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Full text of "Haus Und Herd. Ein Familienmagazin für Jung und Alt"

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THE LIBRARY 
OF 

THE UNIVERSITY 
OF CALIFORNIA 
LOS ANGELES 





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taar«sr v 








II - 

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C oogl 


e 




üans nnii Int 


@ine 


lUufttitt« Hlonatafdjrift für >i* faroU« 


'gtefriflirt 

fcon 





^ünfjefjnter 3afjrgang. 

2Tltt 5 i»ölf (Eitelbübern unö tnelen bjolsfdjmtten. 


—=>«©*« 


dinrinnati, (Sljitago unb St. fouis: 

Mtflug von Ctnn^ton und Siout. 

Hem Kork: ftkittips 8 ; JSunt. 

1887. 


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Malt bes funftfljnten lattöts. 




Unterhaltung in ben SBeihnachtätagen. 
grauenarbeit. 

3®ei greunbe. 

Ecce Homo. 


Balbaefang. 

ftm ©rabe ber SKutter. 

©etreue ©rüber. 

2as £otfen*©oot. 
fcamimgelfen am 9Jtiffiffibpi. 
Segen ber SRutter. 

SBefd^ü^t. 

3n ber Dacht. 


Jlbljanblungeu. 

©eite 


grauenarbeit im Deiche ©otte3. ©bitor ... 57 

Sdjiuarje ober met&e©riUe? ©bitor. 68 

ß^arafter. ©on SB. ©chulbt. 84 

3 ur ©efdjidjte ber Arbeiterfrage. ©bitor ... 128 
©tunte über’3 Sefen unb ntebefonbere bom 

2>eutfch s Sefen. ©on ©arohte.131 

SBarum bat Qefu« nicht getrieben? ©on 3- 

©. Sftarting.149 

2ie jroei ©rogntäcbte. ©bitor.170 

Cirhte, Später, ftartenjpiel, ©efeüfchafteglaS 

unb beraletcben. ©bitor.184 

geinbe be£ gamilienglücfeS. ©on 3- ®* Seift 195 
©ebanfen über ein firchlicheS ©efangbudj. ©bitor 225 

Selbftintereffe bon @. ©. SRagaret.250 

2er 2Rateriali3mu3, bergrö§te gortfdjritt unfe* 

rer 3eit. ©on SB. ©eibert.251 

©ibt te im ©uteSthun auch ©rennen ? ©on Z, ©. 350 
Liebhaberei unb Neigung als §inberniß be3 @r* 

folget, ©bitortefl..366 

$o<b einige ©ebanten über ein firchlicheS ©e* 

jangbud). ©bitor. 373 

ßhriftli^e Qufriebenheit unb SebenSfreube. ©on 

©regortu^.415 

Sirb bie SBelt beffer ober fehlerer? ©bitor . . 449 
2er Äircbengefang. ©on griebrich SJtuna . . 539 
Irrlehren unb fchmärmerifche Dichtungen wtfe* 
rer 3eit nadh Anleitung bon 1 Zim. 4,1—3. 

©bitor.563 

Saabefifcen mir? ©on D.593 

3n tote meit ift ©h^ftuS uug ein ©orbilb? ©on 
©. ©utb.623 


Piograpljien unb febenobilber. 

3ur ^^arafteriftit ©tonetoall 3aäfon'£. ©on 

£>. SB. ©eibert. 9 

Abraham Sincoln ate $inb. ©on SRemoria 

©ratia .. 38 

Ibraham Sincoln atö 3 ön Ö Iin Ö- $*>n äRemoria 

©ratia. 65 

Lincolnte Sehrjahre. ©on SRemoria ©ratia . . 151 

$U5 3ohanne3 ©cherr’3 Dachlaß. ©on Xheobor 

Dbtnga, 93erlin.203 

Sie Sam 3one3 auf einer 5yau tarn, ©on D. ©. 238 

SRärtijreriab ber Sftaria 2tyer, ber Ouäterin. 

©on Stor’le,.258 


©eite 

©piritifteu unb SRiflionen.. 260 

günf*ig 3ahre auf ©nglanbS &h ron * ©bitoriell 295 

Ber itaifer ate ©atljohm.297 

Au3 Sincolnte politifd^er Saufbahn, ©on 2Re* 

moria ©ratia. 305 364 

©er^og $arl unb gr. ©chiller. SRitgetheiU oon 

3-3.$ .317 

fielbenmuth einer grau, ©on 3* ©. 352 

Söie bie erfte ©djillerbüfte entftanb. ©on Xheobor 

Dbinga.361 

JgraelS lefcter ©rophet. ©on ©. ©uth .... 379 
Robert SB. SRcAU, ber ©oangelift bon ©arte. 

©on 3- ©• #ilbenftein.404 

©in Heiner §elb ber Ärantenftube.417 

$a3 STeftament cineä „XräumerS" ...... 458 

Au3 ©tantonte Seben. ©on D. ©lübbemann . 461 
Sotjola unb ber 3efuitenorben. ©on ©regoriu^ 473 
2 )er Jrommlerjunge bon Untietam. Süte bem 

©nglifchen.478 

©ernharb bon ©lairbaur. ©on ©regoriud . . 575 
©ttoaä bon ©Imftinn gürchtegott ©eHert. ©on 

m. ..642 


0efd|id|t6= unb JJeübilber. 


SBeihnachten in Oftinbien. 7 

Za% jerftörte ©harleöton. ©bitorieü. 22 

©in ?lmetita*9Rüber in Llmerifa. ©on $enrt) 

SB. gifcher. 30 

©ine ©ertdjtefiftung im Urtoalb. 82 

SBer berbummt ba$ ©olt? ©bitor.113 

Zit SJeutfchen in ©rafilien. ©on §enricu£ . . 115 

S eirath unb ©he in ©hi«o* ®*>n g. Ohlinger . 125 
inDeunjigjährigerauf bemtaiferthron. ©bitor 135 
Zit berurtheilten Slnarchiften. ©on ©eüa ... 142 

©in armer feönia unb ferne großen ©chlöffer . . 177 

Zit SBittroen in 3 nbien.188 

2)er Slmerifanif^e ©ongreß. ©on 3°^n SB. 

©über.•.189 

3 )ie ©ntbeefung unb borübergehenbe ©efiebelung 
SltnerifaS burch bie Dormanncn bor 900 

3ähren.198 

^ie beutfehe ©brache unb ba$ ©hriftenthum. ©on 

Xheobor Obinga.309 

^uriofitaten aus ben Seiten ber erften ©räfiben* 

tcmSBahlen. ©on SB. gotfeh.311 

Zit Arbeiter ^ ©olonien in $eutfdjlanb. ©on 

t . SDann.375 

pielmann 8 ©oefie bed SftittelalterS. ©e* 

arbeitet bon H. 3 .526 

2 Ute ber fchtoöbifchen ©hronifa ^ur 3 cit ber 

CU .11 n.« Iri 0 /IK 


Sift aegen Sift, ober beö ©apfteS ^oeb^eitöreife. 

©on SB. gotjeh.536 

©rinnerungen auö ben gelb * £a*arcthen beS Dc= 
betlionöfriege«. ©on 3 . 3 . 9Rcßmer, nach 
ben ©apieren einer freitoiüigen £ranfen^ 


$er „SchmerjcnStoeg" im ©farrgarten p Uteniß 640 
©afthauS, SBirth^hou« unb tfneipe. ©on g. 

©erber. 645‘ 

©om heiligen 2 lbenbmabl J urücfgetoiefen. ©on 
Sllbert Sanbenbergcr .656 


494323 


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Google 



















































IV 


Anwalt 


JJatunDif|Tfnfd)aftlül)ts unb ÄfnmnnUlfltdje«. 

\ ©eite 


Tie Sibanonccbern. Don ©rekoriuS. 16 

SBie lauft man ein Diano ? Dan g. §. SBalfifcp 33 

Dis zum SDittelpunrt ber ©rbe \. 76 

2luS ber ©efcpicbte unferer ©praebe. Don Xbeo* 

bor Obinga.A.. 94 

ftranfenpflege in ©pina. Don g. toljlinger . . 239 
Tie fterborragungen an ber ©onne. Don OpuS- 

culum . ..244 

Tie Dunenfcbrift. Don Xpeobor Obinaa ... 247 
flur ©ef (piepte ber Dädertunft. Dom Tor’le . 319 

Ter Kolibri Don fl. $ern.354 

Tie ©cpriflfpracpe. Don Otto ÜRieberputb ... 430 
Tie neue beutfcpe Decptfcpreibung. Don Xpeobor 

Obinga.444 

pflege uno ©rziepung beS SeibeS als cpriftlicpe 

Dflicpt. ©oitor.509 

Tie beutfcpe ©pracpe unb bie Deformation. Don 

Xpeobor Obinga.520 

Tenlmürbige Xräunte. Don Quliuö 91 3WuI* 
finger.• ... 591 


Stufen unb Jtetfebtlber. 

Ter Xempelplafe in gerujalem — fonft unb jept 229 
Utap unb bie Dformonen. Don g. 3* 2tteßmer 286 
©cploß SBinbfor unb feine Umgegenb. Don ©. 

g. SDorf.339 

©tmaS bon ber nieberen ©eiftlicpfeit. Don 

©mil grommel.397 

ScbenSrettungSbienft an ben lüften ber Dereinig- 
ten ©taaten. Don einem alten ©eemann . 399 
gebcrjfuäen aus bem Dorbmeften. Don Sari g. 

2ulert.453 

Klauberei über SJiatlanb bon ©inem, ber nie 

bort mar.463 

Xaufenb Unfein im ©t. fiorenzftrom. Don 2L 

giammann . . •.515 

©anaba. Don flopn SB. §uber.565 

Tie cpprifcpen futertpümer in bem SRetropoli* 
tan 2Jhtfeum, Zentral * $arf, Dem $ort. 
(©eSnola ©oHection). Don 21. ©äbeletn . . 580 
©ine ÜRacpt im flucptpauS *u Sluburn, D. ?). . . 589 
Deerbigungen in ©pina. 93on g. Dplinger . . 594 

TaS Xpal |)o*©emtte in 9J7ittelfalif ornien. Don 

floacpint SDalpan.626 

3m ÄaiferpauS zu Derlin. Don *ßpil. £up • • 636 


«ebidjte. 

§ um fünfzehnten Jahrgang. 1 

otteS grtebenSengel. Don OculeuS. 9 

t ereilt. Don Äarl ©erod. 31 

er junge Ticbter unb fein Äritiler. ©in Drief- 

metpfel bon guliuS ©berbarbt. 35 

SBinterfturm.128 

TaS ftreuz. 169 

SBalbgefang.225 

Danbgebanfen zu Dictor bon ©cpeffel’S ©tropbe. 

Don 2fona ©pörri.234 

©irtenlieb. Don gibeliS.241 

SRupt fanft, fcplaft mobil ®on D. 9D.281 

Siebzig gapre, in ©laube, Äampf unb ©ieg. flu 
Tr. DaffS aeptzigftem ©eburtStagS - geft 
(15. guni 1887). *Bon Dnna ©pörn . . . 282 
SBadj auf, bu ©eift ber erften fleugen. Dacb ©o- 

flaptp — abgetürjt bon g. 2L D.350 

Ter Dofenftraudj.370 


Seite 

©mtefegen. 97acp bem 65. Dfalrn bon gobann 


©ramer.393 

TaS bertannte ©enie. Don OculeuS.413 

SBenn bu itocb eine SDutter ^aft.505 

flur golbnen fioepzeit ber ©roßeitern.512 

Ter ©ebulbS-©ngel.528 

gn ber 9tacpt.617 


(gqSfylungen. 


SHrcpenborfteper ©mntonS unb bie ©ebetsmoepe. 

Dacb bem ©nglifcpen bon ©. ©utb .... 4 

Ter ©briftbaum ift ber fepönfte Daum. Dom 

©bitor. 12 

Unheimliche ©äfte. Don SWaria ©cpmeifber . . 17 

2luS meinen 2öeibnadbt3tagen. Don ©ife bon 

©Imenborft. . 27 

SDutter Deinbolb’S ©plbeftergefcbicbte. Don 


©in Dilb au« bem Seben. Don Otto Dieberbutb 77 

SBer mirb erben?. 85" 

©ine Diertelftunbe zu fpät. Don gr. Dr.. . . 88 

©efunben.. 91 

SBieberfeben nach bem Xobe. Don gofepb ®er- 

ring^. 91 

©ine Dtutter. Don 9D. fienz.121 

grauen*9Difrton.133 

©in felige^ ©ube. Dom Tor’le.133 

©egenfäpe. Don Dnna ©börri.140 

Tie „Domben 2lnna." SBte ©eneral Sogan un¬ 
ter bem Tonner ber ©efcbüfce ein Ätnb aug 

ber Xaufe bob.153 

Unter ben Oftergloden. ©ine ©efebiebte bon §ü- 

(im. ..mV (TNu.'l (. ■* i.r\ 


Dun laßt uns geb’n unb treten.182 

©in elenbeS SBeib. Don ©regoriuS.186 

Mlfe in ber Dotb. Don 2L ©röbe.192 

Ter flebnte, ober Souifa’S ©ntfcbluß. Don D. 

giammann.201 

Äein Dlob für SDutter. Don ©. ©. SDagaret. . 204 
gebeS §erz b a * feinen eigenen ©cbmerz. Don 

©regoriuS. 235 

Dur ein Sanbjtreicber. Don 2L giammann . . 241 
Xräume finb ©«bäume, aber niept aHe. Don Sßa» 

latinuS.248 

Detter ^oebmutb. 254 

2luf unb Dieber. Don §enricu3. 


. 290 357 419 481 522 584 650 

Tie fleinen ©ebube. Don gagueS Dormanb . . 300 
SBie eS einem $aftor aus bem ^intermalbe mit 
lajer SDoral tm Often erging. Don 2L ©röbe 313 

Dfingftrofen. Don ©mft ©berS.345 

flmet ©efebiebten jum Dacbbenlen.368 

Ter Sofomotibfübrer. Don Xb. ßentpel... 408 
SBarum ber Xeufel ^Daneben in Dupe läßt... 417 
Ter Ditt am Dßuöftfefte. Don 2L ©röbe ... 426 
Ter Prozeß um beS ©felS ©(batten. Don SB. g. 427 
SBinona, etne gnbianer-Segenbe. Dom TorUe . 456 

Tie meiße Dofe. Don D. ©t.480 

Duf ber Drücle. ©iimefanbt bon ©. g.489 

Tie gagb nach bem ©lud. Don ©ottlieb SBobl* 

gemutb . . . .. 506 561 658 

©inntger Tanl. Don Otto ©cbulbe.541 

SBie ©opbie bie SDüble rettete. Don ©. fi. Da^ 577 
©ine DbbentS*©efcbicble. Don 2L bon Dodenburg 617 


(ttbaultikt*. 


Tu foUft ein ©egen fein, ©bitoriell. 1 

©tmaS bom Dacpbenien. Dom —p.. 21 


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Anwalt. 


v 


©eite 


Slänbige grauen ber ©bangelien. ©on gerb. 


C lieb 1 ,10 lang bu lieben fannft!. 90 

2ft SRann, bcr feine 3eit hat.194 

Xi e (Einfachheit.197 

Verlorene 3eit. ©on Opudculum.200 

Unfere Sebendreife. ©on 3 . 3. Äetler .... 255 
StbeUoort unb ©olfdntunb. ©on ©. 3Jt. . . . 307 

gtroad bon ber SBohlthätigfeit.310 

ging ift Stoth . ..318 

3üted©olb.361 

Xad Äreu$.362 

(rrbbeben, aber nicht £er$beben.418 

Sebrabiger ©laube unb (Erfolg in ber Seelen* 

rettung. ©on @. Sunberlich.476 

Sehen.487 

Xägliche Anfechtungen unb tote fie ju tragen. 


Abfiditlichteit.521 

Ser ift ber ©rößefte? ©on gr. ©.536 

Siberfprüche im Seben.573 

g?fud allein, ©on £>. 99t.594 

Xer amerifanifche Xanffagungdtag. ©on g. 

Scblagenbauf.638 

Abfcbiebdbrief einer fterbenben 9Jtutter an ihre 

Xochter.•.611 

©otted £Ber! unb unfer Serf.655 

$tr4|c unb Ptiffion. 

©ermaed ©amenfom unb großer ©autn. ©bitor 59 
Sind ©olfdoerfammlungen, bie und SDtandjed fa* 

gen. ©on (X Schell, (Eaffel. 73 

55ie jpaudfrau auf ber Sftfftondftation in Oft* 

ihbien. ©on (E. ban ©.•. . 86 

Xer neue ©üben ald beutfdjed Sftiffiondfelb. 

©bitor.283 

55ad erfolgreiche ©tifftondtoerf in ben gibe ©ointd 

ja Wem ^orf. ©on A. ©äbelein.302 

Sie rönnen nur unfere gugenb für bie Arbeit ber 
inneren SJtiffion intereffiren unb beranbil* 

ben? ©bitoriell.394 

Ser ift für ben Mangel an ©efeüigfeit in firdj* 
liehen greifen berantmortlich? ©on ®. (S. 

SRagaret.406 

Sad ein frennblicbeö Sort oermag. ©on Anna 
©pöixi.648 


Sd|nU unb <frfirl)ung. 


(Einer ber beften gugenbfreunbe. ©on 55. ©räßle 205 

brauchbar für bie Seit.257 

Unfere ftinber im öffentlichen ©ottedbienft ©on 

©.©utb.298 

©ilb unb ©uch für bad IHnbedalter. (Sbitorietl 337 

SÄe SJtütter.363 

Slübcbeneniebung. ©on 3 . ©chlagenhauf . . 371 

©efang unb ©efangbücher tn ber ©onntagfchule. 

©bitor.410 

©efammteinbrud ber fünften internationalen 
©onntagfchuMEonbention, gehalten in ©hi* 
cago, bom 1. bid 4 guni 1887. ©on goh. 

3. «efler.424 

Der ©ebul * Unterricht unferer ©rebigerfinber. 

©bitor.452 

gnmen * ©Übung.• . . 470 

Stacht unb ©egen ber ©emohnheit. ©on 38. 

*&®ölfner.512 

Cbriftlicher (Eltern ©chulbigfeit.533 


Plufik. 

©eite 


35te golbene Stofe. 36 

Sänbliche greuben.184 

Öftermoraen. Xejt bon ©. ©eibel. (Eomponirt 

bon 3 . #. SaHfifch.278 

©etoitlfommnungdgruß für bie ©jftubenten bom 
9ttt. ©leafant Kollegium. (55uctt für Xe* 
nor unb ©aß ober Sopran unb Alt). Sorte 

unb SJtufit bon gr. 3Jtun*.498 

©armherjigfeit. 3)uett mit ©iano* ober Orgel* 
©egleitung. ©on 3- SaHfifd) .... 534 

SonntagfdjuUjehtionen. 

