die Bezeichnung
solcher Verbindungen als Chinone ist durch Woscresensky (i) veranlasst worden;
derselbe stellte zuerst deren Prototyp als Zersetzungsprodukt der Chinasäure (s. d.)
dar und belegte es deshalb mit dem Namen Chinoyl, der später von Berzelius
in Chinon umgewandelt wurde.
Da die Constitution der Chinone als aromatischer Verbindungen von
der der letzteren abhängig ist, diese aber noch nicht definitiv feststeht, so
herrschen auch über die Natur der Chinone zur Zeit noch verschiedene Vor-
stellungen, von denen keine absolut bewiesen ist.
Während das zuerst bekannte und eingehender untersuchte, vom Benzol CgHß
sich ableitende Benzochinon CeH402 anfänglich von Gerhard (2) und Kolbe (3)
als ein Dihydrür CgHgOgHg, von Strecker (4) dagegen als ein Oxyd CgH^OO
aufgefasst wurde, zählte es Kekul£ nach Aufstellung seiner Theorie der aroma-
tischen Verbindungen (5) nicht zu den eigentlichen Benzolderivaten, insofern als
in ihm die Ringbindung der Kohlenstoffatome des Benzols entsprechend der
Formel CO = CH — CH = CH — CH = CO gelöst sei. Entgegen dieser Auf-
fassung der Chinone als ketonartiger Verbindungen soll in denselben nach neueren
Ansichten von Kolbe (6) und Geuther (7) Hydroxyl vorhanden sein. Gegen-
wärtig sind zwei Ansichten über die Constitution der Chinone die herrschenden.
Nach der einen, von Grabe (8) herrührenden Anschauung sind in den
Chinonen die beiden an Stelle zweier Wasserstoffatome tretenden Sauerstoffatome
unter sich mit je einer Valenz gebunden, ähnlich wie man dies für die Super-
— O
Oxyde gewisser Metalle annimmt: CeH402 = C6H4 I . Diese Auffassung stützt
sich auf die von Grabe (9) bewerkstelligte Ueberftihrung des Tetrachlorchinons,
pag. 138. 81) Gruber, Ber. 12, pag. 519. 82) Nietzki, Ann. 215, pag. 141. 83) Herrmann,
Ann. 211, pag. 342. 84) Hebebrand, Ber. 15, pag. 1974. 85) Malin, Ann. 141, pag. 345.
86) Grabe, Ann. 146, pag. 55. 87) Hesse, Ann. 114, pag. 293. 88) Nietzki, Ber. 10, pag. 833.
89) Carstanjen, Journ. pr. Chem. [2] 23, pag. 425. 90) Nietzki, Ann. 215, pag. 158.
91) SoüTHWARTH, Ann. 168, pag. 274. 92) Borgmann, Ann. 152, pag. 248. 93) Knapp u.
Schulz, Ann. 3x0, pag. 176. 94) Gorüp-Besanez, Ann. 143, pag. 159. 95) BrÄuninger,
Ann. 185, pag. 352. 96) Canzoneri u. Spica, Gaz. chim. 12, pag. 469. 97) v. Hagen u.
Zincke, Ber. i6, pag. 1558. 98) Ibid., pag. 1561. 99) Stenhouse u. Groves, Ber. 13, pag. 1307.
100) Merz u. Zetter, Ber. 12, pag. 2044. loi) Canzoneri u. Spica, Gaz. chim. 13, pag. 312.
102) Rommler u. Bouilhon, Jahresber. 1862, pag. 321. 103) Rad, Ann. 151, pag. 158.
104) Nietzki, Ber. 13, pag. 472. 105) Carstanjen, J. pr. Chem, [2] 23, pag. 423.
106) Nietzki, Ann. 215, pag. 168. 107) Jacobsen, Ann. 195, pag. 271. xo8) Fittig u.
Siepermann, Ann. 180, pag. 27. 109) Lallemand, Jahresber. 1859, pag. 592. iio) Carstanjen,
Journ. pr. Chem. [2] 15, pag. 410. iix) Steiner, Ber. 11, pag. 289. 112) Andresen, Journ.
pr. Chem. [2] 23, pag. 172. 113) Liebermann, Ber. 10, pag. 2177. 114) Zincke, Ber. 14,
pag. 97. 1x5) H. Schulz, Ber. x6, pag. 900. 116) Ladenburg u. Engelbrecht, Ber. 10,
pag. 1221. 117) Heintzel, Zeitschr. t dem. 1867, pag. 342. 118) Stenhouse. Ann. 167,
pag. 167. 119) Hirsch, Ber. 13, pag. 1903. 120) Krause, Ber. 12, pag. 47. 121) Schmitt
u, Andresen, Journ. pr. Chem, [2] 24, pag. 426, 122) Andresen, Journ, pr. Chem. [2] 23,
pag. 169. 123) Wöhler, Ann. 69, pag. 294. 124) Woskresensky, Berzel. Jahresber. 26,
pag. 801. 125) Wichelhaus, Ber. 14, pag. 1942. 126) Wichelhaus, Ber. 16, pag. 2005.
127) Nietzki, Ber. 16, pag. 2093. 128) Nietzki, Ber. 16, pag. 2094. 129) Möhlau, Ber. 16,
pag. 2845. 130) Deutsches Reichspatent No. 159 15, 131) Hirsch, Ber. 13, pag. 1909.
132) Seifert, Journ. pr. Chem. [2] 28, pag. 437. 133) Andresen, Ibid., pag. 422.
59^ Handwörterbuch der Chemie.
CgCl403, in Hexachlorbenzol, CgClg, vermittelst Phosphorpentachlorid, sowie auf
manche Analogien der Chinone mit Siiperoxyden. So oxydiren erstere beispielsweise
schweflige Säure zu Schwefelsäure, indem sie selbst unter Aufnahme zweier Atome
Wasserstoff in die sogen. Hydrochinone (s. d.) übergehen, welche Dihydroxyl-
verbindungen der aromatischen Kohlenwasserstoffe darstellen:
CßH,^^ 4- 2HjO -h SO, = CgH, Z §S + H^SO,.
Von anderer Seite werden die Chinone als Diketone aufgefasst, indem man
zwei Carbonyle (CO) in denselben annimmt. Für manche der als Chinone be-
zeichneten Körper ist diese Anschauung zweifellos richtig, vor allem nach den
Untersuchungen von Zincke (ig) für das vom Anthracen, C14H10, derivirende
sogen. Anthrachinon, Ci^HgOj, welches als Biphenylen -Diketon der Formel
CO
CqH^^qq^CqU^ entspricht und sich auch in wesentlichen Punkten, besonders
gegenüber Reductionsmitteln und Natriumhydrosulfit, von den meisten übrigen
Chinonen unterscheidet Indess besitzen auch andere sogen. Chinone, z. B. das
dem Anthrachinon isomere Phenanthrenchinon nach Fittig (ii) ketonartige
Eigenschaften; dieser nimmt daher für sämmtliche Chinone eine dem Anthrachinon
ähnliche Constitution an, so dass sich für das Benzochinon, CgH^Og, die Formel
CgHa^QQ^CjHj ergeben würde.
Die Chinone sind zumeist, und die der Benzolreihe ausschliesslich, sogen.
Paraderivate, d. i. die beiden Sauerstoffatome derselben befinden sich an den-
jenigen Kohlenstoffatomen, welche, im Sinne der von Kekul^ aufgestellten Struktur-
formel des Benzols die Stellung (1:4) zu einander einnehmen. Hiemach ent-
spricht das Benzochinon, je nachdem man die erste oder die zweite der oben
entwickelten Anschauungen für wahrscheinlicher erachtet, einer der beiden folgen-
den Strukturformeln:
CH I CH CH CH
1. CeH,Oj= II I I oder 2. || \\
CH o CH CH CH
^C^ ^co^
Einige der höher molekularen Chinone sind dagegen sogen. Orthoverbin düngen,
indem die Sauerstofifatome an zwei benachbarte KohlenstofFatome (1:2) sich ge-
lagert haben. Das ß-Naphtochinon sowie das Phenanthrenchinon gehören zu
dieser Gruppe. Sogen. Metaverbindungen sind indess unfähig, chinonartige Körper
zu bilden.
Die Chinone können z. Th. aus den betr. Kohlenwasserstoffen durch direkte
Oxydation erhalten werden. Im Allgemeinen steigt die Leichtigkeit dieser Um-
wandlung mit der Molekulargrösse der Kohlenwasserstoffe. Das Benzol wird nur
durch Chlortrioxyd (12) oder Chromylchlorid (13) in chlorirte Chinone übergeführt,
dagegen werden Naphtalin CipHg, Anthracen und Phenanthren Cj^Hj^, Fluor-
anthen C^gH^o» Pyren CiqH^q, Chrysen CigH^-j, Picen C^^U^^ etc. mi£ Leichtig-
keit durch Chromsäure, resp. Kaliumdichromat und Schwefelsäure, in die betr.
Chinone verwandelt. Noch leichter als die Kohlenwasserstoffe gehen die Mono-
substitutionsderivate derselben, besonders Phenole und Amine, durch dieselben
Oxydationsmittel in Chinone über, und am energischsten diejenigen Disubstitutions-
produkte, welche die für Wasserstoff eingetretenen Gruppen OH, NH^ oder
SO^OH in der ParaStellung enthalten. So geben, wie schon oben erwähnt, die
Chinone. 599
Paradioxyverbindungen (Hydrochinone), die Paradiamine, die Paramidophenole*, die
Phenol- und Amin-Parasulfonsäuren mit Leichtigkeit die entsprechenden Chinone.
Am grössten ist die Neigung, sich zu Chinonen zu oxydiren, bei den Hydro-
chinonen, indem oft schon die gelindesten Oxydationsmittel, z. B. Eisenchlorid,
die Chinonbildung veranlassen. — Von besonderem Interesse ist schliesslich noch
die synthetische Bildung chinonartiger Körper aus dem den Fettkörpern zuge-
hörenden Bemsteinsäureäther (s. d.) durch die Einwirkung von Natrium (14),
welche einen neuen Beweis für die Natur der Chinone als Paraverbindungen
liefert, sowie die Thatsache, dass die merkwürdigen aus Kohlen oxydkalium (COK)x
bei Zutritt von Luft und Feuchtigkeit sich bildenden Säuren (15) höchst wahr-
scheinlich als Chinonderivate anzusehen sind (i6).
Die Chinone besitzen weder saure, noch alkoholische Eigenschaften; allen
aber mit Ausnahme des Anthrachinons kommt die Eigenschaft zu, durch Reductions-
mittel, bes. schweflige Säure, zwei Atome Wasserstoff aufzunehmen, und dadurch
in Hydrochinone überzugehen, welche als zweiwerthige Phenole anzusehen sind
und ebenso leicht wieder zu Chinonen oxydirt werden können (s. oben). Die
Chinone der Benzolreihe CnH2n-802 bilden ausserdem bei unvollständiger Reduc-
tion die sogen. Chinhydrone, welche auch durch partielle Oxydation der Hydro-
chinone, am besten durch Eisenchlorid, erhalten werden. Dieselben sind als
Additionsprodukte von 1 Mol. Chinon mit 1 Mol. Hydrochinon zu betrachten (17)
und lassen sich auch durch Vermischen der Lösungen äquivalenter Mengen beider
Componenten darstellen. Aehnliche Additionsprodukte bilden die Chinone auch
mit 1 Mol. eines anderen zweiwerthigen und mit 2 Mol. eines einwerthigen
Phenols; letztere Körper heissen Phenochinone (18). Unter Umständen verbinden
sie sich mit saurem schwefligsaurem Natron nach Art der Ketone. Chlor- resp.
Brom wasserstoffsäure führt sie im Sinne folgender Gleichung in chlorirte resp.
bromirte Hydrochinone über (19):
CeH.g + 2HC1 = CeH.gg -h Cl, = CeHjClg^J n- HCl;
und ganz analog bilden Säurehaloide halogenisirte Hydrochinonäther (20) (7).
Zweifellos eine Folge des Sauerstoffgehaltes der Chinone ist die besonders
im Vergleich mit den zugehörigen Kohlenwasserstoffen bedeutend gesteigerte Be-
weglichkeit der übrigen an Kohlenstoff gebundenen Elemente, welche sich durch
weiteren Eintritt negativer Elemente oder Atomcomplexe noch erhöht. Die
Chinone tauschen durch Einwirkung von Chlor oder Brom leicht sämmtliche an
demselben Benzolkern befindliche Wasserstoffatome gegen Halogen ein; diese
Halogensubstitutionsprodukte ersetzen ihrerseits zwei Halogenatome schon bei
der Einwirkung von Alkalien bei gewöhnlicher Temperatur durch Hydroxyl.
Die so entstehenden Oxychinone besitzen den Charakter von Säuren und werden
daher als Chinonsäuren bezeichnet (s. Chlor- und Bromanilsäure). Aehnlich wird
in den halogenisirten Chinonen durch schwefligsaures Kalium an Stelle des
Halogens die Sulfonsäuregruppe (s. Thiochronsäure) und für letztere wieder durch
Alkalien Hydroxyl eingeführt, während durch Ammoniak Amide gebildet werden
(s. Chloranilamid). Charakteristisch ist sodann für fast alle Chinone, mit Ammo-
niak, glatter mit Aminbasen, derartig zu reagiren, dass ein resp. zwei Wasserstoff-
atome des Benzolkemes durch die betr. Amidgruppe ersetzt werden, während gleich-
zeitig ein resp. zwei andere Moleküle desChinons zu Hydrochinon reducirtwerden(2i).
3CeH,02 + SCeHgNHa = CeHj(NHCeH,)802 -h SCgH^g^
.(Chinon) (AnUin) (Dianilidochinon) (Hydrochinon).
6oo Handwörterbuch der Chemie.
Die Chinone, ihre Derivate und die Chinhydrone sowie Phenochinone sind
sämmtlich lebhaft gefärbt, während die Hydrochinone farblos erscheinen. Vor-
herrschend sind gelbe und rothe Farben; so sind die Chinone der Benzolreihe
ausnahmslos gelb, die Farbe der Chinone des Naphtalins, Phenanthrens, An-
thracens nähert sich durch Orange dem Roth, und die noch höher molekularen
sind ausgesprochen roth; blau sind gewisse chinonartige Derivate des Diphenyls.
Viele Chinonderivate besitzen als ausgezeichnete, echte Farbstoffe hervorragende
Bedeutung fiir die Technik: so die salzartigen Verbindungen des Dioxyanthrachinons
(Alizarins) und die sogen. Chinonfarbstoffe, welche sich durch Einwirkung tertiärer
aromatischer Basen auf chlorirte Chinone bilden.
Die Chinone der Benzolreihe sind ziemlich leicht in Wasser, sehr leicht in
Alkohol, Aether u. s. w. löslich, sublimirbar und oft schon bei gewöhnlicher
Temperatur etwas flüchtig; sie besitzen einen heftig reizenden, jodähnlichen Geruch
und färben auch, wie dieses, die Haut braun. Mit der Zunahme des Molekular-
gewichtes schwächen sich auch hier, wie überall, diese Eigenschaften ab.
In folgendem werden nur die Chinone der Benzolreihe, welche der allge-
meinen Formel CnH2n-802 entsprechen, und deren als Chinohimide und Chinon-
chlorimide bezeichnete Derivate behandelt; die höher molekularen Chinone
finden bei den betr. Kohlenwasserstoffen Erwähnung.
A. Chinone.
1. Benzochinon, Chinon xat' Itoxi^v, CßH402, wie oben erwähnt zuerst
aus Chinasäure durch Oxydation mit Braunstein und Schwefelsäure (i), sodann
von WöHLER (25) aus Hydrochinon dargestellt und eingehender untersucht, erhält
man aus zahlreichen Parasubstitutionsprodukten des Benzols (26) auf die oben
angegebene Weise, sowie aus mehreren Pflanzenstoffen durch geeignete Oxyda-
tion (27). Die beste Darstellungsmethode ist die aus Anilin (28):
1 Th. Anilin, in 30 Thln. Wasser und 8 Thln. Schwefelsäure gelöst, wird unter Kühlung
und Umschtitteln langsam mit 3 Thln. rothem chromsaurem Kali versetzt ; die ätherischen Extrakte
dieser Flüssigkeit hinterlassen nach dem Abdestilliren des Aethers fast reines Chinon, dem Ge-
wichte nach 40— 50J des angewandten Anilins; von geringen Mengen Chinhydron kann es,
wenn schon unter starkem Verlust, durch Destillation mit Wasserdämpfen befreit werden.
Das Chinon bildet goldgelbe, bei 115-7° schmelzende Nadeln, sublimirt sehr
leicht und langsam schon bei gewöhnlicher Temperatur, riecht erstickend, ist aber
nicht giftig; löst sich leicht in heissem Wasser, Alkohol, Aether u. s. w. und
zersetzt sich in wässriger Lösung allmählich unter Braunfarbung und schliesslich
unter Abscheidung eines braunen Pulvers, noch leichter in alkalischer Lösung, wo-
bei sich zugleich unter Absorption von Sauerstoff sogen. Tannomelansäure (Oxy-
chinon) bildet. Reductionsmittel (SOj, HJ, SnCl,, Zn-hHgSO^ etc.) führen Chinon
in wässriger Lösung erst in Chinhydron (CuH^qO^), sodann in Hydrochinon
CgH4(OH;3 über; concentrirte Salzsäure liefert Chlorhydrochinon C6H3Cl(OH)2(i9\
Acetylchlorid Chlorhydrochinonacetat [C6H3Cl(OCOCH3)2 (20, 7), Chlor vorzugs-
weise Trlchlorchinon (CßHCl302), chlorsaures Kali und Salzsäure vorwiegend
Tetrachlorchinon (Chloranil CgCl^Oj), Schwefelwasserstoff mit wässriger Chinon-
lösung braunes, sogen. Sulfohydrochinon (Ci^Hi^SgO^ ?), mit einer alkoholischen
gelbes Sulfohydrochinon (C12H12SO4) (123), Ammoniak verschiedene, schwer
oder gar nicht zu reinigende, smaragdgrüne oder braune Substanzen, die wahr-
scheinlich aus Amidochinonen bestehen (124).
Chinon bildet mit Phenolen und unter Umständen auch mit Nitraminen
Chinone. 60 1
Additionsprodukte, die sich durch schöne Krystallisation und Färbung auszeichnen,
über deren Constitution indess noch nichts Sicheres bekannt ist.
a) Verbindungen des Chinons mit Phenolen (29). Von diesen ist das am
längsten bekannte und bereits von Wöhler entdeckte am wichtigsten:
Chinhydron, C12H10O4 =CßH402-H CeHgOg (25), grüne, metallglänzende
Prismen, schwer in Wasser löslich und beim Kochen dieser Lösung in Chinon
und Hydrochinon zerfallend, wie es sich umgekehrt durch Vermischen der
Lösungen beider in der Kälte ausscheidet. Auch aus Hydrochinon durch Eisen-
chlorid entstehend (25). Ganz analog giebt Chinon und Resorcin Chinoresorcin,
fast schwarze Nadeln mit grünem Reflex. Schmp. gegen 90° (29).
Phenochinon, Ci8Hi604 = C6H4O2 4- 2CßH50H, entsteht durch direkte
Vereinigung von Phenol mit Chinon und durch Oxydation des ersteren mit Chrom-
säure (30) in Gestalt rother Nadeln mit grünem Reflex vom Schmp. 71°. Darst.
s. (29). Analog wie mit 2 Mol. des einsäurigen Phenols vereinigt sich Chinon
mit Hydrochinonmonomethyläther zu
Chinhydrondimethyläther, C^oH^o^^^^ C^H^O^-^ 2CqU^qqj^ (31),
nicht aber mit den Dialkyläthern des Hydrochinons.
Chlorirte Chinhydrone sind ebenfalls meist nicht durch Vereinigung von
Chinon mit gechlorten Hydrochinonen, sondern nur durch Oxydation der letzteren
mit Eisenchlorid zu erhalten. Von solchen sind bisher dargestellt worden:
Dichlorchinhydron, CijHgCljO^ (25).
Tetrachlörchinhydron, C13H6CI4O4 (32).
Hexachlorchinhydron, C12H4CI6O4 (32).
Octochlorchinhydron, C12H2CI8O4 (32).
Pyrogallochinon, CiaHißOg = C6H40.^ -h 2C6H.,(OH)3 (?), durch Ver-
einigung von Pyrogallol mit Chinon, auch durch Oxydation des ersteren (33) ent-
stehend, bildet ziegelrothe, über 200° schmelzende Nadeln.
b) Verbindungen des Chinons mit Nitranilinen (84) entstehen aus Chinon und Ortho-, so-
wie Para-, nicht aber Metanitroanilin in grossen, rothen Kr>'Stallen von wechselnder Zusammen-
setzung, welche leicht in ihre Componenten zerfallen.
Chlor- und Bromsubstitutionsprodukte des Chinons erhält man durch Einwirkung
von Chlor oder chlorsaurem Kali und Ssüzsäure, resp. von Brom oder den entsprechenden Brom-
verbindungen aus Chinon, Chinasäure und zahlreichen, nicht zu den Chinonen zählenden Benzol-
derivaten, wie Phenol, Anilin, Salicylsäurealdehyd, Anthranilsäure u. s. w. Ebenso werden halogeni-
sirte Hydrochinone zu den entsprechenden halogenisirten Chinonen oxydirt, und ist hierdurch, da
crstere aus den Chinonen durch HalogenwasserstofFsäuren sich bilden, ein Weg zur glatten Dar-
stellung derselben aus dem Chinon selbst gegeben. Endlich liefert Benzol durch Chromylchlorid
oder chlorige Säure sogleich gechlorte Chinone, wie solche auch durch Oxydation (am besten durch
salpetrige Säure in alkoholischer Lösung) aus gechlorten Phenolen oder Aminen erhalten werden.
Monochlorchinon, C5H3CIO3, entsteht neben höher chlorirten Produkten durch Destillation
chinasaurer Salze mit Braunstein, Kochsalz und verdünnter Schwefelsäure (36), ist aber auf diese
Weise nicht vollkommen rein zu erhalten. Man stellt es am besten durch Oxydation des Chlorhydro-
chinons mit Chromsäuregemisch dar (37). Die Eigenschaften des so gebildeten, gelbrothen, bei
37® schmelzenden Chlorchinons zeigen mit den ftir Chinon angegebenen ausserordentliche Aehn-
lichkeit — Obwohl nach den gegenwärtig herrschenden Anschauungen tlber das Benzol und
die Chinone isomere Monosubstitutionsprodukte derselben nicht möglich erscheinen, soll doch
ein isomeres Chlorchinon vom Schmp. 120^ in Gestalt flacher, gelber Nadeln beim Kochen von
Chlor-o-Dinitrobenzol mit Natronlauge entstehen (3S).
Von den drei möglichen Dichlorchinonen, CgH^CI^O.^, sind bisher zwei bekannt, welche
nach der relativen Stellung der beiden Chloratome bezeichnet werden.
Para- oder a-Dichlorchinon, (C1:C1 = 1:4), durch Oxydation von p-Dichlorhydro-
6o2 Handwörterbuch der Chemie.
chinon (39) oder p-Dichloranilin (39), sowie von Benzol mit chloriger Säure, besser mit chlor-
saurem Kali und Schwefelsäure (40) zu erhalten. Dunkelgelbe Tafeln vom Schmp. 159** (39)
oder 164° (41); in Wasser nicht, den Übrigen gebräuchlichen Lösungsmitteln schwerer löslich
als Monochlorchinon.
Meta- oder ß-Dichlorchinon, (CI:C1=1:3), wird am besten durch Oxydation von
Trichlorphenol durch salpetrige Säure in alkoholischer Lösung gewonnen (42) und bildet stroh-
gelbe Nadeln vom Schmp. 120®.
Trichlorchinon, CgHCl^O^, nur in einer Modification möglich und auch bekannt, bildet
sich beim Behandeln von Chinon (i), Chinasäure (32), Phenol (43), p-Amidophenol (44), Ben-
zol (45) etc. mit Chlor oder Chlorgemischen, am besten durch Eintragen einer bei 100® voll-
zogenen Lösung von 1 Thl. Phenol in 1 Thl. H,SO^ in eine heisse Lösung von 4 Thln. chlor-
saurem Kali und ZufUgen Uberschtissiger concentrirter Salzsäure (46). Die Trennung vom
zugleich entstandenen Tetrachlorchinon geschieht durch Ueberführung der Chinone in die Hydro-
chinone, von denen sich nur das der Trichlorverbindung in heissem Wasser löst (43). Trichlor-
chinon bildet gelbe Blätter, die sich leicht nur in heissem Alkohol und Aether lösen, und schmilzt
bei 165 — 166® (43). Abgesehen von der typischen Reaction der Chinone überhaupt liefert es
mit Phosphorpentachlorid bei 200® Perchlorbenzol (9), mit alkoholischem Kali Chloranilsaorc
(s. diese) und mit den aromatischen Aminen in alkoholischer Lösung dunkelbraune, in concen-
trirter Schwefelsäure mit blauer Farbe lösliche Verbindungen.
Tetra- oder Perchlorchinon (Chloranil), C6CI4O2, ganz wie voriges
und neben demselben durch anhaltendes Chloriren sehr vieler aromatischer Sub-
stanzen, wie Isatin, Anilin, Phenol, Chinasäure, Salicylsäure, Nitro- und Amido-
benzoesäure, Tyrosin etc. entstehend, wird auch aus Trichlorchinon und conc.
Salzsäure durch Oxydation des so gebildeten Tetrachlorhydrochinons (46) oder aus
Trichlorchinon und Chlorjod (47) erhalten, aber am bequemsten durch Behandeln
von Phenol zuerst mit chlorsaurem Kali und Salzsäure, sodann mit Chlor bei
Gegenwart von Jod (47) dargestellt. Chloranil bildet goldgelbe Blättchen, die,
ohne vorher zu schmelzen, bei 150° langsam, über 200° schnell sublimiren, noch
schwerer löslich sind als Trichlorchinon, und selbst von conc. Salpeter- und
Schwefelsäure kaum angegriffen werden. Phosphorpentachlorid liefert Perchlor-
benzol (9), Reductionsmittel und Halogenwasserstoffsäuren (48) Tetrachlorhydro-
chinon, und Acetylchlorid den Essigester desselben (43); in den letzten beiden
Fällen unter Freiwerden des Halogens:
C6CI4O2 4- 2HBr = CeCl^COH)^ -+- Br, und
CßC^Oj 4- 2CH3 CO . Cl = CeCl^COCOCHa)^ -+- Cl^.
Durch Kali entsteht das Kaliumsalz, durch Ammoniak resp. Anilin das Amid
resp. Anilid der Chloranilsäure (s. d.), durch schwefligsaure Salze Sulfonsauien
des Hydrochinons resp. Derivate derselben (s. Thiochronsäure) und mit tertiären
aromatischen Basen violette Farbstoffe (125, 126).
Monobromchinon, CgHgBrO,, durch Oxydation von Bromhydrochinon mit Eiscnchlorid
(49) erhalten, bildet treppenförmig übereinander gelagerte Tafeln und schmilzt bei 55 — 56^.
Dibrom chinone, CgH2BrjOj, sollen in vier Isomeren existiren. Die relative SteDung
der Bromatome in denselben ist indess noch nicht ermittelt, und es werden jedenfalls mindestens
zwei derselben identisch sein, da die Theorie nur die Existenz dreier Isomeren zulässt Dibrom-
chinon vom Schmp. 188® bildet sich aus Dibromhydrochinon und Bromwasser (49), ein solches
vom Schmp. 76® aus p-Diazodibromphenol (50), ein anderes, bei 122® schmelzendes, entsteht
zuweilen bei der Oxydation von Tribromphenol mit rauchender Salpetersäure (39), und ein
viertes vom Schmp. 88® soll, neben Tribromchinon, durch Erhitzen von Quercit, CjHijOj, mit
überschüssiger Bromwasserstoffsäure auf 180® entstehen (51).
Tribromchinon, CgHBr^O,, aus Tribromhydrochinon (49) und durch Reduction von
Bromanil (52) zu erhalten, entsteht auch aus Succinylobemsteinäther (53) und schmilzt bei 147^.
Tetrabromchinon, C^Br^O, (Bromanil), ähnlich dem Chloranil durch Einwirkung von
Chinone. 603
Brom auf verschiedene Benzolderivate entstehend, u. a. auch aus symmetrischem Tetrabrombenzol
durch Salpetersäure (54); wird am besten durch Zusammenbringen von 10 Thln. Brom, 3-J Thln.
Jod und 50 Thln. Wasser mit 1 Thl. Phenol und schliessliches Erwärmen des Gemisches bis
auf 100° dargestellt (52). Verhalten und Eigenschaften sind mit denen des Chloranils fast
übereinstimmend.
Chlor-Brom- Chinone.
Chlorbromchinon, CgHjClBrOj. Schmp. 172®; aus Chlorbromhydrochinon und Salpeter-
säure (55\
C\
m-Dichlor-, m-Dibromchinon, Cgg^-^Oj (Cl:Cl = Br:Br = 1:3), entsteht durch Kochen
von m-Dichlorchinon mit Brom in Eisessig (56). Dasselbe (?) bildet sich auch aus Chinon-
dichlordiimid (s. Chinonchlorimide) durch Erwärmen mit der berechneten Menge Bromwasser (57)
und aus Hydrochinon (58).
Trichlorbromchinon, CgCl3Br03, sublimirt bei etwa 160®, ohne vorher zu schmelzen,
und ist in den meisten Lösungsmitteln schwer löslich. Wird aus Trichlorchinon und Brom (47)
oder Trichlorbromhydrochinon und Salpetersäure (55) erhalten.
Dijodchinon, CgH2J202; Schmp. 178®; entsteht durch Oxydation von Dijod-p-Amido-
phenol mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure (132).
Nitrochinone sind weder direkt noch aus Nitrohydrochinonen darzustellen. Nur ein
Mononitrochinon, C6H3(N02)Oj, ist bekannt, welches aus Nitrobenzol, bei der Zerlegung
der Verbindung desselben mit Chromylchlorid durch Wasser, in Gestalt brauner, bei 232®
schmelzender Blättchen entsteht (59). Nitranilsäure s. unter Oxychinon.
Amidoderivate der Chinone und ihrer Halogensubstitutionsprodukte ent-
stehen direkt durch Einwirkung von Ammoniak und Aminen auf Chinone, unter
gleichzeitiger Bildung von Hydrochinonen (s. oben unter: Chinone, pag. 599). Nur
das Amidochinon selbst, C6H3(NH2)02, scheint nicht darstellbar zu sein, da das
Chinon durch trocknes Ammoniak unter Austritt von Wasser zwar in eine krystalli-
nische, smaragdgrüne Masse verwandelt wird (60), diese sich aber nicht reinigen
lässt und jedenfalls auch eine complicirtere Verbindung darstellt. In alkoholischer,
ätherischer oder Chloroform-l.ösung entsteht eine braune Masse, die vielleicht das
Amidochinon in unreinem Zustande darstellt (64). Dagegen liefert Chloranil beim
Kochen mit alkoholischem Ammoniak
Diamidodichlorchinon, Chloranilamid, Cgpi ^^Oj, (61):
^6Cla
CßC^Oj 4- 4H3N = 2NH4CI -f- Cß^J^^^^Og.
*2
Es stellt rothbraune Krystalle mit metallischem Reflex dar, welche von den meisten Lösungs-
mitteln nicht aufgenommen werden, und beim Kochen mit Alkalien in Ammoniak und Salze
der Chloranilsäure zerfallen. Analog entsteht aus Bromanil
Diamidodibromchinon, Bromanilamid, CgL '''^Oj, als braunrothes Krystall-
pulver (76).
Leichter zu untersuchen, als die Einwirkungsprodukte des Ammoniaks, sind die der aroma-
tischen Amine auf Chinon, wobei stets zwei Wasserstoffatome des Benzolkernes durch das
betreffende Amid substituirt werden. So entsteht beim Kochen von Chinon mit Anilin in alko-
holischer Lösung neben Hydrochinon (s. Allgemeines)
u
Dianilidochinon, Cgy^^tr^ „ \ O.^ (62, 63), in Gestalt blauvioletter, metallglänzender
Schuppen, die sublimirbar, aber nicht schmelzbar sind. Durch salpetrige Säure entsteht aus
demselben ein bei 245 ^^ schmelzender Körper, der wahrscheinlich folgende Zusammensetzung
besitzt: CgH^i^ 6^5^20,, und leicht Nitranilin liefert (64). p- und o-Toluidin geben ganz
ähnliche Verbindungen mit den Chinonen. Analog geben auch Tri- und Tetrachlorchinon mit Anilin
6o4 Handwörterbuch der Chemie.
H
Chlordianilidochinon, CgQ O, (65), undDichlordianilidochinon (Chlor-
(NHCgHs),
Cl
anilanilid), Cg.^^tr^ u ^ ^2 (^^)* Beide stellen braunrothe bis schwane, fast anKCisetzt
sublimirende Blättchen dar, die nur von concentrirter Schwefelsäure unzersetzt gelöst werden.
Chloranilanilid bildet sich auch aus Trichlorchinonchlorimid mit Anilin (67), und ein ganz ähn-
licher Körper entsteht aus o-Amidophenetol (67).
Br
Dibromdianilidochinon, Bromanilanilid, Caf^^\rr^ tt \ O41 entsteht aus Brom-
•»(JNHCglljjj
anil und Anijin (52).
Hydroxylderivate der Chinone scheinen durch direkte Oxydation der Chinone
in alkalischer Lösung an der Luft zu entstehen; diese Körper von der Formel
CgH^Oj werden als Melansäuren oder Tannomelansäuren (letztere aus Tannin)
bezeichnet, sind aber noch so gut wie gar nicht untersucht Auch soll ein
Oxychinon aus Rufigallussäure durch Schmelzen mit Aetzkali entstehen (85).
H
Vom Dioxychinon ist nur der Dimethyläther, ^6(QCli ^ ^* bekannt, der
durch Oxydation von sauren Pyrpgalloläthern in Gestalt gelber Nadeln entsteht (68).
Br
Sein Dibromderivat, Cß/QQ-rr \ Oj, bildet rothe, bei 175° schmelzende Nadeln.
