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Full text of "Handwörten der chemie"

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ENCYKLOPiEDIE 


DER 


NATURWISSENSCHAFTEN 


HERAUSGEGEBEN 
VON 


Prof.  Dr.  W.  FÖRSTER,  Prof.  Dr.  A.  KENNGOTT, 

Prof.  Dr.  LADENBURG,    Dr.  ANT.   REICHENOW, 

Prof.  Dr.  SCHENK,  Geh.  Schulrath  Dr.  SCHLÖMILCH, 

Prof.  Dr.  G.  C.  WITTSTEIN,  Prof.  Dr.  von  ZECH. 


IL  ABTHEILUNG. 

m.  THEIL: 

HANDWÖRTERBUCH  DER  CHEMIE 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

Professor  Dr.  LADENBURG. 


BRESLAU, 

VERLAG  VON  EDUARD  TREWENDT. 
1884. 


o 


HMDWORTERBUCH 


DER 


CHEMIE 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

Professor  Dr.  LADENBURG. 

UNTER  BÄITWIRKUNG 

VON 

Dr.  BERENU-Kiel,  Dr.  BEEDERMANN-Berlin,  Prof.  Dr.  DRECHSEL- 

Leipzig,  Prof.  Dr.  EMMERLING-Kiel,  Prof.  Dr.  ENGLER-Karlsruhe, 

Dr.  HANTZSCH-Leipzig,  Prof.  Dr.  HEUMANN-Zürich,  Prof.  Dr. 

HOFFMANN-KiEL,  Prof.  Dr.  JACOBSEN-Rostock,  Dr.  NIETZKY- 

Basel,  Prof.  Dr.  PRINGSHEIM-Berlin,  Prof.  Dr.  v.  RICHTER- 

Breslau,  Dr.  RÜGHEIMER-Kiel,  Prof.  Dr.  SALKOWSKI-Berlin, 

Prof.  Dr.  TOLLENS-Göttwoen,  Prof.  Dr.  WEDDIGE-Leipzig, 

Prof.  Dr.  E.  WIEDEMANN-Leipzic. 


MIT    HOLZSCHNITTEN. 


ZWEITER  BAND. 


BRESLAU, 

VERLAG  VON  EDUARD  TREWENDT. 

1884. 


Das  Recht  der  Uebersetzung  bleibt  vorbehalten. 


Antimon*),  Sb  (Stibium).  Atomgewicht  nach  Rose,  Weber,  Schnetoer  (2) 
u.  CooKE  (3)  =  120;  nach  Dexter,  Dumas  u.  Kessler  (4)  =  122. 

Das  natürlich  vorkommende  Sulfid  Sb^S,  war  schon  den  alten  Griechen 
und  Römern  bekannt  und  wurde  unter  dem  Namen  Stibium  als  Heilmittel  und 
Schminke  der  Augenbrauen  verwendet.  Die  Bezeichnungen  Spiessglanz,  Spiess- 
glas  und  Antimonium  sind  neueren  Datums  und  wurden  von  den  Alchymisten 
gebraucht,  bei  deren  Arbeiten  jener  Körper  eine  grosse  Rolle  spielte. 

Das  Element  Antimon  findet  sich  in  der  Natur  auch  in  gediegenem  Zustand, 
insbesondere  in  Böhmen  und  im  Harz,  jedoch  niemals  in  grösserer  Menge.  Da- 
gegen gehört  das  natürliche  Sulfid,  auch  Grauspiessglanzerz  oder  Antimonglanz 
genannt,  zu  den  häufiger  vorkommenden  Mineralien  und  findet  sich  auf  Erzgängen 
des  Urgebirgs  und  des  Uebergangsgebirges  meist  gemeinschaftlich  mit  anderen 
Schwefelmetallen.  Mit  letzteren  bildet  es  auch  bestimmte  Doppelverbindungen, 
z.  B.  Kupferantimonglanz  Sb^Sj-Cu^Sj,  dunkles  Rothgültigerz  SbgSj-SAgjS. 
Auch  in  den  Fahlerzen  ist  Antimon  enthalten,  jedoch  häufig  z.  Th.  durch  das 
isomorphe  Arsen  vertreten. 

Die  Abscheid ung  des  Antimons  aus  dem  Grauspiessglanzerz  geschieht 
auf  den  Hütten  entweder  durch  Glühen  des  durch  Rösten  in  Antimontetroxyd 
überführten  Erzes  mit  Kohle  und  Soda  (Röstarbeit),  oder  man  zersetzt  das  Erz 
durch  Schmelzen  mit  Eisen  (der  Reinheit  wegen  am  besten  Schmiedeeisen),  wo- 
bei sich  Schwefeleisen  bildet.  Der  erkaltete  Tiegel  wird  zerschlagen  und  der 
Metallregulus  von  dem  über  ihm  befindlichen  Schwefeleisen  getrennt.  Die  ge- 
naue Abgrenzung  des  Regulus  vom  Schwefeleisen  wird  durch  Zusatz  von  etwas 
wasserfreiem  Natriumsulfat  und  Kohle  befördert,  weil  die  aus  Natriumsulfid  und 
Schwefeleisen  bestehende  Schlacke  dünnflüssiger  ist  als  reines  Schwefeleisen. 

Man  verwendet  zweckmässig  auf  100  Thle.  Erz,  42  Thle.  Eisen,  10  Thle. 
Sulfat  und  2^  Thl.  Kohle  und  erhält  ca.  65^  rohes  Antimonmetall,  welches  indess 

•)  i)  Gmklin-Kraut's  Handbuch.  2)  ScHNEroER,  J.  pr.  [2]  22,  pag.  131.  BrochUre. 
BeTlin  1880  bei  Gutmann.  3)  J.  P*  CooKE,  Sill.  Amer.  J.  [3]  15,  pag.  41,  107.  Z.  anal. 
Ch.  17,  pag.  531.  Her.  12,  pag.  2123.  Ber.  13,  pag.  951,  1132.  Cb.  News.  44,  pag.  245. 
4)  Kessler,  Ber.  12,  pag.  1044.  Brocbüre,  Bochum  1879.  5)  Clarke  u.  Stallo,  Ber.  13,  pag. 
1787.  6)  Sabanajew,  Z.  1871,  pag.  204.  7)  Schültz-Seliac,  Ber.  4,  pag.  13.  8)  Clarke 
u.  Stallo,  Ber.  13,  pag.  1787.  9)  Geuther,  Jenaische  Z.  f.  Nat  u.  Med.  7,  pag.  121.  Dau- 
bawra,  Ann.  186,  pag.  iio.  Conard,  Chem.  Nat.  40,  pag.  197.  10)  Daubrawa,  Ann.  184, 
pag.  1 18.  1 1)  Schneider,  P.  i  10,  pag.  147.  12)  Teclu,  Dingl.  pol.  J.  236,  pag.  336.  13)  Bunsen, 
Ann.  192,  pag.  317.  14)  Fresenius,  quantit.  Analyse.  15)  Ann.  213,  pag.  346.  16)  Ber.  14,  pag.  1629. 
Laoxmburg,  Chemie.    IT.  I 


2  Handwörterbuch  der  Chemie. 

ausser  durch  geringe  Mengen  sonstiger  Metalle  besonders  durch  Eisen  verunreinigt 
ist  und  dem  durch  Röstarbeit  erhaltenen  Metall  nachsteht.  Zur  Reinigung  des 
Rohantimons  können  viele  Wege  eingeschlagen  werden,  die  aber  meist  darauf 
begründet  sind,  den  Regulus  mit  Schwefelantimon  oder  Oxyden  des  Antimons 
zu  schmelzen,  wobei  die  fremden  Metalle  in  Sulfide  oder  Oxyde  übergeführt  werden. 
Nach  Bensch  werden  16  Thle.  des  eisenhaltigen  Regulus  (Eisengehalt  ist  nöthig;  event 
Schwefcleisen  zuzufügen)  mit  I  Thl.  Antimonsulfid  und  2  Thln.  trockner  Soda  eine  Stunde  lang 
im  hessischen  Tiegel  geschmolzen,  worauf  man  nach  dem  Erkalten  den  Regulus  noch  ein  zweites 
Mal  mit  1^  Thln.  Soda  und  später  noch  ein  drittes  Mal  mit  1  Thl.  Soda  umschmilzt 

Das  Antimon  besitzt  starken  Metallglanz  und  eine  fast  silberweisse  Farbe, 
zeichnet  sich  aber  vor  den  übrigen  Metallen  durch  seine  bedeutende  Sprödigkeit 
aus,  welche  es  leicht  zu  pulvern  gestattet.  Auf  dem  Bruch  zeigt  es  blättrig- 
krystallinische  Structur  und  lässt  sich  bei  langsamem  Erkalten  des  geschmolzenen 
Metalls  in  würfelähnlichen  Rhomboedem  krystallisirt  erhalten. 

Der  Schmelzpunkt  des  Antimons  liegt  bei  425^;  stärker  erhitzt  verdampft 
es  und  bei  Luftzutritt  verbrennt  dieser  Dampf  unter  Ausstossung  eines  dichten 
weissen  Rauches  zu  Oxyd.  Das  spec.  Gew.  ist  zu  6,64— 6|72,  die  spec.  Wärme 
nach  BuNSEN  zwischen  0  und  100°  zu  0,0495  gefunden  worden.  Von  verdünnter 
und  selbst  concentrirter  Salzsäure  oder  Schwefelsäure  wird  das  Antimon  in  der 
Kälte  nicht  angegriffen,  heisse  Salzsäure  löst  es  aber  unter  Wasserstofifentwicklung 
zu  Antimontrichlorid  und  heisse  concentrirte  Schwefelsäure  bildet  weisses  Antimon- 
sulfat, während  Schwefligsäuregas  entweicht.  Salpetersäure  löst  das  Antimon  nicht, 
sondern  verwandelt  es  je  nach  ihrer  Concentration  und  Temperatur  in  weisses 
Trioxyd  oder  Pentoxyd  —  ein  Verhalten,  welches  das  Antimon  bei  der  Analyse 
seiner  Legirungen  von  den  anderen  Metallen  zu  trennen  erlaubt.  Königswasser 
löst  Antimon  leicht  zu  Antimonpentachlorid  und  derselbe  Körper  entsteht  unter 
Feuererscheinung,  wenn  gepulvertes  Antimon  in  eine  mit  Chlor  gefüllte  Flasche 
geschüttet  wird.    Auch  mit  Brom,  Jod,  Phosphor  und  Schwefel  vereinigt  es  sich  direkt. 

Explosives  Antimon.  Durch  Electrolyse  einer  salzsauren  Lösung  von 
Antimontrichlorid  erhält  man  bei  Anwendung  eines  schwachen  Stromes  am  nega- 
tiven Pol  (der  aus  Platin  oder  Kupfer  bestehen  kann,  während  der  weit  ab- 
stehende positive  Pol  aus  einem  Stück  Antimon  gebildet  ist)  einen  silberglänzenden 
Ueberzug,  welcher  zu  Centimeterdicke  anwächst.  Wird  die  glatte  Oberfläche 
dieses  Ueberzugs  mit  einer  Feile  geritzt,  so  zerspringt  er  explosionsartig  unter 
Zischen  und  Ausstossung  eines  weissen  Rauches  (Gore,  Gh.  News  8,  pag.  201). 
Diese  eigenthümliche  Modiflcation  des  Antimons  explodirt  auch  beim  Erhitzen 
auf  200°  und  giebt  nach  Böttger,  J.  pr.  Gh.  73,  pag.  484;  107,  pag.  43  dabei 
ein  Sublimat  von  Antimontrichlorid,  von  welchem  das  explosive  Metall  bis  20^ 
enthalten  kann.  Die  Vermuthung  Böttger's,  das  explosive  Antimon  enthalte 
Wasserstoff  occludirt,  bestritt  F.  Pfeiffer  (Ann.  209,  pag.  161),  fand  aber  ebenfalls 
stets  Antimontrichlorid  in  dem  Metallniederschlag.  Auch  aus  der  Lösung  von 
Antimontribromid  oder  -Jodid  wird  ein  explosiver  Metallüberzug  erhalten,  welcher 
Bromid  resp.  Jodid  einschliesst. 

Die  Sprödigkeit  des  Antimonmetalls  verhindert  seine  Anwendung  in  der 
Technik  in  isolirtem  Zustand,  wohl  aber  dient  es  zur  Herstellung  vieler  wichtiger 
Legirungen;  so  der  Buchdrucklettem  (4  Thle.  Blei,  1  Thl.  Antimon)  und  des 
Britanniametalls  (85,6  Thle.  Zinn,  10,4  Thle.  Antimon,  3  Thle.  Zink,  1  Th.  Kupfer). 
Für  bestimmte  Zwecke  werden  auch  Legirungen  mit  Wismuth,  Blei  und  Kupfer 
verwendet,  wobei  der  Antimongehalt  dem  Gemisch  eine  besondere  Härte  verleiht. 


Antimon.  3 

Stellt  man  Antimon  dar  durch  Reduction  des  Brechweinsteins  oder  bei  Gegen- 
wart von  Alkalicarbonaten  und  Kohle,  so  nimmt  das  Metall  gleichzeitig  eine  nicht 
unbeträchtliche  Menge  Kalium  oder  Natrium  auf  und  bildet  damit  Legirungen, 
welche  sich  mit  Wasser  zersetzen  oder  an  der  Luft  von  selbst  zu  brennen  beginnen. 

Chloride  des  Antimons. 

Antimontrichlorid,  SbClj,  auch  Antimonchlorür  genannt,  entsteht  beim 
Erhitzen  von  Antimon  in  einer  von  trocknem  Chlorgas  langsam  durchströmten 
Retorte.  Da  sich  dabei  gleichzeitig  Pentachlorid  bildet,  so  ist  das  Produkt  mit 
gepulvertem  Antimon  gemischt  der  Destillation  zu  unterwerfen.  Auch  beim 
Destilliren  einer  wässrigen  Lösung  von  Antimontrichlorid  erhält  man,  nachdem 
Wasser  und  Salzsäure  entwichen  sind,  beim  Wechseln  der  Vorlage,  sobald  die 
übergehenden  Tropfen  erstarren,  reines  Antimontrichlorid  als  Destillat 

Das  lästige  Stossen  der  Flüssigkeit  wird  durch  ausgeschiedenes  Chlorblei  be- 
wirkt, welches  häufig  als  Verunreinigung  des  Antimonchlorids  vorkommt.  Man 
beseitigt  das  Chlorblei  durch  Decantation  der  Flüssigkeit. 

Auch  durch  Destillation  des  metallischen  Antimons  oder  des  Schwefelantimons 
mit  Quecksilberchlorid  kann  Antimontrichlorid  gewonnen  werden. 

Das  Trichlorid  ist  farblos  und  krystallinisch,  zeigt  aber  butterartige  Consistenz 
und  führt  deshalb  auch  den  Namen  Antimonbutter  oder  Spiessglanzbutter. 
Bei  73,2°  schmilzt  es  und  siedet  bei  223®  (corrigirt);  sein  spec.  Gew.  fand  Kopp 
bei  26°  zu  3,064.  In  kaltem  Alkohol  und  in  SchwefelkohlenstoflF  ist  das  Tri- 
chlorid unverändert  löslich,  Wasser  zersetzt  es  aber  sofort  unter  Abscheidung 
von  sogen.  Algarotpulver.  Concentrirte  sowie  verdünnte  Salzsäure  lösen  das 
Chlorid,  und  in  einer  solchen  Lösung  vermag  selbst  ein  grösserer  Wasserzusatz 
nur  schwierig  das  Antimon  zu  fallen.  Im  Handel  kommt  unter  dem  Namen 
Liquor  stibii  chlorati  eine  concentrirte  Lösung  des  Trichlorids  in  mit  Salzsäure 
versetztem  Wasser  vor  und  wird  zu  medicinischen  Zwecken,  sowie  zur  Darstellung 
von  Antimonpräparaten  und  zum  Brüniren  von  Gewehrläufen  verwendet.  Diese 
Flüssigkeit  wird  durch  Auflösen  von  natürlichem  Schwefelantimon  in  heisser  Salz- 
säure dargestellt.  Soll  ein  reines  Präparat  erzielt  werden,  so  ist  die  zuerst 
erhaltene  Lösung  durch  Wasser  zu  fällen  und  das  ausgewaschene  Algarotpulver 
von  Neuem  in  Salzsäure  zu  lösen. 

Antimonpentachlorid,  SbClg.  Trifft  feingepulvertes  Antimon  mit  über- 
schüssigem Chlor  zusammen,  so  verbrennt  es  von  selbst  zu  Pentachlorid.  Zur 
Darstellung  desselben  in  grösserer  Menge  erhitzt  man  Antimonstücke  in  einer 
von  raschem  Chlorstrom  durchflossenen  Retorte;  in  der  Vorlage  sammelt  sich 
das  Chlorid  in  Form  einer  meist  durch  Eisenchlorid  gelb  gefärbten  Flüssigkeit. 
In  reinem  Zustand  ist  das  Antimonpentachlorid  völlig  farblos,  raucht  stark  an 
feuchter  Luft  und  erstarrt  in  einer  Kältemischung  zu  einer  bei  —  6°  schmelzenden 
Masse.  Bei  wiederholtem  Destilliren  giebt  die  Verbindung  Chlor  ab  und  enthält 
nun  ein  wenig  Trichlorid  gelöst.  Mit  ganz  wenig  Wasser  gemischt  liefert  das 
Chlorid  eine  klare  Lösung,  aus  welcher  sich  beim  Eindunsten  Krystalle  der  Ver- 
bindung SbClj  -I-  4H2O  absetzen;  bei  Zusatz  einer  etwas  grösseren  Wassermenge 
scheidet  sich  jedoch  zunächst  das  Ox^chlorid  SbOjCl  aus,  welches  durch  Be- 
handlung mit  heissem  Wasser  in  unlösliche  Antimonsäure  übergeht.  Bringt  man 
Antimonpentachlorid  sofort  in  vieles  Wasser,  so  findet  völlige  Lösung  ohne 
Bildung  eines  Niederschlages  statt. 

Auf  viele  Reagentien  wirkt  Antimonpentachlorid  chlorirend,  indem  es  selbst 


4  Handwörterbuch  der  Chemie. 

zu  Trichlorid  zurückgeführt  wird  und  dient  daher  z.  B.  zur  Ueberfiihrung  von 
Benzolderivaten  in  Perchlorbenzol  oder  Perchlordiphenyl.  Die  Seitenketten  der 
aromatischen  Kohlenwasserstoffe  werden  in  Form  von  Tetrachlorkohlenstoff  ab- 
gespalten. Chloroform  wird  durch  Antimonpentachlorid  in  Tetrachlorkohlenstoff 
überführt.  Mit  Ammoniak  verbindet  sich  das  Fentachlond  zu  einem  festen 
Körper  von  der  Zusammensetzung  SbCljj'GNHj;  mit  Phosphorpentachlorid  und 
-oxychlorid,  sowie  mit  Schwefeltetrachlorid  vereinigt  es  sich  ebenfalls  direkt; 
desgl.  mit  Acetylen  und  Chlorcyan. 

Antimontribromid,  SbBrj.  Brom  und  Antimon  vereinigen  sich  unter 
Feuererscheinung  aber  nur  in  dem  der  Formel  SbBr,  entsprechenden  Verhältniss; 
bei  Ueberschuss  von  Brom  bleibt  dieses  unverbunden.  Auch  durch  Eintragen 
von  gepulvertem  Antimon  in  eine  Lösung  von  Brom  in  Schwefelkohlenstoff  und 
Eindunsten  der  Flüssigkeit  wird  Tribromid  erhalten.  Es  bildet  rhombische 
OctaMer,  schmilzt  bei  90^,  und  der  Siedepunkt  der  geschmolzenen  Masse  liegt  bei 
275,4°  (Kopp).    Durch  Wasser  wird  das  Tribromid  analog  dem  Trichlorid  zersetzt 

Antimontrijodid,  SbJ,.  Wird  gepulvertes  Antimon  mit  Jod  gemischt,  so 
findet  von  starker  Erhitzung  begleitete  Vereinigung  der  beiden  Elemente  zu  Tri- 
jodid  statt.  Weniger  heftig  ist  der  Verlauf  der  Keaction,  wenn  das  Jod  zuvor  in 
Schwefelkohlenstoff  gelöst  wird.  Auf  erstere  Art  erhalten  bildet  das  Produkt 
eine  rothe  krystallinische  Masse,  während  aus  der  Schwefelkohlenstofflösung 
sechsseitige  Krystallblättchen  gewonnen  werden.  Das  Trijodid  schmilzt  leicht 
und  liefert  bei  stärkerem  Erhitzen  ein  rothes  Sublimat. 

CooKE  unterscheidet  drei  Modificadonen :  Ein  in  Form  rother  hexagonaler 
Krystalle  auftretendes  Jodid  vom  Schmp.  167°  wird  durch  Verdunsten  der 
Schwefelkohlenstoff lösung  erhalten;  erhitzt  man  diese  Krystalle  jedoch  vorsichtig 
(nicht  über  114°),  so  bildet  sich  ein  aus  grüngelben  rhombischen  Krystallen 
bestehendes  Sublimat,  welches  über  114°  erhitzt  wieder  in  die  rothe  Modification 
übergeht.  Eine  dritte,  dem  monoklinen  System  angehörende  Modificarion  ent- 
steht beim  Verdunsten  einer  Lösung  des  rothen  Jodids  in  Schwefelkohlenstoff  in 
direktem  Sonnenlicht  Diese  dritte  Modification  geht  über  125°  wieder  in  die 
hexagonale  Modification  über. 

Das  Antimontrijodid  wird  von  den  concentrirten  Lösungen  der  Alkalijodide 
in  der  Wärme  leicht  aufgenommen  und  bildet  mit  diesen  krystallisirbare  Doppel- 
salze. Wasser  zersetzt  dieselben,  ebenso  wie  das  isolirte  Antimonjodid  unter  Ab- 
scheidung eines  gelben  Oxyjodids. 

Fluoride  des  Antimons. 

Antimontrifluorid,  SbFl,,  lässt  sich  in  reinem  Zustand  durch  Erhitzen 
eines  Gemenges  aus  Quecksilberfluorid  mit  Antimon  als  weisses,  sehr  hygros- 
kopisches Sublimat  erhalten. 

In  rhombischen  Krystallen  scheidet  sich  das  Trifluorid  ab  beim  Verdunsten 
einer  Lösung  von  Antimonoxyd  in  concentrirter  Flusssäure.  Durch  Wasser  wird 
die  Lösung  des  Antimontrifluorids  nicht  gefallt;  beim  Eindampfen  entweicht  aber 
ein  Theil  des  Fluorwasserstoffs  und  es  hinterbleibt  ein  weisses  Pulver,  wahr- 
scheinlich ein  Oxyfluorid.  Mit  Alkalifiuoriden  verbindet  sich  das  Antimontrifluorid 
analog  dem  Jodid  zu  Doppelfluoriden. 

Antimonpentafluorid,  SbFlj,  hinterbleibt  nach  Marignac  beim  Ein- 
dampfen einer  Lösung  von  Antimonsäure  in  Flusssäure  als  amorphe  Masse,  welche 
mit  Alkalifluoriden  ebenfalls  Doppelsalze  bildet. 


Antimon.  5 

Oxyde  des  Antimons. 

Drei  Oxyde  sind  bekannt:  das  Trioxyd,  SbjOs,  das  Tetroxyd,  Sb^O^, 
und  das  Pentoxyd,  Sb^Oj. 

Antimontrioxyd,  Sb^Oj,  gewöhnlich  Antimonoxyd  (auch  wohl  antimo- 
nige Säure)  genannt,  findet  sich  in  rhombisch  und  in  regulär  krystallisirtem  Zu- 
stand in  der  Natur  und  wird  dann  Antimonblüthe  resp.  Sdnarmontit  genannt. 
Künstlich  kaim  es  durch  Verbrennen  des  metallischen  Antimons  an  der  Luft 
erhalten  werden,  indem  man  das  Antimon  in  einem  grossen,  schief  gelegten 
Tiegel  zum  Glühen  erhitzt.  Der  entstehende  Oxydrauch  verdichtet  sich  an  den 
kälteren  Stellen  des  Tiegels  zu  weissen  Krystallnadeln.  Auch  durch  Schmelzen 
des  Antimons  mit  Salpeter  und  primärem  (saurem)  Kaliumsulfat  kann  Antimon- 
oxyd erhalten  werden,  welches  nach  dem  Auskochen  der  Schmelze  mit  Wasser 
als  weisses  Pulver  zurückbleibt.  Das  saure  Sulfat  hat  den  Zweck,  das  bei  der 
Zersetzung  des  Salpeters  freiwerdende  Kali  zu  neutralisiren,  damit  durch  seine 
Anwesenheit  nicht  die  Bildung  von  Antiroonsäure  begünstigt  wird. 

Verdünnte  Salpetersäure  oxydirt  Antimon  zu  Oxyd  ohne  es  zu  lösen,  conc. 
Säure  liefert  Tetroxyd  und  Pentoxyd.  In  reinem  Zustand,  insbesondere  frei  von 
höheren  Oxydationsstufen  lässt  sich  das  Oxyd  durch  Behandeln  des  basischen 
Antimonsulfats  oder  des  Algarotpulvers  mit  kochender  sehr  verdünnter  Soda- 
lösung gewinnen. 

Das  Antimontrioxyd  wird  beim  Erhitzen  gelb,  schmilzt  und  sublimirt  bei  noch 
höherer  Temperatur,  wobei  vorzugsweise  prismatische,  selten  reguläre  Krystalle 
auftreten.  Auch  das  natürlich  vorkommende  Oxyd  zeigt  diese  beiden  Formen, 
und  die  Aehnlichkeit  des  Antimons  mit  dem  Arsen  wird  durch  diese  gleichartige 
Dimorphie  der  Oxyde  besonders  deutlich,  doch  zeigt  die  arsenige  Säure  häufiger 
die  octaedrische  Form. 

Bei  längerem  Erhitzen  an  der  Luft  nimmt  das  Antimonoxyd  Sauerstoff  auf 
und  geht  allmählich  in  Tetroxyd  über,  weshalb  das  durch  Verbrennen  des  Metalls 
dargestellte  Oxyd  stets  etwas  der  letzteren  Verbindung  enthält.  In  Wasser  ist 
das  TrioxycJ  nur  sehr  wenig  löslich,  in  Salzsäure,  Schwefelsäure  oder  Weinstein- 
säure löst  es  sich  dagegen  auf  und  bildet  Salze;  doch  auch  in  Natronlauge  ist 
es  löslich  und  liefert  ein  krystallisirbares  Salz  NaSbOj,  in  welchem  das  Antimon- 
oxyd die  Rolle  einer  Säure  spielt. 

Antimontetroxyd,  Sb204,  auch  als  antimorsaures  Antimonoxyd,  SbOj- 
O(SbO)  bezeichnet,  bildet  sich  sowohl  beim  Glühen  der  Antimonsäure  oder  des 
Pentoxyds  als  auch  des  Trioxyds;  im  letzteren  Fall  wird  Sauerstoff  aus  der  Luft 
aufgenommen. 

Am  zweckmässigsten  stellt  man  das  Tetroxyd  dar  durch  Oxydiren  des 
metallischen  Antimons  oder  des  Schwefelantimons  mit  rauchender  Salpetersäure 
und  starkes  Glühen  des  zur  Trockne  verdampften  Reactionsproduktes. 

Anrimontetroxyd  ändert  seine  weisse  Farbe  beim  Glühen  in  Gelb  um,  löst 
sich  nicht  in  Wasser  und  wird  auch  von  Säuren  nur  wenig  angegriffen.  In 
schmelzendem  Kali  löst  es  sich  aber  und  beim  Behandeln  der  erkalteten  Masse 
mit  kaltem  Wasser  bleibt  ein  weisses  Kaliumsalz  von  der  Formel,  K^SbjOg,  zu- 
rück, welches  als  unterantimonsaures  Kalium  bezeichnet  werden  kann. 
Seine  Lösung  in  kochendem  Wasser  fällt  aus  den  Salzlösungen  vieler  Schwer- 
metalle unlösliche  Hypoantimoniate.  Eine  Lösung  des  Tetroxyds  in  Salz- 
säure   scheidet   aus    gleichzeitig  zugefügtem  Jodkalium  Jod  aus,    welches  durch 


6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Ausschütteln  mit  Schwefelkohlenstoff  an  der  diesem  ertheilten  violetten  Farbe 
erkannt  werden  kann.     Antimontrioxyd  zeigt  diese  Reaction  nicht. 

Antimonpentoxyd,  80,05  (Antimonsäure-Anhydrid),  wird  durch 
Oxydation  von  gepulvertem  Antimon  mit  rauchender  Salpetersäure  oder  Königs- 
wasser und  Eindampfen  mit  überschüssiger  Salpetersäure  als  weisses  Pulver  er- 
halten, welches  durch  Erhitzen  von  der  anhängenden  Salpetersäure  befreit  werden 
kann;  doch  darf  die  Temperatur  nicht  bis  zur  Glühhitze  steigen,  da  sonst  unter 
Sauerstoffaustritt  Tetroxyd  gebildet  wird.  Die  Hydrate  des  Pentoxy ds,  die 
eigentlichen  Antimonsäuren,  hinterlassen  beim  Erhitzen  ebenfalls  reines  Pentoxyd. 

Antimonpentoxyd  ist  schwach  gelb  gefärbt,  löst  sich  in  Salzsäure  und  in 
schmelzenden  Alkalien  und  Alkalicarbonaten  und  lässt  sich  von  Antimontrioxyd 
und  Tetroxyd  mit  Hülfe  einer  ammoniakalischen  Silbemitratlösung  unterscheiden, 
welche  beim  Erwärmen  mit  den  beiden  letztgenannten  Oxyden  Schwärzung  be- 
wirkt, während  das  Pentoxyd  nicht  verändert  wird.  Gegen  Salzsäure  und  Jod- 
kalium verhält  sich  das  Pentoxyd  dem  Tetroxyd  gleich  und  kann  durch  diese 
Reaction  also  nur  vom  Trioxyd  unterschieden  werden. 

Hydrate  des  Antimons. 

Normales  Antimonhydroxyd,  Sb(OH)j,  entsteht  nach  F.  W.  Clarke 
und  Stallo  (5)  durch  freiwillige  Zersetzung  der  Säure  des  Brechweinsteins, 
C4H5Sb07,  welche  aus  dem  correspondirenden  Bar3mmsalz  durch  Schwefelsäure 
abgeschieden  werden  kann.  Bei  Zersetzung  des  Brechweinsteins  mit  verdünnten 
Säuren  scheidet  es  sich  ebenfalls,  wenn  auch  weniger  rein,  aus. 

Weisses  Pulver,  das  erst  über  150°  Wasser  entlässt. 

Das  Hydroxyd,  Sb,0(0H)4  oder  Sb20j-2H,0,  ebenfalls  von  weisser 
Farbe  erhält  man  durch  Zersetzung  einer  Lösung  von  Schwefelantimon  in 
Natronlauge  mit  Kupfersulfat  und  Fällen  mit  einer  Säure.  Dieses  Hydroxyd 
kann  auch  als  antimonige  Säure  aufgefasst  werden. 

Ein  Hydrat  des  Antimontetroxyds  ist  nicht  bekannt. 

Hydrate  des  Pentoxyds;  Antimonsäuren. 

Es  sind  vier  verschiedene  Hydrate  darstellbar  (9). 

Die  monohydrische  Säure,  SbOg-OH,  bildet  sich  beim  Erhitzen  der 
trihydrischen  Antimonsäure,  SbO(OH)j,  auf  175°,  welche  selbst  durch 
Fällung  einer  Antimoniatlösung  durch  Schwefelsäure  gewonnen  wird.  Die  Säure, 
SbOj'OH,  bildet  mit  Basen  Salze,  welche  An timoniate  genannt  werden.  Das 
Antimonsäurehydrat  von  der  Formel,  Sb20-(OH)j,  entsteht  durch  Zersetzung 
des  Antimonpentachlorids  durch  Wasser.  Wird  dieses  Hydrat  bei  100°  getrocknet, 
so  geht  es  in  die  Metaantimonsäure  FRfeMv's,  Sb,07H4  oder  Sb203(OH)4 
über,  welche  mit  Alkalien  die  sogen.  Metantimoniate  bildet. 

Salze  des  Antimons. 

Oxydsalze.  Wenig  beständig.  Beim  Auflösen  von  Antimonoxyd  in  con- 
centrirter  Salpetersäure  kann  das  Nitrat,  Sb^NjO^i,  in  Gestalt  weisser  Krystall- 
blättchcn  erhalten  werden.  Verdünnte  Salpetersäure  überführt  metallisches  Anti- 
mon in  ein  basisches  Salz. 

Sulfate  (7).  Wird  eine  Lösung  von  Antimonoxyd  in  massig  concentrirter 
Schwefelsäure  abgedampft,  so  scheiden  sich  seideglänzende  Nadeln  des  normalen 
Antimonsulfats,  Sb^CSO^),  oder  Sb^Oj-SSOj  ab. 

Das  Sulfat,  SbjOj-HSO„  erhielt  Pelicot  durch   Erhitzen  von  Antimon. 


Antimon.  7 

oxychlorid  mit  concentrirter  Schwefelsäure  und  das  Sulfat,  Sb303*SOj,  aus 
Antimonoxyd  und  rauchender  Schwefelsäure.  Weisse  Kiystalle.  Heisses  Wasser 
überführt  beide  Sulfate  in  das  basische  Sulfat,  2Sb30j-S03,  welches  beim 
Kochen  mit  Sodalösung  in  Antimonoxyd  übergeht 

Brechweinstein,  ein  Doppelsalz  von  weinsteinsaurem  Antimonoxyd  und 
weinsteinsaurem  Kalium,  KSb  €411^07  -f-  HqO,  wird  entweder  als  saures  wein- 
saures Kalium    aufgefasst,    in  welchem  das  Radical  SbO  die  Stelle  von  1   At. 

Kalium  einnimmt,   also  als,  Sb^]^C4H4  0g,   oder  als  Derivat  der  antimonigen 

Säure,   Sb(0H)8,  nach  der  Formel,   Sb^Q*^*^«,  (Clarke  und  Stallo)  (8). 

Der  Brechweinstein  wird  durch  Kochen  von  Weinstein  mit  Antimonoxyd  und 
Wasser  und  Krystallisation  der  filtrirten  Flüssigkeit  dargestellt.  Er  bildet  oktae- 
drische  Krystalle  und  ist  das  als  Brechmittel  gewöhnlich  gebrauchte  Medicament. 

Reactionen  der  löslichen  Antimonoxydsalze*). 
Wasser  fallt  basische  Salze,  resp.  Oxychlorid  etc.  Kalilauge  und  Kalium- 
carbonat  erzeugen  einen  weissen,  im  Ueberschuss  des  Fällungsmittels  löslichen 
Niederschlag.  Der  von  Ammoniak  oder  Ammoniumcarbonat  bewirkte  weisse 
Niederschlag  bleibt  dagegen  unlöslich  in  den  fällenden  Flüssigkeiten.  Schwefel- 
wasserstoff oder  Schwefelammonium  fällt  orangegelbes  Antimontrisulfid,  welches 
in  gelbem  Schwefelammonium,  sowie  in  concentrirter  Salzsäure  löslich  ist,  von 
Ammoniak  aber  nur  wenig  aufgenommen  wird.  Aus  Goldchloridlösung  fällen 
Antimonoxydsalze  metallisches  Gold  und  ammoniakalische  Silberlösunig  bewirkt 
an  dem  durch  Wasser  aus  einer  Oxydlösung  gefällten  basischen  Salz  Schwarz- 
färbung in  Folge  der  Bildung  von  Silberoxydul.  Antimonsäure  zeigen  diese 
letzteren  Reactionen  nicht. 

Dem  Antimonoxyd  entsprechende  Oxyhalogenverbindungen. 

Oxychlorüre. 

Antimonylchlorid,  SbOCl.  Antimonchlorid  wird  ebenso  wie  seine  Lösung 
in  wenig  Salzsäure  durch  Wasser  unter  Abscheidung  eines  weissen  Pulvers  zer- 
setzt, welches  —  wenn  es  bei  gewöhnlicher  Temperatur  dargestellt  vidrd  —  die 
Formel  SbO  Gl  besitzt  Bei  zu  wenig  Wasser  enthält  der  Niederschlag  noch 
unverändertes  Trichlorid,  welches  ihm  durch  Aether  entzogen  werden  kann 
Der  Niederschlag  ist  amorph,  wenn  die  Fällung  durch  viel  Wasser  erfolgte;  in 
kleinen  Rhomboedem  krystallisirt,  wenn  man  auf  10  Thle.  Antimonchlorid 
17  Thle.  Wasser  anwendet  und  einige  Tage  stehen  lässt.  Durch  trocknes  Er- 
hitzen zerfällt  das  Antimonylchlorid  in  Antimontrichlorid  und  Algarotpulver, 
Sb^OsCl,. 

Mit  dem  Namen  Algarotpulver  oder  pulvis  Algaroti  (nach  dem  Arzt 
Algarotus,  der  im  16.  Jahrhundert  in  Verona  lebte,  so  genannt)  belegt  man  den 
wechselnd  zusammengesetzten  Niederschlag,  welcher  bei  der  Fällung  einer 
Antimontrichloridlösung  durch  viel  Wasser  entsteht. 

Beträgt  die  zugefügte  Wassermenge  auf  1  Thl.  Trichlorid  5  bis  50  Thle.,  so 
sind  die  entsprechenden  Niederschläge  nach  Sabanajew  (6)  amorph  und  nach  der 
Formel  Sb405Cl2  zusammengesetzt.  Bei  längerem  Stehen  unter  der  Flüssigkeit 
verwandelt  sich  aber  der  Niederschlag  in  eine  aus  seideglänzenden  Nadeln  be- 
stehende Masse.    Durch   längeres  Auswaschen    lässt   sich   der  Chlorgehalt   ver- 

*)  Brechweinstein  zeigt  in  mancher  Hinsicht  ein  anderes  Verhalten. 


8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

mindern  bis  schliesslich  krystallinisches  Antimonoxyd  zurückbleibt.  Sodalösung 
bewirkt  diese  Umwandlung  sofort.  Je  nach  der  Concentration  der  Antimonlösung, 
der  Menge  anwesender  freier  Säure,  der  herrschenden  Temperatur  und  der 
zugefügten  Wassermenge  variirt  der  Chlorgehalt  des  Produktes,  weshalb  dem 
sogen.  Algarotpulver  so  verschiedene  Formeln  früher  beigelegt  worden  sind.  — 
Je  mehr  freie  Säure  zugegen  ist,  um  so  mehr  Wasser  ist  zur  Fällung  nöthig  und 
um  so  mehr  Antimon  bleibt  in  der  Lösung  und  geht  somit  bei  der  Bereitung 
des  Algarotpulvers  verloren.  Letzteres  findet  —  wie  viele  andere  Antimon- 
präparate Anwendung  als  Medicament. 

Antimonylbromid,  SbOBr,  bildet  sich  nach  Cooke  durch  Einwirkung 
von  Luft  und  Licht  auf  eine  Lösung  von  Antimontribromid  in  SchwefelkohlenstoÖ. 

Braunes  Pulver.  Ein  Oxybromid,  Sb^OgErg,  entsteht  nach  E.  MAavoR 
bei  der  Zersetzung  von  Antimontribromid  durch  kaltes  Wasser  und  Extraction  mit 
Schwefelkohlenstoff. 

Antimonyljodid  wird  bei  Zersetzung  von  Antimonjodid  mit  Wasser  oder 
bei  Zusatz  von  Jodkaliumlösung  zu  Antimontrichlorid  erhalten.  Beim  Abdampfen 
scheidet  sich  ein  gelbes  krystallinisches  Oxyjodid  von  der  Formel  Sb405J,  ab. 

Antimonylfluorid,  Sb^OjFlg  oder  2SbFl3-Sbj03,  hinterbleibt  beim  Ver- 
dampfen einer  wässrigen  Lösung  von  Antimontrifluorid. 

Salze  der  Antimonsäuren,  s.  unter  den  betr.  Metallen. 

Hier  seien  davon  erwähnt: 

Ammoniumantimoniat,  NH4Sb03.  Durch  Auflösen  von  Antimonsäure 
in  erwärmter  Ammoniakflüssigkeit  zu  erhalten.     Weisses  krystallinisches  Pulver. 

Antimoniate  vieler  Schwermetalle  lassen  sich  durch  Zersetzung  der 
löslichen  Antimoniate  mit  den  Salzlösungen  der  betreffenden  Schwermetalle  dar- 
stellen. Sie  sind  unlöslich  oder  schwer  löslich  in  Wasser,  löslich  in  Salzsäure. 
Ein  Bleiantimoniat  wird  unter  dem  Namen  Neapelgelb  in  der  Malerei  an- 
gewandt. Man  erhält  es  aus  Brechweinstein  durch  mehrstündiges  Schmelzen  mit 
dem  doppelten  Gewicht  Bleinitrat  und  dem  vierfachen  Gewicht  an  Kochsalz. 
Die  Masse  wird  hierauf  mit  Wasser  behandelt. 

Saures  Ammoniummetantimoniat,  (NH4)3H2Sb307H-5H20.  Krystalli- 
nischer  Niederschlag,  welcher  durch  Fällen  einer  ammoniakalischen  Lösung  der 
Metantimonsäure  mit  Alkohol  erhalten  wird. 

Das  durch  Schmelzen  von  KLaliumantimoniat  mit  der  dreifachen  Kalimenge  und 
Behandlung  mit  Wasser  erhaltene  saure  Kaliummetantimoniat,  KgHjSbgOj, 
dient  als  Reagens  auf  Natriumsalze,  da  das  entsprechende  Natriumsalz, 
NajHjSbjOy,  in  kaltem  Wasser  fast  unlöslich  ist. 

Oxychloride,  welche  dem  Pentoxyd  entsprechen. 
Antimonoxytrichlorid,  SbOClj.  Diese  dem  Phosphoroxychlorid  corres- 
pondirende  Verbindung  entsteht  (lo)  bei  der  Zersetzung  des  Antimonpentachlorids 
mit  der  berechneten  Menge  eiskalten  Wassers  nach  der  Gleichung  SbClj-hHaO 
=  2HCl-f-SbOClj.  Krystallinische,  gelblich  weisse  Masse,  welche  durch  Wasser 
und  durch  Alkohol  zersetzt  wird. 

Sulfide  des  Antimons. 
Antimontrisulfid,  Sb^Sj.    Das  gewöhnlichste,  sehr  verbreitete  Antimonerz, 
der  sogen.  Antimonglanz,   auch  Grauspiessglanzerz  und  Stibnit  genannt,  besteht 
aus  diesem  Sulfid.    Es  bildet  schwarzgraue  prismatische  Krystalle,  welche  spröde 


Antimon.  9 

und  leicht  schmelzbar  sind.  Spec.  Gew.  =  4,62.  In  Gestalt  eines  orangerothen, 
amorphen  Pulvers  wird  das  Antimontrisulfid  durch  Fällen  einer  Trichloridlösung 
oder  einer  mit  Salzsäure  vermischten  Brechweinsteinlösung  durch  Schwefelwasser- 
stoff erhalten.  Dieses  rothe  Sulfid  enthält  jedoch  Wasser  gebunden,  welches  erst 
bei  200**  völlig  austritt,  wobei  schwarzes  Sulfid  zurückbleibt.  Beim  Eingiessen 
von  geschmolzenem  Antimonglanz  in  kaltes  Wasser  bildet  sich  eine  amorphe 
graue  Masse,  die  aber  in  dünnen  Schichten  roth  durchscheint  und  beim  Zerreiben 
ein  rothbraunes  Pulver  liefert.  —  Durch  Wasserstoff  wird  das  Trisulfid  zu  Antimon 
reducirt. 

Durch  Auflösen  von  gepulvertem  Antimonglanz  in  Laugen  oder  Alkalicarbonat- 
lösungen  und  Fällen  mit  einer  Säure  wird  ein  rothbraunes  Pulver  erhalten, 
welches  unter  dem  Namen  Kermes  als  Medicament  noch  in  diesem  Jahrhundert 
eine  sehr  wichtige  Rolle  spielte.  Ueber  die  Zusammensetzung  des  Körpers  erhob 
sich  ein  längerer  Streit  zwischen  den  untersuchenden  Chemikern  bis  endlich 
Rose  und  Fuchs  nachwiesen,  dass  der  Kermes  ein  amorphes  Trisulfid  ist,  welches 
je  nach  den  besonderen  Verhältnissen  bei  seiner  Bereitung  in  der  Regel  mehr 
oder  weniger  Antimontrioxyd  enthält,  das  jedoch  durch  Weinsäure  ausgezogen 
werden  kann. 

Mit  den  Sulfiden  der  Alkalimetalle  vereinigt  sich  das  Antimontrisulfid  zu 
Sulfosalzen,  den  sogen.  Thioantimoniten. 

Durch  Zusammenschmelzen  des  Trisulfids  mit  Schwefelalkalien  werden 
braune  Massen,  sogen.  Antimonschwefellebern  erhalten,  welche  in  Wasser 
löslich  sind  und  durch  Säuren  unter  Abscheidung  von  Trisulfid  zersetzt  werden. 
Auch  durch  Erwärmen  des  Letzteren  mit  der  Lösung  alkalischer  Sulfide  entstehen 
diese  Verbindungen,  welche  mit  Antimoniten  gemengt  auch  beim  Auflösen  von 
Antimontrisulfid  in  alkalischen  Laugen  oder  Carbonatlaugen  erhalten  werden. 
DerProzess  verläuft  nach  der  Gleichung,  2Sb2S8-l-4KOH=3KSbS2-l-KSb02 
-h  2H2O.  Bei  Zusatz  einer  Säure  fallt  aus  solcher  Lösung  ein  Gemisch  von 
Antimontrisulfid  mit  Oxyd  nieder,  welches  den  Kermes  bildet. 

Das  Trisulfid  verbrennt  flir  sich  schwierig  an  der  Luft,  leicht  aber,  wenn  es 
mit  Salpeter  oder  Kaliumchlorai  gemischt  ist.  Die  entstehende  Flamme  ist  weiss 
und  vom  lebhaftesten  Glanz,  weshalb  derartige  Gemische  in  der  Feuerwerkerei  zur 
Herstellung  bengalischen  Weissfeuers  Anwendung  finden.  Ein  Salz  für  Weiss- 
feuer besteht  z.  B.  aus  48  Thhi.  Salpeter,  13}  Thln.  Schwefelblumen  und  7}  Thln. 
natürlichem  Schwefelantimon.  Ausserdem  dient*  das  Trisulfid  zur  Fabrikation 
der  an  den  sogen,  schwedischen  Zündhölzern  befindlichen  Zündmasse,  welche 
sich  an  einer  mit  amorphem  Phosphor  bestrichenen  Reibfläche  entflammen  und 
fand  ausgedehnte  Anwendung  zur  Herstellung  der  Zündpillen  in  dem  Dreyse' sehen 
Zündnadelgewehre.  — 

Antimonzinnober,  eine  schöne  rothe  Farbe,  wird  beim  Erwärmen  einer 
Lösung  von  Antimonchlorid  oder  Brech Weinstein  mit  unterschwefligsaurem  Natrium, 
NajSjOj ,  erhalten.  Zunächst  bildet  sich  hierbei  ein  gelber  Niederschlag,  dessen 
Farbe  aber  bald  durch  Orange  in  Roth  übergeht.  Bei  zu  langem  Erwärmen  wird 
die  Farbe  braun. 

Nach  älteren  Untersuchungen  ist  der  Antimonzinnober  ein  Oxysulfid,  Teclu 
(12)  fand  aber  neuerdings,  dass  das  nach  verschiedenen  Methoden  dargestellte 
Produkt  nach  der  Formel  SbjSg  zusammengesetzt  und  also  eine  besondere 
Modification  des  Trisulfids  ist. 


lo  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Zur  Darstellung  wird  nach  Böttger  1  Thl.  einer  Lösung  von  Antimontrichlorid  von  1,35  spcc. 
Gew.  mit  einer  Lösung  von  1^  Thl.  unterschwefligsaurem  Natrium  in  3  Thln.  Wasser  langsam 
erhitzt,  bis  sich  kein  neuer  Niederschlag  mehr  bildet.  Die  erhaltene  Farbsubstanz  ist  zunächst 
mit  verdünnter  Essigsäure  und  erst  dann  mit  Wasser  auszuwaschen,  um  die  Fällung  von  Algarot- 
pulver  zu  vermeiden.  —  Nach  R.  Wagner's  Vorschrift  werden  4  Th.  Brechweinstein  mit  3  Thln. 
Weinsäure  in  16—20  Thln.  Wasser  gelöst,  auf  60—70®  erwärmt  und  dann  mit  kaltgesättigter 
Hyposulfitlösung  bis  auf  90°  erhitzt  —  Zur  Erzielung  einer  reinen  Farbe  ist  es  durchaus  nöthig, 
dass  das  verwendete  Antimonpräparat  keine  Spur  von  Blei  oder  Kupfer  enthält,  weshalb  das 
Antimontrichlorid  vor  der  Verwendung  destillirt  oder  aus  gut  ausgewaschenem  Algarotpulver 
bereitet  sein  muss. 

Der  Antimonzinnober  giebt  mit  Oelen  angerieben  eine  sehr  haltbare,  lebhaft 
rothe  Farbe,  welche  nur  durch  alkalische  Substanzen  leicht  zerstört  wird,  aber 
gegen  das  Licht  unempfindlich  ist  und  in  dieser  Beziehung  dem  Quecksilber- 
zinnober überlegen  erscheint. 

Antimonpentasulfid,  Sb^Sj,  auch  Goldschwefel  genannt,  wird  vielfach 
als  Heilmittel  benutzt  und  aus  dem  Natriumthioantimoniat,  NajSbS^ -f-9H20, 
welches  nach  seinem  Entdecker  gewöhnlich  den  Namen  Schuppe*  seh  es  Salz 
führt,  durch  2^rsetzung  mit  Säuren  gewonnen. 

Das  genannte  Sulfosalz  lässt  sich  auf  trocknem  und  auf  nassem  Wege  dar- 
stellen. 

Bei  Anwendung  des  trocknen  Verfahrens  werden  16  Thle.  wasserfreies  Natriumsulfat  mit 
13  Thln.  Antimontrisulfid  und  5  Thln.  Holzkohle  in  einem  hessischen  Tiegel  zusammengeschmolzen; 
die  wässrige  Lösung  der  Schmelze  ist  dann  mit  2,5  Thln.  Schwefel  zu  kochen,  um  das  Trisulfid 
in  Pentasulfid  zu  überführen.  Auf  nassem  Wege  erhält  man  dasselbe  Produkt  durch  längeres 
Kochen  von  Natronlauge  mit  Schwefel  und  Antimontrisulfid.  Aus  der  filtrirten  Lösung  scheidet 
sich  das  SCHLU>PE'sche  Salz  in  schwach  gelblich  geftlrbten,  sehr  grossen  Tetraedern  aus. 

Wird  seine  Lösung  mit  verdünnter  Schwefelsäure  vermischt,  so  fällt  das 
Antimonpentasulfid  als  orangegelbes  Pulver  nieder.  Auch  durch  Einleiten 
von  Schwefelwasserstoff  zu  in  Wasser  suspendirter  Antimonsäure  oder  zu  einer 
Lösung  von  Antimonpentachlorid  in  angesäuertem  Wasser  wird  Antimonpenta- 
sulfid erhalten. 

Das  Pentasulfid  ist  in  heisser  concentrirter  Salzsäure  unter  Abscheidung  von 
Schwefel  und  Schwefelwasserstoff  löslich;  die  Flüssigkeit  enthält  dann  Antimon- 
trichlorid. Auch  in  alkalischen  Laugen,  Alkalicarbonatlösung,  sowie  in  Lösungen 
der  Alkalisulfide  und  des  Schwefelammoniums  ist  das  Pentasulfid  löslich  und 
zerfällt  beim  Erhitzen  in  Trisulfid  und  Schwefel.  Ausser  als  Heilmittel  findet  es 
Anwendung  zum  Rothfarben  von  Kautschukwaaren. 

Thioantimoniate. 

Von  den  Sulfosalzen,  welche  das  Antimonpentasulfid  bildet,  ist  die  Natrium- 
verbindung, das  erwähnte  in  grossen  Tetraedern  krystallisirende  Schlippe' sehe  Salz, 
NajSbS4 -I- OHqO,  ^^  wichtigste.  Es  ist  in  Wasser  sehr  leicht  löslich,  wird 
aber  durch  Alkohol  aus  dieser  Lösung  gefällt.  Beim  Aufbewahren  an  der  Luft 
überziehen  sich  die  Krystalle  mit  einem  braunen,  kermesartigen  Ueberzug  und 
werden  schliesslich  ganz  zersetzt.  Uebergiessen  der  Krystalle  mit  Natronlauge 
oder  Alkohol  schützt  sie  auf  längere  Zeit  vor  der  Zersetzung. 

Das  analog  zusammengesetzte  Kaliumthioantimoniat  wird  auf  ähnliche 
Weise  gewonnen.  Das  Baryumsalz,  Ba3(SbS4)3 -l- eHjO,  scheidet  sich  bei 
Zusatz  von  Alkohol  zur  Lösung  des  Goldschwefels  in  Baryumsulfidlösung  in 
Krystallnadeln  ab.  —  Mit  den  Lösungen  vieler  Schwermetallsalze  liefern  die 
Alkalithioantimoniate  gefärbte  Niederschläge. 


Antimon.  1 1 

Antimonoxysulfid,  SbgOSg,  bleibt  beim  Kochen  von  Antimonsulfojodid, 
Sb  S J,  mit  Wasser  und  Zinkoxyd  und  Behandeln  der  Niederschläge  mit  Salzsäure 
als  rothbraunes  Pulver  zurück.  Als  Rothspiessglanzerz  findet  sich  diese 
Verbindung  in  der  Natur. 

Antimonsulfochlorid,  SbCljS,  entsteht  beim  Auflösen  von  Antimontrisulfid 
in  siedendem  Antimonpentachlorid,  sowie  bei  langsamem  Einleiten  von  Schwefel- 
wasserstofFgas  in  dieses  Chlorid.  Bei  letzterem  Verfahren  wird  eine  weisse 
krystallinische  Masse  von  der  Formel  SbSClg  erhalten.  Auch  beim  Vermischen 
von  Antimonpentachlorid  mit  Schwefelkohlenstoff  unter  guter  Abkühlung  bildet 
es  sich  (Bertraud  u.  Finot,  Bull.  soc.  34,  pag.  201). 

Antimonsulfojodid,  SbSJ,  bildet  sich  beim  Auflösen  von  gepulvertem 
Antimontrisulfid  in  geschmolzenem  Antimonjodid  und  wird  durch  Aiisgiessen  der 
erstarrten  Masse  mit  verdünnter  Salzsäure,  welche  das  überschüssige  Jodid  auf- 
löst, rein  erhalten. 

Selenide  des  Antimons. 

Antimontriselenid,  SbjSej.  Graue  Masse,  welche  beim  Zusammen- 
schmelzen der  Bestandtheile  und  durch  Fällen  einer  Brechweinsteinlösung  mit 
SelenwasserstofT  gebildet  wird. 

Antimonpentaselenid,  SbQSe^.  Braunes  Pulver.  Wird  durch  Fällen  des 
dem  ScHLiPPE'schen  Salz  analogen  und  isomorphen  Natriumselenantimoniats  mit 
einer  Säure  gewonnen. 

Telluride,  SbTe  und  Sb^Te,.  Graue,  resp.  zinnweisse,  metallglänzende 
Massen.     Durch  Zusammenschmelzen  der  Bestandtheile  darstellbar. 

Phosphide  und  Arsenide  des  Antimons  lassen  sich  in  analoger  Weise 
gewinnen. 

Antimonwasserstoff,  SbH,. 

Wird  die  Lösung  einer  Sauersoflf-  oder  Haloid Verbindung  des  Antimons  in 
einen  mit  Zink  und  verdünnter  Salz-  oder  Schwefelsäure  gefüllten  WasserstofF- 
entwicklungsapparat  gebracht,  so  mischt  sich  dem  Wasserstoff  sofort  Antimon- 
wasserstoff bei.  Die  Analogie,  welche  Letzterer  mit  dem  Arsenwasserstoff  hin- 
sichtlich dieser  Bildungsweise  zeigt,  wird  noch  erweitert  durch  die  ganz  ähnlichen 
Reactionen  beider  Gase. 

Das  aus  dem  Apparat  austretende  Gasgemisch  wird  reicher  an  Antimon- 
wasserstoff, wenn  man  3  Thle.  Zink  mit  2  Thlen.  Antimon  legirt  hatte  und  dann 
die  Säure  zufügt,  doch  ist  es  nicht  möglich  ein  einigermaassen  reines  Antimon- 
wasserstoffgas auf  diese  Weise  zu  erhalten.  Reicher  ist  das  bei  Zersetzung  von 
Antimontrichloridlösung  durch  Natriumamalgam  entwickelte,  sowie  das  beim 
Zutropfen  einer  conc,  salzsauren  Antimontrichloridlösung  zu  granulirtem  Zink 
freiwerdende  Gas,  doch  enthält  dasselbe  immerhin  höchstens  4J  SbHj. 

Antimonwasserstoff  ist  ein  färb-  und  geruchloses  Gas  und  verbrennt  mit 
fahler,  weisser  Flamme,  welche  einen  aus  Antimonoxyd  bestehenden  weissen  Rauch 
ausstösst  Eine  in  die  Flamme  gehaltene  kalte  Porzellanschale  überzieht  sich 
mit  Antimonflecken,  welche  den  Arsenfiecken  sehr  ähnlich,  aber  schwärzer 
sind.  Auch  beim  Durchleiten  durch  eine  glühende  Glasröhre  zerfallt  das  Gas 
unter  Abscheidung  eines  Antimonspiegels,  der  theils  silberglänzend,  theils 
sammetschwarz  erscheint  und  sich  von  dem  mehr  bräunlich  gefärbten  Arsenspiegel 
durch  seine  Unlöslichkeit  in  verdünnter  Chlorkalklösung  und  durch  seine  geringere 
Flüchtigkeit  beim  Erhitzen  auszeichnet.  —  Aus  Silbemitrat  fällt  das  Antimon* 
W^sserstoffgas  einen  schwarzen  Niederschlag,  welcher  ein  Gemenge  von  Antimon- 


12  Handwörterbuch  der  CHiemie. 

silber,  SbAgj,  mit  metallischem  Silber  ist.  Mit  Schwefel  oder  Schwefelwasserstoff 
in  Berührung  liefert  das  Antimon  wasserstoffgas  im  Sonnenlicht  orangerothes 
Antimontrisulfid  und  wird  auch  durch  die  Halogene  unter  Bildung  der  ent- 
sprechenden Antimonverbindungen  zersetzt 

Ein  fester  AntimonwasserstoÖ  ist  noch  nicht  in  reinem  Zustand  erhalten 
worden,  obwohl  einige  Beobachtungen  seine  Existenz  wahrscheinlich  machen. 

Quantitative  Bestimmung  des  Antimons. 

Zur  Bestimmung  des  Antimons  ist  zunächst  eine  lösliche  Verbindung  herzu- 
stellen, was  durch  Behandlung  mit  Salzsäure  oder  Königswasser  gelingt.  Da 
beim  Eindampfen  einer  solchen  Chloridlösung  ein  Verlust  an  Antimon  durch 
Verflüchtigung  stattfindet,  so  darf  das  etwa  nöthige  Concentriren  nur  nach  Ueber- 
sättigung  mit  Alkali  geschehen,  welches  später  wieder  durch  Salzsäure  verdrängt 
wird.  Gewöhnlich  fällt  man  zuerst  das  Antimon  aus  der  mit  Weinsteinsäure 
versetzten  Lösung  durch  Schwefelwasserstoff  als  Trisulfid,  filtrirt  dasselbe  ab  und 
oxydirt  nach  dem  Auswaschen  und  Trocknen  mit  rauchender  Salpetersäure  in 
einem  gewogenen  Porzellantiegel.  Durch  weiteres  Erhitzen  wird  die  Salpetersäure 
und  die  gebildete  Schwefelsäure  verjagt  und  schliesslich  die  zurückbleibende 
Antimonsäure  durch  Glühen  in  das  constantere  Antimontetroxyd,  SbjO^,  über- 
geführt, dessen  Gewicht  zu  bestimmen  ist. 

Auf  maassanalytische  Weise  lässt  sich  das  Antimon,  wenn  es  als  Trioxyd 
vorliegt,  mit  Hülfe  titrirter  Jodlösung  bestimmen.  Das  Oxyd  ist  zunächst  in 
Weinsäure  zu  lösen,  dann  mit  Natriumcarbonat  zu  neutralisircn  und  mit  kalt 
gesättigter  Natriumbicarbonatlösung  zu  vermischen.  Nach  Zusatz  einiger  Tropfen 
Stärkekleisterlösung  wird  mit  Jodlösung  bis  gerade  zum  Eintritt  einer  blauen 
Färbung  titrirt.  Dass  die  blaue  Farbe  bald  verschwindet,  darf  nicht  zu  weiterem 
Zusatz  verleiten. 

Da  Antimonsäure  aus  Jodkalium  Jod  ausscheidet  und  Antimonoxyd  entsteht, 
so  kann  auch  das  Antimon  durch  volumetrische  Bestimmung  des  abgeschiedenen 
Jods  bestimmt  werden.  Insbesondere  eignet  sich  diese  Methode  für  Legirungen, 
welche  Zinn  und  Antimon  enthalten  (Weller)  (15). 

Die  electrolytische  Bestimmung  des  Antimons  lässt  sich  in  der  Lösung  des 
Sulfids  im  Schwefelammonium  leicht  und  genau  ausfuhren  (Classen  u.  von  Reis)  (16). 

Auch  ist  empfohlen  worden,  das  Antimontrisulfid  dadurch  zu  bestimmen, 
dass  man  den  aus  ihm  durch  Kochen  mit  Salzsäure  austreibbaren  Schwefel- 
wasserstoff bestimmt  und  die  Menge  des  vorhandenen  Antimons  darnach  be- 
rechnet. 

Ueber  die  Trennung  des  Antimons  vom  Arsen  s.  Arsen.  Heumann. 

Aromatische  Säuren.  Als  aromatische  Säuren  bezeichnet  man  die  Carboxyl- 
haltigen  Derivate  des  Benzols,  also  diejenigen  Substanzen,  welche  zugleich  einen 
oder  mehrere  Benzolreste  und  eine  oder  mehrere  Carboxylgruppen  enthalten. 
Die  letzteren  Gruppen  bedingen  den  Säurecharakter  der  Verbindungen  und  be- 
stimmen durch  ihre  Anzahl  die  Basicität  der  betreffenden  Säure. 

Da  ein  Kohlenstoffatom  des  Benzolrings  nicht  gleichzeitig  einer  Carboxyl- 
gruppe  angehören  kann,  so  enthält  die  einfachste  aller  aromatischen  Säuren 
sieben  Kohlenstoflfatome.  Es  ist  dies  die  Benzoesäure  CgHj-COQH.  Diese 
Benzoesäure  kann  aufgefasst  werden  als  Monocarboxylderivat  des  Benzols,  d.  h. 
als  Benzol,  in  welchem  ein  Wasserstoffatom  durch  die  Gruppe  COjH  vertreten 
ist,  oder  als  ein  Phenylderivat  der  Ameisensäure,   d.  h,  als  Ameisensäure,    in 


Aromatische  Säuren.  13 

welcher  das  direkt  an  Kohlenstoff  gebundene  Wasserstoffatom  durch  den  Benzol- 
rest CßHg,  die  Phenylgruppe,  ersetzt  worden  ist.  In  derselben  Weise  lassen  sich 
ganz  allgemein  die  aromatischen  Säuren  ableiten,  einerseits  von  dem  Benzol  oder 
seinen  Homologen  durch  Vertretung  von  Wasserstoff  durch  Carboxyl,  andrerseits 
von  den  Säuren  der  nicht  aromatischen  Reihen  durch  Vertretung  von  Wasserstoff 
durch  Reste  des  Benzols  oder  seiner  Homologen. 

Die  letztere  Betrachtungsweise  ist  für  die  Nomenclatur  der  aromatischen 
Säuren  vielfach  verwerthet:  CgHs-CO^H  =  Phenylameisensäure  (Benzoesäure), 
CßH5.CH2-COaH=Phenylessigsäure,  C6H.^.CH2-CH3.COjH=Phenylpropion- 
säure. 

In  den  hier  genannten  Säuren  kehrt  die  Homologie  derjenigen  nicht  aro- 
matischen Säuren  wieder,  auf  welche  jene  bezogen  werden.  Diese  Homologie 
entspricht  derjenigen,  welche  auch  bei  den  Benzolkohlenwasserstofien  durch  Ver- 
längerung der  einzelnen  Seitenketten  hervorgebracht  wird :  CgHg'CHgss  Methyl- 
benzol,  CgH^-CHj-CHa  =  Aethylbenzol  u.  s.  w. 

In    gleicher    Weise    muss    eine    anderweitige  Homologie    der    aromatischen 

Säuren   derjenigen   entsprechen,   welche   bei   den  Benzolkohlenwasserstoffen  die 

Vermehrung  der  Seitenketten  hervorruft: 

CgHj.CHs      Methylbenzol,  CgH-COgH     Benzoesäure, 

CH  CH 

C6^4Cch'  Dimethylbenzol,  ^e^iCcO^H  Toluylsäure, 

CH  CH 

CgHg  ~  CH3  Trimethylbenzol,  CgH,  —  CH3      Xylylsäure. 

^CH,  ^COgH 

Aus  dieser  zweifachen  Art  der  Homologie  bei  den  aromatischen  Säuren 
ergiebt  sich  ohne  Weiteres  eine  erste  Art  der  bei  ihnen  vorkommenden  Iso- 
merien:  Eine  aromatische  Säure,  die  sich  von  einer  niedrigeren  durch  Ver- 
längerung einer  Seitenkette  um  die  Differenz  (CHg)^-  ableitet,  muss  isomer  sein 
mit  einer  solchen,  welche  aus  jener  niedrigeren  Säure  durch  Vermehrung  der 
Seitenketten  um  denselben  Betrag,  z.  B.  durch  Eintritt  von  x  Methylgruppen,  ent- 
standen gedacht  werden  kann: 

CH 
CßHg-CH^-COaH  (Phenylessigsäure)  ist  isomer  mit  C6H4C[qq*^  (Toluyl- 

^CHj 
säure),  CgHj-CHj'CH^-COjH  (Phenylpropionsäure)  isomer  mit  C^Hj  — CHg 

^CO,H 
(Xylylsäure). 

Eine  zweite  Ursache  von  Isomerien  ist  die  verschiedene  Stellung  des  Phenyls 
an  dem  Rest  derjenigen  nicht  aromatischen  Säure,  als  deren  Phenylderivate  die 
betreffenden  aromatischen  Säuren  zu  betrachten  sind.  Die  dadurch  bedingten 
Isomerien  entsprechen  durchaus  den  Isomerien  der  einfacheren  Substitutions- 
derivate jener  nicht  phenylirten  Säuren:    CgH^-CHg-CHj-COgH  (Phenylpropion- 

CH 
säure)  ist  isomer  mit  CßH^-CH^QQ^jj  (Isophenylpropionsäure),  wie  die  ß-Chlor- 

CH 
Propionsäure  CHjCl-CHj-COjH  mit  der  a-Chlorpropionsäure  CHCICIqq'pj. 

Diesen  Isomerien  schliessen  sich  diejenigen  an,  in  welchen  nur  die  schon 
bei  den  betreffenden  nicht  aromatischen  Säuren  vorkommenden  Constitutions- 
verschiedenheiten  wiederkehren.  Die  Möglichkeit  solcher  Isomerien  beginnt 
natürlich  erst  mit  dem  Auftreten  von  4  Kohlenstoffatomen  in  der  Seitenkette: 

Die  Phenylbuttersäure,    CgHs-CHj-CHj-CHa.COjH,  ist  in  dieser  Weise 


14 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


CH, 


isomer  mit  der  Phenylisobuttersäure,  CgHg-CHj-CHCilro'H'  ^^  ^^  Buttersäure 


selber,  CHa.CHj.CHj.COjH,  mit  der  Isobuttersäure,  CHj-CH: 


-COjPI- 


Endlich  ist  bei  aromatischen  Säuren,  in  welchen  mehr  als  ein  Wasserstoflf- 
atom  des  Benzolrings  ersetzt  worden  ist,  die  verschiedene  relative  Stellung  dieser 
ersetzten  Wasserstoffatome  die  Ursache  sehr  zahlreicher  Isomerien.  Diese  ent- 
sprechen durchaus  den  Ortsisomerien,  welche  überhaupt  bei  den  Di-  bis  Hexa- 
derivaten  des  Benzols  wiederkehren  (vergl.  unter  aromatischen  Verbindungen): 


CH, 

CHj 

CH, 

f^|CO,H 
Ortholuylsäure. 

l^JcOjH 
Metatoluylsäure. 

CO,H 

Paratoluylsäure. 

CO,H 

CO,H 

CO,H 

Phtalsäure. 

I^JcOjH 

Isophtalsäure. 

1       1 

CO,H 
TerephtalsSure. 

Vorkommen.  Einige  aromatische  Säuren  treten  fertig  in  der  Natur  auf, 
und  zwar  theils  in  freiem  Zustande,  theils  in  Form  von  Salzen,  zusammengesetzten 
Aethern  oder  entfernteren  Derivaten.  Im  freien  Zustande  ist  z.  B.  die  Benzoe- 
säure im  Benzoöharz  und  anderen  Harzen  und  Balsamen  enthalten,  freie  Zimmt- 
säure  im  Storax,  im  Perubalsam  und  in  gewissen  Benzoesorten.  Aether  der 
Benzoesäure  kommen  im  Perubalsam  und  im  Oel  der  Blüthen  von  Unona  odora- 
tissima  vor,  ein  Aether  der  Zimmtsäure  im  Storax,  ihr  Aldehyd  im  Zimmtöl. 
Verschiedene  Wurzeln  und  Kräuter  enthalten  geringe  Mengen  von  benzo^sauren 
Salzen.  Im  Harn  der  pflanzenfressenden  Säugethiere  kommt  als  normaler  Be- 
standtheil  ein  Derivat  der  Benzoesäure,  die  Hippursäure  (BenzoylglycocoU),  zu- 
weilen auch  die  Benzoesäure  selber  vor.  Das  Nitril  der  Phenylessigsäure  ist  im 
ätherischen  Oel  von  Tropaeoium  majus  und  Lepidium  satkmmy  das  Nitril  der 
Phenylpropionsäure  in  demjenigen  von  Nasturtium  officinaU  enthalten.  Ziemlich 
zahlreich  treten  endlich  im  Benzolkem  hydroxylirte  aromatische  Säuren,  sogen. 
Phenolsäuren  und  Derivate  derselben  im  Pflanzenreich  auf. 

Von  künstlichen  Bildungsweisen  der  aromatischen  Säuren  sind  die 
folgenden  von  allgemeinerer  Bedeutung: 

1.  Die  Oxydation  der  Benzolkohlenwasserstoffe.  Alle  Homologen 
des  Benzols  können  durch  Oxydation  in  aromatische  Säuren  übergeführt  werden. 
Als  Seitenketten  vorhandene  Methylgruppen  werden  hierbei  einfach  in  Carboxyl- 
gruppen  übergeführt,  so  dass  Säuren  mit  ebenso  viel  Kohlenstoffatomen  entstehen, 
wie  im  Kohlenwasserstoff  vorhanden  waren,  also  aus  Toluol,  C^Hg-CHj,  die 
Benzoesäure,  CeHs-CO^H,  aus  Phenyltoluol,  CgHs-CgH^-CHj,  die  Diphenyl- 
carbonsäure,  CgH5»CgH4«COj|H.  Längere  Seitenketten  werden  fast  immer  so 
weit  zerstört,  dass  erst  das  letzte,  direkt  am  Benzolring  befindliche  Kohlenstoff- 
atom derselben  die  bleibende  Carboxylgruppe  bildet;  die  entstehenden  Säuren 
enthalten  also  weniger  Kohlenstoffatome,  als  die  ursprünglichen  Kohlenwasser- 
stoffe:   Propylbenzol,  CßHjCHj.CHj.CHj,  giebt  Benzoesäure,  CeHj.COjjH, 

CH  »CH 
Paradiäthylbenzol ,    ^^k^o^ . rji^ '     ^^^    Paramethylpropylbenzol    (Cymol), 


Aromatische  Säuren.  15 

CH 
^e^iCcH^-CH  «CH  '  8®^^^  ^^s  entsprechende  Dicarbonsäure  die  Terephtal- 

saure,  C«H4^(.q»h' 

Nur  in  Ausnahmefällen  gelingt  es,  die  Oxydation  einer  längeren  Seitenkette 
so  2U  beschränken,  dass  die  Carboxylgruppe  nicht  unmittelbar  an  den  Benzolring 
tritt       Solche    Fälle   liegen    vor   in    der    Oxydation    des  Propylisopropylbenzols, 

CH  »CH  «CH 
CftH^:^  CH.  ,    zur  sogen.  Homoterephtalsäure,    C-H.:^^^»;^^»^ 

(Paterno  u.  Spica,  Ber.  1877,  pag.  1746),  und  in  derjenigen  des  sjnnmetrischen 

/CHjCHs  .CO3H 

Triäthylbenzols,  CeHj  — CH3.CH3,  zur  Isophtalessigsäure,   C.Ho  — CO.H 

^CHa-CH,  ^CHj.COjH 

(Friedel  u.  Balsohn,  Bull.  soc.  chim.  [2]  34,  pag.  635). 

Beim  Vorhandensein  mehrerer  Seitenketten  in  den  Kohlenwasserstoffen  lassen 
sich  dieselben  durch  nicht  zu  energisch  wirkende  Oxydationsmittel  successive 
oxydiren,  so  dass  zunächst  einbasische,  dann  zweibasische  und  eventuell  mehr- 
basische aromatische  Säuren  erhalten  werden.     So  giebt  das  Mesitylen,  als  ein 

/CH3  /CO,H 

Trimethylbenzol,  CgHj  — CH3,  zunächst  Mesitylensäure,  C^Hj— CH3    ,  dann  Uvi- 
^CHj  ^CH, 

/COjH  /COjH 

tinsäure,  CgH,— COjH,  und  endlich  Trimesinsäure,  C^H,— CO^H,  das  Diäthyl- 
^CHj  ^COgH 

C  H  C  H 

benzol,  CgH^C^r^jj*»  zunächst  Aethylbenzoesäure,  CßH^CT^?)  |ji  dann  Terephtal- 

n  xj   --CO.H 
säure,  CgH4^(.Q>jj. 

Von  gleichzeitig  vorhandenen  Seitenketten  verschiedener  Länge  verfallen  die 

CH  »CH  »CH 
längeren  zuerst   der  Oxydation:    Cymol,  C6H4C^qtt*         *         ',    liefert  Para- 

CH  CO  H 

toluylsäure,  CgH4ClrQ*jj»  dann  Terephtalsäure,  CgH^dro^H* 

Von  Seitenketten  mit  gleich  viel  Kohlenstoffatomen  aber  von  verschiedener 
Constitution  werden  anscheinend  allgemein  die  verzweigteren  leichter  angegriffen, 
als  diejenigen  mit  normaler  Bindung,  welche  kein  Kohlenstoffatom  an  weniger 
als    zwei  Wasserstoffatome    gebunden    enthalten.     Das  p.  Propylisopropylbenzol, 

^CHj*  CHa'  CHj 
^e^4  v.r'xx^'^Hs  >  liefert  als  erstes  Oxydationsprodukt  Propylbenzoesäure, 

^^--CHj 
^  XT    .^CHj'CHj-CHj 

^6 «4  -^COjH 

Die  Basicität  der  als  Endprodukte  entstehenden  Säuren  zeigt  in  allen  Fällen 
die  Zahl  der  im  Kohlenwasserstoff  vorhanden  gewesenen  Seitenketten  an. 

Die  Halogen-  und  Nitrosubstitutionsprodukte  der  dem  Benzol  homologen 
Kohlenwasserstoffe,  sowie  die  Sulfosäuren  der  letzteren  lassen  sich  im  Allgemeinen 
durch  passend  gewählte  Oxydationsmittel  in  ähnlicher  Weise  oxydiren,  wie  die 

Kohlenwasserstoffe  selber.    Die  drei  Nitrotoluole,  C^H^^^jt*,  liefern  z.  B.  die 

jQ^O  * 

entsprechenden  drei  Nitrobenzoesäuren,  C^H^^pQ^j^. 


i6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Als  Oxydationsmittel  benutzt  man  zur  Darstellung  der  aromatischen  Säuren 
entweder  verdünnte  Salpetersäure,    oder  Chromsäure,   oder  Kaliumpermanganat 

Die  Wahl  unter  diesen  Oxydationsmitteln  hat  sich  nach  der  Natur  des 
Kohlenwasserstoffs  und  ausserdem  danach  zu  richten,  wie  weit  man  ihn  zu  oxy- 
diren  beabsichtigt.  In  ersterer  Beziehung  ist  zu  berücksichtigen,  dass  Kohlen- 
wasserstoffe mit  in  Orthosteilung  zu  einander  befindlichen  Seitenketten  nicht  die 
Anwendung  der  Chromsäure  erlauben,  weil  sie  durch  diese  vollständig  verbrannt 
zu  werden  pflegen.  Das  Ortho-Dimethylbenzol  (Orthoxylol)  z.  B.  lässt  sich  nicht 
durch  Chromsäure  zu  Phtalsäure  oxydiren,  sondern  wird  durch  diese  völlig  zer- 
stört. Bei  solchen  Kohlenwasserstoffen  lässt  sich  hingegen  verdünnte  Salpeter- 
säure oder  übermangansaures  Kalium  anwenden. 

Die  Anwendung  der  verdünnten  Salpetersäure  führt  bei  Kohlenwasser- 
stoffen mit  mehreren  Seitenketten  vorwiegend  zur  Bildung  einbasischer  Säuren 
und  ist  daher  zur  Darstellung  der  letzteren  gewöhnlich  in  erster  liinie  zu 
empfehlen,  wenn  auch  keineswegs  die  oxydirende  Wirkung  der  Salpetersäure  mit 
der  Bildung  jener  einbasischen  Säuren  ihre  definitive  Grenze  erreicht. 

Da  stärkere  Salpetersäure  wesentlich  nitrirend  wirken  würde,  wendet  man 
nur  etwa  10— löprocentige  Säure  an.  Diese  muss  anhaltend  mit  dem  Kohlen- 
wasserstoff" am  Rtickflusskühler  gekocht  werden.  Wenn  die  Siedhitze  nicht  er- 
reicht werden  soll,  darf  der  Kohlenwasserstoff"  nur  in  sehr  dünner  Schicht  die 
möglichst  grosse  Oberfläche  der  verdünnten  Salpetersäure  bedecken. 

Auch  bei  der  angegebenen  Verdünnung  ist  eine  Nitrirung  nicht  ganz  zu 
vermeiden,  so  dass  die  entstandenen  Säuren  von  Nitrosäuren  befreit  werden 
müssen.  Es  geschieht  dies  dadurch,  dass  man  die  rohe  Säure  mit  salzsaurer 
Zinnchlorürlösung  oder  mit  Zinn  und  Salzsäure  erhitzt  und  die  unangegriffene 
Säure,  resp.  das  Gemenge  verschiedener  einbasischer  Säuren,  im  Wasserdampt- 
strom  abdestillirt.  Die  aus  den  Nitrosäuren  entstandenen  Amidosäuren  bleiben 
an  Salzsäure  gebunden  im  Rückstand,  zusammen  mit  den  eventuell  als  Neben- 
produkt gebildeten  mehrbasischen  Säuren. 

Bei  der  Oxydation  durch  Chrom  säure  wendet  man  eine  Lösung  der  reinen 
Säure,  oder  gewöhnlicher  ein  Gemisch  von  dich  romsaurem  Kalium  und  Schwefel- 
säure an  (etwa  2  Thle.  Dichromat,  3  Thle.  Schwefelsäure  und  5  Thle.  Wasser) 
und  zwar  1  Mol.  Dichromat  auf  jede  zu  oxydirende  Methylgruppe.  Auch  hier 
muss  anhaltend  gekocht  werden.  Das  Verfahren  eignet  sich  vorzugsweise  für  die 
Fälle,  wo  nur  eine  Seitenkette  im  Kohlenwasserstoff  vorhanden  ist,  oder  wo  bei 
mehreren  vorhandenen  Seitenketten  (soweit  hier  nach  dem  oben  Gesagten  Chrom- 
säure überhaupt  anwendbar  ist)  mehrere  dieser  Seitenketten  oxydirt  werden  sollen. 

Die  Oxydation  durch  Kaliumpermanganat  hat  vor  der  Anwendung  der 
Salpetersäure  den  Vorzug,  dass  keine  Nebenprodukte,  wie  dort  die  Nitro- 
verbindungen entstehen;  gegen  die  Anwendung  der  Chromsäure  bietet  sie  den 
Vortheil,  dass  bei  Anwendung  berechneter  Mengen  des  Oxydationsmittels  in 
passenden  Verdünnungsgraden  und  durch  Einhalten  bestimmter  Temperaturen  es 
leichter  ist,  die  Oxydation  auch  beim  Vorhandensein  mehrerer  Seitenketten 
wesentlich  auf  die  Bildung  der  gewünschten  Produkte  zu  beschränken.  Selbst 
ziemlich  verdünnte  neutrale  Lösungen  des  Permanganats  wirken  in  der  Kälte 
oder  in  massiger  Wärme  noch  auf  die  Kohlenwasserstoffe  ein,  doch  ist,  wenn 
man  unter  Siedhitze  operiren  muss,  beständiges  oder  sehr  häufiges  Schütteln 
durchaus  erforderlich.     Auch  Orthoderivate  des  Benzols,  wie  Orthoxylol,  werden 


Aromatische  Säuren.  17 

durch  Kaliumpermanganat  in  neutraler  oder  alkalischer  Lösung  normal  oxydirt, 
ohne  wie  durch  die  Chromsäure  verbrannt  zu  werden. 

Wo  es  sich  um  die  Oxydation  kohlenstoffarmer  aromatischer  Säuren  zu 
mehrbasischen  handelt,  ist  die  Anwendung  des  Permanganats  in  schwach  alkalischer 
Lösung  unbedingt  jeder  anderen  Methode  vorzuziehen. 

Bei  allen  Oxydationsmitteln  ist  es  ein  wesentliches  Hindemiss  für  die  stufen- 
weise Oxydation  der  Kohlenwasserstoffe  mit  mehreren  Seitenketten ,  dass  die 
Kohlenwasserstoffe  sich  mit  dem  wässrigen  Oxydationsmittel  nicht  mischen,  während 
die  bereits  entstandenen  Säuren  sich  diesem  in  gelöster  Form  darbieten  und 
deshalb  leicht  weiter  angegriffen  werden.  Um  dieses  Hindemiss  zu  umgehen  ist 
es  in  vielen  Fällen  vortheilhaft,  die  Kohlenwasserstoffe  zunächst  in  die  Amide 
ihrer  Sulfosäuren  überzuführen,  diese  in  schwach  alkalischer  Lösung  mit  Kalium- 
permanganat bis  zu  dem  gewünschten  Grade  zu  oxydiren  und  aus  den  entstandenen 
Sulfaminsäuren  durch  Ueberhitzen  mit  Salzsäure  die  betreffenden  aromatischen 
Säuren  abzuspalten. 

2.  Die  Oxydation  der  aromatischen  Alkohole  und  Aldehyde  führt 
zu  den  aromatischen  Säuren,  wie  diejenige  des  Aethylalkohols  und  des  Acet- 
aldehyds  zur  Essigsäure.  Sie  findet  häufig  schon  freiwillig  an  der  Luft  statt. 
Als  Oxydationsmittel  eignet  sich  besonders  das  Kaliumpermanganat  oder  ge- 
schmolzenes Kaliumhydroxyd,  zu  welchem  der  Alkohol  oder  der  Aldehyd  all- 
mählich hinzugefügt  wird.  Man  ist  indess  selten  in  der  Lage,  diese  Verbindungen 
als  Ausgangsmaterial  für  die  praktische  Gewinnung  der  aromatischen  Säuren  zu 
benutzen. 

CcHsCHgOH  -f-  O,  =  CßHsCOjH  -h  HjO 
Benzylalkohol  Benzoesäure. 

CeHjCHO  -f-  O  «  C6H5.CO4H 

Benzaldehyd  Benzoesäure. 

3.  Die  Zersetzung  der  Nitrile  mit  Alkalien  oder  Säuren: 

CcHjCN  -+-  2H3O  =  CeHj-CO^H  -f-  NH, 
Benzonitril  Benzoesäure. 

CeH5.CH3.CN  -f-  2H3O  =  CeHj.CHgCOjH  -f-  NH3 

Benzylcyanid  Phenylessigsäure. 

Man  bewerkstelligt  die  Zersetzung  durch  Kochen  der  Nitrile  mit  concentrirter 
alkoholischer  Kalilauge  am  Rückflusskühler,  oder  wo  dieses  Verfahren  nicht  ge- 
nügt, durch  Erhitzen  mit  rauchender  Salzsäure  auf  200^. 

Diese  auch  in  der  Reihe  der  Fettsäuren  allgemein  anwendbare  Reaction 
gestattet  die  Darstellung  der  aromatischen  Säuren 

a)  aus  den  Sulfosäuren  der  um  ein  Kohlenstoffatom  ärmeren  Benzolkohlen- 
wasserstofTe,  insofern  die  Alkalisalze  jener  Säuren  beim  Erhitzen  mit  Cyankalium 
(V.  Merz,  Zeitschr.  f  Chem.  1868,  pag.  33)  oder  Blutlaugensalz  (Witt,  Ber.  1873, 
pag.  448)  die  Nitrile  liefern: 

C«H*  C  SO,K  +  <^NK  =  SO.K,  -f  C.H,  ^  gg» 

Toluolsulfosaures  Kalium  TolunitriL 

b)  Aus  den  in  der  Seitenkette  halogensubstituirten  Benzolkohlenwasserstoffen 

von  nächst  niedrigerem  Kohlenstoffgehalt  durch  Erhitzen  mit  alkoholischer  Lösung 

von  Cyankalium  (Cannizzaro,  Ann.  96,  pag.  247): 

CeHj.CHjCl  H-  CNK  =  C«Hb-CH,.CN  -+-  KCl 
Benzylchlorid  Benzylcyanid 

(Phenylessigsäurenitril). 

c)  Aus  den  Halogennitroderivaten  der  Benzolkohlenwasserstoffe.    Am  Benzol- 

LAmwBURC,  Chcmi«.    IL  2 


i8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

kern  selbst  halogensubstituirte  Kohlenwasserstoffe  zersetzen  sich  mit  Cyankalium 
oder  Blutlaugensalz  erst  in  sehr  hoher  Temperatur  und  auch  dann  nur  sehr  un- 
vollständißf.  Wenn  aber  ausser  dem  Halogen,  und  zwar  in  der  Para-  oder  der 
MetaStellung  zu  demselben,  auch  die  Nitrogruppe  am  Benzolring  vorhanden  ist, 
so  wird  diese  Nitrogruppe  durch  die  CN-Gruppe  verdrängt,  wenn  man  solche 
Benzolderivate  mit  Cyankalium  in  zugeschmolzenen  Röhren  erhitzt.  Man  gelangt 
also  zu  den  Nitrilen  halogensubstituirter  aromatischer  Säuren.  Die  CN-Gruppe 
nimmt  aber  in  diesen  nicht  dieselbe  Stellung  ein,  welche  die  Nitrogruppe  inne 
hatte,  sondern  eine  derselben  benachbarte  (v.  Richter,  Ber.  1871,  pag.  21;  1875, 
pag.  1418). 

^6^4  C  NO,  -^  CNK  =  CeH,^  g'^  +  NO,K 

Parabromnitrobenzol  MetabrombenzonitriL 

d)  Aus  den  Amidoderivaten  der  Benzolkohlenwasserstoife  von  nächst  niedri- 
gerem Kohlenstoffgehalt.  Diese  Aniline  werden  durch  Erhitzen  mit  Schwefel- 
kohlenstoff in  Sulfocarbanilide  (Schwefelh  am  Stoffe)  und  diese  durch  Kochen  mit 
rauchender  Salzsäure  in  die  Sulfocarbanile  (Senföle)  übergeführt,  welche  dann 
durch  Erhitzen  mit  Kupferpulver  entschwefelt  und  dadurch  in  die  Nitrile  ver- 
wandelt werden  (Weith,  Ber.  1873,  pag.  419).  Es  führt  so  z.  B.  die  folgende 
Reihe  von  Reactionen  von  den  Toluidinen  zu  den  Nitrilen  der  entsprechenden 
Toluylsäuren: 

or  w  -^^^3    i_  pc    poj/NH'C^H^-CHj   ,   tt  c 

2^6W4\NHjj  "^  ^^»  -  ^^vNH.CßH^.CHg  "^  ^a^ 
Toluidin  Ditolylschwefelhamstoff. 

^^v^NHCßH^-CHa"^*^^^  — ^6^*\NHa.HCl"*"^6"*\NCS 
Ditolylschwefelhamstoff  Salzsaures  Toluidin  Tolylsenföl. 

C6H4CSCS  +  Cu,  =  Cu,S  +  C,H,^  gg3 

Tolylsenföl  Tolunitril. 

Als  einen  zweiten  Weg  zur  Ueberfiihrung  der  Aniline  in  Nitrile  kann  man. 

ihre  Umwandlung   (z.  B.    durch  Einwirkung   von  Chloroform    und   alkoholische 

Kalilauge,  Hofmann,  Ber.  1877,  pag.  1096)  in  die  Carbylamine  benutzen,  welche 

sich  bei  längerem  Erhitzen  über  200°  in  die  isomeren  Nitrile  umsetzen: 

CgHäNH,  4-  CHCI3  +  3K0H  =  CgHg.NC  -+-  3KC1  -h  3H,0 
Anilin  Chloroform  Phenylcarbylamin. 

QHj-NC  =  CgH,.CN 

Phenylcarbylamin      Bensonitril. 

4.  Schmelzender  Alkalisalze  von  Sulfo  Säuren  aromatischer  Kohlen- 
wasserstoffe mit  ameisensaurem  Natrium  (V.  Meyer,  Ber.  1870,  pag.  112). 

CßHj.SOaK  -h  CHOgNa  =  SO3KH  -h  CgHg.COjNa 
Benzolschwefels.  Kalium  Benzoes.  Natrium. 

5.  Einwirkung    von    Kohlensäure    und    Natrium    auf   die    brom- 

substituirten   aromatischen  Kohlenwasserstoffe.     Die   letzteren   werden 

mit   Benzol    verdünnt   und   während    des    Durchleitens   der   nicht   getrockneten 

Kohlensäure   unter  allmählichem  Eintragen  des  Natriums  im  Wasserbade  erhitzt 

(KEKULfi,  Ann.  137,  pag.  178) 

CgHjBr  H-  CO2  -f-  Na,  =  CßHg.COjNa  H-  NaBr 
Monobrombenzol  Benzols.  Natrium. 

CH  CH 

CßH^-CHl  -f-  COj  H-  Naj  =  CgHs-CH,      -h  NaBr 

""^Br  "^COjNa 

Monobromxylol  Xylylsaures  Natrium. 


Aromatisclie  Säuren.  19 

6.  Einwirkung  von  Chlorkohlenoxyd  und  Aluminiumchlorid  auf 
Benzolkohlenwasserstoffe  und  Behandeln  mit  Wasser. 

Nur  im  direkten  Sonnenlicht  wirkt  Chlorkohlenoxyd  auf  dampfförmiges  Benzol 
ein  und  bildet  nach  der  Gleichung  CgH«  +  COClj  =  HCl  -f-  CgH^-COCl  Benzoyl- 
chlorid,  welches  mit  Wasser  Salzsäure  und  Benzoesäure  liefert  (Harnitzky,  Ann.  132, 
pag.  72).  Leicht  verläuft  dieselbe  Reaction  schon  in  der  Kälte  oder  in  massiger 
Wärme  bei  Gegenwart  von  Aluminiumchlorid.  Da  unter  dem  Einfluss  des  letzteren 
aus  Benzoylchlorid  und  noch  unverändertem  Benzol  Benzophenon  entsteht,  so 
hängt  es  von  den  Versuchsbedingungen  ab,  ob  man  erhebliche  Mengen  des 
Säurechlorids  oder  ob  man  als  Hauptprodukt  dieses  Keton  erhält.  Die  Homologen 
des  Benzols  geben  dieselbe  Reaction  (Friedel,  Grafts  und  Ador,  Ber.  1877, 
pag.  1854;  Ador  und  Meyer,  Ber.  1879,  P^g-  1968). 

7.  Einwirkung  von  Chlorkohlensäureäther  und  Natriumamalgam 

auf  bromirte  oder  chlorirte  Benzolkohlenwasserstoffe  und  Verseifung 

der  entstandenen  Aether  (Wurtz,  Ann.  Suppl.  7,  pag.  124). 

CgHftBr  -+-  ClCOj.CjHg  H-  Na,  =  CßHjCOa.CjHs  -f-  NaCl  -h  NaBr 
Monobrombenzol     Chlorkohlens.  Aethyläther        BenzoSsäure-Aethyläther. 

Man  verwendet  etwa  1  proc.  Natriumamalgam  und  erhitzt  auf  100—110°. 
Die  Reaction  ist  ganz  allgemein  anwendbar. 

8.  Erhitzen  der  aromatischen  Aldehyde  mit  den  Chloriden,  oder 

besser  den  Anhydriden  der  Fettsäuren,  in  letzterem  Falle  bei  Gegenwart 

der   entsprechenden    trocknen    Natriumsalze  (Bertagnini,    Ann.   100,    pag.   125. 

Perejn,  Chem.  soc.  J.  1877,  I,  pag.  388).    Es  entstehen  aromatische  Säuren  mit 

ungesättigter  Seitenkette,  aus  denen  durch  nascirenden  Wasserstoff  (Wasser  und 

Natriumamalgam   oder  Jodwasserstoff  und  Phosphor)   auch   die  entsprechenden 

gesättigten  Verbindungen  erhalten  werden  können: 

CeHjCHO  -+-  CH3.COCI  =  CßHjCHrCH.COCl  -h  H^O 
Benzaldehyd  Acetylchlorid  Chlorid  der  Zimmtsäure. 

2CeH6.CHO  -h  ch'^CO^^  =  ^C^H^CUiCH-CO^H  -h  H^O 
Benxaldehyd        Essigsäureanhydrid  Zimmtsäure. 

CßH5.CH:CH.C02H-f-H3  =  CgH5.CH,.CH,.COaH 

Zimmtsäure  Hydrozimmtsäure 

(Phenylacrylsäure)  (Phenylpropionsäure). 

Nach  neueren  Erfahrungen  (Oglialoro,  Gazz.  chim.  ital.  8,  pag.  429;  9, 
pag.  428,  533;  10,  pag.  481,  FiTTiG,  Ber.  1881,  pag.  1826)  findet  übrigens  die 
Reaction  bei  Anwendung  von  Anhydriden^  wenigstens  in  vielen  Fällen,  nicht 
zwischen  diesen  Anhydriden  und  dem  Aldehyd  statt,  sondern  zwischen  dem 
Aldehyd  und  dem  zugesetzten  Natriumsalz,  während  das  Anhydrid  nur  als  wasser- 
entziehendes Mittel  wirkt  Wird  z.  B.  Benzaldehyd  mit  trocknem  phenylessigsaurem 
Natrium  und  Essigsäureanhydrid  am  Rückflusskühler  anhaltend  auf  150—160° 
erhitzt,  so  entsteht  nicht  Zimmtsäure,  sondern  Phenylzimmtsäure  (Oglialoro): 

C.Hj.CHO  -f-  C.Hs.CHj.COjNa «  CeHj-CHrCdco^^a  "^  ^s^' 
Mit  bemsteinsaurem  Natrium  und  Essigsäureanhydrid  erhitzt,  giebt  der  Benz- 
aldehyd   ebenfalls   nicht   Zimmtsäure,    sondern   Phenylisocrotonsäure   und   eine 
Lactonsäure  von  der  Formel  CjiHioO^: 

CeH5.COH-hC08H.CH,.CH8.C03H=CgH5.CH:CH.CH,.C03H-f-COjH-H20 
Bencaldehyd  Bemsteinsäure  Phenylisocrotonsäure 

und 


20  Handwörterbuch  der  Chemie. 

C6H5.COH-f-CO,H.CHj.CHj.CO,H:=CeH5.CH.O.CO.CH8 

(LactODSfture  CjiHi^jO^). 
Der  Mechanismus  des  Vorgangs  bei  der  FERKiN'schen  Synthese  wird  von 
FiTTiG  (vergl.  auch  Ann.  216,  pag.  97  u.  115  u.  Ber.  16,  pag.  1436)  so  gedeutet^ 
dass  zunächst  eine  Condensation  nach  Art  der  WuRxz'schen  Aldolbildung  statt- 
findet, aus  Benzaldehyd  und  essigsaurem  Natrium  z.  B.  zunächst  eine  Phenylmilch- 
säure  entsteht: 

CeHgCHO  -h  CHjCOjH  =  CeH5.CH(0H).CH,.C0,H, 
aus  welcher  sich  dann  durch  Wasserabspaltung  die  Zimmtsäure  bildet: 
CeH5.CH(0H).CH,.C0aH  ==  H^O  4-  CßHjCHiCH.COjH. 

9.  Einwirkung   von  Natrium   auf  die  Benzyläther  der  Fettsäuren 

CnH2n02  (CONRAD,  Ann.  193,  pag.  2.98).     Es  entsteht  der  Benzyläther  derjenigen 

aromatischen  Säure,  deren  Seitenkette  n  H-  1  KohlenstofFatome  enthält: 

2CH,CO,.CH,.C6H5-hNa  =  CeH5.CH3.CH,.C08.CHj.CeH5-i- 
Essigsäure-Benzyläther  Hydrozimmtsäure-Benzyläther 

CHaCOjNa  +  H 

Essigs.  Natrium. 

Als  Nebenprodukte  bilden  sich  gewöhnlich  durch  weitere  Einwirkung  des 
Natriums  auf  diese  Benzyläther  ungesättigte  Säuren  und  Benzolkohlenwasserstofife : 
C6H-CH2.CH2-C02.CHj-CßH54-Na=C6H5.CH:CH.CO,Na-HCeH5.CH3-l-H 

Hydrozimmtsäure-Benzyläther  Zimmtsaures  Natrium  ToluoL 

10.  Einwirkung  von  Benzylchlorid  auf  die  Natriumderivate  des 
Acetessigäthers,  anstatt  deren  man  auch  direkt  das  Produkt  der  Einwirkung 
von  Natrium  auf  Essigäther  verwenden  kann  (L.  Sesemann,  Ber.  1873,  pag.  1086). 
Es  entstehen  benzylirte  Acetessigäther,  deren  Säuren  sich  beim  Verseifen  mit 
concentrirter  Kalilauge  wesentlich  in  Essigsäure  und  benzylirte  Essigsäuren  spalten: 

CHa.CO.CHNa.COa.C2H5^-C6H5.CH2Cl=CH3.CO.CHC:cS^'c*HVNaCl 
Natriumacetessigäther  Benzylchlorid  BenzylacetessigäÄer. 

ch3.co.chc;^q3;^«J}«-*-2KOh==c«H5.ch,.ch,-co,k 

Benzylacetessigäther  Beuzylessigsaures 

(hydrozimmtsaures)  Kalium 

+  CHj.COjK  +  CaHj.OH 

Essigsaures  Kalium  Alkohol. 

AusDinatriumacetessigäther  erhält  man  in  gleicherweise  dieDibenzylessigsäure. 

Der  Benzylacetessigäther  lässt  sich  durch  Natriumäthylat  in  Natriumbenzyl- 
acetessigäther  und  dieser  durch  Methyljodid  in  Methylbenzylacetessigäther  über- 
führen.   Der  letztere  spaltet  sich  bei  der  Verseifung  wieder  nach  der  Gleichung: 

CH.CO.C-CHgCeHj  +  2K0H  =  CeH5.CH,.CHc:SJ?V-f-CH..COoK 

\    ppi  p      TT  ^^^    ^^UjÄ. 

w  .V  iu        1*    :  ^  •  l*v  Methylbenzylessigsaures  -hC^Hc-OH 

Methylbenzylacetessigäther  (p-Phenyl-isobuttersau^s)  Kalium.    ^'^>"»   ^"^ 

(Conrad,  Ber.  1878,  pag.  1056),  so  dass  sich  die  Reaction  auch  zur  Gewinnung 
aromatischer  Säuren  mit  verzweigter  Scitenkette  benutzen  lässt. 

Umwandlungen.    Derivate. 

Die  näheren  Derivate  der  aromatischen  Säuren  können  sich  von  diesen  durch 
Veränderungen  im  Benzolkern  oder  durch  Veränderungen  in  den 
Seitenketten  ableiten. 

I.   In  ersterer  Beziehung  können  im  Allgemeinen  die  Wasserstoffatome  des 


Aromatische  Säuren.  21 

Benzolrestes  durch  dieselben  Atome  und  Atomgruppen  ersetzt  werden,  wie  in 

dem  Benzol  und  seinen  Homologen. 

Es  existiren  also  Chlor-,  Brom-,  Jod-,  Nitroderivate,  die  zu  den  entsprechend 

substituirten  Kohlenwasserstoffen  in  derselben  Beziehung  stehen,  wie  die  nicht 

substituirten  Säuren  zu  den  Kohlenwasserstoffen: 

CeHj.CH,       Toluol,  CßHj.COjH      Benzoesäure. 

--  Cl  Cl 

Ci;H4,^PTT     Monochlortoluol,       CßH^  CT^q  tt  Monochlorbenzoesäure. 

Dem  entsprechend  entstehen  sie  durch  Oxydation  der  substituirten  Kohlen- 
wasserstoffe, wie  die  nicht  substituirten  Säuren  aus  den  Kohlenwasserstoffen. 

Einen  zweiten  Weg  zu  ihrer  Gewinnung  bietet  die  direkte  Einwirkung  der 
Halogene  resp.  der  Salpetersäure  auf  die  fertigen  aromatischen  Säuren. 

Chlor  und  Brom  wirken  übrigens  viel  weniger  energisch  auf  die  Säuren  ein, 
als  auf  die  entsprechenden  Kohlenwasserstoffe  oder  führen  unter  gleichen  Be- 
dingungen zu  weniger  hoch  substituirten  Produkten.  Jodsubstitutionsprodukte 
erhält  man  überhaupt  nicht  auf  direktem  Wege.  Die  Nitrirung  findet  durch 
fauchende  Salpetersäure  in  der  Kälte  oder  durch  gewöhnliche  Salpetersäure  in 
der  Hitze  meistens  sehr  leicht  statt. 

Die  Substitutionsprodukte,  welche  man  auf  dem  zweiten  Wege  erreicht,  sind 
nicht  immer  identisch,  sondern  häufig  nur  isomer  mit  den  nach  der  ersten 
Methode  dargestellten,  d.  h.  die  Halogene  und  die  Nitrogruppe  treten  bei  direkter 
Sabstituirung  oft  in  eine  andere  Stellung  zu  dem  Carboxyl,  als  bei  Substituirung 
in  die  Kohlenwasserstoffe  zu  der  betreffenden  Seitenkette.  Während  z.  B.  bei 
der  substituirenden  Einwirkung  auf  Kohlenwasserstoffe  mit  einer  Seitenkette  vor- 
wiegend Paraderivate  und  nebenher  Orthoderivate  entstehen,  gelangen  Chlor, 
Brom  und  die  Nitrogruppe  beim  Eintritt  in  die  fertige  Benzoesäure  wesentlich  in 
die  MetaStellung  zum  Carboxyl.  Enthält  indess  die  aromatische  Säure  ausser  der 
Carboxylgruppe  noch  Alkyl-Seitenketten,  so  kann,  wie  z.  B.  bei  der  Metatoluyl- 
säure,  die  Stellung  der  eintretenden  Substituenten  auch  durch  diese  Alkylgruppen, 
anstatt  durch  die  Carboxylgruppe  bestimmt  werden. 

Beim  Nitriren  einer  aromatischen  Säure,  die  eine  längere  saure  Seitenkette 
enthält,  tritt  die  Nitrogruppe  in  die  Para-  und  Orthostellung  zu  dieser,  doch  kann 
auch  hier  das  Vorhandensein  anderweitiger  Seitenketten  das  Resultat  abändern. 

Durch  Einwirkung  von  nascirendem  Wasserstoff*  werden  aus  den  halogen- 
substituirten  Säuren  die  Säuren  selbst  regenerirt,  aus  den  Nitrosäuren  die  betr. 
Amidosäuren  gebildet: 

^6^4  C  cOjH  "^  ^^»  ^  ^«^*  -^  COjH  "*■  2^2^ 
NitrobeDzoesäure  Amidobenzoesäure. 

Die  letztere  Reaction  entspricht  der  UeberfÜhrung  der  nitrirten  Benzolkohlen- 
wasserstoffe in  die  Aniline.  Wie  aus  diesen  Anilinen  werden  auch  aus  den 
amidirten  Säuren  durch  salpetrige  Säure  Diazoverbindungen  resp.  Diazoamido- 
verbindungen  erzeugt: 

^NHj.NOjH  ^N:N.NO,  ^ 

Salpeters.  AmidobenzoSsäure  Salpeters.  DiazobenzoSsäure. 

*C.H.C  2?^  +  NO.H  _  C.H.  C^Ö^Ä'"''^*"' ■*'°'"  +  »H.0 

Amidobenzoesäure  Diazoamidobenzogsäure. 

Die  Analogie   erstreckt  sich  auch  auf  die  Bildung  von  Azoxy-,   Azo-  und 


22  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Hydrazosäuren,  sowie  auf  die  weiteren  Umsetzungen  dieser  Derivate.  Beim 
Kochen  der  Diazoamidosäuren  mit  Halogenwasserstoflfsäuren  entstehen  halogen- 
substituirte  Säuren  und  die  Amidosäuren: 

Diazoamidobcnzögsäure 

^6^4  -.  CO2H  "^  ^«^*  --^  CO3H         "^  ^a 

Brombenzoesäure  Bromwasserstofisaure 

AmidobenzoSsäure. 

Beim    Kochen    mit   Wasser    liefern   die   Diazoderivate   hydroxylirte   Säuren 

(Phenolsäuren): 

CeH,  C  CO^H^^'  +  H,0  =  CeH,  C  c?,H  +  NO,H  4-  N, 

Salpetersaure  Oxybenzoesäure. 

Diazobenzoesäure 

Mit  Schwefelsäure  bilden  die  aromatischen  Säuren  Sulfosäuren: 
CeH,:;;^*^8      4.SO4H,  «CeHj^CH,     -f-HjO 

UUjH  \   COgH 

Toluylsäure  Sulfotoluylsäure. 

Auch  dieses  Eintreten  des  Schwefelsäurerestes  findet  weniger  leicht  statt, 
als  bei  den  Kohlenwasserstoffen,  so  dass  gewöhnlich  entweder  die  Anwendung 
von  Schwefelsäureanhydrid  oder  längeres  Erhitzen  mit  rauchender  Schwefelsäure 
erforderlich  ist.  Die  SOgH-Gruppe  scheint  hierbei  unter  allen  Umständen,  auch 
beim  Vorhandensein  von  Alkyl-Seitenketten,  wesentlich  in  die  Metastellung  zum 
Carboxyl  zu  treten,  wenn  diese  Stellung  nicht  anderweitig  besetzt  ist. 

Die  Sulfosäuren  der  Benzolkohlenwasserstoife  liefern  bei  der  Oxydation  eben- 
falls Sulfoderivate  der  aromatischen  Säuren,  und  zwar  häufig  Isomere  der  direkt 
dargestellten. 

In  der  Kalischmelze  geben  die  Sulfosäuren  (und  ebenso  die  halogen- 
substituirten  Säuren)  Phenolsäuren: 

CeH^  C  co' K  -^  2K0H  =  CgH^  C  cO  K  "^  SOjK^  4-  H,0    • 
SulfobenzoSsaures  Kaliumsalz  der 

Kalium  Oxybenzoesäure. 

Durch  Addition  von  Wasserstoff"  an  den  Benzolrest  können  aus  aromatischen 
Säuren  beim  Behandeln  mit  Natriumamalgam  sogen.  Hydro  säuren  entstehen, 
welche  sich  von  den  di-,  tetra-  oder  hexahydrirten  Benzolkohlenwasserstoffen 
ableiten.  Die  Wasserstoffaddition  findet  nur  schwierig  statt  bei  den  einbasischen 
Säuren  (Bildung  von  Hydrobenzoesäure  aus  der  Benzoesäure),  leicht  bei  manchen 
mehrbasischen  (wie  Phtalsäure,  Pyromellithsäure,  Mellithsäure). 

IL  Eine  zweite  Klasse  von  Umwandlungen  der  aromatischen  Säuren  besteht 
in  Veränderungen  der  Seitenketten.  Diese  können  eintreten:  1.  in  den 
Carboxyigruppen  selber,  2.  in  dem  übrigen  Theil  längerer,  carboxylhaltiger  Seiten- 
ketten, 3.  in  Kohlenwasserstoffseitenketten,  die  ausser  jenen  carboxylhaltigen  am 
Benzolring  vorhanden  sind.  Mit  Ausnahme  der  letzten  Art  stimmen  solche  Ver- 
änderungen natürlich  durchaus  mit  denjenigen  tiberein,  die  man  auch  an  nicht 
aromatischen  Säuren  beobachtet 

1.  Zu  den  Veränderungen  der  ersten  Art  gehören  ausser  denjenigen,  bei 
welchen  nur  der  Wasserstoff*  der  Carboxyigruppen  ersetzt  wird  (Salz-  und  Aether- 
bildung)  solche,  welche  sich  auch  auf  den  Sauerstoff  dieser  Gruppen  erstrecken, 
wie  die  Bildung  der  Aldehyde,  der  Säurechloride,  Amide,  Nitrile,  Thiosäuren  etc. 


Aromatische  Säuren.  23 

Die  Anhydride  entstehen,  ganz  wie  diejenigen  der  Fettsäuren,  bei  Einwirkung 
der  Säurechloride  auf  die  Salze  der  Säure: 

CeHj-COCl  -f-  CeHj.COjK  =  c^JJ^CO^^  "*"  ^^^ 

Benzoylchlorid        Benzoes.  Kalium  Benzoesäureanhydrid. 

Mehrbasische  aromatische  Säuren  bilden,  falls  nicht  in  der  Hitze  Kohlen- 
säure abgespalten  wird,  beim  Erhitzen  für  sich  oder  mit  wasserentziehenden 
Mitteln  (Schwefelsäure.  Acetylchlorid)  Anhydride,  indess  nur  so  weit  sie  die  Car- 
boxylgruppen  in  Orthostellung  zu  einander  enthalten: 

C6H4  d  CO^H  =  ^6^*  ^  CO  ^^  ^  ^2^ 
Phtalsäure  Phtalsäureanhydrid. 

^CO,H  .COjH 

CeHj  ^  CO,H  =  CßHj  ^  CO  ^^  -f-  H,0 

Trimellitbsäure  Trimellithsäureanbydrid. 

In   Aldehyde    können   die   aromatischen  Säuren   durch  Destillation   ihrer 

Calciumsalze  mit  ameisensaurem  Calcium  übergeführt  werden: 

(C6H5.COj)aCa  -h  (CUO^)^Csl  =  2CeH5.CHO  H-  2C0jCa 
BenzoSs.  Calcium  Benzaldehyd. 

Mit   den  Salzen   der  höheren  Fettsäuren   entstehen   in  gleicher  Weise   die 

gemischten   Ketone,    in   welchen   die  CO-Gruppe    eine  Alkylgruppe   mit  dem 

Benzolrest  verknüpft: 

(CeH^.COOaCa  4-  (CH3.C0,),Ca  =  2C6H5.CO.CHj  -h  2C03Ca 
Benzoes.  Calcium  Essigs.  Calcium  Methylphenylketon 

(Acetophenon). 

(C6H-CH3.COj),Ca4-(CH8.COj)5Ca  =  2C6H5.CH^.CO.CH,  -h  2C03Ca 
Phenjiessigs.  Calcium  Essigs.  Calcium  Methylbenzylketon. 

Für  sich  oder  zu  mehreren  destillirt  liefern  die  Calciumsalze  der  aromatischen 

Säuren  neben  den  Benzolkohlenwasserstoffen  Ketone  mit  zwei  gleichartigen  oder 

ungleichartigen  aromatischen  Resten: 

2(C^U^'C0^)^Cb,  =  2C6H5.CO.CeH5  4-  2C0aCa 
Benzoesaures  Calcium  Diphenylketon 

(Benzophenon). 

(C6H5.C02),Ca  4-  (C6H^.CH3.C02),Ca  =^  2C6H,.CO.C6H4.CH,  -h  2C03Ca 
Benzoes.  Calcium  Toluylsaures  Calcium  Phenyltolylketon. 

Derartige  Ketone  geben  die  aromatischen  Säuren  (oder  ihre  Anhydride)  auch, 

wenn  man  sie  mit  Benzolkohlenwasserstoffen  und  Phosphorsäureanhydrid  auf  200^ 

erhitzt  (KoLLARrrs  u.  Merz,  Ber.  1873,  pag.  446,  536): 

CgHg.COjH  -4-  CgHg  -4-  P^Os  =  CgH^.CO.CgHj  ^  2PO3H 
Benzoesäure  Benzol  DiphenylketoiL 

Indirekt  durch  Wasserstoffaddition  zu  den  Aldehyden,  theilweise  auch  direkt 

durch  Einwirkung   von   nascirendem  Wasserstoff  auf  die  Säuren  selbst  können 

diese  in  die  entsprechenden  aromatischen  Alkohole  übergeführt  werden: 

CgHj.CHO  -h  Hj  =  CßHßCHjOH 
Benzaldehyd  Benzylalkohol. 

CgHs-COsH  -f-  2Hj  =  CgHg.CHjOH  -h  H^O 
Benzoesäure  Benzylalkohol. 

Die  Addition  von  Wasserstoff  zu  den  Ketonen  führt  zu  den  secundären 
Alkoholen: 

CßHj.CO.CHs  4-  Hj  =  C6H5.CH(OH).CH3 
Acetophenon  Secund.  Phenyläthylalkohol. 

Werden  aromatische  Säuren  mit  Phosphorpentachlorid  oder  ihre  Salze  mit 
Phosphoroxychlorid  erhitzt,  so  entstehen  die  Säurechloride: 


24  Handwörterbuch  der  Chemie. 

CeHj.COjH  -f-  PClß  =  CeHs-COCl  -4-HCl  4-  POCl,, 

2C6Hr.CO,K  -f-  POCla  ==  SCgHß.COCl  -H  PO3K  -h  KCl 
Benzoes.  Kalium  Benzoylchlorid. 

Die  Ueberftihrung  der  aromatischen  Säuren  in  ihre  Amide  geschieht  meistens 

durch  Behandlung  ihrer  Chloride  oder  Bromide  mit  Ammoniak  oder  kohlensaurem 

Ammoniak,  oder  durch  Erhitzen  ihrer  Aether  mit  Ammoniak: 

CeH,.COCl  -h  2NHj  =  C^HgCCNHj  4-  NH^Cl 

Benxoylchlorid  Benzamid. 

CgHB.COj.CjHj  4-  NHa  =  CeHj.CO.NHj  4-  CaH^-OH 

Benzols.  Aethyläther  Benzamid. 

Aus   den  Amiden  und  aus  den  Ammoniaksalzen  der  aromatischen  Säuren 

entstehen  beim  Erhitzen  derselben  für  sich  oder  mit  wasserentziehenden  Mitteln 

(Phosphorsäureanhydrid,  Phosphorpentasulfid,  Zinkchlorid)  die  Nitrile: 

CßHj.CONH,  =  C^H^CN  4-  HjO 
Benzamid  Benzonitril. 

Sie  können  als  Cyanderivate  der  um  ein  Kohlenstoifatom  ärmeren  Benzol- 
kohlenwasserstoffe angesehen  werden  und  dienen,  aus  diesen  dargestellt,  vielfach 
zur  Synthese  aromatischer  Säuren. 

Die  Säurechloride  geben  mit  Kaliumsulfid  Thiosänren: 

CeH^.COCl  4-  K,S  =  CeHß.COSK  4-  KCl 

Benzoylchlorid  Thiobenzoes.  Kalium. 

2.  Wenn  die  Carboxylgruppe  sich  in  den  aromatischen  Säuren  nicht  unmittel- 
bar am  Benzolrest,  sondern  am  Ende  einer  längeren  Seitenkette  befindet,  so  ist 
bei  Einwirkung  von  Chlor  oder  Brom  ausser  einer  Substitution  im  Benzolrest 
auch  eine  solche  in  dieser  Seitenkette  möglich: 

CeH5.CHj.COjH  CßH^BrCHj.COjH  C^HR.CHBr.COjH 

Phenylessigsäure  Bromphenylessigsäure  Phenylbromessigsäure. 

Die  Substitution  findet  vorzugsweise  im  Benzolrest  statt,  wenn  die  Halogene 
in  der  Kälte,  dagegen  in  der  Seitenkette,  wenn  dieselben  in  der  Hitze  auf  die 
Säuren  einwirken. 

Die  in  die  Seitenkette  eingetretenen  Halogenatome  sind  in  gleicher  Weise 
der  Ersetzung  durch  einwerthige  Atomgruppen  fähig,  wie  in  den  chlorirten  Säuren 
der  Essigsäurereihe.  Durch  Einwirkung  von  Alkalien  auf  derartig  monosubstituirte 
aromatische  Säuren  entstehen  also  aromatische  Alkoholsäuren,  durch  Ein- 
wirkung von  Ammoniak  phenylirte  Amidosäuren: 

CgH8.CH(0H).C0jH  =  Phenylglycolsäure  (Mandelsäure), 
C6H5.CH(NH),.COjH  =  Phenylamidoessigsäure. 

Durch  Oxydation  der  Alkoholsäuren  mittelst  Salpetersäure  können  Keton- 
säuren  entstehen,  wie  z.  B.  aus  der  Mandelsäure  die  Benzoylameisensäure, 
CeHj.COCOjH. 

Wenn  die  saure  Seitenkette  eine  CH-Gruppe  enthält,  so  kann  durch  Oxyda- 
tion mittelst  Kaliumpermanganats  direkt  Hydroxyl  an  die  Stelle  des  tertiären 
Wasserstoffatoms  gebracht  werden.     Es  gelingt  so  z.   B.  die  UeberfÜhrung  der 

Hydratropasäure,  CßH^-CH  C]  qq'h  »n  Atrolactinsäure,  CgHsCOHC;  ^q»j^. 
Bei  Seitenketten  von  mehr  als  zwei  Kohlenstoffatomen  existiren  ausser  den 
gesättigten  Säuren  wasserstoffärmere,  die  durch  nascirenden  Wa.sserstoflf 
(Natriumamalgam)  in  jene  gesättigten  Säuren,  durch  Halogenwasserstoffsäuren  in 
deren  Monosubstitutionsprodukte  tibergeführt  werden  können: 

CeHa.CHiCHCOgH  4-  HBr  =  CßHftCHj.CHBrCOjH 

Zimmtsäure  (Phenylacrylsäure)  a-Bromhydrozimmtsäure. 


Aromatische  Säuren.  25 

Die  letzteren  geben  beim  Erhitzen,  resp.  beim  Erhitzen  mit  Alkalien  wieder 
die  wasserstof!anneren  Säuren: 

CeHsCH^CHBrCOjH  =  CeHsCHiCH.COjH  -h  HBr 

oc-Bromhydrozimmtsäure  Zimmtsäure. 

In  gleicher  Weise  können  die  Monosubstitutionsprodukte  dieser  wasserstofi- 

ärmeren  Säuren  noch  wasserstoflärmere  liefern: 

CgHjCHrCBrCOjH  =  CßHj.C-CCOjH  -f-  HBr 
Bromzimmtsäare  PheDylpropiolsäure. 

Die   Einführung    weiterer    aromatischer   Kohlenwasserstoflfreste   in    längere, 

saure  Seitenketten   aromatischer   Säuren    gelingt   durch  Erhitzen    der   in   diesen 

Seitenketten  bromsubstituirten  Säuren  mit  Benzolkohlenwasserstofifen  und  Zinkstaub 

(ZiNCRE  u.  Symons,  Ber.  1873,  pag.  1188): 

CeHsCHBrCOjH  -f-  C^Hß  =  CgH.CHC  ctfk  "^  ^^^ 

Phenylbromessigsäure  Benzol  Diphenylessigsäure. 

CeHj.CHBrCOjH  H-  CeHj-CHa  =  CßHj.CHC;  ccTh^^*  '^  ^^' 
Phenylbromessigsäure  Toluol  Tolylphenylessigäüire. 

3.  Sind  ausser  den  carboxylhaltigen  Seitenketten  noch  KohlenwasserstofT- 
ketten  vorhanden,  so  lassen  sich  diese,  wie  in  den  entsprechenden  aromatischen 
Kohlenwasserstoffen  selber,  oxydiren,  wodurch  die  sie  enthaltenden  aromatischen 
Säuren  in  mehrbasische  tibergeführt  werden: 

C,H3  ^  CH,  CeHa  ^  CO^H  C«H,  ^  CO,H 

^CO,H  ^COjH  ^COjH 

Mesitylensäure  Uvitinsäure  Trimesinsäure. 

in.  Von  tiefer  greifenden  Veränderungen  der  aromatischen  Säuren 
haben  diejenigen  ein  allgemeineres  Interesse,  bei  welchen  ohne  Zerstörung  des 
Benzolkems  eine  Abspaltung  oder  ein  Hinzutreten  von  Carboxylgruppen  stattfindet 

Aus   allen   aromatischen  Säuren   werden  die  Carboxylgruppen  abgespalten, 

wenn  man  die  Salze  der  Säuren  mit  Alkalien,  alkalischen  Erden,  oder  besser 

mit  Natronkalk  stark  erhitzt     Es  entstehen  kohlensaure  Salze  und  aromatische 

Kohlenwasserstoffe,  deren  Bildung  auf  diesem  Wege  ganz  der  Entstehung  des 

Methans  aus  essigsauren  Salzen  entspricht: 

CeHr,.COaK  -h  KOH  =  COjKa  -h  CgH« 
Benzol.  Kalium  Benzol. 

/CH3 
CeH,-COaK  -h  2K0H  =  2CO8K2  H-  CeHj-CH, 
"^COjjK 
Uvitins.  Kalium  ToluoL 

CrCCOsK)^  -h  6KOH  =  eCOjKj  H-  CgH« 
Melliths.  Kalium  BenzoL 

CeHj.CHj.COjK  -h  KOH=  CO3K,  H-  CgHs-CH, 
Phenylessigs.  Kalium  Toluol. 

CeHj.CHrCHCOgK  -h  KOH  =  COjK,  -h  CgHs^CHiCH, 
Zimmtsaures  Kalium  Styrol. 

Bei  Säuren,  welche  mehrere  Carboxylgruppen  enthalten,  kann  diese  Reaction 
durch  Einhalten  bestimmter  Bedingungen  mitunter  so  geleitet  werden,  dass  nicht 
alle  jene  Gruppen  abgespalten,^  dass  also  nicht  Kohlenwasserstoffe,  sondern  aro- 
matische Säuren  geringerer  Basicität  gebildet  werden: 
^  Cd   ^ 
SCgH^C  co'^  ^*  "*-  Ca(C>H)8  =  (C6H5.COs),Ca  -h  SCOjCa 

Phtalsaures  Calcium  BenzolSs.  Calcium. 


36  Handwörterbuch  der  Chemie. 

CH 
2C,H,^CO*-  Ca  +  Ca(OH),  =  (CgH.CcO*)  ^*  "^  2C0,Ca 

Uvitins.  Calcium  Metatoluyls.  Calcium. 

Nur  sehr  schwierig  und  anscheinend  keineswegs  in  allen  Fällen  lässt  sich 
durch  Ueberhitzen  mit  concentrirter  Salzsäure  (bei  250—300'')  Kohlensäure  aus 
den  aromatischen  Säuren  abspalten. 

Jenem  Abbau  der  aromatischen  Säuren  bis  zu  den  Kohlenwasserstoffen  steht 
ihr  Aufbau  aus  den  letzteren  nach  den  unter  3—7  angegebenen  Methoden  gegen- 
über. Auf  grössere  Schwierigkeiten  stösst  diejenige  Synthese,  welche  dem  Abbau 
höherer  aromatischer  Säuren  zu  solchen  von  geringerer  Basicität  entgegengesetzt 
ist  Es  gelingt  z.  B.  nicht,  die  unter  3,  5,  7  verzeichneten  sjmthetischen  Methoden 
dadurch  für  die  Gewinnung  zweibasischer  aromatischer  Säuren  aus  einbasischen 
zu  verwerthen,  dass  man  anstatt  von  den  betreffenden  Substitutionsprodukten 
der  Kohlenwasserstoffe  von  den  entsprechenden  Derivaten  einbasischer  Säuren 
ausgeht.  Nur  die  Reaction  von  V.  Meyer  mit  ameisensaurem  Natrium  hat  sich, 
wenigstens  in  einigen  Fällen,  für  diesen  Zweck  als  anwendbar  erwiesen  (V.  Meyer, 
Ber.  1870,  pag.  114;    187 1,  pag.  260): 

C«H4  C  so/nJ  +  CHO,Na  =  SO,NaH  +  C,H,  C  cojS 
Metasttlfobenzoes.  Natrium  Isophtalsaures  Natrium, 

CgH^  C  B?''^*  -t-  CHOjNa  =  NaBr  +  CgH,  ^  Co'h* 

MetabrombenxoSs.  Natrium  Isophtalsaures  Natrium. 

In  gleicher  Weise  soll  aus  Parasulfobenzoesäure  Terephtalsäure  entstehen 
(Remsen,  Ber.  1872,  pag.  379). 

Aus  aromatischen  Säuren  mit  längerer,  saurer  Seitenkette  wird  durch  Oxydation 

(z.  B.   mittelst  Chromsäure)  diese  Seitenkette  soweit  abgespalten,  dass  die  neue 

Carboxylgruppe   sich    unmittelbar   am    Benzolring   befindet.     Es    entstehen    also 

niedere  Homologe  der  ursprünglichen  Säuren,  von  gleicher  Basicität  wie  diese: 

CfiH5.CHj.COjH  4-  30  =  CeHß.COjH  4-  COj,  4-  HjO 
PheDylessigsäure  Benzoesäure, 

CfiH,.CHa.CHa.COaH  4-  20  ==  CßH^.COjH  -t-  CHaCOjH 
Hydrozimmtsäure  Benzoesäure. 

Die  umgekehrte  Reaction,  die  Verlängerung  saurer  Seitenketten,  lässt  sich 

dadurch   herbeiführen,    dass   die  Cyanide   der  Säureradieale  durch  concentrirte 

Salzsäure  in  die  Ketonsäuren  (als  deren  Nitrile  sie  zu  betrachten  sind)  verwandelt, 

und  diese  Ketonsäuren  durch  Erhitzen  mit  Jodwasserstoff  reducirt  werden: 

C^Hj.CO.CN  4-  2U^O  4-  HCl  =  CgHj.CO.COjH  4-  NH^Cl 
Benzoylcyanid  Benzoylameisensäure, 

CeHj.COCOjH  4-  4HJ  =  CeHj.CHjj.COaH  4-  H,0  4-  2J, 
Benzoylameisensäure  Phenylessigsäure. 

Allgemeine  Eigenschaften.  Die  aromatischen  Säuren  sind  meistens 
feste,  krystallisirbare  Verbindungen,  die  sich,  mit  Ausnahme  gewisser  mehrbasischer 
Säuren,  bei  denen  in  der  Hitze  Anhydridbildung  oder  Kohlensäureabspaltung 
stattfindet,  unverändert  destilliren  oder  sublimiren  lassen.  Die  einbasischen  sind 
auch  schon  mit  Wasserdämpfen  mehr  oder  weniger  leicht  flüchtig  und  lassen  sich 
mit  Benutzung  dieser  Eigenschaft  von  allen  mehrbasischen  vollständig  trennen. 
In  Wasser  sind  von  den  aromatischen  Säuren  nur  einige  mehrbasische  oder  mehr- 
atomige, wie  Trimellithsäure,  Prehnitsäure,  Mellithsäure,  Tropasäure,  Mandel- 
säure etc.  leicht  löslich,  die  übrigen  werden  wenigstens  in  der  Kälte  nur  wenig 


Aromatische  Säuren.  27 

gelöst,  so  dass  sie  sich  aus  den  Lösungen  ihrer  Salze  durch  Mineralsäuren  fallen 
lassen.  Mit  den  Alkalimetallen  bilden  die  aromatischen  Säuren  meistens  sehr 
leicht  lösliche,  mit  den  Schwermetallen  grösstentheils  sehr  schwer  lösliche  oder 
unlösliche  Salze.  Besonders  gut  krystallisirbar  pflegen,  wenigstens  bei  den  ein- 
basischen Säuren,  die  Calciumsalze  zu  sein. 


Von  einzelnen  aromatischen  Säuren  sollen  an  dieser  Stelle  diejenigen  be- 
sprochen werden,  welche  nur  einen  Benzolrest  enthalten  und  nicht  in  besonderen 
Artikeln  dieses  Handwörterbuchs,  oder  unter  allgemeineren  Rubriken  (wie 
Phenolsäuren,  Ketonsäuren  etc.)  oder  endlich  bei  den  Kohlenwasserstoffen,  von 
denen  sie  sich  ableiten,  Erwähnung  finden: 

Aethylbenzoesäuren,  CgH^C^Q^Jj. 

Bekannt  sind  die  Para-  und  die  Orthosäure.  Die  Para-Aethylbenzo^- 
säure  wurde  erhalten  durch  Oxydation  des  Para-Diäthylbenzols  mittelst  ver- 
dünnter Salpetersäure  (Fittig  und  König,  Ann.  144,  pag.  290)  und  aus  Para- 
bromäthylbenzol  durch  Einwirkung  von  Natrium  und  Kohlensäure  (Thorpe  und 
£ekul£,  Ben  1869,  P^S-  421)- 

Wenig  in  kaltem,  reichlicher  in  siedendem  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und 
Aether  löslich.  Aus  heissem  Wasser  in  Blättchen,  aus  Alkohol  in  kleinen  Prismen 
krystallisirend.  Schmp.  110 — 111°.  Die  Säure  schmilzt  auch  unter  siedendem 
Wasser,  sublimirt  schon  unter  ihrem  Schmelzpunkt  und  ist  mit  Wasserdämpfen 
leicht  destillirbar.    Bei  weiterer  Oxydation  liefert  sie  Terephtalsäure. 

Ihr  BariumsaU,  (C9H90,),Ba  +  2H,0,  bildet  leicht  lösliche,  dUnne  Blättchen,  die 
schon  Ober  Schwefelsäure  verwittern.  Das  Kupfersalz  wird  als  hellblauer,  amorpher  Nieder- 
schlag, das  Silbersalz  als  weisser,  aus  heissem  Wasser  in  Nadeln  krystallisirender  Niederschlag 
erhalten. 

Die  Ortho-Aethylbenzoesäure  entsteht  durch  Reduction  der  Acetophenon- 

PO  PH  PO 

carbonsäure,  CeH^CTco' H     '  sowie  der Phtalylessigsäure,  C6H4C;^q;;:;CH.CO,H, 

mittelst  Jodwasserstoff  und  rothem  Phosphor  bei  180°  (Gabriel  und  Michael, 

Ber.  1877,  pag.  2206).     Der  Benzoesäure   ähnliche  Blättchen  oder  Schüppchen. 

Schmp.  62*". 

Das  Silbersalz  krystallisirt  aus  warmer  Lösung  in  langen,  feinen  Nadeln. 

CH 
Toluylessigsäuren.    (Alphaxylylsäuren),  C6H4Clr;H^-CO  H     ^^^  diesen 

der  Phenylessigsäure  homologen  Säuren  wurde  zuerst  die  Metatoluylessigsäure 
von  VoLLRATH  (Ann.  144,  pag.  265),  aus  Xylylchlorid  durch  Kochen  mit  Cyan- 
kalium  und  Zersetzung  des  Nitrils  mit  Natronlauge  gewonnen.  Radziszewski  u. 
WisPEK  (Ber.  1882,  pag.  1743),  gingen  später  von  den  aus  den  reinen  Xylolen 
gewonnenen  Xylylbromiden  aus,  um  auf  analoge  Weise  alle  drei  Toluylessigsäuren 
darzustellen: 

Orthotoluylessigsäure.  Lange,  seideglänzende  Nadeln,  in  kaltem  Wasser 
schwer,  in  heissem  leicht  löslich.     Schmp.  85,5 — 86°. 

Calciumsalz.  (C9HjOj)jCa -j- 4H3O.  Sternförmig  vereinigte,  seideglänzende  Nadeln. 
Silbersais.  Weisser  Niederschlag,  aus  heissem  Wasser  in  Blättchen  krystallisirend.  Blei-, 
Kupfer-  und  Eisenoxydsalz  sind  denen  der  isomeren  beiden  Säuren  durchaus  ähnlich. 

Metatoluylessigsäure.  Atlasglänzende  Nadeln,  in  heissem  Wasser  leicht, 
in  kaltem  schwer  löslich.     Schmp.  53— 54^ 

Ihr  Calciumsalz,  {Cgll^O^)^^^'^  ZH^O,  krystallisirt  aus  concentrirter  wässriger  Lösung 


l8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

in  warzenförmigen  Aggregaten  seideglänzender  Nadehi.  Das  Blei  salz  bildet  einen  weissen, 
käsigen,  das  Kupferss^lz  einen  hellgrünen,  das  Eisenoxydsa^z  einen  röthlich  gelben  Nieder- 
schlag.    Das  Silbersalz  wird  käsig  gefällt;  es  krystallisirt  aus  hetssem  Wasser  in  Nadeln. 

Paratoluylessigsäure.  In  kaltem  Wasser  wenig,  in  heissem  leicht  löslich. 
In  Nadeln,  oder  aus  concentrirter,  heisser,  wässriger  Lösung  ähnlich  der  Phenyl- 
essigsäure  in  glänzenden  Blättchen  kiystallisirend.     Schmp.  89°. 

Das  Calciumsalz,  (C9HjO,),Ca -j- 3HjO,  scheidet  sich  beim  freiwilligen  Verdunsten 
aus  seiner  concentrirten  Lösung  in  sternförmig  vereinigten,  seideglänzenden  Nadeln  ab.  Blei-, 
Rupf  er-  und  Eisenoxydsalz  gleichen  den  betreffenden  Salzen  der  Metasäure.  Das  Silber- 
salz ist  ein  in  heissem  Wasser  leicht  löslicher  und  beim  Erkalten  in  glänzenden,  dünnen  Nadeln 
Icrystallisirender  Niederschlag. 

CH 
Hydratropasäure*)  (a-Phenylpropionsäure),  CgHj'CHC^QQ'jj. 

Produkt  der  Einwirkung  von  Natriumamalgam  und  Wasser  auf  Atropasäure 
(i,  2).  Die  Säure  ist  ölartig,  erstarrt  noch  nicht  bei  —  20°,  siedet  bei  264—265° 
und  verflüchtigt  sich  mit  Wasserdämpfen  leichter  als  die  Atropasäure. 

Ihr  Calci  um  salz  ist  leicht  löslich,  krystallisirt  beim  Erkalten  seiner  Lösung  in  undurch- 
sichtigen Nadeln  mit  2H2O,  beim  Verdunsten  der  kalten  Lösung  in  langen,  durchsichtigen 
Nadeln  mit  SH^O.     Das  Silbersalz   krystallisirt  aus  siedendem  Wasser  in  kleinen  Schuppen. 

Substitutionsprodukte  der  Hydratropasäure  entstehen  u.  A.  durch  Addition 

von  Halogenen  oder  Halogenwasserstoflfsäuren  zur  Atropasäure  (2,  3). 

CH 
a-Chlorhydratropasäure,    CgHj-CClCl  qq^H'    ^^^   durch   Einwirkung 

rauchender  Salzsäure  auf  Atrolacdnsäure  erhalten  (3).  Sie  ist  aus  Ligroin  kr3rstalli- 
sirbar.  Schmp.  73—74°.  Bei  110°  zersetzt  sie  sich.  Beim  Kochen  mit  kohlen- 
sauren Alkalien  giebt  sie  wieder  Atrolacdnsäure,  wobei  kein  Styrol  entsteht 

p-Chlorhydratropasäure,  CgHj-CHC^^Qjj,  entsteht  beim  Behandeln 

der  Tropasäure  mit  Phosphorpentachlorid  (4),  beim  Erhitzen  von  Acetophenon- 
cyanhydrin  mit  concentrirter  Salzsäure  auf  130°  (s,  6)  und  beim  Erhitzen  von 
Atropasäure  mit  Salzsäure  (3).  Leicht  löslich  in  Alkohol,  Aether,  Benzol  und 
heissem  Chloroform,  schwerer  in  Ligroin  und  in  heissem  Wasser.  Aus  letzterem 
wird  die  Säure  zunächst  ölig  ausgeschieden,  worauf  sie  zu  Nadeln  erstarrt.  Beim 
Erkalten  ihrer  Lösung  in  Schwefelkohlenstoflf  krystallisirt  sie  in  anscheinend  recht- 
winkligen Täfelchen,  aus  der  Chloroformlösung  auf  Zusatz  von  Ligroin  in  glänzen- 
den Prismen.  Schmp.  88—89°.  Erst  bei  etwa  170°  tritt  Zersetzung  ein.  Beim 
Erhitzen  mit  kohlensauren  Alkalien  entsteht  Tropasäure  neben  Styrol  (5,  3),  beim 
Kochen  mit  Natronlauge  Atropasäure. 

a-Bromhydratropasäure  (2,  3,  7),  CgHs-CBr^QQ^jj,  entsteht  neben 
der  isomeren  ß-Säure  bei  Einwirkung  gesättigter  BromwasserstofFsäure  auf  Atropa- 
säure bei  gewöhnlicher  Temperatur.  Rein  erhält  man  sie  aus  einer  Lösung  von 
Atrolacdnsäure  in  kalter  Brom  wasserstoffsäure  (7,  3),  aus  welcher  Lösung  sie  sich 
nach  kurzer  Zeit  in  kleinen  Krystallen  abscheidet.  Ihre  Lösung  in  Schwefel- 
kohlenstoff giebt  beim  Ueberschichten  mit  Ligroin  grosse,  durchsichtige  Tafeln. 
Schmp.  93—94°.    In  wenig  höherer  Temperatur  tritt  Zersetzung  ein.    Mit  kohlen- 


♦)  1)  Kraut,  Ann.  148,  pag.  242.  2)  FrrriG  u.  Wurster,  Ann.  195,  pag.  145.  3)  Mer- 
LiNG,  Ann.  209,  pag.  i.  4)  Ladenburg,  Ber.  1879,  pag.  948.  5)  Spiegel,  Ber.  1881,  pag.  236. 
6)  RÜGHBIMER,  Ber.  1881,  pag.  449.  7)  Frrrio  u.  Kast,  Ann.  206,  pag.  28.  8)  Tiemann  u. 
KÖHLB&,  Ber.  1881,  pag.  198 1. 


Aiomadsche  Säureiu  29 

sauren  Alkalien  giebt  die  Säure  Atrolactinsäure.  Styrol  entsteht  dabei  nicht 
Ganz  ebenso  wirkt  Ammoniak,  ohne  dass  dabei  eine  Amidosäure  gebildet  würde. 

ß-Bromhydratropasäure,  CßHj-CHC^PQ^jj,  entsteht  fast  ausschliesslich 

bei  der  Einwirkung  kalt  gesättigter  Bromwassersto£fsäure  auf  Atropasäure  bei  100^ 
(3).  Sie  krystallisirt  aus  heissem  Schwefelkohlenstoflf  sehr  leicht  in  kleinen,  eben- 
falls bei  93 — 94^  schmelzenden  Prismen,  die  erst  bei  etwa  150^  Zersetzung  erleiden. 
Mit  kohlensauren  Alkalien  entsteht  Tropasäure,  mit  Ammoniak  die  entsprechende 
Amidosäure. 

Dibromhydratropasäure,  C9HgBr20},  bildet  sich  leicht  bei  Einwirkung 
Yon  Brom  auf  Atropasäure  in  Schwefelkohlenstoffiösung.  Sie  krystallisirt  aus 
dieser  Lösung  in  langen,  seideglänzenden  Nadeln,  die  bei  115 — 116^  schmelzen. 
Bei  längerem  Erhitzen  mit  wenig  Wasser  giebt  sie  u.  A.  Monobromatropasäure; 
beim  Kochen  mit  viel  Wasser  oder  beim  Erwärmen  mit  Sodalösung  zerfällt  sie 
in  Acetophenon,  Kohlensäure  und  6romwassersto£f  (2). 

Tribromhydratropasäure,  CjHjBrjOj,   durch  Addition  von  Brom  zur 

Monobromatropasäure  entstehend,  krystallisirt  aus  Ligroin  in  kleinen,  glänzenden, 

bei  150°  schmelzenden  Nadeln  (2). 

CH 
a-Amidohydratropasäure  (8),  CgHs'CNH^dro'H'     ^^  Nitril  dieser 

Säure  erhält  man  als  gelbbraunes  Oel  beim  Erhitzen  von  Acetophenoncyanhydrin 
mit  alkoholischem  Ammoniak  auf  60—80°.  Durch  Verseifung  des  Nitrils  mit 
Salzsäure  entsteht  die  in  Nadeln  krystallisirende  Salzsäureverbindung  der  Amido- 
säure. Durch  wiederholtes  Aufnehmen  in  absolutem  Alkohol  lässt  sie  sich  vom 
Salmiak  trennen.  Aus  ihrer  Lösung  in  absolutem  Alkohol  wird  durch  vorsichtigen 
Zusatz  von  Ammoniak  die  freie  Amidosäure  gefällt.  Diese  ist  sehr  leicht  löslich 
in  Wasser,  last  unlöslich  in  absolutem  Alkohol  und  Aether.  Durch  Verdunsten 
der  wässrigen  Lösung  erhält  man  sie  in  weissen,  atlasglänzenden,  federartig  ver- 
zweigten Nadeln,  die  um  260°  sublimiren,  ohne  zu  schmelzen.  Durch  Erhitzen 
ihrer  Salzsäureverbindung  mit  der  berechneten  Menge  salpetrigsauren  Natriums 
in  wässriger  Lösung   wird  die  a-Amidosäure  glatt  in  Atrolactinsäure  übergeftihrt 

CH  »NH 

ß-Amidohydratropasäure,  C^Hj-CHC^^q^jj  *,  entsteht  durch  Ein- 
wirkung von  Ammoniak  auf  ß-Bromhydratropasäure  (3).  Schwer  löslich  in  kaltem, 
sehr  leicht  in  heissem  Wasser,  woraus  sie  in  glänzenden  Blättern  krystallisirt 
Schmp.  169—170°. 

Atropasäure,  CßH^-CC^Tro^H'  ^^^"^^^  ^^^  der  Zimmtsäure,  wurde  zuerst 
neben  Tropin  als  Spaltungsprodukt  des  Atropins  erhalten,  beim  Kochen  des 
letzteren  mit  heiss  gesättigtem  Barytwasser,  oder  unreiner  beim  Erhitzen  desselben 
mit  concentrirter  Salzsäure  (Kraut,  Ann.  128,  pag.  280).  Sie  ist  das  Produkt  der 
Wasserabspaltung    aus   der   hierbei   zunächst   entstehenden   Tropasäure,    C^Hs* 

CH  "OH 
CHC^QQ^TT      ,  aus  welcher  sie  am  leichtesten  durch  mehrstündiges  Erhitzen 

mit  gesättigter  Barytlösung  auf  130°  rein  erhalten  wird  (Lossen,  Ann.  138,  pag.  230). 

CH 
Sie  entsteht  auch  aus  der  Atrolactinsäure,  CeH5-C(OH)C![co*H'  ^^™  Kochen 

mit  massig  verdünnter  Salzsäure  (Ladenburg  u.  Rügheibcer,  Ber.  1880,  pag.  376). 

Die  Säure  löst  sich  in  700—800  Thln.  Wasser  von  gewöhnlicher  Temperatur, 

leicht  in  Alkohol.     Aus   ersterem   krystallisirt  sie  in  Nadeln,   aus  letzterem  in 


30  Handwörterbuch  der  Cheinie. 

monoklinen  Tafeln.  Sie  schmilzt  bei  106,5°,  ist  bei  75  Millim.  Druck  (Siede- 
punkt 202—204*^)  unter  nur  geringer  Zersetzung  destillirbar,  mit  Wasserdämpfen 
schwer  flüchtig. 

Das  Kaliumsalz  bildet  glänzende,  in  Weingeist  lösliche  BiSttchen.  Das  Silbersalz 
krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  Warzen,  das  Calci umsalz  mit  2H3O  in  Nadeln. 

Beim  Erhitzen  mit  Chromsäure  giebt  die  Atropasäure  Kohlensäure  und 
Benzoesäure,  beim  Schmelzen  mit  Kaliumhydroxyd  Ameisensäure  und  Phenyl- 
essigsäure.  Bei  der  Behandlung  mit  Natriumamalgam  und  Wasser  geht  sie  durch 
Aufnahme  von  zwei  Wasserstoffatomen  in  Hydratropasäure  über.  Ebenso  ver- 
einigt sie  sich  direkt  mit  Brom,  mit  Chlor-  oder  Bromwasserstoff,  sowie  mit 
unterchloriger  Säure  zu  den  entsprechenden  gesättigten  Verbindungen. 

Monobromatropasäure,  CßHj-CC^pQ  rj.  Bildet  sich  bei  längerem  Er- 
hitzen der  Dibromhydratropasäure  mit  wenig  Wasser  auf  100°.  Sehr  wenig  lös- 
lich in  kaltem  Wasser,  leichter  in  heissem,  woraus  sie  in  feinen  Nadeln  krystalli- 
sirt Schmp.  130°.  Die  Säure  wird  auch  in  alkalischer  Lösung  durch  Kochen 
nicht  zersetzt 

Isatropasäuren,  CigH^gO^,  Lossen  (Ann.  138,  pag.  230)  beobachtete,  dass 
bei  der  Einwirkung  von  Salzsäure  auf  Tropasäure  ausser  der  Atropasäure  eine 
viel  höher  schmelzende  Säure  von  gleicher  Zusammensetzung  entstehe,  die  er 
Isatropasäure  nannte.  Sie  ist  das  Produkt  einer  Polymerisirung  der  Atropasäure, 
welche  auch  schon  bei  längerem  Erhitzen  der  letzteren  über  ihren  Schmelzpunkt 
(auf  140 — 160°)  oder  bei  anhaltendem  Kochen  mit  Wasser  eintritt  (Frmo, 
Ann.  19S,  pag.  148).  Die  so  erhaltene  Säure  ist  übrigens  ein  Gemenge  von  zwei 
Isomeren  (Fittio,  Ann.  206,  pag.  34),  welche  Fittig  als  a-  und  ß-Isatropasäure 
unterscheidet  In  weit  tiberwiegender  Menge  entsteht  immer  die  a-Säure.  Bei 
möglichst  schwachem,  aber  andauerndem  Erhitzen  der  trocknen  Atropasäure  bildet 
sie  sich  fast  ausschliesslich,  während  ihr,  wenn  die  Umwandlung  durch  Kochen 
mit  Wasser  erfolgte,  relativ  grössere  Mengen  der  ß-Säure  beigemengt  sind.  Die 
Trennung  der  beiden  Säuren  geschieht  durch  Krystallisaticn  aus  etwas  verdünnter 
Essigsäure,  woraus  sich  die  a-Säure  zuerst  abscheidet 

a-Isatropasäure.  Krusten,  oder  warzige  Aggregate  sehr  kleiner  Krjrstalle. 
Schmp.  237°,  sehr  schwer  löslich  in  Wasser,  leichter  in  Alkohol  und  Eisessig. 

Ihr  Calciumsals,  C^^H^^O^CtL  +  ^H^O^  scheidet  sich  auf  Zusatz  von  Chlorcalcium  zur 
Amxnoniaksalzlösung  allmählich,  heim  Erhitzen  sofort,  als  undeutlich  krystallinischer,  fast  unlös- 
licher Niederschlag  ah,  der  erst  bei  200^  langsam  sein  Krystallwasser  verliert. 

Das  Bari  ums  alz  (^^H^O)  ist  nicht  durch  solche  Fällung  zu  gewinnen;  beim  Verdampfen 
seiner  Lösung  scheidet  es  sich  in  Krusten  ab,  die  dann  auch  in  siedendem  Wasser  sehr  schwer 
löslich  sind. 

Der  Aethyläther  krystallisirt  aus  absolutem  Alkohol  in  kleinen,  weissen  Krystallen,  die 
bei  180—181^  schmelzen. 

ß-Isatropasäure.  In  Eisessig,  wie  auch  in  siedendem  Wasser  und  Alkohol 
leichter  löslich,  als  die  a-Säure.  Aus  Eisessig  krystallisirt  bildet  die  Säure  ent- 
weder schön  ausgebildete,  an  der  Lufl  klar  bleibende,  dicke,  vierseitige  Tafeln, 
die  sich  von  gleichzeitig  vorhandener  a-Säure  mechanisch  trennen  lassen,  oder 
grosse  Drusen  von  glänzenden,  anscheinend  octaedrischen  Krystallen,  die  1  Mol. 
Essigsäure  enthalten  und  dieses  an  der  Luft  allmählich  verlieren.  Aus  heissem 
Wasser  krystallisirt  sie  wasserfrei  in  kleinen,  quadratischen  Tafeln.  Schmp.  206^. 
Längere  Zeit  auf  220—225°  erhitzt  wird  die  Säure  unter  Braunfärbung  fest,  indem 
sie  sich  in  die  a-Säure  verwandelt 


Aromatische  Säuren.  31 

Aus  dem  Ammoniaksalz  erhält  man  durch  Chlorcalcium  das  Calciums  alz  (3H,0)  nach 
längerem  Stehen  in  sternförmig  gruppirten,  kurzen,  dicken  Prismen,  durch  Chlorbarium  das 
Bariumsalz  erst  beim  Kochen  als  schweren,  aus  kleinen  Prismen  bestehenden  Niederschlag. 
Der  Aethyläther  konnte  nicht  zum  Krystallisiren  gebracht  werden. 

Bei  allen  bisher  beobachteten  Zersetzungen  geben  die  beiden  Isatropasäuren 
durchaus  dieselben  Produkte.  Bei  der  Oxydation  durch  Chromsäure  liefern  sie 
keine  Benzoesäure;  sondern  Orthobenzoylbenzoesäure  und  Anthrachinon. 

Wird  a-Isatropasäure  über  ihren  Schmelzpunkt  erhitzt,  so  tritt  lebhafte  Gas- 
entwicklung ein,  und  es  destillirt  eine  dicke  Flüssigkeit,  die  aus  einem  Kohlen- 
wasserstoff (dem  Atronol,  C^eHi^),  aus  Atronsäure,  aus  a-  und  ß-Isatropa- 
säure  und  einer  nicht  isolirten  Säure  besteht. 

Die  Atronsäure,  C^yKj^Oj,  ist  einbasisch.  Sie  bildet,  aus  ihren  Salz- 
lösungen gefallt,  ein  weisses,  amorphes  Pulver,  aus  Alkohol  oder  Essigsäure 
krystallisirt  schöne,  wasserklare,  dicke  Prismen.     Schmp.  164°. 

Ihr  Calciurosalz,  (CjfHj,02)jCa  +  SHjO,  krystallisirt  aus  heissem  Wasser,  worin  es 
sehr  schwer  löslich  ist,  in  glänzenden  Nadeln;  das  Barium  salz  (4HjO)  ist  weniger  schwer  löslich. 

Eine  mit  der  Atronsäure  isomere  Säure  entsteht  durch  Einwirkung  conc. 
Schwefelsäure  auf  a-  oder  ß-Isatropasäure  bei  höchstens  50°.  Giesst  man  nach 
Beendigung  der  Kohlenoxydentwicklung  die  Flüssigkeit  in  Wasser  und  dampft 
em,  so  scheidet  sich,  anscheinend  durch  Zersetzung  ihrer  zunächst  entstandenen 
Sulfosäure  entstanden,  die  Isatronsäure  in  unlöslichen  Krusten  ab.  In  Alkohol, 
Aether  und  Essigsäure  ist  diese  sehr  leicht  löslich.  Aus  heissem  verdünntem 
Weingeist  scheidet  sie  sich  in  perlmutterglänzenden  Blättchen  aus.  Schmp.  156 
bis  157  ^ 

Ihr  Calciumsalz  wird  als  voluminöser,  fast  unlöslicher  Niederschlag,  ihr  Bariumsalz 
(6H,0)  als  amorpher,  anfangs  gallertartiger  Niederschlag  erhalten,  der  aus  siedendem  Wasser 
in  kleinen,  dicken  Prismen  krystallisirt. 

Lässt  man  bei  der  Einwirkung  der  Schwefelsäure  auf  Isatropasäure  die  Tem- 
peratur schliesslich  langsam  bis  auf  90^  steigen,  so  findet  von  Neuem  Entwickelung 
von  Kohlenoxyd  statt.  Nach  Beendigung  derselben  giebt  die  Flüssigkeit  beim 
Eingiessen  in  Wasser  einen  weissen  Niederschlag  von  Atronylensulfo säure, 
CjgHu'SOgH.  Diese  kann  in  Sodalösung  gelöst,  rasch  wieder  durch  Salzsäure 
gefällt  und  aus  50proc.  Essigsäure  krystallisirt  werden.  Sie  bildet  dann  grosse, 
wasserklare  Prismen,  die  unter  Zersetzung  bei  ca.  258  °  schmelzen.  Ihre  Lösung 
m  Baiytwasser  oder  kohlensaurem  Natrium  hält  sich  im  Dunkeln  unverändert, 
scheidet  aber  am  Licht  sehr  schnell  einen  weissen,  amorphen  Niederschlag  von 
Atroninsulfon,  CigHjoSOj  ab,  welches  aus  Alkohol  in  kleinen,  bei  193® 
schmelzenden  Nadeln  krystallisirt  erhalten  werden  kann. 

Polyporsäure,  C9H7O,  (?).  Von  Stahlschmidt  (Ann.  187,  pag.  177;  195, 
pag.  365)  in  einer  auf  kranken  Eichenstämmen  wachsenden  Fofyforus-Axt  (zu  43,5  J^ 
vom  trocknen  Pilz)  aufgefunden  und  daraus  durch  Ausziehen  mit  Ammoniak  und 
Fällen  der  dunkelvioletten  Lösung  mit  Salzsäure  als  ockerfarbener  Niederschlag 
gewonnen.  Unlöslich  in  Wasser,  Aether,  Benzol,  Schwefelkohlenstoflf,  sehr  wenig 
löslich  in  Chloroform  und  in  heissem  Alkohol,  woraus  die  Säure  in  kleinen, 
schellackfarbenen,  rhombischen  Tafeln  mit  lebhaftem  Bronzeglanz  krystallisirt 
Sie  schmilzt  nahe  über  300°  und  sublimirt  unter  theilweiser  Zersetzung  in  mikros- 
kopischen Blättchen. 

Von  den  Salzen  sind  nur  diejenigen  der  Alkalimetalle,  und  zwar  mit  purpuirodier  Farbe, 
in  Wasser  löslich.  Durch  überschüssige  Kalilauge  werden  sie  gefWt.  Der  aus  dem  Silbersak 
gewonnene  Methyl ät her,    C^H^O^'CH,,    krystallisirt  beim  Verdunsten  seiner  alkoholischen 


32  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Lösung  in  schönen,  morgenrothen,  monoklinen  Krystallen  mit  purpurviolettem  Reflex.  Schmelz- 
punkt 187°.     Der  Aethyläther  bildet  orangerothe,  bei  134®  schmekende  Prismen. 

Mit  Salpetersäure  liefert  die  Polyporsänre  neben  Benzoesäure  eine  bei  230** 
schmelzende  Nitropolyporsäure.  Beim  Erhitzen  des  polyporsauren  Kaliums 
mit  Zinkstaub  entsteht  Benzol.  Bei  anhaltendem  Kochen  mit  Kalilauge  bildet 
die  Polyporsäure  ohne  Kohlensäureabspaltung  eine  bei  156°  schmelzende  unlös- 
liche Säure  von  der  Formel  CjoHjO  und  die  in  heissem  Wasser  leicht  lösliche 
Hydropolyporsäure,  C^H^O^,  welche  bei  162°  schmelzende,  farblose  Nadeln 
bildet.    Von  letzterer  wurden  verschiedene  Salze  und  Aether  dargestellt. 

Durylsäure,  C€H,.(CH3)j.C0jH  (i,  2,  4,  5)  (Cumylsäure).  Erstes  Produkt 
der  Oxydation  des  Durols  durch  verdünnte  Salpetersäure  (Jannasch,  Zeitschr.  f. 
Chem.  1870,  pag.  449).  Die  Säure  entsteht  auch  beim  Schmelzen  von  pseudocumol- 
schwefelsaurem  Kalium  mit  ameisensaurem  Natrium  (Reuter,  Ber.  1878,  pag.  31). 
Fast  unlöslich  in  kaltem,  sehr  schwer  löslich  in  heissem  Wasser,  ziemlich  leicht 
in  Benzol,  sehr  leicht  in  Alkohol  und  Aether.  Aus  Benzol  in  langen,  harten 
Nadeln,  aus  Alkohol  in  compacteren  Prismen  krystallisirend.  Schmp.  149 — 150**. 
In  langen,  sehr  feinen  Nadeln  sublimirbar;  mit  Wasserdämpfen  flüchtig. 

Das  Bari  um  salz,  (Ci^HnO,),Ba4-7H30,  bildet  klare,  über  Schwefelsäure  verwitternde, 
tafelförmig  Prismen,  das  Calciumsalz  (2H,0)  kleine,  zu  Warzen  vereinigte  Krystalle. 

Isodurylsäuren,  C6H2-(CH3)3«C03H.  Durch  Oxydation  des  Isodurols 
mittelst  Salpetersäure  entstehende  einbasische  Säuren.  Von  ihnen  stellte  Biele- 
feld (Ann.  198,  pag.  380)  die  a-Isodurylsäure  und  ausserdem  ein  bei  120 — 130** 
schmelzendes,  als  ß-Isodurylsäure  bezeichnetes  Gemenge  dar.  Jacobsen  (Ber.  1882, 
pag.  1853)  zeigte,  dass  bei  jener  Oxydation  alle  drei  möglichen  Isodurylsäuren  ent- 
stehen. Aus  dem  mit  Wasserdämpfen  destillirten  Gemenge  derselben  isolirt  man 
die  a-Isodurylsäure  durch  Krystallisation  ihres  Bariumsalzes.  Die  aus  der  un- 
krystallisirbaren  Mutterlauge  jenes  Bariumsalzes  gefällten  beiden  anderen  Säuren 
lassen  sich  durch  fractionirtes  Krystallisiren  aus  Petroleumäther  trennen,  worin 
die  ß-Isodurylsäure  schwerer  löslich  ist. 

a-Isodurylsäure,  C6Ha.CH8-CH8-CH3-CÖ2H,  die  Säure  krystallisirt  aus 
siedendem  Wasser,  worin  sie  nur  sehr  wenig  löshch  ist,  in  mikroskopischen 
Nadeln,  aus  Alkohol  in  compacten  Prismen,  beim  Verdunsten  ihrer  ätherischen 
Lösung  in  grossen,  durchsichtigen,  monoklinen  Krystallen.  Sie  sublimirt  in 
schönen,  langen  Nadeln.  Schmp.  215—216°.  Bei  der  Destillation  mit  Kalk 
entsteht  Hemellithol. 

BariumsaU,  (CjDHjiO,),Ba  + 4H,0.  Die  ziemlich  concentrirte  Lösung  erstarrt  beim 
Erkalten  zu  einer  voluminösen,  welchen  Krystallmasse,  die  aus  langen,  feinen,  bttschelförmig 
vereinigten  Nadeln  besteht 

Strontiumsalz  (ÖH,0).     Lange,  feine,  seideglänzende  NadelbUschd. 

Calciumsalz  (5H,0).    Aus  feinen  Nadeln  bestehende  Grappen. 

p-Isodurylsäure,  CioHijOj:  CßHjCHsCHj.CH^CÖjH,  kiystallisirt 
beim  Verdunsten  ihrer  Lösung  in  Petroleumäther  in  kleinen,  harten,  durch- 
sichtigen, glänzenden  Prismen.  Schmp.  151**.  Bei  der  Destillation  mit  Kalk 
liefert  sie  Mesitylen. 

IhrCalciumsalz  ist  in  der  Hitze  kaum  löslicher,  als  in  der  Kälte.  Es  scheidet  sich  beim 
Verdampfen  seiner  Lösung  plötzlich  als  krümlig  krystallinische  Masse  ab,  die  aus  sehr  kleinen 
Naddn  besteht  und  2  MoL  Krystallwasser  enthält. 

7.Isodurylsäure,  CioHi,0,:C«Hj.c'H,.CH,.ckj.c6jH.  Die  Säure 
wird   aus   kalten  Salzlösungen  durch  Salzsäure  in  krystallinischen  Flocken,   aus 


Aromatische  Säuren.  2% 

massig  wannen  Lösungen  zunächst  ölig,  aus  kalter  weingeistiger  Lösung  durch 
Wasser  in  deutlichen  Nadeln  gefallt.  Sie  wird  von  heissem  Wasser  ziemlich  reich- 
lich gelöst.  Schmp.  84 — 85°.  Bei  der  Destillation  mit  Kalk  liefert  sie  Pseudocumol. 
Ihr  Calci umsalz  scheidet  sich  beim  Verdampfen  seiner  Lösung  an  der  Oberfläche  in 
schneeweissen,  dichten  Krusten  ab,  die  aus  mikroskopischen  Nadeln  bestehen  und  2  Mol.  Krystall- 
wasser  enthalten.  Das  Bariumsalz  ist  nicht  krystallisirbar.  Die  concentrirte  Lösung  des 
Kaliumsalzes  erstarrt  in  der  Kälte  gallertartig. 

x^C  H 
Propylbenzoesäuren,    CjoHigO^iCgH^      q^  U.     Bekannt  sind:    Para^ 

Isopropylbenzoesäure  (Cuminsäure)  (s.  unter  Cumol),  Para-Propylbenzoesäure  und 
Ortho-Propylbenzoesäure.  Die  Para-Propylbenzoesäure  ist  durch  Oxydation  des 
Propylisopropylbenzols  (Paterno  und  Spica,  Ber.  1877,  pag.  1746)  und  des  Para- 
dipropylbenzols  (Körner,  Ber.  1878,  pag.  1866),  mittelst  verdünnter  Salpetersäure 
erhalten  worden.  Sie  ist  schwer  löslich  selbst  in  siedendem  Wasser,  leicht  löslich 
in  den  andern  gewöhnlichen  Lösungsmitteln.  Aus  heissem  Wasser  krystallisirt 
sie  in  glänzenden  Blättchen,  aus  Alkohol  etc.  in  compacteren  Krystallen  des 
monoklinen  Systems.  Sie  schmilzt  bei  140^  und  sublimirt  in  langen,  flachen 
Nadeln,  ist  auch  mit  Wasserdämpfen  leicht  flüchtig. 

Das  Bariumsalz,  (2H,0),  bildet  einigermaassen  schwer  lösliche,  grosse,  atlasglänzende 
Blätter,  das  Calciumsalz,  (dH^O),  leichter  lösliche,  feine  Nadehi.  Das  Ammoniaksalz  ist 
kiystallinisch,  auch  in  Alkohol  und  Aether  löslich.  Schwermetallsalze  werden  durch  seine  Lösung 
gefiUt. 

Ortho-Propylbenzoesäure  entsteht  durch  Reduction  der  Phtalylpropion- 
säure  mittelst  Jodwasserstoff  und  amorphem  Phosphor  bei  200°  (Gabriel  und 
Michael,  Ber.  1878,  pag.  10 14).  Sie  krystallisirt  aus  verdünntem  Alkohol  in 
feinen  Blättchen.     Schmp.  58°. 

Methylbenzylessigsäure,    C^QH^oO/.C^UyCH^'CH^^^^^^,     Durch 

Verseifung  des  Methylbenzylacetessigäthers  mit  höchst  conc.  Kalilauge  erhalten 
(Conrad,  Ber.  1878,  pag.  1057).  In  kaltem  Wasser  schwer  lösliche  Krystallmasse. 
Schmp.  34°.     Siedep.  275°. 

Die  Lösung  des  Natriumsalzes  f^t  Barium-  und  Calciumsalze  nicht,  wohl  aber  Zink-, 
Kupfer-  und  Silbersalze. 

Der  Benzyläther  der  Säure  ist  eine  bei  332°  siedende,  angenehm  aromatisch  riechende 
Flassigkeit 

Phenylisobuttersäure,  CioHi302:C6H5«CH2-CH  qq^j^,  wurde  durch 
nascirenden  Wasserstoff  (Natriumamalgam)  aus  der  Phenylcrotonsäure  dargestellt 
(Conrad  u.  Hodgkinson,  Ann.  193,  pag.  317).     Farbloses  Oel. 

Das  Bariumsalz  ist  leicht  löslich.  Zink-,  Kupfer-  und  Silbersalz  sind  als  Nieder- 
schläge zu  erhalten. 

^  CO  H 

Propenylbenzoesäure,  CioHi^OjiCgH^^^  j|    ,  (R.  Meyer,  Ber.  1878, 

pag.1791,  2173;  Ber.  1879,  pag.  107  5) entstehtbeim  Kochen  der  Oxypropylbenzoesäure, 

C«H-  ^  rvrktn/CH,,  mit  sehr  verdünnter  Salzsäure.    Wenig  löslich  in  heissem, 
4\C(OH)^^jj» 

fast  gar  nicht  in  kaltem  Wasser.     Schmp.  160°. 

Von  Salzen  wurden  untersucht:  das  Ammoniaksalz:  durchsichtige,  wasserfreie  Tafeln, 
das  Bariumsalz,  (1H,0),  weisse,  glänzende  Blättchen,  das  Silber  salz:  wasserfreier  Nieder- 
schlag, und  das  Kupfersalz,  (7H,0). 

Der  Methyläther  bildet  sich  nach  den  gewöhnlichen  Methoden  direkt  aus  der  Oxypropyl- 
benzo€sfture,  anstatt  des  Aethers  dieser  Säure.     Er  schmilzt  bei  53°  und  siedet  bei  254°. 

Laobmbuko,  Chemie.    11.  3 


34  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Natriumamalgam  führt  die  Propenylbenzoesäure  in  Cuminsäure  über. 

Durch  längeres  Kochen  mit  conc.  Salzsäure  entsteht  aus  der  Ox)rpropylbenzoe- 
säure  oder  der  Propenylbenzoesäure  eine  mit  der  letzteren  isomere  (oder  poly- 
mere?)  Säure.  Diese  ist  in  Wasser  und  Alkohol  noch  viel  schwerer  löslich,  als 
die  Propenylbenzoesäure.  Sie  entfärbt  Brom  nur  sehr  langsam  und  wird  durch 
Natriumamalgam  nicht  verändert. 

Ihr  Silber  und  Bariumsalz  entsprechen  in  der  Zusammensetzung  ganz  den  Salzen  der 
Propenylbenzoesäure.     Ihr  Methyläther  schmilzt  bei  83^  und  ist  sehr  schwer  flüchtig. 

Phenylcrotonsäure,  CioHioOjiCgHj'CHiC     pq^xj,  ist  durch  Kochen 

von  Benzaldehyd  mit  Propionsäureanhydrid  und  propionsaurem  Natrium  (Perkin, 
Chem.  soc.  J.  1877  !•»  P^g-  3^8)»  sowie  durch  Einwirkung  von  Natrium  auf  Propion- 
säure Benzyläther  oder  Benzylpropionsäure-Benzyläther  gewonnen  worden  (Conrad 
u.  HoDGKiNSON,  Ann.  193,  pag.  315).  Leicht  löslich  in  Alkohol,  Aether,  sowie  in 
siedendem  Wasser,  woraus  sie  in  feinen  Nadeln  krystallisirt.     Schmp.  82°. 

Ihr  Bariumsalz  bildet  in  kaltem  Wasser  schwer  lösliche  Blättchen,  welche  Krystallwasser 
enthalten.  Das  Kalium saU  krystallisirt  in  Prismen.  Seine  Lösung  giebt  mit  Calcium-,  Zink- 
und  Silbersaken  krystallinische  Niederschläge. 

Mit  Brom  bildet  die  Säure  ein  bei  135°  schmelzendes  Additionsprodukt,  eine 
Phenyldibrombuttersäure. 

Isophenylcrotonsäure  nennt  Perkin  eine  mit  der  vorigen  isomere  Säure, 
CeHj-CHrCH-CHj-COjH,  welche  er  beim  Erhitzen  von  Benzaldehyd  mit 
Bemsteinsäureanhydrid  und  bernsteinsaurem  Natrium  erhielt  (Chem.  soc.  J.  1877 
I»  pag-  388).  Sie  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  farblosen,  bei  83 — 84** 
schmelzenden  Nadeln.  Ihr  Silbersalz  ist  ein  voluminöser  Niederschlag.  Wird 
die  Säure  einige  Minuten  zum  Sieden  erhitzt,  so  entsteht  unter  Wasserabspaltung 
a-Naphtol  (Firne,  Ben  16,  pag.  43). 

Cymolcarbonsäure,  CnHi^OjZCeHj.CjH^.CHa.cdjH.  Bei  der  Destil- 
lation von  cymolschwefelsaurem  Kalium  mit  Cyankalium  entsteht  das  Nitril  und 
hieraus  durch  Kochen  mit  alkoholischer  Kalilauge  das  bei  138 — 139°  schmelzende 
Amid  dieser  Säure.  (Paterno  u.  Fileti,  Gazz.  chim.  1875,  P^g»  3^)-  ^^s  dem 
Amid  wurde  durch  Erhitzen  mit  Salzsäure  auf  180°  die  in  feinen  Nadeln  krystalli- 
sirende,  bei  63°  schmelzende  Säure  dargestellt  (Paterno  u.  Spica,  Gazz.  chim.  1879, 
pag.  400). 

/C  H 
Homocuminsäure,  CnHi^OjiCgH^     q|t  Iqq  tt,  (Para-Isopropylphenyl- 

essigsäure)  ist  aus  ihrem  Nitril,  und  dieses  aus  Cuminalkohol  durch  Ueberfiihrung 
in  sein  Chlorid  und  Umsetzung  mit  Cyankalium  dargestellt  worden  (Rossi,  Ann. 
Suppl.  I,  pag.  139).  Kleine  Nadeln,  leicht  löslich  in  Alkohol,  Aether  und  siedendem 
Wasser.     Schmp.  52°.     Unzersetzt  destillirbar. 

Das  Kaliumsalz  ist  zcrfliesslich;  das  Barium-  und  das  CalciumsaU  kiystallisirt  in 
Nadeln,  das  Magnesium  salz  in  perlmutterglänzenden  Schuppen. 

Phenylvaleriansäuren,  CnHi^OjiCgHR-C^HaCOjH. 

1.  Normale  Phenylvaleriansäure,C6H5*(CHj)4'COjH,  erhält  man  durch 
Erhitzen  der  Hydrocinnamenylacrylsäure  mit  Jodwasserstoff  in  Eisessiglösung  auf 
160"  (Baeyer  u.  Jackson,  Ber.  1880,  pag.  122).  Schwer  löslich  in  heissem 
Wasser,  daraus  in  rhombischen  Blättern  krystallisirend,  die  bei  58—59°  schmelzen. 

Bariumsalz  schwer  löslich,  Silbersalz  unlöslich. 

/C  H 

2.  Phenyläthylpropionsäure,  C^Hj'CH^'CH^^^  ^,  entsteht  aus  der 


Aromatische  Säuren.  35 

Phenylangelikasäure  durch  Natriumamalgam  (Baeyer  und  Jackson,  Ber.  1880, 
pag.  118).  Farbloses  Oel,  auch  in  Kältemischung  nur  dickflüssig  werdend,  bei 
272°  (uncorrig.)  siedend. 

Bariumsalz  leicht  löslich,  nicht  krystallisirbar;  Silbersalz  fast  unlöslich. 

Mit  rauchender  Salpetersäure  bildet  die  Säure  Nitroderivate,  die  nur  zum 
Theil  fest  werden.    Von  diesen  liefert  die  Orthonitrosäure  bei  der  Reduction  das 

demOxindol  homologe  Aethylhydrocarbostyril,  C^H^^^^'^j^^j^^^^' 

als  eine  bei  87—88**  schmelzende,  in  Alkohol,  Aether  und  Benzol  leicht,  in 
Ligrom  und  in  heissem  Wasser  schwer  lösliche  Krystallmasse.  Durch  Phosphor- 
pentachlorid  wird  daraus  Aethylchlorchinolin  gebildet. 

Cinnamenylacrylsäure,  CeHjCHiCHCHiCHCOjH.  Durch  Erhitzen 
von  Zimmtaldehyd  mit  Essigsäureanhydrid  erhalten  (Perkin,  Chem.  soc.  J.  1877  I., 
pag.  388).  Schmp.  165—166°.  Krystallisirt  aus  Alkohol  in  dünnen  Tafeln.  Schwer 
löslich  in  Petroleumäther. 

Das  Natriumsalz  ist  amorph,  nur  massig  leichtlöslich.  Seine  Lösung  giebt  mit  Calcium-, 
Barium-  und  Magnesiumsalzen  krystallinische  Niederschläge,  föllt  Kupfersalze  hellgrün,  Eisen- 
cUorid  hellbraun,  Blei-  und  Silbersalze  weiss. 

Bei  der  Behandlung  mit  Natriumamalgam  nimmt  die  Säure  nur  zwei  Wasser- 
stoffatome  auf  und  bildet  damit  die 

Hydrocinnamenylacrylsäure,  CeHjCHiCHCHj-CHjCOjH,  (Baeyer 
u.  Jackson,  Ber.  1880,  pag.  122),  welche  in  einer  Kältemischung  zu  grossen, 
farblosen,  in  reinem  Zustande  bei  28—29°  schmelzenden  Blättern  erstarrt.  Die 
Säure  gestattet  die  direkte  Addition  von  Brom  und  von  Bromwassersto£f. 

Das  Dibromid,  CnH^jBrjOj,  lässt  sich  aus  einem  Gemenge  von  Petroleum- 
äther mit  wenig  Chloroform  in  Prismen  krystallisiren,  die  bei  108 — 109°  schmelzen. 

Die  weitere  Addition  von  Wasserstoff  lässt  sich  nicht  mittelst  Natriumamal- 
gam, sondern  nur  durch  Jodwasserstoff  bewirken. 

Phenylangelikasäure,  CgHj'CH'.C^Q^  |j,  entsteht  beim  Erhitzen  von 

Benzaldehyd  mit  (Normal-)Butyrylchlorid  (Fittig  u.  Bieber,  Ann.  153,  pag.  358), 
sowie  durch  Einwirkung  von  Natrium  auf  Buttersäure-Benzyläther  (Conrad  und 
HoDGKiNSON,  Ann.  193,  pag.  319).  Aus  heissem  Wasser  in  langen  Nadeln 
krystallisirbar,  mit  Wasserdämpfen  flüchtig.     Schmp.  82°. 

Ihr  Barium-  und  Calciumsalz  sind  in  kaltem  Wasser  ziemlich  schwer  löslich. 

Perkin  (Chem.  soc.  J.  1877  L,  pag.  388),  giebt  für  die  aus  Benzaldehyd 
durch  Erhitzen  mit  Buttersäureanhydrid  und  buttersaurem  Natrium  dargestellte 
Phenylangelikasäure  den  Schmelzpunkt  104°  an.  Das  aus  dem  öligen  Chlorid 
dieser  Säure  gewonnene  Amid  schmolz  bei  128°. 

Benzylisobuttersäure.  Von  dieser  Säure  ist  nur  der  Benzyläther, 
CgH5-CH,'C(CH,)jC02-CHjC6H5,  dargestellt,  und  zwar  durch  Einwirkung 
von  Natrium  auf  erwärmten  Isobuttersäurebenzyläther  (Hodgkinson,  Ann.  201, 
pag.  166).  Der  Benzyläther  ist  ein  bei  ungefähr  285°  siedendes  Oel,  welches 
sich  nur  sehr  schwierig  verseifen  lässt  und  dabei  nur  Benzoesäure  und  Isobutter- 
säure liefert 

v^C  H 

Cumenylacrylsäure,  CgH4     p|j.^qjj.qq  jj.     Aus   Cuminaldehyd    und 

Essigsäureanhydrid  erhalten  (Perkin,  Chem.  soc.  J.  1877  !•»  pag.  388).    Weisse 
Nadeln,    wenig  löslich  in  Wasser,    leicht    in  Alkohol  und  in  heissem  Eisessig. 


36  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Schmp.  157—158°.  Zum  Sieden  erhitzt  zerfallt  die  Säure  in  Kohlensäure  und 
Isopropylvinylbenzol,  (C^  ^Hj  4). 

Das  Ammoniaksalz  bildet  asbestähnliche  Krystalle,  das  Natriumsalz  eine  undeutlich 
kiystallinische  Masse;  beide  sind  nur  massig  leicht  löslich.  Das  schwer  lösliche  Calciumsalz 
krystallisirt  in  wasserfreien  Nadeln.  Bei  100^  nimmt  es  schnell  Sauerstoff  aus  der  Luft  auf; 
Salzsäure  fallt  dann  aus  seiner  Lösung  eine  neue,  leicht  zersetzliche  Säure.  Barium-  und 
Strontiumsalz,  (2H2O),  erhält  man  als  schwer  lösliche  Niederschläge.  Die  Schwermetallsalze 
sind  meistens  unlöslich. 

Das  Chlorid  der  Säure  bildet  eine  kristallinische,  bei  ca.  25°  schmelzende  Masse;  das 
Amid  krystallisirt  aus  Alkohol  in  glänzenden  Tafeln,  die  bei  185 — 186**  schmelzen. 

Mit  Natriumamalgam  und  Wasser  liefert  die  Säure  die 

^C  H 

Cumenylpropionsäure,  CßH4^Q|j  IcK  'CO  H'  <i*c  ^^s  ihrer  Eisessig- 
lösung durch  Wasser  in  glänzenden,  bei  70°  schmelzenden  Schuppen  gefallt  wird. 
Ihr  Barium-,  Calcium-,  Kupfer-  und  Silbersalz  können  durch  Fällung  erhalten  werden. 

^P    TT 

Cumenylcrotonsäure,  CßH^^  J^lT^^^/CHj     ,    entsteht   beim    Erhitzen 

von  Cuminaldehyd  mit  Propionsäureanhydrid  (Perkin,  Chem.  soc.  J.  1877  L, 
pag.  388).  Leicht  löslich  in  Alkohol  und  heissem  Petroleumäther,  aus  letzterem 
in  schiefen  Prismen  krystallisirend.     Schmp.  90 — 91°. 

Cinnamenylangelikasäure,  CeHj.CHiCH.CHrC:;^^^!^.    Aus  Zimmt- 

aldehyd  und  Buttersäureanhydrid  gewonnen  (Perkin,  1.  c).     Schmp.  125 — 127**. 

Cumenylangelikasäure,  C6H4     zijz^'  ^CjHg  .    Aus  Cuminaldehyd  und 

Buttersäureanhydrid  dargestellt.  Krystallisirt  aus  heissem  Alkohol  in  farblosen, 
bei  123°  schmelzenden  Nadeln  (Perkin,  L  c). 

Vulpinsäure,  Cj^gHi^Oj.  Bestandtheil  der  Wolfsflechte  (Cetraria  vulpina), 
woraus  sie  zuerst  von  Bäbert  abgeschieden  wurde  (Jouni.  de  Pharm.  17,  pag.  696) 
und  der  gelben  Wandflechte  (Farmelia  parietina)  (Stein,  Journ.  pr.  Ch.  91,  pag.  100; 
93,  pag.  366)  (BoLLEV,  Journ.  pr.  Ch.  93,  pag.  354).  Von  Möller  und  Strecker 
(Ann.  113,  pag.  56)  näher  untersucht. 

Man  gewinnt  sie  aus  der  Wolfsflechte  durch  Ausziehen  mit  sehr  verdünnter 
Kalkmilch,  Fällen  des  Filtrats  durch  Salzsäure  und  Krystallisiren  des  Niederschlags 
aus  Aether  oder  heissem  Alkohol.  Aus  der  ätherischen  Lösung  krystallisirt  sie 
beim  Abkühlen  in  gelben  Nadeln,  beim  Verdunsten  in  gut  ausgebildeten  schwefel- 
gelben Krystallen  des  monoklinen  Systems.  Unlöslich  in  Wasser,  schwer  löslich 
in  Alkohol,  leichter  in  Aether,  sehr  leicht  in  Chloroform.  Schmp.  148°  (Spiegel). 
In  höherer  Temperatur  sublimirt  die  Säure  in  Blättchen.     Sie  schmeckt  bitter. 

Alkalien  lösen  die  Vulpinsäure  mit  goldgelber,  an  der  Luft  sich  nicht  ver- 
ändernder Farbe.     Die  Säure  ist  einbasisch. 

Das  Ammoniaksalz  (2H2O),  Kaliumsalz  (IH3O)  und  Bariumsalz  (7 H^O)  krystalli- 
siren in  gelben  Nadeln;  das  Silbersalz  bildet  einen  wasserfreien,  gelben  Niederschlag. 

Beim  Kochen  mit  heiss  gesättigter  Barytlösung  zerfällt  die  Vulpinsäure  in 

Phenylessigsäure,    Methylalkohol   und    Oxalsäure,    beim   Kochen   mit   Kalilauge 

(spec.  Gew.  1,05—1,15)  bildet  sie  Methylalkohol,  Kohlensäure  und  Oxatolylsäure 

(Dibenzylglycolsäure).    Von  Spiegel  (Ber.  1880,  pag.  1629)  ist  die  Vulpinsäure  als 

der  saure  Methyläther  der  zweibasischen  Pulvinsäure  erkannt  worden  (s.  d.). 

1.2  4 

Piperinsäure,  C6Hj.(q^CH2)-CH:CH.CH:CH.COjH.     Das  Kalium- 


Aromatische  Säuren.  37 

salz  dieser  Säure  scheidet  sich  in  gelblichen  Blättchen  aus,  wenn  Piperin  mit 
alkoholischer  Kalilauge  anhaltend  gekocht  (v.  Babo  u.  Keller,  Joum.  pr.  Chem.  72, 
pag.  53)  und  dadurch  unter  Wasseraufnahme  in  Piperinsäure  und  Piperidin  ge- 
spalten wird:  Ci^HijNOj-H  H3O  =  C^  jHiq04  -f-  CsKj^N  (Strecker,  Ann.  105, 
pag.  317).  Die  durch  Salzsäure  aus  der  verdünnten  Kaliumsalzlösung  ausge- 
schiedene Säure  bildet  einen  gelben,  gallertartigen,  aus  mikroskopischen  Nadeln 
bestehenden  Niederschlag,  nach  dem  Umkrystallisiren  aus  Alkohol  gelblich 
weisse,  lange,  feine  Nadeln,  welche  bei  216 — 217°,  nachdem  sie  aber  einmal 
geschmolzen  sind,  constant  schon  bei  212 — 213°  schmelzen  (Fittig  u.  Mielck). 
Nahe  über  dem  Schmelzpunkt  sublimirt  die  Säure  unter  theilweiser  Zersetzung. 
Sie  ist  fast  unlöslich  in  kaltem  Wasser,  leicht  löslich  in  heissem  Alkohol,  schwer 
löslich  in  kaltem,  noch  schwerer  in  Aether,  Benzol  und  Schwefelkohlenstoff. 

Die  Salze  sind  fast  alle  schwer  löslich  oder  unlöslich.  Kaliumsalz:  rhombische  Blätter, 
Natriums  alz:  schwer  lösliches  Krystallpulver,  Ammoniak  salz:  atlasglänzende  Blätter,  Barium- 
salz:  mikroskopische,  erst  in  5000  Thln.  kaltem  Wasser  lösliche  Nadeln,  deren  Lösung  durch 
Kohlensäure  vollständig  zersetzt  wird.  Calciumsalz  ähnlich,  etwas  leichter  löslich.  Die 
Schwermetallsalze  werden  als  Niederschläge  erhalten. 

Durch  concentrirte  Schwefelsäure  wird  die  Piperinsäure  blutroth  gefärbt. 
Mit  nascirendem  Wasserstoff  giebt  sie  Hydropiperinsäure,  C^jH^O^,  mit  Kalium- 
permanganat Piperonal,  CßHjl^Q^CHjj-CHO,  während  Chromsäure  sie  voll- 
ständig verbrennt.  Beim  Schmelzen  mit  Kaliumhydroxyd  zerfällt  sie  in  Essigsäure, 
Oxalsäure  und  Protocatechusäure.  Mit  Brom  bildet  die  in  kalt  gehaltenem 
Schwefelkohlenstoff  suspendirte  Säure  das  Tetrabromid,  Ci2HioBr^04  (Tetra- 
brompiperhydronsäure),  ein  weisses  Pulver,  welches  bei  160 — 165°  unter  lebhafter 
Zersetzung  schmilzt  Dasselbe  giebt  mit  verdünnter  Natronlauge  oder  heisser 
Sodalösung  Bromnatrium  und  Piperonal,  mit  kalter  Sodalösung  oder  beim  Kochen 
mit  Wasser  das  Dibrompiperinid,  ein  aus  Weingeist  in  glänzenden  Prismen 
kiystallisirendes,  bei  136^  schmelzendes  lactidartiges  Anhydrid  von  der  Formel 
Ci,HgBr,0,. 

Durch  Einwirkung  einer  ätherischen  Bromlösung  auf  Piperinsäure  und  Schütteln 
mit  Sodalösung  entsteht  ein  in  perlmutterglänzenden  Blättchen  sich  ausscheidendes 
Natriumsalz,  CigH^Br^NaOs  -H  l^HjO.  Salzsäure  fällt  aus  seiner  kalten  Lösung 
die  Tetrabromoxypiperhydronsäure,  CijHjQBr^Oj,  als  flockigen,  bald 
krystallinisch  werdenden  Niederschlag,  aus  Weingeist  krystallisirbar,  bei  155° 
unter  lebhafter  Zersetzung  schmelzend,  mit  Sodalösung  in  der  Kälte  wieder  das 
schwer  lösliche  Natriumsalz,  beim  Kochen  aber  Monobrompiperonal  gebend 
(FiTTio,  Ann.  152,  pag.  25;  159,  pag.  129;  172,  pag.  134). 

Hydropiperinsäure,  CeH3(Q^CH,)cH,CH8CH:CHCO,H.    Produkt 

der  Einwirkung  von  Natriumamalgam  und  Wasser  auf  Piperinsäure  (Foster, 
Ann.  124,  pag.  115).  Wenig  löslich  in  kaltem,  reichlicher  in  heissem  AVasser, 
sehr  leicht  in  Alkohol  und  Aether.  Aus  Alkohol  oder  heissem  Wasser  in  langen, 
seideglänzenden  Nadeln  krystallisirend.     Schmp.  71°  (Fittig). 

Das  Ammoniaksalz  krystallisirt  leicht  in  glänzenden  Schuppen.  Calcium-  und  Barium- 
salz sind  in  kaltem  Wasser  schwer  löslich.  Das  Silbersalz  ist  ein  fast  unlöslicher,  krystalli- 
nischer  Niederschlag.  Es  existirt  ein  tibersaures  Kaliumsalz,  Ci,Hj ^KO^  +  C^^Hj^O^, 
sowie  ein  entsprechendes  Ammoniaksalz,  welche  durch  Wasser  zersetzt  werden.  Der  Aethyläther 
ist  eine  schwere,  ölige  Fltissigkeit 

Mit    concentrirter   Schwefelsäure    oder   rauchender   Salpetersäure   giebt   die 


38  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Hydropiperinsäure  eine  blutrothe  Lösung.  Mit  verdünnter  Salpetersäure  entsteht 
neben  viel  Oxalsäure  eine  halbflüssige  Nitrosäure. 

Kaliumpermanganat  oxydirt  die  Säure  wesentlich  zu  Piperonal;  Chromsäure 
verbrennt  sie  vollständig.  In  der  Kalischmelze  entsteht  Protocatechusäure  und 
Essigsäure. 

Durch  Natriumamalgam  lässt  sich  kein  weiterer  Wasserstoff  in  die  Hydro- 
piperinsäure einführen;  mit  Brom  aber  addirt  sich  diese  zu  Dibrompiperhydron- 
säure,  C^^H^^Bt^O^,  Diese  ist  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Aether, 
woraus  sie  in  Drusen  kleiner,  bei  135  —  136°  schmelzender  Krystalle  erhalten 
wird.  Beim  Erwärmen  mit  Natronlauge  giebt  sie  kein  Piperonal,  sondern  piperin- 
saures  Natrium  (Fittig,  Ann.  152,  pag.  56;  172,  pag.  158). 

Piperonylsäure,  C6Hj(Q];^CH2)'CO^H(Methylenprotocatechusäure).  Die 

Säure  wird  erhalten  durch  Oxydation  der  Piperinsäure  oder  des  daraus  zunächst 
entstehenden  Piperonals  mittelst  Kaliumpermanganat,  sowie  beim  Kochen  des 
Piperonals,  ihres  Aldehyds,  mit  alkoholischer  Kalilauge  (Fittig  u.  Mielck,  Ann.  152, 
pag.  40).  Synthetisch  wurde  sie  durch  Erhitzen  von  Protocatechusäure  mit  Methylen- 
jodid  und  Kaliumhydroxyd  dargestellt  (Fittig  u.  Remsen,  Ann.  168,  pag.  93). 
Sie  ist  fertig  enthalten  in  der  Cotorinde  (Jobbt  u.  Hesse,  Ber.  1878,  pag.  103 1). 
Aus  den  Lösungen  ihrer  Salze  wird  die  Piperonylsäure  als  weisses,  kaum  krystalli- 
nisches  Pulver  gefällt.  Sie  ist  auch  in  heissem  Wasser,  sowie  in  kaltem  Alkohol 
und  Aether  nur  wenig,  in  heissem  Alkohol  leichter  löslich.  Aus  letzterem  scheidet 
sie  sich  in  nadeiförmigen  Krystallen  aus.  Durch  Sublimation  erhält  man  sie  in 
grossen,  derben,  anscheinend  monoklinen  Prismen.     Schmp.  228°. 

Das  Kaliumsalz  (IH^O),  Natriumsalz  (IH,0)  und  Ammoniaksalz  bilden  leicht 
lösliche  kleine  Prismen.  Das  Calciumsalz,  (C8H504)jCa -{- 3H3O,  kiystaUisirt  in  seide- 
glänzenden Nadehi  oder  Blättchen,  die  sich  bei  15°  erst  in  161  Thln.  Wasser  lösen,  das 
Barium  salz  (IH^O)  aus  heissem  Wasser  in  harten,  glänzenden  Prismen,  das  in  kaltem  Wasser 
schwer  lösliche  Zinks  alz  in  grossen  Spiessen.  Das  Silber  salz  ist  ein  krystallinischer  Nieder- 
schlag, aus  heissem  Wasser  in  schmalen  Blättchen  krystallisirend.  Das  Kupfersalz  (IH,0) 
wird  als  lebhaft  grUne,  krystallinische,  das  Blei  salz  (IH^O)  als  weisse,  krystallinische,  das 
Eisenoxydsalz  als  hellbraune,  amorphe  Fällung  erhalten. 

Der  Aethyläther  ist  eine  leicht  bewegliche  Flüssigkeit  von  fruchtätherartigem  Geruch. 

Beim  Erhitzen  mit  verdünnter  Salzsäure  auf  170°  spaltet  sich  die  Piperonyl- 
säure in  Protocatechusäure  und  Kohlenstoff.  Wird  nur  Wasser  angewandt,  so  ist 
eine  Temperatur  von  über  200°  erforderlich,  und  statt  der  Protocatechusäure 
treten  deren  Spaltungsprodukte:  Brenzcatechin  und  Kohlensäure  auf  (Fittig  u. 
Remsen,  Ann.  168,  pag.  96). 

Durch  Chromsäure  wird  die  Piperonylsäure  verbrannt,  auch  beim  Kochen 
mit  verdünnter  Salpetersäure  unter  Entwicklung  von  Kohlensäure  und  Bildung 
von  etwas  Oxalsäure  zerstört.  Wenn  aber  heisse  concentrirte  Salpetersäure  nur 
sehr  kurze  Zeit  einwirkt,  so  entstehen  hauptsächlich  Nitropiperonylsäure  und 
Methylenmononitrobrenzcatechin.  Beim  Eintragen  der  Säure  in  eiskalte  rauchende 
Salpetersäure  wird  Methylendinitrobrenzcatechin  gebildet. 

Nitropiperonylsäure,  CßH3(N02)(Q]!!IlCH2)-C02H,  krystallisirt  in  glän- 
zenden, gelben  Blättchen,  die  in  Wasser,  namentlich  in  siedendem,  ziemlich  leicht 
löslich  sind  und  bei  172°  schmelzen.  Ihre  Lösung  in  Alkalilauge  ist  gelb  und 
wird  beim  Kochen  blutroth. 


Aromatische  Verbindungen.  39 

Die  Salze  sind  z.  Th.  gut  krystallisirbar.  Das  Silbersalz  ist  wasserfrei,  Kalium-  und 
Bleisalz  enthalten  1  Mol.,  das  Kupfersalz  4  Mol.  Krystallwasser. 

Mit  Zinn  und  Salzsäure  entsteht  ein  Amidoderivat,  dessen  wässrige  Lösung 
durch  Eisenchlorid  blauviolett  gefärbt  wird.  Seine  salzsaure  Verbindung  krystalli- 
sirt  gut,  ist  aber  äusserst  leicht  veränderlich  (Jobst  u.  Hesse,  Ber.  1878,  pag.  1031). 

Brompiperonylsäure»  durch  Oxydation  des  Monobrompiperonals  mit 
Kaliumpermanganat  erhalten,  bildet  bei  204 — 205°  schmelzende,  unzersetzt  subli- 
mirbare  Krystalle  (Fittig  u.  Mielck,  Ann.  172,  pag.  158). 

Amarsäure,  C4  6H4  20g,  neben  Desoxybenzoin  beim  Kochen  von  Benz- 
amaron  mit  weingeistiger  Kalilauge  entstehend  (Zinin,  Chem.  Centralbl.  1871, 
pag.  211;  Ber.  1877,  pag.  1735)  krystallisirt  aus  Weingeist  in  dünnen,  vierseitigen 
Prismen  mit  2  Mol.  Krystallwasser,  die  bei  100°  entweichen. 

Kaliumsalz,  C^gH^^KgO^.  Leicht  löslich  in  Wasser  und  Alkohol.  Es  wird  aus 
wässriger  Lösung  durch  ätzende  oder  kohlensaure  Alkalien  als  Oel  ausgeschieden.  Aus  Aether 
kann  es  in  Tafeln  krystallisirt  erhalten  werden.  Das  Natriumsalz  (4H2O)  krystallisirt  aus 
Aether  in  mikroskopischen  Nadeln  oder  in  ziemlich  dicken,  rhombischen  Tafeln,  die  selbst  in 
trocknem  Zustande  leicht  in  jene  Nadeln  Übergehen.  Das  Bariumsalz  krystallisirt  aus  heissem, 
verdünnten  Weingeist  in  Drusen  rhombischer  Tafeln,  die  an  der  Luft  undurchsichtig  werden 
und  dann  noch  2  Mol.  Krystallwasser  enthalten.  Calciumsalz,  C^gH^^GaOg  +  2H2O,  und 
Silbersalz  sind  amorphe  Niederschläge. 

Ein  Anhydrid  C4gHj804  entsteht  aus  der  Amarsäure  durch  Erhitzen  auf 
140 — 150°.  Die  anfangs  harzartige  Masse  wird  durch  Uebergiessen  mit  Alkohol 
in  Nadeln  krystallisirt  erhalten.     Schmp.  140,5**. 

Zu  Homologen  der  Amarsäure  gelangt  man,  wenn  man  das  Alkali  in 
Methyl-,  Isobutyl-  oder  Amylalkohol  gelöst  auf  das  Benzamaron  einwirken  lässt 
Genauer  untersucht  ist  nur  die  Isobutylamarsäure,  CgoHgoOg.  Sie  ist  in 
Wasser  fast  unlöslich,  aus  Alkohol  in  rhombischen  Tafeln  krystallisirbar.  Bei 
175—179°  schmilzt  sie  unter  Bildung  eines  anfangs  harzartigen  Anhydrids 
C50H46O4,  welches  durch  Uebergiessen  mit  Aether  in  eine  hierin  schwerer  lös- 
liche, krystallinische  Form  übergeführt  wird  und  aus  Alkohol  in  vierseitigen,  bei 
137°  schmelzenden  Prismen  krystallisirt. 

C  H 
Pyroamarsäure,    CigHjgOj   (=  Benzyläthylbenzoesäure :    C^H,  CIq^jj^' 

COjH?)  bildet  sich  neben  Benzoesäure  bei  vorsichtigem  Schmelzen  der  Amar- 
säure oder  ihres  Anhydrids  mit  Kaliumhydroxyd  (Zinin,  Ber.  1877,  pag.  1735)- 
Sehr  schwer  löslich  in  Wasser,  leicht  in  Aether;  daraus  beim  Verdunsten  in  dicken, 
rhombischen  Platten  oder  Prismen  krystallisirend.     Schmp.  94°. 

Die  Alkalisalze  krystallisiren  schlecht.  Das  AmmoniaksaU  zersetzt  sich  beim  Ein- 
dampfen seiner  Lösmig.  O.  Jacobsen. 

Aromatische  Verbindungen.*)  Schon  seit  etwa  30  Jahren  unterscheidet 
man  neben  der  Gruppe  der  Fettkörper,  d.  h.  derjenigen  Verbindungen,  welche 
mit  den  Fetten  in  näherer  Beziehung  stehen,  die  sogen,  aromatischen  Ver- 
bindungen, welche  einen  verhältnissmässig  höheren  Kohlenstoffgehalt  besitzen 
und  sich  von  aromatisch  riechenden  Oelen  ableiten  lassen.  Im  Jahre  1865  hat 
K£KUl£  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  alle  diese  Körper,  die  damals  schon  in 
grosser  Zahl   bekannt  waren,   als   Derivate   des  Benzols   aufzufassen   seien   (i). 

*)  l)  Bulletin  Soc.  chim.  ÜL,  pag.  98.  Ann.  Chem.  137,  pag.  129.  2)  Ann.  Chem.  172, 
pag.  331 ;  Ber.  Ges.  8,  pag.  535  u.  853  3)  Ladenburg,  Theorie  d.  aromatischen  Verbindungen, 
Braunschweig  1876.  4)  Ber.  2,  pag.  140  u.  272  vergl.  Kekul^  Ann.  162,  pag.  77  u.  Ladenburg, 
Bei.  5,  pag.  322.     5)  Thomson,  Ber.  13,  pag.  2166  u.  Barth,  Monatsh.  I.,  pag.  869. 


40 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


1/K 


(Gh.  38.) 


»/ 


Heute  ist  dies   wohl  allgemein  anerkannt  und  dadurch  hat  die  Constitution  des 
Benzols  eine  hervorragende  Bedeutung  gewonnen. 

lieber  diese  hat  schon  Kekul^  sehr  eingehende  Betrachtungen  angestellt  und 
ist  dabei  zu  der   Hypothese  gelangt,  dass  die  6  Kohlenstoffatome  des  Benzols 

eine  geschlossene  Kette  bilden,  deren  einzelne  Glieder 
abwechselnd  durch  1  oder  2  Valenzen  gebunden  sind. 
Die  nebenstehende  Fig.  33  stellt  diese  Anschauung 
^Ifs  graphisch  dar,  und  es  hat  wohl  keine  Formel  eine 
solche  Anwendung  oder  Verbreitung  gefunden  wie  diese, 
welche  gewöhnlich  unter  dem  Namen  Benzolsechseck 
bezeichnet  wird. 

KEKLT.fi  hat  aus  dieser  Formel  zwei  Sätze  er- 
schlossen, welche  fllr  die  Constitution  der  aromatischen 
Verbindungen  von  grösster  Wichtigkeit  sind.  Diese 
lauten : 

1.  Die  6  Wasserstoffatome  des  Benzols  sind  gleich- 
werthig,  d.  h.  von  allen  Mono-  und  Pentasubstitutionsprodukten  des  Benzols  ist 
nur  eine  Form  möglich. 

2.   Für  alle  Bisubstitutionsprodukte  existiren  3  isomere  Formen. 
Mit   diesen  Sätzen  stimmten  zur  Zeit  ihrer  Aufstellung  die  Thatsachen  im 
Allgemeinen  überein,  doch  waren  auch  widersprechende  Versuche  bekannt. 

Ladenburg  (2)  zeigte  nun  zunächst,  dass  diese  entgegenstehenden  Behaupt- 
ungen auf  Irrthümem  beruhen.  Es  gelang  ihm  weiter,  aus  Thatsachen,  die  er 
z.  Th.  selbst  auffand,  z.  Th,  Anderen  entlehnte,  die  obigen  beiden  Sätze  zu  be- 
weisen (3).  Schon  früher  hatte  derselbe  gezeigt,  dass  die  von  Kekul£  aufgestellte 
Sechseckformel  des  Benzols  (Fig.  33)  mit  diesen  Sätzen  nicht  in  vollständiger 
Uebereinsdmmung  stehe  (4),  während  er  andererseits  darthun 
konnte,  dass  ein  anderes  Schema,  jetzt  unter  dem  Namen  der 
Prismenformel  des  Benzols  (Fig.  34)  bekannt,  diesen  beiden 
Bedingungen  vollständig  Rechnung  trägt.  Freilich  hat  trotz- 
dem, und  obgleich  auch  andere  Gründe  zu  Gunsten  der 
Prismenformel  vorgebracht  wurden  (5),  die  letztere  keine 
grosse  Verbreitung  gefunden,  und  dies  wohl  hauptsächlich 
deshalb,  weil  sie  weniger  anschaulich  ist  als  die  Sechseck- 
formel und  weil  sie  nicht  so  elegant  und  einfach  wie  diese, 
die  condensirten  aromatischen  Verbindungen  wie  Naphtalin, 
Anthracen,  Phenantren  etc.  zu  formuliren  gestattet. 
Nomenclatur  und  Schreibweise  aromatischer  Verbindungen.  Schon 
oben  wurde  darauf  hingewiesen,  dass  die  aromatischen  Verbindungen  sich  vom 
Benzol  ableiten  und  zwar  dürfen  die  meisten  als  Substitutionsprodukte  desselben 
angesehen  werden.  Man  trägt  dieser  Thatsache  bei  der  Formulirung  vielfach 
Rechnung,  indem  man  die  Verbindungen  so  schreibt,  dass  sie  als  substituirte 
Benzole  erscheinen,  z.  B.  Benzoesäure  CgHjfCOjH),  Phtalsäure  C6H4(CO,H)„ 
Anilin  CgH5(NH2)  etc.  Da  nun  aber  schon  bei  den  zweifach  substituirten 
Benzolen  und  um  so  mehr  bei  den  höher  substituirten  Isomerien  vorkommen, 
so  handelt  es  sich  auch  um  ein  Auseinanderhalten  dieser  Isomeren  bei  der 
Formulirung.  Deshalb  muss  hier  das  Wesentlichste  über  die  Isomerie  bei 
aromatischen  Verbindungen  hervorgehoben  werden,  während  für  diejenigen,  welche 
diesen  Gegenstand  eingehend  studiren  wollen,  auf  die  Literatur  verwiesen  wird  (3), 


(Gh.  84.) 


Arsen.  41 

Schon  oben  sind  zwei  Sätze  als  für  die  Constitution  des  Benzols  fundamental 
hervorgehoben.  Daraus  lassen  sich  ohne  Schwierigkeit  die  Anzahl  der  Isomerien 
bei  den  verschiedenen  Substitutionsprodukten  des  Benzols  ableiten. 

I.    Bei  den  einfach  substituirten  Benzolen  giebt  es  keine  Isomerie. 

n.  Alle  vom  Benzol  durch  Vertretung  zweier  Wasserstoffatome  entstehenden 
Verbindungen  treten  in  3  isomeren  Formen  auf.  Man  nennt  diese  je  Ortho  (o-)-, 
Meta(m.)-  und  Para(p.)- Verbin  düngen  und  bezeichnet  sie  beim  Schreiben 
der  Formeln  derart,  dass  man  neben  die  substituirenden  Atome  oder  Atomgruppen 
Zahlen  setzt,  welche  ihre  relative  Stellung  (oder  besser  Beziehung)  zu  einander 
andeuten.  Theoretische  Betrachtungen,  welche  durch  Thatsachen  gestützt  sind, 
haben  dahin  geführt  (3)  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  annehmen  zu  können,  dass 
den  Orthoverbindungen  die  Bezeichnung  (1.2)  oder  (1.6)  zukommt,  wobei  die 
Zahlen  dieselbe  Bedeutung  wie  in  den  obigen  Benzolformeln  haben.  Die  Be- 
zeichnung 1.2  sagt  also  aus,  dass  diejenigen  Wasserstoffatome,  welche  bei  den 
obigen  Benzolformeln  mit  diesen  Zahlen  bezeichnet  sind,  durch  die  substituirenden 
Gruppen  vertreten  wurden. 

Ebenso  ist  nachgewiesen,  dass  den  Metaverbindungen  die  Bezeichnung  (1.3)  oder 
(1.5)  zukommt,  während  die  Paraverbindungen  durch  (1.4)  dargestellt  werden  müssen. 

ni.  Bei  den  Trisubstitutionsprodukten  des  Benzols  hat  man  3  Fälle  zu 
unterscheiden: 

a)  Die  3  eintretenden  Gruppen  sind  einander  gleich.  Dann  hat  man  3  Isomere, 
welche  folgendermaassen  bezeichnet  werden: 

1.  (1.2.3)  ==  (4.5.6)  =  (5.6.1)  =  etc. 

2.  (1.2.4)  =  (1.2.5)  =  etc. 

3.  (1.3.5)=:   2.4.6. 

b)  Von  den  3  eintretenden  Atomgruppen  sind  zwei  einander  gleich  und  von 
der  dritten  verschieden,  dann  sind  6  Isomere  möglich.  Bei  der  gebräuchlichen 
Bezeichnungsweise  ist  unter  1  stets  die  zuerst  geschriebene  Atomgruppe  zu  ver- 
stehen, während  die  zweite  Zahl  sich  auf  die  ihr  gleiche  Atomgruppe  beziehen 
soll.    Man  hat  dann: 

1.  1.2.3=  1.6.5=  etc. 

2.  1.2.4=  1.6.4=  etc. 

3.  1.3.2=  1.5.6=  etc. 

4.  1.3.4=  1.5.4=  etc. 

5.  1.3.5=  1.5.3=  etc. 

6.  1.4.2=  1.4.3=  etc. 

c)  Die  3  eintretenden  Atomgruppen  sind  untereinander  verschieden.  Dann 
sind  10  Isomere  möglich,  deren  Bezeichnung  in  ähnlicher  Weise  möglich  ist. 

rv.  Bei  Tetrasubstitutionsprodukten  sind  bei  gleichen  Substituenten  3  Isomere 
möglich,  während  unter  derselben  Voraussetzung  sowohl  von  Penta-  wie  von 
Hexasubstitutionsprodukten  nur  je  eine  Form  möglich  ist.  Ladenburg. 

Arsen.*)  As  =  74,9.  Molekulargewicht  AS4  =  300,  Dampfdichte  =  10,6, 
wenn  Luft=  1  oder  150,  wenn  Wasserstoff  =  1  gesetzt  wird. 

•)  i)  Gmelin-Kraut's  Handb.  2)  V.  Meyer,  Ber.  12,  pag.  11 17.  3)  A.  Buchner,  N.  Rep. 
Pharm.  22,  pag.  265.  4)  E.  Reichardt,  Arch.  Phann.  [3]  17,  i,  pag.  291.  5)  J.  Ogier,  C.  r.  87, 
pag.  210.  6)  Janovsky,  Ber.  6,  pag.  216.  7)  Wiederhold,  Pogg.  118,  pag.  615.  8)  Conechy, 
Chem.  N.  41,  pag.  189.  9)  F.  Selmi,  Monit.  scient.  [3]  8,  pag.  1012.  O.  Johnson,  Chem.  N.  38, 
pag.  301).  10)  DE  Clkrmont  u.  Frommei..  11)  £.  Fischer,  Ber.  13,  pag.  1778.  12)  Fresenius, 
Qoalitatiye  u.  quantitative  Analyse. 


42  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Schwefelarsen  und  das  gewöhnlich  >Arsenik«:  genannte  Anhydrid  der  arsenigen 
Säure,  welche  als  Naturprodukte  vorkommen,  waren  schon  im  Alterthum  bekannt 
und  den  Namen  Arsenicon  erwähnt  bereits  Dioskorides.  Das  Element  Arsen 
wurde  jedoch  erst  von  Schröder  im  Jahre  1694  und  später  (1733)  von  Brandes 
durch  Reduction  des  Arseniks  erhalten. 

Das  Arsen  ist  ein  sehr  weit  verbreitetes  Element  und  findet  sich  z.  B.  in  sehr 
vielen  Mineralquellen,  im  Meerwasser,  in  den  Steinkohlen  u.  s.  w.  in  nicht  ganz 
unerheblichen  Mengen-  Verarbeitungswtirdig  für  die  Gewinnung  des  Arsens  ist 
jedoch  nur  der  aus  gediegenem  Arsen  bestehende  Scherbenkobalt  oder  Fliegen- 
stein aus  dem  Erzgebirge  und  manche  Erze,  in  welchen  das  Arsen  an  Kobalt, 
Nickel,  Kupfer,  Eisen  oder  Schwefel  gebunden  ist. 

Die  wichtigsten  Arsenerze  sind:  Arsenikkies  FeAsS  und  Fe  j  As  Sgl  Speis- 
kobalt Co  As  j;  Glanzkobalt  Co  As  S;  Kupfemickel  NiAs;  femer  die  kupferhaltigen 
Fahlerze,  das  Realgar  As^Ss  und  das  Auripigment  oder  Operment  AS2S3.  Arsenig- 
säure-Anhydrid  bildet  oft  als  ein  secundäres  Produkt  Ausbltihungen  auf  den  Erzen ; 
auch  Salze  der  Arsensäure  finden  sich  in  der  Natur. 

Das  rohe,  metallische  Arsen,  welches  Handelsgegenstand  ist,  besteht  entweder 
aus  gediegenem  Arsen,  dem  Scherbenkobalt,  oder  dem  Destillationsprodukt  der 
Arsenkiese,  welche  am  besten  unter  Zusatz  von  Eisen  erhitzt  werden.  Letzteres 
zerlegt  die  Dämpfe  des  Schwefelarsens,  indem  es  sich  mit  dem  Schwefel  verbindet. 
Die  Destillation  wird  in  thönemen  Röhren  vorgenommen,  welche  sich  in  einem 
Galeerenofen  befinden  und  mit  als  Vorlagen  dienenden  Röhren  aus  Eisenblech 
versehen  sind.  Zur  Reinigung  unterwirft  man  das  durch  Waschen  mit  Chlorwasser 
vom  Arsenik  befreite  Rohprodukt  der  Sublimation  in  Tiegeln  oder  Glasretorten. 

Auf  frischer  Bruchfläche  besitzt  das  Arsen  Farbe  und  Metallglanz  des  Eisens, 
an  feuchter  Luft  tiberzieht  es  sich  jedoch  bald  mit  einer  schwärzlichen  Haut. 
Es  krystallisirt  in  rhomboedrischer  Form  und  ist  mit  Antimon  und  Tellur  isomorph. 
Wird  Arsen  in  einem  indifferenten  Gasstrom  sublimirt,  so  erscheint  bei  450° 
ausser  einem  aus  Kryställchen  gebildeten  Sublimat,  noch  ein  schwarzes  amorphes 
und  ein  graues,  aus  kleinen  Kügelchen  gebildetes  Pulver.  Diese  auch  bei  der 
Zersetzung  des  Arsenwasserstoffs  durch  Glühhitze  sich  bildenden  Modificationen 
gehen  beim  stärkeren  Erhitzen  in  krystallisirtes  Arsen  über  (Conechv)  (8).  — 
Das  elementare  Arsen  oxydirt  sich  beim  Aufbewahren  unter  lufthaltigem  Wasser 
und  giebt  an  dasselbe  arsenige  Säure  ab.  An  der  Luft  stark  erhitzt,  verbrennt 
das  Arsen  mit  weisser  Flamme  unter  Ausstossung  eines  knoblauchartig  riechenden, 
weissen  Rauches,  welcher  aus  Arsenik  besteht 

Beim  Erhitzen  mit  conc.  Salpetersäure  oder  Königswasser,  sowie  beim 
Schmelzen  mit  Nitraten  oder  Chloraten  wird  das  Arsen  leicht  zu  Arsensäure 
oxydirt,  dagegen  greifen  es  verdünnte  Säuren  oder  Alkalilaugen  nicht  an.  Mit 
Kalium,  Natrium,  Magnesium,  Kupfer  und  Nickel  vereinigt  sich  das  Arsen  beim 
Schmelzen  zu  Arsenmetallen,  von  welchen  diejenigen  der  Alkalien  und  alkalischen 
Erdmetalle  durch  Wasser  unter  Entwicklung  von  ArsenwasserstofF  zersetzt  werden. 

Arsenigsäure-Anhydrid,  As40e,  auch  Arsentrioxyd  genannt,  ist  das  ge- 
wöhnlich mit  der  Bezeichnung  Arsenik  oder  weisser  Arsenik  belegte  furcht- 
bare Gift.  Es  bildet  sich  beim  Erhitzen  des  Arsens  oder  arsenhaltiger  Erze  an 
der  Luft  und  wird  deshalb  beim  Rösten  der  Arsenkiese  in  den  Hüttenwerken 
gewonnen.  Die  zu  diesem  Prozess  verwendeten  Oefen  sind  gewöhnlich  mufTel- 
förmig  gebaut,  so  dass  die  Feuergase  unter  der  Sohle  und  über  der  Wölbung 
des  Ofens  hinstreichen  und  so  ihre  Wärme  abgeben,  ohne  sich  selbst  den  Arsenik- 


Arsen.  43 

dämpfen  beizumischen,  da  letztere  sonst  theilweise  zu  Arsen  reductrt  werden  würden. 
Durch  Oeflfnungen,  welche  an  der  Vorderseite  des  Ofens  angebracht  sind,  tritt 
Luft  ein,  oxydirt  die  Erze  und  geht  mit  Arsenikdampf  beladen  durch  einen  Kanal 
am  hinteren  Ende  des  Ofens  in  die  »Gift fange«  genannten  gemauerten  Kammern, 
welche  meist  übereinander  in  einem  thurmartigen  Gebäude  angeordnet  sind.  In 
diesen  ^Giftthürmen  verdichtet  sich  das  Arsenik  in  Form  eines  weissen  Pulvers, 
des  sogen.  Giftmehls. 

Durch  Sublimation  wird  Letzteres  gereinigt  und  dabei,  wenn  die  Vorlage 
warm  genug  gehalten  wird,  zum  grossen  Theil  als  eine  fast  farblose,  völlig 
amorphe,  glasartige  Masse  erhalten.  Allmählich  trübt  sich  jedoch  dieses  Glas 
von  Aussen  nach  Innen  und  wird  porzellanartig  weiss;  eine  Umwandlung,  welche 
auf  dem  Uebergang  des  amorphen  Arseniks  in  die  krystallinische  Modification 
beruht  Bei  langsamer  Sublimation  des  Arseniks  besteht  das  Sublimat  aus  kleinen, 
glänzenden  Reguläroctaedem,  was  zum  Nachweis  benutzt  werden  kann,  doch  kann 
die  Verbindung  aus  wässriger  Lösung  auch  in  rhombischen  Prismen  krystallisirt 
erhalten  werden  und  ist  also  ebenso  wie  das  Antimonoxyd  SbjOj  dimorph.  Nach 
F.  Sel^u  (9)  verflüchtigt  sich  das  Arsenik  schon  bei  100 — 125°  ziemlich  merklich. 
Die  Dampfdichte  des  Arseniks  ist  nach  Mitscherlich  bei  571°  und  nach  neueren 
Untersuchungen  von  V.  Meyer  (2)  selbst  bei  1560°  eine  der  Formel  As^Og  ent- 
sprechende, weshalb  die  früher  angenommene  Formel  AsgOj  verworfen  werden  muss. 

Wasser  löst  das  Arsenik  nur  schwierig;  1  Th.  amorphes  Arsenik  wird  nach 
A.  Buchner  (3)  bei  eintägiger  Berührung  von  etwa  108  Thln.  Wasser  von  15° 
gelöst,  während  die  krystallinische  Modification  355  Thle.  erfordert.  1  Th. 
krystallinisches  Arsenik  bleibt  jedoch  in  46  Thln.  Wasser  von  15°  gelöst,  wenn 
die  Lösung  zuvor  in  der  Siedhitze  vorgenommen  wurde.  Bei  gleichem  Verfahren 
bleibt  1  Th.  amorphes  Arsenik  in  etwa  30  Thln.  Wasser  gelöst.  Die  Löslichkeits- 
verhältnisse  konnten  nicht  schärfer  beobachtet  werden,  da  die  beiden  Modifica- 
tionen  in  einander  übergehen.  Die  wässrige  Lösung  schmeckt  schwach  süsslich, 
röthet  blaues  Lakmuspapier  und  enthält  wahrscheinlidh  die  eigentliche  arsenige 
Säure,  As(OH)g,  beim  Verdunsten  bleibt  jedoch  das  Anhydrid,  As40ß,  zurück. 

Salzsäure  löst  den  Arsenik  viel  leichter  und  reichlicher  als  Wasser.  Die 
glasige  Modification  wird  dabei  besonders  reich  aufgenommen  und  aus  einer 
solchen  heiss  bereiteten  Lösung  scheiden  sich  beim  Erkalten  Krystalle  aus,  deren 
Bildung  von  einem  im  Dunkeln  sichtbaren  Funkensprühen  begleitet  ist.  Da  eine 
Lösung  des  krystallisiiten  Anhydrids  diese  Lichterscheinung  nicht  zeigt,  so  steht 
ihr  Auftreten  wohl  mit  dem  Uebergang  der  amorphen  Modification  des  Arseniks 
in  die  kiystallisirte  in  Beziehung. 

Die  giftigen  Wirkungen  der  arsenigen  Säure  sind  bekannt;  sie  erstrecken 
sich  auch  auf  die  Pflanzen.  Im  thierischen  Organismus  wirkt  der  Arsenik  am 
raschesten,  wenn  es  unmittelbar  in  das  Blut  gebracht  wird  und  erzeugt  dabei 
eigenthümliche  Nervenzufalle.  Im  Magen  veranlasst  das  Gift  lokale  Entzündungen 
und  Magenbrennen,  femer  Erbrechen  und  Kolik,  wobei  schreckliches  Angstgefühl, 
Irrereden,  convulsivische  Bewegungen,  bis  schliesslich  nach  einigen  Stunden  oder 
Tagen  der  Tod  eintritt.  Doch  sind  Fälle  bekannt,  bei  welchen  in  Folge  des 
Genusses  einer  sehr  grossen  Dosis  Arsenik,  alles  Gift  durch  das  sofort  erfolgte 
heftige  Erbrechen  entfernt  wurde  und  Genesung  eintrat,  während  eine  geringere 
Dosis  sicher  den  Tod  bewirkt  haben  würde.  Als  Gegenmittel  dient  ein  frisch 
bereitetes  Gemenge  von  Eisenchloridlösung  mit  überschüssiger  Magnesia,  dessen 


44  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Wirksamkeit  auf  der  Vereinigung  der  arsenigen  Säure  mit  dem  Eisenhydroxyd 
und  der  Magnesia  zu  unlöslichen  Verbindungen  beruht  (Bunsen). 

In  alkalischen  Laugen  löst  sich  das  Arsenigsäure-Anhydrid  leicht,  indem  sich 
Salze  der  arsenigen  Säure  bilden.  In  Ammoniak  ist  es  gleichfalls  löslich,  doch 
liinterbleibt  beim  Abdampfen  der  Lösung  wiederum  nur  das  Anhydrid,  während 
Ammoniak  entweicht. 

Die  wässrige  Lösung  der  arsenigen  Säure  wird  durch  Schwefelwasserstoff  nur 
gelb  gefärbt,  nicht  gefallt;  erst  auf  Zusatz  einer  Säure,  z.  B.  von  Salzsäure  scheidet 
sich  das  Arsen  als  Arsentrisulfid  aus,  ein  gelber  Niederschlag,  der  durch  seine  Lös- 
lichkeit in  Ammoniak,  Ammoniumsulfid  und  Ammoniumcarbonat  charakterisirt  ist. 
Die  Salze  der  arsenigen  Säure,  Arsenite  genannt,  sind  ausser  den 
Alkalisalzen  unlöslich  oder  schwer  löslich  in  Wasser.  Solche  Salze  entstehen 
durch  Fällung  der  betreffenden  Metalllösungen  durch  arsenigsaure  Alkalien  und 
werden  von  Salzsäure  unter  Zersetzung  gelöst.  Beim  Glühen  zerfallen  die  meisten 
Arsenite,  wobei  entweder  arsenige  Säure  oder  Arsen  verdampft.  In  letzterem  Fall 
hinterbleibt  ein  arsensaures  Salz. 

Die  Lösungen  der  arsenigsauren  Alkalien  liefern  mit  Silbemitrat  einen  gelben 
Niederschlag  von  arsenigsaurem  Silber,  mit  Kupfersulfat  eine  gelbgrüne  Fällung 
von  Kupferarsenit;  die  Salzlösungen  der  alkalischen  Erdmetalle,  sowie  die  Blei- 
salze werden  weiss  gefällt.  Wird  eine  stark  alkalische  Arseniklösung  mit  etwas 
Kupfersulfat  versetzt,  so  findet  keine  Ausscheidung  von  Kupferhydroxyd  statt, 
beim  Erhitzen  fällt  aber  aus  der  klaren  blauen  Lösung  Kupferoxydul  als  rother 
Niederschlag  aus,  während  die  arsenige  Säure  in  Arsensäure  übergeht.  —  Eine 
mit  viel  Salzsäure  vermischte  Arsenitlösung  erleidet  beim  Erhitzen  mit  blankem 
Kupfer  eine  Reduction  zu  metallischem  Arsen,  welches  auf  dem  Kupfer  einen 
aus  Arsenkupfer  bestehenden  grauen  Ueberzug  erzeugt.  Diese  Reaction  ist  ihrer 
Empfindlichkeit  wegen  zum  Nachweis  geringer  Arsenmengen  anwendbar. 

Die  Reduction  des  Arseniks  zu  elementarem  Arsen  geschieht  äusserst 
leicht  auf  trocknem  Weg,  wenn  man  die  Arsenikdämpfe  über  glühende  Kohle 
streichen  lässt.  Zur  Erkennung  des  Arsenigsäure-Anhydrids,  wenn  es  als  solches 
vorliegt,   eignet  sich  ein  solcher  Reductionsversuch  besonders.     Die  zu  prüfende 

Substanz  wird  in  die  geschlossene  Spitze 

a  eines  Glasröhrchens  Fig.  35  gebracht, 

b  ^^#^-  .^^ii0^^^         ein  Holzkohlensplitter  etwas  weiter  vom 

in  den  ausgezogenen  Theil  der  Röhre 
gelegt  und  diese  nun  zunächst  an  der 
Stelle  erhitzt,  an  welcher  die  Kohle  liegt. 
Sobald  letztere  glüht,  wird  auch  die 
Substanz  erhitzt,  so  dass  die  Arsenik- 
dämpfe gezwungen  sind,  über  die  glü- 
hende Kohle  zu  streichen.  Oberhalb  der- 
(Cii.  35.)  selben   bei  c  verdichtet  sich  das  metal- 

lische Arsen  zu  einem  braunschwarzen, 
metallglänzenden  Sublimat,  dem  sogen.  Arsenspiegel.  Arsenite,  sowie  Schwefel- 
arsen lassen  sich  ebenfalls  reduciren,  wenn  man  sie  mit  einem  trocknen  Gemisch 
von  gleichen  Theilen  Natriumcarbonat  und  Cyankalium  in  einem  Glasröhrchen, 
welches  unten  zu  einer  kleinen  Kugel  aufgeblasen  ist,  zusammenschmilzt  Es  ist 
selbstverständlich,  dass  die  zu  prüfende  Substanz  keine  organischen  Stoffe  ent- 
halten darf,  welche  beim  Erhitzen  theerige  Produkte  abgeben.    Sollte  beim  Beginn 


Arsen. 


45 


des  Erwärmens  noch  etwas  Feuchtigkeit  entweichen,  so  sind  die  weiter  oben 
condensirten  Wassertröpfchen  durch  Fliesspapier  wegzunehmen.  Bei  starkem 
Erhitzen,  am  besten  mit  Hilfe  des  Löthrohrs  bildet  sich  im  kälteren  Theil  der 
Röhre  ein  Arsenspiegel.  —  Diese  Methode,  welche  sich  zur  Nachweisung  des 
Arsens  besonders  eignet,  da  Antimonverbindungen  bei  gleicher  Behandlung 
keinen  Spiegel  liefern,  wird  empfindlicher,  wenn  die  Reduction  in  einem  lang- 
samen Kohlensäurestrom  ausgeführt  wird,  weil  in  diesem  Fall  das  Verbrennen 
des  Arsens  zu  Arsenik  ausgeschlossen  ist. 

Zur  Ausführung  dieser  Prüfung  dient  der  von  Fresenius  und  von  Babo  an- 
gegebene Apparat  (Fig.  36). 


(Ch.  36.) 

Das  in  einem  constant  wirkenden  Kohlensäure- Apparat  ab  (welcher  auch 
durch  eine  andere  Vorrichtung  ersetzt  werden  kann,  insofern  sie  nur  einen  regulir- 
baren  Gasstrom  liefert)  erzeugte  Gas  wird  zunächst  durcii  Wasser  gewaschen  und 
dann  in  einer  Chlorcalciumröhre  d  getrocknet,  worauf  es  in  die  leere  Reductions- 
röhre  e  gelangt.  Letztere  wird  nun,  während  der  Gasstrom  sie  durchfliesst,  eine 
Viertelstunde  lang  zum  Glühen  erhitzt.  Zeigt  sich  dann  gegen  das  äussere 
Röhrenende  hin  kein  dunkler  Spiegel,  so  sind  die  angewandten  Materialien  rein. 
Nun  wird  die  wohlgetrocknete,  aus  Substanz,  Cyankalium  und  Natriumcarbonat 
bestehende  Mischung  mit  Hilfe  einer  Rinne  aus  Kartenpapier  in  die  Mitte  der 
Röhre  gebracht,  zunächst  zur  Austreibung  der  etwa  noch  vorhandenen  Feuchtig- 
keit schwach  erwärmt,  worauf  dann  mit  einer  Flamme  die  mit  e  bezeichnete 
Stelle  und  erst  dann  gleichzeitig  mit  einer  zweiten  Flamme  das  etwas  weiter 
stromauf  befindliche  Gemenge  zum  starken  Glühen  erhitzt  wird,  während  ein 
sehr  langsamer  Gasstrom  den  Apparat  durchstreicht 

Von  noch   grösserer  Empfindlichkeit  ist   die  Nachweisung  des  Arsens  mit 


46 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


Hülfe  nascirenden  Wasserstoffs  und  die  Erzeugung  von  Arsenflecken  durch  Er- 
hitzen oder  unvollständige  Verbrennung  des  entstandenen  Arsenwasserstoffs. 
Diese  von  Marsh  angegebene  und  nach  ihm  benannte  Methode  erfordert  jedoch 
das  Arsen  in  Form  von  arsenig-  oder  arsensauren  Salzen,  da  andere  Arsen- 
verbindungen durch  nascirenden  Wasserstoff  nicht  völlig  in  Arsenwasserstoff  über- 
geführt werden.  Beim  Gang  der  analytischen  oder  gerichtlichen  Untersuchung 
wird  aber  meist  das  Arsen  als  SulfÜr  erhalten,  dessen  Identität  festzustellen  ist. 
Dieses  Sulflir,  resp.  der  auf  Arsen  zu  prüfende  durch  Schwefelwasserstoff  er- 
haltene Niederschlag  wird  durch  Abdampfen  mit  rauclfender  Salpetersäure  voll- 
ständig oxydirt  und  dann  die  Säure  durch  Abdampfen  zum  grössten  Theil  ent- 
fernt. Hierauf  neutralisirt  man  mit  Natronlauge,  fügt  gepulvertes  Natriumcarbonat 
und  -nitrat  zu  und  erhitzt  das  Gemisch  langsam  im  Porzellantiegel  bis  die  Masse 
zu  einer  klaren  und  farblosen  Flüssigkeit  geschmolzen  ist.  Nach  dem  Erkalten 
wird  mit  Wasser  ausgelaugt,  wobei  etwa  vorhandenes  Antimon  als  unlösliches, 
antimonsaures  Natrium  zurückbleibt.  Die  das  Arsen  als  Arseniat  enthaltende 
Lösung  wird  vorsichtig  mit  überschüssiger  verdünnter  Schwefelsäure  soweit  ein- 
gedampft, dass  schwere,  weisse  Dämpfe  von  Schwefelsäure  entweichen,  ein  Zeichen, 
dass  alle  Salpetersäure,  welche  den  Reductionsprocess  stören  würde,  entfernt  ist. 
Den  Inhalt  des  Schälchens  löst  man  in  etwas  Wasser  und  bringt  diese  Lösung 
in  den  bereits  vorgerichteten  MARSH'schen  Apparat.  Derselbe  besteht  aus  einer 
sehr  kleinen  Wasserstoffentwicklungsflasche,  Fig.  37,   aus  welcher  das  Gas  durch 

eine  mit  Chlorcalcium  ge- 
füllte Trockenröhre  in  eine 
an  mehreren  Stellen  ver- 
engte Glasröhre  aus  schwer 
schmelzbaremGlase  strömt. 
Dass  zur  Beschickung  des 
Apparats  nur  völlig  arsen- 
freie Materialien  angewandt 
werden  dürfen  ist  selbst- 
verständlich, ebenso  dass 
man  vor  dem  Zusatz  der 
auf  Arsen  zu  prüfenden 
Flüssigkeit  sich  von  der 
■'  Reinheit  derselben  und  des 
Apparates  überzeugt.  Die 
Gasentwicklung  ist  bei  An- 
wendung chemisch  reinen  Zinks  äusserst  langsam,  lässt  sich  aber  durch  Einwerfen 
einiger  Platindrähte  (oder  durch  Zusatz  einiger  Tropfen  Platinchloridlösung) 
sehr  beschleunigen.  Die  Prüfung  des  Apparates  geschieht  dadurch,  dass  man 
nach  Austreibung  der  Luft  durch  das  Wasserstoffgas  letzteres  entzündet  und 
weisse  Porzellanschälchen  in  die  Flamme  hält,  so  dass  diese  breit  gedrückt  wird : 
es  darf  sich  keine  Spur  eines  dunklen  Fleckes  zeigen.  Hierauf  erhitzt  man  eine 
Stelle  der  schwer  schmelzbaren  Röhre  mit  der  Gasflamme  während  einer  halben 
Stunde  zum  Glühen  und  lässt  das  sich  entwickelnde  Gas  durchstreichen.  Auch 
hier  darf  kein  dunkler  Beschlag  im  Inneren  der  Röhre  erscheinen.  Zur  Aus- 
führung des  eigentlichen  Versuchs  erneuert  man  den  Inhalt  des  Apparates  und 
event.  der  Chlorcalciumröhre  mit  denselben  Materialien,  prüft  nochmals  in  der 
angegebenen  Weise  die  Flamme  und  durch  Erhitzen  der  Röhre  während  kürzerer 


(Ch.  87.) 


Arsen.  47 

Zeit  und  giesst  dann  die  auf  Arsen  zu  prüfende  Flüssigkeit  langsam  durch  die 
Trichterröhre  in  den  Wasserstoffapparat.  Sogleich  oder  nach  einigen  Minuten 
bildet  sich  bei  Anwesenheit  von  Arsen  hinter  der  erhitzten  Stelle  der  Röhre  ein 
braunschwarzer  Arsenspiegel.  Lässt  man  hierauf  die  Röhre  erkalten,  so  zeigt 
das  entweichende  Gas  den  charakteristischen  Knoblauchgeruch  und  liefert  beim 
Anzünden  eine  fahle  bläulichweisse  Flamme,  welche  an  hineingehaltene  Porzellan- 
schälchen  schwarzbraune,  glänzende  Arsenflecken  absetzt  — 

Um  annähernd  sämmtliches  in  Form  von  Arsenwasserstoff  auftretendes  Arsen 
zu  gewinnen,  kann  man  schliesslich  das  Gas  in  Silbernitratlösung  einleiten.  Es 
tritt  hierbei  Abscheidung  von  metallischem  Silber  ein,  während  arsenige  Säure 
in  Lösung  geht  und  nach  der  Entfernung  des  in  Lösung  gebliebenen  Silbers 
durch  Salzsäure  mittelst  Schwefelwasserstoffs  gefallt  werden  kann. 

Als  sehr  sichere  Methode  zur  Erkennung  und  Bestimmung  des  Arsens 
empfahl  E.  Reichardt  (4),  das  Arsen-  resp.  Antimonwasserstoff  enthaltende  Gas 
in  stark  salpetersaure  Silbemitratlösung  zu  leiten,  dann  durch  direkten  Zusatz 
von  Bromwasser  die  arsenige  Säure  zu  oxydiren  und  nach  der  Entfernung  des 
Bromsilbers  die  Arsensäure  durch  Ammoniak  und  Magnesiamischung  zu  fallen, 
wobei  etwa  vorhandene  Antimonsäure  in  Lösung  bleibt. 

Bei  gerichtlichen  Untersuchungen  müssen  alle  Operationen  mit  grosser  Ge- 
wissenhaftigkeit und  Sorgfalt  ausgeführt  werden  und  unter  Anwendung  vieler 
Vorsichtsmaassregeln,  welche  einerseits  die  Empfindlichkeit  der  Reaction  sichern 
und  andererseits  jeden  Irrthum  absolut  ausschliessen ;  insbesondere  müssen  die 
erhaltenen  Arsenspiegel  und  -flecken  noch  hinsichtlich  ihrer  Identität  geprüft  werden. 

Die  den  Arsenspiegeln  ähnlichen  Antimonspiegel  unterscheiden  sich  von  jenen 
durch  ihre  schwärzere  Farbe,  geringere  Flüchtigkeit  und  durch  ihre  Unlöslichkeit 
in  kein  freies  Chlor  enthaltender  Chlorkalk-  oder  Chlornatronlösung,  welche  die 
Arsenflecken  sogleich  auflöst. 

Arsensäure-Anhydrid  oder  Arsenpentoxyd  AsjOg. 

Wird  Arsensäure  bis  zur  beginnenden  Rothgluth  erhitzt,  so  entweicht  Wasser 
und  Arsenpentoxyd  bleibt  als  weisse  Masse  zurück,  welche  bei  stärkerem  Erhitzen 
in  Arsenigsäure-Anhydrid  und  Sauerstoff  zerfallt. 

In  Wasser  löst  sich  das  Pentoxyd  langsam  zu  Arsensäure,  AsO^Hg,  giebt 
aber  mit  Chlorwasserstoff  kein  dem  Pentoxyd  entsprechendes  Pentachlorid,  sondern 
unter  Chlorentwicklung  nur  Arsentrichlorid. 

Arsensäure.     Arseniksäure. 

Arsensäure,  ASO4H,,  bildet  sich  beim  Auflösen  des  Anhydrids  in  Wasser, 
sowie  bei  Einwirkung  von  Salpetersäure  auf  Arsenigsäure-Anhydrid.  Beim  Ein- 
dampfen der  Lösung  scheiden  sich  nadeiförmige  Kryställchen  der  Arsensäure, 
AsO^Hj,  ab.  Dampft  man  jedoch  die  syrupdicke  Lösung  der  Arsensäure  bei 
140 — 180^  ein,  so  bestehen  die  nun  gebildeten  Krystalle  aus  Pyroarsensäure, 
ASjO^H^,  und  wird  längere  Zeit  auf  200°  und  darüber  erhitzt,  so  tritt  abermals 
Wasserdampf  aus  und  die  beim  Erkalten  erstarrende  Masse  besitzt  nun  die 
Zusammensetzung  einer  Metaarsensäure,  AsOj^OH.  Pyro-  und  Metasäure 
lösen  sich  in  Wasser  auf,  gehen  aber  dabei  in  die  dreibasische  Orthoarsen- 
säure,  AsO^Hj,  über. 

Arsensäure  ist  für  den  thierischen  Organismus  ein  heftiges  Gift,  steht  aber 
in  dieser  Beziehung  dem  Arsenik  nach.  —  Zu  Reagentien  verhält  sie  sich 
folgendermaassen :    Ihre  Lösung   wird   durch  schweflige  Säure  und  auch  durch 


48  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Schwefelwasserstoff  zu  arseniger  Säure  reducirt;  Schwefelwasserstoff  fällt  bei 
längerer  Digestion  oder  in  der  Wärme  Arsentrisulfid,  welches  mit  Schwefel  ge- 
mischt ist.  Ammoniumsulfid  bewirkt  in  Arsensäurelösung  keinen  Niederschlag. 
Nascirender  Wasserstoff,  z.  B.  mit  Zink  und  verdünnter  Schwefelsäure  entwickelt, 
reducirt  die  Arsensäure  und  bildet  Arsenwasserstoff 

Die  Arsensäure  bildet  wie  die  Orthophosphorsäure  drei  Reihen  von  Salzen, 
neutrale,  einfach  saure  und  zweifach  saure.  Die  einfach  sauren  Salze  liefern 
beim  Glühen  pyroarsensaure  Salze,  die  zweifach  sauren  dagegen  metaarsensaure 
Salze.  —  Die  Orthoarseniate  der  Alkalien  sind  in  Wasser  löslich,  unlöslich  sind 
dagegen  die  neutralen  Salze  der  alkalischen  Erden,  der  Erden  und  die  Schwer- 
metallsalze; Mineralsäuren  lösen  auch  diese  Verbindungen.  Chlorcalcium  und 
Bleiacetat  fallen  die  Lösung  eines  Alkaliarseniats  weiss,  der  mit  Silbemitrat  er- 
zeugte Niederschlag  ist  rothbraun,  derjenige  der  Kupfersalze  blau.  Eisenoxydsalze 
fallen  bräunlich  weisses  arsensaures  Eisenoxyd  und  auch  gefälltes  Eisenhydroxyd 
vermag  die  Arsensäure  aus  ihren  Lösungen  niederzuschlagen. 

In  der  Technik  findet  die  Arsensäure  zur  Gewinnung  des  Fuchsins  Anwendung. 
Aus  den  arsenige  Säure  enthaltenden  Fabrikationsrückständen  kann  das  Arsen 
durch  einen  Sublimationsprozess  bei  Luftzutritt  als  weisser  Arsenik  wiedergewonnen 
werden. 

Arsen  Wasserstoff. 

Zwei  Verbindungen  des  Arsens  mit  Wasserstoff  sind  bekannt,  eine  gasförmige 
und  eine  feste. 

Arsenwasserstoffgas,  AsHj. 

Dieses  dem  Ammoniak  und  Phosphorwasserstoff  analog  zusammengesetzte 
Gas  bildet  sich  wie  erwähnt,  wenn  eine  Sauerstoffverbindung  des  Arsens  mit 
nascirendem  Wasserstoff  zusammentrifft.  Wenn  arsenige  Säure  oder  Arsensäure 
oder  ein  Salz  dieser  Säuren  zu  Zink  gebracht  wird,  welches  mit  verdünnter 
Schwefelsäure,  oder  zu  Aluminium,  welches  mit  Kalilauge  Übergossen  ist,  so 
mischt  sich  sofort  Arsen  Wasserstoff  dem  entweichenden  Wasserstoff  bei.*)  In 
reinem  Zustand  wird  das  Gas  jedoch  durch  Auflösen  von  Arsenmetallen  in  ver- 
dünnter Schwefelsäure  erhalten.  Arsenzink,  Zn^Asj,  eine  durch  Zusammen- 
schmelzen der  Bestandtheile  darstellbare  Legirung  kann  zu  jenem  Zweck  Ver- 
wendung finden.  Arsennatrium,  welches  durch  Erhitzen  von  Natrium  in  dem  vom 
MARSH^schen  Apparat  gelieferten,  arsenhaltigen  Gase  gewonnen  wird,  giebt  schon 
beim  Behandeln  mit  Wasser  oder  sehr  verdünnter  Salzsäure  reines  Arsenwasserstoff. 

Das  Gas  ist  äusserst  giftig  und  das  Einathmen  kleinster  Mengen  insbesondere 
des  aus  Arsenmetallen  dargestellten  reinen  Gases  kann  den  Tod  herbeiführen. 
Aehnlich  dem  Ammoniak  und  Phosphorwasserstoff  ist  auch  der  ArsenwasserstofT 
durch  einen  charakteristischen  Geruch  ausgezeichnet,  der  im  höchsten  Grade 
widerlich  genannt  zu  werden  verdient.  Das  Gas  zeigt  nach  Dumas  das  spec. 
Gew.  2,695  und  wird  bei  —  40°  zu  einer  Flüssigkeit  verdichtet.  Die  Bildungs- 
wärme ist  nach  Ogier  (5)  —  11700  Cal.,  also  negativ,  woraus  sich  das  leichte 
Zerfallen  des  Gases  in  seine  Bestandtheile  erklärt,  wenn  dasselbe  wie  beim 
MARSH'schen  Versuch  eine  glühende  Röhre  passirt.  Das  Entstehen  eines  Arsen- 
spiegels beweist  die  Anwesenheit  von  ArsenwasserstofT  mit  grösster  Schärfe. 

Leitet  man  das  Arsenwasserstoffgas  über  erhitztes  Natrium  oder  Zinn,  so  ent- 
stehen Arsenmetalle   unter  Abscheidung  von  Wasserstoff.  —  An  der  Lufl  lässt 

*)  AntiinonverbinduDgen  geben  mit  Aluminium  und  Kalilauge  keinen  AntimonwasserstofT 
(O.  Johnson)  (10). 


Arsen.  49 

sich  das  Arsenwasserstoff  entzünden  und  verbrennt  mit  bläulichweisser  Flamme 
und  imter  Ausstossung  eines  weissen  Rauches  von  Arsenigsäure-Anhydrid.  Führt 
man  einen  kalten  Gegenstand,  z.  B.  eine  Porzellanplatte  in  die  Flamme,  so  con- 
densirt  sich  auf  derselben  der  Arsendampf  zu  einem  schwarzbraunen  Fleck  — 
eine  Erscheinung,  welche  ebenfalls  zur  Erkennung  des  Arsenwasserstoffs  im 
MARSH'schen  Apparat  dient.  Das  Gas  fällt  viele  Metalle  aus  ihren  Lösungen 
entweder  als  solche  oder  als  Arsenide;  so  schlägt  es  aus  Silbemitratlösung 
schwarzes  metallisches  Silber  nieder,  während  gleichzeitig  ein  Theil  des  Arsens 
als  arsenige  Säure  in  Lösung  geht.  Bei  Antimonwasserstoff  wird  das  Antimon 
völlig  abgeschieden,  so  dass  die  über  dem  Niederschlag  von  Antimonsilber  be- 
findliche Flüssigkeit  ganz  frei  von  Antimon  ist.  Kupferlösung  absorbirt  reinen 
Arsenwasserstoff  vollständig  unter  Bildung  von  Kupferarsenür,  CujAs^;  Queck- 
silber- und  Goldchlorid  werden  gleichfalls  gefällt  —  Eine  Lösung  von  über- 
mangansaurem Kalium  oxydirt  das  Arsenwasserstoffgas  und  die  Haloide  zersetzen 
es,  indem  sie  sich  sowohl  mit  dem  Wasserstoff  wie  mit  dem  Arsen  vereinigen. 

Fester  Arsenwasserstoff. 
Die  Existenz  eines  solchen  Körpers  scheint  sicher  zu  stehen,  nicht  aber 
seine  Zusammensetzung.  Janovsky  (6)  erhielt  beim  Zusammentreffen  von  Natrium- 
arsenid,  NajAs,  mit  Wasser  ausser  gasformigem  Arsenwasserstoff  auch  einen 
braunen,  pulvrigen  Körper,  welcher  die  Zusammensetzung  As^H,  besass.  Wieder- 
hold (7)  gab  an,  beim  Auflösen  einer  Arsenzinklegirung  aus  1  Th.  Arsen  und 
5  Thln.  Zink  in  verdünnter  Schwefelsäure  ein  rothbraunes  Pulver  erhalten  zu 
haben,  welches  der  Formel  As^H,  entsprechend  zusammengesetzt  war,  doch 
hatte  Janovsky  bei  diesem  Verfahren  nur  metallisches  Arsen  erhalten  können. 

Die  quantitative  Bestimmung 
des  Arsens  kann  auf  volumetrischem  und  gewichtsanalytischem  Weg  erfolgen  (i  2). 

Arsenige  Säure  resp.  lösliche  Arsenite  lassen  sich  nach  Mohr  in  schwach 
alkalischer  Lösung  mit  Jodlösung  titriren,  wobei  die  arsenige  Säure  zu  Arsensäure 
oxydirt  wird;  Zusatz  von  Stärkekleister  iässt  das  Vorhandensein  überschüssigen 
Jods  erkeimen.  Die  arsenhaltige  Lösung  muss  mit  Natriumcarbonat  resp.  Salz- 
säure zuvor  neutralisirt  und  dann  mit  reinem  Natriumbicarbonat  versetzt  werden, 
worauf  man  ein  wenig  Stärkekleister  zufügt  und  dann  die  titrirte  Jodlösung,  bis 
eben  die  blaue  Farbe  eintritt.  Je  acht  Atome  Jod,  welche  zur  Oxydation  ver- 
braucht wurden,  weisen  die  Anwesenheit  von  einem  Molekül  Arsenigsäure- 
Anhydrid  nach. 

Nach  Bunskn's  Methode  kocht  man  eine  abgewogene  Menge  Kaliumbichromat 
unter  Zusatz  der  die  arsenige  Säure  enthaltenden  Flüssigkeit  mit  Salzsäure,  fangt 
das  entweichende  Chlor  in  Jodkaliumlösung  auf  und  bestimmt  die  ausgeschiedene 
Jodmenge  durch  Titrirung  mit  schwefliger  Säure  oder  unterschwefligsaurem 
Natrium.  Da  die  arsenige  Säure  resp.  das  gebildete  Arsentrichlorid  zu  Penta- 
chlorid  umgewandelt  wird,  so  gelangt  eine  entsprechende  Menge  Chlor  in  das 
Jodkalium  weniger,  als  das  Kaliumbichromat  sonst  geliefert  haben  würde. 

Neuerdings  hat  E.  Fischer  (ii)  eine  zweckmässige  Modiücation  des  von 
Schneider  u.  Tyfe  angegebenen  Verfahrens  empfohlen,  bei  welchem  die  arsenige 
Säure  enthaltende  Flüssigkeit  mit  Eisenchlorür  und  Salzsäure  destillirt  wird.  Das 
ins  Destillat  übergehende  Arsentrichlorid  wird  dann  mit  Jod  titrirt. 

Auf  gewichtsanalytischem  Weg  wird  das  Arsen  entweder  als  Arsentri- 
sulfid,  As^S),  oder  als  arsensaures  Salz  bestimmt. 

Ladkkbubc,  Chemie.    IT.  4 


50  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Ist  der  durch  SchwefelwasserstofT  erhaltene  SulfÜmiederschlag  frei  von  fremden 
Metallen  und  von  Schwefel,  so  kann  man  ihn  nach  dem  Trocknen  bei  100^ 
direkt  wiegen.  Andernfalls  ist  der  Niederschlag  mit  stark  rauchender  Salpeter- 
säure zu  oxydiren  und  das  Arsen  als  Arsensäure  zu  bestimmen.  Diese  Bestimmung 
geschieht  häufig  analog  der  Phosphorsäurebestimmung  durch  Fällen  der  mit 
Ammoniak  im  Ueberschuss  versetzten  kalten  Lösung  durch  eine  mit  viel  Chlor- 
ammonium vermischte  Magnesiumsulfatlösung ,  wobei  ein  weisser  Niederschlag 
von  arsensaurem  Ammonium-Magnesium  entsteht,  welcher  nach  zwölfstündigem 
Stehen  unter  der  Flüssigkeit  abfiltrirt  und  nach  dem  Trocknen  bei  105 — 110° 
gewogen  wird.  Auch  durch  Fällung  der  ammoniakalisch  gemachten  Arsensäure- 
lösung mit  Uranacetat  erhält  man  einen  constant  zusammengesetzten  Niederschlag, 
welcher  28,71  f  Arsenpentoxyd,  As^Og,  enthält,  und  aus  dessen  Gewicht  das 
vorhandene  Arsen  zu  berechnen  ist 

Die  Trennung  des  Arsens  von  sonstigen  mit  ihm  gemeinschaftlich  vor- 
kommenden Elementen  geschieht  bei  der  quantitativen  Analyse  auf  sehr  ver- 
schiedene Weise,  je  nach  der  Natur  der  begleitenden  Stofie,  meist  erhält  man 
bei  diesen  Scheidungen  schliesshch  das  Arsen  gemischt  mit  dem  ihm  sehr  ähn- 
lichen Antimon  und  es  gilt  insbesondere  diese  beiden  Elemente  von  einander  zu 
trennen.  Entweder  oxydirt  man  die  Sulfide  mit  Salzsäure  und  Kaliumchlorat 
oder  mit  Königswasser,  fügt  Weinsäure  zu  und  fällt  das  Arsen  als  Ammonium- 
Magnesiumarseniat,  wobei  das  Antimon  in  Lösung  bleibt  —  oder  man  dampft 
nach  BuNSEN  die  durch  Oxydation  mit  Kaliumchlorat  und  Salzsäure  erhaltene 
Lösung  zur  Zerstörung  des  Kaliumchlorats  wiederholt  mit  verdünnter  Salzsäure 
ein,  verdünnt,  fällt  mit  Schwefelwasserstoflf\vasser  das  Antimon  und  vertreibt  durch 
einen  stürmischen  Luftstrom  den  überschüssigen  Schwefelwasserstoff,  worauf  der 
aus  Antimonpentasulfid  bestehende  Niederschlag  abfiltrirt,  mit  Wasser,  Alkohol 
und  zuletzt  mit  Schwefelkohlenstoff  ausgewaschen  und  schliesslich  nach  dem 
Trocknen  bei  110°  gewogen  wird;  die  im  Filtrat  enthaltene  Arsensäure  wird 
nach  einer  der  angegebenen  Methoden  bestimmt 

DE  Clermont  und  Frommel  (ig)  haben  neuerdings  beobachtet,  dass  Arsen- 
sulfür  durch  Kochen  mit  Wasser  Schwefelwasserstoff  entwickelt,  während  arsenige 
Säure  in  Lösung  geht.  Durch  längeres  Kochen  der  mit  Schwefelarsen  ge- 
mischten Sulfide  anderer  Metalle  mit  Wasser  unter  Einleitung  eines  Luftstroms 
zur  Entfernung  des  Schwefelwasserstofts  gelingt  es,  das  Arsen  aliein  in  Lösung 
zu  bringen,  während  die  anderen  Metallsulfide  zurückbleiben.  Diese  Methode 
soll  sich  besonders  zur  Trennung  des  Arsens  von  Antimon  und  Zinn  eignen. 

Die  oben  erwähnte  Bestimmungsmethode  des  Arsen  nach  der  FiscHER^schen 
Modification  giebt  auch  bei  Gegenwart  von  Antimon,  Zinn  und  anderen  Metallen 
genaue  Resultate.  —  Heumann. 

Asche.*)  Asche  nennt  man  den  nichtflüchtigen,  unverbrennlichen  Rückstand, 
welchen  pflanzliche  oder  thierische  Substanzen  bei  ihrer  Verbrennung  hinterlassen. 
Abgesehen  von  einzelnen  Kohletheilchen,  welche  gewöhnlich  in  der  Asche  ent- 
halten sind,  aber  durch  längeres  Glühen  derselben  an  der  Luft  völlig  verbrannt 
werden  können,  besteht  die  Asche  nur  aus  mineralischen  Stoffen,  welche  in  der 
verbrannten  Substanz  theils  in  fester,  theils  in  gelöster  Form  enthalten  waren, 
doch  enthält  die  Asche  niemals  sämmtliche   unverbrennliche  Bestandtheile  der 


*)  S.  Fresenius,  Quantitative  Analyse.    Grandeau,  AgricultuFchemische  Analyse.    Bunsen, 
Aschen  analyse   in  Annalen  der  Oenologie.     Heidelberg  1869  und  Z.  anal.  Ch.  9,  283. 


Asche.  5 1 

ursprünglichen  Substanz,  da  in  Folge  der  höheren  Temperatur  Theile  der  Asche 
verflüchtigt  oder  durch  die  austretenden  Gase  mechanisch  fortgerissen  werden 
und  auch  unter  den  Mineralbestandtheiien  selbst  oft  Reactionen  eintreten,  welche 
die  Austreibung  eines  oder  des  anderen  Beslandtheils  zur  Folge  haben.  Anderer- 
seits werden  durch  den  Verbrennungsprocess  selbst  mancherlei  Produkte  erzeugt, 
welche  in  der  Asche  zurückbleiben.  So  werden  die  Salze  der  organischen  Säuren 
und  die  Nitrate  in  Carbonate  verwandelt,  Sulfate  durch  die  Wirkung  der  glühen- 
den Kohle  zu  Sulfiden  reducirt,  sowie  Cyanide  und  Cyanate  in  Folge  der  Ein- 
wirkung der  Alkalicarbonate  auf  stickstoffhaltige  Kohle  gebildet. 

Die  gewöhnlichen  Bestandtheile  der  Aschen  thierischer  und  pflanzlicher  Stolle 
sind  die  Carbonate,  Chloride,  Sulfate,  Sulfide,  Phosphate  und  Silicate  der  Alkali- 
metalle, des  Calciums,  Magnesiums,  Eisens  und  Mangans.  Häufig  kommen  auch 
Bromide,  Jodide  und  Fluoride  vor,  sowie  die  Metalle  Aluminium,  Kupfer  und  Zink. 

Für  die  Kenntniss  der  Ernährung  der  Thiere  und  Pflanzen  ist  es  von  grösster 
Wichtigkeit  die  in  dem  betreffenden  organisirten  Körper  oder  in  einzelnen  seiner 
Theile  enthaltenen  anorganischen  Stoffe  zu  ermitteln,  aber  es  ist  aus  dem  oben 
Gesagten  klar,  dass  die  bei  der  Verbrennung  hinterbleibende  Asche  uns  nur  ein 
sehr  unvollkommenes  Bild  von  der  Qualität  und  Quantität  der  mineralischen 
Stoffe  bietet,  und  dass  wir  nur  mit  grosser  Vorsicht  aus  der  Analyse  einer  Asche 
auf  die  Natiur  der  in  der  organisirten  Substanz  vorhanden  gewesenen  Mineralstoffe 
schliessen  dürfen.  Darum  wurden  viele  Versuche  ausgeführt,  welche  die  Trennung 
der  anorganischen  Bestandtheile  von  den  organischen  durch  eine  weniger  tief- 
greifende Reaction  als  den  Verbrennungsprocess  zum  Ziele  hatten.  So  gelingt 
es  die  organischen  Stoffe  ziemlich  vollständig  dadurch  zu  zerstören,  dass  man  die 
Substanz  in  siedende  Salzsäure  einträgt  und  chlorsaures  Kalium  in  kleinen 
Mengen  zufügt.  Das  sich  entwickelnde  Chlor  und  Chlordioxyd  bewirkt  eine 
durchgreifende  Oxydation  der  organischen  Stoffe,  so  dass  in  vielen  Fällen  eine 
klare  Lösung  erhalten  wird.  Auch  durch  Behandlung  von  Pflanzentheilen  mit 
verdünnter  Salpetersäure  können  fast  alle  Mineral  bestandtheile  in  Lösung  ge- 
bracht und  dann  durch  Filtration  von  der  Zellsubstanz  getrennt  werden,  aber 
während  bei  diesen  Methoden  zwar  eine  Verflüchtigung  von  Mineralbestandtheiien 
weit  eher  vermieden  wird,  als  bei  der  Verbrennung  durch  Feuer,  bewirken  die 
zugefügten  Reagentien  wiederum  andere  tiefgreifende  Veränderungen  in  der 
Bindungsweise  der  Mineralbestandtheile,  so  dass  auch  aus  diesen  Methoden  Schlüsse 
über  die  Art  der  Bindung  der  Mineralstofie  in  der  organisirten  Substanz  kaum 
zu  ziehen  sind. 

Während  viele  anorganische  Stoffe  eine  wichtige  Rolle  im  thierischen  oder 
pflanzlichen  Organismus  spielen,  und  dann  in  den  Aschen  stets  zu  finden  sind, 
begegnen  wir  häufig  nicht  unbedeutenden  Mengen  anderer  Mineralbestandtheile  in 
den  Pflanzen,  welche  als  zufällige,  von  der  Natur  des  Standorts  herrührende  an- 
zusehen sind. 

Alkalisalze  finden  sich  stets  in  allen  Pflanzen,  doch  herrscht  in  den  See- 
und  Strandpflanzen  das  Natrium,  in  den  Binnenlandpflanzen  das  Kalium  vor; 
geringe  Mengen  von  Lithium  und  Rubidium  konnten  mit  Hülfe  der  Spectral- 
aoalyse  ebenfalls  in  vielen  Aschen  gefunden  werden.  In  den  Aschen  thierischer 
Substanzen  treffen  wir  stets  Chloride  und  Schwefelverbindungen,  denn  die  thieri- 
schen Säfte  sind  reich  an  Kochsalz,  und  der  Schwefel  bildet  einen  wesentlichen 
Bestandtheil  der  Eiweisskörper;  auch  phosphorsaure  Salze  sind  gewöhnlich  in 
den  Aschen  thierischer  Stoffe  reichlich  enthalten. 

4* 


52  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Kieselsäure  findet  sich  regelmässig  in  den  Pflanzen,  zuweilen  z.  B.  in  Equi- 
setuMf  in  den  Gramineen  etc.  in  sehr  bedeutender  Menge.  So  enthält  die  Asche 
des  Schachtelhalm's  bis  97 J  Kieselsäure,  diejenige  des  Stroh's  bis  TOJ^. 

Zur  Herstellung  einer  Asche,  aus  deren  Analyse  bestimmte  Schlüsse 
auf  die  Mineralbestandtheile  der  betreifenden  Substanz  gezogen  werden  sollen, 
muss  das  Object  zunächst  von  Staub  und  Sand  gereinigt  sein,  dann  muss  vor 
Allem  verhütet  werden,  dass  fremde  Stoffe  z.  B.  Flugasche  des  verwendeten 
Brennmaterials  das  Object  verunreinigen.  Die  zu  den  Analysen  nöthige  Aschen- 
menge beträgt  5  bis  6  Grm.,  zu  deren  Erlangung  in  der  Regel  mehrere  hundert 
Grm.  der  Substanz  —  je  nach  deren  Gehalt  an  Mineralstoffen  —  verbrannt 
werden  müssen.  Um  die  Verbrennung  zu  beschleunigen,  setzt  man  oft  Ammonium- 
nitrat, Quecksilberoxyd  oder  Platinschwamm  zu;  um  das  Entweichen  des  Schwefels 
zu  vermeiden,  wird  Baryt  oder  Natriumcarbonat  beigemischt. 

Die  gewöhnlichste  Art  der  Einäscherung  ist  die  Verbrennung  in  einer 
thönemen  Muffel,  welche  in  einem  Kohlen-  oder  Gasofen  zur  beginnenden 
Rothgluth  erhitzt  wird,  während  ein  langsamer  Luftzug  durch  die  unteren  Löcher 
des  die  vordere  Oefihung  schliessenden  Thondeckels  eintritt,  und  entweder  durch 
eine  besondere  Abzugsöffnung  in  der  Muffel  oder  durch  die  oberen  Löcher  des 
vorgesetzten  Deckels  ins  Freie  tritt.  Die  zuvor  getrocknete  Substanz  wird  in 
einer  Platin-  oder  Porzellanschale  in  die  Muffel  gestellt  und  diese,  solange  noch 
Dämpfe  entweichen,  schwach  erhitzt,  später  aber  stärker  um  die  Kohle  weg- 
zubrennen. F.  Schulze  empfahl,  die  Einäscherung  in  einer  Platinschale  über  der 
Gasflamme  auszuführen  und  zur  Erzeugung  eines  ruhigen  Luftzugs  einen  Glas- 
cylinder  auf  ein  über  die  Schale  gelegtes  Drahtdreieck  aus  Platin  zu  stellen. 

Es  liesse  sich  wohl  erwarten,  dass  die  Asche  ein  und  derselben  Substanz 
eine  constante  Zusammensetzung  zeigt,  doch  ist  es  im  Gegentheil  ziemlich  schwierig, 
identisch  zusammengesetzte  Aschen  von  demselben  Körper  zu  erhalten,  da  je 
nach  der  Höhe  der  Temperatur  und  der  Art  des  Erhitzens  verschiedene  Verluste 
entstehen,  welche  bald  den  einen  bald  den  anderen  Bestandtheil  treften.  Bunsen 
schlug  vor,  um  wenigstens  die  zum  Theil  entwichene  Kohlensäure  der  Carbonate 
wieder  gleichmässig  zu  ergänzen,  die  Asche  in  Wasser  zu  suspendiren,  Kohlen- 
säure einzuleiten  und  die  Flüssigkeit  hierauf  zur  Trockne  zu  verdampfen,  wobei 
etwa  entstandene  Bicarbonate  in  normale  Carbonate  verwandelt  werden. 

Die  Analyse  selbst  wird  nach  Bunsen  in  der  Art  ausgeführt,  dass  man  die 
in  Wasser  löslichen  und  die  darin  unlöslichen  Aschenbestandtheile  für  sich 
analysirt.  Der  wässrige  Auszug  wird  in  fünf  Theile  getheilt,  von  welchen  je  ein 
Theil  zur  Bestimmung  der  Schwefelsäure,  des  Chlors,  der  Alkalien  und  der 
Kohlensäure  dient,  während  im  letzten  Antheil  Calcium,  Magnesium  und  Phos- 
phorsäure bestimmt  werden.  Der  in  Wasser  unlösliche  Theil  wird  in  zwei  An- 
theile  geschieden.  Den  einen  Theil  schliesst  man  durch  rauchende  Salpetersäure 
auf  und  bestimmt  nach  Beseitigung  der  Kieselsäure  die  Phosphorsäure;  im  Filtrat 
ist  dann  noch  durch  Fällung  mit  Ammoniak  Aluminium  und  Eisen,  durch  Ammonium- 
sulfid das  Mangan  auszufällen  und  endlich  noch  Magnesium  und  Calcium  zu  be- 
stimmen. Der  Rest  der  in  Wasser  unlöslichen  Substanz  wird  zur  Bestimmung 
der  Kohlensäure,  der  Schwefelsäure  und  der  Kieselsäure  mit  Salzsäure  behandelt 

Fresenius  und  Will,  Mitscherlich,  Wittstein,  Knop,  Reichardt  und  noch 
viele  andere  Chemiker  haben  Vorschriften  zur  Aschenanalyse  gegeben,  doch  mag 
das  skizzirte  Verfahren  hier  genügen. 

Zur   Berechnung   der   analytischen  Ergebnisse   ist  man  bestrebt   die 


Asphalt.  53 

Elemente  in  der  Art  zu  binden,  wie  sie  in  Wirklichkeit  in  der  Asche  vorhanden 
sind.  Sand  und  Kohle  werden  daher  zunächst  in  Abzug  gebracht,  da  sie  nicht 
zu  den  Bestandtheilen  einer  reinen  Asche  gehören;  das  Chlor  ist  mit  der 
Döthigen  Menge  Natrium  resp.  Kalium  zu  vereinigen  und  das  Mangan  als  Mangan- 
ozyduloxyd  MnjO^  in  Rechnung  zu  ziehen.  Soll  das  Resultat  für  die  Asche  als 
solche  charakteristisch  sein,  so  ist  die  Kohlensäure  nach  Fresenius  als  wesent- 
licher Bestandtheil  mit  anzuführen/ dagegen  wird  sie  als  unwesentlich  gleichzeitig 
mit  Kohle  und  Sand  in  Abzug  gebracht,  wenn  das  Resultat  als  Ausdruck  der 
anorganischen  Bestandtheile  dienen  soll,  welche  der  verbrannte  organische  Gegen- 
stand enthielt.  Es  ist  daher  zweckmässig  die  analytisc)ien  Ergebnisse  in  dieser 
doppelten  Weise  berechnet  zusammenzustellen.  —  Heumann. 

Asphalt«*)  Unter  dem  Namen  Asphalt  versteht  man  einerseits  eine  Anzahl 
von  Repräsentanten  aus  der  Gruppe  der  natürlichen  Erdharze,  andererseits  be- 
zeichnet man  mit  demselben  Worte  auch  wohl  die,  bei  der  Destillation  des 
Steinkohlentheers  in  den  Retorten  zurückbleibenden  zähflüssigen,  beim  Erkalten 
starr  werdenden  Massen. 

Natürlicher  Asphalt.  Von  den  seitens  der  Mineralogen  zu  der  Gruppe 
der  »Erdharze«  gezählten  Körpern  steht  das  Erdöl  (Petroleum,  Bergöl,  Steinöl, 
Naphta)  in  naher  genetischer  Beziehung  zu  dem  eigentlichen  Asphalt,  wie 
auch  zu  dem  in  Europa  häufigeren  Eiaterit,  dem  elastischen  Erdpech,  denn  nach 
der  Ansicht  der  Geologen  sollen  diese  durch  Oxydation  des  Erdöls  entstanden 
sein.  In  der  That  sind  auch  die  Uebergänge  vom  flüssigen  Erdöl  bis  zum  festen 
Asphalt  mit  allen  möglichen  Zwischenstadien  (Theer,  Pech  etc.)  schon  vielfach 
beobachtet  worden.  —  Der  eigentliche  Asphalt  flndet  sich  namentlich  am 
todten  Meer,  im  Theersee  auf  Trinidad  und  bei  Coxitambo  in  Peru.  Das  an 
diesen  Orten  in  Klumpen  gewonnene  Material  ist  fast  reiner  Asphalt  und  kann 
direkt  in  den  Handel  gebracht  werden.  —  In  Europa  wird  hauptsächlich  das 
zweite,  dem  Asphalt  sehr  nahe  stehende  Erdharz,  der  Eiaterit  oder  Bergtheer 
gewonnen,  imd  zwar  kommt  er  vor  als  bituminöser  Kalk  und  Schiefer,  femer  als 
Asphaltstein,  ein  Gemisch  von  Erdharz  mit  Dolomit  oder  Kalkstein,  und  endlich 


•)  I.  Natürlicher  Asphalt.  Monographien:  i)  R.  Kayser,  Unters,  über  nat.  Asphalte 
Nttmberg  1879  hei  Fr.  Korn.  2)  L.  Meyn:  der  Asphalt  u.  seine  Bedeutung  f.  d.  Strassenbau 
grosser  Städte,  Halle  1872,  Waisenhausbuchhandlung.  3)  F.  F.  Freiherr  v.  Dücker:  Petroleum 
o.  Asphalt  in  Deutschland.  2.  Aufl.  Minden  1881.  J.  CC.  Bruns.  Abhandlungen:  BoussiN- 
GAüLT,  J.-B.  Compt  Rend.  HI.  1836,  pag.  375  oder  Liebig,  Ann.  XXin.,  pag.  261;  Ann.  de 
Chun.  et  Phys.  LXXII,.pag.  442  oder  Liebig's  Ann.  XXXV,  pag.  354.  Ebelmen:  Ann.  des 
Miaes  XV  1839,  pag.  523.  Regnault:  Ann.  de  Chim.  LXVI,  pag.  337  oder  Liebig's  Ann.  XXV, 
pag.  246.  Völckel:  Liebig,  Ann.  87,  pag.  139;  Wien,  Acad.  Ber.  55,  2,  pag.  564  oder  Liebig, 
Ann.  143,  pag.  267;  Joum.  f.  pr.  Chem.  103,  pag.  201.  Karmarsch:  Mitthlg.  d.  Gew.-Ver.  f. 
Hannov.  1844.  Wktherill:  Sill.  Ann.  Jour.  [2]  17,  pag.  130.  Kersten:  Joum.  f.  pr.  Chem.  35, 
pag.  271.  Stromeyer:  N.  Jahrb.  d.  Min.  1862,  pag.  883.  S.  P.  Peckham:  Americ.  Chemist. 
«873  IV,  pag.  6.  L.  Videky:  Zeitschr.  d.  österr.  Ingenieur-  u.  Archit.-Ver.  1872,  pag.  426  oder 
Dwgl.  polyt.  Joum.  CCVII,  pag.  240.  328.  Jaloüreau:  Wagner,  J.-B.  1873,  P^-  77*-  ^'  Prince: 
Ber.  d.  deutsch,  chem.  Ges.  1874,  pag.  1297. 

^.  Ktinstlicher  Asphalt:  Wright,  BerL  Ber.  1871,  pag.  893.  Bresson:  Berl.  Ber.  1872, 
pa^  442.  W.  R.  Lake:  Berl.  Ber.  1872,  pag.  442.  J.  Roger  u.  G.  M.  Soares,  Berl.  Ber.  1872, 
pag.  443.  Pender  u.  Rae,  Berl.  Ber.  1872,  pag.  736.  C.  HAussermann:  WUrtemb.  Gew.-Bl.  1878 
oder  Indust-BL  f.  1878,  pag.  338.  Dagezan:  Dingl.,  polyt.  Joum.  232,  pag.  547.  A.  M.  Gobin: 
Chemik.-Ztg.  1879,  pag.  210.  BOUTIGNY:  Revue  industr.  1879,  pag-  54  o<i«  Chem.  Ztg.  1879, 
pag.  206.     Green:  BerL  Ber.  1877,  pag.  894a.    Bbnnett  u.  Watt,  1874,  pag.  195. 


54  Handwörterbuch  der  Chemie. 

in  Gängen  oder  Spalten  in  mehr  oder  minder  zähflüssigem  Zustande.  Fundorte 
für  den  Elaterit  sind:  Pechelbronn,  Hatten  und  Lobsann  im  Elsass,  femer  Limmer, 
Ahlem,  Velber  und  andere  Orte  der  Provinz  Hannover,  sowie  mehrere  Stellen 
des  nordwestlichen  Deutschlands.  Die  bei  Weitem  bedeutendsten  Fundstätten 
sind  Val  de  Travers  im  Canton  Neuenburg  und  Seyssel  im  Departement  de  TAin. 

Der  reine  Asphalt  ist  dunkelbraun  bis  schwarz  gefärbt,  er  zeigt  einen 
muscheligen,  glänzenden  Bruch,  hat  die  Härte  =  2  und  das  spec.  Gew.  =  1,1 — 1,2. 
Bei  100°  C.  schmilzt  er  und  verbrennt  bei  höherer  Temperatur  an  der  Luft  mit 
stark  Hissender  Flamme.  In  Wasser  und  verd.  Säuren  ist  er  absolut  unlöslich, 
etwas  löslich  in  Alkali,  Aether  und  Alkohol,  leicht  und  vollkommen  löslich  aber 
in  Terpentinöl. 

Das  Erdpech  ist  bald  zähflüssig  oder  schmierig,  bald  fest  und  spröde,  von 
harzartigem  Aussehen  und  muscheligem  Bruch.  Das  reine  Produkt  ist  etwas 
leichter  als  Wasser,  in  natürlichem  Zustande,  d.  h.  mit  feinen  Gesteinsmassen 
durchsetzt,  kann  sein  spec.  Gew.  jedoch  bis  auf  1,6  steigen.  Gegen  Wärme  und 
Lösungsmittel  verhält  es  sich  analog  dem  reinen  Asphalt. 

Die  Zusammensetzung  der  Erdharze  ist,  wie  aus  nachfolgender  Zusammenstdlung  hervorgeht, 
eine  sehr  verschiedene;  durchweg  enthalten  sie  Kohlenstoff,  Wasserstoff,  etwas  Sauerstoff  und 
einige  enthalten  Stickstoff.  In  nachstehender  Analyse  I  finden  sich  die  Zahlen  für  das  Pechel- 
bronner  zähe  Erdharz,  n  ist  •  Jungfemharz «  desselben  Fundortes,  beide  von  Boussingault 
untersucht,  No.  IQ  giebt  die  Zusammensetzung  von  Cuba-Asphalt  nach  Regnault,  No.  IV  Erd- 
harz von  Bastennes,  No.  V  ein  Harz  von  Pont  Navey,  beide  nach  Ebelmen: 


l 

n 

m 

IV 

V 

Kohlenstoff 

880 

880 

81-5 

85-7 

65-9 

Wasserstoff 

120 

110 

9-6 

9-6 

7-3 

Sauerstoff 

0 

0 

9-0 

2-9 

25-4 

Stickstoff 

0 

1-6 

90 

1-8 

1-3. 

Die  näheren  Bestanddieile  des  Asphalts  sind  bislang  noch  wenig  erforscht.  Boussingault 
hat  durch  Destillation  aus  Pechelbronner  Erdpech  «Petrolen«,  C^^H,,,  spec  Gew.  0.891,  Siede- 
punkt etwa  280**)  und  das  «Asphalten«,  C20H33O3,  eine  feste,  schwarze,  asphaltartige  Masse, 
Beginn  des  Schmelzens  bei  300°  dargestellt,  doch  müssen  diese  schon  als  Zersetzungsprodukte 
der  ursprünglichen  Asphaltbestandtheile  aufgefasst  werden.  Als  letztere  sind  vielmehr  verschiedene 
harzige  und  bituminöse  Stoffe  anzusehen. 

Der  Asphalt  kann  je  nach  der  Beschaffenheit  seines  Rohmaterials  in  verschiedener  Weise 
rein  gewonnen  werden.  Es  geschieht  das  entweder  durch  Aussaigern  in  besonderen  Oefen,  wie 
auf  der  Insel  Brazza  bei  Venedig,  oder  man  bringt  den  Asphaltstein  in  zerkleinertem  Zustande 
in  heisses  Wasser  und  schöpft,  nachdem  Steine  und  Sand  sich  zu  Boden  gesenkt  haben,  das 
geschmolzene  Erdpech  oben  ab,  trocknet  es  durch  weiteres  Erhitzen  und  bringt  es  schliesslich 
in  die  bekannte  Brodform  ,*  diese  Methode  ist  die  in  Seyssel  und  Pechelbronn  gebräuchliche. 
Der  bei  Lobsann  gewonnene  bituminöse  Schiefer  lässt,  in  heisses  Wasser  gebracht,  den  Asphalt 
als  schwammige,  nicht  geschmolzene  Masse  an  die  Oberfläche  treten.  Man  nimmt  es  ab>  erhitzt 
bis  zum  Schmehen  und  formt  das  getrocknete  Harz. 

Künstlicher  Asphalt.  Bei  Destillation  des  Steinkohlentheers  bleibt  in  den  Blasen  ein 
Rückstand,  welcher  ähnliche  Eigenschaften  wie  der  natürliche  Asphalt  besitzt,  und  den  man  des- 
halb künstlichen  Asphalt  genannt  hat.  Er  wird  auch  häufig  anstatt  dieses  verwendet,  noch 
häufiger  mit  demselben  gemischt  verarbeitet.  Je  nachdem  man  die  Destillation  in  den  Theer- 
blasen  mehr  oder  weniger  weit  treibt,  resultirt  das  Material  in  mehr  oder  weniger  festem  Zustande. 
Zur  Gewinnung  eines  weichen  Asphalts  wird  der  Blasenrückstand,  aus  welchem  man  die  sehr 
werthvollen  zuletzt  übergehenden  Anthracenöle  möglichst  vollsülndig  auszubeuten  strebt,  vor 
seinem  Ablassen  noch  mit  etwas  billigen,  schweren  Oelen  gemischt.  Der  Theer  liefert  dabei 
ca.  i — 1^  seines  Gewichtes  an  Asphalt.  Auch  den  Rückstand  des  Braunkohlentheers  kann  man 
auf  Asphalt  verarbeiten. 


Aspirator.  55 

Die  Verwendung  des  natttrlichen  wie  des  künstlichen  Asphaltes  ist  eine  sehr  vielfache. 
Er  wird  benfitzt  zum  Belegen  von  Strassen,  Trottoirs  etc.,  zur  Herstellung  von  Dächern  und 
Isolirschichten  zum  Schutz  gegen  Mauerfeuchtigkeit,  als  Anstrich  von  Schiffen,  Wasserleitungs- 
röhren und  Brückenpfählen,  zur  Anfertigung  von  Dachpappen,  zum  Tränken  von  Tuchen,  zum 
undurchlässig  machen  von  Back-  und  Sandsteinen,  wie  auch  zur  Leuchtgasbereitung  etc.  Der 
kfinstüche  Asphalt  wird  insbesondere  auch  als  Bindemittel  bei  der  Briquette-Fabrikation  verwendet 

Asphalt-Kitt  oder  -Mastix.  Man  pflegt  den  Asphalt  in  Rücksicht  auf  seine  Haltbarkeit 
nicht  rein,  sondern  gemischt  mit  Sand,  Kies,  Kalkstein  etc.  als  sogen.  Asphaltkitt  anzuwenden. 
Die  einfachste  Art  der  Herstellung  desselben  ist  die,  dass  man  in  Kesseln  den  Asphalt  mit  mehr 
oder  weniger,  je  nach  Art  der  Verwendung,  von  gröblich  gemahlenem  bituminösen  Kalkstein, 
Kreide  oder  Sand  zusammenschmilzt  und  mischt,  und  dann  in  Brode  oder  Platten  formt 

Im  Canton  Neuenburg  wird  Mastix  durch  Zusammenschmelzen  von  pulverisirtem  Asphaltstein 
mit  3  Thln.  reinem  Mineraltheer  (Goudron  mineral)  von  Dax  gewonnen. 

Soll  Mastix  aus  künstlichem  Asphalt  hergestellt  werden,  so  lässt  man  das  Pech  aus  den 
Destillirblasen  noch  warm  in  angeheizte  gusseiseme  Kessel  fliessen,  in  denen  es  mit  gröblich 
gemahlener,  scharf  getrockneter  und  noch  heisser  Kreide  oder  mit  ebenso  vorbereitetem  bitumi- 
nösen Kalk  oder  Jurakalk  gemischt  wird.  Um  eine  möglichst  innige  Mischung  der  Materialien 
zu  eizielen,  bedient  man  sich  mit  Vortheil  des  BABONCAU'schen  Kessels  mit  Rlihrvorrichtung. 

Bei  der  Herstellung  von  Asphaltpflaster  verwendet  man  jetzt  den  Asphalt  in  3  Formen, 
1.  als  Asphaltkitt,  2.  als  comprimirten  oder  gewalzten  Asphalt,  3.  als  Asphaltbeton.  — 

1.  Der  an  Ort  und  Stelle  aus  reinem  Asphalt  erst  hergestellte  oder  der  fertige  zerkleinerte 
Asphaltkitt  wird  in  einen  Kessel  gebracht,  in  dem  vorher  3  Thle.  reines  Erdpech  geschmolzen 
smd,  mit  diesem  gut  gemischt,  nochmals  1  Th.  Erdharz  zugesetzt  und  nun  eine  »Füllung«  von 
Kies,  Flusssand,  Kalkstein  etc.  in  Stückchen  von  5 — 10  Millim.  Durchmesser  mit  dem  Asphalt 
▼enührt  Das  heisse  Material  wird  auf  einer  vorher  sorglich  geglätteten  und  getrockneten  Unter- 
lage mit  Hokschabem  ausgebreitet  und  auf  der  Oberfläche  entweder  mit  Sand  (taloche)  oder 
mit  feinem  Kies  (granite)  glatt  verrieben. 

2.  Comprimirter  oder  gewalzter  Asphalt  Der  Asphalt  hat  die  Eigenschaft,  in  der 
Hitze,  ehe  er  schmilzt,  zu  einem  trocknen  Pulver  zu  zerfallen  und  dieses  kann  durch  genügenden 
Drack  bei  niederer  Temperatur  in  eine  zusammenklebende,  feste  Masse  verwandelt  werden.  Man 
edutct  einen  S  Meter  hohen,  1  Meter  im  Lichten  messenden  cylindrischen  Ofen,  der  im  Innern 
eine  stehende  Schnecke  und  radiale  Rührer  hat,  auf  300^,  versetzt  Rubrer  und  Schnecke  in 
ziemlich  starke  Drehung  und  giebt  nun  von  oben  Asphalt  in  Stücken  von  etwa  8  Centim.  Durch- 
messer in  den  Ofen;  am  andern  Ende  verlassen  sie  denselben  als  zerfallenes  etwa  140^  heisses 
Pulver.  Das  Pulver  wird  in  besonderen  Transportkästen  zur  Arbeitsstelle  gebracht  und  wird 
noch  heiss  auf  der  glatten  trocknen  Unterlage  mit  heissen  Schaufeln  rasch  ausgebreitet,  von  den 
Bändern  ans  zunächst  mit  Handstampfen  fest  gestampft  und  endlich  mit  Walzen  comprimirt, 
wobei  ein  Schwinden  der  Schicht  um  20— 25j  ihrer  Höhe  eintritt  Das  Pflaster  ist  nach 
5—6  Stunden  begehbar.  Am  geeignetsten  ftlr  diese  Art  der  Pflasterung  ist  der  Asphalt  von 
Val  de  Travers. 

3.  Asphalt -Beton  ist  eine  Mischung  von  zerkleinerten  möglichst  scharfkantigen  Steinen 
mit  Bfastix,  die  namentlich  zur  Fundamentirung  an  feuchten  Orten,  sowie  bei  Wasserbauten 
Verwendung  findet  Man  mischt  hierzu  95  Thle.  Mastix  mit  5  Thln.  Erdharz  und  150  Thln. 
FflSnng  ans  scharfkantigem  Kies  oder  Steinen.  EngleR. 

Aspirator.*)  Mit  diesem  Namen  wird  eine  Vorrichtung  belegt,  welche  dazu 
dient,   mit  Hülfe  einer  bewegten  Flüssigkeitsmasse  einen  luftverdünnten  Raum 

*)  1}  BuNSEN,  Ann.  148,  pag.  267.  S.  auch  Tollens,  Ber.  9,  pag.  1539.  Hagsnbeck, 
Graham-Otto-Michaelis»  Anorg.  Ch.  I,  pag.  244.  2)  Arzbbrger  u.  Zulkowsky,  Ann.  176, 
P^*  3^7*  3)  LiNMEMANN,  Ann.  177,  pag.  295.  Himly,  Ber.  6,  pag.  1401.  Schober,  Z.  anal. 
Ch.  1878,  pag.  177.  Christiansen,  Pogg.  146,  pag.  155  u.  Dingl.,  PoL  J.  205,  pag.  190. 
FtocHSR,  BiNGL.,  PoL  J.  221,  pag.  136  u.  Ber.  9,  pag.  747.  Jagn.,  Ber.  5,  pag.  328  u.  Ann.  166, 
pag.  208.  FooTE,  SiU.  Amer.  J.  [3]  360,  Ann.  4,  pag.  253.  Bach,  J.  pr.  Ch.  [2]  11,  pag.  479 
und  Dingl.,  Pol.  J.  217,  pag.  504.     Swan,  Ch.  News  36,  pag.  95.    £.  Rbnnard,   Russ.  Z.  für 


56 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


zu  erzeugen.  Als  einfachste  Form  eines  Aspirators  erscheint  ein  oben  und  unten 
tubulirtes  und  mit  Wasser  gefülltes  Gefass,  aus  dessen  unterer  Oefihung  das 
Wasser  ausfliesst  und  hierdurch  ein  Einsaugen  von  Luft  durch  die  obere  Oefihung 
bewirkt.  Verbindet  man  letztere  luftdicht  mit  einem  Gefass  oder  einem  System 
von  Gefässen,  Röhren  etc.  so  wird  der  Druck  in  diesem  ebenfalls  vermindert.  — 
Um  aus  einem  solchen  Aspirator  das  Wasser  möglichst  vollständig  zum  Ausfluss 
zu  bringen,  gibt  man  dem  Behälter  einen  nach  unten  trichterförmig  zulaufenden 
Boden.  Die  Saugkraft  eines  derartigen  Apparates  ist  gleich  dem  Gewicht  der 
hängenden  Wassersäule  von  der  Oberfläche  des  Wassers  bis  zu  seiner  Austritts- 
stelle  gerechnet;  da  aber  während  des  Abfliessens  das  Niveau  fortwährend  sinkt, 
so  vermindert  sich  die  Saugkraft  in  gleichem  Maass.  Jeder  gewöhnliche 
Laboratoriumgasometer  kann  als  Aspirator  benutzt  werden,  indem  man  unten 
Wasser  abfliessen  lässt  und  die  zu  evacuirenden  Gefasse  mit  der  oberen  Seiten- 
öflhung  verbindet.  — 

Um  die  öftere  Erneuerung  des  Wassers  in  solchen  Aspiratoren  zu  umgehen, 
wurden   verschiedene  Apparate  construirt,    welche  wesentlich  darauf  begründet 

sind,  dass  das  abfliessende  Wasser  in  einem  zweiten 
Gefass  gesammelt  wird,  welches  nach  seiner  Füllung 
in  eine  höhere  Stellung  gebracht  wird  und  nun  selbst 
als  Aspirator  dient,  während  das  zuerst  benutzte 
entleerte  Gefass  jetzt  das  Aufnahmereservoir  bildet. 
Zur  Beseitigung  des  Uebelstandes,  dass  mit 
dem  Sinken  des  Wasserspiegels  die  Saugkraft  ab- 
nimmt, ist  die  Umgestaltung  des  Gefasses  nach 
Art  der  sogen.  MARioTTE'schen  Flasche  zu  empfeh- 
len, wobei  die  einzusaugende  Luft  durch  eine 
Röhre  von  oben  bis  unter  die  Wasseroberfläche 
geleitet  wird.  Die  Saugkraft  ist  dann  constant 
aber  freilich  geringer,  denn  hier  kommt  nur  die- 
jenige Wassersäule  zur  Geltung,  welche  sich  zwischen 
der  unteren  Oefihung  jener  Röhre  (durch  welche 
die  Luft  eintritt)  und  der  unteren  Oefftiung,  durch 
welche  das  Wasser  ins  Freie  gelangt,  befindet. 

Eine  zweite  Art  von  Aspiratoren,  bei  welchen 
die  Erneuerung  des  Wassers  selbstthätig  geschieht, 
ist  die  von  Bunsen  (i);  nach  Art  der  Sprengel* sehen 
Quecksilberluftpumpe  construirte  Wasser- 
luftpumpe, welche  besonders  in  den  Laboratorien 
vielfach  verwandt  wird,  um  mittelst  des  durch  sie 
erzeugten  luftverdünnten  Raumes  das  Filtriren  von 
Flüssigkeiten  zu  erleichtem,  welche  mit  grosser 
Kraft  durch  das  Filter  hindurchgesaugt  werden. 
^^Die  SpRENGEL'sche  Pumpe  besteht  in  ihrer  ein- 
'fachsten  Form  aus  einer  unten  umgebogenen 
(Cii.88.)  Barometerröhre  (Fig.  38),  an  deren  oberem  Ende 


Phann.  i6,  pag.  673.  O.  Knoblauch,  Z.  anal.  Ch.  1875,  pag.  168.  Casamajor,  Am.  Chemist.  4, 
pag.  361;  5,  pag.  438;  6,  pag.  122.  Chem.  N.  32,  pag.  33,  45,  183.  Bück,  Am.  Chemist.  6, 
pag«  371«  Jesse  Lowett,  Chem.  N.  29,  pag.  203.  Richards,  Chem.  N.  22,  pag.  7.  Bulk, 
Ber.  9,  pag.  1871.     de  Koninck,  Ber.  3,  pag.  286.     5)  Drafer,  Phil.  Mag.  [4]  39,  pag.  335. 


Aspirator. 


57 


ein  Trichter  luftdicht  befestigt  ist.  Einige  Centimeter  tiefer  zweigt  sich  ein 
Seitenrohr  ab,  welches  mit  dem  zu  evacuirenden  Gefäss  verbunden  wird.  Giesst 
man  Quecksilber  in  den  Trichter  und  öffnet  den  Quetschhahn,  so  fliesst  das  Metall 
in  der  Barometerröhre  herab,  erzeugt  durch  sein  Gewicht,  welches  von  der 
Atmosphäre  nur  zum  Theil  getragen  wird,  im  oberen  Theil  der  Röhre  ein 
Vacuum  und  bewirkt  so  ein  Evacuiren  des  mit  dem  Zweigrohr  verbundenen 
Gefässes.  Bunsen  ersetzte  das  Quecksilber  durch  Wasser,  musste  aber  deshalb 
der  Fallröhre  eine  Länge  von  ungefähr  12  Meter  geben,  um  eine  Barometerleere 
zu  erzeugen.  Statt  des  Trichters  führt  eine  mit  der  Wasserleitung  verbundene 
Bleiröhre  fortwährend 
neues  Wasser  in  die 
Fallröhre,  Der  in  Fig.  39 
abgebildete  Apparat  er- 
zielt also  eine  continuir- 
lichc  Wirkung.  Durch 
die  Röhre  IV  und  einen 
durch  Quetschhähne  be- 
liebig zu  verengernden 

Kautschukschlauch 
fliesst  das  Wasser  der 
Leitung  in  das  Glas- 
geiass  c  und  von  hier 
in  die  bleierne  Fallröhre 
dt  durch  welche  es  in 
die  Tiefe  event.  in  eine 
Senkgrube  geleitet  wird. 
Der  obere  Theil  des 
Gefässes  c,  durch  wel- 
ches die  Luft  eingesaugt 
wird,  steht  mit  einem 
Manometer  und  dem 
zu  evacuirenden  Gefäss 
in  Verbindung. 

Steht  eine  Hoch- 
druckwasserleitung 
zur  Verfügung,  so  fin- 
det zweckmässiger  eine  ^^^'  ^^-^ 
andere  Aspiratorconstruction  Anwendung,  bei  welcher  die  saugende  Wirkung 
dadurch  hervorgerufen  wird,  dass  ein  kräftiger  Wasserstrahl  aus  einer  engen 
Röhre  in  eine  weitere  einströmt  und  dabei  gleichzeitig,  die  Luft  seiner  Um- 
gebung mit  in  die  weite  Röhre  hineinreisst.  Auch  mit  Hülfe  eines  einzigen 
konischen  Rohres,  an  dessen  engerer  Oeffnung  das  Wasser  eintritt,  kann  eine 
saugende  Wirkung  hervorgebracht  werden;  die  Saugröhre  ist  dann  nahe  am 
engeren  Röhrenende  abzuzweigen  und  giebt  eine  um  so  kräftigere  Wirkung, 
wenn  der  eingesaugte  Luftstrom  nicht  unter  einem  rechten  Winkel  gegen  die 
fliessende  Wassermasse  stösst,  sondern  sich  möglichst  parallel  mit  dem  Wasser 
bewegt 

2^ahb'eiche  Constructionen  sehr  wirksamer  Aspiratoren  sind  auf  dieses  Princip 
gegründet    worden   und   führen   den  Namen  Wasserstrahlpumpen  (9).     Sie 


5» 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


unterscheiden  sich  wesentlich  nur  in  der  Wahl  des  Materials  und  der  Anordnung 

der  Apparattheile.  Eine  ganz  aus  Glas  gefertigte, 
sehr  billige  Vorrichtung  ist  die  GmssLER'sche, 
welche  in  Fig.  40  in  etwa  J  der  natürlichen  Grösse 
abgebildet  ist.  Die  Röhre  a  wird  mit  der  Wasser- 
leitung, die  Röhre  b  mit  dem  zu  evacuirenden 
Gefäss  verbunden. 

Weniger  zerbrechlich  ist  der  Apparat  von 
Arzberger  und  Zulkowsky  (2)  Fig.  41 .  Bei  C  tritt 
das  Wasser  ein,  welches  durch  die  Röhre  B  ab- 
fliesst  und  dabei  aus  der  Röhre  D  Luft  herbei- 
saugt Mit  g  wird  ein  Manometer  und  mit  /  das 
zu  evacuirende  Gefass  verbunden.  —  Linnemann's 
(3)  Vorrichtung  besteht  nur  aus  einem  mit  Seiten- 
kanal versehenen,  konisch  gebohrten  Hahn. 

Diese  Hinweise  mögen  zur  Charakterisirung 
I  derartiger  Apparate  genügen;  bezüglich  der  übrigen 
sehr  zahlreichen  Constructionen  muss  auf  die 
Literatur  (4)  verwiesen  werden.  Die  Wirkung 
dieser  Aspiratoren  ist  eine  sehr  kräftige  und  hängt 
wesentlich  vom  disponiblen  Wasserdruck  ab.  So 
evacuirt  z.  B.  die  ARzBERGER*sche  Pumpe  in 
48  Secunden  ein  Liter  fassendes  Gefäss  bis  zu 
der  durch  die  Tension  des  Wasserdampfe  gesteckten 
Grenze.  Nach  Beendigung  des  Evacuirens,  dessen 
Fortgang  am  Manometer  beobachtet  wird,  muss 
immer  zuerst  der  zu  dem  ausgepumpten  Gefkss 
fuhrende  Hahn  geschlossen  werden  und  erst  dann 
der  Wasserleitungshahn,  da  sonst  das  Wasser 
in  das  evacuirte  Gefass  übersteigt. 

Auf  gleichem  Princip  beruhende  Aspiratoren,  welche  einen  kräftigen  Dampf- 
strahl statt  des  Wassers  benutzen  (5),  haben  unter  dem  Namen  »Dampfstrahl- 
exhaustorenc  in  die  Technik  vielfach  Eingang  gefunden,  z.  B.  bei  der  Leucht- 
gasfabrikation etc. 

Die  aus  den  Wasserstrahlaspiratoren  unten  gemeinsam  mit  dem  Wasser  aus- 
tretende Luft  kann  auch  zur  Speisung  von  Gebläsen  verwendet  werden,  in- 
dem man  wie  bei  Wassertrommelgebläsen  Wasser  und  Luft  in  ein  grösseres  ge- 
schlossenes Gewiss  leitet,  in  welchem  sie  sich  von  einander  trennen.  Durch  eine 
Oefihung  im  Boden  des  Behälters  fliesst  das  Wasser  ab,  wahrend  eine  die  Decke 
des  Gefässes  durchbrechende  Röhre  die  gepresste  Luft  ihrem  Bestimmungsort 
zuftihrt. 

Pulsirpumpen  nennt  man  eine  dritte  Art  von  Aspiratoren,  welche  zuerst 
von  Jagn  construirt  wurden.  Das  Wasser  einer  Hochdruckleitung  wird  durch 
einen  schief  aufwärts  gezogenen  weichen  Kautschukschlauch  in  eine  etwa  90  Centim. 
lange,  8  Centim.  weite  Glasröhre  abgeleitet,  Fig.  42,  deren  obere  Oeffnung  durch 
die  auf  dieselbe  sich  legende  Schlauch wandung  geschlossen,  aber  durch  den 
Wasserdruck  in  rascher  Folge  vorübergehend  frei  gemacht  wird.  Hierdurch 
findet  an  dieser  Stelle  ein  continuirliches,  von  schnurrendem  Geräusch  begleitetes 
Pulsiren  des  Schlauches  statt.    In  Folge  dieser  momentanen  Unterbrechungen  des 


(Cb.40.) 


(CiL.  -II  ) 


Assimilation. 


^9 


Wasser2uflusses  entsteht  in  der  Röhre 
ad  eine  saugende  Wirkung,  welche  da- 
durch nutzbar  gemacht  wird,  dass  man 
das  zu  evacuirende  Gefäss  mit  der  seit- 
lichen Röhre  er  in  Verbindung  bringt. 
Damit  jedoch  die  eingesaugte  Luft  nicht 
während  der  nächsten  Pulsation  wieder 
zurücktreten  kann,  ist  in  der  Seiten- 
röhre ein  Ventil  angebracht,  welches 
sich  nur  gegen  die  Wasserröhre  hin 
öfl&ict  Das  Ventil,  in  Fig.  43  beson- 
ders gezeichnet,  besteht  aus  einer  einer- 
seits zugeschmolzenen  Glasröhre,  welche 
bei  ^  eine  ^  Millim.  weite  Durchbohnmg 
besitzt  und  in  einen  ohne  Spannung 
leicht  darüber  zu  schiebenden  Kautschuk- 
schlauch  geführt  ist.  Letzterer  besitzt 
an  einer  Seite  einen  5  Millim.  langen 
Längsschnitt  Die  innere  Röhre  wird 
nun  so  gedreht,  dass  die  Oeffhung  g 
etwa  um  eine  Vierteldrehung  von  dem 
Schnitt  im  Kautschukschlauch  entfernt 
ist,  worauf  man  den  Schlauch  bei  Ai 
mit  Draht  festbindet.  Diese  Ventih-öhre 
wird  so  bei  /  eingesetzt,  dass  die  Luft 
der  zu  evacuirenden  Gefässe  mit  der 
inneren  Röhre  communicirt  und  bei  Ver- 
minderung des  äusseren  Druckes  durch 
die  Oefifoung  ^  unter  dem  sich  lüftenden 
Schlauch  zur  Schnittöfihung  mm  und 
somit  zur  Wasserröhre  gelangen  kann. 
Hört  in  Letzterer  die  saugende  Wirkung 
auf,  so  legt  sich  der  Schlauch  des 
Ventils  fest  an  die  Glasröhre  und  ver- 
hindert das  Zurückströmen  der  Lufl. 

Diese  Pumpe  erlaubt  nur  ein  Vacuum  von  ungefähr  720  Millim.  zu  erhalten, 
da  ausser  der  Tension  des  Wasserdampfs  noch  der  Widerstand  des  Ventils  einer 
weiteren  Evacuirung  entgegensteht.    Linnemann  hat  einen  etwas  solideren  Apparat 

construirt,  dessen  Wirkung  auf  das  gleiche  Princip  zurückzuführen  ist. 

Heumann. 

Assimilation.  Jede  Thätigkeit  irgend  eines  lebenden  Organismus,  mag  die- 
selbe psychischer  (Empfinden,  Vorstellen,  Denken)  oder  physischer  (mechanische 
Bewegung,  Entwicklung  von  Wärme,  Licht  oder  Electricität)  Natur  sein,  ist  mit 
einem  Verbrauche  von  Leibessubstanz  unzertrennlich  verknüpft,  so  dass,  wenn 
letztere  nicht  wieder  ersetzt  würde,  der  Organismus  nothwendig  in  kürzester  Frist 
an  Erschöpfung  zu  Grunde  gehen  würde.  Um  diesem  Schicksale  zu  entgehen 
oder  doch  um  dasselbe  möglichst  weit  hinausschieben  zu  können,  ist  jeder  Or- 
ganismus mit  Apparaten  oder  Organen  ausgerüstet,  welche  unter  Benutzung  des 
von  der  Aussenwelt  dargebotenen  Materials  diesen  Ersatz  bewirken;  wiegt  der- 


(Ob.  48.) 


6o  Handwörterbuch  der  Chemie. 

selbe  gerade  den  Abgang  auf,  so  beobachten  wir  keine  Veränderung,  ist  er  da- 
gegen grösser  oder  kleiner,  so  bemerken  wir  ein  Wachsthum  oder  ein  Hinschwinden 
des  Organismus.  Die  Umwandlung  der  von  aussen  aufgenommenen  Ersatzstoffe, 
der  Nahrung,  in  Leibessubstanz  kann  nur  auf  chemischem  Wege  erfolgen,  und 
ebenso  die  Zerstörung  der  Leibessubstanz  unter  Bildung  von  Auswurfsstoflfen.  Die 
Gesammtheit  aller  dieser  chemischen  Prozesse  fasst  man  unter  der  Bezeichnung 
»Stoffwechsel«  zusammen,  und  unterscheidet  noch  die  erhaltenden  als  »Assimila- 
tion« von  den  zerstörenden,  dem  »regressiven  Stoffwechsel.«  Ueber  den  Verlauf 
und  die  Natur  dieser  Prozesse  wissen  wir  noch  so  gut  wie  gar  nichts;  dieselben 
müssen  aber  sehr  mannigfaltig  und  bei  Thieren  und  Pflanzen  verschieden  sein, 
da  ihre  Produkte  sowohl  wie  auch  das  Ausgangsmaterial  für  dieselben  ebenfalls 
sehr  mannigfaltig  sind.  Die  Pflanzen  benutzen  als  letzteres  unorganische  Ver- 
bindungen wie  Kohlensäure,  Wasser,  Salpetersäure,  Salze  u.  s.  w.  und  scheiden 
während  der  Assimilation  freien  Sauerstoff  aus,  also  müssen  Reduktionsprozesse 
vor  sich  gehen;  die  Thiere  dagegen  sind  auf  die  Produkte  der  pflanzlichen 
Assimilation  als  Nahrung  angewiesen,  welche  sie  anscheinend  ohne  tiefgreifende 
Veränderungen  in  eigene  Leibessubstanz  umwandeln  (s.  auch  Art  Chlorophyll). 

£.  Drechsel. 

Athmung.*)  Mit  »Athmung«  bezeichnet  man  die  Summe  derjenigen  Vor- 
gänge, welche  dazu  dienen,  den  Körper  des  lebenden  Thieres  mit  Sauerstoff  aus 
der  umgebenden  Luft  zu  versorgen  und  ihn  von  der  durch  die  Stoffwechselvor- 
gänge gebildeten  Kohlensäure  zu  befreien.  Das  Bedürfhiss  nach  Sauerstoff  geht 
in  letzter  Instanz  von  dem  lebenden  Zellprotoplasma  aus,  resp.  bei  den  höheren 
Thieren  von  den  aus  zelligen  Elementen  zusammengesetzten  Körpergeweben: 
Diese  sind  es,  welche  Sauerstoff  aufnehmen  und  Kohlensäure  bilden.  Nur  bei 
den  niedersten  Thieren  geschieht  indessen  die  Sauerstoffaufnahme  und  Kohlen- 
säureabgabe direkt  an  der  Oberfläche  des  Leibes,  bei  den  höher  organisirten  tritt 
die  Luft  entweder  in  baumformig  verästelte  Röhren  ein,  welche  sich  in  den  Ge- 
weben des  Körpers  aufs  Feinste  verzweigen  (so  die  Tracheen  bei  den  Insekten)» 

•)  i)  Valentin  u.  Brünner,  Arch.  f.  physiol.  Heil.  II,  pag.  273.  2)  Speck,  Arch.  L  exp, 
Path.  n.,  pag.  405;  Centralbl.  f.  d.  med.  W.  1876,  No.  17.  3)  Finklbr  u.  Obrtmann,  PflÜorr's 
Arch.  XIV.,  pag.  38.  4)  Valentin  u.  Brunner,  L  c.  und  Vierordt,  Physiologie  des  Atfamens, 
Karlsruhe  1845.  5)  Valentin  u.  Brunner  1.  c.  6)  Leo,  Pflüger's  Arch.  XXVI.,  pag.  218. 
7)  Reiset,  Compt  rend.  1868,  Tom  L,  pag.  172.  —  Seegen  u.  Nowak,  Pflüger*s  Anh.  XIX., 
psLg.  307.  8)  LossEN,  Zeitschr.  f.  Biol.  L,  pag.  207.  9)  Regnault  u.  Reiset,  Ann.  d.  Ch.  u. 
Pharm.  LXXIII.,  pag.  92  u.  129.  10)  Pettenkofer  u.  Voit,  Sitzungsb.  d.  bair.  Akad.  d.  W.  1866. 
11)  Pflüger,  Pflüger's  Arch.  I.,  pag.  661;  VI.,  pag.  43  u.  190.  12)  Speck,  Arch.  f.  wiss. 
Heilk.  in.,  pag.  317.  —  Vierordt  1.  c.  13)  Andral  u.  Gavaret,  Ann.  de  Ch.  et  de  Phys.  VUI., 
pag.  129.  14)  Speck,  Arch.  f.  exp.  Path.  II.,  pag.  405.  15)  Scharling,  Ann.  d.  Ch.  und 
Ph.  XLV.,  pag.  214  u.  LVn.,  pag.  i.  16)  Pettenkofer  u.  Voit  1.  c.  17)  Molbschott, 
Moleschott's  Unters,  t.  Naturl.  n.,  pag.  315.  -—  H.  Schultz,  PflIJger's  Anh.  XIV.,  pag.  78.  — 
AUBERT,  Pflüger's  Arch.  XXVI.,  pag.  295.  18)  Bütschli,  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  1874, 
pag-  348.  19)  Colasanti,  Pflüger's  Arch.  XIV.,  pag.  92.  —  Carl  Theodor  Herzog  in  Baiem, 
Zeitschr.  f.  Biol.  XIV.,  pag.  51.  20)  Velten,  Pflüger's  Arch.  XXL,  pag.  361.  21)  Speck, 
Centralbl.  f.  d.  med.  Wiss.  1880,  No.  45.  22)  Moleschott  u.  Fubini,  Molesch.  Unters,  rur 
Naturl.  XII.,  pag.  266.  23)  Platen,  Pflüger's  Arch.  XI.,  pag.  263.  24)  Speck,  Arch.  f.  exp, 
Path.  Xn.,  pag.  1.  25)  Pott,  Habilitationsschr.  Jena  1875.  «6)  Pflüger,  Pflüger's  Arch.  X., 
pag.  315.  27)  AuBERT,  Pflüger's  Arch.  XXV.,  pag.  295.  28)  W.  Müller,  Ann.  d.  Ch.  u. 
Pharm.  CVIII.,  pag.  257.  29)  FriedlXnder  u.  Herter,  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  HI.,  pag.  19. 
30)  Kaufmann  u.  Rosenthal,  Arch.  f.  Anat  u.  Physiol.  1865,  pag.  659.  31)  E.  Krhss,  Pflügbr's 
Arch.  XX VL,  pag.  420. 


Athmung.  6i 

oder  es  tritt  noch  ein  Zwischenglied  zur  Vermittlung  des  Gasaustausches  zwischen 
den  Zellen  und  der  Atmosphäre  auf:    das  Blut,  so  bei  allen  Wirbelthieren. 

Der  Austausch  der  Gase  des  Blutes  mit  denen  der  Atmosphäre  wird  befördert 
durch  mechanische  Einrichtungen,  welche  das  Gemeinsame  an  sich  tragen,  dass 
durch  sie  die  Oberfläche,  an  welcher  der  Contact  mit  der  Luft  stattfindet,  enorm 
vergrössertwird:  die  Lungen  bei  den  Säugethieren,  Vögeln,  Reptilien,  Amphibien, 
die  Riemen  bei  den  Fischen. 

Man  nennt  den  Gasaustausch  an  diesen  Endapparaten,  welche  in  unmittelbarer  Berührung 
mit  der  Luft  resp.  dem  im  Wasser  gelösten  Sauerstoff  stehen,  auch  wohl  «Lungenathmung« 
oder  »äussere  Athmungc  im  Gegensatz  zur  «inneren  Athmung,«  die  in  den  Zellen  stattfindet. 
Ein  sehr  geringft^ger  Gasaustausch  erfolgt  auch  durch  die  Haut. 

Zu  einer  näheren  Kenntniss  des  Athmungsvorganges  führt,  dem  oben  Er- 
örterten entsprechend,  einerseits  die  Untersuchung  der  aus  den  Lungen  ausge- 
atbmeten  Luft  »Exspirationsluftt«,  im  Vergleich  zur  eingeathmeten,  andererseits 
die  Untersucliung  der  Gase  des  Blutes. 

Die  eingeathmete  Luft  enthält  durchschnitdich  20,8  Vol.}  Sauerstoff  und 
0,03  Vol.^  Kohlensäure,  die  ausgeathmete  im  Mittel  bei  ruhigem  Athem  16,03} 
Sauerstoff  und  4,38}  Kohlensäure  (i).  Nicht  sämmtlicher  aufgenommene  Sauer- 
stoff erscheint  als  Kohlensäure  wieder,  sondern  nur  ein  namentlich  von  der 
Qualität  der  Nahrung  beeinflusster  Bruchtheil,  der  beim  Menschen  zwischen 
0,864  und  0,994  schwankt  (2)  (je  nach  dem  Reichthum  der  Nahrung  an  Kohlen- 
stoff), bei  Pflanzenfressern  noch  niedriger  sein  kann  (3). 

Neben  diesen  fundamentalen  Aenderungen  zeigt  die  ausgeathmete  Luft  noch 
einige  weniger  wesentliche:  sie  ist  in  Folge  der  Berührung  mit  der  durchfeuchteten 
Oberfläche  der  Mundhöhle  u.  s.  w.  ganz  oder  nahezu  mit  Wasserdampf  ge- 
sättigt (4)  und  wärmer  wie  die  Umgebung;  durchschnittlich  beträgt  ihre  Tempe- 
ratur 36,3°  C,  kommt  also  der  Körpertemperatur  nahe  (5).  Das  Volumen  der 
ausgeathmeten  Luft  ist  in  Folge  der  Temperaturerhöhung  und  der  Tension  des 
Wasserdampfes  grösser  wie  das  der  eingeathmeten,  bei  Berechnung  auf  0°  und 
trockene  Luft  zeigt  sich  jedoch  das  Volumen  um  ^\  bis  -^q  geringer,  entsprechend 
dem  Verschwinden  von  Sauerstoff.  Der  Stickstoff  verhält  sich  bei  der  Athmung 
indifferent:  er  nimmt  bei  sorgfältiger  Ausschliessung  aller  Fehlerquellen  nicht 
zu  (6),  doch  wird  von  manchen  Autoren  eine  Zunahme  des  Stickstoffs  ange- 
geben (7).  Wiederholt  sind  Spuren  von  Ammoniak  beobachtet  (8),  bei  Pflanzen- 
fressern Wasserstoff  und  Grubengas  (9). 

Die  Menge  der  ausgeathmeten  Kohlensäure  beträgt  beim  Erwachsenen  in 
24  Stunden  rund  1000  Grm.,  die  des  aufgenommenen  Sauerstoffs  900  Grm.  Die 
Schwankungen  sind  flir  die  Kohlensäure  686 — 1285  Grm.,  für  den  Sauerstoff  594  und 
1072  Grm.  (10).  Das  bedingende  Moment  für  die  Grösse  der  Sauerstoffaufnahme 
ist  ausschliesslich  das  Bedürfniss  der  Zellen  (11).  Willkürliche  Aenderung  der 
Zahl  oder  Tiefe  der  Athemzüge,  stärkere  Ventilation  steigert  die  Kohlensäureaus- 
scheidung nur  vorübergehend  (12).  Von  grösstem  Einfluss  sind  natürlich  Alter 
und  Körpergewicht;  bezogen  auf  gleiches  Körpergewicht  ist  die  Kohlensäureaus- 
scheidung bei  Kindern  grösser  als  bei  Erwachsenen,  bei  diesen  grösser  als  im 
Greisenalter,  beim  männlichen  Geschlecht  grösser  als  beim  weiblichen  (13). 

Auch  bei  einem  und  demselben  Individuum  wird  die  Grösse  der  Kohlen- 
säureausscheidung durch  eine  grosse  Reihe  von  Momenten  beeinflusst:  sie  wird 
gesteigert  durch  reichliche  Nahrungsaufnahme  (14)  —  um  etwa  ein  Viertel  —  durch 
Muskelarbeit  (15);  sie  ist  im  wachen  Zustand  grösser  wie  im  Schlaf.     Sehr  ver- 


62  Handwörterbuch  der  Chemie. 

schiedenartig  wirkt  die  Steigerung  der  Temperatur  der  Umgebung.  Bei  den  Kalt- 
blütern bewirkt  ein  Ansteigen  der  Temperatur  in  jedem  Fall  eine  ansehnliche 
Vermehrung  der  Kohlensäure,  bis  auf  das  Zehnfache  der  bei  niedriger  Tempe- 
ratur ausgeathmeten  Menge  (17).  Dasselbe  ist  beobachtet  an  Schaben  (18).  Bei 
den  Warmblütern  bewirkt  umgekehrt  das  Sinken  der  Lufttemperatur  eine  Ver- 
mehrung der  Kohlensäureausscheidung  (19),  in  Folge  der  stärkeren  Anregung  des 
Stoffwechsels  zur  Erhaltung  der  Körpertemperatur.  Ist  die  Abkühlung  aber  so 
stark,  dass  die  Körpertemperatur  sinkt,  dann  sinkt  auch  die  Kohlensäureaus- 
scheidung, ebenso  wie  bei  den  Kaltblütern  (20).  Beim  Menschen  ist  Abkühlung 
mit  geringem  Sinken  der  Körpertemperatur  ohne  Einfluss  (21).  In  hellem  Licht 
ist  die  Kohlensäureausscheidung  bei  Kaltblütern  grösser  wie  im  Dunkeln  (22), 
auch  bei  Kaninchen  ist  ein  solcher  Einfluss  zu  constatiren  (23),  beim  Menschen 
dagegen  nicht  (24).  Im  gelben  Licht  ist  die  Kohlensäureausscheidung  bei  ver- 
schiedenen Thieren  grösser  als  im  gemischten  und  blauen  (25). 

Der  Transport  des  Sauerstoffes  aus  den  Lungen  nach  den  Zellen  der  Gewebe 
erfolgt  durch  Vermittlung  des  Blutes:  der  Farbstoff  desselben  verbindet  sich  mit 
dem  Sauerstoff  zu  einer  lockeren  chemischen  Verbindung,  dem  Oxyhaemoglobin, 
welche  sich  schon  bei  starker  Erniedrigung  des  Sauerstoffdruckes  dissociirt  und 
den  Sauerstoff  in  Berührung  mit  den  lebenden  Geweben  abgiebt.  Das  des  Sauer- 
stoffs grösstentheils  beraubte  und  kohlensäurereiche  Blut  kehrt  in  die  Lungen 
zurück,  um  sich  aufs  Neue  mit  Sauerstoü  zu  sättigen  und  Kohlensäure  abzugeben. 

Die  Bildung  der  Kohlensäure  erfolgt  ganz  überwiegend  in  den  Geweben, 
nicht,  wie  Lavoisier  glaubte,  in  den  Lungen;  ein  kleiner  Theil  bildet  sich  allerdings 
in  diesen  und  auch  im  Blut  —  Die  Bildung  der  Kohlensäure  ist  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  unabhängig  von  der  Aufnahme  von  Sauerstoff:  Frösche  leben  bei 
starker  Abkühlung  bis  gegen  0°  noch  Tage  lang  in  einer  vollkommen  sauerstofT- 
freien  Atmosphäre  und  fahren  fort,  Kohlensäure  zu  bilden  (26).  Die  gebildeten 
Kohlensäuremengen  sind  sogar  nicht  viel  geringer,  wie  beim  normalen  Thier  bei 
derselben  Temperatur  (27).  Der  Sauerstoff  muss  also  vorübergehend  in  Form 
einer  sauerstoffreichen  Verbindung  im  Körper  aufgespeichert  sein,  welche  all- 
mählich unter  Kohlensäurebildung  zerfällt,  wenigstens  bei  Fröschen. 

Der  Prozess  der  Abgabe  der  Kohlensäure  in  den  Lungen  ist  keineswegs  völlig  aufgeklärt. 
Das  Blut  reagirt  alkalisch,  es  ist  im  Stande,  noch  weit  mehr  Kohlensäure  beim  Schütteln  damit 
aufzunehmen,  als  es  im  Leben  enthält,  es  handelt  sich  also  im  Blut  nicht  um  freie  Kohlensäure, 
sondern  um  kohlensaure  Salze ;  vermuthlich  spielt  das  Oxyhaemoglobin  die  Rolle  einer  schwachen 
Säure. 

Der  völlige  Mangel  an  Sauerstoff  in  der  Athemluft  hat  bei  Warmblütern 
schnellen  Tod  durch  Erstickung  zur  Folge.  Dem  Tode  geht  ein  sehr  kurzes 
Stadium  des  Scheintodes  voraus,  in  dem  eine  Rückkehr  zum  Leben  bei  Her- 
stellung der  normalen  Bedingungen  noch  möglich  ist.  Dieses  Stadium  kann 
bei  Kaltblütern,  wenn  dieselben  bis  auf  einen  dem  Nullpunkt  nahen  Grad  abge- 
kühlt sind,  tagelang  dauern  (26,  27). 

Der  Sauerstoff  kann  durch  kein  anderes  Gas  ersetzt  werden,  auch  nicht  durch  Stickoxydul, 
welches  im  Gemisch  mit  Sauerstoff  eingeathmet  einen  rauschartigen  Zustand  verursacht.  In  reinem 
Sauerstoff  ist  die  Athmung  völlig  normal,  es  wird  nicht  mehr  Sauerstoff  anfgenommen,  wie  aus 
atmosphärischer  Luft,  die  Verbrennungsprozesse  des  Organismus  werden  also  nicht,  wie  die  ausser- 
halb des  Körpers  ablaufenden,  durch  Sauerstoff  gesteigert 

Verminderung  des  Sauerstoffes  in  der  Athemluft  wird  von  Thieren  bis  zu 
14,8#  ohne  Störung  vertragen,  bei  7^  werden  die  Versuchsthiere  schwerathmig, 
bei  4,5  >^  tritt  hochgradige  Athemnoth  ein,  bei  3^  ziemlich  rasche  Erstickung  (28). 


Atmosphäre.  63 

Die  Anhäufung  von  Kohlensäure  in  der  Athemluft  wird  bis  zu  hohen  Graden  ver- 
tragen, sofern  nur  der  Sauerstoffgehalt  der  Luft  nicht  sinkt  (29). 

Fremdartige  Gase  wirken  beim  Einathmen  sehr  verschieden:  einige  sind 
ebenso  indifferent  wie  der  Stickstoff,  so  Wasserstoff  und  Grubengas,  andere  sind 
inrespirabel,  indem  sie  bei  dem  Versuch  der  Einathmung  Krampf  der  Stimmritze 
erzeugen.  Dahin  gehören:  schweflige  Säure,  salpetrige  Säure,  Chlor,  Ammoniak, 
Ozon,  noch  andere  werden  ins  Blut  aufgenommen  und  wirken  giftig,  so  Schwefel- 
wasserstoff- und  Kohlenoxydgas,  ersteres  indem  es  auf  Kosten  des  Oxyhaemoglobins 
zu  Schwefel  und  Wasser  oxydirt  wird  und  andererseits  verändernd  auf  den  Blut- 
farbstoff einwirkt  (30),  letzteres,  indem  es  den  Sauerstoff  im  Oxyhaemoglobin  ver- 
drängt und  dasselbe  unfähig  macht,  seine  Rolle  bezüglich  des  Transportes  des 
Sauerstoffes  von  den  Lungen  nach  den  Geweben  zu  spielen,  jedoch  werden  kleine 
Mengen  Kohlenoxyd  im  Blut  allmählich  zu  Kohlensäure  oxydirt  (31). 

E.  Salkowski. 

Atmosphäre.*^  1.  Bestandtheile  der  Atmosphäre.  Die  Erdkugel  ist  von 
einer  gasförmigen  Hülle  umgeben,  welche  man  Atmosphäre  (dtfAJc  Dampf;  o^oTpa 


*)  i)  Ed,  Schmidt,  Mathematische  Geographie,  Bd.  IL  Göttingen  1836,  pag.  252.  2)  G.  G. 
Schmidt,  Gtlb.  Ann.  Phys.  62,  pag.  309.  3)  Lasch,  Pogg.  Ann.,  Ergänzungsbd.  HL,  pag.  322. 
4)  V^l*  ^uich  Kohlrausch,  Pogg.  Ann.  98,  pag.  178.  5)  Magens,  Pogg.  Ann.  54,  pag.  601  ; 
55,  pag.  I.  Regnault,  Mem.  de  l'Acad.  des  Sciences,  XXI,  pag.  158.  6)  Cailletbt,  Compt 
rend.  86,  pag.  97.  7)  Tyndall,  Proc.  Roy.  Soc  30,  pag.  10.  8)  Violla,  Compt.  rend.  82, 
pag.  662,  729,  896.  9)  Lkcher  u.  Pernter,  Wien.  Akad.  Ber.  82,  n.,  pag.  265.  10)  Cornu, 
Compt.  rend.  88,  pag.  1285;  89,  pag.  808.  11)  Ketteler,  Pogg.  Ann.  124,  pag.  401. 
12)  HuGGiNS,  PhiL  Transact.  154,  pag.  139;  Pogg.  Ann.  123,  pag.  275.  13)  AngstrÖm,  Pogg. 
'^'^  94»  P^*  141*  14)  Grandeau,  Chem.  News  9,  pag.  66.  15)  Kundt,  Pogg.  Ann.  135, 
pag.  315.  16)  Thal^r,  Nova  acta  Soc.  sc.  UpsaL  [3]  9.  17)  Goldstein,  Wiener  Akad.  Ber.  80, 
pag.  693.  18)  Vogel,  Spectralanalyse  irdischer  Stoffe.  Nördlingen  1877,  pag.  254.  19)  RoscoE, 
Spectialanalyse,  pag.  164.  Braunschweig  1879;  Phil.  Trans.  1860,  pag.  150.  Compt.  rend.  93, 
pag.  788.  20)  Egoroff,  Compt.  rend.  95,  pag.  985.  21)  Chappuis,  Compt.  rend.  91,  pag.  985. 
22)  W.  N.  Hartley,  Chem.  News  42,  pag.  208.  23)  H.  W.  Vogel,  Ber.  d.  ehem.  Ges.  1874, 
pag.  88.  24)  BiOT,  Traite  de  phys.,  t  IL,  pag.  458.  25)  Lamont,  Pogg.  Ann.  85,  pag.  50; 
vdgL  auch  £.  E.  Schbcid,  Meteorologie,  Leipzig  1860,  pag.  789.  26)  O.  Lindemann,  Zeitschr. 
analyt.  Chem.  1879,  Bd.  18,  pag.  158.     27)  Bunsen,  Gasometr.  Methoden.    11.  Aufl.   Braunschw. 

1877.  28)  Cl.  Winkler,  Chemische  Untersuch,  der  Industriegase ,  Freiberg  1877,  pag.  258. 
29)  Boussingault,  Compt.  rend.  57,  pag.  885.  30)  Clocz,  Compt.  rend.  57,  pag.  870  u.  875. 
31)  PoLKCK,  Zeitschr.  analyt.  Chem.  1869,  pag.  451.  32)  Dumas  u.  Boussingault,  Ann.  chim. 
phys.  [3]  3,  pag.  257.  33)  JOLLY,  Ann.  Phys.  Chem.  N.  F.  6,  pag.  538.  34)  F.  Fischer,  Ber. 
d.  chem.  Ges.  1879,  pag.  1696.  35)  Regnault,  Ann.  Chim.  Phys.  [3]  36,  pag.  385.  36)  Angus 
Smith,  Joum.  Chem.  Soc.  13,  pag.  22.  37)  Jolly,  Ann.  Chem.  Phys.  N.  F.  61,  pag.  520. 
38)  Edw.  H.  Morley,  Americ.  Journal  of  Science,  Ser.  3,  Vol.  XXn.,  pag.  417  u.  429.  89)  An- 
drews, Ann.  Chem.  Pharm.  SuppL  6,  pag.  125.  40)  BÖttger,  Chem.  Centralbl.  1880,  pag.  719. 
41)  Zenger,  Wien.  Akad.  Ber.  24,  pag.  78.    42)  L^WY,  Annuaire  de  l'observatoire  de  Montsouris, 

1878.  43)  E.  Schöne,  Ber.  d.  ehem.  Ges.  13,  pag.  1503.  44)  Ders.,  Ber.  d.  chem.  Ges.  11, 
dag.  482,  561,  874,  1028.  45)  M.  VON  Pettenkofer,  Abhandlungen  der  naturwiss.  technisch. 
Commission  d.  bayr.  Akad.  d.  Wiss.  2,  pag.  i;  vergL  auch  Pettenkofer,  Ann.  chem.  Pharm., 
SnppL  2,  pag.  I.  46)  W.  Hesse,  Vierteljahresschr.  f.  gerichü.  Medicin  u.  öffentl.  Sanitätswesen, 
N.  F.  31,  pag.  2;  auch  Cl.  Winkler,  a.  a.  O.,  pag.  375.  47)  G.  Lunge,  Dingl.,  pol.  J.  231, 
pag-  331;  Auch  Cl.  Winkler,  a.  a.  O.,  pag.  122.  48)  Cl.  Winkler,  a.  a.  O.,  pag.  385. 
49)  J.  Reiset,  Compt  rend.  90,  pag.  1 144.  50)  Müntz  u.  Aubis,  Compt  rend.  92,  pag.  247. 
51)  Saussure,  Pogg.,  Ann.  19,  pag.  391.  52)  Verver,  Berzelius'  Jahresber.  22,  pag.  45. 
53)  Lewy,  Compt  rend.  31,  pag.  725;  33,  pag.  345.    54)  J.  Reiset,  Compt  rend.  90,  pag.  1144 


64  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Kugel)  nennt.  Diese  Hülle  nimmt  alle  Sfoffe  aul,  welche  auf  der  Erdoberfläche 
sich  verflüchtigen  und  von  derselben  sich  loslösen.  Sie  ist  im  Wesentlichen  ein 
Gemenge  verschiedener  Gase  und  Dämpfe.  Der  Hauptbestandtheil  derselben  ist 
ein  Gemisch  zweier  Gase,  des  Stickstoffs  und  des  Sauerstofis,  welches  wir  Luft 
nennen  ♦).  Gewöhnlich  macht  man  keinen  Unterschied  zwischen  den  Bezeichnungen 
Atmosphäre  und  Luft  Das  Verhältniss,  in  welchem  die  Luftbestandtheile  gemischt 
sind,  ist  ein  ziemlich  constantes,  annähernd  kommen  auf  79  Raumtheile  (77  Gewichts- 
theile)  Stickstoff,  21  Raumtheile  (23  Gewth.)  Sauerstoff. 

"•  ^457-  55)  Marie-D AVY,  Compt  rend.  90,  pag.  1287.  56)  Armstrong,  Proceed  of  the  Roy. 
Soc.  30,  pag.  343.  57)  MÜNTZ  u.  AUBIN,  Compt.  rend.  92,  pag.  1230;  93,  pag.  797.  58)  Boüssin- 
GAULT,  Ann.  ehem.  phys.  [3]  10,  pag.  470.  59)  Th.  Scm.OESiNG,  Compt  rend.  90,  pag.  1410. 
60)  J.  B.Laves,  Phil.  Mag.  [5]  11,  pag.  206;  Chem.  Centralbl.  1881,  pag.  444.  61)  Wolpb&t, 
Carl's  Repert.  1873.  62)  Piche,  Zeitschr.  f.  Meteorolog.  1873,  pag.  270.  63)  Biedermann,  Her. 
Üb.  d.  Ausstellung  wissensch.  Apparate  in  London,  1876,  pag.  728.  64)  Hoeper,  Histoire  de  la 
Physique  et  de  la  Chimie,  Paris  1872,  pag.  65.  65)  Biedermann,  Ber.  etc.,  pag.  415.  66)  Ludwig, 
Ann.  Chem.  Pharm.  162,  pag.  53.  67)  Vogel,  Ber.  chem.  Ges.  1877,  pag.  794«  68)  A  u.  G. 
DE  Nbgri,  Zeitschr.  anal.  Chem.  16,  pag.  461.  69)  Frankland  u.  Armstrong,  Chem.  News  17, 
pag.  247.  70)  Annuaire  de  Montsouris  1878;  Flügge,  Lehrbuch  der  hygien.  Untersachungs- 
methoden,  Leipzig.  1881,  pag.  156.  71)  Th.  Schloesing,  Compt.  rend.  80,  pag.  265.  72)  Bous- 
singault,  Compt.  rend.  44,  pag.  1034.  73)  Horspord,  Ann.  Chem.  Pharm.  74,  pag.  243. 
74)  L^VY,  Compt.  rend.  91,  pag.  94.  75)  Chatin,  Compt.  rend.  32,  pag.  1083.  76)  van  An- 
KUM,  Joum.  prakt  Chem.  63,  pag.  257.  77)  Müntz,  Compt.  rend.  92,  pag.  499.  78)  Pasteür, 
Compt.  rend.  50,  pag.  302;  85,  pag.  178.  79)  Tyndall,  Roy.  Inst.  Proc.  1870;  vergl.  auch: 
»On  dust  and  diseasec  in  »Fragments  of  Science«,  London  1876,  pag.  151.  80)  Miquel, 
Compt.  rend.  86,  pag.  1552.  81)  Cohn,  Beiträge  zur  Biologie  d.  Pflanzen  L,  pag.  148.  82)  Ros- 
COE  u.  Schorlemer,  Lehrbuch  der  Chem.  Bd.  I.,  pag.  380.  83)  Tissandier,  Compt.  rend.  1880, 
91,  pag.  522.  84)  V.  Lasaulx,  Mineralog.  u.  petrograph.  Mitth.  N.  F.  3,  pag.  517;  Naturforscher 
1881,  pag.  225;  Encykl.  d.  Naturwiss.  IL  Abth.  Mineralogie,  pag.  75.  85)  Phipson,  Chem. 
News  1880,  45,  pag.  28.  86)  Neues  Handwörterb.  d.  Chem.  Bd.  I.,  pag.  869.  ScHLAGiNTWErr, 
Pogg.  Ann.  80,  pag.  177.  87)  Boussingault,  Ann.  chem.  phys.  [3]  pag.  5;  Joum.  prakt  Chem.  58, 
pag.  341.  88)  Vergl.  Senft,  Geognosie,  Hannover  1876,  pag.  10;  Naumann,  Geognosie,  Leip- 
zig 1850,  pag.  756  u.  a.  89)  L.  Meyer,  Zeitschr.  f.  rationelle  Med.  N.  F.  Bd.  VÜI.  90)  Gorup- 
Besanez,  Physiol.  Chemie,  3.  Aufl.,  pag.  56.  91)  Regnault  u.  Reiset,  Compt.  rend.  26,  pag.  17. 
92)  Pettenkofer  u.  Voit,  Ann.  Chem.  Pharm.  141,  pag.  299.  93)  Essai  de  statique  chim. 
des  etres  organises,  par  Dumas  et  Boussingault.  3.  edit.,  pag.  18.  94)  Baeyer,  Ber.  d.  chem. 
Ges.  3,  pag.  66.  95)  JOH.  Ranke,  Physiologie.  3.  Aufl.  Leipzig.  1875.  P*g-  59«  9^)  St.  Hust, 
Chem.  News  1882,  pag.  83.  97)  St.  Meunier,  Ann.  agronomiques  5,  pag.  204;  Biederhann's 
Centralbl.  für  Agricultur-Chem.  1880,  pag.  63.  98)  Liebig,  Chemie  in  Anwendung  auf  Agricultur 
u.  Physiologie.  9.  Aufl.  pag.  36  u.  Einleitung,  pag.  10.  99)  Vergl.  Hofmann's  Bericht  üb.  die 
Londoner  Ausstellung  wiss.  App.  Biedermann,  Die  Agriculturchemie,  pag.  682.  100)  Vergl. 
König,  Ventilation  in  Eülenberg's  Handbuch  d.  öffentl.  Gesundheitswesens,  Berlin  1882,  Bd.  11., 
pag.  1028. 

*)  Die  Etymologie  des  Wortes  «Luft«  ist  nicht  ganz  klar.  Nach  Bezzenberger  (Beiträge 
zur  Kunde  der  indogermanischen  Sprachen,  Bd.  IV.  pag,  334)  ist  »Luft«  verwandt  mit  griecK.: 
Xo^oc  (Htigcl)  und  altslavisch  »hiln**  (Schädel),  und  der  gemeinsame  Grundbegriff  dieser  Wörter 
ist  der  der  Höhe,  wie  denn  auch  im  Mittelniederdeutschen  »buhim  nicht  allein  Luft,  sondern 
auch  oberes  Stockwerkeines  Hauses  bedeutet;  im  Englischen  »lofty  luftig  und  hoch.  R.  Pischel 
hält  dafür,  dass  die  auf  die  Höhe  sich  beziehenden  Bedeutungen  erst  abgeleitet  seien,  nachdem 
sich  «Luft«  in  einzelnen  Dialekten  zu  »obere  Luft«  gleich  Himmel  specialisirt  hatte.  Nach  ihm 
weist  das  niederdeutsche  »lucht«  auf  leicht,  althochdeutsch  »liht«,  Sanskrit  »la^hAs*^  latein. 
»ÄfwV«  u.  8.  w.,  welcher  Wortstamm  auch  in  unserem  »(die  Anker)  lichten«  und  im  Englischen 
»to  UfU  enthalten  ist. 

Nach  einer  freundlichen  brieflichen  Mittheilung  des  Herrn  Prof.  R.  Pischel  in  Kiel. 


Atmosphäre.  65 

Nie  fehlende  Bestandtheile  der  Atmosphäre  sind  Kohlensäure  und  Wasser- 
dampf,  deren  Mengen  aber  grösseren  Schwankungen  unterworfen  sind,  als  die 
des  Sauerstoffs  und  Stickstoffs,  indess  im  Vergleich  mit  diesen  sehr  gering  sind. 
Durchschnittlich  sind  in  iOO  Raumtheilen  Luft  084  Volumina  Wasserdampf  und 
0-03  Kohlensäure  enthalten. 

In  noch  geringerer  Menge  sind  in  der  Atmosphäre  gewisse  Ammoniumver- 
bindungen (Carbonat,  Nitrit,  Nitrat)  vorhanden,  femer  Kochsalz,  sowie  Staub, 
welcher  stets  thierische  und  pflanzliche  Samen  oder  Sporen  enthält,  femer  zufällig- 
hineingekommene Gase,  wie  Schwefelwasserstoff,  schweflige  Säure  u.  s.  w. 

2.  Masse  der  Atmosphäre,  Höhe  derselben.  Es  ist  nicht  wohl  mög- 
lich, die  Höhe  der  Atmosphäre  zu  bestimmen,  weil  ihre  Dichtigkeit  allmählich 
abnimmt  Die  letzte  Grenze  muss  offenbar  da  sein,  wo  die  Centrifugalkraft  der 
mit  der  Erde  rotirenden  Luft  gleich  der  Anziehungskraft  der  Erde  ist.  Infolge 
der  Centrifugalkraft  muss  die  Atmosphäre,  wie  die  Erde  selbst,  an  den  Polen 
abgeplattet  sein  und  unter  dem  Aequator  eine  erhabene  Gestalt  besitzen. 

Diese  Abplattung  kann  in  Folge  der  Bewegliclikeit  der  Lufttheilchen  sehr  bedeutend  sein; 
sie  hat  aber  wegen  der  Centrifugalkraft  ihre  Grenzen.  Nach  der  Berechnung  von  Laplace  verhält 
sich  bei  grösstmöglicher  Abplattung  die  kleine  Achse  des  Luftsphäroids  zur  grossen  wie  2  zu  3. 

Nach  dem  Gesetze  von  Mariotte  ist  die  Dichtigkeit  der  Luft  dem  Druck  derselben, 
welcher  durch  die  Barometerhöhen  angegeben  wird,  direkt  proportional.  Wenn  die  Temperatur 
der  Luft  ein  und  dieselbe  wäre,  so  würde  aus  diesem  Gesetze  folgen,  dass  die  Dichtigkeit  der 
Luft,  also  auch  die  Barometerhöhen,  in  einer  sogen,  geometrischen  Progression  abnimmt, 
wenn  die  Differenzen  der  Höhen  tlber  der  Erde  in  einer  arithmetischen  Progression  wachsen. 
Danach  würde  die  Luft  sich  in  immer  dünneren  Schichten  ohne  Grenzen  in  den  unendlichen 
Weltraum  verlieren.  Allein  mit  wachsender  Höhe  der  Atmosphäre  nimmt  die  Temperatur  der- 
selben ab;  die  niedrigere  Temperatur  der  oberen  Luftschichten  muss  ihre  Dichtigkeit  vermehren 
und  so  der  Atmosphäre  eine  Grenze  setzen.  Wie  es  sich  auch  mit  dieser  Grenze  verhalten  mag, 
aus  den  Beobachtungen  über  die  Abnahme  der  Dichtigkeit  ergiebt  sich,  dass  die  Luft  in  einer 
Höhe  gleich  dem  hundertsten  Theil  des  Erddurchmessers  nicht  mehr  wahrnehmbar  ist.  Aus  den 
Erscheinungen  der  Strahlenbrechung  lässt  sich  das  Vorhandensein  von  Luft  in  einer  Höhe  von 
etwa  10  geograph.  Meilen  nachweisen.  £0.  Schmidt  (i)  bestimmt  die  Höhe  über  dem  Aequator  zu 
7*7 ,  über  den  Polen  zu  5*8  Meilen  ,*  G.  G.  Schmidt  (2)  dagegen  findet  ihre  Aequatorialhöhe  gleich 
27-5  Meilen,  ihre  Polarhöhe  gleich  27*  1  Meilen.  Gewöhnlich  wird  die  mittlere  Höhe  zu  16  Meil. 
=  7  Myriameter  gesetzt.  Wenn  wir  uns  die  Erde  als  eine  Kugel  von  10  Meter  Durchmesser 
vorstellen,  so  würde  unter  dieser  Annahme  die  umgebende  Gashülle  38  Millim.  dick  sein. 

3.  Druck  der  Atmosphäre.  Der  Druck,  welchen  die  Luft  auf  die  Erdober- 
fläche ausübt,  wird  durch  die  Höhe  einer  Quecksilbersäule  gemessen,  welche  der 
Luftsäule  das  Gleichgewicht  hält  Dieser  Druck  nimmt  von  dem  Aequator  nach 
den  Polen  hin  erst  wenig,  dann  rascher  zu,  so,  dass  er  zwischen  dem  30.  und  40. 
Breitengrade  sein  Maximum  erreicht.  Im  Mittel  ist  das  Gewicht  einer  Luftsäule 
am  Meeresspiegel  gleich  dem  Gewicht  einer  Quecksilbersäule  von  760  Millim. 
Höhe.  Das  Gesammtgewicht  der  Luft  kommt  also  dem  einer  Quecksilberschicht 
gleich,  welche  bei  einer  Temperatur  von  0°  die  Erdoberfläche  in  einer  Schicht 
von  760  Millim.  Höhe  bedecken  würde.  Das  macht,  wenn  man  für  die  Erde 
die  Kugelgestalt  annimmt,  und  den  Radius  derselben  zu  6370284  Meter  setzt, 
ein  Gewicht  aus  von  5  262  396  000  000  000  000  Kg. 

An  diesem  Gewicht  nehmen  die  Hauptbestandtheile  der  Atmosphäre  in 
folgender  Weise  theil: 

Stickstoff:  4  041  200  000  000  000  000  Kgrm. 
Sauerstoff:  1  2 1 8  040  000  000  000  000  Kgrm. 
Kohlensäure:  3  156  000  OüÜ  000  000  Kgrm. 

Laobnbiikc,  Chemie.    IL  5 


66  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Nach  Lasch  (3)  wiegt  1  Cbmeter  trockner  Luft  von  0°  Temperatur  und 
760  Millim.  Druck  zu  Berlin:  1-293635  Kgrm.,  nach  Regnault  unter  denselben 
Bedingungen  zu  Paris:  1-293  187  Kgrm  (4).  Das  Volumen  von  1  Grm.  Luft  in 
unseren  Breiten  kann  zu  773  Cbcentim.  angenommen  werden. 

Barometer.  Das  gewöhnliche  Mittel,  den  Luftdruck  zu  messen,  ist  das 
Quecksilber-Barometer.  In  seiner  einfachsten  Form  besteht  dies  Instrument 
aus  einem  Glasrohre  von  etwa  790  Millim.  Länge,  welches  oben  geschlossen, 
unten  offen  ist,  und  luftfreies  Quecksilber  enthält.  Wenn  es  mit  dem  unteren 
Ende  in  ein  Geftiss  mit  Quecksilber  getaucht  ist,  so  wird  durch  den  Druck  der 
Luft  auf  das  Niveau  des  letzteren,  also  auf  das  Quecksilber  am  offenen  Ende 
der  Röhre,  eine  Quecksilbersäule  von  einer  gewissen  Länge  schwebend  erhalten. 

Die  Thatsache,  dass  Wasser  in  der  Röhre  einer  Saugpumpe  nicht  über  eine  gewisse  Höhe 
hinaussteige»  soll  ein  Pumpenmacher  in  Florenz  im  Jahre  1643  beobachtet  haben.  Diese  That- 
sache entsprach  nicht  der  Theorie  des  Horror  vacui  der  Natur,  mit  welcher  man  damals  noch 
häufig  die  saugende  Wirkung  der  Pumpe  erklärte.  Gaulei  gab  keine  recht  befriedigende  Er- 
klärung der  Erscheinung  an  der  Wasserpumpe,  obgleich  er  bereits  ausgesprochen  hatte,  dass  die 
Luft  Gewicht  habe.  In  seinem  Dialog  Über  den  Widerstand  fester  Körper  sagt  er  auch,  dass 
das  Wasser  in  Saugröhren  nicht  Über  18  Ellen  steige,  und  dass  darüber  ein  leerer  Raum  sei. 
Sein  Schuler  Evangkusta  Torricelli  kam  1643  auf  die  Idee,  Wasser  durch  eine  Flüssigkeit 
von  grösserem  spedfischem  Gewicht,  z.  B.  Quecksilber,  zu  ersetzen,  um  das  Vacuum  in  einer 
kürzeren  Röhre  zu  erzeugen.  Er  beschrieb  genau,  wie  er  verfahren  wollte,  und  nach  diesen  An- 
gaben stellte  sein  Freund  Viviani  in  der  oben  angegebenen  Weise  das  erste  Quecksilberbarometer 
her.  Beide  Gelehrte  fanden  bestätigt,  dass  es  wirklich  der  Druck  der  Luft  sei,  welcher  der 
Quecksilbersäule  in  der  Röhre  das  Gleichgewicht  halte.  Torricelli  sprach  sich  in  einem  Briefe 
an  Angeld  Ricci  dahin  aus,  er  könne  mittelst  seines  Instrumentes  erkennen,  ob  die  Luft  leicht 
oder  schwer  werde,  und  dass  sie  am  schwersten  an  der  Meeresfläche,  und  leichter  und  reiner 
sei,  wenn  man  auf  die  Höhen  der  Berge  steige.  Carlo  Beriguardi  sagt  in  seinem  1644 
gedruckten  »Ctrcolo  Phano*^  dass  das  Vacuum  in  der  Quecksilberröhre  grösser  auf  Thurmspitzen 
und  Bergesgipfeln  sei,  als  am  Fusse  derselben.  Weitere  Bestätigung  brachte  im  Jahre  1647 
Blaise  Pascal  der  durch  Versuche  nachwies,  dass,  wenn  die  Höhe  der  umgebenden  Luftschicht 
vermindert  würde,  dadurch  dass  man  die  ToRRiCEixi'sche  Röhre  auf  einen  hohen  Ort  bringe, 
auch  das  Gewicht  Quecksilber  verringert  werde,  welches  von  der  Luft  getragen  wird.  Pascal 
selber  stellte  Versuche  an  dem  (noch  erhaltenen)  Thurm  St.  Jacques  in  Paris  an,  und  auf  seine 
Veranlassung  bestieg  sein  Schwager  Perrier  den  Puy  de  Ddme  in  der  Auvergne  und  beobachtete 
die  Quecksilberhöhe  am  Fusse  und  auf  dem  Gipfel  des  Berges.  Er  fand  eine  Abnahme  von 
3  Zoll,  was  ihn  »zu  Bewunderung  und  Erstaunen  hinriss«*). 

Diese  Versuche  veranlassten  zahlreiche  Forscher,  sich  mit  der  Construction  des  Barometers 
zu  beschäftigen.  Der  Name  »Barometer«,  von  ßflEpoc,  schwer,  und  (jirpov,  Maass,  wurde  zuerst 
1664  von  BoYLE  (New  Experiments  on  Cold)  gebraucht. 

Man  pflegt  drei  Formen  des  Barometers  zu  unterscheiden:  das  Gefässbaro- 
meter,  das  Heberbarometer,  das  Kugelbarometer.  Bei  allen  dreien  dient  der 
lothrechte  Abstand  des  oberen  von  dem  unteren  Quecksilberspiegel  als  Maass 
des  Luftdrucks. 

Die  einfachste  Art  des  Gefässbaroraeters  ist  das  ToRRiCELLi'sche  Instrument,  eine  mit 
Quecksilber  geftülte,  genügend  lange,  an  einem  Ende  geschlossene  Glasröhre,  deren  offenes  Ende 
unter  dem  Niveau  des  in  einem  beliebigen  Gefässe  befindlichen  Quecksilbers  sich  befindet.     Jetzt 

*)  An  der  Entdeckung  des  Barometers  hat  auch  Descartes  Antheil.  In  einem  Briefe  aus 
dem  Jahre  1631  erklärt  er  das  Verweilen  des  Quecksilbers  in  einer  oben  geschlossenen  Röhre 
durch  den  Druck  der  bis  zu  den  Wolken  reichenden  Luft.  Montücla  sagt  (Hist.  des 
Mathematiques,  IL  pag.  205):  »Nous  avons  des  preuves,  que  ce  phUosopke  (Descartes)  reconmU 
avant  Torricelu  h  pesanttur  de  fair,*  Auch  giebt  Descartes  in  einem  Briefe  an  Carcavi 
vom  Juni  1649  an,  er  habe  Pascal  das  oben  erwähnte  Experiment  angerathen. 


Atmosphäre. 


67 


wird  dies  Geföss  mit  dem  Barometerrohr  in  dauernde  Verbindung  gebracht,  entweder  dadurch, 
dass  beide  Theile  an  einem  gemeinsamen  Stativ  befestigt  sind,  oder,  was  häufiger  ist,  ein  ru- 
sammenhängendes  Stück  bilden  (Kugelbarometer).  Die  Scala,  an  welcher  die  Höhe  der  Queck- 
silbersäule abgelesen  wird,  befindet  sich  bei  diesen 
Instrumenten  nur  an  dem  oberen  Theile  (Fig.  44.) 
Allein  der  Spiegel  des  Quecksilbers  in  dem  Gefäss 
ist  nicht  unveränderlich,  der  Nullpunkt  der  Theilung 
ist  also  nicht  immer  derselbe.  Die  Höhenschwan- 
kungen im  Gefäss  sind  nmal  geringer,  als  die  in 
der  Röhre,  wenn  der  Querschnitt  des  Gefässes 
IT  mal  grösser  ist,  als  der  der  Röhre.  Man  giebt 
deshalb  dem  Quecksilberspiegel  in  dem  GefUsse  eine 
verhältnissmässig  grosse  Ausdehnung. 

Für  genaue  Bestimmungen  ist  es  erforderlich, 
einen  festen  Nullpunkt  zu  haben.  Dies  wird  durch 
die  Vorrichtung  erreicht,  welche  Jean  Fortin*) 
ani  Barometer  angebracht  hat.  Hier  ist  der  Boden 
des  Gefässes  verschiebbar  gemacht,  indem  derselbe 
aus  einem  Lederbeutel  /  (Fig.  45)  besteht,  gegen 
welchen  der  runde  Kopf  der  Schraube  s  drückt. 
Durch  entsprechendes  Drehen  der  Schraube  kann 
man  den  Quecksilberspiegel  heben  oder  senken. 
Man  regulirt  diesen  nun  so,  dass  die  Spitxe  des 
Elfenbeinstiftes  r,  welcher  an  dem  Deckel  des 
Geftsses  befestigt  ist,  die  Oberfläche  des  Queck- 
silbers eben  berührt.  Man  erkennt  dies  leicht, 
indem  man  das  Spiegelbild  des  Stiftes  auf  der 
Quecksilberoberfläche  beobachtet.  Das  Barometer- 
rohr ist  von  einer  Messinghülse  umgeben.  Diese 
trägt  eine  Scala,  deren  Nullpunkt  die  Spitze  des 
erwähnten  Stiftes  ist.  Die  Hülse  hat  über  dem 
Räume,    in    welchem    sich    die    Quecksilberkuppe  j  hH 

bewegen  kann,  zwei  einander  gegenüberstehende  Schlitze.  Ueber 
dieser  Hülse  ist  eine  zweite  ebenfalls  mit  Schlitzen  versehene  ver- 
schiebbar. Die  oberen  Ränder  der  Schieberschlitze  werden  bei 
einer  Beobachtung  genau  in  die  Höhe  der  Quecksilberkuppe  ge- 
bracht. Die  eine  Seite  des  vorderen  Schieberschlitzes  ist  mit  einem 
Nonius  versehen. 

Leichter  und  transportabler  als  das  Gefässbarometer 

bei    gleicher    Genauigkeit    das    Heberbarometer. 


ist 


(Ch.45) 


Dasselbe  ist  aus  einem,  an  einem  Ende  geschlossenen,  heberförmig  gebogenen  Glasröhre  ange- 
feitigt,  welches  wenigstens  an  den  Stellen  der  oberen  und  unteren  Quecksilberkuppe  gleichen 
Durchmesser  haben  muss.  Bei  wechselndem  Luftdruck  ändert  sich  in  beiden  Schenkeln  gleich- 
massig  die  Höhe  der  Quecksilbersäule.  Bei  den  Heberbarometem  ist  entweder  das  Rohr  und 
die  Scala  fest,  oder  die  Scala  ist  fest  und  das  Rohr  in  vertikaler  Richtung  verschiebbar,  oder 
das  Rohr  ist  fest  und  die  Scala  verschiebbar.  Bei  Beobachtungen  mit  Instrumenten  der  beiden 
letzteren  Klassen  stellt  man  erst  die  (untere)  Kuppe  des  offenen  Schenkels  auf  den  Nullpunkt 
ein  und  beobachtet  dann  die  Kuppe  im  geschlossenen  Schenkel.  Im  ersten  Falle  ist  die  Scala 
am  besten  auf  das  Glas  geätzt.  Man  muss  dann  auch  ablesen,  wie  weit  die  untere  Kuppe  von 
dem  Nullpunkt  entfernt  ist  Am  besten  erfolgen  die  Ablesungen  aus  einer  Entfernung  von 
2—3  Meter  mittelst  eines  Femrohres,  welches  sich  an  einem  verticalen  Stab  auf-  und  abschieben  lässt. 
Die  Genauigkeit  der  Barometermessungen   wird   von  der  Weite  des  Rohres  beeinflusst.     In 

•)  Richtiger  Fotin,  geb.    17 19  in  Paris,  gest.   1796  als  Professor  in  Brest. 


68  Handwörterbuch  der  Chemie. 

sehr  engen  Röhren  btlsst  das  Quecksilber  an  Beweglichkeit  ein.  Bei  einem  Durchmesser  des 
Rohres  von  mindestens  13*5  Millim.  wird  der  £influss  der  CapiUarität  unmerklich.  Man  kann 
die  Grösse  dieses  Fehlers    nicht  mit  Sicherheit    aus  der    Röhrenweite    ableiten;   näherungsweise 

4.5 

addirt  man  wegen   der  Capillardepression  des  Quecksilbers  die  Grösse  — j-  Millim.,   wo  d  den 

d 

inneren  Durchmesser  der  Röhre  bedeutet.  Am  besten  ist  es,  ein  Barometer  mit  engem  Rohr 
mit  einem  solchen,  bei  dem  der  Fehler  der  CapiUarität  ausgeschlossen  ist,  zu  vergleichen. 

Die  Correktionen,  welche  wegen  der  infolge  des  Temperaturwechsels  hervorgerufenen 
Aenderungen  der  Scala  und  des  Quecksilbers  angebracht  werden  müssen,  können  mit  Sicherheit 
durch  Rechnung  ausgeführt  werden.  Man  reducirt  die  Beobachtungen  auf  0*^  und  hat  dabei  der 
folgenden  Formel  sich  zu  bedienen: 

Hier  ist  h  =  corrigirte  Barometerhöhe, 
H==  beobachtete  Höhe, 
/  =  Temperatur  zur  Zeit  der  Beobachtung, 
K  =  linearer  Ausdehnungscoefficient  der  Scala, 
y,Vff  =  Ausdehnung  des  Quecksilbers  für  l®  innerhalb  0**  und  lOO*^. 

Wenn  man  das  Barometer  anstatt  mit  Quecksilber  mit  einer  Flüssigkeit  von  geringerem 
specifischen  Gewicht  füllt,  so  werden  die  Schwankungen  der  Flüssigkeitssäule  grösser,  das  In- 
strument wird  also  empfindlicher,  freilich  seine  Länge  auch  grösser.  Wasser  eignet  sich  nicht 
gut,  weil  wegen  seines  niedrigen  Siedepunktes  im  Vacuum  des  Barometers  Dämpfe  von 
beträchtlicher  Spannung  sich  bilden,  die  auf  die  Flüssigkeitskuppe  drücken.  Glycerin  dagegen 
siedet  so  hoch  (290^t  dass  dieser  Gegendruck  nicht  in  Betracht  kommt.  Da  sein  spec.  Gew. 
etwa  gleich  i^^^  von  dem  des  Quecksilbers  ist,  so  sind  die  Höhenschwankungen  10  mal  grösser 
als  beim  Quecksilberbarometer,  und  das  Rohr  muss  etwa  8  Meter  lang  sein*). 

Eine  ganz  andere  Art  Barometer  bilden  die  Aneroid-  oder  Holosterik-Barometer. 
Dieselben  bestehen  aus  einer  MetallbUchse  mit  wellig  gebogenen  dünnen  Wänden,  welche  luftleer 
gemacht  ist  Die  Veränderungen  des  Luftdrucks  rufen  Bewegungen  der  Oberfläche  hervor,  welche 
durch  Winkelhebel  auf  einen  um  seine  Axe  drehbaren  Zeiger  übertragen  werden,  der  dieselben 
auf  einer  durch  Vergleich  mit  einem  Quecksilberbarometer  hergestellten  Scala  anzeigt.  Derartige, 
in  den  mannigfachsten  Formen  hergestellte  Instrumente  eignen  sich  nicht  besonders  zu  wissen- 
schaftlichen Beobachtungen,  da  sie  mit  der  2^it  an  Genauigkeit  abnehmen. 

4.  Verhalten  der  Atmosphäre  zur  Wärme.  Die  specifische  Wärme  der 
trockenen  Luft  bei  constantem  Druck  ist  0*23741  von  der  des  Wassers  (Regnault). 

Der  Ausdehnungscoefficient  für  je  1  °  zwischen  —  30  und  -h  200°  ist  ^tJt  o<i«r 
0'00366ö  (Magnus,  Regnault)  (5).  Bei  einer  durch  flüssiges  Stickoxydul  hervor- 
gebrachten niedrigen  Temperatur  wurde  Luft  unter  einem  Druck  von  200  Atmo- 
sphären verflüssigt  (Cailletet)  (6). 

Die  Schwächung,  welche  die  Sonnenwärme  beim  Durchgang  durch  die  Atmo- 
sphäre erleidet,  scheint  besonders  die  am  wenigsten  brechbaren  ultrarothen  Wärme- 
strahlen des  Spectrums  zu  treffen.  Der  grösste  Theil  der  Sonnenwärme  wird 
nicht  absorbirt.  Die  Angabe  von  Bupf,  dass  eine  etwa  45  Millim.  dicke  Schicht  trockener 
Luft  beinahe  die  Hälfte  der  Wärmestrahlen  absorbire,  welche  von  einer  auf  100^  erhitzten  Wärme- 
quelle ausgehen,  ist  von  TTyndall  (7)  vriderlegt  worden.  Nach  Tyndall  soll  eine  1  Meter 
lange  Luftschicht  0*088  ^  Wärme  absorbiren.  Violle  (8)  hat  indessen  durch  genaue  Messungen 
der  Intensität  der  Sonnenstrahlung  am  Gipfel  und  am  Fusse  des  Montblanc  die  Absorption  für 
1  Meter  Luft  su  0*0070  J  gefunden.  Für  letztere  von  ihnen  berechnete  Zahl  sprechen  sich  auch 
Lecher  und  Pernter  aus  (9).  Das  Hauptahsorbens  ist  wahrscheinlich  der  Wasserdampf.  In- 
dessen werden  auch  die  Kohlensäure  und  die  in  der  Atmosphäre  schwebenden  Organismen  nicht 
ohne  Einfluss  sein. 


•)  Ueber    ein    Glycerinbaromcter,    vergl.    Bericht    tiber   die   Ausstellung    wissenschaftlicher 
Apparate  in  London,  von  R.  Biedermann,  London   1877,  P^*  696. 


Atmosphäre.  69 

Die  Erwärmung  der  Atmosphäre  geschieht  also  vorzüglich  von  der  Erdober- 
fläche aus.  Die  Temperatur  ist  daher  in  den  untersten  Schichten  am  höchsten, 
sie  nimmt  hier  für  ungefalir  195  Meter  um  1°  ab.  In  grösseren  Entfernungen  soll 
die  Temperaturabnahme  in  geringerem  Verhältniss  vor  sich  gehen. 

Die  Abnahme  der  Temperatur  bei  der  Erhebung  in  die  Atmosphäre  hat  auch 
darin  ihren  Grund,  dass  die  am  Boden  erwärmte  Luft  beim  Aufsteigen  in  Folge 
der  Ausdehnung  sich  abkühlt.  Der  durch  die  Erwärmung  der  Erdoberfläche 
gebildete  Wasserdampf  steigt  mit  der  erwärmten  Luft  auf  und  wird  dann  durch 
Abkühlung  in  den  höheren  Luftschichten  condensirt  Das  als  Thau  unmittelbar 
am  Boden  verdichtete  Wasser  wird  in  Folge  der  Abkühlung  der  untersten  Luft- 
schicht durch  den  Boden  niedergeschlagen. 

DovE  giebt  folgende  Gesammtmittelwerthe  flir  die  Temperatur  der  unteren 
Luftschichten  an: 


Januar 

Juli 

Mittel 

Nördliche  Hemisphäre 

9-4° 

21-6° 

15-5  " 

Südliche  Hemisphäre 

IS^" 

12° 

13-6° 

Erde 

12-3° 

16-8° 

Üb" 

5.  Verhalten  zum  Licht.  —  Die  Luft  ist  nicht  völlig  durchsichtig.  Die 
Theilchen  derselben  reflectiren  das  auf  sie  gefallene  Licht,  und  dieses  zerstreute 
Licht  ist  intensiv  genug,  um  das  Sternenlicht  zu  übertönen. 

Vor  den  schwarzen  Grund  des  Weltraumes  zieht  sich  dieser  leuchtende  Vor- 
hang und  wir  sehen,  zumal  da  die  blauen  Lichtstrahlen  stärker  zerstreut  werden, 
als  die  übrigen,  den  Himmel  in  blauer  Farbe.*)  In  höheren  Luftschichten,  wo 
in  Folge  der  grösseren  Verdünnung  der  Luft  die  Reflexion  des  Lichtes  geringer 
wird,  wo  der  leuchtende  Vorhang  dünner  wird,  erscheint  der  Himmel  dunkler 
und  dunkler.  Dass  die  blaue  Farbe  des  Himmels  wie  das  weisse  Licht  der 
Wolken  vom  reflectirten  Licht  herrührt,  hat  Brewster  nachgewiesen,  indem  er 
zeigte,  dass  dieses  Licht  polarisirt  ist. 

Feste  Stoffe    organischer  und   anorganischer  Natur,  Staub,  Rauch  u.  s.   w. 

beeinträchtigen   die   Durchsichtigkeit   der   Luft.     Ebenso   flüssige  Körper,    also 

Wasser    in    Form    von   Nebelbläschen   und    Wolken.     Nach  Wild  (ig)   ist   der 

DurcbsichtigkeitscoefBcient  einer  Luftschicht  von  1  Meter  Länge  bei 

Staubfreier  trockener  Luft  0-99718 

Trockener  staubhaltiger  Zimmeriuft  0*99520 

Staubfreier,  mit  Wasserdampf  gesättigter  Luft  0-99328 

Danach  vermindert  Wasserdampf  die  Durchsichtigkeit  der  Luft.  Dies  wider- 
spricht scheinbar  der  Erfahrung,  denn  wenn  kurz  vor  oder  nach  dem  Regen  viel 
Wasserdampf  in  der  Atmosphäre  enthalten  ist,  so  erscheint  die  Landschaft  be- 
sonders klar.  Es  ist  dies  indessen  die  Folge  davon,  dass  durch  die  Feuchtigkeit 
die  Menge  des  in  der  Luft  suspendirten  Staubes  und  der  umherfliegenden  Keime 
vermindert  wird.  Beim  Verdichten  des  Wasserdampfes  zu  flüssigem  Wasser  passiren 
denselben  besonders  die  gelben  und  rothen  Lichtstrahlen,  und  hierauf  beruht  die 
Erscheinung  der  Morgen-  und  Abendröthe.  Cornu  hat  nachgewiesen,  dass  die 
Luft  ultraviolette  Strahlen  absorbirt  (10). 

Wenn  der  Lichtstrahl  auf  seinem  Wege  aus  dem  Weltraum  in  die  immer 
dichter  werdenden  Schichten  der  Atmosphäre  gelangt,   so  wird  er  von  seinem 

♦)  »Wird  die  Finsterniss  des  unendlichen  Raumes  durch  atmosphärische,  vom  Tageslicht  er- 
leuchtete Dttnste  hindurch  angesehen,  so  erscheint  die  blaue  Farbe.«  Goethe's  Farbenlehre. 
I.  Abtheilung.     Propos.   155. 


70  Handwörterbuch  der  Chemie. 

geraden  Wege  abgelenkt,  er  wird  gebrochen.  Infolge  dessen  scheinen  die  Sterne  dem 
Zcnith  näher  zu  stehen,  als  es  in  Wirklichkeit  der  Fall  ist,  und  wir  sehen  die  Sonne  Abends 
noch  ganz  über  dem  Horizonte,  wenn  ihr  unterer  Rand  in  Wahrheit  schon  um  33'  unter  dem- 
selben steht ;  der  wahrnehmbare  Sonnenuntergang  erfolgt  um  zwei  Zeitminuten  später,  der  Sonnen- 
aufgang um  zwei  Minuten  früher,  als  der  wahre.  Wenn  höhere  Luftschichten  zeitweilig  dichter 
sind  als  die  der  Erdoberfläche  näheren,  oder  wenn  zwischen  dem  Beobachter  und  dem  sicht- 
baren Gegenstand  Luftschichten  von  verschiedener  Dichtigkeit  sich  befinden,  so  kann  die  Er- 
scheinung der  Luftspiegelung,  der  Fata  Morgana,  des  Seegespenstes  u.  s.  w.  eintreten. 

Die  Brechungsexponenten  der  trockenen  Luft  bei  0°  und  760  Millim.  Baro- 
meterstand für  die  FRAUNHOFER'schen  Linien  A,  B,  C,  D,  E,  F,  G,  H  sind  nach 
Ketteler  (ii) 

fiA  =  100029286  nE  =  100029584 

nB  =  100029345  nF  =  1-00029685 

«C  =  100029383  nG  =  100029873 

nD^  100029470  nH^  1  00030026 

Wenn  ein  elektrischer  Funke  zwischen  Metallelektroden  überspringt,  so  zeigt 
das  Spectrum  nicht  nur  die  Metalllinien,  sondern  auch  die  von  der  glühenden 
Luft  zwischen  den  Elektroden  herrührenden  Linien.  Das  Emissionspectrum 
der  Luft  tritt  am  besten  auf,  wenn  die  Elektroden  möglichst  weit  von  einander 
entfernt  sind.  Um  aus  den  zahlreichen  Luftlinien  die  Metalllinien  zu  eliminiren, 
wendet  man  Elektroden  verschiedener  Metalle  an;  die  Linien,  welche  gemein- 
schaftlich in  den  Spectren  vorhanden  sind,  wenn  der  Funke  zwischen  Platinpolen, 
und  wenn  er  zwischen  Goldpolen  übergeht,  gehören  dem  Luftspectrum  an.  Huggins 
(12),  Angström  (13)  und  Lecoq  de  Boisbaudran  haben  diese  Linien  genau  ver- 
zeichnet. Gkandeau  (14)  und  KuNDT  (15)  haben  in  dem  Spectrum  des  Blitzes  ausser  den  eigent- 
lichen Luftlinien  auch  die  Linien  des  Wasserstoffs  und  des  Natriums  wahrgenommen.  Kundt 
sowohl  wie  Wüllner  haben  beobachtet,  dass  Zickzackblitze  ein  Linienspectrum,  Flächenblitzc  ein 
Bandenspectrum  (Spectrum  erster  Ordnung,  Verbindungsspectrum)  gaben.  Das  Bandenspectrum  des 
positiven  Pols  besteht  nach  Thalen  (16)  aus  zwei  Serien  von  Banden,  die  einen  von  der  rothen 
und  die  andern  von  der  violetten  Seite,  und  rührt  von  Stickoxyd,  N  O,  her.  Die  Banden  variiren 
unter  Umständen.  Der  blaue  Mantel  am  positiven  Pol  zeigt  immer  dasselbe  Spectnun.  Die  Ver- 
schiedenheit des  letzteren  von  dem  Spectrum  des  Lichtes  am  positiven  Pol  hat  neuerdings  Gold- 
stein (17)  wiederum  nachgewiesen.  Wenn  das  Kathodenlicht  durch  stärkere  Verdünnung  statt  der 
gewöhnlichen  blauen  Färbung  eine  lila  Nuance  angenommen  hat,  so  verblasst  nach  G.  ein  grüner 
Streif,  während  sonst  die  Unterschiede  mit  dem  Spectrum  des  positiven  Lichtes  bleiben.  Dies 
letztere  aber  wird  dem  des  lilablauen  Kathodenlichtes  völlig  gleich,  wenn  man  die  Versuchsröhre 
mit  dem  positiven  Licht  möglichst  evacuirt. 

Das  Absorptionsspectrum  der  Luft  zeigt  eine  Menge  Linien,  die  man 
nur  dann  wahrnimmt,  wenn  die  durchstrahlte  Schicht  mehrere  Meilen  lang  ist. 
Zanitdeschi  fand  zuerst,  dass,  wenn  die  Sonne  sich  dem  Horizont  nähert,  neue 
Linien  sichtbar  werden  und  bereits  vorhandene  sich  verbreitem,  was  seinen  Grund 
darin  hat,  dass  das  laicht  dann  einen  weit  längeren  Weg  in  der  Atmosphäre  zu- 
rückzulegen hat  als  am  Mittag.  Namentlich  im  Orange  und  Gelb  treten  Streifen 
auf  (18).  Bei  feuchtem  Wetter  erscheinen  die  Streifen  bei  spectroskopischer  Be- 
trachtung nicht  nur  des  Horizonts,  sondern  auch  der  oberen  Regionen  des  Himmels. 
Auf  hohen  Bergen  dagegen,  wo  die  Schicht  der  Atmosphäre  dünn  ist,  sieht  man 
im  Spectrum  ultraviolette  Theile,  deren  Wahrnehmbarkeit  unter  gewöhnlichen 
Umständen  nicht  möglich  ist,  wie  Janssen  im  Himalaya,  Cornu  in  den  Alpen 
beobachtet  hat.  Brewster  und  Gladstone  haben  die  atmosphärische  Absorptions- 
linie zuerst  aufgezeichnet  (19). 

Egoroff  (20)  hat  bei  Betrachtung  des  Spectrums  eines  elektrischen  Lichtes  auf  dem  Mont 


Atmosphäre.  71 

Valerien  von  der  Pariser  Sternwarte  aus  zwei  breite  Banden  und  vier  schmale  Streifen  entdeckt,  von 
welchen  bisher  nur  einer  bekannt  war,  und  welche  Streifen  des  Emissionsspectrums  nach  Ang- 
STRÖM  und  Thal^  entsprechen. 

Das  Absorptionsspectrum  ist  neuerdings  auch  von  Chappuis  (21)  studirt  worden.  Dasselbe 
zeigt  1 1  dunkle  Banden,  von  denen  einige  mit  Linien  zusammenfallen,  die  Angström  verzeichnet 
hat  Chappuis  schliesst  aus  dem  Spectrum,  dass  das  Ozon  eine  Ursache  der  blauen  Farbe  des 
Hnnmels  ist.     Dieselbe  Ansicht  haben  auch  CoRNU  uud  W.  N.  Hartley  (22)  geäussert 

Bei  sehr  starker  Dispersion  lösen  sich  die  Absorptionsbanden  in  feine 
Streifen  auf.  Die  Absorption  der  Atmosphäre  erstreckt  sich  nicht  nur  auf  den 
rothen  Theil  des  Spectrums,  sondern  auch  auf  den  violetten  und  ultravioletten, 
welche  Theile  gegen  Sonnenuntergang  fast  völlig  ausgelöscht  werden.  Dies  ist 
leichter  mit  Hülfe  photographischer  Platten  als  durch  Okularbeobachtung  zu  er- 
kennen (23). 

6.  Verhalten  zum  Magnetismus.  Die  Luft  ist  in  Folge  ihres  SauerstofT- 
gehaltes  eine  magnetische  Substanz.  Man  hat  die  täglichen  Variationen  der  De- 
clinationsnadel  auf  die  Aenderungen  des  magnetischen  Verhaltens  der  Atmosphäre 
in  Folge  der  Temperaturschwankungen  zurückzuführen  versucht 

7.  Atmosphärische  Elektricität  Die  atmosphärische  Elektricität  macht 
sich  besonders  in  den  Gewitterwolken  bemerkbar.  Zur  Nachweisung  der  elektrischen 
Spannung  in  diesen  wendete  Benj.  Franklin  1749  eine  oben  zugespitzte,  isolirte, 
vertikal  aufgestellte  Metallstange  an.  Dieselbe  wird  durch  Vertheilung  elektrisch; 
indem  am  oberen  Ende  die  der  Gewitterwolke  ungleichnamige  Elektricität  durch 
die  Spitze  ausströmt,  nimmt  man  am  unteren  Ende  der  Stange  die  gleichnamige 
wahr.  Franklin's  Apparat  ist  die  Grundlage  aller  Elektroskopen  und  Elektro- 
meter für  atmosphärische  Spannungserscheinungen  geworden. 

Die  Elektricität  der  Gewitterwolken  wechselt  nach  Zeichen  und  Spannung  ungemein  häufig. 
Saussure  fand  während  eines  Gewitters  nicht  die  Zeit,  diesen  Wechsel  aufzuzeichnen.  Ein 
ähnlich  rascher  Wechsel  findet  auch  in  den  Wolken  statt,  wenn  sie  sich  zu  Regen  verdichten. 
Nebel  sind  stets  positiv  elektrisch.  Der  ganz  wolkenlose  Himmel  übt  stets  einen  positiv  elek- 
trischen Einfluss  aus.  Vor  Sonnenaufgang  |und  am  Nachmittag  zeigen  sich  zwei  Minima,  am 
Vormittag  und  in  den  ersten  Nachtstunden  zwei  Maxima;  jährlich  tritt  ein  Maximum  im  Januar, 
ein  Minimum  im  Mai  auf. 

Während  Biot  (24)  jedes  Theilchen  der  Atmosphäre  für  elektrisch  annimmt, 
so  zwar,  dass  mit  Entfernung  der  Luftschichten  von  der  Erdoberfläche  die 
Dichtigkeit  der  Elektricität  zunimmt,  ist  nach  Lamont  die  reine  atmosphärische 
Luft  gar  nicht  elektrisch,  sondern  die  Erde  besitzt  eine  gewisse  Menge  negativer 
Elektricität,  welche  durch  die  Erhöhungen  der  Erdoberfläche  und  durch  die  in 
der  Atmosphäre  schwebenden  Nebelbläschen  modiflcirt  wird  (25). 

8.  Quantitative  Zusammensetzung  der  Luft.  Erst  verhältnissmässig 
spät  hat  man  sich  mit  der  chemischen  Beschaffenheit  der  I^uft  beschäftigt.  Die 
Mehrzahl  der  mechanischen  Eigenschaften  der  Luft  waren  bereits  bekannt,  als  man 
von  ihrer  wirklichen  Zusammensetzung  noch  nichts  wusste.  Im  9.  Jahrh.  hatte  der 
arabische  Chemiker  Geber  erkannt,  dass  Blei  und  Zinn  bei  ihrer  Calcination  an  der  Luft  an 
Gewicht  zunehmen,  und  er  hatte  dies  ganz  richtig  der  Aufnahme  gewisser  Lufttheilchen  zuge- 
schrieben. Eck  V.  SuLZBACH  (1489),  Paracelsus  und  Agricola  im  16.  Jahrh.,  Caesalpinüs 
(um  1602),  Jean  Ray  (1630),  Robert  Boyle  (1661),  sie  alle  haben  die  Gewichtszunahme  der 
in  der  Luft  erhitzten  Metalle  beobachtet,  aber  Versuche,  um  zu  erfahren,  ob  ein  Theil  oder  die 
Gesammtheit  eines  Luftquantums  absorbirt  würde,  wurden  nicht  angestellt  Boyle  erklärte  die 
Gewichtszunahme  der  Metalle  beim  Verkalken  dadurch,  dass  er  sagte,  dieselben  nähmen  »Feuer- 
materie«  auf.  Hocke  erkannte  1665,  dass  der  Salpeter  die  Verbrennung  ähnlich  befördere  wie 
die  Lnft  und  schloss  daraus,  dass  in  der  Luft  und  im  Salpeter  derselbe  die  Verbrennung  unter- 


72  Handwörterbuch  der  Chemie. 

haltende  Bestandtheil  enthalten  sei.  Mayow,  ein  Schüler  Boyle's,  verfolgte  diese  Thatsache 
weiter  (1669).  Nach  ihm  verbindet  sich  das  calcinirte  Metall  mit  dem  in  der  Luft  enthaltenen 
»Spiritus  nitroaereus«.  Er  zeigte  auch,  dass  wenn  ein  Körper  in  über  Wasser  abgesperrter 
Luft  verbrannt  wird,  das  Volumen  der  letzteren  abnimmt»  dass  dasselbe  bei  der  Respiration  statt- 
findet,  und  er  entdeckte  somit  die  Analogie  zwischen  Verbrennung  und  Athmung. 

Diese  richtigen  Anschauungen  Mayow's  über  die  Zusammensetzung  der  Luft  fanden  nicht  die 
gebührende  Beachtung  und  wurden  von  seinen  Nachfolgern  bald  vergessen.  Die  SxAHL'sche  Phlo- 
gistontheorie  kam  auf  und  gewann  die  Alleinherrschaft  in  der  Chemie.  Nicht  Theilc  der  Luft 
oder  der  Innenmaterie  verbinden  sich  mit  dem  brennenden  Körper,  sondern  das  in  jedem  brenn- 
baren Stoffe  enthaltene  Phlogiston  entweiche  bei  der  Verbrennung;  der  Sauerstoff  war  dephlo- 
gistisirte  Luft. 

Im  letzten  Drittel  des  18.  Jahrhunderts  wufde  die  Untersuchung  der  Luft  wieder  aufgenommen. 
Es  war  die  Epoche  der  pneumatischen  Chemie,  der  Untersuchung'  der  verschiedenen  Luftarten. 
RuTHfeRFORD  zeigte  1772,  dass  die  Luft  einen  Bestandtheil  enthalte,  welcher  den  Athmungs-  and 
Verbrennungsprozess  nicht  zu  unterhalten  vermöge.  Priestley  und  unabhängig  von  ihm  Scheele 
lehrten  bald  darauf  (1774)  den  anderen  die  Verbrennung  und  das  Athmen  unterhaltenden  Be- 
standtheil darstellen.  Dass  jener  als  mephitische  oder  phlogistisirte  Luft  bezeichneter  Stoff  ein 
einfacher  Körper  ist,  wurde  von  Lavoisier  erkannt,  der  ihm  den  Namen  Azote  gab,  während 
Chaftal  den  Namen  Nitrogenium  einftihrte  und  im  Deutschen  das  Gas  als  Stickstoff  .bezeichnet 
wurde.  Der  andere,  die  Verbrennung  unterhaltende  Bestandtheil  der  Luft  wurde  von  LAVOISlElt 
Oxygene,  im  Deutschen  Sauerstoff  genannt. 

Bei  der  Bestimmung  der  Zusammensetzung  der  Luft,  die  nach  der  Entdeckung  des  Sauer- 
stoffs und  Stickstoffs  von  vielen  Seiten  in  Angriff  genommen  wurde,  kam  man  in  Folge  mangd- 
hafter  Methoden  zu  verschiedenen  Resultaten.  Man  schloss  daraus,  dass  die  Zusammensetsung 
der  Luft  an  verschiedenen  Orten  und  zu  verschiedenen  Zeiten  eine  andere  sei,  dass  die  Luft  um 
so  besser  sei,  je  mehr  Sauerstoff  darin  enthalten  sei.  Der  Apparat,  der  zur  Luftanalyse  diente, 
sollte  die  Güte  der  Luft  messen:  er  wurde  deshalb  Eudiometer  (von  e6Wa,  heiteres  Wetter 
und  fA^Tpov,  Maass)  genannt,  ein  Name,  der  für  das  analytische  Gasmessrohr  Bürgerrecht  ge- 
wonnen hat 

Cavendish  Stellte  im  J.  1881  durch  sehr  zahlreiche  Untersuchungen  fest, 
dass  die  Luft  stets  dieselbe  Zusammensetzung  habe.  Auch  Lavoisier  und  andere 
Chemiker  fanden,  dass  die  unter  verschiedenen  Verhältnissen  gesammelte  Luft, 
die  über  dem  Meeresspiegel,  die  auf  hohen  Bergen,  die  im  Binnenlande  ent- 
nommene Luft;  Stickstoff  und  Sauerstoff  stets  in  demselben  Verhältniss  enthielt. 
In  Folge  dessen  lag  die  Annahme  nahe,  dass  die  Luft  eine  chemische  Ver- 
bindung sei.  In  der  That  glaubten  Prout,  Döbereiner,  Thomson  u.  A.,  dass 
sie  aus  4  Raumtheilen  Stickstoff  und  1  Raumtheil  Sauerstoff  chemisch  zusammen- 
gesetzt sei. 

Gegen  diese  Ansicht  lassen  sich  verschiedene  Gründe  geltend  machen. 
Eine  aus  4  Atomen  Stickstoff  und  1  Atom  Sauerstoff  bestehende  Verbindung 
^vürde  in  72  Gewichtstheilen  4  x  14  =  56  Gewichtstheile  Stickstoff  und  16  Ge- 
wichtstheile  Sauerstoff  oder  in  100  Thln.  77-8  N  und  22*2  O  enthalten.  Die 
Analyse  ergiebt  aber,  dass  100  Gewichtstheile  von  Kohlensäure  und  Wasser  be- 
freiter Luft  aus  77  Gewichtstheilen  Stickstoff  und  23  Gewichtstheilen  Sauerstoff 
bestehen.  Die  Differenzen  mit  der  für  N4O  berechneten  Zusammensetzung  sind 
aber  zu  gross,  um  sie  als  Fehler  der  analytischen  Methoden  ansehen  zu  können.  — 
Femer  gewinnt  man  durch  Mischen  von  21  Raumtheilen  Sauerstoff  und  79  Raum- 
theilen Stickstofl  ein  Produkt,  welches  in  seinen  Eigenschaften  vollständig  mit  der 
Lufl  übereinstimmt.  Bei  dieser  Mischung  ist  aber  keine  Temperaturverändenmg 
wahrzunehmen,  was  der  Fall  sein  müsste,  wenn  eine  chemische  Verbindung  ein- 
getreten wäre;  es  tritt  auch  keine  Verdichtung  ein,  was  im  letzteren  Falle  wahr- 


Atmo!(phäre.  73 

schemlich  stattfinden  müsste.  —  Weiter  ist  die  Löslichkeit  des  atmosphärischen 
SauerstofTs  in  Wasser  grösser  als  die  des  atmosphärischen  Stickstoffs.  Das 
letztere  Gas  ditfundirt  durch  einen  porösen  Körper  in  einen  luftleeren  Raum  in 
grösserer  Menge  als  der  Sauerstoff.  Beides  würde  nicht  stattfinden,  wenn  die 
Luft  ein  chemisches  Individuum  wäre. 

Gegen  eine  solche  Annahme  erklärte  sich  besonders  Dalton.  Weil  der 
Sauerstoff  schwerer  ist  als  der  Stickstoff,  so  müsse,  meinte  er,  in  den  unteren 
Schichten  des  Gemenges  dieser  Gase  mehr  Sauerstofli  enthalten  sein  als  in  den 
oberen.  Diese  Ansicht  ist  indessen  durch  zahlreiche  Versuche  widerlegt  worden, 
unter  welchen  wir  besonders  die  Analysen  von  Gay-Lussac,  der  im  Luftballon 
Luft  aus  einer  Höhe  von  7000  Metern  gesammelt  hatte  und  von  Brunner,  welcher 
die  Luft  auf  dem  Faulliom  und  anderen  alpinen  Gipfeln  untersucht  hat,  er- 
wähnen wollen.  Neuere  Analysen  der  Luft  haben  freilich  eine  sehr  geringe  Ab- 
nahme des  Sauerstofls  in  grösseren  Höhen  und  überhaupt  Schwankungen  im 
Sauerstoffgehalt  ergeben. 

a)  Bestimmung  des  Sauerstoffs.  Um  die  Analyse  der  Luft  auszu- 
führen, suchte  man  von  jeher  einem  bestimmten  Volumen  derselben  im  kohlen- 
säurefreien Zustand  den  Sauerstoff  zu  entziehen,  um  alsdann  das  zurückbleibende 
Stickstoff- Volumen  zu  messen,  event  auch  die  Gewichtszunahme  des  den  Sauer- 
stoff absorbirenden  Stoffes  zu  bestimmen. 

Unter  der  grossen  Menge  leicht  oxydirbarer  Körper  hat  man  zu  dem  ge- 
nannten Zwecke  die  verschiedenartigsten  angewendet.  Ohne  auf  die  Geschichte 
dieser  analytischen  Untersuchungen  näher  einzugehen,  wollen  wir  nur  die  Methoden 
kurz  erwähnen,  welche  genaue  Resultate  zu  geben  vermögen. 

In  der  Kälte  schon  wird  einem  Luftvolumen  der  Sauerstoff  durch  Phosphor 
entzogen,  welcher  Körper  zu  diesem  Zwecke  zuerst  von  Berthollet  angewendet 
worden  ist 

In  die  in  einer  graduirten  Röhre  über  Qaecksilber  befindliche  Luft  bringt  man  ein  an  einem 
Platin-  oder  Kupferdraht  befestigtes  Stückchen  Phosphor  und  lässt  denselben  so  lange  dort,  bis 
das  Gasvolumen  nicht  mehr  abnimmt.  Die  Absorption  wird  erleichtert,  wenn  Feuchtigkeit  zu- 
gegen ist  Nach  O.  Lindemann  (26)  wird  die  Luft  aus  einer  Messröhre,  wie  bei  dem  ORSAT'schen 
Gasuntersuchungsapparat,  in  die  Absorptionsröhre  geschafft,  welche  mit  Wasser  und  dünnen 
PhotphoTStangen  geftlUt  ist.  Nach  Verdrängung  des  Wassers  tritt  die  Oxydation  sofort  ein,  nach 
deren  raschen  Vollendung  man  das  Gas  wieder  in  die  Messröhre  zurücktreten  lässt  und  hier 
dessen  Volnmenabnahme  ermittelt. 

Bei  der  Absorptionsanalyse  mit  Phosphor  darf  die  Temperatur  nicht  zu  niedrig  sein.  Bei 
20^  verlftuft  die  Oxydation  in  befriedigend  rascher  Weise,  i>ei  7^  hört  sie  gänzlich  auf. 

Eine  andere  volumetrische  Methode  der  Luflanalyse  beruht  auf  der  Ver- 
bindung des  Sauerstoffs  mit  chemisch  reinem  Wasserstoff  zu  Wasser.  Das  im 
Eudiometer  befindliche  Luftvolumen  wird  mit  einer  bestimmten  hinreichenden 
Menge  Wasserstoffgas  gemischt,  und  dies  Gemisch  wird  durch  den  elektrischen 
Funken  zur  Explosion  gebracht,  wobei  sich  2  Volumina  Wasserstoff  mit  1  Volumen 
Sauerstoff  zu  Wasser  verbinden.  Aus  der  Volumenverminderung  des  Gasgemisches 
nach  der  Verpuffung  und  Abkühlung»  lässt  sich  demnach  die  in  Wasser  überge- 
geführte  Menge  Sauerstoff  leicht  berechnen ;  sie  ist  =  ^  derselben. 

Dies  Verfahren,  welches  zuerst  von  Volta  angewendet  worden  ist,  hat  durch  R.  Bunsen 
eine  ausserordentliche  Schärfe  erlangt.  Die  BuNSEN'schen  Verpuffungsröhren  sind  800  bis 
lOOD  Millim.  lang,  20  bis  22  Millim.  weit,  ihre  Glasdicke  braucht  nur  etwa  2  Millim.  zu  be- 
tragen. Die  Platindrähte,  zwischen  welchen  der  elektrische  Funke  überschlägt,  sind  am  oberen 
geschlossenen   Ende  eingeschmolzen.     Die  Röhren  erhalten  mittelst  der  Theilmaschine  eine  ge- 


74 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


naue  Millimetereintheilung,  und  die  den  Graden  derselben  entsprechende  Capacität  wird  aufs 
genaueste  ermittelt  (27). 

Döbereiner  benutzte  eine  verplatinirte  Thonkugel,  um  die  Vereiniguni?  des 
Sauerstoffs  mit  dem  Wasserstoff  allmählich  und  ohne  Explosion  herbeizuführen; 
allein  die  gasabsorbirende  Kraft  der  porösen  Platinthonkugel  beeinträchtigt  die 
Genauigkeit  der  Resultate. 

Dagegen  gestattet  die  Verbrennung  des  explosiven  Gasgemisches  mit  Hülfe 
von  Palladium-Asbest  oder  einem  elektrisch  glühenden  Palladiumdraht  nach 
Gl.  Winkler  (28)  genaue  und  gefahrlose  Bestimmungen. 

Man  lässt  das  Gasgemisch  aus  einem  Messrohr  in  langsamem  Strome  durch  ein  CapUlar- 
rohr  treten,  welches  von  einem  mit  Palladium  Überzogenen  Asbestfaden  angefüllt  und  von  einer 
Flamme  gelinde  erhitzt  ist.  Die  Gase  gelangen  in  eine  Pipette,  aus  welcher  man  dieselben 
wieder  in  die  Messröhre  zurücktreten  lässt.  Statt  dessen  kann  man  ein  CapiUarrohr  benutzen,  in 
welches  Platindrähte  eingeschmolzen  sind,  die  durch  einen  ganz  dünnen  Palladiumdraht  verbunden 
sind,  und  man  kann  diesen  durch  den  elektrischen  Strom  ins  Glühen  bringen. 

Regnault  und  Reiset,  femer  Frankland  und  Ward  haben  Apparate  zur  Bestimmung  des 
SauerstofTgchalts  der  Luft  construirt,  mittelst  welcher  die  Fehlergrenzen  bis  auf  ^j^p  herab- 
gedrückt  sind. 

Einem  Luflvolumen  kann  der  Sauerstoff  rasch  durch  eine  alkalische  Lösung 
von  pyrogallussaurem  Alkali  entzogen  werde.  Dies  Verfahren  ist  bereits 
1820  von  Chevreul  eingeführt,  später  von  J.  v.  Liebig  genauer  ausgearbeitet 
worden. 

Man  bringt  mittelst  einer  Pipette  mit  gekrümmter  Spitze  Kalilauge  und  dann  Pyrogallus- 
säurelösung  in  das  Eudiometer,  oder  man  fUhrt  die  letztere  ein,  indem  man  eine  an  einem 
Platindraht  befestigte  Kugel  von  Papiermache  mit  pyrogallussaurem  Kali  tränkt  und  in  die  Röhre 
bringt.  Die  Saucrstoffabsorption  erfolgt  rasch,  indem  sich  die  Flüssigkeit  infolge  Bildung  humus- 
artiger Substanzen  tiefbraun  färbt.  Nach  Untersuchungen  von  Boussingault  (29),  sowie  von 
Calvfrt  und  Ci,oez  (30),  bildet  sich  dabei  eine  geringe  Menge  Kohlenoxyd,  was  die  Genauig- 
keit der  Bestimmung  natürlich  beeinträchtigen  muss.  Das  Kohlenoxyd  scheint  übrigens  nur  bei 
energischer  Oxydation  aufzutreten,  weniger,  wenn  man  mit  verdünntem  Sauerstoff  und  wenig 
concentrirtem  Absorptionsmittel  arbeitet.  Poleck  (31)  hat  bei  Luftanalysen  mit  Pyrogallussäure 
das  Auftreten  von  Kohlenoxyd  nicht  bemerkt. 

Gewichtsanalytisch  wurde  die  Zusammensetzung  der  Luft  zuerst  von  Dumas 
und  Boussingault  (32)  im  Jahre  1841   ermittelt     Bei  dieser  Methode  dient  der 

folgende    Apparat 
(Fig.  46). 

Ein  Ballon  V  vob 
15  bis  20  Liter  Raum- 
inhalt ist  mit  einer 
Armatur  aus  Kupfer 
verschen,  welche  den 
Hahn  //  besitzt  und 
auf  die  Luftpumpe  ge- 
schraubt werden  kann. 
Der  Ballon  wird  durch 
die  Hahnröhre  r  in 
Verbindung  mit  der 
Röhre  ab  aus  schwer 

(Ch.  46.)  schmelxbarem      Glase 

gebracht,  welche  mit  metallischem  Kupfer  angefüllt  ist.  Ballon  und  Röhre  sind  luftleer  gemacht, 
und  ihr  Gewicht  ist  mit  Sorgfalt  ermittelt.  Die  Röhre,  welche  in  einem  Verbrennungsofen  liegt, 
wird   an    ihrem  Ende  ^*durch  Vermittlung  der  Hahnröhre  r  mit  einer  Anzahl  von  Absorption»- 


Atmosphäre. 


75 


röhren  C,  B^  A,  verbunden.  A  ist  ein  LiEBiG'scher  Kugelapparat,  der  zum  Zweck  der  Absorption 
von  Kohlensäure  mit  Kalilauge  geftillt  ist;  die  U-Röhren  enthalten  mit  Schwefelsäure  imprägnirtc 
Bimsteinstttckchen,  um  das  Wasser  der  zu  untersuchenden  Luft  zurückzuhalten.  Sicherer  ist  es, 
die  Anzahl  dieser  Absorptionsapparate  zu  vermehren.  Man  erhitzt  nun  bei  geöffneten  Hähnen 
r  die  mit  Kupfer  gefüllte  Röhre  zum  Glühen.  Wird  dann  der  Hahn  u  des  Ballons  geöffnet, 
so  fliesst  Luft,  deren  Geschwindigkeit  man  durch  Beobachtung  der  den  Kaliapparat  passirenden 
Blasen  ermessen  kann,  durch  diesen,  wo  sie  ihre  Kohlensäure  verliert,  durch  die  Wasser  ab- 
sorbirenden  U-Röhren  in  die  glühende  Röhre,  wo  sich  der  Sauerstoff  vollständig  mit  dem  Kupfer 
verbindet,  so  dass  reiner  Stickstoff  in  den  Ballon  dringt.  Sobald  hier  das  Gleichgewicht  mit  dem 
Luftdruck  hergestellt  ist,  schliesst  man  den  Hahn  u,  lässt  die  Röhre  ab  erkalten  und  wägt  beide 
Theile.  Die  Gewichtszunahme  des  Ballons  giebt  die  Menge  des  eingetretenen  Stickstoffs  an,  die 
Gewichtszunahme  der  Röhre  die  Menge  Sauerstoff,  welche  sich  mit  dem  Kupfer  verbunden  hat, 
phis  der  Menge  Stickstoff,  welche  die  Röhre  anfüllt.  Das  Gewicht  der  letzteren  wird  bestimmt, 
indem  man  die  Röhre  lufdeer  macht  und  ein  drittes  Mal  wägt.  Wenn  man  dasselbe  zu  dem 
Gewicht  des  im  Ballon  enthaltenen  Stickstoffs  hinzufügt,  so  hat  man  das  Gewichtsverhältniss, 
in  welchem  Sauerstoff  und  Stickstoff  in  der  kohlensäurefrcien  und  trocknen  Luft  enthalten  sind. 

Ein  von  Ph.  v.  Jolly  (33),  angegebener  Apparat  gestattet,  die  Bestimmung 
des  SauerstofTgehalts  der  Luft  in  kurzer  Zeit  mit  grosser  Genauigkeit  auszuführen. 
Mittelst  desselben  wird  der  Sauerstoff  ebenfalls  durch  glühendes  Kupfer  entfernt, 
das  Kupferoxyd  aber  nicht  gewogen. 

Das  Glasgefäss  A  von  etwa  100  Cbcentim.  Inhalt  wird  mit  der  zu  untersuchenden  Lufit 
gef)Ult,  indem  bei  passender  Stellung  des  Dreiweg- 
halin  b  das  sich  hier  anschliessende  Glasrohrende 
mit  der  Luftpumpe  verbunden  wird.  Durch  Um- 
hüllung des  Gefässes  A  mit  dem  Blechcylinder  B 
der  mit  gestossenem  Eis  angefitUt  ist,  wird  die 
Luft  auf  die  Temperatur  0°  gebracht.  Die  Messung 
des  Druckes  wird  mittelst;  der  beiden  durch  Gummi- 
scblauch  mit  einander  verbundenen  Glasröhren  d 
und  g  ausgeführt.  Die  Röhre  g  ist  in  der  Hülse 
f  verschiebbar.  Die  Höhe  des  Quecksilbers  in  g 
wird  auf  der  am  Stativ  befindlichen  Millimeterscala 
abgelesen.  Durch  den  Dreiweghahn  b  können 
das  Gefäss  A  und  die  Röhre  d  zugleich  mit  der 
Atmosphäre  in  Verbindung  gesetzt  werden.  Es 
wird  dann  g  so  lange  verschoben,  bis  das  Queck- 
silber die  Spitze  bei  m  gerade  berührt.  Der  Drei- 
weghahn wird  nun  so  gedreht,  dass  A  nur  noch 
mit  d  communicirt.  Der  abgelesene  Barometerstand 
giebt  dann  den  Druck  der  Füllung  bei  0°  an. 
Nun  wird  die  in  A  befindliche  Kupferspirale  durch 
den  elektrischen  Strom  ins  Glühen  gebracht 


(Oh.  47.) 


Das 
Kupfer  verbindet  sich  mit  dem  Sauerstoff.  Nach  ^^■ 
wiederholtem  Glühen  ist  keine  Druckabnahme  mehr 
bemerklich.  Der  mit  schmelzendem  Eis  gefüllte  Blechcylinder  wird  wiederum  um  das  Gefäss 
A  gebracht,  und  die  Röhre  g  wird  derart  verschoben,  dass  das  Quecksilber  in  d  wieder 
gerade  die  Spitze  m  berührt.  Die  Dnickabnahme  wird  an  der  Scala  abgelesen;  sie  giebt  den 
Druck  des  zurückgebliebenen  Stickgases  an.  Sei  z.  B.  der  Druck  der  Luft  vor  Erhitzung 
des    SauerstofEi  gleich  708*50  Millim.,  nachher  gleich  562*23  Millim.,  so  ist  das  Volumen  1  auf 

562*23 
das  Volumen  =  0*79355  zurückgegangen.     In  100  Raumtheilen  sind  also  79*355  Stick- 

stoff nnd  20*645  Sauerstoff. 

F.  Fischer  hat  den  Joixv'schen  Apparat  vereinfacht  (34),  indem  er  das  KUhlgefäss  B  bQ- 


76  Handwörterbuch  der  Chemie. 

seitigt  hat.  Infolge  dessen  sitzt  das  Gefass  A  auf  dem  einen  Schenkel  des  Manometers  gd^  dessen 
anderer  Schenkel  verschiebbar  ist. 

Cavendish  fand  als  Mittel  aus  400  Versuchen,  dass  100  Thle.  I.uft  20*83  Thle. 
dephlogistisirte  Luft  oder  Sauerstoff  enthalten.  Schefxe  fand  nach  vielen  Analysen 
27  Vol.  J  Sauerstoff,  Lavoisier  27  bis  28.  Genauere  Untersuchungen  wurden  im 
Jahre  1804  von  Gay-Lussac  und  Humboldt  mittelst  des  VoLTA*schen  Eudiometers 
angestellt.  Sie  fanden  im  Mittel  21  Vol.  Sauerstoff  in  100  Vol.  Luft  Aehnliche 
Resultate  erhielten  Davy  und  andere  englische  Chemiker. 

Dumas  und  Boussingault  fanden  im  April  1841  nach  ihrer  gewichtsanaljrtischen 
Methode  in  Paris  23'01  Gew.J  Sauerstoff.  Nach  derselben  Methode  fand  Lew 
in  Kopenhagen  im  November  und  December  1841  im  Mittel  22*998 ,  an  der 
Küste  23-01,  Stas  in  Brüssel  23*04  bis  23*08,  in  zwei  Versuchen  23-11  und  23*14, 
Marignac  in  Genf,  1842,  erhielt  23-01,  23  und  22*97  Gew.J-,  Brunner  in  Bern 
23,  22-89  und  22*97,  Verver  in  Groningen  22*998  Sauerstoff. 

Die  genauen  eudiometrischen  Methoden  von  Bunsen,  sowie  von  Regnault 

und  Reiset   haben   noch   zuverlässigere   Resultate    ergeben.     Ersterer   fand    in 

Heidelberg  den  Sauerstoffgehalt  zu  2096  Vol.J  oder  23-17  Gew.J  als  Mittel  aus 

einer  grossen  Zahl  von  Analysen.     Regnault  hat  sehr  viele  Analysen  von  Luft 

verschiedener  Orte  der  Erdoberfläche  ausgeführt.     Einige  seiner  Resultate  sind 

die  folgenden  (35). 

Anzahl  der  Lokalität 

Analysen 

100  Paris 

9  Lyon 

30  Berlin 

10  Madrid 

23  Genf  und  Chamounix 

17  Hafen  von  Toulon 

5  Atlantischer  Ocean 

2  Ecuador 

2  Gipfel  des  Pichincha 

2  Südpolarsee 

1  Meerbusen  von  Bengalen  20*46         — 

1  Ganges  bei  Calcutta  20*39         — 

Obgleich  die  gefundenen  Unterschiede  nur  gering  sind,  so  sind  sie  doch  zu 
gross  für  die  bei  Regnault's  genauer  Methode  gestatteten  Beobachtungsfehler. 
Es  geht  daraus  hervor,  dass  in  den  tropischen  Zonen  der  Sauerstoffgehalt  der  Luft 
etwas  geringer  ist,  als  in  den  gemässigten. 

Aehnliche  Verschiedenheiten  zwischen  Land-  und  Stadtluft  hat  Angus  SBnTH 
gefunden  (36).  Nach  ihm  enthält  die  Lufl  der  Haiden  und  Berge  des  schottischen 
Hochlandes  gewöhnlich  21  Vol.^  Sauerstoff,  in  der  Lufl  grösserer  Städte  sinkt 
der  Sauerstoffgehalt  auf  20*81,  in  Bergwerken  auf  20*26  J. 

JOLLY  hat  nach  seiner  oben  beschriebenen  genauen  Methode  in  den  Monaten 
Juni,  Juli,  October  und  November  1877  in  München  mehrere  Versuchsreihen  aus- 
geführt (37),  aus  welchen  hervorgeht,  dass  der  Sauerstoffgehalt  von  21  Ol  bis  20*53jt^ 
schwankt,  wobei  die  Jahreszeit  und  besonders  die  Windrichtung  auf  die  Zusammen- 
setzung der  Lufl  sich  von  Einfluss  gezeigt  hat.  Während  des  Aequatorialstroms  der 
Atmosphäre  wurde  der  geringste,  während  des  Polarstroms  der  grösste  Sauerstoff- 
gehalt beobachtet.    Es  scheint  also,  dass  in  den  Tropen  die  Sauerstoffabsorption 


Gehalt  an 

Sauentoff 

Minimum  Maximum 

20-913 

20-999 

20-918 

20-966 

20-908 

20-998 

20-916 

20-982 

20-909 

20-993 

20-912 

20-982 

20-918 

20-965 

20-960 

— 

20-949 

20-988 

20-860 

20-940 

Atmosphäre.  77 

eine  reichlichere  ist,  als  in  der  Nähe  der  Pole,  und  dass  dort  der  Sauerstoff- 
verbrauch  bei  der  Oxydation  bedeutend  grösser  ist,  als  die  Sauerstoffentwicklung 
durch  die  Vegetation.  Es  ist  sehr  wünschenswerth,  dass  die  meteorologischen 
Stationen  in  Stand  gesetzt  würden,  täglich  Sauerstoff-Bestimmungen  auszuführen,  um 
die  Ursachen  der  Schwankungen  im  Gehalt  der  Luft  aus  denselben  festzustellen. 

Frankland  hat  bei  Untersuchung  der  Luft  auf  hohen  Schweizer  Bergen  eine 
geringe  Verminderung  des  Sauerstoffgehalts  in  grösseren  Höhen  constatirt. 

Hieran  schliesst  sich  eine  Annahme  von  Morley  (38),  welcher  aus  ver- 
gleichenden Beobachtungen  des  Luftdrucks,  der  Luftströmungen  und  der 
Schwankungen  im  Sauerstoffgehalt  der  Luft  folgert,  dass  die  Luft,  die  weniger 
Sauerstoff  enthält,  durch  einen  absteigenden  Strom  aus  der  Höhe  der  Atmosphäre 
herbeigeführt  werden,  und  dass  dort  der  Sauerstoffmangel  die  Folge  davon  sei, 
dass  in  einer  verticalen  Säule  eines  Gemisches  zweier  Gase  von  verschiedener 
Dichtigkeit  das  specifisch  schwerere  sich  unten,  das  leichtere  oben  sich  anhäufe. 

b)  Ozon.  Die  active  Modification  des  Sauerstoffs,  das  Ozon,  wird  in  der 
Atmosphäre  stets,  aber  nur  in  geringer  Menge  angetroffen.  Das  Ozon  bildet  sich 
dort  durch  mannigfache  Processe:  durch  die  Entladung  elektrischer  Schläge 
aus  dem  Sauerstoff,  auch  aus  dem  Wasser  in  der  Luft;  femer  bei  den  Ver- 
brennungen, bei  der  Verdunstung  von  Wasser,  endlich  durch  Aneinanderreihen 
der  Lufttheilchen,  wodurch  deren  elektrischer  Zustand  vermehrt  wird.  Das  Vor- 
handensein des  Ozons  ist  stets  mit  der  Gegenwart  von  Wasserstoffsuperoxyd  und 
Ammoniumnitrit  verbunden,  welche  letzteren  beiden  Stoffe  ihre  Bildung  dem 
Activwerden  des  Sauerstoffs,  der  Einwirkung  des  Ozons  auf  das  Wasser  und  das 
atmosphärische  Ammoniak  verdanken.  Vielleicht  aber  ist  Ozon  bisher  stets  mit 
Wasserstoffsuperoxyd  verwechselt  worden.  Der  fortwährenden  Erzeugung  von 
Ozon  steht  ein  fortwährender  Verbrauch  desselben  entgegen;  besonders  die 
organischen  Verunreinigungen  der  Luft  werden  durch  das  Ozon  zerstört. 

Das  starke  Oxydationsvermögen  des  Ozons  giebt  Mittel  zur  Erkennung  desselben  an  die 
Han«L  Papier,  welches  mit  jodkaliumhaltigem  Stärkekleister  getränkt  ist,  wird  durch  Einwirkung 
Yon  Ozon  infolge  des  Freiwerdens  von  Jod  gebläut.  Freilich  wird  diese  Reaction  auc!i  durch 
Chlor  und  die  höheren  Oxyde  des  Stickstoffs  hervorgebracht.  Ozonhaltige  Luft  verliert  aber, 
wie  zaerst  Andrews  (39)  gezeigt  hat,  diese  Eigenschaft,  wenn  sie  durch  glühende  Röhren  geleitet 
wird,  während  bei  Gegenwart  von  Chlor  oder  den  höheren  Stickstoffoxyden  unter  gleichen  Um- 
ständen die  Reaction  nicht  ausbleibt.  Mit  Mangansulfatlösung  getränktes  Papier  wird  durch  Ein- 
wirkung von  Ozon  infolge  Bildung  von  Mangansuperoxyd  gebräunt,  von  Chlor  und  Brom  nicht; 
desgl.  wird  Papier  mit  Thalliumoxydlösung  durch  Bildung  von  Thalliumtrioxyd  braun,  während 
salpetrige  Säure  darauf  ohne  Einwirkung  ist  und  Wasserstoffsuperoxyd  das  gebräunte  Thallium- 
papier  bleicht.  Ozon  (auch  Chlor)  entfärbt  Indigolösung  sofort,  Wasserstoffeuperoxyd  thut  dies 
erst  nach  Zusatz  von  Eisenvitriol.  Nach  R.  Böitger  (40)  ist  ein  gutes  Reagens  auf  Ozon  eine 
vollkommen  säurefreie  Lösung  von  Goldchlorid.  Papier,  welches  ganz  schwach  mit  einer  solchen 
Lösung  getränkt  ist,  färbt  sich  durch  Einwirkung  von  Ozon  erst  schwach,  später  intensiv  dunkel- 
violett    Salpetrige  und  Salpetersäure  ändern  das  Papier  nicht. 

Die  Menge  des  in  der  Luft  enthaltenen  Ozons  bestimmt  man  gewöhnlich 
colorimetrisch,  meist  mit  Hülfe  des  von  Schönbein  zuerst  empfohlenen  Jod- 
kaliumstärkepapiers. 

Filtrirpapier  wird  mit  einer  Lösung  von  15  Thln.  Stärke,  200  Thb.  Wasser  und  1  Thl. 
Jodkalinm  getränkt  und  im  Dunkeln  getrocknet.  Nach  der  Einwirkung  des  Ozons  tritt  auf  Be- 
feuchten des  Papiers  die  blaue  Farbe  der  Jodstärke  deutlich  hervor.  Die  Farbennuance  wird  mit 
einer  Farbenscala  verglichen.  Dies  Verfahren  ist  aber  sehr  ungenau,  da  andere  Stoffe,  wie  z.  B. 
salpetrige  Säure,  ja  das  Sonnenlicht  ebenfalls  Blauf^bung  hervorrufen,  da  gewisse  Agentien,  wie 
Schwefelwasserstoff  oder  schweflige  Säure,  die  blaue  Farbe  zerstören,  da  diese  auch  durch  blosse 


78  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Verflüchtigung  des  Jods  verschwinden  kann,  da  die  Beschaffenheit  des  Papiers  von  Einfluss  ist, 
und  da  endlich  der  Grad  der  Färbung  nicht  der  Zeitdauer  der  Exposition  des  Papiers  pro- 
portional ist 

HouzEAU  benutzt  deshalb  die  Bläuung,  welche  das  aus  dem  Jodkalium  durch  Ozoneinwirkung 
entstehende  Kali  auf  Lakmus  hervorbringt.  Streifen  aus  weinrothem  Lakmuspapier  werden  zur 
Hälfte  mit  Jodkaliumlösung  getränkt.  Dieser  Theil  wird  dann  durch  Ozon  gebläut;  eine  Röthung 
der  andern  Hälfte  wUrde  auf  freie  salpetrige  oder  eine  andere  Säure  deuten.  Auch  dies  Verfahren 
eignet  sich  wegen  der  Schwierigkeit,  ein  empfindliches  Lakmuspapier  herzustellen  und  die  Farben- 
nuancen  zu  erkennen,  nur  zum  qualitativen  Nachweis. 

Papier,  das  mit  einer  Lösung  eines  Thallosalzes  getränkt  ist,  kann  wegen  der  entstehenden 
Bräunung  ebenfalls  zur  Ozonoskopie  benutzt  werden.  Das  Oxyd  btlsst  aber  durch  Kohlensäure- 
anziehung an  Empfindlichkeit  ein. 

Um  einigermaassen  genaue  Resultate  zu  erhalten,  muss  man  gemessene  Luftmengen  durch 
Röhren  streichen  lassen,  welche  das  Reagenspapier  enthalten,  oder  durch  Metallsalzlösungen, 
welche  durch  Ozon  dauernd  verändert  werden.  Z£NG£R  (41)  fand  nach  dem  Passiren  von  100  Liter 
Luft  durch  eine  verdünnte  Lösung  von  Jodwasserstoff,  dass  das  frei  gewordene  Jod  0*001  bis 
0*002  MiUigrm.  Ozon  entsprach.  Im  Observatorium  zu  Montsouris  bei  Paris  leitet  man  die  Luft 
durch  eine  Lösung  von  arsenigsaurem  Kalium  und  Jodkalium.  Das  freiwerdende  Jod  oxydirt  die 
arsenige  Säure  zu  Arsensäure.  Täglich  wird  die  durchgeleitete  Luftmenge  notirt,  und  die  Flüssigkeit 
mit  einigen  Tropfen  Ammoniumcarbonatlösung  und  einprocentigem  Stärkekleister  versetzt.  Dann 
lässt  man  aus  einer  Bürette  Jodlösung  (1:1000)  zutropfcn,  bis  bleibende  Bläuung  eintritt.  Ein 
Parallelversuch  wird  angestellt,  indem  man  ebenso  viel  destillirtes  Wasser,  arsenigsaures  Kalium, 
Jodkalium,  kohlensaures  Ammoniak  und  Stärke  nimmt  und  die  Lösung  mit  derselben  Jodlösung 
titrirt.  Die  Differenz  ergiebt  die  Menge  des  oxydirten  arsenigsauren  Kaliums,  woraus  der  Ozon- 
gehalt der  angewendeten  Luftmenge  zu  berechnen  ist  (42). 

c)  Wasserstoffsuperoxyd.  Nach  Em.  Schöne  sind  alle  Mittel,  welche  man 
angewendet  hat,  um  das  Vorhandensein  von  Ozon  in  der  Atmosphäre  zu  be- 
gründen, nicht  stichhaltig,  und  der  Ozongehalt  derselben  sei  noch  unbewiesen. 
Dagegen  hat  Schöne,  wie  auch  früher  schon  Schönbein  u.  a.,  nachgewiesen,  dass 
Wasserstoffsuperoxyd  ein  normaler  Bestandtheil  der  Atmosphäre  ist. 

Dieser  Körper  giebt  mit  Jodkalium  und  Thalliumoxydul  dieselben  Reactionen  wie  Ozon. 
Eine  Bräunung  des  Mangansulfat-Papiers  findet  durch  Wasserstoffsuperoxyd  allein  allerdings  nicht 
statt;  wohl  aber,  wenn  eine  Spur  von  Ammoniumcarbonat  zugegen  ist,  welches  in  der  Luft  stets 
vorhanden  ist. 

Ein  Mittel,  welches  mit  Sicherheit  das  Vorkommen  von  Oron  in  der  Atmosphäre  beweisen 
könnte,  ist  das  metallische  Silber.  Nur  einmal  unter  vielen  Versuchen  bemerkte  Schöne  nach 
längerer  Frist  die  Bräunung  einer  im  Freien  aufgehängten  Silberplatte,  von  der  er  indess  ver- 
muthet,  sie  sei  durch  Schwefelwasserstoff  hervorgebracht. 

Schöne  (43)  hält  es  nicht  für  nötliig,  ausser  dem  Wasserstoffsuperoxyd  noch 
ein  anderes  oxydirendes  Agens,  wie  Ozon,  in  der  Luft  anzunehmen. 

Derselbe  (44)  hat  vom  i.  Juli  1874  bis  30.  Juni  1875  ^Ic  atmosphärischen 
Niederschläge  in  Moskau  auf  Wasserstoffsuperoxyd  geprüft.  Er  schliesst  aus 
seinen  Beobachtungen,  dass  ein  Minimum  an  Wasserstoffsuperoxyd  in  den  Winter- 
monaten, ein  Maximum  im  Juli  vorhanden  ist.  In  Bezug  auf  die  Tageszeit  soll 
ein  Maximum  in  den  Nachmittagsstunden  (4  Uhr)  eintreten,  ein  Minimum  nach 
Mitternacht  Bei  Südwinden  enthalten  die  atmosphärischen  Niederschläge  mehr 
Wasserstoffsuperoxyd  als  bei  Nordwinden,  und  Schöne  glaubt,  dass  der  Gehak 
der  Atmosphäre  an  demselben  in  dem  Maasse  wächst,  als  man  sich  dem  Aequator 
nähert. 

Die  Gesammtmenge  Wasserstoffsuperoxyd,  welche  während  eines  Jahres  mit 
den  atmosphärischen  Niederschlägen  zum  Erdboden  gelangt,  ist  nach  Schöne 
nur  gering;  sie  beträgt  nur  109*4  MiUigrm.  auf  1  Q Meter  (in  599*9  Liter  Wasser) 


Atmosphäre.  79 

oder  1'094  Kgnn.  auf  1  Hektar.  In  der  Atmosphäre  selbst  ist  die  Menge  dieses 
Körpers  noch  geringer.  Das  von  Schöne  beobachtete  Maximum  beträgt 
1*4  Cbcentim.  Superoxyddampf  in  1000  Cbcentim.  Luft,  das  Mittel  nur  0*38  Cubik- 
centim.  Trotzdem  sind  diese  geringen  Mengen  nicht  ohne  Bedeutung  für  den 
Haushalt  der  Natur;  sind  sie  ja  doch  nur  der  Rest  derjenigen  Menge,  welche 
zur  Oxydation  von  Ammoniak,  organischen  Fäulnissprodukten  u.  s.  w.  verwendet 
worden  ist. 

d)  Kohlensäure.  Ein  im  Vergleich  zum  Sauerstoff  und  Stickstoff  in  nur  sehr 
geringer  Menge  vorhandener,  aber  doch  sehr  wichtiger  Bestandtheil  der  Atmosphäre 
ist  die  Kohlensäure. 

Man  kann  die  Bestimmung  der  Kohlensäure  zugleich  mit  der  des  Wasser- 
gehalts der  Luft  nach  einem  von  Regnault,  Brunner,  Saussure  u.  a.  ange- 
wendeten Verfahren  ausführen.  Dasselbe  besteht  darin,  dass  man  durch  Aus- 
fliessen  von  Wasser  aus  einem  Aspirator  ein  bestimmtes  Volumen  Luft  durch  ein 
System  von  U förmigen  Röhren  strömen  lässt,  in  welchen  geeignete  Absorptions- 
mittel die  Kohlensäure  und  den  Wasserdampf  zurückhalten. 

Die  Luft  muss  zueist  zwei  Röhren  passiren,  welche  mit  Schwefelsäure  getränkten  Bimstcin 
oder  damit  benetzte  GlasstUcke  enthalten.  Hier  wird  die  Feuchtigkeit  und  etwa  vorhandenes 
Ammoniak  zurückgehalten.  Zwei  folgende  Röhren  sind  mit  feuchtem  Aetzkalk  oder  Aetzkali 
gefüllt,  um  die  Kohlensäure  zu  absorbiren.  Dann  folgen  zwei  Röhren,  die  wieder  mit  Wasser 
absorbirenden  Mitteln  gefUUt  sind,  um  die  von  der  Luft  aus  den  beiden  mittleren  Röhren  mit- 
gerissene Feuchtigkeit  zurtlckzuhalten.  Die  Gewichtszunahme  der  beiden  ersten  Röhren  giebt  den 
Wassergehalt,  die  der  drei  folgenden  den  Kohlensäuregehalt  an.  Die  letzte  mit  dem  Aspirator 
in  unmittelbarer  Verbindung  stehende  Röhre  soll  verhindern,  dass  aus  dem  Aspirator  Wasserdampf 
in  die  folgende  gewogene  Röhre  gelange. 

Das  Volumen  des  aus  dem  Aspirator  geflossenen  Wassers  ist  nicht  genau  gleich  dem 
Volumen  der  eingetretenen  Luft,  sondern  etwas  grösser,  da  die  in  den  Aspirator  kommende 
ganz  trockne  Luft  sich  dort  mit  Feuchtigkeit  sättigt,  d.  h.  sich  um  das  Volumen  Wasserdampf 
ftusdehnt,  welches  bei  der  Versuchstemperatur  sich  bilden  kann.  Um  diese  zu  erkennen,  ist  der 
Aspirator  mit  einem  Thermometer  versehen.  Man  muss  also  das  gefundene  Volumen  feuchter 
Luft  unter  Berücksichtigung  der  Tension  des  Wasserdampfs  bei  der  Versuchstemperatur  auf 
trockne  Luft  von  0°  C.  und  760  Millim.  Barometerstand  reduciren.  Das  Volumen  der  in  den 
Aspirator  gedrungenen  Luft  findet  man  durch  Messung  oder  Wägung  des  ausgeflossenen  Wassers, 
oder,  nachdem  der  Rauminhalt  des  Aspirators  genau  bestimmt  worden  ist,  durch  gänzliches 
Entleeren  desselben.  Wenn  man  die  gefundene  und  corrigirte  Anzahl  Cubikcentimeter  Luft  mit 
0*0012932  (dem  Gewicht  von  1  Cbcentim.  Luft  bei  0°  und  7G0  Millim.  Druck  in  Grammen) 
multiplicirt,  so  hat  man  das  Gewicht  der  Luft  und  kann  nun  berechnen,  wie  viel  Wasser  in  100 
oder  1000  oder  10000  Gewichtstheilen  Luft  enthalten  ist. 

£in  anderes  bequemeres  Verfahren  zur  Bestimmung  des  Kohlensäuregehaltes 
der  Luft  ist  von  Pettenkofer  angegeben  (45). 

Dasselbe  beruht  darauf,  dass  man  einem  bekannten  Volumen  Luft  eine  ge- 
messene Menge  titrirtes  Barytwasser  zusetzt.  Die  Kohlensäure  wird  von  diesem 
absorbirt;  man  lässt  das  ausgeschiedene  Bariumcarbonat  sich  absetzen  und  titrirt 
einen  Theil  der  klaren  Flüssigkeit  von  neuem  mit  Oxalsäurelösung.  Die  Titer- 
difTerenz  entspricht  der  Menge  der  absorbirten  Kohlensäure. 

Die  Luft  wird  in  einer  6  Liter-Flasche  abgemessen.  Die  Capacität  derselben  bestimmt  man 
durch  Wägen  der  Flasche,  wenn  sie  trocken  und  leer  und  andererseits,  wenn  sie  mit  Wasser 
gefiült  ist  Die  sorgfältig  getrocknete  Flasche  wird  nun  mit  der  zu  untersuchenden  Luft  gefüllt, 
indem  man  einen  gewöhnlichen  Blasebalg,  an  dessen  Spitze  ein  bis  auf  den  Boden  der  Flasche 
leichendes  Glasrohr  befestigt  ist,  wirken  lässt.  Man  bläst  etwa  das  fünffache  Volumen  def 
Flasche  hindurch,  um  die   in   der  Flasche  befindliche  Luft  sicher  zu  verdrängen.     Es  ist  daher 


So  Handwörterbuch  der  Cliemie. 

gut,  das  von  dem  Blasebalg  bei  jedem  Hube  gelieferte  Luftvolumen  zu  kennen.  Nach  der 
Füllung  lässt  man  mittelst  einer  Pipette  50  Cbcentim.  einer  titrirten  Barytlösung  auf  den  Boden 
der  Flasche  laufen,  verschliesst  dann  mit  einer  Kautschukkappe  und  notirt  Temperatur  und 
Barometerstand.  Wenn  man  wiederholt  umschUttelt,  ist  nach  einer  halben  Stunde  alle  Kohlen- 
säure absorbirt.  Man  giesst  dann  den  Inhalt  der  Flasche  rasch  in  ein  kleines,  trocknes  Fläsch- 
chen,  welches  davon  nahezu  gefüllt  wird,  und  verschliesst  dieses  sofort.  Nach  Absetzen  des 
Bariumcarbonats  hebt  man  mittelst  der  Pipette  einen  Theil  Flüssigkeit  (20  Cbcentim.)  heraus  und 
titrirt  diesen  mit  -^  Normal-Oxalsäure.  Wendet  man  eine  Oxalsäurelösung  mit  2*8636  Grm.  im 
Liter  an,  so  entspricht  l  Cbcentim.  derselben  O'OOI  Grm.  CO'. 

Aus  der  erhaltenen  Menge  Kohlensäure  ergiebt  sich  leicht  die  von  den  zugesetzten 
50  Cbcentm.  Barytlösung  absorbirte.  Diese  Menge  war  in  dem  bekannten  Luftvolumen  minus 
50  Cbcentim.  (welches  Volumen  Luft  von  dem  zugesetzten  Barytwasser  verdrängt  worden  war)  ent- 
halten. Man  muss  noch  Correcturen  wegen  der  Temperatur-  und  Druckschwankungen  anbringen, 
d.  h.  das  Volumen  der  analysirten  Luft  und  das  der  gefundenen  Kohlensäure  auf  0°  und 
760  Millim.  Barometerstand  reduciren. 

Um  den  mittleren  Kohlensäuregehalt  der  Luft  während  einer  längeren  Zeit- 
periode anzugeben,  leitet  man  mittelst  eines  Aspirators  ein  durch  dessen  Gewichts- 
differenz vor  und  nach  dem  Versuche  zu  bestimmendes  Luftvolumen  durch  Baryt- 
wasser von  bestimmtem  Gehalt,  welches  sich  in  einer  nach  dem  Lufteintritt  zu 
geneigten  langen  Glasröhre  befindet.  Man  lässt  die  durchstreichenden  Luftblasen 
in  massiger  Geschwindigkeit  auf  einander  folgen,  so  dass  man  sie  einzeln  beob- 
achten kann.  Schliesslich  lässt  man  den  Inhalt  der  Absorptionsröhren  in  eine 
kleine  Flasche  fliessen  und  titrirt  das  Barytwasser  wie  oben  beschrieben.  Diese 
Methode  ist  namentlich  da  anwendbar,  wo  die  Luft  eines  unzugänglichen  Ortes 
untersucht  werden  soll,  welche  man  nur  durch  Hinftihrung  einer  Röhrenleitung 
erreichen  kann. 

W.  Hesse  hat  die  PEXTENKOFER'sche  Methode  erheblich  vereinfacht  (46),  in- 
sofern als  nach  seinem  Verfahren  kleinere  Luftvolumina  beansprucht  werden  und 
die  Titrirung  des  Barytwassers  vor  völligem  Absetzen  des  Bariumcarbonats  vor- 
genommen werden  kann. 

Mehrere  kleine  sogen.  ERLENMEYER'sche  Flaschen  (von  |  bis  ]  Liter  Inhalt)  werden  an 
dem  Untersuchungsorte  mit  Luft  gefüllt,  indem  man  daselbst  die  mit  Wasser  gefüllten  Flaschen 
ausleert.  Man  steckt  dann  einen  doppelt  durchbohrten  Pfropfen  auf  die  Flasche.  In  der  einen 
Dtirchbohrung  befindet  sich  eine  mit  titrirtem  und  durch  Rosolsäurelösung  gefiirbtem  Barytwasser 
gefüllte  10  Cbccntim.-Pipette,  deren  Inhalt  man  in  die  Flasche  fliessen  lässt;  die  verdrängte 
Luft  kann  durch  die  zweite  Durchbohrung  entweichen.  Hierauf  werden  beide  Oefihungen  durch 
Glasstäbe  verschlossen.  Nach  einiger  Zeit,  während  welcher  wiederholt  umgeschUttelt  wurde, 
bringt  man  in  die  eine  Ocflnung  des  Pfropfens  eine  mit  Oxalsäurelösung  gefüllte  Pipette,  deren 
Spitze  möglichst  tief  in  das  Innere  der  Flasche  reicht.  Aus  dieser  lässt  man  soviel  zufliessen, 
bis  die  völlige  Entfärbung  die  Vollendung  der  Neutralisation  anzeigt.  Bei  Berechnung  der 
Analysen  müssen  Temperatur  und  Druck  wie  gewöhnlich  berücksichtigt  werden.  Es  ist  zu  be- 
merken, dass  bei  dieser  Methode  in  Folge  der  geringeren  Luftvolumina,  die  im  Vergleich  zu  der 
Pkttknkofer' sehen  in  Anwendung  kommen,  die  Fehler,  z.  B.  die  aus  der  unvermeidlichen  Be- 
rührung des  Barytwassers  mit  der  umgebenden  Luft  resultirenden,  grösser  werden;  auch  ist  beim 
Titriren  des  durch  das  Carbonat  getrübten  Barytwassers  die  Endreaction  nur  schwer  zu  erkennen. 

Da,  wo  es  auf  grosse  Genauigkeit  nicht  ankommt,  sondern  wo  nur  grosse 
Differenzen  constatirt  werden  sollen,  kann  man  sich  des  leicht  und  rasch  auszu- 
führenden minimetrischen  Verfahrens  zur  Bestimmung  der  Kohlensäure  in 
der  Luft  bedienen,  welches  von  A.  Smith  herrührt  und  von  G.  Lunge  verbessert 
und  in  Deutschland  bekannt  gemacht  ist.  Nach  dieser  Methode  wird  nicht,  wie 
bei   den  bisher  beschriebenen,    ein   bestimmtes    Luftvolumen    mit   wechselnden 


Atmosphäre.  8i 

Mengen  Barytlösung  behandelt,  sondern  eine  stets  gleiche  Menge  Barytwasser 
wird  so  lange  mit  der  zu  untersuchenden  Luft  behandelt,  bis  die  erste  sichtbare 
Trübung  des  Barytwassers  eintritt  (47). 

Ein  Fläschchen  (sogen.  Opodeldok-Glas)  von  etwa  50  Cbcentim.  Inhalt  ist  mit  einem  doppelt 
durchbohrten  Kork  verschlossen.  In  der  einen  Bohrung  steckt  ein  grades  bis  zum  Boden  der 
Flasche  fahrendes  Glasrohr,  welches  am  andern  Ende  ein  Stück  Kautschukschlauch  trägt;  durch 
die  andere  Bohrung  geht  ein  dicht  unter  dem  Kork  endigendes  Glasrohr,  das  aussen  rechtwinklig 
gebogen,  durch  einen  Kautschukschlauch  mit  einem  Gummiballon  von  etwn  25  Cbcentim.  Inhalt 
verbunden  ist  An  letzterem  Kautschukrohr  ist  nahe  am  Fläschchen  ein  Längseinschnitt  an- 
gebracht, welcher  wohl  den  Austritt,  aber  nicht  das  Eindringen  von  Luft  beim  Spiel  des  Ballons 
gestattet  Ein  zweites  Ventil  befindet  sich  am  Ende  des  graden  Glasrohres.  Dies  wird  zweck- 
mässig so  hergestellt,  dass  man  in  dem  Kautschukschlauch  auf  einem  Ringe  eine  gestielte  Glas- 
kugel derart  befestigt,  dass  die  Luft  von  oben  her  passiren  kann,  während  die  Flaschenluft  von 
unten  her  das  Glaskügelchen  an  den  Ventilsitz  presst  Man  bringt  nun  in  das  Fläschchen 
10  Cbcentim.  Barytwasser  (6  Grm.  BaO  in  1  Liter),  verkorkt,  schüttelt,  und  presst  dann  den 
Kautschukballon  zusammen.  Die  Luft  desselben  entweicht  durch  das  an  dem  langen  Ballon- 
schlauch befindliche  VentiL  Beim  Loslassen  des  Ballons  füllt  derselbe  sich  wieder  mit  Luft,  die 
aber  nur  durch  das  Ventil  an  der  graden  Glasröhre  eintreten  kann  und  somit  das  Barytwasser 
passiren  muss,  wo  sie  ihre  Kohlensäure  abgiebt  Man  wiederholt  diese  Ballonfüllungen  so  lange, 
bis  der  Inhalt  des  Fläschens  so  trübe  geworden  ist,  dass  eine  Marke  an  demselben  nicht  mehr 
deutlich  erkannt  werden  kann.  Diese  Marke  besteht  in  einem  schwarzen  Strich  auf  einem  weissen 
Papier,  welches,  mit  dem  Strich  nach  innen,  an  der  Flaschenwand  befestigt  ist  Die  Anzahl  der 
Ballonfüllungen  plus  dem  Inhalt  des  Fläschens  giebt  das  Luftvolumen,  welches  bis  zum  Eintreten 
der  Trübung  erforderlich  war.  Diese  Luftmengen  variiren  nach  dem  Vorhandensein  von 
Kohlensäure. 

Dies  Verfahren  ist  zwar  sehr  einfach,  ist  aber  mit  vielen  Fehlem  behaftet  Volumen  des 
Fläschens  und  des  Ballons,  Durchmesser  des  ersteren,  Dicke  und  Farbe  des  Glases,  Undeutlich- 
keit  des  Index  sind  von  grossem  Einfluss  und  werden  selten  bei  zwei  Apparaten  völlig  überein- 
stimmen. Auch  sollte  ein  jeder  Apparat  geaicht  werden,  d.  h.  es  sollte  nach  der  Pettenkofer' 
sehen  Methode  bestimmt  werden,  welcher  Kohlensäuregehalt  der  Luft  der  verschiedenen  Zahl  von 
Ballonfüllungen  entspricht  Lunge  hat  zwar  eine  Tabelle  dafür  entworfen ;  allein  abgesehen  von 
der  Schwierigkeit,  dem  Ballon  stets  genau  dieselben  Dimensionen  zu  geben,  ist  es  nicht  leicht, 
die  Luft  vollständig  aus  dem  Ballon  zu  pressen  oder  dies  in  sich  stets  gleichbleibender  Weise 
zu  thun.  Man  kann  von  den  hieraus  sich  ergebenden  Fehlem  dadurch  unabhängig  werden,  dass 
man  an  Stelle  des  Kautschukballons  einen  graduirten  Aspirator  anbringt,  aus  dem  man  das 
Wasser  bis  zum  Eintritt  der  Trübung  ausfltessen  lässt. 

Ein  Verfahren,  die  Kohlensäure  der  Luft  direkt  auf  gasvolumetrischem  V^ege 
zu  bestimmen,  ist  von  Cl.  V^inkler  mitgetheilt  worden  (48). 

Ein  cylindrisches  Glasgefäss  von  etwa  5  Liter  Inhalt,  welches  an  beiden  Enden  in  Rohr- 
ansätze ausläuft,  ist  von  einem  Blechmantel  a  umgeben.  Der  Zwischenraum  wird  zur  Abhaltung 
von  Temperaturschwankungen  durch  Hahn  h  mit  Wasser  geftült  Auf  dem  Glasgefäss  sitzt  ein 
cylindrischer  Trichter  ^,  der  durch  einen  mit  Quetschhahn  c  versehenen  Kautschukschlauch  mit 
jenem  verbunden  ist  Der  untere  Rohransatz  ist  mit  einer  Marke  m  versehen,  bis  zu  welcher 
der  Inhalt  des  Glasgefässes  bestimmt  ist.  An  diesem  Rohransatz  sitzt  ein  durch  einen  Quetsch- 
hahn e  abschliessbarer  Kautschukschlauch,  welcher  ein  Stück  Glasrohr  trägt  Dieses  kann  durch 
Sdüauchverbindung  mit  einer  Kautschukpumpe  p  oder  mit  einer  Bürette  ä  in  Anschluss  ge- 
bracht werden.  Das  cylindrische  Blechgeftlss  ruht  mit  zwei  in  der  Höhe  seines  Schwerpunkts 
angebrachten  Zapfen  in  den  Lagern  eines  Stativs  und  kann  durch  einen  einfachen  Mechanismus 
um  diese  Achse  gedreht  werden.  Mit  Hülfe  der  Kautschukpumpe  ftült  man  nun  das  Glasgeftlss 
mit  der  zu  untersuchenden  Luft,  stellt  dann  die  Verbindung  mit  der  mit  Wasser  geftlllten  Bürette 
dmch  den  an  dieser  befestigten,  ebenfalls  mit  Wasser  geftlllten  Schlauch  /  her  und  lässt  nun 
aas  der  Bürette  so  viel  Wasser  zufliessen,  dass  dasselbe  bis  an  die  Marke  des  Rohransatzes 
reicht.  Man  schliesst  die  Quetschhähne  e  und  c  und  dreht  das  GefUss  a  mehrere  Male.  Die 
Ladsmuikc,  Chemie.    U.  6 


82 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


Luft  hat  sich  nun  mit  Feuchtigkeit  gesättigt  Nachdem  man  das  Gefäss  wieder  vertikal  ge- 
stellt hat,  öfihet  man  momentan 
den  Hahn  c,  um 'einen  Ueber- 
druck  zu  beseitigen,  und  man 
hat  nun  ein  genau  abgemessenes, 
mit  Feuchtigkeit  gesättigtes  Luft- 
volumen im  Apparat  Durch  Ab- 
saugen entfernt  man  die  geringe, 
unter  Marke  m  befindliche  Wasser- 
menge, und  führt  durch  Trichter 
b  und  Oeffhen  des  Quetschhahns 
c  etwas  concentrirte  Kalilauge  in 
den  Apparat  Man  wäscht  mehr- 
mals mit  Wasser  nach.  Dann 
dreht  man  den  Apparat.  Nach 
rasch  erfolgter  Absorption  der 
Kohlensäure  stellt  man  den  Ap- 
parat vertikal,  füllt  den  Trichter  b 
mit  Wasser,  öffnet  den  unteren 
Quetschhahn  e  und  lässt  die 
Kalilauge  abfliessen.  Durch  Oeff- 
nen  von  c  lässt  man  etwas  Wasser 
eintreten  und  durch  Oeffhen  von 
^  wieder  ausfiiessen.  Nach  wenigen 
Wiederholungen  ist  die  Kalilauge 
völlig  ausgewaschen. 

Durch    die  Absorption  der 
Kohlensäure  hat  das  Luftvolumen 
(Ch.  48.)  ^^  ^  gjjjg  Verminderung  erfahren, 

welche  folgendermaassen  bestimmt  wird.  Man  bringt  das  Wassemiveau  wieder  bis  auf  die 
Marke  m.  Dann  setzt  man  in  den  Hals  des  Trichters  b  mittelst  eines  Gummistopfens  ein 
mit  gefUrbtem  Wasser  gefülltes  U-förmiges  Manometer  ein.  Hierauf  verbindet  man  den  mit 
Wasser  gefüllten  BUrettenschlauch  /  mit  dem  ebenfalls  mit  Wasser  gefüllten  Schlauchende  ^, 
öffnet  den  Quetschhahn  c  und  lässt  nun  solange  Wasser  aus  der  Bürette  in  das  Luftgefäss  ein- 
fliessen,  bis  die  Flüssigkeit  in  beiden  Manometerschenkeln  zeigt,  dass  der  Druck  im  Innern  des 
Gefässes  mit  dem  äusseren  sich  ins  Gleichgewicht  gestellt  hat  Das  Volumen  des  eingetretenen 
Wassers  entspricht  dem  Volumen  der  in  dem  verwendeten  Luftquantum  vorhanden  gewesenen 
Kohlensäure.  Das  Resultat  wird  auf  Normaldruck  und  Normaltemperatur  reducirt.  Wenn  bei 
dem  Versuche  sorgfältig  Temperaturänderungen  vermieden  werden,  so  giebt  der  Apparat  in  kurzer 
Zeit  zuverlässige  Resultate. 

Zu  sehr  genauen  Bestimmungen  der  atmosphärischen  Kohlensäure  bedient 
sich  J.  Reiset  (49)  des  folgenden  Apparates,  in  welchem  die  Kohlensäure  durch 
Baryt  absorbirt  wird. 

In  dem  Glascylindcr  7"  sind  drei  dünnwandige,  leicht  konische  Platinschalen  C,  C\  C"  durch 
Reibung  festgehalten.  Der  Boden  dieser  40  Millim.  im  Durchmesser  weiten  Schalen  ist  mit 
120  Löchern  von  0*5  Millim.  durchbohrt.  Das  Rohr  T  von  0*6  Meter  Höhe  wird  mittelst  der 
Kautschukkappe  ^  in  der  doppelt  tubulirten  Flasche  F  befestigt.  In  die  Flasche  kommen 
300  Cbcentim.  Barytwasser.  Das  Rohr  A  ist  in  Verbindung  mit  dem  Aspirator.  Die  zu  ana- 
lysirende  Luft  tritt  durch  Rohr  A  welches  in  der  Tubulur  /'  steckt.  Wenn  der  Apparat  im  Gange 
ist,  bleibt  da^  Barytwasser  in  den  drei  Abtheilungen  B,  B\  B"  suspendirt,  und  die  durch  die 
Lücken  der  Platinschalen  fein  zertheUte  Luft  kommt  in  häufige  Berührung  mit  dem  Absorptions- 
mittel. Nach  Beendigung  des  Versuchs  enthält  die  Flüssigkeit  in  B  sehr  viel  Bariumcarbonat, 
die  in  B'   ist  milchig,   die    in  ^"   ist  klar.     In  der  U-Röhre  /,    welche  mit  Schwefelsäure  ge* 


Atmosphäre. 


83 


tränkten  Bimstein  enthält,  wird  die  atmosphärische  Feuchtigkeit  zurückgehalten.    Dieselbe  ist  vor 
dem  Versuch  gewogen.     In  der  kleinen  Erweiterung  an  der  Krümmung  der  U-Röhre  kann  sich 


die  herabfliessende  verdünnte  Schwefelsäure  sammeln.  Auf  diese  Weise  kann  durch  das  An- 
sammeln derselben  keine  Druckvermehrung  sich  der  durchstreichenden  Luft  entgegenstellen.  Die 
ebenfalls  gewogene  Absorptionsröhre  //  giebt  die  Anzahl  Cbcentim.  Wasser,  welche  dem  Baryt- 
wasser hinzugesetzt  werden  müssen,  um  das  durch  die  trockene  Luft  in  diesem  zum  Verdampfen 
gebrachte  Wasser  zu  ersetzen.  Die  Wände  des  Rohres  T  werden  mit  100  Cbcentim.  Wasser  ab- 
gewaschen, welches  man  durch  die  Mündung  O  einführt  Mit  Hülfe  einer  kleinen  Pumpe,  welche 
entkohlensäuerte  Luft  liefert,  wird  die  Flüssigkeit  in  F  und  T  vollkommen  gemischt  Nach  der 
Mischung  wird  eine  Probe  des  Barytwassers  genommen,  welche  nach  Abscheidung  des  Barium- 
carbonats  titrirt  wird  Dies  geschieht,  indem  der  eine  Schenkel  eines  Hebers  durch  t'  bis  auf 
den  Boden  der  Flasche  F  gebracht  wird  und  durch  die  an  A  angeschlossene  Pumpe  eine  gewisse 
Menge  in  ein  kleineres  Flaschen  gedrückt  wird.  Für  jede  Bestimmung  werden  durch  den  leicht 
zu  handhabenden  Apparat  600  Liter  Luft  gesaugt. 

Von  A.  MüNTZ  und  E.  Aubin  (50)  wird  die  Bestimmung  der  Luft-Kohlensäure 
in  der  Weise  ausgeführt,  dass  diese  durch  einen  absorbirenden  Körper  fixirt,  als- 
dann in  Freiheit  gesetzt  und  dem  Volumen  nach  bestimmt  wird. 

Eine  an  beiden  Seiten  ausgezogene  Röhre  ist  mit  Bimsteinstückchen  gefüllt,  die  mit  Kali- 
lauge imprägnirt  sind.  Die  Lauge  wird  vorher  mit  Barythydrat  geschüttelt,  um  sie  von  Kohlen- 
säure zu  befreien.  Für  eine  Spur  Kohlensäure,  die  dennoch  zurückbleibt,  muss  eine  Correction 
angebracht  werden.  Die  Röhren  erhalten  eine  bestimmte  Menge  Lauge,  werden  dann  zuge- 
schmolzen und  erst  unmittelbar  vor  Beginn  des  Versuchs  wieder  geöffnet.  Nach  dem  Versuch 
werden  sie  wieder  zugeschmolzen  und  können  dann  zu  späterer  Zeit  im  Laboratorium  untersucht 
werden.  Ftir  jede  Bestimmung  werden  200  Liter  Luft  mittelst  eines  Aspirators  durch  eine  Kali- 
röhre gesaugt.  Soll  die  in  dieser  fixirte  Kohlensäure  bestimmt  werden,  so  wird  ein  Ende  ge- 
ö&et  und  die  Röhre  mittelst  der  Quecksilberluftpumpe  evacuirt.  Dann  lässt  man  vom  anderen 
Ende  her  verdünnte  Schwefelsäure  zufliessen,  und  führt  die  entwickelte  Kohlensäure  in  eine  gra- 
duirte  Röhre  über,  wo  sie  durch  Absorption  mittelst  Kalihydrat  bestimmt  wird. 

Die  Schwankungen  im  Kohlensäuregehalt  der  Luft  erfolgen  innerhalb  enger 
Grenzen  und  sind  von  localen  Ursachen  abhängig. 

Th.  V.  Saussure  (51)  hat  zuerst,  1827,  genaue  Bestimmungen  der  Kohlen- 
säure (durch  Absorption  in  Barytwasser,  Umwandlung  des  Carbonats  in  Sulfat  und 
Wägung  des  letzteren)  ausgeführt.  Er  fand  als  höchste  Zahl  5*74  Vol.,  als 
niedrigste  3-15,  im  Mittel  4-1  Kohlensäure  in  10000  Vol.  Luft.    Verver  (52)  hat 

6» 


84  Handwörterbuch  der  Chemie. 

im  Mittel  von  90  Versuchen  4*18  Vol.  gefunden,  Lewy  (53)  im  J.  1847  ^^^  ^^4^ 
in  Neu-Granada  im  Mittel  4*01  Vol.,  Gilm  in  Innsbruck  von  3*8  bis  4*6  Vol. 

Nach  diesen  ziemlich  übereinstimmenden  Versuchen  enthalten  10000  Vol. 
Luft  im  Mittel  4*1  Vol.  und  dem  Gewichte  nach  6*2  Thle.  Kohlensäure. 

Neuere  Untersuchungen  zeigen  indess,  dass  diese  2^hlen  zu  hoch  sind. 
Seit  einigen  Jahren  führt  J.  Reiset  (54)  auf  einer  frei  liegenden  Feldstation, 
8  Kilometer  von  Dieppe  entfernt,  Kohlensäurebestimmungen  mittelst  des  oben 
beschriebenen  Apparates  aus.  Als  Mittel  aus  einer  Reihe  von  91  Versuchen  von 
Juni  1879  bis  zum  ersten  Frost  ergaben  sich  2*978  Vol.  Kohlensäure  auf 
10000  Vol.  Luft  Eine  frühere  Versuchsreihe  vom  9.  Sept.  1872  bis  zum 
20.  Aug.  1873  hatte  2'842  Vol.  ergeben.  Die  Uebereinstimmung  ist  also  nahezu 
vollkommen. 

Zu  derselben  Zeit  hat  Marii^-Davy  (55),  im  Observatorium  vom  Montsouris 
Bestimmungen  vorgenommen,  welche  Schwankungen  des  Kohlensäuregehalts  der 
Luft  von  2-2  bis  36  Vol.  pro  10000  aufweisen. 

Aehnliche  Zahlen  wie  Reiset,  hat  G.  F.  Armstrong  (56)  in  Grasmere,  West- 
moreland,  gefunden,  nämlich  als  Mittel  zur  Tageszeit  2*9603  Vol.,  zur  Nachtzeit 
3-2999  Vol.  pro  10000. 

MüNTZ  und  AuBiN  haben  mit  Hülfe  ihres  beschriebenen  Apparates  Be- 
stimmungen der  Kohlensäure  von  Luft  aus  der  Ebene  (Stadt  Paris  und  Ebene 
von  Gravelle)  und  auf  hohen  Bergen  (Pic  du  Midi  in  den  Pyrenäen,  2877  Meter) 
ausgeführt  und  im  Mittel  ftir  erstere  2-85,  ftir  letztere  2*86  Vol.  auf  10000  ge- 
funden (57).    Auch  diese  Zahlen  bestätigen  die  von  Reiset  erlangten  Resultate. 

Früher  schon  haben  Boussingault  und  Lewy  bei  ihren  gleichzeitigen  Ver- 
suchen in  Paris  3*19,  auf  dem  Lande  zu  Andilly  2*99  Vol.  Kohlensäure  ge- 
funden (58). 

Nach  den  Beobachtungen  von  Saussure  zeigt  sich  ein  gewisser  Wechsel  in 
dem  Gehalt  an  Kohlensäure  nach  Tages-  und  Jahreszeiten.  Nachts  ist  danach 
die  Luft  in  der  Nähe  der  Erdoberfläche  kohlensäurereicher,  als  am  Ende  des 
Tages,  zu  welcher  Zeit  ein  Minimum  vorhanden  ist.  Reiset  giebt  ftir  die  Nacht- 
zeit den  Kohlensäuregehalt  zu  3*084  Vol.  an,  während  derselbe  am  Tage  2*891 
beträgt.  Am  kohlensäurereichsten  ist  die  Luft  bei  nebligem  Wetter,  im  Mittel 
von  12  Beobachtungen  3*166  Vol. 

Die  Abweichungen,  welche  Mariä-Davy  erhalten  hat  (s.  oben)  und  welche  er  für  eine 
Folge  der  grossen  Windströmungen  und  deren  Verschiedenheit  von  Reiset's  Zahlen  als  bedingt 
durch  die  Lage  der  Versuchsorte  erklärt,  sind  nach  Reiset  die  Folge  mangelhafter  Versuchsan- 
ordnung. Letzterer  betont  die  Constanz  im  Kohlensäuregehalte  der  Atmosphäre  und  erklärt  die- 
selbe durch  die  Beweglichkeit  und  Difiundirbarkcit  der  Luft. 

Th.  Schloesing  (59)  schreibt  nicht  allein  diesen  Ursachen  den  Ausgleich  im  Kohlensäure- 
gehalt zu,  sondern  nennt  das  Meer  den  wichtigsten  Regulator.  Nach  seinen  Versuchen  sind  im 
Wasser  des  Canals  im  Liter  98*3  Milligrm.  Kohlensäure  und  eine  Menge  von  Carbonaten  ent- 
halten, welche  99*3  Milligrm.  Schwefelsäure  aequivalent  ist.  Das  Aequivalentverhältniss  der 
Kohlensäure  zu  den  Basen  ist  demnach  4*47:2*48,  woraus  folgt,  dass  die  Kohlensäure  zum 
grössten  Theil  in  Form  von  Bicarbonaten  vorhanden  ist.  Wasser,  welches  gleichzeitig  mit  einem 
Erdcarbonat  und  einer  kohlensäurehaltigen  Atmosphäre  in  Berührung  ist,  nimmt  eine  geringe 
Menge  Bicarbonat  auf,  welche  mit  der  Spannung  der  Kohlensäure  in  dieser  Atmosphäre  zunimmt 

Dieser  Vorgang  findet  beim  Meer  seit  undenklichen  Zeiten  statt.  In  Folge  der  Bewegungen 
des  Meeres  und  der  Luft  findet  ein  beständiger  Wechsel  statt;  einmal  giebt  das  Meer  Kohlen- 
säure ab  unter  Bildung  von  neutralem  Carbonat;  dann  wieder  nimmt  es  Kohlensäure  auf  unter 
Bildung  von  Bicarbonat     Man  nimmt  an,   dass  das  Meer,   Über  die  ganze  ErdobeHUlche  ausge- 


Atmosphäre.  85 

breitet,  eine  Tief«  von  1000  Metern  haben  würde.  In  einem  Wasserprisma  von  dieser  Höhe  und 
1  Q  Meter  Bodenfläche  sind  98*3  Kilogrm.  Kohlensäure  enthalten.  Die  Hälfte  dieser  als  Bicar- 
bonate  vorhandenen  Menge,  49  Kilogrm.,  ist  disponibel,  um  die  regulirende  Wirkung  auszuüben. 
Wenn  man  für  die  Atmosphäre  eine  gleichmässige  Zusammensetzung  und  xt^ttv  ^^^'  Kohlen- 
säure annimmt,  so  würde  ein  Luftprisma  von  1  Q  Meter  Basis  nur  4'7  Kgrm.  Kohlensäure  ent> 
halten,  also  10  mal  weniger  als  das  im  Meer  vorhandene  Quantum  disponibler  Kohlensäure, 
welches  in  Bezug  auf  die  Schwankungen  des  Kohlensäuregehalts  der  Luft  natürlich  noch  weit 
grösser  ist. 

Auch  J.  B.  Lawes  kommt  durch  einen  anderen  Gedankengange  zu  dem  Schluss,  dass  das 
Meer  das  Gleichgewicht  der  Kohlensäure  in  der  Atmosphäre  herstellt.  Nach  genauer  Kritik  der 
einschlagenden  Verhältnisse  giebt  Lawes  (60)  an,  dass  der  Boden  Grossbritanniens  mehr  Kohlen- 
stoff ausgiebt,  als  von  der  lebenden  Vegetation  gebunden  wird,  so  dass  man  dort  bald  zu 
Grande  gehen  würde,  wenn  man  nur  von  der  über  Grossbritannien  lagernden  Atmosphäre  ab- 
hängig wäre.  Das  Gleichgewicht  wird  aber  durch  den  Ocean  hergestellt.  Nach  den  Analysen 
Frankland's  ist  das  Meer,  selbst  in  grossen  Tiefen,  reich  an  organischem  Kohlenstoff  und  Stick- 
stoff. Die  Menge  Kohlenstoff  bis  zu  einer  Tiefe  von  700  bis  800  Faden  im  Meer  ist  3  mal  so 
gross  als  die  Menge  Kohlenstoff,  welche  in  Form  von  Kohlensäure  in  der  Atmosphäre  Über  einer 
Reichen  Oberfläche  ruht.  Die  Prozesse  des  thierischen  und  pflanzlichen  Lebens  im  Ocean  müssen 
daher  auf  unsere  Atmosphäre  einen  grossen  Einfluss  ausüben. 

Vorübergehend  kann  der  Kohlensäuregehalt  durch  besondere  Ursachen,  wie 
z.  B«  vulkanische  Thätigkeit,  eine  örtliche  Zunahme  erfahren. 

e)  Wasser.  Das  Wasser  kommt  in  der  Atmosphäre  in  dampfförmigem,  in 
flüssigem  als  Dunstbläschen  und  Regen,  und  in  festem  Zustande  als  Schnee  und 
Hagel  vor. 

Die  Mengen  des  in  der  Luft  vorhandenen  Wasserdampfes  sind  sehr  wechselnd. 
Der  Grad  der  Verdunstung  des  Wassers  ist  proportional  der  Temperatur,  infolge 
dessen  auch  der  Druck  (die  Spannung,  Tension)  des  Wasserdampfes.  Ein  be- 
stimmter Raum  kann  für  eine  gewisse  Temperatur  nur  eine  bestimmte  Menge 
Wasserdampf  aufnehmen. 

1  Cbmeter  mit  Wasserdampf  gesättigter  Luft  enthält: 

bei  — 10°    2-284  Grm.  bei  4- 25°    22-843  Grm. 

30°    30-095    „ 

35°    39-252    „ 

40°    50-700    „ 

100°  588-730    „ 

Diesen  Mengen  entspricht  eine  bestimmte  Dntckgrösse;  über  dies  Spannungs- 
maximum  hinaus  kann  sich  kein  Dampf  mehr  bilden.  Für  die  obigen  Temperalur- 
grade  ist  die  Tension  /  in  Millim.  Quecksilber  ausgedrückt: 

— 10°      2-093 

0°      4-600 

4-    5°      6-534 

10°      9-165 

15°    12-699 

20°     17-391 

Die  Tension  des  Wasserdampfs  lässt  sich  bestimmen,  indem  man  einen  Tropfen  Wasser  in 

die  BarometeTleere  bringt  und   dann   das  Instrument  der  gewünschten  Temperatur  aussetzt  und 

die  Höhe  der  Quecksilbersäule  bestimmt,  welche  der  Spannkraft  das  Gleichgewicht  hält  (statische 

Methode) ;  oder  indem  man  die  Temperatur  ennittelt,  bei  welcher  die  Spannkraft  den  Atmosphären- 

drack  eben  tiberwindet,  d.  h.  Sieden  eintritt  (dynamische  Methode).    Aus  den  Angaben  des  Drucks 


0" 

4-871 

5» 

6-795 

10° 

9-362 

15° 

12-746 

20° 

17-157 

/ 

•25° 

23-550 

30° 

31-548 

35° 

41-827 

40° 

54-906 

100° 

760 

86  Handwörterbuch  der  Chemie. 

kann  man,  wenn  die  Temperatur  bekannt  ist,  Gewicht  und  Volumen  des  Wasserdampfs  berechnen. 
Man  braucht  nur  das  Lufitgewicht  festzusteUen,  welches  einem  bestimmten  Druck  und  einer  be- 
stimmten Temperatur  entspricht,  und  dasselbe  mit  der  Volumgewichtszahl  des  Wasserdampfs  (auf 
Luft  bezogen)  zu  multipliciren,  um  die  Gewichtsmenge  des  Wasserdampfs  zu  erhalten,  welche 
jenem  Druck  entspricht.     Das  Gewicht  der  Luft  findet  man  nach  der  Formel: 

c  =-  129^ . - .  ^ 

1  +  000367.^  760' 
worin  1293  das  Gewicht  von  1  Liter  Luft  bei  0^  und  760  Millimeter  Barometerstand  in  Müligrm. 
bezeichnet,    0*00367    den   Ausdehnungscoefficienten    der  Luft  für  l**,  /  die  Temperatur,  /  den 
Barometerstand  bedeutet.     Diese  Zahl  ist  mit  0*623,  dem  Volumgewicht  des  Wasserdampfs,  zu 
multipliciren. 

Als  Mittel  kann  man  annehmen,  dass  für  1  Millim.  Zunahme  der  Spannung  das  Gewicht 
von  1  Cbmeter  Wasserdampf  um  1  Grm.  (von  1  Liter  um  1  Milligrm.)  steigt,  wie  das  auch  ans 
obigen  Tabellen  ersichtlich  ist. 

Aus  dem  Gewicht  kann  man  das  Volumen  des  in  einem  bestimmten  Räume  enthaltenen 
Wasserdampfs  berechnen,  indem  man  das  gefundene  Gewicht  des  Wasserdampfs  in  1  Cbmeter 
Raum  durch  das  Gewicht  dividirt,  welches  1  Cbmeter  Wasserdampf  bei  dem  Druck  der 
Atmosphäre  hat  Dieses  findet  man,  indem  man  das  Gewicht  der  unter  gleichen  Verhältnissen 
befindlichen  Luft  mit  der  Volumgewichtszahl  des  Wasserdampfs  0*623  multiplicirt. 

Hygrometer.  Gewöhnlich  ermittelt  man  den  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft 
vermittelst  des  Hygrometer's.  Man  bezeichnet  als  »absohite  Feuchtigkeit«  das 
Gewicht  des  Wasserdampfes,  wejches  in  1  Cbmeter  Luft  enthalten  ist.  Das  Ver- 
hältniss  zwischen  dem  Gewichte  der  in  einem  Luftquantum  wirklich  vorhandenen 
Dampfmenge  nnd  der  bei  derselben  Temperatur  in  gesättigtem  Zustande  mög- 
lichen Dampfmenge  ist  die  »relative  Feuchtigkeit.«  Die  letztere  Zahl  ist  daher 
stets  ein  echter  Bruch.  Man  pflegt  sie  gewöhnlich  in  Procenten  der  Maximal- 
feuchtigkeit anzugeben  und  nennt  diese  Procentzahl  den  »Feuchtigkeitsgrad.« 

Man  kann  die  relative  Feuchtigkeit  dadurch  bestimmen,  dass  man  die  Luft 
soweit  abkühlt,  bis  die  vorhandene  Feuchtigkeit  für  diese  Temperatur  (Thaupunkt) 
das  Sättigungsmaximum  darstellt  und  sich  zu  condensiren  beginnt.  Auf  diesem 
Princip  beruht  das  DANiELL'sche  Hygrometer. 

Es  besteht  aus  zwei  durch  eine  Röhre  mit  einander  verbundenen  Glaskugeln,  deren  eine 
geschwärzt  oder  vergoldet  ist  und  ein  Thermometer  enthält;  die  andere  ist  mit  Musselin  um- 
hüllt.  Vor  dem  Zuschmelzen  ist  etwas  Aether  in  das  Instrument  gebracht  worden.  Man  führt 
die  Beobachtung  nun  so  aus,  dass  man  etwas  Aether  auf  den  Musselin  träufelt.  Durch  die  Ver- 
dampfung desselben  wird  die  Kugel  abgekühlt,  und  der  im  Innern  des  Instruments  befindliche 
Aether  verdichtet  sich  in  derselben.  Diese  Verdampfung  veranlasst  eine  Temperaturemiedrigung 
in  der  geschwärzten  Kugel,  und  man  beobachtet  nun  den  Augenblick,  in  dem  sich  aus  der 
äussern  Luft  Thau  darauf  niederschlägt,  und  liest  an  dem  eingeschlossenen  Thermometer  die 
entsprechende  Temperatur  ab. 

Das  REGNAULT'sche  Hygrometer  ist  zweckmässiger.  Hier  ist  das  Thermometer  in  eine 
Glasröhre  eingeschlossen,  an  welche  sich  unten  ein  kleines  Gefäss  aus  polirtem  Silber  schliesst 
Dieses  ist  mit  Aether  gefüllt.  In  dem  Stopfen,  welcher  das  Glasrohr  verschliesst,  stecken  ein 
Thermometer,  eine  Glasröhre,  welche  bis  in  den  Aether  taucht,  und  eine  zweite  unter  dem 
Stopfen  endigende,  welche  mit  einem  Aspirator  oder  einer  Luftpumpe  in  Verbindung  gebracht 
werden  kann.  Beim  Durchströmen  der  Luft  durch  den  Aether  verdunstet  dieser,  und  man  beob- 
achtet nun  aus  der  Feme  mittelst  eines  Teleskopes  den  Eintritt  des  Thaus  auf  dem  Silber  und 
den  entsprechenden  Temperaturgrad.  Lässt  man  den  Aether  weniger  stark  verdimsten,  so  er- 
höht sich  die  Temperatur  wieder  und  man  kann  in  gleicher  Weise  das  Verschwinden  des  Thau- 
punkts  beobachten.  Gewöhnlich  ist  an  demselben  Stativ  noch  ein  zweites  dem  ersten  ganz  ähn- 
liches Gefäss  angebracht,  welches  aber  keinen  Aether  und  nur  ein  Thermometer  enthält.  Die 
Unterschiede  an  den  Silberspiegeln  lassen  sich  dann  scharf  wahrnehmen. 