Xer Anfang. 46 

SünbeunbXob. 48 

$ain unb Abel. 49 

9toab unb bie Arche. 51 

Abraham toirb berufen. 52 

Sotd Sahl. 100 

©otted ©unb mit Abram. 102 

Abrabamd gürbitte für ©obom.104 

©ertiigung ©obomd. 106 

gfaafd Opferung.159 

gafob $u ©etbel ..161 

gafobd neuer ©ame.163 

Sttäßigteitd * Seftion.164 

I ofepb toirb nach ©gppten berfauft. 212 

ofcpp’d Erhebung.213 

ofeph offenbart fid).215 

ofepb unb fein ©ater.217 

drael in (Sgppten.266 

ad $inb älcofed. 267 

©tofed ©erufung.269 

Stiftung bed ©affah. 271 

35ad rothe 9Jteer.273 

3)ad ©tanna.322 

3)ie ©ebote.324 

3)ie ©ebote.326 

SJtiffiond* Seftion.328 

3)ie Seifen aud bem »torgenlgnbe.381 

3)ie glucht nach ©ghpten.383 

gohanned berXäufer.385 

$>ie Xaufe gefu.387 

35ie ©erfuchung gefu.388 

gefud in ©aliläa. 434 

X)ie ©eligpreifunaen.436 

gefud unb bad ©efeb. 437 

grömmigteit ohne ©chauentfaltung. 439 

©ottbertrauen.491 

©olbene Regeln.492 

geierliche Santungen. 494 

SÖtäßigf eitd * Seftion ..496 

S5ed ^auptmannd ©laube.544 

gefud ftiuet . ben ©türm.546 

X)ie aitacht ber ©ünbenbergebung.548 

XreiSunber.550 

©rnte unb Arbeiter.552 

©efenntniß jum §emt.598 

©hnfti geugniß bon gohanned.600 

©ericht unb ©nabe.602 

S efud unb ber ©abbath.604 

leichniß bom ©äemann.662 

Unfraut auf bem Ader.664 

Anbere ©leidmiffe. 666 

Seihnachtd* Seftion. 668 

IPinke unb jßad)rid)ten für Arbeiter» 

Aud einer theologifchen ©anbibatdprüfung . . 43 

©om ©onntagdfcpüler ^um Straßenjungen bor* 
rüden. 44 


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VI 


Saljalt. 


Seite 


©eite 


©ergnügen ober ©elebrung — roclc^eS bon bei* 

beit?. 45 

Ter unbenufcte SRegenfcbirm. 98 

Tag fetyleitbe ©lieb. 98 

fünfte für Arbeiter. 99 

3Jlit bem ©trom. 99 

©cbeinbare ©rünblicßfeit. 99 

Schüler — Sebrer.100 

Tie ©egengbebingungen.100 

Ter ftattlidje ©farrberr.157 

t üte hieß.157 

or einer ftircbtßüre.157 

®ie^ unb bag für ©omttagfd)ul*£ebrer ... 157 

3Wan fei prattifcß.157 

Migrationen.158 

ungefünftelter Unterricht.158 

©ehr treffenb.158 

Ter 3Rann auf ber 9ttauer.158 

Tie Traten ©otteg.158 

©ünftlicßJeit unb Treue.158 

©ebingungen beg erfolgreichen Seßreng .... 158 

Tie Rumelcn b e r Königin.207 

Ter erfolgreiche ©onntagfebul * Seßrer .... 208 

Sichtige föleinigJeiten.209 

3ftit bem heiligen ©eifte mittuirfen.210 

Rn ©ßicago. 262 

©anj fur^e ©übe.262 

Teg Sebrerg ©influß .... 268 

©ebreibe an beinen abmefenben ©cbüler . . . 268 

Saßt eg nicht ablüßlen!.268 

©rtnneriingen aug meinem berliner Slmtgleben 264 

Trei ©rforberniffe jum ©rfolg.320 

Neuigkeiten aug ©onntagfcßulen in fernen Sanben 321 

5ttoobt)’g Verfahren.377 

Sie ftnaben oerloren geben.377 

ftinberberfammlungen.378 

Ter gute, aber unangenehme 3ftann.432 

Sollen unb können.432 

Schule unb Kirche.433 

Neigungen.433 

Rur Beachtung in ber ©onntagfdjule.433 

ftinberberfammlungen.503 

Sag eine Sluflebung bebeutet.503 

©läne machen.503 

SKanche Seute.504 

Refug miü.504 

Ser hier im Seben . . 504 

Teg Srinbeg Siebegmerf.504 

Tumiüft. 504 

9lur ber fann ©ott ..504 

Tie gefeflfcßaftlkhen ©ebürfniffe unferer Rugenb 
unb mie fönnen biefelben befriebigt merben 608 

Ter englijebe ©rebiger ftpbe.609 

Tie Äraft eineg TraJtatg.609 


Jtoi Üarnui unb im Sdjattrn. 


gür föafemjagcnbe ©farrer.109 

©in Mittel gegen bie Traurigleit.109 

Slbgetrumpft.110 

Sie !ann man bestimmen, au melchem Sod)en= 
tage irgenb ein ©reigniß ftattgefunben hat? 110 

©in ©elübbe ©pittag.110 

©in roürbiaer ©rebiger •.110 

Sag ber ©auer nicht Jennt, bag ißt er nicht . . 110 

Slufgetlärter Rrrtßum.110 

2 luggburger ©pottblatt auf bie 2ftobetborbeiten 

beg 18. Rabrßunbertg.219 

aiapoleonifcßeg Saifcrmetter.219 


Te ©tuffenlebber bun ©ruutftanb un ©ßeftanb 219 
Tie größte bigber bon Suftfcßiffem erreichte ©öße 219 

_: •_r»_cu„: -c 


©in origineller ©rief.220 

Späte ©cloßnung.220 

©in bon ben Sftanöbem im ©lfaß.220 

Tie leibliche ©etoegung.336 

2Weg ift euer.336 

Tie unanfechtbare.336 

attrg. ©roubmotßer.336 

Rn einem noch berhältitißmäßig . 336 

©in in ©uropa reifenber ?)anfee ..336 

lieber ben neuen.336 

Tie Siebe trägt 2llleg.555 

©in SlngeJlagter.555 

JRietfcßel alg SRebner.555 

aRabame Troi^lebifäle.556 

Seigßeit aug bem Talmub.556 

t umor unb Sifc.556 

aufenbe effen täglich ihr ©rob.556 

Tic Regenten ber attenfebbeit.556 

©in bebenflicßer ^auggenoffe.556 

aRancßer aRenfcß. 610 

Rertßeilte ©pinnenfäben.610 

©in eigenthümlicheg ©ferner ^Reglement . . . 610 

Ter Teutfcbe.611 

Tie ©ifenbahnen ber ©rbe. .611 

$önig unb Rahnarjt.611 

$raitrn;ritung. 

Tag Torile über bag allgemeine ftaugmefen . . 40 

©ine gute aRaßlaeit für biefe Rabregjeit ... 41 

Sag febenten mir unfern ftinbern?. 41 

Unfere Strippe. 41 

Rur ©efleibung. 41 

©infcßläfern. 42 

Tag Torile über Tienftmäbcben.96 

gür eine 2lbcnbgcfelljcbaft. 97 

©chlaflofigleit. 97 

Tatt. 98 

Tag Torile über ©ergnügen.155 

©inen Scßinten gefchmadootl $u Jochen .... 156 

©eräueberte 3ungc.156 

attöbel rein $u erhalten bon gingerfletfen unb 

©taub.156 

Ter fdiroar*c aftann.156 

©ine gute gleifdjfuppe . . . :.156 

Rn ben ©ereinigten ©taaten.156 

Rmei ber §aupteigenfchaften.156 

Tag Tor’le über aRijfion.210 

©ine gute SReigfuppe.211 

©inen guten Kartoffel * ©alat.211 

9lud) ein ©lümlein tm ©arten ©otteg .... 211 

©erbrennunaen .211 

Tag Tor’le über ^augarbeit.264 

©tlicße nüplidje 2lnmeifungen.265 

ftalte £aug mit beiner Reit.265 

Tie grauen unb Stäbchen bon ©roßbritannien 

jebeg©tanbeg.. . . . 265 

Tag Tor’le über bag Äocßen.330 

2ln ein jungeg attäbeßen.331 

t anbarbeit für bie linke §anb.331 

lieg $ur rechten geit.331 

Rd) miU!.331 

©in guteg ©rob bon ©raßam glour.331 

©pargel j$u Jochen.331 

©pargelfuppe.331 

©rbbeer=&uchen.331 

©g gibt jmeierlei grauen.331 


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Snljalt. 


VII 


Seite 

3« ber beutfdjen SJciÄ^auptftabt.382 

XaäXor’le über ben ©onntag.390 

(etliche nüfcliche Slmoeifungen.391 

3m Morgengrauen.391 

Sotten.391 

Sin ernste« ©Bort an bie grauen über 3Riffion3= 

Arbeit ..441 

Xü$ Xor*le über bie Änaben.443 

Salbjleifölaib .443 

Sme gute Erbfertfuppe.443 

%ie$ttdgchen.444 

Um ba3 fBafcben *u erleichtern.444 

Xa$ Xor*le üoer SRufif.500 

9tinbfleifchbraten.500 

(Bebacfene ©Becffchnitten.• 500 

fttuchtmmig.500 

ÖtroaS für Äranfe.*.500 

(Getränt oon eingelochten gruchtfäften für Äranfe 501 

Ärantenbefuche.501 

$or ungefähr.501 

3u£berSHkhe.501 

Xienftboten oor hunbert fahren.502 

Iu$ bem $alai3 beä beutfehen $ronprin$en . . 502 
©ufcfauer Eingemachted ober ©roeetpicfelä . . 502 

(Brüne (Surfen ein*umachen.502 

Xad Xor*le über grauenoereine.554 

Ebirfen-©ie.554 

(Brüne Xomatoed ein$ umachen.554 

Ciiitten*©utter.554 

gür SÄütter.555 

4a* ©orlefen im gamilienfreife.555 

Xad XorMe über ©onntagfchulen.606 

Äartopel*©uppe ohne gleifc|.607 

ftricabetten oon faltem gtof*h.607 

Erfüllte Äalbdbruft.• ... 607 

©ute« ©roh .607 

3*n ©or^immer.f>07 

jjpier wirb auch nicht getlatfcht".607 

Mütter, hütet eure feinber!.608 


Hub bet JJeit. 


fomberlp unb bie fatholifdjen ©ifegöfe .... 54 

(Eine fo^ialiftifche Republif. 54 

(Eine fomtfetje @erichtd-©cene. 55 

Eeht’d bem Monopol $u Seibe? .*.107 

Unb hoch übertroffen!.108 

Sine Sonntagfchul - Eonüention in Xeutfdjlanb 108 

QKbt ed Jtriea tn Europa ?.108 

C bu lächerliche Dummheit!.108 

Xie Schlugftpung bed 49. Eongreg.109 

Xte bitter oom blauen $reuj.109 

Xie neuefte Erftnbung auf ürchlichem ©oben . . 109 

Xie ichr flichen Eifenoahn^UnfäUe.166 

Xbeure So^ialiften.166 

Xie fchmeinenfche Eibgenoffenfchaft.166 

£tne beutfefte Regerfd)ule.167 

(Brlb ober Öeute.220 

So ift ba0 ^riegdgefchrei hingefommen? ... 221 

Sonft unb jeftt.221 

Xer eiferne Äan*ler.221 

Xie Slrntee ift bie oomehmfte aller gnftitutionen 

in jebem fianbe . ..222 

Xie neue politifche ©artei.222 

Xie ©errohuug in Xeutfchlanb.222 

Sad lernen mir aud £enrp 2Barb ©eecher’d ße* 

ben? .275 

(Ein griebendf eft .275 

Meflrbetter-lXmonen.276 


Seite 

Xie SRilitärlaften.276 

Xie ©iU.276 

lieber bad unaufhaltfame Slmoachfen.276 

Xad neue ©onntaadgefefc.276 

©eoölterung ber Erbe.276 

3ft ©idmarcf nach Eanoffa gegangen? • • • • 333 

3öie fornrnt man im ßeben oormartd? .... 333 

Xad Eifengefchäft ..333 

Raubritter uno Eifenbahnbiebe.334 

Eine reiche Einmanberungd*Ernte.334 

Xad im Rem porter ©taatd*©enat.334 

3m {üblichen ©unbedgerichtd * ©e$irf oon 2Ua* 

bama. -334 

Ein fchmeigenber Xenfer.445 

©Bad ©töcfer.445 

Xie amerifanifche Partei.557 

öodjfchulen unb Oerfdjiebene SRenfchenraffen . . 557 

öenrt) Eeorge.557 

Ein $olonial*©chulmeifter.558 

Ueber bie Erünbung.558 

©taatdfchulben Englanbd unb Rmerifad. ... 558 

Xie erfte beutfehe Leitung in Ehüta.558 

9lud ben 3orban*Sanbem.559 

Xad ältefte ©tücf Eifen . . . .559 

Ein Ritter ber Rtenfchenliebe.612 

©oroberlt) ift geborener Xiplomat.614 

Xer neue Eongreg.614 

Xie ferneren YlnHagen.614 

©o iffd recht.615 

Xag bie Xemofraten.615 

Xie ©eftätigung.615 

Xie Eholera.615 

Rmerifa löft bie grage.615 

Xie Oielen Xruftd.615 

©ei ben Subiläumdfeierlichteiten.616 

Xad reichfte Söeib.616 

Xie ©Borte.616 

Unjere „Xrampd".670 

Xie ©räfibentenreife.670 

Roch ein Xriumpfaug.671 

2Ber ift Äönig?.671 

Xer fcumbug bed ©piritidmud.671 

Xer internationale Eongreg gegen ben Rtigbrauch 
geiftiger Eetränfe.671 

ftfette Jfoft. 

. . . . 55 111 167 223 277 335 447 559 616 


Solfr^nitir« 


EotteS griebenSengel. 9 

3n ber öeimath be« EhriftbaumS. 13 

®uf ber Eiienbahn. 14 

2 luf bem SRarfte. 15 

©t. SRichaelS Äirche in Eparleäton. 23 

^ibemian §aüe unb Eentennial Äirche in Ehar- 

leSton. 24 

Roffer ^o^pital in EbarleSton. 25 

fiau^ hwter bem ©oftamt in EharleSton ... 25 

ßager auf bem SÖafbington ©lafce, Eharle^ton 26 

t erein! 2Beihna<ht3bilb. 31 

heobor gliebner, ber ©egrünber ber Xiafonif* 

fen^nnftalt in ÄaifcrSmerttj. 60 

Eartenbäu^cben, bie SBiege ber 2Inftalt .... 60 

9Rutteri)aua in Äaiferömerth. 60 

Xa3 neue ©ermaltung^hou^ ju ben ftranfenan* 
ftalten unb 2lnficht oon faiferSmcrth ... 61 

Xeutfcheö §ofpital auf bem ©erge 3ion in 3e- 
rufalem unb Xalithafumi in fterufalem . . 6 


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VIII 


Seite 

SRartbabof in ©erlin. 62 

Slnftalt Roar in ©eirat. 63 

$o«pital in ftairo unb $o«pital in 2Uefan* 

brien. 64 

Der ©rbball mit. 76 

(Statue eine« Rtäbcben«. 88 

2 lu«fd)ifjung beutfdjer 2lu«toanberer im gtajatyp 

granbe.115 

©tabtplafc in ber Kolonie ©Iumenau — 1878 . 116 

©rfte Unterhmft im Urtoalb.116 

©ananen*@rnte.117 

$onfulat«gebäube.118 

(Straße in oer ©tabt ©Iumenau.118 

Rocafd>lagen--2lu«roben be« Urtoalbe«. ... 119 
$oloniften*grauen #u SRarfte reitenb—Urroalb* 

Sßicabe.120 

ftirdje in ©Iumenau.120 

Söinterfturm.127 

Äaifer feilfjelm im ©otte«bienft.136 

©djloß ©erg am Starnberger ©ee.178 

Sinberljof.179 

S errendjiemfee. ©orberfront.179 

cßloß $oljenfd)tüangau.180 

©urg Ren ©djtoanftem.lll 

Sänblidje greuben.185 

Da« flapitol.190 

Da« ©inlanb ber Normannen.199 

Der Dempel #ur Reit Salomo«.230 

Der Dempel #ur Reit be« §erobe«.231 

Der Dempel, ioie oerfelbe jept ift.232 

S irtenlieb...241 

lonnenfinfterniß, (gig. 1).245 

t eroorraguna ber Sonne (gig. 2).246 

toltenätynlicpe fteroorragungen (gig. 8) . . . 246 

©raptioe &erüorragungen (gig. 4).247 

Rnblicf ber ©romofptyäre unb ber £>eroorragun* 
gen burd) ba« ©pectroffop (gig. 5).... 247 
Slnficgt be« großen ©al#fee’« oon ben SBaljfafdj* 

bergen. 286 

©altlate ©itp unb 2Bat)fafd)berge.287 

Der neue 9Rormonen*Dempel.287 

©rigtjam JJoung ..288 

Rnna ©li#a $oung.288 

©traße in ©altlate ©itp.289 

£>ol#Oiabutt.289 

giüe *ßoint« SRiffion. 303 

©eim Äaffee.312 

©iSmartf tm Reichstag.332 

©t. ©eorg« Äapetle.340 

©aton ©oüege.341 

Der Dljame«.342 

©tote’« Äircbe.343 

SRanor öoufe ©tote.344 

Der Äolibri.355 


Seite 

glügel be« Kolibri .355 

feie ber Kolibri fid) ernährt.355 

Da« 92eft be« Kolibri.356 

ftolibri $öpfe.356 

Rofenftraud).370 

£eben«rettung«ftation.400 

Da« fic^ felbft aufriditenbe ©oot.400 

Uebungen mit bem Rettung«boot.400 

gortfdjaffen be« SRörfertoagen«. .401 

D er ©ebraud) ber $ofenboje am Kabeltau. . . 402 

Die foofenboie.403 

Da« jjd) felbft aufridjtenbe Rettungsboot unter 

Segel.404 

Da« oerrannte ©enie.414 

©raf SRoltte im Reistag.446 

Der SRäbdbenfelfen am Rciffiffippi.454 

Rm SRiffiffippi.455 

SRailänber Dom.464 

Ruf ben Däfern SRailanb«.465 

Die ftirdje ©anta 9Raria betla ©rajia .... 466 

Dentmal be« Seonarbo ba ©inci.467 

Rtailönber Dame.468 

Da« gnnere be« Rtailänber Dom«,.469 

Rur golbenen &od)#eit ber ©roßeltcrn .... 512 

©ine gnfelaruppe im ©t. Soren#.516 

Der 3nfel=©ee.517 

£anbung«plap am „Daufenb Rnfeln=$art" . . 517 

Rnfidjt oon ber griebrid) 3njel.518 

£anbung«pla& bei 3BellS‘3nfel.519 

©ebulb.529 

©arlament«=©ebäube, Ottawa .... ... 566 

feerft #u SRontreal im 3uni.567 

SRarft im greien, 9Rontreal.568 

©Ijriftlidje ©ruber oor bem ©eminar be« Ijeil. 