H
Trioxychinon, CßH^Oj = Cg/QXTx O^, wird aus Amidodiimidoresordn
durch Erhitzen mit Salzsäure auf 140° im Sinne folgender Gleichung erhalten (69):
H NH R o
CeCOH), I 4-3H,0 = Ce,^ . 0+^^"»'
NHj NH V^'^;3'-'
und stellt entweder gelbe Schuppen oder ein amorphes, fast schwarzes Pulver dar.
Unlöslich in fast allen Lösungsmitteln wird es nur von alkalischen Flüssig-
keiten unter Bildung brauner Salze aufgenommen, welche mit den Schwermetallen
dunkle Fällungen geben. Mit Acetyl- und Benzoylchlorid giebt es ein Triacetat
resp. Tribenzoat (69). Besser untersucht, weil leichter zu erhalten, sind die Sub-
stitutionsprodukte der Oxychinone. Die Halogen- und Amido-Derivate des Chinons
tauschen bei der Behandlung mit Kalilauge mehr oder minder leicht Halogen
resp. Amid ^egen Hydroxyl ein. Der bekannteste dieser Körper ist das
Cl
Dichlordioxychinon, (Chloranilsäure), ^s(q\i) ^2» welches aus Chlor-
anil und Trichlorchinon, in letzterem Falle neben Trichlorhydrochinon, schon in
der Kälte durch verdünnte Kalilauge gebildet wird:
2C6H 'O2 4- 3K0H = C,^q\^^ O^ + KCl 4- C^^^ (OH), -f- H,0 (9)
Am besten löst man 5 Thle. mit Alkohol befeuchtetes, rohes Chloranil, aus
Phenol erhalten, in einer Lösung von 6 Thln. KOH in 150 Thln. Wasser, fallt
das chloranilsäure Kalium durch Zufügen von 10 — 15 Thln. Kochsalz, reinigt es
durch nochmaliges Lösen in Wasser und Fällen mit Kochsalz und fällt schliess-
lich durch Salzsäure die freie Säure (52). Chloranilsäure krystallisirt entsprechend
C\
der Formel Cg/^^^jx Oa + HgO mit 1 Mol. H^O, welches bei 115° weggeht; die
hellrothen, glänzenden Blättchen lösen sich in Wasser, werden aber durch Säuren
ausgeschieden, erhitzt sublimiren sie nur z. Th. unzersetzt. Phosphorpentachlorid
regenerirt Chloranil, Reductionsmittel geben Hydrochloranilsäure=Dichlortetraoxjr
CeCl^O, 4- 4K0H = Cß/^^j^x O3 H- 2KCI -+- 2HjO (70) und
Chinone. 605
Cl
benzol, ^6(o\d (7^)- ^^^ ^^^ Salzen der zweibasischen Chloranilsäure lösen
sich die der Alkalien mit violetter Farbe in Wasser; die der übrigen Metalle
sind braun und in Wasser unlöslich. Saure Salze sind nicht bekannt.
Cl
^6 (OK) ^2 "*" ^«^' purpurfarbene Nadeln oder Säulen, nur in warmem
Wasser leicht löslich, erhitzt verpuffend (72).
Cl
^ß(ONa") ^2 •+■4^2^* dunkel carmoisinroth, leichter löslich und in wässriger
Lösung leicht zersetzlich (73).
Cl
Cg/Q^ N O2, rothbrauner, pulvriger, fast unlöslicher Niederschlag (72).
Cl
Cß/Q^Q jj \ Oj, aus dem Silbersalze und Jodäthyl, krystallisirt aus Alkohol
in abgeplatteten, hellrothen Prismen. Schmp. 107° (74).
CI2
Chloranilaminsäure, C^NHo O^-h SH^O, wird beim Auflösen von Chlor-
OH"
anil in wässrigem Ammoniak als Ammonsalz erhalten und durch Salzsäure gefallt
(75). Dunkelviolette, fast schwarze Nadeln, welche das Krystallwasser bei 150°
verlieren, löslich in Wasser und Alkohol; Säuren führen sie beim Kochen, fixe
Alkalien langsam schon in der Kälte unter Freiwerden von Ammoniak in Chlor-
anilsäure über. (72).
CI9
CgONH^Oj -+-41130, kastanienbraune Nadeln, mit Purpurfarbe in Wasser
NHj
löslich (72).
Die Salze der Schwermetalle sind unlösliche, braune, voluminöse Massen.
Chloranilamid und Chloranilanilid s. pag. 603.
Br
Dibromdioxychinon, Bromanilsäure, Cg^^^rx 0„, analog der Chloranilsäure aus
Broxnanil (76) oder Tri- und Dibromchinon (77) durch Kalilauge sich bildend, stellt röthliche,
krystallwasserfreie Schuppen dar, der Chloranilsäure in jeder Beziehung ähnlich.
Br
^B(OK\ ^2 "^ HgO, dunkelbraune Nadeln, leicht löslich in Wasser (76).
Br
Cg^Q^, X -I-4H30, glänzend schwarze Prismen (77).
Br,
Bromanilaminsäure, CgOH O^, analog der Chlorverbindung in fast schwarzen Nadeln
NHj
erhalten (76).
Cl
Chlorbromanilsäure, CgBr O3, aus Dichlordibromchinon (78) oder Tribromchinon
(OH),
(79) durch verdünnte Kalilauge entstehend und in Form hellrother Blättchen mit 1 MoL HjO
krystallisirend, die der Chloranilsäure völlig gleichen.
a Cl Cl
CgBr O, +4H,0; CgBr 08+2HjO; CgBr O..
(ONa), (OK), (OAg),
= C.(NO),
)i
leiten von salpetriger Säure in eine ätherische Lösung von Hydrochinon (80) und von Proto-
katechusäure (81) in sehr geringer Menge, in grösserer aus Dinitrohydrochinon (82); wird am
besten aus Diacetylhydrochinon gewonnen, indem man 1 Thl. desselben in ein auf — 8® ab-
gekühltes Gemisch von 5 Thln. rauchender Salpetersäure und ebenso viel Schwefelsäure einträgt,
stehen lässt, mit Eiswasser verdünnt und mit Kalilauge übersättigt, wobei das im Ueberschuss
Dinitrodioxychinon, Nitranilsäure, CgHjNgOg = Cg^Q «''»Oj, entsteht durch Ein-
6o6 Handwörterbuch der Chemie.
von Kalilauge fast unlösliche Kaliumsalz ausfällt (127). Nitranilsäure findet sich femer unter
den Einwirkungsprodukten von rauchender Salpetersäure auf Chinonhydrocarbonsäure (83)- Sie
bildet goldgelbe, wasserhaltige Krystalle, die bei 100^^ verwittern und bei 170^ verpuffen, in
Wasser und Alkohol sehr leicht, in Aether nicht löslich sind und sich in wässriger Lösung leicht
zersetzen. Nitranilsäure ist eine der stärksten Säuren, welche selbst Mineralsäuren austreibt
Es sind nur neutrale Salze bekannt, welche sich sämmtlich durch lebhafte Färbung und Schwcr-
löslichkeit auszeichnen (82).
Cg>Q^?'''0^, citronengelbe Nadeln mit bläulichem Reflex, in heissem Wasser relativ
leicht löslich (82), in Kalilauge fast unlöslich.
^«[oNa)*^a "*"^^a^' ^^^^ Erhitzen verpuffend (81).
CgX „'-''Oj, fällt selbst aus sehr sauren Lösungen von Chlorbarium durch Nitranilsäure
in Form gelber Blättchen aus und ist fast so unlöslich wie Bariumsulfat (82).
Das Kalk-, Silber- und Bleisalz sind gelbe, unlösliche Niederschläge.
Sulfonsäuren desChinons sind ebenso wenig wie die Nitroprodukte direkt aus Chinon
darstellbar; indess liefern einige der zahlreichen Hydrochinonsulfonsäuren, welche aus chlorirten
Chinonen durch Einwirkung von neutralem oder saurem Kalisulfit hervorgehen, durch Oxydation
Chinousulfonsäuren.
Chlordioxychinonsulfonsäure. Beim Auflösen von Trichlorchinon in erwänntem
Kaliumsulfit entsteht neben euthiochronsaurem Salz das sich zuerst ausscheidende trichlorhydro-
Cl
chinonsulfonsaure Kalium, Cg^J oK^^^^a* welches sich in alkalischer Lösung an der Luft zu
Cl
chlordioxychinonsulfonsaurem Kalium, Cg(OK)j OJ+2H2O, oxydirt. Dasselbe bQdet roftihe,
SOjjOK
Cl
sehr leicht lösliche Nadeln und geht durch Sahsäure in das saure Salz Cg(OH), O, über,
SOjOK
welches gelbe Blättchen darstellt. Die Säure selbst ist nicht isolirt worden. Genauer untersucht ist die
Euthiochronsäure, Dioxychinondisulfonsäure, Cg/QQ QTT\ Oj. Die-
selbe entsteht durch Kochen der aus Chloranil und Kaliumsulfit entstehenden
sogen. Thioch ronsäure mit Kalilauge (87, 86) als Kaliumsalz; aus dem Baiyt-
oder Silbersalz erhält man die freie Säure, welche mit 4 Mol. HjO in langen,
gelben, zerfliesslichen Nadeln krystallisirt, leicht auch in Alkohol, schwieriger in
Aether löslich ist und beim Erhitzen verkohlt. Zinn und Salzsäure reduciren sie
zu Hydroeuthiochronsäure = Tetraoxybenzoldisulfonsäure, ^efSO OH^ ^^^^'
Neutrales Kaliumsalz, ^e^sO OK'^ O3 + 2HjO, wie oben angeführt erhalten; vier-
seitige, citronengelbe, leicht lösliche Prismen.
(OH),
Saures Kaliumsalz, CgSO,OK O, + HjO, entsteht als zinnoberrother Niederschlag beim
SOjOH
Versetzen der Lösung des neutralen Salzes mit Mineralsäuren.
Natriumsalz, CgNa^SjOjo + 3HgO, analog dem Kaliumsalz erhalten.
Bariumsalz, CgBa2S20|QH-4H30, ockergelber, krystallinisch werdender Niederschlag-
Silbersalz, CgAg^SjO^Q, vorigem analog.
TT
2. Toluchinon, C'jH^O^^CqqIj^ O^, nur in einer Modification möglich
und bekannt. Entsprechend dem Benzochinon durch Oxydation von p-Derivaten
des Toluols, bes. Paratoluylendiamin (88) und rohem Kresol (89), am bequemsten
aber aus Orthotoluidin (90) zu erhalten, bildet goldgelbe, sehr flüchtige, rhom-
bische Blättchen vom Schmp. 67° und gleicht dem Benzochinon vollkommen bis
Chinone. 607
auf die LeichtlösHchkeit seines Chinbydrons, welches feine, fast schwarze bei 52°
schmelzende Nadeln darstellt (88, 89).
H
Chlorsubstitutionsprodukte. Dichlortoluchinone, €711401,02 = CgCl, O,, ent-
CH,
stehen aus o- und m-, nicht p-Kresolen durch Behandeln mit chlorsaurem Kali und Salzsäure (91).
o-Dichlortoluchinon, Schmp. 119 — 121°. m-Dichlortoluchinon, sublimirend.
Q
Trichlortoluchinon, ^srh ^2» ^^*' S^^^ wie Trichlorchinon aus Phenol, aus rohem
Steinkohlentheerkresol zu erhalten (92, 93). Gelbe, mit Wasserdampf flüchtige, bei 232® unter
Bräunung schmelzende Blätter.
Cl
Tetrachlortoluchinon, CyHjCl^Oj =Ce^Jl rfi .* vorigem analog aus Buchenholz-
theerkresot (94, 95). Goldglänzende, sublimirbare Schuppen.
H
Dibromtoluchinon, C^H^BijOj = CgBr, Oj, aus Toluchinon und Brom in geringer
CH,
Menge entstehend, Schmp. 85° (96).
Tribromtoluchinon, C^HjBr^Oj = CgpA Oj, wie voriges oder analog der Chlor-
verbindung gebildet. Schmp. 235° (96).
H,
Nitrotoluchinon, C^HjNO^ = CgNOjOj, ganz entsprechend dem Nitrochinon aus
CH3
o-Nitrotoluol darstellbar; Schmp. 237° (59).
Amidoderivate des Toluchinons (97). Aus Toluchinon und Anilin in alkoholischer
Lösung entstehen
Monoanilidotoluchinon, CgNHCgHjOj, Schmp. 144—145°, rothe Nädelchen, und
CH,
H
Dianilidotoluchinon, C6(NHCgH5)jOj, bräunliche, bei 233° schmelzende Nadeln (97).
CH3
Hydroxylderivate des Toluchinons. Vom Oxytoluchinon ist nur ein Chlorderivat bekannt:
Cl,
Dichloroxytoluchinon, ^i/r\ir>P$i durch Oxydation von Trichlororcin. Schmp. 157°(99).
CH,
H
Dioxytoluchinon, Cß(0H)30.^,- Darstellung s. (98); gelbe Blättchen, sehr leicht subli-
CH,
mirend und löslich auch in Wasser. Schmp. 177°.
H
OH
Anilidooxytoluchinon,Cg^TTp u O,, aus Dianilidotoluchinon und verdünnter Schwefel-
CH, *
säure (97). Tiefblaue, bei 250° sich zersetzende Nadeln; bildet Salze.
CH,
Chlordioxytoluchinon, C7HJCIO4 = CgCl I^Oa» aus Trichlortoluchinon und Kali-
(OH),
lauge (93). Rothe Nadeln, unzersetzt sublimirend.
CH3CI
Dichlordioxytoluchinon, C^H.CLO. = C-Cl O-, entsteht als Kaliumsalz (kleine,
(OH),
beim Erhitzen verpuffende Krystalle), vorigem analog aus Tetrachlortoluchinon (95).
CH,
Dibromoxytoluchinon, Cg(OH) Oj, aus Tribromtoluchinon. Schmp. 196 — 197° (loi).
Trioxy toluchinon, CyHgOj = CgV,TT ''O^, aus salzsaurem Amidodiimidoorcin durch
SaUÄure bei 140" entstehend: C,NH, (NH), + 3H,0 = C,^^' O, + 3H,N (loo);
CH, '
6q8 Handwörterbuch der Chemie.
schwere, dunkle Flocken, leicht löslich nur in Alkalien und siedendem Alkohol Die Salxe der
Schwermetalle sind fast schwarze Niederschläge. Giebt mit Acetylchlorid ein Triacetat (loo).
3. Xylocbinone, C8H802 = C6jj ^^^O^, Von denselben ist nur bekannt:
p-Xylochinon oder Phloron, (CHjrCHj = 1 :4); entsteht aus den Roh-
xylolen des Steinkohlentheers (102) oder aus Buchenholztheer (103), aus Para-
diamidoxylol (104) oder Amido-Paraxylol (105) durch Braunstein und Schwefel-
säure, am besten aus Xylidin vom Siedep. 216—218°, durch Ueberfuhrung in die
Amidoazoverbindung, Reduction derselben zu Xylidin und Xylylendiamin und
Oxydation des letzteren (106). Schwerer in Wasser löslich und schwerer reducir-
bar als die oben behandelten Chinone. Bildet kein Chinhydron. Lange, gold-
gelbe Nadeln, bei 125° schmelzend, stärker erhitzt unzersetzt sublimirend.
^ ci
Monochlorphloron, CgQ O«, vom Schmp.48°, und Dichlorphloron, CgX;* x O,,
(CH3), (^"a)»
vom Schmp. 175°, entstehen beim Ueberleiten von Chlor tlber Phloron (105); ähnlich entsteht
Br
Dibromphloron, Cß^p*, . O.^; schmilzt bei 184° (loS)-
Vom m-Xylochinon sind nur einige Derivate bekannt: Durch Einwirkung von Brom
auf Mesitol, C6H^(CH3)30H, entsteht
Dibrom-m-Xylochinon, CgHgBrgO^ = Cg^^^a^^Oj (CH3:CH3= 1:3), in grossen,
goldgelben Blättern krystallisirend, bei 174° schmelzend, uniersetzt sublimirend (107).
(CH,),
Oxy-m-Xylochinon, CgHgOg = CgH O«, entsteht aus Diamidomesitylen durch
OH
Oxydation mit Chromsäuregemisch (108) in orangerothen Nadeln vom Schmp. 103°; sehr
fluchtig mit Wasserdämpfen, sublimirbar. Giebt ein Chinhydron vom Schmp. 142 — 143° (108).
CgHjKOj, schwarze Nadeln. (CgH7 03),Ba, dunkelbraun.
CH3
4. Thymochinon, CjoHijO^ = CßCjH^ O^ (CHj-.CjHy = 1 :4), durch
H2
Oxydation von Thymol (109), Carvacrol (iio) oder Dithymyläthan (m), am besten
von Amidothymol mit Bromwasser (112) oder Eisenchlorid dargestellt, bildet gelbe,
prismatische Tafeln, schmilzt bei 45*5°, siedet bei 200° und geht in ätherischer
Lösung am Licht in ein Polymeres über (113), dessen hellgelbe Nadeln erst bei
200° schmelzen, aber bei der Reduction ein mit Th)rmohydrochinon identisches
Produkt liefern.
^ ci
Cl '
Chlorthymochinon, Cgpu O^; Dichlorthymochinon, CgCHj O«, Schmp. 99®;
C,H, ^»"t
Br »^
Bromthymochinon, Cßp^r O,; Dibromthymochinon, CgCHj O,; Schmp. 73®, «nt-
stehen aus Thymochinonchlorimid (resp. dem chlorirten Chlorimid) durch Chlor- resp. Brom-
wasserstoffsäure (112).
H
NHCH
Methylamidothymochinon, Ci^H^ jNO,, = Cg^j^ 'O,, dunkelviolette, leicht lös-
CaHr
liehe und fltlchtige Blättchen vom Schmp. 74® und
(NHCH,),
Dimethyldiamidothymochinon, Cj jH, gNjOj =?= CgCHj O-, röthlich violette«
Giinone. 609
nicht flüchtige Nadeln vom Schmp. 203^» entstehen beim Behandeln von Thymochinon in^alko-
holischer Lösung mit Methylamin (114); analog entsteht durch Dimethylamin
H
Dimethylimidothymx^chinon, Cg^Sj ' 'Oji als schwarz-violettes Oel (115).
H
OH
Oxythymochinoni C^^tt O,, entsteht rein nur durch Erhitzen letzt erwähnter Verbindung
mit Salzsäure (115); kleine, bräunlichgelbe Nadeb, sublimirbar; Schmp. 166^167^. Salze (1x5).
Cl
OH
Chloroxythymochinon, C^^tt O,; Schmp. 122^ aus Chlordinitrocymol (116).
C.H,
NHCjH,
OH
Anilidooxythymochinoni ^scK ^>' ^^ ^^^ Oxychinon und Anilin; Schmelz-
C H
punkt 134—1350 (115).
Die entsprechende Toluidinverbindung schmilzt bei 164 — 165^ (nS)*
(OH),
Dioxythymochinon, C^o^is^4 ^^ ^e^^s ^s> ^^^ ^^~ *^^ Chloroxythymochinon
C,Hy
und Kalilauge (116) oder Dimethylamidothymochinon und Schwefelsäure entstehend (114). Hell-
TOthe, ziemlich schwer lösliche Prismen vom Schmp. 220^ (n^)/ 213^ (ii4)- Salze und Säure-
äther (114).
B. Chinonimide.
An die Chinone schliessen sich durch physikalische und chemische Eigen-
schaften einige Körper an, welche aus ersteren durch Substitution eines oder
beider Sauerstoffatome durch Imid (NH) oder Chlorimid (NCl) entstanden ge-
dacht werden können, auch leicht in Chinone überzuführen sind und dem ent-
sprechend als Chinonimide, resp. Chinonchlorimide bezeichnet werden. Chinon-
imide entstehen unter Umständen durch gemässigte Oxydation gewisser Para-
diamido Verbindungen; so liefert ein Triamidoresorcin ein Dioxyamidochinondiimid
(oder Amidodiimidoresorcin) (22):
^cHnw +0=H80H-CeHNjj ^jj.
NH,
Diamidonaphtol giebt analog Naphtochinonimid (23) (oderlmidooxynaphtalin):
NW NH
CioHeoH* + 0 = H2^-*-CioHgo "• s. w. Die einfachsten derartigen Ver-
bindungen Chinonimid: CgH^Q und Chinondiimid: CgH^j^jj sind noch nicht
bekannt. Mit Wasser und Alkalien oder Säuren erhitzt gehen die Chinonimide
unter Abspaltung von Ammoniak in die entsprechenden Chinonderivate über:
C,oH5(OH)J5g-^ 2HjO = CioH5(OH)g + 2H,N
(Oxynaphtochinondiimid) (Oxynaphtochinon).
H,
Oxyamidochinondiimid, C(HyN,0=:CqOH(NH)2 (Amidodümidophenol), entsteht aus
salzsaurem Triamidophenol durch Elsenchlorid als salzsaures Salz, welches hraune, hlauschiUemde
KiystaUe hildet (117).
LAinNBOXG, Chemie. IL 39
Bio Handwörterbuch der Chemie.
Oxyamidochinonimid, CgH-N-O« = C*OH i. (Amidoimidoxyphenol); SaUe de»-
selben bildeten sich beim Erwärmen der vorigen Verbindung mit Mineralsäuren (iiy)«
C^HjNjOj.HCl, farblose Nadehi. (CeHjN,08)HjS04 -i-H,0. Blättchen.
H
Dioxyamidochinondiimid, CjH^NjO, -f" H,0 = Ce(OH),(NH), + H,0 (Amido-
diimidoresorcin), vorigem analog aus Triamidoresorcin entstehend (22), bildet grttne, fast onlOs-
liche Nadeln r die jedoch von Kalilauge mit blauer Farbe aufgenommen weiden und mit Salzsäure
erhitzt Trioxychinon liefern.
CH,
Dioxyamidotoluchinondiimid, CyH,N,Oj + 2H,0 = C^(OH),(NH), H- 2H,0
(Amidodiimidoorcin), entsteht durch Reduction von Trinitroorcin mit Natriumamalgam (118);
dunkelgrüne, schillernde Nadeln, nur in alkalischen oder sauren Flüssigkeiten löslich.
CyHgNjOj.HCl + HjO, braunroth. (C^H,N50,)HjS04 4-H,0, purpurfarben.
An die Chinonimide schliessen sich noch einige Verbindungen, welche, aus den Chinoom
durch Vertretung eines Atoms Sauerstoff durch Phenylimid: (NC,Hj) hervorgehend, deshalb
zweckmässig als Chinon-Phenylimide zu bezeichnen sind (97):
^^j fO
Dianilidotoluchinonphenylimid, C«H {^^ „ » entsteht aus Anilin und
(NHCjHj), l"^«"*
Toluchinon in essigsaurer Lösung, bildet dunkelbraune Blätter, schmilzt bei 167^, bildet mit
Säuren schwer lösliche Salze; giebt, mit Schwefelsäure in Lösung von Methyl-, Aethyl- und
Isobutylalkohol erwärmt, ätherartige Verbindungen:
CH, CH,
OCH5 OCjHj
CH,
H fO
^«NHCeHaNCeHj» ^^^^'^P* ^^'^'''
OC4H,
welche ebenfalls Basen sind, durch Erwärmen mit Säuren und Basen aber bilden:
CK,
H fO
Anilidooxytoluchinonphenylimid, C^^^^ „ I-^q tt t bräunliche Nadeln, von
6 5 1 6 5
OH
kaum basischen, aber schwach sauren Eigenschaften (97).
NH
Imidanilsäure (Diimidodioxychinon) , C^H^NjO^ = Cg(OH),«.u Oj* dürfte ein dnrch
Reduction von Nitranilsäure durch Zinnchlorür und nachheriger Oxydation durch Eisenchlorid
entstehender Körper genannt werden (128), welcher grünschillemde Blättchen bildet
C. Chinonchlorimide.
Diese von R. Schmiit entdeckten Körper (24), in welchen ein oder beide
Chinonsauerstoffatome durch Chlorimid (NCl) vertreten sind, entstehen durch
Oxydation von Paramidophenolen oder Paradiaminen mit Chlorkalk.
So liefert das Paramidophenol, CßH4j^jj > <, Chinojichlorimid CßH^jrQ»
das Paraphenylendiamin, CgH^J^jjj* W, Chinondichlordiimid CeH^j^Q. Diese
eigenthümlichen, sehr reactionsföhigen Derivate des Chlorstickstofl^ destilliren
nicht unzersetzt, sondern verpuffen beim Erwärmen; durch Einwirkung trockener
Salzsäure entstehen Salze, welche schon durch Wasser in Chinone und Salmiak
NBr
Chinondibromdiimid, ^6^4MBr* ^"^ p-Phenylendiamin und Bromwasser» verpufit bei
ChinoKiev £it
zerfallen (133). Durch Reductionsmittel werden die entsprechenden Amido-
phenole oder Diamine regenerirt, beim Erhitzen mit Wasser oder Alkohol liefern
sie meist die entsprechenden Chinone.
Cbinonchlorimid, ^g^aijqi entsteht ato salxsaurem Paramidophenol und auch Amido-
phenetol durch Chlorkalklösung, bis die Farbe der Flüssigkeit von violett in gelb Ubetspringt (44) ;
goldgelbe Krystalle, bei 85 ® schmelzend, bei höherer Temperatur verpuffend, chinonartig riechend
leicht flüchtig und löslich in warmem Wasser. Reducirt in p-Amidophenol, mit Wasser gekocht
in Salmiak und Chinon, mit Salzsäure in gechlorte Chinone Übergehend (44) (119).
Dibromchinonchlorimid, C^H^Br^^Q, aus dem Zinndoppelsalz des Dibromparamido-
phenols entstehend; hellgelb; Schmp. 80^; ZerseUungspunkt 12 1^ (i^Q)*
Dijodchinonchlorimid, ^s^iJsNCr S<^^P*12^^> analog aus Dijod-p-Amidophenol( 132).
NCl
Chinondichlordiimid, CfHiN^Clj^CgH^^^p aus p-Phenylendiamin vorigem analog
entstehend und auch von ähnlichem Verhalten. Bei 124^ verpuffend (120).
Chin
86» (120).
Trichlorchinonchlorimid, C^HQ^^p., analog dem Chinonchlorimid aus Trichlor*
amidophenol entstehend (121); gelbliche, bei 118® schmelzende Prismen, sehr reactionsfähig (133).
^j o
Thymochinonchlorimid, C||^Hj,QON = C^CH, ^^q» entsteht aus Paramidothymol
C,H,
und Chloikalk (122), ist ein chinonartig riechendes, fluchtiges Oel, das mit Chlor- oder Brom-
wasserstofisäure halogenisirte AmidothymolcT oder Thymochinone liefert.
H
Cl O
Chlorthymochinonchlorimid, Ci^HjjCljON = ^«CH NCl' ^^^ Chloramidothy-
C.H.
mol (122). • ^
Farbstoffe aus Chinonchlorimiden (129).
Aus den Chinonchlorimiden, nicht aber aus den Dichlor-Diimiden entstehen
durch Einwirkung von Phenolen oder tertiären aromatischen Basen braune oder
blaue Farbstoffe, die sogen. Indophenole und indophenolartigen Farbstoffe, welche
auch aus den pag. 610 erwähnten, gefärbten Chinonphenylimiden durch Substitu-
tion von Wasserstoffatomen im Phenylimid (NC^Hj) durch die chromogenen
Gruppen OH oder N(CH3)j abgeleitet werden können.
a) Die sogen. Indophenole bilden sich aus den Chlorimiden und tertiären
Basen der Anilinreihe, besitzen basische Eigenschaften und sind daher zweck-
mässiger zu bezeichnen als
Indoanile. So s. B. liefert Trichlorchinonchlorimid und Dimethylanilin :
Trichlorchinondimethylanilenimid, Cj^HnCljNjO s= C^HQjj^^ ^ NTCH ) *
goldgrüne, schillernde Nadeln (121).
C.HCl.gc + C.H,N(CH,), = HCH- C.Ha.g c,h,N(CH,),-
Dijodchinonchlorimid verhält sich analog (132). Das Phenolblau des Handels ist wahr-
scheinlich Chinondimethylanilenimid, C^H^j,^ H NTCH ") ' ^ entsteht aus Nitrosodimethyl-
«nÜin und Phenol oder durch gemeinsame Oxydation von Phenol und Dimethylparaphenylen-
^i^wifn (129, 130) und ferfiült durch Salzsäure in letztere Base und in Chinon. Aus a-Kaphtol
entsteht ganz analog das sogen. Naphtolblau, welches als Spaltungsprodukt Naphtochinon liefert.
39*
6i2 Handwörterbuch der Chemie.
b) Die aus den Chinonchlorimiden durch Einwirkung von Phenolen beim
Erwärmen oder als Alkalisalze in alkalischer Lösung schon bei gewöhnlicher
Temperatur entstehenden, früher als indophenolartige Farbstoffe bezeichneten
Körper werden wegen ihres phenolartigen Charakters besser als eigentliche
Indophenole den >Indoanilen« gegenübergestellt. Sie entstehen auch durch
gemeinsame Oxydation eines Phenols und eines Paramidophenols (129).
Das Prototyp dieser Körper, das Chinonphenolimid, ^6^4NC H OH* welches als
Natriumsalz folgendermaassen entsteht:
^6^*NC1 ■+■ ^sHsOH = HQ + CßH^NCgH^OH '
ist aus seinen Salzen nicht zu isoliren (131); wohl aber das Dibromchinonphenolimid,
CgH^Br^-f^P TT QU)' is^ analog aus Dibromchinonchlorimid als Natriumsalz zu erhalten; aus
diesem entsteht durch verdünnte Säuren das freie Phenolimid in Form von dunkelrothen Prismen;
es zerfällt durch starke Säuren in Dibromparamidophenol und Chinon, entsteht auch durch ge-
meinsame Oxydation von Phenol und Dibromamidophenol und geht durch schweflige Säure aber
, OH
in einen Leukokörper CgHjBrjj^jjp „ qjt, vom Schmp. 170^ (129). A. Hantzsch.
Chitin.*) Das Chitin ist der Hauptbestandtheil der organischen Grundmasse
der Panzer, überhaupt der festen Theile der Insecten, Crustaceen (Odier) (i),
und kommt auch bei anderen Wirbellosen vor, 2. B. in den Schalen von LinguU
anatina Lam. (ScHMffiDEBERo) (2). Zur Darstellung benutzt man entweder Mai-
käfer oder besser Hummerpanzer, welche man mechanisch von Fleischtheiien etc.
reinigt, trocknet, zerkleinert und dann mit verdünnter Salzsäure, Kalilauge,
Alkohol und Aether (die letzten drei kochend) auszieht. Verwendet man hierzu
ganze, unversehrte Thiere, so hinterbleibt ein durchsichtiges Skelet, welches
noch ganz die äussere Form derselben besitzt. Durch Lösen des so erhaltenen
Chitins in bei 0° gesättigter Salzsäure und sofortiges Fällen mit Wasser kann
man dasselbe völlig reinigen.
Das Chitin ist eine schneeweisse, amorphe Masse, welche in Wasser,
Alkohol, Aether, verdünnten Säuren und starken Alkalien selbst beim Kochen
ganz unlöslich ist; in conc. Salzsäure oder Schwefelsäure löst es sich schon in
der Kälte leicht und zunächst ohne Zersetzung auf, erleidet aber allmählich eine
solche, sodass die Lösungen dann nicht mehr (oder nur allmählich) durch
Wasser gefallt werden. Durch Kochen mit conc. Salzsäure wird es aber unter
Braunförbung und Bildung eines schön krystallisirenden Körpers, des salzsauren
Glykosamins, zersetzt; gleichzeitig treten Essigsäure, Buttersäure und schwarze
schmierige Substanzen auf (Ledderhose) (3), (Sundwik) (4). Dabei entstehen
aber zunächst dextrinälinliche Zwischenprodukte (Bütschli) (5), (Sündwk),
welche z. Th. durch Neutralisation fällbar sind; löst man Chitin in rauchender
Salzsäure in der Kälte auf, verdünnt nach 2 — 5 Tagen die Lösung mit dem
doppelten Volum Wasser (wobei kein Niederschlag mehr entsteht), und dialysirt
die erhaltene Flüssigkeit, so scheidet sich aus derselben ein in prächtigen
♦) i) Odier, Berzelius' Jahresber. 4, pag. 247 ; s. a. Schlossberger, Thierchemie, pag. 225.
2) Schmiedeberg, Mitth. a. d. zool. Stat. zu Neapel, 1882, pag. 392. 3) Ledderhose, Zeitsdir.
f. physiol. Ch. 2, pag. 213; 4, pag. 139. 4) Süundwik, ebenda, 5, pag. 384. 5) BüTSCHU.
Reichert u. Dubin-Revmund's Arch. 1874, pag. 562. 6) Tiemann, Her. d. d-chem. Ges. 17,
pag. 241.
Chlor. 613
mikroskopischen Nädelchen kiystallisirter Körper aus, der dem Chitin noch
sehr nahe steht, aber sich schon in gewöhnlicher conc. Salzsäure leicht löst
(Drechsel). Beim Erhitzen verkohlt und verbrennt Chitin, ohne zu schmelzen;
mit Kalihydrat geschmolzen liefert es Ammoniak, Essigsäure, Buttersäure und
Oxalsäure. Mit Salpeterschwefelsäure giebt es einen weissen, unlöslichen, explosir-
baren Salpetersäureäther (Sukdwik). Im Verdauungskanal der höheren Wirbelthiere
scheint Chitin nicht verdaut zu werden, wohl aber im Magen der Knorpelfische.