Atmosphäre.  87 

Auf  einem  andern  Princip  beruht  das  sehr  verbreitete  AuGUST'sche  Psychrometer.  Es 
besteht  aus  zwei  genau  übereinstimmenden  in  2^hntel-Grade  getheilten  Thermometern,  welche  an 
einem  Stativ  befestigt  sind.  Das  Gefäss  des  einen  ist  mit  einem  Leinwandläppchen  umgeben, 
welches  durch  einen  in  Wasser  tauchenden  Docht  feucht  gehalten  wird.  Das  hier  verdunstende 
Wasser  bewirkt  Temperaturemiedrigung,  die  um  so  grösser  sein  muss,  je  trockner  die  Luft  ist, 
je  mehr  Wasser  also  verdunsten  kann.  Aus  der  Difierens  der  Angaben  beider  Thermometer 
kann  der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  abgeleitet  werden.  Da  die  Luftfeuchtigkeit  nicht  einfach 
dieser  Differenz  proportional  ist,  so  hat  man  zur  Berechnung  derselben  eine  complicirte  Formel 
nööiig,  oder  man  bedient  sich  empirisch,  z.  B.  mit  Hülfe  des  REGNAULT'schen  Hygrometers,  her- 
gestellter Tabellen. 

Eine  andere  Klasse  von  Hygrometern  misst  die  Feuchtigkeit  durch  die  Längenveränderung 
hygroskopischer  Fäden,  namentlich  von  Haaren.  Das  SAUSSURE'sche  Haarhygrometer  ist  so 
construirt,  dass  ein  entfettetes  Frauenhaar  oben  an  einem  Stativ  befestigt,  unten  mehrere  Male 
um  eine  kleine  Rolle  geschlungen  und  am  unteren  Ende  durch  ein  kleines  Gewicht  beschwert 
ist  Die  Achse  der  Rolle  trägt  einen  Zeiger,  der  über  einem  Gradbogen  hin  und  her  geht,  wenn 
die  Rolle  durch  Verlängerung  oder  Verkürzung  des  Haares  gedreht  wird.  Durch  Absorption 
Ton  Wasserdampf  wird  das  Haar  verlängert.  Der  Nullpunkt  der  Scala  wird  dadurch  bestimmt, 
dass  man  das  Instrument  in  völlig  trockne  Luft  bringt.  Der  Punkt,  auf  welchen  der  Seiger  in 
mit  Feuchtigkeit  gesättigter  Luft  zeigt,  wird  mit  100  bezeichnet  Zwischen  diesen  beiden  End- 
punkten ist  aber  die  Längenveränderung  des  Haares  infolge  der  Wasseraufnahme  nicht  pro- 
portional dem  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft;  man  muss  möglichst  viele  Hygrometergrade  empirisch 
ermitteln  und  kann  dann  erst  interpoliren. 

Ein  sehr  genaues  und  empfindliches  Instrument  ist  das  von  Klinksrfues  angegebene 
Haarhygrometer  mit  biiUarer  Aufhängung.  Ein  Stäbchen  ist  an  zwei  Haaren  bifilar  aufgehängt, 
gleichzeitig  aber  durch  zwei  andere  hygroskopische  Fäden  verhindert,  g^nz  der  Torsion  der  ersten 
Faden  nachzugeben.  Die  Ruhelagen,  nach  welchen  die  sich  entgegenwirkenden  Torsionen 
streben,  sind  senkrecht  zu  einander.  Der  Zeiger  giebt  die  relative  Feuchtigkeit  auf  einer  Scala, 
die  von  0  bis  100®  lautet,  direkt  in  Procenten  an.  Dem  Instrument  ist  noch  ein  Thermometer 
und  eine  Reductionsscheibe  beigegeben,  durch  welch  letztere  der  Thaupunkt  gefunden  wird. 
Dieser  kleine  Apparat,  dessen  Theorie  nur  mit  Hülfe  höherer  Rechnungen  verständlich  zu 
machen  ist,  hat  für  die  Meteorologie  und  die  zahlreichen  Gewerbe,  bei  denen  die  grössere  oder 
geringere  Trockenheit  der  Luft  von  Wichtigkeit  ist,  eine  grosse  Bedeutung  erlangt. 

Auf  der  meteorologischen  Station  zu  Montsouris  bei  Paris  wird  ein  Haarhygjometer  ge- 
braucht, bei  dem  die  Verlängerung  des  Haares  nicht  auf  einen  Zeiger  übertragen,  sondern  direkt 
durch  ein  Mikroskop  und  Mikrometer  beobachtet  und  gemessen  wird. 

Aehnlich  wie  Haar  kann  man  auch  Pflanzenfasern  verwenden,  die  aus  einer  hygroskopischen 
und  einer  nicht  hygroskopischen  Schicht  bestehen  und  sich  daher  je  nach  der  Feuchtigkeit  der 
Luft  mehr  oder  weniger  krümmen;  so  hat  Wolpert  (61)  ein  Hygrometer  mit  Hülfe  von  Fäden 
aus  zartem  Stroh  construirt. 

Ein  anderes  Verfehren  zur  Bestimmung  der  Luftfeuchtigkeit  besteht  in  der  Messung  der 
Wassermenge;  welche  in  einer  bestimmten  Zeit  von  einer  bekannten  Fläche  verdunstet  wird. 

Das  Atmometer  von  Piche  (62)  besteht  in  einer  an  einem  Ende  geschlossenen  graduirten 
Glasröhre,  welche  mit  Wasser  gefüllt  wird.  Das  offene  Ende  wird  durch  ein  Stück  Kupfer- 
stecherpapier von  bestimmter  Grösse  bedeckt,  welches  durch  eine  Klammer  festgehalten  wird. 
Die  Röhre  kann  daim  umgekehrt  werden.  Das  Sinken  des  Niveaus  in  der  Röhre  hängt  von 
der  Schnelligkeit  der  Verdunstung  an  den  Papierflächen  ab. 

Das  Atmometer  von  Morgenstern  (63)  gründet  sich  auf  das  Princip  der  MARiOTTE'schen 
Flasche  und  der  Capiflarität  Das  Verdunstungsgefäss  von  1  QDecimeter  Oberfläche  ist  mit 
Sand  gefüllt  Das  hier  verdunstende  Wasser  wird  aus  einer  Bürette,  welche  eine  MARiOTTE'sche 
Flasche  bildet,  ersetzt  Ein  Quecksilberverschluss  sperrt  dieselbe  oben  gegen  die  äussere  Luft  ab. 
Die  Luft  tritt  unten  in  dem  Maasse  ein,  als  Wasser  durch  Verdunstung  verloren  geht. 

Es  sind  noch  manche  andere  mehr  oder  weniger  zuverlässige  Constructionen  von  Atmometern 
und  Evaporimetem  vorhanden,  welche  die  Verdunstungsgrösse  des  Wassers  erkennen  lassen. 

Man  kann  die  Luftfeuchtigkeit  durch  hygroskopische  Substanzen  absorbiren  lassen  und  diese 


88  Handwörterbuch  der  Chemie. 

beobachten.  Eine  ungefähre  Schätzung  erreicht  man  mittelst  der  sogen.  Wetterblumen.  Dies 
sind  Gegenstände  aus  Papier  oder  Zeug,  die  mit  einer  Lösung  von  KobaltchlorUr  oder  einem 
andern  löslichen  Kobaltsalze  getränkt  und  getrocknet  sind.  Die  wasserfreie  Verbindung  CoCl, 
ist  blau,  die  wasserhaltige  CoCl, +  GH,0  rosa.  Die  erstere  nimmt  an  der  Luft  Feuchtigkeit 
auf,  und  dadurch  entstehen  Farbentöne  zwischen  Blau  und  Rosa. 

Genau  wird  der  Wassergehalt  der  Luft  durch  Wägung  bestimmt,  indem  man 
ein  gemessenes  Luftvolumen  über  eine  hygroskopische  Substanz  streichen  lässt 
(vergl.  oben  pag.  78).  Als  absorbirende  Mittel  benutzt  man  Chlorcalcium  oder 
concentrirte  Schwefelsäure  oder  am  sichersten  Phosphorsäureanhydrid. 

Man  saugt  mittelst  eines  Aspirators  Luft  durch  zwei  bis  drei  U-Röhren,  welche  mit  Schwefel- 
säure getränkten  Bimstein  enthalten.  Dieselben  werden  vor  und  nach  dem  Versuch  genau  ge- 
wogen. Ausser  der  Ermittelung  des  Volumens  des  aus  dem  Aspirator  geflossenen  Wassers  durch 
Messung  oder  Wägung  muss  man  auch  die  Temperatur  im  Aspirator  bestimmen,  da  ja  das 
Volumen  der  Luft  hier  bei  einer  andern  Temperatur  ein  anderes  sein  wird  als  ausserhalb  des 
Aspirators  und  diese  Grösse  wegen  des  hohen  Ausdehnungscoefficienten  der  Luft  (j^j  des 
Volumens  ftlr  1^  eine  nicht  unbeträchtliche  ist.  Gewöhnlich  combinirt  man  die  Wasserbestimmung 
nach  diesem  Verfahren  mit  der  Ermittelung  des  Kohlensäuregehalts  der  Luft 

Da  diese  Methode  der  Wägung  des  Wasserdampfes  ziemlich  umständlich  ist,  so  zieht  man 
derselben  trotz  ihrer  Genauigkeit  meistens  die  Beobachtung  an  einem  Hygrometer  vor. 

Die  Wichtigkeit,  den  Grehalt  der  Luft  an  Wasserdampf  zu  kennen  oder  zu  schätzen,  wurde 
schon  seit  mehr  als  300  Jahren  erkannt.  Libri  sagt  in  seiner  Histoire  des  mathlmatiques 
en  Italie,  t.  m.,  dass  Leonardo  da  Vinci  das  Hygrometer  erfunden  habe.  Gewiss  ist,  dass 
Cardan  (gest.  1576)  aus  der  Contraction  dünner  Membrane  auf  die  Feuchtigkeit  oder  Trocken- 
heit der  Luft  schloss.  Der  Pater  Mersenne  (gest  1648)  construirte  ein  »Notiometer«  (v^oc 
feucht)  aus  einer  Violinsaite,  die,  mit  dem  Bogen  angestrichen,  einen  mehr  oder  minder  hohen 
Ton  gab,  je  nachdem  sie  durch  die  Feuchtigkeit  oder  Trockenheit  der  Luft  verlängert  oder  ver- 
kürzt wurde  (64). 

In  Florenz  sind  jetzt  noch  zwei  Hygrometer  zu  sehen,  von  denen  eines,  die  M^stra  fwtidana, 
von  FoLLi  da  Poppi  im  Jahre  1664,  das  andere  wenig  später  vom  Grossherzog  Ferdinand  II. 
Medici  erfunden  worden  ist.  Jenes  besteht  aus  einem  Streifen  Papier,  das  an  den  Enden  be- 
festigt und  in  der  Mitte  durch  ein  Gewicht  beschwert  ist  Durch  Verlängerung  oder  Verkünung 
des  Papiers  in  Folge  der  Feuchtigkeit  senkt  oder  hebt  sich  das  Gewicht  und  überträgt  mittelst 
einer  Schnur  und  Rolle  seine  Bewegung  auf  einen  Zeiger,  der  über  einem  Quadranten  spielt. 
Die  Mitglieder  derAccademia  delCemento  ersetzten  das  Papier  durch  Pergament,  TORRICELLI 
wandte  (wie  neuerdings  Wolpert)  Haferstroh  als  hygrometrischen  Körper  an. 

Das  Instrument  des  Grossherzogs  ist  ein  Condensationshygrometer.  Unter  einem  Bleitrichter 
ist  ein  Glaskegel  angebracht.  Jener  wird  mit  Eis  geftlllt.  Das  Eiswasser  tropft  in  den  Glaskegel 
und  kann  aus  einer  seitlichen  Abflussröhre  ausfliessen.  An  dem  auf  0^  abgekühlten  Glaskegel 
schlägt  sich  Thau  nieder,  der  an  der  nach  unten  gerichteten  Spitze  in  ein  graduirtes  GefUss 
tropft.  Unter  Berücksichtigung  der  Zeit  setzte  man  die  gesammelte  Wassermenge  der  Feuchtig- 
keit der  Luft  proportional  (65). 

Die  Atmosphäre  enthält  neben  den  eigentlichen  Luftbestandtheilen  immer 
noch  fremde  Gase,  deren  Menge  unter  Umständen  von  Bedeutung  sein  kann, 
besonders  da  sie  hauptsächlich  infolge  von  gewerblicher  Thätigkeit  an  von 
Menschen  bewohnten  Orten  auftreten  Der  Nachweis  und  die  Bestimmung  der- 
selben, ist  desshalb  von  Wichtigkeit.  Sehr  selten  nur  sind  die  fremden  Gase  in 
solcher  Menge  in  der  Luft  enthalten,  dass  man  zu  ihrer  Bestimmung  die  gewöhn- 
lichen eudiometrischen  Verfahren  anwenden  könnte. 

f)  Kohlenoxyd.  Kohlenoxyd  dringt  häufig  aus  Heizungsanlagen  in  Folge 
unvollkommener  Verbrennung  in  die  Luft;  es  kann  in  geschlossenen  Räumen  sehr 
gefahrlich  wirken. 

Man  kann  das  in  einem  gemessenen   grösseren  Luftvolumen  enthaltene  Kohlenoxyd  durch 


Atmosphäre.  89 

Verbrenn  CD  in  einer  mit  Kupferoxyd  gefüllten  Röhre  und  Auf&ngen  der  entstandeneu  Kohlensäure 
im  LiEKG'schen  Kaliapparat  bestimmen.  Die  Luft  muss,  bevor  sie  in  die  Verbrennungsröhre 
tritt,  ein  Kalirohi  passiren,  imi  entkohlensäuert  zu  werden ;  auch  darf  sie  keine  anderen  Kohlen* 
stoflfverbindungen  (Kohlenwasserstoffe)  enthalten. 

Das  Kohlenoxyd  in  einem  abgeschlossenen  Luftvolumen  kann  auch  durch  Chromsäure  in 
Kohlensäure  übergeführt  werden,  welche  man  dann  durch  Kalilauge  absorbirt  werden  lässt.  Man 
beolittt  dazu  Gypskugeln,  die  mit  einer  concentrirten  wässrigen  OiiomsäurelÖsung  getränkt  sind 
und  die  man  längere  Zeit  in  dem  Luftvolumen  verweilen  lässt.  Kohlenwasserstoffe  werden  da- 
durch nicht  oxydirt  (66). 

Kohlenoxyd  reducirt  aus  Palladiumchlorürlösungen  metallisches  Palladium.  Man  leitet 
die  zu  untersuchende  Luft  durch  einen  die  Lösung  enthaltenden  LlEBic'schen  Kugelapparat. 
Ammoniak  und  Schwefelwasserstoff  müssen  vorher  entfernt  werden.  Zu  berücksichtigen  ist  auch, 
dass  Acetylen  ebenso  wirkt  wie  Kohlenoxyd. 

Femer  wird  Kohlenoxyd  von  einer  Lösung  von  Kupferchlortir  in  Salzsäure  absorbirt. 
Acetylen  wird  nur  von  aromoniakalischer  KupferchlorUrlösung  absorbirt.  Dagegen  vermag  die 
sanre  Lösung  Kohlensäure  und  Sauerstoff  aufzunehmen;  es  empfiehlt  sich  desshalb,  diese  Stoffe 
▼oiher  durch  alkalische  Pyrogallussäure  zu  beseitigen.  Die  geringste  Menge  Kohlenoxyd  in  der 
KupferchlorUrlösung  lässt  sich  auf  Zusatz  einiger  Tropfen  Natrium-PalladiumcMorUr  durch  Bildung 
von  schwarzem  fein  vertheiltem  Palladium  entdecken. 

£^  empfindliches  Reagens  auf  Kohlenoxyd  ist  das  Blut.  Wenn  dieses  mit  CO-haltiger, 
Luft  in  innige  Berührung  gebracht  wird,  so  färbt  es  sich  hellroth;  im  Spectralapparat  bemerkt 
man  zwei  Absorptionsstreifen  im  GelbgrUn,  die  denen  des  Sauerstoff- Hämoglobins  zwar  $ehr 
älinlich  sind,  aber  im  Gegensatz  zu  diesen  auf  Zusatz  von  Reductionsmitteln  (Schwefelammonium 
Zinncblorttr  etc.)  bleiben  und  sich  nicht,  wie  bei  letzteren  der  Fall  ist,  zu  einem  einzigen 
Streifen  vereinigen.  Auf  diese  Weise  lassen  sich  2*5  bis  4  pro  Mille  Kohlenoxyd  in  einer  Luft 
noch  nachweisen,  wenn  100  Cbcentim.  derselben  mit  3  Cbcentim.  einer  sehr  verdünnten  Blut- 
lösnng  geschüttelt  werden  (67). 

g)  Kohlenwasserstoffe.  Wenn  Kohlenwasserstoffe  in  der  Luft  vor- 
kommen, so  kann  man  dieselben  durch  Verbrennung  mit  Kupferoxyd  bestimmen. 

In  geringster  Menge  lassen  dieselben  sich  spectroskopisch  nachweisen,  wenn 
man  das  von  Sauersioff,  Kohlensäure  und  Kohlenoxyd  befreite  Gas  in  leeren 
GEisSLER'schen  Röhren  sammelt  und  den  elektrischen  Funken  durchschlagen  lässt. 
Durch  die  Spectralanalyse  des  entstehenden  bläulichen  Lichtes  kann  man  die 
Linien  des  Kohlenstoffs  erkennen  (68). 

Aethylengas  wird  im  Eudiometer  durch  eine  mit  Schwefelsäure  getränkte  Cokskugel 
vollständig  absorbirt  Acetylen  wird  von  ammoniakalischer  KupferchlorUrlösung  absorbirt,  mit 
welcher  dasselbe  einen  rothen  Niederschlag  von  Acetylenkupfer  bildet  Methan  bestimmt  man, 
nach  Absorption  der  übrigen  Kohlenstoffverbindungen,  am  besten  durch  Verbrennung  mittelst 
Saueistofis  im  Eudiometer  oder  mittelst  Kupferoxyds. 

h)  Schwefelwasserstoff.  Durch  Fäulnissprocesse,  aus  gewissen  Quellen  und 
infolge  vulcanischer  Thätigkeit  kann  Schwefelwasserstoff  in  die  Atmosphäre 
gelangen.  Der  Nachweiss  desselben  gelingt  leicht  durch  Reagenspapiere,  welche 
mit  Bleilösung  getränkt  sind,  oder  durch  Nitroprussidnatrium. 

Im  Eudiometer  kann  man  den  Schwefelwasserstoff  durch  eine  mit  Phosphorsäure  getränkte 
Braunsteinkugel  oder  eine  Gypskugel,  welcher  Bleiphosphat  beigemengt  ist,  absorbiren.  Auch 
indem  man  die  Luft  durch  gewogene  Röhren  streichen  lässt,  welche  mit  Kupfervitriollösung 
getränkten  und  dann  getrockneten  Bimstein  enthalten,  kann  man  den  Schwefelwasserstoff  in  der- 
selben bestimmen.  Am  besten  geschieht  dies  wohl  in  der  Weise,  dass  man  ein  bestimmtes  Luft- 
volumen durch  ein  PETTENKOFER'sches  (Kohlensäure-)  Absorptionsrohr  saugt,  welches  mit  einer 
titriiten  Lösung  von  Jod  in  Jodkalium  gefüllt  ist,  und  nachher  die  Menge  Jod,  welche  nach 
Entstehung  von  Jodwasserstoff  infolge  der  Einwirkung  des  Schwefelwasserstoffes  auf  jenes  noch 
geblieben  ist,  durch  Titrircn  mit  einer  Lösung  von  Natriumthiosulfat  bestimmt 


90  Handwörterbuch  der  Chemie. 

i)  Schweflige  Säure.  Eine  andere  schädliche  Schwefel  Verbindung,  welche  m 
industriereichen  Gegenden  durch  Verbrennung  schwefelhaltiger  Steinkohlen  und  in 
Röstgasen,  sowie  aus  Vulcanen  in  die  Atmosphäre  kommt,  ist  die  schweflige 
Säure.  Dies  Gas  lässt  sich,  ausser  durch  den  Geruch,  dadurch  nachweisen,  dass 
man  die  Luft  durch  eine  Flüssigkeit  streichen  lässt,  in  welcher  sich  Wasserstoff 
(aus  Zink  und  Salzsäure)  entwickelt.  Die  schweflige  Säure  wird  dann  in  Schwefel- 
wasserstoff umgewandelt,  welcher  durch  Bleipapier  etc.  nachgewiesen  werden 
kann.  Ein  mit  salpetersaurem  Quecksilberoxydul  getränktes  Papier  färbt  sich  in 
schweflige  Säure  enthaltender  Luft  grau,  indem  durch  Reducdon  metallisches 
Quecksilber  gebildet  wird. 

Im  Eudlometer  kann  man  die  schweflige  Säure  durch  Gypskugeln,  die  mit  Bleiphosphat 
und  Braunstein  gemischt  sind,  absorbiren.  Oder  man  leitet  ein  gemessenes  Luftvolumen  durch 
eine  titrirte  Jodlösung,  wobei  Jodwasserstoff  und  Schwefelsäure  entstehen.  Indem  man  die  Luft 
durch  Chlorwasser  oder  Bromwasser  leitet,  kann  man  die  in  jener  enthaltene  schweflige  Säure 
in  Schwefelsäure  umwandeln  und  darauf  diese  nach  Austreiben  des  Chlors  aus  der  Flüssigkeit 
durch  Zusatz  eines  löslichen  Bariumsalzes  als  Bariumsulfat  bestimmen. 

k)  Ammoniak.  Stets,  wenn  auch  nur  in  geringen  Spuren,  sind  in  der  Luft 
Ammoniak  und  salpetrige  Säure  enthalten. 

Qualitativ  lässt  sich  das  Ammoniak  durch  empfindliches  Lakmus-  oder 
Curcumapapier  nachweisen,  von  dem  man  einen  Theil  der  Vergleichung  halber 
durch  Einklemmen  zwischen  Glasplatten  vor  Berührung  mit  der  Lufl  schützt. 
Papier,  welches  mit  salpetersaurem  Quecksilberoxydul  getränkt  ist,  wird  durch 
Berührung  mit  Ammoniak  schwarzbraun,  indem  sich  eine  Verbindung  von 
metallischem  Quecksilber  und  Quecksilberoxydul  bildet.  Beim  Betupfen  mit 
Salzsäure  verschwindet  der  Fleck.  Papier,  welches  mit  einem  alkoholischen 
Blauholzextract  (Hämatoxylin)  getränkt  ist,  verändert  durch  Einwirkung  von 
Ammoniak,  selbst  wenn  dies  nur  in  Spuren  vorhanden  ist,  seine  gelbe  Farbe 
in  violett. 

Um  das  Ammoniak  der  Menge  nach  zu  bestimmen,  lässt  man  Luft  durch 
mit  Schwefelsäui[e  angesäuertes  Wasser  streichen.  Man  fügt  NESSLER'sches 
Reagens  (alkalische  Lösung  von  Jodkalium-Quecksilbeijodid)  hinzu.  Es  entsteht 
die  rothe  Verbindung  NHgjJ  4-  HgO.  Die  dadurch  hervorgebrachte  Färbung 
kann  man  zur  Bestimmung  des  Ammoniaks  benutzen,  indem  man  eine  colori- 
metrische  Vergleichung  mit  Lösungen  anstellt,  welche  eine  bekannte  Menge 
Ammoniak  enthalten  (Frankland  und  Armstrong)  (69).  — 

Fleck  hat  ein  titrimetrisches  Verfahren  angegeben,  nach  welchem  die  Verbindung  NHg^J 
zunächst  filtrirt  wird.  Damit  das  Quecksilberammoniumjodid  völlig  ausgefällt  wird,  setzt  man 
der  Ammoniaklösung  vorher  etwas  Magnesiumsulfat  zu,  die  entstehende  Fällung  reisst  die  rothe 
Verbindung  völlig  mit  nieder.  Der  Niederschlag  wird  auf  dem  Filter  mit  Natriumthiosulfat- 
lösung  übergössen,  welche  die  Quecksilberverbindung  löst.  In  der  Lösung  wird  das  Quecksilber 
durch  eine  Schwefelnatriumlösung  von  bekanntem  Gehalt  als  Schwefelquecksilber  ausgefHUt;  ein 
tiberschüssig  zugesetzter  Tropfen  bringt  auf  Bleipapier  eine  dunkle  Färbung  hervor.  Diese 
Methode  verlangt  die  Behandlung  beträchtlicher  Mengen  von  Luft 

Auf  dem  Observatorium  in  Montsouris  verfährt  man  so,  dass  man  100  Cbroeter  Luft 
durch  angesäuertes  Wasser  streichen  lässt.  Nach  dem  Eindampfen  macht  man  die  Lösung 
schwach  alkalisch,  destillirt  und  fängt  das  Destillat  in  titrirter  Schwefelsäure  auf  (70). 

Th.  Schloesing  (71)  hat  zur  Bestimmung  des  atmosphärischen  Ammoniaks 

einen  Apparat  construirt,  welcher  in  wenig  Stunden  30,000  Liter  Luft  zu  unter- 
suchen  gestattet. 

Eine  Glasglocke   A  mit  Hals   von   3  Liter   Rauminhalt   ist   durch    eine    Platinscheibe  p 


Atmosphäre. 


91 


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geschlossen,  welche  mit  300  Oeffhungcn 
y^^  -^  MiUim.  durchbohrt  ist.  Diese  Glocke 
rnht  auf  drei  GlasstUcken  in  einem  etwas 
weiteren  Gefässe  B.  Dieses  ist  durch  einen 
Tubolus  mit  der  Röhre  C  verbunden,  durch 
welche  die  Luft  von  aussen  eingeführt  wird. 
Der  Raum  zwischen  Glocke  und  Gefäss  ist 
oberhalb  des  Tubulus  durch  ein  ringförmiges 
Kautschukrohr  k  geschlossen.  Letzteres 
steht  durch  ein  mit  Hahn  versehenes  kleines 
Zweigrohr  /  mit  einem  Wasserreservoir  in  ^ 
Verbindung.  Durch  Füllung  des  Kautschuk- 
rohrs mit  Wasser  wird  ein  vollkommen 
luftdichter  Verschluss  hergestellt.  Die  Glocke 
wird  mit  300Cbcentim.  angesäuertem  Wasser 
beschickt,  und  der  Hals  wird  mit  einem 
Aspirator  in  Verbindung  gesetzt.  Die  durch 
C  eintretende  Luft  treibt  das  Wasser  in  die 
Glocke  und  dringt  durch  die  Löcher  der 
Platinscheibe  fein  vertheilt  in  dasselbe,  einen  (^^-  ^'^ 

Schaum  damit  bildend.  Nach  Beendigung  des  Versuchs  wird  die  Flüssigkeit  über  Magnesia 
destillirt  und  das  Anmioniak  bestimmt.  Nach  den  Versuchen  Schloesing's  werden,  wenn  die 
Grenzen  des  Ammoniakgehalts  der  Luft  zwischen  0'03  und  I  Milligrm.  pro  I  Q>centim.  liegen, 
durch  diesen  Apparat  ^  bis  -f^j  der  Gesammtmenge  Ammoniak  zurückgehalten. 

Die  in  der  Luft  enthaltene  Menge  Ammoniak  wurde  von  Bineau  in  der  Weise 
abgeschätzt,  dass  er  zwei  Schalen  an  die  freie  Luft  setzte,  von  welchen  die  eine 
verdünnte  Schwefelsäure,  die  andere  verdünnte  Natronlauge  enthielt.  Nach  Ab- 
lauf eines  Monats  wurde  untersucht,  wie  viel  Ammoniak  die  Säure,  und  wie  viel 
Kohlensäure  das  Alkali  absorbirt  hatte.  Unter  der  Annahme,  dass  die  Luft: 
0*0006  ihres  Gewichtes  an  Kohlensäure  enthalte,  wurde  das  der  gefundenen 
Ammoniakmenge  entsprechende  Gewicht  Luft  berechnet. 

ViLLE  hat,  mit  20  bis  50  Cbm.  Luft  operirend,  sehr  wechselnde  Mengen 
Ammoniak  (Ammoniumcarbonat)  gefunden.  Bineau  fand  die  Luft  in  Lyon  an 
Ammoniak  reicher,  als  in  der  Umgebung  der  Stadt;  Horsford  dagegen  fand  den- 
selben Ammoniakgehalt  an  der  Seeküste  und  in  Boston  an  einem  dicht 
bevölkerten  Platze,  beobachtete  aber  grosse  Unterschiede  zwischen  Sommer  und 
Winter,  indem  die  Atmosphäre  im  December  nur  ^  so  viel  Ammoniak  zeigte 
wie  im  Juli.  Nach  Regenwetter  ist  die  Luft  wegen  der  grossen  Löslichkeit  des 
Ammoniaks  und  der  Ammoniaksalze  arm  an  Ammoniak;  die  atmosphärischen 
Niederschläge  enthalten  immer  Ammoniak.  Barral  fand  im  Sommer  1852  in 
1  Million  Gewichtstheilen  Regenwasser  1  bis  9  Gewth.  Ammoniak;  Bineau  im 
Februar  18  bis  30  Gewth.,  als  Mittel  für  das  ganze  Jahr  6*8  Gewth.;  Boussingault 
(72)  in  1  Liter  Thau  (August  bis  September  1853)  auf  dem  Lande  3  bis  6  Milligrm. 
Ammoniak,  in  1  Liter  Wasser,  welches  in  Paris  durch  Abkühlung  der  Luft  an 
einem  mit  Eis  gefüllten  Gefässe  condensirt  war,  10  Milligrm.,  in  1  Liter  Schnee- 
wasser 1-78  Milligrm.;  Horsford  (73)  im  Gletschereis  9 ^ ^ ^ q ^ ^  Ammoniak. 

A.  LfivY  (74)  hat  kürzlich  über  den  Ammoniakgehalt  der  Luft  und  der 
atmosphärischen  Niederschläge  Mittheilungen  gemacht,  nach  welchen  in  den 
Niederschlägen  in  Paris  das  jährliche  Mittel  an  ammoniakalischem  Stickstoff  pro 
Liter  Wasser  1'17  Milligrm.  beträgt.  Die  Ammoniakmenge  in  den  Meteorwässem 
nimmt  nach  der  kälteren  Jahreszeit  hin  zu,   nach  der  wärmeren  ab;  umgekehrt 


92  Handwörterbuch  der  Chemie. 

verhält  sich  der  Ammoniakgehalt  der  Atmosphäre,  wie  folgende  Zahlen  zeigen, 
welche  den  in  100  Cbm.  Luft  gefundenen  Ammoniakstickstoff  in  Milligrm-^Air 
die  Monate  des  Jahres  1879  angeben. 

Jan.         Febr.         März         April         Mai        Juni 
1-9         20  1-9         2-2         2-1        2-1 

Juli  Aug.         Sept.         Oct         Nov.        Dec. 

21  2-3  2-4         2-2  19        1-7 

1)  Salpetrige  Säure  und  Salpetersäure.  Die  Menge  der  salpetrigen 
Säure  in  der  Atmosphäre  ist  so  gering,  dass  sie  sich  der  Bestimmung  in  der 
Regel  entzieht.  Man  weist  sie  am  besten  in  den  atmosphärischen  Nieder- 
schlägen nach,  indem  man  die  in  der  Wasseranalyse  gebräuchlichen  Methoden 
anwendet. 

Da  die  salpetrige  Säure  innerhalb  der  Atmosphäre  sich  leicht  zu  Salpeter- 
säure oxydirt,  so  findet  man  diese  in  grösserer  Menge,  wenn  man  Luft  durch 
alkalisch  gemachtes  Wasser  streichen  lässt;  nach  Beobachtungen  in  Montsouris 
2  bis  6  Milligr.  Salpetersäure  in  100  Cbm.  Luft. 

m)  K  o  c  h  s  a  1  z.  Ausser  diesen  Gasen  findet  man  noch  Kochsalz  und  überhaupt 
die  im  Meerwasser  gelösten  Salze  in  der  Luft;  der  feine  Wasserstaub,  welcher 
durch  die  Bewegung  der  sich  tiberstürzenden  Meereswogen  in  die  Atmosphäre 
gelangt,  hinterlässt  beim  Verdunsten  salzhaltige  Sonnenstäubchen.  Deshalb  ist 
im  Spectrum  einer  BuNSEN-Flamme,  in  welcher  Staub  irgend  welcher  Natur  zum 
Glühen  kommt,  stets  die  Natriumlinie  sichtbar. 

n)  Borsäure  und  Salmiak  steigen  aus  der  Umgebung  mancher  Vulcane  in 
die  Atmosphäre.  Zeitweilig  gelangen  grosse  Mengen  vulkanischer  Asche  in 
dieselbe. 

o)  Jod.  Das  Vorkommen  des  Jods  in  der  Atmosphäre  ist  nicht  zweifellos 
festgestellt.  Jedenfalls  ist  seine  Menge  nur  äusserst  gering.  Chatin  (75)  giebt 
für  eine  Million  Gewthl.  Luft  0*4  Gewthle.  Jod  an.  Zu  einer  ähnlichen  Zahl 
kommt  Ankum  (76).     Andere  konnten  kein  Jod  nachweisen. 

p)  Organische  Stoffe  finden  sich  besonders  in  der  Luft  bewohnter  Räume. 
Dieselben  sind  theüs  flüchtig,  theils  als  Staub  vorhanden.  Meistens  enthalten  sie 
Stickstoff  nnd  gehören  wohl  allerlei  Uebergangsstufen  vom  Eiweiss  bis  zum  Am- 
moniak und  zur  salpetrigen  Säure  an.  Sie  wirken  redudrend  auf  Silbemitrat 
oder  Kaliumpermanganat  und  entwickeln  beim  Erhitzen  Ammoniak.  Man  kann 
das  Reductionsvermögen  bestimmen,  indem  man  eine  bestimmte  Luflmenge  durch 
eine  titrirte  Lösung  von  Kaliumpermanganat  streichen  lässt.  Leichter  ist  der 
Nachweis  und  die  Bestimmung  dieser  Stoffe  im  Regenwasser,  welches  mit  Cha- 
mäleonlösung titrirt  wird,  oder  aus  welchem  durch  Kochen  mit  Natronlauge  Am- 
moniak entwickelt  wird,  welches,  aus  den  Eiweissstoflen  stammend,  von  dem  in 
der  Luft  enthaltenen  Ammoniak  natürlich  unterschieden  werden  muss. 

A.  MüNTZ  hat  Alkohol  in  der  Atmosphäre  und  im  Erdboden  nachgewiesen. 
Alkohol,  als  eines  der  Zersetzungsprodukte  der  organischen  Substanzen,  bilde 
sich  sowohl  auf  der  Erdoberfläche  als  auch  im  Boden  und  in  der  Meerestiefe 
und  verbreite  sich  von  da  in  die  Atmosphäre  (77). 

q)  Atmosphärischer  Staub.  Die  von  der  Erdoberfläche  und  den  darauf 
befindlichen  Wesen  abgetrennten  Partikelchen  sind  theils  unorganischer,  theils 
organischer  Natur.  Unter  letzteren  sind  Keime  und  Sporen  der  niederen  Pflanzen 
und  Thiere  enthalten,  welche  die  Vorgänge  der  Gährung,  Fäulniss,  Ven^'esung 
erregen  können.  Sobald  man  diese  Theilchen  entfernt,  treten  diese  Processe  in 
leicht  zersetzlichen  Substanzen  wie  Urin,  Milch,  Fleischbrühe  nicht  mehr  ein. 


Atmosphäre.  93 

Zur  Untersnchung  auf  diese  suspendirten  Theilchen  sind  mehrere  Methoden  in  Anwendung 
gekommen. 

Pasteur  (78)  lässt  eine  grössere  Luftmenge  durch  ein  Glasrohr  streichen,  welches  an  einem 
Ende  mit  einem  Stopfen  von  CollodiumwoUe  verschlossen  ist  Bei  der  Auflösung  derselben  in 
Aether-Alkohol  bleiben  die  von  ihr  zurückgehaltenen  Theilchen,  für  die  mikroskopische  Analyse 
geeignet,  zurück. 

TvNDALL  lässt  einen  concentrirten  Lichtstrahl  durch  die  Luft  gehen,  deren  Staubtheilchen 
dann  erleuchtet  werden.  Wird  die  zu  prüfende  Luft  durch  Baumwolle  flltrirt  oder  werden  die 
organischen  Stäubchen  durch  Verbrennen  zerstört,  so  ist  in  dieser  Luft  der  Lichtstrahl  nicht 
wahrzunehmen.     Tyndall  (79)  nennt  dieselbe  dann  optisch  leer. 

Der  atmosphärische  Staub  wird  durch  den  Regen  herabgeftihrt  und  kann  in  demselben 
duTCli  das  Mikroskop  geprüft  werden.  Lemaire  hat  vorgeschlagen,  den  Wasserdampf  der  Luft 
als  Thau  an  den  Wänden  von  durch  Eis  gekühlten  Gefässen  niederzuschlagen  und  dadurch  auch 
das  Material  zur  Prüfung  auf  Staub  zu  gewinnen.  Auch  grosse  Überrieselte  Leinwanddächer  hat 
man  zur  Absorption  benutzt. 

Auf  Glasplättchen,   die  mit  Glycerin  oder  Chlorcalciumlösung  überzogen  sind,    klebt  der 

Staub   an.     Durch  Corobination  solcher  Plättchen  mit  einer  Ginsröhre,   die  mit  einem  Aspirator 

in  Verbindung  steht,   kann  man  bestimmte  Luftmengen  mit  denselben  in  Berührung  bringen. 

Solche  Aeroskope  werden  im  Observatorium  zu  Montsouris  benutzt  und  sind  von  Miquel  (80) 

,  näher  beschrieben  worden. 

Pasteur  hat,  um  gewisse  organisirte  Wesen,  Spaltpilze  u.  dergl.,  aus  dem  Luftstaub  zu 
sammeln,  grössere  Mengen  Luft  mit  den  für  diese  Pilze  geeigneten  Nährlösungen  zusammengebracht. 
Dies  Verfahren  ist  von  Ferd.  Cohn  (81)  weiter  ausgebildet  worden.  Auch  die  auf  Glycerin- 
plattcn  fixirten  Organismen  lassen  sich  zur  Cultur  in  Nährlösungen  weiter  verwenden. 

Bei  den  systematischen  Beobachtungen  zu  Montsouris  hat  man  im  Winter 
weit  weniger  Sporen  als  im  Frühling  und  Sommer  gefunden,  femer  hat  man 
dort  constatirt,  dass  jeder  Regen  von  längerer  Dauer  ein  starkes  Anwachsen  der 
Sporenmenge  hervorruft.  Im  Durchschnitt  der  warmen  Monate  fanden  sich 
28  Sporen  in  1  Liter  Luft,  nach  stärkerem  Regenfall  95  bis  120. 

Angus  Smith  hat  den  organischen,  in  der  Luft  enthaltenen  Stickstoff^  der 
wohl  zum  grössten  Theil  ein  Bestandtheil  dieser  Keimsporen  ist,  als  Ammoniak 
bestimmt  und  u.  a.  gefunden,  dass  1  Kilogrm.  Luft  enthält  an  organischem  Stick- 
stoff, als  Ammoniak  gerechnet,  in  London  0*62  Grm.,  in  Glasgow  024  Grm.; 
in  der  Nähe  eines  Misthaufens  0*30  Grm.  (82). 

Zur  Bestimmung  der  Staubmenge  der  Luft  liess  G.  Tissandier  (83)  ein  be- 
stimmtes Volumen  Luft  durch  destillirtes  Wasser  streichen,  dampfte  das  Wasser 
ab  und  wog  den  Rückstand.  1  Cbmeter  Luft  gab  in  Paris  im  Mittel  0'0075  Grm., 
nach  achttägiger  Trockenheit  00230,  nach  starkem  Regen  00060  Grm.  Der 
Staub  enthielt  27 — M^  verbrennliche  und  75 — 66^  mineralische  Substanzen, 
unter  diesen  Chloride  und  Sulfate  der  Alkalien  und  alkalischen  Erden,  Eisen- 
ozjd,  Erdcarbonate,  Spuren  von  Phosphaten  etc. 

Der  atmosphärische  unorganische  Staub  ist  nach  A.  v.  Lasaulx  (84)  nicht 
meteorischen,  wie  bisher  allgemein  angenommen  wurde,  sondern  irdischen  Ur- 
sprungs. Staub  von  den  Schneefeldern  des  skandinavischen  Nordens,  von  Grön- 
land, von  Catania,  von  Kiel  etc.  erwies  sich  immer  als  J:errestrischer  Detritus. 
Der  vorherrschende  Bestandtheil  war  Quarz,  vereinzelt  kamen  Feldspath,  Horn- 
blende, Glimmer  vor;  metallisches  Eisen  nur  in  verschwindenden  Spuren. 

Kuglige  mikroskopische  Kieselkömer  im  atmosphärischen  Staube  erklärt 
T.  L.  PHn>soN  (85)  flir  fossile  Diatomeen  und  ähnliche  Gebilde. 

9.  In  Wasser  gelöste  Luft.  Die  Bestandtheile  der  Atmosphäre  lösen  sich 
in  Wasser.    Alles  Wasser,  das  mit  der  Luft  in  Berührung  kommt,  das  des  Meeres, 


94  Handwörterbuch  der  Chemie. 

der  Flüsse,  Seen,  das  Regenwasser,  enthält  die  Gase  derselben  in  einem  der  Lös- 
lichkeit dieser  Gase  und  ihren  relativen  Mengen  entsprechenden  Verhältniss  auf- 
gelöst. 

Durch  Kochen  wird  die  in  Wasser  gelöste  Luft  vollständig  ausgetrieben. 
Diese  Luft  enthält  in  Folge  der  grösseren  Löslichkeit  des  Sauerstoffe  von  diesem 
Gase  mehr  als  vom  Stickstoff.  Humboldt  und  Gay-Lussac  haben  in  der  von 
destillirtem  Wasser  absorbirten  Luft  32-8  Vol.J  Sauerstoff  gefunden.  Noch  ver- 
hältnissmässig  stärker  wird  die  Kohlensäure  absorbirt.  ^  Der  Gehalt  von  in  Wasser 
gelöst  gewesener  Luft  an  derselben  beträgt  2  bis  4  Vol.^.  .  Morren  fand  in  der 
von  süssem  Wasser  absorbirten  Luft  32  Vol.^  Sauerstoff  auf  2  bis  4  Vol.^  Kohlen- 
säure; im  Meerwasser  33  Vol.  Sauerstoff  auf  9  bis  10  Vol.  Kohlensäure.  Lampadius 
fand  in  der  Luft  des  Schneewassers  30  Vol.  Sauerstoff,  1  Vol.  Kohlensäure  und 
69  Vol.  Stickstoff;  Saussure  und  Boussingault  32  Vol.^  Sauerstoff.  Bischof 
hat  gefunden,  dass  die  aus  den  Eislöchern  der  Gletscher  sich  entwickelnde  Luft 
nur  10*2  Vol.  Sauerstoff  enthält;  H.  v.  Schlagintweit  hat  aus  der  Luft,  welche 
sich  beim  Abfliessen  des  Wassers  aus  den  Gletschern  sogleich  entwickelt, 
16*4  Sauerstoff  auf  83*6  Stickstoff  gefunden;  die  durch  Kochen  aus  Gletscherwasser 
ausgetriebene  Luft  enthielt  aber  29  Vol.  Sauerstoff  und  71  Stickstoff  (86). 

10.  Vom  Erdboden  absorbirte  Luft.  Die  Menge  der  von  einem  porösen  * 
Körper  absorbirten  Luft  ändert  sich  nach  der  Beschaffenheit  des  absorbirenden 
Körpers;  unter  Umständen  findet  hierbei  auch  eine  chemische  Einwirkung  statt. 
Letzteres  ist  im  Erdboden  der  Fall.  Nach  den  Untersuchungen  von  Boussingault 
und  Lewy  (87)  ändert  sich  die  Zusammensetzung  der  Luft  in  Ackerboden,  der 
reich  an  organischen  Bestandtheilen  ist,  sehr  rasch  und  damit  auch  die  Menge 
der  absorbirten  Luft.  Der  Sauerstoffgehalt  nimmt  ab,  die  Menge  der  Kohlen- 
säure nimmt  zu.  Letztere  hat  sich  durch  Verbrennung  und  Verwesung  der  Humus- 
Bestandtheile  des  Bodens  auf  Kosten  des  Sauerstoffs  der  absorbirten  Luft  gebildet. 

11.  Einfluss  der  Atmosphäre  auf  die  anorganische  Natur.  Die  ganze 
Entwicklungsgeschichte  der  Erde  wird  und  ist  aufs  höchste  von  der  Atmosphäre 
beeinflusst  worden.  Die  Einwirkungen  derselben  sind  mechanischer,  physikalischer 
und  chemischer  Natur. 

In  Folge  ihres  Druckes  auf  die  Wasserhülle  des  Erdkörpers  wird  die  Ver- 
dunstung derselben  und  damit  die  Wolkenbildung  regulirt.  Der  Druck  auf  die 
Erdoberfläche  wirkt  in  demselben  Sinne  wie  die  Erdanziehung  und  hält  die  Theile 
des  Erdkörpers  zusammen. 

Durch  die  Luftströmungen  wird  der  Ocean  in  beständiger  Bewegung  er- 
halten, und  diese  Bewegung  der  Meere  wirkt  geologisch  verändernd,  durch  Zer- 
stören und  Absetzen,  auf  das  Festland.  Auch  die  festen  Theile  des  Erdkörpers 
werden  durch  die  Luftströme  in  Bewegung  gesetzt  und  veranlassen  die  Bildung 
von  Dünen,  Sandbänken,  Sandwüsten  u.  s.  w.;  die  Asche  der  Vulkane  wird 
Hunderte  von  Meilen  über  Land  und  Meer  getrieben. 

Die  Löslichkeit  der  Bestandtheile  der  Atmosphäre  in  Wasser  ist  die  Be- 
dingung für  eine  gewaltige  Meeresfauna  und  -flora. 

Die  chemischen  Wirkungen  auf  die  Masse  des  Erdkörpers  sind  noch 
mannigfaltiger  und  grösser.  Vor  Allem  ist  es  der  Sauerstoff  (Ozon),  welcher 
durch  oxydirende  Thätigkeit  Mineralien  zerstört  und  neue  Bildungen  hervorbringt. 
Eisen-  und  Manganoxydul  z.  B.  werden  in  Oxyde  verwandelt;  damit  verbunden 
gewesene  Kohlensäure  und  Kieselsäure  können  neue  Mineralien  bilden.  Die 
zahlreich  verbreiteten  Schwefelmetalle  werden  in  Sulfate  umgewandelt,  und  da- 


Atmosphäre.  --95 

durch  werden  neue  Umwandlungen  hervorgerufen.  Die  Umwandlungen  von  kohlen- 
saurem Kalk  in  Gyps,  von  Feldspath  in  Alaun  etc.  beruhen  auf  der  Oxydation 
von  Schwefelkiesen.  Auch  die  sauren  Humuskörper,  welche  durch  die  Oxydation 
absterbender  Organismen  sich  bilden,  bringen  mineralogische  Umwandlungen 
hervor. 

Der  Stickstoff  wird  als  Ammoniak,  salpetrige  und  Salpetersäure  dem  Boden 
zugeführt  Unter  dem  Einfiuss  verwesender  Organismen  bei  Gegenwart  von 
Alkalien  und  Erdalkalien  werden  salpetersaure  Salze  erzeugt. 

Die  Kohlensäure  im  Verein  mit  Wasser  bildet  Carbonate,  zersetzt  Silicate, 
besonders  kalkhaltige;  weniger  energisch  alkalireiche,  noch  weniger  Magnesia 
und  Eisenoxydul-haltige  Silicate. 

Von  grösster  Wichtigkeit  ist  es,  dass  mit  Kohlensäure  beladenes  Wasser 
Mineralien  aufzulösen  vermag,  welche  in  reinem  Wasser  unlöslich  sind,  ohne  dass 
deren  chemische  Zusammensetzung  geändert  wird.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall  mit 
den  Carbonaten  und  Phosphaten  der  alkalischen  Erden,  dem  Fluorcalcium  und 
der  aus  Silicaten  frei  werdenden  Kieselsäure.  Bei  Verdunstung  des  Lösungs- 
mittels setzen  diese  Mineralstoffe  sich  dann  wieder  ab.  Der  Kaolin  und  die 
zahlreichen  verschiedenen  Thonarten  verdanken  ihre  Bildung  dieser  auf  Feldspath- 
gesteine  ausgeübten  lösenden  Wirkung. 

Alle  die  mechanischen  und  chemischen  Zersetzungen  der  Gesteinsmassen,  die 
man  als  Verwitterung  bezeichnet,  sind  die  Resultate  der  Einwirkung  des  atmos- 
phärischen Sauerstoffs,  der  Kohlensäure  und  des  Wassers.  Die  Verwitterungs- 
produkte aber,  die  erdigen  Massen,  bilden  die  wesentliche  Bedingung  alles  or- 
ganischen Lebens.  Nur  in  ihnen  kann  das  Pflanzenleben  und  also  auch  nur 
durch  sie  das  Thierleben  bestehen.  Femer  geben  sie  das  Material  zur  Bildung 
neuer  geologischer  Massen,  der  Sandsteine,  Conglomerate,  Schieferthone  u.  s.  w. 

Das  atmosphärische  Wasser  ist  das  Vehikel  für  den  Sauerstoff  und  die 
Kohlensäure,  ohne  welches  diese  Agentien  nicht  die  gewaltigen  Wirkungen  auf 
die  feste  Erdrinde  ausüben  könnten.  Das  Wasser  lockert  femer  die  Gesteins- 
massen auf,  besonders  in  Folge  seiner  Ausdehnung  beim  Gefrieren,  es  wirkt  als 
Lösungsmittel  und  als  Transportmittel,  indem  es  die  mineralischen  Zersetzungs- 
produkte von  ihrem  Entstehungsorte  wegführt  und  an  anderen  Stellen  absetzt. 
Als  Regen  wirkt  das  Wasser  mechanisch  verändernd  auf  die  Erdoberfläche  ein 
und  veranlasst  die  Entstehung  von  Quellen  und  Flüssen.  Der  Aufenthalt  des 
Wassers  in  der  Atmosphäre  ist  ein  Glied  in  dem  das  Leben  bedingenden  Kreis- 
lauf desselben  (88). 

12.  Einfluss  der  Luft  auf  die  organische  Natur.  Wie  die  Beschaffenheit 
der  unorganischen  Natur  von  der  Atmosphäre  beeinflusst  wird,  so  ist  diese  auch 
für  die  lebenden  Organismen  von  fundamentaler  Wichtigkeit.  Ohne  die  be- 
ständige chemische  Wechselwirkung  zwischen  der  Atmosphäre  einerseits  und  dem 
Pflanzen-  und  Thierreich  andererseits  würde  kein  Leben  auf  der  Erde  vor- 
handen sein. 

Der  Sauerstoff  der  Luft  verursacht  alle  lebhaften  und  langsamen  Ver- 
brennungen. Letzterer  Klasse  von  Erscheinungen  gehört  auch  der  Respirations- 
prozess  der  Thiere  an.  Ein  Vergleich  der  atmosphärischen  Luft  mit  der  Zusammen- 
setzung der  vom  Menschen  ausgeathmeten  Luft  und  der  Blutgase  zeigt  die 
Wirkung  der  Athmung.  In  der  nachstehenden  Tabelle  ist  von  dem  veränderlichen 
Wassergehalt  abgesehen. 


96 


Handwörterbuch  der  Giemie. 


In  100  Volumtheilen. 

Atmosphärische 
Luft. 

Ausathmungs- 
Luft. 

Blutgase. 

Sauerstoff  .... 
Stickstoff    .... 
Kohlensäure    .     .     . 

20-81 

7915 

0-04 

16-003 

79-557 

4-380 

3808 

3-09 
58-83 

Die  ausgeathmete  Luft  enthält  demnach  um  \  weniger  Sauerstoff  als  die 
eingeathmete  Luft;  der  Kohlensäuregehalt  ist  aber  um  100 mal  grösser.  In  den 
Blutgasen  ist  das  Verhältniss  des  Sauerstoffs  zur  Kohlensäure  ein  ziemlich  ver- 
änderliches. Der  Wassergehalt  der  ausgeathmeten  Luft  ist  bedeutender  als  jener 
der  eingeathmeten,  wohl  eine  Folge  der  Temperaturerhöhung,  die  sie  in  den 
Lungen  erfährt.  Deshalb  erscheint  auch  das  Volumen  der  Expirationsluft  vermehrt. 
Der  Sauerstoff  wird  von  dem  Blute  nicht  allein  einfach  absorbirt,  sondern  zum 
grössten  Theil  chemisch  gebunden  (89).  Schon  Berzelius  beobachtete,  dass 
Blutserum  sehr  wenig  Sauerstoff  absorbirt,  während  bei  Gegenwart  von  Blut- 
körperchen eine  beträchtliche  Absorption  stattfindet.  Es  ist  das  Hämoglobin,  der 
färbende  Bestandtheil  der  rothen  Blutkörperchen,  welches  mit  dem  Sauerstoff 
eine  lockere  chemische  Verbindung  eingeht  (Oxyhämoglobin),  die  denselben 
wahrscheinlich  in  ozonisirtem  Zustande  für  die  Oxydationsprozesse  wieder  abgiebt. 

Im  Wesentlichen  gelangt  der  Sauerstoff  durch  die  Lungen  in  den  Organismus ; 
aber  auch  von  der  Haut  werden  geringe  Mengen  aufgenommen  (Hautrespiration). 

Ein  grosser  Theil  des  Sauerstoffs  wird  zur  Bildung  zahlreicher  chemischer 
Verbindungen  verbraucht,  deren  sauerstoflfreichste  Glieder  der  regressiven  StofF- 
metamorphose  angehören  und  deren  Endprodukte  als  Kohlensäure  und  Wasser 
den  Körper  verlassen.  Durch  diese  langsamen  Verbrennungen  wird  auch  die 
thierische  Wärme,  die  von  der  Aussenwelt  unabhängige  Körpertemperatur,  her- 
vorgebracht. Die  Oxydationsprodukte  entstehen  im  Thierkörper  bei  einer 
Temperatur,  welche  ausserhalb  des  Organismus  ihre  Bildung  nicht  einzuleiten  ver- 
mag. Wohl  kann  dies  aber  durch  Ozon  geschehen,  und  daher  ist  es  wahrschein- 
lich, dass  der  Sauerstoff  auch  im  Organismus  ozonisirt  ist  (90). 

Die  Sauerstoffaufnahme,  ein  wesentlich  chemischer  Vorgang,  ist  unabhängig  vom  Drucke. 
Deshalb  wird  der  Respirationsprozess  nicht  beeinträchtigt,  wenn  der  Sauerstoff  der  eingeathmeten 
Luft  um  das  zwei-  bis  dreifache  vermehrt  wird  (Regnault  und  Reiset)  (91).  Auch  eine  Ver- 
minderung des  Sauerstoffgehalts  der  Luft  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  ist  ohne  Einfluss,  voraus- 
gesetzt, dass  der  Kohlensäuregehalt  der  Luft  nicht  zu  bedeutend  ist.  Die  Thatsache,  dass  der 
Sauerstoff  nicht  durch  einfache  Absorption  in  das  Blut  aufgenommen  wird,  sondern  als  chemische 
Verbindung  darin  enthalten  ist,  ist  von  grosser  physiologischer  Bedeutung.  Sie  erklärt,  dass  der 
Respirationsprozess  in  grossen  Höhen  so  gut  me  an  der  Meeresfläche  vor  sich  geht,  dass  der 
amerikanische  Condor  seinen  Aufenthalt  im  Hochgebirge  der  Anden  fast  plötzlich  mit  dem  an 
der  Meeresfläche,  einen  Druck  von  einer  halben  mit  dem  von  einer  ganzen  Atmosphäre  zu  ver- 
tauschen vermag  (Gorup-Besanez). 

Ein  erwachsener  Mensch  verbraucht  zum  Athmen  in  24  Stunden  in  der 
Ruhe  708'9  Grm.  Sauerstoff  und  producirt  911*5  Grm.  Kohlensäure  oder  500  Liter 
Sauerstoff  auf  465  Liter  Kohlensäure;  beim  Arbeiten  verbraucht  er  954-5  Grm, 
Sauerstoff  und  producirt  1284*2  Grm.  Kohlensäure,  also  nahezu  670  Liter  Sauer- 
stoff auf  652  Liter  Kohlensäure  (Pettenkofer  u.  Voit)  (92).  Bei  Nacht  ist  die 
Sauerstoffaufnahme  grösser  als  bei  Tage,  und  tagsüber  die  Kohlensäureausscheidung 
stärker  als  Nachts.  Verhältnissmässige  Mengen  Sauerstoff  werden  durch  die 
Respiration  der  Thiere  verbraucht,  wiederum  enorme  Mengen  dienen  zur  Ver- 
wesung und  lebhaften  Verbrennung  organischer  Substanzen.    So  verzehrt  1  Kgnn. 


Atmosphäre.  97 

Holz  bei  der  Verbrennung  ungefähr  1  Kgrm.  oder  700  Liter  Sauerstoff  und 
liefert  dafür  700  Liter  Kohlensäure;  1  Kgrm.  Steinkohle  verbraucht  etwa  2*4  Kgrm. 
Sauerstoff  (1650  Liter)  und  liefert  1400  Liter  Kohlensäure;  1  Kgrm.  Oel,  Talg  u.  s.  w. 
3  Kgrm.  Sauerstoff  (2100  Liter)  unter  Erzeugung  von  1500  Liter  Kohlensäure. 
Wenn  wir  dazu  noch  den  Verbrauch  an  Sauerstoff  in  der  unorganischen  Natur 
rechnen,  so  wird  die  Frage  angeregt,  ob  bei  diesem  enormen  Verbrauch  an 
Sauerstoff  die  Atmosphäre  an  dieser  Lebenslufl  im  Laufe  der  Zeit  so  arm  werden 
kann,  dass  Menschen  und  Thiere  nicht  mehr  zu  existiren  vermögen. 

Nun  ist  freilich  die  Menge  Sauerstoff  in  der  Atmosphäre  ungeheuer  gross  (vergl. 
pag.  65).  Wenn  ein  erwachsener  Mensch  täglich  580  Liter  Sauerstoff  verbraucht,  so 
macht  dies  im  Jahre  212  Cbmeter;  die  gesammte  Menschheit,  zu  1000  Millionen 
veranschlagt,  verbraucht  also  212000000000  Cbmeter.  Es  ist  dies  ssoboo  ^^s 
Sauerstoffgehalts  der  Atmosphäre.  Rechnen  wir  für  den  übrigen  Verbrauch  an 
Sauerstoff  das  Neunfache  von  dem,  was  die  Menschen  verzehren,  so  vermindert 
sich  der  Sauerstoffgehalt  der  Lufl  jährlich  um  ^^-öVöit»  ^^  ^^^  Jahren  um  y|^. 
Nun  ist  Y^  des  Sauerstoffvolumens  der  Luft  gleichbedeutend  mit  ^  des 
Volumens  der  Luft.  Erst  in  1800  Jahren  würde  sich  also  eine  Verminderung 
des  Sauerstoffgehalts  der  Lufl  um  0*1  Vol.^  zeigen.  Diese  Differenz  würde  aber 
durchaus  Iceinen  Einfluss  auf  das  Leben  der  Organismen  haben. 

Dumas  macht  diese  Verhältnisse  sehr  anscliaulich  (93),  wenn  er  sagt,  das  Gewicht  der 
Atmosphäre  ist  gleich  dem  Gewicht  von  581000  Würfeln  aus  Kupfer,  deren  Seiten  1  Kilometer 
lang  sind.  Der  Sauerstoff  darin  wiegt  so  viel  wie  134000  solcher  WUrfeL  Von  dieser  Zahl 
wird  nach  seinen  Berechnungen  im  Laufe  von  100  Jahren  durch  Thiere  und  Verbrennungen  eine 
Menge,  Sauerstoff  consumirt,  welche  15—16  solcher  KupferwUrfel  von  1  Kilometer  Seiten^ge 
ent^richt.  Erst  nach  10000  Jahren  würde  die  chemische  Analyse  eine  Verminderung  des 
atmosphärischen  Sauerstoffs  entdecken  können. 

Eine  Abnahme  des  Sauerstoffgehalts  der  Atmosphäre  durch  Oxydation  der 
organischen  Körper  bedingt  eine  Zunahme  des  Kohlensäuregehalts.  Für  jedes 
Volumen  Sauerstoff,  welches  zur  Oxydation  von  Kohlenstoff  verwendet  wird,  ge- 
langt ein  gleiches  Volumen  Kohlensäure  in  die  Atmosphäre.  Femer  dringt  eine 
gewaltige  Menge  Kohlensäure  in  vulkanischen  Emanationen  in  die  Luft.  Da  eine 
Luft  mit  hohem  Kohlensäuregehalt  tödtlich  ist,  könnte  man  sich  vorstellen,  dass 
eine  Zeit  kommen  müsste,  in  welcher  das  thierische  Leben  zu  Grunde  ginge,'  nicht 
sowohl  aus  Mangel  an  Sauerstoff,  als  wegen  der  Zunahme  der  Kohlensäure  in 
der  Atmosphäre. 

Die  Besorgniss,  dass  ein  solcher  Zustand,  wenn  auch  in  fernen  Zeiten,  ein- 
mal eintreten  könne,  wird  beseitigt  durch  das  grosse  Naturgesetz  der  Wechsel- 
wirkung zwischen  Pflanzen  und  Thierwelt.  Wie  die  letztere  des  Sauerstoffs 
bedarf,  um  die  Oxydationsvorgänge  des  Lebens  auszuführen,  so  hat  die 
vegetabilische  Natur  Kohlensäure  nöthig,  um  die  Reductionsprozesse  auszu- 
führen, welche  zum  Aufbau  des  Pflanzenleibes  nöthig  sind  und  das  pflanzliche 
Leben  bedingen. 

Diese  desoxydirende  Kraft,  welche  die  starke  Verwandtschaft  zwischen 
Kohlenstoff  und  Sauerstoff  bricht,  wird  von  der  grünen  Pflanzenzelle  ausgeübt 
und  kommt  nur  unter  dem  Einflüsse  des  Sonnenlichtes  zur  Wirkung.  Die 
atmosphärische  Kohlensäure  wird  im  Organismus  der  Pflanze  in  sauerstofiärmere 
Kohlenstoffverbindungen  verwandelt,  in  Cellulose,  Stärkemehl,  Zucker,  Fett,  Oel, 
Kleber,  Albumin,  und  der  abgeschiedene  Sauerstoff  wird  ausgeathmet.  Die  Be- 
standtheile  der  Pflanze  werden  zu  Bestandtheilen  des  Thieres,  der  Kohlenstoff 

Ladenburc,  Chemie.    11.  7 


98  Handwörterbuch  der  Chemie. 

jener  geht  in  das  Fleisch  und  Blut  dieser  über  und  wird  hier  durch  den  ein- 
geathmeten  Sauerstoff  wieder  verbrannt  zu  Kohlensäure.  Während  in  der  Pflanze 
ein  Aufbau  von  complicirten  aus  einfachen  Stoffen  stattfindet,  werden  diese 
compicirten  Verbindungen  im  Thierkörper  wieder  in  jene  einfacheren  zurück- 
verwandelt. Die  Mineralstoffe,  welche  die  Pflanze  aus  dem  Boden  aufgenommen 
hat,  werden  nach  ihrem  Uebergang  in  den  Thierleib  von  diesem  dem  Boden 
wiedergegeben.  So  bewirkt  dieser  Zusammenhang  des  Thier-  und  Pflanzenreiches, 
dass  das  organische  Leben  einen  in  sich  geschlossenen  Kreislauf  des  Stoffes  bildet. 

Die  chlorophyllhaltige  Pflanzenzelle  gebraucht  zu  ihren  chemischen  Synthesen  Kräfte,  die 
sie  als  Licht  und  Wärme  von  der  Sonne  bezieht,  der  Thierzelle  wird  von  aussen  durch  Ver- 
mittelung  des  Hämoglobins  Sauerstoff  geliefert,  und  durch  die  Oxydationen  werden  die  von  der 
Pflanze  in  der  oiganischen  Substanz  aufgespeicherten  Kräfte  wieder  frei,  die  sich  vor  allem  als 
mechanische  Bewegung  und  thierische  Wärme  äussern. 

Die  Reductionsprodukte  der  Kohlensäure  finden  im  Leben  der  Pflanze  mannigfache  Ver- 
wendung; sie  dienen  zum  Aufbau  des  Leibes  und  zur  Reproduction  der  Art.  Dabei  findet 
nicht  nur  eine  Bildung  höherer  organischer  Verbindungen  statt,  sondern  auch  die  RUckver- 
wandlung  eines  Theiles  der  organischen  Substanz  zu  Kohlensäure.  Man  unterscheidet  deshalb 
nach  Sachs  die  Assimilation  von  dem  Stoffwechsel  (s.  Art.  Assimilation). 

Die  Assimilationsprodukte  nun  erfahren  im  pflanzlichen  Organismus  noch  mannigfache 
chemische  Umwandlungen,  die  nicht  mit  einer  Abscheidung  von  Sauerstoff,  sondern  mit  einer 
Aufnahme  desselben  und  Abscheidung  von  Kohlensäure  verbunden  sind.  Diese  Vorgänge  des 
Stoffwechsels  sind  unabhängig  von  der  Einwirkung  des  Lichts  und  dem  Vorhandensein  des 
Chlorophylls.  Sie  werden  durch  einen  Athmungsprocess  bedingt,  der  wie  bei  den  Thieren  in 
Sauerstoffaufnahme  und  Kohlensäureabgabe  besteht.  Doch  ist  diese  Art  Athmung  eine  nur  ge- 
ringe und  wird  von  der  die  Assimilation  bedingenden  vegetativen  Athmung  der  grünen  Pflanzen- 
organe im  Licht  weit  Ubertroffen.  Die  ausgeathmete  Kohlensäure  ist  nicht,  wie  beim  Thier, 
nutzlos,  sondern  dient  sofort  der  Pflanze  als  Nahrungsmittel,  sobald  sie  vom  Licht  getroffen  wird. 
Bei  Mangel  an  Licht,  zur  Nachtzeit,  ist  aber  die  Stoffwechsel-Athmung  überwiegend,  Kohlen- 
säure wird  ausgeschieden.  Dasselbe  findet  statt  bei  den  chlorophyllfreien  Kiyptogamen,  die  wie 
die  thierischen  Organismen  nicht  assimiliren,  sondern  bereits  organisirte  Stoffe  in  sich  aufiiehmen 
und  durch  deren  Zersetzung  Kohlensäure  producircn. 

Die  Haupdebenserscheinung  der  chlorophyllhaltigen  Pflanzenzelle,  die  Assi- 
nnilation,  ist  an  eine  Einnahme  von  Kohlensäure  und  Ausgabe  von  Sauerstoff 
geknüpft,  die  Hauptlebenserscheinung  der  Thierzelle  an  eine  Einnahme  von 
Sauerstoff  und  Ausgabe  von  Kohlensäure.  Um  die  700 — 1000  Grm.  Sauerstoff 
der  Luft  zurückzugeben,  welche  ein  Mensch  täglich  zur  Athmung  verbraucht, 
muss  durch  die  Pflanzenvegetation  16 — 20  Kgrm.  Cellulose  aus  Kohlensäure  und 
Wasser  gebildet  werden  (95).  In  diesen  Kreislauf  der  Kohlensäure  werden  auch 
die  verkohlten  Organismen  längst  vergangener  Schöpfungsperioden  hineingezogen. 
Aus  den  Verbrennungsprodukten  der  Steinkohle  erzeugen  die  Pflanzen  wiederum 
neue  organische  Materie. 

Bei  diesem  Kreislauf  des  Kohlenstoffs  durch  Pflanzen-  und  Thierreich  könnte  man  annehmen, 
dass  eine  gegebene  Menge  Kohlensäure  fUr  unendliche  Zeit  dem  Bedttrfhiss  der  organischen  Welt 
genüge,  besonders,  wenn  man  die  auf  pag.  84  erwähnten  regulirenden  Wirkungen  der  Lutt- 
strömungen und  vor  allem  des  Meeres  in  Betracht  zieht  Es  werden  aber  factisch  grosse 
Mengen  von  Kohlensäure  dem  Kreislauf  entzogen,  namentlich  durch  zwei  Vorgänge.  Beim  Ver- 
wittern der  Gesteine  entstehen  kohlensaure  Salze,  deren  Säure  der  Atmosphäre  entstammt  und 
nicht  dahin  zurückgelangt;  ferner  erleiden  grosse  Mengen  organischer  Stoffe  eine  Mineralisinmg 
in  den  Torf-,  Braunkohlen-,  Steinkohlen-  und  Anthracitlagem.  Dazu  kommt  drittens,  dass  be- 
sonders seitdem  der  intelligente  Mensch  die  Naturkräfte  sich  dienstbar  gemacht  hat,  eine  fort- 
währende Zunahme  der  Organismen  auf  der  Erde  stattfindet  Der  das  Dasein  der  Pflanzen, 
Thiere  und  Menschen  bedingende  Kohlenstoff  entstammt  der  Kohlensäure  der  Atmosphäre.     Es 


Atmosphäre.  99 

jnoss  also  mit  der  Vennehrung  der  Organismen  und  aus  den  obigen  Gründen  die  Menge  der- 
selben allmählich  so  Teiringert  werden,  dass  sie  zur  ferneren  Entwickelung  der  Pflanzenwelt  nicht 
mehr  ausreicht.  Nun  wird  zwar  der  Atmosphäre  ein  Ersatz  gegeben  durch  Verbrennung  der 
Stein-  und  Braunkohlen,  deren  Kohlenstoff  in  früheren  geologischen  Epochen  als  Kohlensäure 
einen  Bestandtheil  der  Atmosphäre  ausmachte,  und  somit  werden  diese  längst  begrabenen  Vege- 
tationen eine  Quelle  neuen  Lebens  für  Pflanzen,  Thiere  und  Menschen.  Die  auf  diese  Weise 
durch  menschliches  Thun  in  die  Atmosphäre  gelangten  Kohlensäuremengen  genügen  aber  nicht, 
die  durch  die  genannten  Ursachen  bewirkten  Verluste  zu  decken.  Welche  Kohlensäurequelle 
fliesst  noch  für  die  Atmosphäre? 

Die  von  Stekry  Hunt  (96)  geäusserte  Ansicht,  dass  unsere  Atmosphäre  den  ganzen  Weltraum 
crfÜUe  und  sich  um  die  Anziehungscentren  verdichte,  und  dass  durch  Diffusion  die  auf  der  Erd- 
oberfläche verbrauchte  Kohlensäure  wieder  ersetzt  werde,  ist  aus  mehreren  Gründen  haltlos. 
Stanislas  Meunier  (97)  schreibt  den  Ersatz  der  aus  obigen  Ursachen  der  Atmosphäre  ent- 
nommenen Kohlensäure  der  vulkanischen  Thätigkeit  des  Planeten  zu,  insofern  als  aus  Erdspalten 
Kohlensäure  gasförmig  und  in  Wasser  gelöst  (in  Säuerlingen)  fortwährend  in  die  Atmosphäre 
entweicht  Diese  Kohlensäure  wird  nach  Meunier  aus  dem  im  Erdinnem  in  grossen  Mengen 
enthaltenen  kohlereichen  Roheisen  durch  Wasser  entwickelt  Wie  an  dem  Meteoritenfund  von 
Ovyfak  gezeigt  worden  ist,  entwickelt  solches  Eisen  bei  Behandlung  mit  Säuren,  ja  mit  heissem 
Wasser  (CLOez),  Kohlenwasserstoffe,  welche  nach  ihrer  Verbrennung  die  dem  Erdinnem  ent- 
qiiiUende  Kohlensäure  liefern. 

Nachdem  wir  gesehen  haben,  dass  die  Constanz  in  den  Mengenverhältnissen 
des  Sauerstoffs  und  der  Kohlensäure  in  der  Atmosphäre,  hauptsächlich  dank 
der  sich  ergänzenden  Thätigkeit  des  Pflanzen-  und  Thierreiches  gesichert  ist, 
bleibt  noch  zu  untersuchen,  wie  sich  in  dieser  Beziehung  Stickstoff  und 
Ammoniak  verhalten.  Die  Bildungen  von  Ammoniak  und  Salpetersäure  auf 
Kosten  des  atmosphärischen  Stickstoffs  kommen  neben  der  ungeheuren  Menge 
dieses  Gases  gar  nicht  in  Betracht  Der  Stickstoff  im  Pflanzen-  und  Thierreich 
ist  nun  nicht  dem  atmosphärischen  Stickstoff  entnommen,  sondern  entstammt  dem 
Ammoniak  imd  der  Salpetersäure.  Dieser  Satz  ist  zuerst  von  Liebig  (98)  aufgestellt 
und  durch  Boussingault,  Lawes  und  Gilbert  u.  A.  bestätigt  worden.  Das 
Ammoniak  und  die  Salpetersäure  werden  dem  Erdboden  und  damit  der  Vege- 
tation durch  die  atmosphärischen  Niederschläge  zugeführt.  Nach  Bestimmungen 
von  Lawes  und  Gilbert  in  Rothamsted  empfängt  1  Hektar  Land  im  Mittel 
jährlich  806  Kgrm.  Stickstoff  und  zwar  7*23  Kgrm.  als  Ammoniak,  0*83  Kgrm. 
als  Salpetersäure  (99).  Hiermit  stimmen  Boussingault's  Angaben  und  die  in 
Dahme,  Regenwalde  und  andern  deutschen  Versuchsstationen  gemachten  Be- 
stimmungen ziemlich  überein.  Wie  viel  von  diesem  Stickstoff  der  Vegetation 
nutzbar  gemacht  wird,  ist  nicht  mit  Sicherheit  anzugeben.  Der  Hauptmenge 
nach  werden  Ammoniak  und  Salpetersäure  der  Pflanze  durch  die  Wurzeln  in 
gelöstem  Zustande  zugeführt  und  nur  in  geringem  Maasse  direkt  aus  der  Luft 
Die  assimilirende  Thätigkeit  der  Pflanze  führt  den  Stickstoff  in  complicirte  orga- 
nische Verbindungen,  die  Eiweisskörper,  über.  Diese  bilden  das  wichtigste 
Nahrungsmittel  für  das  Thier,  in  dessen  Körper  sie  diurch  die  regressive  Stofi"- 
metamorphose  zu  einlachen  Stoflen,  namentlich  Hamstofl*,  oxydirt  werden. 
Letzterer  wird  an  der  Luft  zu  kohlensaurem  Ammoniak;  Ammoniak  (und  dessen 
Oxydationsprodukt  Salpetersäure)  ist  auch  das  Endglied,  in  welches  die  stickstoff- 
haltigen Bestandtheile  der  Organismen  durch  den  Process  der  Verwesung  über- 
gehen. Wir  sehen  also,  dass  der  Stickstoff  in  der  Form  von  Ammoniak  einen 
ähnlichen  Kreislauf  durch  Atmosphäre,  Pflanzen-  und  Thierwelt  macht,  wie  er 
von  dem  Sauerstoff  und  von  dem  Kohlenstoff*  der  Kohlensäure  durchlaufen  wird. 

13.    Zusammensetzung  der  Atmosphäre  in  früheren  geologischen 

7* 


loo  Handwörterbuch  der  Qiemie. 

Zeiträumen.  Wenn  nun  auch,  wie  wir  gesehen  haben,  der  Kreislauf  des  Sauer- 
stoffs, Kohlenstoffs  und  Stickstoffs  bedingt,  dass  die  Bestandtheile  der  Atmosphäre 
für  absehbare  Zeiten  in  ihrem  jetzigen  Gleichgewicht  sich  nicht  ändern  werden, 
so  muss  die  Zusammensetzung  der  Atmosphäre  in  früheren  geologischen  Epochen 
doch  ein  andere  gewesen  sein  wie  gegenwärtig. 

Da  die  Menge  Stickstoff  im  Mineralreich  und  als  Bestandtheil  der  organischen 
Körper  gegenüber  der  ungeheuren  Menge  Stickstoff  in  der  Atmosphäre  ver- 
schwindend klein  ist,  so  muss  der  absolute  Stickstoffgehalt  der  letzteren  im  Laufe 
der  Zeiten  annähernd  derselbe  geblieben  sein.  Anders  verhält  es  sich  in  Bezug 
auf  Sauerstoff,  Wasser  und  Kohlensäure. 

Zu  einer  Zeit,  in  der  die  Erde  in  gasförmigem  und  später  in  feurig  flüssigem 
Zustande  war,  konnten  die  Oxyde  des  Wasserstoffs,  Siliciums,  Calciums  u.  s.  w. 
nicht  existiren.  Erst  mit  fortschreitender  Wärmeaustrahlung  konnten  dieselben 
sich  bilden  und  eine  feste  Erdrinde  formen.  Die  grossen  Wasserstoff-  und  Sauer- 
stofißnengen  konnten  bei  sinkender  Temperatur  sich  zu  Wasser  vereinigen,  und 
dies  musste  Erscheinungen  hervorrufen,  wie  wir  sie  heute  als  Protuberanzen  an 
der  Oberfläche  der  Sonne  beobachten.  Denn  diese  sind  wahrscheinlich  durch 
die  chemische  Vereinigung  von  Wasserstoff  und  Sauerstoff  in  solchen  Höhen  der 
Sonnenatmosphäre  hervorgerufen,  wo  niedrigere  Hitzegrade  herrschen  als  auf  dem 
glühenden  Sonnenkörper  selbst. 

Die  Kohlensäure  der  Carbonate  des  Calciums  und  Magnesiums,  welche  ganze 
Gebirgsmassen  auf  der  Erde  bilden,  wird  schon  bei  schwacher  Glühhitze  ausge- 
trieben. Diese  Menge,  die  mindestens  das  200  fache  der  jetzt  in  der  Atmosphäre 
vorhandenen  betragen  hat,  und  die  gleich  unermessliche  Menge  Kohlensäure, 
welche  den  Kohlenstoff  für  die  organische  Natur  auf  der  Erde  geliefert  hat, 
musste  einstmals  einen  Bestandtheil  der  Atmosphäre  bilden.  Die  Kohlensäure 
und  zugleich  das  Wassergas  mussten  auf  den  Erdkörper  einen  ungeheuren  Druck 
ausüben,  unter  welchem  ein  Theil  der  Kohlensäure  flüssig  ja  fest  werden  musste. 
Flüssige  Kohlensäure  findet  man  in  der  That  als  Einschluss  in  Krystallen.  Als 
die  Carbonate  sich  bilden  konnten,  nahm  der  Kohlensäuregehalt  der  Atmosphäre 
mehr  und  mehr  ab;  eine  üppige  Vegetation  konnte  dann  entstehen  und  die  Kohlen- 
säuremenge durch  Umwandlung  in  organische  Kohlenstoffverbindungen  noch  mehr 
reduciren,  zugleich  der  Atmosphäre  einen  Theil  des  ihr  durch  frühere  Oxyda- 
tionen entzogenen  Sauerstoffe  wieder  zurückgeben,  so  dass  die  Atmosphäre  zur 
Respiration  der  Thierwelt  tauglich  wurde  und  der  jetzige  Zustand  des  Gleichge- 
wichtes eintreten  konnte. 

14.  Hygienische  Bedeutung  der  Luft,  a)  Für  die  Gesundheit  des 
Menschen  ist  der  Wassergehalt  der  Luft  von  grosser  Bedeutung,  insofern  als  die 
Wasserdampfausscheidtmg  des  Körpers  und  zum  Theil  auch  die  Wärmeabgabe 
davon  abhängen. 

Eine  mit  Feuchtigkeit  gesättigte  und  warme  Luft  nennen  wir  »schwüle  Die 
aus  der  Haut  abgeschiedene  Feuchtigkeit  kann  von  solcher  Luft  nicht  mehr 
dampfförmig  aufgenommen  werden  und  scheidet  sich  flüssig  als  »Schweiss«  ab. 

Der  Schweiss  ist  nicht  so  sehr  die  Folge  der  Temperatur,  als  des  Feuchtigkeitszustandes 
der  Luft.  Die  Abnahme  der  wässrigen  Sekretion  der  Haut  bedingt  eine  Zunahme  der  Körper- 
temperatur. Dieser  Zustand  kann  lethal  werden,  indem  er  den  Hitzschlag  oder  Sonnenstich  et^ 
zeugt.  Heisse  und  feuehte  Luft,  die  bei  vielen  Gewerben  in  den  Fabriken  aufhitt,  muss  durch 
gute  Ventilation  beseitigt  und  durch  firische  ersetzt  werden.  Therapeutisch  findet  heisse  und 
feuchte  Luft  in  den  russischen  Dampfbädern  Anwendung. 


Atmosphäre.  loi 

Feuchte  und  kühle  Luft  findet  sich  vorzugsweise  in  Sumpfgegenden. 

Trockene  und  heisse  Luft  kommt  in  vielen  Industrien  vor,  in  Glashütten,  in 
metallurgischen  Prozessen,  in  Gasiabriken,  in  Trockenräumen  u.  s.  w.  Im  Allge- 
meinen  ist  dieselbe  nicht  so  gefährlich  wie  feuchte  und  heisse  Luft,  da  die  vermehrte  wässrige 
Haatausdttnstung  der  zu  starken  Steigerung  der  Körpertemperatur  entgegenwirkt.  Ein  längerer 
Aufenthalt  in  trockener  heisser  Luft  wirkt  aber  sehr  schädlich  auf  die  menschliche  Constitution. 
Eine  trockene  warme  Luft  wird  bei  der  Luftheizung  erzeugt.  Man  sollte  zur  Schonung  der 
Gesundheit,  und  auch  zur  Schonung  der  Zimmermöbel,  die  warme  Luft  stets  über  eine  Wasser- 
fläche streichen  lassen,  ehe  sie  ins  Zimmer  tritt. 

Trockene  und  kalte  Luft  wird  häufig  zur  Kühlung  in  Brauereien  und 
Brennereien,  zur  Eiserzeugung,  zur  Abkühlung  grosser  Räume  u.  dergl.  erzeugt. 
Die  WiMDHAUSEN'sche  Maschine  beruht  darauf,  dass  comprimirter  Luft  die  bei  der  Compression 
entwickelte  Wärme  entzogen  wird;  bei  der  dann  folgenden  Expansion  wird  dann  ein  niedriger 
Temperatnrgrad  hervorgebracht. 

Unter  Umständen  kann  die  Atmosphäre  durch  Gase,  namentlich  durch 
schweflige  Säure,  Ammoniak,  Salzsäure,  sowie  durch  Staub  organischer  und 
mineralischer  Natur  in  gesundheitsschädlicher  Weise  verunreinigt  werden.  Regen, 
besonders  Gewitterregen,  Schnee  und  Wind  sind  die  natürlichen  Reinigungsmittel 
der  Atmosphäre.  Manche  Winde  aUerdings  können,  abgesehen  von  den  mecha- 
nischen Wirkungen,  in  Folge  der  rapiden  Luftbewegung,  durch  Trockenheit  und 
Herbeiführung  von  Miasmen  gefährlich  werden,  wie  der  Sirocco,  Samum,  Chamsin, 
Monsoon  u.  s.  w. 

b)  Verminderter  Luftdruck.  Der  Gesammtdruck  der  Luft,  welcher  von 
allen  Seiten  her  gleichmässig  vertheilt  auf  den  menschlichen  Körper  wirkt, 
schwankt  zwischen  15000  und  20000  Küogr.  Wird  dieser  Druck  erheblich  ver- 
mindert, auf  Bergeshöhen,  so  tritt  ein  eigenthümliches  Gefühl  des  Wohlbehagens 
ein,  welches  eine  Folge  der  erleichterten  Thätigkeit  der  Lungen  ist.  Die  Blut- 
drculation  ist  beschleunigt,  die  verbrauchte  Muskelsubstanz  wird  daher  rascher 
wieder  ersetzt  und  Ermüdungserscheinungen  verschwinden  rascher  als  in  der 
Ebene.  Gegen  Alkoholgenuss  soll  Immunität  eintreten,  vielleicht  in  Folge  der 
beschleunigten  Abdunstung  des  Alkohols.  In  stärker  verdünnter  Luft  treten  andere 
Erscheinungen  ein.  Während  Puls  und  Respiration  beschleunigt  werden,  ermüden 
die  Muskeln  leicht,  was  in  Bezug  auf  die  unteren  Gliedmaassen  nach  £.  H.  und 
W.  Weber  auch  darin  seinen  Grund  hat,  dass  der  Luftdruck  weniger  als  sonst 
beiträgt,  den  Schenkelkopf  in  der  Pfaime  zu  halten  und  diese  Arbeit  mehr  oder 
weniger  ausschliesslich  den  Muskeln  überlässt  Femer  treten  Ohrenschmerzen 
und  Schwerhörigkeit  ein,  da  der  äussere  Druck  auf  das  Trommelfell  nicht  so 
stark  ist  wie  der  Luftdruck  von  der  Paukenhöhle  aus.  In  sehr  bedeutenden 
Höhen  und  bei  sehr  starker  Luftverdünnung  treten  spontane  Blutungen  ein  und  aus 
dem  Blute  entwickeln  sich  Gase.  Dies  kann  dem  Luftschiffer  ebenso  verhängnissvoll 
werden  wie  der  Mangel  an  Sauerstoff,  wie  dies  in  neuerer  Zeit  das  Schicksal  der  Luftschiffer 
Croc^Spimklli  und  SrvEL  gezeigt  hat,  welche  in  einer  Höhe  von  8600  Metern  der  verdünnten 
Luft  lum  Opfer  fielen. 

FoT^esetzte  starke  Arbeit  auf  hohen  Bergen  wird  nicht  gut  ertragen.  Die  Bergleute  auf 
dem  7300  Fuss  hohen  Goldberg  in  der  Rauris  erreichen  ein  mittleres  Lebensalter  von  nur 
40  Jahren.  Es  wird  dies  dadurch  erklärlich  (Ldsbig),  dass  mit  der  Abnahme  des  Luftdrucks  zu 
der  täg^chen  Arbeitsleistung  durch  die  Glieder  eine  dauernd  gesteigerte  Arbeit  der  Athemmuskeln 
för  die  Athmung  und  des  Herzens  für  den  Blutkreislauf  hinzukommt 

c)  Gesteigerter  Luftdruck.  In  Taucherglocken,  bei  Brückenbauten,  in 
Apparaten  »u   therapeutischen  Zwecken   kann   der   Mensch   dem   Einfluss   ver- 


l63  Handwörterbuch  der  Chemie. 

dichteter  Luft  ausgesetzt  sein.  Es  treten  Ohrenschmerzen,  dann  eine  bedeutende 
Schärfe  des  Gehörs  ein,  zuweilen  Nasenbluten  und  Gefühl  von  Unbehagen; 
letzteres  besonders  beim  Uebergang  von  einem  Luftdruck  in  den  andern.  Sauer- 
stojSaufnahme  und  Kohlensäureausgabe  sollen  gesteigert  werden. 

d)  Luft  in  geschlossenen  Räumen;  Ventilation.  In  geschlossenen 
Räumen  kann  die  Luft  durch  Entwicklung  von  Dämpfen  und  Gasen,  durch 
Staub,  durch  die  Produkte  der  Perspiration  und  Respiration  erheblich  verunreinigt 
werden.  Die  Fürsorge  filr  gute  Ventilation  in  Wohn-  und  Fabrikräumen  ist  daher 
von  grösster  Bedeutung  für  das  menschliche  Wohlbefinden.  Man  kann  die 
Ventilationseinrichtungen  entweder  so  treffen,  dass  die  schlechte  Luft  durch  As- 
piration oder  Exhaustion  entfernt  wird,  wobei  diese  dann  von  frischer  durch 
Thüren,  Fenster  und  poröse  Wände  eindringender  Luft  ersetzt  wird  (Aspirations- 
methode), oder  so,  dass  auf  mechanische  Weise  frische  Luft  eingetrieben  wird 
(Pulsionssystem). 

Die  schlechte  Luft  kann  auf  mechanische  Weise  abgesaugt  werden  oder  durch  künstlich  er- 
zeugte TemperaturdifTerenzen.  Letzteres  geschieht  schon  durch  die  gewöhnliche  Ofen-  und 
Karoinfeuerung,  wobei  der  Schornstein  als  Exhaustor  wirkt  Meistens  werden  die  Heizungsgase 
durch  eine  besondere  Röhre  im  Innern  des  Schornsteins  abgefllhrt,  und  der  Raum  zwischen  dieser 
Röhre  und  den  Schomsteinwänden  wird  mit  dem  zu  ventilirenden  Raum  in  Verbindung  gebracht. 
Die  Temperaturdifferenz  zwischen  Exhaustor  und  äusserer  Luft  soll  mindestens  25^  betragen, 
wobei  sich  eine  Luftbewegung  von  2  bis  3  Meter  in  der  Sekunde  ergiebt.  In  industriellen 
Räumen,  wo  sich  viel  Wasserdämpfe  u.  dergl.  entwickeln,  wird  zur  Steigerung  der  Ventilation 
eine  besondere  Saugkammer  mit  eigenem  Abzugsrohr  angeordnet,  in  welche  die  Luft  aus  den  zu 
ventilirenden  Räumen  tritt  und  wo  sie  auf  120 — 150®  erhitzt  werden  kann. 

Die  Exhaustion  mittelst  mechanischer  Saugapparate  findet  besonders  bei  staubproducirenden 
Gewerben  statt  Es  werden  dazu  Glockenexhaustoren  und  Ventilatoren  der  verschiedenartigsten 
Constniction  angewendet. 

Die  Pulsionsmethode  wird  häufig  bei  Bergwerken  benutzt  und  ist  bei  Arbeiten  unter  Wasser 
nicht  zu  umgehen.     Man  wendet  auch  hierzu  Ventilatoren  an  (loo). 

Die  industriellen  Abf^le,  die  Küchen-  und  Hauswässer,  die  menschlichen 
und  thierischen  Excremente  können  durch  ihre  Zersetzungsprodukte  die  Lufl 
vergiften.  Dieselben  werden  unschädlich  gemacht  durch  Desinfection  und  Abfuhr 
an  Orte,  wo  sie  in  grösseren  Mengen  angesammelt  werden  können,  ohne  schäd- 
liche Wirkungen  auszuüben,  oder  indem  man  die  Städte  mit  einem  unterirdischen 
System  von  Canälen  versieht,  in  welchen  die  Dejektionen  aus  der  Nähe  von  Wohn- 
stätten fortgeschwemmt  werden.  Diese  Massen  in  die  Flüsse  zu  leiten,  ist  eine 
grosse  wirthschaftliche  Vergeudung;  man  sucht  daher  dieselben  für  die  Land- 
wirthschaft  nutzbar  zu  machen,  indem  man  mit  den  Canalisationswässem  direkt 
Ländereien  berieselt  oder  durch  Filtration  und  Präcipitation  mittelst  chemischer 
Mittel  Dungstoffe  daraus  herstellt. 

15.  Technische  Anwendungen.  Die  mechanischen,  physikalischen  und 
chemischen  Eigenschaften  der  Luftbestandtheile  gestatten  die  verschiedenartigsten 
Anwendungen  der  Luft  zu  machen.  Die  Luft  in  Bewegung  bildet  ein  seit  den 
ältesten  Zeiten  angewendetes  Mittel,  um  Mechanismen  in  Bewegung  zu  setzen 
und  Arbeit  zu  erzeugen.  Die  Windmühlen  und  Windräder  dienen  zum  Mahlen 
der  Getreide-  und  ölhaltigen  Körner,  zum  Heben  von  Wasser  u.  s.  w.  Die 
natürliche  Luftströmung  bewegt  Segelschiffe  uud  giebt  den  Luftballons  ihre 
Richtung.  Die  durch  Ventilation  auf  mechanische  Weise  in  bestimmter  Richtung 
hervorgebrachte  Bewegung  der  Luft  dient  in  zahlreichen  Gewerben  zur  Weg- 
schaifung  von  Staub,  von  VVasserdampf,  zur  Trennung  von  Pulvern  und  Körnern 


Atomtheorie.  103 

nach  der  Grösse  und  dem  specifischen  Gewicht  ihrer  Bestandtheile  u.  s.  w.  Die 
natürlich  oder  künstlich  hervorgebrachten  Luftströmungen  werden  zur  Trocknung 
der  verschiedenartigsten  Stoffe  angewendet,  und  sind  ftir  die  gesundheitlichen 
Verhältnisse  der  Wohnungen  und  Fabriken,  wo  sich  schädliche  Gase  entwickeln, 
von  grösster  Bedeutung.  Andererseits  dient  der  in  der  Luft  enthaltene  Wasser- 
dampf und  das  niederregnende  Wasser  zur  Befeuchtung  von  Körpern. 

Der  atmosphärische  Druck  dient  dazu,  um  poröse  Stoffe,  Hölzer  z.  B.,  mit 
antiseptischen  oder  färbenden  Flüssigkeiten  zu  imprägniren.  Durch  Verminderung 
des  Luftdrucks  über  erhitzten  Flüssigkeiten  in  geschlossenen  Gefässen  be- 
schleunigt man  deren  Verdampfung  und  bringt  sie  bei  niedriger  Temperatur  zum 
Sieden.  Dies  ist  bei  der  Industrie  des  Rohr-  und  Traubenzuckers,  der  Färb-  und 
Gerbstoffe  und  in  vielen  anderen  Gewerben  von  grosser  Wichtigkeit. 

Von  der  verschiedenen  Löslichkeit  der  Luftbestandtheile  macht  man  Ge- 
brauch, um  Sauerstoff  oder  eine  sehr  sauerstoftreiche  Luft  herzustellen  (Mallet), 
ein  Verfahren,  das  fUr  die  Erzeugung  hoher  Wärme-  und  Lichtintensitäten  von 
Wichtigkeit  werden  kann. 

Die  zahlreichen  chemischen  Anwendungen  der  Luft  beruhen  zumeist  auf  der 
Afünität  des  Sauerstoffs.  Hierher  gehören  die  Verbrennung  der  Heiz-  imd  Leucht- 
materialien, die  Oxydation  vpn  Metallen,  das  Rösten  von  metallischen  Sulfiden, 
die  langsamen  Verbrennungen,  die  beim  Bleichen  stattfinden.  Von  geringerer  Be- 
deutung für  die  technischen  Gewerbe  ist  der  Stickstoff  der  Luft.  Indessen  werden 
neuerdings  viele  Versuche  gemacht,  denselben  in  Ammoniak  und  Ammoniaksalze 
überzuführen. 

Die  in  der  Atmosphäre  enthaltenen  Keime  und  Sporen  rufen,  z.  Th.  unter 
Mitwirkung  des  Sauerstoffs,  die  wichtigen  Phänomene  der  Gährung,  Fäulniss  und 
Verwesung  hervor,  Processe,  die  bald  nützlich,  bald  schädlich  wirken,  und  die 
man  durch  Zulassung  oder  Abschliessung  der  Lnft  fördern  oder  hindern  kann. 

RuD.  Biedermann. 

Atomtheorie*).  Schon  im  Alterthum  aufgestellt  und  zwar  vornehmlich  durch 
DsifOKRiT,  gewann  die  Atomistik  eine  Bedeutung  ftir  die  Chemie  erst  durch 
Dalton.  Nachdem  dieser  das  Gesetz  der  multiplen  Proportionen  entdeckt  hatte, 
zeigte  er,  dass  dafür  nur  in  der  atomistischen  Hypothese  eine  Erklärung  ge- 
funden werde. 

Das  Gesetz  der  multiplen  Proportionen  sagt  aus,  dass  die  Mengen  der 
einzelnen  Elemente  in  ihren  Verbindungen  stets  dargestellt  werden  können  als 
Produkte  aus  einfachen  ganzen  Zahlen  in  gewisse  für  jedes  Element  feststehende 
Zahlen. 

Besteht  nun  die  Materie  in  letzter  Linie  aus  Atomen,  aus  kleinen,  untheilbaren, 
von  einander  getrennten  Theilchen,  die  für  jedes  Element  bestimmte  Eigenschaften, 


*)  i)  Stas,  Recherches  sur  les  rapports  reciproques  des  poids  atomiques  und  Nouvelles 
recherches  sur  les  lois  des  proportions  chimiques,  sur  les  poids  atomiques  et  leurs  rapports 
motuels.    2)  Memoires  de  la  soc.  d'Arcueil  II.,  pag.  207.    3)  Annales  chim.  et  phys.  X.,  pag.  395. 

4)  Annales  chim.  phys.  XIV.  XIX.  XXTV  etc.  5)  Journal  de  physique  LXXIII.,  pag.  53. 
6)  PoGGEHDORFF,  Ann.  Phys.  C,  pag.  353.     7)  Poggendorff,   Ann.  CLIV.,  pag.  367  u.  553. 

5)  Tho^ison,  Annais  of  phil.  VI.,  pag.  321.  9)  Poggendorff,  Ann.  Phys.  XV.,  pag.  301. 
10)  Ann.  Chem.  Phann.  Suppl.  VUL,  pag.  133.  11)  Vergl.  L.  Meyer,  Moderne  Theorien  der 
Chemie.  12}  Richter,  Ueber  die  neueren  Gegenstände  in  der  Chemie.  13)  Ann.  Chem. 
Pharm.  26,  pag.  113.  14)  Ann.  chim.  phys.  [2]  LVI.,  pag.  400.  15)  Ann.  Chem.  Pharm.  85, 
pig.  368.     16)  Ann.  Chem.  Pharm.  104,  pag.  129.     17)  Geui'HER,  Lehrbuch  der  Chemie. 


f04  Handwörterbuch  der  Chemie« 

insbesondere  bestimmtes  Gewicht,  bei  verschiedenen  Elementen  aber  verschiedene 
Eigenschaften  besitzen,  so  können  Verbindungen  zwischen  den  Elementen  nur 
dadurch  entstehen,  dass  die  Elementaratome  in  verschiedener  Zahl  sich  an  ein- 
ander lagern  und  so  die  kleinsten  Theilchen  der  Verbindungen  erzeugen.  Die 
Zusammensetzung  eines  solchen  Theilchens  und  folglich  auch  die  Zusammen- 
setzung der  Verbindung  ist  daher  gegeben  durch  die  Atomgewichte  der  Elemente 
und  durch  die  Anzahl  Atome  der  einzelnen  Elemente,  d.  h.  es  findet  zwischen 
Thatsache  und  Theorie  vollständige  Uebereinstimmung  statt 

Femer  ergiebt  sich  die  Möglichkeit  von  Atomgewichtsbestimmungen,  sobald 
die  Anzahl  Atome  in  den  kleinsten  Theilchen  der  Verbindungen  bekannt  ist  und 
deren  Zusammensetzung  bestimmt  wird.  Weiss  man  z.  B.,  dass  im  kleinsten 
Theilchen  Wasser  2  Atome  Wasserstoff  auf  1  Atom  Sauerstoff  vorkommen,  und 
hat  man  durch  die  quantitative  Anal)rse  auf  2  Thle.  Wasserstoff  16  Thle.  Sauer- 
stoff gefunden,  so  folgt  daraus,  dass  das  Atomgewicht  des  Sauerstoffs  16  mal  so 
gross  ist  als  das  des  Wasserstofis.  Unsere  Atomgewichtsbestimmungen  er- 
geben also  nur  Verhältnisszahlen.  Nach  dem  Vorgange  Dalton's  bezieben 
wir  sie  alle  auf  das  Atomgewicht  des  Wasserstoffs,  welches  gleich  Eins  gesetzt 
wird. 

Die  Bestimmung  der  Atomgewichte,  in  diesem  Sinne  aufgefasst,  verlangt  also 
die  Lösung  zweier  wesentlich  verschiedener  Aufgaben: 

I.  Die  möglichst  genaue  Bestimmung  der  Zusammensetzung  einiger  Ver- 
bindungen von  jedem  Elemente  und 

n.  Die  Kenntniss  der  Anzahl  Atome  jedes  Elementes  im  kleinsten  Theilchen 
dieser  Verbindungen. 

Die  erste  ist  eine  rein  praktische  Aufgabe,  mit  welcher  sich  viele  Chemiker 
seit  Berzelius  und  auch  vor  ihm  beschäftigt  haben.  Je  feiner  und  exakter  die 
hierzugewählten  Methoden  sind,  je  grössere  Sorgfalt  auf  ihre  Ausführung  und  auf 
die  Reindarstellung  der  Verbindungen  gelegt  wird,  um  so  genauer  werden  die 
Atomgewichtsbestimmungen.  Neuerdings  hat  namentlich  Stas  (i)  darin  Be- 
wundemswerthes  geleistet. 

Werden  die  Resultate  solcher  quantitativer  Analysen  alle  auf  eine  und  die- 
selbe Menge  eines  Elements,  z.  B.  auf  1  Th.  Wasserstoff  umgerechnet,  so  müssen 
die  für  die  andern  Elemente  gefundenen  Zahlen  Multiplen  oder  Submultiplen  ihrer 
Atomgewichte  darstellen.  Lange  Zeit  hat  man  sich  damit  begnügt,  aus  diesen 
Zahlen  gewisse  auszuwählen  und  nannte  sie  Verbindungsgewichte,  Aequivalent- 
gewichte,  manchmal  auch  Atomgewichte. 

Die  Lösung  der  zweiten  Frage  hängt  immer  mit  theoretischen  Vorstellungen 
zusammen,  wenn  auch  diesen  wieder  empirisch  erkannte  Gesetzmässigkeiten  zu 
Grunde  liegen.  Dieselbe  fffhrt  zur  Auswahl  des  Atomgewichts  aus  den  durch 
die  Analyse  ermittelten  Multiplen. 

Namentlich  drei  Gesichtspunkte  sind  es,  welche  heut  in  dieser  Richtung  ver- 
werthet  werden.  Der  erste  hängt  mit  dem  von  Gay-Lussac  entdeckten  Ver- 
bindungsgesetz der  Gase  zusammen  (2),  der  zweite  ist  durch  das  von  Dulong 
und  Pettt  ausgesprochene  Gesetz  über  specifische  Wärme  bedingt  (3)  und  der 
dritte,  allerdings  bei  weitem  weniger  wichtige,  ist  durch  den  von  Mitscherlich 
entdeckten  Isomorphismus  gegeben. 

1.  Bei  allen  Verbindungen  zwischen  Gasen  oder  Dämpfen  stehen  die  Volume 
der  Componenten  untereinander  und  zu  dem  Volum  des  Produkts  in  Gasform 


Atomtheoric.  105 

in  emfacher  Beziehung,  vorausgesetzt  dass  diese  Volume  bei  gleicher  Temperatur 
nnd  gleichem  Druck  (unter  gleichen  äusseren  Bedingungen)  gemessen  werden. 

Da  nun  auch  die  Gase  sich  nach  ganzen  Atomen  verbinden,  so  muss  offenbar 
eine  einfache  Beziehung  zwischen  Gasvolum  und  der  darin  vorkommenden  Zahl 
Atome  stattfinden.  Die  einfachste  Annahme  in  dieser  Hinsicht,  wonach  nämlich 
alle  Gase  unter  gleichen  äusseren  Bedingungen  die  gleiche  Zahl  von  Atomen  in 
dem  gleichen  Volumen  enthalten,  ist  unmöglich,  weil  sich  manche  Gase,  wie 
Chlor  und  Wasserstoff,  ohne  Contraction  vereinigen.  Jene  Hypothese  fllhrt  aber 
in  allen  solchen  Fällen  zu  der  widersinnigen  Annahme  von  Atomtheilen. 

AvoGADRO  hat,  wie  es  scheint,  durch  Aufstellung  des  Molekularbegriffs, 
den  einzig  richtigen  Weg  gefunden,  um  Gay-Lussac's  Gasverbindungsgesetz  mit 
der  atomistischen  Hypothese  in  Einklang  zu  bringen  (5). 

Das  Molekül  wird  heute  definirt  als  die  kleinste  Menge  eines  Körpers, 
gleichgültig  ob  chemisch  einfach  (Element)  oder  zusammengesetzt,  welche  im 
freien  Zustand  existirt.  Es  ist  die  kleinste  Menge,  welche  chemische  Zersetzungen 
erleidet,  und  die  kleinste  Menge,  welche  im  Gaszustand  noch  selbständige  Be- 
wegungen ausführt  Das  Molekül  ist  aber  im  Allgemeinen  zusammengesetzt,  es 
besteht  aus  Atomen.  Bei  Verbindungen  erscheint  dies  selbstverständlich  und  hier 
enthält  das  kleinste  Theilchen  noth wendig  die  heterogenen  Atome  der  ver- 
schiedenen, die  Verbindung  zusammensetzenden  Atome.  Aber  auch  bei  den 
Elementen  wird  im  Allgemeinen  wenigstens  die  H3rpothese  nothwendig,  dass  das 
Molekül  noch  aus  mehreren  gleichartigen  Atomen  zusammengesetzt  ist.  Atom 
wird  definirt  als  die  kleinste  Menge  eines  Elements,  welche  überhaupt  vorkommen 
kann,  als  die  kleinste  Menge  des  Elements,  die  in  irgend  einem  Molekül  einer 
Verbindung  desselben  sich  findet. 

AvoGADRO*s  Hypothese  geht  nun  dahin,  in  gleichen  Volumen  aller  Gase  (bei 
gleichen  äusseren  Bedingungen)  eine  gleiche  Molekülzahl  anzunehmen. 

Durch  diese  Annahme  wird  nicht  nur  Gay-Lussac's  Gesetz  mit  der  atomistischen 
Hypothese  in  Zusammenhang  gebracht,  gleichzeitig  giebt  dieselbe  auch  eine  Er- 
klärung für  das  gleichmässige  Verhalten  der  Gase  bei  Temperatur-  und  Druck- 
änderungen, welches  bekanntlich  in  den  Gesetzen  von  MARicrra:  (Boyle)  und 
Gay-Lüssac  (Charles)  seinen  Ausdruck  findet.  Aber  auch  noch  andere  phy- 
sikalische Erscheinungen  der  Gase,  auf  die  hier  einzugehen  nicht  der  Ort  ist, 
drängen  zu  einer  solchen  Annahme,  so  dass  Clausius  selbständig  auf  dieselbe 
Hypothese  etwa  30  Jahre  nach  Avogadro  geführt  wurde  (6). 

Diese  Hypothese  bildet  heute  eins  der  Fundamente  der  theoretischen  Chemie. 
Sie  führt  bei  unzersetzt  flüchtigen  Körpern,  d.  h.  bei  solchen,  deren  Dichtigkeit 
im  Gaszustand  bestimmbar  ist,  unmittelbar  zur  Feststellung  der  Molekularge- 
wichte, da  diese  den  Dampfdichten  proportional  sein  müssen.  Als  Einheit  für 
die  Molekulargewichte  ist  dieselbe  gewählt  worden,  welche  schon  oben  als  Ein- 
heit bei  Atomgewichtsbestimmungen  bezeichnet  wurde:  das  Atomgewicht  des 
Wasserstoffs.  Das  Molekulargewicht  dieses  Elementes  wird  dann  2,  weil  ein 
Molekül  Wasserstoff  aus  zwei  Atomen  besteht. 

Auch  die  Frage  nach  den  Atomgewichten  lässt  sich  jetzt  bei  allen  flüchtigen 
Elementen  und  bei  solchen,  die  viele  flüchtige  Verbindungen  bilden,  leicht  erledigen. 
Bei  den  ersteren  braucht  nur  noch  die  Zahl  der  Atome  im  Molekül  bestimmt  zu 
werden,  und  diese  ergiebt  sich  aus  den  Volumverhältnissen,  welche  bei  den  Ver- 
bindungen dieses  Elemente  mit  andern  Elementen  im  gasförmigen  Zustand  statt- 


Io6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

finden.  Die  Anzahl  Atome  im  Molekül  wird  gerade  so  gross  angenommen, 
dass  diesen  Thatsachen,  ohne  Atomtheile  vorauszusetzen,  genügt  wird.  So  ver- 
langt die  Erfahrung,  dass  gleiche  Volume  von  Wasserstoff  und  Chlor  sich  zu 
einem  doppelten  Volum  Salzsäure  vereinigen,  die  Annahme  von  zwei  Atomen 
Wasserstoff  und  zwei  Atomen  Chlor  in  je  einem  Molekül  dieser  Elemente 

Kennt  man  von  einem  Element,  auch  wenn  es  selbst  nicht  flüchtig  ist,  viele 
flüchtige  Verbindungen,  so  hat  man  einerseits  nur  die  Molekulargewichte  dieser 
Verbindungen  aus  ihren  Dampfdichten,  und  andererseits  die  Mengen  der  darin 
vorkommenden  Elemente  durch  die  Analyse  festzustellen.  Die  jeweilig  kleinste 
in  einem  Molekül  vorkommende  Menge  giebt  das  Atomgewicht. 

Fehlerhaft  kann  die  Bestimmung  nur  dann  werden,  wenn  wenige  Verbindungen 
zu  derselben  benutzt  werden  können.  In  solchen  Fällen  können  Zahlen  gefunden 
werden,  welche  das  Doppelte  oder  Dreifache  des  Atomgewichtes  sind. 

Würde  man  z.  B.  aus  der  Dampfdichte  und  Analyse  des  Aluminiumchlorids 
oder  Eisenchlorids  auf  die  Atomgewichte  von  Aluminium  und  Eisen  schliessen 
wollen,  so  würden  sich  Werthe  ergeben,  welche  zweimal  so  gross  sind  als  die 
Atomgewichte,  welche  aus  dem  Gesetz  von  Dulong  und  Petit  folgen  und 
welche  allgemein  angenommen  sind.  Andererseits  aber  lassen  sich  die  Atomge- 
wichte aller  Metalloide  in  dieser  Weise  feststellen. 

2.  Die  Atomgewichte  der  Metalle  sind  hauptsächlich  durch  das  Gesetz  von 
Dulong  und  Petit  bestimmt  worden,  d.  h.  man  hat  aus  den  Multiplen,  welche 
durch  die  Analyse  von  Verbindungen  ermittelt  werden  können,  dasjenige  ausge- 
wählt, welches  nach  Multiplication  mit  der  specifischen  Wärme  des  betreffenden 
Elementes  ein  der  Zahl  6  sich  näherndes  Produkt  liefert  Bei  den  allgemein 
adoptirten  Einheiten  für  die  Atomgewichte  und  die  specifischen  Wärmen  (die 
specifische  Wärme  des  Wassers  gleich  Eins  gesetzt)  wird  nämlich  die  Atomwärme 
d.  h.  das  Produkt  von  Atomgewicht  und  specifischer  Wärme  für  alle  festen  Elemente 
nahe  gleich  dieser  Zahl  (die  Schwankungen  betragen  allerdings  gegen  15^  des 
Gesammtwerthes). 

Bei  einigen  Elementen  und  gerade  bei  solchen,  deren  Atomgewicht  durch 
AvoGADRo's  Hypothese  hat  bestimmt  werden  können,  wie  bei  Kohlenstoff,  Sili- 
cium  und  Bor,  ergab  das  Gesetz  von  Dulong  und  Petit  viel  zu  grosse  Werthe, 
oder  auch  bei  Benutzung  dieser  bereits  festgestellten  Atomgewichte  ergaben  sich 
viel  zu  kleine  Atomwärmen.  Man  glaubte  daher  dem  Gesetz  über  die  speci- 
fischen Wärmen  die  allgemeine  Gültigkeit  absprechen  zu  müssen. 

In  neuerer  Zeit  hat  aber  Weber  (7)  gezeigt,  dass  die  specifischen  Wärmen  der 
drei  genannten  Elemente  mit  der  Temperatur  sehr  veränderlich  sind,  d.  h.  dass 
sie  mit  steigender  Temperatur  zunehmen,  und  zwar  bis  zu  einer  gewissen  Grenze, 
wo  sie  dann  constant  bleiben.  Werden  diese  letzteren  Werthe  der  specifischen 
Wärmen  mit  den  betreffenden  Atomgewichten  multiplicirt,  so  erhält  man  Atom- 
wärmen, welche  der  Zahl  6  nahe  kommen,  so  dass  also  auch  in  diesen  Fällen, 
allerdings  unter  bestimmten  Voraussetzungen,  dem  Gesetz  von  Dulong  und  Petit 
Genüge  geleistet  wird. 

3.  Unter  isomorphen  Körpern  sind  solche  zu  verstehen,  welche  in  denselben 
Formen  desselben  Krystallsystems  mit  nahe  gleichen  Winkeln  krystallisiren  und 
welche  auch  zusammen  zu  einem  Krystallindividuum  sich  vereinigen  können. 
Schon  MiTSCHERLiCH,  der  diese  merkwürdige  Eigenschaft  entdeckte,  knüpfte  daran 
die  Hypothese,  dass  nur  Körper  von  gleicher  chemischer  Constitution  isomorph 


Atomtheorie. 


107 


sein  können.  Später  hat  man  diese  Hypothese  dahin  präcisirt,  dass  man  bei 
isomorphen  Stoffen  die  gleiche  Zahl  Atome  im  Molekül  voraussetzt.  Hierdurch 
ist  ein  Mittel  gegeben»  den  Isomorphismus  zu  Atomgewichtsbestimmungen  zu 
yerwerthen,  indem  man  aus  den  durch  die  Analyse  als  möglich  erkannten 
Multiplen  die  richtige  Zahl  auswählen  kann.  Es  ist  oben  schon  hervorgehoben 
worden,  dass  dieses  thunlich  ist,  sobald  die  Zahl  der  Atome  in  einer  Verbindung 
bekannt  ist,  und  dies  letztere  gelingt  eben  für  solche  Verbindungen,  welche  mit 
anderen  isomorph  sind,  bei  denen  die  Atomgewichte  der  Elemente  und  dadurch 
die  Zahl  der  Atome  bekannt  ist 

Die  erörterten  theoretischen  Betrachtungen  im  Verein  mit  einer  grossen  2^1 
analytischer  Untersuchungen,  mit  peinlichster  Sorgfalt  ausgeführt,  haben  es  er- 
möglicht, die  Atomgewichte  aller  genau  bekannten  Elemente  mit  grosser  Sicher- 
heit zu  bestimmen.  Die  Resultate  dieser  Untersuchungen  sind  in  der  folgenden 
Tafel  niedergelegt: 

I.    Nichtmetalle. 


Wasserstoff 

Zeichen. 
H 

Atomgewicht. 
10 

Telur       .     . 

Zeichen 
Te 

.    Atomgewicht. 

1263 

Chlor     .     . 

a 

35-37 

Stickstoff    . 

N 

14-01 

Brom     .     . 

Br 

79-76 

Phosphor    . 

F 

30-96 

Jod  .     .     . 

J 

126-54 

Arsen     .     . 

As 

74-9 

Fluor     .     . 

Fl 

19-06 

Bor  .     .     . 

B 

10-9 

Saucretoff  . 

0 

15-96 

Silicium 

Si 

28-0 

Schwefel    . 

S 

31-98 

Kohlenstoff 

C 

*l-97 

Selen     .     . 

Se 

78-87 

n. 

Metalle. 

Kalium 

K 

3903 

Mangan 

Mn 

54-8 

Natrium 

Na 

2^-99 

Eisen      .     . 

Fe 

55-88 

Lithium 

Li 

7-01 

Kobalt   .     . 

Co 

58-6 

Rubidium  . 

Rb 

85-2 

Nickel    .     . 

Ni 

58-6 

Cäsium 

Cs 

132-7 

Chrom 

Cr 

52-4 

Calcium 

Ca 

39-91 

Molybdän    . 

Mo 

95-9 

Strontium  . 

Sr 

87-3 

Wolfram     . 

W 

183-6 

Barium 

Ba 

136*86 

Uran       .     . 

u 

289-8 

Beryllium   . 

Be 

9-08 

Zinn       .     . 

Sn 

117-35 

Magnesium 

Mg 

23-94 

Titan      .     . 

Ti 

50-25 

Zink      .     . 

Zn 

64-88 

Zirkonium  . 

Zi 

90-4 

Cadmium   . 

Cd 

111-7 

Thorium 

Th 

231-96 

Blei       .     . 

Pb 

206-39 

Vanadin 

V 

511 

Thallium    . 

Tl 

208-7 

Antimon 

Sb 

120H) 

Kupfer  .     . 

Cu 

63-18 

Wismuth      . 

Bi 

207-5 

Silber    .     . 

Ag 

107-66 

Tantal    .     . 

Ta 

182-0 

Quecksilber 

Hg 

199-8 

Niobium 

Nb 

98-7 

Yttrium 

Y 

89-6 

Gold       .     . 

Au 

196-2 

T^^th^p 

La 

138-5 

Platin      .     . 

Pt 

194-4 

Cer  .     .     . 

Ce 

141-2 

Ruthenium  . 

Ru 

103-5 

Didym  .     . 

Di 

145-0 

Rhodium 

Rh 

1041 

Erbium 

Eb 

166 

Palladium    . 

Pd 

106-2 

Aluinini  um 

AI 

27-04 

Iridium   . 

Ir 

192.5 

Indium 

In 

113-4 

Osmium       • 

Os 

19:>-0 

Gallium 

Ga 

69-9 

Wenn  auch  hier 

nur  in 

gedrängtester  Kürze  tlber  die  Atomtheorie  berichtet 

nicht 

versäumt 

werden,  auf  die  grosse 

Wichtigkeit  hinzu- 

lo8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

weisen,  welche  genaue  Atomgewichtsbestimmungen  für  die  ganze  Chemie  be- 
sitzen. Wird  doch  keine  quantitative  Analyse  ausgeführt,  ohne  direkte  oder  indi- 
rekte Benutzung  dieser  Zahlen  1  Denn  meistens  werden  die  Resultate  der  Anal]rse 
nur  gefunden  unter  Zugrundelegung  der  Atomgewichte,  oder  man  vergleicht  die 
durch  die  Analyse  ermittelte  Zusammensetzung  mit  der  theoretischen,  d.  h.  der 
mittelst  der  Atomgewichte  berechneten. 

Weiter  muss  hier  die  in  der  Chemie  übliche,  aus  der  Kenntniss  der  Atom- 
gewichte hervorgegangene  Zeichensprache  Erwähnung  finden.  Dieselbe  rührt 
im  Wesentlichen  von  Berzeuus  her  und  hat  sich  ganz  ausserordentlich  bewährt. 
Sie  beruht  auf  der  Bezeichnung  der  Atomgewichte  der  Elemente  durch  den  oder 
die  Anfangsbuchstaben  des  Elements  in  lateinischer  Sprache,  welche  Zeichen 
oben  in  der  Tafel  neben  den  betreffenden  Elementen  aufgenommen  sind. 

Mittelst  dieser  Zeichen  ergiebt  sich  ohne  Weiteres  ein  Symbol  für  die 
Moleküle  der  Verbindungen,  indem  diese  durch  Nebeneinanderstellung  der 
Zeichen  für  die  im  Molekül  vorkommenden  Elementaratome  dargestellt  werden, 
wobei  jedes  Atomsymbol  mit  einer  Zahl  rechts  unten  versehen  wird,  welche  die 
Anzahl  dieser  Atome  im  Molekül  bezeichnet.  Aus  einer  solchen  Molekularformel 
ergiebt  sich,  die  Kenntniss  der  Atomgewichte  vorausgesetzt,  unmittelbar  die 
Zusammensetzung  der  Verbindung  und  femer  (nach  Avogadro's  Hypothese)  ihre 
Dichte  in  DampfTorm. 

Die  Molekularformeln  führen  ausserdem  zur  Darstellung  chemischer  Zersetzungs- 
vorgänge mittelst  Gleichungen.  Die  Gleichungsform  soll  dabei  nur  ausdrücken, 
dass  bei  jeder  chemischen  Reacdon  das  Princip  von  der  Constanz  der  Masse 
gewahrt  bleibt,  dass  also  die  Anzahl  Atome  jedes  Elements  vor  und  nach  der 
Zersetzung  dieselbe  ist,  was  bei  allen  solchen  Gleichungen  der  Fall  sein  muss. 
In  diesen  werden  links  die  aufeinander  einwirkenden  Moleküle  geschrieben,  rechts 
stehen  die  Moleküle  der  entstandenen  Verbindungen. 

Beziehungen  zwischen  den  Atomgewichten. 

Im  Jahre  1815  wies  Prout  daraufhin,  dass  die  Atomgewichte  vieler  Elemente 
ganze  Multiplen  von  dem  Atomgewicht  des  Wasserstoffs  seien  (8).  Es  war  selbst- 
verständlich von  grösstem  Interesse  zu  untersuchen,  ob  sich  eine  solche  Regel- 
mässigkeit für  alle  Atomgewichte  nachweisen  lasse,  denn  dann  musste  sie  offen- 
bar zur  Ansicht  einer  Urmaterie  führen,  d.  h.  zu  der  Anschauung,  dass  alle 
Elemente  condensirter  Wasserstoff  seien. 

Die  Thatsachen  entschieden  aber  gegen  eine  solche  Hypothese,  und  obgleich 
namentlich  Dumas  wiederholt  für  dieselbe  eintrat,  und  eine  Reihe  von  Atom- 
gewichtsbestimmungen, sie  zu  unterstützen,  ausführte,  so  ist  ihr  Schicksal  doch 
endgültig  durch  die  schon  erwähnten  SxAs'schen  Untersuchungen  entschieden 
worden.  Selbst  da,  wo  wie  man  früher  glaubte,  einfache  multiple  Beziehungen 
stattfinden,  wie  bei  den  Atomgewichten  von  Sauerstoff  (16)  und  Kohlenstoff  (12), 
fand  Stab  durch  seine  genauere  Bestimmungen  Zahlen,  die  von  der  ganzen  Zahl 
nicht  unerheblich  abweichen. 

Damit  schien  vorläufig  Prout's  Hypothese  der  Boden  entzogen,  ganz  auf- 
gegeben ist  sie  aber  noch  nicht.  Sie  hat  von  vom  herein  zu  viel  Wahrscheinliches, 
als  dass  nicht  speculative  Köpfe  bei  passenden  Gelegenheiten  darauf  zurück- 
kommen sollten,  und  so  hat  namentlich  Lockyer  neuerdings  gelegentlich  seiner 
Spectralbeobachtungen  bei  hohen  Temperaturen,   diese  für  eine  Zerlegung  oder 


Atomtheorie. 


109 


Verwandlung  der  Elemente  zu  verwerthen  gesucht,  freilich  ohne  dass  es  ihm 
gelungen  wäre,  viele  Anhänger  für  seine  Ansichten  zu  gewinnen. 

Hier  soll  deshalb  darauf  nicht  eingegangen  werden,  während  andererseits 
Hypothesen  über  die  Beziehungen  zwischen  den  Atomgewichten  für  die  Chemie 
von  hervorragender  Bedeutung  wurden,  so  dass  sie  hier  nicht  übergangen  werden 
können. 

DöBSREiNER  (9)  zeigte  zuerst,  dass  zwischen  den  Atomgewichten  von  Elementen 
mit  ähnlichen  Eigenschaften  nahezu  dieselben  Differenzen  gefunden  werden. 

So  ist  Cl  =    35-37 


44-39  Diff. 
46-78    „ 


15-98 
16-04 


Br==   79-76 
J  =  126-54 

Femer  Li  =     7*01 

Na=    22-99 

K=    39-03 

Aehnliche  Regelmässigkeiten  sind  auch  bei  anderen  Gruppen  von  Elementen 
gefunden  worden,  und  viele  Chemiker,  vornehmlich  Dumas,  Lenssen  und  L.  Meyer 
waren  bemüht,  diesen  eine  allgemeinere  Bedeutung  abzugewinnen. 

Doch  ist  es  erst  Mendelejeff*)  im  Jahre  1870  gelungen,  alle  Elemente  nach 
ihren  Atomgewichten  so  anzuordnen,  dass  die  Beziehungen,  welche  zwischen 
diesen  und  andern  Eigenschaften  der  Elemente  bestehen,  klar  hervortreten  (10). 
Mendelejeff  erkennt  eine  periodische  Abhängigkeit  der  Eigenschaften  der 
Elemente  von  ihren  Atomgewichten,  d.  h.  er  findet,  dass  wenn  das  Atomgewicht 
um  eine  gewisse  Grösse  gewachsen  ist,  dieses  wieder  einem  Elemente  mit  ähn- 
lichen Eigenschaften  entspricht  Mendelejeff  findet  femer,  dass  diejenigen 
Elemente,  deren  Atomgewichte  innerhalb  einer  Phase  liegen  (so  also,  dass  ihre 
Differenzen  kleiner  sind  als  jene  gewisse  Grösse),  sich  in  ihren  Eigenschaften 
stetig  ändern.  Er  nennt  alle  Elemente  der  letztem  Art  einer  natürlichen  Reihe 
angehörig,  während  er  die  chemisch  ähnlichen  Elemente  zu  einer  natürlichen 
Gmppe  rechnet.  Dadurch  dass  nun  Mendelejeff  die  Grappen  in  vertikale 
Reihen  ordnet  und  die  natürlichen  Reihen  horizontal  stellt,  kommt  er  zu  folgender 
Anordnung  der  Elemente: 


•)  Neuerdings  hat  Newlands  darauf  hingewiesen   (Chem.   News.  46,   pag.  278),   dass  er 
lange  vor  Msndelejbff  ähnliche  Ansichten  ausgesprochen  habe. 


Handwörterbuch  der  Gieroie. 


ES 

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II 

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II 

II 
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2 
II 

i 

II 
II 
II 

s 

i 

Atomtheorie.  1 1 1 

Zunächst  ist  bei  dieser  Tafel  zu  bemerken,  dass  die  Stellung  der  ein- 
geklammerten Elemente  noch  nicht  als  entschieden  betrachtet  wird  und  dass 
Menbelejeff  femer  2  Reihen  zu  einer  Periode  rechnet,  d.  h.  dass  die  Analogie 
zwischen  den  Gliedern  einer  Gruppe,  wenn  beide  einer  paaren  oder  beide  einer 
unpaaren  Reihe  angehören,  grösser  ist,  als  bei  Gliedern  in  aufeinanderfolgenden 
Reihen. 

In  den  Gruppen  trägt  nun  Mendelejeff  im  Allgemeinen  längst  bekannten 
Analogien  Rechnung,  welche  in  ähnlicher  Weise  schon  von  Dumas  und  besonders 
von  L.  Meyer  zusammengestellt  worden  waren.  Viel  origineller  ist  die  Anord- 
nung in  Reihen.  Die  stetige  Veränderung  der  Eigenschaften  in  einer  solchen 
Reihe  zeigt  sich  sowohl  in  chemischen,  wie  in  physikalischen  Eigenschaften. 

Man  hat  z.  B.  folgende  Reihe,  die  höchsten  SauerstofTverbindungen  der  be- 
treffenden Elemente  darstellend: 

Li,0     BeO     BjO,      CO,     NjOg       ?  ? 

NajO    MgO    AljOj     SiO^     P2O5     SOj     Cl^O^ 
Femer  für  die  Chlor-  und  Wasserstoffverbindungen: 

LiCl     BeClj      BClj        CCI4     NCl,  OCU 

CH4      NH3  oh;    FIH 

NaCl  '  MgClj     AljClß     SiCl^     PCI5,  PCI3  SCI,     Cl, 

SiH^     PHj  SHj     CIH 

Die  Veränderungen  der  physikalischen  Eigenschaften  werde  hier  durch  die 
Aenderungen  der  Dichtigkeit  und  des  Atomvolumens  d.  h.  des  Quotienten  aus 
Dichtigkeit  in  Atomgewicht  erläutert. 


Li 

Be 

B 

C 

N 

0 

Fl 

Dichtigkeit 

0,59 

2,1 

2,68 

3,3 

— 

— 

— 

Atomvolum 

11,9 

4,4 

4,1 

3,6 

— 

— 

— 

Na 

Mg 

AI 

Si 

P 

S 

Cl 

Dichtigkeit 

0,97 

1.74 

2,49 

2,56 

2.3 

2,04 

1,38 

Atomvolum 

23,7 

13,8 

10,7 

11,2 

13,5 

16,7 

25,7 

In  Bezug  auf  Schmelzbarkeit,  Flüchtigkeit  und  elektrochemisches  Verhalten 
zeigen  sich  ähnliche  Regelmässigkeiten  (11). 

Von  allen  Anwendungen,  die  das  Gesetz  der  periodischen  Abhängigkeit  der 
Elemente  von  ihren  Atomgewichten  gefunden  hat,  soll  hier  nur  eine,  die  wichtigste, 
besprochen  werden :  nämlich  die  Prognose  der  Eigenschaften  bisher  unbekannter 
Elemente.  Mendelejeff  hat  nämlich  darauf  hingewiesen,  dass  die  Lücken  in 
obiger  Tafel  durch  noch  zu  entdeckende  Elemente  ausgefüllt  werden  würden  und 
dass  die  Eigenschaften  dieser  Elemente  sich  ergäben  sowohl  durch  Analogie  mit 
den  Elementen  derselben  Gruppe,  als  auch  durch  Anwendung  der  Regelmässig- 
keiten, welche  bei  den  Elementen  einer  natürlichen  Reihe  sich  finden.  Er  hat 
in  dieser  Beziehung  namentlich  die  Eigenschaften  von  Ekabor  (3.  Gruppe  4.  Reihe) 
Ekaaluminium  (3.  Gruppe  5.  Reihe)  und  Ekasilicium  (4.  Gruppe  5.  Reihe)  zu 
diagnosticiren  gesucht. 

Diese  Betrachtungen  haben  namentlich  durch  die  Entdeckung  des  Galliums 
durch  Lecoq  de  Boisbaudran  eine  eminente  Bedeutung  gewonnen.  Mendelejeff 
erkannte  sofort,  dass  das  Gallium  das  von  ihm  Ekaaluminium  benannte  Element 
sei,  und  die  thatsächlichen  Bestimmungen  Lecoq's  zeigten  im  Allgemeinen  die 
grösste  Uebereinstimmung  mit  den  Prognosen  Mendelejeff's.  So  ward  das  Atom- 
gewicht zu  69,9  bestimmt,  während  die  Zahl  68  vorhergesehen  war.  Das  spec. 
Gew.  des  Oxyds,  welches  5,9  sein  sollte,  ward  zu  5,96  bestimmt.    Die  Analogie 


II«  Handwörterbuch  der  aiemie. 

mit  dem  Aluminium,   welche  Mendelejeff  zu  dem  Namen  Ekaaluminium  veran- 
lasst hatte,  ward  durch  die  Darstellung  des  Galliumalauns  glänzend  bestätigt. 

Neuerdings  glaubt  Nilson  durch  das  von  ihm  gefundene  Scandium  auch  dem 
Ekabor  reale  Existenz  verleihen  zu  können. 

Valenz,  Werth,  Werthigkeit  oder  Sättigungsvermögen. 

Der  Begriff  der  Valenz  von  Elementen  ist  abgeleitet  aus  dem  viel  älteren 
Begriff  des  Aequivalents  oder  Aequivalentgewichts,  auf  welchen  deshalb  hier  kurz 
eingegangen  werden  soll. 

Von  Aequivalenten  sprach  man  zuerst  bei  Säuren  und  Basen,  nachdem  durch 
Richter's  Untersuchungen  festgestellt  war  (12),  dass  diejenigen  Mengen  von 
Basen,  welche  gerade  hinreichten,  ein  bestimmtes  Gewicht  einer  Säure  zu 
neutralisiren,  auch  sich  allen  anderen  Säuren  gegenüber  gleich  verhielten,  d.  h. 
auch  von  jeder  anderen  Säure  ein  und  dieselbe  Menge  zur  Neutralisation  be- 
dürfen. Selbstverständlich  gilt  der  Satz  auch,  wenn  man  Basen  mit  Säuren  und 
umgekehrt  vertauscht,  und  er  sagt  also  aus,  dass  diejenigen  Mengen  von  Basen 
(resp.  Säuren),  welche  sich  einer  Säure  (resp.  Base)  gegenüber  gleich  verhalten, 
allen  Säuren  (resp.  Basen)  gegenüber  gleichwerthig  oder  äquivalent  sind.  Die 
Untersuchungen  über  Metallfallungen,  namentlich  die  Erkenntniss,  dass  die  Neu- 
tralität bei  solchen  Reactionen  erhalten  bleibe,  führte  zur  Ausdehnung  des  Begriffs 
Aequivalent  auf  Elemente. 

Später  ward  dann  von  Wollaston,  welcher  den  Namen  Aequivalent  zuerst 
gebrauchte,  dieser  mit  Atom  synonym  angesehen  und  so  eine  Auffassung  an- 
gebahnt, welche  Jahrzehnte  lang  in  der  Chemie  herrschend  war.  In  jener  Zeit 
galten  Atomgewicht,  Mischungsgewicht,  Verbindungsgewicht  und  Aequivalent- 
gewicht  gleich,  und  ihre  Bestimmung  bestand  in  der  Auswahl  einer  Zahl  aus 
jenen  Multiplen,  welche  sich  durch  die  Analyse  der  Verbindungen  als  für  die 
Atomgewichte  möglich  ergeben. 

Die  Erkenntniss,  dass  die  Aequivalentgewichte  nicht  immer  den  Gewichten 
der  kleinsten  Theilchen  gleich  sein  könnten,  ergab  sich  zuerst  aus  Liebig's  be- 
rühmten Untersuchungen  über  mehrbasische  Säuren  (13).  Dort  wird  nachgewiesen, 
was  durch  Graham's  Untersuchung  der  Phosphorsäure  schon  nahegelegt  war,  dass 
die  kleinsten  Theilchen  (Moleküle)  der  Säuren  untereinander  und  mit  den  Mole- 
külen der  Basen  nicht  immer  äquivalent  sind,  dass  sie  vielmehr  in  ein-  und  mehr- 
basische unterschieden  werden  müssen.  * 

Zu  einer  ähnlichen  Scheidung  zwischen  Atom-  und  Aequivalentgewicht  bei 
Elementen  führte  die  Untersuchung  der  Substitutionserscheinungen,  welche  von 
Dumas  entdeckt  wurden  (14). 

Der  Erste  übrigens,  der  von  einer  bestimmten  Sättigungscapacität 
eines  Elementes  sprach,  war  Frankland,  der  dazu  durch  seine  Untersuchung 
der  metallorganischen  Verbindungen  geführt  ward  (15).  Nach  ihm  haben  viele  den 
Begriff  der  Valenz  zu  präcisiren  und  allgemeiner  anzuwenden  versucht,  von 
wesentlicher  Bedeutung  ist  aber  die  Anwendung  des  Begriffs  Valenz  auf  den 
Kolilenstoff  durch  Kekulä  (16)  und  der  Versuch,  dadurch  die  Constitution  der 
organischen  Verbindungen  zu  bestimmen. 

Unter  Valenz  oder  Werth  eines  Elements  versteht  man  heute  die  Anzahl 
Wasserstoffatome,  mit  der  sich  ein  Atom  des  betr.  Elements  verbinden  oder 
welche  es  vertreten  kann.  Man  bestimmt  die  Valenz  der  Elemente  sowohl  aus 
den  Formeln  der  Wasserstoffverbindungen  (resp.  Chlorverbindungen),  als  auch 
durch  Vergleichung  der  Formeln  von  Verbindungen,  aus  denen  sich  der  Substitutions- 


Atomtlieorie. 


riS 


werth  der  Elemente  ergiebt,  d.  h.  aus  denen  hervorgeht,  wieviel  Atome  Wasser- 
stoff (resp.  Chlor)  die  betr.  Elemente  ersetzen  können. 

Bei  einer  Bestimmung  nach  der  ersten  Methode  wählt  man,  um  Zweideutig- 
keiten möglichst  zu  vermeiden,  nur  Verbindungen,  welche  neben  Wasserstoff  ein 
Atom  eines  andern  Elements  enthalten.  Da  nun  viele  Elemente,  namentlich  die 
Metalle,  keine  Wasserstoffverbindungen  zu  bilden  im  Stande  sind,  so  benutzt  man 
hier  entweder  flüchtige  metallorganische  Verbindungen,  d.  h.  Methyl-  oder  Aethyl- 
verbindungen,  oder  auch  Chlorverbindungen. 

Doch  führt  schon  diese  Methode  zu  Unsicherheiten,  was  bei  der  zweiten 
Methode  noch  in  weit  höherem  Masse  der  Fall  ist.  Ich  erinnere  in  dieser  Be- 
ziehung an  die  Formeln  von  Zinnchlorür  SnClg  und  Zinnchlorid  SnCl^,  welche 
es  unbestimmt  lassen,  ob  dieses  Element  zwei-  oder  ob  es  vierwerthig  ist. 

In  vielen  andern  Fällen  kommt  man  dagegen  zu  eindeutigen  Resultaten  und 
ich  lasse  hier  eine  Eintheilung  der  bekannteren  Elemente  nach  ihrer  Valenz 
folgen: 


Einwertbigc 
Elemente 

2weTthige 
Elemente 

Swerthige 
Elemente 

4werthige 
Elemente 

5werthige 
Elemente 

6werthige 
Elemente 

Wasserstoff 

Sauerstoff 

Stickstoff 

Kohlenstoff 

Niob 

Molybdän 

Chlor 

Schwefel 

Phosphor 

Silicium 

Tantal 

Wolfram 

Brom 

Selen 

Arsen 

Aluminium 

Vanadin 

Jod 

TeUur 

Bor 

Indium 

Fluor 

Calcium 

Thallium 

Gallium 

Kalium 

Strontium 

Antimon 

Mangan 

Natrium 

Barium 

Wismuth 

Eisen 

I^irhium 

Beryllium 

Gold 

Kobalt 

Rubidium 

Magnesium 

Nickel 

Cäsium 

Zink 

Chrom 

Silber 

Cadmium 
Blei 
Kupfer 
Quecksilber 

V 

Zinn 
Titan 
Zirkonium 
Platin 

Selbstverständlich  hat  der  Begriff  Valenz  nur  dadurch  Bedeutung  gewinnen 
können,  dass  er  auch  ein  Verständniss  anbahnt  für  die  Verbindungen  mehrwerthiger 
Elemente,  z.  B.  der  Sauerstoffverbindungen.  Häufig  enthält  die  höchste  Sauer- 
stoffstufe  eines  Elements  halb  so  viel  Sauerstoffatome  als  der  Werth  des  Elements 
Einheiten  besitzt;  z.  B.  bei  CaO,  ZnO,  SiOg,  COg  etc.  Die  Auffassung  derartiger 
Verbindungen  ergiebt  sich  unmittelbar  aus  dem  Begriff"  der  Valenz.  Häufig  aber 
liegen  die  Verhältnisse  anders,  und  man  ist  deshalb  genöthigt  eine  Hypothese  zu 
Hülfe  zu  nehmen,  welche  auch  aus  andern  Gründen  unerlässlich  ist:  die  Annahme 
nämlich,  dass  auch  gleichartige  Atome  sich  vereinigen  können  und  deshalb 
gegenseitig  Valenzen  austauschen.  Zu  dieser  Hypothese  wird  man  unmittelbar 
durch  die  Existenz  der  Moleküle  der  freien  Elemente  geführt,  die  ja  vielfach  aus 
mehreren  Atomen  bestehen.  Sobald  dies  aber  zugegeben  ist,  erklären  sich  auch 
Verbindungen  wie  Eisenoxyd  FegOg  oder  Phosphorsäureanhydrid  P^O^  etc.  In  dem 
ersteren  tauschen  die  beiden  Eisenatome  je  eine  Valenz  aus,  so  dass  ihnen  noch 
6  freie  Valenzen  bleiben,  mit  denen  sie  die  drei  Sauerstoffatome  binden.  In  dem 
Phosphorsäureanhydrid  sind  von  4  Sauerstoffatomen  je  2  durch  1  Valenz  ver- 
kettet, während  die  4  andern  Valenzen  dieser  Atome  an  Phosphor  gebunden 
sind.  Die  3  letzten  Phosphorvalenzen  werden  durch  das  5.  Sauerstoffatom  ge- 
sättigt Man  stellt  derartige  Anschauungen  über  Atomverkettung  oder  Atom- 
bindung sehr  kurz  durch  Schemen  wie  die  folgenden  dar: 

Ladbnbukc,  Chemie.    Tl.  3 


114  Handwörterbuch  der  Chemie. 


Ke=0  '-1 


Die  Striche  bedeuten  hier  Valenzen. 

Nach  BuTTLEROw's  Vorschlag  nennt  man  solche  Schemen  Structurfonneln, 
und  dieselben  sind  namentlich  in  der  organischen  Chemie  vielfach  in  Gebrauch 
und  dort  auch,  wo  sehr  zahlreiche  Fälle  von  Isomerie  beobachtet  sind,  von 
grosser  Wichtigkeit  geworden.  Die  Aufstellung  solcher  Formeln  beruht  einerseits 
auf  dem  Begriff  der  Valenz,  indem  jedes  Atom  mit  dem  ihm  eigenthümlichen 
Werth  in  der  Formel  erscheinen  muss,  andererseits  aber  auf  dem  thatsächlichen 
Verhalten  der  Substanz,  d.  h.  auf  ihren  Bildungs-  und  Zersetzungsweisen.  Man 
nimmt  eben  an,  dass  diejenigen  Atomgruppen,  aus  denen  der  Körper  entsteht, 
oder  welche  bei  der  Zerlegung  gebildet  werden,  auch  bei  der  fertigen  Ver- 
bindung sich  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grad  schon  vorfinden. 

Genauer  auf  die  Art  der  Ableitung  solcher  Formeln  einzugehen,  ist  hier 
nicht  möglich,  doch  muss  hervorgehoben  werden,  dass  nicht  alle  Verbindungen 
in  dieser  Weise,  d.  h.  durch  Atomverkettung  darstellbar  sind.  Es  reicht  der 
Begriff  Valenz  nicht  aus  zur  Erklärung  aller  Verbindungen,  und  zwar 
giebt  es  2  Klassen  von  Substanzen,  welche  eine  derartige  Auffassung  nicht  zu- 
lassen:  1.  die  molekularen  Verbindungen,  2.  die  ungesättigten  Verbindungen. 

Zu  der  ersten  Klasse  gehören  alle  Körper,  bei  welchen  die  Valenzen  der 
einzelnen  Atome  nicht  hinreichen,  um  den  Zusammenhang  des  Moleküls  zu  be- 
wirken. Hierzu  müssen  also  alle  Verbindungen  gerechnet  werden,  welche  durch 
die  Vereinigung  gesättigter  Moleküle  entstehen,  d.  h.  alle  Krystallwasser-  (Krystall- 
alkohol-  etc.)  Verbindungen,  die  meisten  sogen.  Doppelsalze,  alle  Ammonium- 
verbindungen und  Ammoniaksalze,  das  Phosphorpentachlorid,  Jodtrichlorid, 
Schwefeltetrachlorid  u.  s.  f.  Die  Zahl  dieser  molekularen  Verbindungen  ist  eine 
sehr  grosse,  und  wenn  sie  auch  nicht  gerade  im  Widerspruch  mit  dem  Begriff 
der  Valenz  stehen,  so  zeigen  sie  doch  dessen  begrenzte  Anwendbarkeit.  Da 
ausserdem  eine  scharfe  Definition  für  molekulare  Verbindungen  zu  geben  nicht 
möglich  ist,  so  erhält  durch  sie  das  ganze  auf  die  Valenz  gebaute  System  eine 
grosse  Unsicherheit. 

Zu  den  ungesättigten  Verbindungen  zählt  man  alle  diejenigen  Körper,  bei 
welchen  kein  vollständiger  Ausgleich  der  Valenzen  statt  hat,  so  dass  man  sie 
auch  Körper  mit  freien  Valenzen  nennt.  Dahin  gehören  das  Kohlenoxyd  CO, 
das  Stickoxyd  NO,  das  Stickstofliperoxyd  NO,,  die  Isocyanüre  wie  CHj  —  N  =  C, 
die  einatomigen  Moleküle  der  Elemente  Quecksilber,  Zink  und  Cadmium  etc. 
Die  ungesättigten  Verbindungen  stehen  in  direktem  Widerspruch  mit  der  An- 
nahme einer  constanten  Valenz.  Sie  sind  ein  Beweis  dafür,  dass  die  Elemente 
nicht  immer  und  nicht  unter  allen  Bedingungen  denselben  Wirkungswerth  be- 
sitzen. Leider  hat  sich  aber  noch  nicht  bestimmen  lassen,  von  welchen  Grössen 
die  Valenz  abhängt  und  in  welcher  Weise  sie  veränderlich  ist,  so  dass  also  eine 
wirkliche  Theorie  der  Valenz  erst  zu  schaffen  ist.  Jetzt  weiss  man  nur,  dass 
vielfach  bei  erhöhter  Temperatur  die  Valenz  geringer  wird. 

Bemerkenswerth  ist  aber,  dass  trotz  der  sehr  schwankenden  Grundlage, 
welche  die  Lehre  von  der  Valenz  bietet,  diese  in  ihren  Consequenzen  nament- 
lich zur  Aufstellung  von  Structurformeln  sehr  ausgebildet  ist,  und  dass  hier  viel- 


Autoclav-. 


115 


fach  eine  erstaunliche  Uebereinstimmung  zwischen  Theorie  und  Thatsache  besteht. 
Dies  ist  auch  der  Grund,  weshalb  die  meisten  Chemiker  an  der  Valenzlehre  festhalten. 

Allerdings  hat  man  versucht,  diese  dadurch  annehmbarer  zu  machen,  dass 
man  die  Valenz  nicht  als  eine  bestimmte  Eigenschaft  eines  Elements  ansieht, 
sondern  als  eine  veränderliche  Grösse,  deren  Maximum  nur  bekannt  ist,  das 
aber  durchaus  nicht  in  allen  Fällen,  d.  h.  in  allen  Verbindungen  erreicht  wird. 
Dadurch  wird  es  freilich  möglich,  die  ungesättigten  Verbindungen  in  das  all- 
gemeine System  aufzunehmen,  andererseits  aber  wird  dieses  um  so  viel  unsicherer, 
da  doch  zugegeben  werden  muss,  dass  die  Annahme  einer  wechselnden  Valenz 
nicht  eine  erkannte  Gesetzmässigkeit  ist,  von  der  aus  sich  bestimmte  Schlüsse 
ziehen  lassen. 

Dies  zeigt  sich  schon  daran,  dass  das  Maximum  der  Valenz  bei  vielen 
Elementen  sehr  verschieden  angenommen  wird.  Es  tritt  eben  dann  das  Be- 
streben hervor,  auch  die  meisten  oder  alle  molekularen  Verbindungen  als  Atom- 
verkettungen erscheinen  zu  lassen.  Man  nimmt  daher  den  Stickstoff,  den  Phosphor, 
das  Arsen  u.  s.  w.  öwerthig  an,  um  die  Ammoniumverbindungen,  das  Phosphor- 
pentachlorid  etc.  erklären  zu  können,  das  Jod  wird  3  und  selbst  5  und  7  werthig 
vorausgesetzt,  ebenso  Chlor  und  Brom,  der  Schwefel  erscheint  2,  4  und  6  werthig, 
Kalium  und  Natrium  gar  1,  2,  3,  4  und  5  werthig  (17). 

NBt  solchen  Principien  lässt  sich  freilich  viel,   wenn  nicht  Alles  erklären,  es 


fragt  sich  nur,  ob  hier  noch  Principien  vorliegen. 

Autoclav  wird  ein  geschlossener  Behälter 
genannt,  in  welchem  Substanzen  über  ihren  Siede- 
punkt erhitzt  werden  können.  Da  hierbei  im 
Innern  des  Gefässes  ein  bedeutender  Druck  ent- 
steht, so  müssen  die  Wände  aus  widerstands- 
fiUiigem  Material  hergestellt  sein.  Zur  Fabrikation 
mancher  Theerfarbstoffe,  z.  B.  des  Methylgrüns, 
sowie  zur  Erzeugung  einzelner  der  Theerfarben- 
industrie  dienenden  chemischen  Präparate,  z.  B. 
des  Mono-  und  Dimethylanilins  verwendet  man 
oft  mehrere  hundert  Liter  fassende  Autoclaven 
von  Guss-  oder  Schmiedeeisen,  welche  mit  Mano- 
meter, Sicherheitsventil  und  einem  abschraub- 
baren Deckel  versehen  sind  (Fig  51). 

Zur  Erzielung  einer  gleichmässigen  Wirkung 
des  Autoclaveninhalts  ist  häufig  im  Innern  des 
Apparates  ein  Rührwerk  angebracht,  dessen  durch 
eine  Stopfbüchsenpackung  luftdicht  geführte  Welle 
von  Aussen  in  Umdrehung  gesetzt  wird.  Zum 
Schutz  der  eisernen  Gefässwände  vor  der  Ein- 
wirkung der  Chemikalien  werden  jene  in  der 
Regel  innen  emaillirt,  oft  stellt  man  auch  nur 
eben  emaillirten  Kessel  von  passender  Grösse 
m  das  Innere  des  Autoclaven.  Die  Dichtung 
zwischen  letzterem  und  seinem  Deckel  erfolgt 
durch  Vermittlung  eines  Bleirings,  gegen  welchen 
der  Deckel  durch  Anziehen  der  Schrauben  fest 
angepresst  wird.    Gewöhnlich  erhitzt  man  solche 


Ladenburg. 


(Ch.  51.) 


Il6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Autoclaven  im  Oelbad,  mitunter  auch  im  Blei-  oder  Luftbad,  wenn  höhere 
Temperatur  verlangt  wird.  Der  Druck,  welchen  die  Gefasswände  auszuhalten 
haben,  ist  oft  ziemlich  bedeutend  und  steigt  z.  B.  bei  der  Fabrikation  des  Dimethyl- 
anilins  bis  zu  25  Atmosphären.  Selbstverständlich  müssen  daher  die  Autoclaven 
vor  der  Verwendung  auf  ihre  Widerstandskraft  geprüft  werden,  was  in  gleicher 
Weise  wie  bei  Dampfkesseln  durch  Einpumpen  von  Wasser  zu  geschehen  pflegt 

Für  Laboratoriumsarbeiten  in  kleinem  Maassstab  dient  gewöhnlich  als  Autoclav 
eine  unten  zugeschmolzene  Röhre  aus  starkem  Glas  (schwerschmelzbare  böhmische 
Glasröhren  sind  besonders  empfehlenswerth),  deren  obere  Oeffnung  nach  Ein- 
fuhrung der  zu  erhitzenden  Substanzen  gleichfalls  zugeschmolzen  wird.  Solche 
Röhren  legt  man  zum  Schutz  der  Umgebung  vor  Glassplittern,  die  bei  einer 
etwaigen  Explosion  herumgeschleudert  werden  könnten,  in  eiserne  Röhren,  welche 
gewöhnlich  in  einem  Luftbade  von  geeigneter  Constniction,  häufig  aber  auch  in 
Wasser-,  Oel-  oder  Parafünbädern  zur  gewünschten  Temperatur  erhitzt  werden. 
Die  Glasröhren  können  oft  ganz  ausserordentlich  hohen  Druck  aushalten,  doch 
dürfen  sie  niemals  in  heissem  Zustand  geöffnet  werden,  damit  sie  nicht  nachträglich 
zerschmettert  werden.  Nach  völligem  Erkalten  umwickelt  man  die  Röhre  fest 
mit  einem  Tuch  und  erhitzt  die  allein  hervorragende  Spitze  in  einer  Gebläse- 
flamme. Die  er^veichte  Spitze  wird  durch  den  oft  auch  in  der  erkalteten  Röhre 
vorhandenen  Gasdruck  aufgeblasen  und  letzterer  dabei  langsam  aufgehoben. 

Zur  Erhitzung  kleiner  Flüssigkeitsmengen  auf  Temperaturen,  bei  welchen 
noch  kein  bedeutender  Druck  entwickelt  wird,  dienen  manchmal  die  sogen. 
LiNTNER'schen  Druckf laschen.  Es  sind  dies  starkwandige  Glasflaschen,  deren 
glatt  abgeschliffener  Hals  mit  einer  Glas-  oder  Kautschukplatte  bedeckt  ist,  auf 
welche  eine  Metallplatte  mit  Hülfe  einer  Schraubvorrichtung  fest  angepresst  wird. 
Der  ganze  Apparat  wird  in  ein  Wasser-  oder  Oelbad  untergetaucht  und  findet  z.  B. 
bei  quantitativ  analytischen  Bestimmungen  (zur  Ueberflihrung  der  Stärke  in  Zucker) 
vielfache  Anwendung.  Heumann. 

Azoverbindungen.*)  Mit  dem  Namen  Azo Verbindungen  werden  die  zahlreichen 
Glieder  einer  im  Molekül  mindestens  zwei  Stickstoffatome  enthaltenden  Körper- 
klasse bezeichnet,  bei  deren  Bildung  in  der  Regel  wenigstens  zwei  Kohlenwasser- 


♦)  i)  MiTSCHERLiCH,  Ann.  12,  pag.  311.  2)  A.  W.  Hofmann,  Ann.  115,  pag.  362. 
3)  Thomsen,  Ber.  13,  pag.  1806,  2166.  4)  Heumann,  Ber.  13,  pag.  2023.  5)  V,  Meyer  und 
CoNSTAM,  Ber.  14,  pag.  1455.  6)  V.  Meyfr  u.  Ambühl,  Ber.  8,  pag.  751,  1073,*  u.  Friese, 
Ber.  8,  pag.  1078,  ferner  Ber.  9,  pag.  384.  C.  Kappeler,  Ber.  12,  pag.  2285.  7)  E,  Fischer 
u.  Ehrhard,  Ann.  199,  pag.  325.  8)  J.  pr.  Ch.  36,  pag.  93.  9)  Rasenack,  Ber.  5,  pag.  364. 
10)  Alexkyew,  B.  I,  pag.  324.  11)  Glaser,  Z.  1866,  pag.  308.  12)  Petriew,  Ber.  6,  pag.  557. 
13)  \Vai.i.ach,  Belli  u.  Kiepenheüer,  Ber.  13,  pag.  525;  14,  pag.  2617.  14)  Heumann,  Ber.  5, 
pag.  911.  Hofmann  u.  Geyger,  Ber.  5,  pag.  916.  Laubenheimer,  Ber.  7,  pag.  1600;  8,  pag.  1623. 
Alexeyew,  Z.  1866,  pag.  269.  Beilstein  u.  Kurbatow,  Ann.  197,  pag.  84.  Gabriel,  Ber.  9, 
pag.  1408.  15)  ZiNiN,  Ann.  114,  pag.  218.  Schmidt,  Z.  1869,  pag.  421.  Petriew,  Ber.  6, 
pag.  557.  Fleischer,  Ber.  9,  pag.  992.  Heumann,  Ber.  5,  pag.  912.  Calm  u.  Heumann, 
Ber.  13,  pag.  1185.  16)  Schmidt,  Z.  1869,  pag.  417;  Ann.  122,  pag.  174.  Schraube,  Ber.  8, 
pag.  619.  17)  Werigo,  Ann.  135,  pag.  176.  Rasenack,  Ber.  5,  pag.  364.  Glaser,  Ann.  142, 
pag.  364.  SciLMiiT,  J.  pr.  [2]  18,  pag.  196.  ScHMmT  u.  Schultz,  Ann.  207,  pag.  329.  An- 
scHÜTz  u.  Schultz,  Ber.  9,  pag.  1398.  Baeyer,  Ber.  7,  pag.  1638.  18;  Laurent  u.  Gerhardt, 
Ann.  75,  pag.  73.  E.  Fischer,  Ann.  190,  pag.  133.  Petriew,  Z.  1870,  pag.  265.  19)  Schmidt, 
Ber.  5,  pag.  480.  Griess  u.  Martius,  Z.  1866,  pag.  132.  Kekul^,  Z.  1866,  pag.  689.  Grässler, 
DiNGL.,  Pol.  J.  232,  pag.  192  u.  Chem.  Industrie  1879,  pag.  49,  346.  20)  Griess,  Ann.  154, 
pag.  208;    131,  pag.  89.     Claus  u.  Moser,  Ber.  11,  pag.  762.     Mahrenholtz  u.  Gilbsrt, 


Azoverbindungen.  117 

Stoffreste  durch  die  unter  sich  verbundenen  Stickstoffatome  zu  einem  Molekül 
vereinigt  werden.  Nur  wenige  Verbindungen  sind  bekannt,  bei  welchen  ein 
Kohlenwasserstoflfrest  beide  auch  unter  sich  verbundenen  Stickstoffatome  bindet. 
In  den  bis  jetzt  dargestellten  Azoverbindungen  gehören  die  Kohlenwasserstoff- 
radicale  in  den  meisten  Fällen  der  aromatischen  Reihe  an. 

MiTSCHERLiCH  (i)  erhielt  im  Jahre  1834  durch  Reduktion  des  Nitrobenzols 
einen  nach  der  Formel  CgH^N  zusammengesetzten,  rothe  Krystalle  bildenden 
Körper,  welchem  er  den  Namen  Azobenzid  gab  und  den  er  als  Benzol  auf- 
fasste,  in  dessen  Molekül  1  At.  H  durch  1  At.  N  ersetzt  sei.  Spätere  Unter- 
suchungen, insbesondere  die  Entdeckung  des  Azoxybenzols  liessen  es  jedoch 
wahrscheinlicher  gelten,  dass  dem  Azobenzol  ein  doppelt  so  grosses  Molekül 
zugeschrieben  werden  müsse,  und  als  A.  W.  Hofmann  (2)  die  Dampfdichte  des 
Azobenzols  als  der  Formel  Ci^HjoNj  entsprechend  fand,  war  die  Frage  ent- 
schieden, und  die  Lösung  fand  ihre  Bestätigung  durch  die  Darstellung  solcher 
Derivate,  in  welchen  auf  12  Atome  Kohlenstoff  nur  1  Atom  Wasserstoff  durch 
die  Nitro-  oder  Amidogruppe  ersetzt  ist. 

Da  die  beiden  Benzolreste  CgHj  im  Azobenzol  noch  völlig  intact  erscheinen, 
so  ist  anzunehmen,  dass  die  beiden  Stickstoffatome  zusammen  blos  zwei  Valenzen 
äussern  und  also  —  wenn  wir  den  Stickstoff  als  dreiwerthig  ansehen  —  unter 
sich  mit  doppelter  Bindung  gefesselt  sein  müssen. 

Die  Constitution  des  Azobenzols  wird  hiernach  durch  die  Formel  CgHjN 
=  NCgHj  ausgedrückt. 

Die  bedeutende  Stabilität  der  Azoverbindungen  hat  man  vielfach  auf  diese 
doppelte  Bindung  der  Stickstoffatome  zurückführen  wollen,  da  ja  auch  in  dem 
sehr  stabilen  Stickoxydul  NgO  eine  solche  Bindung  anzunehmen  ist,  aber  aus 
Thomsen's  (3)  neueren,  auf  die  Verbrennungswärme  basirten  Untersuchungen 
über  die  Constitution  des  Benzols  scheint  hervorzugehen,  dass  doppelte  Bindungen 
sich  leichter  lösen  wie  einfache  und  somit  Körper  solcher  Constitution  nur  als 
Uebergangsstufen  zu  Verbindungen  mit  völlig  gesättigten  Valenzen  zu  betrachten  sind, 
da  erst  in  diesem  Fall  ein  stabiles  Gleichgewicht  innerhalb  des  Moleküls  erreicht  wird. 

Ann.  202,  pag.  332.  Laur,  J.  pr.  [2]  20,  pag.  264.  Limpricht,  Ber.  14,  pag.  1356.  Her.  15, 
pag.  1155.  Janovsky,  ^.  2,  pag.  221.  Wien.  Akad.  Ber.  83,  pag.  646;  Ber.  16,  pag.  i486; 
Ber.  15,  pag.  1450.  2370.  2575.  Griess,  Ber.  15,  pag.  2188.  v.  Reiche,  Ber.  13,  pag.  1747. 
Rodatz,  Ber.  16,  pag.  237.  21)  Griess,  Ann.  154,  pag.  211.  Kimich,  Ber.  8,  pag.  1027.  Kekule 
0.  HiDEGH,  Ber.  3,  pag.  234.  Mazzara,  J.  1879,  pag.  465.  22)  Hepp,  Ber.  10,  pag.  1652.  An- 
DREAE,  J.  pr.  [2]  21,  pag.  320.  Schmitt  u.  Möhlau,  J.  pr.  [2]  18,  pag.  199.  23)  Jaeger, 
Ber.  8,  pag.  1499.  Weselsky  u.  Benedikt,  Ann.  196,  pag.  340.  Bohn  u.  Heumann,  Ber.  15, 
P"g.  3037.  24)  Baeyer  u.  Jäger,  Ber.  8,  pag.  148.  Typke,  Ber.  10,  pag.  1576.  R.  Meyer  u. 
Kreis,  Ber.  16,  pag.  1329.  25)  Stebbins,  Ber.  13,  pag.  44,  716.  26)  Weselsky  u.  Benedikt, 
Ber.  12,  pag.  227.  27)  Griess,  Ann.  137,  pag.  85.  Ber.  9,  pag.  627.  28)  Card  u.  Schraube, 
Ber.  10,  pag.  2230.  29)  A.  W.  Hofmann,  J.  1863,  pag.  424.  Alexeyew,  Z.  1868,  pag.  497. 
30)  Schultz,  Ann.  207,  pag.  311.  31)  Calm  u.  Heumann,  Ber.  13,  pag.  1181.  32)  J.  Lermon- 
Tow,  Ber.  5,  pag.  232.  33)  Schmidt  u.  Schultz,  Ann.  207,  pag.  327.  34)  Rasenack,  Ber.  5, 
pag.  367.  Claus,  Ber.  8,  pag.  39,  600;  6,  pag.  723.  35)  Ladenburg,  Ber.  9,  pag.  219.  36)  Ja- 
novsky, J.  1864,  pag.  527.  Melmo,  Ber.  3,  pag.  550.  Barsilowsky,  Ann.  207,  pag.  103.  Schmitt, 
J.  pr.  [2]  18,  pag.  198.  37)  Petriew,  Dissertat.  Odessa  1872.  38)  A.  W.  Hofmann,  Ber.  10, 
pag.  218.  39)  Buckney,  Ber.  11,  pag.  1453.  40)  Nietzky,  Ber.  10,  pag.  662.  41)  Stebbins, 
Ber.  10,  pag.  574,  717.  42)  Mazzara,  Ber.  12,  pag.  2367.  43)  Ladenburg,  Ber.  9.  pag.  219. 
44)  Werigo,  Z.  1865,  pag.  312.  45)  Nietzky,  Ber.  13,  pag.  471.  46)  Doer,  Ber.  3,  pag.  291. 
47)  Lecco,  Ber.  7,  pag.  1290.  48)  Chem.  Industrie  1878,  pag.  240.  49)  Griess,  Ann.  137, 
pag.  61;  Ber.  12,  pag.  426.    50)  Zimmermann,  Ber.  13,  pag.  i960.    51)  Wald,  Ber.  10,  pag.  137. 


Ii8  Handwörterbnch  der  Chemie. 

Im  Gegensatz  zu  den  leicht  zersetzbaren  Diazoverbindungen  (s.  d.)  sind  Azo- 
körper  gegen  viele  Reagentien  sehr  widerstandsfähig  und  ein  Zerreissen  des 
Moleküls  durch  Trennung  der  StickstofTatome  erfolgt  nur  in  wenigen  Fällen. 
Eine  gewisse  Verwandtschaft  der  Azokörper  mit  den  Diazoverbindungen  zeigt  sich 
jedoch  in  dem  leichten  Uebergang  der  letzteren  in  Azoverbindungen  und  in  der 
Eigenschaft  beider,  beim  Erhitzen  unter  Verpuffung  zersetzt  zu  werden,  was  wohl 
dem  Stickstoff  zugeschrieben  werden  müss,  welcher  durch  die  bei  der  Lösung  der 
Stickstoffbindung  frei  werdende  Wärme  plötzlich  ausgedehnt  wird.  Die  Diazo- 
körper  sind  aber  in  weit  höherem  Grad  explosiv  als  die  Azoverbindungen,  bei 
welchen  jene  Erscheinung  nur  durch  plötzliches,  starkes  Erhitzen  bewirkt 
werden  kann. 

Die  Bildungsweisen  der  Azokörper  sind  verschiedener  Art 

Aus  Nitro-  und  Nitrosoverbindungen  entstehen  sie  durch  Reduction, 
z.  B.  2C6H5NO,  —  20  =  CeH5Ns=  NCeHj;  aus  Amidokörpern  durch  Wasser- 
stoffwegnahme infolge  der  Einwirkung  von  Oxydationsmitteln  oder  Brom  z.  B. 
2CgH5NHj  —  2Hj  =  CßH5N  =  NCgH5,  und  aus  Diazoverbindungen  durch 
Umlagerung.  So  geht  Diazoamidobenzol  CßHsN  =  NNHC^Hj  über  in  Amido- 
azobenzol  CgHjN  =  NCgH^NHj.  Femer  treten  Diazokohlenwasserstoffe 
mit  Phenolen  zu  Oxyazokörpem  zusammen:  CuHjNjNOj -H  CgHs-OH 
=  C^HftN  =  NCeH^.OH  -h  HNO,. 

In  analoger  Weise  entstehen  die  sogen,  gemischten  Azokörper,  bei 
welchen  die  Reste  verschiedener  Kohlenwasserstoffe  durch  die  Azogruppe 
—  N  =  N  —  verbunden  sind  und  die  mehrere  derartige  Azogruppen  enthaltenden 
complicirten  Azokörper. 

Von  theoretischem  Interesse  ist  noch  die  Bildung  einiger  Azoverbindungen 
aus  Nitroso-  und  Amidokohlenwasserstoffen  unter  Austritt  von  Wasser  und 
das  Entstehen  von  Azobenzol  aus  Bromanilin  und  Natrium. 

Die  auf  der  Oxydation  der  Amidokohlenwasserstoffe  durch  Kaliumpermanganat 
Chlorkalk,  Bleisuperoxyd  oder  Zinnoxyd  beruhende  Darstellungsweise  der  Azo- 
körper liefert  im  Allgemeinen  eine  geringere  Ausbeute  als  die  übrigen  Methoden, 
welche  zum  Theil  hohe  technische  Bedeutung  erlangt  haben.  —  Zur  Reduction 
der  Nitrokörper  benutzt  man  nascirenden  Wasserstoff,  welcher  sich  aus  alkalischen 
Flüssigkeiten  entwickelt  (Natriumamalgam  und  Wasser  oder  verdünnte  Essigsäure, 
Zinkstaub  und  Natronlauge  etc),  sowie  frisch  gefälltes  Eisenhydroxydul  oder 
Zinnchlorür.  Auch  durch  Schmelzen  oder  längeres  Erhitzen  mit  Aetzalkalien 
werden  manche  Nitrokörper  zu  Azoverbindungen  reducirt,  wobei  ein  Theil  des 
Nitrokörpers  selbst  als  Reductionsmittel  dient  und  dabei  zerstört  wird.  Natürlich 
ist  unter  diesen  Umständen  die  Ausbeute  nur  eine  geringe.  —  Die  Bildung  von 
Azokörpem  aus  Diazoverbindungen  verläuft  gewöhnlich  fast  quantitativ. 

Durch  die  erwähnten  Reactionen  können  nicht  nur  nitrirte,  amidirte  und 
diazotirte  Kohlenwasserstofie  in  Azokörper  übergeführt  werden,  sondern  auch  die 
entsprechenden  Chlor-,  Brom-,  Jod-,  Hydroxyl-,  Carboxyl-  und  Sulfoderivate,  so 
dass  die  Zahl  der  entstehenden  Verbindungen  eine  sehr  beträchtliche  ist  Da 
wir  femer  auch  im  Stande  sind,  jene  Substitutionen  nachträglich  in  den  bereits 
fertig  gebildeten  Azokohlenwasserstoffen  eintreten  zu  lassen,  so  gelingt  es  auch, 
zahlreiche  Isomerien  auf  diese  Weise  darzustellen. 

Während  man  bis  jetzt  vergeblich  versuchte,  an  zweifach  nitrirten  oder  ami- 
dirten  Kohlenwasserstoffen  die  Bildung  zweier  Azogruppen  zu  bewirken,  gelang 
es  Ladenburg,  einige  Verbindungen  herzustellen,  welche  sich  von  einem  Molekül 


AzoverbinduDgen.  119 

Benzol  durch  Ersetzung  zweier  Wasserstoffatome  durch  zwei  Stickstoffatome  ab- 
leiten lassen.    (S.  Azomonophenylen.) 

Die  erst  in  neuester  Zeit  näher  untersuchten  sogen.  Dis-  oder  Tetrazo- 
verb  in  düngen,  welche  im  Molekül  drei  Kohlen  wasserstoffireste  durch  zwei 
—  N  ==  N  —  Gruppen  verbunden  enthalten,  können  auf  zweierlei  Weise  dargestellt 
werden. 

Analog  der  Bildung  des  Oxyazobenzols  (Phenol-Azo-Benzol)  aus  Diazobenzol 
und  Phenol  erhielt  P.  Griess  aus  Diazobenzol  und  Phenol-Azo-Benzol  einen 
Körper  von  der  Zusammensetzung  CgHjNss  NCgH4(OH)N  =  NCßH5.  Card 
überführte  dagegen  Amidoazobenzol  in  Diazo-Azobenzol  und  combinirte  diese 
Diazoverbindung  mit  Phenol  zu  dem  Disazokörper  CuHjN  =  C^H^N  = 
NC5H4(OH).  Aus  der  Bildungsweise  und  den  Reactionen  dieser  neuen  Ver- 
bindungen, welche  als  Vertreter  höchst  zahlreicher  und  als  Farbstoffe  wichtiger 
Körperklassen  zu  gelten  haben,  ergiebt  sich,  dass  die  nach  den  beiden  Methoden 
dargestellten  Körper  mit  einander  isomer  sind. 

Azooxyverbindungen.  Bei  der Reduction  der  Nitroverbindungen  zu  Azo- 
körpem  erhält  man  häufig  ein  Zwischenproduct,  welches  aus  2  Molekülen  des 
Nitrokörpers  durch  Austritt  von  3  Atomen  Sauerstoff  entstanden  ist;  das  im 
Molekül  bleibende  Sauerstoffatom  steht  mit  den  beiden  Stickstoffatomen  in  Ver- 
bindung, die  unter  sich  daher  nur  mit  einer  Valenz  gebunden  sind.  Die  so  gebil- 
deten Körper  hat  man  Azoxyverbindungen  genannt  und  ihnen  die  Constitution 

R'N  —  NR'     (R' =  einwerthiges    Kohlenwasserstoffradical)    zugesprochen.      Sie 
\/ 
O 
gleichen  in  ihren  Eigenschaffen  und  Reactionen  in  hohem  Grade  den  eigentlichen 
Azokörpem  und  gehen  durch  Reductionsmittel,  welche  den  Sauerstofi  wegnehmen, 
in  dieselben  über. 

Hydrazoverbindungen.  Durch  die  Einwirkung  stark  reducirender 
Agentien  kann  in  den  Azokörpem  die  doppelte  Bindung  der  Stickstoffatome  zur 
Hälfte  gelöst  und  durch  Wasserstoff  gesättigt  werden,  wobei  sog.  Hydrazover- 
bindungen  von  der  Constitution  R'N  —  NR'  entstehen,   welche  sich  dadurch 

I  I 
H  H 
auszeichnen,  dass  sie  schon  durch  ganz  schwache  Oxydationsmittel,  oft  sogar 
durch  den  Einüuss  des  Lufbauerstoffs  ihren  additionellen  Wasserstoff  verlieren 
und  in  die  entsprechende  Azoverbindung  zurückverwandelt  werden.  Durch 
Berührung  mit  Säuren  werden  die  indifferenten  Hydrazokörper  in  der  Regel  in 
Basen  übergeführt,  indem  sie  sich  in  Diamidoverbindungen  desDiphenyls 
oder  seiner  Homologen  umlagern: 

CeHjNH   ^   CeH^.NH, 

C«H,NH   ~   CeH,.NH, 
Hydrazobenzol       Diamidodiphenyl. 

Die  Einwirkung  von  Reagentien  auf  Azokörper  kann  im  Allgemeinen 
auf  zweierlei  Weise  erfolgen. 

Entweder  veranlassen  sie  Substitutionen  in  den  Kohlenwasserstofiresten  und 
dann  verlaufen  die  Reactionen  genau  so  wie  bei  den  isolirten  Kohlenwasserstoffen 
und  die  entstehenden  Brom-,  Nitro-,  Sulfo-  etc.Produkte  zeigen  einen  den  ent- 
sprechend substituirten  Kohlenwasserstoffen  sehr  ähnlichen  Charakter  —  oder  die 
Reagentien  bewirken  eine  Aenderung  in  der  Bindung  der  Stickstoffatome. 

Entweder  wird  die  doppelte  Bindung  in  eine  einfache  verwandelt  und  die 


I20  Handwörterbuch  der  Chemie. 

zwei  frei  werdenden  Valenzen  sättigen  sich  durch  an  die  Stickstoffatome  neu  an- 
gelagerte Atome  eines  andern*  Elements,  oder  die  Stickstoffatome  werden  völUg 
von  einander  getrennt  und  das  Molekül  des  Azokörpers  spaltet  sich  in  zwei 
Moleküle  eines  substituirten  Kohlenwasserstoffs.  Diese  tiefgreifende  Wirkung  wird 
durch  energische  Hydrirung  oder  Halogenisirung  ausgeübt.  Im  ersteren 
Fall  treten  als  Spaltungsprodukte  Amidokohlenwasserstoffe  auf:  CgHgN^^NCßHj 
+  4H  =  2C6H5NH3,  im  letzteren  Fall  bei  sogen,  durchgreifender  Chloiirung 
oder  Bromirung  bilden  sich  vollständig  chlorirte  Kohlenwasserstoffe,  insbesondere 
CßClß  und  CßBrg,  während  der  Stickstoff  als  solcher  austritt. 

Die  Ueberführung  der  Azokörper  durch  starke  Reductionsmittel  z,  B.  Zinn 
und  Salzsäure  in  Amine  der  betreffenden  Kohlenwasserstoffe  wird  ganz  allgemein 
zur  Erkennung  der  Constitution  der  Azokörper  benutzt,  da  es  hierbei  in 
der  Regel  gelingt,  letztere  in  Componenten  von  bekannter  Constitution  zu  zerlegen. 
Erhält  man  z.  B.  bei  der  Reduction  eines  Dibromazobenzols  nur  Para-Monobrom- 
anilin,  so  beweist  dies,  dass  der  Azokörper  symmetrisch  constituirt  ist  und  die 
Bromatome  sich  dem  Stickstoff  gegenüber  in  der  Parastellung  befinden. 

Bezüglich  derjenigen  Reactionen,  bei  welchen  eine  Substitution  in  den 
Kohlenwasserstoffresten  des  Azokörpers  stattfindet,  ist  noch  hervorzuheben,  dass 
die  Anzahl  der  bei  Ersatz  von  zwei  oder  mehr  Atomen  Wasserstoft  durch  andere 
Atome  oder  Radicale  entstehenden  Isomeren  eine  weit  grössere  ist  als  bei4en 
entsprechend  substituirten  Kohlenwasserstoffen.  Befinden  sich  z.  B.  zwei  Nitro- 
gruppen  im  Molekül  des  Azobenzols,  so  können  beide  in  demselben  Benzolrest 
stehen  oder  jeder  Benzolrest  enthält  eine  Nitrogruppe. 

In  beiden  Fällen  sind  wieder  weitere  Isomerien  möglich,  je  nachdem  die 
Nitrogruppen  unter  sich,  sowie  gegen  den  Stickstoff  der  Azogruppe  in  die  Ortho- 
Meta-  oder  Parastelle  getreten  sind.  Sind  in  dem  Azokörper  bereits  andere 
Wasserstoffatome  durch  Chlor,  Hydroxyl  etc.  substituirt,  so  entstehen  noch  weitere 
Isomerien  bei  dem  Eintritt  einer  Nitrogruppe  u.  s.  f.  Die  Constitution  der 
betreffenden  Producte  lässt  sich  in  den  meisten  Fällen  durch  Spaltung  des  Azo- 
körpers mittelst  Zinn  und  Salzsäure  ermitteln. 

Die  Nomenclatur  ist  bei  den  Azoverbindungen  vielfach  eine  verworrene;  für 
dieselben  Verbindungen  werden  oft  sehr  verschiedene  Namen  gebraucht,  die  ihrer 
Complicirtheit  wegen  mitunter  schwer  verständlich  sind  oder  gar  Missverständnisse 
und  Verwechslung  mit  Diazoverbindungen  hervorrufen.  Im  Nachfolgenden  werden 
für  die  komplicirteren  und  sofern  nöthig  auch  für  die  unsymmetrisch  substituirten 
Azokörper  die  Namen  in  der  Art  gewählt)  dass  das  Wort  —  Azo  —  dieselbe  Stelle 
zwischen  den  Namen  der  Kohlenwasserstoffe  einnimmt,  welche  der  —  N  =  N  — 
Gruppe  in  der  Formel  zukommt  (4). 

Azoverbindungen  der  Fettreihe. 
Erst  in  neuester  Zeit   wurde    eine  nur  Radicale    der  Fettreihe  enthaltende 
Azoverbindung  entdeckt.     Nitromethan    und    seine   Homologen   liefern   bei  der 
Reduction  sofort  Amine,    aber    durch  Behandlung   von  Aethylnitrolsäure   CHj- 

^^N'OH'  ^^^  Natriumamalgam  erhielten  Vict.  Meyer  und  Constam  (5)  einen 
Körper,    der   allen  Reactionen   nach   wohl    als    ein    symmetrisches    Dinitroso- 

CH  CH 

Azoaethan,  j^q'CHN  =  NCHj^q*,  anzusehen  ist.     Wegen  seiner  Eigenschaft 

mit  Alkalien  orangegelbe  Salze  zu  bilden,  wurde  diese  Verbindung  Aethyl- 
azaurolsäure  genannt.  Auch  eine  Propylazaurolsäure  wurde  auf  analoge 
Weise  dargestellt 


\ 


Aro  Verbindungen.  121 

Gemischte  Azoverbindungen, 
bei  welchen  die  Kohlenwasserstoffreste  zum  Theil  der  Fettreihe,   zum  Theil  der 
aromatischen    Reihe  angehören,    hat   ViCT.   Meyer  (6)   mit    seinen    Mitarbeitern 
durch  Einwirkung  von  Diazobenzolnitrat  auf  die  Natriumverbindungen  der  Nitro- 
kohlenwasserstoffe  der  Fettreihe  dargestellt. 

Benzol-Azo-Nitromethan  (Azonitromethylphenyl)  CßHjN  =  NCHj-NOj 
scheidet  sich  als  ein  bald  zu  rothen,  atlasglänzenden  Nadeln  erstarrendes  Oel 
aus,  wenn  stark  verdünnte  Lösungen  von  Natriumnitromethan  und  Diazobenzol- 
nitrat vermischt  werden.  Der  Process  verläuft  nach  der  Gleichung  CHgNaNOg 
-h  CeHjNgNOa  =  CßHgN  =  NCHgNOa  +  NaNOj.  Zur  Reinigung  des  Körpers 
löst  man  ihn  in  verdünnter  Alkalilauge,  fällt  durch  eine  Säure  und  krystallisirt 
aus  Alkohol.  Die  Krystalle  sind  prismatisch;  sie  schmelzen  unter  Zersetzung 
bei  153°  und  verpuffen  bei  stärkerem  Erhitzen.  In  Wasser  ist  der  Körper  un- 
löslich, wird  aber  von  Benzol,  Aether  und  Schwefelkohlenstoff  leicht  aufgenommen. 
In  concentrirter  Schwefelsäure  löst  sich  die  Verbindung  mit  blauvioletter  Farbe; 
bei  Wasserzusatz  wird  sie  unverändert  wieder  ausgefallt.  Den  Alkalien  gegenüber 
tritt  das  Benzol-Azo-Nitromethan  als  starke  Säure  auf  —  eine  Eigenschaft,  welche 
die  höheren  gleichfalls  nitrirten  Homologen  des  Körpers  ebenso  zeigen. 

Benzol-Azo-Aethan,  C6H5N  =  NC2H5,  oder  Azophenyläthyl,  bildet  sich 
nach  Fischer  und  Ehrhardt  (7)  bei  der  Destillation  des  Diäthyldiphenyl- 
tetrazons,  (C2H5)2N-N  =  N-N(CgH5)2,  "^^'  Wasserdampfund  stellt  ein  stark 
riechendes,  hellgelbes  Oel  dar,  welches  sich  direkt  mit  Jod  verbindet  und  durch 
Reductionsmittel  in  Benzol-Hydrazo-Aethan  übergeht. 

Benzol-Azo-Nitroäthan,  CßKr^N  =  NCj^^NO,  (Azonitroäthylphenyl), 
wird  in  analoger  Weise  wie  die  correspondirende  Methanverbindung  aus  Diazo- 
benzolnitrat und  Natriumnitroäthan  dargestellt  und  bildet  gelbe  Krystallblättchen, 
welche  bei  136 — 137°  schmelzen.  Die  Lösung  färbt  Seide  schön  goldgelb.  Der 
Körper  bildet  wohl  charakterisirte  Salze,  welche  jedoch  auffallenderweise  2  Atome 
des  einwerthigen  Metalles  enthalten  und  also,  da  die  Constitution  nur  ein  durch 
Metalle  vertretbares  Wasserstoffatom  erwarten  lässt,  als  basische  Salze  aufzufassen 
sind.  Durch  Fällung  einer  Lösung  von  Nitroäthankalium  mit  conc.  Natronlauge 
wurde  indess  auch  ein  normales  Benzol-Azo-Nitroäthannatrium  erhalten.  —  Die 
Salze  der  Alkalimetalle  sind  in  Wasser  löslich,  diejenigen  des  Zinks,  Platins  und 
Silbers  werden  dagegen  als  Niederschläge  erhalten,  wenn  die  Lösung  des  Kalium- 
salzes mit  den  betreffenden  Metallsalzlösungen  vermischt  wird. 

Durch  Einwirkung  von  Nitroäthannatrium  auf  Para-Bromdiazobenzolnitrat 
wurde Brombenzol-Azo-Nitroäthan,  CgH4BrN  =  NC2H4N02  erhalten,  Meta- 
Nitrodiazobenzolnitrat  liefert  Nitrobenzol-Azo-Nitroäthan,  Diazotoluol  giebt 
Toluol-Azo-Nitroäthan  u.  s.  f.  Wird  bei  diesen  Reactionen  das  Nitroäthan 
durch  Nitropropan  oder  Pseudonitropropan  ersetzt,  so  entstehen  gleichfalls 
entsprechende  Azokörper.  Wendet  man  statt  des  Diazobenzols  P-Diazobenzol- 
sulfo säure  (aus  Sulfanilsäure)  an,  so  bilden  sich  schöne  Farbstoffe,  welche  aus 
den  Sulfosäuren  der  nitrirten  gemischten  Azokörper  bestehen  (C.  Kappeler). 

Azoderivate  des  Benzols. 
Azoxybenzol,  CgH.N  —  NCgHg,  nennt  man  das  aus  Nitrobenzol  bei  ge- 
\/ 
O 
linder  Reduction  zunächst  entstehende  Produkt.     Zinin  (8)  erhielt  dasselbe  bei 


122  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Anwendung  von  alkoholischer  Kalilauge  als  Reductionsmittel,  doch  ist  die  Rein- 
darstellung des  Azoxybenzols  nach  diesem  Verfahren  wegen  der  gleichzeitig  ent- 
stehenden harzigen  Nebenprodukte  mit  einiger  Mühe  verbunden.  Rasenak  (9) 
verwandte  Natron  statt  des  Kalis  und  behandelte  den  nach  dem  Abdestilliren 
des  Alkohols  bleibenden  Rückstand  mit  verdünnter  Salzsäure  und  Chlorwasser. 
Schliesslich  ist  das  Azoxybenzol  mit  Benzol  zu  extrahiren.  Alexevew  (10)  führte 
die  Reduction  durch  Zusatz  von  Essigsäure  und  Natriumamalgam  aus,  wobei  in- 
dess  die  Wirkung  leicht  zu  weit  geht,  so  dass  ein  Ueberschuss  von  Amalgam 
vermieden  werden  muss.  Klinger  wendet  Nätriummethylat  an  zur  Reduction  des 
Nitrobenzols  (Ber.  15,  pag.  865,  s.  auch  Moltschanowsky:  Ber.  15,  pag.  1575; 
^6>  pag-  81  u.  Klinger,  Ber.  16,  pag.  941).  Nach  einer  ungedruckten  Beobachtung 
des  Ref.  bildet  sich  bei  der  Digestion  des  Nitrobenzols  mit  einer  zur  weitergehenden 
Reduction  ungenügenden  Menge  an  Zinkstaub  und  verdünnter  wässriger  Natronlauge 
oder  wässriirem  Ammoniak  ebenfalls  Azoxybenzol,  welches  von  unverändertem  Nitro- 
benzol  durch  Destillation  mit  Wasserdampf  befreit  werden  kann  und  einen  hohen 
Grad  von  Reinheit  besitzt  —  Auch  aus  salzsaurem  Anilin  kann  durch  Kalium- 
permangat  Azoxybenzol  erzeugt  werden  [Glaser  (i  i)],  und  Azobenzol  lässt  sich 
beim  Erhitzen  mit  einer  Lösung  von  Chromsäure  in  Eisessig  auf  150**  zu  Azoxy- 
benzol oxydiren  [Petriew  (12)],  doch  sind  diese  Bildungsweisen  nicht  zur  Ge- 
winnung des  Körpers  geeignet. 

Azoxybenzol  bildet  hellgelbe  Krystallnadeln,  welche  bei  36°  schmelzen.  Die 
Niedrigkeit  des  Schmelzpunkts  bewirkt,  dass  sich  das  Azoxybenzol  aus  seiner 
alkoholischen  Lösung  meist  zunächst  als  Oel  ausscheidet,  welches  erst  nach 
einiger  Zeit  erstarrt.  Gegen  verdünnte  Säuren  und  Alkalien  verhält  sich  das 
Azoxybenzol  indififerent  und  selbst  Chlor  vermag  es  nicht  anzugreifen,  dagegen 
geht  es  durch  nascirenden  Wasserstoff  leicht  in  Azobenzol  über.  Dasselbe  Pro- 
dukt entsteht  neben  Anilin  bei  trockner  Destillation  des  Azoxybenzols  für  sich 
oder  mit  Eisenfeile.  Salpetersäure  erzeugt  Nitroprodukte,  concentrirte  Schwefel- 
säure löst  den  Körper,  bildet  aber  nicht,  wie  zu  erwarten  wäre,  eine  Sulfosäure, 
denn  Wasser  fallt  aus  jener  Lösung  neben  unverändertem  Azoxybenzol  das  da- 
mit isomere  Oxyazobenzol  oder  Phenol-Azo-Benzol,  CgH^'OH-N  =  NCgHj, 
welches  als  ein  Phenol  in  Alkalien  löslich  ist  und  folglich  mit  Hülfe  von  Natron- 
lauge vom  Azoxybenzol  getrennt  werden  kann  (13).  Bei  weiterer  Einwirkung 
conc.  oder  rauchender  Schwefelsäure  werden  Oxyazobenzolsulfosäuren  gebildet. 

Substitutionsprodukte  des  Azoxybenzols.    Haloidderivate  (14). 

Da  die  Halogene  Chlor  und  Jod  auf  Azoxybenzol  ohne  Wirkung  sind,  so 
können  Substitutionsprodukte  nur  dadurch  erhalten  werden,  dass  man  die  sub- 
stituirenden  Atome  bereits  in  das  zur  Azoverbindung  zu  reducirende  Nitrobenzol 
einführt.  Durch  Erwärmen  von  Monochlor-,  Monobrom-  und  Monojod-nitrobenzol 
(Para-  und  Meta-)  mit  alkoholischer  Kalilauge  lassen  sich  symmetrisch  substituirte 
Dichlor-,  resp.  Dibrom-  und  Dijodazoxybenzole  erhalten,  welche  alle  eine  gelb- 
liche Farbe  besitzen.  Monosubstitutionsprodukte  können  auf  diesem  Wege  natür- 
lich nicht  erhalten  werden. 

Para-Dichlorazoxybenzol,   CgH^ClN  —  NCßH^Cl.     Blassgelbe,  seiden- 

\/ 
O 
glänzende  Nadeln.     Schmp.  155—156°. 

Meta-Dichlorazoxybenzol.    Schmp.  97°. 


Azoverbindungen.  123 

P-Dibromazoxybenzol.     Schmp.  172°. 

Meta-Dibromazoxybenzol.    Schmp.  111—111,5°. 

P-Dijodazoxybenzol.     Schmp.  199°. 

Tetrachlorazoxybenzol,     CgHjCljN  —  NCgHjC^.      Aus    Dichlornitro- 

\/ 
O 
benzol  und  alkoholischem  Kaliumsulf hydrat.    Schmp.  141,5°. 

Nitrokörper  (15).  Azoxybenzol  liefert  beim  Auflösen  in  concentrirter 
Salpetersäure  zwei  isomere  Mononitroazoxybenzole,  welche  sich  durch  die 
Schmelzpunkte  (153°  und  49°),  sowie  durch  die  verschiedene  Löslichkeit  in  Alko- 
hol unterscheiden. 

Dem  leichter  schmelzbaren  und  löslichen  Körper  hat  man  den  Namen  Iso- 
nitroazoxybenzol  gegeben. 

Trinitroazoxybenzol  bildet  sich  bei  Behandlung  des  Azoxybenzols  mit 
einem  Gemisch  von  höchst  concentrirter  Salpetersäure  und  Schwetelsäure  oder 
beim  Kochen  von  Azobenzol  mit  sehr  conc.  Salpetersäure.  Gelbe,  bei  152° 
schmelzende  Nadeln,  welche  in  Alkohol  und  Aether  schwer  löslich  sind  und 
aus  Salpetersäure  oder  Benzol  leichter  krystallisirt  erhalten  werden. 

Tetranitroazoxybenzol.  Durch  Eintragen  von  Diphenylsulfohamstoff  in 
rauchende  Salpetersäure  imd  Fällen  mit  Wasser  darzustellen.  Gelbe,  in  Alkohol 
schwer  lösliche  Krystalle. 

Nitro-p-DichlorazoxybenzoL    Weissliche,  verfilzte  Nadeln.    Schmp.  134°. 

Oxy-  und  Dioxytrinitroazoxybenzol,  Ci9H^(OH)(N02)3N20  und 
CijH5(OH),(NO0)5N,O,  Durch  Oxydation  von  Nitroazoxybenzol  mit  in  Eisessig 
gelöster  Chromsäure  bei  180°  darstellbar. 

Amidoderivate  (16).    Amidoazoxybenzol,  CgH^NHjN— NCßHj,  wird 

\/ 
O 
durch  Reduction  des  schwer  löslichen  Nitroazoxybenzols  mit  alkoholischem 
Schwefelammonium  erhalten  und  ist  eine  bei  138,5°  schmelzende,  in  rhombischen 
Tafeln  krystallisirende  Base.  Gleichzeitig  bildet  sich  auch  durch  Wegnahme  des 
letzten  SauerstofFatoms  Amidoazobenzol.  Man  trennt  die  Chlorhydrate  der 
Basen  durch  Alkohol,  in  welchem  dasjenige  des  Azoxykörpers  leichter  löslich  ist, 
als  andere  Salze. 

Tetramethyldiamidoazoxybenzol,  CQl{^^{CK^)^N^lfCQll^N(Cli^)^, 

\/ 
O 
ist  bei  Behandlung  von  Nitrosodimethylanilin  mit  warmer  alkoholischer  Kalilauge 
erhalten  worden.    Zweisäurige  Base. 

Azobenzol,  C6H5N  =  NC6H5. 

Wie  erwähnt,  entdeckte  Mitscherlich  diesen  Körper  als  ersten  Repräsentanten 
der  Azoverbindungen,  ohne  die  chemische  Constitution  desselben  sofort  zu  erkennen. 

Azobenzol  (17)  entsteht  durch  Reduction  des  in  wasserhaltigem  Aether  ge- 
lösten Nitrobenzols  mittelst  Natriumamalgam,  wobei  das  zunächst  gebildete  Azoxy- 
benzol weiter  reducirt  wird;  femer  bei  trockner  Destillation  von  Azoxybenzol 
(am  besten  mit  Eisenfeile)  oder  Hydrazobenzol  (neben  Anilin).  Aus  salzsaurem 
Anilin  entsteht  es  bei  Einwirkung  von  Kaliumpermanganat  oder  Chlorkalk  und 
aus  essigsaurem  Anilin  kann  es  einer  interessanten  Reaction  zu  Folge  mittelst 
Nitrosobenzol  erhalten  werden:  C6H5NH2-hC6H5NO=HaO  +  C6H5N=NCgH5. 
Parabromanilin   liefert   in   ätherischer  Lösung   mit  Natrium  behandelt  ebenfalls 


1*4  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Azobenzol,  doch  scheint  zunächst  Hydrazobenzol  gebildet  zu  werden,  welches 
sich  an  der  Luft  zu  Azobenzol  oxydirt. 

Als  Darstellungsmethode  ist  die  Reduction  des  Nitrobenzols  mit  Zink- 
staub und  wässriger  Natronlauge  zu  empfehlen.  Die  Mischung  erhitzt  sich  von 
selbst  nach  einiger  Zeit  und  nimmt  eine  braune  Farbe  an.  Nach  dem  Erkalten 
wird  der  wässrige  Theil  abiiltrirt  und  der  auf  dem  Filter  befindliche  Rückstand 
mit  Alkohol  extrahirt.  Sind  die  aus  der  Lösung  zu  erhaltenden  rothen  Krystalle 
des  Azobenzols  in  Folge  zu  weit  gegangener  Reaction  mit  weissen  Nadeln  von 
Hydrazobenzol  vermischt,  so  leitet  man  während  einigen  Minuten  Chlorgas  in 
die  alkoholische  Lösung. 

Azobenzol  krystallisirt  in  bräunlichrothen  Blättern  oder  Nadeln  des  rhom- 
bischen Systems  (Jeremejew  und  Alexejew,  Russ  phys.  ehem.  Gesellsch.  1882, 
pag.  198),  deren  Schmp.  bei  68°  liegt  (Griess);  bei  293°  verdampft  es  unzersetzt 
Wird  Azobenzol  rasch  erhitzt,  so  findet  Zersetzung  statt,  in  Folge  deren  Anilin, 
Diphenyl  etc.  entstehen,  bei  plötzlichem  starkem  Erhitzen  auf  dem  Platinblech 
tritt  schwache  Verpuffung  ein.  In  Wasser  ist  das  Azobenzol  unlöslich,  dagegen 
leicht  löslich  in  Alkohol,  Aether,  Chloroform  und  Benzol.  Aus  der  Benzollösung 
scheidet  sich  beim  Verdunsten  die  Verbindung  CiaHioNg-CßHg  in  rhombischen 
Prismen  ab.  —  Chlor  wirkt  nicht  auf  Azobenzol,  Brom  bildet  dagegen  sowohl  Sub- 
stitutions-  wie  Additionsprodukte.  Salpetersäure  wirkt  nitrirend,  rauchende  Schwefel- 
säure sulfirend  auf  dasselbe  ein  und  eine  Lösung  von  Chromsäure  in  Eisessig 
oxydirt  es  bei  150*^  zu  Azoxybenzol. 

Substitutionsprodukte  des  Azobenzols. 

1.  Haloidderivate.  Para-Dichlorazobenzol  ist  durch  Destillation  von 
P-Monochlomitrobenzol  mit  alkoholischem  Kali  erhalten  worden  und  bildet  röth- 
lich  gelbe  Nadeln,  die  bei  184°  schmelzen. 

P-Dibromazobenzol  (Schmp.  205°)  kann  analog  dargestellt  werden,  bildet 
sich  aber  auch  bei  direkter  Einwirkung  von  Brom  auf  Azobenzol. 

Metadibromazobenzol  (Schmp.  125°),  Meta-  und  Paradijodazobenzol 
(Schmp.  150°  resp.  237°)  wurden  dagegen  durch  Oxydation  der  betreffend  sub- 
stituirten  Hydrazobenzole  mit  Eisenchlorid  erhalten. 

Tetrabromazobenzol,  CgHjBrgN  =  NCgHjBrj,  bildet  sich  beim  Er- 
hitzen einer  alkoholischen  Azobenzollösung  mit  Brom.     Schmp.  320°. 

2.  Nitroderivate  (18).  Concentrirte  Salpetersäure  erzeugt  mit  Azobenzol 
je  nach  der  Stärke  der  Säure  und  der  Dauer  des  Erhitzens  Mono-,  Di-  oder 
Trinitroazobenzol.  Im  letzteren  Fall  entsteht  durch  gleichzeitige  Oxydation  auch 
Trinitroazoxybenzol. 

Nitroazobenzol,  Ci3H5(N02)N2,  und  Dinitroazobenzol ,  orangegelbe 
Nadeln. 

Trinitroazobenzol  aus  Trinitrohydrazobenzol  und  Quecksilberoxyd. 
Dunkelrothe  Prismen  vom  Schmp.  142°.  Ein  Isomeres  aus  Azobenzol  und 
Salpetersäure  bildet  gelbe,  bei  112°  schmelzende  Blättchen. 

3.  Amidoderivate  (19).  Amidoazobenzol,  CgHgN  =  NCeH4NH3,  ent- 
steht durch  Reduction  von  Nitroazo-  oder  Nitroazoxybenzol  mit  alkoholischem 
Schwefelammonium,  sowie  durch  Einwirkung  dampfförmigen  Broms  auf  Anilin. 
Weit  wichtiger  ist  jedoch  seine  Bildung  aus  Diazoamidobenzol  durch  Umlagerung: 
CgHjN  =  NNHCßHj  =  CgH^N  ==  NCgH^NH^. 

Diazoamidobenzol  (Diazobenzolanilid)  geht  bei   mehrtägigem  Stehen  seiner 


1 

k 


Azoverbindungen.  125 

alkoholischen  Lösung  mit  ^  seines  Gewichtes  an  salzsaurem  Anilin  in  das  iso- 
mere Amidoazobenzol  über  Dieser  Vorgang  lässt  sich  durch  die  Annahme  er- 
klären, es  wirke  zunächst  ein  Molekül  Anilin  auf  den  Diazokörper  ein,  wobei  die 
Gruppe  NHCßHj  unter  Aufnahme  von  einem  Atom  H  aus  dem  Benzol rest  des 
Anilin  abgespalten  wird  und  dabei  wiederum  Anilin  bildet,  während  der  Rest 
CgH^NHj  an  die  Stelle  der  NHCßHj  Gruppe  im  Diazoamidobenzol  tritt: 
C6H5N  =  NNHC6H5  +  CßH^H-NHj  =C«H5N=NC6H^-NH2-hNH2C6H5. 

Zur  Darstellung  des  Amidoazobenzols  ist  jedoch  die  vorhergehende  Isolirung 
des  Diazoamidobenzols  nicht  erforderlich,  es  genügt,  die  zur  Bildung  desselben 
nötigen  Reagentien  —  Anilin  und  salpetrige  Säure  —  bei  Gegenwart  überschüssigen 
Anilins  einige  Zeit  der  Digestion  zu  überlassen.  Man  leitet  z.  B.  gasförmiges 
Salpetrigsäureanhydrid  in  eine  warme  alkoholische  Anilinlösung,  bis  die  Flüssig- 
keit eine  dunkelrothe  Farbe  angenommen  hat  und  lässt  dann  digeriren  oder  man 
mischt  2  Thle.  salzsaures  Anilin  langsam  mit  1  Thl.  in  Wasser  gelöstem  Natrium- 
nitrit  ohne  die  Temperatur  über  60**  steigen  zu  lassen,  worauf  das  Gemisch 
mehrere  Tage  stehen  bleibt,  bis  sich  das  Reactionsproduct  in  concentrirter  warmer 
Salzsäure  fast  völlig  lösst.  Das  überschüssige  Anilin  wird  durch  Zusatz  von 
etwas  Wasser  zur  viel  überschüssige  Salzsäure  enthaltenden  Lösung  der  Chlor- 
bydrate  entfernt.  Das  salzsaure  Amidoazobenzol  scheidet  sich  in  metallisch 
schimmernden,  fast  schwarzen  Nädelchen  aus,  während  das  Anilin  gelöst  bleibt 

Das  aus  dem  Chlorhydrat  durch  Ammoniak  abgeschiedene  Amidoazobenzol 
bildet  nach  dem  Umkrystallisiren  aus  Alkohol  gelbe  Nadeln,  die  bei  127,5° 
schmelzen  und  sich  sublimiren  lassen.  Die  Amidogruppe  nimmt  der  Azogruppe 
gegenüber  die  Parastelle  ein,  denn  bei  der  Reduction  des  Amidoazobenzols 
durch  Zinn  und  Salzsäure  entsteht  Para-Phenylendiamin  und  Anilin.  —  Die  Base 
ist  einsäurig  und  vermag  Säuren  nur  mit  sehr  geringer  Kraft  festzuhalten,  so  dass 
die  Salze  beim  Kochen  ihrer  wässrigen  Lösung  alle  Säure  verlieren.  Die  Salze 
sind  in  Wasser  schwer  löslich  und  geben  rothe,  bei  Gegenwart  überschüssiger 
Säure  besonders  lebhaft  gefärbte  Lösungen. 

Früher  fand  die  saure  Lösung  des  Chlorhydrats,  jedoch  nur  vorüber- 
gehend, Anwendung  in  der  Färberei,  da  sie  schön  roth  färbt.  Doch  die  Unecht- 
heit  der  Farbe,  welche  schon  durch  Berührung  mit  Wasser  in  Gelb  übergeht, 
sowie  die  leichte  Flüchtigkeit  der  Base  beim  Dämpfen  der  gefärbten  Stoffe  ver- 
hinderte die  weitere  Benutzung.  Durch  Einführung  einer  Sulfogruppe  in  das 
Molekül  des  Amidoazobenzols  werden  diese  Nachtheile  beseitigt,  so  dass  ein 
werthvoller  Farbstoff  entsteht  (Säuregelb). 

Amidoazobenzolsulfosäure  kann  nach  Grässler  sowohl  durch  Erhitzen 
von  1  Thl.  salzsaurem  Amidoazobenzol  mit  3—5  Thln.  stark  rauchender  Schwefel- 
säure erhalten  werden,  als  auch  durch  Digestion  von  Diazobenzolsulfosäure  (aus 
Sulfanilsäure)  mit  Anilin.  Die  Amidoazobenzolsulfosäure  wird  mit  Kochsalz  aus- 
gefällt und  unter  dem  Namen  »Säuregelb«  in  den  Handel  gebracht  Beim  Färben 
aus  schwach  saurem  Bad  giebt  sie  schöne  kanariengelbe  Töne. 

Amidoazobenzol  liefert  beim  Erhitzen  mit  Alkohol  und  salzsaurem  Anilin 
auf  160**  eine  Base,  das  sogen.  Azodiphenylblau,  CigHisN^.  Dasselbe  ent- 
steht auch  aus  salzsaurem  Anilin  nnd  Nitrobenzol  oder  Anilin  und  Azoxybenzol. 
Es  gehört  zur  Klasse  der  Induline  (s.  Farbstoffe). 

Substitutionsproducte  des  Amidoazobenzols  werden  durch  die  fruchtbare 
Reaction  zwischen  Diazokörpern  und  Aminen  erzeugt.  Wird  z.  B.  Diazobenzol- 
lösung  oder  Diazobenzolsulfosäure  mit  Mono-  oder  Dimethylanilin  oder  mit 


126  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Diphenylamin  zusammengebracht,  so  entstehen  durch  directe  Vereinigung 
gelbe  Farbstoffe,  welche  als  Amidoazobenzol  aufzufassen  sind,  in  welchem  der 
Wasserstoff  der  Amidogruppe  durch  CHj  resp.  CgHj  ersetzt  ist.  —  Das  Kalium- 
salz der  aus  Diazobenzolsulfosäure  und  Diphenylamin  entstehenden  Verbindung, 
C6H4(S03H)N  =  NC6H4NHCgH5,  löst  sich  in  Wasser  mit  gelber  Farbe,  welche 
jedoch  bei  Zusatz  von  Mineralsäuren  in  Roth  übergeht,  während  Essigsäure  und 
andere  schwache  organische  Säuren  diese  auf  der  Abscheidung  der  Sulfosäure 
beruhende  Farbenänderung  nicht  herbeiführen.  Alkalien  stellen  die  gelbe  Farbe 
wieder  her.  Diese  Eigenschaft  des  »Tropaeolin  00«  genannten  Farbstoffs 
macht  ihn  als  Indicator  beim  Titriren  und  zum  Unterscheiden  von  freien  Mineral- 
säuren neben  organischen  Säuren  geeignet. 

Diamidoazobenzol,  Chrysoidin,  CgH5N  =  NC6H3(NH3),,  ein  orange- 
rother  Farbstoff,  bildet  sich  aus  Diazobenzolsalzlösung  und  Meta-Phenylendiamin. 
Die  Base  stellt  gelbe  Nadeln  vom  Schmp.  117,5°  dar.  Mit  1  Mol.  Säure  bildet 
sie  beständige,  mit  gelber  Farbe  in  Wasser  lösliche  Salze;  auf  Zusatz  über- 
schüssiger Säure  färbt  sich  die  Flüssigkeit  carminroth. 

Triamidoazobenzol,  Phenylenbraun,  CgH^NHgN  ==  NCeHjCNH,)^  (?), 
entsteht  durch  Diazotirung  von  1  Mol.  Meta-Phenylendiamin  und  ZufUgen  eines 
weiteren  Moleküls  Phenylendiamin.  Die  Base  ist  zweisäurig  und  bildet  bei  137** 
schmelzende  braungelbe  Blättchen.  —  Da  der  Eintritt  der  braunen  Färbung 
schon  beim  Zusammentreffen  von  höchst  geringen  Spuren  salpetriger  Säure  mit 
Phenylendiamin  zu  beobachten  ist,  so  hat  Griess  das  letztere  als  äusserst  em- 
pfindliches Reagens  auf  salpetrige  Säure  empfohlen. 

Sulfoderivate  des  Azobenzol  (20). 

Azobenzolmonosulfosäure,  C6H5N  =  NCgH^SOjH,  wurde  von  Griess 
durch  Erwärmen  von  Azobenzol  mit  der  5  fachen  Menge  rauchender  Schwefel- 
säure auf  130°  erhalten.  Wenn  sich  eine  Probe  der  Flüssigkeit  in  viel  heissem 
Wasser  klar  löst,  wird  die  Flüssigkeit  mit  dem  doppelten  Volumen  kalten  Wassers 
gefällt.    Die  Sulfosäure  scheidet  sich  in  rothen  Kryställchen  ab. 

Die  Azobenzolsulfosäure  zeichnet  sich  durch  die  Schwerlöslichkeit  ihrer 
Alkalisalze  aus.     Sie  liefert  durch  Reduction  Sulfanilsäure. 

Azobenzoldisulfosäure.  Beim  Erhitzen  von  Azobenzol  mit  Pyroschwefel- 
säure  auf  160*^  gelingt  es  zwei  Sulfogruppen  in  das  Molekül  einzuführen.  Es 
entstehen  gleichzeitig  3  isomere  Säuren.  Symmetrische  Azobenzoldisulfosäuren, 
C6H4(S03H)N  =  NC6H4(S03H),  lassen  sich  durch  Reduction  der  Nitrobenzol- 
sulfosäuren  mittelst  Natriumamalgam,  Eisenhydroxydul  oder  Zinnclilorür  darstellen. 
Sie  gehen  bei  Einwirkung  reducirender  Körper  in  Hydrazobenzoldisulfosäuren 
(Benzidindisulfosäuren?)  über. 

Oxyazobenzole. 

Wird  das  Kaliumsalz  der  Azobenzolmonosulfosäure  mit  dem  doppelten  Ge- 
wicht Aetzkali  geschmolzen,  so  tritt  nach  Griess  OH  an  die  Stelle  der  Sulfo- 
gruppe  und  beim  Ansäuren  der  in  Wasser  gelösten  Schmelze  scheidet  sich 

Oxyazobenzol  (21),  Benzol-Azo-Phenol,  CgHjN  ^NCgH^ -OH,  als 
braungelber  Niederschlag  aus,  welcher  durch  Erhitzen  seiner  ammoniakalischen 
Lösung  mit  Thierkohle,  Ausfallung  mit  Salzsäure  und  Umkrystallisirung  aus 
Alkohol  rein  zu  erhalten  ist.  Gelbe,  bei  151°  schmelzende,  warzenförmig 
aggregirte,  prismatische  Kryställchen. 

Dasselbe  Oxyazobenzol  erhielt  Griess,  welcher  den  Körper  Phenoldiazo- 


Axoverbindungen.  127 

benzol  nannte,  durch  Einwirkung  von  Baryumcarbonat  auf  gelöstes  Diazobenzol- 
nitrat.  Kimmich  gewann  die  Verbindung  aus  Nitrosophenol  und  essigsaurem 
Anilin.    Diese  Bildungsweise  lässt  sich  durch  die  Gleichung, 

C6H4SS  -^  CeH^NH,  «  H,0  +  CgH^N  =  NCgH^  •  OH, 
erklären,  obwohl  noch  andere  Producte  gleichzeitig  entstehen. 

Dass  Oxyazobenzol  aus  Azoxybenzol  durch  Auflösen  in  conc.  Schwefelsäure 
und  Fällen  mit  Wasser  erhalten  wird,  ist  bereits  bei  Azoxybenzol  erwähnt  worden. 

Die  bequemste  Darstellungsmethode  des  Oxyazobenzols  wird  jedoch  auf 
die  von  Kekulä  und  Hidegh  beobachtete  für  die  Farbenchemie  so  folgenreiche 
Reaction  zwischen  Diazobenzolnitrat  und  Phenolkalium  oder  -natrium  begründet. 
Die  im  äquivalenten  Verhältniss  gemischten,  stark  verdünnten  Lösungen  scheiden 
nach  einiger  Zeit  das  Oxyazobenzol  als  harzigen  braunen  Niederschlag  aus, 
welcher  in  der  bereits  erwähnten  Weise  gereinigt  wird. 

Mäzzara  empfahl  30  Grm.  Kaliumnitrit  in  4  Liter  Wasser  zu  lösen  und 
20  Grm.  Anilinnitrat  nebst  20  Grm.  Phenol  in  2  Liter  Wasser  gelöst  zuzufügen. 
Nach  24 stündigem  Stehen  wird  das  Oxyazobenzol  abfiltrirt 

Das  Oxyazobenzol  ist  in  Alkohol  und  Aether  leicht  löslich,  in  Wasser  schwer 
löslich.  Alkalilaugen  und  Ammoniak  lösen  es  leicht.  Mit  Ersteren  bildet  das 
Oxjrazobenzol  bestimmte  Salze,  deren  Lösung  mit  Silbemitrat  einen  gelben 
Niederschlag,  die  Silberverbindung  bildet  Das  Oxyazobenzol  zeigt  also  ganz  den 
Charakter  eines  Phenols,  was  mit  der  Bildungsweise  aus  Azobenzolsulfosäure 
übereinstimmt.  Die  Hydroxylgruppe  befindet  sich  der  Azogruppe  gegenüber  in 
der  ParaStellung,  wie  die  Bildung  aus  Para-Nitrosophenol  und  Anilin  beweist.  — 
Das  Oxyazobenzol  ist  selbst  ein  gelbrother  Farbstoff,  praktische  Anwendung  fand 
aber  ihrer  Löslichkeit  wegen  nur  die  mit  rauchender  Schwefelsäure  daraus  dar- 
stellbare Sulfosäure,  deren  Natriumsalz  denNamen  Tropaeolin  führt.  Dieselbe 
Sulfosäure  wird  auch  direct  durch  Zusammenbringen  von  Para-Diazobenzolsulfo- 
säure  (aus  Sulfanilsäure)  mit  Phenol  erhalten  (Griess)  und  diese  Reaction  beweist 
für  jene  Oxyazobcnzolsulfosäure  die  Constitution  als  Phenol-p-Azo-p-Benzolsulfo- 
säure,  CgH^COHON  =  NCßH^CSOjH).    (S.  auch  Wilsing,  Ber.  16,  pag.  239.) 

Wendet  man  statt  P-Diazobenzolsulfosäure  Meta-Diazobenzolsulfosäure  an 
oder  Hydroxyl-,  Nitro-,  Brom-  etc.  Derivate  des  Diazobenzols,  so  entstehen 
Oxyazobenzole,  in  welchen  der  Phenolrest  unverändert,  der  Benzolrest  aber 
hydroxylirt,  sulfirt,  nitrirt,  bromirt  etc.  erscheint.  Wird  dagegen  das  Phenol  durch 
Nitrophenol,  Phenolsulfosäure  u.  s.  f.  ersetzt,  so  entstehen  neue  Körperklassen, 
welche  als  Oxyazobenzol  oder  Phenol-Azo-Benzol  aufzufassen  sind,  dessen  Phenol- 
rest nitrirt,  sulfirt  u.  s.  w.  ist. 

Durch  gleichzeitigen  Ersatz  des  Phenols  und  des  Diazobenzols  durch 
Substitutionsprodukte  können  voraussichtlich  sehr  zahlreiche  Körper  erhalten 
werden,  von  denen  jedoch  die  wenigsten  bis  jetzt  dargestellt  sind.  Da  femer  die- 
selben Reactionen  bei  den  höheren  Kohlenwasserstoffen  erfolgen,  das  Phenol 
also  auch  durch  Cresol,  Naphtol  u.  s.  f.,  das  Benzol  durch  Toluol,  Xylol,  Naph- 
talin  etc.  ersetzt  werden  kann,  so  eröffnet  sich  eine  unabsehbare  Perspective  auf 
die  Darstellung  neuer  Azokörper,  von  welchen  viele  gelbe,  rothe  oder  violette 
Farbstofife  sind.  In  der  That  haben  jetzt  schon  mehrere  hierhergehörige  Ver- 
bindungen in  der  Färberei  ausgedehnte  Anwendung  gefunden. 

Azophenetole,  CßH^(OC3H5)N  =  NCgH4(OCi|H5),  sowie  Azoxyphenetole, 


128  Handwörterbuch  der  Chemie. 

CeH4(OC2H5)N  — NC6H4(OCjH5),     entstehen    durch    Reduction    von    Nitro- 
\/ 
O 
phenetolen    bei  Einwirkung   von  Zinkstaub  und  alkoholischer  Kalilauge.     Auch 
diese  Verbindungen  können  weiter  in  Hydrazokörper  umgewandelt  werden,  welche 
bei    Behandlung    mit    Säuren    eine    Umlagerung    in    Diamidodiphenetole, 

CeH3(OC3H5)NH2 
I  erleiden. 

CeHjCOC.HJNH^ 

Dioxyazobenzole 
leiten  sich  vom  Azobenzol  ab  durch  Substitution  von  2  Wasserstoflfatomen  durch 
Hydroxylgruppen.  Es  lassen  sich  nun  verschiedene  Isomerien  voraussehen,  je 
nachdem  beide  Hydroxylgruppen  in  einen  Benzolkern  eintreten  oder  eine  Hydroxyl- 
gruppe von  jedem  Benzolrest  aufgenommen  wird;  in  beiden  Fällen  bedingt  die 
Stellung  der  Hydroxylgruppen  zu  einander  resp.  zur  Azogruppe  die  Bildung 
weiterer  Isomerien. 

Azophenole 
oder  symmetrische  Dioxyazobenzole  (23),  C^H^-OHN  =  NCgH^-OH, 
können  durch  Schmelzen  von  Nitro-  oder  Nitrosophenolen  mit  Aetzkali  gewonnen 
werden.  Die  Anwendung  alkoholischen  Kalis  oder  Zusatz  reducirender  Stoffe 
führt  nicht  zum  Ziel.  Bei  jenem  Schmelzprocess  wirkt  ein  Theil  des  Phenol- 
körpers  selbst  als  Reductionsmittel,  natürlich  auf  Kosten  der  Ausbeute.  Bei  der 
Zersetzung  der  Schmelze  durch  verdünnte  Schwefelsäure  scheidet»  sich  unreines 
Azophenol  in  braunen  Flocken  aus,  aus  welchen  die  Verbindung  durch  Extraction 
mit  Aether  rein  gewonnen  wird.  Ortho-  und  Paraazophenol  sind  auf  diese  Weise 
aus  Ortho-  und  Paranitrophenol  dargestellt  worden;  Paraazophenol  auch  aus 
Paranitrosophenol  und  durch  die  typische  Reaction  zwischen  salpetersaurem 
Diazophenol  (aus  Para-Amidophenol)  und  Phenol:  C6H4(OH)NjN03 -h  CgH;^- 
OH  =  HNO3  H-  C6H4(OH)N  =  NCßH^COH).  Das  Para-Azophenol  bildet  also 
das  erste  Glied  einer  für  die  Farbenchemie  wichtigen  umfangreichen  Körperklasse, 
welche  durch  Einwirkung  von  Diazophenolen,  sowie  deren  Substitutions- 
produkten und  Homologen  auf  Phenole  und  deren  Derivate  und  Homologe 
entstehen. 

Die  Azophenole  bilden  gelbe  resp.  bräunliche  Krystalle,  die  in  Alkohol  und 
in  Alkalien  leicht  löslich  sind.  Orthoazophenol  schmilzt  bei  171  ^  die  Para- 
verbindung  bei  204°. 

Unsymmetrische  Dioxyazobenzole  (24). 

Den  ersten  Repräsentanten  dieser  Klasse  erhielten  Baeyer  und  Jäger  durch 
Vermischen  einer  verdünnten  Diazobenzolnitratlösung  mit  Resorcin  und  über- 
schüssiger KaUlauge.  Nach  Typke  bilden  sich  hierbei  gleichzeitig  zwei  isomere 
Dioxyazobenzole,  welche  sich  durch  verschiedene  Löslichkeit  unterscheiden. 
Ohne  Zweifel  sind  beide  Verbindungen  nach  der  Formel  CgHjN  =  NC6H3(OH), 
zusammengesetzt  und  somit  alsBenzol-Azo-Resorcinzu  bezeichnen.  Die  Ver- 
schiedenheit der  Isomeren  ist  nur  durch  die  Stellung  der  Hydroxylgruppen  zur 
Azogruppe  bedingt.  Wird  bei  jener  Reaction  das  Diazobenzol  durch  Para-  oder 
Metadiazobenzolsulfosäure  ersetzt,  so  entstehen  Sulfosäuren  des  Azokörpers, 
welche  die  Sulfogruppe  im  Benzolrest  haben,  und  als  Benzolsulfosäure-Azo- 
Resorcin,  CcH4(S03H)N  =  NC6H3(OH)2,  zu  bezeichnen  sind. 

Trioxyazobenzole  (25)  können  durch  Combination  von  Diazobenzol  mit 
Phloroglucin  oder  Pyrogallol,  CeHjCOH)^,  erhalten  werden. 


Azoverbindungen.  1 29 

Zwei  isomere  unsymmetrische  Tetraoxyazobenzole  (26),  CßH4(0H)N 
=  NCgH3(0H)j,  Phenol-Azo-Phloroglucine,  erhielten  Weselsky  und  Benedict 
aus  salpetersaurem  Diazophenol  und  Phloroglucin. 

In  neuerer  Zeit  sind  auch  mehrerere  Fälle  bekannt  geworden,  bei  welchen 
entgegen  der  seitherigen  Ansicht  Diazoverbindungen  sich  mit  solchen  Phenolen 
und  Amidokörpem  vereinigen,  in  denen  die  Parastelle  schon  anderweit  suf)stituirt 
ist  So  gelang  es  Nölting  u.  Witt  (Chemiker-Ztg.  1882,  pag.  1330)  Diazotoluol 
mit  Paratoluidin  zu  combiniren,  R.  Meyer  u,  Kreis  (Ber.  16,  pag.  1329)  erhielten 
aus  p-Diazobenzolsulfosäure  und  p-Nitrophenol  einen  Azokörper,  so  dass  die 
frühere  Angabe  Mazzara's  (Ber.  12,  pag.  2367)  aus  Diazobenzol  und  p-Kressol 
einen  Farbstoff  erhalten  zu  haben,  nicht  mehr  unwahrscheinlich  klingt. 

Complicirte  Azo-Körper.     Dis-  oder  Tetrazoverbindungen. 

So  wie  sich  Diazobenzol  mit  Phenol  zu  Benzol-Azo-Phenol  (Oxyazobenzol) 
vereinigt,  so  lässt  sich  letzterer  Körper,  der  auch  ein  Phenol  ist,  weiter  mit 
Diazobenzol  combiniren  zu  der  dem  Oxyazobenzol  sehr  ähnlichen  Verbindung 
CeH6N  =  NC6H3(OH)N  =  NCeH5.  Griess  (27),  der  Entdecker  dieses  Körpers, 
nannte  ihn  Phenobidiazobenzol,  doch  da  die  sehr  stabile  Verbindung  keine 
Diazoverbindung,  sondern  ein  Azokörper  ist  und  als  Phenol  aufgefasst  werden 
kann,  an  welches  vermittelst  zweier  Azogruppen  zwei  Benzolreste  gebunden  sind, 
so  ist  die  Bezeichnung  Phenol-disazo-benzol  zweckmässiger. 

Wird  in  .  jener  Reaction  einmal  statt  Diazobenzol  die  entsprechende 
Toluolverbindung    verwendet,    so   resultirt    ein    Phenoldisazobenzoltoluol, 

c.H,(OH)c:g:S?:g;. 

Phloroglucin  ist  eigenthümlicher  Weise  im  Stande,  beim  Zusammentreffen  mit 
Diazobenzol  sofort  2  Moleküle  desselben  zu  binden  und  sofort  Phloroglucindisazo- 

benzol,  C5H(0H),  C  N  =  NC^H^'  ^^  bilden,  doch  entsteht  zuvor  wohl  ebenfalls 
ein  einfacher  Azokörper. 

Card  und  Schraube  (28)  haben  noch  eine  weitere  Klasse  hierher  gehöriger 
Körper  dargestellt,  indem  sie,  analog  der  Ueberführung  des  Anilins  in  Diazo- 
benzol, das  Amidoazobenzol  durch  Zusatz  von  salpetriger  Säure  diazotirten  und 
das  entstandene  salpetersaure  Diazo-Azobenzol,  CßHj,N  =NCßH4N  =  NN05, 

N 
mit  Phenol  combinirten,  wobei  ein  Benzoldisazobenzolphenol,  CßH4C^|^ 

=  NC  H 

=:NC*H^-OH'  ^^^^^'»  welches  mit  dem  GRiESs'schen  Phenol-disazo-benzol  (s.  o.) 

isomer  ist. 

Das  Diazo-Azobenzol  kann  gerade  wie  Diazobenzol  auch  wieder  mit  Anilin 
einen  Amidoazokörper  erzeugen,  welcher  seinerseits  durch  salpetrige  Säure  diazo- 
tirt  werden  kann,  so  dass  auf  solche  Weise  sich  sehr  complicirte  Azoketten  auf- 
bauen lassen.  Bis  jetzt  besitzen  wir  jedoch  noch  keine  nähere  Kenntniss  der 
auf  die  angegebene  Weise  dargestellten  Verbindungen. 

In  neuerer  Zeit  hat  O.  Wallach  (Ber.  15,  pag.  22)  bei  weiteren  Unter- 
suchungen über  complicirte  Azokörper  gefunden,  dass  die  zweiatomigen  Phe- 
nole, z.  B.  Resorcin  und  Orcin  sehr  leicht  mit  zwei  gleichen  oder  verschieden- 
artigen Diazoresten  verbunden  werden  können.  So  gab  ihm  Benzol-azo-Resorcin 
in  alkalischer  Lösung  mit  Diazobenzolchlorid  zusammengebracht  einen  Körper 

von  der  Zusammensetzung  C8Hj(OH)2Cljyj^  j^q^jj^»   welcher  aus  Chloroform 

Ladcmburg,  Chemie.    U.  0 


130  Handwörterbuch  der  Chemie. 

in  braunrothen  Nadeln  krystallisirte,  aber  ein  Gemenge  zweier  noch  nicht  scharf 
isolirter  Körper  war.  Ebenso  entstanden  bei  der  Combination  von  Diazo-Azo- 
benzol  (diazotirtem  Amidoazobenzol)  mit  Resorcin  gleichzeitig  mehrere  nicht  näher 
untersuchte  Verbindungen,  von  welchen  wie  bei  den  ersterwähnten  Verbindungen 
die  schwerer  lösliche  sich  mit  blauer  Farbe,  die  leicht  lösliche  mit  rother  Farbe 
in  Schwefelsäure  auflöste.  Aehnliche  Körper  wurden  aus  Resorcin-azo-p-toluol 
und  Diazobenzolchlorid  erhalten,  femer  aus  Resorcin-azo-naphtalin  und  Diazobenzol- 
chlorid.  Auch  Xylol-azo-Resorcin  wurde  dargestellt.  Bei  Anwendung  von  diazo- 
tirter  Sulfanilsäure  statt  des  Diazobenzols  entstehen  rothe  und  rothbraune  Farb- 
stoffe, welche  der  Berliner  Actiengesellschaft  für  Anilinfarben  patentirt  wurden. 
Aehnliche  Verbindungen  basischer  Natur  beschrieb  P.  Griess  (Ber.  16,  pag.  2028). 
Aus  salpetersaurem  Diazobenzol  und  Chrysoidin  bildet  sich  die  Base  Phenylen- 

diamin-disazo-benzol  CgH3(NH)3ClN^C*H*»   welche   aus  heissem  Chloroform 

krystallisirt  in  dunkelrothen  Nadeln  erhalten  wird.  Analog  entsteht  aus  Toluol- 
azo-Phenylendiamin  und  Diazobenzolnitratlösung  Phenylendiamin-disazo-benzol- 
toluol  und  zwar  bilden  sich  gleichzeitig  zwei  isomere  Verbindungen.  Wird  anderer- 
seits Benzol-Azo-Phenylendiamin  (gewöhnliches  Chrysoidin)  mit  Diazotoluol  com- 
binirt,  so  entsteht  in  geringer  Menge  eine  identische  Verbindung,  die  Haupt- 
produkte beider  Reactionen  sind  aber  isomer.  In  ähnlicher  Weise  hat  Griess 
auch  Disazoverbindungen  hergestellt,  welche  ausser  dem  Phenylendiaminrest  noch 
Naphtalin-,  Benzolsulfosäure-,  Benzoesäure-  etc.  reste  enthalten.  Griess  beschrieb 
weiter  die  aus  Diazoazobenzol  und  Phenylendiamin  oder  Toluylendiamin  erhaltenen 

Verbindungen  z.B.  Benzol-disazo-benzoltoluylendiamin  CgH^CÜlM^jiq^r^H^fNH  ) 
und  deren  Sulfoderivate,  welche  mit  Hülfe  von  Diazoazobenzolsulfosäure  gewonnen 
wurden  und  braunrothe  Farbstoffe  sind. 

Auch  Verbindungen   mit  drei  Azogruppen,    z.   B.  Chrysoidin -disazo-benzol 

NC6H4.N  =  NC6H5 

I)  hat  Griess  dargestellt. 

NC6H,(NH,),.N  =  NCßH5 

Azobenzolcarbonsäuren. 

Carbonsäuren  des  Azoxybenzols,  Azobenzols  und  Hydrazobenzols  sind  4  be- 
kannt und  bilden  sich  durch  Reduction  von  nitrirten  Carbonsäuren  des  Benzols 
und  seiner  Derivate. 

Ortho-,  Meta-  und  Paranitrobenzoesäure  lieferte  bei  Behandlung  ihrer  alko- 
holischen oder  Natriumsalzlösung  mit  Natriumamalgam 

Azoxybenzoesäuren,    CeH4(COOH)N  — NCßHJCOOH),    und    Azo- 

\/ 
O 
benzoesäuren*).  In  allen  Fällen  wird  die  gebildete  Azosäure  durch  Salzsäure 
gefallt.  Die  Azoxysäuren  sind  klein  krystallisirt,  die  Azosäuren  amorph,  die  Meta- 
Azobenzoösäure  bildet  ein  hellgelbes,  die  Para-Azobenzoesäure  (Azodracylsäure) 
ein  fleischfarbenes  Pulver.  Azobenzoesäure  (Para?)  wurde  von  Ad.  Claus 
(Ber.  15,  pag.  2331)  auch  durch  Oxydation  von  Dibenzylamarin  mit  verdünnter 
Salpetersäure  bei  180—200°  erhalten,  neben  Benzoö-  und  Paranitrobenzoesäure. 
Hydrazobenzoesäuren  entstehen  aus  den  Lösungen  der  azobenzo^sauren  Alkali- 
salze durch  Kochen  mit  Eisenvitriol lösung  und  Natronlauge  und  Ausfällen  mit 
Salzsäure.    Die  hydrazobenzoesäuren  Salze  absorbiren  in  wässriger  Lösung  Sauer- 

•)  Grikss,  Ber.  7,  pag.  1612.     Claus,  Ber.  6,  pag.  723;  8,  pag.  41. 


Azoverbindungen.  131 

Stoff  aus  der  Luft  und  gehen  in  azobenzoesaure  Salze  über.  Beim  Kochen  mit 
Salzsäure  lagert  sich  die  Hydrazobenzoesäure  analog  dem  Hydrazobenzol  in 
Diamidodiphensäure  um. 

Gemischte  Azokörper,  in  welchen  der  Rest  der  Benzoesäure  an  Stickstoff 
gebunden  vorkommt,  lassen  sich  analog  dem  Phenol-Azo-Benzol  durch  Combi- 
nadon  von  Diazobenzo^säure  mit  Phenolen  oder  deren  Sulfosäuren  sowie  mit 
Amidokörpem  herstellen. 

Griess*)  erhielt  auf  diesem  Wege  zahlreiche  Derivate,  welche  z.  Th.  schöne 
Farbstoffe  sind,  so  z.  B.  Benzoesäure- Azo-Resorcin,  CgH4(C00H)N 
=  NCßHj(0H)2;  Benzoßsäure-Azo-ß-Naphtoldisulfosäure.  Diazoanissäure,  Diazo- 
äthylsalicylsäure  und  Diazohyppursäure  liefern  ebenfalls  mit  Phenolen  und  ihren 
Sulfosäuren  gefärbte  Verbindungen. 

Auch  Salicylsäure**)   kann   wie  Phenol   mit  Diazobenzol  zu  einer  Benzol- 

Azo-Salicylsäure,  CßHjNÄNCgHjViQ^jj,  zusammentreten. 

Hydrazobenzol,  CgHjN  — NCeHj. 

H      H 

Eine  charakteristische  Eigenschaft  des  Azobenzols,  wie  seiner  Substitutions- 
produkte und  höheren  Homologen  ist  die  Fähigkeit,  bei  Gegenwart  kräftiger 
Reductionsmittel  oder  nascirenden  Wasserstoffs  noch  2  Atome  Wasserstoff  zu 
binden,  wobei  die  doppelte  Bindung  der  Stickstoffatome  zur  einfachen  wird. 
Die  neu  entstandenen  sogen.  Hydrazokörper  zeigen  jedoch  grosse  Neigung,  den 
angelagerten  Wasserstoff  wieder  abzugeben.  —  Während  Azobenzol  und  seine 
Substitutionsprodukte  und  Homologen  gefärbte  Körper  sind,  zeichnen  sich  die 
zugehörigen  Hydrazoverbindungen  durch  Farblosigkeit  aus.  Diess  giebt  auch  das 
Mittel  an  die  Hand,  die  Vollendung  der  Hydrirung  zu  erkennen. 

Als  Agens  dient  in  alkalischer  Flüssigkeit  sich  entwickelnder  Wasserstof!, 
also  Natriumamalgam,  oder  Zinkstaub  und  Natronlauge,  sowie  alkoholische 
Lösung  von  Ammoniumsulfid. 

Am  bequemsten  löst  man  Azobenzol  in  alkoholischem  Ammoniak  und  leitet 
Schwefelwasserstoff  ein  bis  zum  Verschwinden  der  rothen  Farbe  (29).  Aus  der 
vom  niederfallenden  Schwefel  abfiltrirten  Flüssigkeit  wird  das  Hydrazobenzol 
durch  Wasser  in  weissen  Flocken  ausgefallt  und  bei  möglichst  abgehaltener  Luft 
aus  Alkohol  umkrystallisirt.  —  Nach  Alexevew  kocht  man  die  alkoholische  Lösung 
des  Azobenzols  mit  Zinkstaub  bis  zur  Entfärbung  und  fallt  dann  die  filtrirte 
Lösung  mit  Wasser  aus.  Auch  aus  Nitrobenzol  lässt  sich  Hydrazobenzol  direkt 
durch  Reduction  mit  verdünnter  wässriger  Natronlauge  und  Zinkstaub  darstellen, 
wobei  man  die  sich  selbst  erhitzende  Flüssigkeit  nicht  abkühlt  Nach  dem  Ver- 
dünnen wird  abfiltrirt  und  aus  dem  Rückstand  das  Hydrazobenzol  mit  Alkohol 
ausgezogen. 

Hydrazobenzol  krystallisirt  in  weissen  Tafeln  oder  Blättchen,  welche  bei 
131^  schmelzen  und  bei  höherer  Temperatur  in  Azobenzol  und  Anilin  zerfallen: 
2CeH5N  -  NCeHjj  =  CeH^N  =  NCeH^  +  2C6H5NH,, 

H      H 
Chlor  oder  oxydirende  Stoffe  verwandeln  das  Hydrazobenzol  leicht  durch 


*)  Gross,  Her.  14,  pag.  2032;  10,  pag.  527. 
•♦)  Stebbins,  Ber.  13,  pag,  716. 

9* 


132  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Entziehung  des  an  Stickstoff  gebundenen  Wasserstoffs  in  Azobenzol  zurück. 
Selbst  der  Sauerstoff  der  Luft  vermag  feuchtes  oder  in  Alkohol  gelöstes  Hydrazo- 
benzol  in  Azobenzol  zu  tiberfuhren  und  besonders  rasch  erfolgt  diese  Oxydation, 
wenn  eine  alkoholische  HydrazobenzoUösung  mit  Thierkohle  behandelt  wird,  in 
welchem  Fall  der  in  der  Kohle  absorbirte  Sauerstoff  die  Wirkung  hervorbringt  — 
Kräftige  Reductionsmittel  überfuhren  das  Hydrazobenzol  durch  Zufügung  zweier 
weiterer  Wasserstoffatome  in  Anilin;     CgHsN  —  NCßHg  -f-  Hj  =  2C6H5NH,. 

H      H 
Bei   Berührung   mit   verdünnten  Mineralsäuren    erleidet   das  Hydrazobenzol 
eine  merkwürdige  Uralagerung.    An  sich  nicht  basischen  Charakters  löst  sich  das 
Hydrazobenzol  in  jenen  Säuren  und  liefert  gut  krystallisirende  Salze.    Diese  sind 

CeH^NHj 
jedoch  Salze  des  Diamidodiphenyls,    I  ,  welches  durch  Umlagerung  aus 

CßH^NHj 
CgHsNH 
dem  Hydrazobenzol,  I      ,  entstanden  ist 

CeHjNH' 

Analoge  Reaktion  zeigen  die  meisten  Substitutionsprodukte  und  Homologe 
des  Hydrazobenzols. 

Das  bei  der  Behandlung  des  Hydrazobenzols  mit  verdünnten  Mineralsäuren 
als  Hauptprodukt  entstehende  Diamidodiphenyl  hat  die  Amidogruppen  in  der  Para- 
stellung  zu  der  die  beiden  Benzolreste  zusammenhaltenden  Kohlenstoffbindung 
und  führt  gewöhnhch  den  Namen  Benzidin.  Gleichzeitig  entsteht  aber  nach 
Schulz  (30)  noch  das  isomere  Dip he nyl in  (Ortho-Diamidodiphenyl. 

Substitutionsprodukte  des  Hydrazobenzols,  in  welchen  der  Benzol- 
rest Veränderungen  erlitten  hat,  sind  nur  aus  entsprechend  substituirtem  Azoben- 
zol oder  Azoxybenzol  durch  Einwirkung  von  Reduktionsmitteln  zu  erbalten,  da 
beim  Zusammentreffen  des  Hydrazobenzols  mit  den  Haloiden,  mit  Salpeter- 
säure etc.  sofort  unter  Abspaltung  von  2  Atomen  Wasserstoff  Azobenzol  entsteht 

Durch  Erwärmen  substituirten  Hydrazobenzols  mit  verdünnten  Mineralsäuren 
entstehen  im  Allgemeinen  Substitutionsprodukte  des  Benzidins;  war  jedoch  das 
Hydrazobenzol  in  der  Parastelle  durch  Chlor,  Brom,  Jod  substituirt,  so  findet  jene 
Umlagerung  in  die  Diphenylbase  nicht  oder  nur  unter  bestimmten  Bedingungen 
statt,  dagegen  spaltet  sich  leicht  der  Hydrazokörper  in  Substitutionsprodukte 
des  Azobenzols  und  des  Anilins  (31).  Azokörper,  welche  der  Ortho-  oder  Meta- 
reihe  angehören,  werden  bei  der  Reduction  durch  Zinnchlorür  in  erwärmter 
alkoholischer  Lösung  glatt  in  Diphenylbasen  umgewandelt;  Azokörper  der  Para- 
reihe  lagern  sich  am  besten  um,  wenn  die  gemischten  Flüssigkeiten  in  der  Kälte 
längere  Zeit  sich  selbst  überlassen  werden.  Sind  die  Azokörper  durch  Hydroxyl- 
oder  Amidogruppen  substituirt,  so  werden  sie  nicht  in  Diphenylbasen  verwandelt, 
sondern  an  der  Bindungstelle  der  Stickstofifatome  gespalten  und  jede  Molekül- 
hälfte geht  somit  in  einen  Amidokörper  über  (G.  Schultz,  B.  Bd.  15,  pag.  1539). 

Dinitroazobenzol,  liefert  bei  Behandlung  mit  kaltem  alkoholischen 
Schwefelammonium,  das  in  gelben  Nadeln  krystallisirende  Dinitrohydrazo- 
benzol  (32)  (Sdmip.  220°);  in  der  Siedhitee  bildet  sich  aber  Diamidohydra- 
zo benzol  oder  Diphenin,  eine  zweisäurige  Base.  Bei  längerer  Einwirkung  jenes 
Reduktionsmittels  wird  das  Diphenin  schliesslich  in  Para-Phenylendiamin  überführt 

Ein  DiacetyUHydrazobenzol  (33),  in  welchem  die  an  Stickstoff  ge- 
bundenen Wasserstoffatome  des  Hydrazobenzols  durch  die  Acetylgruppe  ersetzt 
sind,  bildet  sich  bei  der  Einwirkung  von  Essigsäure-Anhydrid  auf  Hydrazobenzol. 


Azoverbindungen.  133 

Azophenylen 
nannten  Rasenack  und  Claus  (34)  eine  bei  trockener  Destillation  azobenzol- 
sulfosaurer  Salze  und  bei  der  Destillation  von  azobenzoesaurem  Calcium  mit 
Äetzkalk  erhaltene  Verbindung,  welche  durch  Auflösen  in  alkoholischem  Ammoniak, 
Einleiten  von  Schwefelwasserstoff,  Krystallisiren  und  Sublimiren  zu  reinigen  ist 
und  die  Formel  CjjHgNg  besitzt. 

In  geringer  Menge  bildet  sich  das  Azophenylen  auch  aus  Azobenzol,  wenn 
letzteres  vorübergehend  der  Glühhitze  ausgesetzt  wird. 

Hellgelbe  Nadeln,  die  bei  170 — 171°  schmelzen  und  sich  in  conc.  Schwefel- 
säure mit  dunkelrother  Farbe  lösen. 

Charakteristisch  für  das  Azophenylen  ist  seine  Fähigkeit,  direkt  2  Atome 
Chlor  oder  Brom  zu  addiren  und  auf  diese  Weise  Verbindungen  zu  bilden, 
welche  mit  den  entsprechend  substituirten  Azobenzolen  nicht  identisch,  sondern 
isomer  sind  und  leicht  die  addirten  Haloidatome  wieder  abgeben. 

Auch  HaloidwasserstofTverbindungen  vermag  das  Azophenylen  zu  addiren 
und  damit  krystallisirbare  Verbindungen  entsprechend  der  Formel  CijHgNj'HCl 
zu  bilden. 

Derivate  eines  nicht  für  sich  dargestellten,  ebenfalls  Azophenylen  genannten 
Körpers,  welcher  die  Formel  CßH4N3  besitzt  und  darum  wohl  Azomono- 
phenylen  genannt  werden  kann,  hat  Ladenburg  (35)  untersucht. 

Das  Amidoazomonophenylen,  CßHjNHjNj,  entsteht  beim  Erhitzen 
einer  schwefelsauren  Lösung  von  Ortho-Phenylendiamin  mit  Kaliumnitrit;  ein  Ni- 
troamidoazomonophenylen  bildet  sich  bei  Einwirkung  von  salpetriger  Säure 
auf  Nitrophenylendiamin. 

Azoverbindungen  des  Toluols. 

Die  hierher  gehörenden  Verbindungen  sind  in  ihren  Eigenschaften  den  ent- 
sprechenden Benzolderivaten  sehr  ähnlich>  nur  ist  zu  beachten,  dass  in  der  To- 
luolreihe  je  nach  der  Stellung  der  Azogruppe  zum  Methyl  verschiedene  isomere 
Azoxy-,  Azo-  und  Hydrazokörper  möglich  sind. 

Durch  Reduction  von  Para-Nitrotuol  (in  6  Thln.  Alkohol  gelöst)  mit  4pro- 
centigem  Natriumamalgam  (22  Thle.)  bildet  sich  sowohl  Para-Azoxytoluol  (36) 
C,H^(CH3)N  — NCH4(CH3  (gelbe,  bei  70°  schmelzende  Nadeln),  als  auch 
\/ 
O 
Para-Azotoluol,  welches  zur  Reinigung  am  besten  mit  alkoholischem  Schwefel- 
ammonium in  Hydrazotoluol  überführt  und  durch  Oxydationsmittel  aus 
letzterem  regenerirt  wird. 

Para-Azotoluol  krystallisirt  in  orangerothen  Nadeln  vom  Schmp.  144°  und 
liefert  beim  Erwärmen  mit  Salpetersäure  von  1,4  spec.  Gew.  ein  Mononitro-  und 
em  Dinitroazotoluol.  Ersteres  schmilzt  bei  76°,  letzteres  bei  110°.  Salpetersäure 
von  1,54  spec.  Gew.  führt  das  Azotoluol  beim  Erhitzen  in  Trinitroazoxyto- 
luol  (Schmp.  201°)  über.  Dieser  Körper  sowohl  wie  auch  Mono-  und  Dinitro- 
azoxytoluol  kann  auch  durch  Nitrirung  des  Para-Azoxytoluols  gewonnen  werden. 
Mononitroazoxytoluol  schmilzt  bei  84°,  die  Dinitroverbindung  bei  145°. 

Alkoholisches  Schwefelammonium  führt,  wie  erwähnt,  das  Para-Azotoluol  in 
Para-Hydrazotoluol  (Schmp.  124°)  über,  welches  sich  bei  Berührung  mit 
Säuren  analog  dem  Hydrazobenzol  zu  Tolidin,  einem  Diamidoditolyl,  umlagert. 

Durch  Oxydation  von  Para-Toluidin  kann  ebenfalls  Para-Azotoluol  gewonnen 


134  Handwörterbuch  der  Chemie. 

werden;    bei  Anwendung   von   übermangansaurem  Kalium  als  Oxydationsmittel 
bildet  sich  jedoch  ausser  der  Paraverbindung  noch  ein  isomeres  Azotoluol. 

Meta-Azotuol  wird  durch  Behandlung  von  Metanitrotoluol  mit  alkoholischer 
Kalilauge  und  Zinkstaub  erhalten.    Schmp.  54°. 

Orthoazoverbindungen  des  Toluols  (37)  sind  aus  Orthonitrotoluol  durch 
Reduction  mit  Natriumamalgam  dargestellt  worden.  Das  bei  dieser  Reaction  sich 
bildende  Ortho-Hydrazotoluol  schmilzt  bei  165°,  oxydirt  sich  leicht  an  der 
Luft  zu  Ortho- Azotoluol  und  soll  durch  salpetrige  Säure  in  Azoxytoluol  um- 
gewandelt werden.  —  Amido-Ortho-Azotoluol  bildet  sich  bei  Einwirkung 
von  salpetriger  Säure  auf  Ortho-Toluidin. 

Ortho-Amidoazotoluol  liefert  mit  salzsaurem  Ortho-Toluidin  einen  Saffranin 
genannten  rothen  Farbstoff,  Cs^KjoN^. 

Ein  Diamidoazotoluol,  das  Toluol-Azo-Toluylendiamin,  (38), 
C7H7N  =  NC7H5(NH2)2,  bildet  sich  nach  A.  W.  Hofmann  beim  Zusammen- 
treffen von  Para-Diazotoluol  mit  Toluylendiamin  vom  Schmp.  99°  Auch  ein 
symmetrisches  Diamidoazotoluol  oder  ein  Azotoluidin  ist  aus  Nitrotoluidin  erhalten 
worden  (39).  Eine  ausführlichere  Arbeit  über  Azoderivate  des  Toluol  wurde  in 
neuester  Zeit  von  Barsilowski  veröffentlicht  (Ann.  207,  pag.  102). 

Toluol-Azo-Benzol.  Ein  gleichzeitig  den  Benzolrest  und  den  Toluol- 
rest  enthaltender  Azokörper  ist  durch  Einwirkung  von  Para-Diazoamidobenzol 
auf  Ortho-Toluidin  zu  erhalten  (40).  Die  Diazoverbindung  wird  mit  dem  zehn- 
fachen Gewicht  an  Alkohol  und  der  berechneten  Menge  salzsaurem  Ortho-Tolui- 
din versetzt  und  4  bis  5  Stunden  der  Digestion  überlassen.  Auf  Zusatz  von 
Salzsäure  scheidet  sich  das  Chlorhydrat  einer  Base  aus,  welche  als  Toluol-Azo- 
amidobenzol,  C7H7N  =  NCgH4"NH2  anzusehen  ist. 

Toluol-Azo-Phenol,  C7H7N  =  NCgH40H,  lässt  sich  entsprechend  dem 
Benzol-Azo-Phenol  (Oxyazobenzol)  darstellen. 

Benzol-Azo-Toluylen-Diamin,  C6H5N=NC7H5(NH2)a,  (auch  Diazoben- 
zol-Diamidotoluol  genannt),  ist  eine  gelbe  Krystalle  bildende  Base,  welche  aus 
salpetersaurem  Diazobenzol  und  a-Toluylendiamin  erhalten  wird  (41). 

Benzol-Azo-Cresol  (42),  CgHsNNC^He-OH. 

Amidoazomonotoluylen  (43),  CgH3(CHj)NH3N2,  entsteht  aus  ß-Toluy- 
lendiamin  und  Kaliumnitrit.    Farblose,  bei  82°  schmelzende  Prismen. 

Azoderivate  des  Xylols  (44). 

Nitroxylol  wird  bei  Behandlung  mit  Natriumamalgam  in  Azoxylol,  C^Hj 
(CH8),N  =  NCgH3(CH3),,  überführt,  welches  ziegelrothe  Nadeln  vom 
Schmp.  120°  bildet.  Bei  weiterer  Einwirkung  entstehen  farblose  Krystalle  von 
Hydrazoxylol. 

Amidoazoxylol  bildet  sich  durch  Einwirkung  salpetriger  Säure  auf  Xyli- 
din  (45). 

Auch  Azoderivate  des  Cumols  und  Cymols  sind  darstellbar,  doch  noch 
nicht  näher  untersucht 

Azoverbindungen  des  Diphenyls  (50). 
Durch  Reduction  des  Mononitrodiphenyls  mit  alkalisclier.  Kalilauge  bildet  sich 

CgH^  CgH^ 

Azoxydiphenyl,   I  1        .    Gelbliche,  bei  205°  schmelzende  Krystall- 

CßH^  N  —  NCgHs 

\/ 

O 


Azoverbindungen.  135 

schuppen.     Alkoholisches  Ammoniumsulfid   überführt   es   in   das   entsprechende 
farblose  Hydrazodiphenyl  (247°  Schmp.),  welches  durch  Oxydation  mit  Eisenchlorid 

CgHj  CgXig 

inAzodiphenyl,    I  I         ,  übergeht.    Orangerothe  Blättcheni  die  bei 

CgH4N  =  NCßH4 
249—250°  schmelzen. 

Dinitrodiphenyle  geben  bei  der  Reduction  mit  Natriumamalgam  und  Alkohol 

C6H4.NO2  CßH^NO, 
Dinitroazoxydiphenyle  (51),  I  I  ,    es   gelingt   also   nicht, 

^6^4^  —  NCgH^ 

O 

beide  Nitrogruppen  in  demselben  Diphenylmolekül  zu  einer  Azogruppe  zu  reduciren. 

Azoverbindungen  des  Naphtalins. 

Azonaphtalin  (46),  CioH7N=  NC^oHy,  ist  am  zweckmässigsten  durch 
vorsichtiges  Erhitzen  von  Nitronaphtalin  mit  dem  20  fachen  Gewicht  Zinkstaub  in 
einer  eisernen  Schale  mit  aufgesetztem  Trichter  darzustellen.  Der  gebildete  Azo- 
körper  sublimirt  allmählich  in  den  Trichter,  doch  ist  die  Ausbeute  eine  äusserst 
geringfügige.  Azonaphtalin  bildet  gelbe,  bei  278°  schmelzende  Nadeln,  welche 
in  Alkohol  und  Aether  kaum  löslich  sind.  Substitutionsprodukte  des  Azonaph- 
talin sind  noch  nicht  direkt  erhalten  worden,  doch  ist  das 

Amidoazonaphtalin  (47),  CjoH^N  =  NCioHßNHj,  früher  Azodinaphtyl- 
diamin  genannt,  schon  längere  Zeit  bekannt. 

Es  bildet  sich  analog  dem  Amidoazobenzol  aus  dem  isomeren  Diazoami- 

donaphtalin,    CioH7N  =  NNp     tt  ,    durch    Umlagerung,    doch    stellt    man 

letzteren  Körper  nicht  für  sich  dar,  sondern  digerirt  die  Lösung  von  2  Mol.  salz- 
sanrem  Naphtylamin  mit  1  Mol.  Kaliumnitrit  und  2  Mol.  Kalihydrat.  Die 
Temperatur  und  der  Verdünnungsgrad  sind  von  Einfluss  auf  die  Reaction,  da  bei 
zu  starker  Concentration  oder  zu  hoher  Temperatur  Harzbildung  eintritt.  Der 
beim  Vermischen  der  Flüssigkeiten  entstehende  Niederschlag  soll  braunroth 
(nicht  dunkelbraun)  aussehen  und  stellt  die  Base  in  unreinem  Zii^tande  dar. 
Durch  Auflösen  in  heissem  Aether-Alkohol  und  Zusatz  einer  geringen  Menge 
heissen  Wassers  wird  das  Amidoazonaphtalin  in  braunrothen  Krystallnadeln  er- 
halten, welche  bei  173  — 174°  schmelzen.  Auch  bei  Einwirkung  gasförmigen 
Salpetrigsäure-Anhydrids  auf  Naphtylamin,  sowie  durch  Oxydation  des  letzteren 
mittelst  zinnsaurem  Natrium  bildet  sich  jener  Körper. 

Die  Lösung  der  Base  in  überschüssiger  Säure  ist  schön  violett  gefärbt. 
Technische  Verwendung  findet  das  Amidoazonaphtalin  zur  Herstellung  des 
Naphtalin-  oder  Magdalaroths,  welches  durch  Erhitzen  von  salzsaurem 
Amidoazonaphtalin  mit  Naphtylaminchlorhydrat  dargestellt  wird,  also  analog  dem 
>Azodiphenylblau€  genannten  Farbstoff. 

Oxyazonaphtalin(48),  Naphtalin-Azo-Naphtol^CjoHjNssNNioHg'OH. 
Zwei  isomere  Verbindungen  von  dieser  Zusammensetzung  sind  analog  dem 
Oxyazobenzol  aus  salzsaurem  Diazonaphtalin  und  a-resp.  ß-Naphtol  durch  Ver- 
mischen der  Lösungen  dargestellt,  aber  nicht  näher  untersucht  wurden.  Ihre 
Sttlfosäuren  sind  schöne  rothe  Farbstoffe. 

Gemischte  Azoverbindungen,  welche  ausser  dem  Naphtalinrest  noch  Phenyl 
oder  seine  Homologen  enthalten,  sind  mit  Hülfe  der  Diazoverbindungen  darzu- 
stellen, doch  werden  der  Reaktionsweise  entsprechend  nicht  die  reinen  Azo- 
Kohlenwasserstoflfe,  sondern  deren  Amido-  oder  Hydroxylderivate  erhalten. 


i36  Handwörterbuch  der  Cbemie. 

BeTi7ol-Azo-Amidonaphtalin  (49),  CgHgN  =  CjoHg'NHj,  bildet  sich 
beim  Vermischen  der  wässrigen  Lösung  von  salpetersaurem  Diazobenzol  mit  al- 
koholischer Naphtylaminlösung.  Der  sich  abscheidende  violette  Krystallnieder- 
schlag  besteht  aus  dem  Nitrat  des  Körpers  und  kann  aus  Alkohol  umkrystallisirt 
in  rothenj  grün  reflectirenden  Prismen  erhalten  werden. 

Wird  DJazobenzolsulfosäure  (aus  Sulfanilsäure)  statt  des  Diazobenzols  ver- 
wendet, so  bildet  sich  die  entsprechende  Sulfo säure,  deren  wässrige  Lösung  selbst 
in  gross ter  Verdünnung  durch  Mineralsäuren  intensiv  magentaroth  gefärbt  wird. 
Die  Empfindlichkeit  dieser  Reaktion  ist  so  gross,  dass  Griess,  der  Entdecker  der- 
selben, sie  allen  anderen  Reaktionen  zur  Nachweisung  von  Spuren  salpetriger 
Säure  %'Dr3!leht. 

Zur  Ausführung  dieser  Reaktion  wird  die  auf  salpetrige  Säure  resp.  Nitrite 
zu  prüfende  Flüssigkeit  mit  reiner  Schwefelsäure  angesäuert,  mit  etwas  Sulfanil- 
säurelösutig  vermischt  10  Minuten  lang  stehen  gelassen  und  dann  mit  einigen 
Tropfen  einer  durch  Thierkohle  entfärbten  Lösung  von  schwefelsaurem  Naphtyl- 
amin  versetzt.  Die  geringste,  durch  andere  Reagentien  nicht  mehr  nachweisbare 
Spur  von  salpetriger  Säure  bewirkt  nach  kurzer  Zeit  lebhafte  Rothfarbung  der 
Flüssigkeit. 

N a phtalin-Azo-Di am idonaph talin.  Diamidoazonaphtalin  ist  aus  Diazo- 
naph talin  und  Naphtylendiamin  zu  erhalten  und  ebenfalls  ein  Farbstoff. 

Tohiol-Azo-Amidonaphtalin  und  Nitrobenzol-Azo-Amidonaphta- 
lin  wird  in  analoger  Weise  mit  Diazotoluol  und  Diazonitrobenzol  dargestellt. 
Auch  duch  Combinirung  von  Diazobenzol,  Diazophenol,  Diazobenzolsulfosäure, 
Dia3!onaph  talin,  Diazonaphtalinsulfosäure  (Diazonaphtionsäure),  u.  s.  f.  mit  a-und 
p-Naphtol  ^^  erden  zahlreiche  Azokörper  gebildet,  welche  sich  durch  ihre 
färbenden  Eigenschaften  z.  Th.  in  der  Färberei  Eingang  verschafft  haben.  Die 
Naphtole  können  auch  durch  ihre  Sulfosäuren  sowie  durch  Dioxynaphtalin  er- 
setzt werden  und  stets  bilden  sich  in  glatter  Reaktion  die  betreffenden  Azokörper. 

Auch  in  complicirte  Azokörper  ist  das  Naphtalin  eingeführt  worden  und 
insbesondere  sind  die  durch  Combination  von  Diazo-Azo Verbindungen  mit 
jl-Naphtol  erhaltenen  Tetrazoverbindungen  werthvolle  Farbstoffe.  Der  von 
NiETZKi  entdeckte  sogen.  Biebricher  Scharlach  wird  z.  B.  durch  Einwirkung  von 
^-Naphto!  auf  die  Diazoverbindungen  der  Amidoazobenzolsulfosäuren  dargestellt 
Gabruh.  nnd  Pabst  (Bull.  soc.  chim.  63,  pag.  119)  erwähnten  die  Nuance  der 
Farbstoffe,  welche  beim  Zusammentreffen  von  Diazonaphtalinsulfosäure  oder 
Diap:obenÄolsvüfosäure  mit  den  verschiedensten  Phenolen  und  Basen  z.  B.  mit 
Com  lein  j  Kosin,  Alizarin,  Pikraminsäure  etc.  gebildet  werden.  Azofarbstoffe, 
welche  Naphtol-,  Xylol-,  Resorcin-,  Phenanthrol-  etc.  reste  enthalten,  hat  Stebbtns 
(Ch.  N.  43,  pag.  58)  beschrieben. 

(S.  Artikel:  Farbstoffe).  Hexjmann. 


B 


Barium.*)  Geschichtliches.  Die  erste  Barium  Verbindung,  welche  die 
Chemiker  beschäftigte,  war  der  Schwerspath.  Im  Jahre  1603  stellte  Vinc.  Cas- 
ciAROLOy  ein  Schuhmacher  in  Bologna,  das  Reductionsprodukt  dieses  Sulfates  dar. 
Er  fand  am  Berge  Patemo  das  Mineral,  in  welchem  er  wegen  der  Schwere  des- 
selben Silber  vermuthete.  Dies  Metall  dachte  er  zu  gewinnen,  wenn  er  das 
Pulver  des  Minerals  mit  Mehl  mischte  und  glühte.  Er  fand,  dass  das  Calcina- 
tionsprodukt  die  Eigenschaft  hatte,  im  Dunkeln  zu  leuchten.  Dies  Präparat  wurde 
als  lapis  solis  oder  Bononischer  Leuchtstein  allgemein  bekannt;  das  Mineral, 
aus  welchem  es  dargestellt  wurde,  erhielt  den  Namen  Bologneser  Späth,  tnarmor 
metaüicum,  Marggraf  fand  1750,  dass  es  Schwefelsäure  enthalte;  Scheei^  ent- 
deckte 1774  die  Baryterde  darin  und  ermittelte  seine  richtige  Zusammensetzung. 
Bergman  nannte  die  Erde  terra  ponderosa  und  Guyuon  de  Morveau  1779  Ba- 
ratt oder  Baryte  (von  ßapoc  schwer).  Berzeliüs  hat  ein  Bariumamalgam  darge- 
stellt, Davv  aus  diesem  das  Metall  (?)  isolirt,  das  Bunsen  und  Matthiessen  durch 
Elektrolyse  von  Bariumchlorid  erhalten  haben. 

•)  1)  Bumsen,  Ann.  92,  pag.  248.     2)  Maithiessen,  Ann.  93,  pag.  277.     3)  Crookes, 

Chem.  Soc  J.  8,  pag.  294;  Journ.  prakt.  Ch.  67,  pag.  494.    4)  S.  Kern,  Chem.  News  31,  pag.  243. 

5)  J.  Donath,  Ber.  12,  pag.  745.     6)  Brügelmann,  Pogg.  Ann.  (2)  2,  pag.  466.    7)  Rammels- 

BERG,  Ber.  7,  pag.  542.     8)  Schöne,  Ber.  13,  pag.  803.     9)  Lenoir,  Wagn.  Jahresber.  1867, 

pag.  256.    10)  Mohr,  Arch.  Pharm.  88,  pag.  38.    1 1)  Thenard,  Ann.  Chim.  Phys.  8,  pag.  308. 

12}  Liebig  u.  Wöhler,  Pogg.  Ann.  26,  pag.  172.    13)  Boussingault,  Compt.  rend.  32,  pag.  261 

n-  821.    14)  Tessi^  de  Motav,  Bull.  Soc.  d'Encour.  1867,  pag.  472.     15)  Brodie,  Jahresb.  1863, 

pag.  315.     16)  Wöhler,  Ann.  78,   pag.  125.     17)  Chevreul,  Ann.  Chim.  Phys.  84,  pag.  285. 

18)  GoDiN,  DiNGL.  pol.  J.  171,  pag.  316.    19)  Kuhlmann,  Compt.  rend.  47,  pag.  403,  464,  674. 

20)  Fresenius,  Ann.  59,  pag.  127.    21)  Krauss,  Pogg.  Ann.  43,  pag.  140.    22)  Croft,  J.  pr. 

Oiem.  68,  pag.  402.     23)  Stolba,  J.  prakt  Chem.  96,  pag.  22.     24)  Schöne,  Jahresber.  1861, 

pag.  122.    25)  H.  Rose,  Pogg.  Ann.  55,  pag.  415.    26)  Dumas,  Ann.  Chim.  Phys,  32,  pag.  364. 

27)  Wächter,  Joum.  prakt.  Chem.  30,  pag.  321.    28)  O.  Henry,  Journ.  de  Pharm.  25,  pag.  268. 

29)  Rammelsberg,  Pogg.  Ann.  90,  pag.  16.     30)  Kämmerer,  Joum.  prakt  Chem.  90,  pag.  190. 

31)  Millon,  Ann.  Chim.  Phys.  (3)  9,  pag.  407.     32)  Rammelsberg,  Pogg.  Ann.  44,  pag.  545. 

33)  Garside,    Chem.   News  31,    pag.  245.     34)  Rammelsberg,    Pogg.  Ann.  67,    pag.  391. 

35)  Rammelsberg,  Pogg.  Ann.  56,  pag.  295.    36)  Schiff,  Ann.  105,  pag.  239.    37)  Kessler, 

Pogg.  Ann.  74,  pag.  250.     38)  Hess  u.  Lang,  Joum.  prakt  Chem.  86,  pag.  297.     39)  Würtz, 

Ann.   Chim.    Pharm.  (3)   16,    pag.  130,      40)   Wackenroder,    Arch.    f.    Pharm.  57,    pag.  17. 

41)  VON  Ammon,  Otto's  Lehrb.  d.  Chem.  II.  2,  pag.  490. 


13^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Vorkommen,  beschränkt  sich  wesentlich  auf  zwei  Mineralien,  Schwer- 
spath,  Bariumsulfat,  BaSO^  und  Witherit,  Bariumcarbonat,  BaCOj.  Selten 
finden  sich  Barytocalcit,  BaCOg,  CaCOg,  Barytocölestin,  (BaSrCa)S04, 
Psilomelan  (MnBa)O +2Mn02,  Harmotom,  Hj(K2Ba)Al2Si50i5,  Brew- 
sterit,  H4(SrBa)Al3Si60i8,  Hyalophan,  KgBa,  2Al3Si8024. 

Darstellung  und  Eigenschaften.  Das  metallische  Barium  ist  nur  sehr 
schwierig  darzustellen.  Davy  isolirte  es,  indem  er  eine  aus  feuchtem  Barythydrat 
geformte  Schale  mit  Quecksilber  füllte  und  dieselbe  auf  ein  Platinblech  setzte 
welches  mit  dem  positiven  Pol  einer  Batterie  von  500  Elementen  verbunden  war, 
während  der  negative  Pol  in  das  Quecksilber  tauchte.  Es  bildete  sich  ein  Amal- 
gam (früher  in  ähnlicher  Weise  schon  von  Berzelius  und  Pontin  dargestellt), 
das  beim  Erhitzen  in  einer  geschlossenen  und  mit  Kohlenwasserstoff  dampf  ge- 
füllten Röhre  unter  Abgabe  des  Quecksilbers  einen  Rückstand  von  Barium  gab. 
Davy  hat  unreines  Barium  auch  durch  Zersetzung  von  Baryt  oder  Chlorbarium 
durch  Kaliumdampf  erhalten. 

Clarke  will  es  durch  Reduction  von  Baryt  auf  Kohle  mit  Hülfe  einer  Knallgas- 
flamme, aus  3  Vol.  Wasserstoff  und  1  Vol.  Sauerstoff  bestehend,  erhalten  haben. 

BuNSEN  hat  es  durch  Elektrolyse  von  Chlorbarium,  das  mit  salzsäurehaltigem 
Wasser  zu  einem  Brei  angerührt  ist  und  auf  100°  erwärmt  wird,  dargestellt,  wo- 
bei der  negative  Pol  aus  einem  amalgamirten  Platindraht  besteht.  Das  sich 
bildende  silberweisse  Bariumamalgam  wird  in  einem  Kohlenschiffchen  im  Wasser- 
stoffstrom  erhitzt,  wobei  das  Barium  als  eine  sehr  poröse  metallglänzende  Masse 
zurückbleibt  (i). 

Matthiessen  hat  durch  Elektrolyse  von  geschmolzenem  Chlorbarium,  dem 
ein  wenig  Chlorammonium  zugemischt  ist,  das  Metall  als  gelbliches  Pulver  er- 
halten (2). 

Nach  den  Angaben  von  Ckookes  (3)  bringt  man  Natriumamalgam  in  eine 
gesättigte  Lösung  von  Chlorbarium  und  erwärmt  auf  93°.  Es  bildet  sich  Barium- 
amalgam. Man  giesst  die  Flüssigkeit  ab,  setzt  von  neuem  Lösung  zu  und  er- 
wärmt. Man  wäscht  das  zerdrückte  Amalgam,  trocknet  es  und  presst  zwischen 
Leinwand,  um  überschüssiges  Quecksilber  zu  entfernen.  Man  destillirt  aus  dem 
krystallinischen  Amalgam  das  Quecksilber  in  einer  Kohlenwasserstoff- Atmos- 
phäre ab. 

Nach  Sergius  Kern  (4)  wird  Bariumoxyd  durch  heftiges  Glühen  mit  Kalium 
reducin.  Das  Metall  wird  durch  Quecksilber  extrahirt,  und  dieses  wird  aus  dem 
Amalgam  durch  Destillation  entfernt.  Leichter  gelingt  die  Bildung  des  Metalles 
aus  Jodbarium  durch  Glühen  mit  Natrium.  Aus  der  Masse  wird  ebenfalls  das 
Amalgam  dargestellt. 

Wie  J.  Donath  gefunden  hat  (5),  ist  das  aus  Amalgam  durch  Abdestilliren  des 
Quecksilbers  gewonnene  Metall  nie  reines  Barium,  sondem  enthält  noch  bis  zu 
77^  Quecksilber,  welches  selbst  bei  Weissgluth  nicht  ausgetrieben  werden  kann. 

Das  Barium  ist  nach  Davy  weiss,  silberglänzend,  (dann  aber  vermuthlich  queck- 
silberhaltig), nach  BuNSEN,  Matthiessfn,  Donath  gelb,  dichter  als  concentrirte 
Schwefelsäure,  oxydirt  sich  leicht  an  der  Luft  und  im  Wasser  unter  lebhafter 
Wasserstofientwicklung.  Es  schmilzt  bei  einer  Temperatur  höher  als  der  Schmelz- 
punkt des  Gusseisens,  ohne  sich  dabei  zu  verflüchtigen;  es  zersetzt  Glas  bei 
dieser  Temperatur.  Es  verbrennt  nach  Dayy  mit  röthlichem,  nach  Clarke  mit 
grünlichem  Licht.  Es  ist  etwas  dehnbar.  Das  von  Crookes  dargestellte  Metall 
war  schneidbar,  enthielt  aber  vielleicht  Natrium  und  Quecksilber. 


\ 


Barium.  1 39 

Das  Atomgewicht  des  Bariums  ist  vielfach  bestimmt  worden,  so  von  Berze- 
Liüs,  TuRNBR,  Dumas,  Pelouze,  Marignac  u.  A.  Die  zuverlässigste  Zahl  ist 
136-86.  Das  Vol.-Gew-  beträgt  nach  Kern  3-75.  In  seinen  Verbindungen  ist 
CS  zweiwerthig.     Seine  Oxydationswärme  (zu  BaO)  ist  gleich  130380  cal. 

Verbindungen. 
I.  Oxyde.    Das  Barium  bildet  mit  Sauerstoff  ein  Oxyd  BaO  und  ein  Super- 
oxyd,  BaO,. 

Das  Bariumoxyd,  der  Baryt  bildet  sich  durch  direkte  Oxydation  des 
Bariums.  Man  stellt  es  dar,  indem  man  Bariumnitrat  durch  Erhitzen  zersetzt,  wo- 
bei dasselbe  stark  aufschäumt.  Die  Temperatur  muss  die  Weissgluth  erreichen, 
weil  sonst  Nitrit  zurückbleibt,  darf  aber  nicht  zu  lange  anhalten,  weil  der  Baryt 
sonst  bei  Benutzung  eines  Porcellantiegels  Kieselsäure  und  Thonerde,  bei  Be- 
nutzung eines  Platintiegels  Platinoxyd  aufnimmt.  Brügelmann  (6)  hat  es  auf 
diese  Weise  in  Hexaedern  krystallisirt  erhalten.  Nach  Rammelsberg  (7)  entsteht 
beim  Glühen  des  Nitrats  nicht  BaO,  sondern  eine  sauerstoffreichere  Verbindung 
von  der  Zusammensetzung  2BaO-i-Ba02. 

Durch  Erhitzen  des  Bariumcarbonats,  auch  gemischt  mit  Kohle  (Russ)  und 
Traganthgummi,  bei  Weissgluth  erhält  man  nicht  leicht  einen  von  Kohle  und 
Carbonat  freien  Baryt. 

Ein  technisches  Verfahren  zur  Erzeugung  von  Baryt  ist  von  Edm.  J.  Mau- 
MENfi  angegeben.*)    Beim  Erhiuen  von  Bariumsulfat  mit  Eisenoxyd  auf  1000  bis 
1200°  entsteht  eine  von  Wasser  nicht  angreifbare  Verbindung  FejOjBaO.    Wird 
diese  bei  Rothgluth  mit  Wasserstoff  behandelt,  so  wird  das  Eisenoxyd  reducirt 
und  der  Baryt   kann   durch  Lösen   in  Wasser  von  dem  Eisenoxydul  getrennt 
werden.    An  Stelle  des  Bariumsulfats  kann  auch  das  Carbonat  oder  Sulfid  benutzt 
werden.    Bei  Anwendung  des  letzteren  entsteht  eine  Verbindung  Fe2S3*3BaO, 
welche  geröstet  werden  muss.    Wenn  man  das  reducirte  Gemisch,  also  Fe2  H-  BaO, 
mit  Schwefelbariumlösung  behandelt,  so  wird  auch  aus  diesem  Baryt  gewonnen: 
Fe,  H-  BdO  H-  2BaS  -f-  SH^O  =  3BaO  H-  2FeS  -+-  2Hj. 
Der   Baiyt   ist   graulichweiss,    zerreiblich,    von    4-73  Vol.  Gew.    (Karsten), 
schmelzbar  in  der  Knallgasflamme  zu  einer  undurchsichtigen  weissen  Masse.    Der 
Baryt  wird    durch  Elektricität,  femer  durch  Kalium  reducirt;  Chlor,  Phosphor, 
Schwefel,   Schwefelkohlenstoflf  zersetzen  ihn  in  der  Wärme.     Bei  dunkler  Roth- 
gluth absorbirt   er  Sauerstoflf  und  wird  zu  Bioxyd.     An  der  Luft  verbindet  sich 
der  Baryt  mit  Wasser  und  Kohlensäure.     Er  ist  eine  starke  Basis,  ist  sehr  ätzend 
und  wirkt  auf  organische  Stoffe  und  Pflanzenfarben  wie  Kali  und  Natron;  er  ist 
sehr  giftig.     Mit  Wasser  zusammengebracht,  verbindet  er  sich  damit  unter  be- 
deutender Wärmeentwicklung,   die  sich  bis  zum  Glühendwerden  des  gebildeten 
Hydrates  steigern  kann.     Auch  mit  2  Mol.  Alkohol  oder  Methylalkohol  verbindet 
sich  der  Baryt. 

Bariumhydroxyd,  Aetzbaryt,  Ba(0H)2,  entsteht  bei  der  Hydratation  des 
Baryts.    Bei  der  Siedhitze  nimmt  dieser  etwa  10^  seines  Gewichtes  an  Wasser 
auf.    Beim  Erkalten  der  Lösung  bilden  sich  farblose,   durchsichtige  prismatisc\ie 
Kiystalle  von  der  Zusammensetzung  Ba(OH) 2,  8H,0  (Schöne)  (8).  Beim  Erwärmexv 
wf  m^  verliert  dieses  Hydrat  7  Mol.  Wasser.     Das  achte  Mol.  KrystallwaÄsex 
wird  erst  bei  Rothgluth  ausgetrieben.    Das  Hydratwasser  kann  nicht  durch  Wa.rxti^ 

•)  Maümen^  D.  Pat.  No.  17385  v.  21.  Juli  i88l. 


I40  Handwörterbuch  der  Chemie. 

entfernt  werden.  Das  Bariumhydroxyd,  ein  weisses  Pulver,  schmilzt  bei  Roth- 
gluth.  Durch  Krystallisation  bei  sehr  niedriger  Temperatur  kann  sich  ein  Hydrat 
mit  17  Mol.  Wasser  bilden. 

Das  Bariumhydroxyd  wird  auch  durch  Auslaugen  des  Zersetzungsproduktes 
von  Bariumcarbonat  und  Kohle  mit  heissem  Wasser  erhalten;  femer  durch  Be- 
handlung einer  Lösung  von  Schwefelbarium  mit  Kupferoxyd,  Zinkoxyd  oder  Man- 
ganbioxyd; im  Grossen  durch  Zersetzung  von  Bariumcarbonat  durch  Wasserdampf 
bei  Rothgluth  BaCO,  -+-  H^O  =  BaCHO)^  -h  CO^  (Lenoir)  fy),  Mohr  (io)  räth, 
ein  äquivalentes  Gewicht  Bariumnitrat  in  siedender  Natronlauge  von  TIO  bis 
ri5  VoL-Gew.  zu  lösen,  und  die  Lösung  nach  dem  Filtriren  langsam  erkalten  zu 
lassen.  Die  ausgeschiedenen  Krystalle  können  in  einer  Centrifugalmaschine  ge- 
trocknet werden.     S.  auch  oben  das  Verfahren  von  Maümenä. 

Die  Lösung  des  Barythydrats  in  Wasser  ist  farblos  und  klar,  trübt  sich  aber 
bald,  indem  sich  Bariumcarbonat  bei  Berührung  mit  der  Luft  bildet. 

100  Thle.  Wasser  lösen  bei        0°        20°        40*^        60*"        80° 
BaO        1-5        3-5         7-4         18-8       90*8 

Die  wässrige  Lösung,  das  Barytwasser,  wird  zur  Absorption  der  Kohlensäure 
bei  der  Luftanalyse  (vergl.  pag.  79)  und  zu  anderen  analytischen  Zwecken  ver- 
wendet; in  der  Technik  nach  dem  von  Dubrunfaut  angegebenen  Verfahren  zur 
Scheidung  des  Rohzuckers  aus  der  Melasse. 

Bariumsuperoxyd,  BaOg.  Der  Entdecker,  Thenard  (ii),  hat  diesen  Körper 
bereitet,  indem  er  einen  Strom  Sauerstoff  oder  reiner  trockner  Luft  über  dunkel- 
rothglühenden  Baryt  leitete.  Liebig  und  Wöhler  (12)  haben  vorgeschlagen,  auf 
schwach  glühenden  Baryt  nach  und  nach  das  vierfache  Gewicht  Kaliumchlorat 
in  kleinen  Mengen  zu  streuen.  Unter  Erglühen  bildet  sich  Bariumsuperoxyd, 
das  man  nach  dem  Erkalten  durch  Waschen  mit  kaltem  Wasser  als  Hydrat  rein 
erhält. 

BoussiNGAULT  (13)  sowic  Tessiä  DU  MoTAY  (14)  haben  Apparate  angegeben, 
um  im  Grossen  nach  dem  THENARD'schen  Verfahren  Bariumsuperoxyd  zum  Zweck 
der  Sauerstoffgewinnung  darzustellen. 

Nach  Brodie  (15)  erhält  man  reines  von  Monoxyd  freies  Superoxyd  durch 
Trocknen  des  reinen  Superoxydhydrats  unter  der  Luftpumpe. 

Das  Bariumsuperoxyd  ist  ein  fester,  graulich  weisser,  geruch-  und  geschmack- 
loser Körper,  unlöslich  in  Wasser.  Bei  starkem  Glühen  verliert  derselbe  die 
Hälfte  seines  Sauerstoffs.  Da  der  zurückbleibende  Baryt  in  schwacher  Gluth 
wieder  Sauerstoff  aus  der  Luft  aufzunehmen  vermag,  so  ist  dadurch  die 
Möglichkeit  der  Gewinnung  reinen  Sauerstoffs  gegeben.  Im  Vacuum  tritt  schon 
bei  dunkler  Rothgluth  (450°)  Dissociation  des  Superoxyds  ein.  Bei  etwa 
derselben  Temperatur  nimmt  Baryt  unter  gewöhnlichem  Druck  Sauerstoff  auf 
(BoussiNGAULT,  Compt.  rend.  84,  pag.  521). 

Siedendes  Wasser  zersetzt  das  Bariumsuperoxyd  in  Barythydrat  und  Sauer- 
stoff, Kohlensäure  in  Bariumcarbonat  und  Sauerstoff.  Im  Wasserstoffstrome  er- 
hitzt wird  das  Superoxyd  unter  Erglühen  in  Barythydrat  umgewandelt.  Kohle, 
Bor,  Schwefel,  Phosphor  und  die  nichtedlen  Metalle  entziehen  ebenfalls  das 
zweite  Atom  Sauerstoff.  Auch  Schwefelwasserstoff  und  organische  Körper  werden 
dadurch  verbrannt. 

Säuren  in  wässriger  Lösung  lösen  das  Bioxyd,  indem  sich  ein  Bariumsalz 
und  Wasserstoffsuperoxyd  (s.  dasselbe)  bildet  oder  Sauerstoffentwicklung  eintritt 

Wie  Wöhler  angiebt,   geräth  Bariumsuperoxyd,    in  einem  Strome  Kohlen- 


Barium.  14 1 

oxydgas  erhitzt,  ins  Glühen,  wobei  eine  leichte  Flamme  auftritt.     Stärker  ist  die 
Erscheinung  bei  Anwendung  von  schwefliger  Säure  (i6). 

Wenn  Bariumsuperoxyd  mit  kaltem  Wasser  behandelt  wird,  so  entsteht  das 
Hydrat  desselben,  welches  nach  Liebig  und  Wöhler  die  Zusammensetzung 
BaOj,  6HjO  besitzt.  Derselbe  Körper  bildet  sich,  wenn  man  eine  wässrige 
Lösung  von  Wasserstoffsuperoxyd  mit  Barytwasser  versetzt  (Thenard),  auch  wenn 
eine  dünne  Schicht  Barytwasser  lange  Zeit  hindurch  in  einer  verkorkten  Flasche 
mit  kohlensäurefreier  Luft  in  Berührung  bleibt  (Saussure). 

Reines  Bariumsuperoxydhydrat  erhält  man  am  besten,  wenn  man  das  fein 
zerriebene  rohe  Peroxyd  in  verdünnte  Salzsäure  einträgt,  bis  diese  fast  neutralisirt 
ist  Die  filtrirte  und  abgekühlte  Lösung  wird  vorsichtig  mit  Barytwasser  versetzt, 
bis  die  Kieselsäure  etc.  gefallt  ist  und  ein  schwacher  Niederschlag  des  Hydrats 
entsteht.  Zu  dem  Filtrat  setzt  man  so  lange  Barjrtwasser,  als  noch  ein  krystalli- 
nischer  Niederschlag  entsteht.  Das  gewässerte  Bariumsuperoxyd  verliert  im  Vacuum 
sein  Krystallwasser.  Aus  den  Lösungen  gewisser  Metalle,  z.  B.  den  Nitraten  von 
Mangan,  Zink,  Nickel,  Kupfer,  scheidet  dasselbe  die  metallischen  Bioxyde  ab, 
während  das  Barytsalz  in  Lösung  bleibt.  £s  dient  zur  Darstellung  des  Wasserstoff- 
superoxyds. 

IL  Bariumchlorid,  BaClj,.  Nach  Davy  wird  Baryt  durch  Chlorgas  zersetzt. 
Salzsäuregas  reagirt,  wie  Chevreul  (17)  zuerst  beobachtet  hat,  heftig  auf  erwärmten 
Baryt.  Unter  Entwicklung  eines  rothen  Lichtes  bildet  sich  Wasser  und  geschmolzenes 
Chlorbarium.  Auch  wenn  Baryt  im  Dunklen  mit  starker  Salzsäure  benetzt  wird 
zeigt  sich  eine  Lichtentwicklung. 

Man  bereitet  das  Bariumchlorid  gewöhnlich,  indem  man  Witherit  (Barium- 
carbonat)  oder  Schwefelbarium  mit  Salzsäure  behandeil,  wobei  sich  Kohlensäure, 
bezw.  Schwefelwasserstoff  entwickelt.  Durch  Eindampfen  der  Lösung  und  Um- 
kiystallisadon  wird  es  leicht  rein  erhalten.  Im  Grossen  gewinnt  man  das  Salz 
wohl  aus  Schwerspath,  indem  ein  Gemisch  von  100  Thl.  desselben  mit  35  bis 
50  Kohle,  40  bis  60  Chlorcalcium  und  15  bis  25  Kalkstein  geglüht  wird.  Von 
dem  entstandenen  unlöslichen  Calciumoxysulfid  lässt  sich  das  Chlorbarium  durch 
Auslaugen  leicht  trennen  (Godin)  (18). 

Man  kann  nach  einem  Verfahren  von  Bela-Lach*)  die  besondere  Darstellung 
von  Schwefelbarium  aus  Schwerspath  vermeiden,  wenn  man  bei  der  Reduction 
des  letzteren  mit  Kohle  Chlorwasserstoff  über  die  glühende  Masse  leitet.  Unter 
Entweichen  von  Schwefelwasserstoff  entsteht  gleich  Chlorbarium. 

Nach  dem  Verfahren  von  Kuhlmann  (19)  wird  ein  Gemisch  von  Steinkohle, 
Schwerspath  und  Manganchlorür  calcinirt.  Letzteres  wird  durch  Eindampfen  der 
Chlorfabrikationsrückstände,  deren  überschüssige  Säure  mit  Kreide  neutralisirt 
worden  ist,  gewonnen.  Von  dem  Mangan-  (und  Eisen-)  Sulfid  des  Calcinations- 
produktes  wird  das  Chlorbarium  durch  Auslaugen  getrennt. 

Das  Chlorbarium  ist  weiss.  Bildungswäime  (Ba,  Clj)  =  194250  cal.  Es  ist 
leicht  löslich  in  reinem  Wasser,  viel  weniger  in  Salzsäure  enthaltendem  und  in 
Alkohol.     100  Thle.  Wasser  lösen 

bei  0°       10°      20°      30°     40°     50°     60°     70°      80°     90°     100°     104° 

Baa,    32-62    33*3     35-7     382    408     43-6     464    494     524    556     58'8     60-3. 
Nach  Fresenius   (20)   vermögen   7500  Thle.    absoluten   Alkohols   bei    14°, 
1800  Thle.  beim  Sieden  1  Thl.  Salz  aufzulösen. 

Sein  Geschmack  ist  bitter,  es  ist  ein  starkes  Gift.    Es  schmilzt  in  der  Roth- 
♦)  Bkia-Lach.  D.  Pat.  Nr.   19188  v.  20  Dec.   1881. 


142  Handwörterbuch  der  Chemie 

gluth  und  bildet  beim  Erkalten  eine  durchsichtige  Masse  vom  Vol.-Gew.  3*7. 
Beim  Erhitzen  in  Wasserdampf  entwickelt  sich  schon  unter  der  Schmelztemperatur 
Salzsäuregas  (Krauss)  (21). 

Das  wasserfreie  Chlorbarium  erwärmt  sich  bei  Berührung  mit  Wasser  und 
bildet  ein  Hydrat  BaCl^,  2H2O.  Wärmeentwicklung  (BaClj  -h  211^0)  =  7000  cal. 
Auch  an  der  Luft  absorbirt  jenes  Wasser.  Aus  der  wässrigen  Lösung  krystallisiren 
rhombische  flache  Tafeln  (isomorph  mit  Kupferchlorid  CUCI2,  2H2O;  Maricnac), 
die  ihr  Wasser  erst  über  200°  verlieren.  Das  Vol.-Gew.  beträgt  305.  In  100  Thln. 
Wasser  lösen  sich  bei  15°  43*5,  beim  Siedepunkte  70*36  Thle.  des  krystallisirtcn 
Salzes.  Die  heiss  gesättigte  Lösung  siedet  bei  104*4°  Die  Lösungswärme  des 
wasserfreien  Salzes  BaClg  auf  400  Mol.  Wasser  bei  18°  beträgt  -h  2070  caL,  die 
des  Salzes  BaCij,  2HjO  unter  gleichen  Umständen  —  4930  cal. 

Die  Lösung  des  Chlorbariums  (1:10)  dient  als  Reagens  auf  Schwefelsäure. 
Diese  Säure  muss  alles  Feuerbeständige  aus  der  Lösung  fallen. 

Bari  ambro  mid,  BaBr,,  bildet  ebenfalls  ein  krystallisirtes  Hydrat  BaBr,,  2H,0;  VoL- 
Gew.  4*23;  M^rd  erhalten  durch  Sättigen  von  Baryt,  Bariumsulfid  oder  Bariumcarbonat  mit  Brom- 
Wasserstoff,  löst  sich  leicht  selbst  in  absolutem  Alkohol,  in  100  Theilen  Wasser  lösen  sich 
J24-5  Theile  bei  0°. 

Baryumjodid,  BaJ,,  bildet  nach  Croft  (22)  ein  Hydrat,  BaJ,,  7H,0.  Das  wasserfreie 
Salz  ist  weiss,  unschmelzbar,  sehr  löslich  in  Wasser,  auch  in  Alkohol,  zieht  aber  nicht  Wasser 
aus  der  Luft  an.     Die  wässrige  Lösung  zersetzt  sich  an  der  Laft. 

Barium fluorid,  BaFl^,  weisses  Pulver,  wenig  löslich  in  Wasser,  unzersetzbar  durch  Hitz«. 

Bariumfluorid-chlorid,  BaFlCl,  bildet  sich,  wenn  man  Natriumilaorid  mit  Bariumchlorid 
mischt  oder  Bariumfluorid  in  Salzsäure  löst  und  die  Lösung  mit  Ammoniak  neutralisirt  Leichter 
löslich  .in  Wasser,  als  das  Fluorid,  wird  aber  theilweise  davon  zersetzt,  indem  sich  hauptsächlich 
das  Chlorid  löst.  ^ 

Bariumfluoborat,  BaFl,2BoFl3,  wird  aus  Fluorborsäure  und  Bariumcarbonat  bereitet 
Bei  Ueberschuss  des  letzteren  wird  das  gebildete  Fluoborat  zersetzt.  Das  Salz  krystallisirt  ans 
der  bis  zur  Syrupsconsistenz  eingedampften  Lösung  in  langen  Nadeln,  bei  noch  weiterem  Ein- 
dampfen in  flachen  ractangulären  Prismen.     Die  Kry stalle  enthalten  2  MoL  Krystallwasser. 

Bariumfluosilicat,  BaFl,,  SiFl^,  fWt  allmählich  in  kleinen  Krystallen  aus  der  Mischung 
einer  Lösung  von  RieselfluorwasserstofTsäure  und  einer  Chlorbariumlösung;  in  kaltem  Wasser, 
sowie  in  Salzsäure  sehr  wenig  löslich.  Bei  Rothgluth  entweicht  Fluorsilicium,  und  Fluorbarium 
bleibt  zurück.  Vol. -Gew.  4-28.  Ein  Theil  löst  sich  in  3731  Thln.  Wasser  von  17•5^  in 
1174  ThhL  beim  Siedepunkt,  in  448  Thln.  Salzsäure  von  4*5f  bei  20— 22^  in  272  Thln. 
Salpetersäure  von  8(,  306  Thln.  Salmiak-(gesättigt)  und  in  2185  Thln.  Kochsalzlösung  von  10  g^ 
Aus  der  siedenden  Kochsalzlösung  scheidet  sich  beim  Erkalten  Natriumfluosilicat  aus.  Durch 
wiederholtes  Glühen  des  Salzes  mit  Salmiak  wird  es  allmählich  in  Chlorbarium  umgewandelt 
(Stolba  23).  Die  Unlöslichkeit  des  Fluosilicats  ist  ein  analytisches  Unterscheidungsmittel  der 
Barium-  von  den  Strontiumsalzen. 

III.  Bariumsulfide.  —  1.  Einfach-Schwefelbarium,  BaS. 

Darstellung;  a)  Man  leitet  einen  Strom  WasserstofTgas  über  lebhaft  glühendes  Barium- 
sulfat b)  Man  glüht  Baryt  im  Schwefelwasserstoffstrome,  c)  Man  leitet  Schwefelkohlenstoff- 
dampf über  stark  glühendes  Bariumcarbonat  oder  -oxyd.  Die  Glühhitze  kann  ermässigt  werden, 
wenn  man  nach  Schöne  (24)  dem  Schwefelkohlenstoffdampf  Wasserstoff,  SchwefelwasserstoflT 
oder  Kohlensäure  beimischt,  d)  Aus  einem  innigen  Gemisch  von  Schwerspath-  und  Kohle-  oder 
Cokspulver  werden  mit  Hülfe  von  Oel,  Theer  oder  dergl.  Ballen  geformt,  die  im  Tiegel  stark 
geglüht  werden.  Dieses  Verfahren  wird  industriell  in  Flammöfen  ausgeführt.  Nach  dem  Erkalten 
des  Rohprodukts  wird  dasselbe  mit  Wasser  ausgelaugt,  und  die  Lösung  dient  dann  zur  Dar- 
stellung von  Bariumsalzen. 

Das  Baryummonosulfid  ist  weiss  bis  grau,  unschmelzbar,  langsam  oxydirbajr 
in  Rothgluth.   An  feuchter  I.uft  zersetzt  es  sich  unter  Schwefel  Wasserstoffen  twicklung 


X 


Barium.  143 

ZU  Bariumthiosulfat  und  Bariumcarbonat.     In  Wasser  ist  es  löslich,  zersetzt  sich 
damit  aber  theilweise  unter  Bildung  von  Bariumsulfhydrat  und  -Oxysulfid. 

Wenn  man  das  rohe  Schwefelbarium  mit  Wasser  auskocht  und  die  siedende  Lauge  in  ein 
Geßss  filtrirti  das  sogleich  fest  geschlossen  wird,  so  erhält  man  eine  durch  etwas  Polysulfid  gelb 
gefilrbte  Lösung,  welche  zunächst  schuppenförmige  Krystalle,  dann  ein  Krystallpulver  absetzt 
Jene  enthalten  wahrscheinlich  eine  Verbindung  von  4  Mol.  Bariumhydroxyd  (mit  9  Wasser)  und 
3  MoL  Bariummonosulfid  (mit  6  Wasser);  während  die  pulverförmigen  Krystalle  aus  gleichen 
Molekülen  Hydroxyd  und  Sulfid  (mit  10  Wasser)  bestehen.  Die  Flüssigkeit  giebt  nach  weiterem 
Eindampfen  beim  Erkalten  Krystalle  von  gewässertem  Bariumsulfid,  BaS  +  6H,0,  in  der  Mutter- 
lauge ist  Bariumsulfhydrat,  Ba(SH)2  enthalten.  Dies  ist  nur  schwierig  frei  von  Oxysulfid 
zu  erhalten.  Es  krystallisirt  mit  6  Mol.  Krystallwasser,  wird  an  der  Luft  gelb  in  Folge  von 
Oxydation.     Es  ist  eine  starke  Sulfobase. 

Das  auf  trocknem  Wege  dargestellte  Bariumsulfid  hat  die  Eigenschaft,  im 
Dunkeln  mit  orangegelbem  Licht  zu  leuchten,  wenn  es  vorher  der  Einwirkung 
der  Sonnenstrahlen  ausgesetzt  gewesen  ist  (s.  o.  pag.  137).  Die  Wirkung  wird  durch 
die  ultravioletten  Strahlen  des  Spectrums  hervorgebracht. 

Bariumtrisulfid,  BaS,.  Darstellung:  Man  schmilzt  2  Thle.  Monosulfid  mit  1  Thl« 
Schwefel,  dessen  Ueberschuss  bei  einer  Temperatur  von  nicht  über  360°  verjagt  wird  (Schöne) 
(24).  Es  bleibt  eine  gelbgrüne  Masse,  welche  gegen  400°  zu  einer  schwarzen  Flüssigkeit 
schmilzt  und  beim  Erstarren  schpiutzig  grün  wird.  Ueber  400°  entweicht  Schwefel;  erst  bei 
Rodigluth  sind  2  Atome  S  auszutj^eiben. 

Das  Trisulfid  löst  sich  in  wirmem  Wasser  zu  einer  rothen,  kalt  rothgelben  Flüssigkeit  von 
stark  alkalischer  Reaction.  An  d<tr  Luft  tritt  Zersetzung  ein.  Beim  Abdampfen  bilden  sich  drei 
Alten  von  Krystallen. 

1.  Gewässertes  Bariummonosulfid,  BaS,  6H,0,  kleine  gelblichweisse  Tafeln.  Dieser 
Körper  bildet  sich  auch  beim  Eindampfen  einer  Lösung  von  5  Thln.  Monosulfid  und  1  Thl. 
Schwefel  im  luftverdünnten  Räume.  Unlöslich  in  Alkohol,  wenig  löslich  in  kaltem  Wasser. 
Das  Riystall Wasser  entweicht  zwischen  100  und  360°. 

2.  Bariumtetrasulfid,  BaS4,H,0,  rothe,  blumenkohlartig  angeordnete  Nadeln,  die  sich 
immer  bilden,  wenn  eine  Lösung  von  Bariummonosulfid  mit  Schwefel  eingedampft  wird.  Die 
Farbe  geht  allmählich  in  orange  über;  sie  zeigen  Dichroismus,  gelb  im  durchfallenden,  roth  im 
reflecttrten  Licht  Die  Lösung  verändert  sich  an  der  Luft,  und  Alkohol  f^lt  dann  Tetrasulfid, 
sowie  zwei  andere  nicht  analysirte  Verbindungen,  (Schöne)  (24). 

3.  Orangegelbe  Prismen  von  der  Zusammensetzung  3(BaS,  GH^O) -f- (BaS^jHjO) 
+  6HjO.  Die  Krystalle  sind  wenig  beständig  und  verwittern  an  der  Luft;  sie  zeigen  denselben 
Dichroismus  wie  die  vorigen. 

Bariumpentasulfid,  BaSj,  existirt  nur  in  Lösung.  Man  stellt  diese  dar  durch  Kochen 
einer  Lösung  des  Monosulfids  mit  der  genügenden  Menge  Schwefel.  Beim  Erkalten  der  ge- 
sättigten gelben  Lösung  scheidet  sich  Tetrasulfid  und  Schwefel  ab,  in  der  zurückbleibenden 
Flüssigkeit  kommen  5S  auf  IBa.  Bei  weiterer  Concentration,  auch  beim  Stehen  an  der  Luft, 
scheidet  sich  das  fUnfte  Atom  Schwefel  ab.  Die  Lösung  des  Pentasulfids  vermag  beim  Kochen 
noch  mehr  Schwefel  aufzulösen,  der  sich  beim  Erkalten  in  Octaederform  wieder  ausscheidet. 

Bariumoxysulfide.  Aus  der  wässrigen  Lösung  des  Monosulfids  scheiden  sich  zuerst 
schuppige  Krystalle  von  der  Formel  4(Ba(OH)j,  9H,0)-f-3(BaS,6HjO),  sodann  kömige  Krystalle 
von  der  Formel,  Ba(OH),,  8H,0  H-  BaS,  H,0.  Nach  längerer  Zeit  bilden  sich  grosse,  farblose, 
hexagonale  Tafeln  von  der  Zusammensetzung  Ba(OH)3,,  SH^O  4-  3(BaS,6Hj,0)  (H.  Rose)  (25^. 

Selen  bar ium,  BaSe,  dargestellt  durch  Erhitzen  eines  Gemisches  von  selenigsaurem  Barium 
mit  ^  seines  Gewichtes  Russ  bei  Rothgluth,  bis  sich  kein  Gas  mehr  entwickelt.  Der  Rückstand 
tost  sich  in  Wasser  mit  Ausnahme  von  etwas  beigemengter  Kohle.  Die  Verbindung  zersetzt 
sich  wie  Schwefelbarium  in  wässriger  Lösung,  indem  sich  Barythydrat  und  em  höheres,  mit  gelb- 
rother  Farbe  lösliches  Selenid  bilden.  Diese  Lösung  wird  durch  Säuren  zersetzt,  indem  sich 
Sdenwasserstoff  entwickelt  und  Selen  niedermit.  Bei  Reduction  von  selenigsaurem  Barium  durch 
Wasserstoff  erhält  man  auch  ein  Gemisch  von  Barythydrat  und  höherem  Selenid. 


144  Handwörterbuch  der  Chemie. 

T  ellurbar  ium.     Unbekannt 

Arsenbarium  bildet  sich,  wenn  Baryt  in  Arsendampf  geglüht  wird,  in  geringer  Menge 
neben  arsenigsaurem  Barium.  Mit  Wasser  befeuchtet,  entwickelt  die  Masse  Arsen  Wasserstoff 
(Gay-Lussac,  Soubeiran). 

Phosphorbarium.  Wenn  mittelst  eines  WasserstofTstromes  Phosphordampf  über  rotfaglUhenden 
Baryt  geleitet  wird,  so  entsteht  neben  Bariumpyrophosphat  auch  Phosphorbarium,  BaP,.  Nach 
Dumas  (26)  findet  die  Reaction  statt:  7Ba0  4-  12P  =  .')BaP,  -hBa^PjO^. 

Der  Körper  ist  dunkelbraun  mit  geringem  Metallglanz  und  schmelzbar.  Mit  Wasser  bildet 
derselbe  Phosphorwasserstoffgas  und  Hypophosphit  Chlor  greift  denselben  stark  an  unter 
Bildung  von  Phosphorchlorttr,  Bariumchlorid  und  -phosphat.  —  Nach  Berzeuus  erhitzt  man  Baryt 
in  einem  Kolben  mit  langem  Halse  zum  Glühen  und  wirft  Phosphor  in  kleinen  Stückchen  darauf. 

IV.  Sauerstoffhaltige  Salze. 

Bariumchlorat,  chlorsaures  Barium,  Ba(C103)j-H  HgO.  —  Darstellung 
durch  Zersetzung  von  Kaliumchlorat  mit  Kieselfluorwasserstofi^ure  und  Neu- 
tralisation der  filtrirten  Lösung  von  Chlorsäure  durch  Bariumcarbonat  Vol.-Gew. 
2-99.  Löslichkeit  in  100  Thln.  Wasser:  bei  O""  228  Thle.,  bei  20''  37  Thle., 
bei  100°  126-4  Thle.  Ba(C105)j.  Die  Lösungswärme  auf  600  Mol.  Wasser  bei 
18°  beträgt  —  11240  cal.  Es  krystallisirt  unter  Lichtentwicklung  in  monoklinen 
Prismen  mit  1  Mol.  Wasser.  Dieses  wird  bei  120°  ausgetrieben,  bei  250°  be- 
ginnt Sauerstoff  sich  zu  entwickeln;  bei  400°  tritt  Schmelzung  des  Chlorbariums 
ein.  Bei  rascher  Erhitzung  explodirt  das  Chlorat  (Wächter)  (27).  Durch  Schlag 
schon  tritt  Explosion  ein,  wenn  dasselbe  mit  einem  brennbaren  Stoff  gemischt 
ist.  Das  Salz  löst  sich  in  4  Theilen  kaltem  Wasser,  leichter  in  siedendem.  Ks 
wird  in  der  Feuerwerkerei  zur  Herstellung  grüner  Flammen  benutzt. 

Bariumperchlorat,  Uberchlorsaures  Barium,  Ba(Q04)2 -{-4H,0.  Darstellung 
durch  Neutralisation  der  Ueberchlorsäure  mit  Baryt  oder  Bariumcarbonat;  durch  Zersetzung  von 
Zinkperchlorat  mit  Barytwasser  (O.  Henry)  (28).  Es  krystallisirt  in  langen  Prismen  aus  Wasser, 
in  kurzen  mit  abgestumpfter  Pyramide  aus  Alkohol.  Sehr  löslich  in  Wasser.  Bei  100®  ent- 
weichen 2  Mol.  Wasser;  bei  etwas  höherer  Temperatur  das  dritte;  beim  Entweichen  des  vierten 
tritt  Sauerstoffent^ickelung  ein. 

Bariumchlorit,  chlorigsaures  Barium.  DarsteUung  durch  Neutralisation  einer 
Lösung  von  chloriger  Säure  mit  Barytwasser  und  Abdampfen,  zuletzt  im  Vacuum.  Sehr  löslich, 
leicht  zersetzlich;  das  wasserfreie  Salz  zersetzt  sich  bei  230^- 

Bariumbromat,  bromsaures  Barium,  Ba  (Br03)2  +  H,0.  Darstellung  durch  Mischen 
von  100  Thln.  heiss  gesättigter  Kaliumbromatlösung  mit  einer  siedenden  Lösung  von  160  Thln. 
Bariumacetat  oder  74  Thln.  Chlorbarium  und  langsames  Erkalten;  die  Mutterlauge  liefert  eine 
zweite  Krystallisation.  (Rammelsberg)  (29).  Löslich  in  130  Thln.  kaltem,  24  Thln.  siedendem 
Wasser.  Bei  200^  Krystallwasserverlust ;  bei  stärkerem  Erhitzen  heftige  Zersetzung,  mit  Kohle 
Detonation.     Schwefelsäure  oder  Salzsäure  entwickeln  Brom. 

Bariumperbromat,  überbromsaures  Barium,  Ba(Br04),.  Weisser  Körper,  selbst 
in  siedendem  Wasser  wenig  löslich  (Kämmerer)  (30). 

Bariumjodat,  jodsaures  Barium,  BaQOj)])  +  H],0.  Darstellung  durch 
Fällung  einer  Lösung  von  Kaliumjodat  mit  Chlorbarium  (Millon)  (31);  duix:h 
Kochen  mit  Jodsäure  werden  Reste  des  Fällungsmittels  aus  dem  Niederschlag 
entfernt.  Weisses,  wenig  lösliches  Pulver;  aus  Salpetersäure  krystallisirt  es  in  mit 
dem  Chlorat  und  Bromat  isomorphen  Prismen  (Marignac).  Bei  15°  in  1746  Thln. 
Wasser  löslich,  bei  100°  in  600  Theilen.  (Rammelsberg)  (29).  Bei  130°  ent- 
weicht das  Krystallwasser.  Bei  stärkerem  Erhitzen  entweicht  Sauerstoff  und  Jod, 
und  es  bleibt  ein  vierbasisches  Perjodat. 

Bariumperjodat,  überjodsaures  Barium.  Das  neutrale  Salz  ist  nicht 
bekannt. 

1.  Basisches  Perjodat,   BaQO^)^,  BaO -h  SHjO.    Weisser  Niederschlag, 


Barium.  )4S 

beim  Mischen  der  etwas  angesäuerten  Lösung  des  entsprechenden  Natriumsalzes 
mit  Barythydrat     Bei  Rothgluth  tritt  folgende  Zersetzung  ein : 

öCBaJjO^,  3H2O)  =  2(Ba  JjOia)  -h  6J  -h  210  H-  löHjO. 
2.  Vierbasisches  Perjodat,  Ba(J04)2,  4BaO,  entsteht  aus  1.  und  beim 
Glühen  des  Bariumjodats,  öCBaJgOg)  =  Ba  J^O^  2  +  8J  -4-  180. 

Weiss,  unlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Salpetersäure.  Beim  Mischen  dieser 
Lösung  mit  Ammoniak,  oder  beim  Fällen  einer  Lösung  von  Natriumperjodat 
mit  Bariumnitrat  erhält  man  einen  etwas  gelatinösen  Niederschlag  vonBa5j4  0i9 
-h5H|0  oder  BajJjOu -{- HjqJjOjj.  Bei  100°  entweichen  Wasser  und  Sauer- 
stoff (Rammelsberg)  (32). 

Bariumsulfat,  schwefelsaures  Barium,  BaS04.  —  Vorkommen  als 
Schwerspath. 

Bariumsulfat  fällt  immer  als  weisser  Niederschlag  aus,  wenn  die  Lösung 
eines  Bariumsalzes  mit  Schwefelsäure  oder  einem  gelösten  Sulfat  zusammenge- 
bracht wird.  Wird  die  Fällung  in  der  Kälte  ausgeführt,  so  geht  der  feine  Nieder- 
schlag leicht  durch  das  Filter.  Die  Bildungswärme  von  (BaOgH^aq -h  SOgaq), 
welche  sich  aus  der  Neutralisationswärme  und  Präcipitationswärme  zusammensetzt, 
ist  gleich  36900  cal. 

Zur  Darstellung  im  Grossen  wird  meistens  eine  Chlorbariumlösung  mit 
Schwefelsäure  gefällt.  Jene  hat  zweckmässig  eine  Concentration  von  24  bis  25°  B, 
diese  von  30°  B.  Die  Fällung  wird  in  der  Kälte  vorgenommen.  Man  erhält 
dann  eine  Salzsäurelösung  von  6°  B.  Es  wird  auch  wohl  eine  Lösung  von 
Bariumsulfid  mit  Natriumsulfat  zersetzt.  Bisweilen  wird  es  als  ein  Nebenprodukt 
einer  andern  Fabrikation  gewonnen. 

Löslichkeit:  1  Theil  bedarf  200000  bis  300000  Thle.  Wasser.  Bei  Gegen- 
wart von  Säuren  nimmt  die  Löshchkeit  zu.  1  Thl.  BaSO^  löst  sich  in 
23000  Thln.  kalter  und  4887  Thln.  warmer  Salzsäure  von  1-03  Vol.-Gew.,  in 
9273  Thln.  Salpetersäure  von  102  Vol.-Gew.,  in  40800  Thln.  Essigsäure  von 
1*02  Vol.-Gew.  Bei  der  Fällung  mit  Chlorbarium  in  der  Wärme  wird  von  diesem 
Salze  etwas  mitgerissen  und  kann  nur  sehr  schwierig  durch  Auswaschen  aus 
dem  Niederschlage  entfernt  werden.  Auch  in  concentrirten  Lösungen  von 
Ammoniaksalzen  ist  bei  Abwesenheit  von  Schwefelsäure  oder  Sulfaten  das 
Bariumsulfat  ein  wenig  löslich. 

Anwendung:  Das  künstlich  dargestellte  Bariumsulfat  wird  als  Fermanent- 
weiss  oder  Blancfixe  in  der  Drückerei,  besonders  der  Tapetendruckerei,  ver- 
wendet. Der  Schwerspath,  welcher  mit  Kohle  leicht  zu  löslichem  Sulfid  reducirt 
werden  kann,  ist  ein  Hauptrohstoff  zur  Darstellung  der  Bariumverbindungen. 

Bariumbisulfat,  BaSO^,  HjSO^,  bildet  sich,  wenn  Bariumsulfat  oder  ein 
anderes  Bariumsalz  in  Schwefelsäuremonohydrat  gelöst  wird.  Wasser  zersetzt  das 
Salz.  Bei  100°  scheiden  sich  aus  der  Lösung  nadelartige  Krystalle  aus,  die  bei 
160—180*'  verschwinden,  während  sich  prismatische  Krystalle  bilden.  Beim 
Erkalten  tritt  wieder  Lösung  ein  (Th.  Garside)  (33). 

Bariumsulfit,  schwefligsaures  Barium,  BaSO,,  bildet,  durch  doppelte  Zersetzung 
CTbalten,  ein  weisses  unlösliches  Pulver,  löst  sich  in  einer  wannen  wässrigen  Lösung  von 
schwefliger  Säure  und  krystallisirt  beim  Erkalten  daraus  in  kleinen  hexagonalen  Prismen. 
Beim  Erhitzen  in  zugeschmolzener  Röhre  zerfällt  es  in  Bariumsulfat  und  -sulüd  (Rammelsberg)  (34). 
Bariumthiosulfat  (Bariumhyposulfit,  unterschwefligsaures  Barium,  BaS^O, 
4-H,0,  weisser  Niederschlag  nach  Mischung  der  Lösungen  von  Natriumthiosulfat  und  Barium- 
acetat,  wobei  Alkoholzusatz  die  völlige  Ausfällung  bewirkt.  Verliert  bei  170®  Krystallwasser,  bei 
LAimoMnu;,  Chemie.    H.  lO 


146  Handwörterbuch  der  Chemie. 

höherer  Temperatur  auch  Schwefel.     Bei  Rothgluth  ist  die  Zersetzung  nach  folgender  Gleichung 
vollendet:  GBaSjOj  =BaS -h  2BaSOs  +  SBaSO^  +  6S  (Rammelsberg)  (35). 

Bariumdithionat,  unterschwefelsaures  Barium,  BaS,Og2H30.  Beim  Fällender 
Lösung  des  dithionsauren  Mangans  mit  Barytwasser  oder  Schwefelbarium  erhält  man  eine  Lösung 
des  Bariumsalzes,  welche  nach  der  Concentration  farblose  Prismen  liefert.  Löslich  in  1*1  Th. 
siedendem  Wasser  und  in  4*04  Thln.  Wasser  von  18^;  unlöslich  in  Alkohol,  sie  decrepitiren  beim 
Erhitzen  (Heerek).  Bei  langsamer  Verdunstimg  scheidet  sich  das  Salz  mit  4  Mol.  Kiystallwasser 
aus.  Diese  Krystalle  verwittern  an  der  Luft,  indem  sie  2  Mol.  Wasser  verlieren.  Es  sind 
Doppeldithionate  von  Barium  mit  Natrium,  bezw.  Magnesium  dargestellt  worden  (Schiff)  (36). 

Bariumtrithionat,  BaSjOg -|- 2H,0.  Durch  Sättigen  der  Trithionsänre  mit  Barium- 
carbonat  und  Fällung  durch  Alkohol  erhalten.  Glänzend  weisse  Schuppen,  deren  Lösung  leicht 
zersetzlich  ist  (Kessler)  (37). 

Bariumtetrathionat,  BaS40g+2HjO,  grosse  Tafehi,  löslich  in  Wasser,  in  ähnlicher 
Weise  wie  das  vorhergehende  Salz  dargestellt  (Kesslfr). 

Bariumpentathionat,  BaSjOg+HjO.  Durch  doppelte  Zersetzung  erhalten.  Leicht 
löslich  in  Wasser,  unlöslich  in  Alkohol.  Die  wässrige  Lösung  zersetzt  sich  beim  Eindampfen, 
wobei  sich  Krystalle  bilden  von  der  Zusammensetzung  BaS^Og  -f-  BaSjOg  -h  6HjO. 

Bariumseleniat,  selensaures  Barium,  BaSe04.  Weisses  Pulver,  unlöslich  in  Wasser, 
wird  durch  siedende  Salzsäure  in  Selenit  umgewandelt,  durch  Wasserstofif  in  der  Hitze  zu  Selenid 
reducirt. 

Bariumselenit,  selenigsaures  Barium,  BaSeO,.  Das  neutrale  Salz  ist  ein  weisses 
in  Wasser  unlösliches,  in  Säuren  lösliches  Pulver.  Wenn  man  eine  Lösung  von  seleniger  Säure 
genau  mit  Bariumcarbonat  neutralisirt,  so  erhält  man  bei  langsamer  Verdunstung  ein  saures  Salz 
in  weissen  kleinen  Krystallen  (Berzelius). 

Bariumtellurat,  tellursaures  Barium,  BaTeO^  +  SHjO.  Das  durch  doppelte  Zer- 
setzung erhaltene  neutrale  Salz  ist  ein  weisses  in  Wasser  wenig  lösliches  Pulver.  Das  BiteUurat 
ist  eine  leichter  lösliche  flockige  Masse,  die  durch  fortgesetztes  Waschen  mit  Wasser  in  neutrales 
Salz  und  Tellursäure  zersetzt  wird.  Das  Quadritellurat  ist  noch  löslicher  in  Wasser,  in  der 
Wärme  gelb  (Berzelius). 

Bariumtellurit,  tellurigsaures  Barium,  BaTeO,.  Weiss,  voluminös,  löslich  in  viel 
Wasser.  Auf  trockenem  Wege  bereitet,  sehr  wenig  in  siedendem  Wasser  löslich.  Durch  Zer^ 
Setzung  des  neutralen  Salzes  mir  verdtlnnter  Salpetersäure  entsteht  ein  Quadritellurit,  BaTeO,, 
STeOj,  welches  in  der  Rothgluth  zu  einem  farblosen  Glase  schmilzt  (Berzelius). 

Bariumsulfotellurit,  3BaS +TeS^,  bildet  sich  beim  Kochen  der  beiden  Bestandtheile. 
Hellgelbe,  wenig  lösliche  Prismen  (Berzelius). 

Bariumnitrat,  salpetersaures  Barium,  Ba(N03)3.  Darstellung  durch 
Einwirkung  verdünnter  Salpetersäure  auf  das  rohe  Sulfid  oder  auf  Witherit  und 
Krystallisation.  Bei  Anwendung  concentrirter  Säure  ist  die  Umsetzung  nicht  voll«^ 
ständig,  indeifn  sich  auf  dem  Witherit  eine  Schicht  Nitrat  bildet  und  vom  Sulfid 
ein  Theil  zu  Sulfat  oxydirt  wird. 

Das  Salz  krystallisirt  in  weissen  durchsichtigen  regulären  Oktaedern  vom 
Vol.-Gew.  3-185  (Karsten),  3*228  (Kremers),  von  bitter-salzigem  Geschmack. 
Beim  Erhitzen  decrepitirt  es,  schmilzt  und  zersetzt  sich  bei  Rothgluth  in  Sauer- 
stoff, Stickstoff,  Untersalpetersäure  und  Baryt,  detonirt  schwach  mit  brennbaren 
Körpern.    Löslichkeit:  100  Thle.  Wasser  lösen 

bei  0°     10°    20°    30°     40°      50°      60°     70°     80°     90°    100°    102° 

Ba(N03)a  52  7*0  92  11-6  14-2  17-1  203  23*6  27-0  306  32*2  34-8; 
unlöslich  in  Alkohol  und  in  Salpetersäure.  Die  Bindungswärme  (Ba,  Oj,  Nj,  O4) 
beträgt  229  750,  die  Lösungswärme  des  Salzes  —  9400  cal. 

Es  sind  Doppelsalze  von  Bariumnitrat  mit  Bariumacetat,  mit  Kaliumnitrat, 
mit  Bariumphosphat  dargestellt  worden. 

Anwendung  in  der  Feuerwerkerei. 


Barium.  147 

Bariumnitrit,  salpetrigsaures  Barium,  Ba(N02),  +  H3O.  Darstellung  durch  vor- 
flchtiges  Erhitzen  des  Nitrates.  Etwa  gebildeter  Baryt  wird  aus  der  Lösung  durch  Einleiten  von 
Kohlensäure  entfernt.  Beim  Eindampfen  der  filtrirten  Lösung  scheidet  sich  zunächst  unzersetztes 
Nitrat,  dann  das  Nitrit  aus.  Man  kann  ersteres  auch  durch  Alkohol  fällen  (Hess  und  Lang)  (38). 
Das  Salz  kann  auch  durch  Einleiten  von  Salpetrigsäure-Dämpfen  in  Barytwasser  dargestellt 
werden;  ganz  rein  durch  Fällen  einer  Lösung  von  Silbemitrit  mit  Chlorbarium  uud  Krystallisation 
des  FUtrats. 

Das  Salz  krystallisirt  in  langen  hexagonalen  Prismen  oder  in  kurzen  rhombischen  Prismen, 
ist  also  dimorph.  Sehr  löslich  in  Wasser,  in  64  Thln.  Alkohol  von  94  f  bei  gewöhnlicher  Tempe- 
ratur. Bildet  mit  Kaliumnitrit  ein  leicht  lösliches  Doppelsalz,  Ba(NOj)2  -f-  2KN0j  -h  HjO.  Ein 
ICckeldoppelsalz,  2Ba(NO,)2  +  Ni(N02)2i  ist  ein  hellrothes  Pulver,  das  sich  in  Wasser  mit 
grüner  Farbe  löst 

Bariumhypophosphit,  unterphosphorigsaures  Barium,  Ba(H3P03)j 
-h  HjO,  entsteht  beim  Kochen  von  Phosphor  mit  Barytwasser.  Glänzende,  sehr 
biegsame  Prismen,  die  sich  am  besten  bilden,  wenn  die  wässrige  Lösung  bis  zur 
beginnenden  Trübung  mit  Alkohol  versetzt  wird.  Das  Krystallwasser  geht  bei 
100°  fort,  das  Constitutionswaser  bei  höherer  Temperatur  unter  Zersetzung.  Die 
mit  unterphosphoriger  Säure  behandelte  wässrige  Lösung  liefert  vierseitige  Tafeln, 
welche  kein  Krystallwasser  enthalten.  Im  geschlossenen  Gefässe  erhitzt,  giebt 
das  Salz  Phosphorw'asserstofF  aus  und  wird  zu  Bariumphosphat.  Wird  ein  Stück 
Kalihydrat  in  die  Lösung  gebracht,  so  entwickelt  sich  beim  Erwärmen  Wasser- 
stoff und  Bariumphosphit  fallt  nieder  (Rose,  Wurtz)  (39). 

Bariumphosphit,  phosphorigsaures  Barium,  2BaHP08  -+-  H^O,  bildet 
sich  durch  doppelte  Zersetzung,  löslich,  beim  Glühen  in  Phosphat  sich  umwandelnd. 

Das  saure  Salz,  BaCHjPOj)^ -h  HgO,  bildet  sich,  wenn  man  das  vorige  in 
phosphoriger  Säure  löst  und  langsam  abdampft.  Syrupartige  Masse,  aus  der  sich  beim 
Trocknen  im  Vacuum  kleine  Krystallkömer  ausscheiden,  die  bei  100°  HjO  verlieren. 

Bariumorthophosphat,  orthophosphorsaures  Barium, 

1.  Tribariumphosphat,  Baj(P0^)3  -h  H^O,  durch  doppelte  Zersetzung  mit 
dem  entsprechenden  Natriumsalz  erhalten. 

2.  Bibariumphosphat,  BaHP04  oder  BajH2(P04)a,  durch  doppelte  Zer- 
setzung, am  besten  mit  dem  Ammoniumsalz  und  Chlorbarium.  Krystallinische 
Schuppen,  löslich  in  20570  Thln.  Wasser  von  20°,  etwas  löslicher  in  Lösungen 
von  Ammoniaksalzen,  Chlomatrium  und  Chlorbarium;  freies  Ammoniak  befördert 
die  Unlöslichkeit;  leicht  löslich  in  Salpetersäure,  Salzsäure,  Essigsäure  (in  400  Thln. 
Essigs,  von  1-032  Vol.-Gew).  Aus  der  Lösung  in  Säuren  fällt  Ammoniak  Triba- 
riumphosphat oder  dieses  und  das  Bariumsalz;  der  Niederschlag  enthält  auch 
Bariumchlorid  (oder  -Nitrat)  und  Ammoniaksalz  (Berzelius,  Wackenroder)  (40) 

3.  Monobariumphosphat,  BsiQi^TO^)^, 

Darstellung:  Man  löst  eine  der  beiden  vorhergehenden  Verbindungen  in 
Fhosphorsäure  und  dampft  ein.  Weisse  Krystalle,  löslich  in  verdünnten  Säuren, 
durch  Wasser  zersetzt  in  Bibariumsalz  und  Phosphorsäure.  Aus  der  Lösung  der 
genannten  Salze  in  Phosphorsäure  scheidet  sich  auf  Zusatz  von  Alkohol  das  Salz 
2BaHP04  -t-  Ba(HjPOJj  -h  dH^O  ab. 

Bariumpyrophosphat,  pyrophosphorsauresBarium,  Ba^Pj^Oj+H^O. 
Pyrophospborsäure  fallt  Barytwasser,  ein  lösliches  Salz  jener  Säure  die  Barium- 
salze. Weisses  amorphes  Pulver,  sehr  wenig  löslich  in  Wasser,  löslich  in  Salpeter- 
und  in  Salzsäure,-  unlöslich  in  Essigsäure.  Wenn  man  allmählich  Chlorbarium - 
lösung  in  eine  siedende  Lösung  von  Natriump3n'ophosphat  giesst,  so  dass  diese 
im  Ueberschuss  bleibt,  so  fällt  ein  Doppelsalz  ^'Sa.^?^^.^,  GBa^PjO^  -i-  CH^O  aus. 


148  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Bariummetaphosphat,  metaphosphorsaures  Barium. 

1.  Monobariummetaphosphat,  Ba(P08)2,  bildet  sich  wahrscheinlich, 
wenn  man  Bariumcarbonat  in  gewöhnlicher  Phosphorsäure  löst,  abdampft  und  bis 
zu  316°  erhitzt.     Weisses  Pulver. 

2.  Bibariummetaphosphat,  Ba2(P03)4  H- 4H2O,  erhalten  durch  doppelte 
Zersetzung  mit  dem  entsprechenden  Natriumsalz.  Krystallinischer  Niederschlag, 
schwer  löslich  in  Wasser,  in  der  Wärme  durch  Soda  sowie  durch  Schwefelsäure 
zersetzt,  nicht  durch  conc.  Salzsäure  oder  Salpetersäure,  verliert  bei  130°  alles 
Wasser  und  geht  durch  Glühen  über  in 

3.  Tribariummetaphosphat,  Bag(P03)6  -|-6HijO. 

Darstellung:  1  Th.  Natriumsalz  und  2  bis  3  Thle.  Chlorbarium  in  conc. 
Lösung  geben  eine  Flüssigkeit,  die  nach  der  Filtration  rhombische  Prismen  ab- 
setzt. Bei  100°  verlieren  die  Krystalle  f  ihres  Wassers,  den  Rest  in  höherer 
Temperatur. 

4.  Hexabariummetaphosphat,  gelatinöser  Niederschlag,  der  beim 
Trocknen  brüchig  wird,  löslich  in  Salmiak  und  in  Salpetersäure. 

Bariumarsenit,  arsenigsaures  Barium.  BaHAsO,,  in  Wasser  uDlösliches  weisses 
Pulver,  durch  Fällung  erhalten. 

Bariumarseniat,  arsensaures  Barium. 

1.  Tribariumarseniat,  Ba, (As O ^ ) , ,  weisser  krystallinisch  werdender  Niederschlag.  1  TU. 
erfordert  zur  Lösung  etwa  2000  Thle.  kaltes  Wasser,  33000  Thle.  Ammoniakwasser;  etwas  lös- 
licher in  Salmiak,  löslich  in  Essigsäure  (Field). 

2.  Monobariumarseniat,  BaHAsOf+H^O,  durch  Fällung  einer  Bariumlösung  mit 
Binatriumarseniat  erhalten.  Krystallinische  Masse,  wenig  löslich  in  Wasser,  löslich  in  Essigsäure. 
Warmes  Wasser  zersetzt  dasselbe  in  das  saure  Salz  BaH4(As04)2,  welches  sich  auflöst,  und  in 
unlösliches  Tribariumarseniat  (MrrscHERUCH). 

3.  Barium-Ammoniumarseniat,  BaNH^AsO^  +  2H,0,  erhalten  durch  Fällung  einer 
Lösung  von  Bariumarseniat  in  Salpetersäure  mit  Ammoniak.  Voluminöser  Niederschlag,  der  sich 
bald  in  prismatische  Krystalle  verwandelt. 

Bariumpyrosulfarsenit,  Ba^ASjSj,  erhalten  durch  Digestion  von  Arsentrisulfid  AS|S| 
mit  Schwefelbarium.  Braunrothe,  gummiartige,  sehr  lösliche  Masse.  Aus  der  wässrigen  Lösung 
fällt  Alkohol  normales  Bariumsulfarsenit,  Ba3(AsS,)3  in  krystallinischen  Flocken. 

Bariumpyrosulfarseniat,  Ba^jAs^S^,  entsteht  durch  Einwirkung  von  Schwefelwasserstoff 
auf  Bariumarseniat.  Sehr  löslich;  die  Lösung  zersetzt  sich  beim  Eindampfen.  Alkohol  flült  aus 
derselben  normales  Bariumsulfarseniat,  Ba3(AsS4)2,  als  weissen  amorphen  Niederschlag, 
während  Bariummetasulfarseniat,  Ba,(AsS,),,  in  Lösung  bleibt. 

Bariumantimoniat,  Ba(Sb03),;  durch  Fällen  von  Kaliumantimoniat  mit  Barium- 
chlorid als  flockiger,  krystallinisch  werdender  Niederschlag  erhalten,  in  Überschüssigem  Barium- 
chlorid etwas  löslich. 

Bariumsulfantimoniat,  Ba,(SbS4)3  +  GH^O,  entsteht  beim  Lösen  von  frisch  gefälltem 
Antimonpentasulfid  in  Schwefelbariumlösung.  Alkohol  AÜlt  das  Salz  in  weissen  Nadeln,  die  an 
der  Luft  durch  Oxydation  sich  rasch  braun  färben. 

Bariumborat  Die  verschiedenen  Kaliumborate  geben  mit  Qilorbarium  entsprechend  zu- 
sammengesetzte Niederschläge,  löslich  in  Ammoniaksalzen  und  in  Chlorbarium,  schmelzbar. 

Bariumcarbonat,  BaCO,.  Vorkommen  als  Witherit,  krystallisirt  in  rhom- 
bischen Prismen,  und  in  compacten  Massen.  Technisch  kann  dasselbe  nach  dem 
D.  Fat  22364  von  K.  Lieber  aus  .Schwerspath  dargestellt  werden,  indem  das 
Pulver  desselben  mit  1  Aeq.  Chlorcalcium,  4  Aeq.  Kohle  und  ^  Aeq.  Eisen  ge- 
glüht wird.  Aus  der  Schmelze  wird  das  entstandene  Chlorbarium  ausgelaugt. 
Sulfide  in  den  Laugen  werden  durch  Einblasen  von  Lufl  zerstört.  Man  leitet 
dann  Ammoniak  und  Kohlensäure  ein,  bis  alles  Carbonat  ausgeschieden  ist.    Aus 


Barium.  149 

der  entstandenen  Salmiaklösung  wird  durch  Aetzkalk  das  Ammoniak  wieder  in 
Freiheit  gesetzt.  Das  Verfahren  wird  auch  zur  Darstellung  von  Strontiumcarbonat 
aus  Coelestin  angewendet. 

Vol.-Gew.  des  Bariumcarbonats  4*29.  Löslich  in  14000  Thln.  Wasser  von 
gewöhnlicher  Temperatur,  in  15400  Thln.  kochendem  Wasser,  leichter  löslich 
bei  Gegenwart  von  Kohlensäure.  In  dieser  Lösung  kann  das  in  trocknem 
Zustande  nicht  darstellbare  Bicarbonat  enthalten  sein.  Verliert  in  starker  Glüh- 
hitze seine  Kohlensäure,  leichter,  wenn  das  Carbonat  mit  Kohle  gemischt  ist, 
wobei  Kohlenoxyd  entweicht. 

Um  aus  dem  Carbonat  Permanentweiss  darzustellen,  beschleunigt  man  die 
Einwirkung  der  Schwefelsäure  durch  Zusatz  von  ein  wenig  Salzsäure. 

Bariumthiocarbonat,  thiokohlensaures,  sulfokohlensauresBarium, 
BaCSj,  entsteht  beim  Schütteln  von  Schwefelkohlenstoff  mit  Bariumsuliidlösung 
als  kr3rstallinischer  Niederschlag,  P.  Thenard*),  als  citronengelbe  Masse  bei 
Einwirkung  von  Schwefelkohlenstoff  auf  krystallisirtes  Schwefelbarium.  1  Thl. 
löst  sich  in  66  Thln.  Wasser.  Beim  Verdampfen  der  Lösung  im  Vacuum  scheiden 
sich  gelbe  durchsichtige  Krystalle  aus  (Walter)**).  Dumas  hat  das  Bariumthio- 
carbonat als  Vertilgungsmittel  der  Phylloxera  empfohlen. 

Bariumsilicate.  Die  Mineralien,  welche  Bariumsilicat  enthalten,  sind  oben 
pag.  138  aufgezählt.  Durch  Fällung  einer  verdünnten  Lösung  von  Alkalisilicat  mit 
Gilorbarium  wird  ein  amorpher  flockiger  Niederschlag  erhalten,  Ba(Si03)2-|-xH30, 
der  in  heissem  Wasser  nicht  ganz  unlöslich,  in  concentrirter  Salzsäure  löslich 
ist  (von  Ammon)  (41).  Bariumsilicat  findet  sich  in  dem  sogen.  Bar3rtglas,  Krystall- 
^,  in  welchem  Bleioxyd  durch  Baryt  ersetzt  ist. 

Analytisches  Verhalten  der  Bariumverbindunge.n.  Die  flüchtigen 
Bariumverbindungen  färben  die  nichtleuchtende  Flamme  gelbgrün.  Das  Spectrum 
dieser  Flamme  ist  ziemlich  complicirt.  Charakteristisch  darin  sind  mehrere  grüne 
Banden.     Die  Löthrohrreacdonen  bieten  nichts  Eigenthümliches  dar. 

Reactionen  der  Lösungen. 

Die  Aetzalkalien  rufen  nur  in  concentrirten  Lösungen  einen  weissen 
Niederschlag  von  Bariumhydroxyd  hervor.     Ammoniak  fallt  nichts. 

Alkalicarbonat  fällt  den  Bar3rt  vollständig  als  weisses  Bariumcarbonat. 
Dies  ist  in  Chlorammonium  etwas  löslich. 

Schwefelsäure  oder  lösliche  Sulfate  fällen  vollständig  als  weisses  Barium- 
sulfat, unlöslich  in  Wasser,  wässrigen  Alkalien  und  verdünnten  Säuren.  Sehr 
empfindliche  Reaction.  « 

Kieselfluorwasserstoffsäure:  weisser  krystallinischer  Niederschlag,  in 
verdünnter  Salzsäure  nicht  löslich. 

Kaliumchromat  fällt  gelbes  Bariumchromat,  löslich  in  Säuren. 

Natriumphosphat,  auch -Arseniat  und -Borat:  weisse,  in  Säuren  lösliche 
Niederschläge. 

Natriumjodat:  weisser  Niederschlag  aus  nicht  allzu  verdünnten  Lösungen, 
löslich  in  Salzsäure. 

Oxalsäure  und  Oxalate  fällen  stark  verdünnte  Lösungen  nicht. 

Chlorsäure,  Ueberchlor  säure,  Schwefelwasserstoff,  Schwefel- 
ammonium fällen  nicht;  Ferro-  und  Ferricyankalium  weiss,  nur  in  con- 
centrirten Lösungen. 

•)  P.  TKbnard,  Compt.  rend.  79,  673. 
••)  Walter,  Chem.  News  30»  pag.  28;  Jahresber.  1874,  pag.  235. 


1^0  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Unterscheidungsmittel  der  Barium-  von  den  Strontium-  und 
Caiciumverbindungen:  Färbung  der  nicbtleuchtenden  Flamme  und  Spectrum ; 
VerhalteTi  gegen  Chromate  und  KieselfluorwasserstofF.  Ba-Lösungen  werden 
durch  eine  Lösung  von  Gyps  oder  Strontiumsulfat  getrübt.  Chlorbarium  ist  in 
absolutem  Alkohol  weit  weniger  löslich,  als  Chlorstrontium  und  Chlorcalium. 
Aehnlich  ist  das  Verhalten  der  Nitrate.  Oxalsäure  fällt  neutrale  Calciumlösungen 
vollständig,  Bariumlösungen  nicht. 

Die  quantitative  Bestimmung  des  Ba  geschieht  am  besten  als  Sulfat 
Die  schwach  saure,  erwärmte  Lösung  wird  mit  verdünnter  Schwefelsäure  geülllt, 
Nach  dem  Absetzen  decantirt  man  die  über  dem  Niederschlag  stehende  Flüssig- 
keit auf  ein  Filter,  erhitzt  jenen  mit  Wasser,  decantirt  wieder  und  u.  s.  w.  und 
bringt  endlich  den  Niederschlag  auf  das  Filter,  wo  derselbe  noch  mit  heissem 
Wasser  ausgewaschen  wird.  Auf  diese  Weise  passirt  nicht  leicht  etwas  von  dem 
feinen  Niederschlag  durch  die  Poren  des  Filters.  Dies  soll  auch  dadurch  ver- 
mieden werden,  dass  man  dem  Waschwasser  etwas  Salmiak  zusetzt  Der  Nieder- 
schlag wird  getrocknet,  geglüht  und  als  BaSO^  gewogen. 

Wenn  die  Fällung  mit  einem  löslichen  Sulfat  vorgenommen  wird,  oder  wenn 
in  der  Bariumlösung  viel  freie  Salz-  oder  Salpetersäure  zugegen  ist,  so  hält  der 
Niederschlag  hartnäckig  Spuren  von  Salzen  |ziuück,  die  demselben  nur  durch 
andauerndes  Kochen  zu  entziehen  sind. 

Um  das  Barium  als  Carbon at  zu  fällen|,  übersättigt  man  die  Lösung  mit 
Ammoniak  und  setzt  dann  Ammoniumcarbonat  zu.  Nach  mehrstündigem  Ab- 
setzen bringt  man  den  Niederschlag  auf  das  Filter,  wäscht  mit  ammoniakalischem 
Wasser  aus,  trocknet  und  [glüht.  Das  Bariumcarbonat  ist  in  Ammoniaksalzen 
ein  wenig  löslich. 

Trennung  des  Ba  von  den  Metallen,  deren  Sulfate  löslich  sind. 
Die  leicht  angesäuerte  Lösung  wird,  wie  oben  angegeben,  mit  Schwefelsäure  ge- 
fällt. Bei  Gegenwart  der  Sulfate  des  Ceriums  und  der  verwandten  Metalle,  des 
Thoriums,  und  des  Yttriums  und  der  Verwandten  muss  man  reichlich  verdünnte 
Lösungen  anwenden  und  weniger  stark  erwärmen,  da  die  Sulfate  dieser  Metalle 
in  der  Wärme  weniger  löslich  sind  als  in  der  Kälte. 

Trennung  des  Ba  vom  Strontium.  Man  fällt  die  Lösung  mit  Kiesel- 
fluorwasserstoffsäure unter  Zusatz  von  Alkohol  und  bringt  den  Niederschlag  auf 
cm  bei  100°  getrocknetes  gewogenes  Filter. 

Trennung  des  Ba  von  Strontium  und  von  Calcium.  Die  Sulfate  der 
drei  Metalle  lässt  man  mit  einer  Lösung  von  Ammoniumcarbonat  oder  von 
Kaliumbicarbonat  bei  einer  Temperatur  von  nicht  über  20°  12  Stunden  lang 
digeriren.  Nach  dem  Abgiessen  wiederholt  man  die  Operation  und  wäscht  mit 
Wasser  aus.  Der  Rückstand  enthält  neben  Bariumsulfat  die  Carbonate  von 
StronHum  und  Calcium,  welche  sich  von  jenem  durch  Lösen  in  Salzsäure  leicht 
trennen  lassen.  Man  kann  auch  die  Lösung  von  Salzen  der  drei  Metalle  mit 
einem  IJeberschuss  von  3  Thln.  Kaliumcarbonat  und  1  Tbl.  -sulfat  versetzen, 
kochen  und  den  Niederschlag  mit  Salzsäure  behandeln. 

Weniger  zu  empfehlen  für  die  Trennung  der  drei  Basen  ist  die  Fällung  mit 
KaliumciiTomat,  da  das  Bariumchromat  nicht  ganz  unlöslich  ist  und  andererseits 
bei  demselben  leicht  etwas  Strontiumchromat  bleibt 

Von  Bleisulfat  lässt  das  Bariumsulfat  sich  durch  Behandlung  des  Gemenges 
mit  weinsaurem  Ammoniak  oder  KaUlauge  trennen,  wodurch  jenes  in  Lösung 
gebracht  wird.  RuD.  Biedermann, 


Basen.  151 

Basen  ^.  Man  versteht  unter  Basen  chemische  Verbindungen,  welche,  in 
Wasser  gelöst,  den  Lackmusfarbstoff  bläuen  (und  die  Curcuma  bräunen)  und 
welche  sich  mit  Säuren  zu  Salzen  vereinigen.  Die  letztere  Reaction,  welche  die 
basische  Natur  eines  Körpers  feststellt,  erlaubt  gleichzeitig,  die  Basen  in  zwei 
verschiedene  Gruppen  zu  theilen,  da  sie  entweder  mit  oder  ohne  Abscheidung 
von  Wasser  verläuft. 

Zu  der  ersten  Klasse  von  Basen  gehören  die  Oxyde  und  Hydroxyde  der 
meisten  Metalle,  und  eine  Reihe  von  Verbindungen,  die  man  als  Abkömmlinge 
des  Ammoniumoxydhydrats  NH3,  H^O  auffassen  kann.  Zu  der  zweiten  Klasse 
gehört  das  Ammoniak  und  seine  zahlreichen  Derivate. 

Die  Basen  der  ersten  Art  sind  ausnahmslos  sauerstoffhaltig  und  mit  wenigen 
Ausnahmen  (wie  Kaliumhydrat,  Natriumhydrat  etc.)  nicht  unzersetzt  flüchtig.  Es 
gehören  hierher  die  stärksten  Basen,  die  Alkalien,  welche  alle  andern  aus  ihren 
salzartigen  Verbindungen  abscheiden,  aber  auch  viele  organische  Basen,  wie  z.  B. 
das  Tetramethylammoniumoxydhydrat,  N(CH3)40H,  das  Tetramethylphosphonium- 
oxydhydrat  P(CH8)40H,  das  Triäthylsulfinoxydhydrat  S(C8H5)50H  und  einige 
Metallammoniumverbindungen,  wie  das  Roseocobalthydroxyd  Co2(NH3)iQ(OH)g, 
das  Platodiammoniumhydroxyd  Pt(NH3)4(OH)2  etc.  sind  hierher  zu  rechnen. 

Viele  dieser  Basen  sind  in  Wasser  löslich,  ziehen  aus  der  Luft  Kohlensäure 
an,  indem  sie  sich  damit  direkt  zu  Carbonaten  vereinigen,  und  verseifen  die  Fette. 
Die  in  Wasser  nicht  löslichen  Basen  werden  aus  ihren  Salzlösungen  durch  die 
ersteren  meist  ausgefällt,  indem  nur  in  einigen  Fällen  die  ausgeschiedene  Base 
sich  im  Ueberschuss  des  Fällungsmittels  wieder  löst,  wie  z.  B.  Thonerde  in  Kali. 
Das  letztere  findet  nur  bei  sehr  schwachen  Basen  statt,  welche  mit  den  als 
Fällungsmittel  angewandten  Basen  Verbindungen  eingehen,  in  denen  sie  selbs 
die  Rolle  einer  Säure  übernehmen. 

Die  in  Wasser  meist  löslichen  Ammoniumhydroxyde  werden  aus  ihren  Salz- 
lösungen durch  Alkalien  im  Allgemeinen  nicht  abgeschieden:  durch  Zusatz 
concentrirter  Alkalien  fällt  sogar  liäufig  das  Salz  der  Ammoniumbase  (z.  B« 
Tcträthylammoniumjodür)  aus.  Neuerdings  hat  man  aber  auch  Fälle  beobachtet, 
z.B. beim  Chinolinbenzylchlorür,  in  denen  durch  das  Alkali  die  Ammoniumbase 
abgeschieden  wird  (i).  Man  wird  wohl  annehmen  dürfen,  dass  diese  Reactionen 
durch  die  Wärmetönungen  bedingt  werden,  d.  h.  durch  das  sogen.  Prinzip  der 
grössten  Arbeit. 

Zu  den  Basen  zweiter  Art  gehört  das  Ammoniak  und  die  davon  durch  Ver- 
tretung des  Wasserstoffs  ableitbaren  Basen,  die  Amine,  (vergl.  den  Artikel),  femer 
aber  auch  die  Phosphine,  Arsine,  Stibine  etc.  Hierher  müssen  auch  die 
wichtigen,  im  Pflanzezureich  vorkommenden  Basen,  die  Alkaloide  (s.  den  Artikel) 
gezählt  werden.  Diese  Basen  sind  entweder  sauerstoffhaltig  oder  sauerstoflfrei. 
Unter  den  ersteren  sind  einige,  welche  den  Namen  Alkine  erhalten  haben  (2). 
Darunter  versteht  man  tertiäre  Basen,  (vergl.  den  Artikel  Amine),  welche  Hydroxyl- 
gruppen enthalten  und  in  Folge  dessen  durch  Erwärmen  mit  organischen  Säuren 
in  salzsaurer  Lösung  in  die  Salze  neuer  Basen  übergehen,  welche  letztere 
Alfceine  genannt  werden,  und  aus  den  Alkinen  durch  Aufnahme  der  Elemente 
jener  organischen  Säuren  unter  Austritt  von  Wasser  entstehen,  sich  also  zu  den 
Alkinen  verhalten  wie  ein  Ester  zu  seinem  Alkohol.    Zu  den  Alkinen  gehören 

*)  I)  Claus  und  Himmblmann,  Ber.  13,  pag.  2045.  2)  Ladenburg,  Ber.  ehem.  Ges.  14, 
pag.  1876  und  2406,  15,  pag.  1143.  Roth,  Ber.  15,  pag.  1149.  3)  Ladenburg,  Ann.  Chem. 
RöiüL  217,  pag.  74. 


152  Handwörterbuch  der  Chemie. 

nicht  nur  eine  Reihe  künstlicher  Basen,  sondern  auch  das  Tropin,  und  es  ist 
bemerkenswerth,  dass  durch  Behandlung  des  letzteren  mit  Tropasäure  in  salzsaurer 
Lösung  Atropin  erhalten  wurde  (3). 

Sehr  wahrscheinlich  ist  es,  dass  auch  einige  der  wichtigeren  Alkaloide, 
namentlich  Morphium  und  vielleicht  Chinin  zu  dieser  Klasse  von  Basen  gezählt 
werden  müssen. 

Ein  Eintheilungsprincip  ftir  die  Basen  bietet  auch  ihre  Acidität.  Diese  wird 
durch  die  Anzahl  Säureäquivalente  oder  Moleküle  einbasischer  Säuren  bestimmt, 
welche  zur  Neutralisation  eines  Moleküls  Base  nöthig  ist.  Der  Aciditätsbestimmung 
muss  also  die  Molekulargewichtsbestimmung  der  Base  vorangehen,  was  nicht 
immer  beachtet  worden  ist. 

Zu  den  einsäurigen  Basen  gehören  die  Hydroxyde  der  Alkalien,  das 
Thalliumhydroxydul,  das  Ammoniak,  das  Hydroxylamin  und  viele  von  diesen  ab- 
leitbaren Basen,  z.  B.  Methylamin,  Anilin,  Morphin,  Atropin  etc. 

Zweisäur  ig  sind  die  Erdalkalien,  wie  Kalk  und  Baryt,  die  sogen.  Diamine, 
wie  Aethylendiamin  C2H4(NHj)3  und  Phenylendiamin  CeH4(NH2)2,  das  Chinin 
und  Cinchonin  etc. 

Drei-  und  viersäurige  Basen  sind  nur  wenige  bekannt.  Zu  den  ersteren 
gehört  das  Triamidophenol,  das  Triamidonaphtol,  ein  Triamidotoluol,  während 
die  bekannten  Triamidobenzole  zweisäurig  sind.  Schon  daraus  geht  hervor,  dass 
jener  früher  fiir  allgemein  richtig  gehaltene  Satz,  wonach  die  Acidität  eines  Amins 
durch  die  Anzahl  Amm.oniakmoleküle,  von  dem  es  sich  ableite,  direkt  bestimmt 
werde,  nicht  ohne  Ausnahmen  ist  Noch  weniger  aber  lässt  sich  ein  sicherer 
Schluss  aus  der  Anzahl  Stickstoffatome  auf  die  Acidität  ziehen.  So  ist  z.  B.  das 
Guanidin  CH5N3  einsäurig.  Ladenburg. 

Basicität*).  Der  Begriff  Basicität  ist  aus  den  berühmten  Untersuchungen 
Liebig's  (i)  entstanden,  die  ihrerseits  durch  Versuche  von  Graham  (2)  über  die 
Phosphorsäure  angeregt  worden  waren.  Zur  schärferen  Fassung  trugen  spätere 
Arbeiten  von  Gerhardt  (3)  wesentlich  bei,  auch  hat  die  Einführung  des  Begriffs 
der  Atomicität  noch  modificirend  auf  den  Begriff  Basicität  eingewirkt. 

Unter  Basicität  versteht  man  heute  die  Anzahl  Wasserstoffatome,  welche  in 
einem  Molekül  einer  Säure  durch  Metallatome  ersetzt  werden  können,  d.  h. 
man  nennt  eine  Säure  1-  2-  3  etc.  basisch,  wenn  in  einem  Molekül  derselben 
1-2-3  etc.  durch  Metall  vertretbare  Wasserstoffatome  vorhanden  sind.  Die  Be- 
stimmung der  Basicität  einer  Säure  setzt  hiemach  die  Kenntniss  ihres  Molekular- 
gewichts voraus,  und  es  ist  sehr  einfach,  die  Basicität  einer  Säure  mit  bekanntem 
Molekulargewicht  festzustellen.  Dazu  genügt  die  Analyse  des  neutralen  Natrium- 
oder Kaliumsalzes.  Die  Anzahl  der  darin  vorkommenden  Natrium-  oder  Kalium- 
atome giebt  direkt  die  Basicität  der  Säure  an. 

Da  es  nun  aber  auch  allgemeine  Kriterien  giebt,  um  einbasische  Säuren  von 
mehrbasischen  zu  unterscheiden,  so  kann  man  auch  dadurch  die  Basicität  einer 
Säure  feststellen,   und  diese  zur  Bestimmung  des  Molekulargewichts  verwerthen. 

In  vielen  Fällen  genügt  zur  Feststellung  der  Basicität  die  genaue  Untersuchung 
der  Salze  einer  Säure  mit  einatomigen  Metallen.  Bildet  sie  mit  einem  solchen 
Metall  nur  ein  einziges  Salz,  so  ist  sie  einbasisch,  bildet  sie  zwei  verschiedene 
Salze,  ein  saures  und  ein  neutrales,  so  ist  sie  in  der  Regel  zweibasisch,  bildet 


♦)  i)  Ann.  Chem.  Phann.  26,  pag.  113.     2)  Ann,  Chem.  Pharm.  25,  pag.  i.     3)  Journal 
f.  prakt.  Chem.  53,  pag.  460. 


Basicität.  153 

sie  drei  Salze,  von  denen  zwei  sauer  und  das  dritte  neutral  ist,  so  ist  sie  meist 
dreibasisch  etc.  Doch  ist  diese  Methode  keine  sichere.  Es  giebt  einbasische 
Säuren,  wie  Fluorwasserstoffsäure  und  Essigsäure,  welche  zwei  Kaliumsalze,  ein 
saures  und  ein  neutrales  liefern,  während  von  der  zweibasischen  Oxalsäure  drei 
oder  vielleicht  noch  mehr  Kalisalze  bekannt  sind. 

Viel  sicherer  als  die  Untersuchung  der  Salze  führt  die  Untersuchung  der 
Ester  zur  Bestimmung  der  Basicität  einer  Säure,  worauf  namentlich  Gerhardt  (3) 
hmgewiesen  hat. 

Eine  einbasische  Säure  liefert  mit  einem  einatomigen  Alkohol,  z.  B.  mit 
gewöhnlichem  Aetbylalkohol  nur  einen  einzigen  neutralen  Ester,  während  eine 
zweibasische  Säure  zwei  Ester  erzeugt,  einen  sauren  und  einen  neutralen.  Die 
dreibasischen  Säuren  geben  drei  Ester,  wovon  zwei  sauer  und  einer  neutral  u.  s.  f. 

Ist  erst  die  Basicität  einer  Säure  bestimmt,  so  ergiebt  sich  jetzt  das 
Molekulargewicht  derselben,  wie  oben  die  Basicität  aus  dem  Molekulargewicht, 
nämlich  durch  die  Analyse  des  neutralen  Kalium-  oder  Silbersalzes.  Es  müssen 
bei  der  Berechnung  der  Formel  in  diesem  Salz  so  viel  Kalium-  oder  Silberatome 
angenommen  werden,  als  die  Basicität  Einheiten  besitzt. 

ffier  muss  aber  weiter  hervorgehoben  werden,  dass  bei  der  Untersuchung 
nach  der  Basicität  einer  Säure  nicht  nur  die  Zahl  der  von  dieser  gebildeten, 
ätherartigen  Verbindungen  in  Betracht  gezogen  werden  darf,  sondern  dass  auch 
darauf  geachtet  werden  muss,  ob  diese  wirkliche  Ester,  d-  h.  durch  Kali  voll- 
ständig in  Säure  und  Alkohol  zerlegbar  sind,  und  ob  von  den  n  gefundenen 
Estern  wirklich  n  —  1  Säuren  sind. 

Es  giebt  nämlich  Säuren,  welche  mehrere  ätherartige  Verbindungen  bilden 
und  doch  nur  einbasisch  sind;  dies  kann  eintreten  bei  den  sogen.  Alkohol- 
säuren (vergl.  den  Artikel).  Hier  muss  neben  der  Basicität  die  Atomicität 
unterschieden  werden. 

Die  Atomicität  oder  Atomigkeit  einer  Säure  wird  durch  die  Anzahl  der  durch 
Alkoholradikale  vertretbaren  Wasserstoffatome  in  einem  Molekül  Säure  bestimmt. 
Sie  lässt  sich  auch  dadurch  feststellen,  dass  man  die  Anzahl  der  durch  Metalle 
vertretbaren  Wasserstoffatome  zu  der  bei  der  Einwirkung  von  Säurechloriden 
durch  Säureradikale  ersetzbaren  Wasserstoffatome  addirt. 

Die  Atomicität  einer  Säure  ist  übrigens  von  ihrer  Basicität  ganz  unabhängig, 
(freilich  niemals  kleiner  als  diese)  und  es  kommen  alle  möglichen  Combinationen 
vor,  so  sind  z.  B.  Glycolsäure  und  Milchsäure  zweiatomig  und  einbasisch,  die 
Glycerinsäure  ist  dreiatomig  und  einbasisch,  die  Aepfelsäure  dreiatomig  und  zwei- 
basisch etc.  (vergl.  den  Artikel  Alkoholsäuren). 

Charakteristisch  für  die  Alkoholsäuren  ist  die  Bildung  isomerer  Aether. 

Es  giebt  nun  eine  Klasse^  von  Alkoholsäuren,  die  sogen.  Phenolsäuren,  (vergl. 
den  Artikel)  bei  denen  die  Anzahl  der  durch  Metall  vertretbaren  Wasserstoffatome 
grösser  ist  als  ihre  Basicität. 

So  bildet  die  einbasische  (aber  zweiatomige)  Salicylsäure  C7H5O3  ein  Salz 
mit  zwei  Atomen  Natrium  im  Molekül  C7H4Na20j,  das  sogen,  basisch  salicyl- 
säure Natrium.  Charakteristisch  aber  für  solche  Salze  ist  es,  dass  sie  nur  durch 
die  Einwirkung  der  freien  Base,  also  z.  B.  des  Natrons,  nicht  aber  durch  Behandlung 
der  Säure  mit  dem  Carbonat  entstehen,  und  dass  diese  sogen,  basischen  Salze 
bei  der  Einwirkung  von  Kohlensäure  wieder  zerlegt  werden.  Ebenso  wie  man 
die  Phenole  von  den  Säuren  unterscheidet,  und  die  Phenate  von  den  Salzen,  unter- 
scheidet man  auch  bei  den  Phenolsäuren  zwischen  den  dem  Phenol  entsprechenden 


154  Handwörterbuch  der  Chemie. 

WasserstofTatotnen  und  den  eigentlich  sauren.    Nur  die  letzteren  bestimmen  die 
Basicität. 

Man  kann  also  auch  bei  den  Phenolsäuren  die  obige  Definition  der 
Basicität  beibehalten,  wenn  man  unter  »durch  Metall  vertretbaren  Wasserstoff- 
atomen c  nur  solche  versteht,  bei  denen  diese  Vertretung  bei  der  Einwirkung  von 
Carbonaten  stattfindet.  Ladenburg. 

Benzoesäure.*)  Phenylcarbonsäure,  Benzolcarbonsäure ,  C 7 H^ O ^  = 
CßHjCOOH,  wurde  bereits  im  Anfange  des  17.  Jahrh.  von  Blaise  de  ViGENfeRE  (i) 


♦)  i)  Kopp,  Gesch.  d.  Chem.  Bd.  4,  pag.  359.  2)  Ann.  3,  pag.  249.  3)  Low,  J.  prakt 
Chem.  N.  F.  19,  pag.  312.  4)  Woehler,  Ann.  67,  pag.  36a  5)  Sbligsohn,  Chem.  CentralbL 
1861,  pag.  241.  6)  Blyth  u.  Hofmann,  Ann.  53,  pag.  302.  7)  D^poüilly,  Jahresber.  1865, 
pag.  328.  8)  Baeyer,  Bei.  2,  pag.  94.  9)  Carius,  Ann.  148,  pag.  50.  10)  CoQuauoic, 
Compt.  rend.  80,  pag.  1089.  11)  Friedel  u.  Grafts,  Compt.  rend.  86,  päg.  1368.  12)  Dies, 
u.  AooR,  Ber.  10,  pag.  1854.  13)  Kekül^  Ann.  137,  pag.  178.  14)  WÜRTZ,  Ber.  2,  pag.  81. 
15)  Meyer,  Ann.  156,  pag.  273.  16)  Schützenberger,  Zeitschr.  f.  Chem.  N.  F.  5,  pag.  632. 
17)  Lautemann,  Ann.  115,  pag.  9.  18)  Woehler,  Ann.  51,  pag.  145.  19)  Gukelsberger, 
Ann.  64,  pag.  80.  20)  Ludwig,  Arch.  ph.  (2)  107,  pag.  129.  21)  Jobst  u.  Hesse,  Ann.  199, 
pag.  17.  22)  Rad.  Dingl.  J.  231,  pag.  538.  Lunge,  ibid.  238,  pag.  77.  23)  Löwe.  J.  prakt 
Chem.  108,  pag.  257.  24)  Mohr,  Ann.  29,  pag.  177.  25)  Hager,  Conmient  z.  Pharm.  Genn.  i, 
PAg*  43>  26)  Stbnhouse,  Ann.  51,  pag.  486.  27)  Ann.  49,  pag.  245.  28)  Hofmann,  Ber.  d. 
Wiener  Weltausstellung  1877,  3.  Abth  431.  29)  Jahresb.  1868,  pag.  549.  30)  Lunge,  Ber.  10, 
pag.  1275.  3O  Bodewig,  Jahresb.  1879,  pag.  675.  32)  Kopp,  Ann.  94,  pag.  303.  33)  Beil- 
stein u.  Reichenbach,  Ann.  132,  pag.  309;  Kolbe,  J.  pr.  Ch.  N.  F.  12,  pag.  151.  34)  Medele- 
JEFF,  Jahresb.  1858,  pag.  274.  35)  V.  u.  C.  Meyer,  Ber.  11,  pag.  2258.  36)  Ost,  J.  pr.  Ch. 
N.  F.  17,  pag.  232.  37)  BoüRGOüiN,  Ber.  12,  pag.  382,  2379.  38)  Ders.,  Bull.  soc.  chim.  29, 
pag.  245.  39)  Schultz,  Ann.  174,  pag.  202.  40)  Mitscherlich,  Ann.  9.  pag.  39.  41)  Barth 
u.  Schreder,  Ber.  12,  pag.  1256.  42)  Brönner,  Ann.  151,  pag.  50.  43)  Gorup-Besanez, 
Ann.  125,  pag.  207.  44)  Carius,  Ann.  148,  pag.  50.  45)  Oüdemans,  Z.  Ch.  N.  F.  5,  pag.  84. 
46)  Meissner  u.  Shepard,  Jahresb.  1866,  pag.  397.  47)  Woehler,  Ann.  44,  pag.  245  48)  Kolbs, 
Ann.  118,  pag.  122.  Hermann,  ibid  132,  pag.  75.  49)  Baeyer,  Ann.  140,  pag.  296.  50)  Ber- 
thelot, Jahresb.  1867,  pag.  346.  51)  Carius  u.  Kämmerer,  Ann.  131,  pag.  153.  Sestini, 
Z.  chem.  1870,  pag.  668.  Kolbe  u.  Lautemann,  Ann.  115,  pag.  191.  52)  Pfanküch,  J.  pr. 
Ch.  N.  F.  6,  pag.  iio.  53)  von  Richter,  Ber.  6,  pag.  876,  1348.  Meysr,  ibid  6,  pag.  1146. 
54)  Ann.  151,  pag.  50.  55)  Franchimont  u.  Kekulj^  Ber.  5,  pag.  908.  56)  Conrad,  Ber.  6, 
pa«-  1395-  57)  Behr,  Ber.  5,  pag.  971.  58)  PnUA,  Jahresb.  1856,  pag.  430.  59)  Limpucbt 
u.  List,  Ann.  90,  pag.  209.  Hofmeister,  Ann.  159,  pag.  203.  60)  Cahours,  Ann.  108,  pag.  319. 
61)  Meyer,  Ann.  156,  |pag.  271.  62)  Carius,  Ann.  iio,  pag.  210.  63)  Scharling^  Ann.  92, 
pag.  83.  Kopp,  Ann.  94,  pag.  307.  64)  Liebig  u.  Woehler,  Ann.  3,  pag.  274,  LnxNE- 
MANN,  Ann.  160,  pag.  208.  65)  Naumann,  Ann.  133,  pag.  200.  66)  Demarqay,  C.  rend-  76, 
pag.  1414.  67)  Gustavson,  Ber.  13,  pag.  157.  68)  Linnemann,  Ann.  161,  pag.  28.  69)  Silva, 
Ann.  154,  pag.  255.  Linnemann,  ibid  161,  pag.  51.  70)  Linnemann,  Ann.  161,  pag.  192. 
71)  Friedel  u.  Cr  äfft,  Jahresber.  1864,  pag.  460.  72)  Zinke,  Ann.  152,  pag.  7.  73)  Becker, 
Ann.  102,  pag.  221.  74)  Hofmann  u.  Cahours,  Ann.  102,  pag.  197.  75)  Würtz,  Jahresb.  1859, 
pag.  486.  Bodewig,  Jahresb.  1879,  pag.  676.  76)  Simpson,  Ann.  113,  pag.  115.  77)  Reboül, 
Compt.  rend.  79,  pag.  169.  78)  Oppenheim,  Ann.  Suppl.  6,  pag,  36.  79)  Frzedel  u.  Silva, 
Z.  Ch.  N.  F.  1871,  pag.  489.  80)  Mayer,  Ann.  133,  pag.  256.  81)  Berthelot,  Ann.  8S, 
pag.  311;  92,  pag.  302.  Truchot,  Ann.  138,  pag.  297,  82)  Berthelot,  Jahresber.  1855,  pag,  677 
u.  678;  1856,  pag.  660;  1860,  pag.  509.  BoucHARDAT,  A.  ch.  (4)  27,  163.  83)  Kraut,  Ann.  152, 
pag.  131.  84)  Cannizaro,  Ann.  90,  pag.  254.  85)  Wicke,  Ann.  102,  pag.  356.  86)  List  vu 
LuMPRicHT,  Ann.  90,  pag.  191.  87)  Laurent  u.  Gerhardt,  Ann.  75,  pag.  75;  87,  pag.  161. 
88)  GuARESCHi,  Ann.  171,  pag.  140.  89)  Engelhardt  u.  Latschinoff,  Z.  Ch.  1869,  pag.  6x5. 
90)  Nachbaur,  Ann.  107,  pag.  243.    91)  Doebner,  Ann.  210,  pag.  256 — 265.    92)  DoEBNKR  u* 


Benzoesäure.  155 

aus  Benzoeharz  dargestellt  und  im  folgenden  Jahrhundert  von  Rouelle  und 
Scheele  aus  Harn  gewonnen.  Liebig  und  Woehler  (2)  stellten  ihre  Zusammen- 
setzung fest;  sie  betrachteten  die  Säure  als  das  Oxydhydrat  des  Radikals  Benzoyl 
C7H5O.    KoLBE  fasste  sie  zuerst  als  Phenylcarbonsäure  auf. 

Vorkommen  und  Entstehung.  Die  Säure  findet  sich  besonders  reichlich 
im  Benzoeharz  und  kommt  ausserdem  theils  frei,  theils  in  Form  von  Aethem, 
bisweilen  neben  Zimmtsäure,  in  anderen  Harzen  und  Oelen  vor,  z.  B.  im  Drachen- 
blut, im  Peru-  und  Tolubalsam,  im  Storax,  im  Zimmt-  und  Cassiaöl.  Ausserdem 
ist  sie  in  manchen  Pflanzen  resp.  Pflanzentheiien  aufgefunden,  wie  im  Wald- 
meister, in  der  Preisseibeere  (3)  und  im  Calmus.  Sie  entsteht  femer  im 
Öiierischen  Körper  und  ist  im  Bibergeil  (4)  und  den  Nebennieren  (5)  der  Ochsen 
enthalten,  während  sie  im  Harn  von  Pflanzenfressern  in  Verbindung  mit  Glyco- 
coll  als  Hippursäure  vorkommt  Von  den  ungemein  zahlreichen  Bildungsweisen 
der  Benzoesäure  werden  nur  die  wichtigsten  angeführt.     Sie  entsteht: 

1.  Durch  geeignete  Oxydationsmittel  aus  den  Homologen  des  Benzols  mit  einer 
Scitcnkette,  gleichgültig,  ob  dieselbe  intact  ist  oder  bereits  eine  Umwandlung 
erlitten  hat,  also  aus  den  zu  den  Kohlenwasserstoffen  gehörigen  Aldehyden,  Alko- 
holen und  Säuren  und  aus  deren  Abkömmlingen,  z.  B.  aus  Toluol  (6),  CgHsCHj, 
Benzaldehyd,  CgH5COH,Benzylalkohol,C6H5CH8-OH,Benzylchlorid,C6HBCHja, 
Benzylsulfhydrat,  CßHjCHjSH,  Benzotrichlorid,  CeHgCClj,  Aethylbenzol, 
CgHjCjHg,  Alphatoluylsäure,  C^Hf^CK^COcfi  u.  s.  w.  Analog  den  Homologen 
des  Benzols  verhalten  sich  die  Abkömmlinge  derselben  mit  einer  ungesättigten 
Scitenkette,  wie  Styrol,  C^U^C^H^,  Zimmtsäure,  CgHjCaHjCOgH,  Diphenyl, 
CgHjCgHj,  u.  s.  w.  Das  geeignetste  Oxydationsmittel  zur  UeberfÜhrung  aller 
dieser  Substanzen  in  Benzoesäure  ist  ein  Gemisch  von  chromsaurem  Kali  und 
Schwefelsäure  oder  Salpetersäure. 

2.  Aus  Benzolpolycarbonsäuren  durch  Abspaltung  von  CO 2  2.  B.  durch  Er- 
hitzen von  phtalsaurem  Kalk  (7)  und  durch  trockene  Destillation  von  Hemimel- 
lithsäure  (8) 

^«^♦COOH  "^  ^«^^^^^^  "*"  ^^2 

COOH 
CßHsCOOH  =  CßHsCOOH  -h  2CO,. 

COOH 

3.  Durch  Erhitzen  von  Benzotrichlorid  mit  Wasser: 

CgHsCCl,  +  2H,0  =  CeHsCOjH  -+•  3HC1. 

4.  Durch  Kochen  von  Hippursäure  mit  Salzsäure  oder  Alkalien.  Hippursäure 
zerfallt  in  Benzoesäure  und  Glycocoll: 

(CeH5CO)NHCH,C05H  -^-  HjO  =  C^U^CO^U  -^-  NHjCHjCOaH. 

5.  Neben  Phtalsäure  durch  Oxydation  von  Benzol  (9)  mit  Braunstein  und 
Schwefelsäure.  In  Berührung  mit  einer  Platinspirale  (10)  werden  Benzoldämpfe 
bereits  durch  den  Sauerstoff  der  Luft,  wenn  auch  nur  in  geringen  Mengen  in  Ben- 
zoesäure übergeführt 

6.  Durch  direkte  Synthese. 

Siedendes  Benzol  verbindet  sich  bei  Gegenwart  von  Aluminiumchlorid  mit 

WoLT,  Bcr.  12,  pag.  661.  93)  Hlasiwetz  u.  Pfaundler,  Ann.  119,  pag.  199.  94)  Hofmann, 
Bct.  n,  pag.  329;  12,  pag.  1373.  95)  VON  Wagnfr,  St.  Jahresb.  8,  pag.  345.  96)  Barth 
n.  ScHREDER,  Ber.  16,  pag.  419.  97)  von  Romburgh,  Bcr.  16,  pag.  394.  98)  Tuttscheff, 
Ann.  109,  pag.  367. 


15^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

trockener  Kohlensäure  (ii)  zu  Benzoesäure,    mit  Chlorkohlenoxyd  (12)  zu  Ben- 
zoylchlorid: 

C,He  -+-  CO3  =  CgHjCOaH 
CßHg  -f-  COCI3  =  CgHsCOCl  +  HCl. 
Wird  eine  Lösung  von  Brombenzol  (13)  in  Aether  oder  Benzol  mit  Natrium 
und  Kohlensäure  behandelt,  so  entsteht  benzoesaures  Natron: 

CßHgBr  +  2Na  -f-  COj  =  C6H5COjNa  +  NaBr. 
Wird   ein    Gemenge   von  Brombenzol  (14)   und  Chlorkohlensäureäther  mit 
Natriumamalgam  auf  100—110''  erhitzt,  so  entsteht  Benzoesäureäthyläther: 
CßHjBr  -h  Cl CO2C2H5  4-  2Na  =  NaCl  -+-  NaBr  4-  CgHsCOjCjHs. 
Durch  Schmelzen   von  benzolsulfosaurem  Natron  (15)    mit   ameisensaurem 
Natron  wird  benzoesaures  Natron  gebildet: 

Na 
C6HBS03Na  +  HC02Na  =  C6H5CO,Na4-S03jJ  . 

Durch  Erhitzen  von  Benzol  mit  vierfach  Chlorkohlenstoff  (16)  und  Schwefel- 
säureanhydrid auf  100°  und  Behandlung  des  entstehenden  Produktes  mit  Wasser 
entsteht  Benzoesäure  neben  Salzsäure,  Benzolsulfosäure  und  Sulfobenzid. 

Durch  Behandlung  von  Benzonitril,  CgHjCN,  welches  auf  verschiedenen 
Wegen  synthetisch  dargestellt  werden  kann  (s.  Benzonitril)  mit  Säuren  oder  Alkalien, 
wird  ebenfalls  Benzoesäure  gebildet: 

CßH^CN  4-  2H2O  =  CßHjCOOH  4-  NH,. 

7.  Chinasäure  geht  beim  Behandeln  mit  Jodwasserstoff  (17)  fast  glatt  in  Benzoe- 
säure über;  beim  Erhitzen  (18)  dieser  Säure  über  ihren  Schmelzpunkt  wird  eben- 
falls, neben  anderen  Substanzen,  Benzoesäure  gebildet,  während  bei  der  Ein- 
wirkung von  Phosphorpentachlorid  das  Chlorid  der  Metachlorbenzoesäure  erhalten 
wird.  Die  Benzoesäure  entsteht  femer  durch  Oxydation  von  Eiweisskörpem  (19) 
und  von  Atropin  (20),  sowie  durch  Behandlung  gewisser  in  den  Cotorinden  (21) 
enthaltenen  Substanzen  mit  Salzsäure  oder  mit  schmelzendem  Kali. 

Darstellung.  1.  Aus  Benzoeharz.  Die  zu  officinellen  Zwecken  benutzte  Säure  wird 
durch  Sublimation  (23,  24,  25)  des  Harzes  gewonnen.  Man  verwendet  am  besten  Siam-Benzoe, 
welche  frei  von  Zimmtsäure  ist  Das  zerkleinerte  Harz  wird  für  sich  oder  mit  Sand  gemengt  in 
ein  eisernes  öeföss  von  ca.  5  Centim.  Höhe  gebracht,  die  Oefihung  mit  porösem  Papier  verklebt, 
mit  einem  gut  schliessenden  Helm  von  dickem  Papier  oder  Holz  bedeckt  und  ganz  allmählich 
auf  170°  erwärmt.  Die  Ausbeute  schwankt  zwischen  4  und  lOJ.  Will  man  dem  Harze  (26) 
die  Säure  vollständig  entziehen,  so  wird  dasselbe  (4  Thle.)  mit  1—2  Thln.  Kalkhydrat  und 
40  Thln.  Wasser  kalt  angerührt  ganz  allmählich  zum  Sieden  erhitzt,  dann  auf  die  Hälfte  einge- 
dampft  und  filtrirt.  Das  noch  heisse  Filtrat,  welches  die  Säure  als  benzoesauren  Kalk  enthält, 
wird  mit  Salzsäure  zersetzt  und  die  abgeschiedene  Säure  nach  dem  Erkalten  durch  Waschen 
mit  kaltem  Wasser  gereinigt.  Statt  des  Kalkes  kann  auch  kohlensaures  Natron  zur  Bindung  der 
Säure  angewandt  werden;  das  so  gewonnene  Produkt  ist  jedoch  stärker  gefärbt  Nach 
WoEHLER  (27)  wird  das  Harz  zur  Ueberfuhrung  in  Benzoesäureäthyläther  mit  Alkohol  und 
rauchender  Salzsäure  behandelt  und  der  Aether  durch  Kochen  mit  Kalilauge  zerlegt.  Auch  Di- 
gestion (95)  des  Harzes  mit  starker  Essigsäure  ist  vorgeschlagen. 

2.  Aus  Harn  (28).  Man  lässt  Pferde-  oder  Kuhham,  welche  Hippursäure  (Benzoylglycocoll) 
enthalten,  faulen,  versetzt  mit  Kalkmilch  und  gewinnt  die  Säure  ent^^eder  durch  Zersetzen  der 
eingedampften  Lösung  mit  Salzsäure  oder  stellt  nach  Entfernung  des  überschüssigen  Kalkes  durch 
Kohlensäure,  mittelst  Eisenchlorid  in  Wasser  unlösliches  benzoesaures  Eisen  dar  und  zersetzt  das- 
selbe ebenfalls  durch  Salzsäure.  Die  rohe  Säure  wird  gereinigt.  Die  Ausbeute  beträgt  1%  des 
verarbeiteten  Harns.     Die  Säure  ist  am  Geruch  zu  erkennen. 

3.  Aus  Phtalsäure.     Die   aus  Naphtalin   dargestellte   Säure   (7),   wird   mit  \  KaüchydraS 


Benzoesäure.  15^ 

gemengt,  mehrere  Stunden  auf  330 — 350^  erhitzt,  wobei  benzoesaurer  und  kohlensaurer  Kalk  ent- 
stehen. Nach  Laurent  und  Castehaz  (29)  wird  phtalsaures  Ammoniak  durch  Destillation  in 
Phtalunid,  und  dieses  durch  Destillation  mit  Kalk  in  Benzonitril  Übergeführt,  welches  durch 
Kochen  mit  Natronlauge  in  benzoesaures  Natron  umgewandelt  wird. 

.    ^«^*C00NH;  =  CsH,cS>^  -^  NH3  -^  2H,0, 

CeH^CO/^"  =  C.HjCN  -h  CO,. 
4.  Aus  Toluol.     Man  kocht  1  Th.  Benzylchlorid  (30)  CgHjCHjCl  mit  3  Thln.  Salpeter- 
siure  von  35^  B.  und  2  Thln.  Wasser,  bis  das  Gemisch  nicht  mehr  nach  Bittermandelöl  riecht. 
Die  Säure   enthält  geringe  Mengen  einer  gechlorten  Benzoesäure.     Sehr  viel  Benzoesäure  wird 
jetzt  als  Nebenprodukt  bei  der  Darstellung  des  Bittermandelöls  gewonnen. 

Eigenschaften.    Die  Benzoesäure  bildet  meist  lange,  biegsame,  glänzende, 
glatte  Nadeln  oder  Tafeln,  welche  dem  monoklinen  System  (31)  angehören.     Sie 
schmilzt  bei  121*4°  (32)  und  siedet  bei  249-0  unzersetzt,  sublimirt  jedoch  bereits 
unter   ihrem    Siedepunkte.     Die  Dämpfe    reizen  zum  Husten.     Geringe  Verun- 
reinigungen (33)  verändern  den  Schmelzpunkt.    Spec.  Gew.  =  1'201   bei  21°  (34). 
=  1-0838  bei  121-4  (Schmelzpunkt).    Dampf  dichte  (35)  gef.  =4*24,  her.  =4-22. 
Die  reine  Säure  ist  geruchlos,  die  durch  Sublimation  erhaltene  riecht  angenehm 
aromatisch.    Die  Hambenzoesäure  besitzt  einen  an  Harn  erinnernden  Geruch; 
1  Th.  Säure  löst  sich  bei  0°  in  640  Thln.  Wasser  (36);    1000  Thle.  (37)  Wasser 
lösen  bei  10°:  2068,  bei  40°:  ö'551,  bei  50°:  7.719,  bei  80°:  27250,  bei  100°: 
58'750  Thle.  Säure.    Die  Lösung  reagirt  und  schmeckt  sauer.    Beim  Kochen  ver- 
flüchtigt sich  die  Benzoesäure  mit  Wasserdämpfen  (1  Grm.  mit  2  Liter  Wasser). 
60  Thle.  Aether  (38;  lösen  bei  50°:  23*68  Thle.  Säure.     100  Thle.  90^  Al- 
kohoU  (38)  lösen  bei  15°:  2939  Thle.     100  Thle.  absoluten  Alkohols  bei  15° 
31 '84  Benzoesäure.    Von  Schwefelsäure,  fetten  und  flüchtigen  Oelen,  Schwefel- 
kohlenstoff, Chloroform,  Aceton  etc.  wird  die  Säure  ebenfalls  leicht  aufgenommen. 
Umwandlungen   und   Zersetzungen.      Wird    der    Dampf   der  Benzoe- 
säure   über  glühenden   Bimstein    geleitet,    so   zerfallt   sie    in   Kohlensäure   und 
Benzol;  durch  Destillation  mit  Kalk  (40)  resp.  Baryt  oder  durch  Schmelzen  mit 
Aetznatron  (41)  wird  die  Zersetzung  noch  leichter  bewirkt.     Kleine  Mengen  von 
Diphenyl  (42)  werden  als  Nebenprodukt  erhalten.     Beim  Durchleiten  durch  ein 
stark  erhitztes  Rohr  wird  unter  Abscheidung  von  Kohle,  Wasserstoff,  Kohlenoxyd, 
Kohlensäure  und  Diphenyl  gebildet     Beim  Schmelzen  mit  Kali  (96)  liefert  die 
Benzoesäure  sämmtliche  drei  Oxybenzoesäuren  (Salicylsäure  in  Spuren),    a-Oxy- 
isophtalsäure,  p.  und  m.  Diphenylcarbonsäure  und  nicht  isolirte  Condensations- 
produkte.     Oxydationsmittel  wirken  z.  Th.  nur  schwierig  auf  die  Säure  ein. 
Ozon  (43)  oxydirt  dieselbe  grösstentheils  zu  Kohlensäure  und  Wasser.     Durch 
Kochen  mit  Braunstein  und  Schwefelsäure  (44)  entstehen  Kohlensäure  und  Ameisen- 
säure neben  geringen  Mengen  von  Phtalsäure  und  Terephtalsäure  (45).    Bleisuper- 
oxyd {46)  und  verdünnte  Schwefelsäure  liefern  etwas  Bemsteinsäure.     Letztere 
Säure  (46)  entsteht  auch  neben  Hippursäure  (17)  als  Hauptprodukt  beim  Durch- 
gang der  Benzoesäure  durch  den  thierischen  Organismus.     Reductionsmittel 
wirken  sehr  verschieden.    Durch  Natriumamalgam  (48)  wird  in  saurer  Lösung  neben 
einem  Körper  C14H14O2  Benzylalkohol  und  Benzoleinsäure  C^Hj^Oj  gebildet.  Er- 
hitzter Zinkstaub  (49)  reducirt  zu  Benzaldehyd.    Durch  Erhitzen  mit  Jodwasserstoff 
(50)  wird  die  Säure  zunächst  in  Toluol,  bei  Anwendung  eines  grossen  Ueberschusses 
in  Heptan,  C^H^q  und  Hexan  CgH^^  übergeführt.    Chlor  und  Brom  bilden  Sub- 
stitutionsprodukte; ebenso  Jod  bei  Gegenwart  von  Jodsäure.     Rauchende  Salpeter- 


15^  JElandwÖTterbuch  der  Chemie. 

säure  oder  ein  Gemenge  von  Salpeter-  und  Schwefelsäure  bilden  nitrirte  BenzoC' 
säuren.  Schwefelsäureanhydrid  oder  rauchende  Schwefelsäure  Sulfobenzoesäure. 
Durch  Phosphorpentachlorid  resp.  Zweifach  Chlorschwefel  wird  Benzoylchlorid 
gebildet.  Durch  Destillation  mit  Schwefelcyankalium  entsteht  BenzonitriL  Die 
Umwandlungen  der  Salze  sind  bei  diesen  beschrieben. 

Salze  der  Benzoesäure  (51).  Die  Benzoesäure  ist  eine  ziemlich  starke, 
einbasische  Säure,  welche  auch  übersaure  Salze  bildet.  Sie  treibt  Kohlensäure 
aus;  die  alkoholische  Lösung  des  Kaliumsalzes  wird  jedoch  durch  Kohlensäure 
gefällt.  Die  Salze  sind  meist  löslich  in  Wasser,  viele  auch  in  Alkohol.  Thier- 
kohle  entzieht  das  Barium-  und  Natriumsalz  ihren  Lösungen.  Besonders  inter- 
essant ist  das  Verhalten  der  benzoesauren  Salze  beim  Erhitzen  für  sich  und  mit 
anderen  Salzen.  Das  Kaliumsalz  liefert  für  sich  erhitzt  geringe  Mengen  von 
Diphenyl,  grössere  beim  Erhitzen  mit  Phenolkalium  (52).  Beim  Erhitzen  mit 
ameisensaurem  Kali  (53),  entstehen  wechselnde  Mengen  von  iso-  und  terepbtal- 
saurem  Kali.  Dieselben  Säuren  werden  beim  Schmelzen  des  benzoesauren 
Natrons  (56)  für  sich  gebildet.  Benzoesaurer  Kalk  (54,  55,  57)  resp.  Baiyt 
liefern  als  Hauptprodukte  Diphenylketon  und  kohlensaure  Salze, 
{C^ll,C0^)^G2L  =  COjCa  -H  CßH.COCeHs. 

Als  Nebenprodukte  entstehen  Diphenyl  und  Anthrachinon.  Wird  das  Kalk- 
salz mit  ameisensaurem  Kalk  (58)  destillirt,  so  bildet  sich  Benzaldehyd,  wird 
das  ameisensaure  Salz  durch  Salze  der  Essigsäure  oder  einer  ihrer  Homologen 
ersetzt,  so  werden  gemischte  Ketone  erhalten  z.  B. 

(C6H5C02)3Ca  +  (HC05,),Ca  ==  2CaC03  4-  2CeH5COH 
(C6H5COj)3Ca  4-  (CHjC08)2Ca  =  2CaC03  +  2C6H5COCH3. 

Benzoesaures  Kupfer  (59)  liefert  bei  der  Destillation  neben  wenig  Diphenyl 
hauptsächlich  Phenyläther  CßHgOCgHj  und  benzoesaures  Phenol,  CgHgCOjC^Hj. 

Ammoniumsalz,  CgHjCOjNH^.  Rhombische,  leicht  zerfliessliche  Krystalle.  Beim 
Verdunsten  entsteht  das  saure  Salz,  CgHjCOjNH^  -+-  CgHjCOjH.  Durch  Erbitten  mit 
Phosphorsäureanhydrid  wird  Benzonitril  gebildet. 

Kaliumsalz,  CgH^CO^K  +  SH^O,  leicht  verwitternde  Blättchen.    Mit  1  Mol.  Bensoesiuie 
entsteht  ein  in  Wasser  schwer  lösliches  saures  Salz.   Durch  Einwirkung  von  Bromcyan  (60)  wird 
das  wasserfreie  Salz  unter  Bildung  von  Bromkalium,  Kohlensäure  und  Benzonitril  zersetzt 
CßH^COjK  H-  CNBr  =  KBr  -f  CO,  ■+■  CcHjCN. 

Natriumsalz,  CgNsCOjNa-f  H,0,  leicht  verwitternde  Nadehi.  Kalksalz  (CgH5CO,),Ct 
+  2H3O,  rhombische  NadeUi.  1  Thl.  löst  sich  in  37,7  Thln.  Wasser  von  5^  Barytsalz, 
(CgHjCO,),Ba  H- 3H,0,  harte,  glänzende  in  kaltem  Wasser  wenig  lösliche  Nadeln.  Zinnsalz, 
(C0H,CO,)2Sn,  leicht  lösliche  Tafeln.  Eisenoxydsalz  wird  durch  Eisenchlorid  aus  löslichen 
Salzen  als  ein  röthlichbrauner,  voluminöser  Niederschlag  gefällt.  Kupfersalz  (CgHjCO,),Ctt 
+  2H,0,  hellblaue  Nadeki  oder  Blättchen.  Bleisalz,  (C0HjCO,)3Pb  +  H,0,  in  Wasser  und 
Alkohol  lösliche  Blättchen.  Silbersalz,  (CgHgCO,)Ag,  käsiger  Niedersdilag ,  welcher  ans 
heissem  Wasser  in  glatten  Nadeln  kiystallisirt.  Dasselbe  setzt  sich  mit  Chlorkohlenoxyd  (61) 
in  Chlorsilber,  Kohlensäure  und  Benzoylchlorid  um.  Quecksilberoxyd-  und  Oxydulsalze 
sind  in  Wasser  schwer  lösliche  krystallinische  Niederschläge. 

Aether  der  Benzoesäure.  Benzoesäure -Methyläther  (62,  63), 
CßHßCOgCH,,  wird  durch  Sättigen  einer  Lösung  von  Benzoesäure  in  Meüiyl- 
alkohol  mit  Salzsäure,  Digeriren  auf  dem  Wasserbade,  Fällung  mit  Wasser,  Trocknen 
und  Rectificiren  dargestellt.  Er  entsteht  auch  durch  Destillation  von  Methylalkohol, 
Benzoesäure  und  Schwefelsäure.  Balsamisch  riechende  Flüssigkeit,  welche  b« 
198,5°  siedet.  Spec.  Gew.  =  11026  bei  0^  1-0921  bei  12-3'*.  Der  Aether  findet 
sich  unter  den  Destillationsprodukten  des  Tolubalsams. 


Benzoesättre.  150 

Benioesäüre-Aethyläther  (64),  CgHjCOgCjHj,  wurde  bereits  von 
Scheele  dargestellt.  Man  gewinnt  ihn  analog  dem  Methyläther,  oder  stellt  ihn 
durch  Einwirkung  von  Alkohol  auf  das  Chlorid  resp.  Anhydrid  der  Benzoe- 
säure dar.  Er  enstehi  auch  beim  Erhitzen  von  Alkohol  mit  Benzoesäure 
auf  100^  Angenehm  riechende,  in  Wasser  unlösliche  Flüssigkeit,  welche  bei 
211-22°  siedet.  Spec.  Gew.  =  1 -0502  bei  16°.  Leicht  flüchtig  mit  Wasser- 
dämpfen.  Wässriges  Kali  zerlegt  ihn  in  der  Kälte  langsam,  beim  Erhitzen  rasch 
in  Alkohol  und  benzoesaures  Salz.  Aetzbarjrt  wirkt  bei  150 — 180°  in  derselben 
Weise.  Wässriges  und  alkoholisches  Ammoniak  bilden  Benzamid.  Durch  Erhitzen 
mit  Brom  (65)  bis  270°  entsteht  Benzoesäure  und  Aethylenbromid.  Phosphor- 
pentachlorid  ist  ohne  Einwirkung.  Rauchende  Salpetersäure  bildet  hauptsächlich 
m-Nitrobenzoesäureäther.  Mit  Titanchlorid(66),  TiCl^,  verbindet  sich  derBenzoe- 
säureäthyläther  (auch  Methyläther)  in  verschiedenen  Verhältnissen  zu  krystallinischen 
Verbindungen,  welche  sämmtlich  durch  Wasser  und  Alkohol  unter  Regeneration  des 
Aethers  zersetzt  werden.  Mit  Aluminiumchlorid  (67)  vereinigt  er  sich  ebenfalls 
za  einer  krystallinischen,  in  Benzol  löslichen  Verbindung,  (CeH5C02C2H5)2AljClg, 
welche  durch  Wasser  zersetzt  wird. 

Benzoesäure-Propyläther  (68),  C^HjCOgCHjCgHj,  dikflUssiges  Liquidum.  Siede- 
punkt 229.5;  Spec.  Gew.  =  10316  bei  16**. 

Benzoesäure-Isopropyläther  (69),  C^HjCOjCHCCHj),,  flüssig,  zcrfiült  bei  der 
Destillation,  in  Benzoesäure  und  Propylen. 

Benzoesäure-Btttyläther  (70),  CeHjC02CH,CH,C,H,,  dicke,  bei  247'3°  siedende 
Flüssigkeit     Spec  Gew.  =  100  bei  20°. 

Benzoesäure-Isoamyläther  ist  eine  gegen  261°  siedende  Flüssigkeit.  Spec.  Gew. 
=  1-0039  bei  0°,  0*9925  bei  14°.  Octyläther  (72).  CgHjCOjCgHi^,  bei  805-306° 
siedende  Flüssigkeit  Cetyläther  (73),  C^H^COgCieH,,,  bei  30°  schmelzende  in  Aether  leicht, 
in  Alkohol  schwer  lösliche  Schuppen.  Allyläther  (74),  CeHjCOjCgHj,  bei  228°  siedende 
Flüssigkeit 

Benzoesäure-Aethylenäther  (75),  (CgHjC0),0,C2H^,  aus  benzoesaurem  Silber  und 

Aethylenbromid  dargestellt,    bildet  glänzende  bei  67°  schmelzende  Prismen.     Benzoesäure- 

Aethylenchlorhydrin  (76),  CßHjCO^CjH^Q,  ist  eine  bei  260—70°  siedende  Flüssigkeit 

CH  CO  C  H 
Benzoesäure-Propylenäther,  1)  ^I^sch'cO^C^H*  ^7^^'    *"*  normalem   Propylen- 

bromid  und  benzoesaurem  Silber  bildet  bei  53°  schmelzende  Krystalle.  Aus  Acetonchlorid 
(CH,)jCa,  (78),  und  Isopropylenbromid,  CHjBrCHBrCH,  (79),  entetehen  zwei  Isomere. 
Ersterer  bildet  monokline  bei  69—71°  schmelzende  OctaSder,  letzterer  ist  eine  zähe  Flüssigkeit 

Amylcnäther  (80),  (CgHjCO,),CjHio»  bei  123°  schmeUende  Blätter. 

Benzoesäure-Glycerinäther  (81,97).  I>er  neutrale  Aether,  (C6H5CO,),C,H5,  durch 
Erhitzen  von  1  Thl.  Glycerin  mit  20  Thln.  Benzoesäure  auf  250°  oder  von  Epichlorhydrin  mit 
Bcnzoesänieanhydrid  dargestellt,  krystallisirt  in  Nadeln.  Schmp.  74°.  Die  übrigen  Aether  (81) 
smd  flüssig. 

Die  Benzoesäureäther  (82)  des  Erythrits,  des  Mannits,  Dulcits,  Pinnits,  und 
einiger  Zuckerarten  sind,  mit  Ausnahme  des  benzoesauren  Dulcits,  welcher  bei  147°  schmelzende 
Kiystalle  bildet,  flüssige  oder  harzige  Substanzen. 

Bcnzoesäure-Benzyläther,  CßHjCOjCgHj,  Bestandtheil  des  Pcrubalsams  (83),  vrird 
durch  Einwirkung  von  Benzylchlorid  auf  Benzylalkohol  (84)  dargestellt  Weisse,  bei  20° 
sdunelzende  Nadeln.     Siedep.  303—304°. 

Benzylidenäther  (85),  (C6H5COj),CHC6H5,  aus  Benzylidenchlorid  und  benzoesaurem 
Silber  dargestellt,  bildet  bei  50°  schmelzende  Krystalle. 

Benzoeäther  der  ein-  und  mehratomigen  Phenole  werden  allgemein 
durch  Erhitzen  von   Benzoylchlorid   mit  den  Phenolen   bis   zum  Aufhören    der 


t6ö  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Salzsäureentwickelung,  und  Umkrystallisiren  des  meist  festen  Produktes  aus  Alkohol 
oder  Aether  dargestellt. 

Phenyläther  (87),  CgHjCOjCgH^,  entsteht  auch  bei  der  Destillation  von  benxoe* 
saurem  Kupfer  (86)  und  durch  Erhitzen  von  Phenol  (88)  mit  Benzamid.  Lange,  glänzende 
Säulen,  welche  bei  71^  schmelzen,  unlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Alkohol  und  Aether.  Durch 
alkoholisches  Kali  erfolgt  bereits  in  der  Kälte  Zersetzung;  durch  wässeriges  bei  150**.  Chlor 
und  Brom  substituiren  den  Wasserstoff  im  Phenyl  imter  Bildung  kristallinischer  Derivate  (86). 
Durch  Schwefelsäure  entsteht  als  Hauptprodukt  Benzoyl-p-Phenolsulfosäure,  CgHjCOjCjH^SOjH, 
welche  gut  krystallisirende  Salze  bildet.  Aus  Di-  und  Trinitrophenol  (87)  und  Benzoylchlorid 
entstehen  Benzoesäuredi-  und  Trinitrophenyläther,  gelbe  rhombische  resp.  goldgelbe  Blättchen, 
beide  fast  unlöslich  in  Alkohol. 

Kresyläther  (89),  CgH^COjCgH^CH,. 

o-Kresyläther  flüssig. 

p-Kresyläther,  sechsseitige  bei  70**  schmelzende  Tafeln. 

m-Kresyläther,  weisse  bei  38°  schmelzende  Krystallmasse.  Die  verschiedenen  Eigen- 
schaften der  o-  und  p- Verbindung,  werden  zu  Trennung  des  im  Steinkohlentheer  enthaltenen 
Gemenges  von  o-  und  p-Kresol  benutzt 

OC OC  H 
Dibenzoyldioxybenzole,  CgH^^p^-wp^^*. 

Dibenzoylbrenzcatechin  (91),  bildet  grosse  Blätter.     Schmp.  84^ 

Dibenzoylresorcin  (91),  bei  117°  schmelzende  Schuppen. 

Dibenzoylhydrochinon  (91),  bei  199°  schmelzende  Nadeln.  Die  Chlorsubstitutioiifi- 
Produkte  des  Resorcins  und  des  Hydrochinons  liefern  ebenfalls  krystallinische  Benzoylderivate. 

TribenzoylphloToglucin  (93),  CgH,03(COCgH5),,  bildet  glänzende  Schuppen,  fast 
unlöslich  in  siedendem  Alkohol. 

Benzoylderivate  (94)  der  Pyrogallussäure,  Methyl-  und  Popylpyrogallussäure. 

Benzoylpyrogallussäuredimcthyläther,  ^e^JocQcn    •     Schmp.  118^. 

Bcnzoylmethylpyrogallussäuredimethyläther,  ^e^ii^^irocoCH  '  ^^^^^^' 
punkt  118—119° 

Benzoylpropylpyrogallussäuredimethyläther,C6H,(C,H,)^^^^|j  .  Schmp. 91*>. 

Abkömmlinge  der  Benzoesäure,  welche  durch  Umwandlung  des 

Carboxyls  entstehen. 
Benzoylchlorid.*)     CgHrjCOCl,  wurde  zuerst  von  Liebig  und  Woehler 
(i),  durch  Einleiten  von  Chlor  in  Bittermandelöl  dargestellt.    Es  entsteht  ausser- 
dem 1.  durch  Einwirkung  von  Phosphorspentachlorid  (2)  resp.  Trichlorid  (3)  auf 


*)  i)  Ann.  3,  pag.  262—66.  2)  Cahours,  Ann.  60,  pag.  255.  3)  Bächamp,  J.  pr.  Ch.  68, 
pag.  489.  4)  Gerhardt,  Ann.  87,  pag.  63.  5)  Carius,  Ann.  106,  pag.  302.  6)  Friedel, 
Ber.  2,  pag.  80.  7)  Reketoff,  Ann.  109,  pag.  256.  8)  Ber.  10,  pag.  1854.  9)  Lieben,  Ann. 
178,  pag.  43.  10)  M.  Saytzeff,  J.  pr.  Ch.  (2)  6,  pag.  130.  11)  Klinoer,  Ber.  16,  pag.  994. 
12)  LiMPRiCHT,  Ann.  139,  pag.  323.  13)  Laurent  u.  Gerhardt,  Compt  rend.  des  trav.  de 
Chim.  1850,  pag.  123.  14}  Casselmann,  Ann.  98,  pag.  235.  Bertrand,  Ber.  14,  pag.  118. 
15)  Claisen,  Ber.  14,  pag.  2473.  i^)  Claisen,  Ber.  10,  pag.  430.  HttSNSR  und  Buchea, 
Ber.  IG,  pag.  480.  17)  Claisen,  Ber.  12,  pag.  626.  18)  Kolbe,  Ann.  98,  pag.  347. 
19)  MiQüEL,  Compt.  rend.  81,  pag.  1209.  20)  Gerhardt,  Ann.  87,  pag.  57.  21)  Wunder, 
J.  prakt.  Chem.  61,  pag.  498.  22)  Anschütz,  Ber.  10,  pag.  1882.  23)  Jenssen,  Ber.  la, 
pag.  1495.  24)  Schröder,  Ber.  12,  pag.  161 2.  25)  Mosling,  Ann.  118,  pag.  303.  26)  LotR, 
Bull.  SOG.  chim.  32,  pag.  168.  Greene,  Ber.  13,  pag.  1139;  14,  pag.  1203.  27)  CmozzA, 
Ann.  84,  106;  85,  pag.  231;  86,  pag.  259.  Malerba,  Ann.  91,  pag.  102  28)  Brodie,  Ann.  108, 
pag.  80.     29)  Liebig  u.  Woehllk,  Ann.  3,  pag.  268.     30)  Gerhardt  u.  Chiozza,  Ann.  chim. 


Benzoestture.  i6i 

Benzoesäure  I  von  Phosphoroxychlorid  (4)  und  Schwefelchloriden  (5)  auf  deren 
Salze,  2.  durch  Erhitzen  von  Benzoesäure  und  Phosphorsäureanhydrid  (6)  im 
Salzsäurestrom  auf  200°  oder  durch  Erhitzen  von  Benzoesäure  mit  Chlomatrium 
und  saurem  schwefelsaurem  Natron  (7),  3.  durch  Einwirkung  von  Chlorkohlen- 
oxyd (8)  auf  Benzol  bei  Gegenwart  von  Aluminiumchlorid. 

Zar  Darstellung  erhitzt  man  4  Thle.  geschmolzener  Benzoesäure  mit  7  Thin.  Phosphor- 
peotachlorid  und  reinigt  das  Produkt  durch  fractionirte  Destillation. 

Stark  lichtbrechende,  stechend  riechende  Flüssigkeit,  welche  bei  198*5°  siedet 
und  in  einer  Kältemischung  erstarrt  (9).  Leicht  löslich  in  Aether  und  CSj. 
Spec.  Gew.  ss  1*25  bei  15°.  Das  Chlorid  liefert  mit  Wasser  und  Alkalien  Benzoe- 
säure resp.  Salze  derselben.  Mit  Ammoniak  oder  Aminen  entstehen  Benzamid 
oder  Substitutionsprodukte  desselben.  Beim  Erhitzen  mit  KupferwasserstofT  oder 
beim  Ueberleiten  von  Benzoylchlorid  und  Wasserstoff  über  erhitzten  Palladiummohr 
(10)  wird  Benzaldehyd  gebildet  Natriumamalgam  (11)  wirkt  auf  eine  ätherische 
Losung  unter  Bildung  von  Benzil  und  Isobenzil  ein.  Durch  Einwirkung  von  Cyan 
und  Jodkalium  entstehen  Cyan-  oder  Jodbenzoyl.  Durch  Erhitzen  mit  Phosphor- 
pentachlorid  (12)  auf  180°  wird  es  in  Benzotrichlorid,  CßH^CClj  umgewandelt. 

Das  Benzoylchlorid  erzeugt  mit  Bittermandelöl  (13),  mit  Aluminiumchlorid 
und  Titanchlorid  (14)  krystallinische  Verbindungen. 

Benzoylbromid  (15).  C^H^COBr,  wird  durch  Einwirkung  von  Phosphor- 
tribromid  (2  Mol.)  auf  Benzoesäure  (3  Mol.)  dargestellt.  Wasserhelle,  zwischen 
218°  und  219°  siedende  Flüssigkeit,  welche  bei  —  24°  erstarrt.  Spec.  Gew.  =  l-ö7. 
Mit  1  Mol.  Benzaldehyd  entsteht  eine  bei  69—70°  schmelzende,  krystallinische 
Verbindung. 

Benzoyljodid  (i),  CßHjCOJ,  entsteht  durch  Erhitzen  von  Jodkalium  und 
Benzoylchlorid.     Farblose  Krystalle,  welche  rasch  braun  werden. 

Benzoylfluorid  (61  a),  CßHßCOFl,  farbloses  bei  16ö-5°  siedendes  Oel, 
welches  durch  Behandlung  des  Chlorids  mit  Fluorwasserstoff-Fluorkalium  dar- 
gestellt wird. 

Benzoylcyanid,  CßHgCOCN,  wird  durch  Destillation  von  Benzoylchlorid 
mit  Cyanquecksilber  erhalten  (16).  Weisse,  bei  32*5 — 34°  schmelzende  Krystalle, 
welche  dem  monosymmetrischen  System  angehören  (17).  Siedep.  206  —  208°. 
Wird  durch  Alkalien  in  Benzoesäure  und  Blausäure  zerlegt.     Rauchende   Salz- 


Phys.  46,  pag.  135.  31)  Dumas,  Malaguti  u.  Leblanc,  Compt.  rend.  25,  pag.  734.  32)  Kekul£, 
Bct.  6,  pag.  113.  33)  Weddige,  J.  pr.  Ch.  (2)  7,  pag.  100.  34)  Schwartz,  Ann.  75,  pag.  195. 
35)  Dessaignb,  Ann.  82,  pag.  234.  36)  Klein  u.  Pinner,  Ber.  lo,  pag.  1897;  11.  pag-  10. 
37)  Oppenheim,  Bcr.  6,  pag.  1392.  38)  Jacobsen,  Ann.  157,  pag.  245.  Wallach,  Ber.  5, 
P*ß- 255.  39)  Pinner  u.  Klein,  Ber.  11,  pag.  10.  40)  Barth  u.  Senhofer,  Ber.  9,  pag.  975. 
41)  Fischer  u.  Troschke,  Ber.  13,  pag.  708.  42)  Baumert  u.  Landolt,  Ann.  in,  pag.  5. 
43)  HAUJtfANN,  Ber.  9,  pag.  846.  44)  Hepp  u.  Spiess,  Ber.  9,  pag.  i424->28.  45)  Limpricht, 
Ann.  99,  pag.  119.  46)  Nencki,  Ber.  7,  pag.  159.  47)  Medicus,  Ann.  157,  pag.  44.  48)  Ger- 
uch, J.  pr.  Ch.  (2)  13,  pag.  272.  49)  LossEN,  Ann.  161,  pag.  347.  50)  Waldstein,  Ann.  181, 
{Mg.  384.  51)  GüRKE,  Ann.  205,  paß.  278.  52)  Ders.,  Ann.  205,  pag.  285—91.  53)  LossBN 
u.  Zanni,  Ann.  182,  pag.  220.  54)  Lossen,  Ann.  161,  pag.  347.  55)  Steiner,  Ann.  178, 
pag.  226.  56)  GÜRKE,  Ann.  205,  pag.  279.  57)  Klein  u.  Trechmann,  Ann.  186,  pag.  76  u.  ff. 
58)  LossBN,  Ann.  175,  pag.  271.  59)  Eiseler,  Ann.  175,  pag.  326.  60)  Lossen,  Ann.  186, 
pag.  I.  61)  Piper,  Ann.  217,  pag.  i.  61  a)  Borodtne,  Ann.  126,  pag.  $8.  62)  Klein, 
Ann.  166,  pag.  184.  63)  Schiff  u.  Tassinari,  Ber.  10,  pag.  1785.  64)  Schäfer,  Ann.  169, 
pag.  III.     65)  Klein,  Ann.  161,  pag.  363. 

Laobcbitvg,  Chemie.    U.  II 


1 


i62  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Säure  (i6)  führt  es  in  der  Kälte  in  Benzoylameisensäure  über.  Durch  Zink  und 
Salzsäure  entsteht  Benzaldehyd  (i8).  Durch  PCI 3  wird  Phenyldichloracetonitril, 
CcHrCCIjCN  (17),  ein  bei  223—224°  siedendes  Oel  erhalten. 

Benzoylrhodanid(i9),  CßH^COSCN  oder  C6H5CONCS,  entsteht  durch 
Einwirkung  von  Benzoylchlorid  auf  Rhodanblei.  Es  ist  eine  unter  Zersetzung 
siedende  Flüssigkeit  (Siedep.  im  Vacuum  gegen  200")  von  M97  spec.  Gew. 
(bei  16°).     Es  liefert  mit  Ammoniak  Benzoylhamstoft. 

C  H  CO 

Benzoesäureanhydrid,  r^jj^CO^*  Dasselbe  entsteht  1.  durch  Einwirkung 

von  Benzoylchlorid   auf  benzoesaüres  Natron  (20)  und  dem  entsprechend  auch 
von  Phosphorpentachlorid  und  Phosphoroxychlorid  (21)  auf  dieses  Salz,   sowie 
durch  Erhitzen  des  Chlorids  (22)  mit  Benzoesäure  auf  160—220°, 
C6H5COCI  4-  CeHgCO^Na  =  NaCl  -f-  (C6H5CO)jO. 

2.  Durch  Erwärmen  von  Chlorbenzoyl  mit  trocknem  oxalsaurem  Kali  (22) 
oder  mit  entwässerter  Oxalsäure  (22).     3.  Durch  Erwärmen  von  Benzotrichlorid, 
CgHjCCls  (23),  (1  Thl.)  mit  conc.  Schwefelsäure  (3Thle.),  welche  4-5#Wasser  enthält 
2C6H5CCI3  -f  3H2O  r=  6HC1  -h  (C6H5CO)20. 

Zur  Darstellung  werden  6  Thle.  benzoesaüres  Natron  mit  1  Thl.  Phosphoroxychlorid  auf 
150°  erhitzt,  das  Produkt  mit  verdünnter  Sodalösung  gewaschen  und  durch  Umkiystallisiren  aus 
Aether  resp.  Alkohol,  oder  durch  Destillation  gereinigt.  Oder  man  erhitzt  4  Thle.  Chlorid  mit 
1  Thl.  Oxalsäure  und  reinigt  wie  angegeben. 

Das  Anhydrid  bildet  rhombische  Prismen,  welche  bei  42°  schmelzen. 
Siedep.  360°  (22).  Spec.  Gew.  =  1-231  — 1'247  bei  4°  (24).  Unlöslich  in  Wasser, 
ziemlich  leicht  in  Aether  und  Alkohol  löslich.  Von  heissem  Wasser  wird  es  allmäh- 
lich unter  Bildung  von  Benzoesäure  zerlegt,  rasch  von  Alkalien.  Beim  Kochen  mit 
Alkohol  entsteht  Benzoesäureäther  (25).  In  Salzsäuregas  erhitzt,  zerfällt  es  in 
Benzoylchlorid  und  Benzoesäure.  Schwefelwasserstoff  (25)  erzeugt  neben  anderen 
Produkten  Benzoylsulfid.  Durch  Einwirkung  von  Benzoylchlorid  auf  die  Salze 
von  anderen  einbasischen  Säuren  oder  von  den  Chloriden  der  letzteren  auf 
benzoesaure  Salze  entstehen  gemischte  Anhydride  der  Benzoesäure. 

C  H  CO 
Essigsäure-BenRoesäureanhydrid   (26),    ^^  ^q   O,   ist  ein   schweres   Oel,   welches 

bei  der  Destillation  in  Essigsäureanhydrid  und  Benzoesäureanhydrid  zerfällt  Die  Benzoesäure- 
anhydride  (27)  der  Isovaleriansäure,  Oenanthsäure  und  Pelargonsäure  sind,  ebenfalls  fltissig,  die- 
jenigen der  Myristin-  und  Stearinsäure  feste  Körper. 

C  H  CO 

Benzoylsuperoxyd  (28),  c^HrCO^»»  entsteht  durch  Einwirkung  von  Barium- 
superoxyd auf  Benzoylchlorid  und  bildet  grosse,  glänzende  Krystalle.  Wird  über 
100°  zerzetzt  unter  schwacher  Explosion. 

Benzamid,  CgHjCONH^.  Von  Liebig  und  Woehler  (29),  1832  entdeckt. 
Das  Amid  entsteht  1.  durch  Einwirkung  von  Ammoniak  (29)  oder  kohlensaurem 
Ammoniak  (30)  auf  Benzoylchlorid,  von  Ammoniak  auf  Benzoesäureäther  (31) 
oder  Anhydrid.  2.  Durch  Destillation  von  Benzoesäure  mit  Rhodanammonium  (32), 
3.  Durch  Kochen  von  Benzonitril  (33)  mit  Kaliumsulfhydrat.  4.  Durch  Kochen 
von  Hippursäure  (34)  mit  Wasser  und  Bleisuperoxyd  oder  durch  Erhitzen  der- 
selben mit  trockner  Salzsäure. 

Zur  Darstellung  wird  Benzoylchlorid  mit  kohlensaurem  Ammoniak  verrieben,  das  Produkt 
durch  Waschen  mit  kaltem  Wasser  von  den  Ammonsalzen  befreit  und  das  Amid  aus  heissem 
Wasser  oder  Alkohol  umkrvstallisirt. 


Benzoesäure.  163 

Monokline  Krystalle  (62),  welche  bei  128°  schmelzen.  Spec.  Gew.  (24)  =  1-341 
bei  4°.  Das  Amid  ist  fast  unlöslich  in  kaltem  Wasser,  leicht  löslich  in  heissem,  be- 
sonders ammoniakalischem  Wasser,  in  Alkohol  und  Aether.  Durch  Erhitzen  mit 
wasserentziehenden  Mitteln,  Phosphorsäureanhydrid,  Phosphorpentachlorid,  conc. 
Schwefelsäure  wird  es  in  Benzonitril  übergeführt.  Mit  Brom  entsteht  ein  unbe- 
*»tändiges  Additionsprodukt.  Aus  der  heissen  salzsauren  Lösung  (35)  krystallisirt 
CijHjCONHg,  HCl,  in  langen  Prismen,  welche  an  der  Luft  Salzsäure  verlieren. 
Dieselbe  Verbindung  entsteht  durch  Einwirkung  von  Wasser  und  Salzsäure  auf 
Benzonitril  (36).  Mit  Quecksilberoxyd  bildet  die  warme  wässerige  Lösung  des 
Amids  eine  krystallinische  Verbindung,  (C6H5CONH)2Hg  (37). 

Diurch  Auflösen  von  Benzamid  in  (38)  Chloral  entsteht  Chloralbenzamid, 
CCI3COH,  NHjjCOCßHj,  rhombische  Tafeln,  welche  bei  150—151°  schmelzen. 
Dieselbe  Verbindung  kann  durch  Einleiten  von  Salzsäure  (39)  in  gleiche  Moleküle 
Benzonitril  und  Chloralhydrat  erhalten  werden.  Analog  dem  Chloral  verhält  sich 
Butylchloral. 

Butylchloralbenzamid(63),  C^HjC^O,  NHjCOCßHg,  bildet  bei  132— 33° 
schmelzende,  in  Wasser  fast  unlösliche  Krystalle. 

Dibenzamid,  (CgH5CO)2NH,  wird  durch  Behandlung  von  Benzonitril  (40) 
mit  Schwefelsäure  und  Phosphorsäureanhydrid  dargestellt;  es  entsteht  auch 
(neben  Benzamid)  durch  Oxydation  von  Lophin  (41)  und  durch  Einwirkung  von 
Benzoylchlorid  auf  Kaliumamid  (42). 

Zar  Darstellung  trägt  man  in  7  Thle.  Vitriolöl  und  4  Thle.  Phosphorsäureanhydrid  nach 
und  nach  7  Thle.  Benzonitril  ein,  giebt  nach  einigen  Stunden  Wasser  hinzu,  und  krystallisirt  die 
sich  abscheidenden  Krystalle  aus  verdünntem  Alkohol  um. 

Rhombische,  bei  148**  schmelzende  Nadeln,  schwer  löslich,  selbst  in  sieden- 
dem Wasser,  leicht  in  Alkohol,  Aether  und  Benzol.  Der  ImidwasserstofF  ist  durch 
Metalle,  (Ag,Na),  ersetzbar.  Durch  Erhitzen  von  Benzamid  in  Salzsäuregas  auf 
130°  entsteht  ein  Hydrat  (64)  des  Dibenzamids,  (C6HjiCO)2NH -+- 2Hj,0, 
Blätter,  welche  bei  99°  schmelzen.  Durch  Erhitzen  mit  kohlensauren  Alkalien 
zerfMllt  es  in  Benzoesäure  und  Ammoniak. 

Derivate  des  Benzamids  mit  Kohlenwasserstoffradicalen.  Die 
aromatische  Radikale  enthaltenden  Derivate  sind  bei  den  entsprechenden  Amiden, 
Amidophenolen,  Hydrazinen  beschrieben. 

Dimethylbenzamid  (43),  CgHjCON(CH3)^,  aus  Benzoylchlorid  und  Dimethylamin  in 
itherischer  Lösung  erhalten,  bildet  bei  41—42"  schmelzende  Krystalle.  Siedep.  255— 257". 
Es  setzt  sich  mit  Chlorkohlenoxyd  nach  folgender  Gleichung  um: 

CgH^CONCCH,),  4-  COCI3  =  CgHsCCljNCCHj),  4-  CO3. 

Diäthylbenzamid  (43),  zwischen  280—282®  siedendes  Oel. 

Derivate  des  Benzamids  mit  Aldehydradicalen. 

NHCOC  H- 
Methylendibenzamid  (44),  ^^aNHCOC^H  *    ^*"^  Lösung  von  2  Mol.  Benzo- 

6  ö 
nitril  in  1  Vol.  Chloroform  wird  mit  conc.  Schwefelsäure  und  dann  unter  Abkühlen  mit  1  Mol. 
Methylal  versetzt,  die  Masse  in  Wasser  gegossen,  das  Chloroform  abdestillirt  und  der  mit 
Ammoniak  gewaschene  Rückstand  aus  Alkohol  umkrystallisirt.  Bei  212°  schmelzende 
Nadeln.  In  Wasser  fast  unlöslich,  leicht  in  Aether,  Alkohol  etc.  Durch  Kochen 
mit  verdünnten  Säuren  entsteht  Benzamid,  mit  conc.  Säuren  oder  alkoholischem 
Kali  Benzoesäure. 

NHCOC  H- 
Aethylidendibenzamid,  CH^CHxjjTpQp^TT*,  kann  analog  dem  vorigen 


164  Handwörterbuch  der  Chemie. 

aus  Benzonitril  (44)  und  Paraldehyd  dargestellt  werden;  es  entsteht  ausserdem  aus 
Aldehydamraoniak  (45)  und  Benzoylchlorid,  sowie  aus  Aldehyd  (46)  und  Benzamid 
bei  Gegenwart  von  Salzsäure.  Bei  204°  schmelzende  Nadeln.  Wird  der  Par- 
aldehyd durch  Chloral  ersetzt,  so  entsteht  das  bei  257°  schmelzende  Trichlor- 

NHCOr*  H 
äthylidendibenzamtd    (44),     CCljCHj^JlQQQßjJ^     Durch    Oxydation    von 

Hippursäure  entsteht  ein  Hipparafilln  genannter  Körper,  welcher  identisch  mit 
dem  Aethylidendibenzamid  zu  sein  scheint. 

Oenanthylidendibenzamid(47),  C7Hi4(NHCeHj^CO)j,  ist  eine  bei  128* 
schmelzende  Krystallmasse. 

Derivate  des  Benzamids  mit  Cyan  (48). 

Benzoylcyanamid,  C^HßCONHCN,  entsteht  durch  Einwirkung  von  Benzoyl- 
chlorid auf  in  Aether  suspendirtes  Natriumcyanamid.  Höchst  unbeständiges»  bei 
seiner  Bildung  theil weise  in  Kohlensäure,  Cyanamid  und  Benzonitril  zerfallendes 
Produkt.  Die  ätherische  Lösung  liefert  durch  Polymerisation  Tribenzoylmelamin 
(CgH5CONHCN)8,  gelbes,  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether  unlösliches  Pulver, 
welches  bei  275°  unter  Zersetzung  schmilzt.  Dasselbe  erzeugt  beim  Erhitzen  iip 
WasserstofFstrom  neben  anderen  Produkten  das  leicht  krystallisirende  Dibenzoyl- 
dicyanamid  (CßHjCONHCN)^.  Leicht  löslich  in  Alkohol  und  Aether,  schwer 
in  Wasser.     Schmelzpunkt  112°. 

Benzoylammelin,  CgHjCONHCjHgN^O,  bildet  sich  aus  Benzoylchlorid 
und  trockenem  Natriumcyanamid.  Braunes,  in  Wasser  und  Aether  unlösliches, 
in  Alkohol,  Benzol,  Alkalien  und  Essigsäure  leicht  lösliches  Harz. 

Hydroxylderivate  des  Benzamids. 

Durch  Einführung  von  Benzoyl  an  Stelle  des  Wasserstoffs  im  Hydroxylamin 
entstehen  drei  Arten  von  Verbindungen,  welchen  nach  Lossen  folgende  Formeln 
zukommen.*) 


COCeH. 

COCgH, 

COCeHj 

NH 

NH 

NCOCjHj 

OH 

OCOCgH, 

OCOC^Hg 

Qzhydroxamsäure. 

Dibenthydroxamsäure. 

Tribenzoylhydroxyiamin. 

Die  beiden  ersten  Verbindungen  sind  einbasische  Säuren,  die  letztere  ein 
neutraler  Körper,  welcher  in  drei  physikalisch  verschiedenen,  chemisch  jedoch 
gleichen  Modifikationen  existirt. 

Benzhydroxamsäure  (49,  95)  entsteht  neben  Dibenzhydroxamsäure  aus 
Benzoylchlorid  und  wässrigem  Hydroxylamin. 

Zur  Darstellung  wird  1  Thl.  salzsaures  Hydroxylamin  in  8 — 10  Thbi.  Wasser  gelöst,  die 
Lösung  mit  einer  zur  Bindung  des  Chlors  hinreichenden  Menge  von  kohlensaurem  Natron  ver- 
setzt und  3  Thle.  Benzoylchlorid,  unter  Vermeidung  stärkerer  Erwärmung  allmählich  jcugefUgt. 
Die  schwerlösliche  Dibenzhydroxamsäure  wird  vollständig,  die  Benzhydroxamsäure  nur  zum  Theil 
ausgeschieden.  Man  versetzt  daher  die  filtrirte  Lösung  mit  Barytwasser,  und  zerlegt  das  gut 
ausgewaschene  Baiytsalz  mit  der  genau  erforderlichen  Menge  Schwefelsäure.  Das  Gemenge  der 
beiden  Säuren  wird  in  kochendem  Alkohol  gelöst,  aus  welchem  zuerst  die  Dibenzhydroxamsäure 
auskrystallisirt.  Die  in  den  Mutterlaugen  zurückbleibende  Benzhydroxamsäure  wird  durch  Um- 
krystallisiren  aus  wenig  Alkohol  gereinigt. 

Die  Säure  bildet  rhombische  Tafeln  oder  Blättchen,  welche  zwischen  124** 
und  125°  schmelzen.     Sie  ist  ziemlich  leicht,  auch  in  kaltem  Wasser  (mit  saurer 

*)  Die  Benzhydroxamsäure  kann  vielleicht  auch  als  ein  den  Oximidoverbindungen  analoges 
Produkt  CgHjC^Qjj      aufgefasst  werden  (s.  Lossen,  Ber.  i6,  pag.  873). 


Benzoesäure.  165 

Reaction)  löslich,  leicht  löslich  in  Alkohol,  wenig  in  Aether.  Durch  Erwärmen 
mit  Mineralsäuren  zerfällt  sie  in  Benzoesäure  und  Hydroxylamin.  Obwohl  ein- 
basisch, bildet  sie  mit  den  Alkalien,  auch  mit  Baryt,  vorzugsweise  saure  Salze, 
welche  meist  gut  krystallisiren.  C7H5ONHOK,  C7H5ONHOH  in  Wasser  leicht 
lösliche  Prismen.     C^H^ONHONa,  C7H5ONHOH  -f-  SHjjO  Prismen. 

Eisenchlorid  bringt  in  der  Lösung  der  Säure  oder  ihrer  Alkalisalze  einen 
dunkelrothen  Niederschlag  hervor,  welcher  im  Ueberschuss  des  Chlorids  mit  tief 

COCeHj 
dunkelrother  Farbe  löslich  ist.     Wird  der  in  der  Benzhydroxamsäure,  NH  , 

OH 
enthaltene  Wasserstoflf  des  Hydroxyls  durch  ein  Alkoholradikal  ersetzt,  so  entsteht 
ein    Benzhydroxamsäureäther ,    welcher   sich   wie    eine  schwache    Säure    verhält, 
jedoch   nicht  weiter  ätheriücirt  werden  kann,  während  durch  Substitution  eines 
Amidwasserstoffs  eine  isomere  Aethersäure  entsteht. 

COCeHj. 
Benzbydroxamsäureäthyläther.     NH  ,    kann    sowohl  durch  Behandlung  einer 

OCjHj 
alkoholischen  Lösung  von  Benzhydroxamsäure  (l  Mol.)  mit  Actzkali  (2  Mol.)  und  Jodäthyl 
(so)  (l  Mol.),  als  auch  durch  Einwirkung  von  Benzoylchlorid  (51)  auf  Aethylhydroxylamin  er- 
halten werden.  Dicke  Tafeln.  Wenig  löslich  in  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und  Aether. 
Schmp.  64 — 65^.  Er  löst  sich  in  Alkalien.  Säuren,  selbst  Kohlensäure  fällen  ihn  aus  diesen 
Lösungen.     Beim  Erhitzen  mit  Salzsäure  entsteht  Benzoesäure  und  Aethylhydroxylamin. 

COCeHs 
Aethylbenzhydroxamsäure  (52),  NCjHs       ,    existirt    in    zwei  isomeren 

OH 
Modificationen,   welche  durch  Einwirkung   von    Kali  auf  die  isomeren  a  und  ß 

Dibenzhydroxamsäureäthyläther  (siehe  unten)  gebildet  werden. 

i  COCeH.,  COCeHs 

«.pNCjHc  -h2KOH  =  a.ß.NC,H5  4-C«H5CO,K 

OCOCgHs  OH 

Die  beiden  Säuren  gehen  unter  Einwirkung  von  alkoholischem  Kali  und  Jod- 
!         äthyl    in    Aethyläther   über.     Beim   Erhitzen    mit   Salzsäure   zerfallen   beide   in 
Bcnzoesäureäthylester   und  Hydroxylamin;    die  Aethyläther  in   Benzoesäureester 
und  Aethylhydroxylamin. 

tt- Säure.  Monokline  Prismen  oder  Tafeln,  welche  bei  53,5*^  schmelzen.  Spec. 
Gew.  =  1,2072.  In  74,2  Thle.  Petroleumäther  (spec.  Gew.  =  0,6518)  löslich.  Der  Aethyläther 
siedet  bei  244®. 

ß-Säure.  Monokline  Krystalle,  welche  bei  67,5—68®  schmelzen.  Spec.  Gew.  =  1,1867. 
In  45,2  Thle.  Petrolcumäther  löslich. 

COC.Hj 
MethylbenÄhydroxamsäure  (53).   NCH,  ,     der     Aethylvcrbindung      analog     aus 

OH 
Wbenxhydroxamsäuremethyläther  dargestellt,  bildet  rectanguläre,  bei  64-65°  schmelzende  Tafeln. 

Dibenzhydroxamsäure.  NH  ,    (Lossen)  entsteht   aus    Hydroxyl- 

OCOCßHji 
amin  oder  Benzhydroxamsäure   und  Benzoylchlorid.     Sie   wird   am    besten    aus 
unreinem  Hydroxylamin  (54)  dargestellt.     Rhombische  Prismen  (55);  welche  bei 
153°  schmelzen.     Sie  ist  fast  unlöslich  in  Wasser  und  Aether,  löslich  in  heissetn 
Alkohol.     Die     alkoholische    Lösung    wird    beim    Erwärmen    mit    Salzsäure     \n 
Benzoesäure  und  Hydroxylamin  zerlegt.     Alkalien,  auch  Barytwasser  bilden  Benz^ 
*»ydroxamsäure  und  Benzoesäure.     Bei  der  trocknen  Destillation  entstehen  KoMexv- 
«ittic,  Benzoesäure,   Benzanilid  und  Phenylcyanat.     Die  Alkalisalze  krystallisir^xi 


r 


1 


l66  Handwörterbuch  der  Chemie. 

gut.     Beim  Kochen  ihrer  Lösungen  wird  neben  benzoesaurem  Salz  und  Kohlen- 
säure Diplienylharnstoff  gebildet.     Wird  das  Silbersalz  der  Dibenzhydroxamsäure 

mit  Jodäthyl  behandelt,  so  entsteht 

COCgHj 

Diben»hydroxain!jHureJlthyläther   (56),  NC3H5  ,    und   zwar    in   zwei,    in  ihren 

OCOCgHj 
ZtfSCUungcn  gleichen,  jedoch  physikalisch  verschiedenen  Modificationcn. 

Ä-Aether.  Hauptproduct  Rhombische  Krystalle.  Schmp.  58".  Leicht  löslich  in 
Alkohol  und  Aelhet,  unlöslich   in  Benzol. 

p-Aetliei.  Triklin.  Schmpt.  63®.  Leichter  in  Alkohol  und  Acther  löslich  als  die  «-Vcr- 
bmdung.  Der  Actber  entsttibt  auch  durch  Einwirkung  von  Benzoylchlorid  auf  a-  und  ß-Aethyl- 
hr  n  1  hy  tl  rox  am  sHu  re. 

Die  Aether  zcrfaUen  beim  Erhitzen  in  Aldehyd,  Benzoesäure  und  Benzonitril. 

COCßHs 

Tribenzhydroxylamin  (49,  55,   57,  58),  NCOCßH^    ,    wird    durch   Ein- 

OCOCeHj 
Wirkung  von  trockenem,  salzsaurem  Hydroxylamin  auf  eine  Lösung  von  Benzoyl- 
('hlorid  in  ToUiol  oder  durch  Erwärmen  von  Benzoylchlorid  mit  dem  Silber-  resp. 
Kaliumsab  der  Dibenzhydroxamsäure  dargestellt    Es  entstehen  drei  Modificationcn, 
welche  durch  Aetber  getrennt  werden. 

a)  Monökbfit  Krysiatlf.  Leicht  löslich  in  Acther  und  siedendem  Alkohol.  Schmp.  100**. 
Wirt]  durch  Sak^äure   leicht  i erlegt. 

ß)  MonokJinc  Krystalle.  Unlöslich  in  Aether  und  Wasser,  schwer  löslich  in  kaltem  Alkohol. 
leichter  m  heissem.     Schmp.  141  — 142°. 

y)  Mfinokltne  KryslaUc.  Schmp.  112".  Kann  durch  Behandlung  mit  verdünnter  Salzsäure 
ii>  die  f3-VcrbinduTig  Übergcfillirt  werden. 

Benzanishydrox am  säure  (58)  NH(C7H50)(CgH702)0,  durch  Erwärmen 
von  Anisylchiorid  mit  Benzhydroxamsäure  dargestellt,  krystallisirt  in  Prismen  oder 
Nadeln,  welche  bei  K^l^— 132°  schmelzen.  Die  Säure  wird  beim  Erwärmen 
inil  Barytwaiiser  in  Anissäure  und  Benzhydroxamsäure  zerlegt;  das  Kaliumsalz 
bildet  beim  Kochen  mit  Wasser  Kohlensäure,  Anissäure  und  Diphenylharnstoff. 
Bei   der  trockenen  Destillation  entsteht  Kohlensäure,  Anissäure  und  Anisanilid. 

Anisben^hydrnxa 311  säure  (58),  NH(C8H702)(C7H50)0,  entsteht  aus 
Ben?:oykhlurid  und  Anishydroxamsäure.  Nadeln  oder  Prismen,  welche  bei  147 
bis  148'"  schmcUen.  Durch  Barytwasser  wird  sie  in  Kohlensäure,  Benzoesäure 
und  Anishydroxamj^säure  verlegt;  das  Kaliumsalz  zerfallt  mit  Wasser  in  Kohlen- 
.säure,  Benzoesäure  und  Dianisylharnstoff.  Sie  zerfallt  bei  der  trockenen 
Destillation  in  Kohlensäure,  Benzoesäure  und  Benzoylamidoanisol. 

Benz^nisäthylhydroxylamin  (61)  existirt  in  ftinf  Modifikatienen. 

I.  a-BontanishydrfiAamsäureäthyläther  N(C7H50)(C8HyOo)(C,Hj)0,  aus  benz- 
anishydroxacisiiLirem  Silber  und  Jodäthyl  dargestellt,  bildet  monoklinc,  bei  74°  schmelzende 
KiystttUc. 

2*  3*Bcnzanishydro  ^amsäureäthyläther  wird  aus  Anisylchiorid  und  Aethylbenc- 
(»ydroxamsäurt*  dargestellt.     Monokline,  bei  89°  schmelzende  Krystalle. 

^.  Anisben  thydroxamsäureäthyläiher,  N(C8H70jj)(C7H50)(C2Hj)0,  aus  Anisben z- 
hydrox^imsifwrt*  und  Jndstthyl  gewonnen,  schmilzt  bei  79°. 

i*  Benzjlthy  lanrshydroxylamin,  N(C7H50XC.^H5)(CgH70j)0,  aus  Anisylchiorid  und 
flt'm  Silbtrsalz  von  HenihydTt^xEimsäureäthyläther  erhalten,  bildet  trikline,  bei  (>4°  schmelzende 
Krystnllc- 

5.  Anisüthylben/hydroxylamin,  N(Cj,H70.^)(C.^H5)(C7H50)0,  aus  Benzoylchlorid 
und  Ani'shydfoxtiRi^'ttUTclithyliitheir  bildet  monokline,  bei  93°— 94°  schmelzende  Krystalle. 

Bcnssanifiben^hydroxylamin  (60),  N(C7H50)(C8H70,)(C7H50)0,  entsteht 


Benzoesäure.  167 

in  drei  Modificationen  durch  Einwirkung  von  Benzoylchlorid  auf  Benzanishydro- 
zamsaures  Silber. 

«)  Hauptprodukt.  Kurze  trikline  Säulen.  Schmp.  113— lU®.  Wird  von  Salzsäure  leicht 
in  Benzoesäure,  Anissäure  und  Hydroxylamin  zerlegt. 

P)  Rhombische  Prismen,  welche  bei   124"— 12.5^  schmelzen. 

7)  Monokline  Tafebi.  Schmelzp.  ca.  110"  (?)  Durch  Einwirkung  von  Salzsäure  wird  es 
tlio'Iweise  in  ß-Modification  umgewandelt. 

Üibenzanishydroxylamin(6o),  N(C7H50)j(CgH702)0,  entsteht  ausAnisyl- 
chlorid  und  dibenzhydroxamsaurem  Silber.     Zwei  Modificationen. 

a)  Monokline  Nadeln.     Schmp.   110—110*5. 

3)  Kleine  bei  109—110"  schmelzende  Krystalle.  Die  a-Moditation  wird  durch  Salzsäure 
leichter  als  die  ß-Modification  in  Anissäure  und  Dibenzhydroxamsäure  zerlegt. 

Anisdibenzhydroxylamin  (60),  N(C8H702)(C7H50)20,  entsteht  in  zwei 
Modificationen  aus  Benzoylchlorid  und  anisbenzhydroxamsaurem  Silber. 

a)  Monokline  Tafeln.     Schmp.  137—137-5". 

ß)  Kleine  Krystalle,  Schmp.  109"5 — UO'Ö"  Durch  Salzsäure  wird  a  leicht,  ß  schwierig 
in  Benzoesäure  und  Benzhydroxamsäure  gespalten. 

Anisbenzanishydroxylamin  (60),  N(CgH702)(C7H50)(CgH702)0,  aus 
Anisylchlorid  und  anisbenzhydroxamsaurem  Silber  dargestellt,  bildet  zwei  Modifi- 
cationen. 

a)  Monokline  Prismen.     Schmp.  152 — 153". 

ß)  Monokline  Tafeln.     Schmp.  148—149". 

a-Verbindung  wird  leicht  von  Salzsäure  gespalten. 

Dianisbenzhydroxylamin  (60),  N(C8H 703)2(071150)0,  wird  aus  Benzoyl- 
chlorid und  dianishydroxamsaurem  Silber  dargestellt  und  bildet  bei  147'5° 
schmelzende  Krystalle. 

Benzdianishydroxylamin,  N(C7H50)(CgH702)20,  entsteht  in  zwei  Modi- 
ficationen aus  Anisylchlorid  und  benzanishydroxamsaurem  Silber. 

a)  Trikline  Säulen.     Schmp.   137-5- 138-5". 

ß)  Trikline  Tafeln,  Schmp.  137.5—138".  Beide  Modificationen  werden  leicht  durch  Salz- 
säure zerlegt. 

Benzoylderivate  der  Oxysäuren  und  Amidosäuren  der  Fettreihe 
sind  weiter  unten  beschrieben. 

Substitutionsprodukte  der  Benzoesäure. 

Chlorbenzoesäure*),  CgH^ClCOjH. 

o-Chlorbenzoesäure  (Chlorsalylsäure).     Die  wichtigsten  Entstehungs- 

•)  i)  CmozzA,  Ann.  83,  pag.  317.  Glu'I*z,  Ann.  143,  pag.  194.  2)  Emkierling,  Ber.  8,  pag. 
880—83.  3)  Henrv,  Ber.  2,  pag.  136,  493.  Richter,  Ber.  4,  pag.  463.  4)  Klepl,  Privatmitthlg. 
5  a)  Koi3E  u.  Lautkmann,  Ann.  115,  pag.  183.  Beilstein  u.  Reichenbach,  ibid  132,  pag.  311. 
5b)  HöBNER  u.  Uppmann,  Z.  Ch.  1870,  pag.  293.  6a)  Ost,  J.  pr.  Ch.  (2)  11,  pag.  385. 
6b)  Kekule,  Ann.  117,  pag.  188.  7)  Schreib,  Ber.  13,  pag.  465.  8)  Beh^tein  u.  Geit.ner, 
Ann.  139,  pag.  336.  9)  Beilstein  u.  Kuhj.berg,  Ann.  146,  pag.  328;  147,  pag.  344.  10)  Beil- 
stein u.  WiLBRAND,  Ann.  128,  pag.  270.  11)  Müller,  Z.  Chem.  1869,  pag.  137.  i2a)FiELD, 
Ann.  65,  pag.  55.  12  b)  Otto,  Ann.  122,  pag.  157.  13)  Hübner  u.  Weiss,  Ber.  6,  pag.  175. 
14)  Wroblewsky,  Ann.  168,  pag.  200.  15)  Beilstein  u.  Schlun,  Ann.  133,  pag.  239.  16)  LiM- 
PRiCHT  u.  UsLAR,  Ann.  102,  pag.  259.  17)  Dies.,  Ann.  106,  pag.  35—36.  18)  Griess,  Ber.  2, 
pag-  370-  19)  Schultz,  Ann.  187,  pag.  260 — 70.  20)  Oti'O,  Ann.  122,  pag.  147;  123,  pag.  225. 
21)  Beilstein,  Ann.  179,  pag.  284—91.  22)  Beilstein  u.  Kuhlberg,  Ann.  152,  pag.  232. 
23)  Dies.,  Ann.  152,  pag.  225.  24)  Claus  u.  Pfeifer,  Ber.  5,  pag.  658;  6,  pag.  721.  Claus 
u.  Thiel,  Ber.  8,  pag.  948.  25)  Beilstein  u.  Kuhlberg,  Ann.  1S2,  pag.  234.  26)  Jannasch, 
Ann,  142,  pag.  301.    27)  Salkowsky,  Ann.  163,  pag.  28.    28)  Beilstein  u.  Kuhlberg,  Ann.  152, 


t68  Handwörterbuch  der  Chemie. 

weisen  sind:  Erhitzen  von  Salicylsäure  mit  Phosphorpentachlorid  (i),  Oxydation 
von  o-Chlortoluol  mit  einer  verdünnten  Lösung  von  übermangansaurem  Kali  (2) 
oder  von  o-Chlorbenzalchlorid,  CgH^ClCHCl,,  mit  Chromsäure  und  Zersetzung 

Cl 

des  o-Chlorbenzonitrils  (3),  CßH^p^^,  mit  Salzsäure. 

Zur  Darstellung  (5  a)  wird  1  Mol.  Salicylsäure  oder  Salicylsäureäther  mit  2  MoL  Phosphor- 
pentachlorid gemischt,  bis  zum  Aufhören  der  Salzsäureentwicklung  am  aufsteigenden  Kühler  ge- 
kocht, destillirt,  das  zwischen  220°  und  300®  übergehende  durch  siedendes  Wasser  zersetzt  und 
von  dem  zurückbleibenden  Oel  (Chlorbenzotrichlorid,  CßH^ClCCl,)  getrennt  Beim  Erkalten 
krystallisirt  ein  Gemenge  von  Salicylsäure  und  Chlorbenzoesäure,  welches  zur  Trennung  durch 
Digeriren  mit  Kalkmilch  in  schwer  lösliches  basisch  salicylsaures  Calcium  und  leicht  lösliches 
chlorbenzoesaures  Salz  umgewandelt  wird.  Die  Säure  wird  aus  letzterem  mit  Salzsäure  abge- 
schieden und  durch  Umkrystallisiren  aus  Alkohol  gereinigt.  Auch  Destillation  mit  Wasserdämpfen,  . 
mit  welchen  nur  die  Salicylsäure  flüchtig  ist,  lässt  sich  zur  Trennung  benutzen.  Nach  Ver- 
suchen von  Klepl  (4)  wird  das  o-Chlorbenzotrichlorid  durch  Kochen  mit  wenig  Wasser  ent- 
haltender Schwefelsäure  leicht  in  Chlorbenzoesäure  übergeftihrt;  es  lässt  sich  daher  die  Säure 
auch  aus  diesem  leicht  rein  darzustellenden  Chlorid  gewinnen. 

Die  Säure  bildet  seideglänzende  Nadeln,  welche  bei  137°  schmelzen.  1  Tb. 
löst  sich  bei  0°  in  881  Th.  Wasser.  Durch  Natriumamalgam  (5  b)  wird  sie  in  Ben- 
zoesäure, durch  schmelzendes  Alkali  (6  a)  in  o-  und  m-Oxybenzoesäure  umgewandelt. 
Das  Kalksalz  ist  sehr  leicht  löslich.  (Unterschied  von  p-  und  m-Chlorbenzoe- 
säure.) 

Das  Chlorid  (2,  7),  CgH^ClCOCl,  siedet  bei  235— 238^ 

Das  Amid  (6b),  CgH4ClCONH2,  bildet  bei  139»  schmelzende  Nadeln. 

Das  Nitril  (3),  C^H^CICN,  krystallisirt  in  langen  bei  42—43**  schmelzenden  Nadeln. 
Siedep.  2320. 

Das  Anilid  (6b),  C^H^ClCONHCgHs,  bildet  weisse,  in  heissem  Wasser  wenig  lösliche 
Nadeb. 

m.- Chlorbenzoesäure.  Ihre  wichtigste  Bildungsweise  beruht  auf  der  Ein- 
wirkung von  Chlor  resp.  Chlor  abgebenden  Substanzen,  z.  B.  Salzsäure  und 
chlorsaurem  Kali  (12  a),  Salzsäure  und  Braunstein  (13),  Chlorkalk  (12b),  Antimon- 
pentachlorid  etc.  auf  Benzoesäure.  Ausserdem  wird  sie  durch  Oxydation  von 
m-Chlortoluol  (14)  und  seiner  Derivate  und  durch  Zersetzung  von  m-Amidobenzoc- 
säure  (30)  erhalten. 


pag.  245.  29)  Hartmann,  J.  pr.  Ch.  (2)  12,  pag.  204.  30)  Griess,  Ann.  117,  pag.  13 — 15. 
31)  Grabe,  Ann.  138,  pag.  197.  33)  v.  Richter,  Ber.  4,  pag.  463,  Griess,  Ann.  135, 
pag.  121.  34)  BöTTiNGER,  Ber.  7,  pag.  1779.  35)  Zinke,  Ber.  7,  pag.  1502.  36)  Rahus, 
Ann.  198,  pag.  102.  37)  Hübner,  Ohly  u.  Philipp,  Ann.  143,  pag.  257.  38)  Fittig  u.  König, 
Ann.  144,  pag.  283.  Meusel,  Z.  Ch.  3,  pag.  322.  Schulz,  Ann.  174,  pag.  209,  216,  219. 
39)  Halbf.rstadt,  Ber.  14,  pag.  907.  40)  Wroblewsky,  Ann.  168,  pag.  156.  41)  Jackson. 
Ber.  9,  pag.  931.  42)  Wurster,  Ann.  176,  pag.  149.  43)  Hübner  u.  Friedburg,  Ann.  158, 
pag.  26.  Hübner  u.  Angerstein,  Ann.  158,  pag.  2.  Hübner  u.  Petermann,  Ann.  149,  pag.  131. 
44)  Barth,  Ann.  164,  pag.  144.  45)  Hübner  u.  Angerstein,  Ann.  158,  pag.  10.  46)  Burg« 
hardt,  Ber.  8,  pag.  557—60.  47)  Lawrie,  Ber.  10,  pag.  1704—5.  48)  Beilstein  u.  Geitner, 
Ann.  139,  pag.  4.  50)  Richter,  Ber.  8,  pag.  1422.  51)  Nevill  u.  Winther,  Ber.  13.  pag.  970 — 73. 
52)  Reinere,  Z.  Chem.  (2)  5,  pag.  110.  53)  Smffh,  Ber.  10,  pag.  1706.  54)  Vollbrecht, 
Ber.  10,  pag.  1708.  55)  Pfeiffer,  Ber.  5,  pag.  656.  56)  Griess,  Ber.  4,  pag.  521.  57)  Richter, 
Ber.  4,  pag.  553.  58)  Kekule,  Ber.  7,  pag.  1006.  59)  Körner,  Z.  Ch.  (2)  4,  pag.  327. 
60)  Schultz,  Ann.  207,  pag.  333.  61)  Grothe,  J.  pr.  Ch.  (2)  18,  pag.  324.  62)  Peltzer,  Ann.  136, 
pag.  200.  63)  Richter,  Z.  Ch.  (2)  5,  pag.  459.  64)  Claus  u.  Lade,  Ber.  14,  pag.  1168. 
65)  Paterno  u.  Oliveri,  Ber.  15,  pag.  1197.     66)  v.  Richter,  Ber.  4,  pag.  465. 


'C 


^. 


Benzoesäure.  169 

Zur  Darstellung  (13)  erhitxt  man  7  Grm.  Benzoesäure,  6  Grm.  Braunstein  und  40  Grm. 
ranchende  Salzsäure  auf  150®  und  reinigt  die  entstandene  Säure  durch  Umkrystallisiren. 

Die  Säure  setzt  sich  aus  Alkohol  in  concentrisch  gVuppirten,  bei  löS"* 
schmelzenden  Nadeln  ab.  1  Th.  ist  bei  0°  in  2830  Th.  Wasser  löslich.  Durch 
schmelzendes  Kali  wird  sie  in  m-Oxybenzoesäure  übergefiihrt.  Die  Salze  sind 
meist  löslich  in  Wasser. 

Das  Chlorid,  welches  auch  durch  Erhitzen  von  m-Sulfobenzoylchlorid  (16),  C6^4roCl 
sowie  aus  Chinasäure  (31)  und  PCI5  entsteht,  siedet  bei  225®. 

Das  Amid  (17)  bildet  Blättchen.     Schmp.  122®. 

Das  Nitril  (17,  18)  krystallisirt  in  Prismen.     Schmp.  40®. 

p-Chlorbenzoesäure  (Chlordracylsäure),  entsteht  durch  Oxydation 
von  p-Chlortoluol  (2,  8),  p-Chlor-Benzylalkohol,  resp.  Aldehyd,  durch  Zersetzung 
von  p-Diazoamidobenzoesäure  (10)  mit  Salzsäure,  durch  Behandlung  von  p-Chlor- 
benzol  (11)  mit  Braunstein  und  Schwefelsäure  und  durch  Einwirkung  von  Phos- 
phorpentachlorid  auf  p-Oxybenzoesäure  (29). 

Zur  Darstellung  aus  p-Chlortoluol  wird  1  Th.  desselben  mit  einem  Gemisch  (8)  von 
4  Thln.  dichromsaurem  Kali  und  6  Thln.  Schwefelsäure  und  demselben  Volumen  Wasser 
oder  mit  einer  Lösung  von  3  Thln.  übermangansaurem  Kali  (2)  erwärmt.  Nach  Beendigung  der 
Reaktion  wird  zunächst  das  unzersetzte  Chlortoluol  mit  Wnsserdämpfen  abdestillirt  und  bei  An- 
wendung von  Kaliumdichromat  die  Säure  nach  dem  Erkalten  der  Flüssigkeit  abfiltrirt.  Hat  über- 
maogansaures  Kali  zur  Oxydation  gedient,  so  wird  das  Manganoxyd  durch  Filtration  entfernt  und 
das  Kalisalz  durch  Salzsäure  zerlegt.  Hat  man  zur  Oxydation  rohes  Chlortoluol  (o-Chlortoluol 
endialtend)  angewandt,  so  werden  die  beiden  Säuren  durch  Ueberführung  in  die  Kalksalze 
(p-chlorbenzoesanres    Calcium  ist  schwer  löslich  in  Wasser)  getrennt 

p-Chlorbenzoesäure  bildet  Nadeln  oder  Schuppen,  welche  bei  237°  schmelzen. 
Das  Chlorid  (2)  bildet  eine  zwischen  220—222^  siedende  Flüssigkeit,  das  Amid  (2)  bei 
170*^  schmelzende  in  Wasser  schwer  lösliche  Nadeln.     Anilid,  bei  194^  schmelzende  Nadeln. 

Dichlorbenzoesäure,  CgHgCljCOjH. 

Säinmtliche  drei  bekannte  Modificationen  dieser  Säure  (a,  ß,  y)  entstehen  durch  Erhitzen 
TOD  rohem  Dichlorbenzotrichlorid  (19),  CgH,CljCCl,,  mit  Wasser  auf  200".  Man  trennt  sie 
durch  Ueberführung  in  die  Barytsalze,  von  denen  dasjenige  der  ß-Säure  am  schwersten,  das  der 
7-Säure  am  leichtesten  löslich  ist 

«•Dichlorbenzoesäure  (21,  24),  CgHjCOjHClQ,   wird  ausser  auf  dem  bereits  ange- 

1  3   3  oder  5 

führten  Wege  (24)  durch  Chloriren  von  o-Chlorbenzoesäure  und  m-Chlorbenzoesäure  resp.  Ben- 
zoesäure dargestellt  Nadeln,  welche  bei  156°  schmelzen.  Sie  siedet  unzersetzt  bei  301°. 
1  TbL  löst  sich  bei  11°  in  1193  Thle.  Wasser. 

Baiytsalz,  (C,H,a,C0j)8Ba -^  3H,  O.     100  Tbl.  H^O  lösen  bei  16°  2,64  Thle. 

Amid  bildet  wollige,  bei  156°  schmelzende  Nadeln. 

ß-Dichlorbenzoesäurc,  CgHjCOjHClCl,   zuerst  durch  Zersetzung  von   Dichlorhippur- 

1  s  4 

saure  (20)  mit  Salzsäure  dargestellt,  entsteht  ausserdem  durch  Einwirkung  von  Pentachlorantimon 
auf  p-Chlorbenzoesäure  (21),  durch  Oxydation  von  Dichlortoluol  (23)  und  seiner  Derivate  und 
durch  Behandlung  von  Benzoesäure  oder  m-Chlorbenzoesäurc  mit  Chlorkalk  (22),  chlorsaurem 
Kali  (21)  und  Salzsäure  etc.  und  zwar  neben  der  a-Säurc.  Die  Trennung  wird  durch  die 
Barvtsalze  bewerkstelligt  Glänzende  Nadeln,  welche  bei  201°  schmelzen.  1  TI1I.  Säure  ist  in 
U63  Thln.  Wasser  löslich. 

Barytsalz,  (CjH,Cl,CO,),Ba  +  4H3O.     100  Thl.  H,0  lösen  bei  18°  MO  Thle. 

Amid  bildet  Nadeln,  welche  bei  133°  schmelzen. 

7-Dichlorbenzoesäure  (19),  Stellung  unbekannt  Sie  krystallisirt  aus  Alkohol  in 
Nadehi,  welche  bei  126*5°  schmelzen. 

Barytsalz.  {CgH,Cl,CO,)jBa -^  3iH,0,  bildet  kleine  Nadehi.  100  Thle.  H,0  löseu 
bei  4®  4*7  Thle.     Das  Salz  ist  auch  in  Alkohol  leicht  löslich. 


17©  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Amid  bildet  bei  166®  schmelrende  NadelD. 

Trichlorbenzoesäure,  CßHjCIgCOjH,  ist  in  zwei  Modificationen  bekannt. 

a-Trichlorbenzoesäure,   CgH^COjHClClCl,  entsteht  durch  fortgesetztes  Kochen   von 

1  8  4  (?) 

Benzoesäure  oder  jü-Dichlorbenzoesäure  (25)  mit  Chlorkalklösung,  durch  Oxydation  von  Trichlor- 
toluol  (26)  (Schmp.  75— TG'')  und  durch  Erhitzen  von  Trichlorbenzotrichlorid  (25)  (Schmp.  82^ 
mit  Wasser  auf  250—260°.     Nadeln,  welche  bei   163**  schmelzen.     In  Wasser  fast  unlöslich. 

Der  Aethylester  bildet  bei  65 ^  das  Amid  bei  167*5"  schmelzende  Nadeki.  Das 
krystallisirende  Chlorid  schmilzt  bei  41°  und  siedet  bei  272°. 

p-Trichlorbcnzoesäure  (27),   CgH^COgH CICICI,  durch  Zersetzung  von  Chrysanissaure 

1  345 

(Dinitro-p-Amidobenzoesäurc)  mit  rauchender  Salzsäure  bei  200 — 210°  erhalten,  krystallisirt  in 
glänzenden  Nadeln,  welche  bei  203°  schmelzen.  Fast  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in 
Alkohol  und  Aether. 

Das  Chlorid  bildet  Nadeln,  welche  bei  36°  schmelzen.  Amid  schmilzt  bei  176°, 
Aethylester  bei  86°. 

Tetrachlorbenzoesäure,  CgHCl^CO^H,  entsteht  durch  Erhitzen  von  Tctrachlorbenzo- 
trichlorid  (28),  CgHCl^CClj,  mit  Wasser  auf  280°.  Sie  schmilzt  bei  187°  und  bildet  ein  in 
Nadeln  krystallisirendes  Barytsalz.  Durch  Behandlung  von  o-Chlorbenzoesäure  (21)  mit  Penta- 
chlorantimon  wird  ebenfalls  eine  Tetrachlorbenzoesäure  erhalten.  Es  ist  noch  nicht  fest 
gestellt,  ob  dieselbe  identisch  oder  isomer  mit  der  ersteren  ist. 

Brombenzoesäuren,  CfiH4BrC02H. 

o-Brombenzoesäure,  zuerst  aus  salpetersaurer  o-Amidobenzoe säure  {33) 
erhalten,  entstellt  in  geringen  Mengen  neben  der  Metaverbindung  durch  direkte 
Bromirung  (34)  von  Benzoesäure,  durch  Erhitzen  von  m-Bromnitrobenzol  (66)  mit 
Cyankalium  auf  200°  und  durch  Oxydation  von  o-Bromtoluol. 

Zur  Darstellung  wird  am  besten  o-BromtoluoI  oxydirt.  Das  roJie  (p-Bromtoluol  haltige) 
Produkt  wird  mit  Salpetersäure  (35)  (1  Vol.  NO3H,  3 — 4  Vol.  H.jO)  oder  Übermangansaurem 
Kali  (36)  mehrere  Tage  am  RUckflusskühler  erhitzt  und  darauf  das  unzersetzte  Ocl  mit  Wasser- 
dämpfen abdestillirt.  Aus  der  erkalteten  Flüssigkeit  setzt  sich  die  Hauptmenge  der  p-Säurc  ab; 
aus  dem  mit  Ammoniak  neutralisirten  und  auf  ^  seines  Vol.  eingedampften  Filtrat  wird  die 
O-Brombenzoesäure  mit  Salzsäure  abgeschieden  und  durch  Umwandlung  in  das  leicht  lösliche 
Barytsalz,  von  dem  schwer  löslichen  p-brombenzoesauren  Baryt  getrennt. 

Die  Säure  krystallisirt  aus  Wasser  in  seideglänzenden  Nadeln,  welche  bei 
150"  schmelzen.     Wenig  flüchtig  mit  Wasserdämpfen. 

Die  Salze  sind  meist  leicht  löslich  in  Wasser.  Barytsalz,  (CgH^BrCO,)jBa,  bildet 
Warzen.     Methyl-  und  Aethylester  sind  flüssig. 

Anilid,  CgH^BrCOHNCgHj,  krystallisirt  in  farblosen,  bei  141  —  142.5**  schmelzenden 
Nadeln. 

m-Brombenzoesäure  entsteht  analog  ihren  Isomeren  aus  m-Amidobenzoe- 
säure,  aus  m-Bromtoluol  (40)  und  anderen  m-Bromderivaten  (41)  des  Benzols. 
In  kleinen  Mengen  wird  sie  beim  Erhitzen  von  m-l)ibrombenzol  (42),  Natrium 
und  Chlorkohlensäureester  gebildet. 

Zu  ihrer  DarsteUung  (43)  werden  2  Mol.  Brom  mit  1  Mol.  Benzoesäure  und  wenig  Wasser 
im  geschlossenen  Rohr  auf  100  oder  U'O^  erhitzt,  die  unzersetzte  Benzoesäure  durch  Destillation 
mit  Wasserdämpfen  entfernt,  die  Säure  in  das  Barytsalz  übergeführt  und  dieses  durch  Umkrystalli- 
5iren  gereinigt 

Die  Säure  krystallisirt  aus  Alkohol  in  glatten  Nadeln,  welche  bei  155° 
schmelzen.  Siedep.  286*^.  Schwer  löslich  in  Wasser.  Durch  sehmelzendes 
Kali  (44)  entsteht  aus  Brombenzoesäure  Oxybenzoesäure  neben  kleinen  Mengen 
von  Salicylsäure.  Durch  Erhitzen  mit  Salzsäure  und  chlorsaurem  Kali  auf  100** 
wird  Brom  durch  Chlor  ersetzt.  Das  Barytsalz,  (C6H,BrCO,),Ba -h  iH^O  ist 
schwer  löslich  in  Wasser. 


Benzoesäure.  171 

Methylester  schmilzt  bei  31— 32^ 

Chlorid  ist  ein  bei  239°  siedendes  Oel. 

Amid  bildet  perlmutterglänzcnde,  bei   150^  schmelzende  Blättchen. 

Nitril  ist  eine  bei  38^  schmelzende   Krystallmasse. 

p-Brombenzoesäure,  Bromdracylsäure,  zuerst  aus  p-Amidobenzoe- 
^^TC  (33)  erhalten,  wird  am  besten  durch  Oxydation  von  p-Bromtoluol  (37)  in 
der  bei  der  o-Chlorbenzoesäure  angegebenen  Weise  dargestellt.  Sie  entsteht 
ausserdem  durch  Einwirkung  von  Oxydationsmitteln  auf  Benzolderivate  (38), 
welche  Brom  und  ein  zu  Carboxyl  oxydirbares  Radikal  in  der  ParaStellung  ent- 
halten. Interessant  ist  ihre  Bildung  aus  p-Nitrobenzoesäure  (39),  welche  beim  Er- 
hitzen mit  Brom  auf  270—90°  als  Hauptprodukte  p-Brombenzoesäure  und  Tetra- 
brombenzol neben  Dibrombenzol  und  Dibrombenzoesäure  liefert.  Die  Säure 
bildet  farblose,  bei  251°  schmelzende  Nadeln.  Sie  sublimirt  unzersetzt  und  ist 
mit  Wasserdämpfen  wenig  flüchtig. 

Der  Aethylester  ist  flüssig. 

Das  Barytsalz,  (CgH4BrCOj)5,Ba,  bildet  pcrlmutterartig  glänzende  Blättchen.  Anilid, 
farblose  Blättchen.     Schmp.   197°. 

Dibrombenzoesäure,  CßHjBrgCOOH,  ist  in  füiif  Modificationen  darge- 
stellt, über  welche  theilweise  sich  widersprechende  Angaben  vorliegen. 

«)  CgHjCOjHBrBr,    entsteht  durch  Oxydation  von  Dibromtotuol    (51),   aus  m-Bromnitro- 
1  7    i 

benzoesäure  (47)  (Schmp.  141°),  aus  Nitro-p-Dibrombenzol  (50)  (Schmp.  84°)  mit  Cyankalium 
und  durch  Einwirkung  von  Brom  auf  o-Nitrobenzocsäure  (64).  Glänzende,  bei  151—153° 
schmelzende  Nadeln. 

p)  CgHjCOjHBrBr  (51)  entsteht  durch  Oxydation  von  o-p-Dibromtoluol.  Schmp.  168 
bis  70°  *         '  * 

T)  C^HjCOjjHBrBr,   entsteht    durch  Oxydation    von  Dibromtoluol  (Schmp.  39°)  (51)   aus 
1  s   s 

Dibrom-p-Amidobefizoesäure  (48)  und  aus  Nitro-m-Dibrombenzol  (50)  (Schmp.  61°)  mit  Cyan- 
kalium.    Bei  208—209°  schmelzende  Nadeln. 

h)  CgHjCOjHBrBr,    entsteht    durch    Oxydation    des    entsprechenden    Dibromtoluols  (51). 
1  3  4   (2) 

Schmp.  232 — 233°.  Durch  Erhitzen  von  Benzoesäure  (45)  mit  der  berechneten  Menge  Brom 
entsteht  eine  vielleicht  mit  jener  identische  Säure. 

c)  aus  p-Bromnitrobenzoesäure  (46)  (Schmp.  15)9^*)  uml  m-Bromnitrobenzocsäurc  (47) 
(Schmp.  250°)  dargestellt,  bildet  farblose,  bei  229— 2H0°  schmelzende  Nadeln.  Vielleicht  iden- 
tisch mit  a. 

Eine  bei  146 — 48°  schmelzende  Säure  ist  durch  Oxydation  von  Dibromtoluol  (51) 
(Schmp.  27*4— 27*8)  und  durch  Einwirkung  von  Brom  auf  o-Nitrobenzoesäure  (64)  erhalten 
worden. 

Tribrombenzoesäure,  CgHgBr^COjH.     Vier  Isomere. 

a)  entseht  durch  Einwirkung  von  Brom  (52)  und  Wasser  auf  Benzoesäure  oder  m-Brom- 
benzoesänre  bei   140—161.     Seideglänzende  bei  235°  schmelzende  Nadeln. 

P)  aus  Amidobrombenzoesäure  (53)  (Schmp.  229°)  dargestellt,  bildet  bei  195°  schmelzende 
Nadeln. 

7)  aus  Tribrom-m-Amidobenzoesäure  (54)  (Schmp.  170*5°)  erhalten,  bildet  bei  186-5° 
schmebende  Nadeln. 

l)  aus  m-Bromnitrobenzoesäure  (47)  (Schmp.  141°)  neben  5-Dibrombenzoesäure  erhalten, 
bildet  farblose,  bei   178°  schmelzende  Nadeln. 

PentabrombenzocsUure  (52),  CgBrj-COjH,  bildet  sich  durch  Erhitzen  von  Bromben- 
zoesänre,  Wasser  und  Brom  oberhalb  200°,  wobei  ein  Theil  der  Säure  in  Pentabrombenzol  und 
Kohlenstture  zcrföllt.  Sie  krystallisirt  aus  Alkohol  oder  Benzol  in  Nadeln,  welche  bei  234—235° 
idimeben. 


\ 


172  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Chlorbrombenzocsäure  (55),  CgHjBrClCOjH,  ist  in  zwei  Modificationcn  durch  Ein- 
wirkung von  Brom  auf  o-  und  m-chlorbenzoesaures  Silber  in  hcisser  wässriger  Lösung  darge- 
stellt  worden. 

Brom-o -Chlorbenzoesäure,  glänzende  Nadeln,  welche  bei  151*^  schmelzen.  Bei  21^ 
in  380  Thln.  H,0  löslich. 

Brom-m-Chlorbcnzoesäurc,  kleine  bei  160"  schmelzende,  leicht  sublimirbare  Nadeln. 
Bei  21»  in  1080  Thln.  H^O  löslich. 

Jüdbenzoesäure,  CgHJCOgH.  Es  existiren  nur  die  Monojodsubstitutions- 
prodiikte  der  Benzoesäure. 

o-Jodbenzoesäure,  entsteht  durch  Einwirkung  von  Jodwasserstoifsäure  auf 
schwefelsaure  o-Diazobenzoesäure  (57),  durch  Oxydation  von  o-Jodtoluol  (58) 
und  durch  Einwirkung  von  Cyankalium  (57)  auf  m-Jodnitrobenzol  (Schmp.  35  bis 
36°),  neben  wenig  p-Jodbenzoesäure.  Weisse  Nadeln,  welche  bei  157°  schmelzen. 
Durch  schmelzendes  Kali  entsteht  Salicylsäure. 

p-Jodbenzoesäure,  entsteht  aus  p-Diazobenzoesäure  (56),  aus  Jodtoluol  (59) 
und  p-Dijoddiphenyl  (60).  Farblose,  bei  256°  schmelzende  Blättchen,  welche  un* 
zersetzt  sublimiren. 