©ulpiciu«.569 

©ine ©traße im Söinter, SRontreal.570 

©räber #u Sarnaca.581 

©arcoptjagoon ©olgoi.582 

topf oon ©olgoi.582 

©tatue eine« ©riefter« oon ©olgoi.583 

Rrmfpange oon $önig ©teanbro«.583 

Stiller Dpeilneljmer.593 

©uftao 2öemer, nad) einer *ßljotograpl)ie oon 

©. §ofer in Stuttgart.612 

Da« ?)o=©emite*D^al, zRaripofa ©o., ©al. . . 626 

©l ©apitan ..627 

Die 2)o=©emitefäHe.628 

Rtercebfluß unb §alf Dome.629 

Die Rtaripofagrappe.630 

©lief üom ©lacier $oint.631 

Die 9lgaffi#*©äule.632 

Der »tobte Riefe" (Dead Giant).633 

Rtoei SBüftentämpfer. 640 

Der entmifc^te Danffagung«braten.670 



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<$it§ ml |til. 

(ftn illuflrlrtes JomUienbUtt. 


iMnfjehnfer 'g&anl. £anuarl887. ^Srfles^efi. 


$um fünfjcljuteii löljrguiig. 



rüg (Sottl" bas Hingt am morgen 
EDte munterer £ercgenton, 
llnb fcgeucgt bes lüanbrers Sorgen 
H>ie ZTadjtgemölf baoon;, 

,,(Srug (Sott!" bas tönt am Abenb 
XPie fanfter Droffelfdjlag, 
llnb füglt mit dgau fo labenb 
Hadj fdpxmlem Arbeitstag. 


(Srüg (Sott am dag ber ^renbe: 

(Er mürje bir bein Brobl 
(Srüg (Sott in Kreu3 unb £eibe: 

€r tröge bieg in Zlotg! 

(Srüg (Sott uns AIP auf (Erben 
IHit feiner (Snabe Strahl, 

Bis mir ign grügen merben 

Dafjeim im ffimmelsfaall (Serocf. 





Pu follft du Segen fein. 

fMteM. 


iürjlid) ftiefe id) in 1 2 Jiof. 12 , 2 auf 
bie 33 crf)eifeuug unb Srioartung, bie 
©ott in obigen SBorten bent 2 lbraham 
gegenüber auäfpricfjt. $a3 alte, fcfjtüin» 
benbe unb ba 8 neue Safer; meine int 
3 abrburf) oerjwfenete 3trbeit unb bie Süden in 
berfelben; ein ÜBlid auf bie ®feriften= unb SDien= 
fcfeenroett—all bieS liefe mir bieö ©otte3 SBort 
in mannigfachem Sicfete erfcfeeinen. 

* * * 

Sn foDfi rin Segen fein. — ®a3 metnt bem 
«brafeam gegenüber: SBeil ich, ber £>etr bein 
©ott, bicfe gefegnet habe, unb nocfe fo fegnen 
merbe, bafe burcfe bicfe alle ©efcfelecfeter beglüdt 
merben fotlen, befefealb follft bu anbern reiche 
5 üHe be# ^eil«, ber ©nabe unb be3 ©Uten, bas 
beifet—ein Segen fein. $u follft ein Sicfet fein 
in ber Jinfternife, ein Saig in ber Berfefcung, 
ein fiabeguell in ber SBüfte. 2 ln beinern 211 = 
tar foü bie roafere ©otteöerlenntnife erhalten 
bleiben, in beinern Seben ficfe baä ©otteSleben 
fbiegeln, beine Siebe fotl bie SWenfcfeen jur eroi= 
gen Siebe leiten. 

Unb mir—finb mir nicht oiel reiflicher gefegnet 
oli STbrafeam ? Schreibt bocfe ber heilige ©eift 
burcfe Metrum: „Segne%nb miffet, bafe ifer 


ba$u berufen feib, bag igr ben Segen 
ererbet (1 *J5etr. 3, 9). Unb toenn nur nun 
fragen, ttm£ benn ber Segen fei, 511 bent mir be* 
rufen finb, fo tritt SßauluS auf unb oerfünbigt 
e3 laut, ben guben öornegmlid) unb aucg ben 
Reiben: ©ott ift getreu, burcg melden igr be= 
rufen feib gur ©emeinfcgaft be3 SogneS, junt 
gerrlicgengigentgum unfereä £>errn ^efu ©grifft 
gum emigen Seben (1 Sor. 1, 9; 2 £geff. 2, 
14; 1 Xim. 6 , 12 ). $er Seger ^oganne^, 
ber mit feinem 2 lblerange bi3 in’3 £>eiligfte 
fcgaute, tritt ben beiben bei unb fpricgt: Selig 
finb, bie jum 2lbenbmagl be3 Sammet berufen 
finb (Off. 19, 9). 

SolcgeS ift ber Segen, ju bem icg berufen — 
mein Seben^iel. SDtöge icg e3 nicgt öerfeglen, 
fonbem biefem 93 eruf folgen unb benfelben feft 
macgen. S 3 iel laufenbe benten nicgt an biefeä 
3iel. Sie finb bem Sötaulmurf gleicg, ber fein 
Seben lang in ber (Erbe müglt unb erft fterbenb 
feine 2lugen öffnet. Strn (Enbe igreä ?ßilger= 
meg3 mögen fie mit Scgreden erfennen, bag fie 
auf bem falfcgen SBege $um S 3 erberben gegan* 
gen, unb in folcger (Erfenntnig mirb ficg ein 
fcgrecflicgeS „$u fpät, gu fpät" igren Sippen ent¬ 
ringen. 


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2 


Pu follß ein Segen fein. 


$u fonfl ein ©egen fein. — Sie* SBort gilt 
foldjen äRcnjchen nicf)t, benn ber don ©ott bar* 
gereichte unb angenommene (Segen ift e* ja, 
meldjer bie Seute tüchtig mad)t unb verpflichtet, 
ein Segen ju merben. 

Siemcil aber Saufenbe bie Segnungen ©otte* 
nicht amtef)men, fo tuerben fo viele ein g 1 u d), 
anftatt ein Segen. Ser 21u*brucf glud) 
ftammt don einem attbentfehen SEBort, meld)e* 
eine finnbilbliche |mnblung barftellte, moburch 
ein Uebeltfjäter in ben ©amt, in bie 2lcht getarnt 
mürbe, moburch man anzeigte, bah er ein 2 lu** 
geftofjener, ber ©egenfap dort Segen, ein liebe! 
für ^nbere fei, bi* bah er fid) beffere. 

SEBelch fchrerftich Seben^iet, menn ein SKenfd) 
bem anbern zum §lud) mirb! Unb bod) erleben 
mir ba* alte Sage, obmoljl in unfern Sagen ber 
©ann nicht mehr geübt mirb mie dor Sllter*. 
Sa zieht 5 . ©. ber Jüngling f)inau£ au* bem 
(Slternt)aufe, mol)l au*gerüftet, um ben Stampf 
be* Sebent zu befielen; geleitet don bem ©ebet 
be* ©ater*, unb don bem 2 luge ber SKutter be* 
gleitet geht bie Sodjter: aber bie Strafe geht 
abmärt*, dott SOtenfc^en derlodt unb derfüljrt 
fällt bie junge 9Jtenfd)enfcele unter bie SJtörber 
unb mirb zum glud) jene* fpaufe*, menn ber 
barmherzige Samariter nicht fomnit, ehe fie 
ftirbt. — Ober — e* arbeitet ber ©ater für bie 
Seinen unb ift reblid) bemüht, ihnen 9Zal)rung 
unb S'leibung &\i bieten: aber er giebt bem 
£>ang zum Srunfe nach, unb be* SEBege* ©rtbe 
ift 9toth unb Jammer, ßlenb unb Sob; ba* 
geuermaffer foUte Straft geben — ftatt beffen 
Zerbrach e* ©liitf unb Trieben, unb lieh nur 
Srümmer unb einen Sfladeit zurüd, ber fi(h unb 
anbern ein glud) ift. 

Sem Sreiben unb Gingen ber 9Renfd)en zu* 
fdjauenb, gemahre ich, mie fo mancher, um em* 
porzufteigen, ben anbern fällt, mie einer ftiehtt 
bem anbern ba* gute ©emiffen, bie @h re r ben 
©tauben unb fo z«m $lud) tvirb. — ^ cr 
©efchichte blätternb treffe ich ÜJtenfchen, bie über 
ba* gelb ber ©rbe gegangen, unb hüben hinter 
fid) gelaffen Ströme don ©lut unb Shränen. 
Unb anbere 9Renfd)en finb über ben Slder ber 
SEBelt gekritten unb hoben bie ©äume ber ©e* 
rechtigfeit getnidt unb bie Pflanzen ber ©otte** 
furcht unb £eilanb*liebe zertreten unb bafür 
eingeftreut ben Samen derberbenben ©ifte*, an 
bem ganze Sölfer ben Sob allmähligen Siech¬ 
thum* ahen. Sie tragen ben $lud) in bie ^er¬ 
zen, in bie Käufer unb in bie ©emeinben. ©* 
ift ein graufer Sobe*zug. $?h rer fliehen 
fid) ihm an, unb menn ba* ©emiffen fid) noch 
fträubt, fo mirb e* im Srunfe erfäuft, ober in 
böfer ©emeinfefjaft tobtgeladjt unb -gefdjerzt. 

* j * 


Sebodj—hu unb finb ja 

juiit Segnen berufen. Siejenigen, melche unter 
bem glud)e ftanben, füllen einSegen fein. 

Selbftderftänblid) meint bie* nicht bloß, bah 
nicht* Sünblidje* oorfomme. 9Bie fönnte ©iiter 
ein ßhrift fein unb miber ©ott fünbigen? 21 ucf) 
ift e* nicht genug, fo ju manbeln, bah fein 2 ltt* 
ftoh unb Slergemih entftebt, benn mer ben ©e* 
ringften ärgert, bem märe e* ja beffer, bah ein 
9Jtül)lftein an feinen |>al* gehängt unb er er* 
fäuft mürbe, im 9Jtecre, ba e* am tieffteu ift. 
Selbft getreue ©eruf*au*übung fdjafft noch nicht 
all ben Segen, meldjen ©ott don feinen Sinbern 
ermartet, obmol)! ernfte ^flidjterfüUung immer 
fegeit*reich mirft. 

Somie ©ott ber £err in Siebe unb ©arm* 
herzigfeit ba* SWenhhengefdjledjt mit Strömen 
ber ©nabe überfchüttet, fo ermartet ©r don ben 
Seinen, bah fie in SSort, SBanbel unb Siebe** 
thätigfeit einem fegnenben, ©ebeifjen herdor* 
rufenben ©aepe .gleichen. Sie leben ja nicht 
für f i ch f e 1 b ft, hoben nicht bloh ein für fid) 
felbft gefteefte* $icl, fonbern finb in eine @e* 
meinfehoft hiueingeftellt, für bie fie einen ©eruf 
erholten, an bem man nicht dorbeigehen barf 
mit ber St ain*nioral: „Soll id) meine* ©ruber* 
.püter fein?"' ober mit ber 2 Iu*rebe ber 
Slelteften: „SBa* geht e* un* an? ba fietje 
bu zu." 

Ser ffihrift trinft nicht nur für fich don bem 
SBaffer be* Seben*, ba* feinen tiefften Surft 
nach Triebe, Sid)t unb Seben ftillt, nein, er mirb 
aud) zum ©runnen für anbere, nach bem SEBort 
be* ßerrn: „SEBer an mid) glaubt, don beh Seibe 
merben Ströme lebenbigen SBaffer* fliehen. SEBir 
foüeit un* nicht bloh be* Sichte* freuen, ba* 
mitten im SSJinter im Stall z« ©ethlehem er* 
fcfjien unb hmein leuchtete in bie 2 Zacf)t ber 
Sdjulb, in ba* Sunfel ber irbifd)en Pilgrim* 
fchaft, in bie ginfternih be* ©rabe*, nein, mir 
fönnen unb fallen auch z um Sicht für Slnbere 
merben, mie ber ,*perr fagte: 3h r f e ib ba* Sid)t 
ber SEBelt. 

S u f 0 11 ft ein Segen fein. 253e()e 
bir, menn bu e* nicht bift; benn nur fegneub 
mirft bu aufgehoben gen £>immcl. So ftel) benn 
ba al* ein Sicht don 3 e fu flamme entzünbet; 
leuchte, menn bu auch bariiber derbrennft, ma* 
thut e*? ©efchiel)t e* um be* |>erm milleit, 
mohl bir. 2 lud) neben ber Streuzigung*ftätte 
ift ein ©arten, barin blüht e*. Sei nur getroft 
ein Salz — jebe* Opfer muh mit Salz ge* 
falzen merben—ftreue e* ein in bie ftäulnifi ber 
©Seit mit beinern 3eugnih in SEBort unb Sf)at, 
unb menn e* fein muh, foh bidj felbft einftreuen 
al* Salzfom, mie einft bie SOtärtprer. ©ott 
miß, bah bu ein Se$n feift, nicht au* horter 


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flu follft ein Segen fein. 


3 


Sitttür, fonbern bomit bu b e n © eg cn 
ererbeft. 

5 a S 2B o r t — „X u f o 1 1 ft e i n S e g e n 
i e i n" gibt nicht einzelnen Veoorpgten, fonbern 
ben Vätern unb 2Rüttern, ber ^ugenb unb ben 
Äinbem, ben 9tad)barn> ©efreunbten,$rebigem, 
2 ef)rem unb ®orftel)ern, ben Steifen unb 9lr- 
men. 

3Jtan brauet auch feine ©rofjthaten p üoß- 
bringen um pm ©egen p merben. Xr. SRar* 
tin 2utfjer hat burcf) fein 2eben unb SBirfen 
geroih mächtigen ©egen in ber SBelt bewirft. 
Slber auch fleine Qü$e in feinem Seben üben 
beute noch fegenSreidjen ©influh. Xa finben 
mir if)n ■$. ®. im ©arten mit feinem ©ans 
„^Sferbchen" fpielen, ober er fingt feinem Sendjen 
ein ft inberlieb oor, ober er fd)reibt feinem klei¬ 
nen non ber 3 fcfte ©oburg aus ben tounberbar 
finblichen ®rief über ©immet unb beffeit ©err- 
liebfeit. SBelch ein ©egen für biefe ftiitber nid)t 
nur, fonbern für bie Siad)mett! Xenn heute 
nodj, menn mir üon einem echt djiriftlidjen, ge- 
müthlicheit Familienleben reben, citiren mir ben 
Xr. Martin. 

Xu follft einSegen fein — Vater 
unb 3){ u 11 e r. 

Xap ift auch nicht eine grofje Slnpht 2ebcnS= 
jahre, ober ungemöfynlidje Steife im Sl)riften= 
ttjum erforberlid). ©otteS ©nabe ift aud) in 
Schwachen unb kleinen mächtig 511 m ©cgnen. 
©och oben in ben ©aooper Sllpen mofjnte pr 
3eit ber SBalbenfifchen Verfolgungen eine SBal* 
Denferin mit ihrem einzigen Knaben, ©ie mar 
blinb unb fehnte fid) hoch fo fetjr nach bem SBorte 
©otteS, baS fie jeboch feiten p hören befam. 
Xer ftnabe, melier als ©irte fid) unb feine 
SKutter ernährte, fann enblid) bie ©eufpr ber 
Butter nach ©otteS SBort nicht mehr hören unb 
faßt ben ©ntfd)tuh, fchreiben p lernen, um 
roenigftenS Slbfchnitte ber heit- ®c^rift ab= 
Schreiben unb fie ber lieben ÜSßutter oorplefen, 
Denn Xrucferpreffen gab’S bamals noch nid)t. 
Jrunten im Xf) a t mohnt ber Pfarrer ber ©e^ 
meinbe unb bem offenbart ber Steine fein ©er$. 
Sie oerabreben mit einanber, bah er pei 
Äbenbe in ber SBoche herunter fomme in’S Sßfarr- 
hau*, mofelbft er Unterricht haben foße. Stie 
gab eS einen eifrigeren @djüler als jenen @a= 
ooparben^irten. Unb als er ben erften Vibel* 
Der« abgetrieben hotte, unb ihn im Xriumph 
W lieben 2 »utter trug, ba mar eS 2 icht in jener 
©utte, benn ber ®erS lautete: „3ft ©ott für 
uns, mer mag miber uns fein? SBeldjer auch 
feinet eingeborenen ©olpeS nicht hat oerfcfjonet, 
ümbern f)at if)n für uns Slße bahin gegeben; 
me wüte er unS mit ihm nicht SOleS fdjenfen?" 
m $>unbert Stbfchnitte »achte ber ©ohn im 


2aufe ber ßeit pr blinben SRutter. Unb als 
fie heim ging p ©ott, ba legte fie bie ©änbe 
fegnenb auf beS ©ohtteS ©aupt unb fprad): 
„SDtein ©ohn bu murbeft mir pm unausfpred)* 
liehen ©egen, benn bu brarfjteft mir baS X^euerfte, 
baS SBort au^ ©otte^ SOtunbe. Unfcr lieber 
himmlischer Vater mirb mit bir fein unb biefj 
noch sunt groften ©egen machen." ©0 mürbe 
e$. garreß ift ber berühmte 9?ame jene^ $ir= 
tenfnaben, melcher fpäter al$ malbenfifcher $re- 
biger unb 2 ehrer ein fcheinenb 2 icht am buntlen 
Orte gemefen. 

Xu follft ein ©egen fein, liebe 
3 u g c n b! ©3 überläuft mid) falt, meun ich 
baran benfe, mie diel |>uubert Sinber gum 
fluche merben, bie ein ©egen hätten fein fönuen. 

Xie ©lütffeligfeit, ein ©egen ^u fein, häugt 
auch nicht oon ber ©teßung im 2 eben, ober öon 
9?eichtf)um unb Stacht ab. ©in Oerachtet 2 id)t= 
lein in ben klugen ber ©toljen giebt oft einen 
gar heßen ©chein. S?ocf) nicht lange ift e$ h er ^ 
bah man einen armen gabrifarbeiter begraben 
hat, melchen ich 9 ut fannte. ©eiten fai) man 
ihn am SSerftag aitber^, al^ in blauer 2Irbeit3= 
bloufe. 2 Iber er mar einer oon ben SKenfcheit, 
Oon benen man fagt: ©ie bringen immer einen 
©egen mit. ©r hatte nur eine Xorffdjule ge¬ 
noffen ; feine Siebe mar jeboch lieblich unb mit 
©al^ gemüht. ©^ ftanben ihm feine gelehrten 
Kommentare ju ©ebot; aber oor feiner ©onm 
tagfd)ut=SIaffe hielt er muftergiltige 2 eftionen. 
©einem ©arge folgte 2 Irm unb S?eicf), eine grofje 
@d)aar früherer ©chüler, Viele, benen er ein 
SBegmeifer -*um 2 eben gemefen unb fein 2 In= 
benfen ift in ©unberten Raufern gefegnet. 

X)u follft ein ©egen fein. — Xa£ 
gilt auch unfern ©äufern unb ©emeinben. 

Ueber oieleit ©äufent liegt bie 9lad)t ber 
©ünbe unb be^ Ünfrieben3. 55 ebe^ ©hriften^ 
hau^ aber, in bem Seelen mohnen, bie ben 
©erm lieb hoben, bie fidj oon feinem ©eifte 
treiben taffen, bie in fein Vilb üerfläret finb — 
ift ein ©tern in ber Xunfelheit unb märe e3 bie 
ärmfte ©ütte.—gebe ©chule, in ber bie 2 ämmer 
gemeibet unb bie Steinen -$u ^cfu gebracht mer¬ 
ben, bah er fie anrühre, in ber bie Sinber erlo¬ 
gen merben in ber 3 u d)t unb Vermahnung pm 
©ernt—fie ift ein ©tern.— 3 ebe Sirche, in ber 
©otte^ SBort in Vepugung be^ ©eifte^ unb ber 
Sraft oerfünbigt mirb, in ber eine echte ©hriftem 
gemeinbe bie Opfer ihres 2obeS bringt—fie ift 
ein ©tern. 