Das salzsaure Glykosamin, CgHijNOg-HCl erhält man leicht, wenn
man Hummerpanzer 3 — 4 Stunden lang mit conc. Salzsäure kocht und dann
zur Kiystallisation abdampft; die ausgeschiedenen Krystalle werden durch Um-
krystallisiren gereinigt Sie sind bis erbsengross, ganz farblos, hell glitzernd,
luftbeständig, in Wasser leicht, in Alkohol sehr schwer, in Aether nicht löslich;
die Lösung ist rechtsdrehend und die spec. Drehung unabhängig von der Tem-
peratur, abhängig von der Concentration : [a]D = 4- 69° 54 für eine 10— 16'5#
Lösung. Mit Alkalien gekocht wird das Glykosamin unter Bildung von Ammoniak,
Milchsäure und Brenzcatechin zersetzt; es reducirt beim Kochen leicht FEHUNo'sche
Lösung und zwar in demselben Verhältnisse wie Traubenzucker. Die Darstellung
des freien Glykosamins ist nicht geglückt, denn aus dem erhaltenen Produkte
kann das salzsaure Salz nicht wieder dargestellt werden (Tiemann) (6), und ebenso
wenig ist es gelungen, dasselbe in Glukose überzuführen. Zwar entsteht mit
NO,H ein Körper CgHijOg, der FEHUNo'sche Lösung reducirt, doch ist der-
selbe nicht gährungsßihig. Durch Kochen mit Salpetersäure wird es in Isozucker-
säure, CgHi^Og, verwandelt (Tiemann).
Die Zusammensetzung und Constitution des Chitins ist noch nicht mit Sicher-
heit bekannt Ledderhose fand in einer Anzahl Präparate verschiedener Dar-
stellung 4504— 45-lOJ C, in anderen 4Ö-82— 46-18# C, aber keine dazwischen-
liegende Werthe. Sundwik ist daher der Ansicht, dass das Chitin ein Ammoniak-
derivat eines Kohlehydrates (C6HiQ0ß)x ist, dass es aber verschiedene Chitine
von der allgemeinen Formel: CgoHjooNgOjg H-nHjO, wo n zwischen 1 und 4
variiren kann, giebt. Den verschiedenen Werthen für diese Formel entsprechen
die Resultate mehrerer Analysen sehr genau. Für die Bildung des Glykosamins
giebt Sundwik folgende Gleichung: CßoHiooNgOjg -t- UHjO = SCeHjjNOj
-l-2CßHi20e, nach welcher also ausser Glykosamin noch ein Körper CßHjjOe
auftreten würde, der wahrscheinlich durch die conc. Salzsäure unter Bildung der
humusartigen Produkte und der Fettsäuren zersetzt wird. E. Drechsel.
Chlor,*) Cl = 35-37. Scheele gewann im Jahre 1774 den von uns Chlor ge-
nannten Körper zuerst in freiem Zustand, indem er Salzsäure und Braunstein auf
♦) i) Gmelin-Kraut's Handbuch, Bd. i, Abthlg. II., pag. 346. 2) Lunge, Handbuch der
Sodafabrikation. Braunschw. 1880, Bd. IL, pag. 751. 3) Ibid., pag. 746. 4) Oxland, Berzel.
Jahresber., Bd. 26, pag. 136; Laurent, Repert. chim. appL 3, pag. 100; Jahresber. 1861,
pag. 898; Mallet, Compt. rend. 66, pag. 349. 5) Hensgen, Dingl. Bd. 227, pag. 369.
6) Schönbein, J. pr. Ch. 55, pag. 154; Gmelin-Kraut's Handb. L, 2, pag. 349. 7) Ludwig,
Ber. I, pag. 232, 8) v. Meyer u. C. Langer, Berl. Ber. 15, pag. 277. 9) Grafts, Compt.
rend. 90^ pag. 183. 10) MoRREN, Compt rend. 68, pag. 376; Pogg. 137, pag. 165. 11) BiE-
wend, J. pr. Ch. 15, pag. 440. 12) Mohr, Ann. 22, pag. 162. 13) Regnault, Jahresber. 1863,
pag. 70. 14) Dumas, Compt. rend. 20, pag. 293; Domy u. Mareska, Compt rend. 20, pag. 817.
15) Schönfeld, Ann., Bd. 93, pag. 26; Bd. 95, pag. 8. 16) Schönbein, Ann. Suppl. 2, pag. 222.
17) Schönbein, J. pr. Ch. Bd. 55, pag. 154. i8) Wöhler, Ann. Bd. 85, pag. 374. 19) Frb-
6 14 Handwörterbach der Chemie.
einander wirken Hess. Der damals herrschenden Theorie entsprechend, be-
zeichnete er das Produkt als dephlogistisirte Salzsäure, während der Antiphlo-
gistiker Berthollet im Jahre 1785 das Chlor für oxydirte Salzsäure, also für eine
Sauerstofiverbindung erklärte. Diese Ansicht blieb bis zum Jahre 1809 bestehen,
dann aber sprachen Gay-Lussac und Thänard ihre durch experimentelle Belege
gestützte Ueberzeugung aus, dass die sogen, oxydirte Salzsäure eine einfache Sub-
stanz sei und Davy legte dem neuen Element den Namen Chlor resp. Chlorine
(von x^^P^^f grünlich) bei.
Im unverbundenen Zustand findet sich das Chlor nirgends in der Natur,
und selbst wenn es durch irgend einen natürlichen Prozess in Freiheit gesettt
würde, so könnte es seiner energischen Verwandtschaft zu anderen Elementen
wegen nicht lange isolirt bestehen. Chlorverbindungen sind dagegen sowohl
im Mineral- als im Thier- und Pflanzenreich ausserordentlich verbreitet. So
findet sich Chlor mit Natnum verbunden als Kochsalz, mit Kalium^ Magnesium
und Calcium vereinigt in den Stassfurter Salzen, in Verbindung mit Blei und
Silber als Homblei und Homsilber; mit Quecksilber als Calomel, mit Kopfer,
Eisen etc. in mancherlei Mineralien. Salmiak tritt als Ausblühung auf und Chlor*
Wasserstoff wird als Exhalationsprodukt in reichlicher Menge von vielen Vulkanen
und von vulkanischem Terrain abgegeben.
Im Thierkörper spielen die Chloralkalien eine sehr wichtige Rolle und alle
Flüssigkeiten desselben enthalten Chlomatrium oder Chlorkalium oder beide Ver-
bindungen zusammen. Die Chlorwasserstoffsäure, welche sich im Magensaft
findet, ist ein wesentliches Agens filr die Verdauung.
Geringer ist die Chlormenge, welche die Pflanzen enthalten, doch sind ins-
besondere die Strandpflanzen reich an Chloriden, chlorhaltige Aschen liefern aber
auch die Binnenlandpflanzen.
Zur Gewinnung des Chlorgases bedient man sich sowohl im Grossen
wie im Kleinen in der Regel des natürlich vorkommenden oder des künstlich
regenerirten Braunsteins und lässt Salzsäure oder ein Gemisch von Kochsalz
und Schwefelsäure darauf wirken.
SENius, Quantitative Analyse. 20) Bunsen u. Roscor, Phil. Mag. [4] 11, pag. 483; PoGG«,
Bd. 100, pag. 43, 481; Bd. loi, pag. 235. 21) Faraday, Ann. chim. phys. [3] 15, pag. 268.
22) Niemann, Ann. i, pag. 32. 23) Sainte-Claire-Dbvuxe, Compt. rend. 60, pag. 317;
Ann. 135, pag. 94. 24) Lunge, Handb. d. Sodafabrik., Bd. 2, pag. 215. 35) FkssxNics,
Qualitative ehem. Analyse. 26) Deicke, Pogg. 119, pag. 156. 27) RoscoE a. DrrTMAft,
Ann. 112, pag. 327. 28) Ibid., femer Bineau, Ann. chim. phys. [3] 7, pag. 257. 29) Gmeun-
Kraut, Bd. I, Abthlg. II., pag. 352. 30) Carius, Ann., Bd. 126, pag. 196. 31) GMELiN-KsAirr,
Bd. z, Abthlg. n., pag. 362. 32) Brandau, Ann. 151, pag. 340. 33) Carius, Ann., Bd. 140^
pag- 317: H2i pag. 129; 143, pag. 321. 34) Millon, Gmelin-Kraut, Bd. i, Abthlg. IL,
pag. 365. 35) Cohn, J. pr. Ch. 83, pag. 53. 36) Calvert u- Davies, Ch. Soc. 11, pag. 193;
Ann. HO, pag. 344. 37) Faraday, Ann. chim. phys. [3] 15, pag. 257. 38) Seruixas, Amu
chim. phys. 45, pag. 204 u. 270. 39) Kämmerer, Pogg. 138, pag. 399. 40) BIarignac;
Berzelius' Jahresber. 24, pag. 192. 41) Wiederhold, Pogg. 116, pag. 171; 118, pag. 186.
42) Slater, J. pr. 60, pag. 247. 43) KoLR, Z. anat. Ch. i, pag. 500. 44) Sestini, Z. anal
Ch. I, pag. 500. 45) Bunsen, Ann. Ch. 86, pag. 282. 46) Roscoe, Ann. Ch. 134, pag. 124.
47) Kämmerer, Pogg. 138, pag. 406; J. pr. 90, pag. 190. 48) Maverhofbr, Ann. Ch. 158,
pag. 326. 49) Janovsky, Berl. Ber. 8, pag. 1637. 50) Geuther u. Hurtzig, Ann. Ch. 111,
pag. 171 ,- Donny u. Mareska, Compt rend. 20, pag. 817; Ann. Ch. 56, pag. 160; Schönbedi,
J. pr. 88, pag. 483.
Chlor.
615
(Ch. 63.)
Der Process verläuft nach der Gleichung:
MnOj 4- 4HC1 = 2HjO 4- MnCl, 4- Clj resp.
Mn08H-2NaCl-h3HjS04 =MnS04 4-2NaHS04 +2H3O-+-CI,.
Bei der Arbeit im Kleinen bringt man etwa 4 Thle. conc. Salzsäure zu 1 Tbl. grobge-
stossenem Braunstein in einen mit Trichter-
und Gasleitungsrobr versehenen Glaskolben
(Fig. 63), oder man übergiesst überschüssigen
Braunstein in nussgrossen Stücken mit soviel
conc. Salzsäure, dass jene nicht vollkommen
damit überdeckt werden. Beim Erwärmen
auf dem Drahtnetz, Sand- oder Wasserbad
tritt bald lebhafte Chlorgasentwicklung ein;
indess ist das Gas stets feucht und enthält
Chlorwasserstoff, oft auch Kohlensäure (vom
Carbonatgehalt des Braunsteins). Das ent-
weichende Gas leitet man durch eine mit
Wasser gefüllte Flasche, in welcher Chlor-
wasserstoff und mitgerissene Theilchen der
Manganlösung zurückbleiben. Soll das Chlor
trocken sein, so ist es noch durch eine mit
Chlorcalcium gefüllte Röhre oder durch eine
concentrirte Schwefelsäure enthaltende Flasche
zu leiten. Hört die Chlorentwicklung auf,
so giesst man die Manganlauge ab und fügt
neue Salzsäure zu den unverbraucht zurückgebliebenen Braunsteinstücken. Wird die Chlor-
entwicklung stürmischer, als man sie wünscht, so kann ein Theil des Gases durch Oeffiien des
Quetschhahns k* in eine Abzugsvorrichtung oder einen mit zerfallenem Kalk gefüllten Topf ab-
geleitet werden.
Wird die Chlorgewinnung mit Kochsalz und Schwefelsäure ausgeftihrt, so verwendet man
auf 2 Thle. Braunstein 3 Thle. Kochsalz und 1 Th. einer kalten verdünnten Schwefelsäure,
welche durch langsames Eingiessen von 5 Thln. concentrirter Schwefelsäure in 4 Thle. Wasser
hergestellt worden war. Erst beim Erwärmen beginnt die sehr regelmässig verlaufende Chlor-
entwicklung.
Auch durch Erhitzen von Kaliumbichromat (doppeltchromsaurem Kalium) mit überschüssiger
Salzsäure lässt sich Chlor erhalten, und obwohl diese Methode weit kostspieliger ist als die
früher erwähnten, so ist sie doch unter Umständen von besonderem Werth, weil sie ein von
Kohlensäure völlig freies Gas liefert.
Soll das Chlorgas in Gefässen aufgesammelt werden, so leitet man es am
besten in etwas raschem Strom durch eine bis auf den Boden des Gefässes
herabreichende Röhre, wobei das schwere Chlorgas sich unten ansammelt und
die leichtere Luft über sich hinaus-
drtickt. In welcher Weise mehrere
mit Chlorgas zu füllende Gefässe mit
einander zu verbinden sind, zeigt
beistehende Fig. 64. Die Füllung ist
vollendet, sobald der Gefassinhalt
der letzten Flasche bis zur Mündung
eine grüne Farbe zeigt. — Auch in
der pneumatischen Wanne kann das
Chlor aufgefangen werden, aber es
(Ob. 64.)
ist dann heisses Wasser oder gesättigte Kochsalzlösung zur Füllung der Gefässe
und als Absperrflüssigkeit zu verwenden, weil kaltes Wasser zu viel Chlorgas ab-
6i6
Handwörterbuch der Chemie.
(€h. 65.)
sorbiren würde. Immerhin ist diese Operation wegen der imvermeidlichen Chlor-
verluste eine sehr lästige und für die Gesundheit schädliche.
Die Entwicklung des .Chlorgases in etwas grösserem Maassstab, z. B. in
Bleichereien und Papierfabriken, die mit Gasbleiche arbeiten, geschieht häufig (2)
in grossen Gefässen aus Steinzeug oder Chamottmasse etwa nach Art beistehender
Zeichnung (Fig. 65).
In den thönemen Siebkorb a werden etwa 50 Rflo
BraunsteinstUckchen gebracht. Der Korb wird dann in
den bis zur richtigen Höhe mit Salzsäure gefüllten Topf
mit Hülfe einer grossen in Löcher eingreifenden Zange
eingesetzt, worauf man sofort den Deckel b auflegt und
mit einem Gemisch aus Thon, Leinölfimiss und Holztheer
festkittet. Die beiden seitlichen Tubulaturen dienen zum
Einbringen der Säure resp. Fortleitung des Chlorgases.
4 — 8 solcher Töpfe (Bombonnes) stehen in einem durdi
Dampf zu heizenden Wasserbad oder werden direkt in
einem Kasten von Dampf umspült.
Bei Gewinnung des Chlors im ganz grossen Maass-
stab zum Zweck der Chlorkalkfabrikation (3) dienen je-
doch in der Regel grosse, kastenartige Apparate, die entweder aus einem mit Deckel versehenen
Steintrog aus einem Sandsteinblock bestehen oder aus mehreren Steinplatten zusammengesetrt
sind. Begreiflicher Weise sind die grösseren Apparate in letzterer Art hergestellt, wobei die
Fugen zwischen den einzelnen Platten durch Theer-Thonkitt oder Kautschukeinlagen gedichtet
werden. Figur 66
zeigt einen Längs-
schnitt, Fig. 67 einen
Querschnitt eines
derartigen für Gross-
betrieb berechneten
Apparates. 3O0 bis
500 Kilo Braunstein,
welcher zu zerschla-
gen ist, wird auf
den aus Steinplatten
gebildeten Rost a
durch das Mannloch
b herabgeworfen« wo-
rauf der Deckel des
letzteren wieder aul-
gekittet wird. Dann
lässt man durch den
thönemen Hahn der
Säureleitung f Salz-
säure einfliesscn, bis
der Kasten zu \ ge-
füllt ist, was mit
Hülfe eines durch
(Ch.66.) ^^ ProbiröflTnung
eingefllhrten Stabes
controlirt wird. Der unter der Röhre h stehende Topf bleibt mit Säure gefüllt und bewirkt
hierdurch einen hydraulischen Verschluss jener Röhre.
Die Chlorentwicklung beginnt bei so grossen Mengen an Material sofort ohne kttnsth'die
Erwärmung, und man lässt deshalb die Säure langsam im Verlauf mehrerer Stunden einlanfm.
Chlor.
617
(Ch. 67.)
weil sonst zu stürmische Gasentwicklung eintreten würde. Das Chlor entweicht durch das Thon-
rohr k^ welches mit einer zur Ausstrahlung des Chlorentwicklers dienenden Vorrichtung / ver-
bunden ist. Der Topf / ist stets soweit mit Wasser
gefüllt, dass das unterste Rohrstück i abgesperrt
ist; soll jedoch zum Zweck der Neubeschickung
des Chlorapparates dieser von der Hauptchlor-
leitung o abgesperrt werden, so giesst man soviel
Wasser in den Topf /, dass dasselbe über der
Verzweigungsstelle / steht und somit das Rohr k
völlig verschliesst Soll die Communication wieder
hergestellt werden, so lässt man das Wasser aus
dem Topf / durch einen Hahn an seinem Boden
wieder z. Th. ablaufen. Nachdem die Chlorent-
wicklung 8 — 12 Stunden freiwillig stattgefunden,
muss vorsichtig von Zeit zu Zeit etwas Dampf
durch Oeffnen des Hahnes t eingelassen werden.
Der Dampf tritt in das Steinrohr c und durch dessen
Oeffiiungen unterhalb des Steinrohrs a heraus in
die Flüssigkeit. Die Biegung des bleiernen Dampf-
rohres bei ä füllt sich beim Absperren des Dampfes
alsbald mit Condensationswasser und' dieses hindert
dann, dass Chlorgas bis zum Dampf hahn e zurück-
steigt und denselben zerstört. Bei erneutem Oeff-
nen des Hahns wird das Condensationswasser selbst-
verständlich sofort in den Chlorentwickler herabgedrückt.
Unter den zahlreichen neueren Methoden, welche zur Chlorgewinnung im Grossen vorge-
schlagen wurden, hat sich die WELDON'sche noch am meisten Eingang verschafft, welche nicht
natürlichen Braunstein, sondern aus den Manganlaugen stets von Neuem künstlich regenerirtes
Mangandioxyd benutzt.
Die Regenerirung beruht darauf, dass das durch Kalk aus der Manganchlorürlauge gefällte
Manganhydroxydul bei Gegenwart überschüssigen Kalks und suspendirt in der gebildeten Chlor-
calciumlösung durch einen eingepressten Luftstpom mit Leichtigkeit zu Mangansuperoxyd
oxydirt wird. Der erhaltene Schlamm wird direkt wieder zu dem Chlorentwickler gebracht, der
dem früher beschriebenen ähnlich ist, nur keinen Rost besitzt. Auf die technischen Details
dieser Regenerationsmethode kann hier nicht eingegangen werden (s. Lunge's Handb. der
Sodafabrik. Bd. 2, pag. 796).
Ein anderer, ebenfalls zu hoher Bedeutung gelangter Entwicklungsprocess
trägt den Namen Deacon's, obwohl die Reaktion, auf welcher das Verfahren
ursprünglich beruht, schon lange bekannt war (4). Es gründet sich darauf, dass
ein Gemenge von Chlorwasserstoffgas und Luft beim Ueberleiten über erhitzte
poröse Körper wie Thon, Bimstein, Eisenoxyd in der Art reagirt, dass Chlor und
Wasser auftreten: 2HC1 -+- O = H20 -+- CI3. Deacon fand jedoch, dass bei
Gegenwart gewisser reaktionsfähiger Substanzen, insbesondere von Kupferver-
bindungen die Reaktion schon bei relativ niedriger Temperatur verläuft und dabei
sämmtliches Chlor der Salzsäure in Freiheit gesetzt wird. Der Process gründet
sich bei Anwendung von Kupfersulfat auf die Bildung von Kupferchlorid und
Zerlegung desselben durch die hohe Temperatur in Chlorür und freies Chlor,
worauf das Chlorür durch den LuftsauerstofF wieder oxydirt und durch neue Salz-
säure in Chlorid überführt wird. Es ist also der bei Anwesenheit von Kupfer-
verbindungen verlaufende Process nicht auf eine geheimnissvolle, katalytische
Wirkung zurückzuführen (s. auch Hensgen (5).
Zur Chlorgewinnung nach Daecon's Vei fahren wird Saksäuregas mit etwas mehr Luft
6r8 Handwörterbuch der Chemie.
gemischti ah der obigen Gleichung entspricht. Ein Ezhanstor aspirixt das Salssäuregas «u de«
Sidfatöfen und gleichzeitig um $o mehr Luft durch die OfenthUren, je stSrkcr er arbeitet. Die
gemischten Gase werden durch ein System erhitzter U-fÖrmiger Röhren geleitet, ähnlich wie bei
der Winderhitzung fUr Hochöfen und so auf etwa 400^ gebracht Dann gelangen die Gase in
einen grossen, mit vertikalen Scheidewänden versehenen eisernen Kasten, dessen mit Siebboden
versehene Abtheilungen mit Thonkugeln (von 1,5 Centim. Durchmesser) gefüllt sind, welche zu-
vor mit Kupfersulfatlösung getränkt und scharf getrocknet worden waren. Der Zersetzungs-
apparat selbst ist von einem gemauerten Mantel umgeben und wird durch Feuerungen geheizt
Das austretende Gasgemisch enthält im Durchschnitt nur etwa 26 — 40 f des vorhandenen
Chlors in freiem Zwttand, das tlbrige bleibt im unzersetzten Salzsäuregas. Letzteres wird beim
Durchleiten des Gasgemisches durch einen mit Wasser gespeisten Coaksthurm vollständig
zurückgehalten. Zur Darstellung von Chlorkalk muss das Gas nun noch getrocknet werden,
indem man es einen mit Schwefelsäure gespeisten Coaksthurm passiren lässt
Das DEACON'sche Verfahzcn leidet darunter, dass die getränkten Thonkugeln öfier er-
neuert werden mUssen und die Apparate vieler Reparaturen bedürfen,* so kam es denn, dass
nur noch wenige Fabriken nach diesem Verfahren arbeiten, obwohl ungeheure Kosten bei seiner
Einführung und Verbesserung darauf gewendet wurden.
Zahlreiche andere Vorschläge zur Chlorgewinnung im Grossen hatten keinen durchschlagenden
Erfolg.
Das Chlor ist bei gewöhnlichen Druck- und Teroperaturverbältnissen ein
gelblichgrünes Gas, dessen Farbe um so dunkler ist, je mehr es erwärmt wird.
Das über flüssigem Chlor befindliche, stark zusammengepresste Gas erscheint
pomeranzengelb (6). Selbst in stark verdünntem Zustand besitzt das Chlor noch
einen höchst charakteristischen, erstickenden Geruch und ruft beim Einathmen
heftigen Husten und ErstickungszufUlle hervor. Bei öfterem Einathmen
verdünnten Chlors oder in Folge momentanen Eindringen concentrirten Chlors in
die Lunge tritt Blutspeien ein. Als Gegenmittel wird die Inhalation von Wein-
geistdampf mit oder ohne Aetherzusatz oder Einathmung von Aniltndämpfen em-
pfohlen. Ammoniak greift die verletzten Gewebe zu stark an und steigert die
Entzündung.
Das Chlorgas ist nicht selbst brennbar, dagegen brennt eine Wachs- oder
Talgkerze im Chlorgas fort mit stark russender Flamme. Hierbei verbindet sich
das Chlor vorzugsweise mit dem Wasserstoff des Brennmaterials und bewirkt
hierdurch die Abscheidung des Kohlenstoffs.
Eine in die Chloratmosphäre eingeführte Leuchtgasflamme zeigt jenen Vor-
gang in noch ausgezeichneterer Weise.
Pflanzenfarben werden von Chlor rasch entfärbt, sobald Wasser resp.
Feuchtigkeit zugegen ist; im scharf getrockneten Zustand findet nur unbe-
deutende oder gar keine Bleichung der Farbe statt. Gerüche fauler organischer
Substanzen und Ansteckungsstofle zerstört das Chlor in kürzester Zeit und wird
es deshalb vielfach zu Desinfectionszwecken benutzt.
Das specifische Gewicht des Chlorgases ist nach Bunsen 2*4482, nach
E. Ludwig (7) folgt das Gas erst über 200° dem MAWOTTK-GAY-LussAc'schcn
Gesetz und zeigt bei dieser Temperatur das spec. Gew. 2*4502 (berechnet nach
dem von Stas gefundenen Atomgewicht: 2*45012). Bei niederer Temperatur fand
Ludwig das spec. Gew. um mehrere Hundertel höher.
Neuere Untersuchungen von Vier. Meyer und C. Langer (8) haben bei 100**
die Dichte des reinen Chlorgases zu 2*00 ergeben, bei 900° zu 2*46— 2*49 und
bei 1200° zu 2*41 — 2*47. Auch bei Verdünnung des Chlors durch Luft er-
gaben sich ähnliche Zahlen, (z. B. mit ö Vol. Luft 2*51, mit 15 VoL LuR 2*46).
Chlor. 619
Selbst bei so hohen Temperaturen ist folglich eine Dissociation der Chlormole-
küle in einzelne Atome auch bei Anwendung verdünnender Luft nicht wahrzu-
nehmen. Frühere von V. Meyer angestellte Versuche hatten bei höherer Tem-
peratur weit niedrigere Dichten, welche auf eine Dissociation des Chlormoleküles
hinwiesen, ergeben, doch zeigte es sich, dass die Anwendung des bei diesen
Versuchen als Chlorquelle dienenden Platinchlorürs in Folge der Diffusion der
kleinen Chlormenge in viel Luft jene Resultate verursachte. Die von Crafts (9)
angestellten späteren Versuche (s. oben) haben ergeben, dass bei Einleiten fertigen
(nicht nascirenden) Chlors in den Apparat die Gasdichte selbst bei hohen Tem-
peraturen normal ist.
Das Atomgewicht des Chlors ist seit Berzelius schon häufig bestimmt
worden. Nach den Untersuchungen von Stas ergaben sich bei den ver-
schiedensten Bestimmungsmethoden Zahlen zwischen 35'455 und 35*460, woraus
er aus seinen Versuchen und denjenigen Marignac*s und Penny*s die ^fittelzahl
35-457 berechnet (für H= 1 und 0= 15-96 wird diese Zahl zu 35-368).
Das Absorptionsspectnim des Chlorgases zeigt zahlreiche dunkle Linien,
ausserdem wird Blau und Violett vollständig absorbirt (10).
In der nichtleuchtenden Flamme des Bunsenbrenners erzeugt Chlorgas eine
grünliche Färbung.
Flüssiges Chlor. Durch gleichzeitige Einwirkung von Kälte und starkem
Druck wird Chlorgas zu einer dunkelgrünlichgelben Flüssigkeit verdichtet.
Leichter als in dieser ursprünglich von Davy und Faraday benutzten Weise lässt
sich flüssiges Chlor dadurch gewinnen, dass man mit Fliesspapier rasch abge-
trocknetes Chlorhydrat in eine starke, einerseits zugeschmolzene Glasröhre
bringt, auch deren anderes Ende zuschmilzt und nun den Röhreninhalt in
warmem Wasser auf etwa 38** erhitzt. Das Chlorhydrat schmilzt und es werden
zwei Flüssigkeitsschichten gebildet, von welchem die untere flüssiges Chlor, die
obere aber Chlorwasser ist. Im Falle die Glasröhre A gebogen, so kann man
leicht das flüssige Chlor in den leeren, von aussen mit Eis gekühlten Schenkel
hinüberdestilliren lassen (11).
In trockenerem Zustand kann das flüssige Chlor in ebensolcher Schenkelröhre
erhalten werden, wenn der längere Schenkel mit einem Gemisch aus geschmolzen
gewesenem saurem Kaliumsulfat, trocknem Kochsalz und Braunsteinpulver gefüllt,
über die Mischung etwas Chlorcalcium gelegt und nun das Gemenge erwärmt
wird, während sich der leere Schenkel in einer Kältemischung befindet (12).
Das flüssige Chlor siedet bei —33-6° (bei 760 Millim. Druck) (13), bricht das
Licht etwas schwächer wie Wasser, hat ein spec. Gew. von 1*33 und gefriert
selbst bei —90° noch nicht (13). Die Elektricität vermag das flüssige Chlor
nicht zu leiten.
Das Chlor besitzt energische Verwandtschaft zu vielen Elementen, insbe-
sondere zu Wasserstoff und den Metallen. In den Verbindungen, welche es ein-
geht, wird das Chlor gewöhnlich als einwerthig angesehen, doch ist man in
manchen Fällen, besonders in den Sauerstoffverbindungen veranlasst gewesen,
ihm 3-, 5 und 7-Werthigkeit zuzuschreiben.
Bei gewöhnlicher Temperatur verbindet sich das Chlor mit Phosphor, Arsen
and Antimon unter lebhafter Feuererscheinung; mit Wasserstoff vereinigt es sich
nicht im Dunkeln, sondern nur wenn das Gemenge von chemisch wirksamen
IJchtstrahlen getroffen wird, langsam bei zerstreutem Tageslicht, rasch unter Ex-
plosion im Sonnenschein. Die Metalle, selbst die edeln, vereinigen sich leicht
620 Handwörterbuch der Chemie.
an ihreu: Oberfläche mit dem Chlor zu Salzen, wesshalb das Chlor den Namen
Hai cid (Salzbilder) s. Z. erhalten hat, ebenso wie Brom, Jod und Fluor. Die
Reaction wird durch Erwärmen meist gesteigert, wobei sie dann oft unter Feuer-
erscheinung stattfindet (z. B. Natrium, Eisen etc.). Ebenso vereinigt sich das
Chlor mit Brom, Jod, Schwefel, Selen und zersetzt zahlreiche Verbindungen
anderer Elemente, indem es sich mit dem einen oder anderen Bestandtheil oder
mit beiden verbindet. So zerlegt es den Bromwasserstoff und Jodwasserstoff, die
Metallbromide und -Jodide, ebenso auch das Ammoniak, treibt in der Wärme aus
vielen Oxyden, z. B. Kaliumoxyd den Sauerstoff aus und wird von verschiedenen
Hydroxyden (z. B. Kalium-, Natrium-, Calciumhydroxyd) absorbirt unter Bildung
bleichend wirkender Produkte, aus denen Säurezusatz wiederum Chlor abzu-
scheiden vermag (Chornatron, Chlorkalk). Auf viele organische Verbindungen
wirkt es in der Art ein, dass es an Stelle von Wasserstoffatomen tritt, welche mit
Chlor zu Chlorwasserstoff vereinigt aus den Verbindungen austreten. Anderer-
seits wird es von manchen organischen Substanzen auch direkt addirt. Nahe
der Glühhitze zerstört das Chlor unter Abscheidung von Kohlenstoff alle or-
ganischen Körper.
Chlor und Wasser.
Von Wasser wird das Chlorgas reichlich absorbirt, eine bei 6° gesättigte
Lösung zeigt 1*003 specif. Gewicht. Das Maximum der Löslichkeit findet bei
9 bis 10° C. statt und beträgt hier nach Schönfeld (15) 25852 Vol. (auf 0"* und
0*76 Millim. Druck bezogen). Die Löslichkeit des Chlors nimmt ab mit steigender
Temperatur, beträgt bei 40° z. B. nur noch 1*3655 Vol. auf 1 Vol. Wasser und
ist bei 100° gleich Null (s. auch Pickering, Ch. Soc. J. 1880, pag. 139).
Das Chlorwasser zeigt den charakteristischen Geruch und die grüne Farbe
des Chlors und zersetzt sich bald, besonders bei Einwirkung des Tages- oder
Sonnenlichtes, wobei, der Gleichung H20-h2Cl = 2HCl-l-0 entsprechend,
Sauerstoffgas entwickelt wird und schwache Salzsaure zurückbleibt Ebenso wie
freies Chlor vermag Chlorwasser organische Farbstoffe und Gerüche zu zerstören.
Die bleichende Wirkung auf Indigo wird durch Zusatz von Salzsäure sehr
vergrössert (16).
Chlorhydrat, sogen., scheidet sich aus gesättigtem Chlorwasser bei 0° in
blassgelben Krystallen oder krystallinischen Massen ab, welche bei — 50° fast
weiss erscheinen (17). Die Krystalle zersetzen sich in offenen Gefassen allmählich
in Chlor und Wasser, in geschlossenen Röhren bleibt es selbst in gelinder
Wärme unverändert, zerfallt aber bei 38° in flüssiges Chlor und chlorhaltiges
Wasser. Beim Erkalten bildet sich Chlorhydrat zurück (18).
Chlorhydrat bildet sich auch beim Eintropfen von auf 2 bis 3° abgekühlter,
wässriger unterchloriger Säure in concentrirte Salzsäure, wobei das Gemisch zu
einem Krystallbrei erstarrt.
Das Freiwerden des Chlors erklärt sich nach der Gleichung: HCl-hHOCl
= H3O -f. CI3
Die Erkennung des freien Chlors ist nicht schwierig. Sein charakteristischer
Geruch, seine grüne Farbe und die Fähigkeit, aus Jodkalium Jod, aus Brom-
kalium Brom abzuscheiden, welche Elemente beim Schütteln mit Schwefelkohlen-
stoff oder Chloroform in diese Lösungsmittel übergehen und sie violett resp.
braungelb färben, erlauben, selbst geringe Mengen freien Chlores in einer Flüssig-
keit oder einem Gasgemenge zu erkennen.
Zur quantitativen Bestimmung des freien Chlores bringt man dasselbe mit
Chlor. 621
Überschüssiger Jodkaliumlösung zusammen und bestimmt die Menge des ausge
schiedenen Jods durch Titriranalyse mit titrirter Lösung von Natriumthiosulfat
(unterschwefiigsaurem Natrium). 1 Atom Jod zeigt 1 Atom Chlor an.
Vielfach lässt man das Chlor auch auf eine überschüssige titrirte Lösung
von arseniger Säure \7irken und bestimmt durch Jodlösung von bekanntem Ge-
halt, wieviel Arsenik noch unoxydirt geblieben ist (19).
Das Chlor findet in der Technik sowohl im freien Zustand als in Form seiner
Verbindungen die ausgedehnteste Anwendung. Chlorgas wird direct als Bleich-
mittel benutzt, häufiger jedoch lässt man es durch Kalk absorbiren und verwendet
den erhaltenen Chlorkalk zu jenem Zweck; ausserdem dient derselbe zur Her-
stellung von Chloroform, chlorsauren Salzen, zur Zerstörung von Gerüchen, als
Desinfectionsmittel etc.
Chlorwasserstoff.