Der  Methylester  bildet  lange  bei   114"  schmelzende  Nadeln. 

m-Jodbenzoesäure,  bildet  sich  analog  der  entsprechenden  Chlor-  und 
Brombenzoesäure  durch  Erhitzen  von  Benzoesäure  mit  jodsaurem  Kali  (62)  und 
Schwefelsäure  oder  von  benzoesaurem  Natron  mit  Jod  und  Jodsäure  (63).  m-Dia- 
zoamidobenzoesäure  (61)  lässt  sich  ebenfalls  in  m-Jodbcnzoesäure  umwandeln. 
Nadeln,  welche  bei  186—187°  schmelzen. 

Nitril  schmilzt  bei  40®. 

Fluorbenzoesäure  (65),  C6H4FICO3H,  die  drei  isomeren  Säuren  entstehen 
durch  Einwirkung  von  Fluorwasserstoff  auf  die  entsprechenden  Diazoamidoben- 
zoesäuren. 

o-Fluorbenzoesäure,  bildet  feine  Nadeln,  welche  bei  117 — 118°  schmelzen. 
Die  Säure  ist  in  Wasser  leichter  löslich  als  ihre  Isomeren. 

p-Fluorbenzoesäure,  krystallisirt  aus  Alkohol,  Aether  und  Benzol  in 
glatten  Nadeln,  welche  bei  180—181°  schmelzen. 

m-Fluorbenzoesäure,  schmilzt  bei  123—124°.  Der  Methylester  siedet 
bei  192—194°. 

Nitrobenzoesäure*),  CßHiNOjCOjH.    Es  existiren  drei  Isomere,  welchö 

*)  i)  FiTTiCA,  Ber.  8,  pag.  252;  11,  pag.  1207.  J.  pr.  Ch.  (2)  17,  pag.  184.  2)  Gribss, 
Ber.  8,  pag.  526.  Ladenburg  8,  pag.  535.  Hübner  8,  pag.  570.  Widnmann,  Ann.  193, 
pag.  213.  Claus,  Ber.  13,  pag.  891.  Liebermann,  Ber.  10,  pag.  1036.  3)  Bodewig,  B.  12, 
pag.  1983.  4)  GRIESS,  Ber.  8,  pag.  526;  10,  pag.  1870.  5)  Widnmann,  Ann.  193,  pag.  204 — 5. 
6)  Monnet,  Reverdin  u.  Nölting,  Ber.  12,  pag.  443.  7)  Radziszewsky,  Ber.  3,  pag.  648. 
8)  Beilstein  u.  Kuhlberg,  Ann.  163,  pag.  134.  9)  Rudolph,  Ber.  13,  pag.  311.  10)  Claisen 
und  Shadwell,  Ber.  12,  pag.  351.  11)  BÄrthlein,  Ber.  10,  pag.  1713.  12)  Gl^nard  und 
BouDAULT,  Ann.  48,  pag.  343.  13)  Beii>stein  u.  Wilbrand,  Ann.  128,  pag.  257  u.  ff.  14)  Beil- 
STEIN  u.  Geitner,  Ann.  139,  pag.  335.  15)  Rosknstiehi^  Z.  Ch.  (2)  5,  pag.  701.  16)  Beil* 
stein  u.  Kuhlberg,  Ann.  163,  pag.  128.  17)  Michael  u.  Norton,  Ber.  10,  pag.  580. 
18)  Hassenpflug,  Kekule,  Lehrb.  III.,  pag.  550.  19)  Beilstein  u.  Reichenbach,  Ann.  132, 
pag.  141.  20)  Fricke,  Ber.  7,  pag.  132 1.  21)  Mulder,  Ann.  34,  pag.  298.  22)  Gerland, 
Ann.  91,  pag.  185.  23)  Bertagnini,  Ann.  78,  pag.  118.  24)  Beilstein  u.  Kuhlberg  163, 
pag.  136.  25)  Bertagnini,  Ann.  79,  pag.  266.  26)  Paterno  u.  Oglialoro,  Ber.  6,  pag.  1203. 
27)  Socoloff,  J.  1864,  pag.  343.  28)  Salkowsky,  Ber.  10,  pag.  1258.  29)  Chancel,  Ann.  72, 
pag.  275.     30)  Claisen  u.  Thompson,  Ber.  12,  pag.  1943.     31)  Gerhardt,  Ann,  87,  pag.  158^ 


Bensoesäure.  1 73 

sämmtlich  durch  direktes  Nitriren  von-  Benzoesäure  entstehen.  Nach  Angaben 
von  FiTTiCA  (i)  sollen  bei  Anwendung  bestimmter  Nitrirungs  methoden  airs 
der  Benzoesäure  noch  flinf  andere  isomere  Nitrobenzoesäuren  erhalten  werden, 
deren  Existenz  jedoch  nach  den  zahlreichen  und  genauen  Versuchen  anderer 
Chemiker  (2,  3)  mehr  als  in  Zweifel  gestellt  ist. 

G-Nitrobenzoesäure  entsteht  ausser  durdi  Nitrirung  (4,  5)  der  Benzoe- 
säure durch  Oxydation  von  Ortlionitroderivaten  des  Benzols,  z.  B.  o-Nitrotoluol  (6), 
o-Nitrophenylessigsäure  (7),  o-Nitrozimmtsäure  (8),  o-Nitrobenzaldehyd  (9)  u.  a 

Darstellung.  1.  Aus  Benzoesäure  (4,  5).  Ein  Gemisch  von  1  Thl.  geschmolzener  Benzoe- 
slnre  und  2  Thln.  Salpeter  wird  unter  Umrühren  in  3 — 4  Thle.  concentrirter  Schwefelsäure  ein- 
getragen, und  daxauf  die  Mischung  so  lange  erwärmt,  bis  sich  die  Säuren  als  Oelschicht  auf 
derselben  absetzen.  Die  erkaltete  Schicht  wird  gewaschen,  zur  Entfernung  der  unzersetzten 
Benzoesänre  mit  der  20  fachen  Menge  Wasser  gekocht  und  heiss  mit  Aetzbaryt  neutralisirt. 
Beim  Erkalten  der  filtrirten  Lösung  scheidet  sich  zuerst  die  grösste  Menge  des  m-nitrobenzoe- 
sauren  Baryts  in  Nadeln  aus.  Durch  wiederholtes  Eindampfen  der  Mutterlauge,  Wiederauflösen 
in  wenig  Wasser  und  langsames  KrystaUisiren  erhält  man  grössere  Kiystalle  von  o-nitrobenzoe- 
saorem  Baiyt,  welche  sich  vermöge  ihrer  honiggelben  Farbe  und  ihres  süssen  Geschmackes  von 
dem  p-nitrobenzoesauren  Baryt  trennen  lassen.  Zur  Darstellung  der  Säure  werden  die  Krystalle 
in  Wasser  gelöst,  mit  Salzsäure  zerlegt  und  aus  Wasser  oder  Alkohol  umkrystallisirt.  Beim 
Nitriien  der  Benzoesäure  entstehen    18 — 25}  o-Nitrobenzoesäure  und  2}  p-Nitrobenzoesäure. 

2.  Aus  Nitrotoluol  (6).  Man  kocht  1  Thl.  Nitrotoluol,  3  Thle.  übermangansaures  Kali 
and  100  Thle.  Wasser  zwei  Tage  am  RückflusskUhler  und  destillirt  das  unzersetzte  Nitrotoluol 
ab.  Enthält  das  Letztere  p-  und  m-Nitrotoluol,  so  werden  die  Säuren  durch  UeberfÜhrung  in 
die  Barytsalze  getrennt. 

Die  O-Nitrobenzoesäure  bildet  grosse,  farblose  Nadeln,  Prismen  oder  Tafeln, 
welche  dem  triklinen  System  angehören.  Schmp.  147°.  Spec.  Gew.  =  1-57Ö 
bei  4^  Sie  ist  ziemlich  schwer  löslich  in  kaltem  Wasser,  jedoch  leichter  als 
ihre  Isomeren.  163  Thl.  H,0  lösen  bei  16°  1  Thl.  Säure.  Die  Lösung  schmeckt 
süss.  Von  Alkohol  und  Aether  wird  die  Säure  leicht  gelöst.  Durch  Chromsäure 
wird  sie  leicht  zu  Essigsäure  oxydirt. 

Das  Barytsalt,  (C5H4NOjCO,),Ba -f  3H,0,  bildet  honiggelbe,  trikline  Tafeln. 

Aethylester  (8),  CgH^NOjCOjCjHj,  bildet  trikline,  bei  30"  schmelzende  Krystalle. 

Chlorid  (10),  CgH^NOjCOCl,  bildet  eine  gelbe  Flüssigkeit,  welche  selbst  im  Vacuum 
nicht  ohne  Zersetzung  destillirt.     Dasselbe  bildet  mit  Cyansilber  ein 

Cyanid  (10),  CgH^NO,COCN,  bei  .54*^  schmelzende  Prismen. 

Amid  (II),  C^H^NOjCONHj,.     Bei  174 <*  schmelzende  Nadeln. 

Nitril  (II).  CjH^NOjCN,  bildet  bei  109«  schmelzende  Nadehi. 

m-Nitrobenzoesäure  ist  die  am  längsten  bekannte  der  drei  Isomeren. 
Sie  wurde  zuerst  durch  Einwirkung  von  Salpetersäure  (2 1),  später  von  Salpeter- 

32)  Bsn^STKiN  u.  Reichenbach,  Ann.  132,  pag.  141.  33)  Medicus,  Ann.  157,  pag.  47.  34)  Griess, 
^-  7»  P«g-  1223—28.  35)  Hübner  u.  Stromeyer,  Ber.  13,  pag.  461.  36)  Claus  u.  Halber- 
stadt, Bcr.  13,  pag.  815.  37)  Würster,  Ann.  176,  pag.  162.  38)  Cahours,  Ann.  69,  pag.  241. 
39)  Stadel,  Ber.  14,  pag.  902.  40)  Beilstein  u.  Kurbatow,  Ber.  13,  pag.  355.  41)  Michler, 
A*"»-  '75»  P«g-  "52.  42)  MuRETOW,  Z.  Ch.  (2)  6,  pag.  641.  43)  Tiemann  u.  Jüdson,  Ber.  3, 
pag.  224.  44)  Z.  Cb.  (2)  2,  pag.  614—15.  45)  Hübner  u.  Weiss,  Ber.  6,  pag.  175.  46;  Kekülä, 
Lehrbuch  HI.,  pag.  563—64.  47)  Grübe,  Ber.  10,  pag.  1703.  48)  Wachendorfp,  Ann.  185, 
P>^*275.  49)  Beilstein  u.  Kühlberg,  Ann.  152,  pag.  239.  50)  Rahlis,  Ann.  198,  pag.  109. 
51)  Hübner,  Ohly  u.  Philipp,  Ann.  143,  pag.  233—48.  52)  Hübner  u.  Petermann,  Ann.  149, 
P*S*  132.  53)  Raveill,  Ber.  10,  pag.  1707.  54)  Hübner  u.  Angerstein,  Ann.  158,  pag.  13. 
55)  Sürrn,  Bcr.  10,  pag.  1706.  56)  Grothe,  J.  pr.  Ch.  (2)  18,  pag.  324.  57)  Glassner, 
Ber.  8,  pag.  562. 


174  Handwörterbuch  der  Chemie. 

und  Schwefelsäure  auf  Benzoesäure  (4,  5,  22)  dargestellt  Sie  entstellt  ausserdem 
d«rch  Nitriren  der  Hippursäure  (23)  und  Zersetzung  der  Nitrosäure  durch  HCl, 
und  durch  Oxydation  von  m-Nitroderivaten  des 'Benzols  mit  einer  kohlenstofF- 
haltigen  Seitenkette,  z.  B.  m-Nitrotoluol  (6,  24),  m  Nitrobenzaldehyd  (25)  u.  s.  w. 

Zur  Darstellung  wird  der  m-nitrobenzoesaure  Baryt  (4,  5)  (pag.  1 73)  durch  Umkrystallistren  aus 
Wasser  gereinigt  und  die  Lösung  durch  Salxsäure  zerlegt. 

Die  Säure  krystallisirt  aus  Wasser  in  Blättchen,  aus  Alkohol  in  Tafeln. 
Der  Schmelzpunkt  liegt  bei  140— 4r  (5).  Spec.  Gew.  =  1494  bei  4°.  Die 
langsam  abgekühlte  Säure  schmilzt  bei  135°— 136°;  ihr  ursprünglicher  Schmelz- 
punkt wird  jedoch  durch  rasches  Erkalten  oder  durch  längeres  Aufbewahren 
wieder  hergestellt.  Nach  Bodewig  (3)  beruht  diese  Verschiedenheit  auf  der 
Existenz  von  drei  physikalisch  isomeren  Modifikationen.  Beim  Erhitzen  mit 
Wasser  schmilzt  sie  unter  Aufnahme  des  letzteren  zu  einem  Oel,  welches  gegen 
65°  wieder  erstarrt.  Sie  sublimirt  bereits  gegen  100°.  100  Thle.  Wasser  lösen 
bei  16°-5  0*235  Thle.  Säure.  Durch  Oxydation  mit  Chromsäure  entsteht 
Essigsäure.  Mit  Cyankalium  entsteht  Terephtalsäure  (26).  Die  Salze  (21,  27) 
krystallisiren  grösstentheils. 

Das  Kalksalz,  (CgH^NOjfCOj^),^ -f  H,0,  bildet  mit  1  MoL  benzoesaurem  Kalk  (28)  ein 
krystallinisches  Doppelsak,  welches  3  Mol.  H^O  enthält.  Das  Barytsalz,  (C^H^NOgCOs^^Ba 
+  4U^O,  bildet  dünne  Prismen;  es  ist  schwerer  in  Wasser  löslich  als  die  freie  Säure. 

Methylester  (29),  CgH^NO^CC^CHj ,  bildet  rhombische,  bei  70®  schmelzende 
Prismen.     Siedep.  279®. 

Aethylester  (29),  CgH^NOjCOjCjHj,  monokline  Krystalle.    Schmp.  42®.  Siedep.  298®. 

Chlorid  (30),  CjH^NOj,COCl,  aus  der  Säure  und  Phosphorpentachlorid  dargestellt,  er- 
starrt nach  dem  Schmelzen  zu  diamantglänzenden  Kry stallen.  Schmp.  33 — 34®.  Ks  siedet 
(unter  50—56  Millim.  Druck)  bei  183—84®.     Beim  Destilliren  über  Cyansilber  entsteht  das 

m-Nitrobenzoylcyanid  (30),  CgH^NOjCOCN,  hellgelbes  Liquidum,  welches  unter 
142—147  Millim.  Druck  bei  23i:  — 231*5®  siedet. 

m-Nitrobenzoesäureanhydrid  (31),  (CgH^NO.^CO)jO,  aus  dem  Nationsalz  und 
Phosphoroxychlorid  dargestellt,   bildet  eine  weisse,  in  Alkohol  und  Aether  fast  unlösliche  Masse. 

m-Nitrobenzamid  (32),  CjH^NOjCONHj,  aus  dem  Aethyläther  oder  dem  Chlorid  mit 
Ammoniak  dargestellt,  bildet  gelbe  Nadeln,  welche  bei  140—142®  schmelzen.  Mit  Oenanthol 
entsteht  bei  176®  schmelzendes  Oenanthylidennitrobenzamid  (33). 

m-Nitrobenzonitril  (20),  C^H^NO^CN,  aus  dem  Amid  und  Phosphorsäureanhydrid 
gewonnen,  bildet  farblose,  bei  115°  schmebcende  Nadeln.  Leicht  löslich  in  Alkohol,  Aether  und 
Chloroform. 

p-Nitrobenzoesäure,  Nitrodracylsäure,  wurde  zuerst  durch  Behandlung 
von  Toluol  (12)  mit  Salpetersäure  dargestellt.  Sie  entsteht  in  kleinen  Mengen 
bei  der  Nitrirung  von  Benzoesäure  (4,  5),  durch  Oxydation  von  p-Nitroderivaten 
(13,  14,  15,  16,  17)  des  Benzols  mit  einer  zu  Carboxyl  oxydirbaren  Seitenkette, 
vorzüglich  des  p-Nitrotoluols  und  seiner  Derivate  und  durch  Einwirkung  von 
Braunstein  und  Schwefelsäure  auf  p-Nitrobenzol  (18). 

Zur  Darstellung  dient  das  leicht  rein  zubeschafTende  p-Nitrotoluol  (17).  1  Mol.  desselben 
wird  mit  2^  Mol.  Kaliumpermanganat  und  40  Thle.  Wasser  auf  1  Thl.  Manganat  gekocht 

Die  Säure  krystallisirt  in  glänzenden,  bei  240°  (238**  Widnmann)  schmelzenden 
Blättchen,  welche  in  Nadeln  sublimiren.  1  Thl.  löst  sich  in  140  Thl.  sieden- 
den Wassers  und  in  1200  Thln.  von  17°.  Durch  Oxydation  mit  Chromsäure  (5) 
wird  £ssigsäure  gebildet.     Die  Salze  krystallisiren  gut. 

Das  BarytsaU,  (C5H^NO.^COj)jBa  +  5HjO,  bildet  gelbe,  monokline  Säulen.  Löslich 
in  250  Thln.  kaltem  und  in  8  Thln.  heissem  Wasser.  Das  KalksaU  bildet  mit  benioesaurem 
Kalk  ein  Doppelsalz. 


r 


Benzoesäure.  175 


Methylester  (13).  CgH^NOjCOjCHj,   perlglänzende,   bei  97®  schmelzende  Blättchen. 

Aethylester  (13),  CgH^NOaCOaC^Hs,  bei  57®  schmelzende,  trikline  Krystalie. 

Amid  (19),  CgH^NO-^CONH.^,  krystallisirt  in  Nadeln,  welche  bei  197—98®  schmelzen. 
.Schwer  löslich  in  Wasser. 

Nitril  (20),  CßH^NOjCN,    bildet  perlmutterglänzende,    bei    147®  schmelzende  Blättchen, 

Dinitrobenzoesäuren,  C^H^  (N02)j^C02H.  Es  sind  fünf  Modificationen 
bekannt,  welche  durch  Nitriten  der  drei  Mononitrobenzoesäuren  dargestellt  werden. 
Die  o-Nitrobenzoesäure  liefert  drei  (a,  %  7),  die  p-Nitrobenzoesäure  zwei  (7,  e.)  und 
die  m-Nitrobenzoesäure  eine  Dinitrosäure  (8). 

a)  o-o-Dinitrobenzoesäure(34),  CgHjCOjHNOjNOj,  entsteht  neben  ß  und 

1  2        6 

7  und  neben  St3rphninsäure  beim  Nitriren  von  o-Nitrobenzoe.säure. 

Zur  Darstellung  trägt  man  1  Thl.  Säure  in  10  Thle.  einer  gelinde  erwärmten  Mischung 
gleicher  Theile  Salpetersäure  und  rauchender  Schwefelsäure  ein,  kocht  15  Minuten  und  giesst  das 
Produkt  in  Wasser,  worauf  die  Säuren  theils  sogleich,  theils  nach  3—4  wöchentlichem  Stehen  sich 
abscheiden.  Nach  dem  Waschen  mit  Wasser,  werden  die  Säuren  durch  Kochen  mit  kohlen- 
saurem Baryt  in  Lösung  gebracht  und  die  ungleiche  Löslichkeit  dieser  Salze  in  Wasser  zur 
Trennung  benutzt  Zuerst  krystallisirt  styphninsaurer  Baryt,  darauf  werden  die  Salze  der  ß,  7,  a- 
Säure  in  der  angegebenen  Reihenfolge  abgeschieden. 

Weisse  Nadeln,  welche  bei  202°  schmelzen.  Leicht  löslich  in  heissem  Wasser. 
Die  Säure  zerfällt  bei  der  Destillation  in  Kohlensäure  und  m-Dinitrobenzol.  Durch 
Zink  und  Salzsäure  wird  sie  unter  Abspaltung  von  Kohlensäure  in  m-Phenylen- 
diamin  (Schmp.  63°)  umgewandelt. 

BarytsaU,  (CßH3(N03).2CO,),Ba-f  2H2O,  ist  sehr  leicht  löslich  in  Wasser. 

ß)  o-m-Dinitrobenzoesäure  (34),  CgHoCOgHNOjNOn,  krystallisirt  beim 

1  9         5 

freiwilligen  Verdunsten  ihrer  wässrigen  Lösung  in  farblosen  Prismen,  welche  bei 
177°  schmelzen. 

Barytsalz,  (CgH,(N03,)^C0,)j,Ba -f  4HjO,  ist  fast  unlöslich  in  kaltem,  schwer  löslich  in 
heissem  Wasser. 

7)  o-p-Dinitrobenzoesäure,    CgH.COgHNOgNO«,    entsteht   ausser  aus 

13  4 

o-Nitrobenzocsäure  (34)  beim  Behandeln  von  p-Nitrobenzoesäure  (35,  36)  mit 
Salpeter-  und  Schwefelsäure  neben  der  e-Säure,  und  durch  Erhitzen  von  Dinitro- 
toluol  (37)  (Schmp.  705°)  mit  Salpetersäure  auf  160°. 

Glänzende  Nadeln,  oder  rhombische  Tafeln  und  Prismen,  welche  bei  179° 
schmelzen.  100  Thle.  Wasser  lösen  bei  25°  1-849  Thle.  Säure.  Sie  lieifert  mit 
Zinn  und  Salzsäure  ebenfalls  m-Phenylendiamin. 

Barytsalz,  (C5H3(NOj)2COj)jBa -{- SH^O,  ist  schon  in  kaltem  Wasser  ziemlich  leicht 
löslich. 

S)  m-m-Dinitrobenzoesäure,   CßHgCO^HNOgNOj,  die  zuerst  bekannte 

]  X  5 

Dinitrobenzoesäure,  von  Cahours  (38)  dargestellt.  Sie  entsteht  durch  Kochen  von 
Benzoesäure  oder  m-Nitrobenzoesäure  mit  Salpetersäure  und  Schwefelsäure,  und 
durch  Oxydation  von  Dinitrotoluol  (39),  (Schmp.  91—92°)  oder  von  a  und  ß- 
Dinitronaphtalin  (40). 

Zur  Darstellung  kocht  man  Benzoesäure  (41,  42)  mit  4  Thln.  rother  rauchender  Salpeter- 
säure und  2  Thln.  conc.  Schwefelsäure. 

Sie  krystallisirt  aus  Wasser  in  quadratischen  Tafeln.  Schmp.  204 -—205°. 
Durch  Zinn  und  Salzsäure  wird  Diamidobenzoesäure  gebildet. 

Barytsah,  (CgHj(NOj)3COj)._jBa  +  5H/),  bildet  warzige  Krystalie.  AethylSther, 
C,H,(NO,)jCOgC,H5,  bildet  seideglänzende,  bei  91 «  schmelzende  Nadeln. 

Dinitrobenzamid,  C6H3(N02)j,CONHj,  gelblich  gefärbte  Krystalie.    Schmp.  180°. 


176  Handwörterbuch  der  Chemie. 

e)  m-p-Dinitrobenzoesäure  (36),  C^HjCO^HNO^NO,.    Ihre  Entstehung 

1  *        4 

wurde  bei  der  7-Säure  erwähnt.    Zur  Trennung   der   beiden  Säuren  dienen  die 

Barytsalze  und  die  verschiedene  Löslichkeit  der  Säuren  in  Wasser.    Schmp.  161**. 

100  Thle.  Wasser  lösen  bei  25°  0*673  Thle.  Säure. 

Trinitrobenzoesäure,  C6H2(N02)3C03H  (43),  durch  mehrwöchentliches 
Erhitzen  von  Trinitrotoluol  mit  rauchender  Salpetersäure  auf  100°  dargestellt, 
"krystallisirt  aus  Wasser  in  rhombischen  Prismen,  welche  bei  190°  schmelzen. 

Chlornitrobenzoesäuren:   CgHaClNOjCOjH. 

Man  kennt  sechs  isomere  Säuren  dieser  Zusammensetzung. 

1.  a)  o-Chlor   m-Nitrobenzoesäure    (44),    CßHjCOjHClNO,,    entsteht 

12        8  oder  5 

durch  Eintragen  von  o-Chlorbenzoesäure  in  rauchende  Salpetersäure.  Seide- 
glänzende bei  164 — 165°  schmelzende  Nadeln.  Reductionsmittel  führen  sie  in 
m-Amidobenzoesäure  über. 

Barytsalz,  (CeH,ClNO,CO,),Ba  +  H,0,  bildet  in  Wasser  ziemlich  leicht  lösliche  Nadein. 

Aethylestcr,  CgHjClNOjCOjCjHj.     Schmp.  28—29". 

2.  m-Chlornitrobenzoesäuren.  Beim  Nitriren  von  m-Chlorbenzoesäure 
(44,  45,  46)  entstehen  zwei  isomere  p  und  7-Chlomitrosäuren,  welche  durch 
UeberfÜhrung  in  die  Barytsalze  getrennt  werden.  Eine  dritte  m-Chlornitrobenzoe- 
säure  ($)  wird  aus  m-Nitro-m-Amidobenzoesäure  durch  Substitution  des  Amids  durch 
Chlor  erhalten. 

ß)  CßHjCOjHClNOg  (45)  krystallisirt  aus  der  ätherischen  Lösung  in  Prismen, 

1  3         6 

welche  bei  135°  schmelzen.  Die  Säure  kann  in  Chlorsalicylsäure  übergeführt 
werden. 

Barytsalz,  (C6HjClNO,CO,)jBa  4- 3HjO,  bildet  leicht  lösliche  Nadeln. 

Der  Aethylester  ist  flüssig.     Siedep.  282°. 

7)  CßHjCOjClNOa.     Verfilzte    Nadeln  (46),    welche   bei    104°    schmelzen. 

15         6 

(Nach  andern  Angaben  bei  217°  resp.  225°).    Schwerer  in  Wasser  löslich  als  die 

p-Säure. 

Ö)  CßHaCOjHClNOj  (47),  kleine,   bei   147°  schmelzende  Nadeln.     Schwer 
I         3      & 
löslich  in  Wasser. 

3.  e)  p-Chlor-m-Nitrobenzoesäure   (44),     CgHjCOjHClNO,,     entsteht 

1         4       s 
durch  Nitriren  von  p-Chlorbenzoesäure  und  durch  Oxydation  von  Chlor-p-Nitro- 

toluol.      Kleine  bei  181^  schmelzende  Nadeln,  schwer  löslich   in  Wasser.     Sie 

kann  in  m-Amidobenzoesäure  übergeführt  werden. 

Barytsalz,  (CgH,ClNOjCO,),Ba  H- 4HjO,  bildet  in  Wasser  schwer  lösliche  Nadeln. 

Aethylester,  CgHjaNOjCOjCjHj,  bei  59<^  schmelzende  Nadeln. 

4.  C)  Chlor-p-Nitrobenzoesäure  (48),  durch  Oxydation  von  Chlomitro* 
toluol  (Schmp.  64—65°)  dargestellt  bildet  bei  136—137°  schmelzende  in  Wasser 
leicht  lösliche  Krystalle. 

Trichlornitrobenzoesäure  (49),  CgHClsNOjCOjH,  durch  Erhitzen  von 
Trichlorbenzoesäure  (Schmp.  163°)  mit  Salpeter-Schwefelsäure  gewonnen,  krystalli- 
sirt aus  Alkohol  in  Nadeln,  welche  bei  220°  schmelzen.  In  Wasser  schwer 
löslich.     Das  in  Wasser  ebenfalls  schwer  lösliche  Barytsalz  enthält  2  Mol.  H,0. 

Bromnitrobenzoesäuren,  CgHjBrNOjCOjH,  werden  analog  den  Chlor- 
verbindungen dargestellt. 

l.(a)o-Brom-m-nitrobenzoesäure[(5o),  CeH3COjHBrNOj,  entstehtdurch 

1  s      & 

Nitriren   von  o-Brombenzoesäure.     In  kaltem   Wasser  schwer  lösliche   Nadeln, 


Benzoesäure.  177 

welche  bei  179° — 180°  schmelzen.    Durch  Erhitzen  mit  alkoholischem  Ammoniak 
wird  sie  z.  Th.  in  p-Nitranilin  umgewandelt. 

AethylSther,  CgH,BrNO,CO,C,H5  schmiltt  bei  65— 66®. 

2.  m-Brom-o-Nitrobenzoesäure  (51,  52),  entsteht  in  zwei  Modificationen 
(p,  7)  durch  Nitriren  von  m-Brombenzoesäure  in  der  Kälte.  Die  Schwerlöslich- 
keit des  ß-bromnitrobenzoesauren  Natrons  wird  zur  Trennung  benutzt. 

p)  CgHjCOjHBrNO^,  krystallisirt  aus  Wasser  in  glänzenden,  bei  140—141° 

1  3         6 

schmelzenden,  monoklinen  Säulen.    Sie  ist  in  die  a-Dibrombenzoesäure  (Schmelz- 
punkt 151—152°)  übergeführt  worden. 

Aethyläther  bUdet  glänzende,  bei  55°  schmelzende  Säulen. 

7)    CgHjCOjHBrNOj,    krystallisirt    aus    Wasser    in    grossen,    monoklinen 

15         6 

Krystallen,  welche  bei  250°  schmelzen. 

Aethyläther  bildet  bei  135°  schmelzende  Säulen. 

3.  8)  p-Brom-m-Nitrobenzoesäure   (51,  53),    CßHjCOjHBrNOj,    wird 

1  4       s 

durch  Behandlung   von  p-Brombenzoesäure   und   durch  Oxydation   des  bei   34° 

schmelzenden  Nitrobromtoluols  dargestellt.    Feine  bei  199°  schmelzende  Nadeln. 

Wird  durch  Reductionsmittel  in  m-Amidobenzoesäure  übergeführt. 

Aethyläther  bildet  bei  74°  schmelzende,  monokline  Säulen. 

Dibromnitrobenzoesäure  (54,  55),  CßHjBraNOjCOjH,  wird  durch  Auf- 
lösen von  Dibrombenzoesäure  (Schmelzp.  232—233°)  in  rauchender  Salpeter- 
säure dargestellt  und  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  farblosen,  bei  162° 
schmelzenden  Nadeln,  Wird  durch  Reductionsmittel  in  o-Amidobenzoesäure  um- 
gewandelt. 

Barytsalz,  (CgHjBrjNOjCO,)j,Ba4- 2Hj,0,  bildet  seideglänzende  Nadeln. 

Jodnitrobenzoesäure,  CeHjJNOgCOgH,  existirt  in  vier  Modificationen. 
Drei  derselben  entstehen  durch  Nitriren  von  m-Jodbenzoesäure  und  werden 
durch  Ueberführung  in  die  Barytsalze  getrennt,  a  und  ß  werden  durch  Reductions- 
mittel in  o-Amidobenzoesäure  tibergeführt.  Die  vierte  Modification  wird  aus 
p-Jodbenzoesäure  dargestellt. 

m-Jodnitrobenzoesäure  (56).  Die  drei  Säuren  sind  sämmtlich  krystalli- 
nisch.  Die  Schmelzpunkte  derselben  sind  a)  235°,  ß)  179°,  7)  192°.  Die  Baryt- 
salze von  a  und  7  krystallisiren  mit  3  Mol.,  dasjenige  von  ß  mit  6  Mol.  Wasser. 

p-Jodnitrobenzoesäure  (57),  Schmelzp.  210°. 

Amidobenzoesäuren*),  CßH^NHjCOgH.  Die  drei  isomeren  Säuren  ent- 
stehen durch  Reduction  der  Nitrobenzoesäuren.    Sie  verbinden  sich  mit  Basen  und 


*)  i)  FiUTSCHE,  Ann.  39,  pag.  76.  2)  Beilstein  und  Kuhlberg,  Ann.  163,  pag.  138. 
3)  WiDNMANN,  Ann.  193,  pag.  231 — 234.  4)  Cohn,  Ann.  205,  pag.  302.  5)  Hübner  u.  Peter- 
mann, Ann.  I49i  pag.  142 — 48.  6)  Liebig,  Ann.  39,  pag.  91.  7)  Baerthlein,  Ber.  10,  pag.  17 14. 
8)  Jackson,  Ber.  14,  pag.  885—88.  9)  Bedson  u.  King,  Ber.  14,  pag.  263.  10)  Brückner, 
Ann.  205,  pag.  127 — 130.  ii)  Griess,  Ber.  2,  pag.  415.  12)  Ders.,  Ber.  11,  pag.  1985—88. 
13)  Ders.,  Ber.  11,  pag.  2180.  14)  Ders.,  Ber.  13,  pag.  977—79-  15)  I^ers.,  J.  pr.  Ch.  (2)  5, 
pag«  371»  456.  16)  ZiNiN,  Berz.  J.  26,  pag.  450.  17)  Chancel,  J.  1849,  pag.  359.  18)  Beil- 
STEIN  n.  WiLBRAND,  Ann.  128,  pag.  264—265.  19)  Beilstein  u.  Kurbatoff,  Ber.  12,  pag.  688. 
20}  Rosenstiehl,  Z.  Ch.  (2)  5,  pag.  471.  21)  ibid.  4,  pag.  548.  22)  Hübner  u.  Petermann, 
Ai>>>-  I47i  P%-  263 — 269.  23)  Beilstein  u.  Reichenbach,  Ann.  142,  pag.  140—42.  24)  Fricke, 
^''  7>  P^-  1321—22.  25)  GRIESS,  Ber.  i,  pag.  191.  26)  Griess,  Ber.  8,  pag.  861.  27)  Griess, 
Ber.  8,  pag.  325.  28)  Griess,  Ber.  6,  pag.  586—87.  29)  Griess,  Ber.  5,  pag.  1036—41. 
30)  FosTER,  Ann.  117,  pag.  165.  31)  Müretow,  Ber.  5,  pag.  330.  32)  Griess,  J.  pr.  Ch.  (2)  4, 
Laodcburg,  Chemie.    II.  12 


"17^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Säuren  zu  Salzen.    Sie  werden  durch  salpetrige  Säure  in  die  entsprechenden  Oxy- 
säuren  übergeführt. 

o-Amidobenzoesäure,  A nth ran il säure  wurde  zuerst  von  Pritsche  (i) 
durch  Einwirkung  von  Kali  auf  Indigblau  dargestellt. 

CgHgNO  H-  211^0  H-  O  =  HCOgH  +  CgH^NHjCOjH. 

Sie  entsteht  ausserdem  durch  Reduction  von  o-Nitrobenzoesäure  (2,  3)  und 

ihrer  Chlor,  Brom,  resp.  Jod  enthaltenden  Derivate.  (Siehe  diese.)  Bemerkenswerth 

ist  ihre  Bildung  aus  Phtalylhydroxylarain  (4),   welches  beim  Kochen  mit  Kali  in 

O-Amidobenzoesäure  und  Kohlensäure  zerfallt: 

CO 

^6^4CON  4-  KOH  =  CO.  +  CeH.^JJv 
OH  V.U2K. 

Zur  Darstellung  wird  am  besten  o-Nitrobenzoesäure  (3,  5)  mit  Zinn  und  Salzsäure 
oder  mit  Zinnchlortir  reducirt,  die  vom  Zinn  befreite  I^sung  eingedampft ,  der  Rückstand  zunächst 
mit  Ammoniak  alkalisch  gemacht,  die  Säure  mit  Essigsäure  geMlt  und  unter  Zusatz  von  Thier- 
kohle  aus  Wasser  umkrystallisirt.  Aus  der  Mutterlauge  kann  der  gelöst  bleibende  Theil  durch 
essigsaures  Kupfer  abgeschieden  und  dieses  durch  Schwefelwasserstoff  zerlegt  werden. 

Zur  Darstellung  aus  Indigo  (i,  5,  6;  wird  derselbe  mit  der  zehnfachen  Menge  Kalilauge 
(1,35  spec.  Gew.)  unter  Ersatz  des  verdampfenden  Wassers  gekocht  und  in  kleinen  Portionen 
Braunstein  zugesetzt.  Sobald  alles  Indigblau  zersetzt  ist,  wird  die  Lösung  mit  verdünnter 
Schwefelsäure  neutralisirt,  durch  Auskrystallisiren  der  grösste  Theil  des  schwefelsauren  Kalis 
entfernt  und  aus  der  eingedampften  Mutterlauge  das  amidobenzoesaure  Salz  mit  Alkohol 
extrahirt.  Nach  dem  Abdestilliren  des  Alkohols  wird  das  Salz  mit  Essigsäure  zerlegt,  oder  die 
Anthranilsäure  als  Kupfer  Verbindung  gefällt. 

Die  Säure  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  dünnen,  rhombischen  Nadeln 
(3),  welche  bei  145°  schmelzen.  Sie  sublimirt  unzersetzt;  bei  der  trockenen 
Destillation  zerfallt  sie  in  Anilin  und  Kohlensäure.  Natriumamalgam  (5)  bewirkt 
ihre  Umwandlung  in  Benzoesäure. 

NH  HCl 
Salze  (5).    Salzsäure-o-Amidobenzoesäure,  CftH.^,^*''„  ,,        .       ^   ,, 

^•'^  '     6    *COjjH      ,    welche     in    farblosen, 

bei  191°  schmelzenden  Nadeln  krystallisirt,  bildet  kein  Platindoppelsalz.  Die  Salze  der 
Schwefelsäure,  Salpetersäure  und  Oxalsäure  sind  ebenfalls  gut  krystallisirende  Ver- 
bindungen. 

o-Amidobenzoesaures    Kali,     CßH^p^'w,  -{- HjO,    bildet  flache,    glänzende   Tafeln. 

Kupfersalz  ist  ein  in  Wasser  fast  unlöslicher  grüner  Niederschlag. 

o-Amidobenzonitril  (7),  CgH^NHjjCN,  bildet  gelbliche,  bei   103°  schmelzende  Nadeln. 

Durch  Einwirkung  von  Essigsäureanhydrid  (8)  auf  o-Amidobenzoesäure  ent- 
steht die  schwach  basische 


pag.  296.  33)  Grikss,  Ber.  8,  pag.  322—26.  34)  Griess,  Ber.  7,  pag.  574.  35)  Griess,  Her.  3, 
pajr.  703.  36)  Grikss,  Z.  Ch.  (2)  3,  pag.  533.  37)  Griess,  Ann.  172,  pag.  172.  38)  Griess 
u.  Lkibins,  Ann.  113,  pag.  232.  39)  Fischer,  Ann.  127,  pag.  142.  40)  Michael,  Ber.  10, 
pag.  577—  578.  41)  Ladenkurg,  Ber.  6,  pag.  130  42)  Beilstein  u.  Reichenbach,  Ann.  132—144. 
43)  MicHLER,  Ber.  9,  pag.  400.  44)  Michler  u.  Gradmann,  Ber.  9,  pag.  1912.  45)  Hofmann, 
Ber.  9,  pag.  1302.  46)  Griess,  Ber.  9,  pag.  796  47)  Wachendorkf,  Ber.  11,  pag.  701. 
48)  Griess,  Ber.  2,  pag.  416.  49)  Grikss,  Ber.  11,  pag.  1730—34.  50)  Menschutkin,  Ann.  153, 
pag.  84.  51)  Griess,  Ber.  2,  pag.  47.  52)  Grikss,  J.  pr.  Chem.  (2),  4,  pag.  292.  53)  Grikss, 
J.  pr.  c:h.  (2)  5,  pag.  453.  54)  Grikss,  J.  pr.  Ch.  (2)  5,  pag.  369.  55)  Griess,  Ber.  5,  pag. 
192—198.  56)  Arzruni,  Ber.  4,  pag.  406.  57)  Merz  u.  Weith,  Ber.  3,  pag.  244.  58)  Rathke 
und  ScirÄKER,  Ann.  169,  pag.  loi  — 103.  59)  Griess,  Z.  Ch.  (2)4,  pag.  670.  60)  Merz  und 
Weith,  Ber.  3,  pag.  812.  61)  Griess,  Ber.  16,  pag.  336.  62)  Traube,  Ber.  15,  pag.  21 16. 
63)  Ders.,  Ber.  15,  pag.  2113.  64)  Ders.,  Ber.  15,  pag.  2122.  65)  Griess,  Ber.  15,  pag.  2199. 
66)  Griess,  Ber.  15,   pag.  1878 — 82. 


Benzoesäure.  1 79 

NHCOCH 
Acetyl-o-Amidobenzoesäure,    ^e^i  rnnn       ^»     ^^^^    Verbindung, 

welche    auch    durch  Oxydation   von    Acetyl-o-Toluidin  (9),    C6H4q^^       ^* 

CHiCCHj  ' 

und  von  Aethylketol  (8),  C6H4       /  ,   mit  Kaliumpermanganat  dargestellt 

NH 
werden    kann.     Sie   krystallisirt    aus  Eisessig  in   prismatischen   Nadeln,   welche 
bei   179 — 80°    schmelzen.      Durch    Salzsäure    wird    sie    in    ihre    Componenten 
gespalten.     Phosphorpentachlorid  (8)  erzeugt  als  Hauptprodukt  Dichloracetyl-o- 
Amidobenzoesäure,  welche  bei  173°  schmelzende  Nadeln  bildet. 

NH.COC  H 

Benzoyl-o-Amidobenzoesäure  (10),  CgH^QQQpj    *    *,  durch  Oxydation 

des  entspreclienden  Benzoyltoluidins  erhalten,  schmilzt  bei  182°  und  bildet  gut 
krystallisirende  Salze. 

Cyanderivate  der  o-Amidobenzoesäure. 

Durch  Einwirkung  von  Cyan  (11,  12)  auf  o-Amidobenzoesäure  entstehen 
verschiedene  Körper,  je  nachdem  dasselbe  in  eine  wässrige  oder  in  eine 
alkoholische  Lösung  der  Säure  eingeleitet  wird. 

C7H7NO2  -f-  2CN  =  C9H5N3O  -f-  HjO 

Dicyanamidobenzoyl. 

C7H7NOJ  4-  2CN  -h  C2H5OH  =  CioHioNgOa  +  CNH  4-  H3O 

Oxäthylcyanamidobenzoyl. 

NH— C  — CN 
Dicyanamidobenzoyl,    CgH^  II  (13),    wird    durch   längeres 

CO  —  N 

Einleiten  von  Cyangas  fi2)  in  eine  kalte,  concentrirte  Lösung  von  o-A'midobenzoe- 

säure    und  Umkrystallisiren  des  Niederschlages  aus  Alkohol  dargestellt.     Kleine 

gelbliche   Prismen,    in    kaltem    und    heissem   Wasser  schwer,    leichter  löslich  in 

heissem  Alkohol.     Reagirt  sauer  und  giebt  mit  Basen  Salze. 

NHCOC2H5      / 
Oxäthylcyanamidobenzoyl,     C6H4         H  (Derivat    der    Säure 

CON  \ 

CßH.  =NH         1,   bildet  sich  beim  längeren  Stehen  einer  mit  Cyangas 

CO(OH)  / 

gesättigten  Lösung  von  o-Amidobenzoesäure  in  Alkohol.  Der  nach  dem  Verdunsten 
des  Alkohol  bleibende  Rückstand  wird  mit  kohlensaurem  Ammon  gewaschen  und 
aus  Alkohol  unter  Zusatz  von  Thierkohle  umkrystallisirt.  Weisse,  bei  173° 
schmelzende  Prismen.  In  kleinen  Mengen  unzersetzt  destillirbar.  Durch  Kochen 
mit  Salzsäure  entsteht  aus  der  Verbindung  unter  Abspaltung  von  Alkohol  Ur- 
amidobenzoyl.     (Siehe  Uramidobenzoesäuren). 

Durch  längeres  Erhitzen  des  Oxäthylcyanamidobenzoyls  mit  alkoholischem 
Ammoniak  (11,  14)  im  Rohr  auf  100°  entsteht 

NH  — C  =  NH 

o-Benzglycocyamidin ,      C-H.  I  (13),   eine  in  perlglänzenden  Blättchen 

*    *CO-NH 

krystallisirende  einsäurige  Base,  welche  auch  durch  Einwirkung  von  Cyanamid  (14)  auf  o-Amido- 
benzoesäure gebildet  wird. 

CgH^NHjCOjH  -f  CNHN2  =  CgH^NjO  4-  H^O, 

Sie  ist  in  Wasser  und  Alkohol  sehr  schwer  löslich.  Das  salpetersaure  Salz,  CgH7N30» 
HNOj,  bildet  weisse,  schmale,  in  Alkohol  und  Wasser  fast  unlösliche  Blättchen. 

Bleibt  eine  stark  alkalische  Lösung  von  o-Benzglycocyamidin  und  Jodmethyl  in  Methylalkohol 
sich  mehrere  Tage  Überlassen,  so  scheidet  sich 


i8o  Handwörterbuch  der  Chemie. 

N(CH,)  — C  =  NH 
a-o-Methylbenzglycocyamidin   (14)    (a-o-Benzloreatinin),    C^H^  I 

c  o  ——^  im 

in  Krystallen  ab,  welche  durch  Waschen  mit  Kalilauge  und  Umkrystallisiren  aus  heissem  Wasser 
gereinigt  werden.  Weisse,  glänzende  Nadeln  mit  schwach  bitterem  Geschmack.  Unlöslich  in 
kaltem  Wasser,  leicht  in  heissem  Alkohol;  in  kleinen  Mengen  ohne  Zersetzung  destillirbar.  Mit 
Säuren  entstehen  gut  krystallisirende  Salze.     Ein  isomerer  Körper,  das 

NH— C=NCH, 

ß-o-Methylbenzglycocyamidin(i4)(ß-o-Benzkreatinin),  CgH^  j  4-HjO, 

CO — NH 

entsteht  beim  Erhitzen  von  Oxäthylcyanamidobenzoyl  mit  wässrigem  Methylamin  auf  100^.  Das- 
selbe ist  der  a- Verbindung  sehr  ähnlich,  bildet  ebenfalls  weisse,  schwach  bitter  schmeckende 
Nadeln,  unterscheidet  sich  jedoch  durch  seine  Löslichkeit  in  Barytwasser  und  Kali. 

m-Amidobenzoesäure  wurde  zuerst  von  Zinin  (16)  durch  Einwirkung  von 
Schwefelammonium  auf  m-Nitrobenzoesäure  dargestellt  und  Benzaminsäure  genannt 
Chancel  (17),  welcher  die  Säure  durch  Kochen  von  Amidobenzamid  mit  Kali- 
lauge gewann,  nannte  sie  Carbanilsäure.  Kolbe  betrachtete  sie  zuerst  als  Amido- 
benzoesäure. 

Die  Säure  entsteht  ausser  aus  m-Nitrobenzoesäure  durch  Einwirkung  von 
Ammoniak  auf  m-Jodbenzoesäure  und  durch  Reduction  der  bei  212°  schmelzenden 
Nitrophtalsäure  (19). 

Zur  Darstellung  wird  m-Nitrobenzoesäure  (18)  in  der  bei  der  Anthranilsäure  angegebenen 
Weise  mit  Zinn  und  Salzsäure  reducirt. 

Die  Säure  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  kleinen,  röthlichen  Krystall- 
warzen  (3).  Schmp.  174°.  Spec.  Gew.  =  1,5105  bei  4°.  Sie  ist  z.  Th.  unzer- 
setzt  sublimirbar.  Schwer  löslich  in  kaltem  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und  Aether. 
Die  Lösungen  sind  süss  und  bräunen  sich.  Die  Säure  destillirt  z.  Th.  unzersetzt; 
mit  Platinschwamm  oder  Baryt  destillirt  zerfallt  sie  in  Kohlensäure  und  Anilin. 
Beim  Erhitzen  mit  Jodwasserstoff  (20)  auf  180 — 200**  wird  sie  in  Toluidin  über- 
geführt. Mit  Aldehyden  entstehen  unter  Wasserabspaltung  theilweise  krystallisirende 
Verbindungen.     Natriumamalgam  (21)  bildet  Benzoesäure. 

NH  HCl 
Salze  der  m-Amidobenzoesäure  (18,  22).    Salzsaures  Salz,  ^s^Arou*  Nadeln, 

leicht  löslich  in  Wasser.  Schwefelsaures  Salz  (C6H4NH,COjH)jH,SO^  +  HjO,  Nadehi. 
Das  wasserhaltige  Salz  schmilzt  bei  225°,  das  wasserfreie  bei  230°. 

Kalksalz,  (C6H4NHjC02)2Ca4- 3H,0,  bildet  in  Wasser  und  Alkohol  leicht  lösliche 
Nadeln.  Barytsalz,  (CßH4NH,CO,)jBa -h  4H,0,  krystallisirt  in  langen  Nadehi.  Kupfer- 
salz, ein  grttnes,  schwer  lösliches  Pulver. 

NH 
Aether  der  Amidobenzoesäure.     Methyläther,  CjH^pq'^tt  .     Durch  Reduction 

von  m-Nitrobenzoesäureäther  dargestellt,  ist  flüssig.    Aethyläther,  ebenfalls  farblose  Flüssigkeit. 

Beide  bilden  mit  Säuren  Salze. 

NH 
m-Amidobenzamid  (23),  C6^4cONH    "+"  ^»^»  ^^^  m-Nitrobenzamid  erhalten,  bildet 

bei  75°  schmelzende  Krystalle.     Verbindet  sich  mit  Säuren. 

m-Amidobenzonitril  (24,  25,  26)  am  besten  durch  Destillation  von  m-Uramidobenzoe- 
säure  (s.  d.)  mit  Phosphorsäureanhydrid  (26)  dargestellt,  bildet  lange,  bei  54°  schmelzende 
Nadeln.     Siedep.  288—290°      Einsäurige  Base,  welche  gut  krystallisirende  Salze  bildet 

Derivate  der  m- Amidobenzoesäure  mit  Alkohol-  und  Säure- 
Radikalen. 

NHCH 
Methylamidobenzoesäure,   CgH^^Q  jj  ^  (27),  entsteht  durch  Kochen 

von  a-m-Methylbenzglycocyamin  (s.  d.)  mit  Barytwasser: 


Benzoesäure.  i8i 

CeH^N~C(^fH)NH,  +  2H,0  =  C^H^J^JJ^J^a  4.  CO,  4-  2NH3. 
COOH  CUUH 

Röthlich  weisse  Blättchen.    Verbindet  sich  mit  Salzsäure  zu  einem  in  silber- 
glänzenden Blättchen  kiystallisirenden  Salze. 

Dimethylamidobenzoesäure  (28)  C^H^q^  h'    '  *"^  ihrem  Methyläther 

durch  Kochen  mit  Kalilauge  entstehend ,  bildet  weisse  bei  151°  schmelzende 
Nadeln. 

Der  Methyläther  (28),  CgH^^^TpU',  entiteht  in  Folge  einer  Atomverschiebung  beim 

Schmelzen  des  isomeren  TrimethylbenzbetaXns.  Schwach  aromatisch  riechende  bei  270°  siedende 
FlQssigkeit,  welche  auch  mit  verdünnten  Säuren  leicht  Salze  bildet 

N(CH,), 
Trimethylbenzbeta!n(28),  CjH^  »-H,0.    Die  Base  bildet  sich 

durch  mehrtägiges  Stehen  einer  Mischung  von  1  Mol.  Amidobenzoesäure,  3  Mol. 
Aetzkali  (als  starke  Lauge)  und  3  Mol.  Jodmethyl  in  Methylalkohol.  Nach  dem 
Abdestilliren  des  Alkohols  wird  der  Rückstand  mit  Jodwasserstoffsäure  übersättigt, 
und  das  abgeschiedene  Jodür  mit  Bleioxydhydrat  zerlegt  Kleine,  weisse  Nadeln, 
welche  das  Krystallwasser  bei  105^  verlieren.  In  kaltem  Alkohol  sehr  löslich, 
an  der  Luft  zerfliesslich,  unlöslich  in  Aether. 

Das  Jodhydrat,  C,oH,,NQ,- JH  +  H,0,  bildet  kleine  kurre  Prismen.  Schwer  löslich 
in  kaltem  Wasser. 

Aethylamidobenzoesäure  (29),  CeH^^Q^pj*     *%  entsteht  neben  der  Diäthyl- 

verbindung  durch  Kochen  von  Jodäthyl  mit  m-amidobenzoesaurem  Kali  in  alkoholischer  Lösung. 
Die  Trennung  geschieht  durch  Ueberftlhrung  in  die  Chlorhydrate,  von  denen  das  Salz  der 
Monoverbindung  in  kalter,  verdünnter  Salzsäure  sehr  schwer,  das  andere  leicht  löslich  ist. 

Kleine  Nadeln  oder  Prismen,  welche  bei  112°  schmelzen.  Schwer  löslich 
in  kaltem,  sehr  schwer  in  heissem  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und  Aether.  Die 
Säure  geht  mit  Basen  und  Säuren  Verbindungen  ein.  Essigsäure  zersetzt  die 
Alkaliverbindungen  unter  Abscheidung  der  freien  Säure. 

Salxsaures  Salz,  CjHnNOaHCl,  Nadeln.  Barytsalz,  (C3HioNO,),Ba  +  2H,0, 
Blättchen. 

Diäthylamidobenzoesäure(29),CeH4Q^^^*^*4-2HjO,  glänzende  Säulen 
oder  Prismen.    Schmp.  90°. 

Salzsaures  Salz,  CiiHi^NO^HCl  +  2H,0,  glasglänzende,  vierseitige  Tafeln.  Baryt- 
salz,  (CiiHi4NO,),BaH- lOHjO,  weisse  Blättchen. 

Diallylamidobenzoesäure  (29),  ^^^rCkK-^  *  analog  der  vorigen  dar- 
gestellt, bildet  weisse  in  Wasser  wenig  lösliche  Blätter.  Siedep.  90°;  nicht  ohne 
Zersetzung  destillirbar. 

NHCOCH 
Acetylamidobenzoesäure  (30),   C6H4QQQJJ       *,    durch  Erhitzen  von 

m-Amidobenzoesäure  mit  Essigsäure  auf  160°  oder  von  amidobenzoesaurem  Zink 
mit  Chloracetyl  auf  100°  dargestellt,  bildet  ein  aus  mikroskopischen  Nadeln  be- 
stehendes Krystallpulver.  Unzersetzt  sublimirbar,  schmilzt  zwischen  220 — 230°. 
Sie  bildet  mit  Metalloxyden  Salze. 

CO 

Succinamidobenzoesäure  (31),  C^H^QQNCgH^COOH,  und 

CONHC  H  COOH 
Succindiamidobenzoesäure  (31),  CjHiqqj^tjp^jj^pqqjj,    entstehen 


t^Z  Handwörterbuch  der  Chemie. 

durch  Schmel^.en  von  Bemsteinsäure  mit  m-Amidobenzoesäure.  Ersteres  bildet 
bei  235"^  schmelzende  Nadeln,  letzteres  ist  ein  amorphes  Pulver. 

Cyanderiviite  der  m-Amidobenzoesäure.  Die  Einwirkung  von  Cyangas 
auf  m-Amidobeivzoesäure  ist  ebenfalls  verschieden,  je  nachdem  sie  in  wässeriger 
oder  alkoboliscber  Lösung  erfolgt.  In  ersterem  Falle  entstehen  zwei  Verbindungen, 
m-Amidobenzoesäurepercyanid  und  m-Cyancarbimidamidobenzoesäure,  in  letzterem 
misser  dem  Percyanid  zwei  neue  Verbindungen,  m- Carbi midamidobenzoesäure 
und  m-Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure. 

2(c.H.2g»H)  +  2(CN)  =  2(c,H,NHg2CN 

Amidobenzoesäurepercyanid. 
NH,  _  NH-C(NH)CN 

Cyancarbimidamidobcnzoesäure. 

2t^«H*S§;H  +  2(CN)  =  C(NH){;Sg*S;gg;JJ 

Carbimidaraidobenzoesäure. 
C«H.^5;h  +  2(CN)  +  C,H,OH  =  C,H,NH-C(NH)OC,H, 

Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure. 
Amidobenzoesäurepercyanid  (12,  25,  61),  2(CßH4PQ^Tj)2CN.     Griess 

legte  demselben  in  seinen  ersten  Mittheilungen  die  Formel  CgH^pQ^^  ^* 
bei.  Zur  Darstellung  wird  das  durch  Einwirkung  von  Cyan  auf  wässerige  m-Amido- 
benxoesäure  entstehende  Produkt  gewaschen  und  mit  Salzsäure  behandelt,  welche 
unter  Lösung  der  Cyancarbimidamidobenzoesäure  das  Cyanid  zurticklässt.  Gelbe, 
krystallinische,  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether  kaum  lösliche  Masse  mit  sauren 
Eigenschaften.  Durch  Kochen  mit  Salzsäure  oder  Kalilauge  wird  sie  in  m-Benz- 
glycocyamin  übergeführt  Beim  Erhitzen  mit  Alkohol  auf  130°  entsteht  m-Amido- 
benzosäure  und  Oxalamidobenzoesäure  (61): 

2(C^H^NHsCÜjH).2CNH-3HjO=C6H^NHjCO,H-+-CeH4^Q^^^^«^H-2NH,. 

Gyancarbimid-m-Amidobenzoesäure  (12,  61),   C^H^qq  ^i  » 

weiss«,  elliptische  Blättchen,  schwer  löslich  in  kaltem  Wasser,  leicht  in  heissem 
Alkohol.  Sie  wird  bereits  durch  siedendes  Wasser  zersetzt  und  verbindet  sich 
mit  Säuren  und  Basen.  Beim  Erhitzen  mit  aromatischen  Aminen  entstehen  sub- 
stituirte  Benzkreatine. 

Ostäthylcarbimidamidobenzoesäure  (32),  ^s^irn  yt  ^  '  ^  *. 
Eine  alkoholische  Lösung  von  m-Amidobenzoesäure  scheidet  beim  Einleiten  von 
Cyan  sofort  gelbes  Amidobenzoesäurepercyanid  ab,  während  in  dem  Filtrat  nach 
einigen  Wochen  ein  weisser  Niederschlag  von  Oxäthylcarbimid-  und  Carbimid- 
amidobenzoesäure  entsteht.  Beim  Kochen  mit  Wasser  bleibt  erstere  ungelöst. 
Krystallisirt  in  Nadeln  mit  3  Mol.  H3O.  Sie  ist  in  Säuren  und  Alkalien  löslich 
und  ierseUt  sie  li  beim  Kochen  der  Lösungen  in  Uramidobenzoesäure  (s.  d.)  und 
Alkohol.  Durch  mehrwöchentliches  Stehen  mit  conc.  Ammoniak  (33)  zerfällt  die 
Säure  in  Alkohol  und 

j^TT /-» "■"  N  rlj 

fii-BenEgl>'cocyamin  (Benzkreatin)  (33),  CgH^  =NH  .    Dasselbe  kann  auch 

CO,H 
Amth  Einwirkiiag  ^^n  Cyanamid  (34)  auf  eine  Lösung  von  Amidobenzoesäure  in  Alkohol,  und 
ilisrdi  Rnchen  von  Amidobenzoesäurepercyanid  (35)  mit  Kalilauge  dargestellt  werden: 


Benzoesäure.  183 

MW  Mwr*         3 

C^H^^^«^^^»  4-  H,0  =  C^H^^^^NhV  CO. 
CO,H  CO,H 

Farblose  Tafeln,  welche  mit  2  Mol.  H^O  kiystallisiren.  In  heissem  Wasser  ziemlich  lös- 
lich, schwer  in  heissem  Alkohol.  Es  wird  durch  Kohlensäure  aus  seiner  Lösung  in  Kalilauge 
gefällt.  Mit  Mineralsäuren  entstehen  Salze.  Beim  Kochen  mit  Barytwasser  wird  es  in  Uramido- 
benzoesäure,  Amidobenzoesäure,  Harnstoff  und  Ammoniak  zerlegt. 

Durch  Einwirkung  von  Jodmethyl  und  Kali  auf  eine  kalte  methylalkoholische  Lösung  von 
m-Benzkreatin  entsteht 

o-Methylbenzglycocyamin   (33),    CgH^^^^^^C JJ|^>,   kleine    glänzende    Blättchen, 

mit  H  MoL   H,0,   schwer  löslich,   selbst  in  heissem  Wasser  und  Alkohol.     Verbindet  sich  mit 
Salzsäure  zu  einem  gut  kiystallisirenden  Salze.     Ein  isomeres  Produkt,  das 

ß-Methylbenzglycocyamin   (33),    CgH^  NH  ,    wird   durch  Einwirkung   von 

COOK 
Methylamin    auf  Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure  gebildet     Blättchen,    in   kaltem  Wasser  und 
kochendem  Alkohol  schwer,   in  heissem  Wasser  leichter   löslich.      Salzsaures  Salz  bildet  weisse 
Säulen  oder  Prismen. 

Die  a-Verbindung  zerfallt  beim  Kochen  mit  Baryt  in  Methylamidobenzoesäure  und  Harn- 
stofif,  die  ß- Verbindung  in  Amidobenzoesäure  und  Methylamin. 

Pheiiylbenzglycocyamin(6i),C5H^  NH  -+- H ,0,  entsteht  durch  Kochen  von 

CO2H 
Anilin  (4  Thin.)  mit  Cyancarbimidamidobcnzoesäure  bis  zum  Aufhören  der  Blausäureentwicklung: 
*j„pCN  ^„^NHCgHj 

CßH^     "^NH  4-  CgHjNHj  =  CßH^^^^NH  +  CNH. 

CO,H  COgH 

Undeutliche,  weisse  Nadeln  oder  Blättchen.  Kaum  löslich  in  Alkohol,  löslich  in  Alkalien, 
durch  Essigsäure  wieder  fällbar.  Derselbe  Körper  scheint  sich  beim  Schmelzen  von  m-Cyan- 
amidobenxoesäure  (62)  (s.  d.)  zu  bilden.     Schmp.   165^. 

j^jj^^NHC^oHy 
ß-Naphthylbenzglycocyamin  (61),  CgH^  NH  ,    in   analoger  Weise  darge- 

COaH 
stellt,  bildet  kleine,  kiystaUinische  Kügelchen. 

j^irpNHCjH^NHj 
Amidophenylbenzglycocyamin  (61),  CßH^  NH  ,   aus    p-Phenylendia- 

CO3H 
min  erhalten,  bildet  grau  gefärbte,  kleine  Prismen. 

Carbimid  -m-Amidobenzoesäure    (36)    (Guanidindibenzoesäure), 

NHC  H  CO  H 
C(NH)j^TTQ^jT*QQ*TT,  welche  ausser   auf  dem  bereits  erwähnten  Wege  auch 

durch  £inwirkung  von  Ammoniak  und  Quecksilberoxyd  auf  Sulfoharnstoffbenzoe- 
säure  (37)  entsteht,  wird  durch  Essigsäure  aus  ihrer  alkalischen  Lösung  als  amorpher 
Niederschlag  gefallt,  welcher  sich  bald  in  Nadeln  umwandelt.  Sie  verbindet  sich 
mit  Säuren  und  Alkalien. 

m-Cyanamidobenzoesäure  (63),  CgH^pQ  tt  ,  wird  durch  Einleiten  von 
Chlorcyan  in  eine  alkoholische  Lösung  der  Amidobenzoesäure  und  Eingiessen 
des  Produktes  in  viel  Wasser  dargestellt.  Sie  krystallisirt  in  weissen,  flachen,  perl- 
mutterglänzenden Nadeln.  Schwer  löslich  in  kaltem,  leichter  in  siedendem  und  in 
heissem  Alkohol.  Beim  Erhitzen  beginnt  ihre  Zersetzung  gegen  140°,  und  ver- 
läuft rasch  bei  210—220°,  indem  unter  Entwicklung  von  Cyansäure  ein  Conden- 
sationsprodukt  entsteht.  Beim  Kochen  mit  Salzsäure  entsteht  m-Uramidobenzoe- 
säure;  beim  Stehen  mit  Schwefelammonium  wird  Thiuramidobenzoesäure  gebildet. 


I$4  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Von  den  Sfilzt^rt  ist  das  Kupfersalz  ein  charakteristischer  brauner  Niederschlag. 
p<Amidobenzoesäure,  Amidodracylsäure,   wird  durch  Reduction  der 
p-Nitrobenzoe säure  (3,  18,  39)  mit  Zinn  und  Salzsäure  oder  durch  Oxydation  (40) 

CO 

von  p-Tolylsuccinimid,  C2H4PQNCßH4CH3,    (1  Mol.)   mit  Kaliumpermanganat 

{4  Mol.)  und  Zersetzung  der  dabei  entstehenden  Oxysuccinyl-p-Amidobenzoesäure, 

CfiH^CO^*^^^**^^*^'  nij^  Salzsäure  dargestellt  (50—60*  theoret.  Ausbeute). 
Sie  krystallisirt  aus  Wasser  in  langen  Krystallnadeln  von  röthlich  gelber  Farbe, 
welche  bei  ISfi — 187°  schmelzen.  Ziemlich  leicht  löslich  in  Wasser,  leicht  in 
Alkohol  und  Aether.  Durch  Erhitzen  über  ihren  Schmelzpunkt  wird  sie  in  Anilin 
und  Kohlensäure  gespalten,  leichter  beim  Erhitzen  mit  Salzsäure  auf  160 — 180^ 
SaUe.  Barytsall,  (C6H4NH3CO,)3Ba,  glänzende,  leicht  lösliche  Blättchen.  Durch 
esst|r5flure5  Blei  (41)  entsteht  selbst  in  heissen  verdünnten  Lösungen  von  p-Amidobenzoesäure 

ein  kryss^linischcr  NkderschUg  von  cH^CcT'^^*^^' 

Sttlzsiiurcs    Sah.,    CgH^^^»^,     Blätter    oder    Säulen.      Schwefelsaures    Salx, 

(C^H^NHj,C05,H),HgS04,  in  Wasser  wenig  lösliche  Nadeln. 

NHN 
p-Amidobcnz^imid  (42),  CgH^p^^-Tj   4-  iHjO,  durch  Reduktion  aus  p-Nitrobenzamid 

datge&telli,  bildet  grf>ssc  hellgelbe,  bei  178—179^  schmelzende  Krystalle. 

CN 

ji-ÄmidobenEOnitril(24),  C^H^pq'     ,   entsteht  aus  p-Nitrobenzonitril  und  krystallisirt 

in  farblos^ni  bei   110^  schmelzenden  Nadeln.     Es  bildet  mit  Mineralsäuren  krystallinische  Salze. 
Derivate   der  p-jAmidobenzoesäure  mit  Alkohol-  und  Säureradi- 
kalen. 

Dimethyl-p-Amidobenzoesäure  (43),  CgH^^^  ^'^*,  wird  durch  mehr- 
stündiges Kochen  von  p-Amidobenzoesäure  (in  Alkohol  gelöst)  mit  3  Mol.  Jod- 
methyl und  2  Mol.  Kali  am  Rtickflusskühler  oder  durch  Zersetzung  ihres  Chlorids 
mit  Wasser  darge^itellt.  Kurze,  farblose,  bei  235°  schmelzende  Nadeln.  Sic 
verbindet  sich  mit  Säuren  und  Basen.    Dimethylparamidobenzoesäurechlorid  (41), 

Cfi^4  COCl^  ''  ^^t^t^^*  durch  Erhitzen  von  Dimethylanilin  mit  Chlorkohlenoxyd 

C,H,N(CH3),  -+-  C0Clj=CeH,gg^^»^2  -+-  HCl. 

N  f  C  H  ^ 
Diäthyl-p-Amidobenzoesäure  (44),  ^6^irQ\{^    »  analog  der  Methyl- 
verbindung   daigestellt,    bildet  gelbliche  bei   188*^  schmelzende  Blättchen.     Aus 
p-Amidobenzoesäure  und  Aethylenoxyd  entsteht  die  in  Prismen  krystallisirende 

NHC  H  OH 

Oxaethyl-p-Ämidobenzoesäure  (41),  C^H^qq  tI    *        .    Schmp.  187°. 

NHCOCH 
Acetyl-p-Amidobenzoesäure  (45),  CgH^^Q  pj         ',  wird  durch  Oxy- 
dation   \'on    Acetparatoluidin    (Schmp.    145°)    mit   übermangansaurem    Kali    ge- 
wonnen und  bildet  in  Wasser  schwer,  in  Alkohol  leicht  lösliche  Nadeln,  welche 
bei  250 ""  unter  Zersetzung  schmelzen. 

NHCOC  H 
Benzoyl-p- Amidobenzoesäure   (10),    CgH^pQ  tt      ^    *,  aus  Benzoyl- 

p-Tohiidin  dargestellt,  bildet  bei  278°  schmelzende  Nadeln. 

NHCOC  H  CO  H 
Oxysuccinyl-p-Amidobenzoesäure (40),  CßH^QQ  jj      ^    *        *    ,  durch 


Benzoesäure.  185 

Oxydation    von   p-Tolylsuccinimid    mit  übermangansaurem  Kali   erhalten,    bildet 
gelbliche,  bei  225—226°  schmelzende  Nadeln. 

Kohlensäurederivate  der  Amidobenzoesäuren. 

m-Urethanbenzoesäure    (46) ,     m  -  OxäthylcarboxamidobenzoesäureJ, 

NHCOOC  H 
CjH^PQQTT       ^     *,   entsteht  durch  Einwirkung  von  salpetriger  Säure  auf  eine 

salzsaure  I-,ösung  von  Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure  und  durch  Erhitzen  von 
m-Amidobenzoesäure  mit  Chlorkohlensäureäther. 

CeH,2HC(NH)0C,H,  _^  ^^^^  ^  ^^^^NHCOO  C,H,  ^  ^^  ^  ^^^ 

2/       '  NH,    \  r  H  -  r  H  NHCOOC.Hj  NHaHCl 

Sie  bildet  weisse  glänzende  Blättchen,  welche  bei  189°  schmelzen.  Schwer 
löslich  in  heissem  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und  Aether.  Die  Salze  sind  krystal- 
linisch.  Ueber  ihren  Schmelzpunkt  erhitzt  zerfallt  die  Säure  in  Kohlensäure, 
Alkohol,  Hamstoifbenzoesäure  (s.  d.)  und 

Uretlianbenzoesäureäthyläther(47),CgH4^Q^^   2    5,  in  kaltera  und  heissem  Wasser, 

in  Alkohol  und  Aether  leicht  lösliche  Blättchen,  welche  bei   100—101"  schmelzen.    Während  der 

Aether  mit  alkoholischem  Ammoniak  in  Hamstofif  und  Amidobenzoesäureäther  zerlegt  wird,  bildet 

er  anter  dem  Einfluss  von  wässrigem  Ammoniak 

NHCO  C  H 
Urethanbenzoesäureamid  (47),   CgH^p^^-r*    2    5^    einen    mit    schwach  basischen 

Eigenschaften  begabten  Körper,  welcher  aus  Benzol  in  Nadeln  krystallisirt.  Schmp.  157 — 158". 
Uramidobenzoesäure,  CßH4^Q  tt  ^,  ist  in  drei  Modificationen  be- 
kannt, welche  sämmtlich  durch  Einwirkung  von  cyansaurem  Kali  auf  Salze  der 
Amidobenzoesäuren  entstehen.  Werden  die  Amidobenzoesäuren  mit  Harnstoff 
geschmolzen,  so  liefern  die  m-  und  p- Verbindung  ebenfalls  Uramidosäuren, 
während  die  o- Verbindung  unter  Abspaltung  von  Wasser  in  das  Anhydrid  der 
o-Uramidobenzoesäure  tibergeht. 

^  „   NHjHCl        n^rMT  r^  xr  NHCONHo    .    „^, 

o.  m.  p.  CgH^QQ  ^jj      -h  CNOK  =  o.  m.  p.  C^H^qq  jj         ^  -h  HCl. 

NH  NH  NH  — CO 

«■  CeH,2S;H  +  C^nS:  =  ^-  CeH,^^  _  ^^  +  NH3  -h  H,0. 

o-Uramidobenzoesäure  (49)  ist  nicht  beschrieben.     Ihr  Anhydrid,    das 

NH  -CO 
Uramidobenzoyl  (48),  C^H^  1      ,  dessen  Entstehung  aus  o-Oxäthylcyan- 

CO  — NH 

amidobenzoyl  (pag.  179)  schon  erwähnt  wurde,  bildet  schmale  Blättchen,  welche 

über  350^  schmelzen.     In  Wasser,  Alkohol  und  Aether  schwer  löslich. 

m-Uramidobenzoesäure    (50,   51,   64)   entsteht   auch  durch  Einwirkung 

von  Salzsäure  auf  Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure. 

P  „  NHC(NH)0C,H5  ^  „  ^      ^  „  NHCONH2   .  p  TT  ow 

Die  Säure  krystallisirt  mit  1  Mol.  Wasser  in  kleinen  Nadeln.  Schwer  löslich 
in  Wasser  (1  Thl.  in  98-5  Thln.  bei  100""),  leichter  in  Alkohol.  Beim  Erhitzen  über 
200®  geht  sie  in  HarnstoÖ  und  m-Harnstoffbenzoesäure  über. 

Das  in  Wasser  leicht  lösliche  Kalksalz,  (C8HgNjO,)jCa  ^-iH^O,  bildet  zu  kugligen 
Ag^gaten  vereinigte  Nadeln,  das  Silbersalz,  CjH8N20,Ag,  glänzende  Schuppen. 


iSö  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Äcihy Jäther  (52),  C6^4cO  C  H  '  ^"^^^®^*  ^^^^^  molekulare  Umlagerung  beim  Schmel- 
zen voti  Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure,  CgH^p,^  ^       ^       25^  und  wird  ausserdem  durch 

l'Iltiwirkung;  von  Kaliumcyanat  auf  salzsauren  Amidobenzocsäureäther  dargestellt.  Glänzende,  bei 
17G'*  schmcbende  Blättchen. 

Atnid  (50)»  ^6^*roNH  *'  ^"^^^^^^  *"s  salzsaurem  Amidobenzamid  und  Kaliumcya- 
nat und  ]  lüdet  krystallinische  Schuppen  oder  lange  Nadeln. 

Acihyl-m.Uramidobenzoesäure(53),  CgH^^^^^^^^«^*,  wird  durch  Cyansäurc- 

HlliyJillheT  aus  einer  kalt  gesättigten  alkoholischen  Lösung  von  m-Amidobenzoesäure  abgeschieden. 
reine,  seihst  in  kochendem  Wasser  schwer,  in  Alkohol  leicht  lösliche  Nadeln. 

Das  Barytsalz,    (CjoHj  ,Nj03)3Ba  +  SHjO,    ist   selbst  in  kaltem  Wasser  leicht  löslich. 

p-Uramidobenzoesäure  (54),  längliche  Blättchen,  welche  selbst  in 
kochendem  Wasser  schwer,  in  heissem  Alkohol  jedoch  ziemlich  leicht  löslich 
sind.  Beim  Erhitzen  wird  unter  Austritt  von  Harnstoff  p-Hamstoffbenzoesäure 
gebildet. 

Nitrouramidobenzoesäuren  (55). 

Durch  Eintragen  der  Uramidobenzoesäuren  in  rothe,  von  salpetriger  Säure  befreite  Salpetcr- 

NOj 
sHute    LiitstcUen   Dinitrouramidobenzoesäuren,   CgH,N(NO,)CONH,.      Die  m-Uramidobenzoe- 

COjH 
sHmtc  liefert  auf  diese  Weise  drei  (a,  ß,  y),  die  p-  und  o-Uramidobenzoesäure  je  eine  (h  und  t) 
Dinitrosaurc.      Die   a-,    ß-,   y-Verbindung    sind    in    ihren  Eigenschaften    so   ähnlich,    dass    eine 
direkte  7Vcnnung   derselben    nicht   ausgeführt   werden   kann.     Sie   werden   daher  zunächst  durch 

NO, 
Kochen    mtt  wässrigem  Ammoniak  in  Mononitrouramidobenzoesäure,  CgHjNHCONHj,  umge- 

CO3H 
wnndclr,  und  die  noch  heisse  ammoniakalische  Lösung  mit  Chlorbarium  versetzt     Beim  Erkalten 
«scheidet  sich  zuerst  das  Salz  der  ß-Säure   in  Nadeln  ab,  das  Filtrat  liefert  beim  Eindampfen  das 
«-S^lr,    m   den  letzten  Mutterlaugen   ist  das  y-Salz  enthalten.     Durch  Behandlung  mit  Salpeter- 
sStnre  wird  jede  einzelne  Mononitrosäure  in  Dinitrouramidobenzoesäure  zurUckverwandelt 

NO, 
Nitrouramidobenzoesäuren  (49,  55),  CßH,NHCONH,,  entsehen  durch  Kochen  der 

CO3H 
Dlnitroru^midobenzoesäuren  mit  Ammoniak: 

NO2  NO, 

C6H8N(N02)CONH3  +  H^O  =  CgH,NHCONH,  4-NO3H. 
CO,H  CO,H 

a)  CgHaCOjHNOjNHCONHj, 

13  5 

P)  C^HjCOjHNOjNHCONH,, 

1  4  5 

t)  C,H^CO,HNO,HNCONH,, 

13  3 

S)  C\^H,C02HN0,NHC0NH„ 

1  s  4 

t)  C.H.COjHNOjNHCONHj. 

l  S  6 

!>!f  a^  ß-,  y-Säuren  bilden  sämmtUch  gelbe  Krystalle,    schwer  löslich  in  Wasser,  leicht  in 
kodi^ndem  Alkohol.     Durch  Kochen  mit  Kalilauge  wird  die  ß-  und  $-Säure  in  m-p-Azimido- 

lltiiÄOcsiiure    (66),    CgHjCOgHN  —  N,    die    y-Säure    in    o  -  m-Azimidobenzoesäure» 
1  >\/* 

NH 
C|H|GÜ^FiN  — N  umgewandelt: 

NH 

NO,  N\j^j^ 

CßHa  NHCONH,  =  CgH,N/^"  +  CO,  +  H3O. 
COOH  CO,H 


Benzoesäure.  187 

Amidouramidobcn  zocsäuren   (55,  66),  CgH^NHCONH^.     Durch   Einwirkung   von 

"COjH 
Zinn  und  Salzsäure  auf  a-,  p-,  $-Nitrouramidobenzoesäurcn  entstehen  die  entsprechenden  Amido- 
uramidobenzoesäuren.     Die  a-  und  ß-Säure   bilden   weisse  Krystalle.     Die  $-Säure    ist   nicht  be- 
schrieben.    Die  a-Säure  vereinigt  sich  mit  Basen  und  Säuren,  die  ß-Säure  nur  mit  Basen. 

Werden  die  sehr  verdünnten  salzsauren  Lösungen  (66)  der  ß-  und  5-Amidouramidobenzoe- 
säurcn  mit  salpetrigsaurem  Kali  versetzt,  so  entsteht  m-Azimidouramidobcnzosäure. 
CO,H  (i) 

ß)  CeHjNHCONH,  (3)  C0,H 

NH,  (4)  _  r  „  N    ' 

CO„H  (0  ■"  ^«    '  I  ^N.CONH,. 

6)  C6H3NH,  (3)  N^ 

NHCONHj   (4) 
Durch   Kochen   der   ß-Amidouramidobenzoesäure   mit   Salzsäure   oder  Barytwasser   entsteht 
unter   Abspaltung  von  Ammoniak  die  sogen« 

ß-Amidocarboxamidobenzoesäure  (55),  CgH^N^Cj,  kleine  weisse  unlösliche 
Kiystalle.     Eine  isomere  Verbindung,  die 

f-Amidocarboxamidobenzoesäure  (56),  wird  durch  Reduction  der  y-Nitrouramido- 
benzoesäure  mit  Zinn  und  Salzsäure  dargestellt. 

Dinitrouramidobenzoesäure  (55,  66),  C6H,N(NO,)CONH,. 

COjH 

Die  a-,  ß-,  y-Säuren  bilden  gelblich  weisse  Kry stallnadeln,  schwer  hislich  in  Wasser,  leicht 
in  Alkohol  und  Aether.  Sie  vereinigen  sich  mit  Basen  zu  Salzen.  Die  S-  und  e-Säurcn  sind 
nicht   näher  beschrieben  (s.  jedoch  Nitrouramidobenzoesäurcn). 

m-Thiouramidobenzoesäure  (56),  CgH^QQ  rj  ^,  entsteht  beim 
Verdampfen  einer  wässerigen  Lösung  von  schwefelsaurer  m-Amidobenzoesäure 
und  Sulfocyankalium.  Kleine  Krystalle,  in  kaltem  Wasser  und  Alkohol  schwer 
löslich,    leicht    in  heissem   Wasser.     Sie    giebt    mit  Metallsalzen    Niederschläge. 

T^T-ir^QMr^    TT 

Ein  Phenylderivat  (57),  CgH^pQ  tt        ^    ^,  wird  aus  m-Amidobenzoesäure  und 

Schwefel  erhalten.     Schmp.  190—191°. 

m-Harnstoffbenzoesäure  (Carboxamidobenzoesäure)  (47,  58,  59,  64), 

NHC  H  CO  H 
^^NHC*H*CO*H'  ^^^s^^^^  durch  Erhitzen  von  m-Uramidobenzoesäure  auf  200° 

(neben  Harnstoff),  von  m-Urethanbenzoesäure  über  ihren  Schmelzpunkt  (189°)  und 
durch  Entschwefelung  von  Schwefelharnstoffbenzoesäure  mit  Quecksilberoxyd. 
Im  Wasser,  Alkohol  und  Aether  fast  unlöslich.  Sie  bildet  Salze  und  wird  aus 
ihrem  Kali-  oder  Ammonsalz  durch  Säuren  in  mikroskopischen  Nadeln  gefällt 
Durch  Erhitzen  von  m-Uramidobenzoesäureäthyläther  über  seinen  Schmelzpunkt 
entsteht  der  bei  162°  schmelzende 

Aethvläther    CO^^^ß^*^^»^»^* 
Acinyiamer,  ^^NHCßH^COjCaHj' 

p-Harnstoffbenzoesäure  krystallisirt  in  Nadeln. 

m-Schwefelharnstoffbenzoesäure,   ^S^rTr^xj^rQ^jj»  entsteht  durch 

Einwirkung  von  Schwefelkohlenstoff  auf  eine  alkoholische  Lösung  von  m-Amido- 
benzoesäure (60): 

und  durch  Erhitzen  von  Schwefelhamstoff  (58)  mit  m-Amidobenzoesäure.  Feine 
Nadeln,  welche  über  300°  unter  Zersetzung  schmelzen.  Beim  Kochen  in  Salz- 
saure wird  sie  in 


i88  Handwörterbuch  der  Chemie. 

NCS 
Senfölbenzoesäure   (58),    CgH^p^  „,  ein  amorphes  Pulver,  übergeführt. 

Diamidobenzoesäure*),  CeHg(NHj)jC03H.  Die  vier  bis  jetzt  bekannten 
Modificationen  entstehen  durch  Reduction  der  Dinitrobenzoesäuren  oder  Nitro- 
amidobenzoesäuren  (s.  d.).  Der  o-o-Dinitrobenzoesäure  und  o-p-Dinitrobenzoe- 
säure  entsprechende  Diamidobenzoesäuren  sind  bis  jetzt  nicht  dargestellt,  da  sie 
sehr  leicht  in  Kohlensäure  und  m-Phenylendiamin  zerfallen. 

Die  Diamidobenzoesäuren  zeigen  saure  und  basische  Eigenschaften,  Beim 
Erhitzen  zerfallen  dieselben  leicht  in  Kohlensäure  und  Phenylendiamin. 

1.  o-m-Diamidobenzoesäure,  CgH.COoHNHoNHj,  entsteht  aus  o-Nitro- 

m-Amidobenzoesäure  (i,  2)  und  krystallisirt  in  gelblich  weissen  Nadeln.  Bei  der 
Destillation    entsteht    o-Phenylendiamin.      Durch    salpetrige    Säure    wird    sie    in 

CO3H 
m-Azimidobenzoesäure,  CrHjN-^^„,  umgewandelt.  ' 

Das  schwefelsaure  Sak,  (CgH,(NH,)3COj)jH3SO^  +iH30,  bildet  schwer  lösliche  Tafeln. 

2.  O-m-Diamidobenzoesäure    (2,  3),    CgH.COnHNHjNHj,    wird    aus 

1  '     .* 

o  -  m  -  Dinitrobenzoesäure    und    aus   den   entsprechenden  Nitroamidobenzoesäuren 

(2,  3)  dargestellt     Kleine  Prismen.     In  der  neutralen  Lösung   erzeugt  Kalium- 

nitrit  einen  gelben  Niederschlag.    Sie  liefert  bei  der  Destillation  p-Phenylendiamin. 

Durch  salpetrige  Säure  entsteht  ein  basischer  Körper,  C14H1JN5O4. 

3.  m-m-Diamidobenzoesäure,  CgH.CO.HNHjNH,-!- H,0,  entsteht  aus 

18  5 

der  entsprechenden  Dinitrobenzoesäure  (5).  Sie  krystallisirt  in  langen,  fast  weissen 
Nadeln,  welche  gegen  240°  schmelzen.  Ziemlich  schwer  löslich  in  kaltem  Wasser 
(1000  Thle.  lösen  bei  8°  11  Thle.),  leichter  in  heissem  Wasser,  leicht  in  Alkohol 
und  Aether.  Sie  liefert  bei  der  Destillation  mit  Baryt  m-Phenylendiamin  (5).  Eine 
verdünnte  wässrige  Lösung  wird  durch  salpetrige  Säure  gelb  gefärbt  Beim  Erhitzen 
mit  Harnstoff  entsteht  Diuramidobenzoesäure. 

Das  schwefelsaure  Salz,  CgH,(NH,),CO,HHjSO^,  büdet  in  Wasser  und  Alkohol 
schwer  lösliche  Nadeln.  Das  salzsaure  Salz,  CgH,(NH,),C03H2HCl,  Nadeln,  leicht  löslich 
in  Wasser  und  Alkohol.  Barytsalz,  (CgH,(NH2)aC03)3Ba -+- 1|H,0,  Säulen,  sehr  leicht  in 
kaltem  Wasser  löslich. 

•)  i)  GRIESS,  Her.  2,  pag.  435.  2)  Grfess,  Ber.  5,  pag.  198—199.  3)  Griess,  J.  pr.  Ch. 
(2)  5,  pag.  231.  4)  Gerdemann,  Z.  Ch.  (2)  i,  pag.  51.  5)  Wurster  u.  AMBüm.,  Her.  7, 
pag.  213.  6)  Griess,  Ber.  2,  pag.  47.  7)  Muretov,  Z.  Ch.  (2)  6.  pag.  642.  8)  Griess,  Ber.  ^, 
pag.  39*  9)  Brühl,  Ber.  8,  pag.  485.  10)  Griess,  Ber.  2,  pag.  434 — 35.  11)  Griess,  Her.  5, 
pag.  855—856.  12)  Ladenburg  u.  ROgheimer,  Ber.  11,  pag.  595,  1656.  13)  Salkowski, 
Ann.  163,  pag.  12.  14)  Hübner  u.  Biedermann,  Ann.  147,  pag.  258 — 264.  15)  Hübner  und 
Cunze,  AniL  135,  pag.  iii.  16)  Hübner  u.  Weiss,  Ber.  6,  pag.  175.  17)  Hübner,  Ber.  10^ 
pag.  1703.  18)  Beilstein  u.  Kuhlberg,  Ann.  152,  pag.  240.  19)  Burghard,  Ber.  8,  pag.  558 
bis  560.  20)  Smith,  Ber.  10,  pag.  1706.  21)  Hübner,  Philipp  u.  Ohly,  Ann.  143,  pag.  241 
bis  244.  22)  Hübner  u.  Petermann,  Ann.  149,  pag.  133—34.  23)  Raveil,  Ber.  10,  pag.  1707. 
24)  Greiff,  Ber.  13,  pag.  288.  25)  Beilstein  u.  Geitner,  Ann.  139,  pag.  i,  26)  Dies.  139, 
pag.  6.  27)  Vollbrecht,  Ber.  10,  pag.  1708.  28)  Griess  154,  pag.  332.  29)  Grothe,  J.  pr. 
Ch.  (2)  18,  pag.  326.  30)  Benedikt,  Ber.  8,  pag.  384.  31)  Michael  u.  Norton,  Jahresb.  1878, 
pag.  451  33)  Griess,  Ber.  11,  pag.  1730— ^734.  34)  Griess,  J.  pr.  Ch.  5,  pag.  234  n.  ffi 
35)  Rahlis,  Ann.  198,  pag.  112.  36)  Hübner,  Ber.  8,  pag.  1216,  1219.  37)  Hübner,  Ber.  io>, 
pag.  1698—99.  38)  HÜBNER,  Ann.  195,  pag.  37.  39)  Ber.  10,  pag.  1702 — 4.  40)  Salkowski, 
Ann.  173,  pag.  52.  41)  Salkowski,  Ann.  173,  pag.  40.  42)  Cahours,  Ann.  74,  pag.  308. 
43)  Salkowski,  Ann.  163,  pag.  i.  44)  Salkowski  u.  Rudolph,  Ber.  10,  pag.  1254.  45)  Fus- 
dcrici,  Ber.  11,  pag.  1975. 


'■y--^^i^^m 


Benzoesäure.  189 

Diamidobenzamid  (7),  C6Hj(NH3)3CONHj,  entsteht  durch  Reduktion  von  Dinitro- 
benzamid.    Grosse  bräunliche  KrystaUnadehi.     Bildet  auch  saure  Salze. 

Hexamethyldiamidobenzoesäure  (8),  durch  Einwirkung  von  Jodmethyl  (6  Mol.)  und 
Aetckali  (1  MoL)  auf  eine  methylalkoholische  Lösung  (10  Thie.)  von  Diamidobenzoesäure 
(l  Thl.)  entsteht  das  in  sechsseitigen  Tafeln  krystallisirende  Jodid,    CyHj(CH3)eN202  .2JH 

N(CH,)J 
+  H,0  =  [CeH,N(CH3),J]   (?)  (9),   welches   beim  Kochen   mit  Silberoxyd  die   freie  Base  als 

CO,H 
hygroskopische,  aus  zarten  weissen  Blättchen  bestehende  Krystallmasse  liefert.    Dieselbe  ist  stark 
basisch,  zieht  Kohlensäure   an  und  fUllt  Metalloxyde. 

Das  salzsaure  Salz,  C,H,(CH3)5NjOj  2HC1 -f- 4HjjO,  bildet  scchsseirige  Blättchen.  Das 
kohlensaure  Salz  bildet  in  Wasser  leicht  lösliche  Blättchen  mit  stark  alkalischer  Reaktion. 

4.  m-p-Diamidobenzoesäure  (2,  10,  11),  CgHjCOjHNHjNHj,  entsteht 

1  34 

aus  den  entsprechenden  Nitroamidobenzoesäuren  (6  und  7).     Blättchen,  welche 

unter  Zersetzung  gegen  211^  schmelzen.  Schwer  in  kaltem,  leicht  in  heissem 
Wasser  löslich.     Liefert  bei  der  Destillation  mit  Kalk  o-Phenylendiamin.     Durch 

CO,H 
salpetrige  Säure  entsteht  m-p-Azimidobenzoesäure,  CgHjN-^^-j 

Das  schwefelsaure  Salz  bildet  schwer  lösliche  Blättchen. 

Triamidobenzoesäure   (13),    CgHjCOjHNHjNHjNH«,  4H«0,    entsteht 

1  945 

durch  Reduction  von  Dinitro-p-amidobenzoesäure  mit  Zinn  und  Salzsäure  und  wird  aus  der  vom 
Zinn  befreiten  und  eingedampften  Lösung  durch  essigsaures  Natron  in  Form  feiner  Nadeln  abge- 
schieden, welche  durch  Umkrystallisiren  aus  Wasser  zu  reinigen  sind. 

Glänzende,  schwach  braun  gefärbte  Nadeln,  seh  wer  löslich  in  kaltem  Wasser, 
Alkohol  und  Aether,  leicht  in  heissem  Wasser.  Sie  reagirt  sauer.  Bei  der 
trockenen  Destillation  zerfallt  sie  in  Triamidobenzol  und  Kohlensäure.  Zwei- 
säurige  Base;  einbasische  Säure. 

SalzsaurcsSalz,  C6Hj(NHj)3CO,H.2Ha,  bildet  leicht  lösliche  Nadeln.  Schwefel- 
saures Salz,  C6H3(NH,),CO,H.H3SO^  +  HjO,  hellbraune  Tafeln. 

Kalk  salz,  (CgH2(NH2)sC02),Ca,  braune,  harte  krystallinische  Krusten. 

Triamidobenzoesäure  (65),    CgH^CÖjHNHjNHjNHa,    entsteht  durch 

1  9         s         5 

Einwirkung  von  Zinn  und  Salzsäure  auf  Azodimetadiamidobenzoesäure  p-Benzol- 

NrrrrNCßH^SOjH 

sulfosäure,  CßH3(NH,)2,  ,  welche  dabei  in  Sulfanilsäure  und  Triamido- 

COjH 
benzoesäure   zerfällt.      Sie  bildet  farblose  Warzen,   welche  bald  braun  werden. 
Das  schwefelsaure  Salz  ist  selbst  in  heissem  Hj,0  schwer  löslich. 

Chlor amidobenzoesäuren,  CgH,ClNH,CO,H,  entstehen  durch  Reduction  der  ent- 
^rechenden  Chlornitrobenzoesäuren.     Als  Reductionsmittel  dient  Zinn  und  Salzsäure. 

1.  (a)  o-Chlor-mAmidobenzoesäure    (14),    CgH.COjHClNH,.    kleine,    bei    212*' 

1        2  (3-5)? 
schmelzende  Nadeln.     Wird  durch  Natriumamalgam  in  m-Amidobenzoesäure  Ubergefllhrt. 

2.  (p)  m-Chlor-o-Amidobenzoesäure  (15,  16),  gelbe,  bei  148®  schmelzende  und 
subUmirbare  Krystalle.  Schwer  in  Wasser,  leicht  in  Alkohol  löslich.  Sie  wird  durch  salpetrige 
Siure  in  Chlorsalylsäure  Übergeführt.  Baryt-  und  Kalksalz  krystallisiren  mit  2^  Mol.  H^O 
iHid  sind  schwer  löslich. 

3.  (8)  m-Chlor-m-Amidobenzoesäure  (17),  CgHjCOjjH- CINH,,  lange,  bei  215— 216® 

1  35 

scbmeUende  Nadeln. 

4.  (c)  p-Chlor-mAmidobenzoesäure  (14),   CgHjCOjHClNH,,  kurze,   farblose,  bei 

1        4      i 
212®  scfamekende  Nadeln.     Wird  durch  Natriumamalgam  in  m-Amidobenzoesäure  tibergefUhrt. 
Trichloramidobenzoesäure  (18),  CgHCljNHjCOjH,  entsteht  aus  Trichlomitrobenzoe- 


190  Handwörterbuch  der  Chemie. 

säure  und  bildet  feine,  bei  210^  schmelzende  Nadeln.  Schwer  löslich  in  heissem  Wasser.  Baryt- 
salz, (CßHCl3NH.XOj)2Ba4-3H.^O,  leicht  lösliche  Säulen. 

Bromamidobenzoesäuren,  CgHjBrNHgCOjH,  entstehen  durch  Reduktion  der 
entsprechenden  Bromnitrobenzoesäuren. 

1.  (a)  o-Brom-m-Amidobenzoesäure  (19,20),   C^HjCOjHBrNH,,  breite,  bei  180<* 

1  3      & 

schmelzende  Nadeln,  leicht  löslich  in  Wasser. 

2.  (ß)  m-Brom-o-Amidobenzoesäure  (21,  22),  CßHjCOjHBrNHj.  lange,  bei  208® 

1  3        6 

schmelzende  Nadeln.     Wird  durch  Natriumamalgam  in  o-Amidobenzoesäure  Übergeführt. 

3.  (y)  m-Brom-o-AmidobeDzoesäure  (21,  23),  CgHjCOjHBrNHj,  in  Wasser  schwer 

I  5       6 

lösliche  Nadeln,  welche  bei  171 — 172^  schmelzen.  Durch  Natriumamalgam  wird  sie  in  o-Ami- 
dobenzoesäure  Ubergefllhrt. 

4.  ifi)   p-Brom-m-Amidobenzoesäure  (19,  22),    CgHgCOjHBrNHj,    hellgelbe,  bei 

1  4      s 

220 — 221  ^  schmelzende  Nadeln.    Wird  durch  Natriumamalgam  in  m-Amidobenzoesäure  Ubergefiiliit 
Dibromamidobenzoesäure,  CgHjBrjjNH^COjH. 
Dibrom-o-Amidobenzoesäure  (20,  24),  CgHjCOjHNHjBrBr,  entsteht  durch  Reduc- 

1  '^8     4 

tion  der  bei  162^  schmelzenden  Dibromnitrobenzoesäure  und  durch  Einwirkung  von  Brom  auf 
o-Nitrotoluol,  welches  auf  170"  erhitzt  ist.  Farblose  bei  225°  schmelzende  Nadeln.  Durch 
Natriumamalgam  entsteht  o-Amidobenzoesäure. 

Dibrom-p-Amidobenzoesäure  (25),  CgHjCOjjHNH,BrBr,  entsteht  neben  Tribromanilin 

1  4       3   s 

durch  Einwirkung  von  überschüssigem  Bromwasscr  auf  eine  wässrige  Lösung  von  p-Amidoben- 
zoesäure.  Die  Säure  wird  durch  Auflösen  in  Ammoniak  und  Ausfällen  mit  Salzsäure  gereinigt 
Sie  krystallisirt  aus  Alkohol  in  bräunlichen  Nadeln.  Sie  wird,  über  ihren  Schmelzpunkt  erhitzt, 
zersetzt.     Durch  salpetrige  Säure  entsteht  y-Dibrombenzoesäure  (Sclmip.  209°). 

Natronsalz,  CgH.jBr.^NHj5COjjNa-|-5Hj,Ü,  krystallisirt  in  seideglänzenden  Nadeln. 
Barytsalz,  (C6H5,BraNH2C02)j,Ba  + -IHyO,  lange  KrystaUe. 

Tribrom-m-Amidobenzoesäure  (26,  27),  CgHBr3NHjCO.jH,  entsteht  durch  Ein- 
wirkung von  Bromwasser  auf  m-Amidobenzoesäure.  In  Wasser  schwer  lösliche  Nadeln,  welche 
bei  170'5°  schmelzen.  Zerfällt  bei  der  Destillation  in  Kohlensäure  und  Tribromanilin.  Barium- 
salz, (CgHBr3NHjC05,)3Ba  +  5iH20,  krystallisirt  in  Tafeln. 

Tribromdiamidobenzoesaure  (28),  CgBr3(NHj)2COjH,  aus  m-m-Diamidoben- 
zoesäure  und  Brom  dargestellt,  bildet  lange,  weisse  Nadeln. 

Jodamidobenzoesäure  (29),  CgHjJNHjCOjH. 

Die  zwei  bis  jetzt  dargestellten  Säuren  entstehen  durch  Reduktion  der  a-  und  ^mjod-o- 
nitrobenzoesäure. 

a-m-Jod-o-Amidobenzoesäure,  bildet  dunkelbraune,  leicht  lösliche  Krystalle, 
welche  bei  137°  schmelzen.  Geht  durch  Reduction  in  o-Amidobenzoesäure  über.  Barytsalz, 
(CgH3JNH.jC02)2Ba-|-H20,  rechtwinklige  Tafehi.  Salzsaures  Salz,  CgHJNHjCOjHHCl, 
Nadehi. 

ß-m-Jod-o-Amidobenzoesäure  schmilzt  bei  209°  unter  Zersetzung.  Die  Salze  sind 
leicht  zersetzlich.     Barytsalz  ist  wasserfrei. 

Dijod-m-Amidobcnzoesäure  (30),  CgHjjJjNHjCOjH,  wird  durch  Eintragen  von 
Chlorjod  (2  Mol.)  und  Quecksilberoxyd  in  eine  alkoholische  Lösung  von  m-Amidobenzoesäure 
(l  Mol.)  dargestellt  und  bildet  lange  unter  Zersetzung  schmelzende  Nadeln.  In  Wasser  schwer, 
in  Alkohol  leicht  löslich. 

Dijod-p-Amidobenzoesäure  (31),  CgH^JjjNH^COjjH,  entsteht  durch  Eintragen 
von  Chloijod  (2  Mol.)  auf  eine  Lösung  von  p-Amidobenzoesäure  in  überschüssiger  Saksäure. 
Die  in  Wasser  unlösliche  Säure  bildet  weisse  Über  300°  schmelzende  Blättchen.  Verbindet  sich 
nicht  mit  Säuren.  Barytsalz,  (CeHj2NHj,COj,)jjBa  +  4H5,0,  Nadeln,  in  kaltem  Wasser 
fast  unlöslich,  in  heissem  leichter  löslich. 

Nitro  am  idobenzoesäuren,  CßHjNOjNHjCOjH. 

o-Nitro-m-Aniidobenzoesäure    (2,    10,  33,  34),    C»;H3COjjHNOj.NH^, 


Benzoesäure.  19 1 

entsteht  durch  Kochen  von  f-Dinitro-m-uramidobenzoesäure  mit  Wasser.  Dicke 
Säulen.  Leicht  löslich  in  heissem  Wasser  in  Alkohol  und  Aether.  Durch  Re- 
duction  entsteht  (i)  o-m-Diamidobenzoesäure. 

Barytsalz,    (CgH3NOaNHj,COj),Ba  +  7H,0,   in  Wasser   sehr   leicht   lösliche  Nadeln. 

2.  o-Nitro-m-Amidobenzoesäure    (i,  2,  ^^)f  CßHgCOjHNO^iNHj,  aus 

1  2*5 

a-Dinitro-m-Uramidobenzoesäure  dargestellt,  bildet  gelbe  Nadeln.  Durch  salpetrige 
Säure  wird  sie  in  o-Nitrobenzoesäure,  durch  Reductionsmittel  in  o-m-Diamido- 
benzoesäure übergeführt. 

Barytsalz,  (CgH3NO,NH,CO,)2Ba  +  SH^O,  gelbe,  in  Wasser  leicht  lösliche  Nadeln. 

3.  m-Nitro-o-Amidobenzoesäure,  CßHjCOgHNOjNHg,  entsteht  durch 

1  3  6 

Kochen  von  E-Dinitro-o-Uramidobenzoesäure  (33)  mit  Wasser,  durch  Kochen  von 
ihrem  Amid  (s.  d.)  mit  Barytlösung  und  durch  Erhitzen  von  a-o-Brom-m-Nitro- 
benzoesäure  (35)  mit  Ammoniak.  Feine,  gelbe  Nadeln,  welche  bei  2G3°  (36) 
schmelzen.  Sie  wird  durch  salpetrige  Säure  in  m-Nitrobenzoesäure,  durch  Reduc- 
tionsmittel in  o-m-Diamidobenzoesäure  übergeführt. 

Barytsalz,  (C6H,NOjNH,CO,),Ba  +  SH^jO,  lange  gelbe  Nadeln. 

Amid  (36),  C6HjNOjNH.^CONHj,  aus  dem  Diäthyläther,  der  bei  228^  schmelzenden 
Nitrosalicylsäure  dargestellt,  bildet  bei   140^  schmelzende  Nadeln. 

4.  ro-Nitro-o-Amidobenzoesäure    (36,  37,  38),    CgNaCOjHNOgNH,, 

1  5  6 

entsteht  durch  Kochen  ihres  Amids  mit  Barytwasser.  Lange  gelbe  Nadeln,  welche 
bei  204^  schmelzen.  Wird  durch  salpetrige  Säure  in  m-Nitrobenzoesäure  über- 
geführt. 

Barytsalz,  (CgH5NOjNHj,CO,)jBa-i-2HjO,  schwer  löslich  in  kaltem,  leicht  in  heissem 
Wasser. 

Aethyläther,  CgHjNOjNHjCOjC^Hs,  bei   104^^  schmelzende  Blättchen. 

.Amid,  CgHjNOjNHjjCONHj,  aus  dem  Aether  der  bei  144— 145^  schmelzenden  Nitro- 
salicylsäure mit  Ammoniak  dargestellt,  bildet  bei  109"  schmelzende  Blätter  oder  Nadeln. 

5.  m-Nitro-m-Amidobenzoesäure  (39),  C6H3CO2HNO2NHJ,   entsteht 

1  3        & 

durch  Reduction  von  m-m-Dinitrobenzoesäure  mit  Schwefelammonium.  Lange, 
helle,  goldglänzende  Nadeln,  welche  bei  208°  schmelzen.  Durch  salpetrige 
Säure  entsteht  m-Nitrobenzoesäure.    Durch  Einwirkung  von  Bromäthyl  wird  sie  in 

NO2 
Nitroäthylamidobenzoesäure,    CßHaNH^CaHg)   (Schmp.  208°)   übergeführt. 

CO^H 

6.  m-Nitro-p-Amidobenzoesäure,    CeHgCOjHNOjNHj,    entsteht   aus 

13  4 

Dinitro-p-Uramidobenzoesäure  (11)  und  durch  Erhitzen  von  Nitroanissäure 
mit  Ammoniak  (40).  Gelbe  Blättchen.  Schmp.  284°  Durch  salpetrige  Säure 
entsteht  m-Nitrobenzoesäure,  durch  Reductionsmittel  m-p-Diamidobenzoesäure. 

Barytsalz,  (CeH3NOj,NH.^C02)3Ba -r 5HjO,  selbst  in  heissem  Wasser  schwer  lös- 
liche rothgelbe  Nadeln. 

7.  p-Nitro-m-Amidobenzoesäure  (i,  2),  CcHoCOaHNOjNH«,  entsteht 

14  5 

aus  ß-Dinitro-m-Uramidobenzoesäure.  Gelbrothe  Blätttchen.  Sie  wird  durch 
Reductionsmittel  in  m-p-Diamidobenzoesäure  umgewandelt. 

Barytsalz,  (C6HjNOjNHjCO.j).^Ba4-2H20,  gelbrothe  Säulen,  schwer  in  kaltem, 
leichter  in  heissem  Wasser  löslich. 

Dinitroamidobenzoesäure,  C6Hj(N03)2NH3C02H;  es  ist  ein  Dinitro- 
derivat  der  o-  und  p-Amidobenzoezäure  bekannt. 

Dinitro-o-Amidobenzocsäure    (41),     CcH.^COgHNH^NOj^NOa.      Der 


4 


192  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Aether  oder  das  Ammoniaksalz  entstehen  durch  Erhitzen  von  Diroethyl-  oder  Diäthy)- 
äther  der  bei  173°  schmelzenden  Dinitrosalicylsäure  mit  Ammoniak. 
COjCHs  CO^CH, 

CßHaOCH,       H-  NHg  =  CßHaNHg  ■+-  CH.OH. 

(N0,)8  (NOg), 

Die  Säure  krystallisirt  aus  siedendem  Alkohol  in  goldglänzenden,  bei  256° 
schmelzenden  Schuppen. 

Natronsalz,  C6H2NH./NOj)3,C03Na -f- HgO,  lange  gelbe  Schupperi. 
Methyläther  und  Aethylhther  bilden  gelbe,  bei  165^  resp.  135"  schmelzende  Blättchen. 

D  i  n  i  t  r  o-p-Am  idobenzoesäure,  Chrysanissäure(42)C6  H^CO^HNO  j  NH^NOj 

1  s        4         s    * 

entsteht  durch  Einwirkung  von  Ammoniak  auf  Dinitroanissäure  (43)  und  durch 

Oxydation  von  Dinitro-p-Toluidin  (45)  (Schmp.  168°)  mit  chromsaurem  Kali  und 
Schwefelsäure. 

Zur  Darstellung  (42,  43)  wird  Nitroanissäure  mit  dem  dreifachen  Gewicht  rother,  rauchender 
Salpetersäure  gekocht  oder  die  Säure  (40  Grm.)  in  ein  kaltes  Gemisch  von  140  Grm.  Salpetersäure 
(1*4  spec.  Gew.)  und  IGO  Grm.  Schwefelsäure  eingetragen.  Das  Rohprodukt,  welches  ausser 
Dinitroanissäure,  Di-  und  Trinitroanisol  enthält,  wird  mit  Ammoniak  gekocht,  die  Chrysanissäure  aus 
dem  Filtrat  mit  Salzsäure  gefällt  und  aus  Alkohol  umkrystallisirt. 

Sie  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  Nadeln,  aus  Alkohol  in  goldglänzen- 
den Blättchen,  welche  bei  259°  schmelzen.  Schwer  löslich  in  Wasser,  leicht  in 
Alkohol.  Die  Säure  wird  durch  Zinn  und  Salzsäure  in  Triamidobenzoesäure, 
durch  Schwefelammonium  in  Nitrodiamidobenzoesäure  übergeführt.  Durch  Kochen 
mit  Kali  entsteht  Nitro-p-Oxybenzoesäure,  welche  durch  Erhitzen  mit  Wasser  auf 
170°  in  Kohlensäure  und  0-0-Dinitrophenol  (44),  CßHgOHNOjNOg,  gespalten 

1         8  6 

wird.     Durch  Erhitzen  mit  conc.  Salzsäure  wird  ß-Trichlorbenzoe säure   gebildet 

Ammonsalz  bildet  glänzende  gelbe  Nadeln. 

Methyläther,  aus  chrysanissaurem  Silber  und  Jodmethyl  dargestellt,  bildet  goldglänzende, 
bei  144®  schmelzende  Blättchen. 

Aethyläther  bei  114®  sehmelzende,  grosse,  glasglänzende  Blätter. 

Benzoylderivate  der  Oxysäuren. 

OCOC  H 
Benzoylglycolsäure*),    CH^qq  h  ^    ^'    entsteht  durch  Einwirknng  von 

salpetriger  Säure  (i)  auf  eine  wässrige  Lösung  von  Hippursäure: 

CH^gg^H  ^«"*  +  NO,H  =  CH^gg^^H^e«»  +  H,0  +  2N. 

•)  i)  Strecker,  Ann.  68,  pag.  54.    2)  Gössmann,  Ann.  90,  pag.  181,   Conrad,   J.  pr. 
Ch.  [2]  15,  pag.  251.    3)  Otto,  Ann.  145,  pag.  350.    4)  Strecker  u.  Sokoloff,  Ann.  80,  pag.  17. 
5  Dies.,   Ann.  80,   pag.  42.     6)  Wislicenus,   Ann.  133,  pag.  264.     7)  Dessaignes,   Jahr.  1867, 
pag.  307.     8)  Perkin,  Ann.  Suppl.  5,   pag.  274.     9)  Anschütz  u.  Pictet,  Ber.  13,   pag.   11 78.        j 
10)  Engelhardt  und  Latschinoff,   Z.  Ch.  1868,  pag.  234.     11)  Lössner,   J.  pr.  Ch.   [a]  10,        i 
pag.  235-    12)  ZiNiN,  Ann.  92,  pag.  403.    Geuther,  Scheitz  u.  Marsh,  Z.  Ch.  1868,  pag.  305.         ! 
13)  Miquel,   Ann.   ehm.    ii,  pag.  289  u.   ff.     14)  Leuckart,  Joum.  pr.  Ch.  [2]  21,    pag.  33. 
15)  Creath,  Ber.  7,  pag.  1739.    16)  Kretschmar,  Ber.  8,  pag.  103.    17)  Pike,  Ber.  6,  pag.  755. 
18)  Kraut,  Jahresber.  1858,  pag.  573.     19)  Henneberg,  Stohmann  u.  Rautenberg,  Ajxn.  124, 
pag.  181.     20)  Liebig,    Ann.  50,    pag.   170.     21)  Hofmeister,   Jahresber.    1873,   pag.  870. 
22)  Schwarz,  Ann.  54,  pag.  29.    23)  Hallwachs,  Ann.  106,  pag.  164.    24)  Weismann,  Jahres- 
bericht 1858,  pag.  572.     25)  Verdeil  u.  Dollfuss,  Ann.  74,  pag.  214.     26)  Meissner  u-  Shk- 
PARD,  Untersuchungen  Über  die  Entstehung  der  Hippursäure  im  thierischen  Organismus.     HaxiDo- 
ver  1866.     27)  Lautemann,  Ann.  125,  pag.  9.     28)  Grabe  u.  Schultzen,  Ann.  142,  pag.  346. 
29)  E.  Salkowski  u.  H.  Salkovvski,  Ber.  12,  pag.  653.    30)  Naunyn  u.  Schultzen,  Z.  ehem.  1868, 


r 


■'V'^W'^- 


Benzoesäure.  I93 

oder  durch  Einleiten  von  Chlor  (2)  in  eine  alkalische  Lösung  der  letz- 
teren. Sie  krystallisirt  in  Säulen  oder  Tafeln.  Schwer  löslich  in  kaltem 
Wasser,  leicht  in  heissem,  in  Alkohol  und  Aether.  Durch  Kochen  mit  Wasser 
oder  besser  mit  Säuren  resp.  Alkalien  zeriällt  sie  in  Benzoesäure  und  Glycol- 
säure.  Durch  Natriumamalgam  (3)  wird  sie  in  zwei  isomere  Wasserstoff  reichere 
Säuren  C,  3H24O7  umgewandelt,  welche  wenig  untersucht  sind.  Die  Salze  (4) 
sind  meist  krystallinisch. 

Das  Kalksalz,  (C9H70^)jCa4- H,0,  bildet  feine  Nadeln.  Ebenso  das  Barytsalz. 
Der  Aethyläther,  aus  Chloressigsäureäther  und  benzoesaurem  Natron  dargestellt,  siedet  bei 
277-2790 

OCOC  H 
Benzoylmilchsäure,  CH,CHqq  jt  *  *»  wird  durch  Erhitzen  von  Ben- 
zoesäure (3)  mit  Milchsäure  auf  180°  und  durch  Einwirkung  von  Benzoyl- 
Chlorid  (6)  auf  Milchsäure  oder  deren  Salze  dargestellt.  Sie  krystallisirt  in  farb- 
losen, bei  112°  schmelzenden  Tafeln,  welche  schwer  löslich  in  Wasser  sind. 
Die  Salze  krystallisiren.    Der  bei  188°  siedende 

OCOC  H 
Aethyläther,  CHjCHp^  r  H  ^*  ^^^^  durch  alkoholisches  Ammoniak  in  das  Amid  (6) 

CH,CH^q2^«^5  umgewandelt,  welches  bei  124°  schmelzende  Warzen  bildet. 

Bei  allen  Darstellungen  der  Benzoylmilchsäure  entsteht  ein  öliges  Hydrat  (6), 
CiqHiqO^ -hHjO,  welches  bei  längerem  Stehen  in  die  krystallisirte  Säure 
übergeht. 

Benzoylweinsaure,  CHfOffiCO  H  '  durch  Erhitzen  von  Wemsäure 

(7)  und  Benzoesäure  dargestellt,  bildet  mikroskopische  Warzen.     Ihr 

Aethyläther  (8),  CuHgO^CCjHs),,  welcher  durch  Behandlung  von  WeinsäureUthyläther 

mit  Benzoylchlorid  entsteht,  bildet  bei  64^  schmelzende  Prismen. 
Durch  verdünntes  alkoholisches  Kali  wird  er  in 

Aethylbenzoylweinsäure,QTj>QUNQ(5  H  *  ^  ^,  übergeführt,  welche 
in  Wasser  schwer  lösliche  Krystallbtischel  bildet.  Durch  Acetylchlorid  wird  der 
Benzoylweinsäureäther  in 

Acetylbenzoylweinsaureathylather,  rnrOCOCH  VcO  C  H  '  ^'^ 
dickflüssiges  Oel,  umgewandelt. 

pag.  29.  31)  Schmiedeberg  u.  Bunge,  Jahresber.  1876,  pag.  66.  32)  Jahresber.  f.  Thierchem.  1879, 
pag.356,'  Ber.  12,  pag.  2164.  33)  Low,  J.  pr.  ehem.  [2]  19,  pag.  309.  34)  Dessaignes,  Ann.  87, 
P*C*325*  35)  Derselbe,  Jahresber.  1857,  pag.  367.  36)  Jazukowitsch,  Jahresber.  1867,  pag.  430. 
37)  CuRTius,  J.  pr.  Ch.  26,  pag.  145  u.  flf.  38)  Conrad,  J.  pr.  Ch.  15,  pag.  241.  39)  LiM- 
PRiCHT  u.  USLAR,  Ann.  88,  pag.  33.  40)  Kraut,  Jahresber.  1863,  pag.  348.  41)  Schwarz, 
Ann.  75,  pag.  201.  Jahresber.  1878,  pag.  775.  Maier,  Ann.  127,  pag.  161.  42)  Gorup-Besanez, 
Ann.  125,  pag.  217.  43)  Warklyn  u.  Chapmann,  Jahresb.  1868,  pag.  296.  44)  Otto,  Ann.  134, 
pag-  303.  45)  Schwanert,  Ann.  112,  pag.  59.  46)  Schwarz,  Ann.  54,  pag.  29;  75,  pag.  192. 
Schabus,  Jahresber.  1850,  pag.  411.  Kraut  u.  Hartmann,  Ann.  133,  pag.  107.  47)  Sal- 
Kowsn,  Jahresber.  1867,  pag.  429.  Putz,  Jahresber.  1877,  pag.  795.  48)  Campani  u.  Bizzori, 
BolL  s.  ch.  34,  pag.  527.  49)  Campani,  Ber.  1 1,  pag.  1247.  50)  Jaquemin  u.  Schlagdeschauffen, 
Jahresber.  1857,  pag.  368.  51)  Otto,  Ann.  122,  pag.  129.  52)  Bertagnini,  Ann.  78, 
pag.  100— 112.  53)  Schwanert,  Ann.  122,  pag.  129.  54)  Conrad,  J.  pr.  Ch.  15,  pag.  254—258. 
55)  Maier,  Z.  Ch.  1865,  pag.  415.  56)  Preusse,  Hoppe -Seiler,  Jahresber.  5,  pag.  63. 
57)  GRIESS,  Ber.  i,  pag.  190.  58)  Jaff^  Ber.  7,  pag.  1673.  59)  Griess,  J.  pr.  Ch.  i,  pag.  235. 
60)  CüRTiüs,  J.  pr.  Ch.  26,  pag.  145  u.  ff.  61)  Ders.,  Ber.  i6,  pag.  756.  62)  Jaffäe,  Ber.  10, 
pag.  1925;    II,  pag.  406.     63)  Destrem,  Ber.  12,  pag.  290,  373. 

LAOB.iBtJKG,  Chemie.    U.  I3 


s 


i^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Dibenzoylweinsäureanhydrid  (9),  C2ii2i^^^^6^b)iCO^^'  ^^^^^^^ 
durch  Einwirkung  von  Benzoylchlorid  auf  trockene  Weinsäure  und  krystallisirt 
aus  Alkohol  in  weissen,  bei  174^  schmelzenden  Nadeln. 

Benzoyltraubensäureäther(8),  €1111807(09115)5,  wird  aus  Benzoylchlorid 

und  Traubensäure  erhalten.     Krystalle,  welche  bei  57°  schmelzen. 

CH  OCOC  H 
Benzoylisäthionsäure  (10),  Qjj^gQ  h  ^    *'    Freie  Säure  nicht  bekannt 

OCOC  H 
Das  Kaliumsalz,  CgH^  qq  j^  ^    *,  entsteht  durch  Erwärmen  von  Benzoylchlorid  mit 

isäthionsaurem  Kali  auf  150°.  Es  krystallisirt  aus  siedendem  Wasser  in  grossen 
Tafeln,  aus  Alkohol  in  dünnen  Blättern.  Bariumsalz,  (C9H9S05)5Ba -hH^O, 
grosse  dünne  Tafeln,  in  kaltem  Wasser  ziemlich  schwer  löslich. 

Benzoylderivate  der  Amidosäuren. 

Benzoylderivate     der    Carbaminsäure.       Benzoylcarbaminsäure 

NHCOC  H 
äthyläther  (11),  COqq  h  ^  ^t  wird  durch  Kochen  einer  verdünnten  alko- 
holischen Lösung  von  Benzoylthiocarbaminsäureäther  mit  Bleioxyd  dargestellt 
und  krystallisirt  aus  40 — 45proc.  Alkohol  in  kurzen,  bei  119°  schmelzenden 
Nadeln.  Leicht  löslich  in  absolutem  Alkohol  und  Aether,  schwer  in  Wasser. 
Er  enthält  ein  durch  Kalium  ersetzbares  Wasserstoffatom.  Das  Salz,  C^  ^Hj  j^NOjK, 
fällt  beim  Vermischen  der  alkoholischen  Lösung  mit  alkoholischem  Kali  als 
kömiger  Niederschlag  aus  und  ist  leicht  löslich  in  Wasser. 

NHCOC  H 

Benzoylharnstoff  (12),  COj^tt  ^    *,   wird  durch  Erhitzen  von  Harn- 

stoff mit  Chlorbenzoyl  oder  Benzoesäureanhydrid  dargestellt  und  krystallisirt  aus 
Alkohol  in  dünnen  flachen  Blättern,  welche  gegen  200°  schmelzen.  1  Thl.  ist  in 
24  Thln.  siedendem  Alkohol  löslich.  Bei  vorsichtigem  Erhitzen  zerfällt  er  in 
Benzamid  uud  Cyanursäure. 

Aethylbenzoylharnstoff  existirt  in  zwei  isomeren  Modificationen. 

NHCOC  H 
1-  ^^NHC  H*    *  entsteht  durch  Entschwefelung  des  Aethylthioben2oylhamstofl&(  13)  mittelst 

gelben  QuecksUberoxyds  und  bildet  rhomboedrische,  bei  192°  schmelzende  Krystalle.  Durch 
Einwirkung  von  Chlorbenzoyl  auf  AethylhamstofF  entsteht  (14)  ein  bei  168®  schmelzender,  in 
Nadeln  krystallisirender  Aethylbenzoylharnstoff,  vielleicht  identisch  mit  jenem. 

2.  C0^^2^5)COCgH5^   ^^^^^  Behandlung  des  Benzoylthiocarbaminsäureäthers  (11)  mit 

alkoholischem  Ammoniak  dargestellt,  krystallisirt  aus  40 — -iöproc.  Alkohol  in  ziemlich  grossen 
Rhomboedem.  Durch  Einwirkung  von  Benzoylchlorid  wird  er  in  einen  bei  191®  schmelzenden 
Körper  übergeführt. 

NHCOC  H 
Dibenzoylharnstoff  (15),   ^^nHCOC^H^'  entsteht  durch  Erhitzen   von 

Benzamid  mit  Chlorkohlenoxyd  auf  160—170°  und  durch  Einwirkung  von  Ben- 
zoesäureanhydrid auf  kohlensaures  Guanidin  bei  100°.  Er  krystallisirt  aus  heissem 
Alkohol  in  Nadeln.  Schmp.  210°.  Zerfallt  beim  Kochen  mit  Salzsäure  in  Am- 
moniak und  Benzoesäure. 

NHCOC  H 
Benzoylallophansäureäther  (16),  COj^jj^q  ^  j|  ,  durch  Erhitzen  von 

Benzoylchlorid  mit  Urethan  dargestellt,  bildet  bei  163°  schmelzende  Krystalle. 
Guanidinderivate,  s.  Guanidin. 

NHCOC  H 
Benzoylthiocarbaminsäure  (13),  CSqjj  ^    ^.    Die  Säure    ist  nicht 


Benzoesäure.  195 

bekannt.  Ihre  Aether  entstehen  durch  Einwirkung  von  Alkoholen  und  Phenolen 
auf  Rhodanbenzoyl. 

Methyläther,  CSq^^^^«^*  (13),  feine  farblose  Nadeln,  welche  bei  97° 
s 
schmelzen.  Schwer  löslich  in  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und  Aether.  Beim  Er- 
hitzen mit  Wasser  auf  100°  zerfallt  er  in  Kohlensäure,  Schwefelwasserstoff, 
Methylalkohol  und  Benzamid,  beim  Erhitzen  auf  155°  wird  Ammoniak  und  Ben- 
zoesäure erzeugt.  Durch  alkoholisches  Natron  wird  er  in  ein  kiystallinisches 
Natronsalz,  C^HgNSOaNa  übergeftihrt. 

NHCOC  H 

Aethyläther  (11,  13),  CSqq  h      ^    *'  in  Wasser  sehr  schwer,  in  Alkohol 

und  Aether  schwer  lösliche,  gelbe,  prismatische  Krystalle,  welche  bei  73 — 74*^ 
schmelzen.  Durch  alkoholisches  Kali  entsteht  das  Salz,  CioH^^NSO^K  (11), 
welches   beim  Digeriren    mit  Bromäthyl   in    alkoholischer  Lösung  ein  schweres 

gelbes  Oel,  CSq^^«    »^«^  (?)  liefert    Dasselbe  zerfällt  bereits  bei  45 »  in 

Mercaptan  und  Benzonitril.  Durch  alkoholisches  Ammoniak  Wird  es  in  Aethyl- 
benzoylhamstoff  übergeführt. 

Amyläther  (13),  kleine  Prismen. 

NHCOC  «H 
Phenyläther  (13),  CSqq  h      **    '^^  schwach  gelbe,  bei  93°  schmelzende 

Krystalle,  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Alkohol  und  Aether. 

NHCOC  H 
Benzoy^thioharnstoff,  CSj^  jj  ^    *,  entsteht  durch  Erhitzen  von  Thio- 

hamstoff  (17)  mit  Benzoylchlorid  auf  120°  und  durch  Einwirkung  von  Rhodan- 
benzoyl (13)  auf  schwaches  Ammoniak.  Er  krystallisirt  aus  siedendem,  wässngen 
Alkohol  in  prismatischen  Krystallen,  welche  bei  171°  schmelzen.  Schwer  löslich 
in  kaltem  Wasser. 

NHCOC  H 
Aethylbenzoylthioharnstoff  (13),    CSj^u/-.  jj  *    *'   ^^^  Aethylamin   und  Rhodan- 
benzoyl dargestellt,   bildet  feine  Prismen,   welche  bei    134°  schmelzen.     In   Wasser  unlöslich, 
leicht  löslich  in  siedendem  Alkohol. 

NHCOC  H 
Phenylbenzoylthioharnstoff  (13),    CSj^„^  H  *    *'  ^^^  Anilin  und  Rhodanbenzoyl 

erhalten,  bildet  lange,  bei  148 — 149°  schmelzende  Nadeln.     Salpetersäure  erzeugt 

Nitrophenylbenzoylthioharnstoff,  Schmelzp.  230°. 

NHCOC  H 
Benzylbenzoylthiohamstoff  (13),  CSj^„pTT  A  t|  t  Prismen.     Schmelzp.  145°. 

NHCOC  H 
p-Tolylbenzoylthioharnstoff   (13),   CSj^jj^  „  CH  '    ^*°^®  ^^   ^^^°   schmelzende 

Prismen. 

N HCOC  H 
Naphtylbenzoylthioharnstoflf  (13),  CS^^^^^    jj*    *,  gelbe,  metallisch  glänzende,  bei 

172 — 173°  schmelzende  Prismen. 

Er  wird  durch  Salpetersäure  in  ein  Nitroprodukt  umgewandelt 

NHCOC  H 
Benzoylamidoessigsäure,Hippursäure,  CHgQQ  xT      *    *•  Die  Säure, 

bereits  von  Rouelle  im  Kuhham  aufgefunden,  wurde  von  Vauquelin  und 
FouRCROY  nach  ihrem  Vorkommen  im  Pferdeham  Hippursäure  genannt. 

Vorkommen  und  Bildungsweisen.  Die  Säure  findet  sich  als  normaler 
Bestandtheil  im  Harn  von  Pflanzenfressern,  besonders  von  Ochsen  (19),  Kühen  (18), 
Pferden  (20),  Schafen  (21),  Kameelen  (22)  etc.  Der  Gehalt  des  Harns  an  Hippur- 
säure hängt  von  der  Art  des  Futters  und  der  Arbeit  der  Thiere  ab.     Der  Harn 

13* 


196  Handwörterbuch  der  Chemie. 

von  Pferden  (20),  welche  stark  angestrengt  werden,  enthält  z.  B.  nur  Benzoesäure. 
Im  normalen  Menschenharn  sind  etwa  0'03 — 004J^  Hippursäure  enthalten;  die 
Menge  derselben  kann  jedoch  durch  vorherrschende  vegetabilische  Nahrung  (24) 
und  durch  krankhafte  Zustände  des  Organismus  gesteigert  werden.  Im  Ochsen- 
harn (19),  können  bis  zu  2*7  J  Hippursäure  enthalten  sein,  der  Kuhham  (19),  ent- 
hält durchschnittlich  1*3^.  Ausser  im  Harn  Rndet  sich  die  Hippursäure  fertig  ge- 
gebildet im  Ochsenblut  (25);  sie  ist  auch  in  den  Hautschuppen  des  Menschen  bei 
Ichthyose  aufgefunden  worden. 

lieber  die  Entstehung  (26)  der  Hippursäure  im  Thierkörper  sind  zahlreiche 
Untersuchungen  angestellt  worden.  Gewisse  aromatische  Substanzen,  z.  B.  Benzoe- 
säure (27),  Toluol  (30),  Phenylessigsäure  (29),  Phenylpropionsäure  (29),  Mandel- 
säure (28),  Zimmtsäure  (28),  Chinasäure  (27),  gehen  innerlich  genommen  in 
Hippursäure  über.  Substituirte  Benzoesäuren  werden  auf  dieselbe  Weise  in 
substituirte  Hippursäuren,  Homologe  der  Benzoesäure  in  Homologe  der  Hippur- 
säure umgewandelt,  so  dass  die  Fähigkeit  des  thierischen  Organismus,  aromatische 
Säuren  mit  GlycocoU  zu  vereinigen,  ganz  allgemein  zu  sein  scheint. 

CßHsCOOH  -h  CH,(NH2)COOH  =  H^O  -h  CH,  Jqq^^«^*. 

Sie  wird  nur  durch  anormale  Zustände,  z.  B.  durch  Nierenaffectionen  beim 
Menschen  aufgehoben. 

Die  Bildung  der  Hippursäure  wird  durch  die  Nieren  (31)  vermittelt;  bei 
einigen  Thieren  scheint  sie  jedoch  auch  in  der  Leber  und  im  Darm  (32)  vor 
sich  zu  gehen.  Aid  Quelle  der  im  Harn  von  Pflanzenfressern  auftretenden  Hippur- 
säure kann  mit  ziemlicher  Sicherheit  die  in  den  Pflanzen  vorkommende  Benzoe- 
säure resp.  Chinasäure  (33)  angesehen  werden.  Ein  Theil  verdankt  jedoch 
seine  Entstehung  den  Eiweisskörpem  (29),  aus  denen  bei  der  pankreatischen 
Fäulniss  sehr  frühzeitig  Phenylpropionsäure  entsteht,  welche  dann  im  Organismus 
in  Hippursäure  übergeht  Auf  diese  Weise  lässt  sich  auch  die  Anwesenheit  von 
Hippursäure  im  Harn  von  Fleischessern  und  Hungernden  erklären. 

Synthetisch  entsteht  die  Hippursäure  durch  Einwirkung  von  Glycocollzink  {34) 
auf  Chlorbenzoyl,  durch  Erhitzen  von  GlycocoU  mit  Benzoesäure  (35)  auf  160**, 
durch  Erhitzen  von  Benzamid  (36)  mit  Chloressigsäure  auf  dieselbe  Temperatur 
und  durch  Erwärmen  von  Glycocollsilber  (37)  mit  einer  Lösung  von  Benzoyl- 
Chlorid  in  Benzol,  in  letzterem  Falle  neben  Hippuiylamidoessigsäure, 

^^«CO^H  ^^'^^^^^'^''  "'^^  ^^'^^^  Sä"^^'  CioHi.NjO,. 
CHscSoH  -+-^6H5COCl=CH2^g§2^«^^  4-  AgCl. 

2CH,J^g5fjH-2CeH5COCl=CH,gg§2^^«^^^^^"sH-2AgCl4-C^ 

'  Zur  Darstellung  der  Hippursäure  wird  das  aus  dem  Harn  von  Pflanzenfressern  durch 
Salzsäure  abgeschiedene  Produkt  mit  etwas  weniger  Wasser  versetzt,  als  zur  völligen  Lösung  bei 
Siedehitze  erforderlich  ist,  die  Masse  durch  Dampf  zum  Sieden  gebracht  und  gleichzeitig  Chlor 
eingeleitet,  bis  der  Geruch  desselben  deutlich  wird.  Die  heiss  filtrirte  Lösung  wird  rasch,  am 
besten  durch  Vertheilung  und  häufiges  Umgiessen  abgekühlt,  und  die  abgeschiedene  Säure  noch 
einmal  in  derselben  Weise  mit  Chlor  behandelt,  bis  die  braune  Lösung  hellgelb  geworden  ist. 
Durch  einmaliges  Umkrystallisiren  unter  Zusatz  von  Thierkohle  wird  die  aus  dieser  Lösung  ab- 
geschiedene Säure  rein  erhalten. 

Die  Hippursäure  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  farblosen,  langen,  rhom- 
bischen Prismen,    welche  bisweilen  undurchsichtig  sind.     Schmelzp.  (38)  187'5^ 


Benzoesäure.  197 

Sic  ist  schwer  löslich  in  kaltem  Wasser  (1  Thl.  in  600  Thln.  HjO  bei  O"")  und 
Alkohol,  leichter  bei  Siedehitze.  Sie  ist  fast  unlöslich  in  kaltem  Aether,  Benzol 
und  Schwefelkohlenstoff  (38).  Von  heissem  Chloroform  (37)  wird  sie  nur  schwierig 
aufgenommen.  Sie  zerfällt  beim  Erhitzen  (39)  auf  240 — 250°  in  Benzoesäure, 
Benzonitril  und  harzige  Produkte.  Beim  Erhitzen  mit  Baryt  (38,  40)  wird 
Benzol,  Methylamin  und  Ammoniak  erzeugt.  Durch  Schmelzen  mit  Chlorzink 
wird  ebenfalls  Benzonitril  gebildet.  Durch  Kochen  mit  Alkalien  und  Mineral- 
säuren wird  die  Säure  in  Benzoesäure  und  Glycocoll  gespalten. 

Wird  die  Hippursäure    mit  Bleisuperoxyd  (41)  und  Schwefelsäure  gekocht, 
so  werden  Hippar affin  (S.  Aethylidendibenzamid)  und  Hipparin,  CgHjNOj 
gebildet      Letzteres   krystallisirt   in   grossen,   bei  45*7°    schmelzenden   Nadeln. 
Durch  Ozon   (48)  und  MnO^H  (43)  wird  die  Hippursäure  vollständig  zerstört. 
Salzsäure  und  chlorsaures  Kali  erzeugen  Chlorsubstitutionsprodukte,  Salpeter-  und 
Schwefelsäure  Nitrohippursäure.    Die  Umwandlung  in  Benzoylglycolsäure  durch 
salpetrige    Säure   und  Chlor   wurde    schon   angeführt.     Durch  Einwirkung   von 
Nat^iumamalgam  (44)   auf  eine  conc.  Lösung  von  Hippursäure  in  Natronlauge 
entsteht  zunächst  Hydrobenzursäure,   C13H24N2O«,    eine   terpentinähnliche, 
erst  nach  langer  Zeit  erstarrende  Masse,  welche  bei  anhaltender  Einwirkung  von 
Natriumamalgam  in  Glycocoll  und  Hydrobenzylursäure,  CißHjiNO^,  ein  gelb- 
liches,  allmählich   erstarrendes  Oel  zerfällt.     In  saurer  Lösung  werden  andere 
Produkte   erzeugt.     Wird    1    Mol.  Hippursäure   mit   2  Mol.    Phosphorpenta- 
Chlorid    (45)    destillirt,    so   gehen  zuerst  Phosphoroxychlorid  und  Benzoesäure- 
chlorid,    dann    zwei    neue    Chloride,     CgHgNOCl    und    C^H^NOClj,    über. 
Ersteres  bildet  monokline  Säulen,  welche  bei  40 — 50°  schmelzen.    Siedep.  220**. 
Unlöslich  in  Wasser  und  Aether,  leicht  in  Alkohol     Das  Chlorid  CjHjNOCl,, 
welches  nur  in  kleiner  Menge  entsteht,  ist  ebenfalls  krystallinisch. 

Salze  (46)  und  Aether  der  Hippursäure.  Die  Hippursäure  ist  eine 
starke  Säure,  welche  Zink  löst  und  kohlensaure  Salze  zerlegt.  Die  Salze  sind 
meist  löslich  in  Wasser. 

KalisaU,   CH,^^^^^«^* -+- H3O,   ist  undeutlich  krystaUinisch  und  bfldct  mit   1  MoL 

Hippursäure    atlasglänzende    Blätter    eines    sauren  Salzes.     AmmonsaU,    quadratische  Säulen, 

gicbt  leicht  Ammoniak  ab.     Barytsalz,  (cHj^q^^^«^»)  Ba  +  H,0,  büdet  quadratische, 

dßs    Kalksair,     ^CHj^^^^^«^*)  Ca  +  3HaO,    rhombische    Säulen.      Das    Zinksalz, 

(^">CO^^^*"0  Zn  +  5H,0,  bildet  Blättchen.  1  Thl.  ist  bei  17°  in  52  Thln.  Wasser 
löslich.  Das  Blei,  Kupfer  und  Silbersalz  sind  ebenfalls  krystallinisch.  Das  Eisensalz 
(47),  dessen  Zusammensetzung  verschieden  angegeben  wird,  ist  unlöslich  in  Wasser. 

Hippursäuremethyläther  (38),   CHj^^^^^e^*,   durch  Sättigen  einer  Lösung  der 

Sänre  in  Methylalkohol  mit  Salzsäure  dargestellt,  bildet  weisse,  bei  80'5^  schmelzende  Prismen. 
Der  analog  dargestellte 

Hippursäureäthyläther  (38).    CH,^q^^^«^5,    krystallisirt   in   Nadeln,   welche  bei 

SO'O^'  schmelzen. 

Btttyläther  (48),   CH,^q^^^«^*,  Prismen,  welche  bei  40«  schmelzen.     Isobutyl- 

äther   (48)    und   Isoamyläther   (49)   bilden   bei  45—56^  resp.  bei  27—28^    schmelzende 

Krystalle. 

NHCOC  H 
Hippursäureamid  (38,  50),   CHj^qj^j^j    *     ^,  bildet  sich  beim  längeren 


] 


t^S  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Stehen  des  Methyl-  oder  Aethyläthers  mit  alkoholischem,  oder  beim  Erwärmen 
mit  ronc-  wässerigem  Ammoniak.  Bei  183°  schmelzende  Krystalle.  In  kaltem 
Wasser,  Alkoliol  und  Aether  ist  es  fast  unlöslich,  leicht  löslich  in  heissem  Wasser 
und  AlkohoL  Mit  conc.  Salzsäure  entsteht  eine  leicht  zersetzbare  Verbindung. 
Substitutionsprodukte  der  Hippursäure. 

ra^Chlorhippursäure  (51),    CH^^q^^^^^^I    Dieselbe  entsteht  durch 

Einwirkung  von  Salzsäure  und  chlorsaurem  Kali  auf  Hippursäure,  und  zwar  meist 

neben  Dichlorhippursäure,    von    welcher   sie   durch    ihre  grössere  Löslichkeit  in 

Wasser  getrennt  wird.    Sie  bildet  sich  femer  beim  Durchgang  von  m-Chlorbenzoe- 

säure  durch  den  thierischen  Organismus  und  wird  im  Harn  abgeschieden,    ün- 

krystallinische,   zähe  Masse,  fast  unlöslich  in  kaltem  Wasser,  leicht  in  Alkohol 

und  Aether. 

Da5  Kalksalz,  (CgH^aN0j)3Ca  +  4H,0,  und  das  Silbersal«  sind  krystallinisch. 

NHCOC  H  Cl 
Dichlorhippursäure     (51),     CH^qq  h      ^    '     ^'    bildet    eine    körnige, 

krystaUinische,  selbst  in  heissem  Wasser  schwer  lösliche  Masse.  Durch  Salzsäure 
wird  ste  in  m-p-Dichlorbenzoesäure  und  GlycocoU  zerlegt     Die  Salze  sind  meist 

krystaUiniscb . 

NHCOC  H  Br 
Bromhippursäure,  CH2rQ  w      ^    *     '  durch  Einwirkung  von  Brom  auf 

eine   siedende  alkoholische    Lösung  von  Hippursäure  (55)  wird    eine   in    feinen 

Nadeln  kr)'stallisirende  Säure,   wahrscheinlich  m-Bromhippursäure,   erhalten. 

Die  p  Bromhippursäure    (56)  findet   sich    neben  p-Brombenzoesäure  im 

Kam  eines  Hundes,  welcher  mit  p-Bromtoluol  gefUttert  ist.     Flache  Nadeln. 

NHCOC  H  T 
Jodhippursäue,  CHjpQ  jj     *    *•';  durch  Einwirkung  von  Jodwasserstoff  (5  7) 

auf  Schwefelsäure -Diazohippursäure  entsteht  eine  beständige,  in  Blättchen 
krystallisirende  Jodhippursäure.  Eine  andere  Säure  (55)  wird  durch  Einwirkung 
von  Jod  auf  Hippursäure  erhalten.  Sie  zersetzt  sich  bei  90°  unter  Abscheidung 
von  Jod. 

Nitrohippursäure(52,  53),  CHjQQ  pj      ^    *        ^,  m-Nitrohippursäure. 

Dieselbe  (54)  wird  durch  Erhitzen  von  1  Thl.  Hippursäure  und  4  Thln.  rother,  rauchender 
SdpetersHure,  welche  mit  dem  gleichen  Vol.  conc.  Schwefelsäure  versetzt  ist,  in  geschlossenen 
Cc fassen  auf  30 — 40®  dargestellt  und  krystallisirt  aus  der  mit  Wasser  verdünnten  Reactionsmassc 
nach  melirtilgigem  Stehen  aus. 

Die  Säure  entsteht  auch  beim  Durchgang  von  m-Nitrobenzoesäure  (52)  durch 
den  Organismus.  Weisse  Prismen,  welche  bei  162°  schmelzen.  Leicht  löslich 
in  heissem  Wasser,  in  Alkohol  und  in  Aether. 

Die  Salic  lind  meist  krystallinisch.     Barytsalz,  (C5HyN,Oj)jBa,  bildet  Blättchen. 

p-Nitro hippursäure  (58)  findet  sich  neben  p-Nitrobenzoesäure  in  Form 
von  p*nitrohippursaurem  Harnstoff  im  Harn  eines  Hundes,  welcher  mit  p-^fit^o- 
toluol  gefLittert  ist.  Sie  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  grossen,  orangerothen 
Prismen,  welche  bei  129°  schmelzen.  Schwer  löslich  in  kaltem,  leicht  in  heissem 
Wasser,  in  Alkohol  und  Aether. 

Das  Barytsalz,  (CgH7N,05),Ba4- 4H,0,    bildet  unbeständige,    schwach  gelbe  Nadeln. 

Der  p-nitrohippur  saure  Harnstoff  bildet  perlmutterglänzende,  bei  179 — 180^  schmelzende 

Blättchen.     Li^icht  löslich  in  Alkohol  und  Wasser,  schwer  in  Aether. 

NHCOC  H  NH 
m*Amidohippursäure  (52,  53,  54),  CH,qq  h      ^    *        *,  wird  durch  Be- 


Benzoesäure.  199 

handlung  der  m-Nitrohippiirsäure  mit  Schwefelammonium  gewonnen.  Blättchen 
oder  kleine  Nadeln.  Schmp.  194°.  Leicht  löslich  in  siedendem  Wasser  und 
Alkohol.  Sie  vereinigt  sich  mit  Mineralsäuren  zu  zerfliesslichen  Salzen.  Durch 
salpetrige  Säure  wird  sie  in  Oxyhippursäure  umgewandelt. 

m-Uramidohippursäurc   (59),    CH,^q^^^«^^*^^^^^^«,  durch  Schmelren  von 

m-Amidobenzoesäure  mit  HamstofT  erhalten,  bildet  in  heissem  Wasser  leicht  lösliche  Warzen. 
Neben  der  vorigen  Säure  entsteht  eine  geringe  Menge  von  Carboxamidohippursäure  (59), 
CijHijN^Oy,  welche  in  heissem  Wasser  schwer  lösliche  Blättchen  bildet. 

Hippurylamidoessigsaure  (60),  CHjpQ  rr         *  ®    **,  entsteht, 

wie  bereits  erwähnt,  neben  Hippursäure  und  einer  Säure  C10H13N3O4  bei 
der  Einwirkung  von  Benzoylchlorid  auf  Glycocollsilber,  welches  in  Benzol  sus- 
pendirt  ist.  Sie  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  Nadeln  oder  Täfelchen,  welche 
bei  206,5°  schmelzen.  Unlöslich  in  kaltem  Aether,  Chloroform,  Benzol  und 
Schwefelkohlenstoff.  Sie  zerfallt  beim  Kochen  mit  Salzsäure  in  1  Mol.  Benzoe- 
säure und  2  Mol.  Glycocoll.  Starke  Säure,  welche  mit  Silber,  Barium,  Kupfer, 
Zink  und  Thallium  gut  krystallisirende  Salze  bildet 

Aethyläther,   CH,^Q^^^^a^^^^^«^»,    bildet  atlasglänzende  Nadeln  oder  Tafeb. 

Schmp.  1170. 

A      'A    r'TT  NHCOCH,NHCOC-H.  ,         .   ,,  ^      ..     •  a  •  i    j 

Amid,    ^H,p^|^TT        '  ^    ^1   aus   dem  Aether  und  wassngem  Ammoniak  dar- 

gestellt, bildet  grosse,  bei  202^  schmelzende  Kfystalle. 

Dasselbe  verbindet  sich  mit  Salzsäure  zu  einem  durch  Wasser  zersetzlichen  Salze.  Durch 
Erhitzen  von  GlycocoU  mit  HippursäureSthyläther  entsteht  neben  der  bereits  erwähnten  Säure 
Cj^Hj^NjO^t  eine  bei  172°  schmelzende  Säure,  welche  als 

Benzoyldiamidoacetylamidoessigsäure,CH,^Q  „  *  •  «    *, 

anzusehen  ist 

Benzoyldiamidovaleriansäure  (62).     Benzoylomithin, 

NHCOC  H 
C4H7NH2QQ  n      ^    ^9   entsteht  durch   Kochen  von   Omithursäure    mit   Salz- 
säure bis  zur  Lösung.     Sie  bildet  farblose,  harte,  bei  230°  schmelzende  Nadeln. 
In  Wasser  ist  sie  leicht,   in  Aether  und  Alkohol  kaum  löslich.     Durch  Kochen 
mit  conc.  Salzsäure  wird  sie  in  Benzoesäure  und  Diamidovaleriansäure  gespalten. 

Dibenzoylamidovaleriansäure(62),  Omithursäure,  C4H7XQ  TT       *    ^^*. 

Sie  bildet  sich  im  Organismus  von  Vögeln,  welche  mit  Benzoesäure  gefüttert 
werden,  und  ist  in  den  Excrementen  derselben  enthalten.  Zur  Darstellung 
werden  die  Excremente  mit  Alkohol  ausgekocht  und  die  darin  enthaltene  Säur»^ 
auf  einem  complicirten  Wege  gereinigt.  Sie  krystallisirt  aus  heissem  Alkohol  in 
kleinen,  farblosen  Nadeln,  welche  bei  182°  schmelzen.  Sie  ist  sehr  schwer 
löslich  in  heissem  Wasser,  fast  unlöslich  in  Aether,  leicht  löslich  in  Essigäther. 
Schwache  Säure,  welche  mit  schweren  Metallen  unlösliche  Salze  bildet. 

(NHCOC  H  \ 
C5H1QPQ  *    *j  O,  ist 

eine  in  Wasser  unlösliche,  amorphe  Substanz,  welche  beim  Erhitzen  von  Leucin 
mit  Benzoylchlorid  auf  100°  entsteht.    Schmp.  85°. 

Benzophosphinsäure*)  (i),   CßH^^Q^jj   ^*,   wird  durch  Oxydation  von 

•)  1)  Michaelis  u.  Panek,  Ber.  14,  pag.  405.  2)  La  Coste,  Ann.  208  u.  ff.  3)  Michaelis 
Q   Czimatis,  Ber.   15,  pag.  2018. 


200  Handwörterbuch  der  Chemie. 

p-Tolylphosphinsäure,  CeH4PTT^       ^*,  mit  übermangansaurem  Kalium,  auf  dem 

bei  Benzarsinsäure  beschriebenen  Wege  dargestellt.     Sie  krystallisirt  aus  Salzsäure 

in   glänzenden   Tafeln,    aus   heissem    Wasser   in   atlasglänzenden   Nadeln.    Sie 

schmilzt  über   300°   unter   Zersetzung.     Durch   Erwärmen   mit  Phosphorpente- 

P  O  Cl 
Chlorid    entsteht  Benzophosphorsäurechlorid,    ^b^aqqqi^ »    ^^^  ^®*  ^^'^ 

schmelzende  und  bei  315°  völlig  unzersetzt  siedende  Krystallmasse. 

Die  Säure  ist  dreibasisch.  Das  zweifachsaure  Kaliumsalz,  ^6^4CO  K  "^  ^'^* 
bildet  feine,  in  Wasser  leicht,  in  Alkohol  schwer  lösliche  Nadeln.  Aus  seiner  Lösung  im  HG 
wird  das  schwer  lösliche 

Ubersaure  Salz,  CgH^^^^^^)«  4- CgH^^^^^^^«,  abgeschieden. 

Das  Silbersalz  ist  amorph;  der  daraus  gewonnene  Methyläther  flttssig. 

Trimethylphosphorbenzbetam  (3),  CcH^^^q^^^^^O -h  3H,0.  Das 
salzsaure  Salz  entsteht  durch  Oxydation  von  p-Tolyltrimethylphosphoniumchlorid, 

prcH^  Cl 

Cf  H4pVt    ^^    ,  mit  Kaliumpermanganat.     Die  freie  Base  wird  durch  Alkalien 

aus   dem  Chlorhydrat  abgeschieden   und   kr>'stallisirt   aus   Wasser   in   gut  aus- 
gebildeten Rhomboedem.     Sie  bildet  mit  Säuren  gut  krystallisirende  Salze. 

Das  salzsaure  Salz,  CjH^^^q^^»^,  bUdet  kurze,  glänzende  Prismen. 
p-Benzarsinsäure  (2),  C^H^qq  |j    ^*,    entsteht    durch   Oxydation   von 

Tolylarsinsäure,  CeH^Q^^^^^*. 

Zur  Darstellung  versetzt  man  eine  Lösung  von  10  Grm.  Tolylarsinsäure  mit  6  Grm.  KOH 
in  ^  Liter  Wasser  allmälich  mit  14  Gnn.  Kaliumpermanganat  in  ^  Liter  Wasser,  und  lässt  bis 
zur  Entfärbung  bei  60^  stehen.  Nachdem  das  Mangansuperoxyd  durch  Filtration  entfernt  ist, 
wird  die  auf  ein  kleines  Vol.  eingedampfte  Lösung  mit  Essigsäure  versetzt,  und  der  Uebeischass 
an  Säure  auf  dem  Wasserbade  verjagt.  Der  trockene  Rückstand  wird  mehrmals  mit  Alkohol 
ausgekocht,  wobei  unter  Lösung  von  Kaliumacetat  saures  benzarsinsaures  Kalium  zurückbleibt 
Letzteres  wird  in  heisser  Salzsäure  gelöst,  worauf  beim  Erkalten  die  Säure  in  Krystallen  ab- 
geschieden wird. 

Sie  bildet  grosse,  farblose,  durchsichtige  Tafeln,  löslich  in  heissem  Alkohol. 

Durch  Erhitzen  geht  die  Säure  unter  Wasser^'erlust  in 

AsO 
Arsinobenzoesäure,  C^U^qq  |j,  über,  welche  ein  gelbes  Pulver  bildet. 

Jodwasserstoff  und  Phosphor  fuhren  die  Benzarsinsäure  in 

Benzarsinjodür,  ^s^aqqh»  g^^^^»  ^^*  1^3°  schmelzende  Krystalle  über. 

AsCl 
DurchPhosphortrichloridwirdsieinBenzarsinchlorür,CeH4PQ  A,  umgewandelt, 

welches  farblose,  bei  157°  schmelzende  Nadeln  bildet 

Die  Benzarsinsäure  ist  in  kohlensauren  Salzen  unter  Kohlensäureentwicklung  löslich. 

Das  ubersaure  Kaliumsalz,  C^H^^^^^^)«  4- C^H^^^^")»,  bildet  triklin« 
Tafeln.  *  * 

Das  neutrale  Silbersalz,  C^H^^q  Ac  '  ^^^  ^  weisser,  amorpher  Niederschlag. 
Es  liefert  beim  Erhitzen  mit  Jodmethyl  auf  100^  den 

Methyllther,  C^H^^q  ^^  ^"^^  eine  durch  kochendes  Wasser  zerseUlicbe  Krystallmasse. 


Benzoesäure.  201 

p-Benzarsinige  Säure,   C6H4PQ  u     ,  wird  aus  der  Lösung  von  Benz- 

arsinjodür  in  kohlensaurem  Natron  durch  Salzsäure  gefällt  und  krystallisirt  aus 

heissem  Wasser  in  farblosen,    feinen    Nadeln.     Schmp.  145—160°.     Sie  verliert 

AsO 
beim  Erhitzen  1  Mol.  Wasser  und  bildet  C^H ^qq  u 

Das  Kalksall,    (CeH^^^^^a)  Ca,  krystallisirt  in  pcrlmutterglänrenden  Blättchen. 

OH 

p-Dibenzarsinsäure,  AsO,q  jj  qq  jjx  ,   entsteht  durch    Oxydation    von 

OH 
Ditolylarsinsäure,  AsO/Q  tt  qu  n  ,  mit  Kaliumpermanganat.  Glänzende  Blättchen, 

m  Alkohol  und  Wasser  schwer  löslich.     Sie  wird  durch  Jodwasserstoff  und  rothen 

Phosphor  in  Dibenzarsinjodür,  A.sIq  tt  qq  tt\  ,    und   dieses    durch  kohlen- 

OH 
saures  Natron  in  Dibenzarsinige  Säure,  As/q  tt  qq  t^\  ,  übergeführt. 

p-Tribenzarsinsäure,  As;p  h^CO  H^  '  entsteht  durch  Oxydation  von 
Tritolylarsin  AsCCeH^CH,),  mit  Kaliumpermanganat  und  krystallisirt  aus  Alkohol 
oder  Aether  in  krystallinischen  Kruslen.  Durch  Jodwasserstoff"  und  Phosphor 
entsteht  tribenzarsinige  Säure. 

Thiobenzoesäuren*)  entstehen  aus  Benzoesäure  durch  Austausch  des 
Sauerstoffes  im  Carboxyl  gegen  Schwefel.  Es  sind  demnach  drei  Thioderivate 
möglich,  welche  den  folgenden  Formeln  entsprechen. 

CeHjCOSH  CeHjCSOH  CeHjCSSH 

a-Thiobenzoesäure       ß-Thiobenzoesäure       Diüiiobenzoesäure. 
a-Thiobenzoesäure  (i),   CeHjCOSH.     Das   Kaliumsalz   entsteht   durch 
Einwirkung  von  Benzoylchlorid  auf  eine  alkoholische  Lösung  von  Schwefelkalium 
und  durch  Kochen  von  Benzoesäureanhydrid  oder  Benzoesäurephenyläther   mit 
alkoholischem  Kaliumsulfhydrat.    Benützt   man   zur  Darstellung  Benzoylchlorid, 
so  wird  das  ausgeschiedene  Chlorkalium  abfiltrirt,  der  Alkohol  verdunstet   und 
die  Säure  aus  der  wässrigen    Lösung   des   Kaliumsalzes    mit   Salzsäure    gefälll. 
Gelbes  Oel,   welches  durch  Abkühlung  erstarrt   und   gegen  24°  schmilzt.     Die 
Säure  wird  bereits  durch  den  Sauerstoff  der  Luft  in  Benzoyldisulfid  umgewandelt. 
Das  Kalisalz,  CgHjCOSK,  kiystallisirt  aus  Alkohol  in  gelblichen  Tafeln. 
Das  Barytsalz.  (CgH5COS)jjBa,   bildet  wasserhaltige  Blättchen.     Blei-   und  Silber  salz 
sind  weisse,  leicht  zersetzliche  Niederschläge. 

Thiobenzoesäureäthyläther  (2),  CgHsCOSCjHj,  aus  Blcunerkaptan  und  ätherischem 
Benzoylchlorid  dargestellt,   ist  ein  bei  243°  siedendes,  nach  Mercaptan  riechendes  Oel. 

Thiobcnzoesäurephenyläthcr  (3),  CgHsCOSCgHs,  wird  durch  Erhitzen  von  Benzoyl- 
chlorid mit  Phenylsulfhydiat  erhalten  und  krystallisirt  aus  Benzol  in  glänzenden,  bei  56 <* 
tcluBelzenden  Nadeln.     Der  analog  dargestellte 

•)  I)  Engelhardt,  Latschinoff  u.  Malyscheff,  Z.  Ch.  1868,  pag.  353—57-    *)  Tütt- 
5CHKFF,  Z.  J.  1863,  pag.  483.     3)  SCHU.LER  u.  Otto,  Bcr.  9,  pag.  1634.     4)  Otto  u.  LDders, 
^'  >3.  pag.  1285.     5)  MossLiNG,    Ann.  118,  pag.  303.     6)  Klinger,    Ber.   15.  pag-  »^5- 
7)  Engelhardt.  Latschinoff,  Z.  Ch.  1868,  pag.  455.    8)  Cahours,  J.  1847—48»  P^g-  595- 
9)toNTHSEM,  Ann.  192,  pag.  31.    10)  Hofmann,  Ber.  i,  pag.  102.     11)  Ders.,  Ber.  2.  pag.  645. 
»)  KUNGER,  Ann.  192,  pag.  48.     13)  Wanstrat.  Ber.  6,  pag.  332—35-     >4)  Bernthskn, 
^•»97,  pag.  348-50.     15)  Pinner  u.  Klein,   Ber.  11,   pag.  1825.     16)  Engler,   Ann.  14^, 
PH- 299-    17)  Hofmann,  Ber.  i,  pag.  197. 


n 


202  Handwörterbuch  der  Qiemie. 


p-Tolyläther  (3),  CgHjCOSCgH^CHj,  bildet  grosse,  bei  75^  schmelzende  Säulen. 
Thiobcnzoesäurebenryläther   (4),    CgHjCOSCHjC^Hj,    aus   Benzylmcrcaptan  und 
Benzoylchlorid  entstehend,  bildet  bei  39,5*'  schmelzende  Krystalle  des  asymetrischen  Systems. 

C  H  CO 

Benzoylsulfid  (i),  ^^jj^pqS,  entsteht  durch  Einwirkung  von  Benzoyl- 
chlorid auf  trockenes  thiobenzoesaures  Kalium  und  krystallisirt  aus  Aether  in 
grossen,  bei  48°  schmelzenden  Prismen.  Unlöslich  in  kaltem  Wasser.  Durch 
Erwärmen  mit  Ammoniak  wird  es  in  Benzamid  und  Thiobenzoesäure  zerlegt. 

C  H-CO 
Benzoyldisulfid,  r'^H^CO^^-     Dasselbe    entsteht   durch  Einwirkung  von 

Oxydationsmitteln,  z.  B.  verdünnter  Salpetersäure  auf  Thiobenzoesäure,  durch 
Erhitzen  von  Benzoesäureanhydrid  in  einem  Schwefelwasserstoffstrome  (5)  und 
durch  Behandlung  einer  wässerigen  Lösung  von  thiobenzoesaurem  Kali  mit  Eisen- 
Chlorid  oder  Jod  (i). 

2(CeH,C0SK)  +  2J  =^«^50052  +  2JK. 

I^etztere  Methode  ist  die  geeigneteste  zur  Darstellung.  Es  krystallisirt  aas 
Schwefelkohlenstoff  in  Prismen  oder  sechsseitigen  Tafeln,  welche  bei  128*^  schmelzen 
und  meist  etwas  röthlich  gefärbt  sind. 

ß-Thiobenzoesäure  (6),  CgHßCSOH,  soll  durch  Oxydation  von  Benzylidcn- 
Sulfid  CgHjCHS  mit  Salpetersäure  entstehen.  Nach  neueren  Untersuchungen 
ist  das  sogen.  Benzylidensulfid  identisch  mit  Benzyldisulfid ,  und  daher  die 
Existenz  der  Säure  mehr  als  zweifelhaft 

Dithiobenzoesäure(7)C6H5CSSH.  DasKaliumsalz  entsteht  durch  längeres 
Digeriren  einer  sehr  verdünnten  alkoholischen  Lösung  von  Schwefelkalium  mit 
Benzotrichlorid. 

CßH.CQs  -h  2KjS  =  3KCI H-  CßHsCSaK. 

Zur  Darstellung  der  Säure  wird  das  Chlorkalium  abültrirt,  aus  der  Lösung  zunächst  durch 
Zusatz  von  wenig  essigsaurem  Blei  Schwefelblei  gefUllt,  und  darauf  durch  weiteren  Zusatz  dithio- 
be'nzoesaures  Blei,  in  Gestalt  von  rothen  Nadeln  abgeschieden.  Dasselbe  wird  aus  siedendem 
Benzol  umkrystallisirt,  mit  Salzsäure  zerlegt,  und  die  Säure  durch  Ausschütteln  mit  Aetber 
gewonnen. 

Rothviolettes,  sehr  unbeständiges  Oel,  in  Alkohol  und  Aether  leicht  löslich, 
in  Wasser  unlöslich.     Es  verharzt  an  der  Luft. 

Dithiobenzoesaures  Blei,  (C5H5CS2)jPb,  bildet  feine,  rothe  Nadeln.  Dithio- 
benzoe saures  Quecksilber,  (CgHjCS3)2Hg,  krystallisirt  aus  Alkohol  in  röthlich  gdbcn 
Blättchen. 

p-Chlordithiobenzoesäure,  CgH^ClCSjH,  aus  p-Chlorbenzotrichlorid,  CgH^QCQ|, 
dargestellt,  ist  ebenfalls  ein  violettrothes  Oel. 

Thiobcnzamid  (8,  9),  CgH^CSNHg.  Dasselbe  wird  durch  Einleiten  von 
Schwefelwasserstoff  in  eine  mit  wenig  Ammoniak  versetzte  alkoholische  Lösung 
von  Benzonitril  dargestellt. 

CßHöCN  +  HgS  =  CßHsCSNHa. 

Das  Amid  krystallisirt  in  gelben  Nadeln,  welche  bei  117°  schmelzen.  Durch 
Kochen  mit  Quecksilberoxyd  und  Wasser  wird  Benzonitril  regenerirt.  Durch 
Zink  und  Salzsäure  wird  es  in  alkoholischer  Lösung  in  Benzylamin  (10)  um- 
gewandelt. Natriumamalgam  (12)  erzeugt  neben  anderen  Produkten  amorphes 
und  krystallisirtes  Benzylidensulfid.  Wird  die  alkoholische  Lösung  mit  Jod  (11) 
versetzt,  so  wird  unter  Abscheidung  von  Schwefel  eine  in  weissen,  bei  90** 
schmelzenden  Nadeln  krystallisirende  Verbindung  Ci^HjoNjS  erhalten,  welche 
durch  Zink  und  Salzsäure  in  eine  mit  dem  Aethenyldiphenyldiamin  isomere  Base 


Bcnxol.  203 

^14^14^2  (11)  tibergeführt  wird.  Die  letztere  krystalHsirt  aus  Wasser  in  Blättchen 
(Schmp.  71°)  und  bildet  gut  krystallisirende  Salze. 

Benzimidothioäthyläther  (14),    CgHjC__g^„  .    Das  salzsaure  Salz  entsteht  durch 

Einleiten  von  Salzsäure  in  ein  Gemenge  von  Benzonitril  und  Mercaptan,  das  jodwasserstofTsaure 
Salz  wird  durch  Einwirkung  von  Jodäthyl  auf  Thiobenzamid  erhalten.  Der  aus  diesen  Salzen 
durch  Alkali  abgeschiedene  Aether  ist  ein  in  Wasser  leicht  lösliches  Gel,  welches  leicht  in 
Mercaptan  und  Benzonitril  zerßQlt. 

Das  Chlorhydrat,  CgH^C^^^^^    bildet    dicke,    bei    188^  schmekende   Prismen,    das 

Jodhydrat,  C^HjCg^y^,  bei  142**  schmelzende,  monokline  Krystalle. 

NH 
Benzimidothioamyläther  (15),  CgH.Cc/-  »,     ,   ist  eine  leicht  bewegliche  Flüssigkeit, 

dessen   in  Nadeln  krystallisirendes  Chlorhydrat  aus  Amylmercaptan ,    Benzonitril  und  Salzsäure 

gebildet  wird. 

N  H 
Benzimidothiobenzyläther  (14),   C^HjCg^jr  r  H  '  *^*  ^^"^  ^^^  unbeständige  Base. 

Das  Chlorhydrat,  analog  dem  vorigen  erhalten,  bildet  bei  181**  schmelzende  Tafeln. 

Ami do thiobenzamid,  C6^4CSNH  '  '^^  '^  ^^^^  Modificationen  bekannt, 
welche  durch  Reduction  von  m-  und  p-Nitrobenzonitril  mit  Schwefelammonium' 
entstehen. 

m-Amidothiobenzamid  (17)  krystallisirt  aus  Wasser  in  Nadeln^  welche  über  100°  in 
H,S  und  Benzonitril  zerfallen.  Schwache  Base.  Durch  Jod  (13)  wird  sie  in  eine  Verbindung 
Cj^HjjNjS  umgewandelt. 

p-Amidothiobenzamid  (17)  bei  170<^  schmelzende  Krystalle.  A.   WeDDIGE. 

Benzol^,  Phenylwasserstoff,  Benzin,  CgH^.  Dasselbe  wurde  1825 
zuerst  von  Faraday  (i)  im  Oelgase  aufgefunden  und  1833  von  Mitscherlich  (2) 
durch  trockne  Destillation  von  Benzoesäure  mit  Kalk  in  reinem  Zustande  dar- 
gestellt Leigh  (3)  und  später  Hofmann  (4)  wiesen  seine  Anwesenheit  im  Stein- 
kohlentheer  nach. 

Das  Benzol  entsteht  durch  Destillation  von  Benzolcarbonsäuren  mit  Kalk  und 
beim  Durchleiten  (5)  von  kohlenstoffreicheren  aromatischen  Kohlenwasserstoffen 
und  von  Substanzen  der  Fettsäurereihe,  wie  Essigsäure,  Alkohol,  Aethyläther  etc. 
durch  glühende  Röhren.  Besonders  reichlich  wird  es  nach  letzterer  Methode 
aus  Acetylen  (6),  CjHj,  erhalten,  jedoch  neben  kleinen  Mengen  von  Styrol, 
Naphtalin  und  anderen  complicirt  zusammengesetzten  Kohlenwasserstoffen.  Es 
bildet  sich  femer  bei  der  trockenen  Destillation  der  Chinasäure  (7),  beim  lieber- 


•)  i)  POGG.,  Ann.  5,  pag.  306.  2)  Ann.  9,  pag.  39.  3)  Mon.  scient.  1865,  pag.  446. 
4)  Ann.  54,  pag.  200.  5)  Berthelot,  Jahresb.  1866,  pag.  542.  6)  Ders.,  Jahresber.  1866, 
P«g.  515.  7)  WoEm^ER,  Ann.  51,  pag.  146.  8)  Bolley,  Handbuch  d.  ehem.  Technologie  V.  2, 
pag.  203  u.  ff.  9)  Hofmann,  Ber.  4,  pag.  163,  10)  Ber.  15,  pag.  2893;  Ber.  16,  pag.  1465. 
11)  Groth,  Ber.  3,  pag.  450.  12)  Thomsen,  Ber.  15,  pag.  328.  13)  Andrieenz,  Ber.  6,  pag.  442. 
Pbati  u.  Patern6,  J.  1874,  pag.  368.  Janovsky,  Monatsh.  d.  Ch.  i,  pag.  311.  14)  Wreden 
Q.  ZnatÖwicz,  Ann.  187,  pag.  163.  15)  Leeds,  Ber.  14,  pag.  975.  16)  Carius,  Ann.  148, 
pag.  5a  17)  Carstanjen,  J.  pr.  Ch.  107,  pag.  331.  18)  Etard,  Ann.  ch.  phys.  22,  pag. 
218 — 287.  Ber.  14,  pag.  848.  19)  Krafft,  Ber.  10,  pag.  797.  20)  Carius,  Ann.  140,  pag.  322. 
21)  Leeds,  Ann.  ehem.  2,  pag.  277.  22)  Abeljanz,  Ber.  9,  pag.  10.  23)  Mitscherlich,  Pogg.  35, 
pag.  37a  Heys,  Z.  Ch.  1871,  pag.  293.  Leeds  u.  Everhardt,  Am.  ehem.  2,  pag.  205. 
24)  ZwiN,  Z.  Ch.  1871,  pag.  284.  25)  Mitscherlich,  Pogg.  35,  pag.  374.  26)  Carius, 
Ann.  136,  pag.  323;    140,  pag.  322.     27)  Güstavson,  Ber.   ii,  pag.  21 51. 


\ 


304  Handwörterbuch  der  Chemie. 

leiten  v<m  Pbenoldampf  über  glühenden  Zinkstaub  und  bei  der  trokenen  Destillation 
vun  Holz  und  besonders  von  Steinkohlen. 

Darsitflluftg,  Das  in  der  chemischen  Industrie  (8)  in  grossen  Mengen  gebrauchte  Beniol 
wird  lediglich  aus  Stoinkohlentheer  gewonnen.  Es  wird  das  bei  der  Destillation  des  Theers  xucrst 
iiber^chcode  leichte  Theeröl  durch  Schütteln  mit  Natronlauge  und  Schwefelsäure  von  Phenolen 
und  basisdifMi  Körpern  befreit,  und  dann  in  besonders  construirten  Apparaten  einer  sorgfältigen 
Rectifikation  untenvorfen,  wobei  zunächst  ein  aus  Schwefelkohlenstoff,  Amylen,  Alkohol,  Aceto- 
nitri]  uthI  anderen  Substanzen  bestehender  Vorlauf,  dann  Benzol  und  später  Toluol  und  Homologe 
übergehen.  Zur  Reindarstellung  bringt  man  das  Benzol  durch  Eis  zum  Gefrieren  (9)  und  befreit 
CS  dorch  Pressen  \ox\  den  nicht  erstarrenden  homologen  Kohlenwasserstoffen. 

Das  aus  Steinkohlentheer  dargestellte  Benzol,  welches  lange  Jahre  für  ein 
chemisches  Jndividuum  gehalten  wurde,  enthält  nach  den  neuesten  Unter- 
suchtingen  von  V.  Meyer  (ig)  als  steten  Begleiter  einen  schwefelhaltigen  Körper, 
das  Thiophen,  C^H^S.  Im  reinsten  Benzol  sind  circa  0*5  J^  enthalten.  Es  kann 
dem  Benzol   durch  Schütteln  mit  concentrirter  Schwefelsäure  entzogen  werden. 

Ueber  die  Constitution  des  Benzols  sowie  über  die  Bezeichnung  seiner 
Derivate  s,  Art,  Aromatische  Verbindungen,  pag.  39. 

Eigenschaften  und  Umwandlungen.  Das  Benzol  ist  eine  wasserhelle, 
leicht  bewegliche  Flüssigkeit,  welche  unter  0°  zu  rhombischen  Prismen  (11)  er- 
starrt, Schmp.  circa  -+-6°.  Benzol  siedet  bei  80*3°  (12)  und  brennt  mit 
leuchtender  Flamme.  Spec.  Gew.  (13)  =  0*885  bei  15°.  Verbrennungswärme  (12) 
des  aus  Theer  dargestellten  Benzols  bei  19°  =  805800«=,  des  aus  Hippursäure 
dargestellten  —  787950<=.  Benzol  ist  unlöslich  in  Wasser,  mischbar  mit  Alkohol, 
Aether  etc.  Ks  löst  sehr  leicht  Fette  und  Harze,  daher  seine  Anwendung  als 
Fl  eck  Wasser. 

Wird  Benzol  (14)  durch  glühende  Röhren  geleitet,  so  entstehen:  Diphenyl, 
Diphenylben^ol,  Iiiodiphenylbenzol,  Triphenylen,  Benzerythren  und  ölige  Kohlen- 
wasserstoffe. 

Die  meisten  Reductionsmittel  greifen  das  Benzol  nicht  an.  Durch  Erhitzen 
mit  conc.  Jodwasserstoff  (14)  auf  280°  entsteht  Hexahydrobenzol.  Ozon  (15) 
verwandelt  das  Benzol  in  Essigsäure  und  Oxalsäure.  Bringt  man  Benzol 
mit  gelbem  Pliosphor,  der  mit  Wasser  übergössen  ist,  zusammen,  so  entsteht 
durch  das  nascirende  Ozon  im  Sonnenlicht  Oxalsäure  und  Phenol  (15).  Letz- 
teres (15)  Wird  auch  durch  Einwirkung  von  Wasserstoffsuperoxyd  und  Palladium- 
Wasserstoff  auf  Benzol  erzeugt.  Braunstein  (16)  und  Schwefelsäure  oxydiren 
Benzol  i^ii  Amcif^ensäure,  Benzoesäure  und  Phtalsäure.  Chromoxychlorid  (17) 
ftiUrt  BeiiKül  in  Fisessiglösung  in  Trichlorchinon  über.  Mit  reinem  Benzol  ver- 
einigt sich  das  Chlorid  zu  der  Verbindung  C6H^(Cr02Cl)j  (18),  welche  mit 
Wasser  Chinon  liefert.  Durch  Einwirkung  von  chlorsaurem  Kali  (19)  und  ver- 
dünnter Schwefelsäure  entsteht  Dichlorchinon  und  Trichlorhydrochinon.  Unter- 
chlorige Säure  (20)  verbindet  sich  mit  dem  Benzol  zu  Phenosechlorhydrin, 
C^H^,(ClOH)s.  Chlor  und  Brom  verbinden  sich  im  Sonnenlicht  direkt  mit  dem 
Benzol,  ausserdem  wirken  sie  substituirend  auf  den  Wasserstoff  desselben  ein.  Jod 
substituirt  denselben  nur  bei  Gegenwart  von  Jodsäure.  Salpetersäure  bildet 
Nitroprodukte.  Wird  Untersalpetersäure  (21)  in  Benzol  geleitet,  so  entstehen  unter 
anderem  Nitrobenzol,  Pikrinsäure  und  Oxalsäure.  Concentrirte  Schwefelsäure 
iithn  das  Benzol  in  Sulfosäuren,  Schwefelsäureanhydrid  in  Sulfobenzid  über. 
Kalium  {22)  erzeugt  Benzolkalium.  Das  Benzol  bildet  zwei  Reihen  von  Derivaten: 
Additionsprodukte  und  Substitutionsprodukte. 


Benzol.  205 

Additionsprodukte  des  Benzols. 

Hexahydrobenzol  (14),  CgHgHß,  entsteht  c^urch  fünfstündiges  Erhitzen 
von  0*6  Ccentim.  Benzol  mit  20  Ccentim.  bei  0°  gesättigter  Jodwasserstoffsäure 
auf  280°.     Bei  69°  siedende  Flüssigkeit.     Spec.-Gew.  =  076  bei  0°. 

Benzolhexachlorid  (23),  CßHßClß,  entsteht  durch  Einwirkung  von  Chlor 
auf  Benzol  im  Sonnenlicht  oder  durch  Einleiten  von  Chlor  in  siedendes  Benzol. 
Glänzende  monokline  Krystalle,  welche  bei  157°  schmelzen.  Unlöslich  in  Wasser, 
schwer  löslich  in  Alkohol.  Es  siedet  bei  288°  und  zerfallt  dabei  in  Salzsäure 
und  o-p-Trichlorbenzol,  eine  Umsetzung,  welche  sehr  leicht  und  vollständig  durch 
alkoholisches  Kali  erfolgt. 

CeHeCle  =  CeH3Cl3  +  3HCl. 

Durch  Einwirkung  von  Zink  (24)  auf  die  alkoholische  Lösung  wird  Benzol 
regenerirt.  Die  Substitutionsprodukte  des  Benzolhexachlorid  sind  bei  den  ent- 
sprechenden Benzolderivaten  beschrieben. 

Benzolhexabromid  (25),  CgH^Br^,  aus  Benzol  und  Brom  im  Sonnenlicht 
dargestellt,  krystallisirt  aus  Aether  in  mikroskopischen,  schiefen,  rhombischen 
Säulen.  Es  zerfällt  mit  alkoholischem  Kali  in  Bromwasserstoffsäure  und  Tribrom- 
benzol.  Durch  Einwirkung  von  Zinkäthyl  auf  eine  Benzollösung  von  Benzol- 
hexabromid entsteht  ein  Produkt,  aus  welchem  durch  Chromsäure  Benzoesäure, 
Dibrombenzoesäure,  Iso-  und  Terephtalsäure  erhalten  werden. 

Unterchlorigsäure  Benzol  (26),  C6Hg(C10H)3. 

Zu  seiner  Darstellimg  wird  aus  216  Grm.  Quecksilberoxyd  und  1  Liter  Wasser  durch  Ein- 
leiten von  Chlor  unterchlorige  Säure  bereitet,  auf  0®  abgekühlt,  26  Grm.  Benzol  zugesetzt  und 
nach  zweitägigem  Stehen  im  Dunkeln  das  Quecksilber  durch  Schwefelwasserstoff  gefällt  und 
die  Verbindung  mit  Aether  ausgezogen. 

Farblose,  dünne  Blättchen,  welche  bei  10°  schmelzen.  Unzersetzt  flüchtig, 
leicht  löslich  in  Alkohol  und  Aether,  schwer  in  Wasser.  Durch  Einwirkung  von 
kohlensaurem  Natron  wird  ein  dem  Traubenzucker  isomerer  Körper,  die  Phenose, 
C6Hj(OH)g,  erzeugt  (s.  Zucker). 

Aluminiumchlorid-Benzol  (27),  GCgHß'Al^Clß,  durch  Einleiten  von  Salz- 
säure in  eine  Lösung  von  Aluminiumchlorid  in  Benzol  dargestellt,  bildet  ein 
orangefarbenes  Oel,  welches  bei  —  5°  zu  einer  krystallinischen  Masse  erstarrt 
und  beiH-  3°  schmilzt  Spec-Gew.  =  M4  bei  0°,  112  bei  20°.  Ueberschüssiges 
Brom  erzeugt  Hexabrombenzol.   Aluminiumbromid  liefert  eine  analoge  Verbindung. 

Substitutionsprodukte  des  Benzols. 

Chlorsubstitutionsprodukte.*)    Chlorbenzol,  CgHjCl.    Dasselbe  ent- 

*)  i)  Beilstein  u.  Kurbatow,  Ann.  176,  pag.  27  u.  ff.  2)  Dies.,  Ann.  182,  pag.  94. 
3)  Müller,  Z.  Chem.  1864,  pag.  65.  4)  Aroniieim,  Ber.  8,  pag.  1400.  5)  Dubois,  Z.  Chcm. 
1866,  pag.  705.  6)  Gerhardt  u.  Laurent,  Ann.  75,  pag.  79.  7)  Andrieenz,  Ber.  6,  pag.  443, 
8)  Kramers,  Ann.  189,  pag.  135.  9)  Kekule,  Ber.  6,  pag.  944.  10)  Beh^tein  u.  Kuhlberg, 
Ann.  192,  pag.  228 — 236.  11)  Dies.,  Ann.  192,  pag.  236 — 240.  12)  Ladenburg,  Ann.  172, 
F^-  331*  13)  BEU.STSIN  u.  KimLBERG,  Ann.  150,  pag.  247.  14)  Müller,  Z.  Ch.  1864,  pag.  40. 
1$)  Beilstein  u.  Kuhlberg,  Ann.  150,  pag.  309.  16)  Regnault,  Ann.  30,  pag.  350.  Basset, 
Z.  Ch.  1867,  pag.  732.  17)  Grabe,  Ann.  146,  pag.  32.  18)  Berthelot  u.  Jungfleisch,  Ann. 
S«ppl-  7»  pag.  256.  19)  RuoFF,  Ber.  9,  pag.  1483.  20)  Merz  u.  Weith,  Ber.  5,  pag.  460. 
21)  CoupSR,  Ann.  104,  pag.  225.  22)  Andrieenz,  Ber.  6,  pag.  443.  23)  Riese,  Ann.  164, 
pag.  176.  24)  Körner,  J.  1875,  P*6-  302—304.  25)  Meyer  u.  Stüber,  Ann.  165,  pag.  169. 
26)  Würster,  Ann.  176,  pag.  170.  27)  Friedel,  J.  1869,  pag.  387.  28)  Schröder,  Ber.  12, 
P*t-  563-  29)  Herzig,  Ber.  12,  pag.  1265.  30)  Körner,  J.  1875,  P^g«  308—312.  31)  Wroblevs- 
KY,  Ber.  7,  pag.  1060.    32)  Mayer,  Ann.  137,  pag.  225.    33)  Mitscherlich,  Ann.  16,  pag.  173. 


306  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Steht  durch  Einwirkung  von  Chlor  auf  Benzol  bei  Gegenwart  von  Jod  (3)  oder 

Molybdänpentachlorid  (4),  durch  Erhitzen  von  Benzol  mit  Sulfurylchlorid  (5)  auf 

150°  und  durch  Behandlung  von  Phenol  mit  Phosphorpentachlorid  (6). 

CeHe  -I-  2C1  =  CßH^Cl  +  HCl, 

CßHß  +  SOjClj  =  CßHaCl  H-  SO,  -+-  HCl, 

CßH.OH  +  PCI5  =  CßHjCl  -h  POCI5  -f.  HCl. 

Zur  Darstellung  leitet  man  in  Benzol,  welches  mit  Jod  oder  Molybdänpentachlorid  versetzt  ist, 
annähernd  2  Atome  Chlor,  wäscht  das  Produkt  mit  wässrigem  Alkali  und  reinigt  das  getrocknete 
Oel  durch  Destillation. 

Stark  lichtbrechendes  Oel  (7),  welches  bei  132°  siedet,  bei  —  50°  krystallinisch 
erstarrt  und  bei  —  40°  wieder  schmilzt.  Wird  es  in  Dampfform  durch  ein 
glühendes  Rohr  geleitet,  so  entstehen  Biphenyl,  Chlordiphenyl  und  Diphenyl- 
benzol.  Braunstein  und  Schwefelsäure  liefern  Ameisensäure  und  p-Chlorbenzoc- 
säure.  Wird  Chlorbenzol  einem  Hunde  eingegeben,  so  geht  es  als  Chlor- 
mercaptursäure,  C^j^HijClNSOj  in  den  Harn  über.  Rauchende  Salpetersäure 
führt  Chlorbenzol  in  o-  und  p-Chlornitrobenzol  über. 

Dichlorbenzol  (i,  2),  CgH^Clj.  1.  o-Dichlorbenzol,  entsteht  in  kleiner 
Menge,  neben  p-Dichlorbenzol  als  Hauptprodukt,  durch  Einwirkung  von  2  MoL 
Chlor  auf  jodhaltiges  Benzol. 

Das  flüssige  o-Dichlorbenzol  wird  zunächst  durch  Abpressen  von  dem  festen  p-Derivat  ge- 
trennt, dann  das  Oel  48  Stunden  mit  rauchender  Schwefelsäure  auf  210^  erhitzt,  wobei  nur  die 
o- Verbindung  als  Sulfosäure  in  Lösung  geht.  Man  verdünnt  mit  Wasser,  neutralisirt  die  filtrirte 
Lösung  mit  kohlensaurem  Baryt,  zersetzt  den  o-chlorbenzolsulfosauren  Baryt  mit  Schwefelsture 
und  zerlegt  die  freie  Säure  durch  Destillation: 

CjHjQjSOjH  4-  H,0  =  S  O^Hj  +  CßH^Clj. 

Das  O-Dichlorbenzol  wird  auch  durch  Einwirkung  von  Phosphorpentachlorid 
auf  o-Chlorphenol  erhalten.  Flüssigkeit,  welche  bei  179®  siedet.  Spec.  Gew. 
=  1-3278  bei  0®.  Erstarrt  nicht  bei  —  14^  Durch  Salpetersäure  entsteht  bei 
43®  schmelzendes  Dichlomitrobenzol. 

2.  m-Dichlorbenzol  (2)  entsteht  durch  Einwirkung  von  Aethylnitrit  auf 
Dichloranilin  und  ist  auch  aus  m-Diamidobenzol  erhalten  worden.  Siedep.  172^. 
Spec.  Gew.  =  1-307  bei  0®.  Durch  Salpetersäure  entsteht  bei  33®  schmelzendes 
Dichlomitrobenzol. 

3.  p-Dichlorbenzol,  dessen  Entstehung  unter  o-Dichlorbenzol  besprochen 
ist,  bildet  sich  ausserdem  durch  Einwirkung  von  Phosphorpentachlorid  (i)  auf 
p-Chlorphenol  und  p-Phenolsulfosaures  Kali  (9).  Krystallisirt  aus  Alkohol  in 
monoklinen  Blättern,  welche  bei  53®  schmelzen.  Siedep.  172®.  Leicht  löslich 
in  heissem  Alkohol,  in  Aether  und  Benzol.  Salpetersäure  liefert  bei  54*5* 
schmelzendes  Dichlomitrobenzol. 

Trichlorbenzol(io),  CßH.CU.    1.  C^HaClClCl,  wird  durch  Einwirkung  von 

18      3 

Salpetrigsäureäther  auf  Trichloranilin,  CgHjNHjClClCl  dargestellt    Es  krystallisirt 

1     9    s    4 

34)  Wurster,  Ber.  6,  pag.  1490.  35)  Baessmann,  Ann.  191,  pag.  206— -8.  36)  Mayer,  Arn., 
pag.  137/  227.  37)  Körner,  J.  1875,  pag.  343.  38)  Richter,  Ber.  8,  pag.  1428.  39)  Richb 
u.  B^RARD,  Ann.  133,  pag.  52.  40)  Kekul^,  Ann.  137,  pag.  161— 172.  41)  Halbexstadt, 
Ber.  14,  pag.  911.  42)  Diehl,  Ber.  11,  pag.  191.  43)  Gessnfr,  Ber.  9,  pag.  1507.  44)  RuoFf, 
Ber.  II,  pag.  403.  45)  Körner,  J.  1875,  pag.  319.  46)  Ders.,  J.  1875,  pag.  326.  47)  Scrügham, 
Ann.  92,  pag.  318.  48)  Griess,  Ann.  137,  pag.  76.  49)  Körner,  Jahresber.  1875,  pag.  318- 
50)  Kekule,  Z.  Ch.  1866,  pag.  688.  51)  Schützenberger  ,  Jahresber.  1862,  pag.  251. 
52)  Rudolph,  Ber.  11,  pag.  81.  53)  Beilstein  u.  Kurbatow,  Ann.  176,  pag.  43.  54)  Griess, 
Z.  Ch.  1866,  pag.  455. 


\ 


Benzol.  207 


aus  Alkohol  in  langen,  breiten  Tafeln,  welche  bei  53—54**  schmelzen.     Siedep. 

218—219®.    Leicht  löslich  in  Schwefelkohlenstoff  und  Aether,  schwer  in  Alkohol.  '^ 

Salpetersäure  liefert  Trichlomitrobenzol  (Schmp.  55®). 

2.  CeHjClClCl,    entsteht   durch  Chloriren  von  Benzol  bei  Gegenwart  von 

12      4 

Jod,  durch  Zerlegen  von  Benzolhexachlorid  mit  Kalilauge,  durch  Einwirkung 
von  Phosphorpentachlorid  auf  Dichlorphenol  und  durch  Substitution  des  Amids 
im  o-p-  resp.  m-p-Dichlöranilin  durch  Chlor.  Schmp.  16®.  Siedep.  213®.  Spec. 
Gew.  =  1-574  bei  10®  (im  festen  Zustande).  Durch  Salpetersäure  entsteht 
Trichlomitrobenzol  (Schmp.  58®). 

3.  CßH.ClClCl,  wird  durch  Einwirkung   von  Salpetrigsäure -Aether  auf  das 

1    s    5 
entsprechende  Trichloranilin  dargestellt.     Schmp.  635®.     Siedep.  =  208,5®  bei 
763-8  Millim.    Leicht  löslich  in  Aether,  Ligroin,  Benzol,  schwer  in  Alkohol.    Durch 
Salpetersäure  entsteht  Trichlomitrobenzol  (Schmp.  68®). 

Tetrachlorbenzol  (11),    CeHgCl^,    1.  C6H2CICICICI,    aus  Trichloranilin 

12      8      4 

(Schmp.  67-5)  dargestellt,  krystallisirt  aus  Alkohol  in  langen  Nadeln,  welche  bei 
45—46®  schmelzen.  Siedep.  254®  bei  761-3  Millim.  Durch  Salpetersäure  wird  es 
in  Nitrotetrachlorbenzol  (Schmp.  64*2)  tiberführt. 

2.  CßH^ClClClCl,  wird  in  reinem  Zustande  aus  Trichloranilin  (Schmp.  715®) 

12      3      5 

dargestellt.  Es  krystallisirt  aus  Alkohol  in  farblosen,  bei  50—51®  schmelzenden 
Nadeln.  Siedep.  246®.  Schwer  löslich  in  kaltem  Alkohol,  leicht  in  Benzol  und 
Schwefelkohlenstoff.  Durch  Salpetersäure  entsteht  Nitrotetrachlorbenzol  (Schmp. 
21-22®). 

3.  CeHjClClClCl,  ist  durch  Chloriren  von  Benzol  und  aus  Trichloranilin 

12      4      5 

(Schmp.  95—96®)  dargestellt  worden.  In  kleiner  Menge  entsteht  es  auch  beim 
Emleiten  von  Chlor  in  siedendes  Trichlortoluol,  CgHgCla-  CH3.  Schmp.  137—138®. 
Siedep  243—246®.  Wenig  löslich  in  Alkohol  und  Ligroin,  leichter  in  Benzol. 
Durch  Salpetersäure  entsteht  neben  dem  bei  98®  schmelzendem  Nitrotetrachlor- 
benzol eine  geringe  Menge  Tetrachlorchinon. 

Pentachlorbenzol  (12,  13),  CgHClä-  Dasselbe  entsteht  durch  Einwirkung 
von  Chlor  auf  Benzol,  Sulfobenzid  und  Tetrachlorbenzylchlorid  (13)  C6H-C14CH2C1. 
Es  krystallisirt  aus  Alkohol  in  feinen  Nadeln,  welche  bei  85—86®  schmelzen. 
Siedep.  275—277®.  Spec.  Gew.  =  1*842  bei  10®.  Schwer  löslich  in  kaltem  Alko- 
hol, leicht  löslich  in  Aether,  Benzol  und  Schwefelkohlenstoff.  Es  existirt  nur  in 
einer  Modifikation.  Die  Angaben  über  ein  zweites  Pentachlorbenzol  sind  von 
Ladenburg  (12)  endgültig  widerlegt. 

Hexachlorbenzol  (Julin's  Chlorkohlenstoff),  C^Clg. 

Zur  Darstellung  (14)  wird  Chlor  in  ein  Gemenge  von  Benzol  und  Antimonpentachlorid 
geleitet,  so  lange  dasselbe  absorbirt  M-ird,  das  Produkt  zur  Entfernung  des  Antimonchlorids  mit 
verdünnter  Salzsäure  behandelt,  das  Ungelöste  aus  Benzol  oder  Alkohol  umkrystallisirt  und  durch 
Sablimation  gereinigt. 

Das  Hexachlorbenzol  entsteht  ausserdem  durch  Chloriren  von  Toluol  und  Xylol 
bei  Gegenwart  von  Antimonpentachlorid,  beim  Durchleiten  von  Chloroform  oder 
Tetrachloräthylen  durch  glühende  Röhren  (16),  durch  Einwirkung  von  Phosphor- 
pentachlorid auf  Pentachlorphenol  (20),  CgCl^OH,  oder  Tetrachlorchinon  (17), 
CjCl^O,,  durch  lOOstündiges  Erhitzen  von  Acetylentetrachlorid  (18),  CaH^Cl^, 
auf  360®  und  endlich  durch  Erhitzen  von  überschüssigem  Chlorjod  (19),  mit  ver- 
schiedenartigen   aromatischen   Kohlenwasserstoffen   und   anderen  Verbindungen, 


2o8  ^Handwörterbuch  der  Chemie. 

z.  B.  Diphenyl,  Naphtalin,  Anthracen,  Phenanthren,  Phenol,  Anilin,  Campher  etc 
auf  200^.  Hexachlorbenzol  krystallisirt  aus  einem  Gemisch  von  Benzol  und 
Alkohol  in  langen  dünnen  Prismen,  welche  bei  226®  schmelzen.  Siedep.  326*. 
Schwer  löslich  in  Alkohol  und  Aether,  leichter  in  Benzol  und  Schwefelkohlenstoff. 

Bromsubstitutionsprodukte.  Brombenzol,  C^HsBr,  entsteht  duicfa 
Einwirkung  von  Brom  (2 1)  auf  Benzol  und  von  Phosphorpentabromid  auf  Phenol 

Zur  Darstellung  lässt  man  gleiche  Moleküle  Brom  und  Benzol  mehrere  Tage  im  zerstreuten 
Lichte  stehen,  wäscht  das  Produkt  mit  Kalilauge  und  befreit  es  durch  Destillation  von  geiiogen 
Mengen  Dibrombenzol  und  Benzolhexabromid. 

Farblose  (22),  bei  154-86— 15Ö-520  siedende  Flüssigkeit  Spec.  Gew.=  1-5176S 
bei  0^.  Salpetersäure  erzeugt  zwei  Bromnitrobenzole.  Im  thierischen  Organismus 
geht  es  in  Bromphenylmercaptursäure,  CnHijBrNSOj,  über.  Natrium  entzieht 
dem  Brombenzol  Brom  unter  Bildung  von  Diphenyl.  Gemenge  von  Brombenzoi 
und  Alkyljodiden  der  Fettreihe  werden  durch  Natrium  unter  Bildung  von 
Homologen  des  Benzols  zersetzt.  Brombenzol  und  Methyljodid  liefert  z.  B. 
Methylbenzol. 

Dibrombenzol,  CeH4Br3.  1.  o-Dibrombenzol  entsteht  in  geringen 
Mengen  (23)  neben  p-Dibrombenzol  bei  der  Einwirkung  von  Brom  auf  Benzol. 
Es  wird  am  besten  aus  o-Bromnitrobenzol  (24)  durch  UeberfÜhrung  desselben 
in  o-Bromanilin  und  Diazobrombenzolperbromid  dargestellt.  Flüssigkeit,  welche 
bei  223-8  (751*64  Millim.)  siedet  Erstarrt  bei  —  6^  und  schmilzt  bei  —  l«. 
Spec.  Gew.  =  2003  bei  0«,  1*858  bei  99«. 

m-Dibrombenzol  kann  durch  Einwirkung  von  Aethylnitrit  auf  m-Dibrom- 
anilin  (25)  und  durch  Umwandlung  des  m-Nitrobrombenzols  (24)  und  m-Dinitro- 
benzols  (26)  dargestellt  werden.  Farbloses  (24),  bei  219'4<>  (754'80  Millim.) 
siedendes  Oel,  welches  bei  —  20°  nicht  erstarrt. 

p-Dibrombenzol.  Seine  Darstellung  aus  Benzol  und  Brom  \nirde  bereits 
erwähnt.  Es  lässt  sich  ausserdem  aus  p-Bromphenol  und  Phosphorpentabromid 
und  durch  Umwandlung  von  p-Bromnitrobenzol  (24)  gewinnen. 

Zur  Darstellung  wird  ein  Gemisch  (23)  von  1  Thl.  Benzol  und  8  Thln.  Brom  mehxcit 
Tage  am  RUckflusskUhler  gekocht»  der  Ueberschuss  des  Broms  entfernt,  und  das  mit  Natronlauge 
gewaschene  Oel  abgekühlt  Das  feste  p-Dibrombenzol  wird  durch  Abgiessen  von  der  flüssigen 
o-Verbindung  getrennt. 

Monokline  (27)  Prismen,  welche  bei  89*3°  schmelzen.  Siedep.  218*6^ 
(757-66  Millim.).  Spec.  Gew.  (28)  =  2*222.  Schwer  löslich  in  kaltem  Alkohol, 
leicht  in  heissem  und  in  Aether.  Beim  Kochen  mit  concentrirter  Schwefelsäure 
entsteht  Tetrabrombenzol  (Schmp.  136—38®)  und  auch  etwas  Hexabrombenzol. 

Tribrombenzol,    CgHjBrj.      1.    CßHjBrBrBr,     durch    Einwirkung    von 

1    9    s 
Salpetrigsäureäther    auf    Tribromanilin    (CgHaNHjBrBrBr)    dargestellt,     bildet 

13      4      5 

grosse,  rhombische  Tafeln,  welche  bei  87*4°  schmelzen  und  leicht  sublimiren. 

2.  CßHjBrBrBr.     Dasselbe  wird  aus  sämmtlichen  drei  Dibrombenzolen  {31) 

19      4 

durch  Erhitzen  mit  Brom  und  wenig  Wasser  erhalten.  Es  entsteht  ausserdem 
durch  Einwirkung  von  Phosphorpentabromid  auf  m-Dibromphenol  (32),  aus 
Benzolhexabromid  (33)  und  alkoholischem  Kali  und  durch  Umwandlung  von 
o-p-Dibromanilin  (34).  Weisse,  bei  44°  schmelzende  Nadeln.  Siedep.  275 — 76"*. 
Auch  in  warmem  Alkohol  schwer  löslich. 

3.  CßHjBrBrBr,    wird    aus    Tribromanilin    (30,  35)    (Schmp.   119-6°)    und 

Aethylnitrit  pder  durch  Umwandlung  von  m-m-Dibromanilin  (Schmp.  56"5*^  dar- 


Benzol.  209 

gestellt.    Durchsichtige,  bei  119*6°  schmelzende  Prismen.     Siedep.  278^     Schwer 

löslich  in  siedendem  Alkohol.     Durcli  Erliitzen  mit  concentrirter  Schwefelsäure 

entsteht  Hexabrombenzol  (29). 

Tetrabrombenzol,    CgHoBr^.     1.   C^HgBrBrBrBr,    entsteht   durch  Ein- 

1    9    s    5 
Wirkung  von   Phosphorpentabromid    auf  Tribromphenol  (36)  (Schmp.  92°),    und 

durch  Umwandlung  von  Tetrabromanilin  (37)  undTribromanilin  (38)  (Schmp.  1 19'6°). 

Zur  Darstellung  (38)  übergiesst  man  Tribromanilin  mit  Eisessig,  leitet  salpetrige  Säure  ein, 
bis  alles  gelöst  ist,  fügt  concentrlrte  BromwasserstofTsäure  zu  und  kocht  bis  zum  Authören  der 
StickstofTentwicklung.  Beim  Erkalten  scheidet  sich  Tetrabrombenzol  aus,  welches  durch  ein- 
maliges Umkrystallisiren  gereinigt  wird. 

Feine,  bei  98,5°  schmelzende  Nadeln.  Siedep.  329°.  Schwer  löslich  in 
kaltem  Alkohol,  leicht  in  heissem  und  in  Aether. 

2.  CgHjBrBrBrBr  (39,  40),  durch  Erhitzen  von  p-Dibrombenzol  oder  Nitro- 

12    4    5  (?) 

benzol  mit  Brom   auf  150°,    resp.  250°  dargestellt,    krystallisirt   aus   Alkohol    in 
langen,  bei  137 — 140°  schmelzenden  Nadeln. 

3.  Ein  drittes  Tetrabrombenzol  (41)  entsteht  neben  anderen  Produkten  durch 
Erhitzen  von  p-Nitrobenzoesäure  mit  Brom  auf  270 — 290°  und  krystallisirt  aus 
Alkohol  in  kleinen,  weissen,  bei  160^  schmelzenden  Nadeln. 

Pentabrombenzol,  C^HBrg,  entsteht  neben  Tetrabrombenzol  durch  Er- 
hitzen von  Nitrobenzol  (40)  mit  Brom  auf  250®,  ferner  durch  mehrtägiges  Erhitzen 
von  m-m-Tribrombenzol  (35)  mit  rauchender  Schwefelsäure  auf  100®.  Auch 
durch  Erhitzen  von  Alizarin  mit  Bromjod  auf  250®  ist  es  erhalten  worden. 
Krystallisirt  aus  einem  Gemisch  von  Benzol  und  Alkohol  in  Nadeln,  welche  bei 
260^  schmelzen. 

Hexabrombenzol,  CgBr^,  entsteht  durch  Erhitzen  von  Bromjod  (43)  mit 
Benzol  oder  Toluol  auf  350—400®,  durch  Einwirkung  von  Phosphorpentabromid 
(44)  auf  Bromanil,  C^Br^Oj,  und  durch  Behandlung  von  Benzol  mit  Brom  bei 
Gegenwart  von  Aluminium.  Krystallisirt  aus  Toluol  in  langen,  oberhalb  315® 
schmelzenden  Nadeln,  ist  kaum  löslich  in  Alkohol,  schwer  in  Toluol  und  Benzol. 

Chlorbrombenzol,  CgH^aBr.  1.  p  -  Chlorbrombenzol  (45)  aus  p  -  Chloranilin  oder 
p-Bromanilin  durch  Einführung  von  Brom  resp.  Chlor  an  Stelle  des  Amids  dargestellt,  schmilzt 
bei  67-4»*  und  siedet  bei  196-3®  (756-12  Millim.).  2.  Durch  Einwirkung  von  Brom  auf 
p-Chloranilin  (46)  und  Behandlung  des  Produktes  mit  Aethylnitrit  dargestellt,  ist  eine  bei 
196®  siedende  Flüssigkeit. 

Jodsubstitutionsprodukte.  Jodbenzol,  CgHJ,  entsteht  durch  Ein- 
wirkung von  Jod  bei  Gegenwart  von  Jodsäure  (40)  auf  Benzol,  durch  Einv/irkung 
von  Jodphosphor  (47)  auf  Phenol  und  durch  Zersetzung  von  schwefelsaurem  Di- 
azobenzol  (48)  (durch  Vermischen  von  gleichen  Molekülen  Anilin,  Schwefelsäure 
und  salpetrigsaurem  Kali  dargestellt)  mit  concentrirter  Jodwasserstoffsäure. 
Farblose,  bei  190—190-5®  siedende  Flüssigkeit.     Spez.  Gew.  =  1-64  bei  15®. 

Dijodbenzol,  C6H4J2.  Sämmtliche  drei  Dijodbenzole  entstehen  durch 
Umwandlung  der  entsprechenden  Jodaniline;  p-Dijodbenzol  wird  auch  durch  Er- 
hitzen von  Jodbenzol  (40)  mit  Jod  und  Jodsäure,  sowie  durch  Einwirkung  von 
Chloijod  (51)  auf  benzoesaures  Silber  gebildet. 

o -Dijodbenzol  (49)  krystallisirt  leicht. 

m-Dijodbenzol  (52).  Rhombische  Tafeln,  welche  bei  36*5®  schmelzen. 
Siedep.  285®. 

p-Dijodbenzol  (50).   Blättchen,  welche  bei  129*4®  schmelzen.    Siedep.  285®. 

LADBKBtrvG,  Chemie.    IL  I4 


^•lo  Handwörtefbuch  der  Chemie. 

Trijodbenzol  (40),  CgHgJj,  wird  neben  p-Dijodbenzol  l)eim  Erhitzen  von 
Jodbenzoi  mit  Jod  und  lodsäure  erhalten.     Kleine,  bei  76®  schmelzende  Nadeln. 

Chlorjodbenzol,  CgH^ClJ.  o-  und  p-Chlorjodbenzol  entstehen  durch  Einführung  von 
Jod  an  Stelle  von  Amid  aus  o-  und  p-Chloranilin.  p-Chlorjodbenzol  ist  auch  durch  Um- 
wandlung von  p-Jodanilin  (54)  dargestellt  worden. 

o-Chlorjodbenzol  (45)  ist  ein  bei  233^  siedendes  Oel.     Spec.  Gew.  =  1-928  bei  U^. 

p-Chlorjodbenzol  (45)  bildet  grosse,  bei  56®  schmelzende  Blätter.     .Siedep.  227-5°. 

Brom  jodbenzoi  (45),  CgH^BrJ,  existirt  in  drei  isomeren  Modificationcn ,  welche  ans 
den  entsprechenden  Jod-,  resp.  Bromanilinen  dargestellt  werden. 

o -Bromjodbenzol.     Oel,  welches  bei  257-5®  siedet. 

m-Bromjodbenzol.     Oel,  welches  bei  252®  siedet. 

p-Bromjodbenzol,  krystallisirt  in  Tafeln  oder  Prismen,  welche  bei  91-9®  schmelzen. 
Siedep.  251 '5®.  Wird  p-Bromjodbenzol  mit  starker  Salpetersäure  erhitzt,  so  wird  unter  Austritt 
von  Jod  Bromnitrobenzol  gebildet. 

Nitrosubstitutionsprodukte.*)  Nitrobenzol,  CßH^NOj,  von  Mitscher- 
LiCH  (i)  entdeckt,  entsteht  durch  Einwirkung  von  rauchender  Salpetersäure  oder 
von  Salpeter-  und  Schwefelsäure  auf  Benzol. 

Zur  Darstellung  im  Grossen  lässt  man  ein  Gemenge  von  130  Thln.  Salpetersaure 
(1-4  spez.  Gew.)  und  200  Thln.  Schwefelsäure  (1-84  spez.  Gew.)  unter  stetem  UmrOhren  'm 
100  Thle.  Benzol  fliessen  und  trägt  Sorge,  dass  sich  das  Gemisch  erst  gegen  das  Ende  der 
Operation  erwärme.  Nach  dem  Erkalten  wird  das  Oel  von  der  Schwefelsäure  getrennt,  mit  Sodi 
und  Wasser  gewaschen  und  durch  Destillation  von  unverändertem  Benzol  getrennt. 

Nitrobenzol  ist  eine  gelbliche,  nach  Bittermandelöl  riechende  Flüssigkeit 
Es  erstarrt  in  der  Kälte  und  schmilzt  bei  -f-  3®  (i).  Siedep.  (2)  2094®  bei 
745-4  Millim.  Spec.  Gew.  =  12002  bei  0®,  und  11866  bei  140.  Es  ist  kaum 
löslich  in  Wasser,  leicht  in  Alkohol,  Aether  etc.  Nitrobenzol  findet  in  der 
Farbentechnik  und  in  der  Parftimerie  (Mirbanöl)  Anwendung.     Es    wirkt  stark 

giftig- 

Die  Einwirkung  von  Reductionsmitteln  auf  Nitrobenzol  ist  eine  verschiedene, 
da  einige  nur  den  Sauerstoff  entziehen,  andere  ihn  durch  Wasserstoff  substituiren. 
Im  ersteren  Falle  entstehen  Azo-  und  Azoxybenzol,  im  zweiten  Hydrazobenzol  und 
Anilin.    Durch  Erhitzen  (6)  mit  concentrirter  Salzsäure  oder  Bromwasserstoffsäure  auf 


♦)  i)  MiTSCHERLTCH,  Ann.  12,  pag.  305.  2)  Brühl,  Ann.  200,  pag.  188.  3)  Kopp, 
Ann.  98,  pag.  369.  4)  Laubenhkimer,  Ber.  7,  pag.  1765.  5)  Beilstein  u.  Kurbatow,  Ann.  182, 
pag.  102.  6)  Baumhauer,  Ann.  Suppl.  7,  pag.  204.  7)  Kekul^,  Ann.  137,  pag.  169.  8)  ^tard, 
Ann.  ehem.  phys.  [3]  22,  pag.  272.  9)  Rinne  u.  Zinke,  Ber.  7,  pag.  1372.  10)  Beilstein  u. 
Kurbatow,  Ann.  176,  pag.  43.  11)  Körner,  Jahresber.  1875,  pag.  330 — 32.  12)  Bodewig, 
Jahresber.  1879,  pag.  375.  13)  Laubenheimer,  Ber.  9,  pag.  1828;  ii,  pag.  1155.  14)  Hbpp, 
Ber.  13,  pag.  2346.  15)  Rudnew,  Z.  Ch.  187 1,  pag.  203.  16)  Salkowski,  Ann.  174,  pag.  270. 
17)  Rinne  u.  Zinke,  Ber.  7,  pag.  869.  18)  Hepp,  Ann.  215,  pag.  344.  19)  FribdlÄndek, 
Jahresber.  1879,  P*g-  394«  2°)  Socoloff,  Z.  Ch.  1866,  pag.  621.  21)  Engelhardt  u-  Lat- 
scHiNOFF,  ib.  1870,  pag.  229.  22)  Beilstein  u.  Kurbatow,  Ann.  182,  pag.  102—107. 
23)  Laubenheimer,  Ber.  7,  pag.  1765.  24)  Bodewig,  Ber.  8,  pag.  162 1.  25)  von  Richtek, 
Ber.  4,  pag.  463.  26)  Riche,  Ann.  121,  pag.  357.  27)  Griess,  Jahresber.  1866,  pag.  457. 
28)  VON  Richter,  Ber.  8,  pag.  14 18.  29)  Clemm,  J.  pr.  Ch.  [2]  i,  pag.  125.  30)  Jungfleisch, 
Jahresber.  1868,  pag.  345—48.  31)  Laubenheimer,  Ber.  9,  pag.  76a  32)  Pisant,  Ann.  92, 
pag.  326.  Clemm,  J.  pr.  Ch.  [2]  i,  pag.  150.  33)  Liebermann  u.  Palm,  Ber.  8,  pag.  380. 
Mertens,  ib.  II,  pag.  844.  34)  Beilstein  u.  Kurbatow,  Ann.  176,  pag.  41.  35)  Dieselben, 
Ann.  182,  pag.  97-  103.  36)  Körner,  Jahresber.  1875,  pag.  323— 325.  37)  Engelhardt  u. 
Lattschinoff,  Z.  Ch.  1870,  pag.  234.  38)  Beilstein  u.  Kurbatow,  Ann.  192,  pag.  228 — 236. 
39)  Dieselben,  Ann.   192,  pag.  236 — 240. 


r^ 


Benzol.  211 

250°  resp-  190°  wird  es  in  m-Dichlor-  oder  in  Di-  resp.  Tribromanilin  tibergeführt. 
CMor  wirkt  nur  bei  Gegenwart  von  Jod  (4)  oder  Antimonpentachlorid  (5)  unter 
Bildung  von  Chlomitrobenzolen  auf  Nitrobenzol  ein.  Brom  (7)  verwandelt  das- 
selbe bei  250°  in  Tetrabrombenzol.  Mit  Chromoxychlorid  (8)  entsteht  eine 
leicht  zersetzbare  Verbindung,  welche  durch  Einwirkung  von  Wasser  in  Nitro- 
chinon  übergeführt  wird. 

Dinitrobenzol,  C6H4(N02)2.  Durch  starkes  Nitriren  (9,  10,  11)  von 
Benzol  entstehen  sämmtiiche  drei  Dinitrobenzole  und  zwar  m-Dinitrobenzol  als 
Hauptprodukt,  o-  und  p-Dinitrobenzol  in  kleiner  Menge. 

Zur  Darstellung  (9,  10,  11)  der  Dinitrobenzole  wird  Benzol  in  ein  Gemisch  von  gleichen 
Volumen  rauchender  Salpetersäure  und  concentrirter  Schwefelsäure,  ohne  abzukühlen,  eingetragen, 
kurze  Zeit  gekocht  und  dann  das  Produkt  in  Wasser  gegossen.  Wird  die  abgepresste  Krystall- 
masse  in  siedendem  Alkohol  gelöst,  so  scheidet  sich  zunächst  reines  m-Dinitrobenzol  aus, 
vihrend  sich  aus  der  Mutterlauge  nach  einigem  Stehen  Krusten  der  p-Verbindung  absetzen, 
velche  durch  Umkrystallisiren  aus  Alkohol  zu  reinigen  sind.  Die  Mutterlaugen  der  p-Verbindung 
enthalten  o-Dinitrobenzol,  welches  am  besten  durch  Umkrystallisiren  aus  25  J  Essigsäure  ge- 
reinigt werden  kann. 

Die  drei  Dinitrobenzole  werden  durch  Schwefelammonium  in  Nitraniline, 
durch  Zinn  und  Salzsäure  in  Phenylendiamine  übergeführt. 

O-Dinitrobenzol  krystallisirt  in  monoklinen  (12)  Tafeln,  welche  bei 
117-9«  (11)  schmelzen.  100  Theile  siedenden  Alkohols  (99*4^)  lösen  33  Theile. 
Wenig  löslich  in  heissem  Wasser.  Das  eine  Nitryl  (13)  wird  leicht  gegen  andere 
Radikale  ausgetauscht  (Unterschied  von  m-  und  p-Dinitrobenzol>  Beim  Kochen 
mit  Natronlauge  entsteht  o-Nitrophenol,  beim  Erhitzen  mit  alkoholischem 
Ammoniak  o-Nitranilin. 

m-Dinitrobenzol.  Rhombische  Tafeln,  (12),  welche  bei  89"9*^  schmelzen. 
100  Theile  Alkohol  (99*3  g)  lösen  bei  24-6^  5*9  Theile  der  Verbindung.  Durch 
Oxydation  (14)  mit  rothem  Blutlaugensalz  in  alkalischer  Lösung  entstehen  die 
bei  63®  und  114®  schmelzenden  Dinitrophenole.  m-Dinitrobenzol  lässt  sich  auch 
aus  m-Dinitranilin  (15)  und  aus  m-Dinitrophenol  darstellen. 

p-Dinitrobenzol  (16)  bildet  monokline  (12),  bei  172°  schmelzende  Nadeln. 

Trinitrobenzol,  CgHaNOgNO^NOj  (18). 

13  5 

Zu  seiner  Darstellung  werden  40  Grm.  m-Dinitrobenzol  mit  300  Grm.  krystallisirter 
Pyroschwefelsäure  und  I  "20  Grm.  rauchender  Salpetersäure,  welche  durch  Destillation  mit  2  Thln. 
Schwefelsäure  möglichst  entwässert  ist,  am  aufsteigenden  KUhler  1  Tag  auf  80",  dann  zwei 
Tage  auf  120^  erhitzt.  Dis  Masse  wird  in  Wasser  gegossen,  mit  Soda  gewaschen  und  aus 
Alkohol  umkrystallisirt. 

Es  krystallisirt  in  rhombischen  Blättchen  oder  Nadeln,  welche  bei  121  bis 
122®  schmelzen.  In  kleinen  Mengen  ist  es  sublimirbar.  Es  ist  in  kaltem  Alkohol 
und  Wasser  wenig  löslich.  Durch  eine  Lösung  von  Ferridcyankalium  bei 
Gegenwart  von  Soda  wird  es  zu  Pikrinsäure  oxydirt.  Es  liefert  mit  Anilin  und 
Kohlenwasserstoffen  Additionsprodukte.  Das  auf  analogem  Wege  durch  Nitrirung 
von  p-Dinitrobenzol  dargestellte  Trinitrobenzol  konnte  nicht  rein  erhalten  werden. 

Chlornitrosubstitutionsprodukte.     Chlornitrobenzol,   CgH^ClNOg. 

o-Chlornitrobenzol  bildet  sich  in  kleiner  Menge  neben  der  p-Verbindung 
durch  Einwirkung  von  Salpetersäure  auf  Chlorbenzol  (20).  Durch  Einwirkung 
von  Phosphorpentachlorid  auf  o-Nitrophenol  (21)  entstehen  ebenfalls  geringe 
Mengen. 

Zur  Darstellung  (22)  wird  am  besten  m-Chlor-p-Nitranilin  (Schmp.  157*^)  in  alkoholischer 
Lösung  mit  salpetriger  Säure  zerlegt. 

«4* 


212  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Es  krystallisirt  in  Nadeln,  welche  bei  32*5°  schmelzen.  Siedep.  243^ 
Durch  Erhitzen  mit  Natronlauge  wird  es  in  o-Nitrophenol,  mit  alkoholischem 
Ammoniak  in  o-Nitranilin  übergeführt.  Cyankalium  (28)  ist  ohne  Einwirkung  auf 
o-Chlornitrobenzol. 

m-Chlornitrobenzol  entsteht  durch  Chloriren  von  Nitrobenzol  bei  Gegen- 
wart von  Jod  (23)  oder  Antimonchlorid  (22)  und  durch  Zersetzung  von  m-Diazo- 
nitrobenzol. 

Zur  Darstellung  (22)  wird  durch  ein  erwärmtes  Gemisch  von  200  Grm.  Nitrobenzol  und 
40  Grm.  Antimonchlorid  ein  rascher  Chlorstrom  geleitet,  bis  das  Gewicht  der  Masse  um  68  Gnn. 
zugenommen  hat.  Nach  dem  Abkühlen  wird  die  Masse  durch  einen  Krystall  von  m-Chlomitro- 
bentol  zum  Erstarren  gebracht  und  nach  Entfernung  des  flüssig  bleibenden  durch  mehrfaches 
Umkrystallisiren  aus  Alkohol  gereinigt 

Rhombische  (24)  Krystalle,  welche  bei  44*4°  schmelzen.  Siedep.  235*5^ 
Spec.  Gew.  =  1-534.  Leicht  löslich  in  heissem  Alkohol,  in  Aether  und  Benzol. 
Durch  Einwirkung  von  Cyankalium  (25)  wird  m-Chlornitrobenzol  in  das  Nitril 
der  o-Chlorbenzoesäure  übergeführt. 

p-Chlornitrobenzol.  Zur  Darstellung  (26)  wird  Chlorbenzol  in  kalter 
rauchender  Salpetersäure  gelöst,  mit  Wasser  gefallt  und  aus  Alkohol  umkrystal- 
lisirt.  Es  ist  ausserdem  aus  p-Nitranilin  (27)  und  p-Nitrophenol  (21)  erhalten 
worden.  Rhombische,  bei  83°  schmelzende  Blätter.  Siedep.  242°.  Es  geht 
beim  Erhitzen  mit  Natronlauge  auf  130°  in  p-Nitrophenol  über.  Durch  Ein- 
wirkung von  Cyankalium  wird  p-Chlomitrobenzol  (28)  in  das  Nitril  der  m-Chlor- 
benzoesäure  übergeführt. 

Chlordinitrobenzol,  CeH^CKNOa)^. 

1.  C6H2CINO2NO2   entsteht  durch  Einwirkung  von   Phosphorpentachlorid 

1      a       4 
auf  Dinitrophenol  (29)  (Schmp.  114°)  und  durch  Behandlung  von  p-  resp.  o-Chlor- 

nitrobenzol  (30)  mit  Salpeter-  und  Schwefelsäure.  Es  bildet  rhombische,  bei 
50°  schmelzende  Krystalle.  Siedep.  315°.  Spec-  Gew.  =  1-697  bei  22°.  Natron- 
lauge oder  Ammoniak  wirken  unter  Bildung  von  Dinitrophenol  oder  Dinitranilin 
auf  die  Verbindung  ein.  Durch  Erhitzen  von  o-Chlorbenzol  mit  rauchender 
Salpetersäure  entsteht  neben  der  oben  beschriebenen  Verbindung  ein  Chlor- 
dinitrobenzol (30),  welches  in  rhombischen,  bei  42°  schmelzenden  Prismen 
krystallisirt.  Siedep.  315°.  Spec.  Gew.  =  1*687  bei  16'5°.  Dasselbe  geht  be- 
reits durch  Berührung  mit  einem  Krystalle  von  CgHjClNOjNOj  in  dieses  über. 

12        4 

2.  CßHjClNOijNOg     existirt    in    4    physikalisch    verschiedenen    Modifica- 

13  4 

tionen  (31). 

Zur  Darstellung  werden  40  Grm.  m-Chlomitrobenzol  mit  200  Grm.  rauchender  Salpeter- 
säure und  200  Grm.  conc.  Schwefelsäure  erwärmt,  nach  beendeter  Reaction  noch  2b  Minuten 
gekocht  und  darauf  das  Produkt  in  Wasser  gegossen.  Das  dabei  ausgeschiedene  und  allmäh- 
lich erstarrende  Oel  besteht  aus  der  a-Modification ,  während  die  wässrige  Lösung  Nadeln  der 
y-  Modification  abscheidet. 

a-Chlordinitrobenzol  krystallisirt  aus  Aether  oder  Alkohol  in  mono- 
klinen  Prismen.  Schmp.  363''.  Durch  Erhitzen  auf  40°  geht  es  in  ß-Chlor- 
dinitrobenzol  über,  welches  monokline,  bei  37' 1°  schmelzende  Prismen  bildet 
7-Chlordinitrobenzol,  entsteht  aus  der  a- Verbindung  bereits  beim  Reiben, 
aus  a-  und  ß- Verbindung  durch  Schmelzen.  Bei  38*8°  schmelzende  Nadeln. 
6-Chlordinitrobenzol  ist  flüssig. 

Chlortrinitrobenzol,  Pikrylchlorid  (32),  CgH^C^NOg),,  entsteht  aus 
Pikrinsäure  und  Phosphorpentachlorid. 


Benzol.  2 1 3 

Zur  Darstellung  werden  100  Grm.  Pikrinsäure  mit  100  Grm.  PG5  einige  Zeit  zum  Sieden 
erhitzt,  der  grösste  Theil  des  entstandenen  Phosphoroxychlorids  abdestillirt,  der  Rückstand  mit 
Wasser  und  Aether  behandelt  und  aus  Alkohol  oder  Ligroin  umkrystallisirt. 

Monokline  Tafeln  oder  Nadeln,  welche  bei  83°  schmelzen.  Durch  Kochen 
mit  Alkalien  wird  es  in  Pikrinsäure,  durch  Ammoniak  in  Trinitranilin  übergeführt. 
Es  vereinigt  sich  mit  Benzol,  Naphlalin  etc.  zu  krystallinischen,  jedoch  unbe- 
ständigen Verbindungen  (33). 

Dichlornitrobenzol,  CgHgCljNOj,  existirt  in  4  Modificationen,  von 
denen  drei  (1,  2  und  4)  durch  Behandlung  der  drei  Dichlorbenzole  mit  Salpeter- 
säure, die  vierte  durch  Entfernung  des  Amids  aus  Dichlomitranilin  (Schmp.  lOO*') 
dargestellt  wird. 

1.  Dichlornitrobenzol  (34),  C^HgClCNO,,  krystallisirt  aus  Alkohol  in  langen,  bei 
43^  schmelzenden  Nadeln. 

2.  Dichlornitrobenzol  (35,  36),   C.H.CICINO,,   durch  Nitriren  von  m-Dichlorbenzol 

18       4 

dargestellt,  bildet  lange,  bei  83^  schmelzende  Nadeln.  Durch  Zinn  und  Salzsäure  wird  es  in 
o-p-Dichloranilin,  durch  Erhitzen  mit  alkoholischem  Ammoniak  in  m-Chlor-p-Nitranilin  Ubergefilhrt. 

3.  m-m-Dichlornitrobenzol  (36),   CgH,ClQNOj,    aus  Dichlor-p-Nitranilin  erhalten, 

ISS 

bildet  dtinne,  bei  65,4°  schmelzende  Blätter.     Durch  ZinnchlorUr  entsteht  m-m-Dichloranilin. 

4.  p-Dichlornitrobenzol  (30),  welches  in  geringer  Menge  auch  beim  Chloriren  von 
Nitrobenzol  (35)  entsteht,  bildet  trikline  Krystalle.     Schmp.  54*5^.     Siedep.  266^. 

Dichlordinitrobenzol,  CßHjCl2(NOj)j.  Von  den  drei  isomeren  Modificationen  ent- 
stehen zwei  (1  und  2)  durch  Behandlung  von  p-Dichlorbenzol  oder  Nitro-p-Dichlorbenzol  mit 
Salpeter-  und  Schwefelsäure,  die  dritte  auf  demselben  Wege  aus  m-Dichlorbenzol. 

1.    p-Dichlordinitrobenzol  (36,  37),  CgHjCiaNOjNO-,   bildet  monokline  Blätter, 

14       9  € 

welche  bei  104*9^  schmelzen.  Es  siedet  geg^n  312^  unter  schwacher  Zersetzung.  In  Alkohol 
schwerer  löslich  als  das  folgende.  Durch  Kochen  mit  kohlensaurem  Natron  geht  es  in  Dinitro- 
chlorphenol  (Schmp.  80®)  über. 

2.  Dichlordinitrobenzol  (30,  36,  37),   CßHjClClNO.NO,,  farblose  Nadeln,  welche 

14      2  $  oder  h) 
bei  101*3®  schmelzen.    Es  siedet  gegen  318®  unter  Zersetzung.    Durch  Einwirkung  von  kohlen- 
saurem  Natron    entsteht    Chlordinitrophenol   (Schmp.  70®),   durch   alkoholisches  Ammoniak  Di- 
chlomitranilin (Schmp.  €6*4®). 

3.  m-Dichlordinitrobenzol  (36),   schwach  grünlich  gefärbte  Prismen.     Schmp.   103®. 
Trichlornitrobenzol  (38),  CgHjCljNOg,  existirt  in  vier  isomeren  Modificationen,  von 

denen  drei  (1,  2  und  4)  durch  Nitriren  der  drei  Trichlorbenzole  entstehen,  während  die  vierte  aus 
Dichlomitranilin  (Schmp.  67—68®)  dargestellt  wird. 

1.  CeHjClClClNO,,  Seideglänzende,  bei  55— 56®  schmelzende  Nadeln.    Durch  Reduktion 

12s     4 
geht  es  in  Trichloranilin  (Schmp.  67*5)  über. 

2.  CeHjClCiaNOg,  bildet  bei  58®  schmelzende  Nadeln.     Siedep.  288®. 

12    4        5 

3.  CeH.ClClNOjjCl,    aus  Nitrodichloranilin  (Schmp.  67—68®)  dargestellt,    krystallisirt  in 

1   s     3     4 
farblosen,   bei  88 — 89®  schmelzenden  Nadeln. 

4.  CeH.QNO.aCl,  lange  Nadeln,  welche  bei  68®  schmelzen. 

1      2     s   s 

Trichlordinitrobenzol  (30),  C6HCl3(N03)j,  durch  mehrstündiges  Erhitzen  von 
1*2*4  Trichlorbenzol  mit  Salpeter-  und  Schwefelsäure  dargestellt,  krystallisirt- in  hellgelben,  bei 
103-5®  schmelzenden  Prismen.     Siedep.  335®. 

Tetrachlornitrobenzol  (39),  CgHCl^NO^i  existirt  in  drei  Modificationen,  welche 
durch  Einwirkung  von  Salpetersäure  auf  die  Tetrachlorbenzole  entstehen. 

1.  CjHaaCiaNOj,  kleine,  bei  64*5®  schmelzende  Nadebi. 

1   2   s  4     5 

2.  CgHaaCiaNOj,  Nadein.     Schmp.  21—22®. 

12s»     « 


r 


«14  Handwörterbuch  der  Chemie. 

3.  CcHClCiaClNOj,  Trikline  Krystalle,   welche  bei  98**  schineUcn  und  bei  304®  unter 

l     Si     4     5        6 

ftarkcr  Zerscti^ung  sieden. 

Pentacblornitrobenzol  (30),  CßCljNOj,  durch  Kochen  von  Pentachlorbenzol  mit 
rauchendi^r  Salpetersäure  dargestellt,  krystallisirt  aus  Schwefelkohlenstoff  in  monoldinen  Tafeln. 
SchOTp.   146^.     Siedep.  328 0. 

Bromnitrosiibstitutionsprodukte.*)    Bromnitrobenzol,  C^H^BrNOg. 

1.  o-Bromnitrobenzol,  entsteht  neben  der  p-Verbindimg,  von  weicheres 
dtirch  seine  leichtere  Löslichkeit  in  Alkohol  zu  trennen  ist,  beim  Erwärmen  von 
Brombenzol  (1)  mit  Salpetersäure.  Gelbliche,  lange  Krystalle  (2),  welche  bei 
41— 4 i  ■5'"  schmelzen.  Siedep.  261°.  Es  ist  leicht  löslich  in  rauchender  Schwefel- 
säure (3).  Durch  Erhitzen  mit  Kalilauge  im  geschlossenen  Rohr  wird  es  in 
o-Nitrophenol  übergeführt. 

2.  m -Bromnitrobenzol  wird  am  leichtesten  aus  p-Brom-o-Nitranilin  (4) 
(Sclimp.  104'^)  dargestellt.  Es  entsteht  auch  durch  Zersetzung  von  m-Diazonitro- 
ben^olperb^omid  (5).  Hellgelbe  Blätter  (7),  welche  dem  rhombischen  System  (6) 
angehören  und  bei  56°  schmelzen.  Siedep.  256*5°.  Es  wird  von  Kalilauge  kaum 
angegriffen. 

3.  p-Bromnitrobenzol  kann,  ausser  auf  dem  angeführten  Wege  (i),  auch 
aus  p-NitraniUn  (5)  und  aus  Bromnitranilin  (8)  (Schmp.  15P)  dargestellt  werden. 
Nadeln  (9),  welche  bei  126— 127 «>  schmelzen.  Siedep.  255— 256<>.  Durch  Er- 
hitzen mit  Kalilauge  wird  es  in  p-Nitrophenol  übergeführt. 

Bromdinitrobenzol,  C6H3Br(NOj,)2.     Drei  Isomere. 

1.  CgHjjBrNOgNOg,  durch  Nitriren  von  Brombenzol  (10)  mit  Salpeter-  und 

'    1     a        4 
Schwefelsäure  dargestellt,  bildet  gelbe,  bei  72^  schmelzende  Krystalle.     Es  kann 
durch   geeignete  Reactionen  in   o-p-Dinitranüin  (n),   in  m-Phenylendiamin  (12) 
und  in  o-p-Dinitrophenol  (Schmp.  114®)  übergeführt  werden. 

2.  CfiH3BrN02N02    entsteht  (13)  neben  geringen  Mengen  eines  isomeren 

I       s         4 
Produktes     durch    Erhitzen    von    m -Bromnitrobenzol     mit     Salpetersäure     und 
rauchender  Schwefelsäure.     Grüngelbe  monokline  Krystalle  (6),  welche  bei  59*4® 
schmelzen.    Durch  Erhitzen  mit  alkoholischem  Ammoniak  entsteht  Bromnitranilin. 

3.  C6H3N02N02Br.     Aus  o-Dibrombenzol  (14)  dargestellt,   bildet  bei  87«^ 

18  5 

schmelzende  Krystalle. 


•)  1)  Wai.kkr  u.  Zinke,  Ber.  5,  pag.  114.  2)  Fittig  u.  Mager,  Ber.  7,  pag.  1179. 
3)  KÖRNER,  Jahresber.  1875,  P*&-  3^0 — 23.  4)  WuRSTER  u.  Grübenmann,  Ber.  7,  pag.  416. 
5)  Grjesp.  Jnbrc'^ber.  1863,  pag.  423.  6)  Bodewig,  Jahresber.  1877,  pag.  423 — 24.  7)  Fittig 
u,  Mac  ER,  Ber.  3,  pag.  363.  8)  Wurster,  Ber.  6,  pag.  1544.  9)  Fittig  u.  Mager,  Ber.  7, 
pag.  1175-  10)  Kekul^,  Ann.  137,  pag.  167.  11;  Clemm,  J.  pr.  Ch.  [2]  i,  pag.  172.  12)  Zinke 
u,  SI^JTEKIS^  Ber.  5,  pag.  791.  13)  Körner,  Jahresber.  1875,  pag.  332.  14)  Austen.  Ber.  8, 
pag.  iißz.  15)  Körner,  Jahresber.  1875,  pag.  305—309.  16)  Groth,  Ber.  7,  pag.  1563. 
17)  AüSTEN,  Ber.  8,  pag.  1182.  18)  KÖRNER,  Jahresber.  1875,  pag.  333.  19)  Austen,  Ber.  9, 
pag.  621.  20)  Ders.,  Ber.  9,  pag.  918.  21)  Körner,  Jahresber.  1875,  pag-  31-2  -3i7- 
22)  WuRSTLK.  u.  ^eran,  Bcf.  12,  pag.  1821.  23)  Panebianco,  Jahresber.  1879,  P^-  3^7* 
24)  KÖRNER,  Jahresber.  1875,  pag.  312.  25)  Ders.,  Jahresber.  1875,  P^ß-  3^7-  26)  WuRSTKR 
u.  Beran,  Ber.  12,  pag.  182 1.  27)  von  Richter,  Ber.  8,  pag.  1427.  28)  Longfürth,  Ann.  191, 
pag*  202.  29)  Körner,  Jahresber.  1875,  pag.  325—327.  30)  Ders.,  Jahresber.  1875,  P*g- 
3Z0— 322.  31)  GRIESS,  Z.  Ch.  1866,  pag.  218.  32)  Körner,  Jahresber.  1875,  pag-  35^ 
33)  KEKULi,  Ann.  I37i  pag.  168.  34)  Körner,  Jahresber.  1875,  P^g-  327—328.  35)  Ders., 
jÄhfCsber.  1875^  pag.  329 — 30. 


Benzol.  215 

Dibromnitrobenrol  (15),  C^HjBrjNO,.  Dasselbe  existirt  in  fünf  isomeren  Modifica- 
tionen,  von  denen  zwei  (i  und  5)  durch  Nitriren  von  o-  resp.  p-Dibrombenzol,  zwei  (2  und  3) 
durch  Nitriren  von  m-Dibrombenzol  erhalten  werden,  während  die  fünfte  aus  Dibrom-o-  resp. 
p-Nitranilin  gewonnen  wird. 

1.  CgHjBrBrNOj  bildet  hellgelbe,  monokline  (16)  Tafeln,    welche   bei  58-€®  schmelzen. 

13  4 

Siedep.  296*'.     Es  kann  in  1,  2,  4  Tribrombenzol  übergeführt  werden. 

2.  CgHjBrBrNOj    krystallisirt   aus  Alkohol   in  weissen,    seideglänzenden  Nadeln,   welche 

15       6 

bei  82-6'^  schmelzen.     Flüchtig  mit  Wasserdämpfen.     Durch  alkoholisches  Ammoniak  wird  es  bei 
180**  in  Nitro-m-Phenylendiamin  umgewandelt. 

3.  CjHjBrBrNO,  krystallisirt  aus  ätherhaltigem  Alkohol  in  schwefelgelben,    triklinen  (16) 

1     3     4 
Kiystallen,    welche    bei    ßVß^   schmelzen.     Leicht    flüchtig    mit  Wasserdämpfen.     Es    kann  in 

1,  2,  4  Tribrombenzol  übergeftihrt  werden. 

4.  CgHjBrBrNOj  bildet  farblose,   dünne  Blätter  des  monoklinen  Systems  (6),  welche  bei 

1    3     s 
104*5^  schnaelzen. 

5.  CjHjBrBrNO,   krystallisirt    aus  Aether-Alkohol    in    grünlich    gelben,    dünnen  Tafeln, 

14  5 

welche  bei  85 '4°  schmelzen.     Durch  Zinn. und  Salzsäure  wird  es  in  Dibromanilin  (Schmp.  51**) 
übergeftihrt.     Es  kann  in  1,  2,  4  Tribrombenzol  übergeführt  werden. 

Dibromdinitrobenzol,  C6H36r2(N02)3»  existirt  in  sechs  isomeren  Modificationen. 

1.  a-o-Dibromdinitrobenzol  (17)  entsteht  neben  der  ß-Verbindung  durch  Kochen  von 
o-Dibrombenzol  mit  Salpeter-Schwefelsäure.  Die  Trennung  wird  durch  Eisessig,  in  welchem  die 
a-Verbindung  schwer  löslich  ist,  ausgeführt.  Zoll  lange,  weisse,  stark  glänzende  Nadeln,  welche 
bei  158^  schmelzen. 

2.  ß-o-Dibromdinitrobenzol(i7)  bildet  kleine,  glänzende^  bei  120^  schmelzende  Krystalle. 

3.  a-ni-Dibromdinitrobenzol(i8)  durch  Erwärmen  von  m-Dibromnitrobenzol  (Schmelz- 
punkt 61*6°)  mit  Salpetersäure  und  rauchender  Schwefelsäure  bei  100°  dargestellt,  krystallisirt 
in  grünlich  gelben  Nadeln,  welche  bei  117-4*'  schmelzen.  Durch  Erhitzen  mit  Kalilauge  ent- 
steht m-Bromdinitrophenol  (Schmp.  91'5®). 

4.  p-m-Dibromdinitrobenzol  (15)  wird  durch  Nitriren  von  m-Dibromnitrobenzol 
(Schmp.  82-6°)  dargestellt.     Grünliche  Krystalle.  . 

5.  a-p-Dibromdinitrobenzol  (19)  entsteht  neben  der  ß- Verbindung  durch  Erwärmen 
▼on  p-Dibrombenzol  mit  Salpeter-  und  Schwefelsäure.  Es  krystallisirt  aus  Eisessig  in  durch- 
sichtigen Nadeln,  welche  bei  159^  schmelzen.  Durch  Ammoniak  entsteht  bei  75°  schmelzendes 
Dibromnitranilin. 

6.  ß-p-Dibromdinitrobenzol,  bildet  dicke,  zugespitzte  Nadeln,  welche  bei  99—100° 
schmelzen.     Durch  Ammoniak  entsteht  bei   160°  schmelzendes  Bronmitranilin. 

Tribromnitrobenzol,  CgHjBrjNOj,  existirt  in  fünf  isomeren  Modificationen. 

1.  CgHjBrBrBrNOj  (21)  wird  aus  0-0-Dibrom-p-Nitranilin  (Schmp.  202*5°)  und  aus  dem 

13      3        5 

bei  151 '4°  schmelzenden  Tribromnitranilin  dargestellt  und  bildet  durchsichtige,  fast  farblose 
Krystalle,  welche  bei  112°  schmelzen.  Es  wird  durch  alkoholisches  Ammoniak  in  0-0-Dibrom- 
p-Nitranilin  (Schmp.  202*5°)  umgewandelt. 

2.  CeHjBrBrBrNOj  (21)   entsteht  neben   dem   folgenden   durch  Behandlung  von  1,  2,  4 

13     4        5 

Tribrombenzol  mit  rauchender  Salpetersäure.  Lange,  schwefelgelbe  Nadeln,  welche  bei  93*5° 
schmelzen.     Durch  Ammoniak  wird  es  in  Bromnitro-p-Phenylendiamin  übergeführt 

3.  CeHjBrBrBrNO..    (21)   krystallisirt   aus  Aetheralkohol   in   fast  farblosen,    rhombischen 

1   3    4     s 
Tafeln  oder  Prismen. 

4.  CgHjBrBrBrNOj  (21)  entsteht  aus  o-p-Dibrom-o-Nitranilin  (Schmp.  127*3°)  und  bildet 

13      4       6 

seideglänzende,  bei  119*5°  schmelzende  Nadeln.  Durch  alkoholisches  Ammoniak  wird  es  wieder 
in  o-p-Dibrom-o-Nitranilin  übergeführt. 

5.  CgHjBrBrBrNO.^     (21)    wird    durch    Kochen    von    1,    3,   5   Tribrombenzol  (22)    mit 


tl6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

SalpetersHurc  und  durch  Entfernung  von  Amid  aus  Tribromnitranilin  (Schmp.  102*5*^  dargc- 
stelll.  Grofise,  durchsichtige,  monokline  Prismen  (23)  oder  Tafeln  mit  schwach  giünlicbem 
Schimnier.  Sdimp.  125*1*^.  Siedep.  177®  bei  11  Millim.  Durch  Zinn  und  Salzsäure  entsteht  bei 
n9*^  schmelzendes  Tribromanilin.  Durch  alkoholisches  Ammoniak  wird  es  in  Bromnitro- 
iD*Phepylendiamin  übergeführt. 

Tribromdinitrobenzol,  C5HBrj(NOj)3. 

1.  ]i  2,  4  Tribromdinitrobenzol  (24),  aus  Tribromnitrobenzol  (Schmp.  93*5®)  oder  aus 
1,  2»  4  Tribrombenzol  mit  Salpeterschwefelsäure  dargestellt,  krystallisirt  aus  Aether  in  grossen, 
hiskss  grüngelben  Prismen  oder  Tafeln,  welche  bei  135*5''  schmelzen  und  dem  monoklincn 
System  angehören.     Durch  alkoholisches  Ammoniak  entsteht  Bromdinitrophenylendiamin. 

2r  ],  3,  5  Tribromdinitrobenzol  (25,  26),  durch  Kochen  des  entsprechenden  Tribromnitro- 
i»co£ols  mit  einem  Gemisch  von  gleichen  Theilen  rauchender  Salpetersäure  und  krystallisirter 
t suchender  Schwefelsäure  dargestellt,  bildet  glänzende,  bei  192®  schmelzende  Nadeln. 

Tctrabromnitrobenzol,    CgHBrBrBrBrNO« ,    entsteht    durch   Behandlung    (27)    des 

1  3  s  &  6 
entsprechenden  Tetrabrombenzol  mit  Salpetersäure  (Spec  Gew.  1-59)  und  bildet  bei  96® 
Kcbmelzende  Krystalle.  Die  rasch  abgektihlte  Substanz  schmilzt  bei  60®,  wird  jedoch  allmähhch 
wieder  in  die  bei  96®  schmelzende  Modification  umgewandelt.  Auch  aus  absolutem  Alkohol 
werden  feine,  bei  60®  schmelzende  Nadeln  (28)  abgeschieden,  welche  sich  allmählich  in  constant 
btii  B6^  schmelzende  Blättchen  umsetzen. 

Tetrabrom-m-Dinitrobenzol  (27),  CeBr4(N02)2,  wird  durch  Einwirkung  von 
rauchender  Salpetersäure  (Spec.  Gew.  =  1*54)  auf  Tetrabrombenzol  dargestellt  und  krystallisirt 
aus  Beniol  in  monoklinen,  bei  227 — 228®  schmelzenden  Prismen. 

C hl orbiomnitro Substitutionsprodukte  (29). 

[ .  m-Chlorbromnitrobenzol.  Durch  Nitriren  von  m-Chlorbrombenzol  entsteht  ein  Chlorbrom- 
mtrobenzo],  welches  nach  seinen  Zersetzungen  als  ein  Gemenge  von  zwei  Isomeren  anzusehen  ist 

2.  CgH^aBrNO,    entsteht  durch  Ersatz   von  Amid   durch  Brom   im   m-Chlor-o-Nitranilin 

L    4      5 
(Schmp,    123—124®)    und    krystallisirt    aus    Alkohol    in    grünlich    gelb    gefärbten,    bei    49-5° 
schmchenden  Nadeln. 

3.  C^HjClBrNO,,    aus   Chlorbromnitranilin     (Schmp.  106*4**)    dargestellt,    krystallisirt   in 

13  6 

schmalen  I  dünnen  Blättern,  welche  bei  82*5**  schmelzen. 

4.  CgHgClBrNO,    entsteht    durch  Einwirkung  von  Salpetersäure  auf  p-Chlorbrombenzol 

14  6 

Kiy stalle  f  welche  bei  68*6**  schmelzen. 

Jodnttrosubstitutionsprodukte.  Jodnitrobenzol,  CeH4JN02.  o-Jod- 
nitrobenzol  (30)  entsteht  neben  der  p-Verbindung  durch  Nitriren  von  Jodbenzol. 
Die  Trennung  derselben  beruht  auf  der  leichteren  Löslichkeit  des  o-Jodnitroben- 
xüls  in  Alkohol.  Citronengelbe  Nadeln,  welche  bei  49'4®  schmelzen.  Bei  der 
Keduction  entsteht  neben  Anilin  wenig  o-Jodanilin. 

m-Jrjdnitrobenzol  (31,  32),  aus  m-Diazonitrobenzol  dargestellt,  bildet  mo» 
nokline,  bei  36®  schmelzende  Blättchen.     Siedet  gegen  280®. 

p-Jodnitrobenzol  (30),  welches  auch  aus  Jodbenzol  {^^)  und  Salpetersäure 
entsteht,  krystallisirt  aus  Alkohol  in  platten,  hellgelben,  diamantglänzenden  Nadeln. 
Schmp.   17 15®.     Durch  Reductionsmittel  wird  es  in  p-Jodanilin  übergeführt, 

Joddinitrobenzol,  C6H3J(N02)2. 

1.  CßH3jN02NOa  (30)  entsteht  in  kleinen  Mengen,   neben  dem  folgenden 

13  6 

als  Hauptprodukt,  von  welchen  es  durch  seine  leichtere  Löslichkeit  in  Alkohol 
zu  trennen  ist,  durch  Behandlung  von  o-Nitrojodbenzol  mit  Salpeter-  und  Schwefel- 
säure. Es  krystallisirt  aus  Alkohol  in  tief  orangegelben,  rhombischen  Prismen, 
welche  bei  113'7®  schmelzen.  Durch  Erhitzen  mit  alkoholischem  Ammoniak 
wird  es  in  0-0-Dinitranilin  (Schmp.  138°)  übergeführt. 

2.  CtjHjJNOjNOj  (30),  einziges  Produkt  der  Einwirkung  von  Salpeter-  und 

1      s       4 


Benzol.  2 1 7 

Schwefelsäure    auf  p-Jodnitrobenzol ,    krystallisirt    aus  Aetheralkohol  in  grossen, 

dunkelgelben  Tafeln  oder  Prismen,  welche  bei  88*5°  schmelzen.    Durch  Erhitzen 

mit  alkoholischem  Ammoniak  wird  es  in  o-p-Dinitranilin  (Schmp.  182*^)  tibergetührt. 

m-Dijodnitrobenzol  (29),   CgHjJJNOj,    entsteht    durch    Auflösen   von   m-Dijodbenzol 

IS     4 
in  Salpetersäure    (Spec.  Gew.  =  1*52)    und    bildet   citronengelbc  Krystallc,    welche   bei    168*4° 

schmelzen.     Durch  Erhitzen    mit    alkoholischem  Ammoniak    wird  es  in  m-Jod-o-Nitranilin  über- 

^efähit» 

Chlorjodnitrobenzol  (34),  CeHjClJNOj. 

1.  CgH-ClJNO..,  durch  Austausch  von  Amid  gegen  Jod  im  m-Chlor-o-Nitranilin  (Schmelz- 

18       4 

punkt  123 — 124°)    dargestellt,    krystallisirt    in    gut    ausgebildeten    Prismen,    welche    bei    (53-4° 
schmelzen. 

2.  m-Chlorjodnitrobenzol  wird  durch  Nitriren  von  m-Chlorjodbenzol  erhalten.  Krystallinische 
Verbindung,  welche  höher  schmilzt  als  die  vorige. 

3.  C-HjClJNOj,   aus   p-Chlor-o-Nitranilin  dargestellt,    krystallisirt  aus  Alkohol  in  conccn- 

14     5 

Irisch  gnippirten  Nadeln,  welche  bei  63*3**  schmelzen. 

Bromjodnitrobenzol  (35),  CgHjBrJNOj.     Fünf  Isomere. 

1.  o-Bromjodnitrobenzol,    CgH,BrJNOj,    wird    durch  Nitriren    von  o-Bromjodbenzol  oder 

1  )      5 
durch  Austausch   von  Jod   gegen  Amid  in  o-Brom-p-Nitranilin  (Schmp.  104"5°)  dargestellt  und 
bystallisiTt    aus  Alkohol    in    schwach    grünlich    gelben  Prismen    oder  Nadeln,    welche  bei   10G° 
schmelzen.     Durch  Erhitzen  mit   alkoholischem  Ammoniak  entsteht  o-Bromnitranilin. 

2.  CgHjBrJNOj,    aus    m-Brom-o-Nitranilin    (Schmp.   15 ll**)    dargestellt,    bildet   intensiv 

13      4 

gelbe,    bei  83*5°    schmelzende  Krystalle.     Durch    alkoholisches  Ammoniak   entsteht  m-Brom-o- 
Nitranilin. 

3.  u.  4.  m-Bromjodnitrobenzol.  Die  beiden  Verbindungen  entstehen  durch  Erwärmen  von 
m-Bromjodbenzol  mit  conc.  Salpetersäure.  Das  Hauptprodukt  bildet  citronengelbc  Prismen  oder 
Nadeln,    welche    bei  126*8**  schmelzen.     Es  giebt  mit  alkoholischem  Ammoniak  m-Jod-o-Nitra- 


5.   CjHjBrJNOj,    aus  p-Brom-o-Nitranilin  (Schmp.   111-4**)  dargestellt,  ist  eine  bei  90-4° 
1    4      6 
schmelzende  Substanz. 

Antimon-,  Arsen-  und  Phosphorderivate  des  Benzols.*) 
Triphenylstibin  (8),  (C6H5)3Sb,  entsteht  durch  Einwirkung  von  über- 
schüssigem Natrium  auf  ein  Gemenge  von  Antimon trichlorid  und  Brombenzol  in 
Benzol  gelöst.  Es  krystallisirt  aus  Alkohol  in  schwach  gelben  Blättchen,  welche 
bei  48°  schmelzen.  Mit  Brom  und  Chlor  vereinigt  es  sich  zu  krystallinischen 
Additionsprodukten. 

Phenylarsenchlorür  (i),  CgH^AsClg.  Dasselbe  entsteht  1.  beim  Durcli- 
Iciten  von  Arsentrichlorid  und  Benzol  durch  ein  rothglühendes  Rohr  und  zwar 
neben  Diphenyl: 

AsClj  -+-  CeHß  =  CßH.AsCla  4-  HCl 

2.  Durch  Erhitzen  von  Arsentrichlorid  mit  Quecksilberdiphenyl: 

2ASCI3  -^-Hg(C«H,)3  =  2C6H5ASCI2  -^-HgClg 

3.  Durch  Erhitzen  von  Triphenylarsin  mit  Arsentrichlorid  (8)  auf  250®. 

Die  erste  Methode  ist  zur  Darstellung  nicht  geeignet,   da  das  Chlorid  nicht  vom  Diphenyl 


•)  1)  La  Coste  u.  Michaelis,  Ann.  201,  pag.  191—200.  2)  Ibid.  203.  3)  Michaelis 
u.  Link,  Ann.  207,  pag.  195.  4)  Ibid.  305—307.  5)  La  Coste  u.  Michaelis,  Ann.  201, 
pag.  212—215.  6)  Ihid.  215  u.  ff.  7)  La  Coste  u.  Michaelis,  Ann.  201,  pag.  235.  8)  Michae- 
lis u.  Reese,  Ber.  15,  pag.  2876.  9)  La  Coste  u.  Michaelis,  Ann.  201,  pag.  237.  10)  Dies., 
Ann.  201,  pag.  200 — 212.  11)  Schulte,  Ber.  15,  pag.  1955.  '^)  Michaelis  und  Schulte, 
Bei.  15,  pag.  1952.     13)  Dies.,  Ber.  14,  pag.  912. 


2i8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

zu  trennen  ist.    Man  stellt  es  nach  2  dar  und  erhitxt  700  Grin.  AsQj  mit  70  Grm.  Hg(CjHj), 
einige  Zeit  auf  254°  und  unterwirft  die  abfiltrirte  Flüssigkeit  der  fractionirten  Destillation. 

Das  Chlorür  bildet  eine  farblose,  stark  lichtbrechende,  leicht  bewegliche 
Flüssigkeit,  welche  an  der  Luft  nicht  raucht  und  bei  252—255°  siedet.  Es  riecht 
in  der  Kälte  schwach  unangenehm.  Wirkt  ätzend  auf  die  Haut.  Es  wird  selbst 
von  siedendem  Wasser  nicht  angegriffen;  von  Alkalien  wird  es  leicht  zersetzt 

Phenylarsentetrachlorid  (2),  CßH.i^AsCl^,  entsteht  durch  Einleiten  von 
Chlor  in  das  Phenylarsenchlorür.  Es  erstarrt  bei  gewöhnlicher  Temperatur  allmäh- 
lich, bei  0°  sofort  zu  breiten,  gelben  Nadeln,  welche  erst  bei  45°  wieder  schmelzen. 
Es  raucht  an  der  Luft;  von  Wasser  wird  es  unter  Bildung  von  Phenylarsenoxyd 
und  Phenylarsinsäure  zersetzt.  Durch  Erliitzen  im  ofienen  Gefässe  wird  es  in  seine 
Componenten  zerlegt,  ebenso  durch  Einleiten  von  Kohlensäure.  Im  Rohr  auf 
150°  erhitzt  wird  es  in  Chlorbenzol  und  Arsentrichlorid  gespalten. 

Phenylarsenbromür  (2),  C  g  H  5  As  Br  2 .  Durch  Erwärmen  von  Phenylarsenoxyd 
mit  conc.  Bromwasserstoffsäure  dargestellt,  bildet  eine  schwach  gelbe,   bei  285 
unter  schwacher  Zersetzung  siedende  Flüssigkeit.    Es  wird  von  Wasser  nicht  zer- 
setzt.   Brom  wirkt  unter  Bildung  von  Brombenzol  und  Arsentribromid  darauf  ein 

Phenyldimethylarsin  (4),  C6H;,As(CH3)3. 

Zur  Darstellung  lässt  man  mit  Aether  oder  Benzol  verdtinntes  Phenylarsencfalorttr  zu  Zink- 
methyl  tropfen  und  scheidet  nach  dem  Abdestilliren  des  Aethers  das  Arsin  aus  dem  ztnfick- 
bleibenden  Synip  durch  Kalilauge  ab.  Dasselbe  wird  nach  dem  Trocknen  Über  Chlorcaldum 
durch  Destillation  gereinigt. 

Es  bildet  eine  farblose,  in  Wasser  unlösliche,  mit  Alkohol  und  Benzol 
mischbare  Flüssigkeit,  welche  bei  200°  siedet.  Durch  Einwirkung  von  Jodmethyl 
entsteht 

Phenyltrimethylarsoniumjodid  (4),  CgHjAs(CH3),J,  welches  aus  schwach  alkalischem 
Alkohol  in  weissen,  bei  244°  schmelzenden  Nadeln  krystallisirt.  Das  Platindoppelsalz, 
(C6H6As(CH3)3)aPtCl4,  krystallisirt  aus  Wasser  in  schön  rothen,  bei  219°  schmelzenden 
Lamellen. 

Phenyldiäthylarsin,  C6H5As(C2H5)2  (5),  der  Methylverbindung  analog 
aus  Zinkäthyl  dargestellt,  ist  eine  farblose,  stark  lichtbrechende  Flüssigkeit  von 
unangenehmem  Gerüche.  Siedep.  240°.  Es  verbindet  sich  mit  Chlor  zu  dem 
schön  krystallisirenden  Chlorid,  C6H;,As(CeH5)2Cl2.  Durch  Erhitzen  mit  Jod- 
äthyl im  Rohr  auf  100°  entsteht 

Phenyltriäthylarsoniumjodid  (5),  CgHjAs(C3Hj)2J,  welches  aus  Wasser  in  farblosen, 
prismatischen,  bei  112 — 113°  schmelzenden  Krystallen  abgeschieden  wird.  Es  schmeckt  bitter. 
Es  ist  leicht  löslich  in  Alkohol,  unlöslich  in  Aether;  durch  vorsichtiges  Erhitzen  im  Kohlensäure- 
Strom  wird  es  in  Jodäthyl  und  Phenyldiäthylarsin  gespalten.  Durch  Erhitzen  mit  Silberoxyd 
und  Wasser  auf  100^  entseht  eine  S3nrupaTtige  stark  alkalische  Oxybase,  deren  salzsahires  Ssl« 
mit  Platinchlorid  ein  in  goldgelben  Blättchen  krystallisirendes  Doppelsalz,  [CgH5As(C,Hj),],Pta4, 
bildet. 

Diphenylarscnchlorür  (3,  6),  (C6H,r,)2AsCl,  entsteht  als  Nebenprodukt 
bei  der  Bereitung  von  Monophenylarsenchlortir. 

Zur  Darstellung  werden  230  Grm.  des  letzteren  mit  60  Grm.  Quecksilberdiphenyl  in  einem 
Kolben  mit  aufgesetztem  Glasrohr  einige  Zeit  zum  Sieden  erhitzt,  nach  dem  Erkalten  von  dem 
entstandenen  Bodensatz  abgegossen,  das  abdestillirte  Monophenylarsenchlortir  mit  weiteren 
50  Grm.  Quecksilberdiphenyl  in  derselben  Weise  behandelt  und  darauf  die  erhaltenen  Flüssig- 
keiten im  Kohlensäurestrom  fractionirt. 

Hellgelbe,  ölartige  Flüssigkeit  von  schwachem  Geruch.  Es  siedet  im  Kohlen- 
Säurestrom  unzersetzt  bei  333®.     Spec.  Gew.  =1-42231  bei   15®.     Unlöslich  in 


% 


V 


Benzol  219 

Wasser,  leicht  löslich  in  Alkohol,  Benzol  und  Aether.  Es  wird  von  Alkalien  auch 
beim  Kochen  wenig  gelöst.  Durch  Kochen  mit  conc.  Salpetersäure  entsteht  Di- 
phenylarsinsäure.     Mit  Chlor  vereinigt  es  sich  zu 

Diphenylarsentrichlorid  (6),  (CeH5)jAsClj,  welches  aus  wasserfreiem  Benzol  in 
farblosen,  bei  174°  schmekenden  Tafeln  krystallisirt.  Es  zerfällt  beim  Erhitzen  auf  200 ** 
in  Fhenylarsencblorür  und  Chlorbenzol. 

Diphenylarsenbromür  (6),  (C6H5)2AsBr,  wird  aus  Diphenylarsenoxyd 
und  conc.  BromwasserstofFsäure  dargestellt  und  bildet  eine  selbst  im  Kohlen- 
säurestrom nicht  unzersetzt  destillirbare  Flüssigkeit. 

Diphenylmethylarsin  (3),  (C6H5)2AsCH3,  durch  Vermischen  von  Zink- 
methyl und  Diphenylarsenchlorür  in  Benzollösung  dargestellt,  ist  eine  stark  licht- 
brechende, in  Wasser  unlösliche  Flüssigkeit.  Siedep.  306°.  Es  vereinigt  sich 
mit  Jodmethyl  zu 

Diphenyldimethylarsoni  um  Jodid  (3),  (C5H5).^As(CHj)2J,  welches  aus  schwach 
alkalischem  Alkohol  in  farblosen,  bei  190°  schmelzenden,  spiessigen  Krystallen  abgeschieden  wird. 
Schwer  löslich  in  kaltem  Wasser,  unlöslich  in  Aether.  Das  Pia tindoppel salz  krystallisirt  in 
flachen,  rothgelben  Tafeln.     Schmp.  219°. 

Diphenyläthylarsin  (7),  (C6H5)2AsC2H5,  analog  der  Methylverbindung 
aus  Zinkäthyl  erhalten,  bildet  eine  obstartig  riechende  Flüssigkeit,  welche  im 
Kohlensäurestrom  bei  305°  siedet.     Es  vereinigt  sich  mit  Chlor  zu 

Diphenyläthylarsendichlorid  (7),  (C5H5)3AsC2HjCl2,  welches  aus  Benzol  in  langen, 
&rblosen,  bei  137°  schmelzenden  Nadeln  krystallisirt.  Das  Chlorid  wird  von  Wasser  unter 
Bildung  eines  krystallinischen  Produktes  zersetzt. 

Diphenyldiäthylarsoniumjodid  (7),  (C6H5)2As(C2H5)oJ,  wird  durch  Erhitzen  von 
Diphenyläthylarsin  mit  Jodäthyl  auf  100®  erhalten  und  bildet  weisse,  bei  184®  schmelzende 
Nadeln.     Das  Platindoppelsalz  krystallisirt  in  goldgelben  Blättchen. 

Diphenylmethyläthylarsoniumjodid  (3),  (CfiH5)jAsCH3C3H5J,  farblose,  dem 
rhombischen  System  angehörende  Krystalle,  welche  bei  170®  schmelzen.  Es  zerfällt  beim  Er- 
hitzen im  Kohlensäurestrom  in  Diphenylmethylarsin  und  Jodäthyl.  Das  Platindoppelsalz, 
[(CjHj),AsCH,CjH5]2Pta4,  krystallisirt  in  gelbweissen,  bei  214®  schmelzenden  Nadeln,  das 
Pikrat  bildet  gelbe  Nadeln.     Schmp.  95®. 

Triphenylarsin  (9),  (C6H5)3As,  entsteht  in  geringen  Mengen  bei  der  Dar- 
stellung von  Mono-  und  Diphenylarsenchlorür.  Es  wird  durch  Erhitzen  von  Phenyl- 
arsenoxyd,  CgHjAsO,  welches  dabei  in  Arsenigsäureanhydrid  und  Triphenylarsin 
zerfallt,  oder  besser  durch  Einwirkung  von  Natrium  (8)  auf  ein  Gemisch  von  Areen- 
trichlorid,  Brombenzol  und  Aether  dargestellt.  Es  krystallisirt  aus  Alkohol  in 
farblosen,  zerbrechlichen  Blättchen,  aus  Arsentrichlorid  in  grossen,  glasglänzenden 
Tafeln,  welche  bei  58—59°  schmelzen.  Es  siedet  im  Kohlensäurestrom  unzer- 
setzt bei»360^  Unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Aether  und  Benzol. 
Versetzt  man  eine  alkoholische  Lösung  des  Arsins  mit  Quecksilberchlorid,  so 
entstehen  perlmutterglänzende  Blättchen  von  As(C6H5)gHgCl2i  welches  durch 
siedende  Kalilauge  unter  Bildung  von 

Triphenylarsinhydroxyd,  (C6H5)3As(OH)3,  zerzctzt  wird.  Mit  Chlor  vereinigt  sich 
das  Arsin  zu 

Triphenylarsindichlorid,  (CgH5)3AsCl3,  welches  farblose,  bei  171^  schmelzende 
Tafeln  bUdet. 

Phenylarsenoxyd  (10),  C^HgAsO. 

Zur  Darstellung  wird  PhenylarsenchlorUr  mit  Sodalösung  zerlegt  und  das  dabei  entstehende, 
feste  Produkt  aus  Alkohol  umkrystallisirt. 

Es  bildet  bei  119—120°  schmelzende,  krystallinische  Krusten,  riecht  anisartig 


1 


"iio  Handwörterbuch  der  Chemie. 

und  ffreift  beim  Erwärmen  die  Schleimhäute  an.    Unlöslich  in  Wasser,  leicht  lös- 
lich in  Benzol. 

Ptienylarsin^äure  (lo),  C6H5AsO(OH)2. 

Die  Säure  wird  durch  Eindampfen  von  Phenylarsentetrachlorid  mit  Wasser  und  Um- 
krystaihfiTen  des  zurückbleibenden,  zähen,  krystallinischen Rückstandes  aus  heissem  Wasser  dargesteUt 

Sie  krystallisirt  in  langen  Säulen.  Ziemlich  leicht  löslich  in  kaltem,  leicht 
in  lieissem  Wasser.  Löslich  in  wässrigem  und  absoluten  Alkohol.  Sie  ist  sehr 
glAtg.  Bei  158^  beginnt  sie  zu  erweichen  und  geht  dabei  unter  Wasserverlust 
in  das  Anhydrid  über.     Die  Säure  löst  sich  in  Ammoniak  und  Alkalien. 

Dil!  dabei  entstehenden  sauren  Salze  sind  mit  Ausnahme  der  Ammonium -Verbindung 
nicht  ltr}'?tallinisch.  Barium-  und  Calciumsalz  sind  ebenfalls  krystallinisch.  Blei-  und 
Kupf*^r^nlz  bilden  amorphe  Niederschläge. 

Phenylarsinsäureanhydrid  (lo),  CßHjAsO.^,  dessen  Darstellung  schon  erwähnt  wurde, 
ist  em  amorphes  Pulver. 

Phcnylarsinsäurechlorid  (lo),  CgHsAsOQj,  durch  Zersetzung  von  Tetrachlorid  mit 
i  Mol.  Wasser,  oder  besser  durch  Einwirkung  von  Chlor  auf  Phenylarsenoxyd  dargestellt, 
bildet  eine  weisse,  krystallinische  Substanz,  welche  an  der  Luft  raucht.     Schmp.   100®. 

L7iphenylarsenoxyd  (6),  [(C6H5)2As]20,  wird  durch  Kochen  von  Diphenyl- 
arsenchiorür  mit  alkoholischem  Kali  bereitet  und  krystallisirt  aus  heissem  Aether 
in  war?;en förmigen  Krystallen,  welche  bei  91  —  92®  schmelzen.  Es  vereinigt  sich  mit 
Chlor  zu  Diphenylarsenoxychlorid,  einem  weissen,  bei  117®  schmelzenden  Pulver. 

Diphenylarsinsäure  (6),  (C6H5)2AsOOH,  welche  aus  Diphenylarsentetra- 
oder  -üxychlorid  und  Wasser  erhalten  wird,  bildet  feine,  weisse,  bei  174* 
schmeljiende  Nadeln.  Sie  ist  leicht  löslich  in  Alkohol  und  in  heissem  Wasser, 
kaum  in  Benzol  und  Aether.  Von  Ammoniak  und  Alkalien  wird  sie  unter 
Bildung  neutraler  Salze  aufgenommen. 

D^^  krystallinische  Ammoniumsalz  verliert  bereits  an  der  Luft  sämmtliches  AmmoniaL 
Barium'  und  Kupfersalz  sind  amorph.     Das  Bleisalz  bildet  feine  Nadeln. 

Tfiphenylarsinhydroxyd  (6),  (C6H5)3As(OH)8,  entsteht  durch  Kochen 
von  IViphenylarsindichlorid  mit  verdünntem  Ammoniak.  Es  krystallisirt  aus 
Wasser  oder  Alkohol  in  farblosen,  bei  108®  schmelzenden  Tafeln,  welche  über 
Schwelelsäure  unter  Wasserverlust  in  das  bei  189®  schmelzende  Triphenyl- 
arsenoxyd,  (CßH5)8AsO,  tibergehen. 

Phenylarsensulfid  (ii),  CßHgÄsS,  entsteht  durch  Erhitzen  von  Arseno- 
ben/.ol  mit  Schwefel  und  durch  Einwirkung  von  Schwefelwasserstoff  auf  Phenyl- 
arsenoxyd. Weisse,  bei  152®  schmelzende  Nadeln.  Leicht  löslich  in  Schwefel- 
k  ob  Jen  Stoff  und  siedendem  Benzol,  schwer  in  Alkohol  und  Aether. 

Phenylarsensesquisulfid  (ii),  (CßH5)jAs2S3,  durch  Sättigen  einer 
ammuniakalischen  Lösung  von  Phenylarsinsäure  mit  Schwefelwasserstoff  erhalten, 
krystallisirt  aus  siedendem  Eisessig  in  langen,  dünnen  Blättchen. 

Triphenyl,arsinsulfid  (9),  (C6H5)3AsS,  durch  Zusammenschmelzen  von 
Triplenylarsin  oder  durch  Kochen  von  gelbem  Schwefel ammonium  mit  Triphenyl- 
arsinchlorid  dargestellt,  krystallisirt  aus  Alkohol  in  seideglänzenden,  bei  162^ 
schmelzenden  Nadeln. 

Arsenobenzol(i2,  13),  CßH.^ASjCgHj.  Dasselbe  bildet  sich  durch  Reducdon 
von  Phenylarsenoxyd  und  Phenylarsinsäure.  Die  Reduction  wird  am  besten  durch 
Kochen  der  alkoholischen  Lösung  dieser  Körper  mit  phosphoriger  Säure  bewerk- 
stellipt.  Ks  bildet  gelbliche,  bei  196®  schmelzende  Nadeln.  Unlöslich  in  Wasser 
und  Aether,  löslich  in  Chloroform,  Benzol  und  Xylol.  Es  vereinigt  sich  direkt 
mit  Halogenen  und  Schwefel. 


Benzol.  221 

Jodarsenbenzol  (12,  13),  (C6H5)2As2J2,  wird  durch  Reduction  von  Phenyl- 
arsenjodür  mit  phosphoriger  Säure  erhalten  und  bildet  höchst  zersetzliche,  an 
der  Luft  zerfliessliche,  rothgelbe  Nadeln.  Beim  Aufbewahren  wird  es  unter 
Bildung  von  Phenylarsenjodtir  und  Phenylarsinsäure  zersetzt. 

Phenylphosphin*)  (2),  CeHjFHa.  Dasselbe  entsteht  durch  Zersetzung  des 
jodwasserstoffsauren  Phosphenyljodids  und  durch  Destillation  von  phosphenyliger 
Säure: 

SCeHjPCOH),  =  CßHsPH^  -+-  2C,H,?0{0U)^. 

Zur  Darstellung  wird  rohes  Phosphenylchlorid,  CgH^PG,,  in  Alkohol  gegossen,  vom  aus- 
geschiedenen Phosphor  abfiltrirt,  die  grösste  Menge  des  Alkohols  im  Kohlensäurestrom  abdestillirt 
nad  der  dickflüssige  Rückstand  in  einer  kleineren  Retorte,  ebenfalls  im  Kohlensäurestrom 
destülirt.  Das  oberhalb  2ÖÜ®  Uebergehende,  welches  aus  zwei  Schichten,  Wasser  und  dem 
leichteren  Phosphin  mit  Benzol  gemengt,  besteht,  wird  getrennt,  und  das  über  Chlorcalcium  ge- 
trocknete Phosphin  rectificirt 

Es  ist  eine  farblose,  stark  lichtbrechende  Flüssigkeit  von  durchdringendem 
Geruch.  Siedep.  160—161°.  Spec.  Gew.  =  1001  bei  15°.  Es  oxydirt  sich  an 
der  Luft  zu  phosphenyliger  Säure  und  verbindet  sich  bei  100°  mit  Schwefel  zu 
CJH5PH2S.  Von  warmer  conc.  Salpetersäure  wird  es  unter  Feuererscheinung 
oxydirt.  Mit  trockner  Jodwasserstoffsäure  entsteht  Phenylphosphoniumjodid, 
CjHjPHjJ  (1),  welches  in  weissen,  bei  138°  schmelzenden  Nadeln  krystallisirt. 
Die  Lösung  von  Phenylphosphin  in  Salzsäure  giebt  mit  Platinchlorid  ein 
kiystallinisches  Doppelsalz.  Durch  Erhitzen  des  Phosphins  mit  Schwefelkohlen- 
stoff (3)  auf  150°  entsteht  eine  spröde,  glasartige  Masse,  C14H1JP2S3,  welche 
als  Phenyldiphosphorsulfocarbaminsäure  bezeichnet  ist. 

Phosphenylchlorid  (4),  C^H-PClj,  bildet  den  Ausgangspunkt  für  die 
meisten  Phosphorverbindungen  des  Benzols.  Dasselbe  entsteht  durch  Erhitzen 
von  Phosphortrichlorid  mit  Quecksilberdiphenyl  auf  180^  und,  neben  Diphenyl, 
beim  Durchlciten  von  Phosphortrichlorid  und  Benzol  durch  ein  rotliglühendes 
Porzellanrohr: 

CßHg  4-  PCI3  =  CeHjPClj  -h  HCl. 

Zur  Darstellung  nach  letzterer  Methode  wird  ein  von  Michaelis  (4)  construirter  Apparat 
benfitzt,  das  erhaltene  Produkt  durch  Erhitzen  auf  180  bis  200^  von  freiem  Phosphor  (5)  be- 
freit und  durch  Rectification  gereinigt. 

Das  Phosphenylchlorid  (4)  bildet  eine  durchdringend  riechende  Flüssigkeit, 
welche  an  der  Luft  raucht  und  bei  224®  (cor.)  unter  schwacher  Bräunung  siedet. 
Spec.  Gew.  =  1-319  bei  20®,  1-3428  bei  0®.  Es  ist  mit  Benzol,  Chloroform, 
Schwefelkohlenstoff  mischbar.  Mit  Wasser  entsteht  phosphenylige  Säure.  Durch 
Erhitzen  (5)  auf  280"  wird  es  in  Phosphortrichlorid  und  Diphenylphosphorchlorür, 


•)  1)  Köhler  u.  Michaelis,  Ber.  10,  pag.  807.  2)  Micil\elis,  Ann.  181,  pag.  341. 
3)  Michaelis  u.  DrrrLER,  Ber.  12,  pag.  338.  4)  Michaelis,  Ann.  181,  pag.  280.  5)  Broglie, 
Ber.  10,  pag.  628.  6)  KÖm.ER,  Ber.  13,  pag.  1626.  7)  Michaelis,  Ann.  181,  pag.  294. 
8)  Michaeus  u.  Köhler,  Ber.  9,  pag.  519.  10)  Michaelis,  Ann.  181,  pag.  298—301.  11)  Ders., 
Ann.  181,  pag.  359.  12)  Michaeus  u.  Köhler,  Ber.  10,  pag.  814.  13)  Michaelis,  Ann.  181, 
pag.  345.  14)  Gleichmann,  Ber.  15,  pag.  198.  15)  Michaelis  u.  Gleichmann,  Ber.  15, 
pag.  802.  16)  Michaelis  u.  Link,  Ann.  207,  pag.  208.  17)  Michaelis,  Ber.  10,  pag.  627. 
18)  Michaelis  u.  Reese,  Ber.  15,  pag.  1610.  19)  Michaelis,  Ann.  181,  pag.  345.  20)  Köhler 
*u.  Michaeus,  Ber.  10,  pag.  816.  21)  Michaelis,  Ann.  181,  pag.  321.  22)  Michaelis  u.  Ben- 
ziNGSR,  Ann.  188,  pag.  275.  23)  Köhler  u.  Michaelis,  Ber.  9,  pag.  1053.  24)  Götter  u. 
Michaelis,  Ber.  11,  pag.  885.  25)  Köhler  u.  Michaeus,  Ber.  10,  pag.  815.  26)  Köhler, 
^^-  «3»  pag-  463.    27)  Köhler  u.  Michaelis,  Ber.  9,  pag.  1053.    28)  Michaelis,  Ber.  8,  pag.  499. 


2Z2  Handwörterbuch  der  Chemie. 

(CeHp,)3pCl,  gespalten.  Es  vereinigt  sich  leicht  mit  Halogenen  und  mit  Antimon- 
pentacblorid  (6),  Durch  Einleiten  von  Jodwasserstoff  entsteht  Jodwasserstoff- 
ph osph  en ylj od i d ^  C ^j  H  ^ F 1 3  -  H  J. 

Phosphenyltetiachlorid  (7),  CgHsPCl^,  ist  ein  krystallinischer,  schwach  gelb  gefärbter 
Körper,  wülchef  bei  73^'  schmilzt.     Er  zerfällt  mit  Wasser  in  .Salzsäure  und  Phosphenylsäure. 

PhoBphcnylbromid  (8)^  CgH^PBr^,  durch  Zersetzung  von  Phosphortribromid  mit  Queck- 
silberdiphenyl  oder  durch  Einwirkung  von  trocknem  Bromwasserstoff  auf  erhitztes  PhosphcDyl- 
chlorid  darj^cstellt,    ist  oiri^  bei  255—257®  siedende  Flüssigkeit.     Vereinigt  sich  mit  Halogenen. 

Phosphenyltftrabromid  (8),  CgHj^PBr^,  gelbrothc,  bei  207°  schmelzende  Nadeln. 

Phosphenylhexabroiiiid   (8),    CgH^PBr^,    dunkclrothe,    bei    110®   schmelzende  Nadeln. 

Phosphenylcliloroljromid  (lo),  CgHjPCl^Brg,  gelbrothe,  monokline  Krystalle,  welche 
l>üi  '2Ü8®  schmeUcn. 

Ph  osph  eny  Ich  loTOtelrabromid  (lo),  CgH^PCL^Br^,  rothe  Krystallmasse. 

Phenyldimetbylphosphin  (ii),  CeH5P(CH3)2,  aus  Zinkmethyl  und 
Phosphenylchlotid  dargestellt,  ist  eine  penetrant  riechende  Flüssigkeit,  welche  bei 
192^  (cor.)  siedeL  Spec.  Gew.  =  0*9786  bei  11°.  Es  wird  an  der  Luft  zu 
PenyldimctbyliJhos[>hinoxyd  oxydirt.  Mit  1  Mol.  trockner  Salzsäure  entsteht  ein 
festesj  mit  2  Mol  ein  flüssiges  Chlorhydrat.  Das  Platindoppelsalz  bildet 
orangegelbe  Blätlclien. 

Ph  enyltrimethylphosphoniumjodid,  CgH5P(CH,)3J,  ist  eine  krystallinische  bei205'' 
schmehcnde  Masse, 

Penyldiäthylphosphin  (13),  CßH5P(C3H.i)2,  ist  eine  stark  lichtbrechende, 
widerlich  riechende  Flüssigkeit,  welche  bei  221*9°  (cor.)  siedet.  Spec.  Gew.  =  0*9571 
bei  13^  Die  Base  wird  an  der  Luft  äusserst  langsam  oxydirt,  verbrennt  jedoch 
im  Sauerstoff!  Sie  bildet  der  Methylverbindung  analoge  Chlorbydrate.  Sie  ver- 
bindet sich  mit  Halogenen,  Sauerstoff'  und  Schwefel. 

PhL^nyUliüthylphosptnnchlorid,  CgH5P(C3H5)3Cl3,  angenehm  riechende  Fltissigkeit, 
welche  bei  0'^  krystsillinisch  wird.     Spec.  Gew.  =  1*216  bei   13®. 

Phenyldiüthylphfjiiphinoxyd,  CgH5P(C2H5)20,  farblose,  bei  55 — 56°  schmelzende 
Nadeln  von  obstartigeni   Geruch, 

PhenyldijUhylphosphinsulfid,  CgH5P(CjjH5)2S,  widerlich  riechende,  in  einer  Kältc- 
mi^chutig  erstarrende  Substanz. 

Phenyltriiithylphoi^phoniumjodid,  CgH5P(C2H5)3J,  bildet  bei  115®  schmelzende 
Nndeln,     Das  durch  Silbertmd  entstehende  Hydrat  ist  ebenfalls  krystallinisch. 

Phcnyldimcthyläthylphosphoniumjodid,CgHäP(CH3)2C2HJ,  bei  137® schmelzende 
Krystallmnssü. 

Phenyldimethyllrrnmüthylphosphoniumbromid  (14),  CgH5P(CH3)2C3H^BrBr, 
aus  Bromäthyl  en  und  Dimcthylphenylphosphin  dargestellt,  bildet  bei  173®  schmelzende  Tafeln. 
Vereinigt  steh  mil  vier  Atomen  Brom  zu  einer  krystallinischen  Verbindung. 

Phenylmcthyldiäthylphosphoniumjodid,    C6H5pCH3(C2H5)2J,    weisse,    bei    95^ 

schmelzende  Krystalle. 

Pr*  TT   ^CPT    ^  Br 
AethylcntelrAnicthyMiphenylphosphoniumbromid    (14),    ^2^4j>c  11   (Qii  ('ßr' 

oberhalb  300"^^  .schmelzendes  Kystallpulver.  Es  vereinigt  sich  mit  Brom  zu  krystallinischen  Ver- 
bindungen, 

Diplienyiphosphin  (15),  (CgHrJgPH.  Dasselbe  entsteht  neben  Diphenyl- 
phospbinsäure  durch  Zersetzung  von  Diphenylphosphinchlorid  mit  Natronlauge. 
2(CeH;,)3pCl  +  2H2O  =  (CgHJgl'H  -+-  (C6H5)jPOOH  -h  2HC1. 

Zur  DaT*itellung  lüsst  man  das  Chlorid  in  einer  Wasserstoffatmosphäre  zu  verdünnter  Natron- 
lauge tropfen,  erwärmt  auf  dem  Wasserbade  und  trennt  das  abgeschiedene  von  der  Lösung  des 
diphenylphosphiTiüriuTcn  Nntrons. 

Es  ist  eine  wasserhelle,  stark  unangenehm  riechende  Flüssigkeit,  welche  bei 


>-S-T5^. 


Benzol.  223 

280®  siedet.  Es  ist  löslich  in  conc.  Salzsäure,  jedoch  durch  Wasser  wieder 
fällbar. 

Diphenylphosphorchlorür,  (C6H3)2PCl,  entsteht  durch  Erhitzen  von 
Quecksilberdiphenyl  (16)  mit  Phosphenylchlorid  und  durch  Erhitzen  des  letzteren  (5) 
im  Rohr  auf  280®,  wobei  es  in  Phosphortrichlorid  und  Diphenylphosphorchlorür 
gespalten  wird. 

Zur  Darstellung  (16)  werden  400  Grm.  Phosphenylchlorid  mit  50  Grm.  Quecksilberdiphenyl  im  Oel- 
bad  erhitzt,  nach  einstündigem  Kochen  der  Inhalt  mit  Benzol  ausgekocht,  von  dem  Unlöslichen, 
welches  aus  Quecksilberphenylchlorid  besteht,  abfiltrirt,  das  Benzol  abdestillirt  und  dann  im 
Kohlensäurestrom  firactionirt.  Mit  dem  bis  200^  übergegangenen  unzersetzten  Phosphenylchlorid 
wird  dieselbe  Operation  noch  viermal  mit  50  Grm.  Quecksilberdiphenyl  wiederholt,  und  aus  den 
oberhalb  200*^  übergehenden  Oelen  das  ChlorUr  durch  Destillation  gewonnen. 

Es  ist  eine  farblose  Flüssigkeit,  welche  gegen  320^  siedet.  Spec.  Gew.  =  1.2293 
hei  15**.     Mit  Chlor  entsteht  krystallinisches  Diphenylphosphortrichlorid  (17). 

Diphenylmethylphosphin  (16),  (CgH5)jPCIi3,  stark  lichtbrechende,  bei  284®  siedende 
Flüssigkeit.     Spec.  Gew.  =  1'0784  bei  15**. 

Diphenyldimethylphosphoniumjodid  (16),  (CgHj)jP(CHj)jJ,  bei  241®  schmelzende 
Kadeln. 

Diphcnyläthylphosphin  (16),  (C6H5)jPC,H5,  bei  293®  siedende  Flüssigkeit. 

Diphenyldiäthylphosphoniumjodid  (16),  (C^Hj^).^P(C^H^)J ,  farblose,  bei  208® 
schmelzende  Kiystalle. 

Diphenyläthylmethylphosphoniumjodid  (16),  (CgHj)3PC3HjCH3J,  rhombische 
Kiystalle,   welche  bei   181®  schmelzen.     Das  Pikrat  bildet  gelbe,  bei  86®  schmelzende  Nadeln. 

Triphenylphosphin  (15),  (CßHg),?,  entsteht  durch  Einwirkung  von  Natrium 
auf  Phosphenylchlorid  resp.  Phosphortrichlorid  und  Brombenzol. 

Zur  Darstellung  (18)  wird  in  ^in  Gemisch  von  1  Mol.  Phosphortriclilorid  und  3  Mol. 
Brombenzol,  welches  mit  dem  vierfachen  Vol.  Aether  verdünnt  ist,  unter  Abkühlung  Natrium  in 
Scheiben  eingetragen.  Nach  12  Stunden  erhitzt  man  am  Rückflusskühler,  giesst  den  Aether  ab, 
zieht  den  Rückstand  wiederholt  aus,  und  krystallisirt  die  nach  dem  Verdunsten  des  Acthcrs  er- 
haltene Krystallmasse  aus  Alkohol  um. 

Es  bildet  glasglänzende  Prismen,  welche  bei  75—76®  schmelzen.  Unlöslich 
in  Wasser,  löslich  in  Aether,  Alkohol,  Benzol.  In  einem  indifferenten  (iasstrom 
siedet  es  unzersetzt  oberhalb  360®.  Es  vereinigt  sich  mit  Sauerstoff,  Schwefel  und 
Alkoholhalogenäthem.  Das  Sulfid  bildet  lange,  bei  250—251®  schmelzende 
Nadeln. 

Triphenylmethylphosphoniumjodid  (15),  (C6H5)jPCHjJ,  glasglänzendc,  bei 
165—166®  schmelzende  Blättchen. 

Methylenhexaphenylphosphoniumjodid  (15),  CH,pL*^„5^H,  kleine,  glänzende 
NSdelchen.     Schmelzp.  230—231®. 

Aethylenhexaphenylphosphoniumjodid(i5),  C.H.p^J^c!? *n  r  farbloses,  über  300® 
schmelzendes  Kr3r5tallpulver. 

Phosphenylige  Säure  (19),  CßHjPOQxj. 

Zur  Darstellung  lässt  man  Phosphenylchlorid  langsam  in  Wasser  tropfen,  erwärmt  zum 
Sieden,  dampft  im  Kohlensäurestrom  ein  und  wäscht  die  Säure  mit  Wasser. 

Weisse  Blättchen,  welche  bei  70°  schmelzen.  Durch  Oxydationsmittel  wird 
sie  leicht  in  Phenylphosphinsäure  tlbergefiihrt.  Durch  Einwirkung  von  Phos- 
phorpentachlorid  wird  Phosphenylsäurechlorid  gebildet: 

CeHjPOQH  -+-  2PCI5  =  CeHjPO^  -+-  POCl»  4-  PCI3  4-2HC1. 
Eisenchlorid  erzeugt  in  der  Lösung  der  Säure  einen  weissen,  in  kalter  conc. 


224  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Salzsäure  unlöslichen  Niederschlag.  Die  Säure  ist  einbasisch.  Die  Alkalisalze 
sind  zerfliessHch.  Das  Bariumsalz,  (C6H5POHO)2Ba  -+-  411^0,  bildet  schief  rhom- 
bische Krystalle.  Durch  Einwirkung  von  Phosphenylchlorid  (20)  auf  Natrium- 
alkoholat  entstehen  zwei  Aether,  CeHgPOHOCjHs  und  CeHgPCOCjHs),  welche 
vielleicht  den  sauren  und  neutralen  Aether  der  phosphenyligen  Säure  darstellen. 

Phosphenylsäure  (21),  C6H5PO(OH)2. 

Dieselbe  wird  durch  Eintragen  des  Phosphenyltetrachlorids  in  Wasser  und  mehrfaches  Ein- 
dampfen der  Lösung  auf  dem  Wasserbade  zur  Entfernung  der  Salzsäure  dargestellt. 

Sie  bildet  schief  rhombische,  glasglänzende  Blättchen,  welche  bei  löS'' 
schmelzen.  Spec.  Gew.  =  1*475.  Sie  ist  löslich  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether, 
unlöslich  in  Benzol.  100  Thle.  Wasser  lösen  232  Thle.  Säure  bei  15°.  Beim 
raschen  Erhitzen  zerfällt  sie  in  Benzol  und  Metaphosphorsäure.  Sie  ist  eine 
zweibasische  Säure. 

Das  neutrale  Natronsalz,  CgHjPOjNaj  +  12HjO,  bildet  spiessige,  das  saure  CgHjPOjHNt, 
prismatische  Krystalle.     Das  Kalk-,  Zink-  und  Kupfersalz  sind  ebenfalls  krystallinisch. 

Dimethyläther,  CgHjPOjCCHj)^,  ist  eine  bei  247°  siedende  Flüssigkeit. 

Diäthyläther,  CgHjPOjCCjHjj,  bei  267^'  siedendes  Oel,  mit  einem  an  Senföl  er- 
innernden Geruch. 

OC  H 
Aethylphosphenylsäure.CeHjPO^j^a    s,  aus  dem  Tetrachlorid  und  absolutem  Alkohol 

dargestellt,  ist  ein  dicker  Syrup.     Einbasische  Säure. 

OCH 
Phenylphosphenylsäure,  CgHjPOQ-r®     *i  aus  Phosphenylsäurechlorid  uud  Phenol  dir- 

gestellt,  krystallisirt  aus  wässerigem  Alkohol  in  haarfeinen,  bei  57^  schmelzenden  Nadeln.  Sic 
bildet  Aether  und  Salze. 

Phosphenylsäurechlorid,  CgH^POCl,,  wird  am  besten  durch  Einleiten  von  schwefliger 
Säure  in  Phosphenylchlorid  dargestellt  und  ist  eine  dicke,  obstartig  riechende  Flüssigkeit,  wdche 
bei  258°  unter  Bräunung  siedet      Spec.  Gew.  =  1-357  bei  20''. 

Nitrophosphenylsäure  (22),  C6H4(N02)PO(OH)o,  wird  durch  Erliitzen 
von  Phosphenylsäure  mit  rauchender  Salpetersäure  auf  100—105^  dargestellt 
Sie  krystallisirt  aus  Aether  in  weissen  Nadeln,  welche  bei  132°  schmelzen.  Die 
wässrige  Lösung  ist  gelb  gefärbt.  100  Thle.  Wasser  lösen  98  Thle.  Säure  bei 
22°.  Leicht  löslich  in  Alkohol  und  Aether.  Ueber  100°  erhitzt  wird  sie  unter 
Explosion  zersetzt. 

Die  Alkalisalze  sind  nicht  krystallisirbar.  Das  Bariumsalz,  CgH4(NO,)P03Ba  +  2H,0, 
bildet  lebhaft  glänzende,  gelbe  Blättchen. 

Amidophosphenylsäure  (22),  C6H4(NHj)PO(OH)j,  durch  Reduction 
der  Nitrosäure  mit  Zink  und  Salzsäure  dargestellt,  krystallisirt  aus  Wasser  in 
feinen,  glänzenden  Nadeln.  Sie  schmilzt  nicht  beim  Erhitzen  und  färbt  sich  unter 
Zersetzung  oberhalb  280°  blaugrün.  Unlöslich  in  Alkohol  und  Aether.  Löslich 
in  Wasser.  100  Thle.  Wasser  lösen  bei  20»  0-43,  bei  100»  0*52  Thle.  Säure. 
Sie  bildet,  obwohl  in  Salzsäure  löslich,  mit  Säuren  keine  Salze. 

Die  Salze,  deren  Lösungen  sich  an  der  Luft  roth  färben,  sind  meist  amorphe  Nieder- 
schläge.    Das  Natriumsalz,  CgH^(NH3)PO,Naj  -j- 3Hj,0,  krystallisirt  in  Prismen. 

Diazophosphenylsäure(22).  Das  salpetersaure  Salz  CgH4(N2  NO  3)PO(OH),, 
durch  Einleiten  von  salpetriger  Säure  in  eine  heisse  salpetersaure  Lösung  der 
vorigen  Säure  dargestellt,  bildet  weisse  Prismen,  welche  bei  188®  schmelzen 
und  darüber  erhitzt  heftig  explodiren.  In  Wasser  und  Alkohol  leicht,  in  Aether 
wenig  löslich.     100  Thle.  Wasser  lösen  5782  Thle.  bei  18»,  59-03  Thle.  bei  80». 

Die  Salze  sind  gelb  gefärl)t.     Natrium-,  Kalium-  und  Bariumsalze  sind  krystallinisch. 

Diphenylphosphinsäure,    (CeH5)2POOH;    dieselbe    bildet    sich    durch 


Benzol.  225 

Oxydation  (15)  von  Diphenylphosphorchlorür  oder  Diphenylphosphin  mit  Salpeter- 
säure. Sie  entsteht  auch  neben  Phosphenylsäure  bei  der  Zersetzung  von  1  Mol. 
Phosphenylchlorid  (24)  mit  1  Mol.  Wasser  und  kann  von  derselben  durch  Alkohol 
getrennt  werden.  Sie  krystallisirt  aus  conc.  Salpetersäure  in  weissen  Nadeln  (17), 
welche  bei  190®  schmelzen.  Spec.  Gew.  =  1*339.  Unlöslich  in  Wasser,  leicht  in 
heissem  Alkohol  löslich. 

Bei  230®  bildet  sie  ein  Anhydrid,  [(C6H5),PO],.  Die  Sake  sind  krystallinisch.  Der 
Aethyläther  krystallisirt  in  farblosen,  bei  165®  schmelzenden  Nadeln. 

Phosphenylsulfid  (i),  C^HjPS.  Dasselbe  entsteht  neben  einem  krystalli- 
nischen,  bei  138®  schmelzenden  Sulfid,  (C6H5P)3S,  durch  Erhitzen  von  Phenyl- 
phosphin  mit  Schwefel.  Gelbe,  in  Alkohol  und  Aether  leicht  lösliche  Flüssig- 
keit Durch  längeres  Erhitzen  wird  es  in  Phenylphosphin,  Schwefelwasserstoff  und 
Isophosphenylsulfid,  (CeH5P)2S2,  gespalten.  Dieselbe  Verbindung  ent- 
steht neben  (CßH3)4P4S3  (25),  welches  weisse,  bei  192 — 193®  schmelzende 
Kiystalle  bildet,  durch  Einleiten  von  Schwefelwasserstoff  in  siedendes  Phosphenyl- 
chlorid Es  ist  eine  dicke  Flüssigkeit,  welche  durch  Salpetersäure  zu  Diphenyl- 
phosphinsäure  oxydirt  wird. 

Phosphenylsulfochlorid,  CgHsPSCIj,  entsteht  durch  Erwärmen  von 
Phosphenylchlorid  (27)  mit  Schwefel  und  durch  Behandlung  des  Chlorids  mit 
Chlorschwefel  (26),  im  letzteren  Falle  neben  Phosphenyltetrachlorid.  Es  bildet 
eine  gegen  270°  nicht  unzersetzt  siedende  Flüssigkeit.  Spec.  Gew.  =  1.376  bei 
13*^.  Mit  Kalilauge  scheint  das  Kaliumsalz  der  Thiophosphenylsäure,  CßH5PS(OK)2, 
zu  entstehen.     Mit  Alkohol  entsteht  deren  Aether,  C6H5PS(OC2H5)j. 

Phosphobenzol  (i),  CßHjPjCgHs,  dem  Diazobenzol  entsprechend,  ensteht 
ganz  glatt  durch  Einwirkung  von  Phosphenylchlorid  auf  Phenylphosphin: 
C,H,PC1,  ^  CeHsPH,  =  CßH^PgCeHs  -+-  2HC1. 
Es  bildet   ein  schwach  gelbes  Pulver,  unlöslich  in  heissem  Wasser,  Alkohol 
und  Aether,    leicht   löslich    in  heissem   Benzol.     Es  schmilzt  bei  149 — 150°  zu 
einer  harten,  krystalUnischen  Masse.    An  der  Luft  wird  es  allmählich  zu  Diphos- 
phenyloxyd,    durch  verdünnte  Salpetersäure  zu  phosphenyliger  Säure,  durch  con- 
centrirte  zu  Phosphenylsäure  oxydirt.    Die  über  ihren  Schmelzpunkt  erhitzte  Substanz 
wird  durch  Salpetersäure  in  Diphenylphosphinsäure  und  Phosphorsäure  übergeführt. 
Diphosphobenzol  (28),  CgHjPjOH,  beim  Durchleiten  von  selbstentzünd- 
lichem   Phosphorwasserstoff   durch  Phosphenylchlorid    entstehend,  ist  ein  schön 
gelbes,  in  Wasser  und  Alkohol  unlösliches,  in  Schwefelkohlenstoff  leicht  lösliches 
Pulver. 

Phenylderivat  von  P4HJ  (24),  C6H5P4H.  Durch  Einwirkung  von  1  Mol. 
Wasser  auf  1  Mol.  Phosphenylchlorid  und  Erhitzen  der  dabei  entstehenden  Pro- 
dukte erst  auf  200°  und  dann  auf  260°  wird  eine  harte  Masse  gebildet,  welche 
nach  der  Behandlung  mit  Wasser  und  Alkohol  vollständig  in  Schwefelkohlenstoff 
löslich  ist  Aus  der  Lösung  scheidet  sich  beim  Verdunsten  C6H5P4H  als  amor- 
phes, dunkelgelbes  Pulv'er  ab.  Die  Mutterlauge  enthält  eine  zweite  Substanz, 
(CgH5)jP503H,  welche  in  gelben  Nadeln  krystallisirt. 

Borderivate  des  Benzols*)  (i),  Phenylborchlorid,  CßHjBClj. 
Zur  Darstellung  erhitzt  man  20  Grm.  QuecksUberdiphenyl  mit  20  Grm.  Borchlorid,  BCI3,  einige 
Stunden  im  geschlossenen  Rohr   auf  180 — 200^,  giesst  nach  dem  Erkalten   die  Flüssigkeit  von 


*)  1)  Michaelis  u.  Becker,  Ber.  15,  pag.  180.  2)  Ladenburg,  Ann.  173,  pag.  151. 
3)  Otto  u.  Dreher,  Ann.  154,  pag.  93.  4)  Aronheim,  Ann.  194,  pag.  148.  5)  Otto  u. 
Dreher,  J.  pr.  Ch.  [2]  i,  pag.  179.     Zeitschr.   1870,  pag.  9. 

LAOKNBi'itc,  Chemie.    I(.  15 


326  Handwörterbuch  der  Chemie. 

den  au$gi*s£hiedenen  Krystallen  ab,   rieht  letztere  mit  Benzol  aus  und  fractionirt  die  vereinigten 
Lösungen, 

Das  Chlorid  bildet  eine  farblose,  an  der  Luft  rauchende  Flüssigkeit,  welche 
bei  ITa*^  siedet  und  in  einer  Kältemischung  zu  einer  bei  0°  wieder  schmelzenden 
Krystallmasse  erstarrt.  Es  vereinigt  sich  mit  Chlor  zu  einer  leicht  zersetzliclien 
Verbindung.    Lässt  man  das  Chlorid  langsam  zu  Wasser  tropfen,  so  scheidet  sich 

Fhenylborsäure,  CgH3B(0H)^,  als  weisses  Pulver  ab,  welches  durch  Er- 
hit7.eTi  gelöst,  beim  Erkalten  in  Nadeln  auskrystallisirt.  Schmp.  204°.  Mit  Wasser- 
dampfen  fluchtige,  schwache  Säure.  Durch  Destillation  wird  sie  in  Phenylbor- 
oxyd  llbergeführt,  ebenso  beim  Aufbewahren  im  Exsiccator.  Die  Säure  wirkt 
stark  antiseiitisch.  Die  Salze  sind  meist  krystallinisch.  Das  Ammonsalz  reducirt 
Silberlösnng.  Selbst  verdünnte  Lösungen  der  Säure  geben  mit  Quecksilber- 
chlorid einen  Niederschlag. 

NatriumfaU,  CgHjBOjNaj,  bildet  quadratische  Tafeln,  das  Calciumsalz,  (C6HjBO,H)jCa, 
farblose  Kry stalle. 

Aethyläther,  C6H5B(OC.^H5)j,  ist  eine  angenehm  riechende  Flüssigkeit.     Siedep.   IW\ 

Phenylboroxyd,  CgH^BO,  dessen  Darstellung  schon  beschrieben  wurde,  ist  eine  farblose, 
l>ei  190  f'  schmelzende  Krystalbnasse.  Siedep.  360^.  Unlöslich  in  Wasser,  -  löslich  in  Alkohol 
und  Aether, 

Siliciiimderivate  desBenzols(2).  Phenylsiliciumchlorid,  CgHjSiClj. 

Zur  Darstellung  wird  1  Thl.  Chlorsilicium,  SiCl^,  mit  2  Tliln.  Quecksilberdiphenyl  im  Rohr 
auf  300**  LThitÄt  und  das  Phenylsiliciumchlorid  durch  fractionirte  Destillation  leicht  vom  unier- 
scttten  SiiiciuEnchlorid  getrennt. 

Farblose,  an  der  Luft  rauchende  Flüssigkeit,  welche  bei  197°  siedet.  Un- 
zersetzt  löslicli  in  Aether  und  Chloroform.  Durch  Alkohol  wird  es  in  Ortho- 
üilicobenzoeäther,  CßH5Si(OC2H5)3,  eine  stechend  riechende,  bei  235° 
siedende  Flüssigkeit  übergeflihrt.  Wird  derselbe  mit  Jodwasserstoff  behandelt,  so 
entsteht 

Si Uc ob enz Ölsäure,  CgHgSiO-OH,  welche  ebenfalb  aus  Phenylsilicium- 
chlorid und  Ammoniak  dargestellt  ist. 

Um  die  Säure  rein  zu  erhalten,  wird  die  in  beiden  Fällen  entstehende  Reaktionsmnsse  in 
nbsolut  iilkohnljschem  Kali  gelöst,  Kohlensäure  eingeleitet,  der  Niederschlag  mit  absolutem 
Alkohol  gewnschen  und  diese  Lösungen  auf  dem  Wasserbad  verdunstet. 

Glasartige  Masse,  welche  bei  92°  schmilzt.  Leicht  in  Aether  löslich.  Sie 
bildet  keine  Salze-  Durch  Erwärmen  auf  100°  wird  sie  in  das  amorphe  An- 
hydrid, {C„H5SiO).^0  umgewandelt. 

Phcnylsiliciumtriäthyl,  CeHgSi (€2113)3,  durch  Erhitzen  des  Chlorids 
mit  Zinkätlyyl  auf  150— 1G0°  dargestellt.  Es  ist  eine  farblose,  bei  230°  siedende 
Flüssigkeit,  deren  Dampf  dem  Nelkenöl  ähnlich  riecht.  Spec.  Gew.  =  0*9042 
bei  0".  Unlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Aether.  Durch  Einleiten  von  Chlor  in 
das  abgekülilte  Phenylsiliciumtriäthyl  entsteht  als  Hauptprodukt  das  Chlorid, 
SiCj^HijiCl,  ein  dickflüssiges,  bei  260—650  siedendes  Oel,  welches  durch  alko- 
holisches» Kiiliumacetat  nicht  zersetzt  wird. 

Querk  Silberderivate  des  Benzols.  Quecksilberdiphenyl,  (CgHj)jHg. 
Dasselbe  entsteht  aus  Brombenzol  (3)  und  Natriumamalgam: 

2(CeH,Br)  +  RgNa^  =  (CßHJaHg  -h  2NaBr. 

Zu  seintr  Darstellung  (3,  4)  wird  Brombenzol  in  dem  gleichen  Volumen  Xylol  gelöst,  mit 
^Q  is^mt-'-i  Gewiclites  an  Essigäther  und  überschtlssigem  2'7proc.  Natriumamalgam  längere  Zeit 
Mt\  RLlckllub^kü liier  erhitzt,  heiss  ültrirt,  der  Rückstand  nochmals  mit  heissem  Benzol  extrahirt, 
und  dAä  ausgeschiedene  Produkt  aus  Benzol  oder  Alkohol  umkrystallisirt 


Benxol.  227 

Es  bildet  rhombische  Krystalle,  welche  bei  120®  schmelzen.  Spec.  Gew. 
=  2-318.  Wenig  flüchtig  mit  Wasserdämpfen.  Es  destillirt  unter  300®  unter 
tbeilweiser  Zersetzung  in  Quecksilber,  Benzol  und  Biphenyl.  Leicht  löslich  in 
Benzol,  Schwefelkohlenstoff,  siedendem  Alkohol  etc.,  unlöslich  in  Wasser.  Durch 
Einwirkung  von  Halogenen  entsteht  das  betreffende  Halogenderivat  des  Benzols 
und  des  Quecksilberphenyls,  z.  B.: 

(CeH5)aHg  4-  2Br  =  CeH^HgBr  -+-  CßH.Br. 
Durch    Erhitzen    mit    einbasischen   Säuren   der   Fettreihe    entstehen    Säurc- 
derivate  des  Quecksilberphenyls  neben  Benzol,  z.  B.: 

(C,H,),ilg  4-  CH3CO3H  =  CeHjjHgCOaCHj  -h  CßHß. 
Quecksilberphenylchlorid  (3),  CgH^HgQ,  welches  auch  durch  Erhitzen  von  Queck- 
silberdiphenyl  und  Quecksilberchlorid  mit  Alkohol  auf  100^  dargestellt  ist,    bildet  rhombische, 
bei  250^  schmelzende  Täfelchen. 

Quecksilberphenylbromid  (5),  CeH^HgBr,  rhombische,  bei  275^  schmelzende  Tafeln. 
Quecksilberphenyljodid  (3),    CgHjHgJ,    rhombische,    bei   265  —  266^   schmelzende 
Tafeln. 

Quecksilbe rphenylcy an id  (5),  CgH^HgCN,  aus  Quecksilberdiphenyl  und  Cyan- 
quecksilber  dargestellt,  bildet  feine  rhombische  Prismen.     Schmp.  203— 204 ^ 

Quecksilberphenylrhodanid  (5),  C^HjHgSCN,  analog  dem  vorigen  erhalten,  bildet 
klebe,  bei  226—227**  schmelzende  Täfdchen. 

Queck8ilberphenylnitrat(5),  CgHjIigNOj,  bei  165 — 168®  unter  Zersetzung  schmelzende 
Tafeln. 

Quecksilberphenylformiat  (3),  CgHjHgCOjH,  bei  171°  schmelzende  Tafeln. 
Quecksilberphenylacetat  (5),  CgHjHgCOjCH,,  schief  rhombische  Prismen.  Schmeli- 
punkt  148 — 149°.  Die  Derivate  der  Propionsäure  und  Myristinsäure  sind  ebenfalls  krystallinisch. 
Quecksilberphenyloxydhydrat  (5),  CgHjHgOH,  durch  Kochen  des 
Chlorids  mit  Silberoxyd  und  Alkohol  dargestellt,  krystallisirt  aus  Alkohol  in 
rhombischen  Prismen.  Schmilzt  oberhalb  200°  noch  nicht.  In  kaltem  Wasser 
wenig,  in  Alkohol  und  heissem  Wasser  mehr  löslich.  Es  reagirt  alkalisch  und 
treibt  Ammon  aus. 

Quecksilberphenylsäure  (3),  CgH-.HgOjH,  durch  Oxydation  des  Queck- 
silberdiphenyls  mit  Chamäleonlösung  dargestellt,  ist  ein  weisses,  bei  251 — 252® 
schmelzendes  Pulver.  Schwer  in  kaltem,  leicht  in  heissem  Wasser  löslich.  Ein- 
basische Säure. 

Zinnderivate  des  Benzols.*)  Zinnphenyltriäthyl  (i),  C6H5Sn(C2H5)3. 
Die  Verbindung  entsteht  durch  Erhitzen  einer  ätherischen  Lösung  von  Zinn- 
triäthyljodid  und  Brombenzol  mit  Natrium.  Es  ist  eine  bei  254®  siedende 
Flüssigkeit,  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Alkohol  und  Aether.  Spec.-Gew. 
=  1-2639  bei  0®.  Es  verbindet  sich  mit  Zinnchlorid  zu  Zinnphenyläthyl- 
chlorid,  CgHjSnCgH.^Clg,  welches  aus  Aether  in  Tafeln  krystallisirt.  Schmelz- 
punkt 45®. 

Zinndiphenylchlorid(2),  (CßHOgSnClj,  dasselbe  wird  durch  Einwirkung 
von  Quecksilberdiphenyl  auf  Zinntetrachlorid  neben  Zinndiphenylhydroxychlorid 
erhalten.     In   Bezug   auf  die  Details    der    complicirten  Darstellung    sei  auf  die 
oben   citirte   Abhandlung  (2)  verwiesen.     Es  entsteht  auch  aus  dem   unten   be- 
schriebenen   Hydroxychlorid    durch  Erwärmen   im    Salzsäurestrom    auf  45®.      E.s 
krystallisirt,  am  besten  aus  Ligroin,    in  farblosen,   triklinen   Prismen,   welche   bei 
42«  schmelzen.     Es  siedet  unter  partieller  Zersetzung  bei  333—337®.    In  Aetber 

•)    i)  Ladenburg,  Ann.  159,   pag.  251.     2)  Aronhkim,  Ann.  I94»   P^g-   «45-     3)   E>ers., 
^.  12,  pag.  509. 

15* 


p 


aaS  Handwörterbuch  der  Chemie. 

und  Alkoiiol  sehr  leicht,  in  Wasser  unter  partieller  Zersetzung  zu  Hydroxychlorid 
löslich.  Durch  Einwirkung  von  Natriumamalgam  auf  die  ätherische  Lösung  ent- 
steht ^mntriphenylchlorid.  Dasselbe  Produkt  entsteht  durch  Erhitzen  des  Chlorids 
in  Ammoniakgas  auf  100 — 200®  und  durch  Einwirkung  (2)  von  Natriumnitrit 
auf  eine  T^ösung  des  Chlorids  in  Eisessig. 

Zinndiphenylhydroxylchlorid,  (C  gH  5)  jSnCl  OH,  dessen  Darstellung  aus 
dem  Chlorid  bereits  erwähnt  wurde,  bildet  ein  amorphes  Pulver,  welches  bei 
187**  schmilzt.  Unlöslich  in  den  gewöhnlichen  Lösungsmitteln.  Nicht  unzersetzt 
flüchtig.     Durch  Einwirkung  von  Alkalien  wird  es  in 

Zinndiphenyloxyd,  (CßH5),SnO,  übergeftihrt  Das  Oxyd,  welches  auch  durch  Ein- 
iipirkung  von  Alkali  auf  das  Chlorid  entsteht,  ist  ein  nicht  flüchtiges,  unlösliches  Pulver. 

Zinndiphenylbromid,  (CgH5),SnBrg,  durch  Erwärmen  des  Oxyds  in  Bromwasserstoil^ 
gewonnen,  bildet  bei  38®  schmelxende  Krystalle. 

Zinndiphenylchlorobromid,  (CgHj)2SnClBr,  durch  Einwirkung  von  Bromwasserstoff 
auf  das  Hyttroxylchlorid  dargestellt,  bildet  bei  39®  schmelzende  Krystalle. 

Zinndiphenylchlorojodid,  (CgH5)jSnClJ,  aus  Hydroxylchlorid  oder  dem  Chlorid  und 
JadwasserstofT  dargestellt,  krystallisirt  in  glashellen,  monoklinen  Prismen.     Schmp.  69**. 

Zinndiphenyldiäthyloxyd,  (CgH5),Sn(OC3H5)j,  entsteht  durch  Zersetzung  des 
Chlßride!^  mit  Natriumalkoholat  und  bildet  kleine,  bei  124®  unter  Zersetzung  schmelzende  Krystalle. 

Zinntriphenylchlorid,  (C6H5)3SnCl,  dessen  Darstellung  unter  dem  Chlorid 
erwähnt  wurde,  krystallisirt  aus  Aether  in  schwach  gefärbten  Krystallen,  welche 
bei  103**  schmelzen.  In  alkoholischer  Lösung  wird  die  Verbindung  durch 
Ammoniak  in  das  Hydrat  Sn(C6H5)30H -h  l^H^O  umgewandelt. 

A.  Weddige. 

Betizylverbindungen*).  Als  »Benzyl«  bezeichnet  man  nach  Liebig's  Vor- 
gang die   früher  von  Gerhardt   »Toluenyl«   genannte  Atomgruppe  C7H7,  d.  h. 


^)  i)  Kraut,  Ann.  X07,  pag.  208;  109,  pag.  255,  Ber.  1869,  pag.  180.  2)  Busse,  Ber.  1876, 
pag-  830*  3)  Cannizzaro,  Ann.  88,  pag.  129.  4)  Ders.,  Ann.  96,  pag.  246.  5)  BeU-STEIN  u- 
GEfTNKR,  Ann.  139,  pag.  331.  6)  Lauth  u.  Grimaux,  Ann.  143,  pag.  79.  7)  Lunge  u.  Petii, 
Ber.  1877^  pag.  127$.  8)  LmPRiCHT,  Ann.  139,  pag.  307.  9)  van  DoRP,  Ber.  1872,  pag.  107a 
10)  ZiscKK,  Ber.  1874,  pag.  276.  11)  Cannizzaro,  u.  Rossi,  Ann.  121,  pag.  250.  12)  Aron- 
HKM^  Ber.  1875,  pag.  1406.  13)  Zincke,  Ber.  1869,  pag.  739.  14)  Perkin  und  Hodgkinson, 
Chem.  soc,  J.  1880,  pag.  721.  15)  Zincke,  Ann.  159,  pag.  367,  Ber.  1871,  pag,  298,  510;  1873, 
pag.  119;  1S76,  pag.  31.  16)  Paterno,  Ber.  1872,  pag.  288.  17)  Paterno  u.  Spica,  Ber.  1877, 
pAg-  ^94'  t8)  Aronheim,  Ber.  1872,  pag.  1068.  19)  Köhler  u.  Aronheim,  Ber.  1875,  P^*  S^* 
20)  L.  Seskmann,  Ber.  1873,  pag-  1085;  ^^77,  pag.  758.  21)  Neuhof,  Ann.  146,  pag.  319. 
aa)  Bk[t/?tew  u.  Kuhlberg,  Ann.  147,  pag.  339.  23)  Jackson  u.  Field,  Ber.  1878,  pag.  904. 
Ainer.  chcni^  J.  2,  pag.  94.  24)  Beilstein  u.  Kuhlberg,  Ann.  146,  pag.  317.  25)  Dieselben. 
Ann*  150,  pag.  290.  26)  Paterno  u.  Mazzara,  Ber.  1878,  pag.  1384.  27)  Grimaux,  Ann.  145« 
pag.  47.      28)   Strakosch,  Ber.  1873,   pag.  1056.     29)  Wachendorff,    Ann.  185,    pag.  259. 

50)  STRAKckSCH,  Ber.  1873,  pag.  328.  31)  Kekul^,  Ann.  137,  pag.  188.  32)  Beilstein,  Ann. 
»43p  P^g.  369.  33)  Lauth  und  Grimaux,  Zeitschr.  Chem.  1867,  pag.  378.  34)  Jackson  und 
LfiwtJiv,  Btr.  1875,  pag.  1672.  35)  Jackson,  Ber.  1876,  pag.  931.  36)  Jackson  und  WHrrE, 
Ber.  18S0,  pag.  I2l8.  Amer.  chem.  J.  2,  pag.  316.  37)  Dies.,  Ber.  1879,  pag-  1965.  38)  Die*;., 
Amet.  CUenK  J.  2,  pag.  391.  39)  Mabery  u.  Jackson,  Ber.  1878,  pag.  55;  1881,  pag.  995. 
Amer.  ehem.  J.  i,  pag.  103;  2,  pag.  250.  40)  Wachendorff,  Ber.  1876,  pag.  1345.  41)  Gukun« 
Hand b.  VI.,  pag.  38.  42)  Lieben,  Joum.  pr.  Ch.  107,  pag.  119.  43)  V.  Meyer,  Ber.  1877; 
pag.  311.  44)  Cannizzaro,  Ann.  90,  pag.  252;  92,  pag.  113.  45)  Friedel,  Bull.  soc.  chün.  1862, 
pag.  Ig.  46)  Herrmann,  Ann.  132,  pag.  75.  47)  Lippmann,  Ann.  137,  pag.  252.  48)  Nieoerist, 
Ann.  tgfj,  pag.  349.     49)  Fremy,  Ann.  30,    pag.  328.     50)  Laubenheimer,  Ann.  164,  pag.  289. 

51)  Tjlckn»  Pharm.  J.  Trans.  (3)  5,  pag.  761.    52)  R.  Meyer,  Ber.  1881,  pag.  2394.     53)  Kach- 


BcDzylverbindungen.  229 

den  einwerthigen  Toluolrest  C^Hg  -CHg  — •  Die  Benzylverbindungen  sind  danach 
als  Derivate  des  Toluols  zu  betrachten,  welche  sich  von  diesem  durch  Vertretung 
eines  WasserstofFatoms  seiner  Seitenkette  ableiten.  Einige  derselben,  wie  das 
Benzylchlorid  und  Benzylbromid,  lassen  sich  durch  direkte  Substitution  aus  dem 
Toluol  gewinnen  und  bilden  das  gewöhnlichste  Ausgangsniaterial  für  die  Dar- 
stellung der  übrigen  Benzylverbindungen. 

Die  Benzyläther  der  Benzoesäure  und  der  Zimmtsäure  kommem  fertig  vor  im 
Penibalsam  (i),  und  im  Tolubalsam  (2),  derjenige  der  Zimmtsäure  neben  dem 
Styracin  anscheinend  auch  im  Storax  (50). 

Aus  der  angegebenen  Beziehung  der  Benzylverbindungen  zum  Toluol  ergiebt 
sich,  dass  sie  isomer  sind  mit  denjenigen  Toluolderivaten,  die  sich  durch  die 

LER,  Ber.  1869,  pag.  512.     54)  Kopp,  Ann.  94,   pag.  311.     55)  Brühl,  Ber.  1879,   pag.  2142. 
56)  Graebe,  Ber.  1875,   P^-  ^^SS'     57)  Councler,   Ber.  1877,  pag.  1657;,  1879,  pag.  133. 
58)  Meyer  u.  Wurster,  Ber.  1873,  pag.  963.     59)  Paterno  u.  FmEXt,  Ber.  1876,  pag.  81. 
60)  Beilstein   u.  Kuhlberg,    Ann.   152,    pag.  224.     61)   Jackson   u.    Lowery,    Ber.    1877, 
pag.  1209.     62)  jAFFi,  Zeitschr.    physiol.  Chem.  2,    pag.  55.     63)  Cahours,   Compt.  rend.  80, 
lag.  1317;    81,  pag.  1163.    64)  SiNTENis,  Ann.  161,  pag.  329.    65)  Canizzaro,  Jahresber.  1856, 
pag.  581.    66)  Paterno,  Ber.  1872,  pag.  288.    68)  Naquet,  Ann.  Suppl.  2,  pag.  248.    68)  Neu- 
hof, Ann.  147,  pag.  344.    69)  Lauth  u.  Grimaüx,  Ann.  143,  pag.  81.    70)  Stadel,  Ber.  1881, 
pag.  898.     71)  Cannizzaro,    Ann.  92,    pag.  115.     72)  Jackson,   Jahresber.   1880,  pag.  480. 
73)  Brunner,  Ber.  1876,  pag.  1745.     74)  Orth,  Ber.  1882,  pag.  1136.    75)  Conrad  u.  Hodg- 
HNSON,  Ann.  193,  pag.  298.     76)  Hodgkinson,  Chem.  soc.  J.   1878  [i],  pag.  495;   Ann.  201, 
pag.  168.     77)  Cahours  u.  Demarqay,  Compt.  rend.  83,  pag.  688.    78)  Cannizzaro,  Ber.  1870, 
pag.  517;    1871,  pag.  412.     79)  Campisi  u.  Amato,  Ber.   1871,  pag.  412.     80)  Wallach  u. 
LtEBMANN,  Ber.   1880,  pag.  507.     81)  Leits,   Ber.  1872,  pag.  90.     82)  Strakosch,  Ber.  1872, 
pag.  692.     83)  Del  Zanna  u.  Guareschi,   Gazz.   chim.   ital.    1881,   pag.  255.     84)  CLAessoN 
u.  Lundvall,  Ber.  i88o,  pag.  1703.     Henry,  Ber.  1869,  pag.  637.     86)  Barbagija,  Ber.  1872, 
pag.  689.     87)  Jackson,  Ann.  179,  pag.  8.     88)  Piria,  Ann.  56,  pag.  37.     89)  Moitessier, 
Jahresber.  1866,  pag.  676,  677.     90)  Beilstein  u.  Reinecke,  Ann.  128,  pag.  179.    91)  Greene, 
Compt  rend.  90,  pag.  40.     92)  Beilstein  u.  Seelheim,  Ann.  117,  pag.  83.    93)  Nencki,  Arch. 
f.  Anat.    u.   PhysioL    1870,    pag.   399.      94)    Cannizzaro  u.   Körner,    Ber.    1872,    pag.  436. 
95)  van  der  Velden,  Joum.  pr.  Ch.   [2]   15,  pag.  163.     96)  Tiemann  u.  Will,  Ber.  x88i, 
pag.  969.     97)  Herzfkld,  Ber.  1877,  P^*  1267.     98)  Bernheimer,  Monatsh.  f.  Ch.  i,  pag.  456. 
99)  Bötsch,  Ebend.    i,  pag.  621.      100)  Dennstfj>t,  Ber.    1878,   pag.  2265.      loi)  Schiff, 
Ber.  1881,  pag.  304.    102)  Kraut,  Ann.  156,  pag.  123.    103)  Gerhardt,  Ann.  chim.  phys.  [3]  7, 
pag.  215.     104)  GiACOSA,  Joum.  pr,  Ch.  [2]  21,  pag.  221.     105)  Cannizzaro  u.  Bertagnini, 
Ann.  98,  pag.  188.    106)  Cannizzaro,  Ann.  134,  pag.  128.    107)  Ders.,  Ann.  Suppl.  IV,  pag.  24,  80. 
108)  Limpricht,  Ann.  144,  pag.  304.     109)  Mendius,  Ann.  121,   pag.  144.     11  o)  Hofmann, 
Ber.  1868,  pag.  102.     iii)  Rudolph,  Ber.  1879,  pag.  1297.     112)  Berlin,  Ann.  151,  pag.  137. 
113)  Brunner,   Ann.  151,  pag.  133.     114)  Rohde,  Ann.  151,  pag.  366.      115)  Panebianco, 
Garz.  chim.  ital.  8,  pag.  354.    116)  Ladenburg  u.  Struve,  Ber.  1877,  pag.  43.    ir7)  v.  Meyer, 
Bei.   1877,  pag.  309.      118)  Ladenburg,  Ber.    1877,  pag.  561,   X153,    1634.     119)  v.  Meyer, 
Ber.  1877,   pag-  9^4>    ^291.      120)  Wyss,  Ber.  1877,   pag.  1368.     121)  Fleischer,  Ann.  138, 
pag.  225.    122)  Bfrnthsen  u.  Tromtetter,  Ber.  1878,  pag.  1760.    I23)Michler  u.  Gradmann, 
Ber.   1876,    pag.  1915;    1877,    pag.  2078.      124)   Willm   u.   Girard,    Ber.   1875,    pag.  1196. 
125)  Meldola,  Ber.  1881,  pag.  1385.     126)  Witt,  Ber.  1877,  pag.  657.     127)  Vasca-Lanza, 
Ber.  1874,  pag'  82.     128)  Tiemann  u.  Friedländer,   Ber.  1881,   pag.  1969.     129)  Cannizzaro, 
Gazi.  chim.  ital.  1871,  pag.  41.     130)  Paterno  u.  Spica,   Ebend.  1875,  pag.  388.     131)  Cam- 
pisi u.  Amato,  Ebend.    187 1,  pag.  39.     132)  Spica,  Ebend.    1877,  pag.  90.     133)  Hofmann, 
Ber.  1872,  pag.  100;    1873.  pag.  302.     134)  Ders.,  Ann.  Suppl.  L,  pag.  323.     135)  Cannizzaro, 
-^o-  I37f  pag-  244.     136)  Ders.,    Ann.  117,  pag.  238.     137)  Gabriel,  Ber.  1869,  pag.  1641. 
138)  Gabriel  u.  Borgmann,  Ber.  1883,  pag.  2064. 


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1 


t$o  .  Handwörterbuch  der  Chemie. 

entsprechende  Vertretung  eines  Wasserstoffatoms  im  Benzolrest  von  demToluol 
ableiten.  Isomer  sind  z.  B.  Benzylchlorid  C^Hj-CHjCl  und  die  MonocWor- 
toluole  CßH^Cl-CHg,  Benzylalkohol  CgHs-CH^OH  und  die  Kresole 
CeH4(OH).CH3,  Benzylamin  CßHft.CHjNHa  und  die  Toluidine  C6H4(NH,> 
CH„  Benzylsulfosäure  CeHj.CHa-SOjH  und  die  Toluolsulfosäuren  C6H4(SO,H). 
CH3. 

Benzylchlorid,  CgHg'CHjCl.  Zuerst  von  Cannizzaro  (3)  1853  durch 
Einleiten  von  Salzsäuregas  in  aus  Bittermandelöl  gewonnenen  Benzylalkohol, 
später  auch  durch  Behandeln  von  siedendem  Toluol  mit  Chlor  (4)  dargestellt. 

Gewinnung.  Man  leitet  einen  raschen  Chlorstrom  in  die  Dämpfe  von  Toluol,  welches 
an  einem  RtickflusskUhler  im  Sieden  erhalten  wird,  und  reinigt  das  entstandene  Benzylchlorid  von 
unverändertem  Toluol  und  von  chlorreicheren   Produkten   durch   fractionirte  Destillation  (4 — 6). 

Die  Temperatur  ist  bestimmend  ftir  die  Art  der  Einwirkung  des  Chlors  auf 
das  Toluol.  Während  in  Siedhitze  Benzylchlorid  entsteht,  bildet  sich  in  der 
Kälte,  namentlich  bei  Anwesenheit  von  Jod,  als  erstes  Substitutionsprodukt  das 
damit  isomere  Monochlortoluol.     (Parachlortoluol  mit  etwas  Orthochlortoluol.) 

Das  Benzylchlorid  ist  eine  farblose,  stark  lichtbrechende,  stechend  riechende, 
mit  Wasser  nicht  mischbare  Flüssigkeit.  Spec.  Gew.  =  1107  bei  14°  (Limpricht). 
Siedep.  176°. 

In  seinem  chemischen  Verhalten  unterscheidet  sich  das  Benzylchlorid  von 
den  isomeren  Monochlortoluolen  sehr  wesentlich  dadurch,  dass  sein  Chloratom 
sich  sehr  leicht  gegen  andere  Atome  oder  Atomgruppen  austauschen  lässt.  Schon 
durch  anhaltendes  Kochen  mit  Wasser,  leichter  durch  Erhitzen  mit  Kalilauge, 
wird  Benzylalkohol  gebildet. 

Erhitzen  des  Benzylchlorids  mit  den  Salzen  der  meisten  Säuren  fuhrt  zu  den 
Benzylestern  der  letzteren.  Mit  Alkoholaten  oder  Phenolaten  entstehen  die  ent- 
sprechenden gemischten  Benzyläther,  wie  Aethylbenzyläther,  Phenylbenzyläther, 
mit  alkoholischem  Ammoniak  die  Benzylamine,  mit  alkoholischen  Losungen  von 
Kaliumsulfid  oder  Kaliumsulfhydrat  Benzylsulfid  oder  Benzylsulfhydrat,  beim  Er- 
hitzen mit  Cyankalium  Benzylcyanid  (das  Nitril  der  Phenylessigsäure).  — 

Durch  Oxydation  des  Benzylchlorids  mit  verdünnter  Salpetersäure  werden 
Benzaldehyd  und  Benzoesäure  gebildet  (6,  7).  Ersteren  erhält  man  reichlicher 
bei  Anwendung  von  salpetersaurem  Blei  als  Oxydationsmittel  (6).  Durch  Chrom- 
säure  wird  Benzoesäure  erzeugt  (5). 

Die  Einwirkung  von  Chlor  in  der  Kälte,  namentlich  bei  Gegenwart  von  Jod, 
fiihrt  zu  Substitutionsprodukten  des  Benzylchlorids,  wie  CgHiCl-CHjCl,  während 
bei  Siedhitze  das  Chlor  in  die  schon  chlorhaltige  Seitenkette  tritt  und  zunächst 
Benzalchlorid  CeH.,.CHCl,  bildet  (5). 

Durch  concentrirte  Jodwasserstoffsäure  wird  das  Benzylchlorid  bei  140°  zu 
Toluol  reducirt. 

Bei  manchen  Reactionen  werden  aus  dem  Benzylchlorid  unter  Abspaltung 
von  Salzsäure  oder  Austritt  von  Chlor  Condensadonsprodukte  gebildet  Wird 
z.  B.  Benzylchlorid  mit  Wasser  in  zugeschmolzenen  Röhren  auf  200°  erhitzt  und 
das  Produkt  destillirt,  so  erhält  man  neben  kleinen  Mengen  von  Benzyläther, 
Benzaldehyd  und  Anthrachinon  wesentlich  Anthracen  (8)  und  Benzyltoluol  (9). 
Diese  beiden  Verbindungen  entstehen  erst  bei  der  Destillation  des  Rohprodukts, 
und  zwar  das  Benzyltoluol  durch  Zersetzung  eines  zunächst  entstandenen  Chlorids 
C,4HiaCl(=  2C7H,C1  -  HCl)  (10). 

Durch  Einwirkung  von  Natrium  auf  Benzylchlorid  entsteht  Dibenzyl  (11). 


Beneyl  Verbindungen.  ^31 


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Beim  Erhitzen  mit  einprocentigem  Natriumamalgam  auf  110 — 120°  liefert 
das  Benzylchlorid  unter  lebhafter  Salzsäureentwicklung  kleine  Mengen  von 
Stilben  (12).  Beim  Erhitzen  mit  feinvertheiltem  Kupfer  oder  Silber  entsteht 
unter  stürmischer  Entwicklung  von  Salzsäure  ein  fester,  harzartiger  Kohlenwasser- 
stoflF  von  der  Zusammensetzung  (C7H6)n  (13).  Aluminiumchlorid  wirkt  in  der 
Hitze  heftig  auf  Benzylchlorid  ein,  wobei  Toluol  und  Anthracen  entstehen  (14). 
Bei  seiner  grossen  Reactionsfähigkeit  ist  das  Benzylchlorid  ein  werthvolles  Material  >^ 

für  die  Synthese  zahlreicher  complicirterer  Benzolderivate. 

Wird  es  mit  Benzolkohlenwasserstoffen  und  Zinkstaub  erhitzt,  so  tritt  die 
Benzylgruppe  ein-  oder  mehrmals  für  je  ein  WasserstofFatom  in  den  Kohlen- 
wasserstoff ein.  Bei  Anwendung  von  Benzol  erhält  man  Benzylbenzol  (Diphenyl- 
methan)  und  Dibenzylbenzole  (15),  aus  Toluol  Benzyltoluol  u.  s.  w.  In  gleicher 
Weise,  wie  in  jene  Kohlenwasserstoffe  lässt  sich  das  Benzyl  in  andere  aromatische 
Verbindungen  einführen.  So  entsteht  Benzylphenol,  C6H5-CHj-CßH4-OH  (16), 
wenn  Benzylchlorid  mit  Phenol  und  Zinkstaub  erhitzt,  Benzylkresol  (26)  oder 
Benzylanisol  (16),  wenn  anstatt  des  Phenols  ein  Kresol  oder  Anisol  angewandt 
wird. 

Mit  Zinkäthyl  liefert  das  Benzylchlorid  Normalpropylbenzol  (17),  mit  Allyl- 
jodid  und  Natrium  Phenylbutylen  (18),  mit  Amylbromid  und  Natrium  Capryl- 
benzol  (18),  mit  Isopropyljodid  und  Natrium  Isobutylbenzol  (19),  mit  den 
Natracetessigestern  Benzylessigsäure(Hydrozimmtsäure)  undDibenzylessigsäure  (20). 
Chlorsubstitutionsprodukte  des  Benzylchlorids  können  entweder 
durch  Einwirkung  von  Chlor  auf  kaltes,  mit  Jod  versetztes  Benzylchlorid,  oder 
durch  Behandlung  der  betreffenden  gechlorten  Toluole  mit  Chlor  in  Siedhitze 
gewonnen  werden.     Sie  sind  isomer  mit  den  höheren  Chlortoluolen. 

Von  den  möglichen  drei  Monochlorbenzylchloridcn  wurde  das  Parachlorbcnzylchlorid, 
1         4 
CjH^a-CHja,  (21—23),   von  Jackson   und  Field  (23)  durch  Chloriren   von  Parachlortoluol 

bei  160®  in  reinem  Zustande  dargestellt.  Farblose,  glänzende  Nadeln  oder  Prismen,  unlöslich 
in  Wasser,  leicht  löslich  in  warmem,  weniger  in  kaltem  Alkohol,  sehr  leicht  in  Aether,  Benzol, 
SchwcfelkohlenstofT  und  Eisessig.  Schmp.  29'^.  Siedep.  213  —  214^  (21).  Schon  bei  gewöhn- 
licher Temperatur  sublimirend,  von  angenehm  aromatischem  Geruch,  aber  äusserst  heftiger  Ein- 
wirkung auf  die  Schleimhäute.  Wie  bei  den  chlorreicheren  Substitntionsprodukten  des  Benzyl- 
chlorids zeigen  die  Chloratome  der  Verbindung  die  ihrer  verschiedenen  Stellung  entsprechende, 
verschiedene  Reaktionsfähigkeit  Beim  Kochen  mit  Wasser  entsteht  Parachlorbenzylalkohol  (23), 
durch  Oxydation  Parachlorbenzoesäure  (22). 

3*4       1 
m-p-Dichlorbenzylchlorid,  C^HjCl^-CHjCl-  (24).     Durch  Chloriren  von  m-p-Dichlor- 

toluol  in  der  Hitzj,  sowie  durch  Einwirkung  von  Chlor  auf  jodhaltiges  Benzylchlorid  in  der 
Kälte  dargesteUt,  flüssig.     Siedep.  24 1^. 

Trichlorbenzylchlorid,  C^Hj^Clj-CHjCl  (25),  entsteht  durch  Chloriren  von  Trichlor- 
toluol  in  der  Hitze.     Flüssig.     Spec.  Gew.  1.547  bei  23°      Siedep.  273° 

Tctrachlorbenzylchlorid,  CgHCl^-CHjCl  (25).  Ebenso  aus  Tetrachlortoluol  ge- 
wonnen.    Flüssig.     Spec.  Gew.  1-634  bei  25°.     Siedep.  296®. 

Pcntachlorbenzylchlorid,  Cga^-CHja  (25),  erhält  man  durch  Chloriren  von 
siedendem  Pentachlortoluol,  oder  zweckmässiger,  indem  man  Benzylchlorid  anfangs  in  der 
Kälte  bei  Gegenwart  von  Jod,  später  in  der  Wärme  bei  Gegenwart  von  AntimonchlorUr  mit 
Chlor  behandelt.  Feine,  weisse  Krystallnadeln,  schwer  löslich  in  siedendem,  unlöslich  in  kaltem 
Weingeist     Schmp.  108**.     Siedep.  325—327°. 

p-Nitrobcnzylchlorid,  C5H4(NO,).CHaa,  entsteht  neben  einer  flüssigen  Verbindung 
beim  Eintragen  von  Benzylchlorid  in  rauchende  Salpetersäure  (5,  27),  welche  zweckmässig  auf 
—  15^   abgekühlt   wird    (28).     Die    durch   Eingiessen    in    Wasser    ausgeschiedene   breiförmige 


r 


1 


«5»  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Masse  wird  au^irepresst  und  der  feste  Antheil  aus  Alkohol  krystallisirt.  Die  Verbindung  bildet 
sich  auch  beim  Einleiten  von  Chlor  in  p-Nitrotoluol  bei  185 — 190*^  (29).  Feine  Nadeln  od« 
ptfflmutterglHnicnde  Blättchen.  Schmp.  71^.  Chromsäure  oxydirt  die  Verbindung  zu  Paranitro- 
bcnioe säure  (5).     Kalilauge  spaltet  Salzsäure  ab  und  bildet  Dinitrostilben  (30). 

1  s 

iH'Nitrobenzylchlorid,   CgH^(N03)«CH2Cl.     Durch   Einwirkung  von  Phosphorpenta- 

düprid    auf  in-Nitrobenzylalkohol   erhalten.     Lange,   hellgelbe  Nadeln,   bei  45 — 47**  schmelzend 

uad  unter  eLncni  Druck  von  30 — 35  Millim.  zwischen  173  und  183®  siedend  (138). 

1  3 

o-Nitrobcnzylchlorid,    C6H4(N02)'CH3C1.      Ebenso    aus    o-Nitrobenzylalkohol   gc- 

litniiicn-     Efi  krystallisirt  aus  Petroleumäther  in  derben,   gelblichen  Krystallen,   die  bei  48—49^ 

sdiinelzcTi  (13S). 

Benzylbromid,  CgHj'CHjBr.  Es  entsteht  beim  Sättigen  von  Benzylalkobol 
mit  Brom  Wasserstoff  (31),  sowie  bei  der  Einwirkung  von  Brom  auf  siedendes  oder 
dampfförtniges  Toluol  (^^,  32).  An  der  Luft  rauchende  Flüssigkeit,  deren  Dämpfe 
äusserst  stark  zu  Thränen  reizen.  Spec.  Gew.  1'4380  bei  22°.  Siedep.  198  bis 
199°.  Das  Benzylbromid  geht  ebenso  leicht,  oder  noch  leichter  Zersetzungen 
ein,  wie  das  Chlorid. 

p-Chiorbcnzylbromid,  CgH^Cl'CHjBr  (23).  Aus  p-Chlortoluol  durch  Bromiren  in 
der  Hitic  dargestellt.     Dem  p-Chlorbenzylchlorid  sehr  ähnlich.     Schmp.  48*5°. 

P'Brombi^nzylbromid,  CgH^Br-CH^Br  (34,  35).  Durch  Bromiren  von  siedendem 
p-BTt)mtoluol  gewonnen.  Krystallisirt  aus  Alkohol  in  Nadeln,  aus  Orthobrombensylbromid  in 
grosäftif  rham bischen  Prismen.  Mit  Wasserdampf  destillirbar.  Geruch  angenehm  aromatisch, 
aber  die  Schleimhäute  stark  angreifend.     Schmp.  61**. 

m-Brombenrylbromid,  CgHjBr-CHjBr  (35).  In  entsprechender  Weise  aus  Meta- 
bromtoliiol  dart^eptellt,  aber  nur  in  sehr  geringer  Ausbeute  erhalten.  Blätter  oder  flache  Nadeb. 
Schinp.  41 '^  Ziemlich  leicht  in  kaltem,  reichlicher  in  heissem  Alkohol,  leicht  in  Aether, 
Scbwflelknhlensioff  und  Eisessig  löslich.  Mit  Aetherdampf  sehr  leicht  flüchtig,  weniger  leicht 
mit  AlkolioJ-t  schwer  mit  Wasserdampf.  Chromsäuremischung  greift  die  Verbindung  nicht  an, 
oxydirt  aber  tlcn  daraus  zu  gewinnenden  Alkohol  zu  Metabrombenzoesäure. 

1       3 

o-Brombcnzylbromid,    CgH^Br-CHjBr  (35,  36),   ensteht  nur  langsam   und   schwierig 

hctm  Brom  Ire  ti  des  o-Bromtoluols  in  Siedhitze.  Die  zunächst  fltlssige  Verbindung  krystallistTt, 
nachdem  liie  <liirch  Destillation  im  Bromwasserstoflstrom  gereinigt  ist,  beim  Abkühlen  in 
rhombischen  Tafeln,  die  bei  30®  schmelzen  (36).  Nicht  unzersetzt  siedend,  aber  mit  Wasser- 
dampf destill  irbnr,  Chromsäuremischung  greift  die  Verbindung  nicht  an.  Der  aus  letzterer  dargestellte 
Alkohol  wird  durch  Chromsäure  zerstört  (35),  durch  Einwirkung  von  Natrium  auf  eine  ätherische 
Lösung  des  O'ßrombenzylbromids  entsteht  wesentlich  Anthracen  (3?),  neben  etwas  Phenantiiren, 
Diben^ylj  Ditolyl  etc.  (38). 

p-Jodbenzylbromid,  CgH^J-CH^Br  (39).  Durch  Bromiren  von  p-Jodtoluol  bei  115 
bis  150^  erhalten.  Aus  Alkohol  in  flachen  Nadeln  krystallisirbar,  in  kaltem  Alkohol  sehr  schwer 
löslich.     Schmp.  78*75°.     In  Nadeln  sublimirbar. 

1  3 

TTi-Njtrobcnzylbromid,    CgH^(N0j)«CH3Br    (40,   29),    entsteht   beim    Erhitzen    von 

m-Nitrotoluol  mit  der  berechneten  Menge  Brom  in  geschlossenen  Röhren  auf  120 — 130**.  Aus 
hetsftem  Alkohol  In  feinen  Nadeln  oder  Blättchen  krystallisirbar.     Schmp.  57 — 58®. 

1  4 

p-Niirqbetizylbromid,  C6H4(NOj)'CH2Br  (29).     Auf  gleiche  Weise  aus  p-Nitrotolttol 

ürhaJten.  Es  krystallisirt  aus  heissem  Alkohol  in  seideglänzenden,  verfilzten  Nadeln.  Schmelz- 
l*unkt  99^100*^. 

B  en  z y  1  j  o  di d ,  CgHg •  CHgJ.  Eine  Benzyljodid  enthaltende  Flüssigkeit  gewann 
Can^nizzaro  durch  Eintragen  von  Jod  in  eine  Lösung  von  Benzylalkobol  und 
Phosphor  in  Schwefelkohlenstoff  und  Abdestilliren  des  letzteren  (41).  Rein  er- 
hält   man    das  Jodid    durch    wochenlange    Einwirkung    von  Jodwasserstofisäure 


:'v^-m 


Bcnzylverbindungen.  233 

(Spcc.  Gew.  1-96)  auf  Benzylchlorid  im  Dunkeln  bei  gewöhnlicher  Temperatur  (42). 
Es  lässt  sich  auch  durch  Jodkalium  aus  Benzylchlorid  gewinnen  (43).  —  Farblose, 
bei  24*1<>  schmelzende  Krystallmasse,  unlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Aether, 
wenig  in  Alkohol  und  Schwefelkohlenstoff  von  0®.  Geruch  sehr  stark  zu  Thränen 
reizend.  Die  geschmolzene  Verbindung  hat  bei  25°  das  Spec.  Gew.  1-7335.  Bei 
weiterem  Erhitzen  färbt  sie  sich  roth  und  zersetzt  sich  bei  beginnendem  Sieden 
(circa  240**)  vollständig  in  Jod,  Jodwasserstoff,  einen  dem  Toluol  ähnlichen 
Kohlenwasserstoff  und  einen  schwarzen,  schmierigen  Rückstand.  (Für  Benzyl- 
jodid,  welches  durch  Einwirkung  von  Methyljodid  auf  Benzylsulfid  erhalten  war, 
bestimmte  Cahours  (63)  den  Siedepunkt  zu  218— 220<>.) 

Benzylalkohol,  C^Hj-CHa-OH.  Einfachster  aromatischer  Alkohol.  Isomer 
mit  den  Kresolen  und  dem  Anisol.  In  unreinem  Zustande  schon  von  Fremy 
(49)  aus  Perubalsam  dargestellt  und  als  »Peruvin«  bezeichnet.  Rein  zuerst  von 
Cannizzaro  1853  aus  dem  Benzaldehyd  durch  Einwirkung  von  alkoholischer 
Kalilauge,  (2C6H5.CHO -+- KOH  =  CgHs-CH^-OH -+- C6H5.CO2K)  (3,  44), 
später  auch  durch  Ueberfiihrung  des  aus  Toluol  bereiteten  Benzylchlorids  in  den 
Essigester  und  Verseifung  des  letzteren  gewonnen  (4). 

Der  Alkohol  entsteht  auch  durch  Einwirkung  von  Natriumamalgam  und 
Wasser  auf  Benzaldehyd  (45)  oder  auf  Benzoesäure  (46),  beim  Behandeln  von 
Benzoylchlorid  mit  Natriumamalgam  und  Salzsäuregas  (47),  beim  Erhitzen  von 
Benzylchlorid  mit  Wasser  (48)  oder  mit  Wasser  und  Bleihydroxyd  (6). 

Kleine  Mengen  von  freiem  Benzylalkohol  sollen  neben  seinem  Benzoesäure- 
und  Zimmtsäureester  im  Perubalsam  und  im  Tolubalsam  vorkommen  (2).  Tilden 
(51)  hält  eine  im  Kirschlorbeeröl  gefundene  Substanz  für  Benzylalkohol. 

Darstellung.  1.  Benzylchlorid  wird  etwa  24  Stunden  lang  mit  der  20— 25 fachen  Menge 
Wasser  am  RückfiusskUhler  gekocht     Man  erhält  ungefähr  76^  der  theoretischen  Ausbeute  (48). 

2.  10  Thle.  Benzaldehyd  werden  in  einem  Stöpselcylinder  mit  einer  Lösung  von  9  Thln. 
Kaliumhydroxyd  in  6  Thln.  Wasser  bis  zur  bleibenden  Emulsion  geschüttelt  und  die  Mischung 
12  Stunden  stehen  gelassen.  Sic  erstarrt  zu  einem  Krystallbrei  von  benzoesaurem  Kalium.  Man 
▼erdttnnt  zur  klaren  Lösung,  schüttelt  mit  Aether  aus,  destillirt  den  Aether  ab  und  rektiftcirt 
den  Benzylalkohol  (52). 

3.  Penibalsam  wird  mit  dem  doppelten  Volumen  Kalilauge  vom  spec.  Gew.  1*2  stark  ge- 
schüttelt, die  emulsionartige  Flüssigkeit  mit  Aether  erschöpft  und  der  Aether  abdestillirt.  Das 
zurückbleibende  gelbliche  Oel  erhitzt  man  mit  dem  4  fachen  Volumen  wässriger  Kalilauge  vom 
Spec  Gew.  1'3  bis  eine  klare  Lösung  entstanden  ist.  Diese  erstarrt  beim  Erkalten  zu  einem 
weichen  Brei  von  zimmtsaurem  und  benzoesaurem  Kalium.  Die  Salze  werden  zwischen  Lein- 
wand ausgepresst  Die  abgelaufene  Flüssigkeit  destillirt  man,  so  lange  das  Destillat  noch  milchig 
ist,  trennt  den  sich  absetzenden  Benzylalkohol  von  der  wässrigen  Flüssigkeit  und  entzieht  dieser 
die  letzten  Antheile  desselben  mittelst  Aether  (53). 

Farblose,  stark  lichtbrechende  Flüssigkeit  von  schwachem,  angenehm 
aromatischem  Geruch,  mit  Alkohol,  Aether  etc.  in  allen  Verhältnissen  mischbar, 
bei  17*^  in  25  Thln.  Wasser  löslich  (52).  Spec.  Gew.  1-0628  bei  0°,  10507  bei 
15*4°  (54).  Siedep.  204 *>  (corrig.)  (44,  52).  Das  Ausdehnungsvermögen  ist  von 
Kopp  (54),  die  Molecularrefraction  von  Brühl  (55)  bestimmt  worden. 

Durch  verdünnte  Salpetersäure,  beim  Kochen  mit  salpetersaurem  Blei  und 
Wasser,  sowie  bei  Gegenwart  von  Platinmohr  schon  durch  den  atmosphärischen 
Sauerstoff  wird  der  Benzylalkohol  zu  Benzaldehyd,  durch  Chromsäure  zu  Benzoe- 
säure oxydirt.  Durch  Erhitzen  mit  Jodwasserstoff  und  Phosphor  auf  140^ 
wird  er  in  Toluol  übergeführt  (56).  Bei  der  Destillation  mit  starker  alkoho- 
lischer Kalilauge  entstehen  Toluol  und  Benzoesäure:   SCßHg-CHj-OH-H  KOH 


r  I 

^34  Handwörterbuch  der  Chemie.  | 

=  ^CgH^^CHg  -h  CßHft-COaK  -+-  SH^O  (44).  Wasserentziehende  Mittel  bilden 
bei  gemässigter  Einwirkung  Benzyläther;  bei  intensiverer  Einwirkung  fiihren  die- 
selben (z.  B.  Schwefelsäure  oder  in  der  Wärme  Zinkchlorid,  Phosphorsäure- 
anhydrid,  Borfluorid)  zur  Bildung  eines  harzartigen  Kohlenwasserstoffe,  (C7Hß)n(44). 

Beim  Einleiten  von  Borchlorid  in  Benzylalkohol  entstehen  unter  lebhafter 
Salis5äureentwicklung  Benzylchlorid  und  Dibenzyl  (57). 

Auf  ein  Gemisch  von  Benzylalkohol  und  Benzol  einwirkend  erzeugt  mit  Eis- 
essig verdünnte  Schwefelsäure  Diphenylmethan  (58).  Bei  Anwendung  von 
Phenul  anstatt  des  Benzols  resultirt  in  geringer  Menge  ein  Phenol  des  Diphenyl- 
melhans  (59). 

p-Chlorbenzylalkohol,  CgH^Cl-CHj-OH.  p - Chlorbenzylacctat,  aus  dem  p-Chloi- 
Innzylchlnrid  mittelst  alkoholischer  I,ösung  von  essigsaurem  Kalium  dargestellt,  wird  mit 
Ammr\nbk  auf  160*^  erhitzt  (22)  oder  p-Chlorbenzylchlorid  (resp.  -bromid)  mit  Wasser  am  Rück- 
flusskühk'r  erhitzt  (23).  Schwer  löslich  in  heissem  Wasser,  fast  gar  nicht  in  kaltem,  sehr  leicht 
in  Alkohtd  und  Aether.  Aus  heissem  Wasser  scheidet  sich  die  Verbindung  in  langen,  spiessigen 
Kry&tallen  aus.     Schmp.  70*5®.     Unzersctzt  siedend. 

m-fi-Dichlorbenzylalkohol,  CgHjClj-CHj  «O H.  Aus  dem  Dichlorbenzylacetat  durch 
Erliitzen  mit  Ammoniak  auf  180"  dargestellt  (22).  Schwer  löslich  in  heissem  Wasser,  daraus 
in  ^iüjileglänzenden   Nadeln  krystallisirend.     Schmp.  77". 

Triehlorbenzylalkohol,  CgHoClj  •  CHg  »OH  (60),  entsteht  direkt  beim  Erhitren  von 
Trichtnrlptnzylchlorid  mit  einer  weingeistigen  Lösung  von  essigsaurem  Kalium  auf  150 — 160**. 
In  *iiedt:tidcm  Wasser  schwer  lösliche  Krystalle. 

Ti^irachlorbenzylalkohol,  CgHCl^«CHjj«OH  (60),  wurde  auf  gleiche  Weise  aus  dem 
Tcirachlorbenzylchlorid  bei   180"  erhalten.    Aus  Weingeist  oder  siedendem  Wasser  krystallisirbar. 

l\*n(achlorbcnzylalkohol,  CgCl^-CHj'OH  (60),  in  derselben  Weise  aus  dem  Penta- 
chlorbeniLyJ  Chlorid  bei  200"  gewonnen,  krystallisirt  aus  einem  Gemisch  von  Benzol  und  Alkohol 
in  kmen^  kurzen  Nadeln,  die  bei  193"  schmelzen  und  selbst  in  siedendem  Alkohol  nur  wenig 
iOsUch  sind*     Durch  Chromsäuremischung  wird  er  verbrannt. 

1      2 
o-Brombenzylalkohol,  CgH^Br-CH^-OH   (61),    durch  Kochen   von  Orthobrombenzyl- 

bn^mid  nni  Wasser  dargestellt,  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  flachen  Nadeln.     Mit  Wasscr- 

dümprcn  kicht  flüchtig.     Schmp.  80". 

1        4 
p-Brom  benzylalkohol,  CgH^Br«  CHj'OII,  wurde  durch  Erhitzen   von  Parabrombcnzyl- 

atütai  mit  Ammoniak  auf  150'\   besser  durch  tagelangcs  Kochen  von  Parabrombenzylbromid  mit 

Wasser  tltT rgestellt    Lange,  flache  Nadeln,  bei  77"  schmelzend  (72),  wenig  in  kaltem,   leichter  in 

siicttcndL-n;    Wasser,    sehr    leicht    in    Alkohol    und   Aether    löslich.     Mit   AVasscrdämpfcn    schwer 

llUchtig. 

I      4 
Jj-Jodbenzylalkohol,  CgH^J'Cfl^'^^^  (39)>  wurde  nach  den  bei  der  vorigen  Verbiodung 

angtfgchentn   beiden  Methoden  aus  p-Jodbenzylbromid  dargestellt.     Es  krystallisirt  aus  Schwefel- 

kohkn<!tonr  in  seideglänzenden   Schuppen.     Leicht  löslich  in  Alkohol,   Aether,   Benzol,   wenig  in 

Wft£scr>    Schmp.  71*8". 

1  2 

o-Nitrobenzylalkohol,  CgH^(N02)-CH./0H  (62).     Diese  Verbindung  entsteht   beim 

Kochen    der    nach   Genuss   von   o-Nitrotoluol   im   Hundeharn   enthaltenen    »Uronitrotoluolsäure«, 

(C^  j,Ffj  jNOg),  mit  verdünnter  Schwefelsäure.     Lange,  feine  Nadeln,   bei    74"   schmelzend,    bei 

vorsichtigem   Krhitzcn  unzersctzt  flüchtig,    leicht  löslich   in  Alkohol   und  Aether,  ziemlich  schwer 

Ui  kaltem  Wasser.     Bei  der  Oxydation    durch    Chromsäure    entsteht  o-Nitrobenzoesäure,    bei   der 

Destillation  mit  Kalilauge  o-Nitrotoluol  und  o-Azoxybenzoesäure.     VergL  (138). 


m-Nitrobenzylalkohol,  CgH4(N02)'CH2*OH  (27),  wurde  anscheinend  in  unreinem 
Zustande  von  Grimaux  beim  Erhitzen  von  m-Nitrobenzaldehyd  mit  alkoholischer  Kalilauge  er- 
halten und  als  ein  nicht  krystallisirbares,  nur  unter  sehr  vermindertem  Druck  unzersetzt  destillir- 
h^TV's  Od  beschrieben.     Vergl.  (138). 


BeDzylverbindungen.  235 

p-NitTobcnzylalkohol,  C6H4(NO.^)-CH./OH  (22),  entsteht  beim  Erhitzen  des  p-Nitro- 
benzylacetats  mit  wässrigem  Ammoniak  auf  100®.  Wenig  in  kaltem,  leicht  in  heissem  Wasser 
loslich  und  daraus  in  feinen,  farblosen,  am  Licht  gelb  werdenden  Nadeln  krystallisirend. 
Schmp.  930  [91**  (70)]. 

Methylbenzyläther,  CgHj-CHa-OCHjj,  bikiet  sich  beim  Erwärmen  von 
Bcnzylchlorid  mit  Methylalkohol  und  Kaliumhydroxyd  (64),  sowie  beim  Erhitzen 
von  Methylsulfid  mit  Benzylbromid  und  Benzylalkohol  (63).  Siedep.  167 — 168° 
(64).  Spec.  Gew.  0-938— 0-987  bei  19—20°  (63).  Chlor  erzeugt  in  der  Kälte 
Methylchlorid  und  Benzaldehyd. 

Aethylbenzyläther,  C6H5-CH3-OC2H5.  Durch  Kochen  von  Benzyl- 
chlorid  mit  alkoholischer  Kalilauge  erhalten.  Leicht  bewegliche,  auf  Wasser 
schwimmende  Flüssigkeit  von  angenehmem  Geruch.  Siedep.  185°  (65).  Durch 
Einwirkung  von  Chlor  entstehen  in  der  Kälte  Salzsäure,  Aethylchlorid  und  Benzal- 
dehyd, in  höherer  Temperatur  Aethylchlorid  und  Benzoylchlorid ,  in  der  Kälte 
bei  Gegenwart  von  Jod:  Aethyljodid  und  Aldehyde  gechlorter  Benzoesäuren  (64). 
Brom  erzeugt  in  der  Kälte  BromwasserstofF,  Aethylbromid,  Benzaldehyd,  Benzyl- 
bromid und  Benzoylbromid  (66). 

p-Chlorbenzyläthyläther,  C5H4Cl-CH.^*OCjU5,  wurde  erhalten  beim  Kochen  von 
p-Chlorbenzylchlorid  (67,  21,64)  oder  von  p-Chlorbenzylacetat  (68)  mit.  alkoholischer  Kalilauge. 
Siedep.  215 — 218**.  Chlor  erzeugt  in  der  Kälte  Parachlorbenzaldchyd,  in  der  Hitze  Parachlor- 
beozoylchlorid  (64).  ' 

Benzylphenyläther,  CgH^-CHj-OCeHj,  entsteht  beim  Erhitzen  von 
Bcnzylchlorid  mit  Phenolkalium  und  Alkohol  auf  lOO'^  (69).  Perlmutterglänzende 
Schuppen.  Schmp.  38—39**.  Siedep.  286—287'*  (uncorrig.)  (64).  Durch  con- 
centrirte  Chlor-  oder  Brom  wasserstoffsäure  wird  der  Aether  bei  100**  in  Phenol 
und  Benzylchlorid  oder  -bromid  zerlegt.  Chlor  und  Brom  erzeugen  schon  in  der 
Kälte  neben  Benzylchlorid  oder  Benzylbromid  Substitutionsprodukte  des  Phenols. 
Ebenso  entsteht  durch  Jod  Jodphenol.  Bei  Gegenwart  von  frisch  gefälltem  Queck- 
silberoxyd wirken  hingegen  Chlor  und  Brom  ohne  Spaltung  des  Aethers  substi- 
tuirend  auf  denselben.     Es  entstehen: 

Benzylmonochlorphenyläther,  CgHj-CHj-OCßH^Cl  (64),  farblose  Nadeln,  bei 
70 — 71®  schmelzend,  und 

Benzylmonobromphenyläther,  CgHj'CHj«  OCgH^Br  (64).  Lange  Nadeln,  die  bei 
59—59-5**  schmelzen. 

Trinitrobcnzylphenyläther,  CgH4(NOj)-CH20CfiH3(NOj)(N02)  (70).  Product  der 
Einwirkung  von  concentrirter  Salpetersäure  (Spec-Gew.  1*5)  auf  kalten  Benzylphenyläther. 
Schmp.  198**.  Giebt  mit  alkoholischem  Ammoniak  schon  in  niederer  Temperatur  p-Nitrobenryl- 
alkohol  und  a-Dinitranilin. 

Auf  dieselbe  Weise  wie  die  beschriebenen  analogen  Verbindungen  wurden 
noch  dargestellt: 

Benzyl-o-kresyläther,  CH.^-C6H4-0-CH2«C6H5  (70),  farbloses,  allmählich 
gelb  werdendes,   dicküüssiges  Oel  von  lauchartigem  Geruch.    Siedep.  285 — 290^*. 

Trinitrobenzyl-o-kresyläther,  CH,-CgH2(Nb2)(NO,.)-6-CII/C6H4(Nb3).  (70). 
Schmp.  145**.  Giebt  mit  alkoholischem  Ammoniak  p-Nitrobcnzylalkohol  und  ein  bei  208** 
schmelzendes  Dinitrotoluidin. 

Benzyl-p-kresyläther,  CH3.Cf,H4-6-CH2C6H5  (70).  Krystallisirt  aus 
Alkohol  in  seideglänzenden  Blättchen  oder  in  durchsichtigen,  sechsseitigen  Säulen. 
Schmp.  41**.  Concentrirte  Salpetersäure  erzeugt  kein  einfaches  Substitutions- 
produkt, sondern  Dinitro-p-kresol  und  p-Nitrobenzylnitrat. 


13&  Handwörterbuch  der  Qiemic. 

Benzylätbefj  C6H5-CH2-0-CH2-C6H5.  Von  Cannizzaro  (71)  durch 
Erhitzen  von  Benzylalkohol  mit  Borsäureanhydrid  auf  120 — 125®  dargestellt.  Ent- 
steht in  kleiner  Menge  auch  beim  Erhitzen  von  Benzylchlorid  mit  Wasser  auf 
190^  (8).  Oelartige,  etwas  fluorescirende  Flüssigkeit,  bei  310 — 315®  siedend, 
liber  315^  erhitzt  wesentlich  in  Benzaldehyd  und  einen  Kohlenwasserstoff  (Toluol?) 
zerfallend. 

Salpetersäure-Benzylester  (Benzylnitrat),  CgHj-CHj-NOj,   scheint  bei 

der  Einwrkung   von  Benzylchlorid  auf    salpetersaures  Silber   zu  entstehen.    Bei 

der  Destillation  des  Produkts  tritt  aber  eine  stürmische  Entwicklung  salpetriger 

DlLmpfe  ein,  und  es  destilliren  Benzaldehyd  und  Benzoesäure  (73). 

1  4 

SaJpctersäurc*p-Nitrobenrylester,  C6H^(N02)-CH3-N03.  Zuerst  von  Beilsthn 
tiMil  KuHLüERC  (22)  durch  Einwirkung  von  höchst  concentrirter  Salpetersäure  auf  p-Nitrobcniyl- 
»Ikohül  gewonnen  und  für  Dinitrobenzylalkohol  gehalten.  Von  Staedel  (70)  und  Orth  (74) 
richtig  erkannt-  Man  erhält  die  Verbindung  auch  durch  Erhitzen  von  p-Nitrobenzylchlorid  mit 
Salpeter  saurem  Silber  in  alkoholischer  Lösung  (74).  Sie  entsteht  ausserdem  neben  Dinitro- 
p-Krcsol  bei  der  Behandlung  des  Benzyl-p-Kresyläthers  mit  sehr  concentrirter  Salpetersäure  (70). 
]ii  Alkohol  leicht  in  Wasser  sehr  wenig  lösliche  Nadeln.  Schmp.  71®.  Durch  Chromsäurc  wird 
ilie  Verbindung  zu  p-Nitrobenzoesäure  oxydirt  (70). 

Essigsäure-Benzylester,  CgHj.CHg-O-C^HjO,  entsteht  beim  Erhitzen 
von  Benzylalkohol  mit  Essigsäure  und  Schwefelsäure  (3),  wird  zweckmässiger  dar- 
gestellt diircli  Erhitzen  von  Benzylchlorid  mit  essigsaurem  Kalium  in  weingeistiger 
I^ösung  (4J.  Angenehm  aromatisch  riechende  Flüssigkeit.  Spec.  Gew.  1'0570 
bei  16%5o.     Sicdep.  206®  (75). 

Natrium  wirkt  bei  etwa  120®  unter  lebhafter  Wasserstoifentwicklung  auf 
Essjgsätirebenzylesier  ein.  Es  entsteht  neben  essigsaurem  Natrium  der  Benzyl- 
€Ster  der  Hydrozimmtsäure  (ß-Phenylpropionsäure): 

4CfiH5-  CH^  O-CgHgO  -h  Na^  =  2C6H3.CHj.O.CO.CHa.CH3.C6H5 

-+-2C2H30aNa-hH2. 
Durch  weitere  Einwirkung  des  Natriums  auf  den  Hydrozimmtsäurebenzylester 
entsteht  zimmtsaures  Natrium  und  Toluol: 

2CHH5/CH3*0*CO.CH2.CH2.C6H5-hNa2  =  2C6H5.CH:CH.COaNa 
4-2CeH,.CH3-hHa  (75). 

EsMg:fäurt-p-Chlorbenzylester,   CgH^Cl-CHa-O-C^HgO  (21),  flüssig.    Sicdep.  240**. 

34        1 
Essigsäur^-m-p-Dichlorbenzylester,   CgHjCL/CHj-O'CjjHjO  (22),   flüssig.     Siede- 
punkt 259H 

Essigsätire-p-Btombenzylester,  CgH^Br-CHj'O'CjHgO  (61).    Angenehm  riechende, 

iilige  FlUssigkeitp  y.ivi stehen  250  und  2G0®  unter  erheblicher  Zersetzung  siedend. 

4     1 
Ks5ig!>äurt-p-Jodbenzylester,    CgH^J-CHj'O'CjHjO    (39).     Nur    in    unreinem    Zu- 

i^lünile  :ils  fin  s^chon  durch  Wasser  leicht  verseifbares  Oel  erhalten. 

4  1 

Essigsäure-p-Nitrobenzylester,  CgH^(N03)'CH3'0*CjH,0.    Durch  Einwirkung  von 

e^sigsnurem  Kalium  auf  p-Nitrobenzylchlorid  (27),  sowie  durch  Nitriren  von  Essigsäurebenxyl- 
elfter  (22)  dargestellt.  Lange,  hellgelbe  Nadeln,  die  sich  am  Licht  dunkler  färben.  Leicht 
Iftstich  in  heisserot  w^n'ig  in  kaltem  Alkohol.     Schmp.  78®  (22). 

Propionsäure-Benzylester,  C6H5-CH2'0-C3H50  (75).  Angenehm 
rieehende,  mit  Wasser  nicht  mischbare  Flüssigkeit.  Spec.  Gew.  1'0360  bei  16'5*. 
Siedep.  219—220^.  ZerföUt  beim  Erhitzen  mit  Natrium  in  propionsaures  Natrium 
und  Phenylbuttersäure-Benzylester,  (CßH^-CgHg'COj-CyHY). 

Buttersäure-Benzylester,  CßHg-CHg-O  «041170  (75).  Angenehm 
riechende  Flüssigkeit.     Spec.  Gew.   1*016    bei   16<>.     Siedep.    238—2400.     Beim 


Benzylverbindungen.  237 


Erwärmen  mit  Natrium  entsteht  neben  buttersaurem  Natrium  der  Benzylester  der 
Phenylvaleriansäure. 

Isobuttersäure-Benzylester,  CgHß-CHj'O'C^HYO  (76).  Angenehm 
riechendes,  stark  lichtbrechendes  Oel.  Spec.  Gew.  10160  bei  18<>.  Siedep.  228°. 
Giebt  beim  Erwärmen  mit  Natrium  Benzylisobuttersäure-Benzylester:  (CßHj-CHj- 
C(CH,),.C02.C7H,). 

Oxalsäure-Benzylester,  (C6H5'CH2)2*C204,  wurde  durch  Einwirkung 
von  Benzylchlorid  auf  trocknes  oxalsaures  Silber  (22)  und  durch  Erhitzen  von 
entwässerter  Oxalsäure  mit  Benzylalkohol  (77)  dargestellt.  Krystallisirt  aus  heissem 
Alkohol  in  glänzenden  Schuppen.  Schmp.  80-5®.  Unter  geringer  Zersetzung 
destillirbar.  Beim  Lösen  der  Verbindung  in  höchst  concentrirter  Salpetersäure 
entsteht  Oxalsäure-p-Nitrobenzylester  (22). 

Bernsteinsäure-Benzylester  krystallisirt  in  Blättchen,  die  bei  41*5 — 42*5^ 
schmeken  (83). 

Adipinsäure-Benzylester  ist  eine  angenehm  riechende,  in  Wasser  unter- 
sinkende Flüssigkeit,  die  sich  beim  Erhitzen  zersetzt  (S^), 

Oxaminsäure-Benzylester,  CgHjj'CHj'O'CjOj-NHj.  Aus  Oxamethan- 
chlorid,  CjHj-COj'CClj-NHj,  und  Benzylalkohol  gewonnen  (80).  Krystallisirt 
aus  Alkohol  in  färb-  und  geruchlosen  Nadeln,  die  bei  134 — 135®  schmelzen. 

Carbaminsäure-Benzylester  (Benzylurethan) ,  CßHj-CHj-COj-NHj, 
entsteht  neben  Dibenzylhamstoff,  wenn  festes  oder  gasförmiges  Chlorcyan  auf 
kalten  Benzylalkohol  einwirkt  (78),  sowie  beim  Erhitzen  von  Benzylalkohol  mit 
salpetersaurem  Harnstoff  auf  130—140°  (79).  Sehr  leicht  löslich  in  Alkohol, 
massig  leicht  in  Aether,  schwer  in  heissem  Wasser;  aus  letzterem  in  farblosen 
Blättern  krystallisirend.  Schmp.  86°.  Bei  220°  zersetzt  sich  die  Verbindung  in 
Benzylalkohol  und  Cyanursäure. 

Orthothioameisensäure-Benzylester,  (CßH5-CH2S)3  011(100),  entsteht 
beim  Erhitzen  einer  wässrigen  Lösung  von  Natriumbenzylmercaptid  mit  Chloroform. 
Wohlausgebildete  Krystalle,  leicht  löslich  in  Chloroform,  Aether  und  siedendem 
Alkohol.  Schmp.  98°.  Erst  bei  250°  wird  die  Verbindung  durch  rauchende 
Salzsäure  in  Benzylsulfhydrat  und  Ameisensäure  gespalten. 

Isocyansäure-Benzyleste  r,  s.  unter  »Cyanverbindungen«. 

Benzylsenföl,  s.  unter  »Senfole«. 

Benzylsulfacetsäure  (Benzylthioglycolsäure),  CgHä.CHg-S.CHa-COjH 
(137).  Aus  Benzylsulfhydrat  durch  Einwirkung  von  Monochloressigsäure  und 
Natronlauge  erhalten.  Die  Säure  krystallisirt  aus  siedendem  Wasser  in  flachen 
Täfelchen.     Schmp.  58—59°. 

Ihr  Silbersalz  bildet  feine,  in  heissem  Wasser  lösliche  Nadeln.  Der  Aethylester 
siedet  zwischen  275  und  290^.  Er  giebt  mit  Ammoniak  bei  100^  das  Amid,  welches  bei 
97®  schmilzt  und  aus  heissem  Wasser  in  grossen,  rechtwinkligen  Platten  krystallisirt. 

Sulfocyansäure-Benzylester  (Benzylrhodanid),  CgHs-CHg-SCN,  wird 
durch  Erhitzen  von  Benzylchlorid  mit  Rhodankalium  und  Alkohol  erhalten  (85,  86). 
Schöne  Prismen,  in  Alkohol,  Aether  und  Schwefelkohlenstoff  leicht  löslich. 
Schmp.  41°  (86),  [36—38°  (85)].  Siedep.  230—235°  (86),  [256°  (85)].  Bei  der 
Oxydation  durch  Salpetersäure  entstehen  Benzaldehyd  und  Benzoesäure.  Mit 
trocknem  Bromwasserstoif  verbindet  sich  das  Rhodanid  zu  einem  krystallinischen, 
in  Aether  unlöslichen  Körper,  der  durch  Wasser  zersetzt  wird  (85). 

Salfocyaosäure-p-Chlorbenzylester,  CgH^Cl.CHj.SCN  (23),  Schmp.   17«. 


r 


238  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Suirocyansäurc-p-Brombenzylester,  CßH^Br.CHj.SCN  (61),  in  Alkoirf  sehr 
kieht  lösliche  Nadeln  von  unangenehmem  Geruch.     Schmp.  25®. 

SuUocyansäure-o-Brombenrylester,  CgH^Br-CHj'SCN  (36),  ist  ein  auch  in  der 
Kälit  nicht  erstarrendes  Gel. 

Sulföcyansäure-p-Jodbenzylester,  CßHJ-CHj.SCN  (39),  krystallisirt  aus  Alkohol 
tu  langen^  glänzenden  Platten.  Wenig  löslich  in  kaltem  Alkohol,  leicht  in  Aether,  Benzol  und 
Sdtwertilkohlenstofr.     Schmp.  40®. 

SuJfocy ansäure -p-Nitrobenzylester,  C6H4(NO,).CH,.  SCN.  Sowohl  durch 
Nitriren  des  Sulfocyansäureesters,  wie  aus  p-Nitrobenzylchlorid  und  Rhodankalium  zu  ge- 
winaea  (B5).  Krystallisirt  aus  Alkohol  in  kleinen,  spröden,  gegen  70®  schmelzenden  Nadeb. 
Nicht  untersetzt  destillirbar. 

Selencyansäure-Benzylester,  CgH.'CHg-SeCN  (87),  entsteht  schon 
in  der  Kälte  aus  Benzylchlorid  und  Selencyankalium  in  alkoholischer  Losung. 
Nadeln  oder  Prismen  von  höchst  widerwärtigem  Geruch.     Schmelzp.  71*5°. 

Selencyansäure-p-Nitrobenzylester,  C6H^(NOj).CHj.SeCN  (87).  Wie  die  ent- 
sprechend*.' Schwefelverbindung  darstellbar.  Fast  geruchlose,  sternförmig  vereinigte  Nadeln. 
SchiQp.  \*22'b^  (uncorrig.).  In  Aether  nicht,  in  Wasser  und  Alkohol  nur  bei  Siedhitze  ziemlich 
lüsJid). 

Üxybenzylalkohole,  C6H4(OH)CH2  0H. 

i.  Ortho -Oxybenzylalkohol,  C6H4(OH)CH2  0H,  (Saligenin).  Zuerst 
aus  seinem  Glycosid,  dem  Salicin,  durch  Spaltung  mittelst  Emulsin  oder  vcr- 
tlannten  Säuren  dargestellt  (88):  C,8Hig07  -f- HgO  =  C7H8O2 -h  C^H,  jO^. 
(Dextrose),  Auch  wenn  in  einer  an  der  Luft  stehenden  wässrigen  Lösung  von 
Salicin  Schimmelbildung  eintritt,  spaltet  sich  dieses  in  Saligenin  und  Zucker  (89). 
Saligenin  wird  femer  aus  dem  Salicylaldehyd  durch  Behandlung  mit  Natrium- 
amalgam  und  Wasser  erhalten  (90).  Es  lässt  sich  synthetisch  durch  anhaltendes 
Erhitzen  von  Phenol  mit  Methylenchlorid  und  concentrirter  Natronlauge  auf  1(W 
darstellen:     CßH^OH  H-CR^Cla  -+-  2NaOH  =  C7H8OJ  -h  2NaCl  -h  H3O  (91)- 

Darstellung.  50  Thle.  gepulvertes  Salicin  werden  mit  100  Thlen.  Wasser  angerieben 
iHifr  mit  *]  Thln.  Mandel-Emulsin  versetzt.  Man  erwärmt  auf  40",  lässt  die  Lösung  10— 12  Stun- 
(Wn  in  j^i;Hnder  Wärme  stehen,  sammelt  dann  den  schon  herauskrystallisirten  Antheil  des  Sau- 
ge 11  ins  uml  entzieht  der  Fltissigkeit  den  Rest  desselben  mittelst  Aether  (88).  Das  Saligenin  wird 
schliL'^sHch  durch  Umkrystallisiren  aus  Benzol  gereinigt  (92). 

Perlmutterglänzende,  rhombische  Tafeln  oder  kleine  Rhomboeder,  in  ungefähr 
i:'i  Thlen.  Wasser  von  23°,  fast  in  jedem  Verhältniss  in  siedendem  Wasser  lös- 
iiclu  sehr  leicht  löslich  auch  in  Alkohol  und  Aether  (88).  Bei  18°  bedarf  es 
^22  Thle.  Benzol  zur  Lösung,  in  Siedhitze  viel  weniger.  Spec.  Gew.  1-1613  bei 
^5^  (92)»  Es  schmilzt  bei  82°  und  beginnt  schon  bei  100°  zu  sublimiren.  An- 
haltendes Erhitzen  auf  140—150°  verwandelt  es  in  Saliretin.  Ebenso  wirken  in 
der  Wärme  Kalilauge,  verdünnte  Mineralsäuren,  Essigsäureanhydrid  u.  s.  w. 
Concentrirte  Schwefelsäure  löst  das  Saligenin  mit  intensiv  rother  Farbe.  Durch 
KtseiKhlond  wird  seine  wässrige  Lösung  tief  blau  geförbt.  Durch  Oxydations- 
mittel, wie  verdünnte  Salpetersäure,  Chromsäure,  Silberoxyd,  schmelzendes  Aetz- 
kali,  Platinmohr  wird  es  in  Salicylaldehyd  resp.  Salicylsäure  übergeführt.  Beim 
Kuclien  mit  Mangansuperoxyd  und  verdünnter  Schwefelsäure  entstehen  nur 
AnitiisLnisäure  und  Kohlensäure.  Chlorgas  fällt  aus  wässriger  Saligeninlösung 
Trichlurphenol.  —  Im  Organismus  geht  das  Saligenin  in  Salicylursäure  über  (93). 

Mvt  all  Verbindungen.  Wässrige  Saligeninlösung  wird  durch  Metallsalze  nicht  gef&llL 
Trägt    m^ti  Natrium    in    eine  Lösung  von   Saligenin   in  absolutem  Aether  ein,  so  scheidet  sich 


•'■•:'■  :^i 

Ben^ylverbindungcn.  239  :*! 

unter  WasserstofFentwicklung  eine   Natriumverbindung  als   weisser  Niederschlag  ab,   der  in  ^ ^| 

Wasser  und  Alkohol   leichl  löslich  ist  und  durch  Kohlensäure  zersetzt  wird.     Eine  Lösung  von  ;  /^j 

Saligenin  in  Barytwasser  hinterlässt   beim  Verdunsten   im  Vacuum  wawellitartige  Krystalle  einer  v     r  , 

Bari  um  Verbindung  (92).  '  ''•  ij 

Aether.     Methyl-Saligenin,  CHj-O-CgH^- CHj(OH),  entsteht,  wenn  eine  mit  der  be-  ''■''■■ 

rechneten  Menge  Kaliumhydroxyd  versetzte  Lösung  von  Saligenin  in  Methylalkohol  mit  Methyl- 
jodid  erhitzt  wird.  Oelige  Flüssigkeit,  die  erst  in  einem  Gemisch  von  Aether  und  fltissiger 
Kohlensäure  glasig  erstarrt.     Spec.  Gew.   M20  bei  23^,   1.0532  bei  100''.    Siedep.  247-50(94). 

Als  das  mit  diesem  Phenoläther   isomere  Aetherphenol,   HO- CgH^ »0113(0 CHj),  ist  an-  1  *^' 

scheinend  das  Caffeol,  CgH^pO.^  zu  betrachten,  welches  neben  Caffein,  Essigsäure,  festen  Fett-  ^ 

säuren,  Kohlensäure  und  kleinen  Mengen  Pyrrol,  Hydrochinon,  Methylamin  und  Aceton  beim 
Rösten  der  Kaffebohnen  auftritt.  Es  ist  ein  angenehm  nach  Kaffee  riechendes  Oel,  bei  195  bis 
197^  siedend,   in   einem  Kältegemisch  nicht  erstarrend,   et%vas  löslich  in  heissem  Wasser,  leicht  .:  ', 

löslich  in  Alkohol  und  Aether,"  schwer  in   concentrirter  Kalilauge.     Eisenchlorid  färbt  die  alko-  .»* 

holische  Lösung  roth.      In  der  Kalischmelze  entsteht  Salicylsäure  (98). 

Aethyl-Saligenin,  CjHj- O.C5H^-CHj(OH).  Aus  Saligenin  durch  Erhitzen  mit 
Afthyljodid  und  Kaliumhydroxyd  dargestellt.  Angenehm  ätherisch  riechende,  in  Wasser  unlös- 
liche Flüssigkeit,  bei  0^  erstarrend,  bei  205 ^  siedend.  Eisenchlorid  giebt  keine  Färbung.  Bei 
der  Oxydation  mittelst  Salpetersäure  entsteht  Aethylsalicylsäure  (99). 

Chlorsaligenin,  CgHjCl (OH) '0112(011),  lässt  sich  aus  dem  Monochlor-  ' 

salicin  durch  Spaltung  mittelst  Emulsin  gewinnen.  Es  krystallisirt  aus  Wasser  in 
rhombischen  Tafeln,  die  auch  in  Alkohol  und  Aether  leicht  löslich  sind.  Eisen- 
chlorid färbt  die  Lösung  blau.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst  die  Verbindung 
mit  intensiv  grüner  Farbe.     Verdünnte  Mineralsäuren  wirken  verharzend  (88). 

Saliretin,C,4Hi405  =  HOC6H4CH2-OC6H4CHaOH.  Durch  Wasser- 
austritt aus  dem  Saligenin  entstehendes  Condensationsprodukt.  Es  wird  aus  dem- 
selben erzeugt  durch  Erwärmen  mit  verdünnten  Mineralsäuren  (88)  oder  mit 
Essigsäureanhydrid  (92),  beim  Behandeln  mit  Phosphorpentachlorid  (92),  beim 
Erhitzen  einer  wässrigen  Saligeninlösung  über  100°  (89).  Es  bildet  sich  auch 
neben  Glycosan  direkt  aus  Salicin,  wenn  dieses  auf  230 — 240°  erhitzt  wird  (loi). 
Darstellung:  s.  (102). 

Gelbliches  Pulver,  löslich  in  Alkohol  und  in  Alkalien.  Aus  der  letzteren 
Lösung  wird  es  niclit  nur  durch  Säuren,  sondern  auch  durch  Kochsalzlösung  ge- 
fällt. Bei  200°  sintert  es  ohne  Wasserverlust  zusammen  und  bräunt  sich.  Durch 
Oxydation  mit  Chromsäure  oder  mit  übermangansaurem  Kalium  werden  weder 
Salicylaldehyd,  noch  Salicylsäure,  nocli  andere  wohlcharakterisirte  Produkte  er- 
halten (102). 

Salireton,  Cj^Hj^Oj.  Diese  Verbindung  entsteht  bei  anhaltendem  Erhitzen  von  Sali- 
genin mit  etwa  dem  gleichen  Gewicht  Glycerin  oder  Mannit  oder  Methylal  aut  100".  Sie  lässt 
sich  aus  dem  durch  viel  kaltes  Wasser  gefällten  Ilarz  durch  siedendes  Wasser  ausziehen  und 
krystallisirt  beim  Erkalten  in  rhombischen  Blättchen  oder  Nadeln.  Schmclzp.  12 1*5°.  Leicht 
löslich  in  Alkalien,  schwer  in  Anmjoniak.  Concentrirte  Schwefelsäure  färbt  das  Salircton  schön 
roth.  Durch  Eisenchlorid  wird  seine  Lösung  nicht  gefärbt.  Beim  Erhitzen  auf  135—140°,  so- 
wie beim  Kochen  seiner  wässrigen  Lösung  wird  das  Salireton  allmählich  in  ein  Harz  C^HgO 
verwandelt  (104). 

2.  Meta-Oxybenzylalkohol,  C6H4(OH)-CH2-OH  (95).  Es  entsteht 
(neben  m-Oxybenzaldehyd)  (96)  bei  Einwirkung  von  Natriumamaigam  auf  Meta- 
oxybenzoesäure  in  schwach  saurer  Lösung.  Weisse  Krystallmasse,  bei  67  ^ 
schmelzend,  gegen  300*^  unter  theilweiser  Zersetzung  siedend.  Leicht  löslich  in 
Alkohol,  Aether  und  heissem  Wasser,  schwer  in  Chloroform.  Die  wässrige 
Lösung    röthet   Lakmus  und  färbt  sich  mit  wenig  Eisenchlorid  violett.     In  der 


r 


240  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Kalischmeke   liefert   der  Alkohol  Metaoxybenzoesäure.     Concentrirte  Salzsüire 
verwandelt  ihn  in  ein  zähflüssiges  Harz. 

Von  den  Essigsäure-Metaoxybenzylestern  (95)  entsteht  die  Verbindung  C5H4(OH)' 
CHgO-C^HjO  beim  Eintragen  des  Oxyalkohols  in  eine  Mischung  von  Eisessig  und  Schwefel- 
säure. Sie  bildet  eine  in  Wasser  unlösliche,  in  Alkohol  und  Aether  leicht  lösliche,  strahlig 
krystaliinische  Masse,  die  bei  55°  schmilzt  und  bei  295 — 302®  unter  theilweiser  Zersctiung 
siedet.     Mit  Eisenchlorid  fUrbt  sie  sich  violett. 

Das  Diacetat,  C6H4(O.CjHjO).CHjO.  CjH,0,  wird  durch  Erhitzen  des  m-Oxybeniyl- 
alkohols  mit  überschüssigem  Essigsäureanhydrid  auf  160®  erhalten.  Gelbliche,  bei  etwa  290* 
dcstjllirendc,  bei  —  18®  noch  nicht  erstarrende,  in  Wasser  fast  unlösliche  Flüssigkeit,  die  sich 
Hill  Eisenchlorid  nicht  färbt.  Schon  durch  kalte,  verdünnte  Kalilauge  wird  sie  vollständig  ver- 
seift (gs).  ^         ^ 

a.  Para-Oxybenzylalkohol,  C6H4(OH)CH,-OH  (97).  Durch  Ein- 
Wirkung  von  Natriumamalgam  und  Wasser  auf  p-Oxybenzaldehyd  dargestellt. 
Aus  heissem  Wasser  krystallisirbar.  Schmelzp.  197*5  **.  Leicht  löslich  in  Alkohol, 
Aether,  schwer  in  Benzol  und  Chloroform.  Eisenchlorid  färbt  vorübergehend  blau. 
Vergl,  Bd.  I,  pag.  663. 

Der  Methyläther  diesesAlkoholsistderAnisalkoholjCHjO-CgH^-CHj-OH. 

Benzylsulfhydrat,  Benzylsulfid,  Benzyloxysulfid,  Benzylsulfonetc. 
s.  unter  jMercaptane«. 

Benzylsulfosäure,  Benzylsulfinsäure  etc.  s.  unter  »Sulfosäuren«. 

Eenzyiselenid,  (C6H5-CH2)2Se  (87).  Man  lässt  fünffach  Selenphosphor 
bei  Luftabschluss  auf  alkoholische  Natronlauge  einwirken  und  kocht  die  so  ent- 
standene, Selennatrium  enthaltende  Lösung  mit  Benzylchlorid.  Die  Verbindung 
krystallisirt  aus  Alkohol  in  langen  Nadeln  oder  Prismen,  leicht  löslich  in  Alko- 
hol und  Aether,  unlöslich  in  Wasser.     Schmelzp.  45*5  ®. 

Das  Bensylselenid  bildet  mit  Säuren  leicht  zersetzliche  Verbindungen,  von  denen  das 
BenxylseLeiiidnitrat  durch  gelindes  Erhitzen  mit  starker  Salpetersäure  erhalten  wird  und 
nus  Alkohol  in  kleinen,  rhombischen,  bei  88®  schmelzenden,  in  Wasser  und  Aether  fast  unlös- 
lichen Kryjit allen  anschiesst.  Das  Benzylselenidchlorid  (?)  wird  aus  der  alkoholischen 
Lösung  düs  Nitrats  durch  Salzsäure  krystallinisch  gefällt.  Er  zersetzt  sich  beim  Umkrystallisireo, 
wobei  £unitchät  gelbe  Nadeln  entstehen.  (Oxychlorid?)  BromwasserstofTsäure  scheidet  aus  der 
alkoholischen  Lösung  des  Nitrats  Selen  ab. 

BenJiylselenid-Platinchlorid,  [(C5H5-CHj)2Se]3 -PtCl^ ,  wird  durch  Platinchlorid 
au&  der  alkoholischen  Lösung  des  Selenids  als  gelbes,  amorphes,  leicht  zersetzliches  Pulver  gefällt 

Benzyldiselenid,  (CeH5*,CH3)Se2  (87).  '  Aus  Benzylchlorid  und  rohem 
Natriumdinelenid  erhalten.  Krystallisirt  aus  heissem  Alkohol  in  geruchlosen, 
strohgelben  Schuppen,  die  sich  am  Sonnenlicht  roth  färben.  Schmelzp.  90°.  In 
Aelher  schwerer,  in  Alkohol  leichter  löslich,  als  das  Monoselenid. 

Bei  längerem  Digeriren  des  Diselenids  mit  überschüssigem  Methyljodid  entsteht  neben  Benzyl- 
jodid  und  Trimethylseleninjodid  das  Benzyldimethylselenintrijodid:  (CgHj'CH,),Sej 
H-{JCHjJ^  C6H5-CHJ  +  (CHj)3SeJ-hC6H5-CH/(CH3)j,SeJ,.  Dasselbe  bUdet.  aus 
heissem  .Vlkuliol  krystallisirt,  schwere,  schwarze,  metallisch  glänzende  Nadeln  von  widri^m  Ge- 
ruch.    Schmelzp.  65°. 

Das  Platindoppelsalz  des  Benzyldimethylselenins,  (CgHj-CHj-(CH,)jSeCl),-PtC\^, 
-bildet  gelbe,  mikroskopische,  quadratische  Blättchen. 

Bcnzylselenige  Säure,  CgHsCHjSeOjH  (87).  Produkt  der  Oxydatioii 
von  ßenzyldiselenid  durch  starke  Salpetersäure.  Schöne,  flache  Prismen  von 
schwachem  Geruch,  wenig  löslich  in  kaltem,  leicht  in  heissem  Wasser  und  in 
Alkohol,  fast  unlöslich  in  Aether.  Schmelzp.  85®.  Die  Verbindung  reagirt  stark 
sauer  vind  treibt  Kohlensäure  aus  deren  Salzen  aus. 


Benzylverbindungen.  241 

Salze.  Ammoniak-,  Natrium-  und  Barium  salz  sind  sehr  leicht  löslich.  Das  Blei- 
salz ist  ein  unlösliches  Pulver.  Das  Silbersalz  wird  als  käsiger  Niederschlag  erhalten,  der 
aus  sehr  viel  heissem  Wasser  in  haarfeinen,  ver61zten  Nadeln  krystallisirt. 

Benzylamine.  Von  den  Aminbasen  des  Benzyls  wurde  zuerst  das  Tribenzyl- 
amin  1856  von  Cannizzaro  durch  Einwirkung  von  alkoholischem  Ammoniak 
auf  Benzylchlorid  dargestellt  (65).  Später  wies  derselbe  nach,  dass  bei  dieser 
Reaction  alle  drei  Aminbasen:  Benzylamin,  CgHs-CH^-NH,,  Dibenzylamin, 
(CgH5.CHa)3NH,  und  Tribenzylamin,  (CßH5-CHi)3N,  entstehen  (106).  Die 
Ammoniumbase  bildet  sich  nicht  auf  diese  Weise  und  ist,  wenigstens  im  freien 
Zustande,  überhaupt  nicht  bekannt.  Wenn  das  Ammoniak  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  auf  Benzylchlorid  einwirkt,  so  entsteht  verhältnissmässig  viel  Benzyl- 
amin, während  beim  Erhitzen  im  Wasserbad  wesentlich  Tribenzylamin  neben 
wechselnden  Mengen  von  Dibenzylamin  und  nur  sehr  wenig  Benzylamin  gebildet 
wird. 

DieMethoden  zurTrennung  dergleichzeitig  entstandenen  drei  Basen  (107, 108,82) 
benutzen  die  verschiedene  Löslichkeit  ihrer  salzsauren  Salze  in  Wasser  oder  in 
Alkohol.  Das  salzsaure  Tribenzylamin  ist  in  beiden  Lösungsmitteln  weitaus  am 
schwersten,  das  Benzylaminsalz  am  leichtesten  löslich. 

Benzylamin,  CßH^-CHj-NHj.  Zuerst  1862  von  Mendhjs  (109)  durch  Be- 
handlung von  Benzonitril  in  alkoholischer  Lösung  mit  Zink  und  Salzsäure  darge- 
stellt. Das  aus  Benzonitril  darstellbare  Thiobenzamid  liefert  bei  derselben 
Behandlung  ebenfalls  Benzylamin  (iio).  Ausserdem  entsteht  die  Base,  vde  oben 
angegeben,  bei  Einvdrkung  von  alkoholischem  Ammoniak  auf  Benzylchlorid, 
femer  bei  der  Zersetzung  des  Cyansäurebenzyläthers  durch  Kaliumhydroxyd  (106), 
beim  Erhitzen  von  Benzylacetamid  mit  alkoholischer  Kalilauge  (m),  sowie  bei 
der  trocknen  Destillation  des  Cyansäurebenzylesters  und  Versetzen  des  zum  Theil 
erstarrenden  Destillats  (Benzylamin  und  benzylcarbaminsaures  Benzylamin)  mit 
Salzsäure  (128).  Für  die  praktische  Gewinnung  eignen  sich  besonders  die  drei 
letzten  Methoden  (82,  iii,  128).  Das  Benzylamin  ist  eine  bei  185°  siedende, 
stark  alkalische  Flüssigkeit  vom  spec.  Gew.  0*990.  Es  ist  mit  Wasser,  Alkohol 
und  Aether  mischbar,  wird  aber  durch  Natronlauge  aus  seiner  wässrigen  Lösung 
abgeschieden.    Es  zieht  aus  der  Luft  rasch  Kohlensäure  an. 

Salse.  Salzsaures  Benzylamin  krystallisirt  aus  Alkohol  in  sehr  schönen,  grossen 
quadratischen  Tafeln,  die  bei  240  ®  schmelzen  und  in  Wasser  sehr  leicht  löslich  sind. 

Platindoppelsalz,  (CyH^-NH,-HCl)jRCl4.  In  heissem  Wasser  ziemlich  leicht  lös- 
licher und  daraus  in  schönen,  orangefarbenen  Tafeln  krystallisirender  Niederschlag. 

Golddoppelsalz.     Leicht  lösliche,   goldgelbe  Nadehi. 

Ein  Quecksilberdoppelsalz  scheidet  sich  aus  alkoholischen  Lösungen  von  Quecksilber- 
chlorid und  salzsaurem  Salz  in  Nadeln  aus. 

Bromwasserstoffsaures  B.  Sehr  leicht  löslich,  in  Blättern  krystallisirend,  aus  alko- 
bohscher  Lösung  durch  Aether  krystallinisch  föllbar. 

Schwefelsaures  B.     Leicht  lösliche,  derbe,  durchsichtige  Krystalle. 

Kohlensaures  B.     Krystallinisch. 

Cyanbenzylamin,  (C(Hj*CH,-NH2)y(CN),  (82),  scheidet  sich  allmählich  aus,  wenn 
Cjangas  in  eine  kalt  gehaltene  Benzylaminlösung  geleitet  wird.  Farblose,  glänzende  Krystalle, 
onlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Alkohol  und  Aether.  Schmp.  140".  Durch  Zusatz  von  Salz- 
sitire  zur  alkoholischen  Lösung  wird  das  Salz,  (CgH5-CH,-NH,),(CN),-2Ha,  in  seideglänxenden 
Nadeln  aasgeschieden.  Es  ist  löslich  in  Alkohol  und  in  Wasser.  Mit  Platinchlorid  liefert  es 
ein  krystallinisches  Doppelsalz. 

Substitutionsprodukte.    p-Chlorbenzylamin,  CgH^Cl'CH,'NH,  (112,23).    Aus 
Ladbkbusg,  Cbemie.    IL  16 


2#1  Handwörterbuch  der  Chemie. 

ämn  p'Chtorhenzylbromid  durch  Ammoniak  gewonnen.  Farblose  Flüssigkeit.  Das  salz  saure 
S  Alf  bildet  leichtlösliche,  kleine  Nadeln,  die  bei  239— 244°  schmelzen  (23).  Sein  Platin- 
doppelsAlz  krystallisirt  in  mikroskopischen  Blltttchen,  ziemlich  leicht  löslich  in  Wasser  nnd 
Alkohol  (iia).  Das  bromwasserstoffsaure  Salz  schmilzt  bei  225— 230^  das  in  Tafeln 
kiystalHsirende  kohlensaure  Salz  bei  114 — 115®  (23). 

s     1 
O'Bxombenzylamin,    CgH^Br'CHj-NHj    (36).      Oelartige    Flüssigkeit.      Das    salz- 

satire  Snli  schmilzt  bei  208 °  und  liefert  eine  in  orangegelben  Nadeln  krystallisirende,  schwer 
löbliche  Platin  Verbindung.  Das  kohlensaure  Salz  bildet  in  Wasser  und  Alkohol  lösliche 
Kiysiallt;,  die  bei  95°  schmelzen. 

p-Jodbenzylamin,  C^HJ-CHj-NH,  (39),  flüssig.  Salzsaurcs  Salz:  Bei  240^ 
schmLUf^ndc,  leicht  lösliche  Nadeln.    Kohlensaures  Salz:    Krystallinisch,  bei  113°  schmelzend. 

Dibenzylamin,  (C6H5CH3)3NH,  kann  aus  den  Produkten  der  Einwirkung 
von  alkoholischem  Ammoniak  auf  Benzylchlorid  isolirt  werden  (106,  82).  Es 
entsteht  aus  dem  salzsauren  Tribenzylamin  neben  Benzylchlorid  beim  Ueber- 
leiten  von  trocknem  Salzsäuregas  bei  250°,  neben  Benzaldehyd  beim  Erhitzen 
des  Tribenzylamins  mit  Wasser  und  Brom  oder  Jod  (108). 

Farbloses,  dickflüssiges  Oel  vom  spec.  Gew.  1033,  unlöslich  in  Wasser, 
leicht  lüsHch  in  Alkohol  und  Aether.  Es  zieht  aus  der  Luft  keine  Kohlensäure 
an.  Nabe  über  300°  destillirt  es  z.  Th.  unverändert,  zerfallt  aber,  namentlich 
bei  langsamer  Destillation,  grösstentheils  in  Toluol,  Stilben,  Dibenzyl,  Lophin, 
Ammoniak  und  zwei  nicht  flüchtige  Basen  (113). 

Durch  dieselben  Reactionen,  durch  welche  das  Dibenzylamin  aus  dem  Tri- 
benzylamin entsteht,  lässt  es  sich,  wenn  auch  schwieriger,  in  Benzylamin  über- 
führen (ioS).  Umgekehrt  wird  aus  Benzylamin  durch  Benzylchlorid  leicht  Di- 
benzylamin und  aus  diesem  Tribenzylamin  gebildet 

SaliEe  (108).  Salz  saures  Dibenzylamin.  Flache  Prismen  oder  Blätter.  Schmelz- 
punkt  256°»  Platindoppelsalz:  Orangefarbene,  concentrisch  vereinigte  Nadeln,  in  heisscm 
Wasser  und  Weingeist  leicht  löslich. 

Bromwasserstoffsaures  Salz.  Grosse,  perlmutterglHnzende  Blätter.  Schmp.  266®. 
Jodwasserstoffsaures  Salz.  Lange,  flache  Prismen.  Schmp.  224®.  Salpetersaures 
Sälx.  Schwerer  löslich  als  die  anderen  Salze,  durch  Salpetersäure  aus  den  concentrirten 
LöüUDgen  fällbar.     Flache  Prismen  oder  Nadeln.     Schmp.   186®. 

Nitrosodibenzylamini  (CgH5'CHj)2N*NO  (114),  durch  Kochen  einer  concentrirten 
iilkoliolischL'ii  Lösung  von  Tribenzylamin  mit  ^  Vol.  rother  Salpetersäure  dargestellt;  (CgHs* 
CHi)aN  +  NO,H«=(CeHj-CHj),N  NO -h  CßHs'CHO.  Das  allmählich  krystallinisch  er- 
starrende Produkt  wird  mit  Wasser  gewaschen  und  aus  Alkohol  oder  Aether  krystallisirt.  Farb- 
}o&e,  quadr;i tische  Tafeln.  Schmp.  52®.  Nicht  basisch.  Bei  der  Behandlimg  mit  Natriuxnamal- 
gjiin  und  Wasser  oder  mit  Zinn  und  Salzsäure  entsteht  Dibenzylamin:  (CgH5'CH,),N-NO -+- 
3H,  ^  (C,Hj-CH,)2NH4-NHj  +HjO.  Ebenso  wird  beim  Erhitzen  der  Verbindung  in  Salx- 
säurega^  od^r  bei  Einwirkung  von  Salzsäure  auf  ihre  alkoholische  oder  ätherische  Lösung  salz- 
^ures  Dibenzylamin  erzeugt. 

Sub:^titutlonsprodukte.  D urch  Erhitzen  von  rohem  Monochlorbenzylchlorid  mit  alko- 
bolischom  Ammoniak  auf  100°  erhielt  Berlin  (112)  ausser  salzsaurem  Trichlortribenzylamtn 
die  Salze  von  angeblich  vier  verschiedenen  Modificationen  von  Dichlordibenzylamin. 
{C^H^C1'CH^),-NH.     Aus    reinem  p-Chlorbenzylchlorid    erhält  man  nur  das  Di-p-Chlordi- 

beniylamitt,  (CgH4Cl-CH,)j'NH  (23)  (Berlin's  a-Modification).  Es  bildet  Krystalle,  die 
bei  29^  schmelzen.  Das  salzsaure  Salz  krystallisirt  aus  Weingeist  in  schwer  löslichen 
Bmttchen.  Es  schmilzt  bei  288— 289^  Platindoppelsalz:  In  kaltem  Wasser  und  Alkohol 
fus,K  UTiLü^lichc,  hellgelbe  Schuppen.  Das  schwer  lösliche  bromwasserstoffsaure  Salx  krystal- 
lisirt in  Nadeln,  die  bei  283—290®  schmelzen. 

s      1 
Di-ü*Bromdibenzylamin,  (C5H4Br-CH2)jNH  (36),  Rhombische  Krystalle.     Schmelz- 


'<.-^ 


'"■'i 


Benzylverbindungep.     .  243 

ptinkt  36^.  Das  salzsaure  Salz  bildet  in  kaltem  Wasser  schwer,  in  Alkohol  leichter  lösliche 
Nadeb,  die  bei  166^  schmelzen.  Sein  Platindoppelsalz  ist  ein  gelber,  kaum krystallinischer 
Niederschlag.  \J 

Di-p-  (?)  Bromdibenzylamin  (114).     In    mireinem   Zustande    durch   Einwirkung  von  *  ;^ 

Brom  auf  Nitrosodibenzylamin  erhalten.  -^  -^ 

Di-p-Joddibenzylamin,  (CjH4J*CH,),NH  (39).     Aus  p-Jodbenzylbromid  durch  Am-  '^ 

rooniak  neben   Tri-p-Jodtribenzylamin  erhalten  und  von  letzterem  vermöge  seiner  grösseren  Lös-  '    ■'] 

lichkeit  in    heissem  Alkohol    trennbar.     Bei  76®  schmelzende  Nadeln.     Das    salzsaure    Salz    ' 
ist  in  Wasser  fast  unlÖsHch^  schwer  löslich  in  Alkohol  und  Benzol,  leicht  in  Schwefelkohlenstoff 
und  Eisessig.     Seine  Platin  Verbindung  ist  hellgelb,  krystallinisch,  fast  unlöslich. 

4  1  *    T 

Di-p-Nitrodibenzylamin,  [C5H4(NO,)CH,],'NH  (28),  entsteht  beim  Erhitzen  von 
p-Ifitrobenzylchlorid  mit  wässrigem  Ammoniak  auf  100®  (neben  Trinitrotribenzylamin,  welches 
beim  Behandeln  des  Produktes  mit  heiss.er,  verdünnter  Salzsfture  ungelöst  bleibt).  Es  krystallisirt 
aus  Alkohol  in  grossen,  gelblichen  Blättern.  Schmp.  93®.  Das  salz  saure  Salz  bildet 
glänzende,  gelbliche  Säulen,  bei  212®  schmelzend,  in  heissem  Wasser  und  Alkohol  schwer  lös- 
Hch.     Sein  Platindoppelsalz  krystallisirt  in  kleinen,  hellgelben  Nadeln. 

Aus  der  Mutterlauge  des  salzsauren  Salzes  wurde  das  leicht  lösliche,  in  Warzen  kiystalli- 
sirende  Salz  eines  zweiten  Dinitrodibenzylam ins  erhalten.  Die  daraus  abgeschiedene  freie 
Base  schmolz  erst  über  100®. 

Di-p-Amidodibenzylamin  [CgH^(NH3)CH,]jNH  (28).  Durch  Reduction  der  vorigen 
Verbindung  mit  Zinn  und  Salzsäure  erhalten.  Atlasglänzende  Nadeln,  in  der  Wärme  sowohl  in 
Wasser  wie  in  Alkohol  und  Aether  löslich.  Schmp.  106°.  Unzersetzt  destillirbar.  Mit  Wasser- 
dimpfen  nicht  flüchtig.  Das  salzsaure  Salz,  [CsH4(NH,)CH,],NH*dHa,  bildet  glänzende 
Blättchen,  in  Wasser  leicht,  in  Salzsäure  schwerer,  in  Alkohol  und  Aether  nicht  löslich.  Sein 
Platindoppelsalz  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  grossen,  rothgelben,  spiessigen  Nadeln. 
Das  salpetersaure  und  das  schwefelsaure  Salz  bilden  atlasglänzende,  leicht  lösliche 
Nadeln. 

Tribenzylamin,  (CeH5*CHj)3N,  Hauptprodukt  der  Einwirkung  von  alko- 
holischem Ammoniak  auf  Benzylchlorid  bei  100°  (65).  Grosse  Blätter  oder 
derbere  monokline  Tafeln  (115).  Unlöslich  in  Wasser,  schwer  löslich  in  kaltem, 
leicht  in  heissem  Alkohol  und  in  Aether.  Schmp.  91*3°.  Nur  in  kleineren 
Mengen  2.  Th.  unverändert  destillirbar.  Wesentlich  zersetzt  sich  die  Base  bei 
der  Destillation  unter  Bildung  derselben  Produkte,  die  aus  dem  Dibenzylamin 
entstehen  (113).  Aus  den  halogenwasserstoffsauren  Salzen  entsteht  bei  der 
trocknen  Destillation  wenig  Toluol;  im  harzigen  Rückstand  ist  Lophin  ent- 
halten /^ii4).    Ueber  die  Umwandlung  in  Dibenzylamin  s.  d. 

Die  Salze,  welche  meistens  sehr  gut  krystalliren  (108),  sind  von  Panebianco  krystallo- 
graphisch  untersucht  worden  (115).  Salzsaures  Salz.  Hexagonal.  Wenig  löslich  in  kaltem 
Wasser,  leichter  in  Alkohol.  Platindoppelsalz.  Kleine,  orangerothe,  monokline  Prismen. 
Bromwasserstoffsaures  Salz.  Bei  208^  schmelzende  Prismen  (114).  Das  Tribromid, 
(CjH,*CH,),N-HBr-Br,  (108),  entsteht  bei  der  Einwirkung  von  Brom  auf  eine  ätherische 
Lösung  des  Tribenzylamins  als  gelber,  amorpher  Niederschlag,  der  beim  Kochen  mit  Wasser  in 
Benzaldehyd,  Dibenzylamin  und  Brom  Wasserstoff  zerfallt.  Jodwasserstoff  saures  Salz.  Bei 
178^  schmelzende  Prismen.  Salpetersaures  Salz.  Rhombische  Krystalle,  in  Wasser  und 
Aether  unlöslich,  in  Alkohol  schwer  löslich.  Bei  120^  unter  Zersetzung  schmelzend  (115).  Bei 
220—340  ®  liefert  es  als  Zersetzungsprodukte  Toluol,  Nitrotoluol,  Benzaldehyd  und  Dibenzylamin 
(114).  Schwefelsaures  Salz.  Monokline  Krystalle,  löslich  in  Alkohol,  unlöslich  in  Wasser 
und  Aether;  bei  106 — 107®  unter  beginnender  Zersetzung  schmelzend.  Tribenzylamin- 
Alann,  Al,[(CyH,),N],(SOJ^-|-24H,0(ii5).  Regulär.  Löslich  in  Wasser,  nicht  in  Alkohol. 
Sdmiilzt  bei  110®  im  Krystallwasser  und  zersetzt  sich  schon  bei  120®. 

Sttbstitutionsprodukte:  Tri-p-Chlortribenzylamin,  (C0H4C1*CH|),N  (112,23). 
KiyttaDisirt  aus  Alkohol  in  schönen  rhombischen  Prismen.    Schmp.  78.5®  (23).    Das  salzsaure 

.6'  I 


^44  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Sali  (2H,0)    ist  unlöslich  in  Wasser,    löslich  in  Alkohol,    woraus    es    in    grossen,    bei  196^ 
schmeUenden  RhomboMem  krystallisirt 

3  1 

Tri*o*BroDQtribenrylamin,    (C6H4Br-CHj),N  (36).  Fast    unlöslich  in   Wasser  und 

AlkoHot,   leicht  lödich  in  Aether,  Bensol  und  heissem  Ligroin.  Schmp.  122^. 

4  1 
Tri-p-BromtTibenzylamin,    (CgH^Br*CHj)jN  (61).  Hauptprodukt    der    Einwirkung 

von  Amitioniiik   auf  p-Brombenzylbromid.     Nadeln  oder  Prismen.     Unlöslich  in  Wasser,    löslich 

in  Aether  tind  Alkohol.     Schmp.  78 — 79®.     Das  bromwasserstoffsaure  Salz  bildet  kleine 

Schuppen  f    die    bei    etwa  270®  schmelzen.     Es  ist  unlöslich  in  Wasser,    kaum  löslich  selbst  in 

siedendem  Alkohol,  aber  leicht  löslich  in  Aether. 

Trt-p-Jodtribenzylamin,  (C6HJ*CH3)jN  (39),  krystallisirt  aus  Aether  in  farblosen 
Njidjcln  von  angcnelimem  Geruch,  unlöslich  in  Wasser  und  kaltem  Alkohol,  fast  unlöslich  in 
hei»sem  Alkohol,  löslich  in  Aether,  Benzol  und  Schwefelkohlenstoff.  Es  verbindet  sich  nicht 
mit  Salisäure.  Mit  Pladnchlorid  aber  giebt  die  ätherische  Lösung  der  Base  die  Platinver- 
bindung,  [(CcHJCH,)3N-Ha],PtCl4,  welche  gelbe,  in  Wasser  und  Alkohol  fast  unlösliche 
Nadeln  bildet, 

Tri-p-Nitrotribenzylamin,  (CgH^(NO,)'CH2)jN  (28).  Durch  Einwirkung  von  Am- 
monimk  auf  p-Mtrobenzylchlorid,  sowie  durch  Erhitzen  von  Dinitrobenzylamin  mit  alkoholischer 
NitTobcDzylchlondiö^ung  dargestellt.  Es  krystallisirt  aus  heissem  Eisessig  in  Nadeln,  die  sich 
nicht  in  Wa^strr  und  Aether,  nur  sehr  wenig  in  heissem  Alkohol  lösen  und  bei  163®  unter  Ent- 
wickJujig  ein  ES  angt^  nehmen  Geruches  schmelzen.  Die  Verbindung  besitzt  keine  basischen 
Eigenschaflen  mehr^ 

Tri-p*AniidotTibenzylamin,  (CgH^(NHj)'CH,),N  (28),  entsteht  aus  der  vorigen 
Verbindung  durch  nicht  zu  lange  fortgesetzte  Einwirkimg  von  Zinn  und  Salzsäure.  (Bei  zu 
langer  Ein  wirk  ui;g  tritt  Spaltung  in  Amidobenzylamin  und  p-Toluidin  ein).  Diamantglänzende 
Oktaeder,  löslich  m  heissem  Alkohol  und  Aether,  unlöslich  in  Wasser,  anscheinend  unzersetzt 
destillirbar,  abi^r  mit  Wasserdämpfen  nicht  flüchtig.  Schmp.  136®.  Das  salzsaure  Salz  bildet 
gelbe  Krystallnadelii,  in  Wasser,  Salzsäure  und  Alkohol  äusserst  leicht  löslich.  Es  giebt  ein 
geLheSt  amorphem  Pintlndoppelsalz. 

Tetrabenzylammoniumchlorid,  (CßHj' C  112)4 NCl  (?).  Bei  der  Destilla- 
tion von  Di-  oder  Tribenzylamin,  bei  welcher  Toluol,  Dibenzyl  und  Stilben  über- 
geben^ bleibt  ein  nicht  flüchtiger  Rückstand,  aus  dessen  alkoholischem  Auszug 
nach  2^usatz  von  Salzsäure  ein  in  concentrisch  gruppirten,  quadratischen  Säulen 
kry stall isirendes,  bei  230°  schmelzendes  Salz  erhalten  wurde.  Dieses  Salz  scheint 
das  Chlorid  der  nicht  bekannten  Benzylammoniumbase  zu  sein  (113). 

Gemischte  Benzylamine  entstehen  durch  Einwirkimg  von  Alkyljodiden 
auf  Benzyl-  oder  Dibenzylamin,  sowie  durch  Einwirkung  von  Benzylchlorid  auf 
Alkylamine^  resp.  Aniline: 

DiäthylbeoKylamin  (CyHyXCjHji)^^  Das  jodwasserstoffsaure  Salz  bildet 
sich  lieben  demjenigen  des  Benzyläthylamins  und  Benzyltriäthylammoniumjodid 
beim  Erhitzen  von  Benzylamin  mit  Aethyljodid  auf  130°  (116).  Die  Base  wurde 
auch  aus  Benzylchlorid  und  Diäthylamin  bei  100°  gewonnen -(i  1 7).  Sie  ist  ein 
farbloses  Oel     Sicdep.  211—212°  (corrig.). 

Trtäthylbenzylammoniumchlorid,  (C7H7)(C2H5)5NC1  (116).  Durch  Er- 
hitzen von  Benzylchlorid  mit  Triäthylamin  auf  100°  dargestellt.  Leicht  lösliche 
krystallinische  Masse,  Bei  der  trockenen  Destillation  spaltet  sich  die  Verbindung 
glatt  in  Benzylchlorid  und  Triäthylamin. 

Da*  Jodid,  (C^Ht)(CjHj),NJ  (116,  117),  hat  man  einerseits  aus  dem  Chlorid  durch  Be- 
handeln tnit  Jüdwasstrstoffsäure  und  Silberoxyd,  andererseits  aus  Diäthylbenzylamin  und  Aethyl- 
jodid dargestellt  t  uni  nach  genauer  Vergleichung  der  nach  diesen  verschiedenen  Methoden  ge- 
%'onntntT*  SoUstaiiien    »us    ihrer  Identität    oder  Verschiedenheit    auf  die  Gleichwerthigkeit  od« 


BenEylverbindungen.  245 

Ungleichwerthigkeit  der  fUnf  Stickstof!verbindungen  zu  schliessen.  Ladenburg  (116,  118)  fand, 
dass  das  aas  Benzylchlorid  und  Triäthylamin  gewonnene  Jodid  verschieden  sei  von  dem  aus 
Diätbylbenzylamtn  und  Aethyljodid  dargestellten,  sich  aber  leicht  in  dieses  letztere  umwandle. 
Nur  das  erstere  Jodid  zerfiel  beim  Kochen  mit  JodwasserstofTsäure  in  Benzyljodid  und  jod- 
wasserstofisaures  Triäthylamin.  v.  Meyer  (117,  119)  wollte  hingegen  die  Identität  beider  Jodide 
erweisen.  Mit  alkoholischer  Jodlösung  bildet  das  Jodid  ein  Perjodid,  (C7H7){C,H5)jNJ,, 
welches  in  schwarzblauen,  metallisch  glänzenden,  bei  87^  schmelzenden,  monoklinen  Prismen 
bystallisirt  und  in  seinen  Eigenschaften  nicht  von  der  Darstellungsweise  des  Jodids  beeinflusst 
wird.  Ebenso  erhält  man  aus  dem  Jodid  von  dieser  oder  jener  Bereitung  ein  anscheinend  nicht 
verschiedenes  pikrinsaures  Salz,  welches  aus  heissem  Wasser  in  hübschen  gelben,  unter 
lOO*'  schmelzenden  Nadeln  krystallisirt  (116). 

Glyoxalinbenzylchlorid,  C3H3N2(C7H7)-C7H7C1  (120),  wurde  durch 
Kochen    von  Glyoxalin    mit   Benzylchlorid    erhalten:     CjüsN-NH-i- 2C7H7CI 

Sein  Platindoppelsalz,  (Ci7HiyN2Cl)jPtCl4,  ist  ein  gelber,  flockiger  Niederschlag» 
unlöslich  in  Alkohol,  Aether  und  kaltem  Wasser,  aus  heissem  Wasser  in  schönen,  perlmutter- 
glänzenden,  gelben  Blättchen  krystallidrend. 

Benzylanilin  (Phenylbenzylamin),  (C6H5)(C6H5-CHj)NH,  entsteht  beim 
Erhitzen  von  1  Mol.  Benzylchlorid  mit  2  Mol.  Anilin  auf  160*^  (121).  Es  wurde 
auch  aus  dem  Thiobenzanilid,  CgHj-CS-NH-CßHg,  durch  Behandeln  mit  Zink- 
staub und  Salzsäure  oder  mit  Natriumamalgam  erhalten  (122).  Die  Base 
krystallisirt  aus  heissem  Weingeist  in  vierseitigen  Prismen.  Schmp.  33  ^.  Siedep. 
über  3100. 

Den  Salzen  wird  durch  Wasser  ein  Theil  der  Säure  entzogen.  Das  salzsaure  Salz 
krystallisirt  in  Blättchen,  die  bei  197®  schmelzen.  Sein  Platindoppelsalz  bildet  in  Wasser 
ziemlich  leicht  lösliche,  gelbrothe  Blättchen  (122). 

Eine  Cadmiumverbindung,  CjjHjjNCdCl,,  krystallisirt  aus  heissem  Alkohol  in 
bttschelförmig  vereinigten  Nadeln. 

Oxalsaures  Salz.     Bei  155°  schmelzende  Blättchen  (121). 

p-Nitrobcnzylanilin,  C5H4(NO,).CH3,*NH-CgH5  (28),  entsteht  beim  Erhitzen  von 
p-Nitrobenzylchlorid  mit  Anilin.  Sein  salzsaures  Salz  lässt  sich  vermöge  seiner  Schwerlöslichkeit 
von  demjenigen  des  Anilins  leicht  trennen.  Die  durch  Natronlauge  daraus  abgeschiedene  Base 
kiystallisirt  aus  heissem  Alkohol  in  goldgelben  Nadeln.  Schmp.  68®.  Das  salzsaure  Salz 
krystallisirt  aus  heisser  Salzsäure  in  Blättchen,  die  durch  Wasser  zersetzt  werden.  Sein  Platin- 
doppelsalz  bildet  in  Wasser  lösliche,  braune,  gläiuende  Blättchen. 

p-Amidobenzylanilin,  CgH4(NH3)-CH,*NHC8H5  (28).  Durch  kurze  Einwirkung  von 
Schwefelammonium  bei  100®  aus  der  vorigen  Verbindung  entstehend,  wird  durch  Natronlauge 
aas  seinem  salzsauren  Salz  in  seideglänzenden  Schuppen  ausgeschieden,  die  sich  an  der  Luft 
röthen.     Löslich  in  Wasser,  Alkohol,  Aether  und  Benzol.     Schmp.  88®. 

Dimethylphenylbenzylammoniumhydroxyd,  (CH,)^ -(0^115X07117) 
NOH  (123).  Das  Ohlorid  dieser  Base  entsteht  durch  Einwirkung  von  Dime- 
thylanilin  auf  Benzylchlorid  in  der  Kälte.  Es  krystallisirt  in  leicht  löslichen 
Tafeln,  die  bei  110°  schmelzen.  Bei  der  trockenen  Destillation  zerfällt  es  in 
Benzylchlorid  und  Dimethylanilin.  Findet  die  Zersetzung  des  Ohlorids  im  ge- 
schlossenen Rohr  unter  Druck  bei  220—230°  statt,  so  entstehen  durch  moleku- 
lare Umlagenmg  die  Salze  verschiedener  tertiärer  Basen,  anscheinend  hauptsäch- 
lich von  (C6H5.0HjOeHJ(OH3)8N  oder  von  (OHjOeH^XOeHs-OHjXOH,)^ 

Das  Chlorid  wird  weder  von  Alkalien  noch  von  Silberoxyd  angegriffen,  durch 
schwefelsaures  Silber  aber  leicht  in  das  schwefelsaure  Salz  übergeführt,  aus 
welchem   durch  Barytlösung    die    freie    Base   gewonnen   wird.     Ihre    Lösung 


r  ;  ^  V  346  Handwörterbach  der  Cliemie. 

^ .  '  lunterlässt  im  Vacuum  eine  S3rrupdicke,  stark  alkalische  Masse,  die  isich  bei  der 

!*:;;  trockenen  Destillation  glatt  in  Benzylalkohol  und  Dimethylanilin  spaltet. 

^  \      .  Diphenylbenzylamin,  (CeH5)j(C6H5-CHj)N  (122).     Aus  Thiobenzodi- 

phenylamid,  CßH5«CS-N(CeH5)j,  durch  Behandlung  mit  Zink  und  Salzsäure  er- 
\l  ■]:■  halten.    Lange  Nadeln,  leicht  löslich  in  Aether  und  heissem  Alkohol.     Schmelz- 

c*\,  punkt  87°  (95^  (124).    Es  besitzt  keine  basischen  Eigenschaften.    Beim  Erhitzen 

i"   ■■'  mit  Salzsäure  und  Arsensäure  auf  100^  entsteht  das  salzsaure  Salz  einer  neuen 

>  Base.    Dasselbe  bildet  nach  der  Reinigung  ein  broncefarbenes,  mikrokiystallinisches 

ij  Pulver   und    findet   als   grüner  Farbstoff  Verwendung  (»Viridinc    oder    »AlkaU- 

^V;  grün«)  (125). 

M  Aetbyldibenzylamin,  (CjH5)(C7H7)2N  (108),  durch  Erhitzen  von  Benzyl- 

*  amin  mit  Aethyljodid  und  Alkohol  auf  100^  dargestellt.    Flüssig. 

Diäthyldibenzyljodid,    {C^}^^)^{C^li^\^]    (117),     entsteht    schon    bei 
''  mittlerer  Temperatur  aus  Diäthylbenzylamin  und  Benzyljodid.    Schwer  löslich  in 

\j' ^  kaltem  Wasser.    Aus  siedendem  Wasser  krystallisirt  es  in  schön  diamantglänzen- 

'  •  den  Spiessen.    Mit  concentrirter  Jodwasserstofifsäure  destillirt  entwickelt  es  Ben- 

zyljodid.   Die  freie  Ammoniumbase  wurde  nicht  dargestellt. 
->  EinDibenzyltoluidin,  (CgH5-CH2)2NC6H4-CHj,  ist  durch  Erhitzen  von 

2  Mol.  Benzylchlorid  mit  1  Mol.  Toluidin  auf  100  ^  dargestellt.    Es  krystallisirt 
'    '  aus  heissem  Alkohol  in  sehr  feinen  Nadeln,  die  in  kaltem  nur  wenig  löslich 

sind,  sich  am  Licht  gelblich  färben  und  bei  bb^  schmelzen. 

Das  salzsaure  Salz  und  seine  krystallisirbare  Platinverbindung  werden  durch  Wasser 
sersetzt. 

Dibenzylchrysoidin  (Dibenzyl-Diamidoazobenzol),  CeH5'Nj«CgH,(NH- 
i^  CtHy)^  (126),  entsteht  aus  Benzylchlorid  und  Chrysoidin  bei  100®. 

Methyltribenzylammoniujmhydroxyd,  (CH,)(C7H7)sN'OH. 
'  <  Das  methylschwefelsaure  Salz  dieser  im  freien  Zustande  nicht  darge- 

stellten Base  entsteht  beim  Erhitzen  von  Tribenzylamin  mit  Methylsulfat  und 
Benzol  auf  100®.  Es  krystallisirt  in  sternförmig  gruppirten  Prismen  oder 
Blättchen  (84). 

Das  Platindoppelsalz  der  Base  ist  ein  hellgelber,  höchst  schwer  löslicher  Niederschlag. 

Aethyltribenzylammoniumjodid,  (C2H5)(C7H7)8NJ  (127),  Durch  Er- 
hitzen von  Tribenzylamin  mit  Aethyljodid  erhalten.  In  Alkohol  lösliche,  bei 
190  ^  schmelzende  Krystalle.  Mit  Silberoxyd  liefert  es  nicht  die  freie  Ammonium- 
base, sondern  zerfällt  wieder  in  Tribenzylamin  und  Aethyljodid. 

Benzylacetamid,  CßHs-CHj-NH.CjHjO,  wird  durch  anhaltendes 
Kochen  von  Benzylamin  mit  Eisessig  (82)  oder  zweckmässiger  durch  Einwirkung 
von  Benzylchlorid  auf  Acetamid  (iii)  gewonnen.  Es  krystallisirt  aus  Aether  oder 
Petroleumäther  in  farblosen  Blättchen,  ist  unlöslich  in  Wasser,  sehr  leicht  löslich 
in  Aether  und  Alkohol,  ziemlich  schwer  in  Petroleumäther.  Schmelzpunkt  57*. 
Siedep.  300®.  Wässrige  Alkalien  oder  Säuren  greifen  es  nicht  an;  mit  alko- 
holischer Kalilauge  zerfällt  es  in  Essigsäure  und  Benzylamin,  für  dessen  Dar- 
stellung sich  dieser  Weg  vielleicht  empfiehlt. 

Ein  Nitrobensylacetamid  erhält  man  durch  Nitrirung  des  Benzylacetamids  and  Aus- 
schütteln der  neutralisirten  Flüssigkeit  mit  Aether  (82).    Gelbe,  zerfliessUche  Nadeln  oder  Blätter. 

t  Dibenzyloxamid,  (CeH5-CH,-NH)2-C30,  (82),    entsteht  beim  Kochen 

K^  von   Benzylamin   mit  Oxalsäureester   oder   von  Cyanbenzylamin   mit   Salzsäure. 

^   '  Unlöslich  in  Wasser  und  Aether,  schwer  löslich  in  heissem  Alkohol,  woraus  es 


in  atlasglänzenden  Schuppen  krystallisirt     Schmp.  216° 


\ 


^^' 


Benzylverbindungen.  247 

BenzylcarbaminsauresBenzylamin,(C7Hj)NH»COj'NH8(C7H7)(i28), 
bildet  sich  neben  Kohlensäure  und  Benzylamin  bei  der  trocknen  Destillation  der 
Phenylamidoessigsäure.  Nachdem  das  Benzylamin  aus  dem  erstarrenden  Destillat 
durch  Aether  entfernt  ist,  wird  das  Salz  aus  Alkohol  in  glänzenden  Blättchen 
krystallisirt  erhalten,  die  bei  99^  schmelzen.  Es  ist  leicht  löslich  in  Wasser  und 
verflüchtigt  sich  beim  Eindampfen.  Alkalien  scheiden  Benzylamin  aus.  Auf  Zu- 
satz von  Salzsäure  wird  Kohlensäure  entwickelt,  worauf  die  Lösung  ausschliesslich 
salzsaures  Benzylamin  enthält 

Benzylharnstoff,  (C6H5-CHj)HN-CO-NHj,  bildet  sich  neben  Dibenzyl- 
hamstoff,  wenn  Benzylchlorid  mit  cyansaurem  Kalium  oder  mit  Hamstofi  und 
Alkohol  längere  Zeit  erhitzt  wird  (129),  femer  bei  Einwirkung  von  alkoholischem 
Ammoniak  auf  Benzylcarbonylamin  (81),  bei  kurzem  Erhitzen  einer  I^ösung  von 
salzsaurem  Benzylamin  und  cyansaurem  Kalium  (130)  und  beim  Kochen  von 
ßenzylcyanamid  mit  Salzsäure  (82).  Lange  Nadeln.  Schmp.  144°.  Fast  unlöslich 
in  kaltem,  löslicher  in  heissem  Wasser,  leicht  löslich  in  Alkohol.  Mit  Salzsäure 
und  Platinchlorid  entsteht  ein  unlöslicher  Niederschlag.  Bei  200°  zerfällt  der 
Benzylharnstoff  in  Ammoniak  und  symmetrischen  Dibenzylhamstoff  (129). 

Symmetrischer  Dibenzylhamstoff,  (C6H5-CHa)HN.CO-NH(CHj. 
C5H5),  entsteht  aus  Benzylchlorid  und  cyansaurem  Kalium  neben  der  vorigen 
Verbindung  (129),  ist  ein  Produkt  der  Zersetzung  derselben  durch  Hitze  (129), 
bildet  sich  neben  Kohlensäure  beim  Erhitzen  von  Benzylcarbonylamin  mit 
Wasser  in  geschlossenen  Röhren  auf  100°  (81),  neben  Benzaldehyd  beim  Erhitzen 
von  Benzylalkohol  mit  salpetersaurem  Harnstoff  auf  100°  (131)  und  durch  Ent- 
schwefeln des  entsprechenden  Dibenzylsulfohamstoffs  (81).  Unlöslich  in  Wasser, 
leicht  löslich  in  Alkohol,  aus  letzterem  in  schönen  Nadeln  krystallisirend. 
Schmp.  167®.  Mit  Salzsäure  und  mit  Salpetersäure  konnten  keine  festen  Ver- 
bindungen erhalten  werden;  auf  Zusatz  von  Salzsäure  und  Platinchlorid  aber 
entsteht  eine  schwer  lösliche  Platinverbindung. 

Unsymmetrischer  Dibenzylhamstoff,  (C6H5-CH2)jN«CO-NH3  (130), 
wurde  durch  Erhitzen  einer  concentrirten  Lösung  von  salzsaurem  Dibenzylamin 
mit  cyansaurem  Kalium  dargestellt.  Er  krystallisirt  aus  absolutem  Alkohol  in 
derben,  harten  Prismen,  wenig  löslich  in  kaltem,  leicht  in  siedendem  Wasser  und 
in  Alkohol.     Schmp.  124— 125<>. 

Phenylbenzylharnstoff,  (CgHj.CHOHN.CO.NHCCeHs)  (81),  aus 
Benzylcarbonylamin  und  Anilin  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  entstehend, 
krystallisirt  aus  Alkohol  in  Nadeln,  die  bei  168®  schmelzen. 

Benzylcyanamid,  C^H^-CHj-NH-CN  (82),  entsteht  neben  salzsaurem 
Benzylamin  beim  Einleiten  von  trocknem  Chlorcyan  in  eine  abgekühlte  ätherische 
Lösung  von  Benzylamin.  Es  krystallisirt  aus  Aether  in  durchsichtigen  Platten, 
ist  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Alkohol  und  Aether.  Schmp.  33®. 
Beim  Kochen  mit  Salzsäure  liefert  es  Benzylharnstoff.  Beim  Aufbewahren  ver- 
wandelt es  sich  allmählich,  beim  Erwärmen  rasch  in  das  polymere 

Tribenzylmelamin  (Tribenzylcyanuramid),  (CfiHg-CHj-NH-CN),  (82), 
welches  aus  Alkohol  in  Blättern  krystallisirt  und  viel  höher  schmilzt,  als  das 
Benzylcyanamid. 

Das  8alzsaureTribenzylmelamin,(C^H5-CH,*NH*CN),-2HCl,  krystallisirt  in,Nadeln, 
die  sich  schwer  in  Wasser,  leichter  in  Salzsäure  and  in  Alkohol  lOsen. 

Dibenzylcyanamid,  (CßH5-CH^)2N«CN  (108),  wurde  durch  Einleiten  von 


r 


148  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Chlorcyan  in  ebe  alkoholische  Lösung  von  Dibenzylamin  erbalten.  Grosse,  in 
Wasser  unlösliche,  in  Alkohol  und  Aether  leicht  lösliche  Blätter.    Schmp.  53—54®. 

Dibenzylguanidin,NHC(NH.CHj.C6H5)j  (82),  bildet  sich  beim  Kochen 
von  Benzylcyanamid  mit  salzsaurem  Benzylamin  in  alkoholischer  Lösung,  sowie 
beim  Einleiten  von  Chlorcyan  in  trockenes  Benzylamin.  Es  krystallisirt  aus 
Alkohol  in  farblosen  Blättern  oder  Platten,  die  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether 
löslich  sind  und  bei  100®  schmelzen. 

Dos  Salzsäure  Salz  ist  in  Wasser  schwer,  in  Alkohol  leichter  löslich.  Schxnp.  17B^ 
Es  bildet  ein  kT>'staUisirböres  Platindoppelsais. 

EenzylsuKoharnstoff,  (CgHft- CH2)HN  •  CS  •  NH,  (130).  Durch  Ein- 
wirkung von  salzsaurem  Benzylamin  auf  SulfohamstofT  erhalten.  Sehr  leicht 
löslich  in  Wasser,  aus  absolutem  Alkohol  gut  kiystallisirbar.     Schmp.  101®. 

Symmetrischer  Dibenzylsulfoharnstoff ,  (C^Hj •  CHj)  HN  •  CS• 
NH(CHa-C^H5)  (82),  wird  gewonnen  durch  Digeriren  von  Benzylamin  und 
Schwefelkohlenstoff  in  alkoholischer  Lösung  bis  zum  Aufhören  der  Schwefel- 
wasserstofFentwicklung.  Grosse,  glänzende,  vierseitige  Tafeln,  unlöslich  in  Wasser, 
löslich  in  Alkohol  und  Aether.  Schmp.  114®.  Die  Verbindung  liefert,  in  alko- 
holischer Lösung  durch  Quecksilberoxyd  entschwefelt,  den  symmetrischen  Di- 
bcnzylhamstoff. 

Unsymmetrischer  Dibenzylsulfoharnstoff,  (C6H;,.CHj)2NCS-NH, 
(130),  Aus  salKsaurem  Dibenzylamin  und  Rhodankalium  gewonnen.  Lange,  in 
Wasser  schwer,  in  Alkohol  und  Aether  leicht  lösliche  Nadeln.    Schmp.  156 — 157®. 

Benzylselenharnstoff,  (CeH5.CH,)HN-CSe.NH,  (132),  entsteht  bei 
Einwirkung  von  sak saurem  Benzylamin  auf  Selencyankalium  in  kalter,  alkoholischer 
Lösung.  In  Wasser,  Alkohol  und  Aether  lösliche  Krystalle,  die  bei  70®  unter 
Zersetzung  schmelzen. 

Auch  die  Lösungen  zersetzen  sich  sehr  leicht  unter  Abscheidung  von  Selen. 
Concentrirte  Salzsäure  spaltet  die  Verbindung  glatt  in  Selen,  Blausäure  und 
Benzylamin. 

Unsymmetrischer  Dibenzyiselenharnstoff,  (CeH5'CH^)jN«CSe-NH, 
(132)1  wird  auf  demselben  Wege  aus  salzsaurem  Dibenzylamin  und  Selencyan- 
kalium erhalten.  Dünne  Prismen  oder  Nadeln,  die  bei  150®  sich  zersetzen.  In 
Aether,  Alkohol  und  heissem  Wasser  leicht  löslich.  Durch  concentrirte  Salzsäure 
wird  die  Verbindung  in  Selen,  Blausäure  und  Dibenzylamin  gespalten. 

Benzylphosphin,  CgHj'CHj'PHa  (133).  Man  erhält  diese  dem  Benzyl- 
amin entsprechende  Verbindung,  indem  maii  Benzylchlorid  (oder  Benzalchlorid, 
C^HjXHClg,  oder  das  Trichlorid,  CgHs-CCl,,  somit  auch  das  Rohprodukt  der 
heissen  Chlorirung  von  Toluol)  mit  Jodphosphonium  und  Zinkoxyd  stundenlang 
auf  160®  erhitzt:  SC^H^Cl -h  2PHJ -^- ZnO  =  2(C7H7)PH3.HJ-hZnCl,-hH,0. 
Bei  der  Destillation  des  Produkts  mit  Wasserdämpfen  geht  das  Benzylphosphin 
über,  während  das  gleichzeitig  entstandene  Dibenzylphosphin  neben  anderen 
Substanzen  zurückbleibt. 

Das  Benzylphosphin  ist  eine  im  WasserstofFstrom  bei  180®  destillirende 
Flüssigkeit,  die  sich  an  der  Luft  unter  heftiger  Selbsterhitzung  und  Bildung 
dicker,  weisser  Nebel  oxydirt.  Unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Alkohol 
und  Aether. 

Jodwas^er&toff^aures  Benzylphosphin  entsteht  als  weisse  Fällung  beim  Mischen  des 
PhoKphins  mit  mtichender  JodwasserstofTsäure.  In  der  heissen  Säure  löst  es  sich  und  krystallisirt 
dam  US  in  schönen  Tiifeln. 


Bernsteinsäure.  249 

« 
Das  salzsanrcunddasbrom  was  sersto  ff  saure  Salz  konnten  nichtkrystallisirterhalten  werden 

Die  Platinverbindung  des  ersteren  ist  ein  gelber,  unlöslicher  Niederschlag. 
Dibenzylphosphin,  (C^Ylr^'Cll^)^^^  (^33)^   entsteht  neben  dem  Benzyl- 
phosphin   nach   der   Gleichung:    2C7H7CI -f- PHJ -h  ZnO  =  (C7H7)jPH.HJ 
4-ZnCl, -f-HjO. 

Der  Rückstand  von  der  Destillation  mit  Wasserdampf  erstarrt,  namentlich 
auf  Zusatz  von  festem  Aetzkali,  allmählich  zu  einem  Krystallbrei,  der  durch  Aus- 
pressen und  wiederholtes  Umkrystallisiren  aus  Alkohol  zu  reinigen  ist.  Lange, 
geruch-  und  geschmacklose  Nadeln,  unlöslich  in  Wasser  und  Aether,  schwer 
]ös]ich  in  kaltem,  leichter  in  heissem  Alkohol.  Schmp.  205®-  In  höherer 
Temperatur  verflüchtigt  sich  die  Verbindung  unter  theilweiser  Zersetzung.  Sie 
zeigt  keine  basischen  Eigenschaften,  löst  sich  nicht  in  Säuren  und  wird  selbst  in 
der  Wärme  an  der  Luft  durchaus  nicht  oxydirt. 

Triäthylbenzylphosphoniumchlorid  (134),  bildet  sich  beim  Erhitzen 
von  Benzalchlorid  mit  Triäthylphosphin  und  Weingeist  auf  120— 130<>: 

HC^^öh^  -h  CeH^.CHCl,  -4-  H,0  =  (C,H5),P.HC1  -h  (C2H5),PO 
-h(C,H5)3(CeH,.CH,)PCl, 
farblose  Krystallmasse. 

Die  freie  Phosphoniumbase  wurde  nur  in  Form  einer  stark  alkalischen  Lösung  erhalten. 

Das  Jodid  krystallisirt  gut,  ist  aber  sehr  zerfliesslich. 

Das  Platindoppelsalz  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  kleinen  Blättchen. 

Oscar  Jacobsen. 
Bemsteinsäure.'^    Die  Theorie  lässt  die  Existefiz  von  zwei  isomeren,  zwei- 
basischen Säuren  von  der  Zusammensetzung  C2H4(COOH)3  voraussehen,  denen 
•)  i)  Kopp,   Geschichte   der  Chemie,    Bd.  4,  pag.  361.     2)  Gmelin,   Handbuch  der  organ. 
Chemie,  Bd.*  5,  pag.  252.     3)  Köhnke,   das.,  pag.  253.     4)  Walz,  Jahresber.   1860,    pag.  263. 
5)  Brunmer   u.  Brandenburg,    Ber.  9,    pag.  982.     6)   Heintz,    Jahresber.    1849,    pag.   558. 
7)  v.  Gorup-Besanez,   Ann.  98,  pag.  28.     8)  Vergl.  Gmelin-Kraut,  Handb.  d.  Gh.,   Suppl.  2, 
pag.  822.    9)  Chevreul,  Bromeis,  Sthamer,  Radcliff,  Ronalds,  Sacc,  Arppe,  Gmelin-Kraut, 
Handb.  d.  Gh.,  Bd.  5,  pag.  253;  Suppl.  2,  pag.  823.    10)  Heldt,  Ann.  63,  pag.  40.     ii)  Schor- 
LEMMER,  Ann.  147,  pag.  214.     12)  PinpsoN,  Gmelin-Kraut,  Handb.  d.  Gh.,  Suppl.  2,  pag.  823. 
13)  Hlasiwktz  u.  Barth,  Ann.  138,  pag.  76.     14)  Friedel  u.  Machuca,  Ann.  120,  pag.  283. 
15)  SocpsoN,  Ann.  118,  pag.  373;    121,  pag.  153;    Geüther,  Ann.  120,  pag.  268.     16)  Erlen- 
meyer  u.  Mühlhäüser,  Ann.  145,  pag.  365;   Simpson,  das.,   pag.  373.     17)  v.  Richter,  Zeit- 
schrift f.  Ch.  1868,  pag.  449.     18)  Steiner,  Ber.  7,  pag.  184.    19)  Schmitt,  Ann.  114,  pag.  106; 
Dbssaignes,   Ann.  115,  pag.  120.     20)  Schmidt,  Jahresber.  1847—1848,   pag.  466;     Pasteur, 
Ann.    105,    pag.  264.     21)  Pasteur,  Jahresber    1862,   pag.  477.     22)  Dessaignes,   Ann.  70, 
pag.  102.     23)  Liebig,  Ann.  70,  pag.  104,  363.    24)  Kohl,  Jahresb.  1855,  pag.  466;   25)  Bour- 
GOIN,  Jahresber.  1874,  pag.  592.     26)  Ders.,  Bull.  soc.  chim.  29,  pag.  243.    27)  Franchimont, 
^^*  7t  pag-  216.    28)  Seexamp,  Ann.  133,  pag.  253.    29)  Kolbe  u.  Koch,  Ann.  119.  pag.  173. 
30)  Besthelot,  Ann.  147,  pag.  376.    31)  Kekulä,  Ann.  131,  pag.  84.    32)  Bourgoin,  Jahresb. 
1867,  pag.  385.     33)  Büchner,   Ann.  78,  pag.  207.     34)  Bechamp,  Jahresber.  1870,  pag.  632. 
35)  DöpPiNG,  Ann.  47,  pag.  253;   Fehling,  Ann.  49,  pag.  154.    36)  Fehling,  Ann.  49,  pag.  195. 
37)  Eghis,  Ber.  6,  pag.  11 77.    38)  Kopp,  Ann.  95,  pag.  327.    39)  Fehling,  Ann.  49,  pag.  192. 
40)  Herrmann,  Ann.  211,  pag.  306,*     Rbmsen,   Ber.  8,  pag.  1408.     40  a)  Herrmann,  Ber.  16, 
pag.  141 1.     41)  Duisberg,   Ber.  16,   pag.  133.     42}  Duisberg,  Ann.  213,   pag.  149;    Ber.  15, 
pag.  1378.      43)  DEMARgAY,  Jahresber.    1873,   pag.  516.     44)  Cahours,   Ann.  47,  pag.  297. 
45)  Heintz,  Jahresber.    1859,  pag.  280.     46)  Silva,   Ann.  154,  pag.  255.     47)  Guareschi  u. 
Del-Zanna,  Ber.   12,  pag.  1699.     48)  Tüttschefp,  Jahresber.  1860,  pag.  406.     49)  LouRENgo, 
Ann.  115,  pag.  361;   v.  Richter,  Joum.  f.  pr.  Ch.  [2]  20,  pag.  207.     50)  LouRENgo,  Ann.  115, 
PH'  35^      5')  Wurtz  u.  Friedel,  Jahresber.    1861,  pag.  378.     52)  Wislicenus,  Ann.    133 
pag.  262.      53)  d*Arcet,  Ann.  Chim.  Phys.  [2]   58,  pag.  282.     54)  Gerhardt  u.  Chiozza, 


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350  Handwörterbuch  der  Chemie. 

CHjCOOH  CH 
die  Formeln    I                      und  nxj^^nr\nxT\    zukommen.    In  der  That  sind  zwei 
CH2COOH  CH(COOH), 

Ann.  87,  pag.  290.     55)  Anschütz,  Ber.  xo,  pag.  326,  1883.     56)  Kraut,  Ann.  137,  pag.  254. 
57)  Heintz,    Pogg.   Ann.   108,  pag.  73.     58)  Möller,  Joum.  f.  pr.  Ch.   [2]  22,  pag.  194. 
59)  Wreden,  Ber.  3,  pag.  96.    60)  Wischin,  Ann.  143,  pag.  262.    61)  A  Saytzeff,  Ann.  171, 
pag.  258.      62)  Perkin  u.  Duppa,  Ann.    117,  pag.  130;   Rekul^,    Ann.  Suppl.   2,   pag.  86. 
63)  Fehling,  Ann.  49,  pag.  196.    64)  Menschutkin,  Ann.  162,  pag.  181.    65)  Ders.,  Ann-  163, 
pag.  173.     66)  Wallach   u.  Ramenski,   Ber.  14,   pag.  170.     66  a)  Gerhardt   u.  Laurent. 
67)  Teuchert,  Ann.    134,  pag.  136.     68)  Menschutkin,  Ann.   162,  pag.  174.     69)  Ders., 
Ann.   182,  pag.  90.     69a)  Gerhardt.     70)  Erlenmeyer,   Zeitschr.  f.  Ch.    1869,  pag.   174. 
71)  BuNOE,  Ann.  Suppl.  7,  pag.  117.    72)  Menschutkin,  Ann.  162,  pag.  165.    73)  Ch.  A.  Bell, 
Ber.  13,  pag.  877.     74)  Bernthsen,  Ber.  13,  pag.  1047.     75)  Dessaignes,  Ann.  82,  pag.  234. 
76)  Gerhardt  u.  Chiozza,  Jahresber.    1856,  pag.  507.     77)  Kekulä,  Ann.    117,   pag.  120. 
78)  Carius,  Ann.  129,  pag.  7.     79)  Kekul^  Ann.  130,  pag.  21,   30.     80)  Frmc  u.  Dorn, 
Ann.  188,  pag.  88.     81)  Orlowski,  Ber.  9,  pag.  1604.     82)  Kekuije,  Ann.  Supp.  i,  pag.  129. 
82  a)  Ders.,  Ann.  Suppl.  2,  pag.  87.     83)  Fittig  u.  Petri,  Ann.  195,  pag.  56.    84)  Anschütz, 
Ber.  10,  pag.  1885.     85)  Perkin  u.  Duppa,  Ann.  117,  pag.  130.     86)  Kekülä,  Ann.  Suppl.  i, 
P^S*  354'    87)  Anschütz,  Ber.  10,  pag.  1884.    88)  Ossipoff,  Ber.  12,  pag.  2096.    89)  Anschütz, 
Ber.   12,  pag.  2280.     90)  Franchimont,  Ber.  6,   pag.  199.     91)  Keselinsky,  Jahresber.   1877, 
pag.  706.     92)  PiCTET,  Ber.    13,  pag.  1669.     93)   Bourgoin,  Compt   rend.   76,  pag.  1267. 
94)  PussON,  Gmelin-Kraut,  Handb.,  Bd.  5,   pag.  356.     95)  Ritthausen,  Jahresber.    1868, 
pag.  820;   1869,  pag.  806;   Kreusler,  das.,  pag.  808.    96)  Hlasiwetz  u.  Habermann,  Ann.  159, 
P^>  325;    169,  pag.  162.    97)  Scheibler,  Jahresber.  1866,  pag.  399.    98)  Dessaignes,  Ann.  83, 
pag.  83.    99)  Ders.,  Compt  rend.  30,  pag.  324;  Jahresber.  1850,  pag.  375,  414.     100)  Pasteüi, 
Ann.  82,  pag.  324.     10 1)  GuARESCHi,  Ber.  9,   pag.  1436.     102)  Ritthausen,  Jahresber.   1869, 
pag.  807.     103)  ScHAAL,  Ann.  157,  pag.  24.     104)  Pirlv,  Gmelin-Kraut,  Handb.  5,  pag.  363. 
105)  Dessaignes,  Jahresber.  1850,  pag.  414.     106)  Grimaux,  Ber.  8,  pag.  545.     107)  Liebig, 
Ann.  7,  pag.  146.     107a)  LiEBiG,   Ann.  26,  pag.  125,  161.     108)  KoLBE,  Ann.   121,  pag.  232. 
109)  Dessaignes,  Ann.   82,  pag.  237.     iio)  Dessaignes  u.  Chautard,  Gmelin,  Handb.  5, 
pag.  365.     iii)  PiRiA,  das.,  pag.  365.     112)  Dessainges,  Chautard,  Gmklin,  Handb.,  Bd.  5, 
pag.  366.     113)  Griess,  Ber.  12,  pag..2ii7.     114)  Fehling,  Ann.  38,  pag.  285;   49,  pag.  203. 
115)  Carius,  Ann.  129,  pag.  9,    116)  Kämmerer  u.  Carius,  Ann.  131,  pag.  167.    117)  Credner, 
Jahresber.  1870,  pag.  733.     118)  Messel,  Ann.  157,  pag.  15.     119)  Weselsky,  Ber.  2,  pag.  518. 
120)  Wichelhaus,  Jahresber.  1867,  pag.  461.    121)  Züblin,  Ber.  12,  pag.  1112.    122)  v.  Richter, 
Jahresber.  1868,  pag.  519.     123)  Byk,  Jahresber.  1868,  pag.  534;    1870,  pag.  659.     124)  Kres- 
TOWNiKOFF,  Ber.  10,  pag.  410.     125)  Conrad  u.  Bischoff,  Ann.  204,  pag.  146.     126)  Ban- 
DROWSKI.  Ber.  10,  pag.  838.     127)  Ders.,  Ber.  12,  pag.  2212.     128)  Ders.,  Ber.   15,  pag.  2694. 
129)  Ders.,  Ber.  15,  pag.  2698.     130)  Ders.,   Ber.  13,  pag.  2340.     131)  Nöldecke,  Ann.  149, 
pag.  232.    132)  £.  u.  H.  Salkowski,  Ber.  12,  pag.  650;   Gautier  u.  Etard,  Ber.  16,  pag.  2527. 
133)  SoROKiN,  Ber.  12,  pag.  2096.     134)  Funaro,  Ber.  14,  pag.  2240.     135)  Urech,  Ber.  13, 
pag.  1692;  14,  pag. 340.    136)  Anschütz,  Ber.  12,  pag.2281.    137)  A.  Saytzeff,  Ber.  13,  pag.  1061. 
138)  Emmert  u.  Friedrich,  Ber.  15,  pag.  1851.    139)  v.  Bemmelen,  Jahresber.  1856,  pag.  602; 
Funaro  u.  Danasi,  Jahresber.  1880,  pag.  799.     140)  Schacherl,  Ber.  14,  pag.  637.     141)  Ax- 
SCHÜTZ  u.  Bennert,   Ber.   15,    pag.  640.     142)  Hnx,   Ber.   13,    pag.  734.     143)  Ossipoff, 
Ber.  13,  pag.  2403.    144)  W.  H.  Perkin,  Ber.  15,  pag.  2362.    145)  Claus,  Wagner  q.  Tenmss« 
Ber.  15,  pag.  1847.     146)  Claus  u.  Wagner,  Ber.  15,  pag.  1844.     147)  Claus  o.  Tenxbb« 
Ber.  15,  pag.  1849.    >48)  Claus  u.  Helpenstein,  Ber.  14,  pag.  624;  Claus  u.  Tenner,  Ber.  15. 
pag.  1848;  vergL  Lehrfeld,  Ber.  14,  pag.  18 16.    149)  Beilstein  u.  Wiegand,  Ber.  15,  pag.  14-99- 
150)  Claus  u.  Calliess,  Ber.  11,  pag.  495.     151)  In  Betreff  der  optischen  Eigenschaften    des 
Asparagins  und  der  Asparaginsäure  sei  auf  eine  Abhandlung  von  A.  Becker,  Ber.  14,  pag.  losS, 
verwiesen.     152)  Körner  u.  Menozzi,  Ber.  14,  pag.  2239.     153)  Rüdorff,  Ber.  12,  pag.  252. 
154)  MiQUEL,  Ber.  12,  pag.  672.    155)  £.  Schulze,  Ber.  15,  pag.  2855,    156)  Grohaux,  Ber.  15, 
pag.  2364.    157)  Kauder,  Ber.  16,  pag.  2506.    158)  Mulder  u.  Hamburger,  Ber.  16,  pag.  401. 


Bernsteinsäure.  25 1 

solcher  Säuren  bekannt,  die  Bersteinsäure  und  die  Isobemsteinsäure.     Der  Bem- 
steinsäure   ist   nach  Bildung   und  Verhalten  die    erste  der  gegebenen  Structur-- 
fonneln  zuzuschreiben,  während  der  Isobernsteinsäure  die  zweite  zuertheilt  werden 
muss.. 

Die  Bernsteinsäure  (Aethylenbernsteinsäure,  Succinylsäure), 
CH,(COOH).CH2(COOH),  wird  bereits  von  Agricola  (1350)  als  flüchtiges 
Bemsteinsalz  beschrieben;  Lemery  (1675)  erkannte  ihre  saure  Natur  (i),  während 
erst  Berzeuus  ihre  Zusammensetzung  kennen  lehrte. 

Sie  findet  sich  im  Bernstein  und  manchen  anderen  fossilen  Pflanzenresten  (2). 
Aber  auch  in  lebenden  Pflanzen  wird  sie  angetroffen,  so  u.  a.  im  Kraut  von 
Lactuca  satwa  und  virosa  (3),  im  Saft  von  Fapaver  somniferum  (4),  in  unreifen 
Trauben  (5).  In  manchen  thierischen  Produkten  ist  ihr  Vorkommen  gleichfalls 
constatirt,  so  in  Echinocockenbälgen  (6),  in  der  Thymusdrüse  des  Kalbes,  der 
Tkfrtcfidea^  der  Milz  des  Rindes  (7),  im  Harn  mancher  Thiere  (8). 

Bemsteinsäure  erhält  man  vielfach  als  Oxydationsprodukt  organischer  Körper. 
Sie  bildet  sich  z.  B.  weim  Fette  oder  höhere  Fettsäuren,  wie  Talg,  japanesisches 
und  Bienenwachs,  Wallrath,  Stearin-,  Sebacin-  und  Azelainsäure  u.  s.  w.  mit 
Salpetersäure  (9)  behandelt  werden,  bei  der  Oxydation  von  Buttersäure  durch 
Brom  (14),  von  Valeriansäure  durch  übermangansaures  Kali  (12),  femer  bei  der 
Einwirkung  von  Salpetersäure  auf  Santonin  (10),  auf  Hexyl-  und  Octylwasser- 
stoff  (11),  auf  Lävulinsäure  (131),  beim  Schmelzen  von  arabischem  Gummi  und 
von  Milchzucker  mit  Kali  (13),  bei  der  Oxydation  von  Diallyl  mit  Chromsäure 
oder  Kaliumpermanganat  (133).  Von  anderen  Bildungsweisen  der  Bernsteinsäure 
mögen  die  folgenden  erwähnt  werden: 

Sie  tritt  bei  der  Alkoholgährung  des  Zuckers  (20),  beim  Uebergang  von 
Alkohol  in  Essigsäure  unter  dem  Einfluss  von  Micoderma  aceti  (21)  und  ver- 
schiedenen anderen  Gährungsprozessen  sowie  bei  der  Fäulniss  von  Fleisch  auf  (132). 
Sie  entsteht  femer  beim  Behandeln  von  Aepfelsäure,  (s.  Bd.  I,  pag.  31),  Fumar- 
säure (s.  Bd.  I,  pag.  38),  Maleinsäure  (s.  Bd.  I,  pag.  41)  und  verschiedenen  Brom- 
substitutionsprodukten dieser  Säuren  mit  Reductionsmitteln  und  bei  der  Ein- 
wirkung von  Jodwasserstoflisäure  auf  Weinsäure  (19).  Auch  ist  ihre  Bildung  als 
Nebenprodukt  bei  der  Darstellung  der  Malonsäure  durch  Einwirkung  von 
Cyankalium  auf  Monochlor-  oder  Monobromessigester  und  Kochen  der  ent- 
stehenden Cyanide  mit  Kali  nachgewiesen  (27).  Man  erhält  Bersteinsäure 
ausserdem  beim  Verseifen  des  Acetsuccinsäureesters  (s.  Bd.  I,  pag.  20),  bei  der 
Einwirkung  von  molekularem  Silber  auf  Bromessigsäure,  CH^BrCOOH  (18), 
beim  Behandeln  der  ß-Cyanpropionsäure,  CH2(CN)CHaCOOH,  mit  Kali  (17) 
und  bei  der  Einwirkung  von  alkoholischem  oder  wässrigem  Kali,  Salpetersäure 
oder  Salzsäure  auf  Aethylencyanür,  CHa(CN).CH2(CN)  (15).  Die  zuletzt  er- 
wähnten synthetischen  Entstehungsweisen  sprechen  u.  a.  ganz  besonders  für  die 
Richtigkeit  der  für  die  Bemsteinsäure  angenommenen  Constitutionsformel 
CHj(COOH).CHjCOOH.  Doch  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  man  auch 
bei  der  Einwirkung  von  Kali  auf  das  aus  Aethylidenchlorid,  CHjCHClj,  und 
Cyankalium  entstehende  Cyanid  gewöhnliche  Bemsteinsäure  erhält  (16). 

In  grösserer  Menge  entsteht  Bemsteinsäure,  wie  Dessaignes  zuerst  beob- 
achtete, bei  der  Gährung  des  äpfelsauren  Calciums  (22),  und  man  kann  sich 
dieses  Prozesses  zur  Darstellung  derselben  bedienen. 

Zu  dem  Behnfe  rührt  man  nach  Li^big  1-^  Kilo  rohen  äpfelsauren  Kalk,  wie  man  den- 
selben aus  dem  ausgepressten  Vogelbeersafte  nach  mehrmaligem  Auswaschen  mit  Wasser  arhält 


r 


t$2  Handwörterbuch  der  Chemie. 

(fi*  Bd.  I.  pa^,  32),  mit  5  Kilo  Wasser  an  und  setzt  der  Mischung  120  Grm.  faulen  mit  Wasser 
«rtfrri ebenen  K^tse  zu.  Es  tritt  sehr  bald  Gahning  ein,  nach  deren  vollständiger  Beendigung  man 
den  gebildeten  kömig  krystallinischen  Absatz,  welcher  aus  kohlensaurem  und  bemsteinsaurem 
Kalk  besteht,  nbfiltrirt,  mit  kaltem  Wasser  mehrmals  auswäscht  und  so  lange  mit  verdünnter 
SchwefelsäurL'  vt^rsetzt,  bis  kein  Aufbrausen  mehr  bemerkbar  ist.  Man  setzt  sodann  nochmals  die 
i^kiche  Menge  Schwefelsäure  hinzu  und  erhitzt  bis  zur  vollständigen  Umsetzung  zum  Sieden. 
Die  FlUs^sigkeit  wird  sodann  vom  ausgeschiedenen  Gyps  getrennt,  bis  zum  Entstehen  einer 
Kiystallhaut  eingedampft  und  mit  Schwefelsäure  solange  versetzt,  als  noch  ein  Niederschlag  ent- 
steht. Man  verdünnt  sodann  mit  Wasser,  filtrirt  und  erhält  durch  Eindampfen  des  Filtrats  lur 
Krystnllisntinn  die  entstandene  Bemsteinsäure,  welche  durch  Umkrystallisation  aus  Wasser  unter 
ZusatK  von  Thierkohle  vollständig  gereinigt  wird.  Ausbeute:  3  Kilo  äpfelsaurer  Kalk  geben 
$60 — 000  Gmi.  Bemsteinsäure.  Auch  durch  Bierhefe  kann  die  Gähmng  eingeleitet  werden  (23).  — 
Nach  Kohl  soll  man  den  äpfelsauren  Kalk  durch  Auswaschen  möglichst  von  Zucker  befreien,  da 
t1  essen  Anwesenheit  die  Bildung  von  'Milchsäure  und  secundären  Produkten  bewirke,  l  Kilo 
äpfeküuren  Kfilk  mit  3  Kilo  Wasser  und  60  Grm.  im  höchsten  Grad  der  Fäulniss  begriffenem 
Kjlse  vcffietzen  und  die  Gähmng  bei  einer  zwischen  15  und  20®  liegenden  Temperatur  vor  sich 
geht*n  lassen   (34). 

Zu  medieinischen  Zwecken  verwendet  man  die  unreine,  hellgelb  gefärbte,  noch  brenzliche 
Oele  (Berns teinöl)  enthaltende  Säure,  wie  man  sie  durch  trockne  Destillation  des  Bernsteins  und 
theilwei<ie  Reinigung  des  Produktes  erhält 

Die  Bemsteinsäure  bildet  monokline  Blättchen  oder  Säulen.  Sie  schmilzt, 
rasch  erhitzt,  bei  180°  und  siedet  bei  235°  unter  Zersetzung  in  Wasser  und  Bern- 
stein säure  anhydrid;  bereits  weit  unterhalb  ihres  Schmelzpunktes  findet  partiell 
diese  Zersetzung  und  Sublimation  statt.  —  In  100  Thln.  Wasser  lösen  sich  bei 
0^  2  8S  Thle.,  bei  14-5°  5-14  Thle.,  bei  48°  20*28  Thle.  und  bei  100°  120'86  Thle. 
Bernsteinsäure  (25).  100  Thle.  OOproc.  Alkohols  lösen  bei  15°  11-004  Thle., 
100  Thle.  absoluten  Alkohols  6*98  Thle.  und  100  Thle.  Aetiier  1-249  Thle. 
Bemsteinsäure  (26). 