3 a, ihr ©emeinben, ihr fotlt ein 
©egen fein. 3 t) r foßt bie ©ngetsleiter beS 
©ebets aufrichten, bah Vitte, ©ebet, Fürbitte 
unb Xanffagung auffteige unb ©otteS 2iebe fich 
herabneige auf bie Seelen, auf Sirche unb Va- 


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$ird)em>0rftel)er (Kntnumf unb bie Ärbfbmodje. 


terlanb. 93ci euch foCf bie Sßarbe beS 3BortcS 
(Sottet auSgegoffen fein, bag jeber, bcr bei bir 
eintritt, ben ©erucf) non oben empfinbe. Sei 
euch mug bie §eilanbSliebe toohuen, bie nicht 
baS 3h* e f uc ht fonbern gern bient, bie fidj nicht 
erbittern lägt, fonbeni alle 9ßorgeit neu ift. 
3b* foHt 93äume fein, borunter bie SSögcl beS 
Rimmels ficb famnteln; ©ntnnen, bie immer 
frifdjeS SBnffer fpenben, ob 3 cman b fommt 
unb fcgöpft ober nicht. 3h* foDt Seuerljerbe 
fein, barinnen baS heilige 3euer gepflegt, Se* 
gen^fjäufe* — griebe unb greube ber 9Belt ju 
bringen—bis bag er fommt, ber euch fo unauS* 
fprecglich fegnete. 

* * * 

©S raufdjt bie Seit ins 2ßeer ber ©migfeit. 
©iiter SBeberfpule gleich fliegt unfer Seben ba* 
hin. SBie Sraum unb 9taucg — fo fchnell Oer* 
fchroinbet baS $afein ber Sßenfcgen. Sßocf) ein 
paar 3oh* e h ö ^P en ^ — bietteicgt nicht mehr fo 
oiele Stunben—unb mir m a r e n. 3BaS bann ? 
93aS mirb uns bie tieffte, innerfte Sefriebigung 
beim aibfdglug unfereS SebenSbucgeS oerleihen ? 
2BaS mirb ©ott ber $err barin fudjen ? 9luf* 
gesichertes SBiffen, aufgehäufle ©hre, 3Kad^t 
unb Steichthum? Sßichts non all bem. $ie 
SJelt nergeht mit ihrer Suft unb mirb uns beim 


©Reiben aus ig* gar flein erscheinen; bei ©ott 
aber ift ihre Signatur in meinem SebenSbudje 
ein ©räuel. 

„3<h höbe bich gefegnet unb jum Segen ge* 
fept, lägt ber gimmlifche SSater mir fageit, bag 
bu im Seben unb &ob ben Segen beerbeft. 
®amach fchaue aus; baS ift ber 3^ beineS 
SebenS, bag bu Segen fpenbeft, barnach merbe 
ich, bein ©ott, fegen unb bir ben Sogn geben/' 

So mitl icg benn mein flein Sicgtlein brennen 
laffen, bag ein oerirrter Schiffer ben £>afen 
möge finben. So foH benn bie in ©naben mir 
oerliegene Sraft eine Segensquelle für bie äßen* 
fegen merben. So mill icg benn, ein armer 
SBanberer mieg auf S ©mftgaftefte bemügen, ei* 
nige gute Spuren im Sanb ber 3eit ä u *ö^i u= 
laffen — 

„©puren, bie üielleicgt ein Slnb’rer, 

$er ba fämpft mit ©türm unb glutg, 

©in oerlorner armer SSanb’rer 
SEßieber fiegt unb faffet 9ßutg." 

Unb gilf, o ©ott, bag, menn einft meine Sin* 
ber unb greunbe um mein ©rab gegen, fie ju 
fagen oermögen: ®r ift uns unb ber aßenfeggeit 
Zum Segen gemorben. ®a icg aber nur fegnen 
fann, menn icg gefegnet bin, fo fegne mich jefct 
mit beinern heiligen ©eifte, mit Siegt, Siebe unb 
Seben. 


Htrd|etuiorpteher (ffmmons unb bie ©ebetsioortje. 


Sur gattS unb gerb frei nadj 

t ie atbenbmaglSfeier ber ©emeinbe beS Pfarrers 
parier, melcge am erften ©onntag im neuen 
Qagre ftattfanb, mar eine befonberS gefegnete 
unb gerjergreifenbe. ©in tiefer ©mft rügte auf ber 
zaglreicgen aSerfantmlung, aus melcger miebergolt 
laute ©eufjer ju ©ott emporftieaen. 

Pfarrer harter mar eben im begriff ber ©emeinbe 
baS ©cgluglieb zu oerfünbigen; er legte aber baS ge* 
öffnete ©efangbueg mieber auf bie ahbel unb fegaute 
langfam über bie igm anoertrauten ©eelen gin. ©r 
mar ein einfaeger aber emfter ©otteSmann, bem eS 
barum zu tgun marfein $ntt reblicg auSzuricgten unb 
jebem ©liebe feine ©ebügr AUfommen zu laffen. ©r 
mar ein $orbtlb feiner §eerbe im SBort, in ber Segre 
unb im feanbel. ©r gatte im üermügenen ©naben* 
jagre befonberS gart gearbeitet, aber augenf<geinlicg 
mtt geringem ©rfolg. ©eine ©emeinbe mar infam* 
mengefefet oon ^erfonen aus allen a$olfSf<gtcgten, bie 
fieg tn ben oerfegiebenften SebenSfreifen bemeaten. 
feor igm fagen ©efegäftSleute unb 5)ienftboten, gaorif* 
gerren unb Sognarbeiter, ©utSbefifeer unb ©elegrte, 
emfte ©gnften unb faumfelige ©lieoer. 

Qn ber lebten Reit ging eS niegt obue Äampf unb 
©treit in ber ©emeinbe ab. ©iferfücgteleien unb 
©plitterriegten gatten fi<g eingebürgert. ©S feglte 
ber ©emeinbe bie ©inigfeit im ©eift bureg baS S3anb 
beS fJriebenS. Pfarrer parier mar in ber legten Reit 
oft fegr unter ber 2Bolfe; eS fam igm oor, als fei afteS 
^ßrebigen unb alle ©eelforge, bie er an ber ©emeinbe 


bem ©nglifigttt bau 0. @nt|. 

übte, umfonft gemefen, unb bag nur ber ©ngel ©abriel 
mit feiner Xrompete im ©tanbe märe, bie ©emeinbe 
aufjurütteln, oon igren ©ünben ju überzeugen unb 
Zum ©lauben an ben ©ogn ©otteS zu fügren. 2Bäg* 
renb ber 5lbenbmaglSfeier aber gatten anbere ©e* 
banfen fieg feiner bemäegtigt; eS fegien igm als ftünbe 
er unter befonberer Seitung beS geiligen ©eifteS, als 
gätte er einen befonberen aiuftraa zu erfüllen, ©r 
rebete bager feine ©emeinbe foigenbermagen an: 
„Sßeine lieben greunbe! ©S ift eueg allen befannt, 
bag mit bem genügen ©abbatgtage bie ©ebetsmo^e 
igren Anfang nimmt, unb bag mtr feit ftagren uadg 
bem Programm ber eOangelifcgen$ltlianz ©otteSbienft 
pflegten. 9ßir aber mitt eS febeinen, bag mir in biefer 
aSocge eine a$eranberung bagin treffen fotlten, bag 
mir uns in ben oorgefegriebenen ©egenfiänben Xag 
für Xag üben fotlten, ftatt für biefeiben zu beten, mie 
oaS bis iegt ber gaÜ mar. 3BaS icg meine ift, bag 
mir bie ©egenftänoe zum ©ebet praltifcg beleben fofiC 
ten. flum SSeifpiel. S)er ©egenftanb für 9ßontag 
ift 9ßäftig!eit feie märe eS, menn ein jebeS oon uns 
fug befonberS befleigigen mürbe, morgen mägig zu 
fein in allen Gingen. Im $ienftag jouen mir für bie 
©onntagfcgulfacge beten, ©efept, mir mürben unfere 
©omttagSfcgüler befudgen unb ben jungen Seuten be* 
fonbere 5lufmer!fam!eit fegenfen. gür 9ßittmocg ift 
ber ©egenftanb beS ©ebetS: ©griftlicge ©emeinfegaft. 
3Bie mare eS, menn mir biefeS Sgema in prattifege 
^luSfügrung bringen mürben? könnten mir uns niegt 


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ftirdjeiiiiorfttlpr (Stnmons unb bit 6ebrt»wod)t. 


1 


gegenfeitig SSefiufje abftatten unb bic Äluft unb Äälte, 
Die geh ba unb boxt unter und $eigt ju entfernen 
judjäi? Slm IDomierftag füllen wir für unjere gami* 
iien beten, könnten nur und nic^t beftreoen an bie* 
fern läge in unfenn gamilienleben und p üerhalten 
nad) ber ©rmal)nung bed ©pofteld: „Unb ihr Väter, 
reuet eure Ein ber nicht *um yom/' „3b r ©tänner. 
liebet eure SBeiber, unb feib nicht bitter gegen fie."? 
3 br toigt ja, über fold)e S^riftfteüen wirb feiten ge* 
prebigt!— 

9m Freitag foUen wir für bie Kirche beten, bamit 
jie einflugreidpet nach äugen fei. Saffet und aber fo 
leben, wie ©briftud, bad §aupt ber Stirdje, und em 
Sorbilb gegeben bat. Dad Dpema für Samftag ift: 
Öebet für bie Reiben*)öller. ©Bohnen aber nicht aud) 
beiden in unjerer Stabe — ©erfonen, bie fid) Weber 
um ©ott noch um ihr Seelenheil betümmern? 
ftönnten wir oielleicbt nicht biefe behüben unb pm 
$efud) ber ©ottedbienfte einlaben? Vielleicht werben 
mir *ur ©infiebt tommen, wie üiel Arbeit in unferer 
nächsten Stäbe auf und wartet. SBir wollen baber 
leine ©ottedbienfte für biefe ©Boche anberaumen, fon* 
bern wir wollen und beftreben, bad Programm für 
bie ©ebetdwoebe im prattifeben geben audpfüpren. 
3täd)ften SamJtaajÄbenb wollen mir wieder pfammen 
lommen unb cmeSBerfon aud unferer ©litte beftimmen, 
welche und ihre ©rfabrung biefer ©Boche nach bem 
eben angebeuteten $lane mittbeilen fou. ©Ber für 
biejen Vorfdjlag ift, ber bezeuge cd bureb ©lufftchen." 
Die gan*e Versammlung erhob ficb bid auf ?lmod 
Ductcr, ben feine grau niept bewegen tonnte, feine 
3uftimmung jum ©Man bed Vfarrerd p geben, ob* 
wohl fie ihn am Stodärmel rupfte. ©r fcbüttelte 
feinen grauen Äopf unb faß unbeweglich fti£L 

Die ganp ©emeinbe fang bad Scptußlieb mit be* 
fonberer ©Segeifterung, benn die ©edanten bedBjarrcrd 
harter bitten eingetragen unb nach bem Segend* 
fprueb gingen fammtlicbe 3uhörer, ™ auf 
Ducter, beim mit bem feften ©Sorfafe, unter bem ©Jei* 
ftanbe ©otted bad Programm ber ©ebetdwoebe prat* 
tiieh p beleben. 

9m barauffolgenben Samftag ©tbenb fam bie ©e* 
meinbe wieber pfammen, bie freubige Stimmung 
aber bed oorbergehenben Daged war oerjebwunben. 
Obermann [ah mebergefdblagen unb traurig aud. 
©ad) ber Eröffnung bed ©otteddienfted würbe pr 
öabl ber ^erjon gefebritten, welche ihre Erfahrung 
in ber prattijeben Äudfübrung ber ©coctdwocbe pm 
heften ber ©Inmefenben geben follte. Dad Sood traf 
ben ©Borfteper ©mmond. ,>©d tbut mir in ber Dpat 
leib, bag bad Sood mich getroffen bat, benn ich habe 
eudj gewig niebtd ©rfreulicbed p berichten." ©tit 
biefen ©Borten erhob ficb ber ©Sorfteber langjam unb 
bedächtig. „©Bir forbem niebtd ©rf reu liebe*", erwi* 
berte ©Tarrer parier. „©Bad wir wollen ift bie wirf* 
liebe ©rfabrung einer ©krton unter und, bie wir 
lennen unb bereu Neuartig Aufnahme findet, unb ich 
bin gewiß, ©Sorfteper ©mmond wirb ficb in jeiner 
©httpeilung ftreng an jeiner ©rfabrung halten." 

Vorftepcr ©mmond war ein alted, moblangefebend 
©titglieb ber ©emeinbe. ©r batte ein bebeutenbed 
©efrbäft im Städtchen unb war ald ©brenmann unb 
gbrift weit unb breit betannt. „©leine trüber", be* 
gönn er, „ba bad Sood mich getroffen bat, fehe ich 
nicht ein, warum ich euch meine ©rfabrung nicht er* 
wählen follte. gd) fühle mich beschämt unb gebe* 
mütfjigr, utib bad mit Siecht; ich baffe aber unb bete 
m ©ott, baß ich bureb bie ©rfabrung ber lepten feebd 
tage ©farnhe* gelernt haben möge. Cpne weitere 
Umfdjroeife toiti ich euch eraäblen, wie ed mir ging. 
Äm Montag febaute ich um mich, feben, wo ich ben 


Anfang in ber SJtägigfeitdjacbe machen follte. 3b* 
wißt ja, bag ich feine geiftigen ©etränte über meine 
Sippen lommen laffe. §m ©enuffe bed $affeed aber 
bin ich leibenfcbaftlicb. SJiein Slrgt batte mir fepon 
oft benfelben oerboten, ba ber ©enug, wie ich auch 
felber ju glauben geneigt bin, meiner ©efunbbeit nicht 
juträglicb ift 3$ weig aud^, bag ber ftarfe Kaffee 
mich nöroöd macht unb aufregt, jo bag ich oft gned* 
grämig unb oerftimmt bin. Qd) nahm mir baber 
üor, im ©enug bed Äaffeed ab^ubreeben. Slber ich 
mug euch gegeben, bad war leine leichte Aufgabe. — 
Dad 5J*abftucl wollte mir nicht febmeden — ich jah 
ein, Wie leibenfcbaftlicb ich in biefem Stüd bin — icp 
lonnte mich laum überwinben. SÖenn ed einen SJtann 
giebt, ber mehr am beraufdjenben ©etränte bängt, 
ald id) am Kaffee hing, fo bebauere ich ihn oon ^erjen: 
ich bin jeboeb gewig, bag ed bem Xrinler möglich ift, 
oom 93ier unb Sdjnappd ju laffen, wenn er ed nur 
mit ©mft oerjuebt, benn ed ift mir gelungen bem 
Äaffcegenug aojufagen. 

Veim SJlittagdmabl begann ber ^ampf auf’d Sleue. 
$cb bin ein befonberer greunb ber ^aftete jum Stacb^ 
tifd), unb fehlt biefelbe nie auf unjerer Xafel. Qdh 
weig wopl, bag biefer Stadjtifcb ^um arogen Db*il 
fcpulb baran ift, bag ich an Unoerbaulicbleit leiben 
mug. Sttein SÄagen ftebt beftänbig auf bem ftriegd* 
fug mit ber Sßaftete, unb unfer gamilicnar^t bat mir 
oft genug gefagiL bag ich nicht gefunb werben tann. 
bid ich mich im ©ffen beffer ^u beberrfeben weig. 3cp 
weig auch, bag ich felbft geniegbarer unb freunblimer 
wäre, wenn ich einen gefunben SJlagen hätte. JJcb lad 
in ber 93ibel beim gamiliengottedoienft am SRontag 
borgen, bag wir unfereSeiber ©ott jum Opfer begeben 
foUen, bad ba lebenbig, heilig unb gottgefällig unb 
unfer üemünftiger ©ottedbienft wäre. Sich, jeufete 
ich, fo lange bu an beinern [flechten ©lagen felber 
febulb bift, tannft bu beinen Seib ©ott nicht jum ge* 
fälligen Opfer weipen! Qcb nahm mir oor, leinen $ie 
mehr $u effen. Slber o web • 3^1 lonnte mich nicht 
überwinben — ich ag haftete Wie immer — gegen 
beffered SBiffen, unb id^ oerficbere euch, mein ©ewigcn 
bat mir äu jebaffen gemacht, ©d warf mir oor, wie 
oft baft ou ben Xruntenbolb rüdficbtdlod bcbanbelt 
unb oerbammt, Weil er oom Xrinten nicht läßt, unb 
bu tannft bicb nicht einmal überwinben im ©enug 
oon Speifen bie bir offenbar jebaben. 34 geftc^c 
euch, meine trüber, ich habe mich lepten ©contag bef* 
fer lennen gelernt, ald je $uoor! — 

„Slm Dienftag machte ich mich auf ben ©kg, meine 
Söibeltlaffe ^u bejuchen. ©tnige Schüler meiner Älaffe 
waren in lepter 3eit fepr unregelmägig ini ©efueb ber 
Sonntagfcbule unb ich mug euch betennen, bag id) ^u 
fepr in ©efebäften oertieft war, um mich jonberlicb 
um fie äu betümmern. Öfb tann aud) heute Slbenb 
nicht aued enählcn, wad ich beim Vefud) meiner 
Sonntagfcbultlaffe audgnbig machte. 3<b fanb einen 
Schüler traut im ©ett; feit brei SBowen hatte ber 
| 3 un 9 c unjäglid) gelitten, ©r war fegr froh mid) 
iepen, id) rebete mit ipm unb Wied ihn auf ben 
$j>eilanb piu. ®or meinem ©kggetjen betete id) mit 
ber gamilie. 31 Id id) bad £>aud oerlieg, oemabm id) 
jum erften ©tal in meinem Seben bie 3uflüfterung 
oer ©Sorte bed ^eilanbed: „38ad ihr gethan habt einem 
biefer ©eringften meiner Vrüber, oad baot ipr mir 
gethan." 

„vlld ich mich oom ©cfud) bed ^weiten Sdjiilerd 
oerabfehieoet hatte, fprad) bie ©lütter folgende 'Borte 
aud: „Qd) bin fo froh, bag Sie und boep einmal be* 
jucht unb nach unferm Üinbe ficb erfunbigt haben 
Sie wiffen wohl, mein ©tann fragt nicht nad) ber 
Äircbe, aber wie oft hat er mir oorgeworfen, bag 


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linprmiorffrljer (Kntnton* unb bie @rbft0iuod)r 


bie TOtglieber einer Stircpe niept beffer finb als an* 
bere fieute. 'Sieh nur/ pflegte er gu jagen, 'menn 
ber Siircßcnoorftcper ©rnmonS ein jo guter ©prift 
märe, mie er gu fein öorgiebt, jo mürbe er fiep bocp 
auch nnt unfern 3opann befümntent unb ipn pie unb 
ba befugen müffen/ Qd) pabe oft gefüllt, als ob 
mir eud) gu gering mären unb ipr in unjerem Aopl* 
ergeben fein ^ntcreffe hättet, aber id) btn jeßt eiltet 
anoeren überzeugt. Söejucpen Sie uns bod) halb mie* 
ber, jQerr ©rnmonS." 