(Salzsäuregas) HCl. ChlorwasserstoiFgas bilden einen wesentlichen Bestand-
theil der Dämpfe, welche von vielen Vulkanen auch im Ruhezustand ausgestossen
werden, und die Quellen, welche solch vulkanischem Terrain entspringen oder
die darüber hinfliessenden Bäche enthalten das Gas häufig in geringer Menge
gelöst, doch nimmt der Säuregehalt rasch ab, da der Kalkgehalt des Bodens
die Säure bindet Im Magensaft der Säugethiere ist etwas Salzsäure enthalten,
als Absonderungsprodukt der Labdrüsen; so enthält der Magensaft des Hundes
etwa 3^ Salzsäure.
Chlorwasserstoff kann sich auf verschiedene Weise bilden. Direct aus den
Bestandtheilen Chlor und Wasserstoff entsteht es, wenn die beiden Gase ge-
mischt und dem Tages- oder Sonnenlicht oder irgend einer chemisch wirksame
Strahlen aussendenden Lichtquelle (Magnesiumlicht, Licht des verbrennenden
Gemenges von Schwefelkohlenstoffdampf mit Stickoxyd etc.) ausgesetzt werden.
Ist die Lichtstärke gering, so findet die Vereinigung der Gase langsam statt,
und BuNSEN und Roscoe (20) benutzten dieses Verhalten zur Messung der
chemischen Wirksamkeit verschiedener Lichtquellen, denn die Menge der ge-
bildeten Salzsäure (welche sofort zur Absorption gebracht wird) ist proportional
dem Produkt aus der verflossenen Belichtungszeit und der chemischen Intensität
des Lichtes.
Bei starker Lichtquelle tritt heftige Explosion ein, indem die bei der Ver-
einigung der beiden Gase frei werdende Wärme das gebildete Chlorwasserstoffgas
plötzlich ausdehnt. Ein Lichtstrahl, welcher jenes Gasgemenge, auch Chlorknall-
gas genannt, passirt hat, ist nicht mehr im Stande, noch ein zweites Mal die
Vereinigung der Gase zu bewirken.
Nimmt man die Explosion in einer geschlossenen, starken Röhre vor und
lässt nachher Wasser in dieselbe eintreten, so füllt dasselbe den ganzen Raum,
im Falle gleiche Volumina beider Gase angewendet wurden, anderenfalls bleibt
das überschüssige Gas unverbunden zurück. Eine Volumänderung findet bei
der Reaction nicht statt. Das durch Electrolyse aus concentrirter wässriger Salz-
säure erhaltene Gasgemisch explodirt besonders leicht schon im Tageslicht.
Auch durch eine Flamme oder einen auf 150^ erhitzten Gegenstand, sowie durch
den electrischen Funken wird das Chlorknallgas leicht explodirt. In allen diesen
Fällen entsteht Chlorwasserstoffgas, welches an die feuchte Luft gelangend alsbald
dichte Nebel bildet.
Chlorwasserstoff bildet sich femer beim Zusammentreffen von Chlor mit
Wasserstoff enthaltenden Verbindungen. So wird Jodwasserstoff, Bromwasserstoff,
&23 ttandwörterbuch der Chemie.
Schwefelwasserstoff, PhosphorwasserstofT und Arsenwasserstoff und Ammoniak
leicht, schon bei gewöhnlicher Temperatur zersetzt unter Bildung von Chlor-
wasserstoff. Wasser vermag das Chlor nur bei Gegenwart des Lichts oder bei
Rothglühhitze zu zersetzen, wobei Sauerstoff und Chlorwasserstoff auftreten.
Viele organische Verbindungen werden durch Chlor bei minderer oder höherer
Temperatur in der Art verändert, dass ein Theil ihres Wasserstoffs mit Chlor
verbunden austritt, während für jedes eliminirte Wasserstofiatom ein Chloratom
in die Verbindung eintritt. Bei Rothgluth zersetzt das Chlor die organischen
Stoffe vollständig, indem sämmtlicher Wasserstoff derselben an Chlor gebunden
wird.
Eine wichtige Bildungsweise des Chlorwasserstoffs beruht auf der Einwirkung
der Schwefelsäure, Borsäure, Phosphorsäure etc. auf Chlormetalle, insbesondere
auf die Chloralkalien. Endlich entsteht auch Chlorwasserstoff, wenn manche
Chlorverbindungen, z. B« Chloride verschiedener Metalloide, anorganische und
organische Säurechloride etc. mit Wasser oder Ammoniak zusammentreffen.
Die bequemste Darstellungsweise des Chlorwasserstoffs beruht auf der
Zersetzung des Kochsalzes durch Schwefelsäure. Will man bei niederer Tempe-
ratur arbeiten, so dass der Process in Glasgefässen vorgenommen werden kann,
so ist ein Molekül Schwefelsäure auf ein Molekül Chlomatrium anzuwenden,
und der Gleichung H,SO^ -h NaCl = HCl -h NaHSO^ entsprechend wird saures
Natriumsulfat gebildet. Ist aber ein Erhitzen des Reactionsgemisches auf Roth-
glut zulässig, so können 2 Moleküle Kochsalz auf 1 Molekül Schwefelsäure
angewandt werden, weil bei jener hohen Temperatur das zuerst gebildete primäre
Natriumsulfat auf ein weiteres Molekül Chlomatrium zersetzend wirkt, sodass
normales Natriumsulfat und Chlorwasserstoff entstehen. Der genannte Process
wird dann durch die Gleichung H^SO^ -h 2NaCl= 2HC1 -H NajSO^ dargestellt
Das erst erwähnte Verfahren wird im Kleinen in dem Laboratorium ausge-
führt, während das letztere im grössten Maassstab in den Sodafabriken angewandt
wird, um das Kochsalz in Glaubersalz zu überführen. Das gleichzeitig entstehende
Chlorwasserstoffgas dient zur Gewinnung der käuflichen Salzsäure.
ZuT Darstellung des Chlorwasserstoffs im Kleinen bringt man 100 Thle. Kochsals kt
einen mit doppelt durchbohrtem Kork versehenen Glaskolben , dessen Kork . ausser der Gas-
fortleitungsröhre noch eine doppelt gebogene Trichterröhre, sogen. WELTER'sche Sicheiheitsröhie,
trügt Durch die Trichterröhre wird die mit -J- — ^ ihres Gewichtes an Wasser zuvor verdttimte
und wieder erkaltete. Schwefelsäure (170 Thle.) eingetragen und dann der Kolbeninhak er-
wärmt Unverdünnte Säure bewirkt leicht heftiges Aufschäumen der Masse.
Das entweichende Chlorwasserstoffgas ist etwas feucht und enthält mit-
gerissene Tröpfchen des Kolbeninhalts. Man wäscht das Gas, indem man es
ein mit ganz wenig concentrirter Salzsäure gefülltes Gefäss passiren lässt Um
das Gas zu trocknen leitet man es schliesslich durch eine Chlorcalciumröhre. Sehr
bequem, wenn auch kostspielig, gewinnt man Chlorwasserstoffgas durch Ein-
tropfen conc. Schwefelsäure durch einen mit Hahn versehenen Trichter in eb
zu ^ mit käuflicher Salzsäure gefülltes Gefäss. Die Flüssigkeit erwärmt sich von
selbst und behält nur 0-32#HCl zurück (P. W. Hoffmann, Berl. Ber. I. pag. 27a),
Soll das Gas in Gefässen aufgesammelt werden, so geschieht dies entweder
in der mit Quecksilber gefüllten pneumatischen Wanne oder durch Einleiten des
etwas raschen Gasstroms bis auf den Boden der Gefässe, wie dies bei Chlor
näher beschrieben ist.
Im Grossen wird das Chlorwasserstoffgas als Nebenproduct bei der Glauber-
Chlor. ^35
salzfabrikätion (s. diese) gewonnen, jedoch sofort durch Apparate geleitet, in
welchen das Gas von Wasser absorbirt wird (s. bei Salzsäure).
Das Chlorwasserstofifgas ist farblos, nicht brennbar und Tennag die Ver-
brennung anderer Stoffe, sowie die Athmung nicht zu unterhalten. Es raucht
an der Luft stark, indem es sich mit dem in ihr enthaltenen Wasserdunst ver-
einigt und eine Condensadon zu Dampfbläschen verursacht. Der Geruch des
Gases ist "höchst stechend erstickend und zum Husten reizend, der Geschmack
ist stark sauer. Durch starken Druck oder Kälte lässt sich das Gas zu einer
farblosen Flüssigkeit verdichten, die aber bei — 110^ noch nicht erstarrt Ihre
Dampfspannung beträgt nach Faraday (21) bei 0^: 26'2 Atmosphären, bei — 69^
noch 2*28 Atmosphären, nach Niemann (22) bei 0^: 33 und bei + 12*50: 40 Atmo-
sphären.
Bei 1500^ zerfällt das Chlorwasserstoffgas zum grössten Theil in seine Be-
standtheile, doch vereinigen sich dieselben wieder, sobald die Temperatur sinkt
Nur wenn das Erhitzen im DEvnxE'schen Apparat voigenommen wird, in welchem
ein durch fliessendes Wasser auf 10 ^ kalt gehaltenes Silberrohr von einem auf
1500^ erhitzten Porzellanrohr umgeben ist, wird die Wiedervereinigung der Gase
verhindert. Es bildet sich Chlorsilber und freier Wasserstoff bleibt übrig (23).
Durchschlagende electrische Funken zerlegen Chlorwasserstoffgas zum kleinsten
Theil, denn umgekehrt wird ein Gemenge der beiden Bestandtheile durch den
Funken zu Salzsäuregas vereinigt
Viele Metalle zerlegen Chlorwasserstoffgas, indem sie sich mit dem Chlor
zu Chloriden vereinigen, Metalloxyde gehen in Berührung mit dem Gas in
Chloride über unter Bildung von Wasser; Superoxyde scheiden ausserdem freies
Chlor ab.
In Wasser ist Chlorwassersto£^as äusserst leicht löslich und wird so heftig
von demselben absorbirt, dass beim Oeffnen eines mit dem Gase gefüllten Ge-
fässes unter Wasser letzteres in das Gefäss hineinstürzt fast wie in einen luft-
leeren Raum.
Zur Darstellung der Salzsäure genannten wässrigen Lösung des Chlor-
wasserstoffgases wird das Gas nur auf die Oberfläche des Wassers geleitet, wobei
es vollständig absorbirt und die Gefahr des Zurücksteigens des vorgelegten
Wassers in das Gasentwickelungsgefäss vermieden wird.
Die Tobe Salzsäure des Handels wird auf diese Weise in kolossalen Mengen |als Neben-
pToduct bei der Glaubersalzfabrikation gewonnen und bildet einen sehr wichtigen Handelsartikel.
Aus den Sulfatöfen leitet man das in der Pfanne entwickelte Gas für sich durch Thonröhren
in die Absorptionsapparate, während das viel heissere, in der Muffel gebildete Salzsfluregas durch
einen aus getheerten Steinen gebauten Kanal zugeführt wird (24). Auf Zeichnung 69, pag. 632
ist die letztgenannte Art der Zuleitung angegeben.
Ehe das Salzsäuregas in die Absorptionsflaschfen gelangt, hat es in der Regel einen kleinen
aus Steinen erbauten Thurm zu passiren, in welchen das Gas unten eintritt, einen Steinrost
passirt und dann zwischen durchbrochenen Thonscheiben aufsteigt, welche den ganzen Innenraum
erfüllen und mehrmals täglich mit frischem Wasser bespritzt werden. Hier wird das heisse
Gas nicht nur abgekühlt, sondern die leichter condensiri>aren Schwefelsäuredämpfe, welche in
ihm entiialten sind, vorzugsweise zurückgehalten, sodass die zu gewinnende Salzsäure weit reiner
wird als ohne diese Vorrichtung. Durch zwei Thonröhren tritt das Gas in die thönemen Ab«
Sorptionsflaschen, Bombonnes genannt. Jede der beiden Thonröhren führt ihren Inhak zunächst
gesosdert durch dretcehn Bombonnes, erst dann werden die Gase in einen einzigen Bombonne
zusammengeleitet und passiren dann noch zwei Colonnen, jede aus dreizehn Flaschen bestehend«
Auf der Zeichnung ist nur eine Flaschenreihe angegeben, mai^ hat sich dieselbe viermal hinter-
einander aufgestellt zu denken.
624
Handwörterbuch der Chemie.
(Ch, 68.)
Die Bombonnes fassen 175 bis 200 Liter und besitzen etwa beistehende Gestalt
Das Salzsäuregas tritt durch den Rohrstutzen
0 ein und durch «?' wieder aus. Das zur Ab-
sorption dienende Wasser wird häufig in jede
Flasche durch den mittleren Tubulus eingefüllt
und durch eine Seitentubulatur oder mit Hilfe
eines Hebers nach der Sättigung abgelassen.
Zweckmässiger ist es aber, wenn die Bombonnes
in der Art unter einander communiciren , dass
frisches Wasser in die am höchsten stehende
Flasche continuirlich einfliesst, während der In-
halt jeder Flasche durch ein nahe am. Boden
mündendes Gasrohr hinUberfliesst in die folgende,
sobald die tiefer stehende Flasche entleert wird.
In letztere tritt zuerst das Gas und sättigt die
hier befindliche, schon Salzsäure enthaltende
Flüssigkeit, da das eintretende Gasgemenge sehr
reich an ChlorwasserstofFgas ist. Wasser und
Gas haben also eine entgegengesetzte Bewegungs-
richtung und der Umstand, dass die Conmiuni-
cationsröhre die Säure vom Boden der Flasche hinüberleitet auf die Oberfläche des folgenden
Bombonne, erleichtert die Absorption erheblich, da die gesättigteren FlÜssigkeitstheile schwerer
sind als die schwächere Säure imd daher letztere dem Gasstrom am meisten ausgesetzt wird.
Zur besseren Abkühlung des Gases sind die Flaschen der ersten Doppelreihe durch etwa
1 Meter hohe Thonröhren verbunden, welche die Gase zu passiren haben, bei den hinteren
Reihen sind die Verbindungsrohre niedriger.
Aus der letzten Thonflasche gelangen die immer noch Salzsäure haltigen Gase in den
untersten Theil des thönemen Absorptionsthurmes , steigen hier durch einen Steinrost hinauf,
winden sich durch den mit durchlöcherten Thonplatten und in seinem oberen Theil mit Coaks-
stücken gefüllten Innenraum des Thurmes und werden von dem durch ein SEGNEK'sches Wasser-
rädchen gelieferten, über Coaks- und Thonplatten herabrieselnden Wasser ihres Chlorwasserstofis
beraubt Die obere Oeffiiung des Thurmes steht mit einem Thonrohr in Verbindung, welches
die nicht absorbirten Gase herableitet, zunächst in eine Thonflasche und dann weiter in einen
im Boden befindlichen Kanal, welcher mit einer hohen Esse in Verbindung steht
Die SO gewonnene Salzsäure des Handels enthält verschiedene Verun-
reinigungen. Ihre gelbe Farbe rührt gewöhnlich von Eisenchlorid her, manch-
mal von verkohlten organischen Stoffen, Stroh etc. In der Regel enthält sie
Schwefelsäure, häufig schweflige Säure oder Chlor (herrührend vom Gehalt der
angewandten Schwefelsäure an salpetriger Säure), sowie Arsen; manchmal auch
Zinn, Mangan und andere mehr zufallige Verunreinigungen wie Sand etc.
Zur Herstellung chemisch reiner Salzsäure verdünnt man die rohe Säure
von 100 auf 160 Thle. (spec. Gew. ca. 1-12) und fügt etwas Chlorwasser zu, im
Falle die Säure schweflige Säure enthält, oder schweflige Säure, wenn sie chlor-
haltig ist. Um etwa vorhandenes Arsen (Chlorarsen) zu entfernen, ist Schwefel-
wasserstoff einzuleiten und nach längerem Stehen und Decantiren oder Filtriren
letzterer durch Erwärmen der Säure zu verjagen. Auch durch Zusatz von Zinn-
chlorür und nachheriges Destilliren kann arsenfreie Säure gewonnen werden.
Die Destillation der Säure ist auch anderer Verunreinigungen wegen kaum ent-
behrlich, indess geht Eisenchlorid ebenfalls mit über, doch erst gegen das Ende
der Operation; ebenso ist der erste Theil des Destillats zu verwerfen.
Reine Salzsäure muss farblos sein und ohne Rückstand verdampfen; nach
Chlor.
625
Starkem Verdünnen darf auf Zusatz von Chlorbaryum auch nach dem Erhitzen
kein Niederschlag entstehen, anderenfalls ist Schwefelsäure zugegen. Mit Jod-
kaliumlösung vermischte Kleisterfiüssigkeit darf von der Säure nicht gebläut werden,
was die Gegenwart von Chlor oder Eisenchlorid anzeigen würde. Indigolösung
darf nicht entfärbt werden (Chlor), Schwefelwasserstoff darf die stark verdünnte
Säure nicht fällen (Arsen), nach der Neutralisirung durch reines Ammoniak darf
Schwefelammonium keinen Niederschlag erzeugen (Eisen, Thallium) und Jodlösung
darf nicht entfärbt werden (schweflige Säure oder Arsen) (25).
Die reine concentrirte Salzsäure raucht an feuchter Luft und gesteht unter
dem Gefrierpunkt des Quecksilbers zu einer butterartigen Masse. Der Geschmack
der Säure, selbst der stark verdünnten, ist äusserst sauer.
Der Gehalt der concentrirten Salzsäure an gelöstem Chlorwasserstoff variirt
mit Druck und Temperatur. Deicke (26) hat folgende Tabelle über die Absorp-
tion des Chlorwasserstoffs durch Wasser festgestellt, welche sich auf 1 Cbcm. Wasser
und einen Barometerstand von 0*76 Millim. bezieht.
Vol. des
Temperatur
vui. uca
absorbirten Gases
Spec Gew.
Procen^hi
0
525-2
1-2257
45-148
4 .
494-7
1-2265
44-361
8
480-3
1-2185
43-828
12
471-3
1-2148
43-277
14
462-4
1-2074
42-829
18
451-2
1-2064
42-344
18-25
450-7
1-2056
42-283
23
435-0
1-2014
41-536
Die Absorptionsfähigkeit des Wassers für Chlorwasserstoffgas ist von 25 J HCl
an aufwärts abhängig vom Druck, doch nimmt sie bei Verstärkung desselben
nur wenig und nicht dem HENRv'schen Gesetz entsprechend zu.
Folgende Tabelle giebt nach den Untersuchungen von Roscoe und Dittmar
(27) die Quantität des von 1 Grm. Wasser bei 0° absorbirten Gases an bei ver-
schiedenem Partialdruck des trocken gedachten Chlorwasserstoffgases:
Druck einer Qaecksilber- Absorbirtes Gas
sVule von Meter
in Gramn
0-06
0-613
0-10
0-657
015
0-686
0-20
0-707
0-25
0-724
0-30
0-738
0*40
0-763
0-50
0-782
0-60
0-800
0-70
0-817
0-80
0-831
0-90
0-844
100
0-856
110
0-869
1-20
0-882
1-30
0-895
Ladbkburg, Chemie. II.
40
626 Handwörterbuch der Chemie.
Qer Einlluss der Temperatur auf die Absorption ergiebt sich aus folgender,
von denselben Autoren herrührender Tabelle, welche angiebt wieviel Gramm HCl
bei 0*76 Millim. Druck 1 grm Wasser zu absorbiren vermag.
Temperatur Gramm Chlorwasserstoff
0<>C
0-825
4».
0-804
8
0-783
12
0-762
16
0-742
20
0-721
24
0-700
28
0-682
32
0-665
36
0-649
40
0-633
44
0-618
48
0-603
52
0-589
56
0-575
60
0-561
Hiemach verliert gesättigte Salzsäure beim Erhitzen einen Theil des Gases
und natürlich auch ein wenig Wasser, wird das Erhitzen fortgesetzt, so erreicht
die Säure endlich den constanten Siedepunkt 110® und destillirt dann unver-
ändert über, so dass eine Säure von 20*24^ Chlorwasserstoffgas, welche der
Formel HCl-hSHjO entspricht, ohne Zersetzung destillirt werden kann. Con-
centrirtere Säure giebt Gas ab, verdünntere verliert Wasser, bis jene Concentration
erreicht ist. Dies gilt jedoch nur für einen Barometerstand von 0-76 Millim., bei
höherem Druck ist die constant destillirende Säure schwächer (z. B. bei 0.80 Millim.
Druck: 202^), bei niederem stärker (z. B. bei OTO Millim. Druck: 204 J HCl) (28)
doch sind die Differenzen bei den gewöhnlich vorkommenden Barometerl
Schwankungen nicht erheblich.
Bei längerem Stehen an der Luft oder beim Durchleiten von Luft verliert
concentrirte Salzsäure an Gehalt, wobei indess die herrschende Temperatur von
Einfluss ist. Beim Stehen an der Luft wird nach Bineau schliesslich eine etwa
der Formel HCl-HßHjO entsprechende Säure erhalten, doch lassen sich auf
diese Weise keine bestimmten Hydrate des Chlorwasserstoffs isoliren, da Wechsel
in der Temperatur oder dem Druck continuirlich die Zusammensetzung imd den
Siedepunkt ändert. Nur die Annahme eines Hydrates HCl-h2HjO ist zu-
lässig. Dasselbe scheidet sich in Krystallen ab, wenn Chlorwasserstoffgas in auf
— 22° abgekühlte Salzsäure eingeleitet wird (Pierre und Püchot 1. c. 82. pag, 45).
Der Gehalt einer Salzsäure kann durch Gewichts- oder Titriranal)rse festge-
stellt werden, gewöhnlich genügt es, die Concentration der Salzsäure mit Hilfe
des Aräometers von Beaum^ festzustellen. Im Nachfolgenden ist die neueste von
J. KoLB (C. r. 74, pag. 337; Dingl. 204, pag. 322; Wagner's Jahresber. 1872,
pag. 260) herrührende Tabelle abgedruckt.
Chlor*
627
Dichtigkeit
100 Thlc.
enthalten
bei 00 HCl
100 Thle. enthalten bei 150
nach
Bbaum^
HCl
Säure
von 200 B.
Säure
von 210 B.
Säure
von 220 B.
0
1-000
0-0
Ö^l
0-3
0-3
0-3
1
1007
1-4
1-5
4-7
4-4
4-2
2
1014
2-7
2-9
90
8-6
8-1
3
1-022
4-2
4-5
14-1
13-3
12-6
4
1029
5-5
5-8
18-1
171
16-2
5
1-036
6-9
7-3
22-8
21-5
20-4
6
1-044
8-4
8-9
27-8
26-2
24-4
7
1-052
9-9
10-4
32-6
30-7
29-1
8
1-060
11-4
12-0
37-6
l<5-4
33-6
9
1-067
12-7
13-4
41-9
39-5
37-5
10
1-075
14-2
150
46-9
44-2
42-0
11
1-083
15-7
16-5
51-6
48-7
46-2
12
1-091
17-2
18-1
56-7
53-4
50-7
13
1-100
18-9.
19-9
62-3
58-7
55-7
14
1-108
20-4
21-5
67-3
63-4
60-2
15
1-116
21-9
231
72-3
68-1
64-7
16
1125
23-6
24-8
77-6
73-2
69-4
17
1-134
25-2
26-6
83-3
78-5
74-5
18
1-143
27-0
28-4
88-9 ,
83-0
79-5
19
1-152
28-7
30-2
94-5
89-0
84-6
19-5
M57
29-7
31-2
97-9
920
87-4
20
1-161
30-4
32-0
100-0
94-4
89-6
20-5
1-166
31-4
330
103-3
97-3
92-4
21
1-171
32-3
33-9
106-1
1000
94-9
21-5
1175
330
.34-7
108-6
102-4
97-2
22
1-180
341
35-7
111-7
105-3
lOO-O
22-5
1-185
35-1
36-8
115-2
108-6
103-0
23
1-190
36-1
37-9
118-6
111-8
106-1
23-5
1-195
37-1
39-0
122-0
1150
109-2
24
1-199
38-0
39-8
124-6
117-4
111-4
24-5
1-205
39-1
41-2
130-3
121-5
115-4
25
1-210
40-2
42-4
132-7
125-0
119-0
25-5
1-212
41-7
42-9
134-3
126-6
1201
Eine von Kremers (Pogg. io8, pag. 115) aufgestellte Tabelle lässt ermitteln,
welches die Dichtigkeit einer Salzsäure bei einer andern als der Normaltempera^ur
ist (die hier zu 19*5° angenommen wird).
Temperatur
Spec Gew.
1-0401
8-9*
Spec. Gew.
1-0704
16-6»
Spec. Gew.
1-1010
25-5*
Spec. Gew.
1-1330
35-8*
Spec. Gew.
1-1608
46-6«
00 0-99557 0-99379 099221 0-99079 0-98982
19-50 1-00000 1-00000 1-00000 1-00000 1-00000
40« 1-00707 1-00781 1-00877 1-00990 101063
60^ 1-01588 1-01665 1-01794 1-01969 1-02108
80° 1-02639 1-02676 1-02791 1-02986
100» 1-03855 1-03801 103867 104059
Eine Säure, welche z. B. 25*5* HCl enthält, zeigt bei der Normaltemperatur
19-5^ das spec. Gew. MOl {= 13° B.); bei 40° wird sie j^i^= 1092 spec.
Gew. (= 12° B.) zeigen; bei 100°: Yq^s&I "^ ^'^^^ ^^^' ^^^' ^^ ^"^ ^'^'
40»
628 Handwörterbuch der Chemie.
t
Die wässrige Lösung des ChlorwasserstoffSi gewöhnlich Salzsäure genannt,
findet in der analytischen, synthetischen und technischen Chemie die aus-
gedehnteste Anwendung. Salzsäure dient hierbei vielfach als Lösungsmittel,
indem sie gar manche in Wasser unlösliche oder schwerlösliche Verbindungen
in leicht lösliche Chloride umwandelt Viele Metalle, z. B. Eisen und Zink
werden rasch von Salzsäure gelöst unter Wasserstoffentwicklung, die Carbonate
des Calciums, Bariums, Strontiums und aller Schwermetalle mit Ausnahme des
Silbers lösen sich unter Abscheidung von Kohlensäure zu Chloriden.
Die in Wasser unlöslichen Hydroxyde sowie die Salze schwächerer Säuren
werden ebenfalls in analoger Weise von Salzsäure gelöst In manchen Fällen
gentigt diese Säure allein nicht, um Lösung resp. Zersetzung herbeizuführen, aber
eine Königswasser (s. d.) genannte Mischung von Salzsäure mit Salpetersäure
führt zum Ziel. So lösen sich Gold, Platin und Zinnober etc. mit Leichtigkeit
in Königswasser.
2 Thle. Schnee und 1 Thl. conc. Salzsäure liefert eine ausgezeichnete
Kältemischung, deren Temperatur bis — 32° beträgt
Wie bereits oben für das Chlorwasserstoffgas erwähnt wurde, entwickelt auch
wässrige Salzsäure mit Superoxyden, z. B. Mangansuperoxyd, Bleisuperoxyd
Chlorgas und gerade die Salzsäure wird zur fabrikmässigen Gewinnung des Chlors
angewendet.
Es ist unmöglich, hier auch nur annähernd die überaus zahlreichen Processe
namhaft zu machen, bei welchen Salzsäure eine wesentliche Rolle spielt.
Die qualitative Ermittelung, ob eine Flüssigkeit Chlorwasserstoff oder
gelöste Chloride enthält, wird mit Hülfe von Silbemitratlösung ausgeführt, indem
man zunächst mit reiner Salpetersäure ansäuert und dann einige Tropfen der
Silberlösung zufügt. Im Falle Chlor in Form von Chlorwassersto£f oder MetaU-
chlorid vorhanden ist, bildet sich Chlorsilber als ein weisser, käseartig flockiger
Niederschlag, der sich beim Schütteln zusammenballt und im Lichte bald violett
fUrbt. Wässriges Ammoniak löst den Niederschlag leicht, während Bromsilber,
welches mit Chlorsilber verwechselt werden könnte, darin schwerlöslich ist.
Chlor kann neben Brom und Jod erkannt werden, indem man sich die be-
treffenden Haloidalkalien herstellt, diese mit Kaliumbichromat zusammenschmilzt
und das Produkt mit concentrirter Schwefelsäure destillirt. Entwickeln sich gelb-
rothe Dämpfe, die sich in der Vorlage zu chromhaltigen, blutrothen Tröpfchen
verdichten, so ist Chlor zugegen, da nur bei seiner Anwesenheit eine flüchtige
Chromverbindung, Chromylchlorid CrOjClj, entsteht
Das Destillat wird mit Wasser vermischt, worauf man die gelbe Lösung mit
Bleiacetat versetzt. Das Entstehen eines Niederschlags von Chromgelb beweist
noch schärfer, dass Chrom überdestillirt war (s. Analyse).
WiLEY (Amer. Ch. J. 2, pag. 48) empfahl das Destillationsprodukt mit einem
Tropfen concentrirter Schwefelsäure und einem Strychninkrystall zusammenzu-
bringen. Auftretende Purpurfärbung zeigt das Chrom und somit auch das Chlor
an. Brom stört die Reaction nicht, wohl aber Jod.
Nach VoRTMANN (Berl. Ber. 13, pag. 324) lässt sich Chlor neben Brom und
Jod erkennen und selbst bestimmen, wenn man die Substanz in essigsaurer
Lösung mit Bleisuperoxyd kocht, bis kein Geruch nach Brom oder Jod mehr
erkennbar ist. Brom entweicht vollkommen, Jod zum Theil, etwas jodsaures
Blei wird somit sammt dem übrigen Bleisuperoxyd abfiltrirt und das Fütrat auf
Chlor geprüft.
Chlor. 629
Quantitativ bestimmt man das an Wasserstof! oder Metall gebundene
Chlor gewichtsanalytisch durch Fällen mit Silbemitratlösung, Auswaschen, Trocknen
und Wiegen des fast zum Schmelzen erhitzt gewesenen und wieder erkalteten
Niederschlags von Chlorsilber. Durch Titriranalyse kann das Chlor ebenfalls
sehr genau bestimmt werden, indem man soviel Silberlösung von bekanntem
Gehalt unter Erwärmen und Umschütteln zufügt, bis ein weiterer Tropfen keine
Fällung mehr erzeugt; oder indem man einen Ueberschuss solcher Silberlösung
zufügt und mit Rhodanammonium (bei Zusatz eines Eisenoxydsalzes) (Volhard)
oder Kochsalzlösung zurücktitrirt.
Unterchlorigsäure- Anhydrid, Clj,0.
Diese Verbindung wird bei Einwirkung von Chlorgas auf Quecksilberoxyd
erhalten (29). Da die Reaction leicht von zu bedeutender Wärmeentwicklung
begleitet ist, so verwende man das durch Fällung bereitete Quecksilberoxyd
nicht direct, sondern erst, nachdem es durch Erhitzen auf 300 — 400° gebracht
und dann wieder abgekühlt worden ist. Durch das Erhitzen wird das Oxyd
dichter. Man füllt eine lange, durch Wasser gekühlte Röhre damit und leitet
Chlorgas in langsamem Strome hindurch. Das Unterchlorigsäure-Anhydrid ent-
weicht am anderen Röhrenende als gelbes Gas. In eine Vorlage geleitet, welche
auf — 40° abgekühlt ist, verdichtet sich das Gas zu einer blutrothen Flüssigkeit,
welche bei 19—20° siedet (Aronheim, Berl. B. 12, pag. 27). Ihr Dampf riecht
durchdringend, chlorähnlich.
Die flüssige Verbindung zersetzt sich beim Erwärmen oft unter Explosion;
selbst die auf — 20° abgekühlte Substanz verpufft beim Anfeilen des Glases, in
welchem sie sich befindet. Auch die gasförmige Verbindung explodirt leicht
beim Erwärmen, zuweilen schon bei gewöhnlicher Temperatur von selbst, indem
sie dabei in Sauerstoff und Chlor zerfällt. Phosphor, Schwefel, Phosphor- und
Schwefelwasserstoff, Selen, Arsen und Antimon bewirken bei Berührung mit dem
Gas sofortige, von Flamme begleitende Explosion, Kohlenoxydgas wird zu Phosgen
chlorirt, mit Chlorwasserstoffgas entsteht Wasser und Chlor. Nach neueren An-
gaben von V. Meyer und Ladenbürg (Berl. Ber. 17, pag. 157) kann die Dar-
stellimg der Verbindung bei vorsichtigem Verfahren ganz ungefährlich selbst in
Vorlesungen ausgeführt werden.
Unterchlorige Säure, HOCL
Das gasförmige Unterchlorigsäure-Anhydrid sowie die flüssige Verbindung
lösen sich reichlich in Wasser. Zweckmässiger erhält man eine wässrige Lösung
der Säure nach Carius durch Schütteln von 1 Liter Chlorgas mit 15 Grm. ge-
fälltem und auf 300° erhitzt gewesenem Quecksilberoxyd und wenig Wasser.
Die wässrige Säure kann abdestillirt werden. Femer entsteht unterchlorige
Säure, wenn Chlorkalk mit sehr verdünnter Salpetersäure allmählich vermischt
wird, bis die Säure fast die Hälflie des Kalkes sättigt. Dann wird destillirt.
Die concentrirte wässrige Lösung der unterchlorigen Säure ist orangegelb
und ätzt die Haut stärker wie Salpetersäure. Beim Erwärmen tritt gelbes Gas
aus. Concentrirte wie verdünnte Säure zersetzt sich langsam im Dunkeln, schnell
im Sonnenlicht, wobei Chlor und Chlorsäure auftreten.
Salze der unterchlorigen Säure, Hypochlorite genannt, sind in reinem
Zustand wenig bekannt Werden die Oxyde oder Hydroxyde der Alkalimetalle,
des Magnesiums, Zinks oder Kupfers mit der wässrigen Lösung der unterchlorigen
Säure zusammengebracht, so entsteht eine im Vacuum eintrockenbare Lösung
630 Handwörterbuch der Chemie.
der entsprechenden Hypochlorite. Unterchlorigsau res Calcium erhielt Kingzett
in Krystallen durch starkes Abkühlen einer concentrirten Chlorkalklösung.