Die  Bemsteinsäure  geht  unter  Abspaltung  von  CO,  in  Propionsäure  über, 
wenn  man  dieselbe  mit  Kalkhydrat  erhitzt  (29),  wenn  man  bemsteinsaures 
Uranoxyd  enthaltende  Lösungen  dem  Sonnenlichte  aussetzt  (28),  wenn  man 
ihr  Kalksalü  unter  Anwendung  von  Mikrocymakreide  (Kreide  von  Sens,  welche 
nach  B^CHAMP  ein  von  ihm  Microzytna  cretae  benanntes  Ferment  enthält)  und 
etwas  Fleisch  vergähren  lässt  (34).  Das  Natriumsalz  derselben  liefert  bei  der 
dürcli  Mandelkleienextract  eingeleiteten  Gähmng  Essigsäure,  Buttersäure  und 
Kohlensäure  (33).  Die  meisten  Oxydationsmittel,  wie  Salpetersäure,  Chromsäure, 
Chamäleün>  sowie  auch  Chlor,  ein  Gemenge  von  chlorsaurem  Kali  und  Salz- 
säure lassen  Bemsteinsäure  unverändert;  ebenso  sind  viele  Reductionsmittel,  wie 
Zink,  Zinn  im d  Salzsäure,  Natriumamalgam,  ohne  Einwirkung.  Durch  schmelzendes 
Kalihydrat  wird  sie  in  Essigsäure  übergeführt  (29),  beim  Erhitzen  mit  üb»- 
scbüssiger  JodwasserstofFsäure  auf  280°  wird  Butan,  bei  Anwendung  geringerer 
Mengen  des  Reductionsmittels  Buttersäure  gebildet  (30).  Bei  der  Elektrolyse  von 
bemsteinsaurem  Natron  in  conc.  wässriger  Lösung  zerfällt  die  Bemsteinsäure 
unter  Bildung  von  Aethylen,  Kohlensäure  und  Sauerstoff  (31),  wenig  Acetyleo 
und  Spuren  von  Kohlenoxyd,  wenn  dem  Salz  bis  zu  einer  bestimmten  Menge 
freies  Natronhydrat  beigemengt  ist.  Ist  dieses  nicht  der  Fall  oder  ist  mehr 
freies  Alkali  zugegen,  so  entsteht  der  Hauptsache  nach  Sauerstoff  und  Kohlen- 
ojtyd  neben  Kohlensäure.  Die  gleichen  Produkte  bilden  sich  auch  bei  der 
Elektrolyse  der  freien  Säure  (32). 

.\uf  trockene   Bemsteinsäure    wirkt  Brom    kaum   ^in,    bei    Gegenwart    von 


^-♦■i..^' 


f.: 


Bernsteinsäure.  253 

Wasser  entstehen  Bromsubstitutionsprodukte  (s.  unten).  Ueber  Schnelligkeit  der 
Substitution  vergl.  Urech,  Ber.  13,  pag.  1695. 

Bernsteinsaure  Salze  (35).  Als  zweibasische  Säure  ist  die  Bemsteinsäure  befähigt, 
sanre  und  neutrale  Salze  zu  bilden.     Es  seien  erwähnt: 

Saures  bernsteinsaures  Kalium,  CjH^COOK-COOH -h  2HjO.  Sechsseitige,  ver- 
witternde Säulen.     Bildet  mit  1  MoL  Bemsteinsäure  ein  Ubersaures  Salz. 

Neutrales  bernsteinsaures  Kalium,  CjH4(COOK)3,  krystallisirt  mit  JH^O  in  dünnen, 
rhombischen  Tafeln  oder  mit  2H2O  in  zerfliesslichen  Krystallen. 

Saures  Natriumsalz,  CjH^COONaCOOH.     Mit  3HjO  rhombische  Tafeln. 

Neutrales  Natriumsalz,  C,H^(COONa)j -f  6HjO.  Rhombische,  tafelförmig  ver- 
breiterte Säulen. 

Bernsteinsaures  Ammoniak,  C3H4(COONH^)2.  Sechsseitige  Prismen  von  schwach 
»aurer  Reaction.     Geht  beim  Erhitzen  zunächst   unter  Verlust  von  NH,  in  das  saure  Salz  und 

sodann  unter  Wasserabgabe  in  Succinimid,  C^H^^q     NH,  tiber. 

Bernsteinsaures  Baryum,  C2H^(COO)gBa,  fällt  krystallinisch  aus,  wenn  man  eine 
Lösimg  von  bemsteinsaurem  Alkali  mit  Chlorbaryum  versetzt  In  Wasser  sehr  schwer,  in  Salz- 
säure und  Salpetersäure  leicht  löslich. 

Saures  bernsteinsaures  Calcium,  (CjH4COOH-COO)aCa  +  2H,0. 
Neutrales  bernsteinsaures  Calcium,  CgH^(COO)3Ca,  krystallisirt  mit  SH^O  nach 
einiger  Zeit  in  Nadeln  aus,  wenn  concentrirte  Lösungen  von  Chlorcalcium  und  bemsteinsaurem 
Alkali  gemischt  werden.  Kochend  zusammengebracht  erzeugen  diese  Lösungen  sofort  ein  mit 
1  MoL  Kiystallwasser  ausfallendes  Salz.  —  Produkte  bei  der  trojcknen  Destillation  von  bemstein- 
saurem Kalk  (134). 

Das  neutrale  Magnesium-Salz  ist  in  Wasser  löslich,  dagegen  sind  die  neutralen 
Salze  von  Silber,  Zink,  Kupfer,  Quecksilber  (-oxydul  und  -oxyd)  in  Wasser  schwer  oder 
nicht  löslich,  sowie  auch  das  neutrale  und  die  basischen  Bleisalze  der  Bemsteinsäure. 
Für  die  analytische  Erkennung  der  Bemsteinsäure  sind  unter  diesen  Salzen  namentlich  das 
neutrale  Calcium-  und  das  Baryumsalz  wichtig,  welche  in  Wasser  schwer,  in  Weingeist  unlöslich 
sind.  Femer  erzeugt  neutrales  bemsteinsaures  Alkali  in  den  Lösungen  von  Thonerde-  und 
Eisenoxydsalzen  charakteristische  Niederschläge  von  basischen,  unlöslichen  Salzen,  während 
Eisenoxydul-  und  Manganoxydullösungen  durch  bemsteinsaures  Alkali  bei  hinreichender  Ver- 
dfinnnng  nicht  gefällt  werden. 

Bernsteinsäure-Methylester,  C3H4(COOCH,)j,  entsteht  beim  Sättigen  einer  methyl- 
alkoholischen Lösung  von  Bemsteinsäure  mit  Salzsäuregas.  —  Schmp.  20^.  Siedep.  198^  (36). 
Bernsteinsäure-Aethylester,  C2H^(COOCaH5)2,  stellt  man  am  besten 
durch  zweistündiges  Kochen  von  20  Grm.  Bemsteinsäure,  8  Grm.  Alkohol  und 
1  Grm.  concentrirter  Schwefelsäure  am  Rtickflusskühler  dar  (37).  Siedep.  217'7*' 
(cor.),  spec.  Gew.  1*0475  bei  25'5°.  Bildet  mit  Titanchlorid  verschiedene  Doppel- 
verbindungen (43).  Substitutionsgeschwindigkeit  beim  Behandeln  mit  Brom  (135). 
Succinylobernsteinsäureester,  CuHigOg.  Produkt  der  Einwirkung 
der  Alkalimetalle  auf  Bemsteinsäureester.  Der  Körper  wurde  von  Fehling  (39) 
entdeckt.  Geuther  ertheilte  ihm  zuerst  die  oben  gegebene  Formel,  welche  durch 
die  eingehenden  Untersuchungen  von  Hermann  (40)  bestätigt  wurde. 

Die  Darstellung  des  Succinylobemsteinsäureesters  geschieht  am  besten  in  folgender  Weise 
(40):  80  Grm.  Natrium  schmilzt  man  unter  Petroleum  auf  dem  Sandbade  und  bewirkt  durch 
heftiges  Umrtthren  eine  Vertheilung  des  Metalls  in  feine  Kügelchen,  welche  bei  Vermeidung 
▼on  Eischtitterung  während  des  AbkUhlens  erhalten  bleiben.  Das  so  vorbereitete  Metall 
wird  nach  dem  Abspülen  mit  Petroleumäther  in  kleinen  Antheilen  allmählich  in  300  Grm. 
Bemsteinsäureester  eingetragen.  Ist  der  Bemsteinsäureester  vollständig  rein,  so  wirkt  Natrium 
nicht  auf  denselben  ein,  wohl  aber,  wenn  Spuren  von  Alkohol  zugegen  sind  (41),  und  zwar 
geht  die  Reaction  unter  Wasserstoffentwicklung  vor  sich.  Nachdem  das  Metall  eingetragen, 
wird  das  Gefäss,  in  welchem  man  die  Reaction  vornimmt,  durch  ein  Quecksilberventil  abgesperrt. 


\ 


254  Handwörterbuch  der  Chemie. 


Nach  5  bis  6  Wochen  wird  die  erhaltene  lockere,  staubtrockene,  schwach  röthlich  geftrbte 
Masse  —  die  Natriumverbindung  CjjHj^OßNaj  des  Succinylobemsteinsäureesters  —  mit  Hilfe 
'  eines  feinen  Siebes  von  den  Partikehi  des  unangegriffenen  Metalles  getrennt,  durch  Uebedeiten 
von  Kohlensäure  oder  Eintragen  in  verdünnte  Schwefel-  oder  Salzsäure  zersetzt  und  nach  dem 
Auswaschen  mit  Wasser  und  Trocknen  durch  Krystallisation  aus  Alkohol,  nachheriges  Waschen 
mit  Wasser  und  abermaliges  Umkrystallisiren  aus  Aether  gereinigt.  Auch  durch  Lösen  io  ver* 
^.  dUnnter  Natronlauge,  Ausfällen  durch  Kohlensäure  und  längeres  Auswaschen  mit  Wasser  kann 

der  Succinylobemsteinsäureester  rein  erhalten  werden. 

Die    Natriumverbindung    des    Succinylobemsteinsäureesters    entsteht   wahr- 
scheinlich nach  folgender  Gleichung: 

2C2H4(COOCjH5)j  -h  4Na  =  C^  jHj^OgNaj  +  2NaOCjiH5  H-  4H. 

Der  Succinylobemsteinsäureester  bildet  sich  auch  nach  Duisberg  (42,  41), 
wenn  man  den  durch  Einwirkung  von  1  Mol.  Brom  auf  1  Mol.  Acetessigester 
(s.  Bd.  I  pag.  10)  erhaltenen  Monobromacetessigester  mit  alkoholischem  Ammoniak 
oder  Natrium  in  ätherischer  Lösung  behandelt.  Was  die  Constitution  des 
Succinylobemsteinsäureesters  anbetrifft ,  so  kommen  nach  den  seitherigen  Unter- 
suchungen in  erster  Linie  die  beiden  Formeln 
COOC2H5 

CHCO  CHjCOCHCOOCjHs 

CHjCH,  "^       CHjjCO  CHCOOC^Hs 

COCHCOOCjHj 
in   Betracht   (40,    41).     Die   zweite    sei   den   nachfolgenden   Entwicklungen  zu 
Grunde  gelegt. 

Der  Succinylobemsteinsäureester  krystallisirt  aus  ätherischer  Lösung  beim 
langsamen  Verdunsten  des  Lösungmittels  in  grossen,  gut  ausgebildeten,  hellgrünen 
triklinen  Krystallen  von  vollkommener  Spaltbarkeit.  Er  ist  löslich  in  62*5  TWn. 
absoluten  Aethers  bei  17°  und  in  ö5'8  Thln.  bei  20°,  femer  löslich  in  Ligroin, 
Benzol,  Alkohol,  Eisessig,  Schwefelkohlenstoff  und  concentrirter  Schwefelsäure, 
dagegen  unlöslich  in  Wasser  bei  gewöhnlicher  Temperatur.  Seine  Lösungen 
in  neutralen  Mitteln  zeigen  intensiv  hellblaue  Fluorescenz;  die  alkoholische  wird 
von  Eisenchlorid  tief  kirschroth  gefärbt,  welche  Färbung  bei  Zugabe  von  sauren 
oder  basischen  Agenden  wieder  verschwindet.  Schmp.  126 — 127® ;  spec.  Gew.  1*4057 
bei  18*^,  bez.  auf  Wasser  von  4®.  Wird  selbst  bei  140®  von  Essigsäureanhydrid 
nicht  angegriffen.  Kali-  und  Natronlauge  lösen  ihn  zu  einer  intensiv  gelb  ge- 
färbten Flüssigkeit,  wogegen  er  in  Ammoniak  unlöslich  ist.  Lässt  man  über- 
schüssiges Alkali  enthaltende  Lösungen  längere  Zeit  bei  I^uftabschluss  stehen, 
säuert  sodann  mit  Schwefelsäure  an  und  behandelt  mit  Brom,  so  erhält  man 
Bromanil,  CgBr^Oji.  wahrscheinlich  neben  anderen  Substitutionsprodukten  des 
Chinons. 

Die     alkalischen     Lösungen      enthalten     Metallsubstitutionsprodukte.       Die     Verbindiing 

CHjCOCKCOOCjHe  CH,COCKCOOC,H. 

;:.  ,    ^^^»,^^^^  „      erhält  man  als  weissen,  die  Verbindung  a,»  ^^x,^  ^^^« ^ 

CHjCOCHCOOCjHj  ^  CHjCOCK-COOCjHj 

orangefarbenen  Niederschlag,  wenn  man  alkoholische  Kalilauge  in  geeigneter  Menge  rar 
ätherischen  Lösung  des  Esters  fügt.  Natrium  verhält  sich  dem  Kalium  analog.  Versetzt  nun 
die  wässrige  Lösung  der  Alkaliverbindungen  mit  den  Salzlösungen  anderer  Metalle,  so  werden 
diese  an  die  Stelle  der  Alkalimetalle  in  den  Ester  eingeführt.  So  kann  man  z.  B.  eine  Magnesium- 
Verbindung  CjjHi^MgOg  -H2HjO  als  rothen  Niederschlag  erhalten. 

Succinylobernsteinsäure-Monoäthylester,C6HßO,(COOC,H5)COOH, 
und  Succinylobernsteinsäure,  C0H6O3(COOH)2. 

Die  Lösimg  des  Succinylobemsteinsäureesters  in  Normalnatronlauge  (unter  Vermeidung  eines 


1^ 


Bemsteinsäure.  255 

Ueberschusses)  bleibt  bei  LuftabscUuss    stehen ,    bis   sie  sich  zu   trüben  beginnt.     Unzersetzter 

SacdnylobemsteinsäuTeester   wird    durch    Einleiten    von  Kohlensäure    abgeschieden    und    durch 

Filtration  entfernt.    Essigsäure  föllt  sodann  den  Monoäthylester  und  nach  Abtrennen  des  letzteren 

Schwefel-  oder  Salzsäure  die  Succinylobemsteinsäure. 

Der  Monoäthylester  krystallisirt   aus   Aether   in  schwach  gelb  gefärbten 

Prismen.     Seine  Lösungen  in  neutralen  Mitteln  fluoresciren  hellblau  und  werden 

durch  Eisenchlorid  violett  gefärbt.    Er  löst  sich  in  kohlensauren  Alkalien.     Bei 

78*^  schmilzt  er  unter  Kohlensäureverlust  und  geht  in 

o       .      ,  .  ,    ,  CHjCO.CHCOOCjH.     ^       ^. 

Succmylopropionsäureäthylester,   •     '  •  ,  über.  Dieser 

ist  eine  nicht  unzersetzt  destillirbare,  beim  Stehen  an  der  Luft  sich  zersetzende 
Flüssigkeit,  deren  Lösungen  stark  fluoresciren  und  durch  Eisenchlorid  intensiv 
violett  gefärbt  werden. 

Die  Succinylobemsteinsäure  fallt  in  mikroskopischen  Nadeln,  deren 
alkoholische  Lösungen  durch  Eisenchlorid  violett  gefärbt  werden,  und  welche  sich 
beim  Verweilen  unter  Wasser  langsam  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  rasch  beim 
Erhitzen  unter  Kohlensäureentwicklung  lösen.  Dabei  bildet  sich  wahrscheinlich 
Succinyl ©Propionsäure,  welche  auch  entsteht,  wenn  Succinylobemsteinsäure- 
ester  mit  überschüssigem  Alkali  unter  Luftabschluss  verseift  wird.  Wird  die 
Succinylobemsteinsäure  zwischen  Uhrgläsem  sublimirt,  so  erhält  man  neben 
einem  kohligen  Rückstand 

Chinontetrahydrür,  C^-HgOg.  Krystallisirt  aus  Wasser  bei  langsamer 
Verdunstung  in  flachen  Prismen,  welche  bei  75^  schmelzen.  Sublimirt  bereits 
unter  100*^.  Seine  mit  Alkali  versetzten  Lösungen  bräunen  sich  an  der  Lufl:.  Bei 
der  Einwirkung  von  Brom  liefert  es  Bromanil,  CgBr^O,. 

Oben  wurde  erwähnt,  dafis  überschüssiges  Alkali  auf  Succinylobemsteinsäure  bei  Abschluss 
der  Luft  unter  BUdung  von  Succinylopropionsäure  einwirkt.  Daneben  entsteht  ein  mit  dem  er- 
wähnten Chinontetrahydrür  isomerer  Körper,  welcher  aus  Wasser  in  rhombischen  Prismen  von 
der  Formel  C^HgOj+^HjO  krystallisirt,  sein  Krystallwasser  bei  110^  vollständig  verliert  und 
dann  bei  170°  unter  Zersetzung  schmilzt. 

Alle  im  Vorstehenden  beschriebenen  Verseifungsprodukte  des  Succinylo- 
berasteinsäureesters  reduciren  ammoniakalische  Silberlösung  und  alkalische 
Kupferlösung  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur.  Ihre  alkalischen  Lösungen 
bräunen  sich  an  der  Lufl  unter  Aufnahme  von  Sauerstoff.  Die  Lösungen  der 
carboxylhaltigen  zeigen  hellblaue  Fluorescenz  und  werden  durch  Eisenchlorid 
charakteristisch  gefärbt. 

Diese  Eigenschaften  theilt  eine  Säure  von  der  Formel  CgHj^jOg,  welche  unter  den  Zer- 
setzungsprodukten mit  überschüssigem  Alkali  aufgefunden  worden,  nicht.  Dieselbe  krystallisirt 
in  rhombischen  Tafeln,  schmilzt  bei  139°  und  bildet  krystallinische  Salze.  —  CgHgBaOß  -f-  2H3O. 
,     .      ..        .  CHCO-CHCOOCoHg 

Chinonhydrodicarbonsäureester,     CH-CO-CHCOOC  H        ^^^^^eht 

bei  der  Einwirkung  von  Brom  auf  in  Schwefelkohlenstoff  gelösten  Succinylobem- 
steinsäureester.  Rhombische  Tafeln  oder  Prismen  oder  platte  Nadeln  von  grün- 
Kchgelber  Farbe  und  hellblauer  Fluorescenz.  Schmp.  133—1 33-5°.  1  Thl.  löst 
sich  in  63"5  Thln.  absoluten  Aethers.  Löslich  auch  in  Ligroin,  Benzol,  Alkohol, 
Eisessig  und  Schwefelkohlenstoff.  Die  Lösungen  zeigen  hellblaue  Fluorescenz,  die 
alkoholische  wird  von  Eisenchlorid  blaugrün  gefärbt.  Löst  sich  in  Alkalien  und 
bildet  Metallsubstitutionsprodukte  wie  der  Succinylobemsteinsäureester.  Durch 
Verseifen  mit  Alkali  bei  gewöhnlicher  Temperatur  unter  Luftabschluss  erhält  man 
aus  dem  Chinonhydrodicarbonsäureester 


256  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Chinonhydrodicarbonsäure-Monoäthylester,  CßH402(CO,C|H}) 
GOOH.  —  Nadeln  oder  Prismen  vom  Schmp.  184°,  gut  krystallisirende  Salze 
bildend  —  und 

u   ^     ^-       u  CHCOCHCOOH    „^.  ,  .,         ., 

Chinonhydrodicarbonsaure,  'ATTr^r\r-TTr-r\r\u'   ^''^  ^^^  *^^**  S^hea 

durch  stärkere  Säuren  als  grünlichweisser  Niederschlag  gefällt,  welcher  sich  in  der 

Flüssigkeit  bald  in  ein  krystallinisches  Pulver  von  der  Formel  CgH^Og  -h  2H2O 

verwandelt.    Verliert  das  Krystallwasser  über  Schwefelsäure.     In  kaltem  Wasser 

sehr  schwer,  in  heissem  etwas  leichter  löslich,  schwer  löslich  in  Alkohol  und  in 

Aether.    Krystallisirt  aus  Alkohol  in  gelben  Blättchen  mit  blauem  Flächenschiller. 

Die  wässrige  Lösung  fluorescirt  smaragdgrün,  die  alkoholische  und  die  äthemche 

hellblau.     Eisenchlorid  färbt  die  Lösungen  rein  blau.     Die  Säure  schmilzt  bei 

sehr  hoher  Temperatur  unter  Zersetzung.     Schmelzendes  Kalihydrat  wirkt  unter 

Bildung   von   kleinen    Mengen  Hydrochinon   auf  dift  Säure    ein.     In    grösserer 

Menge,  wenn  auch  immerhin  in  nicht  sehr  glatter  Weise,  bildet  sich  das  letztere 

bei  der  trockenen  Destillation  (CgHßOg  =  (CgHgO,  -i-  2C0j).    Durch  rauchende 

Hydrochinon 

Salpetersäure  wird  sie  in  Nitranilsäure  übergeführt. 

Salze  der  Chinonhydrodicarbonsaure.     Die  Chinonhydrodicarbonsaure  bildet  neu- 
trale, saure  und  basische  Salze.    Dieselben  sind  in  Alkohol  unlöslich.    Die  wässrigen  Lösungen 
f-  zeigen  schwach  smaragdgrüne  Fluorescenz  und  werden  durch  geringe  Mengen  Eisenchlorid  blau- 

violett,  durch  grössere  rein  blau  gefUrbt. 

Neutrales  Kaliumsalz,  CsH40,(C00K),.     Strohgelbe  Nadeln. 

Neutrales  Natriumsalz,   CgH4  0,(C00Na), -f- 2HjO.     HellbräunUch  geftrbte.    platte 
'         Prismen.    Fällt  aus  Lösungen,  welche  eine  höhere  Temperatur  als  50®  besitzen,  krystallwasseHrei. 

Neutrales  Ammoniumsalz.     Hellbraune,  dicke  Prismen. 

Die  Salze  der  alkalischen  Erden  werden  durch  Zusatz  ihrer  neutralen  Lösungen  zur  Lösung 
des  Kaliumsalzes  in  kiystallinischem  Zustand  ausgeschieden. 

Neutrales  Calciumsalz,  CgH^CaOg  +  5H,0.     Gelb  geförbte  Nadeln. 

Neutrales  Baryumsalz,  CgH^BaO^.  Charakteristische,  atlasglänzende,  platte  Nftdelcbeo 
mit  einem  schwachen  Stich  ins  Grünliche,  welche  beim  Pressen  das  Aussehen  von  Schuppen  an- 
nehmen.    Selbst  in  siedendem  Wasser  schwer  löslich. 

NeutralesSilbersalz,  CgH^Ag^O^.  Kryptokrystallinischer,  fast  unlöslicher  Niederschlag 
von  grünlich  gelber  Farbe.     Verändert  sich  am  Licht  nicht. 

Die  sauren  Salze  entstehen  auf  Zusatz  von  Essigsäure  zu  den  nicht  allzu  verdtUmten 
Lösungen  der  neutralen  Salze  als  krystallinische  Niederschläge  und  zersetzen  sich,  wenn  man 
sie  aus  Wasser  umzukrystallisiren  versucht. 

Saures  Kaliumsalz,  CeH40,(C00H)C00K.  Krystallinischer,  lebhaft  gelber  Nieder- 
schlag mit  einem  Stich  ins  Grünliche.  Aus  stark  verdünnten  Lösungen  fUllt  es  in  kleinen, 
glänzenden  Prismen. 

Saures  Natriumsalz,  C5H40,(COOH)COONa -h  2H,0.  Fällt  aus  verdünnten 
Lösungen  in  gelben,  glänzenden,  prismatischen  Krystallindividuen. 

Saures  Calciumsalz,  (CeHjOe),Ca+ 5H,0.     Hellbräunliche,  gekrümmte  Nadeln. 

Saures  Baryumsalz.     Langgestreckte,  gelblichgrün  geförbte  Nadeln. 

Die  neutralen  Salze  der  Alkalimetalle  lösen  sich  in  Alkalilaugen  zu  grün  fluorcscirenden 
Flüssigkeiten,  welche  auf  Zusatz  concentrirter  Alkalilauge  allmählich  prachtvoll  ausgebildete 
Krystalle  der  basischen  Salze  fallen  lassen,  welche  nur  in  der  concentrirten  Mutterlauge  anter 
Luftabschluss  beständig  sind.  Das  Natriumsalz,  CgH^Na^O^  +  2NaOH  +  10H,O,  bUdet  an- 
scheinend rhombische,  flächenreiche,  durchsichtige  Krystalle,  die  im  durchfallenden  Licht  grün- 
lichgelb, im  reflektirten  dagegen  hellblau  erscheinen. 

Die  Chinonhydrodicarbonsaure  und  ihre  beschriebenen  Derivate  zeigen  nur 
geringe  Beständigkeit    gegen    oxydirende  Einflüsse.     Die    mit  Alkalihydrat   oder 


Bemsteinsäure.  257 

-carbonat  im  Ueberschuss  versetzten  Lösungen  bräunen  sich  schnell  an  der  Luft. 
Sie  reduciren  ammoniakalische  Silberlösung  und  aJkahsche  Kupferlösung  schon 
bei  gewöhnlicher  Temperatur. 

Perchlorbernsteinsäureester,  C^Cl^ 04(0305)2(44). 

Acthylbernsteinsäure,  C2H4(COOCaH5)COOH  (45). 

Bernsteinsäure-Isopropylester,  €2114(00003117),.    Siedep.  228°  (46). 

Bernsteinsäure-Amylester,  C,H4(0OO05Hn),.  Siedep.  2899°  (cor.) 
bei  728  Millim.  Druck  (47). 

Bernsteinsäure-Oetylester,    0,H4(OOOOi6H3j)j.      Schmp.    58°   (48). 

Bernsteinsäure-Aethylenester,  OjH^pqq^O^H^  (49). 

Oxyäthylbernsteinsäure,    CaH^^Q^n*^*^^  (50). 

Succinylglycerin   (Succinin),  €3115(0 H)(04H404).     Durch  Erhitzen  von 

Glycerin  mit  Bemsteinsäure  auf  200°  erhalten.     Syrup  (139). 

0000  H 
Aethylbernsteinsäure-Milchsäureester,  O2H4PQ qV  jj  0000  H 

Aus  a-Chlorpropionsäureester  und  äthylbemsteinsaurem  Kalium.   Siedep.  280°  (51). 
Succinylodimilchsäureester,     04H4O2-(O0jH4COO0jH5),.       Aus 
Sacdnylchlorid   und  Milchsäureäthylester  (52).     Siedep.   300—304°.     Aus   bem- 
steinsaurem  Kalium  und  a-Ohlorpropionsäureester  (51). 

OH,— OOv, 

Bernsteinsäureanhydrid,   I  .0,  bildet  sich  beim  Erhitzen  der 

^  OH,  — 00^ 

Bemsteinsäure  (53)  für  sich  oder  mit  wasserentziehenden  Mitteln,  wie  Phosphor- 
säareanhydrid,  Phosphorsuperchlorid  (54),  Essigsäureanhydrid,  Acetylchlorid  (55), 
sowie  bei  der  Einwirkung  von  Benzoylchlorid  auf  bernsteinsaures  Natrium  (54) 
oder  Bemsteinsäureester  (56),  von  Succinylchlorid  auf  essigsaures  Natrium  (57) 
und  auf  Oxalsäure  (136).  Am  besten  destillirt  man  zu  seiner  Darstellung  gleiche 
Mol.  Bemsteinsäure  und  Succinylchlorid,  welches  für  diesen  Zweck  nicht  voll- 
ständig gereinigt  zu  werden  braucht  (55,  58).  —  Nadeln.  Schmp.  119*6,  Siede- 
punkt 250°.  In  Aether  wenig  löslich.  Lässt  sich  aus  absolutem  Alkohol  um- 
krystallisiren,  vereinigt  sich  jedoch  bei  längerem  Behandeln  damit  zu  Aethylbern- 
steinsäure.  Durch  die  Einwirkung  des  Wassers  wird  es  in  Bernsteinsäure  über- 
geführt. Brom  wirkt  bei  140°  unter  Bildung  von  Dibrömbemsteinsäureanhydrid, 
C4H2Br203,  auf  den  Körper  ein  (59). 

Succinylchlorid,  04H40j'Cl3,  wird  durch  Einwirkung  der  nöthigen 
Menge  Phosphorsuperchlorid  auf  Bemsteinsäure  oder  Bemsteinsäureanhydrid  er- 
halten (54).  Siedep.  190°,  spec.  Gew.  1*39;  erstarrt  bei  0°  zu  Krystallen.  Bildet 
mit  Wasser  Bemsteinsäure,  mit  Alkohol  Bemsteinsäureester.  Succinylchlorid 
gebt  bei  der  Reduction  mit  Natriumamalgam  in  7-Butyrolacton  (61)  (137),  beim 
Behandeln  mit  Zinkäthyl  in  Diäthylbutyrolacton  (60)  (138)  über  (s.  d.  Art.  Lactone). 
Bei  der  Einwirkung  von  Brom  entsteht  ein  bei  218—220°  nicht  unzersetzt 
siedendes  bibromirtes  Succinylchlorid,  04H2Br2O20l2y  welches  sich  auch  bei 
der  Einwirkung  von  Brom  auf  Fumarylchlorid  bildet  (62).  Erhitzt  man  Succinyl- 
chlorid mit  Ohlorphosphor  auf  230°,  so  entsteht  ein  Körper  von  der  Zusammen- 
setzung 0401^0,  welcher  durch  längere  Einwirkung  von  conc.  Schwefelsäure  in 
der  Hitze  in  ein  bei  119*5°  schmelzendes  Säureanhydrid  O4OI2O3  verwandelt 
wird  (157). 

Succinamid,  04H4O2(NH2)s,  entsteht  bei  der  Einwirkung  von  wein- 
1.  17 


258  Handwörterbuch  der  Chemie. 


1 


geistigem  oder  wässrigem  Ammoniak  auf  Bernstein säureäth er   bei   gewöhnlicher 

Temperatur   (63),    sowie   beim    Behandeln   von    Succinimid    mit   alkoholischem 

Ammoniak  (64).     Nadeln,  in  220  Thln.  Wasser  von  19°,  in  9  Thln.  siedendem 

löslich,  in  absolutem  Alkohol  und  in  Aether  fast  unlöslich.    Geht  beim  Erhitzen 

in  Succinimid  über  und  bildet,  mit  Quecksilberoxyd  behandelt,  eine  Verbindung 

C,H,0a(NH)3Hg-h  l^H^O  (65). 

Dimethylsuccinamid,  C4H402(NHCH3)2.     Schmp.  175°  (66). 

CHjCONH, 
Succinaminsäure,    I  .    Beim  schwachen  Erwärmen  von  Suc- 

CHjCOOH 

cinimid  mit  der  äquivalenten  Menge  von  Barythydrat  (67),  sowie  beim  Erhitzen 
desselben  Körpers  mit  Bleioxyd  (67),  Kalkhydrat  oder  Ammoniak  (68)  bilden 
sich  die  entsprechenden  Salze  dieser  Säure.  Die  Succinaminsäure  kann  in 
grossen  Krystallen  erhalten  werden,  welche  in  Wasser  leicht,  weniger  in  ver- 
dünntem Alkohol,  nicht  in  absolutem  Alkohol  und  in  Aether  löslich  sind.  Die 
Säure  sowohl  als  auch  ihre  Salze  zersetzen  sich  leicht  beim  Kochen  mit  Wasser 
unter  Bildung  bernsteinsaurer  Salze  (67). 

Succinaminsaures  Baryum,  (C3H4CONH,COO),Ba.  Nadeln,  in  Wasser  Idcfat, 
weniger  in  verdünntem  Alkohol,  nicht  in  absolutem  Alkohol  und  in  Aether  löslich  (67). 

Succinaminsaures  Calcium,  (C^Hg03N).^Ca  —  Magnesiumsalz,  (C4H^O|N}2Mg 
+  6H2O  —  Zinksalz,  (C4H60,N)aZn  —  Cadmiumsalz,  (C^HßO,N),Cd -h  H,0  (67)  - 
Bleisalz,  (C^H60,N)jPb(68)  — Kupfersalz,(C4HgO,N)3Cu  — Mangansalz,(C4H40jN),Mn 
+  5H,0  —  Silbersalz,  C^HgOjNAg  (67). 

Bibromsuccinaminsaures  Ammoniak,  CaHjBrjpQQjTTT     (146). 

/CH,CONHC,HA 
Aethylsuccinaminsaures  Baryum,   11^  J  Ba  (69). 

CHgCO.. 

Succinimid,    I  ^NH,   entsteht  beim  Erwärmen  von  Bernsteinsäure- 

CHjCO^ 

anhydrid  in  Ammoniakgas  (53),  sowie  beim  Erhitzen  von  bemsteinsaurem  Am- 
moniak resp.  Succinamid  (63).  Am  leichtesten  erhält  man  es  durch  rasche 
Destillation  von  bemsteinsaurem  Ammoniak.  —  Krystallisirt  aus  Wasser  in  rhom- 
bischen  Tafeln  oder  Oktaedern,  welche  an  der  Luft  verwittern,  sich  leicht  in 
Wasser,  weniger  in  Alkohol  und  in  Aether  lösen,  bei  100°  ihr  Krystallwasser 
verlieren  und  bei  125 — 126°  schmelzen  (70).  Krystallisirt  wasserfrei  in  Rhomben- 
oktaedern aus  trockenem  Aceton  (71).  Siedep.  287 — 288°  (72).  Kann  in  Suc- 
cinamid und  Succinaminsäure  (s.  d.)  übergeführt  werden.  Liefert  bei  der  Ein- 
wirkung von  Brom  neben  Bromfumarimid  (s.  Bd.  L,  pag.  40)  und  einem  bei 
105 — 120°  schmelzenden  Körper  Dibromsuccinimid  (Schmp.  225°)  (91),  bei  der 
Destillation  über  Zinkstaub  Pyrrol  (73)  und  bei  der  Einwirkung  von  Phosphor- 
superchlorid  u.  a.  ein  bei  145 — 148°  schmelzendes  Chlorid  (t^).  Der  Imid Wasser- 
stoff kann  durch  Quecksilber,  Silber,  verschiedene  Säure-  und  Alkoholradikale, 
sowie  durch  Jod  ersetzt  werden. 

Succinimidquecksilber,  (C4H402N),Hg,  entsteht  beim  Behandeln  einer  wtssrigco 
Lösung  von  Succinimid  mit  Quecksilberoxyd  in  der  Wärme  (75),  krystallisirt  in  feinen  Prismen 
und  ist  sehr  leicht  in  Wasser,  ziemlich  leicht  in  Alkohol  löslich.  Vereinigt  sigh  in  concentrirter 
wässriger  Lösung  mit  Quecksilberchlorid  zu  (C4H^OjN)^Hg  -+-  HgQj,  einer  in  glänzenden 
Krystallflittem  ausfallenden  Verbindung  (72),  sowie  mit  Quecksilbercyanid  zu  (C4HjOjN),Hg 
+  Hg(CN)j  (Blättchen,  in  kaltem  Wasser  schwer  löslich)  (69).  —  Succinimidsilber, 
C4H4O2N  Ag  (69a),  bildet  sich  beim  Zusammenbringen  von  Succinimid  mit  salpetexsaurem  ^ber 


Bemsteinsäure.  259 

in  alkoholischer  Lösung  in  Gegenwart  von  Ammoniak.  Verfikte  Nadeln,  wenig  löslicli  in  kaltem 
Wasser  und  Alkohol,  verpufft  beim  Erwärmen.  —  C^H^OjNAg -f- ^H,0  (66a,  67)  entsteht 
beim  Lösen  des  vorigen  Salzes  in  Wasser  bei  Gegenwart  von  Ammoniak,  sowie  bei  der  Ein- 
wirkung von  Barytwasser  auf  eine  wässrige  Lösung  von  Succinimid  und  salpetersaurem  Silber.  Vor- 
theflhafter  gewinnt  man  die  Verbindung  durch  Einwirkung  von  Silberoxyd  auf  Succinimid  (71)  in 
Gegenwart  von  Wasser.  Kleine,  glänzende  Krystalle,  welche  in  kaltem  Wasser  und  in  Alkohol  wenig 
löslich  sind,  bei  100®  ihr  Krystallwasser  verlieren  und  beim  Erhitzen  nicht  verpuflfen  (67,  72). 
Die  Lösung  in  Ammoniak  hinterlässt  beim  Verdunsten  eine  in  Säulen  krystallisirende  Ver- 
bindung, C^H^O^NAg  +  NH,.  Durch  Jodäthyl  wird  Succinimid  zurUckgebildet,  während  Jod 
in  trockener  Aceton-  oder  Aetherlösung  unter  Bildung  von 

Jodsuccinimid,  C^H^OjNJ,  einwirkt  (71).  Dieses  krystallisirt  in  farblosen,  quadratischen 
Prismen,  welche  leicht  in  Wasser  und  Aceton,  etwas  weniger  in  Alkohol,  wenig  in  Aether  löslich 
sind  und  beim  Kochen  mit  Silberoxyd  in  wässriger  Lösung  Succinimidsilber  liefern. 

Bei  der  Einwirkung  von  Succinylchlorid  auf  Succinimidsilber  in  ätherischer 
Lösung  entsteht 

Trisuccinamid,  (C4H^02)8N2.  Krystallisirt  aus  Aether  in  kleinen,  bei  83° 
schmelzenden  Krystallen  und  wird  von  Wasser  unter  Abscheidung  von  Succin- 
imid zersetzt  (76). 

Methyl  succinimid,  C4H402-NCHg,  entsteht  bei  der  Destillation  von 
bemsteinsaurem  Methylamin.     Schmp.  66*5°.     Siedep.  234°  (69). 

Aethylsuccinimid,  C4H402-NC3H5,  bildet  sich  wie  die  vorige  Ver- 
bindung aus  bemsteinsaurem  Aethylamin.  Schmp.  26°.  Siedep.  234°.  Liefert 
bei  der  Destillation  über  Zinkstaub  Aethylpyrol  (73). 

Monochlorbernsteinsäure,  C2H3Cl(COOH)2.    Man  erhitzt  Fumarsäure 

mit   einer   bei  0°   gesättigten   Lösung   von  Chlorwasserstoff  in  Eisessig   12 — 14 

Stunden  im  Wasserbade.     Schmp.  151*5— 152°.     Leicht  in  Wasser  und  heissem 

Eisessig,  schwerer  in  kaltem  Eisessig,  sehr  schwer  in  Chloroform  löslich  (141). 

CHCICO^ 
Monochlorbernsteinsäureanhydrid,  I  .0,     bildet     sich     aus 

Malemsäureanhydrid  und  Chlorwasserstoff  (144)  und  wird  vortheilhaft  durch  Er- 
hitzen von  Monochlorbernsteinsäure  mit  Acetylchlorid  im  Wasserbade  dargestellt. 
Das  Reactionsprodukt  wird  unter  vermindertem  Druck  destillirt.  Siedep.  130 
bis  131°  bei  14—15  Millim.  Quecksilberdruck.  Schmp.  40—41°.  Geht  bei  der 
Destillation  unter  gewöhnlichem  Luftdruck  in  Malemsäureanhydrid  über  (141). 

CHBrCOOH 
Monobrombernsteinsäure,    I  ,  entsteht   beim   Erhitzen   von 

CHjCOOH 

Bernsteinsäure  mit  Brom  und  viel  Wasser  (77,  78),  sowie  bei  der  Einwirkung  von 

Bromwasserstoffsäure  auf  Aepfelsäure,  Weinsäure   und  Traubensäure  (79).    Um 

sie  darzustellen,  erhitzt  man  Fumarsäure  mit  einem  grossen  Ueberschuss  einer 

bei  0^    gesättigten  Lösung   von  Bromwasserstofifsäure   in  Wasser   (82,  80)    oder 

Eisessig  (141)   auf  100°,  oder  man  behandelt  Bernsteinsäureester  (1  Mol.)  mit 

Brom   (2  Mol.)   bei   130—140°  (140).     Im    letzteren  Falle  entstehen  Bromäthyl, 

Monobrom-   und   Dibrombemsteinsäure,    und    zwar   erhält   man    aus    174   Grm. 

Bcmsteinsäureester    und    320   Grm.   Brom  85   Grm.  Monobrom-   und   80   Grm. 

Dibrombemsteifisäure. 

Die  Monobrombernsteinsäure  ist  leicht  löslich  selbst  in  kaltem  Wasser  und 

krystallisirt    daraus    in    glänzenden,    bei    160°   schmelzenden   Krystallen.     Von 

siedendem  Wasser  wird  sie  in  Fumarsäure  (80),  von  Silberoxyd  in  Aepfelsäure  (77), 

17* 


26o  Handwörterbuch  der  Chemie. 


1 


von  Schwefelkalium  in  Thioäpfelsäure  (78)  übergeführt.  Natriumamalgam  reduciit 
sie  zu  Bemsteinsäure. 

Monobrombernsteinsäureäthylester,  C2H3Br(COOC5H5)3,  eine  nicht 
ohne  Zersetzung  siedende  Flüssigkeit,  liefert  bei  der  Behandlung  mit  Cyankalium 
ein  nach  Zwiebeln  riechendes  flüssiges  Cyanid,  C2H3(CN)(COOC2H5),,  welches 
bei  der  Einwirkung  alkoholischen  Kalis  in  die  Säure  C2H3(COOH)3  über- 
geht (81). 

CHBr-CO 
Monobrombernsteinsäureanhydrid,    •  1^0,  bildet  sich  beim 

CHj'CO 

Erhitzen  von  Monobrombernsteinsäure  mit  Acetychlorid.  Man  destillirt  unter 
vermindertem  Druck  und  erhält  das  Anhydrid  als  eine  bei  11  Millm.  Quecksilber- 
druck bei  137°  siedende  Flüssigkeit.  Schmp.  30—31°.  Geht  mit  Wasser  in  die 
Säure  über  und  zersetzt  sich  beim  Destilliren  unter  gewöhnlichem  Luftdruck  in 
Maleinsäureanhydrid  und  Bromwasserstoff  (141). 

CHBrCOOH 
Dibrombernsteinsäure,    u^^  r-r\r\u>    entsteht    neben     anderen    ge- 

bromten  Säuren  beim  Behandeln  der  Bemsteinsäure  mit  Brom  und  Wasser  (77), 
beim  Bromiren  des  Bemsteinsäureesters  (s.  Monobrombernsteinsäure),  wenn  das 
Produkt  der  Einwirkung  von  Brom  auf  Succinylchlorid  mit  Wasser  behandelt 
wird  (85),  neben  Bromfumarsäure  bei  der  Reaction  von  Bromwasserstoff  auf 
Brommaleinsäure  oder  deren  Anhydrid,  neben  Isodibrombemstein säure  bei  der  Ein- 
wirkung von  Bromwasserstoff  auf  Bromfumarsäure  bei  100°  (^3,  84),  beim  Er- 
hitzen von  Mucobromsäure  mit  Brom  (142). 

Um  sie  darzustellen  erhitzt  man  10  Thle.  Fumarsäure  mit  14  Thln.  Brom  und  10  Thln. 
Wasser  zehn  Minuten  im  Wasserbade  und  reinigt  die  gebUdete  Säure  durch  Umkrystallisiren  aas 
Wasser  (82,  83). 

Die  Dibrombemsteinsäure  bildet  in  Wasser  schwer  lösliche,  schöne,  glänzende 
Krystalle,  welche  beim  Erhitzen  im  Capillarrohr  bis  200°  unverändert  bleiben, 
bei  Erhöhung  der  Temperatur  verknistem  und  sich  schlieslich  unter  Bromwasser- 
stoffabgabe verflüchtigen.  Mit  Wasser  längere  Zeit  gekocht  liefert  sie  Brom- 
male'insäure  (83).  Beim  Kochen  der  wässrigen  Lösung  des  Bariumsalzes  der 
Dibrombemsteinsäure  entsteht  Brommaleinsäure  (86),  bei  gleicherBehandlung  des 
Silbersalzes  oder  Kalksalzes  Weinsäure  (85,  86),  und  des  Natriumsalzes  Brom- 
äpfelsäure  (86).  Mit  Essigsäureanhydrid  anf  120—130°  erhitzt,  liefert  Dibrom- 
bemsteinsäure Brommaleinsäureanhydrid  (87),  bei  der  Einwirkung  alkoholischen 
Kalis  Acetylendicarbonsäure  (s.  unten)  und  bei  der  Reduction  in  saurer  Lösung 
Fumarsäure  (143).  Behandelt  man  Dibrombemsteinsäure  mit  alkoholischem 
Ammoniak,  so  wird  das  Brom  durch  Amid  ersetzt  (s.  unten);  lässt  man  Natrium- 
äthylat  auf  das  Natriumsalz  derselben  in  alkoholischer  Lösung  einwirken,  so  ent- 

KT   .  •  CHBrCOONa  ,    „, 

steht   äthoxylbrombernstemsaures   Natrium,    ^jj,q^  ^  KOON     ^^^^' 

Salze  der  Dibrombemsteinsäure  (86).  Die  Salze  zersetzen  sich  beim  Kochen  ihrer 
wässrigen  Lösungen. 

Dibrombernsteinsaures  Natrium,  C^H^Br^O^Na,  4- 4H,0,  krystallisirt  aus  Alkohol 
in  perlmutterglänzenden  Blättchen. 

Ammoniaksalz,  C4H2Br,0^(NH4),.     Grosse,  durchsichtige  Krystalle. 

Kalksalz,  C^HjBrjO^Ca -H  2H3O. 

Silbersalz,  C^HjBrjO^Ag,.     Weisser  Niederschlag. 

Dibrombemsteinsäure  methylester,  C2H2Br3(COOCH3)2.  Schmelz- 
punkt 61-5—620  (88,  89). 


Bernsteinsäure.  26 1 

Methyldibrombernsteinsäure,  C8H5Br2(COOCH,)COOH.  Würfel- 
ähnliche  Krystalle,  welche  sich  bei  245° zersetzen.  —  C,H,Brj(COOCH,)COONa 
H-  4H,0  (146). 

Dibrombernsteinsäureäthylester,  CjH^Br^CCOOCjHj),.  Schmelz- 
punkt 58^  (86,  89).  Liefert  bei  der  successiven  Behandlung  mit  Cyankalium 
und  Kalihydrat  Bernsteinsäure  (150).  Bildet  bei  der  Einwirkung  von  Zink  zink- 
haltige Verbindungen,  welche  sehr  leicht  in  Fumarsäure,  resp.  deren  Ester  über- 
geben (14s). 

Aethyldibrombernsteinsäure,  C,H,Br,CC00CaH6).C00H.  Schmp. 
2750.  — C,H,Br,(COOC2H5)COOK  H-  HHaO— C,H3Br3(COOCaH5)COONa 
-f  2H,0  —  C,H,Br,(C00C,H5)C00 Ag  (146). 

Dibrombernsteinsäuremethyläthylester,C,H,Br,(COOCH8)COOC,H5. 
Schmp.  62-5«  (146). 

Dibrombernsteinsäureanhydrid,  C^H^Br^O,,  entsteht  bei  der  Ein- 
wirkung von  Brom  auf  Bemsteinsäureanhydrid  bei  140®  (59). 

Dibromsuccinylchlorid  und  Dibromsuccinimid  s.  unter  Succinylchlorid 
und  Succinimid. 

CBr^COOH 

Isodibrombernsteinsäure,     I  .  bildet  sich  neben  Fumarsäure 

CHjCOOH' 

(83)  bei  der  Einwirkung  von  Brom  auf  Maleinsäure  (82  a),  neben  Dibrombemstein- 

säore  bei  der  Behandlung  von  Bernsteinsäure  mit  Brom  und  Wasser  (90,  93)  und 

bei  der  Einwirkung  von  rauchender  Bromwasserstoffsäure  auf  Bromfumarsäure  bei 

100**  (83,  84).    Man  stellt  sie  vortheilhaft  durch  Zersetzen  ihres  Anhydrides  (s.  unten) 

mit  Wasser  dar  (92).    Die  Isodibrombernsteinsäure  schmilzt  bei  160**  und  zersetzt 

sich   bei    wenig   höherer   Temperatur.     Sie    ist   sehr   leicht   löslich   in  Wasser. 

Kocht  man  das  Baryumsalz  der  Isodibrombernsteinsäure  (82  a)  oder  diese  Säure 

selbst   mit  Wasser,    so  liefert  sie  Bromfumarsäure   (82  a,  83).     Natriumamalgam 

ftihrt   sie    in  Bernsteinsäure    (92),    alkoholisches   Kali   in   Acetylendicarbonsäure 

(s.  unten)  über.    Bei  der  Zersetzung  ihres  Baryumsalzes  mit  Silberoxyd  entsteht 

Brenztraubensäure. 

Isodibrombernsteinsäure  methylester     und     Isodibrombernstein- 

sättreäthylester  sind  nicht  unzersetzt  destillirende  Oele  (92). 

CBr^COv, 

Isodibrombernsteinsäureanhydrid,    I  ^O.   Reines  Malemsäure- 

^  CHjCO  < 

anhydrid  wird  mit  der  berechneten  Menge  Brom  und  trocknem  Chloroform  zwei 

Stunden  auf   100<>  erhitzt.    Man  erhält  das  Anhydrid  nach  dem  Verdunsten  des 

Chloroforms  als  Oel,  welches  bei  niederer  Temperatur  zu  KrysUllen  erstarrt,  die 

bei  etwa  S2^  schmelzen.     Es  zieht  mit  grosser  Begierde  Wasser  aus  der  Luft  an 

ond  zersetzt  sich  damit  zu  Isodibrombernsteinsäure.     Zerfällt  wenig  über   100^ 

erhitzt  in  Bromwasserstoff  und  Brommalemsäureanhydrid  (92). 

Tribrom bernsteinsäure,  C3HBr,(COOH),.    Brommaleinsäure  (10  Thle.) 

wird  mit  Brom  (10  Thle.)  und  Wasser  (6  Thle.)  bei  gewöhnlicher  Temperatur 

geschüttelt  und  die  dickflüssige,  noch  freies  Brom  enthaltende  Lösung  im  Va- 

cuum  neben  Schwefelsäure  zur  Krystallisation  verdunstet.    Bromfumarsäure  liefert 

mit  Brom  das  gleiche  Produkt  —  Kurze,  nadelförmige,  zu  Büscheln  vereinigte, 

W  136-137«  schmelzende  Krystalle.     Sehr  leicht  löslich  in  Wasser,  Alkohol 

«nd  Aether,  leicht  in  Benzol,  schwer  in  Ligroin  und  Schwefelkohlenstoff.      An 

feuchter  Luft  zerfliesslich.    Beim  Erwärmen  mit  Wasser  geht  die  Tribrombernstein 


262  Handwörterbuch  der  Chemie. 

säure  unter  Abspaltung  von  Kohlensäure  und  Bromwasserstofif  in  Dibromacryl- 
säure  über  (93). 

Amidobernsteinsäure  (Asparaginsäure,  Asparagsäure,  Asparamin- 
säure,  Aspartsäure),  C2H5(NHj)(COOH)2,  wurde  von  Plisson  (94)  entdeckt; 
nachdem  von  Liebig  (107,  107  a)  ihre  Zusammensetzung  ermittelt  und  als  zwei- 
basische Säure  erkannt  worden  war,  wurde  von  Kolbe  (108)  ihre  chemische  Con« 
stitudon  vollständig  aufgeklärt.  Sie  bildet  sich  beim  Zersetzen  von  Asparagin  mit 
Säuren  oder  Basen,  beim  Kochen  von  Proteinstoffen  (Casein,  Eiweiss,  Hom  etc.) 
mit  Schwefelsäure  (95^  und  beim  Behandeln  solcher  Körper  mit  Brom  oder  Snn- 
chlorür  und  Salzsäure  (96). 

Der  mit  Kalk  behandelte  Saft  der  Runkelrübe  und  namentlich  die  Melasse  entfaSlt  eine 
nicht  unbeträchtliche  Menge  von  (durch  Zersetzung  des  Asparagins  gebildeter)  Asparaginsäure. 
Um  sie  daraus  zu  gewiimen,  versetzt  man  die  massig  verdünnte  Lösung  mit  Bleiessig,  filtiirt 
nnd  fällt  aus  dem  Filtrat  die  Asparaginsäure  mit  Salpeters.  Quecksilberoxydul.  Das  Quecksilber- 
salz  wird  nach  dem  Auswaschen  mit  Schwefelwasserstoff  zersetzt,  das  Filtrat  zum  Syrup  ver- 
dampft und  die  auskrystallisirende  Säure  durch  Ausziehen  mit  massig  starkem  Alkohol  undUm- 
krystallisiren  aus  Alkohol  gereinigt  (97).  —  Das  Asparagin  zersetzt  man  zweckmässig  zur  Dar- 
stellung der  Asparaginsäure  durch  dreistündiges  Kochen  mit  überschüssiger  Salzsäure.  Man 
verdunstet,  löst  die  zurückbleibende  salzsaure  Asparaginsäure  in  Wasser,  neutralisirt  zur  Hälfte 
mit  Ammoniak  und  lässt  krystallisiren  (98). 

Dessaignes  (99)  hat  Amidobernsteinsäure  künstlich  dargestellt  durch  Be- 
handeln des  beim  Erhitzen  von  saurem  äpfelsaurem,  saurem  malemsaurem  oder 
saurem  fumarsaurem  Ammoniak  (s.  dieses  Bd.  L,  pag.  38)  entstehenden  Pro- 
duktes mit  Salzsäure  oder  Salpetersäure.  Während  jedoch  die  nach  den  oben 
angegebenen  Methoden  dargestellte  Asparaginsäure  und  deren  Salze  optisch  activ 
sind,  ist  diese  künstliche  sowohl  in  freiem  Zustand,  wie  auch  in  Form  ihrer  Salze 
optisch  inactiv.  Auch  in  der  Löslichkeit,  sowie  in  der  Krystallform  ihrer  Salze 
unterscheiden  sich  die  beiden  Säuren  von  einander.  Die  active  Säure  wird  in 
die  inactive  übergeführt,  wenn  man  acdves  asparaginsaures  Ammoniak  auf  200° 
erhitzt  oder  activen  asparaginsauren  Baryt  mit  äthylschwefelsaurem  Kali  erhitzt 
und  die  entstehenden  Produkte  mit  Salzsäure  oder  Salpetersäure  kocht. 

Optisch  active  Asparaginsäure  krystallisirt  in  undeutlichen  Formen  des 
rhombischen  Systems.  Die  Krystalle  haben  das  Aussehen  rectangulärer,  an  den 
Ecken  abgestumpfter  Blättchen  (100).  Spec.  Gew.  1-6613,  bez.  auf  Wasser  von 
12-5^  1  Thl.  Säure  löst  sich  bei  0°  in  376-3,  bei  100°  in  18-6  Thln.  Wasser  (loi). 
In  absolutem  Alkohol  ist  sie  unlöslich.  Optische  Eigenschaften  (151).  Bei  der 
Einwirkung  salpetriger  Säure  liefert  sie  Aepfelsäure  (s.  Bd.  I.,  pag.  32),  beim  Be- 
handeln mit  Jodmethyl  und  alkoholischem  Kali  Fumarsäure  (152). 

Als  Amidosäure  verbindet  sich  die  Asparaginsäure  sowohl  mit  Säuren  als  auch  mit  Basen. 

Salzsaure  Asparaginsäure,  C2H,(NH2)(COOH),*HCl.  Rhombische,  an  der  Luft  ze^ 
fliessliche  Prismen.  Wird  beim  Lösen  in  Wasser  theilweise  unter  Abscheidung  von  Aspara- 
ginsäure zersetzt  (98,  100). 

Schwefelsaure  Asparaginsäure,  C3H,(NH,)(COOH),*H,S04.  Grosse,  zusammen- 
gewachsene Prismen. 

Saures  asparaginsaures  Natrium,  C,Hj(NHj)COOH-COONa-+- H,0.  Rhombische 
Prismen.     100  Thle.  Wasser  lösen  bei  1220  89*194  Thle.  des  Salzes. 

Neutrale  Alkalisalze  sind  nicht  bekannt. 

Asparaginsaures  Baryum,  C,H3(NH3)(COO),Ba  + 3HjO,  kiystallisirt  in  Prismen 
und  entsteht  beim  Lösen  der  Säure  in  heissem  Baiytwasser.  Kohlensäure  zersetzt  es  unter 
Bildung  des  sauren  Salzes,  (C,H,(NH,)COOHCOO),Ba  + 4H^O,  welches  in  feinen  Naddn 
krystallisirt  und  beim  Behandeln  der  Säure  mit  kohlensaurem  Baryt  direkt  erhalten  wird. 


h 


r 


Bernsteinsäure.  263 

Asptraginsaures  Kupfer,  C,H,(NHj)(COO)3Cu  +  HH,0  (102).  Feine,  blaue  Nadeln. 

Asparaginsaures  Silber.  Das  neutrale  Salz,  C2H|(NH,)(COOAg)2,  erhält  man  durch 
Zusatz  von  salpetersaurem  Silber  zu  einer  ammoniakalischen  Lösung  von  Asparaginsäure  als 
amorphen  Niederschlag.  Die  überstehende  Flüssigkeit  lässt  nach  einiger  Zeit  Krystalle  desselben 
Salzes  fallen.  Das  saure  Salz,  C3H,(NH3)COOH-COOAg,  am  besten  durch  Lösen  von 
Süberoxyd  in  Asparaginsäure  bereitet,  bildet  gelbliche  Krystalle  (98,  100;.  Bei  der  Einwirkung 
Ton  Jodäthyl  auf  diese  Silberverbindungentstehtder  Asparaginsäure-Monoäthylester  (103). 

Inactive  Asparaginsäure  bildet  kleine,  monokline  Krystalle  von 
1-6632  spec.  Gew.  bez.  auf  Wasser  von  12*5°,  1  Thl.  inactiver  Säure  löst  sich 
in  208  Thle.  Wasser  von  13-5°. 

Salzsaure  Asparaginsäure,  C3H,(NH,)(COOH)2'Ha,  bildet  monokline  Krystalle. 
Aach  dieses  salzsaure  Salz  wird  wie  dasjenige  der  activen  Säure  beim  Zusammenbringen  mit 
Wasser  theilweise  zersetzt.  Jedoch  bleibt  die  freiwerdende  Asparaginsäure,  welche  leichter  lös- 
lich ist  als  die  wirksame,  ganz  oder  grösstentheils  gelöst 

Asparaginsaures  Natrium.  Monokline  Krystalle.  100  Thle.  Wasser  lösen  bei  12*5^ 
83-8  Thle.  des  Salzes. 

Asparaginsaures  Silber,  C,H3(NH,)(COO  Ag),.  Amorpher  Niederschlag  oder  kugel- 
föim^  Krystallmassen  (100). 

NH— CHCOOH 
Inneres  Amid  der  Asparaginsäure,  C4H5N03=  I  I  (113)- 

CO — Cxl^ 
Fein  gepulvertes  Asparagin  (s.  unten)  wird  in  massig  starker  Kalilauge  gelöst,  die  Lösung 
mit  Methylalkohol  gemischt  und  nach  und  nach  mit  Jodmethyl  (ungefähr  das  Fünffache  vom 
Gewicht  des  Asparagins)  versetzt,  wobei  dafllr  gesorgt  werden  muss,  dass  die  Flüssigkeit  stets 
stark  alkalisch  bleibt.  Nach  dem  Abfiltriren  des  Tetramethylammoniumjodids,  welches  sich  in 
Kiystallen  ausgeschieden  hat,  wird  die  Lösung  eingedampft  und  obige  Verbindung  durch  Salz> 
säure  abgeschieden.  Die  Umsetzung  erfolgt  nach  der  Gleichung:  C^HgN,0,-h4CHjJ 
=  C^HjNO,  -h  (CH,)^NJ  +  3HJ. 

Vierseitige  Blättchen  oder  Krystalle  von  prismatischer  oder  tafelförmiger 
Gestalt.  Ziemlich  reichlich  in  heissem  Wasser,  weniger  in  kochendem  Alkohol, 
wenig  in  kaltem  Wasser,  fast  gar  nicht  in  Aether  löslich.     Starke  Säure. 

Baryumsalz,  (C4H4NOj),Ba-|- 6H3O.  —  In  kaltem  Wasser  schwer  lösliche  Blättchen. 
Neutrales  Silbersalz,  C4H^NO|Ag.     Die  neutrale  Lösung  des  Ammoniaksalzes  wird 
mit  sa^tersaurem  Silber  versetzt.     In  heissem  Wasser  leicht  lösliche  Nadeln  oder  Blättchen. 

Basisches  Silbersalz,  C^HjNOjAgj.  Amorpher,  beim  Kochen  mit  Wasser  sich  zer- 
setzender Niederschlag,  den  salpetersaures  Silber  in  der  stark  ammoniakalischen  Lösung  der 
Säure  erzeugt. 

Bromamidobernsteinsäure,  CjHjBr(NH,)(COOH),.  Das  Ammoniaksalz 
dieser  Säure  entsteht  neben  geringen  Mengen  von  diamidobemsteinsaurem 
Ammoniak  beim  Erhitzen  von  Dibrombemsteinsäure  mit  alkoholischem  Ammoniak 
im  Wasserbade.  —  Nadeln,  Schmelzp.  140°.  —  CaHaBr(NH,)(COOAg)a  (147). 
Amidosuccinaminsäure  (Asparagin,  Spargelstoff,  Asparamid,  AI- 
thäin),  CjH3(NH2)CONH,COOH,  wurde  von  Vauquelin  und  Robiquet  und  zwar 
in  den  Sprossen  von  Asparagus  officinalis  entdeckt  Ihre  Zusammensetzung  wurde 
zuerst  von  Lkbig  (107)  richtig  ermittelt  und  ihre  chemische  Constitution  von 
KoLBE  (108)  erkannt.  Sie  findet  sich  auch  in  Asparagus  acuHfolius,  in  den  Kar- 
toffelluioUen,  in  den  Eibischwurzeln,  in  der  Stissholzwurzel,  den  Runkelrüben,  in 
Kürbiskeimlingen,  in  süssen  Mandeln,  in  den  Wicken,  in  den  jungen  Blättern 
vieler  Holzgewächse,  in  den  Sprossen  des  Hopfens  und  in  vielen  anderen  Pflanzen, 
in  deren  Lebensprocess  sie  eine  grosse  Rolle  spielt.  Sie  ist  in  diesen  Pflanzen 
2^isetzungsprodukt  der  Albuminate  und  tritt  in  grösserer  Menge  namentlich 
während  der  Keimung  auf.     Besonders  reich  an  Asparagin  sind  die  Keimlinge 


264  Handwörterbuch  der  Chemie. 

der  Leguminosen,  und  benutzt  man  solche  vortheilhaft  für  die  Darstellung  des- 
selben. 

Man  lässt  Wicken,  Erbsen  oder  Bohnen  in  feuchtem  Sand  oder  feuchter  Gartenerde  bis  zu 
einer  Höhe  von  etwa  6  Decim.  keimen,  schneidet  sie  dann  ab,  presst  sie  aus  und  kocht  den 
erhaltenen  Saft  zur  Coagulirung  des  Eiweisses.  Nach  dem  Filtriren  wird  zur  Krystallisation  ein- 
gedampft und  das  sich  ausscheidende  Asparagin  durch  Umkrystaüisiren  aus  heissem  Wasser  unter 
Zusatz  von  Thierkohle  gereinigt  Künstlich  erhält  man  es  bei  der  Einwirkung  von  Ammoniak  anf 
Asparaginsäuremonoäthylester  ( 1 03). 

Rhombische  Krystalle  vom  spec.  Gew.  1-552  (153).  In  absolutem  Alkohol 
und  in  Aether  ist  sie  fast  unlöslich.  1  Th.  Asparagin  löst  sich  bei  0^  in  105*3, 
bei  100°  in  1*89  Thl.  (loi)  Wasser.  Aus  seinen  Lösungen  wird  es  durch 
salpetersaures  Quecksilberoxyd  gefallt  (155).  Es  krystallisirt  aus  Wasser  mit 
1  Mol.  Krystallwasser,  das  bei  100°  vollständig  entweicht.  Löst  sich  in  Säuren 
und  Basen.     Seine  Lösungen  sind  opisch  activ  (151). 

Beim  Kochen  mit  starken  Basen  oder  Säuren  geht  es  in  Asparaginsäaie 
(s.  oben),  beim  Behandeln  mit  salpetriger  Säure  in  Aepfelsäure  (s.  Bd.  I.,  pag.  32] 
über.  Bei  der  Gährung  liefert  es  Asparaginsäure  und  dann  Bemsteinsäure  (104, 
105,  154),  mit  Harnstoff  erhitzt  Malylureidsäureamid  (106,  loi).  Produkte  beim 
Erhitzen  des  Asparagins  für  sich  und  mit  Salzsäure  (105,  103,  loi,  156).  Einmrkimg 
der  Halogene  auf  Asparagin  (10 1). 

Von  Salzen  desAsparagins,  welches  sich  sowohl  mit  Säuren  und  Basen,  als  auch  mit 
gewissen  Salzen  verbindet,  seien  die  folgenden  erwähnt: 

Salzsaures  Asparagin,  C^HgN^Oj'HCl,  bildet  grosse  Krystalle  und  wird  am  leichtesten 
durch  Auflösen  von  Asparagin  in  der  nöthigen  Menge  verdünnter  Salzsäure,  Eindampfen  bei 
gelinder  Wärme  und  nachherigen  Zusatz  von  Alkohol  erhalten.  Beim  Ueberleiten  von  Salzsänre- 
gas  über  trockenes  Asparagin  entsteht  2(C4H8NjO,)j 'HCl.  —  Auch  mit  Salpetersäure  bildet 
das  Asparagin  ein  gut  krystallisirendes  Salz  (109). 

Amidosuccinaminsaures  Cadmium,  [C,H,NH,(CONH,)COO],Cd,  bildet  feine, 
glänzende  Prismen  (109). 

Zinksalz,  (C4HrN30,)3Zn.     Krystallisirt  in  Blättchen  (lio). 

Kupfersalz,  (C4HfN30,),Cu.  Zur  Darstellung  mischt  man  heiss  gesättigte  Lttsongea 
von  Asparagin  und  essigsaurem  Kupfer.  —  In  kaltem  Wasser  fast  unlösliche,  in  heissem  schwer 
lösliche,  blaue  Krystalle  (in). 

Asparagin-Salpetersaures  Silber,  C4HgN30,*2NO,Ag,  krystallisirt  aus  Wasser  in 
feinen  Nadeln  (na). 

Asparagin-Quecksilberchlorid,  C^HjNjOg'SHgQj.     Feine  Prismen  (109). 

Diamidobernsteinsäure,  C2H2(NH2)2(COOH)9.  Diamidobemsteinsäuredi- 
äthylester  (s.  unten)  wird  in  absolut-alkoholischer  Lösung  mit  etwas  weniger  als  2  Mol.  Kali- 
resp.  Natronhydrat,  welche  ebenfalls  in  Alkohol  gelöst  sind,  versetzt.  Das  Alkalisalz  fällt  bald  ans 
und  wird  nach  dem  Umkrystallisiren  aus  Wasser  in  solchem  gelöst;  die  Lösung  wird  mit  Aether 
Uberschichtet  und  unter  UmschUtteln  tropfenweise  mit  verdünnter  Salzsäure  versetzt.  Die  Di- 
amidobemsteinsäure  geht  in  die  ätherische  Lösung. 

Nadeln  oder  säulenförmige  Krystalle  vom  Schmp.  151  ^  In  Aether,  Alkohol 
und  Wasser  löslich.     Wird  von  concentrirter  Salzsäure  zersetzt  (148). 

Diamidobernsteinsäurediäthylester,  CaH,(NH,),(COOC,H5)2,  ent- 
steht beim  Behandeln  von  Dibrombemsteinsäureester  mit  einem  Ueberschuss  von 
alkoholischem  Ammoniak  in  der  Kälte.  —  Nadeln  oder  rhombische  Säulen  vom 
Schmp.  122  ^     In  Alkohol  und  Aether  leicht,  in  Wasser  fast  unlöslich  (148). 

Diamidobernsteinsäurediamid,  C3H,(NH2),(CONH5)2,  bildet  sich 
beim  2 — 3  stündigen  Erhitzen  der  vorigen  Verbindung  mit  2  Mol.  Ammoniak  in 


Berns  tein.«äurc.  265 

alkoholischer  Lösung  auf  120*^.  —  Feine  Nadeln  vom  Schmp.  160*^.     In  heissem 

Alkohol  leicht,  wenig  in  kochendem  Wasser,  nicht  in  Aether  löslich  (148). 

CH(C00H).S03H 
Sulfobernsteinsäure,     I  ,  bildet  sich  bei  der  Einwirkung 

CHjCOOH  ^ 

des  Dampfes  von  Schwefelsäureanhydrid  auf  Bemsteinsäure  (114),  bei  der 
Oxydation  von  Thioäpfelsäure  (s.  Bd.  I.,  pag.  35)  mit  Salpetersäure  (115),  bei  der 
Einwirkung  von  Succinylchlorid  auf  schwefelsaures  Silber  und  Zersetzen  des 
Produktes  mit  Wasser  (116),  sowie  beim  Behandeln  von  Fumarsäure  (117)  oder 
Maleinsäure  mit  sauren,  schwefligsauren  Alkalien  (118).  —  Zerfliessliche  Krystalle. 
Zersetzt  sich  beim  Kochen  mit  Wasser  unter  Bildung  von  Schwefelsäure.  Drei- 
basische Säure. 

Sulfobernsteinsaures  Kalium.  Neutrales  —  C^H, SOjK,  +  HjO.  Einfach- 
saures —  C^H^SO^Kg  4- 2H,0  —  bildet  sich  direkt  beim  Behandeln  von  Fumarsäure  oder 
Maleinsäure  mit  neutralem  schwefligsaurem  Kalium.  Beim  Zusammenbringen  seiner  Lösung  mit 
Bleizuckerlösung  entsteht  ein  Blei-Kaliumsalz,  welches  beim  Behandeln  mit  Schwefelwasserstoff 
das  zweifachsaure  Salz,  C^H^SOjK,  liefert. 

Sulfobernsteinsaures  Ammoniak,  C^H,SOj(NH^)3 -4- HjO.     Nadeln. 
Sulfobernsteinsaures  Blei,  (C4H,SOf),Pb,.     Durch  Fällen  der  Lösung  des  zweifach- 
sauren Kalimnsalzes  mit  Bleizucker  erhaltener,  beim  Kochen  krystallinisch  werdender  Niederschlag. 
In  Wasser  wenig,  leicht  in  Essigsäure  löslich. 

Baryumsalz,  (C4H,SOj)jBa,.     In  kaltem  Wasser  wenig,  in  heissem  reichlicher  löslich. 
Silbersalz,  C^HySO^Agg.     In  kaltem  Wasser  etwas,  reichlich  in  heissem  löslich.     Wird 
aas  seiner  Lösung  in  Salpetersäure  durch  Ammoniak  nicht  wieder  gefällt  (114,  118). 

Thiobernstein Säure,  C4He,02S2,  wird  in  Form  ihres  Kaliumsalzes, 
C4H4O2SJKJ,  beim  Kochen  von  Succinylphenol,  C4H402»(OCßH5)j,  mit  Kalium- 
sulfhydrat in  absolut-alkoholischer  Lösung  erhalten.  Dasselbe  scheidet  sich  in 
Form  büschelweise  vereinigter  Nadeln  aus  und  ist  in  Wasser  sehr  leicht,  auch 
in  Weingeist  und  Aether  leicht  löslich.  Die  Lösungen,  besonders  die  wässrige, 
zersetzen  sich  beim  Verdunsten  an  der  Luft;  auf  Metallsalze  reagiren  sie,  selbst 
wenn  sie  frisch  bereitet,  wie  die  Lösung  eines  Schwefelalkalis.  Säuren  zersetzen 
die  Lösung  unter  Entwicklung  von  Schwefelwasserstoff  und  setzen 

Thiobernsteinsäureanhydrid(Sulfosuccinyl),C3H4(CO)2S,  in  Freiheit, 
welches  der  Lösung  durch  Aether  entzogen  wird.  Dasselbe  bildet  farblose,  in 
Wasser,  Weingeist  und  Aether  leicht  lösliche,  bei  3P  schmelzende  Krystalle  (119). 
Isobernsteinsäure,  CH5CH(COOH)3,  von  Wichelhaus  entdeckt,  bildet 
sich  beim  Zersetzen  des  durch  Einwirkung  von  Cyankalium  auf  a-Chlorpropion- 
säureester  entstehenden  Cyanpropionsäureesters  durch  Kali  (120).  Am  einfachsten 
erhält  man  die  Säure  durch  Verseifen  des  bei  der  Einwirkung  von  Jodmethyl 
auf  Natriummalonsäureester,  CHNa(COOC2HB)2,  entstehenden  Isobemsteinsäure- 
äthylesters  (121). 

Die  Isobemsteinsäure  bildet  schöne,  bei  130^  schmelzende,  in  54  Theilen 
kalten  Wassers  lösliche  Krystalle,  welche  unter  100^  in  mikroskopischen  Tafeln 
sublimiren.  Zum  Unterschied  von  gewöhnlicher  Bernsteinsäure  zersetzt  sich  die 
Isobemsteinsäure  bei  der  Destillation  vollständig  in  Propionsäure  und  Kohlensäure, 
und  ihre  neutralen  Alkalisalze  geben  mit  Eisenchlorid  keinen  Niederschlag.  Beim 
Behandeln  mit  Brom  und  Wasser  bei  100^  liefert  die  Isobemsteinsäure  ein 
Monobromsubstitutionsprodukt,  CHgCBr(C00H)2  (123). 
Salze  der  Isobemsteinsäure  0^2,   123,   124). 

Neutrales  Kaliumsalr,  CHjCH(COOK),  +  2H2O.     An  der  Luft  zerfliesslich. 
Saures  Kaliumsalz,  CH,CH(COOK)COOH.     Grosse  Tafeln,  schmilzt  bei  140^ 


■jy 


266  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Neutrales  Natriumsair,  C,H^(COONa)j  +  4HjO,     LuftbcstSndige  Schüppchen. 

Baryumsals,  C^H^O^Ba-f- 2HjO.     Amorph. 

Kalksalz,  C^H^O^Ca  +  HjO.     Kleine  Krystallnadeln. 

ZinksaU,  C^H^O^Zn -4- 3H,0.     Krystallinische  Kömer. 

BleisaU,  C^H^O^Pb +  H2O,  Mt  in  der  Kälte  in  Flocken,  in  der  Wanne  körnig- 
krystallinisch.     Schwer  löslich  in  Wasser  und  in  Essigsäure,  leicht  in  Überschüssigem  Bleiaoetat 

Silbersalz,  C^H^O^Ag,,  fUUt  aus  der  concentrirtcn  Lösung  des  Ammonsalses  als  schwerer, 
kömiger  Niederschlag,  der  beim  Uebergiessen  mit  Wasser  in  nadeiförmige  Krystalle  Übe^ht 
In  kaltem  Wasser  sehr  schwer,  etwas  leichter  in  heissem  löslich. 

Isobernsteinsäureäthylester,     CHjCHCCOOCaHj),.       Siedep.    195»; 

spec.  Gew.  1021  bei  22®  gegen  Wasser  von  25^  (125). 

C— COOK 
Acetylendicarbonsäure,     II  (126,  127,  128).     Beide  Dibrom- 

^  C— COOK  ^       '       "        >' 

bemsteinsäuren  gehen,  wie  bereits  oben  erwähnt,  beim  Behandeln  mit  alkoholischem 
Kali  in  Acetylendicarbonsäure  über.  Man  verwendet  auf  1  Mol.  Säure  4  Mol. 
Kali  und  erhitzt  nach  Beendigung  der  sehr  heftigen  Reaction  noch  2  Stunden 
auf  dem  Wasserbade.  Man  trocknet  den  entstehenden  Niederschlag,  welcher 
Bromkalium  und  acetylendicarbonsaures  Kalium  enthält,  übergiesst  ihn  mit  ver- 
dünnter Schwefelsäure  und  entzieht  der  schwefelsauren  Lösung  die  Acetylendi- 
carbonsäure durch  Aether.  Die  Säure  wird  durch  Krystallisation  aus  Aether 
gereinigt.  —  Mit  2  Mol.  Krystallwasser  bildet  sie  grosse,  in  Wasser,  Alkohol  und 
Aether  leicht  lösliche  Krystalle,  welche  beim  Stehen  über  Schwefelsäure  ihr  Wasser 
vollständig  verlieren.  Wasserfrei  krystallisirt  sie  aus  Aether  in  dicken,  viereckigen 
Tafeln,  welche  bei  175®  unter  Zersetzung  schmelzen.  Beim  Kochen  der 
wässrigen  Lösungen  werden  sowohl  die  Säure,  als  auch  ihre  Salze  zersetzt  (s. 
unter  Propargylsäure).  Bei  der  Reduction  mit  Natriumamalgam  liefert  sie 
Bemsteinsäure,  beim  Behandeln  mit  Brom  Dibromfumarsäure  (s.  Bd.  I,  pag.  40)  und 
bei  der  Einwirkung  der  Halogenwasserstoffsäuren  die  entsprechenden  halogenisirten 
Fumarsäuren. 

Saures  acetylendicarbonsaures  Kalium,  C4O4HK.  Kleine,  glänzende,  in  Wasser 
schwer  lösliche  Krystalle. 

Natriumsalz,  C^O^Na,  -f-  3^H,0.  Wird  aus  der  wässrigen  Lösung  durch  Alkohol  in 
feinen,  seideglänzenden  Nadeln  gefällt. 

Bleisalz,  C404Pb  -h  H<^0.  Bleiessig  wird  zu  einer  wässrigen  Säurelösung  getröpfelt.  —  In 
Wasser  unlösliche,  atlasglänzende  KrystäUchen. 

Silber  salz.  Salpetersaures  Silber  erzeugt  selbst  in  sehr  verdünnten  Lösungen  der 
Acetylendicarbonsäure  einen  bald  dunkel  werdenden  weissen  Niederschlag  eines  beim  DarauP 
schlagen  und  Erhitzen  detonirenden  Silbersalzes.  Das  Sak  wird  von  concentrirter  Salpetersinre 
unter  Bildung  von  Cyansilber  oxydirt 

Kupfersalz,  C^O^Cu  +  3H,0. 

Methylester,  C404(CH3)3.  Aus  dem  sauren  Kaliumsak,  2  Thln.  concentrirter  Schwefel- 
säure und  4  Thln.  Methylalkohol.  Siedet  bei  195—198*^  unter  geringer  Zersetzung  und  ver- 
bindet sich  direkt  mit  Brom  und  den  HalogenwasserstofTsäuren. 

Erwärmt  man  Acetylendicarbonsäure  in  wässriger  Lösung  oder  unterwirft 
man  dieselbe  der  Destillation,  so  zersetzt  sie  sich  im  Wesentlichen  nach  der 
Gleichung:    C4O4H5  =  COj  -+-  CaH^O».     Man  erhält 

PropargylsäureCPropiolsäure,  Acetylencarbonsäure),  CH^iCCOOH 
(129,  130),  als  eine  bei  144^  unter  Zersetzung  destillirende  Flüssigkeit,  welche 
bei  niedriger  Temperatur  zu  langen,  seideglänzenden  Krystallen  erstarrt  und 
bei  6^  schmilzt  Die  Säure  riecht  nach  Eisessig,  löst  sich  in  Wasser,  Wein- 
geist,   Aether    und   Chloroform   und   bräunt   sich    beim    Stehen    an  der  Luft 


Beryllium.  267 

Ihre  wässrige  Lösung  erzeugt  mit  ammoniakalischer  Silbemitrat-  oder  Kupfer- 
chlorürlösung  charakteristische,  leicht  zersetzliche,  beim  Erwärmen  explodirende 
Niedei-schläge.  In  Quecksilberchloridlösung  bringt  sie  einen  weissen,  sich  bald 
schwärzenden  Niederschlag  hervor,  der  sich  beim  Erwärmen  der  Flüssigkeit  voll- 
ständig unter  Quecksilberausscheidung  zersetzt.  Auch  die  mit  Silbemitratlösung 
erzeugte  weisse  Fällung  schwärzt  sich  bald;  beim  Erwärmen  entsteht  ein  Silber- 
sptegel.  Platinsalze  werden  durch  die  Säure  gleichfalls  reducirt.  Von  Natrium 
amalgam  wird  sie  in  Propionsäure,  von  den  Halogenwasserstoffsäuren  in  die  ent- 
sprechenden halogenisirten  Acrylsäuren  und  von  Brom  in  Dibromacrylsäure 
übergeführt  (s.  den.  Art  Oelsäuren). 

Die  Salze  der  Propargylsäure  sind  durchweg  krystallinische,  in  Wasser  leicht  lösliche  Körper. 
Das  Kaliumsalz,  CHas  CCOOK  +  H,0,  bildet  sich  leicht  beim  Kochen  der  wässrigen 
Lösung  von  saurem  acetylendicarbonsaurem  Kalium  bis  zum  Eintritt  neutraler  Reaction 
(C404HK  =  CO,4-C,HOgK).  Beim  Eindunsten  der  Lösung  über  Schwefelsäure  erhält  man 
in  Wasser  leicht  lösliche  Säulen,  welche  beim  Erhitzen  auf  105®  verpuffen.  Seine  Lösungen 
erzeugen  in  ammoniakalischer  Silbemitratlösung  eine  seidenartig  glänzende,  in  ammoniakalischer 
KopferchlorUrlösung  eine  zeisiggrUne  Fällung.  Beide  Niederschläge  explodiren  beim  Erhitzen. 
Beim  Kochen  seiner  wässrigen  Lösung  zersetzt  sich  das  Salz  unter  Bildung  von  Acetylen. 

RÜGHEIMER. 

Beryllium*),  Glucinium.  Metallisches  Beryllium  wurde  zuerst  von  Wöhler  (i) 
1827  nach  dem  bei  der  Darstellung  des  Aluminiums  angewendeten  Verfahren 
durch  Schmelzen  des  Chlorids  mit  Kalium  dargestellt.  Die  Beryllerde  wurde  1797 
von  Vauqueun  im  Beryll  von  Limoges  entdeckt  Wegen  des  süssen  Ge- 
schmackes der  Salze  dieser  Erde  gab  V.  derselben  den  Namen  »Glucine.c 
Die  Beryllerde  kommt  in  verschiedenen  Silicaten  vor,  namentlich  im  Beryll 
(Smaragd),  Si^OigAlQBej,  Euklas,  Gadolinit,  Leukophan,  Phenakit,  Helvin,  als 
Thonerdeverbindung  im  Chrysoberyll,  Al^O^Be. 

Das  von  Wöhler  dargestellte  Metall  war  ein  graues  Pulver,  das  unter  dem 
Polirstahl  Metallglanz  annahm.  Debray  (2)  hat  dasselbe  in  compacter  Form  nach 
folgendem  Verfahren  erhalten.  In  eine  weite  Glasröhre,  durch  welche  Wasser« 
stoffgas  streicht,  werden  zwei  aus  einer  Mischung  von  Kalk  und  Thon  geformte 
Schiffchen  gebracht,  von  denen  das  eine  Berylliumchlorid,  das  andere  Natrium 
enthält  Beim  Erhitzen  wird  der  Dampf  des  Chlorids  von  dem  Wasserstoffstrom 
über  das  Natrium  geführt,  welches  sich  allmählich  mit  krystallinischen  Krusten 
bedeckt.  Diese  —  wahrscheinlich  eine  Legirung  beider  Metalle  —  verschwinden 
bei  Gegenwart  von  überschüssigem  Chlorid,  wobei  die  Temperatur  erheblich 
steigt.  Die  Reduction  ist  vollendet,  wenn  jenseits  des  Schiffchens  mit  Natrium 
Bcrylliumchlorid  sublimirt.  Die  schwärzliche,  voluminöse  Masse  wird  unter  einer 
Kochsalzdecke  im  Tiegel  geschmolzen;  das  Metall  bildet  dann  metallische  Blättchen 
oder  kleine  Kügelchen. 

Eigenschaften.     Das  Beryllium  ist  ein  weisses  Metall  vom  Vol.  Gew.  21. 

•)  i)  WÖHLER,  PoGG.  Ann.  13,  pag.  577.  2)  Debray,  Compt.  rcnd.  38,  pag.  784; 
Jakrcsber.  7,  pag.  336.  3)  Marignac,  Ann.  chim.  phys.  [4]  30,  pag.  45.  4)  Nu^on  u.  Pettersson, 
^-  *3»  I»g-  1451.  5)  L.  Meyer,  Ber.  13,  pag.  1780.  6)  Emerson  Reynolds,  Ber.  11, 
pag.  1835.  7)  Nn^ON,  Ber.  13,  pag.  2035.  8)  H.  Rose,  Pogg.  Ann.  9,  pag.  39-  9)  Atter- 
BKRc,  BulL  soc.  dum.  24,  pag.  358.  10)  Thomson,  Ber.  3,  pag.  827;  7i  P*g-  75-  ^^)  Atter- 
BERG.  Ber.  6,  pag.  1288.  12)  Scheffer,  Ann.  109,  pag.  146.  13)  Joy,  Joum.  pract.  Chem.  92, 
pag.  232.  14)  Ebelmen,  Ann.  80,  pag.  213.  15)  Debray,  Ann.  chim.  phys.  44.  pag-  *5- 
16)  Ordway,  Sülün.  Amer.  Joum.  [2]  26,  pag.  197;  Joum.  pract  Chem.  76,  pag.  22.  17)  Klatzo, 
Joum.  pract.  Chem.  106,  pag.  233. 


«68  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Es  lässt  sich  schneiden  und  strecken,  schmilzt  unterhalb  des  Schmelzgrades  des 
Silbers,  wobei  es  sich  in  oxydirender  Flamme  mit  einer  dünnen  Oxydschicht  be- 
deckt In  fein  vertheiltem  Zustande  verbrennt  es  mit  lebhaftem  Glanz.  Sehr 
stark  glühend  zersetzt  es  nicht  das  Wasser.  Es  verbindet  sich  in  der  Wärme 
unter  Feuerscheinung  mit  Chlor,  Brom,  Jod,  das  fein  vertheilte  Metall  auch  mit 
den  Dämpfen  von  Schwefel,  Selen,  Tellur,  Phosphor  und  Arsen.  Salzsäuregas 
greift  das  Beryllium  an;  in  wässriger  Salzsäure  löst  es  sich  unter  Wasserstoffent- 
wicklung, ebenso  in  verdünnter  Schwefelsäure,  in  concentrirter  unter  Entwicklung 
von  schwefliger  Säure.  Beim  Lösen  in  conc.  heisser  Salpetersäure  bildet  sich  Stick- 
oxyd.    Ammoniak  ist  ohne  Einwirkung,  Kalilauge  wirkt  lösend. 

Atomgewicht  und  Werthigkeit  des  Berylliums  sind  noch  nicht  endgültig  fest- 
gestellt,   da   bis  jetzt   die  Dampfdichte    einer    flüchtigen  Verbindung   desselben 

n 
nicht  bestimmt  worden  ist.     Der  Formel  BeO  für  das  Oxyd  entspricht  dasAtom- 

III 
gewicht  9-3,  der  Formel  Be^O,   dagegen  13*65.     Berzelius  hat  dem  Oxyd  die 

Formel  BegOj  gegeben  wegen  äusserer  Aehnlichkeit  mit  der  Thonerde,  Al^Oj, 
mit  der  es  auch  die  Eigenschaft  der  Löslichkeit  in  fixen  Alkalien  theilt    Für 

n 
die  Formel  BeO  spricht  indessen,  dass  die  Beryllerde  keine  Alaune  bildet,  dass 

das  Hydroxyd  aus  Salmiaklösung  Ammoniak  entwickelt,  dass  das  Beiylliumsul£ftt 
mit  den  Sulfaten  der  Magnesiumgruppe  angeblich  somorph  ist.  Letztere  Angabe 
von   Klatzo    wird    indessen   von   Marignac   (3)   bestritten.     Andere    Angaben 

ni 
machen    die    Formel    Be^Og     wahrscheinlich.      Nilson    und    Pettersson   (4) 

fanden  die  specifische  Wärme  des  Metalles  zu  0*4246  zwischen  0°  und  150^  «1 
0*5060  bei  300°.  Die  Atomwärme  des  Metalls  bei  Annahme  von  Be^O,  entspricht 
hiemach  gut  dem  DuLONG-PEXiT'schen  Gesetz,  wenn  man  das  Atomgewicht 
13*65  annimmt,  welches  Nilson  und  Pettersson  aus  Aequivalentbestimmungeo 
des  gut  krystallisirten  neutralen  Sulfats  ableiten.  Allein  mit  diesem  Atomgewicht 
passt  Beryllium  nicht  in  das  periodische  System  der  Elemente.  Be  zeigt  wahr- 
scheinlich erst  bei  höheren  Wärmegraden  die  normale  specifische  Wärme 
(I^.  Meyer)  (5).    Femer  hat  Emerson  Reynolds  (6)  die  specifische  Wärme  des 

n 
Berylliums  zu  0*642  bestimmt,  was  für  Be  =  91  spricht.    Nilson  (7)  hebt  da- 
gegen hervor,  dass  die  Molecularwärme  der  Beryllerde  (18*61),  deren  specifische 
Wärme  =  0-2471  gefunden  wurde,  die  Formel  Be^O,  und  Be  =  1365  wahrschein- 
lich macht. 

Berylliumchlorid,  BeCl,.  Darstellung:  1.  durch  Einwirkung  von  Chlor 
oder  Chlorwasserstoff  auf  Beryllium;  2.  durch  Einwirkung  von  Chlor  auf  ein  zu 
Kugeln  geformtes  Gemenge  von  Beryllerde  und  Kohle  in  der  Glühhitze  (H.  Rose)  (8). 
Weisse  Krystalle,  die  an  der  Luft  zerfliessen  und  rauchen;  es  ist  schmelz- 
bar und  flüchtig  bei  Rothgluth,  zeigt  im  Spectroskop  eine  rothe  und  eine  grüne 
Linie;  sehr  löslich  in  Wasser  unter  Wärmeentwicklung.  Beim  langsamen  Ab- 
dampfen der  wässrigen  Lösung  scheidet  sich  das  wasserhaltige  Chlorid, 
BeCl,  -i-  4H2O,  in  farblosen  Krystallen  aus  (Awdejeff,  Atterberc).  Letzterer  (9) 
hat  auch  mehrere  basische  Chloride  dargestellt,  sowie  eine  krystallisirte  Ver- 
bindung von  Berylliumchlorid  mit  2  Mol.  Aether. 

Platinchlorid-Berylliumchlorid,  PtCl^,  BeQ,  -h  8HjO,  achtseitige 
Tafeln,  durch  Verdunsten  einer  mit  Platinchlorid  versetzten  wässrigen  Lösung  von 
Berylliumchlorid  über  Schwefelsäure  erhalten  (Thomsen)  (10). 


Beryllium.  269 

Quecksilberchlorid-Berylliumchlorid,  3HgCl,,  BeCl,-h6HjO,  durch 
Verdunsten  eines  entsprechenden  Lösungsgexnisches  erhalten  (Atterberg)  (ii). 

Zinnchlorid-Chlorberyllium,  SnCl^,  BeCl, -f  8HjO,  weisses  Pulver, 
durch  Verdunsten   des  entsprechenden  Lösungsgemisches  erhalten  (Atterberg). 

Doppelverbindungen,  welche  Aluminiumchloriddoppelsalzen  von  der  Formel 
n 
AljClß,  2 MCI  oder  AljClßMCl,  analog  wären,  sind  nicht  bekannt. 

Berylliumbromid,  BeBr,.  Weisse  Nadeln,  flüchtig,  löslich  in  Wasser,  wie  das  Chlorid 
erhalten. 

Berylliumjodid,  BeJ^,  weniger  flüchtig  als  das  vorige,  durch  Sauerstoff  unter  Frei- 
werden von  Jod  in  Beryllerde  umgewandelt.  Beryllium  vereinigt  sich  bei  dunkler  Rothgluth 
mit  Jod. 

Berylliumfluorid,  BeFl,,  durch  Auflösung  von  Beryllerde  in  Fluorwasserstoffsäure  und 
Abdampfen  der  Lösung  als  farblose,  flüssige  Masse  erhalten,  die  bei  100^  unter  Wasserverlust 
opalartig  wird.  Das  nach  vollständiger  Trocknung  erhitzte  Sak  bleibt  löslich  in  Wasser.  Ein 
Doppelsalz,  BeFl, +  2KF1,  wird  erhalten,  wenn  eine  reine  Lösung  des  Fluorids  mit  einer 
Lösung  von  Fluorkalium  vermischt  und  verdunstet  wird.  Krystallinische  Schuppen,  in  heissem 
Wasser  löslich.  Bei  einem  Ueberschuss  von  Fluorberyllium  scheidet  sich  beim  Eindampfen 
BeFl, +KF1  aus.  Auch  mit  Fluomatrium  und  Fluorammonium  bilden  sich  Doppelsalze 
(Marignac)  (3). 

Kieselfluorwasserstoff  saures  Beryllium,  SiFl^^BeFl,,  weisse,  sehr  lösliche  Masse 
TOD  zusammenziehendem,  nicht  süssen  Geschmack. 

BerylHumoxyd,  Beryllerde,  BeO.  Darstellung  aus  dem  Beryll.  1.  Man 
schmilzt  das  gepulverte  Mineral  mit  3  Thln.  Fluorkalium  und  digerirt  die  Schmelze 
mit  Schwefelsäure.  Aus  der  filtrirten  Lösung  krystallisirt  bei  hinreichender  Con- 
centradon  die  Thonerde  als  Alaun  aus.  Nachdem  aus  der  Mutterlauge  noch 
einmal  Alaun  auskrystallisirt  ist,  wird  die  Lösung  in  eine  warm  gesättigte  Lösung 
von  Ammoniumcarbonat  gegossen.  Nach  einigen  Tagen  giesst  man  von  dem 
Niederschlage  (Thonerde  und  Eisenhydroxyd)  ab,  wäscht  diesen  mit  warmer  Am- 
moniumcarbonatlösung,  säuert  die  vereinigten  Lösungen  mit  Salzsäure  an  und 
fiQlt  dann  mittelst  Ammoniak  die  Beryllerde  als  Hydrat.  Dieses  wird  gewaschen, 
getrocknet  und  geglüht  (Scheffer)  (12). 

2.  Man  kann  den  Beryll  auch  in  der  Weise  aufschliessen,  dass  man  ein 
Gemenge  von  1  Thl.  mit  2  Thln.  Kaliumcarbonat  schmilzt.  Die  Schmelze 
wird  mit  Wasser  aufgeweicht  und  mit  Schwefelsäure  erhitzt,  bis  die  Kieselsäure 
unlöslich  geworden  ist.  Das  Filtrat  wird  eingedampft,  bis  Alaun  auskrystallisirt 
und  weiter  wie  oben  behandelt. 

3.  Wenn  die  Schmelze  des  aufgeschlossenen  Minerals  mit  Salzsäure  be- 
handelt wird,  so  wird  die  Lösung  nach  Beseitigung  der  Kieselsäure  mit  Am- 
moniak gefällt.  Der  Niederschlag,  aus  den  Hydraten  der  Beryllerde,  der  Thonerde 
und  des  Eisenoxyds  bestehend,  wird  feucht  mit  einer  concentrirten  Lösung  von 
Ammoncarbonat  behandelt.  Hierbei  wird  aber  nicht  allein  das  Beryllerdehydrat, 
sondern  auch  geringe  Mengen  von  Eisenoxyd  und  Thonerde  gelöst  (Jov)  (13). 
Die  Lösung  wird  angesäuert  und  mit  Ammoniak  gefallt. 

Berzelhjs  hat  empfohlen,  die  Beryllerde  von  der  Thonerde  durch  Kochen 
mit  concentrirter  Salmiaklösung  zu  trennen.  Jene  wird  gelöst,  indem  unter  Frei- 
werden von  Ammoniak  Berylliumchlorid  entsteht. 

Der  Beryll  kann  nach  Debray  (15)  auch  durch  Schmelzen  mit  Kalk,  oder 
auch  mit  Bleiglätte  aufgeschlossen  werden. 

Das  reine  Berylliumoxyd  bildet  ein  leichtes,  weisses,  in  Wasser  unlösliches 
Pulver,  unschmelzbar,  flüchtig  im  Knallgasgebläse.    Die  geglühte  Beryllerde  löst 


'270  Handwörterbuch  der  Chemie. 


i 


sich  in  schmelzendem  Kalihydrat,  selbst  im  Carbonat  unter  Entwicklung  lon 
Kohlensäure.  Ebelmen  (14)  hat  Beryllerde  in  hexagonalen  Prismen  erhalten,  in- 
dem er  eine  Lösung  derselben  in  geschmolzener  Borsäure  einer  hohen  Tempe- 
ratur aussetzte.  Nach  Debray  (15)  erhält  man  diese  Krystalle  auch  durch  Glühen 
der  Doppelcarbonate  von  Beryllium  und  Ammonium. 

Beryllerdehydrat  wird  durch  Ammoniak  aus  den  Berylllösungen  gefällt, 
wobei  die  Anwesenheit  von  Ammoniaksalzen  nicht  hinderlich  ist.  Gelatinös, 
ähnlich  der  Thonerde,  absorbirt  aber  die  Kohlensäure  der  Luft.  Löslich  in 
Ammoniumcarbonat,  in  Kalihydrat;  aus  letzterer  Lösung  scheidet  es  sich  bei 
Siedetemperatur  als  dichtes  Pulver  wieder  aus.  Löslich  ferner  in  den  Alkalicar- 
bonaten,  in  schwefliger  Säure,  in  Ammonbisulfit. 

Berylliuxnsulfid.  Fein  zertheiltes  Beryllium  (das  Be  von  Wöhler)  entzündet  sich  in 
Schwefeldampf. 

Berylliumphosphid.-  Graue,  durch  Wasser  zersetzbare  Masse,  die  sich  beim  Erhitzen 
von  Beryllium  im  Phosphordampf  bildet. 

Silicium-Beryllium,  ein  harter,  spröder  Körper,  entsteht  immer,  wenn  Be  in  PorceUm- 
gelKssen  dargestellt  wird,  indem  etwas  Kieselsäure  durch  das  Metall  reducirt  wird.  Dieses  kann 
bis  zvL  20^  Süicium  aufiiehmen. 

Berylliumnitrat,  salpetersaures  Beryllium,  Be(N05),.  Durch  doppelte 
Zersetzung  zwischen  dem  Sulfat  und  Bariumnitrat  erhält  man  eine  Lösung«  die 
nur  schwierig  krystallisirbar  ist.  Durch  sehr  langsames  Verdunsten  hat  Ordway 
(.16)  Krystalle  von  der  Formel  Be(N08)2  -H  SHgO  erhalten.  Zerfliesslich,  löslich 
auch  in  Alkohol.  Durch  längeres  Erhitzen  auf  dem  Wasserbad  verliert  das  Salz 
60  J  an  Gewicht;  der  dicke,  leicht  lösliche  Rückstand  enthält  Be(N03)j|,  BeO 
-t-SHjO.  Dieses  basische  Salz  entsteht  auch,  wenn  man  das  neutrale  Nitrat 
mit  Bariumcarbonat  behandelt;  in  der  Wärme  wird  alles  Beryllium  in  der  Form 
eines  noch  basischeren  Salzes  niedergeschlagen.  Auch  durch  Digeriren  des  neu- 
tralen Nitrats  mit  Beryllhydrat  entsteht  ein  basisches  Salz.  Hieraus  und  aus  den 
Thatsachen,  dass  auch  das  essigsaure  und  ameisensaure  Salz,  sowie  das  Chlorür 
und  Jodür  basische  Salze  geben,  glaubt  Ordway  schliessen  zu  dürfen,  dass  das 
Berylloxyd  der  Thonerde  sich  zur  Seite  stelle. 

Berylliumsulfat,  schwefelsaures  Beryllium,  BeSO^ -f- 4H,0,  durch 
Lösen  des  Carbonats  in  verdünnter  Schwefelsäure  und  Concentriren  der  schwach 
sauren  Lösung  dargestellt.  Quadratische  Oktaeder;  nach  Klatzo  (17)  auch  klino- 
rhombische  Prismen,  welche  der  Bittersalzreihe  angehören,  von  der  Formel 
BeSO^-hTHjO.  Weiss,  von  sauer-süssem  Geschmack,  bei  14^  im  gleichen  Ge- 
wicht Wasser  löslich,  weniger  löslich  bei  Gegenwart  von  Schwefelsäure  oder  von 
Alkohol. 

Basische  Sulfate  werden  durch  Behandlung  der  Lösung  des  neutralen 
Salzes  mit  Berylliumcarbonat  oder  Bariumcarbonat  oder  mit  metallischem  Zink 
erhalten.  BeSO^,  BeO,  eine  gummiartige  Masse,  bildet  sich  beim  Kochen  der 
Lösung  des  neutralen  Sulfats  mit  Berylliumcarbonat,  bis  sich  keine  Kohlensäure 
mehr  entwickelt.  Nach  dem  Verdünnen  mit  Wasser  und  Trennung  von  dem 
entstandenen  Niederschlag  wird  die  Lösung  eingedampft.  Der  Niederschlag  ist 
BeSO^,  5 BeO,  ein  weisses  Pulver  mit  SH^O  (Berzelius). 

BeSÖ4,  2 BeO,  gummiartige  Masse,  wie  das  einfach  basische  Salz  erhalten, 
aber  ohne  dass  man  die  Lösung  mit  Wasser  verdünnt. 

Beryllium-Kaliumsulfat,  BeK,(S04)2 -4- 2H,0.  I>ies  Salz  lässt  sich 
nicht  als  Alaun  au£fassen,  und  seine  Existenz  ist  ein  Hauptgrund  dafür,  dass  das 


Beryllium.  271 

Beryliiumoxyd  nicht  analog  der  Thonerde  zusammengesetzt  ist.  Es  setzt  sich  in 
krystallinischer  Form  aus  der  Lösung  äquivalenter  Mengen  beider  Bestandtheile 
ab  (Awdejeff). 

Berylliumsulfit,  BeSO,,  sehr  lösliches  Sak,  zersetzt  sich  beim  Kochen  der  Lösung. 
Berylliumselenit)  BeSeO,,  unlösliches  weisses  Pulver.    Das  saure  Salz,  BeSeO^SeOj, 
ist  eine  gummiartige,  lösliche  Masse. 

Berylliumtellurit  und  -Tellurat,  BeTeO,  und  BeTeO^,  sind  weisse,  unlösliche 
Körper. 

Berylliumcarbonat,  kohlensaures  Beryllium,  BeCOj -i- 4H3O,  dar- 
gestellt durch  Einleiten  von  Kohlensäure  in  Wasser,  welches  basisches  Carbonat 
enthält,  und  Eindampfen  über  Schwefelsäure  in  einer  Kohlensäure-Atmosphäre. 
(Klatzo).  Durch  Fällen  von  Berylliumlösungen  mit  Alkalicarbonat  erhält  man 
einen  weissen,  flockigen  Niederschlag,  welcher  BeCOj,  2BeO -i- 5HjO  ist. 
Dies  basische  Salz  ist  löslich  in  den  Alkalicarbonaten.  Beim  Kochen  der 
Losung  in  Ammoniumcarbonat  scheidet  es  sich  pulverförmig  wieder  aus.  Alko- 
hol fallt  aus  dieser  Lösung  durchsichtige  Krystalle  von  Beryllium-Ammo- 
niumcarbonat,  SBeCOg,  BeO,  HgO  H- 3(NH4)2C08  (Debray)  (15).  Sehr  lös- 
lich in  kaltem  Wasser,  durch  heisses  Wasser  zersetzt. 

Berylliumkaliumcarbonat,  wie  das  vorige  erhalten  und  von  analoger 
Zusammensetzung,  durch  siedendes  Wasser  gleichfalls  zersetzt. 

Beryliiumsilicate.     Das  Orthosilicat  BejSiO^  ist  der  Phenakit. 
Doppelsilicate    von   Beryll-    und    Thonerde    sind   der   Beryll    (Smaragd, 
Aquamarin),  SigO^gAl^Be,,  der  Euklas,  RgBe^AlgSigOiQ. 

Leukophan  ist  ein  Beryllium-Calcium-Silicat,  5(CaBe)Si03,  NaFl. 
Die  Ansicht  von  Berzeliüs,  die  Beryllerde  (Be^Oj)  könne  die  Thonerde  er- 
setzen, ist  nicht  gerechtfertigt.     Besonders  ist  im  Chrysoberyll  das  Verhältniss 
zwischen  den  Bestandtheilen  stets  dasselbe.     Dies  Mineral  ist  Berylliumaluminat, 
AljO^Be. 

Berylliumphcsphate.  In  den  Beryllsalzlösungen  bringt  Natriumphosphat 
einen  weissen  Niederschlag  von  der  Formel  BeHP04  -+■  SH^O  hervor,  welcher 
bei  100°  2H2O  verliert. 

Aus  einer  mit  Salmiak  versetzten  Lösung  von  Berylliumnitrat  fällt  Natrium- 
phosphat^  BeNagCNHJaCPO^)^  h-  7HaO. 

Aus  einer  Lösung  des  Berylliumphosphates  in  Phosphorsäure  fallt  Alkohol 
ein  Gemisch  3BeH4(P04)2  +  2BeHP04  n- HjO,  welches  von  Wasser  zer- 
setzt wird. 

Natriumpyrophosphat  fallt  aus  den  Berylllösungen  einen  weissen,  pulver- 
formigen Niederschlag,  BegPaO^-i-  öHjO  (Scheffer). 

Berylliumphosphit  ist  unlöslich,  Berylliumhypophosphit  löslich  in 
Wasser  (H.  Rose  (8). 

Berylliumarseniat,  BeHAsO^,  gelber,  unlöslicher  Niederschlag.  Ein  saures  SaU  ist 
sehr  löslich  und  nicht  krystallisirbar. 

Beryllium sulfarseniat,  löslich,  bildet  sich  durch  Digestion  von  Beryllerdehydrat,  Arsen- 
pcntasulfid  und  Wasser. 

Analytisches    Verhalten.      Die    Berylliumsalze    rufen    keine    Flammen- 
färbung hervor.    Das  Funkenspectrum  zeigt  zwei  charakteristische  Linien  im  Blau. 
Die   Aetzalkalien  erzeugen  in  den  Lösungen  einen  voluminösen  Nieder- 
schlag, der  sich  im  Ueberschuss  des  Alkali  löst.    Aus  dieser  Lösung  fällt  Sal- 
miak Beryllerdehydrat.    Durch  längeres  Kochen  wird  die  Beryllerde  vollständig 


27^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

niedergeschlagen  und  löst  sich  beim  Erkalten  nicht  wieder  auf  (Unterschied  von 
Thonerde). 

Ammoniak  fallt  Beryllerdehydrat,  im  Ueberschuss  nicht  löslich.  Bei  Gegen- 
wart von  Weinsteinsäure  bringt  weder  Ammoniak  noch  bringen  die  Alkali- 
hydrate eine  Fällung  hervor.  Erst  durch  längeres  Kochen  wird  nach  Ueber- 
sättigung  mit  Kalihydrat  die  Beryllerde  aus  der  Weinsteinsäure  enthaltenden 
Lösung  ausgeschieden. 

Alkalicarbonate  bewirken  einen  voluminösen  Niederschlag,  der  sich  in 
einem  grossen  Ueberschuss  des  Fällungsmittels,  sowie  in  Aetzkali  löst. 

Ammoniumcarbonat  löst  im  Ueberschuss  das  gefällte  Hydroxyd  leichter 
auf,  als  die  Carbonate  der  fixen  Alkalien.  Durch  Kochen  wird  die  Beryllerdc 
wieder  gefällt.     Geglühtes  Berylliumoxyd  ist  in  Ammoncarbonat  unlöslich. 

Baryumcarbonat  fällt  die  Beryllerde  bei  gewöhnlicher  Temperatur  nicht, 
wohl  aber  beim  Kochen. 

Natriumacetat,  Oxalsäure,  Schwefelwasserstoff  fällen  nicht, 
Schwefelammonium  fällt  Hydroxyd. 

Bestimmung  des  Berylliums  geschieht  als  Berylliumoxyd.  Bei  der 
Fällung  mit  Ammoniak  ist  ein  Ueberschuss  des  Reagens  zu  vermeiden. 

Um  die  Beryllerde  von  der  Thonerde  zu  trennen,  benutzt  man  die  Löslich- 
keit jener  in  Ammoncarbonat.  Man  digerirt  die  Flüssigkeit,  welche  beide  Erden 
enthält,  mehrere  Tage  lang  mit  Ammoncarbonat  im  Ueberschuss.  Die  Beryll- 
erdelösung wird  eingedampft.  Bei  Gegenwart  von  Salmiak  darf  man  die  trockne 
Masse  nicht  glühen,  da  sich  sonst  Chlorberyllium  verflüchtigt.  Man  kann  auch 
beide  Erden  erst  mit  Ammoniak  fällen  und  den  Niederschlag  mit  Ammonium- 
carbonat digeriren.  Nach  einer  zweiten  Methode  wird  die  salzsaure  Lösung 
beider  Erden  mit  soviel  Kali  versetzt,  dass  der  anfangs  entstehende  Niederschlag 
sich  völlig  wieder  auflöst  Nach  dem  Verdünnen  mit  Wasser  wird  durch  Kochen 
die  Beryllerde  gefällt,  die  heiss  filtrirt  und  ausgewaschen  werden  muss.  Bei  zu 
grosser  Verdünnung  oder  zu  starker  Concentration  fallen  die  Resultate  unge- 
nau aus. 

Nach  einem  Verfahren  von  Berzelius  versetzt  man  die  Lösung  mit  Salmiak, 
fällt  mit  Ammoniak  und  kocht,  bis  kein  Ammoniak  mehr  entweicht.  Man  muss 
sehr  lange  kochen,  da  die  Beryllerde  nur  langsam  das  Chlorammonium  zer- 
setzt und  sich  als  Chlorid  löst.  Man  kann  auch  nach  dem  Verfahren  von  Jov 
durch  Zusatz  von  Kaliumsulfat  und  Schwefelsäure  zu  der  Lösung  Alaune  bilden, 
diese  auskrystallisiren  lassen  und  auf  diese  Weise  die  Thonerde  beseitigen. 

Biedermann. 

Das  Bier*)  ist  ein  in  langsamer  Nachgährung  begriffenes  Getränk,  das 
aus   gekeimtem  Getreide  (Malz),   namentlich  Gerste,    seltener  aus  Weizen  und 


*)  Handbücher,  Monographien  etc.:  Lintnbr,  Lehrbuch  d.  Bierbrauerei,  in  Otto 
Birnbaum's  Lehrb.  d.  landwirtfaschaftL  Gewerbe,  Fr.  Vi e weg,  Braunschweig  1881.  Ldttnek, 
Untersuchung  des  Biers  in  PosT's  ehem.  technisch.  Untersuchungen,  Fr.  Vi e weg,  Braunschweig  18S1. 
H.  V.  d.  Planitz,  Geschichte  des  Biers,  Mttnchen  1879.  J.  Cartuyvels  u.  Ch.  STAiofOt, 
Traite  compL  theorique  et  pratique  de  la  fabrication  de  la  bi^re  et  du  malt,  Bmzelles  et 
Li^e  1879.  Alois  Schwarz,  Die  Bierbrauerei  auf  der  Pariser  Weltausstellung  des  Jahres  1878, 
BrUnn  1879.  J.  Bersch,  Fabrikation  von  Malz  etc.,  Berlin  1880.  J.  Bersch,  Die  Bier- 
brauerei etc.,  Berlin  1881.  M.  Ch.  Blondeau,  La  science  de  la  brasserie,  Aix.  G.  Holzner, 
Tabelle  zur  Bieranalyse  mittelst  des  Sacharometers  u.  Thermometers  allein,  München  1877. 
G.  Danbhl,  Die  Fälschung  des  Biers,  Berlin  bei  Habel   1877.     ^  Stirlin,   Das  Bier, 


Bier.  273 

deren  Hülsenfrüchten  wie  Mais  und  Reis  durch  einen  wässrigen  Extractions- 
process  und  darauf  folgende  Vergährung  des  Extraktes  bereitet  wird.  Der 
Hopfeni  der  in  den  meisten  Fällen,  jedoch  nicht  immer,  zugesetzt  wird,  bezweckt 
lediglich  eine  Verfeinerung  im  Aroma  und  Geschmak  sowie  eine  Erhöhung  der 
Bekömmlichkeit  und  Haltbarkeit  des  Bieres. 

Die  Materialien  zur  Bierbrauerei  sind  Wasser,  Stärkemehl  oder  zuckerhaltige 
Steife,  Hopfen,  Fermentstoffe. 

Das  Wasser.  Da  die  Beschaffenheit  des  zum  Bierbrauen  verwendeten 
Wassers  von  grösstem  Einfluss  auf  die  Güte  des  Bieres  ist,  so  ist  eine  gründliche 
Prüfung  (s.  d.  Art.  Wasser)  desselben  dringend  geboten.  Das  zu  verwendende 
Wasser  sei  ein  weiches,  möglichst  frei  von  organischer  Substanz  und  suspendirten 
Theilen.  Wo  man  gezwungen  ist,  harte  Wasser  zu  verarbeiten,  befreit  man  die- 
selben durch  Stehenlassen  an  der  Luft,  seltener  durch  Kochen  von  dem  grössten 
Theil  der  härtebedingenden  Salze.  Organische  Substanzen  und  suspendirte  Ver- 
unreinigungen entfernt  man  durch  Filtriren  durch  Kies-,  Sand-  oder  Kohlefilter. 

2.  Die  Stärkemehl- resp.  zuckerhaltigen  Materialien.  Von  allen,  für  die 
Zwecke  der  Bierbrauerei  verwendeten,  Alkohol  liefernden  Materialien,  wie  Cerealien, 
Reis,  Kartoffelstärke,  Kartoffelzucker,  Melasse  etc.  nimmt  in  Bezug  auf  die  Allgemein- 
heit der  Verwendung  die  Gerste  und  namentlich  die  zweizeilige  oder  Blattgerste  die 
erste  Stelle  ein.    Die  durchschnittliche  Zusammensetzung  der  Gerste  nach  König  ist: 

Wasser        ^^''^^'       Fett       Zucker        ^^'J^"       Stärke       Holzfaser       Asche. 
Substanz  etc. 

13-78  11-16         212        1-56  1.70         6225  4-80  2-63 


Verfjüschung  und  die  Mittel  solche  nachzuweisen,  Berlin  1878.  Alb.  Schmidt,  Bier,  Ver- 
fälschung und  Prüfung  desselben  im  Archiv  der  Pharm.,  Festschrift  der  Internationalen  Hopfen- 
aosstellnng  in  Nürnberg  1877.  E.  Thausing,  Theorie  und  Praxis  der  Malzbereitung  und  Bier- 
fabrikation, Leipzig  1877.  C.  Reischauer,  Die  Chemie  des  Bieres,  Augsburg  1877.  Ladiolaus 
▼.  Wagner,  Handbuch  der  Bierbrauerei,  Weimar  1877.  Charixs  H.  Piese,  The  Chemistry  of 
the  Brewing-Room,  London  1877.  L.  Pasteur,  Etudes  sur  la  biere  etc.,  Paris  1876.  Anton 
Belohoubek,  Studien  über  Presshefe,  Prag  1876.  G.  Holzner,  Die  Attenuationslehre  f.  Cymo- 
tedmiker,  Berlin  1876.  Ant.  Belohoubek,  Einige  Worte  über  den  Bau  und  die  Einrichtung  v. 
Brauereien,  Prag  1875.  Hetss,  Die  Bierbrauerei,  Augsburg  1874.  Gustav  Noback,  Die  Bier- 
produktion in  Oesterreich-Ungam  etc.,  Wien  1873.  Officieller  Ausstellungsbericht,  Bier,  Malz  etc., 
Wien  1874.  A.  Galland,  Faits  et  Observations  sur  la  Brasserie,  Paris  1874.  C.  Schneider, 
Die  Malzerei,  Leipzig  1874.  Bierproduktionskarte  von  Oester.-Ungam,  Prag  1872.  A.  Markt, 
Die  Fabrikation  der  Pfund-  oder  Presshefe,  Prag  1872.  Rüdinger,  Die  Bierbrauerei  und  die 
Malzextrakt-Fabrikation.     Hartlebe n's  ehem.  techn.  Bibliothek. 

Periodische  Schriften:  Lintner,  Zeitschrift  für  das  gesammte  Brauwesen.  Mittheilungen 
ans  dem  Weihenstephaner  Laboratorium.  Anbry's  Jahresberichte  d.  Laboratoriums  der  wissen- 
schafttichen  Station  für  Brauerei  in  Milnchen.  Allgemeine  Hopfenzeitung.  Allgemeine  Zeitschrift 
fto  Bierbrauer.  Der  praktische  Bierbrauer.  Norddeutsche  Brauerzeitung.  Allgemeine  Zeitschrift 
f^  Brauerei  u.  Malzfabrikation.  Der  böhmische  Bierbrauer  (v.  Schmelzer).  Der  Bierbrauer 
aus  Böhmen  (v.  Jos.  Thom.  Suck).  Das  Musterbrauhaus.  A.  Hayn,  Brauerei-Kalender,  Würz- 
bmg.  C.  Homanns,  Deutscher  Brauereikalender,  Nürnberg.  Moniteur  de  la  Brasserie.  Medde- 
lelser  fra  Carlsberg  Laboratoriet  Udgive  ved  Laboratoriets  Bestyrelse,  Kjöbenhavn.  (Mittheilung. 
ans  dem  Laboratorium  f.  Brauerei  Carlsberg  bei  Kopenhagen).  Archiv  für  russische  Bier- 
bnoer.  Der  Amerikanische  Bierbrauer.  Ausserdem  finden  sich  zahlreiche  Abhandlungen  in 
Wagnxr's  Jahresberichten;  Zweitschrift  für  analytische  Chemie;  Dingl.,  polyt.  Journal;  Annalen 
der  Landwirthschaft;  Landwirthschafüiche  Versuchsstation,  Journal  für  Landwirthschaft;  Sitzungs- 
bericht des  Vereins  zur  Förderung  des  Gewerbefleisses ;  Chemiker-Zeitung;  Journal  für  praktische 
Chemie;  Bayrisches  Industrie-  und  Gewerbeblatt;  Industrieblätter;  Pharmaceutische  CentralhaUe; 
BoDet  de  la  societ  d'encouragement;  Monit  scientific;  The  Engineer. 

LADBXBtmc,  Chanic.    IL  18 


«74  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Da  von  diesen  Bestandtheilen  bei  dem  Malzprocess  die  Stärke  hauptsächlich 
die  in  Lösung  übergehenden  Extraktbestandtheile  liefert,  so  muss  für  den  Bnuiei 
diejenige  Gerste  die  vortheilhafteste  sein,  welche  pro  Maasseinheit  die  grösste 
Stärkemenge,  d.  h.  das  grösste  absolute  Gewicht  aufweist.  Man  beurtheilt  des- 
halb auch  den  Werth  der  Gerste  vielfach  blos  nach  ihrem  specifischen  Gewicht 
Zuverlässigere  Resultate  liefert  allerdings  die  Methode,  bei  welcher  man  die 
Menge  des  Extraktes  ermittelt,  die  die  Gerste  durch  Verzuckerung  ihrer  Stärke 
mittelst  Malz  liefert.  Die  aus  verschiedenen  Materialien  durch  den  Maischprocess 
zu  erzielenden  Extraktmengen  sind  nach  Balling  die  folgenden: 

Weizen  68— 72* 

Roggen  63— 67^ 

Gerste  58— 62J 

Hafer  40—44* 

Mais  67—70* 

Reis  74* 

Kartoffelmehl        73* 

Kartoffelstärke  82*. 
3.  Der  Hopfen  wird  in  Gestalt  der  getrockneten,  unbefruchteten,  weiblichen 
Blüthendolden  der  cultivirten  Hopfenstaude  verwandt.  Man  baut  diese  Pflanze 
in  Deutschland  vorwiegend  in  Bayern,  Württemberg,  Baden,  Elsass,  Provini 
Posen,  Altmark,  Braunschweig  und  Hannover,  Sachsen,  Hessen  und  Rheinprovinz. 
Die  durchschnittlich  in  guten  Jahren  producirte  Hopfenmenge  beträgt  nach 
Wagner  in  Deutschland  670000  Ctr.,  d.  i.  fast  ebenso  viel  als  alle  übrigen 
europäischen  Staaten  zusammengenommen,  unter  denen  England  nächstdem  die 
bedeutendste  Production  aufweist.  Von  den  nicht  europäischen  Staaten  hat  Nord- 
Amerika  die  bedeutendste  Hopfenproduktion. 

Angesichts  des  grossen  Einflusses,  den  die  Güte  des  Hopfens  auf  die  Schmack- 
hafligkeit  des  Bieres  hat,  ist  die  Behandlung  desselben  bei  der  Ernte,  sowie 
seine  Conservirung  für  die  Bierbrauerei  von  grösster  Bedeutung.  Er  muss  bei 
möglichst  trockenem  Wetter,  im  richtigen  Reifezustand  geemtet  und  schnell,  doch 
ohne  starkes  Bewegen  und  Rütteln  getrocknet  werden.  Dieses  Trocknen  ge- 
schieht entweder  an  freier  Luft,  was  jedoch  sehr  grosse  Trockenräume  erfordert, 
oder  man  bedient  sich  der  Hopfendarren,  in  welchen  der  auf  Hürden  ausge- 
breitete Hopfen  durch  Ventilation  mittelst  warmer  Luft  sehr  rasch  getrocknet 
werden  kann.  Wegen  Verflüchtigung  des  Aromas  geht  man  dabei  nicht  tiber  40®. 
Zum  Zweck  besserer  Conservirung  hat  man  in  den  letzten  Jahren  allgemein 
das  Schwefeln  des  Hopfens  eingeführt  Man  setzt  zu  diesem  Zwecke  den 
in  geschlossenen  Kammern  auf  Hürden  befindlichen  Hopfen  mehrere  Stunden 
lang  der  Einwirkung  von  schwefliger  Säure  aus,  die  durch  Verbrennung  von 
Schwefel  in  dem  unter  der  Hürde  beflndlichen  Räume  erzeugt  wird.  Zuweilen 
wird  das  Schwefeln  in  betrügerischer  Absicht  zur  Verjüngung  alten  Hopfens  an- 
gewandt. Geschwefelten  Hopfen  erkennt  man  daran,  dass  das  durch  Vermischen 
desselben  mit  Zink  und  verdünnter  Salzsäure  sich  entwickelnde  Gas  in  alkalische 
Nitroprussidnatriumlösung  geleitet  letztere  tief  violettroth  färbt.  Der  Hopfen 
wird  nach  dem  Trocknen  bezw.  Schwefeln  am  besten  in  wasserdichten  Säcken, 
auch  in  eisernen  oder  anderen  luftdichten  Gefassen  in  zusammengepresstem  Zu- 
stande aufbewahrt.  Vielfach  wird  er  auch  nur  in  gewöhnliche  Säcke  gebracht 
und  auf  luftigen  Bodenräumen  aufgestellt.  Besser  ist  es  aber  zweifellos,  den 
Hopfen  stark  zu  comprimiren,  und  es  werden  deshalb  ofbnals  hydraulische  Pressen 


"^^Tf^ 


Bier.  275 

zur  ADwendimg  gebracht  Naumann  und  Pohl  besprengen  den  Hopfen  behufs 
besserer  Conservirung  vor  dem  Pressen  mit  Weingeist. 

Die  für  die  Bierbrauerei  wichtigen  Bestandtheile  der  Hopfendolde  finden  , 
sich  1.  vorwiegend  in  dem  sogen.  Hopfenmehl  oderLupulin,  welches  sich  in 
Gestalt  eines  aus  kleinen  goldgelben  Körnchen  bestehenden  Mehles  unter  den 
Schuppen  der  Dolde  befindet.  Ausserdem  enthalten  aber  auch  die  blattartigen 
Theile  der  Dolde  selbst  werthvolle  Stoffe.  Diese  sind:  2.  das  Hopfenöl,  ein 
schwefelfreies  ätherisches,  stark  bitter  und  etwas  brennend  schmeckendes,  schwach 
nach  Hopfen  riechendes  gelblichgefärbtes  Oel  vom  spec.  Gew.  0*908.  Es  ist 
etwa  im  Verhältniss  1:600  in  Wasser  löslich  und  mit  Wasserdämpfen  flüchtig, 
^eine  hauptsächlichsten  Bestandtheile  sind  der  Kohlenwasserstoff  C^Hg  und  der 
sauerstoffhaltige  Körper   C^oHigO,   welcher  an   der  Luft  Valeriansäure  bildet. 

3.  Hopfenharz  und  Hopfenbitter  sind  diejenigen  Bestandtheile,  welche  dem 
Bier  seine  Haltbarkeit,  seinen  eigenthümlich  bitteren  Geschmack,  leichtere  Ver- 
daulichkeit etc.  verleihen,  für  Herstellung  eines  gesunden  Bieres  also  sehr  wesent- 
lich sind.  Ersteres  löst  sich  in  Aether,  letzteres  nicht,  beide  sind  löslich  in 
Alkohol,  Zucker-  und  Hopfenöl-haltigem  Wasser.  Während  der  Bitterstoff  sich 
auch  in  reinem  Wasser  löst,  ist  das  Harz  darin  völlig  unlöslich.  Aus  der  Bier- 
würze, in  der  sie  gelöst  sind,  scheiden  sie  sich  bei  der  Gährung  theilweise  aus. 

4.  Die  Hopfen-Gerbsäure.  Dieselbe  unterscheidet  sich  erheblich  von  der 
gewöhnlichen  Gerbsäure  (Tannin);  sie  giebt  bei  Gährung  keine  Gallussäure,  beim 
£rhitzen  keine  Pyrogallussäure,  besitzt  überhaupt  mehr  den  Character  eines  zu- 
sammengesetzten Aethers.  Mit  Eisensalzen  tritt  Grünfärbung  ein,  sie  steht  also 
der  Moringerbsäure  nahe.  Die  Gerbsäure  trägt  wesentlich  zur  Klärung  des 
Bieres  bei,  indem  sie  sich  mit  suspendirten  Proteinstoffen,  Kleistertheilchen  u.  a. 
verbindet  und  dieselben  niederschlägt. 

Untersuchungen,  welche  auf  der  Versuchsstation  Wien  über  die  Zusammen- 
setzung österreichischer  Hopfensorten  ausgeführt  worden  sind,  ergaben  (nach 
König)  folgenden  Procentgehalt: 

Von  dem  Weingeist- 
u/...^    »^»«Cmki    In  Alkohol   Davon         rttckstand  in         r*,K«ö..«.      A«che      Kohlensäure    «     j 
Wasser    Hopfenöl        ,^y^^       „^^^        Wasserlöslich.       Gerbsaure    cO,^i    in  100 Asche    ^and 

org.  Stoffe     Asche 

Maximum  9*90  013  2012  14*57  685  310  1*38  3'57  515  0*29 
Minimum  1713  0-48  3312  18*09  11-24  5*42  5*13  10*01  13*99  2*27 
Mitte         13*53     0*27      25*25     16*98     9*13      4*14     3*65       609        9*67      0*92 

Von  der  Anwendung  der  Hopfenextrakte  ist  man,  obgleich  die  wesentlichen 
Bestandtheile  des  Hopfens  verhältnissmässig  leicht  in  Lösung  übergeführt  und  darin 
weit  besser  als  in  den  Hopfendolden  conservirt  werden  können,  wieder  voll- 
ständig abgegangen,  da  Reinheit  und  Güte  solcher  Präparate  zu  schwer  zu  con- 
trolliren  sind.  Auch  hat  man  versucht,  billigere  Surrogate  wie  Wallnussblätter, 
Alo^xtrakt,  Colchicum,  Lactucarium,  Bitterklee,  Weiden-Rinden,  Pinus-Rinden, 
Quassia»  Pikrinsäure  etc.  zu  verwenden.  Selbstredend  ist  jedoch  der  Gebrauch 
solcher,  theilweise  geradezu  gesundheitsgefährlicher  Stofife  auf  das  entschiedenste 
zu  verwerfen. 

4.  Die  Ferment-Stoffe.  Als  solche  kommen  hauptsächlich  in  Betracht: 
Diastase,  welche  als  sogenanntes  ungeformtes  Ferment  einen  Bestandtheil  des 
gekeimten  Getreides,  also  des  Malzes  ausmacht,  und  die  Hefe,  welche  aus  den- 
selben lebenden  Hefepilzen  (Saccharomyces  cerevisiae)  besteht,  wie  die  Hefe,  die 
ebenso  wie  die  Diastase  schon  bei  der  Bereitung  des  Alkohols  beschrieben 
wurde  (siehe  diese).    Da  wie  dort  bezweckt  man  mit  der  Diastase  die  Umwandlung 

i8» 


276  Handwörterbuch  der  Chemie. 

der  Stärke  in  Zucker,  Maltose,  Dextrose  und  Dextrin,  mit  der  Hefe  die  Spaltung 
des  Zuckers  in  die  Produkte  der  geistige»  Gährung,  im  Wesentlichen  also  in 
Alkohol  und  Kohlensäure.  Während  man  in  der  Spiritusbrennerei  zum  Vennischen 
der  stärkemehlhaltigen  Stoffe  nur  gerade  soviel  Gerste  keimen  lässt,  bezw.  in 
Malz  verwandelt,  dass  sich  die  zur  Umwandlung  der  Stärke  in  Zucker  und 
Dextrin  nothwendige  Menge  Diastase  dabei  bildet,  macht  in  der  Brauerei  meist 
die  gesammte  Getreidemenge  den  Keimprocess  durch  und  enthält  somit  jedes 
Korn  die  zur  Verzuckerung  seines  Stärkemehls  nöthige  Fermentmenge. 

Die  Bierhefe,  im  Wesentlichen  ein  Gemisch  von  Hefepilzen  und  Bier, 
resultirt  beim  Brauprocess  selbst;  sie  setzt  sich  nach  der  Hauptgährung  als 
Schlamm  zu  Boden  und  wird  zur  Einleitung  der  Gährung  zu  neuer  unver- 
gohrener  Würze  gesetzt.  Dabei  entwickelt  sie  sich  auf  Kosten  der  in  der 
Flüssigkeit  enthaltenen  Nährstoffe  rasch  weiter  und  bewirkt  die  Gährung.  Durch 
Erwärmung  der  Flüssigkeit  kann  man  den  Gährungsprocess  derart  steigern,  dass 
die  Hefe  durch  die  sich  rasch  entwickelnde  Kohlensäure  an  die  Oberfläche  ge- 
rissen wird,  eine  Erscheinung,  die  man  Obergährung  nennt,  während  man  den 
gegentheiligen  Verlauf  mit  Untergährung  bezeichnet.  Obgleich  die  Hefepilic 
bei  beiden  Gährungsprocessen  identisch  sind,  bewirkt  doch  die  sogen.  Oberhefe 
auch  wieder  leichter  die  stürmische  Obergährung,  die  Unterhefe  dagegen  die 
träge  Untergährung.  Durch  Aenderung  der  Temperatur  lässt  sich  jedoch  die 
eine  Gährungserscheinung  in  die  andere  tiberführen.  Zur  Conservirung  der  Bier- 
hefe vermischt  man  sie  entweder  mit  starker  Würze  oder  befreit  sie  durch  Sieben 
und  Auswaschen  von  den  beigemischten  Bestandtheilen  und  verwandelt  die  ge- 
waschene Masse  durch  Auspressen  in  die  sogen.  Presshefe.  Die  Darstellung 
der  letzteren  bildet  bekanntlich  einen  Industriezweig  für  sich. 

Die  Bierbrauerei  zerfällt  in  die  Bereitung  des  Malzes,  die  Bereitung  der  Bier- 
würze, die  Gährung  der  Würze  und  die  Nacharbeiten  bei  Aufbewahrung  des  Bieres. 

1.  Die  Bereitung  des  Malzes  (Mälzen)  hat  den  Zweck,  durch  Keimung 
der  Gerste  aus  deren  stickstoffhaltigen  Bestandtheilen  die  Diastase  zu  erzeugen, 
ausserdem  aber  auch  meist  noch  durch  einen  nach  dem  Keimen  ausgeführten 
Darrprocess  einen  Theil  der  Kohlenhydrate  des  Malzes  in  Röstprodukte  über- 
zuführen, die  durch  ihren  Geruch  und  Geschmack,  sowie  auch  ihre  Farbe  die  bd 
Genuss  des  Bieres  ausschlaggebenden  Eigenschaften  mitbedingen.  Nach  Griess- 
MAYER  bildet  sich  beim  Keimen  des  Getreides  neben  Diastase  ein  zweiter  ferment- 
artiger  Körper,  die  Peptase,  durch  welche,  insbesondere  beim  Dickmaischverfiihren, 
Proteinstoffe  in  Peptone  und  Parapeptone,  also  in  lösliche  Nährstoffe,  umgewandelt 
werden.  Endlich  findet  durch  die  im  keimenden  Getreidekom  verlaufenden 
chemischen  Umwandlungen  auch  eine  mechanische  Lockerung  seiner  Bestand- 
theile  statt,  durch  welche  der  nachfolgende  Maischprocess  erleichtert  wird. 

Das  Einquellen  oder  Weichen.  Dabei  wird  die  Gerste  in  grossen  Be- 
hältern aus  Holz,  Sandstein,  Cement  oder  Eisen  so  lange  unter  Wasser  gehalten, 
bis  die  einzelnen  Körner  vollständig  mit  Wasser  durchdrungen  sind,  was  man 
daran  erkennt,  dass  sich  beim  Zerdrücken  die  Hülsen  leicht  und  vollständig  vom 
mehligen  Kern  ablösen,  und  dass  die  vorher  spröden  Kömer  biegsam  geworden 
sind.  Der  Kern  nimmt  dabei  das  zum  nachfolgenden  Keimprocess  nöthige 
Wasser,  circa  50^,  auf  und  giebt  andererseits  an  das  Quellwasser  1 — 2^  löstiche 
Bestandtheile,  die  den  Geschmack  des  Bieres  beeinträchtigen  würden,  ab.  Da 
diese  löslichen  Stoffe  im  Wasser  leicht  in  Gährung  gerathen,  muss  dasselbe 
oft  erneuert  werden.    Je  nachdem  man  es  mit  junger  oder  alter  Gerste  zu  thon 


\ 


Bier.  277 

hat,  dauert  der  Process  des  Einweichens  2—4  Tage,  ausnahmsweise  sogar  noch 
länger.  Man  giebt  den  Qudlbottichen  z^^eckmässig  einen  trichterförmigen  Boden 
und  stellt  sie  so  auf,  dass  man  durch  Oeffhen  eines  Ventils  die  durchweichte 
Gerste  direkt  in  die  darunter  befindlichen  Keimtennen  ablassen  kann. 

Das  Keimen  der  mit  Wasser  durchtränkten  Gerste  kommt  auf  der  sogen. 
Keimtenne,  auch  Wachstenne  oder  Wachskeller  genannt,  zur  Ausführung. 
Die  betreffenden,  3—4  Meter  hohen  Räume  müssen  durch  entsprechende  Lage 
und  Umfassungsmauern  vor  zu  grossen  Temperaturschwankungen  geschützt,  auch 
gut  ventilirt  sein;  der  Boden  ist  gepflastert,  besser  geplattet  oder  cementirt. 
Behufs  Abtrocknens  der  Gerste  und  Einleitung  des  Keimprocesses  breitet  man 
dieselbe  auf  der  Tenne  zu  Beeten  von  10—15  Centim.  Höhe  aus  und  sorgt 
durch  oftmaliges  Umschaufeln  für  gleichmässige  Entwicklung  des  Keims,  dessen 
erstes  Auftreten  in  Form  kleiner  Würzelchen  man  das  Stechen,  Spitzen, 
Aeugeln  oder  Guzen  nennt.  Durch  Zusammensetzen  erhöht  man  jetzt  die 
Beete  auf  25—30  Centim.,  erhöht  dadurch  die  Temperatur,  beschleunigt  die 
Keimbildung,  hat  aber  darauf  zu  achten,  dass  im  Innern  des  Beetes  eine  Temperatur 
von  25—27°  nicht  überschritten  wird.  Dabei  tritt  das  sogen.  Schwitzen  ein, 
was  durch  Niederschlagen  des  in  den  unteren,  wärmeren  Malzpartien  gebildeten 
Wasserdampfs  auf  den  äusseren  Schichten  bedingt  ist  Nach  Eintritt  des 
Schweisses,  bezw.  der  damit  in  Verbindung  stehenden  Erwärmung  des  Haufens, 
wird  derselbe  in  je  drei  Stichen  seines  Querschnittes  umgesetzt,  so  dass  die 
kälteren  Theile  nach  innen  und  damit  die  Keime  aller  Körner  in  gleichmässige 
Entwicklung  kommen.  Nach  2— 4  maligem  Umsetzen  müssen  die  in  einander 
Terfilzten  Wurzelkeime  eine  Länge  von  circa  1-5  Centim.  haben,  und  der  Blatt- 
keim soll  bis  in  die  Mitte  des  Kornes  eingedrungen  sein.  Durch  Auseinander- 
ziehen der  Haufen  in  flachere  Beete  wird  jetzt  die  weitere  Entwicklung  des 
Keims  unterbrochen.  Je  nach  der  Lufttemperatur  dauert  der  Keimprocess 
1—2  Wochen. 

Die  moderne  Mälzerei  unterscheidet  sich  von  dem  beschriebenen  Ver- 
fahren insbesondere  dadurch,  dass  man  durch  schwächeres  Einquellen  und  durch 
Keimen  bei  niederer  Temperatur  die  Bildung  des  Wurzelkeims  möglichst  unter- 
drückt und  die  Entwicklung  des  Blattkeims  verlangsamt.  Das  betreffende  Bier 
soll  gehaltvoller,  insbesondere  reicher  an  stickstoflFhaltigen  Nährstoffen  sein, 
während  Malz  nach  der  ersteren  Methode  bereitet  ein  klares  und  glänzenderes 
Bier  liefert. 

Beim  Keimen  findet  ein  Verlust  von  Trockensubstanz  statt,  der  hauptsäch- 
lich durch  die  sich  entwickelnde  Kohlensäure  bedingt  ist;  er  beträgt  rund  3^. 
Ausserdem  absorbirt  die  Keimbildung  ca.  3*5^  fester  Bestandtheile,  so  dass  im 
Ganzen  ein  Verlust  von  6'5J  entsteht,  auch  geht  schon  ein  kleiner  Theil  der 
Stärke  in  Zucker  und  Dextrin  über. 

Das  so  erhaltene  Malz  nennt  man  Grünmalz,  welches  durch  Ausbreiten 
und  Trocknen  an  der  Luft  in  sogen.  Luftmalz  übergeht.  Letzteres  Malz  wird 
in  seltenen  Fällen  direkt  zur  Bierbereitung  genommen,  und  dabei  die  dunklere 
Farbe  des  Biers  durch  Zusatz  einer  kleinen  Menge  stark  gebrannten  Malzes  erzeugt. 
Das  Darren  des  Malzes  ist  ein  Trocken-  und  Röstprocess,  der  auf  der 
sogen.  Darre  zur  Ausführung  kommt.  Je  nachdem  man  die  Feuergase  direkt 
oder  indirekt  zur  Erhitzung  des  Malzes  verwendet,  unterscheidet  man  zwischen 
Rauchdarren  oder  Luftdarren.  In  seltenen  Fällen  hat  man  auch  Dampf 
(Dampf darre)  zur  Erhitzung  angewendet.    Da  das  Malz  bei  den  Rauchdarren 


278  Handwörterbuch  der  Chemie. 

durch  direkte  Berührung  mit  der  Feuerluft  den  betreffenden  Raüchgeruch  an- 
nimmt, werden  jetzt  meistens  die  Luftdarren  angewendet.  Dieselben  bestehen 
aus  einem  hohen,  thurmartigen  Raum,  in  welchem  unten  die  Heizvorrichtungeo 
(Oefen,  Heissluft-Röhren  etc.)  sich  befinden,  von  welchen  die  warme  Luft  in  die 
Höhe  steigt.  Darüber  befindet  sich  die  Darrfläche,  ein  durchbrochener  Boden, 
bestehend  aus  nebeneinander  gelegten  durchlochten  Eisenblechen  oder  Einsätzen, 
die  aus  Drahtgeflecht  gebildet  sind,  und  auf  welchen  das  zu  darrende  Malz  aus- 
gebreitet wird.  Ueber  der  ersten  Darrfläche  befindet  sich  manchmal  noch  eine 
zweite,  darüber  hie  und  da  sogar  noch  eine  dritte,  um  die  von  der  unteren 
Darrfläche  ausströmende  warme  Luft  zum  Vortrocknen  des  Malzes  auszunutzen; 
oben  entweichen  Luft-  und  Wasserdämpfe  durch  einen  Schornstein.  Durch  be- 
sondere im  Heizraum  befindliche  Züge  kann  kalte  Luft  zum  Ventiliren  der  Darre 
eintreten. 

Je  nach  dem  zu  erzeugenden  Malz  ist  die  Darrtemperatur  verschieden.  Unter 
allen  Umständen  soll  sie  vor  Entfernung  der  Feuchtigkeit  62°  nicht  überschreiten, 
weil  sonst  Verkleisterung  der  Stärke  und  Bildung  von  Glasmalz  eintritt,  und  auch 
dann  steigert  man  die  Temperatur  nur  allmählich.  Für  helleres  Malz  geht  man 
dabei  bis  gegen  100°,  flir  dunkleres  auf  125 — 150°  Malztemperatur.  Auch  die 
Darrzeit,  zwischen  12  und  24  Stunden,  ist  hierbei  maassgebend. 

Während  des  Darrens  wird  das  Malz  von  Zeit  zu  Zeit  umgewendet,  was  bis- 
her mittelst  Handarbeit  bewerkstelligt  wurde.  Zum  Ersatz  dieser  sehr  lästigen 
Arbeit  sind  in  neuerer  Zeit  die  mechanischen  Darren  zur  Einführung  ge- 
kommen. Dieselben  sind  von  sehr  verschiedener  Construction,  mit  bewer^lichcn 
und  feststehenden  Darrflächen,  doch  haben  sich  bis  jetzt  die  Darren  mit  fester 
Darrfläche  und  einer  darüber  sich  walzenartig  bewegenden  Wendevorrichtung  am 
meisten  Eingang  verschaflt. 

Die  Trennung  der  Keime  vom  Korn  wird  unmittelbar  nach  dem  Darren 
durch  Treten  oder  mittelst  Trommeln,  Putzmühlen  etc.  ausgeftlhrt  Der  dadurch 
bedingte  Verlust  beträgt  ca.  3*5^.  Die  Veränderungen,  welche  die  Gerste 
während  des  Mälzprocesses  erleidet,  ergiebt  sich  aus  folgender  Zusammenstellung 
nach  OuDEMANs: 

Gerste      Luftmalx      Schwach^danrtes       Stark^^dairtes 

Röstgummi  —             ~  7.8  14*0 

Dextrin  5*9             80  66  102 

Stärkemehl  670  58-1  *  586  47-6 

Zucker  —              0*5  07  0*9 

Cellulose  9*6  144  108  11*5 

Eiweissstoffe  121  13*6  104  105 

Fett  5-6            2-2  2-4  2*6 

Asche  31             3-2  27  27. 

Farsky,  der  aus  100  Thln.  Gerste  855  Thle.  Darrmalz  (abgelagert)  eihicl  , 

fand  folgende  Zusammensetzung: 

'  Gerste         Darnnalz,   abgelagert 

Wasser  1042  6-06 

Stickstoffhaltige  Stoffe  9*99  956 

Stickstofffreies  Extrakt  67*62  72*57 

Fett  2-07  1-85 

Faserstoff  7-42  7*68 

Asche  2-37  227. 


Bier.  279 

Nach  LiNTNER  verliert  gute  Gerste  durch  das  Mälzen  8—10^  ihrer  festen 
fiestandtheile,  ausserdem  natürlich  das  Wasser,  welches  jedoch  beim  Kochen  des 
Malzes  theilweise  wieder  aufgenommen  wird.  Die  in  kaltem  Wasser  löslichen 
Theile  sollen  sich  je  nach  dem  Grade  des  Darrens  um  8 — 12^  vermehren,  was 
insbesondere  auf  die  Vermehrung  des  Dextrins  und  Röstgummis  zurückzu- 
führen ist 

Von  Surrogaten  sind,  abgesehen  von  den  übrigen  Getreidearten,  sowie  dem 
Mais  und  dem  Reis,  alle  zu  verwerfen,  denn  alle  in  Betracht  kommenden 
Materialien  wie  Stärkezucker,  Kartoffelmehl,  Kartoffelstärke,  Melasse,  Syrup  etc. 
haben  eine  von  dem  Gerstenmalz  so  abweichende  Zusammensetzung,  dass  sie 
einen  entsprechenden  Ersatz  dafür  nicht  bieten. 

IL  Die  Bereitung  der  Bierwürze.  In  dieser  Operation  wird  das  ge- 
schrotete Malz  mit  Wasser  eingemaischt,  worauf  man  die  erhaltene  Lösung  von 
den  Trebertheilen  trennt,  kocht  und  mit  Hopfen  versetzt. 

Beim  Schroten  oder  Quetschen  des  Malzes  verfolgt  man  den  Zweck,  die 
inneren  Theile  des  Malzkomes  bloszulegen,  dabei  aber  die  Hülse  möglichst 
wenig  zu  zerstören,  damit  sie  nach  Verzuckerung  der  Stärke  möglichst  leicht  von 
der  gebildeten  Extraktflüssigkeit  getrennt  werden  kann.  Die  Zerkleinerung  ge- 
schieht deshalb  in  der  Regel  zwischen  einem  Walzenpaar,  der  sogen.  Schrot- 
mühle, durch  welche  man  das  Malz  passiren  lässt.  In  Bayern  wo  die  Malz- 
steuer besteht,  ist  die  Mühle  mit  dem  Messapparat  verbunden. 

Das  Maischen.  Dabei  werden  durch  Vermischen  des  Malzschrotes  mit 
Wasser  (Einteigen)  die  darin  enthaltenen  löslichen  Bestandtheile  (Zucker,  Dextrin, 
Röstgummi,  Diastase  etc.)  extrahirt,  insbesondere  aber  bildet  sich  durch  die 
Wirkunjg  der  Diastase  auf  Stärke  und  Wasser  Zucker  (Maltose  und  etwas  Dex- 
trose) und  Dextrin.  Die  beim  Keimen  ebenfalls  entstandene  Peptose  wandelt, 
wie  schon  oben  bemerkt,  einen  Theil  der  Proteinstoffe  in  Peptone  und  Para- 
peptone  um,  was  für  den  Nährwerth  des  Bieres  von  Wichtigkeit  ist  Die  günstigste 
Maischtemperatur  liegt  bei  70—75*'. 

Als  Maischapparat  dient  ausschliesslich  der  offene  Maischbottich  mitRühr- 
werk,  sowie  er  auch  in  der  Spiritusbrennerei  zur  Anwendung  kommt  (s.  d.  Art. 
Alkoholfabrikation).  Nur  ist  derselbe  mit  einem  Seihboden  versehen,  durch  den 
man  von  unten  her  klares  Wasser  zuleiten  oder  die  bereitete  Würze  von  den  Trebem 
abfiltriren  und  abziehen  kann.  Häufig  findet  man  neben  diesem  Maischbottich  einen 
besonderen  Seihbottich  aufgestellt,  der  zur  Trennung  der  Trebem  von  der  Würze 
dient  und  für  diesen  Zweck  auch  mit  Wassersprengvorrichtung  versehen  ist  Unter 
dem  Maischbottich  steht  ein  Behälter  zur  Aufnahme  der  bereiteten  Würze,  der 
Grund.  Endlich  sind  grosse  offene  oder  geschlossene,  auf  freiem  Feuer  oder 
mittelst  Dampf  erhitzte  Kochkessel,  die  Braukessel,  vorhanden,  die  entweder 
direkt  oder  mittelst  des  Grundes  mit  dem  Maischbottich  in  Communication  stehen. 

Die  Bereitung  der  Maische  geschieht  in  operativer  Beziehung  entweder  nach 
der  Decoctions-  oder  nach  der  Infusionsmethode. 

Das  Decoctionsverfahren.  Das  Malz  wird  im  Maischbottich  mit  kaltem 
Wasser  angesetzt,  eingeteigt,  während  man  einen  andern  Theil  des  Wassers 
im  Kessel  zum  Kochen  erhitzt  und  denselben  alsdann  unter  Bewegung  des  Rührers 
nachsetzt.  Bei  dem  bayrischen  Dickmaischverfahren  bringt  man  alsdann 
ca.  die  Hälfte  der  Maische,  vorwiegend  den  dickeren  Theil  derselben,  in  den 
Kessel,  kocht  ^ — f  Stunden  und  giebt  unter  Umrühren  zurück,  wiederholt  den 
Frocess  noch  einmal,  worauf  in  einer  dritten  Operation  ein  Theil  der  Flüssigkeit 


28o  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Läutermaische,  abgezogen,  gekocht  und  zurückgegeben  wird.  Auf  diese  Weise 
hat  sich  die  Temperatur  successive  auf  die  günstigste  Maischtemperatur,  70—75°, 
gehoben,  was  wesentlich  ist,  da  bei  plötzlicher  Erwärmung  zu  starke  Verkleisterung 
des  Stärkemehls  eintreten  würde.  Nach  ca.  zweistündigem  Stehen  ist  die  Ver- 
zuckerung beendigt  und  man  lässt  alsdann  die  Würze  durch  die  Seihvorrichtung 
von  den  Trebem  ablaufen.  Letztere  werden  mit  Wasser  noch  mehrmals  abge- 
waschen und  die  dabei  erhaltenen  dünnen  Würzen  entweder  theilweise  mit  der 
ersten  vermischt,  oder  für  Bereitung  der  sogen.  Nachbiere  verwendet.  Auf  1  VoL- 
Theil  Malz  werden  3—4  Vol.-Theile  Wasser  genommen,  man  erhält  daraus  nach 
Wagnfr  202-3  Vol.  Schenkbier  oder  1734  Vol.  Lagerbier. 

Beim  Brauen  auf  Satz  nach  der  in  Nürnberg,  Augsburg,  Erlangen  etc.  an- 
gewendeten schwäbischen  Methode,  ebenso  bei  der  fränkischen,  wird 
ähnlich  verfahren,  doch  nur  klare  Würze  portionsweise  aus  dem  Maischbottich 
abgezogen  und  im  Kessel  zum  Kochen  gebracht. 

Die  Infusionsmethode.  Bei  diesem  Verfahren,  welches  insbesondere  io 
England,  Norddeutschland,  Frankreich  etc.  zur  Anwendung  kommt,  wird  das 
Malz  zunächst  mit  warmem  Wasser  eingeteigt  und  dann  das  Ganze  durch  Zusatz 
von  kochendem  Wasser  auf  75°  gebracht.  Nach  erfolgter  Verzuckerung  wird  die 
erste  Würze  klar  abgezogen  und  auf  gleiche  Weise  eine  zweite  und  dritte  bereitet 
Methodisch  unterscheidet  sich  dieses  Verfahren  vom  Decoctionsverfahren  dadurch, 
dass  man  keine  Maische  abzieht,  um  sie  im  Kessel  zu  kochen  und  zur  Erhöhung 
der  Temperatur  zurückzugeben,  letztere  wird  vielmehr  nur  durch  Nachsetzen  von 
heissem  Wasser  erreicht 

Als  Produkte  des  Maischprocesses  erhält  man  einerseits  die  Würze,  deren 
Concentration  sich  nach  der  Stärke  des  zu  erzeugenden  Bieres  richtet  und  mittelst 
des  Saccharometers  ermittelt  wird,  andererseits  die  Trebem,  welche  als  Viehfiitter 
verwendet  werden.  Die  Würze  schmeckt  süss  in  Folge  ihres  Zuckergehaltes  und 
zeigt  schwach  saure  Reaction,  welche  meist  von  etwas  Phosphorsäure  und  Milch- 
säure herrührt;  ausserdem  enthält  sie  Dextrin,  Röstgummi,  Proteinstoffe,  Pflanzen- 
leim, Pepton  und  Parapepton,  etwas  unverändertes  Stärkemehl,  Aschebestand- 
theile  etc.  gelöst. 

Das  Kochen  der  Würze  hat  den  Zweck,  einen  Theil  der  Proteinsubstanzen 
zu  coaguliren  und  ausserdem  die  oft  noch  zu  dünne  Flüssigkeit  zu  concentriren. 
Zu  gleicher  Zeit  wird  auch  der  Hopfen  zugesetzt,  durch  dessen  Gerbsäure  sus- 
pendirte  Proteinstoffe  und  verkleisterte  Stärketheilchen  niedergeschlagen  werden. 
Die  Würze  erfährt  also  auch  eine  Klärung.  Als  Apparat  dient  der  schon  er- 
wähnte Braukessel  oder  ein  zweiter  Kessel  von  ähnlicher  Construction.  —  Je 
nachdem  man  nur  klären  oder  zugleich  auch  die  Würze  concentriren  will,  muss 
man  das  Kochen  eine  oder  mehrere  Stunden  lang  fortsetzen.  Biere,  die  lange 
gelagert  werden  sollen,  werden  länger  gekocht  Der  Zusatz  des  Hopfens  erfolgt 
erst  am  Schluss  des  Kochens,  und  zwar  setzt  man  ihn  entweder  zu  der  Würze 
in  den  Kessel  oder  lässt  die  kochend  heisse  Würze  durch  einen  Siebkasten, 
den  Hopfenseiher  passiren,  in  welchem  sich  die  Hopfen  befinden  und  ihre  lös- 
lichen Theile  an  die  Würze  abgeben.  Zu  langes  Kochen  der  Würze  mit  dem 
Hopfen  liefert  zu  bitteres  Bier.  Die  Menge  des  Hopfens  ist  sehj-  verschieden; 
je  länger  das  Bier  gelagert  werden  soll,  desto  mehr  muss  es  gehopft  sein,  auch 
sind  selbstverständlich  der  Geschmack  der  Consiunenten  und  die  Qualität  des 
Hopfens  maassgebend.  Als  Maximal werthe  gelten  in  Bayern  2,  in  England  4*5  f 
Hopfen  vom  Gewicht  des  Malzes. 


Bier.  281 

Die  Abkühlung  der  Würze.  Da  zwischen  20  und  40°  sehr  rasch  Milch* 
Säurebildung  eintritt,  muss  die  Würze  möglichst  rasch  auf  die  darunter  liegende 
Gährtemperatur  abgekühlt  werden.  Dies  geschieht  grossentheils  in  den  Kühl- 
schiffen, flache,  in  luftigen  Räumen  aufgestellte  Behälter  aus  Eisenblech,  selten 
mehr  aus  Holz,  über  denen  vermittelst  Windflügeln  oder  anderen  Ventilatoren 
ein  starker  Luftstrom  hervorgebracht  wird.  Die  Abkühlung  erfolgt  hier  theils 
durch  Wasser-Verdunstung,  durch  welche  eine  Concentration  der  Würze  im 
Extraktgehalt  von  |  bis  1^  eintritt,  theils  durch  Leitung,  theils  durch  Strahlung. 
Im  Sommer  wendet  man  zum  letzten  Abkühlen  häufig  noch  die  Eiskühlung  an, 
wobei  man  das  Eis  direkt  oder  in  sogen.  Eiskübeln  in  die  Würze  giebt,  oder 
aber  die  Würze  nach  Verlassen  des  Schiffes  durch  Kühler  passiren  lässt,  welche 
nach  Art  der  LiEBiG'schen  Kühler  mittelst  Eis  oder  Eiswasser  gekühlt  sind. 
Auch  sogen.  Flächenkühler  bei  welchen  das  Wasser  in  einem  Röhrensystem 
oder  entsprechend  geformten  Blechgefässen  circulirt,  an  deren  Aussenwandungen 
die  Würze  herabläuft,  kommen  in  neuer  Zeit  vielfach  zur  Anwendung.  Die 
Temperatur,  auf  welche  die  Würze  zu  bringen  ist,  beträgt  je  nach  der  Brau- 
methode 5 — 15^  Beim  Ableiten  der  Würze  von  den  Schiffen  muss  durch  sorg- 
fältigen Abzug  dafür  gesorgt  werden,  dass  die  ausgeschiedenen  festen  Theile, 
circa  3J  vom  Gewicht  der  Würze  und  Kühlgeläger  genannt  (feste  Theilchen 
der  Hopfendolden,  Trebem,  Verbindungen  der  Gerbsäure  mit  Protein,  Stärke, 
coagulirtes  Eiweiss),  möglichst  zurückbleiben. 

Die  Zusammensetzung  der  Würze  ist  sehr  verschieden  je  nach  der  Art 
des  zu  erzeugenden  Bieres;  im  Allgemeinen  enthält  sie  zwischen  8  und  14^ 
Extraktbestandtheile.  W.  Schultze  giebt  als  Mittel  aus  4  Analysen  von  Wiener 
Würzen  folgende  Zusammensetzung  pro  100  Gew.  Thle.  Würze  an: 

Extrakt         Zucker         ^^^^^^       Protein        Asche         ^^^^; 
9-584        4-419  3-373  0-671        0179  0-905. 

1%  Zucker  liefert  bei  der  Gährung  circa  ^^  Alkohol;  soll  also  ein  Bier  mit 
d'öf  Alkohol  und  4#  Extrakt  erzeugt  werden,  so  muss  die  Würze  3-5x2  +  4=11^ 
Extrakt  enthalten. 

Gährung  der  Würze.  Bei  diesem  Process  wird  durch  Hefe,  welche 
einer  vorhergehenden  Gähroperation  entnommen  wird,  der  in  der  Würze  ent- 
haltene Zucker  grösstentheils  in  Alkohol  und  Kohlensäure  gespalten.  Dabei 
findet  eine  erhebliche  Vermehrung  der  Hefezellen  und  dem  entsprechend  eine 
Verminderung  der  stickstoffhaltigen  Substanz  der  Würze  statt,  gleichzeitig  scheidet 
der  gebildete  Alkohol  andere  leicht  zersetzliche  stickstoffhaltige  Stoffe  in  un- 
löslicher Form  aus  und  bewirkt  so  eine  Klärung  und  Reinigung  des  Bieres.  Die 
Abnahme  des  Stickstoffgehalts  beträgt  nach  Versuchen  von  Grimmer  ca.  ^  des 
vorhandenen.  Je  höher  die  Anstelltemperatur  und  die  Temperatur  des  Gähr- 
raums,  je  grösser  das  Hefequantum,  welches  man  zusetzt,  desto  rascher  ist  der 
Verlauf  der  Gährung,  während  man  durch  niedrige  Temperatur,  geringe  Hefe- 
menge, ausserdem  auch  durch  starkes  Dörren  des  Malzes,  längeres  Kochen  und 
starkes  Hopfen  der  Würze  den  Gährprocess  verlangsamen  kann.  Auch  bewirkt, 
wie  schon  oben  bemerkt,  Oberhefe  immer  eine  stürmischere  Gährung  als  Unter- 
hefe. Rasche  Gährung,  also  Obergährung,  bewirkt  man  bei  Würzen,  die  ein  rasch 
zu  consumirendes  Bier  liefern  sollen,  ausnahmsweise  auch  bei  sehr  zuckerreichen 
Würzen,  wie  sie  beispielsweise  in  England   erzeugt  werden,  für  Lagerbier.    Bei 


>('^f^y>j^':A:-^:'^[ 


a8a  Handwörterbuch  der  Chemie. 

den  gewöhnlichen  guten  bayrischen  und  verwandten  Lagerbieren  wird  dagegen 
fast  ausnahmslos  die  langsame  Untergährung  gewählt. 

Untergährige  Biere.  Die  Bereitung  derselben  aus  der  Würze  zerfällt  in 
die  drei  Gährungsstadien  der  Hauptgährung,  Nachgährung  und  stillen  Gähning, 
Die  Hauptgährung  kommt  in  Holzbottichen  ä  1000—3000  Liter  Capacität  zur 
Ausführung,  welche  in  kühlen  Räumen,  meist  gewölbten  Kellerräumen,  aufgestellt 
sind.  Je  nach  der  Temperatur  dieses  Gährraums  kühlt  man  die  Würze  für 
Winterbier  auf  7 — 10°,  für  Sommerbier  auf  5 — 7°  ab.  Kann  der  Raum  nicht 
genügend  kühl  erhalten  werden,  so  hilft  man  sich  durch  Einsetzen  von  mit  Eis 
gefüllten  flachen  Eimern  in  die  gährende  Flüssigkeit.  Das  Vermischen  der  Hefe 
mit  der  Würze,  das  Anstellen,  geschieht  meist  in  der  Weise,  dass  man  eine 
kleine  Partie  Würze  mit  der  Hefe  vereinigt,  und  dann  hie  und  da,  nachdem  diese 
Mischung  schon  in  Gährung  übergegangen  ist,  hie  und  da  aber  auch  sofort  die 
Hauptpartie  nachsetzt.  Die  Hefenmenge  beträgt  pro  100  Liter  Würze  J— J  Liter 
dickbreiige  Hefe.  Nach  8 — 12  Stunden  zeigt  sich  zuerst  an  der  Oberfläche 
weisser  Hefeschaum,  nach  weiteren  12  Stunden  tritt  deutliche  Entwicklung  von 
Kohlensäure  ein  und  zeigt  sich  das  Krausen,  wobei  die  neugebildete  Hefe  in 
Form  von  ringförmigen  Bändern  vom  Rande  des  Gefässes  nach  der  Mitte  zu 
sich  bewegt  und  hin  und  wieder  untertaucht,  eine  Erscheinung,  die  2—4  Tage 
fortdauert.  Alsdann  verliert  sich  die  kräftige  Wirkung  wieder,  und  die  Hefe- 
theile  setzen  sich  nach  und  nach  zu  Boden;  auch  sinkt  die  Temperatur,  die  im 
kräftigeren  Gährungsstadium  sich  wesentlich  steigerte,  wieder  und  wird  constant 
Die  Gährzeit  schwankt  gewöhnlich  zwischen  8  und  14  Tagen;  sie  ist  kürzer  für 
die  Jung-  und  Schenkbiere,  länger  für  Sommer-  und  Lagerbiere. 

Durch  die  Hauptgährung  werden  gewöhnlich  ca.  50 — 75  f  des  vorhandenen 
Extraktes  vergährt,  wovon  etwa  die  eine  Hälfte  in  Alkohol,  die  andere  in  Kohlen- 
säure übergeht  Den  Vergährungsgrad  kann  man  deshalb  auch  mittelst  des 
Saccharometers  ermitteln,  denn  je  weiter  die  Gährung  vorschreitet,  desto  ge- 
ringer wird  die  Saccharometeranzeige.  Bei  direktem  Abspindeln  des  Bieres 
mittelst  des  Saccharometers  erhält  man  jedoch  nur  den  scheinbaren  Ver- 
gährungsgrad, indem  die  Saccharometeranzeige  nicht  blos  bedingt  ist  durch 
das  vorhandene  Extrakt,  sondern  auch  durch  den  gebildeten  Alkohol.  Je  mehr 
von  dem  letzteren  vorhanden  ist,  um  so  geringer  muss  die  Saccharometeranzeige 
ausfallen,  und  man  erhält  deshalb  den  wirklichen  Vergährungsgrad  mittelst 
des  Saccharometers  nur  dadurch,  dass  man  vorher  den  Alkohol  durch  Kochen 
entfernt  und  den  dadurch  entstandenen  Gewichtsverlust  der  Probe  wieder  durch 
Wasser  ersetzt 

Nach  beendigter  Gährung  entfernt  man  die  theüweise  aus  Harz  bestehende 
Schaumdecke  und  zieht  das  Bier  (grünes  Bier,  Jungbier)  möglichst  klar  von 
der  darunter  befindlichen  Hefeschicht  ab.  Letztere  enthält  in  ihren  mitdereo 
Partien  die  beste  Hefe  (ca.  12— 15J  vom  Malz),  welche  zum  Anstellen  neuer 
Würze  benutzt  wird.  Der  Rest  (ca.  6 — 8}  des  Malxgewichtes)  wird  hie  und  da 
verkauft  oder  in  den  Spiritusbrennereien  verwendet 

Die  Nachgährung  kommt  in  grossen  Fässern,  die  in  sehr  kalt  gehaltenen 
(3—5^  Kellern  lagern,  und  in  welche  das  Bier  nach  der  Hauptgährung  gebracht 
unrd,  zur  Ausführung.  Die  Fässer  sind  im  Innern  entweder  mittelst  heissem 
Pech  oder  Harz  ausgepicht  oder  auf  andere  Weise  mittelst  sogen.  Fassglasur, 
einer  Lösung  von  verschiedenen  Harzen  in  Alkohol,  mit  einem  harzigen  Ueber- 
zuge  versehen.    Je  nach  Beschafienheit  des  Bieres  und  der  Temperatur  kommt 


Bier. 


283 


dasselbe  in  diesen  Fässern  nach  etwa  1—8  Tagen  in  die  Nachgährung,  was  sich 
durch  Auftreten  eines  weissen  Schaumes  am  offen  gelassenen  Spundloch  zeigt. 
Dabei  wird  das  Bier  nach  und  nach  heiler  und  klarer,  die  Schaumbildung 
immer  schwächer.  Tritt  kein  Schaum  mehr  aus,  so  legt  man  den  Spund  blos 
lose  auf  und  spundet  jeweils  nur  etwa  8 — 14  Tage  vor  Gebrauch  des  Bieres 
dicht  ab.  Während  dieser  letzteren  Zeit  entwickelt  sich  dann  noch  eine  hin- 
reichende Menge  Kohlensäure,  um  das  Bier  moussiren  zu  lassen.  Die  letzte 
Periode  der  Gährung,  welche  das  Bier  unmitt|Jbar  vor  Gebrauch  durchmacht, 
nennt  man  die  stille  Gährung;  sie  verläuft  auch  noch  in  den  kleineren 
Fässchen,  in  welche  das  Bier  aus  den  grossen  Lagerfässem  abgezogen  wird,  event. 
auch  noch  in  den  Flaschen;  denn  das  Bier  muss  im  Moment  des  Consums 
immer  noch  in  ganz  schwacher  Gährung  sich  befinden. 

Ueber  die  Menge  der  einzelnen  Materialien  sowie  über  die  sonstigen 
beim  Brauprocess  beobachteten  Verhältnisse  giebt  die  folgende  Zusammenstellung 
nach  LiNTNER  über  die  Bereitung  unserer  wichtigsten  Biere  Aufschluss: 

Wasser  Saccharometer-Aiueige 


I 
I 


I 


I 


l| 

1 

1 

ll 

1 

ll 

Klgr. 

Stunden 

Ccentim. 

Tage 

BAU4NG 

Balung 

1-5 

2 

4-5« 

375 

14 

13» 

n 

1-8 

2 

5» 

500 

10-12 

13» 

6-5* 

2-24 

2 

5» 

500 

10-18 

10—12» 

4-5-6« 

ftamnetliode  Klgr.  Liter  Liter 

Wiener        100  247  280  72-74*' 

Bayerische   100  374  236        W 

Böhmische  100  264  264  74-75^ 

Die  mehr  oder  weniger  dunkle  Farbe  des  Bieres  rührt  von  verschieden  stark 
gedarrtem  Malz  her;  bei  je  höherer  Temperatur  gedarrt  wird,  desto  dunkler 
wird  das  Bier.  Nicht  selten  jedoch  erzeugt  man  aus  helleip  Malz  dunkles 
Bier  durch  Zusatz  einer  geringen  Menge  stark  gebrannten  Malzes  oder  etwas 
Zuckercouleur. 

Obergährige  Biere.  Dieselben  unterscheiden  sich  in  solche,  die  für  so- 
fortigen Consum  bestimmt  sind,  wie  z.  B.  die  norddeutschen  Weissbiere  und 
die  obergährigen  I^agerbiere,  zu  welchen  die  englischen  Biere  (Porter,  Ale  etc.), 
auch  einige  belgische  und  böhmische  Biere  gehören.  Während  bei  Bereitung 
der  letzteren  im  Ganzen  die  gleichen  Gährungsstadien,  jedoch  in  rascherer  Auf- 
einanderfolge zur  Durchführung  kommen  wie  bei  den  untergährigen  Lagerbieren, 
machen  die  obergährigen  Biere  der  ersteren  Art  nur  die  Hauptgährung  durch, 
worauf  sie  sofort  abgefüllt  und  also  in  stark  gährendem,  aber  auch  trübem  und 
wenig  haltbarem  Zustand  consumirt  werden.  Die  Anstelltemperatur  beträgt 
12—18°.  Der  Gewichtsverlust  der  Würze  beträgt  bei  untergährigem  Bier  etwa 
5— 6f,  bei  obergährigem  1—2^. 

Zum  Conservircn  des  Bieres  bedient  man  sich  in  neuerer  Zeit  vielfach 
eines  Zusatzes  von  Salicylsäure.     Auch  Benzoesäure,   Calciumsulfit  u.  a.  Chemi- 
kalien wurden  genommen.     Ehe  jedoch  die  Untersuchungen  über  die  Wirkungen 
dieser  letzteren  Stoffe  auf  den  menschlichen  Organismus  abgeschlossen  sind,   ist 
in  ihrer  Verwendung  Vorsicht  geboten.     Unschädlich  und  dabei  sehr  wirksam 
ist  ohne  Zweifel  das  sogen.  Pasteurisiren  des  Bieres,  wobei  dasselbe  zur^Zer- 
Störung   der   Fermente   in   luftdicht   verschlossenen   Gefässen    auf  ca,    60 ^^    ^r- 
hitzt  wird. 


:  r '";->  J^' 


284  Handwörterbucli  der  Chemie. 

Die  Bestand th eile  des  Bieres.  Als  Hauptbestandtheile  gelten:  Alkohol, 
Kohlensäure  und  Extrakt 

Der  Alkoholgehalt  der  einzelnen  Biere  ist  sehr  verschieden,  er  ist  ab- 
hängig von  der  Menge  des  zu  seiner  Bereitung  verwendeten  Malzes,  ferner  von 
der  Art  des  Malzes  (stark  gedarrtes  Malz  giebt  weniger  Alkohol  als  schwach  ge- 
darrtes) und  von  dem  beim  Maischen,  Kochen  und  Gähren  eingehaltenen  Ver- 
fahren. Leichte  Biere  enthalten  2 — 3^,  gute  und  starke  Lagerbiere  im  Allge- 
meinen zwischen  3  und  5  Ge\^-^  Alkohol,  doch  giebt  es  auch  schwere  Biere, 
die,  wie  beispielsweise  die  enghschen  Biere,  erheblich  mehr  als  5^  Alkohol  ent- 
halten. 

Kohlensäure  enthält  das  Bier  O-l— 0*25  Gew.-J.  Dieselbe  ist  im  ver- 
schlossenen Gefäss  unter  Druck  in  dem  Bier  gelöst,  entweicht  aber  theilweisc 
und  unter  Aufschäumen,  wenn  das  Bier  verzapft  wird;  dieselbe  trägt  wesentlich 
zum  guten  frischen  Geschmack  des  Bieres  bei. 

Extrakt.  Die  Menge  desselben  beträgt  bei  gewöhnlichen  Bieren  4— 6J, 
bei  Export-  und  Bockbier  6— 8^;  es  bedingt  die  Dicke  des  Bieres.  Im  Allgemeinen 
soll  ein  normales  Bier  \ — 1^  mehr  Extrakt  als  Alkohol  enthalten.  In  diesem 
Extrakt  sind  die  Hauptbestandtheile:  Dextrin  und  Röstgummi,  welche  die 
Hauptmenge  desselben  ausmachen,  Maltose-Zucker  0*2 — 1%,  selten  mehr, 
Proteinstoffe  und  Peptone  (Parapeptone),  dieselben  betragen  5 — 13^  des 
Extraktgewichtes  und  bilden  einen  wichtigen  Nährstoff  des  Bieres,  Glycerin 
0*05 — 0*30^,  dasselbe  soll  unter  keinen  Umständen  mehr  als  4  J-  der  Extractiv- 
menge  betragen,  organische  Säuren  (besonders  Milchsäure,  Essigsäure  und 
Bernsteinsäure)  2—4^  vom  Extraktgewicht,  ausserdem  geringe  Mengen  von  Harz, 
Bitterstoffen  und  Fett  aus  dem  Hopfen,  sowie  Asche  0*2 — 0'4J  mit 
mindestens  0*05^  Phosphorsäure.  Als  Mittel  aus  einigen  100  Analysen  der  ver- 
schiedensten Biersorten  ergiebt  sich  nach  König  die  folgende  mittlere  gewichts- 
procentische  Zusammensetzung: 

Proteine  Dextrin  Phoaiihot* 

Wasser    Kohlensäure    Alkohol    Extrakt        und         Zucker        und       Milchsäure    Glycerin      Asche        ^SmT^ 

Peptone  Gununi  ^^ 

Schenk-  oder  Winterbiere. 
91-81      0-228      2-565    4*988    0-811    0442    2-924     0-116     0*202    0-200    0026 

Lager-  oder  Sommerbiere. 
90-71      0-218      3-000    5612    0-491    0872    4-390     0-128     0-218    0-223    0*030 

Export-  oder  Bockbier. 
88-72     0-245      3-254    7227    0710    0900       —       0166        —       0*267    0070 
Das  spec.  Gewicht  des  Bieres  bewegt  sich  im  Allgemeinen  zwischen  den 
Grenzen  101  und  103. 

Bestimmung  der  Hauptbestandtheile  des  Bieres. 
Alkohol  nach  Lintner.  Man  destillirt  aus  einer  Retorte  im  Oelbade 
unter  Anwendung  des  Liebig' sehen  Kühlers  aus  75  Ca  Bier  gegen  50  Cc.  in  ein 
Piknometer  ä  50  Cc.  ab,  füllt  bei  15*5  auf  die  Marke  mit  Wasser  auf  und  besdmiDt 
das  Gewicht.  Ist  s  das  spec.  Gew.  des  Bieres,  D  das  Gewicht  der  50  Cc.  Destillat 
in  Grammen,  P  die  Anzahl  Alkoholprocente  für  das  gefundene  spec.  Gew.  des 
Destillats  nach  untenstehender  Tabelle  von  Fownes,  so  ergeben  sich  die  Gewichts- 
procente  (A)  Alkohol  des  Bieres  nach  der  Gleichung: 

^      £>xF 
'^"    75.x 


\ 


•,*  ^ 


Bier. 


285 


Tabelle  zur  Bestimmung  der  Gewichtsprocente  an  Alkohol  in  einer 

alkoholischen  Flüssigkeit  nach  dem  specifischen  Gewichte  derselben, 

von  FowNES 


Gewichts- 

Spedfiiches 

Gewkbtt- 

Spcdiisches 

Gewichts- 

Specifisches 

procente 

Gewicht 

Pmcente 

Gewicht 

procente 

Gewicht 

an  Alkohol 

b«i  15^0  C. 

an  Alkohol 

bei  15,50  C. 

an  Alkohol 

bei  15,50  C. 

0,5 

0,9991 

34 

0,9511 

68 

0,8769 

1 

0,9961 

35 

0,9490 

69 

0,8745 

2 

0,9965 

36 

0,9470 

70 

0,8721 

3 

0,9947 

37 

0,9452 

71 

0,8696 

4 

0,9930 

38 

0,9«M 

72 

0,8672 

5 

0,9914 

39 

0,9416 

73 

0,8649 

6 

0,9696 

40 

0,9896 

74 

0,8625 

7 

0,9684 

41 

0,9876 

75 

0,8608 

8 

0,9669 

42 

0,9856 

76 

0,8581 

9 

0,9855 

43 

0,9885 

77 

0,8557 

10 

0,9841 

44 

0,9814 

78 

0,8588 

11 

0,9626 

45 

0,9292 

79 

0,8508 

12 

0,9815 

46 

0,9270 

80 

0,8488 

13 

0,9803 

47 

0,9249 

81 

0,8459 

14 

0,9789 

48 

0,9228 

82 

0,8484 

15 

0,9778 

49 

0,9206 

83 

0,8408 

16 

0,9766 

50 

0,9184 

84 

0,8882 

17 

0,9758 

51 

0,9160 

85 

0,8857 

18 

0,9741 

52 

0,9185 

86 

0,8381 

19 

0,9728 

53 

0,9118 

87 

0,8805 

20 

0,9716 

54 

0,9090 

88 

0,8279 

21 

0,9704 

55 

0,9069 

89 

0,8254 

22 

0,9691 

56 

0,9047 

90 

0,8228 

23 

0,9678 

57 

0,9025 

91 

0,8199 

24 

0,9665 

68 

0,9001 

92 

0,8172 

25 

0,9652 

59 

0,8979 

93 

0,8145 

26 

0,96S8 

60 

0,8956 

94 

0,8118 

27 

0,9628 

61 

0,8982 

95 

0,8080 

28 

0,9609 

62 

0,8908 

96 

0,8061 

29 

0,9593 

63 

0,8886 

97 

0,8081 

30 

0,9578 

64 

0,8868 

i      98 

0,8001 

31 

0,9StiO 

65 

0,8840 

99 

0,7969 

32 

0,9544 

66 

0,8816 

100 

0,7938 

33 

0,9638 

67 

0,8793 

:k 


Alkohol  und  Extrakt  mit  Hülfe  der  Waage,    a)  Alkohol:    Man  entfernt 

durch  Schütteln  des  Bieres  die  Kohlensäure,  bestimmt  das  spec.  Gew.  mittelst 

Saccharometer  oder  Piknometer,  wägt  ein  bestimmtes  Quantum  in  einer  Schale 

ab,  verdampft  auf  ^ — }  des  Volums,  verdünnt   auf  das   ursprüngliche  Gewicht 

mit  Wasser  und  bestimmt  wieder  das  spec.  Gew.     Ist  s  das  spec.  Gew.  des  von 

Kohlensäure    befreiten  Bieres,    S   das   spec.  Gew.    der   durch  Einkochen    von 

Alkohol     befreiten,     mit    Wasser    auf    das    ursprüngliche    Gewicht   gebrachten 

s 
Flüssigkeit,  Pr=  Alkoholprocente  der  FowNEs'schen  Tabelle  (s.  oben)  für  -^    so 

erhält  man  die  Gewichtsprocente  Alkohol  (Ä)  nach  der  Gleichung: 

b)  Den  Extraktgehalt  kann  man  nach  dem  spec.  Gew.  der  von  Alkohol 
befreiten,  mit  Wasser  auf  das  ursprüngliche  Gewicht  gebrachten  Flüssigkeit  direkt 
auf  der  Tabelle  von  Ballino  (s.  Art  Zucker)  ablesen. 

Alkohol   und  Extrakt   ohne  Anwendung  der  Waage:    METz'sche  Bier- 


286  Handwörterbuch  der  Chemie. 

probe.    Das  Bier  wird  durch  Schütteln  von  der  Kohlensäure  befreit  und  das 

spec.  Gew.   mit   einer   besonders   empfindlichen   von    1*010 — 1*035    reichenden 

Araeometerspindel  bestimmt.    Davon  misst  man  in  einer  Halbliterflasche  500  Cc., 

dampft  in  einem  dem  Apparate  beig^gebenen  Messingkesselchen  bis  zur  Marke 

(i—i  des  Volumens)  ein,  giesst  in  die  Halbliterflasche  zurück,  bringt  mit  Wasser 

wieder  auf  500  Cc.  und  bestimmt  wieder  das  spec.  Gew.     Temperatur  für  die 

Messungen:   14°  R.    Bezeichnet  s  das  spec.  Gew.  des  kohlensäurefreien  Bieres, 

2  das  spec.  Gew.  des  entgeisteten,  mit  Wasser  auf  das  ursprüngliche  Volumen 

gebrachten  Bieres,  £  den  Extraktgehalt  des  Bieres  in  Gewichtsprocenten,  F  d\t 

s 
Alkoholprocente  nach  Fownes'  Tabelle  für  — ,  wobei  a  das  dem  Extraktgehalt  £ 

entsprechende  spec.  Gew.  bedeutet,  so  erhält  man  den  Extraktgehalt  £  nach  der 
Gleichung: 

2  X  zugehörige  Extraktprocente 

xi  = — 

S 

und  den  Alkoholgehalt  A  in  Gewichtsprocenten  nach: 

Den  Extraktgehalt  für  sich  allein  stellt  man  am  sichersten  fest  durch  Ver- 
dampfen einer  Probe  des  Bieres  in  einer  im  Oelbade  stehenden,  auf  110°  er- 
hitzten Trockenröhre,  durch  die  man  trockene  Luft  hindurchleitet,  bis  das  Ge- 
wicht des  Rückstandes  constant  geworden  ist.  Aus  dem  Gewicht  des  Rück- 
standes ergiebt  sich  leicht  der  Prozentgehalt  an  Extrakt. 

Zucker.  Zur  Bestimmung  desselben  wird  das  auf  ca.  1^  Extraktgehalt 
verdünnte  Bier  mittelst  FEHLiNo'scher  Lösung  titrirt.  Man  giebt  10  Cc.  FEHLiNc'scher 
Lösung  in  eine  Abdampfschale,  setzt  30  Cc.  Wasser  zu  und  erhitzt  zum  Kochen. 
Dazu  lässt  man  aus  einer  Bürette  von  dem  auf  ca.  1^  Extraktgehalt  verdünnten 
Biere  so  lange  zufliessen,  bis  die  blaue  Farbe  der  FEHUNc'schen  Lösung  völlig 
verschwunden  ist.  Als  Indikator  zur  Bestimmung  des  Endpunktes  wendet  man 
vortheilhaft  die  Tüpfelprobe  mit  einer  Lösung  von  gelbem  Blutlaugensalz  an, 
wobei  mit  den  geringsten  Mengen  noch  gelösten  Kupfers  rothbraune  Färbung 
entsteht. 

Das  Dextrin  wird  zu  seiner  Bestimmung  durch  6  stündiges  Erhitzen  des 
angesäuerten  Bieres  in  zugeschmolzenen  Röhren  oder  Drucküaschen  auf  1 10°  in 
Zucker  umgewandelt  und  dann  mit  FEHUNc'scher  Lösung  titrirt.  Man  nimmt 
auf  20  Cc.  Bier  3  Cc.  15proc.  Schwefelsäure.  Subtrahirt  man  von  dem  so 
gefundenen  Gesammtzucker  den  direkt  ermittelten  Zuckergehalt  des  Bieres,  so 
ergiebt  der  Rest  unter  Berücksichtigung,  dass  1  Gew.-Th.  Zucker  =  0*9  Gew.-Thln. 
Dextrin  entspricht,  den  Dextringehalt. 

Den  Aschengehalt  des  Bieres  ermittelt  man  durch  Eindampfen  von 
100  Cc.  Bier  in  einer  Platinschale  zur  Trockne,  Einäschern  und  Wägen  des  Glüh- 
rückstandes. Selbstverständlich  muss  bei  der  Ausrechnung  das  spec.  Gew.  des 
Bieres  in  Rechnung  gezogen  werden.  Engler. 

Blei*)  (i)  Pb  =  207.  Das  Blei  wurde  früher  häufig  mit  Zinn  verwechselt,  ist 
aber  den  alten  Griechen  und  Römern  jedenfalls  bekannt  gewesen,  wenn   auch 


*)  i)  Kerl,  Gnindriss  der  MetallhUttenkunde,  1881,  pag.  i;  BoLLEV-BiRNtoAUM,  Handbuch 
Q.  Technologie,  Bd.  7;  Metallurgie  v.  Stölzel,  pag.  841 ;  Musprath-Stohmann,  Bd.  I,  pag.  1107. 
2)  Stas,  Bull.  acad.  belg.  [2],  Bd.  10,  pag.  295.  3)  Marx,  Schw.  57,  pag.  193;  Stolba, 
DiNGL.  164,  pag.  371.  4)  Reich,  J.  pr.  Ch.  78,  pag.  328  (Reductionstabelle  auf  0*0«   5)  ST.  Claolkt 


Blei.  287  j 

eist  Plinius  jene  Metalle  schärfer  unterschied  und  das  von  uns  Blei  genannte 
Metall  mit plutnbum  nigrum  zum  Unterschied  von  plumbum  album  (Zinn)  bezeichnete.  ' 

Die  Alchymisten  belegten  das  Blei  mit  dem  Zeichen  des  Saturnus.  i 

Gediegenes  Blei    wurde   in   einigen    indischen  Mineralien   vertheilt   vor-  I 

gefunden,  ausserdem  in  einer  Meteorsteinmasse,  welche  in  der  Wüste  Tarapaca  ! 

gefallen  war.     Weit  wichtiger  ist  jedoch  das  häufige  Vorkommen  von  Bleierzen,  i 

unter  welchen  das  natürliche  Schwefelblei,  der  Bleiglanz,  ein  im  regulären  System  \ 

kiystallisirendes,  starkglänzendes,  metallgraues  Mineral,  die  erste  Stelle  einnimmt. 
Weissbleierz,     natürliches    Bleicarbonat,     welches    rhombische,    meist    farblose 
Kiystalle  bildet,  wird  ebenfalls  in  manchen  Gegenden  durch  einfaches  Nieder- 
schmelzen mit  Kohle  und  Kalkzuschlag  in  Schachtöfen  auf  Blei  verarbeitet. 
[  Zur  hüttenmässigen   Gewinnung   des  Bleis   aus  Bleiglanz  werden  ver- 

;  schiedene  Methoden  angewandt,  für  deren  Auswahl  die  das  Erz  begleitenden 
\  Mineralien  entscheidend  sind.  Ist  das  Material  arm  an  fremden  Metallsulfiden, 
aber  reich  an  Kieselsäure  oder  Silicaten,  so  wird  häufig  die  sogen.  Nieder- 
schlagsarbeit angewandt,  welche  früher  im  Niederschmelzen  des  Erzes  mit 
Eisenabfällen  (Granulireisen)  bestand;  neuerdings  aber  dienen  statt  des  Eisens 
meist  Kiesabbrände  der  Schwefelsäurefabriken,  Braun-,  Roth-  oder  Spatheisenstein 
oder  auch  Eisenfrischschlacken  und  sonstige  eisenhaltige  Hüttenabfälle.  Bei  An- 
wendung von  Eisen  ist  der  Process  der  Theorie  nach  ein  sehr  einfacher,  indem 
das  Eisen  das  Schwefelblei  zerlegt  und  neben  metallischem  Blei  Schwefeleisen 
als  geschmolzene  Masse  liefert.  In  der  Praxis  bietet  das  Verfahren  aber  wegen 
ungenügender  Ausbeute  und  vermehrter  Arbeit,  welche  die  Ausnutzung  des  blei- 
reichen Rückstandes  (Steins)  beansprucht,  viele  Schwierigkeiten  und  wird  wohl 
mit  der  Zeit  den  anderen  Methoden  weichen  müssen.  Bei  Anwendung  von 
Eisenoxyd  enthaltenden  Zuschlägen  treten  noch  complicirte  Oxydationsprocesse 
hinzu. 

Die  Schmelzarbeit  geschieht  gewöhnlich  in  Schachtöfen. 
Die  beistehenden  Figuren  zeigen  einen  freistehenden  Rundschachtofen  neuerer 
Construction  (Fig.  52  und  Fig.  53). 

Auf  dem  Sohlstein  Z>,  welcher  mit  einer  gusseisernen  Platte  überdeckt  ist, 
:  befindet  sich  ein  aus  feuerfestem  Mauerwerk  hergestellter  Ring  E^  dessen  innere 
I  Höhlung  mit  Schlacken  und  darüber  geschichteten  Ziegelbrocken  ausgefllllt  ist. 
\  Oberhalb  des  Mauerringes  erhebt  sich  die  nur  im  unteren  Theil  aus  feuerfesten 
}       Ziegeln    gebaute    Ofenwand,    welche    von    einem,    durch    vier    eiserne    Säulen 

I  Deviixb,  CompL  rend.  40,  pag.  769.  6)  Stas,  Bull.  Acad.  belg.,  Bd.  10,  pag.  298.  7)  Marignac, 
\  Arch.  phys.  nat,  Bd.  I,  pag.  209.  8)  Dumas,  Ann.  chim.  phys.  [3]  55,  pag.  129.  9)  Berzklius, 
;  PoGG.  19,  pag.  300.  10)  Turner,  Ann.  13,  pag.  14.  11)  Longchamp,  Ann.  chim.  phys.  34, 
pag.  105.  12}  DULONG,  Schw.  17,  pag.  229;  Boussingault,  Ann.  chim.  phys.  54,  pag.  264; 
J.  pr.  2,  pag.  162;  Pelouze,  Ann.  chim.  phys.  79,  pag.  108;  J.  pr.  25,  pag.  486.  13)  Nögge- 
RATH,  Deutsche  geolog.  Ges.  6,  pag.  675;  Pogg.  Ann.  100,  pag.  128.  14)  Fremy,  Compt. 
itnd.  15,  pag.  1109.  15)  Payen,  Ann.  chim.  phys.  [4]  8,  pag.  302.  16)  Schabus,  Wien.  Acad. 
Her.  1850,  pag.  456.  17)  Gmelin-Kraut's  Handb.,  Bd.  III,  pag.  245.  18)  Hausmann,  Göttinger 
Abh.  4,  Jahresber.  1850,  pag.  26;  Cotta,  Min.  Jahrb.  1850,  pag.  432.  19)  Lang,  Sv.  Acad. 
HandÜDg.  1860,  Jahresber.  1862,  pag.  100.  20)  Gmelin-Kraut's  Handb.,  Bd.  m,  pag.  261. 
21)  Ibid.,  pag.  235.  22)  C.  Schultz,  Pogg.  133,  pag.  137.  23)  Kühn,  Arch.  Pharm.  [2]  50, 
p«g.  381.  24)  Thi^ard,  Traite  de  chim.  6  Ed.  III,  pag.  158.  25)  Benson,  Dingl.  74, 
pag.   223.      26)    Kersten,    Pogg.    55,    pag.    118.      27)    Moser,    Wien.    Acad.    Ber.    1849, 


38S 


Handwörterbuch  der  Chemie* 


(Ch  52J 


»> 


{CK  53.) 

Bleiglanz^    welcher    wenig    fremde    Sulfide 
Kieselsäure    ist,    wird    durch    eine    sRöst arbeite 


gestützten  Mantel 
aus  Eisenblech  um- 
schlossen ist  Etwas 
über  der  Herdsohle 
ist  die  Ofen  wand  von 
vier  sogen.  Formen 
durchbohrt,  d.  h.  von 
beiderseits  offenen, 
konischen  Röbren- 
stücken,  welche  dop- 
pelwandig  sind  und 
fortwährend  von 
Kühlwasser  durch- 
flössen werden.  Letz- 
teres fliesst  aus  dem 
ringförmig  geboge- 
nen Rohr  in  die 
Formen  ein. 

Durch  diese  For- 
men    werden     die 
Düsen  Z  eingeführt, 
welche  den  Gebläse- 
wind aus  der  Wind- 
leitung K  dem  Ofen 
zuleiten.    Die  Höhe 
des     Ofenschachtes 
von  den  Formen  bis 
zur  »Gichtf  (oberster 
Theil  des  Schachtes) 
beträgt    56    Meter, 
die  Weite  des  Schach- 
tes ist  an  der  Gicht 
1-68  Meter,   an  den 
Formen  09  Meter.     In  der 
Gicht  ist  ein  weites  Blech- 
rohr M  eingesetzt,   welches 
die     Ofengase     nach     den 
Flugstaubkammem  leitet,  m 
welchen    sich    mitgerissene 
Oxyde  etc.  absetzen. 

Durch     das    Stichloch 
und    eine    Rinne,    [Fig.  53, 
kann  das  Metall  ausfliesseo.  j 
F  stellt  den  Vorherd,  G  den] 
Stichtiegel  und  JI  die  sogen.j 
Schlackentrift  dar,  in  welch 
die  Schlacke  abgelassen  wir 
enthält    und    zugleich    arm   an^ 
zunächst   theilweise   oxydirt, 


I 


Blei. 


289 


(Ch.  54.) 


WOZU  die  durch  Walzen  in  kleine  Kömer  zerdrückten  Erze  auf  der  Sohle  eines 
Flammofens  (Fig.  54)  während  4  Stunden  unter  Umarbeiten  zu  rösten  sind.    Der 
in  Tamowitz  z.  B.  angewandte  Ofen  ist  507  Meter  lang  und  2*77  Meter  breit; 
seine  Sohle   ist    nächst   dem  hinteren  Herdende    am   tiefsten,  und  diese  Stelle, 
der     »Sumpfe, 
steht  in  Verbin- 
dung mit   dem 
»Stichherdc    5. 
Die  Herdsohle 
ist   aus    aufge- 
schmolzenen 
Herdfrisch- 
schlacken     ge- 
bildet,      unter 
welchen  Ziegel 

und  Sand 
schichtenweise 
übereinander 
gelagert  sind. 
Die  auf  dem 
langen  Roste  R 
erzeugten  Flam- 
men schlagen 
über  die  durch 
einen  Luftkanal 
gekühlte  Feuer- 
brticke  F  und 
oxydiren  das  er- 
weichte Erz.  Die  (Ch.  55.) 
Gase  ziehen  durch  die  Schlitze  des  Fuchses  U  in  ein  System  von  Flugstaub- 
kammem  und  von  hier  in  die  Esse.  Ist  die  Oxydation  genügend  vorgeschritten, 
so  wird  durch  vermehrtes  Schüren  die  Reactions-  und  Schmelzperiode  herbei- 
gefübrty  wobei  die  Masse  flüssiger  wird  und  schon  nach  1  Stunde  der  erste  Ab- 
stich des  im  Sumpfe  angesammelten  Bleis  erfolgen  kann.  Nach  siebenstündiger 
Schmelzzeit  ist  bei  einer  Beschickung  von  3750  Kilo  Erz  nach  5  Abstichen  die 
Arbeit  beendigt. 

Kieselsäurereicher  und  mit  fremden  Sulfiden  vermischter  Bleiglanz  wird  am 
besten  in  Schachtöfen  verarbeitet,  welche  dem  bei  der  Niederschlagsarbeit  er- 
wähnten ähnlich  construirt,  aber  mit  6 — 8  Gebläseformen  versehen  sind.  Das 
Rösten  geschah  früher  häufig  auf  offenen  Haufen,  doch  werden  hierbei  die 
flüchtigen  Produkte  verloren,  während  in  den  immer  mehr  in  Gebrauch  kommenden 
Röstöfen,  welche  entweder  Flammöfen  oder  Schachtöfen  mit  continuirlichem 
Betrieb  sind,  nicht  nur  die  schweflige  Säure  zur  Schwefelsäurefabrikation  benutzt 
werden  kann,  sondern  auch  eine  gleichmässigere  Abröstung  erreicht  wird. 

Bei  der  Röstung  verwandelt  sich  das  Schwefelblei  z.  Th.  zu  Bleioxyd  PbO, 
[Bleisulfat  PbSO^  und  metallischem  Blei.  Wird  nun  später  niedergeschmolzen, 
■  (event.  unter  Zusatz  von  Kalk  und  Kohle),  so  wirken  Bleioyd  und  Bleisulfat  auf 
unverändertes  Schwefelblei  und  bewirken  nach  den  Gleichungen:  PbS-f-2PbO 
=  3Pb  -H  SOj  resp.  PbS  4-  PbSO^  =  2Pb  4-  2S0j  die  Abscheidung  metallischen 


II. 


19 


"^''^-r./,.::^'  f-j/U't 


1 


z  ^ 


290  Handwörterbuch  der  Chemie. 


Bleis.     Ein  Theil  des  Erzes  bildet  jedoch  einen  an  Schwefelblei  reichen  »Blei- 
K../  stein«,  der  später  von  Neuem  geröstet  und  verschmolzen  wird. 

^  Das  auf  die  eine  oder  andere  Weise  erhaltene  rohe  Blei  führt  den  Namen 

>r  »Werkblei« ;  es   enthält  viele  fremde  Metalle,  (insbesondere  reichert  sich  in  ihm 

I  1        •        der  Gold-  und  Silbergehalt  des  Erzes  an  und  lohnt  häufig  die  Abscheidung.    Zu 
15-'^     '  diesem  Zweck  wird  das  Werkblei  auf  einem  »Treibherd«   in  Bleioxyd  überRihrt, 

vj:  indem  man  einen  stärkeren  Luftstrom,    von  einem  Gebläse  geliefert,   direkt  auf 

;,  das  geschmolzene  Metall  leitet.     Das    Oxyd  bildet   eine   leicht    flüssige  Decke, 

\-  welche  abgezogen  wird  und  nach  dem  Erkalten  zu  einer  gelbbraunen,  glänzenden 

'^'^'  Masse   (Bleiglätte)    erstarrt      (Abtreiben   des   Bleis.)     Die    fremden    Metalle, 

^:  insbesondere  Gold  und  Silber,  bleiben  auf  dem  Boden  des  kesseiförmigen  Herdes 

I;-  zurück.     Die  Glätte  wird  durch  einfaches  Niederschmelzen  mit  Holzkohlen,  Stein- 

y-  kohlen  oder  Coaks  in  Schachtöfen  zu  Metall  reducirt,  welches  dann  den  Namen 

^'^  »Frischblei«  führt.     In  der  Regel   wird  Letzteres  noch  »raffinirt«,  indem  man  es 

auf  der  Sohle  eines  Flammofens  schmilzt  und  während  einiger  Stunden  einem 
schwachen  Gebläseluftstrom  aussetzt,  welcher  vorwiegend  die  fremden  Substanzen 
oxydirt,  die  sich  in  einer  Kruste  ansammeln  und  continuirlich  abzuziehen  sind. 
Das  so  »raffinirte  Blei»  wird  in  Formen  gegossen  und  in  den  Handel  gebracht 
Ist  das  Frischblei  noch  verhältnissmässig  reich  an  Silber,  so  unterliegt  es  dem 
sogen.  Pattin soniren  (s.  bei  Silber). 

Chemisch  reines  Blei  erhält  man  nach  Stab  (2)  in  folgender  Weise:  Blei- 
zuckerlösung  wird  mit  sehr  dünn  ausgewalzten  Bleiblättern  bei  40  bis  50°  digerirt, 
wodurch  sich  das  gelöste  Silber  und  Kupfer  abscheidet  Die  filtrirte  Flüssigkeit 
ist  mit  verdünnter  Schwefelsäure  zu  fällen,  das  entstandene  Bleisulfat  hierauf 
durch  Ammoniak  und  Ammoniumcarbonat  in  Bleicarbonat  zu  überführen  und 
rein  auszuwaschen.  Ein  Theil  dieses  Carbonats  wird  durch  Erhitzen  in  einem 
Platingefass  in  Bleioxyd  überführt,  das  übrige  Carbonat  aber  mit  einer  zur  Lösung 
unzureichenden  Menge  an  verdünnter  Salpetersäure  zum  Sieden  erhitzt  und  nun 
das  Bleioxyd  eingetragen,  welches  die  Ausfällung  des  Eisenoxyd.sbewirkt  Die 
kochend  filtrirte  Flüssigkeit  wird  mit  Ammoniumcarbonat  gefällt  und  hierauf  das 
ausgewaschene  und  getrocknete  Bleicarbonat  durch  Schmelzen  mit  Cyankalium 
in  einem  unglasirten  Porzellantiegel  reducirt.  Das  geschmolzene  Metall  muss  eine 
convexe  Oberfläche  zeigen  wie  das  Quecksilber,  andernfalls  ist  es  noch  unrein. 
Das  geschmolzene  Blei  lässt  sich  durch  langsames  Erkalten  und  Ausflieesen- 
lassen  des  noch  nicht  erstarrten  Theils  durch  die  mit  einem  glühenden  Eisenstab 
durchbohrte  Decke  in  regulären  Octaedern  krystallisirt  erhalten,  welche  oft  dem 
Salmiak  ähnlich,  farnkrautartig  zusammengewachsene  Aggregate  bilden  (3).  Auch 
aus  der  wässrigen  Lösung  der  Bleisalze  lässt  sich  das  Blei  in  Krystallblättem 
erhalten,  wenn  ein  Zinkstab  in  jene  Lösung  eingehängt  (Bleibaum)  oder  ein 
galvanischer  Strom  durch  dieselbe  geleitet  wird. 

Das  Blei  ist  bei  gewöhnlicher  Temperatur  weich  und  auf  Papier  abfärbend; 
mit  dem  Messer  lässt  es  sich  schneiden,  auch  kann  es  dünn  ausgewalzt,  nicht 
aber  zu  dünnem  Draht  gezogen  werden.  Durch  öfteres  Schmelzen  an  der  Luft 
wird  das  Blei  härter;  auch  ein  geringer  Gehalt  an  fremden  Metallen,  an  Antimon, 
Arsen  oder  Schwefel  ertheilt  dem  Blei  grössere  Härte.  Die  Farbe  des  chemisch 
reinen  Bleis  ist  weisser  als  die  bläulichgraue  des  gewöhnlichen  Metalls.  Das 
spec.  Gew.  des  reinen  Bleis  ist  nach  Reich  (4)  bei  0°  11*370;  dasjenige  des  sehr 
langsam  erkalteten  Metalls  ist  nach  Deville  (5)  11*254,  dasjenige  des  in  Wasser 
gegossenen  Bleis  aber  11*363.     Der  Schmelzpunkt  des  Bleis  wurde  zwischen  326 


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Blei.  291  >"^i^ 

und  334**  gefunden.     Bei  starker  Rothgluth  beginnt  das  Blei  zu  verdampfen  und  •  ,>*^| 

gelangt  bei  Weissgluth  in  lebhaftes-  Kochen.  '   I*^ 

Das  Atomgewicht  des  Bleis  ist  von  Stas  (6)  zu  206*918  und  206-934  (0=16; 
N=  14-044)  gefunden  worden;  Marignac  (7)  fand  207-04;  Dumas  (8)  207-10,  Ber-  ;V| 

ZEUüs  (9)  207.12  und  207-16;  Türner  (10)  207-22  und  Longchamps  (11)  207*30. 
Nach  L.  Meyer  und  Seubert  ist  das  wahrscheinlichste  Atomgewicht  206-39. 

In  seinen  Yerbindungen  tritt  das  Blei  zwei-  und  vierwerthig  auf 

Oxyde  des  Bleis. 

Mit  Sauerstoff  bildet  das  Blei  folgende  Verbindungen:  Pb^O,  PbO,  PbjO^, 
PbjO,  und  PbO,. 

Bleisuboxyd,  Pb^O, 
bildet  sich  beim  Erhitzen  von  oxalsaurem  Blei  auf  300®  bei  abgehaltener 
Luft  (12).  Unter  Entwicklung  eines  aus  Kohlenoxyd  und  Kohlensäure  bestehenden 
Gasgemisches  geht  das  weisse  Bleisalz  in  ein  sammtschwarzes  Pulver  über,  welches 
erst  nach  völligem  Erkalten  aus  dem  Gefäss  herausgenommen  werden  darf,  da 
sonst  Selbstentzündung  an  der  Luft  eintritt.  Bei  Luftabschluss  stark  erhitzt  zer- 
ßLllt  das  Suboxyd  in  ein  Gemenge  von  Bleioxyd  und  Blei,  während  es  bei  Luft- 
zutritt erwärmt  lebhaft  erglüht  und  unter  langsamem  Weiterglimmen  völlig  in 
gelbes  Bleioxyd  übergeht.  Salze  vermag  die  Verbindung  nicht  zu  bilden,  denn 
bei  der  Behandlung  mit  verdünnten  Säuren  oder  Alkalilaugen  werden  nur  Oxyd- 
verbindungen gebildet,   während  sich  metallisches  Blei  in  Pulverform  abscheidet. 

Bleioxyd,  PbO. 

Als  Naturprodukt  wurde  das  Bleioxyd  in  Zomelahuacan  bei  Veracruz  (13)  ge- 
funden. Künstlich  bildet  es  sich  leicht  durch  Oxydation  des  metallischen  Bleis 
und  durch  Zersetzung  mancher  seiner  Salze.  Wird  Blei  an  der  Luft  geschmolzen, 
so  überzieht  es  sich  mit  einer  grauen  Haut,  welche  bei  längerem  Erhitzen  in 
ein  gelbes  Pulver,  Bleioxyd,  übergeht.  An  feuchter  Luft  oxydirt  sich  das  Blei 
ebenfalls,  aber  es  entsteht  in  Folge  der  Anwesenheit  von  Wasser  und  Kohlen- 
säure Bleihydroxyd  und  basisches  Carbonat.  Bei  Weissgluth  vermag  das  Blei 
auch  direkt  das  Wasser  zu  zersetzen  und  in  Bleioxyd  überzugehen.  Durch  Er- 
hitzen von  Bleisuboxyd  an  der  Luft,  durch  gelindes  Glühen  von  salpetersaurem 
oder  kohlensaurem  Blei  oder  von  Bleihydroxyd  wird  ebenfalls  Bleioxyd  erhalten. 

Zur  Gewinnung  reinen  Oxyds  eignet  sich  die  Zersetzung  des  Carbonats  oder 
Nitrats  am  besten,  wobei  so  lange  erhitzt  wird,  als  noch  Gase  entweichen.  Im 
Grossen  erhält  man  ungeschmolzenes  Bleioxyd  durch  Abziehen  der  beim 
oxydirenden  Schmelzen  des  metallischen  Bleis  an  der  Oberfläche  gebildeten  gelben 
Haut.  Auch  bei  der  Darstellung  von  Natriumnitrit  durch  Erhitzen  von  Blei  mit 
Chilisalpeter  wird  Bleioxyd  als  Nebenprodukt  gewonnen.  Das  gemahlene  und  ge- 
schlämmte Produkt  ftihrt  den  Namen  Massicot.  Das  beim  Abtreiben  des  Werkbleis 
(s.  o.)  zur  Gewinnung  der  in  demselben  enthaltenen  Edelmetalle  entstehende  Blei- 
oxyd ist  in  Folge  der  hohen  Temperatur  geschmolzen  und  erstarrt  nach  dem 
Abfliessen  zu  einer  glänzenden,  blättrigen  Masse,  welche  Bleiglätte  genannt  und 
auf  Blei  verschmolzen  oder  nach  dem  Mahlen  und  Schlämmen  in  den  Handel 
gebracht  wird.  Bei  raschem  Abkühlen  wird  hellgelbe  Glätte,  sogen.  Silberglätte 
erhalten,  bei  langsamerem  Erkalten  aber  rothgelbe  Glätte,  sogen.  Goldglätte. 
Die  Glätte  enthält  ebenso  wie  Massicot  in  der  Regel  Bleikörner,  Eisenoxyd,  Kupfer- 
oxyd, Kieselsäure  und  sonstige  Verunreinigungen.  Sie  dient  zur  Fabrikation  von 
Mennige,  Bleizucker,  Bleiweiss,  Chromgelb,  Bleikrystallglas,  Flintglas,  femer  zu 
Bleiglasuren  für  Töpferwaaren  und  zur  Herstellung  von  Oelflrnissen. 

19* 


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1 


292^  Handwörterbuch  der  Chemie. 


&^  >  Das  Bleioxyd  kann  sowohl  durch   langsames  Erkalten  des  geschmokenen 

\i*;j^  Oxyds  als  auch  durch  Abscheidung  aus  seiner  Lösung  in  Natronlauge  in  rhom- 

r'.;.'  bischen  Krystallen   erhalten  werden.     Auch  die  Niederschläge,    welche  Bleisalz- 

>^v,,  lösungen  mit  überschüssigem  Alkali  oder  Ammoniak  liefern,  gehen  bei  längerem 

J" ;  Stehen  unter  der  Flüssigkeit  in  krystallinisches  Oxyd  über.   Die  kleinen  Kiyställchen 

^■^^,,  besitzen  oft  würfelähnlichen  Habitus  und  eine  gelbe,  rothe,  grünliche  oder  weisse 

^  V  Farbe.     Beim  Erhitzen  wird  das  Bleioxyd  braunroth,  nimmt  aber  beim  Erkalten 

|f- :,  eine  röthlich  gelbe  Farbe  an;  bei  Rothgluth  schmilzt  es  und  verflüchtigt  sich 

[J^  ein    wenig   in    der   Weissglühhitze.      Spec.  Gew.   9-2092— 9-363.      Geschmolzen 

[■-^  gewesenes  Oxyd    hat   9*50   spec.  Gew.     In    verdünnter  Salpetersäure    löst  sich 

/^v  Bleioxyd    leicht,    etwas   schwieriger   in  Essigsäure.     Concentrirte  Salzsäure  ver- 

r%\.  wandelt  es  in  schwer  lösliches  Bleichlorid,  PbCl2,   Schwefelsäure  in  fast  unlös- 

r  liches  Bleisulfat,  PbSO^.     In  erwärmter  Kali-  oder  Natronlauge  löst  sich  Bleioxyd 

^-/  auf;  Schwefelwasserstoff  überführt  das  Oxyd  in  schwarzes  Schwefelblei,  Jodwasser- 

•^  Stoff  in  gelbes  Bleijodid.     Durch  Wasserstoff  oder  Kohlenoxyd  wird  lockeres  Blei- 

y  oxyd  schon  bei  einer  100°  nicht  sehr  übersteigenden  Temperatur  zu  Metall  re- 

r,,     \  ducirt,  Bleiglätte,   d.  i.  geschmolzen  gewesenes   Oxyd  ist   dichter    und   reducirt 
sich  daher  erst  bei  310®.     Kohle  bewirkt  bei  schwacher  Glühhitze  die  Reduk- 

^;'  tion   des    Bleioxyds   vollständig,    auch    Cyankalium    oder   metallisches    Natrium 

^  V  scheidet  Blei  aus  ihm  ab. 

;.  Bleitetroxyd,  Mennige,  Pb804. 

Die  Mennige,  auch  rothes  Bleioxyd  genannt,  findet  sich  zuweilen  als  Natur- 
!;  Produkt,    aber    durch    secundäre    Wirkung   aus    anderen    Bleierzen    entstanden. 

V.  Künstlich  kann  man  sie  darstellen  durch  längeres  Erhitzen   des  Bleioxyds  auf 

•  450®   (dunkle  Rothgluth)  oder  durch  Erhitzen  eines  Gemenges  aus  2  Moi.  Blei- 

oxyd und  1  Mol.  Bleisuperoxyd  in  verschlossenem  Gefass  auf  450®.     Ein  Hydrat 
\^  des  Tetroxyds  erhielt  Fr^my  in  Form  eines  gelben   Niederschlags,   als   er  eine 

Lösung    von    bleisaurem  Kalium   und  eine  Lösung  von  Bleioxyd  in   Kalilauge 
f....  vermischte.     Beim  Erhitzen  ging  der  Niederschlag  unter  Wasseraustritt  in  rotlie 

Mennige  über. 

Im  Grossen  geschieht  die  Gewinnung  der  Mennige  durch  24  stündiges  Erhitzen 
^  fein  gepulverten  Massicots  auf  dem  Herde  eines  Flammofens  bei  freiem  Luftzutritt 

Bleiglätte  oxydirt  sich  ihres  dichteren  Zustandes  wegen  am  langsamsten  und 
unvollkommensten,    am  sichersten  erfolgt   die   Umwandlung  bei  solchem  Oxyd, 
■  '  das   durch   Erhitzen   von   Blei  weiss    erhalten   wird.     Ein  besonders  reines  Blei- 

tetroxyd wird  durch  Erhitzen  von  reinem  Bleioxyd  mit  Natronsalpeter  und  chlor- 
V  saurem  Kalium  auf  dunkle  Rothgluth  gewonnen,  während  die  käufliche  Mennige 

i  alle  Verunreinigungen  der  zu  ihrer  Darstellung  verwendeten  Glätte  und  viel  un- 

verändertes Bleioxyd  enthält. 

Die  Mennige  ist  ein  scharlachrothes  Pulver,  das  sich  beim  Erhitzen  dunkel- 
'  roth,   dann  fast  schwarz  färbt,  beim  Erkalten  aber  wieder  die  rothe  Farbe  an- 

nimmt.    Spec.  Gew.  8-62— 9-08. 

An  oxydirbare  Substanzen  überträgt  die  Mennige  leicht  einen  Theil  ihres 
Sauerstoffes  und  geht  dabei  zunächst  in  Bleioxyd  über.  Durch  starkes  Glühen 
zerfallt  sie  in  gleichem  Sinn.  Verdünnte  Schwefelsäure,  Salpetersäure  und  Essig- 
säure zerlegen  das  Tetroxyd  in  unlösliches  braunes  Bleisuperoxyd,  PbO,,  und 
in  sich  lösendes  Bleioxyd.  Conc.  Schwefelsäure  bewirkt  in  der  Wanne  die 
Bildung  von  Bleisulfat  unter  Abscheidung  von  Sauerstoff.     Wenig  Chlorwasser- 


Blei.  293 

stoffsäufe  erzeugt  Chlorblei  und  Bleisuperoxyd,  ein  Ueberschuss  der  Säure  ver- 
wandelt das  Superoxyd  unter  Chlorentwicklung  ebenfalls  in  Chlorblei.  Eisessig 
(Essigsäurehydrat)  löst  dagegen  die  Mennige  ohne  Sauerstoffabscheidung  völlig 
auf  und  aus  der  dunkelbraunen  Flüssigkeit  fallen  Alkalien  einen  gelbrothen 
Niederschlag,  der  sich  in  Eisessig  wieder  zur  ursprünglichen  Flüssigkeit  löst.  Die 
Eisessiglösung  zeigt  stark  oxydirende  Eigenschaften:  schweflige  und  arsenige  Säure 
überflihrt  sie  in  höhere  Oxydationsstufen;  Schwefelblei  wird  zu  Bleisulfat  oxydirt, 
Indigolösung  wird  gebleicht,  Guajactinktur  gebläut  und  Blei,  Kupfer  und  Queck- 
silber werden  durch  sie  in  Oxyde  verwandelt. 

Die  Mennige  findet  als  rothe  Farbe  vielfache  Verwendung;  sie  dient  femer 
ihrer  oxydirenden  Eigenschaften  wegen  in  der  Fimissfabrikation  und  wird  zur 
Herstellung  von  Bleikrystall-  und  optischem  Glas,  sowie  zur  Erzeugung  des 
sogen.  Mennigkittes  verwendet,  welcher  aus  Mennige  und  Leinöl  besteht  und 
zum  Kitten  von  Metallgegenständen,  die  der  Wärme  ausgesetzt  werden  sollen, 
vielfache  Anwendung  findet. 

Bleisesquioxyd,  PbjOj. 

Aus  alkalischer  Bleioxydlösung  fällt  unterchlorigsaures  Natrium  einen  bräunlich 
gelben,  wasserhaltigen  Niederschlag,  welcher  nach  dem  Trocknen  ein  rothgelbes 
Pulver  darstellt,  das  nach  Winkelblech  der  Formel  Pb^O*  entsprechend  zu- 
sammengesetzt ist.  Bei  Glühhitze  zerfallt  die  Verbindung  in  Sauerstoff  und 
Bleioxyd,  spaltet  sich  aber  bei  der  Behandlung  mit  Säuren  in  sich  lösendes 
Bleioxyd  und  niederfallendes  Bleisuperoxyd. 

Das  Sesquioxyd  ist  also  nicht  fähig  correspondirende  Salze  zu  bilden.  Kalte 
ChlorwassersfofFsäure  vermag  das  Sesquioxyd  zu  einer  gelben  Flüssigkeit  zu 
lösen,  aus  welcher  Alkalien  das  gelbe  Oxyd  wieder  ausfällen;  aber  nach  wenigen 
Minuten  schon  zersetzt  sich  die  salzsaure  Lösung  von  selbst  und  es  tritt  Chlor- 
blei und  freies  Chlor  auf. 

Bleisuperoxyd,  Bleihyperoxyd,  PbOj. 

Das  natürlich  vorkommende  Bleisuperoxyd,  Schwerbleierz  genannt,  bildet 
eisenschwarze  sechsseitige  Säulen  mit  Pyramiden  combinirt;  künstlich  lässt  sich 
das  Bleisuperoxyd  durch  Digestion  von  Mennige  mit  verdünnter  Salpetersäure 
erhalten,  wobei  salpetersaures  Blei  in  Lösung  geht  und  Bleisuperoxyd  zurück- 
bleibt. 

Eine  billigere  Darstellungsmethode  bestellt  in  der  Erhitzung  feingepulverten  Bleizuckers 
(Bleiacetats)  mit  einem  Ueberschuss  von  klarer  Chlorkalldösung,  bis  eine  abültrirte  Probe  der 
Flüssigkeit  durch  Schwefelwasserstoff  nicht  mehr  geschwärzt  wird,  also  kein  Blei  mehr  enthält. 
Der  braune,  aus  Bleisuperoxyd  bestehende  Niederschlag  ist  hierauf  zu  waschen  und  zu  trocknen. 

Bleisuperoxyd  bildet  sich  auch  bei  der  Electrolyse  von  Bleisalzlösungen, 
wobei  es  sich  in  krystallinischen  Schuppen  am  positiven  Pol  abscheidet;  ausser- 
dem bildet  es  sich  bei  der  Digestion  von  Bleioxyd  mit  Chlorwasser,  beim  Ein- 
leiten von  Chlorgas  zu  in  Wasser  suspendirtem  Bleicarbonat,  femer  durch 
Schmelzen  von  4  Thln.  aus  Bleicarbonat  dargestelltem  lockerem  Bleioxyd  mit 
1  Thl.  chlorsaurem  und  8  Thln.  salpetersaurem  Kalium,  worauf  die  erkaltete 
Masse  mit  Wasser  und  verdünnter  Salpetersäure  auszuziehen  ist.  Endlich  ent- 
steht auch  Bleisuperoxyd  beim  Kochen  von  Bleihydroxyd  mit  überschüssiger  Kali- 
lauge und  einer  concentrirten  Lösung  von  Ferridcyankalium. 

Das  künstlich  dargestellte  Bleisuperoxyd  bildet  ein  schwarzbraunes  oder 
rothbraunes  Pulver  vom  spec.  Gew.  8*9  bis  919;  es  wird  durch  das  Licht  oder 


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^ 


394  Handwörterbuch  der  Chemie. 


Rt'.:  gelinde  Wärme  mit  der  Zeit   in  Sauerstoff  und  Mennige  zerlegt,   bei  stärkcrem 

ä.'^  Erhitzen  bleibt  nur  Bleioxyd  zurück.     Die  leichte  Abgabe  des  Sauerstoffs  macht 

5J,r>  das  Bleisuperoxyd  zu  einem  wichtigen,  auch  in  der  Technik  vielfach  benutzten 

^  >  Oxydationsmittel.     Mit   leicht    brennbaren  Stoffen,  z.  B.   rothem  Phosphor  oder 

j^)^^'  Schwefel  zusammengerieben  bewirkt  es  Entzündung,  mit   gelbem  Phosphor  tritt 

r'  '  sogar  Explosion    ein.     Von  Salpetersäure    oder   kalter   Schwefelsäure    wird  das 

ij-  Superoxyd   nicht  verändert,  beim  Erhitzen    mit  Schwefelsäure   entweicht  jedoch 

1,1'"  Sauerstoff  und  es  bildet  sich  Bleisulfat.    Chlorwasserstoflfeäure  giebt  mit  Bleisuper- 

^:  oxyd  sofort  Chlorblei  und  freies  Chlor,  aus  Jodkaliumlösung  scheidet  es  Jod  ab; 

I  f '  in  Schweffligsäuregas  erglüht  es  und  geht  in  Bleisulfat    über.     Ferrocyankalium 

'  •  :■  wird  in  verdünnter  Lösung  durch   Bleisuperoxyd  bei  zeitweiligem  Neutraiisiren 

K'  /  des  sich  bildenden  Kaliumhydroxyds  mit  Kohlensäure  vollständig  in  Ferridcyan- 

^."  kalium  übergeführt.     In  alkalischer  concentrirter  Lösung  findet  eine  Reaction  im 

vj-  umgekehrten  Sinne  statt  (s.  o.). 

5:  In  der  Technik  findet  das  Bleisuperoxyd  zur  Fabrikation  der  an  einer  mit 

^1        ^  amorphem  Phosphor  bestrichenen  Reibfläche    entzündbaren  Streichhölzer   sowie 

%f'\ ,  zur  Herstellung  ganz  phosphorfreier   Feuerzeuge  vielfache  Verwendung;  ebenso 

'•v '  auch  als  Oxydationsmittel  in  der  Farbentechnik. 

;»^'  ■  Beim  Glühen  von  Bleisuperoxyd  mit  Kali  soll  nach  Fremy  (14)  ein  bleisaures 

.^  Kalium    entstehen,    dessen  Lösung    aus    anderen   Metalllösungen  Niederschläge 

;.  liefert,  welche  als  bleisaure  Salze  zu  bezeichnen  sind. 

Hydroxyde. 
t\  .  Bleihydroxyd  (Bleioxydhydrat),  Pb(0H)2,   scheidet  sich  als  weisser,  aus 

mikroskopischen  Kryställchen  bestehender   Niederschlag  ab,    wenn    die  Lösung 
r  eines  Bleisalzes  mit  Alkalilauge  oder  Ammoniak  versetzt  wird.     Im  letzteren  Fall 

^  kann  es  bei  längerem  Verweilen  unter  der  20 — 25°  warmen  Flüssigkeit  auch  in 

1  grösseren  Octaedern  erhalten  werden  (15).     Auf   130°  erhitzt   entlässt  das  Blei- 

y''  hydroxyd  etwas  Wasser  und  wird  bei  145°  ganz  in  wasserfreies  Oxyd  überführt 

a\  Alkalilaugen  lösen  das  Hydroxyd  leicht,  Ammoniak  vermag  es  nicht  aufzulösen. 

Bleisalze. 
'[  r^  Die  löslichen  Bleisalze  entstehen  durch  Auflösen  des  Oxyds,  Hydroxyds  oder 

v  Carbonats  in  den  betreffenden  verdünnten  Säuren;  Bleinitrat   wird   auch  durch 

Behandeln  des  metallischen  Bleis  mit  Salpetersäure   erhalten.     Die  unlöslichen 
:V  Bleisalze  stellt  man  durch  Fällung  eines  in  Wasser  gelösten  Bleisalzes  mit  einem 

f/  Alkalisalz  der  betreffenden  Säure  dar. 

Haloidsalze. 

Bleichlorid,  Chlorblei,  PbCl2i  kommt  als  Mineral  »Cotunnitc  im  Krater 

r,  des  Vesuv  vor  und   bildet   sich  beim  Zusammentreffen   von    Bleioxyd   oder  in 

wassergelösten  Bleisalzen  mit  Chlorwasserstoffsäure.     Aus   den  Bleisalzlösungen 

''  fallen    auch     lösliche    Metallchloride     z.  B.   Chlornatrium    das    Chlorblei    aus. 

l  Metallisches  Blei  wird  von  Salzsäure  erst  in  der  Wärme  langsam  angegriffen. 

Das  Chlorblei  bildet  ein  in  Wasser  schwer  lösliches  Krystallpulver,  welches 
aus  siedendem  Wasser  in  weissen,  seideglänzenden  Nadeln  oder  Blättchen,  die 
l\  dem  rhombischen  System  angehören,  krystallisirt  (16). 

•  Am  wenigsten  löslich  ist  das  Chlorblei  in  schwach  salzsäurehaltigem  Wasser 

[  (1  Th.  in  1636  Th.),    die  wässrige  Lösung   wird  daher    durch  Salzsäure  gefällt 

Concentrirte  Salzsäure  löst  dagegen  Chlorblei  reichlich,    bei   Wasserzusatz  wird 


i 


Blei.  295 

aus  solcher  Lösung  das  meiste  Chlorblei  wieder  ausgefällt.  Alkohol  löst  das- 
selbe nur  sehr  wenig. 

Noch  unter  der  Glühhitze  schmilzt  das  Chlorblei  zu  einer  weisslichen,  beim 
Erkalten  erstarrenden,  homartig  schneidbaren  Masse  (Hornblei). 

Alkalische  Laugen  und  Ammoniak  überführen  das  Chlorblei  in  ein  basisches 
Chlorid  von  der  Formel  PbCl^-SPbO -41120;  dieselbe  Verbindung  entsteht  auch 
aus  Bleioxyd  und  Kochsalzlösung.  In  wasserfreiem  Zustand  werden  derartige 
Orychloride  beim  Zusammenschmelzen  von  Chlorblei  mit  Bleioxyd  erhalten, 
z.  B.  die  Verbindungen  PbClj.PbO  und  PbCla.2PbO. 

Diese  Oxychloride  finden  sich   auch  fertig   gebildet   in   der   Natur  vor  und  ^t^^ 

bilden  weisse  oder  gelbe  Krystalle.  Mit  dem  Namen  »C asseler  Gelbe  wird 
ein  Oxychlorid  des  Bleis  belegt,  welches  durch  Schmelzen  eines  aus  Bleioxyd, 
Bleicarbonat  oder  Mennige  und  Salmiak  bestehenden  Gemisches  dargestellt  wird 
und  ungefähr  der  Formel  PbClg-TPbO  entsprechend  zusammengesetzt  ist. 

Bleibromid,  Bromblei,  PbBr^,  wird  analog  dem  Bleichlorid  aus  Bleioxyd  ^.5^ 

und  Bromwasserstoff  oder  einer  Bleisalzlösung  und  Bromkalium  dargestellt  und 
bildet  ein  weisses  Krystallpulver,  das  aus  heissem  Wasser  in  Nadeln  krystallisirt 
erhalten  wird.  Bleibromid  schmilzt  bei  starkem  Erhitzen  zu  einer  rothen 
Flüssigkeit,  wobei  es  an  der  Luft  allmählich  in  gelbes  Oxybromid  PbBrg-PbO 
übergeht  (17). 

Bleijodid,  Jodblei,  PbJ2.  Aus  der  Lösung  eines  Blei^alzes  wird  durch 
Jodwasserstoff  oder  lösliche  Jodide,  z.  B.  Jodkalium,  Bleijodid  als  gelber,  krystalli-  ■   \^ 

nischer  Niederschlag  gefallt,    weh:hes   aus  heissem   Wasser  umkrystallisirt  gold-  -ru 

glänzende,  sechsseitige  Blättchen  oder  Säulen  bildet.     Auch  durch  Auflösen  von  :^ 

Blei  oder  Schwefelblei  in  Jodwasserstoffsäure  wird  Jodblei  erzeugt.  Dasselbe  färbt 
sich  beim  Erhitzen  erst  ziegelroth,  dann  rothbraun,  nimmt  aber  beim  Erkalten 
die  gelbe  Farbe  wieder  an.  In  starker  Hitze  schmilzt  es  unter  Abgabe  von  Jod, 
und  der  Rückstand  löst  sich  nur  noch  theilweise  in  Wasser,  wobei  ein  Oxyjodid 
zurückbleibt.  Kochender  Aether  entzieht  dem  Jodblei  einen  Theil  des  Jods  und 
erzeugt  ebenfalls  ein  unlösliches,  blassgelbes  Oxyjodid.  Zur  Lösung  erfordert 
das  Jodblei  1235  Theile  kaltes  oder  194  Theile  kochendes  Wasser  und  liefert 
eine  farblose  Lösung.  Concentrirte  Jodalkalimetalllösungen  wie  z.  B.  Jodkalium- 
lösung nehmen  beträchtliche  Mengen  an  Jodblei  auf,  doch  wird  dasselbe  beim 
Verdünnen  mit  Wasser  wieder  abgeschieden. 

Oxyjodide  des  Bleis,  PbJ^-PbO  und  PbJ2-2PbO,  entstehen  auch  beim 
Fällen  von  Jodkaliumlösung  mit  einem  grossen  Ueberschuss  an  essigsaurem  Blei 
oder  Bleiessig;  die  Verbindung  PbJg-SPbO -21120  bildet  sich  beim  Fällen  einer 
siedenden,  wässrigen  Jodbleilösung  mit  Ammoniak. 

Chlorojodide  des  Bleis  oder  Doppelverbindungen  aus  Chlorblei  und  Jod- 
blei, z.  B.  2PbCl8-PbJ2  und  PbClj.PbJj,  entstehen  beim  Vermischen  der 
Lösungen  von  Chlorblei  und  Jodnatrium  oder  Jodblei  und  Chlorammonium  oder 
Weisser  Salzsäure  und  bilden  gelbe  Krystallnadeln. 

Fluorblei,  Bleifluorid,  PbF^.    Blei  wird  von  Fluorwasserstoffsäure  T\\c\^t 
angegriffen.    Bleihydroxyd  oder  Bleicarbonat  werden  aber  leicht  durch  Flusss^vi^e 
in  Fluorblei  überführt,  welches  durch  Eintrocknen  der  Masse  und  starkes  "RT\A\ti.eTv 
von  überschüssiger  Flusssäure  zu  befreien  ist.     Weisses,    schmelzbares    ^\iVv^^*^ 
schwer  löslich   in  Wasser  und  in  Flusssäure.     Beim    Erhitzen  in  Wasser^t.^^^^ 
wird  Fluorblei  reducirt  und  von  Schwefelsäure  unter  Bildung  von  Fluorwa^^^^^^^^ 
leicht  zersetzt.     Eine  Verbindung   von    der   Formel    PbFlj.PbCla    l^a.TiTv       ^^x^^^ 


c.  -* 


-i      -4 


V  '  ao6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

%y'  •      '■      ■  *  ^ 

H  Fällen  von  Flüornatriumlösung  mit  kochender  Chlorbleilösung  als  weisses  Pulver 

'  ^  erhalten  werden. 

'l;:  Bleisulfid,  Schwefelblei,  PbS. 

Der  Bleiglanz,   das  wichtigste  Bleierz^  besteht  aus   Schwefelblei.    Künstlich 

£  '  lässt  sich  diese  Verbindung  auf  trockenem  Wege  sowohl  durch  Erhitzen  von  Blc 

V  .  oder  Bleioxyd  mit  Schwefel,  als  auch  durch  Reduction  von  Bleisulfat  durch 
:.'  Glühen  mit  Kohle  oder  im  Wasserstoffstrom  erhalten;  auf  nassem  Weg  wird 
;  '  Schwefelblei  beim  Zusammentreffen   von  Bleisalzen  oder  deren   Lösungen  mit 

Schwefelwasserstoff,    Schwefelalkalien,    Ammoniumsultid,    Schwefel  calcium    etc 
.  '  gebildet  und  stellt  dann  ein  amorphes,  braunschwarzes  Pulver  dar.     (In  Salzsäure-' 

;  -  haltiger  Bleilösung  oder  Chlorbleilösung  bewirkt   wenig  Schwefelwasserstoff  zu- 

'  nächst  die  Bildung  eines  rothen,    etwa  der  Formel  3PbS«2PbCl3  entsprechend 

\^:  zusammengesetzten  Niederschlages,  welcher  mit  einem  Ueberschuss  des  Fällungs- 

>^/  mittels    in    schwarzes    Bleisulfid    übergeht).      In    reguläre    Krystalle    kann   das 

amorphe  Schwefelblei  durch  Sublimation  bei  Luftabschluss  überfuhrt  werden;  auch 
.^.;  bei  der  Einwirkung  von  Schwefelwasserstoff  auf  Chlorblei  bei  hoher  Temperatur, 

beim  Glühen  von  Bleioxyd  in  Schwefelkohlenstoffdampf  oder  selbst  auf  nassem 
j.  Weg  bei  Zusatz  von  Schwefelwasserstoff  zu  einer  viel  Salpetersäure  enthaltenden 

-  >  Bleisalzlösung  kann  in  Würfeln  krystallisirtes  Schwefelblei  erhalten  werden. 

-  '  In  Würfeln  krystallisirter  Bleiglanz  findet  sich  auch  gelegentlich  als  zufalliges 

Hüttenprodukt  (i8). 

Der  Bleiglanz   bildet  dunkelgraue,  reguläre   Krystalle,  welche  sehr  starken 

;  Metallglanz  besitzen  und  sich  mit  grösster  Leichtigkeit  den  Wtirfelstücken  parallel 

spalten  lassen.  Spec.  Gew.  der  Krystalle  ist  7-25  bis  7'7.  Härte  =  2*ö.  An  der 
Luft  erhitzt  oxydirt  sich  das  Schwefelblei  unter  Entwicklung  von  Schwefligsäure- 

r  -  g35    ^^^  Bildung  von  Bleioxyd  und  Bleisulfat.     In  Wasserstoffgas  geglüht  wird 

/^^    \  Schwefelblei  allmählich  zu  Blei  reducirt,  ebenso  giebt  ein  Gemenge  von  1  Mol. 

. ;  •  Schwefelblei  mit  2  Mol.  Bleioxyd  beim  Glühen  metallisches  Blei  unter  Entwicklung 

von  Schwefligsäuregas.    Eisen  scheidet  aus  Schwefelblei  in  der  Glühhitze  Blei  aus 

■  V  und  bildet  Schwefeleisen.     Concentrirte  Salpetersäure  wirkt  heftig  auf  Bleisulfid 

ein  und  liefert  Bleinitrat,  Schwefel  und  Bleisulfat.  Concentrirte  Salzsäure  löst 
Schwefelblei  beim  Erhitzen  unter  Schwefelwasserstoffentwicklung  zu  Chlorblei. 

Selenblei,  PbSe.  Natürlich  als  Clausthalit,  ein  dem  Bleiglanz  ähnliches 
Mineral.  Durch  Zusammenschmelzen  von  Blei  mit  Selen  künstlich  als  graue 
Masse  darstellbar. 

.";  Salpetrigsaures  Blei.    Bleinitrit. 

-  Das  normale  Salz,  Pb(N02)2 -+- HjO,  wird  durch  Zusammenreiben  von 

Silbemitrit  mit  Chlorblei  unter  Zusatz  von  wenig  Wasser  und  Verdunsten  der 
Lösung  erhalten  (19).     Gelbe  Säulen  oder  Blättchen.    Die  Lösung  zersetzt  sich 

5 '  beim  Verdampfen  in  der  Wärme. 

Basische  Bleinitrite  werden  durch  Kochen  von  Bleinitratlösung  mit  Blei 

]{.  erhalten;  so  die  Verbindung  Pb(N03)2'3PbO -f- HjO,  welche  bei  12sttindigem 

i  Kochen  entsteht,  wobei  die  Flüssigkeit  sich  zunächst  gelb  färbt,  später  aber  farb- 

los wird  und  beim  Erkalten  blassrosenrothe  oder  weisse,  zu  Sternen  vereinigte 
Nadeln  jener  Verbindung  abscheidet.  Die  anfangs  gebildete  gelbe  Flüssigkeit 
liefert  gelbe,  säulenförmige  Krystalle  des  rhombischen  Systems.    Diese  können  als 

:  Pb(NO,),  -h  Pb(N08)2  +  5PbO  -h  SH^O  angesehen  werden.   Bei  gleichem  Ver- 

i  r:  fahren  bilden  sich  auch  noch  andere  ähnliche  Verbindungen,  welche  theils  gelb, 

[  theils  Orangeroth  gefärbt  smd. 


Blei.  3^7 

Salpetersaures  Blei.     Bleinitrat. 

Das  normale  Bleinitrat  PbCNOj)^,  entsteht  beim  Auflösen  von  Blei,  Blei- 
ozyd  oder  Bleicarbonat  in  Salpetersäure  und  Krystallisiren  der  Lösung.  Ist  letztere 
neatral,  so  sind  die  Krystalle  milchweiss,  wasserhelle  Krystalle  werden  aus  einer 
freie  Salpetersäure  enthaltenden  Lösung  gewonnen.  Die  Krystalle  sind  regulär; 
Octaeder  vorherrschend.  Zur  Lösung  erfordert  1  Thl.  Bleinitrat  7^  Thle.  kaltes 
Wasser  und  erzeugt  dabei  bedeutende  Temperaluremiedrigung.  Aus  der  Lösung 
schlägt  Salpetersäure  das  Salz  nieder«  Bleinitrat  verknistert  beim  Erhitzen  und 
spaltet  sich  in  Bleioxyd  und  Stickstoffdioxyd  (Untersalpetersäure)  (20). 

Basische  Nitrate,  z.  B.  Pb(N03)jj  H- öPbO  oder  Pb(N03)3 -+- 2PbO, 
werden  bei  Digestion  des  normalen  Salzes  mit  Ammoniak  oder  durch  Fällen  von 
Bleiessig  mit  salpetersaurem  Kalium  erhalten  und  bilden  weisse,  in  Wasser  schwer 
lösliche,  aber  z.  Thl.  daraus  krystallisirbare  Verbindungen,  welche  beim  Erhitzen 
gelb  werden. 

Clilorsaures  Blei,  Bleichlorat,  Pb(aOj)3  +  HjO.  Aus  Bleicarbonat  und  Chlorsäure 
darstellbar.     Weisse,  monokline  Blättchen. 

Ueberchlorsaures  Blei,  Bleiperchlorat,  Pb(C104),  +  3Hj,0.  Durch  Auflösen  von 
Bleicarbonat  in  Ueberchlorsäure  darzustellen.     Sehr  leicht  lösliche  Nadeln. 

Bromsaures  Blei,  Bleibromat,  Pb(BrOg)3  +  H3O.  Analog  den  vorigen  darstellbar. 
Weisse  Krystalle. 

Jodsaures  Blei,  Bleijodat,  Pb(J03)3.  Aus  Bleilösungen  durch  Jodsäure  oder  jodsaures 
Kalium  als  weisses  Pulver  fällbar. 

Ueberjodsaures  Blei,  Bleiperjodat,  Pb(J04)3,  analog  dem  Jodat  durch  Uberjodsaures 
Kalium  zu  fällen.     Weisses  Pulver. 

Unterschwefligsaures  Blei.  Thioschwefligsaures  Blei,  PbSjO,,  fällt  als  weisser 
Niederschlag  aus,  wenn  eine  Bleilösung  mit  unterschwefligsaurem  Natrium,  Na^SjOg,  vermischt 
wird.  Schwärzt  sich  beim  Erhitzen  und  liefert  Schwefelblei,  Bleisulfat,  Schwefel  und  Schweflig- 
säor^as.  Bei  Luftzutritt  erhitzt  verbrennt  das  Salz  mit  schwacher  Flamme  und  wird  neuerdings, 
mit  sauerstof&eichen  Stoffen  vermischt,   zur  Herstellung  phosphorfreier  Zündhölzchen  benutzt. 

Schwefligsaures  Blei,  Bleisulfit,  PbSOg. 

Aus  Bleisalzlösungen  und  schwefligsaurem  Natrium  darzustellen.  Weisses,  in  Wasser  un 
lösliches  Pulver. 

Schwefelsaures  Blei  (21).  Bleisulfat.  Normales  Sulfat,  PbS04,  oder 
Bleivitriol  kommt  als  ein  meist  aus  Bleiglanz  entstandenes  Mineral  natürlich  vor. 
In  Form  eines  weissen,  schweren  Pulvers  entsteht  es  beimjErhitzen  von  Blei  mit 
concentrirter  Schwefelsäure  oder  bei  Zusatz  von  verdünnter  Schwefelsäure  oder 
irgend  einer  Sulfatlösung  zu  der  Lösung  eines  Bleisalzes.  Bleioxyd  und  ver- 
dünnte Schwefelsäure  liefern  ebenfalls  Bleisulfat,  ebenso  entsteht  es  beim  Zu- 
sammentreffen von  Bleisuperoxyd  mit  schwefliger  Säure. 

In  klein  krystallisirtem  Zustand  kann  das  Sulfat  durch  Zusammenschmelzen 
von  Chlorblei  mit  Kaliumsulfat  und  Ausziehen  mit  Wasser,  oder  bei  sehr  all- 
mählichem Vermischen  einer  Bleilösung  mit  einer  Sulfatlösung  erhalten  werden. 
Die  KiystaUe  gehören  dem  rhombischen  System  an.  Das  Bleisulfat  ist  isomorph 
mit  Schwerspath  und  Coelestin.  In  der  Glühhitze  schmilzt  das  Bleisulfat  unzersetzt 
und  wird  durch  Wasserstoff  oder  Kohle  zu  Schwefelblei  reducirt;  dabei  zersetzt 
sich  letzteres  z.  Thl.  mit  unangegriflfenem  Bleisulfat  und  liefert  metallisches  Blei 
und  Schwefligsäuregas:  PbS04  -+-  PbS  r=  2Pb  H-  2SO2. 

Auch  durch  Eintauchen  einer  Zinkplatte  in  einen  aus  Bleisulfat  und  Wasser 
hergestellten  Teig  wird  die  Abscheidung  von  Blei  bewirkt,  welches  aber  als 
schwammige  Masse  zurückbleibt. 


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r*.^ . 


ff^' 


398  Handwörterbuch  der  Chemie. 


^i^;  Es  löst  sich  in  22800  Thln.  kalten  Wassers,  ist  aber  leicht  löslich  in  Ammo- 

jt*      '  niaksalzen,  namentlich  im  Acetat  und  Tartrat,  auch  Alkalilaugen  lösen  das  Sulfat 

völlig  auf,  Alkalicarbonatlösungen  überflihren  es  in  Bleicarbonat.  Concentrirte  Sal- 
peter- oder  Salzsäure  lösen  Bleisulfat  ein  wenig,  concentrirte  Schwefelsäure  löst  es 
gleichfalls  (Bleigehalt  der  in  Bleipfannen  abgedampften  Schwefelsäure  des  Handels), 
bei  Wasserzusatz  wird  es  aus  dieser  Lösung  bis  auf  Spuren  wieder  ausgefällt.  — 
^4^',  Ein  saures  Bleisulfat,  PbH2(S04)3-|-H30,  scheidet  sich  aus  einer  Lösung 

^li :  ,  des  normalen  Sulfats  in  conc.  Schwefelsänjpe  ab  (22). 

^-v     ^  Basisches  Bleisulfat,  PbSO^ -I-  PbO,  entsteht  durch  Digestion  des  nor- 

|V  1  malen  Salzes  mit  Ammoniaklösung.     Weisse,  krystallinische  Masse;  schwer  löslich 

^^  in  Wasser  (23). 

f^^y,-  Unterphosphorigsaures    Blei,    Bleihypophosphit,    PbPjH^Og.     Aus  Bleicarbonat 

X^  '■  und  wässriger  unterphosphoriger  Säure.     Weisse,  schwer  lösliche,  rhombische  Rrystalle. 

^^''  Phosphorigsaures  Blei,  Bleiphosphit,  PbPHOj.    Durch  Fällen  einer  Bleisalzlösung 

p;  .'  mit  phosphorigsauren  Alkalien  oder  Neutralisation  von  wässriger  phosphoriger  Säure  mit  Bki- 

carbonat  darrustellen.     Weisses  Pulver. 

Phosphate    des    Bleis.      Phosphorsaures    Blei.      Orthophosphorsaures   Blei 
Bleiorthophosphat. 
^- ■;  '  Gesättigtes  Orthophosphat,   Pb3(P0^),,   entsteht  durch  Fällung  von  Bleiacetatlösang 

'^'^  .  init  I  gesättigtem  orthophosphorsaurem  Natrium,  Na^HPO^.     Bei  dieser  Reaction  wird  Essig- 

f  i     '  säure  abgeschieden;   wendet  man  aber  statt  des  Bleiacetats  Bleinitrat  an,   so  mischt  sich  dem 

;%  Niederschlag  auch  die  folgende  Verbindung  bei. 

g;    .  I  gesättigtes  Orthophosphat,  PbHPO^  oder  Pb.^Hj(PO^)j,  wird  durch  FiDen  einer 

»'.In  kochenden  Bleinitratlösung  mit  wässriger  Phosphorsäure  als   weisser,  krystaüinischer  Niederschlag 

i     ""  erhalten. 

*•*  *  * 

•.^  ^  gesättigtes  oder  saures  Bleiorthophosphat,  PbH^(PO^)g,  kann  aus  dem  vorigen 

^. '.  Salz  durch  Auflösen  in  Phosphorsäure  dargestellt  werden. 

^V  Pyro-  und  Metaphosphate  des  Bleis  sind  durch  Fällung  einer  Bleisalzlösung  mit  den 

^>'  betreffenden  Alkaliphosphaten  zu  erhalten. 

^V'  Borsaures  Blei.     Bleiborat. 

i'f  Das  borsaure  Blei,   PbB^O^'HjO,    scheidet  sich  beim  Vermischen  kalter  concentrirter 

Lösungen  von  Bleinitrat  Und  Borax  und  Digestion  des  Produkts  mit  Ammoniaklösung  als  weisses 

Pulver  aus. 

^-    .  Saures  Borat,  2PbO-3B20j  +  4H2O,  wird  aus  Bleilösungen  und  überschüssiger  Borax- 

?-  -  lösung  erhalten. 

i'^  Ein  Salz,  PbO-2Bj05  +  4Hj,0,  entsteht  aus  dem  vorigen  durch  Kochen  mit  Borsäurdösong. 

'^'.-  Alle  diese  Borate   schmelzen  in  der  Glühhitze  zu  farblosen,  stark  lichtbrechenden  Gläsern. 

[*.  ;  Auch    durch  Zusammenschmelzen    von  Bleiglätte    mit  Borsäure    in    verschiedenen  Verhältnissen 

^  werden  Bleigläser  erhalten,  welche  um  so  gelblicher  sind,  je  mehr  Blei  sie  enthalten  und  um  so 

^  "*,  ^  härter,  je  grösser  der  Gehalt  an  Borsäure  ist  (S.  Strass). 

Kohlensaures  Blei.     Bleicarbonat. 
^:^  Normales  Bleicarbonat,  PbCOg,  findet  sich  in  der  Natiir  im  rhombischen 

C-"  System    krystallisirt    als    Weissbleierz    (isomorph    mit    Arragonit,    Strontianit, 

.;  Witherit  und  Kalisalpeter),  kann  aber  auch   künstlich  durch  Fällen  der  Losung 

i!  eines    normalen  Bleisalzes    mit   einem  Ueberschuss    an   Alkalicarbonat  erhalten 

t»;  werden,  doch  mischen  sich  leicht  basische  Carbonate  bei.     Aus  verdünnter  Blei- 

acetatlösung    fällt    Kohlensäure    das    normale    kohlensaure    Blei    als    weissen 
"^ .  krystallinischen  Niederschlag. 

Eine  Lösung  von  Bleioxyd  in  Wasser  wird  durch  Kohlensäure  getrübt,  bii 

Ueberschuss  an   Kohlensäure  wird  die  Flüssigkeit  wieder   klar,   was  die  Bildung 
V  eines  sauren  Carbonats  wahrscheinlich  macht,  doch   ist  Bleicarbonat  in  kohle  i- 


Blei. 


399 


sänrehaltigem  Wasser  nur  sehr  wenig  löslich.     In  der  Glühhitze  geht  das  Blei- 
carbonat  unter  Kohlensäureverlust  in  Bleioxyd  über. 

Basisches  Carbonat,  2PbC03 -h  PbO -h  H^O,  bildet  den  wesentlichen 
Bestandtheil  des  sogen.  Blei  weisses,  welches  auf  verschiedene  Art  bereitet 
werden  kann.  Durch  Fällen  einer  Bleiessiglösung  (Lösung  von  basischem  Blei- 
acetat).  mit  Kohlensäure  scheidet  sich  ein  Theil  des  gelösten  Bleis  in  Form  jener 
Verbindung  als  weisser  Niederschlag  aus.  Die  über  demselben  befindliche 
Flüssigkeit  kann  von  neuem  mit  Bleioxyd  gesättigt  werden  und  zur  weiteren 
Bleiweissgewinnung  dienen,  so  dass  die  Essigsäure  abgesehen  von  unvermeid- 
baren Fabrikationsverlusten  immer  wieder  zurückgewonnen  wird. 

Die  bei  dieser  Art  der  Bleiweissfabrikation  (sogen,  französische  Methode 
von  Thänard  und  Roard)  (24)  nöthige  Kohlensäure  wird  durch  Verbrennen  von 
Kohle  für  sich  oder  mit  Kalkstein  erzeugt  In  Brohl  verwendet  man  die  aus 
dem  Boden  strömende  Kohlensäure.  Nach  einer  anderen  Fabrikationsmethode 
(sogen,  englische  Methode  von  Benson)  (25)  werden  100  Thle.  fein  gemahlene 
Bleiglätte  mit  der  Lösung  von  1  Thl.  Bleizucker  zu  einem  Teig  angerührt  und 
dieser  unter  Umrühren  mit  Kohlensäure  in  Berührung  gebracht,  bis  kein  Gas 
mehr  aufgenommen  wird.  Das  Produkt  wird  dann  mit  mehr  Wasser  gemahlen 
und  geschlämmt,  wobei  Kupfer  und  Eisen  als  Acetate  in  Lösung  gehen  und 
entfernt  werden  können.  Bei  diesem  Process  ist  anzunehmen,  dass  das  Bleioxyd 
sich  nach  und  nach  mit  Bleiacetat  zu  basischem  Satz  verbindet  und  aus  dieser 
Verbindung  durch  die  Kohlensäure  als  Carbonat  abgeschieden  wird,  denn  Blei- 
glätte wird  für  sich  allein  von  Kohlensäure  kaum  angegriffen. 

Bei  der  holländischen  Methode  der  Bleiweissfabrikation  werden  spiralförmig 
gebogene  Bleiplatten  in .  Thontöpfe  eingesetzt,  auf  deren  Boden  etwas  roher 
Essig  sich  befindet.  Die  mit  Bleiplatten  bedeckten  Töpfe  werden  in  grosser 
Anzahl  neben-  und  übereinandergestellt  (Fig.  56)  und  ganz  ^^^^^^^^^^ 

mit  Pferdemist  überschichtet.  Die  in  dem  Miste  ein- 
tretende Fäulniss  erzeugt  Wärme  und  Kohlensäure;  die 
Essigsäure  verdampft  langsam,  bildet  über  dem  Blei  eine  I 
Kruste  von  basischem  Acetat,  welches  durch  die  ein- 
dringende Kohlensäure  allmählig  in  Bleiweiss  umgewandelt 
wird.  Nach  Verlauf  vieler  Wochen  wird  die  Bleiweiss- 
schicht  von  den  Bleispiralen  abgeklopfl,  worauf  die  Spiralen 
zu  einer  neuen  Operation  dienen.  In  neuerer  Zeit  hat 
man  das  Mistbad  weggelassen  und  die  Töpfe  durch  geheizte  Kammern  ersetzt 
und  Kohlensäure  eingeleitet. 

Auch  durch  Fällen  einer  Bleiessiglösung  mit  einem  ganz  geringen  Ueber- 
schuss  an  Soda  scheidet  sich  (nach  Hochstetter)  die  Verbindung  2PbC03 
-♦-PbO-i-HjO  aus. 

Das  Bleiweiss,    welches    annähernd    obiger    Formel    entspricht,    aber    nicht 
ganz   constante    Zusammensetzung    zeigt,    bildet    eine    dichte,    schwere    Masse, 
welche   von    allen    weissen    Farben    am    meisten    Deckkrafl    besitzt,    aus    lauter 
nmden  oder  ovalen  Körnchen  besteht    und   bei  155°  alles  Wasser  verliert;    bei 
1B3°  beginnt  Kohlensäure  auszutreten. 


(Ch.  56.) 


■'4 


■'Vi 


Legirungen  des  Bleies  mit  Antimon. 
Eine   annähernd    der   Formel    PbigSb    entsprechende,    sechsseitige 
bildende  Legining  wurde  als  Hüttenprodukt  gefunden  (26). 


Sä.u\^^ 


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/ 


pf\  300  Handwörterbuch  der  Chemie. 

;,yt:  Alle  an  Antimon   reichen  Legirungen   sind  blättrig  oder  krystallisirt.    Die 

:'v  VerbindungPbjSb  verliert  selbst  beim  Weissglühen  kein  Antimon;  antimonreichere 

f  !;  Legirungen  entlassen  in  der  Glühhitze  einen  Theil  des  Antimons. 

:7  •  Eine  Legirung  aus  gleichen  Theilen  Blei  und  Antimon  ist  spröde  und  blättrig, 

f'  eine  solche  aus  3  Thln.  Blei  und  1  Thl.  Antimon  ist  hart  aber  ductil.    Ein  gutes 
Letternmetall  enthielt  nach  Moser  (27)  77-9^  Blei  und  21*88^  Antimon  und 

^,- ~  '  besass  ein  spec.  Gew.  von  9 "54. 

^';-  Legirungen  des  Bleies  mit  anderen  Metallen  s.  bei  diesen. 

''h_  ^  Analytisches  Verhalten  der  Bleiverbindungen. 

/  Alle  Bleiverbindungen   geben  mit  Soda  auf  der  Kohle  in  der  Reductions- 

;^  flamme  des  Löthrohres  geschmolzen  ein  Bleikorn,  welches  durch  seine  Dehnbar- 

>      '  keit,   Weichheit  und  abfärbende  Eigenschaft   charakterisirt  ist.     Die  Kohle  be- 

;  schlägt  sich  rings  um  das  Metallkom  mit  einem  gelben  Anflug  von  Bleioxyd. 

r  Die  normalen  löslichen  Bleisalze  röthen  blaues  Lakmuspapier  und  werden 

:  durch  Glühhitze  zersetzt.    Alle,  auch  die  unlöslichen  Bleiverbindungen  gehen  beim 

-,  Zusammentreffen     mit    Schwefelwasserstoff,     Schwefelammonium     oder 

Alkali  Sulfiden  in  schwarzes  Schwefelblei  über. 

Bleisalze  werden  aus  saurer  wie  aus  alkalischer  Lösung  durch  Schwefelwasser- 
stoff* gefällt.  Bei  zu  grossem  Säureüberschuss  tritt  die  Fällung  erst  bei  Ver- 
dünnung mit  Wasser  ein.  HCl  haltige  Bleilösung  oder  Chlorbleilösung  scheidet 
mit  wenig  Schwefelwasserstoff  zunächst  einen  rothen  Niederschlag  von  Chlorblei- 
Schwefelblei  ab,  der  bei  weiterem  Schwefelwasserstoffzusatz  in  Schwefelblei  übergeht 
]  '  Das  entstehende  Bleisulfid  ist  in  verdünnten  Säuren,  Alkalilaugen,  in  den  Lösungen 

-  der  Schwefelalkalien  und  des  Cyankaliums  unlöslich.    Heisse  Salpetersäure   zer- 

legt das  Schwefelblei  und  scheidet  Schwefel  aus. 
>.  Salzsäure  und  lösliche  Metall chloride  bewirken  in  concentrirten  Blci- 

^  Salzlösungen   die  Fällung   eines  aus  Chlorblei   bestehenden,  schweren,  weissen 

Niederschlags. 

Schwefelsäure  und  lösliche  Sulfate  fallen  aus  Bleisalzlösungen  schwefel- 
saures Blei  als  in  Wasser  und  besonders  in  schwefelsäurehaltigem  Wasser  fast 
unlöslichen  weissen  Niederschlag. 

Alkalilaugen  und  Ammoniak  schlagen  basische  Salze  nieder;  die  weissen 
Niederschläge  lösen  sich  in  Kali  oder  Natronlauge,  nicht  in  Ammoniak. 

Natriumcarbonat  fällt  basisches  Bleicarbonat  als  weissen  Niederschlag. 
Chromsaures  oder  dichromsaures  Kalium  bewirkt  in  Bleisalzlösungen 
die  Fällung  von  gelbem  Bleichromat  (Chroingelb),  welches  in  verdünnter  Salpeter- 
säure schwer  löslich,  in  Alkalilauge  aber  leicht  löslich  ist. 

Die  quantitative  Bestimmung  des  Bleis  geschieht  gewöhnlich  durch 
Wägen  des  aus  der  Verbindung  dargestellten  Bleisulfats,  mitunter  kann  das 
Blei  auch  als  Bleioxyd,  Bleichromat,  Chlorblei  oder  Schwefelblei  gewogen  werden. 
Chlor-,  Brom-  und  Jodblei  können  auch  durch  Wasserstoffgas  bei  schwach« 
Glühhitze  zu  metallischem  Blei  reducirt  und  als  solches  bestimmt  werden. 

Zur  Bestimmung  als  Bleisulfat  bringt  man  die  Substanz  in  Lösung  und 
fällt  mit  verdünnter  Schwefelsäure  völlig  aus,  mischt  dann  das  doppelte  Volumen 
an  Weingeist  zu,  lässt  absitzen,  filtrirt,  wäscht  mit  Weingeist  aus^  trocknet  und 
glüht  mit  der  Vorsicht,  dass  keine  reducirenden  Gase  mit  dem  Sulfat  in  Be- 
rührung kommen. 
:'  In   organischen   Bleiverbindungen   kann  das  Blei  direct   durch  Zusatz    von 

concentrirter  Schwefelsäure,  Eindampfen  und  Gltlhen  bestimmt  werden. 


Bleicherei.  301 

Soll  da$  Blei  als  Chromat  gefallt  werden,  so  darf  die  Lösung  keine  freie 
Mineralsäure  enthalten;  es  ist  daher  nöthig,  essigsaures  Natrium  zuzufügen. 

Nach  der  Fällung  mit  Kaliumbichrom at  in  gelinder  Wärme  wird  der  Nieder- 
schlag auf  einem  bei  100°  getrockneten  Filter  gesammelt,  gewaschen  und  nach 
dem  Trocknen  bei  gleicher  Temperatur  gewogen. 

Die  Bestimmung  |des  Bleis  als  Bleisulfid  lässt  sich  sowohl  in  sauren,  als 
neutralen  oder  alkalischen  Lösungen  ausfuhren.  Der  Gehalt  der  Lösung  an 
freier  Säure  soll  nicht  zu  gross  sein,  sonst  fallt  das  Bleisulfid  erst  beim  weiteren 
Verdünnen  mit  Wasser  vollständig  aus.  Der  ausgewaschene  und  getrocknete 
N^iederschlag  wird  am  besten  unter  Zusatz  von  etwas  Schwefel  im  Wasserstoff- 
strom geglüht  und  als  Bleisulfid  gewogen.  Auch  kann  man  den  Niederschlag 
durch  rauchende  Salpetersäure  und  nachherigen  Schwefelsäurezusatz  in  Bleisulfat 
überführen  und  dieses  nach  dem  Glühen  auf  die  Wage  bringen.        Heumann. 

Bleicherei.*)  Durch  das  Bleichen  bezweckt  man  die  Beseitigung  von 
färbenden  Stoffen  aus  Natur-  oder  Kunstprodukten  meist  vegetabilischen  oder 
animalischen  Ursprungs.  Nur  in  den  seltensten  Fällen  kann  dies  vermittelst  eines 
mechanischen  Waschprocesses  durch  blosses  Auslaugen  der  färbenden  Substanzen 
erreicht  werden;  man  ist  vielmehr  genöthigt,  chemische  Processe  zu  Hülfe  zu 
nehmen,  durch  welche  die  Farbstoffe  entweder  zerstört  oder  doch  in  eine  Form 


•)  Handbücher,  Monographien  etc.:  KuRRER,  Die  Kunst  zu  bleichen.  Nürnberg  1831. 
JOCLET,  Handbuch  der  Bleichkunst.  Leipzig  1878.  A.  Ktelmayer,  Die  Entwicklung  d.  Färberei, 
Druckerei  u.  Bleicherei.  Ausgsburg  1879.  Joclet,  Handbuch  der  gesammten  Wollenfärberei. 
Leipzig  1878.  Prüfer,  Die  Wollen  u.  HalbwoUen-Stückfarberei  etc.  Leipzig  1878.  W.  ScHMTOT, 
Die  Seidenfärberei.  Zürich  1878.  W.  Crookes,  a  pratical  Handbook  of  Dyeing  etc.  London 
1S74.  J.  Napier,  a  Manual  of  Dyeing.  London  1875.  J-  Heim,  Appretur  der  Baumwollen- 
waaren.  Stuttgart  1868.  D^pierre  (deutsch  von  Bötsch),  Die  Waschmaschinen  etc.  Wien  1883. 
Zeitschriften:  M.  Reimann's  Färberzeitung,  Organ  für  Färberei,  Druckerei  u.  Bleicherei.  Berlin. 
Weigel's  Musterzeitung  für  Färberei,  Druckerei  u.  Bleicherei.  Leipzig.  »ITie  Textile  Coloriste.« 
Journal  of  Bleaching  etc.  Manchester.  «Bull.  d.  1.  Societe  industrielle  de  Mulhouse.«  Mulhouse. 
Einzelne  Abhandlungen:  i)  Odlnig,  Handb.  d.  Chem.  I,  pag.  59.  Wolters,  Joum.  f. 
pract  Chem.  1874,  pag.  128.  Limpach,  Chem.  Centralbl.  1876,  pag.  257.  Lunge  u.  Schäppi, 
DiNGL.  Joum.  237,  pag.  63.  SchÄppi,  Auszug  aus  d.  Inaug.  Dissertat.  in  Wagner's  Jahresber. 
1881,  pag.  281.  2)  J.  KoLB,  DiNGL.  Joum.  191,  pag.  351.  Schunck,  Dingl.  Joum.  188, 
pag.  496.  3)  C.  Beyrich,  Deutsche  Ind. -Ztg.  1878,  pag.  391,  siehe  auch  Joclet,  Zeitschr.  f. 
Textilindustrie  I,  pag.  45.  4)  J.  Kolb,  Dingl.  Joum.  187,  pag.  55.  5)  Leuchs,  Dingl.  Joum.  157, 
pag.  134.  6)  Engler,  Histor.  krit.  Untersuchungen  über  d.  Ozon.  Leipzig  1879.  7)  Heeren, 
Karmarsch  u.  Heeren,  Technisch.  Wörterb.  I,  Aufl»  i,  pag.  272.  8)  Barnetp  u.  Stade,  Ber. 
d.  deutsch,  chem.  Ges.  1874,  pag.  827.  9)  Bolley  u.  Jokisch,  Schweiz.  Polyt.  Zeitschr.  1866, 
pag.  120.  Oliver,  Grantham,  Sinnok  u.  Leverson,  Engl.  Patent  1873.  10)  Orioli,  Dingl. 
Joum.  157,  pag.  155.  11)  Varrentrapp,  Dingl.  Joum.  158,  pag.  316.  12)  v.  Dienheim  u. 
Brochocky,  Chem.  Ztg.  1879,  pag.  383.  13)  J.  A.  Engeler,  D.  R.  P.  12 127.  14)  Deutsche 
Ind.-Ztg.  1866,  pag.  355.  15)  Deutsche  Ind.-Ztg.  1867,  pag.  362.  16)  Dingl.  Joum.  195,  pag.  554. 
17)  Clement,  Industrieblätter  1880,  pag.  341.  18)  Mulder,  Poggend.  Annal.  37,  pag.  594. 
19)  Cramer,  Inaug.  Dissertat.  Zürich  1863.  20)  Bolley,  Dingl.  Joum.  124,  pag.  449. 
21)  Tabounin  u.  Lemaire,  Bull.  soc.  chim.  1866;  2,  pag.  429.  22)  R.  Wagner,  Dingl. 
Joum.  136,  pag.  313.  23)  Hessler,  Musterztg.  f.  Färberei  etc.  1878,  pag.  218.  24)  R.  Meyer, 
Zeitschr.  f.  d.  chem.  Grossgew.  m,  pag.  651.  25)  Girazdoni,  Engl.  Pat  1879,  No.  3359. 
26)  BiDTEL,  Deutsche  Ind.-Ztg.  1879,  pag.  279.  27)  Wagner's  Jahresber.  7,  pag.  602; 
9t  pagr-  627;  20,  pag.  400.  28)  P.  Ebeix,  Ind.-Blätter  1882,  pag.  i.  Zeitschr.  d.  Ver.  deutsch. 
Ingen.  1882,  pag.  621.  29)  T.  J.  Smith,  Ber.  der  deutsch,  chemisch.  Ges.  1876,  pag.  723. 
30)  Wagner's  Jahresber.  10,  pag.  587.     31)  Ibid.  15,  pag.  642.     32)  Ibid  10,.  pag.  588. 


50?  Handwörterbuch  der  Chemie. 

umgewandelt  werden,  welche  die  nachherige  mechanische  Trennung  von  dem 

^^i  bisherigen  Träger  gestattet.     Letzterer  darf  selbstverständlich  durch  die  Bleich- 

iSä:  •.  •  Operationen  keine  merkliche  Veränderung  in  seiner  mechanische  und  chemischen 

1^^'     ,  Struktur  erleiden. 

^w.  Je  nach  der  Struktur  der  zu   bleichenden  Stoffe  sind  die  Bleichmittel  ver- 

Wt'-'  schieden   zu  wählen,    denn  nicht   bloss    zeigen    die  Stoffe   gegenüber   den  ver- 

|?u.';  schiedenen  Bleichmitteln  sehr   verschiedene  Widerstandsfähigkeit,   sondern  auch 

^# '-  V  die  färbenden   Substanzen   unterliegen    der    bleichenden  Wirkung  der  einzelnen 

p!|/;  Bleichmittel  in  sehr  verschiedenem  Grade.   Immer  aber  soll  die  förbende  Substanz 

E"  durch  das  Bleichmittel  zerstört  oder  für  die  nachfolgende  Beseitigung  auf  mecha- 

pftjC/  nischem   Wege  vorbereitet  werden,    ohne  dass  der  Träger  derselben  erheblich 

^v"  .'  afficirt  wird.     Die  chemischen  Processe,  deren  man  sich  dabei  bedient,  sind  viel- 
fach Oxydation sprocesse,  seltener  kommen  Reduktionsprocesse  oder  anderweitige 


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;♦.  ■  ;  chemische  Processe  zur  Anwendung. 

Die  Bleichmittel,  welche  für  die  verschiedenen  Materialien  zur  Anwendung 
kommen,  sind  ausser  der  atmosphärischen  Luft,  die  in  der  Rasenbleiche  ausge- 
dehnte Anwendung  findet,  für  die  vegetabilische  Faser  insbesondere  Chlor- 
kalk, auch  freies  Chlor  in  Form  von  Chlorgas  oder  Chlorwasser,  seltener  unter- 
chlorigsaure  Salze  (eau  de  Labarraque  oder  »Chlornatron«  und  eau  de  Javelle), 
endlich  ausnahmsweise  übermangansaure  und  chromsaure  Salze,  Ozon  und 
Wasserstoffsuperoxyd.  Für  die  thierische  Faser,  welche  vermittelst  Chlor- 
kalk etc.  nicht  gebleicht  werden  kann,  weil  sie  durch  Chlor  energisch  ange- 
griffen, auch  gelb  gefärbt  wird,  kommt  fast  ausnahmslos  die  schweflige  Säure  zur 
Anwendung  und  zwar  meist  in  Gasform,  seltener  in  wässriger  Lösung  oder  in 
Form  von  schwefligsauren  Salzen  des  Natrons,  Kalkes  etc.  Uebermangansäure, 
Chromsäure,  Ozon  etc.  lassen  sich  ebenfalls  zum  Bleichen  gewisser  Stoffe  ani- 
^-1  malischen   Ursprungs    verwenden.      Als    Bleichmittel    sind    des    ferneren    vorge- 

\r[    "  schlagen :    Chlorozon  (ein  Gemisch  von  Chlornatrium,   Soda  und  Natriumhypo- 

J;>^  '  chlorit),     Bariumsuperoxyd,     Bleikammerkrystalle,     unterschwefligsaures    Natron, 

* :'  Schwefelalkalien,    Schwefelwasserstoff   u.   a.   m.      Zum   Entfärben    von   gelösten 

•:    .  Stoffen  wie  Rohrzucker,  Traubenzucker  etc.  sowie  von  Fetten,  von  Paraffin,  Cere- 

5^  ,    sin  etc,  dient  endlich  die  Thierkohle. 

V  Der  Chlorkalk,    auch  Bleichkalk    oder  Bleichpulver  genannt,    enthält  ge- 

}>  wohnlich  zwischen  30  und  40 J  Chlor,   welches  durch  Zersetzen   mittelst  Säuren 

j  frei  gemacht  werden  kann.     Die  bleichende  Wirkung  mit  Chlorkalk  in   sauren 

Flüssigkeiten  beruht  deshalb  lediglich  auf  freiem  Chlor.  Letzteres  wirkt  beim 
c"  Bleich process  jedoch  nicht,   wie  man  früher  annahm,  direkt  auf  die  Farbstoflfe 

;  ■  ein,    bildet    vielmehr    mit    dem    immer    anwesenden    Wasser    freien    Sauerstoff 

]■■■'  ^  (H2O  -f-  CI2  =  2HCI  H-  O),   welcher  in  statu  nascendi  die  Zerseteung  der  färben- 

^  den  Stoffe  bewirkt  (die  Annahme  der  Bildung  von  Ozon  ist   weder  nothwendig 

noch  auch  gerechtfertigt).  Wahrscheinlich  tritt  dabei  nach  Kolb  (2)  der  Säuer- 
te '  Stoff  mit  dem  Farbstoff  zu  einer  farblosen  Verbindung  zusammen,  die  nach- 
r  her  ausgewaschen  werden  kann.  Doch  ist  auch  die  Möglichkeit  nicht  ausge- 
•■,  schlössen,  dass  theilweise  eine  weitergehende  Zersetzung  des  Farbstoffes  eintritt. 
i^^  *  Damit  durch  das  auftretende  Chlor  nicht  auch  eine  Zerstörung  der  zu  bleichendeii 
:  V  Fasern  selbst  eintritt,  muss  der  Chlorkalk  immer  in  ganz  verdünntem  Zustande? 
^  angewendet  werden  (spec.  Gew.  1-0025— 1*03).  Als  zersetzende  Säure  vird; 
.^  meistens  Schwefelsäure  oder  Salzsäure,  nach  dem  Patent  von  C.  Beyrich  aucfci 
^;                  Oxalsäure   angewendet.      Kolb    (4)    zeigte    übrigens,    dass   der  Chlorkalk  schor. 


r 


Bleicherei. 


303 


ohne  jeden  Säurezusatz  bleichend  auf  die  Pflanzenfaser  einwirkt.  Analog  wie  beim 
Chlorkalk  ist  die  Wirkung  des  gasförmigen  und  in  Wasser  gelösten  Chlors,  so- 
wie der  eben  genannten  unterchlorigsauren  Salze.  Auch  bei  Anwendung 
der  Uebermangansäure,  der  Mangansäure,  der  Chromsäure,  bezw.  deren 
Salze,  sowie  des  Ozons  und  des  Wasserstoffsuperoxyds  beruht  die 
bleichende  Wirkung  auf  frei  werdendem  Sauerstoff. 

Ganz  anders  dagegen  muss  nach  Leuchs  die  Wirkung  der  schwefligen 
Säure  aufgefasst  werden  (5).  Dieselbe  verbindet  sich  mit  den  färbenden  Stoffen 
zu  farblosen  Verbindungen,  die,  in  Wasser  und  in  alkalischen  Laugen  löslich, 
mittelst  der  letzteren  also  aus  den  Stoffen  entfernt  werden  können.  Durch 
Schwefelsäure  und  andere  stärkere  Säuren  kann  die  Verbindung  der  schwefligen 
Säure  mit  dem  Farbstoff  wieder  zersetzt  und  letzterer  regenerirt  werden  (Farb- 
stoff der  Rosen,  Nelken  etc.),  ebenso  durch  Chlor,  Jod,  viel  Weingeist  .und 
Schwefelwasserstoff,  welch  letzteres  beweist,  dass  bei  der  Einwirkung  der  schwefligen 
Säure  auf  den  Farbstoff  nicht  auch  gleichzeitig  ein  Reductionsvorgang  stattge- 
funden haben  kann.  Nicht  regenerirt  wird  dagegen  der  Farbstoff  der  Wolle  aus 
seiner  Verbindung  mit  schwefliger  Säure  durch  Schwefelsäure,  was  man  dadurch 
«klären  kann,  dass  die  entstehende  Verbindung  mit  Schwefelsäure  ebenfalls 
wenig  gefärbt  ist. 

Mit  dem  Bleichprocess  in  Verbindung  steht  beinah  immer  eine  Reinigung 
der  betreffenden  Stoffe  von  Substanzen,  die  neben  den  Farbstoffen  darin  abge- 
lagert sind,  und  deren  Natur  und  Menge  bei  den  verschiedenen  Materialien  wie 
Hanf,  Flachs,  Baumwolle,  Wolle  etc.  sehr  verschieden  sind.  Sowohl  die  Be- 
seitigung dieser  Beimischungen,  welche  durch  Vorarbeiten  geschieht,  die  dem 
Bleichprocess  vorausgehen,  als  auch  die  eigentliche  Entfarbungsarbeit  verlangt 
eine  sehr  verschiedenartige  Behandlungsweise  der  einzelnen  Stoffe. 

Bei  Hanf  und  Flachs  wird  noch  vielfach  die  sogen.  Rasenbleiche  ange- 
wendet. Dabei  kocht  man  die  Zeuge  wiederholt  abwechselnd  mit  alkalischen 
Flüssigkeiten  und  mit  Säuren  und  breitet  sie  zwischen  hinein  auf  Rasenplätzen 
an  der  Luft  aus.  Hier  haben  wir  es  sehr  wahrscheinlich  mit  einer  Ozon  Wirkung 
zu  thun,  bei  welcher  das  in  der  Luft  enthaltene  Ozon  theils  direkt,  theils  durch 
Lösung  in  der  Feuchtigkeit  der  Stoffe  oxydirend  anf  die  Farbstoffe  einwirkt. 
Inwieweit  hierbei  auch  das  bei  der  Verdunstung  von  Wasser,  sowie  das  beim 
Wachsthum  der  Pflanzen  sich  entwickelnde  Ozon  zur  Wirkung  kommt,  ist  noch 
nicht  entschieden.  Ebenso  wissen  wir  auch  noch  nicht,  ob  bei  der  Rasenbleiche 
das  Wasserstoßsuperoxyd  der  Luft  eine  Rolle  spielt.  Wahrscheinlich  sind  je- 
doch alle  diese  Momente  von  Bedeutung  (6). 

Da  die  Fasern  von  Hanf  und  Flachs  im  rohen  Zustande  neben  der  Cellulose 
bis  zu  36^  fremde  Bestandtheile,  insbesondere  Pectose,  Eiweiss,  Pflanzenschleim, 
harzartige,  wachsartige,  fettige  und  anorganische  Stoffe,  sowie  stickstoflfhaltige 
Farbstoffe  enthalten,  so  müssen  hier  dem  Bleichprocess  ganz  besondere  Reinigungs- 
arbeiten vorausgehen.  Die  erste  Vorbereitungsarbeit  schliesst  sich  meist  direkt 
an  die  eigentlich  landwirthschaftliche  Arbeit  an  und  wird  von  den  betreffenden 
Feldbesitzem  selbst  durchgeführt.  Sie  besteht  in  dem  sogen.  Rotten,  Rösten 
oder  Rotzen,  wobei  man  die  Pflanze  entweder  an  der  Luft  liegend  dem  Thau 
und  dem  Regen  aussetzt  oder  einige  Zeit  unter  Wasser  hält.  Durch  den  dabei 
eintretenden  Gährungs-,  bez.  Fäulnissprocess  geht  die  Pectose  in  Pectin  und  Pectin- 
säure  über,  deren  Reste  nach  der  mechanischen  Trennung  der  Faser  vom  Holz 
des  Stengels  und  der  Umarbeitung  derselben  in  Garn  oder  Gewebe  leichter  zu 


.■■•>*: 


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304  Handwörterbuch 'der  Chemie. 

entfernen  sind.  Die  erste  Operation,  welche  in  der  Bleicherei  selbst  zur  Aus- 
führung kommt,  besteht  in  dem  Bäuchen  oder  Bücken  der  Leinwand.  Da- 
bei wird  die  letztere  in  einem  schwachen  alkalischen  Bad  von  Potasche  oder 
Soda,  Aetznatron,  Kalk  oder  auch  Kalk  und  Soda  einige  Zeit  gekocht.  Als 
Apparat  dienen  entweder  eiserne  Kessel  mit  direkter  Feuerung  oder  geschlossene 
Kessel  mit  Dampfheizung  und  auf  Ueberdruck  eingerichtet.  Durch  die  alka- 
lischen Laugen  gelien  die  PectinstofFe  grösstentheils  als  Metapectinsäure  in 
Lösung,  ebenso  werden  die  Harze,  die  wachsartigen  nnd  fetten  Substanzen  ver- 
seift und  ebenfalls  in  lösliche  Form  übergeführt.  Nach  einiger  Zeit  wird  das 
Kochen  unterbrochen  und  das  Zeug  mit  Wasser  in  besonderen  Wasch- 
maschinen oder  Waschrädern  gewaschen,  wobei  die  vorher  löslich  ge- 
wordenen Stoffe  sowie  die  noch  anhaftende  Lauge  entfernt  werden.  Alsdann 
kommt  der  Stoff  in  ein  schwaches  Säurebad,  meist  eine  ganz  verdünnte  Schwefel- 
säure, welches  den  Zweck  hat,  die  vorher  gebildeten,  theil weise  nicht  in  Lösung 
übergegangenen  Verbindungen  wie  Harzseife,  event.  Kalksalze  der  Fettsäuren  etc. 
wieder  zu  zersetzen,  worauf  auch  die  anhaftende  saure  Flüssigkeit  sowie  die  da- 
durch löslich  gewordenen  Stoffe  durch  einen  Waschprocess  wieder  entfernt  werden. 
Man  wiederholt  jetzt  das  Bäuchen,  jedoch  mit  einer  etwas  verdünnteren  Lange, 
ebenso  das  Waschen,  Säuren  und  Wiederwaschen,  event.  sogar  ein  drittes  Mal, 
worauf  der  noch  feuchte  Stoff  auf  dem  Bleichplan  mehrere  Tage  dem  Licht 
und  der  Luft  ausgesetzt  wird. 

Die  zuerst  von  Heeren  (7)  beschriebene  Irische  Methode  des  Bleichens 
der  li  ein  wand  ist  eine  Combination  von  Rasen-  und  Chlorbleiche.  Folgendes 
Beispiel  erläutert  dieses  Verfahren.  Vor  dem  Auslegen  der  Leinwand  auf  den 
Rasen  wird  sie  unter  jedesmaligem  Nachwaschen  mit  Wasser  zunächst  zur  Ent- 
fernung der  Schlichte  in  warmem  Wasser  zur  Gährung  gebracht,  dann  zweimal  mit 
Aetzkalklauge  gekocht,  in's  Säurebad  gebracht  und  nochmals  mit  ganz  verdünnter 
Sodalösung  gekocht.  Nach  viermaliger  Wiederholung  dieser  Bäuchprocesse  mit 
jedesmal  nachfolgender  Luftbleiche  folgt  nach  je  einem  Säurebad  und  einer  Kochung 
mit  Sodalösung  das  erste  Einlegen  in  ein  ganz  schwaches  Chlorkalkbad  (wässriger 
Auszug  des  Chlorkalk),  ein  Waschprocess  und  nochmaliges  Kochen  mit  Soda* 
lösung  und  Waschen.  Endlich  folgt  auf  mehrtägiges  Bleichen  an  der  Luft  ein 
zweites  stärkeres  Chlorkalkbad,  sowie,  verbunden  mit  jedesmaligem  Waschprocess: 
Kochen  mit  Sodalösung,  Einlegen  in  noch  stärkere  Chlorkalklösung,  dann  in 
Säure  und  Walken  mit  Seifenlösung.  Dieses  combinirte  Verfahren  wird  unter 
den  verschiedenartigsten  Abweichungen  bezüglich  alkalischer  Laugen  und  Auf- 
einanderfolge der  einzelnen  Operationen  zur  Durchführung  gebracht. 

In  ähnlicher  Weise  kann  die  Leinwand  auch  ohne  Rasenbleiche, 
nur  mittelst  Chlorbädern  gebleicht  werden.  Da  man  wegen  der  Eoipfind- 
lichkeit  der  Leinenfaser  nur  ganz  verdünnte  alkalische  Laugen  anwenden  darf 
und  in  Folge  dessen  genöthigt  ist,  um  alle  löslichen  Stoffe  zu  entfernen,  das 
Bäuchen  entsprechend  oft  zu  wiederholen,  nimmt  dieses  Bleichverfahren  sehr 
lange  Zeit  in  Anspruch;  je  nach  der  eingehaltenen  Methode  dauert  es  2  bis 
3  Wochen,  oft  noch  erheblich  länger. 

Beim  Bleichen  der  Baumwolle  wird  fast  ausschliesslich  der  Chlorkalk 
als  Bleichmittel  verwendet.  Auch  die  Baumwolle  enthält  neben  der  vegeta- 
bilischen Faser  Substanzen  (circa  5  f ),  die  entfernt  werden  müssen,  insbesondere 
gefärbte,  organische  Substanzen,  harzige  und  fettige  Stoffe,  Aschenbestandthdle, 
ausserdem  bei  gesponnenem  und  gewobenem  Material:  Schlichte,  Schmutz  etc  Man 


k 


Bleicherei.  305 

bringt  die  vorher   gewaschenenen   und  gereinigten  Stoffe  abwechselnd  ein  oder 
mehrmals  in  Säurebäder  und  Chlorkalkbäder.     Für  erstere  dient  Schwefelsäure, 
seltener  Salzsäure,  deren  Concentration,  da  sonst  die  Baumwollfaser  leidet,  unter 
5— 6  J  Säuregehalt  zu  nehmen  ist.    Aus  demselben  Grunde  wird  auch  die  Chlor- 
kalklösung immer  unter  einer  Concentration  von  5°  B.  gehalten,  meist  giebt  man 
nur  1—3°;  die  Stärke   der  Chlorkalklösung    muss  selbstverständlich    derjenigen 
des  Säurebades  entsprechen.    Die  Bereitung  der  Chlorkalklösung  geschieht  durch 
Uebergiessen  des  Chlorkalkpulvers  mit  Wasser,  wiederholtes  Umrühren,  Absitzen- 
lassen und  Abziehen  der  klaren  Flüssigkeit.     Meist  werden  dabei  mechanische 
Vorrichtungen  benutzt;  das  Einlegen   der  Stoffe  in    die  Chlorkalklösung  dauert 
gewöhnlich  6—8  Stunden.     Die  Reihenfolge  der  mit  den  zu  bleichenden  Zeugen 
auszuilihrenden  Operationen,  wobei  jetzt  fast  immer  maschinelle  Vorrichtungen  zu 
Hülfe  genommen  werden,  ist  bei  den  verschiedenen  Bleichmethoden  auch  hier  sehr 
verschieden.    Im  Allgemeinen  wird  zuerst  blos  mit  Wasser  gewaschen,  dann  folgen 
Laugeprocesse  mit  Kalk  oder  Soda,  oder  auch  mit  beiden,  bez.  mit  Aetzalkalien, 
verbunden  mit  jeweiligem  Nachwaschen  mit  Wasser.    Daran  schliesst  sich  ein  mehr- 
stündiges Einlegen  in  das  Chlorkalkbad,  dann  in  das  Säurebad,  oft  auch  zuerst  in 
das  letztere,  dann  ein  Wasch-  und  Laugeprocess  mit  Soda  oder  Aetznatron,  worauf 
man  das  Einlegen  in  das  Chlorkalkbad  und  das  Säurebad  event.  noch  einmal 
wiederholt   etc.     Zwischen  den  Bädern  von  Chlorkalk  und  Säure  wird  entweder 
gar  nicht  oder  nur  schwach  gewaschen,  damit  die  beiden  Agenden  in  dem  Stoffe 
aufeinander   zur  Wirkung  kommen.     Dass   übrigens    eine  Chlorkalklösung   auch 
ohne  irgend  einen  Säurezusatz  stark   bleichend   wirkt,  ist   schon    oben    hervor- 
gehoben worden  (4).     Wichtig  ist   es,  dass  der  letzte  Waschprocess  sehr  gründ- 
lich durchgeführt  wird,  damit  die  noch  anhaftenden  letzten  Spuren  von  Chlorkalk 
oder  freiem  Chlor  aus  dem  Zeug  entfernt  werden.    Andernfalls  findet  eine  Nach- 
wirkung statt,  durch  die  der  Stoff  stark  leidet.    Zur  Entfernung  der  letzten  Spuren 
von   Chlor   wird    desshalb    häufig    etwas   Antichlor,    und    zwar    meist   unter- 
schwefligsaures  Natron  den  Waschwassem  zugesetzt.   Dadurch  wird  das  freie  Chlor 
sofort   in  Salzsäure  bezw.    Chlomatrium  umgewandelt,  welche    unschädlich  sind 
und  ausserdem  auch  leicht  ausgewaschen  werden  können.    Auch  etwas  Ammoniak 
hat  ähnliche  Wirkung  (2).     Als  Antichlor  kommen  ausserdem    zur   Anwendung 
Zinncblorür,   schweflige  Säure  und    deren    Salze,    salpetrigsaure    Salze,    lösliche 
Schwefelmetalle,  auch  arsenige  Säure  etc.    Barnett  und  Stade  (8)   haben  vor- 
geschlagen,   die  Bleichflüssigkeit    aus   Chlorkalk  durch  Fällen  mit  Natron    und 
Sättigen   der  Lösung  mit  Kohlensäure  herzustellen,  was  im  Grunde  genommen 
auf  die  bisher  ebenfalls  schon  verwendete  Methode   der  Umsetzung  der  Chlor- 
kalklösung mit  Sodalösung,  also  auf  die  Anwendung  einer  Lösung  von  unterchlorig- 
saurem  Natron  hinauskommt.     Da  sich  hiebei  in  dem  Schwefelsäurebad  anstatt 
des   schwer    löslichen    und    relativ  schwer  auszuwaschenden  Gjrpses   das   leicht 
lösliche    schwefelsaure    Natron    bildet,    so  hat  diese   Methode    allerdings    einen 
gewissen   Vorzug,    doch  ist  sie  umständlicher    und  theurer,    desshalb   selten    in 
Anwendung.     Das   Gleiche   gilt    von    den   Magnesia-,    (9)   Thonerde-   (10) 
und  Zinkbleichflüssigkeiten  (11),   die  man  durch  Umsetzen  von  Chlorkalk, 
mit   den    entsprechenden    schwefelsauren  Salzen   erhält,    sowie   auch   von  dem 
unterchlorigsauren  Kali.    Chlorozon  (12),  das  Gemisch  von  unterchlorigsaurem 
Natron  mit  Kochsalz  und  Soda,  soll  insbesondere  der  zerstörenden  Wirkung  der 
ach   beim    Bleichprocess   bildenden    Salzsäure    entgegen   wirken.     Engler  (13) 

IL  20 


.  3o6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

endlich  empfiehlt  zum  Bleichen  verarbeiteter  Baumwolle  Chloroformdämpfe  (?), 
die  er  aus  Alkohol  und  Chlorkalk  entwickelt. 

Die  übermangansauren  Alkalien,  welche  von  Tessii^  du  Motey  und 
Marächal  (14),  Scharf  (15)  und  Pubetz  (16)  als  Bleichmittel  eingeführt  worden 
sind,  werden  gemischt  mit  schwefelsaurer  Magnesia  zum  Bleichen  von  Baumwoll- 
stoffen angewendet.  Beim  Einweichen  des  Baumwollzeugs  in  die  betreffende 
Lösung  scheidet  sich  unter  Abgabe  von  Sauerstoff  Manganoxyd  und  Mangan- 
superoxyd auf  der  Faser  ab,  die  man  später  mittelst  Schwefelsäure  oder 
schwefliger  Säure  wegnimmt;  die  Schwefelsäure  bildet  dabei  mit  den  Mangan- 
oxyden nochmals  freien  Sauerstoff.  Das  in  der  ersten  Reaction  frei  werdende 
Alkali  wird  durch  die  zugesetzte  schwefelsaure  Magnesia  unter  Bildung  von 
schwefelsaurem  Alkali  und  Magnesiahydrat  abgestumpft.  Auch  ein  Gemisch  von 
Permanganaten  mit  Dichromaten  ist  neuerdings  empfohlen  worden  (17). 

Zum  Bleichen  der  Wolle  verwendet  man  ausschliesslich  die  schweflige 
Säure.  Die  betreffenden  Gespinnste  und  Gewebe,  deren  Wolle  schon  vor  der 
mechanischen  Verarbeitung  durch  die  Fabrikwäsche  von  den  hauptsächlichsten 
Verunreinigungen,  insbesondere  dem  Wollschweiss  befreit  wurde,  werden  vor  der 
Behandlung  mit  schwefliger  Säure  ähnlichen  Vorbereitungsarbeiten  unterworfen 
wie  die  Baumwolle.  Der  Gesammtverlust  durch  die  Wollwäsche  und  die  übrigen 
Vorbereitungsarbeiten  beträgt  hiebei  30-— 50^,  oft  sogar  noch  mehr.  Wegen  der 
grossen  Empfindlichkeit  der  Wollfaser  gegenüber  ätzenden  Alkalien  und  Kalk 
nimmt  man  dabei  jedoch  nur  kohlensaure  Alkalien,  als  Soda,  kohlensaures 
Ammoniak  oder  Seifenlösung.  Nach  genügender  Vorbereitung  kommen  die  ge- 
waschenen noch  feuchten  Zeuge  in  die  Schwefelkammern  oder  in  wässrige 
Lösungen  von  schwefliger  Säure.  Die  Schwefelkammem  bestehen  in  luft- 
dichten Räumen,  welche  zum  Eindringen  von  atmosphärischer  Luft  mit  Ventilen 
versehen  sind  und  in  welchen  die  zu  bleichenden  Materialien  aufgehängt  werden. 
Die  schweflige  Säure  erzeugt  man  entweder  in  der  Kammer  selbst  durch  Ver- 
brennen von  Schwefel  in  Schalen,  Tiegeln  etc.  oder  ausserhalb  durch  Verbreimen 
des  Schwefels  in  besonderen  Ofen,  ausnahmsweise  auch  durch  Glühen  von  Eisen- 
vitriol mit  Schwefel  in  Retorten  und  leitet  das  Gas  durch  Röhren  in  die 
Kammern.  Nachdem  die  Stoffe  1 — 2  Tage  in  den  Kammern  verbracht  haben, 
ventilirt  man  die  letzteren  und  nimmt  die  Zeuge  heraus.  Es  folgen  event.  wieder- 
holt alkalische  Bäder  und  Schwefeln,  bis  die  Faser  genügend  gebleicht  erscheint, 
worauf  zum  Schluss  nochmals  mit  Sodalauge  und  Wasser  gründlich  ausgewaschen 
wird.  An  manchen  Orten  wendet  man  statt  gasförmiger  schwefliger  Säure  wässiige 
Lösungen  derselben  an,  sehr  häufig  wurden  in  neuerer  Zeit  auch  Lösungen 
von  sauren  schwefligsauren  Alkalien  und  von  saurem  schwefligsaurem  Kalk  als 
Bleichfltissigkeiten  verwendet  Die  betreffenden  Lösungen  bereitet  man  sich  in 
Thürmen,  die  in  ihrer  Einrichtung  mit  den  Condensationsthürmen  für  Salzsäure 
übereinkommen  und  durch  die  man  die  schweflige  Säure  im  Gegenstrom  gegen 
herunterrieselndes  Wasser  bezw.  verdünnte  Alkalilaugen  hindurchleitet.  Bei 
Herstellung  von  saurem  schwefligsaurem  Kalk  lässt  man  die  schweflige  Säure 
in  gleicher  Weise  durch  Tuffsteine,  die  von  Wasser  berieselt  sind,  hindurcfatretea 
Solche  Lösungen  bewirken  ein  gleichmässigeres  Bleichen  der  Stoffe,  sind  abtt 
etwas  theurer  als  gasförmige  schweflige  Säure,  auch  kommen  bei  Verwendung 
von  Salzen  der  schwefligen  Säure  häufig  noch  Säurebäder  zur  Anwendung.  Auch 
die  übermangansauren  Salze  köimen  übrigens  zum  Bleichen  der  Wollfaser 
verwendet  werden. 


Blut.  307  •  *  - 1 


Mengen  einer  wachsartigen  Verbindung  besteht,  durch  wiederholtes  Abkochen 

mit  einer  Seifenlösung,  schliesslich  mit  möglichst  kalkfreiem  Wasser  in  Lösung 

gebracht.    Der  Gewichtsverlust  beträgt  25—40^.    Es  folgt  die  Behandlung  mit 

schwefliger  Säure,    wobei    man    neuerdings   vorwiegend   wässrige  Lösungen  zur 

Anwendung  bringt.    Der  Behandlung  mit  schwefliger  Säure  gehen  manchmal  auch 

noch  Bäder  von  Soda  und  Säuren  voraus.    Statt  Seifenlösung  kann  nach  Bolley  (20) 

eine  Lösung  von  Borax,  nach  Tabounin  und  Lemaire  (21)  Wasserglas  verwendet 

werden.    Souplirte  Seide  ist  eine  durch  Behandlung  mit  einer  Mischung  (15®  B.) 

von  80J  Salzsäure  und  20J  Salpetersäure  degummirte  Seide,  ein  Process,  wobei 

Dar  12— 18#  Verlust  eintritt,  jedoch  keine  so  schöne  Seide  erhalten  wird.    Auch 

mit  alkoholischer  Salzsäure  kann  nach  Baumi^  (22)  die  Seide  degummirt  werden. 

Ais  Bleichmittel  für  Seide  sind  in  neuerer  Zeit  endlich  die  salpetrige  Säure  (23) 

und  die  Bleikammerkrystalle  (24)  genannt,  von  welchen  die  letzteren  in  Lyon 

zum  Bleichen  der  Seide  verwendet  werden  sollen. 

Stroh  wird  am  besten  mittelst  schwefliger  Säure  gebleicht,  wobei  man  die 
Säure  entweder  gasförmig,  oder  durch  aufeinanderfolgende  Bäder  von  schweflig- 
sauren oder  unterschwefligsauren  Salzen  und  von  Säure  in  gelöster  Form  ver- 
wendet. Auch  hier  geht  dem  wiederholt  auszuführenden  Bleichprocess  immer 
eine  Behandlung  mit  schwach  alkalischen  Laugen  voraus. 

Ganz  ähnlich  werden  auch  Rosshaare,  Kuhhaare,  Kälberhaare, 
Schweinsborsten  etc.  gebleicht 

Zum  Bleichen  von  Papierstoff  oder  Papierzeug  aus  Hadern  verwendet 
man  Chlorkalk,  der  in  dem  Holländer  zugesetzt  wird,  seltener  Chlorgas,  für 
Strohstoff  zur  Papierbereitung  ebenfalls  Chlorkalk,  für  Holzstoff  ebenfalls 
Chlorkalk,  besser  jedoch  schweflige  Säure  oder  saure  schwefligsaure  Salze. 

}ute  soll  nach  Girardoni's  Patent  (25)  durch  Behandlung  mit  Bädern  von 
Chrorosäure,  Chlorkalk  oder  unterchlorigsauren  Alkalien  und  von  übermangan- 
sauren Salzen  gebleicht  werden,  während  Bidtell  (26)  aufeinanderfolgende  Bäder 
von  schwefelsaurem  Anilin  und  übermangansaurem  Kali  mit  schwefelsaurer 
Magnesia  vorschlägt. 

Elfenbein,  Federn  etc.  können  durch  verdunstendes  Terpentinöl, 
Photogen  etc.  durch  die  sogen.  Ozonbleiche  (6)  gebleicht  werden.  Auch  das 
Wasserstoffsuperoxyd  kommt  in  neuester  Zeit  unter  den  Bleichmitteln  in 
Betracht  Schon  vor  langer  Zeit  wurde  es  für  diesen  Zweck  vorgeschlagen  (27), 
neuerdings  hat  Ebell  (28)  gezeigt,  dass  es  sich  zum  Bleichen  von  Federn, 
Haaren  und  Seide  vorzüglich  eignet.  Hierher  gehört  auch  die  Anwendung 
des  Bariumsuperoxydes  (29)  zum  Bleichen  von  Seide  u.  a.  thierischen  Fasern. 
Die  Bleichmittel  wie  Schwefelwasserstoff  (30),  lösliche  Schwefelmetalle(3i) 
Wasserstoffsupersulfid  (32)  haben  sich  nicht  bewährt.  Engler. 

Blut.*)    Das  Blut  (1)  des  Menschen  und  der  Wirbelthiere  ist  eine  dickliche, 
loche,   undurchsichtige  Flüssigkeit  von  fadem,  süsslich-salzigem  Geschmack  und 


^  i)  Hermann,  Handb.  der  Physiologie,  IV.,  i.  Abth.,  pag.  3.  C.  LuDWio,  Lehrb.  d. 
Vtyüoh,  TL  Aufl.,  ü.,  pag.  i.  Kühne,  Lehrb.  d.  physiol.  Chemie,  pag.  160.  v.  Gorup-Bbsanbz, 
Ldab.  d.  physioL  Chemie,  3.  Aufl.,  pag.  338.    Hoppe-Seyler,  Physiologische  Chemie,  pag.  365. 

2o* 


:J^ 


Dem  Bleichen   der  Seide  geht  das  Degummiren    oder  Entschälen  ^: 

voran.   Dabei  wird  der  sogen.  Seidenleim,  der  nach  Mulder  (18)  und  Gramer  (19)'  ;^ 

im  Wesentlichen  aus  einer  in  Wasser  löslichen  leimartigen  Substanz  und  geringen  ;  ^^ 

.•  «'^ 


-L 


1-^'^" 


3o8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

schwachem,   charakteristischem  Geruch,  welche  während  des  Lebens  innerhalb 
eines  besonderen  Röhren-  oder  Gefösssystems  in  beständiger  kreisender  Bewq;ung 


Neues  Handwörterb.  d.  Chemie  von  v.  Fehling,  II.,  pag.  104.    2)  Welker,  Zeitschr.  f.  nOioo. 
Med.  [3],  XX.,  pag.  263.    3)  Ders.,  ebenda,  pag.  279.    4)  Malassez,  Compt  rend.  75,  pag.  1528; 
De  la  numeration  des  globules  rouges  du  sang,  Paris  1873;   Archiv,  de  physioL   1874,  pag.  32. 
5)  Hayem  et  Nachet,   Compt.  rend.  80,  pag.  1083,     6)  Rollet,   Sitzungsber.  d.  Wien.  Akad, 
2.  Abth.  XLVn,  pag.  356;    2.  Abth.  XLVIII,  pag.  178;    siehe  a.  Hermann,  Handb.  d.  PhysioL 
7)  L.  WooLDRiDGE,  Archiv  f.  (Anat.  u.)  Physiol.  1881,  pag.  387.    8)  Hoppe-Seyler,  Med.-chein. 
Untersuchungen,    pag.   133;    physiol-   Chem.,    pag.  366   ff,      9)   W.  Preyer,    Die   Blntkrystilk. 
Jena  1871.    10)  Hoppe-Seyler,  Med. -ehem.  Untersuchungen,  pag.  181;  physiol.  Chemie,  pag.  375- 
11)  V.  Lang,  Sit£.-Ber.  d.  Wien.  Acad.,  math.-naturw.  CL  XL  VI,  2.  Abth.,  pag.  85.     12)  Hom- 
Seyler,  Med.-chem.  Untersuch.,  pag.  189.     13)  Hüfner,   Zeitschr.  f.  physioL  Ch.  4,  pag.  3^2. 
14)  HÜFNER,  Zeitschr.  f.  physiol.  Ch.  i,   pag.  317  u.  386.     15)  Dybkowski,   in  Hoppe-Seyle«, 
Med.-chem.  Untersuchungen,  pag.  128.     16)  Hüfner  u.  Otto,  Zeitschr.  f.  physiol.  Ch.  7,  pag.6s. 
1 7)  Hoppe-Seyler,  W,  Preyer,  d.  Blutkjystalle,  pag.  139.    18)  Weyl  u.  v.  Anrep,  Arch.  f.  (Anat  u.) 
Physiol.  1880,  pag.  227.     19)  Hoppe-Seyler,  Handb.  d.  physiol.  u.  pathol.-chem.  Analyse,  5.  AiA, 
pag.  137;  Med.-chem.  Unters.,  pag.  540.    20)  Hopee-Seyler,  Handb.  d.  physiol.  u.  pathoL-chcm. Ana- 
lyse, 5.  Aufl.,  pag.  241  u.  239.    21)  HöGYES,  Med.  Centralbl.  18,  pag.  289;  Chem.  CentralbL  [3]  n, 
pag.  365.     22)  Hoppe-Seyler,  Her.  d.  deutsch,  chem.  Ges.  7,  pag.  1065.    Maly,  Ann.  d  Chaa. 
u.  Pharm.  163,  pag.  77.     23)  Stokes,  Hoppe-Seyler,   A.  Jäderholm,  Vierordt  u.  A.;  siek 
die  Zusammenstellung  in  Hermann,  Handb.  IV.   i,  pag.  46  ff.     24)  Leichtenstern,  Untersoci 
üb.  d.  Hämoglobulingehalt  des  Blutes;    Leipzig  1878.     25)  Preyer,   die  Blutkrystalle,  pag.  117 
(berechnet  nach  Bestimmungen  von  Becquerel  et  Kodier).    26)  Max  Schultze,  Arch.  f.  mikroskop. 
Anat   I,   pag.  x.     27)  Hayem,  Hämatoblasten :    Arch.  de  physiol.   1878,   pag.  692.     Bizzoze&o, 
Blutplättchen:  ViRCHOW's  Arch.  90,  pag.  261.     28)  Wooldridge,  Arch.  f.  (Anat  u.)  Physiol.  iSSi, 
pag.  387.     Hoppe-Seyler,  Med.-chem.  Untersuch.,  pag.  14a     29)  Miescher  (Eitercellen),  ia 
Hoppe-Seyler,  Med. -chem.  Untersuch,,  pag.  441.    30)  Salomon,  Deutsch-med.  Wochenschr.  1877, 
No.  35.     31)  Nicolai  Heyl,   Zählungsresultate,  betreffend  die   farblosen  und  die   rothen  ffint- 
körperchen;    Inaug.-Dissertat.     Dorpat  1882.     32)  s.   bes.   Alfjc.  Schmidt,    die  Lehre  von  dea 
fermentativen    Gerinnungserscheinungen    in    den    eiweissartigen    thierischen    Körperflttssi^eitea; 
Dorpat  1876   (enthält  einen   zusammenfassenden  Bericht  Über  die  früheren  Arbeiten  des  V^erfs.V 
33)  M.   Edelberg,  Arch.   f.   experim.   Pathol.    12,   pag.  283.     L.   Birk,  das  Fibrinfennent  in 
lebenden  Organismus;  Inaug.-Dissert.    Dorpat  1880.     34)  O.  Hammarsten,  Maly's  Jahresbcr.  $* 
pag.  19;  6,  pag.  15.     35)  Vergl.  Al.  Schmidt,  Pflüger's  Archiv  13,  pag.  146.     Hammarstsn, 
ebenda  14,   pag,  211.     36)  A.  Schmidt-Mülheim,   Arch.   f.  (Anat   u.)  Physiol.   1880,    pag.  3> 
G.   Fang,   ebenda   1881,  pag.  277.     37)  L.   Wooldridge,  Arch.  f.   (Anat.   u.)  PhysioL  1883, 
pag.  389.     38)  F.  Rauschenbach,   über  die   Wechselwirkungen   zwischen  Protoplasma  u.  Bh*- 
plasma;   Inaug.-Dissert     Dorpat  1882.     39)  Albertoni,  Rendiconti  delle  ric.  sperim.  eseg.  nd- 
gabin.   di  flsiol.  della  univ.  di  Siena  1878  (Pankreatin;    ref.   in  Hofmann-Schwalbe,  Jahicsba. 
üb.   d.  Fortschr.   d.  Anat.    u.  Physiol.   1878,   II.  Abth.,   pag.  252);    ders..   Med.   Centr.-Blatt  16, 
pag.  641  (Pepsin,  ref.  a.  a.  O.);    Edelberg,  Birk,  a.  a.  O.  (Fibrinferment);  N.  Bojanus,  experim. 
Beiträge  z.  Physiol.  u.  Pathol.  d.  Blutes  der  Säugeth.,  Inaug.-Dissert.,  Dorpat  1881;    F.  HoFT- 
mann,  ein  Beitrag  zur  Physiol.  u.  Pathol.  d.  farbl.  Blutkörperchen;  Inaug.-Dissert,  Dorpat  1881; 
N.  Heyl,  a.  a.  O.  Qauche,  Fibrinferment).    40)  Fang,  lo  Sperimentale,  Settembre  e  Ottobie  1882. 
41)  Hammarsten,  Pflüger's  Archiv  18,  pag.  11  o.    42)  Ders.,  ebenda  17,  pag.  459.    43)  TnsasL, 
ebenda  23,  pag.  27^.     44)  s.  d.  umfangreiche  Literatiu*  bei  Hermann,  Handb.  d.  Physiol.  4,  L* 
pag.  121.     45)  Abeles,    Wien.   med.  Jahrb.   1875,   P^g-  269.     46)  Picard,   De   la  presence  de 
l'uree  dans  le  sang,  Strassbourg  1856;  Compt  rend.  83,  pag.  991  u.  1179.     47)  Drechsel,  Ber. 
d.  kgl.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  27,  pag.  172.     48)  Garrod,   Transact   of  the  med.  chir.  soc  QA 
London  35,  pag.  83.  '49)  Meissner,  Zeitschr.  f.  rat  Med.  [3]  31,  pag.  148.     50)  Vorr,  Zeitschr. 
f.  BioL  4,  pag.  93.     51)  Spiro,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  i,  pag.  no.     $2)  Meissner  u.  Siä- 
PARD,  Unters.  U.  d.  Entst.  d.  Hippurs.  im  thier.  Organismus,  Hannover  1866,  pag.  15.    53)  R5hrig. 
Ber.  d.  k.  sächs.  Ges.  d   Wiss.  26,  pag.  i.     54)  Zawilski,   Arbeiten  aus  d.  physioL  Anstalt  xa 


V 


Blut.  309 

begriffen  ist.  Diese  wird  durch  die  rhythmischen  Zusammenziehungen  des  Herzens 
hervorgebracht,  welches  bei  den  höheren  Wirbelthieren  doppelt  ist;  aus  dem 
rechten  Herzen  strömt  das  Blut  durch  die  Lungenarterie  in  das  Capillametz  der 
Longe  und  hierauf  durch  die  Lungenvene  in  das  linke  Herz  zurück,  um  von 
hieraus  durch  die  Körperarterien  in  die  Capillaren  des  ganzen  übrigen  Körpers 
zu  fliessen,  worauf  es  durch  die  Körpervenen  in  das  rechte  Herz  zurückkehrt 
und  den  Kreislauf  von  Neuem  beginnt.  An  den  verschiedenen  Punkten  seiner 
Bahn  bat  das  Blut  durchaus  nicht  überall  dieselbe  Beschaffenheit,  vielmehr  zeigt 
es  ganz  bestimmte  Verschiedenheiten,  die  sich  am  auffalligsten  zwischen  dem 
Blute,  welches  aus  den  Lungen  kommt  und  in  die  Körperarterien  geht,  und  dem- 
jenigen, welches  aus  den  Körpercapillaren  kommt  und  durch  die  Körpervenen 
nach  den  Lungen  fliesst,  bemerklich  machen.  Man  unterscheidet  desshalb 
arterielles  und  venöses  Blut.  Ersteres  ist  hellroth,  sauerstoffreich  und  kohlen- 
säurearm, letzteres  dunkel-  bis  schwarzroth,  sauerstoffarm  und  kohlensäurereich. 
Diese  Unterschiede  stehen  in  der  innigsten  Beziehung  zu  der  physiologischen 
Aufgabe  des  Blutes:  den  einzelnen  Organen  und  Geweben  des  Körpers  die 
nötfaigen  Nährstoffe  und  freien  Sauerstoff  zuzuführen  und  die  Produkte  des  Stoff- 


Lcipfig  1876,  pag.  147.  55)  Hammarsten,  in  Hoffmann  u.  Schwalbe,  Jahresber.  d.  Anat.  u. 
PbjrsioL  7,  2.  Abth.,  pag.  253.  56)  Sktschenow,  Mem.  de  TAcad.  imp.  d.  scienc.  de  St.  Peters- 
lourg  26,  7me  ser.  No.  13  (1879).  57)  Maly,  Sitzungsber.  d.  k.  Acad.  d.  Wiss.  zu  Wien  85, 
m  Abth.,  pag.  314.  58)  G.  Bunge,  Zeitschr.  f.  Biol.  12,  pag.  191.  59)  Derselbe  ttb.  d.  Be- 
deutung d.  Kochsalzes  u.  d.  Verhalten  d.  Kalisalze  im  menschlichen  Organismus;  Inaug.-Diss. 
Doipat  1873.  60)  Ders.,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  3,  pag.  63.  6i)  Vergl.  besonders:  Flügge, 
Zeitschr.  f.  Biol.  13,  pag.  133.  Drosdoff,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  i,  pag.  233.  62)  C.  Ludwig 
0.  Alex.  Schmidt,  Verh.  d.  k.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.,  math.-physik.  Classe,  1867,  pag.  30. 
63)  E.  Pflügsr,  Unters,  a.  d.  physiol.  Laborat  zu  Bonn;  Berlin  1865.  64)  Robert  Boyle, 
Nova  ezperimenta  pneumatica  respirationem  spectantia,  V.,  pag.  118;  XIII.,  pag.  31.  Genevae 
1636;  s.  d.  Literaturzusammenstellung  von  Zuntz  in  Hermann,  Handb.  d.  Physiol.  4,  IL,  pag.  24. 
65)  Lothar  Meyer,  die  Gase  des  Blutes,  Göttingen  1857,  auch  Zeitschr.  f.  rat  Med.,  N.  F.  8, 
pag.  256.  66)  C.  Ludwig,  Zusammenstellung  d.  Unters,  tlb.  Blutgase,  welche  a.  d.  physiol.  An- 
stalt d.  Josefs-Acad.  hervorgegangen  sind,  im  Med.  Jahrb.  Wien  1865.  67)  £.  Pflüger,  Arch. 
t  d.  ges.  Physiol.  i,  pag.  61  u.  274.  68)  Ders.  Üb.  d.  Kohlensäure  des  Blutes,  pag.  6.  Bonn 
1864.  69)  VergL  Hofpe-Seyler,  Handb.  d.  physiologisch-  u.  pathologisch-chemischen  Analyse, 
5.  Aufl.,  pag.  427  ff.  70)  Preykr,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  140,  pag.  187.  71)  Vierordt, 
Die  Anwendung  des  Spectralappaiates  zur  Photometrie  d.  Absorptionsspectren  u.  zur  quantit.  chem. 
Analyse;  TUbingen  1873.  7*)  Hüfner,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  3,  pag.  1.  73)  Hammarsten, 
Pflüger's  Archiv  17,  pag.  447  u.  457.  74)  Pribram,  Ber.  d.  kgl.  Sächs.  Ges.  d.  Wiss.  23, 
pag.  279.  Gerlach,  ebenda  24,  pag.  349.  75)  Welcker,  Prager  Vierteljahresschr.  4,  pag.  1 1 ; 
Zeitschr.  f.  rat.  Med.  [3]  4,  pag.  145.  Heidenhain,  Arch.  f.  physi«l.  Heilk.  N.  F.  i,  pag.  507. 
Gscheidlen,  Pflüger's  Arch.  7,  pag.  530.  76)  Grähant  et  Quinquaud,  Compt.  rend.  94, 
pag.  145a  77)  Vergl.  d.  Tabelle  bei  Hoppe-Seyler,  Physiol.  Chem.,  pag.  462.  78)  Hoppe- 
SiYLER,  Handb.  d.  physiol.  u.  pathol.  chem.  Analyse,  5.  Aufl.,  pag.  529.  Vergl.  auch  F.  Selmi, 
Plann.  Centralh.  20,  pag.  221,  u.  Zeitschr.  f.  anal.  Chem.  19,  pag.  129.  D.  Vitali,  Ber.  d.  d. 
cbem.  Ge«.  12,  pag.  684,  u.  13,  pag.  1887.  H.  Schmid,  Med.  Centralbl-  17,  pag.  608.  H.  Struve, 
VacHOW's  Archiv  79,  pag.  524.  Vibert,  Arch.  de  physiol.  9,  pag.  48.  V.  Schwarz,  2^itschr. 
l  anal  Ch.  21,  pag.  311.  79)  TiegIel,  Pflüger's  Archiv  23,  pag.  278.  80)  L.  Fr^dericq, 
Compt  rend.  87,  pag.  996;  Bull,  de  l'Acad.  Roy.  de  Belg.  [2]  47,  pag.  409.  81)  Krukenberg, 
Med.  CentialbL  18,  pag.  417.  82)  L.  Fr^^cg,  BulL  de  l'Acad.  Roy.  de  Belg.  [3]  i,  No.  4. 
83)  Ders.,  Archives  de  Biologie  i,  pag.  457.  84)  A.  £.  Burckhardt,  Arch.  f.  exper.  Pathol. 
0.  Phaimakol.  16,  pag.  322.  85)  A.  Schöffer,  Med.  Centralbl.  1866,  pag.  657.  86)  Vergl. 
besonders  EuGJCNX  Lambung,  Des  proc^des  de  dosage  de  l'hemoglobine;   Nancy  1882. 


3IO  Handwörterbuch  der  Chemie. 

wechseis  aus  denselben  fortzuschafTen.  Gewisse  Organe,  besonders  Nieren  und 
Lunge,  haben  die  besondere  Aufgabe  das  Blut  von  diesen  Abfallstoffen  zu  be- 
freien und  ihm  neuen  Sauerstoff"  zuzuführen. 

Das  Blut  fühlt  sich  klebrig  an;  es  ist  schwerer  als  Wasser  und  sein  spec 
Gew.    schwankt   beim  Menschen  zwischen    1-045    und   1-075.     Sobald  das  Blut 
aus  dem  Körper  heraustritt,  fängt  es  an,  sich  in  eigenthümlicher  Weise  zu  ver- 
ändern, indem  es  gerinnt;  es  gesteht  zunächst  binnen  kurzer  Zeit,  einigen  Minuten, 
zu  einer  zitternden  Gallerte,  welche  allmählich  fester  wird,  sich  zusammenzieht 
und  dabei  eine  farblose  bis  röthlich-gelbe,  klare  Flüssigkeit  das  Blutserum,  aus- 
presst,  welches  über  der  festen,  rothen,  geronnenen  Masse   dem  Blutkuchen, 
steht.    Letzterer  zeigt  die  Form  des  Gefasses,  in  welchem  die  Gerinnung  vor  sich 
gegangen,  in  verjüngtem  Maassstabe.    Wird  dagegen  das  frisch  aus  der  Ader  ge- 
lassene Blut  mit  einem  festen  Körper,  einem  Glasstabe,  geschlagen  oder  gequirlt, 
so  bleibt  es  flüssig  und  roth,  während  sich  an  dem  Glasstabe  eine  geronnene 
Masse  das  Blutfibrin,  in  dicken  aufgequollenen,  nur  seh wachröthlichen  Massen 
absetzt    Das  rückständige  flüssige  rothe  Blut  bezeichnet  man  als  defibrinirtes 
Blut.     Im  Allgemeinen  gerinnt  das  Blut  um  so  schneller,  je  verdünnter  es  ist 
(z.  B.   nach    wiederholten  Aderlassen   oder   bei  Hydraemie)  und  je  reicher  an 
Sauerstoff*  und  je  ärmer  an  Kohlensäure  es  ist  (arterielles  Blut  gerinnt  rascher 
als  venöses).    Kühlt  man  das  Blut  unmittelbar  nach  dem  Austritte  aus  dem  Körper 
möglichst  rasch  auf  0^  ab,  oder  fängt  man  es  in  conc.  Salzlösungen  auf,  so  ge- 
rinnt es  nicht,  sondern  bleibt  flüssig  (s.  u.  Blutgerinnung). 

Unter  dem  Mikroskop  erscheint  das  Blut  als  eine  nahezu  farblose  Flüssig- 
keit, in  welcher  eine  ausserordentlich  grosse  Menge  meist  gefärbter  fester  Bc- 
standtheile  aufgeschwemmt  ist;  die  Gegenwart  derselben  kann  man  schon  mit 
blossem  Auge  wahrnehmen,  wenn  man  einen  an  einer  Glaswand  herabrinnenden 
Tropfen  defibrinirten  Blutes  betrachtet:  man  bemerkt  ein  eigenthümliches  Flimmern, 
ähnlich  demjenigen  in  Flüssigkeiten,  welche  fein  krystallinische  Niederschläge 
suspendirt  enthalten.  Demgemäss  muss  zwischen  flüssigen,  bez.  gelösten  und 
festen,  nur  aufgeschwemmten  Bestandtheilen  des  Blutes  unterschieden  werden. 

L  Aufgeschwemmte  morphotische  Bestandtheile  des  Blutes.  Als 
solche  sind  gefunden  worden:  rothe  und  farblose  oder  weisse  Blutkörperchen, 
sowie  andere,  weniger  genau  bekaimte  Elemente,  welche  als  Körnerkugeln, 
Körnchenhaufen,  Haematoblasten,  Blutplättchen  u.  s.  w.  beschrieben  worden 
sind,  welche  aber  vermuthlich  nur  Umwandlungs-  oder  Zerfallsprodukte  der  weissen 
Körperchen  darstellen. 

1.  Die  rothen  Blutkörperchen  (Blutzellen,  Blutscheiben)  sind  beim 
Menschen  und  fast  allen  Säugethieren  kleine  kreisrunde  Scheiben  mit  einer  cen- 
tralen Depression  auf  beiden  Seiten,  so  dass  der  Querschnitt  die  Form  einer 
Hantel  oder  eines  Biscuits  zeigt.  Kreisförmigen  Umriss  haben  auch  die  Blut- 
körperchen der  Cydostomen;  dagegen  sind  diejenigen  des  Kameeis  und  des 
Lamas  unter  den  Säugern,  sowie  die  der  Vögel,  Amphibien  und  der  meisten  Fische 
elliptische  Scheibchen.  Einen  Kern  besitzen  nur  die  Blutkörperchen  der  letzt- 
genannten drei  Wirbelthierklassen,  nicht  die  des  Menschen  und  der  Sliugetbiere. 
Die  rothen  Blutkörperchen  sind  die  Träger  des  Blutfarbstoffes;  unter  dem  Mikro- 
skope erscheinen  sie  aber  nicht  roth,  sondern  gelblich  oder  grünlich,  erst  wenn 
mehrere  übereinanderliegen,  tritt  die  rothe  Farbe  auf.  Sie  sind  äusserst  dehnbar 
und  elastisch,  sodass  sie  die  feinsten  Capillaren  in  Gestalt  von  Fäden  durch- 
wandern können  imd  hernach  vollkommen  ihre  alte  Gestalt  wieder  annehmen. 


Blut. 


3" 


In  den  Präparaten  ordnen  sie  sich  häufig  geldrollenartig  an.  Die  Grösse  dieser 
Gebilde  ist  ausserordentlich  gering;  beim  Menschen  ist  ihr  Durchmesser  im 
Mittel  =  7-74  ji  (ji  =  0-001  Millim),  ihre  Dicke  =  1-90  [i.  gefunden  worden,  und 
ihr  mittleres  Volum  hat  man  zu  etwa  0000000072217  Cmm.,  ihre  Oberfläche 
zu  0-0001280  DMillim.  geschätzt  (Welker)  (2).  Folgende  Tabelle  enthält  die 
Grösse  des  Durchmessers  der  Blutkörperchen  bei  verschiedenen  Thieren  nach 
Welker  (3): 


Kreisscheibeiilbniuge 
Blutkörperchen  von 


Durchmesser 


Hund  . 
Katze 
Kaninchen 
Schaf  . 
Ziege  (alt) 
Ziege  (8  Tage) 
Moschus  Jcammcus 
PttroinyuoH  tnoti  . 
Ammacoet.  branch. 


7-3  1* 
6-5  fx 
6-9  Ht 
50  H^ 
41  fi 
5*4  H' 
2-5  1* 
150  fx 
11-7  |Ji 


Elliptische  Körpercken 
von 


Lama  .  .  . 
Taube  (alt)  . 
Taube  (flügge) 
Ente  .  .  . 
Rana  temp, 
Triton  crisL  . 
Proteus  oftgu, 
Stöhr  .  .  . 
Lepidosiren  annect. 


langer 
Durchmesser 


80  fx 
14-7  fx 
13-7  fx 
12-9  fx 
22-3  (X 
29-3  fx 
58-2~57-9  fx 
13*4  (X 
410  fx 


Durchmesser 


4-0  fx 

6-5  |x 

7-8  fx 

80  fx 

15-7  fx 

19-5  fx 

33-7~35-6  IX 

10-4  fx 

290  fx 


Die  Anzahl  dieser  Gebilde  im  Blute  ist  ausserordentlich  gross;  sie  beträgt 
beim  Menschen  etwa  5000000  in  1  Cmm.,  doch  sind  die  Zahlen  je  nach  Alter, 
Geschlecht,  Ernährungszustand,  Lebensweise  etwas  schwankend,  und  bei  gewissen 
Krankheiten,  wie  Anaemie  und  Leukaemie,  kann  ihre  Anzahl  beträchtlich  sinken. 
Dieselbe  wird  bestimmt,  indem  man  ein  genau  gemessenes  kleines  Blutvolum 
mit  einer  genau  gemessenen  Menge  einer  Salzlösung  stark  verdünnt  und  mit 
dieser  Mischung  einen  genau  calibrirten  Capillarraum  füllt;  die  in  diesem  be- 
findlichen Körperchen  werden  sodann  unter  dem  Mikroskope  gezählt  [Welker, 
Malassez  (4)  Hayem  (5)  u.  A].  Unter  der  Annahme,  dass  1  Cmm.  menschliches 
Blut  im  Mittel  5000000  Körperchen  von  dem  oben  angegebenen  Volum  und 
Oberfläche  enthält,  ergiebt  sich  der  Gehalt  des  Blutes  an  Körperchen  zu  36  Vol.- 
Proc.  und  die  Gesammtoberfläche  aller  Körperchen  in  1  Cmm.  zu  640  D  Millim. 
(Welker).  Diese  Zahlen  zeigen  deutlich,  welche  ungeheure  Fläche  diese  Gebilde 
den  auf  sie  wirkenden  Gasen  darbieten. 

Gegen  äussere  Einflüsse  zeigen  die  Blutkörperchen  nur  eine  geringe  Resistenz. 
Lässt  man  elektrische  Entladungsschläge  durch  Blut  hindurchgehen,  so  wird 
dasselbe  allmählig  lackfarben;  die  Körperchen  bekommen  dabei  zunächst  einen 
gekerbten  Rand,  werden  rosettenförmig,  dann  maulbeerförmig,  nehmen  hierauf 
unter  Verschmächdgung  der  Zacken  mehr  die  Form  eines  Stechapfels  an,  ziehen 
dann  die  Zacken  ein  und  gehen  in  eine  gefärbte  Kugel  über,  welche  allmählig 
verblasst  und  einen  schwach  lichtbrechenden,  ungefärbten  Rest  hinterlässt 
(Rollett)  (6).  Dieser  wird  als  das  Stroma  der  Blutkörperchen  bezeichnet;  er 
hinterbleibt  auch  zunächst,  wenn  die  Körperchen  durch  öfteres  Gefrieren  und 
Wiederaufthauenlassen  zerstört  werden,  zerfallt  aber  bei  längerer  Einwirkung  der 
elektrischen  Schläge  wie  des  Temperaturwechsels  in  immer  kleinere  Bruchstücke 
und  verschwindet  zuletzt  ganz.  Während  dieser  Zerstörungsprocesse  löst  sich 
der  Farbstoff  der  Körperchen  in  der  Blutflüssigkeit  auf,  das  Blut  wird  dunkler 
und  durchscheinend,  lackfarben.  Dieselbe  Veränderung  erleidet  das  Blut  durch 
2^satz  verschiedener  Stofie,  wie  Wasser,  Aether,  gepulverte  Salze,  Galle  oder 
gallensaure  Alkalien;  die  Stromata  quellen  dabei  in  solchem  Grade  auf,  dass  sie 
durchsichtig   und   desshalb    in   der  dunkelrothen  Flüssigkeit  unsichtbar  werden. 


312  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Fügt   man   aber  dieser  ein  paar  Tropfen  einer  stark  verdünnten  Säure  zu,  sc 
schrumpfen   sie  wieder  auf  ihr  früheres  Volum   und  scheiden  sich  als  flockiger 
Niederschlag  ab.     Auf  dieses  Verhalten    gründet  L.  Wooldridge  (7)  folgendes 
Verfahren  zur  Darstellung  des  Stromas  in  grösserer  Menge.    Frisches  defibriniites 
Blut  wird  centrifugirt  und  der  rothe  Körperchenbrei  so  oft  mit  2%  NaCl-Lösungauf 
der  Centrifuge  ausgewaschen,  bis  das  Serum  entfernt  ist.     Hierauf  wird  er  mit 
5—6  Vol.  Wasser  vermischt,  und  soviel  reiner,   alk,ohol-  und  säurefreier  Aether 
zugesetzt,  bis  die  Mischung  ganz  durchsichtig  geworden  ist;  alsdann  wird  sie  noch 
so  lange  centrifugirt,  bis  sich  keine  Leukocyten  (s.  u.)   mehr  daraus    absetzen. 
Zu  der  nun  erst  vollkommen  klaren  Flüssigkeit  fügt  man  solange  tropfenweise 
eine  1^  Lösung  von  saurem  schwefelsaurem  Natron  hinzu,  bis  sie  ähnlich  trübe 
erscheint  wie  frisches  Blut;  die  Stromata  ballen  sich  rasch  zusammen,  senken 
sich  und  können  nun  abfiltrirt  und  auf  dem  Filter  ausgewaschen  werden.    Unter 
dem  Mikroskope  zeigen  sie  noch  die  Form  der  Blutkörperchen,  sie  haben  aber 
das  Vermögen  in  reinem  oder  aetherhaltigem  Wasser  zu  quellen  verloren.    Frisch 
dargestellt  sind  sie  in  0*2^  Salzsäure  vollkommen  löslich;  bei  längerem  Aufbe- 
wahren unter  Wasser  in  einem  kalten  Räume,  wird  ein  Theil  des  Stromas  unlös- 
lich in  der  Säure  und  verhält  sich  dann  ähnlich  dem  Nuclein.     In  der  Regel  i^ 
das  Stroma  nicht  absolut  farblos,  sondern  enthält  eine  Spur  Hämoglobin,  welche 
sich   nicht    auswaschen   lässt.     Als  Bestandtheile   desselben    fand  WooLDRmGE*. 
Cholesterin,  Lecithin,  Paraglobulin  und  eine  Art  Nucleoalbumin,  zuweilen  auch 
Spuren  von  Kalk  und  Eisen.    Hoppe-Seyler  (8)  hatte  früher  ebenfalls  Cholesterin, 
Protagon  (bez.  Lecithin)  und  Albuminkörper  gefunden. 

Mit   dem  Stroma   steht   der  Blutfarbstoff  das  Hämoglobin  (9)   auch  Hä- 
matoglobulin    oder  Hämatocrystallin  genannt)  vielleicht  in  lockerer    chemischer 
Verbindung,  da  er  durch  die  Blutflüssigkeit  unter  gewöhnlichen  Umständen  nicht 
aus  den  Körperchen  ausgezogen  wird,   sondern  nur,  wenn  diese  eine  Quellung 
oder  Zersetzung  erleiden.     Das  Hämoglobin  ist  ausgezeichnet  durch   sein   Ver- 
mögen  mit  Gasen,  besonders  Sauerstoff,  eigenthümliche,  lockere  Verbindungen 
zu  bilden,  welche  zum  Theil  leicht  und  schön  krystallisiren.     Zur  Darstellung 
der  SauerstofFvrerbindung,  des  sogen.  Oxyhämoglobins,  benutzt  man  am  besten 
Pferde-  oder  Hundeblut,  dessen  Körperchen  man  nach  dem  Defibriniren  sich  ab- 
setzen lässt  und  dann  durch  öfteres  Decantiren  mit  0*5->2f  NaCl-Lösung  vom 
Serum  befreit,  wobei  eine  Centrifuge  die  besten  Dienste  leistet.    Der  gewaschene 
Blutkörperchenbrei  wird  sodann  mit  etwas  Wasser  und  soviel   reinem  (alkohol- 
und    säurefreiem)  Aether   versetzt,   bis  eine  klare  rothe  Lösung  entstanden  ist, 
welche  man  zweckmässig  noch  so  lange  centrifugirt,   bis  sich  keine  Leukocjten 
mehr  daraus  absetzen.    Dann  kühlt  man  die  völlig  klare  Lösung  auf  0°  ab,  und 
setzt,  falls  nicht  direkt  Krystallisation  eintritt,  ^  Vol.  reinen,   auf  0°  abgekühlten 
Alkohol  in  ganz  kleinen  Mengen  unter  gutem  Umrühren  hinzu,  schüttelt  noch 
mit  atmosphärischer  Luft  oder  Sauerstoffgas,   und  lässt  24 — 48  Stunden  bei  —  5 
bis  —  lO*'  stehen.     War   die  Lösung  einigermassen   concentrirt,   so  gesteht  sie 
fast  ganz  zu  einer  glitzernden  Krystallmasse.    Die  Krystalle  werden  abfiltrirt,  mit 
kleinen  Mengen   eiskalten  Wassers  gewaschen,  und  durch  UmkrTstallisiren    aus 
möglichst  wenig  Wasser  von  20—30°  durch  Abkühlen  und  Versetzen  mit  ^  Vol. 
Alkohol  gereinigt;  schliesslich  trocknet  man  sie  unter  0°  über  conc.  Schwefel- 
säure.    Grosse  Verluste  sind  indessen  bei  diesem  Verfahren  unvermeidlich,   da 
sich  beim  Wiederauflösen  der  Krystalle  in  lauem  Wasser  stets  ein  Theil  derselben 
zersetzt  (10).     Nicht  alle  Blutarten  eignen  sich  gleich  gut  zur  Darstellung  der 


Blut.  313  ^:-k 

■•■-••^ 

Krystalle;  am  leichtesten  krystallisiren  Meerschweinchen-,  Eichhörnchen-,  Ratten-,  ;^ 

Hunde-,  Pferde-  und  Katzenblut,  weniger  leicht  Menschen-,  Schaf-  und  Kaninchen- 
blut, noch  schwieriger  Schweine-,  Rinder-  und  Froschblut.    Ausser  im  Blute  der  ,  y^u 
Wirbelthiere  findet  sich  das  Hämoglobin  auch  in  den  rothen  Muskeln  derselben,  .,^^ 
sowie  auch  bei  einigen  Wirbellosen,  z.  B.  Lumbricusy  Ophiactes.                                          ..-•:;* 
Die  Krystalle  des  Oxyhämoglobins  zeigen  je  nach  der  Blutart,  der  sie  ent  -^ 
stammen,  gewisse  Verschiedenheiten  in  ihrer  Form  und  in  Wassergehalt;  meist 
sind  sie  prismatisch  oder  nadeiförmig,  bei  Meerschweinchen  und  Ratten  dagegen 
ihombische  Tetraeder  (11)  und  nur  beim  Eichhörnchen  hexagonale  Tafeln,  alle 
aber    sind   pleochromatisch.      Der    Gehalt   an    Krystallwasser   beträgt   3— 9*4^, 
welches  beim  Erhitzen  der  untet  0*^  getrockneten  Krystalle  auf  110°  ohne  Zer- 
setzung derselben  entweicht    In  Wasser  sind  die  Krystalle  verschiedener  Her- 
kunft ungleich  löslich;  diejenigen  aus  Gänseblut  lösen  sich  sehr  leicht,  schwerer 
die  aus  Pferdeblut,  noch  schwerer  die  aus  Hunde-  und  Eichhömchenblut  und 
am  schwierigsten  die  aus  Ratten-  und  Meerschweinchenblut.    In  der  Kälte  werden 
sie  durch  wenig  Alkohol  unverändert  aus  ihren  Lösungen  ausgefallt,  durch  starken 
Alkohol  werden  sie  aber  zersetzt,  ebenso  durch  Kochen  mit  Wasser.    Das  Hämo- 
globin ist  durch  seinen  Gehalt  an  Eisen  ausgezeichnet,  welches  in  organischer 
Verbindung  darin  enthalten  ist,  d.  h.  durch  die  gewöhnlichen  Reagentien  nicht 
unmittelbar   nachgewiesen  werden  kann,    aber  beim  Verbrennen    der  Krystalle 
als  rothe  Asche  (Eisenoxyd)  zurückbleibt.     Die  procentische  Zusammensetzung 
der  Krystalle  verschiedenen  Ursprungs  wurde  fast  identisch  gefunden;  flir  Hunde- 
blutkrystalle    z.   B.:    0:53-85^;    H:7.32^;    N:  16.17*.    S :  0-39*;    Fe:0.43J; 
0 :  21-84  f  (in  Mittel)  (12).    Ob  die  Krystalle  verschiedener  Herkunft  als  chemisch 
identisch  anzusehen  sind,  ist  mindestens  zweifelhaft;  die  bedeutenden  Unterschiede 
hinsichtlich   der  Form    und   der  Löslichkeit   deuten    vielmehr   auf  die  Existenz 
verschiedener  Hämoglobine  hin. 

Schon  oben  wurde  darauf  hingewiesen,  dass  das  Hämoglobin  sich  mit  Gasen 
zu  verbinden  vermag,  und  die  beschriebenen  Krystalle  sind  denn  auch  Sauer- 
stoff- oder  Oxyhämoglobin.  Wird  die  wässrige  Lösung  desselben  ins  Vacuum 
gebracht  oder  em  Wasserstoffstrom  durch  dieselbe  hindurchgeleitet,  so  entweicht 
der  nur  lose  gebundene  Sauerstoff  und  es  hinterbleibt  eine  Lösung  von  reinem 
Hämoglobin.  Dieses  ist  auch  krystallisirbar,  doch  nur  schwierig  (Rollett, 
KüHNE^;  lässt  man  Blut  in  einer  zugeschmolzenen  Glasröhre  faulen  (wodurch  die 
Eiweisskörper  zerstört,  das  Oxyhämoglobin  aber  nur  in  Hämoglobin  verwandelt 
wird),  so  erhielt  man  eine  dunkelpurpume  Flüssigkeit,  aus  der  beim  Eintrocknen 
dünner  Schichten  Krystalle  von  Hämoglobin  anschiessen  (13).  Auch  durch  ge- 
wisse Reductionsmittel,  wie  Schwefelammonium,  weinsaures  Eisenoxydulamraon  etc. 
wird  Oxyhämoglobin  in  wässriger  Lösung  in  Hämoglobin  umgewandelt.  1  Grm. 
des  letzteren  vermag  nach  den  neuesten,  genauesten  Bestimmungen  1*16  Cc.  Sauer- 
stoff (bei  0**  und  1  Meter  Hg-Druck  (14)  zu  binden,  nach  älteren  1-566  Cc.  (15). 
Diese  Fähigkeit  des  Hämoglobins  sich  mit  Sauerstoflf  zu  verbinden,  ist  von  der 
höchsten  physiologischen  Bedeutung,  da  auf  derselben  die  Umwandlung  des 
venösen  Blutes  in  arterielles  und  der  Transport  von  atmosphärischem  Sauerstoff 
in  die  Gewebe  und  Organe  des  thierischen  Organismus  beruht. 

Ausser  dem  Oxyhämoglobin  existirt  noch  eine  andere  Verbindung  des  Hättvo^ 
globins  mit  Sauerstoff  das  Methämoglobin,  welches   bei   der  Einwirkung    g^^ 
wisser  Oxydationsmittel,  wie  Ferridcyankalium,  Chamäleon  etc.,  auf  Hämog\o\>\^ 
entsteht.    Dasselbe  (vom  Schwein)  krystallisirt  in  rehfarbenen,  mikroskopiscVi^^ 


314  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Nadeln  und  Prismen^  ist  in  Wasser  mit  brauner  Farbe  löslich,  kann  nicht  durch 
blosses  Auspumpen,  wohl  aber  durch  Fäulniss  in  Hämoglobin  übergeführt  werden 
(i6).  Ob  das  Methämoglobin  mehr  oder  weniger  Sauerstoff  enthält  als  das 
Oxyhämoglobin  ist  noch  nicht  entschieden. 

Mit  Kohlenoxyd  vereinigt  sich  Hämoglobin  sehr  leicht  zu  Kohlenoxyd- 
häraoglobin  (17),  welches  auch  entsteht,  wenn  man  das  genannte  Gas  durch 
eine  Lösung  von  Oxyhämoglobin  hindurchleitet,  wobei  der  Sauerstoff  ausgetrieben 
wird.  Es  bildet  bläulichrothe  Krystalle,  die  etwas  schwerer  löslich  sind  als  die 
des  Oxyhämoglobins.  Durch  Reductionsmittel  wird  das  Kohlenoxydhämoglobin 
nicht  verändert,  daher  behält  mit  Kohlenoxyd  vergiftetes  und  dadurch  hdlrotfa 
gewordenes  Blut  beim  Faulen  seine  helle  Farbe;  gegen  Oxydationsmittel 
(Chamäleon,  chlorsaures  Kali,  Jodjodkalium)  ist  es  widerstandsfähiger  als  Oxf- 
hämoglobin  (18). 

Femer  verbindet  sich  Hämoglobin  mit  Stickoxyd,  Acetylen,  Cyanwasserstofi, 
und  zwar  nimmt  1  Grm.  desselben  von  allen  diesen  Gasen  stets  dasselbe  Volum 
wie  von  Sauerstoff  auf. 

Das  Hämoglobin  zeigt  schwach  saure  Eigenschaften;  es  vermag  im  Vacuum 
kohlensaure  Alkalien  ;zu  zersetzen.  In  Folge  dessen  entweicht  im  Vacuum  nicht 
nur  die  locker  gebundene  oder  sogen,  auspumpbare  Kohlensäure  des  Serums  aus 
dem  ganzen  Blut,  sondern  die  Gesamtmenge  derselben,  indem  sich  das  Hämo- 
globin der  Körperchen  in  der  Flüssigkeit  löst. 

Durch  Erhitzen  seiner  wässrigen  Lösung  für  sich  und  besonders  mit  Säuren 
oder  Alkalien  wird  das  Oxyhämoglobin  leicht  zersetzt  unter  Bildung  von  Eiwdss- 
Stoffen  (Acidalbuminen,  bez.  Albuminaten)  und  einen  eisenhaltigen  Farbstoff,  dem 
Hämatin;  ausserdem  entstehen  geringe  Mengen  von  Ameisensäure,  Buttersäure 
und  Kohlensäure.  Das  Hämatin  entsteht  indessen  nicht  unmittelbar  aus  dem 
Blutfarbstoff,  sondern  aus  sauerstofffreiem  Hämoglobin  wird  durch  Säurewirkung 
zunächst  ein  mit  purpurrother  Farbe  löslicher  Körper,  das  Hämochromogen, 
gebildet,  welches  bei  Zutritt  von  Sauerstoff  in  Hämatin  übergeht,  bei  Abwesen- 
heit desselben  unter  weiterer  Säurewirkung  aber  in  eisenfreies  Hämatopor- 
phyrin  (19).  Zur  Darstellung  des  Hämatins  bereitet  man  sich  zweckmässig  erst 
die  Verbindung  desselben  mit  Salzsäure,  das  sogen.  Häm in,  indem  man  defibri- 
nirtes  Blut  mit  einem  grossen  Ueberschuss  einer  Mischung  von  1  Vol.  gesättigter 
Kochsalzlösung  und  10—20  Vol.  Wasser  versetzt,  die  nach  24  Stunden  abgesetzten 
Körperchen  mit  Wasser  in  einen  Kolben  bringt,  mit  dem  halben  Volum  Aethcr 
schüttelt,  den  Aether  abhebt,  die  wässrige  Blutfarbstofflösung  filtrirt  und  in 
flachen  Schalen  bei  gewöhnlicher  Temperatur  zum  Syrup  verdunstet.  Dieser  wird 
sodann  mit  10 — 20  Vol.  Eisessig  vermischt  und  ein  bis  zwei  Stunden  auf  dem 
Wasserbade  erhitzt,  wobei  sich  Häminkrystalle  abscheiden;  das  Ganze  wird  sodann 
mit  dem  mehrfachen  Vol.  Wasser  verdünnt  und  absitzen  gelassen.  Der  Kiystall- 
brei  wird  zur  möglichst  vollständigen  Reinigung  erst  mit  Wasser  gewaschen,  dann 
mit  starker  Essigsäure  ausgekocht,  bis  alles  Eiweiss  daraus  gelöst  ist,  wieder  mit 
Wasser  decantirt,  dann  filtrirt  und  mit  Alkohol  und  Aether  gewaschen.  Werden 
diese  Krystalle  in  äusserst  verdünnter  Kalilauge  gelöst  und  die  filtrirte  Lösung 
mit  verdünnter  Salzsäure  versetzt,  so  fällt  Hämatin  als  brauner,  flockiger  Nieder- 
schlag aus,  der  mit  heissem  Wasser  vollständig  ausgewaschen  und  dann  getrocknet 
wird  (zuletzt  bei  120—150°)  (20).  So  dargestelltes  Hämatin  ist  blAuschwars, 
lebhaft  metallglänzend,  aber  nicht  erkennbar  krystallinisch;  zerrieben  giebt  es 
ein  braunes  Pulver.    Beim  Erhitzen  zersetzt  es  sich  erst  oberhalb  180*^.  ohne  zu 


j 


Blut.  315 

schmelzen  unter  Entwickelung  von  Blausäure  \ind  Hinterlassung  einer  Asche  von 
£isenoxyd  (12*6J^).  In  Wasser,  Alkohol,  Aether  oder  Chloroform  jst  Hämatin 
ganz  unlöslich,  ein  wenig  dagegen  in  Eisessig;  von  wässrigen  Säuren  wird  es 
gar  nicht,  von  alkoholischen  etwas  gelöst,  mit  grösster  Leichtigkeit  dagegen  von 
ätzenden  und  kohlensauren  Alkalien  und  selbst  von  Alkohol  bei  Gegenwart  von 
kohlensaurem  Kali.  Diese  alkalischen  Lösungen  sind  schön  roth,  in  dünnen 
Schichten  olivengrün,  die  sauren  dagegen  braun.  Gegen  Alkalien  ist  Hämatin 
sehr  beständig,  etwas  gegen  concentrirte  Salzsäure;  von  verdünnter  Salpetersäure 
wird  es  beim  Kochen  langsam  angegrififen,  schnell  von  Chlor  in  alkalischer 
Lösung,  und  von  concentrirter  Schwefelsäure  wird  es  unter  Abspaltung  von  Eisen 
in  einen  rothen  Farbstoff  (Hämatopoiphyrin)  umgewandelt.  Die  Zusammensetzung 
des  Haematins  entspricht  der  Formel  CggHjoNgFejOio»  mit  Salzsäure  verbindet 
es  sich  unter  gewissen  Umständen  zu  Hämin:  CßgH^QNgFcjOjQ  -4-  2HC1.  Dieses 
bildet  ein  blauschwarzes,  seideglänzendes,  aus  lauter  mikroskopischen,  braun  durch- 
sichtigen, jQachen  rhombischen  Prismen  bestehendes  Krystallpulver;  nach  Högyes 
sind  die  Krystalle  aber  wahrscheinlich  triklinisch  und  stets  von  derselben  Form, 
gleichgültig,  in  welchen  Formen  das  zur  Darstellung  verwandte  Hämoglobin 
krystallisirt  (21).  In  Wasser  ist  es  völlig  unlöslich,  kaum  löslich  in  heissem 
Alkohol  oder  Aether,  sehr  leicht  in  ätzenden  und  kohlensauren  Alkalien:  aus 
letzteren  Lösungen  lallt  Salpetersäure  Hämatin  aus,  und  in  der  Mutterlauge 
kann  dann  das  Chlor  durch  Silber  bestimmt  werden.  Mit  concentrirter  Schwefel- 
säure entwickelt  das  Hämin  Salzsäure,  es  ist  also  eine  salzartige  Verbindung 
von  Hämatin  mit  Salzsäure. 

Das  Hämatin  vermag  sich  auch  mit  den  alkalischen  Erden  zu  braunen,  un- 
löslichen Verbindungen  zu  vereinigen.  Von  besonderem  Interesse  ist  der 
Zusammenhang  des  Hämatins  mit  dem  Bilirubin  und  dem  Urobilin,  den  Farb- 
stoffen der  Galle  und  des  Harns:  derselbe  ist  zwar  noch  nicht  vollkommen  klar 
gelegt,  da  es  noch  nicht  gelungen  ist,  Bilirubin  aus  Hämatin  darzustellen,  aber 
er  ist  ganz  unzweifelhaft  erwiesen,  da  sowohl  Hämatin  (und  Hämochromogen) 
als  auch  Bilirubin  durch  Behandlung  mit  starken  Reductionsmitteln,  wie  Zinn  und 
Salzsäure,  leicht  in  Hydrobilirubin  bez.  Urobilin  umgewandelt  werden  (22).  Ein 
weiterer  Beweis  dafür  liegt  in  der  Identität  der  sogen.  Hämatoidinkrystalle 
(welche  sich  überall  in  alten  Blutextravasaten  finden)  mit  dem  Bilirubin. 

Das  Hämoglobin  und  seine  Derivate  sind  durch  ihr  spectroskopisches  Ver- 
halten ausgezeichnet,  indem  alle  diese  Körper  sehr  charakteristische  Absorptions- 
spectren  zeigen,  an  denen  sie  leicht  und  mit  Sicherheit  erkannt  werden  können. 
Concentrirte  Lösungen  lassen  häufig  gar  kein  Licht  durch,  dagegen  treten  die 
charakteristischen  Absorptionsstreifen  noch  bei  sehr  verdünnten  Lösungen  deut- 
lich hervor  (s.  a.  Valenitn,  Zeitschr.  f.  Biol.  18,  pag.  173). 

Oxyhämoglobin  lässt  in  1^  Lösung  in  einer  Schicht  von  1  Centim.  nur 
rothes  Licht  um  C  herum  durch;  verdünnt  man  nun  allmählich,  so  wird  der  rothe 
Streifen  breiter,  und  bei  etwa  0*85^  tritt  grünes  Licht  zwischen  E  und  F  auf; 
bei  0*65  J  spaltet  sich  der  breite  Absorptionsstreifen  zwischen  D  und  b  in  zwei, 
welche  bei  steigender  Verdünnung  immer  schmäler  werden,  indem  sich  der 
Zwischenraum  zwischen  beiden  verbreitert;  gleichzeitig  hellt  sich  das  Spectrum 
nach  dem  violetten  Ende  zu  immer  mehr  auf,  bis  endlich  bei  Concentrationen 
von  O'Ol — 0*003^  nur  noch  der  Streifen  bei  D  zu  sehen  ist.  Derselbe  berührt 
diese  Linie  bei  0'4^  und  überdeckt  sie  bei  steigender  Concentration. 

Hämoglobin    lässt  auch   in   1^  Lösung   einen   schmalen    Streifen   grünes 


f  .^  316  Handwörterbuch  der  Chemie. 


Licht  bei  F  durch;  bei  zunehmender  Verdünnung  tritt  aber  nur  ein  Absorptions- 
streifen auf,  welcher  dem  Raum  zwischen  den  beiden  Streifen  des  Oxybämo- 
globins  entspricht. 

Methämoglobin  zeigt  in  alkalischer  Lösung  3  Streifen,  einen  schmalen  in 
Roth  und  zwei  breitere,  welche  in  ihrer  Lage  fast  vollkommen  mit  den  Oxyhämo- 
globinstreifen  tibereinstimmen. 

Kohlenoxydhämoglobin  giebt  zwei  Streifen,  welche  genau  dieselbe  Lage 
haben,  wie  die  Oxyhämoglobinstreifen,  aber  durch  Behandlung  mit  Schwefel- 
ammonium oder  anderen  Reductionsmitteln  nicht  zum  Verschwinden  gebracht 
werden  können. 

Hämochromogen  zeigt  in  genügend  verdünnten  alkalischen  Lösungen 
einen  tiefschwarzen  Streifen  zwischen  Z>  und  E,  und  einen  zweiten,  nicht  so 
dunklen,  und  bei  steigender  Verdünnung  früher  verschwindenden  zwischen  £ 
und  d,  und  diese  Linien  mit  den  Rändern  überdeckend. 

Hämatin  giebt,  je  nachdem  es  in  Alkalien  oder  Säuren  gelöst  ist,  ver- 
schiedene Spectren.  In  ersterer  Lösung  ist  nur  ein  einziger  Streifen  zwischen 
C  und  Z>,  nahe  an  letzterem,  zu  sehen,  in  (oxal-)  saurer,  alkoholischer  Lösung 
aber  vier:  ein  scharfer,  etwa  in  der  Mitte  zwischen  C  und  I?,  ein  sehr 
zarter  nahe  an  I?  (auf  der  Seite  nach  E  hin),  ein  dritter  breiterer  nahe  an  E 
und  ein  vierter  breitester  bei  E  (letztere  beide  auf  der  Seite  nach  D  hin). 
Werden  alkalische  Hämatinlösungen  mit  reducirenden  Substanzen  behandelt,  so 
treten  an  Stelle  des  einen  Streifens,  der  verschwindet,  zwei  neue  auf:  einer  etwa 
in  der  Mitte  zwischen  D  und  E,  und  ein  schwächerer  zwischen  E  und  ^,  beide 
Linien  mit  seinen  Rändern  bedeckend.  Dieses  Spectrum  wird  als  dasjenige  des 
reducirten  Hämatins  bezeichnet;  durch  Schütteln  mit  Luft  geht  es  wieder 
in  das  des  Hämatins  über. 

In  allen  beschriebenen  Spectren  ist  besonders  das  violette  Ende  etwas  ver- 
kürzt, um  so  mehr,  je  grösser  die  Concentration  der  untersuchten  Lösung;  das 
rothe  dagegen  nur  sehr  wenig  (23). 

Der  Gehalt  des  Blutes  an  Hämoglobin  schwankt  etwas  je  nach  Alter  und 
Geschlecht.  Am  reichsten  daran  ist  das  Blut  der  Neugeborenen;  setzt  man  dessen 
relativen  FarbstofFgehalt  =  100,  so  ist  der  des  Blutes  von  ^  bis  5  Jahren  =  55; 
5—15  Jahren  =  58;  15—25  Jahren  =  64;  25—45  Jahren  =  72;  45—60  Jahren 
=  63  (24).  Das  Blut  der  Männer  ist  auch  durchschnittlich  etwas  farbstoflrcichcr 
als  dasjenige  der  Frauen;  100  Grm.  Blut  von  gesunden  Männern  enthält  12*09 
bis  15-07  Grm.  Hämoglobin,  von  gesunden  Frauen:  ir57— 13*69  Grm.,  von 
schwangeren  Frauen:  8'8 1—11*67  Grm.  (25).  Innerhalb  des  Gefässsystems  ist 
der  Hämoglobingehalt  des  Blutes  zu  gleichen  Zeiten  und  unter  gleichen  Be- 
dingungen an  allen  Punkten  derselbe.  Die  angeführten  Zahlen  lassen  erkennen, 
dass  die  Grenzen,  zwischen  denen  der  Hämoglobingehalt  verschiedener  gesunder 
Individuen  schwankt,  nicht  sehr  weite  sind;  bei  gewissen  Krankheiten  jedoch, 
besonders  Chlorose,  Anämie,  Leukämie,  kann  derselbe  sehr  bedeutend,  bis  auf 
\  des  normalen,  sinken  bei  gleichzeitiger  starker  Abnahme  der  Anzahl  der  roÜ\en 
Körperchen. 

2.  Die  weissen  oder  farblosen  Blutkörperchen,  Leucocyten  sind  be- 
wegungsfähige Zellen,  welche  einen  oder  mehrere  Kerne  besitzen,  und  mit  den 
weissen  Lymph-  und  Eiterzellen  identisch  sind.  Sie  kommen  von  verschiedener 
Grösse  und  Form  vor  (26),  und  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  die  neuen 
Formelemente,  welche  von  verschiedenen  Forschem  in  der  letzten  Zeit  im  Blute 


Blut.  317 

V 

gefunden  worden,  nur  Umwandlungs-  oder  Zerfallsprodukte  der  bereits  bekannten 
eigentlichen  Leukocyten  sind  (27).  Ihre  Anzahl  im  normalen  Blute  ist  jedenfalls 
sehr  viel  mal  geringer,  als  die  der  rothen  Körperchen,  aber  aus  weiter  unten  zu 
erwähnenden  Gründen  noch  nicht  genau  bekannt,  (nach  Malassez  schwankt  das 
Verhältniss  derselben  zu  den  rothen  Körperchen  bei  gesunden  Personen  zwischen 
1:1250  und  1:650);  bei  gewissen  Krankheiten,  besonders  Renaler  Leukämie,  ist 
ihre  Menge  dagegen  so  bedeutend  vermehrt,  bei  gleichzeitiger  Verminderung  der 
rothen  Körperchen,  dass  das  Blut  eine  hellere  Farbe  erhält.  Ueber  ihre  chemischen 
Bestandtheile  ist  vorläufig  noch  wenig  bekannt  Vermischt  man  Peptonblut 
(s.  u.  Gerinnung)  unmittelbar  nach  dem  Austritte  aus  der  Ader  mit  dem  gleichen 
Volumen  halbgesättigter  Bittersalzlösung,  macht  es  dann  mit  Aether  lackfarbig 
und  centrifugirt  nun,  so  setzen  sich  die  Leukocyten  als  eine  weisse  Scheibe  am 
Boden  des  Gewisses  ab,  welche  aus  Kernen,  zerbröckeltem  Protoplasma  und  un- 
deutlichen Fasern  besteht  (Wooldridge).  Sie  lösen  sich  in  verdünnten  Alkalien, 
nicht  aber  in  0*2^  Salzsäure,  in  Kochsalz  oder  schwefelsaurer  Magnesia;  Pepsin 
verdaut  nur  sehr  langsam  einen  Theil  davon;  Alkohol  und  Aether  entziehen 
Lecithin  und  Cholesterin  (28).  Ausserdem  enthalten  sie  Eiweisskörper  und 
Nuclein  (29),  sowie  Glykogen  (30). 

Blutgerinnung.  Die  Leukocyten  sind  ausserordentlich  leicht  veränderliche 
Gebilde,  welche  wahrscheinlich  schon  in/ra  vitam  innerhalb  des  Kreislaufs  fort- 
während zu  Grunde  gehen;  hat  das  Blut  einmal  den  Organismus  verlassen,  so 
zerfallen  sie  bis  auf  eine  geringe  Anzahl  und  die  Folgen  äussern  sich  in  der 
Gerinnung  des  Blutes.  Verfolgt  man  dieselbe  mikroskopisch,  so  sieht  man  die 
Leukocyten  ihre  Form  verändern,  zu  Kömermassen  werden,  von  denen  aus  sich 
em  Netzwerk  feinster  Fäden  durch  die  Flüssigkeit  erstreckt,  und  schliesslich 
bleiben  nur  diese  Fäden  mit  einigen  wenigen  eingeschlossenen  Kömern  zurück, 
während  die  meisten  der  letzteren  verschwinden.  Geht  schon  aus  dieser  Beob- 
achtung deutlich  hei-vor,  dass  die  Leukocyten  bei  der  Blutgerinnung  stark  be- 
theillgt  sind,  so  finden  sich  weitere  Stützen  bez.  Beweise  dafür  in  folgenden 
Thatsachen.  Die  Anzahl  der  Leukocyten  im  ganzen  Blute  ist  stets  viel  bedeuten- 
der, als  im  defibrinirten;  in  11  Versuchen  wurde  der  Verlust  an  Leukocjrten 
während  der  Gerinnung  zu  71 '3^  im  Mittel  gefunden  (31).  Die  Produkte  dieses 
Zerfalls  sind  nach  Alex.  Schmidt  einerseits  das  Gerinnungssubstrat  (Fibrinogen 
und  Paraglobulin,  s.  Eiweisskörper)  und  andrerseits  das  Fibrinferment  (32).  Das 
Gennnungssubstrat  ist  auch  bereits  im  circulirenden  Blute  enthalten,  nicht  aber 
unter  normalen  Verhältnissen  das  Fibrinferment,  dessen  Anwesenheit  nothwendige 
Bedingung  für  den  Vorgang  der  Gerinnung  d.  h.  der  Umwandlung  und  Ver- 
einigung von  Fibrinogen  und  Paraglobulin  zu  Fibrin,  ist.  Die  Menge  des  letzteren 
wächst  in  geradem  Verhältnisse  mit  der  Menge  des  Fibrinogens  und  (nach  Schmidt) 
des  Paraglobulins,  doch  bleibt  von  letzterem  immer  ein  Theil  unverändert  in  der 
Flüssigkeit  gelöst.  Während  des  physiologischen  Zerfalls  der  Leukocyten  inner- 
halb der  Blutbahn  wird  wahrscheinlich  auch  Ferment  gebildet,  allein  sofort  wieder 
vernichtet;  injicirt  man  eine  Fermentlösung  direkt  in  eine  Vene,  so  tritt  nur  bei 
verhältnissmässig  grossen  Mengen  unmittelbar  Gerinnung  des  Blutes  und  in  Folge 
dessen  der  Tod  ein,  geringere  Mengen  kommen  gar  nicht  zur  Wirkung  und  ver- 
schwinden binnen  kurzer  Zeit  aus  dem  Blute  (33).  Während  der  spontanen  Ge- 
rinnung des  Blutes  ausserhalb  des  Körpers  werden  rasch  grosse  Mengen  Ferment 
gebildet;  dieselben  bleiben  zum  grössten  Theile  in  der  Flüssigkeit,  dem  Serum, 
gelöst.     Fällt   man   dieses   mit   absolutem   Alkohol  und  lässt  den  Niederschlag 


3i8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

mehrere  Wochen  bis  Monate  (um  das  Eiweiss  möglichst  vollständig  unlöslich  zu 
machen)  unter  Alkohol  stehen,  filtrirt  ihn  ab  und  trocknet  ihn  an  der  Luft,  so 
kann  man  durch  viertelstündiges  Behandeln  desselben  mit  Wasser  und  Filtriren 
eine  sehr  wirksame  Fermentlösung  erhalten  (A.  Schmidt). 

Dieser  Zerfall  der  Leukocyten  kann  unter  gewissen  Bedingungen  zwar  nicht 
vollständig  verhindert  aber  doch  beträchtlich  verzögert  werden,  sodass  die  Flüssig- 
keit nicht  gerinnt.  In  dieser  Weise  wirkt  möglichst  schnelles  Abkühlen  des  aus 
der  Ader  kommenden  Blutes  auf  0°,  oder  Vermischen  desselben  mit  conc.  Lösungen 
von  Neutralsalzen  (am  besten  28proc.  schwefelsaure  Magnesialösung),  oder  In- 
jection  gewisser  Stoffe  in  den  Kreislauf.  Lässt  man  auf  0°  gekühltes  Blut  einige 
Stunden  bei  dieser  Temperatur  stehen,  so  senken  sich  allmählich  die  rothen  und 
weissen  Körperchen  (letztere  zuletzt)  und  über  denselben  steht  eine  farblose 
oder  gelbliche  klare  Flüssigkeit,  das  Plasma;  aus  dem  mit  Salzlösungen  ver- 
mischten Blute  erhält  man  ebenso  das  sogen.  Salzplasma.  Lässt  man  das  Plasma 
sich  auf  Zimmertemperatur  erwärmen,  so  gerinnt  es  nur  äusserst  langsam,  schnell 
dagegen  auf  Zusatz  einer  Fibrinfermentlösung,  oder  von  Serum,  oder  noch  besser 
von  defibrinirtem  Blute.  Salzplasma  gerinnt  unter  diesen  Umständen  nicht, 
sondern  erst  nach  Verdünnung  mit  Wasser,  da  Salze  in  dieser  Concentration 
hemmend  auf  den  Gerinnungsprocess  einwirken.  Andrerseits  ist  aber  für  das 
Zustandekommen  desselben  ein  gewisser  Salzgehalt  der  Flüssigkeit  nöthig,  denn 
salzfreie  Lösungen  von  Fibrinogen  und  Paraglobulin  in  verdünnten  Alkalien  gerinnen 
auf  Fermentzusatz  allein  nicht,  sondern  erst  auf  Zusatz  von  etwas  Kochsalz;  ohne 
letzteres  bildet  sich  nur  ein  in  Alkalien  schwer  löslichen  Zwischenprodukt 
(A.  Schmidt).    Gefrorenes  Plasma  gerinnt  nach  A.  Schmidt  beim  Aufthauen  sofort 

Nach  Hammarsten  (34)  ist  indessen  das  Paraglobulin  nicht  direkt  zur  Ge- 
rinnung nothwendig,  vielmehr  ist  es  das  Fibrinogen  allein,  welches  unter  Aus- 
scheidung von  Fibrin  gerinnt  —  ein  Vorgang,  der  der  Case'ingerinnung  durch 
Lab  und  auch  der  Eiweissgerinnung  durch  Hitze  überhaupt  analog  ist.  Trotzdem 
übt  das  Paraglobulin  einen  Finfluss  bei  der  Gerinnung  aus,  doch  kann  dieser 
noch  nicht  näher  definirt  werden.  Gewisse  natürliche  Transsudate  (Hydrocele) 
können,  wie  von  A.  Schmidt  gefunden,  durch  Fermentzusatz  allein  nicht  zur  Ge- 
rinnung gebracht  werden,  wohl  aber  durch  Ferment  4-  Paraglobulin  (Serum) ;  es 
gelingt  aber  aus  solchen  Flüssigkeiten  ein  Fibrinogen  abzuscheiden,  welches  mit 
Ferment  allein  gerinnt,  woraus  Hammarsten  auf  die  Anwesenheit  gerinnungshemmen- 
der Substanzen  in  solchen  Transsudaten  schliesst.  Derselbe  fand  auch,  dass  in 
solchen  Fällen  ein  Zusatz  von  Chlorcalcium  ebenso  »fibrinoplastischc  wirkt,  wie 
das  Paraglobulin  (35). 

Auch  durch  intravenöse  Injection  von  Pepton,  kann  das  Blut  seine  Fähigkeit 
zu  gerinnen  vollkommen  oder  doch  in  sehr  hohem  Grade  einbüssen.  Spritst 
man  einem  Hunde  0-3  Grm.  Pepton  pro  Kilo  Körpergewicht  in  O-ö^  NaCl-Lösung 
gelöst  in  Einem  Zuge  in  die  Jugularis  ein,  so  zeigt  sich  schon  eine  Minute  nach 
der  Operation  das  aus  der  Carotis  entnommene  Blut  vollkommen  gerinnungsun- 
fahig,  sodass  erst  bei  Eintritt  der  Fäulniss  leichte  Fibrinflöckchen  sich  auszuscheiden 
beginnen.  Nach  einer  Stunde  aber  hat  das  im  Körper  circulirende  Blut  seine 
Gerinnbarkeit  wieder  erlangt,  und  widersteht  nun  auch  der  Einwirkung  einer 
neuen  Peptoninjection;  erst  nach  ca.  24  Stunden  kann  es  durch  Pepton  wieder 
ungerinnbar  gemacht  werden.  Letzteres  verschwindet  dabei  so  rasch  aus  dem 
Blute,  dass  es  schon  ^  Minute  nach  der  Injection  nicht  mehr  in  demselben  nach- 
gewiesen werden  kann  (36).    Bei  Kaninchen  ist  Pepton  wirkungslos,  aber  durch 


Blut  *  319 

Ittjection  von  Hundepeptonblut   wird   ihr  Blut   auch    gerintiungsunfähig  (Fano). 
Immerhin  ist  diese  Gerinnungsunfähigkeit  keine  absolute,  denn  wenn  man  das 
Peptonblut   oder   das   durch    Centrifugiren   daraus    abgeschiedene  Peptonplasma 
mit  Wasser  verdünnt  oder  Kohlensäure  einleitet,   so  gerinnt  dasselbe  ebenso  wie 
normales  Blut.    Doch  ist  nicht  Alles  zur  Gerinnung  Nöthige  im  Plasma  gelöst  vor- 
handen, sondern  wird  z.  Th.  erst  durch  das  Wasser  oder  die  Kohlensäure  aus  den  auf- 
geschwemmten Leukocyten  gebildet,  denn  wenn  man  diese  durch  genügend  lange 
fortgesetztes  Centrifugiren  völlig  aus  dem  Peptonplasma  entfernt,  so  hat  es  damit 
auch  seine  Gerinnbarkeit  durch  Fibrinferment,  Kohlensäure  oder  Verdünnung  mit 
Wasser  verloren.    Trotzdem  ist  noch  ein  gerinnungsfähiger  Körper  darin  enthalten, 
denn  wenn  man  erst  Kohlensäure  durchleitet  und  dann  Fibrinferment  zusetzt,  so  tritt 
sehr  leicht  Gerinnung  ein.    Dieselbe  Wirkung  wie  das  Fibrinferment  wird  durch 
einen  aus  Lecithin  und  einer  kleinen  Menge  Fettsäuren  bestehenden  Alkohol- 
Aetherauszug  von  Lymphdrüsenzellen  hervorgebracht;  dieser  wirkt  an  sich  auch 
ohne  Kohlensäuredurchleitung,    hat    man   aber  die  Fettsäuren  erst  durch  Soda 
neutralisirt,    so  ist  Kohlensäure  (oder  eine  andere  Säure)  zur  Gerinnung  noth- 
wendig   (37).      Neurinhaltiges   Lecithin   ist   unwirksam    (37);    dagegen   bewirken 
andere  lecithinreiche  Zellen,  wie  Hefe  und  Spermatozoen,  in  durch  Abkühlung  erhal- 
tenem normalen  Pferdeblutplasma  rasch  Gerinnung  (38).  Aehnlich  wie  Injectionen 
von  Pepton  wirken  auch  solche  von  Pepsin,  Pankreatin,  Fibrinferment  und  Jauche  (39). 
Welche  Veränderungen  die  Leukocyten  in  Folge  solcher  Injectionen  erleiden, 
ist  noch    nicht  sicher  bekannt;    Albertoni   fand   nach  Pankreatininjection   gar 
keine  mehr  im  Blute  und  Bojanus,  Hoffmann  und  Hkyl  fanden  in  ihren  Ver- 
suchen   ihre    Anzahl    wenigstens   erheblich    verringert     und    nehmen    ebenfalls 
an,    dass    die    verschwundenen    zerstört    worden.     Dem    entgegengesetzt    fand 
WooLDRiDGE  (28)  nach  Peptoninjection  das  Gewicht  der  Leukocyten  vergrössert 
(von   0-46    Grm.  in   100  Ccentim.  Normalblut   auf  0*59  Grm.    in   100  Ccentim. 
Peptonblut,  von  0*39  auf  057,  und  von  0-31   auf  0.41   Grm.)  worin  eine  Stütze 
für  die  Vermuthung   liegt,  dass  wenigstens  ein  Theil   des  Peptons    von   ihnen 
aufgenommen  worden  sei  (Hofmeister),   und  Fano  giebt  an,  dass  das  Gewicht 
der  rothen  Körperchen  durch  Peptoninjection   vergrössert  werde  (40).     Endlich 
mag  noch    erwähnt  werden,  dass  man  diejenigen  Leukocyten,  welche  sich  im 
defibrinirten  Blute  finden,  als  verschieden  von  denjenigen,  welche  bei  der  Ge- 
rinnung zu  Grunde  gehen,  betrachtet  hat,  da  sie  eben  zu  dieser  nichts  beitragen, 
n.    Aufgelöste    Bestandtheile    des    Blutes.      Aus    dem    bisher    Mit- 
getheilten  geht  deutlich  hervor,    dass  im  Blute  äusserst  leicht   chemische  Ver- 
änderungen eintreten,  welche  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Qualität  der  gelösten 
Stoffe   bleiben  können.     Wenn  die  Leukocyten  wirklich  einem  stetigen,  physio- 
logischen Zerfall  innerhalb  des  Kreislaufs  unterliegen,   so  müssen  die  Produkte 
desselben  wenigstens  theilweise  in  die  Blutflüssigkeit  übergehen,  sie  verschwinden 
aber  auch  wieder  daraus.    Daher  kann  man  zur  Zeit  nicht  mit  völliger  Sicherheit 
angeben,  welche  Bestandtheile  im    kreisenden  Blute   gelöst   vorhanden   sind, 
sondern  höchstens,  welche  in  der  auf  die  eine  oder  die  andere  Art  erhaltenen 
Blutflüssigkeit,    dem   Plasma   oder   dem   Serum,    gefunden   worden   sind.     Das 
Plasma  ist  (oder  soll  sein)  Blut  minus  aufgeschwemmte  geformte  Elemente;  man 
erhält  es  am  reinsten  durch  möglichst  schnelles  Abkühlen  frischen  Aderlassblutes 
auf  0^  und  Absitzenlassen  der  Körperchen,  es  bildet  eine  farblose  oder  gelbliche 
klare  Flüssigkeit,  die  unter  den  oben  angegebenen  Bedingungen  gerinnt.     Das 
Serum  ist  defibrinirtes  Blut  minus  Körperchen;  man  erhält  es  am  besten,  wenn 


\ 


320 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


man  Blut  in  cylindrischen  Gefässen  auffangt,  nach  ein  paar  Minuten  den  Rand 
des  sich  bildenden  Gerinnsels  an  der  Oberfläche  von  der  Gefässwand  vorsichtig 
ablöst  und  nunmehr  das  Ganze  einige  Stunden  lang  centrifugirt,  es  ist  eine  dem 
Plasma  äusserlich  gleichende  Flüssigkeit  aber  völlig  ungerinnbar.  Plasma  und 
Serum  enthalten  beide  Eiweisskörper  gelöst,  ersteres  Fibrinogen,  Para- 
globulin  (ist  vielleicht  ein  Gemenge  von  zwei  Eiweissstoffen)  (84)  und  Serum- 
albumin, letzteres  nur  Paraglobulin  und  Serumalbumin. 

Die  quantitativen  Verhältnisse  sind  noch  wenig  untersucht.  Hammarsten  (41) 
fand  in  einigen  vergleichenden  Bestimmungen  das  Serum  ärmer  an  Globulinen  uod 
festen  Stoffen  überhaupt  als  das  entsprechende  Plasma,  wie  folgende  Tabelle  zeigt'. 


No. 

Feste  Stoffe 

Gesammteiweiss 

Globuline 

Serumalbumin 

Lecithin,  Pect, 
Salxe  etc. 

Plasma 

Serum 

Plasma  I  Serum 

Plasma 

Serum 

Plasma 

'  Serum 

Plasma 

Serum 

1. 

2. 
3. 

8-040« 

8-60« 

8-085« 

7-67« 
8-50« 
7-72« 

6-70« 
7-10« 
7-035« 

6-28« 
6-95« 
6-682« 

4-87« 
4-35« 
4-25« 

4-483« 
4-167« 
3-855« 

1-83« 
2-75« 
2-785« 

1-797« 
2-788« 
2-827% 

1-34« 
1-50« 
1-05« 

1.39« 
1-55« 
1-038« 

Dieses  Minus  an  Globulinen  rührt  offenbar  von  der  Fibrinausscheidung  her; 
die  Menge  des  erhaltenen  Fibrins  (0'62f  in  No.  1)  ist  aber  nach  Hammarsteh 
kleiner  als  diejenige  ursprünglich  im  Plasma  vorhanden  gewesenen  Fibrinogens, 
auch  wird  ein  Theil  des  durch  die  Fibrinausscheidung  bedingten  Verlustes  duich 
den  Austritt  von  Paraglobulin  aus  den  zerfallenden  Leukocyten  compensirt  wie 
denn  nach  M.  Schmidt  alles  Paraglobulin  aus  dieser  Quelle  stammt  und  im 
reinen  Plasma  gar  nicht  enthalten  ist.  Mit  völliger  Genauigkeit  werden  sich 
diese  Verhältnisse  erst  ermitteln  lassen,  wenn  eine  Methode  zur  Bestimmung  des 
Fibrinogens  neben  Paraglobulin  gefunden  sein  wird. 

Die  Menge  des  Gesammteiweisses  im  Serum  schwankt  etwa  zwischen  6— 8| 
doch  ist  das  gegenseitige  Verhältniss  zwischen  Paraglobulin  und  Serumalbumin  bei 
verschiedenen  Thierarten  ein  sehr  verschiedenes  wie  aus  folgender  Tabelle  her- 
vorgeht (42): 


Serumart  (100  Ccentim.) 

Feste  StoflFe 

Gesammt- 
eiweiss 

Globulin 

albumin 

Lecithin. 
Fett,  Saite  etc. 

Pamsloboli. 
Seninalbumin 

Pferdeblutscrum  .... 

8-597 

7-257 

4-565 

2-677 

1-340 

1:0*591 

Rindsblutsenim    .... 

8-965 

7-499 

4169 

8-330 

1-466 

1:0842 

Menschenblutsenim  .     .     . 

9-208 

7-620 

3-103 

4-516 

1-588 

1:1-511 

Kaninchenblutserum      .     . 

7-525 

6-225 

1-788 

4-436 

1-299 

1:2-5 

Hundeblutserum  (Salvioli) 

— 

5-82 

2-05 

3-77 

— 

1:1-84 

Vorstehende  Zahlen  sind  Mittelwerthe  aus  mehreren  Bestimmungen  an  Blut 
von  verschiedenen  Individuen;  vergleicht  man  die  Maxima  und  Minima,  so  wird 
man  zu  dem  Schluss  geführt,  dass  individuelle  Schwankungen  in  der  Zusammen- 
setzung des  Blutes  vorkommen.  Für  menschliches  Blut  schwankten  in  6  Fällen 
die  Werthe  in  folgenden  Grenzen  (Reihenfolge  wie  in  der  Tabelle):  8-49 — 10-21  f; 
7-02—8-11«^;  2-49—3-78^;  3-85— 5-38«;  1-32— 2-10^;  1:102—1:1-97.  Bemerkens- 
werth  sind  die  engen  Grenzen  für  das  Gesammteiweiss  im  Gegensatze  zu  den 
ziemlich  weiten  fUr  die  einzelnen  Eiweissstoffe,  was  darauf  hinzudeuten  scheint, 
dass  für  den  Organismus  die  Gesammtmenge  des  Eiweisses  von  grösserer 
Wichtigkeit  ist  als  das  Verhältniss,  in  welchem  die  einzelnen  Stoffe  gemischt 
sind.  Indessen  scheint  dieses  Verhältniss  nach  Versuchen  von  Salviou  (43) 
wenigstens  bei  höheren  Thieren  (Hund)  individuell  constant  zu  sein,  denn  #* 
fand  zwar  bei  verschiedenen  Individuen  Unterschiede  im  Gehalte  des  Serums  an 


Blut.  321 

Paraglobulin  und  Serumalbumin,  aber  bei  einem  und  demselben  Individuum 
änderten  sich  die  Zahlen  kaum  bei  Hunger  oder  starker  Fleischfütterung, 
während  andrerseits  Biaickhardt  (84)  nach  Hunger  stets  eine  Zunahme  des 
(durch  Dialyse  gefällten)  Paraglobulins  und  Abnahme  des  Serumalbumins  bei 
Hunden  beobachtete.  Ebenso  konnte  Tiegel  (43)  bei  Schlangen  während  des 
Hungers  ein  fast  vollständiges  Verschwinden  des  Serumalbumins  nachweisen. 
(Die  nähere  Beschreibung  von  Fibrinogen,  Paraglobulin  und  Serumalbumin  s.  u. 
Eiweisskörper.) 

Von  nicht  zu  den  Eiweisskörpem  gehörenden  organischen  Stoffen  sind  in 
Blutserum  gefunden  worden  (44): 

1.  Zucker,  jedenfalls  Dextrose,  da  derselbe  nach  Abeles  (45)  u.  A.  rechts- 
drehend ist;  sein  Vorkommen  ist  nicht  an  den  Zuckergehalt  der  Nahrung  ge- 
bunden. Die  Menge  desselben  fand  Mering  im  Carotisserum  des  Hundes  zu 
0115-O-235#  (46). 

2.  Harnstoff  im  menschlichen  Blute  zu  0*016  J  (Picard)  (46),  beim  Hunde 
zu  0*011 — 0*085^.  3.  Carbaminsäure  (Drechsel)  (47),  4.  Harnsäure  nament- 
lich bei  Gicht,  (Garrod)  (48);  bei  Hühnern,  (Meissner)  (49),  ö.  Kreatin  (Voit)  (50), 
6.  Hippursäure,  7.  Fleischmilchsäure  (Spiro)  (51),  8.  Bernsteinsäure 
(Meissner)  (52). 

9.  Fette  kommen  stets  im  Plasma  und  Serum  vor;  letzteres  ist  nach  stark 
fetthaltiger  Nahrung  milchig  getrübt  und  kann  dann  bis  1*25^  enthalten  (Röhrig) 
(53).  Die  Fette  verschwinden  rasch  wieder  aus  dem  Blute  (54);  sie  sind  stets  mit 
Cholesterin  und  Lecithin  gemengt.  Da  übrigens  auch  aus  ganz  klarem 
Serum  geringe  Mengen  von  Fett  abgeschieden  werden  können,  müssen  sie  z.  Th. 
darin  gelöst  sein,  der  grösste  Theil  findet  sich  aber  im  emulgirten  Zustande  vor. 

10.  Farbstoffe.  Die  gelbliche  Farbe  des  Plasmas  und  Serums  rührt  von 
einem  nicht  näher  bekannten  goldgelben  Farbstoffe  (Lute'in?)  her;  im  Pferdeblut- 
serum fand  Hammarsten  (55)  Bilirubin.  Möglicherweise  sind  aber  diese  Stoffe 
nicht  als  solche  sondern  als  Chromogene  im  Serum  enthalten  (Setschenow)  (56). 

Von  mineralischen  Substanzen  hat  man  im  Blute  gefunden:  Kalium, 
Natrium,  Calcium,  Magnesium,  Eisen  (Mangan,  Kupfer),  Chlor,  Kohlensäure, 
Phosphorsäufe  (Phosphor  und  Schwefel  in  organischen  Verbindungen),  Spuren 
von  Schwefelsäure  und  Kieselsäure,  tn  welcher  Weise  dieselben  zu  Salzen  unter- 
einander verbunden  sind  lässt  sich  gegenwärtig  noch  nicht  mit  vollkommener 
Sicherheit  angeben,  da  wir  kein  Mittel  besitzen,  um  zu  entscheiden,  welche  Salze 
in  einer  gemischten  Lösung  mehrerer  Salze  verschiedener  Basen  und  Säuren 
vorhanden  sind.  Die  Analyse  der  Blutasche  kann  auch  keinen  unmittelbaren 
Aufischlass  über  diesen  Punkt  geben,  da  bei  der  Einäscherung  Aenderungen  in 
der  Zusammensetzung  der  Salze  eintreten  können.  Aus  dem  Schwefel  der 
Eiweisskörper  und  dem  Phosphor  des  Lecithins  entstehen  Schwefelsäure  und 
Pbosphorsäure,  welche  vorhandene  Carbonate  zersetzen;  die  Chloride  der  Alkalien 
werden  beim  Glühen  in  feuchter  Kohlensäure  th  eil  weise  unter  Entweichen  von 
Chlorwasserstoff  zersetzt,  wenn  nicht  ein  grosser  Ueberschuss  von  kohlensaurem 
Alkali  zugegen  ist,  und  in  derselben  Weise  wirken  neugebildete  Schwefel-  und 
Phosphorsäure.  Auch  die  grosse  Flüchtigkeit  der  Chloralkalien  kann  zu  Ver- 
lusten bei  der  Einäscherung  Veranlassung  geben.  Eine  weitere  Schwierigkeit  liegt 
darin,  dass  die  Mineraibestandtheile  auf  die  Körperchen  und  das  Plasma  vertheilt 
sind  und  zwar  z.  Thl.  mit  den  Eiweissstofifen  verbunden.  Das  Paraglobulin  ist 
nur  durch  Vermittelung  der  Salze  im  Serum  gelöst,  der  phosphorsaure  Kalk* 
n.  21 


322  Handwörterbuch  der  Chemie. 

ebenso  durch  die  Eiweisskörper,  und  wenn  letztere  durch  Coagulation  ab- 
geschieden werden,  fällt  stets  der  phosphorsaure  Kalk  wenigstens  theilweise  mit 
aus.  Dennoch  können  wir  mit  Bestimmtheit  die  Anwesenheit  gewisser  Salze  in 
der  Blutflüssigkeit  behaupten:  des  Chlornatriums,  weil  dessen  Bestandtheile  in 
weitaus  überwiegender  Menge  vorhanden  sind;  des  sauren  kohlensauren  Natrons, 
weil  das  Serum  sich  im  Vacuum  wie  eine  Lösung  dieses  Salzes  verhält;  dci 
phosphorsauren  alkalischen  Erden,  weil  die  vorhandenen  Mengen  Phosphorsäure 
und  alkalische  Erden  annähernd  äquivalent  sind,  diese  Salze  in  Eiweisslösungctv 
löslich  sind  und  mit  den  coagulirten  EiweissstofFen  ausfallen,  und  salzartiger  Ver- 
bindungen des  Paraglobuhns,  da  dieses  nur  durch  Vermittlung  der  Salze  gelöst 
ist.  Von  Wichtigkeit  in  dieser  Hinsicht  erscheint  auch  die  Thatsache,  dass  Kalk, 
Magnesia,  Phosphorsäure  und  Chlor  direkt  aus  dem  Serum  durch  die  gewöhn- 
lichen Reagentien  ausgefallt  werden  können  (74). 

Die  Reaction  des  frischen  Blutes,  bez.  des  Plasmas,  ist  deutlich  alkalisch, 
wird  aber  während  der  Gerinnung  schwächer,  da  das  aus  dem  Zerfall  der  Leu- 
kocyten  hervorgehende  Paraglobulin  einen  Theil  des  Alkalis  neutralisirt  (gesättigte 
Lösungen  von  Paraglobulin  in  sehr  verdünnten  Alkalilaugen  reagiren  neutral). 
Dieser  alkalischen  Reaction  wegen  hat  man  das  Blut  als  eine  alkalische  Flüssig- 
keit augesehen,  aber  mit  Ururecht,  denn  es  enthält  in  Wirklichkeit  saure  Salze, 
wie  saures  kohlensaures  Natron  (57).  Daher  hat  auch  eine  Bestimmung  der  AI- 
kalinität  des  Blutes,  durch  Titrirung  mit  einer  verdünnten  Säure,  keinen  Sinn, 
da  1  Aeq.  der  zugesetzten  Säure  aus  dem  Bicarbonat  2  Aeq.  Kohlensäure  ausr 
treibt,  somit  nicht  die  Alkalinität,  sondern  die  Acidität  bei  der  Titrirung  herab- 
gesetzt wird.  Fügt  man  zu  frischem  Serum  titrirte  Natronlauge  im  Ueberschuss, 
(äl\t  dann  mit  Chlorbaryum  aus  und  titrirt  das  Filtrat  mit  Säure  bis  neutral,  so 
verbraucht  man  stets  weniger  Säure,  als  der  anfangs  zugesetzten  Natronlauge 
entspricht  —  ein  Beweis,  dass  in  dem  Serum  saure  Salze  vorhanden  sind.  Auf 
diese  Weise  wurde  z.  B.  gefunden,  dass  100  Ccentim.  menschliches  Serum 
01088Grm.  NaOH.(mit  Lakmus  titrirt)  bez.  0*1482  Grm.  (mit  Phenolphtalein) 
zu  binden  vermögen,  ebenso  Rinderserum  (57).  Lässt  man  Serum  gegen  Wasser 
dififundiren,  so  ist  das  Diffusat  noch  saurer  als  das  angewandte  Serum,  da  Säuren 
schneller  diffundiren,  als  neutrale  Salze. 

Quantitative  Zusammensetzung  des  Blutes.  Nach  dem,  was  oben 
über  die  einzelnen  Bestandtheile  des  Blutes  mitgetheilt  worden,  ist  es  kaum 
nöthig  noch  besonders  auf  die  ausserordentlichen  Schwierigkeiten  hinzuweiseo, 
welche  sich  der  genauen  Ermittelung  der  quantitativen  Zusammensetzung  des 
Blutes  entgegenstellen.  Schon  die  Bestimmung  des  Gewichtes  der  feuchten  Blut- 
körperchen ist  nur  unter  ganz  besonderen  Verhältnissen  möglich,  diese  selbst  | 
aber  kann  man  immer  nur  mit,  sei  es  auch  noch  so  wenig,  Serum  oder  einer  I 
Salzlösung  durchtränkt  erhalten,  und  im  letzteren  Falle  liegt  die  Gefahr  nahe, 
dass  sie  durch  Diffusion  gegen  die  Waschflüssigkeit  Aenderungen  in  ihrer  Zu- 
sammensetzung erfahren  haben.  Da  ferner  das  Gesammtblut  seiner  Gerinn- 
barkeit wegen  nur  selten  eine  Trennung  von  Körperchen  und  Plasma  erlaubt, 
hat  man  in  der  Regel  das  frische  Blut  defibrinirt,  und  hierauf  Körperchen  und 
Serum  getrennt  untersucht.  In  folgender  Tabelle  sind  drei  Analysen  verschiedener 
Blutarten  zusammengestellt,  welche  von  demselben  Beobachter  (Bunge)  (58)  her- 
rühren, nach  derselben  Methode  ausgeführt  und  daher  untereinander  vergleich- 
bar sind,  was  natürlich  tür  Analysen  verschiedener  Autoren  nach  verschiedenen 
Methoden  nicht  ohne  Weiteres  gilt. 


Blut 


3*3 


s=s==s=^ 

"*               Schweineblut 

Pferdeblut 

Rinderblut 

Bestand- 

theüe 

Korperchen  in 

Senim  in 

Körperchen  in 

Serum  in 

Körperchen  in 

Serum  in 

43-68  T. 

100  Th. 

56-8-2  T. 

100  Th. 

5315  T.  100  Th. 

4G-85  T. 

100  Th. 

31-87  T 

lÜ0ThJ6813T. 

100  Th. 

Wasser 

27-61 

63-21 

51-79 

91-96 

32-36   60-89 

42-01 

89-66 

19-12 

59-99 

62-22 

91-33 

FesteStoffe 

16-07 

36-79 

4-53 

804 

20-79 

39-11 

4-84 

10-34 

12-75 

40-01 

5-91 

8-67 

Hämoglob. 

11-40 

2610 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

8-94 

2805 

— 

— 

Eiweiss 

3-76 

8-61 

3-81 

6-77 

— 

— 

— 

— 

3-42 

10-73 

4-99 

7-32 

Org.  Stoffe 

0-52 

1-20 

0-28 

0-50 

_ 

— 

— 

— 

0-24 

0-75 

0-38 

0-56 

Anorg.  „ 

0-39 

0-89 

0-43 

0-77 

— 

— 

— 

— 

0-15 

0-48 

0-54 

0-79 

Kafi 

0-2421 

0-5543 

0-0154 

0-0273 

0-262 

0-492 

0-013 

0-027 

0-0238 

0-0747 

0-0173 

0-0254 

Natron 

-- 

— 

0-2406 

0-4272 

— 

— 

0-208 

0-443 

0-0667 

0-2093 

0-2964 

0-4351 

Magnesia 

0-0069 

00158 

00021 

0-0038 

— 

— 

— 

— 

0-0005 

0.0017 

0-0031 

0-0045 

Kalk 

— : 

. — 

0-0072 

00136 

— 

— 

— 

— 

___ 

— 

0-0070 

0-0126 

Eisenoxyd 

— 

— 

0-0006 

0-0011 

— 

— 

— 

— 

— . 

0-0007 

0-0011 

CUor 

0-0657 

0-1504 

0-2034 

0-3611 

0-102 

0193 

0176 

0-375 

0-0521 

0-1635 

0-2532 

0-3717 

Phosphors. 

0-0903 

0-2067 

0-0106 

0-0188 

— 

— 

— 

— 

00224 

00703 

0-0181 

0-0266 

Aus  diesen  Zahlen  geht  die  merkwürdige  Thatsache  hervor,  dass  die  Blut- 
körperchen reicher  an  Kali  sind,  als  das  Serum,  und  dass  sie  bei  manchen 
Thieren  gar  kein  Natron  enthalten,  welches  seinerseits  in  grösster  Menge  im  Serum 
aufgespeichert  ist;  auch  der  Chlorgehalt  findet  sich  beim  Serum  grösser  als  bei 
den  Körperchen,  während  hinsichtlich  der  Phosphorsäure  das  umgekehrte  Ver- 
hältniss  obwaltet.  Auf  Grund  dieser  Thatsache  und  weiterer  Beobachtungen 
fibcr  die  Wirkung  der  Kalisalze  auf  den  Organismus  hat  Bunge  die  Hypothese 
aufgestellt,  dass  die  rothen  Blutkörperchen  unter  anderen  auch  die  Function 
haben,  aus  dem  Blute  die  giftigen  Kalisalze  soweit  nöthig  aufzunehmen  und  all- 
mählich in  den  Nierencapillaren  in  den  Harn  wieder  auszuscheiden  (59).  Ein 
direkt  angestellter  Versuch  (60)  zeigte  ihm  später,  dass  die  aus  defibrinirtem 
Rinderblute  abgeschiedenen  Körperchen  aus  einer  verdünnten  Lösung  von 
phosphorsaurem  und  kohlensaurem  Kali  kein  Kali  aufnehmen,  indessen  ist  zu 
berücksichtigen,  dass  die  Körperchen,  bereits  mit  Kali  gesättigt,  oder  abgestorben 
und  deshalb  zur  Kaliaufnahme  untauglich  sein  konnten.  Ferner  verdient  der 
Umstand  Beachtung,  dass  (wenigstens  beim  Schwein  und  Rind)  der  Kalk  nur 
im  Serum  enthalten  ist,  sowie  dass  der  Kali-  und  Natrongehalt  aller  Blutarten 
im  Serum  fast  genau  derselbe  ist,  während  sich  bei  den  Körperchen  gewisse  Ver- 
schiedenheiten in  dieser  Hinsicht  zeigen. 

Die  Frage,  ob  das  Blut  aus  verschiedenen  Gefassbezirken  desselben  Indivi- 
duums merkliche  Verschiedenheiten  in  seiner  Zusammensetzung  darbiete,  ist  — 
abgesehen  vom  Unterschiede  des  arteriellen  und  venösen  Blutes,  s.  a.  unter  Blut- 
gase, —  noch  nicht  mit  völliger  Sicherheit  entschieden;  a  priori  muss  man  die- 
selben erwarten,  aber  die  analytischen  Methoden  sind  für  solche  Untersuchungen 
noch  nicht  genügend  ausgebildet  (61). 

Blutgase.  Ausser  den  bisher  abgehandelten  Bestandtheilen  enthält  das 
Blut  noch  gewisse  Gase,  welche  theils  in  den  Lungen  aus  der  atmosphärischen 
Luft  aufgenommen,  theils  innerhalb  der  Gewebe  und  des  Blutes  gebildet 
werden.  Diese  Gase  sind  Sauerstoff,  Stickstoff  und  Kohlensäure.  Der  Gehalt 
des  Blutes  an  denselben  ist  nicht  an  allen  Punkten  des  Kreislaufs  derselbe ;  die 
grössten  Unterschiede  zeigen  sich  beim  arteriellen  und  venösen,  da  ersteres  reich 
an  Sauerstoff  und  arm  an  Kohlensäure,  letzteres  umgekehrt  arm  an  Sauerstoff 
und  reich  an  Kohlensäure  ist.  Uebrigens  ist  der  absolute  Gasgehalt  auch  indi- 
viduellen Schwankungen  unterworfen.     Wird  Blut  in  das  Vacuum  gebracht,   so 


3*4 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


lässt  es  seine  Gase  entweichen;  hierauf  gründet  sich  die  Methode  zur  Entgasung 
des  BluteS;  bez.  zur  Bestimmung  seines  Gasgehaltes.  Die  Quecksilberpumpen, 
deren  man  sich  zu  diesem  Zwecke  bedient,  müssen  aber  eine  besondere  Ein- 
richtung haben,  da  die  Eigenschaft  des  entgasten  Blutes,  mit  grösster  Begierde 
wieder  Gase  aufzunehmen,  es  unumgänglich  nöthig  macht,  das  ausgetriebene  Gas 
vor  der  Compression  behufs  Ueberführung  in  das  Messgefäss  von  dem  Blute  ab- 
zuschliessen.  Pumpen,  welche  dies  gestatten,  sind  von  C.  Ludwig  (62)  und 
E.  Pflüger  (63)  construirt  worden. 

Der  erste,  welcher  im  frischen  Blute  Gase  mittelst  der  Luftpumpe  nachwies, 
war  Robert  Boyle  (64);  Priestley  wies  den  Sauerstoff,  Davy  die  Kohlensäure 
in  den  Blutgasen  nach.  Spätere  Untersuchungen  schienen  diese  Resultate  wieder 
in  Frage  zu  stellen,  bis  Magnus  Sauerstoff,  Kohlensäure  und  Stickstoff  mit 
Sicherheit  als  Bestandtheile  der  Blutgase  erkannte  und  dieselben  auch  quantitati? 
zu  bestimmen  versuchte.  Lothar  Meyer  (65)  untersuchte  sodann  die  mittelst 
einer  eigenthümlichen  Methode  aus  dem  Blute  erhaltenen  Gase  nach  dem  Ver- 
fahren von  BüNSEN  und  bestimmte  auch  die  durch  Zusatz  von  Weinsäure  frei 
gemachte  gebundene  Kohlensäure  des  Blutes.  Aber  erst  durch  die  Arbeiten  von 
C.  Ludwig  (66)  und  seinen  Schülern  wurden  die  Methoden  der  Blutgasgewinnang 
so  verbessert,  dass  die  Untersuchung  derselben  wirklich  fruchtbringend  wurde. 
Spätere  Versuche  von  E.  Pflüger  und  dessen  Schülern  haben  dann  zu  denselben 
Resultaten  geführt  (67).  Es  würde  zu  weit  führen,  hier  alle  Blutanalysen  aufzu- 
führen, es  möge  dalier  folgende  Tabelle  genügen,  welche  die  Resultate  der  Ver- 
suche von  Setschenow  und  Schöffer  (66)  mit  Hundeblut  enthält: 


Auspump- 
bare Gase 

N 

0 

Auspump- 
barc 
CO, 

Ge- 
bundene 
CO, 

Ge- 

sammte 

CO, 

Rlutart 

Rcmerkun^en 

3905 

4-73 

1-16 

37-42 

29-41 
39-33 

1-40 
1-18 

Spuren 

— 

— 

31-92 
4-2-61 

>  Erstickungsblut 

Setschenow    (Wien.    Acad 

40-81 

1-96 

Ii 

— 

— 

40-64 

Sitz.-Ber.  36,  pag.  293> 

46-90 
45-88 

1-19 
1-20 

1505 
16-41 

— 

— 

33-20 
30-59 

>  Arterielles  Blut 

r  46-42 
1 37-01 

4-18 

11-39 

— 

— 

32-78 

arterielles  Blut 

3-05 

4-15 

— 

— 

35-31 

venöses        „ 

ii 

— 

— 

— 

— 

32-37 

arterielles 

II 

— 

— 

— 

— 

38-07 

venöses 

II 

f  50-65 
143-06 

1-25 
1-00 

17-70 
9-20 

— 

— 

31-65 
36-10 

arterielles 
venöses 

II 

1 

Schöpfer  (Wien.  Acad.  Sitx.- 
Ber.  41.  pag.  589)- 

142-92 

1-23 

15-24 

^ 

— 

26-44 

arterielles 

, 

\  4 1-62 

117 

12-61 

— 

— 

29-50 

venöses 

1 

141-34 
142-64 

1-66 

11-76 

— 

— 

29-28 

arterielles 

1 

1-25 

8-85 

— 

— 

3559 

venöses 

1 

45-55 
141-87 

1-80 

16-96 

— 

— . 

27-47 

arterielles 

1 

115 

10-4Ü 

— 

— 

31-83 

venöses 

1 

(Alle  Zahlen  in  dieser  TabeUe 

41-48 
11-28 
41-74 

~ 

: 

10-20 

23-77 

26-21 
33-97 
26-59 

Blut 

Serum 

Blut 

beziehen  sich  auf  1(X)  Tble. 
Flüssigkeit;  die  Gasvolimüna 
sind    bei    0®    und   1    Meter 

17-93 

— 

— 

16-06 

16-65 

32-71 

Serum 

Hg-Dnick  gemessen.) 

— 

— 

— 

16-00 

— 

— 

Serum 

— 

— 

— 

— 

1-77 

— 

Gemenge  von  aus- 
gepumptem Blut 

und  Sera 

im 

• 

Blut.  325 

Bd   der  Betrachtung   dieser  Zahlen  fallen   sofort  die  grossen  Unterschiede 
auf,   welche   sich    in    der  Zusammensetzung    der  Gase   verschiedener  Blutarten 
finden.     Zunächst  hinsichtlich   des    Sauerstoffs.     Das  Erstickungsblut   enthält  nur 
Spuren  desselben,  das  venöse  Blut  immer  weniger  als  das  arterielle;  der  Sauerstoff 
wird  also  innerhalb  des  Körpers  von  den  Geweben  für  gewöhnlich  grossentheils, 
unter  besonderen  Umständen  (Erstickung,  d.  h.  Abschneidung  der  Zufuhr  frischen 
Sauerstoffs  durch  die  Lungen)  so  gut  wie  vollständig  aufgebraucht.    Die  im  arte- 
riellen Blute  vorhandene  Menge  desselben  ist  aber  bedeutend  grösser  als  die- 
jenige,  welche   dem  Absorptionscoefficienten    der   Blutflüssigkeit    (welcher   eher 
kleiner  als  der  des  Wassers  sein  wird)  für  dieses  Gas  entspricht;  der  Sauerstoff 
kann  demnach  nicht  einfach  absorbirt  im  Blute  enthalten  sein,   sondern  er  be- 
findet sich  darin  in  lockerer  Verbindung  mit  dem  Hämoglobin  der  Körperchen 
(5.  o.).    Diese  sind  übrigens  auch  im  arteriellen  Blute  nicht  völlig  mit  Sauerstoff 
gesättigt,  da  dasselbe  von  letzterem  noch  eine  kleine  Menge  aufzunehmen  vermag. 
Bei  der  Kohlensäure  sind  die  Verhältnisse  noch  verwickelter.    Zunächst  er- 
giebt  sich,  dass  ein  Theil  derselben  unmittelbar  aus  dem  Blute  durch  Auspumpen 
entfernt  werden  kann,  ja  es  gelingt  sogar,  aus  dem  Blute  die  gesammte  Menge 
derselben  auszupumpen;    beim  Serum    (und  ebenso  beim  Plasma,    wenn   man 
dasselbe  vor  der  Gerinnung  schützen  könnte)  ist  dagegen  ein  grosser  Theil  der 
Kohlensäure    nicht   direkt   auspumpbar,    sondern  erst  nach  Zusatz  einer  Säure. 
Dieses    Verhalten    des  Serums    entspricht    ganz    demjenigen    einer    verdünnten 
Lösung  von  doppeltkohlensaurem  Natron,  welche  beim   Auspumpen  allmählich 
in  eine  solche   von  neutralem  kohlensauren  Natron  übergeht;    ein  Unterschied 
besteht  aber  insofern,  als  das  Serum   die  Kohlensäure  leichter  als  das  doppelt 
kohlensaure  Natron  abgiebt.     Diese  Verschiedenheit  ist  darin  begründet,  dass  im 
Serum  Substanzen  vorhanden  sind,  welche  im  Vacuum  Kohlensäure  aus  kohlen- 
saurem Natron  auszutreiben  vermögen,  was  namentlich  von  den  Eiweisskörpem 
gilt.      Im     höchsten     Grade    besitzt    diese     Fähigkeit    das     Hämoglobin    der 
Körperchen,   sodass  aus  dem  Blute,   wie  Schöffer  (66)  zuerst  fand,   durch  Aus- 
pumpen die  gesammte  Kohlensäure  bis  auf  Spuren  gewonnen  werden  kann,  und 
solches    Blut    mit    ebenfalls    völlig    ausgepumptem    Serum    versetzt,     nochmals 
Kohlensäure  entwickelt     Pflüger  (68)  wies  sodann  nach,  dass  das  Blut  bei  ge- 
nügend lange  fortgesetztem  Auspumpen    seine  Kohlensäure   völlig  abgiebt  und 
dann  noch  im  Stande  ist,  zugesetztes  kohlensaures  Natron  zu  zerlegen;  ein  Be- 
fund, den  Schöffer  später  völlig  bestätigen  konnte  (85). 

Bemerkenswerth  erscheint  das  Verhalten  der  rothen  Körperchen  während 
der  Auspuropung  des  Blutes.  Wird  dieselbe  nur  soweit  getrieben,  dass  aller  O 
entwichen  ist,  nicht  aber  sämmtliche  CO3,  so  färbt  sich  das  Blut  schwarzroth, 
nimmt  aber  nach  dem  Schütteln  mit  Luft  die  arterielle  Farbe  wieder  an,  und 
die  Körperchen  zeigen  sich  zum  grössten  Theil  unverändert.  Wird  dem  Blute 
aber  ausser  dem  O  auch  noch  alle  CO^  entzogen,  so  wird  es  unter  Zerstörung 
eines  grossen  Theils  der  Körperchen  lackfarben,  der  Farbstoff  tritt  in  Lösung, 
imd  das  Blut  wird  weder  durch  Schütteln  mit  Sauerstoff  oder  Versetzen  mit 
schwefelsaurem  Natron  allein  wieder  hellroth,  sondern  nur  durch  beide  Agentien 
zusammen  (66). 

Quantitative  Analyse    des    Gesammtblutes.     Von    den   aufgeführten 
Bcstandtheilen  des  Blutes  lassen  sich  nicht  alle  direkt  bestimmen,  da  sie  nicht 
ohne  eine  Veränderung  zu  erieiden,  von  den  übrigen  getrennt  werden  können; 
das  Gewicht  derselben  muss  daher  auf  indirekte  Weise  ermittelt  werden.     Ferner 


:r^S' 


K     *: 


3*6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

verlangen  die  morphotiscben  Elemente  besondere  Berücksichtigung,  gegenüber 
dem  Plasma  und  dem  Serum.  Im  Folgenden  sollen  nur  die  wichtigsten  Methoden 
mitgetheilt  werden  (69). 

1.  Den  Wassergehalt  des  Blutes  bestimmt  man  durch  Eintrocknen  einet 
gewogenen  oder  gemessenen  Menge  Blut  in  einem  gewogenen  Schälchen,  zuletet 
bei  110°  C. 

2.  Fibrinbestimmung.  Man  überzieht  ein  kleines  Bechergläschen  mit 
einer  Kautschukkappe,  welche  oben  einen  röhrenförmigen  Ansatz  trägt,  durch 
welchen  ein  bis  auf  den  Boden  des  Gläschens  reichendes  Fischbeinstäbchen 
hindurchgeht.  Der  Apparat  wird  gewogen,  nach  Abnahme  der  Kappe  mit 
30—40  Ccentim.  Blut  unmittelbar  aus  der  Ader  gefüllt,  sofort  mit  der  Kappe 
bedeckt  und  das  Blut  mit  dem  Stäbchen  10  Minuten  lang  geschlagen;  nach 
völligem  Erkalten  wägt  man  wieder  und  erßlhrt  so  das  Gewicht  des  Blutes. 
Dann  wird  die  Kappe  geöffnet,  das  Gläschen  mit  Wasser  gefüllt  und  die  Flüssig- 
keit gut  umgerührt;  nach  dem  Absitzen  des  Fibrins  decantirt  man  in  ein  grosses 
Becherglas,  übergiesst  das  Fibrin  wiederum  mit  Wasser,  dem  etwas  Kochsalz  zu- 
gesetzt ist,  decantirt  wieder  und  wiederholt  dies,  bis  die  Flüssigkeit  über  dem 
Fibrin  fast  völlig  klar  bleibt.  Fibrinfasern,  welche  am  Stäbchen  haften 
geblieben,  kann  man  leicht  mit  einer  Pincette  abnehmen  und  dem  übrigen 
zufügen.  Dann  bringt  man  das  Fibrin  auf  ein  kleines  gewogenes  Filter  und 
wäscht  solange  mit  reinem  Wasser,  bis  dasselbe  völlig  farblos  abläuft,  und  aoch 
das  Fibrin  höchstens  hell  rosa  gefärbt  erscheint.  Hierauf  wäscht  man  noch  einige 
Male  mit  siedendem  Alkohol  (um  Fett,  Cholesterin,  Lecithin  zu  entfernen), 
trocknet  bei  110—120°  und  wägt.  In  derselben  Weise  verfährt  man  zur  Be- 
stimmung des  Fibrins  in  Plasma,  nur  fängt  man  dann  das  aus  der  Ader 
kommende  Blut  unmittelbar  in  stark  abgekühlten  Gefässen  auf  und  lässt  dasselbe 
bei  0°  stehen,  bis  sich  die  Körperchen  gesenkt  haben;  dann  bringt  man  mittelst 
einer  Pipette  die  nöthige  Quantität  klares  Plasma  in  den  beschriebenen  Apparat 
(Hoppe-Seyler). 

3.  Die  Bestimmung  des  Hämoglobins  (86),  kann  entweder  gewichts- 
analytisch durch  Bestimmung  des  Eisengehaltes  oder  durch  optische  Metboden 
geschehen.  In  ersterem  Falle  verascht  man  50—100  Grm.  Blut  vorsichtig  (am 
besten  unter  Zusatz  von  etwas  kohlensaurem  Natron)  und  bestimmt  in  der  Asche 
das  Eisen  wie  gewöhnlich,  am  besten  durch  Titriren  mit  Chamäleon.  0'42  Gnn. 
Fe  =  100  Grm.  Oxyhämoglobin. 

Die  optischen  Methoden  beruhen  entweder  auf  direkter  Vergleichung  der 
Färbekraft  des  Blutes  mit  der  einer  reinen  Oxyhämoglobinlösung  von  bekanntem 
Gehalte  oder  auf  der  Untersuchung  der  Blutlösung  mittelst  des  Spectralapparates. 
Behufs  der  colorimetrischen  Bestimmung  bereitet  man  sich  eine  reine  Oxy- 
hämoglobinlösung, und  bestimmt  in  einem  aliquoten  Theile  derselben  den 
Gehalt  an  Farbstoff  durch  Eindunsten  und  Trocknen  bei  120®;  dann  bringt  man 
eine  gemessene  Menge  derselben  Lösung  in  ein  Glaskästchen  mit  parallelen 
Wänden,  die  genau  1  Centim.  von  einander  entfernt  sind,  und  in  ein  gleiches 
Gefäss  eine  ebenfalls  gemessene  Menge  des  auf  das  20  fache  Vol.  verdünnten 
Blutes.  Beide  Gefässe  stellt  man  sodann  dicht  nebeneinander  vor  einen  weissen 
Papierschirm  und  verdünnt  die  dunklere  Flüssigkeit  (wohl  immer  die  Blutlösung) 
so  lange  mit  gemessenen  Wassermengen,  bis  die  Farbe  beider  Proben  gleich  ist 
Man  wiederholt  di^  Bestimmung  unter  Anwendung  einer  verdünnteren  Normal- 
lösung;  eine  etwaige  Trübung  der  Lösungen  kann  man  leicht  durch  Zusatz  einer 


Blut  327 

Spar  Alkali  beseitigen.  Sind  die  Flüssigkeiten  auf  gleichen  Farbenton  gebracht, 
so  enthalten  sie  in  gleichen  Volumen  auch  gleiche  Mengen  Oxyhämoglobin,  und 
man  kann  dann  durch  eine  einfache  Rechnung  den  Gehalt  des  Blutes  an  Farb- 
stoff finden  (Hoppe-Seyler). 

Die  spectroskopischen  Methoden  können  hier  nur  angedeutet  werden;  die 
von  Preyer  (70)  vorgeschlagene  beruht  darauf,  dass  man  sich  eine  Normaloxy- 
hämoglobinlösung  herstellt,  welche  bei  1  Centim.  Dicke  gerade  noch  grünes  Licht 
durchlässt  (s.  o.  Hämoglobin)  und  dann  diesen  Punkt  bei  einer  verdünnten  Blut- 
lösung von  derselben  Dicke  bestimmt;  ist  dieser  erreicht,  so  ist  der  Farbstoffge- 
halt in  beiden  Lösungen  derselbe.  Die  Methoden  von  Vierordt  (71)  und 
HüFNER  (72)  beruhen  dagegen  auf  der  Ermittelung  des  Lichtabsorptionsver- 
hältnisses der  Hämoglobinlösungeh  in  verschiedenen  Spectralbezirken ;  Hüfner's 
Methode  gestattet  namentlich  auch  Hämoglobin  und  Oxyhämoglobin  in  einer 
Flüssigkeit  nebeneinander  zu  bestimmen. 

4.  Die  Bestimmung  der  feuchten  rothen  Blutkörperchen  kann  nur 
auf  indirektem  Wege  ausgeführt  werden,  da  keine  Methode  bekannt  ist,  welche 
dieselben  völlig  unversehrt  vom  Plasma  zu  trennen  gestattet.  Die  indirekte  Be- 
stimmung ist  möglich,  da  sowohl  das  Plasma  als  auch  die  Körperchen  Sub- 
stanzen enthalten,  welche  ihnen  eigenthümlich  sind;  zur  Bildung  des  Fibrins 
tragen  die  rothen  Körperchen  nichts  bei,  und  der  Farbstoff  fehlt  dem  Plasma. 
Man  kann  daher  folgendermaassen  verfahren: 

Man  fllngt  2  Blutportionen  auf,  die  eine  (kleinere)  im  oben  beschriebenen 
Fibrinapparate,  die  andere  (grössere)  in  einem  gut  gekühlten  GefUsse  und  lässt 
die  Körperchen  sich  absetzen.  Dann  bestimmt  man  sowohl  im  Blute  als  auch 
im  Plasma  der  zweiten  Portion  das  Fibrin,  aus  welchen  Daten  sich  die  Menge 
der  feuchten  Körperchen  dann  leicht  berechnen  lässt  Man  hat:  100  Blut  =  j^ 
Körperchen  H- jc Plasma;  femer:  100  Blut  geben /Fibrin,  100  Plasma:  ^Fibrin, 
woraus  x  =  1(^0 fiF  folgt  (Hoppe-Seyler).  Die  Menge  des  Fibrins  in  Blut  und 
Plasma  ist  aber  nur  sehr  gering,  und  deshalb  die  Methode  nicht  sehr  genau; 
auch  giebt  es  nicht  viele  Blutarten,  aus  denen  man  eine  für  die  Bestimmungen 
hinreichende  Quantität  Plasma  gewinnen  könnte. 

Tysig^gen  lässt  sich  das  Gewicht  der  feuchten  Körperchen  auch  aus  dem 
Eiweiss-  und  Hämoglobingehalte  des  Blutes,  der  Körperchen  und  des  Serums 
berechnen.  Man  bestimmt  zu  dem  Zwecke:  I.  die  coaguHrbaren  Substanzen  des 
Gesammtblutes  durch  Fällung  mit  Alkohol,  Auswaschen  mit  kochendem  Alkohol, 
Aether  und  Wasser,  Trocknen  bei  110—120°,  Wägen,  Einäschern,  Wägen  der 
Asche,  Bestimmung  des  in  dieser  enthaltenen  Eisenoxyds  und  Abziehen  von 
(Asche  —  Eisenoxyd)  von  dem  Gewicht  der  getrockneten  Eiweisskörper. 

n.  in  derselben  Weise  die  Eiweisskörper  in  den  Körperchen  H-  Fibrin,  indem 
man  Blut  defibrinirt,  die  Körperchen  sammt  dem  ausgeschlagenen  Fibrin  durch 
Centrifugiren  oder  Absitzenlassen  mit  2^  Kochsalzlösung  von  Serum  befreit  und 
dann  mit  Alkohol  coagulirt  etc. 

in.  in  derselben  Weise  die  Eiweisskörper  des  Serums,  und 
IV.  das   Fibrin    im   Gesammtblute.     Bezeichnen    wir    diese    vier    Grössen, 
sämmtlich  auf  100  Th.  Blut  oder  Serum  berechnet,  mit  (der  Reihenfolge  nach) 

a,  h,  c  und/,  so  ergiebt  sich  zunächst:   100  ^~"     -+-/  =  Plasma  in  100  Thln.  Blut, 
und  hieraus  K(örperchen)  =  100—  flOO^-^  -h/1  (Hoppe-Seyler). 


328  Handwörterbuch  der  Chemie. 

5.  Bestimmung  des  Paraglobulins  und  Sernmalbumins  im  Serum. 
Man  verdünnt  1  Vol.  Serum  mit  5  Vol.  einer  gesättigten  Lösung  von  schwefel- 
saurer Magnesia  und  sättigt  das  Gemisch  damit  durch  Eintragen  des  gepulverten 
Salzes,  filtrirt  durch  ein  gewogenes,  mit  gesättigter  Bittersalzlösung  angefeuchtetes 
Filter,  wäscht  mit  dieser  Salzlösung  vollständig  aus,  bis  das  Filtrat  ganz  eiweiss- 
frei,  trocknet  bei  100—110°  C,  wäscht  mit  kochendem  Wasser  völlig  aus,  dann 
mit  Alkohol  und  Aether,  und  trocknet  wieder  bei  100—110°  C.  Aus  dem  Eil- 
träte  und  den  Bittersalz  Waschflüssigkeiten  wird  das  Serumalbumin  durch  Kochen 
unter  Zusatz  einer  Spur  Essigsäure  ausgefallt,  auf  einen  gewogenen  Filter  gesam- 
melt, mit  Wasser,  Alkohol  und  Aether  gewaschen  und  bei  100 — 110°C.  getrocknet 
(Hammarsten)  (73),     Eine  optische  Methode  hat  L.  Frädäricq  (83)  angegeben. 

6.  Bestimmung  der  Eiweissstoffe,  Extractivstoffe,  Fette,  Leci- 
thin, Cholesterin  und  Salze.  Eine  gewogene  oder  gemessene  Menge  Blut 
oder  Serum  wird  mit  3—4  Vol.  Alkohol  nach  und  nach  unter  gutem  Umrühren 
versetzt,  der  Niederschlag  nach  einigen  Stunden  auf  einem  gewogenen  Filter  ge- 
sammelt, mit  Weingeist,  kochendem  absolutem  Alkohol,  Aether,  Alkohol  und  kochen- 
dem Wasser  in  verschiedene  Gläser  gewaschen,  getrocknet  (zuletzt  bei  120°  C.)  und 
gewogen.  Der  weingeistige  Auszug  wird  verdunstet,  der  Rückstand  mit  dem 
alkoholischen  und  ätherischen  Auszage  Übergossen,  durch  ein  gewogenes 
Filter  filtrirt,  mit  Alkohol  und  Aether  gewaschen,  hierauf  mit  dem  wässrigen 
Auszuge  in  ein  anderes  Glas  gewaschen,  hierauf  mit  destillirtem  Wasser  gewaschen 
und  bei  120°  C.  getrocknet;  dieser  Rückstand  besteht  noch  aus  EiweissstofTen. 
Der  wässrige  Auszug  wird  sodann  in  einem  gewogenen  Schälchen  verdunstet,  bd 
HO — 115°  C.  getrocknet,  gewogen,  bei  massiger  Hitze  verascht  und  wieder  ge- 
wogen; diese  Asche  enthält  die  löslichen  Salze.  Das  alkoholische  und  ätherische 
Extract  wird  bei  massiger  Wärme  (nicht  über  70°  C.)  verdunstet,  der  Rückstand 
mit  Aether  extrahirt,  auf  einem  Filter  gesammelt,  mit  Aether  (in  ein  Kölbchen) 
gewaschen,  dann  mit  Wasser  vom  Filter  in  ein  gewogenes  Schälchen  gespült,  g^ 
trocknet,  bei  100— 110°,  C.  getrocknet,  gewogen,  bei  massiger  Hitze  verascht 
und  gewogen;  diese  Asclie  enthält  einen  anderen  Theil  der  löslichen  Salze.  Der 
Aetherauszug  wird  grösstentheils  abdestillirt,  der  Rückstand  mit  Alkohol  in  ein 
gewogenes  Becherglas  gebracht,  zur  Trockne  verdunstet,  nach  dem  Erkalten 
schnell  gewogen,  wieder  in  Alkohol  gelöst  und  mit  überschüssiger  alkoholischer 
Kalilauge  ca.  1  Stunde  lang  gelinde  gekocht,  mit  etwas  Wasser  verdünnt,  der 
Alkohol  abgedunstet,  der  Rückstand  in  Wasser  gelöst  und  mit  Aether  ausge- 
schüttelt. Die  Aetherlösungen  werden  abdestillirt,  der  Rückstand  mit  Alkohol  und 
Aether  in  ein  gewogenes  Becherglas  gespült,  hierin  getrocknet,  durch  Waschen 
mit  kaltem  Alkohol  von  etwas  Seifen  befreit,  getrocknet  (bis  80°)  und  gewogen: 
Cholesterin.  Die  alkoholischen  Waschflüssigkeiten  werden  zu  der  mit  Aether  aus- 
geschüttelten Lösung  gebracht,  Salpeter  zugesetzt,  in  einer  Silberschale  zur 
Trockne  verdampft  und  bis  zur  völligen  Verbrennung  der  Kohle  geschmolzen, 
die  Schmelze  in  Wasser  gelöst  und  die  Phosphorsäure  darin  wie  gewöhnlich  als 
MgjPjOy  bestimmt;  das  Gewicht  dieser  mit  7-2748  multiplicirt  giebt  die  Quanti- 
tät des  vorhandenen  Lecithins.  Zieht  man  dessen  Gewicht  -+-  dem  des  Choles- 
terins von  dem  des  Rückstandes  des  Aetherauszuges  ab,  so  erhält  man  das 
Gewicht  des  Fettes.  Die  Menge  der  Extractivstoffe  ergiebt  sich  aus  den  Ge- 
wichten des  Wasser-  und  des  Alkoholextractes  durch  Subtraction  der  Aschen- 
gewichte. Die  unlöslichen  Salze  erhält  man  durch  Veraschen  der  Eiweissnieder- 
schläge  (Hoppe-Sevler). 


j 


Blut.  329 

7.  Bestimmung  der  anorganischen  Bestandtheile  des  Blutes  und 
des  Serums.     Dieselbe  kann  natürlich  durch  die  quantitative  Analyse  der  nach 
6.  erhaltenen  Asche  geschehen  (für  das  Gesammtblut  der  einzige  Weg),  im  Serum 
aber  lassen  sich  wenigstens  einzelne  Bestandtheile  direkt  bestimmen.     Versetzt 
man  Serum  mit  verdünnter  Essigsäure  bis  zur  sauren  Reaction  und  fugt  oxal- 
saures  Ammon  hinzu,   so  fallt  der  Kalk   als  Oxalat  aus,   welches  abfiltrirt  und 
wie  gewöhnlich  bestimmt  wird;    aus  dem  Filtrate  kann  durch  Ammoniak  und 
phosphorsaures  Natron  die  Magnesia  als  Tripelphospat  ausgeschieden  werden, 
oder  die  Phosphorsäure  in  derselben  Form  durch  blossen  Zusatz  von  Ammoniak 
(74).     Durch  Behandlung  mit  kohlensaurem  Silberoxyd  kann  man   dem  Serum 
das  ganze  Chlor  entziehen,  doch  geht  etwas  Eiweiss  in  den  Niederschlag  über. 
8.  Bestimmung  der  Blutmenge  eines  Thieres.     Bisher  wurde  dieselbe 
so  ausgeführt,  das  dem  Thiere  eine  bestimmte  Menge  Blut  entzogen,  und  de- 
fibrinirt  wurde;  hierauf  wurde  dasThier  verblutet,  geöffnet,  Darmkanal  und  Galle 
entfernt,   und  so  gut  wie  möglich  zerkleinert,  die  ganze  Masse  mit  Wasser  bis 
zur  Entfärbung  ausgewaschen,  und  sämmtliche  Waschflüssigkeiten  mit  der  Haupt- 
blutmenge vermischt.   Alsdann  wurde  die  Färbekraft  dieser  Flüssigkeit  im  Vergleich 
zu  dem  ursprünglichen  Blute  bestimmt  und  daraus  berechnet,  wieviel  Blut  durch 
das  Verbluten  und  Auswaschen  gewonnen  wurde.    Diese  Methode  leidet  an  dem 
Fehler,  dass  das  den  rothen  Muskeln  eigene  Hämoglobin  als  Bhithämoglobin  in 
Rechnung  gebracht  wird  (75).    Neuerdings  haben  Grähant  und  Quinquaud  (76)  eine 
Methode    angegeben,    welche  darin  besteht,    dass    man    einem  Thiere  eine  be- 
stimmte Menge  Blut  entzieht,  und  dasselbe  dann  eine  Zeit  lang  in  ein  bestimmtes 
Volum  einer  Mischung  von  O,  H  und  CO  athmen  lässt,  worauf  eine  zweite  Blut- 
probe genommen  wird.     Man  bestimmt  sodann  von  beiden  Blutproben  ihr  Ver- 
mögen, O  zu  absorbiren,  und  femer  das  rückständige  CO  in  dem  Gasgemisch. 
Z.B.    100   Ccentim.   frisches  Blut  absorbiren  18-1  Ccentim.  O,  100  Ccentim.  ver- 
giftetes   aber   nur   10*1  Ccentim.,    letztere  enthalten    demnach  8  Ccentim.  CO; 
femer  wäre  dass  verschwundene  Volum  CO  =  64  Ccentim.,  so  ergiebt  sich  die 
Blutmenge  x  aus  der  Proportion:    100:  8  =  :«::  64  gleich  800  Ccentim.     Der  be- 
treffende Hund  wog   1015  Kilo,  seine  Blutrnenge  ist  also  =  1/12*7  des  Körper- 
gewichts.    Greha5it   und    Quinquaud's   Bestimmungen    schwanken    bei  Hunden 
zwischen   1/11   und   1/13-8,  oder  0091   und  0072   des  Körpergewichts;  Bischoff 
fand  die  Blutmenge  bei  hingerichteten  Verbrechern  zu  0'071  und  0077,  Welcker 
bei  neugeborenen  Kindern  zu  0*0526  (77). 

Blutflecken.  Ob  dunkle  Flecken  auf  Zeug,  Holz,  Metall  etc.  von  Blut 
herrühren,  lässt  sich  auf  verschiedene  Art  und  Weise  erkennen.  Sind  die  Flecke 
nicht  zu  alt,  so  lassen  sich  nach  dem  Aufweichen  mit  0*5^  Kochsalzlösung 
unter  dem  Mikroskop  bisweilen  noch  die  Blutkörperchen  erkennen,  doch  sind 
Schlüsse  auf  die  Natur  des  Blutes,  ob  menschlich,  ob  thierisch,  nur  selten  mög- 
lich, wenn  die  Körperchen  elliptisch  sind,  einen  Kern  haben  etc.  Behandelt 
man  den  Flecken  mit  Wasser,  und  färbt  sich  die  Lösung  roth,  so  untersucht 
man  mittelst  des  Spectroskopes,  wobei  man  bei  eingetrockneten  Blute  das  Methämo- 
globinspectrum sieht  Hat  man  genügendes  Material  zur  Verfügung,  so  setzt  man 
einer  Probe  etwas  Schwefelammonium  zu  und  beobachtet,  ob  nun  das  Hämo- 
globinspectrum, und  nach  dem  Schütteln  mit  Luft  das  Oxyhämoglobinspectrum 
auftritt  Eine  andere  Probe  der  Substanz  wird  mit  einer  Spur  Chlomatrium  und 
8 — 16  Tropfen  Eisessig  auf  einem  Uhrgläschen  zerdrückt  und  zum  Kochen  er- 
hitzt, hierauf  auf  dem   Wasserbade  die   Essigsäure  verjagt,  und  der  Rückstand 


330  Handwörterbuch  der  Chemie. 

unter  dem  Mikroskope  auf  die  rhombischen  Plättchen  von  Hämin  untersucht. 
Sind  solche  vorhanden,  so  ist  damit  der  Nachweis  des  Blutes  erbracht  Ge- 
kochtes Blut,  lufttrocken  erhitztes  oder  mit  Säure  oder  Kali  behandeltes  Methämo- 
globin geben  od  keine  oder  nur  unsichere  Häminreaction,  aber  mit  Natronlauge 
eine  rothe,  in  dünner  Schicht  grünliche  Lösung,  welche  mit  etwas  Schwefel- 
ammonium schön  hellroth  wird  und  die  Streifen  des  Hämochromogens  erkennen 
lässt,  welche  bei  kurzem  Schütteln  mit  Luft  verschwinden,  bei  ruhigem  Stehen 
aber  wieder  erscheinen,  nach  Behandlung  der  Flüssigkeit  mit  einer  starken  Säure 
dagegen  nicht  wieder  hervorgerufen  werden,  weil  hierdurch  das  Hämochromogen  in 
Hämatoporphyrin  übergeführt  wird  (Hoppe-Seyler)  (78). 

Blut  anderer  Thiere.  Das  Blut  anderer  Thiere,  als  der  Säuger  und 
Vögel,  ist  noch  wenig  untersucht.  Nach  Tiegel  (79)  gerinnt  das  Blut  aus  der 
Vena  cava  von  Schlangen  (Elaphis-  und  Tropidonotus-krt^n)  in  längstens  \  Stunde, 
Aortenblut  dagegen  niemals  nach  3^,  sehr  häufig  nicht  einmal  nach  24  Stunden. 
Das  Coagulum  haftet  den  Gefasswandungen  fest  an,  trennt  sich  in  Kuchen  nnd 
Serum,  zerfallt  aber  beim  Schütteln  in  kleine  Fetzen  und  giebt  solche  auch  beim 
Schlagen.  Plasma  von  hungernden  Schlangen  enthält  nur  Faraglobulin,  von  ver- 
dauenden auch  Serumalbumin. 

Das  Blut  von  Octopus  vulgaris  enthält  nach  L.  Frädäricq  (80)  einen  fiarb- 
losen  Eiweisskörper,  der  beim  Schütteln  mit  Luft  dunkelblau  (unter  Aufnahme 
von  Sauerstoff),  im  Vacuum,  in  Berührung  mit  lebenden  Geweben  oder  beim 
Aufbewahren  wieder  farblos  wird.  Er  nennt  diesen  Körper  Hämocyanin; 
derselbe  ist  in  Wasser  löslich,  gerinnt  bei  68—69°,  giebt  die  Reartionen  der  Ei- 
weisskörper und  enthält  eine  bedeutende  Menge  Kupfer  in  organischer  Verbindung. 
Das  Hämocyanin  findet  sich  auch  im  Hummer-  und  Krabbenblute,  sowie  bei 
vielen  anderen  niederen  Thieren  (81).  Im  Blute  aus  dem  Rückengefässe  der 
Larve  von  Oryctes  nasicornis  konnte  Frädäricq  (82)  keinen  dem  Hamoglobio 
oder  Hämocyanin  ähnlichen  Körper  auffinden;  dasselbe  ist  farblos,  enthält  ebe 
grosse  Menge  farbloser  Körperchen  und  coagulirt  spontan.  E.  Drechsel. 

Boden.*)  Wir  verstehen  unter  Boden  den  zum  Anbau  der  Culturpflanzen 
geeigneten  Theil  der  festen  Erdoberfläche.    Jeder  Boden  bildet  eine  aus  mineni- 

♦)  i)  Ferd.  Senft,  Der  Steinschutt  und  Erdboden  (Eisenach).  2)  De«.,  Humus-,  Marsch-, 
Torf-,  Limonitbildung  (Leipzig  1862).  3)  Fesca,  Journ.  f.  Landw.  27  (SuppL),  1879,  pag.  60. 
4)  A.  Orth,  Ber.  15,  pag.  3025.  5)  Hensen,  Landw.  Jahrhttcher  (1882),  Bd.  XI,  pag.  661. 
6)  Darwin,  P.  E.  Müller,  v.  Lengerke,  vergl.  No.  5.  7)  Berzelius,  Gmelin  VII,  pag.  1861,  1863. 
8)  Mulden,  J.  pr.  Ch.  21,  pag.  203,  321;  32,  pag.  321.  9)  A.  Petermann,  Biedermanns 
Centralbl.  12,  pag.  361.  10)  Hermann,  J.  pr.  Ch.  22,  pag.  65;  23,  pag.  375;  25,  pag.  189; 
27i  pag'  165;  34,  pag.  156.  II)  Detmer,  Versuchsstat.  14,  pag.  248.  12)  G.  LoGES,  Ebend.  38, 
pag.  229.  13)  Herz,  Handwörterb.  d.  Chemie  m,  pag.  715.  14)  Ad.  Mayer,  Versnchsst  29, 
P^-  3 'S-  15)  ^-  Fleischer,  Thätigkeit  der  Centr.  Moor-Commission  (Berlm  1882),  pag.  8. 
16)  Jentzsch,  Ber.  Centr.  Moor-Commiss.,  V.  Sitz.  (1877),  pag-  3i-  »7)  Salfeld,  Landw. 
Jahrbücher  12,  pag.  21,  22.  18)  C.  ViRCHOW,  Ebend.  12,  pag.  iii,  127.  19)  Runde,  Statist 
d.  Moore  Schlesw.-Holsteins  (Schriften  d.  Centr.  Moor-Commiss.  1880),  pag.  3.  20}  Grisxbacb, 
gesammelte  Abh.  z.  Pflanzengeographie,  Leipzig  1880.  21)  Emeis,  waldbauL  Forsch.  (Berlin  1875). 
pag-  35i  38-  22)  ScHÜBTXR,  Grundsätze  d.  Agriculturchemie  1838.  23)  Haberlandt,  Agric 
Jahresber.  9,  pag.  49,  52;  18/19,  pag.  26,  28,  35,  36,  38,  40;  20,  pag.  43;  WoLLNY*s  Agr. 
Physik.  Forsch.  I,  pag.  148.  24)  Pfaundler,  Pogg.  Ann.  129,  pag.  102.  25)  Platter,  Agr. 
Jahresber.  13/15,  pag.  104.  26)  Ad.  Mayer,  Landw.  Jahrbtlcher  3,  pag.  753;  Wolln^s  Agi. 
Phys.  Forsch.  3,  pag.  150.  27)  Ebermayer,  Physik.  Einwirk.  d.  Waldes  auf  Luft  u.  Boden, 
Berlin  (1873).     28)  Kessler,  Agric.   Jahresber.  16/17,   pag.  49.     29)  Oemlbr,  Ebend.  l6jl7, 


Boden.  331 

lischen,  gröberen  und  feineren  Theilchen  zusammengesetzte  Masse,  gemengt  und 
aufs  Innigste  verbunden  mit  einer  gewissen  Menge  organischer  Substanz  (Humus). 


pag.  31.  30)  A.  C.  u.  Edm.  Becquerel,  Compt.  rend.  82,  pag.  587,  700;  80,  pag.  141,  773. 
31)  Gazzeri,  vergl.  Orth,  Versuchsstat  16,  pag.  56.  32)  Bronner,  vergl.  Mohr,  Ann.  127, 
pag.  125.  33)  Thompson,  Huxtable,  vergl.  Knop,  Kreislauf  d.  Stoffs,  pag.  116  und  J.  Roy. 
Agr.  Soc.  n,  pag.  68.  34)  Way,  J.  Roy.  Agr.  soc.  IX  (1850),  pag.  313;  XUI,  pag.  123; 
XV,  pag.  491.  35)  Liebig,  Ann.  94,  pag.  373.  36)  Ders.,  Ann.  105,  pag.  109,  120.  37)  Henne- 
berg u.  Stohmann,  Ann.  107,  pag.  152.  38)  Brustlein,  Ann.  chim.  phys.  [3]  56,  pag.  157. 
39)  Völcker,  J.  Roy.  soc.  21,  pag.  105.  40)  u.  41)  Rautenberg,  Agr.  Jahresber.  5,  pag.  30; 
J.  f.  Landw.  1862.  42)  Eichhorn,  Landw.  Jahrbücher  4,  pag.  i.  43)  Beyer,  Agr.  Jahresber.  11/ 12, 
pag.  67.  44)  Knop,  Die  Bonitirung  der  Ackererde  (Leipzig  1871).  45)  Biedermann,  Versuchs- 
stationen 15,  pag.  21.  46)  Frey,  Versuchsstat.  18,  pag.  3.  47)  A.  König,  Landw.  Jahrbuch.  11 
(1882),  pag.  I.  48)  Peters,  Versuchsstat.  2,  pag.  113.  49)  Frank,  Ebend.  8,  pag.  45. 
50)  Treutler,  Ebend.  12,  pag.  184;  15,  pag.  368.  51)  P.  Wagner,  J.  f.  Landw.  1874, 
pag.  353.  52)  TuxEN,  Versuchsstat.  27,  pag.  107.  53)  Liebig,  Ann.  105,  pag.  1 17.  54)  E-  Heiden, 
Agr.  Jahresber.  9,  pag.  27.  55)  van  Bemmelen,  Versuchsstat.  21,  pag.  135;  23,  pag.  265. 
56)  VöLCKE,  Agr.  Jahresber.  8,  pag.  22.  57)  Küllenberg,  Ebend.  8,  pag.  15.  58)  Kalmann 
u.  Böcker,  Versuchsstat.  21,  pag.  349.  59)  Lemberg,  Agr.  Jahresber.  20,  pag.  35.  60)  Iwanoff, 
Ebend.  20,  pag.  34.  61)  Biedermann,  Versuchsstat.  11,  pag.  i,  81.  62)  Fiedler,  Ebend.  26, 
pag.  135.  63)  Ullik,  Ebend.  23,  pag.  347,  350.  64)  Ritthausen,  Agric.  Jahresber.  18/19, 
pag.  51.  65)  Eichhorn,  Landw.  Jahrbücher  4,  pag.  i.  66)  H.  Albrecht  u.  Vollbrecht, 
Ebend.  9,  pag.  115.  67)  Knop,  Versuchsstat.  5,  pag.  137.  68)  Grouven,  Agric.  Jahresber.  i, 
pag.  13.  69)  Fraas  u.  Zöller,  Ebend.  2,  pag.  11.  70)  Schlösing,  Compt.  rend.  70,  pag.  98. 
71)  A.  Völcker,  Agric  Jahresber.  16/17,  pag«  »36.  72)  E.  Heiden,  Ebend.  8,  pag.  33. 
73)  F.  Schulze,  Versuchsstat  6,  pag.  409.  74)  Knop,  Agric.  Jahresber.  7,  pag.  31.  75)  Rob. 
Hoffmann,  Versuchsstat  5,  pag.  193.  76)  Cossa,  Ebend.  8,  pag.  54.  77)  Emmerling  u.  Loges, 
Bieoermann's  Centralbl.  12,  pag.  655.  78)  Emmkrling,  Mitth.  Verein  Schlesw.-Holst  Aerrte 
(1883)  ni,  pag.  124.  79)  W.  Wolf,  Landw.  Jahrbücher  2,  pag.  407.  80)  Pagel,  Ebend.  1877, 
Suppl.,  pag.  351.  81)  P.  Petersen,  Versuchsstat  13,  pag.  155.  82)  W.  Wolf,  Landw.  Jahr- 
bücher 2,  pag.  389.  83)  Privatmitth.  des  Ref.  84)  C.  Schmidt,  Agric.  Jahresber.  23,  pag.  6. 
85)  Bretschneider,  Ebend.  8,  pag.  29.  86)  Knop  u.  Wolf,  Versuchsstat  3,  pag.  109,  207. 
87)  Osswald,  Landw.  Jahrbücher,  1877  Suppl.,  pag.  378.  88)  Fittbogen,  Ebend.  3,  pag.  109. 
89)  Knop,  Versuchsstat  5,  pag.  137.  90)  Boussingault,  Ann.  chim.  phys.  [4]  29,  pag.  186. 
91)  Emmerling,  Agric.  Jahresber.  16/17,  pag.  18.  92)  Schlösing,  Compt  rend.  77,  pag.  203,  353. 
93)  Knop,  Versuchsstat  5,  pag.  151.  94)  Boussingault,  Agronomie,  2.  Aufl.  (Paris  1868)  II, 
pag.  69.  95)  Schlösing,  Compt  rend.  73,  pag.  1326.  96)  Privatmitth.  des  Ref. 
97)  Alex.  Mt^iXER,  Ber.  10,  pag.  789.  98)  Schlösing  u.  Müntz,  Compt  rend.  84,  pag.  301. 
99)  Warrington,  Versuchsstat.  24,  pag.  161.  100)  Boussingault,  Compt  rend.  82,  pag.  477. 
loi)  Chabrier,  Compt  rend.  73,  pag.  186,  1480.  102)  Gayon  u.  Düpetit,  Agric.  Jahresber.  25, 
pag.  24.  103)  Deherain  u.  Maguenne,  Ebend.  25,  pag.  24.  104)  Schönbein,  Ann.  124, 
pag,  I.  105)  Carius,  Ann.  174,  pag.  43.  106)  Deherain,  Compt  rend.  73,  pag.  1352,*  76, 
pag.  1390.  107)  Simon,  Versuchsstat  18,  pag.  452.  108)  Schlösing,  Compt  rend.  82, 
pag.  1202.  109)  Brustlein,  Ann.  chim.  phys.  [3]  56,  pag.  157.  11  o)  Eichhorn,  Agr.  Jahresber.  3, 
pag.  27.  iii)  Ammon,  Wollny's  Forsch,  a.  d.  Geb.  d.  Agric.  Physik  U,  pag.  33.  112)  Bret- 
schneider, Agric.  Jahresber.  13/15,  pag.  85.  113)  Koch,  Ebend.  24,  pag.  42.  114)  E.  Wolff, 
Anleitung  u  ehem.  Unters,  landw.  wicht.  Stoffe  (Berlin).  115)  Grandeau,  Handb.  f.  agric. 
ehem.  Analysen  (Berlin  1879).  116)  Krocker,  Agric.  ehem.  Analyse  (Breslau).  117)  F.  Schulze, 
Ztscbr.  f«  analyt  Chemie  (1870),  Bd.  IX,  pag.  400.  118)  Tiemann,  Ber.  6,  pag.  1041. 
119)  Schlösing,  Compt  rend.  37,  pag.  858.  120)  Böhmer,  Versuchsstat  28,  pag.  251. 
isi)  Emmerling,  Ebend.  24,  pag.  129.  122)  Schöne,  Ztschr.  analyt  Chemie  7,  pag.  29. 
123)  Orth,  Ber.  15,  pag.  3025.  124)  Jahresber.  f.  Agriculturchemie,  Bd.  I— XXV,  1858— 1883 
(Berlin).  125)  Schönbein,  J.  pr.  Chemie  84,  pag.  193.  126)  Schönbelv,  Ebend.  105,  pag.  208. 
127)  Boussingault,  Agronomie,  2.  Aufl.  (Paris  1868)  II,  pag.  69.     128)  Berthelot,  Bull,  soc. 


33*  HandwÖrtCTbuch  der  Chemie. 

Die  mineralische  Grundmasse  eines  jeden  Bodens  entsteht  durch  Verwitterang 
der  (Gesteine.  Wenn  die  Produkte  der  Verwitterung  noch  an  dem  Ort  ihTct 
Bildung,  also  auf  dem  Muttergestein  lagern  bezeichnet  man  den  Boden  als 
Verwitterungsboden;  sind  dieselben  durch  das  Wasser  fortgeführt,  auf  frerodcm 
Gestein  abgelagert,  als  Schwemmboden.  Bodenbildende  Kräfte  sind  daher 
die  Verwitterung  der  Gesteine  und  die  Transportmittel  der  Natur,  insbesondere 
das  Wasser.  Die  Verwitterung  besteht  in  dem  mechanischen  Zerfall  des  Ge- 
steins und  der  Zersetzung  der  Mineralien  unter  dem  Einfluss  des  Wassers  und 
der  Atmosphärilien.  Die  Verwitterbarkeit  der  einzelnen  Mineralien  ist  eine  sehr 
verschiedene.  Zu  den  leichter  verwitternden  gesteinsbildenden  Mineralien  zählen 
die  Feldspathe,  insbesondere  Oligoklas,  schwer  verwittern  Glimmer,  Talk,  Chlorit, 
Augit,  Hornblende,  die  beiden  letztgenannten  jedoch  leichter  als  die  ersteren. 
Das  Produkt  der  Verwitterung  der  Gesteine  kann  bezeichnet  werden  als  der 
gesammte  Gebirgsschutt  (i).  Derselbe  gliedert  sich  a)  in  den  Steinschutt 
oder  das  Produkt  des  mechanischen  Zerfalls  der  Gesteine  und  Mineralien,  und 
b)  in  den  Erdschutt,  der  vorwiegend  die  feinpulvrigen  Produkte  der  chemischen 
und  mechanischen  Verwitterung  einschliesst 

Der  Steinschutt  ist  wieder  zu  zerlegen  in  den  groben  Stein  seh utt,  um- 
fassend alle  Gesteinstrümmer,  welche  mindestens  die  Grösse  einer  Haselnuss 
haben,  GeröUe,  Geschiebe  bis  zu  den  grösseren  isolirten  Felsblöcken;  und  in 
den  feinen  Steinschutt  oder  Sand,  welcher  alle  Gesteins-  und  Mineral- 
trümmer einschliesst,  die  Erbsen  bis  Kirschkemgrösse  nicht  übersteigen. 

Der  Erdschutt  besteht  in  dem  feinerdigen  thonigen  Produkt  der  Ver- 
witterung, gemengt  mit  einem  durch  Reibung  und  Abschleifung  entstandenen 
mineralischen  Detritus  (namentlich  Quarz  und  häufig  etwas  Glimmer).  Der 
thonige  Antheil  ist  ein  Gemenge,  da  das  bei  der  chemischen  Verwitterung 
entstehende  feinerdige  Produkt  selbst  zusammengesetzter  Art  ist.  Eine  Betrachtung 
über  die  Verwitterung  der  gesteinsbildenden  Mineralien,  auf  die  wir  hier  näher 
nicht  eingehen  können,  lehrt,  dass  der  thonige  Bestandtheil  im  Allgemeinen  ent- 
hält: Kieselsaure  Thonerde  (reiner  Thon),  wasserhaltiges  (durch  Säure  zersetz- 
bares) Silicat,  kieselsaures  Eisenoxyd,  Eisenoxydhydrat,  kohlensauren  Kalk, 
Magnesia,  Eisenoxydul.  Da  einige  dieser  Bestandtheile,  namentlich  das  Eisen- 
oxydhydrat und  der  kohlensaure  Kalk  (resp.  Magnesia  und  Eisen)  leicht 
veränderlich  und  löslich  sind,  so  pflegt  man  zu  den  Bestandtheilen  des  eigent- 
lichen Erdschuttes  nur  die  beständigen  Theile  desselben,  also  kieselsaure  Thon- 
erde (resp.  kieselsaures  Eisenoxyd)  und  den  beigemengten  mineralischen  Detritus 
zu  zählen. 

Der  Gebirgsschutt  wird  durch  die  bewegende  Kraft  des  Wassers  zeitweilig 
oder  stetig  fortbewegt  und  tiefer  gelegenen  Orten  zugeführt  Gleichzeitig  findet 
eine  Sonderung  der  feineren  von  den  gröberen  Theilen  statt,  da  die  Schlämm- 
bark ei  t  je  nach  dem  Geweht  resp.  mittleren  Durchmesser  und  spec.  Gew.  eine 
sehr  verschiedene  ist.  Der  Thon  und  mineralische  Detritus,  welche  im  Wasser 
suspendirt  bleiben,  eilen  voraus,  die  Sande  lagern  sich  vielfach  schon  an  den 
Flussufem  ab,  träge  folgt  am  Grund  der  Flussbette  der  grobe  Steinschutt,  Gerolle 
und  glatte  Kiesel  bildend.    Eine  bleibende  Ruhestätte  erreicht  der  Sand  und  das 

chim.  26,  pag.  58;  Ann.  chim.  phys.  [5]  12,  pag.  445.  129)  Ders.,  Ann.  chim.  pbys.  [5]  10, 
pag.  52.  130)  Grandeaü,  Compt  rend.  87,  pag.  60.  131)  Lawes,  Goaert  u.  Waringtok, 
Biedermann's  CentralbL  11,  pag.  649.  132)  Bohug,  Ann.  125,  pag.  21.  133)  FRÜH,  Biedbr- 
mann's  Centralbl.   13,  pag.  6. 


\ 


Boden,  333 

Gerolle  erst  an  der  Ausmündung  der  Flüsse  in  Seen  oder  Meere  mit  dem 
Aufhören  der  Strömung.  Der  grossartigste  Absatz  von  Gesteinsschutt  findet 
im  Meere  in  der  Nähe  der  Ausmündung  der  Flüsse  statt  Der  thonige  Erdschutt 
und  Detritus  erfordert  zur  Ablagerung  eine  grosse  Ruhe  des  Wassers.  Ein  solcher 
Ruhezustand  wird  vermittelt  durch  die  stromaufwärts  vordringende,  also  der 
Richtung  der  Wasserströmung  entgegenwirkende  Fluthwelle  des  Oceans.  Auf  den 
überschwemmten  Fluss-  und  Seeufem,  überall  wo  diese  nur  sanftes  Gefälle  haben, 
lagert  sich  zur  Zeit  der  P'luthhöhe  eine  Menge  feiner  sandiger  Detritus,  Thon 
und  Reste  vieler  mikroskopischer  Organismen  ab,  welche  bei  der  Vermischung 
des  Salzwassers  mit  süssem  Wasser  zu  Grunde  gingen.  Durch  die  tägliche 
Wiederholung  des  Vorgangs  vermehrt  sich  der  Absatz  (Schlick),  dessen  Bildung 
oft  durch  künstliche  Schutzvorrichtungen  noch  begünstigt  wird. 

Auf  diese  Weise  sind  die  Marschen  (2)  an  der  Mündung  vieler  Ströme  ent- 
standen. Man  unterscheidet  Flussmarschen  und  Seemarschen,  je  nachdem 
dieselben  dem  Ufergebiet  der  Flüsse  angehören,  oder  jenseits  der  Flussmündungen 
an  den  benachbarten  Seeküsten  entstanden  sind.  Der  Absatz  der  Flüsse  wird 
auch  begünstigt  durch  natürlich  gebildete  Schutzwälle,  welche  bei  sanft  abfallenden 
Meeresufern  leicht  an  der  Ausmündung  grosser  Ströme  durch  Anhäufung  von 
Gebirgschutt,  Baumstämmen  und  andern  Pflanzenresten  entstehen.  In  dem  Be- 
reich dieser  Ufer  wälle,  die  sich  allmähhch  über  das  Wasser  erheben  (Lagunen) 
wird  die  Wasserströmung  gehemmt,  so  dass  nun  auch  eine  Menge  Thon  zum 
Absatz  gelangen  kann.  Auf  diese  Weise  sind  grosse  Flächen  eines  fruchtbaren 
thonigen  Bodens,  die  sogen.  Deltabildungen  entstanden,  z.  B.  an  der  Mündung 
des  Missisippi's,  Nil's,  Po's,  Rhein's,  der  Donau. 

Aach  die  im  Wasser  als  lösliche  Produkte  der  Verwitterung  fortgeführten 
Bestandtheile  gelangen  zum  Theil  zum  Absatz.  Dies  gilt  namentlich  vom  kohlen- 
sauren Kalk,  an  dem  die  Meere  arm  sind,  obgleich  ihnen  durch  die  Flüsse  grosse 
Mengen  zugeführt  werden.  Der  Niederschlag  wird  vermittelt  durch  Organismen 
verschiedener  Art,  welche  den  Kalk  zum  Bau  ihrer  schützenden  Umhüllungen, 
Panzer,  Schalen,  Muscheln  verwerthen  und  nach  dem  Absterben  am  Meeresgrunde 
anhäufen.  Die  Foraminiferen  sind  es  besonders,  welche  eine  der  grossartigsten 
Bildung  dieser  Art,  die  Kreide,  im  Ocean  erzeugt  haben  und  noch  erzeugen.  In 
ähnlicher  Weise  werden  kieselige  Organismenreste  abgelagert  (Infusorienerde). 

Der  Stein-  und  Erdschutt  älterer  geologischer  Perioden  ist  durch  Verdichtungs- 
processe,  auf  die  wir  hier  nicht  näher  eingehen,  zu  festem  Gestein  erstarrt 
(Deuterogene  Gesteine).  Wurden  diese  Formationen  durch  vulkanische  Kräfte 
oder  durch  Senkungen  der  Umgebung  gehoben,  so  beschrieb  der  sich  alsdann 
bÜdende  Gebirgsschutt  den  Weg  nach  den  Niederungen  ein  zweites  Mal,  vielerorts 
vermengt  mit  den  Produkten  des  ersten  Zerfalls  ursprünglicher  Felsarten. 

Versuchen  wir  jetzt  die  Bodenarten  zu  classificiren  so  haben  wir  zunächst 
folgende  Haupteintheilung  (3): 

I.  Verwitterungsboden.  IL  Schwemm boden. 

A.  der  Primitiv-Gesteine. 

B.  der  deuterogenen  Gesteine. 

Die  Verwitterungsbodenarten  ruhen  auf  dem  Muttergestein  und  sind 
daher  geologisch  einzutheilen  nach  den  Felsarten,  welchen  sie  angehören:  Gneiss- 
boden, Basaltboden,  Sandsteinboden  u.  s.  w. 

Eine  allgemeinere  für  beide  Hauptbodenklassen  durchführbare  Eintheilung 
gründet    sich   auf  die  Thatsache,    dass   die  Kategorien  des  feinen  und  groben 


334  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Steinschuttes  in  allen  Bodenarten  wiederkehren,  nur  nach  Menge,  Komgrösse 
und  mineralischer  Natur  wechselnd.  Man  gelangt  hiemach,  wenn  man  noch  die 
kalkreichen  Bildungen  hinzunimmt,  zu  folgender  Eintheilung:  Bodenbildungen, 
welche  vorwiegend  bestehen  aus  I.  grobem  Steinschutt,  U.  feinem  Steinschutt, 
III.  Erdschutt,  IV.  gemengtem  Erdschutt  (Stein-  und  Erdschutt),  V.  Kalkboden- 
arten. 

I.  Bodenbildungen  aus  grobem  Steinschutt  (Schuttböden).  Die 
Gesteinsfragmente  der  Verwitterungsschuttböden  sind  von  eckiger,  scharfkantiger 
Form  (Breccien-,  Tuff-,  Grusböden),  die  der  angeschwemmten  Böden  meist  auf 
dem  Wassertransport  glattgerieben  und  abgerundet  (Geröllböden).  Die  Cultur- 
fähigkeit  dieser  Bodenarten  hängt  davon  ab,  ob  die  Gesteinsfragmente  verwitter- 
bare  Mineralien  enthalten,  welche  die  für  das  Pflanzenwachsthum  nothwendige 
Feinerde  zu  bilden  vermögen.  Wo  dies  nicht  der  Fall,  kann  von  einer  Cultur 
der  Schuttböden  überhaupt  nicht  die  Rede  sein. 

II.  Bodenbildungen  aus  feinem  Steinschutt  (Sandboden),  bestehen 
vorwiegend  aus  Gesteins  und  Mineraltrümmem  unter  2  Millim.  Durchmesser,  sie 
gehören  ebensowohl  den  Schwemmbodenarten,  als  den  Verwitterungsböden  an, 
und  finden  sich  hier  besonders  häufig  im  Gebiet  der  Sandsteine  (3}. 

Die  Sandbodenarten  sind  näher  zu  gruppiren  nach  der  Komgrösse  des  Sandes. 
Orth  (4)  unterscheidet  folgende  Körnungsstufen: 

Mittlerer  Durchmesser  0*05 — 0*2  Millim.  feiner  Sand, 

„  „         „       0*2  — 0*5       „        mittelkömiger  Sand, 

„  „        „       0*5  —2  „        grobkömiger  Sand, 

„  „        „        über    2  „        Grand  und  Kies. 

Im  Allgemeinen  enthält  ein  Sandboden  Gemengtheile  verschiedener  Kömungs- 
grade, deren  Verhältniss  durch  die  mechanische  Bodenanalyse  ermittelt  werden 
kann.  Die  Sandbodenarten  sind  ferner  näher  zu  gruppiren  nach  der  mineralischen 
Natur  der  Sandkörner.     Besonders  wichtig  sind  die  folgenden: 

1.  Quarzreicher  Sand. 

2.  Feldspathhaltiger  Quarzsand,  mit  wechselndem  Gehalt  an  Feldspath  (his  ca.  25f)> 
Neben  Feldspathen  finden  sich  in  der  Regel  auch  andere  Mineralien,  wie  Augit,  Glimmer,  Horn- 
blende. 

3.  Glimmerhaitiger  Sand,  ein  Quarzsand  mit  einem  Gehalt  an  Glimmer  (2 — 5|).  Da- 
hin gehört  der  feinkörnige,  oft  kalkhaltige  Wattensand,  Marschsand. 

4.  Kalkhaltiger  Sand,  mit  einem  bis  ca.  10^  betragenden  Gehalt  an  kohlensauTcn 
Kalk.  Dieser  ist  oft  in  Form  von  Conchylien-,  Korallenresten,  Muscheln  vorhanden.  Dahin  ge- 
hört z.  B.  der  Korallensand  des  imteren  Diluviums,  mit  Resten  von  Bryozooen  (Mooskoralleo) 
aus  der  Kreideformation. 

5.  Eisenschüssiger  Sand;  bestehend  aus  Quarz  und  Fragmenten  eisenhaltiger  Mineralien. 
Die  Quarzkörner  sind  mit  einer  dünnen  Schicht  von  (durch  Verwitterung  gebildetem)  Eisenoxjd 
überzogen.  Der  obere  Diluvialsand,  in  den  Geest-  und  Haidedistrikten  Norddeutschlands  sehr 
verbreitet,  ist  oft  eisenreich.  Das  in  der  Tiefe  sich  verdichtende  Eisen  bedingt  hier  oft  St 
Bildung  einer  undurchlässigen,  culturfeindlichen  Sandsteinschicht  (Ortstein). 

6.  Kalkreicher  Sand;  d.  h.  ein  solcher,  welcher  zu  80—95^  aus  kohlensaurem  Kilk 
besteht.  Er  kommt  als  ein  Produkt  mechanischer  Zertrümmerung  im  Kalkgebirge  vor.  Der 
Kalksand  der  Dünen  besteht  aus  splittrigen  und  schaah'gen  Fragmenten  von  Conchyliengehttusen, 
Korallen  etc. 

Alle  diese  Sande  gehen  in  einen  der  Cultur  würdigen  Ackerboden  erst  über 
durch  eine  Beimengung  feinerer  thoniger  Theilchen,  sei  es,  dass  diese  dorcb 
Verwitterung  aus  den  Mineralien  des  Sandes  erzeugt,   oder  von  vornherein  mit 


Boden  335 

dem  Sande  zum  Absatz  gelangt,  oder  künstlich  (durch  Mergelung)  hinzugefügt 
seien.  Nach  der  Art  dieser  feineren  Theilchen  (thonig,  mergelig,  lehmig,  quarz- 
staubig oder  fehlend)  sind  dann  die  Sandbodenaiten  noch  näher  zu  classificiren 
und  zu  bezeichnen. 

III.  Vorwiegend  aus  Erdschutt  bestehende  Bodenbildungen.  Diese 
werden  im  Allgemeinen  als  Thone,  Thonböden  bezeichnet  Wir  haben  beim 
Erdschutt  (s.  o.)  die  gemengte  Natur  desselben  hervorgehoben.  Man  unterscheidet 
demnach  je  nach  der  Reinheit  und  der  Art  der  Beimengungen  verschiedene 
Thone,  von  denen  die  wichtigsten  sind: 

1.  Kaolin,  reinster  Thon;  vorherrschend  durch  Verwitterung  der  Feldspathe  erzeugtes 
Thonerdesüicat,  gemengt  mit  Gesteinsfragmenten,  Quarzstaub,  Glimmer,  kieseligen  Einlagerungen. 

2.  Töpferthon,  weniger  rein,  ein  Gemenge  von  Thonerdesüicat  mit  sehr  feinem  Sand, 
Eisenoxydhydrat,  kleinen  Antheilen  von  Kalk,  Magnesia,  Alkalien.  Im  feuchten  Zustand  teigartig, 
sehr  knetbar,  fühlt  er  sich  im  trocknen  fettig  an  (fetter  Thon)  und  lässt  sich  mit  dem  Finger- 
nagel glätten.  Bei  grösserem  Gehalt  an  Kieselmehl  und  Eisenoxyd  fUhlt  er  sich  rauh  und  mager 
an  (magerer  Thon),  lässt  sich  weder  glätten,  noch  in  dilnne  Platten  auswalzen,  wie  der  fette  Thon. 

3.  Eisenschüssiger  Thon,  mit  höherem  Gehalt  an  Eisenoxyd.  Je  nachdem  dieses  in 
Form  eines  dem  Kaolin  entsprechenden  Eisenoxydsilicates  oder  in  Form  von  freiem  Oxydhydrat 
vorhanden,  nähern  sich  seine  physikalischen  Eigenschaften  mehr  denen  des  fetten  oder  mageren 
Thones. 

4.  Glimmerreicher  Thon,  zeigt  eine  Neigung  zur  Schieferung  und  oft  bedeutenden 
Eisengehalt;    bildet  bedeutende  Lager  in  den  Thälem  des  Gneiss  und  Glimmerschiefergebirges. 

5.  Bituminöser  Thon,  durch  organische  Substanz  dunkel  gefärbt,  kommt  namentlich 
im  Braunkohlengebirge  und  im  Gebiet  der  Moore  vor. 

Gesellt  sich  zum  Thon  ein  bedeutender  Kalkgehalt,  so  bezeichnet  man  ihn, 
je  nach  dem  Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk  als  mergeligen  Thon  (ö— lOJ 
kohlensaurem  Kalk),  als  Thonmergel  (12 — 25^),  als  gemeinen  Mergel 
(25—50^),  als  Kalkmergel  (50—90^).  Diese  Thonmergelarten  besitzen  mildere 
Eigenschaften  wie  die  kalkarmen  Thone.  Sie  sind  im  trockenen  Zustand  mürb 
und  zerfallen  leicht  zu  einem  krümligen  Pulver. 

Die  Thone  sind  für  sich  allein  ungünstige  Bodenarten,  da  sie  im  feuchten 
Zustand  zäh  und  sehr  schwer  zu  bearbeiten  sind,  beim  Trocknen  stark  schrumpfen, 
rissig  werden  und  dadurch  die  Pflanzen  wurzeln  gefährden.  Nur  wenn  der  Thon 
eine  gewisse  Menge  Sand  enthält,  bildet  er  einen  culturfahigen  Boden.  Ein 
solcher  Thonböden  enthält  noch  50 — 75  J  fein  schlämmbarer  Theilchen.  Bei 
hohem  Gehalt  an  solchen  bezeichnet  man  denselben  als  zähen  oder  schweren 
Thonböden,  bei  geringerem  Gehalt  und  grösserer  Sandbeimengung  als  sandigen 
Thonböden.  Man  unterscheidet  femer  kalkarmen  und  kalkhaltigen,  und  bei 
hervortretendem  Eisengehalt  den  eisenschüssigen  Thonböden. 