SÖteine trüber! Qcp muß eud) befennen, ba (3 ber Ae* 
fucp meiner Aibelflaffc mtr großen 9tußen cinbracpte, 
unb id) habe mir oorgenommen, oon jeßt ab meinen 
Sonntagfcpülern mepr Aufmerfjamfeit gu jcpenfen. 

,,9JJittmod), mie ihr mißt, mar ©priftlid)cr*©emein* 
fcpaftstag. ,jcß fteute mir üor, id) mürbe an biejem 
Sage leicpt pmburcpjegeln. Sen SÄorgcn brad)te icp 
gu tm Aejucp meiner Aacpbam unb id) patte eine an* 
genehme 3^it. AIS id) aber gegen 9ttittag nad) jpaufe 
lehrte, begrüßte mid) meine grau mit ben Porten: 
„Acißt bu auch, baß ber Stier beS Squire AmoS 
Surfer in beinen jungen Obftgarten eingebrochen ift 
unb großen Schaben unter ben tpeuren Aäumen, bie 
bu tu ben lepten 3apren gepflangt patteft, an* 
richtet?" 3n einem vcu ftieg ber alte Abam in feiner 
üouen ©röße in mir auf. Ser fepmarge Stier beS 
AmoS Surfer mar fdjon früper in meine gelber ein* 
ebroepen. Ser Stier märe fepon reept gemejen, aber 
er Surfer pat ben Stier niept eingegäunt mie fich’S 
gepört. Auf meinen jungen Cbftgartcn mar icp be* 
jonberS ftolg unb maepte mir große Aerfpred)ungen. 
äRein Aoplmoüen, baS id) peilte funb merben laßen 
mollte gegen gebermann mar oerjepmunben. Qcp patte 
nichts ©iligereS gu tpun, als ben AmoS Surfer aufgu* 
fuepen unb ipm bie Seoiten nach 9totcn gu öerlejeit. 
Siefer aber pörte mir rupig gu, bis icp meinem 30 m 
Suft gemaept patte, morauf er tttiep in fünften Porten 
baran erinnerte, baß peute ber Sag ber ©priftlicpen 
©emeinjepaft ift. Siefe Aemerfung ging mir gu £>er= 
en: icp patte mich öerfrieepen mögen. 3m Augen* 
lief ftanb mein Sehen öor mir unb icp mußte mir 
jagen: „Armer ©rnmonS! feit Qapren befennft bu ein 
©prift gu fein unb bift iticpt einmal im Stanbe, einen 
Sag betne 3unge im 3aume gu palten unb läjfejt biep 
ootii Aöfen überminben." 

„trüber!" rief eine Stimme in gebrochenem Sone 
aus, „laßt mid) eud) ben AuSgang ber gufammen* 
funft beS AorftcperS ©rnmonS mit iitir ergäplcn. ©r 
bat fögleich um Aergeipung, baß er mir jo barfcp in’S 
£>auS gefallen fei, obgleich eS niept palb jo fd)limm 
mar, mie er ficp’S oorfteUt. ©r jagte mir jogar, baß 
baS ©priftentpum an jeinem ungebüprlicpen Aenepmen 
niept Schulb Jei, fonbern baß bieje auf ipn )clbft 
guriicffalle. 9xein, §err ©rnmonS fam mir als 3)?aun 
unb ©prift entgegen unb gemann meine Acptung ber* 
maßen, baßer jeßt pöper in meinen Augen ftept als 
je guoor. äßepr noep als biefeS, iperr ©mmonS ©nt* 
gegenfomnien pat miep beftimmt, oon jeßt ab ein 
ganzer ©prift gu fein. Qpm pabe id) eS gu oerbanfen, 
baß icp baS neue 3apr mit neuen ©ntfcplüffen ange* 
treten habe." 2J£it biefen Porten jeßte fiep 9lmo$ 
Surfer jcplu^enb nieber. 

„ÖJelobet jei ber ,t>err!" „^aHelujap!" „hinten, 
Linien!" paute e^ burep bie gan^e ^.serjammlung 
mieber. 

„(Sfebet für bie ganiilie, mar ba^ Spema auf 
Sonnerftag," fupr ©rnnton^ fort, „icp ftanb bei 
3eiten auf, um geuer p madjeu, als id) aber in bie 
$ücpe fam, entberfte icp, baß mein Sopn Qeffe oer* 
geffen hatte £>ol$ unb Kopien aus bem Äeller perbei* 
pjepaffen, maS bod) jeine Arbeit ift. Anfänglich 


mollte icp ihn orbcntlicp pemepmen, bod) icp bejann 
mich eines Skfferen. Qcp pielt an mid), ging in ben 
Heller unb bejorgte §olj unb Äohlen, opne ein meitc* 
res Söort baruber p oerlieren. ^aepbem baS geuer 
brannte, ging icp in bie Kammer meine grau p 
merfen. 

„Ach!" feufjte fie, „icp pabe ein fcpretflicpeS ftopf* 
mep, Simon, boep mill icp foglcicp fommen." Saß 
meine grau fopfmep patte, mar mir niepts 9ZeueS. 
Sie grauen paben ia )o mie jo immer p flogen, id) mar 
eben im begriff, ipr eine Antmort in biefer 9fid)tung 
p geben, als mir bie SBorte beS ApoftelS, bie ber 
^rebiger leßten Sonntag anfüprte, in ben Sinn 
famen: „Qpr ®fänner, hebet eure Akiber, unb jeib 
niept bitter gegen fie!" Qcp antmortete gelajjen: 
„^ßpilippine, bleib* nur rupig liegen, bis bein Stopf 
befjer ift, ©mma famt baS .Hocpcn peute bejorgen." 
9Jteine grau manbte fiep rafcp 11 m unb rieptete einen 
Sölirf fo ooller ®ermunbenmg auf miep, baß mir ber* 
felbe burep Sfftarf unb ®ein fupr. 

„Acp! ßmmonS!" pieß es in meinem 3miem, 
bift bu bod) für ein ^auSoater gemejen! Sein treues 
Söeib, bie feit mepr benn smanijig 3 a p*en greub unb 
Seib mit bir tpeilt, ift förmlich überra)cpt, ein freunb* 
licpeS $Bort oon btr 511 pören auf ipre Klagen über 
Stopfmep!" 

,,3d) polte SBaffer perbei, ging in ben Stall, bie 
Stnp p melfen; eine Arbeit, bie meine grau gerne 
tput, bie ipr aber beim Stopfmeh ungemein fepmer 
fällt. AIS icp in bie Stiicpe trat, ftanb meine Philip* 
pine über bem £)fcn unb bejcßäftigte fiep mit ber 3 u s 
bereitung beS griipftürfS, ipre Augen maren mit 
Spräncn ber greube über mein milbeS SSefen gefüllt. 
Qd) oerfiepere eutp, icp fam mir als partper^iger 
s i)fann gegen mein SSeib oor, unb icp füplte perglicp 
fcplecpt. 

„Socp eS foüte noep gan^ anberS fommen. ©egen 
Abenb ging icp in ben Steller, Aepfel für bie Sftnber p 
polen. Söäprenb icp miep bafelbft beschäftigte, über* 
pörte icp folaenbeS Am^gefpräcp pi)d)en ben beiben 
Stinbern bie fiep im 3inimcr über bem Steller befanben. 
3effe: „Akißt bu maS, 6 mma, icp glaube gang ge* 
miß, baß unfer 5 ?ater halb fterben miro." ©mma: „fei, 
mie fommft bu auep nur auf einen folcpcn ©infall, 
Qeffe, unfer $ater ift ja noch jung unb rüftig, marum 
füllte er jdjon fterben müffen?" Qeffe antmortete: 
„©oft bu benn niept maprgenommen, ©mma, 
mie gut unb IiebenSmiirbig ber Skater biefe gange 
Atecpe pinburep gemejen ift? ©r pat niept ein eiugi* 
geS partes Söort gegen uns auSgefprocpen unb icp 
tage bir, menn einmal bie £cute fo gutmütpig unb 
fromm merben, mie baS bei unjerm Aater ber gaU 
ift, fönnen fie niept mepr jepr lange in biefer 3Bclt 
leben." 

„AIS icp biefen Aorten meiner Stinber laujepte, ba 
braep mir mein §erg; icp jeßte miep auf bie Steller* 
treppe unb meinte miep reept jatt. ©S jepien mir, als 
fönnte icp fepen, mie 3 efus miep anjepaut, gerabe fo 
mie er einft bem AetruS beim Stoblenfeuer einen ®lidf 
ooHer s J)htIcib gufommen ließ. 53iSper maren meine 
f inber gemöpnt, oon mir eine falte unb harte $ 3 e= 
panblung gu ermarten, baß icp einmal ben $crjucp 
madjte, meine Äinber uiept gum 3 *>rn gu reigen, fiel 
ipnen befonberS auf. AiSper ließ icp eS an Sd)elten 
unb Sropen niept feplen; id) prebigte an fie pin unb 
betete für fie, aber me mar eS mir eingefallen, baß icp 
ipnen ein gutes Aeifpiel fcpulbig fei. 9ttit jebent 
Sage lernte icp miep beffer fennen unb fam icp mir ge= 
ringer unb oeräeptheper oor. 

„©efteni napm icp mir oor, ben Sag in meinem ©e= 
fdjäftSlaben gugubringen. Anfänglich ging Alles treffe 


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Pfitjnadjtrn in (Dftmbien. 


liehoon ftatten unb ichglaubtefcßonmeineGrfahrung 
iei mir $um großen Jßußen gemorben. 3lbcr nur 511 
bülb rourbe id) eine« anbercn überzeugt. Unter ben 
toben, bie fid) einftclltcn, befanb fid) aud) bie grau 
bc* tötcßterS ©ermann, melcße geug für genfteroor* 
bange taufen wollte, gd) legte ihr ein neues Stücf 
oor, welches it>r beim erften $litf jo gefiel, baß fic es 
nic^t naher betrachtete, jonbern fogleid) bas gaiue 
Stüd ftd) fäuilichermetfe aueignete. Veim Ginmitfeln 
ber Saare aber jd)lug mich mein Gemiffen mie nie 
jiwor. Wein ©er^ pochte unb mein Gefid)t mürbe 
überroth oor Schamgefühl. ,,$u bift ein Betrüger, 
ein Betrüger!" piefe eS in meinem gnnern, „bu i>aft 
grau ©ennann nicht aufmerffam aemacßt auf 
ben gehler im Geroebe beS 3eugS." $iejeS Gefühl 
ber unaufrichtigfeit trieb mtr ben Schmeiß auf bte 
Stirn. geh erlaubte mir baher folgenbe Vemerfung 
$u machen: „grau ©ermann, haben Sie auch mahr* 
genommen, baß tß e unb ba ein gaben im Gcmebe beS 
Inches fehlt, märe cS nicht gerathen, Sie mürben baS* 
jelbe genauer befießtigen, ehe Sie batür fahlen?" 
^achbem grau ©ermann auf meinen 9tatf) l)in, bie 
©aarc genauer mufterte, tarn fie ^um Schluß, baß eS 
ihr nicht entjpreche. 

„Taß grau ©ermann ben Saben ocrlteß, ohne 
öaaren getauft ^u haben, beleibigtc mid) burcßauS 
md)t. Slber baß ich 1 ° oft meine ftunben burd) Stille 
idjroeigen überoortbeilt hatte, baS ^miefte nud) auf 
bas 'Äuerempfinblichfte. GS fdjien aud), als jollte id) 
ben ganzen iag hüiburd) eine Gelegenheit nach ber 
anbem betomnten, mich näher tennen ju lernen. 911S 
uh ben gaben oerlicß, um mich 8 ur Stuße 8 « begeben, 
ließ mich mein beunruhigtes Gemiffen nicht Aunt 
Schlafe fommen. s Jtad) anhaltcnbem Gebet $u Gott, 
um Vergebung unb Gnabe, ein befjerer Gtjrift im Ge* 
uhäftsleben *u merbeit, fcßlief id) enblid) ein. 

„©eute Morgen nahm ich mir bor, biefen Xag ber 
MijfionSjache $u mibmen nach bent oorgejdfriebencn 
Programme, icß moUtc nad) bent Vorjcßlag uitjerS 
$rebigers, ben Reiben helfen, bie näher, bie oor mei* 
meiner Xbüre ftehen. Mein erfter 93efud) galt ber 
Sittme Sibber. Mit Seftamcnten unb Straftaten 
oerjehen, tlopfte ich an ihre $ßüre. gd) begrüßte fie 
mit etnem freunblid)cn guten borgen. Sas ich aber 
$ucrft fagen follte, mar mir nicht recht flar. gd) Durfte 
ihr bod) nicht fogleid) mitthcilen, baß id) getommen 
iei, fie oon ihrem bofen Sege $u belehren, geh fing 
Daher folgenbermaßen an: „Sir jeheti Sie nid)t tel)r 
oft in ber Verjammlung —" Gße id) in meiner Siebe 
meiter fommen tonnte, fuhr fie fdjnetl mie ber Vliß 
heraus: „9Jein, ©err GmmoiiS, Sic fehen mid) nicht 
in ber Äircße, id) bleibe baheint unb befümmere mid) 
um meine eigenen Sachen.." „Schon red)t," antmortete 
idi, „es mürbe uns aber jebr freuen, menn Sie aud) in 
bie Äircße fämen. „Sas?" fdjrtc bie Sittme in hei* 
lern ^orn auf; „roaSV Sie mürben mich Ö crne * n *brer 
Äirdje fehen? ©Ören Sie, ©err ftirchenoorftetjer, 
fünfzehn lange gaßre finb mir Nachbarn geme)en. 
Sie miffen, baß mir nie in bie ftireße gehen unb baß 
rotr feinen Slnfpruch auf Religion machen, Sic miffen 
cud), baß mir ärmer finb, als ber Xob unb gottlojer 
als bie Sünbe felbft! SJcr gafob fäuft unb flud)t, 
and giSbetß ift fo unroiffenb, baß fie feinen SBud)* 
naben lefen fann. SaS fällt gtjncn aber ein, heute 
borgen fo fromm $u mir au reben? gur Kirche 
geben ? — gd) gehe ober laffe es bleiben — je nach 
meinem belieben. ^)ören Sie! Aachen Sie fid) aus 
bem Staube!" 

JRit biefen SSorten gnff fie nad) bem 93cfen. gd) 
ließ mich ntdbt $um ^weiten 3Jfal auSbieten unb ging 
öaoon. Weitere fRamcti mill ich nic^t nennen, aber 


meine Grfahrung mieberholte fid) ben ganzen SÄorgeit 
hinburd). 5ld), meine trüber! ^5ie Zieles ift für bie 
Reiben um uns her 511 thun unb mie metiig habe id) 
bis jeßt gethan! geh habe Gelb gegeben für bie £>ei* 
ben in fernen fiänbern unb um ihre Belehrung 511 
Gott gefleht, aber bie Reiben $u Jbaufe habe ich bis 
jeßt überfeben. GS fd)ien mir, ber ifrerr ruft mir ^u: 
„tiefes follte man thun unb genes nicht laffen." 

„Wein Gemiffen ift aufgemacht, ich fann mid) nur 
anflagen oor bem §erm unb auSrufcn: „Gott, fei mir 
Sünber gnäbig!" 

Wit biefen Sorten fd)loß §err GntmonS bte Gr* 
jählung feiner Grfahrung in ber Gebetsmoche. Gr 
)eßte fid) unb beugte bas £>aupt tief auf bie 33 ruft, 
mährenb Jhränen über bie Sangen rannen. So oiel 
mar ber ®erfammlung ab^nfehen, baß ber Äirchen* 
oorfteher nicht ber einzige mar, ber burch ben x icrfudh, 
bas Programm ber Gebetsmodje im praftifchen ^eben 
ausjuführen, tief in baS eigene $er^ unb Ücben ein* 
geführt morben mar. Pfarrer ^arfer rid)tete einige 
Sorte an bie $eriamntlung, morauf er bann fein 
.«per* im Gebet oor Gott ausfehüttete. $er 5)err mar 
fühlbar nahe. Gin anberer Geift mar über bie Glie* 
ber ber Gcnteiitbe gefomnteit. Ginc grünblidje Gr* 
meefung fattb ftatt, Seelen mürben pm ^errn befchrt 
unb Pfarrer harter burfte fehen, baß feine Arbeit in 
bem Jpcrrn nid)t oergebltd) mar. 


$ßfil)nad)tfn in Üßtiibüit. 

v^jl'un, ba 2öeihnacf)ten oor ber Ihüre ftet)t 
unb bie fielen ber Sileinen unb Großen 
C/i fid) barauf freuen, möchten mir auch ein^ 
mal unjere SJlicfe nad) gubien menben, in baS 
Öanb ber fchönften Gbelfteine unb Mineralien, 
mo bie Säume unb ®lumen in biefer gahreS^eit 
nicht mit Schnee beberft, fonbern in ihrer fd)ön= 
ften ^rad)t ftehen. SSie mag es mohl bort in 
jenem, oon Gott fo reichlich gefegneten fianbe 5U 
biefer $eit auSfehen ?—geiem aud) bie Reiben 
mie bie Gh r if* en f* 1 ©oropa biefeS geft, machen 
fie auch Vorbereitungen ba^u? 

s 2luf biefe gragen muß man faft ja unb nein 
antmorten; benn oon ben Reiben, meldje Ve^ 
amten unb Unterthanen finb, ift baS ©eihnachtS^ 
feft(„ber Geburtstag beS C£^riftctt s GotteS") 
als ein oon ber Regierung georbneter aögentei= 
ner gefttag geehrt. s 2 (n biefem Sage treffen 
fie, menn auch nur tur^ oorher, ihre Vorberei^ 
tungen, benn fd)ou am heiligen 5 lbenb unb früh 
am ©eihnadjtStag merben bie ,<cmu)er manch 
eines oomehmen |)inbu unb Seamten, mie auch 
bie ber ©inbuchriften, oer^iert mit umgehauenen, 
frudjttragenbcn ^latanenbäumen, grünen C£o= 
coSblättern unb Vlumen, unter melchen ber gelb, 
rotl) nnb meiße fi'iSmiSpoo ober Gh r Oiöntl)emum, 
ber $u biefer Qeit milb mächft, unb in ben mei* 
ften Gärten 5U jfinben ift, eine ©auptrolle fpielt. 

®ic ©äufer merben auch für biefeS geft ge* 
reinigt, unb an biefem Sage giel)t man bie beften 


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8 


jBeil)mußten in «ftinbien. 