Mit Metallchloriden gemischt erhält man die Hypochlorite beim Zusammen-
treffen von Chlor mit den Hydroxyden der Alkali- oder Erdalkalimetalle. Die
Produkte, sogen. Bleichsalze, werden entweder wie Chlornatron nur in Lösung
gewonnen, oder wie der Chlorkalk als Pulver. Derartige Körper sind dadurch
charakterisirt, dass sie bei Zusatz von Salzsäure Chlor in Freiheit setzen. Die
Natur dieser Bleichverbindungen ist noch immer nicht sicher festgestellt Näheres
s. b. Chlorkalk (Calcium).
Die Lösungen der Hypochlorite zersetzen sich langsam unter Sauerstoff-
entwicklung; im Tages- oder Sonnenlicht wird die Zersetzung beschleunigt. Es
entsteht hierbei Chlormetall, sowie chlorsaures Salz. Beim Erhitzen erfolgt die
Zerlegung rasch und ganz besonders begünstigt wird dieselbe, wenn Mangan-
superoxyd, Cobaltoxyd, Kupferoxyd oder Eisenoxyd beigefügt wird (s. Chlorkalk).
Die Oxyde bleiben schliesslich unverändert zurück. Auf leicht oxydirbare Stoffe,
wie Phosphor, Arsen, Jod, Schwefel, Eisen, Metallsulfide, Bleisalze etc. wirken
die Lösungen der Hypochlorite Sauerstoff übertragend und erzeugen z. B.
Phosphorsäure, Jodsäure, Schwefelsäure, femer Eisenoxyd, Bleisuperoxyd u. s. f.
Viele organische Farbstoffe werden durch die unterchlorige Säure wie
deren Salzlösungen gebleicht, ebenso werden Riechstoffe zerstört.
Betreffs der Analyse der Hypochlorite siehe bei Calciumhypochlorit (Chlorkalk).
Chlorigsäure-Anhydrid, CljOj.
Die Existenz dieser Verbindung ist in neuester Zeit durch eine Arbeit
Garzarolli-Thurnlackh's bestritten worden (s. u.). Nach älteren Angaben ent-
steht sie bei Einwirkung reducirender Stoffe auf Chlorsäure. Insbesondere besitzt
salpetrige Säure die Eigenschaft, aus einem Gemenge von chlorsaurem Kalium mit
Salpetersäure Chlorigsäuregas zu entwickeln. Auch Benzol oder arsenige Säure
und Schwefelsäure, femer Weinsteinsäure, Rohrzucker bewirken jene Reduction.
Zur Darstellung (31) löst man zunächst 100 Thle. Benzol in 10 Thln. concentrirter Schwefel-
säure, verdünnt mit 100 Thln. Wasser. Zu der erkalteten Flüssigkeit sind 12 Thle. gepulvotes
Kaliumchlorat zuzufügen und das Gemisch in einem Kolben mit aufgeschliffenem oder ange-
blasenem Gasleitimgsrohr auf etwa 50^ zu erwärmen. Das Gas wird über etwas Wasser hinweg-
geleitet und in eine unter — 18® abgekühlte Vorlage geführt, in welcher es sich zu 5 — 7 Cbcm.
einer rothbraunen Flüssigkeit verdichtet. Beim Erwärmen derselben auf -f- 50 entwickelt sidi
aus ihr reines Chlorigsäuregas (32).
Das verflüssigte Anhydrid besitzt bei 0° ein spec. Gew. von 1-33 — r387 und
siedet wenig über 0°, doch schon bei niedrigerer Temperatur verflüchtigt es sich
rasch. Das Gas ist dunkelgrünlichgelb und besitzt einen erstickenden Geruch.
Sein spec. Gew. wurde bei 9° zu 407, bei 13** zu 4*022 gefunden; bei 16**
zeigte es 3-1678 (Brandau).
Nur mit besonderer Vorsicht kann mit dem Chlorigsäure-Anhydrid gearbeitet
werden, da es leicht und mit Heftigkeit explodirt Ein Tropfen der Flüssigkeit,
welche bei einer Temperatur von 8—10° etwa 20 Centim. hoch in ein Becherglas
herabfiel, zerschmetterte dasselbe mit heftigem Knall.
Beim Aufbewahren zersetzt sich die flüssige Substanz selbst im Dunkeln bald,
das gasförmige Anhydrid zerfällt im Sonnenlicht rasch in Chlor und Sauerstofl*,
wobei sich, wenn Feuchtigkeit zugegen war, auch Ueberchlorsäure in Kiystallen
abscheidet Bei Berührung des Gases mit leicht brennbaren Körpern wie Phos-
phor, Schwefel, Arsen findet Explosion statt
Chlor. 631
Die wässrige Lösung des Gases, in welcher Chlorige Säure, ClOjH, an-
genommen werden kann, ist grün oder im concentrirteren Zustand rothgelb. Bei
gewöhnlicher Temperatur vermag Wasser sein 5 — 6 faches Volum an Chlorigsäure-
gas zu absorbiren.
Die Lösung wirkt stark oxydirend; rothen Phosphor löst sie z. B. augen-
blicklich, schweflige Säure wird in Schwefelsäure überführt, wobei gleichzeitig
Chlorwasserstoff entsteht, also Wasser zersetzt wird. Aus Blei- und Mangansalz-
lösungen scheidet die chlorige Säure die betreffenden Superoxyde aus und oxy-
dirt Eisenoxydulsalze zu Oxydsalzen.
Garzarolu-Thurnlackh (Berl. Ber. 14, pag. 28, Ann. Ch. 209, pag. 184)
untersuchte neuerdings das nach verschiedenen Methoden dargestellte sogen.
Chlorigsäure Anhydrid Cl^Oj hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Aus-
dehnung, welche das Gas bei seiner Zersetzung erfahrt und dem Volum des frei-
gewordenen Sauerstoffs. Hierbei ergab sich das Verhältniss fast genau wie 1:2,
während reines Chlortrioxyd das Verhältniss 1 : 1 liefern müsste. Hiemach wäre
das sogen. Chlortrioxyd wie das Euchlorin kein einheitlicher Körper, sondern
nur ein Gemenge von Chlordioxyd mit Chlor resp. Sauerstoff.
Die chlorige Säure ist einbasisch und ihre Salze entsprechen der Formel
CIO'OM. Durch Auflösen der Metallhydroxyde in der wässrigen Säure resp. der
Lösung des Chlordioxyds oder auch durch doppelte Umsetzung können die
Salze erhalten werden. Aus Kalilauge und titrirter Chlordioxydlösung wird das
chlorigsaure Kalium durch Verdunstung bei 45 — 50°, wobei Kaliumchlorat aus-
krystallisirt, Zusatz von Weingeist zur Mutterlauge und weitere Verdunstung ge-
wonnen, Garzarolli-Thurnlackh und v. Hayn (Ann. Ch. 209, pag. 203). Kohlen-
säure und die stärkeren Säuren zerlegen die chlorigsauren Salze. Die Salze der
Alkalien und Erdalkalien sind farblos, die des Bleis und Silbers gelb. Das Blei-
salz verpufft bei 100° und wird durch Schwefelwasserstoff zunächst geschwärzt,
dann aber in Folge der Oxydation des Schwcfelbleis durch die chlorige Säure
in weisses Bleisulfat überführt
Unterchlorsäure-Anhydrid, ClOj
auch Chlordioxyd genannt, entsteht bei der Einwirkung concentrirter
Schwefelsäure oder Oxalsäure auf chlorsaures Kalium.
Die Darstellung (34) dieses Körpers darf nur unter Anwendung besonderer Vorsichts-
massregeln (Schutzmasken und dicke Handschuhe), versucht werden, da das Chlordioxyd leicht
von selbst mit grosser Gewalt explodirt. Zu 15 — 20 Grm. reinem, gepulvertem Kaliumchlorat,
welches sich in einer Retorte befindet, werden allmählich 100 Grm. concentrirte, zuvor in einer
Kältemischang abgekühlte Schwefelsäure zugefügt und das Gemisch vorsichtig auf 20^
und später bis gegen 40^ erwärmt. Es entweicht ein grüngelbes Gas, welches schwerer als
Luft ist und ähnlich wie Chlorgas in trocknen Flaschen aulgefangen werden kann. Soll das
Gas condensirt werden, so ist es in eine durch eine Kältemischung abgekühlte Vorlage zu
leiten. Der Apparat darf keine Kork- oder Kautschukverbindung besitzen, sondern die Leitungs-
rohren etc. müssen eingeschliffen oder angeschmolzen sein.
Ist das Kaliumchlorat Chlorkalium- oder wasserhaltig, die Schwefelsäure nicht stark genug
abgekühlt oder kommt das Gas mit leicht oxydirbaren organischen Stoffen in Berühruug, so tritt
heftige Explosion ein. Auch helles Tageslicht vergrössert die Gefahr. Selbst bei Anwendung
aller Vorsichtsmaassregeln explodirten einige Tropfen der flüssigen Verbindung bei Cohn's Ver-
suchen und zerschmetterten und zerstäubten den Apparat (35).
Eine andere von Cohn als gefahrloser bezeichnete Darstellungsmethode ist die von Cai^vert
und Davies (36) angegebene. Bei Anwendung dieser Methode wird ein Gemenge von 2 MoL
632
Handwörterbuch der Chemie.
chlorsanrem Kalium und 9 Mol. kiystallisuter Oxalsäure auf etwa 70^ erwärmt Das Gas ist
kohlensäurehaltig.
Das Chlordioxyd bildet eine lebhaft rothe Flüssigkeit, welche bei 730*9 Millim.
Druck bei 9° ohne Explosion siedet, wenn der Apparat ganz aus Glas besteht.
(ScHACHERL, PoGG. Beibl. 3, pag. 578). Durch ein Gemenge von fester Kohlen-
säure und Aether abgekühlt erstarrt sie beim Evacuiren der übergestülpten
Glocke zu rotben, dem Kaliumbichromat ähn-
lichen Krystallen, welche schon bei — 76°
schmelzen (Faraday) (37),
Die flüssige Verbindung vergast mit
grösster Leichtigkeit, und jeder ausserhalb
der Kältemischung befindliche Tropfen ver-
dampft sofort unter Bildung eines kr>^stalli-
iijschen Anfluges. Der Dampf bleicht feuchtes
Lakmuspapier energisch, doch ohne es zuvor
zw röthen. Das Molekulargewicht der
gasförmigen Verbindung ist bei 30 ^^ nach Pebal
(Ann. Ch. 177, pag. i; 203, pag. 112) 07^29
(Hg = 2) und die Molecularformel hiemach
CIO3.
Beim raschen Erhitzen auf 100 '^ oder beim
Schütteln mit Quecksilber zerfällt das Chlor-
di oxydgas in Chlor und Sauerstoff unter
heftiger von Liclitent Wicklung begleiteter Ver-
puffung, im Sonnenlicht findet die Zerlegung
langsamer statt. Die wässrige Lösung des
Gases zerfällt schon im Dunkeln allmählich
in Chlorsäure und chlorige Säure , z. Tb.
auch Chlor und Sauerstoff abscheidend*
iClL69).
Chlor.
633
Stoffe bewirken ebenfalls leicht Explosion des Gases, wenn sie mit demselben
in Berührung kommen.
Am ungefährlichsten und bequemsten lässt sich diese Erscheinung wahr-
nehmen, wenn man zu einigen Krystallen von chlorsaurem Kalium, welche sich
in einem spitz zulaufenden Glase befinden, durch einen Trichter etwas concentrirte
Schwefelsäure fliessen lässt und dann ein erbsengrosses Phosphorstückchen in
das Glas wirft. Unter Wasser verbrennt alsdann der Phosphor unter Erzeugung
kleiner Explosionen des sich entwickelnden Chlordioxyds.
Wasser von -1-4° löst etwa sein 20 faches Volum des Gases und liefert eine
tief rothgelbe Flüssigkeit, welche keine saure Reaction besitzt und beim Erwärmen
das gelöste Gas wieder abgiebt. .
Auch in concentrirter Schwefelsäure löst sich Chlordioxyd und färbt die-
selbe gelb.
Die wässrige Lösung des Gases enthält keine wirkliche Unterchlorsäure ge-
löst, denn beim Zusammentreffen mit Basen werden keine eigenthümlichen Salze
jener hypothetischen Säure gebildet, sondern Gemenge von chlorsaurem und
chlorigsaurem Salz, CljO^ H- 2K0H = KCIO3 H- KCIO3 H- H3O.
Chlorsäure, CIO3H.
Die Chlorsäure ist uns in reinem Zustand nicht bekannt, sondern nur in
Form ihrer wässrigen Lösung. Ein Anhydrid der Chlorsäure ist ebenfalls noch
nicht dargestellt.
Chlorsäure bildet sich direct bei der Zersetzung der wässrigen Lösung
der chlorigen Säure oder^ des Chlordioxyds im Tageslicht. Zu ihrer Gewinnung
scheidet man die Chlorsäure jedoch weit zweckmässiger aus ihren Salzen ab.
Chlorsaure Salze entstehen neben Chloriden beim Einleiten von Chlorgas
in die heissen Lösungen der Alkalien oder alkalischen Erden.
Zunächst bildet sich Chlorid und Hypochlorit: ?2KH0 H- 2C1 = KCl
-I-CIOKh-HjO, eine Reaction, welche bei niederer Temperatur sich nicht
weiter ändert; in der Wärme zerfällt aber das Hypochlorit in Chlorid und Chlorat
634 Handwörterbuch der Chemie.
nach der Gleichung: 3C10K = 2KC1 -f-ClOaK. Die beiden Salze lassen sich
durch Krystallisation trennen, wobei das Chlorat zuerst auskrystallisirt.
Zur Abscheidung der Chlorsäure aus ihren SaUen zerlegt man entweder das chlorsaure
Kalium mit Siliciumfluorwasserstoff oder eine Lösung von chlorsaurem Barium mit verdünnter
Schwefelsäure. Bei Anwendung der erstgenannten Methode mischt man nach Serullas (38) die
heisse Lösung des chlorsauren Kaliums mit Siliciumfluorwasserstoffsäure, dampft unter 30^ C. ein
und filtrirt durch Glasstaub (resp. Glaswolle). Ueberschttssige KieseUiusssäure verflüchtigt sich
beim Eindunsten. ^. •
Soll Bariumchlorat verwendet werden, so zersetzt man dasselbe mit der berechneten Menge
an verdünnter Schwefelsäure.
Die so erhaltenen verdünnten Lösungen der Chlorsäure können im Vacuum
concentrirt werden bis zu 1*282 spec. Gew. bei 14*2*^. Bei dieser Concentration
enthält die Flüssigkeit 40*1 i Chlorsäure und entspricht der Formel CIO jH -h 7H,0.
Die Lösung ist farblos, nicht ölartig und röthet Lakmuspapier stark, worauf es
rasch entfärbt wird. Die Säure riecht stechend, der Salpetersäure ähnlich, be-
sonders beim Erwärmen.
Versucht man noch weiter im Vacuum zu concentriren, so tritt Chlorent-
wicklung ein. Bei — 20° wird die Säure zähe, ohne selbst zu kiystallisiren oder
Eis abzuscheiden (Kämmerer) (39).
Die verdünnte Chlorsäure zersetzt sich bei etwa 40°; bei der Destillation
geht zuerst fast reines Wasser über, dann Uebefchlorsäure, während Chlorgas und
Sauerstoff austreten. Chlorsäure ist im Destillat nicht enthalten.
Die Chlorsäure zeigt stark oxydirende Eigenschaften, im concentrirten Zu-
stand entzündet sie sogar eingetauchtes Fliesspapier. Schweflige Säure wird zu
Schwefelsäure, Schwefelwasserstoff zu Wasser, Schwefel und Schwefelsäure oxydirt,
Jod selbst in Jodsäure verwandelt und Salzsäure setzt sich mit Chlorsäure um in
Chlor und Wasser.
Die Chlorsäure ist eine einbasische Säure und bildet daher nur eine Reihe
von Salzen, Chlorate genannt. Die Bildung derselben kann durch Sättigen der
Chlorsäure mit den Hydroxyden oder Carbonaten der betreffenden Metalle er-
folgen, die wichtigeren Chlorate der Alkali- und Alkali-Erdmetalle gewinnt man
neben Metallchloriden bei der Einwirkung von Chlor auf die in Wasser gelösten
oder suspendirten Hydroxyde der Alkali- oder Alkali-Erdmetalle (s. o.).
Die Salze der Chlorsäure sind (mit Ausnahme weniger basischer Verbindungen)
löslich in Wasser und zeichnen sich sämmtlich dadurch aus, dass sie beim
stärkeren Erhitzen unter Austritt von Sauerstoff in Chloride übergehen. Bei den
Chloraten der Alkalimetalle ist ein Zwischenstadium der Zersetzung zu bemerken,
welches sich dadurch kund giebt, dass die geschmolzene Salzmasse dick und
zähe wird und bei gleichbleibender Erwärmung die Sauerstoffentwicklung nahezu
aufhört Würde nun die Hitze verstärkt, so fände unter erneuter Sauerstoff-
abgabe völlige Reduction zu Chlorid statt, in jenem Stadium besteht jedoch die
geschmolzene Salzmasse aus einem Gemenge von Chlorid und Hyperchlorat
Sind pro 100 Grm. chlorsaures Kalium 6^ Liter Sauerstoff entwichen, so
enthält der Rückstand 65 bis 66^ überchlorsaures Kalium aber kein Chlorat
mehr; es zersetzt sich also ein Theil des Kaliumchlorats in Chlorid und Per-
chlorat, ein Theil aber auch in Chlorid und Sauerstoff (Marignac) (40). Wird
Eisenoxyd, Mangansuperoxyd, Bleisuperoxyd oder Platinschwarz dem Kalium-
chlorat beigemischt, so findet die totale Zersetzung des Salzes schon bei weit
niedrigerer Temperatur statt, z. B. bei Eisenoxyd bei 110—120°, bei Mangan-
Chlor. 63s
superoxyd bei 200— 205 ^ bei Platinschwarz bei 260— 270^ und im Falle diese
Substanzen in geschmolzenes Kaliumchlorat eingestreut werden, tritt unter leb-
haftem Aufschäumen sogar Glüherscheinung ein (Wiederhold) (41).
Streut man brennbare Stoffe wie Schwefel, Kohle, Eisen in geschmolzenes
Chlorat, so findet heftige, oft von starkem Lichtglanz begleitete Verbrennung
statt; mischt man aber jene brennbaren Substanzen mit Kaliumchlorat, ins-
besondere Phosphor, Schwefel, Kohle, Zucker, Schwefelantimon, viele Metall-
sulfide etc., so entstehen höchst leicht entzündliche, z. Th. gefahrliche Mischungen.
Die Gemenge mit Phosphor und Schwefel und Schwefelantimon explodiren resp.
entzünden sich oft schon bei der schwächsten Reibung, ebenso durch den
electrischen Funken.
Chlorate dürfen daher, wenn sie z. B. für Feuerwerksmischungen mit brenn-
baren Stoffen gemengt werden sollen, niemals mit diesen zusammengerieben,
sondern nur mit einer Federfahne auf einer Tischplatte vorsichtig gemischt werden.
Ausser zur Herstellung von Feuerwerkskörpern, Zündmassen für Percussions-
hütchen und Zündhölzern finden chlorsaure Salze auch Anwendung in der
Medicin und Färberei.
In wässrigen Lösungen werden die Chlorate nicht so leicht reducirt, Schwefel-
wasserstoff bleibt z. B. ohne Wirkung, doch findet beim Kochen jener Lösungen
mit Phosphor Reduction zu Chlorid statt (Slater) (42) ebenso wirkt Zink bei
Gegenwart verdünnter Schwefelsäure (Kolb, Tertini) (43).
Salzsäure zersetzt alle chlorsauren Salze unter Entwicklung eines gelben
Gases, welches Davy Euchloria nannte und anfangs für eine besondere Sauer-
stoffverbindung des Chlors hielt, dann aber als ein Gemenge von Chlor mit
Unterchlorsäure ansah. Millon betrachtete es als Chlorochlorsäure, Cl^Os,
2CIJO5. Neuere Untersuchungen von v. Pebal und Schacherl (Ann. Ch. 182,
pag. 193) ergaben, dass die Einwirkung der Salzsäure zunächst nach der Gleichung
KCIO., 4- 2HC1 = ClOa -h Cl -f- KCl -h HjO verläuft, dass aber Salzsäure sich
mit Chlordioxyd häufig weiter umsetzt in Wasser und Chlor.
In analytischer Beziehung dient zur Erkennung der Chlorsäure-Salze
deren Eigenschaft, mit Kohle oder Schwefelantimon gemischt beim Entzünden
lebhaft verpuffende Gemenge zu liefern; auch mit Cyankalium erhitzt verpuffen
die Chlorate selbst in sehr kleinen Mengen kräftig. Weiter bietet die beim Er-
hitzen der Chlorate bewirkte Sauerstoffentwicklung, welche durch Einführen eines
glimmenden Holzspahns in das zur Erhitzung dienende, kleine, unten zu-
geschmolzene Röhrchen zu erkennen ist, und die Hinterlassung eines durch Silber-
lösung zu charakterisirenden Chlorids genügende Mittel zur Erkennung der Salze
der Chlorsäure. Besonders charakteristisch ist auch das knatternde Geräusch, die
gelbe Farbe der Flüssigkeit und der eigen thü ml iche Geruch nach Chlordioxyd,
welcher auftritt, wenn ein trocknes Chlorat mit einem Tropfen concentrirter
Schwefelsäure zusammengebracht wird.
Indigolösung wird von chlorsauren Salzen auf Zusatz von Salzsäure sofort
gebleicht, ebenso wenn etwas verdünnte Schwefelsäure und hierauf schwefligsaures
Natrium zugefügt wird; in beiden Fällen ist das Auftreten von Chlor die Ursache
der entfärbenden Wirkung.
Die quantitative Bestimmung der Chlorsäure oder ihrer Salze kann in
der Weise geschehen, dass man die Substanz mit einer überschüssigen titrirten
Eisenvitriollösung und Salzsäure erhitzt und dann das nicht in Ferrichlorid tiber-
führte Eisensalz mit Zinnchlorür zurücktitrirt.
636 Handwörterbuch der Chemie.
Auch durch Reduction der Qilorsäure zu Chlorwasserstoff kann erstere be-
stimmt werden. Zu diesem« Zweck bringt man in die Lösung des Chlorates ein
Stückchen Zink und etwas verdünnte Schwefelsäure und lässt einige Stunden stehen
oder kocht nach Fleissner (Wien, Monatsh. 1880, i, pag. 313) eine Stunde mit
Zinkstaub. Die vom ungelöst gebliebenen Zink abgegossene oder abfiltriite
Flüssigkeit wird hierauf zur Bestimmung der entstandenen Salzsäure mit Silber-
nitrat gefällt (Sertini) (44).
BuKSEN (45) schlug vor, das Chlorat mit Salzsäure zu zerlegen und das ent-
wickelte Gasgemisch in Jodkaliumlösung zu leiten. Chlor sowohl wie Chlor-
dioxyd wirken auf Jodkalium Jod ausscheidend und zwar werden auf 1 Molekül
Chlorsäure im Ganzen stets 6 Atome Jod abgeschieden, wie auch das Verhalt-
niss zwischen Chlor und Chlordioxyd ausfallen mag. Das abgeschiedene Jod ist
mit unterschwefligsaurem (thioschwefelsaurem) Natrium unter Zusatz von etwas
Stärkekleisterlösung zu titriren.
Um die in Bleichsalzen vorkommenden Chlorate zu bestimmen, redudit
Dreyfuss (Bull. soc. chim. 36, pag. 202) die Hypochlorite durch Ammoniak und
titrirt die Chlorsäure mit einer durch titrirte Zinnchlorürlösung entfärbten Kupfer-
sulfatlösung.
Ueberchlorsäure, HCIO4.
Ueberchlorsäure entsteht bei der langsamen Selbstzersetzung oder der
Destillation der Chlorsäure, ausserdem bei der Electrolyse der gelösten chlor-
sauren Salze, der Salzsäure (der mit Schwefelsäure angesäuerten Lösung der
Chloride) und des Chlorwassers, sowie bei der Einwirkung concentrirter Schwefel-
säure oder Salpetersäure auf Chlorate. Manche dieser Bildungsweisen beruhen
auf der Selbstzersetzung zuvor entstandener Chlorsäure (s. diese).
Salze der Ueberchlorsäure entstehen neben Chlorid wie erwähnt aus
den Chloraten der Alkalimetalle durch Einwirkung höherer Temperatur.
Zur Bereitung der Ueberchlorsäure geht man am besten von einem ihrer Salze aus.
1 Tbl. Uberchlorsaures Kalium, welches, im Falle es etwas Kaliumcblorat enthält, davon zirror
durch Digestion mit concentrirter Saksäure auf dem Wasserbad, Auswaschen und Umkiystallisirai
sorgfältig zu reinigen ist (Sckacherl, Ann. Ch. 182, pag. 193), wird mit 4 Thln. ccmcentrixter
Schwefelsäure der Destillation unterworfen, so lange das Destillat noch in der Vorlage erstsirt
Das krystallinische Product stellt das erste Hydrat der Ueberchlorsäure, QO^H-H^O, dar und
wird nochmals der Destillation unterworfen und dabei so lange bis auf 1 10^ erwännt, bis keine
Fltkssigkeit mehr Übergeht, sondern Krystalle des Hydrats sich im Retortenhals verdichten.
Bei einem anderen Verfahren bereitet man aus chlorsaurem Kalium und Kieselflnorwasser-
Stoff eine Lösung von Chlorsäure, welche dann soweit eingedampft wird, bis dichte Dämpfe von
Ueberchlorsäure sich zu entwickeln beginnen. Hierauf destillirt man die Flüssigkeit vorsichtig
aus einer Retorte. Um die hierbei gewonnene wässrige Ueberchlorsäure zu entwässern, wird sie
mit dem vierfachen Volumen concentrirter Schwefelsäure wie oben angegeben destillirt.
Bei der Concentrining der Ueberchlorsäurelösung durch Destillation mit Schwefelsäure geht
wie erwähnt bei niederer Temperatur reine Ueberchlorsäure über, bei fortgesetztem Erbitten
destillirt gegen 200® eine wässrige Ueberchlorsäure, welche sich mit der reinen Säure in Be-
rührung mit dieser zu dem festen Monohydrat vereinigt, wenn die Vorlage nicht gewechselt oder
die Destillation nicht rechtzeitig unterbrochen wird (Roscok) (46).
Die Ueberchlorsäure ist eine farblose, an der Luft stark rauchende Flüssig-
keit, welche ftir sich nicht ganz ohne Zersetzung destiliirbar ist Bei 72® förbt
sich die Säure dunkel, bei 92° tritt gelbes nach Chlordioxyd riechendes Gas und
dicker, weisser Dampf auf, und es destilliren einige dem Brom an Aussehen
gleichende Tropfen von 94*77 J Ueberchlorsäuregehalt Bei weiterem Erhiöcn
Chlor. 637
trat auch einmal heftige Explosion ein. Beim Aufbewahren, selbst im Dunkeln
färbt sich die Ueberchlorsäure und zersetzt sich nach einigen Wochen von selbst
unter Explosion. Das spec. Gew. der Ueberchlorsäure ist bei 15*5** 1'782. Auf
der Haut erzeugt die concentrirte Säure schmerzhafte und gefährliche Wunden;
auf Holzkohle gebracht explodirt ein Tropfen der Säure fast so heftig wie Chlor-
stickstofT, auch mit wasserfreiem Aether, Papier und Holz in Berührung gebracht
explodirt die reine Ueberchlorsäure heftig unter Feuererscheinung (Roscoe) (46).
Wässrige Ueberchlorsäure kann in reinem Zustand am besten durch
Zersetzung des Überchlorsauren Bariums mit etwas weniger als der berechneten
Menge Schwefelsäure erhalten werden (Perrey, Monit sc [3], 7, pag. 767).
Reine Ueberchlorsäure zischt mit Wasser, ebenso löst sich das krystallisirte
Monohydrat unter Erhitzung darin auf.
Beim Destilliren der verdünnten Säure geht anfangs nur Wasser über, dann
sehr verdünnte Säure, bis bei 203** eine starke Ueberchlorsäure mit 71*6 bis 72*2^
Gehalt als dickes Oel überdestillirt (die Formel CIO4H -h 2H,0 erfordert 73-63^
HCIO4).
Concentrirte Ueberchlorsäure wird nach Kämmerer (47) durch Jod zersetzt
unter Bildung von Jodsäure und Ueberjodsäure.
Die Ueberchlorsäure ist eine einbasische Säure, deren Salze, die Überchlor-
sauren Salze oder Hyperchlorate auch Perchlorate genannt, nach der
Formel M'CIO^ zusammengesetzt sind.
Die Überchlorsauren Salze sind in Bezug auf ihr analytisches Verhalten
dadurch von anderen Salzen zu unterscheiden, dass sie bei starkem Erhitzen
unter SauerstofFgasentwicklung zu Chloriden reducirt werden oder Sauerstoff,
Chlor und Metalloxyd liefern, auf glühender Kohle heftig verpuffen und in Wasser
mit Ausnahme des Kalium- und Rubidiumsalzes ziemlich leicht löslich sind.
Von chlorsauren Salzen unterscheiden sich die Perchlorate wesentlich da-
durch, dass sie selbst in der Siedhitze von Salzsäure nicht angegriffen werden,
also keine Gelbfärbung und Euchlorinentwicklung zeigen, sowie dass sie von
concentrirter Schwefelsäure unter 100° nicht zersetzt und darum nicht gelb ge-
färbt werden. —
Mit Kaliumsalzlösungen, selbst mit Weinsteinlösung erzeugt Ueberchlorsäure
oder die Lösung eines sonstigen Salzes derselben bei nicht zu grosser Ver-
dünnung einen aus kleinen Kr]rställchen bestehenden, weissen Niederschlag von
Kaliumperchlorat.
Chlor und Arsen.
Arsentrichlorid, AsCl,.
Arsen vereinigt sich mit Chlor nur zu dieser einen Verbindung, auch wenn
Chlor in grossem Uebermaass und bei niederer Temperatur dargeboten wird.
Maverhofer (48), Janovsky (49), Geuther (50).
Arsentrichlorid entsteht beim Zusammentreffen der beiden Elemente. Wird
Arsen in gepulvertem Zustand in trocknes Chlorgas, welches sich in einer Flasche
befindet, eingestreut, so entzündet es sich von selbst unter Bildung dicker, weisser
Dämpfe von Arsentrichlorid.
Um es in grösseren Mengen darzustellen, erwärmt man grob gepulvertes Arsen in einer
Retorte und leitet durch deren Tubulus trocknes Chlorgas ein. In der abgekühlten Vorlage
verdichtet sich Arsentrichlorid, welches cur Entfernung des in ihm au%elösten freien Chlors über
Arsenpulver zu rectificiren ist. Auch durch Schütteln mit Quecksilber, Abgiessen vom gebüdeten
Niederschlag und Destilliren ist das Arsentrichlorid rein zu erhalten.
^3^ Handwörterbuch der Chemie.
Auch durch Destillation eines Gemenges aus Aisenigsäure-Anhydrid, Roch-
salz und conc. Schwefelsäure kann es erhalten werden; die Reaction findet
dann statt nach der Gleichung: As^O, -h 6NaCl 4- öHjSO^ = 2AsCls -+- 3H,0
4- ßNaHSO^. Arsenchlortir bildet sich femer beim Zusammentreffen von Arsen-
trioxyd mit Chlorwasserstoffgas, oder wenn seine Lösung in concentrirter Salz-
säure mit concentrirter Schwefelsäure vermischt wird. Es scheidet sich im
letzteren Fall das Arsenchlorid als über der Säure schwimmende Flüssigkeits-
schicht ab. — Kocht man Arsenik mit Salzsäure oder salzsäurehaltigen Flüssig-
keiten, so verflüchtigt sich Arsentrichlörid mit den Wasserdämpfen.
Das Arsentrichlörid ist eine farblose, schwere Flüssigkeit, welche an
feuchter Luft raucht, bei 132° siedet und ein spec. Gew. von 2-05 besitzt. Es
ist sehr giftig und löst sich in Wasser zu einer salzsauren Arseniklösung, indem
es sich mit jenem zersetzt nach der Gleichung: AsClj -h SHjO = 3HC1
4-HjAsOj. Arsentrichlörid löst Schwefel und Phosphor, mischt sich mit wenig
Wasser, mit Alkohol oder Aether; mit viel Wasser zersetzt es sich, besonders
beim Erwärmen unter Ausscheidung krystallisirten Arsentrioxyds. Mit Ammoniak
erzeugt das Arsenchlorid einen weissen, festen Körper, dessen Zusammensetzung
Rose (Pogg. 52, pag. 62) durch die Formel 2ASCI3 -+-7NH3 darstellte.
Chlor und Bor.
Man kennt nur eine Verbindung des Bors mit Chlor, das Bortrichlorid,
BCI3.
Dasselbe bildet sich beim Ueberleiten von trocknem Chlorgas über amorphes
Bor, welches in einer Röhre erhitzt wird; das Borchlorid entweicht dann als farb-
loser Dampf.
Auch durch Erhitzen eines innigen Gemenges aus Borsäure-Anhydrid und
Kohle zu starkem Glühen in einer von trocknem Chlor durchströmten Porzellan-
röhre kann Chlorbor erhalten werden. Der Prozess verläuft nach der Gleichung:
B3O, H- 6C1 + 3C = 2BCI3 4- SCO. Das entweichende Gasgemenge wird durch
eine von Kältemischung umgebene Vorlage geleitet, in welcher sich das Bor-
chlorid, mit Chlor verunreinigt als stark rauchende Flüssigkeit ansammelt
Durch Rectiflcation wird dieselbe gereinigt und siedet dann bei -+- 18*23°. Das
specifische Gewicht des Chlorbors ist r35 (Regnault, Jahresber. 1863, pag. 70).
Mit wenig Wa.sser bildet Bortrichlorid wie es scheint ein festes Hydrat,
durch mehr Wasser zersetzt es sich aber zu Borsäure und Chlorwasserstoff:
BCl3H-3H30 = 3HCl-H-H3B03. Nach Gustavson (Zeitschr. f. Ch. [2] 6, pag. 651)
bildet sich Chlorbor, wenn Bortrioxyd mit dem doppelten Gewicht Phosphor-
pentachlorid in zugeschmolzener Röhre 3—4 Tage lang auf 150° erhitzt wird.