IV.  Bodenarten  aus  gemengtem  Erdschutt,  nehmen  die  Mitte  ein 
zwischen  Sand-  und  Thonböden  und  gehören  zu  den  verbreitesten  und  cultur- 
fähigsten  Bodenarten.  Der  Hauptrepräsentant  derselben  ist  der  Lehmboden. 
Derselbe  ist  in  der  Hauptsache  ein  Gemenge  von  Thon  und  viel  Sand,  wechselnd 
nach  Mengenverhältniss,  Schlämmbarkeit  der  feinen  Theilchen,  Kömungsgraden 
des  Sandes.  Uebersteigt  der  Thongehalt  eine  gewisse  Grenze  (vergl.  Thonböden), 
so  würde  der  Lehm  in  thonigen  Boden,  liegt  er  unter  einer  gewissen  Grenze  in 
lehmigen  Sandboden  übergehen.  Für  den  Charakter  eines  Lehmbodens  ist  die 
Mineralnatur  und  Kömungsgrösse  des  sandigen  Antheils  von  Bedeutung.  Ist  ein 
beträchtlicher  Antheil  des  letzteren  in  gröberer  Form  (über  2  Millim.)  vorhanden, 
so  bezeichnet  man  ihn  als  grandig.     Sehr  häufig  enthält  der  Lehm,  wie  der 


336  Handwörterbuch  der  Chemie. 

des  Diluviums  auch  gröberen  Steinschutt,  Gerolle,  Geschiebe.  Ein  Feldspath-  und 
Kalkgehalt  fördert  die  Fruchtbarkeit  des  Lehmes,  ein  Humusgehalt  (Humus  vergl 
unten)  mildert,  wie  der  Kalk,  seine  Eigenschaften  (milder  Lehmboden),  eine 
grandige  Beimengung  erhöht  seine  Durchlässigkeit  für  Wasser. 

Eine  besondere  Varietät  des  Lehms  bildet  der  Löss,  ein  feinsandiger  Lehm, 
dessen  thonige  Theilchen  begleitet  sind  von  einem  grösseren  Antheil  quarzigen 
Detritus  (Quarzstaub).     Derselbe  enthält  auch  einige  Procente  Calciumcarbonat. 

Zu  den  lehmigen  Bodenarten  zählen  femer  viele  Marscherden,  da  di^ 
selben  im  Wesentlichen  Gemenge  bilden  eines  mit  Quarzmehl  vermischten  Thones, 
mit  glimmerfuhrendem  feinem  Meeressand  (Wattensand).  Daneben  kommen 
wenige  Procente  Calciumcarbonat  und  Reste  kieseliger  Organii;men  (Diato- 
meen etc.)  vor.  Ein  kalkreicher  Lehmboden,  dessen  Gehalt  an  kohlensaurem 
Kalk  5 — 10^  beträgt,  wird  als  mergeliger  Lehmboden,  bei  höherem  Kalk- 
gehalt (15— 2öJ)  als  Mergelboden  oder  Lehmmergelboden  bezeichnet  Da- 
hin gehört  der  in  Nord-Deutschland  so  sehr  verbreitete  Geschiebemergel  des 
Diluviums.  Derselbe  bildet  in  den  Hügellandschaften  des  baltischen  Höhenzuges 
bei  genügender  Entwässerung  eine  Bodenart  von  ausgezeichneter  Fruchtbarkeit 
Aber  der  ursprüngliche  Kalkgehalt  ist  aus  den  oberen  Schichten  durch  Regen 
meist  bis  auf  einen  kleinen  Rest  ausgelaugt,  und  der  Geschiebemergel  hierdurch 
in  Geschiebelehm  verwandelt,  in  dessen  Untergrund  sich  die  kalkreiche 
Mergelbank  oft  noch  vorfindet. 

Obgleich  die  Lehme  vorwiegend  zu  den  Schwemmböden  zählen,  treten  sie 
doch  nicht  selten  als  Verwitterungsbodenart  auf  (i). 

V.  Kalkbodenarten.  Hierher  rechnet  man  alle  sehr  kalkreichen  Boden- 
arten, von  denen  wir  einige  (kalk reicher  Sand,  Thonmergel)  schon  früher  er- 
wähnt haben.  Ein  Thon  mit  50— 75J^  kohlensauren  Kalks  wird  als  Kalk- 
mergelboden, und  bei  noch  höherem  Kalkgehalt  als  Kalkthonboden  b^ 
zeichnet.  Es  sind  dies  vorwiegend  in  den  Kalkgebirgen  auftretende  Bodenarten. 
Dieselben  neigen  zur  Erhitzung  und  Trockenheit  und  geben  daher  nur  in  feuchter 
schattiger  Lage  und  bei  starker  Düngung  gute  Erträge. 

Bei  dieser  Classification  der  Bodenarten  wurde  noch  keine  Rücksicht  g^ 
nommen  auf  den  Humusgehalt.  Als  Humus  bezeichnet  man  die  Summe  der 
im  Boden  vorkommenden  organischen  Substanzen.  Diese  bilden  sich  durch  Ver- 
wesung der  in  der  Erde  zurückbleibenden  Pflanzenreste,  Wurzeln,  Blätterab- 
falle etc.  Der  Process  der  Humusbildung  (Humificirung)  wird  ohne  Zweifel 
durch  die  Thätigkeit  von  Organismen  verschiedener  Art  (Insecten,  Nematoden 
(5),  Bacterien  (113)  unterstützt  und  beschleunigt,  und  zwar  sowohl  durch 
mechanische  Einwirkungen,  indem  die  pflanzlichen  Abfälle  bei  der  Durch  Wanderung 
des  Verdauungskanals  zerkleinert  werden,  als  durch  chemische  Einflüsse,  indem 
die  Verdauungssecrete  Zersetzungen  hervorbringen  und  manche  Ausscheidungs- 
Produkte  thierischen  Ursprungs  sich  hinzumischen.  Am  gründlichsten  untersucht 
wurde  die  Betheiligung  des  Regenwurmes  (5,  6)  an  den  Processen  der  Humus* 
bildung,  den  man  in  gewissem  Sinne  als  Humuserzeuger  bezeichnen  darf. 

Das  Endprodukt  aller  Zersetzungsprocesse  der  pflanzlichen  Reste  im  Boden 
bildet  der  Humus  in  der  engeren  Bedeutung  des  Wortes  oder  die  Hu mus säure. 
Es  existiren  mehrere  Humussäuren,  von  denen  jedoch  die  meisten  noch  unge- 
nügend untersucht  sind.  Die  bekannteste  derselben  ist  die  Huminsäure.  Be- 
handelt man  eine  humusreiche  Bodenart  mit  Alkalien,  so  löst  sich  die  Humin- 
säure,    während   ein   indifierenter  Körper,    das  Hu  min,    imgelöst  zurückbleibe 


Boden.  337 


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Ausserdem  hatte  Berzelius  (7,  8)  zwei  Humussäuren  unterschieden:  die  Quell-  j^ 

säure  (Krensäure)   und   die  Quellsatzsäure  (Apokrensäure),    welche  ihre  Namen  ,  '^ 

von  dem  Umstände  ableiten,  dass  sie  auch  in  vielen  Quellwassern  vorkommen 
sollen.  Beide  sind  in  Wasser  und  Weingeist  löslich.  Die  Natur  derselben  ist 
noch  sehr  wenig  erforscht. 

Die  Quellsäure  wird  als  gelbe,  amorphe,  sauer  reagirende,  in  Wasser  lös- 
liche, durch  ammoniakalisches  Kupfer  (nicht  aus  essigsaurer  Lösung)  fällbare 
Substanz  beschrieben.  Die  Quellsatz  säure  fallt  schon  aus  einer  essigsauren 
Lösung  durch  Kupferacetat  nieder.  Mulder  (8)  und  Hermann  (10)  erhielten 
ähnliche  Verbindungen  aus  dem  Ackerboden  und  aus  Torf  (Humusquellsäure 
Torfquellsäure).  Vielleicht  ist  auch  die  in  neuerer  Zeit  durch  Dialyse  des  Bodens 
gewonnene  organische  Substanz  (9)  der  Quellsäure  verwandt. 

Auch  die  über  mehrere  andere  verwandte  Verbindungen,  wie  Torfsäure, 
Tulasäure,  Holzhumussäure,  Nitrolin,  Torfquellsäure,  Anitrokrensäure,  Torfoxykren- 
säure,  Humusoxykrensäure  (10),  Geinsäure  (8),  vorliegenden  Angaben  lassen  die 
Existenz  derselben  als  chemische  Individuen  noch  sehr  zweifelhaft  erscheinen. 

Genauere  Angaben  liegen  vor  über  die  wichtigste  Humussubstanz,  die 
Huminsäure  (8,  11).  Man  erhält  dieselbe  durch  Fällen  eines  alkalischen  oder 
axnmoniakalischen  Bodenextraktes  durch  Salzsäure.  Die  Aschenbestandtheile 
(Kieselsäure,  Kalk,  Magnesia,  Eisen)  sind  durch  specielle  Fällungsmittel  zu  ent- 
fernen. Nur  durch  wiederholte  Behandlung  mit  kochender  Kalilauge  gelang  es, 
eine  stickstoffhaltige  Beimengung  grösstentheils  zu  entfernen.  Die  Analysen 
führten  zu  der  Formel  CjoH^gOg  (11),  welche  jedoch,  um  die  Zusammensetzung 
des  Silbersalzes  ausdrücken  zu  können,  verdreifacht  werden  muss:  CgoH-^^O^y. 
Die  Huminsäure  bildet  eine  schwarze,  amorphe  Masse  von  glänzendem  Bruch. 
Im  lufbtrocknen  Zustand  ist  sie  in  Wasser  unlöslich.  Im  wasserhaltigen  Zustand 
löste  sich  1  Grm.  reine  Huminsäure  bei  6°  in  8333,  bei  18°  in  3571,  bei  50° 
in  1190,  bei  100°  in  625  Th.  Wasser  (11).  Bei  höherer  Temperatur  gesättigte 
Lösungen  lassen  beim  Abkühlen  nichts  abscheiden.  Säuren  lösen  nur  Spuren, 
Phosphorsäure  etwas  mehr  Huminsäure.  In  Alkalien  löst  sie  sich  dagegen 
leicht  auf  und  wird  daraus  durch  Säuren  wieder  in  Flocken  gefällt.  Das 
huminsäure  Ammoniak  bildet  eine  glänzende,  schwarze  Masse:  CgQH4  8(NH4)g027. 
Es  existirt  ferner  ein  Calcium-Ammoniumdoppelsalz,  C6oH46Ca8(NH4)2027,  ein 
Eisenammoniumdoppelsalz:  CgQH4eFe2(NH4)202  7.  Das  Silbersalz  hat  die  Zu- 
sammensetzung C^QÜ^^Ag^O^j,  Eine  aus  hellbraunem  Torf  dargestellte  Humin- 
säure erwies  sich  mit  der  aus  Haideerde  gewonnenen  identisch  (11).  Mit  Chrom- 
säuregemisch  erwärmt  verbrennt  die  Huminsäure  zwar  zum  grössten  Theil  zu 
Kohlensäure  und  Wasser,  liefert  aber  auch  eine  kleine  Menge  Essigsäure  (12). 
Huminsäure  aus  Braunkohlen  hat  eine  wenig  verschiedene  Zusammensetzung: 
Carbo-ulminsäure^CsoHigOg  und  Carbo-huminsäure  =  CjoH^gOy  (13). 
Ebenso  ist  sehr  ähnlich  zusammengesetzt  der  in  Torflagen  Hollands,  der  Schweiz 
und  Tirols  vorkommende  Dopplerit,  eine  amorphe,  bräunlich  schwarze,  glas- 
glänzende Humussubstanz  (14)  (133). 

Manches  Aehnliche  nach  Zusammensetzung,  Verhalten,  Eigenschaften  haben 
die  bei  Einwirkung  von  Säuren  und  Alkalien  auf  Zucker,  Gummi,  Pflanzenfaser  etc. 
entstehenden  humusartigen  Verbindungen:  Ulmin,  C^qH^^^^^,  Ulminsäure, 
C4QHJ0O13,  auf  deren  nähere  Beschreibung  wir  hier  verzichten  (8). 

Die  Humussäuren  bilden  einen  wichtigen  Bestandtheil  der  Ackererden  und 
einen  wesentlichen  Faktor  der  Fruchtbarkeit.    Je  nach  dem  Reichthum  oder  der 

Laoknbuius,  Chemie,    il.  22 


333  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Armuth  des  Bodens  an  basischen  Bestandtheilen,  namentlich  des  Kalkes,  darf 
man  die  Humussäure  im  freien  oder  im  verbundenen  Zustande  (als  humussaurea 
Kalk)  im  Boden  annehmen.  Die  Huminsäure  ist  stets  begleitet  von  unvollständig 
zersetzten  Pflanzenresten  und  den  intermediären  Produkten  der  Verwesung,  mit 
denen  zusammen  sie  den  Humusgehalt  (Rohhumus)  des  Ackerbodens  aasmacht 
Die  Färbung  des  Bodens  wird  vornehmlich  durch  seinen  Humusgehalt  bedingt 
und  ist  im  Allgemeinen  um  so  dunkler,  je  höher  derselbe.  Sandbodenaiten 
nehmen  schon  bei  massigem  Humusgehalt  eine  graue,  im  feuchten  Zustande 
schwarzgraue  Färbung  an,  während  lehmige  und  thonige  Bodenarten  dunkelbraun 
bis  gelbbraun  gefärbt  erscheinen.  Da  durch  den  Humusgehalt  der  Ackererden 
noch  andere  (namentlich  physikalische)  Eigenschaften  der  Krume  bedingt  werden, 
so  ist  derselbe  bei  der  Beschreibung  und  Classification  der  Bodenarten  zu 
berücksichtigen.  Eine  jede  der  oben  aufgestellten  Bodenarten  würde  hiemadi 
noch  in  zwei  weitere  Abtheilungen  zu  zerlegen  sein:  a)  in  humusarme,  b)  in 
humusreiche. 

Dettmer  (ii)  bezeichnet  Böden  mit  0 — 3^  Humus  als  humusann,  3— 5{f  humushakig, 
5 — 10  J  humos,  10 — 15  J  humusreich,  tiber  15  J  humusüberreich. 

Man  pflegt  jedoch  solche  Bodenarten,  in  welchen  eine  starke  Anhäufung 
von  Humussubstanzen  resp.  Pflanzenresten  stattgefunden,  ihrer  Eigenart  wegen 
als  Moorbodenarten  von  den  übrigen  zu  trennen. 

Die  beiden  Hauptmoorformationen  bilden  die  Hochmoore  und  die 
Niederungsmoore.  Für  die  nähere  Classification  wurde  folgende  Nomcnclatar 
vereinbart  (15): 

A.  Hochmoore,  mit  den  beiden  Unterabtheilungen: 

a)  ursprüngliches  Hochmoor, 

b)  abgetorftes  Hochmoor. 

B.  Niederungsmoor,  ebenfalls  mit  den  beiden  Unterabtheilungen: 

a)  ursprüngliches  Niederungsmoor, 

b)  abgetorftes  Niederungsmoor. 

C.  Moosbrüche  (namentlich  in  der  Provinz  Preussen  vorkommend)  (16). 

D.  Sumpfmoor  (breiartige  Beschaflenheit). 

E.  Pulvermoor,    gänzlich   ausgetrocknete,    structurlose ,    pulverige,    moorige 
Massen. 

Die  Hochmoore  sind  von  ungleich  grösserer  Ausdehnung  als  die  Niederungsmoore.  Sie 
bildeten  sich  in  grossen  Mulden  von  geringem  Gef^e,  deren  Wasserabfluss  oft  noch  durch  vor- 
gelagerte DUnen  gehemmt  war  (17).  Durch  Ansammlung  von  Schlamm  und  Pflanieoitsten 
wurde  die  Sohle  (Sohlband  der  Hochmoore)  undurchlässig.  In  den  stehenden  Gewässem  toKl 
Sümpfen  entwickelten  sich  zuerst  Torfmoosarten  (Sphagnwn  und  Hypnum)^  die  sich  attniähfich 
so  stark  anhäuften,  dass  sie  wie  ein  Schwamm  die  ganze  Wassermasse  aufsogen^  Auf  dieser 
Grundlage  entwickelte  sich  eine  neue  Generation,  namentlich  die  Eriken  (vulgctris  und  triraSx), 
in  geringerer  Menge  Cyperaceen  (Eriophorunt  vagimUum  und  Sdrpus  caespUosus),  auch  Stitfi 
paUustre,  Andromeda  und  andere  Begleiter  der  Eriken.  Die  letzteren  erzeugen  kleine  Httgd 
(sog.  Bulten),  zwischen  denen  die  Cyperaceen  wachsen.  Die  Moore  entstehen  also  durch  ds 
Wachsthum  dieser  Pflanzen,  und  es  erklärt  sich  auch  die  Erscheinung  des  Wiederwachseos  ab- 
getorfter  Moore  (vergL  Senft  (2),  pag.  158)  und  der  Name  Hochmoore,  da  das  Wachsthum  in 
die  Höhe  rascher  erfolgt  als  die  Verbreiterung,  wodurch  die  Bildung  einer  gewölbten  Oberflldie 
bedingt  wurde. 

Die  Niederungsmoore,  weniger  passend  als  Grünlandsmoore  bezeichnet,  bildeten  sich 
hauptsächlich  aus  den  Glumaceen  (Cyperaceen  und  Gramineen).  Sie  gehören  im  Allgemeinen  den 
Uebprschwemmungsgebieten  der  Flussthäler  an,  auf  deren  sandigen  oder  kiesigen,  von  oft  er- 
neuertem Wasser  durchtränkten    Ufern    und   Auen    sich  Wasserpflanzen    üppig  entwickeln  und 


Boden.  339 

sdiliesslich  so  stark  anhäufen  konnten,  dass  die  Oberfläche  im  Sommer  trocken  blieb,  eine  Be- 
dingung fUr  die  Entstehung  eines  rasenartigen  Ueberzuges,  der  von  unten  mit  Feuchtigkeit  ver- 
sorgt, sich  hier  kräftig  weiter  entwickeln  konnte.  Eine  besondere  Art  der  Niederungsmoore 
bilden  die  Dargmoore,  welche  besonders  häufig  und  in  bedeutender  Mächtigkeit  in  der  Nähe 
der  Meeresküste  vorkommen.  Dieselben  bildeten  sich  vorwiegend  aus  Rohrschilf  (17,  18) 
(PkragmUts  commums,  RsED,  Ried). 

Solche  Dargmoore  haben  sich  mit  Vorliebe  auf  dem  kalkhaltigen  Marschboden  entwickelt 
und  bildeten  oft  wieder  die  Grundlage  für  neue  Marschbildungen  (z.  B.  in  der  Wilster  Marsch 
io  Holstein).  Zuweilen  enti;k'ickelte  sich  aber  auch  auf  der  Dargschicht  ein  Hochmoor,  wie  in 
dem  Kehdinger  Moor  (18). 

Während  man  als  Moor  die  Formation  dieser  humusreichen  Bodenarten  bezeichnet,  drUckt 
*Torf«,  wenn  wir  absehen  von  der  alltäglichen  Bedeutung  dieses  Wortes  als  der  eines  BrennV 
materials,  die  petrographische  Natur  jener  Bodenarten  aus.  Die  Substanz  der  Moore  sind  also 
die  Torfarten,  unter  denen  nach  Senft  (2)  besonders  die  folgenden  unterschieden  werden: 

A.  Torfarten,  deren  Masse  aus  noch  mehr  oder  weniger  deutlich  erkennbaren 
zusammengefilzten  Pflanzenresten  besteht  (Schwamm-  oder  Filztorf). 

1.  Moostorf,  vonpviegend  auf  Hochmooren  auftretend.  Leichte,  weisse,  gelbliche  bis  gelb- 
braune, aus  mehr  oder  weniger  verfilzten  Wasseimoosen  bestehende  Masse.  Quillt  mit  Wasser 
schwammig  auf.  Verbrennt  mit  geringer  Heizkraft  ohne  merkliche  Entwicklung  harzig  riechender 
Dämpfe. 

2.  Gras-undWiesentorf  (nebst  Darg),  vorwiegend  den  Niederungsmooren  angehörend, 
bildet  eine  ziemlich  schwere,  unrein  gelbbraune  bis  schwarzbraune  Masse,  welche  aus  einem 
Gemenge  fein  zertheilter  erdiger  Humussubstanzen  und  verfilzten  oder  zusammengepressten  Wurzel-, 
Stengel-  und  Blattresten  von  Cypcraceen  besteht.  Backt  beim  Trocknen  fest  zusammen  und  ver- 
brennt unter  Entwicklung  widerlich  brenzlich  riechender  Dämpfe  und  ZurUcklassung  einer  be- 
deutenden Aschenmenge. 

Der  Darg  besteht  nach  Allmers  (18)  aus  einer  compacten,  reich  mit  schwefelhaltiger 
Substanz  durchzogenen  dunkelbraunen  Schicht  von  Blättern,  Halmen,  Wurzeln  des  gemeinen 
Rohrs  (Phragmites), 

3.  Haidetorf,  das  Hauptbildungsmaterial  der  Hochmoore;  eine  sepienbreunei  aus  erdigen, 
humosen  Theilen  und  filzig  durcheinander  gewebten  Resten,  namentlich  Wurzelfasem  der  Eriken 
bestehende  Masse.  Backt  beim  Austrocknen  fest  zusammen  und  verbrennt  mit  Flamme  unter  Ent- 
wicklung talg-  oder  pechähnlich  riechender  Dämpfe   und  ZurUcklassung  von  viel  erdiger  Asche. 

4.  Blätter-  oderWaldtorf,  gelbliche  bis  dunkelbraune,  filzige  und  fasrige  oder  blättrige, 
oft  in  papierdUnne  Lagen  spaltbare  Massen,  welche  Blätter  resp.  Nadeln  von  Kiefern,  Erlen, 
Birken,  Weiden,  Aspen  und  manchmal  auch  von  Ulmen  und  Aliom  erkennen  lassen. 

5.  Algentorf  findet  sich  in  der  Nähe  des  Meeres,  wo  er  aus  einer  Anhäufung  von  Algen 
und  Seetang  entsteht.  An  den  Ufern  der  Ostsee  entsteht  daraus  nur  ein  sehr  loser,  schlechter 
Torf  (19). 

B.  Torfarten,  deren  Masse  vorherrschend  aus  amorpher,  im  nassen  Zustand 
schlammiger  oder  teigartiger,  im  trocknen  Zustand  pulvriger,  stein-  oder  pech- 
ähnlicher kohlenartiger  Substanz  besteht  und  keine  oder  nur  wenige,  meist  un- 
deutliche und  stark  gebräunte  Pflanzenreste  zeigt  (Eigentlicher  Torf,  Torfkohle). 

L  Staubtorf  (Bunk-  oder  Torferde),  häufig  in  Wiesenmooren,  auch  als  oberste  Lage  in 
trocken  gelegten  Hochmooren  vorkommend.  Schwarzbraunes  bis  tiefschwarzes  Pulver,  welches 
nur  im  durchnässten  Zustand  einigen  Zusammenhang  besitzt  und  in  der  Regel  die  oberste  Schicht 
unter  der  Vegetationsdecke  bildet.  Verglimmt  beim  Erhitzen  unter  Entwicklung  eines  unangenehm 
brenzlich  talgartig  riechenden  Qualmes. 

2.  Pechtorf  (Stich-  oder  Specktorf),  vorkommend  in  den  tieferen  Lagen  der  Hochmoore, 
ist  nach  dem  Baggertorf  der  beste  und  reinste  Torf.  Derselbe  ist  schwarzbraun  bis  schwarz 
gefilrbt,  schwer,  im  nassen  Zustand  klebrig,  schneid-  und  formbar;  beim  Austrocknen  zu  einer 
harten,  berstenden  Masse  von  muschligem,  wachs-  oder  glasglänzendem  Bruch  erstarrend.  Brennt 
mit  grosser  Heizkraft  mit  roth  leuchtender  Flamme  und  liefert  bei  der  trocknen  Destillation  Paraffin. 


540  Handwörterbuch  der  Chemie.    . 

3.  Schlamm-,  Streich-  oder  Baggertorf,  vorwiegend  am  Grund  von  stehenden  Ge- 
wässern, wasserreichen  Mooren  vorkommend.  Derselbe  soll  hauptsächlich  durch  schwimmende 
oder  auch  am  Gnmd  von  Gewässern  lebende  Pflanzen  erzeugt  werden  (z.  B.  Conferven,  Na- 
jaden,  Myriophyllcn  u.  a.).  Bildet  im  frischen  Zustand  eine  schwarze,  schlammige  oder  breiige, 
im  trocknen  Zustand  eine  feste,  dichte,  schwere  Masse,  welche  von  Erdpech  und  Bitumen  durch- 
drungen ist  und  daher  mit  grosser  Hitze  unter  Verbreitung  wachsartig  bituminös  riechender 
Dämpfe  verbrennt. 

Den  Uebergang  der  in  einem  Moor  angeliäuften  Masse  von  Pflanzenresten 
in  eine  stnicturlose,  erdartige  Humussubstanz  bezeichnet  man  als  Vertorfung. 
Die  Ansicht,  dass  aus  jedem  Moostorf,  durch  den  Druck  der  oberen  Massen  und 
fortgesetzte  Vermoderung  sich  ein  schwarzer,  amorpher  Torf  bilden  könne,  ist  von 
Grisebach  (20,  17)  als  unrichtig  erwiesen.  Im  Papenburger  Moor  finden  sich 
z.  B.  unter  einer  20  Fuss  hohen  Schicht  reifer  Torfe  unveränderte  Wassermoose. 
Der  Moostorf  ist  sehr  wenig  vertorft,  sondern  im  Wesentlichen  als  ein  unter 
Wasser  und  Luftabschluss  conservirtes  Torfmoos  zu  betrachten. 

Grössere  Neigung  zur  Vertorfung  zeigen  die  C)rperaceen  und  Gramineen  der 
Niederungsmoore.  Erstere  vertorfen  unter  Wasser  rasch  mit  Ausnahme  ihrer 
stark  verkieselten  Blattjjcheiden,  die  mari  daher  in  den  betr.  Torfen  unversehrt 
antrifft.  Die  Pflanzenfaser  der  an  der  Luft  rasch  verwesenden  Gramineen  wider- 
steht dagegen  ihres  hohen  Kieselsäuregeh^lts  wegen  unter  Wasser  lange  der  Ver- 
torfung, wie  die  nur  gebleichten  oder  gebräunten,  sonst  wohl  erhaltenen  Reste 
ihrer  Halme,  Blattscheiden  selbst  in  tiefen  Lagen  des  alten  Torfes  beweisen  (2). 
Die  Haidearten  (Ericaceen)  der  Hochmoore  verwesen  zwar  sehr  langsam,  sind 
aber  wegen  ihres  Reichthums  an  Wachsharz  und  Gerbstoff"  gute  Torfbildner. 

Die  Anhäufung  der  Humussubstanz  beschränkt  sich  nicht  auf  die  feuchten  und 
sumpfigen  Bodenlagen.  Auch  hoch  über  dem  Wasserspiegel  in  trocknen  Höhenlagen 
siedelt  sich  auf  ärmerem  sandigen  Boden  leicht  die  Hai  de  an,  welche  daher  in  Ge- 
genden, wo  die  Cultur  wegen  zu  geringen  Ertrags  aufgegeben  werden  musste,  leicht 
zur  Herrschaft  gelangt.  Ein  nebliges,  nasskaltes  Klima  begünstigt  die  Ausbreitung 
der  Haide,  die  daher  besonders  häufig  im  Hochgebirge  und  in  den  nördlichen 
Zonen  auftritt.  Durch  Verwesung  der  Ericaceen  und  Flechten,  welche  sich,  wie  die 
Rennthierflechte,  die  kleinen  Schorfflechten  (2,  21)  namentlich  auf  älteren  Haiden 
hinzugesellen,  entsteht  ein  Humus,  der  auf  dem  an  Kalk  fast  ganz  verarmten 
Sandboden,  sich  nur  langsam  weiter  zersetzt  und  daher  in  der  Oberlage  anhäuft. 
Die  in  Wasser  etwas  lösliche  Humussäure  reducirt  und  löst  das  Eisenoxyd  und 
wird  im  Verein  mit  diesem  den  tieferen  Bodenlagen  zugeführt,  wo  in  der  weniger 
entkalkten  und  manchmal  schwach  lehmigen  Bodenschicht  das  Eisen  sich  oft 
wieder  niederschlägt.  Durch  diesen  Niederschlag  werden  die  Sandkörner  zu 
einem  wahren  Sandstein  (21)  (Ortstein)  vereinigt,  der  den  Boden  für  Wasser  und 
die  meisten  Pflanzen  wurzeln  undurchlässig  macht.  Nur  die  Wurzeln  der  Ericaceen 
durchdringen  diese  Schicht  und  vermögen  sich  daher  auch  in  trocknen  Zeiten 
aus  dem  Unterboden  hinreichend  mit  Wasser  und  Pflanzennähr^tofien  zu  ver- 
sorgen. Es  sind  daher  die  Bedingungen  zur  Anhäufung  des  Humus  auch  auf 
diesem  dürren,  armen  Boden  gegeben.  Der  entstehende  Ericaceenhumus  ist 
wahrscheinlich  im  Wesentlichen  übereinstimmend  mit  dem  Haidetorf  der  Hoch- 
moore. 

Der  älteste  Flechten-  und  Haidehumus  ist  grau  oder  blauschwarz,  erdig  und 
enthält  vereinzelte  Pflanzenreste  (21).  Zu  eigentlichen  Torflagern  wird  es  in 
dieser  Höhenlage  nur  selten  kommen.     Der  Haideboden   der  Höhenlage  ge- 


Boden.  341 

hört  daher  nicht  zu  den  Mooren,  sondern  ist  als  ein  humusreicher  Sandboden 
zu  bezeichnen,  der  dem  allgemeinen  System  unterzuordnen  wäre.  Da  diese 
Bodenbildung  jedoch  durch  manche  Aehnlichkeit  und  vielfache  Beziehungen  den 
Hochmooren  verwandt  ist,  glaubten  wir  sie  im  Anschluss  an  diese  hier  kurz  be- 
schreiben zu  sollen. 

Physikalische  Eigenschaften  der  Bodenarten. 

Obgleich  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Bodens  eines  der  wichtigsten 
Capitel  der  Bodenkunde  ausmachen,  müssen  wir  uns  mit  Rücksicht  auf  den  Zweck 
dieses  Handbuches  hier  auf  einige  Literaturnachweise  beschränken. 

In  älterer  Zeit  hat  sich  namentlich  Schübler  (22)  Verdienste  um  die  Physik 
des  Bodens  erworben.  Aber  seine  Methoden  entbehrten  noch  der  wissenschaft- 
lichen Schärfe,  welche  die  heutige  Zeit  fordern  darf.  Die  Aufgabe,  die  physi- 
kalischen Bodeneigenschaften  mit  Hilfe  verbesserter  Methoden  genau  zu  ergründen, 
wurde  in  neuerer  Zeit  besonders  durch  Wollny  und  seine  Schüler  und  Mitarbeiter 
cifolgreich  bearbeitet,  deren  Untersuchungen  nebst  Referaten  über  alle  neueren 
Forschungen  auf  dem  Gebiet  der  Bodenphysik  sich  vereinigt  finden  in  der  Zeit- 
schrift tForschungen  a.  d.  Geb.  d.  Agricultur-Physik« ,  herausgegeben  seit  1878 
durch  E.  Wollny. 

Es  ist  hier  jedoch  auch  noch  der  Arbeiten  von  Haberlandt  (23),  Pfaundler 
(24),  Platter  (25),  Ad.  Mayer  (26),  Ebermayer  (27),  Nessler  (28),  Oemler  (29), 
A.  C.  und  Edm.  Becquerel  (30)  zu  gedenken.  Ein  zur  Orientirung  über  den 
Stand  der  Bodenphysik  zur  Zeit,  als  Wollny's  Forschungen  erschienen,  geeignetes 
Referat  ist  das  von  v.  Liebenberg  verfasste:  Der  gegenwärtige  Stand  der  Boden- 
physik (Wollny^s  Forschungen  Bd.  L,  pag.  i). 

Bodenabsorption. 

Eine  der  wichtigsten  Eigenschaften  des  Bodens  ist  sein  Absorptionsvermögen, 
d.  h.  seine  Fähigkeit,  einer  Flüssigkeit,  welche  gelöste  Stoffe  enthält,  einzelne 
derselben  zu  entziehen.  Die  Erscheinung  erinnert  in  ihrem  äusseren  Verlauf  an 
die  bekannte  Eigenschaft  der  Thierkohle^  Farbstoffe  aus  Lösungen  aufzunehmen. 
Zuerst  wurde  dieselbe  beobachtet  von  Gazzeri  181 9  (31),  unabhängig  von  ihm 
von  Bronner  1836  (32)  und  10  Jahre  später  von  Thompson  (33)  und  Huxtable 
(33)'  Eine  theoretische  Bearbeitung  fand  die  Absorption  erst  durch  Way  (34). 
Er  zeigte,  dass,  wenn  die  Kali-  oder  Ammoniaksalze  der  Salpetersäure,  Schwefel- 
säure, Salzsäure  über  Ackererde  filtrirt  werden,  die  Säuren  unverändert  im  Filtrat 
vorgefunden  werden,  während  aber  an  Stelle  von  Kali  oder  Ammoniak  theilweise 
andere  Basen,  besonders  Kalk,  in  die  Lösung  übertreten. 

Way  zeigte  femer,  dass  auch  freie  Alkalien  vom  Boden  absorbirt  werden. 
Von  Säuren  zeigte  nur  die  Phosphorsäure  erhebliche  Absorption.  Salze,  deren  Basis 
und  Säure  absorbirbar  ist,  können  vom  Boden  vollständig  festgehalten  werden. 

Zur  Erklärung  der  Absorptionserscheinungen  stellte  Way  eine  Theorie  auf, 
welche  durch  neuere  Forschungen  im  Wesentlichen  bestätigt  wurde.  Nach  Way 
enthält  der  Ackerboden  wasserhaltige  Doppelsilicate  (Zeolithe),  bestehend  aus 
kieselsaurer  Thonerde  einerseits,  kieselsaurem  Kalk  oder  Alkali  andererseits. 
Die  Basen  (Monoxyde)  sind  in  denselben  nur  sehr  locker  gebunden  und  des 
Austausches  gegen  andere,  in  Salzform  dargebotene  Basen  in  hohem  Grade  fähig. 
Die  sehr  verschiedene  Stärke  der  Absorption  wird  erklärt  durch  den  verschiedenen 


34*  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Grad  der  chemischen  Verwandtschaft   derselben.    Der  Vorgang  der  Absorption 
ist  hiemach  ein  chemischer,  auf  Wechselaustausch  der  Basen  beruhender. 

Dieser  Ansicht  Way's  widersprach  Liebig  (35)  besonders  auf  Grund  der  Be- 
obachtung, dass  Verbindungen  des  Ammoniaks  mit  der  Kieselsäure  nicht 
existirten.  Er  betont,  dass  die  Vorgänge  der  Absorption  zum  Theil  auch  auf 
physikalischen  Ursachen  beruhen  und  abhängig  seien  von  einer  gewissen 
mechanischen  Beschaffenheit  oder  Porosität  der  Erden  (36). 

Neuere  Untersuchungen  dokumentären  dagegen  die  Richtigkeit  der  WAY*schen 
Theorie  besonders  für  die  Absorption  der  Basen  aus  ihren  Salzen,  während  sich 
eine  Anzahl  anderer  Absorptionserscheinungen  einfacher  durch  physikalische 
Bindung  erklären  lässt.  Im  Folgenden  theilen  wir  die  Resultate  dieser  neueren 
Untersuchungen,  geordnet  nach  den  einzelnen  absorbirbaren  Stoffen,  mit 

Die  Absorption  des  Ammoniaks  wurde  zuerst  näher  erforscht  von . 
Henneberg  und  Stohmann  (37)  durch  Versuche  mit  kalkreichem  Boden.  Aus 
Lösungen  äquivalenter  Mengen  von  Chlor-,  salpetersaurem-,  schwefelsaurem 
Ammonium  wurden  nahezu  gleiche  Ammoniakmengen  vom  Boden  absorbirt, 
bedeutend  mehr  aus  freiem  und  phosphorsaurem  Ammonium.  Die  Zeit  übte 
keinen  bedeutenden  Einfluss  auf  die  Reaction.  Aus  einer  concentrirten  Lösung 
wurde  mehr  Ammoniak  absorbirt,  als  aus  einer  verdünnten.  Bei  Vergrösserung 
des  Fltissigkeitsquantums  auf  das  Doppelte  steigerte  sich  die  absorbirte  Ammoniak- 
menge  um  ca.  \.  Verdünnte  Ammoniaklösungen  werden  relativ  stärker  erschöpft, 
als  concentrirte.  Die  in  die  Lösung  übertretenden  Mengen  Kalk,  Magnesia 
waren  dem  von  der  Erde  aufgenommenen  Ammoniak  annähernd  proportional. 
Das  absorbirte  Ammoniak  war  schwer  löslich,  1  Theil  erforderte  ca.  20000  Thlc. 
Wasser  zur  Auflösung. 

Nach  Brustlein  (38)  nimmt  die  Ammoniakabsorption  aus  einer  Lösung  von 
der  4. — 24.  Stunde  nur  noch  um  ein  Geringes  zu.  Beim  Eintrocknen  einer  Erde, 
welche  absorbirtes  Ammoniak  enthält,  namentlich  bei  öfterem  Anfeuchten  und 
Wiedertrocknen,  geht  Ammoniak  theilweise  verloren. 

Völcker  (39)  bestätigte  im  Wesentlichen  die  Resultate  von  Henneberg  und 
Stohmann  und  beobachtete  femer,  dass  ein  sandreicher  Boden  das  Ammoniak 
aus  neutralem  Salz  viel  schwächer  absorbirt,  als  ein  thoniger  Boden.  Rautek- 
BERG  (40,  41)  kann  nach  erneuter  Prüfung  sein  früher  erlangtes  Resultat,  dass 
die  Ammoniakabsorption  mit  dem  Eisenoxyd-  und  Thonerdegehalt  des  Ackerbodens 
wachse,  nicht  aufrecht  erhalten  und  kehrt  zur  WAv'schen  Ansicht  zurück,  dass 
die  Erscheinung  von  den  wasserhaltigen  Silicaten  des  Bodens  abhänge.  Für 
Bolus  ergab  sich  ein  grosses,  flir  Kaolin  ein  geringes  Absorptionsvermögen. 
Dasselbe  verschwindet  durch  Behandlung  mit  Säuren,  kann  aber  durch  Zusatz 
von  kohlensaurem  Kalk  wieder  hergestellt  werden.  Die  WAv'sche  Theorie  findet 
auch  eine  Stütze  in  den  Versuchen  von  Eichhorn  (42),  nach  welchen  die  natür- 
lichen Zeolithe  in  Pulverform  eine  starke  Ammoniakabsorption  zeigen.  Da  solche 
Silicate  leicht  durch  Säure  zersetzt  und  gelöst  werden,  so  giebt  die  Menge  der 
in  Säuren  löslichen  Sesquioxyde  und  Monoxyde  einen  annähernden  Massstab  für 
die  Grösse  der  Ammoniakabsorption,  worauf  schon  die  Versuche  von  Beyer  (43) 
hindeuten.  Der  Nachweis,  dass  die  Absorption  des  Ammoniaks  proportional 
mit  der  Menge  der  in  Säure  löslichen  Basen  des  Bodens,  wurde  aber  namentlich 
von  Knop  (44,  45)  geführt,  welcher  jene  Basen  als  aufgeschlossene  Silicat- 
basen  bezeichnet  Die  Proportionalität  ist  jedoch  nur  eine  annähernde  und  nicht 
ausnahmslose,  wie  aus  zahlreichen  Bestimmungen  von  Biedermann  (45)  und  von 


Boden.  343 

Frey  (46)  hervorgeht.     Vergleicht  man  aber  Bodenarten  derselben  Art  unter  ein- 
ander» so  wird  die  Uebereinstimmung  eine  grössere  (45). 

Das  Verhalten  der  Ammoniaksalze  gegen  die  Moorbodenarten  wurde  in 
neuerer  Zeit  von  A.  König  (47)  näher  untersucht.  Moostorf  absorbirte  aus 
äquivalenten  Mengen  der  Neutralsalze  (Chlorid,  Nitrat,  Sulfat)  annähernd  gleiche 
Ammoniakmengen.  Dasselbe  ergab  sich  für  Niederungstorf,  doch  war  in  diesem 
Falle  die  Absorptionszahl  höher  als  bei  Moostorf.  Freies  Ammoniak,  Carbonat, 
Phosphat  wurde  von  Moostorf,  wie  von  Haide-  und  Niederungstorf  ungleich 
stärker  absorbirt,  als  das  Ammoniak  der  Neutralsalze.  Ein  mit  Salzsäure 
extrahirter,  also  von  mineralischen  Basen  befreiter  Sphagnumtorf  absorbirte  die 
Base  aus  der  Lösung  von  freiem  Ammoniak,  Carbonat,  Phosphat  ebenso  stark 
wie  vorher,  während  die  Absorption  aus  den  Neutralsalzen  sich  verringert  hatte. 
Auch  hier  beruht  die  Absorption  der  Basis  auf  einem  chemischen  Austausch, 
während  die  sehr  starke  Absorption  des  freien  Ammoniaks  oder  der  alkalisch 
reagirenden  Salze  wahrscheinlich  auf  physikalische  Ursachen  (Oberflächenattraction) 
zurückzuführen  ist 

Die  Absorption  des  Kalis.  Ueber  die  Gesetze  derselben  sind  wir 
namentlich  durch  eine  mustergültige  Arbeit  von  Peters  (48)  belehrt  worden. 
Die  Versuche  waren  mit  einem  aus  Thonsteinporphyr  gebildeten  Boden  an- 
gestellt worden,  welcher  neben  feinem  und  grobem  Sand  33  Thle.  Thon  enthielt 
Das  Absorptionsvermögen  gegen  Kali  war  ein  hohes.  Die  aus  äquivalenten  Mengen 
Chlorkalium,  Kaliumsulfat  und  Nitrat  absorbirten  Mengen  der  Basis  differirten 
wenig  von  einander,  während  aus  Carbonat  und  Phosphat  weit  grössere  Mengen 
aufgenommen  wurden.  100  Grm.  Erde  absorbirten  z.  B.  aus  250  Cc.  einer  Lösung, 
welche  0  59  K5O  in  verschiedenen  Salzformen  enthielt,  bei  Anwendung  von  Chlorid: 
0-199,  Sulfat:  0*209;  Nitrat:  0-252,  Carbonat:  0*315,  saurem  Phosphat  0*49  KjO. 
Die  Absorption  erfolgte  rasch.  Schon  nach  \  Stunde  waren  |  des  überhaupt  ab- 
sorbirbaren  Kalis  aufgenommen;  die  Absorption  hört  aber  erst  nach  2  Tagen  voll- 
ständig auf.  Wie  beim  Ammoniak  wurde  aus  concentrirter  Kalisalzlösung  absolut 
mehr  Kali  aufgenommen,  als  aus  einer  verdünnten,  die  letztere  aber  stärker 
erschöpft.  Die  Absorption  beruht  auch  hier  auf  einem  Wechselaustausch  der 
Basen.  An  Stelle  von  Kali  finden  sich  Kalk,  Magnesia,  Natron  in  der  Lösung 
vor.  Durch  reines  Wasser  können  nur  sehr  geringe  Mengen  des  absorbirten 
Kalis  in  die  Lösung  übergeführt  werden.  Mehr  wird  durch  mit  Kohlensäure 
partiell  gesättigtes  Wasser  gelöst  Durch  fremde  Salze,  wie  die  Neutralsalze  des 
Natriums,  Ammoniums,  Magnesiums,  Calciums,  kann  ein  Theil  des  absorbirten 
Kalis  gelöst  werden.  Salzsäurehaltiges  Wasser  entzog  dasselbe  dem  Boden 
wieder  vollständig.  Die  mit  Salzsäure  behandelte  Erde  hatte  ihr  Absorptions- 
vermögen den  Neutralsalzen  des  Kalis  gegenüber  fast  vollständig  verloren,  er- 
langte diese  Fähigkeit  aber  durch  Behandlung  mit  einer  Auflösung  von  kohlen- 
saurem Kalk  in  kohlensäurehaltigem  Wasser  wieder  zurück.  Auch  die  Absorption 
des  Kalis  hängt  ab  von  den  thonigen  Theilchen  des  Bodens  und  nimmt  mit  der 
Menge  derselben  zu. 

Dass  durch  fremde  Salze,  wie  Na  Cl,  Mg  Cl^,  Ca  SO4,  Na  NO,  etc.  das  Kali 
länger  in  Lösung  erhalten,  die  Absorption  also  verlangsamt  wird,  wurde  noch  mehr- 
fach von  anderen  Seiten  bestätigt  (49,  50,  43,  51,  52).  Es  ist  dies  praktisch 
wichtig,  deim  daraus  folgt,  dass  das  Kali  in  Begleitung  solcher  Salze  (z.  B.  rohes 
Stassfurter  Kalisalz)  tiefer  in  den  Boden  eindringen  kann,  als  bei  Anwendung 
der  reineren  Salzformen.    Aus  Bever's  (43)  Versuchen  geht  auch  hervor,  dass 


344  Handwörterbuch  der  Chemie. 

die  Erden  gegen  Kali  ein  beträchtlich  höheres  Absorptionsvermögen  haben,  als 
gegen  Ammoniak.  Sechs  Erden  absorbirten  z.  B.  0*050 — 0*182  Ammoniak,  da- 
gegen 0*179— 0-451  Kali  pro  125  Grm.  angewandter  Erde.  Dass  bei  Anwendung 
von  kieselsaurem  Kali  gleichzeitig  mit  dem  Kali  auch  mehr  oder  weniger 
Kieselsäure  absorbirt  wird,  zeigte  Liebig  (53).  Die  Ursachen  der  Kaliabsorplion 
.  sind  dieselben,  wie  die  der  Ammoniak absorption,  d.  h.  beruhend  auf  der  Gegen- 
wart eines  leicht  zersetzbaren,  wasserhaltigen  Doppelsilicats  im  Boden.  Mit 
natürlichen  und  künstlichen,  wasserhaltigen  Silicaten  konnte  Heiden  (54)  der 
Kaliabsorption  entsprechende  Erscheinungen  hervorrufen.  Beyer  (43)  zeigte 
ferner,  dass  die  Kaliabsorption  mit  der  Menge  der  in  Säure  löslichen,  wichtigeren 
basischen  Bodenbestandtheile  (Fe^O,,  Al^Oj,  CaO,  K2O)  zunehme.  Es  erklärt 
sich  also  das  schon  von  Peters  (48)  beobachtete  Verschwinden  des  Absorptions- 
vermögens gegen  Kali  durch  Behandeln  der  Erde  mit  Säure,  ein  Verhalten, 
welches  neuerdings  auch  van  Bemmelen  (55)  bestätigt  hat. 

Torfarten  zeigten  nach  A.  König  (47)  bei  der  Absorption  des  Kalis  ein 
ähnliches  Verhalten,  wie  bei  der  Absorption  des  Ammoniaks.  Aus  alkalischen 
Salzen  wurde  auch  hier  ungleich  mehr  absorbirt  als  aus  Neutralsalzen. 

Ueber  die  Absorption  von  Natron,  Magnesia,  Kalk  liegen  nur  sehr 
wenige  Versuche  vor.  Die  Absorption  des  Natrons  aus  gelöstem  Chlomatrium 
durch  verschiedene  Bodenarten  wurde  von  Völker  (56)  studirt.  Seine  Versuche 
zeigen,  dass  in  den  meisten  Fällen  die  Natronabsorption  nur  etwa  ^  betrug  von 
der  entsprechenden  Kaliabsorption. 

Kalk  wird  nach  Küllenberg  (57)  aus  den  concentrirten  Lösungen  seiner 
Neutralsalze  stärker  absorbirt  als  aus  verdünnten,  die  letzteren  aber  mehr 
erschöpft.  Bei  Gyps  war  die  Absorption  stärker  als  bei  Calciurachlorid  und 
Nitrat.  Die  aus  Gyps  absorbirte  Kalkmenge  nimmt  mit  der  Concentration  und 
mit  der  Zeit  der  Berührung  zu  (58).  Aehnlich  dem  Kalk  verhielt  sich  die 
Magnesia,  doch  wurde  hier  die  Grösse  der  Absorption  weniger  durch  die  Natur 
des  sauren  Bestandtheils  beeinflusst  (57). 

Für  die  relative  Stärke,  mit  welcher  diese  Basen  und  die  früher  betrachteten 
durch  Absorption  gebunden  werden,  hatte  Peters  (48)  folgende  Reihe  aufgestellt: 
1.  Kali,  2.  Ammoniak,  3.  Natron,  4.  Magnesia,  5.  Kalk.  Jedenfalls  stehen 
hinsichtlich  der  Absorptionskraft  Kali,  Ammoniak  einerseits  in  einem  Gegensatz 
zu  Natron,  Magnesia,  Kalk  andererseits.  Es  ist  leicht,  die  letzteren  Basen  durch 
erstere,  z.  B.  Kalk  durch  Kalisalz  zu  verdrängen,  schwierig  das  Umgekehite. 
Dass  selbst  ein  grosser  Ueberschuss  von  Chlomatrium  das  Kali  aus  einem  künst- 
lichen Doppelsilicat  nicht  verdrängt,  zeigen  die  instructiven  Versuche  von  Lem- 
BERG  (59).     Ueber  die  Absorption  des  Lithiums  vergl.  Iwanoff  (60). 

Die  Absorption  der  Phosphorsäure  folgt  andern  Gesetzen,  als  die 
Absorption  der  Basen,  da  sie  nicht  auf  Wechselzersetzung,  sondern  auf  der 
Bildung  unlöslicher  Verbindungen  im  Boden  beruht. 

Die  Thatsache,  dass  auch  die  Phosphorsäure  vom  Boden  absorbirt  wird, 
wurde  zuerst  von  Way  (34)  beobachtet,  welcher  auch  schon  nachwies,  dass,  wenn 
die  Phosphorsäure  in  Verbindung  mit  einer  leicht  absorbirbaren  Base,  wie  Kali, 
Ammoniak  steht,  eine  Absorption  des  ganzen  Salzes  eintritt.  Eine  starke  Ab- 
sorption der  Phosphorsäure  aus  Lösungen  von  phosphorsaurem  Kalk  in  kohlcn- 
säurehaltigem  Wasser  beobachtete  Liebig  (53).  Dass  die  Absorption  der  Phosphor- 
säure aus  einer  Lösung  von  phosphorsaurem  Kali  erheblich,  aber  von  der  Zeit 
abhängig  ist,  zeigte  Peters  (48).     Bei  Anwendung  verschiedener  Phosphate  fand 


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Boden.  345 

KüLLENBERG  (57)  die  höchstc  Absoqjtion  der  Phosphorsäiire  beim  Kalium-,  eiAe 
geringere  beim  Natrium-,  die  geringste  beim  Ammoniumsalz.  Auch  hier  wurde 
aus  concentrirteren  Lösungen  am  meisten  Phosphorsäure  aufgenommen,  ver- 
dünntere  Lösungen  aber  stärker  erschöpft.  Die  Absorption  scheint  mit  der 
Temperatur  zuzunehmen  (61).  Die  Gegenwart  mancher  Salze  wie  Kochsalz, 
Natronsalpeter,  wenn  dieser  nur  in  geringer  Menge  (62)  angewandt  wird,  erhöht 
in  manchen  Bodenarten  die  Grösse  der  Phosphorsäureabsorption  (62,  52).  Aus 
einer  Superphosphatlösung  wurde  ungefähr  die  doppelte  Menge  Phosphorsäure 
absorbirt,  als  aus  einer  Lösung  von  reiner  Phosphorsäure  (63). 

Die  Bodenbestandtheile,  welche  die  Phosphorsäureabsorption  bedingen,  sind 
noch  nicht  vollkommen  festgestellt.    Wahrscheinlich  ist,  dass  die  leichter  zersetz- 
baren Verbindungen  des  Kalkes,   der  Magnesia,  des  Eisenoxyds  und  der  Thon- 
erde  unter  Bildung  der  entsprechenden  schwer  löslichen  Phosphate  dieser  Basen 
an   dem  Vorgange    betheiligt   sind.     Es   kommen   hier  also  verschiedene  Ver- 
bindungen in  Erwägung,     Nach  Ritthausen  (64)  verwandelt  z.  B.  der  kohlen- 
saure Kalk  in  Berührung  mit  einer  Lösung  von  saurem  Calciumphosphat  dieses 
in   die    schwerer    lösliche  Form  des  neutralen   Phosphats,    welches  dabei    auch 
krystallinisch    erhalten    wurde.     Diese  Umwandlung  wurde  befördert  durch   die 
Gegenwart    von   etwas  Kohlensäure.     Die   Phosphorsäure  kann   aber  auch,   wie 
Eichhorn  (65)  zeigte,  gebunden  werden  von  natürlichen,  wasserhaltigen  Doppel- 
silicaten.     Eine  Abhängigkeit   der  Phosphorsäureabsorption  von  dem  Eisenoxyd- 
und  Thonerdegehalt  der  Bodenarten  lässt  sich  aus  den  Versuchen  von  Bieder- 
mann (61)  nicht  mit  Sicherheit  ableiten;  dagegen  giebt  Beyer  (43)  an,  dass  die- 
selbe mit  dem  Kalkgehalt  des  Bodens  zunehme.     Damit  stimmen  auch  die  Ver- 
suche von  Albrecht  und  Vollbrecht  über  das  Verhalten  des  Superphosphats 
zu  verschiedenen  Bodenarten  überein  (66).     Der  in  vielen  Bodenarten  zweifellos 
vorkommende    humussaure    Kalk    scheint   sich  an  der  Phosphorsäureabsorption 
nach    den  Versuchen    von  Eichhorn  (65)    mit  Superphosphat    ebenfalls  zu  be- 
theiligen,   während  die  freie  Humussäure  keine  Phosphorsäure  aufnimmt.     Nach 
König  (47)  absorbirte  der  aschenarme  Sphagnumtorf  die  Phosphorsäure  aus  den 
Ammoniumsalzen  gar  nicht,  der  Haidetorf  absorbirte  ebenfalls  nur  schwach,  nach 
mehrmaligem   Brennen  stärker  durch  Bildung  wirksamer  Aschensalze.     Der    an 
Mineralstoffen  und  Kalk  reiche  Niederungstorf  absorbirte  dagegen  die  Phosphor- 
saure  stark. 

Die  Absorption  der  übrigen  Säuren. 
Dass  Chlorwasserstoff,  Salpetersäure,  Schwefelsäure  frei  oder  in  Salzform 
dem  Boden  dargeboten  nicht  absorbirt  werden,  hat  schon  Wav  (34)  gezeigt 
und  ist  seitdem  von  mehreren  Seiten  bestätigt  worden  (48,  53,  57),  für  humose 
Medien  von  König  (47).  Die  Nichtabsorbirbarkeit  der  Salpetersäure  ist  durch 
viele  Versuche  von  Knop  (67)  und  von  Anderen  erwiesen.  Für  Kieselsäure  zeigte 
Liebig  (53),  dass  die  Menge  derselben,  welche  aus  einer  Wasserglaslösung  ab- 
sorbirt wird,  um  so  geringer,  je  höher  der  Humusgehalt  der  Erden. 

Die  Löslichkeit  der  Bodenbestandtheile  in  Wasser. 
Die  ZusJimmensetzung  der  Bodenflüssigkeiten  liefert  eine  Bestätigung  der 
Absorptionsgesetze.  Diese  machen  es  wahrscheinlich,  dass  die  Bodenflüssigkeit 
solche  Bestandtheile,  gegen  welche  der  Boden  eine  hohe  Absorptionskraft  besitzt, 
(Kali,  Ammoniak,  Phosphorsäure)  in  geringer  Menge,  die  anderen  Basen  aber  in 
grösserer  Menge  enthält     Dies  wird  durch  die  Analyse  des  Bodenwassers  voll- 


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346  Handwörterbuch  der  Chemie. 

kommen  bestätigt,  sei  es,  dass  dieses  in  Sammelgefässen  unter  der  Erde  (Lysi- 
meter)  aufgefangen,  oder  den  Drainröhren  entnommen  sei.  Solche  Wasser  ent- 
halten nach  zahlreichen  Analysen  (68,  69,  70,  71)  vorwiegend  die  Chlorver- 
bindungen, Sulfate,  Nitrate,  doppeltkohlensaure  und  kieselsaure  Salze  des  Cal- 
ciums, Magnesiums,  Natriums.  Die  Kalimenge  war  stets  geringer  als  die  des 
Natrons,  Ammoniak  trat  nur  in  Spuren  auf.  Kieselsäure  war  stets  vorhanden, 
während  Phosphorsäure  nicht  oder  nur  in  sehr  geringen  Mengen  nachzuweisen 
war  (73,  74,  72). 

Die  organischen  Substanzen  oder  der  Humus  zeigt  in  den  verschiedenen 
Bodenarten  eine  verschiedene  Löslichkeit,  da  in  thonigen,  lehmigen,  kalkhaltigen 
Erden  die  Humussubstanzen  in  einer  festeren  Verbindung  mit  den  feinsten  Boden- 
theilchen,  z.  Th.  als  schwer  lösliches  Salz  mit  den  Basen  des  Bodens  stehen, 
während  im  humusreichen,  kalkarmen  Sandboden  auch  freie  löslichere  Huminsänre 
auftritt.  Angaben  über  die  Menge  der  aus  dem  Boden  sich  in  Wasser  lösenden 
organischen  Substanz  liegen  mehrfach  vor  (75,  68,  76),  können  aber,  da  die  or- 
ganische Substanz  aus  dem  Gltihverlust  bestimmt  wurde,  nur  annähernd  genau 
sein.     Für  humusreichere  Bodenarten  Schleswig-Holsteins    ergab  sich  (77): 

Aus  100000  Thln.  des  ganzen  Bodens  lösten  sich  in  der  3fachen  Menge 
Wasser  in  14  Tagen: 

a)  Haidetorf  (grausandige  Haide  mit  29  J  Humus)      .     .      66  Thle.  Humus 

b)  Buchenhumus  (14,8^  Humus) 678      „  „ 

c)  Haidetorf  (sumpfiges  Hochmoor  mit  80^  Humus)  .     .     197      „  „ 
Von  einem  Moostorf  löste  sich   in  Wasser  0*388  J,  wovon  0*081  mineralische 

Bestandtheile  (78).     Die  Löslichkeit  des  Humus   einer    aus  Tannennadeln   imd 
Haidekraut  erzeugten  Haideerde  in  Wasser  ermittelte  Dettmer  (11). 

Ueber  das  Verhalten  der  organischen  Substanzen  des  Bodens  li^en 
einige  Versuche  vor  von  W.  Wolf  (79).    Derselbe  schloss  russische  Schwarzerde 
im  feuchten  Zustand  in  ein  Gefäss  ein  und  analysirte  nach  14  Tagen  die  darüber 
befindliche  Luft.     £s   war  aller  Sauerstoff  verbraucht  und  in  Kohlensäure  um- 
gewandelt,   während   der  Stickstoffgehalt  der  Luft   unverändert  geblieben   war. 
Aber  auch  bei  anderen  Bodenarten  waren  reichliche  Mengen  von  Kolilensäure 
gebildet  und  nur  ein  Theil  des  Sauerstoffs  unverändert  geblieben.    Petersen  (81) 
beobachtete  eine  Kohlensäurebildung  bei  verschiedenen  Bodenarten  im  Luftstrom, 
welche  durch  Zusatz  von  kohlensaurem  Kalk  um   so  mehr  beschleunigt  wurde, 
je  grösser  der  Zusatz  war.     Ein  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Kohlensäure- 
bildung  zeigte  sich  bei  einer  Bodenart  (Laubholzerde)  deutlich,  bei  einer  anderen 
(russische  Schwarzerde)  nicht.     Eine  energische  Kohlensäurebildung  beobachtete 
Pagel  (80),    welcher  Moorsubstanzen    mit  Luft   über  Quecksilber  in  Berührung 
Hess    und    jene    dann    eudiometrisch    analysirte.     Wiesenmour    und  Moor    von 
Culturdämmen  (Cunrau)  absorbirte  den  Sauerstoff  im  SonnenHcht  sehr  begierig, 
während  keine  Spur  Stickstoff  aufgenommen  wurde.     Die  direkte  Einwirkung  des 
Sonnenlichtes  schien,  wenn  auch  nicht  nothwendig,  so  doch  ungemein  forderlich 
für  den  Process  zu  sein.  Mit  SO^iger  Kalilauge  gesättigte  Moorsubstanz  (Niederungs- 
moor)   absorbirte    Sauerstoff  aus   der  Luft   sehr    stark  (100  Grm.   im  Mittel  in 
24  Stunden  1854  Ccentim.).    Feuchter  Moostorf  in  Berührung  mit  Luft  verändert 
langsam  die  Zusammensetzung  derselben  unter  Kohlen^äurebildung,  ein  Vorgang» 
der  mit  der  Temperatur  merklich  gesteigert  wird  (78). 


Boden.  347 

Die  stickstoffhaltigen  Verbindungen  des  Bodens. 
Der  Stickstoff  des  Bodens  ist  vorwiegend  in  der  Form  von   Humus  (Roh- 
humus) in  demselben  enthalten.     Erden  mit  hohem  Humusgehalt  sind  daher  im 
Allgemeinen    auch    stickstoffreich,     wenn    auch    eine    strenge    Beziehung    nicht 
existirt. 

Nach  W.  Wolf  (82)  kommen  auf  100  Thle.  Humus  im  Boden  4-.3— 11-9  Stick- 
Stoff;  bei  der  Analjrse  einer  grösseren  Zahl  Schleswig-Holsteinischer  Erden  (83) 
stellte  sich  die  Stickstoffmenge  auf  2'ö— 6'3,  wenn  Humus  =  100  gesetzt  wurde. 
C.  Schmidt  (84)  ordnete  die  von  ihm  analysirten  Schwarzerden  nach  steigenden 
Kohlenstoff-  (Humus)  gehalten  und  beobachtete  mit  wenigen  Ausnahmen  für  den 
zunehmenden  Stickstoffgehalt  dieselbe  Reihe.  Bestimmte  organische  Stickstoff- 
verbindungen wurden  aus  dem  Rohhumus  des  Bodens  noch  nicht  isolirt.  Welcher 
Art  diese  Verbindungen  auch  seien,  sie  liefern  das  Hauptmaterial  für  die  Salpeter- 
bildung im  Boden.  Dieser  Process,  auf  den  wir  unten  näher  eingehen,  besteht 
in  einer  Zersetzung  der  organischen  stickstoffhaltigen  Substanz  des  Bodens  unter 
Mitwirkung  des  atmosphärischen  Sauerstoffs.  Man  nimmt  an,  dass  zuerst  Am- 
moniak abgespalten,  welches  durch  Oxydation  unter  Luftzutritt  dann  nitrificirt 
werde.  Im  Allgemeinen  finden  sich  daher  sowohl  Ammoniak  als  Salpeter- 
säure im  Boden  vor,  doch  giebt  es  auch  Bodenarten,  welche  einer  Salpeterbildung 
unfähig  sind,  in  welchen  man  daher  von  löslichen  anorganischen  Stickstoffver- 
bindungen  nur  Ammoniak  vorfindet. 

Die  Ammoniakmenge  in  100000  Th In.  Boden  fand  Bretschneider  (85) 
=  0*96,  Knop  und  Wolf  (86)  im  sandigen,  etwas  humosen  Lehmboden  0*12,  im 
kalkreichen,  sandigen,  gedüngten,  brachliegenden  Lehmboden  in  den  Monaten 
Mai — September  im  Mittel  066— 0*48;  derselbe  Boden,  mit  Kartoffeln  bestanden, 
enthielt  in  den  Monaten  Mai— September  im  Mittel  resp.  0*95—0*7ö  — 0*68  — 0*85 
— 0'95.  In  3  Fuss  Tiefe  desselben  Bodens  war  der  Ammoniakgehalt  ebenso 
gross,  während  derselbe  in  6  Fuss  Tiefe  verschwunden  war.  W.  Wolf  fand  in 
verschiedenen  Ackererden  Sachsens  einen  Ammoniakgehalt  von  4*44— 0.29  in 
lOOOOO;  Brustlein  (109)  im  Lehm  und  lehmigen  Sandboden  0*22 — 0'66,  in 
einem  Thonboden  0*86  (Weizenfeld),  in  einem  stark  gedüngten  Gartenboden 
MO  p.  100000.  Grösser  sind  die  Ammoniakgehalte  der  Moorbodenarten. 
Pagel  (80)  fand  im  rohen  Moor  (Cunrau),  in  welchem  das  Grundwasser 
noch  stand,  in  der  oberen  Schicht  51,  in  der  zweiten  27,  in  der  dritten 
32  Theile  Ammoniak  in  100000  lufttrockener  Moorerde;  Osswald  (87) 
im  rohen,  theilweise  entwässerten  Moor  in  der  oberen  Schicht  51,  in  der 
darauf  folgenden  Schicht  29  Stickstoff  in  Ammoniakform  in  100000.  Die 
obere  Moorschicht  unter  den  RiMPAU*schen  Dämmen  (aufgetragene  Sandschicht) 
enthielt  in  zwei  Fällen  23*2  und  25*5  Ammoniak,  während  der  aufgetragene 
Cultursand  enthielt  resp.  4*5  und  LS  Ammoniak  in  100000.  In  einem  dunkel- 
braunen, zerreiblichen  Sphagnumtorf  mit  3^  Gesammts  tick  Stoff  wies  Fittbogen 
(88)  109  Ammoniumoxyd  in  iOOOOO  Thln.  nach. 

Die  im  Boden  in  Form  von  Salpetersäure  enthaltenen  Stickstoffmengen 
sind  ebenso  wie  die  des  Ammoniaks  sehr  variabel,  da  Salpeter  sich  fortwährend 
neu  bildet,  aber  auch  wieder  verschwindet,  theils  durch  Uebergang  in  die  Pflanze, 
theils  durch  das  auslaugende  Regenwasser.  Wir  führen  im  Folgenden  die  Resul- 
tate einiger  Bestimmungen  an: 

Knop  (89)  fand  in  sandigem  Lehmboden  (3J  Humus)  1-5  Thle.,  in  moorigem 
Haideland  (12^  Humus)  7*9  Thle.,  in  einer  humusreicheren,  moorigen  Erde  (18  J 


348  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Hnmns)  6*3  Thle.  Stickstoff  in  Form  von  Salpetersäure;  in  russischer  Schwarz- 
erde 0-2— 0-6  Salpetersäure  resp.  0052— Ol 56  Stickstoff  in  100000;  Bret- 
SCHNEIDER  (85)  in  einer  Erde  09 1  Salpetersäure  =  0*23  Stickstoff;  Brustlein (109) 
in  mehreren  lehmigen  und  lehmig  sandigen  Bodenarten  0'63 — 1*83,  in  einem  staik 
gedüngten  Gartenboden  9*3  Salpetersäure  in  100000  Thln.  Erde.  Boussincaült, 
welcher  schon  früher  (94)  die  grosse  Verbreitung  der  Salpetersäure  in  den  ver- 
schiedensten Erden  nachgewiesen  hatte,  fand  in  der  von  ihm  zu  Versuchen  über 
Salpeterbildung  (s.  d.)  benützten  humusreichen  Erde  0'75  Stickstoff  in  Fonn 
von  Salpetersäure  p.  100000  (90).  In  mehreren  lehmigen  Erden  des  östlichen 
Holsteins  wurde  gefunden  resp.  0*3,  0-6,  1*3  Salpetersäure  in  100000  (91). 
Ueber  das  Vorkommen  von  Salpetersäure  im  eigentlichen  Moorboden  vergL 
folgenden  Abschnitt. 

Die  Salpeterbildung  im  Boden  (Nitrification). 

Ueberlässt  man  eine  feuchte  Erde  der  Einwirkung  der  Luft,  so  bildet  und  ver- 
mehrt sich  allmählich  der  Salpeter.  Boussingault  setzte  eine  durch  anhaltenden 
Regen  erschöpfte  Erde  eines  Gemüsegartens  angefeuchtet,  in  Form  eines  Prismas 
der  Luft  aus  und  fand  darin  am  Anfang,  den  5.  Aug.  0*96,  den  17.  Aug.  6*28,  den 
2.  Sept.  180,  den  17.  Sept.  21.6,  den  2.  Oct.  20-6  Salpeter  (berechnet  als  Kali- 
salpeter in  lüOOOO  Thln.).  Ueber  die  Betheiligung  der  atmosphärischen  Bestand- 
theile  bei  der  Nitrification  stellte  Boussingault  (90)  Versuche  mit  einer  Erde  an, 
die  er  11  Jahre  lang  in  einem  Ballon  in  Berührung  mit  dem  eingeschlossenen 
Luftquantum  sich  selbst  überliess.  Es  hatte  sich  viel  Salpeter  gebildet,  der 
Stickstoff  der  Luft  bei  diesem  und  einem  zweiten  Versuch  aber  nur  um  ein  sehr 
Geringes  abgenommen,  woraus  folgt,  dass  der  atmosphärische  Stickstoff  bei  der 
Salpeterbildung  nicht  wesentlich  betheiligt  ist. 

ScHLösiNG  (92)  bewies  die  Abhängigkeit  der  Salpeterbildung  von  dem  Sauer- 
Stoffgehalt  der  Luft,  indem  er  über  je  2  Klgrm.  Erde  einen  Gasstrom  von  wechseln- 
dem relativen  Gehalt  an  Sauerstoff  und  Stickstoff  leitete.  Bei  höherem  Gchah 
an  Sauerstoff  nahm  die  durch  Oxydation  der  organischen  Substanz  erzeiig;te 
Kohlensäure,  wie  auch  die  gebildete  Salpetermenge  zu.  Bei  16°  betrug  die  er- 
zeugte Kohlensäure  nur  ca.  die  Hälfte  im  Vergleich  mit  der  bei  24°  entwickelten. 
Im  reinen  Stickstoffgas  wurde  nicht  allein  kein  Salpeter  gebildet,  sondern  der  ur- 
sprünglich vorhandene  sogar  noch  reducirt  Wurde  der  Erde  Salpeter  zugesetzt, 
so  verschwand  auch  dieser  bei  längerem  Verweilen  im  Stickstoffgas  unter  Bildung 
von  Ammoniak.  Es  findet  also  bei  Abwesenheit  von  Sauerstoff  ein  Reductions- 
prozess  statt,  bei  welchem  Salpetersäure  in  Ammoniak  übergeführt  wird.  Die 
Ammoniakmenge  war  jedoch  im  Vergleich  zu  der  des  verschwundenen  Salpeters  viel 
zu  gering.  Es  erklärte  sich  dies  durch  eine  Entwickelung  von  gasförmigen 
Stickstoff,  welche  direkt  nachgewiesen  wurde.  Durch  die  Thatsache,  dass  bei 
Abwesenheit  von  Sauerstoff  sich  kein  Salpeter  bildet,  vorhandener  Salpeter  sogar 
verschwinden  kann,  erklärt  sich  noch  manche  anderweitige  Beobachtung.  Ksof 
(93)  hatte  schon  früher  wahrgenommen,  dass  wenn  man  den  Moorerden  gewogene 
Mengen  Salpeter  zusetzt,  man  in  den  wässrigen  Extracten  nicht  die  ganze  Menge 
desselben  zurückerhält.  In  Bodenarten,  welche  durch  grossen  Vorrath  leicht  oxydir- 
barer  Substanz  den  eindringenden  Sauerstoff  rasch  verzehren,  fehlt  Salpeter  oft 
gänzlich,  während  Ammoniak  reichlich  vorhanden  ist.  Schon  Boussingault  (94) 
•hat  in  manchen  Fällen  eine  grosse  Armuth  der  Waldböden  an  Salpetersäure 
nachgewiesen.     Schlösing  (95)  bestätigt  dies,  während  er  im  Feldboden  reich- 


Boden.  349 

liehe  Mengen  vorfand.     Nach  Analysen  von  G.  Loges  (77)  enthielt  der  grau- 
sandige Haidetorf,  der  Torf  eines  nassen  Hochmoors,  Buchenhumus  auf  Grau- 
sand  weder  frisch,  noch  nach  8  wöchentlichem  Lagern  an  der  Luft  Salpetersäure, 
dagegen  reichliche  Mengen  von  Ammoniak.     In  einem  andern  Falle  (96)  war 
auch  im  Buchenhumus  auf  Lehm  keine,  auf  Grausand  nur  eine  Spur  Salpeter- 
säure nachzuweisen.    Dennoch  fehlt  die  Salpetersäure  nicht  allen  Moorbodenarten. 
FiTTBOGEN  (88)  fand  in  einem  braungefarbten,  zerreiblichen  Sphagnumtorf  53  Thle. 
Salpetersäure=  14  Thle.  Stickstoff  in  100000,  deren  Menge  durch  verschiedene 
Znsätze,  namentlich  Pottasche  noch  vermehrt  wurde.    Pagel  (80)  fand  im  Cunrauer 
Moor  an  Stellen,  wo  das  Grundwasser  noch  im  Moor  stand,  keine  Salpetersäure; 
dagegen  in  der  Sandschicht  eines  RiMPAu'schen  Moordammes  2  Thle.  Salpetersäure 
NO3H  =  0-44  Stickstoff,  in  der  darunter  befindlichen,  oberen  Moorschicht  4  Thle, 
Salpetersäure  (NO3H)  =  0-88  Stickstoff  in  100000.    Osswald  (87)  fand  in  einem 
in  Dämme  ausgelegten  Niederungsmoor  in  der  obersten  Moorschicht  3-55  Salpeters. 
=  0-7 S  Stickstoff,   in  der  mittleren   1*21   Salpeters.  =  0*27   Stickstoff;   in  einem 
andern  Falle  in  der  oberen  Moorschicht  aus  einem  Torfstich  2 '36  Salpetersäure 
=  0*52  Stickstoff,  in  der  mittleren  und  unteren  Moorschicht   1*31  Salpetersäure 
=  0*29  Stickstoff  in   100000.     An  einer  dritten  Stelle  war  Salpetersäure  weder 
im  cultivirten,  noch  im  rohen  Moore  nachzuweisen,  resp.  nur  in  Spuren  vorhanden. 
Dass  die  Salpeterbildung  im  Boden  von  Fermenten  oder  niederen  Organismen 
abhänge,   wurde  zuerst  auf  Grund  eigener  Erfahrungen  von  Alex.  Müller  (97) 
vermuthet.    Schlösing  und  Müntz  (98)  machten  dies  femer  wahrscheinlich,  indem 
sie  zeigten,  dass  die  Nitrification  in  einem  mit  Abfallwasser  gesättigten,  geglühten 
Sande  nach   20  Tagen  begann,   sich  dann  allmählich   steigerte,   aber  beim   Be- 
handeln mit  Chloroformdämpfen  aufhörte,   auch  nach  Wegnahme  dieser  Dämpfe 
sich  nicht  wieder  einstellte.     Warrington  (99)  zeigte,  dass  auch  andere  fäulniss- 
widrige Mittel  wie  Schwefelkohlenstoff,  Carbolsäure  die  Salpeterbildung  im  Boden 
vernichten.     Der   humushaltige,    fruchtbare  Boden   enthält  ein  salpeterbildendes 
Ferment.     Wurde  eine  Lösung  von  Ammoniak,  welche  zugleich  etwas  phosphor- 
saures Kali   enthielt,  mit  einer  kleinen  Menge  solchen  Bodens  in  Berührung  ge- 
bracht, so  verwandelte  sich  das  Ammoniak  theilweise  in  Salpetersäure.    Das  Licht 
war  der  Wirkung  des  salpeterbildenden  Fermentes  hinderlich,  Dunkelheit  günstig. 
Vielleicht  erklärt  sich  hierdurch  die  Beobachtung  von  Boussingault  (100),  dass, 
»renn  man  geglühten  Sand  oder  auch  Kreide  mit  verschiedenen  stickstoffhaltigen 
Substanzen  mischt  (Weizenstroh,  Rapskuchen,   Knochenmehl,  Hornspähne,  Woll- 
lumpen, Fleisch,  Blut)  und  dann  im  feuchten  Zustand  in  Flaschen,  die  nur  durch 
sine  feine  Oeflfoung  mit  der  Atmosphäre  communicirten,  5  Jahre  lang  sich  selbst 
iberliess,    sich    doch   nur   Spuren    von  Ammoniak    und   Salpetersäure    bildeten, 
irährend   dagegen  ein  guter  Ackerboden  etwa  die  Hälfte  des  Stickstoffgehalts 
1er  zugesetzten  Substanzen  nitrificirte. 

Durch  Reduction  der  Nitrate  im  Boden  kann  auch  salpetrige  Säure 
entstehen.  Auf  die  Gegenwart  derselben  im  Boden  wurde  von  Chabrier  (ioi) 
.ufmerksam  gemacht.  Derselbe  beobachtete,  dass  die  Menge  der  salpetrigen 
\äare  mit  zunehmender  Cultur  des  Bodens  wächst.  In  100000  Thln.  waren  ent- 
alten im  Gartenboden  0*452,  Feldboden  i.  Mittel  0*216,  in  einem  mit  Obst- 
^umen  bestandenen  Boden  O'löl,  im  Waldboden  (Fichten)  0*075,  im  Oedland 
■007  Thle.  salpetrige  Säure.  In  der  Oberkrume  eines  Getreidebodens  wurde  bei 
'ockener  Witterung  (December)  gefunden  0*117  salpetrige  und  7  594  Salpetersäure; 
n  Untergrund  (25  Centim.  tieQ  0*315  salpetrige  und  5*552    Salpetersäure;   auf 


'M 


>. 


350  Handwörterbuch  der  Chemie. 

einem  Olivenfeld  in  der  Oberkrume  0*073  salpetrige  und  2'258  Salpetersäure,  in 
25Centim.  Tiefe  0198  salpetrige  und  1-319  Salpetersäure  in  100000  Thln.  Erde. 

Nach  Gayon  und  Düpetit  (102)  ist  es  wahrscheinlich,  dass  auch  die  Reducdon 
der  Nitrate  eine  Wirkung  niederer  Organismen  sei.  Eine  Reduction  des  Nitrats 
findet  auch  in  Lösungen  von  Salpeter  in  Abfallwasser,  Bouillon  und  im  Gemenge 
mit  verschiedenen  organischen  Stoffen  (Zucker,  Olivenöl,  Glycerin)  nach  Zusatz 
von  faulendem  Harn  statt.  Der  Prozess  wird  durch  Erhitzen  oder  Zusatz  von 
Chloroform,  Kupfervitriol  aufgehoben.  Das  betreffende  Ferment  ist  ein  Anaerobie, 
denn  durch  Luftzutritt  wird  seine  Wirksamkeit  geschwächt.  Als  Reductionsprodokte 
wurden  bei  den  erwälmten  Versuchen  StickstofTgas  und  Ammoniak  beobachtet 
Der  analoge  Versuch  mit  Ackererde  angestellt,  lieferte  als  Reductionsprodukte 
Stickoxydul,  Stickoxyd  und  Nitrite. 

Auch  D£h£rain  und  Maguenne  (103)  beobachteten  in  einem  mit  Salpeter 
versetzten  Boden  die  Entwickelung  von  Stickoxydul.  Die  Reduction  soll  jedoch 
nur  bei  Gegenwart  grösserer  Mengen  organischer  Substanz  vor  sich  gehen  und  unter 
der  Bedingung,  dass  die  Bodenluft  frei  sei  von  Sauerstoff.  Eine  Erde,  welche 
durch  Erhitzen  oder  Einwirkung  von  Chloroform  das  Vermögen,  die  Nitrate  zu 
reduciren,  verloren  hatte,  erlangte  dieselbe  wieder  nach  Zusatz  von  frischer  Erde. 

Uebrigens  hat  Schönbein  (125)  schon  früher  gezeigt,  dass  Nitrate  durch  viele 
.organische  Substanzen,  wie  Albuminstoffe,  Leim,  Kohlenhydrate,  besonders  durch 
Stärke,  Milch-  und  Traubenzucker  bei  längerer  Berührung  zu  Nitriten  reducirt 
werden.  Bei  der  Art  und  der  langen  Dauer  der  Versuche  war  eine  Mitbetheiligung 
niederer  Organismen  wahrscheinlich.  Femer  zeigte  Schönbein  (126),  dass  Nitrate 
auch  in  Berührung  mit  Conferven,  Hefe,  Pilzen  reducirt  werden. 

Verhalten    des  atmosphärischen  Stickstoffs  zum  Boden.     Gewisse 
Erscheinungen   des  Wachsthums   und    der  zunehmenden  Fruchtbarkeit  mancher 
Bodenarten,  ohne  Zufuhr  stickstoffreicher  Düngemittel,  lassen  die  Frage  wichtig 
erscheinen,  ob  der  Boden  resp.  gewisse  Bestandtheile  desselben  die  Eigenschaft 
habe,  sich  den  Stickstoff  der  Atmosphäre  anzueignen,  denselben  zu  fixiren,  sei  es 
in  Form  von  organischen,   sei  es  in  Form  jener  einfachen  und  für  die  Fflanie 
leicht  assimilirbaren  Stickstoffverbindungen,   des   Ammoniaks  und  der  Salpeter- 
säure.    Da  die  ScHöNBEiN'sche  Beobachtung  (104)  über  die  direkte  Vereinigung 
von  Stickstoff  und  Wasser  zu  Ammoniumnitrit  beim  Verdunsten  von  Wasser  an 
der  Lufl  durch  Bohlig  (132),  besonders  aber  durch  Carius  (105)  direkt  wider- 
legt wurde,  so  war  noch  zu  prüfen,  ob  die  organischen  Substanzen  im  Allgemeinen, 
und  speciell  die  im  Boden  vorkommenden,  die  Fähigkeit  haben,  unter  gewissen 
Bedingungen  den  atmosphärischen  Stickstoff  zu  fixiren.  D£h]£rain  (106)  beobachtete, 
dass    Stickstoff  mit  Glucose  und  Alkali  auf  100°  erhitzt  absorbirt  werde,    und 
Simon  (107)  fand;  dass  der  Humussäurc  die  Eigenschaft  zukomme,  den  Stickstoff 
der  Luft  unter  Ammoniakbildung  zu  binden.     Diese  letztere  Angabe  steht   aber 
im  Widerspruch    mit  denen  von  Boussingault  (90),  W.  Wolf  (79),  Pagel  (So), 
welche  den  Stickstoffgehalt  der  Luft,  welche  mit  Erde  längere  Zeit  in  Berührung  ge- 
standen, unverändert  fanden.    Zu  einem  gleichen  Resultat  gelangte  auch  Schlösikc 
(108),    welcher   sogar   eine  kleine  Zunahme   des  Stickstoffgehalts  der  Luft  nach 
6  monatlicher  Berührung  mit  Erde  nachwies.     Ferner  konnte  Schlösing  den   er- 
wähnten Versuch  von  Dähärain  nicht  bestätigen. 

Dagegen  vereinigt  sich  Stickstoff,  wie  Berthelot  (128)  gezeigt  hat,  unter 
dem  Einflüsse  der  sogen,  stillen,  electrischen  Entladung  schon  bei  schwacher 
Tension  (entsprechend  der  electrischen  Differenz  von  7  DANiELL'schen  Elementen) 


Boden.  3^1 

mit  manchen  organischen  Substanzen  wie  Benzin,  Terpentinöl,  Papier,  Dextrin. 
Bei  einer  7  Monate  währenden  Einwirkung  stieg  der  StickstofTgehalt  des  Papiers 
von  010  auf  0*45,  bei  Dextrin  von  0*12  auf  1-92  in  1000  Thln.;  das  Licht  war 
ohne  Einfluss  auf  die  Reaction.  Die  Vereinigung  findet  auch  schon  bei  der  ge- 
ringen Tension  der  atmosphärischen  Electricität  statt  (129).  Von  welchem  Ein- 
fluss dieser  Vorgang  auf  die  Vermehrung  des  Stickstoffs  im  <  Boden  und  auf  die 
Erhöhung  der  Fruchtbarkeit  desselben  ist,  lässt  sich  noch  nicht  voraussehen, 
doch  sprechen  auch  einige  Vegetationsversuche  von  Grandeau  (130),  bei  welchen 
die  eine  Pflanze  unter  dem  Einfluss  der  atmosphärischen  Electricität  sich  ent- 
wickeln konnte,  während  die  andere  diesem  Einfluss  durch  Anwendung  eines 
sogen.  FARADAv'schen  Käfigs  entzogen  war,  dafür,  dass  die  erstere  Bedingung  die 
für  Massenbildung  und  Höhenwachsthum  der  Pflanzen  günstigere  ist. 

Als  eine  weitere  Quelle  flir  den  Zuwachs  des  Bodens  an  Stickstoff  ist  noch 
die  Aufnahme  der  in  der  Luft  vorkommenden  kleinen  Mengen  von  Ammoniak, 
salpetrigen  und  Salpetersäure  zu  betrachten.  Die  durch  die  atmosphärischen 
Niederschläge  einer  bestimmten  Bodenfiäche  jährlich  zugeführten  Mengen  dieser 
Stickstoffverbindungen  können  eine  Bereicherung  des  Bodens  an  Stickstoff  allein 
nicht  erklären,  da  sie  schon  durch  die  Verluste  in  Folge  der  Entwässerung  und 
Drainage  übertroffen  werden  (131).  Jedoch  ist  hierbei  noch  nicht  berücksichtigt 
die  direkte  Aufnahme  oder  Absorption  der  in  der  Luft  auftretenden  kleinen 
Mengen  von  Ammoniak,  resp.  Ammoniumcarbonat,  -Nitrat,  -Nitrit  Brust- 
lein (109)  hat  zuerst  gezeigt,  dass  die  Erde  ein  gewisses  Condensationsvermögen 
für  Ammoniakdämpfe  besitzt,  in  Folge  dessen  sie  auch  aus  einer  ammoniak- 
armen Luft  dieselben  absorbirt.  Nachdem  über  feuchte  Erde  (55  Grm.)  950 
Liter  Luft  geleitet  waren,  welche  wenig  Ammoniak  enthielt,  wurden  Spuren 
der  Base  nicht  mehr  zurückgehalten,  und  die  Erde  hatte  nun  00311  Grm.  Am- 
moniak fixirt.  Eine  auf  diese  Weise  ammoniakhaltig  gewordene  Erde  verliert 
wieder  einen  Theil  der  Base  durch  Verflüchtigung,  wenn  sie  an  der  Luft  der 
Verdunstung  ausgesetzt  wird,  besonders  beim  wiederholten  Anfeuchten.  Trockne 
Erde  hält  dagegen  das  in  ihr  noch  vorhandene  Ammoniak  hartnäckig  fest. 

Eichhorn  (iio)  stellte  das  Vermögen,  Ammoniakdämpfe  zu  absorbiren,  flir 
eine  Anzahl  Substanzen  fest.  Nach  neueren  Untersuchungen  von  Ammon  (in) 
kommt  diese  Fähigkeit  besonders  dem  Eisenoxydhydrat  und  Humus  (Torf)  in 
höherem  Grade  zu.  Für  eine  Anzahl  Substanzen  in  Pulverform  fand  er  folgende 
Grössen  des  Absorptionsvermögens  für  reines  Ammoniakgas  und  100  Grm.  Sub- 
stanz bei  0  und  20°,  ausgedrückt  in  Gem.  Gas: 

„  Eisenoxyd-         ^  Kohlensaurer     jr    ^'  /-. 

Humus  j^y^J  Quarz  ^^^^  Kaolm  Gyps 

bei    0°  29517  38992  938  1552  2447  15134 

bei  20°  20017  25513  1117  781  1473  — 

In  diesen  Substanzen  Hess  sich  nach  der  Absorption  die  Gegenwart  einer 
kleinen  Menge  Salpetersäure  nachweisen,  welche  bei  Eisenoxydhydrat  am 
grössten  war.  Nach  Schlösing  (108)  wird  Ammoniak  auch  von  trockener  Erde 
aufgenommen,  aber  nur  durch  feuchte  Erde  nitrificirt.  Aus  2  Versuchen  wurde 
berechnet,  dass  die  Fläche  von  1  Ha.  in  14  Tagen  259,  in  28  Tagen  4-097  Klgrm. 
Ammoniak  aus  der  Luft  absorbirt  hatte.  Als  über  fruchtbare  Erde  ein  Luft- 
strom geleitet  wurde,  ging  Ammoniak  durch  Verflüchtigung  verloren.  Von 
grosser  Bedeutung  ist  zweifelsohne,  dass  die  in  den  Bodenarten  überall  ver- 
breiteten   Humussubstanzen    ein    bedeutendes    Condensationsvermögen    für  Am- 


fc^:-^  ■ 


352  Handwörterbuch  der  Chemie. 

moniak  besitzen.  Dies  folgt  auch  schon  aus  älteren  Versuchen  von  Bret- 
SCHNEIDER  (112)  mit  Ulmin,  einer  aus  Zucker  dargestellten  humusähnlichen  Sub- 
stanz. Mit  je  15  Klgrm.  Quarzsand  wurden  vermischt  resp.  a)  150  b)  450 
c)  750  Grm.  Ulmin;  nach  Verlauf  eines  Jahres,  in  welchem  man  von  jeder 
Portion  allmählig  16  Klgrm.  Wasser  verdunsten  Hess,  betrug  die  ohne  Zweifel 
von  einer  Ammoniakabsorption  aus  der  Luft  herrührende  Stickstofifzunahme  bei 
a)  0-0690  b)  0-2394  c)  0-4535. 

Bezüglich  des  Vorkommens  niederer  Organismen  im  Boden  lehrt 
Koch  (113),  dass  die  oberen  Schichten  ausserordentlich  reich  sind  an  Bacterien- 
keimen,  vorwiegend  Bacillen.  In  frisch  entnommener  Erde  kommen  auch  Micro- 
coccen,  jedoch  in  der  Minderzahl  vor.  Beim  Trocknen  verschwinden  die  Micro- 
coccen,  während  die  Bacillen  lebensfähig  bleiben.  Es  Hess  sich  eine  Reihe  woM 
charakterisirter  Bacillenarten  nachweisen.  Der  Reichthum  an  niederen  Or- 
ganismen scheint  mit  der  Tiefe  abzunehmen;  in  1  Meter  Tiefe  war  der  Boden 
fast  frei  von  solchen. 

Bezüglich  der  Methoden  der  Bodenanalyse  muss  auf  die  betreffenden 
Anleitungen  von  E.  Wolff  (114),  Grandeau  (115),  Krocker  (116),  Knop  (44) 
u.  A.  verwiesen  werden. 

Die  Salpeterbestimmungen  sind  nach  der  Methode  von  Schlösing  mit  den 
Modificationen  von  Schulze  (117)  oder  zweckmässiger  nach  Tiemann  (118)  aus- 
zuführen. Die  Ammoniakbestimmung  ist  nach  Schlösing  (119),  sicherer  in  den 
Modificationen  von  Böhmer  (120)  oder  des  Referenten  (121)  zu  machen.  Der 
Humusgehalt  lässt  sich,  wie  Loges  (12)  gezeigt  hat,  bei  den  meisten  Boden- 
arten genau  nur  durch  Bestimmung  des  Kohlenstoffs  ermitteln,  für  welche  er 
einen  vereinfachten  Weg  angiebt.  Die  Bestimmung  mit  Chromsäure  ist  nicht 
hinreichend  genau,  die  Ermittlung  des  Humnsgehalts  aus  dem  Glühverlust  in 
den  meisten  Fällen,  mit  Ausnahme  der  Moor-  und  Sandböden,  unsicher. 

Die  Schlämmanalyse  oder  mechanische  Bodenanalyse  wird  am  besten  mit 
dem  Schlämmaparat  von  Schöne  (122)  ausgeführt.  Es  empfiehlt  sich,  hierbei 
die  Stromgeschwindigkeiten  nach  den  Orth' sehen  Vorschlägen  zu  reguliren  (123). 

Resultate  von  Bodenanalysen  liegen  in  grosser  Zahl  vor,  leider  nicht 
immer  vergleichbar,  da  oft  nach  verschiedenen  Methoden  ausgeführt  Solche 
Analysen  werden  häufig  gemacht,  um  die  Beziehungen  des  Gehalts  des  Bodens 
an  den  wichtigeren  Pflanzennährstoffen  zu  der  Fruchtbarkeit  oder  Ertrags fähigkdt 
zu  ermitteln.  Eine  sichere  Methode,  die  Fruchtbarkeit  eines  Bodens  im  Voraus 
durch  Analyse  zu  ermitteln,  existirt  jedoch  nicht,  und  alle  vorliegenden  Analysen 
können  nur  einen  angenäherten  Ausdruck  für  die  Fruchtbarkeit  der  Bodenarten 
bilden.  Dennoch  haben  diese  Analysen  schon  vielseitige  Aufschlüsse  über  die 
Natur  der  Bodenarten  geliefert  und  sich  im  einzelnen  Falle  häufig  schon  durch 
den  Nachweis  eines  Mangels  an  dem  einen  oder  andern  Stoff  oder  der 
Gegenwart  schädlicher  Substanzen  als  nützlich  erwiesen.  Zu  welchen  Resultaten 
man  bisher  in  dem  Bestreben,  die  Fruchtbarkeit  der  Bodenarten  analytisch  fest- 
zustellen, gelangt  ist,  hier  darzustellen,  würde  dem  Zweck  dieses  Werkes  wider- 
sprechen, da  eine  solche  Darlegung  ein  näheres  Eingehen  auf  die  landwirth- 
schafllichen  Begriffe  der  Fruchtbarkeit  und  Bonität  erfordern  würde. 

Die  Literatur  über  die  Bodenanalysen  selbst  findet  sich  fast  vollständig  in 
dem  Jahresbericht  der  Agriculturchemie  (124),  auf  welchen  wir  hiermit  verweisen. 

Emmerung. 


Bor.  353 

Bor*),  B  =  10*9.  Wir  begegnen  dem  Bor  in  der  Natur  nur  in  Form  seiner 
Sauerstoffverbindung,  der  sogen.  Borsäure  oder  deren  Salzen,  unter  welchen  das 
Natriumsalz  als  das  wichtigste  hervorzuheben  ist.  Unter  dem  Namen  Tinkal 
wurde  es  schon  in  den  ältesten  Zeiten  aus  Indien  in  den  europäischen  Handel 
gebracht  und  flihrt  im  gereinigten  Zustand  den  Namen  Borax. 

Das  neben  Natrium  und  Sauerstoff  im  Borax  enthaltene  Element  wurde  erst 
im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  von  Gay-Lussac  u.  Thänard  (i)  durch  Zerlegung  der 
Borsäure  mittelst  Kalium  in  Form  eines  griinlichbraunen,  amorphen  Pulvers  er- 
halten und  »Boracium«  oder  »Boron«,  später  aber  kurzweg  »Bor«  genannt. 

Wie  Berzelius  (2)  im  Jahre  1824  fand,  lässt  sich  jenes  Element  auch  aus  Bor- 
fluorkalium mittelst  Kalium  abscheiden,  aber  auch  hier  entsteht  nur  ein  amorphes 
Pulver;  dagegen  gelang  es  Wöhler  und  Saint  Claire-Deville  (3)  im  Jahre  1857, 
durch  starkes  Glühen  des  amorphen  Bors  mit  Aluminium  in  einem  mit  Kohle 
gefüllten  Tiegel  ein  krystallisirtes  Bor  darzustellen.  Das  amorphe  Bor  löst  sich 
in  Aluminium  auf  und  krystallisirt,  wie  der  Kohlenstoff"  aus  dem  Gusseisen,  beim 
Erkalten  wieder  aus.  Der  Metallregulus  wird  mit  verdünnter  Salzsäure  behandelt, 
welche  das  Aluminium  löst,  während  dunkelbraune,  durchsichtige  Borkrystalle 
zurückbleiben,  gemengt  mit  leicht  abschlemmbaren,  dünnen,  sechsseitigen  Blättchen, 
welche  aus  StickstoffT)or  bestehen.  Derjenige  Theil  des  Bors,  welcher  nicht  in 
den  krystallisirten  Zustand  übergegangen  ist,  findet  sich  stets  als  Stickstoff*bor 
vor,  denn  die  Wirkung  des  Stickstoff*s  der  Feuerluft  lässt  sich  nicht  völlig  aus- 
schliessen. 

Zur  Darstellung  des  sogen,  krystallisirten  Bors  ist  es  vortheilhafter,  ge- 
schmolzen gewesene  uud  zerkleinerte  Borsäure  (100  Grm.)  mit  Aluminium  in 
dicken  Stücken  (80  Grm.)  fünf  Stunden  lang  in  einem  Kohletiegel,  der  in  einem 
mit  Kohle  ausgefüllten  Graphittiegel  steht,  auf  starke  Gluth  zu  bringen.  Unter 
der  aus  Borsäure  und  Thonerde  bestehenden  Schlacke  findet  sich  nach  dem 
Zerschlagen  des  Tiegels  noch  eine  metallgraue,  blasige  Masse,  welche  Borkrystalle 
enthält.  Durch  Behandlung  mit  Salzsäure  und  Abschlemmen  sind  letztere  rein 
zu  erhalten.  Bei  verhältnissmässig  niedriger  Temperatur  entstehen  vorzugsweise 
schwarze,  metallglänzende  Blättchen,  welche  als  »graphitartiges  Bor«  bezeichnet 
werden,  im  Gegensatz  zu  dem  bei  Nickelschmelzhitze  gebildeten  und  rothgelbe, 
octraedrische  Krystalle  darstellenden  sogen,  »diamantartigen  Bor«. 

Wie  schon  die  Entdecker  dieses  Körpers  beobachteten,  zeigen  solche  Bor- 
krystalle, sogen.  Bordiamanten,  stets  einen  geringen  Gehalt  an  Aluminium 
und  Kohle,  Hampe  (4)  fand  indess  bei  neueren  Versuchen  den  Gehalt  an  Alu- 
minium  und  Kohle  auch  bei  verschiedenen  Darstellungen  constant,   so  dass  die 


•)  Gmelin-Kraut's  Handbuch,  Bd.  11.  i)  Gay-Lussac  u.  Th^nard,  Gilb.  Ann.,  Bd.  30, 
pag.  363.  2)  Bergelius,  Pogg.  Ann.  2,  pag.  113.  3)  Wöhler  u.  St.  Clahie-Deville,  Ann., 
Bd.  101,  pag.  113;  Bd.  103,  pag.  347;  Bd.  105,  pag.  67;  Compt.  rend.,  Bd.  43,  pag.  1088;  Bd.  44, 
pag.  342;  Bd.  45,  pag.  888;  Ann.  chim.  [3]  52,  pag.  63.  4)  Hampe,  Ann.,  Bd.  183,  pag.  75. 
5)  Groddek,  Ann.,  Bd.  138,  pag.  83.  6)  Councler,  J.  pr.  [3]  18,  pag.  399.  7)  Michaells 
u.  Becker,  Ber.  13,  pag.  58.  8)  Frankland,  Proc.  Roy.  Soc.  25,  pag.  165.  9)  Reinitzer, 
M.  1880,  pag,  792.  10)  Jones  u.  Taylor,  Ch.  Soc.  J.  1881,  pag.  213.  11)  Dumas,  Pogg.  57, 
pag.  604.  12)  Warington,  Jahresber.  7,  pag.  892.  13)  Bolley,  Ann.  68,  pag.  122.  14)  Bechi, 
Ber.  1878,  pag.  1190.  15)  Kenngott,  Wien.  Akad.  Ber.  12,  pag.  26.  16)  Miller,  Pogg.  23, 
pag.  558.  17)  Brandes  u.  Firnhaber,  Arch.  Pharm.  7,  pag.  50.  18)  Ditte,  Compt.  rend.  85, 
pag.  1069.  19)  Schafpgotsch,  Pogg.  107,  pag.  427.  20)  Ebelmen  u.  Bouquet,  J.  pr.  38, 
pag.  221. 

LAOBMKmc,  Chemie.    II.  23 


354  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Zusammensetzung  der  schwarzen  Krystalle  durch  die  Formel  BjjAl  und  diejenige 
der  rothgelben  Krystalle  durch  die  Formel  B^gAljCg  dargestellt  werden  köime. 

Die  schwarzen  Krystalle  werden  reichlicher  gewonnen,  wenn  man  ein  Ge- 
menge von  Borfluorkalium  mit  Aluminium  und  einem  aus  gleichen  Theilen  CWot- 
kalium  und  Chlomatrium  bestehenden  Flussmittel  zusammenschmilzt  und  die 
Masse  später  mit  Salzsäure  auszieht. 

Die  schwarzen  Krystalle  sind  fast  so  hart  wie  Diamant,  gehören  nach  Wühler 
und  Deville  dem  quadratischen  System,  nach  v.  Groddek  (3)  aber  dem  mono- 
klinen  System  an  und  enthalten  nach  den  erst  genannten  Chemikern  97 '6  J  Bor 
und  2*4  J  Kohlenstoff,  nach  Hampe  aber  keinen  Kohlenstoff,  sondern  17^  Alu- 
minium. Die  rothgelben  Krystalle,  deren  Härte  zwischen  derjenigen  des  Coninds 
und  des  Diamants  liegt,  gehören  zum  quadratischen  System  nnd  enthalten  nach 
WöHLER  und  Deville  891^  B,  4*2^  C  und  6*7^  AI;  Hampe  fand  jedoch  bei 
verschiedenen  Darstellungen  die  der  oben  angegebenen  Formel  entsprechende 
Zusammensetzung:    82-81$  B,  3-76$  C  und  13-15$  AI. 

Zur  Gewinnung  des  amorphen  Bors  wird  nach  Wöhler  und  Deville  (3)  ein 
Gemenge  aus  100  Grm.  wasserfreier  Borsäure  mit  160  Grm.  Natrium  in  einen 
stark  glühenden  eisernen  Tiegel  eingetragen  und  mit  50  Grm.  ausgeglühtem 
Kochsalz  überdeckt.  Nach  erfolgter  Reaction  wird  die  durchgerührte  Schmelze 
noch  heiss  in  Wasser  gegossen,  welchem  man  Salzsäure  beifügt  Das  Bor  scheidet 
sich  als  braunes  Pulver  ab,  während  sich  die  Schlacke  löst. 

Das  amorphe  Bor  oxydirt  sich  beim  Erhitzen  an  der  Luft  und  verbrennt 
mit  lebhaftem  Funkensprühen,  dabei  verflüchtigt  sich  aber  nur  ein  Theil  des 
entstandenen  Bortrioxyd,  während  der  Rest  das  noch  unverbrannte  Bor  mit  einer 
glasigen  Schicht  tiberzieht  und  vor  der  Oxydation  schützt  Beim  Verbrennen  im 
Sauerstoff  werden  von  1  Grm.  Bor  14420  cal.  erzeugt.  Mit  Salpeter  geschmolzen 
bewirkt  amorphes  Bor  kräftiges  Verpuffen,  beim  Schmelzen  mit  Alkalien  od« 
Potasche  wird  in  ruhigerer  Weise  ein  Alkaliborat  gebildet  Alkalische  Laugen 
lösen  das  amorphe  Bor  nicht. 

Salpetersäure  und  conc.  Schwefelsäure  oxydiren  das  Bor  besonders  leicht 
in  der  Wärme  zu  Borsäure.  Die  Angabe  von  Berzelius,  dass  Bor  in  Wasser  etwas 
löslich  sei,  ist  auf  die  Gegenwart  eines  festen  Borwasserstoffs  (s.  d.)  zurück- 
zuführen. 

Mit  Chlor,  Brom,  Schwefel,  mit  verschiednen  Metallen,  ganz  besonders  auch 
mit  Stickstoflt  geht  das  amorphe  Bor  direkt  Verbindungen  ein  und  vermag  sogar 
die  genannten  Elemente  aus  manchen  ihrer  Verbindungen  abzuscheiden. 

Das  Bor  tritt  meist  als  dreiwerthiges  Element  auf,  doch  sind  neuerdings 
einige  Verbindungen  bekannt  geworden,  in  welchen  es  als  lünfwerthig  anzusehen 
ist  So  stellte  Councler  (6)  ein  Boroxychlorid  BOCI3  dar,  nach  Mtchaeus  und 
Becker  (7)  ist  die  Existenz  einer  Verbindung  BCl^CCßHg)  wahrscheinlich  und 
Frankland  (8)  brachte  Gründe  für  diejenige  eines  Körpers  von  der  Zusammen- 
setzung B^{C^H,){OC^U,),. 

Borwasserstoff.  Erst  in  neuester  Zeit  wurden  Verbindungen  des  Bors  mit 
Wasserstoff  beobachtet.  Reinitzer  (9)  fand,  dass  der  beim  Auswaschen  des  durch 
Einwirkung  von  Kalium  auf  Borsäure  oder  Borfluorkalium  erhaltenen  Bors  nachEnt- 
feinung  der  Kalisalze  in  Lösung  gehende  und  dieselbe  dunkelgelb  färbende  Körper 
nicht,  wie  Berzelius  annahm,  eine  löslich  allotropische  Modification  des  Bors  ist, 
sondern  eine  Verbindung  des  Bors  mit  Wasserstoff.    Durch  Zusatz  von  Chlorcaldum 


Bor.  355  ,,^ 


zu  der  eingedampften  Flüssigkeit  schied  sich  ein  grtinlichbrauner  Schlamm  aus, 
welcher  nach  dem  Waschen  mit  Alkohol  und  Trocknen  über  Schwefelsäure  in 
ein  grünlichschwarzes  Pulver  überging.  Beim  Erwärmen  in  einer  Glasröhre  er- 
glühte dasselbe  und  entliess  dabei  ein  entzündbares,  mit  grüngesäumter  Flamme 
brennendes  Gas.  Die  nicht  rein  zu  erhaltende  Substanz  ergab,  einen  Gehalt  von 
2-67^  Wasserstoff. 

Einen  gasförmigen  Borwasserstoff  erhielten  Jones  u.  Taylor  (io)  durch 
Zersetzung  des  Bormagnesiums  durch  Salzsäure.  Das  Bormagnesium  lässt  sich 
durch  Zusammenschmelzen  von  Borsäure  mit  überschüssigem  Magnesiumpulver 
oder  durch  Erhitzen  von  amorphem  Bor  mit  dem  3  fachen  Gewicht  an  Magnesium- 
pulver im  Wasserstoffstrom  oder  gut  verschlossenen  Tiegel  darstellen,  wird  aber 
auch  beim  Ueberleiten  von  Borchloriddampf  über  erhitztes  Magnesium  erhalten. 
Der  aus  Bormagnesium  und  conc.  Salzsäure  entweichende  Borwasserstoff  enthält 
viel  freien  Wasserstoff-  und  kann  über  Wasser  oder  Quecksilber  aufgefangen 
werden.  Das  Gas  ist  farblos  und  besitzt  einen  sehr  unangenehmen  Geruch, 
welcher  sich  aHch  dem  Wasser  mittheilt,  das  mit  dem  Gase  in  Berührung  war. 
An  der  Luft  entzündet,  brennt  das  Gas  mit  glänzender,  grüner  Flamme  und  scheidet 
dabei  Borsäure  als  Verbrennungsprodukt  ab.  Auf  einer  in  die  Flamme  gehaltenen 
Porzellanplatte  setzt  sich  amorphes  Bor  ab,  ebenso  wenn  das  Gas  eine  glühende 
Röhre  passirt.  In  Silbemitratlösung  erzeugt  das  Gas  einen  Silber  und  Bor  ent- 
haltenden schwarzen  Niederschlag,  der  schon  von  heissem  Wasser  unter  Ent- 
wicklung von  Borwasserstoff  zersetzt  wird.  Mit  Ammoniak  scheint  der  Bor- 
wasserstoff eine  Verbindung  einzugehen,  die  aber  noch  nicht  isolirt  wurde.  Die 
Analyse  des  rohen  Borwasserstoffgases  ergab  Zahlen,  welche  die  Formel  BH, 
für  die  reine  Verbindung  wahrscheinlich  machen. 

Borsäure- Anhydrid,  Bortrioxyd,  BjOg,  bildet  sich  direkt  beim  Verbrennen 
von  Bor  in  Sauerstoff,  doch  wird  es  zweckmässiger  durch  starkes  Glühen  der  Borsäure 
dargestellt,  welche  das  Anhydrid  als  glasähnliche  Masse  hinterlässt.  Dasselbe  löst 
sich  in  Wasser  unter  starker  Erhitzung  zu  Borsäure  auf.  Während  letztere  eine 
sehr  schwache  Säure  ist  und  aus  ihren  Salzen  durch  die  meisten  Säuren  ab- 
geschieden wird,  vermag  das  Borsäure-Anhydrid  wegen  seiner  grösseren  Feuer- 
beständigkeit aus  vielen  Salzen  bei  Glühhitze  die  Säuren  auszutreiben.  Chlor- 
natrium, auch  Natriumsulfat  z.  B.  werden  auf  diese  Weise  leicht  zersetzt.  Die 
Oxyde  der  meisten  Schwermetalle  lösen  sich  in  geschmolzenem  Bortrioxyd,  und 
es  entstehen  glasartige  Massen,  welche  —  je  nach  dem  in  ihnen  enthaltenen 
Metall  —  verschieden  gefärbt  sind.  Bei  manchen  derartigen  Gläsern  ist  die  Farbe 
so  charakteristisch,  dass  man  sie  zur  Erkennung  des  betreffenden  Metalls  in  der 
qualitativen  Analyse  benutzt,  indem  man  die  zu  prüfende  Substanz  mit  Borsäure 
oder  Borax  vor  dem  Löthrohr  zusammenschmilzt 

Das  Bortrioxyd  wird  von  Kohle  nicht  reducirt,  wohl  aber  scheiden  Alkali- 
metalle  aus  ihm  amorphes  Bor  ab  (30).     Die  Constitution  des  Bortrioxyd  kann 

OB 
durch   die  Formel  qb^^  ausgedrückt  werden. 

Borsäure,  B(0H)3.  Mit  dem  Namen  »Sassolin«  bezeichnet  der  Mineraloge 
die  krystallisirte  Borsäure,  welche  sich  in  der  Nähe  der  Fumarolen  oder  Suffionen 
Toscanas  absetzt.  Unter  Fumarolen  versteht  man  Wasserdämpfe,  welche  aus 
Erdspalten  hervordringen,  sich  an  der  Erdoberfläche  z.  Th.  verdichten  und  so  die 
Bildung  kleiner  Bassins  verursachen,  derMi^-Wasser  durch  den  nachquellenden 
Dampf  im  Sieden  erhalten  wird.     D^fl^^orsäuregehalt  des  aus  jenen  Dämpfen 

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^>:.  356  Handwörterbuch  der  Chemie. 

:-:  '       entstehenden  Condensationswassers   beträgt   nur   etwa  ^J,   kann    aber  bis  Ij 

y/'l  vermehrt  werden,  wenn  man  die  Dämpfe  längere  Zeit  durch  ein  mit  siedendem 

^:~  Wasser  gefülltes  Reservoir  streichen  lässt.     Durch  die  Anwendung  der  von  den 

;^^  Dämpfen  selbst  gelieferten  Wärme  gelingt  es  so,  die  Concentration  der  schwachen 

;  Lösung  ohne  sonstiges  Heizmaterial  vorzunehmen,  so  dass  alljährlich  über  1  Million 

Kilo  Borsäure  in  den  Handel  gebracht  werden  können. 
-  '  Am  Monte  Cerboli  hat  man  die  Erdspalten,  aus  welchen  der  borsäurehaltigc 

'^  Dampf  strömt,  mit  Cystemen  überbaut,  in  welche  Wasser  geleitet  wird.    Nachdem 

dasselbe    sich    hinlänglich   gesättigt  hat,    wird  es  in  terassenformig  aufgestellte, 
grosse,  bleierne  Verdampfpfannen  gebracht,   unter  welche  die  heissen  Dämpfe 
anderer  Fumarolen  geleitet  werden.     Die  Lösung  wird  von  den  oberen  Pfannen 
V  zeitweise  in  die  unteren  abgelassen.     Statt  einzelner  Bleipfannen  ist  in  neuerer 

Zeit  auch  eine  300  Fuss  lange,  schiefe  Ebene  aus  wellenförmig  gebogenen  Blei- 
platten in  Anwendung  gekommen.  Die  Borsäurelösung  fliesst  langsam  über  die 
durch  Fumarolen  erhitzte  Fläche  herab  und  wird,  nachdem  sie  sich  durch 
Decantation  geklärt  hat,  in  mit  Blei  ausgeschlagenen  Bottichen  znm  Krystallisiren 
gebracht.  Die  auf  solche  Weise  erhaltene  rohe  Borsäure  enthält  74 — 84  J^  reine 
Borsäure,  ausserdem  Sulfate  des  Ammoniums  und  der  Alkalimetalle  etc. 

Die  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Borsäure  in  den  Fumarolen  ist  noch  nicht 
bestimmt  beantwortet. 
'  Nach  Dumas  (i  i)  soll  ein  Schwefelbor,  nach  Warington  (12)  ein  Stickstoffbor  in 

der  Tiefe  der  Erde  durch  den  Wasserdampf  zersetzt  werden.  Bolley  (13)  erklärte 
die  Borsäurebildung  durch  die  Wirkung  von  Salmiaklösung  auf  borsäurehaltige 
Mineralien,  Bechi  (14)  und  andere  sind  der  Ansicht,  dass  Wasserdampf  allein  oder 
mit  Kohlensäure  aus  borsäurehaltigen  Mineralien  die  Borsäure  frei  zu  machen 
vermöge. 

Natürlich  vorkommende  borsaure  Salze  werden  ebenfalls  auf  Borsäure  und 
Borsäurepräparate  verarbeitet.  Der  Borax  (zweifach  saures  Natriumborat)  wird 
schon  seit  den  ältesten  Zeiten  unter  dem  Namen  Tinkal  aus  Indien  importirt 
Boracit  (borsaures  Magnesium  mit  Chlormagnesium)  und  Boronatrocalcit  (borsaures 
Natrium  mit  borsaurem  Calcium)  finden  sich  besonders  in  den  Stassfurter  Salz- 
lagern, sowie  in  Californien  und  Nevada  in  vulkanischen,  an  heissen  Salzquellen 
reichen  Gegenden,  wo  ebenfalls  die  Gewinnung  von  Borax  betrieben  wird. 

Zur  Darstellung  reiner  Borsäure  wird  am  besten  der  Borax  des  Handels  in 
siedendem  Wasser  gelöst  und  durch  Zusatz  von  soviel  conc.  Salzsäure  zersetzt, 
dass  die  Flüssigkeit  Lakmus  kräftig  röthet.  Die  Reaction  erfolgt  nach  der 
Gleichung:  Na2B407 -h  2HC1 -i- öHgO  =  4B(OH)3 -h  2NaCl.  Beim  Erkalten 
scheidet  sich  die  Borsäure  in  Form  farbloser  Blättchen  aus,  welche  durch  Um- 
krystallisiren  von  fremden  Salzen  und  durch  Erhitzen  in  getrocknetem  Zustande 
von  anhängender  Salzsäure  befreit  wird. 

Die  Borsäurekrystalle  gehören  nach  Kenngott  (15)  zum  monoklinen,  nach 
Miller  (16)  zum  triklinen  System.  Sie  lösen  sich  in  dem  25^6  fachen  Gewicht 
Wasser  von  15°  und  im  2*9  fachen  Gewicht  siedenden  Wassers;  beim  Erkalten 
krystallisirt  also  der  grösste  Theil  der  Säure  aus.  Die  Löslichkeit  bei  anderen 
Temperaturen  wurde  von  Brandes  und  Firnhaber  (17)  und  von  Ditte  (18)  bestimmt. 
Längere  Zeit  auf  100°  erhitzt,  geht  die  Borsäure  unter  Wasseraustritt  in  Meta- 
borsäure,  BO-OH  (Schaffgotsch)  (19),  über. 

Bei   160°  entsteht  eine  von  EbeläJJen  und  Bouquet  (20)  Tetraborsäure, 


\ 


Brom.  357 

HJB4O7  genannte,  glasartige  Verbindung,  deren  Natriumsalz  der  Borax  bildet. 
Starkes  Erhitzen  bewirkt  die  Bildung  von  sogen,  glasiger  Borsäure,  welche  aus 
dem  Anhydrid  besteht. 

Die  Salze  der  Borsäuren  werden  auch  Borate  genannt.  Die  Orthoborate, 
B(0M')3  sind  sehr  unbeständig,  die  Aether  der  Orthoborsäure  aber  stabil  und 
gut  bekannt  Boronatrocalcit,  Borax  und  Borocalcit  sind  Derivate  der  Tetrabor- 
säure. Nur  die  Borate  der  Alkalimetalle  sind  in  Wasser  leicht  löslich ;  alle  Salze 
schmeken  leicht  in  der  Glühhitze  zu  glasartigen  Massen. 

Mit  Wasserdämpfen  ist  Borsäure  flüchtig,  wie  schon  ihre  Gewinnung  beweist; 
aus  alkoholischer  Lösung  verflüchtigt  sie  sich  noch  leichter,  da  ein  Borsäure- 
Aether  entsteht. 

Analytisches  Verhalten  der  Borverbindungen. 
Werden  Borverbindungen  mit  etwas  Natriumcarbonat  am  Platindraht  in  die 
BüNSEN'sche  Gasflamme  gebracht,  so  zeigt  dieselbe  im  Spectralapparat  ausser  der 
Natriumlinie  4  helle,  grüne  bis  blaugrüne  Linien,  die  in  fast  gleichen  Abständen 
von  einander  stehen.  Auch  das  Funkenspectrum  ist  für  Borverbindungen 
charakteristisch. 

Wenn  Borsäure  oder  ihre  Verbindungen,  die  mit  etwas  Schwefelsäure  ver- 
setzt sind,  mit  Alkohol  gemischt  auf  Asbest  gebracht  werden,  so  zeigt  die  Flamme 
nach  dem  Anzünden  des  Alkohols  eine  schön  gelbgrüne  Farbe.  Kupfer- 
salze färben  die  Flamme  ebenfalls  grün  und  müssen  daher  vor  der  Prüfung  durch 
Schwefelwasserstoff  entfernt  worden  sein.  Die  Anwesenheit  von  Chlormetallen 
ist  zu  vermeiden,  da  entstehendes  Chloräthyl  grünen  Flammensaum  bewirkt  und 
zu  Verwechslung  Anlass  geben  könnte. 

Borsäurelösung,  welche  Lakmus  röthet,  färbt  bei  Zusatz  von  etwas  Salzsäure 
gelbes  Curcumapapier  nach  dem  Trocknen  roth.  Borsaure  Salze  verhalten  sich 
ebenso. 

Chlorbaryumlösung  fallt  aus  den  Lösungen  borsaurer  Alkalien  borsaures 
Baryum  als  weissen  Niederschlag,  der  in  Säuren  und  in  Ammoniumsalzen  löslich  ist. 
Silbernitrat  erzeugt  in  concentrirten  Lösungen  der  Borsäure  oder  ihrer 
löslichen  Salze  einen  weissen  oder  gelblichweissen  Niederschlag  von  borsaurem 
Silber.  Aus  verdünnten  Borsäurelösungen  entsteht  nur  ein  rothbrauner  Nieder- 
schlag von  Silberoxyd. 

Quantitativ  wird  die  Borsäure  sehr  häufig  indirekt,  oder  aus  der  Differenz 
bestimmt.  Bei  Gegenwart  von  freien  Alkalien  wird  mit  Salzsäure  neutralisirt  und 
mit  Chlormagnesium  und  Chlorammonium  versetzt;  dann  dampft  man  zur  Trockne, 
glüht,  behandelt  den,  überschüssige  Magnesia  und  borsaures  Magnesiinn  enthalten- 
den Rückstand  mit  siedendem  Wasser,  glüht,  wiegt,  löst  das  Produkt  in  Salz- 
säure, bestimmt  den  Magnesiumgehalt  und  erfährt  so  aus  der  Differenz  die 
Menge  der  Borsäure.  —  Auch  alsBorfluorkalium  lässt  sich  das  Bor  bestimmen, 
doch  dürfen  nur  Alkalimetalle  sonst  noch  zugegen  sein.  Bei  Bestimmung  der 
Borsäure  ist  stets  zu  beachten,  dass  sie  mit  Wasser-  oder  Alkoholdämpfen  flüchtig 
ist  und  daher  nur  alkalische  Borsäurelösungen  abgedampft  werden  dürfen. 

Heumann. 

Brom*),  Br=80.  Balard  entdeckte  das  Brom  (i)  im  Jahre  1826  in  der 
Mutterlauge  des  Meerwassers  und  gab  dem  neuen  Element  seines  unangenehmen 

•)  1)  Gmeun-Kraüt's  Handbuch.  2)  Joss,  J.  pr.  i,  pag.  129.  3)  A.  W.  Hofmann's 
Eotwickl.  der  ehem.  Industrie  i,  pag.  107.    4)  Frank,  Rob.  Müller  u.  Röckel,  Ch.  Ind.  1879, 


358  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Geruches  wegen  den  Namen  Brom  von  ßpwfioc,  Gestank.  Zwar  war  dieser 
Körper  schon  vor  Balard  von  Joss  und  Liebig  (2)  beobachtet,  aber  nicht  als  ein 
besonderes  Element  erkannt  worden.  Liebig  hielt  es  für  das  allerdings  ähnliche 
Chlorjod  JCl. 

Das  Brom  besitzt  so  grosse  Verwandtschaft  zu  Wasserstoff  und  zu  Metallen, 
dass  es  in  freiem  Zustand  in  der  Natur  nicht  vorkommen  kann;  sehr  verbreitet 
findet  es  sich  aber  in  Verbindung  mit  Metallen.  Das  Meerwasser  enthält  Brom- 
magnesium uud  Bromnatrium,  und  dieselben  Salze  sind  in  sehr  vielen  Mineral- 
wassem, insbesondere  demjenigen  von  Kreuznach,  in  den  Abraumsalzen  Stassfurts 
und  vielen  anderen  Steinsalzlagem  und  im  Chilisalpeter  enthalten.  Auch  als 
Bromsilber  findet  sich  das  Brom  in  Mexiko  und  Chile. 

Zur  technischen  Gewinnung  des  Broms  dient  hauptsächlich  die  Mutterlauge 
des  eingedampften  Meer-  oder  Mineralwassers  oder  die  Camallitmutterlaugc, 
welche  bei  Verarbeitung  der  Stassfurter  Salze  erhalten  wird  (3).  Nachdem  ein 
grosser  Theil  des  Chlornatriums,  Chlormagnesiums  etc.  durch  Krystallisation  und 
Abkühlung  entfernt  ist,  erwärmt  man  die  Mutterlauge  in  Bleiretorten  (odei 
retortenartigen  Gefässen  aus  Sandstein)  mit  Braunstein  und  Salzsäure  oder 
Schwefelsäure,  so  lange  noch  rothbraune  Bromdämpfe  übergehen,  welche  in 
einer  mit  Wasser  gekühlten  Vorlage  condensirt  werden.  Treibt  man  den  Process 
nicht  zu  weit,  so  enthält  das  übergehende  Brom  nur  geringe  Mengen  von  Chlor, 
da  das  aus  den  Chloriden  gleichzeitig  abgeschiedene  Chlor  die  vorhandenen 
Bromide  zersetzt  und  Brom  frei  macht.  Auch  continuirlich  arbeitende  Apparate, 
bei  welchen  die  frische  Salzlauge  den  Chlor-  und  Bromdämpfen  entgegenfliesst, 
wurden  patentirt  (4). 

Es  ist  schwierig,  das  Brom  ganz  chlorfrei  zu  erhalten.  Im  Kleinen  gelingt 
die  Arbeit  nach  Stas  (5)  durch  Auflösen  des  rohen  Broms  in  Barytwasser,  Ver- 
dampfen der  Flüssigkeit  und  Ueberfuhren  des  aus  Brombaryum  und  bromsaurem 
Baryum  bestehenden  Rückstandes  durch  Glühen  in  Brombaryum,  welches  von 
beigemengtem  Chlorbaryum  durch  Extraction  mit  Alkohol  getrennt  wird.  Letzterer 
löst  nur  Brombaryum.  Aus  diesem  gewinnt  man  das  reine  Brom  durch  Destil- 
lation mit  Braunstein  und  Schwefelsäure.  Auch  durch  öfteres  Destilliren  des 
rohen  Broms  über  gepulvertem  Bromkalium  soll  das  Chlor  zurückgehalten 
werden  (6). 

Das  Brom  gehört  mit  Chlor,  Jod  und  Fluor  zu  den  Haloiden  oder  Sak- 
bildern,  d.  h.  es  vermag  direkt  mit  Metallen  vereinigt  Salze  zu  bilden. 

Hinsichtlich  seiner  Reactionsfahigkeit  und  sonstiger  Eigenschaften  ist  das 
Brom  zwischen  Chlor  und  Jod  einzureihen. 

Bei  gewöhnlicher  Temperatur  bildet  das  Brom  eine  dunkelbraunrothe,  in 
dicken  Schichten  fast  schwarze  Flüssigkeit,  welche  immer  von  rothbraunen  Dämpfen 
überlagert  ist.  Der  Geruch  des  Broms  ist  chlorähnlich  reizend  und  erstickend; 
es  ätzt  die  Haut  und  sein  Dampf  greift  die  Schleimhäute  äusserst  heftig  an.  Das 
spec.  Gew.  des  Broms  ist  bei  0°:  31872  (Pierre),  bei  15°:  2-97  bis  2*99  [Balard 

pag.  42.  5)  Stas,  Ann.  Suppl-  4,  pag.  197.  6)  Adrian,  J.  pharm.  [4]  11,  pag.  20.  7)  Balakd» 
Ann.  chim.  phys.  32,  pag.  337;  J.  pr.  4,  pag.  165.  8)  Löwig,  Das  Brom  u.  seine  chem-  V^er- 
hältnisse;  Heidelberg  1829.  9)  Philipp,  Ber.  12,  pag.  1424.  10)  Baumhauer,  Ber.  4,  pag>927> 
11)  Landolt,  Ann.  116,  pag.  177.  12)  V.  Meyer  u.  Züblin,  Ber.  13,  pag.  405.  13)  Mosjer. 
PoGG.  160,  pag.  177.  14)  Slessor,  Tabelle  u.  Löslichkeit;  Ch.  Centralbl.  1858,  pag.  49«- 
15)  Wagner,  Dingl.  218,  pag.  251,  329.  16)  Heumann,  Ber.  1876,  pag.  1577.  17)  Kmof. 
Ch.  Centr.  1870,  pag.  132.     18)  Kämmerer,  J.  pr.  85,  pag.  452. 


Brom.  359 

(7)  und  Löwig  (8)].  Es  erstarrt  nach  neuerer  Beobachtung  Philipp's  (9)  bei 
—  7-3°,  nach  Liebig  bei  —25°,  nach  Baumhauer  (10)  bei  — 24*5°  zu  einer  roth- 
braunen,  krystallinischen  Masse. 

Nach  St  AS  siedet  das  Brom  unter  0-7597  Meter  Druck  bei  63°,    Andrews 
und  Landolt  (ii)  fanden  den  Siedepunkt  unter  0*760  Meter  Druck  bei  58*0  resp. 
5S'6°,    Die  Dampfdichte  des  Broms  ist  zu  5*54  (statt  5*5248)  gefunden  worden, 
bei  Gelbgluth  (circa  1570°)  betrug  sie  nach  V.  Meyer  (12)  und  Züblin  nur  f 
der  tlieoretischen.     Das  Molekulargewicht  ist   Brj  =  160.     Das  Absorptions- 
spectrum des  Bromdampfes  zeigt  in  einem  mit  mehreren  Prismen  versehenen 
Spectralapparat  eine  grosse  Anzahl  feiner,  schwarzer  Linien  in  Orange,  Gelbgrün, 
Grünblau  und  Blau;  in  kleineren  Apparaten  erscheint  nur  das  Blau  gleichmässig 
verdunkelt.    Bei  hoher  Temperatur  wird  die  Intensität  der  meisten  Absorptions- 
linien vermehrt  und  auch  der  Bromdampf  sowie  das  flüssige  Brom  zeigen  eine 
weit  dunklere  Farbe   in  der  Wärme,  als  bei  niederer  Temperatur  (13).     Nach 
Schönbein  besitzt  das  Brom  bei  —  50°  eine  hellrothgelbe  Farbe.    Das  Spectrum, 
welches   der  elektrische   Funken    beim  Durchschlagen  durch  Bromdampf  zeigt, 
besteht  aus  vielen  grünen  und  blauen  Linien,  welche  aber  mit  dem  Absorptions- 
spectrum  durchaus  nicht  coincidiren. 

Die  spec.  Wärme  des  flüssigen  Broms  ist  nach  Regnault  zwischen  48*4° 
und  10°  gleich  Ol  1094;  nach  Andrews  zwischen  45°  und  11°  gleich  01071. 
Das  Brom  ist  löslich  in  Wasser,  Aether,  Alkohol,  Schwefelkohlenstoft,  Chloroform, 
concentrirter  Bromwasserstoff-  und  Chlorwasserstoffsäure,  sowie  in  concentrirter 
Alkalibromidlösung.  1  Thl.  Brom  erfordert  bei  15°  333  Theile  Wasser  zur  Auf- 
lösung; diese  wässrige  Bromlösung,  gewöhnlich  »Bromwasser«  genannt,  besitzt 
eine  rein  gelbe  bis  orangegelbe  Farbe  und  scheidet  unter  4  °  rothe,  octaedrische 
Kiystalle  von  sogen.  Bromhydrat  Brs'lOH^O  aus,  welches  sich  bis  zu  einer 
Temperatur  von  15°  in  festem  Zustand  erhält 

Die  Löslicbkeit  des  Broms  in  Wasser  ist  bei  höherer  Temperatur  geringer 
wie  bei  niederer  (14),  und  schon  beim  Stehen  an  der  Luft,  besonders  rasch  beim 
Erwärmen  tritt  das  Brom  aus  der  Lösung  aus.  Unter  der  Einwirkung  des 
Sonnenlichtes  wird  auch  ein  Theil  des  Wassers  zersetzt  und  unter  Bildung  von 
Bromwasserstoff,  welcher  dem  zurückbleibenden  Wasser  sauere  Reaction  ertheilt, 
Sauerstoff  entwickelt:  H2O  -f-Br^  =  2HBr  -f-  O. 

Die  Lösungen  des  Broms  in  Aether  oder  Alkohol  erleiden  allmählich  Zer- 
setzung, indem  Bromderivate  entstehen.  Aus  der  wässrigen  Lösung  wird  das 
Brom  durch  Schütteln  mit  Aether,  Schwefelkohlenstoff  oder  Chloroform  in  letztere 
Lösungsmittel  überführt.  Dass  das  Brom  sich  in  concentrirter  Bromwasserstoff- 
säure und  Alkalibromidlösung  reichlich  auflöst,  beruht  vielleicht  auf  der  Bildung 
besonderer  Additionsprodukte,  da  solche  Lösungen  manche  Reactionen  zeigen, 
welche  sich  mit  der  Annahme,  dass  freies  Brom  in  der  Lösung  sei,  nicht  er- 
klären lassen. 

Mit  Wasserstoff  vereinigt  sich  das  Brom  in  der  Kälte  nicht,  wohl  aber  beim 
Erhitzen;  mit  Phosphor  zusammengebracht,  findet  von  Entzündung  u.  Explosion 
begleitete  Vereinigung  statt.  Auch  mit  Schwefel  verbindet  sich  das  Brom  leicht. 
Während  Kalium  sich  mit  Brom  bei  gewöhnlicher  Temperatur  unter  Feuerer- 
scheinung und  Explosion  vereinigt,  kann  Natrium  mit  Brom  auf  200°  erhitzt 
werden,  ohne  dass  Reaction  stattfindet.  Die  Schwermetalle  verbinden  sich  leicht 
mit  Brom.  Die  entstehenden  Bromide  sind  in  Wasser  löslich,  ausgenommen 
Bromsilber,  Kupferbromür  und  Quecksilberbromür  (Bromblei  ist  schwer  löslich), 


360  Handwörterbuch  der  Chemie. 

und  gleichen  in  ihren  Eigenschaften  den  entsprechenden  Chlorverbindungen  in 
hohem  Grade.  Selbstverständlich  können  die  Metallbromide  auch  aus  Brom- 
wasserstoff und  dem  betreffenden  Metalloxyd,  -hydroxyd  oder  -carbonat  dargestellt 
werden,  aber  da  nicht  die  Bromwasserstoffsäure,  sondern  das  Brom  der  gewöhn- 
lichere Handelsartikel  ist,  so  geht  man  zur  Darstellung  von  Bromiden  gewöhnlich 
vom  Brom  aus.  Oft  wird  zunächst  aus  Brom,  Wasser  und  Eisenspähnen  eine 
Lösung  von  Eisenbrom ürbromid,  FcjBrg,  hergestellt,  welche  man  hierauf  mit 
Kaliumcarbonat,  Natriumhydroxyd  etc.  fallt  und  so  eine  Lösung  des  Alkalibromids 
erhält. 

Manche  Wasserstoflfverbindungen  werden  von  Brom  mit  Leichtigkeit  zersetzt; 
so  scheidet  es  aus  Schwefelwasserstoff  Schwefel  ab  (der  sich  dann  weiter  mit 
Brom  zu  Bromschwefel  verbindet),  aus  Ammoniak  wird  Stickstoff  freigemacht 
Auf  manche  organische  Farbstoffe  wie  Lakmus,  Indigo  etc.  wirkt  das  Brom 
bleichend,  wenn  auch  schwächer  wie  Chlor;  auch  zerstört  es  üblen  Gemch. 
Stärkemehl  wird  durch  Brom  gelb  gefärbt.  Bei  Gegenwart  von  Wasser  vermag 
das  Brom  ähnlich  dem  Chlor  oxydirbare  Körper  zu  oxydiren,  wobei  sich  gleich- 
zeitig Bromwasserstoff  bildet. 

Das  Atomgewicht  des  Broms  wurde  von  Marignac  und  Stas  aus  der  Zu- 
sammensetzung des  Bromsilbers  festgestellt;  das  Mittel  war  79*95  (O  =  16; 
Ag  =  107-93).  Nach  Meyer  und  Seubert  ist  es  79*76.  In  den  meisten  seiner 
Verbindungen  tritt  das  Brom  monovalent  auf,  in  seinen  Sauerstoffverbindungen 
kann  es  auch  als  drei-,  fünf-  und  sogar  siebenwerthig  aufgefasst  werden. 

Die  Verwendung  des  Broms  (15)  hat  erst  in  neuerer  Zeit  einige  Ausdehnung 
gewonnen.  Manche  seiner  Verbindungen  sind  officinell,  andere  werden  in  der 
Photographie  benutzt  und  das  Brom  selbst  dient  zur  Herstellung  einiger  rosen- 
rother  Theerfarbstoflfe,  der  sog.  Eosine,  deren  Grundsubstanz  erst  durch  Ersau 
von  Wasserstoflfatomen  durch  Brom  oder  Jod  die  prachtvolle  rothe  Farbe  erhält 
In  der  analytischen  Chemie  bedient  man  sich  häufig  des  Broms  an  Stelle  des 
unbequem  zu  handhabenden  Chlors.  Auch  die  wässrige  Lösung  des  Broms, 
das  Bromwasser,  ist  ein  sehr  geschätztes  Oxydationsmittel.  —  Die  Producdon 
des  Broms  ist  keine  sehr  grosse.  Im  Jahre  1873  sollen  in  den  Vereinigten 
Staaten  Amerikas  88*000  Kilo,  in  Stassfurt  20*000  Kilo  und  in  England  und 
Frankreich  zusammen  etwa  ebensoviel  Brom  producirt  worden  sein. 

Die  Erkennung  desBroms  in  freiem  Zustande  bietet  keine  Schwierigkeit 
Sein  Geruch,  die  braunrothe  Farbe  des  Dampfes  und  die  Bildung  einer  braun- 
gelben wässrigen  Lösung  erlauben,  es  von  Salpetrigsäure- Anhydrid,  Sdckstofidioxyd, 
Chromylchlorid  etc.  zu  unterscheiden.  In  Verbindung  mit  Wasserstoff  oder  mit 
Metallen  lässt  sich  das  Brom  besonders  leicht  daran  erkennen,  dass  diese  Körper 
mit  Chlorgas  oder  mit  Braunstein  u.  Schwefelsäure  zusammengebracht  rothbraune 
Bromdämpfe  entwickeln.  Chlorwasser  zersetzt  die  Metallbromide  ebenfalls  unter 
Bildung  einer  braungelben  Bromlösung.  Um  sehr  kleine  Mengen  eines  löslichen 
Bromids  zu  erkennen,  fügt  man  zu  der  Lösung  ein  wenig  Chlorwasser,  dann 
einige  Tropfen  Chloroform  oder  Schwefelkohlenstoff  und  schüttelt,  wobei  das 
frei  gewordene  Brom  sich  in  diesen  im  Wasser  untersinkenden  Flüssigkeiten  löst 
und  denselben  eine  gelbe  Farbe  ertheilt.  Ein  Ueberschuss  an  Chlor  ist  ru 
vermeiden,  da  er  die  Färbung  in  Folge  der  Bildung  von  Chlorbrom  wieder 
aufhebt. 

Enthält  eine  Flüssigkeit  auch  Jodwasserstoff  oder  ein  Jodmetall  gelöst,  so  wird 
bei  Ausführung  dieser  Prüfung  durch  das  Chlorwasser  zunächst  Jod  abgeschieden, 


Brom.  361 

welches  sich  im  Chloroform  oder  Schwefelkohlenstoff  mit  violettrother  Farbe 
löst.  Wird  dann  vorsichtig  noch  mehr  Chlorwasser  zugefügt,  so  verschwindet 
die  rothe  Farbe,  und  wenn  ein  Bromid  zugegen  war,  färbt  sich  nun  das  Lösungs- 
mittel braungelb.  Bei  Anwesenheit  von  Jod  ist  es  indess  bequemer,  zunächst 
das  Jod  zu  entfernen,  was  durch  Zusatz  von  verdünnter  Schwefelsäure  und 
etwas  Kaliumnitritlösung  oder  durch  Zufügen  einiger  Tropfen  einer  Lösung  von 
Nitrosylschwefelsäure  (Bleikamrtierkrystalle)  in  concentrirter  Schwefelsäure  (durch 
Einleiten  von  Salpetrigsäuregas  in  conc.  Schwefelsäure  darstellbar)  geschieht.  Das 
freigewordene  Jod  wird  durch  wiederholtes  Schütteln  mit  Schwefelkohlenstoff  ent- 
entfernt und  die  nunmehr  entfärbte  und  jodfreie  Flüssigkeit  mit  Chlorwasser  und 
Schwetelkohlenstoff  direkt  auf  Brom  geprüft. 

Bromide  geben  mit  concentrirter  Schwefelsäure  Übergossen  weisse  Dämpfe 
von  Brom  Wasserstoff  mit  gelbem  Bromdampf  untermischt,  welche  in  Folge  der 
Zersetzung  von  etwas  Bromwasserstoff  durch  die  Schwefelsäure,  der  Gleichung 
2HBr  -h  H2SO4  =s  2Br  +  SOj  -f-  2H3O  entsprechend,  auftreten.  Salpetersaures 
Silber  giebt  mit  den  Lösungen  von  Bromwasserstoff  oder  Brommetallen  einen 
dem  Chlorsilber  ähnlichen,  käsigen,  aber  etwas  gelblicher  gefärbten  Niederschlag, 
welcher  von  verdünnter  Salpetersäure  nicht,  von  Ammoniakflüssigkeit  schwierig 
gelöst  wird  (Chlorsilber  ist  sehr  leicht  löslich  in  Ammoniak). 

Die  quantitative  Bestimmung  des  Broms  wird  gewöhnlich  den  Clorbe- 
stimmungen  analog  ausgeftihrt.  Freies  Brom  kann  durch  eine  titrirte  Lösung 
von  arsenigsaurem  Natrium  bestimmt  werden,  da  es  letzteres  zu  arsensaurem 
Salz  oxydirt;  auch  durch  Zusatz  von  überschüssigem  Jodkalium  und  Titrirung 
des  ausgeschiedenen  Jods  mit  unterschwefligsaurem  Natrium  ist  das  freie  Brom 
zu  bestimmen,  wobei  1  Atom  Brom  genau  1  Atom  Jod  in  Freiheit  setzt.  Aus 
löslichen  Bromiden  und  aus  Bromwasserstoff  fällt  Silbemitrit  alles  Brom  als 
Bromsilber,  welches  gewaschen,  getrocknet,  schwach  geglüht  und  gewogen  wird. 
Aus  unlöslichen  Bromiden  ist  zunächst  das  Brom  durch  Kochen  der  Substanz 
mit  chlorfreier  Natronlauge  oder  Schmelzen  mit  Natriumcarbonat  in  lösliches 
Bromnatrium  überzuführen. 

Bromsaure  und  überbromsaure  Salze  sind  zuvor  durch  Reductionsmittel,  wie  z.  B. 
schweflige  Säure,  in  Bromide  zu  überführen,  worauf  deren  Bromgehalt  bestimmt  wird. 
Handelt  es  sich  darum,  das  Brom  neben  gleichzeitig  anwesendem  Chlor  zu 
bestimmen  und  dieser  Fall  kommt  am  häufigsten  vor,  so  sucht  man  zunächst, 
im  Falle  viel  Chlor  neben  wenig  Brom  vorhanden  ist,  die  Chlormenge  zu  ver- 
ringern, was  durch  Eindampfen  mit  Natriumcarbonat  und  Extrahiren  mit  heissem 
Alkohol  zu  bewerkstelligen  ist.  Der  Alkohol  löst  alles  Bromid,  aber  nur  einen 
kleineren  Theil  des  Chlornatriums.  Die  wässrige  Lösung  der  gemischten  Haloid- 
saJze  wird  dann  durch  Silbernitrat  ausgefällt,  der  Niederschlag  gewaschen,  ge- 
schmolzen, gewogen  und  dann  in  einer  von  Chlorgas  durchströmten  Glasröhre 
geschmolzen.  Das  Bromsilber  wird  hierdurch  ebenfalls  in  Chlorsilber  überführt 
und  aus  dem  Gewichtverlust,  welcher  in  Folge  des  Ersatzes  von  80  Gewichtsthln. 
Brom  durch  35*46  Thle.  Chlor  eintritt,  lässt  sich  die  vorhanden  gewesene 
Brommenge  berechnen,  indem  die  Gewichtsabnahme  mit  4*2202  multiplicirt 
gleich  der  Menge  des  zersetzten  Bromsilbers  ist. 

Das  Chlor  ergiebt  sich  schliesslich  aus  der  Differenz  zwischen  dem  Gewicht 
des  gemischten  Haloidsilbers  und  demjenigen  des  Bromsilbers.  Wie  bei  allen 
indirecten  Methoden  giebt  dieses  Verfahren  keine  zuverlässigen  Resultate,  sobald 
das  eine  Haloid  bedeutend  vorherrscht. 


3^3 


\l.iw\ wrtrt ltI k ti c i  1   f k- r  C 1 1 enii c , 


Brom wnsE^ersto ff,  HRr. 

Dieses  dein  Chlonvasscrsü^tT  ähnliche  (Jas  bildet  sicli  ohne  Kxplosion,  wenn 
ein  (icmcnpic  \on  WnssoTstoft'  \u^d  liroiiidninpf  stark  t:iliitzt  oder  mit  einer 
Fl  am  nie  hc  rührt  wird.  Aurh  der  ek-ktrihclie  Funken  vermag  die  Vereinigim^ 
berhüi/nfiElirenH  lichii  Ziibammcnfreii'cn  von  Krom  nvit  wasserstolThaliigen  Sab- 
Klangen,  /.  H.  Sehwerulwasscrsioft'  uder  Ammoniak,  entstellt  ebenfalls  Brom wasser- 
stijrt",  der  im  letzteren  Fall  mit  Ammoniak  sofort  zn  l'roniainmoninni  zusammentritt^ 

Zur  Darstellung;  xuw  lir^jmwasserstoffVas  kann  man  das  hei  Chlorwasserstoff 
tibi  ich  eA'erfahren  anweiulcn  und  der(ncic!iunir:  XaHr-hD^HS()^=^Hnr-hNaHSO^ 
enlsprc<:hcnd,  nroii-matriinn  niit  mässis;  cunc.  Scluvefelsaure  (l  Vol.  H^O  und  3  Vol. 
conc.  Säure")  ulier^icsscn,  und  nachdem  daü  erste  Aufbrausen  vorüber  ist,  durch 
gebndcs  Frwarnien  einen  regelmässigen  (iaf^strom  erzielen-  Doch  wird  dabei 
ctvvas  Hrt>m Wasserstoff  dürcii  die  Sehwefelsäure  zerlegt  (s,  oben)  und  das  ent- 
weichende llromwasser£itofl]^as  enthalt  desshalb  etwas  Bromdampf.  Lässt  nun 
das  eins  durch  eine  :20  t.\ntuii,  lange,  mii  feuchtem,  amorphem  Phosphor  oder 
mit  Bimvteinstucken,  welche  mit  ennc.  Ibomwasserstotisäure  getränkt  sind,  gefüllte 
Köhre  gehen,  so  wird  der  r>romdam|>f  und  die  entstandene  schweflige  Säure  zunkk- 
gebalfeti.  —  Wird  die  Scliwefelsaurc  durch  rhosphorsäure  ersetzt  (z.  B.  K»n  Gmi. 
KBr,  ]üO  {irnu  l'O^H,^  und  IMM}  (,rm,  H.())j  so  i^t  das  entweichende  Gas  frei 
von  Bromdampf,  da  Bhosjdnirs/nire  von   Ib  um  Wasserstoff  nicht  reducirt  w^ird. 

Atuli  mit  rot  he  in  Thosphor  (l  Thl,)  und  einer  Auflösung  von  (12  Thln) 
Brom  in  concentrirtcr  l'ronikabumlösung  (7%^  Thle.)  kaTin  Brom  wasserstoffgas 
erhalten  v\'eiden  und  /war  in  ganz:  reinen>  Zustand.  Man  bedient  sich  hierj^u 
des  in  big.  'i7  af>gebi bieten   Apparates. 


Uli.  r>T.i 

\n  ffu'  KctniU'  a  wird  tlor  u\\h<L-  I'hn-[ihm-  -.jL^lirriclit^  Hie  Hrondopiing  büfmdL't  '^ich  n\  Her 
Kir^^tl  1i,  \\i  (füri  11,1]-.  (kr  KLtdfU'  ki^i  iri^n  tViicliUn,  n'Hi^n  Phosphor,  wckht^T  dn>  Entvrcichen 
xdii  nrriiiiJ.iriijjrcn  virlunilLTFi  snll  uinl  Iül;!  <1nnn  vmc  mit  wenig  fJueck^MhcT  nbgcspcrrti!  Sichcr- 
lRtl-.rnlirL  ii  iuin  lUicn  /weck  isr,  ^U^  Ziirnck'-tLi^en  (ki^  rhiei^ksilbcrs  Her  Wamie  zu  vcr- 
hhiflorru  iHsr«.^  Linki^en  dei  Kugcirnhre  IH^^t  ninn  l\\\^^  Droinhi^iing  auf  den  Phos  phoT  ftie*>en 
iinil  LTUnriuL  XWiiu  tVtc  Ijiit  nu^j^ctriehun  i^t,  \\n\\  'h\-^  Ciis  iihkT  (JuecIe-^ilhtT  aufgcfiingen.  Wird 
i-lfe   <  i.a-f]Uwii  kli,ii>g  M^liwäoliL'r,    liK-1   man   \\.m   Kvucm   ctsva,?  Bronilci^ting  in   die   Retorte    flie?^en. 

Her  ]lrom\sa*'.serstD ff  ist  ein  farbloses,  wie  Sal/s;iure  riechendes  und  an  der 
fenrhten  Ltift  schwere,  weisse  Neliel  von  wässriger  Säure  bildendes  Gas.  Nach 
F^RAOAV  \erdiehtet  es  sirh  bei  —  7^^  zu  einer  farblosen  Flüssigkeit,  w^elchc 
beim  Verdunsten  z,  Dd.   ersiarrt.      Wasser   abiiorlnrt  das    Gas  unter  bedeutender 


Brom.  363 

Wärmeentwickelung  und  mit  grösster  Heftigkeit,  so  dass  beim  Einleiten  des 
BromwasserstofTgases  in  Wasser  besondere,  das  Zurücksteigen  der  Flüssigkeit 
verhütende  Vorrichtungen  angebracht  werden  müssen.  Bei  der  Bildung  des  Brom- 
wassersto^ases  tritt  1  Vol.  Bromdampf  mit  1  Vol.  Wasserstoff  zu  2  Vol.  Brom- 
wasserstoffgas (also  ohne  Verdichtung)  zusammen.  Das  spec.  Gew.  des  Gases 
ist  2-79703,  1  Litef  wiegt  bei  0°  u.  760Miilim.  Druck  3-6167  Grm. 

Die  wässrige  Lösung  des  Bromwasserstoffgases,  die  gewöhnlich  wässrige 
Bromwasserstoffsäure  genannt,  kann  selbstverständlich  durch  Einleiten  des  Gases 
in  kaltes  Wasser  dargestellt  werden,  zweckmässiger  ist  es  aber,  1  Thl.  rothen 
Phosphor  mit  15  Thln.  Wasser  und  dann  langsam  mit  10  Thln.  Brom  zu  ver- 
setzen und  aus  der  mit  Vorlage  versehenen  Retorte,  die  wässrige  Säure  abzude- 
stilliren.  Auch  aus  Bromkalium  (1  Thl.),  conc.  Schwefelsäure  (J  Thle.)  und 
Wasser  (10  Thle.)  kann  durch  Destillation  wässrige  Brom  Wasserstoff  säure  erhalten 
werden.  Ebenso  wird  die  Säure  erhalten,  wenn  man  Schwefelwasserstoffgas  zu 
mit  Wasser  übergossenem  Brom  leitet  und  dann  destillirt  (16).  Wird  eine  ver- 
dürmte  Säure  destillirt,  so  geht  zuerst  soviel  Wasser  mit  sehr  wenig  Bromwasser- 
stoff über,  bis  die  Säure  47-8^  enthält,  dann  destillirt  die  Säure  von  solcher 
Concentration  unverändert  in  die  Vorlage.  Concentrirtere  Säure  kann  durch  Ein- 
leiten von  Bromwasserstoffgas  in  der  Kälte  dargestellt  werden,  beim  Destilliren 
entweicht  aber  zunächst  soviel  Gas,  bis  obige  Concentration  der  unverändert 
destillirenden  Säure  erreicht  ist,  deren  Siedepunkt  bei  126°  liegt. 

Die  wässrige  Bromwasserstoffsäure  ist  farblos  und  raucht  an  der  Luft,  wenn 
sie  concentrirt  ist  Die  stärkste  Säure  entspricht  der  Zusammensetzung  HBr 
-i-H,0;  sie  enthält  8202 J  HBr  und  besitzt  das  spec.  Gewicht  1-78.  (Tabelle 
über  die  Concentration  der  Säuren  und  deren  spec.  Gew.  s.  Topsoe,  Ben  1870, 
pag.  464.) 

Die  Bromwasserstoffsäure  reagirt  auf  Lakmus  stark  sauer  und  zeigt  die 
Reactionen  der  löslichen  Metallbromide.  Viele  Metalloxyde,  -Hydroxyde  oder 
-Carbonate  werden  von  ihr  zu  Bromiden  gelöst  und  auch  manche  von  Chlor- 
wasserstoff ungelösten  Metalle  zersetzen  Bromwasserstoffsäure  unter  Entwickelung 
von  Wasserstoff  und  Bildung  eines  Bromids;  auch  vermag  ein  Gemisch  von 
Bromwasserstoffsäure  mit  Salpetersäure  ähnlich  dem  Königswasser  Gold  und  Platin 
zu  lösen. 

Unterbromige  Säure,  BrOH, 
ist  ebensowenig  wie  Bromsäure  oder  Ueberb  romsäure  im  isolirten  Zustand  be- 
kannt. Salze  der  unterbromigen  Säure,  sog.  Hypobromite,  entstehen  beim  Auf- 
lösen von  Brom  in  verdünnten  Alkalilaugen,  doch  enthält  die  farblose  Flüssig- 
keit ausser  dem  Hypobromit  auch  Brommetall  gelöst:  2NaOH -I- 2Br  =  NaBr 
-f-NaOBr^-HgO.  Die  leichte  Zersetzbarkeit  des  Hypobromits  erlaubt  jedoch 
nicht,  es  aus  diesem  Gemenge  zu  isoliren,  dessen  Lösung,  analog  der  Auflösung 
des  Chlors  in  Alkalilauge,  bleichende  Eigenschaft  besitzt.  Bei  Zusatz  einer  ver- 
dünnten Säure  zu  solcher  alkalischer  Bromlösung  färbt  sich  dieselbe  gelb  durch 
freigewordenes  Brom;  unterbromige  Säure  tritt  dagegen  neben  Brom  nur  auf, 
wenn  Kohlensäure  die  Zersetzung  bewirkt. 

Reiner  lässt  sich  die  unterbromige  Säure  durch  Digestion  von  Bromwasser 
mit  Quecksilberoxyd  gewinnen,  wobei  nach  der  Gleichung:  4Br-f- 2HgO -f- H^O 
=  2H0Br  -f-  HgaOBr^  unterbromige  Säure  und  unlösliches  Quecksilberoxy- 
bromid  entsteht.  Da  sich  ein  Theil  der  unterbromigen  Säure  mit  Quecksilber- 
oxyd zu  einem  löslichen  Salz  verbindet,   so  muss  zur  Isolirung  der  freien  Säure 


364  Handwörterbuch  der  Chemie. 


die  gelbliche  Flüssigkeit  im  Vacuum  destillirt  werden. '  Steigt  dabei  die  Tempe- 
:  '         ratur  über  60°,   so  zersetzt  sich  die  Säure  zu  Brom  und  Bromsäure.     Die  con- 

i^-  •  centrirteste  Lösung  der  unterbromigen  Säure,  welche  dargestellt  wurde,  besass 

r,  strohgelbe  Farbe  und  zersetzte  sich  schon  bei  30°. 

V  Bis  jetzt  hat  weder  die  unterbromige  Säure,  noch  eines  ihrer  Salze  technische 

V  Verwendung  gefunden;  zur  volumetrischen  Bestimmung  des  StickstoÜs  in  Harnstoff 
>              oder  ähnlichen  Verbindungen  wendet  man  im  KNOP'schen  Azotometer  (17)  eine  alka- 
lische Bromlösung  an,  wobei  der  Gleichung:  CO(NH3)2  -+  3H0Br  =  SHBr  -H  N, 

i,  -h  2H2O -f- COj   entsprechend,  aller  Stickstoff  in  Freiheit  gesetzt  wird   und  ge- 

messen werden  kann. 

Bromsäure,  BrOjH. 

Brom    löst   sich    in  concentrirten    Alkalilaugen   unter  Entfärbung  leicht  auf, 
aber  neben  Brommetall  entsteht  bromsaures  Salz,  während  in  verdünnten  Laugen 
ein  Salz  der  unterbromigen  Säure  gebildet  wird.     Der  Vorgang  lässt  sich  durch 
■i  die  Gleichung:   6Br  -+-  6KOH  =  5KBr-f-  KBrO,  -f-  SU^O  darstellen.     Wegen 

der  Schwerlöslichkeit  des  bromsauren  Kaliums  oder  Baryums  kann  bei  An- 
wendung von  Kalilauge  oder  Baiyumhydroxyd  das  Bromat  leicht  rein  erhalten 
werden,  da  es  sich  als  Krystallpulver  abscheidet,  während  Bromkalium  resp. 
Brombaryum  in  der  Lösung  bleiben.  Durch  Krystallisation  aus  kochend  ge- 
sättigter Lösung  ist  das  Bromat  vollends  zu  reinigen. 
;  Zur  Darstellung  einer  wässrigen  Bromsäurelösung  wird  bromsaures  Baryum  mit 

der  berechneten  Menge  verdünnter  Schwefelsäure  zersetzt,  wobei  indess  eine  etwas 
Schwefelsäure  enthaltende  Lösung  hinterbleibt.  Nach  Kämmerer  (18)  empfiehlt 
es  sich,  das  durch  Wechselzersetzung  von  bromsaurem  Kalium  mit  Silbemitrat 
^  darstellbare,  schwer  lösliche  bromsaure  Silber  mit  Wasser  und  soviel  Brom  zu 
digeriren,  dass  sich  die  Flüssigkeit  gelb  zu  färben  beginnt. 

Die  auf  die  angegebene  Weise  zu  erhaltende,  färb-  und  geruchlose  Brom- 
säurelösung  kann  im  Vacuum  bis  zu  einem  Gehalt  an  50*59  ^  Bromsäure,  welche 
der  Formel  BrOgH-i-THjO  entspricht,  concentrirt  werden. 

Diese  Säure  zerfällt  beim  Erhitzen  in  Brom,  Sauerstoff  und  Wasser  und  wirkt 
auf  oxydirbare  Körper  kräftig  ein.  Aus  Schwefelwasserstoff  scheidet  sie  Schwefel 
ab,  Alkohol  wird  zu  Essigsäure  oxydirt,  schweflige  Säure  zu  Schwefelsäure.  Das 
Anhydrid  der  Bromsäure  ist  nicht  bekannt. 

Die  Bromsäure  ist  eine  einbasische  Säure  und  bildet  daher  nur  eine  Reihe 
von  Salzen.  Die  löslichen  Salze  können  aus  freier  Bromsäure  und  dem  be- 
treffenden Hydroxyd  oder  Carbonat  dargestellt  werden  (Kalium-  und  Baryum- 
bromat  direct  aus  Brom  und  den  Hydroxyden),  das  schwer  lösliche  Bleisalz 
und  Quecksilberoxydulsalz  auch  durch  Fällung  einer  Lösung  von  Kaliumbromat 
durch  die  Nitrate  jener  Metalle.  Nach  Kämmerer  bildet  sich  bromsaures  Kalium 
auch  beim  Schmelzen  von  Bromkalium  mit  chlorsaurem  Kalium,  sowie  bei  Zusatz 
von  Brom  zu  einer  mit  Chlor  bis  zum  Beginn  des  Aufbrausens  gesättigten  con- 
centrirten Kaliumcarbonatlösung. 

Zur  Erkennung  der  bromsauren  Salze  dient  deren  Eigenschaft,  beim  Erhitzen 
unter  Sauerstoffentwicklung  in  Brommetalle  überzugehen;  auch  die  Reduction  der 
Bromatlösung  durch  schweflige  Säure  und  nachherige  Nachweisung  der  Gegen- 
wart eines  Metallbromids  ist  ein  sicheres  Erkennungsmittel. 

Die  quantitative  Bestimmung  der  Bromate  erfolgt  in  der  zuletzt  erwähnten 
Weise,  wobei  das  Brom  des  entstandenen  Bromids  auf  gewöhnliche  Weise  be- 
stimmt wird. 


Brot.  365 

Ueberbromsäure,  Br04H. 

Diese  Säure  soll  nach  Kämmerer  aus  Ueberchlorsäure  und  Brom  erhalten 
werden  können.     P.  Mum  und    Mac  Ivon  bestritten  diese  Angabe. 

Arsenbromür,*)  AsBr,.  Bildet  sich,  wenn  gepulvertes  Arsen  mit  Brom 
Zusammengebracht  wird.  Ist  das  Brom  in  Schwefelkohlenstoff  gelöst  gewesen, 
so  erhält  man  beim  Eindampfen  die  Verbindung  in  farblosen  Krystallen  Destillir- 
bar.    Schmp.  20—25°.     Siedep.  220°.     Wird  durch  Wasser  zersetzt. 

Bortribromid,**)  BBrg.  Aus  amorphem  Bor  und  Brom  oder  aus  Borsäure, 
Kohle  und  Bromdampf  bei  Glühhitze  darstellbar.  Farblose,  dicke  Flüssigkeit. 
Siedep.  90°.  Raucht  an  der  I.uft,  mit  deren  Wassergehalt  die  Verbindung  Bor- 
säure und  Bromwasserstoff  erzeugt.  Heumann. 

Brot.***)  Das  Brot  besteht  im  Wesentlichen  aus  einem  Gemisch  von  Mehl  und 
Wasser,  welches  in  Teigform  durch  in  der  Masse  sich  entwickelnde  Kohlensäure 
schwammartig  aufgetrieben  und  durch  Erhitzen  in  consistente  Form  gebracht 
worden  ist.  Es  ist  der  Zweck  der  Bereitung  des  Brotes,  die  Bestandtheile  des 
Mehles  chemisch  und  physikalisch  derart  zu  behandeln,  dass  sie  zwischen  den 
Zähnen  leicht  zerkleinert  und  von  den  die  Verdauung  befördernden  Flüssigkeiten, 
also  Speichel  und  Magensaft,  leicht  durchdrungen  und  in  Angriff  genommen 
werden  können. 

Die  Bestandtheile  des  Mehles  sind  verschieden  je  nach  der  Getreideart, 
aus  welcher  dasselbe  bereitet,  so  wie  auch  nach  der  Art  und  Weise,  wie  es  durch 
den  Mahlprocess  hergestellt  worden  ist.  Die  folgende  Zusammenstellung  giebt 
die  durchschnittliche  Zusammensetzung  verschiedener  Mehlsorten  nach  König  (i): 


•)  NiCKLES,  Ch.  CentT.  1859,  pag.  688.     Skrullas,  Schweig.  J.  55,  pag.  345.     Wallace, 
J.  pr.  78,  pag.  119. 

••)  P0GGIAI.E,  Ann.  60,  pag.  191.  Wöhler  u.  Deville,  Ann.  105,  pag.  73. 
•*•)  Handbücher,  Monographien  u.  Zeitschriften:  v.  Bibra,  Die  Getreidearten  und 
das  Brot,  Nürnberg  1861.  K.  Birnbaum,  Das  Brotbacken,  Braunschweig  1878.  J.  König,  Die 
menschl.  Nahrungs-  u.  Genussmittel,  Berlin  1879/80  u.  1882/83.  Roret,  Enciclopädie  (Boulanger), 
Paris  187 1.  Payen,  Precis  des  substances  alimentaires ,  Paris  1865.  Parmentier,  Art  de  la 
Boulangerie.  Rollet,  Memoire  sur  la  meunerie,  la  boulangerie  etc.,  Paris  1847.  Horsford, 
Report  on  Vienna  Bread,  Wassington  1875.  Melnikoff,  Fabrikation  der  Roggenbiscuit«  etc., 
Odessa  1878.  Abhandlungen  u.  Citate:  1)  König,  Die  menschl.  Nahrungs-  u.  Genussmittel, 
Berlin  1880,  pag.  300  u.  f.  2)  K.  Birnbaum,  Das  Brotbacken,  Braunschweig  1878,  pag.  103. 
3)  Ibid.  104.  4)  Liebig,  Dingl.  Journ.  187,  pag.  182  u.  346.  5)  Horsford,  Chem.  News. 
1861.  IL,  pag.  174  u.  Dingl.  Journ.  212,  pag.  438.  6)  G.  Meyer,  Zeitschr.  f.  Biologie  1871 
[7],  pag.  I.  7)  Siehe  bei  Odling,  Dingl.  Journ.  155,  pag.  148;  Oppenheim,  ibid.  160,  pag.  457. 
F.  Hoffmann,  ibid.  175,  pag.  159;  F.  Knapp,  Vierteljahrsschr.  f.  üffentl.  Ges.-Pflege  1878,  pag.  288. 
8)  KuHLJktANN,  Dikgl.  Joum.  39,  pag.  439;  EuiXNBURG  u.  Vohl,  ibid.  197,  pag.  531.  9)  Siehe 
Birnbaum,  a.  a.  O.  157  u.  f.  10)  Ibid.  187.  11)  Ibid.  204.  12)  Ibid.  218  u.  f.  13)  Heeren, 
Dingl.  Journ.  131,  pag.  276  u.  441.  14)  Rivot,  Ann.  chim.  phys.  [3]  47,  pag.  50;  Dingl.  Journ«  143, 
pag.  380.  15)  V.  BiBRA,  a.  a.  O.  16)  v.  Fehling,  Dingl.  Journ.  131,  pag.  283.  17)  Lawes 
u.  Gilbert,  Chem.  soc.  10,  pag.  269;  Wagn.  Jahresber.  1857,  pag.  254.  18)  J.  König,  a.  a.  O. 
332.  19)  Barral,  Compt.  rend.  56,  pag.  .1118,  siehe  auch  Birnbaum,  a.  a.  O.  254  u.  280. 
20)  BoLAS,  Dingl.  Joum.  209,  pag.  399.  21)  Birnbaum,  a.  a.  O.,  pag.  256.  22)  Oppel,  Dingl. 
Journ.  120,  pag.  398.  23)  Grou\t.n,  Vorträge  über  Agricult.-Chem.,  Köln  1859,  auch  Birnbaum, 
a.  a.  O.  264.  24)  Brand,  Wagn.  Jahresber.  1864,  pag.  366.  25)  Thomson,  v.  Bibra,  a.  a.  O. 
26)  s.  König,  a.  a.  O.  334.  27)  Boussingault,  Ann.  chim.  phys.  [3]  36,  pag.  490.  28)  Birn- 
baum, Dingl.  Joum.  233,  pag.  322.  29)  Schierse,  D.  R.  P.  No.  8757.  30)  F.  W.  Fischer, 
D.  R.  P.  No.  14893.     Siehe  auch  »Bäcker-  u.  Conditor-Zeitung«. 


|:: 

366 

^"*,  • 

Wasser 

Feinstes  Weizenmehl 

14-86 

'•>'"' 

Gröberes  Weizenmehl 

1218 

>i  y- 

Roggenmehl     .     .     . 

14-24 

'  J!  ■  '  ' 

Gerstenmehl    .     .     . 

14-83 

5*..'  ■ 

Hafermehl  .... 

10-07 

'.:  ' 

Maismehl     .... 

10-60 

Starke 

HoWaser 

Asche 

65-93 

0-33 

0-51 

66.61 

0-84 

0-84 

58-73 

1-62 

1-48 

62-27 

0-47 

063 

60-41 

2-24 

2-02 

63-92 

0-86 

Hahdwörterbuch  der  Chemie. 

Stickstoff-        p  7urWer     Gummi  u. 

Substanz  *^*"         ^"'^''*'      Dextrin 

8-91       1-11       2-32      603 

11-27       1-22       1-88      5-16 

10-97       1-95       3-88       7-13 

10-89       1-23       3-10      6-48 

14-29       5-65       2-25       307 

1400  3-80  3-71  3-05 
Zur  Bereitung  des  Brotes  wird  vorwiegend  Weizen-  und  Roggenmehl,  seltener 
Gerstenmehl,  Hafermehl  und  Maismehl  verwendet.  Je  nach  Feinheit  des  Mehles 
und  der  Natur  der  Lockerungsmittel  erhält  man  verschiedene  Brotsorten:  aus 
Weizenmehl  mit  Hefe  das  Weissbrot,  aus  Roggenmehl  mit  Sauerteig  das 
Schwarzbrot,  doch  werden  auch  gemischte  Brotsorten  hergestellt. 

Als  Lockerungsmittel,  welche  in  erster  Linie  den  Zweck  haben,  in  dem 
Teig  Kohlensäure  zu  entwickeln,  die  dann  insbesondere  bei  dem  nachfolgenden 
Erhitzungsprocess  ein  schwammartiges  Aufblähen  des  Brotes  veranlasst,  werden 
vorwiegend  Gährungsmittel  zur  Anwendung  gebracht.  Für  das  Schwarzbrot 
bedient  man  sich  des  Sauerteiges,  d.  i.  ein  in  alkoholischer,  milchsaurer,  butter- 
saurer und  essigsaurer  Gährung  begriffener  Teig,  der  von  einer  vorhergehenden 
Operation  der  Brotbereitung  aufgehoben  worden  ist.  Derselbe  versetzt,  mit 
frischem  Teig  zusammengebracht,  auch  diesen  in  Gährung,  Stärkemehl  wird  ver- 
zuckert, die  dadurch  gebildete  Maltose  mit  dem  schon  vorhandenen  Zucker  zer- 
fallt theilweise  in  Alkohol  und  Kohlensäure,  welche  in  dem  Teig  zunächst  noch 
gelöst  bleiben,  theilweise  in  Milchsäure,  Essigsäure  und  Buttersäure,  welche  als 
Lösungsmittel  für  gewisse  Proteinkörper  dienen,  durch  welche  dann  die  ganze 
Brotmasse  gleichmässig  durchdrungen  wird.  Dieselben  Säuren  wandeln  auch 
einen  Theil  des  Klebers  des  Mehles  in  eine  lösliche  Substanz  um,  welche  die 
Eigenschaft  besitzt,  an  der  Luft  sich  rasch  dunkel  zu  färben,  woher  es  auch 
kommt,  dass  das  mittelst  Sauerteig  hergestellte  Brot  immer  eine  dunkle  Farbe 
besitzt.  Je  länger  man  den  Sauerteig  aufbewahrt,  desto  weiter  schreitet  die 
saure  Gährung  bezw.  die  Bildung  der  betreffenden  Fermente  vor  und  um  so 
saurer  und  dunkler  wird  dann  auch  das  damit  bereitete  Brot.  Deshalb  darf  der 
Sauerteig  nicht  zu  lange  aufbewahrt  werden,  oder  aber  er  wird,  wenn  lange  Auf- 
bewahrung nicht  zu  umgehen  ist,  von  Zeit  zu  Zeit  angefrischt,  wobei  man 
durch  wiederholte  Zuführung  von  zucker-  und  stickstoffhaltigen  Stoffen  das  Ferment 
der  Alkoholgährung  zu  erhalten,  die  Säure-Fermente  dagegen  zu  unterdrücken 
strebt. 

Für  feinere  und  weisse  Brotsorten  bedient  man  sich  der  Hefe  als  Gährungs- 
mittel. Während  man  früher  allgemein  dazu  die  Bierhefe  verwendete,  •  ist  man 
des  von  dem  Hopfenharz  herrührenden  bittem  Geschmacks,  sowie  auch  der 
trägen  Wirkungsweise  der  neuerdings  meist  erzeugten  Untergährungshefen  w^en 
allgemein  zu  der  Presshefe  tibergegangen.  Die  Anwendung  der  letzteren  hat  in 
Folge  ihrer  Haltbarkeit  und  leichterer  Transportfahigkeit  noch  den  Vorzug,  dass 
man  sie  zu  jeder  Zeit  und  an  jedem  Ort  leicht  beziehen  kann.  Wird  die  Hefe 
dem  Teig  beigemengt,  so  vermehren  sich  die  darin  enthaltenen  Fermentzellen 
und  bewirken  dementsprechend  eine  starke  alkoholische  Gährung,  beziehungs- 
weise die  Entwickelung  von  Alkohol  und  Kohlensäure. 

Da  die  Entwickelung  der  Hefezellen,  die  Bildung  des  Alkohols  und  der 
Kohlensäure  etc.  auf  Kosten  der  Substanzen  des  Mehls  vor  sich  gehen,  wodurch 


Brot.  367 

nach  einem  Versuch  Heeren's  (2)  ein  Verlust  an  Trockensubstanz  des  Mehles  von 
153^  vor  sich  geht,  hat  man  schon  vor  Jahren  versucht,  an  Stelle  der  Gährung 
andere  Lockerungsmittel  in  Anwendung  eu  bringen»    Schon  seit  langer  Zeit  wird 
fiir  gewisses  Backwerk  das  Ammoniumsesquicarbonat  (Hirschhornsalz)  verwendet. 
Henry  (3)  und  später  Whiting  (3),  Liebig  (4)  u.  A.  empfehlen  zur  Entwickelung 
der  Kohlensäure  im  Brotteig  einen  Zusatz  von  Salzsäure  und  Natriumbicarbonat, 
in  England  benutzte  man  statt  der  Salzsäure  Weinsäure  oder  Weinstein,    auch 
kam  statt  des  Natriumbicarbonates  das  Calciumcarbonat  zur  Anwendung.     Bei 
Weitem  wichtiger  ist  aber  das  von  Liebig  sehr  empfohlene  Backpulver  von 
HoRSFORD  (5)  geworden.    Dasselbe  besteht  aus  zwei  Präparaten,  dem  Säurepulver 
(Gemisch  von  saurem  Calcium-  und  Magnesiumphosphat)  und  dem  Alkalipulver 
(Gemisch  von  Natriumbicarbonat  und  Chlorkalium),  welche  dem  Teig  zugleich 
mit  dem  Mehl  aufs  innigste  beigeknetet  werden.     Dabei  wirken  dann  theils  in 
der  Kälte,    theils   beim  Erwärmen    zuerst   Chlorkalium    und    Natriumbicarbonat 
unter  Bildung  von  Chlomatrium  und  Kaliumbicarbonat  auf  einander  ein,  während 
später  durch  die  Wirkung  der  sauren  alkalischen  Erdphosphate  auf  Kaliumbicar- 
bonat Kaliumphosphat  und  freie  Kohlensäure  entstehen.    Indem  man  auf  diese 
Weise  neben  dem  Lockerungsmittel  auch  noch  Nährsalze  erzeugte,  hoffte  man, 
durch  das  HoRSFORD'sche  Backpulver  auch  den  Nährwerth  des  Brotes  zu  erhöhen; 
es  hat  sich  diese  Hoffnung  jedoch  nach  den  bei  Voit  in  München  durch  G.  Meyer 
(6)  ausgeführten  Versuchen  nicht  bewahrheitet.     Endlich  sei  noch  die  Methode 
von  Dauglish  (7)  erwähnt,    nach   welcher  man  die  Kohlensäure  in  Form   von 
kohlensäurehaltigem  Wasser   dem   Teig   beimischt,    ein    Verfahren,    welches    in 
mehreren  Brotfabriken  Englands,    auch   in   Berlin    und   Paris    durchgeführt   ist. 
Man  erzeugt  dabei  die  Kohlensäure  aus  Calciumcarbonat  und  Salzsäure,  leitet 
sie  in   besonderem  Apparat  unter  Druck  in  das  Wasser  und  vermischt  dieses  in 
geschlossenem    Behälter   vermittelst    mechanischer   Vorrichtungen   und    ebenfalls 
unter  Druck  aufs  innigste  mit  dem  Mehl. 

Als  Lockerungsmittel  mit  sehr  verschiedener  Wirkungsweise  seien  noch  er- 
wähnt: Weingeist,  Potasche,  Fett,  Eiweiss  zu  Schnee  geschlagen;  für  verdorbenes 
Mehl:  Alaun,  Kupfervitriol  und  Zinkvitriol,  welch*  letztere  Salze  jedoch  in  Folge 
ihrer  giftigen  Wirkung  unbedingt  zu  verwerfen  sind  (8). 

In  operativer  Beziehung  zerfallt  die  Brotbäckerei  in  das  Anmachen,  Kneten, 
Gährenlassen  und  Formen  des  Teiges,  sowie  in  das  Erhitzen,  beziehungsweise 
das  eigentliche  Backen  desselben. 

1-  Anmachen,  Kneten  und  Gährenlassen  des  Teiges.  Dabei  werden 
Mehl,  Gährungsmittel,  Wasser  und  event.  Kochsalz  mit  einander  durch  Kneten 
derart  aufs  Innigste  vermischt,  dass  man  das  Mehl  dem  in  Wasser  vertheilten 
Gährungsmittel  (Hefe,  Sauerteig)  nach  und  nach  unter  jedesmaligem  Durchkneten 
zusetzt.  Nur  auf  diese  Weise  ist  es  möglich,  dass  das  Wasser  das  Mehl  voll- 
kommen durchdringt  und  dass  das  Gährungsmittel  in  dem  Teig  ganz  gleichmässig 
vertheilt  und  zu  starker  Entwicklung  gebracht  wird.  Vor  jedesmaligem  Nach- 
setzen frischen  Mehles  lässt  man  den  Teig  an  einem  warmen  Ort  ruhig  stehen, 
wobei  in  Folge  der  Umwandlung  des  Zuckers  in  Alkohol  und  Kohlensäure  durch 
das  sich  entwickelnde  Hefeferment  der  Teig  sich  aufbläht.  Die  Zumischung  des 
Mehles  geschieht  in  2—4  Portionen.  Auf  100  Thle.  Mehl  kommen  durchschnitt- 
lich 75  Thle.  Wasser,  ausserdem  Lockerungsmittel  und  meist  etwas  Salz,  die 
beiden  letzteren  jedoch  nur  in  ganz  geringen  Mengen. 


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^'"'^  368  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Während  in  den  kleineren  Bäckereien  das  Kneten  des  Teigeg  mittelst  Hand- 
arbeit geschieht,  ist  man  in  grösseren  Etablissements  schon  längst  dazu  überge- 
'     gangen,  diese  beschwerliche  Arbeit  duich  Knetmaschinen  (9)  zu  ersetzen.  Die 
meisten  derselben  sind  von  sehr  einfacher  Construction,  sie  bestehen  entweder 
J>,;  aus  drehbaren  Trommeln,  in  welchen  sich  feste  Vorrichtungen  zur  Zertheilung 

der  Materialien  befinden,  oder  aus  feststehenden  Trommeln  mit  beweglichen  Rühr- 
oder Mischvorrichtimgen,  die  an  der  die  Trommel  durchziehenden  horizontalen 
Welle  befestigt  sind.  Auch  Knetmaschinen,  bei  welchen  Trommel  und  Rühr- 
werk in  entgegengesetzter  Richtung  beweglich  sind,  hat  man  construirt.  Andere 
Knetapparate  bestehen  aus  senkrecht  stehenden  cylindrischen  oder  nach  unten 
>■  '"  «  schwach  conisch  verlaufenden  Gehäusen,  in  welchen  der  Teig  durch  schrauben- 

^^  förmig  an  der  rotirenden  senkrechten  Welle  befestigte  Messer  durchgearbeitet 

;*' *    ^  und  nach  unten  zu  gewunden  wird,  woselbst  er  beim  Oeffnen  eines  Schiebers 

■^"'}  austritt.     Während   auf  diese  Knetmaschinen   die  Construction  der  Thon-Ki\et- 

r^  apparate  in  den  Ziegelpressen  übertragen  ist,  giebt  es  andererseits  auch  Apparate, 

^v  /       ^  die    in    ihrer    Construction   mit   den   Maischbottichen   der    Bierbrauereien   und 

Spiritusbrennereien  übereinkommen,  endlich  auch  solche,   die  beides  vereinigen 
V  und  bei  welchen  das  Anmachen  des  Teiges  in  einem  Bottich  mit  Rührwerk  ge- 

schieht, während  der  angemachte  Teig  dann  erst  in  die  darunter  befindliche 
Knetmaschine  gelangt,  so  dass  also  Anmachen  und  Kneten  des  Teiges  in  ge- 
trennten Theilen  der  Maschine  zur  Ausführung  kommen. 

Unter  allen  Umständen  muss  der  Teig,  weil  er  durch  das  Kneten  zusammen- 
gedrückt wird,  nach  dieser  Operation  noch  einmal  am  warmen  Ort  sich  selbst 
überlassen  werden,  damit  er  durch  den  Gährungsprocess  wieder  aufgetrieben  wird. 

2.  Das  Formen  des  Teiges  geschieht  entweder  ganz  aus  freier  Hand  oder 
in  Formen  aus  Strohgeflecht,  Holz,  Eisen  etc.,  wobei  es  insbesondere  darauf  an- 
kommt, die  einzelnen  Teigstücke  von  einem  solchen  Uebergewicht  herzustellen, 
dass  sie  nach  Verlust  des  Wassers  durch  den  Backprocess  gerade  das  richtige 
Gewicht    behalten.       Nach     Birnbaum     nimmt    man     hierbei     fiir    Wasserweck 

>.  ä  50  Grm.  ein  Uebergewicht    von  28  J  des  Brotgewichtes,  fiir  ein  sogenanntes 

Groschenbrot  aus  Weizenmehl  ein  Uebergewicht  von  21^,  für  2 — 3 pfundiges 
rundes  Halbschwarzbrot  11 — 12^.  Je  kleiner  die  Brote  und  je  grösser  ihre  Ober- 
fläche, bezw.  die  sich  bildende  Kruste  im  Verhältniss  zum  Gesammtvolumen, 
desto  grösser  muss  das  Uebergewicht  sein.  So  rechnet  man  in  Paris  auf  1  Laib 
zu  1  Kgrm.  162  Thle.  Teig,  auf  Laibe  ä  4  Kgrm.  nur  114  Thle.  Teig  pro 
100  Thle.  Brot. 

Um  das  umständliche  Abtheilen  der  einzelnen  Brote,  insbesondere  auch  das 
Wägen  der  einzelnen  Teigstücke  zu  umgehen,  hat  man  in  neuerer  Zeit  Teig- 
theilmaschinen  (10)  eingeführt.  Dieselben  bestehen  aus  zwei  Pressplatten,  auf 
deren  unterer  der  Teig  bis  zum  Rand  ausgebreitet  wird,  während  die  obere  den 
Teig  in  dem  auf  der  unteren  Platte  gegebenen  ringförmigen  Raum  gleichmässag 
vertheilt.  Durch  ein  System  von  Messerformen,  welche  durch  entsprechende  Schlitze 
in  der  unteren  Platte  sich  von  unten  nach  oben  bewegen,  wird  dann  diese  Teig- 
platte  in  beliebig  viele  gleichgrosse  Teigtheile  zerlegt.  Die  geformten  Teigstücke 
überlässt  man,  damit  sie  wieder  aufgehen,  einige  Zeit  sich  selbst  und  bringt  sie 
dann   in  den  Ofen. 

3.  Das  Erhitzen  oder  Backen.  Zweck  dieser  Operation  ist  es,  den 
in  dem  Teig   enthaltenen  Ueberschuss    an  Wasser   durch  Verdampfen  zu   ent- 


1 


V 


Brot  369 

fernen,  ausserdem  aber  auch  die  ganze  Teigmasse  zur  Bildung  der  Brotkrume 
auf  mindestens  100°  zu  erhitzen  und  ebenso  durch  Erhitzung  der  äusseren 
Schicht  des  Teiges  auf  200°  die  Kruste  zu  bilden.  Die  Wärmemenge,  welche 
zum  Ausbacken  von  1  Kilo  Brot  erforderlich  ist,  berechnet  Birnbaum  zu  272,  rund 
300  Wärmeeinheiten.  Da  1  Kilo  Holz  3000  Wärmeeinheiten  liefert,  so  mtissten 
damit  10  Kilo  Brot  gebacken  werden  können,  mit  1  Kilo  Steinkohle  sogar 
23  Kilo  Brot  Die  Praxis  bleibt  jedoch  weit  hinter  diesen  Zahlen  zurück,  was 
von  den  weitgehenden,  theils  nicht  zu  vermeidenden  Wärmeverlusten  herrührt. 
Wesentlich  ist,  dass  der  Ofen  von  vornherein  auf  die  für  den  Backprocess  noth- 
wendige  Temperatur  erhitzt  wird,  indem  bei  nur  allmähliger  Erwärmung  Kohlen- 
säure des  Teiges  durch  Kanäle  entweichen  würde,  ohne  das  Brot  gleichmässig 
aufzutreiben;  auch  die  Rindenbildung  geht  unvollständig  vor  sich,  wenn  man  all- 
mählich erwärmt. 

Bezüglich  der  Bauart  eines  Backofens  stellt  Birnbaum  die  Anforderung,  dass 
derselbe  aus  schlechten  Wärmeleitern  erbaut  oder  wenigstens  von  solchen  um- 
geben sei,  dass  er  über  einer  flachen  Sohle  ein  Gewölbe  trage,  welches  die 
Wärme  in  den  Backraum  strahlt,  und  dass  er  endlich  zur  Vermeidung  eines  Ver- 
lustes von  Wasserdampf  und  zur  Verhütung  zu  starker  Abkühlung  leicht  dicht 
abzuschliessen  sei.  Der  noch  jetzt  viel  gebräuchliche  alte  Backofen  besteht  aus 
einer  runden  oder  ovalen,  horizontalen  oder  nach  vom  geneigten  Ofensohle, 
darüber  ein  flaches  möglichst  niedriges  Gewölbe  mit  verschliessbarer  Arbeits- 
öffiiung  und  bei  neuerer  Construction  ein  Fuchs  oder  mehrere  Züge,  welche 
die  Verbrennungsgase  etc.  in  den  Kamin  ableiten.  Unter  dem  Backofen  befindet 
sich  meist  ein  Raum  für  die  Kohlen,  darüber  die  Backstube  zum  »Gehenlassen« 
des  Teiges. 

Zur  Ausflihrung  des  Backens  wird  der  Ofen  durch  Verbrennen  von  Holz, 
seltener  Reisig,  Stroh  etc.  in  seinem  Innern  auf  eine  Temperatur  von  200 — 250° 
erhitzt,  was  man  daran  erkennt,  dass  der  anfanglich  angesetzte  Russ  wieder  ver- 
brannt ist,  und  dass  beim  Bestreichen  der  Innenflächen  mit  einem  Holzspahn  oder 
Bestäuben  mit  Mehl  sich  Funken  zeigen.    Alsdann  zieht  man  die  Kohlen  heraus, 
lässt   sie    in    geschlossenen  Blechbehältern   abkühlen   (sie  können  an  Stelle  ge- 
wöhnlicher Holzkohlen   zu    allen  Zwecken  verwendet  werden),    schiebt  die  ge- 
formten,  vorher  mit  Mehlwasser  bestrichenen  Teigstücke  ein  und  verschliesst  den 
Ofen.      Es   bildet  sich    zunächst  viel  Wasserdampf,  der  den  Ofen  völlig  anfüllt, 
die  Laibe   also  vor  der  zersetzenden  Einwirkung  der  Luft    schützt.     Je  grösser 
das  Brot   und  je  grösser  sein  Inhalt  im  Verhältniss  zur  Oberfläche,   desto  länger 
die  Backzeit;  auch  braucht  schwarzes  Brot  längere  Zeit  als  weisses.     Schliesslich 
wird  das   fertige  Brot  ausgezogen  und  der  Ofen  meist  erkalten  gelassen.     Dass 
bei  derartig  periodischem  Betrieb  ein  ganz  enormer  Wärmeverlust  stattfindet,  liegt 
auf  der  Hand,   und  man  ist  deshalb  in  den  Brotfabriken  zum  continuirlichen 
Betrieb    tibergegangen.    Aber   auch  bezüglich  der  Ofenconstructionen  hat  man 
erhebliche  Verbesserungen  eingeführt  (11).     Die  Heizung  geschieht  bei  Grossbe- 
Crieben  in  den  seltensten  Fällen  mehr  durch  Feuerung  im  Backraum,  wobei  das 
Holz  unerlässliches  Brennmaterial  ist,  sondern  vielfach  mittelst  ausserhalb  liegender 
Feuerungen  und  Durchzug  der  Feuergase  durch  den  Backraum,   oder  aber  man 
verwendet  muffelartig  construirte   Backräume,  die  von  dem  Feuer  nur  umspült 
sind,    auch  solche,  bei  denen  erhitzte  Luft  oder  überhitzter  Dampf  in  den  Back- 
raum   geleitet  oder  der  letztere  durch  eingelegte  Heizröhren  mittelst  überhitztem 
Wasserdampf  geheizt  wird.     Dabei  kann  selbstverständlich  jedes  beliebige  Brenn- 

Ladknbckc,  Cbcmie.     11.  24 


;:■.•? : 


370  Handwörterbuch  der  Chemie. 

material  angewendet  werden.  Zur  Erleichterung  des  continuirlichen  Betriebes 
hat  man  endlich  die  Backöfen  mit  maschinellen  Einrichtungen  versehen,  die  ein 
bequemes  und  rasches  Beschicken  und  Entleeren  gestatten.  Dazu  gehört  der 
Ofen  von  Rolland  (12)  mit  karousselartig  beweglicher  Heerdscheibe,  der  Ofen 
von  Slater  (12)  für  Biscuitbäckcrei  mit  röhrenförmiger  Muffel,  durch  die  ein 
Kettenpaar  ohne  Ende  zur  Aufnahme  des  auf  Blechen  liegenden  Brotes  so 
schnell  hindurchzieht,  dass  letzteres  beim  Durchgang  gerade  gebacken  wird,  der 
Ofen  von  Wieghorst  (12),  Lehmann  (12)  u.  A. 

Die  Ausbeute  an  Brot  ist  verschieden  nach  der  Mehl-  und  nach  der  Brot- 
sorte. Je  kleiner  das  Brot  und  je  grösser  die  Oberfläche  im  Verhältniss  zum  In- 
halt, desto  grösser  der  Verlust.  Nach  Heeren  (13)  liefern  100  Thle.  lufttrockenes 
Weizenmehl  im  Mittel  125—126  Thle.  Weissbrot,  100  Thle.  Roggenmehl  mindestens 
131  Thle.  Schwarzbrot  Rivot  (14)  findet  für  100  Thle.  Weizenmehl  ä  17J 
Wassergehalt  je  nach  Form  und  Grösse  des  Brotes  Ausbeuten  von  120 — 135  Thln. 
Auch  V.  BiBRA  (15),  Fehling  (16),  Lawes  und  Gilbert  (17)  u.  A.  haben  Versuche 
hierüber  angestellt. 

Der  Trocken-Substanz-Verlust,  der  durch  den  gesammten  Backprocess 
bedingt  ist,  beträgt  nach  Heeren  1-57,  nach  Fehling  4-21  nach  Gräger  2-14f  (c8). 

Zusammensetzung.  Das  Brot  besteht  aus  Krume  und  Rinde»  deren 
relative  Mengen  je  nach  den  Brotsorten  sehr  verschieden  sind.  Barral  (19)  giebt 
für  das  Gewicht  der  Rinde  zwischen  15  und  42^  des  gesammten  Brotgewicht& 
an,  im  Mittel  berechnet  er  24J  Rinde  und  76^  Krume.  Abgesehen  vom  Wasser- 
gehalt, welcher  bei  der  Rinde  naturgemäss  geringer  ist  (Barral:  8*67 — 35'44$) 
als  bei  der  Krume  (33*16 — 4920),  unterscheiden  sich  die  beiden  Theile  auch  im 
Uebrigen  etwas  in  ihrer  chemischen  Zusammensetzung,  wie  die  Analyse  einer 
grossen  Zahl  von  Brotsorten  durch  v.  Bibra  (15)  beweist.  Während  jedoch  dieser 
in  der  Rinde  relativ  etwas  weniger  Stickstoff  als  in  der  Krume  findet,  ergeben 
Barral's  Versuche  das  Gegentheil.  Im  Uebrigen  jedoch  sind  in  Bezug  auf  die 
Bestandtheile  der  Rinde  und  Krume  keine  erheblichen  Abweichungen  constaüit 

Die  Hauptbestandtheile  des  Brotes  sind  erheblich  verschieden  von  denjenigen 
des  Mehles.  Die  Stärke  ist  grossentheils  in  die  Form  eines  aufgeblähten  Kleisters, 
theilweise  in  Dextrin,  etwas  Zucker  imd  in  der  Rinde  in  Röstprodukte  (sogen. 
Assamar)  tibergegangen.  Der  schon  vorhandene  sowie  der  durch  Gähning 
gebildete  Zucker  ist  theilweise  wieder  zersetzt  in  Alkohol  und  Kohlensäure,  von 
welchen  die  letztere  beim  Backprocess  fast  vollständig,  der  erstere  grossentheils 
entweicht  (nach  Bolas  (20)  enthält  ganz  frisches  Brot  noch  0'245 — 0*399  J  Alkohol). 
Des  weiteren  geht  ein  kleiner  Theil  des  Zuckers  während  der  Gährung  in  Milch- 
säure, ein  Theil  des  Alkohols  in  Essigsäure  über,  woher  es  auch  kommt,  dass 
ein  wässriger  Auszug  des  Brotes  immer  sauer  reagirt;  ein  Rest  des  Zuckers  bleibt 
jedoch  in  dem  Brot  zurück.  Die  stickstoffhaltigen  Stoffe,  also  die  Proteinstoffe 
und  löslichen  Eiweisskörper  werden  nicht  unerheblich  verändert,  insbesondere 
gehen  sie  durch  das  Erhitzen  theilweise  in  unlösliche  Form  über.  Nach  Barral's 
Untersuchungen  enthält  die  Rinde  erheblich  mehr  in  Wasser  lösliche  Stickstoff- 
Substanz  als  die  Krume:  erstere  7—8^,  letztere  nur  2—3^  Stickstoff  des  löslichen 
Theiles.  Fett  und  Asch enbestandth eile  des  Mehles  sind  ziemlich  vollständig  im 
Brot  erhalten.  Nach  Birnbaum  (21)  enthält  normal  ausgebackenes  Weissbrot  im 
Mittel  45^,  Schwarzbrot  48  J,  doch  geht  der  Wassergehalt  des  Brotes  nach 
V.  Fehling  bis  auf  54^. 


Brot.  371 

Brotanalysen  sind  insbesondere  zahlreich  von  v.  Bibra  (15),  femer  von  OppßL 
(22),  Grouven  (23),  Bband  (24),  Thomson  (25)  u.  A.  ausgeführt,  bezw.  mitgetheilt, 
Aschenanalysen  insbesondere  von  Rivot  (14).  Die  gewichtsprocentische  Zu- 
sammensetzung der  verschiedenen  Brotsorten  geht  aus  der  folgenden  Zusammen- 
stellung von  König  (26)  hervor. 

W"-'        ^.uSSf  ■         ^-^  2-»'-    '^ttoff?"'    H°^'f-"       Asche 

Weizenbrot. 

Minimum 26-39        481        O'IO  0-82  38-93  033  084 

Maximum 4790       869        100  4-47  62*98  0*90  1-40 

Mittel  für  feineres  Brot    38-51        682        0*77  237  4097  038  1-18 

Mittel  für  gröberes  Brot    41 02        6-23        0-22  2- 13  4869  0*62  109 

Roggenbrot. 

Minimum 3549        349        010  123  32*82  029  086 

Maximum 48*57        9*22        0*83  455  5113  0*39  308 

Mittel 4402        602        048  2*54  45*33  030  1.31 

Pumpernickel. 
Mittel       43-42        7-59        1-52        325        41-87        094        1-42 

Veränderung  beim  Aufbewahren.  Das  weiche,  frische  Brot  geht  ver- 
hältnissmässig  rasch  in  den  scheinbar  trockenen,  altbackenen  Zustand  über  und 
zwar  nehmen  kleinere  Weizenbrote  diesen  Zustand  schon  nach  wenigen  Stunden, 
grössere  Roggenbrote  erst  nach  1 — 2  Tagen  an.  Dass  dieses  Altbackenwerden 
nicht  durch  Austrocknen  bedingt  ist,  haben  Versuche  von  Boussingault  (27)  und 
V.  Bibra  (15)  bewiesen,  wahrscheinlich  hat  es  vielmehr  seinen  Grund  nur  darin, 
dass  das  Wasser,  welches  dem  ganz  frischen  Brot  blos  mechanisch  beigemischt 
ist,  sich  mit  der  Zeit  mit  den  Bestandtheilen  des  Brotes,  zumeist  wohl  der  auf- 
geblähten Stärke,  verbindet.  Daher  kommt  es  auch,  dass  man  altbackenem  Brot 
durch  blosses  Erhitzen  auf  kurze  Zeit  wieder  die  äusserliche  Beschaffenheit  von 
frischem  ertheilen  kann;  man  treibt  eben  dabei  das  vorher  chemisch  gebundene 
Wasser  durch  die  Erhitzung  wieder  aus,  so  dass  dem  Brote  die  Feuchtigkeit  blos 
wieder  mechanisch  anhaftet 

Abweichende  Brotarten.  Feineren  Brotarten  und  Gebacken  wird  meist 
ein  Zusatz,  Zucker,  Butter,  Gewürze  etc.,  gegeben,  welcher  einen  specifischen 
Geschmack  derselben  hervorruft.  Ein  Brot  von  hohem  Nährwerth,  das  Kleb  er- 
brot, wird  in  neuerer  Zeit  hergestellt  aus  dem  bei  Bereitung  der  Weizenstärke 
abfallenden  Kleber,  dem  man  etwas  Mehl  und  andere  Zusätze  giebt  (28). 

Kleienbrot.  Zur  Erhöhung  des  Nährwerthes  hat  man  den  Vorschlag  ge- 
macht, dem  Mehl  bei  der  Brotbereitung  ein  gewisses  Quantum  Kleie,  welche 
erhebliche  Mengen  von  Nährstoffen  enthält,  zuzusetzen.  Nach  neueren  Unter- 
suchungen scheint  jedoch  der  Nährwerth  eines  solchen  Brotes  nicht  grösser  zu 
sein,  als  der  des  gewöhnlichen  Brotes.  Schterse  (29)  bereitet  Brot  aus  unge- 
mahlenetn  Getreide,  das  er  mit  heisser  Kochsalzlösung  zu  Teig  anmacht  Eine 
ähnliche  Brotsorte  wurde  F.  W.  Fischer  (30)  patentirt.  —  Zu  erwähnen  ist 
hier  noch,  dass  man  dem  Weizenmehl  oder  Roggenmehl  bei  hohen  Preisen 
häu6g  andere  billigere  Mehle,  so  von  Bohnen,  Erbsen,  Linsen,  Mais,  Kartoffeln  etc. 
zusetzt,  auch  dass  nicht  selten  das  Mehl  bezw.  das  Brot  durch  Zusatz  von  Gyps, 
Kreide,  Schwerspath,  Thon  etc.  verfälscht  wird.  Engler. 

24* 


m^ 


372  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Butter.*)  Die  Butter  ist  die  Form,  in  welcher  eines  der  wichtigsten  mensch- 
lichen Nahrungsmittel,  das  Milchfett,  auf  den  Markt  kommt  Zur  Gewinnu^ 
der  Butter  wird  fast  ausschliesslich  Kuhmilch  verwendet.  Das  Fett  ist  in  der 
Milch  in  einer  äusserst  feinen  Vertheilung,  nämlich  in  Gestalt  von  Milchkügelchen 
enthalten,  welche  ihrer  Grösse  nach  sehr  variabel,  einen  mittleren  Durchmesser 
von  00042  Millim.,  schwankend  von  0-0016— 0-01  Millim.,  besitzen  (i).  Ein 
Liter  Milch  würde  hiernach  bei  einem  Fettgehalt  von  4  J^  ungefähr  80000  Millionen 
solcher  Kügelchen  enthalten,  (i).  Die  Reihenfolge  technischer«  Operationen, 
durch  welche  das  flüssige  Milchfett  in  die  feste  Form  der  Butter  übergeführt 
wird,  bezeichnet  man  als  den  Meier eiproce ss.  Als  Handbücher,  welche  diesen 
mit  Ausführlichkeit  behandeln,  sind  zu  empfehlen:  Fleischmann,  das  Molkerei- 
wesen (Braunschweig  1875)  "^^  W.  Kirchner,  Handbuch  der  Milchwirthschaft 
(Berlin  1882).  Hier  beschränken  wir  uns  auf  einige  wenige  Angaben  über  den 
Meiereiprocess.  Die  wesentlichsten  Abschnitte  desselben  bilden  1.  die  Aufrahmung 
und  2.  das  Buttern. 

Das  Ziel  der  Aufrahmung  bildet  die  Gewinnung  des  Rahms,  des  Produktes  emer 
Scheidung  der  MilchfettkUgelchen  von  dem  MUchserum.  Diese  Trennung  vollzieht  sich  als  eine 
Folge  des  verschiedenen  specifischen  Gewichtes  des  Milchfettes  und  des  Milchsenims.  Die 
Scheidung  ist  indessen  nie  eine  vollständige,  da  auch  bei  den  besten  Aufrahmmethoden  ein 
kleiner  Antheil  des  Milchfettes  in  der  abgerahmten  Milch  zurückbleibt.  Bei  vielen  und  besonders 
den  älteren  Aufrahmverfahren  beruht  jene  Sonderung  darauf,  dass  die  specifisch  leichteren  Müdi- 
kügelchen  in  der  ruhenden  Milch  nach  oben  steigen  und  sich  hier  als  fettreiche  Rahmschicht  in- 
sammeln.  Die  Gefässe,  in  welchen  man  diese  Art  der  Rahmbildung  sich  vollziehen  lässt,  werden 
als  Milchsatten  bezeichnet,  von  denen  die  bekanntesten  die  holsteinischen  hölzernen  Milchsatten  sind. 
Einen  Einiluss  auf  den  Ausrahmungsgrad,  d.  h.  die  procentische  Menge  des  Fettes,  welche  von 
der  Milch  in  den  Rahm  tibergeht,  übt  die  Höhe  der  SchUttung,  wie  auch  das  Material  der 
Satten  aus.  Letztere  werden  auch  von  Blech,  Emaille,  Thon,  Glas  angefertigt.  Besonders  gut 
haben  sich  Satten  von  Weissblech  bewährt. 

Die  Temperatur  übt  bei  allen  Ausrahmverfahren  einen  bedeutenden  Einfluss  auf  den  Aus- 
rahmungsgrad, und  zwar  derart,  dass  derselbe  mit  der  Temperatur  zunimmt.  Aber  die  höhere 
Temperatur  übt  wieder  einen  nachtheiligen  Einfluss  durch  zu  frühe  Säurebildung  auf  <^ 
Qualität   des  Rahms    resp.    der   Butter,    so  dass  der  Producent  einer  wirklich  feinen  Butter  es 


•)  i)  Fleischmann,  das  Molkereiwesen  (Braunschweig  1875),  P^g«  20.  2)  Sohxlet,  Landw. 
Versuchsstat.  19,  pag.  118.  3)  RiCH.  Meyer,  Chemiker-Ztg.  Vni.  (1884)  No.  7,  pag.  104. 
4)  Chevreul,  Rech.  chim.  sur  les  corps  gras  d'origine  animale,  Paris  1823.  5)  Le&ch,  Ann.  49. 
pag.  212.  6)  Heintz,  Pogg.  Ann.  90,  pag.  137.  7)  Bromeis,  Ann.  42,  pag.  46.  8)  HEnrre, 
Ztschr.  f.  analyt.  Chem.  17,  pag.  160.  9)  Wein,  Maly's  Jahresber.  üb.  Thierchemie  VII,  pag.  41  • 
10)  Grünzweig,  Ann.  158,  pag.  117;  162,  pag.  215.  11)  Grimm,  Ann.  157,  pag.  264. 
12)  E.  Schulze  u.  Reinicke,  Ann.  142,  pag.  191.  13)  Hehner  u.  Angell,  Ztschr.  f.  analyt. 
Chemie  16  (1877),  pag.  145.  14)  Koettstorfer,  Ebendas.  18,  pag.  199,  431.  15)  Flktsch- 
mann  u.  Vieth,  Ebendas.  17,  pag.  287.  16)  Kretzschmar,  Ber.  10,  pag.  2091.  17)  Küleschoft. 
Ber.  II,  pag.  514.  18)  E.  Schmidt,  Biedermann's  Centralbl.  12  (1883),  pag.  553.  19)  E.  Rei- 
chert, Ztschr.  f.  analyt.  Chemie  18,  pag.  68.  20)  Meissl,  Dingler's  polyt.  Joum.  1879, 
Bd.  233,  pag.  229.  21)  Ambühl,  Ber.  14,  pag.  1123.  22)  Medicus  u.  Schkrer,  Ztschr.  för 
analyt.  Chemie  19,  pag.  159.  23)  V.  Storch,  Biedermann's  Centralbl.  7  (1878),  pag.  618. 
24)  Mylius,  Corr.-Bl.  Ver.  analyt.  Chemiker  1878,  pag.  34.  25)  Skalweit,  Ebendas.  1879, 
No.  5  u.  13.  26)  Hassal,  Ztschr.  f.  analyt.  Chem.  19,  pag.  iii.  27)  Arthur  Angbll,  Ebeo- 
das.  20,  pag.  466.  28)  E.  Schmidt.  Biedermann's  Centralbl.  12  (1883),  pag.  553.  29)  Adolf 
Mayer,  Ztschr.  f.  analyt.  Chemie  20,  pag.  376.  30)  Taylor,  Biedermann's  Centralbl.  11  (1882) 
pag-  345-  31)  KÖNIGS,  Corr.-Bl.  d.  Ver.  analyt.  Chemiker  1878,  No.  3  u.  4.  32)  üffhaosem* 
Fleischmann,  Molkereiwesen,  pag.  574.  33)  Ad.  Mayer,  Landw.  Versuchsstationen  29,  pag.  215. 
34)  Münier,  Ztschr.  f.  analyt.  Chemie  21,  pag.  394.     35)  Asb6th,  Ebendas.  22,  pag.  388. 


i 


Bntter.  373 

zumal  im  Sommer  häufig  vorzieht,  die  Milch  bei  niederen  Temperaturen,  wenn  auch  auf  Kosten 
der  Fettausbeute  aufrahmen  zu  lassen.  Uebrigeiis  kann  der  hierbei  stattfindende  Verlust  theilweise 
durch  eine  längere  Dauer  der  Aufrahmung  compensirt  werden,  welche  bei  guter  Kfihlung  ohne 
Gefahr  frühzeitiger  Säuerung  möglich  ist. 

Von  den  Aufrahmverfahren  mit  Abkühlung  der  Milch  hat  sich  besonders  das 
SwARTz'sche  Verfahren  gut  bewährt,  bei  welchem  die  Milch  in  hohen  Satten  von  Weissblech 
von  30—50  Liter  Inhalt  in  ein  geräumiges  KUhlbassin  gesetzt  und  hier  durch  möglichst 
kühles  Quellwasser  oder  durch  mit  Eis  gekühltes,  stagnirendes  Wasser  ca.  24  Stunden  auf  einer 
niedrigen  Temperatur  erhalten  wird.  Die  Milch  erhält  sich  dabei  länger  süss,  und  gestattet  das 
Verfahren  daher  ein  sicheres  Arbeiten  und  die  Erzielung  eines  gleichmässigen  Produktes  auch  im 
Sommer,  wo  dasselbe  bei  dem  alten  Aufrahmverfahren  so  leicht  durch  die  höhere  Temperatur 
der  Luft  des  Milchkellers  ungünstig  beeinflusst  wird.  Der  gewonnene  Rahm  ist  häufig  volu- 
minös und  besitzt  dann  einen  entsprechend  geringeren  Fettgehalt,  als  der  nach  dem  gewöhnlichen 
Verfahren  dargestellte.  Die  in  Folge  der  hohen  Schüttung  in  den  ca.  40—50  Centim.  tiefen 
SwARTz'schen  Gefassen  verlangsamte  Geschwindigkeit  der  Aufrahmung  wird  theilweise  compensirt 
durch  die  als  eine  Folge  der  äusseren  Abkühlung  in  der  Flüssigkeit  entstehenden  Strömungen, 
welche  den  Auftrieb  der  Fettkügelchen  beschleunigen. 

Eine  bedeutende  Concurrenz  bereiten  in  neuerer  Zeit  der  Aufrahmung  in  Satten  jene  Methoden, 
welche  auf  der  Anwendung  der  Centrifugalkraft  beruhen.  Lässt  man  Milch  in  einem  ganz  oder 
theUweise  verschlossenen  Cylinder  um  eine  verticale  Achse  mit  grosser  Umdrehungsgeschwindigkeit 
rotircn,  so  erfahren  die  Fettkügelchen  wegen  ihres  kleineren  specifischen  Gewichtes  eine  geringere 
Beschleunigung  durch  die  Centrifugalkraft,  als  ein  entsprechender  Raimitheil  des  Milchserums.  Die 
Folge  davon  ist  eine  Sonderung  der  Milch  in  eine  äussere  Serum-  und  eine  innere  Rahmschicht, 
welch'  letztere  bei  grosser  Umdrehungsgeschwindigkeit  eine  sehr  consistente  Beschaffenheit  an- 
nnmnt  Diese  beiden  Schichten  lagern  sich  als  der  Cylinderwand  parallele  Schichten  an,  während 
der  innerste  Raum  hohl  bleibt.  Ueber  die  Theorie  des  Vorgangs  vergl.  Fleischmann  L  c.  pag.  698. 
Beim  allmählichen  Ablaufen  nimmt  die  Flüssigkeit  langsam  die  frühere  Gestalt  wieder  an.  An 
der  Oberfläche  schwimmt  dann  der  Rahm,  von  welchem  die  Magermilch  nunmehr  geschieden 
werden  kann.  Auf  diesem  Princip  beruht  die  zuerst  in  den  Grossbetrieb  eingeführte,  von  Lefeld 
in  Schöningen  construirte  Milchcentrifuge.  Dieselbe  hat  seitdem  zahlreiche  Verbesserungen 
erfahren,  von  denen  sich  mehrere  dauernd  bewährt  haben.  Während  die  ältere  LEFELD'sche 
Centrifuge  ein  häufiges,  zeitraubendes  Ablaufenlassen  der  Maschine  erforderte,  ist  dieselbe  neuer- 
dings auch  auf  continuirlichen  Betrieb  eingerichtet  worden,  derart,  dass  man  in  die 
rotirenden  Cylinder  in  continuirlichem  Strome  Vollmilch  (ganze  Milch)  zufliessen,  und  ebenso 
stetig  den  gewonnenen  Rahm  ablaufen  lassen  kann,     (vergl.   W.  Kirchner  1.  c.  pag.  247). 

Das  Princip  des  continuirlichen  Betriebes  wurde  jedoch  zuerst  bei  einer  von  de  Lavale 
construirten  Centrifuge,  dem  Separator,  angewandt,  welche  durch  eine  besondere  Einfachheit 
bei  sehr  beschränkten  Dimensionen  ausgezeichnet  ist  (vergl.  W.  Kirchner  1.  c.  pag.  238).  Von 
weiteren  Centrifiigen,  welche  Eingang  in  die  Praxis  gefunden  haben,  erwähnen  wir  die  von 
Tksca  (Ebendas.  pag.  242)  und  den  dänischen  Patent- Separator  von  Nielsen  und  Petersen 
(Ebendas.  pag.  252).  Während  bei  allen  diesen  Apparaten  das  Entrahmungsgefäss  um  eine 
verticale  Achse  rotirt,  dreht  sich  dasselbe  bei  der  continuirlich  wirkenden  Centrifugal-Milch- 
schälmaschine  von  H.  Petersen  um  eine  horizontale  Achse.  Dieselbe  besitzt  mit  dem  er- 
wähnten dänischen  Patent-Separator  noch  die  Eigenheit,  dass  Rahm  und  Magermilch  durch 
passend  gestellte,  feststehende  aber  verstellbare  Röhren  abgeschält  werden  (Kirchner  1*  c.  pag.  249). 
Die  Anwendung  der  Centrifugen  hat  im  Vergleich  mit  dem  gewöhnlichen  Aufrahmver- 
&hren  den  Vorzug,  dass  der  Ausrahmungsgrad  ein  höherer  ist,  besonders  wenn  die  Milch  vor 
der  Entrahmung  etwas  (höchstens  20 — 25°)  erwärmt  wurde.  Da  der  Process  nur  kurze  Zeit 
dauert,  so  übt  eine  solche  Erwärmung  keinen  nachtheiligen  Einfluss  auf  die  Qualität  der  Butter, 
wenn  man  nur,  was  durchaus  nothwendig,  den  gewonnenen  Rahm  alsbald  abkühlt,  um  einer  zu 
raschen  Säurebildung  entgegenzuwirken. 

Der  zweite  Haupttheil  des  Meiereiprocesses  besteht  in  dem  Butteren.  Bei  diesem  Vorgang 
wird  der  Rahm  in  besondem  Apparaten,  den  Butterfässern,  längere  Zeit  gerührt  oder  ge- 
stossen,    wodurch   die  zuvor  noch  isolirten  Fettkügelchen  sich   zu  zusammenhängenden,  festen 


574  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Fettmassen  vereinigen.  Es  existiren  Butterfässer  von  sehr  verschiedener  Construction  flir  grösseren 
und  kleineren  Betrieb,  die  je  nach  der  Art  der  Einrichtung  in  die  Gruppe  der  Stossbutterßsser, 
Schlagbutterfässer  mit  verticaler  und  mit  horizontaler  Welle,'  Roll-  und  Wiegebutterfösscr  cinru- 
theilen  sind. 

Die  wahrscheinlichste  Erklärung  für  die  Wirkungsweise  der  Butterfässer  hat  Sohxlet  (2) 
gegeben.  Wie  die  mikroskopische  Beobachtung  lehrt,  bewahren  die  Fettkflgelchen  der  Milch  ihren 
flussigen  Zustand  noch  bei  Temperaturen,  bei  welchen  die  daraus  gewonnene  Butter  schon  feste 
Form  annehmen  wtirde.  Es  ist  dies  ein  Phänomen  der  Ueberschmelzung,  die  wahrscheinlich 
eine  Folge  ist  der  Oberflächenspannung,  herrtlhrend  von  der  in  der  Attractionssphäre  der 
Ktlgelchen  liegenden,  unendlich  dUnnen  Serumschicht,  welche  man  auch  als  die  Serumhdlle  des 
Müchkügelchens  bezeichnet.  Wie  eine  überschmolzene  Masse  allgemein  durch  heftige  Er- 
schütterung  zum  Erstarren  gebracht  werden  kann,  so  erreicht  man  auch  durch  das  Buttern  des 
Rahms  dasselbe  Ziel.  Die  festgewordenen  Fetttheilchen  vereinigen  sich  dann  in  Folge  ihiei 
Cohäsion  leicht  zu  grösseren  Fettmassen.  Durch  das  Buttern  wird  also  die  doppelte  Arbeit  ver- 
richtet, dass  die  Fetttröpfchen  zum  Erstarren  gebracht  und  die  festen  Theilchen  dann  zu  einer 
zusammenhängenden  Masse  vereinigt  werden.  Die  letztere  Vereinigung  vollzieht  sich  bei 
geeigneten  Temperaturen,  bei  welchen  die  Cohäsion  der  Theilchen  eine  hinreichende,  sehr  leicht 
Es  folgt  daraus  die  Nothwendigkeit  auch  beim  Buttern,  gewisse  Tcroperatui^enzen,  bei  welchen 
die  Cohäsion  der  Theilchen  eine  gentlgende  ist,  einzuhalten.  Unter  Berücksichtigung  der  dnrch 
das  Buttern  selbst  eintretenden  Erwärmung  wählt  man  zweckmässig  bei  Anwendung  von 
gesäuertem  Rahm  eine  Anfangstemperatur  von  15— 16"C,  bei  süssem  Rahm  eine  solche  von 
II — 12^  C.  Je  nach  der  Masse  des  Rahms  und  den  äusseren  Temperaturbedingungen  kann  es 
nothwendig  werden,  während  des  Butterns  die  Temperatur  zu  reguliren,  was  am  zweckmässigsten 
durch  den  Einsatz  von  Blechbüchsen  geschieht,  die  mit  kaltem  resp.  warmem  Wasser  gefülh 
sind,  niemals  durch  direkten  Wasserzusatz  bewirkt  werden  darf.  Ein  Beweis  für  die  Richtigkeit 
der  SoHXLET'schen  Annahme,  dass  die  Milchkügelchen  beim  Buttern  erst  nach  vorhergehender 
Erstarrung  zu  festen  Massen  vereinigt  werden,  ist  darin  zu  erkennen,  dass  die  Vereinigung  in 
der  That  sehr  leicht  erfolgte,  wenn  man  die  Milchkügelchen  durch  starkes  Abkühlen  in  K9lt^ 
mischung  erstarren  und  die  Milch  daim  wieder  die  frühere  Temperatur  annehmen  Hess.  Die  so 
behandelte  Milch  butterte  uiigleich  rascher  aus,  als  eine  Controlprobe,  welche  diesen  Temperatur- 
Wechsel  nicht  durchgemacht  hatte  (2).  Im  Allgemeinen  buttert  man  den  Rahm,  nachdem  er 
schwach  sauer  geworden.  Zu  diesem  Zweck  lässt  man  den  vollkommen  süss  gewonnenen  Rahm 
in  der  Rahmtonne  an  einem  ca.  12 — 15®  C  warmen  Orte  so  lange  stehen  (12 — 24  Stunden), 
bis  derselbe  die  äusseren  Merkmale  des  richtigen  Grades  der  Säuerung  (Dickwerden)  zeigt,  dessen 
Erkennung  einige  Erfahrung  erfordert. 

Seltener  wird  Butter  aus  süssem  Rahm  gewonnen  (Dänemark,  Normandie),  da  die 
Hauptgeschmacksrichtung  des  Publikums  die  aus  saurem  Rahm  gewonnene  Butter  vorzieht  und 
die  Butterausbeute  aus  süssem  Rahm  um  3— 4f  niedriger  ist  Dagegen  wird  eine  sorgfältig 
.  bereitete  Butter  aus  süssem  Rahm  an  gewissen  Handelsplätzen  höher  bezahlt,  da  dieselbe  zur 
Herstellung  der  präservirten  Butter  dient.  An  dieses  Produkt,  welches  in  Dosen  verpackt, 
vornehmlich  zur  Versorgung  der  Schiffe  auf  grosse  Fahrt  und  nach  südlichen  Zonen  bestimmt 
ist,  werden  die  höchsten  Anforderungen  hinsichtlich  der  Haltbarkeit  gestellt  Dass  diesen 
Anforderungen  bisher  besonders  durch  eine  aus  süssem  Rahm  bereitete  Butter  genügt  wurde, 
ist  wohl  namentlich  der  besonderen  Accuratesse  zu  verdanken,  mit  welcher  die  Milchwirthe  bei 
der  Gewinnung  einer  solchen  Butter  verfahren  müssen,  durch  welche  die  von  einer  unvorsichtig 
geleiteten  Rahmsäuerung  herrührenden  Fehler  sicher  vermieden  werden.  Dass  aber  bei 
sorgfältiger  Arbeit  auch  aus  schwach  gesäuertem  Rahm  eine  sehr  haltbare,  zu  gleichen 
Zwecken  verwendbare  Butter  gewonnen  werden  kann,  ist  nach  neueren  Erfahrungen  nicht  in 
Abrede  zu  stellen.  Die  grössere  Leichtigkeit,  mit  welcher  das  Fett  aus  dem  gesäuerten  Rahm 
ausbuttert,  beruht  wahrscheinlich  auf  einer  Veränderung  in  dem  Serum  des  Rahms.  Die  er- 
wähnten Serumhüllen  der  Milchkügelchen  setzen  der  Vereinigung  beim  Buttern  einen  gewissen 
Widerstand  entgegen,  welcher  dem  Anschein  nach  sich  verringert,  je  mehr  sich  das  im  Senun 
vorkommende  gequollene  Caseto  durch  Säurebildung  jenem  Zustande  nähert,  welcher  der  Ge- 
rinnung vorhergeht,  oder  bei  welchem  diese  in  ihr  erstes  Stadium  tritt 


Butter.  375 

I 

Der  Theorie  nach  muss  es  möglich  sein,  statt  Rahm  unmittelbar  die  Milch  im  frischen 
und  im  gesäuerten  Zustand  zu  verbuttern.  In  der  That  kann,  wenn  auch  mit  grossem  Verlast, 
aus  süsser  Milch  durch  schnelle  Umdrehung  unter  Kühlung  Butter  gewonnen  werden.  Von 
einiger  praktischen  Bedeutung  wurde  jedoch  nur  das  Buttern  von  saurer  Milch  (Milchbuttern). 
Unter  gewissen  wirthschaftlichen  Verhältnissen  kann  dasselbe,  da  der  ganze  Aufrahmprocess  um- 
gangen wird,  Vortheile  darbieten.  Dies  Verfahren  wird  daher  nicht  selten,  besonders  in  kleineren 
Wirthschaften  ausgetibt.  Es  kommt  dabei  besonders  auf  den  richtigen  Grad  der  Säuerung  und 
auf  eine  gewisse  Temperatur  (17 — 18^)  beim  Buttern  an.  Zum  Milchbuttem  lässt  sich  jedes  gute 
Btttterfass  anwenden;  doch  ist  etwas  längere  Zeit  als  beim  Rahmbuttern  und  schon  desshalb 
mehr  Arbeit  erforderlich,  weil  ein  viel  grösseres  FlUssigkeitsvolumen  verbuttert  werden  muss. 
Der  Ausrahmungsgrad  ist  von  dem  des  Rahmbuttems  nur  wenig  verschieden.  Einer  Verallge- 
meinerung des  Milchbuttems  steht  namentlich  im  Wege,  dass  dabei  nicht  die  fUr  die  vollständige 
Verwerthang  der  Milch  (Käsebereitung)  so  wichtige  süsse  Magermilch,  sondern  nur  Buttermilch 
als  Nebenprodukt  gewonnen  wird. 

Die  aus  dem  Butterfass  hervorgehende  Butter  wird  durch  Bearbeitung  von  eingeschlossener 
Buttermilch  möglichst  befreit.  Diese  Arbeit  wird  sehr  erleichtert  durch  die  vorzüglich  bewährte 
amerikanische  Butterknetmaschine.  Die  Entüemung  der  Buttermilch  ist  erforderlich  für 
die  Haltbarkeit  der  Butter,  da  die  Zersetzung,  welche  eine  ungenügend  gereinigte  Butter  bald, 
eine  gute  Butter  erst  nach  längerer  2^it  erfährt,  wahrscheinlich  angeregt  wird  durch  Veränderungen 
in  dem  eingeschlossenen  Rahmserum,  Umwandlung  des  Milchzuckers  in  Milchsäure  etc.  Durch 
das  Salzen  der  Butter,  welches  in  Nord-Deutschland  allgemein  und  überall  da  üblich,  wo  man 
eine  für  den  Weltmarkt  bestimmte  Dauerbutter  feiner  Qualität  herstellen  will,  wird  eine 
grössere  Haltbarkeit  schon  dadurch  erreicht,  dass  das  eingeknetete  Salz,  wenn  es  einige  Zeit  ein- 
wirkt, die  Buttermilch  gewissermaassen  anzieht,  in  Tröpfchen  ansammelt,  so  dass  bei  dem 
zweiten  Durchkneten  die  Entfernung  derselben  eine  vollständigere  wird.  Ausserdem  darf  man 
annehmen,  dass  die  Gegenwart  einer  gewissen  Salzmenge  direkt  die  eintretenden  2^rsetzungen 
verlangsamt.  Man  verwendet  zum  Salzen  ein  reineres  (z.  B.  LUneburger)  Salz,  welches  aus  den 
bekannten  treppenfbrmigen  Krystallen  besteht,  einen  bestimmten  Grad  der  Körnung  besitzt  und 
neben  dem  Chlomatrium  ca.  0*4  Chlormagnesium  und  0*16  Natriumsulfat  enthält.  Die  zuge- 
setzte Menge  wechselt  je  nach  der  Geschmacksrichtung  der  Consumenten  von  2— 6f.  Dauerbutter 
erhält  etwas  mehr  Salz  (höchstens  6  f )  als  solche,  welche  einen  raschen  Consum  erfährt  (höchstens 
4().  Eine  massige,  zweckentsprechende  Verwendung  des  Salzes  bildet  ein  wichtiges  Moment 
bei  der  Erzielung  der  feineren  Qualitäten  der  Buttersorten  des  Handels. 

Wenn  die  Entfernung  der  Buttermilch  als  gleich  wichtig  fUr  die  Haltbarkeit  wie  für  den 
guten  Geschmack  der  Butter  bezeichnet  werden  darf,  so  wird  andererseits  das  charakteristische 
feine  Aroma  der  Butter  durch  einen  kleinen  Rest  von  Buttermilch,  resp.  der  löslichen  Extrakt- 
stoflfe  des  Milchserums,  wie  Milchzucker,  Milchsäure,  Spuren  flüchtiger  Fettsäuren  hervorgebracht, 
so  dass  eine  absolute  Entfernung  der  Buttermilch  ebensowohl  zu  vermeiden  ist,  als  ein  imge- 
nllgendes  Auskneten  'derselben.  Aus  diesem  Grunde  ist  auch  das  Waschen  der  Butter  während 
des  Knetens  nicht  zu  empfehlen,  da  hierdurch  das  feinere  Aroma  beeinträchtigt  wird. 

Die  Farbe  der  Butter  ist  eine  wechselnde  nach  der  Jahreszeit  und  der  Fütterung  der 
Kflhe.  Eine  bei  Stallftitterung,  besonders  bei  reichlichen  Strohgaben  erzeugte  Butter  ist  fast 
weiss,  während  beim  Weidegang  der  Kühe  eine  gelbe  Butter  gewonnen  wird.  Da  Seitens  der 
Consumenten,  besonders  in  manchen  Ländern  (Grossbritannien,  Spanien)  viel  Gewicht  auf  gute 
Farbe  gelegt  wird,  und  es  im  Interesse  des  Producenten  nur  liegen  kann,  eine  gleichmässige 
Waare  zu  liefern,  so  ist  das  Färben  der  zu  hellen  Butter  allgemein  üblich  geworden.  Als 
Farbstoffe  dienen  hierzu  namentlich  der  Orleans-  oder  Anatto-Farbstoff  (Bixin),  welcher  aus  dem 
Fleisch  der  Frucht  von  Bixa  oteüana  gewonnen  wird.  Die  fabrikmässig  dargestellte  Butterfarbe 
ist  eine  Lösung  dieses  Farbstoffes  in  Lein-  oder  Hanföl.  Andere  Farbstoffe  wie  Safiran, 
Möhrensaft  sind  weniger  zu  empfehlen,  theils  weil  sie  den  Geschmack  beeinflussen,  theils  weil 
sie  nicht  in  geeigneter  Form  im  Grossen  nach  dem  Bedürfhiss  der  Meiereien  dargestellt  werden. 
Das  Färben  geschieht,  indem  man  eine  abgemessene  Menge  der  Farbe  (auf  100  Kgrm.  Milch 
oder  dem  daraus  gewonnenen  Rahm  ca.  5  Grm.  Butterfarbe)  zu  dem  Rahm  setzt.  Beim  Buttern 
veitheflt  sich  die  Farbe  dann   sehr  gleichmässig,   während  nur  wenig  Farbstoff  von  der  Butter- 


376  '  Handwörterbuch  der  Chemie. 

milch  zurückgehalten  wird.  Eine  lebhaft  haferstrohgelbe  Farbe  genügt  den  gewöhnlichen  An- 
forderungen. Ein  nachträgliches  Färben  der  Butter  ist  zu  vermeiden,  da  dieselbe  hierbei 
»flammig«  oder  »streifig«  wird. 

Die  Zusammensetzung  der  Butter  schwankt  je  nach  der  Bereitungsart  und 
Qualität.  Für  die  einzelnen  Bestandtheile  giebt  Kirchner  (L  c,  pag.  366)  folgende 
Grenzwerthe  an:  Wasser  =  610— 13-46  J;  Fett  =  83*32— 90-18 J;  Käsestofif,  Milch- 
zucker etc.  =  0-90— 1-83^;  Salz  (Asche)  =  1-04— 3-60^^.  Für  gut  ausgearbeitete 
Butter  darf  man  mindestens  80J  und  höchstens  88^  Fett  erwarten. 

Die  mittlere  procentische  Zusammensetzung  ist  etwa  die  folgende: 


Gesalzene  Butter 

Ungesalzene  Butter 

Wasser.     .     .     .    1100 

14-00 

Fett 8500 

84-00 

Proteinstoffe  .     .      0-60 

0-65 

Milchzucker  etc.     0-60 

1-25 

Asche,  Salz  .     .      2-80 

0-10 

10000  100-00 

Das  specifische  Gewicht  fand  Fleischmann  (1.  c.  pag.  602)  bei  15°  C  für 
ungesalzene  Butter  =  0-9437,  ftir  gesalzene  Butter  =  0-9515.  Asböth  (35)  beob- 
achtete für  eine  Butter  innerhalb  der  Temperaturen  15—30°  die  spec.  Gewichte 
resp.  0*91109 — 0*87055.  Als  Schmelzpunkt  einer  frischen,  ungesalzenen  Butter 
wurde  von  Fleischmann  33°,  als  Erstarrungspunkt  22°  gefunden.  Rick.  Meyer  (3) 
beobachtete  unter  Anwendung  eines  Capillarröhrchens  den  Schmp.  34°.  Den 
Gehalt  an  Milchsäure  giebt  Storch  (23)  an  für  Butter  aus  süssem  Rahm  =0*02J, 
für  Butter  aus  saurem  Rahm  =  0*10J. 

Im  Handel  existiren  eine  Reihe  verschiedener  Buttersorten,  die  zunächst  in  die  Hauptgiuppcn 
der  ungesalzenen  und  gesalzenen  Butter  eingetheilt  werden.  Die  erstere  von  mildem, 
lieblichem  Geschmack  wird  namentlich  in  Süd-Deutschland,  einem  Theil  von  Mittel-Deutschland, 
in  Oesterreich,  dem  grössten  Theil  von  Frankreich  und  in  manchen  Gegenden  von  Finnland, 
Kussland,  Belgien,  Italien  consumirt,  zeigt  jedoch  im  Allgemeinen  geringe  Haltbarkeit.  Die  ge- 
salzene Butter  vereinigt  bei  sorgfältiger  Herstellung  pikanten  Geschmack  und  feines  Aroma  imt 
grosser  Haltbarkeit.  Auf  Ausstellungen  werden  gewöhnlich  folgende  beiden  Haupt-Abtheilnngcs 
unterschieden: 

1.  Frische  Butter,  d.  h.  ungesalzene  oder  schwach  gesalzene  Butter,  deren  feinste  Sorten 
als  Thee-,  Tisch-,  Tafelbutter  bezeichnet  werden,  welche  für  den  Consum  in  der  nächsten 
Umgebung  des  Produktionsortes  bestimmt  sind. 

2.  Dauerbutter,  ftlr  weitere  Versendung,  welche  sich  mehrere  Monate  hindurch, 
mindestens  aber  doch  4  Wochen  halten  muss.  Es  wird  dazu  nur  gesalzene  Butter  verwendet 
Nach  der  Jahreszeit,  in  welcher  die  Butter  bereitet  wurde,  werden  auf  dem  Hamburger  Maxirt 
folgende  Buttersorten  unterschieden:  Altmilchsbutter,  Frischmilchsbutter  (Winter-,  Stallbutter), 
Maibutter,  Vorsommerbutter,  Nachsommer-  und  Stoppelbutter.  Die  4  letztgenannten  Sorten 
tragen  auch  den  gemeinsamen  Namen  Gras-  oder  Sommerbutter  (Fleischmann,  1.  c.  pag.  623,  641)- 

Die  Natur  des  Butter-  resp.  Milchfettes  wurde  zuerst  eingehender  von 
Chevreul  (4)  untersucht.  Von  ihm  wurden  als  Bestandtheile  nachgewiesen  die 
Glyceride  der  Buttersäure,  Capronsäure,  Caprinsäure,  Oelsäure.  Femer  erhielt 
er  ein  Gemenge  fester  Fettsäuren,  über  deren  wahre  Natur  erst  die  Untersuch- 
ungen von  Heintz  (s.  u.)  Aufschluss  gaben.  Lerch  (5)  lehrte  noch  das  Vor- 
kommen der  Caprylsäure  in  Form  ihres  Glycerides.  Heintz  (6)  wies  im  Gegen- 
satz zu  Bromeis  (7)  mit  Bestimmtheit  nach,  dass  die  in  der  Butter  enthaltene 
Oelsäure  von  der  gewöhnlichen  Oelsäure  nicht  verschieden  sei.  Die  bei  der 
Verseifung    gewonnenen    festen  Fettsäuren   wurden  von  ihm  nach  der  Nffethodc 


Butter.  377 

der  fractionirten  Fällung  isolirt,    wobei  dieselben  im  Wesentlichen  als  ein  Ge- 
menge von  viel  Palmitinsäure  mit  wenig  Stearinsäure  erkannt  wurden.    Ausserdem 
wurde    eine   kleine  Menge   von   Arachinsäure   (n.    Heintz  Butinsäure)    und   von 
Myristinsäure  erhalten.    In  einer  späteren  Untersuchung  wurde  Heintz  (8)  durch 
Beobachtungen  über  die  Löslichkeit  der  aus  der  Butter  abgeschiedenen  fetten 
Säuren  dahin  geführt,  auch  die  Gegenwart  der  Laurinsäure  in  denselben  voraus- 
zusetzen.   Dies  als  richtig  angenommen,  würde  das  Butterfett  die  Glyceride  der 
ganzen  Reihe  fetter  Säuren  mit  einer  paaren  Anzahl  von  C-atomen,   von  C4  bis 
CjQ   enthalten,   während   die  Säuren    mit   unpaaren   Kohlen stoffatomen    fehlten. 
Diese  wurden  auch  manchmal,  wie  z.  B.  die  Oenanthylsäure  von  Lerch  (5)  ver- 
geblich  gesucht.     Die  Angaben  von  Heintz  wurden  im  Wesentlichen  bestätigt 
und  vervollständigt  von  Wein  (9),  der  ausser  Palmitin-,    Stearin-  und  Oelsäure 
ebenfalls   geringe  Mengen  von  Arachinsäure  und  Myristinsäure    aus  der  Butter 
isolirte.    Die  Buttersäure  des  Milchfetts  war,  wie  schon  Grünzweig  (ig)  nachge- 
wiesen hatte,  die  normale.    Auch  die  Capronsäure  hat  nach  den  Untersuchungen 
von  Wein  (9)  wahrscheinlich  die  normale  Constitution.    Die  Caprylsäure  stimmte 
in  ihrem  Siedepunkte  annährend  mit  jener,  welche  durch  Oxydation  des  Octyl- 
alkohols  erhalten  wurde,    und  besitzt  daher  wie  diese  wahrscheinlich  ebenfalls 
die  normale  Constitution.     Die  aus  der  Butter  dargestellte  Caprinsäure  stimmte 
in  ihrem  Siedpunkte  mit  jener,  welche  Grimm  (ii)  aus  dem  ungarischen  Wein- 
fuselöl erhielt,  nicht  aber   mit  der  von  Borodin  aus  Valeraldehyd  dargestellten 
Isocapronsäure.    Wein  gelang  es  nicht,  die  Gegenwart  von  Propionsäure,  Valerian- 
säure,    Oenanthylsäure,   Pelargonsäure  nachzuweisen.     Dagegen  wurden  Spuren 
von  Ameisensäure  und  Essigsäure  beobachtet. 

Das  Butterfett  ist  von  andern  Fettarten  wesentlich  unterschieden  durch  das 
Auftreten  der  Glyceride  einer  Reihe  kohlenstoffarmerer  flüchtiger  Fettsäuren. 
Hierdurch  ist  es  auch  bedingt,  dass  die  Elementarzusammensetzung  einen  ge- 
ringeren Kohlenstoff-  und  etwas  höheren  Sauerstoffgehalt  aufweist,  als  bei  den 
meisten  anderen  thierischen  Fetten,  Talg,  Schweinefett  etc.,  welche  flüchtige  Fett- 
säuren nur  in  geringer  Menge  enthalten.  Durch  folgende,  den  Analysen  von 
E.  ScHULTZE  und  Reinecke  (12)  entnommene  Daten  möge  dies  veranschaulicht 
werden. 


C 

H 

0 

Butterfett 

75-63 

11-87 

12-50^ 

Ochsenfett 

76-50 

11-91 

11-59* 

Schweinefett 

76-54 

11-94 

11-52*. 

Das  für  die  Butter  charakteristische  Auflxeten  der  flüchtigen  Fettsäuren  bildet 
femer  eine  Handhabe  zur  Entdeckung  einer  Verfälschung  der  Butter  mit  Talg 
oder  andern  thierischen  und  pflanzlichen  Fetten,  sowie  zur  Unterscheidung  von 
natürlicher  und  künstlicher  Butter  (s.  u.)  Es  sind  besonders  zwei  Methoden, 
welche  zu  dieser  Prüfung  geeignet  sind,  jene  von  Hehner  (und  Angell)  und  die 
von  Reichert,  über  welche  wir  unten  einige  Angaben  machen-  Beide  Methoden 
zielen  dahin,  den  Antheil  der  niederen  Glieder  der  homologen  Reihe  der  Fett- 
säuren, welche  durch  Flüchtigkeit  und  grössere  Löslichkeit  in  Wasser  von  den 
höheren  Gliedern  der  Reihe  unterschieden  sind,  summarisch  quantitativ  zu  be- 
stimmen. Während  Hehner  die  Löslichkeit  in  Wasser  benützt,  basirt  die 
REiCHERT'sche  Methode  auf  der  Bestimmung  des  flüchtigen  Antheils  der  Fettsäuren. 

Bei  der  von  Hehner  und  Angell  (13)  eingeführten  Methode  wird  zunächst  das  Butterfett  im 
Wasserbad    rein  ausgoschmolzen,    und  nachdem  suspendirte  Theilchen   sich  zu  Boden  gesenkt, 


^ 


JTS  Handwörterbuch  der  Chemie. 

dureh  ein  trocknes  Filter  im  Heisswassertrichter  filtrirt.  Die  numerischen  Resultate  werden 
fitds  auf  das  reine  Butterfett  bezogen.  Von  letzterem  werden  3 — 4  Grm.  abgewogen  und  in 
timt^T  Äbdampfschale  durch  Erwärmen  mit  50  Cc.  Alkohol  und  1 — 2  Grm.  festen  Kalis  auf  dem 
W^i.sscrhade  verseift.  Die  Verseifung  erfordert  mindestens  5  Minuten  (13),  sicherer  ist  es,  die 
Eitjwffkung  15  Minuten  (14)  dauern  zu  lassen.  Dieselbe  ist  als  gelungen  zu  betrachten,  wenn 
c^ln  kleiner  Wasserzusatz  keine  oder  doch  nur  eine  solche  Trübung  hervorbringt,  welche  beim 
fortgeactiten  Erwärmen  wieder  verschwindet.  Die  auf  dem  Wasserbade  bis  zur  Synipsconsisteni 
eingedickte  Seifenlösung  wird  in  100 — 150  Cc.  Wasser  aufgenommen,  die  Fettsäuren  dorch 
TCfdiinnte  Salz-  oder  Schwefelsäure  abgeschieden  und  noch  eine  halbe  Stunde  erwärmt,  bis  die 
unlöslichen  Fettsäuren  als  Gel  an  der  Oberfläche  schwimmen  und  die  Flüssigkeit  sich  geklärt 
hvU  Die  letztere  wird  dann  durch  ein  vorher  bei  100®  getrocknetes  und  gewogenes,  ange- 
feuchtetes Filter  von  sehr  dichtem  Filtrirpapier  filtrirt  und  solange  mit  heissem  Wasser  aus- 
gewaschen, bis  das  Abtropfende  nicht  mehr  sauer  reagirt.  Das  Filter  wird  in  demselben  Becher- 
glas, JTi  wulchem  es  leer  getrocknet  wurde,  wieder  getrocknet  und  gewogen.  In  der  Regel  genOgt 
nach  gutem  Auswaschen  zweistündiges  Trocknen  bei  100^  zur  Herstellung  eines  constanten  Gewichts. 
J^lEHKER  tind  Angell  geben  an,  dass  nach  den  in  England  gemachten  Beobachtungen  die  Ge- 
halte de^  Butterfettes  an  unlöslicher  Fettsäure  von  86*5 — 87*5}  schwanken,  so  dass  man  als  obere 
Grenie  88 1{  annehmen  könne.  Dagegen  beobachtete  Fleischmann  und  Vieth  (15)  die  Grcm- 
werthe  85  79— 89-73,  Kretzschmar  (16)  88-8— 89*6,  Kuleschoff  (17)  87-92— 89*72.  Denmadi 
kann  ein  Gehalt  von  90  J  unlöslicher  Fettsäure  als  obere  Grenze  für  Butterfett  aDgenommeo 
werden  (15,  j6,  18),  so  dass  auf  eine  Verfälschung  mit  firemden  Fettarten  geschlossen  werden 
darf^  w^nn  ^in  höherer  Gehalt  als  90%  an  unlöslichen  Fettsäuren  bei  der  Analyse  gefunden 
wurde.     Zur  annähernden  Berechnung  des  Procentgehaltes  x  einer  unächten   Butter   an  fremdem 

Fett  kann  die  Formel  dienen  x  = ^ -^  wo  m  den  gefundenen  Procentgehalt  der  Butter  an 

n  —  a 

unlöslichen  Fettsäuren,  a  den  der  Berechnung  zu  Grund  zu  legenden  Maximalgehalt  des  ächten 
Butterfette s  an  unlöslicher  Fettsäure,  und  n  den  Durchschnittsgehalt  derjenigen  Talgsorten  und  Fett- 
itrten  an  unlöslicher  Fettsäure  bedeutet,  welche  als  Zusätze  Anwendung  finden.  In  Bezug  auf  letztere 
liegen  eine  Anzahl  Bestimmungen  vor,  von  welchen  wir  hier  einige  mittheilen:  Gehalt  an  unlös- 
lichen Fettsäuren  im  Rindstalg  (Nieren)  95*7  (15),  Hammeltalg  95'8  (15),  Schweinefett  95*7  (15), 
05-5— yj'S  (16),  Olivenöl  96*18  (*5)»  Amerikanisches  Oleomargarin  (s.  u.  Kunstbutter)  95-5JKi5). 
Bei  dersi^lben  Bestimmung  ergab  femer  das  Milchfett  der  Stute  93  f,  der  Ziege  88*3],  des 
Schafe*  %V%%  (15). 

Bei  der  Methode  von  E.  Reichert  (19)  werden  die  durch  Verseifung  gebildeten,  flüchtigen 
Fettsäuren  ibdestillirt  und  durch  Titriren  alkalimetrisch  bestimmt. 

'i'5  Gnn.  wasserfreies  über  Baumwolle  filtrirtes  Fett  werden  in  einem  ERLENMEYER'schen 
Kolbchen  von  150  Cc.  Inhalt  mit  20  Cc.  SOproc.  Weingeist  und  l  Grm.  festem  KaBhydiat 
ver^tct  und  im  Wasserbad  behandelt,  bis  die  Masse  schmierig  wird  und  nicht  mehr  schäumt, 
dann  in  50  Cc.  Wasser  gelöst  und  die  Fettsäuren  durch  Zusatz  von  20  Cc  verdünnter 
Schwefelsäure  (1: 10)  frei  gemacht.  Man  destillirt  dann  die  flüchtigen  Säuren  ab,  wobei  Reichert, 
um  das  Stossen  zu  verhindern,  einen  langsamen  Luftstrom  durch  die  Flüssigkeit  leitet.  Meissl(20) 
And  et  CS  zweckmässig,  das  Kölbchen  mit  einigen  Hanf  korn  grossen  Bimsteinstückchen  zu  be- 
schicken, wodurch  ein  ruhiges  Sieden  bewirkt  wird.  Als  Aufsatz  verwende  man  eine  einfich 
gekrümmte,  aber  weite  (3)  Destillirröhre.  Ist  es  auch  schwierig,  durch  DestiUiren  die  gesaminte 
Menge  fluchtiger  Fettsäure  zu  gewinnen  (20),  so  lassen  sich  doch  durch  Innehalten  gleicher 
Verhältnisse,  indem  man  stets  dieselbe  Menge  von  Destillat  (50  Cc.  nach  Reichert)  gewinnt, 
Uhcrcinstirnmende  resp.  unter  einander  vergleichbare  Resultate  erzielen.  Das  Titriren  des  ganzen 
oder  cinc^  ediquoten  Theils  des  filtrirten  Destillats  geschieht  mit  -^  Normalalkali  und  Lakmns, 
und  ist  dann  als  beendigt  anzusehen,  wenn  die  blaue  Farbe  auch  nach  längerm  Schütteln  unver- 
ändert bleibt.  Bei  reiner  Butter  schwankte  der  Verbrauch  an  -f^  Normalalkali  bei  13  Ver- 
michen  (19)  von  13-0— 1495  Cc.  für  2-5  Grm.  Butterfett.  Der  Mittelwerth  betrug  14*00  mit 
einer  w:ihr!^cheinlichen  Abweichung  von  db  0*45.  AmbiIhl  (21)  erhielt  bei  ächter  Butter  einen 
Mittelwerth  von  14*67  Cc.  und  Schwankungen  von  14*20—15*55  -fts  Normalkali.  Meissl  (20) 
brauchte   bei  Anwendung  von  5   Grm.   Substanz  bei  17   imzweifelhaft  echten   Buttersoxten  37H) 


Butter.  379 

bis  31-5  Cc.,  im  Mittel  28-76  Cc.  ^^  Normalalkali.  Munier  (34)  verwendet  zur  Ersetzung  der 
Seife  Phosphorsäurc  und  giebt  an,  dass  der  Gehalt  der  Butter  an  flüchtigen  Fettsäuren  mit  der 
Jahreszeit  schwanke.  Auf  Grund  seiner  Untersuchungen  schlägt  er  für  die  Monate  October  — 
Februar  die  (Minimal-)  Grenzzahl  10*0  Cc,  März,  April,  12-1,  Mai— Juli  12*4,  August, 
September  11-0  Cc.  ^  Normalalkali  vor,  welche  Zahlen  also  erheblich  niedriger  liegen,  als  die 
der  obigen  Beobachter.  Liegt  der  Gehalt  an  flüchtigen  Fettsäuren  unterhalb  einer  gewissen, 
aus  vervielf^tigten  Versuchen  abzuleitenden  Minimalgrenze,  so  ist  die  Butter  als  mit  fremdem 
Fett  vermengt  anzusehen,  da  alle  Fette,  welche  bei  der  Bereitung  von  Kunstbutter  oder  zur 
Fälschung  verwendet  werden,  einen  sehr  geringen  Gehalt  an  flüchtigen  Fettsäuren  aufweisen,  wie 
aus  folgenden  Bestimmungen  hervorgeht.  Der  besagte  Gehalt  betrug  bei  Nierenfett  0*25  (19) 
(Cc.  ^  Normalalkali  für  2*5  Gr.  Fett),  Rindsfett  0-25  (21),  Schweinefett  0*30  (19),  0*2  (21,  22), 
Rüböl  0-25  (19),  0-3  (22),  0-15  (21),  entschwefeltes  Rapsöl  0*4,  Sesamöl  0-35,  Olivenöl  0*3, 
Pahnöl  0-5  (22),  Cocosnussfett  3*70  (19).  Zur  Berechnung  des  Gehalts  an  reinem  Butterfett 
auf  Grund  der  Bestimmung  der  flüchtigen  Fettsäuren  wurde  von  Reichert  (19)  eine  Formel 
au%estellt,  deren  Constanten  noch  einer  Correction  auf  Grund  neuer  Beobachtungsreihen  be- 
dürfen. Auf  die  Nothwendigkeit  sorgfältiger  Durchmischung  des  Butterfettes  auch  während  des 
Erstairens  vor  Entnahme  einer  Durchschnittsprobe  zur  Analyse  haben  Medicus  und  Scherer 
(22)  aufmerksam  gemacht. 

Weitere,    wenn    auch    weniger  sichere   Mittel  zur   Unterscheidung  echter  Butter  bilden  die 
mikroskopische  Prüfung  und  die  Bestimmung  des  spec.  Gew.    Unter  dem  Mikroskop  besteht  die 
echte   Butter  aus  zusamtaenhängenden  Massen,   in   welchen   sich   schwache  Kreise  und  grössere 
oder  kleinere  Tröpfchen   wässriger  Flüssigkeit  erkennen  lassen.     In  der   aus  saurem  Rahm  be- 
reiteten Butter  soll  in  den  eingeschlossenen  Tröpfchen  ein  Caseingerinnsel  wahrzunehmen  sein  (23). 
Krystalle   zeigen   sich  im  Allgemeinen  nicht.     Feder-  und  nadelartige  Krystalle  sind  dagegen  in 
der   Kunstbutter  und  in  solcher  wahrzunehmen,  welche  durch  Talg  oder  andere  thierische  Fette 
verfälscht  ist.     Dieselben  lassen  sich  unter  dem  Mikroskop  besonders  mit  Hilfe  der  Polarisations- 
apparate beobachten  (24)  und  bilden  daher  ein  Mittel  zur  Unterscheidung  unechter  oder  verfälschter 
Butter  (24,  25,  30).    Diese  Prüfungsmethode  ist  jedoch  nicht  ganz  sicher,  da  auch  in  echter  Butter  zu- 
weilen Krystalle  beobachtet  wurden,  wie  von  Hassal  (26)  in  einer  älteren  Butter,  von  Angeix  (27)  in 
reiner  Butter  aus  angebrühtem  Rahm,  von  £.  Schmidt  (28)  ebenfalls  in  reiner  Butter.     Da  das 
Batterfett    ein  von  andern  Fetten  dlfferirendes  und  zwar  höheres  spec.  Gew.  hat,  so  lässt  sich 
auch   die  Ermittlung  des  letzteren  als  ein  Hilfsmittel  bei  der  Butterprüfung  verwerthen.     Da  es 
sich  jedoch  dabei  um  die  Ermittlung  sehr  geringer  Differenzen  handelt,  so  erfordert  diese  Prüfung, 
welche    mit   dem  auf  100®  erwärmten  geschmolzenen  Butterfett  vorgenommen  wird,  sorgfaltiges 
Arbeiten   und  genaue  Ablesung  der  Aräometer,   fllr  welche  Ad.  Mayer  eine  Verbesserung  mit- 
theilte    (29).     Königs    (31)    beobachtete    ftlr    reines,    bei    100**   geschmolzenes    Butterfett    ein 
spec.   Gew.    von   0-865— 0'868;    dagegen    bei   Rinds-  und  Hammelfett  OSGO;   Schmalz  0'861, 
Pferdefett  0'86I,   Kunstbutter  0*859.     Zu  ähnlichen  Resultaten  gelangte  Ambühl  (21).     Bei  der 
Untersuchung  darf  man  nie  unterlassen,  auch  den  Wassergehalt  der  Butter  festzustellen,  wobei  zu 
beachten,  dass  ein  abnorm  hoher  Wassergehalt  nicht-  immer  als  absichtliche  Fälschung  zu  deuten 
ist,    da    er    ebensowohl    die  Folge    einer  fehlerhaften  Bearbeitung  der  Butter  sein  kann.     Die 
Wasserbestinmiung  ist  um  so  nothwendiger,  als  eine  mit  Wasser  stark  imprägnirte  Butter  äusserlich 
TOD  der  gewöhnlichen  Butter  nur  wenig  unterschieden  ist  (32).    Die  zuweilen  vorkommende  Ver- 
ilüscfaung  mit  gekochten  Kartoffeln,  Stärkmehl  etc.  ist  durch  mikrochemische  Reactionen  leicht  zu 
entdecken. 

Bez.  der  Analyse  der  Butter  auf  die  normalen  Bestandtheile  muss  auf  die  Handbücher  der 
landwirthschaftlich  chemischen  und  Nahrungsmittelanalyse  (vergl.  Bd.  I,  pag.  605),  sowie  auf  die 
Specialwerke  von  Fleischmann  (1.  c.  pag.  587)  und  Kirchner  (1.  c.  pag.  609)  verwiesen 
werden. 

Die  Kunstbutter,  welche,  falls  sie  mit  diesem  Namen  in  den  Handel  ge- 
bracht wird,  ein  wohlberechtigtes  und  zu  vielen  Zwecken  brauchbares,  billiges 
Ersatzmittel  der  Butter  bildet,  wird  in  verschiedener  Weise,  besonders  mit  Hilfe 
des  sogen.  Oleomargarins  hergestellt. 


380  Handwörterbuch  der  Chemie. 

• 

Das  letztere  wird  gewonnen  (Kirchner.  1.  c.  pag.  409),  indem  man  das  zuvor  zwischen 
Zahnwalzen  zerkleinerte  Fett  mit  Wasser  unter  Zusatz  von  Potasche  und  Schweinemagen  bei 
45®  ausschmilzt.  Das  fltlssige  Fett  lässt  man  dann  nach  Passirung  eines  Siebes  unter  Salzzusatx 
sich  klären  und  hierauf  24  Stunden  bei  25®  stehen.  Das  hierbei  flüssig  bleibende,  von  dem 
erstarrten  Antheil  durch  Pressen  geschiedene  Fett,  welches  vorwiegend  aus  Olein  besteht,  bfldet 
das  Oleomargarin,  das  entweder  für  sich  als  Butterersatzmittel  dient  oder  zur  Darstellung  der 
eigentlichen  Kunstbutter  verwendet  wird.  Letzteres  geschieht  durch  Vermischen  von  50  Klgnn. 
Oleomargarin,  25  Liter  Kuhmilch,  25  Klgnn.  Wasser  mit  100  Grm.  zerkleinerter  Milchdrüse, 
wozu  nach  Bedtlrfniss  noch  Butterfarbe  und  Cumarin  gesetzt  wird,  um  Farbe  und  Aroma  der 
echten  Butter  nachzuahmen.  Das  ganze  Gemenge  wird  im  Butterfass  gebuttert  und  die  aos- 
geschiedene  Masse  dann  in  derselben  Weise  wie  die  echte  Butter  weiter  bearbeitet,  gesalzen  etc. 
Aus  83  Klgrm.  Rohtalg  werden  18  Klgrm.  Butter  nebst  verschiedenen  zur  Herstellung  von 
Stearinkerzen,  Oleinseifen,  Glycerin  verwerthbaren  Abfällen  gewonnen. 

Die  Zusanunensetzung  der  Kunstbutter  hinsichtlich  Wasser,  Fett,  Salz  ist  von  der  echten 
Butter  wenig  zu  unterscheiden.  Dagegen  kann  dieselbe  durch  ihren  höheren  Gehalt  an  unlös- 
lichen und  geringeren  Gehalt  an  flüchtigen  Fettsäuren  nach  den  Methoden  von  Hehner  und 
Reichert  von  der  echten  Butter  unterschieden  werden.  Fleischmann  und  Vieth  (15)  fanden 
den  Gehalt  des  Oleomargarins  an  festen  Fettsäuren  nach  Hehner  =  95*5  J,  der  Kunstbutter  ans 
Wien  =  95*6,  dsgL  aus  Hamburg  94*9  J;  Kretzschmar  (16)  fand  in  Kunstbutter  95-1— 95'5| 
fester,  unlöslicher  Fettsäure.  Nach  Reichert  (19)  erforderten  2"5  Grm.  Fett  aus  Oleomargarin* 
butter  nur  0*95  Cc.  rf^  Normalalkali  zum  Titriren  der  flüchtigen  Fettsäure.  Nach  Ad.  Mayer  (33) 
ist  die  Kunstbutter  nahezu  ebenso  verdaulich  als  die  ächte  Butter,  jedoch  mehr  zur  Zubereitung 
von  Speisen,  als  zum  Genuss  mit  Brod  oder  Kartoffeln  geeignet.  EmmerlIVG. 

Buttersäure.*)  Man  kennt  zwei  einbasische  Säuren  von  der  Formel  €4X1,0,, 
die  Buttersäure  und  die  Isobuttersäure. 


*)  i)  Chevreul,  Recherches  sur  les  corps  gras.  Paris  1823.  2)  Grünzweig,  Ann.  162, 
pag.  193.  3)  Franchimont  u.  Zincke,  Ann.  163,  pag.  193.  4)  van  Renesse,  Ann.  166, 
pag.  80.  5)  Zeise,  Ann.  47,  pag.  212.  6)  Süllivan,  Jahresber.  1858,  pag.  280;  Vohl,  Ann.  109, 
pag.  200.  7)  Anderson,  Jahresber.  1866,  pag.  310.  8)  Marsson,  Jahresber.  1850,  pag.  494* 
9)  Redtenbacher,  Ann.  59,  pag.  41.  10)  Bouis,  Ann.  80,  pag.  303.  11)  Buckton,  Jahres- 
ber. 1857,  pag.  303.  12)  Nedbauer,  Ann.  106,  pag.  59.  13)  Scharung,  Ann.  46,  pag.  236. 
14)  Liebig,  Ann.  57,  pag.  127.  15)  Guckelberger,  Ann.  64,  pag.  39.  16}  Erlenmeyer  il 
Wanklyn,  Ann.  135,  pag.  129.  17)  Blyth,  Ann.  70,  pag.  73.  18)  Seekamp,  Ann.  133, 
pag.  254.  19)  BuLK,  Ann.  139,  pag.  62.  20)  Berthelot,  Ann.  147,  pag.  376.  21)  Würtz, 
Gmelin-Kraut,  Handb.,  Suppl.  2,  pag.  786.  22)  Rebling,  Jahresber.  1857,  pag.  402.  23)  NÖllner, 
Ann.  38,  pag.  299;  Nickles,  Ann.  61,  pag.  343;  Limfricht  u.  Uslar,  Ann.  94,  pag.  331. 
24)  Pelouze  u.  Gelis,  Ann.  47,  pag.  241.  25)  Lerch,  Ann.  49,  pag.  216.  26)  Schöyen, 
Ann.  130,  pag.  233.  27)  FRANKLAND  u.  DUPPA,  Ann.  138,  pag.  218.  28)  Geuther  u.  Fröuch, 
Ann.  202,  pag.  305.  29)  Linnemann  u.  Zotta,  Ann.  161,  pag.  175.  30)  Bensch,  Ann.  61. 
pag.  174.  31)  Sticht,  Jahresber.  1868,  pag.  522.  32)  Linnemann,  Ann.  160,  pag.  224- 
33)  Grillone,  Ann.  165,  pag.  127.  34)  Lieben  u.  Rossi,  Ann.  158,  pag.  145.  35)  Vetcl, 
Ann.  148,  pag.  167.  36)  HECHT,  Ber.  1 1,  pag.  1053.  37)  Dessaignes,  Ann.  74,  pag.  361. 
38)  Friedel  u.  Machuca,  Ann.  120,  pag.  283.  39)  Berthelot,  Ann.  Suppl.  6,  pag.  184; 
Phipson,  Jahresber.  1862,  pag.  247.  40)  Erlenmeyer,  Ann.  181,  pag.  126.  41)  Kopp,  Ann.  9S« 
P^S'  315»  Kahlbaum,  Ber.  12,  pag.  344.  42)  Krämer  u.  Grodsky,  Ber.  11,  pag.  1356. 
43)  Linnemann,  Ann.  162,  pag.  42.  44)  Silva,  Ann.  153,  pag.  136.  4$)  Lieben  u.  Rossi, 
Ann.  158,  pag.  170;  Linnemann,  Ann.  161,  pag.  195.  46)  Delffs,  Ann.  92,  pag.  277. 
47)  Dollfus,  Ann.  131,  pag.  285.  48)  Loir,  Ber.  12,  pag.  2377.  49)  Lieben,  Wien.  Monats- 
hefte i,  pag.  919.  50)  Ueber  Löslichkeit  von  buttersaurem  Kalk  vergleiche  HechTi  Ann.  213, 
pag.  65.  51)  S.  u.  A.  Chevreul,  Recherches  etc.,  Bromeis,  Ann.  42,  pag.  66;  Pelouze  u. 
Gelis,  Ann.  47,  pag.  241;  Lerch,  Ann.  49,  pag.  216;  RedtEnbacher,  Ann.  49,  pag.  218; 
Chaneel,  Ann.  60,  pag.  319;  Markownkoff,  Ann.  138,  pag.  361;  Popp,  Ann.  131,  pag.  200; 
Laroque,  Jahresber.  1847/48,  pag.  555;   Bulk,  Ann.  139,  pag.  66;    v.  Alth,  Ann.  91,  pag.  176. 


Buttersäure.  381 

Die    Buttersäure    (Normale    Buttersäure,     Gährungsbuttersäure, 
Butyrylsäure),  CHgCHjCHjCOOH,  wurde  von  Chevreul  (1818)  als  Produkt 

WöHLER,  Ann.  94,  pag.  44;   Grünzweig,  Ann.  162,  pag.  193;  Linnemann  u.  Zotta,  Ann.  161, 
pag.  177;   Fitz,  Ber.  13,  pag.  1314;    Hecht,  Ann.  213,  pag.  65;   Lieben,  Wien.  Monatsh.  i, 
pag.  919.    52)  Gerhardt,  Ann.  87,  pag.  71.    53)  Linnemann,  Ann.  161,  pag.  178.    54)  Brühl, 
Add.  203,  pag.  19.    55)  Freund,  Ann.  118,  pag.  35.    56)  Berthelot,  Jahresber.  1857,  pag.  344. 
57)  Cahours,  daselbst.     58)  Gerhardt,  Ann.  87,   pag.  155.     59)  Schützenberger,  Jahres- 
ber. 1862,  pag.  248.     60)  Sayi'zeff,  Jahresber.  1869,  pag.  514.     6x)  Brodie,  Jahresber.  1863, 
pag.  318.    62)  A.  W.  Hofmann,  Ber.  15,  pag.  979—982.    63)  Chanebl,  Ann.  52,  pag.  294. 
64)  Bückton  u.  A.  W.  Hofmann,  Jahresber.  1856,  pag.  516.    65)  Ulfjch,  Ann.  109,  pag.  280. 
66)  Markownikoff,  Zeitschr.  1868,  pag.  621.    67)  Belbiano,  Ber.  10,  pag.  1749;    11,  pag.  348. 
68)  Karetnikoff,  Ber.  12,  pag.  1488.    69)  Pinner,  Ber.  12,  pag.  2056.    70)  Brühl,  Ann.  203, 
pag.  27.     71)  Pelouze  u.  Gelis,   Gmeun,  Handb.,  Bd.  V,  pag.  280.     72)  Dieselben,   Gmelin, 
Handb.,  Bd.   V,   pag.  281.     73)  Krämer  u.  Pinner,  Ber.  3,   pag.  389.     74)  Jüdson,  Ber.  3, 
P*ß'  7^5-     75)  Pinner,  Ber.  8,  pag.  1564.     76)  Garzarolli-Thürnlak,  Ann.  182,  pag.  181. 
77)  Kahlbaum,  Ber.  12,  pag.  2337.    78)  Sarnow,  Ann.  164,  pag.  93.    79)  Borodine.  Ann.  119, 
pag.  121.     80)  Goruf-Besanez  u.  Klincksieck,  Ann.  118,  pag.  248.     81)  Naumann,  Ann.  119, 
pag.  115.     82)  Schneider,  Ann.  120,  pag.  279;  Suppl.  2,  pag.  70.     83)  Friedel  u.  Machuca, 
Ann.   120,   pag.  279;   Suppl.   2,   pag.  70.     84)   Tupoleff,   Ann.   171,   pag.  248.     85)  YoüNQ, 
Ann.  216,  pag.  39.     86)  WisucENUS  u.  Urech,   Ann.  165,  pag.  93.     87)  Hemillin,  Ann.  174, 
pag.  322.     88)  Cahours,  Ann.  Suppl.  2,  pag.  76.    89)  Körner,  Ann.  137,  pag.  233.    90)  Bulk, 
Ann.  139,  pag.  68.     91)  Michael  u.  Norton,   Jahresber.  1880,   pag.  790.     92)  Limpricht  u. 
Delbrück,  Ann.  165,  pag.  296.    93)  Sarnow,  Ann.  164,  pag.  105.    94)  Pinner,  Ber.  8,  pag.  1324. 
95)  FiTTiG  u.  Alberti,  Ber.  9,  pag.  11 94.     96)  Hell,  Ber.  6,  pag.  28.    97)  Markownikoff, 
Ann.    182,    pag.  329.     98)   Ders.,    Ann.    153,    pag.  240.     99)  Hemilian,    Ann.   176,  pag.  i. 
100)  Berthelot,   Gmelin-Kraut,  Handb.,  Suppl.  2,  pag.  848.     loi)  Dessaignes,  Ann.  82, 
pag.  234.     102)  Hofmann  u.  Buckton,  Ann.   100,  pag.  152.     103)  Duvillier,  Ann.  chim. 
phys.  [5]  20,  pag.  188.    104)  Balbiano,  Ber.  13,  pag.  312.    105)  Duvillier,  Ber.  12,  pag.  1210. 
106)    Erlen&ieyer,    Ber.    10,    pag.  636.      107)    Firne    u.    Thomsen,    Ann.   200,    pag.  83. 
108)  Kaschirski,  Ber.  14,  pag.  2065.     109)  C.  Kolbe,   Ber.  15,  pag.  2246.     110)  Wleügel, 
Ber.  15,  pag.  1057.     iii)  Redtenbacher,  Ann.  57,  pag.  177.    112)  Sigel,  Ann.  170,  pag.  345. 
113)  FmiG,   Kopp  u.  Köbig,  Ann.   195,  pag.  83,  95.     114)  Schmidt  u.  Berendes,  Ber.  10, 
pag-  835.     115)  Kelbe,  Ber.  13,  pag.  11 57.     116)  Brieger,  Ber.  10,  pag.  1027.     117)  Erlen- 
meyer,   Jahresbericht  1864,    pag.  489.      118)    Markownikoff,    Jahresber.  1865,    pag.   318; 
Ann.  138,  pag.  361.     119)  Frankland  u.  Duppa,  Ann.  138,  pag.  337.     120)  Fittig  u.  Paul, 
Ber.  9,   pag.  122.      121)   Geromont,  Ber.  5,  pag.  492.     122)  Linnemann,  Ann.  162,  pag.  9. 
123)  Popoff,  Zeitschr.   f.   Ch.   1871,   pag.  4;  Erlenmeyer  u.  Grünzweig,  Ber.  3,  pag.  899; 
Ann.  162,  pag.  209;  Schmidt  u.  Münde,  Ber.  7,  pag.  1363.     124)  Richard  Meyer,  Ber.  11, 
pag.   1787.      125)  Krafft    u.  Chappuis,    Ber.  9,    pag.   1088.      126)  Vergl.  Markownikoff, 
Ann.  138,  pag.  369;  Linnemann,  Ann.  162,  pag.  9;   Grünzweig,  Ann.  162,  pag.  209;   R.  Meyer, 
Her.  II,   pag.  1790;   Frrz,  Ber.  13,  pag.  13 16.     127)  Pierre  u.  Puchot,  Ann.  163,  pag.  272. 
128)  Dieselb.,  Ann.  163,  pag.  283.     129)  Dieselb.,  Ann.   163,  pag.  288.     130)  Urech,  Ber.  13, 
pag.  1693.     131)   Markownikoff,  Zeitschr.  f.  Ch.  1866,  pag.  501.      132)  Brühl,   Ann.  203, 
pag.  20.     133)  Prianichnikoff,  Jahresber.  187 1,  pag.  421.     134)  Moritz,  Ber.  14,  pag.  523. 
135)   Letts,  Ber.   5,  pag.  672.     136)  MüNCH,  Ann.  180,  pag.  340.     137)  A.  W.  Hofmann, 
^^'  15»  P^*  979 — 9^2.    138)  Ders.,  Ber.  15,  pag.  755,    139)  Henry,  Bull.  soc.  ch.  26,  pag.  24. 
140)  Balbiano,  Ber.  11,  pag.  1693.    141)  Gottlieb,  Jahresber.  1873,  pag.  566;    1875,  pag.  529. 
142)  MoRAWSKi,  Jahresber.  1875,  V^S-  54'-    ^43)  Markownikoff,  Ann.  153,  pag.  229.    144)  Hell 
u.  \Vau>bauer,  Ben  10,  pag,  448.     145)  Markownikoff,  Ann.  182,   pag.  336.     146)  Fittig, 
Paul  u.  Engelhorn,  Ann.  200,  pag.  65.    147)  Cahours,  Ann.  Suppl.  2,  pag.  349.    148)  Fittig 
u.  Paul,   Ann.  188,  pag.  58;  vergl.  Ann.  200,  pag.  67.     149)   Urech,  Ann.  164,  pag.  268. 
i^o)  Heintz,  Ann.  192,  pag.  339.     151)  Ders.,  Ann.  198,  pag.  42.     152)  Tiemann  u.  Fried- 
lamdkk,  Ber.  14,  pag.  1970.     153)  Kachler,  Wiener  Monatsh.  2,  pag.  562.     154)  Kaschirski, 


382  Handwörterbuch  der  Chemie. 

der  Verseifung  der  Kuhbutter  entdeckt  (i).  Seitdem  ist  sie  vielfach  als  Produkt 
der  Lebensthätigkeit  von  Pflanzen  und  Thieren  sowohl,  als  auch  als  Zetsetzungs- 
produkt  von  pflanzlichen  und  thierischen  Substanzen  ausserhalb  des  Organismus 
aufgefunden  worden.  Jedoch  bleibt  es  dahingestellt,  ob  in  allen  Fällen  die  als 
Buttersäure  angesprochene  Säure  in  der  That  die  normale  oder  die  ihr  sehr 
ähnliche  unten  zu  beschreibende  Isobuttersäure  gewesen  ist  (2).  Man  fand  sie 
in  den  Früchten  des  Seifenbaums,  in  den  Tamarinden,  unter  den  flüchtigen 
Säuren  des*  Crotonöls,  im  Leberthran,  in  der  Fleischflüssigkeit  der  Säugethiere, 
in  der  Milzfltissigkeit,  im  Schweisse,  in  der  Flüssigkeit,  welche  mehrere  Laufkäfer 
durch  den  After  ausspritzen  (in  Betr.  der  Literatur  vergl.  Grünzweig,  Ann.  62, 
pag.  194),  in  den  menschlichen  Fäces,  in  den  Excrementen  fleischfressender  Vögel, 
im  Schlangenkoth  (22)  (116).  Sie  findet  sich  in  den  thierischen  und  pflanzlichen 
Produkten  theils  in  freiem  Zustand,  theils  in  Form  von  Estern,  so  z.  B.  in  der 
Kuhbutter  als  Buttersäure-Glycerinester,  im  Heracleumöl  als  Buttersäure-Hexyl- 
ester  (3),  in  den  Früchten  \on  Fastinaca  saüva  als  Buttersäure-Octylester  (4). 

Buttersäure  tritt  häufig  als  Produkt  der  Gährung  und  Fäulniss  auf.  So  bildet 
sie  sich  bei  der  durch  faulen  Käse  (24)  und  verschiedene  andere  Körper  einge- 
leiteten Gährung  des  Zuckers  in  Gegenwart  einer  Base,  bei  der  Fäulniss  resp. 
Gährung  von  Kartoffelkleie,  diabetischem  Harn,  Fibrin,  Casein,  Fleisch  (163), 
Erbsen  und  Linsen,  Hefe,  der  Runkelrübenschlempe,  des  Weizenmehles  u.  s.  w. 
(in  Betr.  d.  Literatur  vergl.  Gkünzweig,  Ann.  162,  pag.  195),  bei  der  Schizomyceten- 
gährung  verschiedener  Oxysäuren,  wie  Weinsäure  (23),  Aepfelsäure  (Lkibig),  Milch- 
säure (s.  unten),  Glycerinsäure,  und  mehratomiger  Alkohole,  wie  Glycerin,  Erythiit 
(Fitz).  Sie  entsteht  bei  der  trockenen  Destillation  von  Tabak  (5),  Torf  (6),  Holz  (7) 
(42),  und  Bernstein  (8). 

Buttersäure  tritt  häufig  als  Oxydationsprodukt  von  hochmolekularen  Fettsäuren, 
Säuren  des  Oelsäurereihe  und  vielen  anderen  hochmolekularen  Verbindungen  auf. 
So  entsteht  sie  z.  B.  bei  der  Oxydation  von  Oelsäure  (9),  Caprylalkohol  (10), 
von  chinesischem  Wachs  (11)  mit  Salpetersäure,  von  Valeriansäure  •  mit  überman- 
gansaurem Kali  in  alkalischer  Lösung  (12),  von  Butylmethylcarbinol  mit  chrom- 
saurem  Kali  und  Schwefelsäure  (16).  Sie  bildet  sich  beim  Behandeln  von  Aethal 
und  Palmitinsäure  mit  Kalikalk  (13),  beim  Schmelzen  von  Casein  mit  Kali  (14), 
beim  Behandeln  von  Casein,  Albumin,  Fibrin  und  Leim  mit  Braunstein  oder 
chromsaurem  Kali  und  Schwefelsäure  (15)  u.  s.  w.  Normale  Buttersäure  entsteht 
bei  der  Oxydation  des  Coniins  mit  chromsaurem  Kali  und  Schwefelsäure  (17) 
(2),  bei  der  Einwirkung  des  Sonnenlichts  auf  eine  wässrige  Lösung  von  Brenz- 
Weinsäure  in  Gegenwart  von  Uranoxyd  (18),  bei  der  Reduction  der  Crotonsäure 
mit  Natriumamalgam  (19)  und  von  Bernsteinsäure  mit  Jodwasserstoff"  (20),  bei  der 
Oxydation  des  Butylalkohols  (21). 

Die  Zusammensetzung  der  Buttersäure  wurde  von  Pelouze  und  G£li8  (24} 
und  von  Lerch  (25)  richtig  ermittelt,  synthetisch  wurde  die  Säure  zuerst  von 
ScHöVEN  (26)  durch  Synthese  des  Butylalkohols  aus  Diäthyl  und  Oxydation  des- 


Ber.  14,  pag.  2064.  155)  Fittig  u.  Krusemark,  Ann.  206,  pag.  14.  156)  Swarts,  Jahns* 
her,  1873,  pag.  583.  157)  Berthelot  u.  Luca,  Ann.  100,  pag.  360;  Cahours  u.  A.  W.  Hof- 
MANN,  Ann.  102,  pag.  296.  158)  L0UREM50,  Ann.  114,  pag.  122.  159)  WURTZ,  GMSUN-KaAirr, 
Handb.,  Suppl.  2,  pag.  808.  i6o^  Simpson,  Ann.  113,  pag.  117,  118.  161)  Bbrtbelot»  Gmbl»- 
Kraitt,  Handb.  Suppl.  2,  pag.  811.  162)  Truchot,  Ann.  138,  pag.  298.  163)  Gautikr  und 
Etard,  Ber.  16,  pag.  2527.  164)  Friedrich,  Ann.  219,  pag.  371.  165  Nattsrsr,  Wiener 
Monatehefte  4,  pag.  551.     166)  Jahn,  Wiener  Monatehefte  i,  pag.  703. 


Buttersäure.  3»3 

selben  hergestellt.  Seitdem  hat  man  die  Buttersäure  synthetisch  erhalten  durch 
Zersetzen  des  aus  Jodäthyl  und  Natriumacetessigester  dargestellten  Aethylacetessig- 
esters  (s.  Bd.  L,  pag.  17)  (27),  aus  Butyronitril  mit  alkoholischem  Kali  (29),  durch 
Behandeln  eines  Gemenges  von  Natriumäthylat  und  essigsaurem  Natrium  mit 
Kohlenoxyd  bei  höherer  Temperatur  (28),  bei  der  Einwirkung  von  Kalk  auf 
Essigester  (Lyubawin). 

Darstellung.  Wie  Pelouze  und  G^is  (24)  zeigten,  kann  man  Zucker  durch  Gährung 
in  Buttersfinre  überführen.  Dabei  entsteht  xunächst  Milchsäure,  welche  unter  Entwicklung  von 
Kohlensäure  und  Wasserstoff  in  Buttersäure  Ube^eht  (2C,HgO,=  C^HgO,  +  2CO3 +4H). 
Nach  Bensch  (30)  verfuhrt  man  am  besten  folgendermaassen:  Man  löst  3  Klgrm.  Rohrzucker 
und  15  Grm.  Weinsäure  (zur  Ueberführung  des  Rohrzuckers  in  Glykose)  in  13  Klgrm.  siedendem 
Wnsser  und  lässt  mehrere  Tage  stehen,  setzt  hierauf  ca.  120  Grm.  alten,  stinkenden  Käse, 
welchen  man  in  4  Klgrm.  abgerahmter,  geronnener,  saurer  Milch  vertheilt  hatte,  sowie  1^  Klgrm. 
Schlemmkreide  hinzu  und  lässt  bei  30—35^  gähren,  indem  man  täglich  mehrere  Male  gut  um- 
rührt. Nach  8 — 10  Tagen  erstarrt  die  ganze  Masse  zu  einem  steifen  Brei  von  milchsaurem 
Kalk    (C5Hi,Oj=  2C,Hj03).     Lässt    man    länger   stehen,    so    wird    die  Masse  wieder  dünn- 

Glykose  Milchsäure 
flüssiger,  und  nach  5 — 6  Wochen  ist  die  Milchsäure  in  Buttersäure  übergegangen.  Sobald  die 
Gährung  beendigt  ist,  was  man  an  dem  Aufhören  der  Gasentwicklung  bemerkt,  mischt  man  die 
Flüssigkeit  mit  ihrem  gleichen  Volumen  kalten  Wassers,  versetzt  mit  einer  Lösung  von  4  Klgrm. 
krystaüisirter  Soda  und  dampft  d^s  Filtrat  vom  ausgeschiedenen  kohlensauren  Kalk  bis  auf 
5  Klgrm.  ein.  Hierauf  wird  die  Buttersäure  durch  vorsichtigen  Zusatz  von  5^  Klgrm.  Schwefel- 
säure (1  Th.  Schwefelsäure  und  1  Th.  Wasser)  in  Freiheit  gesetzt.  Nach  dem  Abtrennen  der 
Oelschicht  durch  den  Scheidetrichter  wird  zur  Gewinnung  der  gelösten  Säure  die  wässrige 
Lösung  destiUirt  und  das  Destillat  nach  dem  Abstumpfen  mit  Soda  eingedampft.  Man  scheidet 
die  Buttersäure  aus  dem  Natriumsalz  mit  Schwefelsäure  ab  und  unterwirft  die  Gesammtmenge 
der  fractionirten  Destillation,  nachdem  mau  auf  je  1  Klgrm.  30  Grm.  Schwefelsäure  zugefügt 
hat,  um  die  Abscheidung  wasserfreien  Glaubersalzes,  welches  heftiges  Stossen  veranlassen  würde, 
zu  vermeiden.  Die  rectificirte ,  noch  wasserhaltige  Buttersäure  unterwirft  man  nach  dem  Zu- 
sammenstehen mit  geschmolzenem  Chlorcalcium  einer  nochmaligen  fractionirten  Destillation. 
Die  Hauptfraction,  von  ca.  155 — 1()5^  siedend,  enthält  die  Buttersäure  neben  etwas  Essigsäure 
(32»  33)  und  Capronsäure  (31).  Durch  sehr  häufiges  Fractioniren  kann  man  die  Buttersäure 
rein  erhalten  (32).  Einfacher  gelangt  man  zum  Ziele  durch  Lösen  der  Hauptfraction  in  Wasser 
(wobei  Capronsäure,  wenn  solche  noch  zugegen,  zurückbleibt  und  getrennt  werden  kann)  und 
Sättigen  der  Lösung  mit  Kalkmilch.  Beim  Abdampfen  scheidet  sich  der  buttersaure  Kalk  wie 
Schaum  an  der  Oberfläche  ab  und  kann  abgeschöpft  werden.  Man  fährt  mit  dem  Abdampfen 
und  Abschöpfen  je  nach  dem  Grade  der  Reinheit  der  angewandten  Buttersäure  mehr  oder  minder 
lange  fort.  Die  letzten  Mutterlaugen  geben  in  der  Regel  kein  reines  Produkt  mehr.  Durch 
starke  Säuren  wird  aus  dem  Kalksalz  die  Buttersäure  abgeschieden  (34). 

Für  die  Ueberführung  in  Buttersäure  können  selbstverständlich  auch  Zucker  liefernde,  wie 
z*  B.  stärkehaltige  Materialien  verwandt  werden;  auch  statt  des  Käse  kann  man  andere  Substanzen, 
wie  z.  B.  Fleisch,  Ackerkrume  u.  s.  w.  in  die  in  Gährung  zu  versetzende  Lösung  bringen. 
Bei  dem  beschriebenen  Verfahren  werden  selbstverständlich  die  verschiedensten  Arten  von 
Gährungserzeugem  zugeführt.  Daher  wird  die  Gährung  theilweise  auch  in  anderer  als  der  ge- 
wünschten Richtung  verlaufen.  Frrz  (Ber.  11,  pag.  52)  hat  daher  vorgeschlagen,  eine  Aussaat 
von  reinen  Spaltpilzen  zu  verwenden.  2  Liter  Wasser  werden  auf  40^  erwärmt,  100  Grm« 
Kartoffelstärke,  O'l  Grm.  phosphorsaures  Kali,  0*02  Grm.  schwefelsaure  Magnesia,  1  Grm. 
Salmiak  und  50  Grm.  kohlensaurer  Kalk  zugefügt  und  eine  Spur  von  BadUus  subtiUs  eingetragen« 
N'ach  lOtägigem  Stehen  bei  40^  lässt  sich  Stärke  nicht  mehr  nachweisen,  es  bleiben  nur  Reste 
▼00  Cellulose-Skeletten.  Man  erhält  1  Grm.  Alkohol,  34*7  Grm.  Buttersäure,  ca.  5*1  Grm« 
Essigsäure  und  0'3d  Grm.  Bernsteinsäure.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  bei  der  Stärkegährung 
durch  den  BadUus  suöH&s  die  Buttersäure  direkt  entsteht,  ohne  dass  Milchsäure  sich  als  Zwischen^ 
Produkt  bildet  (FlTZ  a.  a.  O.). 


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384  Handwörterbuch  der  Qiemie. 

Die  reine  Buttersäure  ist  eine  bei  163-2°  (corrig.)  siedende,  im  conc.  Zu- 
stand der  Essigsäure  ähnlich,  im  verdünnten  unangenehm  ranzig  riechende  Flüssig- 
keit, welche  bei  niederer  Temperatur  krystallinisch  erstarrt  und  bei  ca.  0°  schmilzt 
Spec.  Gew.  0*958  bei  14°  (32).  Sie  ist  mit  Wasser  in  jedem  Verhältniss  misch- 
bar; aus  ihren  wässrigen  Lösungen  wird  sie  durch  lösliche  Salze  sowie  starke 
Säuren  ölig  abgeschieden.  Bei  der  Oxydation  der  Buttersäure  mit  Braunstein 
und  Schwefelsäure  treten  Buttersäureäthyl-  und  Propylester  auf  (35),  bei  der  Oxy- 
dation mit  Chromsäure  entstehen  Essigsäure  und  Kohlensäure  (2,  36)  und  beim 
Behandeln  mit  conc.  Salpetersäure  (37)  oder  mit  Brom  bei  höherer  Temperatur 
(38)  oder  mit  übermangansaurem  Kali  in  alkalischer  Lösung  (39)  u.  a.  Bernstein- 
säure.  Durch  Jodwasserstoffsäure  wird  Buttersäure  zu  Butan  reducirt  (Berthelot). 
Bildet  mit  saurem  schwefligsaurem  Natron  eine  unter  20°  beständige  Doppel  Ver- 
bindung (48).  Ebenso  bildet  sie  mit  Chlorcalcium  eine  nach  der  Formel  CaClj* 
2C4H3O2  -+-  2H5O  zusammengesetzte  Verbindung,  welche  durch  Wasser  zersetzt 
wird  und  über  Schwefelsäure  im  Exsicator  in  CaCla'C^HgOa  übergeht  (49).  Ver- 
halten gegen  Zinkstaub  (166). 

Die  Salze  der  Buttersäure  (51)  siod  in  Wasser  und  meist  auch  in  Alkohol  löslich. 
Manche  werden  von  Wasser  schwer  benetzt  und  zeigen  daher,  auf  Wasser  geworfen,  eine 
rotirende  Bewegung  wie  Campher.  Trocken  sind  sie  geruchlos,  feucht  riechen  sie  schwach  nach 
Buttersäure.  Die  Alkalisalze  sind  zerfliesslich.  Von  anderen  Salzen  seien  die  folgenden 
erwähnt: 

C  H  C  O  O  Vw 

Buttersaures  Strontium,    c^u^ coCi  ^^^~^^^i^'    Abgeplattete,  durchsichtige,  mono- 

küne  Prismen.  100  Thle.  Wasser  lösen  bei  4®  35-6  Thle.  (Chevreul),  bei  20°  39*2  Thle.  und 
bei  22®  40*2  Thle.  krystallwasserhaltiges  Salz.     Verliert  sein  Krystallwasser  bei   100°. 

Buttersaures  Calcium,  (C4H70,)3CaH-HjO.  Ftlr  die  Buttersäure  besonders  chaiak- 
teristisches  Salz.  Krystallisirt  beim  freiwilligen  Verdunsten  der  wässrigen  Lösung  in  rhombischen 
Blättchen.  In  warmem  Wasser  weniger  löslich  als  in  kaltem  (Che\'äeul).  Die  kal^esätdgte 
Lösung  lässt  beim  Erhitzen  das  Salz  in  Form  keilförmiger,  rhombischer  Prismen  fallen.  Die 
Ausscheidung  beginnt  bereits  bei  30°  und  schliesslich  erscheint  die  ganze  Masse  zu  schuppigen 
Krystallen  erstarrt.  Eine  nicht  ganz  gesättigte  Lösung  scheidet  erst  dann  Krystalle  aus,  wenn 
die  Überschüssige  Menge  Wasser  durch  Abdampfen  entfernt  ist,  und  zwar  reichen  schon  geringe 
Mengen  Wasser  hin,  die  Ausscheidung  zu  verhindern.  Die  in  verschiedener  Art  gebildeten 
Krystalle  enthalten  immer  1  Mol.  Krystallwasser,  welches  sie  bei  100°  veriieren.  100  Thle 
Wasser  lösen  bei  15°  19-06  Thle.  (Chevreul),  bei  22°  19*61  Thle.  krystaUwasserhaltigcs  Salz 
(50).  Durch  Erwärmen  der  wässrigen,  gesättigten  Lösung  verwandelt  sich  das  buttersaure  Calcium 
mit  der  Zeit  z.  Th.  in  isobuttersaures  Calcium  (40).  —  Beim  Verdunsten  einer  Lösung  von 
Chlorcalcium  in  reiner  Buttersäure  über  Schwefelsäure  und  Kalk  bilden  sich  Krystalle  einer 
Verbindung  CaQ^-CaCC^H^Oj), -r  iC^HgO,  (49). 

Butter  saures  Silber,  CjHjCOOAg.  Krystallisirt  aus  der  heiss  gesättigten  Lösung  in 
dendritenartig  gruppirten  Nadeln,  beim  freiwilligen  Verdunsten  in  monoklinen  Prismen.  Ist  die 
Säure  durch  Essigsäure  verunreinigt,  so  bilden  sich  moosartige  Verzweigungen,  welche  zu 
Kugeln  gruppirt  erscheinen.  Ist  eine  Säure  von  höherem  Molekulargewicht  zugegen,  so  biklexi 
sich  mehr  warzige  Formen.  Schwer  in  kaltem  Wasser,  leichter  in  heissem  löslich.  100  Thle. 
Wasser  lösen  bei  16°  0*413  Thle.  Salz. 

Buttersaures  Zink,  {C^UjO^)jZn -^211^0.  Durchsichtige,  abgeplattete,  raonoklinc 
Prismen,  welche  beim  Liegen  an  der  Luft  verwittern  und  ihr  Krystallwasser  über  Schwefelsiore 
vollständig  verlieren.  Die  wässrige  Lösung  lässt  beim  Erwärmen  ein  basisches  Sah  fallen 
(Chevreul).  Beim  Trocknen  bei  100°  geht  neben  dem  Krystallwasser  allmählich  Buttersäare 
weg.     100  Thle.  Wasser  lösen  bei  16°  10*7  ITile.  krystallwasserhaltiges  Salz  (2). 

Buttersäure-Methylester,  CHgCH^CHjCOOCH,.  Durch  Einwiricung 
von  Schwefelsäure   auf  ein  Gemenge    von  Buttersäure  und  Methylalkohol  oder 


Buttersäure.  385 

durch  Einleiten  von  Salzsäuregas  in  die  methylalkoholische  Lösung  von  Butter- 
säure erhalten.    Siedep.  102°  (24).    Spec.  Gew.  0*9475  bei  i"*  (41,  42). 

Buttersäure- Aethylester,  CHjCHjCHjCOOCjHj,  bildet  sich,  wenn 
man  Jodäthyl  auf  das  Einwirkungsprodukt  von  Natrium  auf  Essigester  reagiren 
lässt(s.  Bd.  L,  pag.  1 1),  und  kann  dem  Methylester  analog  dargestellt  werden  (24,  25). 
—  Angenehm  obstartig  riechende  Flüssigkeit  vom  Siedep.  121-1°  (corr.)  (29). 

Seine  Lösung  in  Weingeist  bildet  als  Ananasessenz  (ßtu-appU  oH)  ein  Handelsprodukt 
niid  findet  zum  Aromatisiren  schlechter  Rumsorten  und  anderer  Getränke,  von  Confituren,  in  der 
Paifiimerie  u.  s.  w.  Verwendung.  Ein  noch  mit  etwas  Essigester  versetztes  Produkt  ist  die 
sogenannte  Erdbeeressenz.  Technisch  verwendet  man  wohl  meist  zur  Herstellung  dieser  Essenzen 
das  Gemenge  von  Estern,  welches  man  durch  Aetherificiren  der  beim  Verseifen  der  Butter  oder 
bei  der  Gährung  von  Johannisbrod  entstehenden  Säuren  erhält. 

Buttersäure-Propylester,  C^HyOj-CjH,.     Siedep.  143-40  (corr.)  (43). 

Buttersäure-Isopropylcster,  C^H^Og.CjHy.  Siedep.  128®,  spec.  Gew.  0-8652  bei 
13»  0-8787  bei  0»  (44). 

Buttersäure-Butylester,  C^HyO^-C^Hg.  Siedep.  165®,  spec.  Gew.  0-8885  bei  0®, 
0-8717  bei  20®,  0'8579  bei  40®,  bez.  auf  Wasser  von  gleichen  Temperaturen,  0-876  bei  12®  (45). 

Buttersäure-Isobutylester,  C^HiOj-C^H,.  Siedep.  150—153®,  spec.  Gew.  0*8798 
bei  0®,   0*8664  bei   16®,  0*8184  bei  98*4®,   bez.   auf  Wasser  von  gleichen  Temperaturen  (2). 

Buttersäure-Amylester,  C^HfO^-C^Hn  (aus  GähruDgsamylalkohol).  Siedep.  176®, 
ipec.  Gew.  0*852  bei  15®,  bez.  auf  Wasser  von  15®  (46). 

Buttersäure-Hexylester,  C^H^Oj-CgH^j.    Aus  Heracleumöl.    Siedep.  201— 206®  (3). 

Buttersäure-Octylester,  C^HjOj'CgH^Y*  Aus  den  Früchten  von  Pastinata  sativa, 
Siedep.  244—245®,  spec.  Gew.  08752  bei  0®,  0-8G92  bei  15®,  0*8575  bei  30®  (4). 

Buttersäure-Cetylester,  C^H^Oj-C^H,,.  Siedep.  260—270®,  Schmp.  20®,  spec. 
Gew.  0*856  bei  20®  (47). 

Buttersäure-AUylester.  C^H^Oj-CjHj.     Siedep.  ca,  140-145®  (157). 

Monobuttersäure-Aethylenester,  C,H/OH)C4HyOj.     Siedep.  ca.  220®  (158). 

Buttersäure-Aethylenester,  C^H^iC^H^O^)^.    Siedep.  240®,  spec.  Gew.  10-24  bei  0® 

(159). 

Buttersäureester  des  Aethylenchlorhydrins,  C4H70.^-CH2CH2C1.  Aus  Butter- 
säure,  Glycol  und  Salzsäuregas.     Siedep.  ca.  190®,  spec.  Gew.  1*0854  bei  0®  (160). 

Buttersäure-Essigsäure-Aethylenester,  c*h'oO^»^*'  Siedep.  208— 215®  (160) 
(158). 

Monobuttersäure-Glycerinester  (Monobutyrin),  C^H|0,'C,Hj(OH),.  Spec. 
Gew.  1-068  bei  17®  (161). 

Dibuttersäure-Glycerinester  (Dibutyrin),  (C4H,0,),C,H40H.  Siedet  bei  320® 
anter  theilweiser  Zersetzung.    Spec.  Gew.  1*081  bei  17®.    Mit  Ammoniak  liefert  es  Butyramid  (161). 

Buttersäare-Glycerinester  (Tributyrin),  (C4H70,),C,Hj.  Spec.  Gew.  1*056  bei 
8«  (161). 

Bnttersäureester  des  Dichlorhydrins,  CfH,0,-C,HjCl,.  Siedep.  226—227®  (bei 
738  Bar.);  spec.  Gew.  1194  bei  11®  (162). 

Butyrylchlorid,  CH,CH2CH2C0C1(S2).  Man  erhitzt  1  Aequ.  Phosphortrichlorür 
mit  2  Aequ.  Buttersäure,  wovon  man  zweckmässig  nicht  mehr  als  180  Grm.  auf  einmal  anwendet, 
6  Stunden  im  Wasserbade.  Nach  je  zwei  Stunden  giesst  man  von  dem  sich  bildenden  Syrup 
ab,  destillirt  schliesslich  im  Oelbade  bei  100—130®  und  unterwirft  das  Produkt  der  fractionirten 
Destillation. 

Siedep.  100-101*5''  (53).  spec.  Gew.  1*0277  bei  20''  gegen  Wasser  von  4"*  (54). 
Wird  von  Natriumamalgam  in  Gegenwart  von  Buttersäure  zu  Butylalkohol  reducirt 
(60)  (53). 

Lftsst  man  auf  das  Chlorid  Natriumamalgam  einwirken,  so  bildet  sich 
Dibutyryl,  C,HfCO*COC,HY,   welches   auch  in  kleiner  Menge  neben  Buttersäureäther 
Lamexbc«c,  CKemie.    II.  25 


386  Handwörterbuch  der  Chemie. 

und  Chloräthyl  entsteht,  wenn  man  eine  ätherische  Lösung  des  Chlorids  auf  Zink  reagiren  lisst 
Das  Dibutyryl  ist  eine  zwischen  245  und  260^  nicht  ganz  unzersetzt  destillirendc  Flfissigkeit, 
welche  sich  mit  Kalilauge  unter  Bildung  von  Buttersäure  und  einer  esterartig  riechenden  Sub- 
stanz zersetzt  (55). 

Butyrylbromid,  C^H^OBr.  Aus  Bromphosphor  und  Buttersäure.  Siede- 
punkt gegen  128°  (56). 

Butyryljodid,  C4H7OJ.  Aus  Jodphosphor  und  buttersaurem  Kalium  (57). 
Siedep.  146—148° 

Butyrylcyanid,  CHjCHjCHjCO.CN.  Aus Butyrylchlorid  und  Cyansüber. 

Siedep.  133—137°.     Gleichzeitig  bildet  sich  Dibutyryldicyanid  (Siedep.  232° 

bis  235°)  (134). 

C  H  O 
Buttersäureanhydrid,   r^H^O^^'    ^"^^^^^    ^^*    ^^^   Einwirkung   von 

Phosphoroxychlorid  oder  Benzoylchlorid  auf  buttersaures  Natrium  (58)  und  von 
Butyrylchlorid  auf  buttersauren  Kalk.  Am  besten  stellt  man  es  aus  Butyrylchlorid 
und  Buttersäure  dar  (53).  —  Siedep.  191—193°,  spec.  Gew.  0*978  bei  12-5°. 
Mischt  sich  nicht  mit  Wasser,  wird  aber  von  Wasser  allmählich  in  Buttersäure 
übergeführt.  Natriumamalgam  reducirt  das  Buttersäureanhydrid  zu  Butylalkohol(S3)- 
Behandelt  man  dasselbe  bei  guter  Kühlung  mit  Unterchlorigsäureanhydrid,  so  bildet  ädi 
buttersaures  Chlor,  C3H7COOCI,  eine  gelbliche,  in  der  Wärme  verpuffende,  am  Licht  sich 
langsam  zersetzende  Flüssigkeit,  welche  durch  Einwirkung  von  Brom  in  butter saures  Brom 
(farblos,  explosiv)  und  von  Jod  in  buttersauresjod,  (C^Hy02)5J.  übergeht  Dieses  entsteht 
auch  beim  Vermischen  von  Chlorjod  mit  buttersaurem  Natron,  Kali  oder  Zink,  kiystalluiit  aus 
Essigsäureanhydrid  in  weissen  Nadeln,  ist  am  Licht  unveränderlich  und  zersetzt  sich  in  der 
Wärme  in  Jod,  Kohlensäure  und  Buttersäure-Propylester  (59). 

Butyrylsuperoxyd,    (€41170)302.     In    Wasser   wenig   lösliches  Öel  (61). 

Butyramid,  C3H7CONH2,  erhält  man  durch  Einwirkung  von  Ammoniak 
auf  Ester  der  Buttersäure  (63)  (100)  und  von  Buttersäure  und  concentrirter 
Schwefelsäure  auf  Rhodankalium  (99).  Wird  am  besten  durch  5 — 6  stündiges 
Erhitzen  von  trockenem  buttersaurem  Ammoniak  auf  230^  und  nachherige  Destilla- 
tion des  Produktes  hergestellt  (62).  Schmp.  115°  (63);  Siedep.  216"*  (64).  — 
Quecksilberbutyramid  (loi)- 

Thiobuttersäure,  C3H7COSH.  Aus  Buttersäure  und  Phosphorpentasulfid. 
Unerträglich  riechende  Flüssigkeit,  gegen  130°  siedend.  —  Thiobuttersaures 
Blei,  (C3H7COS)2Pb  (65). 

a-Chlorbuttersäure,  CHsCH^CHClCOOH.  Durch  Einleiten  von  Chlor 
in  kochendes,  mit  Jod  versetztes  Butyrylchlorid  erhält  manChlorbutyrylcblorid 
(Siedep.  129—132°;  spec.  Gew.  1,257  bei  17°),  welches  beim  Erhitzen  mit  Wasser 
die  a-Chlorbuttersäure  als  schweres  Oel  und  beim  Behandeln  mit  absoluten 
Alkohol  den  a-Chlorbuttersäureester,  CHaCHjCHClCOOCjHj,  eine  bd 
156—160°  siedende  Flüssigkeit  vom  spec.  Gew.  1,063  bei  17,5°,  liefert  Beim 
Kochen  mit  Barytwasser  erhält  man  aus  diesen  Körpern  a-Oxybuttersäure  (98). 

p-Chlorbuttersäure,  CHjCHClCHgCOOH.  Erhalten  bei  der  Einwirkung 
von  Chlor  auf  Buttersäure  im  Sonnenlicht  oder  in  Gegenwart  von  Jod  (66,  67), 
bei  der  Oxydation  des  Chlorbuttersäurealdehydes,  welcher  bei  der  Einwirkung 
von  Salzsäure  auf  Crotonaldehyd  entsteht  (68),  aus  Cyanallyl  und  Salzsäure  (69). 
—  Schmp.  98—99°  (66).  Bildet  ein  leicht  zersetzliches  krystallinisches  Silbersalz 
(69).  —  Der  Aethylester,  welcher  durch  Sättigen  der  alkoholischen  Lösung 
der  Säure  mit  Salzsäuregas  gewonnen  werden  kann,  siedet  bei  168 — 169°  (bei 
741  Millim.  Druck),  hat  das  spec.  Gew.    10517   bei  20°  gegen  Wasser  von  4* 


Buttersäure.  387 

und  wird  von  Kalihydrat  oder  Barytwasser  in  Crotonsäure  und  Oxybuttersäure 
übergeführt  (67).  Er  bildet  sich  auch  beim  Einleiten  von  Salzsäuregas  in  die 
alkoholische  Lösung  von  Crotonsäure  neben  Crotonsäureester  (70)  (vergl.  99). 

Dichlorbuttersäure,  C3H5CI2COOH,  entsteht,  wenn  roan  trockenes 
Chlor  im  Sonnenlicht  durch  Buttersäure  leitet.  —  Zähe  Flüssigkeit  (71).  — 
Dichlorbuttersäureäthylester,  C3H;,Cl3COOCjH5  (72). 

a-ß-Dichlorbuttersäure,  CH3CHCICHCICOOH.  Beim  Einleiten  von 
trocknem  Chlor  in  Crotonsäure,  CH,CH  ==  CHCOOH,  erhält  man  eine  zähe, 
gelbliche  Flüssigkeit,  welche  sich  bei  der  Destillation  unter  Salzsäureabspaltung 
und  Bildung  von  Chlorcrotonsäuren  zersetzt  (164). 

Trieb lorbutter säure,  CH3CHCICCI2COOH,  (früher  unter  dem  Namen 
Trichlorcrotonsäure  (73,  74)  beschrieben),  entsteht  bei  der  Oxydation  von  Butyl- 
chloral,  C,H4Cl3-COH  (s.  Bd.  L,  pag.  198)  mit  Salpetersäure  (73,  74,  76),  Chlor 
in  wässriger  Lösung  oder  chlorsaurem  Kalium  und  Salzsäure  (76).  —  Schmelz- 
punkt 60°  (77),  Siedep.  236—238'*  (74).  Die  Säure  nimmt  33^  Wasser  auf; 
1  Th.  löst  sich  in  25  Thln.  Wasser  (74).  Durch  Behandeln  mit  Zink  und  Salz- 
säure (74),  mit  Zinkstaub  und  Wasser  (78),  sowie  beim  Erhitzen  mit  pulver- 
förmigem  Silber  auf  ca.  160^  (75)  geht  sie  in  a-Monochlorcroton säure  über,  aus 
welcher  durch  Chloriren  wieder  Trichlorbuttersäure  entsteht  (75).  Beim  Kochen 
des  Silbersalzes  der  Trichlorbuttersäure,  sowie  bei  der  Einwirkung  verdünnter 
Alkalien  liefert  sie  Dichlorpropylen,  C3H4CI3  (74,  75). 

Trichlorbuttersaures  Ammoniak,  CsH^CljCOONH^.  Glasglänzende,  in  Wasser, 
Alkohol  und  Aether  lösliche  Krystalie.  —  Trichlorbuttersaures  Calcium,  (C4H^aj03,)5,Ca. 
In  Wasser,  Alkohol  und  Aether  sehr  leicht  löslich.  —  Trichlorbuttersaures  Blei, 
(C4H^Cl,02)3Pb.  Unlöslich  in  kaltem  Wasser,  schwer  in  heissem;  löslich  in  Alkohol,  besonders 
leicht  in  Aether.  Krystallisirt  aus  Aether  in  seideglänzenden  Drusen,  aus  Wasser  in  kleinen 
Nadeln.  —  Trichlorbuttersaures  Silber,  C^H^ajO^Ag.  Krystallinisch,  in  Wasser  schwer 
löslich.  Zersetzt  sich  beim  Kochen  mit  Wasser  (s.  oben)  (74,  76).  —  Trichlorbuttersäure- 
Aethylcster,  C^H^ajO/C^Hj.  Siedep.  2\2'^  (74).  —  Trichlorbutyrylchlorid, 
C^H^a,OCl,  Siedep.  162—1660  (74).  -  Trichlorbutyramid,  C^H^CljO-NH,.  Silber- 
glänzende Schuppen.     Schmp.  96^  (74). 

Trichlorbuttersäure,  CHsjClCHClCHClCOOH  od.  CHaClCHjCClaCOOH 
(165).  Leitet  man  durch  o-y-Dichlorcrotonaldehyd,  CHjaCH  =  CCICOOH  (durch  Conden- 
sation  aus  Monochloraldehyd,  CH^CICOH,  entstehend)  bei  0^  einen  Strom  von  Chlorwasserstoff 
und  lässt  die  mit  letzterem  gesättigte  Flüssigkeit  längere  Zeit  stehen,  so  bildet  sich  der  Aldehyd 
der  in  Rede  stehenden  Trichlorbuttersäure,  welcher  durch  rauchende  Salpetersäure  in  die  Säure 
abergelllhrt  wird. 

«Schmp.  73—75°.  Besitzt  einen  scharfen,  an  Chloressigsäure  erinnernden 
Geruch.  In  ungefähr  20  Thln.  Wasser  löslich.  Die  Lösung  wirkt,  auf  die  Haut 
gebracht,  blasenziehend. 

Tctrachlorbuttersäure,  C^H4Cl402,  bildet  sich  beim  Chloriren  der 
Buttersäure  im  Sonnenlicht.  —  Schiefe,  rhombische,  nicht  in  Wasser,  leicht  in 
Aether  und  Weingeist  lösliche  Säulen.     Schmp.  140°  (72). 

a-Monobrombuttersäure,  CHjCHjCHBrCOOH,  bildet  sich  bei  der 
Einwirkung  von  Brom  auf  buttersaures  Silber  (79)  und  auf  Buttersäure  (80,  81, 
^2,  S^p  98),  sowie  bei  der  Einwirkung  von  Bromwasserstoffsäure  auf  Crotonsäure 
(87)  und  bei  der  Ueberführung  des  durch  Behandeln  von  Butyrylchlorid  mit 
Brom  entstehenden  Chlorids  in  die  Säure  (98). 

Zur  Darstellung  erhitzt  man  1  Mol.  Buttersäure  mit  1  Mol.  Brom  im  Wasserbade  bis  zur 
Entfärbung  (106)  und  reinigt  das  Produkt  durch  Destillation  im  Vacuum. 

«5* 


388  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Die  Säure  siedet  bei  gewöhnlichem  Druck  unter  theilweiser  Zersetzung  bei 
217°,  dagegen  unzersetzt  bei  110°  unter  3  Millim.  Druck  (83).  Liefert  beim  Be- 
handeln mit  Basen  oder  Wasser  ««Oxybuttersäure  (81,  83,  107).  —  (C4HßBrOj)|Pb. 

—  C4H6BrO,Ag  (82).  —  a-Brombuttersäure  —  Methylester,    CH,CH, 
CHBrCOOCHg.     Siedep.  165—172°  (105). 

a-Monobrombuttersäure-Aethylester,  CHjCHjCHBrCOOCjHa  (80, 
82,  84,  85,  88,  96).     Siedep.  178°  (corr.). 

Man  leitet  trockenes  Salzsäuregas  in  das  mit  dem  doppelten  der  theoretisch  berechneten 
Menge  absoluten  Alkohols  versetzte  rohe  Produkt  der  Einwirkung  von  1  MoL  Brom  auf  1  MoL 
Buttersäure  (s.  oben  die  Darstellung  der  Monobrombuttersäure)  bis  zur  Sättigung,  erhitzt  koize 
Zeit  auf  dem  Wasserbade,  scheidet  nach  dem  Erkalten  den  Ester  durch  Wasser  aus  und  unter- 
wirft ihn  ohne  vorheriges  Trocknen  der  Iractionirten  Destillation. 

a-Brombutyrylbromid,  CH,CH,CHBrCOBr  (108). 

p-Brombuttersäure,  CHjCHBrCHjCOOH,  entsteht  in  kleiner  Menge 
beim  Bromiren  der  Buttersäure  (86)  und  beim  Behandeln  der  Crotonsäure  mit 
Bromwasserstoff  (87). 

Dibrombuttersäure,  C4HeBr202  (wahrscheinlich  CHjCHjCBrjCOOH), 
entsteht  beim  Erhitzen  von  Buttersäure  mit  2  Mol.  Brom  oder  von  Monobrom- 
buttersäure mit  1  Mol.  Brom  auf  150—160°  (82,  83).  —  Siedepunkt  gegen  150* 
bei  3  Millim.  Quecksilberdruck  (83,.  88). 

a-?-Dibrombuttersäure,  CHjCHBrCHBrCOOH.  Produkt  der  Einwirkung 
von  Brom  auf  Crotonsäure  und  Isocrotonsäure  (89,  90,  91,  109).     Schmp.  87®. 

Tribrombuttersäure,  C3H4Br3COOH.  Aus  der  zuerst  erwähnten  Dibrom- 
buttersäure entsteht  beim  Erhitzen  oder  beim  Behandeln  mit  alkoholischem  Kali 
oder  Ammoniak  eine  Monobromcrotonsäure ,  welche  sich  mit  Brom  zu  einer 
Tribrombuttersäure  vom  Schmp.  111°  verbindet  (91). 

Aus  a-ß-Dibrombuttersäure  bildet  sich  bei  der  Einwirkung  alkoholischen  Kalis 
eine  Bromerotonsäure,  welche  ebenfalls  Brom  in  Schwefelkohlenstofflösung  auf- 
nimmt und  eine  aus  Alkohol  oder  Benzol  in  grossen,  rhombischen,  bei  114° 
schmelzenden  Tafeln  krystallisirende  Tribrombuttersäure  liefert  (91). 

Tetrabrombuttersäure  (?)  CjHjBr^COOH.  Aus  Mucobromsäure,  Brom 
und  Wasser.  —  Tafeln  vom  Schmp.  115°  (92). 

Chlordibrombuttersäure,  CH,CHBrCCIBrCOOH.    Aus  a-Chlorcrotonsfiure  und  Brom. 

—  Schmp.  92  0  (93)- 

Chlotribrombuttersäure,  C^H^ClBrjO,.  Durch  Oxydation  mit  Salpetersäure  aus  dem 
bei  der  Einwirkung  von  Brom  auf  Chlorcrotonaldehyd  (s.  Bd.  I,  pag.  200)  entstehenden  Alde- 
hyd dargestellt  —  Schmp.   140°  (94). 

a-Jodbuttersäure,  CHjCHjCHJCOOH,  ist  das  Hauptprodukt  der  Ein- 
wirkung von  Jodwasserstoff  auf  Crotonsäure.  —  Schmp.  110®.  Liefert  beim  Be- 
handeln mit  Kali  a-Oxy buttersäure,  CH3CHaCH(OH)COOH  (87,  95).  —  Der 
Aethylester,  CHaCHgCHJCOOCjHj,  entsteht  beim  Erhitzen  des  a-Brom- 
buttersäureesters  (s.  oben)  in  alkoholischer  Lösung  mit  gepulvertem  Jodkalium.  — 
Siedep.  190—192°  (96). 

p-Jodbuttersäure,  CHjCHJCHaCOOH,  entsteht  als  Nebenprodukt  bei 
der  Darstellung  der  a-Säure.  —  Flüssig.  Geht  beim  Behandeln  mit  Aetzkali  in 
ß-Oxybuttersäure  über  (87,  95). 

a-Cyanbuttersäureäthylester,  CH,CH,CH(CN)COOC,H5. 

a-Brombuttersäureester  wird  mit  dem  dreifachen  Volum  Alkohol  verdünnt  und  24  StondeB 
mit  Cyankalium-Cyanquecksilber  auf  130°  erhitzt  Der  Alkohol  wird  verdampft  und  der  Ester 
mit  Wasser  abgeschieden. 


Buttersäure.  389 

Siedep.  208*4— 209-4°  (coir.)  bei  752  Millim.  Bar.;  spec.  Gew.  1009  bei 
0°  (97).  Beim  Behandeln  mit  Salzsäure  oder  Kalihydrat  geht  die  a-Cyanbutter- 
säure  in  Aethylmalonsäure  über  (86,  97). 

Isonitrosobuttersäure,  CH3CHjC(N0H)C00H  (iio),  entsteht  bei  der 
Einwirkung  der  salpetrigen  Säure  auf  Aethylacetessigester.  —  Zweigartig  zusammen- 
gewachsene, seideglänzende  N'adeln,  welche  bei  151°  unter  Zersetzung  schmelzen. 
In  Alkohol  leicht,  weniger  in  Wasser  und  Aether  löslich.  —  Silbersalz, 
C4HßAgNOj.     In  Wasser  unlösliches  Pulver. 

a-Sulfobuttersäure,  CH3CH,CH(S03H)COOH.  Produkt  der  Ein- 
wirkung von  rauchender  Schwefelsäure  auf  Butyramid  (102,  99),  von  Chlorsulfo- 
säure,  SO, HCl,  auf  Buttersäure  und  von  schwefligsaurem  Ammoniak  aufa-Brom- 
buttersäureester  (99).  —  Zäher,  hygroskopischer  Syrup.  Liefert  bei  der  Einwirkung 
von  Phosphorsuperchlorid  a-Chlorbutyrylchlorid  und  von  rauchender  Schwefelsäure 
in  Gegenwart  von  Phosphorsäureanhydrid  Disulfopropiolsäure  (99). 

et-Sulfobuttersaures  Baryum,  C^H^BaSOj -h  2H,0.  Rhombische  Blättchen.  — 
Kalksalz,  C^HgCaSOj  +  2H,0.  Beim  Verdunsten  der  wässrigen  Lösung  scheidet  es  sich  in 
vanigen  Massen  ab.  Versetzt  man  seine  Lösung  in  öOproc.  Alkohol  mit  dem  gleichen  Volum 
Aether,  so  krystallisirt  es  nach  und  nach  in  zolllangen  Nadeln  aus.  —  Silbersalz,  CiH^AggSO^. 
Quadratische  Prismen,  in  Wasser  löslich,  nicht  in  Alkohol.  —  Zinksalz,  C^HgZnSOj  -h  5HjO.  — 
Kupfersalz,  C^HgCuSOj -h  4H,0.  —  Bleisalz,  C^H^PhSOs -h  2H,0  (99). 

ß-Sulfobuttersäure,  CH,CH(S05H)CH2COOH.  Aus  p-Chlorbuttersäure- 
ester  und  schwefligsaurem  Ammoniak.  —  An  der  Luft  zerfliessliche  Gallerte, 
amorphe  Salze  bildend. 

ß-Sulfobuttersaures  Baryum,  C^H^BaSOj  +  H,0.  Wird  aus  der  wässrigen  Lösung 
durch  Alkohol  pulverig  gefällt  Enthält,  bei  180**  getrocknet,  noch  1  Mol.  Wasser,  welches  erst 
ttber  200^  unter  Zersetzung  des  Salzes  entweicht  (99). 

a-Amidobuttersäure(Propalanin),  CH3CH2CH(NHj)COOH,  entsteht 
beim  Digeriren  von  a-Monobrombuttersäure  mit  wässrigem  oder  alkoholischem 
Ammoniak  (82,  83).  —  Krystallisirt  aus  starkem  Weingeist  in  farblosen,  kleinen 
Blättchen  und  stem-  oder  garbenartig  gruppirten  Nadeln.  1  Th.  löst  sich  in  etwa 
3-5  Thln.  Wasser  von  mittlerer  Temperatur;  sehr  schwer  in  kaltem,  wenig  löslich 
in  siedendem  Alkohol  (1  Th.  in  etwa  550  Thln.),  unlöslich  in  Aether.  Sie  besitzt 
einen  deutlich  süssen  Geschmack  und  bildet  sowohl  mit  Säuren  als  auch  mit 
Basen  Salze. 

Salzsaure  o-Amidobuttersäure,  C^HgNOj'HCl,  krystallisirt  aus  Wasser  in  leicht 
löslichen,  spiessigen  Krystallen.  —  Salpetersaures  Salz,  C^HgNOj'HNOj.  Famkrautartig 
Terwachsene,  seideglänzende  Nadeln,  die  in  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich  sind  und  deren 
wflssrige  Lösung  Lakmus  röthet  —  a-Amidobuttersaures  Silber,  C^HgNOj'Ag.  Kleine, 
zu  .kugeligen  Massen  vereinigte  Säulen,  die  sich  am  Licht  rasch  dunkel  färben  und  sich  bei  100^ 
zersetzen.  — Basisches  Bleisalz,  (C^H8NOjj)j,Pb  +  Pb(OH)j.  Durch  Kochen  der  wässrigen 
Sänrelösung  mit  überschussigem  Bleioxyd  erhalten.  Schwierig  in  Wasser  lösliches,  krystallinisches 
Pulver. 

Methyl -a-Amidobuttersäure,  CH3CH2CH(NHCH8)COOH  (103). 
Durch  8— 10 stündiges  Erhitzen  von  1  Mol.  a-Brombuttersäure  mit  2—3  Mol. 
Methylamin  (in  conc.  wässriger  Lösung)  auf  100°  dargestellt.  —  Süsslich 
schmeckende  Blättchen,  welche  beim  Erhitzen  sich  unter  Zersetzung  verflüchtigen, 
ohne  zu  schmelzen  und  ohne  sich  zu  schwärzen.  Leicht  löslich  in  Wasser,  ziem- 
lich in  siedendem  Alkohol,  wenig  in  kaltem  Alkohol,  unlöslich  in  Aether.  Die 
Lösungen  reagiren  schwach  sauer. 

Methyl-a-Amidobuttersäure  bildet  Salze  mit  Säuren  und  Basen.  —  Salzsaures  Salz, 
C^HiiNPa-HCl.     In   Wasser    und  Alkohol,    nicht    in  Aether    lösliche   Krystalle.   —    Platin- 


3go  Handwörterbuch  der  Chemie. 

do ppel salz,  (C5HjjNO,'HCl),PtCl4.  Dicke,  in  Wasser  und  in  Alkohol  ausserordentiich 
leicht,  nicht  in  Aether  lösliche  Krystalle.  Fällt  bei  einer  Temperatur  von  0^  aus  seinen  Lösungen 
mit  Krystallwasser  (5  Md.?)  aus.  —  Golddoppelsalz,  CjH,iN0,-HClAua,4-H,0.  Pris- 
matische, gelbe,  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether  leicht  lösliche  Krystalle,  welche  ihr  Wasser  bei 
100—105®  abgeben.  —  Salpetersaures  Salz,  CjHjjNOj-HNO,.  —  Schwefelsanres 
Salz,  (C5HiiN03),H,S04.  —  Methylamidobuttersaures  Kupfer,  (CjHj^>NO,),Cu 
+  2HjO.  In  Wasser  und  Alkohol  lösliche,  dunkelblaue  Krystalle,  welche  ihr  Wasser  bei 
110—1200  abgeben. 

Aethyl-a-Amidobuttersäiire,CH3CHjCH(NHCjH5)COOH(io3).  Wie 
die  Methylamidobuttersäure  aus  Aethylamin  und  a-Brombuttersäure  dargestellt.  — 
Blätteben.  Leicht  in  Wasser,  nicht  in  Aether,  wenig  in  kaltem,  etwas  reichlicher 
in  heissem  Alkohol  löslich.  Verhält  sich  beim  Erhitzen  wie  die  Methylamido- 
buttersäure. 

Aethyl-a-Amidobuttersäure  bildet  Salze  mit  Säuren  und  Basen.  —  Salzsaures  Sali, 
CgH  j  jNOj-Ha.  Sehr  leicht  in  Wasser,  wenigef  in  Alkohol,  nicht  in  Aether  lösliche  Krystalle.  — 
Platindoppelsalz,  (CgHjjNOj-HCO^PtQ^.  In  Alkohol  und  Wasser  sehr  leicht,  nicht  in 
Aether  löslich.  —  Schwefelsaures  Salz,  (CgHj,N0j),HjS04.  Krystallisirt  aus  absolutem 
Alkohol  in  feinen  Nadeln.  —  Aethyl-a-Amidobuttersaures  Kupfer,  (CgHj,NO,),C« 
+  2H,0.  Blaue  Blättchen.  Ziemlich  löslich  in  heissem  Wasser,  wenig  in  kaltem,  löslich  anch 
in  Alkohol.     Verliert  sein  Krystallwasser  bei  120®. 

ß-Amidobuttersäure,  CH3CH(NHj)CH2COOH  (104).  Sehr  zerfliessliche 
Blättchen. 

Erhitzt  man  ß-Chlorbuttersäureester  (s.  oben)  mit  einem  Ueberschuss  von  alkoholisdiein 
Ammoniak  zwei  Tage  auf  70 — 80^  so  wird  derselbe  in  ß-Amidobuttersäureamid,  eine  in 
Wasser  und  Alkohol  reichlich,  wenig  in  Aether  lösliche,  syrupöse  Fltlssigkeit,  Obergefilhrt,  welche, 
mit  Salzsäure  und  Platinchlorid  versetzt,  ein  aus  Wasser  in  orangefarbenen  Tafeln  krystallisiTendes, 
weniginAlkohol,  nicht  in  Aether  löslichesPlatinsalz  —  [CH8CH(NHa)CHgCONH,-Ha],Pta4 
—  liefert  Durch  Kochen  des  Amids  mit  Wasser  und  Bleioxydhydrat  erhält  man  ein  Bleisalz,  ans 
welchem  durch  2^rsetzen  mit  Schwefelwasserstoff  die  ß-Amidobuttersäure  gewonnen  wird. 

Isobuttersäure,  (CH,),CHCOOH,  findet  sich  im  Johannisbrod  (iii)(2), 
in  der  Wurzel  von  Arnica  montana  (112),  im  Römisch-Kamillenöl  (113),  Crotonöl 
(114),  Harzöl  (115).  Auch  in  den  menschlichen  Excrementen  hat  man  sie  auf- 
gefunden (116).  Sie  wurde  von  Erlenmeyer  (117)  und  gleichzeitig  von  Markow- 
NiKOFF  (118)    synthetisch    dargestellt   und   zwar  durch   Zersetzen   des  Isopropyl- 

CH 
cyanürs,  qjj']]]^CHCN,  mit  Kalihydrat.     Man  erhält  sie  ausserdem  u.  a.  durch 

Spaltung  des  Dimethylacetessigesters  (s.  Bd.  I.,  pag.  16)  mit  Alkalien  (119)» 
durch  Reduction  der  Methacrylsäure  (120),  der  Chlor-  und  Brommethacryl- 
säuren  (aus  Citra-  und  Mesaconsäure)  (121,  142,  155,  156)  mit  Natriumamalgam» 
aus  normaler  Buttersäure  durch  Erhitzen  ihres  Kalksalzes  (pag.  384)  in  wässrigjer 
Lösung  (40),  sowie  durch  Oxydation  des  Gährungsbutylalkohols  (Erlenmever). 

Diese  Reaction  kann  zur  Darstellung  der  in  Rede  stehenden  Säure  benutzt  werdeo: 
Man  trägt  den  Isobutylalkohol  in  die  nöthigc  Menge  einer  auf  50^  erwärmten  8proc  QiTom- 
säurelösung  (118  Grm.  saures  chromsaures  Kali  und  IGT  Grm.  englische  Schwefelsäure  zu  1  Liter 
verdünnt)  nach  und  nach  ein  und  unterstützt  die  Reaction  zuletzt  durch  Erwärmen.  Nach  Be- 
endigung derselben  wird  die  Flüssigkeit  ungefähr  bis  zur  Hälfte  abdestillirt,  das  saure  DestObt 
mit  kohlensaurem  Natrium  gesättigt,  abgedampft  und  aus  der  conc.  Salzlösung  die  Isobuttersäurt 
durch  Schwefelsäure  abgeschieden.  Man  trennt  das  Oel,  trocknet  es  mit  entwässertem  Glauber- 
salz und  dann  mit  Phosphorsäureanhydrid  und  unterwirft  es  der  fractionirten  DestiDatioo  (2). 

Die  Isobuttersäure  bildet  eine  leicht  bewegliche  Flüssigkeit  von  der  normalen 
Buttersäure  ähnlichem,  aber  weniger  unangenehmem,  nicht  so  lange  haftendem 
Geruch.     Siedep.   153-Ö— lö4ö°  (corr.).     Spec.  Gew.  09598  bei  0^   0*9208  bei 


Buttersäure.  391 

50°,  0*8965  bei  100^  auf  Wasser  von  derselben  Temperatur  bezogen.  Sie  ist 
nicht  wie  die  normale  Säure  mit  Wasser  in  allen  Verhältnissen  mischbar,  bei  20° 
erfordert  sie  5  Thle.  zur  Lösung  (122).  Wird  von  Chromsäure  zu  Aceton,  Essig- 
säure und  Kohlensäure  oxydirt  (123),  von  übermangansaurem  Kali  in  alkalischer 
Lösung  zu  a-Oxyisobuttersäure,  (CH3)2C(OH)COOH  (124);  bei  durchgreifender 
Chlorirung  liefert  sie  Perchlormethan,  Perchloräthan  und  Perchlorpropan  (125). 

Salze  der  Isobuttersäure  (126).  Von  Salzen  der  Isobuttersäure  seien  die  folgenden 
erwähnt: 

Isobuttersaures  Strontium,  [(CH,)aCHCOO],Sr  +  5H,0.  Monokline  Krystalle. 
Kiystallisirt  beim  langsamen  Verdunsten  der  Lösung  in  grösseren  Krystallen.  Aus  der  heiss 
gesättigten  Lösung  fallen  beim  Erkalten  mikroskopische  Nadeln.  100  Thle.  Wasser  lösen  bei 
W  44*1  Thle.  des  wasserhaltigen  Salzes. 

Kalksalz,  (C4HyO,),Ca  +  5HjO.  Gleicht  in  Krystallform  dem  vorher  beschriebenen 
Salze.  Die  Krystalle  verwittern  mit  der  2^it  und  verlieren  bei  100^  und  Über  Schwefelsäure 
ihr  Wasser.  In  heissem  Wasser  löslicher  als  in  kaltem  (Unterschied  von  normalbuttersaurem 
Kalk).     100  Thle.  Wasser  lösen  bei  18^  36  Thle.  des  wasserhaltigen  Salzes. 

Silbersalz,  C^H^O^Ag.  Tafelförmige  Blättchen.  Aus  der  Lösung  eines  Gemenges  von 
nonnalbuttersaurem  und  isobuttersaurem  Silber  krystallisirt  (wie  unter  dem  Mikroskop  leicht 
beobachtet  werden  kann)  zuerst  das  Salz  der  Normalsäure  und  erst  zuletzt  erscheinen  die  Blättchen 
des  isobutters.  Silbers.     100  Thle.  Wasser  von  16^  lösen  0*928  Thle.  des  Salzes. 

Zinksalz,    (C4HfO,),Zn +  H,0.     Lässt  sich  nur  bei  Gegenwart  überschüssiger  Säure 

umkiystallisiren.     Monokline  Prismen.     Beim  Kochen    zersetzt  sich  die   Lösung  unter  Bildung 

eines  basischen  Salzes.     100  Thle.  Wasser  von  19'5^  lösen  17'3  Thle.  des  wasserhaltigen  Salzes. 

Isobuttersäure-Aethylester,  (CH3)aCHCOOC,H5.    Siedep.  110°,  spec. 

Gew.  0-8893  bei  0°  (118). 

Isobuttersäure-Propylester,  (CH,),CHCOOC,H,.  Siedep.  135'250  bei  765  MiUim. 
Bar.;  spec.  Gew.  0'8872  bei  0^  (127). 

Isobuttersäure -Isobutylester,  (CH,)3CHCOOC4H9  (128).  Siedep.  149-5°  bei 
758  Millim.  Bar.;  spec.  Gew.  0'8719  bei  0^.  Substitutionsgeschwindigkeit  bei  der  Bromirung 
des  Esters  (130). 

Isobuttersäure-Amylester  (aus  Gährungsalkohol) ,  (CH3),CHCOOC5Hj,.  Siede- 
pankt  nO'b^  bei  765  MiUim.  Bar.;  spec.  Gew.  08769  bei  0°  (129). 

Isobutyrylchlorid,  (CH3)5CHC0C1  (131,  133).  Isobuttersäure  wird  mit 
Phosphorchlorür  behandelt.  —  Siedep.  91-5— 92*5°  bei  748*2  Millim.  Bar.;  spec. 
Gew.  1-0174  bei  20°,  bez.  auf  Wasser  von  4°  (132). 

Isobutyrylbromid  erhält  man  bei  der  Einwirkung  von  Brom  und  rothem 
Phosphor  auf  Isobuttersäure  (154). 

Isobutyrylcyanid,    (CH3)2CHCO-CN.     Aus  dem  Isobutyrylchlorid  und 
Cyansilber.  —  Siedep.   117—120°.     Gleichzeitig   bildet   sich  Diisobutyryldi 
Cyanid,  welches  bei  226—228°  siedet  (134). 

Isobuttersäureanhydrid,  (CH  )  CHCO^^'  ^*^^^^  ^^^^  ^®^  ^^'  ^^^' 
Wirkung  von  Phosphoroxychlorid  auf  isobuttersaures  Natrium  neben  Isobutyryl- 
chlorid. —  Siedep.  180—181°.  Geht  beim  Erwärmen  im  Wasser  in  Isobutter- 
säure über  (131). 

Isobutyramid,  (CH3)2CHCONH2,  bildet  sich  bei  der  Destillation  von 
Isobuttersäure  mit  Rhodankalium  (135)  und  bei  der  Einwirkung  von  Ammoniak 
auf  Isobuttersäureisobutylester  (136).  Am  leichtesten  erhält  man  das  Amid  durch 
5 — 6  stündiges  Erhitzen  von  trockenem  isobuttersaurem  Ammoniak  auf  230°  und 
nachherige  Destillation  (137).  —  Schmp.  128—129°.  In  Wasser  reichlich  löslich. 
Bildet    beim  Behandeln  mit  Brom  (zur  Darstellung  verwendet  man  am  besten 


392  Handwörterbuch  der  Chemie. 

2  Mol.  Amid  und  1  Mol.  Brom)  ein  aus  Wasser  oder  Aether  in  farblosen  Nadeln 
krystallisirendes,  bei  92°  schmelzendes  Bromamid,  (CH,)jCHCONHBr(i38).— 
Behandelt  man  Isobutyrylchlorid  mit  Ammoniak,  so  erhält  man  gleichfalls  Isobntyr* 
amid,  jedoch  entsteht  hauptsächlich 

Diisobutyramidi  (C4H70)3NH,  welches  durch  Wasser,  worin  es  unlöslich, 
von  ersterem  getrennt  werden  kann.  Das  Diisobutyramid  kiystallisirt  aus  Alkohol 
in  langen,  glänzenden  Nadeln,  welche  bei  174°  schmelzen  und  bereits  unter  100° 
sublimiren. 

Trichlorisobuttersäure,  C4H5CI3O3,  entsteht  beim  Einleiten  von  Chlor 
in  eine  Lösung  von  citraconsaurem  Natrium  (am  besten  vom  spec.  Gew.  116) 
(141)  aus  zunächst  sich  bildender  Monochlormethacrylsäure  (142)  neben  gechlorten 
Acetonen.  —  Sie  bildet  kleine,  atlasglänzende,  bei  50°  schmelzende  Prismen,  ist 
mit  den  Wasserdämpfen  flüchtig  und  sublimirt  bei  vorsichtigem  Erhitzen  unzersetzt 
Bei  140°  färbt  sie  sich  gelb  und  zersetzt  sich  bei  höherer  Temperatur.  In  Be- 
rührung mit  Wasser  verflüssigt  sie  sich.  Beim  Behandeln  mit  Zinkstaub  und 
Salzsäure  liefert  die  Trichlorisobuttersäure  Monochlormethacrylsäure,  C4H5CIO,, 
beim  Kochen  mit  Alkalien  Dichlormethacrylsäure ,  C^H^CljOj,  welche  von 
Natriumamalgam  zu  Isobuttersäure  reducirt  wird. 

Die  Sake  der  Trichlorisobuttersäure  sind  nur  bei  niederer  Temperatur  beständig.  Da^ 
Ammoniaksalz,  C^H^CljÖj'NH^,  bildet  krystallinische  Krusten  oder  deutlich  ausgebildete, 
kleine  Krystalle.  —  Das  Kaliumsalz,  C^H^Ci^ö^lli^  krystallisirt  aus  Alkohol  in  grossen 
Kryslallen.  —  Baryumsalz,  (C4H^a,Oj)jBa.  Kleine  Octaeder.  —  Bleisalz,  (C^H4Cl,0,),Pb. 
Feine^  seideglänzendc,  drusig  vereinigte  Nadeln. 

a-Bromisobuttersäure,  (CH8),CBrC00H,  bildet  sich  beim  Erhitzen 
gleicher  Molekulargewichte  von  Brom  und  Isobuttersäure  auf  140°  (143)*  Sie 
wird  durch  Umkrystallisiren  aus  Aether  gereinigt 

Die  Säure  bildet  tafelförmige  Krystalle,  schmilzt  bei  48°  und  siedet  unter 
geringer  Zersetzung  bei  198—200°.  Spec.  Gew,  15225  bei  60°,  1-500  bei  100^ 
bez.  auf  Wasser  von  derselben  Temperatur.  In  Alkohol,  Aether  und  Benzol  ist 
die  Säure  leicht  löslich.  Mit  Wasser  zusammengebracht  verflüssigt  sie  sich, 
wahrscheinlich  in  Folge  einer  Hydratbildung.  Bei  längerem  Kochen  mit  Wasser 
geht  sie  glatt  in  a-Oxyisobuttersäure  über  (144).  Dieselbe  Säure  entsteht  beim 
Behandeln  mit  rauchender  Salpetersäure  (153). 

a-Bromisobuttersäureäthylester,  (CH3)jCBrCOOC,H5.  Siedep.  162-7*' 
(corr.,  Bar.  746  Miilim.),  spec.  Gew.  11323  bei  0°  (144,  145). 

CH 

ß-Bromisobuttersäure,   ^pj'p^^^^CHCOOH.     Man  lässt  Methacrylsäure  mit 

dem  vier-  bis  fünffachen  Volum  bei  0®   gesättigter  Bromwasserstoffsäure   einige  Zeit  bei  0*  » 
Berührung  und  entzieht  der  verdünnten  Lösung  die  Säure  mit  Schwefelkohlenstoff'. 

Schmp.  22^.  Wird  beim  Kochen  mit  überschüssiger  Barytlösung  in  Meth- 
acrylsäure übergefilhrt  (146). 

Dibromisobuttersäure,  CHj,BrCBr(CH3)C00H,  entsteht  bei  der  Addi- 
tion von  Brom  an  Methacrylsäure.  —  Schmp.  48°.  Zerfallt  beim  Kochen  mit 
Wasser  in  Bromwasserstoff,  Kohlensäure,  Propionaldehyd,  Brommethacrylsäarc 
und  Brom-a-Oxyisobuttersäure.  Dieselben  Zersetzungsprodukte  der  Qualität  nach 
bilden  sich  beim  Kochen  der  Säure  mit  kohlensaurem  Natrium,  während  bei  der 
Einwirkung  von  Natronlauge  nur  Brommethacrylsäure  erhalten  wird  (109). 

Tribromisobuttersäure,  C^HjBrjO,.     Monobrommethacrylsäurc  (aus  Citncon- 


Btittersäure.  393 

sioie)  wird  mit  1  Mol  Brom  auf  100®  erhitet  und  das  Produkt  durch  Abpressen  und  Abwaschen 
mit  Aether  gereinigt.  —  Prismen;  geht  beim  Erwärmen  in  alkalischer  Lösung  in 
Dibrommethacrylsäure  über  (147). 

Tetrabromisobuttersäure,  C4H4Br^Oj.  Erhitzt  man  die  vorhergenannte 
Dibrommethacrylsäure  mit  1  Mol.  Brom  auf  120— 125°,  so  erhält  man  Tetrabrom- 
isobuttersäure, welche  nach  dem  Reinigen  durch  Umkrystallisiren  aus  Aether 
einen  in  undeutlichen  Prismen  krystallisirenden,  leicht  schmelzbaren,  in  Alkohol 
und  in  Aether  leicht,  in  Wasser  schwer  löslichen,  nicht  unzersetzt  flüchtigen 
Körper  bildet  (147). 

Jodisobuttersäure,    C3HJCOOH  (wahrscheinlich  ^|^«j^  C HC 00 h), 

scheidet  sich  aus  der  bei  gewöhnlicher  Temperatur  bereiteten  Lösung  von  Meth- 
aciylsäure  in  bei  0**  gesättigter  Jodwasserstoff"säure  nach  einiger  Zeit  aus,  wenn 
kein  zu  grosser  Ueberschuss  von  letzterer  vorhanden.  Sie  krystallisirt  aus  Schwefel- 
kohlenstoff in  bei  36°  schmelzenden,  tafelförmigen  Krystallen  (148). 

a-Amidoisobuttersäure,  (CH,),C(NH2)C00H,  bildet  sich  beim  Erhitzen 

(CH3),C  — NH     . 
von  Acctonylhamstoff,  I  ^ CO,    mit  rauchender  Salzsäure  auf 

150 — 160°  (149),  beim  Zersetzen  der  beim  Erhitzen  von  salzsaurem  Diacetonamin 
mit  wässriger  Blausäure  auf  120°  entstehenden  Produkte  mit  rauchender  Salz- 
säure (150),  bei  der  Oxydation  von  schwefelsaurem  Diacetonamin  mit  saurem 
chromsaurem  Kali  und  Schwefelsäure  (151),  sowie  beim  Verseifen  des  bei  der 
successiven  Einwirkung  von  Blausäure  und  alkoholischem  Ammoniak  auf  Aceton, 
CHjCOCH,,  entstehenden  Nitrils  (152). 

Man  digerirt  Aceton  längere  Zeit  mit  der  äquivalenten  Menge  20— SOprocentiger,  wässriger 
Bknstture  oder  man  giesst  eine  ätherische  Lösung  des  Acetons  auf  die  äquivalente  Menge  gevulverten 
Cjankalium«  und  lässt  die  zur  Zersetzung  des  letzteren  erforderliche  Menge  concentrirter  Salz- 
säure zatropfen,  fUgt  sodann  eine  äquivalente  Menge  alkoholischen  Ammoniaks  hinzu  und  erhitzt 
in  geschlossenem  GefUss  auf  50—60^,  bis  der  Geruch  nach  Ammoniak  nahezu  verschwunden 
ist.  Zur  Zersetzung  des  entstandenen  Nitrils  versetzt  man  mit  concentrirter  Salzsäure  und  über- 
lässt  das  Gemisch  einige  Zeit  sich  selbst,  ftlgt  sodann  verdtlnntere  Salzsäure  hinzu  und  kocht 
unter  RQckfiuss,  wobei  der  Kühler  flir  kurze  Zeit  entfernt  wird,  um  den  vorhandenen  Alkohol 
zu  verjagen.  Man  dampft  zur  Trockne ,  trennt  die  salzsaure  Amidoisobuttersäure  mit  Hilfe 
96proc.  Alkohols  vollständig  vom  Salmiak,  behandelt  das  salzsaure  Salz  in  wässriger  Lösung 
mit  ttberschOssigem  Silberoxyd  und  zersetzt  nach  dem  Filtriren  das  gebildete  Silbersalz  mit 
Schwefelwasserstoff  (152). 

Die  Amidoisobuttersäure  ist  leicht  in  Wasser,  schwierig  in  Alkohol  und  gar 
nicht  in  Aether  löslich.  Sie  krystallisirt  aus  Wasser  in  Blättchen  und  Tafeln, 
welche  beim  Erhitzen  im  Röhrchen  bei  220**  sublimiren,  ohne  zu  schmelzen;  bei 
rascbem  Erhitzen  zersetzt  sie  sich.  Die  wässrige  Lösung  schmeckt  süss.  Durch 
salpetrige  Säure  wird  sie  in  a-Oxyisobuttersäure  übergefiihrt. 

Die  Alkali-   und  Erdalkalisalze  sind  sehr  hygroskopisch  und  in  Wasser  sehr  leicht  löslich. 

Bariumsalz,   (C4H9N02),Ba  + 3H,0.     Nadeln.     Verliert  sein  Krystallwasser  bei  105^. 

Magnesiumsalz,  (C4HgN02),Mg.     Derbe  Prismen. 

Silbersalz,  C^H^NO^Ag.     Zarte,  glänzende,  in  heissem  Wasser  lösliche  Nadeln. 

Kupfersalz,  (C4H,NO,),Cu.  Blättchen.  Löst  sich  in  Wasser  mit  tief  violetter  Farbe 
and  ist  in  Alkohol  kaum  löslich. 

Salzsaure  a-Amidoisobuttersäure,  C^H^NO^-HCI.'    Glänzende  Prismen. 

RÜGHEIMER, 


mm:':-- 


^  ■  . 


394  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Butylene.*)    Kohlenwasserstoffe  der  Olefinreihc  von  der  Formel  C^Hg,  von 

den  Butanen  durch  einen  Mindergehalt  von  zwei  Wasserstoffatomen  verschieden. 

Von  den  drei  theoretisch  möglichen  und  thatsächlich  bekannten  Butylenen  leiten 

sich  zwei  vom  normalen  Butan,  das  dritte  vom  Isobutan  ab: 

CHaCHj.CHiCHj  CHjCHiCHCH,  (CH3),C:CH, 

a-Butylen  ß-Butylen  Isobutylen. 

Ein  Butylen  wurde  zuerst  von  Faraday  in  der  durch  Compression  von  Oel- 
Leuch^as  erhaltenen  Flüssigkeit  aufgefimden  (i).  Welches  von  den  drei  Butylenen 
oder  ob  es  ein  Gemenge  und  von  welchen  es  ein  solches  sei,  ist  bei  diesem  Butylen 
aus  Oelgas  ebensowenig  bekannt,  wie  bei  demjenigen,  welches  im  Steinkohlen- 
leuchtgas spurweise  vorkommen  soll  (2),  oder  welches  bei  der  trocknen  Destillation 
von  essigsaurem  Natrium,  von  buttersaurem  Calcium  oder  Barium,  femer  bei  der 
trocknen  Destillation  von  Traubenzucker,  von  ölsaurem  Calcium,  von  essigsaurem 
Natrium  mit  Natronkalk  auftritt  (3),  oder  von  demjenigen,  welches  sich  unter 
den  beim  Auflösen  von  Gusseisen  auftretenden  Gasen  befindet  (4), 

1.  a-Butylen  (Normal-Butylen,"  Aethyläthylen),  CHj- CH^-CHiCH,. 

Es  entsteht  bei  Einwirkung  von  Zinkäthyl  auf  Monobromäthylen  {5),  neben 
Aethylbutyläther  beim  Erhitzen  von  normalem  Butyljodid  mit  alkoholischer  Kali- 
lauge (6,  7,  8)  und  neben  Butylalkohol  beim  Behandeln  des  normalen  Butylamins 
mit  salpetriger  Säure  (9).     Siedep.  —  5°  bei  758  Millim  (5). 

•)  i)  Faraday,  Philos.  Trans.  1825,  pag.  44a    2)  Berthelot,  Compt.  rend.  82,  pag.  871, 
927.     3)  Ders.,  Ann.  chim.  phys.  [3]  53,  pag.  69.     4)  CLOez,  Ber.  1874,  pag.  823.    5)  Würtz, 
Ann.  152,  pag.  21.     6)  Saytzekf,  Joum.  pr.  Ch.  [2]  3,  pag.  82.     7)  Lieben  u.  Ros»,  Ann.  158, 
pag-  137'    8)  Grabowski  u.  Saytzeff,  Ann.  179,  pag.  325.    9)  V.  Meyer,  Ber.  1877,  pag.  136. 
10)  Lieben,  Ann.  151,  pag.  121.     11)  de  Luynes,  Compt.  rend.  56,  pag.  803;    58,  pag.  1089; 
Ann.  chim.  phys.  [4]  2,  pag.  385.     12)  Lieben,  Ann.  150,  pag.  108.     13)  Nevol^  BuU.  soc 
chim.   [2]  24,  pag.  122.      14)  Le  Bel  u.   GrEene,  Ebend.  29,  pag.  306.     15)  Dies.,  Compt 
rend.  89,  pag.  413.    16)  Konowaloff,  Ber.  1880,  pag.  3395.    ^7)  Eltekoff,  Ber.  1880,  pag.  2404. 
18)  Ders.,  Ber.  1877,  pag.  1904.    19)  Pagenstecher,  Ann.  195,  pag.  108.    20)  Wurtz,  Ann.  144, 
pag*  234.    21)  Grossheintz,  Bull.  soc.  chim.  [2]  29,  pag.  201.    22)  Puchot,  ebend.  30,  pag.  188. 
23)  DE  Luynes,  ebend.  6,  pag.  166.     24)  Marko wnikoff,  Zeitschr.  Chem.    1870,  pag.  29. 
25)  Butlerow,   ebend.  1870,  pag.  236.     26)  Ders.,   Ann.  144,  pag.  i.     27)  Kolbe,  Ann.  69, 
pag.  269.    28)  Wurtz,  Ann.  104,  pag.  242.    29)  Butlerow,  Ann.  145,  pag.  371.    30)  Prunier, 
Bull.  soc.  chim.  [2]  19,  pag.  109.    31)  Butlerow,  Ber.  1870,  pag.  95.    32)  Linnbmann,  Ann.  162, 
pag.  12.     33)  Brauner,    Ber.   1879,  pag.  1877.     34)  Nevolä,  Compt.   rend.  83,  pag.  228. 
35)  Konowaloff,  Ber.  1880,  pag.  2395.    36)  Eltekoff,  Ber.  1880,  pag.  2404.    37)  Butlsiow, 
Ber.  1873,  pag-  S^i.    38)  Zalessky,  Ber.  1872,  pag.  480.    39)  Butlerow,  Ber.  1870,  pag.  4*2. 
40)  Zeidler,   Ann.    197,  pag.  251.     41)   Kekule,   Ann.  162,   pag.  77.     42)  Jaff^  Ann.  135, 
pag.  300.    43)  Caventou,  Ann.  127,  pag.  347.    44)  Butlerow,  Zeitschr.  Chem.  1870,  pag.  524; 
Ber.  1870,  pag.  623.     45)  Caventou,   Ann.  127,  pag.  93.     46)  Jüdson,  Ber.   1870,  pag.  79CX 
47)  Lieben,  Ber.  1875,  pag.  1017.     48)  Lieben  u.  Bauer,  Ann.  123,  pag.  130.     49)  Lieben, 
Ann.  146,  pag.  180.    50)  Kekul^,  Ann.  162,  pag.  310.    51)  Wurtz,  Compt  rend.  76,  pag.  1165; 
Joum.   pr.   Ch.    [2]   7,  pag.  318.     52)  Nevolä,   Compt.   rend.   83,  pag.  65,    146.     53)  Ders., 
Ber.  1876,  pag.  448.     54)  Henry,   Ber.   1876,  pag.  1034.     55)  Cahours  u.  Demar^ay,  Compc 
rend.  86,   pag.  991.     56)  Haitinger,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  286.     57)  Husemann,  Ann.  126, 
pag.  269.    58)  Wurtz,  Ann.  chim.  phys.  [3]  55,  pag.  400.    59)  Bruylants,  Ber.  1875,  pag,  41»- 
60)   Oeconomides,    Compt.  rend.   92,    pag.  884.     61)  Menschutkin,    Ber.   1880,   pag.  181». 
62)  Haitinger,  Ann.  193,  pag.  366.     63)  Hofmann,  Ber.  1874,  pag.  515.     64)  Fairt^by,  Abb. 
Suppl.  m,  pag.  371.     65)  Nevolje  u.  Tscherniak,  Compt.  rend.  86,  pag.  14 11.    66)  BuTLEROiv'* 
Ann.    189*,  pag.  44.     67)  J.  Lermontoff,  Ann.    196,  pag.  116.     68)  Butlerow,  Ber.  iSSa, 
P*ß'  '575'    ^9)  Dobbin,  Chem.  soc.  J.  37,   pag.  236.     70)  Butlerow,  Ber.  1879,  P*^*  ^^ 


Butylene.  395 

Das  a-Butylen  verbindet  sich  leicht  mit  Jodwasserstoff  zu  secundärem  Biityl- 
jodid  (s,  6,  7),  langsam  mit  unterch loriger  Säure  zu  dem  gechlorten  Methyläthyl- 
carbinol,  CH3.CH2.CH(OH).CH,Cl  (10). 

ß-Butylen  (Pseudobutylen,  Symmetrisches  Dimethyläthylen),  CHj-CH: 
CHCH,. 

Es  wurde  neben  dem  betreffenden  Essigester  erhalten  bei  der  heftigen  Ein- 
wirkung von  secundärem  Butyljodid  auf  essigsaures  Silber  (11);  es  entsteht  femer 
aus  dem  secundären  Butyljodid  durch  alkoholische  .Kalilauge  oder  Silberoxyd 
(11,  12),  neben  wenig  a-Butylen  bei  der  Einwirkung  von  Zinkchlorid  aufNormal- 
butylalkohol  (15),  neben  Isobutylen  bei  Einwirkung  von  Zinkchlorid  (13,  14)  oder 
von  Schwefelsäure  (16)  auf  Isobutylalkohol,  bildet  sich  unter  der  gleichen  mole- 
kularen Umlagerung  beim  Erhitzen  von  Isobutyljodid  mit  Bleioxyd  (17),  entsteht 
femer  aus  dem  Trithioaldehyd,  (C,H4S)3,   beim  Erhitzen  mit  reducirtem  Kupfer 

CH 
(18),  beim  Behandeln  von  Bromhydrotiglinsäure,  CHg-CHj-CBrC^^QQ^jj,   mit 

Sodalösung  (19),  endlich  neben  nur  geringen  Mengen  von  Isobutylen  und  von 
dem  bei  normalem  Verlauf  allein  zu  erwartenden  a-Biitylen  beim  Erhitzen  eines 
Gemenges  von  Methyljodid  und  AUyljodid  mit  Natrium  (20,  21). 

Darstellung.  Man  lässt  Isobutylalkohol  auf  erhitttes  Chlorzink  tropfen,  lässt  das  Iso- 
Imtylen  durch  Schwefelsäure,  die  mit  ihrem  halben  Volumen  Wasser  verdünnt  ist,  dann  das  da- 
von nicht  aufgenommene  ß-Butylen  durch  Brom  absorbiren  und  regenerirt  den  letzteren  Kohlen- 
wasserstoff aus  seinem  Dibromid  durch  Natrium  (14). 

Siedep.  -h  T  bei  741-4  Millim.  (12).  Spec.  Gew.  0635  bei  —  13-5°  (22). 
In  einem  Gemisch  von  Aether  und  fester  Kohlensäure  erstarrt  das  p-Butylen  zu 
einer  aus  feinen  Nadeln  bestehenden  Krystallmasse  (23). 

Mit  Jodwasserstoff  verbindet  es  sich  leicht  zu  secundärem  Butyljodid  (ii), 

3.  Isobutylen  (7-Butylen,  Unsymmetrisches  Dimethyläthylen),  (CH3)2C:CHj, 

Es  entsteht  sowohl  aus  dem  Isobutyljodid  (24,  25)  wie  aus  dem  tertiären 
Butyljodid  (26)  bei  der  Behandlung  mit  alkoholischem  Kali,  bildet  sich  femer 
beim  Erhitzen  des  Trimethylcarbinols  mit  massig  verdünnter  Schwefelsäure  (26) 
oder  mit  wasserfreier  Oxalsäure  (55),  bei  der  Spaltung  des  tertiären  Butyliso- 
cyanats  in  der  Hitze  (ss)*  t>ei  der  Electrolyse  von  baldriansaurem  Kalium  (27,  31), 
neben  Aethylen  und  Propylen  beim  Durchleiten  der  Dämpfe  von  Amylalkohol 
(28,  39)  oder  von  Petroleumäther  (Siedep.  60—90°;  (30)  durch  glühende  Röhren, 
neben  Trimethylcarbinol  und  dessen  Essigester  beim  Behandeln  des  Isobutyl- 
jodids  mit  Eisessig  und  Silber-  oder  Quecksilberoxyd  (32),  neben  vorwiegendem 
p-Bqtylen  und  Polybutylenen  bei  der  Einwirkung  von  Zinkchlorid  auf  Isobutyl- 
alkohol (13,  14)  und,  von  geringen  Mengen  ß-Butylen  begleitet,  beim  Erhitzen  des 
Isobutylalkohols  mit  Schwefelsäure  (35)  oder  des  Isobutyljodids  mit  Bleioxyd  (36). 

Darstellung.  Man  lässt  2  Thle.  Isobutyljodid  zu  4  Thln.  alkoholischer  Kalilauge  (aus 
1  ThL  KOH  und  3  Thln.  OOproc.  Weingeist)  und  ]  ThI.  trocknem  Kaliumhydroxyd  fliessen  und 
erwännt  am  RUckflussktihler.     Ausbeute  80— 90#  der  theoretischen  (25). 

Unangenehm  leuchtgasartig  riechendes  Gas.  Siedep.  —  6°.  Bei  15—18° 
bedarf  es  zur  Verflüssigung  eines  Drucks  von  2—2.^  Atmosphären  (25). 

Mit  Jodwasserstoff  oder  Chlorwasserstoff  verbindet  es  sich  zu  tertiärem  Butyl- 
jodid resp.  -Chlorid  (38).  Die  erstere  Reaction  findet  schon  beim  Einleiten  in 
kalte»  gesättigte,  wässrige  Jodwasserstoffsäure  statt  (37),  während  für  die  zweite 
das  Isobutylen  mit  concentrirter  Salzsäure  auf  100°  erhitzt  werden  muss  (38). 
Concentrirte  Schwefelsäure  absorbirt  das  Isobutylen  unter  starker  Wärmeentwick- 
lung, wobei  hochsiedende  Polymere  desselben  entstehen.    Lässt  man  die  Absorp- 


39^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

tion  in  der  Kälte  durch  ein  Gemisch  von  3  Thln.  Schwefelsäure  und  1  Th.  Wasser 
stattfinden,  so  tritt  keine  Polymerisirung  ein,  und  die  Flüssigkeit  liefert  bei  der 
Destillation  mit  Wasser  Trimethylcarbinol  (25,  39).  Unterchlorige  Säure  addirt 
sich  dem  Isobutylen  zu  dem  Chlorhydrin,  (CH3)8-CCl-CH8-OH  (26). 

Bei  der  Oxydation  des  Isobutylens  durch  übermangansaures  Kalium  entstehen 
Kohlensäure,  Ameisensäure,  Essigsäure  und  Oxalsäure,  bei  Anwendung  von 
Chromsäure  ausserdem  noch  Aceton  (40). 

Butylenchloride  und  -bromide  s.  unter  »Butyl Verbindungen«. 

Substitutionsprodukte  der  Butylene. 

Monochlor-a-Butylen,  CHg-CH^-CChCH,,  entsteht  als  erstes  Produkt 
der  Einwirkung  von  alkoholischer  Kalilauge  auf  das  Dichlorbutan,  CHj-CH,- 
CClj-CHj.     Es  siedet  gegen  55°  (59). 

Monochlor- Isobutylen,    (CH,).2C:CHC1.       Neben    Isobutylidenchlorid 
durch  Einwirkung  von  Phosphorpentachlorid  auf  Isobutylaldehyd  erhalten.    Siede-         j 
punkt  66—70°.     Spec.  Gew.  09785  bei  12°  (60).  ! 

Dichlor-p-Butylen  (Crotonylidenchlorid),  CHj-CHrCH-CHCl,.  Durch 
Phosphorpentachlorid  aus  Crotonaldehyd  erhalten  (41).  Schwach  ätherisch 
riechende  Flüssigkeit  vom  spec.  Gew.  1131  bei  20°.  Siedep.  125—127°.  Bei 
anhaltendem  Kochen  mit  alkoholischer  Kalilauge  entstehen  neben  harzartigen 
Produkten  anscheinend  die  Verbindungen  C4H5CI  (Siedep.  ca.  65°)  und  C^HgQ«  | 
OCjHj  (Siedep.  133—135°).  ! 

Ein  Tetrachlorbutylen,  C4H4CI4,  wurde  aus  Butylchloral  und  Phosphor- 
pentachlorid gewonnen.     Siedep.  200°  (46). 

Ein  Pentachlorbutylen,  C4H3CI5,  entsteht  bei  der  Einwirkung  von  Chlor        | 
auf  Trimethylcarbinol.    Schwere,  ölige  Flüssigkeit  von  starkem,  campherähnlichctn 
Geruch.     Siedep.  185—188°  bei  460  Millim.  (47).  i 

Monobrom-ß-Butylen,    CHjCHiCBr-CH,,    bildet   sich   beim   Erhitzen        ! 

mit  Wasser  oder  schon  beim  Behandeln  mit  kalter  Sodalösung  aus  der  Dibrom-        1 

CH  ' 

hydrotiglinsäure,  CHj-CHBr-CBrC^pQ*!^,    welche    durch  Addition   von  Brom        j 

zur  Tiglinsäure  oder  zur  Angelicasäure  erhalten  wird  (42,  19).     Siedep.  86—88°.        ! 
Es  förbt  sich  beim  Aufbewahren  gelb.    Mit  überschüssigem  Kali  behandelt  liefert 
es  Crotonylen. 

l)ibrom-ß-Butylen  (Crotonylendibromid),  CHjCBriCBrCH,.  Erstes 
Produkt  der  Einwirkung  von  Brom  auf  abgekühltes  Crotonylen.  Es  siedet  unter 
theilweiser  Zersetzung  bei  148 — 150°  (43). 

CH 

a-Brom-Isobutylen  (Isocrotylbromid),  CHBriCCTrH* »  entsteht  aus  dem 

Isobutylendibromid  beim  Kochen  mit  alkoholischer  Kalilauge.  Farblose,  in 
Wasser  untersinkende  Flüssigkeit  von  allylartigem  Geruch.  Siedep.  91°  Mit 
überschüssiger  alkoholischer  Kalilauge  oder  Natriumalkoholat  auf  130°  erhitzt, 
giebt  die  Verbindung  kein  Crotonylen,  sondern  Aethylisocrotyläther,  C^H^O-C^Hj. 
Bei  der  Oxydation  durch  Chromsäuremischung  liefert  sie  Essigsäure,  beim  Erhitzen 
mit  Silberoxyd  eine  Buttersäure  (44).  Durch  Erhitzen  mit  Wasser  auf  220°  wird 
sie  nicht  verändert  (34). 

Das  rohe  Butylendibromid,  welches  Caventou  aus  seinem  durch  2^rsetzung  von  Amyl- 
alkoholdampf  in  RothglUhhitze  gewonnenen  Butylen  darstellte,  gab  mit  alkoholischer  Kalflauge 
ein  bei  82—92°  siedendes  Monobrombutylen.  Das  daraus  durch  Addition  von  Brom  ent- 
stehende Brombutylendibromid  (Siedep.  208—215°)  lieferte  bei  der  Behandlung  mit  alkoholischer 
Kalilauge  ein  Dibrombutylen,  C^HjBrj,  welches  zwischen  140  und  150°  siedete  (45). 


Butylene.  397 

Ein  Hexabrombutylen,  C4H2Biß,  scheint  der  Körper  zu  sein,  welcher 
durch  sehr  anhaltendes  Erhitzen  von  Hexabromisobutan  mit  jodhaltigem  Brom 
auf  320 — 340*^  erhalten  wurde.  Bei  52—53°  schmelzende,  undeutliche  Krystalle, 
leicht  löslich  in  Alkohol,  mit  Wasserdämpfen  langsam  flüchtig  (47). 

Nitro-Isobutylen,  (CH5)3C:CH(NOg),  entsteht  neben  Essigsäure,  Blau- 
säure, Kohlensäure  u.  s.  w.  beim  Eintropfen  von  Salpetersäure  in  Trimethyl- 
carbinol  (62)  und  neben  etwas  Isobutylendinitrit  bei  der  direkten  Nitrirung  des 
Isobutylens  (56).  Blassgelbes  Oel  von  starkem,  stechendem  Geruch  und  brennen- 
dem Geschmack,  unter  gewöhnlichem  Druck  bei  154—158°  unter  theilweiser 
Zersetzung  siedend,  fast  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Natronlauge.  Mit 
Reductionsmitteln  liefert  es  fast  nur  Ammoniak.  Mit  20  Thln.  Wasser  auf  100° 
erhitzt  zerfällt  es  in  Nitromethan  und  Aceton  (62).  Beim  Erhitzen  mit  concen- 
trirter  Salzsäure  auf  100°  entstehen  Ammoniak,  Hydroxylamin,  Kohlensäure, 
Ameisensäure,  a-Oxyisobuttersäure  und  eine  flüchtige,  neutrale  Substanz  (56). 

DieNatriumverbinduDg,  (€113)30 :C^NOg)Na,  wird  beim  Versetzen  des  Nitroisobutylens 
mit  alkoholischer  Natronlauge  als  gelbliches,  in  Wasser  äusserst  leicht  lösliches,  in  der  Hitze  ver- 
puffendes Pulver  ausgeschieden  (^62). 

Butylenglycole.     Aether  und  Ester  derselben. 
Von  den  theoretisch  möglichen  sechs  Butylenglycolen  sind  vier  bekannt: 

1.  a-Butylenglycol,  CH3.CH.^.CH(OH)CH3-OH.  Aus  dem  entsprechen- 
den Dibromid  des  a-Butylens  durch  Ueberflihrung  in  den  Essigester  und  Ver- 
seifung des  letzteren  mit  Kalium-  oder  Bariumhydroxyd  dargestellt  (8).  In  Wasser 
und  Alkohol  leicht  lösliche,  dickliche  Flüssigkeit.  Siedep.  191  —  192°  bei  7471  Millim. 
Spec.  Gew.  1*0189  bei  0°,  10059  bei  17*5°.  Bei  der  Oxydation  durch  verdünnte 
Salpetersäure  entstehen  Glycolsäure  und  Glyoxylsäure. 

Ein  Chloräthylin  dieses  Butylenglycols,  Cil^'CH.^'CU(OC.^H^yCH^C\,  ist  der  »Aethyl- 
cUoräther«,  der  bei  Einwirkung  von  Zinkäthyl  auf  eine  ätherische  Lösung  von  Dichloräther  ent- 
steht (48,  49).  —  Aromatisch  riechende  Flüssigkeit,  unlöslich  in  Wasser,  mit  Alkohol  und  Aether 
mischbar.     Siedep.  Ul».     Spec.  Gew.  0-9735  bei  0». 

Der  Butylenglycoldiäthyläther,  CHj-CHj  .CH(OCj,H5).CH,(OCjH5),  wird  aus 
der  Torigen  Verbindung  durch  anhaltendes  Erhitzen  mit  Natriumalkoholat  erhalten  (49).  An- 
genehm ätherartig  riechende,  auf  Wasser  schwimmende  Flüssigkeit     Siedep.  147®. 

2.  ß-Butylenglycol,  CH,.CH(0H).CH2.CH,(0H).  Entstehtingeringer 
Menge  neben  Aethylalkohol  bei  Einwirkung  von  Natriumamalgam  auf  eine  sauer 
gehaltene  wässrige  Lösung  von  Acetaldehyd  (50).  Es  verdankt  hier  seine  Ent- 
stehung der  vorgängigen  Bildung  von  ß-Oxybuttersäure-Aldehyd  (Aldol),  aus 
welchem  es  auch  direkt  durch  Natriumamalgam  erhalten  werden  kann  (51).  Dicke, 
süss  schmeckende,  in  Wasser  und  Weingeist  lösliche,  in  Aether  unlösliche  Flüssig- 
keit. Siedep.  204°.  Bei  der  Oxydation  durch  Salpetersäure  oder  Chromsäure 
entstehen  Essigsäure  und  Oxalsäure  neben  etwas  Crotonaldehyd. 

3.  Y-Butylenglycol  (Pseudobutylenglycol),  CH8.CH(OH).CH(OH).CH3. 
Aus  dem  rohen  Bromid  des  aus  Amylalkoholdampf  gewonnenen  Butylens  (58), 
später  auch  aus  reinem  Pseudobutylen  (61)  dargestellt.  Siedep.  183 — 184°.  Spec. 
Gew.  1'048  bei  0°.  Mit  Wasser,  Alkohol  und  auch  mit  Aether  in  allen  Verhält- 
nissen mischbar.  Salpetersäure  oxydirt  dieses  Glycol  zu  Oxalsäure;  bei  sehr  ge- 
mässigter Einwirkung  scheint  daneben  eine  Oxybuttersäure  zu  entstehen  (58). 

Das  Diacetat  ist  eine  in  Wasser  unlösliche,  gegen  200^  siedende  Flüssigkeit. 

4.  Isobutylenglycol,  (CH3)2C(OH).CH2(OH).  Aus  dem  Isobutylen- 
bromid   durch  Kochen  mit  einer  Lösung  von  kohlensaurem  Kalium  dargestellt. 


L^'U  398  Handwörterbuch  der  Chemie. 


h 


;>i;'  Siedep.  176—178°.     Spec.  Gew.   10129  bei  0^   1-003  bei  20°.    UeberoEngan. 

saures  Kalium  erzeugt  Kohlensäure  und  Essigsäure.  Beim  Erwärmen  mit  Salpeter- 
säure (1'33)  entsteht  eine  bei  136—138°  siedende  Flüssigkeit  von  der  Fonnel 
CßHiaOfi  (52).  Bei  langem  Erhitzen  mit  Wasser  auf  180—200°  wird  Isobutter- 
Säurealdehyd  gebildet  (53). 

Dbs  Chi orhy drin,  (CH3),>CCl>CH,«OH,  entsteht  durch  Addition  von  iinterchl(m|er 
Säure  zu  Isobutylen.  In  viel  Wasser  lösliche,  bei  137^  siedende  Flüssigkeit  Natriumainalgain 
reducirt  sie  zu  Isobutylalkohol  (26).  Durch  Salpetersäure  wird  sie  zu  ChlorisobuttersXiut 
oxydirt  (54). 

Das  Nitrit,  (CH,)j. C (ONO)  •  CH,(ONO),  wurde  in  geringer  Menge  neben  Nitroisobutykii 
durch  Nitrirung   des    Isobutylens  als   weisse  KrystaUmasse  erhalten  (56). 

Der  Perthiokohlensäureest.er,  CS,(C4H9),  ist  ein  braungelbes  Oel  vom  specifischen 
Gew.  1-26  bei  20^  (57)- 

Stickstoffbasen  derButylene  sind  nicht  mit  Sicherheit  bekannt.  Durch 
Erhitzen  von  Isobutylendibromid  mit  alkoholischem  Ammoniak  auf  100°  erhielt 
Hofmann  (63)  ein  sehr  complexes  Gemenge  zwischen  80  und  300®  siedender  Basen. 

Das  Butylendiamin,  CHj(NHj).CH2 -CH^-CHjCNH,),  glaubt  Fauiley  (64)  dnrch 
Behandeln  von  Aethylencyanid  mit  Zinn  und  Salzsäure  als  eine  oberhalb  140**  siedende  Flüssig- 
keit erhalten  zu  haben.     (Vergl.  65). 

Polybutylene. 

Isodibutylen,  (CHj)3-C:CH-C(CH3)3,  entsteht  neben  Isotributylen  durch 
Polymerisirung  des  IsobutyleHs  beim  Erwärmen  mit  Schwefelsäure.  Man  erhält 
es  z.  B.,  wenn  man  flüssiges  Isobutylen  oder  auch  Trimethylcarbinol  mit  dem 
doppelten  Volumen  einer  Mischung  aus  gleichen  Gewichtstheilen  Schwefelsäu« 
und  Wasser  versetzt  und  nach  erfolgter  Lösung  einen  Tag  lang  auf  100°  erhitzt  (66). 
Es  bildet  sich  gleichfalls  beim  Erhitzen  von  Isobutylen  mit  tertiärem  Butyljodid 
und  Kalk  auf  100°  (67). 

Leicht  bewegliche,  scliwach  nach  Petroleum  riechende  Flüssigkeit.  Siede- 
punkt 102-5°  bei  756  Millim.     Spec.  Gew.  0-734  bei  0°,  0'715  bei  25°. 

Mit  den  Halogenwasserstoffsäuren  verbindet  sich  das  Isodibutylen  bei  100* 
leicht  zu  den  Aethem  des  Isodibutols,  (CH3)a.C(0H)  CHj-CCCH,),.  Bei  der 
Oxydation  durch  Chromsäuremischung  entstehen  Aceton,  Trimethylessigsäurc, 
Essigsäure,  Kohlensäure,  eine  flüssige  Octylsäure,  CgHigOj  (Isodibutolsäure),  und 
ein  Keton,  CyHi^O  (66),  bei  der  Oxydation  durch  übermangansaures  KaUum 
ausser  Trimethylessigsäure,  ein  krystallinischer,  einatomiger  Alkohol,  CgHjjOj 
(Oxoctenol),  und  eine  krystallinische  Oxyoctylsäure,  CgHjßOj  (68). 

Isotributylen,  (CH3)2-C:CC[Q/(^fj*\*.    Es  bildet  sich  neben  Isodibutylen 

beim  Erwärmen  von  Isobutylen  mit  Schwefelsäure  (37),  ferner  beim  Erhitzen  von 
Isobutylen  oder  Isodibutylen  mit  tertiärem  Butyljodid  und  Kalk  auf  100°  (67), 
sowie  beim  Schütteln  dieses  Jodids  mit  Zinkoxyd  bei  gewöhnlicher  Temperatur  (69). 

Darstellung.  Man  lässt  Isobutylen  von  einem  massig  abgekühlten  Gemisch  aus  5  Tbb. 
Schwefelsäure  und  1  Tbl.  Wasser  absorbiren  und  rectificirt  den  als  ölige  Schicht  sich  ab- 
scheidenden Kohlenwasserstoff  (70). 

Leicht  bewegliche  Flüssigkeit,  selbst  bei  — 30**  nicht  erstarrend.  Siedep. 
177.5— 178-5°.  Spec.  Gew.  0774  bei  0°,  0-746  bei  50°.  Das  Isotributylen  ab- 
orbirt  aus  der  Luft  allmählich  Sauerstoff.  Mit  Brom  bildet  es  unter  lebhafter 
Reaction  Additions-  und  Substitutionsprodukte.  Zu  den  Halogenwasserstofisäuren 
addirt  es  sich  nur  träge  und  unvollständig.  Chromsäuremischung  erzeugt  Essig- 
säure, Trimethylessigsäure,  etwas  Aceton,  indifferente  Oele  und  als  Hauptprodukl 


V 


^^^ 


Butylverbindungen.  399 

Methyldibutylessigsäure  (CnHjaO,).  Die  letztere  Säure  bildet  sich  nicht  bei 
Anwendung  von  übermangansaurem  Kalium  als  Oxydationsmittel,  sondern  es 
entstehen  hier  ausser  sauerstoffhalligen  neutralen  Oelen  nur  Essigsäure  und  Tri- 
metbylessigsäure  (70).  Oscar  Jacobsen. 

Butylverbindungen.'^)   Je  nach  der  Constitution  der  als  »Butyl«  bezeichneten 
einwerthigen  Gruppe  C4H9  sind  die  »Butylverbindungen«  als  Monoderivate  eines 


•)   1)  FkANKLAND,  Ann.  71,  pag.  171.     2)  Schöyen,   Ann.  130,  pag.  233.     3)  Löwig, 

Journ.  pr.  Ch.  79,  pag.  442.     4)  Berthelot,  Jahresber.  1867,  pag.  342.     5)  Lwow,  Ber.  187 1, 

pag.  479.     6)  Pklouze  u.  Cahours,  Ann.  chim.  phys.  [4]   i,  pag.  5.     7)  Ronalds,  Chem.  soc. 

h  M  3t  P>g-  54*    S)  LEFi:vR£,  Compt.  rend.  67,  pag.  1352.    9)  FouQui,  ebend.  68,  pag.  1045. 

10)  BuTLEROW,  Zeitschr.  Chem.  1867,  pag.  363.     11)  Merz  u.  Weith,  Ber.  1878,   pag.  2244, 

12)  BuTLEROW,  Ann..  144,  pag.  i.     13)  Krafft  u.  Merz,  Ber.  1875,  P^*  129^*     I4)  Likbbn 

IL  Rossi,  Ann.  158,    pag.  137.     15)  Linnemann,   Ann.   161,   pag.  178.     16)  WuRTZ,   Ann.  93, 

pag.  107.     17)  LiNNEMANN,  Ann.  162,  pag.  12.     18)  Pierre  u.  Puchot,   Ann.  163,  pag.  276. 

19)  BaxLEROW,  Zeitschr.  Chem.  1864»  pag*  385,  702.     20)  Ders.,  Ber.  1872,  pag.  478.    21)  Za- 

LKSSKY,   Ber.    1872,   pag.  480.     22)  Bruylants,  Ber.  1875,   pag.  412.     23)  Kolbe,   Ann.  69, 

pag.  257.     24)  Oeconomides,  Compt.  rend.  92,  pag.  884.     25)  Prunier,  Bull.  soc.  chim.  [2]  24, 

pag.  24.    26)  WuRTZ,  Ann.  93,  pag.  114.    27)  Eltekoff,  Ber.  1873,  P^*  1258;    1875,  pag.  263, 

1244.     28)  RoozEBOOM,   Ber.  1881,  pag.  2396.     29)  Wurtz,   Ann.    152,   pag.  21.     30)   Gra- 

BowsKY  u.  Saytzefp,  Ann.  179,  pag.  325.     31)  Wurtz,  Ann.  144,  pag.  234.     32)  de  Luynes, 

Ann.  129,  pag.  200.     33)  Lieben,  Ann.   150,  pag.  87.     34)  Eltekoff,  Bull.  soc.  chim.  [2]  29, 

p^-  536.    35)  LiNNEMANN  u.  V.  ZoTTA,  Ann.  162,  pag.  33.    36)  Michael,  Ber.  1881,  pag.  2105. 

37)  Carius,  Ann.  126,  pag.  195.     38)  Caventou,  Ann.  127,  pag.  93.     39)  Prunier,  Bull.  soc. 

chim.  [2]  20,  pag.  72.     40)  Henninger,  ebend.  34,  pag.  195.     41)  Ders.,  ebend.  19,  pag.  145. 

42)  Caventou,    Ber.    1873,   pag.  70.     43)   Helbing,    Ann.   172,    pag.  281.     44)  Caventoü, 

Ann.    127,  pag.  347.     45)  Brühl,   Ann.   203,  pag.  21.     46)  Krafi^,  Ber.    1877,   pag.  805. 

47)  Butlerow,    Ber.    1873,  pag-  S^i.     48)  Linnemann,    Ann.    160,   pag.  195.     49)   Brühl, 

Ber.  1880,  pag.  1521.    50)  Markownikoff,  Ber.  1869,  pag.  659;   Zeitschr.  Chem.  1870,  pag.  29. 

51)  LiNNEMANN,  Ann.  154,  pag.  130.     52)  Butlerow,  Ann.  168,  pag.  143.     53)  Linnemann, 

Aiui.   154,  pag.  367.     54)  DE  Luynes,   Compt.  rend.  55,  pag.  624.     55)  Saytzeff,  Ber.  1870, 

pag.  870.     56)  DoBBiN,  Chem.  soc.  J.  37,  pag.  236,  245.    57)  Gareinow,  Ber.  1872,  pag.  479. 

58)  LiNNEMANN,    Ann.   152,    pag.  125.     59)  Pagliani,    Ber.    1877,  pag.  2055.     60)  Lieben, 

Ber.    1881,    pag.  515.     61)  Fitz,    Ber.    1876,    pag.  1350.     62)  Ders.,    Ber.    1877,  pag.  276. 

63)   Ders.,  Ber.    1878,  pag.  42.     64)  Ders.,  Ber.    1880,  pag.  13 11.     65)  Rabuteau,   Compt. 

rend.  86,  pag.  500.     66)  Saytzeff,  Zeitschr.  Chem.  1870,  pag.  107.    67)  Diakonow,  Ber.  1876, 

pag.  1312.    68}  Wurtz,  Ann.  85,  pag.  197.     69)  Jahresber.  1852,  pag.  603.     70)  Pierre  u. 

Puchot,  Ann.  151,  pag.  299.     71)  Krämer  u.  Pinner,   Ber.  1869,  P^g*  4Q4;    1870,   pag.  77. 

72)  Köbig,  Ann.  195,  pag.  92.     73)  Reimen,  Ber.  1870,  pag.  756.     74)  Barbaglia,  Ber.  1873, 

pa^.  912.     75)  DucLAUX,   Ann.  chim.  phys.  [5]  13,  pag.  91.     76)  Pierre  u.  Puchot,  Compt. 

«»<*-    73t  pag-  599-     77)  Popoff,  Zeitschr.  Chem.   1871,  pag.  4.     78)  Krämer,  Ber.    1874, 

pag.  252.    79)  Schmidt,  Ber.  1874,  pag.  1361.    80)  Gladstone  u.  Tribe,  Ber.  1878,  pag.  1835. 

81)   DK  Luynes,  Compt  rend.   56,  pag.  803.     82)  Ders.,  ebend.  58,  pag.  1089;  Ann.    132, 

pag.  274.    83}  LiNNEMANN,  Ann.  162,  pag.  i,  12.     84)  Lieben,  Ann.  151,  pag.  121.    85)  But- 

uaiow  tt.  OssoKiN,  Ann.  145,  pag.  263.     86)  Kanonnikoff  u.  Saytzeff,  Ann.  175,  pag.  374. 

87)   Wagner,   Ann.    181,    pag.  261.     88)  V.  Meyer,    Ber.  1877,    pag.  130.     89)  Reymann, 

Ber.    1874,  pag.  1287.     90)  Butlerow,  Zeitschr.  Chem.  1863,  pag.  484.     91)  Ders.,  Ber.  1869, 

pag.  660.     92)  LiNNEMANN,  Ann.  170,  pag.  211.     93)  Freund,  Joum.  pr.  Ch.  [2]  12,  pag.  25. 

94)  Butlerow,  Zeitschr.  Chem.  1870,  pag.  237.    95)  Ders.,  Ann.  180,  pag.  246.    96)  Pawlow, 

Ber.  1876,  pag.  131 1.     97)  BUTI.EROW,  Zeitschr.  Chem.  1871,  pag.  273.     98)  Brühl,  Ann.  203, 

pag.  17.   99)  Butlerow,  Ber.  1871,  pag.  932.    100)  HAiTmcER,  Ann.  193,  pag.  366.    10 1)  Loidl, 

Ber.    1875,  pag.  10 17.     102}  d'Otreppe,  Ber.   1882,  pag.  946.     103)  Butlerow,  Ber.   1876, 

j>ag.   1605.     104)  Chapman    u.  Smith,    Chem.    soc.  J.   [2]   7,    pag.  153.      105)    Tscherniak, 


400 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


CH 

der  beiden  Butane  CHa.CHj.CHj.CH,  und  CHj-CHC^ch'   ^"  betrachten. 

Da  sich  von  jedem  dieser  Butane  zwei  verschiedene  Monoderivate  ableiten,  je 
nachdem  die  Vertretung  von  Wasserstoff  an  einem  EndkohlenstofTatom  oder  in 
einem  Zwischenglied  der  Kette  stattfindet,  so  sind  vier  isomere  Reihen  von 
Butylverbindungen  zu  unterscheiden: 


CH, 

CH, 

CH,  CH, 

CH,  CH, 

1 
CH, 

CH, 

CH 

CJ 

CH, 

Normales,  primäres 
Butyljodid 

CH, 

'H, 

1 
CH, 

Secundäres 
Butyljodid 

Isobutyljodid 

Tertitres 
Butyljodid. 

CH, 

CH, 

CH,  CH, 

CH,  CH, 

1 
CH, 

CH, 

CH 

COH 

CH, 
'H, 
^OH 

'H 

yoH 

CH, 

IH, 
^OH 

CH, 

Normaler,  primärer 
Butylalkohol 

Secundärer 
Butylalkohol 

Isobutylalkohol 

Tertiärer 
ButylalkoboL 

Butane,  C^Hj^  (Butyl Wasserstoffe,  Tetrane). 

1.  Normales  Butan,  CHg-CHj-CHa-CH,  (Diäthyl,  Methyl propyl).  Von 
Frankland  1849  durch  Erhitzen  von  Aethyljodid  mit  Zink  auf  150**  dargestellt 
und  als  das  isolirte  Radical  Aethyl  aufgefasst  (i),  von  Schöven  (2)  in  normalen 
Butylalkohol  und  in  Buttersäure  tibergeftlhrt.  Ausser  auf  dem  angegebenen 
Wege  (i,  2)  lässt  sich  der  Kohlenwasserstoff  durch  Einwirkung  von  gepulvertem 
Natriumamalgam  auf  Aethyljodid  in  der  Kälte  darstellen  (3).  Berthelot  (4)  erhielt 
ihn  als  Produkt  der  Reduction  von  normaler  Buttersäure  oder  Bernstetnsäure 
durch  Jodwasserstoff,  Lwow  (5)  neben  Aethylenjodid  beim  Erhitzen  von  Methylen- 
Jodid  mit  Zinkäthyl. 

Das  normale  Butan  ist  ein  Bestand theil  des  rohen  Petroleums  (6,  7,  8)  und 
der  aus  Petroleumquellen  entweichenden  Gase  (9). 

Farbloses  Gas,  bei  -h  1*^  flüssig  (10).     Spec.  Gew.  der  flüssigen  Verbindung 


Ber.  1876,  pag.  155.  106)  Lieben  u.  Rossi,  Ann.  165,  pag.  109.  107)  Clarkr,  Her.  1878, 
pag.  1506.  108)  Behrend,  Ber.  1876,  pag.  1338.  109)  Menschutkin,  Ann.  139,  ptg.  347. 
iio)  Coüncler,  Joum.  pr.  Ch.  [2]  18,  pag.  382.  iii)  Cahoürs,  Compt.  rend.  77,  pag.  1408. 
112)  Humann,  Journ.  pr.  Ch.  67,  pag.  37.  113)  RÖsb,  Ann.  205,  pag.  227.  114)  Myuus, 
Ber.  1872,  pag.  972.  115)  Ders.,  Ber.  1873,  pag-  3".  Ii6)  Blankenhorn,  Journ.  pr.  Ch.  [2]  16, 
pag.  358.  117)  Kessei^  Ann.  175,  pag.  50.  118)  Züblin,  Ber.  1877,  pag.  2083.  119)  Demoli, 
Ber.  1874,  pag.  709,  790.  120)  Züblin,  Ber.  1877,  pag.  2087.  121)  V.  Mevkr  u.  LocBn, 
Ann.  180,  pag.  133.  122)  V.  Meyer,  Ber.  1876,  pag.  701.  123)  Tscherniak,  Ann.  180, 
pag.  155.  124)  V.  Meyer  u.  Locher,  Ber.  1874,  pag.  15 10.  125)  L^bkn  u.  Rossi,  Ann.  158, 
pag.  172.  126)  Linnemann  u.  v.  Zotta,  Ann.  162,  pag.  3.  127)  Reimer,  Ber.  1870,  pag.  756. 
128)  Mac-Hughes  u.  Römer,  Ber.  1874,  pag.  511.  129)  Ladenburg,  Ber.  1879,  pag.  948. 
130)  Sachtleben,  Ber.  1878,  pag.  733.  131),  Williams,  Ann.  109,  pag.  127.  13a)  Andbrsoh, 
Ann.  70,  pag.  32;  80,  pag.  53.  133)  Hofmann,  Ber.  1874,  pag.  512.  134)  Rkymann,  Her.  1874, 
pag.  1289.  135)  Brauner,  Ber.  1879,  pag.  1874,  1877.  136)  Rudneff.  Bull,  soc  chim.  [2]  33. 
pag.  297;  Ber.  1878,  pag.  988,  1938;  1879,  pag.  1023.  137)  Hofmann,  Ber.  1873,  T^-n^ 
138)  Ders.,  Ber.  1873,  pag.  303.  139)  Cahours,  Compt  rend.  77,  pag.  1403.  140)  l>a%.^ 
ebend.  89,  pag.  68. 


5 


Butylverbindungen.  401 

0-60  bei  0°;  Dampfdichte  gefunden:  2'11  (7).     Unlöslich  in  Wasser,  löslich  in 
Alkohol  und  Aether  (7,  4). 

Ein  Gemenge  des  Butans  mit  2  Vol.  Chlor  verdichtet  sich  im  dififusen  Tages- 
licht zu  Butylchlorid  (6,  2,  7)  (Siedep.  65—70°  ?)  (6).  Die  durchgreifende  Bromirung 
des  Butans  bei  250°  führt  wesentlich  zu  Tetrabromäthylen  (11). 

2.  SecundäresButan,  CHj-CHC^Qg'  (Isobutan,  Trimethylmethan),  bildet 
sich  beim  allmählichen  Hinzufügen  von  tertiärem  Butyljodid  zu  granulirtem  Zink 
und  Wasser:  2C(CH3)3J  -+-  Zn, -+-  HjO  =  2C(CH,),H  -i-  ZnJ,  -+-  ZnO.    Es  kann  'j 

durch  Brom  von  dem  gleichzeitig  entstandenen  Butylen  und  darauf  durch  Kalium-  ! 

hydroxyd  vom  Bromdampf  befreit  werden  (12). 

Erst  bei  — 17°  flüssig  werdendes  Gas.  Im  Tageslicht  erzeugt  Brom  mit  dem 
Isobutan  etwas  leichter  als  mit  dem  normalen  Butan  ein  ölartiges  Gemenge  von 
Substitutionsprodukten.  Chlor  bildet  zunächst  Isobutylchlorid  (12).  Bei  der 
schliesslich  mittelst  Chlorjod  in  starker  Hitze  bewirkten  durchgreifenden  Chlorirung 
entstehen  Perchlorpropan  und  Perchlormethan  (13). 

Chlorderivate  der  Butane. 

Butylchloride  (Monochlorbutane),  C4H9CI. 

1.  Normales,  primäres  Butylchlorid,  CHj-CHj-CHj-CH^Cl,  entsteht 
durch  Einwirkung  von  Chlor  auf  normales  Butan,  sowie  beim  Erhitzen  von  nor- 
malem Butylalkohol  mit  Salzsäure. 

Darstellung.  Nonnaler  Butylalkohol  wird  mit  Salzsäuregas  gesättigt  und  dann  unter  Zu- 
satz von  etwas  rauchender,  wässriger  Salzsäure  anhaltend  auf  schliesslich  100^  erhitzt,  die  obere 
Schicht  gewaschen,  über  Chlorcalcium  getrocknet  und  rectificirt  (14). 

Nonnales  Butyljodid  wird  mit  der  dreifachen  Menge  Quecksilberchlorür  auf  120—130^  er- 
Utzt  (15). 

Farblose,  stark  lichtbrechende,  in  Wasser  ganz  unlösliche  Flüssigkeit 
Siedep.  77-96°  (corr.).     Spec.  Gew.  0-8972  bei  14°  (15),  0-9074  bei  0°  (14). 

2.  Isobutylchlorid,  (CH3,),.CH-CHjCl,  wurde  aus  dem  Iso-(Gährungs-) 
Butylalkohol  durch  Behandeln  mit  Phosphorpentachlorid  oder  Phosphoroxychlorid 
(16),  sowie  durch  Sättigen  mit  Salzsäuregas  und  Erhitzen  auf  100°  (17)  dargestellt. 

Leicht  bewegliche  Flüssigkeit  von  angenehmem  Geruch.  Siedep.  68'5°  (17). 
Spec.  Gew.  0-8953  bei  0°,  0-8651  bei  27-8°,  0-8281  bei  59°  (18). 

3.  Tertiäres  Butylchlorid,  (CH,)3CC1,  entsteht  bei  Einwirkung  von 
Phosphorpentachlorid  auf  den  tertiären  Butylalkohol  (19),  beim  Chloriren  des 
Trimethylmethans  (12),  femer  beim  langsamen  Eintragen  von  Chlorjod  in  die 
berechnete  Menge  Isobutyljodid:  (CH,)jj.CH.CHJ-H  JCl  =  (CH,),.CC1.CHJ 
-h  HJ  =  (CHj)8-CCl4- Jj  (17),  und  beim  Erhitzen  von  Isobutylen  mit  concentrirter 
Salzsäure  auf  100°  (21).  Siedep.  50—51°.  Durch  24stündiges  Erhitzen  mit 
5—6  Vol.  Wasser  auf  100°  wird  das  Chlorid  vollständig  in  tertiären  Butylalkohol 
übergeführt  (12). 

Dichlorbutane,  C4H3CI,. 

Das  Butylidenchlorid,  CHj-CClj-CHj-CH,,  wird  durch  Einwirkung  von 
Phosphorpentachlorid  auf  Methyläthylketon  erhalten  (22).  Bei  95 — 97°  siedende 
Flüssigkeit  von  stechendem  Geruch,  unlöslich  in  Wasser.  Schon  beim  Sieden 
zerfallt  es  theilweise  in  Salzsäure  und  Monochlorbutylen;  bei  langem  Erhitzen 
mit  Wasser  wird  das  Keton  zurückgebildet. 

Isobutylenchlorid,  (CH3)5«CCl-CHjCl,  entsteht  durch  Vereinigung  von 
Isobutylen  mit  Chlorgas  (23).    Bei  123°  siedende  Flüssigkeit  von  süsslichem  Ge* 
ruch  und  Geschmack,  unlöslich  in  Wasser.     Spec.  Gew.  1*112  bei  18°. 
n.  26 


402  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Isobutylidenchlorid;  (CH3)2«CH-CHCl2,  wurde  neben  Monochloriso- 
butylen  durch  Einwirkung  von  Phosphorpentachlorid  auf  Isobutylaldehyd  erhalten 
(24).     Siedep.  103—105°.     Spec.  Gew.  10111  bei  12°. 

Ein  Trichlorisobutan  (Chlorisobutylenchlorid),  (GH,),-  GGl-  GHCl,  >,  ent- 
steht beim  Einleiten  von  Isobutylen  in  Antimonperchlorid  und  nachheriger 
Destillation  (23). 

Das  Tetrachlorbutan,  CHjCl-GHGl-GHGl-GH,Cl,  bildet  sich  beider 
Behandlung  von  Erythrit  mit  Phosphorpentachlorid,  sowie  durch  Addition  von 
Ghlor  zu  dem  Butin  GHsiCH-GHrGH^,  welches  aus  dem  Erythrit  durch  Rochen 
mit  Ameisensäure  erhalten  wird.    Bei  73°  schmelzende  Prismen  (40). 

Ein  Hexachlorisobutan,  G4H4GI5,  erhielt  Prunier  (25)  neben  andern 
Substitutionsprodukten  bei  der  Einwirkung  von  Ghlor  auf  Isobutyljodid.  Es  siedete 
im  Vacuum  (45—50  Millim.)  bei  146—148°.    Spec.  Gew.  1-67  bei  18°. 

Bromderivate  der  Butane. 

Butylbromide  (Monobrombutane),  G4H9Br. 

1.  Normales,  primäres  Butylbromid,  GHj-GHa-CHj-CHgBr. 
Darstellung.     Normaler  Butylalkohol  wird  mit  Bromwasserstoff  in  der  Kälte  gesättigt  und 

nach  Zusatz  wässriger,  rauchender  Bromwasserstoffsäure  auf  100 — 120®  erhitzt,  das  Produkt  mit 
Wasser  gewaschen,  getrocknet  und  rectificirt  (14,  15).  Oder  man  erhitzt  Butyljodid  mit  Kupfer- 
bromid,  Kupferbromür  und  Wasser  anhaltend  auf  120 — 130®  (15). 

Leicht  bewegliche  Flüssigkeit.  Siedep.  99*88°  (corrig.)  (15).  Spec.  Gew.  1*305 
bei  0°  (14),  1-2990  bei  20°  (15).  Durch  Erhitzen  mit  jodhaltigem  Brom  auf 
schliesslich  240 — 260°  wird  das  Bromid  fast  glatt  in  Brom  Wasserstoff  und  Tetra- 
bromäthan  gespalten  (11). 

2.  Isobutylbromid,  (CH3),-CH-CH2Br.  Aus  dem  Isobutylalkohol  durch 
Einwirkung  von  Brom  und  Phosphor  (26)  oder  durch  Sättigen  mit  Bromwasser- 
stoff tmd  Erhitzen  auf  150°  (17)  zu  gewinnen.  Angenehm  riechende  Flüssigkeit. 
Siedep.  92-33°.     Spec.  Gew.  1-2038  bei  16°  (17). 

3.  Tertiäres  Butylbromid,  (CH3)3-CBr,  entsteht  aus  dem  Isobutylbromid 
durch  Erhitzen  auf  230 — 240°,  indem  dasselbe  sich  in  Isobutylen  und  Brom- 
wasserstoff spaltet,  die  dann  zu  dem  tertiären  Bromid  wieder  zusammentreten  (27). 
Man  erhält  letzteres  auch  durch  Absorption  von  Isobutylen  in  rauchender  Brom- 
wasserstoffsäure vom  spec.  Gew.  1-7  (28).  Siedep.  72°.  Spec.  Gew.  l'21ö  bei 
20°.  Inaktiv.  Erleidet  in  hoher  Temperatur  eine  Dissociation  in  Isobutylen  and 
Bromwasserstoff  (28). 

Dibrombutane,  C4H8Br,. 

a-Butylenbromid,  CHjCHjCHBr-CHjBr.  Ausa-Butylen  undBrom(29), 
sowie  beim  Erhitzen  von  normalem  Butylbromid  mit  Brom  auf  150**  (15)  ent- 
stehend. Siedep.  164—165°.  Spec.  Gew.  1-8503  bei  0°,  1-8204  bei  20°  (geg« 
Wasser  von  0°)  (30).  Bei  anhaltendem  Erhitzen  mit  Wasser  auf  150°  entsteht 
Methyläthylketon  (83). 

Aus  normalem  Butan  gewann  Carius  (37)  durch  Erhitzen  mit  Überschüssigem  Brom  auf 
100°  ein  Dibrombutan,  für  welches  er  den  Siedep.  155—162**  beobachtete,  welches  aber  nach 
seiner  Bildungsweise  mit  dem  a-Butylenbromid  identisch  sein  muss. 

p-Butylenbromid,  CH3-CHBr.CHBr.CH3,  entsteht  beim  Einleiten  von 
ßButylen  in  Brom  (31—33)-  Siedep.  158°.  Spec.  Gew.  1-821  bei  0°.  Beim  Er- 
hitzen mit  Bleioxyd  und  Wasser  auf  140—150°  wird  das  Bromid  in  Methyläthyl- 
keton und  Bleibromid  gespalten  (34). 

Isobutylenbromid,  (CH3),-CBr-CH,Br,  entsteht  aus  Isobutylen  undBrom, 


L 


Butylverbindungen.  403 

sowie  bei  Einwirkung  von  Brom  auf  Isobutyljodid  (35).  Siedep.  148 — 149®  bei 
737  Millim.  Spec.  Gew.  1-798  bei  W.  Beim  Erhitzen  mit  Wasser  auf  150*" 
bildet  das  firomid  Isobutylaldehyd  (35),  mit  Wasser  und  Bleioxyd  bei  derselben 
Temperatur  ausser  diesem  Aldehyd  etwas  Isobutylenglycol  (34). 

Butylidenbromid,  CHj^CH^-CHj-CHBr^,  wurde  durch  Einwirkung  von 
Phosphorchlorobromid  auf  Butylaldehyd  dargestellt.  Beim  Erhitzen  mit  alkoho- 
lischem Ammoniak  entsteht  daraus  neben  anderen  Produkten  Paraconiin  (36). 

Tribrombutane,  C4H7Br3. 

Ein  »Brombutylenbromid«,  welches  bei  208 — 215°  siedete,  erhielt  Caventou 
(sS)  durch  Addition  von  Brom  zu  seinem  Brombutylen  (aus  Butylen,  welches 
durch  Erhitzen  von  Amylalkoholdampf  erhalten,  also  wohl  wesentlich  Isobutylen 
war).  Vielleicht  damit  identisch  ist  das  »zweifach  gebromte  Isobutylbromidc 
(Siedep.  214—218°),  welches  Linnemann  (35)  durch  anhaltendes  Erhitzen  des 
Isobutylbromids  mit  Brom  auf  150°  darstellte. 

Tetrabrombutane,  C4HgBr4. 

Ein  »Dibrombutylenbromidc  erhielt  Caventou  (38)  durch  Addition  von  Brom 
zu  seinem  Dibrombutylen  (C^HgBrg  vom  Siedep.  140—150°).  Es  bildet  eine  in 
Aether  und  heissem  Alkohol  lösliche,  weisse,  krystallinische  Masse,  die  sich  nicht 
bei  gewöhnlicher  Temperatur,  wohl  aber  bei  120°  allmählich  verflüchtigt  und  bei 
200°,  ohne  zu  schmelzen,  Zersetzung  erleidet. 

Andere  Tetrabrombutane  resuldren  bei  der  Addition  von  Brom  zu  den  Bu- 
tinen  C^Hg: 

Aus  dem  Aethylacetylen  wurde  das  Tetrabromid  CHj-CHj'CBrj'CHBr, 
in  weissen  Krystallen  erhalten  (22).  Das  Butin  CH^rCH-CHiCHj  (aus  Erythrit) 
bildet  das  Tetrabromid  CHjBr'CHBr-CHBr-CHjBr,  welches  in  weissen,  flachen 
Nadeln  oder  rhombischen  Blättern  krystallisirt.  Schmp.  116°.  Unzersetzt  sublimir- 
bar  (41).  Fast  denselben  Schmp.  (113—115°)  giebt  Prunier  (39)  an  für  das 
Tetrabromid  desjenigen  Butins,  welches  beim  Durchleiten  von  Aethylen  und 
Acetylen  durch  schwach  glühende  Röhren  entsteht  (Aethylacetylen?).  Denselben 
Schmp.  (115—116°)  fand  Caventou  (42)  für  das  Tetrabromid  des  aus  Leuchtgas 
condensirten  Butins.  (Helbing  (43)  beobachtete  hingegen  an  dem  Tetrabromid 
eines  aus  Benzolvorlauf  isolirten  Butins  den  Schmp.  99°.)  Das  Tetrabromid  des 
Dimethylacetylens  CH^-CBr^-CBrj-CH,  ist  ebenfalls  fest,  krystallinisch,  schon 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  etwas  flüchtig  (44). 

Hexabromisobutan,  C4H4Brg,  wurde  als  Endprodukt  der  Einwirkung  von 
Brom  auf  Isobutan  resp.  Isobutylbromid  bei  150—170°  erhalten  (11).  Es  krystalli- 
sirt aus  heissem  Alkohol  in  Nadeln,  aus  Schwefelkohlenstofi*  in  Prismen  oder 
grossen  Tafeha.     Schmp.  108—109°. 

Jodderivate  der  Butane. 

1.  Normales,  primäres  Butyljodid,  CHj'CHj-CHj-CHjJ.  Aus  nor- 
malem Butylalkohol  durch  Einwirkung  von  Jodwasserstofl*  oder  von  Jod  und 
amorphem  Phosphor  darstellbar  (14,  15). 

Farblose,  bald  gelblich  werdende,  etwas  dickliche  Flüssigkeit,  ganz  unlöslich 
in  Wasser,  unter  geringer  Zersetzung  bei  129*8°  (corr.)  siedend.  Spec.  Gew.  1*5804 
bei  18°  (15).  Siedep.  130-4— 131*4°  bei  745*4  Millim.;  spec.  Gew.  1*6166  bei 
20°  gegen  Wasser  von  -f-4°  (45).  Spec.  Brechungsvermögen  0*3068  (49).  Bei 
der  durchgreifenden  Chlorirung  durch  Chlorjod  bei  250°  zerfällt  es  glatt  in  Per- 
chloräthan:  C^HJ-h  llClj  =  20,01« -*- 9HC1-H  JCl  (46);  beim  Erhitzen  mit 
jodhaltigem  Brom  auf  250°  liefert  es  in  analoger  Weise  2  Mol.  Perbromäthylen  (11). 

26» 


404  HandwdrteiliDch  der  Chemie. 

2.  l8obut3rljodid,(CH,),CH-CHJ.  Aus  Isobutjlalkohol  dmdi  Bdxnddi 
mit  Jod  und  Phosphor  (i6)  oder  mit  Jodwasserstoff  (47)  daigestdit 

Farblose,  leicht  beweg^che  Flüssigkeit,  die  sich  am  Licht  rochfidi  &ix. 
Siedep.  IgOe**  (corr.).  Spec.  Gew.  1-6081  bei  19'5^  (48).  [Siedep.  llSh4— 1»4'* 
bei  745*4  Millim.;  spec.  Gew.  16056  bei  20^  (45)].  Spec  BrechmigsraiBöga 
0-3064  (49).  Bei  der  durchgreifenden  Chlorirun^  mittelst  Chloijod  bei  srhHrBsfif^ 
240^  zerfällt  das  Isobutjljodid  in  Perchlorpropai.  und  Perchlormethan  (i3\  Alko- 
holische Kalilauge  bildet  aus  dem  Jodid  den  entsprechenden  IsobniylalkohoL  bei 
grösserer  Concentration  und  längerem  Erhitzen  aber  Isobutylen  (50).  Bei  der 
Behandlung  mit  Eisessig  und  feuchtem  Silberoxyd  entsteht  wenigstens  grossoi- 
theils  der  Essigester  des  Trimethylcarbinols  (51,  53).  Ebenso  erhält  man  bst 
ausschliesslich  die  Aminbase  des  Trimethylcarbinols,  wenn  man  das  Isobo^Fyodid  mit 
trocknem,  cyansaurem  Silber  behandelt  und  das  Produkt  mit  Aetzkali  schmilzt /53I 

3.  Secundäres  Butyljodid,  CHjCHa-CHJCH,,  entsteht  ans  dem 
Erythrit,  C^K^^Olli)^,  beim  Erhitzen  mit  concentrirter  Jodwassersto&anre  '^\ 
ferner  aus  dem  Aethylchloräther,  CH,ClCH(CjH5)OC2H5,  beim  Eihitzen  mit 
höchst  concentrirter  Jodwasserstoffsäure  auf  140°  (33)  und  aus  dem  nonnalen 
Butylen  durch  Addition  von  Jodwasserstoff  (29,  55). 

Farblose,  am  Licht  sich  röthende  Flüssigkeit.  Siedep.  119—120*'.  Spec 
Gew.  1-6263  bei  0^  1-5952  bei  20^  1-5787  bei  30°  (gegen  Wasser  von  0*^(53)- 

4.  Tertiäres  Butyljodid,  (CHs),*^,  bildet  sich  leicht  beim  Sättigen  des 
Trimethylcarbinols  mit  Jodwasserstoff  (12),  wird  aber  am  zweckmässigsten  durch 
Einleiten  von  Isobutylen  in  kalte,  rauchende  Jodwasserstoffsäure  gewonnen  (47). 

In  Wasser  unlösliche  Flüssigkeit  von  petroleumartigem  Geruch,  bei  98—99* 
unter  theilweiser  Zersetzung  siedend.  Die  Verbindung  zerfallt  überhaupt  leicbt 
in  Jodwasserstoff  und  Isobutylen,  so  dass  bei  der  Verseifung  selbst  mit  sehr  ver- 
dünnter weingeistiger  Kalilauge  oder  mit  feuchtem  Silberoxyd  neben  dem  Tii- 
methylcarbinol  Isobutylen  auftritt  (12).  Schon  durch  Schütteln  mit  Wasser  von 
gewöhnlicher  Temperatur  wird  das  Jodid  allmählich  in  den  Alkohol  übergeführt. 
Die  Einwirkung  von  trocknem  Zinkoxyd  führt  zur  Bildung  von  Isotributylen,  die- 
jenige von  Natrium  in  der  Hitze  zu  Isobutylen,  Isotributylen  und  Wasserstoff  (56). 
Mit  trocknem  Quecksilberoxyd  entsteht  das  Nitril  der  Trimethylessigsäure  (20), 
mit  Zinkäthyl  das  Trimethyläthylmethan  (57). 

Butylalkohole,  C^H^-OH. 

1.  Normaler  Butylalkohol  (Propylcarbinol),  CH,-CHj.CHj.CH,.OH. 
Von  ScHöYEN  (2)  als  Derivat  des  normalen  Butans  beobachtet,  von  Lieben  und 
Rossi  (14)  aus  normalem,  durch  Destillation  von  buttersaurem  mit  ameisensaurem 
Calcium  erhaltenen  Butylaldehyd  dargestellt  und  zuerst  untersucht.  Der  Alkohol 
befindet  sich  auch  bereits  unter  den  Produkten  der  trocknen  Destillation  von 
buttersaurem  und  ameisensaurem  Calcium  (59).  Er  entsteht  gleichfalls  durch 
Reduction  des  Buttersäureanhydrids  (58,  15)  und  des  Crotonaldehyds  (60),  ferner 
bei  der  Schizomycetengährung  aus  Glycerin  (61 — 64).  Nach  Rabuteau  (65)  soll 
er  sich  neben  dem  Ibobutylalkohol  in  Fuselölen  vorfinden.  Linnemann  (48)  £Euid 
ihn  darin  nicht. 

Darstellung.  Normaler  Butylaldehyd  wird  in  wässriger  Lösung  unter  jeweiligem  An- 
säuern mit  Schwefelsäure  mit  einprocentigem  Natriumamalgam  behandelt,  der  rectificirte  Alkohol 
durch  kohlensaures  Kalium  getrocknet  (14).  ^  Ein  Gemenge  von  Buttersäureanhydrid  mit  der 
drei-  bis  vierfachen  Menge  Buttersäure  wird  bei  0^  mit  öproc.  Natriumamalgam  behandelt,  der  Aber 
kohlensaurem  Kalium  rectificirte  Alkohol  schliesslicl^  durch  Erhitzen  mit  Aetzbarytauf  130®  völlig 


ButylverbinduDgen.  405 

entwässert  (15).  —  Ein  frisch  bereitetes  Gemenge  von  1  Mol.  Butyrylchlorid  mit  2  Mol.  Butter- 
süure  wird  mit  3proc.  Natriumamalgam  (66)  oder  besser  mit  Natrium  (67)  behandelt,  der  durch 
kohlensaures  Kalium  abgeschiedene  Buttersäure-Butylester  durch  anhaltendes  Erhitzen  mit  conc 
Kalilauge  auf  150^  verseift.  —  Auch  die  Gährung  des  Glycerins  eignet  sich  zur  praktischen 
Gewinnung  des  Alkohols  (61). 

Farblose,  etwas  dickliche  Flüssigkeit  von  fuseligem  Geruch.  Mit  stark 
leuchtender  Flamme  brennend.  Optisch  inaktiv.  Bei  — 22°  noch  nicht  fest 
1  Vol.  löst  sich  bei  22°  in  12  Vol.  Wasser  und  vermag  seinerseits  6'15  Vol. 
Wasser  zu  lösen.  Salze,  wie  kohlensaures  Kalium,  Chlorcalcium,  scheiden  den 
Alkohol  aus  seiner  wässrigen  Lösung  ab.  Von  concentrirter  Salzsäure  wird  er 
leicht  gelöst  Siedep.  116-88°  (corr.).  Spec.  Gew.  0*8239  bei  0°,  0-8135  bei 
22°  (15).  Spec.  Brechungs vermögen  0-4903  (49).  Ein  Gemenge  des  Alkohols 
mit  Wasser  siedet  constant  bei  93°  und  das  Destillat  enthält  annähernd  1  Vol. 
Wasser  auf  2  Vol.  Alkohol  (63).  Oxydationsmittel  fllhren  den  Alkohol  in  Butyl- 
aldehyd  und  Buttersäure  über. 

2.  Isobutylalkohol(Isopropylcarbinol,  Gährungsbutylalkohol),  (CH3)2'CH- 
CHj'OH.  Dieser  zweite  primäre  Alkohol  wurde  zuerst  1852  von  Wurtz  aus 
Kartoffelfuselöl  abgeschieden  (68),  worin  er  indess  nicht  immer  vorkommt  (69). 
Er  ist  gewöhnlich  auch  im  Runkelrübenfuselöl  enthalten  (16)  (70,  vergl.  71). 
Das  Römisch-Camillenöl  enthält  neben  andern  Estern  den  Isobuttersäure-  und 
den  Angelicasäureester  des  Isobutylalkohols  (72).  Künstlich  bildet  sich  der  Alko- 
hol durch  Einwirkung  von  Natriumamalgam  und  Wasser  aus  dem  Isobutylchlor- 
hydrin,  (CH,),-CCl-CH,-OH,  welches  durch  Addition  von  unterchloriger  Säure 
zu  Isobutylen  entsteht  (12). 

Reindarstellung.  Der  durch  wiederholte  Fractionirung  des  Fuselöls  möglichst  gereinigte 
Alkohol  wird  in  Jodid  übergeführt,  das  bei  etwa  121*^  siedende  Isobutyljodid  von  Aethyl-,  Pro- 
pyl-  und  Amyljodid  durch  fractionirte  Destillation  befreit,  in  den  Essigsäureester  verwandelt,  dieser 
dnrch  conc  Kalilauge  verseift,  der  Alkohol  durch  kohlensaures  Kalium  getrocknet  und  rectificirt 
(16.  48)  (vergl.  71.  73,  74). 

Farblose  Flüssigkeit,  dünnflüssiger  als  der  Amylalkohol,  diesem  ähnlich,  aber 
schwächer  riechend,  optisch  inaktiv,  leicht  entzündlich,  mit  leuchtender  Flamme 
brennend.  1  Thl.  des  Alkohols  löst  sich  bei  15°  in  10  Thln.  Wasser  und  ver- 
mag seinerseits  Ol 5  Thle.  Wasser  zu  lösen.  Leicht  lösliche  Salze  scheiden  den 
Alkohol  aus  seiner  wässrigen  Lösung  ab. 

Siedep.  108-4^  Spec.  Gew.  08168  bei  0^  0.8003  bei  18°  (48).  Spec. 
firechungsvermögen  0*4887  (49).  Ueber  das  specifische  Gewicht  der  wässrigen 
Lösungen  s.  (75).  Ein  Gemenge  des  Alkohols  mit  Wasser  siedet  constant  bei 
90-5°  und  das  Destillat  enthält  ungefähr  1  Vol.  Wasser  auf  5  Vol.  Alkohol  (76). 
Bei  der  Oxydation  des  Isobutylalkohols  durch  Chromsäuremischung  entstehen 
Isobutylaldehyd,  Isobuttersäure  und  ausserdem  —  durch  weitere  Oxydation  der 
letzteren  (77,  79)  Aceton,  Kohlensäure  und  Essigsäure  (78). 

Chlorcalcium  löst  sich  in  dem  Isobutylalkohol  auf  und  bildet  damit  eine  kiystaüisirbare  Ver- 
bindung. Mit  Kalium  entsteht  das  krystallinische  Aethylat,  C^HgOK  (19).  Ein  Aluminium- 
älhylat,  (C4H90)^A1,,  wurde  durch  Einwirkung  von  Aluminium  und  Jod  auf  den  Alkohol  dar- 
gestellt (80). 

3.  Secundärer  Butylalkohol  (Methyläthylcarbinol,  Butylenhydrat),  CH,- 
CHj.CH(OH)'CHj.  Zuerst  von  de  Luvnes  aus  secundärem  Butyljodid  (aus 
Erythrit)  dargestellt  (81,  82).  Da  dieses  secundäre  Jodid  auch  aus  Jodwasserstoff 
und  normalem  Butylen  entsteht,  welches  letzteres  aus  dem  normalen  Butyljodid 
erhalten    wird,  so  ist  auf  diesem  Wege  die  Ueberftihrung  des  normalen  Butyl- 


4o6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

alkohols  in  den  secundären  möglich.  Der  secundäre  Alkohol  entsteht  femer  bei 
Einwirkung  von  Natriumamalgam  auf  das  Chlorhydrin  CH3 •  CHCl  •  CH(OH) •  CH,, 
welches  sich  durch  Addition  von  unterchloriger  Säure  zu  Pseudobutylen  bildet  (84). 
Wenn  Zinkäthyl  unter  einer  schützenden  Schicht  von  Benzol  mit  Glycoljodhydrin 
zusammentrifft,  so  treten  die  folgenden  Reactionen  ein: 

Die  letztere  Verbindung  liefert  bei  der  Zersetzung  mit  Wasser  den  secundären 
Butylalkohol  (85). 

Man  erhält  diesen  Alkohol  femer,  wenn  man  auf  ein  Gemenge  von  gleichen 
Molekülen  Methyljodid,  Aethyljodid  und  Ameisensäure-Aethylester  überschüssiges 
Zink  und  etwas  Zinknatrium  einwirken  lässt  und  das  Produkt  mit  Wasser  be- 
handelt (86). 

Die  krystallinische  Verbindung  CH8-CH(OC3H5)-ZnC,H5,  welche  aus  Zink- 
äthyl  und  Acetaldehyd  entsteht,  zersetzt  sich  mit  Wasser  in  Zinkhydroxyd,  Aethan 
und  secundären  Butylalkohol  (87). 

Bei  der  Einwirkung  von  salpetriger  Säure  auf  Normalbutylamin  entsteht 
neben  dem  normalen  Alkohol  und  Butylen  (vermuthlich  aus  letzterem  und  Wasser) 
auch  etwas  secundärer  Butylalkohol  (88).  Dieser  Alkohol  muss  endlich  durch 
Behandlung  des  Methyläthylketons  mit  Natriumamalgam  und  Wasser  erhalten 
werden  können. 

Darstellung.  Secundäres  Butyljodid  wird  allmählich  zu  mit  Eisessig  angeriebenem  essig- 
saurem Silber  hinzugefügt  und  am  RUckflusskÜhler  auf  schliesslich  etwa  120^  erhitzt.  Es  ent- 
stehen in  ungefähr  äquivalenten  Mengen  Pseudobutylen  und  der  Essigester  des  secundären  Bnt]^* 
alkohols.  Dieser  Ester  wird  durch  anhaltendes  Erhitzen  mit  sehr  conc.  Kalilauge  auf  110®  ^a- 
seift,  der  abgehobene  Alkohol  durch  kohlensaures  Kalium,  schliesslich  durch  Erhitzen  mit  etvas 
Natrium  entwässert  und  rectificirt  (33). 

Wasserhelle  Flüssigkeit  von  angenehm  weingeistigem  Geruch,  in  Wasser  etwas 
löslich,  durch  Salze  daraus  abscheidbar.  Siedep.  99°  bei  738-8  Millim.  Spcc 
Gew.  0-827  bei  0°,  0-810  bei  22°  (33).  Bei  der  Oxydation  liefert  der  Alkohol 
zunächst  Methyläthylketon,  dann  Essigsäure.  Beim  Erhitzen  auf  240-— 250°  spaltet 
er  sich  in  Wasser  und  Pseudobutylen  (82). 

4.  Tertiärer  Butylalkohol  (Trimethylcarbinol),  (CH,)3-C0H.  Zuerst  von 
BuTLEROw  1863  dargestellt  durch  Einleiten  von  Carbonylchlorid  in  Zinkmethyl 
und  Behandeln  der  entstandenen,  die  Verbindung  (€113)3 -CO- ZnCHj  enthalten- 
den Krystallmasse  mit  Wasser  (90). 

Diese  krystallisirte  Verbindung  entsteht  auch,  wenn  man  1  Vol.  Acetylchlorid 
bei  0°  sehr  allmählich  mit  4  Vol.  Zinkmethyl  versetzt: 

CH3.COCI  -+-  2(CH3)5Zn  =  (CH3)3.CO.ZnCH8  4-  ZnCHjO. 

Zusatz  von  Wasser  zum  Reactionsprodukt  bewirkt  die  Zersetzung: 

(CH,)3.C0.ZnCH,  -t- Zn-CHj-Cl -f- 4H2O  =  (CH8)3.COH -h  2CH4 
4-  2Zn(OH)2  4-  HCl  (19,  96).  — 

Isobutylen  verbindet  sich  mit  Jodwasserstoff  zu  tertiärem  Butyljodid,  aus 
welchem  durch  Behandeln  mit  feuchtem  Silberoxyd  in  der  Kälte  das  Trimethyl- 
carbinol erhalten  wird  (50,  91).  Ebenso  erhält  man  diesen  tertiären  Alkohol, 
wenn  Isobutylen  von  Schwefelsäure  absorbirt  und  die  Flüssigkeit  mit  Wasser 
destillirt  wird  (94,  95).    Da  das  Isobutylen  aus  Isobutyljodid  durch  Kalilauge  ge- 


Butylverbindungen.  407 

Wonnen  wird,  so  erlauben  diese  Reactionen  die  Ueberftihrung  des  Isobutylalkohols 
in  Trimethylcarbinol. 

Lässt  man  bei  Gegenwart  von  Eisessig  essigsaures  Silber  oder  besser  Silber- 
oxyd oder  Quecksilberoxyd  auf  Isobutyljodid  einwirken,  so  bildet  sich  neben  dem 
(bei  Anwendung  von  trocknem  essigsaurem  Silber  allein  entstehenden)  Essigester 
des  Isobutylalkohols  auch  derjenige  des  Trimelhylcarbinols,   so  dass  durch  Ver 
seifting  des  Produkts  und  Fractionirung  dieser  tertiäre  Alkohol  gewonnen  werden 
kann  (51,  83,  52,  92).     Ebenso  entsteht  Trimethylcarbinol   beim  Behandeln  des 
Isobutylamins  mit  salpetriger  Säure  (83).     Durch  Destillation  des  aus  Isobutyl- 
jodid und  trocknem  cyansaurem  Silber  entstehenden  Cyanats  mit  Kaliumhydroxyd 
wird  neben  wenig  Isobutylamin  die  Aminbase  des  Trimethylcarbinols  erhalten, 
welche  mit  salpetriger  Säure  in  normaler  Weise  diesen  Alkohol  bildet  (53,  83). 
Das  tertiäre  Butylchlorid  wird  bei  längerem  Erhitzen  mit  Wasser  auf  100° 
vollständig  in  Trimethylcarbinol  und  Salzsäure  zerlegt  (12),  das  tertiäre  Butyljodid 
sogar   schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  allmählich  in  entsprechender  Weise 
zersetzt  (56).    Durch  Verseifung  eines  aus  käuflichem  Butylalkohol  dargestellten 
Butylchlorids  erhielt  Butlerow  (12)  auch  etwas  Trimethylcarbinol  und  hielt  dar- 
nach das  Vorkommen  dieses  Alkohols  im  Gährungsbutylalkohol  für  wahrscheinlich. 
Nach  Freund  ist  derselbe  nicht  darin  enthalten;  es  entsteht  aber  neben  Isobutyl- 
chlorid  in  erheblicher  Menge  das  tertiäre  Butylchlorid  bei  der  Behandlung  reinen 
Isobutylalkohols  mit  überschüssiger  Salzsäure  (93). 

Darstellung.  Man  lässt  Isobutylen  unter  guter  Kühlung  von  Schwefelsäure  absorbiren, 
die  mit  ^  ihres  Gewichts  Wasser  verdünnt  ist,  versetzt  die  Flüssigkeit  unter  Vermeidung  des  £r- 
hitzens  mit  viel  Wasser  und  destillirt  (94). 

Man  sättigt  Isobutylalkohol  mit  Chlorwasserstoff,  setzt  das  zehnfache  Gewicht  concentrirter 
wässriger  Salzsäure  hinzu  und  erhitzt  einen  Tag  lang  im  Wasserbad.  Die  erhaltenen  Butyl- 
cUoride  werden  mit  etwas  rauchender  Salzsäure  gewaschen  und  mit  dem  sechsfachen  Volumen 
Wasser  in  geschlossenen  Röhren  auf  100°  erhitzt,  wobei  nur  das  tertiäre  Chlorid  in  den  Alkohol 
and  Salzsäure  zerfällt.  Die  vom  unangegriffenen  Isobutylchlorid  getrennte  wässrige  Flüssigkeit 
wird  destillirt,  der  Alkohol  aus  dem  Destillat  durch  >Potasche  abgeschieden  und  getrocknet  (93). 
VergL  (83). 

Farblose,  feste,  krystallinische  Masse,  beim  langsamen  Erstarren  oft  grosse, 
rhombische  Prismen  oder  Tafeln  bildend.  Schmp.  25—25,5°  (97),  29°  (93). 
Der  geschmolzene  Alkohol  ist  eine  dickliche,  eigenthümlich  riechende  Flüssigkeit, 
mit  Wasser,  Alkohol  und  Aether  in  allen  Verhältnissen  mischbar.  Spec.  Gew. 
0-7788  bei  30°.  Ausdehnungscoefficient  zwischen  30  und  50°  =  0'0136  (97), 
vergl.  (17,  98).     Siedep.  82*94°  (corrig.)  (17). 

Geringe  Spuren  Wasser  erniedrigen  den  Schmelzpunkt  sehr  merklich.  An 
der  Luft  zieht  der  Alkohol  rasch  Feuchtigkeit  an  und  zerfliesst.  Er  bildet  mit 
Wasser  unter  erheblicher  Concentration  ein  bestimmtes  Hydrat,  2C4HioO-hH30, 
welches  bei  80°  siedet,  noch  bei  0°  flüssig  bleibt,  aber  in  Rältemischung  zu 
einer  aus  feinen,  seideglänzenden  Nadeln  bestehenden  Masse  erstarrt.  Spec. 
Gew.  des  Hydrats  =  0'8276  bei  0°;  Ausdehnungscoefficient  zwischen  0  und  30° 
=  0-00108  (97). 

Völlig  entwässertes  Chlorcalcium  löst  sich  in  erwärmtem  Trimethylcarbinol 
auf.  Die  Lösung  erstarrt  zu  einer  festen  Masse,  welche  bei  Anwendung  von 
1  Mol.  Chlorcalcium  auf  2  Mol.  des  Alkohols  diesen  erst  bei  150—200°,  schliess- 
lich unter  theilweiser  Aetherbildung,  wieder  abgiebt  (17). 

Bei   der  Oxydation    mit  Chromsäure   liefert  das  Trimethylcarbinol  fi    ' 
Kohlensäure,  Essigsäure  und  etwas  Isobuttersäure  (99). 


4o8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Bei  vorsichtigem  Eintröpfeln  concentrirter  Salpetersäure  in  den  Alkohol  ent- 
steht neben  Essigsäure  und  anderen  Produkten  Nitroisobutylen  (loo).  Durch 
Einwirkung  von  Chlor  wurden  Pentachlorbutylen  (loi)  und  gechlorte  Butane  (102) 
erhalten.  — 

Das  Trimethylcarbinol  spaltet  sich  leicht  in  Wasser  und  Isobutylen.  Mit 
concentrirter  Schwefelsäure  entstehen  verschiedene  Polymere  des  letzteren. 
Schwefelsäure,  die  mit  ihrem  gleichen  Volumen  Wasser  verdünnt  ist,  erzeugt  bei 
100°  wesentlich  Diisobutylen  (103).  Mit  dem  doppelten  Volumen  Wasser  ver- 
dünnte Schwefelsäure  löst  den  Alkohol  ohne  Trübung,  und  beim  Erhitzen  der 
Lösung  entsteht  Isobutylen  neben  Polymeren. 

Zusammengesetzte  Aether  (Ester)  der  Butylalkohole. 

Salpetersäure-Isobutylester,  NO^^C^Hg.  Durch  Zusatz  von  unzureichendem  Iso- 
butyljodid  zu  einem  trocknen  Gemisch  von  salpetersaurem  Silber  und  Harnstoff  (16),  sowie  durch 
Eintragen  von  Isobutylalkohol  in  ein  stark  abgekühltes  Gemisch  von  2  Vol.  Schwefelsäure  ond 
1  Vol.  Salpetersäure  (104)  dargestellt  Siedep.  123"*.  Spec.  Gew.  10384  bei  0^  1,020  bei 
16*  (104). 

Salpetrigsäure-Isobutylester,  NOj-C^Hj.  Durch  langsames  Einleiten  von  salpetriger 
Säure  in  den  Alkohol  gewonnen.  Gelbe,  leicht  bewegliche  Flüssigkeit,  bei  ungefähr  67*  siedend. 
Spec  Gew.  0894  bei  0*,  0877  bei  16*  (104). 

Der  Salpetrigsäureester  des  Trimethylcarbinols,  NO^'C^H^,  entsteht  neben  etwas 
tertiärem  Nitrobutan  bei  Einwirkung  von  salpetrigsaurem  Silber  auf  tertiäres  Butyljodid.  In 
Wasser  wenig  lösliche,  bei  76—78*  siedende  Flüssigkeit  (105). 

Normalbutylschwefelsäure,  SO^H-C^Hg.  — 

Das  Bariumsalz  krystallisirt  in  Blättchen  mit  1H,0  (106). 

Isobutylschwefelsäure,  SO^H-C^H,  (16).  — 

Das  Barium  salz,  (2HjO),  bildet  leicht  lösliche,  grosse,  rhombische  Blätter.  Spec 
Gew.  1*778  (107).  Das  Calci  um  salz  krystallisirt  wasserfrei  in  leicht  löslichen,  mikroskopischen, 
sechseckigen  Blättchen,  das  Kaliumsalz  aus  heissem  Alkohol  in  breiten,  perlmutterglänzenden, 
ebenfalls  wasserfreien  Blättern. 

Isobutylschwefelsäurechlorid,  C4HgO-S03Cl,  entsteht  aus  dem  Isobutylalkohol 
durch  Sulfurylchlorid.  Farblose,  stechend  riechende  Flüssigkeit,  die  schon  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  verharzt  (108). 

Schwefel  säure-Isobutyl  est  er,  S  0^(04119)2,  entsteht  in  der  Kälte  aus  Isobutyljodid 
und  schwefelsaurem  Silber,  wird  aber  sofort  grossen theils  zersetzt  (16).  Die  gemischten 
Ester  S04(CH,)(C4Hg)  und  S04(C,H5)(C4H,)  wurden  durch  Einwirkung  des  Isobutyl- 
schwefelsäurechlorids  auf  Methyl-  resp.  Aethylalkohol  gewonnen  (Behrend). 

Isobutylphosphorigsäurechlorid,  C^Hg-POCl,,  wurde  als  Produkt  der  Einwirkung 
von  Phosphortrichlorid  auf  Isobutylalkohol  erhalten.  Wasserhelle  Flüssigkeit  Siedep.  154 — 156^ 
Spec.  Gew.  M91    bei  0*.     Zerfällt  mit  Wasser  in  phosphorige  Säure   und  den  Alkohol  (109). 

Borsäure-Isobutylester,  BO,(C4H9),,  durch  Erhitzen  des  Isobutylalkohols  mit  Borsäure- 
anhydrid  auf  160—170*  dargestellt,  ist  eine  leicht  bewegliche,  bei  212*  siedende  Flüssigkeit  (i  10). 

Kieselsäure-Isobutylester,  Si04(C4H9)4.  Durch  Siliciumchlorid  aus  dem  Alkohol 
gewonnen.  Leicht  bewegliche  Flüssigkeit  von  schwachem,  an  Butylalkohol  erinnernden  GerucL 
Siedep.  256—260*.     Spec.  Gew.  0*953  bei  15*  (in). 

Kohlensäure-Normalbutylester,  00,(04113),.  Aus  dem  normalen  Butyljodid  durch 
kohlensaures  Silber  gewonnen.  Siedep.  207*  bei  740  Millim.  Spec.  Gew.  0'9407  bei  0*, 
0-9111  bei  40*  (106). 

Kohlensäure-Isobutylester,    00,(04119),.      Durch    Erhitzen    von    Isobutyljodid  mit 

kohlensaurem  Silber  (16),   durch  Einwirkung  von  Ohlorcyan  auf  feuchten  Isobutylalkohol  (112), 

am  besten  aus  Ohlorkohlensäure-Isobutylester  und  Isobutylalkohol  (113)  zu  gewiimen.    Angenehm 

C&£nde  Flüssigkeit.    Siedep.   190*8*  (corrig.).    Spec.  Gew.  0*919  bei  15*.    Brechungsexponent 

wenn-ei_22*  (113). 

destillirt 


Butylverbmdungen.  409 

Chlorkohlensäure-Isobutylester,  Q-CO^OC^Hg,  durch  Einwirkung  von  Phosgen 
anf  den  Alkohol  erhalten,  siedet  bei  128-8*^  (corrig.).     Spcc.  Gew.  1-053  bei  15°  (113)- 

Kohlcnsäure-Methyl-Isobutylester.  C03(CH,)(C4H9).  Siedep.  143-6°  (corrig.). 
Spec.  Gew.  0951  bei  27°  (113). 

Kohlensäure-Aethyl-Isobutylester,  CO,(C3H5)(C4H9).  Siedep.  160-1**  (corrig.). 
Spec.  Gew.  0-931  bei  27°  (113). 

Orthokohlensäure-Isobutylester,  004(04119)4.  Aus  Natriumisobutylat  und  Chlor- 
pikrin  erhalten.     Siedep.  244*9*^  (corrig).     Spec.  Gew.  0*900  bei  8°  (113). 

Carbaminsäure-Isobutylester  (Isobutylurethan),  C4H9*C02*NU3.  Durch  Einwirkung 
Ton  Chlorcyan  auf  Isobutylalkohol  (112),  sowie  von  Ammoniak  auf  Chlorkohlensäure-Isobutyl- 
ester (114)  und  auf  Isobutylthiokohlensäure-Aethylester  (115)  dargesteüL  Perlmuttergläniende 
Blättchen,  löslich  in  Alkohol  und  Aether,  unlöslich  in  Wasser.  Schmp.  55^.  Siedep.  206  bis 
2070  (114). 

Aethylthiokohlensäure-Isobutylester,  C3H50-CO-SC4H,.  Aus  Chlorkohlcnsäurc- 
Aethylester  und  Natriumisobutylmercaptid.  Farblose,  stark  lichtbrechende  Fltissigkeit.  Spec 
Gew.  0-9938  bei  10<^.  Siedep.  190—1930.  Giebt  mit  alkoholischem  Ammoniak  Aethylurethan 
und  Isobutylmercaptan,  mit  alkoholischer  Lösung  von  Aetzkali  oder  Kaliumsulfhydrat  Isobutyl- 
mercaptan,  Kohlensäure  und  Alkohol  (115). 

Isobutylthiokohlensäure-Aethylester,  C4H90-CO.SC3H5.  Aus  Chlorkohlensäure- 
Isobutylester  und  Natriumäthylmcrcaptid.  Der  vorigen,  isomeren  Verbindung  äusserst  ähnlich. 
Spec  Gew.  0*9939  bei  10®.  Siedep.  190—195®.  Giebt  mit  alkoholischem  Ammoniak  Aethyl- 
mercaptan  und  Isobutylurethan,  mit  alkoholischer  Kalilauge  Aethylmercaptan,  Kohlensäure  und 
Isobutylalkohol  (115). 

Isobiitylxanthogensäure,  C^H^O-CS-SH  (114).  Das  Kaliumsalz  entsteht 
auf  Zusatz  von  SchwefelkohlenstoiT  zu  einer  Lösung  von  Kaliumhydroxyd  in  Isobutylalkohol. 
Gelblich  weisse  Nadeln.  Natriumsalz.  Aehnliche  Nadeln,  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether- 
weingeist  äusserst  leicht  löslich.  Der  Aethylester,  C4H90'CS.SC2H5,  wurde  aus  dem 
Kaliumsalz  durch  Aethyljodid  gewonnen.  Gelbe  Flüssigkeit  von  unangenehmem  Geruch  und 
anisartigem  Geschmack.  Siedep.  227—228°.  Spec  Gew.  1*003  bei  17°.  Der  Isobutylester, 
C4H,O.CS.SC4H5,  siedet  bei  247—250°.     Spec  Gew.  1-009  bei  12°. 

Isobutyldioxysulfocarbonat,  (C4H90.CS3)2t  bildet  sich  beim  Einleiten  von  Chlor 
in  eine  wässrige  Lösung  von  isobutylxanthogensaurem  Kalium.  Schweres,  gelbes  Oel,  bei  — 10° 
nicht  fest,  nicht  destillirbar. 

Thiocarbaminsäure-Isobutylester  (Isobutylmonösulfurethan),  C4H9O  «CS^NH,,  ent- 
steht neben  isobutylxanthogensaurem  Ammoniak  und  Schwefel  beim  Behandeln  der  vorigen  Ver- 
bindang  mit  alkoholischem  Ammoniak.  Krystallisirt  aus  Weingeist  oder  Aether  in  grossen,  ^Ib- 
üch  weissen,  rhombischen  Tafeln,  die  bei  36°  schmelzen  und  bei  der  Destillation  grösstentheils 
in  Cyansäiire  und  Isobutylmercaptan  zerfallen  (116). 

Die  isomere  Verbindung  C4H9S«CO'NH3  scheint  neben  der  vorigen  bei  Einwirkung 
von  Salzsäure  auf  ein  Gemenge  von  Isobutylalkohol  mit  Rhodankalium  zu  entstehen  (li6). 

Perthiokohlensäure-Isobutylester,  CS,(C^Hg)j.    Durch  Erhitzen  von  trisulfokohlcn- 
saurem  Kalium  mit  Isobutyljodid  gewonnen.     Orangerothes  Oel,  nur  schwach  riechend.    Siedep. 
285 — 289^.    Giebt  mit  alkoholischem  Ammoniak  Rhodanammonium  und  Isobutylmercaptan  (ll$). 
Isobutylpcrthiokohlensäure,  C4HgS'CS.SH.    Das  Natriumsalz  entsteht  aus  Natrium- 
isobutylmercaptid und  Schwefelkohlenstoff.     Gelbe,  sehr  leicht  lösliche  Nadeln  (115). 
Butyläther,  (C4H9)20. 

Normaler  Butyläther,  (CH3-CH3.CHa-CH2)20.  Durch  Erhitzen  von 
normalem  Butyljodid  mit  Natriumbutylat  am  Rückflusskühler  dargestellt.  Siede- 
punkt 140-5°  bei  741-5  Millim.  Spec.  Gew.  0784  bei  0°,  0-7685  bei  20°,  0-7555 
bei  40**  (106). 

Isobutyläthcr,  [(CH3)a«CH'CH2],0.  In  noch  etwas  unreinem  Zustande 
aus  Isobutyljodid  und  Silberoxyd  als  eine  bei  100—104°  siedende,  in  Wasser  un- 
lösliche Flüssigkeit  gewonnen  (16). 


41  o  Handwörterbuch  der  Oiemie. 

(CH  \ 

P  t|  ^CHJ  O.     Entsteht   durch  Einwirkung 

von  Zinkäthyl  auf  das  Aethylidenoxychlorid  CH3.CHCl-0CHCl-CHs.    Siede- 
punkt 120— 121  ^     Spec.  Qew.  0-756  bei  21°  (117). 

Gemischte  Butyläther. 

Aethylbutyläther  (normal),  C5H5-0-C4H9.  Durch  Einwirkung  von 
Natriumäthylat  auf  normales  Butylbromid  oder  -Jodid  erhalten.  Siedep.  91*7* 
bei  742-7  Millim.    Spec.  Gew.  07694  bei  0**,  07522  bei  20°,  07367  bei  40° (14). 

Aethylisobutyläther,  CjH5-0-C4H9.  Aus  Aethyljodid  und  Kaliumiso- 
butylat  gewonnen.     Siedep.  78—80°.     Spec.  Gew.  0*7507  (16). 

Butylmercaptane,  Butylsulfide  u.  s.  w.  siehe  unter  »Mercaptanct. 

Nitrobutane. 

Normales  Nitrobutan,  CHj-CHj-CH^-CHg-NO,,  entsteht  neben  dem 
Salpetrigsäure -Ester  beim  langsamen  Eintragen  von  salpetrigsaurem  Silber  in 
normales  Butyljodid.  Angenehm  riechende,  farblose  Flüssigkeit,  auf  Wasser 
schwimmend,  löslich  in  Kalilauge  und  durch  Säuren  wieder  daraus  abscheidbar. 
Siedep.  151 — 152°.     Der  Dampf  ist  nicht  explosiv  (118). 

Monobromnitrobutan,  CHj-CHj-CHj-CHBr-NO,.  Dargestellt  durch  Einwirkmig 
von  Brom  auf  Nitrobutankalium.  Schweres,  schwach  gelbliches  Oel,  bei  180 — 181®  fast  ohne 
Zersetzung  siedend,  mit  Wasserdämpfen  flüchtig.     Es  besitzt  die  Eigenschaften  einer  Säure. 

Dibromnitrobutan,  CHj'CHj-CHj'CBrj'NO,,  entsteht  bei  Einwirkung  von  Brom 
auf  Nitrobutan  in  Gegenwart  von  Kalilauge.  Schweres,  gelbliches,  stechend  riechendes  Od,  mit 
Wasserdämpfen  flüchtig,  für  sich  bei  203 — 204®  unter  geringer  Zersetzung  siedend.  Unlöslich 
in  Kalilauge. 

Normales  Dinitrobutan,  CH3.CHj.CH2CH(N02)2.  Durch  Einwirkung 
von  salpetriger  Säure  auf  Monobromnitrobutan  erhalten  (118): 

CsH^.  CBr(N02)H  -h  NOgH  =  CsH^-CBrCNO^KNO)  -I-  H^O.  — 
C3H7.<:Br(NO,)(NO)  -+-  HgO  =  C3H7.CH(N03)2  -h  HBr. 

Gelbliches  Oel  von  eigenthümlich  stissliehem  Geruch.  Bei  etwa  190°  beginnt 
es  unter  Zersetzung  zu  sieden.    Es  bildet  mit  Basen  Salze,  die  nicht  explosiv  sind. 

Kaliumsalz,  C^lij(SO^)^K,  Glänzende,  goldgelbe  Blättchen  oder  rechtwinklige  Tafein, 
in  Wasser  und  Alkohol  mit  rein  gelber  Farbe  löslich* 

Silbersalz,  C^H,(N02),Ag.  Aus  dem  Kaliumsalz  durch  salpetersaures  Silber  flUIbar. 
Es  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  grossen,  tiefgelben,  im  reflectirten  Licht  blauvioletten 
Blättern. 

Bromdinitrobutan,  CHj'CHj  •CHj«CBr(NO,),.  In  reinem  Zustande  als  schwach 
gelbliches  Oel  durch  Bromwasser  ans  Dinitrobutankalium  erhalten. 

Normalbutylnitrolsäure,  CH3-CH2-CH2.C(NOj)(NOH).  Entsteht  bei 
der  Behandlung  des  Nitrobutans  mit  salpetriger  Säure  als  gelbliches,  in  Alkalien 
mit  intensiv  rother  Farbe  lösliches  Oel  (118). 

Nitroisobutan,  (CH3)2CH-CH2-NOa,  bildet  sich  neben  dem  Salpetrig- 
säureester bei  vorsichtigem  Hinzufügen  von  Isobutyljodid  zu  salpetrigsaurem  Silber. 
Schwach  gelbliches  Oel  von  eigenthümlich  pfefferminzartigem  Geruch,  auf  Wasser 
schwimmend,  löslich  in  Kalilauge.  Es  giebt  keinen  Niederschlag  mit  alkoholischer 
Natronlauge. 

Monobromnitroisobutan,  (CH,),»CH-CHBr.N03.  Schweres  Oel,  leichtlöslich  in 
Natronlauge.     Siedep.  173—175®  (120). 

Dibromnitroisobutan,  (CH,)j.CH.CBr,.NOj.  Schweres,  bei  180— 185°  siedendes 
Oel  von  stechendem  Geruch,  unlöslich  in  Natronlauge  (119). 

Dinitroisobutan,    (CH3)a.CH.CH(N03)j.     Durch  Einwirkung  von  sal- 


Butyl  Verbindungen.  411 

pctriger  Säure  auf  Monobromnitroisobutan  erhalten.  Gelbliches,  nicht  unzersetzt 
destillirbares  Oel.     Es  bildet  mit  Basen  Salze,  welche  nicht  explosiv  sind  (120). 

KaliumsaU,  C4H^(N0,)jK.     Kleine,  gelbe  Nadeln,  in  Wasser  sehr  leicht  löslich. 

Das  Silbersalz,  C4Hj(N0j,)jAg -f- iH,0,  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  gelben, 
sehr  lichtempfindlichen  Nadeln. 

Bromdinitroisobutan,  (CH,),«CH«CBr(NOj),.  Durch  Einwirkung  von  Bromwasser 
auf  Dinitroisobutankalium  erhalten.  Farblose,  kampherähnliche  Masse.  Schmp.  38°.  Alkalien 
zersetzen  die  Verbindung  sehr  leicht  unter  Rückbildung  von  Dinitroisobutan  (120). 

Isobutylnitrolsäure,  (CH8),.CH.C(N05)(NOH).  Aus  Nitroisobutan  durch 
salpetrige  Säure  entstehend.  Syrupdicke  Flüssigkeit,  in  Alkalien  mit  rother  Farbe 
löslich,  mit  Silbersalzen  einen  orangefarbenen,  leicht  zersetzlichen  Niederschlag 
gebend.  Mit  concentrirter  Schwefelsäure  zerfällt  sie  in  Isobuttersäure  und  Stick- 
oxydul (119}. 

Secundäres  Nitrobutan,  CH3.CHj.CH(NO,)-CH3,  entsteht  neben 
normalem  Butylen  und  dem  Salpetrigsäureester  aus  secundärem  Butyljodid  und 
salpetrigsaurem  Silber.  Bei  etwa  140°  siedende  Flüssigkeit  von  pfefferminz- 
ähnlichem Geruch. 

Pseudobutylnitrol,  CH8-CH,.C(NOj)(NO).CH8.  Produkt  der  Ein- 
wirkung von  salpetriger  Säure  auf  secundäres  Nitrobutan.  Weisse,  krystallinische 
Masse  von  stechendem  Geruch,  aus  Chloroform  gut  krystallisirbar,  in  kaltem 
Aether  schwer  löslich,  unlöslich  in  Wasser  und  Alkalien.  Schmp.  58°.  Die  ge- 
schmolzene Verbindung  sowie  ihre  Lösungen  sind  tief  blau  gefärbt  (121). 

Secundäres  Dinitrobutan,  CH3-CH3-C(NOj),-CHj,  entsteht  aus  dem 
Pseudonitrol,  wenn  dieses  mit  Chromsäure  oxydirt  oder  für  sich  im  Wasserbade 
erhitzt  wird.  Angenehm  riechendes,  leicht  bewegliches,  in  Wasser  untersinkendes, 
indiflerentes  Oel.  Siedep.  199°  (corrig.).  Durch  Zinn  und  Salzsäure  werden 
Hydroxylamin  und  Methyläthylketon  erzeugt  (122). 

Tertiäres  Nitrobutan,  (CH8)3-C(N02),  bildet  sich  in  sehr  zurücktretender 

Menge  neben  dem  Salpetrigsäureester  aus  tertiärem  Butyljodid  und  siilpetrigsaurem 

Silber.     Zwischen  110  und  130°  siedende  Flüssigkeit,  unlöslich  in  Alkalien,   mit 

salpetriger  Säure  weder  eine  Nitrolsäure,  noch  ein  Nitrol  gebend;  vcrgl.  (124). 

Butylamine. 

Normales  Butylamin,  CHj-CHj-CHjCHgNHj.  Dargestellt  durch  Er- 
hitzen des  Isocyansäurebutylesters  mit  Alkalien  (125,  88),  durch  Behandeln  des 
Butyronitrils  mit  Zink  und  Schwefelsäure  (126)  und  durch  Reduction  des  Nitro- 
butans  mittelst  Zinn  und  Salzsäure  (118).  Leicht  bewegliche  Flüssigkeit  von 
stark  ammoniakalischem  Geruch,  sehr  hygroskopisch,  an  der  Luflt  rauchend,  mit 
Wasser  in  allen  Verhältnissen  mischbar.  Spec.  Gew.  0-7553  bei  0°,  0-7333  bei 
26°.     Siedep.  755°  bei  740  Millim.  (125). 

Das  Butylamin  reducirt  alkalische  Kupfer-,  Silber-  und  Quecksilberlösungen 
(118).  Mit  salpetriger  Säure  giebt  es  ausser  dem  normalen  Alkohol  normales 
Butylen  und  secundären  Butylalkohol  (88). 

Das  Salzsäure  Salz  trocknet  Über  Schwefelsäure  zu  einer  fettglänzenden,  blättrigen,  an 
feuchter  Luft  wieder  zeriliessenden  Masse  ein.  Auch  in  Alkohol  ist  es  leicht  löslich.  Es  schmilzt 
bei  195**  und  ist  in  höherer  Temperatur  unter  theilweiser  Zersetzung  destiUirbar  (126). 

Platindoppelsalz,  2(C4Hg*NH,-HCl)PtQ4.  In  kaltem  Wasser  schwer  lösliche,  orange- 
gelbe,  rhombische  Blätter  (125,  126). 

Normales  Dibutylamin,  (C4H9)3NH.  Zugleich  mit  dem  Tributylamin 
als  Nebenprodukt  bei  der  Bereitung  des  Monamins  aus  rohem  Isocyansäurebutyl 


f' 


412  Handwörterbuch  der  Chemie. 


;;^  ester,  sowie  bei  der  Darstellung  der  normalen  Baldriansäure  aus  rohem  Butyl- 

»,  Cyanid  erhalten  (125,  106).     Siedep.  158—160°. 

->  \  Das  Platindoppelsalz  bildet  schwer  lösliche,  lange,  gelbe  Nadeln. 

^v\  Nitrosodibutylamin,  (C^Hg)jN'NO,     Als  Nebenprodukt  bei  der  Behandlung  unreinen 

N  Butylamins  mit  salpetriger  Säure  erhalten.     Gelbliches  Oel.     Siedep.  234—237°  (corr.)  (88). 

Normales    Tributylamin,    (04119)3^     Neben    der   Ammoniumbase  aus 

Mono-  und  Dibutylamin  durch  Erhitzen  mit  Butyljodid  erhalten.     Es  wird  aus 
l  \  seinen  Salzen  durch  Alkalien  oder  Ammoniak  als  ölige  Flüssigkeit  ausgeschieden. 

:-^'^\  Spec  Gew.  0-791    bei  0°,    07782  bei  20°,    0*7677  bei  40°  gegen  Wasser  von 

gleicher  Temperatur.     Siedep.  211—215°  (corrig.)  bei  740  Millim.  (106). 

Tetrabutylammoniumjodid,    (C4Hg)^NJ.      Weisse,    nicht    hygroskopische,    auch  in 

Alkohol  lösliche  Blättchen  (106). 

•  Isobutylamin,    (CH8)2CHCHjj-NH5.     Dargestellt   durch  Erhitzen  von 

Isobutylbromid  mit  alkoholischem  Ammoniak  auf  150°  und  vom  Di-  und  Triamin 
nach  der  HoFMANN'schen  Oxaläthermethode  getrennt  (127).  Auch  aus  dem  Iso- 
r  cyansäureisobutylester  durch  Kochen  mit  alkoholischer  Kalilauge  gewonnen  (16, 17), 

^  ;  vergl.  (145).     Es   entsteht   in   geringer  Menge    bei   der  Digestion  von  isobutyl- 

schwefelsauren  Salzen  mit  Ammoniak  (127).  — Mit  Wasser  mischbare  Flüssigkeit 
von  ammoniakalischem  Geruch.  Spec.  Gew.  0*7357  bei  15°  (17).  Siedep.  65-5°  (128). 

Das  salzsaure  Salz  ist  zerfliesslich,  bei  15°  in  0*73  Thln.  Wasser,  leicht  auch  in  Wein- 
geist löslich.     Es  schmilzt  bei  160°. 

Das  Platindoppel  salz  bildet  schwer  lösliche,  goldgelbe  Schuppen  (17). 

Das  Butylamin,  welches  neben  Amylamin  beim  Kochen  von  Wolle  mit  con- 
p  centrirter  Kalilauge   entsteht  (130),    sowie  die   von  Anderson  als  Petinin  be- 

zeichnete Base  C4H1  iN,  welche  sich  unter  den  Destillationsprodukten  der  Knochen 
befindet  (131),  sind  wahrscheinlich  mit  dem  Isobutylamin  identisch. 

Diisobutylamin,    (C4H9)5NH.     Durch  Erhitzen   von  Isobutylbromid  mit 

alkoholischem  Ammoniak  auf  150°  dargestellt  und  durch  Ueberftihrung  in  die 

Nitrosoverbindung  gereinigt.    Es  wird  aus  seinen  concentrirten  Salzlösungen  durch 

Kalilauge  als  leichtes  Oel  abgeschieden,  welches  bei  135 — 137°  (uncorr.)  siedet  (129). 

\  Das  Platindoppelsalz  ist  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether  leicht  löslich. 

Das  Golddoppelsalz  löst  sich  schwer  in  kaltem  Wasser  und  krystallisirt  aus  heissem  in 
gelben,  rechtwinkligen  Tafeln. 

Nitro  so  diisobutylamin,  (C^Hg)jN«NO,  entsteht  bei  der  Behandlung  des  Düsobutyl- 
amins  mit  salpetriger  Säure  in  der  Hitze.  Oelige  Flüssigkeit  von  unangenehmem  Geruch,  in 
einer  Kältemischung  erstarrend,  bei  213 — 216**  unter  geringer  Stickstoffoxydentwicklung  siedend. 
Beim  Behandeln  mit  Salzsäuregas  bei  schliesslich  110°  entsteht  wieder  Diisobutylamin  (129). 

Triisobutylamin,  (C4H9)3N  (127,  130,  129).  Wasserhelle,  leicht  bewegliche 
Flüssigkeit  von  stark  ammoniakalischem,  an  Häringslake  erinnerndem  Geruch. 
Mit  Wasser  nicht  mischbar.  Spec.  Gew.  0785  bei  21°.  Siedep.  184— 186° (130)- 
Beim  Erhitzen  der  Base  mit  Isobutylbromid  entsteht  keine  Ammoniumbase,  sondern 
bromwasserstoffsaures  Triisobutylamin  und  Butylen  (127);  durch  Erhitzen  mit 
Isobutyljodid  auf  120—130°  scheint  indess  Tetraisobutylammoniumjodid  zu  ent- 
stehen (130). 

Das  salzsaure,  salpetersaure,  schwefelsaure  und  phosphorsaure  Salz  sind  äusserst 
leicht  löslich  und  zerfliesslich.  Das  Platindoppelsalz  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in 
schönen,  orangerothcn  Blättern.  Das  Golddoppelsalz  ist  ein  in  Wasser  fast  unlöslicher,  hell- 
gelber Niederschlag  (130). 

Secundäres  Butylamin,  CH3.CH2.CH(NHa).CH3.  Durch  Einwirkung 
von  Ammoniak  auf  secundäres  Butyljodid  dargestellt  (133),  zur  völligen  Reinigung 


Butylverbindungen .  413 

in  das  Senföl  (künstliches  Cochleariaöl)  übergefilhrt  und  durch  concentrirte 
Schwefelsäure  daraus  regenerirt  (134).  Siedep.  63°.  Durch  weitere  Einwirkung 
von  secundärem  Butyljodid  entsteht  Dibutylamin,  aber  nur  schwierig  das  Triamin 
und  anscheinend  gar  nicht  die  Ammoniumbase  (134). 

Das  Platindoppelsalz  bildet  goldgelbe  Nadeln,  in  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich. 
Tertiäres  Butjrlamin,  (CH3)3-CNH2  (Trimethylcarbinamin),  bildet  sich, 
wenn  der  Isocyansäureester  des  Trimethylcarbinols  mit  Kaliumhydroxyd  oder 
Salzsäure  zersetzt  wird.  Jener  Ester  wird  erhalten,  wenn  man  Isobutyljodid  ohne 
besondere  Vorsichtsmaassregeln  mit  Silbercyanat  behandelt,  während  bei  ge- 
mässigter Einwirkung  (bei  Abkühlung  oder  Verdünnung  mit  Sand)  wesentlich  der 
Isocyansäure-Isobutylester  resultirt  (17,  135),  vergl.  (133).  Builerow  erhielt  das 
tertiäre  Butylamin  als  Nebenprodukt  bei  der  Bereitung  der  Trimethylessigsäure 
aus  tertiärem  Butyljodid  und  Quecksilbercyanid  (136).  Leicht  bewegliche,  stark 
ammoniakalisch  riechende  Flüssigkeit,  die  mit  wenig  Wasser  unter  Erhitzung 
eine  dickliche  Flüssigkeit  bildet.  Durch  Aetzkali  oder  kohlensaures  Kalium  wird 
es  aus  seiner  wässrigen  Lösung  ölig  abgeschieden  und  kann  durch  Bariumoxyd 
entwässert  werden.  Spec.  Gew.  0*7137  bei  0^.  Ausdehnungscoeßicient  zwischen 
0°  und  15°  =  0-002.     Siedep.  44'5°  bei  745-7  Millim.  (136). 

Salzsaures    Salz.      In  Wasser    und  Alkohol    äusserst   leicht   löslich,    aus   letzterem    in 
glänzenden  Blättchen  krystallisirend.     Schmp.  273°  (i35)- 

Das  Platindoppelsalz  wird  aus  weingeistiger  Lösung  in  grossen,   monoklinen  Prismen 
erhalten. 

Salpetersaures  Salz.    Grosse,  durchsichtige,  in  Wasser  und  Alkohol  sehr  leicht  lösliche 
Kiystalle. 

Das  schwefelsaure  Salz  erhält  man  beim  freiwilligen  Verdunsten  seiner  Lösung  in 
grossen  Blättern.     Beim  Eindampfen  in  der  Wärme  entweicht  ein  Theil  der  Base  (136). 

Tertiäres  Dibutylamin,    (CH8)j-C-NH-C(CH3)j.     Das  Jodid   entsteht 
aus  der  vorigen  Base  und  tertiärem  Butyljodid  bei  höchstens  50°.    Bei  dem  Ver- 
such, daraus  durch  Kalilauge  die  Base  frei  zu  machen,  sowie  schon  beim  Kochen 
des  Jodids  mit  Wasser  zerfällt  die  Base  in  tertiäres  Butylamin  und  Isobutylen  (136). 
Isobutylphosphine  (137). 

Isobutylphosphin,  (CH3)2-CH*CH,*PH,.  Neben  dem  Diphosphin  durch  Digeriren 
von  Isobutyljodid  mit  Jodphosphonium  und  Zinkoxyd  erhalten.  Farblose,  bei  62^  siedende 
Flüssigkeit. 

Diisobutylphosphin,  (C^H,),*?^  Wasserhelle  Flüssigkeit,  die  sich  an  der  Luft 
äusserst  leicht  oxydirt,  unter  Umständen  von  selbst  entzündet     Siedep.  153^ 

Triisobutylphosphin,  (C^Hg)jP.  Durch  Erhitsen  der  vorigen  Verbindung  mit  Isobutyl- 
jodid aaf  100^  erhalten.  Siedep.  215^.  Bildet  mit  überschüssigem  Isobutyljodid  bei  langem 
Erhitzen  auf  120^  das  Jodid  der  Phosphoniumbase. 

Isopropylisobutylphosphin,  (C,H7)(C4H9)PH.     Siedep.  139— 140^ 
Aethylisopropylisobutylphosphin,  (CjH5){C,Hy)(C4H9)P.    Siedep.  ungefähr  190°. 
Methyltriisobutylphosphoniumjodid,   (CH,)(C4Hg),PJ.     Schöne,   auch  in  Alkohol 
lösliche  KrystaUe. 

Met hyläthylisopropylisobutylphosphoni umJodid,  (CHjXCjHjXCjHyXC^Hg)?/. 
Gat  kxystallisirbar  (137)* 

Isobutylphosphinsäure,  C^Hg'PO^H,.  Aus  salzsaurem  Isobutylphosphin  durch  Oxy- 
dation mit  rauchender  Salpetersäure  erhalten.  Paraffinartige,  in  Wasser  und  Alkohol  lösliche 
Masse,  bei    100°  schmelzend.     Das  Silber  salz  ist  ein  weisser,  amorpher  Niederschlag  (138). 

I>i isobutylphosphinsäure,  (C4H9),-POjH.  Produkt  der  Oxydation  des  Diisobutyl- 
phosphins.      In  Wasser  unlösliches  Oel  (138). 

Triisobutylarsin.  Eine  Verbindung  dieser  Base  mit  Arsenjodid  wurde  durch  Einwirkung 
von  gepulvertem  Arsen  auf  Isobutyljodid  bei  180^  erhalten.     Rothe  KrystaUe  {139). 


414  Handwörterbuch  der  Chemif. 

Metallisobutylverbindungen. 

Quecksilberisobutyl,  Hg(C^Hg)2,  entsteht  aus  Isobutyljodid  und  Natriumamalgun  bö 
Gegenwart  von  Essigäther  (i04i  I39)<  Farblose,  stark  lichtbrechende  Fltlssigkeit  von  nur 
schwachem  Geruch.     Spec.  Gew.   1'835  bei  15®.     Siedep.  205—207®  (^9)« 

Zinkisobutyl,  Zn(C4H9),.  Durch  Erhitzen  der  vorigen  Verbindung  mit  Zink  auf 
120—130®  gewonnen.    Bei  1.88®  siedende,  an  der  Luft  sich  lebhaft  oxydirende  Flüssigkeit  (139). 

Zinndiisobutyljodid,  Sn(C4H,)2J2  (140),  entsteht  bei  anhaltendem  Erhitzen  von  Iso- 
butyljodid mit  Zinnfolie  auf  120—125®.  Es  siedet  unter  theilweiser  Zersetzung  bei  290—295^. 
Ammoniak  oder  Kalilauge  fUllen  aus  der  wässrigen  Lösung  das 

Zinndiisobutyloxyd,  Sn(C4H,),0,  in  weissen  Flocken.  Mit  verschiedenen  organischen 
und  unorganischen  Säuren  liefert  dasselbe  krystallisirbare  Salze. 

Das  Chlorid,  Sn(C4H,),a,,  siedet  bei  260—262®  und  erstarrt  bei  -h5®  lu  cioer 
asbestähnlichen  KrystaUmasse. 

Das  Bromid  ist  bei  gewöhnlicher  Temperatur  ebenfalls  flüssig. 

Zinntriisobutyljodid,  Sn(C4Hg),J  (139,  140),  bildet  sich,  wenn  Isobutyljodid  mit 
einer  Natrium-Zinnlegirung  anhaltend  erhitzt  wird.  Flüssigkeit  von  starkem,  reizendem  GenidL 
Siedep.  284—285®. 

Zinntriisobutylhydroxyd,  Sn(C4H,)|*0H,  entsteht  aus  der  vorigen  Verbindung  diodi 
Kochen  mit  Kalilauge.     Farblose,  schwere,  stark  alkalische  Flüssigkeit.     Siedep.  311—314^. 