Kleiber an, benn nitt nur machen bic §inbuS 
©efute bei aßen europäiften ©eamten unb 
©rebigem, fonbern Serben aut don ihren 2 ln- 
gehörigen unb Untertanen befugt, mit ©turnen 
unb ©uirtanben geftmüdt unb mit Semonen 
beftenft, benn e£ ift Sitte bort bei jeber großen 
geftlitleit, baft ein jeber, ber ©efucb matt, eine 
Semone in ber £anb bringt unter ©erbeugung 
mit bem ©rufte Sataam (b. I). „griebe fei mit 
bir") bie rechte $anb auf feine Stirn legt unb 
bie Semone bem don it>m ©efutten barreitt, 
fit n ai) feinem SBofjlbefinben erfunbigt unb 
bann mit ©tüdmünften 2 lbftieb nimmt. 3 U 
biefcn ©efuten barf aber ber ©etet (bie fd^arf 
ftntedenben ©tätter einer Scftfingpflanse) unb 
bie 2lricanuft, bie SRnft dom 2lrica-©atmbaum, 
nitt festen, benn menn man einem £inbu bie 
Sdjmacb anttjiut, baft man it)n bei fotzen ©ete- 
genfieiten, ofjtie ©etetnuft angubicten, derabftic- 
bet, fo gilt bieS als grofte ©eteibigung, bie er 
nicht derftmergen fann. 

©ei fotten ©efuten finb bie fjinbufrauen 
nitt gugegen, fonbern fie bleiben bei einanber 
im inneren Xfjeit be£ £aufe£, mo bie ©emäter 
ber grauen finb, bunlte Soccer mit nur einem 
ober t)öcf|ften$ gmei mingigen dergitterten gen* 
fterten, nitt einmal fo groft ats ein Satfcnfter 
hier. Sa fifcen bie grauen, ihren ©etet unb 
SRuft fauenb, unb unterbatten fit mit ben 2ln* 
gelegenfjeitcn ihrer SRebenftmeftern. 

2tuf ber Strafte gieren maSfirte ©ruppen 
unter, in ber 2Ritte einer, ber auf einem fjö(* 
fernen ©ferbe fiftt unb gu ber obrengerreiftenbett 
2Rufif ber Somtom (eine 2lrt Srommet) unb 
ber ftriöenben ©feife taugt. Sie anberen gi- 
guren finb mie Siger, milbe 2f|iere unb ftmarge 
Saffem gemalt unb gefleibet unb finb ftrccftit 
angufeben. Siefe ©ruppen tangen dor ben 
Käufern, unb um fie los gu Serben, ftenft man 
ihnen 1 ober 2 Slupien (1 9tupie etrna 50 ©ts. 
amerifanifteS ©etb). 2Sa3 ber Urfpr un 9 bie- 
fer ÜRaSferaben fein mag, ift not nitt erftärt. 
Sann fontmcn bie Seittänger unb Stangen- 
beftmörer, ihre fünfte dorgutragen. Sie |>aupt= 
perfon barunter gebt, ben Seit) mit riefenbaften 
Stangen umfttungen, herum. 

2 tut bie ©ettter feben biefeS geft at£ eines 
ber günftigftcn an, benn fiefommen bnufenmeife 
unb bitten um 2ttmofen an beS ,,©briften=©ot- 
teS ©eburtstag," aber Don ihm fclbft motten fie 
nittS miffen. 

So feiern bie Reiben in ^nbien SSeibnatten, 
aber mie bringen bie £)inbutriften biefen Sag 
gu unb b^ben fie aut ©bnftbäume? SagS 
Dorber baden fie dcrftiebenartige, mobtftme^ 
deitbe Sudjen; freimittige ©eiträge beeten bie 
SluSgaben gur Scbntüdung ber Sirte, fomie gu 


geuermert. Sie Käufer unb £öfe merben eytra 
ftön gereinigt, unb am ©briftabenb beim ©to- 
dengeläute tommen ©roft unb Stein gum ©ot- 
teSbienft, benn in jenem Sanbe, mo bie Reiben 
ihre 33 ÜRitlionen ©ötter derebren, ift es unter 
ben ^inbutriften eine grofte Stunbe, ohne ge= 
nügenbe©rünbe ben Sirtenbefud) gu Derfäumen. 

SRat bem ©otteSbienft fingen fie ihre eigenen, 
oft fetbft tomponirten Sieber gur ©egteitung ber 
©eige. SRante Don ben Reiben tommen aut 
an biefem Stbenbe gum ©otte^bienft, benn fie 
motten bie ftön geftmüctte Sirte feben, unb 
Don bem ßb r ift en 9°tt> feinen Sohn geftidt 
bat, hören. 

9?at ber Sirte mirb ber ©b r iftöaum im 
^aufe beö 9Riffionar^ ober in ber Stute ange= 
giinbet unb bic ©eftenfe, meiften^ beftebenb in 
Steibung^ftiicfen, Dertbeilt. Ser SSeibnattö- 
bäum ift gmar fein Sannenbaum, fonbern ein 
ihm äbnliter ©aum; er beiftt „Eafferino"- 
©aum. Sie Seutter unb ©ergierungen be= 
fommt man in ben groften Säben. ©3 mirb 
SRitternatt, bi^ ba£ geuermert unb atte^ Dor^ 
bei ift; unb faum mirb e£ SRorgeit, bann fom= 
men bie ®inber mit einigen ©rmatfenen unb 
fingen 28eibnatt^tieber gur ©egteitung ber 
©eige dor. 

Sie grauen bringen ihre ftön gebacfeneit 
SReiSfuten, bie fie an biefem Sage mit ©ier unb 
3 ucfer bereiten. Siefe $Rei3fucbeit („Oppant" 
genannt) merben überall in gnbien gj^ ori 
genbrob gegeffen. grauen fipen früh 9Rorgen£ 
auf ber Strafte unter bem Statten eines ©au- 
meS mit ihren fteinen irbenen Sotb^ben unb 
baden biefe mobtftm e dcnben Suten, bie mit 
SReiSmebt unb SocoSmilt bereitet finb. 

ÜRat bem ©otteSbienft, ber gemöbnlit um 
9 Uhr ©ormittagS anfängt, fommt bie ®e= 
meinbe, ©roft unb Stein, iftre ©riifte unb 
SBünfte, bie in einem fetbft tomponirten Sieb 
befteften, Dorgutragen, babei befrängen fie ben 
9Riffionar unb feine gamilie mit ©uirlanben 
um ^patS unb 2 trme. 2 lut bi^t fehlen bic Se= 
monen unb ©etetnuft gum 2 tbfticb nitt. 

Sie geiertitfeiten beS SageS enben mit einer 
gemeinfamen SRabtgeit. SiefeS ©ffen beftef)t 
nitt in derftiebenartiaen ©raten, Salat u. f. 
m., fonbern nur in gefoeptem SReiS, derftiebenen 
ftarf ftntedcnben ©urrieS dom £ammel= unb 
^übnerfteift, ©emüfe unb ftarfen ©idteS. 
mirb an biefem Sage, mie bei alten gefttid)^ 
feiten, nitt aus 3 iitntettem ober irbenen Stüf' 
fetn gegeffen, fonbern auf ©tatanenbtättem. 
SBeiu unb ©ier giebt e£ nicht; baS reine Ouett^ 
maffer genügt alten. 

©on Sang^ unb 3 ec ft 9 e feßftöftcn meift man 
fo menig, ats don Siftbeden, ©efted unb Stüt^ 


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3ur ffljorokttriflik Stonenatt Sadtfon'«. 


9 


len, beitn bas (Sffen roirb aufgetrogen in benfe(= 
beti «Rüffeln, in melden eö getodjt ift, unb ben 
auf SRatten am ©oben fi^enben Säften geteilt, 
bie e? mit ber redeten £>anb fobann »erwehren. 
Sie grauen fi^en nidjt babei, nur bie SKänner 
unb Sinber. 9iad) bem Sffen mirb luieber ge» 
fnngen bis fpät 9?acf)t3. 

3<breiberin biefer 3eifen fdrtiefjt mit ber Sitte 
an bie fröhlichen ft inber unb ÜRütter in Stmerifa, 
fie möchten betenb auch ber SRitlionen in J{n» 
bien gebeuten, bamit ber Stern, ber bie 2Bei» 
fen Dom SOtorgenlanbe bis jur Srippe in Sctp» 
lehem führte, auch bort ließ ftratjlen unb bie 
Reiben mit feinem Sicht erleuchten mögen. 

2luS Oftinbien. 


(Sottes friektiöengel. 

8*« Btlb für #»# uub #trt mm OrulrnS. 

2|nf bie (Erbe fteigt er nieber, 

Kommt bie (Efjriftagsfreube wieber, 

Cöottes ^riebensengel; 

Kommt mit f?imm!ifd? halbem (Slä^en, 
Kommt mit parabiefes*Krän3cn, 

Derfet unfre ITTängel. 

(freubig fdbmirtgt er feine (flügel, 

(Jrenbig über <£hal unb gügel 
Kuf bem (Erbettrunbe. 


KHen IHenfc^en groß unb Heine, 
KUen HTcnfdjen bringt er feine 
(frohe, frohe Kunbe. 

göret es, ihr UTenfd^enfinber, 
freuet eudj, it^r armen Sünber, 
ZTefjmt es 311 (Semüthe; 

(Sott im gimmel Segen fpenbet, 
Unb eud} biefe Botfcfyaft fenbet: 
(friebe, (friebe, (friebel 

(friebe träufeln hoch bie gimmel, 

(friebe in bas IDeltgetümmel, 
(friebe, (friebe Ulten. 

(f riebe weht es in ben Säften, 
friebe haud}t es in ben Düften, 
(Sottes IDohlgefallen. 

(friebe in ber Urmen gütten, 

(friebe in ber Heidjen Hütten, 
(friebe ohne <£nbe. 

IDo bie ge^en fidj ent3u>eiet, 
IDerbe jefct ber Bunb erneuet, 
Heißet eud? bie gänbe. 

(friebe ben bebrängten ger3en, 

(f riebe in ber tTadjt ber Sdpne^en, 
Sebcnsfraft unb Sonne; 

(friebe bis bas Dunfel fd^minbet, 
UTorgejirotfy ben (Lag anfünbet, 
gimmelslidjt unb IDonne. 




3ur iljarahtmfttk StonetoaU $<ukfoti'0. 


3ür gaul null gerb 

it bem geben, baß beißt, mit ben äußeren ge* 
bendumftänben bed berühmten SRebellengene* 
ral£ Xbomaö Jonathan Qadfon, genannt 
Stoitemall, finb wohl bie meiften unterer gefer in 
folcbetn ©rabe öertraut, baß es fid) faum ber uRütjc 
lohnen mürbe, an biefer Stelle eine eingehenbe ©e= 
fchreibung berfelben ^u liefern, gaben hoch feine 
infolge in Sftejrito, ferne Siege bei $ull*$Run, ©aiites 
SRtlld, garperd grerrp unb EhanceüorsöiUe fernen 
Manien ald ben eines gelben mit unauslöjchlichen 
$ud)$taben in bie Annalen ber ©ejdjichte unjeres 
gaubed etnaearaben. 

$odj auaj hier gilt ba 3 SBort: 

,J$on ber Parteien ©unft unb gap oermirrt, 
Sdjroanft feilt Eharafterbilbuiber©ejd)ichte." 

©ir Äinber bed 9 Jorben 3 , beren Spmpathiecn ielbft* 
rebenb mit unferen ©unbestruppen ju gelbe $ogen, 
toben rneift eine, und felbft faum bewußte Neigung, alle 
3ubldnber, ^umal bie heroorragenben gäupter ihrer 
Wartet, in ein unb benfelbeu großen lopf ber Scheu* 
'äligfeif tu werfen unb mit Jöeradjtung m^ubeden. 
ler Unaeredbtißteit folch* fummaritchen Verfahrens 
werben mir und faum bemupt, *umat ja ©ott, wie 
Biraitnehmen, Durch bad enbliche SRefultat bedÄriege« 


twm §. 8B. ^fibert. 

genugfam bemiejen, welches auch in feinen klugen bie 
wahrhaft gute unb gerechte Sache jei. Qa feache; 
bas ift ja gerabe bas Schwere im Varteiftreit, rein 
fadjlich bleiben unb nie perfönlid) ju werben. 

Saajltcbfcit — Cbjectioität, wie ber technifche 
bruef lautet, ift wohl ber hödjfte ®oaug gewiffenhafter 
©efchidjtfchreibung, aber wir oermitjen ihn rneift nur 
äujehr. 

5 )a hat jeber feine fertige politijehe Meinung, feine 
horgefapten 3bcen unb ?(nfid)ten, bie er nun banb* 
wurmartig oor uns 511 entwicfeln fucht, unb wir? — 
finb am Schlup ber langen geetüre in $e$ug auf ben 
eigentlichen gefdjichtlichen Sadtoerhalt ebento unwif* 
fenb als fluoor. ©ir miffen nur was gerr X. ober ?)., 
biejer ober jener fogenannte ©ejchichtäjchreiber baoon 
3U halten beliebt. 

3 ft es bei fo bewanbten Umftänben ein SBunber, 
wenn bie guft am Stubinm ber ©efchichte, biejem 
gropeit ©mb ber Erfahrungen ber SKenfchheit, befon* 
bers unter nuferer 3uacnb immer mehr fchwinbet? 
©0113 natürlich! ©eil eoen 9 tienianb mehr an bie un* 
oerf Üljchtc ©abrbeit Der ^arftcllung glaubt, fann man 
fid) aud) ntdjt mehr bafiir erwärmen unb begeiftern. 

dennoch aber finD wir nicht hoffnungslos bem 
hiftorifchen Unglauben oerfallen. Es giebt einen 



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10 


Jiur (Ujaraktfrifiih Stonrmail 3a<hfou’s. 


Siplüffcl zur Scpaßfammer bcr gefcpicptlicpcn $Salp 
heit unb bcnt, bcr ipn bat unb ,511 gebrauchen meiß, 
öffnet er ben Zugang P ungeahnten Neicptpümern. 

Siebe peißt btefer Scplüffcl. Siebe, bie nicht bas 
3 hre fuept, fonbern bas, bas des Zubern ift. Ner= 
fnche eS einmal bid) mit liebcooller Eingabe ganz in 
bie ©paraftereigentpümlicpfeit nur einer emsigen 
hiftorijehen Nerjon zu oerfenfeit nnb bu rnirft eS ihne 
merben, mie gerabe biejes Dir bas Ncrftänbniß öffnet 
für bie ganzen, oft fo oermidcltcn ^citoerpältniffe, in 
melchen fie gelebt. 

2 öer fönnte jum Ncifpiel bie©cfd)icpte bcsSpriftem 
tpumS oerftepeu, ohne ein Hebendes Eingehen auf ben 
heiligen ©parafter beS föerrn felbft. £>ier ift ber 
Sid)theerb ber ©rfenntniß für alle jpätcre ©ntmidlung. 
Unb baffelbe maS gilt oon bem größten unb bedeut 
tenbften ©rcigniß ber ©ejdjicptc, gilt, menn auch in 
befchräuftcrem Nfaß, non allen anderen hiftorifchen 
©pochen. 

3 adfon mar in 93ezug auf feinen ©parafter ganz 
bas, maS mir mit bem landläufigen Wusbrud 
nmde” bezeichnen. Seinen Nater, cm ©nglüitbcr 
oon ©eburt, hot er nie gefannt. ©eine Niutter ftarb 
als er zehn ^opre alt mar, unb menn aud) ihr from= 
nies fomfepeiden einen tiefen ©inbrud auf ben Knaben 
gemacht hat, mie er felbft mieberpolt bezeugt, fo biirfen 
mir bod) bemfelben faunt eine nachhaltige, erziehliche 
SSirfung zufcpreibeit. ©ein Oufel, 3 ubqe Jfacfjon, 
oon s 28cft Nirginien, jorgte allerdings in frennblidier 
SBeife für bie Unterftüßung unb bas äußere ftort* 
fonimen beS Stnaben, hat aber ebenforoenig Xheil an 
bcr eigentlichen ©haraftcrbilbung feines Neffen. 

Bieter mar mit feiner ©ntmicfelung fo z u faßen 
ganz auf fid) felbft angemiefen. 

©me eigenthümliche Selbftänbigfeit im Renten, 
mie im Raubein bildete fid) fdjon fo früh bei tpni aus, 
bie für fein ganzes fpäteres Seben eparafteriftifep tft. 
©in $3eifpiel mag baS am heften zeigen. 

Nttt 15 fahren mar er ein franflicpeS, fd)mäd)lid)cS 
Siinb unb bie Merzte, bie man zu Natpe zog, üerfidjer* 
ten einmütpig, baß er früh fterben unb bas NJanneS* 
alter nid)t erreichen merbe. $ a befd)loß er, 
mie er felbft erzählt, er molle nid)t ft erben, 
unb in ber Xpat, fein 3Bille ging aus bem Stampf mit 
feiner Sdjmäcpe als Sieger peroor. 

©r fucpte, ohne irgend jemand um Natt) Z u fragen, 
die Stellung eines ^perift, nur um burd) baS Diele 
Seiten unb bie SBemegung in freier Suft, bie biejer 
33eruf mit fid) bringt, feinen Störpcr zu fräftigen. 
9luS bentjelben ©rund trat er aud) als ©abet in bie 
Ntilitärafabemie zu SBeft ^ 8 oint, unb mirfHcp, bie 
Uebungen unb Strapazen beS Solbatenlebens, oer* 
bunben mit ber unbeugjameit ©nergie feines Willens 
mirften, maS aller Nat'p unb Nfebicin ber Nerzte nid)t 
bemirfen tonnte; er mürbe gejunb. 

freilich immer auf’S Neue hatte er zu fämpfen, 
aber immer auf’S Neue trug er and) ben Sieg baoon. 

©erabc als il)m ber el)renootle 9iuf zu Xhctl mürbe, 
an ber NttUtärafabcmie zu Seyington eine ^rofeffur 
au übernehmen, mar fein ©efunbpeitszuftanb ein fc^r 
oeforgnißerregenber. freunde glaubten, ihn bor 
Ueberfcpäj^ung feiner Straft manien zu müffen. ©r 
aber ermiberte: „Qd) bin überzeugt, baß mir biefer 
Nuf oon ©ott fommt, denn id) habe ihn nicht gefuept. 
Sollte aber ©ott bie Söfung einer Aufgabe oon mir 
fordern, ber id) förperliajer Schmäche megeit nicht ge= 
mad)fen bin? Nimmermehr! ©ott meiß, baß id) fann, 
maS id) ernftlid) mill, unb barum folge id) feiner 
Reifung." 

bezeichnend für biefe ©nergie beS 2öiUenS, bie jeber 
an ihm tannte, ift auch &aS, maS einer feiner greunbe 


in SSeft Noint bei ©elegcnheit über ihn ocrlauten 
ließ. 

tiefer, oon einem Nnberen gefragt, mie eS ^adfon 
gehe unb maS er jept treibe, antmortete: „3)as Septe, 
ioas ich oon ipm hörte, mar, baß er ©eige fpielen 
lernte." 

„2£aS! Qacffon? ber hat ja aud) nicht bie minbefte 
mufifalijehe Anlage." 

„Nfacpt nichts:'gemiß ift, menn ber fpielen lernen 
m 1 11, fo fann er’S and), mer meiß, ob nicht nod) ein 
Naganini aus ihm mirb." 

©ine feltene 28 a p r h e i t S l i e b e, ja eine oft allzu 
peinliche ©enauigfeit in feinen Nusfagen unb be= 
pauptungen mar ebenfalls ein heröorragcnber ©parat* 
teruig Jtadfon’S. 