Nach starkem Abkühlen der Röhre wird dieselbe geöffnet und das Borchlorid
abdestillirt.
Chlor und Brom.
Chlor und Brom vereinigen sich selbst bei — 90° miteinander (Donny und
Maresku). Zur Darstellung des Chlorbroms leitet man Chlorgas durch Brom
und verdichtet den sich entwickelnden Dampf in einer durch Kältemischung
stark abgekühlten Vorlage. Nur wenn stark gekühlt wird, entweicht das Produkt
der Formel BrCl, sonst enthält es weniger Chlor (Bornsmann, Ann. Chem. 189,
pag. 183).
Chioral. 639
Chlorbrom bildet eine rothgelbe, nur unter + 10° stabile, leicht bewegliche
Flüssigkeit, welche dunkelgelbe, widrig riechende und die Augen zu Thränen
reizende Dämpfe ausstösst. Mit Wasser vereinigt sich das Chlorbrom ebenso wie
Chlor oder Brom zu einem festen Hydrat, BrCl + 10 aq. Dasselbe bildet sich,
wenn Chlorgas zu Brom geleitet wird, welches sich unter Eiswasser befindet,
oder wenn man eine Mischung von Chlorbrom und Wasser unter 0° abkühlt.
Das Hydrat scheidet sich in Form hellgelber Blätter oder Nadeln aus, welche
erst oberhalb +7° zu einer gelben Flüssigkeit schmelzen.
Die wässrige Lösung des Chlorbroms gefriert erst unter — 20° zu einer
gleichförmigen Masse. Die Lösung besitzt die bleichende Wirkung des Chlor-
wassers, unterscheidet sich von ihm aber wesentlich durch die braunrothe, von
freiem Brom herrührende Färbung, welche es annimmt, wenn man ihr Phosphor,
Schwefel, Zink, schweflige Säure oder Ammoniak zufügt. Diese Substanzen ent-
ziehen dem gelösten Chlorbrom das Chlor und setzen Brom in Freiheit
(Schönbein, J. pr. 88, pag. 483).
Mit Alkalilauge bildet Chlorbromlösung Chlormetall und bromsaures Salz
(Balard). Ammoniak liefert Stickgas, Bromammonium und Chlorstickstoff (Löwig).
Heumann.
Chioral*), Trichloracetaldehyd, CjHCl,0 = CCl8 — Cq» wurde zuerst von
*) 1) Liebig, Ann. i, pag. 189. 2) Dumas, Ann. chim. 56, pag. 123. 3) Liebig, Ann. 34.
pag. 44. 4) Regnault, Ann. chim. [2] 71, pag. 422. 5) Wurtz, Ann. chim. [3] 49, pag. 58.
6) Pinner, Ber. 4, pag. 256. 7) Lieben, Ber. 3, pag. 910. 8) Jacobsen, Neumeister, Ber. 15,
pag. 600. 9; Wurtz, Vogt, Compt rend. 74, pag. 777. 10) StÄdeler, Ann. 61, pag. loi.
11) Paterno, Ann. 150, pag. 253. 12) Kekul^, Ann. 119, pag. 188. 13) Personne, Ann. 157,
pag. 113. 14) StÄdeler, Ann. 106, pag. 253. 15) Kolbe, Ann. 54, pag. 183. 16) Rathke,
Ann. 161, pag. 154. 17) R. ScHiKF, Ber. 10, pag. 167. 18) Pinner, Fuciis, Bei. 10, pag. 1068.
19) A. W. Hofmann, Ber. 5, pag. 247. 20) Meyer, Dalk, Ann. 171, pag. 76. 21) Oglialoro,
Ber. 7, pag. 146 1. 22) Paterno, Ann. 151, pag. 117. 23) Paterno, Oglialoro, Ber. 7,
pag. 81. 24) Grabowski, Ber. 6, pag. 225 u. 1070. 25) Baeyer, Ber. 5, pag. 1098. 26) Mazzara,
Ber. 16, pag. 1880. 27) Rhoussopoulos, Ber. 16, pag. 881. 28} Erlenmeyer, Lehrb. d. org.
Chem., pag. 386. 29) Baeyer, Ber. 3, pag. 63. 30) V. Meyer, Ber. 3, pag. 445. 31) Schiff,
Ber. 10, pag. 427. 32) Krämer, Ber. 3, pag. 257. 33) Liebreich, Ber. 2, pag. 269. 34) Lieb-
reich, Das Chloralhydrat, ein neues Hypnoticum und Anaesthetikuro, Berlin. 35) Rajewsky,
Centralblatt f. med. Wissenschaft 1870, pag. 227. 36) Tomascewicz, Pflüger's Archiv f. Phy-
siologie 9, pag. 35. 37) V. Merino, Ber. 15, pag. 1019. 38) Personne, Jahresber. 1873,
pag. 1419; 1874, pag. 507. 59) Jacobsen, Jahresber. 1872, pag. 441, 1008. 40) Liebreich,
Ber. 2, pag. 673. 41) V. Meyer, Haffter, Ber. 6, pag. 600. 42) Amato, Jahresber. 1875,
P^' 473- 43) Campisi, Ber. 8, pag. 1359. 44) Landolph, Ber. 10, pag. 13 14. 45) Wallach,
Ber. 5, pag. 255. 46) Schiff, Tassarini, Ber. 10, pag. 1787. 47) Hübner, Ber. 6, pag. 109
48; Hepp, Ber. 10, pag. 1651. 49) Jacobsen, Ann. 157, pag. 243. 50) Bischoff, Ber. 7,
pag. 631. 51) Nencki, Schäffer, Ber. 12, pag. 273. 52) Rizza, Ber. 15, pag. 358, •948.
53) Or]£, Ber. 5, pag. 586, 648, 825. 54) Martius, Mendelsohn, Ber. 3, pag. 445. 55) Ja-
cobsen, Ann. 157, pag. 243. 56) Henry, Belg. Acad. [2] 37, pag. 494. 57) Henry, Ber. 4,
pag. loi. 58) Henry, Ber. 7, pag. 763. 59) Hübner, Zeitschr. f. Chem. 1870, pag. 345.
60) Hagemann, Ber. 5, pag. 154. 61) Wyss, Ber. 7, pag. 211. 62) Michael, Ber. 9, pag. 1267.
63) Pjnnbr, Bischofp, Ann. 179, pag. 77. 64) Cech, Ber. 9, pag. 1020. 65) Wallach,
Ann. 173, pag. 297. 66) Bischoff, Ber. 5, pag. 86. 67) Wallach, Ber. 8, pag. 1327.
68) Cech, Ber. 9, pag. 1255. 69) Cbch, Ber. 10, pag. 88a 70) V. Meyer, Ber. 15, pag. 1325.
71) Garzarolu-Thurnlackh, Ann. 210, pag. 63. 72) Wallach, Hkymsr, Ber. 9, pag. 545«
73) Kekül4, Ann. 105, pag. 293. 74) Grabowski, Ber. 8, pag. 1433. 75) Wallach, Ann. 193,
640 Handwörterbuch der Chemie.
Liebig als Endprodukt der Einwirkung von Chlor auf absoluten Alkokol er-
halten (i):
CHj~CH,0Hh-4C1, «CCl,— CH0-f-5HCl,
und wird auch jetzt noch nach derselben, nur unwesentlich modificirten Methode
im Grossen gewonnen:
Man leitet, anfangs unter Abkühlen, dann unter Erwärmen bis schliesslich
auf 60^ Chlor solange in absoluten Alkohol ein, bis ersteres nicht mehr aufge-
nommen wird; hierbei hat sich sogen. Chloralalkoholat, CCI3 — Cq + C^HjOH
(s. Art Chlor) gebildet. Durch Zusatz von concentrirter Schwefelsäure scheidet
man das Chloral ab, welches nach dem Trocknen über kohlensaurem Kalk durch
Destillation gereinigt wird. Das fabrikmässig dargestellte Chloral wird fast aus-
schliesslich in das als Hypnoticum geschätzte Chloralhydrat, CClj — CH O -f H,0,
(s. Art Chlor) verwandelt Das freie Chloral isolirt man aus dem käuflichen Chloral-
hydrat genau so, wie es oben beim Chloralalkohol angegeben.
Die Bildung des Chlotals aus Alkohol erfolgt in verschiedenen Phasen; nach der
als irrig erkannten Ansicht von Dumas (2) sollte es aus zunächst gebildetem Essig-
äther entstehen. Näher der Wahrheit kam Liebig (3) und mit ihm REGNAm^T (4),
welche annahmen, das Chlor erzeuge zunächst Aldehyd und aus diesem durch
Substitution Trichloraldehyd = Chloral; in der That erhielt Regnault, entsprechend
der ersten Phase des Processes, unter Umständen Aldehyd; aber weder ihm
noch WuRTZ (5) gelang es, den Aldehyd unter denselben Bedingungen weiteihin
in Chloral zu verwandeln; denn die hierbei gebildete Salzsäure erzeugte sofort
Condensationsprodukte desselben (Butylchloral), und nur dann Chloral, wenn
man sie, z. B. durch Zusatz von kohlensaurem Kalk, im Augenblicke ihres Ent-
stehens neutralisirte (6).
Erst nach der Entdeckung der Acetale, ihrer Bildung aus Aldehyden und
Alkoholen und ihrer umgekehrt verlaufenden Spaltung durch Säuren (11), sowie
durch den Nachweis, dass solche chlorirte Acetale bei der Darstellung des Chloral
nebenbei entstehen, konnte die zweite Phase dieses Processes richtig erklärt
werden: der zuerst gebildete Aldehyd verbindet sich mit unverändertem Alkohol
zu Acetal, dieses wird successive chlorirt und zerfallt im Augenblicke des Ueber-
ganges von Dichloracetal zu Trichloracetal durch die hierbei entstandene Salz-
säure in Chloralalkoholat und Chloräthyl (7) (8):
I. CH,CH,OH4-C1, = CH3CHOh-2HC1
IL CH3CHO -+- 2C,H60H = CH, •CH(0C,H5)j -+- H,0.
m. CH,CH(OC,H6)3 -*- 2Cls = CHCljCHCOCjHj), -4- 2HC1.
IV. CHC1,CH(0C,H5), 4- Cl,[=CCl3CH(OC,H5), -h HCl]
^CC13-CHqq Hj -h CjHjCL
Nach einer anderen Auffassung (8) soll der Aldehyd zuerst durch den Alkohol und die
Salzsäure in Monochloräther und hierauf durch das Chlor in Tetrachloräther übergehen, um so-
dann, wie es bei letzterem thatsächlich auch beobachtet worden ist, durch Alkohol in Salzsäure
und Trichloracetal, durch Wasser in Chloral und Chloraethyl zu zerfallen.
Chloral entsteht auch durch Chlorirung verschiedener Kohlehydrate, bes. von Stärke und
Zucker (10).
1
pag. I. 76) Wallach, Ber. 8, pag. 1580. 77) Nencki, Joum. pr. Chem. [a] 7, pag. 239.
78) Kluienko, Ber. 9, pag. 968. 79) Klimenko, J. pr. Chem. [2] 13, pag. 98. 80) Wallach,
Ber. 9, pag. 1214. 81) Pinner, Klein, Ber. 9, pag; la 82) Hspp, Spiess, Ber. 9, pag. 142s«
Chloral. 641
Das Chloral ist eine bei 97*2 siedende Flüssigkeit vom spec. Gew. r5488
bei 0°, von stlsslichem und zugleich scharf stechendem Geruch; es löst sich in
allen gebräuchlichen Lösungsmitteln niit Leichtigkeit. Durch wässrige Alkalien
wird es in Chloroform und ameisensaures Salz gespalten: (i) s. Chloroform,
CCI3. CHO 4- HOK = CCI3H + HCOOK.
Durch alkoholisches Kali entsteht Ameisenäther (12), durch Zink und Salz-
säure Aldehyd (13). Das Chloral ist der Aldehyd der Trichloressigsäure und
zeigt als solcher fast alle typischen Reaktionen dieser Körper. Es reducirt am-
moniakalische Silberlösung beim Erwärmen (14), wird von rauchender Salpetersäure
zu Trichloressigsäure oxydirt (15) und verbindet sich nicht nur mit Alkalidisulfiten,
sondern auch mit den neutralen Sulfiten (16). In nicht absolut reinem Zustande
polymerisirt es sich freiwillig langsam, rasch beim Vermischen mit 6 Thln. Schwefel-
säure zu Metachloral (CClj — CHO)x, einem amorphen, in Wasser unlös-
lichen Körper, der durch Destillation wieder in gewöhnliches Chloral tibergeht
und sich auch den meisten Reagentien gegenüber wie solches verhält (i) (15).
Ein Gemenge von verschiedenen Polymeren entsteht unter lebhafter Erhitzung
beim Contakt von Chloral mit wasserfreiem Trimethylamin (20) und auch mit
Fluorbor (44)
Chlor wirkt bei gewöhnlicher Temperatur auf Chloral nicht ein; Brom bildet bei 120** das
Bromid der Trichloressigsäure» CClj'COBr, neben Zersetzungsprodukten desselben (21). Phos-
phorpentachlorid erzeugt Pentachloräthan, CjHClj (22), Phosphorpentasulfid Trichloräthylen,
CgHClj (23), rauchende Schwefelsäure und Schwefeltrioxyd in der Kälte krystallisirende Körper
von coroplicirter Zusammensetzung, welche als Verbindungen mehrerer Moleküle Chloral mit
Pyroschwefelsäure betrachtet werden können (24). Mit aromatischen Kohlenwasserstoffen, deren
Derivaten und Phenolen condensirt es sich nach Art der Aldehyde durch concentrirte Schwefel-
säure (25), mit Chinin giebt es ein bei 149° schmelzendes Additionsprodukt, auch mit Phenolen
entstehen ähnliche Verbindungen (26), mit Chinolin ein Körper von der Zusammensetzung
Caj-CHO-CjH^N-HjO (27) und mit Cyanamid eine Verbindung (CNjH, 4- CCl,-CHO),
(31). Verhalten des Chlorals gegen Jodkalium und Jodsäure (42), gegen übermangansaures
Kali (43), gegen salpetrige Säure (45), gegen Rhodanammonium (51). Mit Hydroxylamin
liefert es eine Isonitrosoverbindung (70), durch Cyankaüum wird es in Dichloressigsäure ver-
wandelt (s. diese); bei der Behandlung zweier Mol. Chloral mit fünf Mol. Zinkmethyl entsteht
Dimethylisopropylcarbinol (52); lässt man dagegen Zinkäthyl und Chloral in äquivalenten Mengen
in ätherischer Lösung aufeinander wirken und zersetzt den so erhaltenen Krystallbrei mit Wasser,
so resultirt
Trichloräthylalkohol, CQaCHaOH; blättrige Krystalle, bei 17-8°
schmelzend, bei 151° siedend, in Wasser wenig löslich (71). Das Acetat, CGI,-
CHj'O'COCHj, siedet unter geringer Zersetzung bei 167°. Durch rauchende
Salpetersäure entsteht aus dem Alkohol Trichloressigsäure, durch Kalilauge, in
Folge einer verwickelten Reaktion,
Trichloräthylglycolsäure, (CCl3-CH2)O.CHjCOOH, vom Schmelz-
punkt 69-5°.
(C4H4Cl,0,)jCa4-3H30, Nadeln. C^H^CljO,- Ag, zersetzlich (71).
Trichlorisobutylalkohol, CCl3-CH^|[J»QpjO, Schmp. 49*», Siedep. 150— 160^ ent-
steht ähnlich dem Trichloräthylalkohol, aus Chloral und Zinkmethylen.
Additionsprodukte des Chlorals.
Leitet man Ammoniak in Chloral, am besten in Lösung von Chloroform,
so entsteht das dem Aldehydammoniak entsprechende
OTT
Chloralammoniak, CClj-CHO-h NH3 oder CC1,-CH^|J (17); bei
Ladknbubc, Chenüe. IL 4,1
642 Handwörterbuch der Chemie.
62—64° schmelzende Nädelchen, welche durch Wasser in ameisensaures Ammon
und Chloroform, beim Erhitzen z. Th. in Formamid und Chloroform zerfallen
(17), beim Kochen mit essigsaurem Ammon in Choralimid, CCl3«CH-NH (18),
und durch Acetylchlorid oder Essigsäureanhydrid in Chloralacetamid, CQj-
OH
^^NHCC H O'^ ^^^^' tibergehen. Letzteres schmilzt bei 156°, entsteht auch
direkt aus Chloral und Acetamid (45) und spaltet sich beim Destilliren in
letztere beiden Componenten (45).
OfC H O^
Chloraldiacetamid (Acetylchloralacetamid), CClj-CHji^lj/^ K Wy ent-
steht aus vorigem durch Acetylchlorid bei 120° und wird schon durch warmes
Wasser, entsprechend obiger Formel, in Chloralacetamid zurückverwandelt (17).
Chloralamrooniak verbindet sich auch mit Furfurol und Benzaldehyd zu krystallisirenden
Körpern (17).
Dem Chloralammoniak analoge Verbindungen liefern die primären Amine der Fettreihe,
z. B. Aethylamin (19); die der aromatischen Reihe geben dagegen unter Austritt von Wasser
basische Körper (vergl. A, pag. 643). Mit Acetonitril wird Trichloräthylidcndi acetamid,
CCl3-CH[NH(C,H30)]2, erhalten (47, 48), welches beim Erhitzen ohne vorheriges Schmelzen
sublimirt; mit Harnstoff in wässriger Lösung entsteht Chloralharn Stoff, CCl^'CHO +
CO(NH,)j (49), vom Schmp. 150^, bei Gegenwart von Überschüssigem Chloral die unlösliche Ver-
bindung 2Ca,'CHO +CO(NH,),, Schmp. 1900,* beide werden nicht durch Säuren, wohl aber
durch Alkalien zersetzt.
OH
Chloralurethan, CC1,*CHj^jt//^q r; xt Y *^^*^**^®* ^^^^ 1^^*"* Versetzen einer Lösung
von Urethan in Chloral mit Salzsäure in bei 103° schmelzenden Blättern aus (50).
Das Chloral besitzt eine viel grössere Neigung als der Acetaldehyd^ sich mit Wasser und
Alkoholen direkt zu beständigen Additionsprodukten zu vereinigen. Das wichtigste und inter-
essanteste derselben ist das
OH
Chloralhydrat, CClj'CHO-hHjO oder CCIj-CHq^; es bildet sich beim
Vermischen von Chloral und Wasser unter bedeutender Wärmeentwicklung (i)
und krystallisirt in bei 57° schmelzenden, monoklinen Tafeln, welche bei 97-5°,
unter vollständiger Dissociation in Chloral und Wasser, sieden. Es ist leicht lös-
lich in Wasser und Alkohol, schwerer in Schwefelkohlenstoff, Benzol, Ligroin u. s. w.
Durch Schütteln mit concentrirter Schwefelsäure wird es in. Chloral zurückver-
wandelt und verhält sich auch im Uebrigen vollkommen wie dieses. Eine
isomere Modification vom Schmp. 80° entsteht beim Verdunsten einer Lösung
von Chloral in Eisessig über Schwefelsäure (20). Ueber die Constitution des
Choralhydrats s. (28 — 30). Seitdem Liebreich 1869 in dem Chloralhydrat ein aus-
gezeichnetes Anästhetikum und Hypnotikum erkannte, wird es fabrikmässig auf
die beim Chloral skizzirte Weise aus dem durch Destillation gereinigten Chloral
durch Vermischen mit der äquivalenten Menge Wasser dargestellt und hierauf
entweder direkt in Platten ausgegossen, oder zur vollkommenen Reinigung aus
den bei der Fabrikation entstehenden Nebenprodukten (Aethylen- und Aethyliden-
chlorid u. s. w. (32) oder aus Chloroform umkrystallisirt.
Die zuerst am Chloroform beobachtete Wirkung auf den Organismus, erst Schlaf und dann
Bewusstlosigkeit zu erzeugen, brachte Liebreich (33) (34) auf die Vermuthung, dass das
Chloralj durch die alkalischen Säfte des Organismus in Ameisensäure und Chloroform ges{>alten
werden und daher eben so wie dieses, wenn nicht noch günstiger, weil sicherer, wirken könne.
Obwohl nun seine Versuche diese Voraussetzungen glänzend zu bestätigen schienen, so ist doch
durch neuere, genaue Untersuchungen (35, 36) die Abwesenheit von Chlorofoim, wohl aber die
Chloral. 643
Anwesenheit von etwas unverändertem Chloral im Harn chloraüsirter Individuen constatirt
worden; ebenso spricht auch die Thatsache, dass durch Blut ausserhalb des Organismus das
Chloral nur spurenweise in Chloroform verwandelt wird, gegen diese Erklärung, und es kann
hiemach nur behauptet werden, dass das Chloral, wie viele andere chlorirte Fettkörper, schon
an sich die betr. charakteristische Wirkung ausübe. Die Hauptmenge des genossenen Chloral-
hydrats geht in den Harn über als
Urochloralsäure, CgHuC^O^ (37), welche aus diesem nach dem Ein-
dampfen durch Aether-Alkohol extrahirt und durch Ueberflihrung in das Kalisalz
gereinigt wird. Krystallwarzen, sehr leicht in Wasser und Alkohol, nicht in
Aether löslich. Linksdrehend, reducirend wirkend, einbasisch. Die Salze sind
fast alle in Wasser löslich. Die Säure zerfällt beim Kochen mit verdünnten
Säuren in Trichloräthylalkohol und Glycuronsäure, CgHuCljO^ + H,0 = CGI,-
CHgOH-f-CeHioO^.
Das Chloralhydrat wirkt auch antiseptisch, indem es mit den Eiweisskörpem nicht-
faulende Verbindungen bildet (38) (39). Ueber die Eigenschaften des zu medicinischen Zwecken
zu verwendenden Chloralhydrats vergl. Pharmacopoea Germanica. Als Antidot gegen das
Anästhetikum Chloral soll das Paralyticum Strychnin wirken (40, 53). Zur quantitativen Be-
stimmung des Chloralhydrats wird die zu untersuchende Substanz, welche keine freie Säure
enthalten darf, ipit einem gemessenen Volum Normalnatronlauge geschüttelt Hierdurch wird
die einem Aequivalent Chloral entsprechende Menge Alkali als ameisensaures Salz gebuhden,
und man ermittelt die Menge desselben durch ZurUcktitriren des unverändert gebliebenen Alkalis
mit Normalsalzsäure (41).
Ganz analog wie mit Wasser verbindet sich Ghloral direkt mit den ein-
und mehrwerthigen Alkoholen der Fettreihe, nicht aber mit aromatischen Alko-
holen zu den Chloralalkoholaten (58), CCI3.CHO -hR- — OH== CGI, •
OH
GHq^, welche, wie das Ghloralhydrat, im Dampfzustande und durch concen-
trirte Schwefelsäure in ihre Gomponenten zerfallen.
Chloral -Methylalkoholat, CC1,-COq^jj (54); Schmp. 50°, Siedep. 98°, nach
(55) 106«.
OH
Ghloral-Aethylalkoholat, GGIj^GHqq ^ , bildet sich ausser durch
direkte Vereinigung der Gomponenten auch als Endprodukt der Einwirkung von
Ghlor auf absoluten Alkohol (8) und aus Aldehydalkoholat und Ghloral (56).
Weisse Prismen, in Wasser langsam, aber reichlich löslich; Schmp. 46«, Siedep. 115«.
Geht durch Pa^ Über in Chloral-Chloräthyl, Cag-CHCl-OCjHj = Tetrachloräther (57), durch
Acetylchlorid in sogen. Chloral-Essigäther, Ca,-CHQ^>JJ,*jj (20), eine bei 198 <* siedende
Flüssigkeit.
OTT
Chloral-Isoamylalkoholat, CC1,-CHq^jj , Schmp. 56«, Siedep. 145—1470.
Chloral-Cetylalkoholat, CClg-CH^J^ ^ ; Nädelchen (55).
OTT
Chloral-Allylalkoholat, CClj-CH^^ jj , Schmp. 20*50, Siedep. 116® (21); ver-
Cl
bindet sich mit Brom und giebt mit PQj die Verbindung CQg-CHQ^ Hj.* Ueber die Ver-
bindungen des Chlorals mit Glycol, Monochlorhydrin, Milchsäure und Weinsäureäther (58).
Chloralacetat, CClg-CH(OCOCHg)„ aus Chloral und Essigsäure-Anhydrid bei 150°
entstehend (20), ist flüssig, unlöslich in Wasser und siedet bei 222 0.
Cl
Das sogen. Chloral-Chloracetyl, ^^U'^^^nCOCH ' ^^ identisch mit vierfach
41*
644 Handwörterbuch der Chemie.
chlorirtem Essigäther (s. diesen) (59), Chloraläthylat, CClj-CHCOCjH,), (s. sub A 198).
mit Trichloracetal.
Das sogen. Chloralsulfhydrat, 2Ca3-CHO + HjS oder [CClg-CH(OH)],S., entsteht
beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in ätherische (60) oder wässrige (61) Lösung von
Chlpral; Schuppen oder Rhomboeder, nicht in Wasser, schwer in Chloroform, leicht in Alkohol
und Aether löslich. Schmilzt bei 128° unter Zersetzung; das Acetylderivat, (Ca,-CH'0-
C,H30),S, schmilzt bei 78<>.
Durch Einwirkung von Kaliumsulf hydrat auf Chloralhydrat entsteht unter Abscheidung von
Schwefel die bei 97 0 schmelzende Verbindung C4H^Cl,OjS=CCl,-CH(OH)-S-CH(OH).CH,
(63).
OH
Chloralmercaptan, CClgCHg^jj , wird wie Chloralalkoholat dargestellt (54).
Additionsprodukte von Chloral und Cyanverbindungen sind mehrere bekannt; wie alle Al-
dehyde vereinigt sich das Chloral mit starker Blausäure beim Erwärmen, unter Bildung von
OH
Chloral-Cyanhydrin (Blausäure-Chloral), CCl^-CH^j^ (63). Dasselbe
wird von allen gebräuchlichen Lösungsmitteln leicht aufgenommeni krystallisirt
in rhombischen Tafeln, schmilzt bei 61°, siedet unter theilweiser Zersetzung bei
215 — 220° (18), wird durch Alkalien in Chloroform, Ameisensäure und Blausäure
gespalten, dagegen durch concentrirte Salzsäure als Nitril der Trichlormilchsäure
in letztere übergeführt. Beim Kochen mit Essigsäureanhydrid entsteht die Acet-
Verbindung, CC^-CH^^«^»^, vom Schmp. 31° und Siedep. 208° (18).
Ein Körper der Formel SCQj'CHO-f-CNH bildet sich beim Vermischen der concentrirten
Lösung von Chloralhydrat mit wenig Cyankaüumlösung (64). Andere Darstellung (65). Schmelz-
punkt 123^. Unlöslich in Wasser. Verhalten des Chloralcyanhydrins gegen Harnstoff (18). Aus
den letzterwähnten drei Körpern werden, ähnlich wie aus Chloral und Cyankalium, leicht Deii-
vate der Dichloressigsäure erhalten (18).
Cyansäure-Chloral, 2(CClj,-CH0) -+- CONH, erhält man beim Einleiten
von Cyansäuredampf in Chloral als feste Masse, die durch Auskochen mit Salz-
säure kömig wird und dann aus Aether in bei 167 — 170^ schmelzenden, bei
200° sich vollkommen zersetzenden Prismen krystallisirt (66).
Beim Vermischen der Lösungen von Chloralhydrat und Kaliumcyanat entwickelt sich CO,,
und es fallen sehr schwer lösliche Krystallflitter von der Zusanunensetzung CfH,Q,N,0, nieder
(67), welche sich unverändert in Alkalien lösen, aber beim Erhitzen mit verdünnten Säuren io
einen anderen Körper, C^HjCljNO^, vom Schmp. 154^ tibergehen (68).
Blausäure-Cyansäure-Chloral (Chloralcyanidcyanat), C4HsCljNjOj
,?=CCl3CHO-f-CNH-f-CNOH, scheidet sich beim Behandeln von Chloralcyan-
hydrin oder bequemer einer verdünnten Lösung von Chloralhydrat in Cyankalium
mit Kaliumcyanat in schwer löslichen Nadeln aus, die bei 80^ schmelzen und
bei 100° sublimiren (68).
Giebt mit überschüssigem Cyankalium den oben erwähnten Köiper C^HiCl^N^O,, mit
Aethylamin die Verbindung C^H^CljNO, vom Schmp. 45® (69), mit Anilin Dichloracetanilid
(18), (69), welches auch aus Chloralacetylcyanid und Anilin gebildet wird.
Bromal, Tribromaldehyd, s. Aldehyd; A, pag. 197.
Bromochloral, CBrCl^'CHO, entsteht, ganz analog der Chloralbildung aus Chlor und
Alkohol (s. pag. 3), bei der Einwirkung von Brom auf Dichloracetal zunächst als Alkoholal (8):
CHa3CH(OC,H5), 4-Br3 = CBrCl,-CH^^»^5 + C^H^Br.
Aus diesem wird das freie Bromochloral durch conc. Schwefelsäure isolirt. FlQssigkeit vom
Siedep. 126® und spec. Gew. 1*9176 bei 16®. Polymerisirt sich durch wenig conc. Schwefelsäure
Chloral. 645
zu einer porcellaoartigen Masse, die bei 260^ wieder in Bromochloral übergeht. Mit Wasser
resp. Alkohol liefert es
Bromochloralhydrat, CBraa-CH(OH),. Schmp. 51" und
OH
Bromochloralalkoholat, CBrCl ,-CH^^ jj , Schmp. 43°.
Chlorobromal, CClBrj'CHO, aus Monochloracetal und Brom dargestellt (8), siedet bei
148—149°; spec. Gew. 2*2793 bei 15°; wird durch Schwefelsäure nicht polymerisirt.
Chlorobromalhydrat, CClBr,-CH(OH)j, Schmp. 51—52°.
Chlorobromalalkoholat, CClBraCH?!? j^ , Schmp. 46°.
Chi oral 1 de. Beim Erhitzen von Chloral, Bromal, Chlorpbromal und Butyl-
chloral mit solchen Oxysäuren, in welchen das mit CO OH verbundene Kohlen-
stoffatom ein alkoholisches Hydroxyl trägt, entstehen unter Abscheidung von
Wasser ätherartige Verbindungen beider Componenten, welche allgemein als
Choralide resp. Bromalide bezeichnet werden. Dieselben bilden sich auch direkt
aus benannten Aldehyden beim Erwärmen mit rauchender Schwefelsäure (s. unter
Chloralid), krystallisiren, sind in Wasser unlöslich und destilliren vollkommen un-
z ersetzt. Andere Aldehyde sowie andere Oxysäuren vermögen nicht in diesem
Sinne zu reagiren.
Das Chloralid xax' iCoyjQv, CsHjClßOj, Trichlormilchsäure-Trichlor-
äthylidenester, CCIj-CHC^q ^^CH-CCl,, entsteht aus Trichlormilchsäure
und Chloral bei 160° (72), bildet sich aber auch direkt aus Chloral beim Er-
wärmen mit rauchender Schwefelsäure (10, 73, 74, 75); bei diesem Process wird wohl
zuerst l'Mol. Chloral in Ameisensäure und Chloroform und letzteres weiter im Sinne der Gleichung:
CHCl, 4- 2SO, = CO 4- HQ 4- SjOjQ,
gespalten. Die Ameisensäure tritt mit einem zweiten Mol. Chloral zu Trichlorlaktid zusammen:
ca,. CHO + HcooH = cci,.ch^q;;;::o 4- H,o,
und dieses mit einem dritten MoL zu Chloralid:
cci,.CH^Q;;::04-cH0.ca, = caj.CH^QQ^CH.ca, (76).
Weisse, monokline Prismen, Schmp. 114—115°, Siedep. 272—273°, zerfällt
beim Kochen mit Kali in Chloroform und Ameisensäure, beim Erhitzen mit
Alkohol auf 150*^ in Chloralalkoholat und Trichlormilchsäureäther, bei der Reduc-
tion mit Zink und Salzsäure in Dichlorakrylsäure und Aldehyd.
Bromalid, CgH^Br^Oj, ist vorigem bezüglich seiner Entstehung und seinen
Eigenschaften vollkommen analog (75).
Durch Erhitzen der betr. Oxysäuren mit Chloral resp. Bromal sind noch dargestellt worden :
Bromochloralid, C^H^ClfBr^O,» aus Bromochloral (8), schmilzt bei 122^.
Milchsäure-Trichloräthylidenester, CHj.CH^^q^ CH-CCl,. Schmp. 45^.
Siedep. 222—224°. Einfachere Darstellung (77).
Milchsäure-Tribromäthylidenestcr, CHj-CH^^Q^CH-CBr,. Schmp. 95—97®
(78); bildet sich auch durch Bromirung von Milchsäure (79).
Trichlormilchsäure-Tribromäthylidcnester, CClj-CH^QQ^CH-CBr,. Schmelz-
punkt 150°.
Tribrommilchsäure-Trichloräthylidenester, CBr,— Ch9qq^CH.CC1j Schmp.
132—135° (75).
Glycolsäure-Chloralid, CH,^qq;;::CH-CC1„ Schmp. 42°.
Mandelsäurc-Chloralid, CgHj.CH^QQ^CH.CCl,. Schmp. 59°.
646 Handwörterbuch der Chemie.
CH^^^;^CH.CC1,
Weinsäure-Chloralid, | . Schmp. 122—124®.
CH^o^-CH.CCl,
Aepfclsäure-Chloralid, CH^^^^CH-CQ,. Schmp. 1390(75); verhält sich wie
CH,-COOH
eine Säure. Giebt mit PClj ein Chlorid und dieses durch Alkohole Ester. Der Methylester
schmilzt bei 85 0, der Aethylester bei 46°.
Salicylsäure-Chloralid, C^H^^QQ^^CH-Ca,, Schmp. 125*^. AndereChloralidc(75).