Aluminiumisobutyl,  Al2(C4H9)g  (i39)*  Durch  Erhitzen  von  Quecksilberisobutjl  mit 
Aluminium  auf  125—130®  erhalten.  Farblose,  an  der  Luft  weisse  Dämpfe  ausstossende  Flfissi^ 
keit,  mit  stark  leuchtender  Flamme  brennbar.  Wasser  zersetzt  die  Verbindung  stürmisch  unter 
Bildung  von  Isobutan.  OsCAR  JaCOBSEN. 


c 


Cadmium.*)  Geschichtliches.  Als  Stromeyer  in  Göttingen  im  Jahre  1817 
bei  Gelegenheit  einer  Apothekenrevision  bemerkte,  dass  ein  aus  der  Fabrik  von 
Salzgitter  bezogenes  Zinkcarbonat  nach  dem  Glühen  eine  gelblich  bräunliche 
Farbe  behielt,  obgleich  es  eisenfrei  war,  fand  er  alsbald,  dass  die  Ursache  davon 


•)  i)  Stromeyer,  Schweigger's  Joum.  21.  pag.  297;  22,  pag.  362.  2)  Hermann,  Gdjb. 
A^-  59i  pag-  95-  3)  LÖWE,  Pogg.  Ann.  38,  pag.  i6i.  4)  Muspratt's  Chemie,  4.  Aufl.  pag,  4. 
5)  Schröder,  Pogg.  Ann.  106,  pag.  226;  107,  pag.  113.  6)  Wood,  Watt's  Dictionary. 
7)  DiTTE,  Compt  rend.  73,  pag.  945.  8)  Carnelley  u.  Carleton  Williams.  Chem.  soc.  J,  33, 
pag.  287.  9)  Ste.  Claire-Deville  u.  Troost,  Ann.  113,  pag.  46;  Compt.  rend.  52,  pag,  920. 
10)  Lbnssen,  J.  prakt.  Ch.  79,  pag.  281.  ii)  Huntington,  Zeitschr.  anal.  Ch.  21,  pag.  319. 
12)  Kämmerer,  Ber.  7,  pag.  1724.  13)  Lorenz,  Wiedem.  Ann.  13,  pag.  422  u.  582;  Landolt 
u.  Börnstein,  Physik.  Chem.  Tab.,  pag.  231.  14)  Matthiessen,  Pogg.  Ann.  130,  pag.  50, 
15)  Bunsen,  Pogg.  Ann.  141,  pag.  i.  16)  Persoz,  Pogg.  Ann.  76,  pag.  426.  17)  Gaugain, 
Compt.  rend.  42,  pag.  430.  18)  Crookewitt,  J.  prakt  Ch.  45,  pag.  87.  19)  Kopp,  Ann.  40, 
pag.  186.  20)  Matthiessen,  Pogg.  Ann.  11  o,  pag.  21.  21)  Wood,  Dingl.  polyt  Joum.  158, 
pag.  271,  376;  164,  pag.  108.  22)  Evans,  Dingl.  pol.  J.  115,  pag.  397,  466.  23)  Lipowttz 
Dingl.  pol.  Joum.  158,  pag.  376.  24)  v.  Hauer,  Dingl.  pol.  J.  177,  pag.  154;  J.  pr.  Ch.  63, 
pag.  432;  64,  pag.  477;  66,  pag.  176;  69,  pag.  121;  72,  pag.  338.  25)  SiDOT,  Compt  rend.  69, 
pag.  201.  26)  Schüler,  Ann.  87,  pag.  34.  27)  Croft,  Ann.  44,  pag.  263.  28)  Rammelsberg, 
Pogg.  Ann.  55,  pag.  241.  29)  Berzeuus,  Pogg.  Ann.  i,  pag.  26.  30)  Sidot,  Compt  rend.  62, 
P^-  999«  31)  Hautefeuille,  Compt  rend.  93,  pag.  826.  32)  Little,  Ann.  112,  pag.  211. 
33)  Uelsmann,  Ann.  116,  pag.  122.  34)  Margottet,  Compt  rend.  85,  pag.  1142.  35)  Emmbr- 
ling,  Ber.  1879,  pag.  154.  36)  Oppenheim,  Ber.  1872,  pag.  979.  37)  Regnault,  Compt. 
rend  76,  pag.  283.  38)  Ordway,  Jahresber.  1859,  pag.  115.  39)  Wächter,  J.  prakt  Ch.  30, 
pag.  321.  40)  RAMMEI.SBERG,  PoGG.  Ann.  55,  pag.  74.  41)  Kammelsberg,  Pogg.  Ann.  44, 
pag.  566.  42)  Lang,  Jahresber.  1862,  pag.  99.  43)  Hampe,  Ann.  125,  pag.  334.  44)  v.  Hauer, 
J.  prakt  Ch.  72,  pag.  372.  45)  H.  Rose,  Pogg.  Ann.  20,  pag.  152.  46)  Malagüti  u.  Sarzeau, 
Ann.  Chim.  Phys.  [3]  9,  pag.  431.  47)  Müller,  Ann.  149,  pag.  70.  48)  Rammelsberg,  Pogg. 
Ann.  67,  pag.  256  49)  Fordos  u.  Gius,  J.  prakt  Ch.  29,  pag.  288.  50)  Schwarzenberg, 
Ann.  65,  pag.  153.  51)  Reynoso,  Jahresber.  1852,  pag.  319.  52)  Persoz,  Ann.  Chim.  Phys.  56, 
pag.  334.  53)  H.  Rose,  Ann.  84,  pag.  212.  54)  Grothe,  J.  prakt  Ch.  92,  pag.  175;  Foii.enius, 
Ztschr.  anal.  Ch.  13,  pag.  289.  55)  Follenius,  Ztschr.  anal.  Ch.  13,  pag.  286.  56)  Beilstbin 
o.  Jawein,  Ber.  1879,  pag.  759.  57)  Schiff,  Ann.  115,  pag.  73,  58)  Follenius,  Ztschr.  anal. 
Ch.  13,  pag.  412.  59)  Deville  u,  TRoost,  Compt  rend.  90,  pag.  773  u.  Becqubrbl,  Ann. 
chim.  68,  pag.  73. 


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ii> 


416  Handwörterbuch  der  Chemie. 

die  Gegenwart  eines  neuen  Metalloxyds  sei  (i).  Etwas  später  wurde  bei  einer 
gleichen  Gelegenheit  Zinkoxyd  als  arsenikhaltig  angesehen,  weil  es  mit  Schwefel- 
wasserstoff einen  gelben  Niederschlag  gab.  Hermann,  aus  dessen  Fabrik  in 
Schönebeck  dies  Zinkoxyd  bezogen  war,  wies  nach,  dass  es  frei  von  Arsenik  war, 
aber  einen  neuen  Körper  enthielt  (2).  Er  schickte  von  diesem  aus  Schlesien 
stammenden  Zinkoxyd  an  Stromeyer,  der  das  entdeckte  Oxyd  näher  untersuchte 
(i)  und  zu  Metall  reducirte,  welchem  er  den  Namen  Cadmium  (von  cadmia  for- 
nacunii  Ofenbruch  oder  xaSfiCa,  Galmei)  gab,  während  Gilbert  den  Namen 
Junonium  vorgeschlagen  hatte. 

Vorkommen,  Schwefel-Cadmium,  CdS,  bildet  das  Mineral  Greenockit, 
zuerst  bei  Bishoptown  in  Schottland  gefunden.  In  geringer  Menge  ist  Cadmium 
ein  häufiger  Begleiter  der  Zinkblende  und  des  Galmeis.  In  der  schwarzen, 
strahligen  Blende  von  Przibram  fand  Al.  Löwe  l'b—l'lb^  Cadmium  (4). 

Darstellung.  Da  der  Siedepunkt  des  Cadmiums  (etwa  800°)  niedriger  als 
der  des  Zinks  (etwa  940^  liegt,  so  entwickeln  sich  bei  der  Destillation  des  Zinks 
zuerst  Cadmiumdämpfe,  die  zusammen  mit  Zinkdämpfen  an  der  Luft  verbrennen. 
Das  Oxyd  wird  mit  Kohle  geglüht  und  das  Cadmium  durch  Destillarion  von 
dem  Oxyd  möglichst  getrennt.  Reiner  erhält  man  das  Metall,  indem  man  das 
Roh-Cadmium  in  Salzsäure  löst  und  durch  Zink  das  Cadmium  ausfallt.  Oder 
die  saure  Lösung  wird  mit  Schwefelwasserstoff  gefällt,  das  Schwefelcadmium  wird 
abfiltrirt  und  von  neuem  in  Säuren  gelöst.  Aus  dieser  Lösung  wird  durch  kohlen- 
saures Ammoniak  das  Cadmium  als  Carbonat  gefallt,  das  nach  dem  Auswaschen 
und  Trocknen  durch  Glühen  mit  Kohle  reducirt  wird. 

Hüttenmännisch  wird  das  Cadmium  aus  Zinkofenrauch  und  Zinkstaub  g^ 
Wonnen^  In  Oberschlesien  wird  der  bräunlich  gelbe  Zinkrauch  bei  schwacher 
Rothgluth  mit  Coksklein  erhitzt.  Die  dazu  gebrauchte  Mufifel  mündet  in  eine 
Vorlage  aus  Eisenblech,  in  welcher  sich  Zinkdampf  in  Tröpfchen  condensirt, 
während  zinkarmes  Cadmiumoxyd  im  vorderen  Theile  des  Vorstosses  sich  ab- 
setzt und  Gase  durch  einen  durchlöcherten  Holzpfiock  entweichen  können.  Das 
angereicherte  Oxyd  wird  in  kleinen  Mengen  mit  Holzkohle  gemischt  und  aus 
einer  kleinen  Eisenretorte  bei  schwacher  Rothgluth  destillirt.  Das  übergegangene 
Cadmium  wird  in  Sandformen  zu  kleinen  cylindrischen  Stangen  gegossen.  Ein 
etwas  erheblicher  Zinkgehalt  macht  das  Cadmium  spröde. 

In  ähnlicher  Weise  verfahrt  man  in  Belgien,  zu  Engis,  wo  eine  cadmium- 
reiche  Blende  verhüttet  wird,  indem  man  den  Flugstaub  durch  Erhitzen  mit 
Steinkohlenpulver  erst  anreichert  und  dann  das  angereicherte  Oxyd  reducirt 

Da  bei  diesen  Verfahren  das  Cadmium  nie  ganz  zinkfrei  wird,  so  hat  Jaeckzx 
die  Gewinnung  auf  nassem  Wege  empfohlen  (4).  Das  cadmiumhaldge  Zink  wird 
granulirt  und  mit  soviel  Salzsäure  Übergossen,  dass  ersteres  im  Ueberschuss  bleibt 
Es  löst  sich  nur  Zink,  da  etwa  aufgelöstes  Cadmium  von  dem  überschüssigen 
Zink  wieder  gefällt  wird.  Die  Lösung  wird  mit  Zinkstaub  völlig  gesättigt  und 
durch  Kalkmilch  wird  daraus  Zinkoxyd  gefällt.  Der  cadmiumreiche  Rückstand 
wird  wieder  mit  Salzsäure  behandelt,  so  dass  sich  etwas  Cadmium  mit  auflöst, 
welches  durch  Zink  gefällt  wird.  Der  aus  Cadmium  und  Blei  bestehende  Rück- 
stand wird  mit  Kohle  reducirt  imd  das  Cadmium  abdestillirt. 

In  Schlesien  (Reg.-Bez.  Oppeln)  wurden  im  Jahre  1882  auf  den  Zinkhätten 
3671  Kgrm.  Cadmium  im  Werthe  von  34537  Mark  gewonnen. 

Eigenschaften.   Das  Cadmium  ist  ein  zinnweisses,  glänzendes,  geschmeidiges 


Cadmium.  417 

Metall,  härter  als  Zinn,  lässt  sich  mit  dem  Messer  schneiden.    Beim  Biegen  wird 
ein  Geräusch  wie  das  sogen.  Zinngeschrei  hörbar. 

Das  Volumgewicht  wurde  von  Stromeyer  zu  8*604,  das  des  gehämmerten 
Metalls  zu  8-6944  bestimmt  (i);  Schröder  (5)  fand  8-546  bezw.  8*667.  Es 
schmilzt  bei  315°  [Wood  (6),  Ditte  (7)]  und  siedet  bei  etwa  800°  (59)  (Deville 
und  Troost)  (1859),  bei  763 — 772°  (Carnelley  und  Carleton  Williams  (8). 
Der  Dampf  ist  dunkelgelb  und  hat  das  Volumgewicht  3-94  (Deville  u.  Troost) 
(9),  oder  auf  Wasserstoff  bezogen  55*8.  Das  Molekulargewicht  des  Cadmiums 
ist  also  2x55-8  =111*6. 

Das  Atomgewicht  wurde  von  Stromeyer  (4)  zu  111*2  bestimmt,  von  Dumas 
zu  11203,  von  Lenssen  (ig)  (1860)  zu  111-76,  von  Huntington  (ii)  (1881)  zu 
111-9.  Die  wahrscheinlichste  Zahl  ist  111*7.  Das  Atomgewicht  stimmt  also 
überein  mit  dem  Molekulargewicht,  d.  h,  das  Molekül  Cadmium  besteht  aus 
einem  Atom.     Cd  ist  in  seinen  Verbindungen  zweiwerthig. 

Das  Cadmium  krystallisirt  in  regulären  Octaedem,  Dodecaedem  und  anderen 
Formen,  die  besonders  deutiich  auftreten,  wenn  das  Metall  im  Wasserstoffstrom 
sublimirt  wird  (Kämmerer)  (12). 

Die   elektrische  Leitungsfahigkeit  des  Cadmiums,    bezogen  auf  Quecksilber 

von  0°,  beträgt  bei  0°  13-46  (Lorenz)  (13).    Die  Leitungsfähigkeit  für  Wärme, 

bezogen  auf  die  des  Silbers,  =  100,  ist  20*06  (Lorenz)  (13).    Der  lineare  Aus- 

dehnungscoefiicient  zwischen  0  und  100°  ist  0*00003159  (Matthiessen)  (14). 

Die  specifische  Wärme  des  Cadmiums  zwischen  0  und  100°  ist  nach  Bunsen 

(15)  0  0548,  die  Atomwärme  also  =  6*1,  die  latente  Schmelzwärme  nach  Person 

(16)  13*66  Kg.  cal.     Bei  Bildung  des  Cadmiumhydroxyds  wird  eine  Wärme  von 
(Cd,  O,  H3O)  =  65*680  cal.  entwickelt. 

Oxyde,  Halogen-,  Schwefel-,  Phosphor-  u.  dergl.  Verbindungen. 
Cadmiumoxyd,  CdO,  braunes,  amorphes  Pulver,  welches  entsteht,  wenn 
das  Metall  an  der  Luft  verbrannt  wird,  oder  wenn  das  Hydroxyd  oder  Carbonat 
oder  Nitrat  erhitzt  wird.  Im  Sauerstoffstrom  bei  Weissgluth  erhitzt  sublimirt  es 
in  dunkelrothen  Krystallen  (Sidot)  (25),  beim  Glühen  des  Nitrats  bildet  es 
dunkelblauschwarze,  mikroskopische  Octaeder  (Schüler)  (26).  Vol.-Gew.  6*9502. 
Es  wird  schon  bei  massiger  Rothgluth  durch  Kohle  reducirt.  Beim  Erhitzen  auf 
Kohle  mittelst  des  Löthrohrs  verbrennt  das  verdampfende  Metall  und  bildet  einen 
braunen,  wohl  als  Pfauenschweif  bezeichneten  Beschlag. 

Cadmiumhydroxyd,  Cd(OH)a,  wird  als  weisser,  amorpher  Niederschlag 
durch  Fällen  der  Lösung  eines  Cadmiumsalzes  mittelst  Alkali  erhalten.  Bei  300° 
verliert  es  Wasser  und  verwandelt  sich  in  das  Oxyd  (H.  Rose)  (45). 

Die  Cadmiumsalze  sind  farblos  oder  weiss^  die  wässrige  Lösung  derselben 
reagirt  sauer;  sie  sind  giftig. 

Cadmiumchlorid,  CdClg.  Beim  Abdampfen  der  Lösung  des  Metalls, 
Oxyds  oder  Carbonats  in  Salzsäure  bilden  sich  Prismen  von  der  Formel  CdClj 
4-  2H2O,  welche  leicht  verwittern.  Beim  Erhitzen  geht  das  Krystallwasser  fort, 
dann  tritt  Schmelzung  ein,  dann  Sublimation  in  perlmutterglänzenden  Blättchen 
vom  Vol.-Gew.  3*625.  Das  Chlorcadmium  ist  in  Wasser  leicht  löslich;  bei  20° 
lösen  100  Thle.  Wasser  140*8  CdClg. 

Wasserfreies  Chlorcadmium  absorbirt  unter  Wärmeentwicklung  Ammoniakgas 
(Croft).      Aus    einer  Lösung  von  Chlorcadmium    in  conc.  Ammoniakflüssigkeit 

Laoskbuvg,  Cbemie.    IL  27 


4i8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

scheiden  sich  beim  Verdunsten  Kry stalle  von  CadmiumdiammonchlorüT  aus, 
die  nach  v.  Hauer  die  Zusammensetzung  CdCi^,  2NH3  oder  Cd (NH3C1)2  haben 
(24).  Aus  höchst  concentrirter  Ammoniakflüssigkeit  krystallisirt  Cadmium- 
hexammonchlorür,  Cd(NH3)gCl3,  welche  Verbindung  auch  entsteht,  wenn 
trocknes  Chlorcadmium  genügend  lange  einem  Strom  von  trocknem  Ammoniak- 
gas ausgesetzt  wird.  An  der  Luft  oder  schneller  beim  Eindampfen  der  wässrigcn 
Lösung  verliert  der  Köiper  vier  Ammoniakmoleküle. 

Das  Chlorcadmium  bildet  mit  den  Chloriden  anderer  Metalle,  namentlich  der 
Alkalien  und  Erdalkalien,  Doppelverbindungen.  CdCl2,  2KC1 -4- HgO  kiystalli- 
sirt  aus  einer  concentrirten  Lösung  von  Chlorcadmium  und  Chlorkalium  in  seide- 
glänzenden Nadeln  (v.  Hauer).  Die  Mutterlauge  giebt  Granatoeder  von  der 
Zusammensetzung  CdClj,  4KC1.  Aehnliche  Doppelverbindungen  bilden  sich  mit 
Chlorcalcium  bezw.  Chlorammonium,  die  von  Croft  (27)  und  von  v.  Hauer  (24) 
untersucht  worden  sind.  Letzterer  hat  auch  Doppel  Verbindungen  mit  den  Chloriden 
der  alkalischen  Erden,  mit  Manganchlorür,  Eisenchlorür,  Kobaltchlorür,  Nickel- 
chlorür  und  Kupferchlorür  dargestellt. 

Cadmiumbromid,  CdBrg.  Die  Lösung  desselben  wird  einfach  durch  Di- 
gestion von  Cadmium  mit  Brom  und  Wasser  erhalten.  Beim  Verdampfen  krystalli- 
siren  Nadeln  mit  4  Mol.  Wasser,  das  zur  Hälfte  bei  100°,  völlig  bei  260°  entlassen 
wird  (Rammelsberg).  Bromcadmium  absorbirt  Ammoniak  wie  das  Chlorcadmium 
und  verhält  sich  diesem  auch  in  Bezug  auf  die  Bildung  von  Doppelverbindungen 
ähnlich. 

Cadmiumjodid,  Cdjg.  wird  wie  das  Bromid  erhalten.  Aus  der  Ixisung 
krystallisiren  grosse,  sechsseitige,  luftbeständige  Tafeln,  die  in  Alkohol  löslidi 
sind  und  das  Vol.-Gew.  4*576  besitzen.  Bei  20°  lösen  100  Thle.  Wasser  92*6  Thlc- 
Cdjg.  Cadmiumjodid  absorbirt  wie  das  Chlorid  6  Mol.  Ammoniak.  Die  Lösung 
des  Jodids  in  Ammoniakflüssigkeit  liefert  beim  Verdunsten  Krystalle  von  Cd}«, 
2NH3.  Es  wird  durch  das  Licht  leicht  gelb.  Man  verwendet  dasselbe  in  der 
Photographie.  Da  von  allen  Jodirungssalzen  die  Cadmiumsalze  am  beständigsten 
sind,  so  würde  man  sie  ausschliesslich  anwenden,  wenn  ihre  saure  Reaction  die 
Empfindlichkeit  des  Präparats  nicht  etwas  schwächte.  Jodcadmium  bildet  ähnliche 
Düppelsalze  wie  das  Chlorid.  Jodcadmium-Jodkalium,  CdJa»  2KJ-4-2H2O,  findet 
Anwendung  als  Reagens  auf  Alkaloide. 

Cadmium fluorid,  CdFlg,  schwer  löslich  in  Wasser,  löslich  in  überschüssiger 
Flusssäure  (Berzelius  (29). 

Cadmiumfluorsilicat,  CdSiFl^,  leicht  löslich  in  Wasser,  in  langen  Säulen 
krystallisirend,  die  an  der  Luft  verwittern  (Berzelius). 

Cadmiumsulfid,  CdS,  kommt  in  der  Natur  als  Greenockit  in  hexagonalcn 
Prismen  krystallisirt  vor  und  hat  in  dieser  Form  die  Härte  des  Feldspaths  und 
das  Vol.-Gew.  4*8.  Durch  Erhitzen  von  Cadmium  oder  Cadmiumoxyd  mit 
Schwefel  wird  selbst  bei  hohen  Temperaturen  nur  schwierig  das  Sulfid  gebildet; 
v.  Hauer  (24)  erhielt  es  als  amorphe,  hellgelbe,  während  des  Glühens  dunkel- 
rothe  Masse  durch  Glühen  von  Cadmiumsulfat  im  Schwefel wasserstoffstrom.  Aus 
Cadmiumsalzlösungen  wird  es  durch  Schwefelwasserstoflf  oder  Schwefelammoniutn 
gefällt.  Je  nachdem  die  Lösung  mehr  oder  weniger  sauer  ist,  variirt  die  Farbe 
von  hellgelb  bis  dunkelrothgelb.  Krystallisirt  es  Cadmiumsulfid,  künstlicher  Gree- 
nockit, wurde  durch  Zusammenschmelzen  des  amorphen  Sulfids  mit  Schwefel 
und  Kaliumcarbonat  erhalten  (Schüler)  (26),  auch  durch  Zusammenschmelzen 


Cadmium.  419 

von  Cadmiumsulfat  mit  Schwefelbarium  und  Chlorcalcium  (St.  Claire-Deville 
und  Troost)  (9).  SrooT  (30)  hat  schöne  Greenockit-Krystalle  durch  Erhitzen 
von  Cadmiumoxyd  im  Schwefeldampf  bei  Weissgluth  erhalten.  Vermuthlich  wird 
bd  der  hohen  Temperatur  das  Cadmiumoxyd  dissociirt,  und  die  Dämpfe  des 
Cadmiums  und  des  Schwefels  verbinden  sich  in  den  weniger  heissen  Theilen  des 
Apparats.  Neuerdings  hat  Hautefeuille  (31)  durch  starkes  Erhitzen  amorphen 
Schwefelcadmiums  in  einem  mit  Thonerde  völlig  angefüllten  Tiegel  Greenockit- 
Krystalle  erhalten.  Auch  hier  wird  der  Bildung  derselben  wohl  eine  Dissociation 
des  Sulfids  voraufgegangen  sein. 

Das  krystallisirte  Sulfid  hat  das  Vol.-Gew.  4*5,  das  geschmolzene  4*605.    Es 
hat  eine  schöne,  tiefgelbe  Farbe,  die  in  der  Hitze  dunkler  wird;  erst  bei  Weiss- 
gluth ist  es  schmelzbar.    Es  ist  in  verdünnter  Salzsäure  selbst  in  der  Wärme  wenig 
löslich,  unlöslich  in  Kali,  Ammoniak  und  Schwefelammon,  löslich  in  concentrirter 
Salzsäure,  in  verdünnter  kochender  Schwefelsäure  und  Salpetersäure.     Von  dem 
in  der  Farbe  ähnlichen  Schwefelarsen  unterscheidet  es  sich  durch  seine  Feuer- 
beständigkeit, sowie  durch  seine  Unlöslichkeit  in  Alkalien  und  in  Schwefelammon. 
Das  Schwefelcadmium  findet  Anwendung  als  schön  gelbe,   stark  deckende, 
unveränderliche  Malerfarbe.    Durch  Fällen  von  Cadmiumsulfatlösung  mit  Schwefel- 
barium wird  eine  hellere  Mischfarbe  von  Cadmiumsulfid  und  Bariumsulfat  darge- 
stellt.    Auch  in  der  Färberei  und  Druckerei  wird  Cadmiumgelb  verwendet,   ge- 
wöhnlich indem  man  den  Webestoff  erst  mit  einer  Chlorcadmiumlösung  behandelt, 
und  dann  durch  Schwefelkalium  oder  durch  Natriumthiosulfat  und  nachfolgendes 
Dämpfen  die  Farbe  hervorruft.     Mit  wenig  Oel  abgerieben  dient  das  Cadmium- 
gelb  zum  Färben   von  Seifen.     Mit   Ultramarin   gemischt   giebt   das    Schwefel- 
cadmium eine  grüne  Farbe.     Man  kann  eine  solche  auch  erzeugen,   indem  man 
durch    ein   Gemisch    von  Kaliumferricyanid,    Eisenchlorid   und  Cadmiumchlorid , 
Schwefelwasserstoflf  leitet,  wobei  dann  das  reducirte  Eisenchlortir  mit  dem  Kalium- 
ferricyanid TumbuH's  Blau  bildet. 

Cadmiumpentasulfid,  CdS^;  gelber  Niederschlag,  durch  Fällen  einer 
Cadmiumlösung  mit  Fünffach-Schwefelkalium  erhalten  (Schiff)  (57).  Nach  Folle- 
Niüs  (58)  ist  derselbe  ein  Gemisch  von  CdS  und  Schwefel. 

Cadmiumselenid,  CdSe,  wird  durch  Erhitzen  von  Cadmium  in  Selendampf  als  goldgelbe, 
kiystallinische  Masse  von  8*789  Vol.-Gew.  erhalten  (Little)  (32),  als  dunkelbrauner  Niederschlag 
beim  Fällen  einer  Cadmiumlösung  mit  Selenwasserstoff  (Uelsmann)  (33).  In  blutrothen  Blättchen 
vom  Vol.-Gew.  5*80  hat  es  Margottet  (34)  bei  der  Einwirkung  von  Cadmium  auf  durch 
Wasserstoff  verdünnten  Selenwasserstoff  bei  Rothgluth  und  Destillation  des  Produkts  im  Wasser- 
stofSstrom  erhalten. 

Cadmiumtellurid,  CdTe,  schwarze  Krystalle,  vom  spec.  Gew.  6*20,  hat  Margottet 
durch  direkte  Vereinigung  von  Cadmium  mit  Tellur  und  Sublimation  der  Verbindung  im  Wasser- 
stofistrom  dargestellt 

CadmiumphosphUr  hat  StromeV£R  als  graue,  schwach  metallisch  glänzende  Masse 
erhalten,  indem  Cadmium  mit  Phosphor  erhitzt  wurde.  In  dieser  grauen  Masse  hat  Emmerling  (35) 
kleine,  zerbrechliche  Nadeln  von  der  Zusammensetzung  Cd^P  gefunden,  die  sich  in  Salzsäure 
unter  Entwicklung  von  PhosphorwasserstoflT  lösen.  Nach  Oppenheim  bildet  sich  CdjPj  durch 
Einwirkung  von  Phosphor  auf  eine  alkalische  Lösung  von  Cadmiumoxyd  und  Erhitzen  des 
braunen  Niederschlags  im  Wasserstoffstrom,  wobei  Wasser,  Phosphor  und  Phosphorwasserstoff 
abgegeben  wird.  Denselben  Körper  nebst  CdPg  hat  Regnault  erhalten  durch  Erhitzen  von 
Cadmium  oder  dessen  Oxyd  oder  Carbonat  im  Phosphordampf  bis  auf  dunkle  Rothgluth.  Der 
Körper  CdPj  bildet  rubinrothe  Nadeln,  bisweilen  indigoblaue  Blätter.  Man  befreit  ihn  von  der 
Verbindung  Cd,Pj  durch  Behandlung  mit  schwacher  Salzsäure,  welche  nur  die  letztere  löst    Das 

27» 


420  Handwörterbuch  der  Chemie. 

PhosphüT  CdPj  bildet  sich  auch  beim  Erhitzen  der  Phosphate  von  Ammonium  und  Quecksilber 
oder  Zinn  mit  Cadmiumcarbonat  und  Kohle  (37).  Der  Körper  löst  sich  gepulvert  in  concen- 
trirter  Salzs»iurc  unter  Entstehung  von  nicht  selbstcntzündlichem  Phosphorwasserstoffgas,  untcr- 
phosphoriger  Säure  und  einem  amorphen,  schön  gelben  Körper  von  der  Zusammensetzung  P^H^O. 

Sauerstoffhaltige  Salze. 

Cadmiumnitrat,  Cd(N03)2,  wird  beim  Verdampfen  seiner  Lösung  in  Form 
zerfliesslicher,  auch  in  Alkohol  löslicher  Nadeln  oder  Säulen  von  der  Fonnel 
Cd(N03)3  -h4HaO  erhalten,  schmilzt  bei  100°  in  seinem  Krystallwasser  (v.  Hauer), 
siedet  (zersetzt  sich?)  bei  132°  (Ordway)  (38). 

Cadmiumchlo'rat,  Cd  (CIO  3)2.  Aus  der  durch  Zersetzung  von  Cadmium- 
sulfat  und  Bariumchlorat  erhaltenen  Lösung  krystallisiren  beim  Eindampfen  zer- 
fliessliche,  auch  in  Alkohol  lösliche  Prismen  Cd(C103)2  ■+■  2HaO  (Wächter)  (39). 

Cadmiumperchlorat,  Cd(Q0^)3,  zerfliessliche,  alkohollösliche  Krystallmassc. 

Cadmiumbromat.in  ähnlicher  Weise  wie  das  Chlorat  darzustellen.  Aus  der  Lösung  kiystalli- 
siren  beim  Eindampfen  über  Schwefelsäure  rhombische  Säulen  von  der  Formel  Cd  (BrO  5)3+1130. 
Aus  der  Lösung  des  Salzes  in  erwärmter  AmmoniakflUssigkeit  scheiden  sich  beim  Verdunsten 
Krystallc  von  bromsaurem  Cadmium-Ammoniak,  Cd(Br03)j -f- 3NH,,   ab  (RAiMMELSBERg)  (40). 

Cadmiumjodat,  CdQOj), ,  wasserfrei,  unlösliches,  krystallinisches  Pulver  (Rajoiels- 
berg)  (41). 

Cadmiumnitrit,  Cd (N 03)2-1-1120,  gelbe,  zerfliessliche  Krystallmasse,  durch  Doppel* 
Zersetzung  des  Sulfats  mit  Bariumnitrit  erhalten  (Lang)  (42).  Durch  Erhitzen  desselben  oder 
Behandlung  mit  absolutem  Alkohol  wird  ein  basisches  Salz  gebildet  (Hampe)  (43). 

Cadmiumsulfat,  schwefelsaures  Cadmium,  CdSO^.  Cadmium  löst 
sich  in  verdünnter  Schwefelsäure  unter  Wasserstoffentwicklung.  Die  Lösung  wird 
durch  Zusatz  von  Salpetersäure  beschleunigt  Bei  freiwilligem  Verdunsten  der 
concentrirten  Lösung  scheiden  sich  grosse,  durchsichtige,  monokline  Tafeln  von 
der  Zusammensetzung  3CdS04  -h  SH^O  ab  (v.  Hauer)  (44),  die  bei  100 ""  3H,0 
verlieren.  Wenn  eine  Lösung  von  Cadmiumsulfat,  welche  überschüssige  Säure 
enthält,  bei  Siedehitze  concentrirt  wird,  so  scheiden  sich  warzenförmige  Krystallc 
von  der  Zusammensetzung  CdSO^  -4- H3O  aus  (Kühn,  v.  Hauer).  Es  sind  auch 
noch  Cadmiumsulfate  mit  anderem  Wassergehalt,  mit  4  und  3  Mol.  H2O,  darge- 
stellt worden,  indessen,  wie  es  scheint,  kein  dem  Zinkvitriol  entsprechendes  Sah 
mit  THgO.  In  höherer  Temperatur  verliert  das  Sulfat  die  Hälfte  Säure  und 
bildet  ein  basisches  Salz  S02[OCd(OH)]2,  welches  in  Wasser  schwer  löslich  ist. 

Von  dem  normalen  wasserfreien  Salz  lösen  sich  bei  20°  59  Thle.  in  100  Thln. 
Wasser,  bei  100°  wenig  mehr.  Das  Cadmiumsulfat  wird  in  der  Medicin  zu  In- 
jectionen  und  als  Augenwasser  (gegen  Homhautflecke)  angewendet. 

Das  Cadmiumsulfat  bildet  mit  den  Sulfaten  der  Alkalien  und  des  Magnesiums 
Doppelsalze,  von  denen  die  mit  Ammonium-  und  Kaliumsulfat  wie  die  ent- 
sprechenden Zinkdoppelsalze  6  Mol.  Krystallwasser  enthalten. 

Trocknes  Cadmiumsulfat  absorbirt  Ammoniak  unter  Wärmeentwicklung.  Das 
weisse  Pulver  hat  die  Zusammensetzung  CdS04,  6NH3  (H.  Rose)  (45).  Wein- 
geist fällt  aus  einer  ammoniakalischen  Lösung  von  Cadmiumsulfat  kleine,  gelbe, 
leicht  zersetzliche  Krystallc  (Malaguti  und  Sarzeau)  (46),  oder  sechsseitige 
Prismen  von  der  Zusammensetzung  2CdS04,  8NH3  4- öH^O  (Müller)  (47). 

Cadmium  Sulfit,  schwefligsaures  Cadmium,  CdSOj,  durch  Auflösen  des 
Carbonats  in  wässriger  schwefliger  Säure  erhalten,  wasserfrei  krystallisirend, 
schwer  löslich  in  Wasser,  zerfallt  beim  Erhitzen  in  schweflige  Säure,  Cadmiunn- 
oxyd,  Schwefelcadmium  und  Cadmiumsulfat  (Rammei^berg)  (48).    Beim  Behandd 


Cadmimn.  421 

von  Cadmium  mit  wässriger  schwefliger  Säure  entstehen  Schwefelcadmium  und 
Cadmiumsulfit;  durch  vorsichtiges  Concentriren  der  Lösung  erhielten  Fordos  und 
G£lis  (49)  schwer  lösHche  Krystalle  CdSOj  -+-  2H3O.  Mit  Ammoniumsulfit  sind 
Doppelsalze  dargestellt  worden,  auch  mit  Ammoniak  verbindet  sich  das  Cadmium- 
sulfit (Rammelsberg). 

Cadmiumphosphate.  Das  Orthophosphat  wird  durch  Fällen  einer 
Cadmiumlösung  mit  gewöhnlichem  Natriumphosphat  erhalten;  in  analoger  Weise 
das  Pyrophosphat.  Das  weisse  Pulver  ist  löslich  in  Ammoniak,  unlöslich  in 
Aetzkali.  Aus  der  Lösung  in  wässriger  schwefliger  Säure  krystallisirt  es  in  perl- 
glänzenden Blättchen  (Schwarzenberg)  (50).  Mit  Wasser  in  zugeschmolzener 
Röhre  auf  300°  erhitzt,  zersetzt  es  sich  in  saures  Cadmiumorthophosphat,  welches 
gelöst  bleibt,  und  in  gesättigtes  Orthophosphat  (Reynoso)  (51). 

Cadmiummetaphosphat  ist  von  Persoz  (52)  dargestellt  worden,  indem 
die  Lösung  von  Cadmiumnitrat  mit  Metaphosphorsäure,  dann  mit  Ammoniak  ver- 
setzt wurde.  Der  Niederschlag  löst  sich  im  überschüssigen  Ammoniak,  scheidet 
sich  aber  beim  Verdunsten  desselben  allmählich  wieder  ab. 

Cadmiumcarbonat,  CdCOg.  Die  Niederschläge,  welche  in  Cadmium - 
lösungen  durch  Alkalicarbonate  hervorgebracht  werden,  sind  fast  neutrales 
Cadmiumcarbonat,  enthalten  fast  kein  Hydroxyd  (während  Zink-  und  Magnesium- 
lösungen unter  gleichen  Verhältnissen  basische  Carbonate  geben).  Das  Cadmium- 
carbonat ist  getrocknet  ein  weisses  Pulver  von  4*5  Vol.-Gew.,  das  seine  Kohlen- 
säure erst  bei  starker  Rothgluth  verliert  (H.  Rose)  (53). 

Cadmiumborat,  schwer  lösliches,  weisses  Pulver  (Stromeyer). 

*  Analytisches  Verhalten. 

1.  Erkennung.  Die  nichtleuchtende  Flamme  wird  durch  Cadmiumsalze 
nicht  gefärbt  Das  Funkenspectrum  zeigt  viele  helle  Linien,  von  denen  eine  im 
Orange,  eine  im  Gelb,  zwei  im  Grün,  zwei  im  Blau  charakteristisch  sind.  Vor 
dem  Löthrohr  auf  Kohle  geglüht  geben  die  Cadmiumverbindungen  einen  braunen 
Beschlag,  der  nach  aussen  hin  bunt  angelaufen  erscheint. 

Aus  den  Lösungen  fallen  die  Alkalien  und  deren  Carbonate  weisse 
Niederschläge  von  Cadmiumhydroxyd,  bezw.  -Carbonat,  die  im  Ueberschuss  un- 
löslich sind.     Gegenwart  von  Ammoniak  kann  die  Fällung  z.  Th.  verhindern. 

Weinsteinsäure  verhindert  in  der  Kälte  die  Fällung  durch  Kalihydrat,  nicht 
durch  Alkalicarbonat;  Citronensäure,  Aepfel-,  Bernstein-  und  Benzoesäure  beein- 
trächtigen die  Fällung  des  Hydroxyds  nicht;  wohl  aber  Zuckerlösung,  warm  so- 
wohl wie  kalt  (54). 

Ammoniak  bringt  einen  weissen  Niederschlag  hervor,  der  sich  im  Ueber- 
schuss des  Fällungsmittels  sehr  leicht  löst.  In  dieser  Lösung  erzeugen  die  Aetz- 
alkalien,  nicht  aber  deren  Carbonate,  einen  Niederschlag  von  Cadmiumoxyd. 

Kalium  Cyanid  erzeugt  einen  weissen,  im  Ueberschuss  leicht  löslichen 
Niederschlag  von  Cadmiumcyanid. 

Bari  um  carbonat  fallt  Cadmiumoxyd  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur. 

Natriumphosphat  fallt  weiss. 

Ferrocyankalium  fallt  einen  weissen,  schwach  gelblichen  Niederschlag,  der 
in  Salzsäure  löslich  ist. 

Ferricyankalium:  gelber,  in  Salzsäure  löslicher  Niederschlag. 

Zink  fällt  metallisches  Cadmium. 


422  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Schwefelwasserstoff,  in  sauren,  neutralen  und  ammoniakalischen Lösungen, 
und  Schwefelammon  fällen  gelbes  Seh wefelcadmium ;  charakteristische  Reaction. 
Beim  Trocknen  wird  der  Niederschlag  orange.  Derselbe  ist  in  conc.  Salzsäure 
löslich.  Von  andern  gelben  Sulfiden,  denen  des  Zinns,  Arsens  und  Antimons, 
unterscheidet  er  sich  durch  seine  Unlöslichkeit  in  Schwefelammon  und  in  Aetz- 
alkalien.    Durch  diese  Reaction  wird  das  Cadmium  von  diesen  Metallen  getrennt 

Die  Trennung  von  Blei  kann  man  auf  die  Weise  ausfuhren,  dass  man  aus 
der  salpetersauren  Lösung  das  Blei  durch  Schwefelsäure  fallt.  Ferner  wird  das 
Blei  durch  Bariumcarbonat  bei  gewöhnlicher  Temperatur  nicht  gefallt 

Die  Trennung  von  den  übrigen  Metallen  wird  bei  diesen  angegeben. 

2.  Quantitative  Bestimmung,  a)  Man  fallt  die  Lösung  durch  Soda  oder 
besser  durch  Kaliumcarbonat,  da  der  Niederschlag  sich  dann  besser  auswaschen 
.  lässL  Der  Niederschlag  wird  getrocknet  und  durch  anhaltendes  Glühen  in  Oxyd 
verwandelt.  Wegen  der  leichten  Reducirbarkeit  des  Oxyds  muss  das  Filterpapier 
möglichst  von  dem  Niederschlag  befreit  und  für  sich  verbrannt  werden,  oder 
man  bedient  sich  eines  Asbestfilters  (55). 

b)  Sicherer  ist  die  Bestimmung  als  Sulfid.  Dieses  darf  dabei  nicht  durdi 
überschüssigen  Schwefel  verunreinigt  sein,  denn  man  darf  es  wegen  seiner 
Flüchtigkeit  nicht  im  Wasserstoflfstrom  erhitzen,  sondern  muss  es  auf  einem  ge- 
wogenen Filter  bei  100°  trocknen. 

c)  Electrolytisches  Verfahren.  —  Man  fallt  die  Cadmiumlösung  mit  Kali,  löst 
den  Niederschlag  in  Cyankalium  und  unterwirft  die  Lösung  der  Wirkung  eines 
von  drei  BuNSEN-Elementen  erzeugten  galvanischen  Stromes.  Die  Lösung  soll 
etwa  0*2  Grm.  Cd  in  75  Cbcm.  enthalten;  stündlich  scheiden  sich  dann  etwa 
0-08— 0*9  Grm.  Cadmium  ab  (Beilstein  u.  Jawein)  (58).         Rud.  Biedermann. 

Cäsium,*)  Cs.  Atomgewicht  =  133.  Im  Jahre  1860  entdeckten  Bünsen 
und  Kirchhoff  (i)  bei  Gelegenheit  ihrer  spectralanalytischen  Untersuchungen  in 
der  Mutterlauge,  welche  beim  Eindampfen  der  Dürkheimer  Salzsoole  hinterblieb, 
ein  Alkalisalz,  welches  in  der  Flamme  verflüchtigt,  bei  Betrachtung  derselben 
durch  den  Spectralapparat  zwei  blaue  Linien  erkennen  Hess.  Das  diese  Er- 
scheinung bewirkende  Metall  erhielt  den  Namen  Cäsium  (von  caesitis,  himmelblau). 

Die  Verbindungen  des  Cäsiums  sind  ebenso  wie  diejenigen  des  bei  gleicher 
Veranlassung  entdeckten  Rubidiums  sehr  verbreitet  in  der  Natur,  doch  findet 
man  sie  nirgends  in  grösserer  Menge.  Beide  Metalle  begleiten  gewöhnlich  das 
Kalium,  Natrium  und  Lithium  in  den  verschiedensten  Mineralwässern,  Mineralien 
und  Pflanzenaschen.     So  fand  Bunsen  es  im  Lepidolith  von  Rozena  (Mähren), 


•)  i)  Bunsen  u.  Kirchhoff,  Pogg.  Ann.  1 13,  pag.  342 ;  119,  pag.  i ;  Ann.  Chem.  122,  pag.  347» 
125,  pag.  367.  2)  ScHRÖTTER,  Wien.  Acad.  Ber.  50,  pag.  268.  3)  Grandeau,  C.  r.  53,  pag.  iiooi 
54,  pag.  450  u.  1057.  Ann.  chim.  phys.  [3]  67,  pag.  155.  4)  Pisani,  Ann.  132,  pag.  3*- 
C.  r.  58,  pag.  714.  5)  Plattner,  Pogg.  Ann.  69,  pag.  443.  6)  Laspeyres,  Ann.  134,  pag.  349- 
7)  Bunsen  s.  o.,  Allen,  J.  pr.  88,  pag.  81.  Lecoq  de  Boisbaudran,  Bull.  soc.  chim.  [2]  17. 
pag.  551.  8)  GoDEFFROY,  Ann.  181,  pag.  176.  Stolba,  Böhm.  Ges.  d.  Wiss.  1878.  J.  B.  1878, 
pag.  1057.  9)  Redtenbacher,  J.  pr.  95,  pag.  148.  Wiener  acad.  Anx.  1865,  pag.  39- 
ig)  Godeffroy,  Ber.  1874,  pag.  241;  Z.  an.  Ch.  1874,  pag.  170.     Cossa,  Ber.  1878,  pag.  81 2- 

11)  Stolba,   Dingl.  197,    pag.  336;    198,    pag.  225.     Sharples,   Amer.   Chem.  3,   pag.  451 

12)  L.  Smith,  Amer.  Chem.  6,  pag.  106.  Setterberg,  Ann.  211,  pag.  100.  13)  Bunskn,  Pogg. 
119,  pag.  I.  14)  Johnson  u.  Allen,  Sill.  am.  J.  [2]  35,  pag.  94;  J.  pr.  89,  pag.  354.  15)^^^' 
cer  (Frankland),  Ch.  N.  8,  pag.  18.  16)  Godeffroy,  Ann.  181,  pag.  189.  i7)Clark8,  Am 
Ch.  J.  3,  pag.  263.     18)  Bunsen  u.  Kiächhoff,  l.  c.     Godeffroy,  L  c. 


Cäsium.  423 

ScHRöTTER  (2)  im  Lithionglimmer  von  Zinnwald,  doch  beträgt  die  Gesammtmenge 
von  Cäsium  und  Rubidium  nur  i— IJ.  Feldspath  von  Carlsbad,  Carnallit  von 
Stassfurt,  Triphyllin  von  Finnland  enthalten  ebenfalls  jene  beiden  Metalle.  Von 
den  vielen,  Cäsium  führenden  Mineralwässern  seien  ausser  dem  Dürkheimer  noch 
angeführt  das  Wasser  von  Nauheim,  Ebensee,  Villefranche  und  Bourbonnes-les- 
Bains.  Letzteres  enthält  nach  Grandeau  (3)  im  Liter  0-032  Grm.  Chlorcäsium 
neben  0-019  Chlorrubidium.  In  den  Mutterlaugen  der  eingedampften  Soolen 
concentriren  sich  diese  Salze  und  werden  daher  hier  leichter  gefunden. 

In  der  Asche  von  Eichenholz,  von  Tabak,  Kaffee  und  Thee  und  in  mancher 
Potasche  wurden  ebenfalls  jene  seltenen  Metalle  gefunden,  doch  ist  mit  wenigen 
Ausnahmen  der  Gehalt  an  Cäsium  noch  geringer  wie  der  an  Rubidium.  Allein, 
ohne  die  Begleitung  des  Rubidiums  findet  sich  das  Cäsium  in  dem  PoUux  ge- 
nannten, sehr  seltenen  Mineral,  welches  Breithaupt  im  Granit  der  Insel  Elba 
entdeckte.  Dasselbe  enthält  nach  Pisani's  (4)  Analyse  34*07  3^  Cäsiumoxyd. 
Plattner  (5),  welcher  schon  im  Jahre  1846  das  Mineral  analysirte,  erhielt  bei 
Berechnung  der  gefundenen  Bestandtheile  auf  Procente  nur  die  Summe  9275 
statt  100,  was  davon  herrührte,  dass  er  den  mit  Platinchlorid  erhaltenen  Nieder- 
schlag für  Kaliumplatinchlorid  ansah,  welches  ein  niedrigeres  Molekulargewicht 
besitzt  als  die  Verbindung  des  damals  noch  unbekannten  Cäsiums. 

Eine  Zusammenstellung  des  Vorkommens  von  Cäsium  und  Rubidium  gab 
Laspeyres  (6). 

Zur  Gewinnung  von  Cäsiumverbindungen  benutzt  man  am  besten  das  an 
Cäsium  reichste  Material,  das  Mutterlaugensalz  der  Nauheimer  Soole,  welche  bei 
der  Verarbeitung  etwa  1  g  Cäsiumplatinchlorid  auf  100  Thle.  Salz  berechnet 
liefert.  Natürlich  gewinnt  man  Cäsiumverbindungen  auch  aus  den  an  Rubidium 
reicheren  Materialien,  z.  B.  Lepidolith,  gleichzeitig  mit  den  Rubidiumverbindungen 
und  Lithiumverbindungen.  Je  nach  der  Art  des  Materials  ist  die  Arbeit  etwas 
verschieden,  doch  sucht  man  in  allen  Fällen  die  Kieselsäure  und  die  alkalischen 
Erden,  Thonerde  und  Eisen  wegzuschaffen,  und  im  Falle  bei  diesen  Operationen 
Ammoniumsalze  in  die  Flüssigkeit  kommen,  so  sind  diese  durch  Eindampfen 
und  Glühen  zu  entfernen.  Dann  fallt  man  die  alle  Alkalimetalle  enthaltende 
Ixjsung  in  der  Art  mit  Platinchlorid,  dass  nur  die  schwerer  löslichen  und  daher 
zunächst  sich  abscheidenden  Platindoppelsalze  des  Cäsiums  und  Rubidiums  völlig 
abgeschieden  sind,  doch  nur  ein  möglichst  kleiner  Theil  des  Kaliums  mit  ge- 
fallt wird. 

Zuerst  wird  das  Cäsium,  dann  das  Rubidium  gefallt  und  erst,  wenn  diese 
völlig  ausgeschieden  sind,  bewirkt  ein  weiterer  Zusatz  von  Platinchlorid  die 
Fällung  von  Kalium.  Auch  kann  das  Platinchlorid  ganz  durch  eine  Lösung  von 
Kaliumplatinchlorid  ersetzt  werden,  welche  Cäsium  und  Rubidium  als  Platin- 
doppelsalze ausfällt. 

Der  erhaltene  gelbe,  krystallinische  Niederschlag  wird  mit  Wasser  ausgekocht, 
wobei  zunächst  hauptsächlich  sich  Kaliumplatinchlorid  löst,  dann  auch  Rubidium- 
platiüchlorid.  Von  Zeit  zu  Zeit  prüft  man  die  Flüssigkeit  auf  Gehalt  an  den 
seltenen  Metallen  im  Spectralapparat.  Ist  alles  Kalium  entfernt,  so  wird  zur  Trockne 
verdampft  und  der  Rückstand  im  Wasserstoffstrom  erhitzt  und  schliesslich  Cäsium- 
und  Rubidiumchlorid  durch  Wasser  vom  reducirten  Platin  getrennt. 

Die  Trennung  des  Cäsiums  vom  Rubidium  kann  nun  nach  verschiedenen 
Methoden  erfolgen. 


-/      ,  424  Handwörterbuch  der  Chemie. 

BuNSEN   bestimmte   zunächst   in   einer  abgewogenen  Probe  der  gemischten 
Chloride  das  Chlor  und  berechnete  hiernach  den  Gehalt  an  Cäsium  und  Rubi- 
dium und  überführte  dann  die  Chloride  in  Carbonate.     Die  Lösung  derselben 
wird  nun  mit  etwas  mehr  Weinsäure  versetzt  als  nöthig  ist,  um  das  Rubidium 
^    "  in    zweifach   weinsaures   und   das  Cäsium    in  neutrales  weinsaures  Salz  überzu- 

führen,  worauf  die  Lösung  zur  Trockne  zu  verdampfen  ist.     Der  Salzrückstand 
wird  gepulvert  und  auf  einem  mit  Papierfilter  versehenen  Trichter  an  einen  sehr 
feuchten  Ort   gestellt.     Das   zerfliessliche  Cäsiumtartrat   tropfl  allmählich  durdi 
A  das  Filter,  während  das  luftbeständige  Rubidiumsalz  oben  bleibt.     Durch  Um- 

krystallisiren  können  beide  Salze  rein  erhalten  werden  (7). 

Eine  ältere,  von  Bunsen  (Ann.  122,  pag.  353)  zur  Gewinnung  des  Rubidiums 
angegebene  Trennungsmethode    des  Rubidiums    vom    Cäsium,    welche   auf  der 
I     .  Leichtlöslichkeit  des  kohlensauren  Cäsiums  und  Schwerlöslichkeit  des  Rubidium- 

*  carbonats    in    absolutem  Alkohol   beruht,    ist   zur  Reindarstellung   der  Cäsium- 

verbindungen nicht  anwendbar,  da  sich  stets  etwas  Rubidiumsalz  mit  auflöst, 

Nach  GoDEFFROV  (8)  führt  die  von  Redtenbacher  (9)  angegebene  Methode, 
Cäsium  und  Rubidium  durch  Krystallisation  ihrer  Alaune  zu  trennen,  am  raschesten 
zum  Ziel.  Die  Verschiedenheit  der  Löslichkeit  der  Alaune  steht  im  Verhältniss 
K:Rb:Cs=22:4: 1,  während  die  Löslichkeit  der  Platindoppelchloride  =  I4:l'7:l 
ist,  also  eine  ungünstigere  für  die  Trennung.  Besonders  gelang  ihm  die  Rein- 
darstellung des  Cäsiumalauns  schon  durch  wenige  Krystallisationen.  Zur  Rein- 
darstellung des  Cäsiumsulfates  aus  jenem  Alaun  ist  die  Thonerde  durch  Am- 
moniak auszufällen  und  der  bei  dem  Eindampfen  des  Filtrats  hinterbleibende 
Rückstand  zur  Entfernung  des  Ammoniumsulfates  zu  glühen. 

Ebenfalls  auf  das  Verhalten  der  Alaune  gründete  Setterberg  (Ann.  211, 
pag.  100)  eine  Methode  zur  Reingewinnung  der  Cäsium  Verbindungen  aus  den 
als  Nebenprodukt  bei  der  Lithiumgewinnung  aus  Lepidolith  erhaltenen  gemengten 
Alaunen.  Das  Verfahren  gründet  sich  auf  die  Beobachtung,  dass  die  schwerer 
löslichen  Alaune  in  der  gesättigten  Lösung  des  leichter  löslichen  Alauns  unlöslich 
sind.  So  lange  also  noch  Kaliumalaun  in  solcher  Menge  vorhanden  ist,  um  mit 
I  dem  anwesenden  Wasser  eine  gesättigte  Lösung  zu  liefern,  bleiben  die  Alaune  der 

j  anderen  Alkalimetalle  ungelöst,  resp.  begeben  sich  in  den  auskrystallisirenden  Theil. 

Mehrere  Centner  des  rohen  Alauns  wurden  in  soviel  Wasser  gelöst,  dass 
diese  Lösung  1*152  spec.  Gew.  besass.  Nach  dem  Absetzenlassen  Hess  man  bei 
45°  krystallisiren,  wobei  aller  Cäsium-  und  Rubidiumalaun  mit  Kaliumalaun  ge- 
mengt sich  abscheidet.  Durch  Wiederholung  dieser  Operation  bei  niedrigerer 
Temperatur  mit  weniger  Wasser  wird  schliesslich  eine  concentrirte  Kaliumalaun- 
lösung  erhalten,  welche  nur  noch  Spuren  von  Cäsium  und  Rubidium  enthält, 
während  diese  bei  der  letzten  Krystallisation  ganz  frei  von  Kalium  sich  ab- 
scheiden. Dasselbe  Verfahren  wird  angewendet,  um  Cäsium-  und  Rubidiumalaun 
von  einander  zu  trennen.  Letzterer  ist  der  leichtlöslichere,  und  die  Verschieden- 
heit der  Löslichkeit  ist  bei  80°  grösser  als  bei  0°. 

Um  eine  Spur  anhaftenden  Chlorrubidiums  zu  entfernen,  kann  man  die 
Lösung  des  Chlorids  in  concentrirter  Salzsäure  mit  einer  ebensolchen  Lösung 
von  Antimontrichlorid  vermischen.  Es  entsteht  ein  mit  concentrirter  Salzsäure 
auswaschbarer  Niederschlag  von  der  Formel  SbClj-  6CsCl,  während  das  Rubidium 
in  Lösung  bleibt  (10).  Das  Antimontrichlorid  lässt  sich,  doch  weniger  gut,  auch 
durch  Zinntetrachlorid  ersetzen  (11). 


Cäsium.  425 

Cäsiummetall  ist  schwierig  aus  seinen  Verbindungen  abzuscheiden,  da 
seine  Verwandtschaft  zu  Sauerstoff  eine  ungemein  grosse  ist  (12). 

Bei  der  Electrolyse  des  Cäsiumchlorids  wirkt  das  abgeschiedene  Metall  sofort 
auf  das  übrige  Chlorid  und  bildet  ein  smalteblaues  Subchlorid,  welches  sich  mit 
Wasser  unter  Wasserstoffentwicklung  und  Bildung  von  Cäsiumchlorid  und  Cäsium- 
hydroxyd zersetzt. 

Die  Electrolyse  einer  wässrigen  Chlorcäsiumlösung  liefert  bei  Anwendung 
von  Quecksilber  als  negative  Electrode  ein  silberweisses,  krystallinisches  Amalgam, 
welches  sich  äusserst  rasch  an  der  Luft  oxydirt.  Die  Verwandtschaft  des  Cäsiums 
ist  eben  die  grösste  von  allen  Metallen. 

Dagegen  gelang  es  Setterberg  (12),  das  Cäsium  durch  Electrolyse  eines 
eben  geschmolzenen  Gemisches  aus  4  Thln.  Cyancäsium  und  1  Th.  Cyanbarium 
zu  isoliren.  Es  ist  silberweiss,  weich  und  dehnbar,  entzündet  sich  rasch  an  der 
Luft,  sofort  auf  Wasser  und  zeigt  bei  15°  ein  spec.  Gew.  von  1*88.  Sein  Schmelz- 
punkt liegt  bei  26—27°. 

Das  Atomgewicht  des  Cäsiums  fand  Bunsen  (13)  zu  132*99,  Johnson  und 
Allen  (14)  zu  133-036,  Mercer  (15)  zu  133  und  Godeffroy  (16)  zu  132-6. 
Clarke  (17)  berechnete  es  zu  132*583  (H  =  1). 

Das  Cäsiumspectrum  zeichnet  sich  durch  zwei  blaue  Linien  aus,  welche, 
selbst  wenn  das  1500  fache  an  Chlorlithium  beigemengt  ist,  noch  0*001  Milligrm. 
Chlorcäsium  erkennen  lassen;  schwieriger  sind  die  Linien  zu  erkennen  bei  An- 
wesenheit von  Chlorkalium  oder  Chlomatrium. 

Das  Cäsium  ist  das  electropositivste  von  allen  Metallen,  da  sein  Amalgam 
sich  selbst  gegen  Kalium  und  Rubidium  positiv  elektrisch  verhält. 

Cäsiumhydroxyd. 
Das  Cäsiumoxyd  ist  noch  nicht  bekannt     Das  Hydroxyd  wird  durch  Fällen 
des  in  Wasser  gelösten  Sulfats  mit  Barythydrat  und  Eindampfen  der  Lösung  er- 
halten.  Grau  weisse,  hygroskopische  Masse,  welche  an  der  Luft  Kohlensäure  anzieht. 

Salze  (18)  des  Cäsiums. 

Chlorcäsium,  CsQ.  Weisse,  wUrfelähnliche  Rhomboeder;  bei  rascher  Krystallisation  sich 
federförmig  gruppirend.  Wird  beim  Schmelzen  an  der  Luft  rasch  alkalisch  in  Folge  seines 
Wassergehaltes.  Mit  Antimontrichlorid  bildet  es  die  Verbindung  SbCI,'6CsCl;  ebenso  ähnliche 
Doppelsalze  mit  den  Chloriden  des  Mangans,  Palladiums  und  Platins. 

Schwefelsaures  Cäsium,  CsjSO^.  Kurze,  platte  Nadeln,  welche  nicht  hygroskopisch 
sind  und  sich  in  Alkohol  nicht  lösen.  '  100  Thle.  Wasser  lösen  bei  —  2®  158'7  Thle.  Cäsium- 
sulfiait,  während  nur  2  Thle.  Kaliumsulfat  aufgelöst  werden.  Mit  schwefelsaurem  Aluminium  bildet 
Cäsiunasulfat  analog  dem  Kalium  und  Rubidium  einen  Alaun,  Cs3Al,(S04)^  +  24H,0.  Der- 
selbe ist  in  siedendem  Wasser  leicht  löslich,  in  kaltem  aber  schwerer  löslich  als  Kalium-  oder 
Rubidiuinalaun.  1000  Thle.  Wasser  lösen  bei  17^  135  Thle.  Kaliumalaun  oder  22*7  Thle. 
Rubidiumalann,  aber  nur  6 '2  Thle.  Cäsiumalaun.  Dieses  Verhalten  wird  zur  Trennung  der  drei 
Alaune  benutzt  (s.  o.). 

Saures  Sulfat,  CsHSO^.     Krystallisirt  in  kleinen,  rhombischen  Prismen. 

Pyrosulfat,  Cs^S^O^,  hinterbleibt  beim  Schmelzen  des  vorhergenannten  Salzes,  geht  aber 
bei  stärkerem  Erhitzen  unter  Abspaltung  von  Schwefelsäure-Anhydrid  in  normales  Sulfat  über. 

Salpetersaures  Cäsium,  CsNO,.  Hexagonale  Krystalle.  Bei  schneller  Krystallisation 
entstehen  gestreifte,  salpeterähnliche  Spiesse. 

Kohlensaures  Cäsium,  Cs,CO,.  Bildet  undeutliche,  sehr  hygroskopische  Krystalle, 
deren  wftssrige  Lösung  alkalisch  reagirt  Auch  in  Alkohol  ist  das  Salz  löslich.  100  Thle.  des- 
selben lösen  bei  IS"*  IM  Thle.  Carbonat;  bei  78''  201  Thle. 


426  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Silico  Wolfram  saures  Cäsium,  CsgSiWjgO^j»  entsteht  beim  Zusammentreffen  von 
Chlorcäsiumlösung  mit  Silicowolframsäure  als  weisser,  krystallinischer  Niederschlag,  der  ach  in 
Wasser  nur  sehr  wenig  auflöst.  100  Thle.  Wasser  lösen  bei  20°  0*005  Thle.  des  Salies,  bei 
100°  aber  0-52  Thle. 

Was  das  analytische  Verhalten  der  Cäsiumverbindungen  betrifft,  so 
zeigen  sie  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  den  Verbindungen  des  Kaliums.  Cäsium- 
hydroxyd  ist  eine  sehr  starke  Base  und  geht  mit  den  meisten  Säuren  in  Wasser 
leicht  lösliche  Salze  ein.  Durch  besondere  Schwerlöslichkeit  zeichnet  sich  das 
Platincäsiumdoppelchlorid,  sowie  das  silicowolframsäure  Cäsium  aus.  Von  den 
übrigen  Alkalimetallen  lässt  sich  das  Cäsium  durch  die  prachtvoll  viokttc 
Flammenfarbung,  weit  besser  aber  durch  das  charakteristische  aus  2  blauen 
Leitlinien  und  mehreren  schwachen  Linien  bestehende  Spectrum  erkennen,  welches 
die  BuNSEN'sche  Flamme  zeigt,  wenn  eine  Spur  einer  Cäsiumverbindung  in  die- 
selbe gebracht  wird. 

Kohlensaures  Cäsium  ist  erheblich  leichter  löslich  in  Alkohol  als  Rubidiura- 
carbonat,  und  es  kann  daher  dieses  Verhalten  zur  annähernden  Trennung  beider 
Metalle  dienen,  doch  geht  immer  etwas  Rubidiumsalz  bei  der  Behandlung  des 
Salzgemisches  mit  Alkohol  ebenfalls  in  Lösung.  Ebenso  kann  auch  auf  die 
Schwerlöslichkeit  des  Cäsiumplatin  Chlorids  in  kochendem  W^asser  eine  zur  An- 
reicherung des  Cäsiums  in  einem  Salzgemisch  dienende,  vorbereitende  Behandlung 
gegründet  werden,  wie  solche  z.  B.  bei  der  Prüfung  eines  Rubidiumsalzes  auf 
spurenweisen  Gehalt  an  Cäsium  der  spectralanaly tischen  Untersuchung  voran- 
zugehen hat. 

Bei  einer  quantitativen  Bestimmung,  des  Cäsiums  wilrd  man  dasselbe  stets 
nach  Abscheidung  der  Erdmetalle,  Schwermetalle  etc.,  gemeinschaftlich  mit  den 
anderen,  durch  Platinchlorid  fallbaren  Alkalimetallen  erhalten.  Eine  präcise 
Trennungsmethode  der  Cäsiumverbindungen  von  denjenigen  des  Rubidiums  und 
Kaliums  ist  noch  nicht  bekannt.  Am  sichersten  wird  die  Bestimmung  indirekt 
ausgeführt,  indem  man  den  Chlorgehalt  der  gemischten  Chloride  oder  den 
Schwefelsäuregehalt  der  Sulfate  bestimmt.  Heumann. 

Calcium.*)  Geschichtliches.  Der  Kalkstein,  das  Brennen  desselben 
und  die  Anwendung  des  Kalks  zu  Mörtel  ist  schon  seit  den  ältesten  Zeiten  be- 


•)  i)  Plinius,  Hist.  nat.  Lib.  36,  §  57;  Wittstein's  Uebersetzung,  Bd.  3,  pag.  227. 
2)  Davv,  Philos.  Transactions,  pag.  1808  u.  f.  3)  Bunsen  u.  Matthiessen,  Ann.  94,  pag.  107. 
4)  LiES-BoDART  u.  Jobin,  Ann.  Chim.  Phys.  [3]  54,  pag.  364.  5)  Sonstadt,  Chem.  News  0, 
pag.  14a  6)  Caron,  Compt.  rend.  50,  pag.  547.  7)  Frey,  Ann.  183,  pag.  367.  8)  MATTmESSES, 
POGC.  Ann.  100,  pag.  177;  Landolt  u.  Börnstein,  Physikal.  Chem.  Tab.,  pag.  loi.  9)  Cappei, 
POGG.  Ann.  139,  pag.  628.  10)  Lockyer,  Proc.  Roy.  Soc.  28,  pag.  157.  11)  WöHLER, 
Ann.  138,  pag.  253.  12)  Schröder,  Pogg.  Ann.  Jubelb.,  pag.  452.  13)  Brügelmann,  Wiedkm. 
Ann.  2,  pag.  466;  4,  pag.  277.  14)  Filhol,  Ann.  Chim.  Phys.  [3]  21,  pag.  415.  15)  Gmeun- 
Kraut,  Handbuch  II,  i,  pag,  410.  16)  Handb.  d.  Architektur,  I.  Thl.,  3.  Cap.;  Hauenschilv. 
Die  Mörtel  u.  ihre  Grundstoffe;  Darmstadt  1880;  pag.  164  ff.  17)  Thenard,  Ann,  chim.  8, 
pag.  313.  18)  Struve,  Z.  anal.  Ch.  1872,  pag.  22.  19)  CoNROV,  J.  chem.  soc.  [2]  11,  pag.  808. 
20)  Schöne,  Ber.  1873,  pag.  172.  21)  Hammerl,  Wien.  Akad.  Ber.  1872,  pag.  287.  22)  Gmeum- 
Kraut,  Handb.  ü,  i,  pag.  397.  23)  Lies-Bodart  u.  Jobin,  Compt.  rend.  47,  pag.  23. 
24)  R.  Wagner.  Ch.  Centralbl.  1863,  pag.  143.  25)  Kremkrs»  Pogg.  Ann  103,  pag.  65. 
26)  Berzelius,  Schweigg.  J.  23,  pag.  443.  27)  Flight,  Jahresber.  64,  pag.  147,  28)  Langlois, 
Ann.  Chim.  [3]  34,  pag.  207.  29)  Rammelsberg,  Pogg.  Ann.  134,  pag.  405.  30)  Rammels- 
BERG,  Pogg.  Ann.  137,  pag.  313.     31)  Kingzett,  Jouni.  chem.  soc.  28,  pag.  404.     3a)  Lcnge 


Calcium.  427 

kannt  Plinius  berichtet  auch  von  der  medicinischen  Anwendung  des  gebrannten 
Kalks:  »Der  Kalk  wird  in  der  Medicin  häufig  gebraucht;  am  besten  aber  frisch, 
nicht  gelöscht.  Er  brennt,  vertheilt,  zieht  aus  und  verhindert  das  Umsichgreifen 
der  Geschwüre«  (i).  Später  wurde  das  Wort  Kalk  (calx)  auf  alle  Körper  ange- 
wendet, in  welche  die  Metalle  durch  Einwirkung  des  Feuers  übergeführt  wurden, 
und  diese  Operation  wurde  als  Calcination  bezeichnet.  Dieselben  Kalke  wurden 
auch  durch  Erhitzen  der  Metalle  mit  Salpeter  oder  durch  Behandeln  derselben 
mit  Säuren  erhalten.  Fr.  Hoffmann  unterschied  1722  zuerst  bestimmt  die  Kalk- 
erde von  andern  alkalischen  Erden,  besonders  von  der  Bittererde.  H.  Davy 
entdeckte  1808  das  Metall  der  Kalkerde,  das  Calcium. 

Vorkommen.  Das  Calcium  gehört  zu  den  verbreitetsten  Stoffen  der  Natur. 
Weder  das  Metall  noch  sein  Oxyd,  der  Kalk,  kommt  in  freiem  Zustande  vor, 
sondern  es  sind  Kalksalze,  die  einen  grossen  Theil  der  Erdkruste  bilden.  In 
besonders  grosser  Menge  und  in  mannigfachen  Formen  kommt  das  Calcium- 
carbonat vor,  als  Kalkstein,  Marmor,  Arragonit,  Kalkspath,  Kreide,  Tropfstein  u.  s.  w. 
(vergl.  diese  Encyklopädie,  Handbuch  der  Mineralogie,  Art.  Carbonate,  pag.  92). 
Als  Doppelsalz  mit  Magnesiumcarbonat  bildet  es  das  petrographisch  wichtige 
Gestein  Dolomit,  krystallisirt  den  Bitterspath.  Noch  mit  manchen  andern  Car- 
bonaten  verbunden  kommt  das  Calciumcarbonat  vor.  In  grosser  Menge  findet 
sich  das  Calciumsulfat  als  Gyps  und  Anhydrit.  Auch  Calciumphosphat  ist  sehr 
verbreitet,  mit  Calciumchlorid  oder  -Fluorid  die  Mineralien  Apatit  und  Phosphorit 
bildend.    Fluorcalcium  ist  das  bekannte  Mineral  Flussspath.    Calciumborat  kommt 


u.  ScHÄPPi,  DiNGL.  poL  J.  237,  pag.  63;  Chem.  Ind.  1881,  pag.  289.  33)  Lunge  u.  Naeff, 
Ber.  1883,  pag.  842.  34)  Ber.  11,  pag.  997.  35)  Ber.  13,  pag.  1249;  Chem.  Ind.  1880, 
pag.  197.  36)  Ber.  17,  pag.  57.  37)  Berzelius,  Pogg.  Ann.  19,  pag.  296.  38)  Lunge  u. 
Schock,  Ber.  1882,  pag.  1883.  39)  Müspratt,  Ann.  50,  pag.  274.  40)  Rammelsberg,  Pogg. 
Ann.  67,  pag.  249.  41)  E.  Mitscheruch,  Pogg.  Ann.  21,  pag.  321.  42)  Manross,  Ann.  82, 
pag.  348.  43)  Hoppe-Seyler,  Ann.  82,  pag.  348.  44)  Struve,  Zeitschr.  Ch.  1869,  pag.  324. 
45)  Schott,  Dingl.  pol.  J.  202,  pag.  52,  355,  5x3.  46)  Marignac,  Ann.  chim.  phys.  [5]  i, 
pag.  274;  Landolt  u.  Börnstein,  Chem.  phys.  Tab.,  pag.  155.  47)  Knauer  u.  Knop,  Dingl. 
pol.  J.  177,  pag.  486.  48)  REISSIG,  Verh.  Ver.  f.  Gewerbfl.  1877,  pag.  386.  49)  v.  Deckend, 
D.  R.  Patent  No.  3203.  50)  Filsinger,  Verh.  Ver.  f.  Gewerbfl.  1877,  pag.  286.  51)  Popp, 
Ann.  Suppl.  8,  pag.  i.  52)  H.  Rose,  Pogg.  Ann.  1 10,  pag.  297.  53)  Fassbender,  Ber.  1876, 
pag.  1968.  54)  Kessler,  Pogg.  Ann.  74,  pag.  282.  55)  Herschell,  Ann.  Chim.  14,  pag.  355. 
56)  Pape,  Pogg.  Ann.  139,  pag.  224.  57)  Topsöe,  Wien.  Akad.  Ber.  66,  pag.  17.  58)  Heeren, 
Pogg.  Ann.  7,  pag.  178.  59)  Gmelin-Kraut,  Handb.  n,  pag.  390.  60)  Aeby,  Ber.  7,  pag.  555. 
61)  Forchhammer,  Ann.  90,  pag.  77.  62)  H.  Ste.  Claire-Deville  u.  Caron,  Compt.  rend.  87, 
pag.  985.  63)  Debray,  Compt.  rend.  52,  pag.  44.  64)  VVöhler,  Pogg.  Ann.  4,  pag.  166, 
65)  Liebig,  Ann.  106,  pag.  185.  66)  Vauqueltn,  J.  Phys.  85,  pag.  126.  67)  Wöhler,  Ann.  98, 
P»g-  M3-  68)  Kolb,  Compt.  rend.  78,  pag.  825.  69)  Gerland,  Chem.  News  20,  pag.  268. 
70)  Wöhler,  Ann.  51,  pag.  437.  71)  Baer,  Pogg.  Ann.  75,  pag.  155.  72)  Regnoso,  Compt. 
rend.  34,  pag.  795.  73)  Maddrell,  Ann.  61,  pag.  61.  74)  Fleitmann,  Pogg.  Ann.  78, 
P*&  255.  75)  Fleitmann  u.  Henneberg,  Ann.  65,  pag.  331.  76)  H.  Rose,  Pogg.  Ann.  76, 
P*g'  8.  77)  Salzer,  Ann.  194,  pag.  36.  78)  H.  Rose,  Pogg.  Ann.  9,  pag.  26.  79)  Rammei,s- 
berg.  Ber.  i,  pag.  186.  80)  H.  Rose,  Pogg.  Ann.  9,  pag.  364;  12,  pag.  79.  8x)  Michaelis, 
Jahresber.  1872,  pag.  210.  82)  Simon,  Pogg.  Ann.  46,  pag.  417.  83)  Heffter,  Pogg.  Ann.  86, 
pag.  418;  98,  pag.  293.  84)  G.  Rose,  Pogg.  Ann.  42,  pag.  354.  85)  James  Hall,  Edinb. 
Transact.  V.;  Gehler's  J.  V.  86)  G.  Rose  u.  Siemens,  Pogg.  Ann.  118,  pag.  565.  87)  A  W. 
Hofmann,  Jahresb.  1865,  pag.  171.  88)  A.  Vogel,  J.  prakt,  Ch.  7,  pag.  453.  89)  Becqüerel, 
Ann.  Chim.  Phys.  [3]  47,  pag.  9.  90)  Pelouze,  Compt.  rend.  60,  pag.  427.  91)  Knapp,  Ann.  158, 
pag.  114.    92)  Heldt,  J.  prakt.  Ch.  94.  pag-  129.    93)  Pelouze,  Ann.  Chim.  Phys.  [3]  33,  pag.  13. 


428  Handwörterbuch  der  Chemie. 

für  sich  und  in  Verbindung  mit  andern  Mineralien  vor,  und  Calciumsilicate  sind 
Bestandtheile  sehr  vieler  Mineralien.  Fluss-  und  Quellwässer  lösen  Gyps  und 
dank  der  in  ihnen  enthaltenen  Kohlensäure  Calciumcarbonat  auf. 

Auch  in  der  Pflanzen-  und  Thierwelt  finden  sich  Calciumverbindungen,  in 
jener  besonders  in  den  Blattorganen.  Die  Eierschalen,  Muschelschalen,  Korallen 
bestehen  fast  ganz  aus  Calciumcarbonat,  Knochen  und  Zähne  wesentlich  aus 
Calciumphosphat  nebst  etwas  Carbonat  und  Fluorid. 

Die  Spectralanalyse  hat  Calcium  in  der  Sonne  und  den  Fixsternen  nachge- 
wiesen.    Auch  in  Meteoriten  hat  man  Calcium  gefunden. 

Darstellung.  Davy  gewann  das  Metall  durch  Electrolyse  eines  Gemisches 
von  Kalk  und  Quecksilberoxyd,  welches,  auf  einem  Platinblech  liegend,  mit  dem 
positiven  Pol  einer  Batterie  in  Verbindung  gesetzt  wurde,  während  der  negative 
Pol  in  Quecksilber  tauchte,  das  sich  in  einer  Aushöhlung  des  Gemisches  befand  (2). 
Das  dabei  erhaltene  Amalgam  hinterliess  beim  Glühen  sehr  leicht  oxydirbare 
Metallkügelchen.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  dies  nicht  ganz  reines  Calcium 
war,  da  es  nicht  messinggelb,  sondern  silberweiss  aussah.  Matthiessen  hat  nach 
einem  von  Bunsen  herrührenden  Verfahren  grössere  Mengen  hergestellt  (3),  indem 
er  ein  Gemisch  von  2  Mol.  Chlorcalcium  mit  1  Mol.  Chlorstrontium  (als  Fluss- 
mittel) und  Salmiak  schmolz,  bis  der  letztere  Körper  verflüchtigt  war.  Das  Ge- 
misch wird  dann  in  einem  erhitzten  Porzellan tiegel  durch  den  galvanischen  Strom 
zersetzt,  wobei  dieser  von  der  positiven  Kohlen-Electrode  in  einen  Eisendraht 
übergeht. 

Man  kann  das  Calcium  auch  durch  Reduction  von  Jodcalcium  mittelst 
metallischen  Natriums  erhalten.  Man  bringt  1  Tbl.  Natrium  in  einen  eisernen 
Tiegel,  darüber  7  Thle.  Jodcalcium  und  erhitzt  zur  Rothgluth  Bei  Weissgluth 
kann  die  umgekehrte  Reaction  eintreten  (Lifes-BoDART  u.  Jobin)  (4).  Der  Tiegel 
muss  mit  einem  fest  aufgeschraubten  Deckel  bedeckt  sein. 

Nach  SoNSTADT  lässt  das  Jodcalcium  sich  durch  ein  Gemisch  von  Jodkalium 
und  Chlorcalcium  vortheilhaft  ersetzen  (5). 

Caron  hat  folgendes  Verfahren  angegeben  (6).,  In  einem  Tiegel  wird  ein 
Gemisch  von  300  Thln.  geschmolzenem  Chlorcalcium,  400  Thln.  Zinkgranalien 
und  100  Thln.  Natrium  auf  Rothgluth  erhitzt.  Nach  einer  schwachen  Reaction 
mässigt  man  das  Feuer  so,  dass  keine  Zinkdämpfe  mehr  entweichen.  Nach  dem 
Erkalten  findet  man  einen  Regulus,  der  eine  Legirung  mit  10 — 15  J  Calcium  ist 
Durch  Destillation  in  einem  Kohletiegel  erhält  man  das  Calcium  als  messinggelbes 
Metall. 

Eigenschaften.  Das  Calcium  ist  hellgelb.  Nach  Frey,  der  es  durch 
Electrolyse  von  Chlorcalcium  mittelst  eines  schwachen  Stromes  dargestellt  hat, 
zeigen  die  Metallkügelchen  die  Farbe  des  Aluminiums.  Die  frisch  angeschnitten 
sehr  glänzenden  Flächen  werden  an  der  Luft  bald  blind.  Es  ist  weicher  als 
Zink,  härter  als  Zinn,  sehr  dehnbar.  Seine  elektrische  Leitungsfahigkeit  ist  12*46 
bei  16*8,  wenn  die  des  Quecksilbers  bei  0°  =  1  ist  (8).  Die  Leitungsfähigkeit 
für  Wärme  ist  nicht  bestimmt  Das  specifische  Gewicht  liegt  zwischen  1*566  und 
1-Ö84.  Das  Calcium  schmilzt  bei  Rothgluth.  In  dem  complicirten  Linienspectnim 
des  Ca  sind  zwei  Linien  besonders  charakteristisch,  eine  im  Grün  Caß  (558*8 
auf  der  Scala  von  Kirchhoff),  eine  im  Orange  Caa  (612*1  der  KiRCHHOFF'schen 
Scala).  Die  Empfindlichkeit  des  spectralanalytischen  Nachweises  ist  für  Ca  sehr 
gross.      Nach    Cappel    lassen    sich   in    der   Flamme    des   Bunsenbrenners   noch 


I 


Calcium.  "*  4«9 

y^^  Milligrin.,  bei  Anwendung  des  Inductionsfunkens  noch  i  q  o  flV  o  tro  Milligrm. 
erkennen  (9).  In  der  hohen  Temperatur  des  elektrischen  Flammenbogens  ver- 
schwindet der  grüne  Streifen  Caß  und  statt  dessen  treten  drei  feine,  grüne  Linien 
auf,  die  aber  mehr  nach  dem  Blau  zu  liegen;  statt  Caa  erscheinen  drei  mehr 
nach  dem  Gelb  hin  liegende  Linien.  Lockyer  (10),  der  das  Linienspectrum  des 
Calciums  besonders  genau  beobachtet  hat,  zieht  aus  diesen  Thatsachen  den 
Schluss,  dass  dies  Metall  ein  zusammengesetzter  Körper  sei  und  in  höherer 
Temperatur  sich  dissociire. 

Das  Atomgewicht  des  Calciums  wurde  von  Berzelius  (1809)  zu  40*37,  später 
(1843)  zu  40-12,  von  Dumas  (1859)  zu  39*955,  von  Baup  (1841)  zu  39*88  gefunden. 
Andere  Forscher  haben  ähnliche  Zahlen  erhalten.  Die  wahrscheinlichste  Zahl 
ist  39*91  (H=  1).     Das  Calcium  ist  ein  zweiwerthiges  Metall. 

Das  Calcium  zersetzt  das  Wasser  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  An 
der  Luft  erhitzt  verbrennt  es  mit  lebhaflem  Glanz,  solange  die  Oxydschicht  das 
Metall  nicht  bedeckt.  In  trockner  Luft  hält  es  sich  lange  Zeit.  Chlor,  Brom, 
Jod  greifen  es  in  der  Kälte  langsam  an,  in  der  Wärme  findet  Vereinigung  unter 
Feuererscheinung  statt.  Auch  die  Affinität  zum  Schwefel  und  zum  Phosphor  ist 
sehr  gross.  Die  verdünnten  Mineralsäuren  lösen  das  Calcium.  Concentrirte 
Salpetersäure  greift  das  Metall  bei  massiger  Temperatur  nicht  an,  sondern  erst 
beim  Sieden  der  Säure,  dann  aber  sehr  energisch. 

Legirungen  des  Calciums  mit  andern  Metallen  sind  durch  Zusammen- 
schmelzen der  betreffenden  Bestandtheile  zu  erhalten.  Das  Aluminiumcalcium  ist 
nach  WöHLER  (11)  eine  bleigraue,  in  Luft  und  Wasser  unveränderliche  Masse  von 
starkem  Glanz. 

Verbindungen.     L  Oxyde. 

Calciumoxyd,  Kalk,  Aetzkalk,  ungelöschter  Kalk,  CaO.  Die  Be- 
reitung von  Aetzkalk  durch  Erhitzen  von  kohlensaurem  Kalk  (Kalkstein,  Muschel- 
schalen) und  die  Verwendung  desselben  zur  Bereitung  von  Calciumhydroxyd 
und  Mörtel  wird  wohl  nicht  mit  Unrecht  als  eine  der  ältesten  Ausübungen 
chemischer  Thätigkeit  des  Menschen  angesehen. 

Das  Calciumoxyd  kommt  wegen  seiner  stark  basischen  Eigenschaft  als  solches 
in  der  Natur  nicht  vor.  Man  erhält  es  durch  Glühen  von  Calciumcarbonat,  wo- 
bei Kohlensäure  fortgeht:  CaCOs  =  CaO  -I-  CO^.  Die  Austreibung  der  Kohlen- 
saure ist  nur  dann  vollständig,  wenn  ein  anderes  Gas  als  Kohlensäure  vorhanden 
ist,  in  welches  die  sich  entwickelnde  Kohlensäure  abdunsten  kann.  In  einem 
gut  bedeckten  Tiegel  oder  in  einer  Kohlensäureatmosphäre  wird  kohlensaurer 
Kalk  auch  durch  starkes  Glühen  nur  unvollkommen  oder  gar  nicht  zerlegt. 
Deshalb  legt  man  auf  den  Boden  des  Tiegels  wohl  ein  Stück  Kohle,  welche  in 
der  Hitze  mit  Kohlensäure  Kohlenoxyd  bildet;  dieses  Gas  führt  dann  Kohlen- 
säure aus  dem  Tiegel  mit  fort;  oder  in  dem  Boden  des  Tiegels  befindet  sich  ein 
Loch,  so  dass  ein  die  Kohlensäure  mit  sich  führender  Zug  durch  den  Tiegel  geht. 

Eigenschaften.  Je  nach  der  Beschaffenheit  des  angewendeten  Calcium- 
carbonats ist  der  Kalk  mehr  oder  weniger  rein.  Krystallisirter  Kalkspath  und 
rein  weisser  Marmor  liefern  chemisch  reinen  Kalk.  Derselbe  ist  eine  weisse, 
amorphe  Masse,  welche  selbst  bei  den  höchsten  Temperaturen  unschmelzbar  ist. 
Durch  die  Knallgasflamme  in's  Glühen  versetzt  strahlt  der  Kalk  ein  blendendes 
Licht  aus.  Das  Vol.-Gew.  des  Calciumoxyds  ist  3'15  (Schröder)  (12).  Brügel- 
MAirti  hat   durch  Glühen    des  Calciumnitrats   den  Kalk  in  Würfeln  krystallisirt 


m 


450  Handwörterbuch  der  Chemie. 

erhalten.  Das  Vol.-Gew.  dieser  Krystalle  ist  3-251,  auch  haben  dieselben  grössere 
Härte  als  der  amorphe  Kalk  (13).  An  der  Luft  liegend  nimmt  das  Calcium- 
oxyd  Kohlensäure  und  Wasser  auf. 

Calciumhydroxyd,  Kalkhydrat,  gelöschter  Kalk,  Ca(OH)g.  Ge- 
brannter Kalk  vereinigt  sich  mit  Wasser  unter  starker  Wärmeentwicklung; 
(CaO  -h  H3O)  =  15100  cal.  Für  1  Thl.  Kalk  gebraucht  man  etwa  i  Thl.  Wasser. 
Selbst  wenn  dieses  als  Eis  angewendet  wird,  steigt  die  Temperatur  auf  100°. 
Man  nennt  diese  Hydratation  das  Löschen  des  Kalks.*)  Das  Kalkhydrat  ist 
ein  lockeres,  weisses,  amorphes  Pulver  von  2-078  Vol.-Gew.  (Filhol)  (14).  Aus 
concentrirten  Lösungen  von  Calciumsalzen  kann  es  durch  Alkalien  ausgefällt 
werden.  Es  löst  sich  wenig  in  Wasser,  und  zwar  ist  es  in  kaltem  Wasser  lös- 
licher (lCaO:750  bei  16°),  als  in  heissem  (1  CaO:  1300  bei  lOO^O  (15)-  ^ 
Lösungen  von  Kochsalz  und  andern  Salzen  ist  die  Löslichkeit  des  Kalkhydrats 
grösser  als  in  Wasser. 

Die  wässrige  Lösung,  das  Kalkwasser,  reagirt  stark  alkalisch.  Beim  Ver- 
dunsten derselben  scheiden  sich  kleine  Krystalle  von  der  Formel  Ca  (OH),  aus. 
Das  Kalkwasser  zieht  begierig  Kohlensäure  aus  der  Luft  an  und  wird  dann  trübe 
durch  sich  ausscheidendes  Calciumcarbonat.  Wegen  dieser  Eigenschaft  benutzt 
man  das  Kalkwasser  zum  Nachweis  der  Kohlensäure  in  der  Luft  und  andern 
Gasen.  Das  Kalkwasser  wird  medicinisch  als  Stypticum  und  Antacidum  ange- 
wendet.    In  der  Rothgluth  entlässt  das  Kalkhydrat  Wasser  und  wird  zu  CaO. 

Kalkwasser  in  Gemisch  mit  mehr  oder  weniger  Kalkhydrat,  also  Gemische, 
die  durch  Behandeln  von  Aetzkalk  mit  weniger  oder  mehr  Wasser  erhalten 
werden,  heissen  Kalkbrei,  bezw.  Kalkmilch.  Ist  der  Kalk  sehr  rein,  so  bat 
man  einen  »fetten«  Brei;  ist  er  mit  Sand,  Thon  u.  dgl.  verunreinigt,  so  liefert  er 
einen  »magern«  Brei. 

Der  Kalkbrei  bildet  an  der  Luft  in  Folge  der  Anziehung  von  Kohlensäure 
allmählich  eine  steinharte  Masse.  Hierauf  beruht  die  ausgedehnte  und  uralte 
technische  Anwendung  des  Kalks  zu  Mörtel.  Der  Mörtel  ist  ein  mit  Wasser 
angemachter  Brei  von  gelöschtem  Kalk  und  Quarzsand.  Er  dient  zum  Ausfüllen 
der  Fugen  zwischen  den  Materialien,  die  bei  Herstellung  eines  Gebäudes  ver- 
wendet werden,  und  zur  Verbindung  der  einzelnen  Bautheile.  Für  die  Erfiillung 
des  erstgenannten  Zweckes  ist  es  erforderlich,  dass  die  Mörtelmasse  beim  Ueber- 
gang  in  den  starren  Zustand  ihr  Volumen  möglichst  wenig  ändere,  was  durch 
Beimengung  geeigneter  Magerungsmittel  zum  Kalk  bewirkt  wird.  Solche  Füll- 
stoffe sind  vornehmlich  Sand,  ferner  Steintrümmer,  Schlacken,  Ziegelmehl  u.  dgl, 
bisweilen  auch  Sägespähne  u.  dgl. 

Worin  die  verkittende  Kraft  der  Mörtel  beruht,  ist  noch  nicht  ganz  sicher  festgestellt. 
Hauensciuld  sieht  das  Wesen  der  Verkittung  in  der  Massenanziehung,  vermittelt  durch  eine 
colloidale  Substanz.  Letztere  soll  der  Kalkbrei  sein,  der  das  Kalkhydrat  in  einer  Form  wie  »^ 
zu  Kleister  aufgequollenen  Stärkekörner«  enthält;  zwischen  diesen  ist  aber  eine  Lösung  ton 
(krystallinischem)  Kalkhydrat,  welches  mit  grosser  Begierde  Kohlensäure  aufnimmt.  Dadurch 
wird  der  feste  Zustand  herbeigeführt,  und  die  Adhäsion  zwischen  festem  Körper  und  colloidakr 
Substanz  geht  in  wirkliche  Adhäsion  zwischen  festen  Körpern  tiber  (16).  Es  ist  zu  bemerken, 
dass  die  Existenz  dieses  »colloidalen«  Kalkhydrats  nicht  thatsächlich  bewiesen  ist,  ebensowenig 
die  Angabe,   dass   das   krystalloide   Kalkhydrat  heftiger   als   das   colloidale   die  Kohlensäure  ab- 


•)  Wie  merkwtird^,  ruft  Pliniüs  aus,  dass  ein  Körper  nach  dem  Brennen  sich  noch  durch 
Wasser  entzünden  l'ässt.     Plin.,  Hist.  nat.  36,  §  53. 


n- 


Calcium.  43  ^ 

sorbire.  Jedenfalls  steht  fest,  dass  beim  Erhärten  des  Mörtels  aus  dem  Kalkhydrat  sich  kohlen- 
saurer Kalk  bildet  unter  Austreibung  von  Wasser.  Der  Sand  im  Mörtel  dient  nicht  dazu,  ein 
Kalksilicat  zu  bilden,  wie  wohl  angenommen  wird,  sondern  soll  die  Masse  porös  machen,  um 
der  Kohlensäure  der  Luft  leicht  Eingang  in  das  Innere  der  Masse  zu  verschaffen. 

Der  aus  Kalk  und  Sand  bestehende  Mörtel,  der  sogen.  Luftmörtel,  ist 
ganz  ungeeignet  für  Wasserbauten.  Wasser  würde  das  Kalkhydrat,  auch  das 
Kalkcarbonat,  alsbald  aus  den  Fugen  der  Mauersteine  herausspülen,  bezw.  auf- 
lösen. Gewisse  Zusätze  aber  bewirken,  dass  der  Mörtel  mit  Wasser  erhärtet, 
dass  er  hydraulisch  wird.  Ein  solcher  Wassermörtel  wird  aus  einem  Kalk- 
stein oder  Mergel  erhalten,  der  neben  Calciumcarbonat  auch  Magnesiumcarbonat, 
Kieselsäure,  namentlich  aber  Thon  und  andere  Silicate  enthält.  Solche  Kalke 
löschen  sich  noch  mit  Wasser  zu  Pulver,  erstarren  im  Wasser  allmählich,  erhärten 
und  widerstehen  dem  Wasser  dann  dauernd. 

Ein  Kalk  mit  16— 18#  Thon  giebt  nach  dem  Brennen  und  Pulvern  mit 
Wasser  noch  einen  Brei,  der  aber  körnig,  mager  ist.  Während  fetter  Kalk  beim 
Löschen  sein  Volumen  auf  das  Drei-  bis  Vierfache  vermehrt,  nimmt  ein  solcher 
magerer  Kalk  nur  wenig  an  Volumen  zu  und  giebt  einen  Mörtel,  der  rasch 
erhärtet,  aber  nicht  sehr  ausgiebig  in  Bezug  auf  Verkittung  ist. 

Bei  einem  grösseren  Gehalt  an  Silicaten  löscht  der  gebrannte  und  fein  ge- 
pulverte Kalkstein  sich  nicht  mehr,  er  besitzt  aber  hydraulische  Eigenschaften, 
d.  h.  er  nimmt,  mit  Wasser  zusammengebracht,  solches  auf  und  erhärtet,  was, 
wie  bei  dem  erwähnten  Wassermörtel,  wahrscheinlich  auf  der  Bildung  von  Ver- 
bindungen des  Calciumoxyds  mit  Thonerde  und  Kieselsäure  beniht.  Eine  solche 
Masse  ist  als  hydraulischer  oder  natürlicher  Cement  oder  meist  als  Roman- 
Cement  bekannt.  Dieser  wurde  1796  zuerst  von  zwei  Engländern,  Parker  und 
WvATTS  fabricirt,  welche  gewisse  thonreiche  Mergel  aus  Somerset  und  Glamorgon 
leicht  calcinirten.*)  Der  Romancement-Mörtel  eignet  sich  besonders  zu  Wasser- 
bauten; er  hat  von  allen  hydraulischen  Bindemitteln  die  kürzeste  Bindezeit.. 

Wenn  eine  künstliche  Mischung  von  Kalk  und  Thon  in  solchen  Verhältnissen 
hergestellt  wird,  dass  dieselbe  bei  Weissgluth  sintert,  aber  noch  nicht  schmilzt, 
so  bildet  sich  eine  Masse,  die  nach  dem  staubfeinen  Mahlen  mit  Wasser  zwar 
weniger  rasch  abbindet  als  der  Romancement,  aber  bald  eine  viel  grössere  Festig- 
keit, Luft-  und  Wasserbeständigkeit  erlangt  als  jener.  Dieses  in  neuerer  Zeit 
ausserordentlich  wichtig  gewordene  und  sehr  vielfach  angewendete  Baumaterial 
ist  der  Portland-Cement.  Derselbe  darf  keine  gröberen  Kalkkörner  enthalten, 
weil  sonst  nach  dem  Abbinden  ein  Quellen  oder  eine  Volumvermehrung  desselben 
eintritt,  welche  das  schädliche  »Treiben«,  d.  h.  Zerbersten  des  Mörtels  veranlasst; 
er  darf  auch  beim  Anmachen  mit  Wasser  sich  nicht  erwärmen.  Der  Portland- 
Cement  besteht  aus  etwa  -J  Thln.  Kalk  und  J  Thon.  Die  Rohmaterialien  werden 
zunächst  in  ungebranntem  Zustande  gemahlen,  innig  mit  einander  vermischt, 
dann  in  Ziegelform  gebracht,  getrocknet  und  bei  Weissgluth  gebrannt.  Die  ge- 
brannte, gesinterte  Masse  wird  dann  fein  gemahlen.  Der  Portland-Cement  wurde 
1824  von  einem  Maurer  in  England,  Namens  Joseph  Aspdin,  erfunden.  Näheres 
darüber  im  Art.  Cement. 


•)  Auch  Plinius  hat  den  hydraulischen  Cement  schon  gekannt.  Er  sagt,  Ilist.  nat.  35,  §  47 
(Wittstein  111.,  pag.  163):  »Muss  man  sich  nicht  darüber  wundem,  dass  der  schlechteste,  Staub 
genannte  Theil  der  Erde  auf  den  puteolanischen  Hügeln  sich  der  Brandung  des  Meeres 
widersetzt,  unter  Wasser  sogleich  zu  einer  Steinmasse  wird,  die  den  Wogen  Trotz  bietet  und 
mit  der  Zeit  an  Festigkeit  zunimmt!« 


432 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


Eine  dritte  Art  von  Wassermörtel  wird  mittelst  fetten  Kalks  und  geeigneter 
Zuschläge  hergestellt.  Solche  Zuschläge  sind  vulkanische  Massen  mit  nur  ge- 
ringem Kalkgehalt,  Puzzolane,  Santorinerde,  Trass.  Sie  geben  für  sich  allein 
keinen  Mörtel,  liefern  aber,  gepulvert  dem  Fettkalk  zugesetzt,  einen  hydraulischen 
Mörtel,  der  langsam  erhärtend  allmählich  eine  grosse  Festigkeit  erlangt 

Folgende  Analysen  geben  eine  Vorstellung  von  der  Zusammensetzung  der  erwähnten  Mörtel 


Luftmörtel 

Hydraulische  Zuschläge 

Hydraulisch.  Kalk 

Luftmörtel 
aus  RU- 

dersdorfer 
Kalk, 
trocken 

Römischer 

Mörtel,  ■ 

1500  Jahr 

alt 

Puzzolan 

Trass 

Santorin- 
erde 

Secundä- 
rer  Kalk 
von  Meu 

Cement- 

stein  von 

Haus- 

*^ 

Minden 

Kalk    .... 

12-76(1) 

25-75  (3) 

8-8 

2-6 

2-84 

68-19 

68-56 

Magnesia 

— 

— 

4-7 

10 

106 

2-66 

209 

Thonerde 

}l-61 

— 

16-0 

16-8 

15-01 

5-73 

6-84 

Eisenoxyd 

— 

12-0 

50 

5-93 

3-29 

6-32 

Kieselsäure 

86-51  (2) 

54-50  (2) 

44-5 

570 

65-43 

18-47 

17-18 

Kali     .     . 

— 

— 

11 

7-0 

2-94 

— 

— 

Natron 

__ 

— 

41 

10 

4-67 

— 

— 

Thon  .     . 

— 

18-00 

— 

— 

MnjO, 

1-64 

— 

Gyps    .     . 

__ 

015 

— 

— 

— 

— 

— 

Wasser     . 

— 

0-92 

9-2 

9-6 

4-29 

— 

— 

Roman-Cement 

Portland-Cement 

Cement 

von 
Haus- 
hcrgea 

bei 

Cement 

von 

Vassy 

Cbaux 

du 
Thcil 

Teplitzer 

Wasser- 

kalk 

Mergel  von 
Perlmoos 

bei 
Kufstein 

Derselbe 
gebrannt 

Stern 

Stettin 

Minden 

Kalk     .     . 

58-88 

55-69 

74-64  (3) 

60-62  (3) 

70-64  (3) 

55-78 

61-64 

61-74 

Magnesia  . 

2-25 

112 

— 

— 

1-02  (4) 

1-62 

— 

2-24 

Thonerde  . 

7-24 

8-88 

1-12 

6-55 

5-94 

8-90 

617 

6-17 

Eisenoxyd . 

7-97 

12-47 

1-28 

9-55 

3-98 

605 

2-13 

0-45 

Kieselsäure 

23-66 

21-82 

22-95 

23-62 

15-92 

22-53 

2300 

26-63 

Kali      .     . 

— 

— 

— 

— 

0-55 

0-75 

— 

0-60 

Natron 

— 

— 

— 

— 

0-82 

1-06 

— 

0-40 

Thon    .     . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1-28 

118 

Gyps    .     . 

— 

— 

— 

— 

0-34 

1-85  (6) 

1-52 

1-64 

Wasser      . 

— 

— 

— 

0-79 

CO,  1-46 

— 

— 

Die  Oefen,  in  welchen  Kalk  »gebrannte  wird,  kann  man  in  vier  Gruppen 
theilen;  1.  Oefen  fiir  periodischen  Betrieb  mit  grosser  Flamme;  2.  solche  mit 
kleiner  Flamme;  3.  Oefen  für  continuirlichen  Betrieb  mit  kleiner,  4.  ebensolche 
mit  grosser  Flamme. 

Die  Oefen  der  ersten  Art  haben  meistens  einen  inneren  Ofenraum  von  ellipsoidischer  Form. 
Man  baut  in  denselben  zunächst  ein  spitzbogenartiges  Gewölbe  aus  grösseren  Kalksteineo, 
welches  den  Feuerraum  abschliesst.  Auf  dieses  Gewölbe  schüttet  man  durch  die  Gicht  die 
übrigen  Kalksteine.  Man  heizt  allmählich  an  bis  zur  Weissgluth.  Bisweilen  ist  ein  Rost  f^  die 
Feuerung  vorhanden. 

Die  Oefen  der  zweiten  Klasse  haben  eine  ellipsoidische  Form  oder  die  eines  umgekehitCD 
abgestumpften  Kegels.  Nachdem  auf  der  Ofensohle  oder  dem  Rost  ein  Reisigfeuer  angezündet 
ist,   pflanzt  sich  die  Gluth  in  die  Beschickung  fort,  welche   so  hergestellt  ist,   dass  über  < 


I)   10-96  Ca(OH),   und   1-80  CaCO,. 
Magnesia. 


2)  Sand.     3)  Kohlensaurer  Kalk.     4)  Kohlensaure 


Calcium. 


433 


Kalksteingewölbe  abwechselnd  Schichten  von  Kcihk  und  Kalkstein  aufgegeben  sind  (?;.  Fig.  58), 
Man  erkennt,   dass   dieser   Ofen  auch   einen 


(ClLää. 


continuirlichen   Betrieb   gestattet,    indem  aus 
dem  gewöhnlich  verschlossenen  Abzug  unten 
nur  ein   Theil   fertigen    Kalks   gezogen   wird 
und  oben  neue  Schichten  Brennmaterial  unti 
Kalkstein  aufgegeben  werden.    Dadurch,  dass 
in  diesen  Oefen  die  Asche  des  Brennmaterials 
in   unmittelbare    Berührung    mit    dem    Kalk 
kommt,  ¥ard  ein  etwas  geringwerthiges  Produkt 
erieugt    Die  continuirlichen  Oefen  mit  kleiner 
Fhmme   in  ihren  vielen  Modificationen  sind 
meist  trichter-  oder  flaschenförroig  und  haben 
mehrere  OefJhungen  zum  Ausziehen  des  Kalks, 
Der  Grossbetrieb  bedient  sich  meistens 
der  continuirlichen  Oefen  mit  grosser  Flamme, 
Besonders  bewährt  hat  sich  der  Ofen  der  kgl. 
preussischen  Kalkbrennereien  in  Rudersdorf, 
Der  12  Meter  hohe  Schacht  C  hat  an  der 
Gicht  und  der  Rast  a  2  Meter,  in  der  Höhe 
der  Feuerungen  ö  2*8  Meter  Durchmesser. 
Die  Wand  ä  besteht  aus  Ziegelsteinen, 
ist  aber  in  den  unteren  8  Meter  mit  feuer- 
festen Steinen  ausgekleidet.    Zwischen  ä 
und  der  Kalksteinmauer  e  ist  ein  freier 
Raum,  der  mit  schlecht  wärmeleitenden 
Stoffen  gefüllt  ist    Das  ganze  Schacht- 
gemäuer wird  von  der  äusseren  Mauer  BB 
umgeben,    zwischen    welcher    und    der 
Mauer  e   mehrere   gewölbte  Räume  pp 
sich  befinden.     Die  Oefen  haben   3,   4 
oder  5  Rost-Feuerungen  (d).     Die  Ver- 
brennungsluft wird    der  Feuerung,    die 
bei  ^  abschliessbar  ist,    durch   den  Ca- 
nal  A  zugeführt    Der  Aschenfall  /  kann 
bei  z  verschlossen   werden.     Die  Asche 
wird  in  den  Raum  £  gezogen  und  von 
hier  entfernt     Die  KalkabzUge  a  liegen 
immer  zwischen  zwei  Feuerungen.    Durch  die  C^nüle  /■  kniin  die  Hitze  tk's  j;^lühend  ausgesogenen 
Kalks    in   die  Räume  P  entweichen.     Die  Prodüttiim    einen   (lrei?^chUrt|jeu   fJfcns   betragt    tagÜch 
9000  Kgnn.  Stückkalk.     Man  hat  diese  Oefen  auch  für  Gcncratorgasfcucrung  aptirt. 

Die  HoFFMANN-LiCHT'schen  Ringöfen,  auch  die  für  Gasfeuerufig  eingerichteten,  werden  vieJ- 
lach  zum  Brennen  von  Kalk  benützt     Näheres  libcr  diese  im  Art,  Thon. 

Calciumsuperoxyd,  CaO^,  ist  als  Hydrat  von  Tuenard  (17)  durch  Fällung 
einer  Lösung  von  Wasserstoffsuperoxyd  mit  Kalkwasscr  dargestellt  worden.  Es 
ist  ein  weisser,  wenig  beständiger  Körper,  der  nich  unter  Was^ser,  Kumal  beim 
Erwärmen,  allmählich  zersetzt.  Wenn  man  das  Hydrat  im  luftleeren  Raum  ent- 
wässern  will,  so  tritt  Zersetzung  unter  iSauerstoilentwicklung  ein.  Nach  Struve 
bildet  es  sich  in  geringer  Menge,  wenn  man  Calciumcarbonat  oder  -oxalat  in  Be- 
rührung mit  Luft  schwach  glüht  (18).  Die  Zusammensetzung  des  Hydrats  ist 
nach  CONROY  (19)  CaOj,  8HjO.  E,  ScHüNt:  (20)  hat  seine  Krystallform  näher 
bestimmt;  es  gebort  dem  tctragonalen  System  an  und  ist  isomorph  mit  den 
Hydraten  des  Barium-  und  Strontiumsuperoxyds, 

Laobhburg,  Chemie.    II.  ^g 


(Ch.  i9  ) 


434  Handwörterbuch  der  Chemie. 

2.  Halogenverbindungen. 
Calciumchlorid,  CaClj.  Durch  Auflösen  von  Calciumcarbonat  in  Salzsäure 
und  Abdampfen  der  Lösung  wird  ein  farbloses,  sehr  zerfliessliches  Salz  erhalten, 
das  Hydrat  CaClj,  6H3O.  Dasselbe  krystallisirt  in  hexagonalen  Prismen,  die  oft 
in  Pyramiden  endigen.  Nach  dem  Trocknen  im  luftleeren  Raum  bleibt  CaCl,, 
2HjjO.  Das  Chlorcalcium  ist  eins  der  löslichsten  Salze.  In  100  Thln.  Wasser 
lösen  sich  (21)  bei 


0°         36-91  CaCl,     oder 

72-82  CaCl,, 

6H,0 

7-39"    38-77 

76-49     „ 

13-86°    41-03 

80-95     „ 

19-35°    42-50 

83-85     „ 

24-47°    45-33 

89-44     „ 

29-53°    50-67 

99-97     „ 

Mulder  (22)  gebraucht  1  Th.  CaCl,  bei 

0° 

2-016  Thle 

.  Wasser 

10° 

1-667     „ 

»1 

20° 

1-351      „ 

tf 

40° 

0-909      „ 

n 

60° 

0-775      „ 

tf 

80° 

0-704     „ 

»f 

90° 

0-694      „ 

tt 

Durch  die  Lösung  bei  gewöhnlicher  Temperatur  wird  viel  Wärme  gebunden. 
Die  Lösungswärme  des  Hydrats  CaClj,  GHjO  ist  —  3258  cal.  Ein  Gemisch  von 
3  Thln.  des  Hydrats  mit  1  Th.  Schnee  bewirkt  ein  Sinken  des  Thermometers 
bis  auf  —  36°. 

Mit  der  Concentration  der  Lösung  nimmt  deren  Siedepunkt  zu,  wie  folgende 
Tabelle  nach  Legrand  zeigt. 


Siedep. 

Proc.  CaCl, 

Siedep. 
152* 

.Proc.  CaQ, 

110° 

44-0 

178-1 

115° 

58-6 

160° 

212-1 

120° 

73-6 

172° 

276-1 

130° 

104-6 

179-5° 

325-0 

140° 

136-3 

Bei  Einwirkung  der  Wärme  schmilzt  das  Chlorcalcium  zunächst  in  seinem 
Krystallwasser  bei  29°.  Nachdem  alles  Wasser  entwichen  und  die  Temperatur 
über  100°  gestiegen  ist,  tritt  feuriger  Fluss  ein.  Es  kann  dann  in  Stücke  ge- 
gossen werden,  und  in  dieser  Form  wird  es  häufig  als  Trocknungsmittel  ange- 
wendet.  Für  manche  Zwecke  eignet  sich  besser  das  getrocknete,  poröse  Salz. 
Das  geschmolzene  Chlorcalcium  reagirt  immer  alkalisch,  wenn  beim  Schmelzen 
nicht  etwas  Salmiak  zugesetzt  war;  es  phosphorescirt,  und  nach  Einwirkung  des 
Sonnenlichtes  leuchtet  es  einige  Zeit  im  Dunkeln. 

Chlorcalcium  absorbirt  lebhaft  Ammoniak;  100  Thle.  nehmen  119  Thle. 
Ammoniakgas  auf.  Man  schreibt  dem  Körper  die  Formel  CaCl,,  8NH5  zu.  Aus 
diesem  Grunde  kann  Chlorcalcium  nicht  zum  Trocknen  von  Gasen  dienen,  welche 
Ammoniak  enthalten.  Da  auch  eine  Chlorcalciumlösung  das  Ammoniak  sehr 
stark  aufzulösen  vermag,  so  hat  man  solche  zur  Magazinirung  dieses  Gases  vor- 
geschlagen. Chlorcalcium  löst  sich  in  absolutem  Alkohol,  und  beim  Verdampfen 
der  Lösung  krystallisiren  Prismen  aus,  welche  als  »Krystallwasser«  50  J  Alkohol 
enthalten. 


Calcium.  435 

Calciumoxychlorid,  CaClj,  3CaO -f- löH^O.  Eine  concentrirte  Lösung 
von  Calciumchlorid,  die  mit  Kalkhydrat  zum  Sieden  erhitzt  wird,  scheidet  beim 
Erkalten  lange,  feine  Nadeln  des  obigen  Körpers  ab.  Durch  Wasser  oder  Alkohol 
werden  die  Krystalle  leicht  in  Chlorcalcium  und  Calciumhydroxyd  zersetzt.  Auch 
beim  Glühen  feuchten  Chlorcalciums  an  der  Luft  bildet  sich  unter  Entweichen 
von  Salzsäure  dieses  Oxychlorür  und  verursacht  alkalische  Reaction  der  Masse. 
Calciumfluorid,  CaFlj,  kommt  als  Flussspath  in  reichlicher  Menge  in 
der  Natur  vor,  besonders  als  Begleiter  von  Metalladem,  oft  in  schönen  Krystallen, 
Würfeln  oder  Würfeln,  die  auch  Octaeder-,  Hexatetraeder-  oder  Hexoctaeder-Flächen 
zeigen,  in  den  verschiedenartigsten  Farben,  besonders  violett,  gelb,  grün,  farblos. 
Der  Flussspath  schmilzt  bei  lebhafter  Rothgluth,  hat  die  Härte  4  und  das  Vol.- 
Gew.  3*18.  Fluorcalcium  ist  femer  in  sehr  geringer  Menge  in  einigen  Mineral- 
wässern aufgeftmden  und  macht  einige  Tausendstel  der  Mineralmasse  der  Knochen 
und  des  Zahnschmelzes  aus. 

Wasserdampf  zersetzt  bei  Rothgluth  das  Fluorcalcium  unter  Bildung  von 
Fluorwasserstoffsäure  und  Calciumoxyd.  Alkalien  und  Alkalicarbonate  zersetzen 
es  auf  trocknem  Wege  unter  Bildung  löslichen  Fluorkaliums  etc.  Sauerstoff  und 
Chlor  entwickeln  bei  hoher  Temperatur  wahrscheinlich  Fluor  aus  dem  Fluorcalcium. 
1  Th.  Fluorcalcium  löst  sich  in  26000  Thln.  Wasser.  Es  wird  daher  aus 
löslichen  Calciumsalzen  und  löslichen  Fluoriden  gefällt.  Concentrirte  Flusssäure 
und  Salzsäure  lösen  dasselbe,  und  aus  der  Lösung  wird  es  durch  Ammoniak  in 
gelatinösem  Zustande  gefallt. 

Der  Flussspath  wird  in  der  Metallurgie  als  Schmelzmittel  angewendet;  femer 
ist  er  das  Material  zur  Darstellung  der  Fluorwasserstoffsäure. 

Calciumbroxnid,  CaBr,,  büdet  lange,  farblose  und  zerfliessliche  Nadeln,  sehr  löslich  in 
Wasser,  auch  in  Alkohol.  100  Th.  Salz  bedürfen  zur  Lösung  bei  0^  80,  bei  20^  70,  bei  60°  3G, 
bei  105  ^^  32  Thle.  Wasser.     Das  trockne  Salz  absorbirt  Ammoniakgas. 

Calcium  Jodid,  Cajg,  weisses,  zerfliessliches  Salz  in  prismatischen  Nadeln  krystallisirend, 
sehr  löslich  in  Wasser,  auch  in  Alkohol.  Beim  Glühen  an  der  Luft  zersetzt  es  sich  zum  Theil. 
Ausser  durch  Einwirkung  von  Jodwasserstoffsäure  auf  Kalk  oder  kohlensauren  Kalk  kann  es  dar- 
gestellt werden  durch  Sättigen  einer  Schwefelcalciumlösung  mit  Jod,  Abdampfen  und  Calciniren 
des  Rackstands  (Lits-BoDART  und  Jobin)  (23),  oder  durch  Zusatz  von  Jod  zu  einem  Gemisch 
▼on  Kalkmilch  und  Calciumsulfit  (R.  Wagner)  (24).  100  Thle.  Jodcalcium  bedürfen  nach 
Kremers  (25)  zur  Lösung  bei  0**  52,  bei  20**  49.  bei  40**  44,  bei  92**  23  Thle.  Wasser. 

3.    Sulfide. 

Calciummonosulfid,  CaS,  entsteht  durch  Glühen  des  Calciumsulfats  mit 
Kohle  oder  im  Wasserstoffstrom,  oder  wenn  man  ein  Gemisch  von  Kohlensäure 
und  Schwefelkohlenstoffdampf  über  glühenden  Kalk  leitet. 

Das  reine  Schwefelcalcium  ist  eine  weisse,  pulverige  Masse,  in  Wasser  fast 
unlöslich,  zersetzt  sich  aber  allmählich  mit  demselben  unter  Bildung  von  Calcium- 
suifhydrat  und  Calciumoxyd.  Das  Calciumsulfid  leuchtet  im  Dunkeln,  wenn  es 
vorher  dem  Licht  ausgesetzt  war.  Marggraf  stellte  1750  einen  solchen  Leucht- 
stein durch  Reduction  von  Gjrps  her;  als  Canton's  Phosphor  (1768)  war  lange 
das  durch  Glühen  mit  Schwefel  erhaltene  Schwefelcalcium  bekannt. 

Calciumsulfhydrat,  Ca(SH),,  entsteht  durch  Zersetzung  von  Calcium- 
monosulfid mit  Wasser,  oder  wenn  Schwefelwasserstoffgas  durch  Kalkmilch  oder 
auf  trocknes  Calciumhydroxyd  geleitet  wird.  Beim  Eindampfen  der  I^ösung  zer- 
fällt das  Sulfhydrat  in  Schwefelcalcium  und  Schwefelwasserstoff.  Das  Caldum- 
salfhydrat   wird   in   der  Gerberei*  und  sonst  als  Enthaarungsmittel  angewendet. 

28» 


43^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Es  ist  der  wirksame  Bestandtheil  des  sogen.  Rhtisma  Turcarum,  welches  durch 
Vermischen  von  Arsensulfür  (Auripigment),  Aetzkalk  und  Wasser  bereitet  wird. 
Ein  dicker  Kalkbrei,  durch  welchen  Schwefelwasserstoff  geleitet  worden  ist,  ent- 
fernt die  Haare  nach  wenig  Minuten. 

Calciumtetrasulfid,  CaS^,  entsteht,  wenn  1  Mol.  Monosulfid  mit  3  At 
Schwefel  und  Wasser  erwärmt  wird.  Die  Lösung  zersetzt  sich  beim  Eindampfen, 
indem  Schwefelwasserstoff  entweicht. 

Calciumpentasulfid,  CaSj,  erhält  man  beim  Kochen  von  Monosulfid 
mit  der  hinreichenden  Menge  Schwefel  in  rothgelber  Lösung,  welche  beim  Ver- 
dunsten im  luftverdünnten  Räume  das  Pentasulfid  als  amorphe,  gelbe,  auch  in 
Alkohol  lösliche  Masse  zurück lässt.  Beim  Einkochen  tritt  Zersetzung  in  Schwefel 
und  Monosulfid  ein.  Beim  Kochen  von  Kalkmilch  mit  Schwefel  entsteht  auch 
Calciumpentasulfid-Lösung,  daneben  aber  noch  Calciumthiosulfat : 
3CaO  -I-  12S  ==  2CaS5  -^-  CaS^Oj. 

Beim  Kochen  von  3  Thln.  trocknem  Kalkhydrat  mit  1  Thl.  Schwefel  und 
20  Thln.  Wasser  bildet  sich  ein  Oxysulfid,  das  sich  beim  Erkalten  der  Lösung 
in  orangefarbenen  Prismen  von  der  Formel  Ca^OgS^-h  12H2O  ausscheidet  (Schöne). 

Glüht  man  Kalk  mit  etwa  dem  gleichen  Gewicht  Schwefel  im  Tiegel,  so 
entsteht  ein  Gemenge  von  Schwefelcalcium  und  Calciumsulfat,  die  sogen.  Kalk- 
schwefel 1  eher.  Es  ist  dies  ganz  analog  der  Bildung  von  Alkalischwefelleber; 
allein  etwa  gebildetes  Calciumthiosulfat  sowie  Calciumpolysulfid  wird  bei  der 
hohen  Temperatur  zersetzt.  Wird  beim  Glühen  noch  Kohle  zugesetzt,  wie  manche 
Pharmakopoen  vorschreiben,  so  wird  eine  entsprechende  Menge  Calciumsulfat 
reducirt,  und  die  Masse  besteht  wesentlich  aus  Calciummonosulfid.  Gewöhnlich 
ist  die  Zusammensetzung  BCaS -i- CaS04.  Die  gelbröthliche  Masse  wird  ge- 
pulvert aufbewahrt  und  dient  zur  Herstellung  von  Bädern  gegen  Hautkrankheiten. 
Das  Präparat  oder  seine  wässrige  Lösung  muss  mit  Salzsäure  reichlich  Schwefel- 
wasserstoff entwickeln. 

4.    Selen-  und  Phosphor-Verbindungen. 

Selencalcium  Beim  Zusatz  von  Selenkalium  zu  Chlorcalciumlösung  entsteht  ein  fleisch- 
rother  Niederschlag.  Erhitzt  man  Selen  mit  Kalk  zum  Gltlhen,  so  resultirt  ein  hellbraunes  Ge- 
menge von  Selencalcium  und  selenigsaurem  Calcium;  bei  einer  Temperatur  unter  Glühhitze  ent- 
steht auch  Calciumpolyselenid.  Durch  Sättigen  von  Kalkwasser  mit  Selenwasserstoff  bei  Luf^* 
abschluss  kann  man  Selencalcium  in  Krystallen  erhalten  (Berzelius)  (26).  Alle  diese  Körper 
sind  nicht  genau  untersucht. 

Phospliorcalcium,  Phosphorkalk.  Diese  braune,  amorphe  Masse  wird 
durch  die  Einwirkung  von  Phosphordampf  auf  rothgltihenden  Kalk  erhalten. 
Nach  P.  Thenard  ist  die  Zusammensetzung  dieses  Körpers  {(Z2lO)^V^\  er  stellt 
vermuthlich  ein  Gemisch  von  5  Mol.  Phosphorcalcium  und  2  Mol.  pyrophosphor- 
saurem  Calcium  dar,  nach  der  Gleichung 

UCaO  -h  UP  ==  öCa^Pa  -f-  2Ca3P307. 

Wenn  dieser  Körper  mit  Wasser  in  Berührung  kommt,  so  bildet  sich  selbst- 
entzündliches PhosphorwasserstofFgas  und  Calciumhypophosphit. 

5.    Sauerstoffhaltige  Salze. 

Calciumnitrit,  salpetrigsaures  Calcium,  Ca(N02)s  +  H,0.  Zerfliessliches  Salz, 
durch  doppelte  Zersetzung  von  salpetrigsaurem  Silber  und  Chlorcalcium  leicht  darzustellen. 

Calciumnitrat,  salpetersaures  Calcium,  Ca(N03)2,  zerfliessliches, 
auch  in  Alkohol  lösliches  Salz.  Es  krystallisirt  in  hexagonalen  Prismen  mit 
4  Mol.  HjO.    Es  schmilzt  bei  44°  in  seinem  Krystallwasser.    Durch  Einwirkung 


Calcium.  437 

der  Wärme  wird  «s  in  Calciumoxyd,  Sauerstoff  und  Stickoxyde  zerlegt.  1  Gewth. 
wasserfreies  Salz  erfordert  zur  Lösung  bei  0°  1'07  Gewth.  Wasser,  bei  152°,  dem 
Siedepunkt  der  gesättigten  Lösung,  0*28  Thle.  Das  Calciumnitrat  bildet  häufig 
den  sogen.  Mauerfrass,  die  weissen  Efflorescenzen,  die  bei  Gegenwart  sich  zer- 
setzender Thierstoffe  an  feuchten  Mauern  entstehen.  Dieser  Mauersalpeter  hat 
früher  in  grossem  Maassstabe  zur  Bereitung  von  Salpeter  gedient,  und  noch  jetzt 
ist  dies  an  einigen  Orten  der  Schweiz  und  Schwedens  der  Fall.  Die  Efflores- 
cenzen werden  gesammelt  und  ausgelaugt,  und  die  Lauge  wird  mit  einer  Holz- 
aschenlauge zersetzt.  Die  vom  kohlensauren  Kalk  getrennte  Lösung  von  Kalium 
Salpeter  wird  zur  Krystallisation  gebracht. 

Calciumchlorat,  Ca(C103)2,  kann  auf  direktem  Wege  oder  durch  Be- 
handlung einer  Lösung  von  Kaliumchlorat  mit  fluorkieselsaurem  Calcium  erhalten 
werden.  Sehr  lösliches,  zerfliessÜches  Salz,  das  nur  schwierig  krystallisirt.  Wenn 
die  Lösung  im  luftleeren  Raum  verdampft  wird,  so  bilden  sich  schräge  Prismen, 
die  2  Mol.  Krystallwasser  enthalten  und  bei  100°  in  diesem  schmelzen. 

Calciumperchlorat,  Ca(ClO^),.  Durch  Neutralisiren  einer  Lösung  von  Ueberchlor- 
säure  mit  Kalkhydrat  und  Verdampfen  der  Lösung  im  Vacuum  erhält  man  cerfliessliche,  auch 
in  Alkohol  lösh'che  Prismen. 

Calciumbromat,  Ca(Br03)2 +H,0,  ziemlich  lösliche  Prismen,  die  ihr  Krystallwasser 
bei  180°  verlieren. 

Calcium] odat,   CaQOi),,    durch   doppelte  Zersetzung  zwischen  Kaliumjodat  und  Chlor- 
calcium   zu   erhalten   oder  durch  Auflösen  von  Jod    in  Calciumhypochlorit,   wobei   alles  Jod  in 
Jodat  umgewandelt  wird  (Flicht)  (27).    Es  krystallisirt  in  rhombischen  Prismen  mit  6  Mol,  HjO,  . 
von  denen  es  5  beim  Erwärmen  bis  150 ^  das  letzte  bei  200°  verliert;  wenig  löslich  in  Wasser; 
bei  0°  erfordert  ein  Thl.  400,  bei  100°  100  Thle.  Wasser. 

Calciumperjodat,  Uberjodsaures  Calcium.  Aus  einer  Lösung  von  ttberjodsaurem 
Natrium  fällt  Calciumnitrat  einen  weissen,  krystallinischen  Niederschlag  (Ca,J,Og  +  7H,0) 
(Langlois)  (28).  Aus  einer  Lösung  von  Kalk  in  überschüssiger  Uebeijodsäure  erhielt  Rammels- 
BERG  (29)  durch  Verdunsten  neben  Schwefelsäure  kleine,  röthliche  Krystalle  von  der  Formel 
Ca^jO^  +  dHiO,  aus  einer  sehr  sauren  Lösung  das  Monocalciumperjodat,  CaQO^),. 
Beim  Glühen  des  jodsauren  Kalks  entsteht  Pentacalciumperjodat,  Ca^QO^),  (Rammels- 
BÄG)  (30). 

Calciumhypochlorit,  unterchlorigsaures  Calcium,  Ca(0Cl)2,  ist 
durch  Neutralisiren  einer  Lösung  von  unterchloriger  Säure  mit  Kalk  darzustellen. 
Es  bildet  sich  neben  Chlorcalcium  beim  Einleiten  von  Chlor  in  Kalkmilch,  sowie 
beim  Behandeln  von  Chlorkalk  mit  Wasser.  T.  Kingzett  (31)  hat  das  Salz 
Ca(C10)2  -f-  4H2O  in  langen  Krystallen  beim  Verdunsten  einer  wässrigen  Chlor- 
kalklösung im  luftleeren  Räume  über  Schwefelsäure  erhalten. 

Chlorkalk  oder  Bleichkalk  wird  das  weisse,  meist  etwas  feuchte  Pulver 
genannt,  welches  das  Produkt  der  Einwirkung  von  Chlor  auf  gelöschten  Kalk 
ist  Dieser  Körper  findet  als  Bleichmittel  eine  ungemein  grosse  technische  An- 
wendung. 

Durch  Einleiten  von  Chlor  in  dünne  Kalkmilch  bei  niedriger  Temperatur 
entsteht  eine  Lösung  von  Chlorcalcium  und  Calciumh)rpochlorit: 
2Ca(OH)3  -+-  2CI3  =  Ca(OCl)a  +  CaClj  -h  2H,0. 
Wenn  aber  Chlor  auf  trocknes  Kalkhydrat  einwirkt,  so  bleibt  eine  gewisse 
Menge  von  diesem  unverändert.  Man  war  deshalb  früher  der  Meinung,  der 
Chlorkalk  sei  ein  Gemenge  von  Calciumhydroxyd,  Calciumhypochlorit  imd 
Calciumchlorid.  Allein  freies  Chlorcalcium  lässt  sich  keineswegs  in  so  gros.ser 
Menge    darin  nachweisen  (durch  Löslichkeit  in  Alkohol  z.  B.),  wie  es  die  obige 


43^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Gleichung  verlangt.  Auch  wird  niemals  sämmtliches  Kalkhydrat  umgewandelt 
Ueber  die  Natur  der  bleichenden  Verbindung  im  Chlorkalk  sind  im  Laufe  der 
Zeit  viele  Ansichten  laut  geworden,  von  denen  nur  einige  erwähnt  seien.  Die 
von  Balard  zuerst  ausgesprochene  und  von  Gav-Lussac  unterstützte  Angabe, 
der  Chlorkalk  sei  ein  Gemisch  der  erwähnten  Art,  hat  bis  in  die  neueste  Zeit 
viele  Anhänger  gehabt  Da  das  Chlorcalcium  nicht  in  genügender  Menge  nach- 
gewiesen werden  konnte,  nahm  Fresenius  an,  der  Chlorkalk  enthalte  ein  Calcium- 
oxychlorid,  CaCl^SCaO,  und  entstehe  nach  der  Gleichung 

4Ca(OH),  4-  2CI3  =  Ca(OCl),  +  CaCl,2CaO-t-  4H3O. 
Nach  dieser  Gleichung  können  indessen  im  Chlorkalk  höchstens  32^  wirk- 
sames Chlor  enthalten  sein,  während  technischer  Chlorkalk  35^  und  mehr  ent- 
hält.   Sehr  plausibel  erscheint  eine  von  Odling  aufgestellte  Formel,  nach  welcher 

Cl 
CaClj  und  Ca(0Cl)2  zu  zwei  Molekülen  einer  Verbindung  Ca C1[qq  zusammen- 
gezogen sind,  also  ein  Chlorcalcium  darstellen,  dessen  eines  Chloratom  durch 
das  Radical  der  unterchlorigen  Säure  ersetzt  ist  Diese  Verbindung  zersetze  sich 
sehr  leicht,  schon  mit  Wasser,  in  CaClj  und  Ca(OCl)j.  Diese  Formel  erklärt 
nicht  die  unvermeidliche  Gegenwart  von  Kalkhydrat  im  Chlorkalk.  Göpner  und 
einige  andere  Chemiker  halten  die  bleichende  Verbindung  für  ein  Additions- 
produkt von  Kalk  und  Chlor  und  kommen  damit  auf  eine  schon  von  MnxoN 
ausgesprochene  Ansicht  zurück. 

Stahlschmidt  suchte  die  unvollständige  Umwandlung  des  Kalkhydrats  da- 
durch zu  erklären,   dass  ein  basisches  Hypochlorit  entstehe  nach  der  Gleichung 

3Ca(OH)2  -h  2CI3  =  2CaCroci  "^  ^^^^2  "*"  ^^a^- 
Diese  Formel  verlangt  39*01  J  wirksames  Chlor,  was  mit  Analjrsen  von  Stahl- 
scH\nDT  gut  übereinstimmte.  Lunge  und  Schäppi  haben  indess  mit  Leichtigkeit 
Chlorkalk  von  44  J  bleichendem  Chlor  erhalten.  Femer  muss  nach  dieser  Formel 
wieder  eine  grosse  Menge,  30*49^,  freies  Chlorcalcium  angenommen  werden. 
Die  Angabe  Stahlschmidt's,  dass  2  Mol.  Wasser  bei  niedriger  Temperatur  zu 
verjagen  sind,  das  dritte  Mol.  (Constitutions-)  Wasser  dagegen  selbst  bei  Roth- 
gluth  nicht,  sondern  beim  Erhitzen  mit  Soda,  fanden  Lunge  und  Schäppi  nicht 
bestätigt;  nach  ihnen  geht  vielmehr  sämmtliches  Wasser  des  Chlorkalks  beim 
Erhitzen  bis  zur  Rothgluth  auch  ohne  Zusatz  von  Soda  fort. 

Indem  wir  eine  lange  Reihe  anderer  Arbeiten  von  Richters  und  Juncker, 
Wolters,  Opl,  Kopfer,  Limpach,  Kraut,  Davis,  Schorlemer  u.  a.  übergehen, 
heben  wir  hervor,  dass  nach  den  gründlichen  Untersuchungen  von  Lunge  und 
Schäppi  (32),  sowie  von  Lunge  und  Naeff  (33)  die  OüLiNo'sche  Formel  für  die 
bleichende  Substanz  die  wahrscheinlichste  ist,  zumal  da  die  letzteren  Chlorcaldum 
durch  unterchlorige  Säure  allein  unter  Entweichen  von  Chlor  in  Chlorkalk  um- 
gewandelt haben.  Die  Gegenwart  von  Kalkhydrat  im  technischen  Chlorkalk  lässt 
sich  wohl  nur  nach  einer  schon  von  Bolley  ausgesprochenen  Ansicht  so  erklären, 
dass  dasselbe  mechanisch  durch  die  bleichende  Verbindung  vor  der  Einwirkung 
des  Chlors  geschützt  werde.  Nach  Lunge  und  Schäppi  ist  die  bleichende  Ver- 
bindung als  Hydrat  im  Chlorkalk  enthalten  und  hat  die  Formel  2CaOClj,  H^O. 
Technische  Darstellung.  Die  Fabrikation  von  Chlorkalk  wird  immer 
mit  der  Sodafabrikation  combinirt.  Hier  werden  bei  der  Umwandlung  des  Koch- 
salzes in  Sulfat  ungeheure  Mengen  Salzsäure  als  Nebenprodukt  gewonnen,  aus 
welcher  am  vortheilhaftesten  Chlor  zur  Erzeugung  von  Chlorkalk  entwickelt  wird. 


Calcium. 


439 


Das  Chlor  wird  aus  der  Salzsäure  entweder  mittelst  Braunsteins  entwickelt, 
oder,  was  jetzt  gebräuchlicher  ist,  mittelst  des  nach  dem  WELDON'schen  Verfahren 
aus  den  Manganlaugen  der  Chlorentwickler  regenerirten  Braunsteins  oder  Weldon- 
Schlamms.  In  einigen  Fabriken  wird  das  Chlor  nach  dem  Verfahren  von  Deacon 
durch  Zersetzung  eines  Gemenges  von  Salzsäuregas  und  überschüssiger  Luft 
unter  Einwirkung  poröser  mit  Kupfersulfat  getränkter  Stoffe  bei  370 — 400°  erzeugt 
Näheres  über  die  Chlordarstellung  bei  Chlor. 

Der  Kalk  muss  möglichst  rein  sein,  frei  von  Thon,  Sand  und  Eisenoxyd, 
er  wird  aus  reinem  Kalkstein  oder  Kreide  gebrannt.  Er  wird  so  gelöscht,  dass 
das  Hydrat  etwas  überschüssiges  Wasser  enthält,  denn  ganz  trocknes  Kalkhydrat 
absorbirt  das  Chlor  nur  unbedeutend.  Die  Menge  überschüssigen  Wassers  wird 
verschieden  angegeben;  2—ß^  (26— 30J  Gesammtwasser)  scheinen  hinreichend 
zu  sein.  Das  Kalkhydrat  wird  dann  gesiebt;  das  feine  Pulver  kommt,  nachdem 
es  einige  Tage  gelagert  hat,  in  die  Chlorkalkkammern.  Diese  sind  meistens  aus 
mit  Theer  getränkten  Sandsteinplatten,  auch  aus  Bleiplatten  oder  mit  Asphalt 
überzogenen  Eisenplatten  hergestellt.  Gewöhnlich  bringt  man  einfach  auf  den 
Boden  der  etwa  2  Meter  hohen  Kammern  eine  75 — 100  Millim.  hohe  Schicht 
Kalkhydrat,  in  deren  Oberfläche  man  mittelst  eines  Rechens  Furchen  zieht.  Das 
Chlorgas  wird  vor  dem  Eintritt  gekühlt,  damit  Wasser  möglichst  zurückbleibt. 
Aus  der  ersten  Kammer  geht  das  Gas  in  eine  zweite.  Sobald  man  durch  Schau- 
fenster in  der  Kammer  eine  grüne  Chloratmosphäre  wahmimmmt,  ist  die  Ab- 
sorption vollendet.  Nach  24  Stunden  Ruhe  wird  der  Kalk  umgeschaufelt  und 
wiederum  Chlor  eingeleitet.  Je  niedriger  die  Temperatur  ist,  um  so  vollständiger 
ist  die  Absorption;  25°  C.  sollen  nicht  überschritten  werden,  da  sich  sonst  Calcium- 
chlorat  bilden  kann. 

Da  das  nach  dem  DEACON-Verfahren  dargestellte  Chlor  stark  mit  Stickstoff 
verdünnt  ist,  so  muss  man  bei 
Anwendung  dieses  Gases  die  Ab- 
sorprion  systematisch  vornehmen. 
Die  Kammern  sind  grösser,  und 
in  ihnen  liegt  der  Kalk  auf  Hür- 
den, die  so  miteinander^verbunden 
sind,  dass  das  Chlor,  wie  die 
Pfeil«  in  Fig.  60  zeigen,  nach  ein- 
ander über  dieselben  streicht  und 
zuerst  mit  einer  chlorreichen  Masse 
in  Berührung  kommt.  Diese 
Kammern  bewähren  sich  auch 
für  Chlor,  welches  nach  anderen 
Methoden  dargestellt  ist,  vor- 
züglich. 

Um  die  Chlorkalkbildung  zu 
beschleunigen,  bringt  man  neuer- 
dings das  Kalkhydrat  in  feiner 
Zertheilung  mit  dem  Chlor  in  Be- 
rührung. Der  von  MaljStra  an- 
gegebene Apparat  (Deutsch.  Patent 
No.  ioo6)  (34)  ist  ein  horizontaler 
Cylinder,  durch  welchen  eine  mit  Schaufelarmen  versehene  Welle  geht,  welche 


jAl 


Ai-O 


(Ch.  60.) 


f 


440  Handwörterbuch  der  Chemie. 

10 — 20  Umdreliungen  in  der  Minute  macht  Dadurch  wird  der  Kalk  umher- 
geworfen und  dem  Angriff  des  in  dem  oberen  Theil  des  Cylinders  eintretenden 
Chlors  gut  ausgesetzt. 

In  dem  Apparat  von  F.  Kopfer  (D.  Fat.  9398)  (35)  wird  das  Kalkhydrat- 
pulver mittelst  einer  Centrifugc  in  der  Chlorkammer  ausgestreut.  In  der  Decke 
derselben  befindet  sich  eine  Oeffnung  mit  Ansatirohr  und  Wasserverschluss,  durch 
welche    qin   Holztrichter  A^    Fig.  61,    reicht.     Ein  Patemosterwerk  P  schafil  in 

diesen  das  Kalkhydrat,  welches 
dann  in  die  Centrifuge  A  fällt 
Diese  hat  Drahtnetzwandungen, 
deren  Maschen  0*5  Centim.  Weite 
haben.  Die  Centrifuge  macht 
600—1200  Umdrehungen  in  der 
Minute. 

In  ähnlicher  Weise  benutzt 
Fehres  (D.  Pat  24702)  (36)  einen 
Zerstäubungsapparat  in  der  Chlor- 
kalkkammer, welcher  einen  mit 
Schlitzen  und  Oefinungen  ver- 
sehenen Trichter  bildet.  Durch 
ein  Rohr  wird  Luft  eingeblasen, 
welche  das  Kalkhydrat  durch  die 
Oeffnungen  treibt  und  zerstäubt 
^*  ^*'^  Bei  der  Absorption  des  Chlors 

durch  den  Kalk  wird  eine  grosse  Menge  Wärme  entwickelt.  Man  muss  deshalb 
durch  Mässigung  des  Gasstroms,  durch  Zulassung  von  Luft  oder  durch  äussere 
Abkühlung  dafür  sorgen,  dass  die  Temperatur  nicht  zu  hoch  steige,  weil  sich 
sonst  Calci unichlornt  bildet.  An  den  Absorptifinsapparaten  müssen  immer  Ther- 
mometer angebracht  sein. 

Der  fertige  Chlorkalk  soll  ein  gleicbmässigesj  weisses  Pulver  sein,  das  schwach 
nach  untercbloriger  Säure  riecht  und  an  der  Luft  nur  sehr  langsam  feucht  wird. 
Mit  Wasser  lässt  er  sich  zu  einem  Brei  anrühren;  die  Lösung  enthält  wesentlich 
Calci umbypochlorit  und  Chlorcalcium*  Sobald  eine  Säure,  auch  Kohlensäure, 
mit  der  F.ösung  zusammenkommt,  tritt  die  bleichende  Wirkung  ein  in  Folge  der 
Entwicklung  von  Chlor: 


Ca(OCl).j  -h  4HCI  =  CaCi^ 


2HaO 


2CU 


Bei  Anwendung  von  wenig  Säure  wird  unterchlorige  Säure  frei,  deren  Bleich- 
kraft  doppelt  so  gross  ist  wie  die  ihres  Clilorgehalts. 

Ca(0C])5  +  2HC1  =  CaClj,  4-  2H0C1. 

Der  Chlorkalk  wird  hei  längerem  Liegen  an  der  Luft  in  Folge  der  Ein- 
wirkung der  Kohlensäure  ganz  unwirksam.  Auch  Sonnenlicht  bewirkt  Zersetzung. 
Beim  Glühen  entwickelt  Chlorkalk  Saucrsto%as.  Auch  wenn  man  eine  Chlor- 
kalklösung mit  Kobaltüxyduihydrat  (welches  nach  Zusatz  von  ein  wenig  Kobalt- 
chlorürlüsung  gefällt  wird)  erwärmt^  so  entwickelt  sich  Sauerstoff  in  regelmässigem 
Strome. 

IJer  Clilorkalk  wird  in  grösster  Menge  zum  Bleichen  von  Textilstoffen  pflanz- 
lichen Ursjirungs,  Papier  u,  dgh  gebraucht^  femer  zur  Desinfection,  in  der  Fär- 
berei^ z.  B.  zur  Erzeug ving  weisser  Muster  auf  türkischroth  gefärbtem  Zeuge,  weiter 
zur  Darstellung  von  Chloroform  und  Chloral,  zu  Oxydationen  überhaupt  u.  s.  w. 


Calcium.  44  ^ 

Chlorimetrie.  Die  Art  der  Herstellung  und  das  Alter  des  Chlorkalks  bedingen  den 
Grad  der  bleichenden  Kraft  desselben.  Da  derselbe  sehr  wechselnd  ist,  so  muss  er  vor  An- 
wendung des  Präparats  bestimmt  werden.  Die  Bleichkraft  richtet  sich  nach  der  Menge  unter- 
cUorigsauren  Calciums,  die  man  als  im  Chlorkalk  vorhanden  ansehen  kann.  Man  bestimmt 
aber  nicht  den  Procentgehalt  an  unterchloriger  Säure,  sondern  den  an  wirksamem  Chlor,  wobei 
zu  beachten  ist,  dass  1  Aeq.  Unterchlorigsäureanhydrid  so  stark  bleichend  (oxydirend)  wirkt 
wie  2  Aeq.  Chlor. 

Es   sind  verschiedene   chlorimetrische  Methoden    im   Gebrauch.      1.   Die   von   Gay-Lussac 
beruht  darauf,  dass  Chlor  in  Gegenwart  von  Wasser  arsenige  Säure  tu  Arsensäure  oxydirt: 
AsjOj  -h  Cl^  4-  2HjO  =  A.^05  4-  4HC1. 

Man  stellt  eine  Normallösung  von  arseniger  Säure  durch  Lösen  von  4*425  Grm.  AsjOj  in 
1  Liter  salzsäurehaltigem  Wasser  her.  Von  dem  zu  prüfenden  Chlorkalk  verreibt  man  10  Grm.  mit 
Wasser  und  verdünnt  zu  1  Liter.  Von  dieser  Lösung  lässt  man  aus  einer  Bürette  zu  10  Cbcm. 
Arsenigsäurelösung,  bis  Indigoschwefelsäure,  welche  dieser  als  Indicator  zugesetzt  ist,  durch  freies 
Chlor  entförbt  wird. 

2.  Die  Methode  von  Graham  und  Otto  gründet  sich  auf  die  Oxydation  von  Ferrosulfat 
tu  Ferrisulfat  durch  Chlor: 

2FeO  H-  CI3  +  HjO  =  Fe^Og  -f  2HC1. 

Man  wendet  eine  Eisenvitriollösung  von  bestimmtem  Gehalt  an  und  setzt  von  der  Chlorkalk- 
lösung so  lange  zu,  bis  ein  Tropfen  derselben  mit  Ferricyankaliumlösung  keinen  blauen  Nieder- 
schlag mehr  giebt. 

3.  Nach  R.  Wagner  löst  man  24*8  Grm.  Natriumthiosulfat  zu  1  Liter.  Man  vertheilt 
10  Grm.  Chlorkalk  in  1  Liter  Wasser  und  setzt  zu  100  Cbcm.  dieser  Lösung  25  Cbcm.  einer 
lOproc.  Jodkaliumlösung  und  verdünnte  Salzsäure,  wobei  eine  dem  wirksamen  Chlor  entsprechende 
Menge  Jod  in  Freiheit  gesetzt  wird.  Dann  titrirt  man  mit  der  Natriumthiosulfatlösung,  bis  die 
durch  das  freie  Jod  veranlasste  Färbung  verschwunden  ist 

2Na,SjOj  4-  2  J  =  Na,S^Og  +  2NaJ. 

4.  Die  am  häufigsten  angewendete  Methode  ist  die  von  Penot,  nach  welcher  eine  alkalische 
Lösung  von  arseniger  Säure  angewendet  wird.  Man  löst  4*95  Grm.  (^  Mol.)  arseniger  Säure, 
AsjOj,  im  vierfachen  Gewicht  Soda  und  verdünnt  auf  1  Liter.  Man  verreibt  3*55  Grm.  Chlor- 
kalk mit  Wasser  zu  500  Cbcm.  Von  dieser  Flüssigkeit  werden  50  Cbcm.  mit  der  Arsenlösung 
versetzt,  bis  Jodkaliumstärkepapier  nicht  mehr  gebläut  wird.  Die  verbrauchten  Cubikcentimcter 
geben  direkt  die  Procente  wirksames  Chlor  an.  Sicherer  verfährt  man  so,  dass  man  nach  dem 
Zusatz  von  etwas  zuviel  Arsenlösung  etwas  Stärkekleister  (mit  verdünnter  Chlorzinklösung  ange- 
macht) hinzufügt  und  mit  der  Jodlösung  zurücktitrirt,  bis  Blaufärbung  eintritt.  Es  sind  dann 
jrCbcm.  Arsenlösung  — ^Cbcm.  Jodlösung  =  Procente  Chlor. 

Der  Gehalt  des  Chlorkalks  an  bleichendem  Chlor  wird  entweder  in  Gewichtsprocenten  an- 
gegeben (die  in  Deutschland,  England,  Amerika  gebräuchlichen  Grade)  oder  in  GAY-LussAc'schen 
oder  französischen  Graden,  welche  besagen,  wie  viel  Liter  Chlor  bei  0**  und  760  Millim.  Druck 
aus  1  Kgnn.  Chlorkalk  entwickelt  werden.  Wenn  man  erwägt,  dass  1  Liter  Chlorgas  3' 18  Grm. 
bei   0^  und  760  Millim.  wiegt,   so  kann  man  leicht  die  eine  Angabe  in  die  andere  verwandeln. 

Calciumhypobromit,  unterbromigsaures  Calcium.  Ein  Gemenge  von  Kalkhydrat 
and  Brom  oder  Kalkmilch  und  Brom  hinterlässt  beim  Verdunsten  über  Kalihydrat  eine  rothe, 
bleichend  wirkende  Masse,  die  wahrscheinlich  ein  Gemenge  von  Calciumhypobromit  und  Mehrfach- 
Bromcalcium  ist. 

Calciumhypojodit,  unterjodigsaures  Calcium.  Wird  ein  Gemenge  von  Kalkhydrat 
und  Jod  im  Vacuum  neben  Kali  auf  30^  erwärmt,  so  lange  noch  Jod  entweicht,  so  bleibt  eine 
schwarze  Masse,  die  mit  Wasser  in  eine  dunkelbraune  Lösung  und  Kalkhydrat  zerfällt  (Berzelius) 
(37).  Aus  Kalkmilch  und  Jod  haben  Lunge  und  Schock  eine  farblose,  bleichende  Verbindung 
von  der  Zusammensetzung  CaOJ,  erhalten,  die  also  dem  Chlorkalk  analog  und  als  Jodkalk 
zu  bezeichnen  ist. 

Calciumsulfit,  schwefligsaures  Calcium,  CaSOj,  wird  aus  einer 
Calciumsalzlösung  durch  eine  Sulfitlösung  als  weisser  Niederschlag  gefallt.    Der- 


443  Handwörterbuch  der  Chemie. 

selbe  bedarf  zur  Lösung  800  Thle.  Wasser.  Im  Grossen  leitet  man  auch  wohl 
schweflige  Säure  über  pulverförmiges  Kalkhydrat,  welches  in  3—5  Centim.  hohen 
Schichten  auf  Horden  in  einer  verschliessbaren  Kammer  ausgebreitet  ist  oder 
durch  andere  gebräuchliche  Vorrichtungen  mit  dem  Schwefiigsäuregas  in  Be- 
rührung kommt.  Es  muss  dabei  so  viel  Wasser  vorhanden  sein,  dass  das  Salz 
CaS03H-2HjO  entstehen  kann.  Das  Sulfit  löst  sich  in  wässriger  schwefliger 
Säure.  Aus  der  Lösung  krystallisirt  CaSOj  4- 2H2O  in  kleinen,  glänzenden 
Krystallen  (Muspratt)  (39);  Rammelsberg  hat  indessen  ein  Salz  von  der  Formel 
SCaSOj  -h  HjO  erhalten.  Die  Lösung  in  wässriger  schwefliger  Säure  ist  unter 
dem  unrichtigen  Namen  doppeltschwefligsaurer  Kalk  ein  Handelsprodukt,  das 
häufig  an  Stelle  von  schwefliger  Säure  gebraucht  wird,  z.  B.  in  der  Bierbrauerei 
zum  Schwefeln  der  Fässer,  neuerdings  in  grosser  Menge  zur  Darstellung  von 
Holzzellstofl*,   wobei  Holz  mit  einer  solchen  Lösung  unter  Druck  digerirt  winL 

Calciumsulfat,  schwefelsaures  Calcium,  CaS04.  Dieser  Körper  wild 
als  Mineral  Anhydrit  oder  Karstenit  genannt.  Es  findet  sich  selten  gut 
krystallisirt  (rhombisch),  meist  derb  und  stengelig  zusammen  mit  Gyps  und  Stein- 
salz in  den  Lagern  der  Salzgebirge.  Sein  Vol.-Gew.  ist  2'964.  Durch  vorsichtiges 
Schmelzen  von  Calciumsulfat  hat  Mitscheruch  (41)  Anhydrit  in  Krystallaggregaten 
erhalten,  Manross  (42)  orthorhombische  Prismen  durch  Schmelzen  eines  Gemenges 
von  Kaliumsulfat  und  Chlorcalcium  und  Auswaschen  der  erkalteten  Schmelze. 
Hoppe-Seyler  hat  nachgewiesen  (43),  dass  beim  Erhitzen  von  Gyps  mit  einer 
gesättigten  Kochsalzlösung  im  geschlossenen  Rohre  auf  140°  sich  Anhydrit  bildet. 
Dies  kann  zur  Erklärung  des  Zusammen  Vorkommens  von  Anhydrit  und  Kochsalz 
beitragen.  Nach  Struve  erhält  man  Anhydrit  beim  Verdampfen  einer  Lösung 
von  Calciumsulfat  in  Schwefelsäurehydrat  (44). 

Das  gewässerte  Calciumsulfat,  CaS04 -h  2H2O,  ist  als  Gyps  und 
Alabaster  weit  verbreitet,  krystallisirt  monoklinoedrisch.  Der  Habitus  der 
Krystalle  ist  sehr  verschieden,  häufig  tafelförmig,  und  oft  kommen  dieselben  als 
Zwillinge  (Schwalbenschwänze)  vor.  Der  Gyps  findet  sich  auch  derb,  grob-  und 
feinkörnig  (Alabaster),  faserig  krystailinisch  (Fasergyps),  in  schuppigen  Aggregaten 
(Schaumg)rps)  und  erdig.  Eine  durchsichtige,  in  dünne  Blättchen  spaltbare  Varietät 
wird  Marienglas  oder  Fraueneis  genannt.  Seine  Härte  ist  1-5 — 2;  sein  Vol.-Gew. 
2*2 — 2'4;  er  kommt  farblos,  weiss,  röthlich,  gelb,  braun,  grau  vor. 

Der  reine  Gyps  ist  farblos,  vom  Vol.-Gew.  =  2-31.  Er  enthält  20*9  J  Krystall- 
wasser.  Dieses  Wasser  verliert  der  Gyps  schon  bei  80°,  wenn  er  in  einem  Lutt- 
strom erhitzt  wird,  bei  115°  im  geschlossenen  Gefässe.  Der  entwässerte  Gyps 
nimmt  in  Berührung  mit  Wasser  die  beiden  Moleküle  mit  grosser  Leichtigkeit 
unter  l'emperaturerhöhung  wieder  auf,  wobei  er  krystailinisch  wird  und  sein 
Volumen  vergrössert.  Deshalb  eignet  er  sich  gut  zum  Giessen  in  Formen,  deren 
Vertiefungen  er  vollständig  ausfüllt.  Nach  kurzer  Zeit  wird  die  Masse  fesL  Wenn 
beim  Gypsbrennen  die  Temperatur  160°  erreicht  wurde,  so  nimmt  der  gebrannte 
Gyps  das  Wasser  nur  sehr  langsam  auf,  und  in  dunkler  Rothgluth,  nach  Schott  (45) 
über  300°,  wird  er  todtgebrannt.  Solcher  Gyps  ist  indessen  nicht  ganz  indifferent 
gegen  Wasser;  wegen  seiner  grösseren  Dichtigkeit  verbindet  er  sich  nur  weit 
langsamer  damit.  Gegen  500°  geht  der  Gyps  in  eine  hydraulische  Modification 
über,  die  das  Wasser  nur  in  geringer  Menge  und  sehr  langsam  bindet;  das  Er- 
härtungsprodukt hat  aber  grössere  Dichtigkeit  als  gewöhnlicher  Gypsguss  und  ist 
alabasterartig  durchscheinend  und  etwas  glänzend. 

Das  Calciumsulfat  ist  etwas  löslich  in  Wasser.     100  Thle.  Wasser  lösen  bei 


Calcium.  443 

0°  0-190  Thle.  CaSO^,  bei  20°  0-206,  bei  40°  0-214,  bei  60°  0208,  bei  80°  0-195, 
bei  100°  0*174  (Marignac)  (46).  Leichter  löst  es  sich  in  gewissen  Salzlösungen 
wie  in  Ammoniaksalzen  und  Kochsalzlösung,  besonders  leicht  in  einer  Natrium- 
thiosulfatlösung,  auch  in  verdünnten  Mineralsäuren;  in  Alkohol  ist  es  unlöslich. 
Der  Gyps  wird  durch  Glühen  mit  Kohle  oder  im  Wasserstoifstrom  leicht  zu 
Schwefelcalcium  reducirt.  Auch  in  wässriger  Lösung  kann  diese  Reduction  durch 
organische  Stoffe  erfolgen  und  zur  Entwicklung  von  Schwefelwasserstoff  Anlass 
geben. 

Die  Anwendungen  des  Gypses  sind  mannigfach  und  wichtig.  In  grossen 
Mengen  wird  der  ungebrannte  Ciyps  als  Düngemittel  gebraucht.  Seine  Wirkung 
beruht  wohl  wesentlich  darauf,  dass  er  sich  mit  dem  durch  Zersetzung  organischer 
Stoffe  im  Boden  entstehenden  kohlensauren  Ammoniak  umsetzt  und  diese  flüchtige 
Verbindung  in  das  nicht  flüchtige  schwefelsaure  Ammoniak  umwandelt,  welches 
somit  dem  Boden  erhalten  bleibt.  Aus  demselben  Grunde  ist  es  vortheilhaft, 
Düngerhaufen  und  den  Boden  von  Ställen  mit  Gyps  zu  bestreuen. 

Natürlicher  Alabaster  wird  zu  Bildhauerarbeiten,  Schnitzereien  benützt. 
Künstlich  gefällter  oder  fein  gemahlener,  natürlicher  Gyps  wird  unter  dem 
Namen  ^Pear/  hardeningt  oder  i^Annalin^  von  den  Papierfabrikanten  als  Füllstoff 
billiger  Papiere  benützt. 

Die  ausgedehnteste  Anwendung  erfahrt  der  gebrannte  G)rps  als  Material  zur 
Verfertigung  von  Abgüssen.  Dieser  Gebrauch  ist  sehr  alt.  Plinius  sagt,  Lib.  XXXVI. 
§  59*)  *<ier  Gyps  ist  ein  geschätztes  Material  zu  weissem  Tünchwerk,  kleinen 
Figuren  für  Häuser  und  zu  Kränzen«,  und  Lib.  XXXV.  §  44  berichtet  er,  dass 
Lysistratus  von  Sicyon  der  erste  war,  welcher  die  Form  eines  menschlichen 
Gesiebtes  in  Gyps  abnahm,  und  dass  diese  Kunst  älter  sei  als  der  Erzguss. 

Um  Abgüsse  von  Büsten,  Medaillen  u.  dgl.  zu  machen,  rührt  man  den  nicht 
zu  stark  gebrannten  Gyps  mit  Wasser  zu  einem  Brei  und  giesst  in  eine  geölte 
Gypsform  oder  in  eine  Leim-  oder  Kautschukform.  Solcher  Gypsbrei  wird  auch 
in  der  Chirurgie  als  ^Gypsverband«  benützt.  Durch  kurzes  Eintauchen  der  Gyps- 
güsse  in  geschmolzene  Stearinsäure  oder  Paraffin  oder  durch  Bepinseln  derselben 
mit  einer  Auflösung  von  Paraffin  in  Petroleumäther  oder  dgl.  kann  man  die 
Masse  abwaschbar  machen.  Um  die  Härte  der  Gypsgüsse  zu  erhöhen,  sind  ver- 
schiedene Verfahren  angegeben.  Nach  Knauer  und  Knop  (47)  versetzt  man  ge- 
ronnene Milch  mit  Kalilauge,  bis  alles  Casei'n  gelöst  ist.  Diese  Flüssigkeit  ver- 
setzt man  noch  mit  \  Vol.  Wasserglaslösung  und  trägt  sie  dann  auf  den  Gyps. 
Nach  dem  Trocknen  wird  dies  wiederholt  und  schliesslich  wird  mit  Kalkwasser 
gewaschen.  Auf  diese  Weise  ist  z.  B.  das  Gypsstandbild  des  Wilhelm  Teil  in 
Altdorf  gegen  die  Einwirkung  der  Luft  geschützt  worden. 

Reissig  empfiehlt  das  Bepinseln  der  Gypsgüsse  mit  Barytwasser.  Es  bildet 
sich  dann  Bariumsulfat  und  Kalk,  welcher  allmählich  in  Calciumcarbonat  über- 
geht Auch  Bestreichen  mit  Wasserglaslösung  wird  empfohlen.  Zur  Dichtung 
der  Poren  werden  die  Gypsgegenslände  nach  mehrtägigem  Trocknen  mit  einer 
heissen,  wässrigen  oder  alkoholischen  Seifelösung  behandelt.  Da  durch  den  Baryt 
aus  vorhandenen  Eisenverbindungen  Eisenhydroxyd  gefällt  wird,  welches  gelbe 
Flecken  verursacht,  so  verfährt  v.  Dechend  (49)  so,  dass  er  die  Gypsgüsse  zu- 
nächst durch  Tränken  mit  einer  warmen  Boraxlösung  härtet,  dann  einen  Anstrich 
von   wartner  Chlorbariumlösung  giebt  und  schliesslich  von  heisser  Seifenlösung; 


*)  In  WlTTSTEiN's  Uebersettung  (Leipzig  1882),  VI.  Band,  pag.  227  u.  159. 


444  Handwörterbuch  der  Chemie. 

der  Ueberschuss  von  Seife  wird  abgewaschen.  Rationeller  erscheint  das  Verfahren 
von  FiLSiNGER  (50)  der  auf  einander  folgenden  Tränkung  mit  Barytwasser  und 
Borsäurelösung. 

Der  Gyps  wird  gehärtet,  wenn  man  denselben  nach  dem  Brennen  mit  Alaun- 
lösung  tränkt,  trocknet,  wiederum  brennt  und  ihn  dann  mit  Alaunlösung  statt 
mit  Wasser  anmacht  (Keene's  Cement).  Aehnlich  wirkt  Borax.  Der  »Parian- 
Cement«  besteht  aus  1  Thl.  calcinirtem  Borax  und  44—45  Thln.  Gyps.  Das 
Härten  von  Gyps  mittelst  Wasserglaslösung  ist  nur  schwierig  ausführbar,  da  der 
Gyps  beim  Anmachen  mit  Wasserglas  gleich  in's  Stocken  kommt  und  aus  den 
Gypsgüssen  Alkalisulfat  auswittert.  Ein  gutes  Härtemittel  ist  Kieselfluorwasser- 
stoifsäure. 

Stuck  ist  eine  in  der  Baukunst  vielfach  gebrauchte,  den  Marmor  imitirende 
Mörtelcomposition  aus  Gyps,  Kalk,  Sand,  Ziegelmehl,  Farbstoffen,  Marmor- 
staub u.  dgl.,  mit  Leimwasser  angemacht,  in  welcher  der  G)rps  der  vorherrschende 
Bestandtheil  ist.     Der  Stuck  nimmt  eine  schöne  Politur  an. 

Eine  ähnliche  Masse,  Scaliogla,  ist  ein  Gemisch  von  feinem  gebrannten 
Gyps,  rohem  Gypsspath  und  Leimwasser.  Die  unter  dem  Namen  Tripolith 
neuerdings  im  Handel  vorkommende  Masse  ist  ein  Gemenge  von  etwa  75^  Gyps 
mit  Thon,  Sand,  kohlensaurem  Kalk  und  Coks  (12J);  es  hat  keine  Vorzüge 
vor  gewöhnlichem  Gyps. 

Das  Brennen  des  Gypssteins  im  Grossen  gleicht  im  Allgemeinen  dem  Kalk- 
brennen; nur  muss  die  Temperatur  eine  viel  niedrigere  sein,  und  wegen  der 
leichten  Reducirbarkeit  des  Calciumsulfats  darf  das  Brennmaterial  nicht  mit  dem 
Gyps  in  Berührung  kommen.  Man  erhitzt  das  Rohmaterial  wohl  in  eisernen 
Kesseln  oder  in  Cylindem  oder  backofenähnlichen  Oefen.  In  dem  RAMDOHR'scben 
Ofen  wird  der  Gyps  in  stehenden,  eisernen  Retorten  gebrannt,  deren  oberer 
Theil  von  der  Flamme  einer  Rostfeuerung  umspielt  wird,  während  der  untere 
Theil  aus  dem  Ofen  herausragt,  so  dass  hier  der  gebrannte  G)^s  sich  abkühlen 
kann.  Auch  der  HoFFMANN*sche  Ringofen  kann  zum  Gypsbrennen  benutzt  werden. 
Neuerdings  sind  mehrfach  Gypsbrennöfen  patentirt  worden. 

Das  Calciumsulfat  bildet  mit  einigen  andern  Sulfaten  Doppelsalze. 

Calcium-Ammoniumsulfat,  CaSO^,  (NH^)jSO^ -|- HjO,  kommt  in  den  Borsäure- 
Lagunen  Toskanas  vor  (O.  Popp)  (51).  Concentrirte  Ammoniumsulfatlösung  löst  Gyps;  bei  be- 
stimmter Concentration  scheidet  sich  das  Doppelsulfat  aus  [H.  Rose  (52),  Fassbender  (53)]. 
Die  Übrigen  Doppelsulfatc  siehe  bei  den  betreffenden  Metallen. 

Calciumthiosulfat,  thioschwefelsaures  (auch  unterschwefligsaures  genannt)  Calcium. 
Nach  dem  Vermischen  heisser,  concentrirter  Lösungen  von  Chlorcalcium  und  Natriumthiosulfat 
und  Verdampfen  unterhalb  50°  krystallisirt  erst  Chlornatrium,  dann  beim  Erkalten  Calciumthio- 
sulfat (Kessler)  (54).  Es  wird  auch  durch  Erhitzen  von  Calciumsullit  und  Schwefel  mit  Wasser 
erhalten  oder  durch  Kochen  von  Kalkmilch  und  Schwefel  und  Durchleiten  von  Schwefligsäure- 
gas  bis  zur  Entfärbung  (Herschell)  (55).  Es  bildet  sich  auch  bei  Oxydation  von  Schwcfel- 
calcium  an  der  Luft,  z.  B.  aus  dem  Rückstande  der  Sodafabriken.  Das  Salz  bildet  wasserhelle, 
grosse,  sechsseitige  Säulen  des  triklinischen  Systems  von  der  Zusanmiensetzung  CaSjO,  -f-  6HjO. 
Die  Krystalle  verwittern  an  der  Luft  bei  40**,  1  llil.  Salz  löst  sich  in  1  ThL  Wasser  von  3** 
(Herschell).  Beim  Erhitzen  der  conc.  Lösung  tiber  60®  bildet  sich  unter  Schwefelausscheidnng 
Calciumsulfit.  Es  dient  zur  Darstellung  von  Antimonzinnober  (vergl.  pag.  9),  auch  als  Heil- 
mittel gegen  Hautkrankheiten  und  innerlich  gegen  Lungenphthisis. 

Calciumdithionat,  unterschwcfelsaures  Calcium,  CaSjOg+4H,0,  wie  das 
Bariumsalz  zu  erhalten.  Luftbeständige,  rhomboedrische  Krystalle,  welche  in  festem  Zustande 
die  Ebene  des  polarisirten  Lichtes  ablenken  (Pape)  (56).     VoL-Gew.  2' 18  (Topsöe)  (57).     Die 


« 


«  Calcium.  445 

Krystalle  verwittern  bei  78®;  löslich  in  2-46  Thln.  Wasser  von  19®,  unlöslich  in  Alkohol 
^Heeren)  (58). 

Calciumselenit,  selenigsaures  Calcium,  CaSeOj,  wenig  lösliches,  krystallinisches 
Salz,  wird  beim  Fällen  von  Chlorcalcium  mit  selcnigsaurem  Natrium  in  kleinen  Prismen  erhalten, 
welche  die  Zusammensetzung  SCaSeOj-l- 4H2O  haben  (Nilson)  (59).  Aus  der  Lösung  von 
1  Mol.  CaO  in  2  Mol.  seleniger  Säure  scheiden  sich  beim  Verdunsten  schöne,  monoklinische 
Säulen,  CaSeOj,  HjSeOj-f-HjO,  ab,  bei  höherer  Temperatur  sechsseitige  Tafeln  von  der 
Zusammensetzung  2 CaO,  HjO,  4Se02  (Nilson). 

Calciumselenat,  selensaures  Calcium,  CaSeO^ -|- 2H2O,  isomorph  mit  Gyps,  dem 
es  Überhaupt  völlig  gleicht.  Die  Löslichkeit  in  Wasser  ist  dieselbe.  Das  gebrannte  Selenat 
bindet  Wasser  gerade  wie  gebrannter  Gyps  (v.  Hauer). 

Calciumtellurit,  tellurigsaures  Calcium.  Man  kennt  ein  neutrales  Salz  CaTeO,, 
ein  Bitellurit  CaTe^Oj  und  ein  Tetratellurit  CaTe^Og.  Das  erste  ist  unlöslich,  schmilzt  noch 
nicht  bei  Silberschmelzhitze,  das  zweite  schmilzt  bei  Weissgluth  und  bildet  beim  Erstarren  perl- 
mutterglänzende Schuppen;  das  dritte  ist  noch  leichter  schmelzbar. 

Calcium tellurat,  tellursaures  Calcium,  CaTeO^,  weisse,  in  siedendem  Wasser  lös- 
liche Flocken. 

Calciumorthophosphate.  —  1.  Tricalciumorthophosphat,  neutrales 
phosphorsaures  Calcium,  Ca3(P04)2.  Dieses  Phosphat  bildet  den  wesent- 
lichen Bestandtheil  der  Knochen  (etwa  80^).  Nach  Aeby  (60)  enthalten  die 
Knochen  eine  Verbindung  von  Tricalciumphosphat  und  Calciumcarbonat, 
3Ca3(P04)2,  CaCOj,  neben  beigemischtem  Calciumcarbonat.  Das  Calcium- 
phosphat  findet  sich  auch  in  den  weichen  und  flüssigen  Theilen  des  Thierkörpers, 
sowie  in  den  Pflanzen.  Es  kommt  ziemlich  häufig  und  bisweilen  in  grosser 
Menge  im  Mineralreich  vor.  Die  Koprolithen,  Knochen  und  Excremente 
fossiler  Thiere,  enthalten  wesentlich  dies  Phosphat,  daneben  noch  Trimagnesium- 
phosphat,  Calciumcarbonat,  Magnesiumcarbonat,  Ferriphosphat,  Fluorcalcium, 
Sand,  organische  Stoffe  (Harnsäure).  Mit  Chlorcalcium  und  Fluorcalcium  ver- 
bunden bildet  es  den  Apatit,  3Ca3(P04)2,  Ca(Cl,  Fl)2,  ein  hexagonal  krystalli- 
sirendes  Mineral  von  der  Härte  5  und  dem  Vol.-Gew.  3-2— 3'5.  Der  Apatit  ist 
auch  künstlich  dargestellt  worden.  Manross  (42)  hat  ihn  durch  Glühen  von 
Natriumphosphat  mit  einem  Ueberschuss  von  Chlor-  und  Fluorcalcium  erhalten, 
Forchhammer  (61)  durch  Schmelzen  von  Tricalciumphosphat  mit  Chlornatrium, 
H.  Ste.  Claire-Deville  und  Caron  (62)  durch  Glühen  von  Tricalciumphosphat 
mit  ^  Fluorcalcium  und  einem  Ueberschuss  von  Chlorcalcium,  Debrav  (63)  durch 
Erhitzen  von  Bicalciumphosphat,  CaHPO^,  mit  einer  Chlorcalciumlösung  auf  250°. 
Grosse  Lager  von  Phosphorit,  einem  dem  Apatit  ähnlichen  Minerale,  finden 
sich  in  Spanien  in  der  Provinz  Estremadura,  in  Deutschland  namentlich  im  Lahn- 
thale.  Diese  Phosphate  werden  in  Monocalciumphosphat  umgewandelt  und  bilden 
dann  ein  werthvolles  Düngmittel. 

Man  erhält  das  Tricalciumphosphat  durch  Fällen  einer  mit  Ammoniak  ver- 
setzten Chlorcalciumlösung  mit  gewöhnlichem  Natriumphosphat,  NajHPO^,  als 
weissen,  gelatinösen  Niederschlag.  Aus  der  essigsauren  Lösung  desselben  kann 
das  Phosphat  krystallisirt  erhalten  werden.  Durch  Lösen  von  Knochenasche  in 
Salzsäure  und  Fällen  mit  Ammoniak  erhält  man  das  Phosphat  verunreinigt  mit 
Ammonium-Magnesiumphosphat,  Fluorcalcium  u.  s.  w. 

Das  Tricalciumphosphat  ist  nahezu  unlöslich  in  Wasser.  Die  Gegenwart 
von  Ammoniaksalzen,  besonders  Salmiak  (Wöhler)  (64),  erhöht  die  Löslichkeit, 
ebenso  die  von  Chlomatrium  oder  Natriumnitrat  (Liebig)  (65).  Citronensaures 
Ammoniak,  in  Lösung  von  109  Vol.-Gew.,  löst  bei  30—35°  den  gefällten  phos- 


44^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

phorsauren  Kalk  völlig,  nicht  aber  den  Phosphorit  Auch  Wasser,  welches  Stärke- 
mehl, Thierleim  oder  andere  organische  Stoflfe  enthält,  wirkt  lösend  [Vauqüeun 
(66),  WöHLER  (67)].  Säuren  lösen  das  Phosphat  leicht,  indem  sie  ihm  Kalk  ent- 
ziehen, selbst  kohlensäurehaltiges  Wasser,  welcher  Umstand  für  die  Assimilation 
des  Phosphats  durch  die  Pflanzen  wichtig  ist  Nach  Liebig  löst  1  Liter  mit 
Kohlensäure  gesättigtes  Wasser  bei  5—10°  0*527 — 0*60  Grm.,  und  wenn  es  noch 
IJ  Salmiak  enthält,  0*739  Grm.  Phosphat 

Bei  der  Einwirkung  von  Schwefelsäure  entsteht  neben  G3rps  MonoCalcium- 
Phosphat:  CaaCPO^),  H-  2HaS04  =  CaH4(P04)a  4-  2CaS04.  Wenn  aber  noch 
neutrales  Salz  zugegen  ist,  so  entsteht  durch  Einwirkung  desselben  auf  das  Mono- 
calciumsalz  (zweifach  saure  Salz)  auch  das  einfach  saure  Calciumphosphat: 
CaH^CPOJj  -f-  CasCPOJ^  =  4CaHP04. 

Nach  KoLB  entsteht,  wenn  2  Mol.  Schwefelsäure  auf  1  Mol.  Tricalcium- 
phosphat  einwirken,  zunächst  Gyps  und  freie  Phosphorsäure,  welche  erst  allmäh- 
lich das  einfach  saure  Salz  bildet  (68). 

Das  phosphorsaure  Calcium  ist  in  wässriger  schwefliger  Säure  löslich.  Bdo 
Erhitzen  der  gesättigten  Lösung  scheidet  sich  unter  Entwicklung  von  schwefliger 
Säure  ein  Niederschlag  von  der  Zusammensetzung  CsiJl^^TO^)^,  CaSOj+HjO 
ab  (Gerland)  (69). 

2.  Bicalciumphosphat,  einfach  saures  phosphorsaures  Calcium, 
CaHPO^  oder  Ca2Hj(P 04)3,  wird  aus  einer  Chlorcalciumlösung  durch  Natrium- 
phosphat, NajHPO^,  gefällt.  Weisser,  krystallinischer,  in  Wasser  fast  unlöslicher 
Körper.  Wenn  man  Chlorcalcium  zu  einer  mit  Essigsäure  angesäuerten  Lösung 
von  Natriumphosphat  giebt,  so  bildet  sich  ein  krystallinischer  Niederschlag 
CaHP04  -h  2H2O,  der  sich  im  Gegensatz  zu  dem  wasserfreien  Salz  in  Essig- 
säure nur  schwierig  löst.  Das  Salz  mit  2  Mol.  Wasser  kommt  im  Holze  der 
Tectonia  grandis  und  im  Belugenstein,  einer  Concretion  aus  dem  Störe,  vor 
(Wöhler)  (70).  In  Säuren,  selbst  in  kohlensäurehaltigem  Wasser,  ist  das  Bi- 
calciumphosphat löslich.  Auch  die  Gegenwart  von  Salzen,  besonders  Salmiak, 
erhöht  die  Löslichkeit  in  Wasser.  Beim  Glühen  geht  dies  Salz  in  Calciumpjro- 
phosphat  über. 

3.  Monocalciumphosphat,  zweifach  saures  phosphorsaures  Cal- 
cium, CaH4(P04)j.  Wenn  man  eines  der  vorhergehenden  Phosphate  in  der 
erforderlichen  Menge  Phosphorsäure  oder  einer  andern  Säure  löst,  so  erhält  man 
beim  Verdunsten  rhombische  Tafeln  dieses  Salzes,  welche  1  Mol.  Wasser  ent- 
halten. Beim  Erhitzen  der  concentrirten  wässrigen  Lösung  scheidet  sich  das  em- 
fach  saure  Salz  aus.  Beim  Erhitzen  des  Salzes  geht  bei  100*^  das  Krystallwasser 
fort,  dann  entsteht  ein  Gemenge  von  pyrophosphorsaurem  Calcium  und  Meta* 
phosphorsäure. 

Das  Monocalciumphosphat  ist  ein  technisch  sehr  wichtiges  Salz.  Es  dient 
zur  Darstellung  von  Phosphor  und  von  künstlichem  Dünger.  Man  wandelt  die 
Phosphate  der  Knochen,  des  Guanos  und  der  natürlichen  Phosphorite  durch  Be- 
handlung mit  Schwefelsäure  in  das  zweifach  saure  Calciumphosphat  um.  Dabei 
entsteht  natürlich  eine  der  angewendeten  Menge  Schwefelsäure  entsprechende 
Menge  Gyps.  Diese  Gemenge  führen  im  Handel  den  Namen  Superphosphat 
Näheres  darüber  in  dem  Art.  Dünger. 

Calciumpyrophosphat,  CagP^O^,  durch  Fällen  von  Chlorcalcium  mit  pyrophospborsaiiiem 
Natrium  zu  erhalten.  Amorpher,  weisser  Niederschlag  Ca^PjO^  +  4HjO.  Aus  der  Ldsong  in 
Essigsäure  wird  das  Salz  in  Krystallkrusten   erhalten  (Baer)  (71).     Bdm  Gltthen  gehen  4H,0 


Calcium.  447 

fort    Es  wird  durch  Wasser  bei  280°  in  freie   Phosphorsäure  und  Orthophosphorsäuren  Kalk 
zcrsctrt  (Reynoso)  (72). 

Calciumnietaphosphat,^Ca(P0j)2,  witd  durch  L,ösen  von  Calciumcarbonat  in  Phosphor- 
säurc,  Abdampfen  und  Erhitzen  auf  über  300®  erhalten  (Maddrell)  (73).  —  Dimetaphosphor- 
saures  Calcium,  CaP^Og  +  SH^O,  entsteht  durch  Fällen  von  Chlorcalcium  mit  dimetaphos- 
phoTsaurem  Natrium  (FtKiTMANN)  (74);  auf  analoge  Weise  tetraphosphorsauresCalcium, 
Ca,P|Oi,  oder  CaOCa2(PO,)4,  weisses,  unschmelzbares  Krystallpulver  (Fleitmann  und  Henne- 
berg) (75);  femer  hexaphosphorsauresCalcium,  ein  voluminöser,  bald  dicklich  werdender 
Niederschlag  (H.  Rose)  (76). 

Calciumhypophosphat,  unterphosphorsaures  Calcium,  CaPOj  oder  CajPjOg, 
wird  aus  Calciumsalzlösungen  durch  unterphosphorsaures  Natrium  als  sehr  schwer  löslicher, 
amorpher  Niederschlag  gefüllt  (Selzer)  (77). 

Calciumphosphit,  phosphorigsaures  Calcium,  CaHPO,.  Fällt  allmählich  nach 
dem  Vermischen  der  Lösungen  von  Chlorcalcium  und  phosphorigsaurem  Ammoniak.  Das  luft- 
trockene Sak  enthält  2H,0.  Beim  Glühen  entwickelt  sich  Wasserstoff,  und  es  hinterbleibt  pyro- 
phosphoTsaures  Calcium,  welches  durch  etwas  Phosphor  braun  gefärbt  ist  (H.  Rose)  (78), 
(Rammelsberg)  (79). 

Calciumhypophosphit,  unterphosphorigsaures  Calcium,  Ca(PH302)3. 
Darstellung  durch  Kochen  von  Kalkmilch  mit  Phosphor,  bis  dieser  unter  Entwicklung  von 
selbstentzündlichem   PhosphorwasserstofTgas    verschwunden  ist     Man  befreit   die  Lösung  durch 
Einleiten  von  Kohlensäure  von  überschüssigem  Kalk  und  verdunstet  das  Filtrat  zur  Krystallisation 
(H.  Rose)  (80).     Man  kann  auch  Phosphorkalk  mit  Wasser  zersetzen  und  die  Lösung  wie  vor- 
hin verarbeiten.     Das  Salz  krystallisirt  in  farblosen,   monoklinischen  Blättchen  von   Glasglanz. 
Beim    Glühen    entwickelt    sich    entzündliches    PhosphorwasserstofTgas;    im    Rückstand    ist    Kalk, 
Phosphorsäure  und  Phosphor.     Auch  Wasser  und  Wasserstoff  ist  bei   der  Zersetzung  gefunden 
worden,  so  dass  dieselbe  nach  der  Gleichung  TCaCPHjOj),  =  CaCPO,),  4-3Ca3P,Oy-f-6PH, 
4-  8H  +  H,0   stattzufinden  scheint  (Michaelis)  (81).     Das  Salz  löst  sich  in  6  Thln.  Wasser. 
Kalkhypophosphit-Syrup  wird  innerlich  gegen  Lungenschwindsucht  empfohlen. 
Calciumarseniat,   arsensaures  Calcium.     Das   neutrale  Sak,   Ca3(AsO^)3,   wird  als 
in  Wasser  unlöslicher,  in  Säuren  löslicher,  weisser  Niederschlag  erhalten. 

Das  saure  Arseniat,  CaHAsO^  oder  CajH3(As04)2,  wird  durch  Fällung  einer  Chlorcalcium- 
iösung  mit  Binatriumarseniatlösung  als  weisser  Niederschlag  erhalten.  Dies  Salz  ist^  5  Mol. 
Krystallwasser  enthaltend,  das  alsPharmakolith  bekannte  Mineral,  vom  Vol.-Gew.  2*6,  welches 
besonders  im  Harz  vorkommt,  meist  durch  Kobalt  röthlich  gefärbt.  Als  Haidingerit  ist  ein 
Mmcral,  CajHjCAsO^)^.  HjO,  bekannt. 

Das  sweifachsaure  Arseniat,  CaH4(As04)3,  ist  löslich  und  krystallisirbar. 
Calciumarsenit,    Ca3(As03)2,    wird    aus    Chlorcalciumlösung  durch    eine    Lösung   von 
arseniger  Säure  in  Ammoniakflüssigkeit  gefällt  (Simon)  (82).    Die  Zusammensetzung  der  in  Kalk- 
wasser mittelst  arseniger  Säure  hervorgebrachten  Niederschläge  ist  nicht  festgestellt. 

Calciumantimoniat,  Ca(SbOj)2,  krystallinischer,  durch  Wechselzersetzung  erhaltener 
Niederschlag.  Beim  Fällen  in  der  Wärme  ist  der  Niederschlag  flockig  und  hat  die  Formel 
Ca(SbO,),  -h5H,0  (Heffter)  (83). 

Calciumcarbonat,  CaCOg,  gehört  zu  den  verbreitetsten  Mineralien.  Das- 
selbe kommt  unter  den  verschiedensten  Formen  vor,  die  meist  alle  besonders 
benannt  sind.  Es  ist  dimorph.  Der  Kalkspath  oder  Calci t  krystallisirt  in 
sehr  zahlreichen,  meist  hemiedrischen  Formen  des  hexagonalen  Systems.  In  der 
Grundfonn,  einem  stumpfen  Rhomboeder,  und  ganz  rein  und  durchsichtig  kommt 
der  Kalkspath  in  Island  vor.  Diese  Varietät  hat  den  Namen  isländischer 
Doppelspath,  weil  sie  die  Doppelbrechung  des  Lichtstrahls  besonders  gut  zu 
beobachten  gestattet.  Das  Vol.-Gew.  des  Kalkspaths  ist  2*723,  seine  Härte  =  3. 
Die  dimorphe  Modification,  der  Arragonit,  krystallisirt  im  rhombischen  System; 
sein  VoL-Gew.  ist  2-95,  Härte  =  3-5.    Der  Marmor  ist  kömig  krystallinisches 


44^  HandwörterbucK  der  Chemie. 

Calciumcarbonat,  häufig  geförbt  durch  Metalloxyde  und  kohlehaltige  Stoffe.  Als 
Kalkstein  bezeichnet  man  die  einen  grossen  Theil  der  sedimentären  Gesteine 
ausmachenden  Ablagerungen  von  kohlensaurem  Kalk.  Der  Muschelkalk  be- 
steht fast  ganz  aus  Versteinerungen  einer  vorweltlichen  Fauna.  Der  Kalksteia 
ist  selten  rein;  Eisen-  und  Magnesiumcarbonat,  sowie  Thon  sind  in  der  Regel 
vorhanden.  Ist  die  Menge  Thon  erheblich,  so  geht  der  Kalkstein  in  Mergel 
über,  in  Gesteine,  welche  nach  dem  Brennen  hydraulische  Kalke  liefern  (s.  pag.  431). 

Kreide  ist  ein  erdiges  Calciumcarbonat,  wesentlich  aus  den  Schalen  mikro- 
skopischer Polypen  bestehend.  Kalktuff,  ein  sehr  poröser  Kalkstein,  Kalk- 
sinter, Sprudelstein,  Tropfstein,  Oolithenkalk  sind  Kalkarten,  die  sich 
aus  kohlensäurehaltigem  Wasser  abgeschieden  haben.  Ein  jedes  irdische  Wasser, 
besonders  Quellwasser,  welches  aus  Kalkboden  kommt,  enthält  Calciumcarbonat, 
welches  darin  in  Folge  der  Gegenwart  von  Kohlensäure  gelöst  ist. 

Femer  findet  das  Calciumcarbonat  sich  im  Thierreich.  Es  bildet  ungeßihi 
^  des  Knochengerüstes  der  Wirbelthiere  und  ist  der  Hauptbestandtheil  der  Eier- 
und  Muschelschalen.  Im  Pflanzenreiche  bildet  es  oft  Concretionen  im  Blattei- 
gewebe,  z.  B.  in  der  Oberhaut  der  Cacteen,  in  den  Blättern  des  Feigenbaums  u.  s.  w. 
Jede  Pflanzenasche  enthält  kohlensauren  Kalk. 

Aus  der  Lösung  eines  Kalksalzes  wird  durch  kohlensaure  Alkalien,  aus  Kalk- 
wasser durch  Kohlensäure  Calciumcarbonat  als  weisses  Pulver  gefällt  Die  Bilduugs- 
wärme  (CaO  -h  CO2)  ist  =  42490  Cal. 

Das  Volumgewicht  des  gefällten  amorphen  Calciumcarbonats  ist  2*716.  D« 
durch  wenig  Kohlensäure  in  kaltem  Kalkwasser  entstehende  Niederschlag  ver- 
wandelt sich  bald  in  Kalkspathrhomboeder,  der  in  heissem  Kalkwasser  entstehende 
in  Arragonitkrystalle  (G.  Rose)  (84).  Aus  einer  Lösung  von  kohlensaurem  Kalk 
in  kohlensäurehaltigem  Wasser  scheiden  sich  bei  hoher  Temperatur  (über  90^^ 
Arragonitkrystalle,  bei  niedriger  Rhomboeder  aus  (G.  Rose). 

In  der  Glühhitze  zerfallt  das  Calciumcarbonat  in  Kalk  und  Kohlensäure. 
Wird  dabei  aber  die  Kohlensäure  zurückgehalten,  so  erreicht  die  Zersetzung  eine 
Grenze,  welche  von  der  Glühtemperatur  und  dem  Druck  der  vorhandenen  Kohlen- 
säure abhängig  ist.  Bei  860°  tritt  diese  Grenze  bei  85  Millim.  Druck,  bei  1040° 
erst  bei  520  Millim.  Druck  der  Kohlensäure  ein.  Wenn  die  Kohlensäure  nidit 
entweichen  kann,  so  schmilzt  das  Calciumcarbonat  in  hoher  Temperatur  und 
erstarrt  beim  Erkalten  kömig  krystallinisch,  so  dass  die  Masse  von  carrariscbem 
Marmor  nicht  zu  unterscheiden  ist.  Diese  schon  1805  von  James  Hall  (85)  beob- 
achtete Thatsache  ist  von  G.  Rose  und  Siemens  (86)  bestätigt  worden. 

Die  Löslichkeit  in  Wasser  ist  sehr  gering.  1  Th.  bedarf  16600  Thle.  kaltes, 
8860  Thle.  siedendes  Wasser  zur  Lösung.  Durch  Gegenwart  von  freiem  oder 
kohlensaurem  Ammoniak  wird  die  Löslichkeit  noch  verringert;  es  sind  dann 
65000  Thle.  erforderlich  (Fresenius).  Bei  anhaltendem  Kochen  einer  Lösung 
von  zweifach-kohlensaurem  Kalk  bleiben  im  Liter  34  Milligrm.  gelöst  (Hofmanx) 
(87).  In  wässrigen  Ammoniaksalzen,  besonders  Salmiak,  löst  sich  das  Calcium- 
carbonat leicht  (A.  Vogel)  (88).  Kohlensäurehaltiges  Wasser  löst  den  kohlensauren 
Kalk  viel  leichter  als  reines  Wasser.  Man  kann  in  der  Lösung  das  Vorhanden- 
sein von  doppeltkohlensaurem  Kalk  annehmen.  Beim  Kochen  der  Lösung  scheidet 
sich  unter  Kohlensäure -Entwicklung  kohlensaurer  Kalk  aus.  Mit  Kohlensäure 
gesättigtes  Wasser  kann  unter  gewöhnlichem  Druck  im  Liter  bei  0**  0*7  Grm., 
bei  10°  0*88  Grm.  kohlensauren  Kalk  lösen.  In  den  natürlichen  Wässern  wird 
die  Kohlensäure  ursprünglich  unter  einem  hohem  als  dem  Atmosphärendruck  ge- 


Calcium.  449 

halten.  Wenn  nun  solche  Wässef  an  die  Erdoberfläche  kommen,  so  entweicht 
ein  Theil  Kohlensäure  und  die  entsprechende  Menge  kohlensaurer  Kalk  scheidet 
sich  aus.  Dies  ist  die  Ursache  davon,  dass  manche  Quellen  Sinter  und  Sprudel- 
stein absetzen,  sowie  von  der  Bildung  der  Stalaktiten  und  Stalagmiten. 

Das  Calciumcarbonat  erfahrt  eine  ausgedehnte  Anwendung.  Der  isländische 
Doppelspath  wird  in  optischen  Instrumenten,  besonders  Polarisationsapparaten 
(da  die  gebrochenen  Lichtstrahlen  polarisirt  sind)  angewendet.  Die  Verwendung 
des  Marmors*)  und  Kalksteins  in  der  Baukunst  und  Sculptur  ist  allgemein  bekannt. 
Der  aus  dem  Kalkstein  dargestellte  gebrannte  Kalk  wird  in  der  chemischen  In- 
dustrie in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  angewendet,  wenn  man  eine  alkalische 
Substanz  nöthig  hat.  Der  dichte  Kalkstein  von  Solenhofen  und  Pappenheim  ist 
der  lithographische  Stein.  Die  Kreide  findet  vielfache  Anwendung  in  der  In- 
dustrie und  zu  häuslichen  Zwecken. 

Gewässertes  Calciumcarbonat,  CaCO,  -t-  öHjO.  Dieses  Salz  scheidet  sich  aus  einer 
Zuckerkalklösung,  wenn  ein  galvanischer  Strom  hindurchgeleitet  wird,  an  der  positiven  Electrode 
ab  (Becquerel)  (89);  bildet  sich  auch  beim  Einleiten  von  Kohlensäure  in  Kalkwasser  oder  in 
Zuckerkalk  oder  durch  Doppelzersetxung  bei  0  bis  2°  (P£LOUZe)  (90).  Das  Volumgewicht  dieser 
in  spitzen  Rhomboedem  krystallisirenden  Verbindung  ist  1*78.  Bei  30^  zersetzt  es  sich  in 
Wasser  und  gewöhnliches  Carbonat 

Barium-Calciumcarbonat,  BaCO,,  CaCO,.  Dieses  Doppelsalz  kommt  als  Baryto- 
calcit  in  monoklinischen,  als  Alstonit  oder  Bromlit  in  rhombischen  Formen  in  der  Natur 
vor.  Es  ist  künstlich  nicht  dargestellt  worden.  Wasser,  welches  doppeltkohlensauren  Kalk  ent- 
hält, wird  durch  Barytwasser  und  Erwärmen  getrübt,  indem  sich  ein  aus  Bariumcarbonat  und 
Calciumcarbonat  bestehender  Niederschlag  abscheidet  (Knapp)  (91). 

Calciumsilicate.  Die  Mineralien,  welche  ein  Calciumsilicat  enthalten,  sind  ausserordentlich 
zahlreich.  Der  Wollastonit  besteht  aus  normalem  Calciumsilicat  allein,  CaSiO,,  krystallisirt 
tesseral  mit  geneigtflächiger  Hemiedrie.  Die  Gruppe  der  Zeolithe  wird  von  wasserhaltigen 
Thonerde-Kalksilicaten  gebildet,*  Apophyllit  hat  die  Zusammensetzung  4k(li^C&Si^0^y  ^s^) 
-i-KF,  Diopsid  Ca(Mg)SiO,  u.  s.  w.  Das  Calciumsilicat  ist  insofern  von  grosser  Wichtig- 
keit, als  es  einen  Hauptbestandtheil  des  Glases  ausmacht. 

Wenn  eine  ChlorcalciumlÖsung  mit  Wasserglaslösung  versetzt  wird,  so  bildet  sich  ein  weisser, 
gelatinöser  Niederschlag  von  Calciumsilicat,  welcher  in  Wasser  unlöslich,  in  Salzsäure  löslich  ist. 
Nach  dem  Trocknen  an  der  Luft  enthält  er  noch  sehr  viel  Wasser.  Kohlensäure  zersetzt  ihn 
allmählich,  auch  Wasser  bei  sehr  lang  dauernder  Berührung.  Auch  nach  dem  Glühen  wird  er 
von  Salzsäure  zersetzt,  die  je  nach  der  stattgehabten  GlUhtemperatur  entweder  gelatinöse  oder 
harte  Kieselsäure  zurUcklässt.  Nach  Heldt  hat  das  durch  Fällen  von  Chlbrcalcium  mit  Kalium- 
sflicat,  (K^O,  3SiOj),  gefällte  Calciumsilicat  nach  dem  Trocknen  bei  100°  die  Zusammensetzung 
CaO-3SiO, -l-HjO  (92).  Der  gelatinöse  Niederschlag  wird  allmählich  kiystallinisch.  Calcium- 
silicate werden  auch  durch  Zusammenschmelzen  von  Kieselsäure  und  Kalk  oder  Calciumcarbonat 
erhalten. 

Calci umfluosilicat,  CaFl,»  SiFl^,  wird  in  regelmässigen,  tetragonalen  Prismen  durch 
Verdampfen  einer  Lösung  von  Kalk  in  Kieselfluorwasserstoffsäure  dargestellt  Wasser  zersetzt 
es  zum  Theil,  indem  sich  Fluorcalcium  abscheidet.  Es  löst  sich  ohne  Zersetzung  in  Salzsäure. 
Calciumborate.  Ein  Borat  von  der  Formel  CaB^O^ -f- 6H3O  bildet  das  als  Boro  calci  t 
oder  Hayesin  bekannte  Mineral,  welches  bei  Iquique  in  Peru,  auch  in  Toskana  vorkommt. 
Das  Borat  kann  durch  Zusammenschmelzen,  durch  wechselseitige  Zersetzung  oder  durch  Auflösen 
von  kohlensaurem  Kalk  in  Borsäure  dargestellt  werden.  Durch  Schmelzen  von  Kalk  mit  über- 
schfissiger  Borsäure  und  Chlomatriumkalium  erhält  man  Krystalle  CaB^O^.  Man  gebraucht  das 
Mineral   cur   Gewinnung  von  Borsäure,  auch  als  Schmelzmittel. 


*)  Die  weltberühmten  Marmorbrüche  von  Carrara  wurden  schon  seit  der  Zeit  der  Römer 
ausgebeutet.  Sie  sind  8  Kilom.  lang;  der  jährliche  Export  beträgt  100000  Centner  im  Werthe 
von  etwa  1   BAOl.  Maift. 

TtAjDtBnvstGf  Chemie.    11.  29 


450  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Ein  Calciumborosilicat  von  der  Zusammensetzung  Ca^Si^O^,  60, 0,,  H,0  ist  der 
Datolith,  welcher  in  schönen,  monoklinen  Krystallen  vom  VoL-Gew.  2*8 — 3  bei  Arendal  in 
Norwegen  gefunden  wird. 

Aehnlich  zusammengesetzt  ist  das  im  rhombischen  System  krystallisirende  Mineral  Danburit, 
CaSijOj,  B,0,.    Vol.-Gew.  2*95. 

Calciumfluoborat,  CaBo^Flg,  ein  durch  Wasser  zersetzbares  Pulver,  welches  sich  beim 
Behandeln  von  kohlensaurem  Kalk  mit  Borfluorwasserstofisäure  bildet. 

Calciumaluminat  ist  ein  weisser,  gelatinöser  Niederschlag,  den  man  nach  Pei.ouzs  dordi 
Zusatz  von  Chlorcalcium  zu  einer  Lösung  von  2  Thln.  Alaun  erhält,  die  mit  10  Thln.  Kali- 
hydratt  in  Alkohol  gelöst,  versetzt  ist  (93).  Die  Verbindung  ist  sehr  schmelzbar  und  löst  &di 
leicht  in  Säuren. 

Analytisches  Verhalten. 

Die  nichtleuchtende  Gasflamme  wird  durch  flüchtige  Calciumverbindungen, 
besonders  Chlorcalcium,  roth  gefärbt  Das  an  Linien  reiche  Spectnim  dieser 
Flamme  zeigt  als  besonders  charakteristisch  eine  grüne  Linie  Caß  und  eine 
orange  Caa. 

Reactionen  der  Lösungen.  Kalkwasser  reagirt  stark  alkalisch,  bräunt 
Curcuma-  und  bläut  Lakmuspapier. 

In  den  Lösungen  der  Calciumsalze  bringen  bei  nicht  zu  grosser  Verdiinnung 
Aetzalkalien  einen  Niederschlag  hervor.    Ammoniak  fällt  nichts  aus  denselben. 

Die  Alkalicarbonate,  Natriumphosphat,  -arseniat  und  -berat  ver- 
halten sich  wie  gegen  Bariumverbindungen. 

Bariumcarbonat  fallt  nur  theilweise  und  nach  langem  Kochen. 

Oxalsäure  rufl  selbst  in  sehr  verdünnten  Lösungen  einen  weissen  Nieder- 
schlag von  Calciumoxalat  hervor.  Uebersättigen  mit  Ammoniak  befordert  das 
Absetzen  desselben.  In  Salz-  und  Salpetersäure  ist  das  Oxalat  löslich,  in  Essig- 
säure nicht. 

Verdünnte  Schwefelsäure  oder  verdünnte  Lösungen  von  Sulfaten  erzeugen 
in  verdünnten  Kalklösungen  keinen  Niederschlag.  Durch  Zusatz  von  Alkohol 
kann  indessen  die  ganze  Menge  Kalk  ausgefällt  werden.  Alkalicarbonate,  auch 
Ammoniumcarbonatlösung  zersetzen  das  Calciumsulfat  schon  bei  gewöhnlicher 
Temperatur. 

Kaliumchromat  fällt  nicht.  Ebensowenig:  Kieselfluorwasserstoffsäure, 
Schwefelammonium,  Schwefelwasserstoff. 

Trennung  und  quantitative  Bestimmung. 

Man  bestimmt  das  Calcium  als  Sulfat,  Oxalat,  Carbonat  oder  Oxyd.  Durch 
Fällen  mit  Ammoniumcarbonat  oder  -Oxalat  trennt  man  den  Kalk  von  den 
Alkalien,  mittelst  Schwefelwasserstoffs  bezw.  Schwefelammoniums  von  den  schweren 
und  Erdmetallen.  Ueber  die  Trennung  von  Baryt  s.  pag.  150.  Die  Trennung 
vom  Strontian  führt  man  auf  die  Weise  aus,  dass  man  die  als  Carbonate  gefällten 
Erden  in  verdünnter  Salpetersäure  löst  und  die  Lösung  zur  Trockne  verdampft 
Beim  Digeriren  der  Nitrate  mit  einer  aus  gleichen  Theilen  bestehenden  Mischung 
von  Alkohol  und  Aether  löst  sich  nur  das  Calciumnitrat  Die  Lösung  wird  mit 
Wasser  verdünnt  und  der  Kalk  mit  Schwefelsäure  oder  Oxalsäure  gefällt  Man 
kann  auf  diese  Weise  das  Calcium  auch  von  dem  Barium  trennen. 

Zur  Bestimmung  des  Calciums  als  Sulfat  setzt  man  bei  der  Fällung  mit 
Schwefelsäure  der  zu  fällenden  Lösung  das  l^fache  Volumen  starken  Alkohols 
zu  und  wäscht  den  Niederschlag  mit  wasserhaltigem  Alkohol  aus.  Vor  dem 
Glühen  muss  man  die  Filterasche  mit  etwas  Schwefelsäure  btfeuchten. 


Campher.  45 1 

Die  zweckmässigste  Fällung  des  Calciums  ist  die  als  Oxalat.  Der  durch 
oxalsaures  Ammoniak  aus  neutraler  oder  ammoniakalischer  Lösung  gefällte  Nieder- 
schlag setzt  sich  oft  langsam  ab,  schneller  aus  einer  erwärmten  Lösung.  Es 
empfiehlt  sich  nicht,  denselben  nach  dem  Trocknen  auf  gewogenem  Filter  zu 
wägen,  weil  der  Wassergehalt  nur  schwierig  zu  entfernen  ist.  Man  glüht  besser 
das  Oxalat  im  Platintiegel  einige  Zeit  zur  Weissgluth  und  wägt  nach  dem  Erkalten 
des  Tiegels  im  Exsiccator  das  Calciumoxyd.  Oder  man  ©rhitzt  das  Oxalat  nach 
dem  Trocknen  über  einer  kleinen  Flamme  zu  dunkler  Rothgluth  bei  Luftzutritt, 
damit  etwa  ausgeschiedene  Kohle  verbrennen  kann.  Da  leicht  etwas  Kohlensäure 
ausgeschieden  wird,  so  muss  die  Masse  mit  einer  concentrirten  Lösung  von 
Ammoniumcarbonat  befeuchtet  und  gelinde  erhitzt  werden. 

Wenn  der  Kalk  als  Phosphat  in  salzsaurer  Lösung  vorhanden  ist,  so  wird 
er  entweder  mit  Schwefelsäure  gefällt,  oder  man  muss,  um  mit  Oxalsäure  fällen 
zu  können,  an  Stelle  der  Salzsäure  eine  schwächere  Säure  bringen,  indem  man 
essigsaures  Natrium  zusetzt  oder  Ammoniumoxalat  in  hinreichendem  Ueberschuss 
anwendet;  oder  man  entfernt  die  Phosphorsäure  vorher  als  Ferriphosphat 

Maass analytisch  kann  man  das  Calcium  bestimmen,  indem  man  mit  einem 
bestimmten  Ueberschuss  titrirter  Oxalsäurelösung  fallt,  filtrirt,  das  Filtrat  mit 
Schwefelsäure  ansäuert  und  in  einem  aliquoten  Theil  desselben  den  Oxalsäure- 
überschuss  durch  Titriren  mit  Chamäleonlösung  bestimmt     Rud,  Biedermann. 

Campher.*)  Allgemeines.  Unter  Campherarten  versteht  man  eine  Gruppe 
von  Körpern,  welche  bisher  ausschliesslich  als  Produkte  des  Pflanzenreiches  auf- 

•)  i)  Kekulä,  Ann.  iio,  pag.  33.  2)  Armstrong,  Ber.  16,  pag.  2260.  3)  Dumas,  Ann.  6, 
pag.  252.  4)  Blanchet,  Sell,  Ann.  6,  pag.  291.  5)  Walter,  Ann.  28,  pag.  312.  6)  Walter, 
Ann-  32,  pag.  288.  7)  Kane,  Ann.  32,  pag.  285.  8)  Beckett,  Wright,  Jahresber.  1876, 
P*g-  504-  9)  LUGININ,  Ann.  chim.  [5]  23,  pag.  387.  10)  Kannonikow,  Ber.  14,  pag.  1699. 
11)  Oppenheim,  Ann.  120,  pag.  351.  12)  Oppenheim,  Ann.  130,  pag.  177.  13)  Menschutkin, 
Russ.  phys.  ehem.  Ges.  13,  pag.  569.  14)  Atkinson,  Yoshida,  Soc.  41,  pag.  50.  15)  Moriya, 
Soc.  39,  pag.  77.  16)  Beckett,  Wrigth,  Bull.  26,  pag.  86.  17)  Montgolfier,  Bull.  31, 
P^-  530-  18)  Pelouze,  Ann.  40,  pag.  326.  19)  Gerhard,  Ann.  45,  pag.  43.  20)  Bruylants, 
Ber.  II,  pag.  455.  21)  Berthelot,  Ann.  115,  pag.  245.  22)  Baubigny,  Zeitschr.  1867,  pag.  71, 
23)  Baubigny,  Z.  1868,  pag.  298.  24)  Kachler,  Ann.  197,  pag.  99.  25)  Montgolfier,  Ann. 
chim.  [5]  14,  pag.  38.  26)  Montgolfier,  Ber.  10,  pag.  729.  27)  G.  Arth,  Compt.  rend.  97, 
pag.  323.  28)  L.  Jackson  u.  Menke,  Am.  ehem.  jour.  5,  pag.  270.  29)  Kachler,  Spffzer, 
Monatshefte  2,  pag.  235.  30)  Berthelot,  Ann.  112,  pag.  366.  31)  Kachler,  Spitzer,  Ann.  200, 
pag.  342.  32)  Kachler,  Spitzer,  Monatshefte  i,  pag.  588.  33)  Riban,  Ann.  ehim.  [5]  6, 
pag.  382.  34)  Haller,  Compt.  rend.  94,  pag.  869.  35)  G.  Arth,  Compt.  rend.  94,  pag.  872. 
36)  Kachler,  Ann.  164,  pag.  78.  37)  Oppenheim,  Pfaff,  Ber.  7,  pag.  626.  38)  Hanbüry, 
FlGckiger,  Jahresber.  1874,  pag.  537.  39)  Jeanjean,  Ann.  201,  pag.  95.  40)  Perrot,  Ann.  105, 
pag.  67.  41)  Armstrong,  Tilden,  Ber.  13,  pag.  1755.  42)  Bentham,  Flora  Austral.  3  [1866], 
pag.  142.  43)  ScHMiDL,  Jahresber.  1860,  pag.  480.  44)  Blanchet,  Ann.  7,  pag.  161.  45)  Wright, 
Lambert,  Ber.  7,  pag.  598.  46)  Kawalier,  Wien.  Acad.  Ber.  9,  pag.  313.  47)  Grosser, 
Ber.  14,  pag.  2485.  48)  Jacobsen,  Ann.  157,  pag.  232.  49)  Gintl,  Jahresber.  1879,  pag.  941. 
50)  Wright,  Jahresber.  1875,  pag.  852.  51)  Vogel,  Berz,  Jahresber.  24,  pag.  479.  52)  Wagner, 
J.  1853,  pag.  516.  53)  Gorup-Besanez,  Ann.  89,  pag.  214.  54)  Faust,  Homeyer,  Ber.  7, 
pag.  1427.  55)  HiRZEL,  Jahresber.  1854,  pag.  592.  56)  Kraut,  Wahlforss,  Ann.  128,  pag.  294. 
57)  VöLCKEL,  Ann.  87,  pag.  315.  58)  Herzog,  Jahresber.  1858,  pag.  444.  59)  Perrot,  BuU.  soc. 
chim.  [2]  7,  pag.  313.  60)  Roretz,  Jahresber.  1875,  P^^-  '^S^-  61)  Dumas,  Ann.  6,  pag.  248. 
62)  Laixemand,  Ann.  114,  pag.  197.  63)  MuiR,  Soe.  37,  pag.  685.  64)  Rochleder,  Ann.  44, 
pag.  I.,  65)  Faltin,  Ann.  87,  pag.  376.  66)  Döpping,  Ann.  49,  pag.  350.  67)  Oppenheim, 
Ber.    5,    pag.  613.     68)  Bkrthelot,   Ann.  iio,   pag.  367.     69)  Kachler,  Ann.  164,  pag.  77. 

29» 


452  Handwörterbuch  der  Chemie. 

gefunden,  dagegen  s)mthetisch  aus  Körpern  von  bekannter  Constitution  noch  nicht 
dargestellt  worden  sind.  Sie  sind  fest,  leicht  flüchtig,  von  starkem  Geruch,  meist 
optisch  aktiv  und  dann  häufig  in  melireren  physikalisch  isomeren  Modificationen 
bekannt.  Die  wichtigsten  Campherarten  enthalten  10  Atome  Kohlenstoff  im 
Molekül;  kohlenstoffarmere  sind  bis  zur  Zeit  noch  nicht  aufgefunden  worden. 
Bezüglich  ihrer  chemischen  Eigenschaften  stehen  sie  in  nächster  Beziehung  zu 
den  Terpenen  (s.  d.),  und  mit  letzteren  zu  den  aromatischen  Verbindungen,  be- 
sonders zum  Cymol  (Para- Methyl -Normalpropyl- Benzol),  und  erscheinen  als 
Additionsprodukte  derselben,  resp.  als  deren  Derivate.  Das  liir  die  Campherarten 
charakteristische  Sauerstoffatom    enthalten   sie  bisweilen  in  der  Form  von  Gar- 


70)  Landolt,  Ann.  189,  pag.  334.  71)  Kekulä,  Fleischer,  Ber.  6,  pag.  936.  72)  Kachur, 
Ann.  159,  pag.  283;  Ber.  7,  pag.  1728.  73)  H.  Schulze,  Jour.  f.  pr.  Chem.  [2]  24,  pag.  171. 
74)  BiNEAU,  Ann.  chim.  phys.  [3]  34,  pag.  326.  75)  Landolph,  Jahresh.  1878,  pag.  640.  76)  Zhdlq, 
Jahresber.  1878,  pag.  645.  77)  Cazeneüve,  Bull.  36,  pag.  650.  78)  Perkin,  Chem.  Soc  J.  [2]  3, 
pag.  92.  79)  Cazeneüve,  Imbert,  Bull.  34,  pag.  209.  80)  Kraut,  Arch.  Pharm.  [2]  116, 
pag.  41.  81)  Armstrong,  Miller,  Ber.  16,  pag.  2259.  82)  Weyl,  Ber.  i,  pag.  94.  83)  Ray- 
MANS,  Preis,  Ber.  13,  pag.  346.  84)  Fittig,  Köbrich,  YilkE,  Ann.  145,  pag.  129.  85)  Mont- 
GOLPiER,  Ann.  chim.  [5]  14,  pag.  87.  86)  Reuter,  Ber.  16,  pag.  624.  87)  Schrötter,  Ber.  13, 
pag.  1621.  88)  Alex^ew,  Russ.  phys.  chem.  Ges.  12,  pag.  187.  89)  Flesch,  Ber.  6,  pag.  478. 
90)  Delalande,  Berz.  Jahresher.  20,  pag.  381.  91)  Chautard,  Compt  rend.  44,  pag.  66. 
92)  Kachler,  Ann.  164,  pag.  90.  93)  Spftzer,  Ann.  196,  pag.  262.  94)  Spttzbr,  Monats- 
hefte I,  pag.  319.  95)  Pfaundler,  Ann.  115,  pag.  29.  96)  Kachler,  Spitzer,  Monatsh.  4, 
pag.  494.  97)  Kachler,  Ann.  162,  pag.  268.  98)  NÄgeu,  Ber.  16,  pag.  499.  99)  Wheeus, 
Ann.  146,  pag.  73.  100)  Cazeneüve,  BulL  soc.  chim.  39,  pag.  501.  loi)  Cazeneüve,  Compt 
rend.  94,  pag.  730.  102)  Keller,  Jahresber.  1880,  pag.  726.  103)  R.  Schiff,  Ber.  13,  pag.  1407. 
104)  Kachler,  Spitzer,  Monatsh.  3,  pag.  205.  105)  R.  Schiff,  Ber.  14,  pag.  1379.  106)  Kachlsi, 
SprrzER,  Monatsh.  4,  pag.  554.  107)  Zepharowich,  Monatsh.  3,  pag.  231.  108)  Hallki, 
Jahresber.  1878,  pag.  643.  109)  Cazeneüve,  Compt  rend.  96,  pag.  589.  iio)  R.  Schifp, 
PuLiTi,  Ber.  16,  pag.  887.  11 1)  Schrötter,  Monatsh.  2,  pag.  226.  112)  Chautard,  Jahres- 
ber. 1863,  pag.  555.  113)  RiBAN,  Bull.  24,  pag.  19.  114)  Kallen,  Ber.  6,  pag.  150S; 
Ber.  9,  pag.  154.  115)  Wright,  Ber.  6,  pag.  147.  116)  Kachler,  Ber.  4,  pag.  36.  117)  BfiU- 
STEIN,  KuPFFER,  Ann.  170,  pag.  290.  118)  Müller,  Jahresber.  1853,  pag.  514.  119)  Kams, 
Ann.  32,  pag.  286.  120)  Butlerow,  Jahresber.  1854,  pag.  594.  121)  Kachler,  Spttzeb, 
Monatsh.  4,  pag.  643.  122)  Kügler,  Ber.  16,  pag.  2841.  123)  Kachler,  Spitzer,  Monatsh.  4, 
pag.  470.  124)  Walter,  Ann.  48,  pag.  35.  125)  Schmidt,  Ber.  10,  pag.  189.  126)  Momt- 
GOLFiER,  Bull.  28,  pag.  414.  127)  Rizza,  Ber.  16,  pag.  23 11.  128)  Kachler,  Spitzer,  Ber.  13. 
pag.  1412.  129)  Silva,  Ber.  6,  pag.  1092.  130)  R.  Schiff,  Puuti,  Ber.  16,  pag.  887. 
131)  Delande,  Ann.  38,  pag.  337.  132)  Malin,  Ann.  145,  pag.  201.  133)  Kachler,  Ann.  169, 
pag.  192.  134)  Wreden,  Ber.  10,  pag.  714.  135)  Wreden,  Ann.  163,  pag.  323,  136)  Wrkhen, 
Ann.  187,  pag.  156.  137)  Ballo,  Ann.  197,  pag.  322.  138)  Meyer,  Ber.  3,  pag.  117- 
139)  Hlasiwetz,  Ann.  145,  pag.  205.  140)  I^elt,  Ber.  16,  pag.  2621.  141)  LoiR,  Aiui. 
chim.  [3]  38,  pag.  483.  142)  Mai^guti,  Ann.  chim.  [2]  70,  pag.  360.  143)  Anschütz,  Ber.  lo* 
pag.  1881.  144)  Brodie,  Jahresber.  1863,  pag.  319.  145)  Moftessier,  Ann.  120,  pag.  352. 
146)  Laurent,  Ann.  60,  pag.  326.  147)  Wallach,  Kaminski,  Ber.  14,  pag.  164.  148)  Laurk?«t, 
Ann.  68,  pag.  35.  149)  Walter,  Ann.  chim.  [3]  9,  pag.  177.  150)  Zepharowich,  Jahres- 
ber. 1877,  pag.  642.  151)  Chautard,  Ann.  127,  pag.  121.  152)  Jungfleisch,  Ber.  6^ 
pag.  68a  153)  Nägeli,  Ber.  16,  pag.  2981.  154)  Kanonnikov^,  Ber.  16,  pag.  305a  155)  HjELTt 
Ber.  13,  pag.  797.  156)  Kachler,  Ann.  191,  pag.  143.  157)  Hlasiwetz,  Grabowski,  Ann.  145. 
pag.  212.  158)  Schmiedeberg,  Meyer,  Ber.  12,  pag.  2252.  159)  Brandes,  Kemper,  Jahres- 
ber. 1862,  pag.  270;  ibid.  1864,  pag.  402.  160)  Bouillon-Lagrange,  Ann.  chim.  23,  pag.  153. 
161)  Fittig,  Ann.  112,  pag.  309.  162)  Moitessier,  Jahresber.  1866,  pag.  410.  163)  Kachler, 
Spitzer,  Monatsh.  5,  pag.  50.     164)  Kachler,  Sptfzer  1.  c,  pag.  237. 


i 


Campher.  453 

bonyl  (CO),  und  besitzen  dann  ketonartige  Eigenschaften,  häufiger  aber  in  der 
Form  von  an  Kohlenstoff  gebundenem  Hydroxyl,  und  zeigen  dann  das  Verhalten 
von  Alkoholen,  indem  sie  Aether,  Ester,  Metallverbindungen  etc.  geben.  Analog 
den  Beziehungen  zwischen  Ketonen  und  secundären  Alkoholen  lassen  sich  die 
Campherarten  der  ersten  Gruppe  durch  Reduction  in  die  der  zweiten  überführen, 
während  umgekehrt  diese  zu  jenen  oxydirt  werden  können  (vergl.  Japan-  und 
Bomeocampher). 

Durch  wasserentziehende  Mittel  (bes.  P^Oj)  zerfallen  die  ketonardgen 
Campherarten  meist  glatt  in  Wasser  und  einen  Kohlenwasserstoflf  der  Benzol- 
reihe, die  alkoholartigen  in  Wasser  und  ein  Terpen  (CiQH,ß).  Die  Constitution 
der  Campherarten  ist  noch  nicht  sicher  festgestellt  Für  den  gewöhnlichen 
oder  Japancampher,  CioH^O,    ist  die  von  Kekulä  aufgestellte  Strukturformel 

/CH^ 

I  I 

CH         CO 


(i),  welche  auf  Grund  optischer  Verhältnisse  vielleicht  zu  folgender 


=  C^ 
I 
CH, 


/C>^ 


CH, 

zu  modificiren  ist:    I   , 
CHj 


CHjj 
I         (154)  am  wahrscheinlichsten;  sie  erklärt  leicht 


CH3 
die  glatte  Bildung  von  Cymol  durch  P^Og,  die  der  einbasischen  Campholsäure 
durch  Alkalien,  die  der  zweibasischen  Camphersäure  durch  Oxydationsmittel,  so- 
wie deren  Ueberftihrung  in  Isopropylbemsteinsäure  durch  Schmelzen  mit  Kali. 
Hiemach  leiten  sich  für  die  wasserstoffreicheren  Campherarten  Bomeol,  CioH^gO, 
und  Menthol,  Ci^Hj^O,  folgende  Formeln  ab: 

CjH^  CjjH^ 

/CH\  /CH\ 

CH,         CH^  CH,         CH, 

CH  CH(OH)  CH,        CH(OH) 

^C^  ^CH^ 

I  I 

CH,  CH, 

Bomeol  MenthoL 

Eine  von  Armstrong  für  den  Japancampher  aufgestellte  Formel 
/CH,\ 

OH,  CH CH, 

r-xj        J^TT  J^/i^TT  \     A^    (2)  gründet  sich  zumeist  darauf,  dass  aus  dem- 

selben  durch  Zinkstaub  kein  Cymol,  sondern  ein  Gemenge  mehrerer  Isomerer 
desselben  entsteht.  Der  wasserstofifreichste  Campher  ist  das  wie  eine  gesättigte 
Verbindung  sich  verhaltende 

Menthol,  Pfefferminzcampher,  CioH,oO  =  CioHjj-OH  (3,  4,  5,  6,  7). 


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454  Handwörterbuch  der  Chemie. 


•f«  Ist  neben  einem  Terpen  CißHig  der  wesentliche  Bestandtheil  des  Pfeflfenninzöles 

5  : .  (aus  Mentha  piperita),  und  wird  aus  diesem  entweder  durch  fractionirte  Destilla- 

tion oder  durch  Ausfrierenlassen  abgeschieden.  Säulen,  nach  Pfeffenninzöl 
riechend;  Schmp.  42°;  Siedep,  212°  (8).  Spec.  Gew.  0*890  bei  15°;  linksdrehend; 
(a)D  =  —  59*6°.  Wenig  in  Wasser,  sehr  leicht  in  conc.  Salzsäure,  Alkohol, 
Aether  etc.  löslich.  Verbrennungswärme  (9)  und  Molekularrefraction  (10)  sind 
die  einer  gesättigten  Verbindung.  Das  Menthol  besitzt  alkoholische  Eigenschaften, 
es  ätherificirt  sich  wie  ein  secundärer  Alkohol;  Natrium  löst  sich  zu 

Mentholnatrium,  CiQHjgONa;  durch  Phosphorperchlorid  (6)  oder  durch  Erhitxcn  mit 
conc.  Salzsäure  auf  100°  (11)  entsteht 

Menthylchlorid,  CjoHigCl;  flüssig.     Siedep.  204°.     Eigenschaften  (12)  (27). 

Menthyl-Bromid  und  Jodid  werden  analog  erhalten  (12). 

Menth ylacetat,  C^oH^^-O'CjHjO;  aus  Menthol  und  Eisessig  oder  Essigsäureanhydrid. 
Siedep.  222-224°  (11). 

Menthylbutyrat,  CjoHig-O-C^H^O.     Siedep.  230—240°. 

Menthylurethan,   COj^"»  „     .  Schmp.  165°,  und 

Menthylcarbonat,  CO(OCjQH^g)3,  Schmp.  105°,  entstehen  aus  Mentholnatrium  and 
Cyan,  durch  nachherige  Behandlung  mit  Wasser  (35). 

Chromsäuregemisch  oxydirt  £u  dem  ketonartigen  Menthon,  C^^HjgO  (14).  Siedep.  206**; 
spec.  Gew.  0*9126  bei  0°;  Constitution  (154).  Verhalten  des  Menthols  gegen  Salpetersäure  nnd 
Brom  (15),  gegen  JodwasserstofTsäure  (14). 

Phosphorsäureanhydrid  spaltet  das  Menthol  in  Wasser  und  Menthen,  Cj^Hig  (14); 
Siedep.   167*4°,  spec.  Gew.  =  0*8226  bei  0°;  rechtsdrehend  (6),  Bromderivate  (16). 

Dimenthen,  C^oHgg,  neben  dem  vorigen  durch  conc.  Schwefelsäure  entstehend.  Siede- 
punkt 320°.     Inaktiv  (17). 

Von  den  Campherarten  der  Formel  CioHigO  =  CipHijOH  (allgemdn 
CnH2n-20)  existiren  mehrere  Isomere;  das  wichtigste  derselben  ist: 

Borneol,  Borneocampher;  Constitution  s.  pag.  453;  findet  sich  im  freien 
Zustande  in  den  Stämmen  der  auf  Bomeo  und  Sumatra  heimischen  Dryobaiawffi 
camphora  (18)  und  als  Ester  in  kleiner  Menge  in  verschiedenen  ätherischen  Oelen 
(19,  20);  entsteht  auch  durch  Destillation  von  Bernstein  mit  Kalihydrat  (21). 
Kommt  viel  seltener  nach  Europa  als  der  gewöhnliche  Campher  (Laurinol)  und 
wird  daher  am  zweckmässigsten  aus  diesem  dargestellt,  welcher  durch  Natrium 
in  Borneol-  und  Laurinol-Natrium  gespalten  wird  (22,  23,  24,  25): 
2CioHi60-hNa,  =  CioHi,ONa-hCioHi,ONa, 
durch  dasselbe  aber  in  alkoholischer  Lösung  z.  Th.  zu  Borneol  reducirt  wird 
(28)  (163). 

Die  so  erhaltenen  Campherarten  sind  zwar  im  Uebrigen  identisch  und  drehen 
auch  sämmtlich  nach  rechts  (26),  jedoch  in  verschiedenem  Grade.  Das  natürliche 
Borneol  besitzt  das  Rotationsvermögen  -+-33*4°,  das  aus  Japancampher  H- 44'9° 
das  aus  Bernstein  +4*0°.  Regulär,  Schmp.  198°,  Siedep.  212°  (18).  Rotirt  auf 
Wasser  und  ist  darin  wenig  löslich,  leicht  aber  in  Alkohol  u.  s.  w.  Wird  von 
Salpetersäure  erst  zu  gewöhnlichem  Campher  oxydirt  und  dann  wie  dieser  weiter 
zersetzt. 

Borneolnatrium,  CjoHi^ONa;  bildet  sich  direkt;  sechsseitige  Blättchen  (29).  Liefert 
mit  Methyl-  und  Aethyljodid 

Borneolmethyläther,  CjoHi^-OCH,,  Siedep.  194*5°,  und 

Borneoläthyläther,  Q^^Yi^^OQ^YL^,     Siedep.  202°  (23). 

Borneoläther,  Ca^Hj^O  =  (CioH,  7)30.     Siedep.  285--290°  (20). 

Borneolchlorid,   Q.^^^^Q\\   aus  Borneol  und  Salzsäure  bei  100°  (30)  oder  Phosphor- 


\, 


Campher.  455 

pentacfaloiid  (24).     Scbinp.  157°.     Sehr  leicht  in  Salzsäure   und  ein  festes  Camphen,  CiqHj^, 

lerfallcnd  (31).     Sonstige  Zersetzungsprodukte  (32,  33). 
Borneolbromid,  Cj^HjyBr.    Schmp.  74 — 75°  (24). 
Borneolformiat,  Stedep.  225—230°,  Borneolacetat,  Siedep.  221°,  und 
Isovalerianat,  Siedep.  255 — 260°,  finden  sich  im  Baldrianöl  (20).     Stearat  (30). 

Borneolurethan,  COt^t;«  „    ,  Schmp.  115°,  und  Borneolcarbonat,  COXr^'®u^^ 

Schinp.  215°    entstehen  durch  Einwirkung  von  Cyangas  und  dann  von  Wasser  auf  Bomeol- 
natrium  (34), 

OH 
Borneolkohlensfiure,  CO^^    „    •   als  Natriumsalz  aus  Bomeolnatrium  und  Kohlen- 

dioxyd  bei  130°  (23).     Darstellung  (29).     Sehr  zersetzlich. 

Borneen,  CioH^g,*  aus  P3O5  und  Bomeol  (18);  gehört  zu  den  Terpenen;  Siedep. 
176—180°  (36),  173—178°  (37);  isomer  mit  demselben  ist 

Borneocamphen,  durch  Erhitzen  von  Bomeolchlorid  mit  Wasser  auf  90°  entstehend 
(24)  (31).  ebenfalls  ein  Terpen;  Schmp.  51—52°,  Siedep.  160—161°.  Mit  Salzsäure  Bomeol- 
chlorid regenerirend. 

Mit  dem  rechtsdrehenden  Bomeol  ist  isomer  das  ebenso  viel  nach  links 
drehende  sogen. 

Linksborneol,  Ngai-  oder  Blumeacampher;  aus  Blumea  balsamifera 
in  Ostasien  (38).  Vorkommen  im  Krappfuselöl  (39).  Entstehung  aus  gewöhn- 
lichem Campher  (25).  Regulär.  Schmp.  des  Linksbomeols  aus  Krappfuselöl  35°; 
Siedep.  210°  (40);  Schmp.  des  aus  Blunua  balsamifera  erhaltenen  204°.  Giebt 
oxydirt  linksdrehendes  Laurinol. 

Ein  inaktives  Bomeol,  Schmp.  198 — 199°,  wird  aus  Terpentinöl  gewonnen  (41),  ein 
anderes,  flüssiges  Isomeres  ist  der  Hauptbestandtheil  des  Baldrianöles  (20). 

Cajuputol,  CjoHisO;  das  ätherische  Oel  der  Myrtacee  MekUeuca  CajupiUi 
besteht  vollkommen  (44),  das  von  M,  Leucodendron  zu  f  aus  Cajuputol.    Auch  im 
Osmitesöl  enthalten  (53).     Dünnflüssig,  spec.  Gew.  0-903— 0*926  bei  20°;  meist 
(durch  Spuren  von  Kupferverbindungen)  hellgrün,  rein  farblos.    Siedep.  175 — 178°. 
Linksdrehend;  campherartig  riechend.     Liefert  mit  Phosphorsäureanhydrid 
Cajuputon,  Ci^jH^^;  Siedep.  160—165°;  spec.  Gew.  0-850  bei  15°, 
Isocajuputon,  C,oHi^;  Siedep.  176—178°,  spec.  Gew.  0-857  bei  16°  und 
Paracajuputon,  CjoH,,;  Siedep.  310—316°  (43). 

Cajuputolhydrat,  C^gH^gO -211,0,  entsteht  aus  Cajuputol  durch  verdünnte  Schwefel- 
säure bei  gewöhnlicher  Temperatur,  concentrirte  Säure  verwandelt  siedendes  Cajuputol  in  die 
Verbindung  (CioH,e),-H,0.  Durch  Salzsäure  entsteht  der  Körper  CioHi5-2HCl,  welcher 
bei  der  Destillation  die  bei  160°  siedende  Flüssigkeit  Ci^Hj^-HCl  liefert  (43). 

Cajuputol  giebt  mit  überschüssigem  Brom  ein  bei  60^  schmelzendes  Cajuputenbromid, 
^10^1 6  ^'4  (43)'  °^^^  ^  ^^^*  ^^  ^^  ^^^  ^^^  Destillation  in  H3O,  2HBt  und  Cymol  zerfallende 
Dibromid  CioHijOBr,  (45),  mit  Jod  die  Verbindungen  (CjoH^ß,  HJ),,  H,0  (Schmp.  80*0 
und  CjoHij,  HJ  (43).     PjSj  liefert  u.  a-  Cymol  (45). 

Corianderöl,  aus  Coriandrttm  sativum,  enthält  u.  a.  einen  bei  ca.  150^  siedenden  Campher 
CjgHjgO  (46,  47),  daneben  aber  auch  noch  Condensationsprodukte  und  Polymere;  liefert  mit 
P,0,  ein  Terpen  (Siedep.   178—180®)  und  Polyterpene.     Zersetzungen  und  Derivate  (47). 

Geraniol,  CioH^gO;  im  indischen  (48),  deutschen  und  französischen  (49) 
Geraniumöl.  Flüssig,  Siedep.  232—234°;  spec.  Gew.  08851  bei  15°.  Inaktiv; 
zerfällt  durch  Chlorzink  in  Wasser  und  Geranien,  CioHie»  Durch  Einleiten 
von  Salzsäure  in  Geraniol  entsteht 

Geraniolchlorid,  Cj^H^fCl;  Ölig,  nicht  unzersetzt  flUchtig;  Brom-,  Jod-  und  Schwefel- 
kaliom  führen  es  in  das  Bromid,  Jodid  und  Sulfid  Über. 

Geranioläther,  C^oHg^O;  aus  dem  Chlorid  und  Wasser  bei  200^  entstehend.  Siede* 
punkt  187 — 190^*    Noch  weniger  untersuchte  Isomere  des  Bomeols  sind: 


456  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Citronellol  (Citronellacampher) ;  aus  Andropogon  Nardus  {y>)  und  Galgan thol  aus  dem 
Oel  der  Galangawurzel  (Alpina  offictnarum)  (51). 

Das  Hopfenöl  enthält  neben  einem  Terpen  vom  Siedep.  175°  einen  bei  210®  siedenden 
Campher  Cj^H^gO  (52);  auch  im  sogen.  Rainfarrenöl  (aus  Tannacetum  vulgare)  findet  sich 
ein  isomerer,  bei  203—205®  siedender  Campher  (20) ;  auch  das  sogen.  Wurmsamenöl,  Olam 
cinae^  aus  Arteviisia-hx\.tvi^  vom  Siedep.  173 — 174®,  scheint  im  Wesentlichen  ein  Campher  von 
der  Formel  C^qH^jO  ru  sein.     Eigenschaften  und  Oxydationsprodukte  (54,  55,  56,  57). 

Dagegen  ist  ein  Homologes  dieser  Campherarten  das 

Angosturaöl,Cj3H240;  aus  der  echten Angosturarinde,  Siedep.  260° (58),  und 

Der  Campher  aus  Rosmarinöl  (Ledum  palustre),  welcher  den  Formeln 
Cij^Hg^O  oder  C^^Yi^^O  entspricht  und  bei  105°  schmilzt  (127). 

Von  den  Campherarten  der  Formel  C^oHieO  (allgemein  CnH2n-40), 
welche  zu  den  bisher  besprochenen  von  der  Formel  CnH2n— 2O  sich  verhalten,  wie  Ketone  sa 
Alkoholen,  ist  der  wichtigste: 

Gewöhnlicher  Campher,  Japancampher  oder  Laurinol,  CioH,ßO 
(Constitution  s.  pag.  453).  Findet  sich  in  allen  Theilen  von  Laurus  campkora, 
des  in  China,  Japan,  auf  der  Insel  Formosa  etc.  vorkommenden  Campherbaunies; 
wird  nach  einem  ziemlich  rohen  Verfahren  durch  Destillation  des  zerkleinerten 
Holzes  mit  Wasserdampf  zuerst  als  Rohcampher  gewonnen  und,  meist  in  Europa, 
nochmals  raffinirt  (59,  60).  Ist  auch  in  verschiedenen  ätherischen  Oelen  theils 
fertig  gebildet  (61,  62,  63),  theils  durch  Oxydation  aus  solchen  zu  erhalten  (64,  65); 
desgl.  in  kleiner  Menge  aus  Bernstein  (66),  Cymol  (67),  Terpentinöl  (68).  Der 
auf  diese  Weise  künstlich  erhaltene  Campher  gleicht  dem  natürlichen  bis  auf 
Verschiedenheiten  der  optischen  Aktivität,  dagegen  ist  der  durch  Oxydation  von 
Borneol  dargestellte  Campher  auch  hierin  diesem  völlig  gleich  (18,  69). 

Das  Laurinol  krystallisirt  hexagonal,  besitzt  einen  höchst  charakteristischen 
Geruch,  schmilzt  bei  175°  und  siedet  bei  204°,  sublimirt  aber  schon  stark  bei 
gewöhnlicher  Temperatur.  Spec.  Gew.  bei  0°  fast  =  1.  Brechungsexponent  1*4804. 
Rechtsdrehend  (70).  Rotirt,  auf  reines  Wasser  geworfen,  und  löst  sich  in  etwa 
1000  Thln.  desselben,  sehr  leicht  in  Alkohol,  Aether  u.  s.  w.,  ia  flüchtigen  und 
fetten  Oelen  und  in  kalter  concentrirter  Schwefelsäure. 

Campher  verbindet  sich  mit  einigen  Säuren;  beim  Lösen  in  Salzsäure  bildet  sich  ein  Gel, 
wohl  die  salzsaure  Verbindung;  Jodwasserstoff-Campher,  Cj  ßHjgO,  HJ,  entsteht  durch  Kocheo 
von  Campher  mit  Jod  und  nachherige  Destillation  (71),  Camphernitrat,  (C2oHjgO)jN,Oj, 
ähnlich  durch  Salpetersäure  (72).  Mit  Salpetersäure,  aber  nicht  für  sich,  destillirbar;  wird  ron 
Wasser  zersetzt.  Brom  und  Jod  geben  mit  Campher  in  der  Kälte  Additionsprodukte  (78).  Campher 
absorbirt  308  Vol.  Schwefligsäureanhydrid  (73),  reichlich  auch  Untersalpetersäure  unter  Ver- 
flüssigung.   Durch  direkte  Vereinigung  der  Componenten  entstehen  die  losen  Molekidarverbindungeo 

Fluorborcampher,  Ci^H^gO-BKlj   (75),  Schmp.  70^, 

Chloralhydratcampher,  CjoHijO -CjHjCljOj   (76), 

Chloralalkoholatcampher,  CioHigO-C^HyCljO,  (76),  und 

Aldehydcampher  (77,  79). 

Zersetzungsprodukte  des  Camphers.  Beim  Durchleiten  von  Campher- 
dämpfen durch  glühende  Röhren  entsteht  u.  a.  Cymol  (80).  Durch  Phosphor- 
pen toxyd  zerfallt  er  beim  Erhitzen  glatt  in  Cymol  und  Wasser  (81),  desgl.  durch 
Salzsäure  bei  170°  (88),  Phosphorpentasulfid  liefert  daneben  noch  Isomere,  höhere 
und  niedere  Homologe  und  Thiocarvacrol  (7 1).  Dagegen  entsteht  beim  Erhitzen 
mit  Jod  zu  etwa  gleichen  Theilen  gar  kein  Cymol,  sondern  hauptsächlich  Camphen, 
C10H20»  und  Dimethyläthylbenzol  (81),  mit  wenig  (^  Th.)  Jod  u.  a.  Carvacrol  (71); 
bei  250°  entsteht  eine  ganze  Reihe  KohlenwasserstojQfe  CnH2n-6  (83).  Auch 
Jodwasserstoff  liefert  beim  Erhitzen  mehrere  Kohlenwasserstoffe,  von  denen  ge- 


Campher.  457 

nauer  untersucht  wurden:   Camphin,  CioH^g;  flüssig,   Siedep.  163°  und  Cam- 
pholen, C^H^ß,  Siedep.  135 — 137°  (82).    Zinkchlorid  wirkt  in  sehr  complicirter 
Weise;  hauptsachlich  entsteht  hierbei  Metacymol,  Dimethyl-äthyl-  und  Tetramethyl- 
benzol (81,  84,  85,  86),   daneben    auch  Toluol,    Xylol  und  Pseudocumol,    von 
Phenolen  nur  Carvacrol.    Bei  der  Destillation  über  Zinkstaub  entstehen  grössten- 
theils  dieselben  Kohlenwasserstoffe  (87);  Chlorjod  bei  250°  giebt  chlorirte  Aethane 
und  Perchlorbenzol;  Natriumamalgam  wirkt  nicht  ein;  in  alkoholischer  Lösung 
wird  aber  Campher  durch  Natrium  z.  Th.  zu  Bomeol  reducirt  (28)  (163);  Verhalten 
gegen  Natrium    in  Lösung   von  Toluol    s.   pag.  454   und   der   so  entstehenden 
Natriumverbindungen  gegen  COj  (96)  und  Sauerstoff  (26);  Verhalten  des  Camphers 
gegen  alkoholisches  Kali  (97);  Schwefelsäure  liefert  beim  gelinden  Erwärmen  ein 
mit  Campher  isomeres  Oel  (90),  beim  Sieden  Cymol  und  sogen.  Camphren  (91), 
CgHj^O,  vielleicht  identisch  mit  Phoron  (92).    Chlor  wirkt  kaum  ein,  Phosphor- 
pentachlorid  liefert  in  der  Kälte 

Campherchlorid,  CjoHigClj  (93)  (31),  beim  Erwärmen  chlorreichere  Pro- 
dukte (94,  95).  Schmelzpunkt  des  Chlorids  155°;  giebt  bei  der  Reduction  durch 
Natrium  Camphen,  CjoHig;  stearinartig,  Siedep.  158°  (32),  mit  Natrium  und 
Alkyljodüren  Homologe  des  Camphens. 

Alkylirte  Campher  entstehen  aus  Natriumcampher  und  Alkyljodüren.  Methyl- 
campher, CioHi5(CH3)0,  Siedep.  194°;  Aethylcampher,  CioHi5(C,H5)0, 
Siedep.  226°;  Amylcampher,  CioHi5(C5Hii)0,  Siedep.  277°  (23). 

Thiocampher,  CjqHj^S(^),  entsteht  aus  Campher  durch  Erhitzen  mit  alkoholischem 
Schwefelammonium. 

Camphoroxim,  CioHjgN(OH).  Laurinol  geht  als  ketonartiger  Körper  im  Gegensatze 
zu  Bomeol  und  Menthol  durch  salzsaures  Hydroxylamin  in  oben  bezeichneten  Körper  über;  der- 
selbe schmilzt  bei  115°  und  siedet  bei  249— 254°  (98),  zerfällt  selbst  durch  concentrirte  Säuren 
nicht  in  Campher  und  Hydroxylamin  und  bildet  Salze  und  Aether.  Cn,NigN(OH),  HCl, 
CioH,,N(ONa),  CioHjßNCOCjHj),  Siedep.  208— 210O 

Durch  Einwirkung  von  Acetylchlorid  entsteht  ein  nicht  basischer  Körper  der  Formel 
C,oHi,N  (153). 

Substitutionsprodukte  des  Camphers. 

Monochlorcampher,  C^qH^CIO;  aus  Campher  und  unterchloriger  Säure. 
Schmp.  95°  Zersetzungspunkt  200°  (99);  auch  aus  Chlorcamphocarbonsäure 
(iio).  Giebt  mit  nascirendem  Wasserstoff  und  Campher  durch  alkoholisches 
Kali  u.  a.  Oxycampher  (100). 

Dichlorcampher,  CiqHj^CIjO,  entsteht  durch  Chlorirung  von  Campher 
in  alkoholischer  Lösung  bei  80°  (loi).  Schmp.  93°.  Siedep.  unter  Zersetzung  263°. 
Monobromcampher,  C^oHj^BrO.  Aequivalente  Mengen  von  Campher  und  Brom 
werden  in  Lrösung  von  Chloroform  stehen  gelassen;  dann  destillirt  man  letzteres  ab  und  krystalli- 
sirt  den  Rückstand  aus  Aether  um  (102).  Schmp  76  ^  Siedep.  274®.  Verhalten  gegen  Chlor- 
zink (103).  Wird  durch  PClj  nicht  verändert,  durch  Wasserstoff  in  Campher  zurUckverwandelt. 
Dibromcampher,  Cj^Hj^HrjO,  existirt  in  zwei  Isomeren.  a-Dibromcampher ,  durch 
Erhitzen  von  Monobromcampher  mit  1  Mol.  Brom  gewonnen  (104),  schmilzt  bei  61®.  Um- 
setzungen (105),  durch  Salpetersäure  (106).  ß-Dibromcampher  bildet  sich  beim  Erhitzen  des 
vorigen  mit  tlberschUssigem  Brom  (123).     Schmp.  115®  (107). 

Jod  campher,  CiqHijJO;  aus Natriiuncampher  und  Jod  oder  Jodcyan.  Schmp. 43 — 44® (108). 
Bromnitrocampher,  CiQHi4Br(N0j)0,  aus  Bromcampher  und  Salpetersäure 
(103),  schmilzt  bei  104— 105°,  Chlornitrocampher,  Ci0H,4Cl(NO2)O,  analog 
aus  Chlorcampher,  bei  95°  (109, 1 10);  Dibromnitrocampher,  CiQHigBrj(NOj)0, 
aus  p-Dibromcampher  (106),  bei  130°.  Monobromcampher  wird  leicht  reducirt, 
zunächst  zu 


'^'.''  ■'-'■■' 

:■)}  458  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Nitrocampher,    Ch,Hib(NOj)0   (103);    Schmp.  83°;    von   phenolartigen 
^     Eigenschaften;  dann,  durch  Natriumamalgam  zu 
.-•'  Amidocampher,  Ci0Hi5(NH,)O,  einerstarken,  primären,  bei  246°  sieden- 

'  '  den,  reducirend  wirkenden  Base  (103). 

;  Das  salzsaure  Salz  liefert  bei  der  Destillation  mit  Wasser  nicht  fluchtiges,  basisches 

,  '^  Camphimid,  C^oHj  jN,  und  übergehendes  indifferentes  Dicamphorolimid,  CjoHi^NOi; 

Schmp.  160^  (13).     Salzsaures  Camphimid  geht  durch  Kaliumnitrit  Über  in 

Diazocampher,  CjoHi^NjO;  Schmp.  73—74°;  dieser  zerfällt  bei  140®  in  Stickstoff  und 
;         _  sogen. Dehydrocampher,  Cj^jH^^O  (Schmp.  I600)(iO5).  AusCamphematrium  und Cyan  entsteht 

..*'  Cyancampher,    C^qH^jCNO;    Schmp.    127°,    Siedep.    250°;    liefert   em    Bromdcrival 

CjoHj^BrCNO  (34)  und  geht  mit  Kali  gekocht  in  eine  Säure  CjiHjgO^  über. 

Oxycampher,    CiqHi5(OH)0,    existirt    in   mehreren  Isomeren.     Der  aus 
Chlorcampher  durch  Kaliumalkoholat  entstehende  schmilzt  bei  137°  (99),  der  aus 
■  ''  Dibromcampher  durch  Natriumamalgam  erhaltene  ist  ein  bei  265°  siedendes  Oel 

(104),  dessen  Natriumsalz  und  Bariumsalz  krystallisiren  (121).  Der  Oxycampher,  aus 
Amidocampher  durch  salpetrige  Säure,  schmilzt  bei  155°  (103).  Durch  Oxydation 
mit  Chromsäure  liefert  das  Camphen  aus  Campherchlorid  einen  bei  59—61** 
schmelzenden  (31),  Bomeolacetat  einen  bei  248 — 249°  unter  Zersetzung  schmelzen- 
<ien  (iii)  Oxyisocampher. 

Nitrooxycampher,  C,oH^4(NOj)(OH)0,  Schmp.  170®,  giebt  der  aus  Dibromcampher 
entstehende  Oxycampher  durch  rauchende  Salpetersäure.    Ersterer  liefert  reducirt  den  salzbildendeo 

Amidooxycampher,  CioH,4(NH,)(OH)0  (121). 

Camphocarbonsäure,  C^jH^gO,,  bildet  sich  neben  Bomeolkohlensäure  beim  Behandeln 
des  Einwirkungsproduktes  von  Natrium  auf  Campher  mit  CO,  bei  100°  (23).  Schmilzt  unter 
Zerfall  in  CO,  und  Campher  bei  128— 124® ;  durch  die  Zusammensetzung  der  Salze  (128)  wird 
die  Formel  C^jHjjOg  wahrscheinlicher  gemacht.  Acetylchlorid  liefert  den  Körper  CjjHjgO^, 
Schmp.  196®,  P,Hj  die  Verbindung  CjjHjoO^,  Schmp.  265®,  PQ^  das  sauerstofflfreie  Chlorid 
CjjHjgag,  Schmp.  45®  (164).  Bromcamphocarbonsäure,  CjoHi^BrO-CGOH  (1291 
Schmp.  110®.  Chlorcamphocarbonsäure,  CjoHi^ClO.COOH,  Schmp.  94®  (130). 
'  Isomere  des  gewöhnlichen  Camphers: 

Linkslaurinol  oder  Matricariacampher.  Im  ätherischen  Oel  von 
McUricaria  Parthenium  findet  sich  (112)  ein  auch  durch  Oxydation  von  linb- 
drehendem  Terpentinöl  entstehender  (113)  Campher,  der  mit  Laurinol  bis  auf 
sein  entgegengesetzt  gleiches  Drehungsvermögen  vollkommen  identisch  ist.  Das- 
selbe gilt  von  einem  inaktiven  Campher  aus  Lavendelöl  und  aus  inaktivem 
Terpen  (41).    Andere  Isomere  sind: 

Alant ol,  aus  dem  Oele  von  ItmJa  Helemum;  flüssig;  Siedep.  200®  (114). 

Eucalyptol,  aus  dem  Eucalyptusöl;  Siedep.  216—218®  (54). 

Myristicol,   aus  dem  Muskatnussöl;  Siedep.  212 — 218®  (115). 

TannacetylhydrUr,  aus  dem  Rainfarrenöl  (20);  flüssig,  Siedep.  195—196®;  verbindet sick 
mit  saurem  Natriumsulflt,  wirkt  reducirend,  giebt  mit  Natriumamalgam  ein  Isomeres  des  Borneols. 

Die  ätherischen  Oele  von  Mairiatria  CkamomiUa  (Kamillenöl)  (116)  und  von  Artemm 
Absinihiitm  (Wermuthöl)  enthalten  neben  Terpenen  azurblaue,  zwischen  270 — 300®  siedende 
Polymere  (CioHjgO)».  Absinthol,  C,oHjgO;  Siedep.  294®.  Aehnliche  Körper  finden  sich 
im  Oele  der  Pichurimbohnen  (118),  des  Poleis  (119)  und  von  Pulegium  micrantkum  (120). 

Homologe  des  Camphers. 

Maticocampher,  C^H^qO,  aus  Piper  angustifolium;  geruch-  und  ge- 
schmacklos.    Schmp.  94°,  Siedep.  200°  (122). 

Cederncampher,  CijHjßO,  im  Cedemöl  (aus  Juniperus  virginiana), 
Schmp.  74°.  Siedep.  282°.  Spaltet  sich  durch  PjOj  in  Wasser  und  Cedien 
C15HJ4  (124). 


Campher.  459 

Cubebencampher,  CisH^^O,  im  Oele  aus  alten  Cubeben,  der  Früchte 
von  Piper  Cubcba  (4).  Schmp.  65— 70^  Siedep.  248°.  Zerfallt  leicht  in  Wasser 
und  Cubeben  Cj^Hj^  (125). 

Patchoulicampher,  Cj  jHjßO,  im  Patchouliöl,  dMsPogosiemon Pate houii (126), 
Schmp.  59°,  Siedep.  296°.  Aeusserst  leicht  zerfallend  in  Wasser  und  Patchoulen 
C15HJ4. 

Säuren  aus  Campher. 

Der  gewöhnliche  Campher  geht  durch  Einwirkung  von  Basen,  so  beim 
Ueberleiten  Über  Kalikalk  bei  300°  (131),  beim  Kochen  mit  alkoholischem  Kali 
(97),  am  besten  beim  Behandeln  mit  Kalium  (132)  und  Natrium  (25)  unter  Auf- 
nahme von  Wasser  über  in 

Campholsäure,  C^Q^i^O^^^^C^'R^^f^COOlit  Strukturformel  nach  Kekulä: 
C3H7 

/CHx, 
CH,        CH3 
r-TT  r^r\r\T^'^   Schmp.  95°;   Siedep.  250°;  in  Wasser  kaum,  in  Alkohol  und 

I 
CH, 

Aether  leicht  löslich.  Zerfallt  durch  Erhitzen  mit  Natronkalk  oder  PjO^  in 
Wasser  und  Campholen,  CgHjg,  Siedep.  137°.     Salze  (132,  131,  97). 

Das  Chlorid,  C^^VL^^O-CX,  siedet  bei  222— 22«;°;  der  Aethylester  ist  nach  den  üblichen 
Methoden  nicht  darstellbar. 

Phoronsäure,  isomer  mit  Campholsäure,  bildet  sich  in  kleiner  Menge  neben  derselben. 
Schmilzt  bei  169^  (25). 

Camphersäuren. 

Die  verschiedenen  Campherarten  C^QH^gO  und  CjoH^gO  geben  beim  an- 
haltenden Kochen  mit  Salpetersäure  verschiedene,  besonders  durch  ihr  optisches 
Verhalten  charakterisirte  und  hierin  an  die  Weinsäuren  erinnernde  zweibasische 
Säuren  der  Formel  CioHjgO^  =  C8Hi4(COOH)j.     Nach  Kekulä  (71)  besitzen 

C3H7 

/CHv. 
CH^        COOK 

diese  Camphersäuren,  wenigstens  die  gewöhnliche,  die  Formel    I  r^r\r\\^* 

CH  COOH 

^C^ 

I 

CH3 

welche  u.  a.  auch  die  Entstehung  von  Pimelinsäure  =  Isopropylbemsteinsäure 
bei  der  Kalischmelze  einfach  erklärt;  nach  Kachler  (133)  und  Wreden  (134) 
sind  sie  wegen  ihrer  Ueberfiihrbarkeit  in  Tetra-  resp.  Hexahydroisoxylol  und 
Tetrahydroäthylbenzol  Dicarbonsäuren  dieser  Kohlenwasserstoffe  und  zwar  wahr- 
scheinlich des  letzteren. 

1.  Gewöhnliche  oder  Rechts-Camphersäure;  wird  am  besten  durch  Er- 
hitzen von  160  Grm.  Campher  mit  2  Liter  Salpetersäure  (spec.  Gew.  1*27)  bis  rum  Verschwinden 
der  rothen  Dämpfe  dargestellt.  Man  erhält  ca.  50^  Ausbeute  (13$).  Entsteht  auch  durch  Oxyda- 
tion der  Campholsäure  (97). 

Monokline  Blättchen  oder  Säulen;  Schmp.  178°  Spec.  Gew.  1-193;  löst 
sich  bei  12°  in  88  Thln.,  bei  100°  in  etwa  10  Thln.  Wasser,  leicht  in  Alkohol 
und  Aether  etc.  Rechtsdrehend:  -h  3887°.  Zerfällt  beim  Erhitzen  mit  Jod- 
wasserstoff auf  200°  in  CO,  und  Hexahydroisoxylol,  CgHig,  und  Tetrahydroiso- 


460  '  Handwörterbuch  der  Chemie. 

xylol,  C^H^^  (136).  Letzteres  bildet  sich  auch  beim  Erhitzen  der  Säure  mit 
Chlorzink  oder  Phosphorsäure  (137);  mit  Salzsäure  entstehen  bei  200°  neben 
COj  und  CO  zwei  ähnliche  Kohlenwasserstoffe  CgHj4  undCgH^g  (136).  Beim 
Erhitzen  mit  Natronkalk  entsteht  das  dem  gewöhnlichen  Phoron  isomere  Campher- 
phoron  oder  Camphren  (138),  beim  Schmelzen  mit  Kali  Pimelinsäure  (139)  =  Iso- 
propylbemsteinsäure  (140). 

Camp  ho  rate.  Die  Camphersäure  bildet  als  zweibasische  Säure  neutrale  Salze  ▼(»  der 
Formel  CgH^^O^-Mj  und  saure  Salze  von  der  Zusammensetzung  CgHj^O^-M  (159,  160). 
Die  neutralen  Salze  der  Alkalien  und  alkalischen  Erden  krystallisiren  und  sind  in  Wasser  lös- 
lich ;  die  Angaben  über  ihre  Löslichkeit  variiren  sehr.  Die  Salze  der  Schwermetalle  sind  schwcr- 
oder  unlöslich,  mit  Ausnahme  derer  des  Mangans  und  Cobalts.  Beim  Erhitzen  für  sich  liefeit 
das  Kalksalz  Phoron  (161),  das  Kupfersalz  neben  Camphersäureanhydrid  einen  bei  105^  sieden- 
den Kohlenwasserstoff,  CgH,^  (162). 

(H4N)3.CjoHi404,  leicht  löslich   und  leicht  Ammoniak  verlierend.     Kj-Cj^Hj^O^  und 

Najj.  CjoHj^O^  sind  nach  (159)  sehr  leicht,  nach  (160)  schwer  löslich.    Ba-CjoHi^O^  -f-4iH,0, 

leicht  lösliche  Nadeln.  —  CaCj^Hj^O^ -f- 4^HjO,   etwas  schwerer  löslich.  —  Mg-C^^Hi^O^ 

krystallisirt  mit  7^,  12  oder  IS^HjO.    Zn-CioH^^O^,  schwer  lösliches  Pulver.  —  Cu-CioH^O^, 

hellgrün;   Blei-,   Silber-,  Zinn-,  Quecksilberoxyd-  und  Oxydulsalz  sind  weiss  und  unlöslich.    Von 

sauren  Salzen  wurden  nur  dargestellt :  Ba(C  j  qH^  5O4)  j  4-2H2O,  schwer  löslich.  —  Ca(Ci  ^H^  jO^),, 

ohne  oder  mit  TH^O  krystallisirend  und  ein  Salz  von  der  Formel  Ca(CiQHj  5O4)  j-|-  2CaCi<,H,404 

+  8H3O  (159). 

COOCH 
Ester.     Der  saure  Methylester,  CgH^^^Q^jJ    ',  durch  Erhitzen  von  Camphersame 

mit  Methylalkohol    und  Schwefelsäure   erhalten  (141),    schmilzt  bei  68^   zersetzt   sich  bei  der 

Destillation  und  liefert  Salze. 

COOC  H 
Der  saure  Aethylester,   C8Hi4^qqj^«    ^,   bildet  sich  wie  der  Methylester,   ist  flüssig, 

und  zerfällt  beim  Erhitzen  in  Wasser,  Camphersäureanhydrid  und  den  neutralen  Ester 
CgHj^(COOCj,H5),.  Siedep.285—287^- durch  Chlorirung  erhält  man  C8Hi4(COOC,H,a,),(i4i)- 

Camphersäureanhydrid,  CiqK^^O^=  CßHi^QQ^O,  entsteht  ganz  ana- 
log dem  Anhydrid  der  Bernstein-  oder  Maleinsäure  mit  Leichtigkeit  schon  durch 
Erhitzen  der  Säure  für  sich,  noch  leichter  mit  1  Mol.  PCI5  oder  Acetylchlorid  (143)- 
Sehr  leicht  sublimirend.  Schmp.  217°.  Siedep.  über  270''.  Ist  in  viel  Wasser 
unzersetzt  löslich ;  löst  sich  leichter  in  Alkohol  und  Aether.    Giebt  mit  Baryumsuperoxyd 

Campherylsuperoxyd,  Cj^Hj^O^  (144),  mit  Brom  ein  leicht  zersetsliches  Dibromid 

CjoHi^OjEr,;  mit  PQ^  das  Chlorid  CgH^^CCOa),,  welches  bequemer  aus  der  Säure  selbst 

erhalten  wird  (145);  letzteres  geht  durch  Ammoniak  in  das  Amid  CgHj4(CONH,)2  Aber  (145)« 

COOH 
während  das  Anhydrid  hierdurch  Camphoraminsäure,  ^e^iiCONH  *  ^^^^^  i^A-^)'     ^*** 

bildet  Salre;  das  Ammonsalz  zerfällt  bei  160^  in  Ammoniak  und  Campherimid,  C^H^^^qJ^H; 
Schmp.  180^  (137)*  Analog  giebt  das  Aethylaminsalz  der  Camphersäure  Campheräthylimid, 
CgHj^^Q^NCjHj,-  Schmp.  49—500,  siedep.  276^  (147);  letzteres  geht  mit  PQj  bchanddi 

CCl        "Vi. 

Über  in  das  Imidchlorid  CgHi^^^'^NCgHs,    und    aus    diesem  wird  durch  Aethylamio  das 

stark  basische  Campheräthylimid-Aethylimidin,  CgHi^^^^'^'^NCaHj,  Siedep.  286^ 
erhalten  (147);   Camphersäurenitril,  CgH^^CCN),  (137). 

Camphoranil,   CgH^^^Q^NC^Hj,    aus  Anilin  und  dem  Anhydrid,  Schmp.  116°,  gie*>^ 

CO  OH 
mit  alkoholischen  Alkalien  Camphoranilsäure,  ^s^iirON^C  H  ^H  C'^^)* 

Substitutionsprodukte  der  Camphersäure. 

Monobromcamphersäureanhydrid,  CjoHijBrO,,  durch  Erhitzen  des  Anhydrids  mit 

Brom  auf  130  ^  entstehend  (135),  schmilzt  bei  215®.    Schon  durch  Kochen  mit  Wasser  entsteht 


Campher.  461 

Oxycamphersäureanhydrid,  C,j^Hj,(OH)Oj  (135)  (97);  leicht  sublimirbar;  schmilzt 
bei  201®.  Krystallisirt  aus  Wasser  mit  1  oder  2  Mol.  Wasser,  welches  schon  über  Schwefel- 
säure wieder  entweicht,  verbindet  sich  mit  Basen.  Der  Aethylester,  CnjH,,(OC2Hj)Oj,  ent- 
steht aus  dem  bromirten  Anhydrid  durch  Alkohol  bei  150*^;  Schmp.  63®. 

Amidocamphersäureanhydrid,  CioHj3(NH3)0,,  entsteht  aus  letzterem  analog  durch 
Ammoniak  (135).  Schmilzt  bei  208®,  sublimirt  schon  bei  150®.  Geht  durch  salpetrige  Säure 
und  concentrirte  Kalilauge  Über  in  Oxycamphersäureanhydrid,  durch  verdünnte  in 

Amidocamphersäure,  CjqHj j(NHj)0^  (^SS)«  Schmilzt  und  geht  zugleich  ins  Anhy- 
drid über  bei  160®.  Salze  meist  wenig  beständig.  Eine  Camphersäure,  aus  welcher  ein  Carboxyl 
ausgetreten,  und  in  deren  Molekül  entweder  OSO^OH  oder  SO3OH  und  OH  eingetreten  ist, 
ist  die  sogen. 

Sulfocamphersäure,  CgHjßSOg  +  2H,0.  Bildet  sich  durch  Erwärmen 
des  Anhydrids  mit  Schwefelsäure  auf  65°:  CioH^gOa  +  HaSO^  =  CgHißSOg 
+  CO  +  H2O  (149)  (133).     Schmp.  160—165°.     Optisch  inaktiv. 

Sehr  leicht  löslich,  auch  in  Wasser.  Zweibasisch.  Auch  die  Salze  (150)  sind  sehr  leicht 
löslich,  meist  auch  in  Alkohol,  und  meist  amorph,  mit  Ausnahme  des  krystallinischen  Blei-  und 
Silbersalzes.  Die  Säure  liefert  beim  Schmelzen  mit  Aetzkali  einen  Körper  CgH^gO,  vom 
Schmp.  148^  der  sich  in  Alkalien  löst,  aber  keine  eigentlichen  Salze  bildet  (150). 

2.  Linkscamphersäure,  entsteht  analog  wie  die  Rechtscamphersäure  aus 
Laurinol,  durch  Oxydation  von  Linkscampher  (pag.  458),  polarisirt  eben  so  stark 
nach  links  wie  diese  nach  rechts  und  ist  im  Uebrigen  mit  ihr  identisch  (112). 
Beim  Abdampfen  gleicher  Mengen  dieser  optisch  Isomeren  entsteht 

3.  Inaktive  (oder  Para-)  Camphersäure,  identisch  mit  der  durch  Oxydation 
von  inaktivem  Campher  erhaltenen  Säure  (151).  Krystallisirt  triklin  und  schwieriger 
als  die  aktiven  Isomeren,  ist  auch  schwieriger  löslich.  Beim  Erhitzen  mit  Alko- 
hol und  Aether  liefert  sie  theils  das  Anhydrid  C10H14O3,  theils  den  Aether 
^^^^(COOCaHs),  vom  Siedep.  270—275°. 

4.  Mesocampher säure,  gleichfalls  optisch  inaktiv,  entsteht  durch  Erhitzen 
von  Rechtscamphersäure  mit  conc.  Jod-  oder  Chlorwasserstoffsäure  auf  140 — 160° 
(135)  oder  mit  Wasser  auf  180°  (152),  in  kleiner  Menge  bei  der  Einwirkung  von 
Schwefelsäure  (133)  und  von  Salpetersäure  auf  Campher.  Schmp.  113°;  leichter 
löslich  als  Rechtscamphersäure,  und  in  der  Kälte  durch  conc.  Schwefelsäure 
nicht,  wie  diese,  das  Anhydrid  gebend.  Beim  Erhitzen  entsteht  Rechtscampher- 
säureanhydrid. 

Säuren  von  unbekannter  Constitution  aus  Campher. 

Bei  der  Oxydation  von  Campher  (72)  oder  von  Campholsäure  (97)  oder  von 
Bibromcampher  (106)  entstehen  neben  Camphersäure,  und  als  Oxydationsprodukt 
der  letzteren,  auch  aus  dieser,  zwei  Säuren  der  Formel  C9Hi40g: 

1.  Camphoronsäure,  C9H12O5 -h  H3O;  gehört  zu  den  Laktonsäuren; 
wird  aus  den  ammoniakalisch  gemachten  Mutterlaugen  von  der  Darstellung  der  Camphersäure 
durch  Chlorbarium  als  Barytsalz  gefällt,  aus  welchem  Schwefelsäure  die  Säure  frei  macht. 

Sehr  leicht  lösliche  Nädelchen,  die  wasserhaltig  bei  110°,  wasserfrei  bei  115° 
schmelzen  und  fast  unzersetzt  destilliren.  Die  gleichfalls  meist  wasserhaltigen 
Salze  entsprechen  den  Formeln  MegC^HgO^  oder  MegCgHioOg. 

Dagegen  entsteht  durch  Aetherification  mitSalzsäure  nur  derDiäthylester(C3H5)jCjH,  ^Oj. 
Derselbe  siedet  bei  302°  und  zerfällt  hierbei  in  Alkohol  und  den  Monoäthylester  Cj^H^-CgHuO^, 
TOD  dem  eine  flüssige  und  eine  feste,  bei  67°  schmelzende  Modification  existirt  (155).  Durch 
Einwirkung  von  Ammoniak  auf  diese  Ester  entstehen  eigenthUmliche,  amidartige  Verbindungen, 
die  sich  abweichend  von  echten  Amiden  verhalten  (155). 

2.  Hydrooxycamphoronsäure,  C9Hi40g,  eine  echte  dreibasische  Säure 
C-H|  I (CO OH) 3;   wird  aus  dem  Filtrate  vom  Barytsalze  der  Camphoronsäure,  nach  Entfernung 


462  Handwörterbuch  der  Chemie. 

des  Überschüssigen  Baryts  durch  CO,,  durch  Kupferacetat  gefüllt  und  aus  dem  Kupfersalze  dorch 
HgS  freigemacht  (156). 

Grosse,  bei  164*5°  schmelzende,  schwerer  als  Camphoronsäure  lösliche 
Krystalle.  Von  den  Salzen  sind  Repräsentanten  aller  drei  möglichen  Reihen 
bekannt. 

Durch  Erhitzen  mit  1  Mol.  Brom  auf  130°  geben  beide  Säuren  C3Hi40g  zwei 
Säuren  C^HijOg: 

1.  Oxycamphoronsäure,  CgHijOg  +  HjO,  entsteht  aus  Camphoronsäure 
(72);  schmilzt  wasserfrei  bei  210°;  destillirt  unzersetzt  und  scheint  zufolge  der 
Zusammensetzung  ihrer  Salze  eine  zweibasische  Oxysäure  zu  sein. 

2.  Iso oxycamphoronsäure,  CgH^jOg;  aus  Hydrooxycamphoronsäure 
entstehend  (156);  Schmp.  226°. 

Noch  weniger  untersucht  sind:  die  durch  Oxydation  von  Camphematrium  entstehende 
Camphinsäure,  CnjHjgOj  (25),  welche  durch  Kaliumpermanganat  zu  Oxycamphinsäare, 
CjoHjgO,,  oxydirt  wird;  die  sogen.  Oxycamphersäure,  Cj^Hj^Oj,  welche  sich  durch 
Schmelzen  des  Camphers  mit  Kali  bilden  soll  (157),  und  zwei  in  geringer  Menge  bei  der  Oiy- 
dation  des  Camphers  auftretende  Säuren  von  den  Formeln  C^H^^Oj  und  C^Hj^O^  (156). 

Futtert  man  Hunde  mit  Campher,  so  findet  sich  in  deren  Harn  neben  einer  Stickstoff' 
haltigen,  als  Uramidocamphoglycuronsäure  bezeichneten  Substanz 

Camphoglycuronsäure,  C^^H^^Og,  in  zwei  Modificationen  (158):  Die  a-Säme  enthält 
1  Mol.  H,0,  welches  sie  bei  100°  verliert,  worauf  sie  bei  128—130®  schmilzt;  die  p-Säore  ist 
amorph,  erstarrt  schwer,  ist  dann  wasserfrei  und  schmilzt  bei  100*^  und  entsteht  aus  der  a-Modi- 
fication  durch  Erwärmen  mit  Baryt.  Beide  zerfallen  beim  Kochen  mit  verdünnten  Säuren  in 
das  den  Oxycamphem  isomere,  aber  nicht  mit  Basen,  sondern  mit  Säuren  sich  verbindende,  bei 
198®  schmelzende  Campherol,  CnjHjgOj,  und  in  die  als  Derivat  des  Traubenzuckers  zu  b^ 
trachtende  Glycuronsäure,  CgH^jOy.  HaNTZSCH. 

Capillarität.*)  Bei  der  Berührung  eines  festen  Körpers  mit  einem  flüssigen 
können  eine  Reihe  verschiedener  Erscheinungen  eintreten,  je  nachdem  die  An- 

♦)  i)  Ad.  Mayer,  J.  f.  Agriculturphysik.  II,  pag.  1879.  2)  J.  D.  van  der  Waals,  Con- 
tinuität  d.  gasförmigen  und  flüssigen  Zustandes  deutsch  v.  Roth,  pag.  115.  3)  J.  D.  vak  d» 
Waals  1.  c.  pag.  107.  4)  Röntgen,  Wied.,  Ann.  3,  pag.  321.  5)  Schi^eiermacher,  Wiro^ 
Ann.  8,  pag.  52.  6)  Volkmann,  Wied.,  Ann.  1 1,  pag.  182.  1880.  7)  Plateau,  Bull,  de  Brux.  DI,  21. 
pag.  470.  1882.  8)  B&DE,  Chem.  cour.  de  l'acad.  de  Belg.  25.  9)  Volkmann,  Wied.,  Ann.II. 
pag.  78.  1880.  10)  Simon,  Ann.  chem.  Phys.  132,  pag.  1850.  11)  R.  Schiff,  Chem.  Ber.  15. 
pag.  2965.  1882;  BeibL  7,  pag.  228.  12)  J.  W.  Wolf,  Pogg.  Ann.  loi,  pag.  350;  102,  pag.  S9> 
13)  Clarke,  Chem.  News.  40,  pag.  8;  Beibl.  4,  pag.  21;  Phil.  Mg.  [5]  iio,  pag.  148;  BeibL  4. 
pag.  773.  14)  Frankenheim,  Pogg.  Ann.  75,  pag.  229.  15)  B^de,  Chem.  coar.  d.  Brax.  30^ 
pag.  I.  1862  16)  Quincke,  Pogg.  Ann.  105,  pag.  1^48.  1856.  17)  Pisati,  Acc.  dei  L'mcei  [jj. 
T.  105,  BeibL  1877,  pag.  447.  19)  D.  Mendelejeff,  C.  R.  50,  pag.  52;  51,  pag.  97- 
20)  W.  BfeDE,  Mem.  cour.  de  Brux.  30,  5,  pag.  i.  21)  Wilhelmv,  Pogg.  Ann.  109,  pag.  44J 
122,  pag.  I.  1863.  22)  Scholz,  Pogg.  Ann.  148,  pag.  62 — 77.  23)  Quincke,  Pogg.  Ann.  iS3' 
pag.  161—205.  1874.  24)  Volkmann,  Wied.  Ann.  16,  pag.  328.  Poisson,  Nouv.  Theorie  de 
l'action  cap.  P.  1831,  pag.  107.  25)  Danger,  Pogg.  Ann.  76,  pag.  297.  26)  Desadcs,  Poca 
Ann.  86,  pag.  49.  C.  R.  34,  pag.  765—767.  27)  M.  Mendelejeff  und  Frl.  C.  Gontkowsk^, 
J.  de  phys.  Ges.  «u  St.  Petersb.  Vm,  pag.  212.  Beibl.  I,  pag.  455.  1877.  28)  Mathieu,  BeibL  2, 
pag.  106.  29)  Quincke,  Wied.  Ann.  2,  pag.  193.  1873.  30)  Volkmann,  Wied.  Ann.  17. 
pag.  353.  1882.  31)  Lord  Rayleigh,  Phil.  Mag.  [5]  16,  pag.  309.  1883;  BeibL  8,  pag.  108- 
32)  Oberbeck,  Wied.  Ann.  11,  pag.  634.  1880.  33)  de  Heen,  Bull.  Acad.  Roy.  Belg.  [3]  5« 
pag.  492.  1883;  Beibl.  7,  pag.  663.  34)  Wilhelmv,  Pogg.  Ann.  119,  pag.  177.  1863. 
35)  E.  WiEDEMANN,  WiED.  Ann.  17,  pag.  980.  1882.  36)  G.  Quincke,  Pogg.  Ann.  138,  pag.  141- 
1869.  37)  G.  Quincke,  Pogg.  Ann.  131,  pag.  623.  1868.  38)  H.  Rodenbeck,  Inaug.-Diss. 
Bonn  1879;  Beibl.  4,  pag.  104.    39)  G.  Quincke,  Pogg.  Ann.  160,  pag.  337.  1897.    40)  Caillktit, 


Capillarität  ^  463    ' 

Ziehung  zwischen  den  Molekülen  des  festen  und  flüssigen  Körpers,  die  Adhäsion, 
grösser  oder  kleiner  ist  als  die  Anziehungen  zwischen  den  Molekülen  des  festen 
Körpers  allein  und  denen  des  flüssigen  allein,  d.  h.  ihrer  Cohäsion.  Im  Folgen- 
den sind  die  hierbei  möglichen  Fälle  zusammengestellt: 

I.  Die  Cohäsion  des  festen  Körpers  ist  kleiner  als  die  Adhäsion. 

a)  Die  Adhäsion  ist  kleiner  als  die  Cohäsion  der  Flüssigkeit:    der  feste 
Körper  zerfallt  (Schlemmkreide  in  Wasser). 

b)  Die  Adhäsion  ist  grösser  als  die  Cohäsion  der  Flüssigkeit:  es  tritt  eine 
Lösung  ein. 

n.  Die  Cohäsion  des  festen  Körpers  ist  grösser  als  die  Adhäsion:   der  feste 
Körper  bleibt  in  der  Flüssigkeit  unverändert. 

a)  Die  Adhäsion  ist  kleiner  als  die  Cohäsion  der  Flüssigkeit:  es  tritt  keine 
Benetzung'  ein. 

b)  Die  Adhäsion  ist  grösser  als  die  Cohäsion  der  Flüssigkeit:  es  tritt  Be- 
netzung ein. 

Die    mit  dem  unter  Ib  aufgeführten  Fall  zusammenhängenden  Phänomene 
betrachten  wir  in  einem  besonderen  Artikel  unter  »Lösungc. 

Die  unter  la  fallenden  Erscheinungen  sind  noch  wenig  untersucht  worden. 
Indess  dürften  hierher  ausser  dem  Zerfallen  fester  Körper,  wie  Schlemmkreide, 
in  einer  Flüssigkeit  diejenigen  Phänomene  (i)  gehören,  wo  ein  in  Wasser  aufge- 
schwemmter Körper,  z.  B.  Thon,  bei  Zusatz  einer  Salzlösung  weit  schneller  zu 
Boden  sinkt  als  ohne  einen  solchen.  Die  Adhäsion  der  Wassertheilchen  zu  den 
Theilchen  des  festen  Körpers  überwindet  die  Cohäsion  der  ersteren  zum  Theil; 
es  bildet  sich  um  letztere  eine  Hülle  von  condensirtem  Wasser.  Das  mittlere 
specifische  Gewicht  dieser  und  der  Theilchen  selbst  ist  wenig  grösser  als  das  des 
Wassers.  Bei  Zusatz  von  Salz  ist  aber  die  Anziehung  der  Salztheilchen  zu  den 
Wassertheilchen  grösser  als  die  Adhäsion  der  Wassertheilchen  an  den  Thon- 
theilchen;  letztere  sinken  nieder  und  ballen  sich  zusammen. 

Bei  dem  Zusammenballen  selbst  dürften  hauptsächlich  capillare  Kräfte  in 
Wirksamkeit  treten,  doch  können  auch  chemische  Einflüsse  sich  geltend  machen. 
Es  könnten  etwa  aus  den  in  die  Lösung  übergegangenen  Bestandtheilen  des 
Thons  sich  neue  Theilchen  desselben  bilden,  welche  dann  die  bereits  vorhandenen 
gleichsam  aneinander  löthen.  Dass  wirklich  verschiedene  Momente  bei  der  Aus- 
scheidung der  suspendirten  Theilchen  in's  Spiel  kommen,  ersieht  man  daraus, 
dass  bei  destillirtem  Wasser,  Ammoniak  und  Lösungen  der  Alkaliphosphate  die 
Abscheidung  der  einzelnen  Theilchen  genau  nach  der  specifischen  Grösse  (d.  h. 
nach  dem  Verhältniss  der  Oberflächen  zu  den  Massen)  statt  hat,  während  aus 
Mineralsäuren  und  Salzen  derselben  selbst  bei  Ueberschuss  der  Basis  sich  zu- 
sammenhängende Massen  niederschlagen.  Zwischen  beiden  Klassen  von  Lösungen 
stehen  in  ihrer  Wirkung  die  Lösungen  der  neutralen  AlkaHsulfate. 

Allgemeine  Einleitung.    Im  Folgenden  betrachten  wir  die  Fälle  unter  IL, 
bei  denen  die  sogen.  Capillaritätsphänomene  ♦)  auftreten. 

Um    die  Capillaritätsphänomene   zu   erklären,    stellen  wir  folgende,    freilich 


C  R.  90,   pag.  210.   1880;   Beibl.  4,  pag.  322.     41)  A.  Kündt,  Wied.  Ann.  12,  pag.  538.  1881. 

42)  Hannay  u.   Hogarth,    Proc.   Roy.   Soc.  Lond.    30,   pag.   178.    1880;    Beibl.   4,  pag.  335. 

43)  Frankenheim  u.  Sonthauss,  Pogg.  Ann.  72,  pag.  211.  1847. 

*%  I>eT  Name  Capillarität  rtlhit  daher,  dass  die  einschlägigen  Erscheinungen  zuerst  in  engen 
Röhren,  sogen.  Haarröhren  oder  Capillarröhren,  beobachtet  wurden. 


464 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


(Gh.  61) 


I. 


nicht  g;nr\z  strenge  Betrachtung  an.  AB  sei  die  Oberfläche  einer  Flüssigkeit,  CD 
die  vertikale  Wand  eines  festen  Körpers.  Auf  ein  im  Punkte  A  gelegenes 
Theilchen   können    wir   die   folgenden   Kräfte,    die  jeweilig   um   45°  gegen  die 

Horizontale  geneigt  sind,  als  wirkend  annehmen: 

Eine  Kraft  /^  die  nach  dem  Inneren  der  Flüssig- 
keit wirkt,  und  zwei  Kräfte  Q,  die  einander  gleich  sind, 
und  schräg  nach  oben  und  unten  nach  dem  Inneren 
des  festen  Körpers  gerichtet  sind.  Die  vertikalen 
Componenten  dieser  letzteren  heben  sich  auf,  die 
horizontalen  addiren  sich  algebraisch  zu  der  horizon- 
talen von  Pf  nämlich  P'Cos  45°,  so  dass  die  ganze 
horizontale  Kraft  (2^  —  P)cos  45°,  die  ganze  vertikale 
P'Cosib°  wird. 

Je  nachdem  (2Q — -f^^O  ist,  muss  die  Oberfläche 
horizontal,  am  festen  Körper  auf-  oder  absteigend 
sein;  denn  dann  ist  die  Resultante  aller  Kräfte  vertical  nach  unten  gerichtet, 
gebt  nach  dem  Inneren  des  festen  Körpers  oder  dem  der  Flüssigkeit,  und  im 
Gleichgewichtsmstand  niuss  ja  die  freie  Oberfläche  einer  Flüssigkeit  stets  senkrecht 
zur  wirkenden  Kraft  stehen.  Nimmt  aber  die  erste  an  der  Wand  anliegende 
Schicht  eine  gekrümmte  l-age  an,  so  ist  dies  auch  ftir  die  ihr  benachbarten,  wenn 
aacb  in  abnehmendem  Maasse,  der  Fall.  Durch  die  Grösse  der  Krümmung, 
welche  an  dem  aufsteigenden  oder  absteigenden  Theile  der  Flüssigkeit  vorhanden 
ist,  sind  die  Capillaritätsphänomene  bedingt. 

Durch  die  besprochenen  Kräfte  sowie  die  ganz  analogen,  welche  auftreten 
würden,  wenn  man  die  feste  Wand  gleichfalls  als  aus  einer  Flüssigkeit  bestehend 
ansehen  würde,  \vobci  nur  an  Stelle  der  Adhäsion  von  einem  festen  an  einen 
flüssigen  Körper  die  Adhäsion  zweier  flüssigen  Körper  an  einander  treten  würde, 
sind  eine  grosse  Anzahl  von  Erscheinungen  bedingt 

J,  Die  Erhebung  benetzender  Flüssigkeiten  (Wasser)  und  die  Depression  von 
nicht  benetzenden  (Quecksilber)  in  Capillarröhren.  Die  freie  Oberfläche  der 
Flüssigkeiten  ist  in  denselben  gekrümmt  und  bildet  einen  Theil  einer  Kugel- 
oberfiäche.  Bei  benetzenden  Flüssigkeiten  ist  die  Oberfläche  concav,  bei  nicht 
benetzenden  convex.  T.ei^t  man  im  ersteren  Falle  durch  den  tiefsten  Punkt  der- 
selben eine  Kbcne  senkrecht  zur  Achse  des  Rohres,  im  letzteren  durch  die 
Berührungslinie  der  gekrümmten  Oberfläche  mit  dem  Glasrohre,  so  heisst  der 
oberhalb  dieser  Ebenen  gelegene  Theil  der  Meniscus. 

Hieran  schliesst  sich  dos  Ansteigen  von  Flüssigkeiten  zwischen  zwei  Platten, 
an  einer  Platte  und  an  einem  Draht.  Die  aufsteigende  Flüssigkeit  hängt  an 
demselben  und  sucht  ihn  nach  unten  zu  ziehen.  Es  kann  daher  vorkommen, 
dass  ein  zum  rheil  in  Wasser  tauchender,  dünner  Platindraht  schwerer  erscheint 
als  in  der  Luft,  troti  seines  Gewichtsverlustes  durch  das  verdrängte  Wasser. 
Bei  Aräometemiessiingen  macht  sich  dieselbe  Erscheinung  als  Fehlerquelle 
geltend. 

2.  Die  Troirfenbildung»  sowohl  wenn  Flüssigkeitsmengen  auf  eine  Unteriage 
aufgelegt  werden,  als  auch  wenn  sich  Tropfen  am  unteren  Ende  eines  Stabes 
bilden.  Mit  den  hierfür  geltenden  Gesetzen  hängen  auf  das  Engste  diejenigen 
zusammen,  welche  die  Form  von  Luftblasen  bestimmen,  wenn  sie  sich  unterhalb 
eines  festen  Körpers  in  einer  Flüssigkeit  befinden. 


Capillarität  465 

3.  Das  Schwimmen  von  nicht  benetzten,  im  Verhältniss  zur  Flüssigkeit  relativ 
schweren  Körpern. 

4.  Die  Wechselwirkung  zweier  schwimmender  Körper,  die  eine  anziehende 
ist,  falls  beide  benetzt  oder  beide  nicht  benetzt  werden;  dagegen  eine  abstossende, 
falls  der  eine  Körper  benet;S:t  wird,  der  andere  nicht. 

5.  Die  Bildung  von  hohlen  Seifenblasen  und  die  Contraction  derselben  in 
Folge  der  capillaren  Drucke. 

6.  Die  Gestalt  von  Flüssigkeitsmengen  in  einer  anderen  Flüssigkeit,  mit 
der  sie  sich  nicht  mischen  und  die  mit  ihnen  ein  gleiches  specifisches  Gewicht 
hat,  so  dass  sie  gleichsam  der  Schwere  entzogen  sind. 

7.  Die  Bildung  von  Flüssigkeitslamellen  an  Gerippen  von  Draht  und  die 
Gesetze  über  die  Formen  derselben,  sie  bilden  sogen.  Minimalflächen. 

8.  Die  Ausbreitungserscheinungen  zweier  Flüssigkeiten  übereinander. 
Strenge  Theorien  der  Capillaritätsphänomene  sind  von  Laplace,  Poisson  und 

Gauss  aufgestellt  worden. 

Alle  gehen  von  der  Annahme  aus,  dass  die  Molekularkräfle  nur  in  unmess- 
bar  kleinen  Entfernungen  wirken;  damit  hängt  aber  eng  zusammen,  dass  die 
Wirkung,  welche  eine  Wand  auf  eine  Flüssigkeit  ausübt,  sich  nicht  mit  der  end- 
lichen Krümmung  der  letzteren  zu  verändern  vermag. 

Gegen  diese  Hypothese  sind  von  Wilhelmy  Einwände  erhoben  worden,  die 

indess  durch  spätere  Beobachtungen  widerlegt  wurden.    Die  Theorien  der  obigen 

drei  Gelehrten  gehen  weiter  von  folgenden  Gesichtspunkten  aus:    Laplace  und 

mit  ihm  Gauss  nehmen  an,  dass  die  Dichte  der  Flüssigkeit  durchweg  dieselbe  ist, 

also   an   der  freien  Oberfläche  und  an  der  Grenzfläche  zwischen  Flüssigkeit  und 

Wand  denselben  Werth  besitzt  wie  im  Inneren  der  Flüssigkeit;  oder  mit  anderen 

Worten  setzen  beide,   da  Molekularkräfte  thätig  sind,  die  Flüssigkeit  als  incom- 

pressibel  voraus.    Dagegen  nahm  Poisson  auf  die  Compressibilität  Rücksicht  und 

polemisirte  gegen  die  I.APLACE*schen  Entwicklungen.    Seine  Einwände  sind  indess 

nicht   stichhaltig,   doch   hat  er  auf  eine  Reihe  wichtiger  Punkte  der  Capillaritäts- 

theorie  aufmerksam  gemacht.     Die  PoissoN'schen  Betrachtungen  sind  neuerdings 

von  Mathieu  (28)  in  strengerer  und  einfacherer  Form  weiter  entwickelt  worden. 

Um   die  in  Frage  kommenden  Grössen  kennen  zu  lernen,  stellen  wir  folgende 

Betrachtung  an: 

Haben  wir  einen  kugelförmigen  Flüssigkeitstropfen  in  der  Luft  vom  Radius  -ff, 
so  ist  der  in  Folge  der  Molekularkräfte  auf  die  Oberflächeneinheit  wirkende,  nach 
Innen  gerichtete  Druck 

dabei  ist  i^T  der  bei  einer  ebenen  Oberfläche  (für  ^  =  00)  auftretende  Druck  und 
ff  eine  Constante,  und  es  ist  das  positive  resp.  negative  Vorzeichen  zu  nehmen, 
je  nachdem  man  es  mit  einer  convexen  oder  concaven  Fläche  zu  thun  hat.    JC  ent- 

a 
spricht    vollkommen  unserer  früheren  Grösse  -^    (s.  unter  Aggregatzustand),  wo 

hier  für  t/  das  sehr  kleine  Volumen  der  Gewichtseinheit  der  Flüssigkeit  zu  setzen 
ist  (als  Volumeneinheit  ist  dasjenige  der  Gewichtseinheit  Gas  beim  Drucke  1  und 
der  Temperatur  0°  genommen). 

ff'  hat  die  folgende  Bedeutung.  Es  sei  eine  kugelförmige  Oberfläche  mit 
dem  Radius  1  gegeben,  dann  ist  -äT  numerisch  diejenige  Kraft,  welche  die  zwischen 
der  Tangentialebene  an  die  Kugel  und  dieser  selbst  gelegenen  Theilchen  auf  die- 

LAOSHBifBiG,  Cfcemie,    IL  jO 


464 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


'Ü 


/ 

■• 

^    - 

.e 

A- 

k 

i, 

/ 

Id 

a 

IT 

(Ch.  62.) 


nicht  ganz  strenge  Betrachtung  an.    AB  sei  die  Oberfläche  eiir^^r  Jip^ 
die    vertikale  Wand    eines    festen   Körpers.     Auf  ein    im    F^ui-ijf^/ 
Theilchen   können    wir   die   folgenden   Kräfte,    die  jeweilig 

Horizontale  geneigt  sind,  als  \p^ 
Eine  Kraft  P,  die  nach  d/  ? 

keit  wirkt,  und  zwei  Kräfte  Q  |  ^ 

und  schräg  nach  oben  ur-  /"  f  1 

des    festen  Körpers  ge'  ^"  ^  j  5 

Componenten    dieser       |  .5  f  !. 

horizontalen  addirer  |     ^  f  '   .^ 

talen  von  P,  näm\  ^     >      ^  c 

horizontale  Kraft    ;  /     x       V  ; 

F' cos  45°  wird      ^  £      !       f  ' 
Jenachd    •     1   '      ^       ;    : 

horizontal,   ^  ^     r 
sein;  denn  dann  ist  die  Resultante 
geht  nach  dem  Inneren  des  festen 
Gleichgewichtszustand  muss  ja  die 
zur   wirkenden  Kraft  stehen.     ?    ;         »* 
Schicht  eine  gekrümmte  Lage  a       - 

auch  in  abnehmendem   Maa         ^  aem  Stoff  der  Wand  und  der  Flüssigkeit 

welche  an  dem  aufsteigend      ■'  9,  um  so  vollkommener  ist  die  Benetzung; 

ist,  sind  die  Capillaritätsr  ,  •  ang  vorhanden.    Der  Winkel  <j)  liegt  bei  reinem 

Durch  die  bespror  '^  früheren  Angaben  zwischen  30—40°.     Dann  wird 

würden,  wenn  man  d*  ^  (^9)  und  Volkmann  (30)  ist  an  der  freien  Oberfläche 

ansehen   würde,   wc^       ,  wässrigen  und   alkoholischen  Salzlösungen  gegen  Wasser 
Üüssigen  Körj^er  r' 
sind  eine  grosse 

L  Die  Er"    -^"'Zrht  MH  nach  Mendelejeff  als  Molekularcohäsion.    PoissoNhat 

■-'■^  TT 

nicht    benet  -       -" 

Flüssigkeit 

oberfläch  /    ^u/ti 


uen  das 

"^t  derselben 

-tetig  in  die  Wand- 

Randwinkel  ^  ist  be- 


.,^  eine  vollkommene  Benetzung  eintritt. 

f  häufig  H  mit  dem  Namen  Cohäsion,  das  Produkt  aus  ü  in 


(i^^iit  a^  =  Y'    ^o  ^  ^^s  specifische  Gewicht  ist,    eingefühlt. 

./]  den  Radius  einer  Capillarröhre  giebt  <z^  die  Steighöhe  in  derselben. 

benetzf    ,»^^''.^^>:  ^^c^^"*  ^*  ^^^  specifische,  a  =  Hß  die  wirkliche  Cohäsion;  dod 

^  C^^^jie  Cohäsion  für  diese  Grösse  wenig  passend,   da  dieselbe  durchaus 


selbe* 

Ber      ^  ^T^kt  <Jic  ^^^*^^  misst,   mit  der  zwei  in  einer  Ebene  aneinander  stosscndc 
oT"        t^^\^^ti^sx\\^^'^^^^  ;lii einander  haften,  sondern  von  dieser  Grösse  in  höchst  com- 
/^^^  ^Veii^e  abhängig  ist.     Es  wäre  daher  besser,  statt  des  Namens  Cohäsion 
/j/Jf^^^ij^fjftick  Capillaritätsconstante  einzuführen. 

^^'^  froren  i^v^  ci  l  lllssigkeiten  1  und  2  mit  einander  in  Berührung,  so  lassen  sich 
jjjre  Grcn^rtächt^  Grössen  K^^,  a^g,  H^^  ermitteln,  welche  ebenso  wie  die 
sscn  A'.   ^,    //  an  der  Grenze   der  Flüssigkeit  und  Luft  die   Phänomene  bc- 

jlat  man   drui  Flüssigkeiten  1,  2,  3  übereinander  geschichtet,   so  ist  streng, 
^ie  Lord  Raylüigh  (31)  nachwies, 

1.  ^1  3  =  ^1  2  +  -^8  3 

und  angenähert 

Set^^t  man  als  dritte  Flüssigkeit  Luft  und  macht  3  =  0,  so  wird  jedenfalls 

3.  -^12  ""^  -^1  —  -^2' 


r 


'-i* 


<^ 


Capillarität.  467 

1.  ist  durch  die  Versuche  vollkommen  bestätigt,  nicht  so  die 
\,  "hl  in  den  nicht  ganz  strengen  Voraussetzungen,  aus  denen 

^  Grund  hat,  wohl  aber  3. 

h         ^<ji      ^  ^.   ist  nach  Volkmann  (30)  eine  Grenze   zwischen 

^Ä.•    «fv        ^^-  ■  ist  aber  a.a>-^ — -,  so  mischen  sich  die- 

<2&   ^  "^  ^  swand,  die  man  als  die  Flüssigkeit  2  be- 

^  ^  **<>•         '^^>-  ir  '^^^^  folgenden  Werthe;  dabei 

%.         %.  %  '^''^^        '  '>-^,     '"''  ^m  Zustand  befinden,  der  mit 

5^.  -^  *"•%:  "^'i,-^  '^<^         '^'^  .re  übereinstimmt,  d.  h.  dass  ihre 

^'    ^  %\  ''^\^^^'"  '^^  ^^^  ^^'  Druck  ein  gleicher  ihres 

^'*>>^^'^\  .  -'t-  ^  ^atur  273°   und   1  Atmosphäre  von  den 

o  '^'^  ^^:^  ^  -  angegebenen  Werthe  von  K  sind  nicht  als 

'^  •  '*'<''♦  '  "%*  "^^^  doch  ein  Urtheil  über  die  Grössenordnung.  — 

%  "^^^^  ^"4  "^  -ser  10700  Atm.  Kohlensäure  2820  Atm. 

^"^"^  vJhloräthyl  2040    „  Methylacetat  2225    „ 

Schwefelige  S.   3060    „  Diäthylamin    1500    „ 

Zahlen  (3)  beziehen  sich  auf  Flüssigkeiten  unter  einem  Druck 

'^  ^e  und  gelten  für  0°.   Die  zugehörigen  Werthe  von  ZT  in  Milligramm- 

ocehen  darunter. 

Aether  Alkohol  CS,  H^O 

ir  Atmosphäre  1300  2400  2990  10500 

^  Milligrm.-Millim.     37  50  66  155. 

Betrachtet  man  den  Druck  K  genauer,  so  zeigt  sich,  dass  dieser  die  Summe 

(aller  der  Anziehungskräfte  ist,  welche  auf  die  in  einer  Schicht  von  der  Dicke  der 
Wirkungssphäre  an  der  Oberfläche  gelegenen  Moleküle  wirken;  die  äussersten 
\  Theile  dieser  Schicht  erfahren  demnach  kleinere  Drucke  als  die  inneren.  Die 
\  Oberflächenschicht  muss  demnach  eine  geringere  Dichte  haben  als  die  mehr  im 
Innern  gelegenen  Theile.  Dies  hängt  wieder  damit  zusammen,  dass,  sobald  wir 
anziehende  Kräfte  zwischen  den  einzelnen  Molekülen  annehmen,  bei  den  Ueber- 
/i/hfungen  von  Theilen  aus  dem  Innern  an  die  Oberfläche  eine  Arbeit  geleistet 
werden  muss.  Die  frühere  Ansicht,  dass  die  Oberflächenschicht  dichter  ist  als  das 
Innere  der  Flüssigkeit,  dürfte  nur  noch  wenig  Anklang  finden. 

Jedenfalls     besitzen    die   Flüssigkeitstheilchen    der   Oberflächenschicht    ganz 

andere  Eigenschaften  als  im  Innem  der  Flüssigkeit,  so  zeigt  sich  z.  B.  beim  Wasser 

eine  Oberflächenzähigkeit,  die  sich  nachweisen  lässt,  wenn  man  ebene  Platten 

einmal  im  Innem  der  Flüssigkeit  und  dann  in  der  Nähe  der  Oberfläche  oder  in 

dieser   schwingen  lässt;  ob  diese  Zähigkeit  von  condensirten  Luft-  oder  Staub- 

theilchen  etc.   herrührt,  ist  noch  nicht  mit  absoluter  Sicherheit  festgestellt,  ist  aber 

nach  Oberbeck's  (32)  Untersuchungen  nicht  mehr  wahrscheinlich.     Bei  anderen 

Substanzen    wie    Alkohol,    Lösungen   von    CuCl,    und   Ca  Gl 2    in   Alkohol,    bei 

Terpentinöl    und  Schwefelkohlenstoff"  ist  die  Erscheinung  nicht  merklich. 

Nach     i>E     Heen   (30)    besitzt    die    Oberflächenschicht    einen    Ausdehnungs- 
cocfficienten,    <ier  bei  allen  Substanzen   1*608  mal  so  gross  ist  als  derjenige  der 
Flüssigkeit  l>ei   normaler  Dichte. 

Auch   an   <ier  Grenze  zweier  Flüssigkeiten  oder  eines  festen  Körpers  (i)  und 

30* 


466  Handwörterbuch  der  Chemie. 

jenigen  Theilchen  der  Flüssigkeit  ausüben  würden,  welche  in  einem  Cylinder 
von  dem  Querschnitt  Eins  gelegen  sind»  der  in  der  Richtung  des  Radius  nach 
dem  Innern  der  Flüssigkeit  geht.  H  ist  sehr  viel  kleiner  als  K  und  ist  ausser- 
dem, wie  eine  genaue  Discussion  zeigt,  das  Produkt  aus  einer  Kraft  in  eine 
Länge  a,  also  eine  Arbeit  und  zwar  die  Molekular-Arbeit,  welche  geleistet  wird, 
wenn  sich  die  Schicht  der  Oberflächeneinheit  von  veränderlicher  Dichte  in 
homogene  Flüssigkeit,  wie  sie  im  Innern  vorhanden  ist,  verwandelt.  Die  Länge  a 
ist  von  derselben  Grössenordnung  wie  der  Radius  der  Wirkungssphäre,  also  sehr 
klein.     K  ist  eine  Kraft  selbst. 

Die  Grösse  H  hängt  nur  von  den  specifischen  Eigenschaften  der  Flüssig- 
keit ab.  Lassen  wir  von  ihr  allein  die  Capillaritätserscheinungen  bestimmt  sein, 
so  machen  wir  stillschweigend  eine  Annahme  über  die  Kräfte  zwischen  dem 
festen  Körper  und  der  Flüssigkeit  und  zwar  diejenige,  dass  die  Flüssigkeit  den 
Körper  vollständig  benetzt,  oder  dass  der  Randwinkel  9,  der  Winkel,  den  das 
letzte  an  die  Wand  grenzende  Element  der  Flüssigkeitsoberfläche  mit  derselben 
bildet,  0°  beträgt,  also  gleichsam  die  Flüssigkeitsoberfläche  stetig  in  die  Wand- 
fläche übergeht.  Dies  ist  aber  fast  nie  der  Fall.  Der  Randwinkel  ^  ist  be- 
stimmt durch 

wo  e  eine  mit  H  gleichartige,  aber  von  dem  Stoff  der  Wand  und  der  Flüssigkeit 
abhängende  Constante  ist.  Je  kleiner  9,  um  so  vollkommener  ist  die  Benetzung; 
für  <p  =  0  ist  vollkommene  Benetzung  vorhanden.  Der  Winkel  9  liegt  bei  reinem 
Glas  und  Wasser  in  Luft  nach  früheren  Angaben  zwischen  30 — 40°.  Dann  wird 
e  ==  0*7— 0*8,  nach  Quincke  (29)  und  Volkmann  (30)  ist  an  der  freien  Oberfläche 
von  Wasser,  Alkohol,  wässrigen  und  alkoholischen  Salzlösungen  gegen  Wasser 
meist  9  =  0°,  so  dass  eine  vollkommene  Benetzung  eintritt 

Man  bezeichnet  häufig  H  mit  dem  Namen  Cohäsion,  das  Produkt  aus  H  in 
das  Molekulargewicht  MH  nach  Mendelejeff  als  Molekularcohäsion.    PoissoN  hat 

TT 

statt  H  den  Quotient  ä^  -=  — ^  wo  5  das  specifische  Gewicht  ist,  eingeführt 
Dividirt  durch  den  Radius  einer  Capillarröhre  giebt  a^  die  Steighöhe  in  derselben. 

Quincke  nennt  ä*  die  specifische,  a  =  Hß  die  wirkliche  Cohäsion;  doch 
ist  der  Name  Cohäsion  für  diese  Grösse  wenig  passend,  da  dieselbe  durchaus 
nicht  direkt  die  Kraft  misst,  mit  der  zwei  in  einer  Ebene  aneinander  stossende 
Flüssigkeitsmassen  aneinander  haften,  sondern  von  dieser  Grösse  in  höchst  com- 
plicirter  Weise  abhängig  ist.  Es  wäre  daher  besser,  statt  des  Namens  Cohäsion 
den  Ausdruck  Capillaritätsconstante  einzufuhren. 

Treten  zwei  Flüssigkeiten  1  und  2  mit  einander  in  Berührung,  so  lassen  sich 
für  ihre  Grenzfläche  Grössen  A"i  j,  aj  3,  Hy^^  ermitteln,  welche  ebenso  wie  die 
Grössen  K,  a,  H  ^m  der  Grenze  der  Flüssigkeit  und  Luft  die  Phänomene  be- 
stimmen. 

Hat  man  drei  Flüssigkeiten  1,  2,  3  übereinander  geschichtet,  so  ist  streng, 
wie  Lord  Ravleich  (31)  nachwies, 

1.                                                       ^13  = -^12 -+" -^2  3 
und  angenähert  

2.  V^=/^,+V'/^„. 

Setzt  man  als  dritte  Flüssigkeit  Luft  und  macht  3  =  0,  so  wird  jedenfalls 
3.  -^12  '^  ^\  —  -^2' 


Capillarität.  467 

Die  Relation  1.  ist  durch  die  Versuche  vollkommen  bestätigt,  nicht  so  die 
Gleichung  2,  was  wohl  in  den  nicht  ganz  strengen  Voraussetzungen,  aus  denen 
sie  entwickelt  ist,  seinen  Grund  hat,  wohl  aber  3. 

Sobald  aj«<-^— 5 — -  ist,   ist  nach  Volkmann  (30)  eine  Grenze   zwischen 

den  beiden  Flüssigkeiten  vorhanden;  ist  aber  «ia>~^~9 — ~*  so  mischen  sich  die- 
selben. Der  Randwinkel  an  einer  Glaswand,  die  man  als  die  Flüssigkeit  2  be- 
trachten kann,  ergiebt  sich  aus 

2ai9  —  OL 

K{^)  hat  für  eine  Reihe  von  Flüssigkeiten  die  unten  folgenden  Werthe;  dabei 
ist  vorausgesetzt,  dass  die  Flüssigkeiten  sich  in  einem  Zustand  befinden,  der  mit 
demjenigen  des  Aethers  bei  0°  und  1  Atmosphäre  übereinstimmt,  d.  h.  dass  ihre 
Temperatur  derselbe  Bruchtheil  ihrer  kritischen  und  der  Druck  ein  gleicher  ihres 
kritischen  ist,  wie  die  absolute  Temperatur  273°  und  1  Atmosphäre  von  den 
kritischen  Grössen  des  Aethers.  Die  angegebenen  Werthe  von  K  sind  nicht  als 
sehr  genau  zu  betrachten,  geben  aber  doch  ein  Urtheil  über  die  Grössenordnung.  — 
Aether     1430  Atm.  Wasser  10700  Atm.  Kohlensäure  2820  Atm. 

Aikohol  2400    „  Chloräthyl  2040    „  Methylacetat  2225    „ 

CS,         2890    „  Schwefelige  S.   3060    „  Diäthylamin    1500    „ 

Die  folgenden  Zahlen  (3)  beziehen  sich  auf  Flüssigkeiten  unter  einem  Druck 
von  1  Atmosphäre  und  gelten  für  0°.  Die  zugehörigen  Werthe  von  ^in  Milligramm- 
Millimetern  stehen  darunter. 

Aether  Alkohol  CS,,  H,0 

K  Atmosphäre  1300  2400  2990  10500 

^  Milligrm.-Millim.     3*7  50  6*6  15*5. 

Betrachtet  man  den  Druck  K  genauer,  so  zeigt  sich,  dass  dieser  die  Summe 
aller  der  Anziehungskräfte  ist,  welche  auf  die  in  einer  Schicht  von  der  Dicke  der 
Wirkungssphäre  an  der  Oberfläche  gelegenen  Moleküle  wirken;  die  äussersten 
Theile  dieser  Schicht  erfahren  demnach  kleinere  Drucke  als  die  inneren.  Die 
Oberflächenschicht  muss  demnach  eine  geringere  Dichte  haben  als  die  mehr  im 
Innern  gelegenen  Theile.  Dies  hängt  wieder  damit  zusammen,  dass,  sobald  wir 
anziehende  Kräfte  zwischen  den  einzelnen  Molekülen  annehmen,  bei  den  Ueber- 
fuhrungen  von  Theilen  aus  dem  Innern  an  die  Oberfläche  eine  Arbeit  geleistet 
werden  muss.  Die  frühere  Ansicht,  dass  die  Oberflächenschicht  dichter  ist  als  das 
Innere  der  Flüssigkeit,  dürfte  nur  noch  wenig  Anklang  finden. 

Jedenfalls  besitzen  die  Flüssigkeitstheilchen  der  Oberflächenschicht  ganz 
andere  Eigenschaften  als  im  Innern  der  Flüssigkeit,  so  zeigt  sich  z.  B.  beim  Wasser 
eine  Oberflächenzähigkeit,  die  sich  nachweisen  lässt,  wenn  man  ebene  Platten 
einmal  im  Innern  der  Flüssigkeit  und  dann  in  der  Nähe  der  Oberfläche  oder  in 
dieser  schwingen  lässt;  ob  diese  Zähigkeit  von  condensirten  Luft-  oder  Staub- 
theilchen  etc.  herrührt,  ist  noch  nicht  mit  absoluter  Sicherheit  festgestellt,  ist  aber 
nach  Oberbeck's  (32)  Untersuchungen  nicht  mehr  wahrscheinlich.  Bei  anderen 
Substanzen  wie  Alkohol,  Lösungen  von  CuCl,  und  CaClj  in  Alkohol,  bei 
Terpentinöl  und  Schwefelkohlenstoff"  ist  die  Erscheinung  nicht  merklich. 

Nach  DE  Heen  (30)  besitzt  die  Oberflächenschicht  einen  Ausdehnungs- 
cocfficienten,  der  bei  allen  Substanzen  1-608  mal  so  gross  ist  als  derjenige  der 
Flüssigkeit  bei  normaler  Dichte. 

Auch  an  der  Grenze  zweier  Flüssigkeiten  oder  eines  festen  Körpers  (i)  und 

30* 


468  Han4wörteTbuch  der  Chemie. 

einer   Flüssigkeit   (2)    müssen   Dichtigkeitsänderungen   auftreten,    die,    falls  die 
Grösse  K^^  die  Grösse  JC^  überwiegt,  Verdichtungen  darstellen. 

Zu  beachten  ist  indess,  dass  bei  den  Capillarphänomenen  nicht  immer  die- 
selben Theilchen  die  Grenzschicht  bilden,  sondern  fortwährend  in  Folge  dei 
Molekularbewegung  einzelne  Moleküle  dieselbe  verlassen  und  andere  in  sie 
hineintreten. 

WiLHELMY  (34)  hat  versucht,  die  Verdichtung  in  der  Weise  zu  ermitteln,  dass 
er  den  Verlust,  den  ein  Körper  in  Wasser  erfahrt,  experimentell  bestimmte  und 
ihn  aus  den  gemessenen  Dimensionen  desselben  berechnete.  Die  WiLHELMv'schen 
Versuche  ergaben  dabei  in  der  That  eine  Verdichtung,  als  aber  Röntgen  (4), 
Schleiermacher  (5),  Volkmann  (6)  immer  für  denselben  Körper  (Gyps,  Glimmer, 
Glas  oder  Kalkspath)  einmal  im  Ganzen  und  dann  nach  grosser  Zertheilung  die 
specifischen  Gewichte  bestimmten,  fanden  sie  stets  dieselben  Resultate,  so  dass  also 
die  Menge  der  verdichteten  Substanz  nicht  sehr  gross  sein  konnte.  Dass  indess 
verdichtete  Wasserschichten  auftreten,  hat  man  auf  andere  Weise  aus  Capillaritäts- 
phänomenen  abzuleiten  gesucht.  So  hat  Plateau  (7)  aus  den  Versuchen  von 
BfeDE  (8)  auf  Wandschichten  von  O'OOl  Millim.  Dicke  geschlossen  und  Volkmann 
(9)  aus  seinen  eigenen  Versuchen  über  die  Steighöhe  zwischen  parallelen  Platten 
und  in  verschieden  weiten  Röhren  auf  solche  von  0*004  Millim.  Dicke ;  ähnliches 
ergeben  auch  die  Versuche  von  Simon  (ig). 

Dass  keine  Condensationen  von  Flüssigkeiten  sich  aus  specifischen  Gewichts- 
bestimmungen ergaben,  lässt  sich  aus  der  Theorie  der  Molekularkräfte  entwickeb 
(35),  wenn  man  annimmt,  dass  die  von  der  festen  Wand  ausgehenden  Kräfte  eine 
Schicht  von  der  Dicke  der  Wirkungssphäre  comprimiren.  Bei  Wasser  werden 
sich  auf  einen  Quadratcentimeter  höchstens  25x10-^  Grm.  condensiren,  also 
eine  verschwindend  kleine  Menge. 

Wohl  zu  beachten  ist,  dass  bei  der  Entwicklung  der  Theorie  aller  Capillar- 
phänomene  der  Druck  K  aus  der  Rechnung  herausfällt,  dass  also  die  Grösse  ff 
und  der  Randwinkel  allein  maassgebend  sind. 

Betrachten  wir  z.  B.  das  Gleichgewicht  in  einer  Capillarröhre,  welche  in 
ein  weites  mit  einer  Flüssigkeit  vom  spec.  Gew.  s  gefülltes  Gefass  getaucht  ist  und 
in  welcher  die  Flüssigkeit  in  die  Höhe  steigt,  so  wirken  auf  die  an  ihrer  untersten 
Oeffhung  vom  Querschnitte  co  gelegene  Schicht,  die  unter  der  äusseren  Ober- 
fläche um  A,  unter  der  inneren  um  A'  gelegen  ist,  zwei  Druckkräfte.  Die  eine, 
welche  nach  dem  Innern  der  Capillarröhre  gerichtet  ist,  ist  gleich  dem  Druck 
der  Flüssigkeitssäule  bis  zur  äusseren  Oberfläche,  also  =  m^sÄ-^  K).    Von  innen 

wirkt  dagegen  nahezu  ein  Druck  coij^'  +  Ä' —  -^j,  wenn  jR  die  Krümmung  an 

der  inneren  Oberfläche  darstellt.     Zum  Gleichgewicht  ist  daher  nöthig,  dass: 

o)(j//  -h  AT) = CD  (sA' + jc— ^y 

oder  die  Steighöhe  im  Capillarrohr  wird: 

d.  h.  unabhängig  von  K,  und  ebenso  ist  es  in  anderen  Fällen. 

Statt  die  Grösse  ff,  welche  die  Arbeit  einer  Oberflächenenergie  darsteUt, 
zu  betrachten,  kann  man  auch  die  sogen.  Oberflächenspannung  einführen,  deren 
numerischer  Werth  für  die  Längeneinheit  gleich  ist  demjenigen  der  Oberflächen- 
energie für  die  Flächeneinheit. 


Capillarität.  469 

Eine  ausgespannte  Flüssigkeits-Oberfläche  sucht  sich  nämlich  in  Folge  der 
Molekularkräfte  zusammenzuziehen.  Sie  zeigt  darin  das  Verhalten  einer  Kautschuk- 
membran. 

Indess  sind  zwei  Unterschiede  vorhanden,  1.  ist  die  Spannung  bei  der  Flüssig- 
keit in  jedem  Punkte  nach  allen  Seiten  gleich  und  2.  ist  sie  bei  der  Flüssigkeit 
unabhängig  von  der  Grösse  der  Membran. 

Bestimmung  der  Constanten.  Um  die  Grössen  H^  a^  und  9  zu  bestimmen, 
verfahrt  man  in  sehr  verschiedener  Weise. 

1.  Man  ermittelt  die  Steighöhe  A  in  einem  kreisförmigen  Capillarrohr  vom 
Radius  r,  dann  ist  angenähert: 

Ist  9  =  0  und  das  Rohr  nicht  zu  eng,  so  ist  genauer 

(1  r  r«\ 

H.___0-l284^j. 

Schiff  (11)  schlägt  statt  der  obigen  die  folgende  Formel  vor: 

dabei  ist  Ac  die  mit  Rücksicht  auf  den  Meniscus  corrigirte  Steighöhe,  A  die  beob- 
achtete und  /  die  Höhe  des  Meniscus. 

2.  Man  bringt  auf  eine  horizontale  Unterlage  einen  Tropfen  der  sie  nicht 
benetzenden  Flüssigkeit.  Ist  dann  A  die  ganze  Höhe  desselben,  A^  der  Abstand 
derjenigen  Stelle  von  der  Unterlage,  an  welcher  der  Tropfen  am  breitesten  ist, 
so  wird  A^  =  a,  ^  =  ö"|/1  -+-  cos(f. 

3.  Man  bringt  in  die  mit  einem  horizontalen  Deckglas  bedeckte  Flüssigkeit 
eine  Luftblase  und  bestimmt  für  diese  die  Grössen  A  und  A^,  dann  ist 

^  =  2^1  =2tf. 

4.  Man  bestimmt  die  Grösse  der  Tropfen,  die  von  einem  cylindrischen 
Stabe  herabfallen  und  benutzt  folgenden  Satz:  Ist  das  Gewicht  eines  Tropfens, 
der  an  einem  benetzten  Cylinder  vom  Umfang  (7  hängt,  gleich  P,  so  ist 

So  hat  Quincke  für  geschmolzene  Substanzen  Werthe  von  ^gefunden;  indem 
er  dann  sie  weiter  auf  eine  von  ihnen  nicht  benetzte  Unterlage  fallen  und  dort 
erstarren  liess,  konnte  er  aus  ihren  Dimensionen  nach  der  Methode  2  auch  leicht 
tf*  berechnen. 

5.  Man  misst  den  Winkel  9  direkt  auf  optischem  Wege. 

6.  Auch  wenn  man  die  Zahl  der  Tropfen  bestimmt,  welche  von  einer  be- 
stimmten Flüssigkeitsmenge  geliefert  werden,  kann  man  die  Capillaritätsconstante 
nach  obiger  Formel  berechnen.  Statt  die  Tropfen  direkt  aus  einem  Capillarrohr 
abtropfen  zu  lassen,  wie  es  Hagen,  Duprä  und  Duclaux  thaten,  spannt  de  Heen 
(33)  über  eine  kleine  runde  Oefihung  in  einem  Kartenblatt  vier  sehr  feine  Glas- 
faden. An  diesem  unter  der  Oefftiung  befindlichen  Quadrat  bilden  sich  dann  die 
abfallenden  Tropfen  stets  unter  denselben  Bedingungen. 

Im  Anschluss  an  die  obigen  allgemeinen  Betrachtungen  geben  wir  im  Folgen- 
den eine  Reihe  der  gefundenen  numerischen  Resultate. 

Für  Quecksilber  (14)  ergab  sich  die  Capillarconstante  a^  unter  100°  und  über  100°. 
ö^»  =  3-98(1  -h  000133  /)     und     a^^  =  4-050(1  -h  0*00143  /). 


470 


Handwörterbuch  der  Chemie 


Für  Quecksilber  ist  es  fast  unmöglich,  genaue  Werthe  der  Capillaiitäts- 
constanten  zu  erhalten,  indem  sich  dieselben  schon  wenige  Sekunden,  nachdem 
das  Quecksilber  an  der  Luft  als  Tropfen  oder  in  einer  Capillarröhre  gestanden, 
verändern. 

Für  (p  findet  man  etwa  45°,  für  a  etwa  2-6— 2-7  Millim.  im  Mittel.  Vereuche 
von  QxnNCKE  (i6)  zeigten  gleichfalls  grosse  Schwankungen.  Wie  weit  die  Zahlen 
von  einander  abweichen,  mögen  folgende  Angaben  zeigen.    Es  ist 


nach 
YOUNG 

? 
40° 

a 

Laplace 

24°  12' 

Gay  Lussac 

45° 

2-55 

POISSON 

45°  40' 

Bravais 

35°  58' 

2-554 

BOHNENBERGER 

56° 

Danger 

37°  52' 

2-59 

Desains 

41°  56-3' 

2-62-65 

Hagen 

2-65—2-62 

BfeDE 

2-66. 

Wir  geben  im  Folgenden  die  Werthe,  die  Quincke  für  eine  Reihe  von  ge- 
schmolzenen Substanzen  ermittelt  hat,  und  zwar  sind  die  in  Tabelle  II  nach  der 
Methode  2.,  die  in  Tabelle  I  nach  der  Methode  4.  gefunden  worden,  dabei  be- 
deutet <7q  das  specifische  Gewicht  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  j  aber  bei 
der  Schmelztemperatur  und  zwar  berechnet  aus  Jq  und  dem  Ausdehnungs- 
coefficienten,  so  dass  a  nur  angenähert  richtig  sein  kann. 

Tabelle  I  (36). 


No. 

CapiUaritätsc 
Substanz 

.onstantei 
Schmp. 

1  geschn 

lolzener 

Körper 
a 

Ä> 

a 

1 

Platin 

(20000) 

(19500) 

(12000) 

360« 

360« 

3200 

2300 

—400 

3300 

10000 

2«50 

580 

900 

4320 

(10000) 

(10000) 

12000 

11000 
12000 

20033 

11-4 

18002 

7-119 

7-119 

8-627 

7-267 

13-596 

11-266 

10-621 

9-819 

0-865 

0-972 

6-620 

2-6 

2-509 

2-502 
5-55 
2-452 
2-300 

2-219 

18-915 

10-8 

17-099 
6-900 
6-900 
8-394 
7-144 

10-952 

10-002 

9-709 

6-528 

2-5 

2-45 

2-041 

2-45 

5-5 

2-38Ö 

2-2 

2 

2-15 

MUlignn. 

169-04 
(136-4) 

100-22 
87-68 
82-79 
70-65 
59-85 
58-79 
45-66 
42-75 
38-98 

(37-09) 
25-75 
24-92 
21-60 
20-96 
18-25 
20-57 
19-01 
18-09 
16-33 
16-33 
15-31 

D  NElHm. 

17-86 
25-26 
11-71 
25-42 
24 

16-84 
16-75 
8-646 
8-339 
8-549 
8-019 
85-74 
52-97 
7-635 
17-28 
17-11 
17-88 
16-69 
6-911 
15-21 
14-82 
16-33 
14-24 

Millim. 

4-227 

2 
3 

Palladium  .     .     . 
Gold     .... 

5-026 
3-423 

4 
5 

6 
7 

Zink  (in  COj)  . 
Zink  (in  Luft)    . 
Cadmium  (in  CO 3] 
Zinn     .... 

5-042 
4-899 
4103 
4-094 

8 
9 
10 

Quecksilber    .     . 
Blei  (in  COj)    . 
Silber  .... 

2-941 
2-887 
2-923 

11 
12 
13 
14 
15 

Wismuth  (in  CO 3) 
Kalium  (in  CO 2) 
Natrium  (in  CO^) 
Antimon  (in  CO,) 
Borax   .... 

2-831 
8-768 
7-278 
2-764 
4-254 

16 
17 
18 
19 
20 

Natriumcarbonat 
Natriumcarbonat 
Phosphorsalz 
Chlorsilber     .     . 
Glas      .... 

4-136 

4-23 

4-098 

2-629 

3-899 

21 
22 
23 

Kaliumcarbonat  . 
Kaliumcarbonat  . 
Chlorcalcium  .     . 

3-846 

4-04 

3-774 

Capillarität. 


47« 


No. 


24 
25 
26 
27 
28 
29 
30 
31 
32 
33 
34 


Capillaritäts-Constanten  geschmolzener  Körper 
Substanz 


Chlorlithium  .  .  . 
Chlomatrium  .  . 
Borsäure  .... 
Kaliumnitrat  .  .  . 
Gilorkalium  .  .  . 
Wasser      .... 

Selen 

Brom 

Schwefel  .... 
Phosphor  (in  CO,) 
Wachs 


Schmp. 

^0 

a 

a 

fl« 

Milligrm. 

D  Millim. 

1-998 

12-07 

1210 

2-092 

204 

11-63 

11-40 

(13000) 

1-83 

1-75 

10-69 

12-22 

3390 

2059 

204 

9-954 

9-759 

1-932 

1-870 

9-516 

10-18 

00 

1 

8-79 

17-58 

2170 

4-3 

4-2 

7-180 

3-419 

-210 

3187 

3-25 

6-328 

3-895 

1110 

2033 

1-966 

4-207 

4-280 

430 

1-986 

1-833 

4-194 

4-575 

680 

1-833 

3-40 

7-061 

Tabelle  H  (37). 


Millim. 

3-478 

3-377 

3-495 

3-124 

3-19 

4-193 

1-849 

1-973 

2-068 

2140 

2-657 


Capillaritäts-Constanten  geschmolzener  Körper 

No. 

Substanz 

Schmp. 

gp 

a 

a 

tf» 

a 

Millignn. 

n  MUlim. 

MUIim. 

1 

Gold 

12000 

18-002 

17-099 

131-5 

15-39 

8-923 

2 

Gusseisen  (Kupferhammer) 

12000 

7-5 

101-7 

2714 

(5-21) 

3 

Gusseisen  (Carlshtttte)  .     . 

7-5 

96-81 

25-81 

(5-08) 

4 

Silber»)     .... 

10000 

10-621 

10-002 

79-75 

15-94 

3.993 

5 

Kupfer       .     .     . 

10900 

8-95 

8-2 

59-2 

14-44 

3-8 

6 

Lithiumcarbonat 

2-111 

1-787 

15-54 

17-39 

4-17 

7 

Natriumcarbonat 

2-609 

2-041 

16-58 

16-24 

4-03 

8 

Kaliumcarbonat  . 

2-267 

2 

14-82 

14-82 

3-85 

9 

Natriumsulfat 

2-66 

2-104 

18-56 

17-64 

4-2 

10 

Kaliumsulfat  . 

2-66 

2-1 

16-73 

15-92 

3-99 

11 

Natriumsulfat 

2-104 

18-55 

17-64 

4-20 

12 

Kaliumsulfat  . 

21 

18-11 

17-25 

4-15 

13 

Natriumnitrat 

2-26 

1-878 

8-03 

8-55 

2-92 

14 

Kaliumnitrat  . 

2-087 

1-702 

7-11 

8-35 

2-89 

15 

Chlorlithium  . 

1-998 

1-515 

6-46 

8-53 

2-92 

16 

Chlomatrium 

2-16 

1-612 

6-78 

8-41 

2-90 

17 

Chlorkalium  . 

1-995 

1-612 

7-06 

8-76 

2-96 

18 

Chlorcalcium 

2-205 

2-120 

10-07 

9-49 

3-08 

19 

Chlorstrontium 

2-960 

2-770 

11-33 

8-18 

2-86 

20 

Chlorbarium  . 

3-851 

3-700 

15-34 

8-29 

2-88 

21 

Chlorsilber     . 

5-55 

5-3 

21-68 

8-18 

2-86 

22 

Bromnatrium 

3-079 

2-448 

5-00 

4-08 

2-02 

23 

Bromkalium   . 

2-415 

2199 

4-93 

4-49 

2-12 

24 

Bromsilber 

6-425 

6-2 

12-4 

4 

2 

25 

Jodkalium 

3-076 

2-497 

6-04 

4-84 

2-20 

26 

Rohrzucker     . 

1600 

1-606 

1-6 

6-82 

8-53 

2-92 

27 

Traubenzucker 

1-39 

1-3 

5-85 

9 

3 

28 

Pectinzucker  . 

1600 

9-18 

3-03 

29 

WaUrath    .     . 

440 

0-842 

3-32 

7-89 

2-81 

30 

Paraffin     .     . 

540 

0-766 

3-16 

8-14 

2-85 

31 

Borsäure    .     . 

17000 

1-75 

8-631 

9-865 

3-141 

♦)    In  einer  späteren  Notiz  giebt  Quincke  (N.  Cim.  [2]  XU,   pag.  235—238,    1882)  bei 
reinem  geschmolzenem  Silber  a  =  86*64  Milligrm.,  a'  =  17320  Q Millim.  an. 


472 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


Die  Vergleichung  der  beiden  Tabellen  lässt  ersehen,  bis  zu  welchem  Grade 
die  Werthe  von  a  und  a^  als  wirklich  mit  Sicherheit  bestimmt  angesehen  werden 
können.  In  vielen  Fällen  ist  die  Ueberein Stimmung  eine  befriedigende,  in  anderen 
wie  beim  Golde  weichen  die  Werthe  dagegen  beträchtlich  von  einander  ab.*) 
Der  im  Folgenden  angegebene,  von  Quincke  für  Temperaturen  nahe  dem  Schmelz- 
punkte abgeleitete  Satz,  dass  alle  geschmolzenen  Substanzen  specifische  Capillaritäts- 
constanten  zeigen,  die  sich  nahezu  wie  1:2:3  etc.  verhalten  und  Multipla  von  4-3 
sind,  kann  daher  nur  angenäherte  Gültigkeit  besitzen.    Im  Speciellen  ergiebt  sich: 

1.  Geschmolzene  Substanzen  von  ähnlicher  Constitution  haben  dieselbe 
specifische  Capillaritätsconstante. 

2.  Setzen  wir  die  specifische  Capillaritätsconstante  des  Quecksilbers  gleich 
Eins,  so  ist  dieselbe  bei  Verbindungen  für 

a)  Wasser,  Carbonate,  Sulfate  (wahrscheinlich  auch  Phosphate)  •=  2. 

b)  Nitrate,  Chloride,  Zuckerarten,  Fette  =  1. 

c)  Bromide  imd  Jodide  =  ^. 
Bei  Elementen 

a)  Selen,  Brom,  Schwefel,  Phosphor  ^  ^. 

b)  Bei  Wismuth,  Antimon  =  1. 

c)  Platin,    Gold   (nach   der   ersten  Tabelle  würde  Gold  in  die  folgende 
Gruppe  gehören),  Silber,  Kadmium,  Zinn,  Kupfer  =  2. 

d)  Zink,  Eisen,  Palladium  =  3. 

e)  Natrium  =  6. 

Ist  obiger  Satz  von  Quincke  streng  gültig  und  nimmt  man  an,  dass  die  Ab- 
hängigkeit der  Molekularkräfte  von  der  Masse  und  der  Entfernung  für  alle  Körper 
die  gleiche  ist,  so  folgt  daraus,  dass  in  der  Oberflächenschicht,  deren  Dichte  nicht 
constant  ist,  bei  verschiedenen  Substanzen  Massen  enthalten  sind,  die  sich  wie 
die  Zahlen  1,  2,  3  etc.  verhalten. 

Für  die  Steighöhen  in  demselben  Capillarrohre  fand  Pisati  (17)  für  einmal 
geschmolzenen  Schwefel  und  solchen,  der  über  2  Stunden  auf  300°  C.  erhalten  war: 


Cap.  Steighöhe 

Cap.  Steighöhe 

Temp. 

Ursprünglicher     Modificirter 

Temp. 

Ursprünglicher     Modificirter 

Schwefel 

Schwefel 

125-60 

6-63  MiUim. 

7-84  Millim. 

162-60 

8-00  Millim. 

8-57  MUUm. 

135-60 

6-41       „ 

7-97       .. 

163-60 

8-51       „ 

8-66      .. 

145-60 

6-24      „ 

7-98      „ 

165-60 

8-96      ,, 

8-87      .. 

155-60 

6-04      „ 

8-06      „ 

168-60 

9-48      „ 

— 

158-60 

613      „ 

8-13      „ 

170-60 

9-70      „ 

9-93      .. 

159-60 

6-45      „ 

— 

175-60 

9-45      „ 

1019      „ 

160-60 

6-95      „ 

8-36      „ 

180-60 

8-79      „ 

910      ,. 

161-60 

7-54      „ 

— 

190-60 

8-09      „ 

8-05      „ 

Für  eine  Reihe  von  Alkoholen  und  anderen  organischen  Verbindungen  liegen 
folgende  Messungen  für  a  vor,  diese  Zahlen  dürften  indess  alle  nur  angenähert 
richtig  sein. 


•)  Eine  viel  grössere  Uebereinstimmung  ist  auch  nicht  zu  erwarten.  Die  Bestimmung  der 
Capillaritätsconstante  gehört  zu  den  allerschwierigsten  Aufgaben,  worauf  vor  Allen  auch  QuiNCM 
hingewiesen  hat 


Capillarität 


473 


Mendels-    B&de 
JEFF  (19)      (20) 

Aethylalkohol   .  2-43      2-42 

Methylalkohol  .  2*36       234 

Amylalkohol     .  244      243 

Essigsäure    .     ,  2-96      2-95 

Buttersäure  .     .  2-78 

Valeriansäure   .  270 

Essigs.  Aethyl  .  2*55 

Butters.  Aethyl .  255 

Ameisens.  Amyl  2-61 

Essigs.  Amyl     .2*61 

Butters.  Amyl  .  2-62 

Valerians.  Amyl  260 

Bittermandelöl.  416 

CumiDol  .     .     .  3-67 

Oxals.  Aethyl    .  333       31 1 

Essigs.Anhydrid  3*30 

Milchsäure    .     .  394 

Salicylige  Säure  4-77 

Methylsalicyl-S.  4*  11 

Benzol      .     .     .  283       270 


WiLHELMY 
(21) 

2-32 
2-43 
2-97 


2-56 


Mendele- 

JEFF  (19) 

.  2-75 

.  2-85 

.  1-75 

.  2-76 

.  2-44 


Bede 
(20) 


WiLHELMY 
(21) 


300 


Xylol      .     . 

Cymol   .     . 

Amylen 

Getan     .     . 

Bromäthyl       .     .  2*44       2*52 

Chloräthyl       .     .  1-98 

Jodäthyl     .     .     .2-91       2-84 

Chloramyl  .     .     .  2-45 

Bromamyl  .     .     .  2-60 

Jodamyl      .     .     .  2-88 

Benzoes.  Methyl .  3*88 

Benzoes.  Aethyl  .  3*67 

Benzoylchlorid    .  4-07 

Aethyl-Amyläther  2*34 

Aceton  ....  246      249        258 

Ameisens.  Aethyl    —        2*63 

Essigs.  Methyl     .    —         2-58 

Chloroform     .     .    —         2*81 

Aethylenchlorid  .    —         3*26 

Aether  (Brunner)  1-80      1*89        1-81 


Toluol      .     .     .  2-85 

Aus  diesen  Daten  lassen  sich  flir  den  Capillaritätscoefficienten  a  folgende  in 
vielen  Fällen  gültige  Sätze  ableiten. 

1.  Aufnahme  von  C,  O  und  von  C  =  0  in  das  Molekül  erhöht  den  Werth 
von  a,  Aufnahme  von  H  erniedrigt  ihn.  Ferner  erhöht  denselben  Aufnahme  von 
0  unter  gleichzeitiger  Abgabe  von  H  und  ebenso  Aufnahme  von  Cl,  Br,  S  bei 
gleichzeitiger  Abgabe  von  H.  Aufnahme  von  nCHj  verändert  bei  Verbindungen 
derselben  Reihe  a  nicht.  Aufnahme  von  O  unter  Aufnahme  oder  Abgabe  von 
nCHj  erhöht  a.  Isomere  Verbindungen  zeigen  nur  bei  gleichem  chemischen 
Charakter  gleiche  Werthe  von  a. 

Aus   der  Reihe  der  Fettsäuren  fand  nach  weiteren  sehr  genauen  Messungen 

RODENBECK   (38)   für 

6-3531  2-5205  ] 

61873         2-4914  [  0*030 
6-0549         2-4606  j 
5-8807         2-4250      0036 
5-7393         2-3757      0029. 
Beim    Uebergang  von  einem  Glied  der  Reihe  zum  nächst  höheren  wächst 

also  a  um  etwa  gleich  viel. 

Für   eine  Reihe  von  Flüssigkeiten  hat  Schiff  (ii)  die  Capillaritätsconstanten 

bei   gewöhnlicher  Temperatur  /  und  beim  Siedepunkt  T  bestimmt  und  folgende 

Werthe  für  a^  gefunden;  d  bedeutet  die  Dichte. 


Ameisensäure  .  . 
Essigsäure  .  .  . 
Propionsäure  .  . 
Buttersäure,  normal 
Valeriansäure      .     . 


/ 

-? 

^T 

r 

«» 

«7- 

Methylalkohol      .     . 
Aethyhdkohol       .     . 
PropyUlkohol      .     . 

7-3 
5-5 
5-8 

0-012 
5-456 
6-223 

0-7475 
0-7381 
0-7366 

64-2 
78-0 
97-05 

5-107 
4-782 
4-753 

1-909 
1-765 
1-750 

474 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


/ 

«/ 

^T 

7 

«^ 

«r 

Isopropylalkohol*)    . 
Choroform       .     .     . 
Tetrachlorkohlenstoff 
Aethylenchlorid   .     . 

Benzol 

Toluol 

Xylol»*)     .... 
Metaxylol  .... 
Paraxylol**»)  .     .     . 
Paracymol  .... 

5-3 
8-0 
7-4 
8-0 
6-7 
5-8 
5-0 
4-0 
4-0 
3-4 

5-780 
3-874 
3-600 
5-499 
6-968 
7-038 
7-026 
6-990 
7-018 

0-7413 
1-4081 
1-4802 
1-1576 
0-8111 
0-7780 
0-7559 
0-7571 
0-7543 
0-7248 

81-1 

60-6 

75-2 

83-2 

79-85 

109-8 

1411 

139-2 

1381 

176-2 

4-592 

3-242 

2-757 

4-198 

5-33 

4-786 

4-430 

4-437 

4-416 

3-853 

1-702 
2-280 
2-040 
2-430 
2-161 
1-346 
1-675 
1-680 
1-665 
1-346 

Folgende  Werthe  erhielt  Scholz  (22)  aus  Versuchen  über  Steighöhen  und 
Abreissen  von  Platten. 


Spec.  Gew. 

Spec.  Coh. 

1 

(7 

a' 

a 

DMillim. 

Milligrm. 

Schwefeläther  .     .     . 

0-7348 

3-17 

1165 

Salpeteräther 

0-8352 

3-795 

1-584 

Essigäther   . 

0-8604 

3-891 

1-674 

Butteräther  . 

0-8349 

3-94 

1-644 

Chloräther  . 

0-8307 

3-762 

1-563 

Rumäther    . 

0-8505 

3-896 

1-657 

Ameisenäther 

0-8631 

3-902 

1-684 

Melonenäther 

0-8575 

3-689 

1-581 

Erdbeeräther 

0-8617 

3-830 

1-650 

Galläpfeltinctur     .     . 

0-9548 

4-933 

2-355 

Zweif.  oxals.  Kali     . 

10245 

5-727 

2-934 

Kaliumeisencyantlr     . 

1-0620 

6-042 

3-207 

Kaliumeisencyanid 

10536 

6-12 

3-325 

Schwefels.  Ammoniak 

0-9774 

5-96 

2-912 

Chloranmionium   . 

1-0239 

6-442 

3-298 

Essigs.  Baryt  .     .     . 

1-0282 

9-149 

4-705 

Brunnenwasser 

•     • 

1 

8-494 

4'242 

Für   die  Capillaritätsconstante  a^j   ""d  «  verschiedener  Flüssigkeiten  gegen 
Luft  und  Quecksilber  fand  G.  Quincke  (23)  folgende  Werthe. 


Capillarconstanten 

Verschiedene 
Flüssigkeiten 

Vom 
Procentgehalt 

Vom 
spec.  Gew. 

Gegen  Luft 
a 

Gegen 
Quecksilber 

Chlorwasserstoff    .     . 

37-8 

1-1865 

Milligrm. 
8-0O4 

Milligrm. 
40-88 

II         II       II       •     • 

12-7 

1-0615 

8-327 

40-77 

II         II       II       •     • 

0-03 

10084 

8-586 

38-41 

Ammoniak   .... 

12-83 

0-9487 

7-242 

45-50 

II           .... 

4-78 

0-9798 

7-623 

44-99 

11           .... 

0-496 

0-9976 

8-541 

45-66 

Chlorkalium      .     .     . 

13-89 

10931 

8.847 

42-66 

•)  Vielleicht  nicht  vollständig  rein. 
**)  Fast  ausschliesslich  Orthoxylol. 
^  Fast  ausschliesslich. 


Capillarität 


475 


Capillarconstanten 


Verscliiedene 
Flüssigkeiten 


Gdomatrium  .  . 
Wasser  .... 
Alkohol  .... 
Glycerin  .... 
Salpetersäurehydrat 


Schwefelsäurchydrat 

II         II         II 
Quecksilber       .     . 


Vom 
Procentgehalt 


Vom 
spec.  Gew. 


Milligrm.  Milligrm. 

21-09  M574  9-401  4266 

100  1  8-253  42-58 

100  0-7906  2-699  40-71 

100  (?)  1-2535  7-348  42-29 

33-39  1-2068  8-021  (28*05) 

15-30  1-0915  8-418  32-73 

2-08  10110  8-568  35-55 

44-59  -      1-3473  8766  3320 

6-57  10430  8-570  3517 

100  13-543  55-03  0 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  Betrachtung  von  Mischungen  und  Lösungen. 

Wie  für  einfache  Flüssigkeiten  eine  Grösse  H  existirt,  so  ist  dies  auch  für 
Flüssigkeitsgemische  der  Fall;  gilt -^  fiir  das  Gemisch  mit  der  Dichte  p,  H^ 
und  H^  für  die  Componenten  des  Gemisches,  sind  u^  und  u^  die  Bruchtheile 
der  Flüssigkeiten  I  und  II  in  dem  Gemisch  und  sind  deren  Dichten  p^  und  p^i 
so  ist  nach  Volkmann  (24)  für  nicht  bei  der  Mischung  sich  zusammenziehende 
Flüssigkeiten 


Gegen  Luft 


Gegen 
Quecksilber 

«1^ 


a  =  «j'  c 

«1»  ==i-^i2» 


^U^U 


a«i2 


2«i«8Vp7p^öi8* 


«2^p2«a' 


2  — 


M2 


yprp«' 


Kennt  man  demnach  n^  und  a^  für  irgend  zwei  Flüssigkeiten  und  das  a  für 
irgend  ein  Gemisch,  so  kann  man  den  Werth  von  a  für  jedes  andere  Gemisch 
berechnen. 

''n    giebt   ein  Maass   für  die  Anziehung  der  Theilchen  der  verschiedenen 


Flüssigkeiten  auf  einander. 


sem. 


Für  mischbare  Flüssigkeiten  muss  stets 


Die  obige  Gleichung  hat  Volkmann  (24)  an  Beobachtungen  von  Rodenbeck, 
Gav-Lussac  und  sich  selbst  geprüft  und  eine  befriedigende  Uebereinstimmung 
gefunden,  was  auch  nach  der  mathematischen  Form  der  Gleichungen  zu  erwarten 
war,  ohne  dass  doch  in  dieser  Uebereinstimmung  eine  Stütze  für  die  Richtigkeit 
der  Theorie  gefunden  werden  kann. 

Nach  Versuchen  von  Quincke  an  Flüssigkeiten;  die  in  jedem  Verhältniss 
mischbar  sind,  geht  stets  diejenige,  welche  die  kleinste  Oberflächenspannung  a 
besitzt,  an  die  OberBäche. 

Bei  einer  Salzlösung  müsste,  da  die  Oberflächenspannung  des  geschmolzenen 
Salzes  grösser  ist  als  die  des  Wassers,  das  Wasser  sich  an  die  Obeifläche  begeben. 
In  der  That  liegen  bei  Salzlösungen  die  Grössen  a  nicht  allzuweit  von  der  des 
Wassers  ab,  sinken  aber  in  einigen  Fällen  beträchtlich  unter  dieselbe  bis  zu 
6  und  5*2,  während  die  kleinsten  bei  reinem  Wasser  nach  längerer  Zeit  nach 
der  Bildung  der  Oberfläche  von  Quincke  gefundenen  Werthe  nur  7-9  bis  7*3 
betrugen.  Aus  etwaigen  Dissociationsvorgängen  in  der  Salzlösung  unter  Bildung 
von    freier   Säure   lassen   sich  die  Phänomene  nicht  ableiten.     Ebenso   spricht 


476  Handwörterbuch  der  Chemie. 

das  Verhalten  von  Mischungen  von  Wasser  und  Alkohol  gegen  die  Bildung 
feiner  Oberflächenschicht  aus  derjenigen  Substanz,  welche  den  kleinsten  Wertb 
von  a  besitzt.  Eine  Ausbildung  solcher  Oberflächenscbichten  ist  bei  mischbaren 
Flüssigkeiten  aber  schon  wegen  der  molecularen  Bewegung  nicht  wahrscheinlich, 
da  diese  stets  Theilchen  aus  dem  Innern  in  die  Oberflächenschicht  xmd  umge- 
kehrt aus  dieser  in  das  Innere  führen.  Die  Verhältnisse  gestalten  sich  also  weit 
complicirter,  als  man  gewöhnlich  anzunehmen  geneigt  ist.  Die  Concentration  ist 
aber  jedenfalls  in  der  Oberflächenschicht  eine  ganz  andere,  als  in  den  weiter  nach 
innen  gelegenen  Schichten,  indem  ja  die  Theilchen  je  nach  ihren  specifischen 
Eigenschaften  in  Folge  der  Molekularbewegung  verschieden  weit  nach  der  Ober- 
fläche sich  hin  bewegen. 

Für  eine  grosse  Anzahl  von  Lösungehi  hat  Quincke  (39)  die  CapiUaritäts- 
Constanten  ermittelt  und  ist  dabei  zu  folgenden  Resultaten  gelangt 

Mit  Ausnahme  von  Lösungen  von  flüchtigen  Substanzen  wie  Chlorwasserstoff- 
säure, Salpetersäure  und  Ammoniak,  bei  denen  die  Capillaritätsconstante  a  mit 
zunehmender  Concentration  abnimmt,  wächst  dieselbe  mit  der  Concentration  und 
zwar  nahezu  proportional  dem  Salzgehalt 

Aequivalente  Mengen  der  Chloride  in  gleichen  Mengen  Wasser  und  Alkohol 
gelöst  geben  Lösungen  von  nahezu  gleichen  Constanten  (a)  (bestimmt  in  flachen 
Luftblasen)  und  a,  und  es  wächst  a  und  (a)  proportional  der  Zahl  m  der  gelösten 
Aequivalente  in  100  Aequivalenten  Lösungsmittel,  so  dass  für  die  Chloride 
in  Wasser   a  =  8-30    H- 01870  »1,       (a)  =  735  H- 0-1783  «, 
in  Alkohol  a  =  2*336  -f-  0*1097  m. 

Bei  wässrigen  Lösungen  von  Magnesiumsulfat,  Natriumsulfat  und  Kalium- 
carbonat  gelten  vielleicht  ähnliche  Relationen,  bei  anderen  Salzen  nicht  Allge- 
mein ist  der  Satz  also  jedenfalls  nicht.  Volkmann  (30)  will  ihn  auf  einzelne  Gruppen 
beschränken. 

Weniger  als  die  Constante  a  ist  a^  von  der  Concentration  abhängig,  sie 
nimmt  bei  wässrigen  Lösungen  mit  Ausnahme  von  NH4CI  mit  derselben  ab.  Im 
Allgemeinen  ist  die  Aenderung  bei  grossem  Salzgehalt  kleiner  als  geringem;  bei 
MgClj  und  K3CO3  nimmt  bei  sehr  hohem  Salzgehalt  a^  wieder  ab,  am  grösstcn 
sind  die  Aenderungen  bei  Salzen  mit  grossem  Aequivalentgewichte,  Bei  den 
alkoholischen  Lösungen  der  Chloride  mit  kleinem  Aequivalentgewicht  (LiQetc) 
zeigt  sich  sogar  eine  Zunahme. 

Der  Grenzwinkel  ist  bei  Salzlösungen  nach  Quincke  etwa  30°,  während 
Volkmann  wenigstens  für  einige  derselben  eine  vollständige  Benetzung  fand. 

Die  flir  Flüssigkeitsgemische  geltende  Formel  wendet  Volkmann  auch  auf 
Lösungen  an  und  berechnet  aus  einer  Reihe  von  Beobachtungen  nach  der  Me- 
thode der  kleinsten  Quadrate  a^j  und  a^  (der  Index  1  bezieht  sich  auf  das 
Wasser,  der  Index  2  auf  das  Salz),  indem  er  für  die  Salze  annimmt,  dass  sie  im 
wasserfreien  Zustande  in  den  Lösungen  vorhanden  seien,  obgleich  wir  durdi 
andere  Untersuchungen,  wie  über  Dampfspannungen  etc,  für  viele  derselben  das 
Gegentheil  wissen.  Wenn  er  trotzdem  Uebereinstimmung  zwischen  der  Theorie 
und  den  Versuchen  findet,  so  hat  das  seinen  Grund  in  der  Anwendung  der  ver- 
dünnten Lösungen,  bei  denen  die  Uebereinstimmung  nicht  geändert  wird,  mag 
das  Salz  als  Hydrat  vorhanden  sein  oder  nicht,  so  dass  seine  Angaben  nicht 
ganz  einwurfsfrei  sind.  Ueberhaupt  dürfte  es  fraglich  sein,  ob  bei  der  grossen 
Schwierigkeit  der  Versuche  und  den  fiir  die  verschiedenen  Concentrationen  acm- 
lich  nahe  aneinanderliegenden  Werthen  von  a^  eine  Bezeichnung  von  a,  möglich  ist 


CapiUarität  477 

Wir  geben  im  folgenden  die  von  Volkmann  (30)  aufgestellten  Tabellen  für 
aj)  und  a^.  (a^)  bedeutet  die  von  Quincke  aus  Beobachtungen  an  geschmolzenen 
Salzen  berechneten  Capillaritätsconstanten.  Die  in  Klammer  gesetzten  Zahlen 
sind  die  weniger  sicheren. 


9 

«1» 

«9 

(«,) 

BaCl, 

3-879 

10-6 

15 

15-3 

SrClj 

3-054 

10-3 

30 

11-3 

CaCl, 

2-219 

10-7 

28 

10-1  (15-3) 

KCl 

1-95 

9-55 

13 

7-1  (9-5) 

NaQ 

2-15 

10-4 

22 

6-8  (11-6) 

KjCO, 

2-339 

9-5 

30 

16-3 

NajCO, 

2-500 

101 

12 

18-3  (21-0) 

KjSO^ 

2-66 

10-6 

— 

16-7 

Na,S04 

2-62 

10-2 

10 

18-6 

KNO, 

2-06 

8-6 

8 

7-1  (10-0) 

NaNO, 

2-20 

9-0 

12 

8-0. 

In  allen  Fällen  ist  hier  aj,  <i{ai  -h 

«,). 

Diese  Verbindungen 

theilt  Volkmann 

in  folgende  Gruppen,  flir  deren  jede 

die  von  Quincke  (39)  ar 

igegebene  Gleichung  gilt:  a  = 

Const.  -\-  x-m. 

Die  Constante  setzt  Volkmann  • 

=  7-4. 

Aeq. 

X 

Aeq.                 X 

BaCl,           208 

0-174 

KjSO^ 

174           0-153 

SrCl,          158-5 

0-187 

NajSO* 

142           0-152 

CaCl,         111 

0-204 

Mg  SO, 

120           0133 

MgCl,          95 

0197 

2KNOs 

202           0105 

2KC1          149 

0-159 

2NaN0, 

170          Olli 

2NaCl        117 

0-181 

K,CO, 

138           0-194 

2NH4CI     107 

0-130 

Na,CO, 

106           0-112. 

Eine  Ausnahme  macht  NagCO,  und  KjCOj. 

Trägt  man  als  Abscissen  den  Salzgehalt  5,  als  Ordinaten  ö^  oder  a  auf,  so 
ergeben  sich  für  die  resultirenden  Curven  folgende  Sätze: 
I.    Curven  für  ö». 

1.  Die  Curven  einer  Gruppe  schneiden  sich  nicht. 

2.  Die  Curven  einer  Gruppe,  welche  grösseren  Werthen  von  a!^  entsprechen, 
scheinen  stärker  gekrümmt. 

3.  In  den  Gruppen:  (BaClj,  SrCl,,  CaClj,  MgClj),  (2KC1,  2NaCl),  (2KN0j, 
2NaNOj)  hat  der  Stoff  mit  kleinerem  Aequivalentgewicht  einen  grösseren  Werth  a*. 

In  den  Gruppen:    (K2SO4,  NajSO^),  (KgCOj,  NagCO,)  hat  der  Stoff  mit 
kleinerem  Aepuivalentgewicht  einen  kleineren  Werth  ö*. 
n.    Curven  für  a. 

1.  Die  Curven  einer  Gruppe  schneiden  sich  nicht. 

2.  Die  Curven  einer  Gruppe,  welche  näher  der  a-Achse  kommen,  sind  concav 
gegen  die  a-Achse,  die,  welche  näher  der  5-Achse  kommen,  sind  concav  gegen 
die  ^-Achse. 

3.  In  jeder  Gruppe  kommt  den  Stoffen  mit  kleinerem  Aequivalentgewicht 
ein  grösserer  Werth  von  a  zu. 

4.  Die  Curven  einer  Gruppe,  welche  eine  grössere  Cohäsion  darstellen, 
weisen  auch  einen  grösseren  Zahlenwerth  für  a  auf. 

Eine  Ausnahme  von  diesen  vier  Sätzen  macht  die  Gruppe  (KjCOj,  Na^COj). 


47^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Bei  Gemengen  von  Alkohol  und  Wasser  fand  Rodenbeck  (38)  bei  17-5°  folgende 
Werthe.     (/  bezeichnet  die  Volumenprocente  Wasser,  s  das  specifische  Gewicht) 


p 

0-2 

12 

20 

27 

35 

44 

49 

54 

s 

0-800 

0-840 

0-860 

0-880 

0  900 

0-920 

0-930 

9-940 

a« 

5-00 

6-09 

6-26 

6-43 

6-56 

6-74 

6-78 

7-07 

/ 

60 

68 

77 

86 

100 

s 

0'950 

0-960 

0-970 

0-980 

0-998 

a2 

7-42 

7-87 

8-70 

10-17 

14-64. 

Quincke  (39)  fand,  wenn  5  den  Gehalt  an  wasserfreiem  Alkohol  in  100  Thln. 
Wasser  bedeutet, 

S      0  M9  9-84  111-08  00 

s       1-000  0-9973  0-9852  0-9110  07904 

ö>    16-83  13-77  10-29  6-21  6-80. 

Hierbei  ist  zu  beachten,  wie  sehr  schon  kleine  Mengen  von  Alkohol  die 
Capillaritätsconstante  des  Wassers  erniedrigen. 

Messungen  für  die  Capillarconstanten  von  verschiedenen  Gemischen  von  fast 
ohne  Contraction  mischbaren  Flüssigkeiten  sind  ebenfalls  von  Rodenbeck  (38) 
angestellt  worden.  Er  fand,  dass,  wenn  d,  d^,  d^  die  Dichten,  C,  C^,  C^  die 
Capillaritätsconstanten  der  ungemischten  Substanzen  und  des  Gemisches  sind,  wird 

Diese  Gleichung  bestätigt  sich  an  Gemengen  von 

Alkohol :  Chloroform       und      Aether  :  Chloroform. 

Für  die  Abhängigkeit  der  Steighöhe  von  der  Temperatur  folgt  aus  der  Theorie 
von  Laplace  und  Poisson  für  vollkommen  benetzende  Flüssigkeiten,  dass  die 
Gestalt  der  freien  Oberfläche  dieselbe  für  alle  Temperaturen  bleibt,  und  dass 
die  Anziehung  einer  Flüssigkeit  auf  sich  selbst  proportional  der  Dichte  sei. 

Dann  müssten  aber  die  Steighöhen  sich  wie  Dichten  der  Flüssigkeiten  ver- 
halten. Dies  wird  aber  nicht  durch  die  Erfahrung  bestätigt,  sondern  die  Steig- 
höhen nehmen  weit  schneller  als  die  Dichten  ab. 

Dem  Dichtemaximum  des  Wassers  entspricht  kein  Maximalwerth  der  Grösse  j *. 

Die  Capillaritätsconstante  a^  lässt  sich  darstellen  durch  eine  Gleichung 
Ö/2  =  a^{\  —  aZ-H  ß/^  .  .  .),  wo  /  die  Temperatur,  a,  ß,  .  .  Constante  sind. 

Brunner  bricht  die  Reihe  mit  a/  ab,  während  Frankenheim  und  Sondhaüss 
sie  bis  ß/2  fortführen,  es  ist  dann  z.  B.  für  Wasser  a  =  0-0017940,  ß  =  O-O0000093. 

Aus  der  Gleichung  at^  =a^{l  —  a/)  würde  folgen,  dass  für  eine  bestimmte 

Temperatur  /  =  —   die    Steighöhe   in   einem    Capillarrohre    Null   wird    und    för 

höhere  Temperaturen  eine  Depression  eintritt.  Das  hat  Wolf  (12)  bestätigt,  er 
fand,  dass  bei  etwa  190°  die  Steighöhe  des  Aethers  Null  und  seine  Oberfläche 
eben  ist,  und  dann  erstere  negativ,  letztere  convex  wird.  Ein  ähnliches  Resultat 
ergiebt  sich  für  Naphta. 

Auch  Wasser,  das  in  Röhren  bis  200—300°  erhitzt  wurde,  zeigte  erst  einen 
concaven,  dann  einen  ebenen,  endlich  einen  convexen  Meniscus.  Analoges  hat 
Clarke  (13)  an  schwefliger  Säure  beobachtet,  die  bei  69°  in  einem  in  ein 
weiteres  Rohr  eingesetzten  Capillarrohre  innen  und  aussen  gleich  hoch  stand. 

Aehnliche  Erscheinungen  lassen  sich  bei  allen  Körpern  beobachten,  die  man 
bis  zum  kritischen  Punkt  erhitzt 


Capillarität. 


479 


Für  a  und  ß  liegen  eine  Reihe  von  Bestimmungen  vor,  so  fand  Brunner  für 

Wasser  a  =  000187  Aether  =  000523  Olivenöl  =  000140 

Frankenheim  und  Sondhauss  (43)  geben  folgende  Werthe: 


«10* 
Wasser        179 

Essigsäure  123 

Schwefels.  181 

Aetzkali        47 


ßxlO« 
93 

100 

1120 

218 


«10* 
Citronenöl  201 

Steinöl         255 

Terpentin    221 

Alkohol        192 


ßxlO» 
339 
303 
171 

845 


«10* 
Aether  470 

Schwefelkohlenstoff  198 


ß 


Wolf  giebt  bei  Wasser  zwischen  den  Temperaturen  /  und  /j,  a  und  ß  folgende 
Werthe: 

ß  ^         h         «10*       ßio« 

0  0        25  1818        416 

6         82-3  182         — 


/        /i        «10-5 
0        8         194 
13      25         186 
Andere  fanden  für: 


17-5 
3-7 


410 
5-3. 


Schwefelkohlenstoff. 
/=— 31        — 1-5       —0-8       — 0-3  8-2         12*7 

a=      3-3  3-4  3-6  35  37  38 

/  =    18-7  230  30-2  335        407         430 

a=      3-7  3-8  4-3  4:4  4-4  50. 

Chloroform. 
/  =  3-7  100  20-5  28-2  340 

a=  1-6  2-2  3-4  3.8  4-7 

Die  Aenderungen  der  Capillaritätsconstanten  einer  Reihe  organischer  Flüssig- 
keiten mit  der  Temperatur  hat  de  Heen  {j^^  bestimmt.  Die  folgende  Tabelle  ent- 
hält unter  tc  die  aus  Steighöhen,  unter  v  die  aus  der  Zahl  abfallender  Tropfen 
erhaltenen  Aenderungscoefficienten  c  in  der  Gleichung  Ht=^  H^(y  — cf), 

7t  V 

000350  Propylvalerat    000248 

0-00342 

0-00304 

000324 

000321 


Propylvalerat 
Butylvalerat 
Butylbutyrat 
Amylbenzoat 


0-00314 
000298 
000220 


Methylbenzoat  000226 


000293 
000280 
000288 
000205 
000231. 


Methylpropionat  000357 
Aethylpropionat  000350 
Propylpropionat  000329 
Aethylbutyrat  000335 
Methylvalerat       0*00336 

Zu  den  Capillaritäts- Phänomenen  sind  auch  die  Ausbreitungserschei- 
niingen  zu  zählen. 

Tritt  ein  fester  Körper  mit  zwei  Flüssigkeiten  in  Berührung  und  übersteigt 
die  Spannung  der  Trennungsfläche  des  festen  Körpers  an  der  einen  Flüssigkeit 
die  Summe  der  Spannungen  der  beiden  andern  Grenzflächen,  so  zieht  sich  die 
erste  von  selbst  zu  einem  Tropfen  zusammen,  und  die  zweite  breitet  sich  über 
die  ganze  Oberfläche  aus. 

Ist  die  eine  der  beiden  Flüssigkeiten  Luft,  die  andere  eine  tropfbare  Flüssig- 
keit, so  bildet  diese,  falls  sie  der  ersten  der  beiden  obigen  Flüssigkeiten  entspricht, 
Tropfen,  falls  sie  der  zweiten  entspricht,  breitet  sie  sich  über  die  ganze  Ober- 
fläche aus. 

Es  ist  z.  B.  die  Spannung  an  der  Trennungsfläche  von  Luft  und  Wasser 
grösser  als  die  Summe  der  Spannungen  an  derjenigen  von  Luft  und  Oel  und  Oel 
und  Wasser;  ein  Oeltropfen  kann  daher  auf  einer  Wasseroberfläche  nicht  im 
Gleichgewicht  sein,  sondern  er  verflacht  sich  mehr  und  mehr,  bis  er  das  Wasser 
in  grosser  Ausdehnung  bedeckt.  Der  Process  geht  so  lange  fort,  bis  das  Oel 
so  dünn  ist,  dass  es  seiner  Dicke  nach  nur  noch  wenige  Moleküle  enthält,  daher 
nicht  mehr  die  Eigenschaften  einer  Flüssigkeitsmasse  besitzt. 


4&0  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Bringt  man  in  einander  lösliche  Flüssigkeiten  auf  einander,  so  treten  höchst 
beachtenswerthe  Phänomene  auf. 

Ein  Tropfen  Alkohol  auf  Wasser  gebracht  erniedrigt  an  der  betreffenden 
Stelle  die  Oberflächenspannung  von  8*5  auf  26,  das  Wasser  sucht  sich  dabei 
ringsherum  zusammenzuziehen  und  die  dabei  eingetretene  Oberflächenbewegung 
reisst  die  tiefer  gelegenen  Partien  mit  sich. 

Schon  die  von  einem  Aethertropfen ,  der  über  eine  Wasseroberfläche  ge- 
halten wird,  ausgehenden  Dämpfe,  die  sich  dann  auf  dem  Wasser  condensiren, 
können  solche  Phänomene  hervorrufen. 

Diese  Ausbreitungserscheinungen  erklären  auch  das  Aufsteigen  des  Wernes 
an  Glaswandungen.  Aus  der  am  Glase  aufsteigenden  Schicht  verdunstet  an  ihrem 
oberen  Ende  zunächst  Alkohol  und  dadurch  erhält  sie  eine  grössere  Oberflächen- 
spannung und  zieht  dadurch  Flüssigkeiten  an  sich,  das  Wasser  geht  weiter  in  die 
Höhe  u.  s.  f.,  bis  die  emporgestiegene  Flüssigkeitsmenge  so  gross  ist,  dass  sich  die 
verschiedenen  Theile  mischen  und  als  Tropfen  an  der  Wand  des  Glases  herabrinnen. 

Man  nennt  diese  Erscheinungen  Weinthränen. 

Sobald  die  Verdunstung  des  Alkohols  aufhört,  etwa  dadurch,  dass  sich  der 
Wein  in  einer  zugestöpselten  Flasche  befindet,  deren  Luft  sich  mit  Alkoholdampi 
sättigt,  so  hört  auch  das  Thränen  auf. 

Dieselben  Erscheinungen  treten  bei  der  Berührung  von  Fetten  und  Oelen  mit 
Terpentinöl  und  Benzin  auf.  Die  fetten  Oele  haben  eine  grössere  Oberflächen- 
spannung als  z.  B.  Benzol.  Befindet  sich  in  einem  Stück  Zeug  ein  Fettflecken 
und  befeuchtet  man  die  eine  Seite  mit  einer  der  Substanzen,  so  bewegen  sich 
die  aus  einer  Mischung  von  Oel  und  Benzol  bestehenden  Theilchen  vom  Benzol 
nach  dem  Fett  hin. 

Würde  man  also  einen  Fettfleck  in  der  Mitte  mit  Benzol  befeuchten,  so 
würde  sich  das  Fett  immer  weiter  verbreiten.  Man  umgiebt  daher  denselben  mit 
einem  Benzolring  und  berührt  ihn  selbst  in  der  Mitte  mit  Löschpapier,  um  die 
Flüssigkeiten  aufzusaugen. 

Um  Fettflecke  zu  entfernen,  kann  man  auch  die  Thatsache  verwenden,  dass 
die  Oberflächenspannung  mit  zunehmender  Temperatur  abnimmt;  hat  daher  ein 
fettiges  Zeug  an  verschiedenen  Stellen  verschiedene  Temperaturen,  so  geht  das 
Fett  von  den  heissen  zu  den  kalten  Stellen.  Dies  kann  bei  einem  Fleck  etwa 
dadurch  hervorgerufen  werden,  dass  man  ihm  von  der  einen  Seite  ein  heisscs 
Eisen  nähert;  bringt  man  an  die  andere  Seite  Löschpapier,  so  saugt  dieses  das 
zurückweichende  Fett  auf 

Auf  die  gekrümmte  Oberfläche  von  Flüssigkeiten  in  Röhren  hat  man  Rück- 
sicht zu  nehmen,  wenn  man  das  Volumen  von  Wasser  oder  Quecksilber  in 
cylindrischen  Röhren  vom  Durchmesser  ä  genau  berechnen  will.  Man  setit 
dann  an  Stelle  der  krummen  eine  ebene  Oberfläche,  die  um  cm.  unter  (bei  Queck- 
silber) oder  über  (bei  Wasser)  dem  Scheitel  der  Kuppe  liegt.  Die  folgenden  Tabellen 
enthalten  einige  Angaben  von  Danger  (25)  und  Desains  (26)  für  die  Temperatur  /. 

Für  Quecksilber: 


d 

e 

d 

e 

d 

e 

d 

c 

1 

0178 

6 

0-548 

11 

0-643 

20 

0-495 

2 

0-310 

7 

0-610 

12 

0-637 

30 

0-355 

3 

0-410 

8 

0-630 

13 

0-627 

40 

0-248 

4 

0-486 

9 

0-639 

14 

0-616 

50 

0-187 

5 

0-544 

10 

0-643 

15 

0-590 

60 

0178. 

d 

C 

1 

0-3]  7 

2 

0-607 

3 

0-839 

4 

0-998 

5 

1-140 

6 

1-252 

CapillariäU. 

Für  Wasser 

d 

c 

7 

1-365 

8 

1-299 

9 

1-244 

10 

1-193 

11 

1-142 

12 

1-091 

481 


d 

c 

13 

1-041 

14 

0-992 

15 

0-945 

20 

0-744 

25 

0-603 

30 

0-504. 

Genaue  neuere  Messungen  über  die  Capillardepression  (27)  des  Quecksilbers 
haben  Mendelejeff  folgende,  von  den  Ersteren  wesentlich  abweichende  Resultate 
ergeben: 

Höhe  des  Meniscus  in  Millimetern 
0-4       0-6        0-8  1-0  1-2  1-4  1-6  1-8 


Durchmesser 
der  Röhre 


4-042 

0-8 

1-20 

1-47 

5-462 

— 

— 

0-69 

8-606 

— 

1-62 

0-235 

2-712 

— 

■ — 

0-055 

Depression  in  Millimetern 
1-93        2-30  --  —  — 

0-98        1-22        1-51  —  — 

0-312      0-380      0-458      0-530      0-610 
0-078      0-103      0-122      0-140      0-153. 
Bei  demselben  Rohre  ist  nach  Mendelejeff  der  Quotient  aus  der  Depression 
und  der  Höhe  des  Meniscus  nahezu  constant. 

Von  besonderem  Interesse  ist  es  zu  untersuchen,  wie  sich  die  Capillaritäts- 
constante  einer  Flüssigkeit  ändert,  wenn  sie  grössere  und  grössere  Mengen  eines 
Gases  absorbirt.  Es  hängt  dies  eng  zusammen  mit  der  Aenderung  der  kritischen 
Temperatur  eines  coerciblen  Gases  bei  Zumischung  von  permanenten  Gasen. 
So  wird  nach  Cailletet  (40)  beim  Comprimiren  eines  Gemisches  von  fünf  Vo- 
lumen CO,  und  einem  Volumen  Luft  bei  Temperaturen  unter  26°  C.  die  Kohlen- 
säure leicht  condensirt;  comprimirt  man  dann  aber  weiter  auf  150 — 200  Atmo- 
sphären, so  wird  der  Meniscus  der  Kohlensäure  immer  flacher,  bis  derselbe  bei 
zunehmendem  Drucke  verschwindet  und  mit  ihm  zugleich  auch  die  Flüssigkeit 
verschwunden  ist.  Die  Flüssigkeit  ist  mithin  durch  blosse  Druckzunahme  in  den 
Cagniard  de  LA  TouR'schen  Zustand  übergegangen,  ist  ein  Gas  geworden  oder 
hat  sich,  wie  Cailletet  sich  ausdrückt,  in  dem  Gase  aufgelöst. 

Nimmt  man  an,  dass  das,  was  Cailletet  für  flüssige  CO,  und  N^O  beobachtet 
hat,  für  alle  Flüssigkeiten  gilt,  so  muss  jede  Flüssigkeit  bei  gewöhnlicher  Tem- 
peratur durch  blosses  Hinzupumpen  eines  Gases,  welches  sich  über  seiner  kri- 
tischen Temperatur  befindet,  bei  einem  hinreichend  hohen  Druck  selbst  über 
die  kritische  Temparatur  gebracht  werden  können,  d.  h.  gasförmig  werden. 

Dabei  muss  die  gemeinschaftliche  Oberflächenspannung  zwischen  Flüssigkeit 
und  Gas  von  dem  ursprünglichen  Werthe  bei  zunehmendem  Druck  des  Gases 
immer  mehr  abnehmen,  bis  sie  schliesslich  Null  wird. 

Genauere  Versuche  über  diesen  Gegenstand  sind  von  Kundt  (41)  angestellt 
■worden  und  zwar  bei  einer  Temperatur  von  20°.  Er  gelangt  dabei  zu  folgenden 
Resultaten: 

1.  Die  gemeinschaftliche  Oberflächenspannung  zwischen  Flüssigkeit  und  Gas 
nimmt  für  Alkohol,  Aether,  alkoholische  Lösung  von  Chlorcalcium,  Schwefel- 
kotilenstoff,  Chloroform  und  Wasser  erheblich  mit  zunehmendem  Druck  des 
Gases  ab. 

2.  Diese  Abnahme  ist  bei  niederen  Drucken  grösser  als  bei  höheren. 

I^ADBNBUKG,  Chemie.    11.  ^I 


482  Handwörterbuch  der  Chemie. 

3.  Dieselbe  ändert  sich  für  eine  und  dieselbe  Flüssigkeit  mit  der  Natur  des 
Gases,  welches  mit  der  Flüssigkeit  comprimirt  wird.  Bei  Alkohol,  Aether,  alko- 
holischer Chlorcalciumlösung  bedingt  Luft  eine  grössere  Verminderung  der 
Capillarconstante,  als  Wasserstoff.  Dies  tritt  am  deutlichsten  hervor,  wenn  man 
die  mittlere  Erniedrigung  der  Capillarconstante  ($100)  ^^  ^^^^  Druckzunahme 
von  1  auf  100  Kgrm./D  Cm.  berechnet,  wie  aus  folgender  Zusammenstellung 
ersichtlich  ist. 

Aether-Wasserstoff    8^00=  00028,  Aether-Lufl    5 1 0 0  =  0-0077, 

Alkohol-Wasserstoflf  8100  =  0*0027,  Alkohol-Luft  8100  =  0*0066, 

Chlorcalciumlösung-Wasserstoflf  Sioo  =  0*0028, 
Chlorcalciumlösung-Lufl  8100  =  00059. 

Ob  allgemein  die  Gase,  welche  die  Constante  a  stärker  beeinflussen,  von 
den  Flüssigkeiten  auch  stärker  absorbirt  werden,  wird  sich  wohl  erst  auf  Grund- 
lage eines  reichhaltigeren  Beobachtungsmaterials  entscheiden  lassen. 

4.  Die  Abnahme  der  Capillarconstante  ist  für  einige  der  untersuchten  Flüssig- 
keiten so  erheblich  (bei  Aether  und  Luft  ist  a  schon  bei  einem  Druck  von 
140  Kgrm./DCm.  auf  die  Hälfte  gesunken),  dass  vermuthlich  schon  mit  Gas- 
drucken, die  wir  ohne  zu  grosse  Schwierigkeiten  erreichen  können,  die  Ober- 
flächenspannung Null  wird,  mithin  die  Flüssigkeiten  bei  gewöhnlicher  Temperator 
in  den  Cagniard  de  la  TouR'schen  Zustand  übergehen  können.*) 

Bei  etwas  höherer  Temperatur  wird  voraussichtlich  die  Capillarconstante  mit 
dem  Gasdruck  schneller  sinken  und  mithin  jener  Zustand  eher  erreicht  werden. 

Wenn  Flüssigkeiten  durch  Hinzupumpen  eines  Gases  in  den  Gaszustand 
übergeführt  werden  können,  so  muss  dies  auch  für  diejenigen  festen  Körper 
möglich  sein,  deren  Schmelzpunkt  mit  steigendem  Drucke  erniedrigt  wird. 
Gehen  femer,  wie  Hannay  und  Hogarth  gefunden  haben  wollen,  gelöste  Sub- 
stanzen mit  ihren  Lösungsmitteln  zugleich  in  den  Cagniard  de  la  TouR'schcn 
Zustand  über,  so  muss  man  auch  gelöste  Salze  durch  Gasdruck  verdampfen  können. 

Webdemann. 

Celluloid.**)  Das  Celluloid  ist  zu  betrachten  als  eine  iimige  Mischung  von 
Pyroxylin  (Schiessbaumwolle  oder  CoUodiumwoUe)  mit  Campher,  entstanden  durch 
Lösen  des  ersteren  in  letzterem.  Die  Lösung  kann  bewirkt  werden  durch  Ein- 
tragen von  Pyroxylin  in  geschmolzenen  Campher,  durch  heftiges  Zusammenpressen 
beider  Theile,  wobei  man  annimmt,  dass  unter  momentaner  Verflüssigung  des 
Camphers  das  Pyroxylin  in  demselben  sich  auflöst,  oder  aber  unter  Zuhülfenahme 
eines  Lösungsmittels,  wie  z.  B.  Alkohol  oder  Aether,  in  welchem  man  nach- 
einander den  Campher  und  dann  das  Pyroxylin  zur  Lösung  bringt,  um  es  nach- 


*)  Diese  letztere  Betrachtung  durfte  indess  nicht  ganz  streng  sein,  da  nur  darauf  Rflcksidit 
genommen  ist,  dass  die  Constante  a  oder  dass  /T^s  ^°  unserer  früheren  Entwicklung  bei  der 
Berührung  zweier  Substanzen  gleich  Null  geworden  ist  Damit  aber  keine  freie  Oberfläche  existirt, 
muss  Ä'=0  werden,  was  nicht  noth wendigerweise  gleichzeitig  mit  dem  Nullwerden  von  /^dcr 
Fall  ist.  Schweflige  Säure,  Wasser  etc.  (s.  oben)  zeigen  z.  B.  bei  gewissen  Temperaturen  hori- 
zontale Oberflächen,  besitzen  also  ein  a  =  0  und  bleiben  doch  scharf  begrenzt.  | 

•♦)   Fr.   Böckmann,    Das   Celluloid,    Leipzig  (Hartleben)  1880.      i)  Hyatt,    D.  R.  P.       j 
No.  3392.     2)  Rkuleaux,   Sitzungsber.  d.  Ver.   z.   Bef.   d.  Gewerbefl.   1878,   pag.  41.     3)  Tu-        j 
BOunxET  und  de  Besanc£:le,  D.  R.  P.  No.  6828.     Dingl.  Journ.  235,  pag.  203.     4)  Wagnsi's       j 
Jahresber.  1878,  pag.  1162.     5)  Böckmann,   Celluloid,   pag.  52.     6)  Dingl.  Jouni.    Bd.  23$* 
pag.  204.     7)  Claus  u.  Parker,  Wagner's  Jahresber.  1881,  pag.  949.     8)  Böckmann.  Dingl. 
Journ.  239,  pag.  62. 


Celluloid.  483 

her  wieder  zu  verflüchtigen.  Endlich  kann  auch  unter  Anwendung  einer  unzu- 
reichenden Menge  Lösungsmittel,  aber  unter  gleichzeitiger  Wirkung  starken  Drucks 
die  Bindung  beider  Componenten  zu  Celluloid  bewerkstelligt  werden.  Die  letztere 
Methode  ist  zur  Zeit  die  gebräuchlichste. 

Die  Fabrikation  des  Celluloids  zerfallt  demgemäss  in  die  Darstellung 
des  Pyroxylins,  die  Mischung  dieses  letzteren  mit  Campher  und  die  Formgebung. 
1.  Die  Darstellung  des  Pyroxylins.  Dieses  kommt  gewöhnlich  in  Form 
der  sogen.  Collodiumwolle,  seltener  als  Schiessbaumwolle  zur  Verwendung,  ja  es 
wird  in  neuester  Zeit  der  Feuergeföhrlichkeit  bei  Herstellung  und  Verwendung 
des  Celluloids  wegen  mit  grosser  Sorgfalt  darauf  geachtet,  dass  beim  Nitrirungs- 
process  höchstens  die  Tetra-  und  Pentanitrate  der  Cellulose  [Ci2Hig(N03)40io 
und  C|jHi5(N02)50iq],  nicht  aber  Hexanitrat  (Schiessbaumwolle)  gebildet  wird. 
Man  erreicht  dies  am  besten  dadurch,  dass  man  die  Cellulose-Materialien  in 
nicht  zu  concentrirte  Salpetersäure  oder  in  ein  entsprechendes  Gemisch  von 
Salpetersäure  und  Schwefelsäure  unter  schwacher  Erwärmung  der  Flüssigkeit  ein- 
trägt, während  bekanntlich  die  Schiessbaumwolle  beim  Behandeln  von  Cellulose 
mit  concentrirtester  Salpetersäure  schon  in  der  Elälte  gebildet  wird. 

Nach  Hyatt  (i)  zu  Newark  bei  New-York,  dem  Entdecker  des  Celluloids, 
wird  Seidenpapier  auf  eigenen  Maschinen  in  kleine  Stückchen  zerrissen,  in  ein 
Gemisch  von  Schwefelsäure  und  Salpetersäure  bei  26—32°  eingetragen  und  un- 
gefähr 20  Minuten  lang  ruhig  damit  stehen  gelassen.  Die  Trennung  der  Nitrir- 
säure,  welche  mit  frischer  Schwefel-Salpetersäure  vermischt  zum  Nitriren  neuer 
Partien  verwendet  wird,  von  den  gebildeten  Cellulose-Nitraten  geschieht  mittelst 
Centrifugen;  schliesslich  wird  mit  Wasser  gewaschen. 

Anderweitigen  Angaben  zufolge  (2)  wird  in  der  Fabrik  der  Gebrüder  Hyatt 
zu  Newark  das  Seidenpapier  von  Rollen  abgewickelt  und  dabei  in  seiner  ganzen 
Breite  mit  einem  Gemisch  von  2  Thln.  Salpetersäure  und  5  Thln.  Schwefelsäure 
berieselt.     Das  in  dieser  Weise  grossen theils  schon  nitrirte  Papier  kommt  noch 
in  einen  mit  Säure  gefällten  Trog,  aus  diesem  aber  sofort  wieder  heraus  in  das 
Waschwasser.    Es  ist  jetzt  eine  knetbare  Masse  geworden,  die  man  ausschleudert, 
presst  und  trocknet.    Oder  aber  man  wäscht  das  nitrirte  Pyroxylin  im  Holländer 
unter  gleichzeitigem  Zerkleinern  desselben  mit  Wasser,  presst  in  durchlöcherten 
Gelassen   aus  und  bringt  dieses  Material  noch  feucht  mit  Campher  zusammen. 
Das  Verfahren   von  Tribouillet  und  de  Besanc^le  in  Paris  (3).     Die  ge- 
mahlenen und  bei  100°  getrockneten  Rohstoffe  (Papier,  Baumwolle,  Leinen  etc.) 
werden  in  das  Säuregemisch  eingetragen,  welches  sich  in  einem  flachen  Behälter 
aus  Glas,   Thon    oder   glasirtem  Eisen   befindet.     Der  Boden  des  Behälters  ist 
von  aussen  durch  Wasser  gekühlt,  und  in  einer  Nute  seines  Randes  sitzt  ein  Glas- 
kasten,   durch  welchen  der  Arbeiter  vor  den  Säuredämpfen  geschützt  ist.     Zum 
Einfüllen  der  Säure  dient  ein  im  Deckel  des  Glasaufsatzes  angebrachter,  mittelst 
Schiebers  verschliessbarer  Trichter,  während  durch  zwei  seitliche  OefTnungen  der 
Arbeiter   seine  Arme  in  zwei  Gummiärmel  stecken  und  in  diesen  in  dem  Säure- 
gemisch   herumarbeiten  kann.     Es  wird  zweimal  nitrirt:  das  erste  Mal  in  Nitrir- 
säure   von  einer  vorhergehenden  Operation,  das  zweite  Mal  in  frischem  Säure- 
gemisch   von  3  Thln.  Schwefelsäure  zu  1'83  spec.  Gew.  und  2  Thln.  conc.  Salpeter- 
säure,   in    welcher  noch  salpetrige  Säure  gelöst  ist.    Der  jedesmaligen  Nitrirung 
folgt    ein    Abpressen  der  Masse  in  einer  Presse  aus  glasirtem  Eisen  tmd  ihrer 
Form  nach  ein  durchlöcherter  Cylinder,  in  welchem  sich  ein  Presskolben  bewegt. 
Schliesslich  wird  mit  viel  Wasser  gewaschen,  dem  man  zuletzt  etwas  Ammoniak 

3i^ 


484  Handwörterbuch  der  Chemie. 

oder  Soda  zusetzt.  Starke  Lösungen  von  Soda,  Ammoniak  etc.  sind  wegen  der 
leichten  Zersetzlichkeit  der  Cellulose-Nitrate  durch  alkalische  Flüssigkeiten  ja 
vermeiden. 

Die  Schering' sehe  Collodiumwolle,  welche  in  der  Celluloidfabrik  von 
Magnus  &  Comp,  in  Berlin  verwendet  wird,  besteht  im  Wesentlichen  aus  dem 
Tetranitrat  der  Cellulose  und  wird  nach  Böckmann's  Vermuthung  erhalten  durch 
Behandlung  von  Baumwolle  während  15  Minuten  mit  einem  Gemenge  von  gleichen 
Raumtheilen  Schwefelsäure  vom  spec.  Gew.  1*845  und  Salpetersäure  vom  spec 
Gew.  1-40  bei  80°. 

Auch  durch  Eintragen  von  1  Gew.-Theil  feinstem,  aus  reinem  Hanf  oder 
Flachs  bereiteten  Seidenpapier  in  20  Gew.-Theile  eines  30—40°  warmen  Gemisches 
von  2  Thln.  Schwefelsäure  von  66°  B.  und  1  Th.  Salpetersäure  von  36— SS'^B. 
während  5  Minuten  wird  ein  für  Celluloid-Fabrikation  sehr  geeignetes  Cellulose- 
Nitrat  erhalten,  welches  nur  noch  durch  Auspressen,  Waschen  mit  Wasser  in 
grossen  Bütten,  zuletzt  unter  Zusatz  von  etwas  Soda  und  Ausschleudern  in  Centn- 
fugen  von  der  anhaftenden  Säure  zu  befreien  ist  Es  empfiehlt  sich,  das  Säure- 
gemisch nur  für  zwei  Nitrirprocesse  zu  benützen  und  dasselbe  dann  an  Schwefelsäure- 
fabriken,  in  deren  Gloverthurm  sich  Schwefelsäure  und  Salpetersäure  leicht  wieder 
verwerthen  lassen,  zurückzugeben. 

2.  Die  Mischung  des  Pyroxylins  mit  dem  Campher  wird  in  der  ver- 
schiedenartigsten Weise  durchgeführt  Gewöhnlich  werden  etwa  2  Gew.-Theile 
Pyroxylin  auf  1  Gew.-Theil  Campher  angewendet 

Nach  einem  älteren,  wahrscheinlich  noch  bei  Gebrüder  Hvatt  in  Newark 
eingeftihrten  Verfahren  (4)  werden  Campher  und  Vyroxylm  in  Wasser  zermahlen, 
zerstossen  oder  gewalzt,  alsdann,  theils  um  das  Wasser  nach  Möglichkeit  auszu- 
treiben, theils  um  Campher  und  Pyroxylin  in  noch  innigere  Berührung  zu  bringen, 
unter  sehr  starkem  Druck  gepresst.  Diese  Masse  wird  dann  in  Formen  gebracht, 
welche  dem  herzustellenden  Gegenstand  entsprechen.  In  der  oberen  Oefihung 
dieser  Form  sitzt  ein  kleiner  Kolben,  welcher  mittelst  einer  hydraulischen  Presse 
auf  die  Masse,  die  während  dem  auf  65 — 130^,  je  nach  Grösse  des  Gegenstandes, 
erhitzt  ist,  heruntergepresst  wird.  Ftwaige  Farbstoffe  und  andere  Zusätze  giebt 
man  den  Materialien  bei  ihrer  mechanischen  Durchmischung  zu. 

Nach  dem  Patent  von  Tribouillet  und  Besanc^le  (3)  wurden  100  Thlc. 
Pyroxylin  mit  42 — 50  Thln.  Campher  innig  gemischt,  mit  einem  wiederstands- 
fahigen  Gewebe  umgeben  und  in  einem  Haarpressbeutel  in  einer  Wannpresse 
gepresst  Die  Presskuchen  passiren  schliesslich  noch  eine  angeheizte  Cylinder- 
presse  und  werden  in  Räumen,  in  welchen  Chlorcalcium  oder  Schwefelsäure  auf- 
gestellt ist,  vollständig  getrocknet 

Ein  anderes,  zur  Zeit  in  mehreren  Fabriken  geübtes  Verfahren  besteht  darin, 
dass  man  den  Campher  in  möglichst  wenig  Alkohol  löst,  diese  Lösung  durch 
eine  feine  Sieb-Brause  auf  das  in  einem  Kasten  ausgebreitete,  vollständig  trockne 
Pyroxylin  aufgiesst,  darauf  eine  zweite  Schicht  P)rroxylin  auflegt,  welche  man 
wieder  mit  Campherlösung  bebraust  u.  s.  f.,  bis  man  ein  genügendes  Quantum 
Celluloidmasse  vereinigt  hat  Letztere  sinkt  zu  einem  transparenten  Klumpen 
zusammen,  welcher  nun  zwischen  eisernen,  platten  Walzen  bearbeitet  wird:  zuerst 
1 — 1^  Stunden  kalt,  dann  ca.  1  Stunde  zwischen  Walzen,  welche  von  innen  durch 
Dampf  schwach  erwärmt  sind.  Dabei  legt  sich  die  Celluloidmasse  in  Gestalt 
eines  Mantels  um  die  Walze  herum,  so  dass  sie  zur  gründlichen  Bearbeitung 
durch  Längsschnitte   von   den  Walzen   abgelöst   und   oben   wieder   aufgegeben 


Celluloid.  485 

werden  muss,  ganz  in  gleicher  Weise  wie  dies  bei  Bearbeitung  der  Kautschuk- 
massen  geschieht.     Schliesslich  werden  die  ca.   1  Centim.  dicken  Walzkuchen, 
aus  welchen  jetzt  die  Hauptmasse  des  Alkohols  verdampft  ist,  in  Platten  von 
etwa  70  Centim.  Länge  und  30  Centim.  Breite  zerschnitten  und  in  mehreren  Lagen 
übereinander  auf  hydraulischen  Pressen  stark  ausgepresst.    Die  Pressen  sind  von 
allen  Seiten  mit  doppeltem  Dampfmantel  umgeben,  in  deren  Zwischenraum  Dampf 
circulirt,  so  dass  die  in  der  Presse  befindliche  Celluloidmasse,  ohne,  mit  Dampf 
in  direkte  Berührung  zu  kommen,  auf  70°  erwärmt,  wird.    Die  Pressung  dauert 
bis  24  Stunden.     Alsdann  lässt  man  erkalten,  nimmt  den  dicken  Presskuchen 
heraus,    zerschneidet   ihn  mit  einer  Art  Foumir-Hobelmaschine  in  Platten  von 
gewünschter  Dicke  und  trocknet  diese  letzteren  in  besonderer  Trockenstube  bei 
30—40°  während  8 — 14  Tagen  vollkommen  aus.    Die  getrockneten  Platten  werden 
dann  schliesslich  in  kleinere  Stücke  zerschnitten  und  entweder  durch  Pressen  in 
warmen  Formen  oder  durch  anderweitige  mechanische  Bearbeitung  auf  fertige 
Waaren  verarbeitet. 

Magnus  &  Comp,  zu  Berlin  tibergiessen  in  einem  Steingutgefäss  50  Gew.-Thle. 
CoUodiumwoUe  mit  100  Gew.-Thln.  Aether  und  25  Gew.-Thln.  Campher,  gegen 
zu  rasche  Verflüchtigung  des  Aethers  bedeckt  man  das  Gefäss  lose  mit  einer 
Kautschukplatte,  rührt  aber  unter  Beseitigung  der  Platte  von  Zeit  zu  Zeit  um. 
Allmählich  entsteht  eine  gallertartige,  transparente  Masse,  welche  dann  zwischen 
Calanderwalzen  so  lange  bearbeitet  wird,  bis  sie  plastisch  geworden  ist.  Es 
folgt  eine  starke  Pressung  der  erwärmten  Celluloidplatten. 

In  der  Fabrik  zu  Stains  wird  nach  Böckmann  (5)  ähnlich  wie  bei  Magnus  & 
Comp,  gearbeitet,  nur  dass  statt  Aether  Holzgeist  genommen  wird. 

Gefärbte  Celluloidwaaren  erhält  man  durch  Beimischung  der  verschieden- 
artigsten Farbstoffe  theils  in  gelöster,  theils  auch  ungelöster  I?orm.  Die  Zu- 
mischung geschieht  von  vornherein  beim  Mischen  des  Camphers  und  Pjn-oxylins. 
Marmorirtes  Celluloid  wird  hergestellt,  indem  man  beim  Pressen  der 
Celluloidplatten  von  beliebiger  Grundfarbe  zwischen  die  einzelnen  Platten  Stücke 
von  gefärbtem  Celluloid  einlegt.  Die  Massen  drücken  sich  dabei  ineinander, 
und,  da  sie  noch  nicht  ganz  trocken  sind,  zerfliessen  bis  zu  einem  gewissen  Grad 
an  den  Rändern.  Nimmt  man  als  Grundmasse  nicht  künstlich  gefärbtes,  sondern 
reines,  also  transparentes,  gelbliches  Celluloid  und  presst  dunkelgefärbte  Massen 
ein,  so  entsteht ,nach  dem  Trocknen  die  beliebte  künstliche  Schildpat-Masse. 
Transparentes  Celluloid  erhält  man  (6)  durch  Auflösen  von  Pyroxylin, 
Wiederverdunsten  des  Lösungsmittels  und  direkte  Formgebung. 

Nicht  transparente  Celluloidwaaren  werden  meist  aus  beschwerter  Masse 
heigestell^  wozu  man  bis  zu  50  f  Zinkweiss,  auch  Permanentweiss  u.  a.  nimmt  (7). 
Zusammensetzung  und  Eigenschaften.  Die  Zusammensetzung  des  CeUuloids  ergiebt 
sich  ans  seiner  Bereitungsweise ;  es  enthält  etwa  f  Gew.-Thle.  Pyroxylin  und  |  Gew.-Thl. 
Campher,  doch  kommen  auch  Celluloide  von  abweichender  Zusammensetzung  vor.  Bei  grösseren 
Mengen  von  Campher  tritt  der  Geruch  desselben  in  unangenehmer  Weise  hervor,  auch  verliert 
das  CeUuloid  an  Festigkeit,  weshalb  für  bessere  und  feinere  Celluloidwaaren  eher  die  Menge  des 
I^roxylins  vermehrt  wird«  Ob  das  Celluloid  als  eine  chemische  Verbindung  oder  lediglich  als 
eine  Mischung  zu  betrachten  ist,  steht  noch  dahin.  Böckmann  bezeichnet  es  als  eine  lederartige 
Verbindung,  in  welcher  der  Campher  zwischen  den  Celluloidfasem  mechanisch  niedergeschlagen 
ist  Die  Möglichkeit  der  Bindung  variabler  Mengen  von  Campher  und  Pyroxylin  zu  Celluloid, 
des  Herauslösens  des  Camphers  durch  bestimmte  Lösungsmittel,  des  Herausbrennens  des  Pyro- 
zylins  ans  glimmendem  Celluloid  unter  gleichzeitiger  Verdampfung  des  Camphers  spricht  jedenfalls 


4S6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

gegen  die  Annahme  einer  chemischen  Verbindung  in  gewöhnlichem  Sinne.    19eben  Campher  ual 
Pyroxylin  enthält  auch  das  reinste  Celluloid  immer  noch  etwa  1*3^  Asche. 

Das  CeDuloid  entzündet  sich  nur  durch  offene  Flamme  und  brennt  dann  zwar  rasch,  doch 
ohne  Verpuflung  weiter;  auch  durch  Druck  lässt  es  sich  nicht  zur  Explosion  bringen.  Dagegen 
geht  es  beim  Erhitzen  auf  150^  ziemlich  plötzlich  in  Rauch  auf.  Man  kann  es  daher  ohne  Ge- 
fahr mit  dem  Hammer,  unter  Pressen  und  zwischen  Walzen  bearbeiten.  Durch  letztere  ISsst  es 
sich  zu  Blättern  bis  zu  0*5  Millim.  Dicke  auswalzen.  In  kochendem  Wasser  wird  es  weidi, 
ohne  sich  zu  lösen,  und  kann  dann  geformt  werden.  Schon  bei  75^  ist  es  Übrigens  plastisch, 
doch  erwärmt  man  es  behufs  Formens  in  Matrizen  auf  etwa  120^.  Sein  specifisches  Gewicht 
ist  je  nach  Grad  der  Pressung  und  nach  Menge  und  Natur  der  Zusätze  verschieden,  reines 
Celluloid  zeigt  nach  Böckmann  (8)  im  Mittel  etwa  das  spec.  Grcw.  r35* 

Vermöge  seiner  Festigkeit,  Elasticität,  Leichtigkeit  der  Formgebung  und  Bearbeitung;  PolitlI^ 
fähigkeit  und  der  Möglichkeit,  dasselbe  in  transparenter  Form  oder  in  beliebigen  Färbungen  da^ 
zustellen,  ist  die  Verwendung  des  Celluloids  eine  sehr  ausgedehnte.  Es  dient  als  Ersatz  fiir 
Hom,  Hartgummi,  Elfenbein,  Schildpat,  Malachit,  Bernstein,  Korallen,  zur  Herstellung  von 
Messergriffen,  Kämmen  und  ähnlichen  Gegenständen,  sowie  auch  von  Schmucksachen. 

Encler. 

Cement*),  Hydraulischer  Kalk,  Roman-Cement,  Portland-Cement 
Unter  Cement  verstand  man  in  früheren  Zeiten  ganz  allgemein  Zuschläge,  welche 


1 


*)  Handbücher,  Monographien  etc.:  W.  MiCHAEUS,  Die  hydraulischen  Mörtel,  insbe- 
sondere der  Portland-Cement.  Leipzig  1869.  H.  ZwiCK,  Hydraulischer  Kalk  u.  Portland-CemcBt, 
Hartlebens  BibL  1879.  W.  Michaelis,  Die  Beurtheilung  des  Cements,  Berlin  1876.  W.  Maoat, 
Der  Portland-Cement;  deutsch  von  B.  Stahl  u.  R.  Rudloff,  Leipzig  1880.  R.  Dyckerhoff,  Ueber 
Cement-  u.  Trass-Mörtel  (Vortrag),  Berlin  1881.  Scott  u.  Radgrave,  Bernays  u.  Grant,  Oi 
Portland-Cement,  London  1880.  H.  Nagel,  Die  Bereitung  und  Verwendung  der  Cemente  cte, 
Stuttgart  1880.  £.  BÖHMER  u.  F.  Neumant«,  Kalk,  Gyps  u.  Cement,  Weimar  1870.  H.  ▼. 
Gerstenbergk,  Die  Cemente,  ihre  Bereitung  etc.,  Weimar  1874.  Heusinger  v.  Waldegg,  Dk 
Kalk-,  Ziegel-  u.  Röhrenbrennerei,  nebst  Anleitung  zur  Herstellung  von  Cementen,  Leipzig  1861. 
H.  Klose,  Der  Portland-Cement  u.  seine  Fabrikation,  Wiesbaden  1873.  W.  Leonhardt,  Die 
Kitt-,  Leim,  Cement-  etc.  Fabrikation,  Leipzig  1870.  A.  Lipowitz,  Die  Portland-Cement-FabrikalioB, 
Berlin  1868.  P.  Loeff,  Anleitung  zum  Bau  von  Kalk-,  Cement-  etc.  Oefen,  Berlin.  E.  Vicat, 
Die  Ziegel-  u.  Cement-Fabrikation,  Berlin  1863.  W.  A.  Becker,  Anleitung  zur  Anwendung  da 
Cemente  etc.,  Berlin  1868.  Zeitschriften:  Fr.  Hoffmann,  Notizblatt  des  deutsch.  Ver.  fo 
Fabrikation  von  Ziegeln  etc.  u.  Cement,  Berlin  (Bureau  d.. Vereins).  Seger  u.  Aron,  Thoa- 
industrie-Ztg.,  Berlin.  Stegmann,  Zeitschr.  f.  Thonwaarenindustrie  u.  verwandte  Gewerbe,  Bnnn- 
schweig.  Deutsche  Töpfer-  u.  Zieglerzeitung,  Berlin.  Notizblatt  d.  Vereins  fUr  Ziegelüabrikatiott. 
Olschewsky,  Hauenschild  u.  Eckhardt,  Jahresberichte  über  Neuerungen  und  Erfahrungen  m 
der  Thonwaaren-  u.  Kalkindustrie,  Berlin.  Siehe  auch:  Verhandlgn.  des  Ver.  deutsch.  Cemcnt- 
Fabrikanten.  Einzelne  Abhandlungen:  i)  Siehe  Bestimmungen  des  Cement-Comites  des 
Oesterr. -Ungar.  Ingen.-  u.  Archit.-Ver. ,  Wien  1880  (Vereins-Secretariat ,  Eschenbachgasse  9). 
2)  Demarchi  u.  Fodera,  Engineering  Mining  Joum.  34,  pag.  45;  Wagn.  Jahresber.  18S2, 
pag.  636.  3)  Bayr.  Ind.-  u.  Gew.-Blatt  187 1,  pag.  141.  4)  Dingl.  Joum.  197,  pag.  146  a.  197- 
5)  Maschinenbauer  1872,  pag.  144.  6)  Siehe  bei  Schafhäutl,  Dingl.  Joum.  las,  pag.  i86l 
7)  Ibid.,  pag.  198.  8)  Feichtinger,  Dingl.  Journ.  174,  pag.  433.  9)  Zwick,  Hydraiil.  Kalk 
u.  Portland-Cement,  pag.  80.  10)  Dorn,  Der  Liasschiefer,  Tübingen  1877;  siehe  auch  Wagm. 
Jahresber.  1877,  pag.  617.  ii)  Zwick  a.  a.  O.,  pag.  116.  12)  Feichtinger,  Dingl.  Joum.  i74i 
pag«  433-  13)  Thonindustrie-Ztg.  1878,  No.  27.  14)  Zwick  a.  a.  O.,  pag.  159.  15)  Bermully, 
Verhandig.  der  4.  Versammig.  d.  Ver.  Deutsch.  Cement-Fabrikanten  1881;  siehe  auch  Wa««. 
Jahresber.  1881,  pag.  510.  16)  Dietsch,  Dingl.  Joum.  250,  pag.  52a  17)  Bertdca,  TOpler* 
u.  Ziegler-Ztg.  1878,  pag.  412.  18)  Thomei,  Verhandlgn.  d.  Ver.  deutsch.  Cement-Fabrikanteo 
1882;  siehe  auch  Wagn.  Jahresber.  1882,  pag.  638,  u.  Thonindustrie-Z^.  1879,  P%-  ^ 
19)  R.  Dyckerhoff,  Wagn.  Jahresber.  1882,  pag.  639.    20)  Erdmenger,  Wagn.  Jahresber.  iSSo^ 


I 


Cement.  4S7 

mit  gewöhnlichem  Kalkbrei  vennischt  einen  unter  Wasser  erhärtenden  uhd  fest 
bleibenden  Mörtel  lieferten.  Als  solche  Zuschläge  dienten  insbesondere  Puzzolan- 
erde,  Trass  und  Santorinerde,  natürliche  Thonerde-Silicate,  welche  ihre  Kiesel- 
säure gegenüber  dem  gewöhnlichen  Thon  vorwiegend  in  durch  Säuren  aufschliess- 
barem  Zustande  enthalten.  Jetzt  versteht  man  dagegen  unter  Cement  ganz  all- 
gemein unter  Wasser  erhärtende  Kalke,  welche  durch  Brennen  von  natürlichen 
oder  künstlichen  Gemischen  von  Kalkstein  und  Thon  oder  einem  andern  kiesel- 
säurehaltigen Material  erhalten  sind.  Die  wesentlichen  und  wirksamen  Bestand- 
theile  sind  dabei  der  gebrannte  Kalk  und  die  durch  das  Brennen  des  Thones 
aufgeschlossene  Kieselsäure  und  Thonerde.    Je  nach  der  Natur  der  zur  Darstellung 


pag.  505.  21)  Derselbe,  Thonindustrie-Ztg.  1882,  pag.  27,  35,  65;  siehe  auch  Wagn.  Jahres- 
ber.  1882,  pag.  637.  22)  R.  Dyckerhoff,  Dingl.  Joura.  248,  pag.  245.  23)  W.  Michaelis, 
DiNGL.  Joum.  248,  pag.  390.  24)  R.  Dyckerhoff,  Dingl.  Journ.  233,  pag.  392.  25)  Kämmerer, 
Thonindustrie-Ztg.    1878,    pag.  33.     26)  R.  Dyckerhoff,   Deutsche  Bau-Ztg.    1882,    pag.  98. 

27)  L£  Chatelier,   Compt.  rend.  94,  pag.  867;    siehe  auch  Wagn.  Jahresber.  1882,  pag.  659. 

28)  Candrin,  Compt.  rend.  94,  pag.  1054;  Wagn.  Jahresber.  1882,  pag.  660.  29)  Engineer  54, 
pag.  98.  30)  Erdmenger,  Thonindustrie-Ztg.  1877,  pag.  265.  31)  Ibid.,  1877,  P^*  ^^' 
32)  Töpfer-  u.  Ziegler-Ztg.  1879,  No.  4.  33)  Frühling,  Dingl.  Joum.  233,  pag.  319.  34)  Raasche, 
Töpfer-  u-  Ziegler-Ztg.  1879,  pag.  26;  Dingl,  Joum.  233,  pag.  318.  35)  Feichtingbr,  Bayr. 
Ind.-  u.  Gew.-Blatt  1879,  pag.  71.  36)  Dyckerhoff,  Deutsche  Bau-Ztg.  1878,  No.  7.  37)  Der- 
selbe, Wagn.  Jahresber.  1880,  pag.  514.  38)  Michaelis,  Baugew.-Ztg.  1878,  No.  27.  39)  Böhme, 
Wagn.  Jahresber.  1882,  pag.  644.  40)  Vicat,  Compt.  rend.  38,  pag.  105.  41)  Feichtinger, 
Dingl.  Joum.  152,  pag.  40  u.  108.  42)  RnroT  u.  Chatoney,  Compt.  rend.  43,  pag.  302;  Dingl. 
Joum.  143,  pag.  352.  43)  Kühlmann,  Compt.  rend.  45,  pag.  738,  787;  Bd.  46,  pag.  920. 
44)  Herzog,  Wagn.  Jahresber.  1882,  pag.  647.    45)  Erdmenger,  Dingl.  Joum.  209,  pag.  286. 

46)  Jahresber.   d.  Baugew.  1867,   pag.  421;   Deutsche  Töpfer-  u.  Ziegler-Ztg.    1879,  pag.  175. 

47)  Wagn.   Jahrerber.    1880,    pag.  511.      48)    Thomei,    Thonindustrie-Ztg.    1878,    pag.  234. 
49)  Riehle,  Dingl.  Joum.  233,  pag.  318.     50)  Studt,  ibid.  233,  pag.  318.     51)  Krafft, 
Wochenschrift  d.  Oesterr.  Archit-  u.  Ingen.- Ver.,  Wagn.  Jahresber.  1881,  pag.  530.     52)  Klebe, 
Bayr.  Ind.-  u.  Gew.-Blatt  1883,  pag.  126.     53)  R.  Dyckerhoff,  Dingl.  Joum.  233,  pag.  392. 
54)  Zwick,  a.  a.  O.,  pag.  254.     55)  Dyckerhoff,  a.  a.  O.     56)  Siehe  bei  Dingl.  Joum.  49, 
pag.  271.     57)  Heldt,  Joum.  f.  prakt.  Chem.  94,  pag.  129.     58)  Dingl.  Joum.113,  pag.  351. 
59)  Fbichtinger,    Dingl.  Joum.   152,    pag.  40  u.    108.     60)  Dingl.  Joum.   142,  pag.  106. 
61)  Feichtinger,  Dingl.  Joum.  174,  pag.  437;  Bd.  175,  pag.  208;  Bd.  176,  pag.  378;   Bd.  178, 
pag.  223.    62)  Fremy,  Compt.  rend-  60,  pag.  993;  Dingl.  Joum.  177,  pag.  376.    63)  Michaeus, 
Joum.  f.  prakt.  Chem.  100,  pag.  257.    64)  RivoT  u.  Chatoney,  Compt.  rend.  93,  pag.  302  u.  715; 
Dingl.  Joum.  143,  pag.  352.    65)  Knapp,  Amt!.  Ber.  über  die  Wiener  Weltausstellg.  2,  pag.  583; 
siehe  auch  Dingl.  Joum.  102,  pag.  513.    66)  Schott,  Dingl.  Joum.  102,  pag.  434.    67)  Früh- 
ling, Bayr.  Ind.-  u.  Gew.-Blatt  1883,  pag.  132.    68)  Haüenschild,  Wochenschr.  d.  Niederösterr. 
Gew.-Ver.   1881,  pag.  271;   Wagn.  Jahresber.  1881,  pag.  539.     69)  Erdmenger,  Thonindustrie- 
Ztg.  1879,    pag.  5,   171,    179.   454;    1880  No.  1—42;    1881,  pag.  96,   228,  333,   340;  Wagn. 
Jahresber.    1879,  pag.  652;    1880,  pag.  499;    1881,   pag.  541.     70)  Engineering  29,  pag.  301; 
Wagn.  Jahresber.   1880,   pag.  498.     71)  Engl.  Pat.  1879,  No.  15 10;   Wagn.  Jahresber.  1880, 
pag.  499.     72)  Roth,  D.  R.-P.  No.  19800;  Dingl.  Joum.  247,  pag.  257;   Wagn.  Jahresber.  1882, 
pag.  636.      73)  D.  R.-P.  4048,  Thonindustrie-Ztg.  1879,  pag.  71;   Dingl.  Joum.  233,  pag.  262. 
74)  Thonindustrie-Ztg.  1879,  pag.  131;   DiNGL.  Joum.  233,  pag.  262.     75)  St.  Claire-Deville, 
Compt.   rend.  41,  pag.  11 68;   Dingl.  Joum.  179,  pag.  309.     76)  Calvert,  Compt  rend.  61, 
pag.  1168;   Dingl.  Joum.  179,  pag.  383.    77)  Erdmenger,  Dingl.  Joum.  211,  pag.  13;  Bd.  214, 
pag.  40.     78)  Ibid.  192,  pag.  421.     79)  Sorel,  Compt.  rend.  65,  pag.  102;   Dingl.  Joum.  185, 
pag.  392.     80)  Wagn.  Jahresber.  1877.    81)  Heintzel,  Thonindustrie-Ztg.  1877,  pag.  46;   Wagn. 
Jahresber.    1878,  pag.  734.     82)  Künis,  Thonindustrie-Ztg.  1879,  pag.  187;   Dingl.  Joum.  233, 
pag.  173.     83)  Hauenschild,  Dingl.  Joum.  202,  pag.. 386. 


488 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


der  Cemente  verwendeten  Materialien,  aber  auch  nach  der  Art  und  Weise  des 
Brennens  und  dem  Verhalten  beim  Vermischen  mit  Wasser  unterscheidet  man 
die  Cemente  in  hydraulischen  Kalk  im  engeren  Sinn,  in  Roman-Cement  und  in 
Portland-Cement  (i),  von  deren  speciellen  Eigenschaften  weiter  unten  die  Rede 
ist.  Demgemäss  hat  man  jetzt  zu  unterscheiden  zwischen  hydraulischen  Zuschlägen 
oder  Cementen,  nach  deren  Hauptrepräsentanten  auch  Puzzolane  genannt,  im 
früheren  und  engeren  Sinn,  worunter  durch  natürliche  oder  künstliche  Erhitzung 
aufgeschlossene  Silicate  zu  verstehen  sind,  die  mit  Kalkbrei  erst  hydraulischen 
Mörtel  liefern,  und  zwischen  Cement  im  weiteren  Sinn,  worunter  im  Allgemeinen 
jeder  gebrannte  Silicat-  oder  kieselsäurehaltige  Kalk  zu  verstehen  ist,  der  unter 
Wasser  erhärtet. 

L  Die  hydraulischen  Zuschläge,  Cemente  im  früheren  und  engeren 
Sinn,  auch  Puzzolane  finden  sich  in  der  Natur  an  verschiedenen  Orten  fertig 
gebildet,  es  können  aber  auch  Stoffe  von  gleicher  Wirkungsweise  durch  Brennen 
von  Thon  erhalten  werden.  Die  natürlichen  Puzzolane  sind:  die  Puzzolanerde, 
der  Trass  und  die  Santorinerde. 

1.  Die  Puzzolane  oder  Puzzolanerde  hat  ihren  Namen  von  der  unweit 
des  Vesuvs  gelegenen  italienischen  Stadt  Puzzuoli,  woselbst  sie  schon  von  den 
Römern  zur  Herstellung  von  Mörtel  zu  Wasserbauten  verwendet  wurde.  Dasselbe 
Material  findet  sich  auch  längs  der  südwestlichen  Seite  der  Apenninenkette  bis 
in  die  Gegend  von  Rom,  in  der  Auvergne,  in  den  Departements  l'Herault  und 
de  l'Ardiche.  Sie  bildet  ein  vulkanisches  Tuffgestein  von  poröser  Struktur  und 
sehr  verschiedener  Festigkeit,  welches  der  Hauptsache  nach  aus  mehr  als  der 
Hälfte  seines  Gewichtes  Kieselsäure  und  aus  Thonerde,  etwas  Eisenoxyd  und 
anderen  basischen  Bestandtheilen  besteht,  von  denen  immer  ein  erheblicher  Theü 
in  starker  Schwefelsäure  oder  Salzsäure  löslich  ist.  Je  grösser  die  Menge  der  in 
Säure  löslichen  Theile,  desto  hydraulischer  sind  im  Allgemeinen  die  Eigenschaften 
der  Puzzolane.  Die  folgenden  Analysen  zeigen  die  Zusammensetzung  verschiedener 
Sorten.  No.  1  und  2  italienische  Puzzolane  auf  wasserfreien  Zustand  berechnet 
nach  Elsner- Stengel  bezw.  Elsner- Reinhardt,  No.  S  italienische  Puzzolane 
nach  RivoT,  No.  4  aus  Departement  l'Herault  nach  Rivot,  No.  5  aus  der  Auvergne 
nach  Rivot: 


Kieselsäure  10*25 


10-25 


3. 
19-5 


4. 

21-0 


J> 

Thonerde 

901 

2-56 

9-7 

10-7 

Eisenoxyd 

4-76 

4-56 

6-3 

6-8 

H 

Kalk 

1-90 

1-58 

8-0 

1-5 

•g 

Magnesia 

— 

— 

0-9 

11 

■•a 

Kali 

1-50 

1-50^ 
1-47  / 

2 

Natron 

2-6 

30 

Wasser 

— 

— 

10-2 

12-4 

<ü 

Kieselsäure  48-90 

49-56 

32-7 

35-5 

'S 

Thonerde 

12-27 

13-79 

81 

8-2 

H 

Eisenoxyd 

— 

— 

— 

— 

4> 

Kalk 

— 

— 

1-2 

1-3 

Magnesia 

— 

— 

— 

— 

:0 

Kali 

2-87  \ 

^_ 

.^ 

§ 

Natron 

6-23  / 

12-66 





5. 
28-2 

20 
21-8 

9-0 

1-2 
41 

250 

6-7 

1-3 


Cement. 


489 


Nach  einer  Analyse  von  Demarchi  und  Fodera  (2)  enthält  PuzzoUane  aus 
der  Nähe  von  San  Paolo: 

Kieselsäure 47*66 

Thonerde 14-33 

MagneMa 3*86 

Eisenoxyd 10*33 

Kalk 7*66 

Wasser 7*03 

Alkalien  und  flüchtige  Stoffe    4*13 

Sand 5-00. 

Dieselben  geben  an,  dass  die  Puzzolane  je  nach  beabsichtigter  Verwendung 
mit  15 — 45 J  Kalk  versetzt  werden  müssen;  einen  guten  hydraulischen  Cement 
erhalte  man  schon  durch  Zusatz  von  18f  Kalk. 

2.  Der  Trass,  Duckstein,  Tuffstein  findet  sich  an  den  Ostabhängen  der 
Eifel,  vornehmlich  im  Brohlthale  und  im  Nettethale  in  der  Nähe  von  Andernach 
und  Neuwied.  Er  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  Produkt  vulkanischer 
Ausbrüche  und  lässt  vornehmlich  drei  verschiedene  Schichten  unterscheiden:  die 
unterste  Schicht,  der  echte  Trass,  ist  von  der  Härte  eines  Ziegels  mit  scharf- 
kantigem Bruch,  porös,  gelblichgrau  bis  graublau  geßirbt.  Die  zweite  Schicht, 
wahrscheinlich  von  einer  späteren  Eruption  herrührend  und  Knuppen  oder 
Tauch  genannt,  bildet  ein  weicheres,  nicht  so  poröses  Material  und  ist  mit 
.  Bimsstein  und  Thonschiefer  vermischt.  Die  oberste  und  jüngste  Schicht  besteht 
im  Wesentlichen  aus  einer  lockeren,  weissgrauen,  vulkanischen  Asche;  man  nennt 
sie  wilden  Trass.  Die  Production  beträgt  nach  Michaelis  im  Nettethal 
70000  Tonnen  Trass,  im  Brohlthale  nach  Löhmann  2000  Tonnen  Tuffsteine, 
15000  Tonnen  Knuppen,  20000  Tonnen  wilden  Trass  pro  Jahr. 

Nach  Analysen  von  Elsner  (No.  1),  Vohl  (No.  2)  und  Feichtenger  (No.  3  u.  4) 
enthält  der  Trass: 


Kieselsäure,  in  Kalilauge  löslich 
Kieselsäure,  nach  der  Zersetzung 
mit  Salzsäure  in  Kalilauge  löslich 
Kieselsäure 
Thonerde 
Eisenoxyd 
Manganoxyd 
Kalk 
Magnesia 
Kali 
Natron 
Wasser 


s 


.9 

•s 

••3 


1. 


11*50 
17*70 
11-77 

315 
2*20 
0-29 
2*43 
7-65 


515 
16*02 
3*33 
0*65 
1*25 
0*81 
3*52 
2*47 
12*65 


3. 
218 

13*22 
012 
5*95 
4*66 
Spur 
2*98 
1*20 


4. 
2*57 

613 
0*18 
5*48 
3*55 
Spur 
2*57 
1-32 


d 

CO    N 
'S  CO 


Kieselsäure    37*43      47*93      43*54      59*85 


Thonerde  1-25  2*26 

Eisenoxyd  0*57  0*48 

Kalk  2*25  — 

Magnesia  0*27  0*50 

Kali  0-07  0*65 

Natron  111  1*27 

Glühverlust  (Wasser)    —  — 


7*46 
110 
1*71 
0*88 
2*91 
0-35 
5*66 


8*45 
2*95 
1*78 
0*95 
1*82 
0*34 
2*59. 


490 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


Für  Herstellung  eines  guten  Wassermörtels  werden  2  Vol.  Trasspulver  mit 
1  Vol.  Fettkalk  vermischt. 

3.  Der  Santorin  oder  die  Santoririerde  findet  sich  auf  den  griechischen 
Inseln  Santorino,  Theresia  und  Aspronisi  und  ist  ebenfalls  ein  vulkanisches  Tuff- 
gestein, welches  mit  Kalk  vermischt  zu  vielen  Wasserbauten  an  den  Ufem  des 
mittelländischen  Meeres  verwendet  wird.  Sie  unterscheidet  sich  von  Puzzolane 
und  Trass  durch  ihren  hohen  Gehalt  an  Kieselsäure,  sowie  auch  dadurch,  dass 
sie  mit  Salzsäure  keine  Gallerte  bildet,  sonach  wenig  durch  Säuren  aufschliess- 
bare  Theile  enthält.  Ein  durch  Vermischen  von  Santorinerde  mit  Kalk  herge- 
stellter Mörtel  besitzt  ausserdem  die  Eigenthümlichkeit,  nur  unter  Wasser  fest  zu 
bleiben.  Nach  Versuchen  von  Feichtinger  (4)  enthält  sie  20*3  J  amorphe,  in 
verdünnter  Kalilauge  lösliche  Kieselsäure,  welcher  sie  ihre  Hydraulidtät  verdankt. 
Derselbe  hat  auch  Analysen  der  bei  100°  getrockneten  Santorinerde  (No.  1)  aus- 
geführt, zugleich  aber  festgestellt,  dass  man  dieselbe  in  gepulvertem  Zustande 
durch  Schlämmen  in  dreierlei  Theile:  \  Bimsstein  (Analyse  No.  2),  f  eigentliche 
Santorinerde  (No.  3)  und  •}-  Obsidiansand  (No.  4)  zerlegen  kann. 


In  Wasser 

[Schwefelsaurer  Kalk 

1. 
.    005 

2. 

3. 

4. 

löslich    \  Chlornatrium  .     . 

005 

£ 

Kieselsäure      .     . 

.    3-40 

Spur 

Spur 

Spur 

•äs' 

Thonerde    .    .     . 

.     1-36 

0-75 

1-31 

1-64 

Eisenoxyd   .     .     . 

.     1-41 

0-28 

0-54 

1-86 

wi2 

Kalk 

.    0-40 

0-40 

0-84 

0-68 

S 

Magnesia    .    .    . 

0-23 

0-25 

0-54 

1-86 

Kieselsäure      .     .     . 

66-37 

72-84 

71-44 

63-07 

V 

Thonerde    .     .    .     . 

12-36 

11-51 

8-56 

14-03 

1-6 

Eisenoxyd  .    .     .     . 

2-90 

4-07 

3-30 

6-87 

|i' 

Kalk 

2-58 

215 

1-80 

3-15 

Magnesia    .     .     . 

106 

1-33 

1-36 

1-58 

1— 1 

Kali 

2-83 

1-28 

1-86 

1-87 

Natron   .... 

4-22 

2-65 

3-74 

3-86 

Wasser 

4-06 

2-25 

4-61 

1-14 

Kieselsäure,  löslich  in  ver- 

dÜE 

inter  Kalilauge      .     . 

5-2 

28-4 

3-4 

Zur  Erzeugung  von  Wassermörtel  nimmt  man  auf  5  Thle.  Santorinerde 
2  Thle.  mit  Meerwasser  gelöschten  Kalk. 

Während  nach  den  Versuchen  von  Berthier  und  von  Fuchs  die  hydraulischen 
Eigenschaften  der  Puzzolane  und  des  Trass  vorwiegend  auf  den  darin  enthaltenen 
aufschliessbaren  Silicaten  beruht,  deren  Kieselsäure  und  Thonerde  mit  dem  zu- 
gesetzten Kalkhydrat  unter  Aufnahme  von  Wasser  zu  Verbindungen  zusammen- 
treten, verdankt  die  Santorinerde  jene  Eigenschaft  nur  der  darin  enthaltenen 
freien,  amorphen  Kieselsäure,  die  sich  mit  dem  zugesetzten  Kalk  vereinigt 

Auch  gewisse  Kunstprodukte,  welche  aufgeschlossene  oder  leicht  aufschliess- 
bare  Kieselsäure  enthalten,  liefern  mit  Fettkalk  vermischt  gute,  hydraulische 
Mörtel.  So  nimmt  man  in  Spanien  (5)  ein  Gemenge  von  1  Th.  Ziegelmehl, 
1  Th.  Kalk  und  2  Thln.  Sand.  Auch  Rohkupferschlacken,  besonders  aber 
Hochofenschlacken  hat  man  in  neuerer  Zeit  durch  Vermischen  mit  Kalk  als 
Wassermörtel  benützt,  doch  entsteht  dabei  ein  Mörtel  von  weit  geringerer  Binde- 
kraft.   Huck  (6)  hat  vorgeschlagen,  aus  Hochofenschlacken  die  lösliche  Kiesd- 


Cement  491 

säure  durch  Salzsäure  auszuscheiden,  auszuwaschen  und  zu  trocknen,  um  sie  dann 
mit  Kalk  zu  Wassermörtel  zu  vermischen. 

Hydraulischer  Kalk,  Roman-Cement  und  Portland-Cement.  Nach 
dem  Vorgange  von  Vicat,  Michaelis,  Zwick  u.  A.  unterscheiden  wir  die  Cemente 
in  hydraulischen  Kalk,  Roman-Cement  und  Portland-Cement  und  verstehen  unter 
den  beiden  ersteren  hydraulische  Kalke,  die  aus  natürlichen  Kalk-Thon-Gemischen 
durch  einen  nicht  bis  zur  Sinterung  getriebenen  Brennprocess  erhalten 
werden  und  noch  freien  Kalk  enthalten.  Dabei  kann  man  noch  unterscheiden 
in  hydraulischen  Kalk  im  engeren  Sinne,  das  ist  ein  gebrannter  Thon-Kalkstein, 
der  durch  blosses  Anfeuchten  mit  Wasser  in 'Pulver  zerfallt,  und  in  Roman- 
Cement,  das  ist  ein  gebranntes  Material,  welches  mit  Wasser  nicht  zerfallt,  also 
mechanisch  pulverisirt  werden  muss.  Mit  Portland-Cement  endlich  bezeichnet 
man  alle  hydraulischen  Kalke,  die  aus  natürlichen  oder  künstlichen  Gemischen 
von  Kalk  und  Thon  durch  einen  bis  zur  Sinterung  getriebenen  Brenn- 
process erhalten  werdön. 

Die  Rohmaterialien  für  die  Bereitung  sämmtlicher  Cemente  bestehen  so- 
nach aus  natürlichen  oder  künstlichen  Gemischen  von  Kalkstein  und  Thon, 
und  da  diese  je  nach  ihren  Fundorten  von  sehr  wechselnder  Zusammensetzung 
und  physikalischer  Beschafifenheit  sind,  so  müssen  sie  durch  eine  einfache  chemische 
Analyse  bezw.  auch  durch  eine  Schlämmanalyse,  damit  eine  richtige  Gattirung 
derselben  zu  normalen  Gemischen  stattfinden  kann,  auf  ihre  Hauptbestandtheile 
geprüft  werden. 

Den  Kalkstein  prüfl  man  auf  seinen  Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk  in  der 
Weise,  dass  man  etwa  2  Grm.  desselben  zuerst  bei  120°  trocknet,  wobei  der 
Wassergehalt  festgestellt  werden  kann,  dann  mit  einem  Ueberschuss  von  Normal- 
salpetersäure versetzt,  erwärmt  und  den  Ueberschuss  der  Säure  mittelst  Normal- 
alkali zurücktitrirt.  Aus  der  verbrauchten  Normalsäure  berechnet  sich,  da  1  Cbcm. 
derselben  0*050  Grm.  kohlensaurem  Kalk  entspricht,  leicht  der  Gehalt  an  letzterem. 
In  manchen  Fabriken  ermittelt  man  den  kohlensauren  Kalk-Gehalt  auch  durch 
Bestimmung  der  Kohlensäure  vermittelst  des  ScHEiBLER'schen  Apparates. 

Thon  und  thonhaltige  Zuschläge.  Darin  werden  bestimmt:  kohlensaurer 
Kalk  und  kohlensaure  Magnesia,  Eisenoxyd,  Thon  (Thonerde,  Kieselsäure  und 
Eisenoxyd),  Sand,  sowie  der  Glühverlust  (Wasser,  Kohlensäure,  organische  Stoffe). 
Man  erwärmt  das  feingepulverte  Material  mit  Salzsäure  vom  spec.  Gew.  11 04, 
dampft  zur  Trockne,  nimmt  mit  verdünnter  Salzsäure  wieder  auf,  filtrirt  ab  und 
bestimmt  im  Filtrat  auf  dem  Wege  der  gewöhnlichen  Gewichtsanalyse  Thonerde, 
Eisenoxyd,  event.  Manganoxyd,  Kalk,  Magnesia  und  Alkalien.  Den  Rückstand 
kocht  man  mit  kohlensauren  Alkalien,  worin  sich  die  lösliche  Kieselsäure  auflöst, 
aus,  filtrirt  ab  und  bestimmt  darin  in  gewöhnlicher  Weise  die  Kieselsäure;  der 
in  kohlensauren  Alkalien  unlösliche  Theil  besteht  aus  dem  unzersetzten  Thon- 
rest  (Kieselsäure,  Thonerde,  Eisenoxyd),  der  für  Fabrikzwecke  nicht  auf  seine 
einzelnen  Bestandthcile  untersucht  wird. 

Bei  thonreichen  Kalksteinen  (Mergel)  kann  man  entweder  das  eben 
beschriebene  Verfahren  einschlagen,  oder  aber  man  begnügt  sich  mit  einer  Be- 
stimmung des  kohlensauren  Kalkes  durch  Titration  oder  mittelst  des  Scheibler- 
schen  Apparates  und  einer  Feststellung  des  »Thonrestesc  1  Grm.  des  feinst- 
gemahlenen  Kalksteins  wird  mit  verdünnter  Salzsäure  unter  Zusatz  von  etwas 
Salpetersäure  aufgekocht,  mit  Ammoniak  bis  zur  alkalischen  Reaction  versetzt, 
nochmals  zum  Sieden  erhitzt,  abfiltrirt  und  ausgewaschen,  und  der  auf  dem  Filter 


492  Handwörterbuch  der  Chemie. 

befindliche  Thonrest,  bestehend  aus  unzersetztem  Thon  und  gefälltem  Eisenoxxt 
und  Manganoxyd,  nach  dessen  Glühen  gewogen. 

Selbst  bei  Durchführung  genauer  chemischer  Analysen  ist  es  nothwendig, 
die  gattirten  Gemische  noch  durch  Probebrennen  im  Kleinen  auf  ihre  Brauch- 
barkeit zur  Cementbereitung  zu  prüfen,  indem  nicht  blos  die  chemische,  sondern 
auch  die  physikalische  Beschaffenheit  der  Rohstoffe  von  Einfluss  ist  Man  mischt 
die  getrockneten,  feinpulverigen  Materialien  innigst,  formt  sie  unter  Zusatz  von 
Wasser  zu  Ziegeln  und  brennt  diese  in  einem  Probirofen. 

U.  Hydraulischer  Kalk  .und  Romancement.  Dieselben  werden  im 
Allgemeinen  durch  Brennen  thonhaltiger  Kalksteine  nicht  bis  zur  Sinterung  her- 
gestellt. Smeaton  gebührt  das  Verdienst,  constadrt  zu  haben  (1793),  dass  die 
Kalke,  welche  hydraulischen  Mörtel  liefern,  insgesammt  beim  Behandeln  mit  Säuren 
einen  thonigen  Rückstand  hinterlassen.  Bald  darauf  (1796)  erhielt  der  Engländer 
Parker  ein  Patent  auf  Bereitung  eines  neuen  Wassermörtels  durch  Brennen 
nierenfbrmiger,  Thon  und  Kreide  enthaltender  Masseti,  welche  sich  in  einer 
über  der  Kreide  lagernden  Thonschicht,  dem  sogen.  Londonthon,  an  den  Ufern 
der  Themse  in  der  Gegend  von  London  finden.  Das  daraus  dargestellte  Produkt 
wurde  Roman-Cement,  englischer  oder  römischer  Cement  genannt  Dieselben 
Thonnieren  finden  sich  auch  auf  den  Inseln  Wight  und  Sheppey,  an  den  Küsten 
von  Kent,  Sommerset  und  Yorkshire,  sowie  an  der  gegenüberliegenden  Küste 
Frankreichs,  bei  Boulogne  sur  mer,  woselbst  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  (1802) 
aus  dem  Material  ebenfalls  Roman -Cement  gebrannt  wurde.  Die  Zusammen- 
setzung des  Materials  ergiebt  sich  aus  den  folgenden  Anal3rsen  englischer  Steine 
von  Davy  (i),  Loftüs  (2),  Mulgrave  (3),  und  eines  Boulogner  Kalks  von  Drappier  (4) 

1.  2.  3.  4. 

Kalk  550        55-5        550        550 

Thonerde  9-0  5-0  7  5  75 

sr^'}'«  ■»■»  "■'  "■' 

Kieselsäure       22-0        255        210        239. 
Nach  einer  Analyse  Schafhäutl's  (7),  woraus  sich  auch  die  mit  Salzsäure 
aufschliessbaren  Theile  ergeben,  enthält  der  ebenfalls  hierher  gehörende  Sheppey- 

Stein: 

In  Säuren  löslich     In  Säuren  unlöslich 

Kieselsäure —  16*51 

Thonerde       0-41  4*20 

Eisenoxyd —  1*03 

Kohlensaures  Eisenoxydul   .     5*50  — 

Manganoxyd —  0'61 

Kohlensaures  Manganoxydul     1*55  — 

Kohlensaurer  Kalk      ...  67-12  — 

Kohlensaure  Magnesia    .    .     1*33  — 

Magnesia —  0*41 

Kali,  mit  Spuren  Natron     .     —  0*88 

75^  23^ 

Auch  an  andern  Orten,  so  in  Deutschland  bei  Altdorf  in  der  Gegend  von 
Nürnberg,  bei  Culmbach,  auf  der  Insel  Rügen  finden  sich  ganz  ähnliche  Steine. 
Nachdem  durch  eine  Reihe  von  Untersuchungen,  wozu  in  erster  Linie  die- 
jenigen von  Fuchs  (1830)  zu  zählen  sind,  das  Wesen  in  der  Zusammensetzung 
der  hydraulischen  Kalke  erkannt  worden  war,  fand  man  fast  allerwärts  geeignete 


1 


Cement. 


493 


Materialien,  und  die  Fabrikation  des  Cements  nahm  einen  raschen  Aufschwung. 
Die  meisten  thonhaltigen  Kalksteine,  in  welchen  kohlensaurer  Kalk  und  Thon- 
rest  in  richtigem  Verhältniss  enthalten  sind,  lassen  sich  durch  einen  richtig  ge- 
leiteten Brennprocess  zu  hydraulischem  Kalk  brennen.    Der  Erfahrung  gemäss 
liefern  thonhaltige  Kalke  mit  22—25^  Thonrest  den  vorzüglichsten  hydraulischen 
Mörtel.    Sie  lassen  sich  auch  am  leichtesten  brennen.    Solche  mit  weniger  als 
20^  Thon  brennt  man  langsam  und  nicht  zu  stark,  während  bei  30^  und  mehr 
Thongehalt  rasch  und  stark  gebrannt  werden  muss.    Es  richtet  sich  sonach  das 
Brennen   in  erster  Linie  nach  dem  Thongehalt  des  Kalkes,   wobei  vor  Allem 
auch  noch  der  dem  Thone  immer  beigemischte  Quarzsand  von  grossem  Einfluss 
ist    Grober  Sand  setzt  sich  b^eim  Brennen  viel  langsamer  und  unvollständiger 
mit  dem  Kalk  um  als  feiner  Staubsand  oder  als  die  feinvertheilten  Thonerde- 
silicate,  ja  es  verhindern  grobe  Quarzkömer  die  Einwirkung  auf  die  Silicate,  so 
dass  man  aus  Material  mit  grobem  Sand  gar  nicht  oder  nur  schwer  einen  gleich- 
massigen  Cement  erhalten  kann.    Je  feiner  der  beigemengte  Thon  und  dessen 
Sand,   desto   besser   eignet  sich  der  Kalkstein  für  Cementbereitung.     Hierüber 
giebt  eine  Schlämmanalyse  Aufschluss.    Endlich  ist  auch  noch  die  sonstige  physi- 
kalische Beschaffenheit  des  Materials  von  Kinfluss;  je  dichter  und  fester  der  Kalk, 
desto  dichter  ist  auch  das  Produkt  und  umso  fester  wird  der  hydraulische  Kalk 
nach  dem  Erhärten. 

Entsprechend  der  Häufigkeit  seines  Vorkommens  wird  deshalb  der  Mergel 
auch  am  häufigsten  zur  Bereitung  von  hydraulischem  Kalk  benutzt  und  derselbe 
liefert  einen  um  so  besseren  hydraulischen  Mörtel,  je  mehr  er  sich  bezüglich 
seines  Kalk-  und  Thon-Gehalts  der  oben  angegebenen  Normalzusammensetzung 
nähert. 

Durch  Gattiren  thpnarmer  und  thonreicher  Materialien  lassen  sich  oftmals 
gute  Cementmischungen  erzielen.  Die  folgende  Zusammenstellung  nach  Michaelis 
enthält  eine  Anzahl  von  Analysen  hydraulischer  Kalke  vor  und  nach  dem  Brennen 
von  verschiedener  Qualität. 


I.    Magere  hydraulische  Kalke, 
a)  Ungebrannt,  auf  wasserfreien  Zustand  berechnet. 


t  I 
'S  S 

0}  2 


5-8 
ä1 


1. 
Kohlens.  Kalk      .     .     .     890 

„        Magnesia   .     .      2*0 

„        Eisenoxydul    .      — 

„        Manganoxydul      — 


Eisenoxyd  . 
Thonerde  . 

Kieselsäure 


90 


2. 
880 

1-89 


0-90 
3-26 
3-82 


3.  4.  5.  6. 

87-71     86-87     86-19    82-5 


—        3-90 
0-42       — 


4-23 
9-37        — 
500 


—        4-1 

0-85     — 
0-66     — 


708     13-4 
4-64     — 


7. 

82-82 

3-76 


1-66 
11-76 


Kalk  .  .  . 
Magnesia 
Thonerde  . 
Eisenoxyd  . 
Manganoxyd 
Kieselsäure 
Sand  und  'Thon 


b)  In  gebranntem  Zustande. 

83-36     84-16     83-56     81-44    79-09     7506    7530 
1-59       —         —        3-11       —        3-17      2-91 


5.56 
3-74 
1505        ~ 
6-52 


—  11-60  21-77  — 

7-08  0-96  -    —  2-69 

16-42       —  0-74  —  — 

8-36  7-60  —  19-09 


494 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


1.  Giyphitenkalk  von  Digna,  Jura  (Berthier).  2.  Omberg*s  Kalk  (Pasch). 
3.  Kalksteinknollen  von  Motala  (Pasch).  4.  Kalkstein  von  Holkin  Mountain  bei 
Holywell  in  Flintshire  (Muspratt).  5.  Falhagens's  Kalk  (Pasch).  6.  Kalkstein 
von  Nismes  (Berthier).  7.  Kalkstein  von  Holkin  Mountain  (Muspratt).  8.  Kalk 
von  Grenoble  (Vicat). 


n.    Mittelmässige  hydraulische  Kalke, 
a)  Ungebrannt,  auf  wasserfreien  Zustand  berechnet 


I 


'S 
•-3 


1. 

Kohlens.  Kalk      .     .     .  80*00 

„        Magnesia  .     .  1*50 

„        Eisenoxydul    .  — 

„       Manganoxydul  — 


Eisenoxyd  . 
Thonerde  . 
Kieselsäure 


10 
170 


2. 
76-5 
3-0 
30 
1-5 


3-6 
11-6 


3. 

72-9 

9-3 


5-3 
2-7 
7-4 


4. 

76-82 

2-81 

3-21 


1-86 

3-75 

1103 


5. 
631 

12-3 

2-4 


2-2 

5-3 

11-2 


b)  In  gebranntem  Zustande. 


1. 
70-54 

112 

1-57 


2. 

68-19 
2-66 
5-73 
3-29 
1-64 

18-47 


3. 

65-73 

7-25 

4-25 

8-52 


4. 
68-56 

209 
5-84 
6-32 


5. 
5601 

9-28 

8-88 

6-18 


6. 
74-83 


7. 
72-00 
1-67 


6-34 
1-67 


5-67 


6. 
84-48 


1-03 

3-91 

10-57 


8. 
7113 

1-87 

3-16 

4-00 


Kalk     .     .     . 

Magnesia 

Thonerde 

Eisenoxyd 

Manganoxyd 

Kieselsäure  .     .     2677     1847     11-95     17-18     17*75     17-1.4    20-67     16-83 

Sand  und  Thon       —  —         —  —         —         —         —        30O 

1.  Mergel  von  Senouches,  bei  Dreux  (Collet-Descotils).  2.  Secundärer 
Kalk  von  Metz  (Berthier).  3.  Kalk  von  Horb,  Württemberg  (Knauss).  4.  Cement- 
stein  von  Hausbergen  bei  Minden  (Muspratt).  5.  Kalk  von  Horb  (Knauss). 
6.  Kalk  von  Fdcamp  (Rivot).  7.  Kalk  von  Plassac,  Gironde  (Vicat).  8.  Kalk 
von  Paviers,  Indre-et-Loire  (Vicat). 


Cement 


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49^  Handwörterbuch  der  Chemie.  | 

1.  und  2.  Cementstein  von  Hausbergen  bei  Minden  (Muspratt).  3.  Kalk-  | 
nieren  des  London-clay,  »Sheppeystone« :  (Mittel  aus  6  Analysen).  4.  Kalkstein 
vom  Krienberge  bei  Rüdersdorf.  5.,  6.,  7.,  8.  Bayrischer  Mergel  (Feichtinger). 
9.  Mergel  von  Perlmoos  bei  Kufstein  in  Tyrol  (Feichtinger).  10.  Kalkstein  aus 
der  Grafschaft  York,  Whitby-Cement  (Knauss).  11.  Kalksteinknollen  von  Motala, 
geschätztere  Sorte  (Pasch).  12.  Kalkstein  von  Aigenteuil  (Vicat).  13.  Kalkstein 
von  Pouilly,  C6te-d'Or  (Vicat).  14.  Kalk  von  Vassy  (Vicat).  15.  Kalkstein  aus 
der  Grafschaft  Essex,  Harwich-Cement  (ICnauss).  16.  Kalkstein  aus  der  Graf- 
schaft Kent,  Sheppey-Cement  (Knauss).  17.  Kalk  von  Theil,  Carridre  Alignole, 
Mittel  aus  6  Analysen  (Rivot).  18.  Kalk  von  Theil,  Carridre  Gaillant,  Mittel  aus 
3  Analysen  (Rivot). 

Die  ftlr  hydraulischen  Kalk  und  Roman-Cement  geeigneten  Mergel  treten  in 
,  zahlreichen  Fundstätten  auf  und  werden  dementsprechend  jetzt  auch  fast  in  allen 
Ländern  ausgebeutet  und  auf  Cemente  verarbeitet.  Nächst  dem  englischen  und 
französischen  erfreuen  sich  insbesondere  die  Kufsteiner  Cemente  schon  seit 
lange  grosser  Beliebtheit  Sie  werden  aus  dem  Mergel  eines  in  der  Umgegend 
von  Kufstein  sich  findenden  Lagers  schon  seit  den  30  er  Jahren  gewonnen  und 
sind  von  Feichtinger  (8)  eingehend  untersucht  worden.  Auch  die  Bayrischen 
oder  Ulmer-Cemente,  von  Feichtinger,  Pettenkofer  u.  a.  untersucht  und  j 
aus  einem  in  den  bayrischen  Voralpen  vorkommenden  Mergelkalk  gewonnen, 
sind  berühmt. 

Nach  ZwicK  (9)  werden  in  Deutschland  vielfach  auch  bituminöse  Schiefer 
für  Cementfabrikation  verwendet.  Dorn  (10)  empfiehlt  bitumenreiche  Lias- 
schiefer,  wobei  das  beigemischte  Bitumen  zugleich  als  Heizmaterial  dient 
Auch  thonreiche  Muschelkalke  in  den  Vogesen,  in  der  Lüneburger  Heide,  in 
Hessen  etc.  hat  man  schon  auf  hydraulischen  Kalk  verarbeitet. 

Das  Brennen  des  hydraulischen  Kalks  wird  im  Allgemeinen  in  gleicher 
Weise  ausgeftihrt  wie  beim  Portland-Cement,  worüber  weiter  unten  die  nöthigen  An- 
gaben gemacht  sind.  Durch  das  Erhitzen  wird  zunächst  der  Kalk  gebrannt  und  wiikt 
dann  im  kaustischen  Zustand  auf  die  Silicate  derart  aufschliessend  ein,  dass  nach 
dem  Brennen  fast  nur  noch  in  Säuren  lösliche  Kieselsäure  vorhanden  ist  Ausser- 
dem enthalten  die  hydraulischen  Kalke  durchweg  einen  Ueberschuss  von  nicht 
gebundener  Kalkerde,  welche  beim  Benetzen  das  Zerfallen  der  einzelnen  Stücke 
veranlasst. 

IIL    Der  Portland-Cement  wird  nach  der  oben  gegebenen  Definition  er- 
halten durch  Brennen  natürlicher  oder  künstlicher  Gemische  von  Kalk  und  Thon 
bis  zur  Sinterung  und  hat  seinen  Namen  von  dem  zuerst  von  Aspdin  (1824)  in 
Leeds  dargestellten  hydraulischen  Cement,  welcher  durch  Brennen  eines  innigen 
Gemisches  von  gelöschtem  Kalk  und  Thon  erhalten  und  nach  seiner  äusseren        | 
Aehnlichkeit  mit  dem  in  England  zu  Bauzwecken  vielfach  verwendeten  Portlands-        | 
Thon  Portland-Cement  genannt  wurde.    Schon  vorher  hatte  man  in  Frankrdch 
erfolgreiche  Versuche   der  Herstellung   von  Cement  durch  Brennen  künstlicher 
Mischungen   gemacht,    wobei   vor  Allem    die  eingehenden  Untersuchimgen  und 
erfolgreichen  Bestrebungen  Vicat's  zu  erwähnen  sind.    Der  letzte  Schritt  geschah 
durch  Paswey  (1828),  welcher  fand,  dass  durch  Brennen  eines  Gemisches  blauen 
Thons  des  Medway-Flusses  mit  trocknem  Kreidepulver  ein  ausgezeichneter  Cement 
erhalten  wird.     Erst  spät  fasste  die  Fabrikation  des  Portland-Cements  auch  in        > 
Deutschland   Fuss,   indem   Gierow   1850,   Bleibtreu   1852   in  Stettin  Portland- 
Cement  darstellten. 


Cement.  497 

Die  Rohmaterialien  für  Portland-Cement  bestehen  aus  Kalk  und  Thon, 
welch'  letzterer  insbesondere  die  Kieselsäure  zu  liefern  hat.  Nur  versuchsweise 
hat  man  auch  Feuerstein  und  Infusorienerde  als  Kieselsäure-Material  angewendet. 

Als  Kalk  eignet  sich  jeder  natürliche  oder  künstlich  erhaltene  kohlensaure 
Kalk,  der  von  genügender  Reinheit  ist.  In  der  Praxis  verwendet  man  jedoch 
vorwiegend  die  leichten,  porösen  Materialien  und  nicht  den  dichten  Kalkstein, 
weil  dieser  durch  die  nothwendige  Zerkleinerung  zu  viele  Schwierigkeiten  und 
Kosten  verursacht.  Insbesondere  kommen  sonach  Kreide,  leichter  Mergel 
und  Süsswasserkalke  in  Betracht.  In  gewissen  Mergelarten  ist  der  Thon 
qualitativ  und  quantitativ  derart  vertreten,  dass  daraus  durch  Brennen  bis  zur 
Sinterung  ohne  weiteren  Zusatz  direkt  Portland-Cement  gewonnen  werden  kann. 
Hierzu  gehört  vor  Allem  der  von  Feichtinger  (12)  analysirte  Mergel  bei  Perl- 
moos in  Tyrol,  der  hier  in  einem  fast  unerschöpflichen  Lager  vorhanden  sein  soll. 

Der  Thon  für  Portland-Cement  hat  ebenfalls  ganz  bestimmten  Anforderungen 
zu  entsprechen;  er  muss  möglichst  homogen  sein  und  aus  möglichst  fein  ver- 
theilten,  plastischen  Massentheilchen  bestehen.  Insbesondere  darf  man  mit 
blossem  Auge  keine  fremden,  gröberen  Bestandtheile  erkennen,  eventuelle  krystalli- 
nische  Einschlüsse,  wie  Sand  und  Silicate,  seien  möglichst  feinkörnig  und  gleich- 
massig  durch  die  ganze  Masse  vertheilt.  Zwischen  den  Zähnen  darf  er  nicht 
knirschen  und  mit  Wasser  zu  einem  Brei  angemacht,  muss  er  sich  geschmeidig, 
nicht  aber  rauh  und  griffig  anfühlen.  Dass  man  die  Menge  des  beigemischten 
Sandes  durch  Schlämmanalyse  feststellt,  ist  schon  weiter  oben  bemerkt  worden; 
je  weniger  Sand,  und  je  feiner  vertheilt  der  letztere,  desto  besser  der  Thon. 
Ganz  feiner  Staubsand  soll  in  seiner  Wirkung  dem  reinen  Thon  ziemlich  gleich 
kommen.  Bezüglich  der  chemischen  Zusammensetzung  weiss  man,  dass  der 
Thon  um  so  werthvoller  ist  für  Cement-Fabrikation,  je  mehr  Kieselsäure  in  seiner 
kieselsauren  Thonerde  derselbe  enthält.  Die  folgende  Zusammenstellung  enthält 
die  Analysen  einer  Anzahl  für  Bereitung  von  Cement  erprobter  Thonsorten  nach 
Michaelis. 


1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

Kieselsäure  6006 

59-25 

6000 

62-48 

68-45 

64-72 

Thonerde      17-79 

2312 

22-22 

20-00 

11-64 

24-27 

Eisenoxyd       708 

8-53 

8-99 

7-33 

14-80 

7-64 

Kalk                9-92 

— 

418 

6-30 

0-75 

1-89 

Magnesia  #  1-89 

2-80 

1-60 

1-16 

— 

— 

Kali                2-50 

1-87 

1-49 

1-74 

1-30 

— 

Natron            073 

1-60 

0-72 

0-37 

210 

— 

Gyps               0*60 

2-73 

•  0-89 

0-60 

— 

— 

1.  Thon  aus  der  Provinz  Sachsen  (Michaelis),  2.  aus  Vorpommern  (Michaelis), 
3.  vom  Oberharz  (Michaelis),  4.  aus  der  Mark  Brandenburg  (Michaelis),  5.  Medway- 
Thon  (Feichtinger),  6.  Medway-Thon  (Faraday). 

Bezüglich  des  in  den  Thonen  neben  Thonerde  und  Kieselsäure  immer  vor- 
handenen Eisenoxyds  ist  zu  bemerken,  dass  ein  geringer  Gehalt  vortheilhaft,  ein 
grösserer  Gehalt  dagegen  nachtheilig  wirkt 

Die  Mischung  der  Materialien  hat  zum  Zweck,  aus  bestimmten  Mengen 
von  Kalk  und  Thon,  bezw.  von  Mergel  und  Kalk  oder  Thon  Compositionen 
herzustellen,  die  nach  dem  Brennen  die  Zusammensetzung  notorisch  guter  Cemente 
haben.     Vorzügliche  Cemente  lassen  sich  in  ihrer  Zusammensetzung  meist  auf 

j^ADBtnvRG,  Chemie.    11.  32 


49^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

die   Fonnel    10(Al,Oj,  SiO,),  20CaO   zurückführen,    entsprechend   z.  B.   den 
Hauptbestandtheilen  in  Procenten: 

Kalk  5806 

Kieselsäure  25*72 

Thonerde       7*09 

Eisenoxyd       3-23- 
Nach  diesen  Mengenverhältnissen  hat  man  sich  bei  Mischung  der  Materialien 
in  erster  Linie  zu  richten,  wobei  noch  zu  bemerken  ist,  dass  bezüglich  der  rela- 
tiven  Mengen   zwischen  Kalk   und  Thon   dieselben  Nonnen   gelten   wie   beim 
hydraulischen  Kalk  und  Roman-Cement    Dabei  werden  auf  der  einen  Seite  Kalk 
und  Alkalien,  auf  der  andern  Kieselsäure,  Thonerde,  £isenoxyd,  Manganoxyd, 
auch  Schwefelsäure  verrechnet.    Die  Magnesia,  welche  man  früher  als  Kalk  er- 
setzend in  die  Rechnung  mit  einführte,  muss  dabei  gänzlich  unberücksichtigt  bleiben. 
Aufbereitung   der  Rohmaterialien.     Diese   ist   für   das  Gelingen   des 
nachfolgenden  Brennprocesses  von  grösster  Wichtigkeit,  denn  nur  wenn  die  beiden 
Materialien  Kalk  und  Thon  in  feinstes  Pulver  verwandelt  und  aufs  innigste  mit- 
einander vermischt  sind,  findet  beim  Brennen  des  Gemisches  diejenige  innige 
Berührung  der  einzelnen  Theilchen  statt,  welche  die  Bildung  der  hydraulischen 
Verbindung  bedingt     Man  kann  dabei  die  Rohstoffe  in  trocknem  Zustande  zer- 
kleinem und  mischen  (trockner  Process),  oder  aber  im  Wasser  zertheilen  bezw. 
schlämmen  und  nass  mischen  (nasser  Process),  oder  aber  den  durch  Schlämmen 
mit  Wasser  erhaltenen  Kalkbrei  mit  trocknem  Thonpulver  vermengen  (halbnasser 
Process).    Thone,  auch  weichere  Kalke  und  Mergel  werden  vor  ihrer  Zerkleinerung 
meist  getrocknet,  wozu  man  sich  der  trocknen  Zugluft  und  der  Sonnenwänne, 
gewöhnlich  jedoch  der  künstlichen  Erwärmung  bedient.    Das  Material  wird  dabei 
auf  grossen  Darrböden  oder  Tennen,  unter  deren  aus  Eisenplatten,  Backsteinen  etc. 
gebildetem  Boden  Feuerluft   circulirt,    ausgebreitet,    öfters  umgewendet  und  so 
lange  getrocknet,  bis  beim  Durchbrechen  der  einzelnen  Stücke  auch  im  Inneren 
keine  Feuchtigkeit  mehr  wahrzunehmen  ist.     Hartes  Material,    so  insbesondere 
harte  Kalksteine,  trocknet  man,  falls  es  überhaupt  nothwendig  ist,  in  besonderen 
Trockenkammern  oder  Trockenöfen.    Je  vollständiger  die  Stoffe  getrocknet  sind, 
desto  leichter  und  vollständiger  gelingt  ihre  Zerkleinerung.    Als  Zerkleinerungs- 
apparate  bedient  man  sich  je  nach  Beschaffenheit  der  Materialien  der  Stein- 
brecher zum  Vorbrechen  grosser  und  fester  Stücke,  insbesondere  des  Kalksteins, 
femer  der  Walzwerke,  der  Kollermühlen,  der  gewöhnlichen  ^ihlen  mit  horizon- 
talen Steinen,  der  Desintegratoren.     Nach  den  Zerkleinerungsapparaten  passiren 
die  gemahlenen  Massen  Siebvorrichtungen,  meist  aus  mit  Drahtgewebe  überzogenen 
Trommeln   bestehend,    in    denen   die   gröberen  Theile   zurückgehalten  werden. 
Man  nimmt  dabei  für  feste  Materialien  die  Maschenweite  geringer  (500  Maschen 
pro  Quadratcentimeter)  als  für  weichere  (360  Maschen  pro  Quadratcentimeter), 
weil,  je  fester  das  Material,  um  so  kleiner  das  Korn  sein  muss.     Das  Mischen 
der  Materialien  geschieht  erst  nach  deren  Zerkleinerung  und  zwar  am  einfachsten 
durch  Einwerfen  der  abgewogenen  Mengen  beider  Theile  in  eine  Mischtrommel, 
bestehend  in  einem  rotirenden  Holz-  oder  Blech-Cylinder,  dessen  Innenwandungen 
mit  Hubblechen  etc.  versehen  sind.     Es  folgt  das  Einsumpfen  der  Mischung 
mit  Wasser,  event.  das  Homogenisiren  durch  ein-  oder  mehrmalige  Bearbeitung 
in  einer  Thonschneidemaschine  und  das  Formen  der  Ziegel,  was  entweder  durch 
Handarbeit    oder    mittelst   sogen.   Ziegelpressen  geschehen   kann.     Die   Steine 
werden  schliesslich  in  Trockenschuppen  an  der  Luft  oder  in  besonderen  künst- 


Cement.  499 

lieh  erwärmten  Darr-Räümen  getrocknet.  Als  Trockenluft  lässt  sich  die  aus 
den  Kesselfeuerungen  und  Brennöfen  entweichende  Abhitze  mit  Vortheil  ausnützen. 
Einrichtungen  dieser  Art  sind  von  Schott,  von  Nagel  und  Kamp  (13),  von  Lippo- 
wiTZ  (14),  Bock  und  Gebr.  White  (15),  Dietzsch  (16)  beschrieben. 

Weit  häufiger  als  der  vorstehend  beschriebene  trockne  Process  kommt  die 
sogen,  nasse  Aufbereitung  der  Materialien  zur  Anwendung.  Kalk  und  Thon 
werden  dabei  nach  ihrer  Zerkleinerung  in  bestimmtem  Mengenverhältniss  einem 
Schlämmprocess  unterworfen,  wobei  es  darauf  ankommt,  die  mit  Wasser  ange- 
machten Pulver  in  einen  feinen  Schlamm  zu  verwandeln.  Es  gelingt  dies  leicht 
mit  Thon  und  weichen  Mergelarten  in  der  Weise,  dass  man  das  Material  in  einem 
Rührtrog  mit  Wasser  umarbeitet  und  durch  einen  gleichmässig  durch  den  Trog 
sich  bewegenden  Wasserstrom  die  suspendirten  Theile  fortführt,  um  sie  dann  in 
grossen  Schlämmbassins  wieder  absetzen  zu  lassen.  Zwischen  Rührtrog  und 
Absatzbehälter  sind  meist  noch  Vorrichtungen  zum  Zurückhalten  gröberer  Theile 
und  des  Sandes  angebracht.  Feste  und  dichte  Kalksteine  und  Mergel  müssen, 
um  geschlämmt  werden  zu  können,  vorher  auf  nassen  Mühlen  gemahlen  werden ; 
reinen  Kalk  kann  man  auch  behufs  nachheriger  inniger  Mischung  vorher  brennen 
und  dann  durch  Ablöschen  in  einen  feinen  Schlamm  verwandeln.  Beim  Aufgebep 
von  Kalk  und  Thon  in  den  Schlämmapparat  muss  berücksichtigt  werden,  dass  . 
während  der  Schlämmarbeit  je  nach  Beschaffenheit  der  Materialien  mehr  von  dem 
einen  oder  von  dem  andern  ausgeschieden  wird,  und  muss  deshalb,  um  in  den 
Schlämmbassins  zu  den  richtigen  Proportionen  zu  gelangen,  ein  durch  Erfahrung 
festgestellter  Ueberschuss  eines  der  beiden  Materialien  in  den  Schlämmapparat 
gegeben  werden.  Endlich  ist  zu  berücksichtigen,  dass  entsprechend  den  ver- 
schiedenen specifischen  Gewichten  und  Komgrössen  in  den  Schlämmbassins  un- 
gleichmässige  Ablagerungen  entstehen,  die  durch  das  sogen.  Nachmischen  in 
steifteigiger  Form,  sei  es  in  den  Schlämmbassins  selbst  durch  Rührwerke  oder 
Handarbeit,  in  besonderen  Sümpfen  oder  in  eigenen  Kalk-  bezw.  Thonschneide- 
maschinen  zu  einer  völlig  homogenen  Masse  vermischt  werden  müssen.  Das 
Formen  und  Trocknen  der  Steine  geschieht  in  gleicher  Weise  wie  beim  trocknen 
Process. 

Beim  halbnassen  Process  mischt  man  zu  dem  durch  Schlämmen  zer- 
kleinerten und  gereinigten  Kalkschlamm  trocknes  Thonpulver  in  genau  abge- 
wogener Menge.  Für  Bestimmung  der  richtigen  Thonmenge  muss  selbstverständ- 
lich immer  eine  Feststellung  des  Wassergehalts  des  Kalkschlamms  erfolgen.  Die 
Mischung  beider  Stoffe  geschieht  durch  Durcharbeiten,  Rühren,  zuletzt  mit  der 
Mischmaschine. 

Das  Brennen  des  Cementes  wird  meist  in  Schachtöfen  oder  in  Ringöfen 
ausgeführt.  Die  Schachtöfen  unterscheiden  sich  von  den  gewöhnlichen  Kalk- 
brennöfen für  periodischen  Betrieb  im  Wesentlichen  nur  durch  eine  sehr  solide 
Ausfühnmg  mit  feuerfesten  Steinen,  sowie  durch  Zugschomsteine,  welche  auf  die 
Gicht  des  Ofens  aufgesetzt  sind.  Die  Beschickung  des  Ofens  geschieht  schichten- 
iTireise  mit  Coaks  und  zu  brennenden  Steinen,  wobei  die  relative  Dicke  der  Coaks- 
schicht  nach  der  zu  erzeugenden  Hitze,  die  für  die  verschiedenen  Materialien 
sehr  verschieden  ist,  zu  wählen  ist.  Die  Entzündung  geschieht  von  dem  unten 
befindlichen  Rost  aus  und  wird  der  Ofen  nach  dem  Anstecken  so  lange  sich 
selbst  überlassen,  bis  er  völlig  ausgebrannt  ist.  Bei  5  Tonnen  fassenden  Oefen 
rechnet  man  nach  Zwick  24  Stunden,  bei  100—150  Tonnen  30—40  Stunden 
Brennzeit.    Die  gebrannten  Steine  werden  entweder  noch  heiss  oder  nach  ihrem 

32* 


500  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Erkalten  herausgeschafft,  wobei  zur  Trennung  verschmolzener  Massen  meist 
Brecheisen  zur  Anwendung  kommen  müssen.  Bertina  (17),  Tomei  (18)  u.  A. 
haben  continuirlich  arbeitende  Cement-Schachtöfen  construirt  Mit  Tomei's  Ofen 
soll  eine  Erspamiss  von  30  J  Brennstoff  erzielt  werden. 

Mehr  und  mehr  werden  in  den  letzten  Jahren  die  Schachtöfen  auch  in  den 
Cementfabriken  durch  die  HoFMANN'schen  Ringöfen,  besonders  in  der  von 
LiPOwiTZ  zuerst  vorgeschlagenen  oblongen  Form  ersetzt.  Die  Oefen  bestehen 
aus  einer  grösseren  Anzahl  mit  einander  communicirender  Kammern,  die  zu- 
sammen einen  ringförmigen  Canal  bilden.  Jede  einzelne  Kammer  kann  durch 
besondere  Ventile  oder  Thüren  mit  der  äusseren  Luft,  mit  der  benachbarten 
Kammer  oder  mit  dem  in  der  Mitte  stehenden  Zugschomstein  in  Verbindung 
gebracht  werden.  Ist  der  Ringcanal  in  12  Kammern  getheilt,  so  strömt  die 
frische  Luft  beispielsweise  in  Kammer  1  ein,  geht  in  Kammer  2,  3  u.  s.  f.,  um 
schliesslich  aus  Kammer  10  in  den  Schornstein  zu  entweichen  (2  Kammern  sind 
immer  in  Füllung  bezw.  Entleerung  begriffen).  Das  Brennmaterial  wird  an  der, 
der  Lufteinströmung  entgegengesetzten  Stelle  des  ganzen  Ringcanals,  also  etws 
bei  Kammer  5,  6  und  7  eingeworfen  und  in  diesen  Kammern  findet  sonach  der 
Hauptbrand  statt.  Nur  die  abziehende  Feuerluft  geht  noch  durch  Kammer  8,  9, 10, 
um  die  hier  befindlichen  Steine  vorzuwärmen.  Ist  der  Inhalt  von  Kammer  5  ge- 
nügend gebrannt,  so  schreitet  man  mit  Einleitung  der  Luft,  Einwurf  des  Brenn- 
materials und  Ableitung  der  Feuerluft  um  je  eine  Kammer  vor,  es  sind  also  dann 
Kammer  2 — 11  in  Function,  12  und  1  in  Entleerung  und  Füllung  begriffen,  in 
den  Kammern  6,  7,  8  wird  geheizt,  und  in  gleicher  Weise  geht  es  von  Kammer 
zu  Kammer  weiter.  Durch  die  einströmende  kalte  Luft  wird  der  Inhalt  der 
Kammern,  durch  welche  sie  strömt  um  zu  den  in  Brand  befindlichen  Kammeni 
zu  kommen,  soweit  abgekühlt,  dass  beim  jeweiligen  Ausschalten  einer  Kammer 
sofortige  Entleerung  und  dann  Wiederfullung  derselben  eintreten  kann.  Die 
Luft  selbst  wird  dabei  vorgewärmt  (s.  auch  das  Kapitel  Thonwaaren).  Die 
kleinsten  Ringöfen  liefern  täglich  2500,  die  grössten  50000  und  mehr  Steine. 
Abgesehen  von  continuirlichem  Betrieb  hat  der  Ringofen  gegenüber  dem  Schacht- 
ofen die  Ersparung  von  40— 70J  Brennmaterial  voraus.  Auch  Ringöfen  mit 
Generatorgasfeuerung  sind  neuerdings  in  Anwendung. 

Die  Brenntemperatur  muss  für  jedes  Material  besonders  ausprobirt  werden, 
sie  hält  sich  im  Allgemeinen  auf  Weissgluth  (2000°),  schwankt  jedoch  bei  ver- 
schiedenen Materialien  sehr  erheblich.  Hauptsache  ist,  dass  alle  Cementsteine 
gleichmässig  erhitzt  werden.  Die  an  der  Cementmasse  sich  zeigenden  Farben- 
änderungen werden  zur  Beurtheilung  des  Brennprocesses  benutzt  Durch  dunkle 
Rothgluth  geht  der  kohlensaure  Kalk  in  Aetzkalk  über,  wird  der  Thon  aufge- 
schlossen und  nimmt  die  Masse  eine  gelblichbraune  Farbe  an.  Die  Erhärtungs- 
fahigkeit  ist  noch  gering.  Mit  beginnender  Weissgluth  färben  sich  die  Steine 
dunkler,  und  der  vorher  gebildete  Aetzkalk  wirkt  theilweise  auf  das  Thonerde- 
Silicat  ein,  während  bei  heller  Weissgluth  der  Cement  eine  grünlichgraue  Färbung 
annimmt  und  die  Erhärtungsfähigkeit  am  grössten  ist.  Bei  noch  weiterer  Steigerung 
der  Hitze  nimmt  der  Cement  an  Qualität  rasch  ab. 

Die  gebrannten  Cementsteine  stellen  eine  gesinterte,  mehr  oder  weniger 
poröse  Masse  dar,  die  an  einzelnen  Stellen  glasartig  geschmolzen  erscheint 
Die  Farbe  sei  graugrün. 

Schliesslich  werden  die  Massen  zerkleinert  und  pulverisirt,   wobei  e% 


\ 


Cement.  501 

wie  neuere  Untersuchungen  von  R.  Dyckerhoff,  H.  Delbrück  u.  A.  dargethan 
haben,  zur  Erzeugung  eines  stark  bindenden  Cementes  lediglich  darauf  ankommt, 
möglichste  Feinkömigkeit  zu  erzielen.    Für  die  erste  Zerkleinerung  der  groben 
Stücke  dienen  meist  Steinbrecher,   manchmal  auch  Brechwalzen  und  Desintegra- 
toren,  während  die  Zerkleinerung  auf  feinstes  Mehl  in  den,  den  gewöhnlichen 
Mahlmühlen  entsprechenden  Cementmtihlen,  neuerdings  auch  in  Schleudermühlen 
und  in  Walzwerken  (19)  zur  Ausführung  kommt    Behufs  Ausschluss  der  gröberen 
Theile  passirt  dann  das  Cementmehl  noch  Sieb-  und  Beutelvorrichtungen. 
Diese  bestehen  aus  Cylindersieben,  die  mit  feinst  durchlochtem  (1  Millim.)  Blech, 
mit  Metalldrahtnetz  oder  Gaze  bespannt  sind.    Zum  Versand  kommt  der  Cement 
in  Säcke  oder  in  Fässer  und  muss  überhaupt  vor  seinem  Gebrauch  vor  Kohlen- 
säure und  Feuchtigkeit  der  Atmosphäre  möglichst  geschützt  werden.    Durch  die 
Zusätze,  welche  dem  Cement  manchmal  vor  dem  Brennen,  manchmal  erst  nach 
und  während  des  Pulverisirens  gegeben  werden,  verfolgt  man  sehr  verschiedene 
Zwecke.     So   mischt   man  der  Cementmischung   manchmal   leicht  schmelzbare 
Stoffe  wie  Diabas  (20),  Diorit,  Eisenerz  u.  a.,  auch  Flussspath  bei,  von 
welchen  nach  Erdmenger  (21)  insbesondere  der  letztere  das  Sintern  der  Steine 
wesentlich  befördern  soll,  ohne  zu  glasigem  Zusammenschmelzen  Veranlassung 
zu  geben.     Als  Zuschlag,  der  nach  dem  Brennen,  also  erst  dem  pulverisirten 
Cement  gegeben  wird,  spielt  in  neuerer  Zeit  insbesondere  die  Hochofenschlacke 
eine  hervorragende  Rolle.    Durch  eingehende  Untersuchungen  R.  Dvckerhoff's  (22) 
und  neuerdings  auch  Böhmens  (Generalversammlung  deutscher  Cement-Fabrikanten 
1884)  ist  dargethan,  dass  Hochofenschlacke  sowohl  als  auch  andere  Zusätze  (Pulver' 
von  Kalkstein  und  von  Kalk,   Feinsand)  die  Festigkeit  des  normalen  Cement- 
Mörtels  im  Allgemeinen  vermindern;  nur  nach  langer  Bindezeit  erhöhen  Zusätze 
von  Puzzolanerde,   Trass,   Schlacke,   wie   auch  Michaeus   (23)   constatirt 
hat,  die  Festigkeit   gewisser  Mörtel.    Der  Verein  deutscher  Cement-Fabrikanten 
lässt  deshalb  Zuschläge  höchstens  in  einer  Menge  von  2^  zu.    Ueber  die  Wirkung 
des  Sandes  und  des  Kalkes  als  Zuschläge  beim  Anmachen  des  Cementes  liegen 
ebenfalls  Versuche  von  Dyckerhoff  (24)  Vor,  nach  welchen  der  Kalk  bei  mageren 
hydraulischen  Kalken  sehr  günstig  wirkt,  fette  Cemente  dagegen  verschlechtert. 
Positiv  schädlich  wirken  die  Sulfate,  Sulfite,  Hyposulfite,  Sulfide  des  Calciums,  . 
ebenso  Schwefeleisen  (25).    Als  färbende  Zusätze  werden  nach  Dvckerhoff 
(26)  genommen  für  Schwarz:  Braunstein,  für  Roth:  Caput  tnortuum,  Grün:  Ultra- 
maringrün,  Blau:  Ultramarinblau,  Gelb  und  Braun:  Ocker. 