©r mog Dilles, maS er fagte, aud) bie unbedeutend^ 
ften ^inge, mit berfelbcn ©emiffenhaftigfeit, als menn 
er fie oor ©erid)t unter ©ib zu Nnitofoll geben follte. 
Seine intimeren freunde oerfpotteten biefe Nrt mopl 
als eine zu pebantifepe. Sie fuepten ipm flar zu 
machen, baß burd) folcp’ übergroße ©enauigfeit im 
Nusbrud feine Nebe fteif unb edig merbe, unb jeder 
gefälligen gorm entbehre, ©r hingegen berfieperte, 
baß er fid) biefes Nfanqels mopl bemüßt, nieptsbefto^ 
meniger aber gefonneit fei, lieber alle äußeren Vorzüge 
Zji opfern, als bem einen, ipm über Dilles gependen 
Norzug ber abfoluten SBaprpeit auep nur baS 9Nin= 
befte zu oergeben. 

;}uiu Nei)piel. ©ineS 9lbenbS berief fid) ein greund 
in ber Unterhaltung mit ihm auf eine allgemein be= 
faunte piftorifepe Xpatfache. 

„Sic erinnern fiep, s JNajor, baß zu biefer öord 
53urleigp bcr Natpgebcr bcr Königin ©lifabetp 
mar —' —" 

„ s ^ein," unterbrach ihn ^aeffon, „ich erinnere mich 
beffen niept, denn id) pabe es nie gemußt." 

s 2llS ipm feine .^auSgenoffen pemach oorpielten, 
biefe 33 emerfnng fei ganz überfliiffig gemefen, da der 
freund durchaus nid)t oeabfieptigt habe, feine ©e= 
fcpichtSfcnntniß zu fonbiren, ermiberte er: „£aS glaube 
icp recht gern, aber id) tonnte ipn bod) unmöglich unter 
bem ©inorud laßen, baß i^ etmaS miffe, mooon icp 
in ber Xpat nichts meiß." 

©in andermal, an einem trüben regnerifepen 3Rärz* 
abenb, mollte er abfolut noch einen freund auffuepen, 
ber etma eine Weile entfernt mopnt. 

„SSarum millft bu denn gerabe jept burcp diefen 
Negen gepen," frug feine Srau, „ift denn bie 9)cit^ 
tpeilung, bie bu ipm zu machen paft, oon fo großer 
Üöicptigfeit"? 

„ 4 as gerabe niept," mar feine $ntmort. 

„5SaS paft bu ipm denn zu jagen ?" 

„C niepts meiter, als baß id) ben ©abet niept, 
mie icp heute borgen gefagt, am Montag, jonbem 
am ^ienftag gejpröcpen pab'e." 

„^ängt irgend etmaS oon biefer ©orreftion ab?" 

„Nein, nichts?" 

„9lbcr marum in aller SBelt millft bu denn nodp 
zmei NI eilen burd) ben Negen laufen, um einer gan^ 
gleichgültigen Sadje millen?" 

,,©i' einfad) barum, loeil eS mir pernad) cinfiel, dag 
eS nid)t mapr ift, mas icp ipm fagte, unb id) gemiß niept 
rupig jcplafen fönnte, menn icp niept noep peute Nbenb 
ben ^ortpum berichtigte." 

Nuf ben erften 931id möchte man geneigt fein, biefe 
©igentpümlid)feiten ^adfonS als pebantifd) zu be^ 
jeidpnen. Serben mir uitS jeboep bemußt, baß bte= 
leiben durchaus niept einer tranfpaften Neiguug zur 
Stleinigfeitsfrämerei entfprangen, fonbern baß mir 
oielmepr ipreti Urfprung aus tiefen, fein ganjeS ße= 
ben beperrfcpeitben ©runbfäpen perleiten müfjcn, fo 


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Jlut (gljaraktrrißik Stonrroaü 3adtfon's. 


11 


wirb btejc ©rfenntniß mefentlicß bap beitragen, um 
)ttt Ächtung öor ber eigenartigen ©röße bicfco 2 Ram 
ne* $u ertönen. 

Ric erlaubte er fid) tribialc 23cmerfungcn, mie fte 
bei gemößnlicßeren uÄenfcßen nur p )eßr an ber 
laaesorbnung finb. 

Aud) antwortete er nie, ohne poor bie {Jrage 
in ihrem ganzen Umfang crmogeit unb mit leiner 
uraerften Ueberpugung in ©iitflang gebrad)t p haben. 

ifrug man ihn 5 .$B. nad) anßalteiiDctn fltcgenmctter, 
ob er Hießt aua) nninjcbe, baß e* halb aufhöreu möchte, 
io »ar feine lacßelnbe ©rwtberung ftet*: „D ja, menn 
ber, ber SSiub unb Rolfen ihre 25aßn beaeidjuet, e* 
für rocife unb gut erachtet." 

lieje grunbtätjlidjc Strenge übte er jebod) au** 
fdiließlicb gegen ftcß felbft. s Rte fiel e* ißm ein, bie 
Reben ober bie £anblung*metfe 2lnberer mit beim 
felbeti iRaßftab ju nteffen, felbft menn biefelbc feinen 
Änficßten jcßnurjtracf* pmtbcr Itefen. Wicßt* tonnte 
ihn p einem boreiligen Urteil über 2lnbere bemegen, 
and) wenn e* Xinge betraf, bie er an fich felbft auf’* 
3trengfte gerichtet haben mürbe. $>ier mußte er immer 
ihre guten ©igenfcßaften unb 2 $orpge in* £icßt p 
iteUen unb in wahrhaft liebcn*roürbtger 2Sctje 2llle* 
,ium heften p fehren. (Sin 23eifpiel ftatt bieler. 

jpat nid)t 3 ßr alter &rieg*famerab, Stapitän ©-- 
icbr häßliche unb anftößige ©emoßnßeiteit ?" 

V bitte Sie, ©. ßot ich* 0 ute ßßaraftcr* 
figenjcßaften," 

JWag fein, aber er hat nad) nteiner 2 lnficßt feine 
feften ©runbfaße." 

„SBirtlicß? ©* mürbe mir feßr leib fein, menn ich 
io benfen müßte/' 

„Seien Sie aufrichtig, SRajor, Sie fcnnen St'apitäit 
CE— beffer als 2(nberc unb e* ift feine ftrage, Sie 
muffen feine <paitblung*meife oerurtßeilen." 

Rid)t* unb ERientanb aber tonnte ihn p einer fol* 
eben 2 $erurtßeilung bemegen, e* fei benit, baß Xßat* 
iachcn oorlagen, bie auch beim befteu 28illcn nicßt 
mehr bon einem ehrlichen 3Rann gut geheißen ober 
mtfchulbigt merbeit tonnten. 2 lbcr felbft bann mar 
fern Urtßeil mehr ba* eine* mitleibenbeit ftrcunbc*, 
cl* Da* eine* ßeralofen ober gar felbftgerecßten 
Richter*. 

Jährlich ein jcßöner (Sl^arafter^ug be* föebetlcm 
tyeneral*, ber un* betunbet, baß t r 0 ft, ober follen 
mir lieber fagen, gerabe infolge ber gefeß= 
heben Strenge gegen fich felbft, ein recht ebangelifcßer 
f*eiii tu ihm lebte. 

Se.pichnenb ift aud) bie 2 lrt unb 2 Bcifc, mie Ratffon 
werft ben d)riftlicßen £>eil*mahrhciten gegenübertrat, 
*im fte bann, mit ber un* fchon oefannten Selbftftäm 
fcigfeit jeine* Xenten*, p berarbeiten, unb fie fcßließ* 
lid), einmal in fich angenommen, mit pßer Xreuc 
reftphulten bi* an fein £eben*enbe. 

Sein Jrcunb, ©olonel X—, ber fid) mährenb be* 
Bimfanifdjen Kriege* oft unb gern 2lbenb* im Reit 
um ihm unterhielt, mar ber (Srftc, ber ihn auf Den 
Serth unb bie hohe 33 ebeutung ber chriftlichen 9tcli= 
^Hmhinmie*; unb ihm btreft Die ftrage oorlcgte, ob 
r* nidjt audh für ihn michtig fei, baß er fich einmal 
:mniieb mit biefen Xingen befchäftige. 

Jacffon erfannte fofort bie $illigfeit biejer gorbe- 
n:ng an unb oerfpraef) e^ äu thun. 

Rach £>aufe ^urücfgefehrt, erinnerte er fid) bann 
csdi an lein Serfprecpen unb machte fich «tit allem 
hieran ba^ forgfältiae Stubium ber heiligen Schrift, 
:odj ntebt anber«, afö märe e^ eine mathematifche 
Aufgabe, bie er fich P löfen borgefehl-habe. 

.immerhin aber mar e$ ihm nicht um bloße* 
£>men f onbem um ©rfenntniß ber ©ahrheit p tßun I 


unb fo feßen mir benn aud), mie ©ott, feinen aufrid)* 
tigett Söillen cßrenb, ißnt bie Straft gab, fid) au* ber 
Ungemißßcit unb ben Qrrthümern feiner £cben$* 
anjeßauung ßerau*pringen, p ber fiegreießen Stlarßcit 
De* lebenbtgeit (Glauben*. 

(f* ift mirflid) ßcrprquidenb, p feßen, mie finblid) 
fromm fid) ber tapfere Slrieger unb miUen*ftarfe 
'öRann ben SSJeijungeit bc* fterrit unb ber 9lpoftel p 
untermerfen fud)tc. 

Seinen, ber griccßijdjeit Sprache fmtbigen, Scßrna^ 
ger bat er einft, ihm bie Stelle iHöm. 12 ,' 10 : „(Siner 
fomrne bent 2 lnbern mit ößrerbietung poor," naeß 
bent Olrunbtejrt p erflären. 

211 * e* gejeßeßen, äußerte er: ,,$d) bin fo banfbar, 
baß icß nun ein beffere* $erftänbniß für alle biefe 
Stellen ber ßeil. Scßrift ßabe. ©* ßat titicß feßott 
lange beunruhigt, baß id) einigen meiner 23efannten 
nidjt immer bie (Sßre gab, bie ißneu gebüßrte unb 
mid^ im Stillen über fie erßob." 

(Sin anbere* 9)tal, al* man ißn um feine (Srfla= 
rung ber Stelle „23ctet oßne Unterlaß" erfueßte, ant= 
mortete er: „EOtir ift ber ftille ©ebet*umgaug mit 
©ott jo feßr gur anberen ÜRatur gemorbeit, baß id) 
aud) bei ben allergeriugften 2 lnläffen ißn um feinen 
Segen bitte. 23ei jebem ©lafe SBaffer, ba* icß trinfe, bei 
jebein 23rief, ben id) ocrfiegle ober erbreeße: menn eine 
Älaffe niemer Stabettenicßülerba* Rinimer oerläßt nnb 
fieß bie 2lnberen pm Unterricht fantmcln, immer hält 
mein ©eift einen 2 lugenblicf Rmiegejpräcß mit ©ott. 

3 cß fage bie* jebod) feine*meg*, um eine 9tegel für 
2 ln 6 ete barau* p mad)en. ©* ift nur meine mbiöi* 
buclle 2 luffaffung ber Sacße." 

„2lber oergeffen Sie ba* iticßt boeß ^uroeilen?" 
„3cß müßte tuid) fauni p erinnern. CS* ift mir eben 
fo feßr pr ©cmoßnßeit unb ^utu s ^ebürfniß gemorbeit 
mie meiner £uitgc ba* 2 ltßmen." 

©in frößltcßer ©lekßniutß unb hoffnung*ootle ©r- 
gebenßeit in ©ottc* Villen maren ebenfall* cßaraf= 
terifrifcß für ißn. 

211* er einft feine ^Bermunberuna Darüber au*= 
brüdte, baß ©ßriften in äußerem uftißgefcßicf, ba* 
©ott offenbar über fie Oerßängt, fo leidjt mutßlo* 
mürben unb an ber £iebe ©ottc* pieifclten, mürbe er 
gefragt: 

„3a, menn Sie nun felbft aber in feßmere Xrübfal 
fämen, 23. menn e* ©ott gefallen mürbe, ba* £icßt 
Qßrer 2lugcn, bie Qßnen feßon jeßt jo Diel 2Rüße ma^ 
eßett, gatt^ erlöfdjen p laffen, mürben Sie nießt boeß 
am ©nbe murren V" 

©inen 2 lugenblid jeßmieg er, al* molle er bie ganp 
Scßroere einer jolcßen s lRbglid)teit im ©eift ermagen, 
bann aber antmortctc er, iitbem ein cigentßümlidße* 
£eud)tcn au* feinen geiftoollen 2 lugcn braeß: „Qcß 
bin baoon überpugt, baß fein 2 Rißgefcßicf, fo feßmer, 
unb melcßer 2 lrt e* audß fein möge, mir ben ©lau= 
ben an bie 2 Baßrßeit be* 2 Borte* rauben föitnte: 
Xencn, bie ©ott lieben, müffen alle Xittge pm 23eften 
bienen." 

„3öie aber," frug matt meiter, „menn e* Qßnen 
flar mürbe, baß ©ott oon 3ß ncn forbere, baß Sie 
3 ßre militärijcße £aufbaßn unb alle bamit oerbunbe^ 
nen, perfönlicßen 23ortßeile aufgäben, um eine 9Rii* 
fion*ftelle auf einem eiufamen $often in ^nnerafrifa 
51 t füllen; ma* mürben Sie tßun?" 

u)tit berfelben fröhlichen 23eftiiitmtßeit antmortete 
er oßne Rögern: „Qcß mürbe geßen! unbebingt unb 
oßne £mt, menn e* fein müßte." 

Xaß biefe 23efcnntniffe meßt nur £ippenmerf, fom 
bern bie SRefultatc eine* fiegreießen ©lanben*fampfe* 
mit ber natürlichen Scßmadjßeit unb Selbftfucßt be* 
2 Renfcßenherpn* marcit, ba* bemeijen unter 2 lnberem 


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12 


„Ptt dljriftbaum iß bet fdjönft, Paum.“ 


auch feine ©riefe üotn ©d)lad)tfelb. Sic ©rmähnuna 
feiner militärifdien Erfolge fcßeint er faft gefliff entlieh 
ju oermciben. fWirgenbö ift auch nur eine ©pur üon 
ätuhmfueßt unb ©^rgeij 5 U entbeefen. ©entern ©ater* 
lanb treu jtt bienen, ©otteS SBiHen ^u tßun, bem 
furchtbaren ©ruberfrieg fo halb als möglich ein ©nbe 
iu machen unb $u jeber Qcit *um Sobe gerüftet unb 
bereit $u fein, — baS mären Die ©ebanfen, bie ihn in 
jener lebten Qeit ausschließlich ju beherrfdjen fdbienen. 

3ttit allen 3 e *dJ en größter Ungebulb, ja xBiber* 
mittend mieS er bie jurud, bie ißn un b feine Erfolge 
mit überfdhtüänglichen ©Sorten rühmten. ,,©ebt 
©ott biedere! ß°be * c * n ^erbienft, otö 
ein ©erzeug $u fein in |einer $anb." 

©erabe, um bie Reit, ba ber $ampf am heißeften, 
feine ©iege am glanjenbften unb er felbft, als ber 
Selb beS SageS, in aller Sttunbe mar, faß er eines 
nbenbS in feinem Belt unb feßrieb an bie ©einen in 
©uSbrücfen aärtlicßften ©cbaueroS über ben Xob 
einer alten Negerin, bie feiner gamilie jahrelang treu 
gebient, ohne audjnur mit einem 2 Bort ber glänjenben 
©iege, bie er am Sage errungen, ©rmäbnung ju thun. 
fragen mir, mie eS benn fomme, baß ein fo grunb* 


fafcmäßiger ©ßrift SRebeflenfüßrer mar, fo lautet bie 
vlntmort — eS mar ein gehler ber ©rfenntniß unb 
©Ziehung, nicht beS $ezenS. ©ein §eimathSftaat 
©irginien trat aus ber Union, unb er glaubte oor 
allem feinem ©taate bienen 51 t muffen. 

3 ur ©ßarafteriftif QacffonS follten biefe Seiten 
einen ©eitrag liefern • Darum höben mir nichts bc* 
richtet oon leinen ©rfolgen als ©olbat, als großer 
©eneral, nichts oon ber hiugebeitben unb begeisterten 
©erehrung unb Siebe feiner Untergebenen, mie feines 

K ©olfeS, baöon fteht in feinen SebenSbejcßrei* 
t genug bezeichnet. ©S maren nur bie SRotioe, 
bie innere ©prungfeber feiner ©anblungen, bie mir 
au zeichnen oerfueßt. SaS rechte ©erftänbniß bie* 
feS innerften SebenSprinjipS aber ift eS gerabe, maS 
uns, mie feßongefagt, allein befähigt, auch bie äußere 
©röße eines SDfanneS recht unb gan^ ju mürbigen. 

SJcögen benn biefe furzen, im ©lauberton berfaßten, 
3J?ittheiIungen auch baut beitragen, bie geniale ©tgen* 
art btefeS Cannes im ©eifte ber Sefer $u firiren, unb 
eine liebebollere ©eurtßeilung biefeS gelben oon 
eeßtem ©cßrot unb Äom auch unter (einen politifchen 
©egnem ju bemaßren. 




„Per ®ljri|tböuttt ift ber fdjonfte Paimt “ 

diu ©tieftriu ans alter Seit Hots ©bitor. 


S ift feßon biete Qaßre her. Sie beutfcßeSonn* 
tagfeßute tag in ben Ser. Staaten noch in 
ber SBiege. gn $eutfcßlanb mußte man 
faum etmaS baoon, unb fdjlug ein Scßnipp* 
eßett ob bem „engtifeßen gnftitut." 

damals ging es in ben ßiefigen beutfeßen 
Sircßett unb Sonntagfcßulcn nteift fo Hein unb 
arm ßer, baß es unfer heutiges, OermößnteS ©e* 
feßteeßt gar nicf>t begreift, mie man in foteßer 
Slrmfetigfeit mirfen fonnte. 

©ine ber atterärmften ber beutfeßen Sonntag* 
Scßuleit befanb fieß in einem gemietßeteu ftireß* 
teilt, im Stäbtcßen X., naße bei einem befannteu 
©ebirgS^ug. $ebod) — bie 9Keßzaßl Serer, 
bie im SJircßtein an beteten unb teßrten, mar reieß 
in ©ott unb tßat bie Söerfe ber erfteit Siebe. 
SaS. ift benn boeß immer noeß beffer, ats menn 
alte SJtittet im Ueberftuß oorßanben, aber bie 
^auptfaeße — bie Siebe feßtt. Ser ßeit. ©eift 
erfe^te fo Sietes, maS nießt ba mar unb fegnete 
bie unbebeutenben, armen Seute in jener ftapette. 

®ariit ßatten fie’S jebenfatts oor oieten 9tei* 
eßen OorauS, bie feinen ©ott ßaben unb nießts 
Oon feinem Segen miffen. Steußerticße ©aben 
aber erßietten jene Steinen 00m ßimmt. Sater 
fo oiet fie brauchten. ©S mürbe über ißnen 
Sag unb Stacßt; groft unb £iße genoffen fie 
mie ^tnbere, unb fie bereiteten ißr Srob im 
Sommer unb fammelten ißre Speife in ber 
©rnte. Stucß SSeißnacßt marb eS bei ißnen. 
ßrnar braeßte berfetbe nidht bie foftbaren Sacßen 
toie in anbern Käufern unb Scßutcn. 2tber b a S 


SßriftuSfinb mar ba mit feinem Segen 
unb feinem föftfießen grieben. ©S maeßt bie 
|)ütte ^um ^Jataft unb bie Scßeune junt Sßron* 
faat. Sarurn jubelten fie am ©ßrifttag unb 
feierten baS geft mie nur SBenige im Stäbtcßen. 