A. Hantzsch.
Register für Band II.
Antimon i
Antimontrichlorid ... 3
Antimonpentachlorid . . 3
Antimontribromid ... 4
Antimontrijodid ... 4
Antimontrifluorid ... 4
Antimonpentafluorid . . 4
Antimontrioxyd ... 5
Antimontetroxyd ... 5
Antimonpentoxyd ... 6
Antimonsäuren .... 6
Metantiroonsäure ... 6
Antimonnitrat .... 6
Antimonsulfat .... 6
Brechweinstein .... 7
Antimonylchlorid ... 7
Algarotpulver .... 7
Antimonylbromid ... 8
Antimonyljodid ... 8
Antimonylfluorid ... 8
Ammoniumantimoniat 8
Bleiantimoniat .... 8
Saures Ammoniummetanti-
moniat 8
Säur. Kaliummetantimoniat 8
Antimonoxytrichlorid . . 8
Antimontrisulfid ... 8
Antimonzinnober ... 9
Antimonpentasulfid . . 10
Natriumthioantimoniat . 10
Kaliumthioantimoniat 10
Bariumthioantimoniat . . 10
Antimonoxysulfid ... 11
Antimonsulfochlorid . . ii
Antimonsulfojodid ... il
Antimontriselenid ... ii
Antimonpentaselenid . . ii
Antimontellurid ... il
Antimonwasserstofif li
Antimonbestimmung . . 12
Aromatiscbe Säuren . . 12
Bildungsweisen ... 14
Derivate 20
Eigenschaften .... 26
Paraäthylbenzoesäure . . 27
Orthoäthylbenzoesäure . 27
Orthotoluylessigsäure . . 27
Metatoluylessigsäure . . 27
Paratoluylessigsäure . . 28
Hydratropasäure ... 28
a-Chlorhydratropasäure . 28
ß-Chlorhydratropasäure . 28
a-Bromhydratropasäure . 28
ß-Bromhydratropasäure . 29
Dibromhydratropasäure . 29
Tribromfaydratropasäure . 29
a-Amidohydratropasäure . 29
ß-Amidohydratropasäure . 29
Atropasäure 29
Monobromatropasäure. . 30
a-Isatropasäure .... 30
Aethyläther .... 30
ß-Isatropasäure .... 30
Aethyläther .... 31
Atronsäure 31
Isatronsäure .... 31
Atronylensulfosäure . . 31
Atroninsulfon . . . . 31
Polyporsäure . . . . 31
Methyläther .... 31
Aethyläther .... 32
Nitropolyporsäure ... 32
Hydropolyporsäure . . 32
Durylsäure 32
a-Isodurylsäure .... 32
ß-Isodurylsäure .... 32
y-Isodurylsäure .... 32
Parapropylbenzoesäure . 33
Orthopropylbenzoesäure . 33
Methylbenzylessigsäure . 33
Benzyläther • • • . 33
Phenylisobuttersäure . . 33
Propenylbenzoesäure . . 33
. Methyläther .... 33
Phenylcrotonsäure ... 34
Isophenylcrotonsäure . . 34
Cymolcarbonsäure . . 34
Homocuminsäure ... 34
NormalePhenylvaleriansäure 34
Phenyläthylpropionsäure . 34
Aethylhydrocarbostyril . 35
Cinnamenylacrylsäure 3S
Hydrocinnamenylacrylsäure 35
Dibromhydrocinnamenyl-
acrylsäure 35
Phenylangelikasäure . . 35
Benzylisobuttersäure . . 35
Cumenylacrylsäure . . 35
Cumenylpropionsäure . . 36
Cumenylcrotonsäure . . 36
Cinnamenylangelikasäure 36
Cumenylangelikasäure . 36
Vulpinsäure 36
Piperinsäure .... 36
Tetrabrompiperinsäure . 37
Dibrompiperinid ... 37
Tetrabromoxypiperhydrons. 37
Hydropiperinsäure ... 37
Aethyläther .... 37
Dibrompiperhydronsäure . 38
Piperonylsäure .... 38
Aethyläther .... 38
Nitropiperonylsäure . . 38
Brompiperonylsäure . . 39
Amarsäure 39
. Amarsäure-Anhydrid . . 39
Isobutylamarsäure ... 39
Pyroamarsäure .... 39
Aromatische Verbindungen 39
Nomenclatur .... 40
Arsen
Arsenerze ....
Arsenigsäure- Anhydrid
Arsenige Säure . .
Arsenite .' . . . .
Erkennung ....
Arsensäure-Anhydrid .
Arsensäure . . . .
Pyroarsensäure . . .
Metaarsensäure . . .
Orthoarsensäure . .
ArsenwasserstofTgas .
Fester Arsenwasserstoff
Quantitative Bestimmung
Asche
Asphalt ....
Natdrlicher Asphalt
4«
42
42
43
44
44
47
47
47
47
47
48
49
49
50
53
53
648
Register.
Elaterit 53
Künstlicher Asphalt . . 54
Aspirator 57
Assimilation .... 59
Athmung 60
Atmosphäre 63
Atomtheorie .... 103
Beziehungen zwischen den
Atomgewichten . . . 108
Valenz ... 112
Autoclav 115
Asoverbindungen . . . 116
Azoverbindungen der Fett-
reihe 120
Dinitrosoazoäthan . . 120
Gemischte Azoverbindun-
gen 121
Benzol -Azo-Nitromethan 121
Benzol-Azo-Nitroäthan . 121
Benzol- Azo-Aethan . . 121
Brombenzol - Azo - Nitro -
äthan 121
Nitrobenzol - Azo - Nitro -
äthan 121
Azoderivate des Benzols 121
Azoxybenzol . . . . 121
Para -Dichlorazoxybenzol 122
Meta-Dichlorazoxybenzol 1 22
Paradibromazoxybenzol . 123
Metadibromazoxybenzol . 123
Paradijodazoxybenzol . 123
Tetrachlorazoxybenzol . 123
Mononitroazoxybenzol . 123
Trinitroazoxybenzol . . 123
Tetranitroazoxybenzol . 123
Nitroparadichlorazoxyben-
zo\ 123
Oxytrinitroazoxybenzol . 123
Dioxytrinitroazoxybenzol 123
Amidoazoxybenzol . . 123
Tetramethyldiamidoazoxy-
benzol 123
Azobenzol 123
Paradichlorazobenzol 1 24
Paradibromazobenzol 124
Metadibromazobenzol 124
Tetrabromazobenzol 1 24
Nitroazobenzol . . . 124
Trinitroazobenzol . . 124
Amidoazobenzol . . . 124
Amidoazobenzolsulfosäure 125
Diamidoazobenzol . . 126
Triamidoazobenzol . . 126
Azobenzolmonosulfosäure 126
Azobenzoldisulfosäure . 126
Oxyazobenzol . . . . 126
Azophenetole . . . . 127
Azophenole . . . . 128
Benzol- Azo-Resorcin 128
Benzolsulfosäure-Azo-Re-
sorcin 128
Trioxyazobenzole . . 128
Tetraoxyazobenzole . . 129
Phenol-disazo-benzol 129
Phenol-disaso-benzoltoluol 129
Benzol-disazo-benzolphenol 1 29
Azoxybenzoesäuren
Azobenzoesäuren
Hydrazobenzol . .
Dinitrohydrazobenzol
Diamidohydrazobenzol
Diacetylhydrazobenzol
Azophenylen . . .
Amidoazomonophenylen
Nitroamidoazomonophe-
nylen ....
Para-Azoxytoluol .
Para-Azotoluol
Trinitroazoxytoluol
Para-Hydrazotoluol
Meta-Azotoluol .
Ortho-Azotoluol . .
Ortho-Hydrazotoluol
Amido-ortho-Azotoluol
Toluol -Azo-Toluylendia
min
Toluol- Azo-Ben zol
Toluol-Azo-Phenol .
Benzol-Azo-Toluylendia-
min
Benzol-Azo-Cresol
Amidoazomonotoluylen
Azoxylol ....
* Amidoazoxylol . .
Azoxydiphenyl . .
Azodiphenyl . . .
Dinitroazoxydiphenyl
Azons4}htaliD . . .
Amidoazonaphtalin
Oxyazonaphtalin . .
Benzol -Azo -Amidonaph
talin
Naphtalin -Azo -Diamido-
naphtalin ....
Toluol -Azo -Amidonaph'
talin
Nitrobenzol . . .
Barium
Bariimioxyd . . .
Bariumhydroxyd . .
Bariumsuperoxyd . .
Bariumchlorid . .
Bariumbromid . .
Bariumjodid . . .
Bariumfluorid i , .
Bariumfluorid-chlorid
Bariumfluoborat . .
Bariumfluosilicat . .
Bariumsulfid . . .
Bariumtrisulfid . .
Bariumtetrasulfid . .
Bariumpentasulfid
Bariumoxysulfid . .
Selenbarium . . .
Arsenbarium . . .
Phosphorbarium . .
Bariumchlorat . .
Bariumperchlorat . .
Bariumchlorit . . .
Bariumbromat . .
Bariumperbromat
Bariumjodat . . .
130
130
131
132
132
132
133
133
133
133
133
133
133
134
134
134
134
134
134
134
134
134
134
134
134
134
135
135
135
135
'35
136
136
136
136
137
139
139
140
141
142
142
142
142
142
142
142
143
143
143
H3
143
144
144
144
144
144
144
144
144
Bariumperjodat ... 144
Bariumsulfat . . . . 145
Bariumbisulfat . . . 145
Bariumsulfit .... 145
Bariumthiosulfat . . . 145
Bariumdithionat . . . 146
Bariumtritfaionat . . . 146
Bariumtetrathionat 146
Bariumpentathionat . . 146
Bariumselen iat ... 146
Bariumtellurat . . . 146
Bariumtellurit ... 146
Bariumsulfotellurit . 146
Bariumnitrat .... 146
Bariumnitrit .... 147
Bariumhypophosphit . 147
Bariumphosphit . . . I47
Tribariumphosphat . . 147
Bibariumphosphat . . 147
Monobariumphosphat 147
Banumpyrophosphat 147
Bariummetaphosphat . 148
Bariumarsenit .... 148
Banumarseniat ... 148
Bariumammoniumarseniat 148
Bariumpyrosulfarsenit 148
Bariumpyrosulfarseniat . 148
Bariumantimoniat . . 148
Bariumsulfantimoniat 148
Bariumborat .... 148
Bariumcarbonat ... 148
Bariumthiocarbonat . . 149
Bariumsilicate ... 149
Reactionen .... 149
Quantitative Bestimmung 1 50
Trennungsmethoden 150
Basen
Basicität
.... 151
.... 152
Benxoeslnre .... 154
Benzoesäure -Methyläther 158
Benzoesäure -Aethyläther 1 59
Benzoesäure -Propyllther 1 59
Benzoesäure-Isopropylätheri 59
Benzoesäure-Butyläther . 159
Benzoesäurc-Isoamyläther 1 59
Benzoesäure-Octyläther . 159
Benzoesäure-Cetyläther . 159
Benzoesäure-Allyläther . 159
Benzoesäure- Aetfaylenäther 159
Benzoesäure -Aethylcn-
chlorhydrin .... 159
Benzoesäure-Propylenäther 159
Benzoesäure- Amylenäther 159
Benzoesäure-Glycerinäther 159
Benzoesäure -Benzyläther 1 59
Benzylidenäther . . . 159
Benzoesäute-Phenyläther 160
Benzoesäure -Kresyläther 160
Dibenzoylbrenzcatechin . 160
DibenzoylresoTcin . . 160
Dibenzoylhydrochinon . 160
Tribenzoylphloroglucm . 160
Benzoylpyrogallussäiiredi-
methyläther .... 160
Benzoylmeüiylpyrogallus-
säuredimethyläther . . 160
Register.
649
Bensoylpropylpyrogallus-
säure 160
Bcnzoylchlorid . . . 160
Benzoylbromid . . . 161
Benzoyljodid . . . . 161
Benzoylfluorid . . . 161
Benzoylcyanid . . . 161
Beozoylrhodanid . . . 162
Benzoesäureanhydrid . 162
Essigsäure - Benzoesäure-
Anhydrid 162
Benzoylsuperoxyd . . 162
Benzamid . . * . . 162
Chloralbenzamid . . . 163
Butylchloralbenzamid " . 163
Dibenzamid . . . . 163
Dimethylbenzainid . . 163
Diäthylbenzamid . . . 163
Methylendibenzamid 163
Aethylidendibenzamid . 163
Trichloräthylidendibenz-
amid 164
Oenanthylidendibenzamid 164
Benzoylcyanamid . . . 164
Tribenzoylmelamin . 164
Dibenzoyldicyanamid 164
Benzoylammelin . . . 164
Benzhydroxamsäure . . 164
Benzhydroxarosäureäthyl-
äther 165
Aethylbenzhydroxamsäure 165
Methylbenzhydroxamsäure 165
Dibenzhydroxamsäure . 165
Dibenzhydroxamsäure-
äthyläther .... 166
Tribenzhydroxylamin . 166
Benzanishydroxamsäure . 166
Anisbenzhydroxamsäure 166
BenzanisäÜiylhydroxylamin 166
Benzanisbenzhydroxylamin 166
Dibenzanishydroxylamin 167
Anisdibenzhydroxylamin 167
Anisbenzanishydroxylamin 167
Dianisbenzhydroxylamin 167
Benzdianishydroxylamin 167
o-Chlorbenzoesäure . . 167
o-Chlorbenzoesäurechlorid 168
o-Chlorbenzoesäureamid 168
o-Chlorbenzoesäurenitril 168
o-Chlorbenzoesäureanilid 168
m-Chlorbenzoesäurc . . 168
m-Chlorbenzoesäurechlorid 169
m-Chlorbenzoesäureamid 169
m-Chlorbenzoesäurenitril 169
p-Chlorbenzoesäure . . 169
p-Chlorbenzoesäurechlorid 169
Dichlorbeozoesäure . . 169
Trichlorbenzoesäure . . 170
Tetrachlorbenzoesäure . 1 70
o-Brombenzoesäure . . 170
o-Brombenzoesäuremethyl-
ester 170
o-Brombenzoesäureäthyl-
ester ...... 170
o-Brombenzoesäureanilid 1 70
m-Brombenzoesäure . . 170
m - Brombenzoesäureme -
thylester 171
m-Brornbenzpesäurechlorid 171
m-Brombenzoesäureamid 171
m-Brombenzoesäurenitril 171
p-Brombenzoesäure . . 171
p-Bromben zoesäureäthyl-
ester 171
pibrombenzoesäure . . 171
Tribrombenzoesäure . . 171
Pentabrombenzoesäure . 171
Gilorbrombenzoesäure . 172
o-Jodbenzoesäure . . 172
m-Jodbenzoesäure . . 172
p-Jodbenzoesäurc . . 173
o-Fluorbenzoesäure . • 172
m-Fluorbenzoesäure . . 172
p-Fluorbenzoesäure . 172
o-Nitrobenzoesäure . . 173
o-Nitrobenzoesäureäthyl-
cster 173
o-Nitrobenzoesäurechlorid 173
o - Nitrobenzoesäurccj'a -
nid 173
o-Nitrobenzoesäureamid 173
o-Nitrobenzoesäurenitril 173
m-Nitrobenzoesäure . . 173
m - Nitrobenzoesäureme -
thylester 174
m-Nitrobenzoesäureäthyl-
cster 174
m-Nitrobenzoesäurechlorid 174
m-Nitrobenzoylcyanid . 1 74
m-Nitrobenzoesäureanhy-
drid 174
m-Nitrobcnzamid . . . 1 74
m-Nitrobenzonitril . . 174
p-Nitrobenzoesäure . . 174
p-Nitrobcnzoesäuremcthyl-
ester 174
p-Nitrobenzoesäureäthyl-
ester 175
p-Nitrobenzoesäureamid 175
p-Nitrobenzoesäurenitril 175
0-0-Dinitrobenzoesäure . 175
o-m-Dinitrobenzoesäure 175
o-p-Dinitrobenzoesäure . 175
m-m-Dinitrobenzoesäure 175
m-p-Dinitrobencoesäure 176
Trinitrobenzoesäure . . 176
Chlomilrobenzoesäuren 176
Bromnitrobenzoesäuren . 176
Dibromnitrobcnzoesäuren 177
Jodnitrobenzoesäuren . 177
o-Amidobenzoesäure . 178
Acetyl-o-Amidobenzoesäurei 79
Benzoyl-o-Amidobenzoe-
säure 179
Dicyanamidobenzoyl 179
Oxäthylamidobenzoyl . 179
o-Bcnzglycocyamidin . 179
o-Methylbenzglycocyamidin 1 80
m'Amidobenzoesäure 180
m-Amidobenzoesäureme-
thyläther 180
m - Amidobenzoesäureä -
thyläther ..... 180
m-Amidobenzamid . . 180
m-Amidobentonitril . . 180
Methylamidobenzoesäure 180
Dimethylamidobenzoesäure 18 1
Dimethylamidobenzoe-
säuremetJ^yläther . . 181
Trimethylbenzbetain . i8i
Aethylamidobenzoesäure 181
Diäthylamidobenzocsäure 181
Diallylamidobenzoesäure 181
Acetylamidobenzoesäure 181
Succinamidobenzoesäure 181
Succindiamidobenzoesäure 181
m-Amidobenzoesäureper-
cyanid 182
Cyancarbimid-m-Amido-
benzoesäure . . . . 182
m-Oxäthylcarbimidamido-
benzoesäure .... 182
m-Benzglycocyarain . . 182
Methylbenzglycocyamin 183
Phenylbcnzglycocyamin 183
Naphthylbenzglycocyamin 183
Amidophenylbenzglyco-
cyamin 183
Carbimid-m-Amidoben-
zoesäure 183
m-Cyanamidobenzoesäure 183
p-Amidobenzoesäure . 184
p-Amidobenzoesäureamid 184
p-Amidobenzoesäurenitril 184
Dimethyl-p-Amfdobenzoe-
säure 184
D iäthyl-p- Amidobenzoe-
säure 184
Oxäthyl-p-Amidobenzc j-
säure 184
Acetyl - p - Amidobenzoe -
säure 184
Bcnzoyl-p-Amidobenzoe-
säure 184
Oxysuccinyl-p-Amidoben-
zoesäure 184
m-Urethanbenzoesäure . 185
m-Urethanbenzoesäureäthyl-
äther 185
m-Urelhanbenzoesäur- amid 185
o-Uramidobenzoesäure . 18$
Uramidobenzoyl . . . 185
m-Uramidobenzoesäure . 185
m-Uram idoben zoesäu r e-
äthyläther 186
m-Uramidobenzoesäure-
amid 186
Aethyl-ra-Uramidobenzoe-
säure 186
p-Uramidobenzoesäure . 186
Nitrouramidobenzoesäuren 186
Amidouramidobenzoe-
säuren 186
Dinitrouramidobenzoe-
säure 187
m-Thiouramidobenzoe-
säure 187
m-Harnstoflfbenzoesäure 187
m-Hamstofifbenzoesäure-
äthyläther 187
650
Register.
p-Hamstoffbenzoesäure . 187
xn-Schwefelharnstoffben-
zoesäure . . . . . 187
Senfölbenzoesäure . . 188
Diamidobenzoesäure . 188
Hexamethyldiamidobenzoe-
säure 189
Triamidobenzoesäure . 189
Chloramidobenzoesäuren 189
Trichloramidobenzoesäure 189
Bromamidobenzoesäuren 190
Dibromamidobenzoe^äure 190
Tribromamidobenzoesäure 190
Jodamidobenzoesäure
Dijodamidobenzoesäure
Nitroamidobenzoesäuren
Dinitro - o - amidobenzoe
säure
Dinitro-p- amidobenzoes.
Benzoylglycolsänre
BenzoylglycolsäureäthyL
äther
Benzoylmilchsäure
BenzoylmQchsäureäthyl-
ather
Benzoylweinsäure
190
190
190
191
192
192
»93
193
193
193
Benzoylweinsäureäthyläther 193
Aethylbenzoylweinsäure 193
Aethylbenzoylweinsäore'
äthyläther 193
D ibenzoylweinsäureanhy-
diid 194
BenzoyltraubensäuTeäther 194
BenzoylisäthioDsäure . 194
Benzoylcarbaminsäure-
äthyläther .... 194
Benzoylhamstoff . . . 194
Aethylbenzoylharastoff . 194
Dibenzoylhamstoff . . 194
BeDzoylallophansäureätfaer 194
Benzoylthiocarbaminsäure 194
Benzoylthiocarbaminsäure-
methyläther .... 195
Benzoylthiocarbaminsäure-
ätfaylätfaer 195
Benzoylöüocarbaminsänre-
phenyläther .... 195
Benzoylöiiobanistoff . . 195
Aethylbenzoyltfaiohamstoff 195
Phenylbenzoylüüohamstoflf 195
Nitrophenylbenzoylüüo-
hainstoff 195
Benzylbenzoylthiohanistoff 195
p>TolyIbenzoyltfaioham-
stoff 195
Naphtylbenzoylthiobam-
Stoff 195
HippuTsäure .... 195
Hippursäuremetfaylätiier 197
Hippursänreäthyläther . 197
Hippursäurebntylätfaer . 197
Hippursäureamid . . . 197
Chlorhippuisänre . . . 198
Dicblorhippursäure . . 198
Bromhippursäure . . . 198
Jodhippursäure . . . 198
p-Nitrohipporsäure . . 198
m-Nitrohippursäure . . 198
m-Uramidohippursäure . 1991
Hippurylamidoessigsäure 199
Hippurylamidoessigsäure-
äthyläther 199
Hippurylamidoessigsäure-
amid 199
Benzoyldiamidoacetylamid-
essigsäure . . . . 199
Benzoyldiamidovalerian-
säure 199
Dibenzoylamidovalerian-
säure 199
Benzoylamidocapronsäure-
anhydrid 199
Benzophosphinsäure . . 199
Benzophosphorsäurechlorid200
Trimethylphosphorbenz -
betaYn 200
p-Benzarsinsäure . . . 200
• Arsinobenzoesäure . . 200
Benzarsinjodttr . . . 200
BenzarsinchlorOr . . . 200
p-benzarsinige Säure . 201
p-Dibenzarsinsäure . . 201
Dibenzaisinjodür . . . 201
Dibenzarsinige Säure 201
p-Tribenzarsinsäure . . 201
a-Thiobenzoesäure . . 201
Thiobenzoesäureäthyläther 201
Thiobenzoesäurephenyl-
äther 201
Thiobenzoesäuretolyläther 202
Thiobenzoesäurebenzyl'
äther 202
Benzoylsulfid .... 202
Benzoyldisulfid . . . 202
ß-Thiobenzoesäure . . 202
Dithiobenzoesäure * 202
p-Chlordithiobenzoesäure 202
Thiobenzamid .... 202
Benzimidothioäthyläiher 203
Benzimidothiomethyläther 203
Benzimidothiobenzyläther 203
Amidothiobenzamid . . 203
Bensol 203
Hexahydroxybenzol . . 205
Benzolhexachlorid . . 205
Benzolhexabromid . . 205
Unterchlorigsäure-Benzol 205
Aluminiumchlorid-Benzol 205
Chlorbenzol .... 206
Dichlorbenzol .... 206
Trichlorbenzol . . . 207
Tetrachlorbenzol . . . 207
Pentachlorbenzol . . . 207
Hexachlorbenzol . . . 207
Brombenzol .... 208
Dibrombenzol .... 208
Tribrombenzol . . . 208
Tetrabrombenzol . . . 209
Pentabrombenzol . . . 209
Hexabrombenzol . . . 209
Chlorbrombenzol . . . 209
Jodbenzol 209
Dijodbenzol .... 309
Trijodbenzol .... 210
' Chloijodbenzol . . . 210
Bromjodbenzol . . . 210
Nitrobenzol .... 210
Dinitrobenzol . . . . 211
Trinitrobenzol . . . 211
Chlomitrobenzol . . . 211
Chlordinitrobenzol . . 212
Dichlomitrobenzol . . 213
Dichlordinitrobenzol . 213
Trichlomitrobenzol . . 213
Trichlordinitrobenzol . 213
Tetrachlomitrobenzol . 213
Pentachlomitrobenzol . 214
Bromnitrobenzol . . . 214
Bromdinitrobenzol . . 214
Dibromnitrobenzol . . 215
Dibromdinitrobenzol 215
Tribromnitrobenzol . . 215
Tribromdinitrobenzol 216
Tetrabromnitrobenzol 2.1 6
Tetrabromdinitrobenzol . 216
Chlorbromnitrobenzol . 216
Jodnitrobenzol . . . 216
Joddinitrobenzol . . . 216
m-Dijodnitrobenzol . . 217
Chlorjodnitrobenzol . . 217
Bromjodnitrobenzol . . 217
Triphenylstibin . . . 217
PhenylarsenchlorUr . . 217
Phenylarsentetrachlorid . 218
Phenylaisenbromür . . 218
Phenyldimethylarsin . . 218
Phenyltrimethylarsoninm-
Jodid 218
Phenyldiäthylarsin . . 218
Phenyltriäthylarsoninm-
Jodid 218
Diphenylarsenchlorttr . 218
Diphenylarsentrichlorid . 219
DiphenylarsenbromOr . 219
Diphenylmethylarsin . . 219
Diphenyldimetfaylarsoiiii]iii>
Jodid 219
Diphenyläthylarsin . . 219
Diphenyläthykusindidilo-
rid 219
Diphenyldiäthylarsonhim-
Jodid 219
BiphenylmethyltdiyUaso-
niumjodid .... 219
Triphenylafsin . . . 219
Triphenylatsinhydroxyd . 219
Triphenylarsindichlorid . 219
Phenylarsenoxyd . . . 219
Phenylarsinsänie . . 220
Phenylarsinsäoreanhydrid 220
Phenylarsinsänrechlorid 220
Diphenylarsenoxyd . . 220
DiphenylarsinsSnre . . 220
TriphenylarsinhydiojLyd . 220
Triphenylarsenoxyd . 220
Phenylarsensolfid . . . 230
Phenylarsensesquisiüfid . 220
Triphenylaisen^lfid . . 220
Arsenobenzol .... 220
Jodarsenbenzol . . . 221
Phenylpho^hiB . • , 22 t
Register.
6SI
Phosphenylchlorid . . 221
Phosphenyltetrachlorid . 222
Phosphenylbromid , . 222
Phosphenyltetrabromid . 222
Phosphenylhexabromid . 222
Phosphenylcblorobroinid ^22
Phosphenylchlorotetrabro-
mid 222
Phenyldimethylphosphin 222
Phenyltrimethylphospho-
niumjodid .... 222
Phenyldiäthylphosphin . 222
Phenyldiäthylphosphinchlo-
rid 222
PheDyldiätIiylphosphinoxyd2 22
Phenyldiäthylphosphinsul-
fid 222
Phenyltriäthylphosplioniuin-
Jodid 222
Phenyldimethyläthylphos-
phoniumjodid . . . 222
Phenyldimethylbromäthyl-
phosphoniumbromid . 222
liienylmethyldiätKylphos-
phoniumjodid . . . 222
AethylentetTamethyldiphe-
nylphosphoniumbromid 222
Diphenylphosphin . . 222
DiphenylphosphinchloTür 223
Diphenylmetfaylpliosphin 223
Diphenyldiäthylphospho-
niumjodid 223
Diphenyläthylphosphin . 223
Diphenyldiäthylphospho-
niuiDJodid .... 223
Diphenyläthylmethylphos-
phoniuzDJodid . . . 223
Triphenylphosphin . . 223
Triphenylmethylphospho-
niumjodid 223
MethylcDhexaphenylphos-
phonimnjodid . . . 223
Aethylenhexaphenyl . . 223
Phosphenylige Säure 223
Phosphenylsäure . . . 224
Phosphenylsäaredixnethyl-
äther 224
Phosphenylsäarediäthyl-
ätfaer 224
Phenylphosphenylsäure . 224
Aethylphosphenylsäure . 224
Phosphenylsäurecblorid . * 224
Nitrophosphenylsäure 224
Amidophosphenylsäure . 224
Diazophosphenylsäure . 224
Diphenylphosphinsäure . 224
Diphenylphosphinsäure-
äthyläther 225
Phosphenylsulfid . . . 225
Isophosphenylsuliid . . 225
Isophenylsulfbchlorid 225
Phosphobenzol . . . 225
Diphosphobenzol . . 225
Phenylborchlorid . . . 225
Phenylborsäure . . . 226
Pheoylboroxyd . . . 226
Phenylsiliciumcfalorid . 226
227
227
227
227
227
227
227
Ortfaosilicobenzoeäther . 226
Silicobensoesäure . . 226
Silicobenzoesäureanhy-
drid 226
Phenylsiliciumtriäthyl . 226
Queclcsilberdiphenyl . . 226
Quecksilberphenylcblorid 227
QuecksilbeTphenylbromid 227
Quecksilberphenyljodid . 227
Quecksilberphenylcyanid 227
Quecksilberphenylrhoda-
nid
Quecksilberphenylnitrat
Quecksilbeiphenylformiat 227
Quecksilberphenylacetat 227
Quecksilbeiphenyloxyhy-
drat
Quecksilberphenylsäure .
Zinnphenyltriäthyl . .
ZiDnphenyläthylchlorid .
Zinndiphenylchlorid . .
Zinndiphenylhydroxylchlo -
rid 228
Zinndiphenyloxyd . . 228
Zinndiphenylbroxnid . . 228
Zinndiphenylchlorobromid 228
Zinndiphenylchlorojodid 228
Zinndiphenyldiäthyloxyd
ZinDtriphenylchlorid .
Benzylverbindungen .
Benzylchlorid . . .
Chlorbenzylchlorid .
Dichlorbenzylchlorid
Trichlorbenzylchlorid
Tetrachlorbenzylchlorid
Pentachlorbenzylchlorid
Nitrobenzylchlorid .
Benzylbromid . . .
Chlorbenzylbromid .
Brombenzylbromid .
Jodbenzylbromid . .
Nitrobenzylbromid .
Benzyljodid ...
Benzylalkohol . . .
Chlorbenzylalkohol .
Dichlorbenzylalkohol
Trichlorbenzylalkohol
Tetrachlorbenzylalkohol
Pentachlorbenzylalkohol
Brombenzylalkohol . .
Jodbenzylalkohol . . .
Nitrobenzylalkohol . .
Methylbenzyläther . .
Aethylbenzyläther . .
p-Chlorbenzyläthyläthcr .
Benzylphenyläther . .
BenzylmonochlorpheDyl-
äther
Benzylmonobromphenyl-
äther 235
Trinitrobenzylphenyläther 235
Benzyl-o-Cresyläthsr . . 235
Trinitrobenzyl-o-Kresyl-
äther 235
Benzyl-p-Kresyläther . 235
Benzyläther .... 236
Salpetersäure-Benzylester 236
228
228
228
230
231
231
231
231
221
231
232
232
232
232
232
232
233
234
234
234
234
234
234
234
234
235
335
23s
235
235
Salpetersäure-p-Nitroben-
zylester 236
Essigsäure-Benzylester . 236
Essigsäure-p-Chlorbenzyl-
ester 236
Essigsäure-m-p-Dichlor-
benzylester .... 236
Essigsäure-p-Brombenzyl-
ester 236
Essigsäure-p-Nitrobenzyl-
ester 236
Propionsäure-Benzylester 236
Buttersaure-Benzylester . 236
Isobuttersäure-Benzylester 237
Oxalsäure-Benzylester . 237
Bernsteinsäure-BeDzylester 237
Adipinsäure . . . . 237
Oxaminsäure .... 237
Carbaminsäure . . . 237
Orthoameisensäure . . 237
Benzylsulfacetsäure . . 237
Sulfocyansäure-Benzylester 237
Sulfocyansäure-p-CUor-
benzylester .... 238
Sulfocyansäure-p-Bromben-
zylester 238
Sulfocyansäure-o-Bromben-
zylester 238
Sulfocyansäure-p-Jodben-.
zylester 238
Sulfocyansänre-p-Nitroben-
zylester 238
Selencyansäure-Benzyl-
ester 238
Sdencyansäure-p-Nitro-
benzylester 238
Ortho-Oxybenzylalkohol 238
Methyläther .... 239
Aethyläther .... 239
Chlorsaligenin . . . 239
Saliretin 239
Salireton 239
Meta-Oxybenzylalkohol . 239
Para-Oxybenzylalkohol . 240
Anisalkohol .... 240
Benzylselenid .... 240
Benzylselenidnitrat . . 240
Benzylselenidchlorid . . 240
Benzylselenid-Pladnchlorid 240
Benzyldiselenid . . . 240
Benzyldimethylselentri-
jodid 240
Benzylselenige Säure •. 240
Benzylamin . . . . 241
Cyanbenzylamin . . . 241
p-Chlorbenzylamin . . 241
o-Brombenzylamin . . 242
p-Jodbenzylaxnin . . . 242
Dibenzylaroin .... 242
Nitrosodibenzylamin 242
Dichlordibenzylamin . 242
Di-o-Bromdibenzylamin . 242
Di-p-Bromdibenzylamin . 243
Di-p-Joddibenzylamin . 243
Di-p-Nitrodibenzylamin . 243
Di-p-Amipodibenzylamin 243
Tribenzylamin , . . , 243
652
Tri-p-Chlortribenzylamin 243
Tri-o-Bromtribenzylamin 244
Tri-p-Bromtribenrylamin 243
Tri-p-Jodtribenzylamin . 244
Tri-p-Nitrotribenzylamin 244
Tri-p-Amidotribenzylamin 244
Tetrabenzylammonium-
chlorid 244
Diäthylbenzylamin . . 244
TriäthylbenzylammoTiium-
chlorid 244
Triäthylbenzylammonium-
jodid 244
Triäthylbenzylammonium-
perjorlid 245
Glyoxalinbenzylchlorid . 245
ßenzylanilln .... 245
p-Nitrobenzylanilin . . 245
p-Amidobenzylanilin . 245
Dimetbylphenylbenzylam-
moniumhydroxyd . . 245
Diphenylbenzylamin . . 246
Aethyldibenzylamin . . 246
Diäthyldibenzyljodid . 246
Dibenzyltoluidin . . . 246
Dibenzylchiysoidin . . 246
Methyltribenzylammonium-
hydroxyd 246
Aethyltribenzylammonium-
hydroxyd 246
Benzylacetamid . . . 246
Nitrobenzylacetamid . . 246
Dibenzyloxamid . . . 246
Benzylcarbaminsaures Bcn-
zylamin 247
BenzylharnstofT . . . 247
DibenzylhamstofF . . 247
BenzylphenylhamstofF 247
Benzylqranamid . . . 247
Tribenzylmelamin . . 247
Dibenzylcyanamid . . 247
Dibenzylguanidin . . 248
Benzylsulfoharnstoff . . 248
DibenzylsulfoharnstofF . 248
BeDzylselenharnstofT . . 248
Dibenzylselenhamstoff . 248
Benzylphosphin . . . 248
Dibenzylphosphin . . 249
Triäthylbenzylphosphonium-
chlorid 249
Bemsteinsäure .... 249
Bernsteinsäuremethylester 253
Bernsteinsäureäthylester . 253
Succinylobemsteinsäure-
ester 253
Succinylobemsteinsäuremo-
noäthylester . . . . 254
Succinylobemsteinsäure 254
Succinylopropionsäure-
äthylester . . - . . 255
Chinontetrahydrtir . . 255
Chinonhydrodicarbonsäure-
ester 255
Chinonhydrodicarbonsäure 256
Perchlorbemsteinsäure-
ester 257
, Aethylbemsteinsäure 257
Register.