Seiner  Zusammensetzung  nach  besteht  auch  der  Portland-Cement  aus 
aulgeschlossener  Kieselsäure  und  Thonerde,  welche  mit  der  durch  das  Brennen 
gebildeten  Kalkerde  theil weise  in  Verbindung  getreten  sind,  le  Chatelier  (27) 
hat  durch  Untersuchung  von  Cement-Dtinnschliflfen  mittelst  des  Polarisations- 
mikroskops in  Verbindung  mit  Synthesen  der  betreffenden  Verbindungen  folgende 
Bestandtheile  erkannt:  Tricalciumaluminat,  AlgOj,  3CaO,  Calciumsilicat  (Kalk- 
peridot),  CajSiO^,  nach  ihm  der  wesentlich  wirksame  und  vorherrschende  Bestand- 
theil,  Ferroaluminat,  2(AlFe)303,  3CaO,  letzteres  besonders  leicht  schmelzbar; 
I^ANi>MN  (28)  dagegen  glaubt,  dass  die  beiden  löslichen  Calciumaluminate 
AljOj,  2CaO  und  AljOj,  CaO  in  den  Cementen  enthalten  sind. 

Aus  den  in  folgender  Tabelle  enthaltenen  Portland-Cement-Analysen  ergiebt 
sich  öie  im  Grossen  und  Ganzen  übereinstimmende  Zusammensetzung  der  ver- 
schiedenen Cement-Sorten: 


1. 

2. 

8. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

61-350 

62-472 

61-459 

60-23 

62-81 

61-64 

61-91 

57-18 

62-02 

0-669 

0-841 

0-449 

0-82 

114 

— 

1-15 

1-32 

113 

8-869 

8-763 

6-593 

6-92 

5-27 

6-17 

7-66 

9-20 

6-52 

4-998 

4-412 

5-386 

3-41 

2-00 

2-13 

2-54 

512 

2-82 

0-978 

1-100 

0-437 

0-73  \ 

1-27 

— 

0-77 

0-58 

0-57 

— 

— 

0-429 

0-87  j 

— 

0-46 

0-70 

1-70 

20-990 

18-917 

21-307 

24-07 

23-22 

23-00 

2419 

23-36 

22-58 

0-886 

0-929 

1-422 

1-67 

1-30 
2-54 

— 

— 

0-64 

115 

1-260 

2-566 

2-894 

1-47 

__ 

1-32 

^_ 



502  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Kalkerde     .     . 
Magnesia     .     . 
Thonerde    .     . 
Eisenoxyd    .     . 
Kali    .... 

Natron    .     .     . 

Kieselsäure 

Schwefelsäure  . 

Schwefels.  Kalk 

Unlösliches 

Kohlensäure     .      —  —  ——         —         —         —        1*90^ 

Wasser    ...      —  —  —  —        —        —        —        —    / 

1.,  2.  und  3.  Folkestoner-Cement  (29).  4.  Cement  White-Brothers  (Michaelis). 
5.  Cement  von  Stettin  (Michaelis).  6.  Stem-Cement  (Michaeus).  7.  Wldauer 
Cement  (Michaeus).  8.  Cement  von  Bonn  (Feichtinger).  9.  Gebr.  Heyn,  Lüne- 
buig  (Prtifungsstation  für  Baumaterialien,  Berlin). 

Nach  R.  Fresenius  (Bericht  über  die  Generalversammlung  deutscher  Cement- 
Fabrikanten  1884)  soll  reiner  Portland -Cement  hinsichtlich  seines  chemischen 
Verhaltens  folgende  Grenzzahlen  aufweisen:  einen  Glühverlust  zwischen  0*34  und 
2*59 J;  Alkalität  der  Wasserlösung  von  059,  entsprechend  40— 6*25  Cbcm. 
r^  Normalsäure;  einen  Verbrauch  von  Normalsäure  durch  1  Grm.  Cement 
zwischen  18'8  und  21*67  Cbcm.;  eine  Reductionswirkung  gegen  Chamäleonlösung, 
so,  dass  1  Grm.  Cement  entspricht  zwischen  0*79  und  2*8  Milligrm.  übermangan- 
saurem Kali;  eine  Kohlensäureaufnahme  durch  3  Grm.  Cement  von  0 — 1*8  Millignn. 

Form  und  Feinheit  des  Kornes  sind  für  die  Bindekraft  nächst  der 
chemischen  Zusammensetzung  in  erster  Reihe  massgebend.  Portland-Cemait 
zeigt  unter  dem  Mikroskop  mehr  schiefrige,  dicht  auf  einander  liegende  Theilchen, 
die  hydraulischen,  beim  Brennen  nicht  gesinterten  Kalkpulver  dagegen  bestehen 
aus  mehr  kugelförmigen  Partikelchen.  Da  im  ersteren  Fall  die  Berührungsflächen 
weit  grösser  sind  als  im  letzteren,  erklärt  sich  dadurch  die  grössere  BindefiÜiig- 
keit  und  Dichtheit  des  pulverförmigen  Portland-Cementes.  Die  gröberen  Theilc 
des  Cementpulvers  spielen  nur  die  Rolle  von  Sand;  Michaelis  giebt  an,  dass 
bei  gewöhnlich  gemahlenem  Portland-Cement  20 — 40^  nicht  durch  ein  Sieb  von 
900  Maschen  pro  1  Quadratcentim.  hindurchgehen  und  dass  diese  unwirksam 
sind.  Ein  guter  Cement  darf  auf  einem  solchen  Sieb  nicht  über  25  f  Rückstand 
hinterlassen. 

Die  Farbe  des  Cementes  soll  grau,  nicht  ins  gelbliche,  vielmehr  ins  bläu- 
liche spielend  sein.  Bläuliche  Farbe  deutet  auf  hohen  Kalkgehalt  gegenüber 
Eisen,  dunkelgrüne  Färbung  bei  gutem  Brande  auf  hohen  Eisengehalt 

Das  specifische  Gewicht  der  Cemente  ist  eingehend  von  Erdbiencer  (30), 
Aron  (31)  u.  A.  studirt;  es  schwankt  zwischen  2*7  und  3*2  und  ist  im  Allge- 
meinen bei  gut  gebrannten,  garen  Sorten  höher  als  bei  ungaren.  Nach  dem  Be- 
richt der  Generalversammlung  deutscher  Cementfabrikanten  des  Jahres  1884  soll 
guter  Portland-Cement  ein  spec.  Gew.  von  mindestens  3"  125,  jedenfalls  nicht 
unter  3*1  zeigen. 

Die  Wasserdichtigkeit  ist  für  Verwendung  des  Cementes  zu  Röhren. 
wasserdichten  Behältern  etc.  von  grosser  Wichtigkeit.  Michaelis  (32)  hat  rar 
Bestimmung  derselben  einen  Apparat  construirt,  der  es  gestattet,  das  innerhalb 


Cetnent.  503 

bestimmter  Zeiten  in  eine  Cementscheibe  von  bestimmten  Dimensionen  ein- 
dringende Wasser  seinem  Volumen  nach  zu  messen.  Die  Cementscheibe  ist 
dabei  über  einen  zu  evacuirenden  Glascylinder  luftdicht  aufgesetzt,  so  dass  das 
tiberstehende  Wasser  durch  den  äusseren  Luftdruck  eingepresst  wird.  Aehnliche 
Apparate  sind  von  Frühling  (33)  und  Raasche  (34)  construirt.  Nach  einer  andern 
Methode  des  ersteren  bestimmt  man  die  Schnelligkeit  des  in  einem  Cementcylinder 
durch  Capillarität  aufsteigenden  Wassers  nach  dem  äusseren  Aussehen.  Der 
Cylinder  ist  äusserlich  mit  Wachs  oder  Fimiss  bestrichen  und  nur  an  den  End- 
flächen frei  und  wird  mit  der  unteren  Fläche  in  Wasser  getaucht 

Unter  Binden  oder  Abbinden  versteht  man  den  Uebergang  des  mit  Wasser 
allein  oder  unter  noch  anderen  Zusätzen  (Sand,  ELalk)  in  knetbaren  Mörtel  ver- 
wandelten Cementes  in  den  starren  Zustand.  Da  jeder  Cement  ein  ganz  be- 
stimmtes Quantum  Wasser  aufnehmen  kann,  muss  der  Wasserzusatz  hiemach 
eingerichtet  y  jedenfalls  aber  etwas  mehr  als  das  Maximum  des  aufnehmbaren 
Wassers  zugesetzt  werden. 

Die  Aufnahme  des  Wassers  geht  nach  Feichtinger  (35)  bei  Portland-Cementen 
(i)  und  hydraulischen  Kalken  (2,  3,  4)  in  sehr  verschiedener  Weise  vor  sich: 

1.  2.  3.  4. 

Gleich  nach  Anmachen    .     .     0-99#        128^        0*61  J  6-79 J 

Nach    4  Stunden      ....      V4l%        1-67^        0-71^  7*80^ 

„20        „  ....     2-29*        2-08^        M4^  8-26^ 

„       3  Tagen 5*62^        342^        1-82^  8-87^ 

„       7      „        6-58»        3-85#        2-15*        ll-20{^ 

„     14      „        7-96»        4-46{f        263»        ll-80|f 

„     28      „        10-ö2l[        6-86j[        4-90^        13-92^ 

„     42      „        ll-35#        8-30^        6-20»        14-68» 

„     80      „        11-56»        9-50»        7-40»        14-65». 

In  der  Praxis  werden  gewöhnlich  gegen  50»,  also  ein  grosser  Ueberschuss, 
genommen,  so  dass  also  wieder  mehr  als  30»  davon  durch  Verdunsten  abgegeben 
werden.  Je  dichter,  kalkreicher,  gesinterter  der  Cement,  und  je  schärfer  das 
Korn  nach  dem  Pulverisiren,  desto  langsamer  geht  das  Abbinden  vor  sich. 
Cemente,  welche  mehr  als  ^  Stunde  Zeit  brauchen,  bis  sie  erhärten,  nennt  man 
langsam  bindende,  die  andern  rasch  bindende.  Auch  nach  dem  ersten 
Hartwerden  nimmt  die  Festigkeit  des  Cementes,  wie  Dyckerhoff  (36)  durch  Ver- 
suche dargethan  hat,  noch  bedeutend  zu  und  erreicht  oft  erst  nach  Wochen  und 
Monaten  den  höchsten  Grad.  Für  guten  Portland-Cement  rechnet  man  eine  Zeit 
von  höchstens  15  Tagen  bis  zur  vollständigen  Erhärtung.  Die  Raschheit  des 
Abbindens  ist  übrigens  auch  sehr  von  der  Temperatur  abhängig,  ebenso,  wenn 
auch  in  geringerem  Grade,  nach  Michaelis  (38)  von  der  Reinheit  des  Wassers. 
Von  Böhme  (39)  sind  eingehende  Untersuchungen  über  Abbindezeit  im  Zusammen- 
hang mit  eintretender  Temperaturerhöhung  etc.  ausgeführt  worden. 

Dass  das  Meerwasser  dem  raschen  Abbinden  entgegenwirkt  und  dass  ge- 
wisse Cemente,  die  im  Süsswasser  sehr  fest  werden,  im  Meerwasser  entweder 
gBx  nicht  oder  nur  in  geringem  Grad  erhärten,  unter  Umständen  treiben  und 
mürbe  werden,  ist  schon  seit  Langem  bekannt.  Während  Vicat  (40)  diese  Er- 
scheinungen vorwiegend  auf  eine  Umsetzung  der  Kalkerde  des  Cementes  durch 
schwefelsaure  Magnesia  in  Gyps  zurückführt,  scheint  nach  Versuchen  Feichtinger's 
(41)  der  Grund  neben  den  Magnesiasalzen  vornehmlich  in  dem  Gehalt  des 
Meerwassers  an  Chloriden  des  Kaliums,  Natriums  und  Calciums  zu  liegen.    Die 


504 


Handwörterbuch  der  Chemie, 


zerstörende  Wirkung  des  Meerwassers  auf  Cementmauerweiic  rührt  nach  Rivot 
und  Chatoney  (42)  hauptsächlich  von  den  darin  gelösten  Gasen  (Kohlensäure, 
Schwefelwasserstoff)  und  Salzen,  vor  allem  dem  Magnesiasalze  her.  Kuhlmann  (43) 
empfiehlt  zur  Gegenwirkung  einen  Zusatz,  Michaeus  einen  2 — 3  maligen  Anstrich 
von  Wasserglas. 

»Die  bei  dem  Abbinden  eintretende  Temperaturerhöhung  tritt  bei  rasch 
bindender  Masse  deshalb  stärker  hervor,  weil  die  äussere  Abkühlung  dabei  eine 
relativ  geringere  ist.  Herzog  (44)  fand  bei  einem  Portland-Cement,  den  er  mit 
Wasser  einmal  zu  einem  Würfel  ä  10  Centim.,  das  andere  Mal  ä  20  Centim. 
Seitenlänge  formte  und  bei  einer  Anfangstemperatur  der  Materialien  von  13*5**, 
folgende  Temperaturen: 


k  10  Centim. 

)i  20  Centiiii. 

Gleich  nachFormen  des  Würfels  leo" 

Gleich  nach  dem  Fonnen 

190" 

Nach  30  Minuten 

170" 

Nach  1  Stunde  30  Min. 

20-5" 

„      1  Stunde  10  Min. 

17-5° 

»    2 

n 

30    „ 

22-0° 

„     4 

l> 

18-0" 

»    4 

tt 

30    „ 

240" 

„     5 

>l 

IS-S" 

„    5 

n 

30    „ 

380° 

„     6 

>l 

23-5° 

„     7 

»f 

43-0" 

„     6 

„      30     „ 

27-0'' 

„     8 

it 

45-0" 

„     7 

„      (Maximum) 

29-5° 

,.     8 

99 

30    „ 

(Maximum)  455** 

Da  die  Temperatursteigerung  im  ersteren  Fall  16°,  im  letzteren  32**  betragt, 
so  verhalten  sich  im  vorliegenden  Fall  die  Temperatursteigerungen  proportional 
den  Würfelseiten,  woraus  zu  ersehen,  dass  alle  bisherigen  Angaben  über 
Temperatursteigerungen  beim  Abbinden  des  Cementes,  bei  denen  die  Volumen 
nicht  angeführt  sind,  keinen  Werth  besitzen. 

Der  Cement  soll  volumbeständig  sein,  insbesondere  nicht  beim  Erhärten 
sein  Volumen  vergrössem,  eine  Eigenschaft,  die  man  das  »Treibenc  nennt 
Dasselbe  rührt  von  freiem  Kalk  her,  der  durch  Aufnahme  von  Wasser  unter 
Hydratbildung  sich  ausdehnt.  Nach  Michaeus  soll  ein  richtig  zusammengesetzter 
Cement  durch  Hydratisirung  der  sonstigen  Hauptbestandtheüe  und  inniges  mecha- 
nisches Ineinanderbinden  der  entstandenen  Hydrate  dem  sich  ausdehnenden 
Kalkhydrat  einen  so  grossen  Widerstand  entgegensetzen,  dass  ein  Treiben  nicht 
stattfinden  kann.  Nach  ihm  tritt  sonach  trotz  Bildung  von  Kalkhydrat  bei  guten 
Cementen  keine  Volumvermehrung  ein.  Man  bestimmte  früher  die  Volum- 
beständigkeit durch  Eingiessen  des  Cementbreis  in  ein  Glasfläschen  oder  einen 
Glascylinder,  worin  man  die  Masse  erhärten  Hess  und  beobachtete,  ob  ein  Zer- 
springen des  Glases  eintrat;  da  jedoch  durch  jede  Temperaturänderung  und  vor- 
übergehende Volumenvergrösserung  die  Gläser  gesprengt  werden,  streicht  man 
jetzt  blos  einen  dünnen  Cementkuchen  auf  Glas  oder  Dachziegel  aus  und  lässt 
unter  Wasser  erhärten.  Es  sollen  dabei  keine  Krümmungen  und  Kantenrisse 
entstehen.  Nach  Erdmenger  (45)  zeigen  besonders  die  aus  dolomitischem  Kalk- 
stein hergestellten  Cemente  starkes  Treiben. 

Eine  der  wichtigsten  Eigenschaften  des  Cementes  ist  seine  Druckfestigkeit; 
da  jedoch  die  direkte  Ermittlung  dieser  zu  viel  Schwierigkeiten  bereitet,  begnügt 
man  sich  bei  Beurtheilung  des  Cementes  meist  mit  Bestimmung  der  Zugfestig- 
keit. Als  Apparat  dient  die  MiCHAELis-FRÜHLiNG'sche  Cementwaage  (46),  eine 
Decimalwaage,  bei  welcher  man  den  Moment  des  Abreissens  bei  zunehmender 
Belastung  dadurch  scharf  beobachten  kann,  dass  man  anstatt  eines  Laufgewichtes 
einen  Eimer  an  den  langen  Hebelarm  anhängt,  in  welchem  man  so  lange  Schrot 


Cement.  505 

oder  Wasser  einlanfen  lässt,  bis  der  an  der  anderen  Seite  des  Hebels  befestigte 
Cementprobekörper  auseinander  gerissen  wird.  In  diesem  Moment  sistirt  man 
Schrot-  bezw.  Wasserzulauf  und  bestimmt  auf  einer  gewöhnlichen  Waage  das 
Gewicht  des  geftillten  Eimers.  Der  Probekörper  hat  die  Form  eines  gefüllten 
Achters,  dessen  Querschnitt  an  der  eingezogenen  Stelle  genau  5  D  Centim.  beträgt. 
Das  gefundene  Abreissgewicht  muss,  um  die  Zugfestigkeit  pro  1  D  Centim.  zu  er- 
halten, durch  5  getheilt  werden.  Von  grösstem  Einfluss  auf  die  Resultate  ist  die 
Art  und  Weise  der  Herstellung  der  Probekörper,  Wassermenge,  Quantität  und 
Qualität  des  beizumischenden  Sandes,  Dauer  der  Erhärtung.  Nach  den  vom 
Verein  deutscher  Cementfabrikanten  angenommenen  Normen  wird  Sand  von  be- 
stimmter Komgrösse,  sogen.  Normalsand,  genommen.  Man  erhält  diesen  durch 
Waschen  und  Trocknen  reinen  Quarzsandes,  Durchschlagen  durch  ein  Sieb  von 
90  Maschen  pro  1  D  Centim.,  dann  des  durchgesiebten  Theils  durch  ein  Sieb 
ä  120  Maschen,  wodurch  man  die  feinsten  und  die  gröbsten  Theile  dadurch 
ausschliesst,  dass  man  nur  den  auf  dem  letzteren  Sieb  zurückbleibenden  Sand 
verwendet  Auf  250  Grm.  (1  Gew.-Thl.)  Cement  werden  750  Grm.  (3  Gew.-Thle.) 
Normalsand  mittelst  100  Grm.  Wasser  rasch  zu  einem  gleichmässigen  Teig  ange- 
macht, welchen  man  in  die  zu  dem  Apparat  gehörigen  Formen  füllt,  lässt  den 
erhaltenen  Probekörper  24  Stunden  an  der  Luft,  alsdann  27  Tage  unter  Wasser 
liegen.  Unmittelbar  nach  Herausnehmen  aus  dem  Wasser  ist  die  Prüfung  vorzu- 
nehmen. Das  Mittel  aus  10  Bruchgewichten  ergiebt  die  Festigkeit  des  geprüften 
Cementmörtels  (Näheres  siehe  die  oben  citirten  iNormen«),  Aus  Versuchen 
A.  Dyckerhoff's  (47),  ToBdEi's  (48)  u.  A.  scheint  übrigens  hervorzugehen,  dass 
nicht  allein  die  Grösse,  sondern  auch  die  Form  der  einzelnen  Sandkörner,  ob 
eckig  oder  rund,  von  grösserem  Einfluss  ist,  und  es  ist  deshalb  wichtig,  zur  Be- 
reitung des  Normalsandes  immer  eine  und  dieselbe  Sandart  zu  wählen.  Aehn- 
liche  Apparate  sind  von  Riehle  (49),  Stüdt  (50),  Krafft  (51),  Klebe  (52)  u.  A. 
constniirt. 

Gute  Cemente  sollen  eine  Minimalfestigkeit  von  10  Kgrm.  pro  1  D  Centim. 
aufweisen;  sie  zeigen  jedoch  meist  mehr:  15—25  Kgrm.  und  darüber. 

Während  das  Verhältniss  zwischen  Zugfestigkeit  und  Druckfestigkeit  nach 
Versuchen  von  Dyckerhoff  (53)  bei  Portland -Cementen  ein  ziemlich  gleich- 
bleibendes ist,  schwankt  es  sehr  erheblich  bei  mageren  hydraulischen  Kalken, 
und  bei  diesen  kann  man  deslialb  aus  der  Zugfestigkeit  keinen  einigermaassen 
sicheren  Schluss  auf  die  Druckfestigkeit  ziehen.  Für  solche  Kalke  muss  also 
die  Druckfestigkeit  direkt  bestimmt  werden.  Auch  hierftlr  haben  Michaelis  und 
Frühung  (54)  einen  Apparat  construirt  Man  bringt  den  Cement  meist  in  Würfel- 
form ein,  und  es  zeigt  dabei  ein  guter  Cement  pro  1  D  Centim.  ungefähr  das  Zehn- 
fache der  Zugfestigkeit.  Dyckerhoff  (55)  hat  übrigens  gefunden,  dass  auch  hier 
die  Form  des  Probekörpers  von  grossem  Einfluss  auf  das  Resultat  ist  und  dass 
z.  B.  mit  Mörtel  in  Scheibenform  die  Druckfestigkeit  viel  höher  gefunden  wird 
als  in  Würfelform. 

Auch  der  erhärtete  Cement  wird  noch  langsam  von  Wasser  angegriffen; 
15  Grm.  gaben  bei  Versuchen  Feichtinger*s  an  60  Liter  Wasser  ab: 

Portland-Cement      Bayr.  hydraul.  Kalk 

Kalk  1-408  0-868 

Thonerde     0032  0020 

Kieselsäure  0102  Ol 37. 

Das  Cementmauerwerk  in  Wasserbauten  wird  nur  dadurch  vor  allmähliche]: 


5o6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

2^rstöning  durch  das  Wasser  geschützt,  dass  die  in  dem  letzteren  enthaltene 
Kohlensäure  mit  dem  Kalk  des  Cementes  eine  schützende  Kruste  von  kohlen- 
saurem Kalk  bildet.  Erhärtete  alte  Cemente  enthalten  bis  zu  12  und  18f  Kohlen- 
säure. 

Der  Erhärtungsprocess,  welcher  nach  dem  Anmachen  des  Cementes  mit 
Wasser  eintritt,  wird  zur  Zeit  noch  in  verschiedener  Weise  aufgefasst;  eine  nach 
allen  Richtungen  genügende  Erklärung  existirt  bislang  noch  nicht  Die  Einen 
fuhren  das  Erhärten  auf  die  Bildung  wasserhaltiger  Silicate,  besonders  Kalkhydro- 
silicate  zurück,  die  Anderen  betrachten  es  als  einen  durch  chemische  Processe 
veranlassten  Vorgang.  Diesen  Erklärungen  liegen  meist  sehr  abweichende  Auf- 
fassungen über  die  Natur  der  in  dem  gebrannten  Cement  enthaltenen  Verbindungen 
zu  Grunde. 

Nach  Fuchs  (56}  beruht  die  Erhärtung  hauptsächlich  auf  einer  unter  dem 
Einfluss  des  Wassers  allmählich  eintretenden  chemischen  Verbindung  der  Kiesel- 
säure und  des  Kalkhydrats,  die  in  dem  Cement  enthalten  sind.    Durch  Versuche 
that  er  dar,  dass  künstliche,  durch  Fällung  aus  Lösungen  erhaltene,  oder  auch 
natürliche  amorphe  Kieselsäure  (Opal)  mit  ihrem  halben  Gewichte  Kalkhydrat 
vermischt  innerhalb  4—5  Wochen  unter  Wasser  erhärtet  und  dabei  in  eine  durch 
Salzsäure  aufschliessbare  Verbindung  übergeht.    Auch  krystallinische  Kieselsäme 
(Quarz)  giebt,  mit  Kalk  bis  zum  Sintern  geglüht,  einen  Cement.    Ganz  in  gleicher 
Weise  sollen  Silicate  beim  Glühen  auf  Kalk  wirken.     Beim  Cement  tritt  nach 
Fuchs  durch  das  Brennen  Umwandlung  des  kohlensauren  in  kaustischen   Kalk 
und  des  Thones  in  aufschliessbares  Silicat  ein,  ein  Theil  des  Kalks  dient  dabei 
zum  Aufschliessen  des  Thons.    Bringt  man  dann  dieses  Gemisch  in  Wasser,  so 
entsteht  aus  dem  gebrannten  Kalk  Kalkhydrat,  dies  wirkt  dann  auf  das  gebrannte 
Silicat  ein  und  bildet  damit  unter  gleichzeitiger  Bindung  von  Wasser  neue  Silicate. 
Heldt   (57)   nimmt   bei   hydraulischen   Kalken    die  Bildung    der  Verbindungen 
5CaO,  3Si02-+-5HjO,    Michaelis   2CaO,  SiO, -h  2H,0   an,    während   nach 
ersterem  der  Portland-Cement  durch  Zerfallen  stark  basischen  Kalksilicates  und 
von  Calciumalu minat   erhärten.     Sichere  Beweise   für  das  Vorhandensein  eines 
oder  des  anderen  Kalksilicates  konnten  jedoch  bis  jetzt  nicht  beigebracht  werden. 
Hopfgarten  u.  Pettenkofer  (58)  nehmen  ebenfalls  Bildung  von  Kalkhydrosilicaten 
an,  führen  aber  den  Grad  der  Erhärtung  auf  Dichte  und  Komform  zurück;  je  dichter 
der  Cement,  desto  fester  und  härter  wird  derselbe,  was  im  Grossen  und  Ganzen 
als  richtig  gilt.    Nach  Feichtinger  (59)  erfolgt  das  Abbinden  des  Cementmörtels 
durch  Hydratisirung  der  Silicate,  der  Kieselsäure  und  des  Aetzkalks,  während 
das  eigentliche  Hartwerden  in  erster  Linie  durch  die  Einwirkung  des  Kalkhydrates 
auf  Kieselsäure  und  Silicate,  später  auch  noch  durch  Ueberftihrung  des  kaustischen 
in  kohlensauren  Kalk  bedingt  ist     Winkler  (60)  nimmt  im  Roman-Cement  und 
im  Portland-Cement  zweierlei  Wirkungsweisen  an;  im  ersteren  tritt  nach  ihm  zu> 
erst  Hydratisirung  des  Kalkes  und  dann  Einwirkung  des  Kalkhydrates  auf  die 
aufgeschlossenen  Silicate  unter  Bildung  von  Kalkhydrosilicaten  ein,  im  Portland- 
Cement  dagegen,  welcher  nach  ihm  keinen  freien  Aetzkalk  enthält,  soll  das  durch 
Brennen  gebildete  Kalk-Thonerdesilicat  unter  Ausscheidung  von  Kalkhydrat  in 
dieselben  Verbindungen  zwischen  Kieselsäure  und  Kalk,   sowie  Kalk  und  Tbon- 
erde  zerfallen,   die  sich  auch  beim  Erhärten  des  Roman-Cementes  bilden.    Der 
freigewordene  Kalk   wird    an  Kohlensäure   gebunden.     Feichtinger  (61)  u.  A. 
haben  dagegen  nachgewiesen,  dass  auch  der  Portland-Cement  freien  Aetzkalk 
enthält,  auch  ist  die  Voraussetzung  Winkler's,  dass  beim  Abbinden  und  £rt)iiten 


Cement.  507 

des  Portland-Cementes  keine  Wärme  frei  werde,  unrichtig  (siehe  oben).  Fremy  (62) 
folgt  in  seiner  Auffassung  des  Erhärtungsprocesses  den  Anschauungen  von  Fuchs, 
nur  dass  er  noch  ein  mit  Wasser  fest  werdendes  Calciumaluminat  im  Portland- 
Cement  annimmt.  Auch  nach  Michaelis  (63)  enthält  der  Portland-Cement  keinen 
freien  Kalk,  sondern  Kalksilicat,  Calciumaluminat  und  Eisenoxydkalk,  welche 
durch  Aufnahme  von  Wasser  die  Erhärtung  bedingen.  Auch  Rivot  und  Chatonev 
(64)  führen  die  Erhärtung  des  hydraulischen  Mörtels  nur  auf  Hydratisirung  zurück. 

Den  zahlreichen,  mehr  oder  weniger  hypothetischen  Ansichten  über  das 
Wesen  des  Erhärtungsprocesses  bei  hydraulischen  Mörteln  gegenüber  macht 
Knapp  (65)  darauf  aufmerksam,  dass  man  noch  nicht  mit  Bestimmtheit  hat  nach- 
weisen können,  welche  Verbindungen  sich  beim  Brennen  des  Cementes  bilden 
und  schliesst  sich  den  Auffassungen  Schott's  (66)  an.  Dieser  hatte  gefunden, 
dass  ein  Portland-Cement  in  einer  Lösung  von  kohlensaurem  Ammoniak  besser 
erhärtet  als  in  Wasser,  trotzdem  das  Produkt  56*6^  kohlensauren  Kalk  schon 
vor  dem  Abbinden  fertig  gebildet  enthielt.  Damit  sind  dem  Cement  im  vor- 
liegenden Fall  1^  seines  disponiblen  Kalkes  entzogen,  und  trotzdem  enthielt  der 
mit  kohlensaurem  Ammoniak  erhärtete  Cement  9*18  J,  der  mit  Wasser  bloss  0*883  J 
lösliche  Kieselsäure.    Femer  fand  Schott,  dass  Gemenge  von 

1.  2'  3.  4. 


Kieselsäure        248 

23-8 

23-3 

24-3 

Thonerde           11-4 

— 

6-5 

6-9 

Eisenoxyd            — 

11-4 

4-7 

4-8 

Kohlens.  Kalk  648 

64-8 

65-4 

641 

beim  Brennen  bei  Weissgluth,  fein  zerrieben  und  mit  Wasser  angemacht,  insge- 
sammt  stark  erhärten.  Hieraus  schliessen  dieselben,  dass  das  Erhärten  des 
Cementes  nicht  lediglich  auf  einer  bestimmten  chemischen  Verbindung  beruhe. 
Alle  Gemenge  aus  obigen  Stoffen,  die  beim  Brennen  hinreichend  dicht  werden 
und  sintern  und  nach  dem  Glühen  nicht  zerfallen,  eignen  sich  zu  Cementen. 
Alle  kommen  in  der  Eigenschaft  überein,  Wasser  langsam  und  ohne  merkliche  (?) 
Entwicklung  von  Wärme  zu  binden.  Knapp  insbesondere  macht  darauf  aufmerk- 
sam, dass  das  Festwerden  des  Cementes,  wie  auch  bei  anderen  Mörtelarten, 
lediglich  auf  der  Entstehung  irgend  eines  zusammenhängenden  Ganzen  aus  fein 
vertheiltem  Material  beruhe,  dass  aber  dieses  Zusammenwachsen  wiederum  auf 
das  Zusammenwirken  eines  chemischen  und  eines  mechanischen  Processes  unter 
ganz  bestimmten  Bedingungen  zurückzuführen  sei.  Insbesondere  das  ganz  ver- 
schiedene Verhalten  des  Portland-Cementes  in  verschieden  fein  zertheiltem  Zu- 
stand weist  darauf  hin.  Frühling  (67)  schliesst  sich  dieser  Auffassung,  wonach 
das  Erhärten  des  Cementes  im  Wesentlichen  ein  mechanischer  Process  ist,  an 
und  macht  darauf  aufmerksam,  dass  es  noch  nicht  gelungen  sei,  bestimmte 
Silicate  als  Grundlage  der  Erhärtung  nachzuweisen,  und  dass  ein  erhärteter  Cement 
chemisch  und  physikalisch  nur  als  ein  dichtes  Kalkhydrat  wirke.  Kieselsäure, 
Thonerde  und  Eisenoxyd  haben  nach  ihm  lediglich  die  Aufgabe,  die  Einwirkung 
des  Wassers  auf  das  Kalkhydrat  des  erhärteten  Mörtels  zu  verhindern.  Das  Ab- 
binden des  Cementes  führt  er  auf  die  Wirkung  der  Thonerde  zurück  und  zeigt 
durch  Versuche,  dass  eine  künstliche  Mischung  von  Thonerdehydrat  mit  Kalk- 
hydrat in  Wasser  sich  gerade  wie  abbindender  Cement  verhält.  Eine  Mischung 
von  Kalkhydrat  und  Kieselsäurehydrat  zerfällt  dagegen  rasch  unter  Wasser.  Auch 
Hauenschild  (68)  hat  die  von  den  früheren  Annahmen  wesentiich  abweichende  Auf- 
fassung, dass  das  Binden  des  Cementes  lediglich  auf  der  Bildung  colloidaler  Sub^ 


5o8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

stanzen  beruht,  welche  eine  mechanische  Verkittung  der  einzelnen  festen  Theilchen 
des  Cementes  bedingen.  Nach  Erdmenger  (69)  endlich  befindet  sich  im  Portland- 
Cement  eine  glasige,  amorphe  Substanz,  die  durch  Wasserzusatz  aufgeschlossen 
wird  und  Gallertconsistenz  annimmt,  sowie  sehr  viel  freier  Kalk.  Setzt  man  des- 
halb zu  Cementpulver  Wasser,  so  tritt  durch  die  Gallertbildung  Gerinnen  ein» 
es  findet  Abbinden  statt.  Das  alsdann  allmählich  aufquellende  trockne,  th  eil  weise 
auch  sich  hydrati sirende  Kalkpulver  drückt  die  Gallerte  von  allen  Seiten  zusammen 
und  drängt  sie  dazu,  alle  Poren  zu  schliessen  und  eine  wachsend  dichtere  Ver- 
filzung, damit  aber  auch  eine  dichtere  und  festere  Masse  zu  bilden.  Den  Aetz- 
kalk  nimmt  er  in  ganz  langsam  sich  löschendem,  sogen,  indifferenten  Zustand 
an,  sowie  er  durch  Brennen  von  kohlensaurem  Kalk  bei  ganz  hohen  Tempera- 
turen resultirt,  ist  jedoch  der  Ansicht,  dass  durch  das  gleichzeitige  Glühen  des 
Kalks  mit  Silicaten  dieser  Zustand  im  Portland-Cement  bei  erheblich  niederer 
Temperatur  erreicht  wird.  Ob  dabei  eine  chemische  Verbindung  zwischen  Kalk 
und  Kieselsäure  anzunehmen  ist  oder  nicht,  lässt  er  dahin  gestellt;  jedenfalls 
kann  nach  ihm  die  Verbindung  nur  eine  so  lose  sein,  dass  sie  schon  durch 
Wasser  zerlegt  wird,  da  die  Erscheinungen  des  Abbindens  und  Erhärtens  lediglich 
diejenigen  eines  langsam  zerfallenden  und  sich  hydratisirenden  freien  Aetzkalks  sind. 

Andere  Cementsorten.  Solche  hat  man  in  den  letzten  Jahren  insbe- 
sondere mittelst  Hochofenschlacke  zu  erzeugen  versucht.  So  soll  durch  Ver- 
mischen und  Brennen  von  4  Thln.  Schlacke  und  7  Thln.  Kalkstein  ein  sehr  fester 
Cement  entstehen  (70).  Nach  Watson's  Patent  (71)  brennt  man  Schlacke  mit 
Kalk  und  Thon.  Roth  (72)  schlägt  vor,  die  Hochofenschlacke  mit  Kalk  und 
Bauxit  gemischt  bis  zur  Sinterung  zu  brennen. 

Nach  einem  Patent  von  Seibel  (73)  werden  gleiche  Aequivalente  Kieselsäure 
und  Aetzkalk  mit  Chlorcalcium-  oder  Chlomatriumlösung  angemacht  und  geglüht 
Heintzel  (74)  gewinnt  einen  hydraulischen  Kalk,  Neutrass,  durch  Vermischen 
staubförmigen  Kalkhydrats  mit  Infusorienerde. 

Magnesia- Cement  Auf  die  hydraulischen  Eigenschaften  der  Magnesia 
haben  zuerst  Macleod  und  später  Vicat  aufmerksam  gemacht;  St.  Claire-Deville 
(75)  war  jedoch  der  erste,  welcher  genauere  Versuche  darüber  anstellte  und  ins- 
besondere fand,  dass  bei  Rothgluth  gebrannte  Magnesia  unter  Wasser  alabaster- 
artige Beschaffenheit  annimmt,  gemischt  mit  Kreide  und  Wasser  aber  zu  einer 
steinharten  Masse  erstarrt.  Bei  stärkerer  Erhitzung  nimmt  die  Hydraulicität  jedoch 
wieder  ab.  Brennt  man  Dolomit  gerade  so  stark,  dass  die  Kohlensäure  der 
Magnesia,  nicht  aber  diejenige  des  Kalks  vertrieben  ist,  so  hat  das  Produkt 
ebenfalls  stark  hydraulische  Eigenschaften,  nicht  dagegen  mehr,  wenn  auch  die 
Kohlensäure  des  Kalks  entwichen  ist.  Hiermit  stimmen  die  Resultate  überem, 
welche  Calvert  (76)  mit  magnesiahaltigem  Kalkstein  erhielt,  der  auf  der  Insel 
Anglesea  durch  nicht  zu  starkes  Brennen  und  nachheriges  sofortiges  Mahlen  in 
einen  guten  Cement  verwandelt  werden  kann.    Die  Zusammensetzung  verschiedener 

Sorten  desselben  ist: 

1.  2.  3. 

Kohlcns.  Magnesia      .     .     .  61*15  55-23         15'86 

Kalk 21-41  33-99        7223 

„        Eisenoxydul      .     .  8*76  3*85  3-21 

Kieselsäure 5*58  5-58  \     « „^ 

Thonerde 2-07  2-27  /     ^'^^ 

Organ.  Substanz  und  Wasser  110  3*40  6"00 


i 


Cement.  509 

Von  diesen  Kalken  eignet  sich  nach  Calvert  No.  1  besonders  für  hydrau- 
lischen Cement,  No.  2  für  hydraulischen  Kalk,  No.  3  für  Stuck.  Auch  bei  Jena 
wurde  später  ein  dolomitischer  Kalkstein  mit  27^  kohlensaurer  Magnesia  und 
50^  kohlensaurem  Kalk  auf  hydraulischen  Kalk  verarbeitet;  ebenso  an  ver- 
schiedenen anderen  Orten,  doch  steht  nach  Untersuchungen  Erdmenger's  (77) 
der  auf  diese  Weise  erhaltene  Cement  bezüglich  seiner  Festigkeit  erheblich  hinter 
gutem  Portland-Cement  zurück.  Dieselbe  betrug  pro  1  DCentim.  nur  3 — 10  Kgrm., 
während  guter  Portland-Cement  nie  unter  10  Kgrm.  Zugfahigkeit  zeigen  darf. 
Der  Cement  enthielt  504 J  Kalk,  20^  Magnesia,  IM^  Sesquioxyde  und  17-1 J^ 
Kieselsäure,  war  also  kein  reiner  Magnesia-Cement,  sondern  ein  Gemisch  dieses 
letzteren  mit  gewöhnlichem  hydraulischen  Kalk.  Dass  aber  in  solchen  Gemischen 
die  Magnesia  nicht  zur  vollen  Wirkung  kommen  kann,  ist  bei  den  verschiedenen 
Brenntemperaturen  selbstverständlich.  Hierher  gehört  auch  ein  aus  dolomitischem 
Mergel  in  der  Nähe  von  Heidelberg  gewonnener  Cement,  der  von  Götschen- 
BERGER  (78)  beschrieben  ist.  Sorel  (79)  ist  der  Entdecker  einer  zweiten  Sorte 
Magnesia-Cement,  die  durch  Anrühren  von  gebrannter  Magnesia  mit  Chlor- 
magnesiumlösung von  20—40°  B.  erhalten  wird.  Das  Material  eignet  sich  unter 
Beimischung  entsprechender  billiger  Materialien  insbesondere  auch  zur  Herstellung 
künstlicher  Steine.  Die  Union -Stone- Comp,  in  Boston  (80)  stellte  nach  dem 
SoREi/schen  Verfahren  künstliche  Steine  aus  Magnesia-Cement  im  Grossen  dar. 
Eine  in  Pennsylvanien  und  Maryland  sich  findende  Magnesia  mit  95  J  MgCOg  und 
etwas  unlöslicher  Kieselsäure  wird  bei  niedriger  Temperatur  vorsichtig  gebrannt, 
zu  staubfeinem  Pulver  zerrieben,  mit  variabeln  Mengen  Marmorpulver,  Schiefer  etc. 
vermischt  und  mit  soviel  Chlormagnesiumlösung  von  15 — 20°  B.  versetzt,  dass  eine 
plastische  Masse  entsteht,  die  schliesslich  geformt  wird.  Eine  Woche  nach 
dem  Herausnehmen  aus  den  Formen  bildet  die  Masse  ein  steinhartes  Material, 
welches  pro  1  DCentim.  eine  Druckfestigkeit  von  500 — 1510  Kgrm.  aufweist.  Auch 
für  Herstellung  von  Schmirgel  lässt  sich  das  Material  verwenden.  Heintzel  (8i) 
hebt  ebenfalls  hervor,  dass  die  Magnesia  nur  schwach  gebrannt  sein  darf,  dass 
sie  ausserdem  frei  von  Eisen  und  Kalk  sein  soll.  Das  specifische  Gewicht  der 
Chlormagnesiumlösung  muss  nach  ihm  mindestens  30°  B.  sein.  Reinhardt  (82) 
in  Würzburg  fabricirt  künstliche  Steine  (Schmirgelscheiben,  Schleifsteine,  Mühl- 
steine), künstlichen  Marmor,  künstliches  Elfenbein,  Knöpfe  etc.  durch  Anmachen 
von  gebrannter  Magnesia  mit  entsprechenden  Zusätzen,  desgleichen  Kunis  (93), 
der  jedoch  statt  Zusatz  von  Chlormagnesiumlösung  einen  Theil  der  gebrannten 
Magnesia  mit  Salzsäure  abstumpft  und  dann  mit  den  Zuschlägen  vermischt.  In 
seinem  englischen  Patent  (1881,  No.  2662)  mischt  Sorel  der  gebrannten  Magnesia 
schwefelsaure  Magnesia  bei.  Albolith  ist  eine  Mischung  von  Magnesia,  Chlor- 
magnesium und  amorpher  Kieselerde,  worin  letztere,  wie  es  scheint,  nur  die 
Rolle  des  Sandes  spielt.  Auch  der  Cajalith  enthält  als  Grundmasse  Magnesia- 
Cement. 

Nach  Hauenschild  (84)  besteht  der  gewöhnliche  Magnesia-Cement  aus  regel- 
los nebeneinander  gelagerten,  kleinen,  rhombischen  Kryställchen.  Beim  Anmachen 
mit  Wasser  nimmt  die  gebrannte  Magnesia  Hydratwasser  auf  und  wird  krystallinisch. 
Indem  sie  dabei  ihr  Volumen  vergrössert,  treten  die  Einzeltheilchen  einander 
näher  und  die  Masse  wird  entsprechend  dichter  und  fester.  Da  ein  Ueberschuss 
von  Wasser  durch  Capillarität  eindringen  und  die  Masse  lockern  würde,  darf  nur 
gerade  so  viel  Wasser  genommen  werden,  als  zur  Hydratisirung  noth wendig  ist. 
Bei    längerer    Berührung    des    Magnesia  -  Cementes    mit   Kohlensäure    geht    das 


5IO  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Magnesiahydrat  theilweise  in  kohlensaure  Magnesia  über,  was  eine  weitere  Er- 
härtung der  Masse  zur  Folge  haben  soll. 

Nach  den  Untersuchungen  Bender's  (75)  scheint  die  Erhärtung  des  aus 
gebrannter  Magnesia  mit  Chlormagnesiumlösung  erhaltenen  Cementes  auf  der 
Bildung  einer  wasserhaltigen  Doppelverbindung  von  Magnesia  und  Chlormagnesiuin 
(öMgO  -hMgClj  -h  17H,0)  zu  bestehen.  Diese  Verbindung  soll  beim  Erhitzen 
auf  100**  9  Moleküle,  auf  150—180°  11  Moleküle  Wasser  abgeben.  Mit  kaltem 
Wasser  lässt  sich  aus  der  Verbindung  ein  Theil,  mit  kochendem  Wasser  alles 
Chlormagnesium  entziehen,  doch  wird  dadurch  der  ursprüngliche  Zusammenhang 
nicht  aufgehoben.  Längere  Zeit  mit  Luft  in  Berührung  gebrachter  Magnesia- 
Cement  enthält  erhebliche  Mengen  Kohlensäure.  Krause  erhält  durch  Einwirkung 
von  Chlormagnesiumlösung  auf  Magnesia  das  Salz  lOMgO  -4-  Mg  Gl,  +  lOH^O. 
An  der  Luft  hergestellter  Magnesia-Cement  besteht  nach  Krause  immer  aus 
einem  Gemisch  dieses  Salzes  mit  basisch  kohlensaurer  Magnesia.  Engler. 

Cerebrine.*)  Im  Gehirn  und  Nervenmark  findet  sich  eine  kleine  Gruppe 
eigenthümlicher  Körper,  welche  von  dem  Orte  ihres  Vorkommens  als  Cerebrine 
bezeichnet  werden.  Fremy  (6),  welcher  zuerst  dieselben  in  etwas  reinerem  Zu- 
stande unter  den  Händen  hatte,  betrachtete  sie  als  eine  Säure,  welche  er 
Cerebrinsäure  nannte;  sein  Präparat  war  aber  noch  phosphorhaltig  und  ebenso 
die  Cerebrinsäure  von  v.  Bibra.  Erst  W.  Müller  (i)  zeigte,  dass  die  von  ihm 
dargestellte  Substanz,  welche  er  noch  für  einheitlich  hielt,  phosphorfrei  ist  und 
keine  sauren  Eigenschaften  besitzt;  er  änderte  deshalb  den  Namen  in  Cerebrin 
um.  BouRGOiN  (2)  fand  in  seinen  Präparaten  weniger  Stickstoff  als  Müller,  und 
Otto  und  Köhler  (3)  kamen  sogar  zu  der  Ansicht,  dass  das  Cerebrin  stickstoff- 
frei sei.  Geoghegan  (4)  bestätigte  aber  den  Stickstoffgehalt  des  Cerebrins,  und 
Parcus  (s)  wies  nach,  dass  das  nach  dem  MüLLER*schen  Verfahren  erhaltene 
Cerebrin  ein  Gemenge  von  drei  einander  sehr  ähnlichen  Körpern  ist,  welche  er 
als  Cerebrin,  Homocerebrin  und  Enkephalin  unterschied. 

Zur  Darstellung  des  Gemenges  dieser  drei  Körper  kann  man  entweder 
zerriebenes,  von  Blut  und  Häuten  befreites  Gehirn  kalt  mit  Alkohol  und  Aether 
extrahiren,  den  Rückstand  mit  Alkohol  kochen,  heiss  filtriren  und  die  beim  Er- 
kalten ausgeschiedene  Masse  durch  Aether  von  Cholesterin,  und  durch  Kochen 
mit  Barytwasser  von  Lecithin  befreien,  den  Baryt  mit  Kohlensäure  fallen,  das 
Cerebrin  wieder  in  heissem  Alkohol  lösen,  filtriren  und  in  der  Kälte  auskiystalli- 
siren  lassen;  oder  man  rührt  das  mit  Wasser  gewaschene  und  durch  ein  Tuch 
gepresste  Gehirn  mit  conc.  Bar)rtwasser  an,  erhitzt  unter  Umschütteln  zum  ein- 
maligen Aufkochen  (ist  die  über  dem  Niederschlage  stehende  Flüssigkeit  trüb, 
so  muss  noch  mehr  Baryt  zugesetzt  und  nochmals  aufgekocht  werden),  filtriit, 
wäscht  mit  heissem  Wasser  aus,  trocknet  den  Rückstand  und  extrahiit  ihn  mit 
kochendem  Alkohol,  wobei  das  Cerebrin  weniger  in  den  ersten,  als  hauptsächlich 
in  die  folgenden  Auszüge  übergeht  und  sich  beim  Erkalten  ausscheidet  Durch 
Waschen  mit  Aether  befreit  man  es  von  Cholesterin,  durch  Auflösen  in  Alkohol 
bei  60*^  von  beigemengten  Barytsalzen,  deren  letzte  Spuren  durch  Waschen  des 
Cerebrins  mit  kohlensäurehaltigem  Wasser  und  Umkrystallisiren  aus  Alkohol  ent- 
fernt werden  können. 

•)  i)  W.  MÜLLER,  Ann.  Chem.  Pharm.  105,  pag.  365.  2)  Boürgoin,  Bnll.  de  la  soc 
chini.  de  Paris  21,  pag.  482.  3)  Köhler,  Virchow's  Archiv  41,  pag.  265.  4)  Geogbegak, 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  3,  pag.  332.  5)  Parcus,  Joum.  f.  pr.  Chem.  (2)  24,  pag.  3»o» 
6)  Fremy,  Jooro.  de  pharm.  27,  pag.  453. 


Cerebrine.  511 

Das  SO  erhaltene  Rohcerebrin  ist  anscheinend  ganz  homogen;  kiystallisirt 
man  es  aber  aus  Alkohol  um  und  lässt  die  Mutterlaugen  vorsichtig  verdunsten, 
so  scheiden  sich  aus  denselben  am  Rande  feine  Blättchen,  oder  auch  schon  beim 
blossen  längeren  Stehen  gallertartige  Fetzen  aus,  welche  kein  Cerebrin  sind. 
Daher  muss  das  Cerebrin  zur  völligen  Reinigung  so  oft  aus  Alkohol  umkrystallisirt 
werden  (etwa  20 — 30mal,  Parcus),  bis  die  erwähnten  Verunreinigungen  aus  der 
Mutterlauge  verschwunden  sind.  Die  Blättchen  und  Gallertklumpen  bestehen  aus 
Homocerebrin  und  Enkephalin,  deren  Trennung  nur  durch  sehr  häufiges  Um- 
krystallisiren  aus  Alkohol  und  Aceton  gelingt,  worüber  das  Nähere  bei  Parcus 
nachzusehen  ist 

Das  nach  Parcus  völlig  gereinigte  Cerebrin  stellt  getrocknet  ein  schnee- 
weisses  Pulver  dar,  welches  sich  in  kochendem  Alkohol  leicht,  in  kaltem  schwer 
löst  und  unter  dem  Mikroskope  al^  aus  durchsichtigen,  sehr  schwach  anisotropen 
Kügelchen  bestehend  erscheint.  In  heissem  Aceton,  Chloroform,  Benzol,  Eisessig 
ist  es  löslich,  aber  nicht  in  Aether;  in  heissem  Wasser  quillt  es  etwas  auf,  ohne 
jedoch  einen  Kleister  zu  bilden,  und  setzt  sich  beim  Erkalten  in  Flocken  ab. 
Im  Reagensrohr  vorsichtig  über  einer  kleinen  Flamme  erhitzt  schmilzt  es  ohne 
Zersetzung;  versucht  man  aber  den  Schmelzpunkt  in  gewöhnlicher  Weise  zu  be- 
stimmen, so  färbt  es  sich  bei  145^  gelb,  bei  160°  unter  beginnendem  Schmelzen 
stark  braun  und  schmilzt  bei  170°  zu  einem  braunen  Oel.  Trocken  destillirt 
liefert  es  ein  braunes  Oel,  eine  beim  Erkalten  krystallinisch  erstarrende  Substanz, 
und  eine  wässrige,  sauer  reagirende  Flüssigkeit,  welche  FEHLiNo'sche  Lösung 
beim  Kochen  reducirt  (Parcus).  Mit  Salzsäure  gekocht  giebt  es  ebenfalls  eine 
FEHLiNG*sche  Lösung  reducirende  Substanz,  welche  nach  Geoghegan  eine  Säure 
ist  In  conc.  Schwefelsäure  löst  sich  Cerebrin  zunächst  ohne  Färbung  auf;  all- 
mählich wird  die  Lösung  durch  Wasseranziehung  purpurroth  bis  violett  und 
schwarz,  wobei  sich  eine  fasrige  Masse  ausscheidet.  Diese  ist  durch  Waschen 
mit  Wasser  und  Lösen  in  Aether  gereinigt  weiss,  sehr  leicht  in  Chloroform  oder 
Aether  löslich,  schmilzt  bei  62 — 65°,  giebt  mit  Kalihydrat  geschmolzen  unter 
Wasserstoff-  und  Methanentwicklung  Palmitinsäure;  Geoghegan  nennt  diese  Sub- 
stanz Cetylid  und  giebt  ihr  die  Formel  C3 2^4 2^5*  ^i^  conc.  Salpetersäure 
gekocht  verwandelt  sich  Cerebrin  unter  Gelbfärbung  und  Gasentwicklung  in  ein 
gelbes  Oel,  welches  beim  Erkalten  amorph  erstarrt  und  vermuthlich  Palmitinsäure 
ist  (Müller,  Geoghegan).  Parcus  fand  für  vollständig  gereinigtes  Cerebrin  die 
Zusammensetzung:  6908^  C;  11-47JH;  213^  N;  17*32^0,  woraus  sich  drei 
Formeln:  C^qH^^qN^Ou;  CjgHis^NgOj^  und  CgoHigoNjOu  ableiten  lassen, 
zwischen  denen  aber .  vorläufig  eine  Entscheidung  nicht  möglich  ist. 

Das  Homocerebrin  scheidet  sich  aus  der  heissen,  alkoholischen  Lösung 
niemals  in  kömigen  Gebilden,  wie  das  Cerebrin,  sondern  als  gallertartige  Masse 
aus,  welche  concentrirtere  Lösungen  vollständig  erstarren  macht.  Unter  dem 
Mikroskope  erscheint  es  in  schönen,  äusserst  feinen  Nadeln  krystallisirt.  Im  All- 
gemeinen zeigt  es  dasselbe  Verhalten  wie  das  Cerebrin,  ist  aber  in  Alkohol 
leichter  löslich  und  scheidet  sich  noch  langsamer  daraus  ab;  sind,  nach  Parcus, 
je  1  Grm.  Cerebrin  und  Homocerebrin  in  je  500  Cbcm.  Alkohol  gelöst,  so  ent- 
hält die  Mutterlauge  gelöst: 

nach  16  Std.       n.  weiter.  1  Tag     n.  weiter.  8  Tgn.      n.  weiter.  8  Tgn. 
1  Th.  Cerebrin  in  2688  Th.  4956  Th.  9912  Th.  12200  Th. 

1    „    Homocerebrin  in    592    „  1043    „  1800    „  1934    „ 

Gegen  Wasser,  Salzsäure  und  beim  Erhitzen  verhält  es  sich  wie  Cerebrin« 


512  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Die  Zusammensetzung  fand  Parcus:  7006 J  C;  ll'595f  H;  2-23 j^  N;  16il5JO, 
woraus  sich  die  Formeln  C7QHjsgN20i3,  CjeHj^jN^Oig  und  CgQHjsgNjOji 
ableiten  lassen;  ob  es  mit  Cerebrin  homolog  ist  oder  sich  von  demselben  nur 
durch  einen  Mindergehalt  von  H^O  unterscheidet,  ist  noch  unentschieden. 

Das  Enkephalin  ist  nur  in  sehr  geringer  Menge  im  Gehirn  enthalten;  es 
krystallisirt  in  leicht  gekrümmten,  schönen  Blättchen,  und  vermag  mit  Alkohol 
eine  Gallerte  zu  bilden.  Mit  Wasser  gekocht  liefert  es  einen  vollkommenen 
Kleister,  der  auch  beim  Erkalten  fortbesteht;  im  Uebrigen  verhält  es  sich  ähnlich 
wie  Cerebrin  und  Homocerebrin.  Seine  Zusammensetzung  fand  Parcus:  68'40JC, 
11'60JH,  3-09JN,  16-91 JO,  woraus  man  die  Formel  CiojHjogN^Oig  ableiten 
kann.  E.  Drechsel. 

Cerium*),  Ce  =  141,2.  Im  Jahre  1751  entdeckte  Cronstedt  (i)  in  einem  zu 
Bastnäs  gefundenen  Mineral,  Schwerstein  genannt,  eine  zuvor  unbekannte  Erde. 
Doch  obwohl  Bergmann  im  Jahre  1 784  die  Untersuchung  fortführte,  so  gelang  es 
doch  erst  Klaproth  (2),  Berzelius  und  Hisinger  (3),  welche  gleichzeitig  und  un- 
abhängig von  einander  arbeiteten,  die  neue  Erde  im  Jahre  1803  zu  isoliren.  Kläp 
ROTH  nannte  dieselbe  »Ochroiterde«,  während  die  beiden  anderen  Forscher  dem 
ihr  zu  Grunde  liegenden  Metall  den  Namen  »Cerium c  gaben,  nach  einem  kurze 
Zeit  zuvor  neuentdeckten  und  Ceres  genannten  Planeten. 

Die  sogen.  Cererde  erwies  sich  jedoch  bei  den  späteren  Untersuchungen 
Mosander's  (4)  als  nicht  völlig  gleichartig,  denn  es  gelang  ihm  in  den  Jahren  1839 
und  1841  noch  zwei  andere  Erden  aus  ihr  abzutrennen,  die  Oxyde  des  Lanthans 
und  Didyms. 

Die  Cererde  findet  sich  in  sehr  zahlreichen,  besonders  schwedischen  Mineralien, 
doch  immer  nur  spärlich  und  in  der  Regel  von  Lanthan-  und  Didymverbindungen 
begleitet.  Cer haltige  Silicate  sind:  Cerit,  Gadolinit,  Akanit,  Bodenit,  Erdmannit, 
Murmontit  und  Michaelsonit;  Fluorcerium  ist  in  Fluorcerit,  Fluorcerin  und  Yttro- 
cerit;  Ceriumphosphat  in  Monazit,  Tumerit,  Churchit  und  Cryptolit  enthalten. 
Kohlensaures  Ceroxydul  findet  sich  im  Parisit,  Kischtimit,  Hamartit  und  neben 
Niob  und  Tantal  kommt  Cerium  auch  im  Aeschinit,  Euxenit,  Fergusonit,  Samar- 
skit  u.  a.  vor.  In  kleineren  Mengen  wurde  Cer  in  noch  vielen  anderen  Mineralien 
gefunden,  deren  Verarbeitung  weniger  lohnend  ist.  Der  Apatit  von  Jumüla  in 
Spanien  enthält  1-75^  Ceriterden  (Ce,  La  und  Di)  [de  Luna  (5)],  im  Apatit  von 
Kragerö  sind  phosphorsaure  Ceriterden  in  solcher  Menge  enthalten,  dass  nach 
Nordenskjöld's  (i)  Schätzung  jährlich  500 — 1000  Centner  Ceriterden  in  jenem 
Apatit  aus  Norwegen  exportirt  werden. 


•)  i)  Gmelin- Kraut's  Handb.  Bd.  2.  Abth.  i,  pag.  499.  2)  Klaproth.  A.  Gehl.  2, 
pag.  303.  Beiträge  4,  pag.  140.  3)  Berzelius  u.  Hisinger,  Afhandl.  i  Fys  Kemi  och  Mineral  i, 
pag.  58.  A.  Gehl.  2,  pag.  397.  4)  Mosander,  Sv.  Vet.  Akad.  Handb.  1826,  pag.  299.  Pogc  ii, 
pag.  406.  5)  de  Luna,  C.  r.  63,  pag.  220.  6)  Marignac,  A.  sc.  phys.  nat.  8,  pag.  265. 
7)  BuNSEN,  PoGG.  155,  pag.  375.  8)  Wöhler,  Mineralanalyse.  Göttingen  i86r,  pag.  126. 
9)  Gmelin-Kraut's  Handb.  Bd.  2.  Abth.  i,  pag.  500.  10)  Jolin,  Bull.  soc.  chim.  [2]  21,  pag.  533. 
II)  BUNSKN,  PoGG.  155,  pag.  375.  12)  GiBBS,  SiU.  am.  J.  [2]  37,  pag.  352.  J.  B.  1864,  pag.  702. 
13)  Gmelin-Kraut's  Handb.  L  c.  pag.  501  u.  f.  14)  Pattinson  u.  Clarke,  Chem.  N.  16, 
pag.  2^9.  15)  Hillebrand  u.  Norton,  Pogg.  155,  pag.  633;  156,  pag.  466,  16)  Wohles, 
Ann.  144,  pag.  251.  17)  Marignac,  Arch.  sc.  phys.  nat  8,  pag.  265.  Ann.  6S,  pag.  212* 
18)  BuNSEN  u.  Jegel,  Ann.  105,  pag.  45.  19)  Rammelsberg,  Pogg.  108,  pag.  43.  20)  Wolf, 
SiU.  am.  J.  [2]  45,  pag.  53.  21)  Wing,  ibid.  49,  pag.  358.  22)  BÜHRIG,  J.  pr.  [2]  12,  pag.  226. 
23)  Mendelejeff,  Ann.  Sappl.  8,  pag.  186.     24)  Hillebrand,  Pogg.  158,  pag.  71. 


Cerium.  513 

Zum  Zweck  der  Abscheidung  des  Ceriums  ms  jenen  Mineralien  sind  zunächst 
die  Ceriterden  aus  dem  Material  auszuziehen,  eine  Arbeit,  welche  mittelst  Salz- 
säure oder  Königswasser,  weit  zweckmässiger  aber  mit  Hilfe  von  Schwefelsäure 
auszuführen  ist.  Das  (um  es  leichter  pulverisirbar  zu  machen)  zuvor  ausgeglühte  Erz 
wird  gepulvert  und  mit  einem  bedeutenden  Ueberschuss  an  concentrirter  Schwefel- 
säure in  einem  hessischen  Tiegel  zusammengerührt.  Nachdem  die  erste  Reaction 
vorüber  ist,  erhitzt  man  den  Tiegel  längere  Zeit  zur  beginnenden  Glühhitze.  Die 
erkaltete  Masse  wird  nun  gepulvert  und  langsam  in  eiskaltes  Wasser  eingetragen, 
unter  der  Vorsicht,  dass  sich  dieses  nicht  erhitzt,  und  es  gelangen  so  die  aufge- 
schlossenen Ceritoxyde  in  die  Lösung.  Der  Rückstand  ist  noch  mehrere  Male 
der  Behandlung  mit  conc.  Schwefelsäure  auszusetzen,  damit  alle  Ceriterden  in 
Lösung  gehen.  Der  grösste  Theil  des  Eisens  bleibt  als  unlöslich  zurück,  die 
Lösung  selbst  wird  aber  zum  Kochen  erhitzt,  wobei  sich  die  Sulfate  der  Cerit- 
erden abscheiden.  Man  löst  sie  wieder  in  kaltem  Wasser  und  fällt  sie  durch 
abermaliges  Erhitzen  [Marignac  (6),  Bunsen  (7),  Wöhler  (8)]. 

Zahlreiche  andere  Fällungsmethoden  der  Ceriterden  sind  angegeben  worden  (9), 
doch  zeichnet  sich  die  erwähnte  durch  ihre  Einfachheit  vor  jenen  aus. 

Die  Trennung  des  Ceriums  von  Lanthan  und  Didym  kann  mit  mehr  oder 
weniger  Erfolg  auf  sehr  verschiedene  Weise  vorgenommen  werden,  doch  ist  oft 
eine  mehrfache  Wiederholung  der  Operation  nöthig,  um  die  Cerverbindung  völlig 
von  jenen  Substanzen  zu  befreien. 

Besonders  gerühmt  wurde  das  von  Jolin  (10)  angegebene,  auf  der  Methode 
Mosander's  beruhende  Verfahren,  nach  welchem  das  rohe  Oxyd  in  Salzsäure 
gelöst  und  dann  durch  überschüssige  Natronlauge  gefällt  wird,  worauf  man  in 
die  den  Niederschlag  enthaltende  alkalische  Flüssigkeit  Chlorgas  einleitet,  wobei 
Lanthan-  und  Didymoxyd  gelöst  werden,  während  das  gelbe  Cerhydroxyd  unan- 
gegrififen  bleibt.  Die  ganze  Operation  ist  so  oft  zu  wiederholen  (5 — 6  mal),  bis 
die  concentrirte  Lösung  der  Ceroxyde  keine  dem  Didym  zugehörigen  Absorptions- 
streifen mehr  zeigt.  Zum  Schluss  fällt  man  die  salzsaure  Lösung  der  Cererde 
durch  Oxalsäure,  wäscht  und  glüht  den  Niederschlag,  löst  ihn  unter  Beihilfe  von 
schwefliger  Säure  in  Schwefelsäure,  entfernt  andere  Metalle  durch  Schwefelwasser- 
stoff und  lässt  endlich  das  Cersulfat  aus  der  Lösung  auskrystallisiren. 

BuNSEN  (i  i)  löst  die  beim  Eindampfen  der  salpetersauren  Lösung  der  Cerit- 
oxyde hinterbleibende  Masse  in  kaltem  Wasser  und  kocht  längere  Zeit  unter 
Zusatz  von  höchst  verdünnter  Schwefelsäure  (2  Cbcm.  conc.  Schwefelsäure  auf 
1  Liter  Wasser;  auf  je  250  Grm.  Oxyde  3  Liter).  Das  meiste  Cer  fällt  als  basisches 
Sulfat  aus,  welches  durch  Schwefelsäure  gelöst  und  durch  viel  kochendes  Wasser 
wieder  gefällt  wird. 

GiBBS  (12)  empfiehlt,  die  Lösung  der  Oxyde  in  verdünnter  Salpetersäure  mit 
Bleisuperoxyd  zu  kochen,  wobei  die  Lösung  in  Folge  der  Bildung  von  Ceroxyd- 
salz  Orangeroth  wird;  dann  dampft  man  zur  Trockne  und  kocht  mit  salpeter- 
säurehaltigem Wasser  Lanthan  und  Didym  aus.  Der  Rückstand  wird  in  Salpeter- 
säure gelöst  und  schliesslich,  nachdem  fremde  Metalle  mit  Schwefelwasserstoff 
gefällt  sind,  das  Ceroxydul  durch  Oxalsäure  niedergeschlagen. 

Von  den  zahlreichen  sonstigen  Trennungsmethoden  (13)  sei  noch  das  sehr 
einfache  Verfahren  von  Pattinson  und  Clarke  (14)  erwähnt.  Hiernach  löst  man 
die  Ceriterde  in  Chromsäure,  verdunstet  zur  Trockne  und  erhitzt  auf  110°.  Wird 
nun  der  Rückstand  mit  heissem  Wasser  behandelt,  so  lösen  sich  Lanthan  und 
Didymoxyd  auf,  während  Ceroxyd  zurückbleibt. 

LiADCKBUftG,  Chemie.    IL  ^^ 


514  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Zur  Abscheidung  des  metallischen  Ceriums  aus  seinen  Verbindungen 
wandten  Bunsen,  Hillebrand  und  Norton  (15)  die  Electrolyse  des  geschmolzenen 
Ceriumchlorürs  an  unter  Benutzung  eines  dicken  Eisendrathes  als  negative  Elec- 
trode  und  Anwendung  von  4  Kohlenzinkelementen.  Es  wurden  Metallkugeln 
bis  zu  6  Grm.  Gewicht  auf  diese  Weise  erhalten. 

WöHLER  (16)  gewann  das  Cerium  durch  Schmelzen  eines  Gemisches  aus 
Ceriumchlorür,  Chlorkalium  und  Salmiak  und  Eintragen  der  gepulverten  und  mit 
Natriumstücken  vermengten  Schmelze  in  einen  glühenden  Tiegel.  Es  wird 
schliesslich  noch  bis  zur  Verflüchtigung  des  überschüssigen  Natriums  erhitzt 
Beim  Zerschlagen  des  Tiegels  zeigen  sich  viele  kleine  Metallkugeln  in  der  grauen 
Schlacke,  welche  durch  Wasser  von  denselben  getrennt  wird. 

Das  electrolytisch  gewonnene  Cerium  ist  eisengrau  und  sehr  ductil.  Sein 
specifisches  Gewicht  ist  6*628,  nach  dem  Umschmelzen  6*728.  Seine  Härte  ist 
die  des  Kalkspaths  und  Silbers,  sein  Schmelzpunkt  liegt  zwischen  demjenigen 
des  Antimons  und  Silbers.  Das  durch  Natrium  reducirte  Metall,  welches  wohl 
noch  etwas  Lanthan  und  Didym  enthielt,  zeigte  ein  spec.  Gew.  von  5*5. 

Das  Atomgewicht  des  Ceriums  fand  Marignac  (17)  zu  138;  Bunsen  und 
Jegel  (18)  zu  138-5;  13803;  138-2;  Rammelsberg  (19)  138*22,  Wolf  (20)  und 
WiNY  (21)  137;  BüHRiG  (22)  141*27. 

Früher  hatte  man  die  Formel  des  Ceroxyduls  als  CeO  und  die  des  Oxyds 
als  Cß304  angenommen  und  dabei  das  Atomgewicht  92  berechnet  Mendelejeit 
(23)  schlug  aber  vor,  für  das  Cerium,  damit  es  in  der  Tabelle  des  periodischen 
Gesetzes  den  seinen  Eigenschaften  entsprechenden  Platz  erhalte,  die  Zahl  138  =  f  92 
als  Atomgewicht  anzunehmen.  Neuere  Untersuchungen,  insbesondere  die  Be- 
stimmung der  specifischen  Wärme  des  Ceriums  durch  Hillebrand  (24),  welche 
0*04479  ergab,  bestätigten  jene  Annahme.  Hiemach  ist  das  Oxydul  als  Ce^Oj 
zu  betrachten  und  das  Ceriumdoppelatom  in  dieser  Verbindung  sechswerüüg, 
das  Ceratom  im  Oxyd  als  vierwerthig  anzunehmen. 

Oxyde  des  Cers. 

Ceroxydul,  Ce^Oj,  entsteht  beim  starken  Glühen  des  MetaJles  an  der  Luft 
und  beim  Glühen  des  Oxyds  im  Wasserstoffstrom ;  im  letzteren  Fall  findet  die  Reduc- 
tion  nicht  vollständig  statt.  Durch  Glühen  des  Oxalsäuren  oder  kohlensauren  Salzes 
in  Wasserstoffgas  wird  das  Oxydul  am  reinsten  gewonnen,  doch  oxydirt  es  sich 
leicht  von  selbst  wieder,  sobald  es  an  die  Luft  gebracht  wird.  Gelbliche,  graue 
oder  weisse  Masse.  Krystallisirt  (in  tesseralen  Formen)  erhielt  es  Nordenskjöld 
(25)  durch  Glühen  von  Ceröxyd  mit  Borax. 

Cerhydroxydul  scheidet  sich  als  weisser,  an  der  Luft  grau  und  gelb  werden- 
der Niederschlag  bei  Vermischen  der  Ceroxydulsalzlösungen  mit  Alkalilauge  aus, 

Ceriumoxyd,  CeO^.  Durch  Erhitzen  des  Metalles  an  der  Luft  verbrennt 
ein  Theil  desselben  mit  glänzender  Flamme  zu  Oxyd.  Auch  durch  Glühen  des 
Ceriumnitrats  oder  -carbonats  wird  es  erhalten.  Citrongelbes  Pulver,  beim  Er- 
hitzen vorübergehend  dunkelgelb  werdend. 

Cerhydroxyd  bildet  sich,  wenn  Chlorgas  zu  in  Wasser  suspendirtem  Cer- 
hydroxydul geleitet  wird;  ferner  bei  der  Fällung  seiner  Salzlösungen  durch 
Alkalien.     Citrongelbes  Pulver. 

Ceriumchlorür,  Ce2Clg.  Aus  Cerium  und  Chlorgas  oder  durch  Ein- 
dampfen einer  mit  Salmiak  vermischten  Lösung  des  Oxyduls  in  Salzsäure  und 
Glühen    darstellbar.      Weisse    Masse.      Mit    15  Mol.    Krystallwasser   verbunden 


Cerium.  515 

krystallisirt  das  Salz  aus  der  S)rrupdicken  Lösung  in  farblosen,  vierseitigen  Prismen, 
welche  an  der  Luft  zerfliesslich  sind. 

CeriumoxychlorUr,  Ce^OCj,  bleibt  als  Rückstand  beim  Glühen  des  wasserhaltigen 
Chlorüis  an  der  Luft.  Aus  der  Schlacke,  welche  bei  der  Gewinnung  des  Metalls  mittelst  Natrium 
erhalten  wird,  scheidet  das  Oxychlorür  sich  beim  Behandeln  mit  Wasser  als  dunkelpurpumes, 
schimmerndes  Pulver  ab. 

CeriumbromUr  und  -jodUr  werden  aus  den  Lösungen  des  Oxyduls  in  Brom-  oder  Jod- 
wasserstoffsäure erhalten.     Farblose  und  hygroskopische  KrystaUe. 

Cerium fluorUr,  Ce^Fl^.  Natürlich  als  Fluocerit.  Aus  dem  Chlorür  und  Fluornatrium 
darstellbar.     Weisser  Niederschlag. 

Ceriumsulfür,  Ce^S,.  Beim  Erhitzen  des  Cermetalls  in  Schwefeldampf  verbrennt  es  zu 
gelbem  SulfÜr.  In  Form  gelber,  dem  Musivgold  ähnlicher  Schuppen  wird  es  erhalten,  wenn 
1  Tbl.  Ceroxyd  mit  3  Thln.  Kalischwefelleber  geglüht  wird.  Verbrennt  beim  Glühen  an  der 
Luft  in  indifferenten  Gasen.  Erhitzt  wird  es  roth,  dann  schwarz,  beim  Erkalten  wiederum  gelb. 
Selbst  die  schwächsten  Säuren  zersetzen  das  SulfÜr  unter  Schwefelwasserstoffentwicklung. 

Schwefelsaures  Ceroxydul,  Ce2(SO^)3.  Aus  Ceroxydulcarbonat  und  verdünnter 
Schwefelsäure  oder  Ceroxyd  und  schwefliger  Säure.  Krystallisirt  je  nach  Umständen  mit  5  Mol., 
6  MoL,  8  Mol.,  9  Mol.  oder  12  Mol.  Krystallwasser  in  farblosen  Krystallen.  Die  wasserhaltigen 
Salze  hinterlassen  bei  stärkerem  Erhitzen  wasserfreies  Sulfat  als  weisses  Pulver. 

Ein  Ceroxyduloxydsulfat  von  dunkelgelbrother,  dichroitischer  Farbe  bildet  sich  beim 
Erhitzen  von  Ceroxyd  mit  concentrirter  Schwefelsäure.     Seine  Lösung  ist  gelbroth. 

Salpetersaueres  Ceroxydul,  Ce2(N03)g  +  I2H2O.  Aus  Cersulfat  und  Bariumnitrat. 
Farblose  Tafeln.  ^ 

Kohlensaures  Ceroxydul,  Ce,(CO,),  mit  5  und  9  Mol.  H3O.  Wird  durch  Fällen 
einer  Oxydulsalzlösung  mit  Natriumcarbonat  erhalten  und  bildet  einen  weissen,  nach  dem  Trocknen 
silberglänzenden  Niederschlag,  welcher  aus  mikroskopischen  Prismen  besteht. 

Schwefelsaures  Ceroxyd,  C(SO^),  +  4H30.  Krystallisirt  aus  der  gelben  Lösung  des 
Oxyds  in  verdünnter  Schwefelsäure  in  gelben  Massen.  Bei  Zusatz  von  Wasser  scheidet  sich  aus 
dem  normalen  Sulfat  oder  seiner  Lösung  in  verdünnter  Schwefelsäure  ein  gelbes,  basisches  Salz 
ab,  das  an  siedendes  Wasser  allmählich  alle  Schwefelsäure  abgibt. 

Salpeter  säur  es  Ceroxyd.     Honiggelbe  Krystallmasse. 

Kohlensaures  Ceroxyd.     Weisses  Pulver. 

Reactionen  der  Cerverbindungen. 

Die  normalen  Ceroxydulsalze  sind  farblos.  Alkalien  fallen  aus  ihren 
Lösungen  weisses,  an  der  Luft  grau  und  dann  gelb  werdendes  Hydroxydul. 
Alkalicarbonate  scheiden  Ceroxydulcarbonat  aus,  Alkaliorthophosphat  analog 
weisses  Cerphosphat.  Eine  concentrirte  Lösung  von  Kalium-  oder  Natriumsulfat 
föllt  aus  etwas  concentrirten  Ceroxydulsalzlösungen  krystallinische  Doppelsalze. 
Natriumhypochlorit  fällt  aus  Ceroxydulsalzlösungen  gelbes  Cerhydroxyd.  Ferro- 
cyankalium  scheidet  weisses  Cerferrocyanür  aus. 

Die  Ceroxydsalze  sind  wenig  beständig.  Wird  ihre  wässrige,  mit  Salz- 
säure versetzte  Lösung  gekocht,  so  entstehen  Oxydulsalze  unter  Freiwerden  von 
Chlor.  Alkalien  fällen  aus  den  gelben  Lösungen  gelbes  Cerhydroxyd.  Ferro- 
und  Ferricyankalium  erzeugen  ebenfalls  gelbe  Niederschläge. 

Strychninhaltige  Schwefelsäure  wird  durch  Ceroxyd  blauviolett  gefärbt  wie 
durch  Chromsäure. 

Die  Lösungen  der  Ceroxydulsalze  sowohl  als  die  der  Oxydsalze  zeigen  kein 
Absorptionsspectrum.  — 

Die  Trennung  der  Cerverbindungen  von  denjenigen  anderer  Metalle  ergiebt  sich 
aus  den  oben  erwähnten,  zur  Reingewinnung  der  Cerverbindungen  anzuwendenden 
Scheidungsmethoden.  Heuücann. 

33* 


5i6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Chemie,*)  Name.    Im  Zeitalter  der  Ptolemäer,  als  die  jüdischen  Hellenisten 
in  Aegypten  begannen,  die  biblische  Weltgeschichte  mit  den  Historien  der  Griechen 


•)  i)  Synkellos,  Chron.,  pag.  12.  2)  Clementina  ed.  DE  Lagarde  9,  pag.  3  £  3)  Collat. 
8,  21.  4)  VergL  Petrus  Lambecius  Prodrom,  histor.  literar.  lib.  I.  c.  IV,  3.  Die  alten 
Quellen  findet  man  sorgfältig  gesichtet  in  H.  Kopp's  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Chemie  1869, 
die  hier  stets  vorausgesetzt,  nur  selten  citirt  werden.    5)  Synkellos  Chronogr.  ed.  Bonn,  pag.  13. 

6)  Vergl.   noch   Suidas  unter  <Pauvoc  und  BoRRiCHius  de  ortu  et  progressu  chemiae,   pag.  53. 

7)  Hieronymus,  Quaest.  in  Genesin  ed.  de  Lagarde,  pag.  13,  26.    8)  Gegen  Boeriiave  bei  Kopp, 
Beiträge  pag.  55.     9)  Vergl.  Lobeck,  Aglaophamus  1340  f.   —  Das  Ms.  Fol.  199  r  giebt   ein 
wohl    auch    von    Zosimos    überliefertes    chemisch -hieroglyphisches   Alphabet       10)    Jamblich, 
de    myst.  8,    5;     10,    7.      11)  Histoire    de    la   chimie    1843  L,    pag.  502.      12)  VergL    weiter 
unten.     Die  Allegorie  stammt  aus  Ezechiel  i,  4  »aus  der  Wolke  wie  das  Chaschmalauge  mitten 
aus   dem   Feuer«.   —  Ms.  Gotha  190  r    oben.      13)  VergL   Gelesan  bei  Stephanos  in  Idelsr's 
Physici  et  medici   Graeci  II,    247,   23.     14)   Exercit.   Plin.   ad  Solin.,   pag.  1098.      15)  Ideux, 
Phys.  Graec.   1842  II,  pag.  246.     16)  Diese  beiden  Worte  haben  im  gothaer  Ms.  das  Tilgangs- 
zeichen;   vielleicht  mit  Unrecht  s.  u.    Pizimentius  lässt  sie  aus.     17)  Ibn-an-Nadim's  Flhrist  ed. 
Flügel  I,   353,   24.     18)  Müller,  Fragm.   bist  Graec.  n,  pag.  548  f.  vergl.  Ebers,  Papyros- 
Ebers,    Vorrede.     Brugsch,    Geschichte  Aegyptens    1877,    pag.  70.      19)    Navhxe    in    Rrnie 
Egyptologique  1880  I,  pag.  165.    Note  3.    Brugsch  a.  a.  O.,  pag.  562  f.     20)  Verg^  Maspero 
in  Lepsius'  Zeitschrift  für  ägypt  Sprache    1882,    pag.  129,  XXVII,    i.     21)   De  myst.  8,  3. 
22)    Jablonski,     Pantheon    ^egypt   I,     pag.   96.      23)   Vergl.    die    pantheistischen    Ammon- 
hymnen:    Papyrus  Harris  übers,   von  Chabas  in  Records  of  the  Past,  London  X,   pag.  137  f; 
Stern   in  Lepsius*  Zeitschrift  1873,  pag.  76.     24)  Synkellos,  p.  P.  359.     25)  Astron.  lib.  m, 
5,  90  loco.     26)  Etym.   ling.  lat.  Amstel.  1695,   pag.  20.     27)  Beiträge  pag.  45.     28}  Astn». 
lib.  VI.  praef.   ed.  Aid.     Sollte   nicht  Überall  fAopcoT^^eacc  dgL   d.  h.  die  Geburt  nach  den  Con- 
stellationen  in  den  Th eilen  des  Zodiakus,   herzustellen  sein?     29)  S.  femer  V.  praeü ;  V,  1; 
Petosiris  Vm,    i.    VIU,   5.      30)    Plin.    bist    nat.  VU,    pag.  49   (50).      31)    VergL    Pauly's 
Realencyclop.  der  class.  Alterthumsw.  V,  pag.  497.   1393.     32)  Letronne  in  Notices  et  Extzaits 
desMss.  de  la  bibl.  Imperiale  XVni,  pag.  236.    33)  Ms.  British  Museum  Egerton  709  FoL45r, 
welches    in    einer    Abschrift    des    Herrn    Prof.    Baethgen    vorliegt.       34)    Firmicus    V,     i6l 
35)  Ibd.  IV,   14.     36)  Fabriciüs,  Bibl.  Gr.  1740  XII,  pag.  765,  vergL  Kopp,  Beiträge  pag.  91, 
Ms.  Gotha  FoL  175  r.     37)  Vergl.  hierüber  unten  pag.  527.     38)  x^tpotlJiV^^  erklärt  sich  ans 
Irefuv  bei  Synesios  in  Fabricius  BibL  Gr.  1729  t  VIII,  pag.  329  §  IX;    es  hat  ebenso  Geltung 
wie  y(tipoTt)(yf^'za  und  x^^P^^^^'  chemische  Manipulationen.    38  a)  S.  die  Noten  zum  Hierodes 
XXVII,   70  hinter  Gaisford's  Stobacus,  pag.  178.     38  b)  Vergl.  z.  B.  den  Anfang  der  syxiscben 
Uebersetzung  des  Demokritos.    38  c)  Firmicus  Astron.  VII.  praef.    38  d)  Hoefer,  Histoire  de  la 
chimie  I.  ed.  I,  pag.  503.    38 e)  Ed.  Meyer,  Set-Typhon  1875,  pag»  »3-    38f)PLEW,  de  Sarqiide 
Regiomonti  1868  Diss.,  pag.  13  f.     39)  Lobeck,  Aglaophamus  I,  pag.  740  N.    40)  S.  Brugsch 
in  Lepsius'  Zeitschr.  f.  ägypt.  Sprache  1881,  pag.  99.   No.  42.    41)  Ms.  Gotha  FoL  94  b,  vergL 
85V  87V  89r  91 V  93V  iisr  164 v.    42)  Hoefer,  Hist.  I,  pag.  503.    43)  Der  Text  der  gothacr 
Handschrift  ist  sehr  verwahrlost.     Ich  stelle  ihn  dem  Sinne  nach  her.     44)  Skithe  lag  in  der 
nitrischen  Wüste  im  W.  des  Deltas;  Terenuthis  ist  Terrane:    vergL  die  Karten  bei  Larsow,  die 
Festbriefe  des  heiligen  Athanasius  1852,  pag.  3  f.  —  'Qtvrfi  li^o^  »Eierstein c,   heisst  Fol.  137  v 
im  Lexikon  noch  TcpevouDev  und  ^puaoxoXXa.     Denn  das  Eidotter  (aus  dem  Hephästos  der  Vater 
des   Imuth    entsprang)   Sonne    u.   Gold    gelten    den    Chemikern   gleich.     Daher   die   zahlreiclien 
Xeria,  welche  aus  li^iem  bereitet  werden.    (Syr.  Ms.  Egerton.)    45)  Hoefer,  Hist  de  la  cfaim. 

I  ed.  I,  pag.  258.  273.  Syr.  Ms.  Egerton  709,  FoL  56  rect.  46)  Hoefer  I,  pag.  503.  Im 
Ms.  Gotha  FoL  2i4r  'Opfxavoud.  Wahrscheinlich  ist  damit  der  Isistempel  in  Menuthis  (Eumenuthis), 
ganz  nahe  bei  Kanobos,  gemeint.  L.  Jablonski,  Pantheon  Aeg.  m,  pag.  153.  154  und  Boeckb 
C.  I.  Gr.  No.  4683b.  Brugsch,  Geogr.  Inschr.  altägypt.  Denkm.  I,  pag.  29a  47)  Veigl. 
Pott  in  Zeitschr.  der  deutsch.  morgenL  Gesellsch.  XXX,  pag.  17.  48)  Lobeck;  Aglaoj^iamBS 
936  N.  49)  BoRRiCHius  de  ortu  et  progressu  chemiae  1688,  pag.  28  ff.  Chwohlsok,  Ssabierü, 
pag.  839.     50)  Ms.  Mus.  Brit.  Syr.  Egerton  709   Fol.  44 r.    Abschrift  Basthgen's.    51)  Veigl. 


Chemie.  5 1 7 

und  Aegypter  durch  Ausdeutung  in  Einklang  zu  setzen,  wurde  der  Ursprung  der 
heidnischen  Wissenschaften,  wie  der  Kosmetik,  der  Metallurgie  und  Astronomie, 
zumal  wenn  sie  im  Zusammenhang  mit  dem  Priesterthum  oder  der  Magie  standen, 
dem  in  der  Genesis  6,  i  —  2  berichteten  Umgang  der  Menschentöchter  mit 
den  Söhnen  der  Götter  vor  der  Sintfluth,  insonderheit  dem  Engel  Azazel,  zuge- 
schrieben. Aus  den  apokryphischen  Büchern  der  Juden,  wie  dem  Buche  Henoch  (i) 
(Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.),  wurden  diese  Sagen  von  den  Christen 
der  ersten  Jahrhunderte  entlehnt.  So  wird  in  dem  christlichen  Roman  des 
Römers  Qemens  (2)  Cham,  der  Sohn  Noa's  und  Vater  Mestrems,  d.  i. 
Aegyptens,  als  der  Magier  vorausgesetzt,  welcher  spätem  Geschlechtem  die  vor- 
sintfluthliche  Wissenschaft  vererbt  habe.    Jo.  Cassianus  (3),  ein  Schriftsteller  des 


Synesios  in  Fabricius  BibL  Gr.  VHI,   pag.  235    §  in  f.     Schon  im  Griechischen  ist  sehr  häufig 
das   Zeichen    des    zunehmenden    Mondes    in   »Mond«    statt   Quecksilber  verlesen.     52)  Vergl. 
Stephanos   in  Ideler's  Pbysici  Graeci  n,   204,  29;    205,  20;   216,  20  u.  s.  w.     53)  Theatrum 
chemicum  Argentorati   1659  m,   pag.  434.  726.    IV,  pag.  546.   891.     54)  Mangeti  bibliotheca 
Vol.  I,  pag.  63.    Cap.  n,  pag.  64,  op.  I.     55)  de  Iside  et  Osiride  c.  33.     56)  Stobaeus,  pag.  951 
ed.  Gaisford  I,  pag.  406.     57)  Titel  einer  hermetischen  Schrift  bei  Stobaeus.     58)  Bei  manchen 
Operationen,  scheint  es,  wurde  diese  Schwärze  in  einem  StUck  Leinwand  (n^GcXov)  in  die  >Wachs- 
schmelxe«   XTjpoTOxic,   eine   Art  Tiegel  gethan.     59)  Vergl.   schon  Salmasiüs  Exercit.   Plin.    ad 
Solin.,  pag.  1060.    Auf  dieselbe  schwarze  ZersetzungsbrUhe  bezieht,  sich  der  Ausdruck  »Fäule  der 
Isisc   bei  Stephanos   s.  u.,   d.  h.   der  um   den   todten  Osiris  trauernden  Gattin?    vergl.  Plutarch 
de  Is.  c  52.    Amob.  i,  36.    Orph.  Hymn.  42,  9.     60)  Oben  pag.  520.     61)  Diod.  Sic.  I,  25. 
Lepsius,  Zcitschr.  f.  ägypt.  Sprache  1875,  P*g-  54i   *'5J    ^^74,  pag.  79.     62)  Vergl.  die  Daten 
bei    dem    Syrer   Ms.   Egerton   709,     Fol.  17b,    Nisän   bis   TischriU  11;    Chzfrän    bis    Tischri. 
63)  Plutarch.   de  Iside  c.  39.     64)  Fol.  183b   83a   178b  vergl.  Stephanos  bei  Ideler,   Phys. 
Grr.  n,    pag.  212,    13.    14.     Die  Juden  dachten  dabei  an  den  Nordwind,   Ezechiel  i,  4  vergl. 
Anmerk.    12.     65)   Plut   de  Is.   c.  39.     66)  Vergl.  du  Gange,  Lex.   med.   Graec.   unter  xtp^a. 
Ein   anderer  Name  der  Chemie  ist  V|  piepcx^  "^X^   »Kunst  der  Proportionen  der  Metalle«   bei 
Hdros    an  Kronamm6n,  FoL  183 v  83a,*  so  (xepncal  xaxaßa^l  bei  Zosimos,  Imuth,   Omega,  An- 
fang. —  Kijpfov  erklärt  sich  leicht  aus  Synesios  bei  Fabricius,  BibL  Gr.  Vm,  pag.  239  §  Vm. 
67)  Bei   Clemens,  Protrept,   pag.  14  Sylb.     68)  Histor.   eccles.  II,   23.     69)   S.  Brugsch  in 
Lepsius  Zeitschr.  f.  ägypt  Sprache  1881,  pag.  100,  No.  45,  vergl.  pag.  89,  No.  10.    Dümichen 
ibid.  1879,  P<^'  9^-    Lepsius,  Die  Metalle  in  den  ägypt  Inschriften  (Abh.  d.  Berl.  Akad.  187 1), 
pag.  54.     70)  Plut   de  Is.    c  22.     71)  Vergl.   die  Hekate  aus  dreifarbigem  Wachs  bei  Porphyr. 
in  £iueb.  piaep.  ev.,    pag.  202  c  204  d  mit  lambl.  de  myst  ed.  Parthey,  pag.  233,   12;   234,  9. 
72)  Setea-roman  in  Records  of  the  Past,  London  IV,  pag.  35.    73)  Chwohlson,  Die  Ssabier  n, 
pag:.  396,    Note  97.      74)  Erhalten  bei   Stephanos  in   Ideler  Phys.   Grr.  n,    pag.  248,    35  ff. 
75)  Plew  de  Sarapide,   Regiomonti  1868,   pag.  31  Diss.;    Pietschmann,    Hermes  Trismegistos, 
pag^.  24.     76)  Diodor,  Lib.  I,  pag.  25,  vergl.  mit  Stobaeus  phys.  928  etc.    77)  Hoefer,  Hist  de  la 
chimie  I,  pag.  503.    78)  Lepsius  Zeitschrift  1879,  pag.  85;   1880,  pag.  137.    79)  Böttiger,  Klein. 
Schrift.  H,  2 10  ff.    80)  S.  o.    81)  Jablonski,  Pantheon  Aeg.  I,  pag.  81.    82)  Im  Lexikon,  Ms.  Gotiia, 
Fol.  134V  und  bei  du  Gange.     83)  Ideler,  Phys.  Grr.  H,  pag.  252,  30.    84)  Ibid.  n,  236,  36, 
vergL    Ms.  Gotha,   Fol.  29  r.     85)  Bei  Stephanos,  a.  a.  O.  n,   pag.  127.     86)  Es  ist  nicht  er- 
sichtlich,  ob  Ideler   nach  der  gothaer  Hs.   oder  ihrer  pariser  Vorlage  ediert  hat.     Die  gothaer 
hat    FoL   14b  die  Worte  xM*^  ^offlti  so  ohne  Zeichen,   am  Rande  bei  der  zugehörigen  Zeile. 
PIZOCBNTIUS    in   Democritus    Abderita    de    arte    magna    Patavii    1673,    pag.   37    lässt    sie    aus. 
87)  Ms.  Gotha  Fol.  96  r  97  r   I38r  u.  a.     88)  Kopp,  Beiträge,  pag.  57  u.  73.     89)  Zeitechrift 
d.    deutsch,  morgenl.  Gesellsch.  XXX,    pag.  537.     90)  Stephanos  bei  Ideler  II.  253,   pag.  4; 
2C>6,   pag.  27,  30;  249,  pag.  24,  31.    91)  Bei  du  Gange  Lex.  med.  Graec.  Notarum  characteres 
pag.   16    steht  X  6  X"f*^^     9^)  Boeckh,   C.  I.    Gr.  1570.    I,  pag.  750.     93)  Nach  dem  Fihrist 
des  Ibn-an-Nadim  ed.  Flügel  I,  pag.  354,   19  schrieb  Sergios  von  Resaena  in  Mesopotamien  ein 
Buch  an  den  Bischof  Kyros  vonEdessa.    Ein  Pseudepigraphon?    94)  Vergl.  du  Gange,  pag.  15 15. 


5i8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

4.  Jahrhunderts,    ^eiss,    dass  Cham   dieselbe   auf  »Platten«   aus  verschiedenen 
Metallen   eingegraben,   wie  man  sonst  Aebafiches  von  Seth,   dem  babylonischen 
Xisuthros  u.  A.  erzählte,   um  sie  hinter  dem  Rücken  seines  Vaters  Noa  vor  der 
Zerstörung  durch  das  Wasser  zu  retten.     Schon  zu  Beginn  des  2.  Jahrh.  n.  Chr. 
lief  in  Aegypten  in  gnostischen  Kreisen  ein  Buch  um,  welches  »eine  Prophetie 
des  Cham«   enthielt,  in  welcher  vom  Himmel  und  der  Natur  in  solchen  Alle- 
gorien geredet  wurde,  dass  man  den  Griechen  Pherekydes  der  Entlehnung  seiner 
geheimnissvollen  Metaphern  aus  derselben  beschuldigte.     Diese    Thatsachen  (4) 
muss  man  im  Auge  behalten,   wenn  man  zur  Beurtheilung  der  berufenen  Her- 
leitung des  Namens  Chemie  schreitet,  welche  der  Philosoph  Zosimos  von  Pano- 
polis  —  vielleicht  im  4/  oder  5.  Jahrh.  —  im  elften  Buchstaben  des  von  ihm  an 
Theosebeia  gerichteten  Buches  Imuth  (5)  (über  die  »Handarbeiten«)  also  giebt: 
»Es  berichten  die  heiligen  Schriften,  d.  h.  die  Bibel,  o  Frau,  dass  es  ein  Dämonen- 
geschlecht giebt,  welches  sich  mit  Weibern  einlässt     Auch  Hermes  hat  es  er- 
wähnt in  den  Physica,  und  fast  jede  öffentliche  und  geheime  Schrift  hat  des- 
selben gedacht.    Nun  haben  die  alten  und  göttlichen  Schriften  dies  gesagt:  dass 
gewisse  Engel  der  Weiber  begehrten,  herunterkamen  und  denselben  alle  Werke 
der  Natur  lehrten;  weswegen  sie,  sagt  er  (so),  Anstoss  erregten  und  deswegen 
vom  Himmel  ausgeschlossen  blieben,  weil  sie  den  Menschen  alles  Böse  und  seiner 
Seele  Unnütze  gelehrt.     Von  denselben,  berichten  dieselben  Schriften,  wären 
auch  die  Giganten  erzeugt.    Es  existirt  nun  von  denselben  die  erste  Ueberlieferung 
ChSmeu  (so,  nicht  Chlma  hahen  die  Hss.;  die  richtige  Lesart  ist  vielleicht  X'i](i43u,  d.  b.  des 
Chemes)   über   diese  Künste.     Er   nannte   aber   dieses  Buch  ChSmeu  (des 
ChSmds),  woher  auch  die  Kunst  Chemeia  heisst«  (6).    Wenn  nun  auch  Cham 
als  Sohn  des  Noa  von  der  frommen  sethitischen  Linie  und  nicht  von  den  bib- 
lischen Giganten  abstammt,  so  hindert  das  doch  nicht  anzunehmen,  dass  Zosimos 
oder  vielmehr  wahrscheinlich  schon  die  von  ihm  citirte  Schrift  des  Hermes  seinen 
Chemeu  ftir  identisch  mit  Cham  hielt;  denn  beide  sind  nach  der  Sintfluth  die 
ersten  Ueberlieferer  der  vorsintfluthlichen  Naturwissenschaften.     Nun  wird  sich 
weiter  zeigen,  wie  sehr  Zosimos  tiberzeugt  davon  war,   dass  die  Chemie,  als 
die  Kunst,    unedle  Metalle   in  edle  zu  verwandeln,   ihren  Ursprung  in 
seiner  Heimath  Aegypten  und  ihre  Ueberlieferung  bei  ägyptischen  Priestern  hatte; 
sowie  femer,    nach    einem  Citat   des  Stephanos  von  Alexandria  aus   einer  alten,   chemischen 
Schrift,  dass  die  Aegypter  die  erste  Aufsuchung  des  Metallverwandlungsmittels  seit 
der  Gründung  Aegyptens  datirten.    Da  nun  Aegypten  auf  nordägyptisch  wirklich 
Chfimi  hiess,  so  lag  nichts  näher,   als  dem  Cham,   dem  Vater  des  Mestrem  = 
Aegypten  ==  ChSmt  die  Aussprache  Chömeu  (Ch6m6s)  zu  geben,   um  so  mehr, 
als  der  jüdischen  Tradition  die  Verknüpfung  des  einheimischen  Landesnaniens 
in  der  Verdrehung  Ham  mit  dem  Noasohne  Cham  auch  sonst  vertraut  war  (7). 
Indem  aber  Zosimos  einem  Eponymos  des  Chfimi-landes  das  nach  ihm  betitelte 
Buch  zuschreibt,  wird  er  keinen  andern  Anlass  gehabt  haben,  von  ihm  in  seinem 
chemischen  Buche  zu  reden,  als  weil  das  Chemeu-buch  in  die  Chemie  anschlug, 
sonst  hätte  er  auch  den  Namen  der  Kunst  nicht  damit  zusammenbringen  können. 
Dass  der  Wortlaut  jener  SteUe  nur  allgemein   auf  die  Werke  der  Natur  geht,   steht  dem  nidit 
im  Wege.     Denn    in    der  Herauskehrung  der  Natur  aus   den   Metallindividualittlten  sieht  die 
älteste  Chemie   ihre    eigentliche  Aufgahe;    daher    auch   des  Demokritos'   Chemie    »Physica«  im 
Titel  trägt  (8).    Mithin  bedeutete  dem  Zosimos  chömeia:  die  Kunst  des  ersten 
Chemikers  Ch6m£s. 

Wie  geläufig  nicht  nur  dem  Zosimos,  einem  begeisterten  und  ideal  gesinnten 


Chemie.  5 19 

Vertreter  seines  Fachs,  sondern  auch  seinen  Vorgängern  eine  solche  Art  des 
Syncretismus  war,  ersieht  man  aus  den  umfangreichen  Fragmenten  seines  Buches 
Imuth  über  die  Cheirokmeta,  welche  z.  B.  in  der  gothaer  Handschrift,  Ch. 
n.  249  b,  Fol.  138V  (einschliessend  ein  Fragment  aus  dem  Agatharchides)  bis 
166  r  und  195  r  ff.  (ausser  andern  Stellen)  unzweifelhaft  erhalten  sind. 

Das  Buch  umfasste  ein  Alphabet  Abhandlungen  in   Briefen   an  Theosebeia;    doch  mögen 
einige  an  andere  Personen  (Lazaros?)  gerichtet  sein.     In  der  Vorrede   des  Onuga,  Fol.  195  f., 
welches  Über  den   chemischen  Kamin  und  Apparate  handelt,  theilt  Zosimos  —   ein  leidenschaft- 
licher Buchstabenspekulant  (9)  und  Etymolog  —  die  Verächter  einer  seiner  Schriften  über  den 
Sublimationsapparat  als  Banausen  der  adamitischen,  von  der  Heimarmend  beherrschten  Menschen- 
klasse zu;   (ganz  solchen  ägyptisch-neuplatonischen  Anschauungen  huldigend,   wie  sie  bei  Jam- 
blichos  (10)   Bitys   vorträgt,    den   er   neben   dem   trismegas  Platon  und  dem   myrwmegas  Hermes 
mit  der  ^  Tafel  des  BUos*  citirt).     Sich  selber  und  die   philosophisch   gebildeten  Chemiker  be- 
zeichnet er  als   Streber  nach  der  höchsten  Vernunft,   nach  der  Vereinigung  mit   dem   Princip, 
dessen    höchsten  Namen  nur   »der  verborgene  Nikotkeos*    (El-Gibb6r?)  weiss,    dessen   Beiname 
das  Licht  ist,   welches  als  Jesus  Christus  in   die  Adamiten  dringt.     Diese  stammen  von  Adam, 
nach  seinem  Etymon  »der  jungfräulichen,  blutigen,  fleischigen  Erde«.    Adam  nennen  ihn  Chaldäer, 
Parther,  Meder  und  Hebräer;  die  Aegypter  aber  Tkoytk  d.  i.  Hermes;  die  Griechen  Prometheus 
und  Epimetheus,   deren  Fessel  Pandora  dieselbe  wie   Eva  ist.     Das  Licht  (Ocuc)  Christus  hat 
die  Aufgabe,  jeden  Adam  zur  Reue  zu  bewegen,   ihn  erst  zum  Menschen  (<I>(i><)  nämlich  Licht- 
(0(ik)  -menschen  zu  machen,  ihn  der  Vernunft  zu  gewinnen  und  ihn  der  Heimarmene,  d.  i.  dem 
Einfluss   der  Gestirne  zu  entziehen.     Zuletzt  wird  dieses  Licht  den  Kampf  aufnehmen  nicht  nur 
gegen    den   Antimimos,    sondern    auch    gegen    den  von  diesem  gesandten  Vorläufer,    der 
aus  Persien  kommt     Dieser  hat  einen  Namen   mit  neun  Buchstaben,    unter  denen   ein  Vocal 
doppelt    ist  ((^^0770^).     (Man   erräth   leicht  Zoroastres,    den  er  vorher  auch  citirt)     Dass 
Thoytk,   als  Hermes  trismegistos  und   als  ein  von  Zosimos  sehr  gepriesener   Seelenführer  und 
Chemiker,    wenigstens  als  bekehrter  Adamit  auch  Jesu  gleichen  mttsste,    entspräche   den   An- 
sichten  des  Zosimos,   aber  er  sagt  es  nicht     Sollte  dem  Priester  der  Chemie,  welcher  nach  der 
Lösung  des   chemischen  Problems  und  damit  zugleich  nach  der  höchsten  Vernunft  strebt,  auch 
die  »ZusammenfUgung  der  Knochen«  des  Retortenbaues  nicht  gelingen  —  Anspielung  auf 
Exechiel,  K.  37 — :    das  bringt  ihm  keinen  Untergang.    Wehe  aber  den  adamitischen  Verspottem 
seines  Kunstwerks!  —  »Nur  die  hebräischen  und  heiligen  Bücher  des  Hermes,«  sagt  Z.  wörtlich, 
»sprechen   über   den  lichtvollen   Menschen   und  seinen   Wegweiser,    den  Gottessohn;   über   den 
irdischen  Adam  und  seinen  Führer,   den  Antimimos,   der  sich  mit  böser  Rede  und  Täuschung 
den  Sohn  Gottes   nennt«     Und  vorher:    »Dasselbe  ist  in   den  Bibliotheken  der  Ptolemäer  ge- 
funden worden,  welche  (?)  sie  in  jedes  Heiligthum,  am  meisten  in  das  Sarapeum  (tcJ)  9apa7t{v<{)) 
niederlegten,  als  sie  Asenon  (Simon?)  den  Hohenpriester  von  Jierusalem  (Äoevov  xaiv  dp)rtepoaoX6|i«>v) 
einladen,  ihnen  Hermes  (so)  zu  schicken,  welcher  das  ganze  Hebräische  (Buch?)  griechisch  und 
ägjrptisch  übersetzte.« 

Dass  aber  die  Verbindung  des  Cham  mit  dem  Chemes  (Chemeu)  und  dieses 
mit  chemeia  geradezu  eine  jüdische  Schöpfung  sei,  um  der  Chemie  einen  histo- 
rischen Erfinder  zu  geben,  wird  erst  recht  wahrscheinlich,  wenn  man  die  Art 
der  ältesten  chemischen  Literatur  berücksichtigt,  welche  dem  Zosimos  nach  seinen 
Citaten  vorlag.  Dieselbe  bestand  aus  durchweg  pseudepigraphischen  Lehrbüchern 
der  Kunst,  die  zwar  alle  ägyptischer  Heimath  sind,'  aber  dreifacher  Herkunft: 
ägyptisch-hellenistischer,  persisch-hellenistischer  und  jüdisch-hellenistischer.  Die 
häufigste  Form,  in  welcher  die  Geheimwissenschaft  ägyptischer  Priester  —  daftir 
die  Chemie  zu  halten,  werden  wir  allen  Grund  haben  —  tiberliefert  wurde,  ist, 
dass  ein  Gott  sich  seinem  Priester  oder  Propheten,  ein  Lehrer  seinem  Schüler, 
ein  Vater  seinem  Sohn  mittheilt.    Weniger  Bekanntes  sei  angeftihrt: 

Hermes  an  Pauseris  (=  Pausiris,  richtig:  Lepsius'  Zeitschrift  1883^  pag.  164),  Hs.  Gotha, 
FoL   103 r,  vergL  175  v;   Hemus,  t^  rM^V^  ü^er  die  Komarif  gemäss  den  Mdem  Verbmdungen, 


520  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Fol.  103  r;  lob  bei  Stephanos.  Ausser  andern  Schriften  des  Hermes  citirt  Zosimos,  wie  bei 
Synkellos,  im  Omega  des  Imuth  auch  die  Trepl  f6ocu)v  foL  195  v.  —  Horos  der  Gold^äber  an 
Kronamtnon  (Kpovfltv|jLu>jj.a)  irepl  tt^c  {upcxTJc  t^^^c  Fol.  i83v.  vergl.  iSßr,  83  r.  —  Isis  an  Horos, 
FoL  2i4r.  Bei  Hoefer  (ii)  fehlen  aber  die  Recepte,  auf  die  auch  weisen:  FoL  i3or,  148 r, 
64 r.  —  Orakelsprüche  des  Apollo»,  FoL  10  ir,  152V,  I79r,  I75r.  —  Die  Ausgabe  des  ApolUm, 
FoL  i65r.  —  Agathodämon,  sehr  häufig;  Agathodämonäen,  eine  Chemikerklasse  138V.  —  Pammenes^ 
FoL  143V.  —  Pibickios  (richtig:  Pibechios)  oft.  —  Theophilos,  Sohn  des  Theogenes,  Fol.  176V, 
165  r  3U.  —  Demokritos  an  Leukippos,  2i2v.  —  Afrikanos,  I52r,  l69r.  —  (^studo) Synesios 
an  Dioskoros,  —  Ostanes  über  Sophar,  öfter. 

Ganz  analog  gebärden  sich  nun  die  jüdischen  Schriften;  vor  allem  die  beliebte  der  Pro- 
pheHn  Maria  aus  dem  yivoc  dßpaa|jLiatov,  Fol.  183  r,  welche  ihre  chemischen  Recepte  für  direkte  In- 
spirationen Gottes  ausgiebt:  FoL  I58r.  Eine  ihrer  Schriften  wird  citirt:  ht  r^  (td^j^  x^  dpocvoccSouc 
buwdmo  Toö  Cf^Uoo  Map^ac,  FoL  i83r,  oder  hd  •m^  bnmxjdczm  tou  C<»^0Ui  FoL  I58r,  155  r.  Das 
hier  gemeinte  Thier  ist  eine  Allegorie  des  Goldes  oder  Silbergoldes,  welches  bei  der  Subli- 
mation in  der  Wolke  des  Quecksilbers  aufsteigt  Was  unter  ihm  liegt  ist  die  Anfangsoperation 
der  «Schwärzung«,  über  ihm  die  der  »Gilbung«  (12).  —  Femer  die  »Maxa  des  Moyses*,  ein 
Präparat,  Fol.  I58r;  Mosis  Diplosis  (Mischneh  kesef?),  FoL  I90r.  Erwähnt  wird  in  einem  Ausspruche 
des  Hermes  *der  Landmann  Achaab*  (=  Ahab),  FoL  175V,  sowie  der  Erzengel  und  Priester  Amnail 
(Variante  Amnull)  in  der  Schrift  Isis  an  Höros.  Auch  sonst  kommt  Zosimos  oft  auf  die  jüdischen 
oder  hebräischen  ChemiebUcher  zu  sprechen.  Er  kennt  eine  Schrift  des  Juden  Solomon  (Fol.  191  r), 
in  welcher  ein  Egelasa  (anderswo  Gelasa  (13),  d.  h.  Uebersetzung  von  Jishaq  >er  lacht«)  an  Exakusios 
(d.  i.  Jischmall)  über  chemische  Instrumente  schreibt  In  derselben  wird  der  Sublimation  (arsis) 
gedacht,  »welche  durch  diese  und  ähnliche  von  Noa  herrührende  (dic6  toO  NoSc)  Instrumente 
bewirkt  wurde«:  FoL  20 iv  oben.  An  eine  syrische  Uebersetzung  des  Demokritos  sdiliesscn  sich 
chemische  *  Recepte  aus  deni  Buche  des  weisen  Schrifigelehrten  Ezra* :  Ms.  Cambridge  6,  29,  Fol.  i  i6t 
bis  i2or. 

Bei  solchem  Aussehn  der  Literatur,  solcher  Namen-;  Gedanken-  und  Ge- 
schichtsklitterung der  verschiedenartigsten  Nationalitäten  wird  man  kaum  fehl- 
greifen, wenn  man  den  »Chemeu«  bei  Zosimos,  den  Verfasser  des  gleichnamigen 
Buches,  als  eine  jüdische  Schöpfung  aus  Cham  und  Chemeia  betrachtet.  Aber 
nicht  das  allein.  Es  ist  auch  kein  Grund  vorhanden,  einen  C^fiMts  oder  CmM£s, 
einen  chemischen  Schriftsteller  sehr  gefeierten  Namens,  dessen  natürlich  pseud- 
epigraphische  Schrift  öfter  genannt  wird,  mit  dem  ersten  nicht  für  identisch  zu  halten. 

Vorab  bemerke  ich,  dass  die  Schreibung  mit  t  oder  1}  in  der  gothaer  Handschrift,  wie 
überhaupt  in  den  späten  chemischen  Handschriften,  auch  in  andern  Wörtern  beliebig  mit  einander 
wechselt.  Die  bereits  von  Salmasius  (14)  angeführten  Citate  des  Ch^^  bei  2k>simos,  und 
zwar  unzweifelhaft  dem  echten,  finden  sich  auch  in  der  gothaer  Handschrift,  und  zwar  in  dieser 
Gesellschaft:  Fol.  I53r  »die  ganzen  Schriften  und  Chimes  und  die  Maria*;  I58r  Maria;  des  Most 
Masa;  »Chinies  an  vielen  Stellen*;  Pibechios ,  über  die  »Brennung«;  158V  zum  Schlüsse  derselben 
Abhandlung:  »Und  der  Prophet  Chimes  nannte  es  (das  Verbrennungsprodukt)  nach  sechs  Eimvwrfen 
tanzend  zweimal,  *  sagte  er  (ist  zu  tilgen),  schattenloses  Gelb*,  d.  i.  Gold. 

Am  häufigsten  wird  Chimes  wegen  des  Fundamentalsatzes  der  alten  Chemie 
angeführt,  welchen  er,  nach  Olympiödoros,  dem  Commentator  des  Zosimos,  von 
Parmenides  nicht  entlehnt,  aber  ihm  parallel  mit  besonderer  Anwendung  auf 
die  Chemie  ausgesprochen  hat:  Fol.  lyar  f.  An  dieser  Stelle  allein  wird  er  Chemes, 
sonst  immer  Chimes  geschrieben.  Zosimos  sucht,  Fol.  152  r,  denselben  Grundsatz,  wonach  die 
Verwandlung  aller  Metalle  und  Minerale  in  einander  auf  einem  Färbstoff  (phab^  =  baphe)  Ton 
identischer  Beschaffenheit  beruht,  nachzuweisen  aus  Aeusserungen  des  Demokritos,  Airikuios, 
Chimes,  P^bichios,  Maria  und  Agathodämon.  Er  sagt:  Chirons  aber  hat  es  sdiön  ausge- 
sprochen: »denn  Eins  ist  das  All.  Eins  ist  das  All  und  wenn  nicht  Alles  enthielte  das  AU, 
so  wäre  das  All  nicht  entstanden.«  Bei  Salmasius,  pag.  1098,  folgt  noch:  »also  mosst  du 
dieses  All  hineinwerfen,  damit  du  das  All  auch  gemacht  habest«  —  Vielleicht  aus  einer 


Chemie.  521 

andern  Stelle  de?  Zosimos,  jedenfalls  aus  einem  alten  Chemiker  geschöpft,  findet 
sich  derselbe  Spruch  bei  Stephanos  von  Alexandria  (7.  Jahrh.)  (15).  Dieser  drückt 
sich  über  das  Gelingen  der  Metallverwandlung,  welche  durch  die  drei  Prozesse 
der  Oxydirung  (I6sis)  oder  Schwärzung  (Melansis),  der  Weissung  (Leukösis)  und 
Gilbung  (Xanthftsis)  hindurchgeht,  in  traditionellen,  doppelsinnigen  Allegorien,  die 
später  besprochen  werden  sollen,  so  aus:  »Eine  ist  die  Schlange,  welche  die 
beiden  Zeichen  (weisse  und  rothe  Krone  von  Ober-  und  Unter-Aegypten;  =  Verbindungen, 
die  gold-  und  silberfarbene)  und  das  Gift  (auch  Oxyd  =  QuecksilbeTpräparat,  s.  unten)  enthält^ 
denn  Eins  ist  das  All,  durch  welches  das  All;  allmächtiger  Chimes  (16);  und  wenn 
nicht  das  All  das  All  enthielte,  (wäre)  das  All  nichts,  sagt  der  allmächtige  Chimes, 
Und  es  sagt  dX^ priesterliche  Stimme:  Gefunden  ist  der  Pan,  der  seit  der  Gründung 
Aegyptens  gesucht  wird!« 

Aus  den  griechischen  Listen  der  Chemiker  ist  der  Chimes  auch  in  die  reichhaltigeren  der 
Araber  übergegangen  als  Kimds  (17) 

Noch  gewisser  wird  der  judische  Ursprung  dieses  ChimSs  dadurch,  dass  sein  Name  mit  der 
griechischen  Form  irgend  eines  sonst  bekannten,  altägyptischen  Namens  sich  nicht  leicht  verein- 
baren lässt.  Man  hat  an  den  König  Chembcs,  den  Erbauer  der  ersten  Pyramide  gedacht.  Aber 
nur  Diodor  (I,  63)  nennt  diesen  so:  sonst  heisst  er  Cheops  d.  i.  Chufu.  Wenngleich  derselbe 
unter  dem  Namen  Suphis  als  Verfasser  des  heiligen  Buches  der  Aegypter  genannt  wird  (18): 
er  steht  nicht  am  Anfang  der  ägyptischen  Geschichte,  sondern  gehört  der  vierten  Dynastie  an. 
Noch  weniger  kommt  wegen  des  letztem  Grundes  Chamus  Xa{jLO(c  in  Betracht,  wie  mehrere  könig- 
liche Personen  Messen,  namentlich  der  Sohn  Ramesses  II.,  Oberpriester  des  Pthah,  Zauberer  und 
Inhaber  eines  Zauberbuches  (19).  Unter  den  Göttern  —  Chemes  wäre  ja  ein  degradirter  Gott 
gewesen  —  leuchtet  verführerisch  »Chem«  entgegen,  der  Pan  von  Koptos,  der  Stadt  der  Berg- 
leute, und  von  Chemmis-Panopolis,  ein  ithyphallischer,  mit  Ammon  pantheistisch  vereinigter  Lokal- 
gott Allein  dieses  Irrlicht  verjagt  Adolf  Erman,  indem  er  bestätigt,  dass  der  Name  dieses 
Gottes  Min  zu  sprechen  ist.  Diese  Lesung,  von  Brugsch  früher  behauptet,  von  den  übrigen 
nicht  angenommen,  von  ihm  selber  aufgegeben,  sei  nunmehr  durch  die  phonetische  Schreibung 
der  Pyramiden  gesichert  (20).  Endlich  ist,  z.  B.  von  Re[nesius,  eine  Combination  des  Chenieu, 
als  ungriechischer  Nominativ,  mit  dem  Katnephis  vorgeschlagen,  der  allerdings  schwerlich  ver- 
schieden ist  von  dem  Em^h  oder  Hhneph  bei  Jamblichos  (21).  Mit  diesem  Beinamen  des 
höchsten  Gottes  Ammön-Ra:  Ka  mtf,  welcher  »Bulle  (Gemahl)  seiner  Mutter«,  d.  h.  Erzeuger 
seiner  selbst,  bedeutet,  bezeichneten  die  spätesten  ägyptischen  Priester  den  Ersten  aller  himm- 
lischen Götter,  die  vor  dem  Anfang  stehende,  sich  selbst  denkende  Vernunft,  dabei  aber  auch 
Urerzeuger  und  Sonne  (22).  Aber  obschon  dieser  sich  zu  einem  Patron  des  chemischen  Eins 
in  Allem  wohl  eignete:  (23)  die  in  den  Schriften  der  Hellenisten  noch  ziemlich  ursprünglich 
bewahrte  Form  seines  Namens  macht  dessen  gleichlaufende  Verstümmelung  in  Chemeu  und 
Chim^  sehr  unwahrscheinlich. 

Wenn  wir  also  auch  zu  dem  Ergebniss  kommen,  dass  jener  Chimes  der 
Chemie  nicht  seinen  Namen  gegeben  hat,  diese  vielmehr  seine  Mutter  und  sein 
Vater  Cham  ist:  wir  würden  diese  Untersuchung  nicht  so  eingehend  geführt  haben, 
wenn  wir  der  Tradition  über  die  ältesten  Verhältnisse  dieser  Kunst  so  wenig 
Vertrauen  entgegenbrächten,  wie  im  Allgemeinen  z.  B.  von  dem  trefflichen  Kopp 
geschieht.  An  der  Hand  der  Ueberlieferung  suchen  wir  nun  annehmbar  zu 
machen,  dass  der  Ursprung  der  Chemie  und  auch  ihres  Namens  in  Aegypten 
Hegt 

Man  erinnere  sich  zunächst  der  ältesten  Nachrichten,  welche  der  Chemie 
unter  diesem  Namen  gedenken.  Dem  Kaiser  Alexander  Severus  (222 — 234  v.  Chr.) 
widmete  der  Chronograph  Jul.  Africanus  eine  Sammelschrift,  betitelt  Kestoi, 
welche  ausser  medicinischen,  physischen  und  ackerbaulichen  Excerpten  auch 
-/u|fcetmxoiv  duya|j.8tc,  tKräfte  chemischer  Fräparatec,  umfasste. 


522  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Dies  erzählt,  wohl  nicht  nach  Eusebios  Pamphilos,  sondern  nach  dem  ägyptischen  Mönch 
Panodoros,  der  um  400  unter  Arcadius  lebte,  Georgios  der  Synkellos  (24).  Denn  die  arme- 
nische Uebersetzung  des  Eusebios  deckt  diese  Notiz  nicht  Nach  dem  was  Suidas  von  dem 
Inhalt  der  Kestoi  erzählt,  passen  chemische  Dinge  recht  wohl  hinein :  überdies  citir^  die  Chemiker 
den  Afrikanos  (s.  o.). 

Im  Einklang  hiermit  berichtet  von  Diocletian,  der  im  Jahre  296  einen  Auf- 
stand der  Aegypter  mit  sehr  harten  Maassregeln  dämpfte,  eine  Notiz  aus  der 
Chronik  des  Joannes  Antiochenus,  welche  auch  Suidas  unter  x^H-^^  ^^*»  dass 
dieser  Kaiser  »die  über  die  Chemie  Silbers  und  Goldes  (irepl  xir)ji.eiac  dpTupoo  xai 
Xpujyou)  von  den  Alten  der  Aegypter  geschriebenen  Bücher  aufsuchen  und  ver- 
brennen« Hess.  Zwar  wird  im  Verfolg  dieser  Mittheilung  dem  Kaiser  das  Motiv  unterstellt, 
er  habe  den  Aegyptem  die  Mittel  zum  Aufruhr  aus  der  Goldquelle  ihrer  nationalen  Kunst  ab- 
schneiden wollen;  indessen  statt  sie  zu  verdächtigen,  verstärkt  dieser  Umstand  nur  die  Zurer- 
lässigkeit  jener  Nachricht,  insofern  er  zeigt,  dass  die  Verehrer  der  Chemie  aus  einer  gelegent- 
lichen Verfolgung  und  Schädigung  derselben,  etwa  bei  Einäscherung  der  Tempellaboratorien,  ein 
Argument  für  ihre  Kunst  ableiteten.  —  Zum  ersten  Mal  direkt  in  einer  alten  Schrift 
erscheint  der  Name  derselben  bei  Jul.  Firmicus  Maternus  (25).  Wenn  der  Mond» 
heisst   es,    an   neunter  Stelle  vom  Horoskop  ab,  im  Hause  des  Mercur   steht, 

schenkt  er  die  Astronomie ,  wenn  in  dem  des  Jupiter,  den  religiösen 

Cultus  und  scientiam  in  lege,  wenn  im  Hause  des  Satnm,  scientiam  chimiae. 

So,  statt  scientiam  alchimiae,  wie  Aldus  edirte,  steht  nach  G.  J.  Voss  in  den  Hand- 
schriften. Die  Lesart  ckimüu,  und  keineswegs  etwas  anderes,  wie  Kopp  argwöhnt  (27),  setst  auch 
Kircher  voraus,  da  deutlich  seine  Meinung  ist,  dass  Firmicus  zwar  chimia,  im  Sinne  von 
Metallurgie,  nicht  aber  Alchimie  gekannt  habe.  Dass  indessen  Firmicus  unter  chimia  die  auf 
Goldpräparirung  ausgehende  Metallverwandlungskunst  verstanden,  geht  aus  dem  Zusatz  sdattk 
hervor  fUr  den,  welcher  berücksichtigt,  dass  der  mit  seinen  Ausdrücken  genau  unterscheidende 
Autor  sonst  oft  erwähnt:  aurifices  (Goldschmiede)  aut  fossores  auri  aut  absconsarum  qoa- 
rundam  artium  magistros  (m,  8,  4^  loco);  metallorum  inventores  (Vm,  17);  aurifices  et  qoi 
ex  auri  operatione  lucrentur  (Vm,  22)  u.  s.  w.  Ohnehin  ist  chemia  noch  nirgends  in  der  Be- 
deutung »Metallurgie«  erwiesen  worden.  Der  Grund,  wanmi  Saturn  mit  dem  Silbermond  Chemiker 
d.  h.  geheimnissvolle  Gold-  und  Silberpräparanten  hervorbringt,  während  die  Übrigen  Planeten 
hier  andere  Priesterwissenschaften  zeitigen,  liegt  nach  der  im  Buche  II,  10  gegebenen  Charak- 
teristik jenes  ernstesten  und  tiefsinnigen  Planeten  nahe:  bewirkt  er  doch  auch  magicam  aitem; 
wie  ebenso  im  Verein  mit  Mercur  nach  V,  12:  rerum  occultarum  inquisitores  ut  thesatuomm, 
sepulchrorum  aurique  et  argenti  absconditique  metalli  et  omnium  denique  rerum  quae  a  commimi 
hominum  consuetudine  sunt  alienae  u.  s.  w.,  also  Geheimwissenschaften. 

Nun  aber  hat  Firmicus  den  Ausdruck  scientia  chimiae  gewiss  nicht  erfunden; 
sondern  ihn  aus  der  griechischen  Bearbeitung  eines  ägyptischen  Buches  über 
Astrologie  entnommen.  Das  bezeugt  er  selbst,  indem  er  in  der  Vorrede  zu  dem 
betreffenden  dritten  Buche  das  in  diesem  abgehandelte  Thema,  nämlich  die  Ein- 
richtung des  menschlichen  Mikrokosmus  gemäss  dem  Einfluss  des  siderischen 
Makrokosmus,  ebenso  wie  die  daraus  folgenden  Einzelheiten  auf  eine  Schrift  des 
Petosiris  und  des  (ägyptischen  Königs)  Necepso  zurückführt,  von  der  er  noch 
oft  spricht. 

Beide  Männer,  sagt  er  weiter  (m,  i),  seien  in  der  Beschreibung  der  genitura  mundi  »secati 
Aesculapium  et  Anubium,  quibus  potentissimum  Mercurii  numen  isttus  scientiae  secietm 
commisit.«  Dieses  Buch  des  Aesculap  habe  den  Titel  fiopiOT^eatc,  vergL  V,  i:  si  vero  myrio- 
genesin  Aesculapii  legeris  quam  sibi  venerabilem  Mercurii  stellam  intimasse  professos 
est,  invenies.  IV,  i  Omnia  enim  quae  Aesculapio  Mercurius  Enichnus  que  (L  ?  Anubiusque) 
tradiderunt,  quae  Petosyris  explicavit  et  Necepso;  quae  Abraham  ...  in  bis  perscripsimos 
libris  (29).  Solche  Schriften  des  Petos!ris  und  Nechepsos,  wie  Plinius  (30)  sagt,  ans  der  schola 
Aesculapi,    sind  schon  im  augusteischen  Zeitalter  bekannt  (31)  und  finden  sich  mit  derselben 


Chemie.  523 

Rttckleitung  auf  den  »Hermes  und  Asklepios,  das  ist  Imuthes,  den  Sohn  des  Hephaestos«  auch 
i.  J.  138  V.  Chr.  in  Gebrauch  bei  einem  Horoskopsteller  (32). 

Das  Vorkommen  der  scientia  chimiae  in  dieser  Literatur  datirt  dasselbe 
zwar  nicht,  verbietet  aber,  seine  Zeit  herabzusetzen.  Wenn  das  Patronat  der 
ägyptischen  Schriftstellergottheiten:  des  Ibis  Thoyth,  des  schakalköpfigen  Anubis, 
des  Pthahsohnes  Imuth  die  Astrologie  als  priesterliche  Wissenschaft  erweist, 
warum  sollte  dasselbe  zweifelhafter  für  die  Chemie  sein,  der  zu  Ehren  noch  der 
gnostische  Christ  Zosimos  sein  Lehrbuch  Imuth,  d.  i.  Asklepios,  nannte? 

Das  »Buch  Imuth  über  Alles  was  mit  der  Hand  gearbeittt  wird*  nennt  es  auch  eine  syrische 
Handschrift  (33).  Wie  nahe  beide  Literaturkreise  einander  standen,  zeigt  nicht  nur  ein  viel 
gebrauchter  Satz  des  Ostanes  und  Demokritos,  der  sich  bei  Necepso  wiederfindet:  una  natura 
ab  alia  vincitur  (34),  sondern  auch  gelegentliche  Berührung  in  allegorischer  Terminologie :  Andro- 
(da)mas  heisst  das  63.  Lebensjahr  bei  den  Aegyptem  (35),  bei  den  Chemikern  u.  a.  der  Pyrites. 

Ausserdem  steht  nun  aber  den  Chemikern  selber,  wie  dem  mittheilsamen 
Zosimos  und  Olympiodoros,  der  Zusammenhang  ihrer  Speculation  mit  dem  heid- 
nischen Priesterthum  Aegyptens  ganz  fest.  Sie  nennen  sich  beständig  Priester 
oder  Hierogrammaten,  oder  Mysten  der  heiligen,  mystischen,  geheimen  Kunst. 
Zosimos  erzählt  (36)  —  nach  der  richtigen  Lesart  —  dass  die  Aegypter  vor  den 
Griechen,  welche  die  vier  ehrbaren  Künste  allein  trieben,  zwei  voraus  gehabt 
hätten:  die  »der  präparirten  und  die  der  natürlichen  Mineralien«  [twv  xe  xatpixcSv  (37) 
xal  TÄv  <püjixü>v  ^iy.^iA>i  ist  zu  lesen].  Die  erste  göttliche  und  dogmatische  Kunst, 
auch  ,'idie  der  Handschnitte  €  (38),  d.  h.  Manipulation  der  Mineralzerlegung  ge- 
heissen,  war  allein  den  Priestern  bekannt.  T>Die  Behandlung  der  natürlichen 
Sander,  d.  h.  die  Metallurgie  war  Monopol  der  ägyptischen  Könige;  beide 
Künste  Priester-  und  Staatsgeheimniss.  —  Häufig  genug  ist  femer  von  Tempel- 
laboratorien die  Rede. 

Freilich,  wenn  Zosimos  erzählt  (Fol.  191  r),  dass  er  selber  »im  Heiligthum  zu  Memphis  einen 
alten  in  Stücke  gegangenen  (chemischen)  Kamin  gesehn,  welchen  die  Mysten  der  HeiligthUmer 
nicht  zusammen  zu  setzen  verstanden«,  ist  bei  dem  allegorisirenden  Pathos  dieser  Leute  wahr- 
scheinlicher, dass  er  mit  dem  »Heiligthum«  eine  chemische  Klosterktlche  bezeichnet  hat.  Aehnlich, 
wenn  er  (Fol.  i62r)  seine  gelehrte  Theosebeia  vor  der  Chcmielehrerin  Taphnutie  als  einer 
Charlatanin  warnt,  und  zur  Abschreckung  ihr  von  unglücklichen  Goldkochereien  erzählt,  welche 
nach  deren  Recept  und  zu  deren  Schadenfreude  der  fromme  Priester  (Bischof?  Abt?)  Neilos 
angestellt  habe. 

Noch  unmittelbarer  als  diese  feststehende  Costümirung  beweist  das  heidnische 
Priesterthum  der  Chemie  ihre  absichtlich  doppelsinnige  Terminologie,  welche,  je 
älter  desto  mehr,  aus  Anspielungen  auf  den  heidnischen  Gottesdienst,  zumal  den 
Osiriscult  besteht,  und  nach  deren  Beispiele  die  jüdischen  Chemiker  Allegorien 
ihrer  Tradition,  sowie  die  mit  Ostanes  sich  persisch  gebärdenden,  Gleichnisse  wie 
es  scheint  aus  den  Mithrasmysterien  entlehnt  haben.  Insonderheit  ist  nicht  zu 
zweifeln,  dass  die  Geheimgilde  der  Chemiker  ähnliche  alter  Priestermysterien 
fortsetzt:  1.  weil  vom  Chemiker  ganz  wie  vom  Mysten  und  Theurgen  (38  a),  bevor 
er  an  sein  Werk  der  Goldbereitung  ging,  die  Heiligung  seines  Leibes  wie  seiner 
Seele  verlangt  ward  (38b),  wie  er  denn  tlberhaupt.  nicht  nach  dem  Goldmachen 
um  des  Goldes  willen,  sondern  nach  der  Lösung  des  Metallverwandlungsproblems 
trachtete.  2.  weil  die  Chemiker  sich  ähnlich  wie  die  Astrologen  (38  c)  durch 
einen  Eid  zur  Geheimhaltung  ihrer  Kunst  verpflichten  mussten,  und  weil  dieser 
Bd  nach  dem  ganz  heidnischen  Formular,  welches  in  der  Schrift  Isis  an  Horos 
vorliegt  (38  d),  sich  selbst  in  Ausdrücken  an  Altägyptisches  anschliesst. 

Der  Chemiker  soll  schwören  u.  a.  bei   den  Göttern   der  Leichnamconservirung,  die  auch 


524  Handwörterbuch  der  Chemie. 

seine  Seele  im  Hades  zu  behüten  haben,  >bei  Hermes  und  Anubis,  bei  dem  Bellen  des  Kahn- 
verschlingenden Drachen  und  dreiköpfigen  Hundes  Kerberos.«  Die  typhonische  Schlange  Apep 
(Apopis)  (38  e),  welche  die  Barke  des  Osiris  wie  die  jedes  Todten  bedroht,  mit  dem  Kcrbeios- 
hunde  in  einem  Bilde  vereint,  war  die  Darstellung  des  sinopischen  Gottes  Sarapis,  nachdem 
dieser  die  Rolle  eines  unterweltlichen  Osiris  übernommen  (38  f).  Der  Chemiker  rief  femer  die 
drei  Nöthe  an:  Feuer  oder  Gift  oder  Strang  (39),  Geissei  und  Schwert  Wenn  er  hierdurch 
versprach,  die  ihm  gewordene  Ueberlieferung  Niemandem  zu  verrathen,  »ausser  seinem  Kinde  oder 
wahren  Freundet,  so  findet  sich  diese  Phrase  fast  genau  so  im  hieroglyphischen  Texte  des  Osiris- 
mysteriums  an  den  Wänden  des  zur  Römerzeit  erbauten  Tempels  von  Dendera  (40).  Darum 
heisst  die  Kunst  im  gothaer  Ms.  zuweilen  TexvoirapdSoxoc  (Variante  te^on)  und  TcorcponapdAoTOC. 

Zwar  die  Chemiker  der  uns  Vorliegenden  Literatur,  wie  schon  Pseudo-Demo- 
kritos,  wollten  je  mehr  und  mehr  nur  eine  jiüotix^  T!^^^^  Wort  haben,  d.  h. 
behaupteten,  dass  in  den  mythischen  von  den  Altvordern  überkommenen  Aus- 
drücken stets  ein  technischer  Sinn  absichtlich  verhüllt  sei;  und  dies  mit  Recht 
Aber  dennoch,  die  Art  dieser  Mystification  wäre  unerklärlich,  es  sei  denn,  man 
hätte  diese  Allegorien  einmal  ernst  genommen  als  eine  wirkliche  fiu&tx^  '/Cil^««^ 
d.  h.,  wie  die  natürlichen  Metalle,  so  die  chemischen  Präparate  für  Erscheinungs- 
weisen und  Verkörperungen  der  Götter  gehalten.  Dies  soll  der  Verlauf  dieser 
Auseinandersetzung  bestätigen. 

Dem  Aegypterthum  der  Chemie  widerspricht  auch  nicht,  dass  der  Perser  Ostanes  als  einer 
ihrer  Koryphäen  auftritt.  Sein  Perserthum  wird  durchaus  festgehalten  (41),  und  es  ist  too 
persischen  Methoden  der  Präparirung  die  Rede.  Präparate  heissen:  »Mithrisches  Geheimnisse 
Fol.  99  r  I,  «Perserknochen«  138  v.  Allein  die  Mithrasmysterien  gab  es  überall,  und  Ostuies 
war  längst  in  Aegypten  naturalisirt.  Nach  einer  freundlichen  Mittheilung  von  Adolf  Erjiah 
vrird  in  der  letzten  Ptolemäerzeit  Ostanes  mit  dem  Hermes  Thoyth  (Techuti)  identificirt  In  da 
Inschriften  von  Dendera  z.  B.  heisst  es  von  Bausculpturen :  sie  seien  ebenso  wie  nach  des 
Worten  des  Thoyth,  so  »nach  dem,  was  die  Schriften  des  Astnu  sagen«,  gebaut. 

Bei  dieser  Sachlage,  und  da,  wie  wir  sehen  werden,  das  Griechische  keine 
Hilfe  gewährt,  ist  die  Herleitung  des  Wortes  Chemia  aus  dem  Aegypdschen  das 
Wahrscheinlichste.  Die  nächstliegende  und  längst  vorgeschlagene  £t3rmologie  ist: 
chemia  heisse  »ägyptische  Kunst«,  weil  ch6m!  auf  niederägyptisch  das  Land 
Aegypten  heisst.  Für  diese  Deutung  spricht  anscheinend  1.  der  Ausdruck  "^vbtr 
diese  ägyptischen  Künste€,  mit  besonderem  Hinweis  auf  die  Bücher  der  alten  ägyp- 
tischen Könige  bei  Demokritos  an  den  Arzt  Leukippos,  Fol.  212  v;  femer:  ydie 
heilige  Kunst  Aegyptens^  in  Isis  an  Horos  (42).  2.  Die  Verbindung  des  jüdischen 
Cham  als  Vater  von  Mestrem  mit  dem  Namen  der  Kunst  durch  Chemes.  3.  Eine 
ähnliche  Verbindung,  welche  in  dem  Titel  eines  chemischen  Lehrbuchs  des 
Theophilos,  Sohnes  des  Theogenes,  liegt.  Dieser  beschrieb  »alle  Goldbergwerke 
der  Gaubeschreibung«  (^a  xh.  t^c  x^poYpa^iac  /pufftopoxei«,  Fol.  176V,  bei 
Olympiodor).  Nämlich  die  Chemie  wird  mit  dem  Lande  Chemi,  Aegypten, 
identificirt,  und  statt  zu  sagen  wie,  wird  gesagt,  wo  in  ihr  Gold  zu  finden  ist 

Das  erbellt  aus  den  Proben,  welche  Olympiodoros  (ohne  Theophilos  sn  nennen)  giebt 
(43),  Fol.  I74y:  »Höre  nun,  gottbegeisterte  Vernunft,  dass  (die  Alten)  wie  an  Aegypter  ge- 
schrieben haben,  ohne  aus  ihrem  Problem  heraus  zu  treten,  und  unzählige  »Goldgruben«  be- 
schrieben haben.  Ja  sie  haben  sie  sogar  als  Heüigthümer  dargestellt  (UpdxEuaGcv  o^rctQ,  und  die 
Maasse  der  Gruben  und  Abstände  gegeben,  indem  sie  die  Lage  der  Tempel,  (d.  h.)  ihrer  Ein- 
gänge, nach  den  vier  Himmelsgegenden  bestimmten;  zuweilen  den  Osten  dem  weissen  Wesen 
(o6<rfa),  den  Westen  dem  gelben  zutheilend.  (Citat):  »Die  Goldgruben  des  arsenoitischen 
Tempels;  an  der  östlichen  ThUr,  d.  h.  am  Eingange  dieses  Heiligthums  findest  du  die  weisse 
Usia.  In  Skith^  aber  und  in  Terenuthis  (44)  im  Tempel  der  Isis,  am  westlicben  Ein- 
gang des  Tempels  wirst  du  den  »gelben  Sand,  bei  drei  Ellen,   manchmal  einer  Elle  (tiefen) 


Chemie.  525 

Nachgraben  finden.  Bei  der  Hälfte  der  drei  Ellen  wirst  du  einen  schwarzen  Gurt  finden.  Heb' 
ihn  auf  und  richte  ihn  zu«;  und  anderswo  einen  grüngelben  Gurt  )(Xa>p^v;  dies  letztere  sind 
die  in  das  westliche  libysche  Gebirge  gezeichneten  (TeypafifAiva  1?  xe^aporjffjiva  gehauenen) 
Goldgruben,  ganz  im  Geheimen  gesagt.  Lauf  nicht  vorbei.  Es  sind  grosse  Geheimnisse«.  Wer 
den  Jargon  kennt,  braucht  des  Olympiodoros  Erklärung  nicht,  dass  hier  zeitlich  sich  folgende 
Erscheinungen  bei  den  Operationen  der  »Schwärzung,  Weissung  und  Gilbung«  gleichsam 
graphisch  dargestellt  werden.  —  Es  hängt  hiermit  die  weitere  häufige  Allegorie  zusammen, 
welche  den  Sublimationsapparat  als  Tempel  der  Metallgötter  darstellt  (45).  Er  heisst  geradezu 
Ormanuthi  (46)  (Hormanuthi)  in  der  Einleitung  der  Schrift  Isis  an  Horos,  die  nichts  weiter 
als  eine  allegorische  Darstellung  der  Goldpräparation  ist  Isis  steht  ftlr  Kupfer,  Amnael  der  hohe 
Priester  (ein  Jude)  ist  der  verwandelnde  Quecksilbergeist  (der  sogen.  i6c  yipws6^)  an  der  Decke 
des  Destillirkolbens  »am  ersten  Firmament«. 

Soviel  darf  hiernach  zugegeben  werden,  dass  die  Chemiker  den  anklingenden 
Landesnamen  Ch^ml  mit  dem  Namen  der  Kunst  zusammenbrachten.  Aber  die 
Kunst  kann  schwerlich  >Aeg)rpten<  heissen.  Deswegen  nicht,  weil  die  griechischen 
Ableitungen  von  x^f*'*  ^^^^  XIP'^'*»  ^^  X^K-^^'"^^  X'I*^*^^  "•  s«  ^'>  beweisen,  dass 
das  Wort,  soweit  Ueberlieferung  zurückreicht,  als  ein  substantivum  abstr actum 
nach  Analogie  entweder  von  \La'^t(a  u.  s.  w.  oder  von  Tapixeia,  |jietaXXe(a  aufge- 
fasst  wurde  (47),  d.  h.  eine  Thätigkeit,  Beschäftigung  bedeutete,  entweder: 
eines  NN,  oder:  mit  einem  XX.  Auch  »Beschäftigung  derAegypter«  konnte 
es  nicht  bedeuten,  da  chSmt  das  Land,  nicht  die  Leute,  heisst.  Dazu  kommt, 
dass  dieser  Name  nicht  von  Nationalägyptem,  sondern  von  Einwanderern,  wie 
Juden,  welche  die  Chemie  eifrig  trieben,  oder  Griechen  gegeben  sein  müsste. 
Für  die  Verfasser  der  Petosiris-  und  Nechepsosschriften  ist  die  Astrologie  ebenso 
gut  eine  äg)rptische  Kunst.  Auf  der  andern  Seite  begriffe  man  nicht,  warum 
die  Tradition  der  Chemiker,  die  sich  auf  Aegypten  doch  sonst  so  viel  zu 
Gute  thun,  grade  den  Nationalnamen  ihrer  Wissenschaft  so  selten  gebraucht 
hätte.  Im  gothaer  Codex  kommt  er  ein  paarmal  bei  Stephanos  von  Alexandria 
vor;  nur  einmal  bei  Olympiodoros  (Fol.  i79r),  wo  dieser  andeutet,  dass  auch  Jesus 
T^v  xexpu|jL|iiv7)v  xexvTjv  t^c  yrruLtia^  (so)  gekannt  habe.  Sonst  sagt  Olympiodor: 
yi^^UD-nxr^  Ti^yri  187V;  ^i^Xo>f '/iiLtunxrf^  171  v;  xif^l^euttx^c  uXt)C  xal  efdouc,  x^f^f^^^'^t*^^ 
eföoc  (=  chemische  Spezerei)  187 v;  7cp<i)Tou  jiyLiLwxoZ  189V;  Stephanos:  ^  |j.ufttx^ 
X^}jLta  (so)  7r;  (luorix^c  X'f^^^  7^-  — 

Nach  diesen  Ablehnungen  sei  es  erlaubt,  eine  Vermuthung  vorzutragen: 
}(72)teia  kann  »Beschäftigung  mit  einem  schwarzen  Präparate  —  »schwarz«  heisst 
chdmt  auf  ägyptisch  —  bedeutet  haben,  nämlich  demjenigen,  welches  nach  den 
Schilderungen  der  ältesten  Kunstverständigen  das  A  und  das  O  der  Verwandlungs- 
kunst war.  Mit  dieser  Etymologie  wäre  Chemie,  d.  i.  die  Metallverwandlung, 
zugleich  auf  ihren  principiellen  Ursprung,  wie  alsbald  soll  wahrscheinlich  gemacht 
werden,  im  Osirismythos  zurückgeführt. 

Von  erheblicher  Wichtigkeit  für  die  Geschichte  der  Metallverwandlung  wäre, 
bestimmt  zu  wissen,  welche  Nation  zuerst  das  Quecksilber  mit  dem  Planeten 
Mercur  verbunden  hat.  Es  giebt  im  Wesentlichen  zwei  Reihen  der  Planeten- 
metalle,  denen  gemeinsam  ist:  Sonne'  ==  Gold,  Mond  =  Silber,  Mars  =  Eisen, 
Saturn  =  Blei,  Venus  =  Erz  (zuweilen  Orichalcum);  von  welchen  die  eine  aber 
dem  Jupiter  das  Electrum,  d.  i.  silberhaltiges  Gold,  dem  Metcur  dos  Zinn  zu- 
theilt  (48),  und  diese  Reihe  entspricht  der  ältesten  Metallzählung.  Dagegen  die 
andere,  also  die  jüngere  und  in  der  Chemie  üblich  gewesene,  schreibt  dem 
Jupiter  das  Zinn,  dem  Mercur  das  Quecksilber  zu  (49).  Merkwürdig  dabei  ist, 
dass  die  chemischen  Zeichen  für  Zinn:  der  Caduceus  des  Mercur,  für  Quecksilber 


526  Handwörterbuch  der  Chemie. 

die  Sichel  des  zunehmenden  Mondes  —  die  abnehmende  gehört  dem  Silber  an; 
jene  ist  also  wohl  mit  Beziehung  auf  argentum  vivum  oder  hydrargyros  gewählt  — 
an  die  ältere  metallurgische  Reihe  angeschlossen  sind.    Darf  man  rückwärts  von 
der  Wirkung  auf  die  Ursache  schliessen,  so  sollte  man  meinen,  dass  Quecksilber 
Mercur  genannt  sei  zuerst  von  denen,   welche  diesem  Metall  unter  den  übrigen 
die  Mittlerrolle  bei  der  Metempsychose  der  Metallkörper  zuwiesen;  welche  den 
Hermes  logios  und  psychopompos  als  die  sich  durch  das  All  erstreckende  Natur- 
kraft wie  den  Quecksilbergeist  als  den  Grundstoff  der  Metalle  ansahn:  d.  h.  den 
Aeg)rptem  und  Chemikern.    Diese  Bedeutung  des  Quecksilbers  (ägyptisch  thrim) 
für  die  Metallverwandlung  steht  am  Anfange  der  Chemie.    Die  ältesten  Chemiker 
sind  voll  davon;  z.  B.  Pibfichios  (so  die  richtige  Aussprache)  sagte  (50):    >alle 
Körper  (d.  h.  Metalle)  sind  Quecksilber,  c    Die  Zustände  des  Quecksilbers  werden 
durch  alle  Phasen  der  chemischen  Operation  zur  Verwandlung  des  Kupfers  in 
Silber  und  Gold  verfolgt.    Hier  spielt  es  eine  Rolle  namentlich  in  einer  gleich 
zu  besprechenden  schwarzen  Wasserauflösung,    dann,  dem  Feuer  ausgesetzt, 
als  Quecksilbersublimat.     Nun  wird  die  Metallverwandlung  stets  als  Färbekunst 
aufgefasst.    Die  Farbe,  nicht  sowohl  die   »äusserlichec,  als  vielmehr  die  »inner- 
liehet,  d.  h.  so  viel  als  möglich  alle  übrigen  Eigenschaften  der  Metallindividualität 
einschliessende,  entscheidet  für  letztere.     Damach  besteht  die  Arbeit  aus  drei 
einander  folgenden  Operationen:    der  Schwärzung,   Weissung  und  Gilbung.    Da 
Silber  und  Gold  als  Ziel  vorschweben,  werden  die  letzten  beiden   am  meisten 
genannt.     Aber  die  vorhergehende  »Schwärzung«  ist  conditio  sine  qua  non. 
Jene  werden  wesentlich  durch  »Brennung«,  diese  mittelst  einer  Brühe  (51)  ans 
Säften  von  Pflanzen,  darunter  manchen  den  Aegyptern  heiligen,  aus  Essig  u.  s.  w. 
bewirkt,  der  sogen.  Wäsche,  Zersetzung,  Fäule.     Z.  B.  dem  Kupfer,  ah  Grund- 
lage der  Bearbeitung,  fügt  man  Blei  und  Quecksilbersublimat  nebst  jenen  Feuchtig- 
keiten hinzu  —  es  giebt  viele  Recepte.     Diese  Brühe,  von  gelindem  Feuer  er- 
wärmt, bleibt  lange  stehen,  bis  man  ein  schwarzes  Produkt,  »wie  Schreiber- 
tinte«,  erhält,  welches  eine  Legion  Namen  hat.     Die  Vorstellung  ist,  dass  in 
diesem  Compositum  die  Individualitäten  der  einzelnen  Metalle  in  ihr  Genus  auf- 
gelöst, ihre  Körper  entkörpert,  in  ihren  UrstofF,  in  ein  aus  ihnen  »herausgekehrtesc 
Naturin  zurückgeführt  sind.     Aus  diesem  sollen  sie  demnächst  durch  die  Ent- 
schwärzung,  d.  i.  die  Weissung  oder  Gilbung,  je  nach  der  Behandlung,  zu  neu 
geordneten    Metallindividualitäten    gebracht   werden.     Die   durchgehende   Seele 
dieser  Körper,  der  jedenfalls  in  dem  tiefschwarzen  Produkt  der  Brühe  ent- 
haltene gemeinsame  Bestandtheil  aller  Metalle,    der  verwandelnde  Stoff,    heisst 
bald,  namentlich  bei  den  Agathodämoniten  (Fol.  138V),  Quecksilber,  bald 
Bleikupfer,  bald  Unser  Blei,   im  Gegensatz  zu  dem  natürlichen  Blei,  indem 
bei  diesen  Namen  weniger  an  das  Haben  als  an  das  Soll  gedacht  wird. 

Was  diese  schwarze  Tinte,  wie  sie  auch  heisst,  oder  dasselbe  Produkt  in  Pulverform  wirklich 
gewesen  sein  kann,  mögen  Chemiker  entscheiden,  nachdem  sie  die  wegen  der  schwankenden 
Nomenclatur  schwer  zu  verstehenden  Recepte  erwogen  haben.  Ueber  diese  Melansis-SchwSrzong 
giebt  es  Aussprüche  des  Agathodämon  Fol.  152  r,  des  Hermes  und  der  Maria  lySv  I79r; 
Apollon,  Theophilos  16$  r  130 r  und  viele  andere  (52).  Die  Sache  ist  durch's  ganze  BCittelaher 
bekannt:  philosophorum  Mercurms  et  mgredo  perfecta  ist  identisch  (53).  KmcHER,  der  Feind  der 
Alchimie,  giebt  eine  ausführliche  Darstellung  (54). 

Von  diesem  »Bleie  also,  aus  welchem  nach  Zosimos  (Fol.  151  v)  die  Ägypter 
alle  Metallwesen  (odaiat),  insonderheit  Kupfer,  Eisen,  Zinn  entstanden  glaubten, 
dem  unzerstörbaren,  feuerfesten  Grundstoff  der  Metallkörper,  von  diesen!  Schwarz, 


Chemie.  527 

welches  im  Gegensatz  zu  Weiss,  der  Farbe  der  Scheidung,  die  der  Zusammen- 
fassung ist,  sagte  nach  Olympiodor  (Fol.  i78r)  der  Panopolit:  »es  stelle  die 
Pupille  des  Auges  und  die  himmlische  Iris  dar«.  Wem  fallt  hierbei  nicht 
ein,  dass  nach  Plutarch  (55)  die  Aegypter  das  Schwarze  des  Auges  -/Yjfxia 
nennen?  wem  nicht,  dass  der  Hermes -Tho)rth,  Schreiber  des  Himmels  und 
Quecksilberpatron  zugleich,  der  Gott  jener  »Vollkommenen  Schwärze«,  d.h. 
Tinte  ist,  mit  welcher  der  Urvater  der  Götter  ChamSphis  die  Isis  beehrte  (56). 
Wie  jenes  Schwarz  die  »Farben«  sämmtlicher  Metalle,  seine  Iris  in  sich  barg, 
so  war  es  »die  Pupille  der  Welt«  (57)  im  Sonnenauge  des  Ra,  d.  h.  lag  im 
Golde  versteckt,  sobald  dieses  durch  die  Behandlung  des  Kupfers  erzielt  war. 
Den  wichtigsten  Vergleich  aber  geben  »die  Orakelsprüche  des  Apollon«  bei 
Olympiodoros,  Fol.  1791.  Damach  ist  »jene  schwarze  Sauce  (Ccoji^c),  jenes 
,Bleikupfer'  das  Grab  des  Osiris.  Was  ist  das?  Es  ist  ein  mit  Binden 
(xeipfaic)  festumwickelter  Leichnam  (58),  der  nur  ein  nacktes  Antlitz  hat.  Und 
es  sagt  das  Orakel  (ursprünglich  in  Jamben),  den  Osiris  verdolmetschend:  Osiris 
ist  das  eingeschnürte  Grab,  welches  alle  Glieder  des  Osiris  birgt.  Die  ,Körper* 
barg  und  setzt  in  Staunen  die  Natur.  Denn  er  (Osiris)  der  Herrscher  jeder 
feuchten  Wesenheit  ist  durch  des  Feuers  Sphären  festgebannt.  Er  [zu  lesen?  es 
(das  Feuer)]  hat  des  ,  Blei  es*  Ganzes  zusammengeschnürt«.  —  So  Fol.  loor: 
Quecksilber  nennen  die  Lehrer  dasGrab  desOsiris,  d.  h.  die  Tödtung  mittels 
Kochens  (bei  gelindem  Feuer)  (59). 

Die  Essenz  des  schwarzen  Präparats,  welches  im  ersten  Akte  der  Operation 
in  »der  Fäule«  erzeugt  wird,   und  auch  26c  (Grünspan,  Kupferoxyd)  heisst,  spielt 
durch    die    folgenden    Operationen   zur  Gold-   und    Silberbereitung   seine  Rolle 
weiter.     Daher  sagt  Stephanos  Alexandrinos  (60)  von  dem  schliesslich  erzeugten 
Golde:*   »Gefunden  ist  der  Pan,  der  seit  der  Gründung  Aegyptens  gesucht 
wird«,    mit  unverkennbarer  Anspielung  auf  den  Freudenruf,  in  welchen  Priester 
und  Volk  an  dem  Festtage  der  Auffindung  des  Osiris  ausbrachen.    Auch  ist  die 
Identificirung  des  Osiris  mit  Pan  bekannt  (61).  —  Auf  denselben  Osirismythos 
scheint   auch    der  Ausdruck   Tapi^sia    »die  Einsalzung  der  Leichname«   für  jene 
Einweichung  der  Metallkörper  namentlich  deswegen  zu  gehen,  weil  die  letztere 
nach  dem  Ausspruch  des  Hermes  (Fol.  84  r  89  r  i66v)  zwischen  dem  24.  Mechir 
(Februar)  und  24.  Meson  (August)  womöglich  im  Monat  Pharmuthi  vorgenommen 
werden  sollte  (62).     Denn  dies  ist  die  Zeit,   wo  das  Nilwasser  am  niedrigsten 
steht,    wo  die  Dürre   des  Typhon  über  der  Erde  herrscht:  wo  Osiris  im  Hades 
ruht.     Wie  die  feuchten  etesischen   Nordwinde  vor  den  südlichen  des  Typhon 
mit  Osiris  in  den  Hades  entweichen  (63),  so  heisst  jenes  schwarze  »Bleikupfer« 
denn  auch  die  »etesische  Wolke«  oder  der  »etesische  Stein«  (64);  zu  der 
Brühe,  in  der  er  sich  entwickelt,  gehört  Milch  von  der  schwarzen  Kuh:   lag  der 
Gott    im  Grabe,  ward  das  goldne  Rind,   des  Osiris,  mit  schwarzem  Mantel  be- 
kleidet (65).  —  Zosimos  nennt  die  von  den  ägyptischen  Priestern  chemisch  be- 
handelten Minerale  xatptxÄc  (xepixotc)  4'a(i,(ju>oc,  Fol.  197V;    derselbe  auch  Leute, 
welche  in  chemischen  Operationen  Glück  haben:  xdc  xatpixÄc  eÖTüxoüvrec.    Dieser 
Ausdruck    könnte    etwa  von  xTjpiov  »Wabe«,    wie  das  Verwandlungspräparat  in 
Wachsform  heisst,  stammen;  aber  wegen  der  Schreibung  ist  es  wahrscheinlicher 
von    xatp^a,    einer   seltneren  Orthographie    für   xeip(a   (66),    abzuleiten,    und  die 
Minerale  wären  als  bei  der  Präparation  in  Leinwandbinden,  wie  wirklich  geschah, 
gehüllte  Mumien    gedacht.     In    der  That,    wie   die  Götter   der  Einbalsamirung 
l*hoyth  und  Anubis,  Vorsteher  der  Wissenschaft,  so  waren  die,  nicht  Menschen- 


528  Handwörterbuch  der  Chemie. 

leiber,  sondern  den  Osirisleib  einbalsamirenden  Priester  Chemiker.  Man  weiss 
schon  aus  Athenodoros  (67),  dass  die  Statue  des  Osiris  aus  einem  Präparat  ge- 
gössen  ward,  welches  aus  sämmtlichen  sechs  Metallen  (Quecksilber  wird  nicht 
genannt)  und  einer  Reihe  von  Edelsteinen  gestossen  und  zusammengeknetet  be- 
stand; desgleichen  die  des  Sarapis,  was  auch  Ruünus  bestätigt  (68).  Die  ganze 
Masse  wurde  ausserdem  cyanblau  gefärbt,  so  dass  die  Statue  schwärzlich  aussah. 
Alles  dies  bestätigen  nun  hieroglyphische  Inschriften  der  römischen  Kaiserzeit 
im  Tempel  von  Tentyra,  welche  eine  bis  in*s  Einzelste  gehende  Beschreibung 
von  der  Anfertigung  der  Statuette  des  unterirdischen  Osiris  geben,  die  nachher 
in  eine  andere  des  Gottes  Sochar  gesteckt  ward.  Sie  zählen  nicht  weniger 
als  24  Mineralien  auf,  welche  zerstampft  und  mit  vielen  Vegetabilien  ver- 
mischt fUr  den  Guss  verwendet  wurden  (69).  Der  vom  typhonischen  Feuer 
getödtete  schwarze  (70)  Osiris,  in  sich  alle  buntfarbigen  Minerale  bergend, 
dann  wieder  auflebend  und  als  junger  Koros  hervorbrechend:  was  hätten  die 
Bereiter  seines  mystischen  I^ibes  mit  der  Durcheinanderknetung  der  irdischen 
Stoffe  anders  darstellen  wollen,  als  dass  sie  alle  die  Seele  des  einen  dunklen 
Gottes  durchzieht?  und  umgekehrt,  war  dies  nicht  praktisch  die  erste  Verwirk- 
lichung der  metallischen  Metempsychose  in  der  schwarzen  Brühe  aus  allen  mög- 
lichen mineralischen,  vegetabilischen  und  animalischen  Stoffen?  Oefter  hört  man 
von  Zusammenstellungen  verschiedener  Metalle  zur  Bildung  von  Statuen,  z.  B. 
der  des  Sochar  (71),  oder  von  Einschachtelungen,  wie  die,  in  welchen  das 
hermetische  Zauberbuch  am  Grunde  des  Nil  liegt  (72):  allein  erst  diese  Zu- 
sammenarbeitung der  Osirispaste  darf  man  als  die  erste  chemische  Operation 
ansehen,  eine  }i.u&ix9)  x^^eia,  insofern  sie  den  speculativen  Zweck  des  mineralischen 
Alls  in  dem  Einen  und  umgekehrt  hat,  und  nicht  wie  die  vielen  Electuarien  im 
Papyros-Ebers  der  Medicin  dient  Damach  verdankt  die  Chemie  ebenso  wie  die 
Astronomie  ihren  Ursprung  der  Theologie;  weder  von  der  Sucht  nach  Gold,  noch 
von  der  Zauberei  ist  sie  ausgegangen.  Wie  spät  in's  Mittelalter  hinein  unter 
Chemikern  das  Andenken  an  den  Osiris-Sarapisleib  erhalten,  zeigt  die  Ueber- 
tragung  seiner  Bildung  auf  den  Hermes,  den  Regenten  des  Quecksilbers  und 
also  des  Verwandlungsprincips,  bei  den  einem  philosophirenden  Heidenthum  er- 
gebenen CoUegen  in  Harrän  in  Mesopotamien.  Auf  diese  geht  zurück,  wenn 
dort  die  Statue  des  Mercur  ein  Hohlguss  aus  allen  Metallen  und  Porzellan,  in- 
wendig mit  Quecksilber  ausgefüllt,  war  (73). 

Noch  weitere  Beweise  des  Ursprungs  der  chemischen  Idee  im  ägyptischen 
Priesterthum  fallen  in  die  Augen.  Oftmals  wird  das  feuchte,  schwarze  Präparat, 
wenn  es  bei  der  Sublimation  aus  dem  unteren  Gefäss  durch  den  Cylinder  in  die 
obere  Kugel  steigt,  wobei  öfter,  um  die  Gold  färbe  zu  erzielen,  Schwefel  hinzu- 
gesetzt wird,  und  es  also  zur  Erweckung  des  Osiris  bereit  ist,  das  »göttliche, 
unberührbare  (ädixxov)  Wassere  oder  auch  »das  gesegnete  Wasser«  genannt,  Aus- 
drücke, mit  welchen,  wie  das  Gespräch  der  Kleopatra  mit  Ostanes  (74)  deutlich 
zeigt,  angespielt  ist  auf  das  mystische  Wasser,  welches  Osiris  der  todten  Seele 
zu  ihrer  Läuterung  und  Erhaltung  zu  trinken  giebt  (75),  und  mit  dem  Isis  den 
todten  Horos  lebendig  machte  (76). 

Es  ist  dasselbe  wie  jenes  »durchsichtige  Wasser«,  welches  in  der  Parabel  Isis  an  Horos  (77) 
der  Hohepriester,  d.  h.  Choachyt  (78)  Amnael  mit  dem  Abzeichen  des  Uräus?  auf  dem  Kopf 
in  dem  Kruge  trug;  dasselbe,  welches  bei  der  Isismesse  der  ministrirende  Priester  wie  eine 
Hostie  vor  den  Augen  der  Gemeinde  im  Hydreion  emporhub  (79):  eine  Ceremonie,  anf  weldie 
die  viel  berufenen  Worte  des  Demokritos  von  der   »Erhebung  der  Wolke  und  des  Wassas«, 


i 


Chemie.  529 

d.  h.  die  Sublimation  anspielen.  Aus  'dem  »göttUchen  Wasser«  ^tov  5du>p  ward  nach  dem 
griechischen  Wortspiel  wohl  erst  später  »Wasser  des  Göttb'chen  oder  Schwefelwasser «  gemacht. 
Denn  wie  Quecksilber  die  weisse,  so  repräsentirt  Schwefel  die  gelbe  Verbindung  mit  demselben 
Grundstoff.  Dieser  heisst  noch  vom  Kupfer  aus  los,  d.  i.  doppelsinnig  Grünspan  (Oxyd)  und 
Gift.  Daher  die  Allegorie  des  beweglichen,  wandelbaren,  giftigen  Quecksilbergeistes  mit  der 
Schlange,  die  ihren  Schwanz  verschlingt  (SptiSxcov  o6poß<{f>oc)  (80).  Denn  von  der 
schwarzen  Brtlhe  wandert  das  Princip  durch's  weisse,  gelbe  u.  s.  w.  wieder  in  die  Schwärze. 
Man  deutete  diese  Schlange,  diesen  6cp(ou}(0<  5a((A(i>v,  Zosimos,  Fol.  174V,  als  die  »des  Agathodämon 
(Fol  171  v),  des  guten  Dämons  von  Aegypten«  —  daher  die  beiden  Syntheroata  die  Kronen  von 
Ober-  und  Unterägypten;  —  und  zugleich  die  »der  Welt«,  weil  dieses  Wort  mit  dieser  Schlange 
hieroglyphisch  geschrieben  wurde.  Sie  ist  der  Gott  Knuph,  der  auch  Chnubis  oderKneph  gesprochen 
wird  (81),  denn  nur  ihretwegen  heissf  der  Alcmbicus  (dffjiiioS  so)  Kvou^v,  d.  i.  Knuphtempel  (82). 

Von  dieser  Verwendung  der  Götter  zur  Personificirung  des  metallverwandelnden 
Princips  schritt  die  Analogiebildung  dahin  fort,  für  historisch  gehaltene  Personen, 
die  Hohenpriester  der  Chemie,  zu  demselben  Zweck  zu  gebrauchen;  denn  diese 
konnten  ganz  gemäss  einer  neuplatonischen  Theurgie  die  Verkörperungen  ihrer 
Gottheiten  vorstellen.  Das  lag  um  so  näher,  je  mehr  man  sich  den  Process  im 
Retortentempel  als  Gottesdienst  ausmalte.  So  erscheint  denn  jener  Amnael  als 
Vertreter  des  Quecksilbergeistes;  so  der  Komarios,  den  Kleopatra  (83)  »Gott  und 
Vaterc  nennt,  wie  es  wenigstens  nach  der  Ueberschrift  des  Buches  ȟber  die 
beiden  Synthemata  und  die  Komaris«  scheint;  so  der  »Erzpriester  Neilos  in  den 
Fluthen  des  Neilosc  (wieder  die  Brühe)  (84);  so  tritt  endlich  Chem es,  der  Vater 
der  Chemie,  wenn  nicht  Alles  trügt,  in  diesem  Citat  aus  einem  alten  Schriftsteller 
auf  (85):  »Kämpfe  Kupfer!  Kämpfe  Quecksilber I  Vermähle  das  Männliche  und  die  Weibliche; 
d.  h.  mische  das  rothe  Kupfer  ein,  tauche  das  »Goldoxyde  unter.  Welches  (Groldoxyd)?  d.  i. 
die  Fäule  der  Isis  (die  goldwirkende,   schwarze  Sauce).     Sie  macht  Metalle  und  Wunder. 

Kämpfe  Kupfer I    Chemoi  hilft«  (xe(Aol  ßoi^Oei) und  von  neuem  wiederholt  er  die  Rede: 

»Kämpfe  Kupfer!  Kämpfe  Quecksilber!«  Also  für  Quecksilber,  das  entscheidende  Ingredienz, 
tritt  Chemoi  auf.  Demnach  wäre  der  grammatische  Vocativ  Xi^fU  oder  Xv]{ji^  herzustellen  (86). 
Nach  der  itacistischen  Art  aller  dieser  späten  Handschriften  ist  dieser  Chemes  mit  den  anfangs 
Besprochenen  identisch.  Die  Vermuthung,  die  sich  hier  leicht  aufdrängt,  als  könne  in  dem 
Chemes  etwa  ein  Beiname  des  Osiris  »Schwarzer«  =  chemt  stecken,  rathen  die  angeführten 
Analogien  wie  andere  Erwägungen  zu  verwerfen. 

Endlich,  mit  jener  Grundsuppe  den  Mutterschooss  vergleichend,  liess  man  das  chemische 
Princip  daraus  auch  als  Menschlein  (dvdpuntdptov  bei  Zosimos)  aufsteigen  und  zum  Kupfer-, 
Silber-,  Gold-  oder  auch  Silbergoldmenschen  (dl9Y]fi«Ev9pamoc)  heranwachsen  (87).  Ob  zu  diesem 
Homuncnlus  der  Mythos  von  »Horos  dem  [Sonnen-  d.  i.  Gold-]Kinde«,  dem  Harpokrates,  den 
ersten  Anstoss  gab? 

Man  sieht,  wie  viel  die  Deutung  der  x^(i.e(a  als  »Bereitung  der  Schwärze« 
für  sich  hat.     Zum  Schutze  derselben  sind  noch  einige  Punkte  hervorzuheben. 

Aus  der  Vermischung  des  Chemes  oder  Chimes  mit  dem  Worte  chemia 
(oder  chemeia,  das  ist  gleichgültig)  entstand  wahrscheinlich  die  Bezeichnung 
7e(ftT)  bei  Cedrenus  (88).  Mag  jener  MetallgrundstofF  personificirt  auch  Chimes 
genannt  sein,  wie  gezeigt  worden  ist:  niemals,  weder  im  gothaer  Codex,  noch 
in  der  syrischen,  unmittelbar  aus  dem  Griechischen,  aber  in  arabischer  Zeit  ge- 
machten Uebersetzung  —  dieser  fehlt  es  überhaupt  —  kommt  das  Wort  x^jtefa 
als  Bezeichnung  dieses  oder  eines  andern  Präparats  vor.  Salmasius,  Reinesius, 
X.AMBECIUS,  DU  Cange,  in  griechischen  Chemikern  belesenen  und  der  Sache  nach- 
spürenden Männern  wäre  das  auch  nicht  entgangen.  Man  sagte  }&eXav  (=  chSmt) 
dafür.  Das  Substantiv  yj^^^io.  ist  den  alten  Schriftstellern  schlechthin 
Name  ihrer  Wissenschaft  ohne  Appellativbedeutung,  die  verschollen  war. 

LjiD<HBU«G,  Ghemie.    IL  34 


530  Handwörterbuch  der  Giemie. 

Zwar  zwischen  den  Schreibungen  x^V-^^^f  ^^^  ^^^^  ^^  ^^^  gothaer  Handschrift 
nirgends  findet,  und  xiQ^eia  oder  ^tfieia  kann  aus  unseren  späten  Handschriften 
keine  Entscheidung  getroffen  werden.  Dennoch  spricht  die  grosse  Mehrzahl  der 
Fälle,  dann  aber  die  syrische  und  arabische  Orthographie,  die  sich  nach  viel 
älteren  griechischen  Vorlagen  richtet,  entschieden  fiir  i  oder  e.  Auch  muss  das 
erwartet  werden;  denn  jedenfalls  ist  der  Schreibung  der  Chemie  durch  diejenige 
des  Chemes  präjudicirt. 

Ableitung  des  Wortes  aus  dem  Griechischen  kann  weder  auf  den  bekannten 
Sprachgebrauch,  sei  es  des  Wortes  selber,  sei  es  seines  Etymons,  noch  auf  die 
Geschichte  der  Sache  gestützt  werden.  Selbst  Gildemeister's  Versuch,  wonach 
^u(jLe(a  von  Yu\i,6<:  (89)  kommt  und  ein  flüssiges  Elixir,  wie  Xßrion  ein  pulvriges 
bedeute,  scheitert  daran,  1.  dass  chemia  im  Griechischen  für  ein  Präparat  nicht 
gebraucht  wird.  Würde  es  aber  noch  einmal  in  dieser  Bedeutung  erwiesen,  so 
wäre  diese  als  secundär  anzusehen.  Denn  solche  Metaphern  wie  »die  Körper 
(die  Metalle)  sind  die  Kunst«  kommen  vor  (90);  2.  dass  die  feuchten  Präparate 
andere  Namen,  wie  Cci>(jl6c,  iöc  u.  s.  w.  führen;  3.  dass  die  dazu  verwandten 
Säfte  x^^o^  heissen,  sowie  4.  dass  x^H^t  (i^  der  gothaer  Handschrift  vielleicht 
nur  einmal)  (91)  bei  den  Chemikern  seine  gewöhnlichste  Bedeutung:  humores 
des  menschlichen  Körpers  hat.  —  Höchstens  käme  x^p.»  =  xs^ij*«  in  Betracht; 
d.  i.  rohes  in  Barren  gegossenes  Metall  (92).  Daraus  könnte  »Beschäftigung 
mit  metallurgischen  Rohprodukten  (der  afi[Laza  x^o)  behufs  Goldbereitung«  xOf^ek 
wie  \Lt'zaXkdoL  bei  Suidas  abgeleitet  werden.  Aber  dann  sollte  es  eher  xu{iaTe(a  heissen, 
und  man  erwartete  dabei  x^ji«  häufig  gebraucht,  was  nicht  der  Fall  ist  u.  dergl.  m.  — 

Aus  x^J^sfa  oder  x^lF^^  haben  die  Araber  mit  Vorsetzung  ihres  Artikels  al- 
Ktmijä  gemacht;  und  diese,  wie  Gildemeister  sehr  schön  gezeigt  hat,  nicht  nur 
als  Namen  der  Kunst,  sondern  auch  des  verwandelnden  Stoffs  gebraucht  In 
Beidem  hatten  sie  die  Syrer  zu  Vorgängern.  Diese  haben  wahrscheinlich  schon 
im  sechsten  Jahrhundert,  bevor  sie  unter  dem  Islam  den  Arabern  diese  Kenntnisse 
vermittelten,  griechische  Chemie  getrieben,  obgleich  das  nicht  ganz  sicher  ist  (93). 
Nur  dass  sie,  nach  den  syrischen  Lexikographen  zu  urtheilen,  statt  Chemie 
Khemalea  oder  Khemelea  sagten,  nämlich  ya^iaikitas.  Denn,  sagt  das  Lexikon 
Fol.  136  r,  »die  Körper  (=  Metalle)  aber  in  der  Zusammensetzung  (iv  ouvOe^ei) 
heissen  y(a[Laikiv>y<L  (94).  Chamäleon  heisst  hier  wieder  das  verwandelnde  Princip 
oder  Stoff,  welcher  derselbe  bleibt,  so  oft  er  auch  die  Farben  der  Metalle 
wechselt. 

Der  Name  XW^^^  ^^^^  X^V-^^  ^**  keine  griechisciie,  sondern  eine  äg3rptische 
Etymologie.  Er  bedeutet  schwerlich  die  »Beschäftigung  Aegyptens«;  viel  wahr- 
scheinlicher »die  Bereitung  der  Schwärze«,  nämlich  des  schwarzen  Metall- 
verwandlungsprincips,  dessen  Gedanke  der  Speculation  über  den  Leib  des  unter- 
irdischen Osiris  entsprungen  ist.  Man  darf  Chemie  oder  Chimie,  und  sollte 
Alchimie  schreiben:    Alchymie  ist  falsch. 

Literatur.  Ohne  Herausgabe  der  zahlreichen  griechischen  Handschriften  über  Chemie  und 
ihrer  syrischen  Uebersetzungen  in  London  und  Cambridge  kann  ihre  älteste  Geschichte  nicht  auf- 
geklärt werden.  Ueber  die  gothaer  Handschrift  vergl.  Jacobs  und  Ukbrt,  Beiträge  zur  älteren 
Literatur  oder  Merkwürdigkeiten  der  Herzogl.  Bibliothek  zu  Gotha  I,  pag.  216  fL  Das  älteste 
Denkmal,  der  griechische  Papyros  Anastasi  383,  384,  herausgegeben  von  Leemanms,  blieb  unsn- 
anglich.  Ebenso  die  zweite  Ausgabe  von  Hoefer,  Histoire  de  la  chimie,  Paris,  welches  neue 
Texte  aus  pariser  Handschriften  abdruckt.  Alle  tibrigen  Nachweise  s.  bei  Kopp,  Betträge  zor 
Geschichte  der  Chemie  1869.  Professor  G.  HOFFMANN,  Kiel. 


Chinasäure.  S3I 

Chinasäure,*)   CjHiaOg -f- H^O,   wahrscheinlich:    Hexahydrotetraoxy- 
(OH), 
BenzoesäurCi    CgHgH  -h  HoO.     Eine    in    den   echten   Chinarinden   zu 

COOH 
5—8^  und  in  der  sogen.  China  nova  (i),  in  geringen  Mengen  auch  in  den 
Heidelbeeren  (2),  den  Caffeebohnen,  im  Wiesenheu  und  vermuthlich  in  allen 
denjenigen  Pflanzen  vorkommende  Säure,  aus  welchen  Chinon  erhalten  werden 
kann.  Ist  in  den  betr.  Pflanzen  meist  als  Kalksalz  vorhanden.  Wird  aus  den 
kalten,  wässrigen  Extrakten  der  Chinarinden  durch  Versetzen  derselben  mit  Kalk 
und  Eindampfen  des  Filtrates  bis  zum  Syrup  als  Kalksalz  erhalten  (3),  welches, 
umkrystallisirt,  am  besten  durch  Zerlegung  mit  Oxalsäure  die  freie  Säure  liefert  (4). 
Oder  man  kocht  Heidelbeerkraut  mit  Wasser  und  Kalk  aus,  entfernt  aus  der  ab- 
gepressten  Flüssigkeit  Farbstoffe  und  Unreinigkeiten  durch  Bleiacetat,  den  Ueber- 
schuss  des  letzteren  durch  Schwefelwasserstoff  und  erhält  so  ebenfalls  beim  Ein- 
dampfen das  Kalksalz,  mit  welchem  dann  wie  oben  angegeben  verfahren  wird  (5). 

Die  freie  Säure  bildet  farblose,  der  Weinsäure  ähnliche,  monokline  Säulen, 
vom  spec.  Gew.  1-637  bei  8^  ist  an  der  Luft  unveränderlich,  löst  sich  in  2*5  Thln. 
kaltem  Wasser,  viel  reichlicher  in  heissem,  dagegen  weniger  in  Alkohol  und 
kaum  in  Aether;  ihre  Lösungen  sind  linksdrehend  (6).  Bei  161*6°  schmilzt  sie 
unter  Verlust  des  Krystallwassers  (7),  bei  220 — 250°  geht  sie  in  Chinid  über  (s.  d.)  (4), 
über  280°  liefert  sie  als  Zersetzungsprodukte  Phenol,  Benzoesäure,  Benzol,  Salicyl- 
aldehyd  und  Hydrochihon  (8).  Viele  ihrer  Salze  verhalten  sich  ähnlich,  geben  aber 
oft  neben  letzterem  Körper  auch  noch  Brenzcatechin  (2,  5).  Concentrirte  Schwefel- 
säure führt  die  Säure  unter  Entwicklung  von  Kohlenoxyd  in  Hydrochinondisulfon- 
säure  über  (9),  Bleisuperoxyd,  verwandelt  sie  langsam  in  Hydrochinon  (7),  Braun- 
stein und  Schwefelsäure  rasch  (10)  in  Chinon,  Phosphorpentachlorid  in  das  Chlorid 
der  Metachlorbenzoesäure  (11),  Jodwasserstoff  bei  120°,  leichter  noch  Jodphosphor 
in  syrupdicker  Lösung  in  Benzoesäure  (12),  Salzsäure  bei  150°  in  Hydrochinon 
und  m-Oxybenzoesäure  (13).  Dagegen  liefert  sie  Protokatechusäure,  CyHgO^, 
(Brenzkatechincarbonsäure)  sowohl  durch  Einwirkung  von  Brom  in  wässriger 
Lösung  (13),  als  auch  durch  S<:hmelzen  mit  Kalihydrat  (11)  oder  Natronhydrat 
(13)  und,  neben  Benzoesäure,  durch  Erhitzen  mit  rauchender  Bromwasserstoffsäure 
auf  130°  (14).  Beim  Erwärmen  von  Chinasäure  mit  Jod  und  Kalilauge  entsteht 
Jodoform  (15). 

Die  Chinasäure,  deren  richtige  Zusammensetzung  Liebig  (16)  und  Woskre- 
SENSKY  (io)  ermittelten,  wurde  zuerst  von  Graebe  (ii,  17)  entgegen  den  Ansichten 
von  KoLBE  (18)  und  Lieben  (15)  auf  Grund  der  Thatsache,  dass  sie  bei  fast 
allen  glatt  verlaufenden  Reactionen  in  Benzolderivate  übergeht,  zu  den  Additions- 
produkten der  aromatischen  Verbindungen  gerechnet  und  wird  so  jetzt  fast  all- 
gemein als  Hexahydro-ietraoxy-Benzoesäure  aufgefasst. 

Die    Chinasäuren  Salze,  der  Formel  C^H^^MeO^  entsprechend,   sind  in  Wasser  meist 

•)  i)  Hlasiwetz,  Ann.  79,  pag.  144.  2)  Zwenger,  Ann.  115,  pag.  108.  3)  Baup,  Ann.  6, 
pag.  7.  4)  Hesse,  Ann.  110,  pag.  334.  5)  Zwenger  und  Siebert,  Ann.  Suppl.  1,  pag.  77. 
6)  HsssE,  Ann.  176,  pag.  124.  7)  Derselbe,  Ann.  114,  pag.  292.  8)  Wöm.£R,  Ann.  51,  pag.  146. 
9)  Hesse,  Ann.  iio,  pag.  195.  10)  Woskresensky,  Ann.  27,  pag.  257.  11)  Graebe,  Ann.  138, 
pag.  197.  12)  Lautemann,  Ann.  125,  pag.  12.  13)  Hesse,  Ann.  200,  pag.  237.  14)  Fittig 
und  Hilx£BRAndt,  Ann.  193,  pag.  197.  15)  Lieben,  Ann.  Suppl.  7,  pag.  232.  16)  Likbig, 
PoGG.  Ann.  21,  pag.  i.  17)  Graebe,  Ann.  146,  pag.  66.  18)  Kolbe,  Lehrbuch  2,  pag.  656, 
19)  Clemm,  Ann.  iio,  pag.  348.  20)  Hesse,  Ann.  iio,  pag.  194,  333.  21)  Menschutkin, 
Her.  XV.  pag.   164. 

34* 


53^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

leicht,  in  Alkohol  nicht  löslich,  und  krystaUisiren  gut  (19,  20).     Ausserdem  kennt  man  basische 
Salze  des  Kupfers,  Bleies  und  Eisens.     Kalium-  und  Ammoniumsalz  sind  zerfliesslich  (19). 

Natriumsalz,  CjHj^NaOg+ 2H,0,  grosse,  rhombische  Krystalle,  bei  15^  in  ^  ThL 
Wasser  löslich,  bei  100°  im  Krystallwasser  schmelzend  (19). 

Bariumsalz,  (C^Hi,Oe),Ba  + 6H,0  (3,  19). 

Strontiumsalz,   (CyHiiOg),Sr4- 10  oder  15H,0,  in  2  Thln.  Wasser  von  15**  löslich. 

Calciumsalz,  (C^H^  ]Og),Ca+  IOH3O,  Darstellung  s.  unter  Chinasäure.  Seideglänzende, 
rhombische  Blättchen,  löslich  in  6  Thln.  Wasser  von  15%  äusserst  leicht  in  heissem,  bei  120° 
verwitternd. 

Magnesiumsalz,  (CyHii05)jMg  + 6H,0,  weisse  Warzen. 

Mangan  salz,  (CjH,  jOg)2Mn,  rosenroth,  in  200  Thln.  Wasser  löslich. 

Zinksalz,  (CjHjiOg)3Zn,  weisse  Warzen  oder  Krusten,  leicht  löslich. 

Nickelsalz,  (CyHiiOg),Ni  4- ÖH^O,  grün,  schnell  verwitternd. 

Kobaltsalz,  (CjHiiOß),Co  +  5H,0,  roth,  vorigem  ähnlich. 

Eisen  oxydsalz,  basisches,  (C,HjjOg-C,Hj()Of),Fe3,  entsteht  durch  Verdampfen  von 
Lösungen  anderer  Salze  mit  Eisenchlorid ;  mikroskopische  Blättchen  (7). 

Cadmiumsalz,  (C7H^,0g),Cd,  in  230  Thln.  Wasser  löslich. 

Kupfersalz,  neutrales,  (CjHjiOg),Cu  +  5H20,  blassblau,  in  3  Thln.  Wasser  löslich. 
Durch  Lösen  von  Kupferoxyd  in  etwas  überschüssiger  Säure  zu  erhalten. 

Basisches  Salz,  C^H^oCuO^  +  2H,0,  durch  Erwärmen  der  Säure  mit  Überschüssigem 
Kupferoxyd  entstehend;  schöne  grüne  Krystalle,  in  1150 — 1200  Thln.  kaltem,  leichter  in  heissem 
Wasser  löslich. 

Bleisalz,  neutrales,  (CyHii06)3Pb4-2H,0,  in  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich. 

Basisches  Salz,  C7HgPbgOg  + xH^O,  aus  chinasauren  Salzen  und  Bleiessig,  weiss, 
voluminös,  wenig  löslich. 

Silbersalz,  C^H^jAgOg,  warzenförmige  Krystalle,  leicht  sich  schwärzend  und  leicht  löslich. 

Aethylester,  CjHii(C3H5)Og,  aus  dem  Silbersalz  und  Jodäthyl  (20)  erhalten;  gelb- 
licher, zäher  Syrup,  in  Wasser  und  Alkohol  leicht,  in  Aether  nicht  löslich,*  in  wässriger  Losung 
und  beim  Erhitzen  sich  leicht  zersetzend. 

Aetherificationsgeschwindigkeit  der  Chinasäure  (21). 

Tetracetylester,  CiyHj40io  =  CyHy^QQ^  j^«^*,  aus  dem  Ester  und  Essigsäureanhy- 
drid  (14).  Rhombische  Blättchen,  Schmp.  135%  unzersetzt  sublimirend.  Schwer  löslich  in  Wasser, 
kaltem  Alkohol  und  Aether. 

Chinid,  CjH^gOj,  entsteht  durch  Erhitzen  von  Chinasäure  auf  250°  (4),  Shnelt  dem 
Laktid  (s.  d.).  Salmiakähnliche  Krystalle,  regenerirt  durch  Alkalien  die  Säure.  Giebt  mit  Essig- 
säureanhydrid bei  170° 

Tetracetylchinid,  CjsHigOj^CyHsOCOCOCHj)^.     Schmp.   124°  (13). 

Chinasäureanilid,  CyHjjOg.NHCgHj+HjO,  aus  der  Säure  durch  Anilin  bei  180°  ent- 
stehend (20);  seideglänzende  Nadeln,  leicht  in  Wasser  und  Alkohol  löslich,  bei  90°  verwitternd, 
bei  174°  schmelzend.  A.  HantzSCH. 

Chinolin,*)  C9H7N.  Gerhardt  fand  1842,  als  er  Chinin  (i)  mit  Aetzkali 
schmolz,  eine  sauerstoffhaltige  Base,  welche  er  Chinolem  nannte,  und  für  welche 

*)  i)  Gerhardt,  Ann.  Chem.  42,  pag.  310.  2)  Ders.,  Ann.  Chem.  44,  pag.  279.  3)  Lau- 
rent, Ann.  Chem.  62,  pag.  10 1.  4)  Bromeis,  Ann.  Chem.  52,  pag.  130.  5)  Hofmann,  Ann. 
Chem.  47,  pag.  37;  53,  pag.  427.  6)  Williams,  Journ.  pr.  Ch.  66,  pag.  334;  Jahrb.  f.  Gh.  1860, 
pag.  361.  7)  Spalteholz,  Ber.  16,  pag.  1847.  8)  Liebig  u.  Wöhler,  Ann.  Chem.  59,  pag.  291; 
61,  pag.  I.  9)  Ador  u.  Baeyer,  Ann.  Chem.  155,  pag.  295.  10)  Baeyer,  Ber.  12,  pag.  132a 
11)  Weinberg,  Inaug.-Diss.,  München  1882,  pag.  9.  12)  Skkaup,  Monatsh.  f.  Ch.  i,  pag.  317; 
2,  pag.  141.  13)  DöBNER,  Ber.  14,  pag.  2812;  15,  pag.  3075;  16,  pag.  2464.  14)  Fried- 
LÄNDER,  Ber.  15,  pag.  2573;  16,  pag.  1834.  15)  Knorr,  Ber.  16,  pag.  2595.  16)  Königs, 
Ber.  12,  pag.  453.  17)  Ders.,  Ber.  13,  pag.  911.  18)  Wischnegradsky,  Ber.  13,  pag.  2318. 
19)  Goldschmiedt  u.  Schmidt,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  17.  20)  Hoogewjcrff  u.  v.  Dorf, 
Rec.  trav.  ch.    i,   pag.  9.     21)   Claus   u.   Istel,   Ber.    15,  pag.  824.     22)  Shmith   a.   Davis 


Chinolin.  533 

er  die  Fonnel  CjgHjjNjOj  aufstellte.    Als  er  Cinchonin  (2)  und  Strychnin  dem- 
selben Process  unterwarf,  glaubte  er  dieselbe  Base  wiedergewonnen  zu  haben, 


Ber.  16,  pag.  243.     23)  Donath,  Ber.   16,  pag.  1770.     24)  Oechsner,  Bull.  soc.  chim.  37, 
pag.  209.    25)  Schiff,  Ann.  Chem.  131,  pag.  112.    26)  Friese,  Ber.  14,  pag.  2805.    27)  Williams, 
Jahrb.  f.  Ch.  1858,  pag.  357.     28)  Skraup,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  141.     29)  Baeyer,  Ber.  14, 
pag.  1322.    30)  Schiff,  Ann.  Chem.  131,  pag.  112.    31)  Williams,  Jahrb.  f.  Ch.  1855,  pag.  521. 
32)  Hoogewerff  IL  Y.  Dorf,  Ber.  13,  pag.  1640.    33)  Williams,  Jahrb.  L  Ch.  1856,  pag.  534; 
LA  CosTE,  Ber.  15,  pag.  192.     34)  Körner,  Gaz.  chim.  11,  pag.  548  u.  551.     35)  Babo,  Jahrb. 
f.  Ch.  1857,  pag.  504.     36)  Claus  u.  Himmelmann,  Ber.  13,  pag.  2045.    37)  Claus  u.  Tosse, 
Ber.  16,  pag.  1277.     38)  Claus  u.  Glyckherr,  Ber.  16,  pag.  1283.     39)  Berend,  Ber.  14, 
pag.  1349.     40)  Rhoussopoulos,  Ber.  16,  pag.  370.     41)  Ders.,  Ber.  16,  pag.  202.     42)  Ders., 
Ber.  16,   pag.  881.     43)  Würtz,   Bull.  soc.   chim.   37,  pag.  194;    Compt.  rend.  95,   pag.  263. 
44)  Gehrichten,  Ber.  15,  pag.  1254.     45)  Pictet,  Compt.  rend.  95,  pag.  300.    46)  Brunk  u. 
Grabe,  Ber.  15,  pag.  1783.    47)  Rhoussopoulos,  Ber.  15,  pag.  2006.    48) «Skraup,  Monatsh. 
f.  Ch.  I,  pag.  317.     49)  Hock,  Ber.  16,  pag.  885.    50)  Williams,  Jahrb.  f.  Ch.  1878,  pag.  891. 
51)  Claus,  Ber.  14,  pag.  1940.     52)  Weidel,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  491.     53)  Japp  u.  Gra- 
ham, Chem.  Soc.  39,  pag.  174.     54)  Weidel,  Monatsh.  f.  Chem.  2,  pag.  501.     55)  Königs, 
Ber.  12,  pag.  loi  u.  252;    14,  pag.  99;   Wischnegradsky,  Ber.  12,  pag.  1481.     56)  Wischn^ 
GRADSKY,  Ber.  12,   pag.  1481;    13,  pag.  2400.     57)  Hoffmann  u.  Königs,  Ber.  16,  pag.  727. 
58)  Dawar,  Jahrb.  f.  Ch.  1877,  pag.  445;    1880,  pag.  949.     59)  LA  CosTE,  Ber.  15,  pag.  559. 
60)  Friedländer  u.  Ostermai&r,  Ber.  15,  pag.  333.    61)  Friedländer  u.  Weinberg,  Ber.  15, 
pag.  1424.     62)   LA   CosTE,  Ber.  15,   pag.  558.     63)  Lubavin,  Ann.   Chem.    155,   pag.    318. 
64)  Claus  u.  Istel,  Ber.  15,  pag.  820.     65)  la  Costb,  Ber.  14,  pag.  915.    66)  Ders.,  Ber.  15, 
pag.  190.     67)  Grimaux,   Compt.   rend.  95,  pag.  85.     68)  Claus  u.  Istel,  Ber.  15,  pag.  824, 
69)  LA  CosTE,  Ber.  16,  pag.  673.    70)  Königs,  Ber.  12,  pag.  449;    14,  pag.  99.    71)  la  Coste, 
Ber.  16,  pag.  669.     72)  Ders.,  Ber.  15,  pag.  19 18.     73)  Ders.,  Ber.  15,  pag.  561.     74)  Bedall 
u.  Fischer,   Ber.  14,  pag.  2573.     75)  Riemerschmied,  Ber.  16,  pag.  725.     76)  Lubavin,  Ann. 
Chem.  155,  pag.  318;  Fischer  u.  Bedall,  Ber.  15,  pag.  683.    77)  ia  Coste,  Ber.  15,  pag.  191a 
78)  Fischer,  Ber.  15,  pag.  1979;  Riemerschmied,  Ber.  16,  pag.  721.     79)  Fischer  u.  Bedall, 
Ber.  14,   pag.  442,  1366.     80)  Bedall,  Inaug.-Diss.,  München  1882.     81)  Bedall  u.  Fischer, 
Ber.  14,  pag.  1368.    82)  Dies.,  Ber.  14,  pag.  2571.    83)  Fischer,  Ber.  16,  pag.  714.    84)  Wurtz, 
Compt.  rend.  96,  pag.  1269.     85)  Weidel,  Ann.  Ch.  173,  pag.  93;   Königs,  Studien  Über  Alka- 
loide,  pag.  63;  Leo  Hoffmann  u.  Königs,  Ber.  16,  pag.  736.     86)  Skraih»,  Monntsh.  f.  Ch.  3, 
P^*  559;  Riemerschmied,  Ber.  16,  pag.  722.    87)  Riemerschmied,  Ber.  16,  pag.  723.    88)  Skraup, 
Monatsh.  f.  Ch.  3,  pag.  534;  Weidel,  ibid.  2,  pag.  565.     89)  Kopp,  Ann.  Chem.  64.  pag.  373; 
CmozzA,  ibid.  80,  pag.  117;  Joum.   f.  Ch.   56,  pag.  339;  Beilstein  u.  KthiNER,  Zeitschr.   f. 
Ch.  1865,  pag.  i;  Baeyer  u.  Jackson,  Ber.  13,   pag.  115;  Tiemann  u.  Oppermann,  ibid.  13, 
pag.  2016;  Morgan,  Ch.  News  36,  pag.  269.    90)  Friedländer  u.  Ostermaier,  Ber.  15,  pag.  332. 
91)  KÖNIGS  u.  Körner,  Ber.  16,  pag.  2152.    92)  Friedländer  u.  Ostermaier,  Ber.  15,  pag.  336; 
Weinberg,  ibid.  15,  pag.  2680.    93)  Weinberg,  Inaug.-Diss.,  München  1882,  pag.  43.    94)  Ders., 
ibid.,  pag.  51;  Baeyer  u.  Blöm,  Ber.  15,  pag.  2148.    95)  Weinberg,  Inaug.-Diss.,  München  1882, 
P^-  54-     96)  Baeyer  u.  Blöm,  Ber.  15,  pag.  2149.    97)  Friedländer  u.  Weinberg,  Ber.  15, 
pag.  1425.     98)  Weinberg,  Inaug.-Diss.,  München  1882,  pag.  46.     99)  Friedländer  u.  Wein> 
BERG>  Ber.  15,  pag.  2684.    100)  Dies.,  Ber.  15,  pag.  1425.    loi)  Schmiedeberg  u.  Schultzen, 
Ann.  Chem.  164,  pag.  158;   Kretschy,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  68.     102)  Kretschy,  Monatsh. 
f.  Ch.  4,  pag.  156.     103)  Brieger,  Zeitschr.  f.  phys.  Ch.  4,  pag.  89.    104)  Kretschy,  Monatsh. 
t  Ch.  2,  pag.  68.     105)  Friedländer  u.  Weinberg,  Ber.  15,  pag.  2681.     106)  Dies.,  Ber.  15, 
pag.  2683;  Baeyer  u.  Blöm,  Ber.  15,  pag.  2151.     107)  Baeyer  u.  Blöm,  Ber.  15,  pag.  2152. 
108)  Baeyer  u.  Homolka,  Ber.  16,  pag.  2217.     109)  Friedländer  u.  Ostermaier,  Ber.  14, 
pag.  1918.     iio)  Friedländer  u.  Weinberg,  Ber.  15,  pag.  2684.     iii)  Baeyer  u.  Homolka, 
Her.  16,  pag.  2218.     112)  Skraup,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  153.     113)  Dies.,  ibid.  3,  pag.  381, 
114)  Dies.,  ibid.  2,  pag.  158.     115)   i.  Döbner  u.  ▼.  Miller,  Ber.  14,  pag.  2812;   ibid.  15, 
pag.  3075;  Skraup,  Ber.  15,  pag.  897;   2.  Schultz,  Ber.  16,  pag.  2600;  3.  Drewsen,  Ber.  r6, 


534  Handwörterbuch  der  Chemie. 

und  änderte,  da  die  Analyse  keinen  Sauerstoffgehalt  ergab,  die  Formel  in  C,gH4jjNj. 
Laurent  (3)  war  der  Erste,  welcher  an  der  Hand  des  Anal)rsenmaterials  von 
Gerhardt  und  Bromeis  (4)  die  richtige  Formel  C9H7N  aufstellte.  Hofmann  (5) 
untersuchte  eine    von  Runge  im  Anilin  entdeckte  Base,  das  Leucolin  und  con- 

pag.  1963;  4.  Fisc^^ER  u.  KuzEi,,  Ber.  16,  pag.  165;  5.  Fischer  u.  Göhring,  Ber,  16,  pag.  165. 
ti6)  DÖBNER  u.  V.  Miller,  Ber.  16,  pag.  2464.  117)  Dies.,  ibid.  16,  pag.  2467.  118)  Jackson, 
Ber.  14,  pag.  889.  119)  DÖbner  u.  v.  Miller,  Ber.  16,  pag.  2468.  120)  Jacobsen  tu  Redier, 
Ber.  16,  pag.  2606;  Traub,  bid.  16,  pag.  297.  121)  Dies.,  Ber.  16,  pag.  1082,  2602.  122}  Knorr, 
Ber.  16,  pag.  2595.  123)  Williams,  Jahresber.  f.  Ch.  1855,  P*g*  55°»*  Hoogewerff  u.  v.  Dorp, 
Ber.  13,  pag.  1639;  16,  pag.  1381;  Rec.  trav.  chim.  2,  pag.  1—27;  Behr  u.  v.  Dorf,  Ber.  4, 
pag.  753;  Weidel,  Monatsh.  f.  Gh.  3,  pag.  75.  124)  Williams,  Jahresber.  f.  Ch.  1863,  pag.  430. 
125)  KÖNIGS,  Studien  Über  die  Alkaloide,  1880.  126)  Williams,  Jahresber.  f.  Ch.  1878,  pag.  891. 
127)  Ders.,  ibid.  1856,  pag.  536;  1863,  pag.  431.  128)  Leeds,  Ber.  16,  pag.  289;  Williams, 
Jahresber.  f.  Ch.  1856,  pag.  537.  129)  DÖbner  u.  ▼.  Miller,  Ber.  16,  pag.  2469.  130)  Dies., 
pag.  2470.  131)  Dies.,  Ber.  16,  pag.  2471.  132)  Baeyer  u.  Jackson,  Ber.  13,  pag.  121. 
133)  Williams,  Zeitschr.  f.  Ch.  1867,  pag.  428.  134)  Zorn,  Joum.  f.  Ch.  [2]  8,  pag.  303. 
135)  Williams,  Zeitschr.  f.  Ch.  1867,  pag.  420.  136)  la  Coste,  Ber.  15,  pag.  562.  137)  Döbnkr 
u.  V.  Miller,  Ber.  16,  pag.  1665;  Grimaux,  Compt.  rend.  96,  pag.  584;  FriedlXnder  u. 
GöHRiNG,  Ber.  16,  pag.  1835.  ^3^)  I^i^->  Ber.  16,  pag.  1836.  139)  Fischer  u.  Rudolph, 
Ber.  15,  pag.  1503;  Besthorn  u.  Fischer,  ibid.  16,  pag.  68.  140)  Dies.,  Ber.  15,  pag.  1500. 
141)  Dies.,  Ber.  15,  pag.  1502.  142)  Fischer  u.  Bedall,  Ber.  15,  pag.  684;  Skraup,  Monatsh. 
f.  Ch.  2,  pag.  530;  LA  Coste,  Ber.  15,  pag.  197.  143)  Skraup,  Monatsh.  f.  C.  2,  pag.  526. 
144)  Fischer  u.  Bedall,  Ber.  14,  pag.  2574;  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  519.  145)  Döbner  vu 
V.  Miller,  Ber.  16,  pag.  2472.  146)  Dies.,  Ber.  15,  pag.  3075.  147)  Grabe  u.  Caro,  Ber.  13, 
pag.  100;  Riedel,  Ber.  16,  pag.  1609.  148)  Weidel,  Ann.  173,  pag.  84;  Monatsh.  £  Ch.  3, 
pag.  79;  Königs,  Ber.  12,  pag.  97;  Skraup,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  601;  Ann.  Ch.  201,  pag.  301 ; 
Forst  a.  Böhringer,  Ber.  14,  pag.  436.  149)  Weidel,  Monatsh.  f.  Ch.  3,  pag.  80.  150)  Königs, 
Ber.  12,  pag.  100.  151)  Weidel,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  29;  3,  pag.  61.  152)  Ders., 
Monatsh.  f.  Ch.  3,  pag.  73,  66,  62.  153)  Weidel  u.  Cobenzl,  Monatsh.  f.  Ch.  i,  pag.  845. 
154)  Weidel,  ibid.,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  565.  155)  Skraup,  Monatsh.  f.  Ch.  2.  pag.  601; 
4,  pag.  695;  Weidel,  ibid.  2,  pag.  571.  156)  Ders.,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  589;  4,  pag.  695. 
157)  Königs,  Ber.  12,  pag.  99;  Königs  u.  Körner,  Ber.  16,  pag.  2152.  158)  Liebig^  Ann. 
Chem.  86,  pag.  125;  108,  pag.  354;  Kretschy,  Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  58;  Schmiedeberg  u. 
ScHULTZEN,  Ann.  Chem.  164,  pag.  55.  159)  Böttinger,  Ann.  Chem.  191,  pag.  321;  Her.  14, 
pag-  90;  16,  pag.  2357.  160)  Fischer  u.  Göhring,  Ber.  16,  pag.  1837.  161)  Besthorn  u. 
Fischer,  Ber.  16,  pag.  70.  162)  Grabe  u.  Caro,  Ber.  13,  pag.  100.  163)  Bernthsbn  u. 
Bender,  Ber.  16,  pag.  18 18.  164)  Friedländer  u.  Göhring,  Ber.  16,  pag.  1838.  165)  Skraop, 
Monatsh.  f.  Ch.  2,  pag.  165.  166)  Skraup  u.  Cobenzl,  Monatsh.  f.  Ch.  4,  pag.  436.  167)  Skraup 
u.  Vortmann,  Monatsh.  f.  Ch.  3,  pag.  570.  168)  la  Costb,  Ber.  16,  pag.  675.  169)  Dies., 
ibid.  4,  pag.  569.  170)  Grabe  u.  Caro,  Ann.  Ch.  158,  pag.  265;  dies.,  Ber.  13,  pag.  103; 
Brenthsen  u.  Bender,  Ber.  16,  pag.  767,  1802;  Fischer,  Ber.  16,  pag.  1820;  ders.,  Ber.  17, 
pag.  loi;  Medicus,  Ber.  17,  pag.  196.  171)  Grabe,  Ber.  16,  pag.  2830.  172)  Grabe  u.  Caro, 
Ann.  158,  pag.  265;  Grabe,  Ber.  16,  pag.  2832;  Bernthsen  u.  Bender,  Ber.  16,  pag.  1849,  1973. 
173)  Grabe,  Ber.  16,  pag.  183 1.  174)  Bernthsen  u.  Benderr,  Ber.  16,  pag.  1808.  175)  Dies., 
Ber.  16,  pag.  1809.  176)  Grabe,  Ann.  Ch.  201,  pag.  344;  ders.,  Ber.  17,  pag.  17a 
178)  Happ,  Ber.  17,  pag.  191.  179)  Metzger,  Ber.  17,  pag.  186.  180)  W.  Spalteholz, 
Ber.  16,  pag.  1847;  Hoogewerff  u.  v.  Dorp,  Ber.  17,  pag.  48;  dies.,  Ber.  16,  pag.  1501. 
181)  Williams,  Chem.  News.  2,  pag.  219;  Dingl.  pol.  J.  159,  pag.  321.  182)  Ders.,  LoikL 
R.  Soc.  Proc.  12,  pag.  85;  Jahresber.  f.  Ch.  1862,  pag.  361.  183)  Hoogewerff  u.  v.  Dorp. 
Ber.  17,  pag.  48.  184)  W.  Spalteholz,  Ber.  15,  pag.  1847.  185)  Hofmann,  Jahresber.  f. 
Ch.  1862,  pag.  351,  Nadler  u.  Merz,  Z.  f.  Ch.  1867,  pag.  343.  186)  Hofmann,  Jahresber.  £. 
Ch.  1862,  pag.  351;  Schönbein,  Z.  f.  Ch.  1865,  pag.  733.  187)  RttoHEiMER,  Ber.  17,  pag.  235,  73^ 
188)  La  Coste  u.  Bodewig,  Ber.  17,  pag.  926. 


Chinolin.  535 

statirte  die  Identität  mit  dem  Chinolin.  Diese  aber  wurde  von  Williams  (6)  be- 
stritten, welcher  fand,  dass  Cinchonin-Chinolin  mit  Jodamyl  und  Kalihydrat  be- 
handelt allein  die  Fähigkeit  habe,  einen  blauen  Farbstoff,  das  Cyanin  zu  bilden. 
Dieser  Unterschied  ist  in  der  letzten  Zeit  vollständig  hinfällig  geworden,  nachdem 
Spalteholtz  (7)  nachgewiesen  hat,  dass  der  Farbstoff  nur  dann  entsteht,  wenn 
ein  Gemenge  von  Chinolin  und  Lepidin,  bezw.  Cinchoninchinolin  in  Anwendung 
kommt.  Die  tertiäre  Natur  der  Base  hat  Williams  zuerst  erkannt.  Liebig  und 
WöHLER  (8)  glaubten  Chinolin  gewonnen  zu  haben,  als  sie  Trigensäure  erhitzten 
und  die  alkalische  Lösung  des  Produkts  mit  Wasserdampf  behandelten  und 
ebenso  beim  Erhitzen  des  Thialdins  mit  Kalkhydrat.  Wahrscheinlich  haben  sie 
nach  Ador  und  Baeyer  (9)  Collidin  unter  Händen  gehabt. 

Körner  hat  zuerst  eine  bestimmte  Ansicht  über  die  Constitution  des  Chinolins 
ausgesprochen.  Nach  dieser  ist  dasselbe,  je  nach  der  Betrachtungsweise,  welche 
man  wählt,  als  Abkömmling  des  Benzols  oder  des  Pyridins  aufzufassen.  In  dem 
Chinolin  ist  ein  Pyridinkem  mit  dem  Benzolkem  derart  verbunden,  dass  zwei 
benachbarte  C- Atome  gemeinsam  sind.  Seine  Constitution  entspricht  einem 
Naph talin,  in  welchem  eine  CH-Gruppe  durch  ein  N-Atom  ersetzt  ist. 
CH     CH  CH^CHy 

HC'^'^C'^'^CH  HaC'^'^./^CHß 

III  I         I         I 

HCv^^Cv^^CH  HjCv^^  n^^CH« 

C        CH  C      N 

H  Hl 

Naphtalin  Chinolin. 

Diese  Hypothese  gewann  an  Wahrscheinlichkeit  durch  die  Synthese  aus 
Allylanilin,  welche  derjenigen  des  Naphtalins  aus  Phenylbutylen  analog  ist. 
Die  wesentlichste  Stütze  wurde  ihr  aber  zu  Theil  durch  die  Synthese,  welche 
Baeyer  (10)  vom  Hydrocarbostyril,  dem  Lactam  der  Orthoamidohydrozimmtsäure 
ausgehend  ausführte: 
^  „  ^CH,— CH-  — CO     ^  „  ^CH=.CC1-CC1     ^  „  ^CH  =  CH— CH 

Hydrocarbostyril  Dichlorchinolin  Chinolin. 

Die  Analogie  mit  dem  Naphtalin  kann  man  noch  durch  folgende  Thatsache 
erweitem.  Oxydirt  man  Chinolin  unter  gewissen  Bedingungen,  so  entsteht  unter 
Sprengung  des  Benzolkems  eine  Pyridindicarbonsäure,  welche  der  Phtalsäure 
entspricht. 

In  neuester  Zeit  ist  eine  Controverse  über  die  Vertheilung  der  Valenzen  des 
Stickstoffs  aufgetaucht.  Einige  Beobachtungen,  die  Weinberg  (ii)  am  Aethyl- 
hydrocarbostyril  gemacht  hat,  und  die  Synthesen  des  Acridins  werden  dahin 
gedeutet,  dass  der  Stickstoff  mit  zwei  seiner  Valenzen  an  die  benachbarten 
C-Atome  und  mit  der  dritten  an  das  7-C-Atom  gebunden  sei,  vergl.  auch  BernthsEn, 
Ber.  16,  pag.  1808  und  Ladenburg,  ibid.,  pag.  2063. 

4       7 


/ 


1      N 
Auf  Veranlassung  des  Herrn  Herausgebers  führe  ich  die  im  Schema  veran- 
schaulichte Ortsbezeichnung  ein. 

Diese  hat  vor  der  SKRAUP*schen  Bezeichnungsweise  für  die  im  Benzolkern 


536  Handwörterbach  der  Chemie. 

substituirten  Derivate,  wie  z.  B.  Ortho-,  Meta-,  Para-Toluchinolin,  den  Vortheil, 
dass  sie  in  Bezug  auf  die  Metaderivate,  deren  ja  zwei  (2  und  4)  möglich  sind, 
jeden  Ixrthum  ausschliesst.  Es  sei  bemerkt,  dass  Skraup  für  die  nach  seiner 
Methode  dargestellten  und  sonst  bekannten  Metaderivate  die  Stellung  >4«  an- 
nimmt,  da  sie  höher  schmelzen  als  die  Paraderivate.  Käme  ihnen  die  Stellung  »2c 
zu,  so  müsste  nach  seiner  Ansicht  sich  ihr  Schmelzpunkt  innerhalb  der  Grenzen 
derjenigen  der  Ortho-  und  Paraderivate  bewegen. 

Die  Oxydation  ist  ein  brauchbares  Mittel  zu  entscheiden,  wie  viele  Sub- 
stituenten  im  Benzolkem  oder  im  Pyridinkem  oder  in  beiden  zugleich  vorhanden 
sind.  Im  Allgemeinen  wird  bei  der  Oxydation  der  Benzolkem  gesprengt  unter 
Bildung  einer  Pyridindicarbonsäure  oder  deren  Derivate.  Es  giebt  Fälle,  in  denen 
es  gelungen  ist,  den  Pyridinkern  aufzulösen,  aber  sie  sind  noch  zu  vereinzelt,  um 
in  jedem  Falle  das  Oxydationsprodukt  voraussagen  zu  können.  Durch  nasdrenden 
Wasserstoff  wird  der  Pyridinkem  hydrirt  und  das  Chinolin  geht  in  eine  secundäre 
Base  über.  Eigenthümlich  ist  das  Verhalten  des  a-Chlorchinolins;  es  geht  durch 
Erhitzen  mit  Wasser  in  a-Oxychinolin  über,  während  das  Chlor  in  den  anderen 
Chlorchinolinen  sehr  fest  gebunden  ist. 

Es  seien  hier  einige  Synthesen  aufgeführt,  die  einer  allgemeineren  Anwendung 
fähig  sind. 

1.  Skraup's  S3mthese  (12).  Man  erhitzt  Anilin  oder  seine  Derivate  mit 
Glycerin,  Nitrobenzol  und  HjSO^.  In  erster  Phase  wirkt  die  H,S04  wasscr- 
entziehend,  und  es  bildet  sich  Acroleinanilin,  das  in  zweiter  Phase  durch  Nitro- 
benzol zu  Chinolin  oxydirt  wird: 

CßHj  —  N(H,  .+-  0)CH  —  CH  =  CH2  =  HjO  -h  CeH^N  =  CH  —  CH  =  CH, 
Anilin  AcroleYn  Acroleinanilin. 

^•^»^  I     -2H  =  C,H,  I 

AcroleYnanUin  Chinolin. 

2.  Synthese  der  Chinaldine  von  Döbner  und  v.  Miller  (13).  Anilin  wird 
mit  Paraldehyd  und  HCl  erwärmt.  Hier  wird  wohl  der  Aldehyd  in  Aldol  tiber- 
geführt: 

®  CßH.NHj,  4-  2C,H40  =  C»H«CH,N  +  2H2O  4-  H,. 

3.  Synthese  des  Chinolins  (14)  und  seiner  ß- Derivate  von  Friedlander. 
Amidobenzaldehyd  wird  mit  Acetaldehyd  und  Natronlauge  gelinde  erwärmt  Es 
entsteht  Chinolin  nach  der  Gleichung: 

^COH      CH,  /CHOH-CH, 

1-  CeH.^NH,  -^ioH^^^^^^NH,  COH 

Der  folgende  Process  der  Wasserabspaltung  kann  nach  zwei  Richtungen  hin 
verlaufen: 

^CHOH  — CHn  ^CH^ 

oder 

H 
3  /CHOH-CH,  ^C-CH 

*    *^NH,  COH        *    *^N  — CH 

Wird  anstatt  Acetaldehyd  Aldehyd  von  der  Formel  R  —  CH,  —  COH,  so 
entstehen  ß-Deiivate  des  Chinolins,  z.  B.  aus  Phenylacetaldehyd,  C,Hj  —  CH, 
—  COH,  entsteht  ß-Phenylchinolin. 


Chinolin.  537 

4.  Synthese  von  a-Derivaten  von  Friedländer.  Amidobenzaldehyd  wird  mit 
Aceton  oder  Acetonen  von  der  Formel  R  —  CO  —  CH3  und  Natronlauge  er- 
wärmt.   Es  entsteht  mit  Aceton  Chinaldin: 

COH      ^^3  ^CH=CH 

C.H4CNH,  -^(!:0-CH,^^«"*^N=CCH,- 

5.  Synthese  von  Knorr  (15).  Anilin  und  Acetessigester  werden  erhitzt  und 
die  gebildete  Anilacetessigsäure  mit  conc.  H2SO4  Übergossen.  Es  entsteht 
p-Methyl-Y-oxychinolin  OH 

CH,  —  C  —  CH.  —  COOK  /^"^CH 

N-CeHs  '    V^^C-CH3 

6.  Synthese  von  Rügheimer  (187).  Malonamidsäuren,  welche  im  Ammoniakrest 
durch  aromatische  Radikale  substituirt  sind,  werden  durch  PCI 5  in  gechlorte 
Chinoline  (s.  z.  B.  aßY-Trichlorchinolin)  übergeführt. 

Chinolin,  Leukolin,  CgHjN.  Gerhardt  fand  es  bei  der  Destillation  von 
Chinin,  Strychnin  und  Cinchonin  mit  Kali  (i)  neben  seinen  Homologen.  Wird 
bei  dieser  Operation  CuO  zugesetzt,  so  entsteht  nur  Chinolin  (18).  Man  gewinnt 
aus  dem  Knochentheer  und  Steinkohlentheer  ein  Gemenge  des  Chinolins  und 
seiner  Homologen,  die  durch  fractionirte  Destillation  schwer  zu  trennen  sind. 
Im  Stuppfett,  einem  Nebenprodukt  bei  der  Quecksilbererzverarbeitung  ist  Chinolin 
nachgewiesen  worden  (19).  Synthetisch  ist  es  dargestellt  worden  durch  Ueber- 
leiten  von  Allylanilin  über  glühendes  Bleioxyd  (16),  durch  trockne  Destillation 
des  Acroleinanilins  (7J)  (17),  durch  Reduction  von  a-ß-Dichlorchinolin  (29),  durch 
Erwärmen  von  o-Amidobenzaldehyd  und  Acetaldehyd  mit  etwas  Natronlauge  (14). 

Zur  Darstellung  (12)  löst  man  38  Grm.  Anilin  in  100  Grm.  Vitriolöl  und  fUgt  24  Grm. 
Nitrobenzol  und  120  Grm.  Glycerin  hinzu,  erhitzt  am  KUhler  vorsichtig  bis  die  ersten  Blasen 
sich  zeigen  und  nimmt  dann  sofort  vom  Sandbade.  Man  wiederholt  dieses  so  lange,  bis  die 
Reaction  ruhig  verläuft.  Nach  mehrstündigem  Sieden  verdünnt  man  den  Kolbeninhalt  mit 
Wasser,  treibt  mit  Wasserdampf  das  Nitrobenzol  ab,  macht  alkalisch  und  lässt  ebenfalls  mit 
Wasserdampf  das  Chinolin  übergehen.  Zur  Reinigung  kann  man  dasselbe  in  das  saure  Sulfat 
oder  Chromat  verwandeln. 

Das  Chinolin  ist  eine  farblose,  bewegliche,  stark  lichtbrechende  und  durchdringend 
liechende  Flüssigkeit,  die  an  der  Luft  sich  bräunt.  Siedep.  235*65  bei  760  Millim., 
237-1  bei  7468  Millim.,  240-4— 241-3  bei  750'1  Millim.  Spec.  Gew.  bei  0°  C.=M081, 
bei  20°  C.  =  1-0947,  bei  50°  C.  =  1-0699,  bei  15°  C.  =  1084.*)  Es  erstarrt  in  einem 
Kältegemisch  von  COj  und  Aether  vollständig  zu  weissen  Krystallen.  Nach  und 
nach  nimmt  es  1^  Moleküle  Wasser  auf.  Dieses  Hydrat  trübt  sich  bei  Blutwärme 
(20).  Gegen  Oxydationsmittel  ist  es  sehr  widerstandsfähig.  Mit  KMn04  entsteht 
Chinolinsäure.  Mit  CSj  auf  250°  C.  erhitzt  bleibt  es  unverändert,  hingegen  mit  S 
auf  200°  C.  erhitzt  entsteht  ein  noch  unbekanntes  Produkt  (21).  Bei  erschöpfender 
Chlorirung  entstehen  Perchlorbenzol  und  Perchloräthan  (22).  lieber  die  anti- 
pyretischen, antiseptischen  und  antizymotischen  Eigenschaften  hat  Jul.  Donath 
(Her.  14,  pag.  178  u.  1769)  berichtet 

Reactionen  (23).  KOH  fällt  die  Lösung  eines  Chinolinsalxes  milchig-weiss;  Na^CO, 
ebenso  unter  CO, -Entwicklung;  NH,  ebenso,  Überschüssig  zugesetzt  wieder  lösend;  Jod-Jod- 
kali um:  rothbrauner,  in  HCl  unlöslicher  Niederschlag  (Reactionsgrenze  1:25000).  Phosphor- 
molybdänsäure, unter  Zusatz  von  HNO,  bis  zur  stark  sauren  Reaction  gelblich  weisser 
Niederschlag,  in  NH,  löslich  (1 :25000).    Pikrinsäure:  gelber,  amorpher  Niederschlag,  in  KOH 

•)  Reines  Chinolin  siedet  unter  einem  Druck  von  753 '5  Millim.  bei  231 '5*^  C.  Siehe 
Spalteholtz,  Inaug.-Dissertation,  Berlin  1883. 


53^  Handwörterbuch  der  ^C3iemie. 

sich  mit  röthlich  gelber  Farbe  lösend  (1:17000).  HgCl, :  weisser,  flockiger  Niederschlag»  in 
HCl  leicht,  in  C^H^O,  schwieriger  löslich  (1:5000).  Kaliumquecksilberjodid:  gelblich 
weisser,  amorpher  Niederschlag,  der  sich  auf  Zusatz  von  HQ  in  bernsteingelbe  Nadeln  verwandelt. 
Charakteristisch  (1:3500).  K^FeCy^  färbt  röthlich.  Zusatz  von  Mineralsäuren  erzeugt  einen 
röthlichgelben ,  krystallinisch  werdenden  Niederschlag.  Salzsaures  Ferricyankalium  lässt 
in  concentrirten  Lösungen  schöne  Kryställchen  fallen.  K^Cr^O^,  vorsichtig  zugesetzt,  zierlich 
dendritische  Krystalle,  im  Ueberschuss  dieselben  wieder  lösend. 

Salze:  Chlorhydrat,  CgHyN,  HCl  (24),  kleine,  glanzlose,  weisse  Wärzchen;  zcrfliess- 
lich.  Schmp.  93—94®  C.  Leicht  löslich  in  Alkohol,  CHClj,  heissem  Wasser,  Aether,  Benzol, 
etwas  weniger  in  kaltem  Wasser,  wenig  in  kaltem  Aether  und  Benzol.  Nitrat,  C^H^N,  HNO,  (25), 
krystallisirt  aus  Alkohol  in  weissen  Nadeln.  Bichromat,  (CgHj^)^H^CT^Ojj  krystallisirt  aus 
heissem  Wasser  in  glänzenden,  gelben  Nadeln  (Charakteristisch).  Schmp.  164 — 167°  C  Bei 
raschem  Erhitzen  explodirt  es.  Bei  10°  C.  in  der  274*5 fachen  Menge  Wasser  löslich.  Dioxalat, 
CgHyN,  HjCjO^,  seideglänzende  Nadeln  (aus  Alkohol).  Tartrat,  3C5,HyN,  4C4HSO5  (26), 
grosse,  flache,  anscheinend  rhombische  Nadeln.  Schmp.  125°C.  Pikrat,  CgHyN,  CjH,(OH)(NO,), 
(19),  feine,  hellgelbe  Nadeln  (aus  Benzol).  Schmp.  203°  C.  Salicylat,  CgH^N,  C7H5O,  (26), 
undeutlich  krystallinisches  Pulver  von  röthlich  grauer  Farbe. 

PlatinchlorUrverbindung,  (CgH7N)2PtCl3  (27);  entsteht  durch  Kochen  von  Chinolin 
mit  PtCl,.  Blassgelbes,  in  Wasser  unlösliches  Pulver,  das  in  Chinolin  sich  löst  Ans  dieser 
Lösung  fHUt  Salzsäure,  (C9HyNHCl).^PtCl,. 

Platindoppelsalz,  (CgH^N,  HCl),PtCl4  +  2H3O  (28).  In  der  Kälte  gefUUt  ein  licht- 
orangegelber  Niederschlag,  der  aus  heisser  werdendem  HCl  in  glänzenden,  schön  orangegelben 
Nadeln  anschiesst;  in  kaltem  Wasser  schwer  löslich,  weit  leichter  in  kochendem.  Schmp.  225°  C 
A.  Baeyer  fand  nur  1  Mol.  Krystallwasser  (29).  Golddoppelsalz,  C^H^N,  HCl'AuQ,, 
kanariengelbe,  in  kaltem  Wasser  schwer  lösliche  Nadeln.  Zinkverbindung,  (CgHfN)2ZnQ| 
(30)1  gypsähnliche  Säulen.  Zinkdoppelsalz,  (C9H7N,  HCl)3ZnCl2  (30),  krystallisirt  pracht- 
voll in  Nadeln  und  ist  wegen  seiner  Schwerlöslichkeit  zur  Reinigung  des  Chinolins  empfohlen 
worden.  Cadmiumdoppelsalz,  CgH^N,  HClCdCl, -|-H,0  (31),  lange  Nadeln  (aus  Alkohol). 
Zinndoppelsalz,  (CgH^N,  HCl)3SnCl3 -h  2H,0  (30),  lange  Nadeln.  Antimontrichlorid- 
Verbindung,  CgH^N-SbCl,  (30),  krystallinischer  Niederschlag.  Antimondoppelsali, 
CgHyN,  HCl-SbCl,  (30),  lange  Nadeln.  Wismuthdoppelsalz,  (C^H^N,  HCl),BiCl,  (30), 
rhombische  Prismen.  Uranylchloriddoppelsalz,  (C^H^N,  HCl)jU03Cl3,  kurze,  gelbe 
Nadeln.  PalladiumchlorUrdoppelsalz,  (CgHyN,  HCl)3PdCl,,  kastanienbrauner,  krystalli- 
nischer Niederschlag.  Cadmiumjodidverbindung,  (CjHyN)3CdJj  (30);  Quecksilber- 
nitratverbindung, (CgH7N)3Hg(NO,)2  (30),  krystallinischer  Niederschlag.  Silbernitrat- 
verbindung, (CgHyN)jAgNO,  (32),  weisse  Nadeln. 

Natriumbisulfitverbindung,  CgH^N,  (HSOjNa),  (?),  eine  in  Wasser  leicht  lösüche, 
krystallisirte  Verbindung.     Die  Lösung  zerlegt  sich  beim  Erwärmen  auf  60 — 70°  C. 

Kaliumbisulfit  Verbindung  ist  der  Natriumverbindung  analog. 

Chinolinmethyljodid,  C9H7N,  CHjJ  (33),  entsteht  beim  Vermischen  von 
gleichen  Molekülen  Chinolin  und  Methyljodid  und  krystallisirt  aus  Alkohol  in 
grossen,  schwefelgelben  Krystallen.     Schmp.  72°  C. 

Chinolinmethylhydroxyd,  C9H,N(CHj)OH.  Behandelt  man  das  Jodmetiiylat  m 
wässeriger  Lösung  mit  Ag^O,  so  erhält  man  eine  stark  alkalische  Lösung  dieser  Base,  die  sich 
rasch  roth  fUrbt  und  allmählich  einen  gelbrothen  Niederschlag  absetzt.  Die  alkalische  Lösung 
absorbirt  rasch  CO,.  Leitet  man  sofort  CO,  ein,  so  entsteht  keine  Färbung,  und  dampft  im  Vacmm 
ein,  so  bleibt  eine  braungefärbte  Masse  zurück,  die  mit  HQ  übergössen  CO,  entwickelt  Fügt 
man  Bromwasser  hinzu,  so  wird  ohne  Färbung  1  MoL  Br  aufgenommen,  wahrscheinlich  nach  der 
Gleichung:  2CgHyN(CHj)OH4- 2Br  =  C9HyN(CH,)Br-h  CgHyN(CHj)OBr4-H,0.  Die 
gebromte  Lösung  reagirt  neutral.  Mit  Pikrinsäure  entsteht  ein  Pikrat  CjHtN.CH,CjH,OH(N0,),, 
das  identisch  ist  mit  dem  aus  dem  Jodmethylat  gewonnenen  und  bei  164 — 165^  C.  schmilzt. 
Behandelt  man  eine  wässerige  Lösung  des  Jodmethylats  mit  K OH,  so  entsteht  ein  Oel,  aus  dem 
sich  beim  Fractioniren  bei  240®  C.   eine  Base,   CgH^N-CH,,  gewinnen  lässt  (48).    Nebenbei 


i 


Chinolin.  539 

entsteht  Dimethylanilin  (34).  LA  Coste  (33)  erhielt  mit  Na  OH  im  geringen  Ueberschuss  eiiie 
flockige  Fällung  des  Chinolinmcthyloxyds,  [C9H7N(CHj)],0,  die  ausgewaschen  und  ge- 
trocknet ein  gelblich  weisses,  amorphes,  in  Wasser  unlösliches  Pulver  darstellt;  dieses  ist  leicht 
in  Alkohol  und  Aether  löslich  und  hinterbleibt  aus  letzterem  in  krystallinischen  Krusten,  die 
sich  beim  Trocknen  röthen.  Mit  Wasserdämpfen  scheint  es  flüchtig  zu  sein.  Mit  JH 
entsteht  C,HyN.CHJ,  mit  HCl  und  PtCl^:  (C5HyNCH3a),PtCl4  und  mit  Pikrinsäure: 
CjH7NCH,CgH,OH(N03)8.  feine,  heUgelbc  Nadeln. 

Chinolinäthyljodid.  CgH^NCjHJ  (33).  Grosse,  blassgelbe  Krystalle.  Mit  AgO, 
behandelt  entsteht  die  freie  Base,  die  sich  in  der  Wärme  karmoisinroth  färbt.  Dampft  man 
eine  Lösung  ihres  schwefelsauren  Salzes  ein,  so  geht  die  rothe  Farbe  in  eine  schwarze  über,  es 
verbleibt  eine  kupferglänzende,  Indigo  ähnliche  Masse,  die  in  Wasser  gelöst  und  mit  KOH  ver- 
setzt einen  röthlich  violetten  Niederschlag  giebt.  Babo  erhielt  ähnliche  Produkte  aus  Chinolin- 
methyl-  und  -äthylsulfat  (35). 

Chinolinäthylbromid,  CgH^N'CjHjBr-f-HjO  (37),  krystallisirt  aus  Wasser  und  Alkohol 

in  grossen,  rhombischen  Tafeln.    Schmp.  80"  C    Die  entwässerte  Verbindung  löst  sich  sehr  leicht 

in  Chloroform,  nicht  in  Aether,  ein  den  analogen  Cbinolinvcrbindungen  gemeinsames  Verhalten. 

Chinolinäthylchlorid,    CgH^NCjHjCH- Hjü   (37),   entsteht   aus   dem  Bromid  durch 

Schütteln  mit  AgCl.     Schöne,  grosse,  rhombische  Tafeln.     Schmp.  92*5°  C. 

Platindoppelsalz,  (CgHyN-CjHjCDjPtCl^,  schön  gelbgeftrbter  Niederschlag,  in  Wasser 
fast  unlöslich.     Schmp    226°  C. 

Chinolinäthylnitrat,  CjHjNCjHjNOj  (37),  entsteht  durch  Verreiben  des  Bromids 
mit  AgNO,  und  Ausziehen  mit  heissem  Wasser.  Grosse»  wasserhellci  rhombische  Krystalle, 
die  sehr  hygroscopisch  sind.     Schmp.  89°  C. 

Chinolinamylbromid,   CgHjN- C^H^Br -|- H^O   (37),    entsteht  aus  Amylbromid  und 

Chinolin  unter  Zusatz  von  etwas  absolutem  Alkohol  im  geschlossenen  Rohr  bei  massiger  Wärme. 

Es  krystallisirt  aus  Alkohol  in  schönen,  gelblichen  Nadeln.  Schmp.  87°  C,  wenn  entwässert,  bei  140°  C. 

Platindoppelsalz,  (CgHyNC5HjiCl)3PtCl4;  röthlich  gelber  Niederschlag.   Schmp.  220°  C. 

Chinolinisoamyljodid,    CgH^N^C^H^iJ   (33);    gelbgrUne,  metallglänzende  Krystalle. 

Mit  Kali  gekocht  entsteht  ein  Cyanin. 

Platindoppelsalz,  (C,4HigNa)3PtCl4. 

Chinolinbenzylchlorid,  CgH^N-CgH^CHjCl -h  3Hj,0  (36),  gewinnt  man  durch  Er- 
hitzen von  Chinolin  und  Benzylchlorid  unter  Luftabschluss  bei  100°  C;  es  krystallisirt  aus 
Wasser  in  grossen,  tafelförmigen  Krystallen.  Schmp.  65°  C.  Diese  verlieren  an  der  Luft  1  Mol. 
HjO  und  schmelzen  dann  bei  129— 130°  C.     Schmp.  der  wasserfreien  Krystalle  170°  C. 

Platindoppelsalz,  (C9HyNCgH5CH3Cl),PtCl^;  dunkelgelbe,  in  Wasser  sehr  schwer 
lösliche,  kleine  Kryställchen.     Schmp.  142°  C. 

Versetzt  man  (37)  Chinolinäthylchlorid,  Chinolinamylbromid,  Chinolinbenzylchlorid  mit  Ag^O, 
NH,  oder  Alkalien,  so  scheiden  sich  die  freien  Aethyl-,  Amyl-  und  Benzylbasen  ab,  die  durch 
Aufnehmen  in  Aether  vor  2^rsetzung  geschützt  werden.  Diese  sind  in  Wasser,  AJkohol,  Aether, 
CHCl, ,  Benzol  u.  s.  w.  löslich.  Die  stark  alkalischen  Lösungen  fällen,  mit  Ausnahme  der 
Alkalien,  sämmdiche  Metallsalze  und  treiben  NH,  aus.  Die  Alkylchinoline  ziehen  nur  in 
wässeriger  Lösung  COj|  an,  entlassen  dieselbe  sofort,  sobald  ihnen  das  Wasser  entzogen  wird. 
Die  Basen  sind  nie  wasserfrei  zur  Analyse  erhalten  worden.  Was  die  Constitution  anbetrifft,  so 
nimmt  Claus  den  N  fünfwerthig  an.    Wird  Chinolinbenzylchlorid  mit  KMnO^  oxydirt,  so  entsteht 

1.  Formylbenzylorthoamidobenzoesäure,   C6H^N(C7HyCHO)COOH,   Schmp.   196°  C. 

2.  Benrylamidobenzoesäure,  CgH4NH.CyHy(COOH),  Schmp.  176°  C.  (38),  und  3.  Benzoe- 
säure. 

Bromäthylchinolinbromid,  C5HyN(CjH4Br)'Br  (39),  bildet  sich  beim  Erwärmen  von 
gleichen  Molektllen  Chinolin  und  Aethylenbromid  auf  75—80°  C.  Krystallisirt  aus  Alkohol  in 
derben  Nadeln. 

Bromäthylchinolinchlorid,  C9HyN(C,H4Br)Cl  (39),  bildet  sich  aus  dem  Bromid  mit 
AgQ  und  liefert  ein 

Platindoppelsalz,  (CjiHiiNBrC^jPtCl^.    Orangegelbe  Nadeln  (aus  heisser  conc.  HO). 

Aethylendichinoilchlorhydrat,  CjH4(CgHgN»HCl),  (40),  entsteht  bei  der  Einwirkung 


540  Handwörterbuch  der  Chemie. 

von  1  Mol.  Aethylenbromid  auf  2  Mol.  Chinolfn  im  Rohr  bei  100^  C  KrystalUsirt  aus  Alkohol 
in  leichten,  weissen,  kleinen,  dttnqen  Nadeln. 

Platindoppelsalz:  C3H4(C9HeNHCl)jPtCl^. 

Aethylendichinoilbromhydrat,  C,H4(C9HgN«HBr)3  (40),  gewinnt  man  wie  das  CUoiid 
bei  40°  C;  dünne  Nadeln. 

Methylenchinoilchlorhydrat,  CH,(CgHßN.HCl),  (40).  Man  schüttelt  dfc  Jodhydrat- 
verbindung mit  AgCl  und  engt  das  Filtrat  ein.  Weisse,  glänzende  Tafeln,  leicht  löslich  in 
Wasser  und  warmem  Alkohol,  unlöslich  in  Aether  und  kaltem,  absolutem  Alkohol. 

Methylendichinoiljodhydrat,  CHj(CgHgN"HJ)3.  Darstellung  wie  die  des  Aeöiylen- 
chlorids  unter  Verdünnung  mit  Alkohol  bei  Stägiger  Erhitzung  auf  100°.  Lange,  schöne,  gelbe 
Nadeln,  die  sich  beim  Umkrystallisiren  aus  Alkohol  oder  Wasser  leicht  zersetzen.    Schmp.  132°  C 

Platindoppelsalz:  CHj(C5HgNHCl)jPtCl4.  Prismatische  Naddn,  bei  langsamer 
Krystallisation  Würfel  und  Octaeder. 

Methantrichinoiljodhydrat,  CH(C9HgN'J),  (41).  1  Mol.  Jodoform  in  Aether  gelöst 
wird  mit  3  Mol.  Chinolin,  ebenfalls  in  Aether  gelöst,  gemischt.  Bald  scheiden  sich  schöne,  grosse, 
farblose,  durchsichtige  Nadeln  aus,  die  in  Aether,  Ligroin,  Benzol,  Essigäther  u.  s.  w.  löslich 
sind.  Schmp.  65°  Alkohol  zerlegt  die  Verbindung  in  seine  Componenten.  In  kaltem  Wasser, 
Säuren  und  Alkalien  unlöslich;  erwärmt  man,  so  tritt  Schmelzung  und  Zersetzung  ein. 

Chinolinchloralhydrat  (?),  a.C.CHC^   I  (42).     Man   vermischt  ätherische 

^NCgHy.HaO 
Lösungen  von  Chloral  und  Chinolin;  nach  einigen  Stunden  filtrirt  man  von  einer  butterartigCD 
Ausscheidung  ab  und  verdunstet  den  Aether.  Die  zurückbleibenden,  wawellitartigen  KrystaDe 
werden  durch  Suspension  in  Wasser  von  salzsaurem  Chinolin  getrennt  und  aus  Benzol  umkrystalli- 
sirt.  Wawellitartige  Nadeln  oder  dicke  Stäbchen  oder  Täfelchen.  In  Alkohol  und  Wasser  m 
der  Wärme  zersetzlich.     Schmp.  66°  C. 

Platindoppelsalz,  (CgH^N-COH-CCl,  -h  HjO)3  3PtCl^.  Fällt  aus  alkoholischer 
Lösung  als  hellgelbes  Pulver,  das  aus  Wasser  umkrystallisirt  Chinolinplatinchlorid  liefert. 

Aethoxylchinolinchlorid,  CgHy(C3H^OH)Cl  (43),  wird  in  Prismen  gewonnen  bei 
Erhitzung  von  Aethylenchlorhydrin  mit  Chinolin  auf  100°  C. 

Platindoppelsalz,  (CjiHj3NOCl)2Pta^,  ein  in  viel  heissem  Wasser  lösliches,  lachs- 
gelbes Krystallpulver. 

Golddoppelsalz,  Cj^HuNOClAuCl,;  kleine,  spitze,  gelbe  Rhomboeder,  kaum  löslich 
in  siedendem  Wasser. 

Quecksilberverbindung,  5CiiHi,NOC1.6Hgaj,  farblose  Blättchen. 

ChinolinglycocoUäthylätherchorhydrat,  CgHyN-CHj.COj-CjHjQ  (47).  Schüttelt 
man  gleiche  Moleküle  Chinolin  und  Aethylmonochloracetat  tüchtig,  so  scheiden  sich  Kiystalle 
aus,  die  aus  wasserfreiem  Aether  in  stemförmiggruppirten  Nadeln  gewonnen  werden.  Ungemein 
löslich  in  Wasser,  ziemlich  leicht  in  Alkohol. 

Platindoppelsalz,  (Cj  jHj^N02Cl)2PtQ^,  krystallisirt  aus  einer  Mischung  von  Alkohol 
und  Wasser  in  kleinen,  dünnen,  zu  Bündeln  und  Kreuzen  vereinigten  Nadeln. 

Chinolin-BetaYn,  C^Uj^^^^O -h  H^O.  Behandelt  man  das  Chlorhydrat  der  vor- 
hergehenden Verbindung  mit  Ag^O,  so  entsteht  keine  Ammoniumbase,  sondern  das  Betain. 
Der  durch  Verdampfen  des  Filtrats  von  AgCl  hinterbleibende  Rückstand  krystallisirt  aus  Alkohol 
in  kurzen,  dicken,  compacten  Krystallen,  die  in  Wasser  und  Alkohol  löslich  sind  und  durch 
Aether  gefällt  werden.  Schmp.  bei  17 1  °  C.  Gehrichten  erhielt  die  saksaure  Verbindung  durch 
Erhitzen  von  Monochloressigsäure  mit  Chinolin  (44). 

Chlorhydrat,    Ci^HgNOg'HCl,   schöne,   dicke,   glänzende  Krystalle,   löslich  m  Alkohol         i 
und  Wasser.  1 

Platindoppelsalz,  (C,  iH9N02HCl)jPtCl4 ;  orangefarbige,  sternförmig  gnippirte  Nadehi;         \ 
in  Wasser  ziemlich  leicht  löslich.  | 

AUylchinolinjodid,  CgliyN-CjHgJ.     Aus  Allyljodid  und  Chinolin. 

Allylchinolinchlorid  (?),  CgH^N.CjHjCl  ('45).  Wird  Chinolin  mit  Dichlorhydrin  und 
etwas  Wasser  auf  100°  erhitzt,  so   entstehen  Chinolinchlorid  und  AUylchinoUnchlorid  nach  6a 


Chinolin.  541 

Gleichung  2C9HyN  +  C,HgOCl,  =  CgH^NCjHjCl  +  CgH^N-HCl  +  HjO.  Bei  Gegenwart 
von  Bleioxyd  geht  fast  alles  Chinolin  in  die  Allylverbindung  über. 

Platindoppelsair,  (CgH7N-CjH5Cl)jPta4,  unlöslich  in  Wasser. 

Golddoppelsalz,  CgHjN'C^HjCl'AuCl,,  kiystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  kleinen, 
goldgelben  Blättchen. 

Resorcinchinolin,  (CgH7N)2*C|.H4(OH)2  (49),  erhält  man  entweder  durch  Schmelzen 
von  2  MoL  Chinolin  mit  1  Mol.  Resorcin  und  Umkrystallisiren  der  Schmelze  aus  absolutem  Alkohol, 
oder  durch  Lösen  derselben  Mengen  in  HCl  und  folgender  Abscheidung  mit  NajCO,.  Silber- 
glänzende Blättchen  aus  einer  alkoholischen  Lösung,  die  bis  zur  Trübung  mit  Wasser  versetzt 
wird.  Diese  Verbindung  besitzt  einen  bitteren,  kratzenden  Geschmack.  Schmp.  102°  C  Löst 
sich  wenig  in  Wasser  (1:400),  leicht  in  Alkohol,  Aether  und  Chloroform.  Kocht  man  mit 
Wasser,  so  tritt  Zersetzung  ein. 

Hydrochinonchinolin,  (C9H7N)jCgH^(OH)2  (49).  Im  Wesentlichen  der  vorigen 
Verbindung  gleich.  Beide  sollen  sich  durch  hervorragende  antiseptische  und  antipyretische 
Eigenschaften  auszeichnen. 

Dichinolin,  CigHi^N^,  erhält  man  entweder  durch  Kochen  von  Chinolin 
mit  10}  Natriumamalgam  (50)  oder  durch  Erhitzen  von  salzsaurem  Chinolin  mit 
und  ohne  Zusatz  von  Anilin  oder  Chinolin  auf  180 — 200°  während  6 — 8  Stunden  (51). 

Darstellung:  Man  dampft  die  nach  dem  zweiten  Verfahren  erhaltene  Schmelze  mit  einem 
Ueberschuss  von  verdtlnnter  HNO,  zur  Trockne  ein,  behandelt  den  Rückstand  mit  Wasser, 
fiitrirt  und  fällt  mit  NH,  und  krystallisirt  den  Niederschlag  aus  verd.  Alkohol  um. 

Hellgelbe  Nadeln.  Schmp.  114°  C.  Verflüchtigt  sich  nicht  mit  Wasserdämpfen. 
Löst  sich  nicht  in  Wasser,  leicht  in  Alkohol,  Aether  und  CHCI3;  aus  diesen 
Lösungsmitteln  hinterbleibt  es  als  Harz.  Verdünnte  Säuren  lösen  es  unter  Roth- 
farbung.  Zersetzt  sich  nicht  beim  Abdampfen  mit  verd.  HNO3.  Oxydirt  liefert 
es  eine  Dipyridintetracarbonsäure.     Die  Salze  sind  fast  alle  amorph. 

Platindoppelsalz,  (CigHi^NjHCl),PtQ^,  gelbrother,  krystalli nischer  Niederschlag.  Ver- 
kohlt bei  220^  C. 

a-Dichinolylin,  CjgHijNg  (52).  Darstellung:  Man  erhitzt  100  Grm.  wasserfreies 
Chinolin  mit  15  Grm.  in  einem  lose  verkorkten  Kolben  im  Oelbade  2 — 3  Stunden  auf  192^  C. 
Diese  Reactionstemperatur  erhält  sich  auch  längere  Zeit,  wenn  der  Kolben  aus  dem  Oelbade 
genommen  wird.  Das  harzige  Produkt  wird  in  Benzol  gelöst,  um  das  Natrium  zu  entfernen. 
Man  giesst  ab  und  schüttelt  die  Lösung  so  lange,  als  das  Wasser  sich  noch  braun  färbt.  Es 
scheiden  sich  häufig  bei  dieser  Behandlung  Krystalle  aus,  die  mit  der  Benzollösung  vereinigt 
werden;  diese  wird  destillirt.  Nachdem  Benzol  und  Chinolin  Übergegangen  sind,  wird  der  Rest 
in  einem  kleineren  GcfUsse  im  H-Strome  erhitzt;  es  geht  ein  dunkel  rothgelb  gefärbtes  Oel 
über,  das  erstarrt  und  von  den  zuletzt  übergehenden,  flüssigbleibenden  Tropfen  getrennt  wird. 
Die  Krystalle  werden  abgepresst  und  in  warmer  conc.  HCl  gelöst.  Nach  7 — 8 maligem  Um- 
krystallisiren des  salzsauren  Salzes  aus  verd.  HCl  wird  die  Base  mit  NH,  geföUt  und  aus  Alkohol 
umkiystallisirt. 

Glänzende,  fast  farblose  Blättchen  oder  Nadeln.  Unlöslich  in  kaltem  und 
heissem  Wasser.  Leicht  löslich  in  heissem  Alkohol,  Aether,  Benzol  und  CHCI3. 
Die  alkoholische  Lösung  reagirt  neutral.  Aus  dieser  scheiden  sich  messbare 
Krystalle  des  monoklinen  Systemsaus:  a:d:c=l'S7 : 1 : 1'3*2,  n  ■=  109° 58'.  Schmp. 
für  die  krystallisirte  Substanz:  175-5°  C,  für  die  sublimirte  176— 177°  C.  Siede- 
punkt über  400°  C.  Oxydationsmittel  greifen  schwer  an.  Dampfdichte  =  8*73 
(ber.  =  8-86). 

Salze:  Sulfat,  CjgHjjNj'HjSO^ -r  HjO,  krystallisirt  aus  der  Auflösung  der  Base  in 
verd.  HjSO^  (1»6)  ^^  harten  Krystallkömern,  förbt  sich  bei  100°  intensiv  gelb,  muss  deshalb 
bei   120**  im  H-Strom  getrocknet  werden.     Wasser  zerlegt  es. 

Chlorhydrat,  C^^Ui^^^'2KCl-{'  AH^O,  feine,  lange,  asbestähnliche,  kaum  gefUrbte 
Nadeln.      Wasser  zerlegt  ebenfalls. 


542  Handwörterbuch  der  Cliemie. 

Basisches  Chlorhydrat,  CjgH^^^s'^^^  entsteht  aus  vorigem  durch  Trocknen  bei 
100°  bis  zur  Gewichtsconstanz. 

Platindoppelsalz,  (Ci8Hi2N,-2HCl)Pta^  +  HjO,  föllt  auf  Zusatz  von  PtQ^  zur 
heissen,  salzsauren  Lösun£f  sofort  in  licht  röthlichgclben,  mikroskopischen  Nadeln,  in  kaltem  und 
heissem  Wasser  sowie  in  HCl  fast  unlöslich. 

Golddoppelsalz,  CjgHi ^Nj-HCl-AuClj  +  2H2O.  Man  verfährt  mitAuClj  wie  benn 
Platinsalz.     Kleine,  lichtgelbe  Nadeln. 

Jodmethylat,  CjgHjjNg-CHgJ  (52).  Wird  dargestellt  durch  Erhitzen 
gleiclier  Moleküle  der  Base  und  Methyljodid  im  Rohr  auf  100°.  Das  Produkt 
wird  nach  Verdampfen  des  Jodids  aus  heissem  Wasser  umkrystallisirt.  Kleine, 
anscheinend  rhombische,  stark  glänzende  Krystalle.  Löslich  in  heissem  Alkohol, 
in  geringem  Maasse  auch  in  Aether,  CHClg  und  Eisessig.  Bräunt  sich  bei  200**  C 
und  schmilzt  unter  Zersetzung  bei  280—286°  C. 

Dichinolindisulfosäure,  CigHio(HS03)2N2  (52). 

Darstellung:  10  Grm.  Base  werden  mit  Vitriolöl  und  NO3H  (3: 1)  im  Rohre  3—4  Stunden 
auf  170°  C.  erhitzt.  Der  Röhreninhalt  wird  mit  Wasser  verdünnt;  die  Säure  scheidet  sich  bald 
in  mikroscopischen  Nadeln  aus,  die  man  durch  Umkiystallisiren  aus  Wasser  oder  Alkohol  nicht 
ganz  rein  erhalten  kann. 

Kaliumsalz,  CjgHjQ(KS03)2N2  +  ÖHjO,  wird  erhalten  durch  genaues  Neutralisiren 
der  siedenden,  wässerigen  Lösung  der  Sulfosäure  mit  Na^CO,  in  undeutlichen  Krystallen,  die 
aus  einer  Lösung  in  50 f  Weingeist  in  kleinen,  farblosen,  prismatischen  Nadeln  gewonnen 
werden.    In  heissem  Wasser  und  verdünntem  Alkohol  leicht  löslich,  schwer  in  absolutem  Alkohol 

p-Dichinolylin,  CigH^aNg  (53),  entsteht  durch  mehrstündiges  Erhitzen 
gleicher  Volume  Chinolin  und  Benzoylchlorid  auf  240— 250°  C,  femer  in  sehr 
geringer  Menge  bei  der  Destillation  der  Cinchoninsäure  mit  Kalk  (54).  Es 
krystallisirt  aus  Alkohol  in  grossen,  seideglänzenden,  monoklinen  Tafeln. 
Schmp.  191°  C,  nach  Weidel  192*5°  C.  Sublimirt  in  Tafeln.  In  Wasser  unlöslich, 
in  Aether  wenig,  in  siedendem  Alkohol  massig,  in  kaltem  kaum  löslich,  sehr 
leicht  in  CHCI3  und  heissem  Benzol.  Besitzt  nur  schwach  basische  Eigenschaften 
und  giebt  mit  CH3J  keine  Verbindung;  Wasser  schlägt  die  Base  aus  ihren  Salz- 
lösungen nieder. 

PlatindoppelsaU,  (CjgHi  jNj2Ha)PtCl4 ,  ist  ein  körniger,  hellgelber  Niederschlag, 
der  durch  Versetzen  einer  Lösung  des  PtCl^  in  conc.  HCl  mit  einer  Lösung  der  Base  in  kalter 
conc.  HCl  entsteht. 

Hydrochinolin,  CiqHiqNj  (55),  kann  man  gewinnen  durch  Behandeln 
von  Chinolin  mit  Zn-Staub  und  Essigsäure,  durch  Kochen  mit  Alkohol  und 
Natriumamalgam,  durch  Behandeln  mit  Zn  und  HCl  oder  mit  Zn-Staub  und  NH,. 

Darstellung:  Chinolin  wird  mit  Zn-Staub  und  NH,  am  RUckilussktthler  auf  dem  Wasser- 
bade erwärmt.  Nach  vollendeter  Reduction  wird  mit  Wasserdämpfen  intactes  Chinolin  fibeige- 
trieben.  Der  feste  Rückstand  wird  mit  Benzol  extrahirt  und  mit  Ligroin  gefWt;  das  Produkt 
wird  wiederholt  in  Benzol  aufgenommen  (Zusatz  von  Thierkohle)  und  mit  Ligroin  partiell  behandeb. 

Amorphes,  gelbliches  Pulver.  Schmp.  161— 162°  C.  Die  schwache  Base  ist 
nicht  unzersetzt  flüchtig  und  giebt  keine  krystallisirbaren  Salze;  Wasser  föUt  sie 
theilweise  aus  ihren  Lösungen  in  concentrirten  Säuren.  Natriumacetat  bewirkt 
vollständige  Fällung.  Methyljodid  wirkt  bei  130 — 140°  kaum  ein.  Natriumnitrit 
erzeugt  in  sauren  Lösungen  röthlich  gelbe  Fällung.  Königs  vermuthet,  dass  diese 
Base  identisch  sei  mit  dem  Reductionsprodukt,  welches  Baeyer  aus  Dichlor- 
chinolin  und  Natriumamalgam  gewonnen  hat. 

Tetrahydrochinolin,  CgH^N  (56). 

Darstellung:  Man  löst  1  Thl.  Chinolin  in  30  Thln.  starker  HQ,  erwännt  auf  dem 
Wasserbade  und  fügt  allmählich  Z—^  Thle.  Sn  hinzu.    Man  verjagt  die  Überschüssige  HCl,  setzt 


Chinolin.  543 

concentrirte  Alkalilauge  im  Ueberschuss  zu  und  destillirt  im  Wasserdampfstrom  Chinolin  und  die 
Tetrahydrobase  über,  bis  KjCijOj  keine  dunkle  Färbung  mehr  erzeugt.  Man  trennt  Chinolin 
vom  Tetrahydrochinolin  durch  Einleiten  von  HCl  in  ihre  trockne  ätherische  Lösung  und  Um- 
kiystallisiren  der  Fällung  aus  absolutem  AlkohoL 

Die  freie  Base  ist  flüssig  und  erstarrt,  wenn  rein,  bei  Winterkälte  zu  farb- 
losen Nadeln.  Siedep.  244—246°  C.  bei  724  Millim.  Sie  löst  sich  leichter  in 
Wasser  als  Chinolin.  CrOj  oxydirt  sie  zu  Chinolin.  Nitrosoreaction.  Leitet 
man  Dämpfe  der  Base  durch  ein  rothglühendes  Rohr,  so  entsteht  Indol  und 
Chinolin.  Durch  Einwirkung  von  conc.  HjSO^  bei  220°  ist  ein  noch  nicht  ge- 
nau untersuchtes  Barytsalz  einer  Disulfosäure  gewonnen  worden.  Bei  längerem 
Erwärmen  mit  conc.  HNO3  (1:2)  entsteht  Weidel's  Chinolsäure. 

Salze:  Chlorhydrat,  CgH^jN-HCl,  krystallisirt  aus  Alkohol  in  feinen  Prismen. 
Schmp.   180—181°.     Aus  wässerigen  Lösungen  entstehen  Tafeln. 

Platindoppelsalz,  (C9HiiN.HCl),PtCl4;  röthlich  gelbe  Krystalle.     Schmp.  200**  C. 

Saures  Sulfat,  CgH^jN'HgSO^ ;  krystallisirt  aus  Alkohol  in  schönen  Prismen  vom 
Schmp.   136 — 137®,  aus  Wasser  in  grossen,  monoklinen  Tafeln. 

Das  Tartrat  und  Oxalat  sind  leicht  löslich,  das  Pikrat  bildet  schöne,  gelbe,  schwer 
lösliche  Nadeln,  die  beim  Erwärmen  unter  Wasser  schmelzen.  Das  Zinkchloriddoppelsalz  bildet 
weisse,  leicht  lösliche  Nadeln.  Das  Quecksilberchloriddoppelsalz  sehr  schwierig  lösliche,  weisse 
Nadehi. 

Nitronitrosotetrahydrochinolin,  CgH^ClN^NO  (S^)' 

Darstellung:  Das  Nitrosamin,  welches  auf  Zusatz  von  NaNO^  zur  schwach  sauren 
Lösung  der  Tetrahydrobase  als  gelbes  Oel  fällt,  wird  rasch  mit  HNO,  [1  Vol.  Säure  (1-4), 
2  Vol.  H,0]  geschtittelt.  Die  entstehende  feste  Verbindung  wird  aus  heissem  Alkohol  um- 
krystallisirt. 

Schöne,  gelbe  Nadeln.     Schmp.  137— 138°  C. 

Tetrahydrochinolinhydrazin,  CgH^QN-NH^  (57). 

Darstellung:  Nitrosamin  in  alkoholischer  Lösung  wird  auf  dem  Wasserbade  mit  Zn- 
Staub  und  Eisessig  erwärmt.  Nach  Beendigung  der  Reaction  verjagt  man  den  Alkohol,  setzt 
überschussiges  Alkali  hinzu  und  extrahirt  mit  Aether.  Conc.  HJSO4  (^-ö)  fallt  aus  der  äthe- 
rischen Lösung  das  Sulfat,  das  zersetzt  wird. 

Das  Hydrazin  krystallisirt  aus  Ligroin  in  weissen  Krystallen.  Schmp.  55—56°  C. 
Es  siedet  gegen  255°  C.  unter  theilweiser  Zersetzung.  Es  reducirt  Gold-  und 
Platinsalze  in  der  Kälte,  FEHLiNG'sche  Lösung  in  der  Wärme. 

Sulfat,  (C9HioN-NHa)jHjS04 +  2HjO.  Es  ist  in  kaltem  Wasser  ziemlich  schwer 
löslich,  und  krystallisirt  aus  demselben  in  gelben,  glänzenden  Blättchen. 

Chlorhydrat  ist  in  kaltem  Wasser  ziemlich  leicht,  in  conc.  HCl  schwerer  löslich. 
^  Tetrahydrochinolintetrazon,  C9HioN-N  =  N-NC9Hio  (57),  wird  durch 
Schütteln  einer  kalt  gehaltenen  ätherischen  Lösung  des  Hydrazins  mit  gelbem 
Quecksilberoxyd  erhalten.  Man  entfernt  unangegriflfenes  Hydrazin  durch  Schütteln 
mit  verd.  H^SO.,.  Zur  Reinigung  kocht  man  den  Aetherrückstand  mit  Benzol 
und  Thierkohle  und  fällt  das  concentrirte  Filtrat  mit  Alkohol. 

Das  Tetrazon  ist  eine  starke  Base,  unlöslich  in  Wasser,  sehr  schwer  löslich 
in  Alkohol,  leicht  in  CHCI3,  Aether,  CSg  und  Benzol.  Farblose  Nadeln. 
Schmp.  160°  C.  Verdünnte  Mineralsäuren  lösen  es  nicht,  zerlegen  es  aber  in  der 
Wärme  in  Hydrochinolin  und  Chinolin;  dasselbe  bewirkt  unter  Lösung  und 
Rothfärbung  Eisessig. 

Methyltetrahydrochinolin,  CgHi^N-CHj  (57). 

Zur  Darstellung  lässt  man  Methyljodid  vorsichtig  unter  guter  KUhlung  zur  Base  fliessen 
und  erwärmt  noch  kurze  Zeit.  Nach  Vertreiben  von  CH3J  zerlegt  man  das  Produkt  mit  KOH 
und  extrahirt  mit  Aether.     Man  trennt  unangegriffene  Tetrahydrobase  von  der  Methylbase  durch 


544  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Rochen  mit  Essigsäureanhydrid,  das  abdestillirt  wird«  Der  Rückstand  wird  mit  Natronlange  kah 
behandelt,  dann  durch  successives  Ausschütteln  mit  Aether  und  verdünnter  H^SO^  von  der 
acetylirten  Hydrobase  getrennt.     Aus  der  schwefelsauren  Lösung  ftllt  Alkali 

die  Methyltetrahydrobase  als  Oel,  welches  zwischen  242— 244°C.  bei  720Millim. 
siedet.  Mit  NaNO^  in  saurer  Lösung  entsteht  unter  gelbrother  Färbung  eine 
Nitrosoverbindung,  die  durch  Alkali  als  Oel  sich  ausscheidet,  in  der  Wärme  nicht 
angegriffen  wird,  in  Aether  mit  grüner  Farbe  sich  löst  und  mit  massig  conc 
HNO3  ein  festes,  kaum  basisches  Produkt  liefert,  wahrscheinlich  analog  dem 
Nitrodimethylanilin. 

Die  einfachen  Sake  dieser  Base  sind  zerfliesslich.  Das  saure  Sulfat  krystallisirt  aus  abso- 
lutem Alkohol  in  weissen,  säulenförmigen  Krystallen,  die  an  der  Luft  zerfliessen. 

PlatindoppelsaU,  (C,HnjN(CH,)HCl),Pta4.  Ziegelrother,  krystallinischer  Nieder- 
schlag, schmilzt  bei  177°  C.  unter  Gasentnricklung. 

Monomethyltetrahydrochinolinmethyljodid,C9H^oN«CHj-CHjJ(57), 
hinterbleibt  in  der  alkalischen,  mit  Aether  behandelten  Lösung  bei  der  Darstellung 
obiger  Base.  Die  Ammoniumbase  wird  nach  E.  Fischer's  Verfahren  in  saurer 
Lösung  mit  K4FeCyß  gefallt,  mit  CuSO^  zersetzt,  das  Filtrat  mit  Baryt  und 
CO 2  behandelt  Aus  dem  letzten  Filtrat  hinterbleibt  das  kohlensaure  Salz  der 
Ammoniumbase,  welches  in  das  salzsaure  Salz  übergeführt  wird. 

Chlorhydrat,  CjHißN«CH,HCl;  kurze,  weisse  Prismen  (aus  Alkohol). 

Platindoppelsalz,  (CgHjoN.CHjHCOjPtCl^ ;  krystallisirt. 

Aethyltetrahydrochinolin,  CjHj^jNCCjHj)  (56).  Aus  Jodäthyl  und  Tetrahydrochinolio 
entsteht  das  krystallinische  Jodid,  aus  der  Kali  die  Base  frei  macht     Siedep.  255^  C. 

Aethyltetrahydrochinolinäthyljodid,  C9HioN(C,Hj).C,HJ.  Alkalien  serlegco 
es  nicht.     Ag,0  liefert  die  freie,  starke  Base  CgHjoN(C,Hj)OH. 

Acetyltetrahydrochinolin,  CgHioN(C,H,0)  (56),  entsteht  durch  Kochen  der  Base 
mit  Essigsäureanhydrid  und  siedet  bei  295 ^^  C.    Mit  KMnO^  oxydirt  entsteht  Oxalylanthranilsäure. 

Benzoyltetrahydrochinolin,  C9HioN(C7HjO)  (56),  krystallisirt  aus  Alkohol  in  mono- 
klinen  Tafehi.     Schmp.  75°  C. 

Tetrahydrochinolinharn.stoff,  NH^CONCgHj^  (57).  Vermischt  man  die  wässerigen 
Lösungen  äquivalenter  Mengen  der  salzsauren  Base  mit  KCNO,  so  gesteht  die  Flüssigkeit  so 
einem  Brei  weisser  Nadeln,  die  aus  Wasser  umkrystallisirt  werden.  Schmp.  146*5°  C  Wenig 
löslich  in  kaltem  Wasser,  fast  nicht  löslich  in  Alkohol.  Verdünnte  Säuren  bewirken  keine  Ver- 
änderung.    Alkalien  regeneriren  die  ursprüngliche  Base. 

NH 

Leukolinsäure  bezw.  Chinolinsäure,  CgH^ rXr  CO— COOH^^^^S^^ 

Dewar  erhielt  durch  Oxydation  des  Chinolins  mit  KMnO^  eine  Säure,  die  in  Nadeln  kiystalli- 
sirt,  bei  143*'  schmilzt,  in  Wasser  sehr  schwer  lösUch  ist,  mit  Kali  erhitzt  Anilin  liefert  Bei 
ähnlicher  Behandlung  des  Leukolins  erhielt  er  eine  Säure  gleicher  Zusammensetzung  in  Tafeln  oder 
Nadeln.  Schmp.  162^0.  In  kaltem  Wasser  wenig  löslich,  löslich  in  Alkohol  und  Aether.  Mit 
Natronkalk  geglüht  entstehen  Anilin,  NH,  und  wenig  Picolin.  Das  Kalisalz,  trocken  destilliit, 
liefert  CO,,  H,0,  CO^K^  und  Anüin.  Die  Kalischmelze  enthält  Salicylsäure.  Das  Süber- 
salz  krystaUisirt  in  feinen  Nadeln.  Da  jetzt  nachgewiesen  ist,  dass  Chinolin  und  Leukolin  iden- 
tisch smd,  so  bedürfen  die  beschriebenen  Säuren  einer  wiederholten  Prüfung. 

Monochlorchinolin,  ClC^HgN  (59),  wird  dargestellt  aus  Paracbloranilin, 
Glycerin  und  Schwefelsäure  u.  s.  w.  Dasselbe  ist  eine  farblose  Flüssigkeit,  die 
sich  schnell  bräunt.     Siedep.  256°  C. 

Salze:  Chlorhydrat,  ClCgHßNHCl;  feine,  farblose  Nadehi,  in  Wasser  sehr  leicht  lösKdt 
Platindoppelsalz,  (ClCjHßNHC^jPtCl^  +  2H,0,  hellgelber,  krystallinischer  Niederschlag.  Jod- 
methylat,  ClCgHgN,CH,J,  hellgelbe,  krystallinische  Krusten,  in  Wasser  leicht,  in  Alkohol 
schwerer  löslich;  unlöslich  in  Aether.  Chlormethylplatinat,  (ClCgHgN,  CH,a),Pta^,  ws 
dem  Jodmethylat  durch  Behandeln  mit  AgCl  und  PtCl^;  orangegelbe  KrystaÜe. 


Chinolin.  545 

Chlorchinolin  4,  ClCgHgN,  entsteht  nach  der  SKRAUP'schen  Reaction  aus 
m-Chloranilin,  Nitrobenzol  u.  s.  w.  (188).  Farblose,  stark  lichtbrechende,  ölige 
Flüssigkeit  Siedep.  264— 266°  C.  Die  Base  ist  fast  unlöslich  in  Wasser,  leicht 
löslich  in  verdünnten  Säuren,  Alkohol,  Aether  und  Benzol. 

Salxe:  Cblorhydrat,  ClCgHgN'Ha.  Farblose,  zerfliessliche  Tafeln.  Wird  die  alkoholische 
Lösung  des  Sakes  mit  wasserfreiem  Aether  versetzt,  so  erscheint  es  in  stemfömig  gruppirten  Nadeln. 

Platindoppelsalz,  (aG9H8NHCl)jPtCl44-2HjO;  orangegelbe,  seideglänzende  Nadeln, 
die  bei  105— 106®  C.  wasserfrei  werden. 

Chromat,  (ClCgHgN)jH3Crj07;  feine,  goldgelbe  Nadeln,  die  schwer  löslich  in  kaltem 
Wasser  sind  und  bei  153®  C.  unter  starker  Zersetzung  schmelzen. 

Jodmethylat,  ClC,HgN-CH,J;  lange,  citronengelbe  Nadehi,  die  sich  bei  231— 232®  C. 
schmelzend  zersetzen. 

Nitrochlorchinolin,  NO3CIC9H5N.  Nitrirt  man  i-Chlorchinolin,  so  erhält 
man  zwei  isomere  Nitrochlorchinoline,  von  denen  das  eine  bei  185 — 186°  C,  das 
andere  bei  120— 123^*0.  schmilzt. 

Dichlorchinolin  r-3,  Cl^CgHjN  (59).  Aus  1 : 2 : 4-Dichloranilin,  welches 
durch  Einwirkung  von  Cl  auf  Acetanilid  entsteht  Ist  schwerer  löslich  als  die 
folgende  1  •  4- Verbindung.  Lange,  feine,  farblose  Nadeln.  Schmp.  103 — 104°  C, 
Salze.     Platindoppelsalz,  (Cl^C^HsNHCOjPtCl^. 

Dichlorchinolin  1-4,  CI2C9H5N  (59).  Aus  l:2:5-Dichloranilin,  Nitro- 
benzol, Glycerin  und  HjSO^;  krystallisirt  aus  Alkohol  in  kurzen,  concentrisch 
vereinigten,  farblosen  Nadeln,  aus  Aether  in  farblosen,  langen,  schmalen  Tafeln. 
Schmp.  92—93°  C;  unzersetzt  flüchtig. 

a-Chlorchinolin,  CgHgClN. 

Darstellung:  Carbostyril  wird  mit  etwas  mehr  als  der  berechneten  Menge  PClj  und 
wenig  POa,  einige  Stunden  im  Oelbade  auf  130 — 140®  C.  erwärmt  Das  Reactionsprodukt 
wird  in  Wasser  gegossen,  neutralisirt  und  mit  Wasserdampf  übergetrieben.  Das  Chlorderivat 
erstarrt  rasch  in  der  Vorlage  und  wird  aus  verdünntem  Alkohol  umluystallisirt.  Es  entsteht  auch 
nach  demselben  Verfahren  als  Nebenprodukt  aus  HydrocarbostyriL 

Das  a-Chlorchinolin  bildet  lange  Nadeln,  schmilzt  bei  37 — 38°  C.  und  siedet 
unzersetzt  bei  266 — 267°  C.  In  Wasser  nahezu  unlöslich,  äusserst  leicht  löslich 
in  Alkohol,  Aether  und  Benzol,  Ligroin  u.  s.  w.  Die  basische  Natur  ist  sehr 
schwach,  denn  Wasser  fällt  die  Base  aus  ihrer  Lösung  in  concentrirten  Mineral- 
säuren wieder  aus.  Mit  Wasser  auf  120°  erhitzt  geht  es  glatt  in  Carbostyril 
über.  Mit  JH  in  Eisessig  wird  es  zu  Chinolin  reducirt.  Bei  der  Reduction  mit 
Sn  und  HCl  entsteht  Tetrahydrochinolin.  Mit  alkoholischem  Kali  erwärmt  bildet 
sich  sein  Aethyläther. 

PlatindoppelsaU,  (C^HgClN,  Ha),PtCl4  +  2HjO.  Aus  concentrirter  HQ-Lösung 
fällt  PtCl^  dasselbe  in  Nadeln,  Wasser  «ersetzt  es  wieder. 

a^-Dichlorchinolin,  CgHgCljN  (61). 

Darstellung:  y-Chlorcarbostyril  mit  dem  7 fachen  Gewicht  PQj  innig  verrieben  und 
dann  mit  POQ,  angefeuchtet,  wird  einige  Stunden  auf  135— 140°  C.  erhitzt  Das  Produkt  in 
Eiswasser  eingetragen  und  neutralisirt  wird  mit  Wasserdämpfen  abgetrieben.  Die  Dichlorbase 
erstarrt  schon  im  Kühler  und  wird  schliesslich  mehrfach  zur  Reinigung  aus  heissem,  verdünnten 
Alkohol  umkrystallisirt. 

Das  ay-Dichlorchinolin  riecht  schwach,  in  heissem  Wasserdampfe  stechend. 
Schöne  Nadeln.  Schmp.  67°  C.  Es  ist  in  kaltem  und  heissem  Wasser  unlöslich, 
löst  sich  dagegen  leicht  in  Alkohol,  Aether,  Benzol  und  Chloroform. 

Ladknbukg,  Chemie.    II.  j^ 


546  Handwörterbuch  der  Chemie. 

aß 

aß-Dichlorchinolin,  CgHgCljN  (lo). 

Darstellung:  Reines  Hydrocarbostyril  wird  mit  6 — 7  Thln.  PG,  und  etwas  P0C1| 
einige  Minuten  im  Oelbad  auf  140^  C.  erhitzt  Es  entstehen  drei  Produkte :  aß-Dichlordünolin, 
a-Monochlorchinolin  und  ein  hochschmelzender,  in  Alkalien  unlöslicher,  phosphoihaltiger  Köiper. 
Mit  Wasserdämpfen  wird  ein  bei  70 — 80^  C.  schmelzendes  Gemisch  übergetrieben,  ans  dem 
durch  öfteres  Umkrystallisiren  aus  Alkohol 

die  Dichlorbase  in  farblosen  Blättchen  sich  gewinnen  lässt  Schmp.  104°  C. 
Dieselbe  löst  sich  in  allen  Lösungsmitteln  ausser  Wasser  leicht  auf.  Man  kennt 
ein  schön  krystailisirendes,  jodwasserstofFsaures  Salz.  Mit  PtCl4  entsteht  kein 
Doppelsalz.     Durch  Reduction  mit  JH  entsteht  Chinolin. 

ft)«T 

(?)a7-Trichlorchinolin,  C^H^CljN  (6i).  Durch  Erhitzen  von  a^-Dichlor- 
chinolin  mit  PCI 5  entsteht  dieses  Trichlorid,  das  mit  Wasserdämpfen  schwierig 
flüchtig  isty  aus  Alkohol  in  feinen  Nadeln  krystallisirt  und  nur  schwach  basische 
Eigenschaften  besitzt.     Schmp.  160-5°  C. 

aßY-Trichlorchinolin,  C9H4CI3N  (187),  hat  Rügheimer  durch  Einwirkung 
von  PCI5  auf  Malonanilidsäure  erhalten.  Es  schmilzt  bei  107'5°  C.  und  krystallisirt 
aus  Alkohol  in  Form  langer,  farbloser  Nadeln.  In  heissem  Alkohol  ist  es  leicht 
löslich,  in  kaltem  weniger  löslich;  leicht  löslich  in  Benzol  und  Ligroin.  Mit 
Wasserdämpfen  ist  es  flüchtig. 

Monobromchinolin  3|  BrCsH^N  (62). 

Darstellung:  86  Parabromanilin  werden  mit  den  entsprechenden  Mengen  H^SOfi 
Glycerin  und  Nitrobenzol  nach  der  Angabe  von  Skraup  erhitzt  u.  s.  w.  Enthält  das  Brom- 
anilin Dibromanilin,  so  setzen  sich  beim  Ueberdestilliren  des  Nitrobenzols  weisse  Kiystalle  eines 
Dibromchinolins  ab. 

Das  Monobromchinolin  siedet  bei  276—278°  C. 

Salze:    Chlorhydrat,  BrC^H^N,  HQ,  kleine  Nadehi. 

Platindoppelsalz,  (BrCjH^N,  Ha),PtCl4H-  2HjO,  flockig kiystallinischer  Niederschlag. 

Monobromchinolin,  TBrC^HgN  (65). 

Darstellung:  Dieses  entsteht  neben  Di-  und  Tribromchinolin,  wenn  gleiche  Molekflk 
von  salzsaurem  Chinolin  (in  concentrirter  wässeriger  Lösung)  und  Er  im  geschlossenen  Rohr 
auf  180^  C  erhitzt  werden.  Das  rothbraune,  flüssige  Produkt  erstarrt  nach  einiger  Zeit  imd 
wird  in  der  Wärme  mit  Wasser  und  verdünnter  HCl  behandelt  Es  gehen  Mono-,  Di-  and 
etwas  Tribromchinolin  in  Lösung;  im  Rückstande  die  höher  gebromten  Basen.  Die  Lösung 
wird  mit  Wasser  verdüimt,  es  fallen  Tribromchinolin  und  etwas  Dibromchinolin.  Man  filtriit 
und  schüttelt  aus  dem  Filtrat  mit  Aether  das  Dibromprodukt  aus.  Aus  der  wässerigen  Lösnng 
scheidet  Natronlauge  Chinolin  und  das  Monoprodukt  ab.  Letzteres  giebt  mit  Weinsäure  kein 
Salz,  hiermit  ist  die  Treimung  vom  ersteren  gegeben. 

Das  Monobromprodukt  ist  ein  gelbliches  Oel  von  schwachem,  chinolinähn- 
liehen  Geruch.  Siedep.  270°  C.  Nitrirt  man  dasselbe,  so  erhält  man  ein  Nitro- 
Produkt,  das  vielleicht  identisch  ist  mit  demjenigen,  welches  durch  Nitriren  des 
3-Bromchinolins  erhalten  wird. 

Chlorhydrat,  BrC^H^N,  HCl.  Luftbeständige  Säulen  (aus  wanner,  verdünnter  HO), 
anscheinend  monoklin.     Verflüchtigt  sich  ohne  zu  schmelzen. 

Platindoppelsalz,  (BrC^H^HC^sPtCl«  +  2H,0,  ferne,  orangerothe  Nadeha,  die  in 
heissem  Wasser  löslich  sind. 

Jodmethylat,  BrCgHgN,  CH3J.  Das  durch  Erhitzen  der  Brombase  mit 
Jodmethyl  im  Rohr  auf  100°  C.  erhaltene  Produkt  wird  aus  heissem  Wasser  um- 
krystallisirt.  Goldgelbe  Nadeln.  Mit  Ag^O  oder  Na  OH  behandelt  entsteht  das 
stark  basische  Hydroxyd  C9HßBrN(CHj)0H.  Verdunstet  man  seine  Lösung, 
so  scheidet  sich  das  Anhydrid  [C9HgBrN(CH,)]90  aus,  welches  aus  absolutcin 


Chinolin.  547 

Alkohol  in  glänzenden  Nadeln  krystallisirt,  Schmp.  146—147°  C,  sich  in  kaltem 
Alkohol  schwer,  in  heissem  leicht,  in  Aether  und  kochendem  Wasser  sehr  schwer 
löst    Mit  heisser  verd.  HCl  gekocht  scheidet  es  sich  unverändert  wieder  aus  (66). 

Dibromchinolin,  Br^CgllßN  1:3?  (62),  wird  neben  3-Monobromchinolin 
erhalten  und  krystallisirt  aus  Alkohol  in  farblosen  Nadeln,  die  unzersetzt  flüchtig 
sind.     Schmp.  100— 101°  C. 

SaUe:  Platindoppelsair,  (BrjCjHjN,  HCl)jPtCl4,  auf  Zusatr  von  PtCl^  zur  alkoho- 
lischen Lösung  der  Base. 

Dibromchinolin  1*4,  Br^CgHsN  (179),  hat  Metzger  erhalten  durch  Er- 
hitzen von  Paradibromanilin  mit  Nitrobenzol,  Glycerin  und  H^SO^.  Nach  dem 
Verflüchtigen  des  Nitrobenzols '  mit  Wasserdämpfen  wird  das  Reactionsgemisch 
mit  Aether  extrahirt.  Die  nach  dem  Verdunsten  des  Aethers  hinterbleibende 
Masse  wird  mit  HCl  angesäuert  und  mit  Kaliumbichromatlösung  gekocht.  Auf 
Zusatz  von  Na  OH  scheiden  sich  Flocken  ab,  die  filtrirt,  mit  Wasser  gewaschen, 
aus  siedendem  Alkohol  das  Dibromid  in  langen,  weissen  Nadeln  liefern.  Schmp.  127 
bis  128°C.  Es  ist  mit  Wasserdämpfen  flüchtig,  ebenso  flir  sich  erhitzt.  Unlöslich 
in  Wasser,  Alkalien,  Alkalicarbonaten,  leicht  löslich  in  Säuren,  Aether,  Alkohol, 
Benzol,  Ligroin  u.  s.  w. 

Salze:  Chlorhydrat,  CgHjBrjN-HCl,  kleine,  breite  Nadeln;  kaltes  Wasser 
zersetzt  es.  Pikrat,  lange,  schöne,  gelbe  Nadeln.  Leicht  zersetzbar.  Bichromat, 
(CgH5Br2N)2H3Cr207.  Mikrokrystallinisches,  lebhaft  orangerothes  Pulver,  wird 
durch  warmes  Wasser  zersetzt. 

Dibromchinolin,  TBrgC^HjN  (65)  (Stellung  unbekannt).  Darstellung  beim 
Monobromchinolin  angegeben.  Aus  Alkohol  umkrystallisirt  bildet  es  feine 
Nädelchen,  aus  verdünnter  HCl  oder  heisser  Essigsäure  ziemlich  grosse,  glänzende 
Nadeln.  Schmp.  nicht  ganz  constant  bei  126°  C.  Ohne  Zersetzung  flüchtig.  Leichter 
löslich  in  Aether  als  die  Triverbindung. 

PlatindoppelsaU,  (BijCgHsN,  HCl)jPta4,  fällt  aus  alkoholischer  mit  etwas  HCl  ver- 
setzter Lösung  der  Base  mit  alkoholischen  PtQ^.  Hellgelber,  metallisch  glänzender,  in  Aether 
onlöslicber  Niederschlag.     Wasser  bewirkt  Zersetzung. 

Jodmethylat,  C^HsBrgN-CHjJ  (66),  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in 
feinen,  hochrothen  Nadeln,  die  sich  ohne  zu  schmelzen  verflüchtigen.  Unlöslich 
in  kaltem,  wenig  löslich  in  heissem  Alkohol,  unlöslich  in  Aether.  Na  OH  fällt 
aus  der  wässrigen  Lösung  das  Anhydrid  [C9H6Br2N(CH3)]30;  feine,  kleine 
Nadeln  (aus  Alkohol). 

Tribromchinolin,  TBr3C9H4N  (63). 

Darstellung:  Man  stellt  eine  Uhrschale  mit  B  Grm.  Chinolin  und  ein  Gefäss  mit  6  Grm. 
Brom  in  einen  Exsiccator.  Ist  das  Brom  verschwunden,  so  behandelt  man  das  Produkt  mit  ge- 
wöhnlichem Alkohol,  in  welchem  es  sich  mit  rother  Farbe  bis  auf  einen  kleinen  Rückstand  löst. 
Nach  12  stundigem  Stehen  scheiden  sich  weisse  Kiystalle  ab,  die  aufs  Filter  kommen,  ausge- 
waschen und  aus  heissem  Alkohol  umkrystallisirt  werden. 

Die  Tribrombase  besteht  aus  lockeren,  weissen  Nadeln.  Schmp.  173 — 175°  C; 
sie  verdampft  unter  Schmelzung  ohne  Zersetzung.  Sie  ist  auch  gewonnen  worden 
bei  Einwirkung  überschüssigen  Broms  auf  Tetrahydrochinolin  in  Chloroform- 
lösung (57).  Unlöslich  in  Wasser,  sehr  schwer  löslich  in  kaltem,  gut  in  heissem 
Alkohol.  Conc.  HCl  und  HjSO^  lösen  sie  mit  Leichtigkeit,  auf  Wasserzusatz 
fällt  sie  wieder  aus.  Wässriges  und  alkoholisches  Kali  sind  ohne  Einwirkung, 
ebenso  siedende  conc.  H^SO^. 

Tetrabromchinolin,  TC^HjBr^N  (64). 

Darstellung:    Man  löst  Chinolin  in  CS,  und  lässt  etwa  sein  doppeltes  Gewicht  Brom 

3S* 


54^  Handwörterbuch  der  Qiemie. 

in  siemlich  viel  CS,  gelöst,  zutropfen.  Darauf  wird  eingedampft,  die  zähe,  rothe  Masse  mit 
Aether  oder  CS,  extrahirt.  Die  aus  diesen  Lösungsmittehi  hinterbleibende  Substanz  wird  ent- 
weder aus  Alkohol  oder  CS,  umkrystallisirt  oder  vorsichtig  sublimirt. 

Die  Tetrabrombase  krystallisirt  aus  Alkohol  in  farblosen,  prachtvoll  seiden- 
glänzenden,  zolllangen  Nadeln,  aus  CS2  in  dicken,  gelblichen  Säulen.  Schmp.  11 9^  C 
Sie  ist  unlöslich  in  Wasser  und  verdünnten  Säuren  und  besitzt  keine  basischen 
Eigenschaften.  Concentrirte  Säuren  lösen  sie  auf;  Wasser  lässt  sie  unverändert 
wieder  ausfallen.  Concentrirte  wässrige  oder  alkoholische  Kalilauge  sind  auch 
in  der  Siedhitze  ohne  Einwirkung.  Im  geschlossenen  Rohr  auf  180^  C.  erhitzt 
erleidet  sie  keine  Veränderung. 

Monobromtetrahydrochinolin,  TCgHi^BrN  (57),  wird  dargestellt  durch 
Einwirkung  von  1  Molekül  Br  auf  1  Molekül  Tetrahydrochinolin  in  Chloroform 
neben  einem  Bromprodukt.  Nach  dem  Verjagen  des  Chloroforms  zieht  man 
durch  Kochen  mit  verd.  BrH  den  Monobromkörper  und  unangegriffene  Base  aus 
und  filtrirt.  Auf  dem  Filter  bleibt  das  Oel  der  Dibrombase;  aus  dem  Filtrat 
scheidet  sich  das  Bromhydrat  der  Monobase  aus,  welche  frei  gemacht  ein  Oel 
darstellt,  das  beim  Reiben  krystallinisch  erstarrt  und  in  der  Plandwärme  schmilzt. 

Bromhydrat,  C^Hi^BrNKBr,  krystallisirt  aus  verd.  BrH  in  weissen,  seide- 
glänzenden Nadeln.    Schmp.  192°  C. 

Dibromtetrahydrochinolin,  TBrgCgHgN  (64). 

Darstellung:  Man  trägt  Natriumamalgam  in  die  alkoholische  Lösung  der  Tetrabrombase 
im  Ueberschuss  ein;  der  Alkohol  wird  verdunstet  und  der  ölartige  Rückstand  mit  Wasserdampf 
behandelt.  Das  mit  den  Wasserdämpfen  Übergehende  Oel  wird  in  Aether  aufgenommen.  Nach 
dem  Verdunsten  des  Aethers  hinterbleibt 

die  Base  in  schönen,  tafelförmigen  Krystallen,  die  sich  am  Licht  röthen. 
Schmp.  65—66°  C.  Sie  ist  leicht  löslich  in  Alkohol,  Aether,  CS,  und  CHCla,  un- 
löslich in  Wasser,  und  zeigt  die  Nitrosoreaction,  ist  also  eine  secundäre  Aminbase. 

Salze:  Chlorhydrat,  Br^C^H^N,  HO,  entsteht  durch  Einleiten  von  HCl  in  die  ätherische 
Lösung.     Röthlich  gefärbte,  sternförmig  gruppirte  Nädelchen.     Schmp.  74—75^  C 

Nitrat,  BrjC^HjN,  HNO,;   röthlich  geftrbte,   säulenförmige  Krystalle.     Schmp.  189® C 

Sulfat,  (Br,C9HgN),H,S04,  scheidet  sich  in  weissen  Blättchen  aus  auf  Zusatz  von  Schwefel- 
säurehydrat zu  einer  alkoholischen  Lösung.     Schmp.  246^  C. 

Oxalat,   tafelförmige,  farblose  Krystalle,  die  sich  schnell  roth  färben.     Schmp.   171®  C 

Platindoppelsalz,  (Br^C^H^N,  Ha),Pta4  +  2HjO,  hellgelber,  krysallinischer  Nieder- 
schlag.    Auf  166®  C.  erhitzt  tritt  Zersetzung  ein. 

Dibromtetrahydrochinolin,  CgHjBrjN  (57),  ist  ein  zähflüssiges  Oel,  das 
in  einem  Kältegemisch  erstarrt.  Natrium  in  alkoholischer  Lösung  wirkt  bd 
160**  C.  unter  Abscheidung  von  NaBr  ein. 

Chlorhydrat,  C^HjBrjN-HCl,  krystallisirt  aus  massig  concentrirter  HCl  sehr  schöD. 
Schmp.  162°  C.     Wasser  zersetzt  es. 

Platindoppelsalz,  (C,H5Br,N.HCl)jPta4,-  krystallinisch. 

Chinolintetrabromid,  C^H^N^Br^  (67).  Dieses  Additionsprodukt  entsteht  durch  Zu- 
satz von  2  Thln.  Br  zu  I  Thl.  Chinolin,  das  in  2—3  Thln.  Wasser  gelöst  ist  Es  krystallisizt 
beim  raschen  Abkühlen  der  heissen  Chloroformlösung  in  chromsäureähnlichen,  feinen,  roöien 
Nadeln.     KOH  und  H,S  bilden  Chinolin  zurück.     Geht  leicht  in  das  Dibrombromhydrat  über. 

Chinolindibromid,  CgH^N'Br,  (67).  Sein  Bromhydrat  löst  sich  leicht  in  Alkohol  und 
Aether,  wenig  in  BrH,  nicht  in  Chloroform.  Schmp.  88°  C.  Zerfällt  mit  Wasser  gekocht  KOH 
und  H^S  regeneriren.     Auf  Zusatz  von  NH,  in  der  Kälte  entwickelt  sich  N. 

Chinolinhexabromid,  C^H^Br^N  (64);  bildet  sich  beim  Erhitzen  von  Chinolsäure  mit 
immer  neuen  Mengen  Wasser  und  Br  zuerst  auf  100°,  schliesslich  auf  180°  und  kzystallisiit  aas 
Alkohol  in  Nadeln.     Schmp.  88 — 90°  C.     Natriumamalgam  rcducirt  es  zu  Chinolin. 


Chinolin.  549 

Dijodchinolin,  CgHyJgN  (68).  Dieses  entsteht  durch  allmähliches  Ver- 
mischen gleicher  Moleküle  Chinolin  und  Jod,  beide  in  CSj  gelöst.  Es  krystalli- 
siren  alsbald  dunkelgrüne,  prachtvolle,  metallisch  glänzende  Nadeln  aus,  die  in 
Alkohol,  Aether,  CHCI3,  CS,  und  Eisessig  leicht  lösHch  sind.  Schmp.  90°  C. 
Wirkt  Jod  in  Dampfform  auf  Chinolin  ein,  so  entsteht  dieselbe  Verbindung.  Mit 
Natriumamalgam  behandelt  entsteht  ein  basisches  Harz,  das  ein  schönes,  gelbes 
Platinsalz  liefert. 

NitrochinolinT,  NO^CjHgN,  wird  entweder  aus  Orthonitranilin  dargestellt  nach 
der  SKRAUP'schen  Methode,  wie  sie  beim  Nitrochinolin  (F)  aus  Paranitranilin  angegeben  ist  (69), 
oder  durch  Behandeln  des  Chinolins,  das  in  conc  HNO,  gelöst  ist,  mit  einem  Gemisch  von 
4—5  Thln.  rauchender  HNO,  und  8  Thln.  schwach  rauchender  HjSO^  (8— 10#  SO,)  und 
Versetzen  des  mit  Wasser  stark  verdünnten  Reactionsprodukts  mit  Natronlauge.  Die  Ausscheidung 
wird  mit  Wasser  gewaschen,  auf  porösem  Material  getrocknet,  mit  Benzol  unter  Zusatz  von 
Thierkohle  kochend  gelöst  und  filtrirt.  Das  Filtrat  wird  mit  Petroleumäther  gefällt;  die  sich 
ausscheidenden  Oeltropfen  erstarren  krystallinisch.  Die  Reinigung  vervollständigt  man  durch  Um- 
krystallisiren  aus  Alkohol  (70).     Als  Nebenprodukt  entsteht  Chinolsäure. 

Die  Nitrobase  bildet  zolllange  Spiesse,  sie  ist  eine  starke  Base,  die  sich  in 
verdünnten  Säuren  leicht  löst.  In  kaltem  Wasser  ist  sie  schwer  löslich,  ziemlich 
leicht  in  Alkohol  und  Aether,  leicht  in  Benzol.     Schmp.  89°  C. 

Platindoppelsalz,  (NO,C9HjN«Ha)3Pta^;  aus  salzsaurer,  alkoholischer  Lösung  mit 
Pta^.     Schöne,  rothgelbe  Nadeln. 

:,Nitrochinolin  3,  NÖjCgHgN  (71). 

Darstellung:  25  Grm.  p-Nitranilin  oder  die  entsprechende  Menge  p-Nitracetanilid,  60  Grm. 
Glycerin,  50  Grm.  conc.  HjSO^  und  15  Grm.  Nitrobenzol  werden  wie  bei  der  Synthese  des 
Chinolins  behandelt.  Nach  3 — 4stUDdigem  Kochen  wird  mit  Wasser  verdünnt;  nach  längerem 
Stehen  scheidet  sich  Harz  ab,  das  entfernt  wird.  Die  Lösung  mit  Na  OH,  nach  und  nach  neu- 
tralisirt,  scheidet  ebenfalls  Harz  ab,  das  zu  beseitigen  ist;  es  krystallisirt  alsdann  das  Nitroderivat 
in  etwas  dunkeln,  verfilzten  Nadeln  massig  aus.  Das  Harz  und  die  Mutterlauge  werden  durch 
Ausschütteln  mit  warmem  Benzol  behandelt,  um  den  Rest  der  Nitrobase  zu  gewinnen.  Das  un- 
reine Produkt  wird  zuerst  aus  Wasser  umkrystallisirt,  dann  in  Alkohol  gelöst,  mit  Thierkohle 
gekocht  und  filtrirt.  Aus  dem  Filtrat  fällt  Wasser,  bis  zur  Trübung  desselben  zugesetzt,  reines 
Nitrochinolin  aus.  Dieses  stellt  sehr  feine,  farblose,  seideglänzende  Nadeln  dar, 
die  unzersetzt  sublimiren.  Schmp.  149 — 150°  C.  In  kaltem  Alkohol  und  Wasser 
ist  es  schwer  löslich,  bedeutend  leichter  in  heissem;  in  verdünnten  Säuren  und 
Benzol  löst  es  sich  sehr  leicht,  in  Aether  und  Ligroin  nur  wenig. 

Salze:  (CjHgNN03Ha)3PtCl4,  krystallisirt  aus  heissem,  etwas  HCl  enthaltendem 
Wasser  in  kleinen,  hellgelben  Nädelchen. 

Jodmethylat,    CgHgNNOj'CHjJ,    gewinnt    man    durch   Digeriren    einer 

alkoholischen  Lösung  der  Base  im  geschlossenen  Rohr  auf  100°  C;  es  ist  in 

heissem  Wasser  leicht,  in  verdünntem  Alkohol  etwas  schwerer  löslich.    Glänzende, 

zu  Büscheln  vereinigte,  rothgelbe  Nadeln. 

8     Q) 
Nitrobromchinolin,  C^HgNBrNO,  (72). 

Zu    seiner   Darstellung   lässt   man    ein  Gemisch  von  2  Thln.   conc.   H,SO^   und   1  Thl. 

rauchender  HNO,  zu  1  Thl.  der  freien  Brombase  zufiiessen  unter  guter  Kühlung.    Das  Produkt 

giesst  man  in  viel  Wasser  ein.     Ein  Theil  der  Nitrobase  fallt  aus,  meist  mit  Harz  verunreinigt. 

Der  in  Lösung  gebliebene  AntheU  wird  durch  Neutralisiren  mit  Soda  gewonnen  und  nach  dem 

Trocknen .  zweimal  aus  heissem  Alkohol  unter  Zusatz  von  Thierkohle  umkrystallisirt.     Die  erste 

Füllung  wird  nach  Behandlung  mit  Natronlauge  ebenso  gereinigt. 

Die  Nitrobrombase  bildet  gelblichweisse,  lange,  glänzende  Nadeln.    Schmelz- 


550  Handwörterbuch  der  Chemie. 

punkt  1B3°  C.    Sie  sublimirt  unzersetzt,  ist  in  Aether  und  siedendem  Alkohol  leicht, 
in  kaltem  schwerer  löslich.    Wasser  löst  sie  in  geringer  Menge.    Schwache  Base. 

Behandelt  man  das  durch  direktes  Bromiren  erhaltene  Bromchinolin  wie 
hier  angegeben,  so  erhält  man  ein  Bromnitroprodukt,  das  ebenfalls  bei  133^  C. 
schmilzt. 

Platindoppelsalz,  (C9H5NBr-N02Ha)2Pta4;  wird  aus  alkoholischer  Lösung  der  Base 
mit  PtCl^  als  hellgelber,  krystallinischer  Niederschlag  gefällt.  Mit  Wasser  zerfUllt  es.  Aus  viel 
heisser,  verdünnter  HQ  können  kurze,  orangegelbe  Prismen  erhalten  werden. 

1:3 

Dinitrochinolin   1:3,  (N03)2C9H5N  (73).     Aus   l«2-4-Dinitranilin  nach 

der  SKRAUP*schen  Methode.  Der  nach  dem  Abtreiben  des  Nitrobenzols  ver- 
bleibende Rückstand  wird  mit  viel  Wasser  versetzt,  wodurch  ein  braunschwarzer 
Niederschlag  entsteht.  Dieser  wird  unter  Zusatz  von  Thierkohle  aus  siedendem 
Alkohol  umkiystallisirt  und  liefert  die  Dinitrobase  in  langen,  feinen,  glänzenden, 
braunen  Nadeln,  die  beim  Erhitzen  auf  dem  Platinblech  verpuffen.  Schmp.  149 
bis  150°  C. 

Amidochinolin  l,  NHjCgHgN  (74),  wird  dargestellt  durch  Schmelzen 
von  Oxychinolin  T  mit  Chlorzinkammoniak  auf  180°  C  während  2  Stunden. 
Man  löst  die  Schmelze  in  HCl,  übersättigt  mit  Natronlauge  und  behandelt  mit 
Wasserdämpfen,  mit  welchen  die  Amidobase  als  schnell  erstarrendes  Oel  tibergeht 
Diese  wird  aus  Ligroin  in  prächtigen,  schmalen  Blättchen  erhalten.  Schmp.  66 — 67°C 
Sie  löst  sich  leicht  in  verdünnten  Säuren  und  bildet  mit  ihnen  gelbgeförbte  Salze. 
Das  Sulfat  bildet  mit  K2Cr207  einen  blutrothen  Farbstoflf.  Dasselbe  Amido- 
chinolin erhielt  Königs  aus  Nitrochinolin,  welches  er  durch  direktes  Nitriren  er- 
halten hatte. 

_        4 

Amidochinolin  4,    NH^C^HgN  (75).     Zu  seiner  Darstellung  muss   1  Th. 

Oxychinolin  4  mit  3  Thln.  Chlorzinkammoniak  auf  300°  erhitzt  werden.  Die 
Schmelze  wird  in  verd.  HCl  gelöst,  mit  Na  OH  übersättigt  und  mit  Aether  extra- 
hirt.  Aus  der  stark  gelben,  grünlichblau  fluorescirenden  Aetherlösung  hinterbleiben 
beim  Verdunsten  gelbliche  Nadeln  der  Amidobase,  die  mit  Aether  und  Thierkohle 
gekocht  in  gelblich  gefärbten  Blättchen  auskrystallisiren.  Schmp.  109 — 110°C. 
Sublimirt  rasch  erhitzt  unzersetzt.  Die  Base  ist  in  kaltem  Wasser  schwer,  in 
heissem  Wasser  leichter  löslich;  Alkohol,  Aether,  Holzgeist  sind  gute  Lösungs- 
mittel, in  der  Wärme  auch  Benzol.  Ligroin  löst  nicht.  Das  Pikrat  bildet  lange, 
rothe  Nadeln.  Die  Diazosalze  des  Amidochinolins  geben  mit  Phenolen  und 
tertiären  Basen  intensive  Azofarbstoffe,  mit  ß-Naphtolnatrium  einen  rothen,  mit 
Dimethylanilin  einen  gelbbraunen  Farbstoff. 

Amidochinolin  3,  NHaCjHgN.  Darstellung  (71):  Die  berechnete  Menge  Sn 
wird  in  eine  frisch  hereitete,  salzsaure  Lösung  der  3-Nitrobase  eingetragen;  ist  dasselbe  gelöst, 
so  erhitzt  man  noch  einige  Zeit  auf  dem  Wasserbade.  Die  dunkelgelbe  Lösung  wird  tot- 
sichtig  eingeengt,  bis  sich  ein  schwarzgrUner  Niederschlag  ausscheidet;  nach  dessen  Entfemoog 
setzt  sich  das  Sn-Doppelsalz  ab.  Dieses  wird  in  heissem  Wasser  gelöst  und  durch  H^S  entzinnt. 
Das  Filtrat  vom  SnS  wird  zur  Vertreibimg  der  HCl  zur  Trockne  eingedampft.  Der  Rttckstand 
wird  in  wenig  heissem  Wasser  aufgenommen,  filtrirt  und  vorsichtig  mit  Ammoniak  versetzt  Es 
entsteht  eine  Trübung  und  es  scheidet  sich  die 

Amidobase  in  Form  von  Oeltröpfchen,  die  krystallinisch  erstarren,  aus.  Bei 
überschüssigem  Ammoniak  lösen  sich  dieselben  wieder  und  erscheinen  beim  Ver- 
dunsten als  kleine,  farblose  Blättchen  oder  kurze,  flache  Nadeln,  die  man  aus 
Ligroin  umkrystallisirt.    Die  aus  wässeriger  Lösung  erhaltenen  Krystalle  halten 


Chmolin.  551 

2H9O.  Schmp.  der  wasserfreien  Rrystalle  114^  C  In  Alkohol  und  Aether  leicht 
löslich;  sublimirt  unzersetzt 

SaUe:  Chlorhydrat,  (CjHgNNH,Ha),Pta^H-H,0,  gelber,  krystaUinischerNiederschkg. 

Pikrat,  C^HgNNHj  +  2CjH,OH(NOj),,  fällt  auf  Zusats  wässeriger  Pikrinsäurelösung 
zur  wannen,  verdünnten,  salzsauren  Lösung  in  wolligen  Nadeln. 

Dimethylamidochinolin  3,  C9H8NN(CH3)2  (71).  Darstellung:  Aus  Di- 
methyl,  p-Phenylendiamin,  Glycerin  u.  s.  w.  in  demselben  Verhältnisse,  welches  bei  der  Dar- 
stellung des  Nitrochinolins  in  Anwendung  kommt.  Das  vom  Nitrobenzol  befreite  Reactions- 
produkt  wird  mit  Na  OH  Übersättigt  und  mit  Aether  extrahirt.  Der  Rückstand  der  ätherischen 
Lösung  wird  im  H-Strome  destillirt;  bei  etwa  335^  C  geht  das  bald  erstarrende  Oel  der 

Dimethylbase  über,  die  sich  an  der  Luft  rasch  dunkel  fllrbt;  sie  ist  in  Alko- 
holy  Aether  und  Benzol  leicht  löslich  und  scheidet  sich  aus  diesen  Lösungsmitteln 
stets  als  Oel  ab.  Schmp.  54^-56°  C.  Die  Lösungen  in  verdtlnnten  Mineralsäuren 
sind  von  intensiv  gelbrother  Farbe. 

Salze:    Das  Pt-Doppelsalz  ist  nicht  darstellbar. 

Pikrat,  C5HgNN(CH,)jC4H,OH(NOj),.  Der  durch  Zusatz  wässeriger  Pikrinsäure  zu 
einer  Salzlösung  entstehende,  schwierig  lösliche  Niederschlag  wird  mit  Eisessig  und  Thierkohle 
längere  Zeit  gekocht  Die  ausfallenden  Nädelchen  werden  aus  viel  siedendem  Wasser  um- 
kiystaUisirt;  rothgelbe  Nädelchen.     Schmp.  215^  C. 

Jodmethylat,  C9HeNN(CH,),CH3J.    Glänzende,  hochrothe  Nadeln. 

Platindoppelsalz,  [CgH,NN(CH,)jCH,a],Pta4.   Gelber,  krystallinischer  Niederschlag. 

8        (?) 

Amidobromchinolin,    CjHjNBr'NHj -f- H^O   (72).     Zu   seiner  Gewinnung 

fUgt  man  eine  säurehaltige  Lösung  von  SnCl,  in  geringem  Ueberschuss  zur  erwärmten  alkoho- 
lischen Lösung  des  Nitrobromchinolins.  Das  in  gelbrothen  Krystallen  sich  ausscheidende  Zinn- 
doppelsalz wird  in  Wasser  gelöst  und  bis  zur  Lösung  des  Zinnniederschlages  mit  verd.  Natron- 
lauge versetzt    Die  ungelösten  gelben  Flocken  der  Amidobase  werden  aus  Wasser  umkiystallisirt 

Dieselbe  krystallisirt  in  farblosen,  langen,  sehr  dünnen,  biegsamen  Nadeln, 
die  über  HjSO^  ihr  Krystallwasser  verlieren.  Die  wasserfreie  Substanz  krystalli- 
sirt aus  Aether  in  ziemlich  grossen,  gelblichen,  anscheinend  monoklinen  Prismen. 
Schmp.  164°.  Die  wässerige  Lösung  der  Base  reagirt  nicht  alkalisch.  In  Alkohol 
ist  sie  leicht  löslich.  Sie  verbindet  sich  mit  1  Mol.  einbasischer  Säuren  zu  inten- 
siv gelbroth  gefärbten  Salzen. 

Nitrat,  C^H^NBr-NH^^HNO,;  glänzende,  goldgefärbte  Nadehi,  die  beim  Erhitzen,  ohne 
zu  schmelzen,  verpuffen. 

Chlorhydrat,  CgH^NBr-NH^^HCl;  rothe,  durchsichtige,  sehr  leicht  lösliche  Prismen. 

Platindoppelsalz,  (C9HjN*Br'NH,-HQ),PtQ4;  orangegelbe,  mikroscopische  Nädel- 
chen, die  nicht  ohne  Reduction  in  heissem  Wasser  sich  lösen. 

8     (?) 

Acetamidobromchinolin,  C9H5NBrNH(COCH3)  (72),  wird  erhalten  durch 

Erhitzen  der  Amidobase  mit  Essigsäureanhydrid  unter  Druck  bei  140—150^  C.  Das  Produkt 
wird  zuerst  durch  Erwärmen  mit  etwas  Wasser  vom  Anhydrid  und  der  Amidobase  getrennt. 
Das  hinterbleibende,  erstarrende  Oel  wird  mit  kaltem  Wasser  gewaschen  und  dann  aus  grossen 
Mengen  siedenden  Wassers  umkrystallisirt  Farblose,  dUnne,  glänzende  Blättchen.  Schmp.  105^  C. 
Mit  verd.  HCl  erwärmt  entsteht  das  rothe  Chlorhydrat  des  Amidobromchinolins. 

ChinolinsulfosäureT,  HSOjCjHgN  (76).  Man  erhitzt  Chinolin  mit  der  7  facUen 
Menge  rauchender  HjSO^  5  Stunden  lang  im  Oelbade.  Man  giesst  die  Masse  in  die  3 — 4 fache 
Menge  Wasser;  es  scheidet  sich  die  Sulfosäure  bald  ab  (HO — 120^  des  angewandten  ChinoUns). 
In  Lösung    bleibt  ß-Sulfosäure.     Man    reinigt  die  a-Säure   durch   Umkiystallisiren  aus   "Wasser. 

Grosse  Krystalle.    Mit  Natron  geschmolzen  entsteht  das  entsprechende  PKexiol. 
Mit  Wasser  und  Brom  auf  100°  erhitzt  bilden  sich  H2SO4,  Tri-  und  Tetrabrotn- 
chinolin. 


552  Handwörterbuch  der  Chemie. 

BariumsaU,  Ba(C9HgNSO,)3,  ist  ein  amorphes,  schwierig  lösliches  Salz. 

Chinolinsulfosäurel,  HS03C9HgN(78),  wird  erhalten,  wenn  man  Chinolin 
mit  der  vierfachen  Menge  Nordhäuser  H^SO^  bis  auf  200—270°  erhitzt.  Die 
Ausbeute  hängt  vom  Anhydridgehalt  der  HjSO^  ab.  Man  verfährt,  wie  bei  der 
a-Säyire  angegeben. 

Die  von  der  ausgeschiedenen  a-Säure  filtrirte  Lösung  wird  mit  Ca  CO,  gesättigt.  Der 
a-sulfosaure  Kalk  ist  viel  schwerer  löslich  als  der  ß-sulfosaure  und  scheidet  sich  zueist  aus 
Hierdurch  ist  eine  Trennung  ermöglicht.  Die  freie  ß-Sulfosäure  krystallisirt  bei  langsamem  Ver- 
dunsten in  grossen,  monoklinen  Krystallen. 

Chinolinsulfosäure  3,  (HS03)C9HeN  H-  HHjO,  hat  Happ  durch  Erhitzen 
von  Sulfanilsäure  mit  Glycerin,  Nitrobenzol  und  H2SO4  gewonnen  nach  der 
SKRAUP'schen  Methode  (178).  Nach  dem  Abtreiben  des  Nitrobenzols  wird  die 
Flüssigkeit  mit  BaC08  gesättigt.  Nach  der  Trennung  des  in  Wasser  löslichen 
chinolinsulfosauren  Baryts  vom  BaS04  ^^^p^  man  ein  und  macht  mit  H2SO4 
die  Sulfosäure  frei. 

Farblose,  stark  lichtbrechende,  glänzende,  harte,  luftbeständige  Nadeln,  die 
bei  260°  C.  noch  nicht  schmelzen.  Schwer  löslich  in  kaltem,  leichter  löslich  in 
heissem  Wasser  und  heissem  Alkohol. 

Salze:  Bariumsalz,  [C9Hß(S03)N]2Ba,  krystallinische  Blättchen;  Kalium- 
salz, C9H8(S03)NK,  glänzende  Tafeln;  Natriumsalz,  C9H9(S03)NNa,  spiessige 
Krystalle;  Silbersalz,  C9Hß(S03)NAg,  feine,  weisse  Nadeln,  durch  Sättigen 
mit  Ag^COj;  2[C9Hß(S03)NAg].C9H(SH03)N,  saures  Silbersalz.  Nadehi,  durch 
Versetzen  des  Ammoniumsalzes  mit  AgNOj. 

8       (?) 

a-Bromchinolinsulfosäure,  Br(HS03)C9H5N  (77). 

Darstellung:  Man  lässt  Chinolin  zu  der  fünffachen  Menge  erwärmter  PyroschwefelsSuic 
fliessen  und  erhitzt  darauf  noch  kurze  Zeit  auf  130 — 150^C.  Man  giesst  das  erkaltete  Produkt 
in  viel  Wasser.  Es  scheiden  sich  sofort  Krystalle  von  zwei  isomeren  Bromsulfosäuren  aus,  die 
sich  innerhalb  24  Stunden  noch  vermehren.  Die  in  Lösung  bleibenden  Säuren  werden  durch 
Ueberführen  in  das  Caiciumsalz  gewonnen.  Man  trennt  sie  durch  ihre  Kaliumsalze.  Das  Kalium- 
salz der  a-Bromsulfosäure  ist  in  Wasser  schwerer  löslich  als  das  der  ß-Bromsulfosäure  und 
krystallisirt  zuerst  aus. 

Die  a-Bromsulfosäure  krystallisirt  aus  Wasser  in  kurzen,  glänzenden  Nädelchen,  ist  in  kaltem 
Wasser  sehr  schwer,  in  heissem  leichter  löslich.  1  Thl.  löst  sich  in  1255  Thln.  Wasser  tod 
22^0.  und  115  Thln.  von  lOO^  C 

Reactionen:    Mit  einer  neutralen  Ammonsalzlösung  ausgeführt. 

BaCl,  fällt  einen  flockig-krystallinischen,  in  siedendem  Wasser  wenig  löslichen  Niederschlag 
CaCl,  erzeugt  keinen  Niederschlag.  Beim  Verdunsten  hinterbleibt  das  Caiciumsalz  in  feinen 
Nadeln.  MgSO^,  keine  Fällung,  nach  einiger  Zeit  krystallisirt  das  Mg-Salz  in  grossen,  dünnen 
Blättern  oder  durchsichtigen,  gestreiften  Prismen  aus.  ZnSO^,  krystallinischer  Niederschlag,  der 
sich  in  heissem  Wasser  schwierig  löst  und  in  kurzen  Nadehi  auskrystallisirt  MnQ,,  kleine, 
hellgelb  gefärbte  NadekL  FeSO^,  krystallinisch  gelber  Niederschlag.  FejClg,  krystallinisch 
gelbbrauner  Niederschlag.  NiSO^,  krystallinisch  grtlner  Niederschlag.  C0SO4,  krystallinisch 
rother  Niederschlag.  Fb{C^li^O^)^t  flockiger,  in  heissem  Wasser  schwer  löslicher  Niederschlag, 
krystallisirt  in  warzenförmigen  Aggregaten.  HgCl,,  keine  Fällung,  später  Ausscheidung  in 
krystallinischen  Krusten.  CuSO^,  grün  weisser,  pulverig  krystallinischer ,  in  heissem  Wasser 
kaum  löslicher  Niederschlag.  AgNO,,  lichtbesülndiger,  weisser  Niederschlag,  schwer  löslich  in 
heissem  Wasser;  krystallisirt  in  kurzen  Nadeln. 

Salze:    Kaliumsalz,   C^HsNBrSOjK.     Kurze,  derbe,  gestreifte  Prismen,  die  in  Nadehi 
zerfallen.     1  Thl.  löst  sich  in  73  Thln.  Wasser  von  17  ^  C.  und  inU'G  Thln.  siedenden  Wasseis. 
Ammoniumsalz,  CjH5NBrSO,H-NH3;  feine,  verfilzte  Nadeln. 


Chinolin.  553 

Bariumsalz,  (C9H5NBrSO,)3Ba;  Iciystallinischer  Niederschlag,  in  heisscm  Wasser  kaum 
löslich. 

Magnesiumsalz,  (C9H5N.Br.SO,),Mg+ 10H,O;  farblose,  an  der  Luft  verwitternde 
Krystallblättchen. 

Zinksalz,  (C9HjNBrS03)3Zn  4-4H,0;  dünne,  glänzende,  farblose  Blätteben. 

Mangansalz,  (C9H5NBrSO,),Mn  H-4HjO;  hell  grünlichgelb  gefärbte  Nadeln. 

Silbersalz,  CgHjNBrSOjAg,  krystallisirt  aus  viel  siedendem  Wasser  in  glänzenden  Nadcki. 

i        (?) 
P-Bromchinolinsulfosäure,  Br(HS03)C9H5N -hH,0  (77). 

Ihre  Darstellung  ist  bei  der  o-Säure  angegeben.  Sie  verliert  das  Krystallwasser  bei 
150—160®  C.  In  kaltem  Wasser  ist  sie  schwer,  in  heissem  bedeutend  leichter  löslich.  1  ThL 
Säure  löst  sich  in  646  Thln.  Wasser  von  22»  C.  und  36-3  Thln.  von  100<^  C. 

Ihre  Salze  sind  leichter  löslich  und  krystallisirbar  als  die  der  a-Säure. 

Salze:  Kaliumsalz,  C5H5NBrSO,K+ l^H^O;  ziemlich  grosse,  farblose,  durchsichtige 
Tafeln. 

Bariumsalz,  (C9H5NBrSO,),BaH- 2H20,-  Nadeln,  die  zu  halbkugeligen  Aggregaten 
vereinigt  und  in  heissem  Wasser  ziemlich  schwer  löslich  sind. 

Magnesiumsalz,  (C,H5NBrSO,)3Mg4- 9H,0;  kleine,  farblose  Nadeln. 

Zinksalz,  (C5HjNBrS03)jZn  +  SHjO;  grosse,  durchsichtige,  zuweilen  gestreifte,  sechs- 
seitige Tafeln,  die  in  heissem  Wasser  leicht  löslich  sind. 

Mangansalz,  (CjH5NBrS0j)jMn-+- 6H2O;  in  heissem  Wasser  leicht  lösliche  Tafeln. 
Das  Krystallwasser  entweicht  erst  bei  170— 180°  C. 

Silbersalz,  CgHjNBrSOjAg;  farblose,  glänzende  Nadeln. 

OxychinolinT,  WEroEL's  a-Chinophenol,  OHC^H^N  (79),  entsteht  bei  der 
Destillation  (153)  der  a-Oxychinolinsäure,  femer  aus  o-Amidophenol,  o-Nitrophenol,  Glycerin 
und  Schwefelsäure  und  bei  folgender  Darstellung:  Man  schmilzt  60  Grm.  feingepulverte  Chinolin- 
sulfosäure,  die  portionenweise  zugegeben  wird,  mit  120  Grm.  Na  OH.  Sobald  die  Masse  grün- 
lich flüssig  wird  und  ein  an  Cyanbenzol  erinnernder  Geruch  auftritt,  ist  die  Operation  beendigt. 
Die  erkaltete  Schmelze  wird  in  Wasser  unter  Zusatz  überschüssiger,  verd.  HjSO^  gelöst  und 
gelinde  erwärmt.  Nach  Zusatz  von  Na^CO,  in  kleinem  Ueberschuss  föllt  das  Oxychinolin  in 
^ig^i  graugrünen  Nadeln,  die  durch  Destillation  im  überhitzten'  Wasserdampfistrom  gereinigt 
werden. 

Die  Oxybase  krystallisirt  aus  verdünntem  Alkohol,  Aether,  Benzol  u.  s.  w. 
in  langen,  weissen,  prismatischen  Nadeln,  die  einen  safranähnlichen  Geruch  ver- 
breiten. Schmp.  75°  C,  Siedep.  258°.  Sublimirt  in  weissen  Nadeln.  In  Wasser 
ziemlich  schwer  löslich,  sehr  leicht  in  verdünnten  Säuren  und  Alkalien.  Na^CGj 
fallt  sie  aus  saurer  Lösung.  Aether  entzieht  sie  ihrer  sauren  oder  alkalischen 
Lösung  nicht.  Trägt  man  die  Base  in  conc.  Na  OH  ein,  so  entstehen  kleine 
Krystalle  einer  Natriumverbindung.  Mit  Brom  und  conc.  HNOj  entstehen  Sub- 
stitutionsprodukte. SnClg  führt  es  in  das  Tetrahydrür  über.  Beim  Erhitzen  des 
Methyläthers  mit  Chlorzinkammoniak  entsteht  Amidochinolin.  Ammoniakalische 
Silbersalzlösung  wird  in  der  Wärme  reducirt. 

Reactionen:  In  neutraler  Lösung  der  Oxybase  erzeugt  Fe, Clg  grüne  Färbung,  die  durch 
Soda  rothbraun  wird.  FeSO^  fUrbt  roth,  später  fUUt  ein  schwarzer  Niederschlag.  AgNOj, 
weisse  Fällung,  die  sich  in  der  Wärme  löst.  Anmioniakalische  Silberlösung  wird  reducirt. 
Pb(C^H,0,),,   weisse  Trübung.     Cu(C3H30j)a,   grüne,  in  der  Wärme  sich  lösende  Flocken. 

Salze:  Chlorhydrat,  C9He(0H)N.HCl.  Glänzende,  gelbliche  Nadeln, 
die  sich  in  Wasser  und  Alkohol  sehr  leicht  lösen. 

Platindoppelsalz,  (C9H6(OH)N.  HCl)2PtCl4  H- aH^O.  Gelbe,  seide- 
glänzende Nadeln,  schwer  löslich  in  kaltem  Wasser  und  Salzsäure. 

Methoxychinolin  T,    Weidel's  Chinanisol,    CgHß(OCH3)N  (79),    wird 


554  Handwörterbucli  der  Chemie. 

leicht  erhalten,  wenn  man  40  Grm.  Oxychinolin  mid  18  Grm.  KOH  in  80  Gim.  Methylalkohol  Idst 
und  40  Grm.  CH,J  zugiebt  und  auf  dem  Wasserbade  erwärmt  Wenn  keine  Abscheidung  von 
KJ  mehr  erfolgt,  destillirt  man  den  Alkohol  ab,  löst  in  Wasser,  übersättigt  mit  Na  OH  und 
extrabirt  mit  Aether.     Das  beim  Verdunsten  zurückbleibende  gefärbte  Od  wird  destilliit 

Die  Methoxybase  stellt  ein  farbloses  Oel  dar,  das  sehr  hoch  siedet,  leicht  in 
Benzol,  Alkohol,  schwerer  in  Aether  und  Ligroin,  wenig  in  Wasser  sich  löst 
Mit  Wasserdämpfen  ist  sie  flüchtig.  Mit  Chlorzinkammoniak  erhitzt  entsteht 
Amidochinolin.  Ihre  Salze  mit  Säuren  krystallisiren  gut,  sind  aber  sehr  hygro- 
scopisch. 

Salze:  Chlorhydrat,  C9Hg(0CH,)N. HCl.  Leitet  man  H Q  in  eme  ätherische  Lösong 
der  Base  ein,  so  scheidet  sich  eine  flockige,  harzige  Masse  ab,  die  durch  Lösen  in  Alkohol  md 
geringen  Zusatz  von  Aether  in  schöne,  dicke  Prismen  sich  verwandelt 

Platindoppelsalz,  [C9Hg(OCH,)N.HCl]jPtCl4,  entsteht  auf  Zusatz  von  PtCl^  rar 
alkoholischen  Lösung  des  Chlorhydrats  in  langen,  gelben  Nadeln,  die  in  Wasser  und  Aedier 
schwer  löslich  sind. 

Pikrat,  C9H6(OCH,)NC6H,OH(N02), ;  gelblicher,  krystallinischer  Niederschlag  anf 
Zusatz  einer  heissen  Pikrinsäurelösung  in  die  alkoholische  Lösung  der  Base. 

Dichloroxychinolin,  CgH^Qj^OHN  (8o),  scheidet  sich  beim  Einleiten  von  Q  in  dfc 
Chloroformlösung  der  Oxybase  in  gelbgefärbten  Krystallen  aus,  die  durch  verdünnten  Alkohol 
gereinigt  werden.  Schöne,  weiche,  seideglänzende,  wollige  Nädelchen.  Schmp.  163 — 165®C. 
Leicht  löslich  in  Alkohol,  CHQj,  CS,,  kaum  in  Wasser.  Natronlauge  ist  ohne  Einwirkimg. 
Wasser  scheidet  die  Dichloroxybase  aus  ihrer  Lösimg  in  concentrirten  Säuren  wieder  aus. 

1     • 

Dibromoxychinolin,  C^H^Br^OH-N  (8o),  wird  leicht  gewonnen  durch  Einwirkung  von 

2  Mol.  Br  auf  Oxychinolin  in  CSj-Lösung.  Weisse,  seideglänzende,  strahlig  gruppirte  Naddn. 
Schmp.  193—195^  C.  Unlöslich  in  Wasser,  schwer  löslich  in  Ligroin,  leicht  in  Alkohol,  Bciuol 
und  CSj.     Verhält  sich  gegen  Säuren,  Alkalien  und  AgNOj  wie  die  Dichlorverbintfung. 

Dijodoxychinolin,  CgH^Jj(OH)N  (8o).  Man  giesst  so  lange  eine  alkoholische  Jod- 
lösung zu  einer  alkoholischen  Kalisalzlösung  der.  Base,  bis  die  Lösung  braun  wird  und  die 
Fällung  sich  nicht  vermehrt.  Die  Dijodverbindung  wird  mit  Alkohol  und  Wasser  ausgevraschea 
und  krystallisirt  dann  aus  Alkohol  in  mikroscopischen  Nadeln  oder  Prismen.  Schwer  löslidi  in 
Alkohol;  in  Wasser,  Benzol,  CHCl,  unlöslich. 

Dinitrooxychinolin,  C9H4(NOj)jOHN  (8o),  durch  Eintragen  von  Oxychinolin  in  conc. 
HNO,  und  folgendes  Verdünnen  mit  Wasser  scheidet  es  sich  als  amorphes,  gelbes  Pulver  ans, 
das  beim  Verdunsten  aus-  conc.  HNO,  in  gelben  KIrystallen  erhalten  wird.  Löst  man  das 
Dinitroprodukt  in  warmer,  concentrirter  Sodalösung,  so  scheiden  sich  schöne,  goldgläozeiKk 
Nädelchen  eines  Natriumsalzes,  C9H4(N03)jONa«N,  aus. 

Nitrosooxychinolin,  C^HgOHN'NO  (8o),  fällt  als  gelbbrauner,  krystallinischer  Niede^ 
schlag  beim  Einleiten  von  N^O,  in  eine  conc.  Lösung  der  Base  in  H^SO^.  Man  wäscht  mit 
Wasser  aus,  kocht  mit  Alkohol  und  Thierkohle.  Die  immer  noch  grün  gelUrbten  Blättdia 
werden  durch  öfteres  Umkrystallisiren  aus  viel  heissem  Wasser  silberglänzend  erhalten.  Diese 
lösen  sich  in  Wasser  und  Alkohol  schwer,  in  kohlensauren  und  ätzenden  Alkalien  leicht  Mit 
Phenol  und  H,S04  tritt  nach  dem  Verdünnen  mit  Wasser  rothe  Färbung  ein,  welche  durch 
Na  OH  in  gelbbraun  übergeht. 

Oxychinolinsulfosäure,  C9H50H(SO,H)N  H-  2iHjO  (8o),  wird  quantitativ  gcwonBen. 
wenn  Oxychinolin  mit  der  zehnfachen  Menge  reiner  conc.  H^SO^  24  Stimden  in  der  KÜte 
gestanden  hat  Beim  Verdünnen  mit  Wasser  fällt  sie  krystallinisch  aus.  Aus  heissem  Wasser 
krystallisirt  sie  in  gelben  Blättchen  oder  Nadeln.  Die  Sulfogrüppe  scheint  nicht  festgeboDdcB 
zu  sein,  denn  beim  Erhitzen  im  Reagenzrohr  bildet  sich  Oxychinolin  unter  Entwicklung  von  SOy 

Salze:  Natriumsalz,  C5H6(SO,Na)O.N4- 3H,0,  entsteht  beim  Neutralisiren  mit  Soda 
in  grossen,  glänzenden  Krystallen. 

Bariumsalz,  C^HjN^^    «^Ba) -h4H,0,  wird  erhalten  in  prachtvollen,  gelben  Nadeb, 


Chinolin.  555 

wenn   der  beim  Neutralisiren  mit  Barytwasser  entstandene   Niederschlag  durch  öfteres  Kochen 
mit  Wasser  in  Lösung  gebracht  wird. 

Primäres  Bariumsalz,  (C9HßONS03)jBa  H- l^HjO.  ist  in  dem  Filtrat  vom  secun- 
dären  Bariumsalz  enthalten  und  krystallisirt  in  perlmutterglänzenden  Blättchen. 

1 

Oxychinolintetrahydrür  1,  C^HipOHN  (8i). 

Darstellung:  Man  trägt  Oxychinolin  in  ein  Reductionsgemisch  von  Zinn  und  HCl  ein. 
Nach  einstündigem  Erwärmen  auf  dem  Wasserbade  wird  abgegossen  und  eingedampft  Das  in 
zolllangen  Nadeln  ausgeschiedene  Zinndoppelsalz  wird  in  viel  Wasser  gelöst  und  mit  HjS  be- 
handelt Das  Filtrat  vom  SnS  wird  bis  zur  Trockne  eingedampft,  in  wenig  Wasser  gelöst  und 
durch  Soda 

das  Tetrahydrür  in  weissen,  glänzenden  Blättchen  gefällt,  die  aus  Benzol  in 
Nadeln  krystallisiren.  Es  ist  leicht  löslich  in  heissem  Wasser,  Alkohol,  Aether, 
Benzol,  schwerer  in  kaltem  Wasser.  Mit  Wasserdämpfen  nicht  flüchtig.  Schmp.  120°C. 
Fe^Clg  giebt  mit  einer  Lösung  der  Base  in  Säuren  eine  charakteristische,  roth- 
braune Färbung  und  wird  beim  Erwärmen  reducirt. 

Salze:  Zinndoppelsalz,  CjoHnNO,  HClSnCl,;  in  HCl  schwer  löslich,  leicht  in 
Wasser,  aus  welchem  es  sich  in  schön  irisirenden  Blättchen  bei  sehr  langsamem  Verdunsten,  in 
zolllangen,  dicken,  gelblichen  Prismen  abscheidet. 

Zinkdoppelsalz,  CioHuNOHCl,  ZnQj,  schwer  löslich  in  conc  HCl;  daraus  in  hell- 
glänzenden, sechseckigen  Tafeln  krystallisirend. 

Chlorhydrat,  CioHjiNOHCl,  wird  zuweilen  bei  langsamem  Verdunsten  seiner  Lösung 
Über  Kalk  in  dicken  Krystallen  gewonnen. 

Reactionen:  K^FeCyg  erzeugt  in  conc.  saurer  Lösung  einen  weissen,  krystallinischen 
Niederschlag,  der  alsbald  grUnlichblau  wird.  Mit  Essigsäureanhydrid  gekocht  nimmt  die  Oxy- 
hydrobase  eine  intensiv  rothe  Färbung  an. 

Nitrosohydrooxychinolin,  C9H9dHN(NO)  (8i),  scheidet  sich  auf  Zusatz 
von  NaNOj  zu  einer  kalt  gehaltenen  Lösung  der  Hydrobase  in  verd.  HjSO^ 
aus  und  krystallisirt  aus  Ligroin  in  schwach  gelblichen,  dreieckig  zugespitzten 
Tafeln.     Schmp.  67—68°  C. 

Methoxytetrahydrochinolin,  Hydrochinanisol,  C9Hio(OCH3)N  (82), 
bildet  sich  bei  der  Reduction  des  Methoxychinolin  mit  Zn  und  HCl.  Es  ist 
ein  dickliches  Oel,  welches  in  der  Kälte  süsslich,  in  der  Wärme  stechend  beissend 
riecht  und  mit  Wasserdämpfen  flüchtig  ist.  Es  löst  sich  sehr  leicht  in  Alkohol 
und  Benzol,  schwerer  in  Aether  und  Ligroin,  kaum  in  Wasser. 

Chlorhydrat,  C9Hio(OCHj)N-HCl,  wird  durch  Einleiten  von  HQ  in  die  alkoholische 
Losung  der  Base  imd  Fällen  mit  Aether  in  dicken,  weissen  Prismen  gewonnen,  die  leicht  in 
Wasser  und  verd.  Alkohol  löslich  sind. 

Platindoppelsalz,  [CgHio(OCH3)NHa]jPta4,  ist  in  Wasser  schwer  löslich,  wenn 
einmal  abgeschieden,  und  scheidet  beim  Kochen  Platin  ab. 

Nitrosomethoxytetrahydrochinolin,    C9H9(OCH3)N-NO  (82).     Wird 
wie  die  Nitrosoverbindung  der  Oxyhydrobase  hergestellt.    Es  scheidet  sich  zuerst 
als    dickes,   gelbes  Oel  aus,  das  erstarrt,   und  krystallisirt  aus  Ligroin  in  dicken 
Prismen.     Schmp.  87°  C.     Es  ist  in  Alkohol  und  Benzol  leicht  löslich,   schwerer 
in  Ligroin.     Verdünnte  Säuren   spalten  NjOj    ab,    und  es  entsteht  ein   rother, 
durch  Alkalien  fällbarer  Farbstoff. 

OxyhydromethylchinolinT,   C9H9.OHN.CH3  (83).     Man  mische    vox^ 
sichtig   1  Mol.  Base  mit  1  Mol.  Jodmethyl;  die  Reaction  tritt  von  selbst  ein,    ^^yx« 
weilen    sehr  stürmisch;   sie  wird  schliesslich   auf  dem  Wasserbade  bis  zum    >i7"^y- 
schwinden  des  Jodmethylgeruches  beendigt.    Die  Reactionsmasse  wird  mit  'VVa.ss^^ 


$$6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

ausgezogen  und  der  Auszug  mit  Soda  neutralisirt;  die  abgeschiedene  Base  wird 
entweder  mit  Wasser  gewaschen  oder  in  Benzol  oder  Aether  aufgenommen; 
zuletzt  wird  dieselbe  aus  heissem  Aether  umkrystallisirt.  Das  Oxyhydromethyl- 
chinolin  besitzt  starke  Basicität;  leichte  Löslichkeit  in  ätzenden  Alkalien,  in 
Benzol,  warmem  Alkohol,  Holzgeist  und  in  Aether,  Wasser  löst  es  schwierig; 
aus  Aether  wird  es  in  tafelförmig  ausgebildeten,  rhombischen  Krystallen,  aus 
Alkohol  in  Prismen  erhalten.     ä:^:^  =  0-6309: 1:1-5383.     Siedep.  114°. 

'  Reactionen:  In  kalter,  alkoholischer  Lösung  erzeugt  ein  Tropfen  Fe^Clg 
eine  tiefbraune  Färbung,  es  entsteht  Trübung,  schliesslich  scheiden  sich  dunkel- 
braune Flocken  ab.  Ueberschüssiges  FcgClg  färbt  dunkel  schwarzbraun.  FeSO^ 
erzeugt  in  derselben  Lösung  vorübergehend  eine  dunkelrothe  Farbe;  ist  die 
Lösung  concentrirt,  ergiebt  sich  ein  schmutziger  Niederschlag.  K^FeCyg  bringt 
selbst  in  sehr  verdünnter  saurer  Lösung  einen  farblosen  Niederschlag  hervor,  der 
aus  siedendem  Wasser  in  kleinen,  bläulichgrünen  Nädelchen  krystallisirt 

Salze:  C^^HuNO,  HCH- H^O.  Salzsaure  Oxyhydromethylbase,  O.  Fischer's  »Kairin«. 
Farblose,  glänzende,  monokline  Krystalle,  leicht  löslich  in  Wasser;  sie  förben  sich  leicht  violett 
und  verlieren  bei  UO^C.  ihr  Krystallwasser.  a:^:tf=  0-7180:1:03858.  Die  neutrale  Lösung 
wird  durch  schwache  Oxydationsmittel  wie  CHüoranil  in  alkoholischer  Lösung  bläulichroth  ge- 
ftirbt  (Kairin  als  antipyretisches  Mittel,  s.  Prof.  Filehne),  (Berl.  Klin.  Wochenschrift  1882, 
No.  45,  und  1883,  No.  6). 

Sulfat,  (CioHijNO),HjS04,  aus  verdünnter  HjSO^-Lösung  durch  Verdunsten  über  Kalk 
in  leicht  löslichen,  glänzenden,  flachen  Prismen. 

Pikrat,  CioHigNOCeHjOHCNOj)^,  krystallisirt  aus  20— 30#  Alkohol  in  hübschen, 
grünlichgelben,  glänzenden  Täfelchen,  die  in  Wasser  schwer  löslich  sind. 

Oxyhydroäthylchinolin,  C9H9OHNC2H5  (83).  1  Mol.  Oxyhydrobasc  wird 
mit  1  Mol.  Bromäthyl  hn  Rohre  auf  120^  C.  erhitzt;  der  Röhreninhalt  löst  sich  klar  in  Wasser 
und  Soda,  scheidet  die  Base  in  röthlichen  Blättchen  ab;  man  filtrirt  rasch,  wäscht  mit  Wasser 
und  krystallisirt  aus  Aether  und  Ligroin. 

Blendend  weisse  Tafeln  oder  Blättchen.  Schmp.  bei  76°  C.  Benzol,  Alkohol, 
Holzgeist  und  Aether  sind  gute  Lösungsmittel;  Wasser  löst  sehr  schwer,  Ligroin 
ziemlich  schwer. 

Salze:  C,Hio(NOC3H5)Ha  (KaYrin  A).  Blendend  weisse  Prismen,  in  Wasser  leicht,  in 
Salzsäure  schwer  löslich.     PtCl^  oxydirt  in  der  Wärme  unter  Rothfärbung. 

Kairocoll,  CiiHi^NOa  (83).  Werden  2  Mol.  Hydrobase  und  1  Mol.  Chlor- 
essigsäure in  wässriger  Lösung  unter  Druck  bei  100—110°  C.  erhitzt,  so  resultiren 
im  Rohre  eine  schwach  röthlichgelbe,  strahlige  Masse  und  eine  Lösung  salzsaurer 
Hydrobase;  die  feste  Masse  wird  getrocknet  und  gepulvert  mit  heissem  Ligroin 
ausgezogen,  aus  dem  schneeweisse,  lange,  feine  Nadeln  sich  ausscheiden.  Schmelz- 
punkt 66°  C. ;  schwer  löslich  in  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und  Aether. 

(OH)C9HgN.C2H4(OH)Cl  (84),  eine  quatemäre  Verbindung  des  Oxychino- 
lins  1  mit  Aethylenchlorhydrin.  Das  Chlorhydrat  bildet  kleine,  gelbe,  wasser- 
freie Krystalle  und  liefert  in  wässriger  Lösung  mit  AggO  eine  alkalische,  rothe 
Flüssigkeit.  Das  Platinsalz  ist  ein  in  Wasser  sehr  wenig  lösliches  Krystallpulver. 
Das  Goldsalz  zersetzt  sich  rasch. 

Oxychinolin  4,  OHC^HßN,  Skraup's  Metaoxychinolin,  Fischer's  und 
Riemerschmied 's  ß-Oxychinolin  (86).  Der  SKRAUP'schen  Synthese  mittelst  Metamido- 
phenol,  Metanitrophenol  etc.  ist  das  Schmelzen  der  Chinolinsulfosäure  (4),  wie  schon  beim 
Oxychinolin  (1)  angegeben,  vorzuziehen.  Nachdem  die  (l)-Oxybase  durch  Wasserdampf  über- 
getrieben, wird  die  zurückbleibende  (4)-Oxyba8e  in   warmer  Soda  gelöst;   es  bleibt  das  grüne 


Chinolin.  557 

Harz  und  etwaige  (l)-Oxybase  ungelöst;  aus  der  Lösung  fUUt  nach  genauer  Neutralisation  ein 
etwas  graues  Pulver,  das  aus  heissem  Holzgeist  unter  Zugabe  von  etwas  Thierkohle  in  langen, 
weichen,  seideglänxenden,  schwach  gelblichen  Nadeln  sich  ausscheidet. 

Die  Base  ist  geschmack-  und  geruchlos.  Schmp.  235—238°  C.  (Skraup); 
sublimirt  bei  raschem  Erhitzen  unzersetzt;  nicht  flüchtig  mit  Wasserdämpfen;  in 
heisser  Soda  vollkommen  löslich,  kann  daraus  durch  Ausschütteln  mit  Aether 
wieder  gewonnen  werden.  In  Methylalkohol  und  Alkohol  sehr  leicht  löslich,  in 
der  Wärme  etwas  schwerer  in  Benzol,  Aether  und  Chloroform,  nicht  in  Ligroin, 
in  kaltem  Wasser  kaum,  etwas  mehr  in  warmem.  Verdünnte  Säuren  und  Alkalien 
lösen  leicht;  alle  sehr  verdünnten  Lösungen  fluoresciren  grün,  namentlich  schön 
die  in  sehr  verdünntem  Weingeist.  Das  Oxychinolin  bildet  sich  auch  beim  Er- 
hitzen der  Xanthochinsäure. 

Reactionen:  Eine  verdünnte  alkoholische  Lösung  wird  auf  Zusatz  von  Fe^Q^  schön 
braunroth.  Eine  Lösung  in  verdünntem  Alkali  wird  durch  conc.  KOH  nicht  gefällt;  AgNO, 
fällt  eine  weisse  Gallerte;  HgCl,  flockig,  kanariengelb,  ebenso  Pb(NO,)j;  KjCr^Oy  fällt  freie 
Base,  in  saurer  Lösung  gelbe  Nadeln  eines  Chromats. 

Salze:  CLlorhydrat,  C^H^NO-HCl+l JHjO,  krystallisirt  in  hellgelben,  gut  ausge- 
bUdeten  Prismen  aus  Wasser  in  feinen,  weissen  Nadeln  auf  allmählichen  Zusatz  von  Aether  zu 
einer  Alkohol-Lösung.  In  Wasser  sehr  leicht  löslich,  sehr  schwierig  in  kaltem,  leicht  in  heissem 
Alkohol,  schwer  in  Salzsäure. 

Platindoppelsalz,  (C9H^NOHa),PtCl4 -+- 2H,0  (Skraxjp),  krystallisirt  in  glänzenden, 
orangegelben  Nadeln  aus  warmer  Lösung. 

(C 5HyNOHCl)j,PtCl4 +4 H,0  (Riemerschmied),  prachtvolle,  glänzende,  orangegelbe  Tafeln. 

Pikrat,  CgHyNOC,H,OH(NO,),,  wird  erhalten  durch  Zusate  alkoholischer  Pikrinsäure- 
lösung zu  in  heissem  Alkohol  gelöster  Base  in  feinen,  kurzen,  gelben  Nadeln,  welche  in  kaltem 
Alkohol  schwer  löslich  sind.     Schmp.  244 — 245^  C.  unter  vorhergehender  Schwärzung. 

Kupfersalz,  C9HyNOCu(C,H,03)j.  Versetzt  man  eine  alkoholische  Lösung  der  Base 
mit  Cu(C2H,02)j,  so  entsteht  eine  grünliche  Fällung  der  freien  Cu-Verbindung,  die  mehrere 
Tage  hindurch  sich  vermehrt;  dampft  man  aber  ein,  so  scheiden  sich  dunkelviolette,  diamant- 
glänzende KIrystallkörner  ab;  ftigt  man  nun  vorsichtig  Essigsäure  zu,  so  geht  der  grünliche 
Niederschlag  in  violett  über.  Den  grünen  Niederschlag  erhält  man  auch,  wenn  die  Base,  in 
Aomioniak  suspendirt,  mit  Essigsäure  übergössen  wird,  in  gallertartiger  Form  aus  feinen,  laub- 
grünen  Nadeln.  Die  violetten  Krystalle  werden  rein  erhalten,  wenn  zu  I  Mol.  Base  i  MoL 
(C2H,03)jCu  und  einige  Tropfen  CjH^O^  gegeben  werden  nach  Verdunstung  über  HjSO^. 
Dicke,  dunkle,  amethystblaue  Prismen,  beim  Trocknen  ohne  Gewichtsverlust  in  lichtviolett  um- 
schlagend. Alkohol  löst  sie  in  der  Wärme  ziemlich  leicht,  ebenso  kaltes  Wasser,  beim  Erwärmen 
hingegen  tritt  Zersetzung  ein. 

Chromat,  {C^Hj'NO)2CT20jy  rothgelbe  Nadeln,  bei  Zusatz  von  K^Cr^Oj  zu  einer  sauren 
Lösung  der  Base. 

Nitrooxychinolin,  CjHyNONOj  (86);  die  feingepulverte  Base  wird  in  rauchende 
HNO3  nach  und  nach  unter  Kühlimg  eingetragen;  die  rothbraune  Flüssigkeit  wird  allmählich 
auf  ihr  3 — 4faches  Volumen  mit  Wasser  versetzt,  es  scheiden  sich  körnige  Krystalle  eines  Nitrats 
der  Nitrobase  ab,  das  durch  Kochen  mit  wässerigem  Alkohol  zerlegt  wird;  die  freie  Nitrobase 
schiesst  nach  dem  Erkalten  in  gelben,  glänzenden  Blättern  an.  Schmp.  250 — 255^  uncorr.  In 
kochendem  Alkohol  und  Wasser  kaum  löslich,  leichter  in  wässerigem  AlkohoL 

Monobromoxychinolin,  C^H^BrNOBrH  (86),  entsteht  durch  Zusatz  von  so  viel 
titrirtem  Bromwasser  als  2  Mol.  Brom  auf  1  MoL  der  in  HQ  gelösten  Base  entspricht;  das 
erste  MoL  Brom  wird  substituirt,  das  zweite  addirt;  das  Additionsprodukt  wird  in  Alkohol  erhitzt 
und  gelöst,  wobei  sich  schwach  Br  entwickelt;  die  Lösung  wird  eingedampft,  in  wenig  heissem 
Alkohol  unter  Zurücklassung  eines  Harzes  gelöst  und  sofort  mit  Wasser  bis  zur  Trübung  ver- 
setzt, wodurch  sich  wieder  Harz  abscheidet;  schliesslich  wird  mit  Thierkohle  gereinigt,  und  es 
scheidet  sich  alsbald  die  bromwasserstoffsaure  Bromverbindung  aus.  Gelbliche,  mikroscopische 
Krystallkömer,  die  mit  viel  kaltem  Wasser  übergössen  in  feine  Nadeln  zerfallen.   Schmp.  272—273  ^  C. 


558  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Methoxychinolini",  C0HeN(OCH3).  Darstellung  wie  bei  dem  Methoxy- 
chinolinT;  ein  helles  mit  Wasserdämpfen  flüchtiges  Oel,  siedet  nicht  ohne  Zer- 
seteung  bei  275°  unter  720  Millim.  Druck. 

1.  Salre:  Platindoppelsali,  [C,HgN(0CH,)HCl]jPta4,  lange,  braungelbe  Prismen, 
schwer  löslich  in  Wasser. 

2.  Pikrat,  C9H6N(OCH,)CßH,OH(NOj)„  dünne,  zu  BUschehi  vereinigte  Nadeln,  sehr 
schwer  löslich  in  Wasser. 

Oxalat,  seideglänzende  Nadeln,  in  Wasser  und  Alkohol  sehr  leicht  löslich. 

_  ^ 

Benzoyloxychinolin  4,    C9HeN(OC7H50),   wird  wie  die  Benzoylverbin- 

dung   des  Orthophenols   gewonnen.     Aus  der  getrockneten  ätherischen  Lösung 
hinterbleibt  es  als  Oel,  das  bald  zu  feinen  Prismen  erstarrt.     Schmp.  86— 88°C. 
PlatindoppelsaU,  [C9H5N(OCyH50)HCl],PtCl4,  ist  ein  gelber,  krystallinischer  Nieder- 
schlag, entstanden  durch  Zusatz  von  PtCl^  zu  kochender,  salzsaurer,  alkoholischer  Lösung. 

OxyhydrochinolinT,  Cj^HnNO  (87),  wird  reducirt  wie  das  1-Oxychinolin; 
krystallisirt  aus  Aether  in  strahligen  Kiystallen;  es  löst  sich  leicht  in  Alkohol,  Holz- 
geist, Aether  u.  s.  w.,  sehr  schwer  in  Ligroin,  in  kaltem  Benzol  ziemlich  schwer,  aus 
demselben  in  sternförmig  gruppirten  Nadeln  sich  wieder  ausscheidend;  kochendes 
Wasser  nimmt  es  ziemlich  auf.     Schmp.  116— 117°  C,  sublimirt  fast  unzersetzt 

Fe^Clg  erzeugt  in  der  wässrigen  Lösung  eine  tief  dunkelrothe,  fast  schwarz- 
rothe  Färbung.     Zinndoppelsalz,  lange  Prismen. 

Nitrosoverbindung,  C^HioNOCNO)  (87);  Mit  als  braungefärbter  Niederschlag  auf 
Zusatz  von  NaNOj  zu  der  Lösung  des  Hydrokörpers  in  verd  HjSO^;  nach  mehrmaligem  Um- 
krystallisiren  aus  Holzgeist  erhält  man  es  in  schwachgefarbten  Täfelchen.  In  Wasser  und  ver- 
dünnten Säuren  unlöslich,  leicht  in  Alkohol  und  Holzgeist;  zeigt  Liebermann's  Reaction. 

Oxyhydroäthylchinolin,  CgHgOHNCjHj  (87).  I  Mol.  Hydrobase  wird  mit  1  MoL 
Jodäthyl  auf  dem  Wasserbade  digerirt,  bis  der  Geruch  nach  letzterem  verschwunden;  das  roth- 
geförbte  Produkt  wird  in  warmem  Wasser  gelöst,  mit  Soda  neutralisirt  und  mit  Aether  extrahirt; 
das  beim  Verdimsten  des  Aethers  resultirende,  dicke  Oel  zur  Reinigung  mit  HCl  versetzt;  das 
salzsaure  Salz  wird  alsdann  mit  Soda  genau  zerlegt  und  die  freie  Verbindung  mit  Aether  aus- 
gezogen; nach  dem  Verdunsten  erscheinen  strahlige,  etwas  röthliche  Krystalle.  Schmp.  73^  C. 
Leicht  löslich  in  Holzgeist,  Alkohol,  Benzol,  schwer  in  Wasser  und  Ligroin. 

Reactionen:  Die  alkoholische  Lösung  giebt  mit  Fe,Clg  eine  dunkelrothbraune  Färbung; 
mit  NaNOj  einen  intensiv  gelbbraunen  Farbstoff.  K^FeCy^  erzeugt  in  der  salzsauren  Lösung 
einen  schwerlöslichen,  krystallinischen,  weissen  Niederschlag. 

Salze:  Chlorhydrat,  CgHioNCjHjOHCl  +  H3O;  prächtige,  weisse  Blättchen  oder 
Tafeln,  schwerlöslich  in  Wasser;  verliert  bei  110^  sein  Krystallwasser ;  besitzt  einen  brennenden, 
bitteren  Geschmack;  physiologische  Wirkung  ähnlich  der  des  Kairins. 

Oxychinolinsulfosäure,    C9HeNO(SO,H)  +  HjO  (87).     Zu    ihrer    Gewinnung   sctrt 

man  unter  gutem  Kühlen  die  8  fache  Menge  rauchender  H^SO^  zur  Oxybase.    Nach  48 stündigem 

Stehen  fällt  man  mit  der  ifachen  Menge  Wasser.    Die  Fällung  liefert  beim  Umkrystallisiren  aus 

Wasser  hellgelbe,  glänzende  Blättchen.    Schmp.  210^  C.    Fe^Clg  erzeugt  schwarzgrüne  Färbung. 

__         s 

Oxychinolin  3,.   OHCgH^N   (88).      Skraup's    Paraoxychinolin ,    Wetoel's 

ß-Chinophenol,  bildet  sich  bei  der  Destillation  der  Xanthochinsäure  und  nach 
folgender  Methode: 

7  Thle.  Para-Nitrophenol,  15  Thle.  salzsaures  Para-Amidophenol,  25  Thle.  Glycerin  und 
20  Thle.  engl  HjSO^  werden  unter  Rückflusskühlung  5—6  Stunden  bei  massigem  Sieden 
erhalten.  Das  Produkt  in  sein  dreifiaches  Volumen  Wasser  gegossen  und  mit  Kalilauge  fractioniit 
gefällt;  die  ersten  Fällungen  sind  schwarzbraun  und  ballen  sich  in  der  Hitze  bald  zusammen, 
so  dass  dieselben  durch  Abgiessen  entfernt  werden  können.  Jetzt  wird  die  Lösung  bis  zur  Neu- 
tralisation mit  Aetzkali  versetzt  (eine  etwaige  Alkalität  wird  durch  Essigsäure  gehoben),  wobei 
sie  reingelb  wird  und  das  Oxychmolin  sich  als  lichtbräunlich  gelber,  krystallinischer  Niederschlag 


Chinolin.    ^  559 

absetzt;  der  Niederschlag  in  überschüssiger  Säure  gelöst,  wird  in  der  Wärme  mit  etwas  Zinn- 
chlorUr  versetzt,  dann  mit  H,S  ausgefällt  und  die  Lösung  im  H,S- Strome  kochend  auf  ein 
kleines  Volumen  gebracht;  dieses  Verfahren  wiederholt  man  so  oft,  bis  die  KrystaUisationen 
ungefärbt  erscheinen.  Aus  dem  salzsauren  Salz  wird  nun  die  Oxybase  durch  Alkali  in  Freiheit 
gesetzt. 

Kleine,  spröde  Prismen  aus  absolutem  Alkohol  und  Aether,  blättrige  Krystalle 
aus  verdünntem  Alkohol,  feine  Nädelchen  aus  heissem  Wasser,  feine,  wollige 
Fädchen  beim  Sublimiren.  Schmp.  193°  C.  Weidel's  ß-Chinophenol  190—191°  C. 
Siedep.  über  360°  C,  schwer  löslich  in  kaltem,  etwas  leichter  in  heissem,  schwer 
in  Alkohol,  sehr  schwer  in  Aether,  noch  schwieriger  in  Benzol  und  Chloroform; 
Säuren  und  Alkalien  lösen  unter  Gelbfärbung.  Mit  KMnO^  wird  es  in  eine 
Pyridintricarbonsäure  übergeführt. 

Reactionen:  FegCl^  färbt  alkoholische  Lösungen  nur»  wenn  die  Substanz  nicht  genügend 
rein  ist.  FeSO^  ohne  Einfluss.  Aetzkalilösung  giebt  mitAgNO,  einen  gelblichen,  gelatinösen, 
HgClj  einen  lichtgelben,  feinpulverigen,  Pb(N0,)2  einen  nahezu  weissen,  feinflockigen, 
Ba(NOj)j  keinen  Niederschlag.  Cu(C,H30j)j,  zur  alkoholischen  Lösung  gegeben,  daraut 
Ammoniak  bis  zur  BlaufUrbung  und  Vernichtung  dieser  durch  Essigsäure,  erzeugt  einen  grünen 
Niederschlag.  K^CrO^  erzeugt  in  alkalischer  Lösung  einen  gelblichweissen  Niederschlag,  der 
sich  in  der  Hitze  löst  und  beim  Erkalten  bräunlichgelb  wieder  erscheint  und  freies  Oxychinolin 
ist.  K^Cr^Of  erzeugt  in  der  neutralen,  salzsauren  Lösimg  ein  Chromat,  aus  schönen,  goldgelben 
Nädelchen  bestehend. 

Salze:  Chlorhydrat,  C^H^NO,  HCl +  HjO;  Prismen,  wenn  rem  farblos,  sonst  schwach- 
gelb bis  grünlich  gefärbt;  in  Wasser  sehr  leicht  löslich,  in  heissem  Alkohol  schwer,  nicht  in  Aether 
löslich.     Concentrirte  Salzsäure  und  gesättigte  NaCl-Lösung  haben  nur  geringes  Lösungsvermögen. 

Pikrat,  C9HyNOCgHjOH(NOj),;  durch  Vermischen  beiderseitig  alkoholischer  Lösungen 
scheiden  sich  glänzende  Nädelchen  aus;  diese,  aus  heissem  Alkohol  umkrystallisirt,  ergeben  gold- 
glänzende Nadeln,  die  lufttrocken  bei  235—  236  °  C.  uncorr.  schmelzen. 

Platinsalz,  (CgH7NOHCl)jPtCl4;  wird  erhalten  in  orangegelben  Nädelchen,  wenn  der  aus 
der  concentrirten  Chlorhydratlösung  entstandene  Niederschlag  aus  viel  heissem  Wasser  gelöst  wird. 

Kupferacetatverbindung,  (CgHgNO)2Cu(CjH402),;  es  entsteht  sofort  auf  Zusatz  ver- 
dünnter Cu-Acetatlösung  zur  alkoholischen  Lösung  der  Base  eine  intensiv  schwarzgrUne  Farbe; 
innerhalb  24  Stunden  scheiden  sich  dunkle,  verwachsene,  ziemlich  grosse,  spitzkeilförmige  Krystalle 
aus,  die  im  auffidlenden  Licht  fast  schwarz,  im  durchfallenden  amethystblau  erscheinen.  In 
kochendem  Alkohol  mit  schön  blaugrüner  Farbe  löslich  fallen  sie  beim  Erkalten  mit  der  ursprüng- 
lichen Farbe  wieder  aus;   in  Wasser  unlöslich. 

Bromoxychinolin  8",  CgHjBrNO;  wird  durch  Soda  aus  der  verdünnten  alkoholischen 
Lösung  seines  Bromhydrats  gefällt;  der  gelbliche  Niederschlag  wird  mit  Wasser  gewaschen  und 
aus  verdünntem  Alkohol  umkrystallisirt.  Zarte,  weisse  Nadeln,  die  trocken  einen  bräunlichen  Stich 
haben;  diese  sind  in  verdünnten  Säuren  und  Kalilauge  mit  gelblicher  Farbe  löslich.  Schmp.  184 
bis  185*>C 

Bromhydrat,  C^HgBrNO,  BrH;  fügt  man  zur  alkoholischen  Lösung  tropfenweise  Brom,  so 
fallen  schwere,  kömige,  röthlichgelbe  Krystalle  aus;  man  braucht  in  der  Regel  auf  1  Mol.  Base 
10  j-  Br  mehr  als  2  Mol.  Br  entsprechen.  Die  Krystalle  werden  mit  absolutem  Alkohol  ausge- 
waschen. In  absolutem  Alkohol  auch  in  der  Hitze  schwer  löslich,  gut  in  heissem,  wässerigem 
Weingeist;  löst  man  in  heissem  Wasser,  so  fällt  je  nach  dem  Grade  der  Verdünnung  entweder 
das  Bromhydrat  oder  die  Brombase  selbst  aus. 

Nitrooxychinolin  8",  C9Hg(N03)NO;  das  unten  beschriebene  Salpetersäure  Salz  wird  in 
überschüssigem  Natriumcarbonat  aufgelöst,  Essigsäure  zugesetzt,  worauf  das  freie  Nitroprodukt  in 
gelben  Nädelchen  ausfällt;  es  ist  leicht  zu  lösen  in  heissem  Alkohol,  in  Alkalien  und  Mineral- 
säuren, aber  nicht  in  Wasser.     Schmp.  139— 140°  C. 

Nitrat,  CjHe(NOj)NO,  HNOj+HjO;  man  trägt  die  Base  nach  und  nach  in  die  4--5 fache 
Menge  HNO,;  man  erwärmt  jedesmal  sehr  vorsichtig,  bis  Lösung  gerade  erfolgt  ist;  man  giebt 
nach  Beendigung  der  Operation  die  2 — 3  fache  Menge  Wasser  hinzu,   und  es  fallen  gut  ausge- 


560  Handwörterbuch  der  Chemie. 

bildete«  spitze,  orangerothe  Prismen ;  diese  werden  mit  wenig  Wasser  gewaschen  und  auf  poröser 
Platte  getrocknet.  Massig  warmer  Alkohol  löst  reichlich,  aus  ihm  scheidet  sich  das  Nitrat  in 
bräunlichgelben  Prismen  aus. 

Acetylbase;  diese  wird  analog  der  T-Acetylverbindung  gewonnen;  ein  lichtgelbes  Oel, 
geruchlos  und  schwerer  als  Wasser;  unter  Umständen  erstarrt  es  zu  blendend  weissen  Krystallen- 
Siedep.  298°  C.  Schmp.  35°.  In  Aether  und  Alkohol  sehr  leicht  löslich,  ebenso  in  heisscm 
Wasser ;  alle  drei  Lösungen  scheiden  die  Base  fiUssig  ab,  wenn  nicht  ein  Krystall  eingeworfen  wird. 

[C9H6NO(CjH30)HCl],PtCl4;  hübsche,  gelbe  Prismen. 

Benzoyläther  entsteht  beim  Kochen  der  Oxybase  mit  fünffacher  Menge  Benzoylchlorid.  Die 
in  Wasser  geworfene  Masse  wird  mit  gelöster  Soda  fein  zerrieben,  mit  Wasser  ausgewaschen  und 
aus  Eisessig  umkrystallisirt.  Die  analytischen  Daten  stimmen  nicht  befriedigend  auf  eine  ein- 
heitliche Substanz. 

Methyläther  oder  ChinanisolS"  erhielten  höchst  wahrscheinlich  Bütlerow  und  Wischne- 
GRADSKY  bei  der  Einwirkung  von  Kali  auf  Chinin.  Diese  Forscher  hielten  ihn  für  ein  Oxy- 
lepidin,  welches  Königs  Chinolidin  zu  nennen  vorschlug.  Vielleicht  ist  auch  diese  Base  dieselbe, 
welche  Gerhardt  zuerst  beim  Schmelzen  des  Chinins  mit  Aetzkali  auffand  und  Chinolylin  nannte. 

Darstellung:  Je  1  Mol.  Aetzkali,  Oxybase  und  Methyljodid,  in  Methylalkohol  gelöst, 
werden  auf  dem  Wasserbade  1^  Stunde  gekocht;  der  nach  dem  Abdestilliren  des  Alkohols  ver- 
bleibende, stark  alkalische  Rückstand  wird  mit  Aether  ausgezogen.  Die  Aetherlösung  enthält 
ein  Oel,  das  nicht  zum  Erstarren  gebracht  werden  konnte. 

Chlorhydrat,  C9HgN(0CH,)HCl;  lange,  weisse  Prismen,  in  Wasser  zeriliesslich,  in  Alko- 
hol ziemlich  leicht,  in  Aether  und  Aether-Alkohol  schwer  löslich. 

Chloroplatinat,  [C5HgN(OCH,)Ha]jPtCl4  4- 4H,0;  spitze,  orangerothe  Nädelchen; 
in  kaltem  Wasser  schwer,  leicht  in  heissem  Wasser  löslich. 

Chinolsäure,  Nitrodioxychinolin,  C9H4N(OH)aN02,  hat  Weidel  bei 
der  Behandlung  der  Cinchoninsäure  mit  HNO3  im  eingeschlossenen  Rohr  auf 
120 — 140°  C.  neben  Cinchomeronsäure  erhalten.  Nach  Königs  entsteht  sie  als 
Nebenprodukt  beim  Nitriren  des  Chinolins  und  bei  der  Einwirkimg  von  conc. 
HNO,  auf  Tetrahydrochinolin  (85). 

Die  Säure  bildet  leichte,  wollige,  glanzlose,  kleine  Krystalle  mit  einem  Stich 
in's  Gelbliche,  sie  ist  äusserst  schwer  löslich  in  Alkohol  und  Aether,  fast  unlös- 
lich in  Wasser.  Aus  ihrer  Lösung  in  Säuren  wird  sie  durch  Wasser  wieder  ge- 
fällt. Charakteristisch  ist  folgende  Reaction:  bringt  man  minimale  Mengen  der 
Säure  mit  einem  Tropfen  Alkali  oder  Ammoniak  zusammen,  so  entsteht  eine 
intensiv  carminrothe  Färbung.  Die  Säure  schmilzt  und  sublimirt  unter  Zersetzung 
des  grössten  Theils. 

Salze:  Silbersalz,  C^HjAgN^O^,  flült  auf  Zusatz  vonAgNO,  zu  einer  ammoniakalischen 
Lösung  als  Gallerte,  die  nach  und  nach  krystallinisch  wird. 

Chlorhydrat,  C^HgNNOg'HCl,  bildet  sich  a,us  einer  in  der  Hitze  mit  HQ  bis  zum 
Lösen  versetzten  wässrigen  Lösung  der  Säure  in  zolllangen,  prismatischen  Nadeln. 

Platindoppelsalz,  (C9HgN304HCl),PtCl^,  entsteht  beim  Vermischen  conc.  Lösungen 
des  PtQ^  und  der  salzsauren  Base  in  schönen,  dunkel  orangegelben  Nadeln. 

a 

a-Oxychinolin,  Carbostyril,  C9H6(OH)N  (89),  wurde  1852  von  Chiozza  ent- 
deckt bei  der  Reduction  der  Orthonitrozimmtsäure  mit  Schwefelammonium.  Es 
wurde  auch  gewonnen  durch  Erhitzen  des  orthoamidozimmtsauren  Baryts  mit 
Bariumhydrat  und  Ferrohydrat  Es  bildet  sich  ferner  durch  Erhitzen  des  a-Oxy- 
cinchoninsauren  Silbers  (91). 

Am  zweckmässigsten  wird  es  dargestellt  durch  Digeriren  von  30 — 40  Grm.  Orthonitro- 
zimmtsäureäther  in  überschüssigem  alkoholischen  Schwefelammonium  in  geschlossenen,  dick- 
wandigen GefUssen  während  mehrerer  Stunden  auf  110^  C.  In  der  erkalteten  Flüssigkeit  hat 
sich  Oxycarbostyril-Ammoniak  ausgeschieden.     Das  Filtrat  wird  zur  Trockne  eingedampft  und 


Chinolin.  561 

mit  verdünnter  Natronlauge  ausgesogen.    In  diese  wird  CO,  eingeleitet,  wodurch  das  Carbostyril 

in  feinen,  weissen,  verfilzten  Nadeln  ausgeschieden  wird.    Darauf  fUllt  H^SO^  noch  Oxycarbostyril. 

Die  Oxybase  krystallisirt  aus  Alkohol  in  grossen  Prismen.    Schmp.  198 — 199°  C. 

Sublimirt  unzersetzt     In  verdünnter  HjSO^  auf  200°  erhitzt  bleibt   sie  intakt. 

In  kaltem  Wasser  ist  sie  kaum  löslich,  leicht  in  kochendem,  sowie  in  Alkohol 

und  Aether;  in  NH3   unlöslich,  löslich  in  viel  HCl.     In  schmelzendem  KOH 

löst  sie  sich  bei   170 — 180°  klar  auf,  wobei  ein  deutlicher  Geruch  nach  Indol 

auftritt     Weinberg   gewann   sie   aus   der  Schmelze  fast  quantitativ  wieder.     In 

alkalischer  Lösung  mit  KMnO^   oxydirt  entsteht  neben  Isatin  Carbostyrilsäure, 

COOH 
d.  i.  wahrscheinlich  Oxalylanthranilsäure,   CgH^C^j^jj CO— COOH  (^°^'    ^^^ 

PCI5  behandelt  entsteht  Monochlorchinolin.  Bei  Einwirkung  von  Jodäthyl  und 
alkoholischem  Kali  oder  von  Jodäthyl  auf  das  Kali-  oder  Silbersalz  entsteht  der 
Aethyläther.  Ihre  Alkalisalze  werden  durch  CO^  zerlegt.  Mit  den  Schwermetallen 
entstehen  keine  Salze. 

Salze.  Das  K-  und  Na-Salz  sind  in  Wasser  leicht  löslich,  sie  follen  durch  überschüssiges 
Alkali  in  silberglänzenden  Blättchen. 

Bariumsalz,  (CgHgON),Ba,  fUllt  auf  Zusatz  von  Baiytwasser  zur  heissen,  wässrigen 
Lösung  in  glänzenden,  schwer  löslichen  Blättchen  aus. 

Silbersalz,  C9Hß(0Ag)N,  fällt  auf  Zusatz  von  AgNO,  zu  einer  warmen,  neutralen 
Lösung  von  Carbostyrilammoniak  in  feinen,  lichtbeständigen  Nadeln. 

a-Aethoxylchinolin,  Aethylcarbostyril,  CgHj(0C,H5)N  (90),  wird  dargestellt  durch 

Erhitzen  von  Carbostyril  mit  Jodäthyl  und  KOH   in  alkoholischer  Lösung  oder  durch  Erhitzen 

von  a-Monochlorchinolin  mit  alkoholischem  KOH.    Es  ist  ein  mit  Wasserdämpfen  flüchtiges  Oel 

von  angenehmem,   charakteristischen  Geruch.     Siedep.  256^  C.     Wässrige  HCl  spaltet  bei  120^ 

die  Aethylgruppe  wieder  ab,  ebenso  Wasser  bei  einer  höheren  Temperatur.    Mit  Mineralsäuren  und 

a 
Essigsäure  entstehen  sehr  zerfliessliche  Salze.    Das  Platindoppelsalz,  [C9H5N(OCjH3)HCl],PtCl4, 

ist  leicht  löslich  und  krystallisirt  gut  K^FeCy^  erzeugt  einen  schwer  löslichen,  krystallinischen 
Niederschlag  eines  ferrocyanwasserstofisauren  Salzes. 

a 
a-Dihydroäthylcarbostyril,  C9HgN(OCjH5)N  (90),  wird  gewonnen  durch  Einwirkung 

von  Natriumamalgam  auf  Aethylcarbostyril  in  alkoholischer  Lösung.  Silberglänzende  Blättchen. 
Schmp.  199^  C.     Die  Base  wird  aus   ihren  sauren  Lösungen  durch  Alkali  geföllt. 

a 

0-Methoxylchinolin,  Methylcarbostyril,  C9Hg(OCH3)N  (90)',  wird  wie  der  ent- 
sprechende Aethyläther  dargestellt.    Farbloses,  nach  Orangenblüthen  riechendes  Oel.    Siedep.  246 

bis  247^  C.     Das  Platinsalz  krystallisirt  in  schönen  Blättchen. 

a 
a-Phenoxylchinolin,   Phenylcarbostyril,   C9Hg(OCgH5)N  (90),   aus  Phenolnatrium 

und  a-Monochlorchinolin.     Glänzende,  sublimirbare  Blättchen.     Schmp.  68 — 69^  C. 

«  P 
aß-Oxychlorchinolin,  ß-Chlorcarbostyril,  C9H6(0H)(C1)N  (92),  ent- 
steht bei  der  Behandlung  mit  conc.  HCl  des  aß-Dichlorchinolins  bei  160^  C,  oder  des  ß-Chlor- 
carbostyriläthers  bei  110^  C.  Das  entstandene  Produkt  ist  dem  Carbostyril  in  seinem  Verhalten 
durchaus  analog,  nur  löst  es  sich  schwieriger  als  dieses.  Flache  Nadeln  oder  Blättchen. 
Schmp.  241®  C    PCI5  führt  es  wieder  in  oß-Dichlorchinolin  über. 

a  ß 

ß-Chlorcarbostyriläthyläther,  C9Hj(OC,H5)(Cl)N  (93),  ist  in  den  Eigenschaften  und 
im  Geruch  dem  Carbostyriläther  sehr  ähnlich  und  entsteht  leicht  durch  Einwirkung  von  alkoho- 
lischem Kali  auf  a  ß-Dichlorchinolin.  Schmp.  269®  C.  Das  salzsaure  Salz  ist  in  überschüssiger 
HCl  schwer  löslich.     Alle  Salze  werden  durch  viel  Wasser  zersetzt. 

ay-Oxychlorchinolin,  y-Chlorcarbostyril,  C9H5(0H)(C1)N  (94),  lässt  sich  entweder 
durch  Verseifen  seines  Aethyläthers  mit  HCl  bei  110®  C.  oder  durch  Kochen  einer  Lösung  von 
Ladbmburg,  Chemie.    IL  ^5 


562  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Orthoamidphenylpropiolsäure  in  verdünnter  HCl  darstellen.  Seideglänzende,  sublimirbare  Nadeln. 
Schmp.  146*^  C.  Es  ist  schwerer  löslich  in  den  meisten  Lösungsmitteln  als  die  ß-Vcrbindimg. 
PCI 5  ftihrt  es  in  ay-Dichlorchinolin  über. 

«  T 

Y-Chlorcarbostyriläther,   C5H5(OC,H5)(a)N  (95).     Er  ist   eine  mit  Wasserdämpfen 

sehr  flüchtige  Substanz,  die  durch  Behandeln  von  ay-Dichlorchinolin  mit  alkoholischem  Kali  ent- 
steht Schmp/  43®  C.  Siedep.  270®  C.  Flache  Nadeln,  die  nur  in  Wasser  und  Alkalien  nicht 
löslich  sind. 

«      T 
ay-Oxyjodchinolin,  Jodcarbostyril,  C9H5(OH)(J)N  (96),  ist  aus  Orthoamidophcnyl- 

propiolsäure  und  verd.  HJ  dargestellt  worden.     Schmp.  276®  C.     Unzersetrt  spblimirbar. 

«        T 
ay-Oxybromchinolin,    y-Bromcarbostyril,  CgH5(0H)(Br)C  (97),   wird  gewonnen  durch 

Verseifen  seines  Methyläthers.  Sublimirbare  Nadeln.  Schmp.  267  ®  C.  Schwer  löslich  in  Alkohol 
Baeyer  und  Bloem  haben  es  durch  Kochen  der  bromwasserstofisauren  Amidopropiolsäure  er- 
halten (94). 

«  T 

ay-Monobromcarbostyrilmethyläther,     CgH5(CH30)(Br)N    (98);     wirkt   Brom  in 

Dampfform  auf  Aethyl-  oder  Methylcarbostyril  in  der  Kälte  ein,  so  erstarrt  der  Aether  und  wird 

bei    weiterer  Bromaufnahme    wieder    flüssig;    die    in  Aether    unlöslichen  Bromadditionsprodukte 

werden  durch  SO,,  Aceton  oder  durch  Umkrystallisiren  aus  verdünntem  Alkohol  zersetzt;  neben 

öligen  Produkten  entstehen  weisse  Nadeln  obiger  Verbindung  von  schwach  basischen  Eigenschaften 

und  Leichtlöslichkeit  in  gebräuchlichen  Lösungsmitteln.     Schmp.  93®  C. 

(?)  " 

a-Chlorchinophenol,    (OH)C9H5(Cl)N  (99),    entsteht  durch  gelinde  Einwirkung  tob 

PClj  auf  a-OxychinophenoI  und  krystallisirt  aus  verdünntem  Alkohol  in  grossen,  glänzendes 
Nadeln.     Schmp.   180®  C. 

Pt      « 
ßYa-Dichloroxychinolin,  ßy-Dichlorcarbostyril,  (Cl)2(OH)CgH5N  (100),  entsteht 

durch  Kochen  von  Carbostyril,  gelöst  in  Eisessig  und  Salzsäure,  mit  überschüssigem  K CIO,  und 

krystallisirt  aus  Eisessig  in  schwer  löslichen,   feinen  Nadeln.     Schmp.  240®  C.     PCI 5  fürt  es  in 

Trichlorchinolin  über. 

(?) 
Kynurin,     Oxychinolin,     C9H6(OH)N  -f-  3HjO.       ScHiknBX>EBERG    und 

ScHULTZEN  fanden  es  beim  Schmelzen  der  Kynurensäure.  Nach  Kretschv  erhitzt 
man  zu  seiner  Darstellung  Kynurensäure  längere  Zeit  auf  ihre  Schmelztemperatur 
C253— 258°  C.)  und  krystallisirt  die  Schmelze  aus  Wasser  um.  Es  bildet  farblose, 
monokline,  wasserfreie  Prismen  (a:^:r=  1-0764:1 : 1-6056 -ar  =  107*' 34')»  oder 
bei  raschem  Auskrystallisiren  schnell  verwitternde  Nadeln,  welche  3  Mol.  H|0 
enthalten.  Schmp.  201°  C.  Es  ist  in  kaltem  Wasser  wenig  löslich,  leichter  in 
kaltem  Alkohol,  sehr  leicht  in  warmem  Wasser  und  Alkohol.  Beim  Destilliren 
zersetzt  es  sich.  FejClß  erzeugt  eine  schwach  carminrothe,  FeSO^  eine  schwach 
gelbliche  und  Millon's  Reagenz  eine  gelbgrüne  Farbe.  In  alkalischer  Lösung 
mit  KMn04  oxydirt  entsteht  die  mit  der  Carbostyrilsäure  Friedländer's  isomere 
Kynursäure  (102).  Acetylchlorid  erzeugt  eine  durch  Wasser  zersetzliche  Ver- 
bindung. PCI 5  und  POCI3  geben  Monochlorsubstitutionsprodukte.  Das  Platin- 
salz entspricht  der  Zusammensetzung:  [C9H6(Cl)N.HCl]2PtCl4  H- 2H2O.  lieber 
Zinkstaub  destillirt  entsteht  Chinolin.  Mit  Natriumamalgam  entsteht  eine  Hydro- 
base. 

Tribromkynurin,  C9H3(OH)Br3N  (103).  Beim  Kochen  des  Tetrabrom- 
kynurin  mit  Alkohol  entsteht  es  neben  Aethylbromid  und  HBr.  Farblose  Nadeln, 
in  Wasser  unlöslich,  schwer  löslich  in  kaltem  Alkohol,  leicht  in  heissem.  Es 
wird  aus  seiner  Lösung  in  Alkalien  durch  Säuren  gefällt.  Lässt  man  Bromwasser 
auf  Kynurin  einwirken,  so  entsteht  ein  Niederschlag,  der  mit  Alkohol  gekocht 
dasselbe  Tribromkynurin  liefern  soll. 


Chinolin.  563 

*  Tetrabromkynurin,  C9H2(OH)Br4N  (103),  erhielt  Brieger  beim  Erwärmen 
der  Kynurensäure  mit  Bromwasser  unter  CO^-Abspaltung.  Gelbes  Krystallpulver. 
Mit  Alkalien  behandelt  entlässt  es  Brom  und  scheidet  aus  KJ  Jod  ab.  Mit 
Alkohol  erwärmt  entsteht  die  Tribrombase. 

Hydrokynurin,  C^gHaoNgOg  (104),  entsteht  durch  Reduction  des  Kynurins 
durch  Natriumamalgam.  Man  wäscht  den  entstandenen  Niederschlag  mit* Essig- 
säure. Er  hinterbleibt  beim  Verdunsten  seiner  alkoholischen  Lösung  als  gelbes 
Pulver  zurück.    Sehr  schwache  Base,  die  sich  schon  gegen  100°  verflüchtigt. 

aß-Dioxychinolin,  ß-Oxycarbostyril  (105),  C9H5(OH)2N.  Schmilzt  man 
ß-Chlorcarbostyril  bei  180—200°  mit  KOH,  so  wird  das  Cl-Atom  durch  die 
Hydroxylgruppe  ersetzt;  die  Schmelze  wird  mit  CO,  behandelt,  um  etwaiges 
Chlorcarbostyril  zu  entfernen  und  auf  Zusatz  verdünnter  H2SO4  fallt  ein  feiner, 
weisser,  krystallinischer  Niederschlag.  Die  Dioxybase  ist  in  den  gewöhnlichen 
Lösungsmitteln  fast  unlöslich;  schmilzt  oberhalb  300°  und  sublimirt  unzersetzt. 
PCI 5  führt  sie  in  aß-Dichlorchinolin  (Schmp.  104°  C.)  über.  Ihre  basischen  Eigen- 
schaften sind  schwach,  denn  sie  fällt  auf  Zusatz  von  Wasser  zu  ihrer  Lösung  in 
conc.  HCl  wieder  aus.  Hingegen  besitzt  sie  starke  Acidität  und  bildet  mit  Alkalien 
gut  charakterisirte  Salze,  man  kennt  femer  ein  leicht  lösliches,  saures  Barytsalz 
und  eini  nicht  lichtbeständiges  Silbersalz.  Die  Lösung  der  Base  in  Ammoniak 
wird  nicht  verändert. 

a^-Dioxychinolin,  7-Oxycarbostyril,  C9H5(OH)2N,  haben  Friedlander  und 
Weinberg  (105)  durch  Schmelzen  des  7-Chlor-  oder  7-Bromcarbostyrils  mit  KOH 
dargestellt;  femer  Baever  und  Bloem  (106)  durch  Erwärmen  der  Orthoamido- 
phenylpropiolsäure  mit  der  10  fachen  Menge  conc.  H3SO4  auf  145°  C.  und  Ver- 
dünnen des  Produkts  mit  Wasser. 

Darstellung:  Y'^l^l^^'  ^^^  y-Bromcarbostyril  tauschen  bei  200^  C.  in  schmelzendem 
KOH  das  Halogenatom  gegen  OH  aus;  es  entstehen  neben  zwei  isomeren  Dioxybasen  etwas 
Indol  und  ein  in  Wasser  löslicher  Körper,  den  FejCl^  intensiv  grün  färbt.  Die  Schmelze  wird 
angesäuert,  der  entstandene  Niederschlag  mit  kochendem  Alkohol  extrahirt,  welcher  a-Oxychino- 
phenol  aufnimmt,  es  hinterbleibt  das 

7-Oxycarbostyril,  welches  aus  heisser  HCl  in  schönen  Nadeln  krystallisirt  und 
bei  320°  noch  nicht  schmilzt.  Ganz  analog  der  ß-Verbindung.  Das  Silbersalz 
ist  sehr  lichtbeständig.  Die  Lösung  der  Base  in  wässrigem  Ammoniak  färbt  sich 
blau;  in  alkoholischem  Ammoniak  scheiden  sich  kleine,  schwer  lösliche,  kupfer- 
glänzende Krystalle  aus.  PCI 5  führt  die  Base  in  a^-Dichlorchinolin  über.  Mit 
HNO,  entsteht  eine  Nitrosoverbindung.  Rothe  Nadeln (?).  Sie  zeigt  die  Lieber- 
MANN'sche  Reaction  nicht. 

a^-Dioxychinolinsulfosäure,  7-Oxycarbostyrilsulfosäure,  (HSO,) 
C9H4(OH)2N  (107),  entsteht  durch  Erhitzen  der  Orthoamidophenylpropiolsäure 
mit  conc.  H2SO4  auf  200 — 220°.  Sie  ist  in  kaltem  Wasser  ziemlich  schwer,  sehr 
leicht  in  heissem  löslich.  Zersetzt  sich  noch  nicht  bei  280°  C.  Das  Baryt-  und 
Silbersalz  sind  leicht  löslich. 

Nitroso-7-Oxycarbostyril,  CgHßNjO,  (108). 

Darstellung:  Zu  einer  Lösung  des  y-Oxycarbostyrils  in  ganz  verdünnter  Na  OH  fügt 
man  etwas  mehr  als  1  Mol.  NaNO,  und  giesst  sie  nach  und  nach  in  kalte  verdünnte  H,SO^; 
der  entstandene,  ziegelrothe  Niederschlag  wird  mit  Wasser  gewaschen,  getrocknet,  und  aus  Alko- 
hol unikrystallisirt. 

Die  Nitrosoverbindung  bildet  orangegelbe,  kleine  Prismen,  die  schwer  in  Wasser, 
kaltem  Alkohol,  Aether,  Benzol  und  Chloroform  löslich  sind.  Schmp.  208°  C. 
(Zersetzung).    Mit  conc.  HCl  gekocht  entsteht  Isatin  und  Hydroxylamin.    Mit  Zn 

36* 


564  Handwörteibnch  der  Chemie. 

und  Eisessig;  reducirt  entsteht  Acetyldioxytetrahydrochinolin.    Mit  SnO,  entstdit 
Trioxychinolin. 

Die  Carbonate  der  Alkalien  und  des  Ammoniaks  lösen  es  mit  smangdgräner, 
Alkalien  mit  rothbrauner  Farbe. 

a7- Acetyldioxytetrahydrochinolin  (108). 

Darstellung:  Zinkstaub  wird  zu  einer  Lösung  des  y-Nitrosooxycaibostyrfl  in  Eisessig 
bis  zur  Entfärbung  unter  Erwärmen  zugesetzt  Die  heisse  Lösung  wird  filtriit  und  mit  don 
gleichen  Volumen  heissen  Wassers  versetzt;  beim  Erkalten  enthält  die  Lösung  hn^e,  faiUose, 
atlasglänzende  Nadeln  der  Hydrobase. 

Die  Verbindung  ist,  wenn  trocken,  luftbeständig,  feucht  entsteht  ein  violettrother  Faibstofi^ 

der  durch  Reduction  wieder  in  die  Muttersubstanz  übergeführt  wird.    In  kaltem  Wasser.  Alkohol 

und  Aether  ist  sie  schwer  löslich,  ziemlich  leicht  in  warmem  Eisessig;  wenig  Alkali  löst  sie  mit 

violetter,   tiberschUssiges  mit  blauer  Farbe.     Säuren  fallen  sie  wieder  aus,  in  anfangs  rödilickeii 

Flocken,  die  nach  und  nach  weiss  werden. 

a 

a-Dioxychinolin(?),  Oxycarbostyril,  CgHjOH-N-OH  (109),  ist  das  Neben- 
produkt des  Carbostyrils  bei  der  Reduction  des  Orthonitrozimmtsäureäthers.  Es  ist  in  den  ge- 
bräuchlichen Lösungsmitteln  etwas  schwerer  löslich  als  das  Carbostyril.  Aus  heissem  Wasser 
kr)'stallisirt  es  in  perlmutterglänzenden  Blättchen  und  sublimirt  in  Nadeln.  Schmp.  190*5®  C 
Beim  Erwärmen  einer  wässerigen  Lösung  der  Base  mit  einigen  Tropfen  HNO,  entsteht  eise 
charakteristische,  intensive  RothfMrbung.  Concentrirte  HNO,  erzeugt  Nitroprodukte,  Brom,  Bnun- 
produkte.  HCl  und  Zn-Staub,  Sn  und  Eisessig  reduciren  es  zu  Carbostyril.  Natrinmamalgam 
erzeugt  ein  hochschmelzendes  Condensationsprodukt.  Bei  der  Einwirkung  von  JodXthyl  auf  das 
Kaliumsalz  entsteht  Aethyloxycarbostyril.  In  alkalischer  Lösung  mit  KMn04  oxvdirt  geht  die 
Base  in  Orthonitrobenzoesäure  über. 

Das  Oxycarbostyril  ist  eine  starke,  einbasische  Säure,  welche  Carbonate  zersetzt  Die 
Alkalisalze  sind  leicht  löslich.  Schwermetalle  bilden  unlösliche  Niederschläge.  Das  Eisenoxyd* 
salz  ist  intensiv  violett  braun,  das  Oxydulsalz  ziegelroth  geförbt. 

Das  Bariumsalz,  (C9HgN0,),Ba,   krystallisirt  in  haarförmigen,  verfilzten,   weissen  Nadeb. 

Aethyloxycarbostyril,  C9Hj(CjH5)NO,,  wird  durch  Einwirkung  von  Jodäthyl  auf  das        | 
Kaliumsalz  des  Oxycarbostyrils  erhalten,  krystallisirt  aus  einer  Mischung  von  Aether  und  Ligrois        | 
in  langen,  prachtvollen,   dicken  Prismen   und  destillirt  unzersetzt.     Schmp.  73^  C     Es  ist  in        ! 
Wasser  unlöslich  und  mit  diesem  nicht  flüchtig.     Durch  saure  Reductionsmittel  bildet  es  Carbo- 
styril. 

Salze:  Chlorhydrat,  CuHuNOj'HCl,  ist  sehr  hygroscopisch  und  wird  durch  Ein- 
leiten von  HCl-Gas  in  eine  ätherische  Lösung  dargestellt 

Platindoppelsalz,  (C^iH,  jN0,-Ha),PtCl4,  krystallisirt  gut. 

a 

a:(?)-Oxychinophenol,  (O H) €9115(0 H)N  (i  10).  Beim  Schmelzen  des  y-Chlor- 
oder  Bromcarbostyril  mit  KOH  entsteht  neben  Y-Oxycarbostyrü  ein  in  Alkohol  lösliches  Isomefcs; 
dieses  wird  aus  heissem  Benzol  unter  Zusatz  von  Ligroin  umkrjrstallisirt  Es  stellt  weisse,  oon- 
centrisch  gruppirte  Nadeln  dar  und  schmilzt  bei  189^  C.  Die  Stellung  des  einen  Hydroxyk  im 
Benzolkem  ist  unbestimmt. 

Silbersalz,  C^H^AgNO,;  ein  in  Wasser  unlösliches,  kiystallinisches,  weisses  Silbeisalf 
von  grosser  Lichtbeständigkeit 

ß-7«a-Trioxychinolin,  ß^-Dioxycarbostyril,  09114(0 H),N  (m)- 
Darstellung:  Nitroso-y-Carbostyril  wird  bis  zur  vollständigen  Lösung  mit  in  conc  HG 
gesättigter  ZinnchlorUrlösung  Übergossen,  dabei  geräth  das  Gemenge  ins  Sieden;  hierauf  faDt 
nach  dem  ZufUgen  eines  gleichen  Volumens  conc.  HCl  beim  Erkalten  ein  farbloses  Zinndoppel- 
salz aus.  Dieses  wird  mit  conc.  HCl  gewaschen,  in  Wasser  suspendirt  und  mit  H^S  zeriegt 
Die  von  SnS  abfiltrirte  Lösung  wird  zum  Sieden  erhitzt  und  bis  zum  Erkalten  ein  rasdie 
O-Strom  hindurchgeleitet,  während  dessen  scheidet  sich  die  Trioxybase  aus. 

Das  ß-if-Dioxycarbostyril  krystallisirt  in  langen,  farblosen  Nadeln,  ist  schwer 


Chinolin.  565 

löslich  in  Wasser,  Aether  und  Benzol,  leicht  in  Alkohol  und  geht  beim  Erhitzen 
auf  260°  C.  in  einen  braunen  Körper  tlber,  der  bei  310®  noch  nicht  schmilzt. 
Durch  FejClg  entsteht  Chinisatinsäure,  d.  i.  Orthoamidophenylglyoxylameisensäure, 
CeH4(NH,)CO-CO.COOH.  Verdünnte  Alkalien  lösen  mit  blauer  Farbe,  diese 
verschwindet  bald  an  der  Luft,  und  es  scheidet  sich  ein  violetter  Niederschlag 
aus.  Versetzt  man  eine  Aether -Alkohollösung  der  Base  mit  wenigen  Tropfen 
Na  OH,  so  fallt  ein  tiefblauer,  flockiger,  gelatinöser  Niederschlag. 

1-Methylchinolin,  SKRAUP'sOrthotoluchinolin,  CHjCgHßN  (112),  wird 
aus  Orthotoluidin,  o-Nitrotoluol,  Glycerin  und  H,S04  wie  das  Chinolin  dargestellt, 
s.  4-Methylchinolin.  Eine  schwach  gelbliche  Flüssigkeit,  stark  lichtbrechend,  ohne 
Einwirkung  auf  Lakmuspapier,  von  brennendem  Geschmack,  riecht  ebenso  wie 
Chinolin;  schwer  löslich  in  Wasser.  Siedep.  247-3— 248*3  bei  751*3  Millim.  Druck, 
spec.  Gew.  bei  0°  =  1*0852,  bei  20°=  ] -0734,  bei  50°=  1*0586.  Erstarrt  nicht 
in  einem  Gemisch  von  fester  CO2  und  Aether.  Durch  Oxydation  mit  KMnO 
entsteht  Chinolinsäure. 

Salze:  Chlorhydrat,  CioHgNHQ  4- 2^1130;  durch  Verdunsten  der  alkoholischen 
Lösung  der  Base  mit  HCl  über  H^SO^  gut  ausgebildete»  strablig  angeordnete  Prismen;  sehr 
flüchtig  ohne  erhebliche  Zersetzung.  Saures  Sulfat,  C^gH^NH^SO^,  entsteht  auf  Zusatz  von 
conc.  HgSO^  zu  einer  Lösung  der  Base  im  doppelten  Volumen  Alkohol;  schneeweisse  Prismen ; 
in  Alkohol  schwer,  in  Wasser  leicht  löslich.  Platindoppelsalz,  (C,  oH9NHCl),PtCl4  -f-  H,0, 
auf  Zusatz  von  PtCl^  zu  einer  Lösung  in  verdünnter  HCl.  Gut  ausgebildete,  dunkelorange- 
gelbe  Prismen,  weit  schwieriger  löslich,  als  das  entsprechende  Chinolindoppelsalz.  Pikrat, 
CißH,NCgH,(0H)(N0,)3;  auf  Zusatz  einer  kochenden,  in  der  Kälte  gesättigten  Lösung  der 
Pikrinsäure  zu  einer  heissen^  weingeistigen  Lösung  der  Base  fallen  nach  und  nach  intensiv 
schwefelgelbe  Blättchen;  schwer  löslich  in  Aether  und  Benzol.  Schmp.  200®  C.  Jodmethylat, 
C,,jH,NCH,J;  beim  Erhitzen  der  Base  mit  überschüssigem  CHjJ  im  geschlossenen  Rohr  bei 
100°  C.  Gelbe  KrystaUe,  leicht  löslich  in  Wasser  und  Alkohol,  schwer  in  Aether;  Aetzkali 
scheidet  in  der  Kälte  ein  fast  farbloses  Oel  ab,  s.  Claus  u.  Himmelmann,  B.  B.  1880,  pag.  2045. 

4-Methylchinolin,  Skraup's  Metatoluchinolin,  CH3C9HgN  (113). 

Reactionsmischung:  42  Grm.  Metatoluidin,  27  Grm.  Metanitrotoluol, 
100  Grm.  Glycerin  und  90  Grm.  conc.  H2SO4;  Operationsweise  wie  beim  Chi- 
nolin. Ausbeute  70#.  Die  Base  ist  eine  stark  lichtbrechende,  schwach  gelbliche 
Flüssigkeit;  bei  20°  C.  noch  nicht  fest.  Siedep.  unter  747  Millim.  Druck,  259*7  corr. 
Spec.  Gew.  bei  0°=  1-0839,  20°=  1-0722,  50°=  1-0576. 

SaUe:  Platindoppelsalz,  (CioH^NHCQjPtCl^  4- 2H,0.  Auf  Zusatr  von  PtQ^  zu 
einer  heissen  Lösung  in  verdünnter  Salzsäure  krystallisiren  orangegelbe,  glänzende  Prismen  aus; 
bei  100— 110^  C.  entweicht  das  Krystallwasser. 

Salzsaures  Sak,  grosse,  wasserhelle  Prismen,  schwer  von  der  Mutterlauge  zu  trennen,  daher 
nicht  analysirt  worden.    Ein  mit  der  Salzlösung  befeuchtetes  Papier  färbt  sich  schön  carminroth. 

Ein  schwefelsaures  Salz  ist  erhalten  worden  auf  Zusatz  von  1  Cbcm.  conc.  H^SO^ 
zu  2'7  Cbcm.  Base  in  5  Cbcm.  Alkohol.  Die  analytischen  Daten  weisen  auf  ein  Gemisch  von 
neutralem  und  saurem  Sulfat  hin. 

Sulfat,  (CioH9N),(HjS04),,  entsteht  beim  Vermischen  von  2*3  Cbcm.  Base  mit  M  Cbcm. 
conc.  HjSO^;  dttnne  Nädelchen^  wasserhaltig,  leicht  verwitternd;  die  Formel  gilt  filr  das  bei 
100<>  getrocknete  Salz. 

Das  Pikrat  bildet  mikroscopische  Prismen,  intensiv  gelb.     Schmp.  206 — 207^  uncorr. 

Jodmethylat,  Ci^H^N'CHjJ  +  ^H^O.  Darstellung  beim  3-Toluchinolin  angegeben; 
aus  verdünntem  Alkohol  in  langen,  spröden,  lichtgelben  Nadeln. 

Jodmethylat,  C^qH^NCHiJ,  scheidet  sich  nach  zweitägigem  Stehen  in  schwach  gelblichen 
Prismen  ab,  wenn  eine  ätherische  Lösung  der  Base  mit  Jodmethyl  in  einem  Rohr  eingeschlossen  wird. 


566  Handwörterbuch  der  Chemie. 

3-Methylchinolin,  Skraup's  Paratoluchinolin,  (CH5)C9HeN  (114)- 

Entsteht  aus  1 : 4-Nitrotoluol  und  1 : 4-Amidotoluol.  Löslichkeitsverhältnisse 
und  sonstige  Eigenschaften  wie  bei  der  l-6ase;  erstarrt  ebenfalls  nicht.  Siede- 
punkt bei  745  Millim.  Druck  257-4— 258'6°  C.  Spec.  Gew.  bei  0°=  1-0815,  bei 
20°=1-0681,  bei  50°=10560.  Durch  Oxydation  mit  KMnO^  entsteht  Chinolinsäure. 

Salze:  Platindoppelsalz.  (CioH9NHa)3Pta4  +  HjO.  In  der  Kälte  fällt  ein  schwach 
gelblicher,  krystallinischer  Niederschlag,  der  aus  verdünnter  Salzsäure  umkrystallisirt  in  licht- 
gelben, haarfeinen  Prismen  erscheint;  das  Krystallwasscr  entweicht  bei  120®  C.  vollständig. 
Saures  Sulfat,  Cj^HgNHjSO^  +  H,0.  Darstellung  und  Verhalten  genau  wie  das  des  Ortho- 
salzes;  verliert  nach  längerem  Stehen  überHjSO^  das  Krystallwasser;  weisse  Prismen.  Chlor- 
hydrat, CjoHgNHCl  +  iHjO,  wie  das  Orthosalz  dargestellt;  verfilzte  Nadeln,  die  schwer  von 
der  Mutterlauge  zu  trennen.  Pikrat,  CioHjNCgHjOHCNOj),,  wie  das  Orthopikrat  ausgefiUlt 
als  ein  Pulver  von  schön  gelber  Farbe,  schwerer  löslich  als  die  Ortho -Doppelverbindung  in 
Alkohol,   in  Aether  und  Benzol  spärlich.     Schmp.  229®  C. 

3-aß7-Methyltrichlorchinolin,      Paratoluchinolintrichlorid, 
»  «Pt 

CH3C9H3CI3N,  haben  Rügheimer  und  Hoffmann  (Berl.  Ber.    Bd.  17,  pag.  739) 

durch   Behandeln   der   Malon-p-toluidsäure    mit  PCI 5    erhalten.     Lange  Nadeln. 

Schmp.  134°  C. 

a 

a-Methylchinolin,  Chinaldin,  C9Hg(CHs)N,  wurde  von  Doebner  und 
Miller  aus  Anilin,  Nitrobenzol,  Glycol  und  HJSO4  zuerst  daigestellt  Man 
kennt  jetzt  viele  Entstehungsweisen  desselben  (115). 

1.  Erhitzen  von  Anilin,  Nitrobenzol,  conc.  H3SO4  mit  Glycol,  Aldehyd,  Paral- 
dehyd,  Crotonaldehyd,  Acetal  und  Milchsäure.  2.  Vermischen  der  wässrigen  Lösung 
des  salzsauren  Anilins  mit  Aldehyd,  Stehenlassen  in  der  Kälte  und  Schmelzen  des 
salzsauren  Salzes  einer  entstandenen,  festen  Base  mit  Chlorzink.  Aldehyd  kann 
durch  Paraldehyd,  Acetal,  Aldol  und  andere  Aldehyd  liefernde  Substanzen  ersetzt 
werden.  Technische  Darstellung.  3.  Reduction  des  Orthonitrobenzylidenacetons 
mit  SnClg  in  salzsaurer  Lösung.  4.  Kochen  des  Orthonitrocinnamylacetessigesteis 
mit  SnCl2.  5.  Behandeln  eines  Gemisches  von  Orthonitrobenzaldehyd  und  Aceton 
mit  Natronlauge  bei  gelinder  Wärme.  6.  Schmelzen  von  Anilin  und  Milchsäure 
mit  Chlorzink.     7.  Erhitzen  des  7a-Oxymethylchinolin  mit  Zinkstaub. 

Darstellung:  Ein  Gemisch  von  1^  Thln.  Paraldehyd,  1  Thl.  Anilin  und  2  Thle.  roher 
HCl  werden  mehrere  Stunden  auf  dem  Wasserbade  erwärmt  Das  salzsaure  Chinolin  wird  zer- 
setzt und  mit  Wasserdampf  übergetrieben.    Dem  Destillat  wird  die  Base  durch  Aether  entzogen  (i  16). 

Diese  stellt  eine,  farblose,  lichtbrechende  Flüssigkeit  dar  von  schwachem 
Chinolingeruch.  Siedep.  238—239°  C.  Sie  kommt  im  Steinkohlentheer  in  ziem- 
licher Menge  vor  (20 — 25^),  kann  aber  durch  Fractioniren  nicht  gewonnen  werden. 

a 

MitHNOj  oxydirt  entsteht  Nitrochinolincarbonsäure,  C9H5(N02)(COOH)N,  mit 

NHCOCH 
KMnO^  Acetanthranilsäure,  CgH^I^roOH       ''   ^°^  ™*  Cr03   und  H2SO4 

a 

a-Chinolincarbonsäure  =  Chinaldinsäure,  C9Hg(C00H)N  (Ber.  15,  pag.  3075). 

Salze:  Das  Chlorhydrat,  Nitrat,  Sulfat,  Acetat  krystallisiren  gut  und  sind  leicht 
löslich.  Platindoppelsalz,  (C2oHgN'HCl)gPtCl4,'  lange,  orangerothe  Prismen,  weniger  lös- 
lich als  das  Chinolinplatinsalz.    Golddoppelsalz,  C^^Hj^N'HCl'AuCl,;  gelber,  krystallinisdicr 

Niederschlag.      Pikrat,    C9H6(CH8)N-CgHj(OH)(N08)8;    hellgelbe    KrystaUe.      In    kaltem 

Wasser    und    kaltem    Alkohol    schwer,    in    heissem   Alkohol    reichlich   löslich.      Bi Chromat, 

a 
[C9Hg(CH,)N]3Cr30yH3;   ausserordentlich  schöne,  gelbrothe  Nadeln.     In  kaltem  Wasser  sehr 

schwer,  in  heissem  Wasser  leicht  löslich.    Jodmethylat,  CjqH^NCHjJ,  wird  durch  Erwäimen 

von  1  Mol.  Chinaldin  und  1  Mol.  CH3J  bei  Wasserbadtemperatur  gewonnen  und  krystallisiit  aas 


Chinolin.  567 

heissem  Alkohol  in  citronengelben,  zolllangen  Nadeln;  leicht  löslich  in  Wasser,  unlöslich  in 
Acther.  Schmp.  195°  C.  KOH  erzeugt  in  der  Wärme  einen  rothcn  Farbstoff.  Ber.  16.  185 1. 
Jodäthylat,  CjoHgNCjHsJ;  strohgelbe  Nadeki,  zersetzt  sich  beim  Erhitzen  auf  226*^  C 

Tetrahydrochinaldin,  C|oHi3N(ii7),  hat  Jackson  zuerst  durch  Reduciren 
des  Orthonitrophenyläthylketon  dargestellt  (118). 

Darstellung:  1  Thl.  Chinaldin,  2  Thle.  conc.  HCl  und  Überschüssiges  Sn  werden 
mehrere  Stunden  auf  dem  Wasserbade  erwärmt;  die  heisse  Lösung  wird  vom  Sn  abgegossen 
und  mit  H^S  entzinnt,  filtrirt,  neutralisirt  und  aus  ihr  die  Hydrobase  durch  Ausschütteln  mit 
Aether  gewonnen. 

Diese  bildet  eine  farblose,  angenehm  riechende  Flüssigkeit,  die  unzersetzt 
siedet,  in  Wasser  schwer,  in  Alkohol,  Aether  und  Benzol  leicht  löslich  ist. 
Siedep.  246—248°  C.  bei  709  Millim.  Druck,  243—246°  C.  bei  699  Millim.  Druck. 

Reactionen:  Charakteristisch  ist  die  blutrothe  Färbung,  hervorgerufen  in 
den  wässrigen  Salzlösungen  der  Hydrobase  durch  Oxydationsmittel  wie  Fe^Clg, 
CrOj,  FeCyßK^.     Salpetrige  Säure  erzeugt  eine  gelbe  Nitrosoverbindung. 

Salze:  Chlorhydrat,  C,^Hi,N,  HCl,  bildet  hübsche  Nadeln.  Platindoppelsalz, 
(Ci^HjjNHCl)2PtQ^,  bildet  hellgelbe  Nadeln.  Soweit  andere  Salze  untersucht  worden  sind, 
krystallisiren  dieselben  und  lösen  sich  grösstentheils  leicht  in  Wasser. 

Methylhydrochinaldin,  Cj^H^gNCHj  (119),  bildet  sich  beim  Erwärmen  der  Hydro- 
base mit  CH,J  und  ist  eine  farblose  Flüssigkeit  Siedep.  245—248**  C.  bei  708  Millim.  Druck. 
Mit  Benzotrichlorid  und  Chlorzink  erwärmt,  entsteht  ein  smaragdgrüner  Farbstoff. 

Salze:    Platindoppelsalz,  (CiiHijNHa)3PtCl4,  ist  in  Wasser  schwer  löslich. 

a-Benzylidenmethylchinolin,  Benzylidenchinaldin,  C^HgN  —  CH 
=  CH  —  CßHj  (120).  Dieses  Condensationsprodukt  haben  Jacobsen  und  Reimer 
durch  Erhitzen  von  Benzaldehyd  oder  Benzalchlorid  und  Chinaldin  mit  Chlorzink 
gewonnen.  Die  Schmelze  wird  in  conc.  HCl  gelöst  und  in  Wasser  eingegossen. 
Es  scheidet  sich  das  Chlorhydrat  aus,  welches  mit  Ammoniak  zerlegt  wird.  Die 
feste  Base  ist  unlöslich  in  Wasser,  schwer  löslich  in  kaltem,  leicht  löslich  in 
heissem  Alkohol,  CS,  und  CHClj.  Nadeln.  Schmp.  99— 100°  C.  Unzersetzt 
sublimirbar.  Mit  Br  entsteht  ein  Additionsprodukt.  Sämmtliche  Salze  sind  in 
kaltem  Wasser  schwer  löslich. 

Salze:  Chlorhydrat,  feine,  gelbliche  Nadeln.  Platindoppelsalz,  (Ci^HuN-HCOaPtCl^ 
^-2H,0.  Pikrat,  CiyHi,NCeH,(OH)(NOj)3  +  2iH,0;  feine,  röthlichgelbe  Nadeln. 
Schwer  löslich  auch  in  siedendem  Wasser. 

Dibrombenzylidenchinaldin,  CgHgN  — CHBr— CHBr  — CgH^,  entsteht  durch  Ein- 
wirkung eines  Molektlls  Brom  auf  die  Base  in  CS, -Lösung.  Es  krystallisirt  aus  Alkohol  in 
weissen,  irisirenden  Blättchen.     Schmp.  173—1740  C. 

Chinophtalon,  Jacobsen's  und  Reimer's  Chinolingelb, 

CsjHfiN  —  CH  =  CjOg  =.CeH^  (120). 

Darstellung:  1  Mol.  Chinaldin  und  1  Mol.  Phtalsäureanhydrid  werden  mit  Chlorzink  auf 
200 0  erhitzt  Die  Schmelze  löst  man  zur  Beseitigung  unangegriffener  Base  und  Säure  bei  100^ 
in  conc.  HgS04  und  giesst  dann  in  die  20  fache  Menge  Wasser.  Der  ausgeschiedene  Farbstoff 
wird  zuerst  aus  Eisessig,  dann  aus  Alkohol  umkiystaUisirt 

Goldgelbe,  sublimirbare  Nadeln.  Schmp.  234—235°  C.  Unlöslich  in  Wasser, 
wenig  löslich  in  Aether,  leichter  in  heissem  Alkohol  und  Eisessig.  Rauchende 
Salzsäure  bewirkt  bei  240°  C.  Spaltung  in  Chinaldin  und  Phtalsäure.  Das  Chino- 
phtalon färbt  ohne  Beize  Seide  und  Wolle  lebhaft  gelb. 

Traue  hat  aus  Cinchoninchinolin  ein  ß-Phtalon  dargestellt,  welches  bei  235°  C. 
schmilzt  und  sonst  in  seinen  Eigenschaften  dem  oben  beschriebenen  Phtalon  ganz 
analog  erscheint.  Doch  muss  das  Experiment  lehren,  welches  Methylchinolin 
im  Cinchoninchinolin  die  Bildung  bewirkt  hat. 


568  Handwörterbuch  der  Chemie. 

«        T 
7a-Oxymethylchinolin,  7-Oxychinaldin,  CgHsCHjOHNCiaa)  (Ber.  17, 

pag.  540- 

Darstellung:  Man  erhitzt  gleiche  Moleküle  Acetessigester  und  Anilin  unter  Lnfkabscfaloss 
einige  Stunden  auf  120^  und  trägt  das  Produkt  (Anilacetessigsäure)  in  conc.  H^SO^  ein  and 
lässt  längere  Zeit  stehen.  Nach  dem  Verdünnen  mit  dem  gleichen  Volumen  Wasser  und  genanem 
Neutralis  iren  unter  steter  Kühlung  mit  Natronlauge,  fällt  die  Base  als  dicker  Niederschlag  aus.  Duicii 
öfteres  Lösen  desselben  in  verd.  H^SO^  und  Neutralisiren  mit  Alkali  wird  sie  rein  weiss  erhalten. 

Die  Oxymethylbase  ist  schwer  löslich  in  Wasser,  leichter  in  heissem  Alkohol, 
unlöslich  in  Aether.  Schmp.  222®  C.  Vorsichtig  erhitzt  destillirt  sie  unzersetzL 
Mit  Zinkstaub  erhitzt  wird  sie  zu  Chinaldin  reducirt  Sie  bildet  mit  Basen  und 
Säuren  Salze.  CO3  fallt  sie  aus  ihrer  alkalischen  Lösung.  Ihr  Chlorhydrat  kiystalli- 
sirt  in  sehr  schönen  Nadeln,  das  durch  Kochen  mit  Wasser  zerlegt  wird.  Ihr  Sul- 
fat, Chloroplatinat  und  Natronsalz  zeichnen  sich  durch  schöne  Kiystallformen  aus. 

laß-Dimethyloxychinolin,        Orthotolu-f-oxychinaldin, 

CH3C9H4CH3OHN,  entsteht  durch  Einwirkung  von  conc.HjSO^  auf  Orthotoluidin 

und  Acetessigester  (Ber.  17,  pag.  542)  dem  7-Oxychinaldin  ganz  ähnlich.  Schmp.  1 85°  C. 

Sa^-Dimethyloxychinolin,  Paratolu-7-oxychinaldin, 

CH3C9H4CH3OHN.    Schmp.  245°  C.    Entsteht  wie  die  Orthoverbindung  (Ber.  17, 

pag.  542). 

p-Naphto-7-oxychinaldin,  Cj^H^NO,  aus  ß-Naphtylamin,  Acetessigester 
und  Schwefelsäure  (Ber.  17,  pag.  542).  Schmp.  200°  C.  Bei  hoher  Temperatur 
unzersetzt  destillirbar.     Nadeln.     Mit  Zn-Staub  erhitzt  entsteht  Naphtochinaldin. 

Cyanine  nennt  man  Farbstoffe,  welche  bei  der  Einwirkung  von  Kaliumhydrat 

auf  ein  Gemisch  gleicher  Moleküle    von  Chinolinalkyljodid   und   irgend   einem 

Methylchinolinalkyljodid   unter   Austritt  eines  Moleküls  Jodwasserstofifsäure    und 

sehr  wahrscheinlich  eines  Moleküls  Wasserstoff  entstehen  nach  folgender  Gleichung: 

CjH.N .  (XJ) -+- Ci 0H9N  (YJ)  =  Gl  9H1 3N,  (X YJ) -h  HJ  4- H,. 

X  und  Y  bedeuten  hier  beliebige  Alkylradikale  (180).  Das  erste  Cyanin  war 
von  Williams  (181)  aus  Ghinolinamyljodid  dargestellt  worden.  Dieses  war  aus 
Cinchoninchinolin  gewonnen  worden,  welches,  wie  ihm  nicht  bekannt  war, 
Lepidin  enthielt.  Hofmann  (182)  hat  den  Farbstoff  genauer  untersucht  und  schloss^ 
dass  er  ein  Gondensationsprodukt  zweier  homologer  Ghinolinalkyljodide  sei.  In 
jüngster  Zeit  haben  W.  Spalteholz  und  Hoogewerff  und  v.  Dorf  (180)  durch  Dar- 
stellung verschiedener  Gyanine  nach  obiger  Gleichung  Hofmann's  Ansicht  bestätigt 

Dimethylcyaninjodid,  CjiHigN,},  entsteht  aus  Ghinolinmethyljodid 
und  Lepidinmethyljodid  (183).  Feine,  grüne  Nadeln  (aus  verd.  Alkohol). 
Schmp.  291°  G.  Wenig  löslich  in  Wasser  mit  rothblauer  Farbe,  die  durch  Ein- 
leiten von  GO2  verschwindet  und  beim  Stehen  an  der  Luft  wieder  erscheint 
Es  löst  sich  in  Säuren  mit  gelber  Farbe  und  wird  von  Ammoniak  unverändert 
wieder  ausgeschieden.  Ghloroform  und  Aceton  lösen  es  wenig,  Benzol  und 
Aether  fast  gar  nicht. 

Diäthylcyaninjodid,  GjjH^jNjJ.  Ghinolinäthyljodid  und  Lepidinäthyl- 
Jodid  (183).     Grüne,  glänzende  Prismen.     Schmp.  271—273. 

Diäthylcyaninjodid,  GjsHjjNJ-h  iH50(?).  Aus  Ghinolinäthyljodid  und 
Ghinaldinäthyljodid  (184).  Rhombische  Prismen  und  zugeschärfte  Tafeln  von 
glänzender,  cantharidengrüner  Farbe. 

Diisoamylcyaninjodid,  G^gH^jN^J,  hat  Hofmann  aus  Ghinolinjodisoamylat 
erhalten  (185).     Orthorhombische,  cantharidengrüne  Tafeln. 


Chinolin.  569 

Cyanin,  C8qH,9N2J,  stellte  Hofmann  aus  Lepidinisoamyljodid  dar  (186). 
Glänzende,  metallgrüne  Prismen,  die  beim  Erhitzen  in  Amylen,  Isoamyljodid  und 
Lepidin  zerfallen. 

Es  sind  ferner  Cyanine  aus  Chinolinalkyljodiden  und  3-Toluchinolinalkyl- 
jodiden  dargestellt  worden  (183). 

f-Methylchinolin.  Williams'  Lepidin,  Weidel's  Cincholepidin, 
CgHß(CHj)N,  (123)  wurde  von  Williams  zuerst  durch  Destillation  des  Cincho- 
nins  mit  Kali  erhalten. 

Weidel  erhielt  es  bei  der  Destillation  der  salzsauren  Tetrahydrocinchonin- 
säure  mit  der  30  fachen  Menge  Zinkstaub  in  einer  Ausbeute  von  58  f. 

Darstellung:  Nach  der  besten  Vorschrift  von  Hoogewerff  und  van  Dorf  destillirt  man 
8  Thle.  Cinchonin  mit  10  Tliln.  Bleioxyd  aus  einer  Eisenretorte.  Aus  der  Fraction  230—300°  C. 
solirt  man  das  Lepidin  als  saures  Sulfat,  welches  aus  Alkohol  umkrystallisirt  und  dann  durch 
Kali  zerlegt  wird  (1  Kilo  Cinchonin  pebt  35  Grm.  Lepidin)  (123). 

Die  Mssige  Base  löst  sich  nicht  in  Wasser,  aber  in  Alkohol  und  Aether, 
besitzt  einen  brennenden  Geschmack  und  einen  chinolinartigen  Geruch.  Bildet 
mit  2H2O  ein  Hydrat  Siedep.  256-8°  C;  256— 258*^;  261— 263°  C.  Bei  der 
Oxydation  mit  CrO.,  und  H2SO4  entsteht  Cinchoninsäure,  mit  KMnO^  Methyl- 
pyridindicarbonsäure,  zuletzt  Pyridintricarbonsäure. 

Salze:  Chlorhydrat^  C^oHgNHQ;  Nadehi.  Nitrat,  CjoHgNHNO,,  feine  Prismen. 
Saures  Sulfat,  CiqH^N'HjSO^  ;  Nadeln,  welche  in  Alkohol  schwer  löslich  sind;  es  entsteht 
auf  Zusatz  von  H^SO^  zur  alkoholischen  Lösung  der  Base.  Bichromat,  (C^oHgN),H,Cr,Oj, 
fiUlt  zuerst  als  Harz,  das  durch  Umrühren  krystallinisch  wird.  Goldgelbe  Nadeln  (aus  heissem 
Wasser).  Pikrat,  CioH9N-CgHjOH(N03), ,  kleine,  gelbe  Nadeln,  beim  Vermischen  der 
warmen,  alkohohschen  Lösung  der  Säure  und  der  Base.  Schmp.  207— 208^  C.  Tartrat, 
CjjjHgN'C^HjOj  +H,0,  analog  dem  vorigen  Salz  bereitet,  verharzt  auf  dem  Wasserbade. 
Platindoppelsalz,  (CioHjNHCOjPtCl^,  ist  in  heissem  Wasser  und  heisser  HCl  löslich. 
PrismenfÖrmige  Nadeln  von  starkem  Glanz  und  gelbrother  Farbe.  Triklin.  Williams  und  Hooge- 
WBRFF  und  VAN  DORP  fanden  2  Mol.  Krystallwasser.  Golddoppelsalz,  CjoHgN-HCl-AuClj. 
Löslichkeit  analog  der  Pt-Verbindung.  Lichtgelbe,  glänzende,  anscheinend  monokline,  prismen- 
förmige  Nadeln.  Schmp.  188—190*^  C.  Zersetzung  tritt  beim  längeren  Erwärmen  auf  100—  1 10°  C. 
ein.  Silberdoppelsalz,  (CjQHgN)jAgNOj,  entsteht  durch  Erwärmen  der  Base  mit  verdtlnnter 
Silbemitratlösnng.     Weisse  Nadeln,  welche  schon  auf  dem  Wasserbade  schmelzen  (123). 

Jodisoamylat,  CioHgN-CjHi  J. 

Dilepidin,  CjoHi^Nj,  erhielt  Williams  bei  der  Einwirkung  von  lO^Natrium- 
amalgam  auf  Lepidin  in  der  Siedhitze.  Eine  Flüssigkeit  Das  Nitrat,  CjoHi^Nj- 
HNO3,  krystallisirt  in  scharlachrothen  Krystallen  (126). 

Lepamin,  CjoHjjN,  (124),  wird  nach  Williams  gewonnen,  wenn  das  bei 
der  Darstellung  des  Jodisoamylats  neben  diesem  entstehende,  in  Wasser  unlös- 
liche Produkt  längere  Zeit  mit  Alkalien  gekocht  wird.  Es  ist  eine  Flüssigkeit. 
Siedep.  275°  C.  Dampfdichte  =  10-4  (ber.  =  10-4).  Jodäthyl  giebt  eine  ölige 
Substanz,  welche  mit  Kali  destillirt  eine  flüssige  Base  liefert 

Chlorhydrat,  C3oH,,N,-(HCl),;  schwer  löslich.     Schmp.  unter  100°. 

Platindoppelsalz,  [Cj^,H,,N3-(HCl),]PtCl4;  klebriger,  zersetzlicher,  in  Alkohol  lös- 
licher Niederschlag. 

Nitrolepidin,  C9H5(CH3)(N02)N  (125),  wird  dargestellt  wie  das  Nitro- 
chinolin.     Rhombische  Täfelchen  (aus  Alkohol).     Schmp.  125— 127°  C. 

Platindoppelsalz,  [CioH8(NO,)N-HCl]j,PtCl4. 

Amidolepidin,  C9H5(CH3)(NH2)N  (125),  ist  das  Reductionsprodukt  des 
Nitrolepidins  mit  Sn  und  HCl.    Schmp.  74°  C.    Es  löst  sich  in  verdünnten  Säuren 


S70  Wandwörterbuch  der  Chemie. 

mit  gelber  Farbe.  In  Wasser  ziemlich  leicht  löslich.  In  verdünnter  HjSO^  ge- 
löst giebt  es  mit  Kaliumbichromat  eine  dunkelrothe  Färbung. 

Platindoppelsalz,    [CioHg(NHj)N-Ha],PtCl4,    ist  in  kalter,   verdünnter  HQ  lödich. 

Iridolin,  CjoH^N  (127),  fand  Williams  im  Steinkohlentheer;  es  siedet  bei 
252—257°  C.  Spec.  Gew.  =  1072  bei  15°  C.  Es  wird  wohl  mit  dem  Lepidin 
identisch  sein. 

Cryptidin,  Dimethylchinolin  (?),  (CH3)2C9H5N  (128).  Nach  Leeds  wird 
Xylidinacrolein  in  kleinen  Portionen  destillirt,  das  gesammelte  Destillat  durch 
Filtriren  durch  ein  nasses  Filter  von  Wasser  getrennt  und  auf  100°  bis  zum  con- 
stanten  Gewicht  getrocknet.  Zur  Reinigung  wird  das  salzsaure  Salz  dargestellt; 
die  dicke,  übelriechende  Mutterlauge  wird  abgegossen.  Die  Krystalle  werden 
durch  Pressen  zwischen  Fliesspapier  gereinigt,  in  wenig  Wasser  wieder  ge- 
löst, filtrirt  und  die  Lösung  zur  Krystallisation  gebracht;  dieses  Verfahren  wird 
bis  zur  völligen  Reinheit  der  Substanz  wiederholt  Man  zersetzt  nun  mit  wenig 
Kalilauge,  wäscht  das  Oel  mit  Wasser,  filtrirt,  trocknet  bei  100°  C.  und  destillin. 
Siedep.  270°.    Williams  fand  im  Steinkohlentheer  ein  Cryptidin.    äedep.  275°  C 

Salze:  Chlorhydrat,  CjjHjjNHa,  feine,  dünne,  farblose,  tafelförmige  Krystalle,  die 
unter  theilweiser  Zersetzung  sublimirbar  sind. 

Platindoppelsalz,  (Ci,HiiNHCl)3PtCl4,  feine,  gelbe  Krystalle. 

3:2oder  3:4-Dimethylchinolin,  09X15(0 H3)2N,  hat  Berend  nach  Skralt»*s 
Methode  aus  Orthoxylidin  1:2:3  dargestellt.  Eine  gelbliche  Flüssigkeit.  Siede- 
punkt 273—274°  0.  Mit  rauchender  H^SO^  behandelt  entsteht  eine  Sulfosaure, 
welche  bei  265—266°  schmilzt  und  in  der  Kalischmelze  eine  mit  Wasserdämpfen 
flüchtige  Oxybase  liefert 

Salze:    Das  Ohloroplatinat   und   das   neutrale  Sulfat   sind   denjenigen    des 

3-Toluchinolin  ganz  analog.     (S.  Berl.  Her.    Bd.  17  Juliheft.) 

1  « 

Dimethylchinolin,  a:l-OrthomethylchinaldinDöBNER's,  (0H,)C9H5(CH,)N 

(129). 

Darstellung:  Wird  in  gleicher  Weise  wie  das  Giinaldin  aus  Orthotoluidin  und  Paraldeliyd 
gewonnen.  Siedep.  252^  C.  Farblose  Flüssigkeit,  die  sich  am  Licht  bräunt,  in  Wasser  wenig 
löslich,  sich  mit  Wasserdämpfen  verflüchtigt  und  sich  in  Alkohol  und  Aether  leicht  löst. 

Salze:  Bichromat,  (CjiHiiN)3Cr,07H,,  krystallisirt  aus  heissem  Wasser,  in  dem  es 
leicht  löslich  ist,  in  orangegelben  Prismen.  Platindoppelsalz,  (Cj,Hj  jNHCQjPtCl^,  bildet 
hellgelbe,  in  Wasser  schwer  lösliche  Nadeln. 

Hydroverbindung,  CHjCiqHjjN,  bildet  sich  wie  das  Hydrochinaldin ;  ÜBrblose  FlOssig- 
keit;  Siedep.  260—262"  C     Fe^Qg  erzeugt  in  ihren  Salzlösungen  blutrothe  Färbung. 

Salze:  Chlorhydrat,  CjjHijNHCl;  Nadehi;  in  HQ  schwer  löslich.  Platindoppcl- 
salz, (C,jHj5NHCl)jPta4;  braunrothe,  runde  Aggregate  ganz  feiner,  concentrisch  grappirter 
Nadeln.      Methylverbindung,     CjjHi^NCH,,     entsteht    durch    Erwärmen    der    Base    mit 

CH  J  u.  s.  w.    Siedep.  242—2450  C. 

t  « 

a3-Dimethylchinolin,  Paramethylchinaldin,  (OH3)09H5(OH3)N(i3o), 

wird  aus  Paratoluidin  und  Paraldehyd  gewonnen.  Grosse,  farblose,  mehrere 
Oentimeter  lange,  rhombische  Prismen.  Schmp.  ca.  60°  0.  Siedep.  266—267°  C 
Die  Base  riecht  ausgesprochen  nach  Anis,  ist  in  heissem  Wasser  schwer,  in  Alko- 
hol, Aether  und  Benzol  leicht  löslich. 

Salze:  Das  Chlorhydrat,  Nitrat,  Sulfat  und  Acetat  sind  in  Wasser  leicht  löslich. 
Bichromat,  (CnHnN),Cr307Hj;  eigelbe,  lange  Nadeln,  die  in  kaltem  Wasser  schwer,  in 
heissem  leichter  löslich  sind.  Platindoppelsalz,  (Cj^HuN,  Ha)jPtCl^ ;  fieist  farblose,  feine 
Nadeln,  die  in  kaltem  Wasser  sich  nicht,  in  heissem  schwer  lösen.  Hydrobase,  CH^C^^Hj^K. 
Darstellung  wie  die  der  Orthohydrobase ;  farblose,  leicht  bewegliche  Flüssigkeit.    Siedep.  267^  C 


Chinolin.  571 

Wasser  löst  sie  schwer,  Alkohol  und  Aether  leicht     In  den  Salzlösungen  der  Base  ruft  FejClg 

eine  rothe  Färbung  hervor. 

.  4  a 

a4-Dimethylchinolin,  Methylchinaldin,  (CH3)C9H5(CH3)N  (131). 
Darstellung  bei  den  isomeren  Basen  angegeben.  Farblose  Nadeln.  Schmp.  61  ^^  C. 
Siedep.  264 — 265°  C;  in  Wasser  schwer,  in  Alkohol,  Aether  und  Benzol  leicht 
löslich. 

Salze:   Chlorhydrat,  Nitrat,  Sulfat  leicht  löslich.    Bichromat,  (CjiHuN),Cr,07.H3, 

krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  zolllangen,  orangerothen,  derben  Nadeln.    Platin  doppelsalz, 

(CjjHnNHCOjPtCl^,  bildet  kleine,   hellgelbe,   zu  BüscheUi  gruppirte  Nadeln,  die   in  Wasser 

schwer  löslich  sind. 

ß 
ß-Aethylchinolin,  C9H6(CaH5)N  (132).     Die  Darstellung  aus  Chloräthyl- 

chinolin  entspricht  ganz  derjenigen  des  Chinolins  aus  Dichlorchinolin.     Die  Base 

verhält  sich  ähnlich  dem  Chinolin.     Siedepunkt  noch  nicht  festgestellt. 

Platindoppelsalz,  (CiiHiiN-HCl)2PtCl4,  wird  aus  sehr  verd.  HQ  umkiystallisirt;  in 
heissem  Wasser  ziemlich  leicht,  in  kaltem  sehr  schwer  löslich,  in  Alkohol  unlöslich.  Die  aus 
Wasser  gewonnenen  kurzen,  orangegelben  Krystalle  scheinen  Krystallwasser  zu  enthalten. 

ß       « 

aß-Chloräthylchinolin,  CjHß-CjHjClN  (132).    Wird  wie  das  Dichlorchinolin 

durch  Einwirkung  von  PQj  auf  Aethylhydrocarbostyril  erhalten,  mit  der  Modification,  dass  man 

die  Flüssigkeit  vor  dem  Uebertreiben  mit  Wasserdampf  mit  Soda  neutralisirt.     Die  Aethylbase 

ist  in  den  gewöhnlichen  Lösungsmitteln,  Wasser  ausgenommen,  leicht  löslich.    Schmp.  72 — 73°  C. 

Sie  ist  eine   schwache  Base.     Das  schön   kiystallisirende  Platinsalz   ist  in  Alkohol  leicht  löslich 

und  wird  durch  heisses  Wasser  zersetzt. 

«  ß 

Aethylcarbostyril,    aß-Oxyäthylchinolin,    C9Hß<OH)(C8H5)N    (132). 

Diese  Verbindung  verbleibt  bei  der  Darstellung  des  Chloräthylchinolins  nach  dem  Abtreiben  mit 

Dampf  als  krystaUinischer  Rückstand,  der  aus  heisser,  verd.  HCl  gereinigt  wird.    Schmp.  168°  C. 

Das  Platinsalz  wird  durch  Wasser  zersetzt. 

Dispolin,  CuHi,N  (133),  ist  eine  ölige  Base,  welche  Williams  aus  dem  Cinchonin- 
destillat  isolirte.     Siedep.  (?)°  C.     Platindoppelsalz,  (CiiHiiNHCl),PtCl^. 

Tetrachlordispolin,  CuH^a^N  (134);  als  solches  wird  ein  von  Zorn  Tetrachlor- 
kiyptidin  genanntes  Qilorirungsprodukt  des  Hydrocinchonins  in  salzsaurer  Lösung  angesprochen. 
Von  dem  gleichzeitig  entstehenden  Hexachlorhydrocinchonin  wird  es  durch  alkoholfreien  Aether 
getrennt,  worin  dieses  sich  nicht  löst.  Feine  Nadeln.  Schmp.  135°  C.  Unlöslich  in  Wasser, 
schwer  löslich  in  Aether,  sehr  leicht  in  Alkohol.     Mit  Wasserdämpfen  flüchtig. 

Tetrachinolin,  Ci,HijN. 

Pentachinolin,  CjjHijN. 

Isolin,  Cj^Hj^N. 

Ettidin,  CijHjgN. 

Validin,  CisHjiN. 

Diese  ftinf  flüssigen  Basen  hat  Williams  bei  der  trocknen  Destillation  des  Cinchonins  er- 
halten und  durch  UeberfÜhren  in  ihre  Platinsalze  getrennt  (135)* 

3-Phenylchinolin,  CßHjCgHgN  (136).  Stellte  La  Coste  nach  Skraup's 
Methode  aus  Paraamidodiphenyl,  Nitrobenzol  u.  s.  w.  dar.  Die  nach  dem  Verjagen 
des  Nitrobenzols  alkalisch  gemachte  Flüssigkeit  wird  mit  Aether  ausgezogen  und 
der  nach  dem  Verdunsten  desselben  verbleibende  Rückstand  aus  Petroleumäther 
umkrystallisirt. 

Die  Phenylbase  bildet  farblose,  zu  Rosetten  vereinigte  rhombische  Tafeln. 
Schmp.  108 — 109°  C.  Sie  ist  mit  Wasserdämpfen  nicht  flüchtig  und  soll  bei  hoher 
Temperatur  unzersetzt  destilliren.     Leicht  löslich  in  verdünnter  Salzsäure. 

Das  salzsaure  Salz  bildet  eine  harzartige  Masse. 

Platindoppelsalf,  [C9Hg(C5H5)NHCl]2PtCl4;  orangegelbes,  krystallmisches  Pulver, 


57«  Handwörterbuch  der  Chemie. 

a 

a-Phenylchinolin,  C9Hß(C6H5)N  (137),  wurde  zuerst  von  Döbner  und  von 
Miller  durch  Erwärmen  von  Zimmtaldebyd,  Anilin  und  rauchender  HCl  anf 
200—220°  C.  dargestellt.  Grimaux  gewann  es  durch  Erhitzen  eines  Gemisches 
Zimmtaldebyd,  Anilin,  Nitrobenzol  und  H^SO^.  Frtedländer  und  Göhring  be- 
reiteten es  nach  folgender  Methode: 

Man  erwärmt  eine  Lösung  von  Orthoamidobenialdehyd  und  etwas  überschüssigem  AcetoplienOD 
in  verdünntem  Alkohol  kurze  Zeit  mit  einigen  Tropfen  Natronlauge.  Das  überschüssige  Aceto- 
phenon  und  der  Alkohol  werden  verjagt  und  durch  Na  OH  aus  der  rohen  angesäuerten  Losoog 
die  Base  gefällt,  die  aus  verdünntem  Alkohol  umkrystallisirt  wird. 

Zolllange,  seideglänzende  Nadeln.  Schmp.  84°  C.  Die  Base  ist  in  den  ge- 
bräuchlichen Lösungsmitteln  und  in  Säuren  löslich,  hingegen  fast  unlöslich  in 
Wasser  und  schwierig  flüchtig  mit  Wasserdämpfen. 

Salze:  Platindoppelsali,  (Ci5HnN.Ha)jPtCl4;  gekrümmte,  gelbe  Nadeln,  in  heissem 
Wasser   kaum   löslich.      Bichromat,    Cj  jH-^^N^H^Cr^O,;    sehr   charakteristische,    goldgelbe 

Blättchen.  . 

p 

ß-Phenylchinolin,  C9Hß(CßH5)N(i38),  entsteht  nach Friedlämder  und  GöHRUtc, 
auf  Zusatz  von  wenig  Natronlauge  zu  einer  Lösung  von  Phenylessigsäurealdehyd  und  Orthoamido- 
benzaldehyd  in  verdünntem  Alkohol.  Man  reinigt  dasselbe  durch  Umkrystallisiren  des  ziemÜck 
schwer  löslichen,  salzsauren  Salzes  aus  verd.  HQ  von  Zersetzungsprodukten  des  Phenylaod- 
aldehyds.     Natronlauge  fällt  die  Base  als  farbloses,  in  der  Kälte  erstarrendes  Oel. 

Die  Base  löst  sich  leicht  in  den  gebräuchlichen  Lösungsmitteln  und  ist  mit 
Wasserdämpfen  schwer  flüchtig. 

Salze:    Chlorhydrat,  CuHuN-HCl;  feine,  weisse  Nadeln.     Schmp.  ca.  93®  C. 

Platindoppelsalz,  (CijHnN-HCOjPtCl^;  feine,  gelbe,  in  kaltem  Wasser  onlöslicbe 
Nadeln. 

Flavolin,  a7-Phenylmethylchinolin,  CjHjCgHgCHjN  (139).  Zu  seiner 
Darstellung  werden  2 — 4  Grm.  Flavenol  mit  der  10  fachen  Menge  Zn-Staub  innig 
gemischt  und  bei  dunkler  Rothgluth  destillirt;  die  tibergegangene  Base  trennt 
man  von  Flavenol  mit  Natronlauge,  nimmt  sie  in  Aether  auf,  trocknet  mit  KOH 
und  destillirt.  Bei  360°  geht  ein  hellgelbes  Oel  über,  welches  in  der  Kälte- 
mischung zu  schönen,  farblosen,  viereckigen,  dicken  Tafeln  erstarrt,  die  aus 
Ligroin  zu  reinigen  sind.  Schmp.  64 — 65°  C.  Geruch  der  Base  in  der  Wäimc 
an  Chinolin  erinnernd.  Durch  KMnO^  geht  sie  in  eine  Methylchinolincarbon- 
säure  über. 

Salze:  Chlorhydrat,  Cj^Hj^NHCl;  krystallisirt  aus  einer  Auflösung  der  Base  in  staiker 
HCl  in  langen,  farblosen  Prismen.  Platindoppelsalz,  (CieH|,NHCl),ltCl4;  rötfalicfagelbe 
Nadeln,  schwer  löslich  in  Wasser.  Pik  rat,  schöne,  gelbe  Blättchen,  äusserst  schwierig  lösücfa 
in  siedendem  Alkohol.     Chromat,  sehr  schwer  löslicher,  gelbrother  Niederschlag. 

Mononitroflavolin,  Orthonitrophenylmethylchinolin,  C5H5CJH4 
(N02)CH,N  (139).  Ein  röthlichgelber  Körper,  der  neben  anderen  Nitroprodukten 
beim  Digeriren  des  in  der  10  fachen  Menge  rauchender  Salpetersäure  gelösten 
Flavolins  bei  20—  60°  C.  erhalten  wird.  Reducirt  man  ihn  mit  Zink  und  Eisessig 
so  erhält  man  das  bekannte  Flavanilin. 

Flavanilin,  a^-Orthoamidophenylmethylchinolin, 

C9H5(CeHlNH,)(CH3)N  (140). 

Darstellung:    Man  erhitzt  mehrere  Stunden  Acetanilid  mit  Chlorzink  auf  250 — 270^  C 

Die  Rohschmelze  wird  mit  HCl  ausgekocht,   und  der  Farbstoff  durch  Aussalzen  unter  Zusatz 

von   etwas  Natriumacetat  abgeschieden  und  gereinigt.     Auf  Zusatz  von  Ammoniak  oder  ADcali 

'  zur  verdünnten,  wässerigen  Lösung  des  Flavanilinsalzes  entsteht  ein  milchiger  Niederschlag;  amck 

kurzer  Zeit  finden  sich  in  der  Flüssigkeit  lange,  üarblose  Nadeln  der%eien  Base. 


Giioolin.  573 

Diese  ist  in  Wasser  sehr  schwer  löslich,  leicht  dagegen  in  Alkohol.  Aus 
Benzol  gewinnt  man  sie  in  zoUlangen,  weissen  Prismen.  Schmp.  97°  C.  Die 
Base  bräunt  sich  rasch  an  der  Luft,  ist  bei  hoher  Temperatur  unzersetzt  flüchtig 
und  gegen  Reductionsmittel  sehr  beständig.  Sie  wird  auch  erhalten,  wenn  Ortho- 
amidoacetophenon  mit  Chlorzink  auf  230°  C.  erhitzt  wird.  In  ihren  einfach  sauren 
Salzen  bildet  die  Base  rothgelbe  Farbstoffe  mit  prächtiger,  moosgrüner  Fluorescenz. 
Salpetrige  Säure  verwandelt  Flavanilin  in  Flavenol. 

Salze:  Zweifach  salzsaures  Salz,  CjgHj^N22HQ.  Man  löst  die  Base  in  verd. 
HCl  und  giesst  die  nicht  zu  verdünnte  Lösung  in  conc.  HCl;  nach  einiger  Zeit  fallen  farblose 
Nadeln,  die  in  Wasser  unter  Dissociation  leicht  löslich  sind.  Versetzt  man  die  Lösung  dieses 
Salzes  mit  etwas  essigsaurem  Natron  und  Na  Gl,  so  scheidet  sich  das  einfach  saure  Salz  in  gelb- 
rothen  Prismen  mit  blaurothem  Oberflächenschimmer  ab. 

Platindoppelsaz,  (CigHj^N,,  2HQ)PtCl4,  entsteht  auf  Zusatz  einer  heissen  Lösung 
der  Base  in  conc.  HCl  zu  einer  siedenden  Platinchloridlösung;  schwer  löslicher,  krystallinischer 
Niederschlag. 

Aethylflavanilin,    Jodhydrat,    CigHijNjCCgHJHJ.     Entsteht   durch   Erhitzen    der 

Base  mit  Jodäthyl  unter  Druck  bei  110°  C.    Der  Röhreninhalt  wird  aus  verd.  JH  umkrystallisirt 

Lange,  rubinrothe  Nadeln.    Ammoniak  fällt  Aethylflavanilin  als  farbloses  Harz.    Phenylflavanilin 

entsteht  durch  Erhitzen  der  Base  mit  Uberschtlssigem  Anilin  und  etwas  Benzoesäure. 

«  T 

Flavenol,  a7-Orthooxyphenylmethylchinolin,  C9H5(CgH40H)CH3N 

(141). 

Darstellung:  Flavanilin  wird  in  Überschüssiger  HCl  gelöst  und  stark  mit  Wasser  ver- 
dünnt, durch  Eis  gekühlt  und  mit  einem  geringen  Ueberschuss  vonNaNO,  versetzt.  Man  ver- 
treibt durch  einen  kräftigen  CO^-Strom  Spuren  von  salpetriger  Säure  und  kocht  rasch  auf;  so- 
bald die  N-Entwicklung  aufgehört  hat,  versetzt  man  mit  conc.  HCl.  Nach  dem  Erkalten  scheidet 
sich  salzsaures  Flavenol  in  farblosen,  büschelförmig  vereinigten  Nadeln  ab;  man  gewinnt  durch 
Zersetzung  demselben  mit  Ammoniak 

das  Flavenol,  welches  aus  Alkohol  sich  in  prächtigen,  farblosen,  irisirenden 
Blättchen  abscheidet,  die  unzersetzt  sublimiren.  Schmp.  238°  C.  Diese  Base  ist 
sowohl  saurer  als  auch  basischer  Natur,  löst  sich  ohne  Färbung  in  verdünnter 
Natronlauge,  dagegen  ist  sie  fast  unlöslich  in  Ammoniak.  Mit  KMnO^  in  alka- 
lischer Lösung  oxydirt  entsteht  entweder  Methylchinolincarbonsäure  (7  a)  oder 
Picolintricarbonsäure.     Mit  Zinkstaub  destillirt  entsteht  Flavolin. 

Salze:  Das  Chlorhydrat  und  Sulfat  sind  krystallwasserhaltig.  Das  Platindoppel- 
salz  ist  schwer  löslich;  gelbe  Nadeln.  Die  Alkalisalze  sind  intensiv  geförbt  Das  Natronsalz 
bfldet  schöne,  gelbe  Blättchen,  das  Ammoniaksalz  prächtige,  goldgelbe  Tafeln. 

Acetylflavenol,  C9H5CgH4(OC,HjO)CH,N,  wird  erhalten  durch  einstündiges  Kochen 
von  Flavenol  mit  Essigsäureanhydrid ;  das  Reactionsprodukt  wird  mit  Wasser  verdünnt  und  mit 
Alkali  neutralisirt;  die  ausgeschiedenen  Flocken  werden  aus  Alkohol  umkrystallisirt.  Lange, 
prächtige  Nadeln  oder  schmale  Blättchen.     Schmp.  128'' C. 

1-Chinolinmonocarbon Säure,  Orthochinolinbenzcarbonsäure, 
(COOH)C9HgN  (142),    wird  neben   der  Metasäure   beim  Verseifen  des  rohen 
Cyanchinolins  gewonnen,  ebenso  nach  folgender 

Darstellung:  9  Grm.  o-Nitrobenzoesäure,  15  Grm.  Amidobenzoesäure,  20  Grm.  Glycerin 
und  25  Grm.  H^SO^  werden  3  Stunden  erhitzt  Entgegen  dem  der  Darstellung  der  3.  und  4. 
Carbonsäure  befolgten  Verfahren  wird  die  in  Wasser  gelöste  Reactionsmasse  mit  BaCl,  genau 
aosgeÜQlt  und  das  Filtrat  von  BaSO^  auf  dem  Wasserbade  bis  zum  dünnen  Syrup  eingedampft; 
nach  längerem  Stehen  erscheinen  feine  Nädelchen  der  salzsauren  Säure,  welche  sich  durch  Zusatz 
von  Alkohol  vermehren  lassen.  Ausbeute  3—4  Grm.  Man  krystallisirt  wiederholt  aus  salzsäure- 
haltigem, sehr  verdünnten  Alkohol  unter  Zusatz  von  Thierkohle  um.  Da  die  salzsaure  Carbon- 
sänre  durch  Wasser  nicht  zersetzt  wird,   so  theilt  man  eine  Lösung  derselben  in  zwei  Theile; 


574  Handwörterbuch  der  Chemie. 

der  eine  Theil  wird  mit  so  viel  Ammoniak  versetzt,  bis  die  sich  ausscheidenden  Nadeln  völÜf 
verschwinden  und  dann  mit  dem  anderen  Theile  vereinigt  Die  Flüssigkeit  gesteht  zu  einem 
Brei  weicher  Nadeln,  welche  aus  Wasser  umkrystallisirt  werden. 

Die  freie  Säure  scheidet  sich  aus  concentrirten  Lösungen  wie  die  Ben7x>esäuie 
in  weissen,  weichen,  aus  verdünnten  Lösungen  federartig  verästelt  anschiessenden 
Nadeln  ab.  Schmp.  186— 187-5®  C.  Ohne  Zersetzung  sublimirbar.  In  kaltem 
Wasser  und  Alkohol  ist  sie  merklich,  in  der  Hitze  leicht  löslich.  Alkalien  und 
Säuren  nehmen  sie  leicht  auf.     Mit  Aetzkalk  erhitzt  entsteht  Chinolin. 

Reactionen:  Die  wässerige  Lösung  erzeugt  mit  Fe^Cl^  schwache  Gelbfäri»ung,  mit 
FeSO^  nichts;  mit  Ammoniak  neutralisirt  entstehen  mit  Ag- und  Pb-Salzen  weisse,  kr^-stallinisclie 
Niederschläge,  Co-Salze  fallen  fleischrothe  Nädelchen,  Ni-Salxe  leicht  apfelgrüne  Schüppchen, 
Fe^Clg  bräunliche  Flocken,  in  ein  gelbes  Pulver  übergehend.  K,Cr,Of,  lange,  gelbe  Nadeln. 
Das  charakteristische  Reagenz  ist  FeSO^.  Es  färbt  die  Ammonsalzlösung  im  ersten 
Moment  dunkelpurpurroih,  gleich  darauf  scheidet  sich  unter  Entfärbung  der  Lösung  ein  purpor- 
rothes  bis  purpurbraunes,  krystallinisches  Pulver  ab. 

Salze:  Chlorhydrat,  CjoH^NOj.HCl;  glänzende  Prismen  (aus  verdünnter  HCl),  in 
kaltem  Wasser  ziemlich  löslich.  Alkohol  und  HCl  vermindern  die  Löslichkeit  (CjoH^NO^HCl, 
basisches  Salz,  entsteht  beim  Verdunsten  einer  heiss  bereiteten  Lösung  des  neutralen  SaUes  io 
grossen,  glänzenden,  iriklinen  Prismen.  100 -001  =  76** 50';  010-001  =  68**  12';  100: 010=^86*' 6'. 
Schmelzbar  nach  001. 

Platindoppelsalz,  (Cjo^r^^a^^)!^^^!«  *  auf  Zusatz  von  PtCl«  zur  fast  kochenden 
Lösung  der  Säure  in  verdünnter  Salzsäure  scheiden  sich  feine,  orangegelbe  Nädelchen  ab,  die 
in  Wasser  schwer,  in  heisser,  nicht  zu  verdünnter  Salzsäure  leichter  löslich  sind;  aus  letzterer 
fallen  sie  als  rothe  Kömer  aus. 

Silbersalz,  C^oH^NO^Ag;  entsteht  durch  Fällen  der  sehr  verdünnten  AmmonsalzIOsnag 
als  ein  weisses,  grobkrystallinisches  Pulver;  sonst  als  gallertartige  Masse. 

Jodmethylat,  C^He(COOH)N.CH,J;  feine,  goldgelbe  Nadehi.  Mit  Ag,0  behandeb 
hinterlässt  das  Filtrat  von  AgJ  bei  freiwilligem  Verdunsten  einen  schwach  röthlichen,  kiystalli- 
nischen  Rückstand.  Dampft  man  aber  das  Filtrat  ein,  so  erhält  man  die  ursprüngliche  Säure 
wieder. 

3-Chinolinmonocarbonsäure,  Parachinolinbenz carbonsäure, 
s 
(COOH)C9HßN;    Darstellung  wie  bei  der  1 : 4-(meta)  Säure,  doch  scheiden  sich 

beim  Erkalten  der  Reactionsmasse  allmählich  feine  Krystalle  ab,  die  vor  Zusatz 
von  Aetzbaryt  abgesaugt  und  mit  wenigem  Wasser  gewaschen  werden.  Die 
Säure  stellt  ein  leichtes,  weisses  Pulver  dar,  welches  unter  dem  Mikroskop  ge- 
sehen aus  vierseitigen  Täfelchen  besteht;  in  Wasser  ausserordentlich  schwer,  doch 
leichter  löslich  als  die  1:4-Säure,  reichlicher  in  heissem  Alkohol,  sehr  leicht  in 
verdünnten  Säuren  und  Alkalien.  Im  Capillarrohr  sintert  sie  bei  260°  C,  erweicht 
um  280°  C.  und  verflüssigt  sich  bräunend  bei  291—292°  C.  Zerfällt  mit  Aetzkalk 
erhitzt  in  CO^  und  Chinolin. 

Reactionen:  In  Wasser  suspendirt  weder  mit  Fe^Cl^  noch  FeSO^  eine  FHrbung.  Das 
AmmonsaU  giebt  folgende  Niederschläge:  mit  AgNO,,  weiss,  in  der  Hitze  pulverig,  in  der 
Kälte  gelatinös;  Co(NOj),,  röthlich  flockig;  Ni(NO,),,  grünlich  flockig;  KjCrO^,  nach  einigem 
Stehen  gelb,  körnig  krystallinisch;  Cu(C,H,0^)2,  grünlich  blau,  wenig  kiystallinisch ;  FeSO«. 
grünlich  flockig;  BaCl,!  sofort  weisse,  kurze  Nadeln;  CaCl,,  nach  einiger  Zeit  weisse  KiystaD- 
fUden. 

Salze:  Kupfersalz  [(C,oHgNO,)^Cu+2H,0,  basisch?],  entsteht  durch  rasches Hinzofttgen 
von  Kupferacetat  zu  einer  heissen,  höchst  concentrirten  Lösung  der  salzsauren  Säure  und  Kochen, 
bis  die  amorphe  Fällung  krystallinisch  geworden.  Mikroskopische  Blättchen,  lichtblaogrQn. 
Silbersalz,  CjoHgNO^Ag,  ganz  analog  dem  Silbersalz  der  1:4-Säure,  ohne  Krystallwasscr. 
Kalksalz,  (C,oHeNOj),Ca-h2H,0;  man  kocht  die  in  Wasser  suspendirte  Säure  mit  CaCO,; 
Filtrat  scheidet  weisse,  dünne  Prismen  ab.     Im  kalten  Wasser  schwer,  etwas  leichter  in  heissem 


Chinolin.  575 

Wasser  löslich.  Chlorhydrat,  CnjHyNOjHa-f  HjO.  Dies  Hydrochlorat  erscheint  in  zwei 
Formen,  als  lange,  weiche,  durchsichtige  Krystallnadeln  und  als  weisses,  krystallinisches  Pulver; 
die  erste  Form  verwandelt  sich  in  die  andere  bei  längerem  Verweilen  m  der  Mutterlauge; 
Verhalten  sonst  der  4  Salzsäureverbindung  gleich.  Platindoppelsalz,  (CioHyNOjHCl)3PtCl4, 
fallt  zuerst  in  kreuzförmig  vereinigten  Nadeln,  welche  in  grosse,  röthliche  Blätter  übergehen. 
4- Chinolin monocarbonsäure,  Metachinolinbenzcarbonsäure, 

(COOH)C9HgN  (144),  entsteht  aus  Cyanchinolin  neben  der  Orthosäure  und  durch  5  stündiges 
Erhitzen  von  18  Thln.  Metanitrosäure,  30  Thln.  Metaamidosäure,  50  Thln.  Glycerin  und  40  Thln. 
HjSO^;  die  Reaction  tritt  bei  140 — 145°  C.  ein;  die  Menge  wird  mit  Wasser  verdünnt,  mit 
Ba(OH),  genau  neutralisirt,  ein  etwaiger  Ueberschuss  durch  CO,  beseitigt,  rasch  filtrirt,  das 
Filtrat  mit  Silbersalzlösung  gefällt.  Rasche  Filtration  und  Auswaschen  wegen  eintretender  Zer- 
setzung durch  fremde  Körper  unbedingt  nöthig.  Ausbeute  ca.  50^.  Die  Silbemiederschläge  in 
verdünnter  Salzsäure  suspendirt,  mit  HjS  zerlegt;  durch  öfteres  Umkrystallisiren  in  salzsäure- 
haltigem .Wasser  oder  Alkohol  unter  Zusatz  von  Thierkohle  gereinigt. 

Die  sublimirte  Säure  stellt  ein  überaus  leichtes,  mikrokrystallinisches  Pulver 
von  blendend  weisser  Farbe  oder  auch  ein  wollartiges  Gebilde  dar;  die  gelallte, 
ein  körnig  krystallinisches  Pulver;  nicht  löslich  in  Aether,  Benzol,  Schwefelkohlen- 
stoff; in  Wasser  spurenweise,  in  Alkohol  sehr  schwer,  leicht  in  verdünnten  Säuren 
und  Alkalien.     Siedepunkt  über  dem  Siedepunkt  der  Schwefelsäure. 

Reactionen:  Eine  neutrale  Lösung  der  Säure  in  Ammoniak  wird  von  AgNO,  weiss,  fein- 
pulverig gefällt;  vonBleiessig  weiss,  flockig,  der  Niederschlag  wird  beim  Kochen  kiystallinisch, 
löslich  in  verdünnter  Essigsäure,  aus  der  dann  wieder  Wärzchen  anschiessen;  CaCl,  erzeugt 
augenblicklich  weisse  Nadeln;  BaCl,  auch  bei  grösster  Concentration  nichts;  Cobaltnitrat 
nach  einigem  Stehen  rosagefärbte  Prismen  (sehr  charakteristisch);  Nickelnitrat,  lichtgrUner 
Niederschlag,  anfangs  flockig,  später  kiystallinisch ,*  Kupferacetat,  lichtgrUn,  amorph,  allmählich, 
besonders  beim  Erwärmen,  in  schöne,  blauviolette  Krystalle  übergehend;  Eisenchlorid,  gelb- 
flockig; Eisenvitriol,  grünlich  amorph,  Kaliumbichromat,  gelbkömig. 

Salze:  Silbersalz,  Cj^HgAgNO, -f- 2HjO;  feines,  weisses  Pulver,  in  Wasser  schwer 
löslich,  rein  vollkommen  weiss  und  gegenLicht  wenig  empfindlich.  Kupfersalz,  C^ g^e^^a^"^^ 
-|-2HgO,  basisches  Salz,  blauviolette,  mikroskopische  Blättchen;  in  Wasser  und  überschüssigem 
Kupferacetat  unlöslich.  Krystallwasser  entweicht  bei  200°  C.  Kalksalz,  [(CioH6NO,)3Ca], 
-J-CiqHjNO, -4- 6HgO,  lange,  weisse  Nadeln,  verlieren  bei  200°  ihren  gesammten  Wassergehalt. 
Chlorhydrat,  C10H7NO3HCI+ l^HjO,  lange,  farblose  Nadeln,  trocken,  ziemlich  luft- 
beständig; mit  Wasser  zusammengebracht  scheidet  sich  Carbonsäure  aus  und  HCl  wird  firei 
(80— 90J);  salzsäurehaltiges  Wasser  und  absoluter  Alkohol  lösen  unzersetzend.  Platindoppel- 
salz, (CioHyNOjHa)jPtCl^.  Auf  Zusatz  von  PtQ^  erscheinen  nach  einiger  Zeit  schöne, 
gelbe  Kryställchen,   unter  dem  Mikroskop  als  strahlig  gruppirte  Blättchen  sich  zeigend;  einmal 

gebildet,  schwer  löslich  in  Wasser  und  verdünnter  HCl. 

a 

a-Chinolinmonocarbonsäure,  Chinaldinsäure,  C9Hg(COOH)N-f-H20 
(145),  entsteht  durch  Oxydiren  von  10  Grm.  Chinaldin  mit  28  Grm.  CrO,  und  40  Grm.  conc. 
HjSO^  in  100  Cbcm.  H,0  auf  dem  Wasserbade  während  4 — 5  Tagen,  bis  alle  CrOg  reducirt 
ist  Mit  Ammoniak  gefällt,  im  Filtrat  mit  berechneter  Menge  Ba(OH)3  die  HjSO^  gefällt; 
beide  Niederschläge  sind  auszukochen.  Aus  der  von  BaSO^  getrennten  Flüssigkeit  werden 
Chinaldin  und  NH3  mit  Wasserdampf  entfernt  und  das  in  ihr  enthaltene  Ammonsalz  ins  Baryt- 
salz verwandelt,  dieses  genau  mit  H^SO^  zerlegt,  das  Filtrat  zur  Krystallisation  eingedampft. 
Aus  40  Grm.  Base  8  Grm.  Säure. 

Die  Säure  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  asbestähnlichen,  farblosen 
Nadeln,  welche  in  der  Kälte  schwer  löslich  sind;  sie  verliert  schon  beim  Liegen 
an  der  Luft  das  Krystallwasser;  trocken  schmilzt  sie  bei  156**,  weiter  erhitzt  zer- 
fällt sie  glatt  in  CO2  und  Chinolin. 

Salze:  Sulfat,  CjoHyNOjHjSO^  ?  in  Wasser  leicht  löslich.  Nitrat,  CjoHyNOjHNO,, 
ixi  salpetersäurehaltigem  Wasser  in  der  Kälte  schwer,  in  der  Hitze  leicht  löslich ;  schöne  Prismen. 


Sy6  Handwörterbuch  der  Giemie. 

Chlorhydrat,  CioHjNOjHQ  +  HjO;  in  Wasser  ziemlich  schwer  löslich;  aus  heissem,  salx- 
säurehaltigem  Wasser  in  Jossen,  wohlausgebüdcten  Tafeln.  B i Chromat,  (Cj j,HyNO,),H,Cr,Oy, 
fällt  auf  Zusatz  von  CrO,  als  krystallinisches  Pulver;  aus  heissem  Wasser  rothe,  warzenförmige 
Krystalle.  Pikrat,  CjoHyNOjCgH^OHCNO,),,  lange,  gelbe,  büschelförmig  vereinigte  Naddn, 
in  heissem  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich.  Platindoppelsalz,  (Cj^HyNOjHCQjPtQ^ 
-I-2H3O;  aus  heisser,  salzsaurer  Lösung  in  messbaren,  tafelförmigen  Krystallen.  Die  Alkalisalze 
sind  in  Wasser  leicht  löslich.  Calciumsalz,  Ca(CiQHgN02),,  auf  Zusatz  von  CaClj  zur 
Lösung  des  Ammoniaksalzes;  weisser  Niederschlag.  Kupfersalz,  Cu(CioHjNO,)j  -h  2H,0; 
Zusatz  von  CuSO^  zur  wässerigen  Säurelösung;  mikrokrystallinischer,  blaugrttner  Niederschlag; 
in  verdünnten  Mineralsäuren  schwer  löslich.  Silbersalz,  Ag(Cn,HßNOj)-f-(Cij,HyNO,)NO,H 
-^H.^O;  aus  heisser  Silbemitratlösung  in  seideglänzenden  Nadeln;  lichtbeständig. 

(?)  « 

Nitrochinolincarbonsäure,  (N03)C9Hß(COOH)N  (146). 

Darstellung:  20  Grm.  Chinaldin  werden  mit  200  Grm.  conc.  HNO,  (spec.  Gew.  1'4)  $0 
lange  gekocht,  bis  in  einer  Probe  Ammoniak  ein  Niederschlag  erzeugt  wird,  der  im  Ueberschoss 
des  Fällungsmittels  sich  wieder  löst,  was  etwa  in  40  Stunden  eintritt;  die  eingedampfte,  donkel- 
gelb«  Lösung  wird  in  Wasser  gegossen.  Es  scheidet  sich  eine  gelbe,  spröde,  harzartige  Masse 
ab,  welche  von  der  Flüssigkeit  getrennt  wird;  aus  letzterer  gewinnt  man  mit  Aetfaer  noch  Sub- 
stanz, welche  mit  der  Ausscheidung  zu  vereinigen  ist;  diese  löst  man  in  conc.  HQ,  filtrirt  von 
Harzen  ab  und  dampft  zur  Trockne  ein;  der  Rückstand  scheidet  sich  aus  kochendem  Wasser  in 
farblosen  Krystallen  ab. 

Die  Säure  schmilzt  bei  219—220°  C,  ist  schwer  löslich  in  kaltem,  leicht  in 
heissem  Wasser.     Krystalle  zwillingsartig  verwachsen. 

Salz:  Silbersalz,  C^oH,AgN204,  f^t  als  ein  in  Wasser  schwer  lösliches,  farbloses, 
krystallinisches  Pulver  auf  Zusatz  vonAgNO,  zur  neutralen  wässrigen  Lösung  des  Ammonsalzes. 

ß 

ß-Chinolinmonocarbonsäure,  C9He(COOH)N  (147),  entsteht  durch  Er- 
hitzen von  Acridinsäure  auf  120 — 130°  oder  durch  Oxydation  von  ß-AethylchinoIin. 

Darstellung:  Man  löst  3  Thle.  Aethylchinolin  in  einer  hinreichenden  Menge  verdllnnter 
H^SO^,  erwärmt  auf  dem  Wasserbade  und  tropft  nach  und  nach  eine  Lösung  von  3*5  Thln. 
CrO,  in  15  Thln.  Wasser  und  mit  der  zur  Bildung  des  schwefelsauren  Chromoxyds  erforder- 
lichen Menge  H3SO4  hinzu.  Nach  Reduction  der  CrO,  fagt  man  zur  Lösung  Barytwasser  im 
Ueberschuss,  der  durch  CO,  beseitigt  wird;  man  kocht  noch  einige  Zeit,  um  intactes  Aethyl- 
chinolin zu  verjagen  und  gelösten,  doppelt  kohlensauren  Baryt  zu  zerlegen,  und  filtrirt;  das 
Filtrat  wird  eingeengt  und  der  Baryt  mit  H^SO^  ausgefällt.    Aus  dem  conc  Filtrat  scheidet  sich 

die  ß-Carbonsäure  fast  rein  aus.  Kleine,  undeutliche,  gelbe  Tafeln.  Schmeb- 
punkt  271 — 272°  C.  unter  Zersetzung;  schwer  löslich  in  kaltem,  leichter  in  heissem 
Wasser,  ziemlich  leicht  in  heissem  Alkohol.  Mit  CaO  geglüht  entsteht  aßß'-Pyridin- 
tricarbonsäure. 

Salze:  Chlorhydrat,  C9H6N(COOH)Ha,  lange,  farblose,  in  Wasser  leicht  löslidie 
Nadeln.  Pikrat,  C^HeNCOOHCsHgOHCNO,),;  lange,  feine,  glänzende  Nadek.  Sdimp. 
bei  216°  (Zersetzung).  Platindoppelsalz,  [C9HgN(COOH)HCl],PtCl4,  derbe,  orang^elbe, 
concentrisch  gruppirte  Nadeln  oder  röthlich  gelbe  Tafeln.  Beträchtlich  löslich  in  kaltem,  leicht 
in  heissem  Wasser.  Kupfersalz,  (CjHgNC 00) jCu,  blaugrün.  Silbersalz,  C^H^NCOOAg, 
sehr  kleine,  weisse  Prismen,  in  kochendem  Wasser  etwas  löslich. 

Cinchoninsäure,  WEiDEL'sY-Chinolinmonocarbonsäure,  CgH^COOHN 
(148),  entsteht  bei  der  Oxydation  des  Cinchonins  mit  HNO3,  CrOj  undKMn04; 
bei  der  Oxydation  des  Cinchonidins,  Cinchotenins  und  Cinchotenidins  mit  CrOj, 
ferner  bei  anhaltendem  Kochen  des  Lepidins  mit  CrO 3  und  HjSO^. 

Darstellung:  Zu  einer  siedenden  Losung  von  50  Grm.  Cinchonin  mit  160  Grm.  conc 
H,SO^  in  1^  Liter  Wasser  wird  eine  Lösung  von  110  Grm.  CrO^  tropfenweise  zufliessen  ge- 
lassen.   Man  regelt  den  Zufluss  derart,  dass  die  Farbe  der  Flüssigkeit  nicht  zu  stark  gelblich  ist. 


Chinolm.  577 

Nach  beendigter  Oxydation  wird  in  der  nodi  heissen  Flüssigkeit  das  Chrom  mit  NH,  gefällt. 
Das  Filtrat  wird  etwas  eingedampft,  genau  neutralisirt,  mit  Cu(C2HgOj),  versetzt  und  noch 
einige  Zeit  erwärmt.  Das  ausgeschiedene  Kupfersalz  wird  mit  kaltem  Wasser  gewaschen,  in 
heissem  Wasser  suspendirt  und  durch  H^S  zersetzt 

Die  reine  Säure  kiystallisirt  in  feinen  Nadeln  mit  1  Mol.  H^O  oder  in 
monoklinen  Tafeln  oder  Prismen  mit  2  Mol.  HjO.  Letztere  sind  monoklin. 
a:^:r  =  0-35085: 1:0-54122;  ör  =  82°16'.  Die  Krystalle  beider  Modificationen 
verlieren  ihr  Wasser  bei  100**  C,  erweichen  bei  235 — 236°  C,  und  schmelzen  bei 
253—254°  C,  sind  unlöslich  in  Aether,  sehr  schwer  löslich  in  Wasser  und  Alkohol, 
leichter  in  säurehaltigem  Wasser.  Starke  Säure,  welche  aber  auch  mit  Säuren 
Salze  giebt  KMn04  verwandelt  sie  in  a-Pyridintricarbonsäure  (a-ß-Y).  HNO3 
lässt  zuerst  Chinolinsäure,  dann  Cinchomeronsäure  entstehen.  Beim  Glühen  mit 
CaO  entstehen  Chinolin  und  etwas  p-Dichinolylin.  Mit  KOH  geschmolzen  ent- 
steht ttY-Oxycinchoninsäure. 

Salze:  Kaliumsalz,  KCjoHgNOj -h-J^HjO,  entsteht  durch  vorsichtiges  Sättigen  der 
Säure  mit  KOH.  Blumenkohlartige  Krystallvegetationen.  Calciumsalz,  Ca(C^QH^N0,)2 
H-(1^H,0?),  kann  enti»-eder  durch  Absättigen  mit  Ca  CO,  oder  Versetzen  der  Ammonsalzlösung 
mit  CaCl,  erhalten  werden.  Glänzende,  prismatische  Krystalle,  in  kaltem  Wasser  fast  unlöslich. 
Skraup  fand  kein  Krystallwasser.  Kupfersalz,  Cu(CioHgNO,)j.  Setzt  man  Cu(CjHjO,)j  zur 
wässerigen  Lösung  der  Säure,  so  scheidet  sich  dieses  sehr  charakteristische  Salz  in  dunkelveilchen- 
blanen  Blättchen  aus,  die  in  kaltem  und  heissem  Wasser  gleich  schwer,  in  verdünnten  Mineral- 
sauren  leicht  löslich  sind.  Silbersalz,  AgC^oH^NO,;  schlägt  sich  auf  Zusatz  von  AgNO, 
zur  Ammonsalzlösung  nieder;  undeutlich  krystallinisch,  in  heissem  Wasser  fast  unlöslich.  Feine 
Nädelchen,  wenn  CO,  langsam  in  eine  ammoniakalische  Lösung  des  Silbersalzes  geleitet  wird. 
Sulfat,  (CnjHyN0,)jH,S04;  lange,  schwach  gelbliche  Prismen,  durch  Wasser  leicht  zersetz- 
lich.  Chlorhydrat,  C^qH^NO,,  HQ,  besitzt  denselben  Habitus  und  gleiches  Verhalten  wie 
das  Sulfat.  Nitrat,  Ci^H^NO,,  HNO,;  feine,  strahlig  gruppirte  Nadeln  oder  grosse,  derbe 
Prismen.  Platindoppelsalz,  (C,oHyNO,Ha),PtCl^  (i49);  krystallisirt  aus  viel  heisser  HCl 
in  prächtig  glänzenden,  triklinen  Krystallen.    <i:^:^=  1*9622:1: 1*3590.     Wasser  zersetzt  es. 

«         ß 
aß-Chlorchinolincarbonsäure,  C9H5CICOOHN,   entsteht  durch  Erwärmen 

der   oß-Oxychinolincarbonsäure  mit  PQ,   auf  140®  C     Weisse  Nadehi.     Schmilzt  bei   200 <*  C, 

dabei  z.  Th.  CO,  und  Chlorchinolin  bildend.    Durch  Kochen  mit  alkoholischem  Kali  bildet  sich 

Aethoxylchinolincarbonsäure. 

ttY-Chlorchinolincarbonsäure,  a-Chlorcinchoninsäure,  Ci^HgClNOj 
(150),  entsteht  durch  Erwärmen  der  ay-Oxysäure  mit  5  Thln.  PCI5  bei  100—120°.  Das 
Produkt  wird  in  Wasser  eingegossen,  mit  Soda  und  Thierkohle  gekocht;  das  Filtrat  wird  mit 
HCl  versetzt  und  der  Niederschlag  aus  kochendem  Alkohol  umkrystallisirt. 

Die  gechlorte  Säure  besteht  aus  kurzen,  weissen  Nadeln.  Mit  JH  und  P  auf  180°  erwärmt 
entsteht  eine  Base.    Mit  Wasser  im  geschlossenen  Rohr  auf  170°  erhitzt  wird  die  Oxysäure  regenerirt. 

Tetrahydrocinchoninsäure,  C^jHiiNO^  (151);  ist  bislang  noch  nicht 
in  freiem  Zustande  dargestellt  worden;  die  meisten  Umwandlungen  sind  mit  ihrer 
Sälzsäureverbindung  vorgenommen  worden.  Bei  der  Destillation  über  Zinkstaub 
entsteht  Cincholepidin  -=  7-Methylchinolin.  Beim  Erhitzen  mit  einem  Gemisch  von 
Vitriolöl  und  conc.  HjSO^  auf  180—220°  C.  entsteht  ein  Gemenge  von  Disulfo- 
und  Trisulfocinchoninsäure. 

Darstellung:  20  Grm.  Cinchoninsäure,  10  Grm.  SnCl,,  28  Grm.  Sn  und  100  Grm. 
conc.  HCl  werden  erhitzt;  die  Lösung  färbt  sich  orangegelb,  nach  einigen  Minuten  entfärbt  sie 
sich  wieder  und  die  Reaction  ist  dann  beendigt  Der  Ueberschuss  der  Salzsäure  wird  auf  dem 
Wasserbade  verjagt  und  das  Zinn  mit  H,S  gefällt;  das  Filtrat  wird  in  einer  Retorte  im  CO, 
oder  H-Strom  eingedampft;  die  ausgeschiedenen  Krystalle  der  salzsauren  Verbindung  werden  aus 
Wasser  unter  Zufügen  von  Thierkohle  umkrystallisirt 

Laoenburg,  Chemie.    11.  ^j 


57&  HanclwÖrterbuch  der  Chemie. 

Salie:  Chlorhydrat,  CioHijNO,HCl -f-  l^KjO;  monoklineKry staue;  ar^ir  =  0*9321: 
l:l-9425-ß=  90^41'.  Das  Salz  ist  ia  kaltem  und  warmem  Wasser  leicht  löslich,  anch  m 
Alkohol.    Fe^Gg  färbt  die  wässerige  Lösung  braungrün,  dann  grün,  schliesslich  tritt  Entfärbung  ein. 

Platindoppelsalz,  (CioHnNOjHC^jPtCl^;  dunkelgelbe  Blättchen  auf  ZusaU  von PlQ, 
zu  einer  mit  wenig  HQ  versetzten  wässerigen  Lösung  der  salzsauren  Verbindung. 

Nitrosotetrahydrocinchoninsäure,  CiqHio(NO)NOj  (152),  gewinnt  man  durch ßn- 
tragung  von  AgNO,  in  eine  heisse,  verdünnte  Lösung  der  salzsauren  Hydrosäure.  Beim  Er« 
kalten  scheidet  sich  die  Nitrosoverbindung  ab ;  sie  ist  ziemlich  zersetzlich.  Kleine,  zarte,  gelblidi- 
weisse,  glänzende,  prismenförmige  Nadeln,  die  sich  in  kaltem  Wasser  fast  nicht,  in  heissem  Wasser, 
Alkohol  und  Aether  leicht  lösen. 

Acetyltetrahydrocinchoninsäure,  CioHio(C,H,0)NO,  (152).  Die  vollständig  ge- 
trocknete, salzsaure  Hydrosäure  wird  mit  der  40  fachen  Menge  Acetylchlorid  im  geschlossenen 
Rohre  auf  100°  erhitzt,  bis  Lösung  eingetreten  ist;  der  Ueberschuss  von  Acetylchlorid  wird  ab- 
destillirt;  nachdem  auf  dem  Wasserbade  die  letzten  Reste  des  Chlorids  verjagt  sind,  giebt  min 
zu  dem  Syrup  etwas  Alkohol,  wodurch  alsbald  dieser  kry stallin isch  erstarrt.  Die  Krystalle  werden 
aus  verdünntem  Weingeist  und  dann  aus  Wasser  rein  erhalten.  Durch  Eindunsten  Ober 
HjSO^  erhält  man  stark  glänzende,  fast  farblose  Individuen  des  rhombischen  Systems, 
a:^:^  =  0*8477 :  l:0*5696.  Die  Acctoverbindung  verbindet  sich  nicht  mit  Säuren  und  Pta^. 
Die  bis  jetzt  bekannten  Metallsalze  sind  alle  leicht  in  Wasser  löslich. 

Calciumsalz,  [CioH9(C,H30)NO,]3Ca  +  2H,0;  weisses,  glanzloses  Pulver,  aus  raiter 
dem  Mikroskop  sichtbaren,  vierseitigen,  zugespitzten  Prismen  bestehend;  man  gewinnt  es  durch 
Versetzen  der  wässrigen  Lösung  mit  Ca  CO,. 

Methyltetrahydrocinchoninsäure,  CioHiq(CH3)NO,  -h  HjO  (152); 
feingepulverte,  absolut  trockne,  salzsaure  Hydroverbindung  wird  mit  Methylalkohol  befeuchtet, 
im  Rohre  mit  der  dreifachen  Menge  Jodmethyl  3 — 4  Stunden  auf  IQO*'  erhitzt  Es  bilden  sich 
zwei  Schichten;  die  leichtere,  bräunliche  wird  verdunstet,  die  ausgeschiedenen  KrystaUnideln 
werden  von  der  Mutterlauge  getrennt,  aus  Wasser  umkrystallisirt  und  durch  Aether  von  etmügem 
Harz  befreit. 

Zur  Darstellung  der  freien  Säure  wird  eine  kalte,  ziemlich  verdünnte  Lösung  dieser  KiystaBe 
so  lange  mit  aufgeschlämmtem  Ag^O  versetzt,  bis  durch  einen  Ueberschuss  desselben  der  Nieder- 
schlag von  weiss  in  braun  umschlägt.  Man  leitet  in  das  Filtrat  H^S  ein  und  concentrirt  staik, 
um  Spuren  von  Ag^S  abzuschneiden;  bei  weiterer  Concentration  erscheinen  farblose,  wavdlit- 
artige  Nadeln,  die  nur  noch  einmal  aus  Alkohol  umzukrystallisiren  sind. 

Die  Hydromethylsäure  ist  eine  schwache  Säure,  welche  kohlensaure  Salze  fast  nicht  zu  zer- 
legen vermag.  In  Wasser  zerfliesslich,  in  Alkohol  sehr  leicht  löslich,  nur  spurenweise  in  Benzol, 
Aether,  Chloroform.     Schmp.  169 — 170°;  bei  100°  erleidet  sie  schon  theilweise  Zersetzung. 

Chlorhydrat,  C^jH,  o(CHj)N03HCl  +  H,0;  grosse,  vollkommen  farblose,  demanl- 
glänzende  Krystalle,  welche  staurolithartige  Durchkreuzungszwillinge  bilden.  Monoklin.  a:iu 
=  1-2955: 1:1- 1925  ß  =  93°  25'  5".  Platindoppelsalz,  [CjioHio(CH,)NO,HCl]jPta4; 
grosse,  gelbrothe,  stark  glänzende  Krystalle  mit  sehr  starker  Flächenkrümmung.  Jodhydrat, 
CjoHio(CH,)NO,.HJ  +  HjO;  farblose,  stark  glänzende  Krystalle.  Monoklin.  a'Mt 
=  1-3104: 1:11417;  ß  =  90°46'6". 

1 17-  Sulfochinolincarbonsäure,  a  -  Sulfocinchoninsäure  Weidel's» 
CioHe(srf03)NO,H-H,0  (153). 

Darstellung:  10  Grm.  wasserfreie  Cinchoninsäure,  mit  20  Grm.  P3O5  tmd  20  Gm. 
Vitriolöl  gemischt,  werden  in  geschlossenem  Rohr  auf  170 — 180°  C.  erhitzt  Die  zihe,  brann- 
gelbe, durchsichtige  Masse  wird  in  150  Cbcm.  Wasser  eingetragen;  die  Sulfosäure  ftllt  aas. 
Diese  wird  von  der  Mutterlauge  abgesaugt,  mit  Eiswasser  von  den  Mineralsäuren  getrennt  and 
aus  siedendem  Wasser  unter  Zusatz  von  Thierkohle  umkrystallisirt  Aus  der  Mutterlauge  wird 
der  Rest  gewonnen,  indem  man  dieselbe  mit  Barytwasser  neutraUsirt;  es  fallen  die  anorganisdieo 
Barytsalze.  Das  Filtrat  wird  mit  Bleizucker  versetzt  und  das  Bleisalz  in  der  Siedehitze  durdi 
Hj|S  zerlegt.     Ausbeute  70^. 


Chinolm.  57^ 

Die  Sulfosäure  ist  unlöslich  in  kaltem  Wasser,  Alkohol,  Aether,  Chloroform 
und  Benzol,  siedendes  Wasser  bringt  sie  erst  allmählich  in  Lösung.  Ihre  Krystalle 
sind  farblos,  stark  glänzend,  sublimiren  und  schmelzen  nicht.  System:  triklin. 
ä:^:^  =  20470:1:0-9954.  Das  Krystallwasser  entweicht  bei  100°  C.  Beim 
Schmelzen  mit  Kali  wird  a-Oxycinchoninsäure  gebildet.  Erhitzt  man  die  Sulfo- 
säure mit  rauchender  H2SO4  auf  250°,  so  geht  sie  in  die  ß-Sulfosäure  über. 

Salze:  Kaliumsalz,  Cj^gHjKgNSO^ ,  seideglänzende  Nadeln,  durch  Absättigen  der 
Säurelösung  mit  KOH;  einmal  abgeschieden  sehr  schwer  löslich.  Ammoniumsalz, 
CjoH4(NH4)jNS05  4-2H20,  entsteht  durch  Verdunsten  einer  Auflösung  der  Säure  in  verd. 
Ammoniak  im  Vacuum  in  grossen,  stark  glänzenden  Tafeln,  die  in  Wasser  ungemein  leicht,  in 
Alkohol  schwierig  löslich  sind.  Monoklin,  a:^:f  =  M9: 1:3*53;  ß  =  95°14'.  Calciumsalz, 
CjoHjCaNSOj  -+- 2-JHjO,  wird  gewonnen  durch  Versetzen  der  Ammonsalzlösung  mit  CaCl, 
oder  durch  Sättigen  der  Säurelösung  mit  Ca  CO,  in  Krystallnadeln,  die  anscheinend  monoklin 
sind.  Das  Krystallwasser  lässt  sich  erst  bei  240 — 260^  C.  völlig  vertreiben.  Bariumsalz, 
Cj^HjBaNSOj  +  SHjO;  dargestellt  wie  das  Ca-Salz  mit  BaClj  oder  BaCOj.  Harte,  grosse, 
weisse,  glänzende  Krystalle  des  triklinen  Systems.  a\b\c^  3*6890 : 1 :  1*2303.  2 Mol.  Krystallwasser 
entweichen  bei  150°  C,  das  dritte  zwischen  260—280'*  C.  Kupfersalz,  CiqHjCuNSOsH-HjO. 
Anf  Zusatz  von  Cu(C2H303)2  zur  Ammonsalzlösung  scheiden  sich  bei  massiger  Wärme  meer- 
grüne Kryställchen  ab,  die  in  Wasser  kaum  löslich  sind  und  bei  150 — 160°  wasserfrei  werden. 
Bleisalz,  Cj^HjPbNSOj -i-HjO,  fällt  nach  einigen  Tagen  auf  Zusatz  von  Bleizucker  zu  einer 
sehr  verdtinnten  Säurelösung  in  langen,  feinen,  seideglänzenden,  in  Kugelform  vereinigten  Nadeln, 
die  in  Wasser  unlöslich  sind  und  bei  190°  ihr  Krystallwasser  verlieren. 

3:7-Sulfochinolincarbonsäure,  ß- Sulfocinchoninsäure  Weedel's, 
Ci,He(SH03)NO,4.2H20  (154). 

Darstellung:  4  Grm.  getrocknete  y :  1-Sulfocinchoninsäure  werden  mit  16  Grm.  starken 
Vitriolöls  gemischt  8—10  Stunden  im  geschlossenen  Rohr  auf  260—270°  erhitzt.  Die  Masse 
wird  in  Wasser  eingegossen  und  löst  sich  in  demselben  auf,  falls  die  Reaction  vollständig  war, 
anderenfalls  muss  von  der  ausgeschiedenen  yil-Sulfosäure  abfiltrirt  werden.  Nun  wird  mit  PbCO, 
nur  der  grösste  Theil  der  HjjSO^,  etwa  90 #,  gebunden  und  filtrirl;  das  Filtrat  wird  auf  ein 
kleines  Volumen  gebracht.  Die  Sulfosäure  scheidet  sich  alsdann  in  Btlscheln  langer,  feiner 
Nadeln  ab;  diese  werden  in  Wasser  gelöst  und  in  der  Wärme  mit  wenig  verdünnter  Bleiessig- 
lösnng  versetzt,  um  H^SO^  und  Färbesubstanz  völlig  zu  entfernen.  Nach  Filtration  wird  das 
ttberschUssige  Blei  mit  HgS  gefällt  und  die  vom  PbS  getrennte  Flüssigkeit  zur  Krystallisation 
eingedampft;  es  erschemen  alsbald  gelblich  weisse,  prächtig  glänzende,  wavellitartige  Nadeln,  die 
nochmals  unter  Zusatz  von  Thierkohle  umkrystallisirt  zur  völligen  Farbloslgkeit  gebracht  werden. 
Ausbeute  72  f. 

Die  Sulfosäure  kann  sehr  hohe  Temperatur  vertragen ;  sie  hat  einen  äusserst 
bitteren  Geschmack  und  färbt  Lackmus  intensiv  roth.  Mit  KOH  geschmolzen 
liefert  sie  ß-Oxycinchoninsäure. 

Reactionen:  Bleizucker  fällt  weder  in  der  Kälte  noch  in  der  Wärme;  Bleiessig  er- 
zeugt einen  voluminösen  Niederschlag,  der  im  Ueberschuss  des  Fällungsmittels  als  auch  in  Blei- 
zucker sich  löst;  Kupferacetat  zur  siedenden  concentrirten  Lösimg  gegeben,  ruft  einen  schönen, 
krystallinischen,  lichtblauen  Niederschlag  hervor;  Silbernitrat  lässt  einen  weissen,  krystallini- 
schen,  lichtbeständigen  Niederschlag  fallen.  CaCl,  und  BaCl,  geben  weder  in  der  wässerigen 
noch  in  der  mit  NH3  neutralisirten  Lösung  eine  Fällung. 

Salze:  Saures  Ammonsalz,  CjoHg[S(NH^)03]N03,  kiystallisirt  aus  einer  Lösung 
der  Sulfosäure  in  überschüssigem  Ammoniak  über  H^SO^;  feine,  weisse,  seideglänzende,  con- 
centrisch  gruppirte  Nadeln. 

Bariumsalz,  C^oHjBaSNOj  4-H2O;  entsteht  durch  Absättigen  einer  verdünnten, 
siedend  heissen,  wässerigen  Lösung  der  Säure  mit  BaCO,;  aus  dem  concentrirten  Filtrat  scheiden 
sich  kleine,  abgestumpfte,  mikroskopische  Prismen  ab,  die  nunmehr  in  Wasser  fast  unlöslich 
sind;  das  Krystallwasser  entweicht  erst  bei  250°  C.  vollständig. 

37* 


5S0  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Bleisalz,  C^oH^PhSNOg  +  4H,0;  entsteht  wie  das  Ba-Salz  durch  Absättigen  mit  PbCO|; 
prächtige,  perlmutterglänzende,  unregelmässig  begrenzte  Blättchen,  ebenfalls  kaum  löslidi  in 
Wasser;  bei  105^  verflüchtigt  sich  das  Krystallwasser. 

1 :7-Oxychinolincarbonsäure,  a-Oxycinchoninsäure    WEmEL's, 

(0H)C9H5(C0bH)N  (153). 

Darstellung:  40  Grm.  a-Sulfosäure  werden  in  200  Grm.  Aetzkali,  welche  in  750  Cbcm. 
Wasser  gelöst  sind,  eingetragen  und  rasch  eingedampft;  die  Masse  geht  beim  SchmeUen  dnidi 
citronengelb  in  Chromgelb  über;  man  hört  zu  schmelzen  auf^  wenn  eine  Probe  auf  Zusatz  von 
verd.  HjSO^  lebhaft  SO,  entwickelt.  Die  abgekühlte  Masse,  in  1|  Liter  Wasser  gelöst,  wird 
genau  mit  der  dem  KOH  äquivalenten  Menge  H,SO^  (sechsfach  mit  Wasser  verdünnt)  veisetzt 
Nach  8  Stunden  wird  das  röthlich  gefärbte  Krystallpulver  aufs  Filter  gebracht,  mit  Wasser  ge- 
waschen und  aus  siedendem  Wasser  umkrystallisirt  Um  die  Säure  vollständig  zu  reinigen,  wird 
dieselbe  in  Wasser  suspendirt  und  in  der  Hitze  mit  BaCO,  versetzt  und  in  Lösung  gebradiL 
Die  von  BaCO,  befreite  Flüssigkeit  wird  mit  Barytwasser  versetzt,  worauf  Ausscheidung  erfolgt; 
letztere  wird  in  Wasser  vertheilt  und  der  Baryt  mit  H,SO^  abgeschieden;  das  Filtrat  Tom  BaSO^ 
scheidet  bald  lichtgelb  gefärbte,  anscheinend  monokline,  kleine  Prismen  ab.  | 

Die  Oxysäure  ist  schwer  löslich  in  Wasser,  Benzol  etc.,  etwas  leichter  in        \ 
siedendem  Alkohol,   Amylalkohol  und  Eisessig.     Schmp.  254 — 256 ^     Sublimirt 
tmter  Schmelzen  des  Restes.     KMnO^   oxydirt  sie  zu  Pyridintricarbonsäure,  ftir 
sich  selbst  destillirt  zerfällt  sie  in  1-Oxychinolin  und  CO,. 

Reactionen:  Aus  wässriger  Lösung  der  Säure  fällt  AgNO,  gelb  krystallinisch  — Blei- 
zucker  nichts,  dagegen  Blei  es  sig,  den  Niederschlag  in  seinem  Ueberschuss  auflösend.  Fe|Q| 
färbt  grün,  auf  Zusatz  von  Na^CO,  schwärzlich  grün.  FeSO^  verändert  nicht  Cu(C,H,0,)| 
fällt  gelbgrüne  Flocken. 

Salze:  Saures  Barium  salz,  (CjoH^NOj),Ba.  Die  in  Wasser  suspendirte  Säure 
wird  mit  BaCO,  versetzt;  das  sehr  eingeengte  Filtrat  scheidet  lichtgelbe,  undeutlich  krystallinisdie 
Massen  ab.  Basisches  Bariumsalz,  CjoH^BaNO,  +  H^O,  wird  erzeugt  durch  Znsatz  von 
Barytwasser  zu  einer  neutralen  Barytsalzlösung;  fast  weisse,  verfilzte  Nädelchen;  bei  130^  wasser- 
frei* Silbersalz,  Cj^jHjAgNOj+CjoH^NOj+HjO.  Silbemitrat  zu  einer  verdünnten,  kalten, 
wässrigen  Lösung  der  Säure  gegeben,  fällt  lichtcitronengelbe  Flocken,  die  sich  in  mikroskopisdie 
Nädelchen  verwandeln,  unlöslich  und  lichtbeständig  sind.  Chlorhydrat,  C,  oHyNOgHCl+HjO; 
krystallisirt  beim  Verdunsten  aus  einer  salzsauren  Lösung  der  Säure  in  orangegelben,  stark- 
glänzenden  Nädelchen,  in  grossen  Individuen  aus  einer  ziemlich  concentrirten  Lösung  bei  40^  C 
Wasser  zerlegt  in  der  Wärme.  Krystallform:  monoklin.  <j:^  =  2*817: 1;  ß  =  107**  4'.  Platin- 
doppelsalz,  (CioHyNO,Ha),PtCl4  +  2H,0.  Concentrirtes  PtQ^  wird  in  die  salzsanie 
Lösung  der  Oxysäure  eingetragen;  überH^SO^  erscheinen  hellgelbe,  asbestähnliche  Nadeln,  die 
auf  porösen  Platten  getrocknet  werden,  da  Wasser  und  HCl  zersetzend  wirken. 

3:7-Oxychinolincarbonsäure,  ß-Oxycinchoninsäure  Weidel's,  Xan- 
thochinsäure  Skraup*s,  C9H5(0H)(C00H)N  -f-  H5O  (155),  ist  von  Skraup  er-         | 
halten  worden  durch  Verseifen  der  ChininsäurCi  ihres  Methyläthers  und  wird  nach 
folgendem  Verfahren  dargestellt. 

10  Grm.  Sulfosäure  werden  in  50  Grm.  KOH,  das  in  wenig  Wasser  gelöst^  eingetragen 
und  erhitzt ;  ist  alles  Wasser  verdampft  und  beginnt  das  Schmelzen,  so  ist  die  Umsetzung  scbon 
vollendet;  die  eigelbe  Schmelze,  welche  reichlich  SO,  entwickeln  muss,  wird  in  wenig  Wasser 
gelöst  und  mit  H^SO^  genau  neutralisirt ;  durch  Zusatz  von  Eis  wird  die  Oxysäure  Tollständig 
abgeschieden ;  diese  wird  durch  Absaugen  von  der  Flüssigkeit  getrennt  und  mit  grossen  Mengen 
Alkohol  in  der  Siedehitze  behandelt  Nach  dem  Verdunsten  des  Alkohols  hinterbleiben  gelbge- 
färbte  Krusten,  die  mehrere  Male  aus  siedendem  Wasser  umkrystallisirt  werden. 

Die  Oxycinchoninsäure  krystallisirt  in  kleinen,  gelblich  weissen,  blättcfaen- 
förmigen,  glitzernden,  mikroskopischen,  rautenförmigen  Tafeln  des  monoklinen 
Systems,  ist  in  kaltem  Wasser  unlöslich,  schwierig  löslich  in  heissem  Wasser  und 
Alkohol,  sublimirt  unter  theilweiser  Zersetzung.     Schmp.  bei  320^  C.     Bei  der 


Chinolin.  581 

Destillation  entsteht  CO,  und  3-CbinophenoL  Mit  KMnO^  liefert  sie  Pyridin- 
tricarbonsäure. 

Reactionen:  Die  wässerige  Lösung  der  Säure  wird  erst  nach  einiger  Zeit  durch  AgNO^ 
krystallinisch  geflQlt ;  Bleizucker  fWt  nichts,  B 1  e i e s s i g  dagegen  einen  gelblichen  Niederschlag, 
der  im  Ueberschuss  des  Reagenz  löslich  ist;  Fe^Cl^  und  FeSO^  fUrben  nicht. 

Salze:  Neutrales  Bariumsalz,  Ci^^H^BaNO,,  entsteht  auf  Zusatz  von  BaCO,  zur  in 
siedendem  Wasser  suspendirten  Säure;  undeutliche,  gelblichweisse ,  krystallinische  Krusten. 
Saures  Bariumsalz,  (CiQHgNO,),Ba  +  6H,0,  wird  gefüllt  auf  Zusatz  von  BaCl,  zur  neu- 
tralen Ammonsalzlösung;  schwer  löslich  in  kaltem  Wasser ;  Krystallkrusten  mattgelber  Farbe;  das 
Krystallwasser  geht  erst  bei  160®  vollständig  ab.  Saures  Calciumsalz,  (Cij,HgNO,),Ca 
+  10H,O,  wird  wie  das  Ba-Salz  dargestellt  mittelst  CaCl^-Lösung;  lichtstrohgelbe  Nädelchen, 
aas  der  Mutterlauge  ziemlich  lange,  spröde  Nadeln;  bei  170®  entweicht  erst  das  Krystallwasser. 
Silbersalz,  C|0HgNO,Ag4-2H2O.  Silbemitrat,  mit  der  Ammoniaksalzlösung  vermischt,  erzeugt 
einen  erst  weissen,  dann  gelbflockigen  Niederschlag,  der,  auf  porösen  Platten  getrocknet,  homogen 
Uchtgelb  wird;  verwittert  überHgSO^  vollständig;  bei  170®  färbt  er  sich  braun.  Kupfersalz, 
(CjQHgNO,)jCu4-HjO,  wie  oben,  mittelst  Kupferacetat.  Beim  Fällen  entstehen  zeisiggelbe 
Flocken,  die  beim  gelinden  Erwärmen  sich  in  ein  schweres,  tief  dunkelgrünes  Krystallpulver  ver- 
wandehi,  kaum  löslich  in  Wasser.  Chlorhydrat,  CjoHTNOjHa  +  H,0  (lufttrocken),  scheidet 
sich  aus  einer  Lösung  der  Oxycinchoninsäure  in  conc.  HCl  als  ein  Haufwerk  feiner,  schwach 
gelblicher,  stark  glänzender,  anscheinend  monokliner  Nadeln  aus.  Wasser  zerlegt  das  Salz. 
Chlorhydrat,  C|oH7NO,HQ+ 2H,0,  gewinnt  man  aus  verdünnten,  wenig  freie  HCl  ent- 
haltenden Lösungen  in  goldgelben  Nadeln.  Wasser  zersetzt  ebenfalls;  Alkohol  löst  auch  in  der 
Wärme  unverändert.  Ueber  H^SO^  oder  bei  2  stündigem  Trocknen  bei  100®  verschwindet  das 
erste  Mol.  HjO,  bei  110—120®  das  zweite.  Sulfat,  (CioHtNO,),H,S04  4- 3H,0.  1  Mol. 
Xantfaocfainsäure  wird  mit  der  1  Mol.  H^SO^  entsprechenden  Menge  Normal-H^SO^  übergössen,  auf 
Zusatz  von  Alkohol  und  etwas  H^SO^  und  Erwärmen  tritt  dann  Lösung  ein.  Nach  dem  Erkalten 
erscheinen  goldgelbe  Prismen.  2  MoL  H,0  entweichen  bei  130®;  das  dritte  MoL  geht  bei  190® 
noch  nicht  ab.  Platindoppelsalz,  (CioHTNO,HCl),PtCl4 +H,0  (?),  scheidet  sich  auf 
Zusatz  conc.  PtCl^  zur  Lösung  der  ß-Oxycinchoninsäure  in  starker  Salzsäure  in  gelbgefkrbten, 
kleinen,  glänzenden,  anscheinend  monoklinen  Tafeln  ab,  welche  durch  Wasser  zerlegt  werden. 
Platindoppelsalz,  (CioHyNO,HCl),PtCl4  +  6H,0.  Vermischt  man  eine  salzsaure  Lösung 
,  der  Xanthochinsäure  mit  PtQ^,  so  entsteht  ein  Haufwerk  breiter  Nadeln  von  gelbbrauner  Farbe 
und  lebhaftem  Glanz,  die  nach  dem  Pressen  und  Trocknen  mnsivgoldähnlich  erscheinen. 

Methyläther  der  ß- Oxycinchoninsäure,  Chininsäure  Skraup's, 
CnH.NOj  (156). 

Darstellung:  Zu  10  Thln.  Chininsulfat,  [(C,oH,4N,0,)HjS04  4-  2H,0],  und  30  TMn. 
conc.  HjSO^  in  200— 250  Thln.  Wasser  werden  in  der  Siedehitze  20  Thle.  CrO,  in  wässeriger 
Lösung  derart  tropfenweise  zugeftlgt,  dass  diese  Operation  in  nahezu  2  Stunden  beendigt  ist. 
Man  kocht  im  Ganzen  2^  Stunde,  reduzirt  dann  unzersetzte  CrO,  durch  etwas  Alkohol;  die 
grttne  Flüssigkeit  wird  unter  stetem  Rühren  in  eine  kalte  Auflösung  von  80—90  Grm.  KOH 
in  ^  Liter  Wasser  eingetragen.  Die  klargrüne,  alkalische  Lösung  wird  in  kupfernen  Kesseln 
gekocht,  bis  alles  Cr^O,  geftlllt  ist;  die  nun  gelbe  Flüssigkeit  wird  abgehebert,  der  Niederschlag 
durch  Decantiren  gewaschen,  colirt  und  gepresst;  das  Waschwasser  wird  mit  der  gelben  Flüssig- 
keit vereinigt,  mit  H^SO^  nahezu  neutralisirt  und  concentrirt  Man  lässt  2 — 3 mal  Kalium- 
solfat  auskrystallisiren;  die  Mutterlauge,  mit  dem  gleichen  Volumen  Alkohol  vermischt,  wird 
nach  mehrstündigem  Stehen  vom  ausgefallenen  K,SO^  getrennt;  man  destillirt  den  Alkohol  ab, 
dampft  ein  und  fällt  die  gesuchte  Säure  mit  HCl  oder  H,SO^  aus;  diese  wird  aus  verdünnter, 
heisser  Salzsäure  umkrystallisirt  unter  Zusatz  von  Thierkohle. 

Chininsäure  krystallisirt  in  schwach  gelblichen,  langen,  dünnen  Prismen;  sehr 
schwer  löslich  in  kaltem  und  heissem  Wasser;  verdünnte  HCl  und  H^^SO^  lösen 
leicht  mit  gelber  Farbe,  Essigsäure  schwieriger,  Alkalien  leicht  und  ungefärbt, 
Aether  und  Benzol  nur  spurenweise.    Alkohol  löst  kochend  schwierig  mit  sehr 


582  Handwörterbuch  der  Chemie. 

schöner,  blauer  Fluorescenz.  Schmp.  280°  C.  Bei  der  Oxydation  von  Chinidin 
entsteht  ebenfalls  Chininsäure. 

Salze:  AgNO,  erzeugt  in  der  neutralen  Ammoniaksalzlösung  einen  pulverigen,  licht- 
beständigen  Niederschlag,  CuHgAgNO,. 

Calciumsalz,  (CiiHgN0,)2Ca  +  2HjO;  zu  der  in  siedendem  Wasser  suqpendiiten 
Säure  wird  bis  zur  vollständigen  Auflösung  dUnne  Kalkmilch  gegeben  und  der  ttberschüssige 
Kalk  durch  CO,  ganz  ausgefällt;  nach  dem  Erkalten  scheiden  sich  flache  Rosetten  weisser 
Nadeln  aus,  die  in  kaltem  Wasser  ziemlich  leicht,  in  heissem  reichlicher  löslich  sind.  Das 
Kry Stallwasser  entweicht  zwischen  155 — 200°  C. 

Bariumsalz,  (Cj2HgNO,)2Ba  +  4H,0,  wird  analog  dem  Ca-Salz  mittelst  Barjtwasser 
hergestellt  Kupfersalz,  (CiiHgNO,),Cu  +  l^H^O;  Kupferacetat  föllt  aus  einer  Lösung  der 
Säure  in  starker  Essigsäure  nach  einiger  Zeit  Nadeln  der  freien  Säure;  aus  dem  grünen  Fütrat 
erscheinen  nach  dem  Verdunsten  dunkelgrasgrtlne,  mit  gelblichen  Individuen  vermischte  KrystBÜe. 
die  nicht  analysirt  sind.  Fügt  man  Kupferacetat  zur  Ammonsalzlösung,  so  entsteht  beim  Er- 
wärmen ein  schweres  Pulver,  grauviolette  Krystalle,  die  gewaschen  und  getrocknet  lichtlavendel- 
blau  sind  und  obige  Zusammensetzung  zeigen.  Chlorhydrat,  C^  jH^NO^HCl  +  2H,0, 
krystallisirt  aus  Lösungen  der  Säure  in  massig  verdünnter  HCl  in  gut  ausgebildeten,  tafelartigen 
Krystallen,  die  asymetrisch  sind  und  monosymmetrischen  Habitus  haben.  110:001  =  75' 28'. 
110-001  =  74'*  41',  110:110  =  55'' 10';  durch  Wasser  wird  die  Verbindung  leicht  zcriegt 
Platindoppelsalz,  (CiiHjNO,Ha),Pta4  4- 4H,0,  fällt  auf  Zusatz  von  PtQ^  zu  einer 
ziemlich  verdünnten,  wenig  überschüssige  HCl  enthaltenen  Lösung  der  Salzsäureverbindung  in 
langen,  lichtgelb  gefärbten  Nadeln.  (CiiH9NO,HCl)3PtCl4  entsteht,  wenn  in  der  vorbeschrie- 
benen Lösung    mehr  Salzsäure    vorhanden   oder  aus   den  Mutterlaugen  derselben,    in    ziemlicli 

grossen,  orangerothen  Prismen. 

■ 
aß-Oxychinolincarbonsäure,  Carbostyril-ß-carbonsäure,  CjHjOH- 
P 
COOH'N,  entsteht  beim  Erhitzen  von  Orthoamidobenzaldehyd  und  Malonsäure  auf 

120°  C.  Krystallisirt  aus  Alkohol  in  breiten  Nadeln  oder  langen  Spiessen.  Schwer 
löslich  in  den  gebräuchlichen  Lösungsmitteln,  etwas  leichter  in  kochendem  Eis- 
essig und  Alkohol.  Schmp.  Ober  320°  C.  Beim  Erhitzen  des  Silbersalzes  im 
COjj-Strom  sublimirt  Carbostyril.  Mit  PCI5  auf  140°  C.  erwärmt  entsteht  aß-Chlor- 
chinolincarbonsäure,  welche  mit  alkoholischem  KOH  gekocht  in  aß-Aethoxyl- 
chinolincarbonsäure,  welche  bei  133°  C.  schmilzt,  übergeführt  wird.  Friedlander 
und  GöHRiNG,  Ber.  17,  pag.  456. 

Salze:  Bariumsalz,  (C2oH0NO,)2Ba,  kleine,  vreisse  Nädelchen.  Kupfersalz,  blass- 
grtlne  Nädelchen.     Silbersalz,  CioHjNOjAg^,  gelbliche  Nädelchen.  ' 

a7-Oxychinolincarbonsäure,  7-Carbostyrilcarbonsäure,  Oxycin- 
choninsäure  Königs,  CioHjNOj  (157). 

Darstellung:  Cinchoninsäure  wird  mit  3 — 4  Thln.  KOH  und  wenig  Wasser  geschmokeo. 
Die  Masse  schäumt  stark  auf  und  wird  bräunlich,  man  erhitzt  nicht  zu  lange,  um  Ammoniak- 
und  Chinolinentwicklung  zu  vermeiden.  Die  Schmelze  löst  sich  klar  in  Wasser  auf.  HCl  ftUt 
braune,  voluminöse  Flocken  der  neuen  Säure,  welche  einige  Male  aus  kochender  verd.  HQ  ood 
zuletzt  unter  Zusatz  von  Thierkohle  aus  kochendem  Wasser  umkrystallisirt  werden. 

Die  Oxysäure  krystallisirt  entweder  in  weissen,  kurzen,  sternförmig  gruppirten 
oder  in  langen,  feinen,  verfilzten,  seideglänzenden  Nadeln,  ist  in  kaltem  Wasser 
kaum  löslich,  in  heissem  auch  noch  schwierig,  leichter  in  heissem  Alkohol  und 
Eisessig.  Schmp.  310°.  Bei  vorsichtigem  Erhitzen  sublimiren  gelbe  Nadeln. 
Durch  Erhitzen  des  Silbersalzes  entsteht  neben  Chinolin  Carbostyril.  Mit  PCI5 
wird  a-Chlorcinchoninsäure  erhalten.  MitJH  und  P  auf  180°  erhitzt  entsteht  eine 
Base.    Ihre  Ag-,  Ba-,  Ca-,  Pb-,  Hg-  und  Ag-Salze  sind  ziemlich  leicht  löslich. 

Salze:  Silbersalz,  CjQHgNOjAg;  weisse  Schuppen  oder  Flocken,  (C,0HjNO,)^Cn, 
hellgrüne  Nädelchen. 


Chinolin.  '  5S3 

Aethoxylcinchoninsäure,  C9H5N(OC2H5)COOH  (157).  Die  gechlorte 
Säure  wird  mit  einer  Natriumalkoholatlösung  gekocht.  Der  Rückstand  nach  dem 
Verjagen  des  Alkohols  mit  verd.  HCl  oder  H^SO^  angesäuert;  die  Chlorchinolin- 
säure  bleibt  ungelöst;  das  saure  Filtrat  wird  mit  NajCO,  nahezu  neutralisirt  und 
mit  CjHjOjNa  versetzt,  die  Ausfallung  wird  durch  Kochen  mit  Wasser  und  Thier- 
kohle  gereinigt. 

Der  Aether  erscheint  in  schönen,  haarförmigen  Nadeln.  Schmp.  145—- 146°; 
er  ist  in  heissem  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich,  ebenso  in  verdünnten 
Mineralsäuren. 

Salze:    Bleiacetat  erzeugt  einen  schwer  löslichen  Niederschlag. 

Silbersalz,  [C9H5N(OCj,H5)COjAg  + C9H5N(OC,H5)COOH].  entsteht  durch  Um- 
kiystallisiren  des  auf  Zusatz  von  AgNO,  entstehenden,  gelatinösen  Niederschlag  aus  sehr  viel 
heissem  Wasser. 

Platindoppelsalz,  (C,  jHiiNO,HCl)jPta4,  ein  schön  krystallisirendes  Salz. 

Erhitzt  man  den  Aether  auf  230—240°,  wobei  er  bei  146**  klar  schmilzt,  bei  170®  zu  einer 
Krystallmasse  erstarrt,  pulvert  die  Schmelze,  schüttelt  mit  kalter  Sodalösung  und  krystallisirt  den 
Rückstand,  so  erhält  maiL  in  schönen  Nadeln  den  isomeren 

«  T 

Aethylester  der  Oxycinchoninsäure,  C3HjN(OH)COj,C3Hj  (157).    Schmp.  206  bis 

207*^  C. 

«  T 

Diäthyläther,  C9HjN(OC,Hj)(C03C5,H5),  entsteht  durch  Vermischen  des  äthoxylsauren 

Silbersahes  mit  C^H^J  und  als  Nebenprodukt  bei  der  Destillation  des  Fauren  äthoxylsauren  Silbers. 

?  ? 

Kynurensäure,  Oxychinolincarbonsäure,  C9H;.(OH)(COOH)Nh-H30 

(158).  Dieselbe  ist  von  Liebig  im  Harn  von  Hunden  gefunden  worden,  die  aus- 
schliesslich mit  Fett  oder  sehr  fettreichen  Substanzen  gefuttert  wurden,  Kretschv 
fand  indess,  dass  die  Ausbeute  an  Säure  bei  ausschliesslicher  Fleischnahrung  am 
grössten  sei. 

Zur  Darstellung  wird  der  frisch  gelassene  Harn  sofort  filtrirt,  mit  HQ  angesäuert.  Man 
lässt  die  angesammelte  Tagesquantität  24  Stunden  stehen.  Der  Niederschlag  wird  filtrirt  und  gut 
ausgewaschen.  Die  lufttrockne  Substanz  wird  öfters  in  verdünntem,  kaltem  Ammoniak  gelöst  iind 
mit  Essigsäure  wieder  ausgefällt. 

Ein  anderes  Verfahren  giebt  Hofmeister  an  (2^itschr.  f  phys.  Chemie  V,  pag.  70).  10  Liter 
Hundeham  werden  mit  1  Liter  conc.  HCl  und  so  lange  mit  Phosphorwolframsäure  versetzt,  als 
noch  eine  Fällung  entsteht  Diese  wird  mit  verdünnter  HjSO^  (öilOOHjO),  bis  kein  Chlor 
mehr  nachweisbar  ist  und  darauf  mit  Barytwasser  angerührt,  siedend  mit  Barythydrat  stark  alkalisch 
gemacht  und  filtrht.  Nachdem  überschüssiges  Barythydrat  durch  CO,  entfernt  ist,  wird  das 
Filtrat  concentrirt.     HCl  scheidet  dann  die  Kynurensäure  aus. 

Dieselbe  krystallisirt  in  silberglänzenden,  schmalen  Nadeln  (wahrscheinlich 
rhombisch).  Sie  verliert  ihr  Krystallwasser  erst  bei  140— 145°  C.  Schmp.  257 
bis  258°  C.  In  Wasser  fast  unlöslich,  löslich  in  heissem  Alkohol  und  etwas  in 
Aether.  Mit  KOH  längere  Zeit  geschmolzen  geht  sie  unter  CO 2- Abspaltung  in 
Kynurin  über.  Mit  Bromwasser  behandelt  entsteht  Tetrabromkynurin  und  CO3. 
Mit  Zn  im  CO^-Strom  geglüht  wird  Chinolin  und  COj,  gebildet  MitKMnO^  in 
alkalischer  Lösung  oxydirt  entsteht  Kynursäure,  ein  Isomeres  der  Carbostyrilsäure 
(102).  Mit  Essigsäureanhydrid  entsteht  eine  unbeständige  Acetylverbindung,  mit 
PCI5  und  POCI3  erwärmt  eine  gechlorte  Säure. 

SaUe:  Bariumsalz,  (CioHgNOj)jBa  4- 4^1130,  feine,  seideglänzende,  pfriemenähnliche 
Nadeln,  die  in  kaltem  Wasser  schwer,  leichter  in  heissem  Wasser  löslich  sind.  Beim  Trocknen 
ttberHjSO^  geht  1  Mol.  H,0  fort,  der  Rest  bei  150— löö'^C.  Calciumsalz,  (CioH5NO,),Ca 
+  2HjO,  feine,  seideglänzende,  schneeweisse  Nadeln,  die  etwas  löslicher  sind  als  die  des  Baryt- 


584  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Salzes.  Kupfersair,  (CioHaNO,)jCu  + 2H,0,  entsteht  auf  Zusatz  von  CuQ,  nur  oArtnüen 
Aminonsalzlösung.  Gelblichgrttne  Fällung  mikroskopischer  Nadeln,  die  äusserst  schwer  lösüdi 
smd.  Silbersalz,  CjoHgNOjAg  +  HjO.  Ein  weisser,  beständiger  Niederschlag  auf  Zusats 
von  AgNO,  zur  neutralen  Ammonsalzlösung.  Das  Wasser  ist  nicht  ohne  Zersetzung  auszutrdbcD. 
Ammonsalz,  C^oHgNO^'NH^,  ungemein  löslich,  entsteht  durch  Ueberleiten  von  Ammoniak- 
gas tlber  die  trockne  Säure.  Kaliumsalz,  CioHgNO,K  + 2H,0.  Lange,  flaumige,  seide- 
glänzende Nadeln,  die  sehr  leicht  löslich  sind.  Chlorhydrat,  C^qHyNO^'HQ,  wird  durch 
Wasser  zerlegt. 

a*l-Methylchinolincarbonsäure,  Orthochinaldincarbonsäure,  Döb- 
NER  u.  Miller,  Ber.  17,  pag.  938.  Aus  Anthranilsäure,  Paraldehyd  und  conc.  HO. 
Farblose  Nadeln.  Schmp.  151°  C.  Bei  höherer  Temperatur  verdampft  sie  unter 
theilweiser  Zersetzung  und  Abspaltung  von  Chinaldin.  Etwas  löslich  in  kaltem, 
sehr  leicht  in  heissem  Wasser  und  Alkohol.  Aus  Wasser  umkrystallisirt  enthält 
die  Säure  iHjO. 

Salze:  Chlorhydrat,  C^jH^NO,,  HCl,  krystallisirt  aus  wenig  heissem  Alkohol  in 
schiefen  Täfelchen. 

Platindoppelsalz,  (C,iH9NO,-HCl),PtCl4 +2H3O,  grosse,  rothe  Prismen.  Schwer 
löslich  in  kaltem  Wasser. 

Kupfersalz,  (CiiHgNO,),CuH- 1|H,0,  dunkelgrüne,  kleine  Nadeln.  Bei  100®  C  ge- 
trocknet entweicht  nur  1  Mol.  H3O. 

a  •  3-Methylchinolincarbonsäure,  Parachinaldincarbonsäure, 

s  a 

COOHCjHßCHjN,   entsteht  aus  Paramidobenzoesäure,  Paraldehyd  und  conc. 

HCl.     Nadeln,  nicht  ohne  Zersetzung  sublimirbar.     Die  Säure  ist  in  siedendem 

Wasser  sehr  schwer  löslich,  leicht  in  siedendem  Alkohol.     Schmp.  259°  C,  sich 

vorher  bei  240^  C.  bräunend  (s.  Berl.  Ber.  17,  pag.  939). 

Salze:  Chlorhydrat,  Cj  jH^NO^-HCl +  H3O,  feine  Nadeln,  welche  sich  allmählich  in 
gut  ausgebildete  Prismen  verwandeln  (aus  heisser,  salzsaurer  Lösung).  Das  Salz  ist  schwer  I5s- 
lich  in  HQ  und  wird  von  ihr  aus  wässriger  Lösung  ausgefällt 

Platindoppelsalz,  (C,  ,HjNO,.HCl),PtCl4  +  4H,0,  tafelförmige,  monokline  KiystiUc. 
Nur  in  heissem,  salzsäurehaltigem  Wasser  löslich.  Das  Krystallwasser  entweicht  bei  100®  C, 
auch  über  H^SO^. 

Chromat,  (CiiH9N02)2Cr207H3,  rothe  Nadeln.  In  kaltem  Wasser  schwer,  in  heissem 
leicht  löslich. 

Calciumsalz,  (CiiH8NO,)3Ca+ 2H,0,  federartig  gruppirte  Kiystalle.  Schwer  löslicb 
in  Essigsäure.     Das  Krystallwasser  entweicht  erst  bei  250®  C  vollständig. 

Silbers  alz,  C^^H^NO^Ag,  fällt  auf  Zusatz  von  AgNO,  zur  Ammonsalzlösung  als  gallert- 
artiger Niederschlag,  der  durch  Kochen  in  ein  schwer  lösliches,  krystallinisches  Pulver  Ubeigeht 

Kupfersalz,  (Ci2H3NO,)3Cu  + 6H,0,  kleine,  concentrisch  verwachsene  Blättchen. 

Bleis  alz.     Gut  ausgebildete  Prismen. 

a-4-,  oder  a'2-Methylchinolincarbonsäure,    Metachinaldincarbon- 

säure,  COOHC9H5CH3N,  vard  gewonnen  aus  Metamidobenzoesäure,  Paraldehjd 
und  conc.  HCl.  Lange,  seideglänzende  Nadeln.  In  Wasser  fast  unlöslich,  in 
Alkohol  ziemlich  leicht,  namentlich  in  heissem.  Sublimirt  unter  theilweiser  Zer- 
setzung in  feinen,  wolleartigen  Nadeln.  Schmilzt  bei  285°  C,  unter  Bräunung 
bei  270°  C.  (s.  Berl.  Ber.  17,  pag.  941). 

Salze:  Chlorhydrat,  C^^H^NO, »HCl  +  H3O,  kleine  Tafeln.  Schwer  löslich  in  kaltem, 
leicht  in  heissem  Wasser;  in  salzsäurehaltigem  sehr  schwer  löslich. 

Platindoppelsalz,  4(CiiH9NOj-HCl)PtCl4  (?)  monokline  Prismen. 

Chromat,  (C,  ,H,N0,),Cr30^Hj,  goldgelbe,  büschelförmig  vereinigte  Nadeln. 

Calciumsalz,  (CjjHgNOjJjCa  +  2HjO.  Prismen.  Schwer  löslich  in  Wasser,  leicht  in 
Essigsäure. 


Chmolin.  585 

Silbersalz,  CnHgNO,Ag,  voluminöser  Niederschlag,  der  in  der  Wärme  krystallinisch  wird. 

Kupfersalz,  (Cj^HgNO,)3Cu  +  3H,0,  blaugrtlner  Niederschlag,  der  sich  nach  und  nach 
in  hellgrüne  Täfelchen  verwandelt.  Das  Krystallwasser  ist  nur  durch  die  Elementaranalyse  bestimmbar. 

Aniluvitoninsäure,  Methylchinolincarbonsäure(?),  CjHjCHj-COOH, 
hat  BöTTiNCER  entdeckt  (159). 

Darstellung:  1  MoL  Brenztraubensäure  wird  mit  einer  etwas  mehr  als  1  Mol.  ent- 
sprechender Menge  Anilin  gemischt  und  mit»  Wasser  verdünnt  in  einem  Kolben  unter  Ersatz  des 
verdunstenden  Wassers  zwei  Stunden  lang  gekocht.  Nach  Zusatz  von  HCl  wird  die  Flüssigkeit 
eingedampft.  Der  hinterbleibende,  dickliche  Syrup  wird,  um  ein  Harz  zu  entfernen,  mit  viel 
Wasser  versetzt  und  filtrirt.  Etwas  salzsaures  Anilin  wird  durch  Zerlegen  mit  Ammoniak  und 
Aufnehmen  in  Aether  beseitigt.  Aus  der  wässrigen  Lösung  scheidet  sich  dann  das  salzsaure 
Salz  ab. 

Die  Säure  entsteht  auch  beim  Kochen  der  Anilbrenztraubensäure,  und  wird 
durch  Zerlegen  des  salzsauren  Salzes  durch  Wasser  in  glänzenden  Blättchen  ge- 
wonnen,  welche  bei  241—242°  C.  schmelzen;  sie  sublimirt  beim  vorsichtigen  Er- 
hitzen z.  Th.  in  kleinen  Nadeln. 

In  kaltem  Wasser  löst  sie  sich  schwierig,  in  heissem  leichter,  leicht  in  Alko- 
hol und  Aether.  Verdünnte  Säuren  und  Alkalien  nehmen  sie  sehr  leicht  auf 
unter  Bildung  von  Salzen.  Bei  der  Destillation  mit  Natronkalk  geht  Chinolin 
über,  bei  derjenigen  mit  Aetzkalk  Methylchinolin.  Reducirt  man  sie  mit  Zn  und 
HCl,  so  entstehen  Anilin  und  das  salzsaure  Salz  eines  Körpers,  der  auf  Zusatz 
von  PtCl^  unter  Abscheidung  von  Pt  wahrscheinlich  das  Platindoppelsalz  der 
Aniluvitoninsäure  liefert.  Brom  oder  Chlorhydrat  wirken  auf  die  in  Chloroform 
suspendirte  Säure  addirend  ein;  doch  werden  sie  durch  Wasser  wieder  vollkommen 
abgespaltet.  Erhitzt  man  Brom  im  geschlossenen  Rohr  mit  der  Säure,  so  ent- 
steht neben  Additionsprodukten  eine  unlösliche  Bromverbindung. 

Salze:  Chlorhydrat,  Cj|HgNO,*HCl,  lange,  farblose  Nadeln,  die  sich  leicht  in  verd. 
HQ,  schwieriger  in  conc.  HCL  lösen.  Alkohol  nimmt  sie  in  der  Wärme  reichlich  auf.  Wasser  zer- 
legt das  Salz  in  seine  Componenten.  Bromhydrat,  C|  jH9NO,*HBr+2H,0  undC^^H^NO^^BrH 
-I-  ^H,0.  Die  erste  Modification  scheidet  sich  aus  verdünnten  Lösungen  in  prächtig  irisirenden, 
grossen,  prismatischen,  tafelartigen  Krystallen  ab,  die  zweite  aus  heiss  gesättigten  Lösungen  beim 
raschen  Abkühlen  in  langen  Spiessen.  Chloroplatinat,  (C2iH9NO,HCl),PtCl4  +  2H,0, 
durch  Versetzen  einer  Lösung  des  Chlorhydrats  mit  PtCl^  und  Umkrystallisiren  der  erhaltenen 
Krystalle  aus  heissem,  salzsäurehaltigem  Wasser.  Barium  salz,  (CjjHj)NOj),Ba,  entsteht  durch 
Lösen  der  Säure  in  Barytwasser.  Nadeln  oder  compakte  Krystalle,  die  in  kaltem  und  heissem 
Wasser  schwer  löslich  sind.  Silbersalz,  CjjHgNOgAg,  weisses  krystallinisches  Pulver,  das 
in  NH3  und  HNO,  leicht  löslich  ist  und  bis  auf  120^  C.  ohne  Zersetzungerhitzt  werden  kann. 

Jodmethylverbindung.  Beim  Erhitzen  des  in  Methylalkohol  gelösten  Cblorhydrats  mit 
Jodmethyl  resultirt  ein  in  kaltem  Wasser  unlösliches  Pulver,  welches  aus  Aether-Alkohol  in 
cantharidenglänzenden  Krystallen  anschiesst  Schmp.  bei  218°  C.  Bei  164°  C.  findet  schon  Zer- 
setzung statt 

aß-Methylchinolincarbonsäure,  CJ1H9NO,. 

Darstellung:  Die  Säure  wird  gewonnen  durch  Erhitzen  ihres  Esters  mit  Na  OH  auf  dem 
Wasserbade  oder  mit  wässriger  HCl  auf  120°  C;  aus  der  Lösung  fällt  sie  bei  vorsichtiger 
Neutralisation  als  schwer  löslicher,  weisser,  krystallinischer  Niederschlag. 

Die  Säure  ist  in  den  gebräuchlichen  Lösungsmitteln  schwer  löslich,  in  Wasser 
fast  unlöslich;  aus  viel  Alkohol  krystallisirt  sie  in  farblosen,  breiten  Nädelchen. 
Schmp.  234°  C. 

Das  salzsaure  Salz  ist  in  tIberschUssiger  HCl  schwer  löslich  und  liefert  mit  PtCl^  ein 
Doppelsalz. 

aß-Methylchinolincarbonsäureäthyläther,  CjH5N(CH,)(CO^C,H5) 
(160). 


586  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Darstellung:  Eine  wässrige  Lösung  von  Orthoamidobenzaldehyd  wird  mit  einer  alkalischen 
Lösung  von  Acetessigester  versetzt;  die  Flüssigkeit  trUbt  sich,  und  nach  kurzer  Zeit  entstehen 
lange,  weisse  Nadeln  des  Esters,  die  aus  verdünntem  Alkohol  umkrystailisirt  werden. 

Der  Ester  ist  in  den  gebräuchlichen  Lösungsmitteln  und  Mineralsäuren  leicht 
löslich,  nicht  in  Wasser.     Schmp.  ca.  71°  C. 

Salze:  (Cj,Hi3NOjHCl)2PtCl4  +  2HjO,  wird  gefällt  aus  salzsaurer  Lösung  mit  Pta4 
und  aus  heissem  Wasser  umkiystallisirt.     Breite,  goldgelbe  Nadeln. 

7a(?)-Methylchinol in carbon säure,  Lepidincarbon säure, 

C9H5CH3COOHN  (161). 

Darstellung:  Zu  5  Grm.  Flavenol,  das  in  wenig  sehr  verdtlnnter  Natronlauge  gelöst  ist, 
fügt  man  nach  und  nach  eine  kalt  gesättigte  Lösung  von  30  Grm.  KMnO^  hinzu;  sobald  die 
Energie  der  Einwirkung  nachlässt,  wird  dieselbe  durch  Erwärmen  auf  dem  Wasserbade  be- 
schleunigt. Man  filtrirt,  stumpft  nahezu  mit  verd.  HNO 3  ab  und  engt  die  nur  noch  schwach 
alkalische  Flüssigkeit  ein.  Die  sich  abscheidenden  Salpeterkrystalle  werden  entfernt,  die  Lösung 
kalt  mit  HNO,  genau  neutralisirt  und  mit  Bleinitrat  gefällt;  das  Bleisalz  wird  mit  kaltem 
Wasser  ausgewaschen  und  mit  HjS  behandelt;  nach  Verdunsten  des  Filtrats  resultiren  gelb  ge- 
färbte Nadeln  der  Säure,   welche  aus  wenig  Wasser  mit  Hilfe  von  Thierkohle  gereinigt  werden. 

Die  Lepidincarbonsäure  ist  sehr  leicht  löslich  in  Wasser,  besitzt  einen  gelben 
Stich.  Ihr  Verhalten  erinnert  an  die  organischen  Amidosäuren.  Sie  schmilzt  bei 
182°  unter  stürmischer  COj-Entwicklung  unter  Hinterlassung  eines  Oeles,  welches 
wohl  mit  Y-Lepidin  identisch  ist. 

Das  Platindoppelsalz  bildet  schöne,  goldgelbe,  flache  Tafeln,  welche  lichtbeständig  sind, 
das  Blei-,  Baryt-  und  Silbersalz  sind  in  kaltem  Wasser  schwer  löslich.  Das  Nickelsalz  ist  leicht 
löslich. 

Acridinsäure,  aß-Chinolindicarbonsäure,  C9H5(COOH)2N -h  2H,0, 
erhielten  Graebe  und  Caro  durch  Oxydation  des  Acridins  mit  KMnO^  (162). 

Sie  lösten  10  Grm.  salzsaures  Acridin  in  der  geringsten  Menge  heissen  Wassers,  setzten 
Na  OH  bis  zur  schwachen  Alkalinität  hinzu.  Zu  der  auf  dem  Wasserbade  erhitzten  Lösung  liessen 
sie  äusserst  langsam  Chamäleonlösung  (60  Grm.  KMnO^,  1000  Grm.  H3O)  zufliessen,  filtriitcn 
vom  Mangan  ab  und  fällten  mit  HCl. 

Feine  Nadeln,  die  aus  einer  warmen,  concentrirten  Lösung  in  Tafeln  wieder 
erscheinen.  Kaum  löslich  in  kaltem,  ziemlich  leicht  in  heissem  Wasser,  sehr 
leicht  in  Alkohol.  Aether  nimmt  wenig  auf.  Auf  120—130°  C.  erhitzt  spaltet 
sich  CO2  ab  und  es  bildet  sich  ß-Chinolincarbonsäure.  Mit  Aetzkalk  geglüht  ent- 
stehen Chinolin,  Spuren  von  Indol  und  COj. 

aß7-Chinolintricarbonsäure,  C9H4N(COOH)3  (163),  ist  erhalten  worden 
durch  Oxydation  des  Methylacridins;  eine  syrupförmige,  in  Wasser  äusserst  lös- 
liche Säure,  deren  mit  Ammoniak  neutralisirte  Lösung  nicht  mit  Ca  Gl  2  oder 
Cu(C3H30a)2,  dagegen  mit  BaCl^,  Pb(N03)j  und  AgNO,  Niederschläge  giebt. 

Silbersalz,  C^^H^NOgAg, ;  es  zersetzt  sich  plötzlich  beim  Erhitzen  und  ist  sehr  hygros- 
copisch. 

«  p 

aß-Oxychinolinmethylketon  C9H6(OH)(COCH8)N  (164). 

Darstellung:  Erhitzt  man  Orthoamidobenzaldehyd  und  Acetessigester,  so  tritt  bei  ca. 
160®  C.  lebhafte  Reaction  ein  unter  Entwicklung  von  Alkohol  und  Wasserdämpfen;  das  feste, 
krystallinisch  erstarrende  Reactionsprodukt  wird  durch  Mischen  mit  Aether  vom  Acetessigäther 
befreit  und  aus  Eisessig  umkrystailisirt. 

Das  Carbostyrilmethylketon  bildet  feine,  weisse  Nadeln.  Schmp.  232°;  es 
ist  isomer  mit  den  Lepidincarbonsäuren,  löst  sich  nicht  in  kohlensaurem  Natron, 
leicht  in  verdünnter  Natronlauge  und  wird  aus  dieser  Lösung  durch  CO,  wieder 
gefällt.     Salze  mit  Mineralsäuren  konnten  ihrer  Leichtlöslichkeit  wegen  nicht  er- 


Chinolin.  587 

halten  werden;  die  gebräuchlichen  Lösungsmittel  lösen  schwierig;  aus  viel  heissem 
Wasser  scheidet  sich  das  Oxyketon  in  feinen,  verfilzten  Nadeln  aus. 

a  ß 

aß-Oxychinolinphenylketon,  C9H5(OH)(CO.CeH5)N.  Darstellung:  Wird 
auf  dieselbe  Weise  wie  das  Oxymethylketon  durch  Erhitzen  des  Orthoamidobenz- 
aldehyds  mit  Benzoylessigester  dargestellt.  Ist  schwieriger  löslich  als  die  vorher- 
gehende Verbindung.     Schmp.  270°  C. 

a-Acetonylchinolin,  C9H6(CH2COCH3)N  (164),  haben  E.  Fischer  und 
Kugel  durch  Reduction  des  o-Nitrocinnamylacetons  gewonnen. 

Zur  Darstellung  wird  eine  concentrirte  alkoholische  Lösung  des  Nitroketons  mit  über- 
schüssiger SnCl^-Lösung  zum  Sieden  gebracht.  Die  Reduction  ist  vollendet,  wenn  auf  Zusatz 
von  Wasser  kein  Oel  mehr  ausgeschieden  wird.  Durch  überschüssiges  Na  OH  föUt  Acetonyl- 
chinolin  als  Oel  aus,  welches  in  der  Kälte  sofort  erstarrt.  Man  extrahirt  zur  weiteren  Reinigung 
mit  Aether;  die  nach  dem  Verdunsten  desselben  verbleibende  Substanz  wird  in  verd.  HCl  ge- 
löst, kalt  mit  Thierkoble  entfärbt  und  mit  Natronlauge  geföllt. 

Das  Acetonylchinolin  krystallisirt  aus  heissem  Wasser  in  langen,  goldgelben 
Nadeln.  Schmp.  76^  C.  In  kaltem  Wasser  kaum  löslich,  schwierig  in  heissem 
Wasser.  Es  destillirt  theilweise  unzersetzt.  Die  wässrige  Lösung  färbt  Seide  und 
Wolle  gelb.  Mit  Säuren  bildet  es  leicht  lösliche  Salze.  Mit  HCl  oder  H^SO^ 
auf  160—170°  C.  erhitzt  entsteht  Chinaldin. 

a-Naphtochinolin,  C13H9N,  hat  Skraup  (166)  folgendeimaassen  dargestellt: 

28  Grm.  a-Naphtylamin,  13  Grm.  Nitrobenzol,  50  Grm.  Glycerin  und  40  Grm.  HjSO^ 
werden  im  Oelbade  gegen  160°  C.  erhitzt.  Es  tritt  heftige  Reaction  ein  und  der  Kolben  wird 
herausgehoben.  Ist  die  Reaction  ruhiger  geworden,  so  wird  sie  5  Stunden  lang  bei  derselben 
Temperatur  fortgeführt.  Man  ftQlt,  wie  beim  ß-Naphtochinolin  beschrieben,  partiell  mit  KOH  die 
Harze  u.  s.  w.  Die  nach  dem  Verflüchtigen  des  Aethers  gewonnene  Base  wird  in  das  neutrale 
Sulfat  Übergeführt  und  das  schwer  lösliche  Sulfat  des  unveränderten  Naphtylamins  durch  I^Ösen 
in  Wasser  abgeschieden.  Zu  dem  Filtrat  wird  so  lange  K^Cr^O^  zufliessen  gelassen,  als  noch 
Ausscheidung  des  blauen  Oxydationsprodukts  des  a-Naphtylamins  erfolgt  Die  gelbe  Lösung 
scheidet  auf  Zusatz  von  NH3  ein  in  der  Kälte  leicht  erstarrendes  Oel  ab,  das  nach  einmaliger 
Fraction  ein  reines  Produkt  liefert.     Ausbeute  25  J. 

a-Naphtochinolin  stellt,  wenn  rein,  ein  farbloses  Oel  dar,  welches  beim  Zusatz 
bereits  krystallisirter  Substanz  sofort  erstarrt  zu  strahlig  angeordneten,  blendend- 
weissen  Prismen;  leicht  löslich  in  Aether,  Benzol,  Alkohol,  in  einer  Mischung 
gleicher  Volumina  Alkohol  und  Aether.  Schmp.  bei  50°  C.  Siedep.  251°  C.  bei 
747  Millim.  Druck.    Skraup  vindicirt  der  Base  folgende  Struktur: 

CH  CH 


H    n! 


C 

H 

Durch  Oxydation  des  o-Naphtochinolins  erhält  man  a-Phenylpyridindicarbon- 
säure,  aus  welcher  durch  Destilliren  über  Aetzkalk  a-Phenylpyridin  und  aus  diesem 
durch  Oxydation  Picolinsäure  entsteht. 

SaUe:  Platindoppelsair,  (CijHgNIICOjPta^  4-HjO.  Auf  Zusatz  von  PtCl^  zu 
einer  stark  verdünnten,  salzsauren  Lösung  der  Base  fallen  mikroskopische,  lichtgelb  gefärbte 
Prismen;  in  Wasser  und  verdünnter  Salzsäure  schwierig  löslich;  das  Krystallwasser  entweicht 
bei  110^  C.     Saures  Sulfat,  C^gH^NH^SO^;  schwach  gelbliche  Prismen,  in  Wasser  äusserst 


588  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Uicht,  schwer  in  kochendem  Alkohol  löslich;  kann  bis  160^  erhitzt  werden.  Chlorhydrat, 
CjsHgNHCI,  erscheint  aus  wässriger  Lösung  als  ein  Aggregat  schwach  gelber  Nädelcfaen;  in 
absolutem  Alkohol  nicht,  sehr  leicht  in  verdünntem  Alkohol  und  Wasser  löslich.  Pik  rat, 
Cj,H3N«CgH2(N 02)2(0 H),  hellgelbe,  mikroskopische  Prismen. 

p-Naphtochinolin  (166),  C13H9N. 

Darstellung:  28  Grm.  ß-Naphtylamin,  13  Grm.  Nitrobenzol,  50  Grm.  Glycerin  und  40  Orm. 
engl  H,SO^  werden  vor  dem  Rttckflussktthler  erhitzt  Gegen  150^  tritt  lebhafte  Reaction  ein; 
der  Kolben  wird  aus  dem  Bade  gehoben,  schliesslidi  lässt  man  bei  150 — 160^  durch  fünf 
Stimden  die  Reaction  sich  vollziehen,  es  ist  dann  alles  Nitrobenzol  verschwunden.  Man  f&gt 
eine  concentrirte  Lösung  von  20  Grm.  Aetzkali  zu  der  mit  ihrer  dreifachen  Menge  Wasser  ver- 
dünnten Masse,  trennt  durch  Filtration  vom  Theer;  das  Filtrat  wird  nun  mit  Aether  ttberschichtet 
und  unter  Schütteln  und  sorgsamer  Kühlung  alkalisch  gemacht.  Das  Naphtochinolin  geht  in 
den  Aether  über,  der  nach  dem  Trocknen  mit  Pottasche  abgetrieben  wird.  Die  zurückbleibende 
Base  wird  zur  Reinigung  zwei  Mal  über  freiem  Feuer  destillirt  oder  auch  nur  einmal  destiDiit 
und  in  ihr  Sulfat  ttbergeftlhrt. 

Frisch  dargestellt  ist  das  ß-Naphtochinolin  farblos,  kleinstrahlig  krystalliniscfa, 
sehr  leicht  löslich  in  Aether,  Alkohol,  Benzol  und  verdünnten  Säuren,  schwierig 
in  Wasser,  aus  welchem  es  in  kleinen,  glänzenden,  schneeweissen  Schüppchen 
krystallisirt;  mit  der  Zeit  färbt  es  sich  röthlich  bis  gelblichbraun.  Mit  Wasser- 
dämpfen sehr  schwer  flüchtig.  Schmp.  90°  C.  Durch  Oxydiren  entsteht  Phcnyl- 
pyridindicarbonsäure,  welche  sich  durch  vorsichtiges  Erhitzen  in  ß-Phenylpyridin- 
monocarbonsäure  verwandelt;  aus  dieser  geht  durch  weiteres  Oxydiren  Nicotin- 
säure  hervor.  Auf  diese  Thatsache  gestützt  ertheilt  Srraup  dem  ß-Naphto- 
chinolin  folgende  Strukturformel: 


Jh 


"^^CH'^^^C/^^^N 


Reactionen:  Fe,Clg  erzeugt  in  der  alkoholischen  Lösung  der  Base  braune  Fiibimg, 
^äter  fallen  eisenhydroxydähnliche  Flocken  aus;  Fe 80^  nichts,  AgNO,  einen  galleitartigeD, 
beim  Schütteln  krystallinisch  werdenden  Niederschlag,  der  nicht  ohne  Zersetzung  im  heisscn 
Wasser  löslich  ist;  Cu(C3H30,),,  eine  olivengrüne,  bei  weiterem  Zusatz  smaragdgrüne  Färbung; 
es  erfolgt  Trübung  und  Ausfallen  hübscher,  grüner  Kryställchen  in  Prismenform. 

Salze:  Chlorhydrat,  CijHgNHQ-*- 2HjO.  Lange,  weisse,  spröde  Nadeln,  durch 
Zusatz  von  conc.  HCl  zur  alkoholischen  Lösung  der  Base,  welche  in  Wasser  leicht  löslich,  nicht 
aber  zerfliesslich  sind.  Im  Röhrchen  sublimirbar  mit  schwacher  HCl -Entwicklung;  Krystall- 
Wasserbestimmung  nicht  ausführbar. 

Platindoppelsalz,  (Ci,H9NHCl),Pta^ -f-H,0;  röthlich  gelber  Niederschlag,  in  Wasser 
unlöslich,  in  HQ  sehr  schwer  löslich. 

Bichromat^  (Ci,HgN),H,Cr,07;  gelber,  krystallinischer  Niederschlag,  aus  der  schwefel- 
sauren Lösung  der  Base  mit  wässeriger  Cr  O  3 -Lösung  gefällt 

Pikrat,  Ci,H9NCgH,(0H)(N0,),;  lichtgelber  Niederschlag,  der,  aus  heissem  Alkohol 
oder  Benzol  gelöst,  beim  Erkalten  in  feinen  Prismen  ausf^t.     Schmp.  251— 252^  C 

Jodmethylat,  C^H^N,  CH,J-h2HaO.  IJ  Mol.  CH,J  werden  der  Base,  welche  in 
der  12 fachen  Menge  Aether  gelöst  ist,  zugesetzt;  nach  tmd  nach  erscheinen  feine,  grüngelbe 
Nadeln,  die  aus  Wasser  umkrystallisirt  werden  und  dann  lichtgelb  sind.  Schmp.  200— 205®  C 
Die  Lösungen  fluoresciren  schwachblau. 

Phenanthroline  sind  bis  jetzt  zwei  bekannt;  das  eine  ist  aus  Metadiamido- 


Chinolin.  589 

benzol,  das  andere,  das  Fseudophenanthrolin,  aus  Paradiamidobenzol  mittelst  der 
Glycerinsynthese  von  Skraup  dargestellt  worden;  sie  haben  folgende  Constitution: 

H  H 

C  C 

r    II  I     1 

HC-^    =^C^  HC^    ^C^ 


HC>.  ^,-^C>^ HC> 


I 


H  H 

Phenantiirolin  Pseudophenanthrolin. 

Dieselben  gehen  bei  der  Oxydation  in  Dipjo-idylcarbonsäuren  über,  welche 
der  Diphensäure  entsprechen. 

Phenanthrolin,  CijHjNj  -+-  2H,0  (167).  Dasselbe  erhielt  auch  La  Coste 
aus  Metanitranilin,  Nitrobenzol,  Glycerin  und  H2SO4  anstatt  des  erwarteten 
Metanitrochinolins. 

Darstellung:  95  Grm.  Zinndoppelsalz  des  m-Diamidobenzols,  15  Grm.  m-Dinitrobenzol, 
100  Gnn.  Glycerin  und  100  Gnn.  conc.  H^SO^  werden  6  Stunden  lang  bei  massigem  Sieden 
erhalten  am  RückflusskUhler;  die  mit  Wasser  verdünnte  Flüssigkeit  wird  von  ausgeschiedenem 
Harz  fUtrirt,  alkalisch  gemacht  und  oft  mit  Aether,  dem  etwas  Alkohol  zugefllgt  wird,  ausge- 
schüttelt. Der  ätherische  Auszug  wird  mit  HCl  behandelt  und  die  dunkelrothbraune,  salzsaure 
Lösung  eingedampft  bis  zur  beginnenden  Krystallisation  und  mit  dem  gleichen  Voluinen  Alkohol 
versetzt.  Das  ausfallende  Chlorhydrat  wird  abgesaugt  und  mit  absolutem  Alkohol  gewaschen. 
Die  Matterlaugen  werden  mehrere  Male  ebenso  behandelt,  die  letzte  Krystallisation  aber  durch 
porttse  Mittel  von  ihr  getrennt;  den  Krystallen  der  ersten  wie  der  folgenden  Abscheidungen 
haften  noch  fremde  Substanzen  an,  die  durch  Oxydation  entfernt  werden.  Man  löst  also  das 
Chlorhydrat  in  Wasser,  versetzt  mit  der  berechneten  Menge  K,Cr,OY,  worauf  das  in  kaltem 
Wasser  schwer  lösliche  Chromat  in  langen,  gelben  Nadeln  fällt;  dieses,  mit  Wasser  gewaschen, 
in  Wasser  suspendirt,  wird  in  der  Wärme  durch  Ammoniak  zerlegt;  zuerst  scheidet  sich  die 
Base  als  Oel  ab  und  erstarrt  dann  zu  einem  Brei  feiner  Nadeln.  Ausbeute,  auf  das  Diamin  be- 
zogen. =  70^ 

Um  die  wasserfreie  Base  zu  erhalten,  trocknet  man  entweder  über  H^SO^  oder  durch 
1— 2stündiges  Erhitzen  ^uf  100^  und  destillirt;  zuerst  geht  etwas  wasserhaltige  Base  über,  die 
in  ineinandergeschobenen  Tafeln  erstarrt;  man  destillirt  nochmals. 

Das  Phenanthrolin  krystallisirt  als  Hydrat  in  langen,  weichen  Nadeln,  die 
über  HjS04  getrocknet  bei  65-5°  schmelzen;  das  Destillat  bildet  vierseitige 
Täfelchen,  welche  bei  78 — 78*5°  C.  schmelzen  und  ziemlich  hygroskopisch  sind. 
Siedep.  weit  über  360°.  Die  Base  löst  sich  kaum  in  kaltem  Wasser,  leichter  in 
kochendem;  Alkohol  löst  sie  sehr  leicht,  dagegen  Aether,  Benzol,  Petroleumäther 
fast  gar  nicht;  die  kalte,  wässrige  Lösung  reagirt  nahezu  neutral,  die  kochend 
concentrirte  alkalisch.  Mit  Sn  und  HCl  entsteht  ein  Gemenge  von  Tetra-  und 
Octohydrobasen. 

Salze:  Chlorhydrat,  Ci,HgNj.HCl-t-H,0;  basisches  Chlorhydrat,  krystallisirt  in 
langen,  weissen  Prismen  auf  Zusatz  von  Alkohol  zu  einer  salzsauren  Lösung;  in  Wasser  sehr 
leicht  löslich;  wird  bei  120®  wasserfrei.  Dichlorhydrat,  Ci,HgN,'2HCl-t-H,0,  neutrales 
Salz,  ist  wenig  beständig.  Krystallform  der  des  basischen  entsprechend.  Es  entsteht  durch 
Auflösen  in  möglichst  wenig  conc.  HCl  bei  gelinder  Wärme.  Nitrat,  CjgHgN,-HNO,.  Man 
löst  die  Base  in  conc.  HNO,,  verdünnt  mit  Wasser  und  fügt  NH,  hinzu,  ohne  die  saure 
Reaction  zu  vernichten,  es  fallen  alsdann  glänzende,  dttnne  Prismen,  die  mit  absolutem  Alkohol 


59©  Handwörterbuch  der  Chemie. 

zur  Reinigung  ausgekocht  werden.  Bichromat,  (Ci3HgN,)jHjCr20y ;  goldgelbe,  glänzende 
Nadeln,  die  in  kaltem  Wasser  schwer,  weit  leichter  in  heissem,  noch  besser  in  verd.  HQ  lös- 
lich sind.  Pikrat,  C^ jH8NsCgHjOH(NOj),;  lichtgelbe,  mikroskopische  Prismen,  die  bei 
205^  sintern  und  bei  238—  240^  schmelzen  und  in  kochendem  Alkohol  sehr  schwer  löslich  sind. 
Sulfat  und  Tartrat  sind  dargestellt  worden,  beide  sind  in  Alkohol,  letzteres  auch  in  Wasser 
sehr  schwer  löslich. 

Jodmethylat,  CjjHgNjCHjJ  +  HjO.  4  Thle.  Methyljodid,  5  Thle.  Methylalkohol 
werden  mit  1  Thl.  Base  2 — 3  Stunden  im  geschlossenen  Rohr  auf  100®  erhitzt;  die  resultirenden, 
dunkelgelben,  centimeterlangen,  breiten  Prismen  werden  aus  heissem  Wasser  umkrystallisirt;  Ver- 
halten dem  der  analogen  Chinolinverbindung  ganz  ähnlich;  merkwürdig  ist  hier,  dass  nur  1  MoL 
CH3J  in  Reaction  kommt,  also  die  Addition  nur  an  einem  Pyridinkem  stattfindet 

Bromadditionsprodukte,  Octobromid,  C^^HgNjBrg,  fSJlt  auf  Zusatz  von  Brom  zo 
einer  heissen,  alkoholischen  Phenantrolinlösung  in  rothen  Krystallen.     Schmp.  176 — 17S^  C 

Dibromid,  C^gHgN^Br^,  entsteht  bei  der  Einwirkung  von  Bromwasser  auf  die  wässerige 
Lösung  des  Phenantrolins  als  hellgelber;  mikrokrystallinischer  Niederschlag.  Schmp.  145)®.  Er- 
hitzt man  denselben  kurze  Zeit  vorsichtig  mit  Alkohol,  so  entstehen  dunkehothe  Krystalle  von 
der  Zusammensetzung  Cj  .^HgNjBr^ -}- C,  jHgN^-HBr,  die  mit  Wasser  erwärmt  Br  entwickeln. 
Schmp.  178®  C.  Setzt  man  das  Kochen  des  Dibromids  mit  Alkohol  fort,  so  erhält  man  schliess- 
lich die  farblosen  Nadeln  des  Bromhydrats,  CijHgNj-HBr  +  JH,0.     Schmp.  278— 280®  C. 

Bromsubstitutionsprodukte  entstehen,  wenn  Phenantrolin  mit  Brom  und  Wasser  in 
Röhren  erhitzt  wird.     Anscheinend  ein  Gemenge  von  Di-  und  Tribromprodukten. 

Oxyphenanthrolin,  CigH^OHN^  (168),  tritt  als  Nebenprodukt  bei  der 
Darstellung  des  Phenanthrolins  aus  Metanitranilin  u.  s.  w.  auf  und  krystallisirt 
entweder  in  kurzen,  schwach  gelbgefärbten  Nadeln  oder  in  zu  Rosetten  vereinigten, 
vierseitigen  Tafeln.  Schmp.  159  — 160®  C.  Diese  Oxybase  löst  sich  leicht  in 
kalter,  verdünnter  Natronlauge  und  wird  durch  CO^  wieder  ausgefallt  und  ist 
reichlich  löslich  in  warmem  Alkohol,  Benzol  und  verdünnten  Säuren;  La  Coste 
vermuthet  das  Hydroxyl  in  der  a-Stellung. 

Salze:    [CijH7(OH)NaHCl],PtCl4  +  I  oder  liH,0;  feine,  gelbe  Nädelchen. 

Pseudophenanthrolin,  (C9H7NHCl)2PtCl4  H- 2HjO  (169). 

HO  Grm.  Zinndoppelsalz  des  Paradiamidobenzols,  31  Grm.  Nitrobenzol,  100  Grm.  Gljcerio 
und  100  Grm.  engl.  H.JSO4  werden  am  RUckflusskühler  5 — 6  Stunden  bis  zum  mässigeii  Sieden 
erhitzt.  Die  Reaction  ist  stets  unvollständig,  in  Folge  dessen  unangegriffenes  Nitrobenzol  mit 
Wasserdampf  entfernt  werden  muss.  Man  verfUhrt  weiter,  wie  beim  Phenanthrolin  angegeben 
ist,  doch  bestehen  die  Krystallisationen  aus  einem  Gemenge  des  salzsauren  PseudophenanthroUns 
und  des  salzsauren  Diamins.  Die  Trennung  gelingt  durch  conc.  HCl,  welche  aus  concentriiter 
wässriger  Lösung  nur  das  Diamin  Üält;  das  eingeengte  Filtrat  wird  nochmals  so  behandelt  und 
der  letzte  Rest  des  Diamins  beseitigt;  die  überschtlssige  HCl  wird  durch  Eindampfen  verjagt 
und  K,Crj|Or  in  der  Kälte  zugefügt.  Das  Chromat  wird  mit  Wasser  ausgewaschen  und  in  der 
Wärme  mit  NH,  zersetzt;  die  Base  ßült  als  gelbliches  Oel,  das  bald  erstarrt 

Die  reine  Base  geht  oberhalb  der  Thermometergrenze  als  farbloses  Oel  über, 
das  2u  einer  schnee weissen  Masse  erstarrt,  die  leicht  zerreiblich,  aus  kleinen 
Prismen  zusammengesetzt  ist  und  am  Licht  sich  röthet.  Es  empfiehlt  sich,  bei 
der  Destillation  die  Gefösse  mit  COg  zu  füllen,  Schmp.  sowohl  der  wasser- 
haltigen als  wasserfreien  Base  173°  C. 

Das  Krystall Wasser  entweicht  schon  an  freier  Luft,  bei  100°  unter  Verlust 
eines  Theils  der  Substanz.  Wasser  löst  die  Base  in  der  Wärme  leicht«  ebenso 
Benzol  und  SchwefelkohlenstoflF  in  der  Siedhitze;  verdünnte  Säuren  nehmen  sie 
leicht  auf  ohne  Fluorescenzerscheinung. 

Reactionen:  Die  schwach  alkalisch  reagirende,  alkoholische  I^sung  fUrbt  sich  mit  Fe,Qf 
rotfagelb.    CuCCjHjO,),  scheidet  grüne  Flocken  ab,  welche  in  der  Wärme  kiystallinisch  werden; 


Chinolin.  591 

AgNO,  erzeugt  eine  Gallerte,  welche  in  der  Hitze  sich  in  schimmernde  Nädelchen  verwandelt; 
FeSO^  bildet  nach  längerem  Stehen  eine  gclblichgrüne  Trübung. 

Salze:  Monochlorhydrat,  Cj  jHgNjHCl -+- 2HjO;  lässt  sich  darstellen  durch  Ver- 
dampfen '  gleicher  Moleküle  Base  und  Säure.  Weisse  Blättchen,  welche  aus  absolutem  Alkohol 
als  Nädelchen  wieder  erscheinen. 

Dichlorhydrat,  C^^H^N, 2HC1,  krystallisirt  aus  Lösungen  der  Base  in  überschüssiger 
HCl  in  grossen,  dicken,  durchsichtigen  Prismen,  die  krystall wasserfrei  sind.  Krystallform :  mono- 
klin.    tf:^:f=  1-2369: 1:0-8913;  t)  =  102»  53'. 

Bichromat,  (Cj3HgN2)2HjCrj07  +  2iHjO;  feine  Nadeln  oder  Prismen  von  schön 
orangegelber  Farbe,  die  zu  schmalen  Blättchen  gereiht  sind;  schwer  löslich  in  kaltem,  leichter 
in  heissem  Wasser. 

Platindoppelsalz,  CijHgN,(HCl)jPta4  +  2iHjO;  orangegelber,  feiner  Niederschlag, 
der  in  Wasser  nicht,  in  kochender  HCl  sehr  schwer  löslich  ist. 

Jodmethylat,  C^jH^N,,  CHgJ-f-HjO;  citronengelbe  Nadeln;  sie  entstehen,  wenn  die 
in  Methylalkohol  gelöste  Base  mit  einem  Molekül  CHjJ  versetzt  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
sich  selbst  überlassen  wird;  die  Löslichkeitsverhältnisse  stimmen  mit  derjenigen  der  folgenden 
Dijodmethylverbindung  fast  vollkommen  überein.  KOH  fällt  ein  Oel,  das  krystallinisch  wird 
(Pseudophenanthrolin  ?). 

Dijodmethylat,  Ci,HgN3(CH3J),  +  H,0.  Erhitzt  man  1  Thl.  Base,  5  Thle.  CH,J 
und  10  Thle.  Methylalkohol  3  Stunden  auf  100—110^,  so  erhält  man  ein  Gemenge  grosser, 
rothbrauner  Krystalle  der  Dijodmethyl-  und  kleiner,  gelber  Krystalle  der  Monojodmethylverbindung; 
erstcre  werden  durch  öfteres  Umkrystallisiren  von  letzteren,  welche  etwas  leichter  in  Wasser  löslich 
sind,  getrennt.  Dicke  Tafeln  oder  mit  ihrer  Basis  aufeinandergestellte  Doppelp}ramiden,  die  in 
kaltem  Wasser  ziemlich,  in  heissem  sehr  leicht  löslich  sind,  ebenso  in  verdünntem  Weingeist, 
schwer  in  absolutem  Alkohol,  nicht  in  Aether.  KOH  färbt  die  alkoholische  Lösung  kirschroth; 
beim  Erwärmen  scheidet  sich  ein  dunkles,  geruchloses  Oel  ab. 

Bromadditionsprodukte:  Lässt  man  Bromwasser  auf  die  salzsaure  Base  in  wässeriger 
Lösung  einwirken,  so  entsteht  ein  gelber,  zersetzlicher  Niederschlag,  C^jH^N^Br^.  Dieses 
Tetrabromid  geht  Unter  BraunfUrbung  und  Abgabe  von  Brom  in  das  Dibromid,  Cj^HgN^Brj, 
über.  Dieses  löst  sich  zuerst  in  wenig  warmem  Alkohol  und  scheidet  sich  alsbald  in  langen, 
gelben  Nadeln :  C^aHgN^^HBr-Br,  aus.  Kocht  man  längere  Zeit,  so  erhält  man  das  Bromhydrat 
des  Pseudophenanthrolins. 

Acridin,  CijH^N  (170).*)  Ueber  dasselbe  hat  v.  Richter  (Bd.  i,  pag.  30) 
schon  berichtet.  Indess  haben  kürzlich  Bernthsen  (174)  und  Fischer  dasselbe 
S3mthetisch  dargestellt,  seine  Constitution  ermittelt  und  Riedel  (Ber.  16,  pag.  1609) 
hat  seine  Zugehörigkeit  zur  Chinolingruppe  festgestellt.  Bernthsen  gelang  die 
Synthese  durch  Erhitzen  eines  Gemisches  von  Diphenylamin  und  Ameisensäure  mit 
Chlorzink;  Fischer  gleichzeitig  und  unabhängig  von  ihm  durch  Erhitzen  von 
Formyldiphenylamin  mit  Chlorzink  und  eines  Gemenges  von  Diphenylamin  und 
Chloroform  mit  Chlorzink;  femer  Grabe  beim  Durchleiten  von  Ortholylanilin 
durch  eine  bis  zur  schwachen  Rothgluth  erhitzte  Röhre.  Aus  diesen  Processen 
ergiebt  sich  für  das  Acridin  folgende  Strukturformel: 

H 
CH     C         CH 

HC-^^C^  ^C^^CH 


CH     N         CH 
Diese  ist  weiter  bestätigt  worden  durch  die  Oxydation  des  ß-Aethylchinolins, 


*)  Eine  ausführliche  Abhandlung  Über  Acridin  erschien  während  des  Druckes  von  A.  Berntm- 
SKN  in  LusBiG's  Annalen  Bd.  224.    Heft  i  und  2. 


592  Handwörterbuch  der  Chemie. 

welches  eine  Säure  liefert,  welche  identisch  ist  mit  der  durch  Abspaltung  einer 
Carboxylgruppe  aus  der  Acridinsäure  gewonnenen  Säure. 

Salze:  Acridinsulfat,  (Cj3HgN),H,SO^ +H2O,  krystallisirt  aus  einer  Lösung  der 
Base    in    nur    wenig    überschüssiger   Säure.      Goldgelbe  Nadeln    oder    ziemlich   grosse  Säulen. 

Saures,  schwefelsaures  Acridin,  2C^,HgN-3H,S04,  scheidet  sich  aus  einer  stark 
schwefelsauren  I^ösung  in  gelben  Nadeln  ab.  Durch  UmkrystaUisiren  aus  Wasser  geht  es  in 
das  neutrale  Salz  über.  Chlorhydrat,  Ci,H3N.Ha  + 2H„0;  bräunlichgelbe,  lange  Säulen; 
in  Wasser  leicht  löslich.  Platindoppelsalz,  (C,,H9N»Ha)2PtCl4;  mikroskopische,  in 
Wasser  kaum  lösliche  Nadeln.  Golddoppelsalz,  (Ci,H,NHCl)AuCl,;  gelbe,  kiystaUinische 
Fällung,  in  Wasser  unlöslich.  Quecksilberdoppclsalz,  (CigHgNHCl),Hga,;  gelber, 
krystallinischer,  in  Wasser  unlöslicher  Niederschlag.  Saures,  chromsaures  Salz,  C^^H^N* 
HjCrjO^;  orangegelbe  Nadeln,  in  kaltem  Wasser  wenig,  in  viel  kochendem  leichter  löslidL 
Salpetersaures  Salz,  CjjH^N'HNO,,  in  Wasser  leicht  lösliche,  gelbe  Nadeln.  Schweflig- 
saures Acridin,  (C2|HgN)3H,S03  (171),  wird  durch  Einleiten  von  SO,  in  eine  Lösung 
▼on  salzsaurem  Acridin  in  Form  von  unlöslichen,  röthlichbraunen  Nadeln  dargestellt  oder  auch 
durch  Vermischen  der  Lösungen  von  salzsaurem  Acridin  und  schwefligsaurem  Natron  und  An- 
säuren  mit  HCl.  Es  ist  beständig.  Ucberschüssige  HCl  oder  HjSO^,  ebenso  NH,  und  Alka- 
lien wirken  zersetzend  ein.  Schwefligsaures  Acridinnatron,  C^jH^N,  HSO^Na,  bildet 
sich,  wenn  man  das  Ansäuren  nach  dem  Vermischen  der  Lösungen  von  salzsaurem  Acridin  und 
schwefligsaurem  Natron  unterlässt,  in  farblosen  Säulen,  die  in  Wasser,  welches  überschflssiges 
neutrales  oder  schwefligsaures  Natron  enthält,  beständig  sind  und  daraus  umkrystallisirt  werden 
können.  Beim  Erhitzen  der  reinen  Lösungen  entsteht  Acridin,  bei  vorsichtigem  Zusatz  von  HQ 
entsteht  (C,  jH9N),H3S04. 

HyperJodid,  Cj,HgNHJJ,  (?),  entsteht  auf  Zusatz  von  Jodlösung  zu  einer  alkoholischen 
oder  wässerigen  Lösung  des  jodwasserstoffsauren  Salzes  in  braunrothen  Krystallen,  die  aus  heissem 
Alkohol  gereinigt  werden.     Grosse,  braunrothe  Tafeln;  in  Wasser  unlöslich. 

Jodäthylat,  (Ci,H3N)jCjH  J  und  Cj  jH^N.CjHJ;  entstehen  gleichzeitig  beim  Kochen 
der  Base  mit  CjHJ.  Die  erste  Verbindung  ist  in  Wasser  ziemlich  schwer  löslich;  grosse,  röth- 
liche  Nadeln.  Die  andere  ist  in  Wasser  leicht  löslich;  kleine,  rothe  Nadeln;  sie  geht  allmahUdi 
in  die  erste  Verbindung  über.  Beide  Verbindungen  bilden  bei  häufigem  UmkrystaUisiren  Acridin 
zurück. 

a-Mononitroacridin,  CuHgNNO,  (i7o)>  ^^^  neben  ß-Mononitroacridin  und  Dinitro- 
acridin  erhalten,  wenn  man  Acridin  mit  Salpetersäure  (spec.  Gew.  1*45)  erwärmt;  man  verdünnt 
mit  Wasser;  es  fällt  Binitroacridin,  in  der  Lösung  sind  die  salpetersauren  Mononitrobasen ;  diese 
werden  durch  NH,  zerlegt  und  durch  UmkrystaUisiren  aus  Alkohol  getrennt.  Es  scheidet  sich 
zuerst  das  schwer  lösUche 

a-Nitroprodukt  aus.  Goldgelbe,  glänzende  Blättchen,  dem  Chloranü  ähnUch.  Diese 
schmelzen  bei  214^  und  sublimiren  unverändert.  In  Wasser  unlöslich,  wenig  löslich  in  kaltem 
Alkohol,  etwas  mehr  in  siedendem,  wenig  in  Aether,  ziemlich  reichlich  in  Chloroform.  BQdet 
mit  Säuren  Salze,  deren  Lösungen  nicht  fluoresciren. 

ß-Mononitroacridin.  Dampft  man  das  alkoholische  FUtrat  vom  a-Nitroprodukt  ein,  so 
erhält  man  ein  Gemenge  beider.  Man  krystaUisirt  so  lange  um,  bis  die  KiystaUe  bei  154^  C 
schmelzen.  Harte  Blättchen  oder  Tafeln,  die  in  heissem  Alkohol  sehr  leicht,  weniger  in  kaltem 
löslich  und  in  Wasser  unlöslich  sind.     Bildet  mit  Säuren  Salze. 

Binitroacridin,  Cj,H7N(NO,),.  Dasselbe  entsteht  am  reichUchsten,  wenn  Acridin  mit 
einem  Gemisch  von  HjSO^  und  HNO,  einige  Stunden  auf  dem  Wasserbade  erwärmt  wird. 
Der  auf  Zusatz  von  Wasser  sich  abscheidende  gelbrothe  Niederschlag  wird  mit  heissem  Wasser 
ausgewaschen  und  aus  Eisessig  umkrystaUisirt.  Röthlichgelbe  Tafeln.  In  Alkohol,  Aether  und 
Benzol  schwer  löslich,  reichlicher  in  siedendem  Eisessig.     Verbindet  sich  nicht  mit  Säuren. 

Hydroacridin,   CgH4:;;^^^'^C4H4.Ci,HuN  (172),  haben  Grabe  und  Card  duzdi 

Reduction  des  Acridins  in  alkoholischer  Lösung  mit  Natriumamalgam  erhalten.  Dieselben 
schrieben  ihm  die  Formel  C^gH^oN,  zu,  aber  die  gegebene  scheint  nach  der  SUbemitratreaction, 
welche  Beri<thsbn  und  Bender  ausführten,  die  richtige  zu  sein  und  vielmehr  dem  mdösliciieii 


ChinoHn.  593  ] 

Hydroacridin  zuzukommen.  Es  krystallisirt  in  farblosen  Säulen  aus  Alkohol  und  sublimirt  un- 
lersetzt  in  derselben  Form.  Schmp.  169°  C.  Zerfällt  beim  Erhitzen  auf  300  ^  C.  in  Wasserstoff 
und  Acridin.  Es  ist  unlöslich  in  Wasser,  wenig  löslich  in  kaltem  Alkohol,  leicht  in  heissem 
und  in  Aetfaer.  Es  giebt  mit  Säuren  keine  Salze  und  wird  aus  einer  Lösung  in  Vitriolöl  durch 
Wasser  unverändert  wieder  ausgefällt.     CrO,  oxydirt  es  zu  Acridin. 

Unlösliches  Hydroacridin,  C^jH^jN  (Graebe),  C^g^so^  (Berntosen),  wird  ge- 
wonnen, wenn  alkoholische  Acridinlösung  in  der  Siedhitze  mit  Natriumamalgam  behandelt  wird. 
Farbloser,  in  Alkohol,  Aether,  CHCl,,  CS,  und  Benzol  unlöslicher  Niederschlag.  Es  löst  sich 
in  heissem  Nitrobenzol  und  erwärmtem  Vitriolöl,  dabei  in  Acridin  Übergehend. 

Acridinoctohydrür,  CjjH^yN  (173),  hat  Grabe  gewonnen  durch  Erhitzen  von  Acridin 
mit  Phosphor  und  HJ  auf  220 — 230°  C.  Das  ausgeschiedene  jodwasserstoffsaure  Salz  wird  zerlegt 
und  die  Hydrobase  aus  Alkohol  in  farblosen  Blättchen  oder  Tafeln  gewonnen.  Schmp.  84°  C, 
Siedep.  bei  320°  C.  Essigsäureanhydrid  und  Benzoylchlorid  erzeugen  in  der  Wärme  Acctyl- 
bezw.  Benzoylverbindungen.  Mit  Jodmethyl  wird  die  Methylbase  gewonnen.  In  Gegenwart  von 
NH,  reducirt  die  Base  Silbersalze. 

Chlorhydrat,  Cj,HjjN-HCl,  farblose  Tafeln,  die  in  heissem  Wasser  leicht,  in  kaltem 
ziemlich  schwer  löslich  sind. 

Methylacridin,  CijHgCHjN,  ist  von  Bernthsen  und  Bender  entdeckt  worden  und 
wird  ähnlich  wie  Flavanilin  durch  Erhitzen  von  Diphenylamin,  Eisessig  und  Chlorzink  gewonnen 
(174).  Zur  Isolirung  bedient  man  sich  des  salzsauren  Salzes.  Die  Base  krystallisirt  aus  Ligroin 
in  farblosen,  tafelförmigen  Krystallen  und  schmilzt  bei  114°  C;  ihr  Verhalten  ist  dem  des 
Acridins  sehr  ähnlich,  doch  ist  die  Löslichkeit  in  Wasser  geringer.  Durch  nascirenden  H  entsteht 
eine  kiystallisirbare  Hydro  Verbindung,  die  durch  conc.  HNO,  wieder  oxydirt  wird;  durch  Per- 
manganat  entsteht  eine  Chinolintricarbonsäure. 

Methylacridin-Jodmethylat,  C14H11N,  CH,J,  bildet  sich  beim  Er- 
wärmen von  Methylacridin  mit  überschüssigem  CH  j  auf  100°  C.  Schöne,  seide- 
glänzende, rothe  Nadeln.  In  heissem  Wasser  leicht,  in  heissem  Alkohol  schwer 
löslich.  Schmp.  185°  C.  Durch  Fällen  einer  wässrigen  Lösung  mit  NaOH  ent- 
steht die  noch  nicht  genauer  präcisirte  Ammoniumbase. 

Butylacridin,  Ci3H8N(C4H9)(Ann.  224),  wird  erfialten  durch  Erhitzen  eines 
Gemenges  von  Valeriansäure  und  Diphenylamin  mit  Chlorzink.  Die  freie  Base  ist 
schwierig  krystallisirbar.     Destillirt  fast  unzersetzt 

Salze:  Chlorhydrat,  Ci^Hi^N-HCl,  dunkelgelbe  oder  braungelbe,  glän- 
zende, längliche,  schief  abgeschnittene  Säulen  oder  kalkspathähnliche  Krystalle 
(aus  Alkohol).  Schmp.  191°  C.  Leicht  löslich  in  Wasser  und  Alkohol.  Fluores- 
cenz  in  verdünnter  Lösung  blaugrün. 

Nitrat,  C^yKj^N,  HNO3,  glasglänzende,  orangegelbe  Säulen.  In  reinem 
Wasser  nicht  ohne  Dissociation  löslich.     Schmp.  139°  C. 

Chromat,  Ci7Hi7N-H3Cr04,  rothgelber  Niederschlag  mikroskopischer 
Nadeln.     Sehr  schwer  löslich  in  Wasser. 

Hydrobutylacridin,  C17H19N,    entsteht  durch  Reduction  der  Butylbase 
mit  HCl  und  Zn-Staub  und  krystallisirt  aus  heissem  Alkohol  in  schönen,  weissen. 
Blättchen.     Leicht  löslich  in  Aether.     Schmp.  98— 100°  C. 

Phenylacridin,  C^  ,Hg(C5H5)N  (174).  I>iese  Base  entsteht  durch  Erhitxen  gleicher  Moleküle 
Diphenylamin  und  Benzoesäure  mit  Chlorzink  in  einer  Ausbeute  von  48  f;  femer  durch  Ein- 
wirkung von  Benzonitril  auf  salzsaures  Diphenylamin  im  geschlossenen  Rohr  auf  230 — 250°  C- 
In  geringer  Menge  findet  sie  sich  auch  im  Reactionsprodukt  von  Benzotrichlorid  auf  Diphenyl. 
amin.  Ihr  Schmelzpunkt  ist  bei  181  °  C.  gefunden  worden,  indess  zeigen  manche  reine  Präparate 
einen  solchen  bei  179—180°  C.  Ueber  360°  C.  destillirt  sie  unzersetzt  In  Benzol  ist  sie 
leicht  löslich,  massig  leicht  in  Aether,  in  kaltem  und  relativ  auch  in  heissem  Alkohol  schwer 
löslich,  die  sauren  Lösungen  fluoresciren  grünlich.  Mit  1  Mol  Krystallbenzol  krystallisirt  das 
Phenylacridin  in  dicken,  gelblichen  Prismen  des  monoklinen  oder  triklinen  Systems,  die  ungemein 
Ladbhburg,  Chemie.    U.  ^g 


594  Handwörterbuch  der  Chemie. 

rasch  verwittern.  Unter  Umständen  erhält  man  benzolfreie,  tafelförmige,  monokline,  gelbe 
Krystalle  mit  sechseckiger  Basis,  die  auch  aus  Alkohol  erhalten  werden.  a:^u  =  0*5875: 1:0*50 14; 
ß  =  5l0  23'. 

Erhitzt  man  die  Base  1  —  2  Minuten  mit  conc.  HNO,,  so  entstehen  auf  Zusatz  von  Wasser 
gelbe  Blättchen  eines  Nitroproduktes.  Reductionsmittel  erzeugen  eine  farblose,  nicht  basische 
Hydroverbindung.  Es  ist  bis  jetzt  nicht  gelungen,  eine  Chinolintricarbonsäure  zu  gewinnen,  denn 
die  Base  ist  gegen  Permanganat  beständig,  ebenso  gegen  Salpetersäure.  Giromsäure  in  Eisessig 
verbrennt  sie  bis  zur  Benzoesäure  etc.     Die  Salze  dissociiren  beim  Uebergiessen  mit  Wasser  sofort. 

Salze:  Chlorhydrat,  C^^HijN,  HCl,  krystallisirt  aus  heisser,  salzsaurer  Lösung  in 
prächtigen,  granatrothen  bis  rothgelben,  nadeiförmigen,  schmalen  Prismen.    Schmp.  über  220**  C 

Platindoppelsalz,  (Cj^H^jN,  HC!)3PtCl4,  ist  aus  salzsäurehaltigem  Alkohol  in  gnmat- 
rothen  Nädelchen  erhalten  worden. 

Nitrat,  zarte,  dünne,  gelbe  Nädelchen  oder  lange,  platte  Nadeln,  ungemein  schwierig  lös- 
lich in  salpetersäurehaltigem  Wasser  (1:1000). 

Sulfat,  gelbrothe,  compakte,  rhombische  Krystalle,  die  in  heissem  Wasser  sehr  leicht 
löslich  sind. 

Pikrinsäure,  K^CrO^,  HgCl^,  KJ,  geben  gelbe  Niederschläge. 

Phenylacridiniummethyljodid,  CjgHjjN,  CHjJ,  entsteht,  wenn  die  Base  mit  Über- 
schüssigem Jodmethyl  im  Rohr  auf  70 — 100®  C.  erhitzt  wird.  Es  krystallisirt  aus  heissem  Alkohol 
in  schwarzen,  glänzenden  Krystallen,  die  fein  zerrieben  ein  zinnoberrothes  Pulver  dairstellen. 
Versetzt  man  seine  wässrige  Lösung  mit  Silberoxyd,  Natronlauge  oder  Ammoniak,  so  fklli: 

Phenylacridiniumhydroxyd,  CjgHjjNCHjOH,  als  eine  in  Wasser  unlösliche  Ver- 
bindung, zuerst  milchig  und  weich.  Diese  wird  aus  Alkohol  in  Prismen  erhalten.  Schmelz- 
punkt 108®  C.  Beim  Trocknen  bei  70®  C.  fKrbt  sie  sich  stets  etwas  roth,  ohne  indess  verändert 
zu  werden.  Mit  JH  und  Alkohol  entsteht  wieder  das  Jodid.  Beim  Erhitzen  über  den  Schmdz- 
punkt  entstehen  neben  etwas  Harz  Acridin  und  Methylalkohol.  Als  starke  Base  nimmt  sie  Saue- 
dämpfe  aus  der  Luft  unter  Gelbförbung  auf.  Ihr  Chlorid  bildet  in  Wasser  leicht  lösliche  Nadeln, 
ihr  Nitrat  schwer  lösliche,  gelbe,  lange  Nadeln.  KjCrO^,  HgClj,  PtCl^,  JK,  J,  geben  analoge 
Niederschläge  wie  das  Phenylacridin.  Die  verdünnten  Lösungen  ihrer  Salze  mit  Ausnahme  des 
Jodids  fluoresciren  stark  grün. 

Dinitrophenylacridin,  Ci9H,i(N02)2N,  entsteht,  wenn  Phenylacridin  mit  2  MoL 
HNOj  nitrirt  wird.     Hellgelb.     Löst  sich  in  HCl  in  der  Hitze. 

Trinitrophenylacridin,  Ci9Hio(N03)3N,  gewinnt  man  durch  Nitriren  des  Phenyl- 
acridins  in  einem  Gemisch  von  HNO,  und  HjSO^.  Gelbe,  mikroskopische  Nadeln  (aus  Tolaol). 
In  HCl  kaum  löslich. 

Diamidophenylacridin  ist  nach  O.  Fischer  und  G.  Körner  (Berl.  Ber.  17,  pag.  203) 
identisch  mit  Chrysanilin. 

Triamidophenylacridin  bildet  sich  bei  der  Reduction  des  Trinitrophenylacridins  mit  Sn 
und  HCl  oder  Eisessig  mit  Zn-Staub.     Niclit  näher  untersucht. 

Phenylacridindisulfosäure,  Cj^H,  jN(S03H)j,  entsteht  beim  Sulfurircn  des  Phenyl- 
acridins  mit  rauchender  H^SO^  bei  140 — 160®  C.  Die  freie  Säure  ist  noch  nicht  rein  dar- 
gestellt; ihre  wässrigen  Lösungen  zeigen  prächtige,  grüne  Fluorescenz.  Das  Natronsalz, 
Cj5HjiN(S03Na)2,  krystallisirt  in  weissen  Nadeln  und  fluorescirt  in  seinen  sehr  verdtlnnten 
Lösungen  blau.     In  der  Kalischmelze  sollen  sich  geringe  Mengen  Dioxyphenylacridin  bilden, 

Hydrophenylacridin,  CgH^     j^jT^    ®    *'     CgH^.    Dieses  wird  gebildet,  wenn  man  die 

salzsaure  Lösung  der  Base  mit  Zinkstaub  erhitzt  oder  die  warme,  alkoholische  Lösung  der  Base 
mit  Natriumamalgam  behandelt.  Im  ersten  Falle  trennt  man  den  Zinkstaub  von  der  keine 
organische  Substanz  enthaltenden  Flüssigkeit  und  kocht  ihn  mit  Alkohol  aus;  es  scheiden  sich 
alsbald  prächtige  Nadeln  der  Hydroverbindung  ab,  die  bei  163— 164®  C.  schmelzen.  Durch 
Oxydation  mittelst  Silbernitrat  wird  sie  in  die  ursprüngliche  Base  übergeführt.  Das  abgeschiedene 
Silber  entspricht  2  Atomen  H.  Die  Hydrobase  zeigt  keine  basischen  Eigenschaften  Erhüh  man 
sie  kurze  Zeit  im  Sieden  oder  kocht  sie  mit  wenig  Wasser,  verdünnter  H^SO^  oder  verdOnoter 
HNO  3  u.    s.  w.,  so  erfolgt  Rückbildung. 


Chinolin.  595 

Methyl-Hydrophenylacridin,  CjgHj^NCHj.  Dieses  gewinnt  man  durch  Erhitzen 
der  Hydrobase  mit  1  Mol.  Jodmethyl  auf  130 — 140®  C.  Das  Produkt  aus  Alkohol  umkrystallisirt 
liefert  weisse  Nadeln  oder  Prismen.  Schmp.  104**  C.  Ohne  Analogon  ist  das  Verhalten  dieser 
Verbindung  gegen  Oxydationsmittel.  Wird  nämlich  ihre  alkoholische  Lösung  mit  NaNOj  und 
HCl  behandelt,  so  entsteht  sofort  gelbe  Farbe  und  grüne  Fluorescenz.  Nach  Verjagen  des 
Alkohol,  Aufnehmen  in  Wasser  und  Fällen  mit  Alkali  gewinnt  man  das  schon  beschriebene 
Methylphenylacridiniumhydroxyd. 

Acetylhydrophenylacridin,  CjgHj^NCjHjO.  Dieses  durch  4sttindiges  Erhitzen  des 
Phenyläcridins  mit  Essigsäureanhydrid  entstehende  Acetylderivat  wird  durch  Ueberschichten  seiner 
Benzollösung  mit  Ligroin  in  harten  Krystallen  gewonnen.  Schmp.  128®  C.  Es  ist  in  Alkohol, 
Aether,  Benzol,  Chloroform  und  Aceton  sehr  leicht  löslich. 

Trinitroacridincarbonsäure,  Ci3H5(NOj)3N-COOH  (Ann.  224),  bildet 
sich   beim   Erhitzen    des  Methylacridins    mit  HNOg    (1,33)    am  Rückflusskühler. 
Gelbe,  glänzende  Prismen,  welche  in  den  meisten   Lösungsmitteln    sich   schwer' 
lösen.     Zersetzt  sich  bei  190°  C. 

Acridylbenzoesäure,  CigHgN-CgH^-COjH  (Ann.  224),  wird  bereitet  durch 
Schmelzen  von  Phtalsäureanhydrid,  Diphenylamin  und  Chlorzink.  Gelbes,  krystalli- 
nischeb  Pulver.  In  kochendem  Wasser  fast  unlöslich,  sehr  wenig  löslich  in  sieden- 
dem Alkohol,  aus  welchem  sie  in  Nadeln  krystallisirt.  In  Aether,  Chloroform  und 
Benzol  auc  hsehr  wenig  löslich.  Auf  300°  C.  erhitzt  bleibt  sie  unverändert.  Wird 
sie  sehr   hoch  erhitzt,   so  spaltet  sich  COg  ab  unter  Bildung  von  Phenylacridin. 

Salze:  Chlorhydrat:  CjqH^jNOj'HCI,  kleine  Nadeln,  auch  kleine  Tafeln  von  dunkel- 
gelber Farbe.  Schwer  löslich  in  heissem  Wasser,  leichter  in  heisser  HCl,  etwas  in  siedendem 
Alkohol.     Schmp.  163®  C.  unter  Gasentwicklung. 

Natronsalz,  CjoHjjNOjjNa  4- (l^HjO  ?),  entsteht  auf  Zusatz  von  conc.  NaOH  zu  einer 
erhitzten  Lösung  der  Säure  in  verd.  NaOH,  bis  die  entstehende  Trübung  verschwindet.  Beim 
Erkalten  scheiden  sich  perlmutterglänzende,  farblose  Blättchen  oder  lange  Nadeln  aus, 

Anthrachinolin,  C^^Hi^N,  hat  Graebe  in  neuester  Zeit  aus  Anthrarain, 
Nitrobenzol,  HgSO^  und  Glycerin  synthetisch  dargestellt  (176). 

Darstellung:  1  Th.  Alizarinblau  wird  mit  10  Thln.  Zn-Staub  vermischt,  am  besten  in 
einer  bis  zum  Hals  geftlllten  Retorte  rasch  destillirt;  die  tibergehende  Base  setzt  sich  erstarrend 
im  Retortenhals  fest  und  wird  aus  Alkohol  umkrystallisirt,  wobei  Alizarinblau  ungelöst  bleibt. 
Spuren  von  Anthracen  werden  durch  Auflösen  der  Base  in  HCl  beseitigt 

Die  Base  krystallisirt  in  Blättchen  oder  Tafeln,  die  sich  leicht  bräunlich  färben;  sublimirt 
in  farblosen  Blättchen;  unlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Alkohol,  Aether,  Benzol.  Schmp.  170®  C. 
Siedep.  446®  C.  Die  Lösungen  fluoresciren  intensiv  blau.  Die  Salze  sind  alle  gelb  gefärbt  und 
besitzen  eine  intensiv  grüne  Fluorescenz. 

Salze:  Chlorhydrat,  Ci^H^N,  HCl,  bildet  aus  Wasser  krystallisirt  kleine,  gelbe  Säulen, 
aus  alkoholischer  Lösung  der  Base  mit  H  Cl  gefällt  feine,  gelbe  Nadeln ;  wenig  löslich  in  kaltem, 
viel  reichlicher  in  heissem  Wasser,  sehr  wenig  in  Alkohol. 

Jodhydrat,  Cj^H^N,  HJ,  krystallisirt  aus  Wasser  in  dunkelgelben  Nadeln  und  ist  noch 
schwerer  löslich  als  das  Chlorhydrat. 

Saures  Sulfat,  Cj^HuN,  HjSO^,  föllt  in  gelben  Nadeln  auf  Zusatz  verd.  H2SO4  zu 
einer  alkoholischen  Lösung  der  Base;  reichlich  löslich  in  heissem,  ziemlich  leicht  in  kaltem 
Wasser,  kaum  in  Alkohol. 

Platindoppelsalz,  (CuH^iN,  HCl)3Pta4,  gelbe,  mikroskopische  Nadeln,  in  Wasser 
unlöslich. 

Pik  rat,  Ci^Hj^N,  CeHjOH(NO.^)j,  feine,  gelbe  Nadeln,  die  sich  in  Wasser  nicht,  in 
Alkohol  kaum  lösen;  Ammoniak  zerlegt  dieselben. 

Jodäthylat,  C^^Hj^N,  C^HjJ,  wird  durch  Erwärmen  äquivalenter  Mengen  der  Base  und 
Jodäthyl  im  geschlossenen  Rohre  auf  100®  C.  in  goldgelben  Nadeln  gewonnen;  in  heissem  Wasser 
sich  reichlich  lösend,  weniger  in  kaltem  Wasser  und  Alkohol;  grüne  Fluorescenz.  Mit  Silberoxyd 
behandelt  entstehen  in  Wasser  leicht  lösliche,  gelbe  Krystalle  einer  Ammoniumbase. 

38* 


596  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Anthrachinonchinolin,  Cj^HgO^N  (176).  Darstellung:  Man  löst  1  Th.  Antfara- 
chinolin  in  Eisessig  und  fUgt  in  der  Siedbitze  nach  und  nach  2 — 3  Thle.  CrO^  hinzu;  die  grüne, 
essigsaure  Lösung  wird  in  Wasser  gegossen,  wobei  das  Chinon  zum  Theil  sofort,  zum  Theil  nach 
dem  Erkalten  in  feinen  Nadeln  sich  abscheidet.     Man  reinigt  aus  Benzol. 

Das  Chinon  krystallisirt  und  sublimirt  in  gelben  Prismen  ode:  N'.deln.  Schmp.  185®  C 
Es  ist  unlöslich  in  Wasser  und  Alkalien,  leicht  löslich  in  Aether,  Alke  ol  und  sehr  leicht  in 
Benzol.  Bei  Gegenwart  von  Zn-Staub  wird  es  von  verdünnter  Natronlauge  wie  Anthrachinon 
gelöst  mit  intensiverer  Farbe  als  dieses.  CrO,  greift  es  äusserst  schwierig  an;  H^SO^  erzeugt 
l)ei  Temperaturen  über  100^  C.  Sulfosäuren.  Zn-Staub  regenerirt  dasselbe  zu  Anthrachinolin; 
die  Salze  sind  meistens  unbeständig. 

Salze:  Cj^HgNO,,  C6H,OH(NOj)5,  gelbe  Nadeln,  die  in  kaltem  Alkohol  und  Benzol 
schwer,  leichter  in  kochendem  löslich  sind. 

Chlorhydrat,  Cj^HgNOj,  HCl,  gelbe  Nadeln,  welche  sofort  entstehen,  wenn  man  trockenes 
HCl-Gas  in  die  Lösung  des  Chinon  in  Toluol  leitet;  sie  sind  schwer  in  Wasser  löslich  und 
werden  durch  dasselbe  zersetzt. 

Platindöppelsalz,  (Ci7H9NOjHCl)3Pta^,  hellgelber,  krystallinischer  Niederschlag, 
nicht  beständig.  BeREND. 

Chinone.*)  Allgemeines.  Unter  Chinonen  versteht  man  eine  Gruppe 
bisher  ausschliesslich  bei  den  sogen,  aromatischen  Verbindungen  beobachteter 

•)  i)  WosKRESENSKY,  Ann.  27,  pag.  268;  vergl.  auch  Wöhler,  Ann.  45,  pag.  354.     2)  Ger- 
hard, Traitc  3,  pag.  131.     3)  Kolbe,  Lehrbuch  I,  pag.  475.     4)  Schrader,  Ber.  8,  pag.  759. 
5)  KeküliS,   Ann.  137,  pag.  127.     6)  Kolbe,  Journ.  pr.  Chem.  iii,   pag.  136.     7)  B.  Scheid, 
Ann.  218,  pag.  217.    8)  Grabe,  Zeitschr.  f.  Chem.  1867,  pag.  39.    9)  Grabe,  Ann.  146,  pag.  i. 
10)  ZiNCKE,  Ber.  6,  pag.  137.     11)  Fittig,  Ber.  6,  pag.  167.     12)  Cariüs,  Ann.  143,  pag.  315. 
13)  Carstanjen,  J.  pr.  Chem.  [2]  8,  pag.  9.    14)  Herrmann,  Ann.  211,  pag.  306.     15)  Larch, 
Ann.  124,   pag.  24.     16)  WtJRTZ,  Dict.  Art.  Rhodizonique.      17)  NiETZKi,  Ann.  215,   pag.  129. 
18)  NiETZKi,  Ann.  215,  pag.  135.     19)  Wichelhaus,  Ber.  12,  pag.  1504.     20)  H.  Schulz, 
Ber.    15,   pag.  653.     21)  Zincke,  Ber.   16,   pag.  1555.      22)  Schrader,   Ann.    158,   pag,  25a 
23)  GRIESS  u.  Martius,   Ann.  134,  pag.  376.     24)  J.  pr.  Chem.  [2]  8,  pag.  2.     25)  Wöhler, 
Ann.  51,  pag.  152.    26)  Hofmann,  Jahresber.  1863,  pag.  415  u.  422;  Meyer  u.  Ador,  Ann.  159, 
pag.  7.     27)   Strecker,  Ann.  107,  pag.  233;   Stenhouse,  Ber.  89,   pag.  247.      28)  NiKTzn, 
Ann.   215,    pag.    127.      29)    Ibid.,    pag.    129   ff.     30)   WrcHELHAUS,    Ber.   5,    pag.  248,    846. 
31)  WiCHELHAUS,   Ber.  12,  pag.  1501.     32)  Städeler,   Ann.  69,  pag.  314.     33)  Wichelhacs, 
Ber.  5,  pag.  848.     34)   Geuther,  Ann.  219,  pag.  90.     35)  Städeler,  Ann.  69,   pag.  302. 
36)  Städeler,  Ann.  69,  pag.  302.     37)  Levy  u.  Schulz,   Ann.  210,  pag.  145.     38)  Laubsn- 
HEiMER,  Ber.  9,  pag.  770.     39)  Levy  u.  Schulz,  Ann.  210,  pag.  150.    40)  Carius,  Ann.  143, 
pag.  316.     41)  Kr  ÄFFT,   Ber.   10,   pag.  800.     42)  Weselsky,  Ber.  3,  pag.  646.     43)  Grabe, 
Ann.  146,  pag.  9.     44)  Schmitt  u.  Andreren,  J.  pr.  Chem.  23,  pag.  436.    45)  Carstaiiien, 
Ber.  2,  pag.  633.    46)  Knapp  u.  Schulz,  Ann.  210,  pag.  174.     47)  Stenhouse,  Ann.  SuppL6, 
pag.  208.     48)    Levy  u.   Schulz,   Ber.  13,    pag.  1430.     49)  Sarauw,    Ann.  209,    pag.  106- 
50)  Böhmer,  Journ.   pr.  Chem.  [2]  24,  pag.  464.     51)  Prunier,  Ann.   chim.  [5]   15,   pag.  67. 
52)  Stenhouse,  Ann.  Suppl.  8,  pag.  20.     53)  Herrmann,  Ber.  10,  pag.  iio.     54)  Losanttso^ 
Ber.  15,  pag.  474.     55)  Levy  u.  Schulz,  Ann.  210,  pag.  160,     56)  Levy,  Ber.  16,  pag.  1444. 
57)  Krause,  Ber.  12,  pag.  53.     58)  Benedikt,  Monatsh.   i,  pag.  347.     59)  Etard,  Ann.  cbim. 
[5]  22,  pag.  273.     60)  Hesse,   Ann.   Chem.  114,  pag.  293.     61)  Levy  u.  Schulz,  Ann.  310, 
pag.  184.     62)  Hofmann,  J.  1863,  pag.  514.     63)  Wichelhaus,  Ber.  5,  pag.  851.     64)  Zlmcks, 
Ber.  16,  pag.  1555.     65)  Neuhöffer  u.  Schulz,  Ber.  10,   pag.  1793.     66)  Hesse,  Ann.  114, 
pag.  306.     67)  Schmitt  u.  Anresen,  Journ.  pr.  Chem.  [2]  24,  pag.  431.     68)  A.  W.  Hofmahn, 
Ber.  II,  pag.  332.    69)  Merz  u.  Zetter,  Ber.  12,  pag.  2040.    70)  Erdmann,  Ann.  48,  pag.  315. 
71)  Koch,  Zeitschr.  f.  Chem.   1868,   pag.  202.     72)  Erdmann,  Journ.  pr.  Chem.  22,  pag.  280. 
73)  Hesse,  Ann.  1 14,  pag.  293.     74)  Stenhouse,  Chem.  Soc.  J.  [2]  8,  pag.  9.     75)  Erdmann, 
Ann.  48,  pag.  321.     76)   Stenhouse,   Ann.  91,   pag.  311.     77)  Sarauw,   Ann.  209,   pag.  115. 
78)  Krause,  Ber.  12,  pag.  54.    79)  Levy  u.  Schulz,  Ann.  210,  pag.  163.    80)  Nietzki,  Ann.  215, 


Chinone.  597 

Körper,  welche  aus  den  betr.  Kohlenwasserstoffen  durch  Substitution  von  zwei 
Wasserstoffatomen  durch  zwei  Atome  Sauerstoff  hervorgehen.  Die  Bezeichnung 
solcher  Verbindungen  als  Chinone  ist  durch  Woscresensky  (i)  veranlasst  worden; 
derselbe  stellte  zuerst  deren  Prototyp  als  Zersetzungsprodukt  der  Chinasäure  (s.  d.) 
dar  und  belegte  es  deshalb  mit  dem  Namen  Chinoyl,  der  später  von  Berzelius 
in  Chinon  umgewandelt  wurde. 

Da  die  Constitution  der  Chinone  als  aromatischer  Verbindungen  von 
der  der  letzteren  abhängig  ist,  diese  aber  noch  nicht  definitiv  feststeht,  so 
herrschen  auch  über  die  Natur  der  Chinone  zur  Zeit  noch  verschiedene  Vor- 
stellungen, von  denen  keine  absolut  bewiesen  ist. 

Während  das  zuerst  bekannte  und  eingehender  untersuchte,  vom  Benzol  CgHß 
sich  ableitende  Benzochinon  CeH402  anfänglich  von  Gerhard  (2)  und  Kolbe  (3) 
als  ein  Dihydrür  CgHgOgHg,  von  Strecker  (4)  dagegen  als  ein  Oxyd  CgH^OO 
aufgefasst  wurde,  zählte  es  Kekul£  nach  Aufstellung  seiner  Theorie  der  aroma- 
tischen Verbindungen  (5)  nicht  zu  den  eigentlichen  Benzolderivaten,  insofern  als 
in  ihm  die  Ringbindung  der  Kohlenstoffatome  des  Benzols  entsprechend  der 
Formel  CO  =  CH  —  CH  =  CH  —  CH  =  CO  gelöst  sei.  Entgegen  dieser  Auf- 
fassung der  Chinone  als  ketonartiger  Verbindungen  soll  in  denselben  nach  neueren 
Ansichten  von  Kolbe  (6)  und  Geuther  (7)  Hydroxyl  vorhanden  sein.  Gegen- 
wärtig sind  zwei  Ansichten  über  die  Constitution  der  Chinone  die  herrschenden. 

Nach   der   einen,    von   Grabe  (8)    herrührenden  Anschauung   sind    in    den 

Chinonen  die  beiden  an  Stelle  zweier  Wasserstoffatome  tretenden  Sauerstoffatome 

unter   sich  mit  je  einer  Valenz  gebunden,  ähnlich  wie  man  dies  für  die  Super- 

—  O 
Oxyde  gewisser  Metalle  annimmt:  CeH402  =  C6H4       I  .    Diese  Auffassung  stützt 

sich  auf  die  von  Grabe  (9)  bewerkstelligte  Ueberftihrung  des  Tetrachlorchinons, 

pag.  138.  81)  Gruber,  Ber.  12,  pag.  519.  82)  Nietzki,  Ann.  215,  pag.  141.  83)  Herrmann, 
Ann.  211,  pag.  342.  84)  Hebebrand,  Ber.  15,  pag.  1974.  85)  Malin,  Ann.  141,  pag.  345. 
86)  Grabe,  Ann.  146,  pag.  55.  87)  Hesse,  Ann.  114,  pag.  293.  88)  Nietzki,  Ber.  10,  pag.  833. 
89)  Carstanjen,  Journ.  pr.  Chem.  [2]  23,  pag.  425.  90)  Nietzki,  Ann.  215,  pag.  158. 
91)  SoüTHWARTH,  Ann.  168,  pag.  274.  92)  Borgmann,  Ann.  152,  pag.  248.  93)  Knapp  u. 
Schulz,  Ann.  3x0,  pag.  176.  94)  Gorüp-Besanez,  Ann.  143,  pag.  159.  95)  BrÄuninger, 
Ann.  185,  pag.  352.  96)  Canzoneri  u.  Spica,  Gaz.  chim.  12,  pag.  469.  97)  v.  Hagen  u. 
Zincke,  Ber.  i6,  pag.  1558.  98)  Ibid.,  pag.  1561.  99)  Stenhouse  u.  Groves,  Ber.  13,  pag.  1307. 
100)  Merz  u.  Zetter,  Ber.  12,  pag.  2044.  loi)  Canzoneri  u.  Spica,  Gaz.  chim.  13,  pag.  312. 
102)  Rommler  u.  Bouilhon,  Jahresber.  1862,  pag.  321.  103)  Rad,  Ann.  151,  pag.  158. 
104)  Nietzki,  Ber.  13,  pag.  472.  105)  Carstanjen,  J.  pr.  Chem,  [2]  23,  pag.  423. 
106)  Nietzki,  Ann.  215,  pag.  168.  107)  Jacobsen,  Ann.  195,  pag.  271.  xo8)  Fittig  u. 
Siepermann,  Ann.  180,  pag.  27.  109)  Lallemand,  Jahresber.  1859,  pag.  592.  iio)  Carstanjen, 
Journ.  pr.  Chem.  [2]  15,  pag.  410.  iix)  Steiner,  Ber.  11,  pag.  289.  112)  Andresen,  Journ. 
pr.  Chem.  [2]  23,  pag.  172.  113)  Liebermann,  Ber.  10,  pag.  2177.  114)  Zincke,  Ber.  14, 
pag.  97.  1x5)  H.  Schulz,  Ber.  x6,  pag.  900.  116)  Ladenburg  u.  Engelbrecht,  Ber.  10, 
pag.  1221.  117)  Heintzel,  Zeitschr.  t  dem.  1867,  pag.  342.  118)  Stenhouse.  Ann.  167, 
pag.  167.  119)  Hirsch,  Ber.  13,  pag.  1903.  120)  Krause,  Ber.  12,  pag.  47.  121)  Schmitt 
u,  Andresen,  Journ.  pr.  Chem,  [2]  24,  pag.  426,  122)  Andresen,  Journ,  pr.  Chem.  [2]  23, 
pag.  169.  123)  Wöhler,  Ann.  69,  pag.  294.  124)  Woskresensky,  Berzel.  Jahresber.  26, 
pag.  801.  125)  Wichelhaus,  Ber.  14,  pag.  1942.  126)  Wichelhaus,  Ber.  16,  pag.  2005. 
127)  Nietzki,  Ber.  16,  pag.  2093.  128)  Nietzki,  Ber.  16,  pag.  2094.  129)  Möhlau,  Ber.  16, 
pag.  2845.  130)  Deutsches  Reichspatent  No.  159 15,  131)  Hirsch,  Ber.  13,  pag.  1909. 
132)  Seifert,  Journ.  pr.  Chem.  [2]  28,  pag.  437.     133)  Andresen,  Ibid.,  pag.  422. 


59^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

CgCl403,  in  Hexachlorbenzol,  CgClg,  vermittelst  Phosphorpentachlorid,  sowie  auf 
manche  Analogien  der  Chinone  mit  Siiperoxyden.  So  oxydiren  erstere  beispielsweise 
schweflige  Säure  zu  Schwefelsäure,  indem  sie  selbst  unter  Aufnahme  zweier  Atome 
Wasserstoff  in  die  sogen.  Hydrochinone  (s.  d.)  übergehen,  welche  Dihydroxyl- 
verbindungen  der  aromatischen  Kohlenwasserstoffe  darstellen: 

CßH,^^  4-  2HjO  -h  SO,  =  CgH,  Z  §S  +  H^SO,. 

Von  anderer  Seite  werden  die  Chinone  als  Diketone  aufgefasst,  indem  man 
zwei  Carbonyle  (CO)  in  denselben  annimmt.  Für  manche  der  als  Chinone  be- 
zeichneten Körper  ist  diese  Anschauung  zweifellos  richtig,  vor  allem  nach  den 
Untersuchungen  von  Zincke  (ig)  für  das  vom  Anthracen,  C14H10,  derivirende 
sogen.  Anthrachinon,  Ci^HgOj,    welches    als  Biphenylen -Diketon    der  Formel 

CO 
CqH^^qq^CqU^  entspricht  und  sich  auch  in  wesentlichen  Punkten,  besonders 

gegenüber  Reductionsmitteln  und  Natriumhydrosulfit,  von  den  meisten  übrigen 
Chinonen  unterscheidet  Indess  besitzen  auch  andere  sogen.  Chinone,  z.  B.  das 
dem  Anthrachinon  isomere  Phenanthrenchinon  nach  Fittig  (ii)  ketonartige 
Eigenschaften;  dieser  nimmt  daher  für  sämmtliche  Chinone  eine  dem  Anthrachinon 
ähnliche  Constitution  an,  so  dass  sich  für  das  Benzochinon,  CgH^Og,  die  Formel 

CgHa^QQ^CjHj  ergeben  würde. 

Die  Chinone  sind  zumeist,  und  die  der  Benzolreihe  ausschliesslich,  sogen. 
Paraderivate,  d.  i.  die  beiden  Sauerstoffatome  derselben  befinden  sich  an  den- 
jenigen Kohlenstoffatomen,  welche,  im  Sinne  der  von  Kekul^  aufgestellten  Struktur- 
formel des  Benzols  die  Stellung  (1:4)  zu  einander  einnehmen.  Hiemach  ent- 
spricht das  Benzochinon,  je  nachdem  man  die  erste  oder  die  zweite  der  oben 
entwickelten  Anschauungen  für  wahrscheinlicher  erachtet,  einer  der  beiden  folgen- 
den Strukturformeln: 

CH     I     CH  CH  CH 

1.     CeH,Oj=    II         I      I  oder     2.      ||  \\ 

CH     o     CH  CH  CH 

^C^  ^co^ 

Einige  der  höher  molekularen  Chinone  sind  dagegen  sogen.  Orthoverbin düngen, 
indem  die  Sauerstofifatome  an  zwei  benachbarte  KohlenstofFatome  (1:2)  sich  ge- 
lagert haben.  Das  ß-Naphtochinon  sowie  das  Phenanthrenchinon  gehören  zu 
dieser  Gruppe.  Sogen.  Metaverbindungen  sind  indess  unfähig,  chinonartige  Körper 
zu  bilden. 

Die  Chinone  können  z.  Th.  aus  den  betr.  Kohlenwasserstoffen  durch  direkte 
Oxydation  erhalten  werden.  Im  Allgemeinen  steigt  die  Leichtigkeit  dieser  Um- 
wandlung mit  der  Molekulargrösse  der  Kohlenwasserstoffe.  Das  Benzol  wird  nur 
durch  Chlortrioxyd  (12)  oder  Chromylchlorid  (13)  in  chlorirte  Chinone  übergeführt, 
dagegen  werden  Naphtalin  CipHg,  Anthracen  und  Phenanthren  Cj^Hj^,  Fluor- 
anthen  C^gH^o»  Pyren  CiqH^q,  Chrysen  CigH^-j,  Picen  C^^U^^  etc.  mi£  Leichtig- 
keit durch  Chromsäure,  resp.  Kaliumdichromat  und  Schwefelsäure,  in  die  betr. 
Chinone  verwandelt.  Noch  leichter  als  die  Kohlenwasserstoffe  gehen  die  Mono- 
substitutionsderivate  derselben,  besonders  Phenole  und  Amine,  durch  dieselben 
Oxydationsmittel  in  Chinone  über,  und  am  energischsten  diejenigen  Disubstitutions- 
produkte,  welche  die  für  Wasserstoff  eingetretenen  Gruppen  OH,  NH^  oder 
SO^OH  in  der  ParaStellung  enthalten.     So  geben,  wie  schon  oben  erwähnt,  die 


Chinone.  599 

Paradioxyverbindungen  (Hydrochinone),  die  Paradiamine,  die  Paramidophenole*,  die 
Phenol-  und  Amin-Parasulfonsäuren  mit  Leichtigkeit  die  entsprechenden  Chinone. 
Am  grössten  ist  die  Neigung,  sich  zu  Chinonen  zu  oxydiren,  bei  den  Hydro- 
chinonen,  indem  oft  schon  die  gelindesten  Oxydationsmittel,  z.  B.  Eisenchlorid, 
die  Chinonbildung  veranlassen.  —  Von  besonderem  Interesse  ist  schliesslich  noch 
die  synthetische  Bildung  chinonartiger  Körper  aus  dem  den  Fettkörpern  zuge- 
hörenden Bemsteinsäureäther  (s.  d.)  durch  die  Einwirkung  von  Natrium  (14), 
welche  einen  neuen  Beweis  für  die  Natur  der  Chinone  als  Paraverbindungen 
liefert,  sowie  die  Thatsache,  dass  die  merkwürdigen  aus  Kohlen oxydkalium  (COK)x 
bei  Zutritt  von  Luft  und  Feuchtigkeit  sich  bildenden  Säuren  (15)  höchst  wahr- 
scheinlich als  Chinonderivate  anzusehen  sind  (i6). 

Die  Chinone  besitzen  weder  saure,  noch  alkoholische  Eigenschaften;  allen 
aber  mit  Ausnahme  des  Anthrachinons  kommt  die  Eigenschaft  zu,  durch  Reductions- 
mittel,  bes.  schweflige  Säure,  zwei  Atome  Wasserstoff  aufzunehmen,  und  dadurch 
in  Hydrochinone  überzugehen,  welche  als  zweiwerthige  Phenole  anzusehen  sind 
und  ebenso  leicht  wieder  zu  Chinonen  oxydirt  werden  können  (s.  oben).  Die 
Chinone  der  Benzolreihe  CnH2n-802  bilden  ausserdem  bei  unvollständiger  Reduc- 
tion  die  sogen.  Chinhydrone,  welche  auch  durch  partielle  Oxydation  der  Hydro- 
chinone, am  besten  durch  Eisenchlorid,  erhalten  werden.  Dieselben  sind  als 
Additionsprodukte  von  1  Mol.  Chinon  mit  1  Mol.  Hydrochinon  zu  betrachten  (17) 
und  lassen  sich  auch  durch  Vermischen  der  Lösungen  äquivalenter  Mengen  beider 
Componenten  darstellen.  Aehnliche  Additionsprodukte  bilden  die  Chinone  auch 
mit  1  Mol.  eines  anderen  zweiwerthigen  und  mit  2  Mol.  eines  einwerthigen 
Phenols;  letztere  Körper  heissen  Phenochinone  (18).  Unter  Umständen  verbinden 
sie  sich  mit  saurem  schwefligsaurem  Natron  nach  Art  der  Ketone.  Chlor-  resp. 
Brom  wasserstoffsäure  führt  sie  im  Sinne  folgender  Gleichung  in  chlorirte  resp. 
bromirte  Hydrochinone  über  (19): 

CeH.g  +  2HC1  =  CeH.gg  -h  Cl,  =  CeHjClg^J  n-  HCl; 

und  ganz  analog  bilden  Säurehaloide  halogenisirte  Hydrochinonäther  (20)  (7). 

Zweifellos  eine  Folge  des  Sauerstoffgehaltes  der  Chinone  ist  die  besonders 
im  Vergleich  mit  den  zugehörigen  Kohlenwasserstoffen  bedeutend  gesteigerte  Be- 
weglichkeit der  übrigen  an  Kohlenstoff  gebundenen  Elemente,  welche  sich  durch 
weiteren  Eintritt  negativer  Elemente  oder  Atomcomplexe  noch  erhöht.  Die 
Chinone  tauschen  durch  Einwirkung  von  Chlor  oder  Brom  leicht  sämmtliche  an 
demselben  Benzolkern  befindliche  Wasserstoffatome  gegen  Halogen  ein;  diese 
Halogensubstitutionsprodukte  ersetzen  ihrerseits  zwei  Halogenatome  schon  bei 
der  Einwirkung  von  Alkalien  bei  gewöhnlicher  Temperatur  durch  Hydroxyl. 
Die  so  entstehenden  Oxychinone  besitzen  den  Charakter  von  Säuren  und  werden 
daher  als  Chinonsäuren  bezeichnet  (s.  Chlor-  und  Bromanilsäure).  Aehnlich  wird 
in  den  halogenisirten  Chinonen  durch  schwefligsaures  Kalium  an  Stelle  des 
Halogens  die  Sulfonsäuregruppe  (s.  Thiochronsäure)  und  für  letztere  wieder  durch 
Alkalien  Hydroxyl  eingeführt,  während  durch  Ammoniak  Amide  gebildet  werden 
(s.  Chloranilamid).  Charakteristisch  ist  sodann  für  fast  alle  Chinone,  mit  Ammo- 
niak, glatter  mit  Aminbasen,  derartig  zu  reagiren,  dass  ein  resp.  zwei  Wasserstoff- 
atome des  Benzolkemes  durch  die  betr.  Amidgruppe  ersetzt  werden,  während  gleich- 
zeitig ein  resp.  zwei  andere  Moleküle  desChinons  zu  Hydrochinon  reducirtwerden(2i). 

3CeH,02  +  SCeHgNHa  =  CeHj(NHCeH,)802  -h  SCgH^g^ 
.(Chinon)  (AnUin)  (Dianilidochinon)  (Hydrochinon). 


6oo  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Die  Chinone,  ihre  Derivate  und  die  Chinhydrone  sowie  Phenochinone  sind 
sämmtlich  lebhaft  gefärbt,  während  die  Hydrochinone  farblos  erscheinen.  Vor- 
herrschend sind  gelbe  und  rothe  Farben;  so  sind  die  Chinone  der  Benzolreihe 
ausnahmslos  gelb,  die  Farbe  der  Chinone  des  Naphtalins,  Phenanthrens,  An- 
thracens  nähert  sich  durch  Orange  dem  Roth,  und  die  noch  höher  molekularen 
sind  ausgesprochen  roth;  blau  sind  gewisse  chinonartige  Derivate  des  Diphenyls. 
Viele  Chinonderivate  besitzen  als  ausgezeichnete,  echte  Farbstoffe  hervorragende 
Bedeutung  fiir  die  Technik:  so  die  salzartigen  Verbindungen  des  Dioxyanthrachinons 
(Alizarins)  und  die  sogen.  Chinonfarbstoffe,  welche  sich  durch  Einwirkung  tertiärer 
aromatischer  Basen  auf  chlorirte  Chinone  bilden. 

Die  Chinone  der  Benzolreihe  sind  ziemlich  leicht  in  Wasser,  sehr  leicht  in 
Alkohol,  Aether  u.  s.  w.  löslich,  sublimirbar  und  oft  schon  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  etwas  flüchtig;  sie  besitzen  einen  heftig  reizenden,  jodähnlichen  Geruch 
und  färben  auch,  wie  dieses,  die  Haut  braun.  Mit  der  Zunahme  des  Molekular- 
gewichtes schwächen  sich  auch  hier,  wie  überall,  diese  Eigenschaften  ab. 

In  folgendem  werden  nur  die  Chinone  der  Benzolreihe,  welche  der  allge- 
meinen Formel  CnH2n-802  entsprechen,  und  deren  als  Chinohimide  und  Chinon- 
chlorimide  bezeichnete  Derivate  behandelt;  die  höher  molekularen  Chinone 
finden  bei  den  betr.  Kohlenwasserstoffen  Erwähnung. 

A.    Chinone. 

1.  Benzochinon,  Chinon  xat'  Itoxi^v,  CßH402,  wie  oben  erwähnt  zuerst 
aus  Chinasäure  durch  Oxydation  mit  Braunstein  und  Schwefelsäure  (i),  sodann 
von  WöHLER  (25)  aus  Hydrochinon  dargestellt  und  eingehender  untersucht,  erhält 
man  aus  zahlreichen  Parasubstitutionsprodukten  des  Benzols  (26)  auf  die  oben 
angegebene  Weise,  sowie  aus  mehreren  Pflanzenstoffen  durch  geeignete  Oxyda- 
tion (27).     Die  beste  Darstellungsmethode  ist  die  aus  Anilin  (28): 

1  Th.  Anilin,  in  30  Thln.  Wasser  und  8  Thln.  Schwefelsäure  gelöst,  wird  unter  Kühlung 
und  Umschtitteln  langsam  mit  3  Thln.  rothem  chromsaurem  Kali  versetzt ;  die  ätherischen  Extrakte 
dieser  Flüssigkeit  hinterlassen  nach  dem  Abdestilliren  des  Aethers  fast  reines  Chinon,  dem  Ge- 
wichte nach  40— 50J  des  angewandten  Anilins;  von  geringen  Mengen  Chinhydron  kann  es, 
wenn  schon  unter  starkem  Verlust,  durch  Destillation  mit  Wasserdämpfen  befreit  werden. 

Das  Chinon  bildet  goldgelbe,  bei  115-7°  schmelzende  Nadeln,  sublimirt  sehr 
leicht  und  langsam  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  riecht  erstickend,  ist  aber 
nicht  giftig;  löst  sich  leicht  in  heissem  Wasser,  Alkohol,  Aether  u.  s.  w.  und 
zersetzt  sich  in  wässriger  Lösung  allmählich  unter  Braunfarbung  und  schliesslich 
unter  Abscheidung  eines  braunen  Pulvers,  noch  leichter  in  alkalischer  Lösung,  wo- 
bei sich  zugleich  unter  Absorption  von  Sauerstoff  sogen.  Tannomelansäure  (Oxy- 
chinon)  bildet.  Reductionsmittel  (SOj,  HJ,  SnCl,,  Zn-hHgSO^  etc.)  führen  Chinon 
in  wässriger  Lösung  erst  in  Chinhydron  (CuH^qO^),  sodann  in  Hydrochinon 
CgH4(OH;3  über;  concentrirte  Salzsäure  liefert Chlorhydrochinon  C6H3Cl(OH)2(i9\ 
Acetylchlorid  Chlorhydrochinonacetat  [C6H3Cl(OCOCH3)2  (20,  7),  Chlor  vorzugs- 
weise Trlchlorchinon  (CßHCl302),  chlorsaures  Kali  und  Salzsäure  vorwiegend 
Tetrachlorchinon  (Chloranil  CgCl^Oj),  Schwefelwasserstoff  mit  wässriger  Chinon- 
lösung  braunes,  sogen.  Sulfohydrochinon  (Ci^Hi^SgO^  ?),  mit  einer  alkoholischen 
gelbes  Sulfohydrochinon  (C12H12SO4)  (123),  Ammoniak  verschiedene,  schwer 
oder  gar  nicht  zu  reinigende,  smaragdgrüne  oder  braune  Substanzen,  die  wahr- 
scheinlich aus  Amidochinonen  bestehen  (124). 

Chinon   bildet   mit  Phenolen    und   unter  Umständen   auch   mit  Nitraminen 


Chinone.  60 1 

Additionsprodukte,  die  sich  durch  schöne  Krystallisation  und  Färbung  auszeichnen, 
über  deren  Constitution  indess  noch  nichts  Sicheres  bekannt  ist. 

a)  Verbindungen  des  Chinons  mit  Phenolen  (29).  Von  diesen  ist  das  am 
längsten  bekannte  und  bereits  von  Wöhler  entdeckte  am  wichtigsten: 

Chinhydron,  C12H10O4  =CßH402-H  CeHgOg  (25),  grüne,  metallglänzende 
Prismen,  schwer  in  Wasser  löslich  und  beim  Kochen  dieser  Lösung  in  Chinon 
und  Hydrochinon  zerfallend,  wie  es  sich  umgekehrt  durch  Vermischen  der 
Lösungen  beider  in  der  Kälte  ausscheidet.  Auch  aus  Hydrochinon  durch  Eisen- 
chlorid entstehend  (25).  Ganz  analog  giebt  Chinon  und  Resorcin  Chinoresorcin, 
fast  schwarze  Nadeln  mit  grünem  Reflex.     Schmp.  gegen  90°  (29). 

Phenochinon,  Ci8Hi604  =  C6H4O2  4- 2CßH50H,  entsteht  durch  direkte 
Vereinigung  von  Phenol  mit  Chinon  und  durch  Oxydation  des  ersteren  mit  Chrom- 
säure (30)  in  Gestalt  rother  Nadeln  mit  grünem  Reflex  vom  Schmp.  71°.  Darst. 
s.  (29).  Analog  wie  mit  2  Mol.  des  einsäurigen  Phenols  vereinigt  sich  Chinon 
mit  Hydrochinonmonomethyläther  zu 

Chinhydrondimethyläther,  C^oH^o^^^^  C^H^O^-^  2CqU^qqj^  (31), 
nicht  aber  mit  den  Dialkyläthern  des  Hydrochinons. 

Chlorirte  Chinhydrone  sind  ebenfalls  meist  nicht  durch  Vereinigung  von 
Chinon  mit  gechlorten  Hydrochinonen,  sondern  nur  durch  Oxydation  der  letzteren 
mit  Eisenchlorid  zu  erhalten.     Von  solchen  sind  bisher  dargestellt  worden: 

Dichlorchinhydron,  CijHgCljO^  (25). 

Tetrachlörchinhydron,  C13H6CI4O4  (32). 

Hexachlorchinhydron,  C12H4CI6O4  (32). 

Octochlorchinhydron,  C12H2CI8O4  (32). 

Pyrogallochinon,  CiaHißOg  =  C6H40.^ -h  2C6H.,(OH)3  (?),  durch  Ver- 
einigung  von  Pyrogallol  mit  Chinon,  auch  durch  Oxydation  des  ersteren  (33)  ent- 
stehend, bildet  ziegelrothe,  über  200°  schmelzende  Nadeln. 

b)  Verbindungen  des  Chinons  mit  Nitranilinen  (84)  entstehen  aus  Chinon  und  Ortho-,  so- 
wie Para-,  nicht  aber  Metanitroanilin  in  grossen,  rothen  Kr>'Stallen  von  wechselnder  Zusammen- 
setzung, welche  leicht  in  ihre  Componenten  zerfallen. 

Chlor-  und  Bromsubstitutionsprodukte  des  Chinons  erhält  man  durch  Einwirkung 
von  Chlor  oder  chlorsaurem  Kali  und  Ssüzsäure,  resp.  von  Brom  oder  den  entsprechenden  Brom- 
verbindungen aus  Chinon,  Chinasäure  und  zahlreichen,  nicht  zu  den  Chinonen  zählenden  Benzol- 
derivaten, wie  Phenol,  Anilin,  Salicylsäurealdehyd,  Anthranilsäure  u.  s.  w.  Ebenso  werden  halogeni- 
sirte  Hydrochinone  zu  den  entsprechenden  halogenisirten  Chinonen  oxydirt,  und  ist  hierdurch,  da 
crstere  aus  den  Chinonen  durch  HalogenwasserstofFsäuren  sich  bilden,  ein  Weg  zur  glatten  Dar- 
stellung derselben  aus  dem  Chinon  selbst  gegeben.  Endlich  liefert  Benzol  durch  Chromylchlorid 
oder  chlorige  Säure  sogleich  gechlorte  Chinone,  wie  solche  auch  durch  Oxydation  (am  besten  durch 
salpetrige  Säure  in  alkoholischer  Lösung)  aus  gechlorten  Phenolen  oder  Aminen  erhalten  werden. 

Monochlorchinon,  C5H3CIO3,  entsteht  neben  höher  chlorirten  Produkten  durch  Destillation 
chinasaurer  Salze  mit  Braunstein,  Kochsalz  und  verdünnter  Schwefelsäure  (36),  ist  aber  auf  diese 
Weise  nicht  vollkommen  rein  zu  erhalten.  Man  stellt  es  am  besten  durch  Oxydation  des  Chlorhydro- 
chinons  mit  Chromsäuregemisch  dar  (37).  Die  Eigenschaften  des  so  gebildeten,  gelbrothen,  bei 
37®  schmelzenden  Chlorchinons  zeigen  mit  den  ftir  Chinon  angegebenen  ausserordentliche  Aehn- 
lichkeit  —  Obwohl  nach  den  gegenwärtig  herrschenden  Anschauungen  tlber  das  Benzol  und 
die  Chinone  isomere  Monosubstitutionsprodukte  derselben  nicht  möglich  erscheinen,  soll  doch 
ein  isomeres  Chlorchinon  vom  Schmp.  120^  in  Gestalt  flacher,  gelber  Nadeln  beim  Kochen  von 
Chlor-o-Dinitrobenzol  mit  Natronlauge  entstehen  (3S). 

Von  den  drei  möglichen  Dichlorchinonen,  CgH^CI^O.^,  sind  bisher  zwei  bekannt,  welche 
nach  der  relativen  Stellung  der  beiden  Chloratome  bezeichnet  werden. 

Para-  oder  a-Dichlorchinon,    (C1:C1  =  1:4),    durch   Oxydation   von  p-Dichlorhydro- 


6o2  Handwörterbuch  der  Chemie. 

chinon  (39)  oder  p-Dichloranilin  (39),  sowie  von  Benzol  mit  chloriger  Säure,  besser  mit  chlor- 
saurem Kali  und  Schwefelsäure  (40)  zu  erhalten.  Dunkelgelbe  Tafeln  vom  Schmp.  159**  (39) 
oder  164°  (41);  in  Wasser  nicht,  den  Übrigen  gebräuchlichen  Lösungsmitteln  schwerer  löslich 
als  Monochlorchinon. 

Meta-  oder  ß-Dichlorchinon,  (CI:C1=1:3),  wird  am  besten  durch  Oxydation  von 
Trichlorphenol  durch  salpetrige  Säure  in  alkoholischer  Lösung  gewonnen  (42)  und  bildet  stroh- 
gelbe Nadeln  vom  Schmp.  120®. 

Trichlorchinon,  CgHCl^O^,  nur  in  einer  Modification  möglich  und  auch  bekannt,  bildet 
sich  beim  Behandeln  von  Chinon  (i),  Chinasäure  (32),  Phenol  (43),  p-Amidophenol  (44),  Ben- 
zol (45)  etc.  mit  Chlor  oder  Chlorgemischen,  am  besten  durch  Eintragen  einer  bei  100®  voll- 
zogenen Lösung  von  1  Thl.  Phenol  in  1  Thl.  H,SO^  in  eine  heisse  Lösung  von  4  Thln.  chlor- 
saurem Kali  und  ZufUgen  Uberschtissiger  concentrirter  Salzsäure  (46).  Die  Trennung  vom 
zugleich  entstandenen  Tetrachlorchinon  geschieht  durch  Ueberführung  der  Chinone  in  die  Hydro- 
chinone,  von  denen  sich  nur  das  der  Trichlorverbindung  in  heissem  Wasser  löst  (43).  Trichlor- 
chinon bildet  gelbe  Blätter,  die  sich  leicht  nur  in  heissem  Alkohol  und  Aether  lösen,  und  schmilzt 
bei  165 — 166®  (43).  Abgesehen  von  der  typischen  Reaction  der  Chinone  überhaupt  liefert  es 
mit  Phosphorpentachlorid  bei  200®  Perchlorbenzol  (9),  mit  alkoholischem  Kali  Chloranilsaorc 
(s.  diese)  und  mit  den  aromatischen  Aminen  in  alkoholischer  Lösung  dunkelbraune,  in  concen- 
trirter Schwefelsäure  mit  blauer  Farbe  lösliche  Verbindungen. 

Tetra-  oder  Perchlorchinon  (Chloranil),  C6CI4O2,  ganz  wie  voriges 
und  neben  demselben  durch  anhaltendes  Chloriren  sehr  vieler  aromatischer  Sub- 
stanzen, wie  Isatin,  Anilin,  Phenol,  Chinasäure,  Salicylsäure,  Nitro-  und  Amido- 
benzoesäure,  Tyrosin  etc.  entstehend,  wird  auch  aus  Trichlorchinon  und  conc. 
Salzsäure  durch  Oxydation  des  so  gebildeten  Tetrachlorhydrochinons  (46)  oder  aus 
Trichlorchinon  und  Chlorjod  (47)  erhalten,  aber  am  bequemsten  durch  Behandeln 
von  Phenol  zuerst  mit  chlorsaurem  Kali  und  Salzsäure,  sodann  mit  Chlor  bei 
Gegenwart  von  Jod  (47)  dargestellt.  Chloranil  bildet  goldgelbe  Blättchen,  die, 
ohne  vorher  zu  schmelzen,  bei  150°  langsam,  über  200°  schnell  sublimiren,  noch 
schwerer  löslich  sind  als  Trichlorchinon,  und  selbst  von  conc.  Salpeter-  und 
Schwefelsäure  kaum  angegriffen  werden.  Phosphorpentachlorid  liefert  Perchlor- 
benzol (9),  Reductionsmittel  und  Halogenwasserstoffsäuren  (48)  Tetrachlorhydro- 
chinon,  und  Acetylchlorid  den  Essigester  desselben  (43);  in  den  letzten  beiden 
Fällen  unter  Freiwerden  des  Halogens: 

C6CI4O2  4-  2HBr  =  CeCl^COH)^  -+-  Br,     und 
CßC^Oj  4-  2CH3  CO .  Cl  =  CeCl^COCOCHa)^  -+-  Cl^. 

Durch  Kali  entsteht  das  Kaliumsalz,  durch  Ammoniak  resp.  Anilin  das  Amid 
resp.  Anilid  der  Chloranilsäure  (s.  d.),  durch  schwefligsaure  Salze  Sulfonsauien 
des  Hydrochinons  resp.  Derivate  derselben  (s.  Thiochronsäure)  und  mit  tertiären 
aromatischen  Basen  violette  Farbstoffe  (125,  126). 

Monobromchinon,  CgHgBrO,,  durch  Oxydation  von  Bromhydrochinon  mit  Eiscnchlorid 
(49)  erhalten,  bildet  treppenförmig  übereinander  gelagerte  Tafeln  und  schmilzt  bei  55 — 56^. 

Dibrom chinone,  CgH2BrjOj,  sollen  in  vier  Isomeren  existiren.  Die  relative  SteDung 
der  Bromatome  in  denselben  ist  indess  noch  nicht  ermittelt,  und  es  werden  jedenfalls  mindestens 
zwei  derselben  identisch  sein,  da  die  Theorie  nur  die  Existenz  dreier  Isomeren  zulässt  Dibrom- 
chinon  vom  Schmp.  188®  bildet  sich  aus  Dibromhydrochinon  und  Bromwasser  (49),  ein  solches 
vom  Schmp.  76®  aus  p-Diazodibromphenol  (50),  ein  anderes,  bei  122®  schmelzendes,  entsteht 
zuweilen  bei  der  Oxydation  von  Tribromphenol  mit  rauchender  Salpetersäure  (39),  und  ein 
viertes  vom  Schmp.  88®  soll,  neben  Tribromchinon,  durch  Erhitzen  von  Quercit,  CjHijOj,  mit 
überschüssiger  Bromwasserstoffsäure  auf  180®  entstehen  (51). 

Tribromchinon,  CgHBr^O,,  aus  Tribromhydrochinon  (49)  und  durch  Reduction  von 
Bromanil  (52)  zu  erhalten,  entsteht  auch  aus  Succinylobemsteinäther  (53)  und  schmilzt  bei  147^. 

Tetrabromchinon,  C^Br^O,  (Bromanil),  ähnlich  dem  Chloranil  durch  Einwirkung  von 


Chinone.  603 

Brom  auf  verschiedene  Benzolderivate  entstehend,  u.  a.  auch  aus  symmetrischem  Tetrabrombenzol 
durch  Salpetersäure  (54);  wird  am  besten  durch  Zusammenbringen  von  10  Thln.  Brom,  3-J  Thln. 
Jod  und  50  Thln.  Wasser  mit  1  Thl.  Phenol  und  schliessliches  Erwärmen  des  Gemisches  bis 
auf  100°  dargestellt  (52).  Verhalten  und  Eigenschaften  sind  mit  denen  des  Chloranils  fast 
übereinstimmend. 

Chlor-Brom- Chinone. 

Chlorbromchinon,  CgHjClBrOj.  Schmp.  172®;  aus  Chlorbromhydrochinon  und  Salpeter- 
säure (55\ 

C\ 
m-Dichlor-,  m-Dibromchinon,  Cgg^-^Oj  (Cl:Cl  =  Br:Br  =  1:3),  entsteht  durch  Kochen 

von  m-Dichlorchinon  mit  Brom  in  Eisessig  (56).  Dasselbe  (?)  bildet  sich  auch  aus  Chinon- 
dichlordiimid  (s.  Chinonchlorimide)  durch  Erwärmen  mit  der  berechneten  Menge  Bromwasser  (57) 
und  aus  Hydrochinon  (58). 

Trichlorbromchinon,  CgCl3Br03,  sublimirt  bei  etwa  160®,  ohne  vorher  zu  schmelzen, 
und  ist  in  den  meisten  Lösungsmitteln  schwer  löslich.  Wird  aus  Trichlorchinon  und  Brom  (47) 
oder  Trichlorbromhydrochinon  und  Salpetersäure  (55)  erhalten. 

Dijodchinon,  CgH2J202;  Schmp.  178®;  entsteht  durch  Oxydation  von  Dijod-p-Amido- 
phenol  mit  chromsaurem  Kali  und  Schwefelsäure  (132). 

Nitrochinone  sind  weder  direkt  noch  aus  Nitrohydrochinonen  darzustellen.  Nur  ein 
Mononitrochinon,  C6H3(N02)Oj,  ist  bekannt,  welches  aus  Nitrobenzol,  bei  der  Zerlegung 
der  Verbindung  desselben  mit  Chromylchlorid  durch  Wasser,  in  Gestalt  brauner,  bei  232® 
schmelzender  Blättchen  entsteht  (59).     Nitranilsäure  s.  unter  Oxychinon. 

Amidoderivate  der  Chinone  und  ihrer  Halogensubstitutionsprodukte  ent- 
stehen direkt  durch  Einwirkung  von  Ammoniak  und  Aminen  auf  Chinone,  unter 
gleichzeitiger  Bildung  von  Hydrochinonen  (s.  oben  unter:  Chinone,  pag.  599).  Nur 
das  Amidochinon  selbst,  C6H3(NH2)02,  scheint  nicht  darstellbar  zu  sein,  da  das 
Chinon  durch  trocknes  Ammoniak  unter  Austritt  von  Wasser  zwar  in  eine  krystalli- 
nische,  smaragdgrüne  Masse  verwandelt  wird  (60),  diese  sich  aber  nicht  reinigen 
lässt  und  jedenfalls  auch  eine  complicirtere  Verbindung  darstellt.  In  alkoholischer, 
ätherischer  oder  Chloroform-l.ösung  entsteht  eine  braune  Masse,  die  vielleicht  das 
Amidochinon  in  unreinem  Zustande  darstellt  (64).  Dagegen  liefert  Chloranil  beim 
Kochen  mit  alkoholischem  Ammoniak 

Diamidodichlorchinon,  Chloranilamid,  Cgpi     ^^Oj,  (61): 


^6Cla 
CßC^Oj  4-  4H3N  =  2NH4CI  -f-  Cß^J^^^^Og. 


*2 

Es  stellt  rothbraune  Krystalle  mit  metallischem  Reflex  dar,  welche  von  den  meisten  Lösungs- 
mitteln nicht  aufgenommen  werden,  und  beim  Kochen  mit  Alkalien  in  Ammoniak  und  Salze 
der  Chloranilsäure  zerfallen.     Analog  entsteht  aus  Bromanil 

Diamidodibromchinon,  Bromanilamid,  CgL  '''^Oj,  als  braunrothes  Krystall- 
pulver  (76). 

Leichter  zu  untersuchen,  als  die  Einwirkungsprodukte  des  Ammoniaks,  sind  die  der  aroma- 
tischen Amine  auf  Chinon,  wobei  stets  zwei  Wasserstoffatome  des  Benzolkernes  durch  das 
betreffende  Amid  substituirt  werden.  So  entsteht  beim  Kochen  von  Chinon  mit  Anilin  in  alko- 
holischer Lösung  neben  Hydrochinon  (s.  Allgemeines) 

u 

Dianilidochinon,   Cgy^^tr^  „  \  O.^  (62,  63),   in  Gestalt  blauvioletter,  metallglänzender 

Schuppen,    die  sublimirbar,    aber  nicht   schmelzbar   sind.     Durch   salpetrige   Säure   entsteht  aus 
demselben    ein   bei   245  ^^  schmelzender  Körper,    der  wahrscheinlich    folgende   Zusammensetzung 

besitzt:    CgH^i^    6^5^20,,    und   leicht  Nitranilin   liefert  (64).     p-  und  o-Toluidin  geben  ganz 

ähnliche  Verbindungen  mit  den  Chinonen.    Analog  geben  auch  Tri-  und  Tetrachlorchinon  mit  Anilin 


6o4  Handwörterbuch  der  Chemie. 

H 
Chlordianilidochinon,  CgQ  O,  (65),  undDichlordianilidochinon (Chlor- 

(NHCgHs), 
Cl 
anilanilid),  Cg.^^tr^  u  ^  ^2  (^^)*     Beide   stellen  braunrothe  bis   schwane,    fast  anKCisetzt 

sublimirende  Blättchen  dar,  die  nur  von  concentrirter  Schwefelsäure  unzersetzt  gelöst  werden. 
Chloranilanilid  bildet  sich  auch  aus  Trichlorchinonchlorimid  mit  Anilin  (67),  und  ein  ganz  ähn- 
licher Körper  entsteht  aus  o-Amidophenetol  (67). 

Br 
Dibromdianilidochinon,    Bromanilanilid,    Caf^^\rr^  tt  \  O41    entsteht   aus  Brom- 

•»(JNHCglljjj 

anil  und  Anijin  (52). 

Hydroxylderivate  der  Chinone  scheinen  durch  direkte  Oxydation  der  Chinone 

in  alkalischer  Lösung  an  der  Luft  zu  entstehen;  diese  Körper  von  der  Formel 

CgH^Oj  werden   als  Melansäuren  oder  Tannomelansäuren  (letztere  aus  Tannin) 

bezeichnet,    sind    aber   noch    so  gut  wie   gar  nicht  untersucht     Auch  soll  ein 

Oxychinon   aus   Rufigallussäure   durch    Schmelzen    mit  Aetzkali    entstehen  (85). 

H 
Vom  Dioxychinon  ist  nur  der  Dimethyläther,  ^6(QCli  ^  ^*  bekannt,  der 

durch  Oxydation  von  sauren  Pyrpgalloläthern  in  Gestalt  gelber  Nadeln  entsteht  (68). 

Br 
Sein  Dibromderivat,  Cß/QQ-rr  \  Oj,  bildet  rothe,  bei  175°  schmelzende  Nadeln. 

H 
Trioxychinon,    CßH^Oj  =  Cg/QXTx  O^,    wird    aus   Amidodiimidoresordn 

durch  Erhitzen  mit  Salzsäure  auf  140°  im  Sinne  folgender  Gleichung  erhalten  (69): 

H         NH  R        o 

CeCOH),  I      4-3H,0  =  Ce,^    .  0+^^"»' 
NHj    NH  V^'^;3'-' 

und  stellt  entweder  gelbe  Schuppen  oder  ein  amorphes,  fast  schwarzes  Pulver  dar. 
Unlöslich  in  fast  allen  Lösungsmitteln  wird  es  nur  von  alkalischen  Flüssig- 
keiten unter  Bildung  brauner  Salze  aufgenommen,  welche  mit  den  Schwermetallen 
dunkle  Fällungen  geben.  Mit  Acetyl-  und  Benzoylchlorid  giebt  es  ein  Triacetat 
resp.  Tribenzoat  (69).  Besser  untersucht,  weil  leichter  zu  erhalten,  sind  die  Sub- 
stitutionsprodukte der  Oxychinone.  Die  Halogen-  und  Amido-Derivate  des  Chinons 
tauschen  bei  der  Behandlung  mit  Kalilauge  mehr  oder  minder  leicht  Halogen 
resp.  Amid  ^egen  Hydroxyl  ein.     Der  bekannteste  dieser  Körper  ist  das 

Cl 
Dichlordioxychinon,  (Chloranilsäure),  ^s(q\i)  ^2»  welches  aus  Chlor- 

anil  und  Trichlorchinon,  in  letzterem  Falle  neben  Trichlorhydrochinon,  schon  in 
der  Kälte  durch  verdünnte  Kalilauge  gebildet  wird: 

2C6H 'O2  4-  3K0H  =  C,^q\^^  O^  +  KCl  4-  C^^^  (OH),  -f-  H,0  (9) 

Am  besten  löst  man  5  Thle.  mit  Alkohol  befeuchtetes,  rohes  Chloranil,  aus 
Phenol  erhalten,  in  einer  Lösung  von  6  Thln.  KOH  in  150  Thln.  Wasser,  fallt 
das  chloranilsäure  Kalium  durch  Zufügen  von  10 — 15  Thln.  Kochsalz,  reinigt  es 
durch  nochmaliges  Lösen  in  Wasser  und  Fällen  mit  Kochsalz  und  fällt  schliess- 
lich durch  Salzsäure  die  freie  Säure  (52).    Chloranilsäure  krystallisirt  entsprechend 

C\ 
der  Formel  Cg/^^^jx  Oa  +  HgO  mit  1  Mol.  H^O,  welches  bei  115°  weggeht;  die 

hellrothen,  glänzenden  Blättchen  lösen  sich  in  Wasser,  werden  aber  durch  Säuren 
ausgeschieden,  erhitzt  sublimiren  sie  nur  z.  Th.  unzersetzt.  Phosphorpentachlorid 
regenerirt  Chloranil,  Reductionsmittel  geben  Hydrochloranilsäure=Dichlortetraoxjr 


CeCl^O,  4-  4K0H  =  Cß/^^j^x  O3  H-  2KCI  -+-  2HjO  (70)    und 


Chinone.  605 

Cl 
benzol,  ^6(o\d    (7^)-     ^^^  ^^^  Salzen  der  zweibasischen  Chloranilsäure  lösen 

sich  die  der  Alkalien  mit  violetter  Farbe  in  Wasser;    die  der  übrigen  Metalle 

sind  braun  und  in  Wasser  unlöslich.     Saure  Salze  sind  nicht  bekannt. 

Cl 
^6 (OK)  ^2  "*"  ^«^'    purpurfarbene  Nadeln   oder  Säulen,    nur  in  warmem 

Wasser  leicht  löslich,  erhitzt  verpuffend  (72). 

Cl 
^ß(ONa")  ^2 •+■4^2^*  dunkel  carmoisinroth,  leichter  löslich  und  in  wässriger 

Lösung  leicht  zersetzlich  (73). 

Cl 
Cg/Q^  N  O2,  rothbrauner,  pulvriger,  fast  unlöslicher  Niederschlag  (72). 

Cl 
Cß/Q^Q  jj  \  Oj,  aus  dem  Silbersalze  und  Jodäthyl,  krystallisirt  aus  Alkohol 

in  abgeplatteten,  hellrothen  Prismen.     Schmp.  107°  (74). 

CI2 
Chloranilaminsäure,  C^NHo  O^-h  SH^O,  wird  beim  Auflösen  von  Chlor- 

OH" 
anil  in  wässrigem  Ammoniak  als  Ammonsalz  erhalten  und  durch  Salzsäure  gefallt 
(75).  Dunkelviolette,  fast  schwarze  Nadeln,  welche  das  Krystallwasser  bei  150° 
verlieren,  löslich  in  Wasser  und  Alkohol;  Säuren  führen  sie  beim  Kochen,  fixe 
Alkalien  langsam  schon  in  der  Kälte  unter  Freiwerden  von  Ammoniak  in  Chlor- 
anilsäure über.  (72). 

CI9 
CgONH^Oj -+-41130,  kastanienbraune  Nadeln,  mit  Purpurfarbe  in  Wasser 
NHj 
löslich  (72). 

Die  Salze  der  Schwermetalle  sind  unlösliche,   braune,   voluminöse  Massen. 
Chloranilamid  und  Chloranilanilid  s.  pag.  603. 

Br 

Dibromdioxychinon,    Bromanilsäure,    Cg^^^rx  0„,   analog  der  Chloranilsäure   aus 

Broxnanil  (76)   oder  Tri-  und  Dibromchinon  (77)   durch  Kalilauge  sich  bildend,   stellt  röthliche, 

krystallwasserfreie  Schuppen  dar,  der  Chloranilsäure  in  jeder  Beziehung  ähnlich. 

Br 
^B(OK\  ^2  "^  HgO,  dunkelbraune  Nadeln,  leicht  löslich  in  Wasser  (76). 

Br 
Cg^Q^,  X  -I-4H30,  glänzend  schwarze  Prismen  (77). 

Br, 

Bromanilaminsäure,  CgOH  O^,  analog  der  Chlorverbindung  in  fast  schwarzen  Nadeln 
NHj 
erhalten  (76). 

Cl 
Chlorbromanilsäure,   CgBr        O3,    aus  Dichlordibromchinon  (78)   oder  Tribromchinon 
(OH), 
(79)  durch  verdünnte  Kalilauge   entstehend  und  in  Form  hellrother  Blättchen  mit  1  MoL  HjO 
krystallisirend,  die  der  Chloranilsäure  völlig  gleichen. 

a  Cl  Cl 

CgBr         O, +4H,0;       CgBr        08+2HjO;       CgBr         O.. 
(ONa),  (OK),  (OAg), 

=  C.(NO), 
)i 

leiten  von  salpetriger  Säure  in  eine  ätherische  Lösung  von  Hydrochinon  (80)  und  von  Proto- 
katechusäure (81)  in  sehr  geringer  Menge,  in  grösserer  aus  Dinitrohydrochinon  (82);  wird  am 
besten  aus  Diacetylhydrochinon  gewonnen,  indem  man  1  Thl.  desselben  in  ein  auf  —  8®  ab- 
gekühltes Gemisch  von  5  Thln.  rauchender  Salpetersäure  und  ebenso  viel  Schwefelsäure  einträgt, 
stehen   lässt,   mit  Eiswasser  verdünnt  und   mit  Kalilauge  übersättigt,   wobei  das  im  Ueberschuss 


Dinitrodioxychinon,  Nitranilsäure,  CgHjNgOg  =  Cg^Q    «''»Oj,  entsteht  durch  Ein- 


6o6  Handwörterbuch  der  Chemie. 

von  Kalilauge  fast  unlösliche  Kaliumsalz  ausfällt  (127).  Nitranilsäure  findet  sich  femer  unter 
den  Einwirkungsprodukten  von  rauchender  Salpetersäure  auf  Chinonhydrocarbonsäure  (83)-  Sie 
bildet  goldgelbe,  wasserhaltige  Krystalle,  die  bei  100^^  verwittern  und  bei  170^  verpuffen,  in 
Wasser  und  Alkohol  sehr  leicht,  in  Aether  nicht  löslich  sind  und  sich  in  wässriger  Lösung  leicht 
zersetzen.  Nitranilsäure  ist  eine  der  stärksten  Säuren,  welche  selbst  Mineralsäuren  austreibt 
Es  sind  nur  neutrale  Salze  bekannt,  welche  sich  sämmtlich  durch  lebhafte  Färbung  und  Schwcr- 
löslichkeit  auszeichnen  (82). 

Cg>Q^?'''0^,    citronengelbe  Nadeln    mit    bläulichem   Reflex,    in   heissem   Wasser   relativ 

leicht  löslich  (82),  in  Kalilauge  fast  unlöslich. 

^«[oNa)*^a  "*"^^a^'  ^^^^  Erhitzen  verpuffend  (81). 

CgX  „'-''Oj,   fällt   selbst  aus   sehr  sauren  Lösungen  von  Chlorbarium  durch  Nitranilsäure 

in  Form  gelber  Blättchen  aus  und  ist  fast  so  unlöslich  wie  Bariumsulfat  (82). 

Das  Kalk-,  Silber-  und  Bleisalz  sind  gelbe,  unlösliche  Niederschläge. 

Sulfonsäuren  desChinons  sind  ebenso  wenig  wie  die  Nitroprodukte  direkt  aus  Chinon 
darstellbar;  indess  liefern  einige  der  zahlreichen  Hydrochinonsulfonsäuren,  welche  aus  chlorirten 
Chinonen  durch  Einwirkung  von  neutralem  oder  saurem  Kalisulfit  hervorgehen,  durch  Oxydation 
Chinousulfonsäuren. 

Chlordioxychinonsulfonsäure.      Beim    Auflösen    von    Trichlorchinon    in    erwänntem 

Kaliumsulfit   entsteht   neben  euthiochronsaurem  Salz  das  sich  zuerst  ausscheidende  trichlorhydro- 

Cl 
chinonsulfonsaure  Kalium,  Cg^J  oK^^^^a*  welches  sich  in  alkalischer  Lösung  an  der  Luft  zu 

Cl 
chlordioxychinonsulfonsaurem  Kalium,   Cg(OK)j      OJ+2H2O,    oxydirt.     Dasselbe  bQdet  roftihe, 

SOjjOK 

Cl 
sehr  leicht   lösliche  Nadeln   und  geht  durch   Sahsäure   in   das   saure   Salz  Cg(OH),      O,  über, 

SOjOK 
welches  gelbe  Blättchen  darstellt.  Die  Säure  selbst  ist  nicht  isolirt  worden.    Genauer  untersucht  ist  die 

Euthiochronsäure,  Dioxychinondisulfonsäure,  Cg/QQ  QTT\  Oj.  Die- 
selbe entsteht  durch  Kochen  der  aus  Chloranil  und  Kaliumsulfit  entstehenden 
sogen.  Thioch ronsäure  mit  Kalilauge  (87,  86)  als  Kaliumsalz;  aus  dem  Baiyt- 
oder  Silbersalz  erhält  man  die  freie  Säure,  welche  mit  4  Mol.  HjO  in  langen, 
gelben,  zerfliesslichen  Nadeln  krystallisirt,  leicht  auch  in  Alkohol,  schwieriger  in 
Aether  löslich  ist  und  beim  Erhitzen  verkohlt.    Zinn  und  Salzsäure  reduciren  sie 

zu  Hydroeuthiochronsäure  =  Tetraoxybenzoldisulfonsäure,  ^efSO  OH^    ^^^^' 

Neutrales  Kaliumsalz,  ^e^sO  OK'^  O3  +  2HjO,  wie  oben  angeführt  erhalten;  vier- 
seitige, citronengelbe,  leicht  lösliche  Prismen. 

(OH), 

Saures  Kaliumsalz,  CgSO,OK  O,  +  HjO,  entsteht  als  zinnoberrother  Niederschlag  beim 
SOjOH 
Versetzen  der  Lösung  des  neutralen  Salzes  mit  Mineralsäuren. 

Natriumsalz,  CgNa^SjOjo  +  3HgO,  analog  dem  Kaliumsalz  erhalten. 

Bariumsalz,   CgBa2S20|QH-4H30,    ockergelber,    krystallinisch  werdender  Niederschlag- 

Silbersalz,  CgAg^SjO^Q,  vorigem  analog. 

TT 

2.    Toluchinon,  C'jH^O^^CqqIj^  O^,  nur  in  einer  Modification  möglich 

und  bekannt.  Entsprechend  dem  Benzochinon  durch  Oxydation  von  p-Derivaten 
des  Toluols,  bes.  Paratoluylendiamin  (88)  und  rohem  Kresol  (89),  am  bequemsten 
aber  aus  Orthotoluidin  (90)  zu  erhalten,  bildet  goldgelbe,  sehr  flüchtige,  rhom- 
bische Blättchen  vom  Schmp.  67°  und  gleicht  dem  Benzochinon  vollkommen  bis 


Chinone.  607 

auf  die  LeichtlösHchkeit  seines  Chinbydrons,  welches  feine,  fast  schwarze  bei  52° 

schmelzende  Nadeln  darstellt  (88,  89). 

H 
Chlorsubstitutionsprodukte.    Dichlortoluchinone,  €711401,02  =  CgCl,  O,,  ent- 

CH, 

stehen  aus  o-  und  m-,  nicht  p-Kresolen  durch  Behandeln  mit  chlorsaurem  Kali  und  Salzsäure  (91). 

o-Dichlortoluchinon,  Schmp.   119 — 121°.     m-Dichlortoluchinon,  sublimirend. 

Q 
Trichlortoluchinon,  ^srh   ^2»    ^^*'   S^^^   wie  Trichlorchinon  aus  Phenol,    aus  rohem 

Steinkohlentheerkresol  zu  erhalten  (92,  93).     Gelbe,  mit  Wasserdampf  flüchtige,  bei  232®  unter 
Bräunung  schmelzende  Blätter. 

Cl 

Tetrachlortoluchinon,    CyHjCl^Oj  =Ce^Jl  rfi .*   vorigem  analog  aus  Buchenholz- 

theerkresot  (94,  95).     Goldglänzende,  sublimirbare  Schuppen. 

H 
Dibromtoluchinon,   C^H^BijOj  =  CgBr,  Oj,    aus  Toluchinon   und  Brom  in  geringer 

CH, 
Menge  entstehend,  Schmp.  85°  (96). 

Tribromtoluchinon,    C^HjBr^Oj  =  CgpA  Oj,    wie   voriges   oder   analog   der   Chlor- 
verbindung gebildet.     Schmp.  235°  (96). 

H, 
Nitrotoluchinon,    C^HjNO^  =  CgNOjOj,    ganz    entsprechend    dem    Nitrochinon    aus 

CH3 
o-Nitrotoluol  darstellbar;  Schmp.  237°  (59). 

Amidoderivate  des  Toluchinons  (97).     Aus  Toluchinon  und  Anilin  in  alkoholischer 
Lösung  entstehen 

Monoanilidotoluchinon,    CgNHCgHjOj,    Schmp.    144—145°,  rothe    Nädelchen,   und 

CH, 
H 
Dianilidotoluchinon,  C6(NHCgH5)jOj,  bräunliche,  bei  233°  schmelzende  Nadeln  (97). 

CH3 
Hydroxylderivate  des  Toluchinons.  Vom  Oxytoluchinon  ist  nur  ein  Chlorderivat  bekannt: 

Cl, 

Dichloroxytoluchinon,  ^i/r\ir>P$i  durch  Oxydation  von  Trichlororcin.  Schmp.  157°(99). 

CH, 

H 

Dioxytoluchinon,   Cß(0H)30.^,-  Darstellung  s.  (98);  gelbe  Blättchen,  sehr  leicht  subli- 

CH, 

mirend  und  löslich  auch  in  Wasser.     Schmp.  177°. 

H 

OH 
Anilidooxytoluchinon,Cg^TTp  u  O,,  aus  Dianilidotoluchinon  und  verdünnter  Schwefel- 

CH,  * 
säure  (97).     Tiefblaue,  bei  250°  sich  zersetzende  Nadeln;  bildet  Salze. 

CH, 
Chlordioxytoluchinon,   C7HJCIO4  =  CgCl    I^Oa»   aus   Trichlortoluchinon  und   Kali- 

(OH), 
lauge  (93).     Rothe  Nadeln,  unzersetzt  sublimirend. 

CH3CI 
Dichlordioxytoluchinon,  C^H.CLO.  =  C-Cl         O-,  entsteht  als  Kaliumsalz  (kleine, 

(OH), 
beim  Erhitzen  verpuffende  Krystalle),  vorigem  analog  aus  Tetrachlortoluchinon  (95). 

CH, 
Dibromoxytoluchinon,  Cg(OH)  Oj,  aus  Tribromtoluchinon.   Schmp.  196 — 197°  (loi). 

Trioxy toluchinon,   CyHgOj  =  CgV,TT ''O^,   aus   salzsaurem  Amidodiimidoorcin   durch 

SaUÄure   bei    140"  entstehend:     C,NH,    (NH),  +  3H,0  =  C,^^'   O,  +  3H,N    (loo); 

CH,  ' 


6q8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

schwere,   dunkle  Flocken,  leicht  löslich  nur  in  Alkalien  und  siedendem  Alkohol     Die  Salxe  der 
Schwermetalle   sind   fast  schwarze  Niederschläge.     Giebt  mit  Acetylchlorid   ein  Triacetat  (loo). 

3.  Xylocbinone,  C8H802  =  C6jj     ^^^O^,    Von  denselben  ist  nur  bekannt: 

p-Xylochinon  oder  Phloron,  (CHjrCHj  =  1 :4);  entsteht  aus  den  Roh- 
xylolen  des  Steinkohlentheers  (102)  oder  aus  Buchenholztheer  (103),  aus  Para- 
diamidoxylol  (104)  oder  Amido-Paraxylol  (105)  durch  Braunstein  und  Schwefel- 
säure, am  besten  aus  Xylidin  vom  Siedep.  216—218°,  durch  Ueberfuhrung  in  die 
Amidoazoverbindung,  Reduction  derselben  zu  Xylidin  und  Xylylendiamin  und 
Oxydation  des  letzteren  (106).  Schwerer  in  Wasser  löslich  und  schwerer  reducir- 
bar  als  die  oben  behandelten  Chinone.  Bildet  kein  Chinhydron.  Lange,  gold- 
gelbe Nadeln,  bei  125°  schmelzend,  stärker  erhitzt  unzersetzt  sublimirend. 

^  ci 

Monochlorphloron,  CgQ         O«,  vom  Schmp.48°,  und  Dichlorphloron,  CgX;*     x  O,, 

(CH3),  (^"a)» 

vom  Schmp.   175°,    entstehen  beim  Ueberleiten  von  Chlor  tlber  Phloron  (105);   ähnlich  entsteht 

Br 
Dibromphloron,    Cß^p*,  .  O.^;  schmilzt  bei  184°  (loS)- 

Vom  m-Xylochinon  sind  nur  einige  Derivate  bekannt:  Durch  Einwirkung  von  Brom 
auf  Mesitol,  C6H^(CH3)30H,  entsteht 

Dibrom-m-Xylochinon,  CgHgBrgO^  =  Cg^^^a^^Oj  (CH3:CH3=  1:3),    in  grossen, 

goldgelben  Blättern  krystallisirend,  bei  174°  schmelzend,  uniersetzt  sublimirend  (107). 

(CH,), 
Oxy-m-Xylochinon,    CgHgOg  =  CgH  O«,    entsteht   aus   Diamidomesitylen    durch 

OH 
Oxydation    mit    Chromsäuregemisch  (108)    in    orangerothen    Nadeln    vom    Schmp.    103°;    sehr 
fluchtig  mit  Wasserdämpfen,  sublimirbar.     Giebt  ein  Chinhydron  vom  Schmp.  142 — 143°  (108). 
CgHjKOj,  schwarze  Nadeln.     (CgH7  03),Ba,  dunkelbraun. 

CH3 

4.  Thymochinon,  CjoHijO^  =  CßCjH^   O^  (CHj-.CjHy  =  1 :4),   durch 

H2 

Oxydation  von  Thymol  (109),  Carvacrol  (iio)  oder  Dithymyläthan  (m),  am  besten 

von  Amidothymol  mit  Bromwasser  (112)  oder  Eisenchlorid  dargestellt,  bildet  gelbe, 

prismatische  Tafeln,  schmilzt  bei  45*5°,   siedet  bei  200°  und  geht  in  ätherischer 

Lösung  am  Licht  in  ein  Polymeres  über  (113),  dessen  hellgelbe  Nadeln  erst  bei 

200°  schmelzen,  aber  bei  der  Reduction  ein  mit  Th)rmohydrochinon  identisches 

Produkt  liefern. 

^  ci 

Cl  ' 

Chlorthymochinon,  Cgpu    O^;    Dichlorthymochinon,    CgCHj   O«,    Schmp.  99®; 

C,H,  ^»"t 

Br  »^ 

Bromthymochinon,   Cßp^r    O,;    Dibromthymochinon,    CgCHj  O,;    Schmp.  73®,  «nt- 

stehen  aus  Thymochinonchlorimid  (resp.   dem   chlorirten   Chlorimid)  durch  Chlor-  resp.  Brom- 
wasserstoffsäure (112). 

H 

NHCH 
Methylamidothymochinon,    Ci^H^  jNO,,  =  Cg^j^        'O,,   dunkelviolette,  leicht  lös- 

CaHr 
liehe  und  fltlchtige  Blättchen  vom  Schmp.  74®  und 

(NHCH,), 
Dimethyldiamidothymochinon,    Cj  jH,  gNjOj  =?=  CgCHj  O-,    röthlich  violette« 


Giinone.  609 

nicht  flüchtige  Nadeln  vom  Schmp.  203^»  entstehen  beim  Behandeln  von  Thymochinon  in^alko- 
holischer  Lösung  mit  Methylamin  (114);  analog  entsteht  durch  Dimethylamin 

H 
Dimethylimidothymx^chinon,  Cg^Sj     '  'Oji  als  schwarz-violettes  Oel  (115). 

H 

OH 
Oxythymochinoni  C^^tt    O,,  entsteht  rein  nur  durch  Erhitzen  letzt  erwähnter  Verbindung 

mit  Salzsäure  (115);  kleine,  bräunlichgelbe  Nadeb,  sublimirbar;  Schmp.  166^167^.    Salze  (1x5). 

Cl 

OH 
Chloroxythymochinon,  C^^tt    O,;  Schmp.  122^  aus  Chlordinitrocymol  (116). 

C.H, 

NHCjH, 
OH 
Anilidooxythymochinoni  ^scK  ^>'   ^^  ^^^  Oxychinon  und  Anilin;   Schmelz- 

C  H 
punkt  134—1350  (115). 

Die  entsprechende  Toluidinverbindung  schmilzt  bei  164 — 165^  (nS)* 

(OH), 
Dioxythymochinon,  C^o^is^4  ^^  ^e^^s     ^s>    ^^^  ^^~   *^^  Chloroxythymochinon 

C,Hy 

und  Kalilauge  (116)  oder  Dimethylamidothymochinon  und  Schwefelsäure  entstehend  (114).  Hell- 
TOthe,  ziemlich  schwer  lösliche  Prismen  vom  Schmp.  220^  (n^)/  213^  (ii4)-  Salze  und  Säure- 
äther (114). 

B.  Chinonimide. 
An  die  Chinone  schliessen  sich  durch  physikalische  und  chemische  Eigen- 
schaften einige  Körper  an,  welche  aus  ersteren  durch  Substitution  eines  oder 
beider  Sauerstoffatome  durch  Imid  (NH)  oder  Chlorimid  (NCl)  entstanden  ge- 
dacht werden  können,  auch  leicht  in  Chinone  überzuführen  sind  und  dem  ent- 
sprechend als  Chinonimide,  resp.  Chinonchlorimide  bezeichnet  werden.  Chinon- 
imide entstehen  unter  Umständen  durch  gemässigte  Oxydation  gewisser  Para- 
diamido Verbindungen;  so  liefert  ein  Triamidoresorcin  ein  Dioxyamidochinondiimid 
(oder  Amidodiimidoresorcin)  (22): 

^cHnw     +0=H80H-CeHNjj     ^jj. 
NH, 
Diamidonaphtol  giebt  analog  Naphtochinonimid  (23)  (oderlmidooxynaphtalin): 

NW  NH 

CioHeoH*  +  0  =  H2^-*-CioHgo  "•  s.  w.  Die  einfachsten  derartigen  Ver- 
bindungen Chinonimid:  CgH^Q      und  Chinondiimid:  CgH^j^jj  sind  noch  nicht 

bekannt.  Mit  Wasser  und  Alkalien  oder  Säuren  erhitzt  gehen  die  Chinonimide 
unter  Abspaltung  von  Ammoniak  in  die  entsprechenden  Chinonderivate  über: 

C,oH5(OH)J5g-^  2HjO  =  CioH5(OH)g  +  2H,N 
(Oxynaphtochinondiimid)  (Oxynaphtochinon). 

H, 

Oxyamidochinondiimid,  C(HyN,0=:CqOH(NH)2  (Amidodümidophenol),  entsteht  aus 

salzsaurem  Triamidophenol  durch  Elsenchlorid  als  salzsaures  Salz,  welches  hraune,  hlauschiUemde 
KiystaUe  hildet  (117). 

LAinNBOXG,  Chemie.    IL  39 


Bio  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Oxyamidochinonimid,    CgH-N-O«  =  C*OH  i.       (Amidoimidoxyphenol);    SaUe    de»- 

selben  bildeten  sich  beim  Erwärmen  der  vorigen  Verbindung  mit  Mineralsäuren  (iiy)« 
C^HjNjOj.HCl,  farblose  Nadehi.     (CeHjN,08)HjS04 -i-H,0.  Blättchen. 

H 
Dioxyamidochinondiimid,    CjH^NjO,  -f"  H,0  =  Ce(OH),(NH),  +  H,0    (Amido- 

diimidoresorcin),  vorigem  analog  aus  Triamidoresorcin  entstehend  (22),  bildet  grttne,  fast  onlOs- 
liche  Nadeln  r  die  jedoch  von  Kalilauge  mit  blauer  Farbe  aufgenommen  weiden  und  mit  Salzsäure 
erhitzt  Trioxychinon  liefern. 

CH, 
Dioxyamidotoluchinondiimid,    CyH,N,Oj  +  2H,0  =  C^(OH),(NH),  H-  2H,0 

(Amidodiimidoorcin),  entsteht  durch  Reduction  von  Trinitroorcin  mit  Natriumamalgam  (118); 
dunkelgrüne,  schillernde  Nadeln,  nur  in  alkalischen  oder  sauren  Flüssigkeiten  löslich. 

CyHgNjOj.HCl  +  HjO,  braunroth.     (C^H,N50,)HjS04  4-H,0,  purpurfarben. 

An  die  Chinonimide  schliessen  sich  noch  einige  Verbindungen,  welche,  aus  den  Chinoom 
durch  Vertretung  eines  Atoms  Sauerstoff  durch  Phenylimid:  (NC,Hj)  hervorgehend,  deshalb 
zweckmässig  als  Chinon-Phenylimide  zu  bezeichnen  sind  (97): 

^^j  fO 

Dianilidotoluchinonphenylimid,   C«H  {^^  „  »    entsteht    aus  Anilin  und 

(NHCjHj),  l"^«"* 

Toluchinon  in  essigsaurer  Lösung,   bildet  dunkelbraune  Blätter,   schmilzt  bei   167^,   bildet  mit 

Säuren  schwer  lösliche  Salze;   giebt,   mit  Schwefelsäure  in  Lösung  von  Methyl-,    Aethyl-  und 

Isobutylalkohol  erwärmt,  ätherartige  Verbindungen: 

CH,  CH, 


OCH5  OCjHj 


CH, 


H  fO 

^«NHCeHaNCeHj»  ^^^^'^P*  ^^'^''' 


OC4H, 
welche  ebenfalls  Basen  sind,  durch  Erwärmen  mit  Säuren  und  Basen  aber  bilden: 

CK, 

H  fO 

Anilidooxytoluchinonphenylimid,    C^^^^  „  I-^q  tt   t    bräunliche   Nadeln,    von 

6      5  1  6      5 

OH 

kaum  basischen,  aber  schwach  sauren  Eigenschaften  (97). 

NH 
Imidanilsäure   (Diimidodioxychinon) ,    C^H^NjO^  =  Cg(OH),«.u  Oj*  dürfte  ein  dnrch 

Reduction  von   Nitranilsäure  durch  Zinnchlorür  und  nachheriger  Oxydation  durch  Eisenchlorid 
entstehender  Körper  genannt  werden  (128),  welcher  grünschillemde  Blättchen  bildet 

C.    Chinonchlorimide. 
Diese  von  R.  Schmiit  entdeckten  Körper  (24),  in  welchen  ein  oder  beide 
Chinonsauerstoffatome   durch  Chlorimid  (NCl)   vertreten    sind,    entstehen  durch 
Oxydation  von  Paramidophenolen  oder  Paradiaminen  mit  Chlorkalk. 

So  liefert  das  Paramidophenol,  CßH4j^jj    >  <,  Chinojichlorimid   CßH^jrQ» 

das  Paraphenylendiamin,  CgH^J^jjj*  W,    Chinondichlordiimid  CeH^j^Q.    Diese 

eigenthümlichen,  sehr  reactionsföhigen  Derivate  des  Chlorstickstofl^  destilliren 
nicht  unzersetzt,  sondern  verpuffen  beim  Erwärmen;  durch  Einwirkung  trockener 
Salzsäure  entstehen  Salze,  welche  schon  durch  Wasser  in  Chinone  und  Salmiak 


NBr 
Chinondibromdiimid,   ^6^4MBr*  ^"^  p-Phenylendiamin  und  Bromwasser»  verpufit  bei 


ChinoKiev  £it 

zerfallen  (133).  Durch  Reductionsmittel  werden  die  entsprechenden  Amido- 
phenole  oder  Diamine  regenerirt,  beim  Erhitzen  mit  Wasser  oder  Alkohol  liefern 
sie  meist  die  entsprechenden  Chinone. 

Cbinonchlorimid,  ^g^aijqi  entsteht  ato  salxsaurem  Paramidophenol  und  auch  Amido- 

phenetol  durch  Chlorkalklösung,  bis  die  Farbe  der  Flüssigkeit  von  violett  in  gelb  Ubetspringt  (44) ; 
goldgelbe  Krystalle,  bei  85  ®  schmelzend,  bei  höherer  Temperatur  verpuffend,  chinonartig  riechend 
leicht  flüchtig  und  löslich  in  warmem  Wasser.  Reducirt  in  p-Amidophenol,  mit  Wasser  gekocht 
in  Salmiak  und  Chinon,  mit  Salzsäure  in  gechlorte  Chinone  Übergehend  (44)  (119). 

Dibromchinonchlorimid,  C^H^Br^^Q,  aus  dem  Zinndoppelsalz  des  Dibromparamido- 

phenols  entstehend;  hellgelb;  Schmp.  80^;  ZerseUungspunkt  12 1^  (i^Q)* 

Dijodchinonchlorimid,  ^s^iJsNCr  S<^^P*12^^>  analog  aus Dijod-p-Amidophenol(  132). 

NCl 
Chinondichlordiimid,  CfHiN^Clj^CgH^^^p  aus  p-Phenylendiamin  vorigem  analog 

entstehend  und  auch  von  ähnlichem  Verhalten.     Bei  124^  verpuffend  (120). 

Chin 
86»  (120). 

Trichlorchinonchlorimid,  C^HQ^^p.,  analog  dem  Chinonchlorimid  aus  Trichlor* 
amidophenol  entstehend  (121);  gelbliche,  bei  118®  schmelzende  Prismen,  sehr  reactionsfähig  (133). 

^j      o 
Thymochinonchlorimid,  C||^Hj,QON  =  C^CH,  ^^q»  entsteht  aus  Paramidothymol 

C,H, 
und  Chloikalk  (122),   ist  ein  chinonartig  riechendes,  fluchtiges  Oel,   das  mit  Chlor-  oder  Brom- 
wasserstofisäure  halogenisirte  AmidothymolcT  oder  Thymochinone  liefert. 

H 

Cl      O 
Chlorthymochinonchlorimid,   Ci^HjjCljON  =  ^«CH   NCl'    ^^^  Chloramidothy- 

C.H. 
mol  (122).  •    ^ 

Farbstoffe  aus  Chinonchlorimiden  (129). 

Aus  den  Chinonchlorimiden,  nicht  aber  aus  den  Dichlor-Diimiden  entstehen 
durch  Einwirkung  von  Phenolen  oder  tertiären  aromatischen  Basen  braune  oder 
blaue  Farbstoffe,  die  sogen.  Indophenole  und  indophenolartigen  Farbstoffe,  welche 
auch  aus  den  pag.  610  erwähnten,  gefärbten  Chinonphenylimiden  durch  Substitu- 
tion von  Wasserstoffatomen  im  Phenylimid  (NC^Hj)  durch  die  chromogenen 
Gruppen  OH  oder  N(CH3)j  abgeleitet  werden  können. 

a)  Die  sogen.  Indophenole  bilden  sich  aus  den  Chlorimiden  und  tertiären 
Basen  der  Anilinreihe,  besitzen  basische  Eigenschaften  und  sind  daher  zweck- 
mässiger zu  bezeichnen  als 

Indoanile.     So  s.  B.  liefert  Trichlorchinonchlorimid  und  Dimethylanilin : 

Trichlorchinondimethylanilenimid,  Cj^HnCljNjO  s=  C^HQjj^^  ^  NTCH  )  * 
goldgrüne,  schillernde  Nadeln  (121). 

C.HCl.gc  +  C.H,N(CH,),  =  HCH-  C.Ha.g  c,h,N(CH,),- 

Dijodchinonchlorimid  verhält  sich  analog  (132).  Das  Phenolblau  des  Handels  ist  wahr- 
scheinlich Chinondimethylanilenimid,   C^H^j,^  H  NTCH  ")  '    ^  entsteht  aus   Nitrosodimethyl- 

«nÜin  und  Phenol  oder  durch  gemeinsame  Oxydation  von  Phenol  und  Dimethylparaphenylen- 
^i^wifn  (129,  130)  und  ferfiült  durch  Salzsäure  in  letztere  Base  und  in  Chinon.  Aus  a-Kaphtol 
entsteht  ganz  analog  das  sogen.  Naphtolblau,  welches  als  Spaltungsprodukt  Naphtochinon  liefert. 

39* 


6i2  Handwörterbuch  der  Chemie. 

b)  Die  aus  den  Chinonchlorimiden  durch  Einwirkung  von  Phenolen  beim 
Erwärmen  oder  als  Alkalisalze  in  alkalischer  Lösung  schon  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  entstehenden,  früher  als  indophenolartige  Farbstoffe  bezeichneten 
Körper  werden  wegen  ihres  phenolartigen  Charakters  besser  als  eigentliche 
Indophenole  den  >Indoanilen«  gegenübergestellt.  Sie  entstehen  auch  durch 
gemeinsame  Oxydation  eines  Phenols  und  eines  Paramidophenols  (129). 

Das  Prototyp  dieser  Körper,  das  Chinonphenolimid,  ^6^4NC  H  OH*  welches  als 
Natriumsalz  folgendermaassen  entsteht: 

^6^*NC1  ■+■  ^sHsOH  =  HQ  +  CßH^NCgH^OH ' 

ist  aus  seinen   Salzen   nicht  zu   isoliren  (131);    wohl  aber  das  Dibromchinonphenolimid, 

CgH^Br^-f^P  TT  QU)'  is^  analog   aus  Dibromchinonchlorimid  als  Natriumsalz   zu  erhalten;  aus 

diesem  entsteht  durch  verdünnte  Säuren  das  freie  Phenolimid  in  Form  von  dunkelrothen  Prismen; 
es  zerfällt  durch  starke  Säuren  in  Dibromparamidophenol  und  Chinon,  entsteht  auch  durch  ge- 
meinsame Oxydation  von  Phenol  und  Dibromamidophenol  und  geht  durch  schweflige  Säure  aber 

,  OH 

in  einen  Leukokörper  CgHjBrjj^jjp  „  qjt,  vom  Schmp.   170^  (129).         A.  Hantzsch. 

Chitin.*)  Das  Chitin  ist  der  Hauptbestandtheil  der  organischen  Grundmasse 
der  Panzer,  überhaupt  der  festen  Theile  der  Insecten,  Crustaceen  (Odier)  (i), 
und  kommt  auch  bei  anderen  Wirbellosen  vor,  2.  B.  in  den  Schalen  von  LinguU 
anatina  Lam.  (ScHMffiDEBERo)  (2).  Zur  Darstellung  benutzt  man  entweder  Mai- 
käfer oder  besser  Hummerpanzer,  welche  man  mechanisch  von  Fleischtheiien  etc. 
reinigt,  trocknet,  zerkleinert  und  dann  mit  verdünnter  Salzsäure,  Kalilauge, 
Alkohol  und  Aether  (die  letzten  drei  kochend)  auszieht.  Verwendet  man  hierzu 
ganze,  unversehrte  Thiere,  so  hinterbleibt  ein  durchsichtiges  Skelet,  welches 
noch  ganz  die  äussere  Form  derselben  besitzt.  Durch  Lösen  des  so  erhaltenen 
Chitins  in  bei  0°  gesättigter  Salzsäure  und  sofortiges  Fällen  mit  Wasser  kann 
man  dasselbe  völlig  reinigen. 

Das  Chitin  ist  eine  schneeweisse,  amorphe  Masse,  welche  in  Wasser, 
Alkohol,  Aether,  verdünnten  Säuren  und  starken  Alkalien  selbst  beim  Kochen 
ganz  unlöslich  ist;  in  conc.  Salzsäure  oder  Schwefelsäure  löst  es  sich  schon  in 
der  Kälte  leicht  und  zunächst  ohne  Zersetzung  auf,  erleidet  aber  allmählich  eine 
solche,  sodass  die  Lösungen  dann  nicht  mehr  (oder  nur  allmählich)  durch 
Wasser  gefallt  werden.  Durch  Kochen  mit  conc.  Salzsäure  wird  es  aber  unter 
Braunförbung  und  Bildung  eines  schön  krystallisirenden  Körpers,  des  salzsauren 
Glykosamins,  zersetzt;  gleichzeitig  treten  Essigsäure,  Buttersäure  und  schwarze 
schmierige  Substanzen  auf  (Ledderhose)  (3),  (Sundwik)  (4).  Dabei  entstehen 
aber  zunächst  dextrinälinliche  Zwischenprodukte  (Bütschli)  (5),  (Sündwk), 
welche  z.  Th.  durch  Neutralisation  fällbar  sind;  löst  man  Chitin  in  rauchender 
Salzsäure  in  der  Kälte  auf,  verdünnt  nach  2 — 5  Tagen  die  Lösung  mit  dem 
doppelten  Volum  Wasser  (wobei  kein  Niederschlag  mehr  entsteht),  und  dialysirt 
die    erhaltene   Flüssigkeit,    so    scheidet  sich    aus   derselben    ein    in   prächtigen 


♦)  i)  Odier,  Berzelius'  Jahresber.  4,  pag.  247 ;  s.  a.  Schlossberger,  Thierchemie,  pag.  225. 
2)  Schmiedeberg,  Mitth.  a.  d.  zool.  Stat.  zu  Neapel,  1882,  pag.  392.  3)  Ledderhose,  Zeitsdir. 
f.  physiol.  Ch.  2,  pag.  213;  4,  pag.  139.  4)  Süundwik,  ebenda,  5,  pag.  384.  5)  BüTSCHU. 
Reichert  u.  Dubin-Revmund's  Arch.  1874,  pag.  562.  6)  Tiemann,  Her.  d.  d-chem.  Ges.  17, 
pag.  241. 


Chlor.  613 

mikroskopischen  Nädelchen  kiystallisirter  Körper  aus,  der  dem  Chitin  noch 
sehr  nahe  steht,  aber  sich  schon  in  gewöhnlicher  conc.  Salzsäure  leicht  löst 
(Drechsel).  Beim  Erhitzen  verkohlt  und  verbrennt  Chitin,  ohne  zu  schmelzen; 
mit  Kalihydrat  geschmolzen  liefert  es  Ammoniak,  Essigsäure,  Buttersäure  und 
Oxalsäure.  Mit  Salpeterschwefelsäure  giebt  es  einen  weissen,  unlöslichen,  explosir- 
baren  Salpetersäureäther  (Sukdwik).  Im  Verdauungskanal  der  höheren  Wirbelthiere 
scheint  Chitin  nicht  verdaut  zu  werden,  wohl  aber  im  Magen  der  Knorpelfische. 

Das  salzsaure  Glykosamin,  CgHijNOg-HCl  erhält  man  leicht,  wenn 
man  Hummerpanzer  3 — 4  Stunden  lang  mit  conc.  Salzsäure  kocht  und  dann 
zur  Kiystallisation  abdampft;  die  ausgeschiedenen  Krystalle  werden  durch  Um- 
krystallisiren  gereinigt  Sie  sind  bis  erbsengross,  ganz  farblos,  hell  glitzernd, 
luftbeständig,  in  Wasser  leicht,  in  Alkohol  sehr  schwer,  in  Aether  nicht  löslich; 
die  Lösung  ist  rechtsdrehend  und  die  spec.  Drehung  unabhängig  von  der  Tem- 
peratur, abhängig  von  der  Concentration :  [a]D  =  4- 69°  54  für  eine  10— 16'5# 
Lösung.  Mit  Alkalien  gekocht  wird  das  Glykosamin  unter  Bildung  von  Ammoniak, 
Milchsäure  und  Brenzcatechin  zersetzt;  es  reducirt  beim  Kochen  leicht  FEHUNo'sche 
Lösung  und  zwar  in  demselben  Verhältnisse  wie  Traubenzucker.  Die  Darstellung 
des  freien  Glykosamins  ist  nicht  geglückt,  denn  aus  dem  erhaltenen  Produkte 
kann  das  salzsaure  Salz  nicht  wieder  dargestellt  werden  (Tiemann)  (6),  und  ebenso 
wenig  ist  es  gelungen,  dasselbe  in  Glukose  überzuführen.  Zwar  entsteht  mit 
NO,H  ein  Körper  CgHijOg,  der  FEHUNo'sche  Lösung  reducirt,  doch  ist  der- 
selbe nicht  gährungsßihig.  Durch  Kochen  mit  Salpetersäure  wird  es  in  Isozucker- 
säure, CgHi^Og,  verwandelt  (Tiemann). 

Die  Zusammensetzung  und  Constitution  des  Chitins  ist  noch  nicht  mit  Sicher- 
heit bekannt  Ledderhose  fand  in  einer  Anzahl  Präparate  verschiedener  Dar- 
stellung 4504— 45-lOJ  C,  in  anderen  4Ö-82— 46-18#  C,  aber  keine  dazwischen- 
liegende Werthe.  Sundwik  ist  daher  der  Ansicht,  dass  das  Chitin  ein  Ammoniak- 
derivat eines  Kohlehydrates  (C6HiQ0ß)x  ist,  dass  es  aber  verschiedene  Chitine 
von  der  allgemeinen  Formel:  CgoHjooNgOjg  H-nHjO,  wo  n  zwischen  1  und  4 
variiren  kann,  giebt.  Den  verschiedenen  Werthen  für  diese  Formel  entsprechen 
die  Resultate  mehrerer  Analysen  sehr  genau.  Für  die  Bildung  des  Glykosamins 
giebt  Sundwik  folgende  Gleichung:  CßoHiooNgOjg -t- UHjO  =  SCeHjjNOj 
-l-2CßHi20e,  nach  welcher  also  ausser  Glykosamin  noch  ein  Körper  CßHjjOe 
auftreten  würde,  der  wahrscheinlich  durch  die  conc.  Salzsäure  unter  Bildung  der 
humusartigen  Produkte  und  der  Fettsäuren  zersetzt  wird.  E.  Drechsel. 

Chlor,*)  Cl  =  35-37.  Scheele  gewann  im  Jahre  1774  den  von  uns  Chlor  ge- 
nannten Körper  zuerst  in  freiem  Zustand,  indem  er  Salzsäure  und  Braunstein  auf 


♦)  i)  Gmelin-Kraut's  Handbuch,  Bd.  i,  Abthlg.  II.,  pag.  346.  2)  Lunge,  Handbuch  der 
Sodafabrikation.  Braunschw.  1880,  Bd.  IL,  pag.  751.  3)  Ibid.,  pag.  746.  4)  Oxland,  Berzel. 
Jahresber.,  Bd.  26,  pag.  136;  Laurent,  Repert.  chim.  appL  3,  pag.  100;  Jahresber.  1861, 
pag.  898;  Mallet,  Compt.  rend.  66,  pag.  349.  5)  Hensgen,  Dingl.  Bd.  227,  pag.  369. 
6)  Schönbein,  J.  pr.  Ch.  55,  pag.  154;  Gmelin-Kraut's  Handb.  L,  2,  pag.  349.  7)  Ludwig, 
Ber.  I,  pag.  232,  8)  v.  Meyer  u.  C.  Langer,  Berl.  Ber.  15,  pag.  277.  9)  Grafts,  Compt. 
rend.  90^  pag.  183.  10)  MoRREN,  Compt  rend.  68,  pag.  376;  Pogg.  137,  pag.  165.  11)  BiE- 
wend,  J.  pr.  Ch.  15,  pag.  440.  12)  Mohr,  Ann.  22,  pag.  162.  13)  Regnault,  Jahresber.  1863, 
pag.  70.  14)  Dumas,  Compt.  rend.  20,  pag.  293;  Domy  u.  Mareska,  Compt  rend.  20,  pag.  817. 
15)  Schönfeld,  Ann.,  Bd.  93,  pag.  26;  Bd.  95,  pag.  8.  16)  Schönbein,  Ann.  Suppl.  2,  pag.  222. 
17)  Schönbein,  J.  pr.  Ch.  Bd.  55,  pag.  154.     i8)  Wöhler,  Ann.  Bd.  85,  pag.  374.     19)  Frb- 


6 14  Handwörterbach  der  Chemie. 

einander  wirken  Hess.  Der  damals  herrschenden  Theorie  entsprechend,  be- 
zeichnete er  das  Produkt  als  dephlogistisirte  Salzsäure,  während  der  Antiphlo- 
gistiker  Berthollet  im  Jahre  1785  das  Chlor  für  oxydirte  Salzsäure,  also  für  eine 
Sauerstofiverbindung  erklärte.  Diese  Ansicht  blieb  bis  zum  Jahre  1809  bestehen, 
dann  aber  sprachen  Gay-Lussac  und  Thänard  ihre  durch  experimentelle  Belege 
gestützte  Ueberzeugung  aus,  dass  die  sogen,  oxydirte  Salzsäure  eine  einfache  Sub- 
stanz sei  und  Davy  legte  dem  neuen  Element  den  Namen  Chlor  resp.  Chlorine 
(von  x^^P^^f  grünlich)  bei. 

Im  unverbundenen  Zustand  findet  sich  das  Chlor  nirgends  in  der  Natur, 
und  selbst  wenn  es  durch  irgend  einen  natürlichen  Prozess  in  Freiheit  gesettt 
würde,  so  könnte  es  seiner  energischen  Verwandtschaft  zu  anderen  Elementen 
wegen  nicht  lange  isolirt  bestehen.  Chlorverbindungen  sind  dagegen  sowohl 
im  Mineral-  als  im  Thier-  und  Pflanzenreich  ausserordentlich  verbreitet.  So 
findet  sich  Chlor  mit  Natnum  verbunden  als  Kochsalz,  mit  Kalium^  Magnesium 
und  Calcium  vereinigt  in  den  Stassfurter  Salzen,  in  Verbindung  mit  Blei  und 
Silber  als  Homblei  und  Homsilber;  mit  Quecksilber  als  Calomel,  mit  Kopfer, 
Eisen  etc.  in  mancherlei  Mineralien.  Salmiak  tritt  als  Ausblühung  auf  und  Chlor* 
Wasserstoff  wird  als  Exhalationsprodukt  in  reichlicher  Menge  von  vielen  Vulkanen 
und  von  vulkanischem  Terrain  abgegeben. 

Im  Thierkörper  spielen  die  Chloralkalien  eine  sehr  wichtige  Rolle  und  alle 
Flüssigkeiten  desselben  enthalten  Chlomatrium  oder  Chlorkalium  oder  beide  Ver- 
bindungen zusammen.  Die  Chlorwasserstoffsäure,  welche  sich  im  Magensaft 
findet,  ist  ein  wesentliches  Agens  filr  die  Verdauung. 

Geringer  ist  die  Chlormenge,  welche  die  Pflanzen  enthalten,  doch  sind  ins- 
besondere die  Strandpflanzen  reich  an  Chloriden,  chlorhaltige  Aschen  liefern  aber 
auch  die  Binnenlandpflanzen. 

Zur  Gewinnung  des  Chlorgases  bedient  man  sich  sowohl  im  Grossen 
wie  im  Kleinen  in  der  Regel  des  natürlich  vorkommenden  oder  des  künstlich 
regenerirten  Braunsteins  und  lässt  Salzsäure  oder  ein  Gemisch  von  Kochsalz 
und  Schwefelsäure  darauf  wirken. 


SENius,  Quantitative  Analyse.  20)  Bunsen  u.  Roscor,  Phil.  Mag.  [4]  11,  pag.  483;  PoGG«, 
Bd.  100,  pag.  43,  481;  Bd.  loi,  pag.  235.  21)  Faraday,  Ann.  chim.  phys.  [3]  15,  pag.  268. 
22)  Niemann,  Ann.  i,  pag.  32.  23)  Sainte-Claire-Dbvuxe,  Compt.  rend.  60,  pag.  317; 
Ann.  135,  pag.  94.  24)  Lunge,  Handb.  d.  Sodafabrik.,  Bd.  2,  pag.  215.  35)  FkssxNics, 
Qualitative  ehem.  Analyse.  26)  Deicke,  Pogg.  119,  pag.  156.  27)  RoscoE  a.  DrrTMAft, 
Ann.  112,  pag.  327.  28)  Ibid.,  femer  Bineau,  Ann.  chim.  phys.  [3]  7,  pag.  257.  29)  Gmeun- 
Kraut,  Bd.  I,  Abthlg.  II.,  pag.  352.  30)  Carius,  Ann.,  Bd.  126,  pag.  196.  31)  GMELiN-KsAirr, 
Bd.  z,  Abthlg.  n.,  pag.  362.  32)  Brandau,  Ann.  151,  pag.  340.  33)  Carius,  Ann.,  Bd.  140^ 
pag-  317:  H2i  pag.  129;  143,  pag.  321.  34)  Millon,  Gmelin-Kraut,  Bd.  i,  Abthlg.  IL, 
pag.  365.  35)  Cohn,  J.  pr.  Ch.  83,  pag.  53.  36)  Calvert  u-  Davies,  Ch.  Soc.  11,  pag.  193; 
Ann.  HO,  pag.  344.  37)  Faraday,  Ann.  chim.  phys.  [3]  15,  pag.  257.  38)  Seruixas,  Amu 
chim.  phys.  45,  pag.  204  u.  270.  39)  Kämmerer,  Pogg.  138,  pag.  399.  40)  BIarignac; 
Berzelius'  Jahresber.  24,  pag.  192.  41)  Wiederhold,  Pogg.  116,  pag.  171;  118,  pag.  186. 
42)  Slater,  J.  pr.  60,  pag.  247.  43)  KoLR,  Z.  anat.  Ch.  i,  pag.  500.  44)  Sestini,  Z.  anal 
Ch.  I,  pag.  500.  45)  Bunsen,  Ann.  Ch.  86,  pag.  282.  46)  Roscoe,  Ann.  Ch.  134,  pag.  124. 
47)  Kämmerer,  Pogg.  138,  pag.  406;  J.  pr.  90,  pag.  190.  48)  Maverhofbr,  Ann.  Ch.  158, 
pag.  326.  49)  Janovsky,  Berl.  Ber.  8,  pag.  1637.  50)  Geuther  u.  Hurtzig,  Ann.  Ch.  111, 
pag.  171 ,-  Donny  u.  Mareska,  Compt  rend.  20,  pag.  817;  Ann.  Ch.  56,  pag.  160;  Schönbedi, 
J.  pr.  88,    pag.  483. 


Chlor. 


615 


(Ch.  63.) 


Der  Process  verläuft  nach  der  Gleichung: 

MnOj  4-  4HC1  =  2HjO  4-  MnCl,  4-  Clj  resp. 

Mn08H-2NaCl-h3HjS04  =MnS04  4-2NaHS04  +2H3O-+-CI,. 

Bei  der  Arbeit  im  Kleinen  bringt  man  etwa  4  Thle.  conc.  Salzsäure  zu  1  Tbl.  grobge- 
stossenem  Braunstein  in  einen  mit  Trichter- 
und  Gasleitungsrobr  versehenen  Glaskolben 
(Fig.  63),  oder  man  übergiesst  überschüssigen 
Braunstein  in  nussgrossen  Stücken  mit  soviel 
conc.  Salzsäure,  dass  jene  nicht  vollkommen 
damit  überdeckt  werden.  Beim  Erwärmen 
auf  dem  Drahtnetz,  Sand-  oder  Wasserbad 
tritt  bald  lebhafte  Chlorgasentwicklung  ein; 
indess  ist  das  Gas  stets  feucht  und  enthält 
Chlorwasserstoff,  oft  auch  Kohlensäure  (vom 
Carbonatgehalt  des  Braunsteins).  Das  ent- 
weichende Gas  leitet  man  durch  eine  mit 
Wasser  gefüllte  Flasche,  in  welcher  Chlor- 
wasserstoff und  mitgerissene  Theilchen  der 
Manganlösung  zurückbleiben.  Soll  das  Chlor 
trocken  sein,  so  ist  es  noch  durch  eine  mit 
Chlorcalcium  gefüllte  Röhre  oder  durch  eine 
concentrirte  Schwefelsäure  enthaltende  Flasche 
zu  leiten.  Hört  die  Chlorentwicklung  auf, 
so  giesst  man  die  Manganlauge  ab  und  fügt 
neue  Salzsäure  zu  den  unverbraucht  zurückgebliebenen  Braunsteinstücken.  Wird  die  Chlor- 
entwicklung stürmischer,  als  man  sie  wünscht,  so  kann  ein  Theil  des  Gases  durch  Oeffiien  des 
Quetschhahns  k*  in  eine  Abzugsvorrichtung  oder  einen  mit  zerfallenem  Kalk  gefüllten  Topf  ab- 
geleitet werden. 

Wird  die  Chlorgewinnung  mit  Kochsalz  und  Schwefelsäure  ausgeftihrt,  so  verwendet  man 
auf  2  Thle.  Braunstein  3  Thle.  Kochsalz  und  1  Th.  einer  kalten  verdünnten  Schwefelsäure, 
welche  durch  langsames  Eingiessen  von  5  Thln.  concentrirter  Schwefelsäure  in  4  Thle.  Wasser 
hergestellt  worden  war.  Erst  beim  Erwärmen  beginnt  die  sehr  regelmässig  verlaufende  Chlor- 
entwicklung. 

Auch  durch  Erhitzen  von  Kaliumbichromat  (doppeltchromsaurem  Kalium)  mit  überschüssiger 
Salzsäure  lässt  sich  Chlor  erhalten,  und  obwohl  diese  Methode  weit  kostspieliger  ist  als  die 
früher  erwähnten,  so  ist  sie  doch  unter  Umständen  von  besonderem  Werth,  weil  sie  ein  von 
Kohlensäure  völlig  freies  Gas  liefert. 

Soll  das  Chlorgas  in  Gefässen  aufgesammelt  werden,  so  leitet  man  es  am 
besten  in  etwas  raschem  Strom  durch  eine  bis  auf  den  Boden  des  Gefässes 
herabreichende  Röhre,  wobei  das  schwere  Chlorgas  sich  unten  ansammelt  und 
die  leichtere  Luft  über  sich  hinaus- 
drtickt.  In  welcher  Weise  mehrere 
mit  Chlorgas  zu  füllende  Gefässe  mit 
einander  zu  verbinden  sind,  zeigt 
beistehende  Fig.  64.  Die  Füllung  ist 
vollendet,  sobald  der  Gefassinhalt 
der  letzten  Flasche  bis  zur  Mündung 
eine  grüne  Farbe  zeigt.  —  Auch  in 
der  pneumatischen  Wanne  kann  das 
Chlor  aufgefangen  werden,  aber  es 


(Ob.  64.) 


ist  dann  heisses  Wasser  oder  gesättigte  Kochsalzlösung  zur  Füllung  der  Gefässe 
und  als  Absperrflüssigkeit  zu  verwenden,  weil  kaltes  Wasser  zu  viel  Chlorgas  ab- 


6i6 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


(€h.  65.) 


sorbiren  würde.    Immerhin  ist  diese  Operation  wegen  der  imvermeidlichen  Chlor- 
verluste eine  sehr  lästige  und  für  die  Gesundheit  schädliche. 

Die  Entwicklung  des  .Chlorgases  in  etwas  grösserem  Maassstab,  z.  B.  in 
Bleichereien  und  Papierfabriken,  die  mit  Gasbleiche  arbeiten,  geschieht  häufig  (2) 
in  grossen  Gefässen  aus  Steinzeug  oder  Chamottmasse  etwa  nach  Art  beistehender 

Zeichnung  (Fig.  65). 

In  den  thönemen  Siebkorb  a  werden  etwa  50  Rflo 
BraunsteinstUckchen  gebracht.  Der  Korb  wird  dann  in 
den  bis  zur  richtigen  Höhe  mit  Salzsäure  gefüllten  Topf 
mit  Hülfe  einer  grossen  in  Löcher  eingreifenden  Zange 
eingesetzt,  worauf  man  sofort  den  Deckel  b  auflegt  und 
mit  einem  Gemisch  aus  Thon,  Leinölfimiss  und  Holztheer 
festkittet.  Die  beiden  seitlichen  Tubulaturen  dienen  zum 
Einbringen  der  Säure  resp.  Fortleitung  des  Chlorgases. 
4 — 8  solcher  Töpfe  (Bombonnes)  stehen  in  einem  durdi 
Dampf  zu  heizenden  Wasserbad  oder  werden  direkt  in 
einem  Kasten  von  Dampf  umspült. 

Bei  Gewinnung  des  Chlors  im  ganz  grossen  Maass- 
stab zum  Zweck  der  Chlorkalkfabrikation  (3)  dienen  je- 
doch in  der  Regel  grosse,  kastenartige  Apparate,  die  entweder  aus  einem  mit  Deckel  versehenen 
Steintrog  aus  einem  Sandsteinblock  bestehen  oder  aus  mehreren  Steinplatten  zusammengesetrt 
sind.  Begreiflicher  Weise  sind  die  grösseren  Apparate  in  letzterer  Art  hergestellt,  wobei  die 
Fugen  zwischen   den  einzelnen  Platten  durch  Theer-Thonkitt  oder  Kautschukeinlagen  gedichtet 

werden.  Figur  66 
zeigt  einen  Längs- 
schnitt, Fig.  67  einen 
Querschnitt  eines 
derartigen  für  Gross- 
betrieb berechneten 
Apparates.  3O0  bis 
500  Kilo  Braunstein, 
welcher  zu  zerschla- 
gen ist,  wird  auf 
den  aus  Steinplatten 
gebildeten  Rost  a 
durch  das  Mannloch 
b  herabgeworfen«  wo- 
rauf der  Deckel  des 
letzteren  wieder  aul- 
gekittet wird.  Dann 
lässt  man  durch  den 
thönemen  Hahn  der 
Säureleitung  f  Salz- 
säure einfliesscn,  bis 
der  Kasten  zu  \  ge- 
füllt ist,  was  mit 
Hülfe  eines  durch 
(Ch.66.)  ^^       ProbiröflTnung 

eingefllhrten  Stabes 
controlirt  wird.  Der  unter  der  Röhre  h  stehende  Topf  bleibt  mit  Säure  gefüllt  und  bewirkt 
hierdurch  einen  hydraulischen  Verschluss  jener  Röhre. 

Die  Chlorentwicklung  beginnt  bei  so  grossen  Mengen  an  Material  sofort  ohne  kttnsth'die 
Erwärmung,   und  man  lässt  deshalb  die  Säure  langsam  im  Verlauf  mehrerer  Stunden  einlanfm. 


Chlor. 


617 


(Ch.  67.) 


weil  sonst  zu  stürmische  Gasentwicklung  eintreten  würde.  Das  Chlor  entweicht  durch  das  Thon- 
rohr  k^  welches  mit  einer  zur  Ausstrahlung  des  Chlorentwicklers  dienenden  Vorrichtung  /  ver- 
bunden ist.  Der  Topf  /  ist  stets  soweit  mit  Wasser 
gefüllt,  dass  das  unterste  Rohrstück  i  abgesperrt 
ist;  soll  jedoch  zum  Zweck  der  Neubeschickung 
des  Chlorapparates  dieser  von  der  Hauptchlor- 
leitung o  abgesperrt  werden,  so  giesst  man  soviel 
Wasser  in  den  Topf  /,  dass  dasselbe  über  der 
Verzweigungsstelle  /  steht  und  somit  das  Rohr  k 
völlig  verschliesst  Soll  die  Communication  wieder 
hergestellt  werden,  so  lässt  man  das  Wasser  aus 
dem  Topf  /  durch  einen  Hahn  an  seinem  Boden 
wieder  z.  Th.  ablaufen.  Nachdem  die  Chlorent- 
wicklung 8 — 12  Stunden  freiwillig  stattgefunden, 
muss  vorsichtig  von  Zeit  zu  Zeit  etwas  Dampf 
durch  Oeffnen  des  Hahnes  t  eingelassen  werden. 
Der  Dampf  tritt  in  das  Steinrohr  c  und  durch  dessen 
Oeffiiungen  unterhalb  des  Steinrohrs  a  heraus  in 
die  Flüssigkeit.  Die  Biegung  des  bleiernen  Dampf- 
rohres bei  ä  füllt  sich  beim  Absperren  des  Dampfes 
alsbald  mit  Condensationswasser  und' dieses  hindert 
dann,  dass  Chlorgas  bis  zum  Dampf  hahn  e  zurück- 
steigt und  denselben  zerstört.  Bei  erneutem  Oeff- 
nen des  Hahns  wird  das  Condensationswasser  selbst- 
verständlich sofort  in  den  Chlorentwickler  herabgedrückt. 

Unter  den  zahlreichen  neueren  Methoden,  welche  zur  Chlorgewinnung  im  Grossen  vorge- 
schlagen wurden,  hat  sich  die  WELDON'sche  noch  am  meisten  Eingang  verschafft,  welche  nicht 
natürlichen  Braunstein,  sondern  aus  den  Manganlaugen  stets  von  Neuem  künstlich  regenerirtes 
Mangandioxyd  benutzt. 

Die  Regenerirung  beruht  darauf,  dass  das  durch  Kalk  aus  der  Manganchlorürlauge  gefällte 
Manganhydroxydul  bei  Gegenwart  überschüssigen  Kalks  und  suspendirt  in  der  gebildeten  Chlor- 
calciumlösung  durch  einen  eingepressten  Luftstpom  mit  Leichtigkeit  zu  Mangansuperoxyd 
oxydirt  wird.  Der  erhaltene  Schlamm  wird  direkt  wieder  zu  dem  Chlorentwickler  gebracht,  der 
dem  früher  beschriebenen  ähnlich  ist,  nur  keinen  Rost  besitzt.  Auf  die  technischen  Details 
dieser  Regenerationsmethode  kann  hier  nicht  eingegangen  werden  (s.  Lunge's  Handb.  der 
Sodafabrik.     Bd.  2,  pag.  796). 

Ein  anderer,  ebenfalls  zu  hoher  Bedeutung  gelangter  Entwicklungsprocess 
trägt  den  Namen  Deacon's,  obwohl  die  Reaktion,  auf  welcher  das  Verfahren 
ursprünglich  beruht,  schon  lange  bekannt  war  (4).  Es  gründet  sich  darauf,  dass 
ein  Gemenge  von  Chlorwasserstoffgas  und  Luft  beim  Ueberleiten  über  erhitzte 
poröse  Körper  wie  Thon,  Bimstein,  Eisenoxyd  in  der  Art  reagirt,  dass  Chlor  und 
Wasser  auftreten:  2HC1 -+- O  =  H20 -+- CI3.  Deacon  fand  jedoch,  dass  bei 
Gegenwart  gewisser  reaktionsfähiger  Substanzen,  insbesondere  von  Kupferver- 
bindungen die  Reaktion  schon  bei  relativ  niedriger  Temperatur  verläuft  und  dabei 
sämmtliches  Chlor  der  Salzsäure  in  Freiheit  gesetzt  wird.  Der  Process  gründet 
sich  bei  Anwendung  von  Kupfersulfat  auf  die  Bildung  von  Kupferchlorid  und 
Zerlegung  desselben  durch  die  hohe  Temperatur  in  Chlorür  und  freies  Chlor, 
worauf  das  Chlorür  durch  den  LuftsauerstofF  wieder  oxydirt  und  durch  neue  Salz- 
säure in  Chlorid  überführt  wird.  Es  ist  also  der  bei  Anwesenheit  von  Kupfer- 
verbindungen verlaufende  Process  nicht  auf  eine  geheimnissvolle,  katalytische 
Wirkung  zurückzuführen  (s.  auch  Hensgen  (5). 

Zur   Chlorgewinnung   nach   Daecon's  Vei fahren    wird   Saksäuregas  mit   etwas  mehr  Luft 


6r8  Handwörterbuch  der  Chemie. 

gemischti  ah  der  obigen  Gleichung  entspricht.  Ein  Ezhanstor  aspirixt  das  Salssäuregas  «u  de« 
Sidfatöfen  und  gleichzeitig  um  $o  mehr  Luft  durch  die  OfenthUren,  je  stSrkcr  er  arbeitet.  Die 
gemischten  Gase  werden  durch  ein  System  erhitzter  U-fÖrmiger  Röhren  geleitet,  ähnlich  wie  bei 
der  Winderhitzung  fUr  Hochöfen  und  so  auf  etwa  400^  gebracht  Dann  gelangen  die  Gase  in 
einen  grossen,  mit  vertikalen  Scheidewänden  versehenen  eisernen  Kasten,  dessen  mit  Siebboden 
versehene  Abtheilungen  mit  Thonkugeln  (von  1,5  Centim.  Durchmesser)  gefüllt  sind,  welche  zu- 
vor mit  Kupfersulfatlösung  getränkt  und  scharf  getrocknet  worden  waren.  Der  Zersetzungs- 
apparat  selbst  ist  von  einem  gemauerten  Mantel  umgeben  und  wird  durch  Feuerungen  geheizt 
Das  austretende  Gasgemisch  enthält  im  Durchschnitt  nur  etwa  26 — 40  f  des  vorhandenen 
Chlors  in  freiem  Zwttand,  das  tlbrige  bleibt  im  unzersetzten  Salzsäuregas.  Letzteres  wird  beim 
Durchleiten  des  Gasgemisches  durch  einen  mit  Wasser  gespeisten  Coaksthurm  vollständig 
zurückgehalten.  Zur  Darstellung  von  Chlorkalk  muss  das  Gas  nun  noch  getrocknet  werden, 
indem  man  es  einen  mit  Schwefelsäure  gespeisten  Coaksthurm  passiren  lässt 

Das  DEACON'sche  Verfahzcn  leidet  darunter,  dass  die  getränkten  Thonkugeln  öfier  er- 
neuert werden  mUssen  und  die  Apparate  vieler  Reparaturen  bedürfen,*  so  kam  es  denn,  dass 
nur  noch  wenige  Fabriken  nach  diesem  Verfahren  arbeiten,  obwohl  ungeheure  Kosten  bei  seiner 
Einführung  und  Verbesserung  darauf  gewendet  wurden. 

Zahlreiche  andere  Vorschläge  zur  Chlorgewinnung  im  Grossen  hatten  keinen  durchschlagenden 
Erfolg. 

Das  Chlor  ist  bei  gewöhnlichen  Druck-  und  Teroperaturverbältnissen  ein 
gelblichgrünes  Gas,  dessen  Farbe  um  so  dunkler  ist,  je  mehr  es  erwärmt  wird. 
Das  über  flüssigem  Chlor  befindliche,  stark  zusammengepresste  Gas  erscheint 
pomeranzengelb  (6).  Selbst  in  stark  verdünntem  Zustand  besitzt  das  Chlor  noch 
einen  höchst  charakteristischen,  erstickenden  Geruch  und  ruft  beim  Einathmen 
heftigen  Husten  und  ErstickungszufUlle  hervor.  Bei  öfterem  Einathmen 
verdünnten  Chlors  oder  in  Folge  momentanen  Eindringen  concentrirten  Chlors  in 
die  Lunge  tritt  Blutspeien  ein.  Als  Gegenmittel  wird  die  Inhalation  von  Wein- 
geistdampf mit  oder  ohne  Aetherzusatz  oder  Einathmung  von  Aniltndämpfen  em- 
pfohlen. Ammoniak  greift  die  verletzten  Gewebe  zu  stark  an  und  steigert  die 
Entzündung. 

Das  Chlorgas  ist  nicht  selbst  brennbar,  dagegen  brennt  eine  Wachs-  oder 
Talgkerze  im  Chlorgas  fort  mit  stark  russender  Flamme.  Hierbei  verbindet  sich 
das  Chlor  vorzugsweise  mit  dem  Wasserstoff  des  Brennmaterials  und  bewirkt 
hierdurch  die  Abscheidung  des  Kohlenstoffs. 

Eine  in  die  Chloratmosphäre  eingeführte  Leuchtgasflamme  zeigt  jenen  Vor- 
gang in  noch  ausgezeichneterer  Weise. 

Pflanzenfarben  werden  von  Chlor  rasch  entfärbt,  sobald  Wasser  resp. 
Feuchtigkeit  zugegen  ist;  im  scharf  getrockneten  Zustand  findet  nur  unbe- 
deutende oder  gar  keine  Bleichung  der  Farbe  statt.  Gerüche  fauler  organischer 
Substanzen  und  Ansteckungsstofle  zerstört  das  Chlor  in  kürzester  Zeit  und  wird 
es  deshalb  vielfach  zu  Desinfectionszwecken  benutzt. 

Das  specifische  Gewicht  des  Chlorgases  ist  nach  Bunsen  2*4482,  nach 
E.  Ludwig  (7)  folgt  das  Gas  erst  über  200°  dem  MAWOTTK-GAY-LussAc'schcn 
Gesetz  und  zeigt  bei  dieser  Temperatur  das  spec.  Gew.  2*4502  (berechnet  nach 
dem  von  Stas  gefundenen  Atomgewicht:  2*45012).  Bei  niederer  Temperatur  fand 
Ludwig  das  spec.  Gew.  um  mehrere  Hundertel  höher. 

Neuere  Untersuchungen  von  Vier.  Meyer  und  C.  Langer  (8)  haben  bei  100** 
die  Dichte  des  reinen  Chlorgases  zu  2*00  ergeben,  bei  900°  zu  2*46— 2*49  und 
bei  1200°  zu  2*41  —  2*47.  Auch  bei  Verdünnung  des  Chlors  durch  Luft  er- 
gaben sich  ähnliche  Zahlen,  (z.  B.  mit  ö  Vol.  Luft  2*51,  mit  15  VoL  LuR  2*46). 


Chlor.  619 

Selbst  bei  so  hohen  Temperaturen  ist  folglich  eine  Dissociation  der  Chlormole- 
küle in  einzelne  Atome  auch  bei  Anwendung  verdünnender  Luft  nicht  wahrzu- 
nehmen. Frühere  von  V.  Meyer  angestellte  Versuche  hatten  bei  höherer  Tem- 
peratur weit  niedrigere  Dichten,  welche  auf  eine  Dissociation  des  Chlormoleküles 
hinwiesen,  ergeben,  doch  zeigte  es  sich,  dass  die  Anwendung  des  bei  diesen 
Versuchen  als  Chlorquelle  dienenden  Platinchlorürs  in  Folge  der  Diffusion  der 
kleinen  Chlormenge  in  viel  Luft  jene  Resultate  verursachte.  Die  von  Crafts  (9) 
angestellten  späteren  Versuche  (s.  oben)  haben  ergeben,  dass  bei  Einleiten  fertigen 
(nicht  nascirenden)  Chlors  in  den  Apparat  die  Gasdichte  selbst  bei  hohen  Tem- 
peraturen normal  ist. 

Das  Atomgewicht  des  Chlors  ist  seit  Berzelius  schon  häufig  bestimmt 
worden.  Nach  den  Untersuchungen  von  Stas  ergaben  sich  bei  den  ver- 
schiedensten Bestimmungsmethoden  Zahlen  zwischen  35'455  und  35*460,  woraus 
er  aus  seinen  Versuchen  und  denjenigen  Marignac*s  und  Penny*s  die  ^fittelzahl 
35-457  berechnet  (für  H=  1  und  0=  15-96  wird  diese  Zahl  zu  35-368). 

Das  Absorptionsspectnim  des  Chlorgases  zeigt  zahlreiche  dunkle  Linien, 
ausserdem  wird  Blau  und  Violett  vollständig  absorbirt  (10). 

In  der  nichtleuchtenden  Flamme  des  Bunsenbrenners  erzeugt  Chlorgas  eine 
grünliche  Färbung. 

Flüssiges  Chlor.  Durch  gleichzeitige  Einwirkung  von  Kälte  und  starkem 
Druck  wird  Chlorgas  zu  einer  dunkelgrünlichgelben  Flüssigkeit  verdichtet. 
Leichter  als  in  dieser  ursprünglich  von  Davy  und  Faraday  benutzten  Weise  lässt 
sich  flüssiges  Chlor  dadurch  gewinnen,  dass  man  mit  Fliesspapier  rasch  abge- 
trocknetes Chlorhydrat  in  eine  starke,  einerseits  zugeschmolzene  Glasröhre 
bringt,  auch  deren  anderes  Ende  zuschmilzt  und  nun  den  Röhreninhalt  in 
warmem  Wasser  auf  etwa  38**  erhitzt.  Das  Chlorhydrat  schmilzt  und  es  werden 
zwei  Flüssigkeitsschichten  gebildet,  von  welchem  die  untere  flüssiges  Chlor,  die 
obere  aber  Chlorwasser  ist.  Im  Falle  die  Glasröhre  A  gebogen,  so  kann  man 
leicht  das  flüssige  Chlor  in  den  leeren,  von  aussen  mit  Eis  gekühlten  Schenkel 
hinüberdestilliren  lassen  (11). 

In  trockenerem  Zustand  kann  das  flüssige  Chlor  in  ebensolcher  Schenkelröhre 
erhalten  werden,  wenn  der  längere  Schenkel  mit  einem  Gemisch  aus  geschmolzen 
gewesenem  saurem  Kaliumsulfat,  trocknem  Kochsalz  und  Braunsteinpulver  gefüllt, 
über  die  Mischung  etwas  Chlorcalcium  gelegt  und  nun  das  Gemenge  erwärmt 
wird,  während  sich  der  leere  Schenkel  in  einer  Kältemischung  befindet  (12). 

Das  flüssige  Chlor  siedet  bei  —33-6°  (bei  760  Millim.  Druck)  (13),  bricht  das 
Licht  etwas  schwächer  wie  Wasser,  hat  ein  spec.  Gew.  von  1*33  und  gefriert 
selbst  bei  —90°  noch  nicht  (13).  Die  Elektricität  vermag  das  flüssige  Chlor 
nicht  zu  leiten. 

Das  Chlor  besitzt  energische  Verwandtschaft  zu  vielen  Elementen,  insbe- 
sondere zu  Wasserstoff  und  den  Metallen.  In  den  Verbindungen,  welche  es  ein- 
geht, wird  das  Chlor  gewöhnlich  als  einwerthig  angesehen,  doch  ist  man  in 
manchen  Fällen,  besonders  in  den  Sauerstoffverbindungen  veranlasst  gewesen, 
ihm  3-,  5  und  7-Werthigkeit  zuzuschreiben. 

Bei  gewöhnlicher  Temperatur  verbindet  sich  das  Chlor  mit  Phosphor,  Arsen 
and  Antimon  unter  lebhafter  Feuererscheinung;  mit  Wasserstoff  vereinigt  es  sich 
nicht  im  Dunkeln,  sondern  nur  wenn  das  Gemenge  von  chemisch  wirksamen 
IJchtstrahlen  getroffen  wird,  langsam  bei  zerstreutem  Tageslicht,  rasch  unter  Ex- 
plosion im  Sonnenschein.    Die  Metalle,  selbst  die  edeln,  vereinigen  sich  leicht 


620  Handwörterbuch  der  Chemie. 

an  ihreu:  Oberfläche  mit  dem  Chlor  zu  Salzen,  wesshalb  das  Chlor  den  Namen 
Hai  cid  (Salzbilder)  s.  Z.  erhalten  hat,  ebenso  wie  Brom,  Jod  und  Fluor.  Die 
Reaction  wird  durch  Erwärmen  meist  gesteigert,  wobei  sie  dann  oft  unter  Feuer- 
erscheinung stattfindet  (z.  B.  Natrium,  Eisen  etc.).  Ebenso  vereinigt  sich  das 
Chlor  mit  Brom,  Jod,  Schwefel,  Selen  und  zersetzt  zahlreiche  Verbindungen 
anderer  Elemente,  indem  es  sich  mit  dem  einen  oder  anderen  Bestandtheil  oder 
mit  beiden  verbindet.  So  zerlegt  es  den  Bromwasserstoff  und  Jodwasserstoff,  die 
Metallbromide  und  -Jodide,  ebenso  auch  das  Ammoniak,  treibt  in  der  Wärme  aus 
vielen  Oxyden,  z.  B.  Kaliumoxyd  den  Sauerstoff  aus  und  wird  von  verschiedenen 
Hydroxyden  (z.  B.  Kalium-,  Natrium-,  Calciumhydroxyd)  absorbirt  unter  Bildung 
bleichend  wirkender  Produkte,  aus  denen  Säurezusatz  wiederum  Chlor  abzu- 
scheiden vermag  (Chornatron,  Chlorkalk).  Auf  viele  organische  Verbindungen 
wirkt  es  in  der  Art  ein,  dass  es  an  Stelle  von  Wasserstoffatomen  tritt,  welche  mit 
Chlor  zu  Chlorwasserstoff  vereinigt  aus  den  Verbindungen  austreten.  Anderer- 
seits wird  es  von  manchen  organischen  Substanzen  auch  direkt  addirt.  Nahe 
der  Glühhitze  zerstört  das  Chlor  unter  Abscheidung  von  Kohlenstoff  alle  or- 
ganischen Körper. 

Chlor  und  Wasser. 

Von  Wasser  wird  das  Chlorgas  reichlich  absorbirt,  eine  bei  6°  gesättigte 
Lösung  zeigt  1*003  specif.  Gewicht.  Das  Maximum  der  Löslichkeit  findet  bei 
9  bis  10°  C.  statt  und  beträgt  hier  nach  Schönfeld  (15)  25852  Vol.  (auf  0"*  und 
0*76  Millim.  Druck  bezogen).  Die  Löslichkeit  des  Chlors  nimmt  ab  mit  steigender 
Temperatur,  beträgt  bei  40°  z.  B.  nur  noch  1*3655  Vol.  auf  1  Vol.  Wasser  und 
ist  bei  100°  gleich  Null  (s.  auch  Pickering,  Ch.  Soc.  J.  1880,  pag.  139). 

Das  Chlorwasser  zeigt  den  charakteristischen  Geruch  und  die  grüne  Farbe 
des  Chlors  und  zersetzt  sich  bald,  besonders  bei  Einwirkung  des  Tages-  oder 
Sonnenlichtes,  wobei,  der  Gleichung  H20-h2Cl  =  2HCl-l-0  entsprechend, 
Sauerstoffgas  entwickelt  wird  und  schwache  Salzsaure  zurückbleibt  Ebenso  wie 
freies  Chlor  vermag  Chlorwasser  organische  Farbstoffe  und  Gerüche  zu  zerstören. 
Die  bleichende  Wirkung  auf  Indigo  wird  durch  Zusatz  von  Salzsäure  sehr 
vergrössert  (16). 

Chlorhydrat,  sogen.,  scheidet  sich  aus  gesättigtem  Chlorwasser  bei  0°  in 
blassgelben  Krystallen  oder  krystallinischen  Massen  ab,  welche  bei  —  50°  fast 
weiss  erscheinen  (17).  Die  Krystalle  zersetzen  sich  in  offenen  Gefassen  allmählich 
in  Chlor  und  Wasser,  in  geschlossenen  Röhren  bleibt  es  selbst  in  gelinder 
Wärme  unverändert,  zerfallt  aber  bei  38°  in  flüssiges  Chlor  und  chlorhaltiges 
Wasser.     Beim  Erkalten  bildet  sich  Chlorhydrat  zurück  (18). 

Chlorhydrat  bildet  sich  auch  beim  Eintropfen  von  auf  2  bis  3°  abgekühlter, 
wässriger  unterchloriger  Säure  in  concentrirte  Salzsäure,  wobei  das  Gemisch  zu 
einem  Krystallbrei  erstarrt. 

Das  Freiwerden  des  Chlors  erklärt  sich  nach  der  Gleichung:  HCl-hHOCl 
=  H3O  -f.  CI3 

Die  Erkennung  des  freien  Chlors  ist  nicht  schwierig.  Sein  charakteristischer 
Geruch,  seine  grüne  Farbe  und  die  Fähigkeit,  aus  Jodkalium  Jod,  aus  Brom- 
kalium  Brom  abzuscheiden,  welche  Elemente  beim  Schütteln  mit  Schwefelkohlen- 
stoff oder  Chloroform  in  diese  Lösungsmittel  übergehen  und  sie  violett  resp. 
braungelb  färben,  erlauben,  selbst  geringe  Mengen  freien  Chlores  in  einer  Flüssig- 
keit oder  einem  Gasgemenge  zu  erkennen. 

Zur  quantitativen  Bestimmung  des  freien  Chlores  bringt  man  dasselbe  mit 


Chlor.  621 

Überschüssiger  Jodkaliumlösung  zusammen  und  bestimmt  die  Menge  des  ausge 
schiedenen  Jods  durch  Titriranalyse  mit  titrirter  Lösung  von  Natriumthiosulfat 
(unterschwefiigsaurem  Natrium).     1  Atom  Jod  zeigt  1  Atom  Chlor  an. 

Vielfach  lässt  man  das  Chlor  auch  auf  eine  überschüssige  titrirte  Lösung 
von  arseniger  Säure  \7irken  und  bestimmt  durch  Jodlösung  von  bekanntem  Ge- 
halt, wieviel  Arsenik  noch  unoxydirt  geblieben  ist  (19). 

Das  Chlor  findet  in  der  Technik  sowohl  im  freien  Zustand  als  in  Form  seiner 
Verbindungen  die  ausgedehnteste  Anwendung.  Chlorgas  wird  direct  als  Bleich- 
mittel benutzt,  häufiger  jedoch  lässt  man  es  durch  Kalk  absorbiren  und  verwendet 
den  erhaltenen  Chlorkalk  zu  jenem  Zweck;  ausserdem  dient  derselbe  zur  Her- 
stellung von  Chloroform,  chlorsauren  Salzen,  zur  Zerstörung  von  Gerüchen,  als 
Desinfectionsmittel  etc. 

Chlorwasserstoff. 

(Salzsäuregas)  HCl.  ChlorwasserstoiFgas  bilden  einen  wesentlichen  Bestand- 
theil  der  Dämpfe,  welche  von  vielen  Vulkanen  auch  im  Ruhezustand  ausgestossen 
werden,  und  die  Quellen,  welche  solch  vulkanischem  Terrain  entspringen  oder 
die  darüber  hinfliessenden  Bäche  enthalten  das  Gas  häufig  in  geringer  Menge 
gelöst,  doch  nimmt  der  Säuregehalt  rasch  ab,  da  der  Kalkgehalt  des  Bodens 
die  Säure  bindet  Im  Magensaft  der  Säugethiere  ist  etwas  Salzsäure  enthalten, 
als  Absonderungsprodukt  der  Labdrüsen;  so  enthält  der  Magensaft  des  Hundes 
etwa  3^  Salzsäure. 

Chlorwasserstoff  kann  sich  auf  verschiedene  Weise  bilden.  Direct  aus  den 
Bestandtheilen  Chlor  und  Wasserstoff  entsteht  es,  wenn  die  beiden  Gase  ge- 
mischt und  dem  Tages-  oder  Sonnenlicht  oder  irgend  einer  chemisch  wirksame 
Strahlen  aussendenden  Lichtquelle  (Magnesiumlicht,  Licht  des  verbrennenden 
Gemenges  von  Schwefelkohlenstoffdampf  mit  Stickoxyd  etc.)  ausgesetzt  werden. 
Ist  die  Lichtstärke  gering,  so  findet  die  Vereinigung  der  Gase  langsam  statt, 
und  BuNSEN  und  Roscoe  (20)  benutzten  dieses  Verhalten  zur  Messung  der 
chemischen  Wirksamkeit  verschiedener  Lichtquellen,  denn  die  Menge  der  ge- 
bildeten Salzsäure  (welche  sofort  zur  Absorption  gebracht  wird)  ist  proportional 
dem  Produkt  aus  der  verflossenen  Belichtungszeit  und  der  chemischen  Intensität 
des  Lichtes. 

Bei  starker  Lichtquelle  tritt  heftige  Explosion  ein,  indem  die  bei  der  Ver- 
einigung der  beiden  Gase  frei  werdende  Wärme  das  gebildete  Chlorwasserstoffgas 
plötzlich  ausdehnt.  Ein  Lichtstrahl,  welcher  jenes  Gasgemenge,  auch  Chlorknall- 
gas genannt,  passirt  hat,  ist  nicht  mehr  im  Stande,  noch  ein  zweites  Mal  die 
Vereinigung  der  Gase  zu  bewirken. 

Nimmt  man  die  Explosion  in  einer  geschlossenen,  starken  Röhre  vor  und 
lässt  nachher  Wasser  in  dieselbe  eintreten,  so  füllt  dasselbe  den  ganzen  Raum, 
im  Falle  gleiche  Volumina  beider  Gase  angewendet  wurden,  anderenfalls  bleibt 
das  überschüssige  Gas  unverbunden  zurück.  Eine  Volumänderung  findet  bei 
der  Reaction  nicht  statt.  Das  durch  Electrolyse  aus  concentrirter  wässriger  Salz- 
säure erhaltene  Gasgemisch  explodirt  besonders  leicht  schon  im  Tageslicht. 
Auch  durch  eine  Flamme  oder  einen  auf  150^  erhitzten  Gegenstand,  sowie  durch 
den  electrischen  Funken  wird  das  Chlorknallgas  leicht  explodirt.  In  allen  diesen 
Fällen  entsteht  Chlorwasserstoffgas,  welches  an  die  feuchte  Luft  gelangend  alsbald 
dichte  Nebel  bildet. 

Chlorwasserstoff  bildet  sich  femer  beim  Zusammentreffen  von  Chlor  mit 
Wasserstoff  enthaltenden  Verbindungen.    So  wird  Jodwasserstoff,  Bromwasserstoff, 


&23  ttandwörterbuch  der  Chemie. 

Schwefelwasserstoff,  PhosphorwasserstofT  und  Arsenwasserstoff  und  Ammoniak 
leicht,  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  zersetzt  unter  Bildung  von  Chlor- 
wasserstoff. Wasser  vermag  das  Chlor  nur  bei  Gegenwart  des  Lichts  oder  bei 
Rothglühhitze  zu  zersetzen,  wobei  Sauerstoff  und  Chlorwasserstoff  auftreten. 
Viele  organische  Verbindungen  werden  durch  Chlor  bei  minderer  oder  höherer 
Temperatur  in  der  Art  verändert,  dass  ein  Theil  ihres  Wasserstoffs  mit  Chlor 
verbunden  austritt,  während  für  jedes  eliminirte  Wasserstofiatom  ein  Chloratom 
in  die  Verbindung  eintritt.  Bei  Rothgluth  zersetzt  das  Chlor  die  organischen 
Stoffe  vollständig,  indem  sämmtlicher  Wasserstoff  derselben  an  Chlor  gebunden 
wird. 

Eine  wichtige  Bildungsweise  des  Chlorwasserstoffs  beruht  auf  der  Einwirkung 
der  Schwefelsäure,  Borsäure,  Phosphorsäure  etc.  auf  Chlormetalle,  insbesondere 
auf  die  Chloralkalien.  Endlich  entsteht  auch  Chlorwasserstoff,  wenn  manche 
Chlorverbindungen,  z.  B«  Chloride  verschiedener  Metalloide,  anorganische  und 
organische  Säurechloride  etc.  mit  Wasser  oder  Ammoniak  zusammentreffen. 

Die  bequemste  Darstellungsweise  des  Chlorwasserstoffs  beruht  auf  der 
Zersetzung  des  Kochsalzes  durch  Schwefelsäure.  Will  man  bei  niederer  Tempe- 
ratur arbeiten,  so  dass  der  Process  in  Glasgefässen  vorgenommen  werden  kann, 
so  ist  ein  Molekül  Schwefelsäure  auf  ein  Molekül  Chlomatrium  anzuwenden, 
und  der  Gleichung  H,SO^  -h  NaCl  =  HCl  -h  NaHSO^  entsprechend  wird  saures 
Natriumsulfat  gebildet.  Ist  aber  ein  Erhitzen  des  Reactionsgemisches  auf  Roth- 
glut zulässig,  so  können  2  Moleküle  Kochsalz  auf  1  Molekül  Schwefelsäure 
angewandt  werden,  weil  bei  jener  hohen  Temperatur  das  zuerst  gebildete  primäre 
Natriumsulfat  auf  ein  weiteres  Molekül  Chlomatrium  zersetzend  wirkt,  sodass 
normales  Natriumsulfat  und  Chlorwasserstoff  entstehen.  Der  genannte  Process 
wird  dann  durch  die  Gleichung  H^SO^  -h  2NaCl=  2HC1  -H  NajSO^  dargestellt 

Das  erst  erwähnte  Verfahren  wird  im  Kleinen  in  dem  Laboratorium  ausge- 
führt, während  das  letztere  im  grössten  Maassstab  in  den  Sodafabriken  angewandt 
wird,  um  das  Kochsalz  in  Glaubersalz  zu  überführen.  Das  gleichzeitig  entstehende 
Chlorwasserstoffgas  dient  zur  Gewinnung  der  käuflichen  Salzsäure. 

ZuT  Darstellung  des  Chlorwasserstoffs  im  Kleinen  bringt  man  100  Thle.  Kochsals  kt 
einen  mit  doppelt  durchbohrtem  Kork  versehenen  Glaskolben ,  dessen  Kork .  ausser  der  Gas- 
fortleitungsröhre  noch  eine  doppelt  gebogene  Trichterröhre,  sogen.  WELTER'sche  Sicheiheitsröhie, 
trügt  Durch  die  Trichterröhre  wird  die  mit  -J- — ^  ihres  Gewichtes  an  Wasser  zuvor  verdttimte 
und  wieder  erkaltete.  Schwefelsäure  (170  Thle.)  eingetragen  und  dann  der  Kolbeninhak  er- 
wärmt   Unverdünnte  Säure  bewirkt  leicht  heftiges  Aufschäumen  der  Masse. 

Das  entweichende  Chlorwasserstoffgas  ist  etwas  feucht  und  enthält  mit- 
gerissene Tröpfchen  des  Kolbeninhalts.  Man  wäscht  das  Gas,  indem  man  es 
ein  mit  ganz  wenig  concentrirter  Salzsäure  gefülltes  Gefäss  passiren  lässt  Um 
das  Gas  zu  trocknen  leitet  man  es  schliesslich  durch  eine  Chlorcalciumröhre.  Sehr 
bequem,  wenn  auch  kostspielig,  gewinnt  man  Chlorwasserstoffgas  durch  Ein- 
tropfen conc.  Schwefelsäure  durch  einen  mit  Hahn  versehenen  Trichter  in  eb 
zu  ^  mit  käuflicher  Salzsäure  gefülltes  Gefäss.  Die  Flüssigkeit  erwärmt  sich  von 
selbst  und  behält  nur  0-32#HCl  zurück  (P.  W.  Hoffmann,  Berl.  Ber.  I.  pag.  27a), 

Soll  das  Gas  in  Gefässen  aufgesammelt  werden,  so  geschieht  dies  entweder 
in  der  mit  Quecksilber  gefüllten  pneumatischen  Wanne  oder  durch  Einleiten  des 
etwas  raschen  Gasstroms  bis  auf  den  Boden  der  Gefässe,  wie  dies  bei  Chlor 
näher  beschrieben  ist. 

Im  Grossen  wird  das  Chlorwasserstoffgas  als  Nebenproduct  bei  der  Glauber- 


Chlor.  ^35 

salzfabrikätion  (s.  diese)  gewonnen,  jedoch  sofort  durch  Apparate  geleitet,  in 
welchen  das  Gas  von  Wasser  absorbirt  wird  (s.  bei  Salzsäure). 

Das  Chlorwasserstofifgas  ist  farblos,  nicht  brennbar  und  Tennag  die  Ver- 
brennung anderer  Stoffe,  sowie  die  Athmung  nicht  zu  unterhalten.  Es  raucht 
an  der  Luft  stark,  indem  es  sich  mit  dem  in  ihr  enthaltenen  Wasserdunst  ver- 
einigt und  eine  Condensadon  zu  Dampfbläschen  verursacht.  Der  Geruch  des 
Gases  ist  "höchst  stechend  erstickend  und  zum  Husten  reizend,  der  Geschmack 
ist  stark  sauer.  Durch  starken  Druck  oder  Kälte  lässt  sich  das  Gas  zu  einer 
farblosen  Flüssigkeit  verdichten,  die  aber  bei  — 110^  noch  nicht  erstarrt  Ihre 
Dampfspannung  beträgt  nach  Faraday  (21)  bei  0^:  26'2  Atmosphären,  bei  —  69^ 
noch  2*28  Atmosphären,  nach  Niemann  (22)  bei  0^:  33  und  bei  +  12*50:  40  Atmo- 
sphären. 

Bei  1500^  zerfällt  das  Chlorwasserstoffgas  zum  grössten  Theil  in  seine  Be- 
standtheile,  doch  vereinigen  sich  dieselben  wieder,  sobald  die  Temperatur  sinkt 
Nur  wenn  das  Erhitzen  im  DEvnxE'schen  Apparat  voigenommen  wird,  in  welchem 
ein  durch  fliessendes  Wasser  auf  10  ^  kalt  gehaltenes  Silberrohr  von  einem  auf 
1500^  erhitzten  Porzellanrohr  umgeben  ist,  wird  die  Wiedervereinigung  der  Gase 
verhindert.    Es  bildet  sich  Chlorsilber  und  freier  Wasserstoff  bleibt  übrig  (23). 

Durchschlagende  electrische  Funken  zerlegen  Chlorwasserstoffgas  zum  kleinsten 
Theil,  denn  umgekehrt  wird  ein  Gemenge  der  beiden  Bestandtheile  durch  den 
Funken  zu  Salzsäuregas  vereinigt 

Viele  Metalle  zerlegen  Chlorwasserstoffgas,  indem  sie  sich  mit  dem  Chlor 
zu  Chloriden  vereinigen,  Metalloxyde  gehen  in  Berührung  mit  dem  Gas  in 
Chloride  über  unter  Bildung  von  Wasser;  Superoxyde  scheiden  ausserdem  freies 
Chlor  ab. 

In  Wasser  ist  Chlorwassersto£^as  äusserst  leicht  löslich  und  wird  so  heftig 
von  demselben  absorbirt,  dass  beim  Oeffnen  eines  mit  dem  Gase  gefüllten  Ge- 
fässes  unter  Wasser  letzteres  in  das  Gefäss  hineinstürzt  fast  wie  in  einen  luft- 
leeren Raum. 

Zur  Darstellung  der  Salzsäure  genannten  wässrigen  Lösung  des  Chlor- 
wasserstoffgases wird  das  Gas  nur  auf  die  Oberfläche  des  Wassers  geleitet,  wobei 
es  vollständig  absorbirt  und  die  Gefahr  des  Zurücksteigens  des  vorgelegten 
Wassers  in  das  Gasentwickelungsgefäss  vermieden  wird. 

Die  Tobe  Salzsäure  des  Handels  wird  auf  diese  Weise  in  kolossalen  Mengen  |als  Neben- 
pToduct  bei  der  Glaubersalzfabrikation  gewonnen  und  bildet  einen  sehr  wichtigen  Handelsartikel. 
Aus  den  Sulfatöfen  leitet  man  das  in  der  Pfanne  entwickelte  Gas  für  sich  durch  Thonröhren 
in  die  Absorptionsapparate,  während  das  viel  heissere,  in  der  Muffel  gebildete  Salzsfluregas  durch 
einen  aus  getheerten  Steinen  gebauten  Kanal  zugeführt  wird  (24).  Auf  Zeichnung  69,  pag.  632 
ist  die  letztgenannte  Art  der  Zuleitung  angegeben. 

Ehe  das  Salzsäuregas  in  die  Absorptionsflaschfen  gelangt,  hat  es  in  der  Regel  einen  kleinen 
aus  Steinen  erbauten  Thurm  zu  passiren,  in  welchen  das  Gas  unten  eintritt,  einen  Steinrost 
passirt  und  dann  zwischen  durchbrochenen  Thonscheiben  aufsteigt,  welche  den  ganzen  Innenraum 
erfüllen  und  mehrmals  täglich  mit  frischem  Wasser  bespritzt  werden.  Hier  wird  das  heisse 
Gas  nicht  nur  abgekühlt,  sondern  die  leichter  condensiri>aren  Schwefelsäuredämpfe,  welche  in 
ihm  entiialten  sind,  vorzugsweise  zurückgehalten,  sodass  die  zu  gewinnende  Salzsäure  weit  reiner 
wird  als  ohne  diese  Vorrichtung.  Durch  zwei  Thonröhren  tritt  das  Gas  in  die  thönemen  Ab« 
Sorptionsflaschen,  Bombonnes  genannt.  Jede  der  beiden  Thonröhren  führt  ihren  Inhak  zunächst 
gesosdert  durch  dretcehn  Bombonnes,  erst  dann  werden  die  Gase  in  einen  einzigen  Bombonne 
zusammengeleitet  und  passiren  dann  noch  zwei  Colonnen,  jede  aus  dreizehn  Flaschen  bestehend« 
Auf  der  Zeichnung  ist  nur  eine  Flaschenreihe  angegeben,  mai^  hat  sich  dieselbe  viermal  hinter- 
einander aufgestellt  zu  denken. 


624 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


(Ch,  68.) 


Die  Bombonnes  fassen  175  bis  200  Liter  und  besitzen  etwa  beistehende  Gestalt 

Das  Salzsäuregas  tritt  durch  den  Rohrstutzen 
0  ein  und  durch  «?'  wieder  aus.  Das  zur  Ab- 
sorption dienende  Wasser  wird  häufig  in  jede 
Flasche  durch  den  mittleren  Tubulus  eingefüllt 
und  durch  eine  Seitentubulatur  oder  mit  Hilfe 
eines  Hebers  nach  der  Sättigung  abgelassen. 
Zweckmässiger  ist  es  aber,  wenn  die  Bombonnes 
in  der  Art  unter  einander  communiciren ,  dass 
frisches  Wasser  in  die  am  höchsten  stehende 
Flasche  continuirlich  einfliesst,  während  der  In- 
halt jeder  Flasche  durch  ein  nahe  am.  Boden 
mündendes  Gasrohr  hinUberfliesst  in  die  folgende, 
sobald  die  tiefer  stehende  Flasche  entleert  wird. 
In  letztere  tritt  zuerst  das  Gas  und  sättigt  die 
hier  befindliche,  schon  Salzsäure  enthaltende 
Flüssigkeit,  da  das  eintretende  Gasgemenge  sehr 
reich  an  ChlorwasserstofFgas  ist.  Wasser  und 
Gas  haben  also  eine  entgegengesetzte  Bewegungs- 
richtung und  der  Umstand,  dass  die  Conmiuni- 
cationsröhre  die  Säure  vom  Boden  der  Flasche  hinüberleitet  auf  die  Oberfläche  des  folgenden 
Bombonne,  erleichtert  die  Absorption  erheblich,  da  die  gesättigteren  FlÜssigkeitstheile  schwerer 
sind  als  die  schwächere  Säure  imd  daher  letztere  dem  Gasstrom  am  meisten  ausgesetzt  wird. 
Zur  besseren  Abkühlung  des  Gases  sind  die  Flaschen  der  ersten  Doppelreihe  durch  etwa 
1  Meter  hohe  Thonröhren  verbunden,  welche  die  Gase  zu  passiren  haben,  bei  den  hinteren 
Reihen  sind  die  Verbindungsrohre  niedriger. 

Aus  der  letzten  Thonflasche  gelangen  die  immer  noch  Salzsäure  haltigen  Gase  in  den 
untersten  Theil  des  thönemen  Absorptionsthurmes ,  steigen  hier  durch  einen  Steinrost  hinauf, 
winden  sich  durch  den  mit  durchlöcherten  Thonplatten  und  in  seinem  oberen  Theil  mit  Coaks- 
stücken  gefüllten  Innenraum  des  Thurmes  und  werden  von  dem  durch  ein  SEGNEK'sches  Wasser- 
rädchen gelieferten,  über  Coaks-  und  Thonplatten  herabrieselnden  Wasser  ihres  Chlorwasserstofis 
beraubt  Die  obere  Oeffiiung  des  Thurmes  steht  mit  einem  Thonrohr  in  Verbindung,  welches 
die  nicht  absorbirten  Gase  herableitet,  zunächst  in  eine  Thonflasche  und  dann  weiter  in  einen 
im  Boden  befindlichen  Kanal,  welcher  mit  einer  hohen  Esse  in  Verbindung  steht 

Die  SO  gewonnene  Salzsäure  des  Handels  enthält  verschiedene  Verun- 
reinigungen. Ihre  gelbe  Farbe  rührt  gewöhnlich  von  Eisenchlorid  her,  manch- 
mal von  verkohlten  organischen  Stoffen,  Stroh  etc.  In  der  Regel  enthält  sie 
Schwefelsäure,  häufig  schweflige  Säure  oder  Chlor  (herrührend  vom  Gehalt  der 
angewandten  Schwefelsäure  an  salpetriger  Säure),  sowie  Arsen;  manchmal  auch 
Zinn,  Mangan  und  andere  mehr  zufallige  Verunreinigungen  wie  Sand  etc. 

Zur  Herstellung  chemisch  reiner  Salzsäure  verdünnt  man  die  rohe  Säure 
von  100  auf  160  Thle.  (spec.  Gew.  ca.  1-12)  und  fügt  etwas  Chlorwasser  zu,  im 
Falle  die  Säure  schweflige  Säure  enthält,  oder  schweflige  Säure,  wenn  sie  chlor- 
haltig ist.  Um  etwa  vorhandenes  Arsen  (Chlorarsen)  zu  entfernen,  ist  Schwefel- 
wasserstoff einzuleiten  und  nach  längerem  Stehen  und  Decantiren  oder  Filtriren 
letzterer  durch  Erwärmen  der  Säure  zu  verjagen.  Auch  durch  Zusatz  von  Zinn- 
chlorür  und  nachheriges  Destilliren  kann  arsenfreie  Säure  gewonnen  werden. 
Die  Destillation  der  Säure  ist  auch  anderer  Verunreinigungen  wegen  kaum  ent- 
behrlich, indess  geht  Eisenchlorid  ebenfalls  mit  über,  doch  erst  gegen  das  Ende 
der  Operation;  ebenso  ist  der  erste  Theil  des  Destillats  zu  verwerfen. 

Reine  Salzsäure   muss  farblos  sein  und  ohne  Rückstand  verdampfen;  nach 


Chlor. 


625 


Starkem  Verdünnen  darf  auf  Zusatz  von  Chlorbaryum  auch  nach  dem  Erhitzen 
kein  Niederschlag  entstehen,  anderenfalls  ist  Schwefelsäure  zugegen.  Mit  Jod- 
kaliumlösung vermischte  Kleisterfiüssigkeit  darf  von  der  Säure  nicht  gebläut  werden, 
was  die  Gegenwart  von  Chlor  oder  Eisenchlorid  anzeigen  würde.  Indigolösung 
darf  nicht  entfärbt  werden  (Chlor),  Schwefelwasserstoff  darf  die  stark  verdünnte 
Säure  nicht  fällen  (Arsen),  nach  der  Neutralisirung  durch  reines  Ammoniak  darf 
Schwefelammonium  keinen  Niederschlag  erzeugen  (Eisen,  Thallium)  und  Jodlösung 
darf  nicht  entfärbt  werden  (schweflige  Säure  oder  Arsen)  (25). 

Die  reine  concentrirte  Salzsäure  raucht  an  feuchter  Luft  und  gesteht  unter 
dem  Gefrierpunkt  des  Quecksilbers  zu  einer  butterartigen  Masse.  Der  Geschmack 
der  Säure,  selbst  der  stark  verdünnten,  ist  äusserst  sauer. 

Der  Gehalt  der  concentrirten  Salzsäure  an  gelöstem  Chlorwasserstoff  variirt 
mit  Druck  und  Temperatur.  Deicke  (26)  hat  folgende  Tabelle  über  die  Absorp- 
tion des  Chlorwasserstoffs  durch  Wasser  festgestellt,  welche  sich  auf  1  Cbcm.  Wasser 
und  einen  Barometerstand  von  0*76  Millim.  bezieht. 

Vol.  des 


Temperatur 

vui.   uca 

absorbirten  Gases 

Spec  Gew. 

Procen^hi 

0 

525-2 

1-2257 

45-148 

4  . 

494-7 

1-2265 

44-361 

8 

480-3 

1-2185 

43-828 

12 

471-3 

1-2148 

43-277 

14 

462-4 

1-2074 

42-829 

18 

451-2 

1-2064 

42-344 

18-25 

450-7 

1-2056 

42-283 

23 

435-0 

1-2014 

41-536 

Die  Absorptionsfähigkeit  des  Wassers  für  Chlorwasserstoffgas  ist  von  25  J  HCl 
an  aufwärts  abhängig  vom  Druck,  doch  nimmt  sie  bei  Verstärkung  desselben 
nur  wenig  und  nicht  dem  HENRv'schen  Gesetz  entsprechend  zu. 

Folgende  Tabelle  giebt  nach  den  Untersuchungen  von  Roscoe  und  Dittmar 
(27)  die  Quantität  des  von  1  Grm.  Wasser  bei  0°  absorbirten  Gases  an  bei  ver- 
schiedenem Partialdruck  des  trocken  gedachten  Chlorwasserstoffgases: 
Druck  einer  Qaecksilber-      Absorbirtes  Gas 


sVule  von  Meter 

in  Gramn 

0-06 

0-613 

0-10 

0-657 

015 

0-686 

0-20 

0-707 

0-25 

0-724 

0-30 

0-738 

0*40 

0-763 

0-50 

0-782 

0-60 

0-800 

0-70 

0-817 

0-80 

0-831 

0-90 

0-844 

100 

0-856 

110 

0-869 

1-20 

0-882 

1-30 

0-895 

Ladbkburg,  Chemie.    II. 


40 


626  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Qer  Einlluss  der  Temperatur  auf  die  Absorption  ergiebt  sich  aus  folgender, 
von  denselben  Autoren  herrührender  Tabelle,  welche  angiebt  wieviel  Gramm  HCl 
bei  0*76  Millim.  Druck  1  grm  Wasser  zu  absorbiren  vermag. 
Temperatur  Gramm  Chlorwasserstoff 


0<>C 

0-825 

4». 

0-804 

8 

0-783 

12 

0-762 

16 

0-742 

20 

0-721 

24 

0-700 

28 

0-682 

32 

0-665 

36 

0-649 

40 

0-633 

44 

0-618 

48 

0-603 

52 

0-589 

56 

0-575 

60 

0-561 

Hiemach  verliert  gesättigte  Salzsäure  beim  Erhitzen  einen  Theil  des  Gases 
und  natürlich  auch  ein  wenig  Wasser,  wird  das  Erhitzen  fortgesetzt,  so  erreicht 
die  Säure  endlich  den  constanten  Siedepunkt  110®  und  destillirt  dann  unver- 
ändert über,  so  dass  eine  Säure  von  20*24^  Chlorwasserstoffgas,  welche  der 
Formel  HCl-hSHjO  entspricht,  ohne  Zersetzung  destillirt  werden  kann.  Con- 
centrirtere  Säure  giebt  Gas  ab,  verdünntere  verliert  Wasser,  bis  jene  Concentration 
erreicht  ist.  Dies  gilt  jedoch  nur  für  einen  Barometerstand  von  0-76  Millim.,  bei 
höherem  Druck  ist  die  constant  destillirende  Säure  schwächer  (z.  B.  bei  0.80  Millim. 
Druck:  202^),  bei  niederem  stärker  (z.  B.  bei  OTO Millim.  Druck:  204 J HCl)  (28) 
doch  sind  die  Differenzen  bei  den  gewöhnlich  vorkommenden  Barometerl 
Schwankungen  nicht  erheblich. 

Bei  längerem  Stehen  an  der  Luft  oder  beim  Durchleiten  von  Luft  verliert 
concentrirte  Salzsäure  an  Gehalt,  wobei  indess  die  herrschende  Temperatur  von 
Einfluss  ist.  Beim  Stehen  an  der  Luft  wird  nach  Bineau  schliesslich  eine  etwa 
der  Formel  HCl-HßHjO  entsprechende  Säure  erhalten,  doch  lassen  sich  auf 
diese  Weise  keine  bestimmten  Hydrate  des  Chlorwasserstoffs  isoliren,  da  Wechsel 
in  der  Temperatur  oder  dem  Druck  continuirlich  die  Zusammensetzung  imd  den 
Siedepunkt  ändert.  Nur  die  Annahme  eines  Hydrates  HCl-h2HjO  ist  zu- 
lässig. Dasselbe  scheidet  sich  in  Krystallen  ab,  wenn  Chlorwasserstoffgas  in  auf 
—  22°  abgekühlte  Salzsäure  eingeleitet  wird  (Pierre  und  Püchot  1.  c.  82.  pag,  45). 

Der  Gehalt  einer  Salzsäure  kann  durch  Gewichts-  oder  Titriranal)rse  festge- 
stellt werden,  gewöhnlich  genügt  es,  die  Concentration  der  Salzsäure  mit  Hilfe 
des  Aräometers  von  Beaum^  festzustellen.  Im  Nachfolgenden  ist  die  neueste  von 
J.  KoLB  (C.  r.  74,  pag.  337;  Dingl.  204,  pag.  322;  Wagner's  Jahresber.  1872, 
pag.  260)  herrührende  Tabelle  abgedruckt. 


Chlor* 


627 


Dichtigkeit 

100  Thlc. 

enthalten 

bei  00  HCl 

100  Thle.  enthalten  bei  150 

nach 
Bbaum^ 

HCl 

Säure 
von  200  B. 

Säure 
von  210  B. 

Säure 
von  220  B. 

0 

1-000 

0-0 

Ö^l 

0-3 

0-3 

0-3 

1 

1007 

1-4 

1-5 

4-7 

4-4 

4-2 

2 

1014 

2-7 

2-9 

90 

8-6 

8-1 

3 

1-022 

4-2 

4-5 

14-1 

13-3 

12-6 

4 

1029 

5-5 

5-8 

18-1 

171 

16-2 

5 

1-036 

6-9 

7-3 

22-8 

21-5 

20-4 

6 

1-044 

8-4 

8-9 

27-8 

26-2 

24-4 

7 

1-052 

9-9 

10-4 

32-6 

30-7 

29-1 

8 

1-060 

11-4 

12-0 

37-6 

l<5-4 

33-6 

9 

1-067 

12-7 

13-4 

41-9 

39-5 

37-5 

10 

1-075 

14-2 

150 

46-9 

44-2 

42-0 

11 

1-083 

15-7 

16-5 

51-6 

48-7 

46-2 

12 

1-091 

17-2 

18-1 

56-7 

53-4 

50-7 

13 

1-100 

18-9. 

19-9 

62-3 

58-7 

55-7 

14 

1-108 

20-4 

21-5 

67-3 

63-4 

60-2 

15 

1-116 

21-9 

231 

72-3 

68-1 

64-7 

16 

1125 

23-6 

24-8 

77-6 

73-2 

69-4 

17 

1-134 

25-2 

26-6 

83-3 

78-5 

74-5 

18 

1-143 

27-0 

28-4 

88-9  , 

83-0 

79-5 

19 

1-152 

28-7 

30-2 

94-5 

89-0 

84-6 

19-5 

M57 

29-7 

31-2 

97-9 

920 

87-4 

20 

1-161 

30-4 

32-0 

100-0 

94-4 

89-6 

20-5 

1-166 

31-4 

330 

103-3 

97-3 

92-4 

21 

1-171 

32-3 

33-9 

106-1 

1000 

94-9 

21-5 

1175 

330 

.34-7 

108-6 

102-4 

97-2 

22 

1-180 

341 

35-7 

111-7 

105-3 

lOO-O 

22-5 

1-185 

35-1 

36-8 

115-2 

108-6 

103-0 

23 

1-190 

36-1 

37-9 

118-6 

111-8 

106-1 

23-5 

1-195 

37-1 

39-0 

122-0 

1150 

109-2 

24 

1-199 

38-0 

39-8 

124-6 

117-4 

111-4 

24-5 

1-205 

39-1 

41-2 

130-3 

121-5 

115-4 

25 

1-210 

40-2 

42-4 

132-7 

125-0 

119-0 

25-5 

1-212 

41-7 

42-9 

134-3 

126-6 

1201 

Eine  von  Kremers  (Pogg.  io8,  pag.  115)  aufgestellte  Tabelle  lässt  ermitteln, 
welches  die  Dichtigkeit  einer  Salzsäure  bei  einer  andern  als  der  Normaltempera^ur 
ist  (die  hier  zu  19*5°  angenommen  wird). 


Temperatur 


Spec  Gew. 

1-0401 
8-9* 


Spec.  Gew. 

1-0704 
16-6» 


Spec.  Gew. 

1-1010 
25-5* 


Spec.  Gew. 

1-1330 
35-8* 


Spec.  Gew. 

1-1608 
46-6« 


00  0-99557  0-99379  099221  0-99079  0-98982 

19-50  1-00000  1-00000  1-00000  1-00000  1-00000 

40«  1-00707  1-00781  1-00877  1-00990  101063 

60^  1-01588  1-01665  1-01794  1-01969  1-02108 

80°  1-02639  1-02676  1-02791  1-02986 

100»  1-03855  1-03801  103867  104059 

Eine  Säure,  welche  z.  B.  25*5*  HCl  enthält,  zeigt  bei  der  Normaltemperatur 

19-5^  das  spec.  Gew.  MOl  {=  13°  B.);  bei  40°  wird  sie  j^i^=  1092  spec. 

Gew.  (=  12°  B.)  zeigen;  bei  100°:  Yq^s&I  "^  ^'^^^  ^^^'  ^^^'  ^^  ^"^  ^'^' 

40» 


628  Handwörterbuch  der  Chemie. 

t 
Die  wässrige  Lösung  des  ChlorwasserstoffSi  gewöhnlich  Salzsäure  genannt, 

findet  in  der  analytischen,  synthetischen  und  technischen  Chemie  die  aus- 
gedehnteste Anwendung.  Salzsäure  dient  hierbei  vielfach  als  Lösungsmittel, 
indem  sie  gar  manche  in  Wasser  unlösliche  oder  schwerlösliche  Verbindungen 
in  leicht  lösliche  Chloride  umwandelt  Viele  Metalle,  z.  B.  Eisen  und  Zink 
werden  rasch  von  Salzsäure  gelöst  unter  Wasserstoffentwicklung,  die  Carbonate 
des  Calciums,  Bariums,  Strontiums  und  aller  Schwermetalle  mit  Ausnahme  des 
Silbers  lösen  sich  unter  Abscheidung  von  Kohlensäure  zu  Chloriden. 

Die  in  Wasser  unlöslichen  Hydroxyde  sowie  die  Salze  schwächerer  Säuren 
werden  ebenfalls  in  analoger  Weise  von  Salzsäure  gelöst  In  manchen  Fällen 
gentigt  diese  Säure  allein  nicht,  um  Lösung  resp.  Zersetzung  herbeizuführen,  aber 
eine  Königswasser  (s.  d.)  genannte  Mischung  von  Salzsäure  mit  Salpetersäure 
führt  zum  Ziel.  So  lösen  sich  Gold,  Platin  und  Zinnober  etc.  mit  Leichtigkeit 
in  Königswasser. 

2  Thle.  Schnee  und  1  Thl.  conc.  Salzsäure  liefert  eine  ausgezeichnete 
Kältemischung,  deren  Temperatur  bis  —  32°  beträgt 

Wie  bereits  oben  für  das  Chlorwasserstoffgas  erwähnt  wurde,  entwickelt  auch 
wässrige  Salzsäure  mit  Superoxyden,  z.  B.  Mangansuperoxyd,  Bleisuperoxyd 
Chlorgas  und  gerade  die  Salzsäure  wird  zur  fabrikmässigen  Gewinnung  des  Chlors 
angewendet. 

Es  ist  unmöglich,  hier  auch  nur  annähernd  die  überaus  zahlreichen  Processe 
namhaft  zu  machen,  bei  welchen  Salzsäure  eine  wesentliche  Rolle  spielt. 

Die  qualitative  Ermittelung,  ob  eine  Flüssigkeit  Chlorwasserstoff  oder 
gelöste  Chloride  enthält,  wird  mit  Hülfe  von  Silbemitratlösung  ausgeführt,  indem 
man  zunächst  mit  reiner  Salpetersäure  ansäuert  und  dann  einige  Tropfen  der 
Silberlösung  zufügt.  Im  Falle  Chlor  in  Form  von  Chlorwassersto£f  oder  MetaU- 
chlorid  vorhanden  ist,  bildet  sich  Chlorsilber  als  ein  weisser,  käseartig  flockiger 
Niederschlag,  der  sich  beim  Schütteln  zusammenballt  und  im  Lichte  bald  violett 
fUrbt.  Wässriges  Ammoniak  löst  den  Niederschlag  leicht,  während  Bromsilber, 
welches  mit  Chlorsilber  verwechselt  werden  könnte,  darin  schwerlöslich  ist. 

Chlor  kann  neben  Brom  und  Jod  erkannt  werden,  indem  man  sich  die  be- 
treffenden Haloidalkalien  herstellt,  diese  mit  Kaliumbichromat  zusammenschmilzt 
und  das  Produkt  mit  concentrirter  Schwefelsäure  destillirt.  Entwickeln  sich  gelb- 
rothe  Dämpfe,  die  sich  in  der  Vorlage  zu  chromhaltigen,  blutrothen  Tröpfchen 
verdichten,  so  ist  Chlor  zugegen,  da  nur  bei  seiner  Anwesenheit  eine  flüchtige 
Chromverbindung,  Chromylchlorid  CrOjClj,  entsteht 

Das  Destillat  wird  mit  Wasser  vermischt,  worauf  man  die  gelbe  Lösung  mit 
Bleiacetat  versetzt.  Das  Entstehen  eines  Niederschlags  von  Chromgelb  beweist 
noch  schärfer,  dass  Chrom  überdestillirt  war  (s.  Analyse). 

WiLEY  (Amer.  Ch.  J.  2,  pag.  48)  empfahl  das  Destillationsprodukt  mit  einem 
Tropfen  concentrirter  Schwefelsäure  und  einem  Strychninkrystall  zusammenzu- 
bringen. Auftretende  Purpurfärbung  zeigt  das  Chrom  und  somit  auch  das  Chlor 
an.    Brom  stört  die  Reaction  nicht,  wohl  aber  Jod. 

Nach  VoRTMANN  (Berl.  Ber.  13,  pag.  324)  lässt  sich  Chlor  neben  Brom  und 
Jod  erkennen  und  selbst  bestimmen,  wenn  man  die  Substanz  in  essigsaurer 
Lösung  mit  Bleisuperoxyd  kocht,  bis  kein  Geruch  nach  Brom  oder  Jod  mehr 
erkennbar  ist.  Brom  entweicht  vollkommen,  Jod  zum  Theil,  etwas  jodsaures 
Blei  wird  somit  sammt  dem  übrigen  Bleisuperoxyd  abfiltrirt  und  das  Fütrat  auf 
Chlor  geprüft. 


Chlor.  629 

Quantitativ  bestimmt  man  das  an  Wasserstof!  oder  Metall  gebundene 
Chlor  gewichtsanalytisch  durch  Fällen  mit  Silbemitratlösung,  Auswaschen,  Trocknen 
und  Wiegen  des  fast  zum  Schmelzen  erhitzt  gewesenen  und  wieder  erkalteten 
Niederschlags  von  Chlorsilber.  Durch  Titriranalyse  kann  das  Chlor  ebenfalls 
sehr  genau  bestimmt  werden,  indem  man  soviel  Silberlösung  von  bekanntem 
Gehalt  unter  Erwärmen  und  Umschütteln  zufügt,  bis  ein  weiterer  Tropfen  keine 
Fällung  mehr  erzeugt;  oder  indem  man  einen  Ueberschuss  solcher  Silberlösung 
zufügt  und  mit  Rhodanammonium  (bei  Zusatz  eines  Eisenoxydsalzes)  (Volhard) 
oder  Kochsalzlösung  zurücktitrirt. 

Unterchlorigsäure- Anhydrid,  Clj,0. 

Diese  Verbindung  wird  bei  Einwirkung  von  Chlorgas  auf  Quecksilberoxyd 
erhalten  (29).  Da  die  Reaction  leicht  von  zu  bedeutender  Wärmeentwicklung 
begleitet  ist,  so  verwende  man  das  durch  Fällung  bereitete  Quecksilberoxyd 
nicht  direct,  sondern  erst,  nachdem  es  durch  Erhitzen  auf  300 — 400°  gebracht 
und  dann  wieder  abgekühlt  worden  ist.  Durch  das  Erhitzen  wird  das  Oxyd 
dichter.  Man  füllt  eine  lange,  durch  Wasser  gekühlte  Röhre  damit  und  leitet 
Chlorgas  in  langsamem  Strome  hindurch.  Das  Unterchlorigsäure-Anhydrid  ent- 
weicht am  anderen  Röhrenende  als  gelbes  Gas.  In  eine  Vorlage  geleitet,  welche 
auf  — 40°  abgekühlt  ist,  verdichtet  sich  das  Gas  zu  einer  blutrothen  Flüssigkeit, 
welche  bei  19—20°  siedet  (Aronheim,  Berl.  B.  12,  pag.  27).  Ihr  Dampf  riecht 
durchdringend,  chlorähnlich. 

Die  flüssige  Verbindung  zersetzt  sich  beim  Erwärmen  oft  unter  Explosion; 
selbst  die  auf  —  20°  abgekühlte  Substanz  verpufft  beim  Anfeilen  des  Glases,  in 
welchem  sie  sich  befindet.  Auch  die  gasförmige  Verbindung  explodirt  leicht 
beim  Erwärmen,  zuweilen  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  von  selbst,  indem 
sie  dabei  in  Sauerstoff  und  Chlor  zerfällt.  Phosphor,  Schwefel,  Phosphor-  und 
Schwefelwasserstoff,  Selen,  Arsen  und  Antimon  bewirken  bei  Berührung  mit  dem 
Gas  sofortige,  von  Flamme  begleitende  Explosion,  Kohlenoxydgas  wird  zu  Phosgen 
chlorirt,  mit  Chlorwasserstoffgas  entsteht  Wasser  und  Chlor.  Nach  neueren  An- 
gaben von  V.  Meyer  und  Ladenbürg  (Berl.  Ber.  17,  pag.  157)  kann  die  Dar- 
stellimg  der  Verbindung  bei  vorsichtigem  Verfahren  ganz  ungefährlich  selbst  in 
Vorlesungen  ausgeführt  werden. 

Unterchlorige  Säure,  HOCL 

Das  gasförmige  Unterchlorigsäure-Anhydrid  sowie  die  flüssige  Verbindung 
lösen  sich  reichlich  in  Wasser.  Zweckmässiger  erhält  man  eine  wässrige  Lösung 
der  Säure  nach  Carius  durch  Schütteln  von  1  Liter  Chlorgas  mit  15  Grm.  ge- 
fälltem und  auf  300°  erhitzt  gewesenem  Quecksilberoxyd  und  wenig  Wasser. 
Die  wässrige  Säure  kann  abdestillirt  werden.  Femer  entsteht  unterchlorige 
Säure,  wenn  Chlorkalk  mit  sehr  verdünnter  Salpetersäure  allmählich  vermischt 
wird,  bis  die  Säure  fast  die  Hälflie  des  Kalkes  sättigt.    Dann  wird  destillirt. 

Die  concentrirte  wässrige  Lösung  der  unterchlorigen  Säure  ist  orangegelb 
und  ätzt  die  Haut  stärker  wie  Salpetersäure.  Beim  Erwärmen  tritt  gelbes  Gas 
aus.  Concentrirte  wie  verdünnte  Säure  zersetzt  sich  langsam  im  Dunkeln,  schnell 
im  Sonnenlicht,  wobei  Chlor  und  Chlorsäure  auftreten. 

Salze  der  unterchlorigen  Säure,  Hypochlorite  genannt,  sind  in  reinem 
Zustand  wenig  bekannt  Werden  die  Oxyde  oder  Hydroxyde  der  Alkalimetalle, 
des  Magnesiums,  Zinks  oder  Kupfers  mit  der  wässrigen  Lösung  der  unterchlorigen 
Säure  zusammengebracht,  so  entsteht  eine  im  Vacuum  eintrockenbare  Lösung 


630  Handwörterbuch  der  Chemie. 

der  entsprechenden  Hypochlorite.  Unterchlorigsau  res  Calcium  erhielt  Kingzett 
in  Krystallen  durch  starkes  Abkühlen  einer  concentrirten  Chlorkalklösung. 

Mit  Metallchloriden  gemischt  erhält  man  die  Hypochlorite  beim  Zusammen- 
treffen von  Chlor  mit  den  Hydroxyden  der  Alkali-  oder  Erdalkalimetalle.  Die 
Produkte,  sogen.  Bleichsalze,  werden  entweder  wie  Chlornatron  nur  in  Lösung 
gewonnen,  oder  wie  der  Chlorkalk  als  Pulver.  Derartige  Körper  sind  dadurch 
charakterisirt,  dass  sie  bei  Zusatz  von  Salzsäure  Chlor  in  Freiheit  setzen.  Die 
Natur  dieser  Bleichverbindungen  ist  noch  immer  nicht  sicher  festgestellt  Näheres 
s.  b.  Chlorkalk  (Calcium). 

Die  Lösungen  der  Hypochlorite  zersetzen  sich  langsam  unter  Sauerstoff- 
entwicklung; im  Tages-  oder  Sonnenlicht  wird  die  Zersetzung  beschleunigt.  Es 
entsteht  hierbei  Chlormetall,  sowie  chlorsaures  Salz.  Beim  Erhitzen  erfolgt  die 
Zerlegung  rasch  und  ganz  besonders  begünstigt  wird  dieselbe,  wenn  Mangan- 
superoxyd, Cobaltoxyd,  Kupferoxyd  oder  Eisenoxyd  beigefügt  wird  (s.  Chlorkalk). 
Die  Oxyde  bleiben  schliesslich  unverändert  zurück.  Auf  leicht  oxydirbare  Stoffe, 
wie  Phosphor,  Arsen,  Jod,  Schwefel,  Eisen,  Metallsulfide,  Bleisalze  etc.  wirken 
die  Lösungen  der  Hypochlorite  Sauerstoff  übertragend  und  erzeugen  z.  B. 
Phosphorsäure,  Jodsäure,  Schwefelsäure,  femer  Eisenoxyd,  Bleisuperoxyd  u.  s.  f. 

Viele  organische  Farbstoffe  werden  durch  die  unterchlorige  Säure  wie 
deren  Salzlösungen  gebleicht,  ebenso  werden  Riechstoffe  zerstört. 

Betreffs  der  Analyse  der  Hypochlorite  siehe  bei  Calciumhypochlorit  (Chlorkalk). 

Chlorigsäure-Anhydrid,  CljOj. 

Die  Existenz  dieser  Verbindung  ist  in  neuester  Zeit  durch  eine  Arbeit 
Garzarolli-Thurnlackh's  bestritten  worden  (s.  u.).  Nach  älteren  Angaben  ent- 
steht sie  bei  Einwirkung  reducirender  Stoffe  auf  Chlorsäure.  Insbesondere  besitzt 
salpetrige  Säure  die  Eigenschaft,  aus  einem  Gemenge  von  chlorsaurem  Kalium  mit 
Salpetersäure  Chlorigsäuregas  zu  entwickeln.  Auch  Benzol  oder  arsenige  Säure 
und  Schwefelsäure,  femer  Weinsteinsäure,  Rohrzucker  bewirken  jene  Reduction. 

Zur  Darstellung  (31)  löst  man  zunächst  100  Thle.  Benzol  in  10  Thln.  concentrirter  Schwefel- 
säure, verdünnt  mit  100  Thln.  Wasser.  Zu  der  erkalteten  Flüssigkeit  sind  12  Thle.  gepulvotes 
Kaliumchlorat  zuzufügen  und  das  Gemisch  in  einem  Kolben  mit  aufgeschliffenem  oder  ange- 
blasenem Gasleitimgsrohr  auf  etwa  50^  zu  erwärmen.  Das  Gas  wird  über  etwas  Wasser  hinweg- 
geleitet  und  in  eine  unter  —  18®  abgekühlte  Vorlage  geführt,  in  welcher  es  sich  zu  5 — 7  Cbcm. 
einer  rothbraunen  Flüssigkeit  verdichtet.  Beim  Erwärmen  derselben  auf  -f-  50  entwickelt  sidi 
aus  ihr  reines  Chlorigsäuregas  (32). 

Das  verflüssigte  Anhydrid  besitzt  bei  0°  ein  spec.  Gew.  von  1-33 — r387  und 
siedet  wenig  über  0°,  doch  schon  bei  niedrigerer  Temperatur  verflüchtigt  es  sich 
rasch.  Das  Gas  ist  dunkelgrünlichgelb  und  besitzt  einen  erstickenden  Geruch. 
Sein  spec.  Gew.  wurde  bei  9°  zu  407,  bei  13**  zu  4*022  gefunden;  bei  16** 
zeigte  es  3-1678  (Brandau). 

Nur  mit  besonderer  Vorsicht  kann  mit  dem  Chlorigsäure-Anhydrid  gearbeitet 
werden,  da  es  leicht  und  mit  Heftigkeit  explodirt  Ein  Tropfen  der  Flüssigkeit, 
welche  bei  einer  Temperatur  von  8—10°  etwa  20  Centim.  hoch  in  ein  Becherglas 
herabfiel,  zerschmetterte  dasselbe  mit  heftigem  Knall. 

Beim  Aufbewahren  zersetzt  sich  die  flüssige  Substanz  selbst  im  Dunkeln  bald, 
das  gasförmige  Anhydrid  zerfällt  im  Sonnenlicht  rasch  in  Chlor  und  Sauerstofl*, 
wobei  sich,  wenn  Feuchtigkeit  zugegen  war,  auch  Ueberchlorsäure  in  Kiystallen 
abscheidet  Bei  Berührung  des  Gases  mit  leicht  brennbaren  Körpern  wie  Phos- 
phor, Schwefel,  Arsen  findet  Explosion  statt 


Chlor.  631 

Die  wässrige  Lösung  des  Gases,  in  welcher  Chlorige  Säure,  ClOjH,  an- 
genommen werden  kann,  ist  grün  oder  im  concentrirteren  Zustand  rothgelb.  Bei 
gewöhnlicher  Temperatur  vermag  Wasser  sein  5 — 6  faches  Volum  an  Chlorigsäure- 
gas zu  absorbiren. 

Die  Lösung  wirkt  stark  oxydirend;  rothen  Phosphor  löst  sie  z.  B.  augen- 
blicklich,  schweflige  Säure  wird  in  Schwefelsäure  überführt,  wobei  gleichzeitig 
Chlorwasserstoff  entsteht,  also  Wasser  zersetzt  wird.  Aus  Blei-  und  Mangansalz- 
lösungen scheidet  die  chlorige  Säure  die  betreffenden  Superoxyde  aus  und  oxy- 
dirt  Eisenoxydulsalze  zu  Oxydsalzen. 

Garzarolu-Thurnlackh  (Berl.  Ber.  14,  pag.  28,  Ann.  Ch.  209,  pag.  184) 
untersuchte  neuerdings  das  nach  verschiedenen  Methoden  dargestellte  sogen. 
Chlorigsäure  Anhydrid  Cl^Oj  hinsichtlich  des  Verhältnisses  zwischen  der  Aus- 
dehnung, welche  das  Gas  bei  seiner  Zersetzung  erfahrt  und  dem  Volum  des  frei- 
gewordenen Sauerstoffs.  Hierbei  ergab  sich  das  Verhältniss  fast  genau  wie  1:2, 
während  reines  Chlortrioxyd  das  Verhältniss  1 : 1  liefern  müsste.  Hiemach  wäre 
das  sogen.  Chlortrioxyd  wie  das  Euchlorin  kein  einheitlicher  Körper,  sondern 
nur  ein  Gemenge  von  Chlordioxyd  mit  Chlor  resp.  Sauerstoff. 

Die  chlorige  Säure  ist  einbasisch  und  ihre  Salze  entsprechen  der  Formel 
CIO'OM.  Durch  Auflösen  der  Metallhydroxyde  in  der  wässrigen  Säure  resp.  der 
Lösung  des  Chlordioxyds  oder  auch  durch  doppelte  Umsetzung  können  die 
Salze  erhalten  werden.  Aus  Kalilauge  und  titrirter  Chlordioxydlösung  wird  das 
chlorigsaure  Kalium  durch  Verdunstung  bei  45 — 50°,  wobei  Kaliumchlorat  aus- 
krystallisirt,  Zusatz  von  Weingeist  zur  Mutterlauge  und  weitere  Verdunstung  ge- 
wonnen, Garzarolli-Thurnlackh  und  v.  Hayn  (Ann.  Ch.  209,  pag.  203).  Kohlen- 
säure und  die  stärkeren  Säuren  zerlegen  die  chlorigsauren  Salze.  Die  Salze  der 
Alkalien  und  Erdalkalien  sind  farblos,  die  des  Bleis  und  Silbers  gelb.  Das  Blei- 
salz verpufft  bei  100°  und  wird  durch  Schwefelwasserstoff  zunächst  geschwärzt, 
dann  aber  in  Folge  der  Oxydation  des  Schwcfelbleis  durch  die  chlorige  Säure 
in  weisses  Bleisulfat  überführt 

Unterchlorsäure-Anhydrid,  ClOj 

auch  Chlordioxyd  genannt,  entsteht  bei  der  Einwirkung  concentrirter 
Schwefelsäure  oder  Oxalsäure  auf  chlorsaures  Kalium. 

Die  Darstellung  (34)  dieses  Körpers  darf  nur  unter  Anwendung  besonderer  Vorsichts- 
massregeln  (Schutzmasken  und  dicke  Handschuhe),  versucht  werden,  da  das  Chlordioxyd  leicht 
von  selbst  mit  grosser  Gewalt  explodirt.  Zu  15 — 20  Grm.  reinem,  gepulvertem  Kaliumchlorat, 
welches  sich  in  einer  Retorte  befindet,  werden  allmählich  100  Grm.  concentrirte,  zuvor  in  einer 
Kältemischang  abgekühlte  Schwefelsäure  zugefügt  und  das  Gemisch  vorsichtig  auf  20^ 
und  später  bis  gegen  40^  erwärmt.  Es  entweicht  ein  grüngelbes  Gas,  welches  schwerer  als 
Luft  ist  und  ähnlich  wie  Chlorgas  in  trocknen  Flaschen  aulgefangen  werden  kann.  Soll  das 
Gas  condensirt  werden,  so  ist  es  in  eine  durch  eine  Kältemischung  abgekühlte  Vorlage  zu 
leiten.  Der  Apparat  darf  keine  Kork-  oder  Kautschukverbindung  besitzen,  sondern  die  Leitungs- 
rohren etc.  müssen  eingeschliffen  oder  angeschmolzen  sein. 

Ist  das  Kaliumchlorat  Chlorkalium-  oder  wasserhaltig,  die  Schwefelsäure  nicht  stark  genug 
abgekühlt  oder  kommt  das  Gas  mit  leicht  oxydirbaren  organischen  Stoffen  in  Berühruug,  so  tritt 
heftige  Explosion  ein.  Auch  helles  Tageslicht  vergrössert  die  Gefahr.  Selbst  bei  Anwendung 
aller  Vorsichtsmaassregeln  explodirten  einige  Tropfen  der  flüssigen  Verbindung  bei  Cohn's  Ver- 
suchen und  zerschmetterten  und  zerstäubten  den  Apparat  (35). 

Eine  andere  von  Cohn  als  gefahrloser  bezeichnete  Darstellungsmethode  ist  die  von  Cai^vert 
und  Davies  (36)  angegebene.    Bei  Anwendung  dieser  Methode  wird  ein  Gemenge  von  2  MoL 


632 


Handwörterbuch  der  Chemie. 


chlorsanrem  Kalium  und  9  Mol.  kiystallisuter  Oxalsäure  auf  etwa  70^  erwärmt     Das  Gas  ist 
kohlensäurehaltig. 

Das  Chlordioxyd  bildet  eine  lebhaft  rothe  Flüssigkeit,  welche  bei  730*9  Millim. 
Druck  bei  9°  ohne  Explosion  siedet,  wenn  der  Apparat  ganz  aus  Glas  besteht. 
(ScHACHERL,  PoGG.  Beibl.  3,  pag.  578).  Durch  ein  Gemenge  von  fester  Kohlen- 
säure   und   Aether   abgekühlt   erstarrt   sie   beim   Evacuiren    der   übergestülpten 

Glocke  zu  rotben,  dem  Kaliumbichromat  ähn- 
lichen Krystallen,  welche  schon  bei  —  76° 
schmelzen  (Faraday)  (37), 

Die  flüssige  Verbindung  vergast  mit 
grösster  Leichtigkeit,  und  jeder  ausserhalb 
der  Kältemischung  befindliche  Tropfen  ver- 
dampft sofort  unter  Bildung  eines  kr>^stalli- 
iijschen  Anfluges.  Der  Dampf  bleicht  feuchtes 
Lakmuspapier  energisch,  doch  ohne  es  zuvor 
zw  röthen.  Das  Molekulargewicht  der 
gasförmigen  Verbindung  ist  bei  30  ^^  nach  Pebal 
(Ann.  Ch.  177,  pag.  i;  203,  pag.  112)  07^29 
(Hg  =  2)  und  die  Molecularformel  hiemach 
CIO3. 

Beim  raschen  Erhitzen  auf  100 '^  oder  beim 
Schütteln  mit  Quecksilber  zerfällt  das  Chlor- 
di oxydgas  in  Chlor  und  Sauerstoff  unter 
heftiger  von  Liclitent Wicklung  begleiteter  Ver- 
puffung, im  Sonnenlicht  findet  die  Zerlegung 
langsamer  statt.  Die  wässrige  Lösung  des 
Gases  zerfällt  schon  im  Dunkeln  allmählich 
in  Chlorsäure  und  chlorige  Säure ,  z.  Tb. 
auch  Chlor  und  Sauerstoff  abscheidend* 


iClL69). 


Chlor. 


633 


Stoffe  bewirken  ebenfalls  leicht  Explosion  des  Gases,  wenn  sie  mit  demselben 
in  Berührung  kommen. 

Am  ungefährlichsten  und  bequemsten  lässt  sich  diese  Erscheinung  wahr- 
nehmen, wenn  man  zu  einigen  Krystallen  von  chlorsaurem  Kalium,  welche  sich 
in  einem  spitz  zulaufenden  Glase  befinden,  durch  einen  Trichter  etwas  concentrirte 
Schwefelsäure  fliessen  lässt  und  dann  ein  erbsengrosses  Phosphorstückchen  in 
das  Glas  wirft.  Unter  Wasser  verbrennt  alsdann  der  Phosphor  unter  Erzeugung 
kleiner  Explosionen  des  sich  entwickelnden  Chlordioxyds. 

Wasser  von  -1-4°  löst  etwa  sein  20  faches  Volum  des  Gases  und  liefert  eine 
tief  rothgelbe  Flüssigkeit,  welche  keine  saure  Reaction  besitzt  und  beim  Erwärmen 
das  gelöste  Gas  wieder  abgiebt.  . 

Auch  in  concentrirter  Schwefelsäure  löst  sich  Chlordioxyd  und  färbt  die- 
selbe gelb. 

Die  wässrige  Lösung  des  Gases  enthält  keine  wirkliche  Unterchlorsäure  ge- 
löst, denn  beim  Zusammentreffen  mit  Basen  werden  keine  eigenthümlichen  Salze 
jener  hypothetischen  Säure  gebildet,  sondern  Gemenge  von  chlorsaurem  und 
chlorigsaurem  Salz,  CljO^  H-  2K0H  =  KCIO3  H-  KCIO3  H-  H3O. 


Chlorsäure,  CIO3H. 
Die  Chlorsäure  ist  uns  in  reinem  Zustand  nicht  bekannt,  sondern  nur  in 
Form  ihrer  wässrigen  Lösung.     Ein  Anhydrid  der  Chlorsäure  ist  ebenfalls  noch 
nicht  dargestellt. 

Chlorsäure  bildet  sich  direct  bei  der  Zersetzung  der  wässrigen  Lösung 
der  chlorigen  Säure  oder^  des  Chlordioxyds  im  Tageslicht.  Zu  ihrer  Gewinnung 
scheidet  man  die  Chlorsäure  jedoch  weit  zweckmässiger  aus  ihren  Salzen  ab. 

Chlorsaure  Salze  entstehen  neben  Chloriden  beim  Einleiten  von  Chlorgas 
in  die  heissen  Lösungen  der  Alkalien  oder  alkalischen  Erden. 

Zunächst  bildet  sich  Chlorid  und  Hypochlorit:  ?2KH0  H- 2C1  =  KCl 
-I-CIOKh-HjO,  eine  Reaction,  welche  bei  niederer  Temperatur  sich  nicht 
weiter  ändert;  in  der  Wärme  zerfällt  aber  das  Hypochlorit  in  Chlorid  und  Chlorat 


634  Handwörterbuch  der  Chemie. 

nach  der  Gleichung:  3C10K  =  2KC1 -f-ClOaK.  Die  beiden  Salze  lassen  sich 
durch  Krystallisation  trennen,  wobei  das  Chlorat  zuerst  auskrystallisirt. 

Zur  Abscheidung  der  Chlorsäure  aus  ihren  SaUen  zerlegt  man  entweder  das  chlorsaure 
Kalium  mit  Siliciumfluorwasserstoff  oder  eine  Lösung  von  chlorsaurem  Barium  mit  verdünnter 
Schwefelsäure.  Bei  Anwendung  der  erstgenannten  Methode  mischt  man  nach  Serullas  (38)  die 
heisse  Lösung  des  chlorsauren  Kaliums  mit  Siliciumfluorwasserstoffsäure,  dampft  unter  30^  C.  ein 
und  filtrirt  durch  Glasstaub  (resp.  Glaswolle).  Ueberschttssige  KieseUiusssäure  verflüchtigt  sich 
beim  Eindunsten.      ^.    • 

Soll  Bariumchlorat  verwendet  werden,  so  zersetzt  man  dasselbe  mit  der  berechneten  Menge 
an  verdünnter  Schwefelsäure. 

Die  so  erhaltenen  verdünnten  Lösungen  der  Chlorsäure  können  im  Vacuum 
concentrirt  werden  bis  zu  1*282  spec.  Gew.  bei  14*2*^.  Bei  dieser  Concentration 
enthält  die  Flüssigkeit  40*1  i  Chlorsäure  und  entspricht  der  Formel  CIO  jH  -h  7H,0. 
Die  Lösung  ist  farblos,  nicht  ölartig  und  röthet  Lakmuspapier  stark,  worauf  es 
rasch  entfärbt  wird.  Die  Säure  riecht  stechend,  der  Salpetersäure  ähnlich,  be- 
sonders beim  Erwärmen. 

Versucht  man  noch  weiter  im  Vacuum  zu  concentriren,  so  tritt  Chlorent- 
wicklung ein.  Bei  —  20°  wird  die  Säure  zähe,  ohne  selbst  zu  kiystallisiren  oder 
Eis  abzuscheiden  (Kämmerer)  (39). 

Die  verdünnte  Chlorsäure  zersetzt  sich  bei  etwa  40°;  bei  der  Destillation 
geht  zuerst  fast  reines  Wasser  über,  dann  Uebefchlorsäure,  während  Chlorgas  und 
Sauerstoff  austreten.     Chlorsäure  ist  im  Destillat  nicht  enthalten. 

Die  Chlorsäure  zeigt  stark  oxydirende  Eigenschaften,  im  concentrirten  Zu- 
stand entzündet  sie  sogar  eingetauchtes  Fliesspapier.  Schweflige  Säure  wird  zu 
Schwefelsäure,  Schwefelwasserstoff  zu  Wasser,  Schwefel  und  Schwefelsäure  oxydirt, 
Jod  selbst  in  Jodsäure  verwandelt  und  Salzsäure  setzt  sich  mit  Chlorsäure  um  in 
Chlor  und  Wasser. 

Die  Chlorsäure  ist  eine  einbasische  Säure  und  bildet  daher  nur  eine  Reihe 
von  Salzen,  Chlorate  genannt.  Die  Bildung  derselben  kann  durch  Sättigen  der 
Chlorsäure  mit  den  Hydroxyden  oder  Carbonaten  der  betreffenden  Metalle  er- 
folgen, die  wichtigeren  Chlorate  der  Alkali-  und  Alkali-Erdmetalle  gewinnt  man 
neben  Metallchloriden  bei  der  Einwirkung  von  Chlor  auf  die  in  Wasser  gelösten 
oder  suspendirten  Hydroxyde  der  Alkali-  oder  Alkali-Erdmetalle  (s.  o.). 

Die  Salze  der  Chlorsäure  sind  (mit  Ausnahme  weniger  basischer  Verbindungen) 
löslich  in  Wasser  und  zeichnen  sich  sämmtlich  dadurch  aus,  dass  sie  beim 
stärkeren  Erhitzen  unter  Austritt  von  Sauerstoff  in  Chloride  übergehen.  Bei  den 
Chloraten  der  Alkalimetalle  ist  ein  Zwischenstadium  der  Zersetzung  zu  bemerken, 
welches  sich  dadurch  kund  giebt,  dass  die  geschmolzene  Salzmasse  dick  und 
zähe  wird  und  bei  gleichbleibender  Erwärmung  die  Sauerstoffentwicklung  nahezu 
aufhört  Würde  nun  die  Hitze  verstärkt,  so  fände  unter  erneuter  Sauerstoff- 
abgabe völlige  Reduction  zu  Chlorid  statt,  in  jenem  Stadium  besteht  jedoch  die 
geschmolzene  Salzmasse  aus  einem  Gemenge  von  Chlorid  und  Hyperchlorat 

Sind  pro  100  Grm.  chlorsaures  Kalium  6^  Liter  Sauerstoff  entwichen,  so 
enthält  der  Rückstand  65  bis  66^  überchlorsaures  Kalium  aber  kein  Chlorat 
mehr;  es  zersetzt  sich  also  ein  Theil  des  Kaliumchlorats  in  Chlorid  und  Per- 
chlorat, ein  Theil  aber  auch  in  Chlorid  und  Sauerstoff  (Marignac)  (40).  Wird 
Eisenoxyd,  Mangansuperoxyd,  Bleisuperoxyd  oder  Platinschwarz  dem  Kalium- 
chlorat  beigemischt,  so  findet  die  totale  Zersetzung  des  Salzes  schon  bei  weit 
niedrigerer  Temperatur  statt,  z.  B.  bei  Eisenoxyd  bei   110—120°,  bei  Mangan- 


Chlor.  63s 

superoxyd  bei  200— 205  ^  bei  Platinschwarz  bei  260— 270^  und  im  Falle  diese 
Substanzen  in  geschmolzenes  Kaliumchlorat  eingestreut  werden,  tritt  unter  leb- 
haftem Aufschäumen  sogar  Glüherscheinung  ein  (Wiederhold)  (41). 

Streut  man  brennbare  Stoffe  wie  Schwefel,  Kohle,  Eisen  in  geschmolzenes 
Chlorat,  so  findet  heftige,  oft  von  starkem  Lichtglanz  begleitete  Verbrennung 
statt;  mischt  man  aber  jene  brennbaren  Substanzen  mit  Kaliumchlorat,  ins- 
besondere Phosphor,  Schwefel,  Kohle,  Zucker,  Schwefelantimon,  viele  Metall- 
sulfide etc.,  so  entstehen  höchst  leicht  entzündliche,  z.  Th.  gefahrliche  Mischungen. 
Die  Gemenge  mit  Phosphor  und  Schwefel  und  Schwefelantimon  explodiren  resp. 
entzünden  sich  oft  schon  bei  der  schwächsten  Reibung,  ebenso  durch  den 
electrischen  Funken. 

Chlorate  dürfen  daher,  wenn  sie  z.  B.  für  Feuerwerksmischungen  mit  brenn- 
baren Stoffen  gemengt  werden  sollen,  niemals  mit  diesen  zusammengerieben, 
sondern  nur  mit  einer  Federfahne  auf  einer  Tischplatte  vorsichtig  gemischt  werden. 

Ausser  zur  Herstellung  von  Feuerwerkskörpern,  Zündmassen  für  Percussions- 
hütchen  und  Zündhölzern  finden  chlorsaure  Salze  auch  Anwendung  in  der 
Medicin  und  Färberei. 

In  wässrigen  Lösungen  werden  die  Chlorate  nicht  so  leicht  reducirt,  Schwefel- 
wasserstoff bleibt  z.  B.  ohne  Wirkung,  doch  findet  beim  Kochen  jener  Lösungen 
mit  Phosphor  Reduction  zu  Chlorid  statt  (Slater)  (42)  ebenso  wirkt  Zink  bei 
Gegenwart  verdünnter  Schwefelsäure  (Kolb,  Tertini)  (43). 

Salzsäure  zersetzt  alle  chlorsauren  Salze  unter  Entwicklung  eines  gelben 
Gases,  welches  Davy  Euchloria  nannte  und  anfangs  für  eine  besondere  Sauer- 
stoffverbindung des  Chlors  hielt,  dann  aber  als  ein  Gemenge  von  Chlor  mit 
Unterchlorsäure  ansah.  Millon  betrachtete  es  als  Chlorochlorsäure,  Cl^Os, 
2CIJO5.  Neuere  Untersuchungen  von  v.  Pebal  und  Schacherl  (Ann.  Ch.  182, 
pag.  193)  ergaben,  dass  die  Einwirkung  der  Salzsäure  zunächst  nach  der  Gleichung 
KCIO.,  4-  2HC1  =  ClOa  -h  Cl  -f-  KCl  -h  HjO  verläuft,  dass  aber  Salzsäure  sich 
mit  Chlordioxyd  häufig  weiter  umsetzt  in  Wasser  und  Chlor. 

In  analytischer  Beziehung  dient  zur  Erkennung  der  Chlorsäure-Salze 
deren  Eigenschaft,  mit  Kohle  oder  Schwefelantimon  gemischt  beim  Entzünden 
lebhaft  verpuffende  Gemenge  zu  liefern;  auch  mit  Cyankalium  erhitzt  verpuffen 
die  Chlorate  selbst  in  sehr  kleinen  Mengen  kräftig.  Weiter  bietet  die  beim  Er- 
hitzen der  Chlorate  bewirkte  Sauerstoffentwicklung,  welche  durch  Einführen  eines 
glimmenden  Holzspahns  in  das  zur  Erhitzung  dienende,  kleine,  unten  zu- 
geschmolzene Röhrchen  zu  erkennen  ist,  und  die  Hinterlassung  eines  durch  Silber- 
lösung zu  charakterisirenden  Chlorids  genügende  Mittel  zur  Erkennung  der  Salze 
der  Chlorsäure.  Besonders  charakteristisch  ist  auch  das  knatternde  Geräusch,  die 
gelbe  Farbe  der  Flüssigkeit  und  der  eigen thü ml iche  Geruch  nach  Chlordioxyd, 
welcher  auftritt,  wenn  ein  trocknes  Chlorat  mit  einem  Tropfen  concentrirter 
Schwefelsäure  zusammengebracht  wird. 

Indigolösung  wird  von  chlorsauren  Salzen  auf  Zusatz  von  Salzsäure  sofort 
gebleicht,  ebenso  wenn  etwas  verdünnte  Schwefelsäure  und  hierauf  schwefligsaures 
Natrium  zugefügt  wird;  in  beiden  Fällen  ist  das  Auftreten  von  Chlor  die  Ursache 
der  entfärbenden  Wirkung. 

Die  quantitative  Bestimmung  der  Chlorsäure  oder  ihrer  Salze  kann  in 
der  Weise  geschehen,  dass  man  die  Substanz  mit  einer  überschüssigen  titrirten 
Eisenvitriollösung  und  Salzsäure  erhitzt  und  dann  das  nicht  in  Ferrichlorid  tiber- 
führte Eisensalz  mit  Zinnchlorür  zurücktitrirt. 


636  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Auch  durch  Reduction  der  Qilorsäure  zu  Chlorwasserstoff  kann  erstere  be- 
stimmt werden.  Zu  diesem«  Zweck  bringt  man  in  die  Lösung  des  Chlorates  ein 
Stückchen  Zink  und  etwas  verdünnte  Schwefelsäure  und  lässt  einige  Stunden  stehen 
oder  kocht  nach  Fleissner  (Wien,  Monatsh.  1880,  i,  pag.  313)  eine  Stunde  mit 
Zinkstaub.  Die  vom  ungelöst  gebliebenen  Zink  abgegossene  oder  abfiltriite 
Flüssigkeit  wird  hierauf  zur  Bestimmung  der  entstandenen  Salzsäure  mit  Silber- 
nitrat gefällt  (Sertini)  (44). 

BuKSEN  (45)  schlug  vor,  das  Chlorat  mit  Salzsäure  zu  zerlegen  und  das  ent- 
wickelte Gasgemisch  in  Jodkaliumlösung  zu  leiten.  Chlor  sowohl  wie  Chlor- 
dioxyd wirken  auf  Jodkalium  Jod  ausscheidend  und  zwar  werden  auf  1  Molekül 
Chlorsäure  im  Ganzen  stets  6  Atome  Jod  abgeschieden,  wie  auch  das  Verhalt- 
niss  zwischen  Chlor  und  Chlordioxyd  ausfallen  mag.  Das  abgeschiedene  Jod  ist 
mit  unterschwefligsaurem  (thioschwefelsaurem)  Natrium  unter  Zusatz  von  etwas 
Stärkekleisterlösung  zu  titriren. 

Um  die  in  Bleichsalzen  vorkommenden  Chlorate  zu  bestimmen,  redudit 
Dreyfuss  (Bull.  soc.  chim.  36,  pag.  202)  die  Hypochlorite  durch  Ammoniak  und 
titrirt  die  Chlorsäure  mit  einer  durch  titrirte  Zinnchlorürlösung  entfärbten  Kupfer- 
sulfatlösung. 

Ueberchlorsäure,  HCIO4. 

Ueberchlorsäure  entsteht  bei  der  langsamen  Selbstzersetzung  oder  der 
Destillation  der  Chlorsäure,  ausserdem  bei  der  Electrolyse  der  gelösten  chlor- 
sauren Salze,  der  Salzsäure  (der  mit  Schwefelsäure  angesäuerten  Lösung  der 
Chloride)  und  des  Chlorwassers,  sowie  bei  der  Einwirkung  concentrirter  Schwefel- 
säure oder  Salpetersäure  auf  Chlorate.  Manche  dieser  Bildungsweisen  beruhen 
auf  der  Selbstzersetzung  zuvor  entstandener  Chlorsäure  (s.  diese). 

Salze  der  Ueberchlorsäure  entstehen  neben  Chlorid  wie  erwähnt  aus 
den  Chloraten  der  Alkalimetalle  durch  Einwirkung  höherer  Temperatur. 

Zur  Bereitung  der  Ueberchlorsäure  geht  man  am  besten  von  einem  ihrer  Salze  aus. 

1  Tbl.  Uberchlorsaures  Kalium,  welches,  im  Falle  es  etwas  Kaliumcblorat  enthält,  davon  zirror 
durch  Digestion  mit  concentrirter  Saksäure  auf  dem  Wasserbad,  Auswaschen  und  Umkiystallisirai 
sorgfältig  zu  reinigen  ist  (Sckacherl,  Ann.  Ch.  182,  pag.  193),  wird  mit  4  Thln.  ccmcentrixter 
Schwefelsäure  der  Destillation  unterworfen,  so  lange  das  Destillat  noch  in  der  Vorlage  erstsirt 
Das  krystallinische  Product  stellt  das  erste  Hydrat  der  Ueberchlorsäure,  QO^H-H^O,  dar  und 
wird  nochmals  der  Destillation  unterworfen  und  dabei  so  lange  bis  auf  1 10^  erwännt,  bis  keine 
Fltkssigkeit  mehr  Übergeht,  sondern  Krystalle  des  Hydrats  sich  im  Retortenhals  verdichten. 

Bei  einem  anderen  Verfahren  bereitet  man  aus  chlorsaurem  Kalium  und  Kieselflnorwasser- 
Stoff  eine  Lösung  von  Chlorsäure,  welche  dann  soweit  eingedampft  wird,  bis  dichte  Dämpfe  von 
Ueberchlorsäure  sich  zu  entwickeln  beginnen.  Hierauf  destillirt  man  die  Flüssigkeit  vorsichtig 
aus  einer  Retorte.  Um  die  hierbei  gewonnene  wässrige  Ueberchlorsäure  zu  entwässern,  wird  sie 
mit  dem  vierfachen  Volumen  concentrirter  Schwefelsäure  wie  oben  angegeben  destillirt. 

Bei  der  Concentrining  der  Ueberchlorsäurelösung  durch  Destillation  mit  Schwefelsäure  geht 
wie  erwähnt  bei  niederer  Temperatur  reine  Ueberchlorsäure  über,  bei  fortgesetztem  Erbitten 
destillirt  gegen  200®  eine  wässrige  Ueberchlorsäure,  welche  sich  mit  der  reinen  Säure  in  Be- 
rührung mit  dieser  zu  dem  festen  Monohydrat  vereinigt,  wenn  die  Vorlage  nicht  gewechselt  oder 
die  Destillation  nicht  rechtzeitig  unterbrochen  wird  (Roscok)  (46). 

Die  Ueberchlorsäure  ist  eine  farblose,  an  der  Luft  stark  rauchende  Flüssig- 
keit, welche  ftir  sich  nicht  ganz  ohne  Zersetzung  destiliirbar  ist  Bei  72®  förbt 
sich  die  Säure  dunkel,  bei  92°  tritt  gelbes  nach  Chlordioxyd  riechendes  Gas  und 
dicker,  weisser  Dampf  auf,  und  es  destilliren  einige  dem  Brom  an  Aussehen 
gleichende  Tropfen  von  94*77  J  Ueberchlorsäuregehalt     Bei  weiterem  Erhiöcn 


Chlor.  637 

trat  auch  einmal  heftige  Explosion  ein.  Beim  Aufbewahren,  selbst  im  Dunkeln 
färbt  sich  die  Ueberchlorsäure  und  zersetzt  sich  nach  einigen  Wochen  von  selbst 
unter  Explosion.  Das  spec.  Gew.  der  Ueberchlorsäure  ist  bei  15*5**  1'782.  Auf 
der  Haut  erzeugt  die  concentrirte  Säure  schmerzhafte  und  gefährliche  Wunden; 
auf  Holzkohle  gebracht  explodirt  ein  Tropfen  der  Säure  fast  so  heftig  wie  Chlor- 
stickstofT,  auch  mit  wasserfreiem  Aether,  Papier  und  Holz  in  Berührung  gebracht 
explodirt  die  reine  Ueberchlorsäure  heftig  unter  Feuererscheinung  (Roscoe)  (46). 

Wässrige  Ueberchlorsäure  kann  in  reinem  Zustand  am  besten  durch 
Zersetzung  des  Überchlorsauren  Bariums  mit  etwas  weniger  als  der  berechneten 
Menge  Schwefelsäure  erhalten  werden  (Perrey,  Monit  sc  [3],  7,  pag.  767). 

Reine  Ueberchlorsäure  zischt  mit  Wasser,  ebenso  löst  sich  das  krystallisirte 
Monohydrat  unter  Erhitzung  darin  auf. 

Beim  Destilliren  der  verdünnten  Säure  geht  anfangs  nur  Wasser  über,  dann 
sehr  verdünnte  Säure,  bis  bei  203**  eine  starke  Ueberchlorsäure  mit  71*6  bis  72*2^ 
Gehalt  als  dickes  Oel  überdestillirt  (die  Formel  CIO4H  -h  2H,0  erfordert  73-63^ 
HCIO4). 

Concentrirte  Ueberchlorsäure  wird  nach  Kämmerer  (47)  durch  Jod  zersetzt 
unter  Bildung  von  Jodsäure  und  Ueberjodsäure. 

Die  Ueberchlorsäure  ist  eine  einbasische  Säure,  deren  Salze,  die  Überchlor- 
sauren Salze  oder  Hyperchlorate  auch  Perchlorate  genannt,  nach  der 
Formel  M'CIO^  zusammengesetzt  sind. 

Die  Überchlorsauren  Salze  sind  in  Bezug  auf  ihr  analytisches  Verhalten 
dadurch  von  anderen  Salzen  zu  unterscheiden,  dass  sie  bei  starkem  Erhitzen 
unter  SauerstofFgasentwicklung  zu  Chloriden  reducirt  werden  oder  Sauerstoff, 
Chlor  und  Metalloxyd  liefern,  auf  glühender  Kohle  heftig  verpuffen  und  in  Wasser 
mit  Ausnahme  des  Kalium-  und  Rubidiumsalzes  ziemlich  leicht  löslich  sind. 

Von  chlorsauren  Salzen  unterscheiden  sich  die  Perchlorate  wesentlich  da- 
durch, dass  sie  selbst  in  der  Siedhitze  von  Salzsäure  nicht  angegriffen  werden, 
also  keine  Gelbfärbung  und  Euchlorinentwicklung  zeigen,  sowie  dass  sie  von 
concentrirter  Schwefelsäure  unter  100°  nicht  zersetzt  und  darum  nicht  gelb  ge- 
färbt werden.  — 

Mit  Kaliumsalzlösungen,  selbst  mit  Weinsteinlösung  erzeugt  Ueberchlorsäure 
oder  die  Lösung  eines  sonstigen  Salzes  derselben  bei  nicht  zu  grosser  Ver- 
dünnung einen  aus  kleinen  Kr]rställchen  bestehenden,  weissen  Niederschlag  von 
Kaliumperchlorat. 

Chlor  und  Arsen. 

Arsentrichlorid,  AsCl,. 

Arsen  vereinigt  sich  mit  Chlor  nur  zu  dieser  einen  Verbindung,  auch  wenn 
Chlor  in  grossem  Uebermaass  und  bei  niederer  Temperatur  dargeboten  wird. 
Maverhofer  (48),  Janovsky  (49),  Geuther  (50). 

Arsentrichlorid  entsteht  beim  Zusammentreffen  der  beiden  Elemente.  Wird 
Arsen  in  gepulvertem  Zustand  in  trocknes  Chlorgas,  welches  sich  in  einer  Flasche 
befindet,  eingestreut,  so  entzündet  es  sich  von  selbst  unter  Bildung  dicker,  weisser 
Dämpfe  von  Arsentrichlorid. 

Um  es  in  grösseren  Mengen  darzustellen,  erwärmt  man  grob  gepulvertes  Arsen  in  einer 
Retorte  und  leitet  durch  deren  Tubulus  trocknes  Chlorgas  ein.  In  der  abgekühlten  Vorlage 
verdichtet  sich  Arsentrichlorid,  welches  cur  Entfernung  des  in  ihm  au%elösten  freien  Chlors  über 
Arsenpulver  zu  rectificiren  ist.  Auch  durch  Schütteln  mit  Quecksilber,  Abgiessen  vom  gebüdeten 
Niederschlag  und  Destilliren  ist  das  Arsentrichlorid  rein  zu  erhalten. 


^3^  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Auch  durch  Destillation  eines  Gemenges  aus  Aisenigsäure-Anhydrid,  Roch- 
salz und  conc.  Schwefelsäure  kann  es  erhalten  werden;  die  Reaction  findet 
dann  statt  nach  der  Gleichung:  As^O,  -h  6NaCl  4-  öHjSO^  =  2AsCls  -+-  3H,0 
4-  ßNaHSO^.  Arsenchlortir  bildet  sich  femer  beim  Zusammentreffen  von  Arsen- 
trioxyd  mit  Chlorwasserstoffgas,  oder  wenn  seine  Lösung  in  concentrirter  Salz- 
säure mit  concentrirter  Schwefelsäure  vermischt  wird.  Es  scheidet  sich  im 
letzteren  Fall  das  Arsenchlorid  als  über  der  Säure  schwimmende  Flüssigkeits- 
schicht  ab.  —  Kocht  man  Arsenik  mit  Salzsäure  oder  salzsäurehaltigen  Flüssig- 
keiten, so  verflüchtigt  sich  Arsentrichlörid  mit  den  Wasserdämpfen. 

Das  Arsentrichlörid  ist  eine  farblose,  schwere  Flüssigkeit,  welche  an 
feuchter  Luft  raucht,  bei  132°  siedet  und  ein  spec.  Gew.  von  2-05  besitzt.  Es 
ist  sehr  giftig  und  löst  sich  in  Wasser  zu  einer  salzsauren  Arseniklösung,  indem 
es  sich  mit  jenem  zersetzt  nach  der  Gleichung:  AsClj  -h  SHjO  =  3HC1 
4-HjAsOj.  Arsentrichlörid  löst  Schwefel  und  Phosphor,  mischt  sich  mit  wenig 
Wasser,  mit  Alkohol  oder  Aether;  mit  viel  Wasser  zersetzt  es  sich,  besonders 
beim  Erwärmen  unter  Ausscheidung  krystallisirten  Arsentrioxyds.  Mit  Ammoniak 
erzeugt  das  Arsenchlorid  einen  weissen,  festen  Körper,  dessen  Zusammensetzung 
Rose  (Pogg.  52,  pag.  62)  durch  die  Formel  2ASCI3  -+-7NH3  darstellte. 

Chlor  und  Bor. 

Man  kennt  nur  eine  Verbindung  des  Bors  mit  Chlor,  das  Bortrichlorid, 
BCI3. 

Dasselbe  bildet  sich  beim  Ueberleiten  von  trocknem  Chlorgas  über  amorphes 
Bor,  welches  in  einer  Röhre  erhitzt  wird;  das  Borchlorid  entweicht  dann  als  farb- 
loser Dampf. 

Auch  durch  Erhitzen  eines  innigen  Gemenges  aus  Borsäure-Anhydrid  und 
Kohle  zu  starkem  Glühen  in  einer  von  trocknem  Chlor  durchströmten  Porzellan- 
röhre kann  Chlorbor  erhalten  werden.  Der  Prozess  verläuft  nach  der  Gleichung: 
B3O,  H-  6C1  +  3C  =  2BCI3  4-  SCO.  Das  entweichende  Gasgemenge  wird  durch 
eine  von  Kältemischung  umgebene  Vorlage  geleitet,  in  welcher  sich  das  Bor- 
chlorid, mit  Chlor  verunreinigt  als  stark  rauchende  Flüssigkeit  ansammelt 

Durch  Rectiflcation  wird  dieselbe  gereinigt  und  siedet  dann  bei  -+-  18*23°.  Das 
specifische  Gewicht  des  Chlorbors  ist  r35  (Regnault,  Jahresber.  1863,  pag.  70). 

Mit  wenig  Wa.sser  bildet  Bortrichlorid  wie  es  scheint  ein  festes  Hydrat, 
durch  mehr  Wasser  zersetzt  es  sich  aber  zu  Borsäure  und  Chlorwasserstoff: 
BCl3H-3H30  =  3HCl-H-H3B03.  Nach  Gustavson  (Zeitschr.  f.  Ch.  [2]  6,  pag.  651) 
bildet  sich  Chlorbor,  wenn  Bortrioxyd  mit  dem  doppelten  Gewicht  Phosphor- 
pentachlorid  in  zugeschmolzener  Röhre  3—4  Tage  lang  auf  150°  erhitzt  wird. 
Nach  starkem  Abkühlen  der  Röhre  wird  dieselbe  geöffnet  und  das  Borchlorid 
abdestillirt. 

Chlor  und  Brom. 
Chlor  und  Brom  vereinigen  sich  selbst  bei  — 90°  miteinander  (Donny  und 
Maresku).  Zur  Darstellung  des  Chlorbroms  leitet  man  Chlorgas  durch  Brom 
und  verdichtet  den  sich  entwickelnden  Dampf  in  einer  durch  Kältemischung 
stark  abgekühlten  Vorlage.  Nur  wenn  stark  gekühlt  wird,  entweicht  das  Produkt 
der  Formel  BrCl,  sonst  enthält  es  weniger  Chlor  (Bornsmann,  Ann.  Chem.  189, 
pag.  183). 


Chioral.  639 

Chlorbrom  bildet  eine  rothgelbe,  nur  unter  +  10°  stabile,  leicht  bewegliche 
Flüssigkeit,  welche  dunkelgelbe,  widrig  riechende  und  die  Augen  zu  Thränen 
reizende  Dämpfe  ausstösst.  Mit  Wasser  vereinigt  sich  das  Chlorbrom  ebenso  wie 
Chlor  oder  Brom  zu  einem  festen  Hydrat,  BrCl  +  10  aq.  Dasselbe  bildet  sich, 
wenn  Chlorgas  zu  Brom  geleitet  wird,  welches  sich  unter  Eiswasser  befindet, 
oder  wenn  man  eine  Mischung  von  Chlorbrom  und  Wasser  unter  0°  abkühlt. 
Das  Hydrat  scheidet  sich  in  Form  hellgelber  Blätter  oder  Nadeln  aus,  welche 
erst  oberhalb  +7°  zu  einer  gelben  Flüssigkeit  schmelzen. 

Die  wässrige  Lösung  des  Chlorbroms  gefriert  erst  unter  — 20°  zu  einer 
gleichförmigen  Masse.  Die  Lösung  besitzt  die  bleichende  Wirkung  des  Chlor- 
wassers, unterscheidet  sich  von  ihm  aber  wesentlich  durch  die  braunrothe,  von 
freiem  Brom  herrührende  Färbung,  welche  es  annimmt,  wenn  man  ihr  Phosphor, 
Schwefel,  Zink,  schweflige  Säure  oder  Ammoniak  zufügt.  Diese  Substanzen  ent- 
ziehen dem  gelösten  Chlorbrom  das  Chlor  und  setzen  Brom  in  Freiheit 
(Schönbein,  J.  pr.  88,  pag.  483). 

Mit  Alkalilauge  bildet  Chlorbromlösung  Chlormetall  und  bromsaures  Salz 
(Balard).   Ammoniak  liefert  Stickgas,  Bromammonium  und  Chlorstickstoff  (Löwig). 

Heumann. 

Chioral*),  Trichloracetaldehyd,  CjHCl,0  =  CCl8  —  Cq»  wurde  zuerst  von 


*)  1)  Liebig,  Ann.  i,  pag.  189.  2)  Dumas,  Ann.  chim.  56,  pag.  123.  3)  Liebig,  Ann.  34. 
pag.  44.  4)  Regnault,  Ann.  chim.  [2]  71,  pag.  422.  5)  Wurtz,  Ann.  chim.  [3]  49,  pag.  58. 
6)  Pinner,  Ber.  4,  pag.  256.  7)  Lieben,  Ber.  3,  pag.  910.  8)  Jacobsen,  Neumeister,  Ber.  15, 
pag.  600.  9;  Wurtz,  Vogt,  Compt  rend.  74,  pag.  777.  10)  StÄdeler,  Ann.  61,  pag.  loi. 
11)  Paterno,  Ann.  150,  pag.  253.  12)  Kekul^,  Ann.  119,  pag.  188.  13)  Personne,  Ann.  157, 
pag.  113.  14)  StÄdeler,  Ann.  106,  pag.  253.  15)  Kolbe,  Ann.  54,  pag.  183.  16)  Rathke, 
Ann.  161,  pag.  154.  17)  R.  ScHiKF,  Ber.  10,  pag.  167.  18)  Pinner,  Fuciis,  Bei.  10,  pag.  1068. 
19)  A.  W.  Hofmann,  Ber.  5,  pag.  247.  20)  Meyer,  Dalk,  Ann.  171,  pag.  76.  21)  Oglialoro, 
Ber.  7,  pag.  146 1.  22)  Paterno,  Ann.  151,  pag.  117.  23)  Paterno,  Oglialoro,  Ber.  7, 
pag.  81.  24)  Grabowski,  Ber.  6,  pag.  225  u.  1070.  25)  Baeyer,  Ber.  5,  pag.  1098.  26)  Mazzara, 
Ber.  16,  pag.  1880.  27)  Rhoussopoulos,  Ber.  16,  pag.  881.  28}  Erlenmeyer,  Lehrb.  d.  org. 
Chem.,  pag.  386.  29)  Baeyer,  Ber.  3,  pag.  63.  30)  V.  Meyer,  Ber.  3,  pag.  445.  31)  Schiff, 
Ber.  10,  pag.  427.  32)  Krämer,  Ber.  3,  pag.  257.  33)  Liebreich,  Ber.  2,  pag.  269.  34)  Lieb- 
reich, Das  Chloralhydrat,  ein  neues  Hypnoticum  und  Anaesthetikuro,  Berlin.  35)  Rajewsky, 
Centralblatt  f.  med.  Wissenschaft  1870,  pag.  227.  36)  Tomascewicz,  Pflüger's  Archiv  f.  Phy- 
siologie 9,  pag.  35.  37)  V.  Merino,  Ber.  15,  pag.  1019.  38)  Personne,  Jahresber.  1873, 
pag.  1419;  1874,  pag.  507.  59)  Jacobsen,  Jahresber.  1872,  pag.  441,  1008.  40)  Liebreich, 
Ber.  2,  pag.  673.  41)  V.  Meyer,  Haffter,  Ber.  6,  pag.  600.  42)  Amato,  Jahresber.  1875, 
P^'  473-  43)  Campisi,  Ber.  8,  pag.  1359.  44)  Landolph,  Ber.  10,  pag.  13 14.  45)  Wallach, 
Ber.  5,  pag.  255.  46)  Schiff,  Tassarini,  Ber.  10,  pag.  1787.  47)  Hübner,  Ber.  6,  pag.  109 
48;  Hepp,  Ber.  10,  pag.  1651.  49)  Jacobsen,  Ann.  157,  pag.  243.  50)  Bischoff,  Ber.  7, 
pag.  631.  51)  Nencki,  Schäffer,  Ber.  12,  pag.  273.  52)  Rizza,  Ber.  15,  pag.  358,  •948. 
53)  Or]£,  Ber.  5,  pag.  586,  648,  825.  54)  Martius,  Mendelsohn,  Ber.  3,  pag.  445.  55)  Ja- 
cobsen, Ann.  157,  pag.  243.  56)  Henry,  Belg.  Acad.  [2]  37,  pag.  494.  57)  Henry,  Ber.  4, 
pag.  loi.  58)  Henry,  Ber.  7,  pag.  763.  59)  Hübner,  Zeitschr.  f.  Chem.  1870,  pag.  345. 
60)  Hagemann,  Ber.  5,  pag.  154.  61)  Wyss,  Ber.  7,  pag.  211.  62)  Michael,  Ber.  9,  pag.  1267. 
63)  Pjnnbr,  Bischofp,  Ann.  179,  pag.  77.  64)  Cech,  Ber.  9,  pag.  1020.  65)  Wallach, 
Ann.  173,  pag.  297.  66)  Bischoff,  Ber.  5,  pag.  86.  67)  Wallach,  Ber.  8,  pag.  1327. 
68)  Cech,  Ber.  9,  pag.  1255.  69)  Cbch,  Ber.  10,  pag.  88a  70)  V.  Meyer,  Ber.  15,  pag.  1325. 
71)  Garzarolu-Thurnlackh,  Ann.  210,  pag.  63.  72)  Wallach,  Hkymsr,  Ber.  9,  pag.  545« 
73)  Kekül4,  Ann.  105,  pag.  293.    74)  Grabowski,  Ber.  8,  pag.  1433.    75)  Wallach,  Ann.  193, 


640  Handwörterbuch  der  Chemie. 

Liebig  als  Endprodukt  der  Einwirkung  von  Chlor  auf  absoluten  Alkokol  er- 
halten (i): 

CHj~CH,0Hh-4C1,  «CCl,— CH0-f-5HCl, 
und  wird  auch  jetzt  noch  nach  derselben,  nur  unwesentlich  modificirten  Methode 
im  Grossen  gewonnen: 

Man  leitet,  anfangs  unter  Abkühlen,  dann  unter  Erwärmen  bis  schliesslich 
auf  60^  Chlor  solange  in  absoluten  Alkohol  ein,  bis  ersteres  nicht  mehr  aufge- 

nommen  wird;  hierbei  hat  sich  sogen.  Chloralalkoholat,  CCI3  —  Cq  +  C^HjOH 

(s.  Art  Chlor)  gebildet.  Durch  Zusatz  von  concentrirter  Schwefelsäure  scheidet 
man  das  Chloral  ab,  welches  nach  dem  Trocknen  über  kohlensaurem  Kalk  durch 
Destillation  gereinigt  wird.  Das  fabrikmässig  dargestellte  Chloral  wird  fast  aus- 
schliesslich in  das  als  Hypnoticum  geschätzte  Chloralhydrat,  CClj  —  CH  O  -f  H,0, 
(s.  Art  Chlor)  verwandelt  Das  freie  Chloral  isolirt  man  aus  dem  käuflichen  Chloral- 
hydrat genau  so,  wie  es  oben  beim  Chloralalkohol  angegeben. 

Die  Bildung  des  Chlotals  aus  Alkohol  erfolgt  in  verschiedenen  Phasen;  nach  der 
als  irrig  erkannten  Ansicht  von  Dumas  (2)  sollte  es  aus  zunächst  gebildetem  Essig- 
äther entstehen.  Näher  der  Wahrheit  kam  Liebig  (3)  und  mit  ihm  REGNAm^T  (4), 
welche  annahmen,  das  Chlor  erzeuge  zunächst  Aldehyd  und  aus  diesem  durch 
Substitution  Trichloraldehyd  =  Chloral;  in  der  That  erhielt  Regnault,  entsprechend 
der  ersten  Phase  des  Processes,  unter  Umständen  Aldehyd;  aber  weder  ihm 
noch  WuRTZ  (5)  gelang  es,  den  Aldehyd  unter  denselben  Bedingungen  weiteihin 
in  Chloral  zu  verwandeln;  denn  die  hierbei  gebildete  Salzsäure  erzeugte  sofort 
Condensationsprodukte  desselben  (Butylchloral),  und  nur  dann  Chloral,  wenn 
man  sie,  z.  B.  durch  Zusatz  von  kohlensaurem  Kalk,  im  Augenblicke  ihres  Ent- 
stehens neutralisirte  (6). 

Erst  nach  der  Entdeckung  der  Acetale,  ihrer  Bildung  aus  Aldehyden  und 
Alkoholen  und  ihrer  umgekehrt  verlaufenden  Spaltung  durch  Säuren  (11),  sowie 
durch  den  Nachweis,  dass  solche  chlorirte  Acetale  bei  der  Darstellung  des  Chloral 
nebenbei  entstehen,  konnte  die  zweite  Phase  dieses  Processes  richtig  erklärt 
werden:  der  zuerst  gebildete  Aldehyd  verbindet  sich  mit  unverändertem  Alkohol 
zu  Acetal,  dieses  wird  successive  chlorirt  und  zerfallt  im  Augenblicke  des  Ueber- 
ganges  von  Dichloracetal  zu  Trichloracetal  durch  die  hierbei  entstandene  Salz- 
säure in  Chloralalkoholat  und  Chloräthyl  (7)  (8): 

I.    CH,CH,OH4-C1,  =  CH3CHOh-2HC1 
IL    CH3CHO  -+-  2C,H60H  =  CH,  •CH(0C,H5)j  -+-  H,0. 

m.    CH,CH(OC,H6)3  -*-  2Cls  =  CHCljCHCOCjHj),  -4-  2HC1. 

IV.    CHC1,CH(0C,H5),  4-  Cl,[=CCl3CH(OC,H5),  -h  HCl] 

^CC13-CHqq  Hj -h  CjHjCL 

Nach  einer  anderen  Auffassung  (8)  soll  der  Aldehyd  zuerst  durch  den  Alkohol  und  die 
Salzsäure  in  Monochloräther  und  hierauf  durch  das  Chlor  in  Tetrachloräther  übergehen,  um  so- 
dann, wie  es  bei  letzterem  thatsächlich  auch  beobachtet  worden  ist,  durch  Alkohol  in  Salzsäure 
und  Trichloracetal,  durch  Wasser  in  Chloral  und  Chloraethyl  zu  zerfallen. 

Chloral  entsteht  auch  durch  Chlorirung  verschiedener  Kohlehydrate,  bes.  von  Stärke  und 
Zucker  (10). 


1 


pag.  I.  76)  Wallach,  Ber.  8,  pag.  1580.  77)  Nencki,  Joum.  pr.  Chem.  [a]  7,  pag.  239. 
78)  Kluienko,  Ber.  9,  pag.  968.  79)  Klimenko,  J.  pr.  Chem.  [2]  13,  pag.  98.  80)  Wallach, 
Ber.  9,  pag.  1214.    81)  Pinner,  Klein,  Ber.  9,  pag;  la    82)  Hspp,  Spiess,  Ber.  9,  pag.  142s« 


Chloral.  641 

Das  Chloral  ist  eine  bei  97*2  siedende  Flüssigkeit  vom  spec.  Gew.  r5488 
bei  0°,  von  stlsslichem  und  zugleich  scharf  stechendem  Geruch;  es  löst  sich  in 
allen  gebräuchlichen  Lösungsmitteln  niit  Leichtigkeit.     Durch  wässrige  Alkalien 
wird  es  in  Chloroform  und  ameisensaures  Salz  gespalten:  (i)  s.  Chloroform, 
CCI3.  CHO  4-  HOK  =  CCI3H  +  HCOOK. 

Durch  alkoholisches  Kali  entsteht  Ameisenäther  (12),  durch  Zink  und  Salz- 
säure Aldehyd  (13).  Das  Chloral  ist  der  Aldehyd  der  Trichloressigsäure  und 
zeigt  als  solcher  fast  alle  typischen  Reaktionen  dieser  Körper.  Es  reducirt  am- 
moniakalische  Silberlösung  beim  Erwärmen  (14),  wird  von  rauchender  Salpetersäure 
zu  Trichloressigsäure  oxydirt  (15)  und  verbindet  sich  nicht  nur  mit  Alkalidisulfiten, 
sondern  auch  mit  den  neutralen  Sulfiten  (16).  In  nicht  absolut  reinem  Zustande 
polymerisirt  es  sich  freiwillig  langsam,  rasch  beim  Vermischen  mit  6  Thln.  Schwefel- 
säure zu  Metachloral  (CClj  —  CHO)x,  einem  amorphen,  in  Wasser  unlös- 
lichen Körper,  der  durch  Destillation  wieder  in  gewöhnliches  Chloral  tibergeht 
und  sich  auch  den  meisten  Reagentien  gegenüber  wie  solches  verhält  (i)  (15). 
Ein  Gemenge  von  verschiedenen  Polymeren  entsteht  unter  lebhafter  Erhitzung 
beim  Contakt  von  Chloral  mit  wasserfreiem  Trimethylamin  (20)  und  auch  mit 
Fluorbor  (44) 

Chlor  wirkt  bei  gewöhnlicher  Temperatur  auf  Chloral  nicht  ein;  Brom  bildet  bei  120**  das 
Bromid  der  Trichloressigsäure»  CClj'COBr,  neben  Zersetzungsprodukten  desselben  (21).  Phos- 
phorpentachlorid  erzeugt  Pentachloräthan,  CjHClj  (22),  Phosphorpentasulfid  Trichloräthylen, 
CgHClj  (23),  rauchende  Schwefelsäure  und  Schwefeltrioxyd  in  der  Kälte  krystallisirende  Körper 
von  coroplicirter  Zusammensetzung,  welche  als  Verbindungen  mehrerer  Moleküle  Chloral  mit 
Pyroschwefelsäure  betrachtet  werden  können  (24).  Mit  aromatischen  Kohlenwasserstoffen,  deren 
Derivaten  und  Phenolen  condensirt  es  sich  nach  Art  der  Aldehyde  durch  concentrirte  Schwefel- 
säure (25),  mit  Chinin  giebt  es  ein  bei  149°  schmelzendes  Additionsprodukt,  auch  mit  Phenolen 
entstehen  ähnliche  Verbindungen  (26),  mit  Chinolin  ein  Körper  von  der  Zusammensetzung 
Caj-CHO-CjH^N-HjO  (27)  und  mit  Cyanamid  eine  Verbindung  (CNjH,  4- CCl,-CHO), 
(31).  Verhalten  des  Chlorals  gegen  Jodkalium  und  Jodsäure  (42),  gegen  übermangansaures 
Kali  (43),  gegen  salpetrige  Säure  (45),  gegen  Rhodanammonium  (51).  Mit  Hydroxylamin 
liefert  es  eine  Isonitrosoverbindung  (70),  durch  Cyankaüum  wird  es  in  Dichloressigsäure  ver- 
wandelt (s.  diese);  bei  der  Behandlung  zweier  Mol.  Chloral  mit  fünf  Mol.  Zinkmethyl  entsteht 
Dimethylisopropylcarbinol  (52);  lässt  man  dagegen  Zinkäthyl  und  Chloral  in  äquivalenten  Mengen 
in  ätherischer  Lösung  aufeinander  wirken  und  zersetzt  den  so  erhaltenen  Krystallbrei  mit  Wasser, 
so  resultirt 

Trichloräthylalkohol,  CQaCHaOH;  blättrige  Krystalle,  bei  17-8° 
schmelzend,  bei  151°  siedend,  in  Wasser  wenig  löslich  (71).  Das  Acetat,  CGI,- 
CHj'O'COCHj,  siedet  unter  geringer  Zersetzung  bei  167°.  Durch  rauchende 
Salpetersäure  entsteht  aus  dem  Alkohol  Trichloressigsäure,  durch  Kalilauge,  in 
Folge  einer  verwickelten  Reaktion, 

Trichloräthylglycolsäure,  (CCl3-CH2)O.CHjCOOH,  vom  Schmelz- 
punkt  69-5°. 

(C4H4Cl,0,)jCa4-3H30,  Nadeln.     C^H^CljO,- Ag,  zersetzlich  (71). 

Trichlorisobutylalkohol,  CCl3-CH^|[J»QpjO,  Schmp.  49*»,  Siedep.  150— 160^  ent- 
steht ähnlich  dem  Trichloräthylalkohol,  aus  Chloral  und  Zinkmethylen. 
Additionsprodukte  des  Chlorals. 
Leitet  man  Ammoniak  in  Chloral,  am  besten  in  Lösung  von  Chloroform, 

so  entsteht  das  dem  Aldehydammoniak  entsprechende 

OTT 
Chloralammoniak,    CClj-CHO-h  NH3    oder    CC1,-CH^|J    (17);  bei 

Ladknbubc,  Chenüe.    IL  4,1 


642  Handwörterbuch  der  Chemie. 

62—64°  schmelzende  Nädelchen,  welche  durch  Wasser  in  ameisensaures  Ammon 

und  Chloroform,  beim  Erhitzen  z.  Th.  in  Formamid  und  Chloroform  zerfallen 

(17),  beim  Kochen  mit  essigsaurem  Ammon  in  Choralimid,  CCl3«CH-NH  (18), 

und  durch  Acetylchlorid  oder  Essigsäureanhydrid  in  Chloralacetamid,  CQj- 

OH 
^^NHCC  H  O'^  ^^^^'  tibergehen.    Letzteres  schmilzt  bei   156°,    entsteht  auch 

direkt   aus    Chloral    und   Acetamid   (45)    und   spaltet   sich   beim  Destilliren    in 
letztere  beiden  Componenten  (45). 

OfC  H  O^ 

Chloraldiacetamid  (Acetylchloralacetamid),  CClj-CHji^lj/^  K  Wy  ent- 
steht aus  vorigem  durch  Acetylchlorid  bei  120°  und  wird  schon  durch  warmes 
Wasser,   entsprechend  obiger  Formel,  in  Chloralacetamid  zurückverwandelt  (17). 

Chloralamrooniak  verbindet  sich  auch  mit  Furfurol  und  Benzaldehyd  zu  krystallisirenden 
Körpern  (17). 

Dem  Chloralammoniak  analoge  Verbindungen  liefern  die  primären  Amine  der  Fettreihe, 
z.  B.  Aethylamin  (19);  die  der  aromatischen  Reihe  geben  dagegen  unter  Austritt  von  Wasser 
basische  Körper  (vergl.  A,  pag.  643).  Mit  Acetonitril  wird  Trichloräthylidcndi acetamid, 
CCl3-CH[NH(C,H30)]2,  erhalten  (47,  48),  welches  beim  Erhitzen  ohne  vorheriges  Schmelzen 
sublimirt;  mit  Harnstoff  in  wässriger  Lösung  entsteht  Chloralharn Stoff,  CCl^'CHO + 
CO(NH,)j  (49),  vom  Schmp.  150^,  bei  Gegenwart  von  Überschüssigem  Chloral  die  unlösliche  Ver- 
bindung 2Ca,'CHO +CO(NH,),,  Schmp.  1900,*  beide  werden  nicht  durch  Säuren,  wohl  aber 
durch  Alkalien  zersetzt. 

OH 
Chloralurethan,   CC1,*CHj^jt//^q  r;  xt  Y  *^^*^**^®*  ^^^^  1^^*"*  Versetzen  einer  Lösung 

von  Urethan  in  Chloral  mit  Salzsäure  in  bei  103°  schmelzenden  Blättern  aus  (50). 

Das  Chloral  besitzt  eine  viel  grössere  Neigung  als  der  Acetaldehyd^  sich  mit  Wasser  und 
Alkoholen  direkt  zu  beständigen  Additionsprodukten  zu  vereinigen.  Das  wichtigste  und  inter- 
essanteste derselben  ist  das 

OH 

Chloralhydrat,  CClj'CHO-hHjO  oder  CCIj-CHq^;  es  bildet  sich  beim 

Vermischen  von  Chloral  und  Wasser  unter  bedeutender  Wärmeentwicklung  (i) 
und  krystallisirt  in  bei  57°  schmelzenden,  monoklinen  Tafeln,  welche  bei  97-5°, 
unter  vollständiger  Dissociation  in  Chloral  und  Wasser,  sieden.  Es  ist  leicht  lös- 
lich in  Wasser  und  Alkohol,  schwerer  in  Schwefelkohlenstoff,  Benzol,  Ligroin  u.  s.  w. 
Durch  Schütteln  mit  concentrirter  Schwefelsäure  wird  es  in.  Chloral  zurückver- 
wandelt und  verhält  sich  auch  im  Uebrigen  vollkommen  wie  dieses.  Eine 
isomere  Modification  vom  Schmp.  80°  entsteht  beim  Verdunsten  einer  Lösung 
von  Chloral  in  Eisessig  über  Schwefelsäure  (20).  Ueber  die  Constitution  des 
Choralhydrats  s.  (28 — 30).  Seitdem  Liebreich  1869  in  dem  Chloralhydrat  ein  aus- 
gezeichnetes Anästhetikum  und  Hypnotikum  erkannte,  wird  es  fabrikmässig  auf 
die  beim  Chloral  skizzirte  Weise  aus  dem  durch  Destillation  gereinigten  Chloral 
durch  Vermischen  mit  der  äquivalenten  Menge  Wasser  dargestellt  und  hierauf 
entweder  direkt  in  Platten  ausgegossen,  oder  zur  vollkommenen  Reinigung  aus 
den  bei  der  Fabrikation  entstehenden  Nebenprodukten  (Aethylen-  und  Aethyliden- 
chlorid  u.  s.  w.  (32)  oder  aus  Chloroform  umkrystallisirt. 

Die  zuerst  am  Chloroform  beobachtete  Wirkung  auf  den  Organismus,  erst  Schlaf  und  dann 
Bewusstlosigkeit  zu  erzeugen,  brachte  Liebreich  (33)  (34)  auf  die  Vermuthung,  dass  das 
Chloralj  durch  die  alkalischen  Säfte  des  Organismus  in  Ameisensäure  und  Chloroform  ges{>alten 
werden  und  daher  eben  so  wie  dieses,  wenn  nicht  noch  günstiger,  weil  sicherer,  wirken  könne. 
Obwohl  nun  seine  Versuche  diese  Voraussetzungen  glänzend  zu  bestätigen  schienen,  so  ist  doch 
durch  neuere,  genaue  Untersuchungen  (35,  36)  die  Abwesenheit  von  Chlorofoim,  wohl  aber  die 


Chloral.  643 

Anwesenheit  von  etwas  unverändertem  Chloral  im  Harn  chloraüsirter  Individuen  constatirt 
worden;  ebenso  spricht  auch  die  Thatsache,  dass  durch  Blut  ausserhalb  des  Organismus  das 
Chloral  nur  spurenweise  in  Chloroform  verwandelt  wird,  gegen  diese  Erklärung,  und  es  kann 
hiemach  nur  behauptet  werden,  dass  das  Chloral,  wie  viele  andere  chlorirte  Fettkörper,  schon 
an  sich  die  betr.  charakteristische  Wirkung  ausübe.  Die  Hauptmenge  des  genossenen  Chloral- 
hydrats  geht  in  den  Harn  über  als 

Urochloralsäure,  CgHuC^O^  (37),  welche  aus  diesem  nach  dem  Ein- 
dampfen durch  Aether-Alkohol  extrahirt  und  durch  Ueberflihrung  in  das  Kalisalz 
gereinigt  wird.  Krystallwarzen,  sehr  leicht  in  Wasser  und  Alkohol,  nicht  in 
Aether  löslich.  Linksdrehend,  reducirend  wirkend,  einbasisch.  Die  Salze  sind 
fast  alle  in  Wasser  löslich.  Die  Säure  zerfällt  beim  Kochen  mit  verdünnten 
Säuren  in  Trichloräthylalkohol  und Glycuronsäure,  CgHuCljO^  +  H,0  =  CGI,- 
CHgOH-f-CeHioO^. 

Das  Chloralhydrat  wirkt  auch  antiseptisch,  indem  es  mit  den  Eiweisskörpem  nicht- 
faulende  Verbindungen  bildet  (38)  (39).  Ueber  die  Eigenschaften  des  zu  medicinischen  Zwecken 
zu  verwendenden  Chloralhydrats  vergl.  Pharmacopoea  Germanica.  Als  Antidot  gegen  das 
Anästhetikum  Chloral  soll  das  Paralyticum  Strychnin  wirken  (40,  53).  Zur  quantitativen  Be- 
stimmung des  Chloralhydrats  wird  die  zu  untersuchende  Substanz,  welche  keine  freie  Säure 
enthalten  darf,  ipit  einem  gemessenen  Volum  Normalnatronlauge  geschüttelt  Hierdurch  wird 
die  einem  Aequivalent  Chloral  entsprechende  Menge  Alkali  als  ameisensaures  Salz  gebuhden, 
und  man  ermittelt  die  Menge  desselben  durch  ZurUcktitriren  des  unverändert  gebliebenen  Alkalis 
mit  Normalsalzsäure  (41). 

Ganz  analog  wie  mit  Wasser  verbindet  sich  Ghloral  direkt  mit  den  ein- 
und  mehrwerthigen  Alkoholen  der  Fettreihe,  nicht  aber  mit  aromatischen  Alko- 
holen  zu    den   Chloralalkoholaten   (58),    CCI3.CHO -hR- —  OH==  CGI,  • 

OH 
GHq^,  welche,  wie  das  Ghloralhydrat,  im  Dampfzustande  und  durch  concen- 

trirte  Schwefelsäure  in  ihre  Gomponenten  zerfallen. 

Chloral -Methylalkoholat,    CC1,-COq^jj    (54);    Schmp.  50°,    Siedep.  98°,    nach 

(55)  106«. 

OH 
Ghloral-Aethylalkoholat,  GGIj^GHqq  ^  ,   bildet    sich   ausser   durch 

direkte  Vereinigung  der  Gomponenten  auch  als  Endprodukt  der  Einwirkung  von 

Ghlor   auf  absoluten  Alkohol  (8)  und  aus  Aldehydalkoholat  und  Ghloral  (56). 

Weisse  Prismen,  in  Wasser  langsam,   aber  reichlich  löslich;    Schmp.  46«,  Siedep.  115«. 

Geht  durch  Pa^  Über  in  Chloral-Chloräthyl,  Cag-CHCl-OCjHj  =  Tetrachloräther  (57),  durch 

Acetylchlorid  in  sogen.  Chloral-Essigäther,  Ca,-CHQ^>JJ,*jj   (20),  eine  bei  198 <*  siedende 

Flüssigkeit. 

OTT 
Chloral-Isoamylalkoholat,    CC1,-CHq^jj    ,  Schmp.  56«,  Siedep.  145—1470. 

Chloral-Cetylalkoholat,  CClg-CH^J^  ^     ;  Nädelchen  (55). 

OTT 

Chloral-Allylalkoholat,  CClj-CH^^  jj  ,  Schmp.  20*50,    Siedep.    116®  (21);    ver- 

Cl 
bindet  sich  mit  Brom   und  giebt   mit  PQj  die  Verbindung  CQg-CHQ^  Hj.*  Ueber  die  Ver- 
bindungen des  Chlorals  mit  Glycol,  Monochlorhydrin,  Milchsäure  und  Weinsäureäther  (58). 

Chloralacetat,  CClg-CH(OCOCHg)„  aus  Chloral  und  Essigsäure-Anhydrid  bei  150° 
entstehend  (20),  ist  flüssig,  unlöslich  in  Wasser  und  siedet  bei  222  0. 

Cl 
Das   sogen.    Chloral-Chloracetyl,    ^^U'^^^nCOCH  '     ^^    identisch    mit  vierfach 

41* 


644  Handwörterbuch  der  Chemie. 

chlorirtem  Essigäther  (s.  diesen)  (59),  Chloraläthylat,  CClj-CHCOCjH,),  (s.  sub  A  198). 
mit  Trichloracetal. 

Das  sogen.  Chloralsulfhydrat,  2Ca3-CHO  +  HjS  oder  [CClg-CH(OH)],S.,  entsteht 
beim  Einleiten  von  Schwefelwasserstoff  in  ätherische  (60)  oder  wässrige  (61)  Lösung  von 
Chlpral;  Schuppen  oder  Rhomboeder,  nicht  in  Wasser,  schwer  in  Chloroform,  leicht  in  Alkohol 
und  Aether  löslich.  Schmilzt  bei  128°  unter  Zersetzung;  das  Acetylderivat,  (Ca,-CH'0- 
C,H30),S,  schmilzt  bei  78<>. 

Durch  Einwirkung  von  Kaliumsulf  hydrat  auf  Chloralhydrat  entsteht  unter  Abscheidung  von 
Schwefel  die  bei  97 0  schmelzende  Verbindung  C4H^Cl,OjS=CCl,-CH(OH)-S-CH(OH).CH, 

(63). 

OH 
Chloralmercaptan,   CClgCHg^jj  ,  wird  wie  Chloralalkoholat  dargestellt  (54). 

Additionsprodukte  von  Chloral  und  Cyanverbindungen  sind  mehrere  bekannt;  wie  alle  Al- 
dehyde vereinigt  sich  das  Chloral  mit  starker  Blausäure  beim  Erwärmen,  unter  Bildung  von 

OH 
Chloral-Cyanhydrin    (Blausäure-Chloral),    CCl^-CH^j^  (63).     Dasselbe 

wird  von  allen  gebräuchlichen  Lösungsmitteln  leicht  aufgenommeni  krystallisirt 
in  rhombischen  Tafeln,  schmilzt  bei  61°,  siedet  unter  theilweiser  Zersetzung  bei 
215 — 220°  (18),  wird  durch  Alkalien  in  Chloroform,  Ameisensäure  und  Blausäure 
gespalten,  dagegen  durch  concentrirte  Salzsäure  als  Nitril  der  Trichlormilchsäure 
in  letztere  übergeführt.     Beim  Kochen  mit  Essigsäureanhydrid  entsteht  die  Acet- 

Verbindung,    CC^-CH^^«^»^,  vom  Schmp.  31°  und  Siedep.  208°  (18). 

Ein  Körper  der  Formel  SCQj'CHO-f-CNH  bildet  sich  beim  Vermischen  der  concentrirten 
Lösung  von  Chloralhydrat  mit  wenig  Cyankaüumlösung  (64).  Andere  Darstellung  (65).  Schmelz- 
punkt 123^.  Unlöslich  in  Wasser.  Verhalten  des  Chloralcyanhydrins  gegen  Harnstoff  (18).  Aus 
den  letzterwähnten  drei  Körpern  werden,  ähnlich  wie  aus  Chloral  und  Cyankalium,  leicht  Deii- 
vate  der  Dichloressigsäure  erhalten  (18). 

Cyansäure-Chloral,  2(CClj,-CH0) -+- CONH,  erhält  man  beim  Einleiten 
von  Cyansäuredampf  in  Chloral  als  feste  Masse,  die  durch  Auskochen  mit  Salz- 
säure kömig  wird  und  dann  aus  Aether  in  bei  167 — 170^  schmelzenden,  bei 
200°  sich  vollkommen  zersetzenden  Prismen  krystallisirt  (66). 

Beim  Vermischen  der  Lösungen  von  Chloralhydrat  und  Kaliumcyanat  entwickelt  sich  CO,, 
und  es  fallen  sehr  schwer  lösliche  Krystallflitter  von  der  Zusanunensetzung  CfH,Q,N,0,  nieder 
(67),  welche  sich  unverändert  in  Alkalien  lösen,  aber  beim  Erhitzen  mit  verdünnten  Säuren  io 
einen  anderen  Körper,  C^HjCljNO^,  vom  Schmp.  154^  tibergehen  (68). 

Blausäure-Cyansäure-Chloral  (Chloralcyanidcyanat),  C4HsCljNjOj 
,?=CCl3CHO-f-CNH-f-CNOH,  scheidet  sich  beim  Behandeln  von  Chloralcyan- 
hydrin  oder  bequemer  einer  verdünnten  Lösung  von  Chloralhydrat  in  Cyankalium 
mit  Kaliumcyanat  in  schwer  löslichen  Nadeln  aus,  die  bei  80^  schmelzen  und 
bei  100°  sublimiren  (68). 

Giebt  mit  überschüssigem  Cyankalium  den  oben  erwähnten  Köiper  C^HiCl^N^O,,  mit 
Aethylamin  die  Verbindung  C^H^CljNO,  vom  Schmp.  45®  (69),  mit  Anilin  Dichloracetanilid 
(18),  (69),  welches  auch  aus  Chloralacetylcyanid  und  Anilin  gebildet  wird. 

Bromal,  Tribromaldehyd,  s.  Aldehyd;  A,  pag.  197. 

Bromochloral,  CBrCl^'CHO,  entsteht,  ganz  analog  der  Chloralbildung  aus  Chlor  und 
Alkohol  (s.  pag.  3),  bei  der  Einwirkung  von  Brom  auf  Dichloracetal  zunächst  als  Alkoholal  (8): 

CHa3CH(OC,H5),  4-Br3  =  CBrCl,-CH^^»^5  +  C^H^Br. 

Aus  diesem  wird  das  freie  Bromochloral  durch  conc.  Schwefelsäure  isolirt.  FlQssigkeit  vom 
Siedep.  126®  und  spec.  Gew.  1*9176  bei  16®.    Polymerisirt  sich  durch  wenig  conc.  Schwefelsäure 


Chloral.  645 

zu   einer  porcellaoartigen  Masse,   die  bei  260^  wieder  in  Bromochloral  übergeht.     Mit  Wasser 

resp.  Alkohol  liefert  es 

Bromochloralhydrat,  CBraa-CH(OH),.  Schmp.  51"  und 

OH 
Bromochloralalkoholat,   CBrCl  ,-CH^^  jj  ,  Schmp.  43°. 

Chlorobromal,  CClBrj'CHO,  aus  Monochloracetal  und  Brom  dargestellt  (8),  siedet  bei 
148—149°;  spec.  Gew.  2*2793  bei  15°;  wird  durch  Schwefelsäure  nicht  polymerisirt. 
Chlorobromalhydrat,  CClBr,-CH(OH)j,  Schmp.  51—52°. 

Chlorobromalalkoholat,    CClBraCH?!?  j^  ,  Schmp.  46°. 

Chi  oral  1  de.  Beim  Erhitzen  von  Chloral,  Bromal,  Chlorpbromal  und  Butyl- 
chloral  mit  solchen  Oxysäuren,  in  welchen  das  mit  CO  OH  verbundene  Kohlen- 
stoffatom ein  alkoholisches  Hydroxyl  trägt,  entstehen  unter  Abscheidung  von 
Wasser  ätherartige  Verbindungen  beider  Componenten,  welche  allgemein  als 
Choralide  resp.  Bromalide  bezeichnet  werden.  Dieselben  bilden  sich  auch  direkt 
aus  benannten  Aldehyden  beim  Erwärmen  mit  rauchender  Schwefelsäure  (s.  unter 
Chloralid),  krystallisiren,  sind  in  Wasser  unlöslich  und  destilliren  vollkommen  un- 
z ersetzt.  Andere  Aldehyde  sowie  andere  Oxysäuren  vermögen  nicht  in  diesem 
Sinne  zu  reagiren. 

Das  Chloralid  xax'  iCoyjQv,  CsHjClßOj,  Trichlormilchsäure-Trichlor- 

äthylidenester,  CCIj-CHC^q       ^^CH-CCl,,  entsteht  aus  Trichlormilchsäure 

und  Chloral  bei  160°  (72),  bildet  sich  aber  auch  direkt  aus  Chloral  beim  Er- 
wärmen mit  rauchender  Schwefelsäure  (10,  73,  74,  75);  bei  diesem  Process  wird  wohl 
zuerst  l'Mol.  Chloral  in  Ameisensäure  und  Chloroform  und  letzteres  weiter  im  Sinne  der  Gleichung: 

CHCl,  4-  2SO,  =  CO  4-  HQ  4-  SjOjQ, 
gespalten.     Die  Ameisensäure  tritt  mit  einem  zweiten  Mol.  Chloral  zu  Trichlorlaktid  zusammen: 

ca,.  CHO  +  HcooH  =  cci,.ch^q;;;::o  4- H,o, 

und  dieses  mit  einem  dritten  MoL  zu  Chloralid: 

cci,.CH^Q;;::04-cH0.ca,  =  caj.CH^QQ^CH.ca,  (76). 

Weisse,  monokline  Prismen,  Schmp.  114—115°,  Siedep.  272—273°,  zerfällt 
beim  Kochen  mit  Kali  in  Chloroform  und  Ameisensäure,  beim  Erhitzen  mit 
Alkohol  auf  150*^  in  Chloralalkoholat  und  Trichlormilchsäureäther,  bei  der  Reduc- 
tion  mit  Zink  und  Salzsäure  in  Dichlorakrylsäure  und  Aldehyd. 

Bromalid,  CgH^Br^Oj,  ist  vorigem  bezüglich  seiner  Entstehung  und  seinen 
Eigenschaften  vollkommen  analog  (75). 

Durch  Erhitzen  der  betr.  Oxysäuren  mit  Chloral  resp.  Bromal  sind  noch  dargestellt  worden : 

Bromochloralid,  C^H^ClfBr^O,»  aus  Bromochloral  (8),  schmilzt  bei  122^. 

Milchsäure-Trichloräthylidenester,  CHj.CH^^q^  CH-CCl,.  Schmp.  45^. 
Siedep.  222—224°.     Einfachere  Darstellung  (77). 

Milchsäure-Tribromäthylidenestcr,  CHj-CH^^Q^CH-CBr,.  Schmp.  95—97® 
(78);  bildet  sich  auch  durch  Bromirung  von  Milchsäure  (79). 

Trichlormilchsäure-Tribromäthylidcnester,  CClj-CH^QQ^CH-CBr,.  Schmelz- 
punkt 150°. 

Tribrommilchsäure-Trichloräthylidenester,  CBr,— Ch9qq^CH.CC1j  Schmp. 
132—135°  (75). 

Glycolsäure-Chloralid,    CH,^qq;;::CH-CC1„  Schmp.  42°. 

Mandelsäurc-Chloralid,  CgHj.CH^QQ^CH.CCl,.     Schmp.  59°. 


646  Handwörterbuch  der  Chemie. 

CH^^^;^CH.CC1, 
Weinsäure-Chloralid,     |  .     Schmp.  122—124®. 

CH^o^-CH.CCl, 

Aepfclsäure-Chloralid,   CH^^^^CH-CQ,.     Schmp.  1390(75);  verhält  sich  wie 

CH,-COOH 
eine  Säure.     Giebt  mit  PClj  ein  Chlorid  und  dieses  durch  Alkohole  Ester.     Der  Methylester 
schmilzt  bei  85  0,  der  Aethylester  bei  46°. 

Salicylsäure-Chloralid,    C^H^^QQ^^CH-Ca,,  Schmp.  125*^.  AndereChloralidc(75). 

A.  Hantzsch. 


Register  für  Band  II. 


Antimon i 

Antimontrichlorid  ...  3 

Antimonpentachlorid  .     .  3 

Antimontribromid  ...  4 

Antimontrijodid      ...  4 

Antimontrifluorid   ...  4 

Antimonpentafluorid   .     .  4 

Antimontrioxyd      ...  5 

Antimontetroxyd     ...  5 

Antimonpentoxyd  ...  6 

Antimonsäuren  ....  6 

Metantiroonsäure    ...  6 

Antimonnitrat    ....  6 

Antimonsulfat    ....  6 

Brechweinstein  ....  7 

Antimonylchlorid    ...  7 

Algarotpulver    ....  7 

Antimonylbromid  ...  8 

Antimonyljodid       ...  8 

Antimonylfluorid    ...  8 

Ammoniumantimoniat  8 

Bleiantimoniat  ....  8 
Saures  Ammoniummetanti- 

moniat 8 

Säur.  Kaliummetantimoniat  8 

Antimonoxytrichlorid  .     .  8 

Antimontrisulfid     ...  8 

Antimonzinnober    ...  9 

Antimonpentasulfid      .     .  10 

Natriumthioantimoniat     .  10 

Kaliumthioantimoniat  10 

Bariumthioantimoniat .     .  10 

Antimonoxysulfid    ...  11 

Antimonsulfochlorid    .     .  ii 

Antimonsulfojodid ...  il 

Antimontriselenid  ...  ii 

Antimonpentaselenid  .     .  ii 

Antimontellurid      ...  il 

Antimonwasserstofif  li 

Antimonbestimmung  .     .  12 

Aromatiscbe  Säuren    .     .  12 

Bildungsweisen       ...  14 

Derivate 20 

Eigenschaften    ....  26 

Paraäthylbenzoesäure  .     .  27 

Orthoäthylbenzoesäure     .  27 


Orthotoluylessigsäure  .     .  27 

Metatoluylessigsäure    .     .  27 

Paratoluylessigsäure     .     .  28 

Hydratropasäure     ...  28 

a-Chlorhydratropasäure    .  28 

ß-Chlorhydratropasäure    .  28 

a-Bromhydratropasäure    .  28 

ß-Bromhydratropasäure    .  29 

Dibromhydratropasäure    .  29 

Tribromfaydratropasäure  .  29 

a-Amidohydratropasäure  .  29 

ß-Amidohydratropasäure  .  29 

Atropasäure 29 

Monobromatropasäure.     .  30 

a-Isatropasäure  ....  30 

Aethyläther    ....  30 

ß-Isatropasäure  ....  30 

Aethyläther    ....  31 

Atronsäure 31 

Isatronsäure       ....  31 

Atronylensulfosäure     .     .  31 

Atroninsulfon     .     .     .     .  31 

Polyporsäure      .     .     .     .  31 

Methyläther   ....  31 

Aethyläther    ....  32 

Nitropolyporsäure  ...  32 

Hydropolyporsäure      .     .  32 

Durylsäure 32 

a-Isodurylsäure  ....  32 

ß-Isodurylsäure  ....  32 

y-Isodurylsäure  ....  32 

Parapropylbenzoesäure     .  33 

Orthopropylbenzoesäure  .  33 

Methylbenzylessigsäure     .  33 

Benzyläther    •     •     •     .  33 

Phenylisobuttersäure    .     .  33 

Propenylbenzoesäure  .     .  33 

.     Methyläther    ....  33 

Phenylcrotonsäure  ...  34 

Isophenylcrotonsäure  .     .  34 

Cymolcarbonsäure       .     .  34 

Homocuminsäure  ...  34 
NormalePhenylvaleriansäure  34 

Phenyläthylpropionsäure  .  34 

Aethylhydrocarbostyril     .  35 

Cinnamenylacrylsäure  3S 


Hydrocinnamenylacrylsäure  35 
Dibromhydrocinnamenyl- 

acrylsäure 35 

Phenylangelikasäure    .     .  35 

Benzylisobuttersäure    .     .  35 

Cumenylacrylsäure       .     .  35 

Cumenylpropionsäure .     .  36 

Cumenylcrotonsäure    .     .  36 

Cinnamenylangelikasäure  36 

Cumenylangelikasäure      .  36 

Vulpinsäure 36 

Piperinsäure       ....  36 

Tetrabrompiperinsäure     .  37 

Dibrompiperinid     ...  37 

Tetrabromoxypiperhydrons.  37 

Hydropiperinsäure ...  37 

Aethyläther    ....  37 

Dibrompiperhydronsäure .  38 

Piperonylsäure  ....  38 

Aethyläther    ....  38 

Nitropiperonylsäure     .     .  38 

Brompiperonylsäure    .     .  39 

Amarsäure 39 

.  Amarsäure-Anhydrid   .     .  39 

Isobutylamarsäure  ...  39 

Pyroamarsäure  ....  39 

Aromatische  Verbindungen  39 
Nomenclatur      ....     40 

Arsen 

Arsenerze  .... 
Arsenigsäure- Anhydrid 
Arsenige  Säure  .  . 
Arsenite  .'  .  .  .  . 
Erkennung  .... 
Arsensäure-Anhydrid  . 
Arsensäure  .  .  .  . 
Pyroarsensäure  .  .  . 
Metaarsensäure .  .  . 
Orthoarsensäure  .  . 
ArsenwasserstofTgas  . 
Fester  Arsenwasserstoff 
Quantitative  Bestimmung 


Asche 

Asphalt      .... 
Natdrlicher  Asphalt 


4« 
42 
42 

43 
44 
44 
47 
47 
47 
47 
47 
48 
49 
49 
50 

53 
53 


648 


Register. 


Elaterit 53 

Künstlicher  Asphalt  .     .  54 

Aspirator 57 

Assimilation      ....  59 

Athmung 60 

Atmosphäre 63 

Atomtheorie       ....  103 
Beziehungen  zwischen  den 

Atomgewichten  .     .     .  108 

Valenz       ...  112 

Autoclav 115 

Asoverbindungen  .     .     .  116 
Azoverbindungen  der  Fett- 
reihe       120 

Dinitrosoazoäthan     .     .  120 
Gemischte  Azoverbindun- 
gen         121 

Benzol  -Azo-Nitromethan  121 

Benzol-Azo-Nitroäthan   .  121 

Benzol- Azo-Aethan    .     .  121 
Brombenzol  -  Azo  -  Nitro - 

äthan 121 

Nitrobenzol  -  Azo  -  Nitro  - 

äthan 121 

Azoderivate  des  Benzols  121 

Azoxybenzol    .     .     .     .  121 

Para  -Dichlorazoxybenzol  122 

Meta-Dichlorazoxybenzol  1 22 

Paradibromazoxybenzol  .  123 

Metadibromazoxybenzol .  123 

Paradijodazoxybenzol     .  123 

Tetrachlorazoxybenzol    .  123 

Mononitroazoxybenzol   .  123 

Trinitroazoxybenzol  .     .  123 

Tetranitroazoxybenzol    .  123 
Nitroparadichlorazoxyben- 

zo\ 123 

Oxytrinitroazoxybenzol  .  123 

Dioxytrinitroazoxybenzol  123 

Amidoazoxybenzol     .     .  123 
Tetramethyldiamidoazoxy- 

benzol 123 

Azobenzol 123 

Paradichlorazobenzol  1 24 

Paradibromazobenzol  124 

Metadibromazobenzol  124 

Tetrabromazobenzol  1 24 

Nitroazobenzol      .     .     .  124 

Trinitroazobenzol       .     .  124 

Amidoazobenzol  .     .     .  124 
Amidoazobenzolsulfosäure  125 

Diamidoazobenzol     .     .  126 

Triamidoazobenzol    .     .  126 
Azobenzolmonosulfosäure   126 

Azobenzoldisulfosäure    .  126 

Oxyazobenzol  .     .     .     .  126 

Azophenetole  .     .     .     .  127 

Azophenole      .     .     .     .  128 

Benzol- Azo-Resorcin  128 
Benzolsulfosäure-Azo-Re- 

sorcin 128 

Trioxyazobenzole       .     .  128 

Tetraoxyazobenzole  .     .  129 

Phenol-disazo-benzol  129 
Phenol-disaso-benzoltoluol  129 


Benzol-disazo-benzolphenol  1 29 


Azoxybenzoesäuren 

Azobenzoesäuren 

Hydrazobenzol      .     . 

Dinitrohydrazobenzol 

Diamidohydrazobenzol 

Diacetylhydrazobenzol 

Azophenylen    .     .     . 

Amidoazomonophenylen 

Nitroamidoazomonophe- 

nylen    .... 
Para-Azoxytoluol  . 
Para-Azotoluol 
Trinitroazoxytoluol 
Para-Hydrazotoluol 
Meta-Azotoluol     . 
Ortho-Azotoluol   .     . 
Ortho-Hydrazotoluol 
Amido-ortho-Azotoluol 
Toluol  -Azo-Toluylendia 

min 

Toluol- Azo-Ben  zol 
Toluol-Azo-Phenol    . 
Benzol-Azo-Toluylendia- 

min 

Benzol-Azo-Cresol 
Amidoazomonotoluylen 
Azoxylol      .... 
*    Amidoazoxylol      .     . 
Azoxydiphenyl      .     . 
Azodiphenyl     .     .     . 
Dinitroazoxydiphenyl 
Azons4}htaliD    .     .     . 
Amidoazonaphtalin 
Oxyazonaphtalin  .     . 
Benzol  -Azo  -Amidonaph 

talin 

Naphtalin  -Azo  -Diamido- 

naphtalin  .... 
Toluol  -Azo  -Amidonaph' 

talin 

Nitrobenzol      .     .     . 

Barium 

Bariimioxyd  .  .  . 
Bariumhydroxyd  .  . 
Bariumsuperoxyd  .  . 
Bariumchlorid  .  . 
Bariumbromid  .  . 
Bariumjodid  .  .  . 
Bariumfluorid  i  ,  . 
Bariumfluorid-chlorid 
Bariumfluoborat  .  . 
Bariumfluosilicat  .  . 
Bariumsulfid  .  .  . 
Bariumtrisulfid  .  . 
Bariumtetrasulfid  .  . 
Bariumpentasulfid 
Bariumoxysulfid  .  . 
Selenbarium  .  .  . 
Arsenbarium  .  .  . 
Phosphorbarium  .  . 
Bariumchlorat  .  . 
Bariumperchlorat  .  . 
Bariumchlorit  .  .  . 
Bariumbromat  .  . 
Bariumperbromat 
Bariumjodat     .     .     . 


130 
130 

131 
132 
132 
132 
133 
133 

133 
133 
133 
133 
133 
134 
134 
134 
134 

134 
134 
134 

134 
134 
134 
134 
134 
134 
135 
135 
135 
135 
'35 

136 

136 

136 
136 
137 
139 
139 
140 
141 
142 
142 
142 
142 
142 
142 
142 
143 
143 
143 
H3 
143 
144 
144 

144 
144 

144 
144 
144 

144 


Bariumperjodat     ...  144 

Bariumsulfat    .     .     .     .  145 

Bariumbisulfat       .     .     .  145 

Bariumsulfit      ....  145 

Bariumthiosulfat   .     .     .  145 

Bariumdithionat    .     .     .  146 

Bariumtritfaionat    .     .     .  146 

Bariumtetrathionat  146 

Bariumpentathionat   .     .  146 

Bariumselen  iat       ...  146 

Bariumtellurat       .     .     .  146 

Bariumtellurit        ...  146 

Bariumsulfotellurit     .  146 

Bariumnitrat     ....  146 

Bariumnitrit     ....  147 

Bariumhypophosphit       .  147 

Bariumphosphit     .     .     .  I47 

Tribariumphosphat    .     .  147 

Bibariumphosphat      .     .  147 

Monobariumphosphat  147 

Banumpyrophosphat  147 

Bariummetaphosphat      .  148 

Bariumarsenit  ....  148 

Banumarseniat      ...  148 

Bariumammoniumarseniat  148 

Bariumpyrosulfarsenit  148 

Bariumpyrosulfarseniat   .  148 

Bariumantimoniat      .     .  148 

Bariumsulfantimoniat  148 

Bariumborat     ....  148 

Bariumcarbonat     ...  148 

Bariumthiocarbonat   .     .  149 

Bariumsilicate       ...  149 

Reactionen       ....  149 

Quantitative  Bestimmung  1 50 

Trennungsmethoden  150 

Basen 

Basicität 


....  151 

....  152 

Benxoeslnre      ....  154 

Benzoesäure -Methyläther  158 

Benzoesäure  -Aethyläther  1 59 

Benzoesäure  -Propyllther  1 59 
Benzoesäure-Isopropylätheri  59 

Benzoesäure-Butyläther  .  159 

Benzoesäurc-Isoamyläther  1 59 

Benzoesäure-Octyläther  .  159 

Benzoesäure-Cetyläther  .  159 

Benzoesäure-Allyläther  .  159 

Benzoesäure- Aetfaylenäther  159 
Benzoesäure  -Aethylcn- 

chlorhydrin  ....  159 
Benzoesäure-Propylenäther  159 

Benzoesäure- Amylenäther  159 

Benzoesäure-Glycerinäther  159 

Benzoesäure  -Benzyläther  1 59 

Benzylidenäther    .     .     .  159 

Benzoesäute-Phenyläther  160 

Benzoesäure -Kresyläther  160 

Dibenzoylbrenzcatechin .  160 

DibenzoylresoTcin      .     .  160 

Dibenzoylhydrochinon    .  160 

Tribenzoylphloroglucm  .  160 
Benzoylpyrogallussäiiredi- 

methyläther  ....  160 
Benzoylmeüiylpyrogallus- 

säuredimethyläther  .     .  160 


Register. 


649 


Bensoylpropylpyrogallus- 

säure 160 

Bcnzoylchlorid      .     .     .  160 

Benzoylbromid      .     .     .  161 

Benzoyljodid    .     .     .     .  161 

Benzoylfluorid       .     .     .  161 

Benzoylcyanid       .     .     .  161 

Beozoylrhodanid  .     .     .  162 

Benzoesäureanhydrid  .  162 
Essigsäure  -  Benzoesäure- 

Anhydrid 162 

Benzoylsuperoxyd      .     .  162 

Benzamid    .     .     *     .     .  162 

Chloralbenzamid  .     .     .  163 

Butylchloralbenzamid  "  .  163 

Dibenzamid      .     .     .     .  163 

Dimethylbenzainid     .     .  163 

Diäthylbenzamid  .     .     .  163 

Methylendibenzamid  163 

Aethylidendibenzamid  .  163 
Trichloräthylidendibenz- 

amid 164 

Oenanthylidendibenzamid  164 

Benzoylcyanamid  .     .     .  164 

Tribenzoylmelamin    .  164 

Dibenzoyldicyanamid  164 

Benzoylammelin    .     .     .  164 

Benzhydroxamsäure  .  .  164 
Benzhydroxarosäureäthyl- 

äther 165 

Aethylbenzhydroxamsäure  165 

Methylbenzhydroxamsäure  165 

Dibenzhydroxamsäure  .  165 
Dibenzhydroxamsäure- 

äthyläther       ....  166 

Tribenzhydroxylamin      .  166 

Benzanishydroxamsäure .  166 

Anisbenzhydroxamsäure  166 
BenzanisäÜiylhydroxylamin  166 
Benzanisbenzhydroxylamin  166 

Dibenzanishydroxylamin  167 

Anisdibenzhydroxylamin  167 

Anisbenzanishydroxylamin  167 

Dianisbenzhydroxylamin  167 

Benzdianishydroxylamin  167 

o-Chlorbenzoesäure   .     .  167 

o-Chlorbenzoesäurechlorid  168 

o-Chlorbenzoesäureamid  168 

o-Chlorbenzoesäurenitril  168 

o-Chlorbenzoesäureanilid  168 

m-Chlorbenzoesäurc  .  .  168 
m-Chlorbenzoesäurechlorid  169 

m-Chlorbenzoesäureamid  169 

m-Chlorbenzoesäurenitril  169 

p-Chlorbenzoesäure   .     .  169 

p-Chlorbenzoesäurechlorid  169 

Dichlorbeozoesäure   .     .  169 

Trichlorbenzoesäure  .     .  170 

Tetrachlorbenzoesäure    .  1 70 

o-Brombenzoesäure  .  .  170 
o-Brombenzoesäuremethyl- 

ester 170 

o-Brombenzoesäureäthyl- 

ester     ......  170 

o-Brombenzoesäureanilid  1 70 

m-Brombenzoesäure  .     .  170 


m  -  Brombenzoesäureme  - 

thylester 171 

m-Brornbenzpesäurechlorid  171 

m-Brombenzoesäureamid  171 

m-Brombenzoesäurenitril  171 

p-Brombenzoesäure  .  .  171 
p-Bromben  zoesäureäthyl- 

ester 171 

pibrombenzoesäure  .     .  171 

Tribrombenzoesäure .     .  171 

Pentabrombenzoesäure  .  171 

Gilorbrombenzoesäure  .  172 

o-Jodbenzoesäure      .     .  172 

m-Jodbenzoesäure     .     .  172 

p-Jodbenzoesäurc       .     .  173 

o-Fluorbenzoesäure   .     •  172 

m-Fluorbenzoesäure  .     .  172 

p-Fluorbenzoesäure  .  172 

o-Nitrobenzoesäure  .  .  173 
o-Nitrobenzoesäureäthyl- 

cster 173 

o-Nitrobenzoesäurechlorid  173 
o  -  Nitrobenzoesäurccj'a  - 

nid 173 

o-Nitrobenzoesäureamid  173 

o-Nitrobenzoesäurenitril  173 

m-Nitrobenzoesäure  .  .  173 
m  -  Nitrobenzoesäureme  - 

thylester 174 

m-Nitrobenzoesäureäthyl- 

cster 174 

m-Nitrobenzoesäurechlorid  174 

m-Nitrobenzoylcyanid  .  1 74 
m-Nitrobenzoesäureanhy- 

drid 174 

m-Nitrobcnzamid .     .     .  1 74 

m-Nitrobenzonitril     .     .  174 

p-Nitrobenzoesäure  .  .  174 
p-Nitrobcnzoesäuremcthyl- 

ester 174 

p-Nitrobenzoesäureäthyl- 

ester 175 

p-Nitrobenzoesäureamid  175 

p-Nitrobenzoesäurenitril  175 

0-0-Dinitrobenzoesäure .  175 

o-m-Dinitrobenzoesäure  175 

o-p-Dinitrobenzoesäure  .  175 

m-m-Dinitrobenzoesäure  175 

m-p-Dinitrobencoesäure  176 

Trinitrobenzoesäure  .     .  176 

Chlomilrobenzoesäuren  176 

Bromnitrobenzoesäuren .  176 

Dibromnitrobcnzoesäuren  177 

Jodnitrobenzoesäuren     .  177 

o-Amidobenzoesäure  .  178 
Acetyl-o-Amidobenzoesäurei  79 
Benzoyl-o-Amidobenzoe- 

säure 179 

Dicyanamidobenzoyl  179 

Oxäthylamidobenzoyl     .  179 

o-Bcnzglycocyamidin  .  179 
o-Methylbenzglycocyamidin  1 80 

m'Amidobenzoesäure  180 
m-Amidobenzoesäureme- 

thyläther 180 

m  -  Amidobenzoesäureä  - 

thyläther    .....  180 


m-Amidobenzamid     .     .  180 

m-Amidobentonitril  .     .  180 

Methylamidobenzoesäure  180 
Dimethylamidobenzoesäure  18 1 
Dimethylamidobenzoe- 

säuremetJ^yläther      .     .  181 

Trimethylbenzbetain       .  i8i 

Aethylamidobenzoesäure  181 

Diäthylamidobenzocsäure  181 

Diallylamidobenzoesäure  181 

Acetylamidobenzoesäure  181 

Succinamidobenzoesäure  181 

Succindiamidobenzoesäure  181 
m-Amidobenzoesäureper- 

cyanid 182 

Cyancarbimid-m-Amido- 

benzoesäure  .  .  .  .  182 
m-Oxäthylcarbimidamido- 

benzoesäure   ....  182 

m-Benzglycocyarain  .     .  182 

Methylbenzglycocyamin  183 

Phenylbcnzglycocyamin  183 

Naphthylbenzglycocyamin  183 
Amidophenylbenzglyco- 

cyamin 183 

Carbimid-m-Amidoben- 

zoesäure 183 

m-Cyanamidobenzoesäure  183 

p-Amidobenzoesäure      .  184 

p-Amidobenzoesäureamid  184 

p-Amidobenzoesäurenitril  184 
Dimethyl-p-Amfdobenzoe- 

säure 184 

D  iäthyl-p- Amidobenzoe- 

säure 184 

Oxäthyl-p-Amidobenzc  j- 

säure 184 

Acetyl  -  p  -  Amidobenzoe  - 

säure 184 

Bcnzoyl-p-Amidobenzoe- 

säure 184 

Oxysuccinyl-p-Amidoben- 

zoesäure 184 

m-Urethanbenzoesäure  .  185 
m-Urethanbenzoesäureäthyl- 

äther 185 

m-Urelhanbenzoesäur-  amid  185 

o-Uramidobenzoesäure    .  18$ 

Uramidobenzoyl    .     .     .  185 

m-Uramidobenzoesäure  .  185 
m-Uram  idoben  zoesäu  r  e- 

äthyläther 186 

m-Uramidobenzoesäure- 

amid 186 

Aethyl-ra-Uramidobenzoe- 

säure 186 

p-Uramidobenzoesäure   .  186 

Nitrouramidobenzoesäuren  186 
Amidouramidobenzoe- 

säuren 186 

Dinitrouramidobenzoe- 

säure 187 

m-Thiouramidobenzoe- 

säure 187 

m-Harnstoflfbenzoesäure  187 
m-Hamstofifbenzoesäure- 

äthyläther 187 


650 


Register. 


p-Hamstoffbenzoesäure .  187 
xn-Schwefelharnstoffben- 

zoesäure  .  .  .  .  .  187 
Senfölbenzoesäure  .  .  188 
Diamidobenzoesäure  .  188 
Hexamethyldiamidobenzoe- 

säure 189 

Triamidobenzoesäure  .  189 
Chloramidobenzoesäuren  189 
Trichloramidobenzoesäure  189 
Bromamidobenzoesäuren  190 
Dibromamidobenzoe^äure  190 
Tribromamidobenzoesäure  190 


Jodamidobenzoesäure 
Dijodamidobenzoesäure 
Nitroamidobenzoesäuren 
Dinitro  -  o  -  amidobenzoe 

säure 

Dinitro-p-  amidobenzoes. 
Benzoylglycolsänre 
BenzoylglycolsäureäthyL 

äther 

Benzoylmilchsäure 
BenzoylmQchsäureäthyl- 

ather 

Benzoylweinsäure 


190 
190 
190 

191 
192 
192 

»93 
193 

193 
193 


Benzoylweinsäureäthyläther  193 
Aethylbenzoylweinsäure  193 
Aethylbenzoylweinsäore' 

äthyläther 193 

D  ibenzoylweinsäureanhy- 

diid 194 

BenzoyltraubensäuTeäther  194 
BenzoylisäthioDsäure  .  194 
Benzoylcarbaminsäure- 

äthyläther  ....  194 
Benzoylhamstoff  .  .  .  194 
Aethylbenzoylharastoff  .  194 
Dibenzoylhamstoff  .  .  194 
BeDzoylallophansäureätfaer  194 
Benzoylthiocarbaminsäure  194 
Benzoylthiocarbaminsäure- 

methyläther  ....  195 
Benzoylthiocarbaminsäure- 

ätfaylätfaer 195 

Benzoylöüocarbaminsänre- 

phenyläther  ....  195 
Benzoylöiiobanistoff .  .  195 
Aethylbenzoyltfaiohamstoff  195 
Phenylbenzoylüüohamstoflf  195 
Nitrophenylbenzoylüüo- 

hainstoff 195 

Benzylbenzoylthiohanistoff  195 
p>TolyIbenzoyltfaioham- 

stoff 195 

Naphtylbenzoylthiobam- 

Stoff 195 

HippuTsäure    ....  195 

Hippursäuremetfaylätiier  197 

Hippursänreäthyläther    .  197 

Hippursäurebntylätfaer    .  197 

Hippursäureamid .     .     .  197 

Chlorhippuisänre  .     .     .  198 

Dicblorhippursäure    .     .  198 

Bromhippursäure  .     .     .  198 

Jodhippursäure      .     .     .  198 

p-Nitrohipporsäure    .     .  198 


m-Nitrohippursäure    .     .  198 

m-Uramidohippursäure    .  1991 

Hippurylamidoessigsäure  199 
Hippurylamidoessigsäure- 

äthyläther 199 

Hippurylamidoessigsäure- 

amid 199 

Benzoyldiamidoacetylamid- 

essigsäure  .  .  .  .  199 
Benzoyldiamidovalerian- 

säure 199 

Dibenzoylamidovalerian- 

säure 199 

Benzoylamidocapronsäure- 

anhydrid 199 

Benzophosphinsäure .  .  199 
Benzophosphorsäurechlorid200 
Trimethylphosphorbenz  - 

betaYn 200 

p-Benzarsinsäure  .     .     .  200 

•  Arsinobenzoesäure     .     .  200 

Benzarsinjodttr      .     .     .  200 

BenzarsinchlorOr  .     .     .  200 

p-benzarsinige  Säure      .  201 

p-Dibenzarsinsäure    .     .  201 

Dibenzaisinjodür  .     .     .  201 

Dibenzarsinige  Säure  201 

p-Tribenzarsinsäure   .     .  201 

a-Thiobenzoesäure  .  .  201 
Thiobenzoesäureäthyläther  201 
Thiobenzoesäurephenyl- 

äther 201 

Thiobenzoesäuretolyläther  202 
Thiobenzoesäurebenzyl' 

äther 202 

Benzoylsulfid  ....  202 

Benzoyldisulfid     .     .     .  202 

ß-Thiobenzoesäure     .     .  202 

Dithiobenzoesäure     *  202 

p-Chlordithiobenzoesäure  202 

Thiobenzamid ....  202 

Benzimidothioäthyläiher  203 

Benzimidothiomethyläther  203 

Benzimidothiobenzyläther  203 

Amidothiobenzamid  .     .  203 

Bensol 203 

Hexahydroxybenzol  .     .  205 

Benzolhexachlorid      .     .  205 

Benzolhexabromid     .     .  205 

Unterchlorigsäure-Benzol  205 

Aluminiumchlorid-Benzol  205 

Chlorbenzol     ....  206 

Dichlorbenzol ....  206 

Trichlorbenzol      .     .     .  207 

Tetrachlorbenzol  .     .     .  207 

Pentachlorbenzol  .     .     .  207 

Hexachlorbenzol  .     .     .  207 

Brombenzol      ....  208 

Dibrombenzol ....  208 

Tribrombenzol      .     .     .  208 

Tetrabrombenzol  .     .     .  209 

Pentabrombenzol  .     .     .  209 

Hexabrombenzol  .     .     .  209 

Chlorbrombenzol .     .     .  209 

Jodbenzol 209 

Dijodbenzol     ....  309 

Trijodbenzol    ....  210 


'  Chloijodbenzol     .     .     .  210 

Bromjodbenzol      .     .     .  210 

Nitrobenzol      ....  210 

Dinitrobenzol  .     .     .     .  211 

Trinitrobenzol       .     .     .  211 

Chlomitrobenzol  .     .     .  211 

Chlordinitrobenzol    .     .  212 

Dichlomitrobenzol    .     .  213 

Dichlordinitrobenzol      .  213 

Trichlomitrobenzol   .     .  213 

Trichlordinitrobenzol      .  213 

Tetrachlomitrobenzol     .  213 

Pentachlomitrobenzol     .  214 

Bromnitrobenzol  .     .     .  214 

Bromdinitrobenzol    .     .  214 

Dibromnitrobenzol    .     .  215 

Dibromdinitrobenzol  215 

Tribromnitrobenzol   .     .  215 

Tribromdinitrobenzol  216 

Tetrabromnitrobenzol  2.1 6 

Tetrabromdinitrobenzol .  216 

Chlorbromnitrobenzol    .  216 

Jodnitrobenzol      .     .     .  216 

Joddinitrobenzol  .     .     .  216 

m-Dijodnitrobenzol  .     .  217 

Chlorjodnitrobenzol  .     .  217 

Bromjodnitrobenzol  .     .  217 

Triphenylstibin     .     .     .  217 

PhenylarsenchlorUr    .     .  217 

Phenylarsentetrachlorid  .  218 

Phenylaisenbromür    .     .  218 

Phenyldimethylarsin  .     .  218 
Phenyltrimethylarsoninm- 

Jodid 218 

Phenyldiäthylarsin     .     .  218 
Phenyltriäthylarsoninm- 

Jodid 218 

Diphenylarsenchlorttr     .  218 

Diphenylarsentrichlorid .  219 

DiphenylarsenbromOr     .  219 

Diphenylmethylarsin .     .  219 
Diphenyldimetfaylarsoiiii]iii> 

Jodid 219 

Diphenyläthylarsin    .     .  219 
Diphenyläthykusindidilo- 

rid 219 

Diphenyldiäthylarsonhim- 

Jodid 219 

BiphenylmethyltdiyUaso- 

niumjodid      ....  219 

Triphenylafsin       .     .     .  219 

Triphenylatsinhydroxyd .  219 

Triphenylarsindichlorid  .  219 

Phenylarsenoxyd  .     .     .  219 

Phenylarsinsänie  .     .  220 

Phenylarsinsäoreanhydrid  220 

Phenylarsinsänrechlorid  220 

Diphenylarsenoxyd    .     .  220 

DiphenylarsinsSnre    .     .  220 

TriphenylarsinhydiojLyd .  220 

Triphenylarsenoxyd  .  220 

Phenylarsensolfid  .     .     .  230 

Phenylarsensesquisiüfid  .  220 

Triphenylaisen^lfid  .     .  220 

Arsenobenzol  ....  220 

Jodarsenbenzol     .     .     .  221 

Phenylpho^hiB    .     •     ,  22  t 


Register. 


6SI 


Phosphenylchlorid  .  .  221 
Phosphenyltetrachlorid  .  222 
Phosphenylbromid  ,  .  222 
Phosphenyltetrabromid  .  222 
Phosphenylhexabromid  .  222 
Phosphenylcblorobroinid  ^22 
Phosphenylchlorotetrabro- 

mid  222 

Phenyldimethylphosphin  222 
Phenyltrimethylphospho- 

niumjodid  ....  222 
Phenyldiäthylphosphin  .  222 
Phenyldiäthylphosphinchlo- 

rid 222 

PheDyldiätIiylphosphinoxyd2  22 
Phenyldiäthylphosphinsul- 

fid 222 

Phenyltriäthylphosplioniuin- 

Jodid 222 

Phenyldimethyläthylphos- 

phoniumjodid  .  .  .  222 
Phenyldimethylbromäthyl- 

phosphoniumbromid  .  222 
liienylmethyldiätKylphos- 

phoniumjodid  .  .  .  222 
AethylentetTamethyldiphe- 

nylphosphoniumbromid  222 
Diphenylphosphin  .  .  222 
DiphenylphosphinchloTür  223 
Diphenylmetfaylpliosphin  223 
Diphenyldiäthylphospho- 

niumjodid 223 

Diphenyläthylphosphin .  223 
Diphenyldiäthylphospho- 

niuiDJodid  ....  223 
Diphenyläthylmethylphos- 

phoniuzDJodid  .  .  .  223 
Triphenylphosphin  .  .  223 
Triphenylmethylphospho- 

niumjodid 223 

MethylcDhexaphenylphos- 

phonimnjodid  .  .  .  223 
Aethylenhexaphenyl  .  .  223 
Phosphenylige  Säure  223 

Phosphenylsäure  .  .  .  224 
Phosphenylsäaredixnethyl- 

äther 224 

Phosphenylsäarediäthyl- 

ätfaer 224 

Phenylphosphenylsäure  .  224 
Aethylphosphenylsäure  .  224 
Phosphenylsäurecblorid .  *  224 
Nitrophosphenylsäure  224 

Amidophosphenylsäure  .  224 
Diazophosphenylsäure  .  224 
Diphenylphosphinsäure .  224 
Diphenylphosphinsäure- 

äthyläther 225 

Phosphenylsulfid  .  .  .  225 
Isophosphenylsuliid  .  .  225 
Isophenylsulfbchlorid  225 

Phosphobenzol  .  .  .  225 
Diphosphobenzol  .  .  225 
Phenylborchlorid .  .  .  225 
Phenylborsäure  .  .  .  226 
Pheoylboroxyd  .  .  .  226 
Phenylsiliciumcfalorid       .  226 


227 
227 


227 
227 
227 
227 
227 


Ortfaosilicobenzoeäther  .  226 
Silicobensoesäure  .  .  226 
Silicobenzoesäureanhy- 

drid 226 

Phenylsiliciumtriäthyl  .  226 
Queclcsilberdiphenyl .  .  226 
Quecksilberphenylcblorid  227 
QuecksilbeTphenylbromid  227 
Quecksilberphenyljodid .  227 
Quecksilberphenylcyanid  227 
Quecksilberphenylrhoda- 

nid 

Quecksilberphenylnitrat 
Quecksilbeiphenylformiat  227 
Quecksilberphenylacetat  227 
Quecksilbeiphenyloxyhy- 

drat 

Quecksilberphenylsäure . 
Zinnphenyltriäthyl  .  . 
ZiDnphenyläthylchlorid  . 
Zinndiphenylchlorid  .  . 
Zinndiphenylhydroxylchlo  - 

rid 228 

Zinndiphenyloxyd  .  .  228 
Zinndiphenylbroxnid  .  .  228 
Zinndiphenylchlorobromid  228 
Zinndiphenylchlorojodid  228 
Zinndiphenyldiäthyloxyd 
ZinDtriphenylchlorid  . 
Benzylverbindungen  . 
Benzylchlorid  .  .  . 
Chlorbenzylchlorid  . 
Dichlorbenzylchlorid 
Trichlorbenzylchlorid 
Tetrachlorbenzylchlorid 
Pentachlorbenzylchlorid 
Nitrobenzylchlorid  . 
Benzylbromid  .  .  . 
Chlorbenzylbromid  . 
Brombenzylbromid  . 
Jodbenzylbromid  .  . 
Nitrobenzylbromid  . 
Benzyljodid  ... 
Benzylalkohol .  .  . 
Chlorbenzylalkohol  . 
Dichlorbenzylalkohol 
Trichlorbenzylalkohol 
Tetrachlorbenzylalkohol 
Pentachlorbenzylalkohol 
Brombenzylalkohol  .  . 
Jodbenzylalkohol .  .  . 
Nitrobenzylalkohol  .  . 
Methylbenzyläther  .  . 
Aethylbenzyläther  .  . 
p-Chlorbenzyläthyläthcr . 
Benzylphenyläther  .  . 
BenzylmonochlorpheDyl- 

äther 

Benzylmonobromphenyl- 

äther 235 

Trinitrobenzylphenyläther  235 
Benzyl-o-Cresyläthsr .  .  235 
Trinitrobenzyl-o-Kresyl- 

äther 235 

Benzyl-p-Kresyläther  .  235 
Benzyläther  ....  236 
Salpetersäure-Benzylester    236 


228 
228 
228 
230 

231 
231 

231 
231 
221 
231 
232 
232 
232 
232 
232 
232 
233 
234 
234 
234 
234 
234 
234 
234 
234 
235 
335 
23s 
235 

235 


Salpetersäure-p-Nitroben- 

zylester 236 

Essigsäure-Benzylester  .  236 
Essigsäure-p-Chlorbenzyl- 

ester 236 

Essigsäure-m-p-Dichlor- 

benzylester  ....  236 
Essigsäure-p-Brombenzyl- 

ester 236 

Essigsäure-p-Nitrobenzyl- 

ester 236 

Propionsäure-Benzylester  236 

Buttersaure-Benzylester  .  236 

Isobuttersäure-Benzylester  237 

Oxalsäure-Benzylester  .  237 
Bernsteinsäure-BeDzylester  237 

Adipinsäure      .     .     .     .  237 

Oxaminsäure    ....  237 

Carbaminsäure      .     .     .  237 

Orthoameisensäure    .     .  237 

Benzylsulfacetsäure  .  .  237 
Sulfocyansäure-Benzylester  237 
Sulfocyansäure-p-CUor- 

benzylester  ....  238 
Sulfocyansäure-p-Bromben- 

zylester 238 

Sulfocyansäure-o-Bromben- 

zylester 238 

Sulfocyansäure-p-Jodben-. 

zylester 238 

Sulfocyansänre-p-Nitroben- 

zylester 238 

Selencyansäure-Benzyl- 

ester 238 

Sdencyansäure-p-Nitro- 

benzylester 238 

Ortho-Oxybenzylalkohol  238 

Methyläther     ....  239 

Aethyläther      ....  239 

Chlorsaligenin      .     .     .  239 

Saliretin 239 

Salireton 239 

Meta-Oxybenzylalkohol .  239 

Para-Oxybenzylalkohol  .  240 

Anisalkohol     ....  240 

Benzylselenid  ....  240 

Benzylselenidnitrat    .     .  240 

Benzylselenidchlorid .  .  240 
Benzylselenid-Pladnchlorid  240 

Benzyldiselenid  .  .  .  240 
Benzyldimethylselentri- 

jodid 240 

Benzylselenige  Säure    •.  240 

Benzylamin      .     .     .     .  241 

Cyanbenzylamin  .     .     .  241 

p-Chlorbenzylamin    .     .  241 

o-Brombenzylamin     .     .  242 

p-Jodbenzylaxnin  .     .     .  242 

Dibenzylaroin  ....  242 

Nitrosodibenzylamin  242 

Dichlordibenzylamin      .  242 

Di-o-Bromdibenzylamin .  242 

Di-p-Bromdibenzylamin .  243 

Di-p-Joddibenzylamin    .  243 

Di-p-Nitrodibenzylamin .  243 

Di-p-Amipodibenzylamin  243 

Tribenzylamin ,     .     .     ,  243 


652 

Tri-p-Chlortribenzylamin  243 
Tri-o-Bromtribenzylamin  244 
Tri-p-Bromtribenrylamin  243 
Tri-p-Jodtribenzylamin  .  244 
Tri-p-Nitrotribenzylamin  244 
Tri-p-Amidotribenzylamin  244 
Tetrabenzylammonium- 

chlorid 244 

Diäthylbenzylamin  .  .  244 
TriäthylbenzylammoTiium- 

chlorid 244 

Triäthylbenzylammonium- 

jodid 244 

Triäthylbenzylammonium- 

perjorlid 245 

Glyoxalinbenzylchlorid  .  245 
ßenzylanilln  ....  245 
p-Nitrobenzylanilin  .  .  245 
p-Amidobenzylanilin  .  245 
Dimetbylphenylbenzylam- 

moniumhydroxyd  .  .  245 
Diphenylbenzylamin .  .  246 
Aethyldibenzylamin  .  .  246 
Diäthyldibenzyljodid  .  246 
Dibenzyltoluidin  .  .  .  246 
Dibenzylchiysoidin  .  .  246 
Methyltribenzylammonium- 

hydroxyd 246 

Aethyltribenzylammonium- 

hydroxyd 246 

Benzylacetamid  .  .  .  246 
Nitrobenzylacetamid .  .  246 
Dibenzyloxamid  .  .  .  246 
Benzylcarbaminsaures  Bcn- 

zylamin 247 

BenzylharnstofT  .  .  .  247 
DibenzylhamstofF  .  .  247 
BenzylphenylhamstofF  247 
Benzylqranamid  .  .  .  247 
Tribenzylmelamin  .  .  247 
Dibenzylcyanamid  .  .  247 
Dibenzylguanidin  .  .  248 
Benzylsulfoharnstoff .  .  248 
DibenzylsulfoharnstofF  .  248 
BeDzylselenharnstofT .  .  248 
Dibenzylselenhamstoff  .  248 
Benzylphosphin  .  .  .  248 
Dibenzylphosphin  .  .  249 
Triäthylbenzylphosphonium- 

chlorid 249 

Bemsteinsäure  ....  249 
Bernsteinsäuremethylester  253 
Bernsteinsäureäthylester .  253 
Succinylobemsteinsäure- 

ester 253 

Succinylobemsteinsäuremo- 

noäthylester  .  .  .  .  254 
Succinylobemsteinsäure  254 
Succinylopropionsäure- 

äthylester .  .  -  .  .  255 
Chinontetrahydrtir  .  .  255 
Chinonhydrodicarbonsäure- 

ester 255 

Chinonhydrodicarbonsäure  256 
Perchlorbemsteinsäure- 

ester 257 

,      Aethylbemsteinsäure  257 


Register. 

Bemsteinsäure-Isopropyl- 

ester 25 

Bemsteinsäure-Amylestcr  25 

Bemsteinsäure-Cetylester  25 
Bemsteinsäure-Aethylester  25 

Oxäthylbemsteinsäure    .  25 

Succinylglycerin   .     ,     .  25 
Aethylbemsteinsäure-Milch- 

säureester 25 

Succinylodimilchsäureester  25 

Bemsteinsäureanhydrid  .  25 

Succinylchlorid     .     .     .  25 

Succinamid       .     .     .     .  25 

Dimethylsuccinamid  .     .  258 

Succinaminsäure  .     .     .  258 

Succinimid 258 

Jodsuccinimid .     .     .     .  259 

Trisuccinamid ....  259 

Methylsuccinimid       .     .  259 

Aethylsuccinimid  .     .     .  259 

Monochlorbemsteinsäure  259 
Monochlorbernsteinsäure- 

anhydrid 259 

Monobrombernsteinsäure  259 
Monobrombemsteinsäure- 

äthylester 260 

Monobrombemsteinsäure- 

anhydrid 260 

Dibrombcmsteinsäure    .  260 
Dibrombemsteinsäureme- 

thylester 260 

Dibrombernsteinsäureäthyl- 

ester 261 

Methyldibrombemstein- 

säure    .     .     .     .     .     .  261 

Aethyldibrombemstein- 

säure 261 

Dibrombernsteinsäureme- 

thyläthylester .     .     .     .  261 
Dibrombernsteinsäurean- 

hydrid 261 

Isodibrombemsteinsäure  26 1 
Isodibrombemsteinsäure- 

anhydrid 261 

Tribrombemsteinsäure    .  261 

Amidobernsteinsäure      .  262 
Inneres  Amid  derAspara- 

ginsäure 263 

Broroamidobemsteinsäure  263 

Asparagin 263 

Diamidobemsteinsäure   .  264 
Diamidobemsteinsäuredi- 

äthylester 264 

Diamidobemsteinsäuredi- 

amid 264 

Sulfobemsteinsäure   .     .  265 

Thiobemsteinsäure    .     .  265 
Thiobemsteinsäureanhy- 

drid 265 

Isobernsteinsäure  .     .     .  265 
Isobemsteinsäureäthylester  266 

Acetylendicarbonsäure  .  266 
Acetylendicarbonmethyl- 

ester 266 

Propargylsäure      .     .     .  266 

Beryllium 267 

Berylliumchlorid  .     .     .  268 


Berylliumbromid  . 

Berylliumjodid 

Berylliumfluorid    . 

Berylliumoxyd .     . 

Berylliumoydhydrat 

^erylliumsulfid 

Berylliumphosphid 

Silicium-Beryllium 

Berylliumnitrat     . 

Berylliumsulfat     .     . 

Beryllium-Kaliumsulfat 

Berylliumsulfit 

Berylliumselenit 

Berylliumtellurit 

Berylliumtellurat   . 

Berylliumcarbonat 


Beryllium-KaUumcarbonat  271 

Berylliumsilicate   .     .     .  271 

Berylliumphosphate   .     .  271 

Berylliumphosphit      .     .  271 

Berylliumarseniat  .     .  271 

Berylliumsulfarseniat      .  271 

Reactionen  des  Berylliums  271 
Bestimmung  des  Berylliums  272 

Bier 272 

Blei 286 

Bleisuboxyd     ....  291 

Bleioxyd 291 

Bleitetroxyd     ....  292 

Bleisesquioxyd      .     .     .  293 

Bleisuperoxyd ....  293 

Bleihydroxyd    ....  294 

Bleichlorid 294 

Bleibromid 295 

Bleijodid 295 

Bleioxyjodid     ....  295 

Bleichlorojodid      ...  295 

Bleifluorid 295 

Bleisulfid 296 

Selenblei 296 

Salpetrigsaures  Blei  .     .  296 

Salpetersaures  Blei    .     .  297 

Chlorsaures  Blei   ...  297 

üeberchlorsaures  Blei    .  297 

Bromsaures  Blei  .     .     .  297 

Jodsaures  Blei       ...  297 

Uebeijodsaures  Blei  .     .  297 

Unterschweiligsaures  Blei  297 

Schwefligsaures  Blei       -  297 

Schwefelsaures  Blei  .     .  297 
Unterphosphorigsaures  Blei  29S 

Phosphorigsaures  Blei  "'^ 
Phosphorsaures  Blei 
Borsaures  Blei      .     . 
Kohlensaures  Blei     . 
Legirungen  des  Bleis 
Analytisches  Verhalten 


269 
269 
269 
269 
270 
270 
270 
270 
270 
270 
270 
271 
271 
271 
271 
271 


Bleicherei     .     . 

Blot      .... 
Hämoglobin     . 
Oxyhämoglobin 
Methämoglobin 
Kohlenoxydhämoj 
Hämochromogen 
Hämatin 
Hämin    . 


iglobin 


298 
298 
29S 

299 
300 

301 

3» 
3" 
312 
313 
314 
3  »4 
3»4 
314 


Register. 


653 


Boden 

Huminsäure  .  . 
Carbohuminsäure 

Bor 

Borwasserstoff .  . 
Borsäureanhydrid . 
Borsäure  .  .  . 
Metaborsäure  .  . 
Tetraborsäure  .  . 
Analytisches  Verhalten 

Brom 

Bromwasserstoff  .  . 
Unterbromige  Säure. 
Bromsäure  .... 
Ueberbromsäure  .  . 
ArsenbromUr 
Bortribromid 

Brot      .     .     . 


Butter .     .     . 
Kunstbutter 

Buttersäure  . 

Buttersäure-Methylester 

Buttersäure-Aethylester 

Buttersäure-Propylester 

Buttersäure-Butylester 

Buttersäure-Amylester 

Buttersäure-Hexylester 

BuUersäure-Octylester 

Buttersäure-Cetylester 

Buttersäure- Allylester 

Buttersäure-Aethylenester 

Buttersäure  des  Aethylen- 

chlorhydrins  .... 
Buttersäure-Essigsäure- 

Aethylenester  .  .  . 
Buttersäure-Glycerinester 
Butyrylchlorid  .... 

Dibutyryl 

Butyrylbromid  .  .  . 
Butyryljodid  .... 
Butyrylcyanid  .... 
Buttersäureanhydrid  .  . 
Buttersaures  Chlor,  Brom, 

Jod 

Butyrylsuperoxyd .     .     . 

Butyramid 

Quecksilberbutyramid  . 
Thiobuttersäure  .  .  . 
a-Chlorbuttersäure  .  . 
ß-Chlorbuttersäure  .  . 
Dichlorbuttersäure  .  . 
Trichlorbuttersäure  .  . 
Trichlorbuttersaure  Salze 
Tetrachlorbuttersäure  . 
a-Monobrombuttersäure 
a-Monobrombuttersäure- 

äthylester 

o-Brombutyrylbromid  . 
ß-Brombuttersäure  .  . 
Dibrombuttersäure  .  . 
Tribrombuttersäure  . 
Tetrabrombuttersäure 
Chlordibrombuttersäure . 
Chlortribrombuttersäure  . 
Jodbuttersäure  .... 


330 

337 
337 

353 
354 
355 
355 
356 
356 
357 

357 
362 

363 
364 
365 
365 
365 

365 

372 
379 
380 
384 
385 
385 
385 
385 
385 
385 
385 
385 
385 

385 

385 
385 
385 
385 
386 
386 
386 
386 

386 
386 
386 
386 
386 
386 
386 
387 
387 
387 
387 
387 

388 
388 
388 
388 
388 
388 
388 
388 
388 


a  -  Cyanbuttersäureäthyl- 

ester 388 

a-Brombuttersäureester  .  388 
Isonitrosobuttersäure  .  389 
a-Sulfobuttersäure  .  .  389 
a-Sulfobuttersäuresalze  .  389 
ß-Sulfobuttersäure  .  .  389 
ß-Sulfobuttersäuresalze  .  389 
a-Amidobuttersäure  .  .  389 
a-Amidobuttersäuresalze  389 
Methyl-a-Amidobuttersäure  389 
Methyl-a-Amidobuttersäure- 

sake 389 

Aethyl-a-Amidobuttersäure  389 
Aethyl-a-Amidobuttersäure- 

salze 390 

ß-Amidobuttersäure  .  .  390 
Isobuttersäure ....  390 
Isobuttersaure  Salze  .  391 
Isobuttersäure-Aethylester  391 
Isobuttersäure-Propylester  391 
Isobuttersäure-Isobutyl- 

391 
391 
391 
391 
391 
391 
391 
392 
392 


Isobuttersäure-Amylester 
Isobutyrylchlorid  .  . 
Isobutyrylbromid  .  . 
Isobutyrylcyanid  .  . 
Isobuttersäureanliydrid 
Isobutyramid  .  .  . 
Diisobutyramid  .  . 
Trichlorisobuttersäure 
Trichlorisobuttersäuresalze  392 

o-Bromisobuttersäuresalze  392 
o-Bromisobuttersäureäthyl- 

ester 392 

ß-Bromisobuttersäure      .  392 

Dibromisobuttersäure     .  392 

Tribromisobuttersäure    .  392 

Tetrabromisobuttersäure  393 

Jodisobuttersäure .     .     .  393 

a-Amidoisobuttersäure    .  393 
a-Amidoisobuttersäuresalze  393 

Butylene 394 

a-Butylen 394 

ß-Butylen 395 

Isobutylen 395 

Substitutionsprodukte  der 

Butylene 396 

Nitro- Isobutylen   .     .     .  397 

Butylen-Glycole    .     .     .  397 
Stickstoff  basen  der  Butylene398 

Isodibutylen     ....  398 

■Isotributylen    ....  398 

Butylverbindungen     .     .  399 

Butane 400 

Chlorderivate  der  Butane  401 

Bromderivate  der  Butane  402 

Jodderivate  der  Butane  .  403 

Butylalkohole  ....  404 

Ester  der  Butylalkohole  408 

Isobutylxanthogensäure .  409 

Butyläther 409 

Aethylbutyläther   .     .     .  410 

Nitrobutane     .     .     .  410 

Salze  der  Nitrobutane    .  410  ' 

Isobutylnitrolsäure     .  41 1 

Pseudobutylnitrol      ,      '  ^11 


Butylamine      .     .     .     .  411 

Salze  der  Butylamine    .  411 

Isobutylphosphine     .     .  413 
Isopropylisobutylphosphin  413 

Isobutylphosphinsäure    .  413 

Triisobutylarsin    .     .     .  413 
Isobutylmetallverbindun  - 

gen 


Cadmium 

Darstellung  .  .  . 
Eigenschaften  .  .  . 
Cadmiumoxyd .  .  . 
Cadmiumhydroxyd  . 
Cadmiumchlorid  .  . 
Cadmiumbromid  .  . 
Cadmiumjodid  .  . 
Ciidmiumfluorid  .  . 
Cadmiumfluorsilicat  . 
Cadmiumsulfid  .  . 
Cadmiumpentasulfid  . 
Cadmiumselenid  .  . 
Cadmiumtellurid  .  ., 
CadmiumphosphUr  . 
Cadmiumnitrat  .  . 
Cadmiumchlorat  .  . 
Cadmiumperchlorat  . 
Cadmiumbromat  .  . 
Cadmiumjodat  .  . 
Cadmiumnitrit  .  . 
Cadmiumsulfat  .  . 
Cadmiumsulfit .  .  . 
Cadmiumphosphate  . 
Cadmiummetaphosphat 
Cadmiumcarbonat 
Cadmiumborat  .  . 
Analytisches    Verhalten 

des  Cadmiums    .     . 
Quantitative  Bestimmung 

Cäsium  ..... 
Cäsiumhydroxyd  .  . 
Chlorcäsium  .  .  . 
Schwefelsaures  Cäsium 
Salpetersaures  Cäsium 
Kohlensaures  Cäsium 
Silicowolframsaures   Ca- 


Analytisches  Verhalten 

Calcium    .... 

Vorkommen     .     . 

Darstellung      .     . 

Eigenschaften  .     . 

Calciumoxyd    .     . 

Calciumhydroxyd  . 

Calciumhydroxyd   Dar- 
stellung    .     .     . 

Calciumsuperoxyd 

Calciumchlorid 

Calciumoxychlorid 

Calciumfluorid 

Calciumbromid     . 

Calciumjodid   .     . 

Calciummonosulfid 

Calciumsulfhydrat 

Calciumtetrasulfid 
Calciumpentasulfid 
Selencalcium  .     . 


414 

415 
416 
416 
417 
417 
417 
418 
418 
418 
418 
418 

419 
419 

419 
419 
420 
420 
420 
420 
420 
420 
420 
420 
421 
421 
421 
421 

422 

422 

422 
425 
425 
425 
425 
425 

426 
426 

426 
427 
428 
428 
429 
430 

431 
433 
434 
435 
435 
435 
435 
435 
435 
436 
436 
436 


654 


Register. 


PhosphoTcalcium .     . 
Calciumnitrit    .     .     . 
Calciumnitrat  .     .     . 
Calciumchlorat      .     . 
Calciumperchlorat 
Calciumbromat      .     . 
Calciumjodat  -.     .     . 
Calciumperjodat   .     . 
Caiciumhypochlorit    . 
Chlorkalk    .... 
Technische  Darstellung 
Chlorimetrie     .     .     . 
Caiciumhypobromit  . 
Calciumhypojodit 
Calciumsulfit    .     .     . 
Calciumsulfat  ... 
Calcium-Ammoniumsulfat  444 
Calciumthiosulfat .     . 
Calciumdithionat .     . 
Calciumselenit      .     . 
Calciumselenat     .     . 
Calciumtellarit      .     . 
Calciuihtellurat     .     . 
Calciumorthophosphate 
Calcium  pyrophosphate 
Calciummetapbosphat 
Calciumhypophosphat 
Calciumphosphit  .     . 
Calciumhypophosphit 
Calciumarseniat    .     . 
Caiciumarsenit      .     . 
Calciumantimoniat     . 
Calciumcarbonat  .     . 
Barium-Calciumcarbonat 
Calciumsilicate     . 
Calciumfluosilicat 
Calciumborate .     . 
Calciumliuoborat . 
Calciumaluminat  . 
Analytisches      Verhalten 

der  Calcium  Verbindungen  450 
Trennung  und  quantita- 
tive Bestimmung     .     .     450 

Campher 451 

Menthol 452 

Mentholnatrium  .  .  .  454 
Menthylchlorid  .  .  .  454 
Menthylbromid  .  .  .  454 
Menthylacetat  ....  454 
Menthylbutyrat  .  .  .  454 
Menthylurethan  .  .  .  454 
Menthylcarbonat  .  .  .  454 
Dimenthen       ....     454 

Borneol 454 

Bomeolnatrium  .  .  .  454 
Bomeohnethylätfaer  .  .  454 
Bomeoläthyläther  .  .  454 
Bomeoläther  ....  454 
Bomeolchlorid  .  .  .  454 
Bomeolbromid  .  .  .  455 
Bomeolformiat  .  .  .  455 
Bomeolisovalerianat .  .  455 
Bomeolurethan  .  .  .  455 
Bomeolkohlensäure  .     .     455 

Bomeen 455 

Bomeocampher  .  .  .  455 
linksborneol  ....  455 


436 

436 

436 

437 

437 

437 

437 

437 

437 

437 

438 
441 

441 

441 

441 

442 


445 
445 
445 
445 
445 
446 
447 
447 
447 
447 
447 
447 
447 
447 
449 
449 
449 
449 
450 

450 


pher 


Cajuputol    . 

Cajuputon  . 

Isocajuputon 

Paracajuputon 

Cajuputolhydrat 

Corianderöl 

Geraniol 

Geraniolchlorid 

Geranioläther 

Citronellol  . 

Hopfenöl    . 

Angosturaöl 

Rosmarin  ölcampher 

Gewöhnlicher  Campher, 
Laurinol    .     , 

Campherchlorid 

Methyl-Aethylcam] 

Thiocampher 

Campheroxim 

Monochlorcampher 

Dichlorcampher 

Monobromcampher 

Dibromcampher 

Jodcampher      . 

Bromnitrocampher 

Nitrocampher  . 

Amidocampher 

Campherimid  . 

Diaxocampher . 

Cyancampher  . 

Oxycampher    . 

Nitrooxycampher 

Amidooxycampher 

Camphocarbonsäure 

Linkslaurinol  . 

Alantol  .     .     . 

Eucalyptol  .     . 

Mjrristicol    .     . 

TannacetylhydrUr 

Absinthol    .     . 

Maticocampher 

Cedemcampher 

Cubebencampher 

Patchoulicampher 

Campholsäure . 

Campholen 

Phloronsäure    . 

Camphersäuren 

Salze  der  Camphersäuren  460 

Ester  der  Camphersäuren  460 

Camphersäureanhydrid 

Campherylsuperoxyd 

Camphoraminsäure    . 

Campherimid  .     .     . 

Camphersäurenitril    . 

Campheranil    .     .     . 

Monobromcamphersäure- 
anhydrid    . 

Oxycamphersäureanhydrid  461 

Amidocamphersäureanhy- 

461 
461 
461 
461 
461 
461 
461 


455 
455 
455 
455 
455 
4SS 
455 
455 
455 
456 
456 
456 
456 

456 
457 
457 
•457 
457 
457 
457 
457 
457 
457 
457 
457 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
458 
459 
459 
459 
459 
459 
459 


460 
460 
460 
460 
460 
460 

460 


drid 

Amidocamphersäure .  . 

Sulfocamphersäure    .  . 

Linkscamphersäure    .  . 

Inaktive  Camphersäure  . 

Mesocamphersäure    .  . 

Camphoronsäure  .     .  . 


Hydrooxycamphoronsäure  461 
Oxycamphoronsäure  .         462 
Isooxycamphoronsäure  .     462 
Camphinsäure ....     462 

Camphoglycuronsäure    .     462 
CapiUaritlt    ......     462 

Capillaritätsphänomene .     463 
Bestimmung    der    Con- 
stanten       469 

Capillaritätsconstanten- 

Tabellen 470 

Ausbreitungserscheinungen479 
Capillardepression     .     .     481 

Celluloid 4S2 

Darstellung  des  Pyroxylins  483 
Mischung  desselben  mit 

Campher 484 

Gefärbte  Celluloidwaaren  4S5 
Eigenschaften    und    Zu- 
sammensetzung desCel- 
luloids . 
Cement 


485 
486 
48S 
489 
490 

491 

493 
499 

502 
506 
508 
510 
5" 
512 
514 
5H 
5  »4 
514 
514 
5»5 
515 
5»5 
515 
5»5 
515 
515 
515 
5«5 
515 
5»5 

515 

Chemie 516 

Chinasäure 531 

Chinasaure  Sake       .     .     532 
Aetfaer  der  Chinasäure    .     532 

Chinolxn 532 

Synthesen  des  Chinolins  536 

Reactionen  des  Chinolins  537 

Salze  des  Chinolins       .  538 

Chinolinmetfayljodid       .  538 

Chinolinmethylbydrozyd  538 


Puzzolane 

Trass      . 

Santorin 

Portland-Cement,  Hydrau- 
lischer Kalk 

Analysen     verschiedener 
hydraulischer  Kalke 

Brennen  des  Cemcntes 

Eigenschaften    des    Ce- 
mentes .... 

Erhärtungsprocess 

Magnesia-Cement 
Cerebrine .     .     . 

Homocerebrin , 
Cerium     .     .     . 

Ceroxydul  .     . 

Cerhydroxydul 

Ceriumoxyd 

Cerhydroxyd    . 

CeriumchlorUr . 

Ceriumoxycfalorttr 

Ceriumbromttr 

Ceriumjodür    . 

Ceriumfluorttr  . 

CeriumsulfÜr    , 

Schwefelsaures  Ceroxydul 

Salpetersaures  Ceroxydnl 

Kohlensaures  Ceroxydul 

Schwefelsaures   Cerozyd 

Salpetersaures  Ceroxyd  . 

Kohlensaures  Ceroxyd  . 

Reactionen  der  Cerverbin- 
düngen 


Register. 


6S5 


Chinolinäthyljodid     .     .  539 

Chinolinäihylbroinid       .  539 

Chinolinäthylchlorid       .  539 

Chinolinäthylnitrat    .     .  539 

Chinolinamylbromid  .     .  539 

Chinolinisoamyljodid      .  539 

Chinolinbenzylchlorid    .  539 

Bromäthylchinolinbromid  539 
Aethylendichinolinchlor- 

hydrat 539 

Methylenchinolinchlorhy- 

drat 540 

ChinoIiDchloralhydrat     .  540 

Salze  desselben    .     .     .  540 

Chinolin-Betain     .     .     .  540 

Salze  desselben    .     .     .  540 

Resorcinchinolin  .     .     .  541 

Hydrochinonchinolin      .  541 

Dichinolin 541 

a-Dichinolylin       .     .     .  541 

Salze  desselben    .     .     .  541 

Jodmethylat  desselben   .  542 

Dichinolindisulfosäure    .  542 

ß-Dichinolylin       .     .     .  542 

Hydrochinolin       .     .     .  542 

Tetrahydrochinolin  .  .  542 
Nitronitrosotetrahydrochi- 

nolin 543 

Tetrahydrochinolinhydra- 

™ 543 

Tetrahydrochinolintetrazon  543 

Methyltetrahydrochinolin  543 
Monoroethyltetrahydro- 

chinolinmethyljodid      .  544 

Aethyltetrahydrochinolin  544 
Aetfayltetrahydrochinolin- 

äthyljodid       ....  544 

Acetyltetrahydrochinolin  544 

Benzoyltetrahydrochinolin  544 
Tetrahydrochinolinham- 

stoff 544 

I^ukolinsäure  bezw.  Chi- 

nolinsäure      ....  544 

Monochlorchinolin     .     .  544 

Salze  desselben     .     .  544 

4-Chlorchinolin     .     .     .  545 

Salze  desselben     .     .  545 

Nitrocblorchinolin      .     .  545 

Dichlorchinolin  1*3   .     .  545 

Dichlorchinolin  1*4   .     .  545 

a-Chlorchinolin     .     .     .  545 

aY-Dichlorchinolin    .     .  545 

ap-Dichlorchinolin    .     .  546 

aY-Trichlorchinolin   .     .  546 

a^Y'^I^nchlofcl^oIin      .  546 

S-Monobromchinolin      .  546 

Salze  desselben     .     .  546 

Dibromchinolin    .     .     .  547 

Salze  desselben     .     .  547 

Tribromchinolin  .     .     .  547 

Tetrabromchinolin     .     .  547 

Monobromtetrahydrochi- 

nolin 54S 

Dibrorotetrahydrochinolin  548 

Salze  desselben     .     ^  548 

Chinolintetrabromid  .     .  548 

Chinolindibromid      .     .  548 


Chinolinhexabromid  .     .  548 

Dijodchinolin  ....  549 

]-  und  S-Nitrochinolin  .  549 

Salze  desselben     .     .  549 

Nitrobromchinolin     .     .  549 

DinitTochinolin     .     .     .  550 

Amidochinoline     .     .     .  550 

Dimethylamidochinolin  .  551 

Salze  desselben     .     .  551 

Amidobromchinolin  .     .  551 

Salze  desselben     .     .  551 

Acetamidobromchinolin .  551 

l-Chinolinsulfosäure       .  551 

4-Chinolinsulfosäure       .  5^2 

3-Chinolinsulfosäure       .  552 

Salze  derselben     .     .  552 

a-Bromchinolinsulfosäure  552 

Salze  derselben     .     .  552 

Reactionen  derselben .  552 

ß-Bromchinolinsulfosäure  553 

Salze  derselben     .     .  553 

Oxychinolin     .     .  *  .     .  553 

Salze  desselben     .     .  553 

Methoxychinolin  .     .     .  553 

Salze  desselben     .     .  554 

Dichloroxychinolin    .     .  554 

Dibromoxychinolin    .     .  554 

Dijodoxychinolin  .     .     .  554 

Dinitrooxychinolin     .     .  554 

Nitrosooxychinolin     .     .  554 

Oxychinolinsulfosäure     .  554 

Salze  derselben     .     .  554 

Oxychinolintetrahydrür  .  555 

Salze  desselben     .     .  555 

Nitrosohydrooxychinolin  555 

Methöxytetrahydrochinolin  555 

Salze  desselben     .     .  555 
Nitrosomethoxytetrahydro- 

chinolin 555 

Oxyhydromethylchinolin  555 

Reactionen  desselben .  556 

Salze  desselben     .     .  556 

Oxyhydroäthylchinolin  .  556 

KairocoU 556 

4-OxychinoUn .     .     .     .  556 

Reactionen  desselben .  557 

Salze  desselben     .     .  557 

Nitrooxychinolin  .     .     .  557 

Monobromoxychinolin    .  557 

4-Methoxychinolin     .     .  558 

Salze  desselben     .     .  558 

Benzoyloxychinolin    .     .  558 

Oxyhydrochinolin      .     .  558 

Oxyhydroäthylchinolin   .  558 

Salze  desselben     .     .  558 

Oxychinolinsulfosäure     .  558 

3-Oxychinolin ....  558 

Reactionen  desselben .  559 

Salze  desselben     .     .  559 

Bromoxychinolin  .     .     .  559 

Nitrooxychinolin  .     .     .  559 

Methyläther  desselben    .  560 

Chinolsäure      .     .     .     .  560 

Salze  derselben     .     .  560 

a-Oxychinolin ....  560 

Salze  desselben     .     .  561 

a-Aethoxylchinolin    .     .  561 


a-Dihydroäthylcarbostyril  561 

a-Methoxylchinolin    .     .  561 

a-Phenoxylchinolin    .     .  '  561 

a  ß-Oxychlorchinolin  .  561 
ß-Chlorcarbostyriläthyl- 

äther 561 

aY-Oxychlorchinolin .     .  561 

Y-Chlorcarbostyriläther  .  562 

ttY-Oxyjodchinolin     .     .  562 

aY'Oxybromchinolin  .  $62 
a  Y-Monobromcarbostyril- 

methyläther    ....  562 

a-Chlorchinophenol  .     .  562 

ßY«-I^ichloroxychinolin .  562 

Kynurin- Oxychinolin      .  562 

Tribromkynurin    .     .     .  562 

Tetrabromkynurin     .     .  563 

Hydrokynurin  ....  563 

a  ß-Dioxychinolin       .     .  563 

aY-Dioxychinolin  .  .  563 
aY-Dioxychinolinsulfosäure  563 

Nitroso-Y-Oxycarbostyril  563 
a  Y-Acetyldioxytetrahydro- 

chinolin 564 


564 
564 
564 
564 
S65 
565 
265 

565 
566 
566 

566 


a-Dioxychinolin 
Aethyloxycarbostyril 
a«Oxychinophenol      .     . 
ßY«-Trioxychinolin    .     . 
1-Methylchinolin  .     .     . 

Salze  desselben     .     . 
4-Methylchinolin  .     .     . 

Salze  desselben     .     . 
3-Methylchinolin  .     .     . 

Salze  desselben     .     . 
3*  a  ß  Y-Methyltrichlorchi- 

nolin 

a-Methylchinolin,  Chinaldin  566 

Salze  desselben     .     .  566 

Tetrahydrochinaldin  .     .  567 

Salze  desselben     .     .  567 
a-Benzylidenmethylchinolin567 

Chinophtalon   ....  567 

YOt-Oxymethylchinolin     .  568 

Dimethyloxychinoline     .  568 

Cyanine 568 

Dimethylcyaninjodid      .  568 

Diäthylcyaninjodide  .     .  568 

Diisoamylcyaninjodid     .  568 

Cyanin 569 

Y'Methylchinolin  .     .     .  569 

Salze  desselben     .     .  569 

Dilepidin 569 

Lepamin 569 

Nitrolepidin      ....  569 

Amidolepidin  ....  569 

Iridolin 570 

Cryptidin 570 

3*2-Dimethylchinolin      .  570 

a :  1-OrthomethylchinaIdin  570 

Salze  desselben     .     .  570 

a3*Dimethylchinolin .     .  570 

Salze  desselben     .     .  570 

a4-DimethylchinoIin      .  571 

Salze  desselben     .     .  571 

ß-Aethylchinolin   .     .     .  571 

a  ß-Chloräthylchinolin    .  571 

Aethylcarbostyril .     .     .  571 


656 


Register. 


Dispolin 

Tetrachlordispolin  .  . 
Tetrachlorchinolin  .  . 
Pentachlorchinolin     .     . 

Isolin 

Ettidin 

Validin 

3-Phenylchinoliii  .     .     . 

Salze  desselben     .     . 

a-PhenylchiDolin  .     .     . 

ß-Phenylchinolin  .     .     . 

Salze  desselben     .     . 

Flavolin 

Salze  desselben     .     . 
Mononitroflavolin      .     . 

Flavanilin 

Salze  desselben     .     . 

Flavenol      

Acetylflavenol  .  .  . 
I  -Chinolinmonocarbon- 

säure    

Salze  derselben      .     . 
3-Chinolininonocarbon- 

säure 

Salze  derselben     .     . 
4-Chinolinmonocarbon- 

säure 

Salze  derselben     .     . 
a-Chinolinmonocarbon- 

säure 

Salze  derselben     .     . 
Nitrochinolindicarbonsäure 
ß-Chinolinmonocarbon- 
säure    .... 
Salze  derselben 
Cinchoninsäure     . 
Salze  derselben 
oe  ß-Chlorchinolincarbon 
säure     .... 
a  -]f-Chlorchinolincarbon- 

säure    .... 
Tetrahydrocinchoninsäure 

Salze  derselben 
Acetylverbindung 
Methyltetrahydrocinchonin- 
säure     .... 
1  •y-Sulfochinolincarbon- 
säure     .... 
Salze  derselben 
S'y-Sulfochinolincarbon- 

säure 

Salze  derselben     . 
1 7-Oxychinolincarbon- 

säure 

Salze  derselben 
3'Y-Oxychinolincarbon- 

säure 

Salze  derselben 

Methyläther  der    ß-Oxy 

cinchoninsäure    . 

Salze  desselben 

a  ß-Oxychinolincarbonsäurei 

a  y-Oxychinolincarbonsäure 

Aethoxylcinchoninsäure . 

Salze  derselben      .     . 

Kynurensäure  .... 

Salze  derselben      .     . 


a*  1-Methylchinolincarbon- 
säure    .... 
Salze  derselben 
a*3-Methylchinolincarbcn- 
säure    .... 
Salze  derselben 
a  4-Methylchinolincarbon- 
säure    .... 
Salze  derselben 
Aniluvitoninsäure 
Salze  derselben 
a  ß-Methylchinolincarbon- 

säure    .     .     . 
Aether  derselben 
Y  ß-Metfaylchinolincarbon- 

säure    .     . 
Acridinsäure 

cc  BY-Chinolintricarbonsäure586 
a  p-Oxychinolinmethylk^- 

ton 
et  ß-Oxychinolinphenylke- 

ton 

a-Acetonylchinolin     . 
a-Naphtochinolin .     . 

Salze  desselben 
ß-Naphtochinolin .     . 

Salze  desselben 
Phenantroline  .     .     . 

Salze  derselben 
Oxyphenantfarolin 
Pseudophenanthrolin 
Salze  desselben 

Acridin 

Salze  desselben 
Nitroacridine  .  .  . 
Hydroacridine .  .  . 
Methylacridin  .  .  . 
Butylacridin  .  .  . 
Salze  desselben  . 
Hydrobutylacridin 
Phenylacridin  .     .     . 

Salze  desselben 
Nitrophenylacridine   . 
Amidophenylacridine 
Hydrophenylacridin 


Trinitroacridincarbonsäure  595 


Acridylbenzoesäure 
Salze  derselben 

Anthrachinolin      .     . 
Salze  desselben     . 

Anthrachinonchinolin 
Salze  desselben     . 


Chinone 

Benzochinon  .  .  . 
Chinhydron  .  .  . 
Phenochinon  .  .  . 
Chinhydrondimethyläthi 
Chlorchinhydrone 
Pyrogallochinon  .  . 
Monochlorchinon .  . 
Dichlorchinon .  .  . 
Trichlorchinon  .  . 
Tetrachlorchinon  (Chlor 

anil) 

Bromchinone  .  .  . 
Diamidodichlorcbinon 


584 
584 

584 
584 

584 
584 

585 
5S5 

585 
S85 

586 
586 


586 

S87 
587 
587 
587 
588 
588 
589 
589 
590 
590 
591 
591 
392 
592 
592 
593 
593 
593 
593 
593 
593 
595 
594 
594 


595 
595 
595 
595 
596 
596 

596 
600 
601 
601 
601 
601 
601 
601 
602 
602 

602 
602 
603 


Diamidodibromchinon    .  603 

Dianilidochinon    .     .     .  603 

Chlordianilidochinon  604 

Trioxychinon  ....  604 

Dichlordioxychinon   .     .  604 

Chloranilaminsäure    .     .  605 

Dibromdioxychinoa  .     .  605 

Bromanilaminsäure    .     .  605 

Chlorbromanilsäure  .     .  605 

Dinitrodioxychinon   .     .  605 

Sulfosäuren  des  Chinons  606 

Euthiochronsäurc .     .     .  606 

Salze  derselben    .     .     .  606 

Toluchinon      ....  606 

Chlortoluchinon    .     .     .  607 

Bromtoluchinon    .     .     .  607 

Nitrotoluchinon    .     .     .  607 

Amidotoluchinon .     .     .  607 

Dioxytoluchinon  .     .     .  607 

Anilidooxytoluchinon  607 

Chlordiox3rtoluchinon     .  607 

Dichlordioxytoluchinon  .  607 

Dibromdioxytoluchinon .  607 

Trioxytoluchinon  .     .     .  607 

Xylochinone     ....  608 

Phloron 608 

Monochlorphloron     .     .  608 

Dibromphloron    .     .     .  608 

Oxy-m-Xylochinon     .     .  608 

Thymochinon  ....  60S 

Chlortymochinon  .     .     .  608 

Bromtymochinon  .     .     .  608 

Methylamidothymochinon  608 
Dimethyldiamidothymochi- 

non 608 

Ox3rthymochinon  .     .     .  609 

Anilidooxythymochinon  609 

Dioxy  thymochinon     .     .  609 

Chinonimide     ....  609 

Oxyamidochinondiimid  .  609 

Oxyamidochinonimid      .  610 

Dioxyamidochinondiimid  610 
Dioxyamidotoluchinondi- 

imid 610 

Dianilidotoluchinonphenyl- 

imid 610 

Anilidooxytoluchinonphe- 

nylimid 610 

Imidanilsäure   .     .     .     .  610 
Chinonchlorimide      .     .610 

Chinonchlorimid  .  611 

Dibromchinonchlorimid  611 

Thymochinonchlorimid  .  611 
Farbstoffe  aus  Chinonchlor- 

imiden 611 

Trichlorchinondimethyl- 

anilenimid      .     .     .     .  611 

Indophenole    .     .     .     .  612 

Chinonphenylimid      .     .  612 

Chitin 612 

Chlor 613 

Gewinnungdes  Chlorgases  614 

Gewinnung  im  Grossen  616 

Deacon's  Process     .     .  617 
Eigenschaften  .     .     .     .618 

Atomgewicht   .     .     .     .  619 


Flüssiges  Chlor  .  .  .  619 
Chlorhydrat  ....  620 
Chlorwasserstoff  (Salzsäiire)62 1 
Darstellung  .  .  .  .  622 
Gehalt  derwässrigenLösung  625 
Qualitative  Ermittelung  628 
Quantitative  Bestimmung  629 
Unterchlorigsäure-Anhy- 

drid 629 

Unterchlorige  Säure  .  .  629 
Chlorigsäureanhydrid  630 

Unterchlorsäüre-Anhydrid    63 1 


Chlorsäure  .     .     . 

■     633 

Ueberchlorsäure    . 

.     636 

Arsentrichlorid 

.     637 

Chlor  und  Bor     . 

.     638 

Chlor  und  Brom 

.     638 

Chloral      .... 

.     639 

Darstellung      .     . 

.     640 

Trichloräthylalkohol 

.     641 

Register. 

Trichloräthylglycolsäure  641 

Trichlorisobutylalkohol  .  641 

Chloralammoniak      .     .  641 

Chloraldiacetamid      .     .  642 

Chloralurethan      .     .     .  642 

Chloralhydrat  ....  642 

Urochloralsäure     .     .     .  643 

Chloral-Methylalkoholat  643 

Chloral-Aethylalkoholat .  643 

Chloral-Isoamylalkoholat  643 

Chloral-Cetylalkoholat   .  643 

Chloral-AUylalkoholat    .  643 

Chloralacetat  ....  643 

Chloralsulf  hydrat .     .     .  644 

Chloralmercaptan      .     .  644 

Chloral-Cyanhydrin   .     .  644 

Cyansäure-Chloral     .     .  644 
Blausäure-Cyansäure-Chlo- 

ral 644 

Bromochloral  ....  644 


657 

Bromochloralhydrat  .     .  645 

Bromochloralalkoholat   .  645 

Chlorobromal  ....  645 

Chlorobromalhydrat  ,     .  645 

Chlorobromalalkoholat  .  645 

Chloralide 645 

Chloralid 645 

Broroalid 645 

Bromchloralid ....  645 
Milchsäure-Trichloräthyli- 

denester 645 

Milchsäure-Tribromäthyli- 

denester 645 

Tribrommilchsäure-Tri- 

chloräthylidenester  .     .  645 

Glycolsäure-Chloralid     .  645 

Mandelsäure-Chloralid    .  645 

Weinsäure-Chloralid .     .  646 

Aepfelsäure-Chloralid     .  646 

SaHcylsäure-Chloralid  646 


Druckfehlerverzeichniss. 


Band  I. 

Seite  302  Zeile  19  v.  u.  statt  linksdrehend  lies  rechtsdrehend. 
„    302      „     18  V.  u.  statt  —  161,55  lies  -f-  161,55. 
M     313      M      «3  V.  o.  statt  gelang  lies  gelangt. 

.1     387      „     15  V.  u.  von  Fufttariaceae  bis  Seite  389  Zeile  4  v.  o.  muss  fortfallen. 
,,     488      ,,     20  V.  u.  statt  Bromhydratropasäure  lies  Bromhydratropasäurester. 

Band  n. 

„  107  „  16  V.  o.  statt  Telur  lies  Tellur. 

„  HO  „       4  V.  o.  statt  Na  =22,95  lies  Na  =  22,99,  statt  Mg  =  24  lies  Mg=  23,94. 

„  240  „  17  V.  o.  muss  nach  Zeile  18  stehen. 

„  498  „       I  V.  o.  statt  lOCAljO,,  SiOj),,20CaO  lies  Al,Oj,   lOSiOj,  20CaO. 

„  534  „  II  V.  o.  statt  Monatsh.  f.  Gh.  lies  Monatsh.  f.  Ch. 


Breslau.    Eduard  Trewendt's  Buchdruckerei  (Setzerinnenschule). 


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