Bemsteinsäure-Isopropyl-
ester 25
Bemsteinsäure-Amylestcr 25
Bemsteinsäure-Cetylester 25
Bemsteinsäure-Aethylester 25
Oxäthylbemsteinsäure . 25
Succinylglycerin . , . 25
Aethylbemsteinsäure-Milch-
säureester 25
Succinylodimilchsäureester 25
Bemsteinsäureanhydrid . 25
Succinylchlorid . . . 25
Succinamid . . . . 25
Dimethylsuccinamid . . 258
Succinaminsäure . . . 258
Succinimid 258
Jodsuccinimid . . . . 259
Trisuccinamid .... 259
Methylsuccinimid . . 259
Aethylsuccinimid . . . 259
Monochlorbemsteinsäure 259
Monochlorbernsteinsäure-
anhydrid 259
Monobrombernsteinsäure 259
Monobrombemsteinsäure-
äthylester 260
Monobrombemsteinsäure-
anhydrid 260
Dibrombcmsteinsäure . 260
Dibrombemsteinsäureme-
thylester 260
Dibrombernsteinsäureäthyl-
ester 261
Methyldibrombemstein-
säure . . . . . . 261
Aethyldibrombemstein-
säure 261
Dibrombernsteinsäureme-
thyläthylester . . . . 261
Dibrombernsteinsäurean-
hydrid 261
Isodibrombemsteinsäure 26 1
Isodibrombemsteinsäure-
anhydrid 261
Tribrombemsteinsäure . 261
Amidobernsteinsäure . 262
Inneres Amid derAspara-
ginsäure 263
Broroamidobemsteinsäure 263
Asparagin 263
Diamidobemsteinsäure . 264
Diamidobemsteinsäuredi-
äthylester 264
Diamidobemsteinsäuredi-
amid 264
Sulfobemsteinsäure . . 265
Thiobemsteinsäure . . 265
Thiobemsteinsäureanhy-
drid 265
Isobernsteinsäure . . . 265
Isobemsteinsäureäthylester 266
Acetylendicarbonsäure . 266
Acetylendicarbonmethyl-
ester 266
Propargylsäure . . . 266
Beryllium 267
Berylliumchlorid . . . 268
Berylliumbromid .
Berylliumjodid
Berylliumfluorid .
Berylliumoxyd . .
Berylliumoydhydrat
^erylliumsulfid
Berylliumphosphid
Silicium-Beryllium
Berylliumnitrat .
Berylliumsulfat . .
Beryllium-Kaliumsulfat
Berylliumsulfit
Berylliumselenit
Berylliumtellurit
Berylliumtellurat .
Berylliumcarbonat
Beryllium-KaUumcarbonat 271
Berylliumsilicate . . . 271
Berylliumphosphate . . 271
Berylliumphosphit . . 271
Berylliumarseniat . . 271
Berylliumsulfarseniat . 271
Reactionen des Berylliums 271
Bestimmung des Berylliums 272
Bier 272
Blei 286
Bleisuboxyd .... 291
Bleioxyd 291
Bleitetroxyd .... 292
Bleisesquioxyd . . . 293
Bleisuperoxyd .... 293
Bleihydroxyd .... 294
Bleichlorid 294
Bleibromid 295
Bleijodid 295
Bleioxyjodid .... 295
Bleichlorojodid ... 295
Bleifluorid 295
Bleisulfid 296
Selenblei 296
Salpetrigsaures Blei . . 296
Salpetersaures Blei . . 297
Chlorsaures Blei ... 297
üeberchlorsaures Blei . 297
Bromsaures Blei . . . 297
Jodsaures Blei ... 297
Uebeijodsaures Blei . . 297
Unterschweiligsaures Blei 297
Schwefligsaures Blei - 297
Schwefelsaures Blei . . 297
Unterphosphorigsaures Blei 29S
Phosphorigsaures Blei "'^
Phosphorsaures Blei
Borsaures Blei . .
Kohlensaures Blei .
Legirungen des Bleis
Analytisches Verhalten
269
269
269
269
270
270
270
270
270
270
270
271
271
271
271
271
Bleicherei . .
Blot ....
Hämoglobin .
Oxyhämoglobin
Methämoglobin
Kohlenoxydhämoj
Hämochromogen
Hämatin
Hämin .
iglobin
298
298
29S
299
300
301
3»
3"
312
313
314
3 »4
3»4
314
Register.
653
Boden
Huminsäure . .
Carbohuminsäure
Bor
Borwasserstoff . .
Borsäureanhydrid .
Borsäure . . .
Metaborsäure . .
Tetraborsäure . .
Analytisches Verhalten
Brom
Bromwasserstoff . .
Unterbromige Säure.
Bromsäure ....
Ueberbromsäure . .
ArsenbromUr
Bortribromid
Brot . . .
Butter . . .
Kunstbutter
Buttersäure .
Buttersäure-Methylester
Buttersäure-Aethylester
Buttersäure-Propylester
Buttersäure-Butylester
Buttersäure-Amylester
Buttersäure-Hexylester
BuUersäure-Octylester
Buttersäure-Cetylester
Buttersäure- Allylester
Buttersäure-Aethylenester
Buttersäure des Aethylen-
chlorhydrins ....
Buttersäure-Essigsäure-
Aethylenester . . .
Buttersäure-Glycerinester
Butyrylchlorid ....
Dibutyryl
Butyrylbromid . . .
Butyryljodid ....
Butyrylcyanid ....
Buttersäureanhydrid . .
Buttersaures Chlor, Brom,
Jod
Butyrylsuperoxyd . . .
Butyramid
Quecksilberbutyramid .
Thiobuttersäure . . .
a-Chlorbuttersäure . .
ß-Chlorbuttersäure . .
Dichlorbuttersäure . .
Trichlorbuttersäure . .
Trichlorbuttersaure Salze
Tetrachlorbuttersäure .
a-Monobrombuttersäure
a-Monobrombuttersäure-
äthylester
o-Brombutyrylbromid .
ß-Brombuttersäure . .
Dibrombuttersäure . .
Tribrombuttersäure .
Tetrabrombuttersäure
Chlordibrombuttersäure .
Chlortribrombuttersäure .
Jodbuttersäure ....
330
337
337
353
354
355
355
356
356
357
357
362
363
364
365
365
365
365
372
379
380
384
385
385
385
385
385
385
385
385
385
385
385
385
385
385
386
386
386
386
386
386
386
386
386
386
386
387
387
387
387
387
388
388
388
388
388
388
388
388
388
a - Cyanbuttersäureäthyl-
ester 388
a-Brombuttersäureester . 388
Isonitrosobuttersäure . 389
a-Sulfobuttersäure . . 389
a-Sulfobuttersäuresalze . 389
ß-Sulfobuttersäure . . 389
ß-Sulfobuttersäuresalze . 389
a-Amidobuttersäure . . 389
a-Amidobuttersäuresalze 389
Methyl-a-Amidobuttersäure 389
Methyl-a-Amidobuttersäure-
sake 389
Aethyl-a-Amidobuttersäure 389
Aethyl-a-Amidobuttersäure-
salze 390
ß-Amidobuttersäure . . 390
Isobuttersäure .... 390
Isobuttersaure Salze . 391
Isobuttersäure-Aethylester 391
Isobuttersäure-Propylester 391
Isobuttersäure-Isobutyl-
391
391
391
391
391
391
391
392
392
Isobuttersäure-Amylester
Isobutyrylchlorid . .
Isobutyrylbromid . .
Isobutyrylcyanid . .
Isobuttersäureanliydrid
Isobutyramid . . .
Diisobutyramid . .
Trichlorisobuttersäure
Trichlorisobuttersäuresalze 392
o-Bromisobuttersäuresalze 392
o-Bromisobuttersäureäthyl-
ester 392
ß-Bromisobuttersäure . 392
Dibromisobuttersäure . 392
Tribromisobuttersäure . 392
Tetrabromisobuttersäure 393
Jodisobuttersäure . . . 393
a-Amidoisobuttersäure . 393
a-Amidoisobuttersäuresalze 393
Butylene 394
a-Butylen 394
ß-Butylen 395
Isobutylen 395
Substitutionsprodukte der
Butylene 396
Nitro- Isobutylen . . . 397
Butylen-Glycole . . . 397
Stickstoff basen der Butylene398
Isodibutylen .... 398
■Isotributylen .... 398
Butylverbindungen . . 399
Butane 400
Chlorderivate der Butane 401
Bromderivate der Butane 402
Jodderivate der Butane . 403
Butylalkohole .... 404
Ester der Butylalkohole 408
Isobutylxanthogensäure . 409
Butyläther 409
Aethylbutyläther . . . 410
Nitrobutane . . . 410
Salze der Nitrobutane . 410 '
Isobutylnitrolsäure . 41 1
Pseudobutylnitrol , ' ^11
Butylamine . . . . 411
Salze der Butylamine . 411
Isobutylphosphine . . 413
Isopropylisobutylphosphin 413
Isobutylphosphinsäure . 413
Triisobutylarsin . . . 413
Isobutylmetallverbindun -
gen
Cadmium
Darstellung . . .
Eigenschaften . . .
Cadmiumoxyd . . .
Cadmiumhydroxyd .
Cadmiumchlorid . .
Cadmiumbromid . .
Cadmiumjodid . .
Ciidmiumfluorid . .
Cadmiumfluorsilicat .
Cadmiumsulfid . .
Cadmiumpentasulfid .
Cadmiumselenid . .
Cadmiumtellurid . .,
CadmiumphosphUr .
Cadmiumnitrat . .
Cadmiumchlorat . .
Cadmiumperchlorat .
Cadmiumbromat . .
Cadmiumjodat . .
Cadmiumnitrit . .
Cadmiumsulfat . .
Cadmiumsulfit . . .
Cadmiumphosphate .
Cadmiummetaphosphat
Cadmiumcarbonat
Cadmiumborat . .
Analytisches Verhalten
des Cadmiums . .
Quantitative Bestimmung
Cäsium .....
Cäsiumhydroxyd . .
Chlorcäsium . . .
Schwefelsaures Cäsium
Salpetersaures Cäsium
Kohlensaures Cäsium
Silicowolframsaures Ca-
Analytisches Verhalten
Calcium ....
Vorkommen . .
Darstellung . .
Eigenschaften . .
Calciumoxyd . .
Calciumhydroxyd .
Calciumhydroxyd Dar-
stellung . . .
Calciumsuperoxyd
Calciumchlorid
Calciumoxychlorid
Calciumfluorid
Calciumbromid .
Calciumjodid . .
Calciummonosulfid
Calciumsulfhydrat
Calciumtetrasulfid
Calciumpentasulfid
Selencalcium . .
414
415
416
416
417
417
417
418
418
418
418
418
419
419
419
419
420
420
420
420
420
420
420
420
421
421
421
421
422
422
422
425
425
425
425
425
426
426
426
427
428
428
429
430
431
433
434
435
435
435
435
435
435
436
436
436
654
Register.
PhosphoTcalcium . .
Calciumnitrit . . .
Calciumnitrat . . .
Calciumchlorat . .
Calciumperchlorat
Calciumbromat . .
Calciumjodat -. . .
Calciumperjodat . .
Caiciumhypochlorit .
Chlorkalk ....
Technische Darstellung
Chlorimetrie . . .
Caiciumhypobromit .
Calciumhypojodit
Calciumsulfit . . .
Calciumsulfat ...
Calcium-Ammoniumsulfat 444
Calciumthiosulfat . .
Calciumdithionat . .
Calciumselenit . .
Calciumselenat . .
Calciumtellarit . .
Calciuihtellurat . .
Calciumorthophosphate
Calcium pyrophosphate
Calciummetapbosphat
Calciumhypophosphat
Calciumphosphit . .
Calciumhypophosphit
Calciumarseniat . .
Caiciumarsenit . .
Calciumantimoniat .
Calciumcarbonat . .
Barium-Calciumcarbonat
Calciumsilicate .
Calciumfluosilicat
Calciumborate . .
Calciumliuoborat .
Calciumaluminat .
Analytisches Verhalten
der Calcium Verbindungen 450
Trennung und quantita-
tive Bestimmung . . 450
Campher 451
Menthol 452
Mentholnatrium . . . 454
Menthylchlorid . . . 454
Menthylbromid . . . 454
Menthylacetat .... 454
Menthylbutyrat . . . 454
Menthylurethan . . . 454
Menthylcarbonat . . . 454
Dimenthen .... 454
Borneol 454
Bomeolnatrium . . . 454
Bomeohnethylätfaer . . 454
Bomeoläthyläther . . 454
Bomeoläther .... 454
Bomeolchlorid . . . 454
Bomeolbromid . . . 455
Bomeolformiat . . . 455
Bomeolisovalerianat . . 455
Bomeolurethan . . . 455
Bomeolkohlensäure . . 455
Bomeen 455
Bomeocampher . . . 455
linksborneol .... 455
436
436
436
437
437
437
437
437
437
437
438
441
441
441
441
442
445
445
445
445
445
446
447
447
447
447
447
447
447
447
449
449
449
449
450
450
pher
Cajuputol .
Cajuputon .
Isocajuputon
Paracajuputon
Cajuputolhydrat
Corianderöl
Geraniol
Geraniolchlorid
Geranioläther
Citronellol .
Hopfenöl .
Angosturaöl
Rosmarin ölcampher
Gewöhnlicher Campher,
Laurinol . ,
Campherchlorid
Methyl-Aethylcam]
Thiocampher
Campheroxim
Monochlorcampher
Dichlorcampher
Monobromcampher
Dibromcampher
Jodcampher .
Bromnitrocampher
Nitrocampher .
Amidocampher
Campherimid .
Diaxocampher .
Cyancampher .
Oxycampher .
Nitrooxycampher
Amidooxycampher
Camphocarbonsäure
Linkslaurinol .
Alantol . . .
Eucalyptol . .
Mjrristicol . .
TannacetylhydrUr
Absinthol . .
Maticocampher
Cedemcampher
Cubebencampher
Patchoulicampher
Campholsäure .
Campholen
Phloronsäure .
Camphersäuren
Salze der Camphersäuren 460
Ester der Camphersäuren 460
Camphersäureanhydrid
Campherylsuperoxyd
Camphoraminsäure .
Campherimid . . .
Camphersäurenitril .
Campheranil . . .
Monobromcamphersäure-
anhydrid .
Oxycamphersäureanhydrid 461
Amidocamphersäureanhy-
461
461
461
461
461
461
461
455
455
455
455
455
4SS
455
455
455
456
456
456
456
456
457
457
•457
457
457
457
457
457
457
457
457
458
458
458
458
458
458
458
458
458
458
458
458
458
458
458
458
459
459
459
459
459
459
460
460
460
460
460
460
460
drid
Amidocamphersäure . .
Sulfocamphersäure . .
Linkscamphersäure . .
Inaktive Camphersäure .
Mesocamphersäure . .
Camphoronsäure . . .
Hydrooxycamphoronsäure 461
Oxycamphoronsäure . 462
Isooxycamphoronsäure . 462
Camphinsäure .... 462
Camphoglycuronsäure . 462
CapiUaritlt ...... 462
Capillaritätsphänomene . 463
Bestimmung der Con-
stanten 469
Capillaritätsconstanten-
Tabellen 470
Ausbreitungserscheinungen479
Capillardepression . . 481
Celluloid 4S2
Darstellung des Pyroxylins 483
Mischung desselben mit
Campher 484
Gefärbte Celluloidwaaren 4S5
Eigenschaften und Zu-
sammensetzung desCel-
luloids .
Cement
485
486
48S
489
490
491
493
499
502
506
508
510
5"
512
514
5H
5 »4
514
514
5»5
515
5»5
515
5»5
515
515
515
5«5
515
5»5
515
Chemie 516
Chinasäure 531
Chinasaure Sake . . 532
Aetfaer der Chinasäure . 532
Chinolxn 532
Synthesen des Chinolins 536
Reactionen des Chinolins 537
Salze des Chinolins . 538
Chinolinmetfayljodid . 538
Chinolinmethylbydrozyd 538
Puzzolane
Trass .
Santorin
Portland-Cement, Hydrau-
lischer Kalk
Analysen verschiedener
hydraulischer Kalke
Brennen des Cemcntes
Eigenschaften des Ce-
mentes ....
Erhärtungsprocess
Magnesia-Cement
Cerebrine . . .
Homocerebrin ,
Cerium . . .
Ceroxydul . .
Cerhydroxydul
Ceriumoxyd
Cerhydroxyd .
CeriumchlorUr .
Ceriumoxycfalorttr
Ceriumbromttr
Ceriumjodür .
Ceriumfluorttr .
CeriumsulfÜr ,
Schwefelsaures Ceroxydul
Salpetersaures Ceroxydnl
Kohlensaures Ceroxydul
Schwefelsaures Cerozyd
Salpetersaures Ceroxyd .
Kohlensaures Ceroxyd .
Reactionen der Cerverbin-
düngen
Register.
6S5
Chinolinäthyljodid . . 539
Chinolinäihylbroinid . 539
Chinolinäthylchlorid . 539
Chinolinäthylnitrat . . 539
Chinolinamylbromid . . 539
Chinolinisoamyljodid . 539
Chinolinbenzylchlorid . 539
Bromäthylchinolinbromid 539
Aethylendichinolinchlor-
hydrat 539
Methylenchinolinchlorhy-
drat 540
ChinoIiDchloralhydrat . 540
Salze desselben . . . 540
Chinolin-Betain . . . 540
Salze desselben . . . 540
Resorcinchinolin . . . 541
Hydrochinonchinolin . 541
Dichinolin 541
a-Dichinolylin . . . 541
Salze desselben . . . 541
Jodmethylat desselben . 542
Dichinolindisulfosäure . 542
ß-Dichinolylin . . . 542
Hydrochinolin . . . 542
Tetrahydrochinolin . . 542
Nitronitrosotetrahydrochi-
nolin 543
Tetrahydrochinolinhydra-
™ 543
Tetrahydrochinolintetrazon 543
Methyltetrahydrochinolin 543
Monoroethyltetrahydro-
chinolinmethyljodid . 544
Aethyltetrahydrochinolin 544
Aetfayltetrahydrochinolin-
äthyljodid .... 544
Acetyltetrahydrochinolin 544
Benzoyltetrahydrochinolin 544
Tetrahydrochinolinham-
stoff 544
I^ukolinsäure bezw. Chi-
nolinsäure .... 544
Monochlorchinolin . . 544
Salze desselben . . 544
4-Chlorchinolin . . . 545
Salze desselben . . 545
Nitrocblorchinolin . . 545
Dichlorchinolin 1*3 . . 545
Dichlorchinolin 1*4 . . 545
a-Chlorchinolin . . . 545
aY-Dichlorchinolin . . 545
ap-Dichlorchinolin . . 546
aY-Trichlorchinolin . . 546
a^Y'^I^nchlofcl^oIin . 546
S-Monobromchinolin . 546
Salze desselben . . 546
Dibromchinolin . . . 547
Salze desselben . . 547
Tribromchinolin . . . 547
Tetrabromchinolin . . 547
Monobromtetrahydrochi-
nolin 54S
Dibrorotetrahydrochinolin 548
Salze desselben . ^ 548
Chinolintetrabromid . . 548
Chinolindibromid . . 548
Chinolinhexabromid . . 548
Dijodchinolin .... 549
]- und S-Nitrochinolin . 549
Salze desselben . . 549
Nitrobromchinolin . . 549
DinitTochinolin . . . 550
Amidochinoline . . . 550
Dimethylamidochinolin . 551
Salze desselben . . 551
Amidobromchinolin . . 551
Salze desselben . . 551
Acetamidobromchinolin . 551
l-Chinolinsulfosäure . 551
4-Chinolinsulfosäure . 5^2
3-Chinolinsulfosäure . 552
Salze derselben . . 552
a-Bromchinolinsulfosäure 552
Salze derselben . . 552
Reactionen derselben . 552
ß-Bromchinolinsulfosäure 553
Salze derselben . . 553
Oxychinolin . . * . . 553
Salze desselben . . 553
Methoxychinolin . . . 553
Salze desselben . . 554
Dichloroxychinolin . . 554
Dibromoxychinolin . . 554
Dijodoxychinolin . . . 554
Dinitrooxychinolin . . 554
Nitrosooxychinolin . . 554
Oxychinolinsulfosäure . 554
Salze derselben . . 554
Oxychinolintetrahydrür . 555
Salze desselben . . 555
Nitrosohydrooxychinolin 555
Methöxytetrahydrochinolin 555
Salze desselben . . 555
Nitrosomethoxytetrahydro-
chinolin 555
Oxyhydromethylchinolin 555
Reactionen desselben . 556
Salze desselben . . 556
Oxyhydroäthylchinolin . 556
KairocoU 556
4-OxychinoUn . . . . 556
Reactionen desselben . 557
Salze desselben . . 557
Nitrooxychinolin . . . 557
Monobromoxychinolin . 557
4-Methoxychinolin . . 558
Salze desselben . . 558
Benzoyloxychinolin . . 558
Oxyhydrochinolin . . 558
Oxyhydroäthylchinolin . 558
Salze desselben . . 558
Oxychinolinsulfosäure . 558
3-Oxychinolin .... 558
Reactionen desselben . 559
Salze desselben . . 559
Bromoxychinolin . . . 559
Nitrooxychinolin . . . 559
Methyläther desselben . 560
Chinolsäure . . . . 560
Salze derselben . . 560
a-Oxychinolin .... 560
Salze desselben . . 561
a-Aethoxylchinolin . . 561
a-Dihydroäthylcarbostyril 561
a-Methoxylchinolin . . 561
a-Phenoxylchinolin . . ' 561
a ß-Oxychlorchinolin . 561
ß-Chlorcarbostyriläthyl-
äther 561
aY-Oxychlorchinolin . . 561
Y-Chlorcarbostyriläther . 562
ttY-Oxyjodchinolin . . 562
aY'Oxybromchinolin . $62
a Y-Monobromcarbostyril-
methyläther .... 562
a-Chlorchinophenol . . 562
ßY«-I^ichloroxychinolin . 562
Kynurin- Oxychinolin . 562
Tribromkynurin . . . 562
Tetrabromkynurin . . 563
Hydrokynurin .... 563
a ß-Dioxychinolin . . 563
aY-Dioxychinolin . . 563
aY-Dioxychinolinsulfosäure 563
Nitroso-Y-Oxycarbostyril 563
a Y-Acetyldioxytetrahydro-
chinolin 564
564
564
564
564
S65
565
265
565
566
566
566
a-Dioxychinolin
Aethyloxycarbostyril
a«Oxychinophenol . .
ßY«-Trioxychinolin . .
1-Methylchinolin . . .
Salze desselben . .
4-Methylchinolin . . .
Salze desselben . .
3-Methylchinolin . . .
Salze desselben . .
3* a ß Y-Methyltrichlorchi-
nolin
a-Methylchinolin, Chinaldin 566
Salze desselben . . 566
Tetrahydrochinaldin . . 567
Salze desselben . . 567
a-Benzylidenmethylchinolin567
Chinophtalon .... 567
YOt-Oxymethylchinolin . 568
Dimethyloxychinoline . 568
Cyanine 568
Dimethylcyaninjodid . 568
Diäthylcyaninjodide . . 568
Diisoamylcyaninjodid . 568
Cyanin 569
Y'Methylchinolin . . . 569
Salze desselben . . 569
Dilepidin 569
Lepamin 569
Nitrolepidin .... 569
Amidolepidin .... 569
Iridolin 570
Cryptidin 570
3*2-Dimethylchinolin . 570
a : 1-OrthomethylchinaIdin 570
Salze desselben . . 570
a3*Dimethylchinolin . . 570
Salze desselben . . 570
a4-DimethylchinoIin . 571
Salze desselben . . 571
ß-Aethylchinolin . . . 571
a ß-Chloräthylchinolin . 571
Aethylcarbostyril . . . 571
656
Register.
Dispolin
Tetrachlordispolin . .
Tetrachlorchinolin . .
Pentachlorchinolin . .
Isolin
Ettidin
Validin
3-Phenylchinoliii . . .
Salze desselben . .
a-PhenylchiDolin . . .
ß-Phenylchinolin . . .
Salze desselben . .
Flavolin
Salze desselben . .
Mononitroflavolin . .
Flavanilin
Salze desselben . .
Flavenol
Acetylflavenol . . .
I -Chinolinmonocarbon-
säure
Salze derselben . .
3-Chinolininonocarbon-
säure
Salze derselben . .
4-Chinolinmonocarbon-
säure
Salze derselben . .
a-Chinolinmonocarbon-
säure
Salze derselben . .
Nitrochinolindicarbonsäure
ß-Chinolinmonocarbon-
säure ....
Salze derselben
Cinchoninsäure .
Salze derselben
oe ß-Chlorchinolincarbon
säure ....
a -]f-Chlorchinolincarbon-
säure ....
Tetrahydrocinchoninsäure
Salze derselben
Acetylverbindung
Methyltetrahydrocinchonin-
säure ....
1 •y-Sulfochinolincarbon-
säure ....
Salze derselben
S'y-Sulfochinolincarbon-
säure
Salze derselben .
1 7-Oxychinolincarbon-
säure
Salze derselben
3'Y-Oxychinolincarbon-
säure
Salze derselben
Methyläther der ß-Oxy
cinchoninsäure .
Salze desselben
a ß-Oxychinolincarbonsäurei
a y-Oxychinolincarbonsäure
Aethoxylcinchoninsäure .
Salze derselben . .
Kynurensäure ....
Salze derselben . .
a* 1-Methylchinolincarbon-
säure ....
Salze derselben
a*3-Methylchinolincarbcn-
säure ....
Salze derselben
a 4-Methylchinolincarbon-
säure ....
Salze derselben
Aniluvitoninsäure
Salze derselben
a ß-Methylchinolincarbon-
säure . . .
Aether derselben
Y ß-Metfaylchinolincarbon-
säure . .
Acridinsäure
cc BY-Chinolintricarbonsäure586
a p-Oxychinolinmethylk^-
ton
et ß-Oxychinolinphenylke-
ton
a-Acetonylchinolin .
a-Naphtochinolin . .
Salze desselben
ß-Naphtochinolin . .
Salze desselben
Phenantroline . . .
Salze derselben
Oxyphenantfarolin
Pseudophenanthrolin
Salze desselben
Acridin
Salze desselben
Nitroacridine . . .
Hydroacridine . . .
Methylacridin . . .
Butylacridin . . .
Salze desselben .
Hydrobutylacridin
Phenylacridin . . .
Salze desselben
Nitrophenylacridine .
Amidophenylacridine
Hydrophenylacridin
Trinitroacridincarbonsäure 595
Acridylbenzoesäure
Salze derselben
Anthrachinolin . .
Salze desselben .
Anthrachinonchinolin
Salze desselben .
Chinone
Benzochinon . . .
Chinhydron . . .
Phenochinon . . .
Chinhydrondimethyläthi
Chlorchinhydrone
Pyrogallochinon . .
Monochlorchinon . .
Dichlorchinon . . .
Trichlorchinon . .
Tetrachlorchinon (Chlor
anil)
Bromchinone . . .
Diamidodichlorcbinon
584
584
584
584
584
584
585
5S5
585
S85
586
586
586
S87
587
587
587
588
588
589
589
590
590
591
591
392
592
592
593
593
593
593
593
593
595
594
594
595
595
595
595
596
596
596
600
601
601
601
601
601
601
602
602
602
602
603
Diamidodibromchinon . 603
Dianilidochinon . . . 603
Chlordianilidochinon 604
Trioxychinon .... 604
Dichlordioxychinon . . 604
Chloranilaminsäure . . 605
Dibromdioxychinoa . . 605
Bromanilaminsäure . . 605
Chlorbromanilsäure . . 605
Dinitrodioxychinon . . 605
Sulfosäuren des Chinons 606
Euthiochronsäurc . . . 606
Salze derselben . . . 606
Toluchinon .... 606
Chlortoluchinon . . . 607
Bromtoluchinon . . . 607
Nitrotoluchinon . . . 607
Amidotoluchinon . . . 607
Dioxytoluchinon . . . 607
Anilidooxytoluchinon 607
Chlordiox3rtoluchinon . 607
Dichlordioxytoluchinon . 607
Dibromdioxytoluchinon . 607
Trioxytoluchinon . . . 607
Xylochinone .... 608
Phloron 608
Monochlorphloron . . 608
Dibromphloron . . . 608
Oxy-m-Xylochinon . . 608
Thymochinon .... 60S
Chlortymochinon . . . 608
Bromtymochinon . . . 608
Methylamidothymochinon 608
Dimethyldiamidothymochi-
non 608
Ox3rthymochinon . . . 609
Anilidooxythymochinon 609
Dioxy thymochinon . . 609
Chinonimide .... 609
Oxyamidochinondiimid . 609
Oxyamidochinonimid . 610
Dioxyamidochinondiimid 610
Dioxyamidotoluchinondi-
imid 610
Dianilidotoluchinonphenyl-
imid 610
Anilidooxytoluchinonphe-
nylimid 610
Imidanilsäure . . . . 610
Chinonchlorimide . .610
Chinonchlorimid . 611
Dibromchinonchlorimid 611
Thymochinonchlorimid . 611
Farbstoffe aus Chinonchlor-
imiden 611
Trichlorchinondimethyl-
anilenimid . . . . 611
Indophenole . . . . 612
Chinonphenylimid . . 612
Chitin 612
Chlor 613
Gewinnungdes Chlorgases 614
Gewinnung im Grossen 616
Deacon's Process . . 617
Eigenschaften . . . .618
Atomgewicht . . . . 619
Flüssiges Chlor . . . 619
Chlorhydrat .... 620
Chlorwasserstoff (Salzsäiire)62 1
Darstellung . . . . 622
Gehalt derwässrigenLösung 625
Qualitative Ermittelung 628
Quantitative Bestimmung 629
Unterchlorigsäure-Anhy-
drid 629
Unterchlorige Säure . . 629
Chlorigsäureanhydrid 630
Unterchlorsäüre-Anhydrid 63 1
Chlorsäure . . .
■ 633
Ueberchlorsäure .
. 636
Arsentrichlorid
. 637
Chlor und Bor .
. 638
Chlor und Brom
. 638
Chloral ....
. 639
Darstellung . .
. 640
Trichloräthylalkohol
. 641
Register.
Trichloräthylglycolsäure 641
Trichlorisobutylalkohol . 641
Chloralammoniak . . 641
Chloraldiacetamid . . 642
Chloralurethan . . . 642
Chloralhydrat .... 642
Urochloralsäure . . . 643
Chloral-Methylalkoholat 643
Chloral-Aethylalkoholat . 643
Chloral-Isoamylalkoholat 643
Chloral-Cetylalkoholat . 643
Chloral-AUylalkoholat . 643
Chloralacetat .... 643
Chloralsulf hydrat . . . 644
Chloralmercaptan . . 644
Chloral-Cyanhydrin . . 644
Cyansäure-Chloral . . 644
Blausäure-Cyansäure-Chlo-
ral 644
Bromochloral .... 644
657
Bromochloralhydrat . . 645
Bromochloralalkoholat . 645
Chlorobromal .... 645
Chlorobromalhydrat , . 645
Chlorobromalalkoholat . 645
Chloralide 645
Chloralid 645
Broroalid 645
Bromchloralid .... 645
Milchsäure-Trichloräthyli-
denester 645
Milchsäure-Tribromäthyli-
denester 645
Tribrommilchsäure-Tri-
chloräthylidenester . . 645
Glycolsäure-Chloralid . 645
Mandelsäure-Chloralid . 645
Weinsäure-Chloralid . . 646
Aepfelsäure-Chloralid . 646
SaHcylsäure-Chloralid 646
Druckfehlerverzeichniss.
Band I.
Seite 302 Zeile 19 v. u. statt linksdrehend lies rechtsdrehend.
„ 302 „ 18 V. u. statt — 161,55 lies -f- 161,55.
M 313 M «3 V. o. statt gelang lies gelangt.
.1 387 „ 15 V. u. von Fufttariaceae bis Seite 389 Zeile 4 v. o. muss fortfallen.
,, 488 ,, 20 V. u. statt Bromhydratropasäure lies Bromhydratropasäurester.
Band n.
„ 107 „ 16 V. o. statt Telur lies Tellur.
„ HO „ 4 V. o. statt Na =22,95 lies Na = 22,99, statt Mg = 24 lies Mg= 23,94.
„ 240 „ 17 V. o. muss nach Zeile 18 stehen.
„ 498 „ I V. o. statt lOCAljO,, SiOj),,20CaO lies Al,Oj, lOSiOj, 20CaO.
„ 534 „ II V. o. statt Monatsh. f. Gh. lies Monatsh. f. Ch.
Breslau. Eduard Trewendt's Buchdruckerei (Setzerinnenschule).
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