Jfn jener armen, fteinen Sonntag *Scßute 
meßte feßon ©Jocßcit oor SBeißnacßten bie äeßte 
©ßrifttagStuft. ©ßrifttagStieber mürben ein* 
geübt — nießt mit Singbucß, Singmeifter unb 
Sßelobeon — mer ßätte baran beufen bürfen? — 
fonbern bureß müßefameS Sorfprecßen unb Sor* 
fingen,bis nadß oiet 9Kiiß unb mit Stnmenbung gro* 
ßer ©ebutb enbtieß ein einftimmiger ©efang ent* 
ftanb. SBie freuten fie fieß ob ber einfacßenSKetobei! 

Ser Siebling unter biefen Siebern mar ba3 
attbefannte: „Ser ©ßriftbamn ift ber feßönfte 
Saum." SBaS fie ba fangen, baS glaubten 9Ule r 
bie je einen ©ßriftbaum gefeßen, oon ^ezen. 
Sic noeß feinen gefeßen, glaubten eS aueß, meit 
bie s 2tnbem eS fo gan$ gemiß mußten. 

^nt Stäbtcßen ßörte man auf Straßen unb in 
ben Käufern ben ganzen Sag: „Ser ©ßriftbaum 
ift ber feßönfte Saum." Sftiemanb ßatteSBprte unb 
92oten im Srucf. Sitte Seute üom „Siapellcßen" 
ßatten fie jeboeß im |>ezen unb im 9Jtunbe. 

So mäeßtig mirfte baS Sieb, baß ptößtieß ber 
©ntfeßtuß ßeroorbraeß: Saßt uns bieS Sfaßr 
einen Sonntagfcßut*ßßriftbaum ßerrießten, ben 
erften unferer armen Scßutc. 

Scßnetter gefagt ats getßan. 3 um r e cß t e n 
©ßriftbaum geßören boeß immerßin üiete 
Sicßter unb einige anbere fd)öne Sacßen, unb 



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„irr (flpiftbuum ill bet fdiSnfle Paum.“ 


13 



$n D^imath bem <&lyviflbaum*< 















14 


„Per ttljriftbaum tfl ber fdjönfh Paum.“ 


ba^it gehört ©etb. Sa£ mar aber jener $eit 
unb bei jenen üeutcben ein gar rarer 2trtifel. 

„2Ba3", rief ein 9Kutf)iger, „fo arm finb mir 
nicf)t. SSir bringen noch fed)ä ober acf)t Softarä 
auf, unb bamit fd)mücft mau einen- Sfjriftbaum, 
mic il)it ber S'aifer nicht beffer bat." 

„SBobt mafjr", antmortet ber bebäd)tige Ea£* 
par, aber bebenft — mir f)aben nur 10 Sefta= 


mie man e£ mache, gu ben Suchern unb $u bem 
Ebriftbaum -$u fommen. 

ES toar für jene Steinen im Sanbe bamafS 
feine Steinigfeit, nur baS 9Wtt)igfte, gefdjmeige 
beim einen Ebriftbaum $u befdjaffen. Socb — 
ba fommt’S einem erfinberifcben Sopf mie eine 
Offenbarung: Ser macfcre Bürger ßefefiet öan 
ber Stufen, ber batte ja einen prächtigen San * 



Äuf b«r Gifenba^n. 


mente unb 12 verriffene 2t ® E ®üd)er in un= 
ferem Schrein. Sollten mir ba unfer fauer 
UerbienteS Selb nicht lieber für ®ürf)er unb 
^mlfSmittel auSgebcn?“ 

Sehr oerftänbig, ,£>err EaSpar, beitfen bie 
SJtutbigen. Ser Ebriftbaum mär jebod) auch 
recht fd)ön. Unb fie verbrachen fich ben Sopf, 


nenmatb. bm b°ttc ber Erfinberifdhe am 
Sonntag fchon öftere feine Keinen <ßrebigten 
fich tmn bem lieben ©ott erbeten unb jebe^mat 
babei gebadet: Ser SBatb fieht ja aus mic bie 
^eimath beS EbriftbaumeS. ©rofje unb mittel¬ 
große unb fteine Sannen beim Saufenb, unb fo 
bicbt, baß es nü^tich ift für ben SBatb, meint er 


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„9er <fl)uftbaum ift bet fdjönfie Jaum.“ 


15 


ettt>Q$ geücf)tct roirb. Sie Wär’3, Wenn matt 
ben £>errit oan ber CSCufeit fragte, ob man ein 
wenig liebten biirfe! ©in Säagett ooll Sannen^ 
bäume bringt auf bent 3Rar!t eine £>anbtwll 
Selb. 3rür eine £anbüoü ©elb faüft man 
öüdjer, üid)tcr, fd)öne Sachen bie 9Renge. Unb 
— ber (Sljriftbaum tuirb leuchten, unb wir wer= 


bie Sadje oortrug. ÜWad) unb nadj wirb er 
mürbe unb fogar freunblid). „kann ja bem 
Säalb nichts fdjaben," meint er, „muft aber 
felbft babei fein." 

2 >a 3 war eine greube in ber Meinen Kapelle! 
unb ba3 war eine Suft, bie Meinen, frönen, 
grünen Sannen 511 baden! $er £>err |>efefiel 



SKuf bem SRarfte. 


{(fiöne Sieb fingen unb 3Beif)nad)t feiern 
™rfi mc Suftfd)(oB roar fertig, etje 

Weifter '.pefefiei twn ber (Stufen nur ge= 

e i n gar bebenftiefj ©eficfjt, at$ ba£ 
»•» i» £ Ion. unb 


bewarfjte feinen Säalb ^War, Wie eine £>enne if)re 
ftüd)lein. 8 lld er aber merftc, bag ba£ Siebten 
ben größeren Säumen nur Suft oerjcf)affte, ba 
rief er: „9iur immer ju, Sinber, ifjr mad)t’* 
red)t." Unb efje fie fict)’^ üerfaften, Waren bie 
Firmen auä ber Stapelte fo reid) an (Xtjrift 











16 


Pie jibanoticebern. 


bäumen, baß fie gar nipt mußten, ma* bnmit 
an^ufangen. 

Xrei, oier SSagenlabungett lagen aufgebäitft. 
®er alte San ber Stufen batte immer nur ge= 
fdjmunjelt, al* Saum nad) Saum an ben SSeg 
gelegt mürbe unb al* man nun ratblo* um bie 
jäfteitge Gbriftbäunte berumftanb, unb jeber ben 
anbern fpraplo* fragte: „SJa* nun?" ba trat 
ber gutmütl)igc $>oUättber oor, räufperte iid), 
ma* er immer tbat, meint er eine VKebe halten 
mollte (ba* betttc er tmit feinem Nomine ge= 
lernt) unb fprap: „Seht ftinber, ihr habt cup 
oerftiegen, mie man in £müanb jagt. Ta* finb 
eigentlich ^u oiel 3 Waften für euer Spiff. ^n 
uttfernt Stäbtpen giebt e* für fo fptocre Sa- 
buttg nid)t SBaffer genug. Stintmermebr ocrfauft 
il)r bie nieten Säume bei uit*. Slber id) mill 
eud) itt’* gabrtoaffer bringen. SBir laben bie 
Säume auf bie Gifenbabtt, bie bringt fie 3ur 
nädtften großen Stabt. Tort bab’ id) einen alten 
2 anb*ntann, ber beforgt ben Serfauf. Guter 
Oon eud) gebt mit, unb bie Sad)e ift abgemapt. 
Xa* ift ba* Gbrifttag*gefpeiif be* alten £>cfefiel. 
Gbe tuir jebod) beim geben, fingt nur nod) ba* 
Sieb Dom St)riftbaum, ba* id) überall t)öre." 

(Sbe fie beginnen tonnten, mußten fief) bie 
Sänger bie Xan!e*tbränen au* ben klugen toi* 
fd)en. Xattn ftanben fie um bie aufgebäuften 
Gbriftbäumc herum unb fangen ba* alte Sieb in 
bie ftare SBinterluft hinauf, mie e* frifd)er unb 
bcr3lid)er mof)l itop nie gefungen morbeit. 

SU* ber oierte Ser* ertlang, ba 30g e* mie 
tiefe Stübrung über ba* ®efirf)t be* alten £ml= 
länber* unb e* mar au ihm, fid) bie Xbräuett 
ab^umifeben. 

Xiefer oierte Ser* Reifet: 

„0 lab 3bn ritt, e* ift fein Traum! 

05ott mäpit bciit focr* jutn ©arten, 

28iII pflanzen in bem engen Staunt 
Ten aucrfct)önften SBunberbaum 
Unb feiner treulid) märten." 

Xcn näd)ften SRorgen gingen bie Gbriftbäumc 
per Xantpf 3ttr näpften Stabt. G* mar bie 
erfte berartige G*ifenbal)nlabung, bie in bortiger 
©egenb 3um Sftarft gebrad)t mürbe, unb bie 
Seute ftanben unb bad)ten — ma* bod) ba» 
grüne Xannenreifig foll. 

Xop — auf bem SDiarft gingen bie grünen 
Sittbcr be* Salbei ab mie frifd)e Sieden. 

Unb meldje <panb ooll @elb bie Stritten ber 
Sapelle befamett! So reid) mar pt* Sd)aß nod) 
nie gemefett. Xer Spaßmeifter baebte, berfetbe 
tönne gar nid)t alle toerben. 3 ucr f* mürben 
Südjer mtb Spülmittel getauft unb anbere* 
SJötbige beforgt. Xaitu aber nod) ein (Xf)rift- 
bannt gefpmücft, ber fip fetjett laffen burfte, uttb 


breimal nutzte am Gbrifttag = Stbenb bas Sieb 
miebeipolt toerben: 

„Xcr C£l)riftbaum ift ber fepönfte Saum, 

Ten mir auf Grbeit fenuert; 

©arten flein, im engften Staunt, 

SMe lieblich blüht ber Slüinbcrbaum, 

SSenn feine Sidtter brennen/' 

Xie* ift fo ein Stürflcin au* alter 3 rit. 

„Jpeut^utag tanit mau’* nidjt tnebr alfo 
ntapen, nidit ntebr alfo Spulbalten unb 9 Kif- 
fioit treiben", bör’ id) fageit. 

SJtag fein. Stber nur nipt gar fo oer^meifett 
neumobifp. Stur nipt in bem S>al)tte befangen, 
e* muffe gleip Sillen ganj großartig fein, unb 
man tönne oon ber armen, fleinen, alten Qcit 
gar nipt* meßr lernen in unferett SBunbertagett. 


Pie fibniioncebrrii. 

Sür #au* unb #erb uou ©regortu*. 


/ß in Steifettber erzählt oon einem Sefup bei 
ifc ben Gebern be* Sibanott unterSlnberm mie 
t folgt: „Sed)* Stunben brapten mir 51t, 
ebe mir 0011t Sibauoittlofter au» bie Gebern er- 
reid)tcn. Siele fteile Söege mußten mir hinauf- 
tlimtnen, ^umcilen trafen mir auf milbe Sträu- 
per, mehrere Slrteit Säume, moblriepenbe Sräu^ 
ter, mie S. Sto*ntarin, unb einige muntere 
23 afferbäd)lein. Stadjbcm mir bie leßte Slitböbe 
erftiegen, batten mir bi» 511 ben Gebern nod) 
einen ^iemlip meiteit S 3 Jeg auf ber Gbene 31t 
rüd^ulegen. 

Sil* mir iit*gefammt unter bie oielgenanittcn 
Gebern tarnen, bat ein 3eber für fip fclbft Wott 
gelobt, baß er uit» fo gliidlid) bal)itt geleitet 
bat. Jtnbeß fingen mir an, bie Stämme 311 
3äbleit, unb ba mettige oon uit* in ber 3 a bl mit 
eittanber ftimmten, fo fteetten mir in jeben Stamm 
ein SJteffer, 3äl)lteu biefe uttb fanbett an fiebett- 
unb3toan3ig. Xaruntcr finb brei, einer tttel)r 
al^ bie anbern, im Slbfterben gemefen; eilt gan3 
alter Stamm mar nod) oorl)anben, ber nid)t 
mitgc3äf)lt morbeit mar. 

Sie batten hohe, oon ber 3 Bur 3 el an ftarfe 
Stämme; bie Slefte, meld)e ^iemlid) unten am 
Stamm anfingen, behüten fip fd)iturgerabe itt 
bie Sänge uitb Sreite meit au*. Sie gleid)ett 
an ©0(3 unferer 5 fptt unb tragen Sommer 
unb JBinter fd)ötte», grüne* Saub. Xaffelbe ift 
tleitt, 3iemlip 3art unb fpi^ic^ f nteiften* etttpor^ 
ftebenb, mie aup pre feinen, ftarf 3ugefpißtcit 
3apfen, mdpe bie goritt oott ^imperitüffcn 
haben, aber moßl ocrfploffeit finb. Skrtn 
einer unter fold)em Säume ftanb unb über fiip 


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Suljetnilidje (Säfte. 


aitfah, fo erblidte ei nur menig, menn er ba^ an bem ganzen Serge hin gar jäh in bie Die 1 
^egcn ferne"Ttanb, fo nahm er lauter grünet t)inab f ^iebt unb in bie ein nicht tuafferreicf^t 
Saub toahr. Sach fällt unb fließt. Dabei fonnten mir al 

93ernntnberung ^aben mir etliche Slefte ! leicht beu 3 cf)lug sieben, benn ber Slugeitfdjei 
mitgenommen, unb pirnr ich einen frönen mit j ergab ed, bag bed Mönig ©iratit’d unb Moni 
ftebeit heröorftehcnben 3 apfen, öucf) fonft melj Salomo’d SBerfleute bie umgehauenen Gebei 
rere einzelne, darauf höben mir bei bem grög= ftämme f)ierf)ergeführt unb in biefe Sdjlud 
ten Saume au SDtittag gegeffcn unb ed und tooljl merben hhtabgemorfen haben. Denn auf anbei 
fömecfen lauert. Unb meil mir bad Sornchmfte, SBeife biirfte man fie fdjmer heruntergebrad 
bad Drinfroaffer mitpnehmen Oergagen, höben höben. Oberhalb ber Dhalfdhlurfjt fonnten m 
mir un^ mit bem lautern Schnee beholfen. puffen ben auf beiben Seiten ragenben Serge 
QD)ann jafjen toir und um, ob oon gerne auf hinburch bad meite 5 Jleer oor bem £afen oo 
ber rueiten ©bene ringd hcnint feine jungen Ge^ Dripolid beutlich erfennen, bie £öhe aber, ai 
bern ober anbere Säume p entbeden mären, ber mir [tauben, lieg fich nicht audmeffen.... 
toeil unter und bic Siebe gefallen mar, bie Geber geh fcfjlug meine Sibel auf unb lad 1 Möi 
litte fein anbere^ ^ol^umfich. SBir fonnten in 5 , 8 ff: „Unb |>iram fanbte p Salomo ur 
SBafjrheit nicht bad (Seringfte fehen, aber mohl lieg ihm jagen: gef) Will thun nach beinern S 
inerten, bafj a u ffönig Salomo’d 3 e i ten ^ cren öiel gehr, mit Gebern- unb Dannenhol^. SJleii 
mehr auf bem ebenen *ßlait, melcher fich über p)ei Sned)te foUen fie öom Sibanou hinabbringen c 
SReilen erftreefte, geftanben haben müfjen ; fie bad SDleer, unb mill fie in glöge legen laffc 
merben mohl nicht $u bem herrlichen Dempel p auf bem SJieer bid an ben Ort, ben bu mir mir 
3erufalem allein, fonbern auch panberit fönig= anfagen lajfen; unb miH fie bafelbft abbinbe: 

licken Sauten gebraucht morben fein. unb bu follft fie holen lajfen-Unb Salom 

Äm ©nbc ber ©bene befanben jid) im Umfreid fanbte breigigtaujenb SDlann auf ben öibanoi 
noch brei fet>r fyofye, felfige Serge mit Schnee je einen 9 Konat ^ehntaujenb .... unb hat 
bebeeft, jum X^eit mit milbem ötehöl^ umfrän^t, ach^igtaufenb, bie ba wimmerten auf bem Serge, 
bad mag gern jtnei SReilen h°rf) gemefen fein, SBeldj’ eine üJiaffe Sebent miiffen auf biefi 
fo ba& gebermann bafür ^iett, cd merbc nie^ Hochebene gefällt unb für ben Dempelba 
mald ein SWenfd) hi nau f 9 e f° mmen fein, fintemal fomie auch für anbere fönigliche Sauten ge^in 
bie greifen pm Xheil fdjnurgerabe finb, bap mert morben fein! MeinSBunber, bag ed i Mö 

fehr hoch hinaufragen. 10, 27 h^B*- „Gebern mürben oon Salomo 

Seim £>inabtoegc hat man und ein menig um gemein gemacht, mie milbe geigenbäume in b( 
unb halb au einer Schlugt geführt, melche fich ©rünben!" 


ffoljrimUdje ©älle. 

Ci ne Crgähl trog für bie eijnfltogdgeU. gnr $m§ unb gerb bau Kurie Sihmei^cr. 

toar am $fbenb oor SBeibnadjten. Daujenbe Xruitf für bie SBöcbnerin bereitet, erfannte nun ab 
IC öon £>erarn fafjen in fröblidHeliger ©rmartung auf ben erften Slid, mad hier oor allen Dingen no 
ben fommenben StunOen entgegen; aber mo ein tbat. 

Syrc\ fich befant> f bad bebrüdt oon Sorge, OJram ober „Marianne," jagte fie, bie Daffe megftellenb, ui 
«aerie bad üerntod)tc um fo meniger fid) ber ber SBeinenbcn fanft bie beiben ftänbe oom ©cfid 

IWtfreube tjittÄUQCben, je meniger ed Ijinter bem pfjenb, „bad gebt nidjt, geht abfolut nicht, unb mei 
ftentenbefäten ^irmamente Den erblidte, ber einft bu jo mciter madjft, ba barfft bu bem armen SBün 
auf biefe Cfrbe homiebertam, um ben SJlenfdjen ©rlö^ djen bort nur halb jum Segräbnig läuten laffc 
iuna unb Sergebung 5 U bringen. Deine Xb^änen oergiften ibm bie Wahrung, barii 

1 c* m (ijaft^immer bed ©djultbcigcnbaufed p Dingel* fei tapfer unb Oerlag bid) auf ben heben ©ott i 
ftebt ba lag auf fchmeUcnbcn Ä'iffen ein junged blaf^ £imntel, ber bidber geholfen unb audj fernerbin all 
fed Seib blauen Singen blidten mit unenblidjer mobl madjen mirb." 

iiebe auf ba3 paudbadtge Änäblein, bad bic SBefc Die grau oerftummte plöglid), benn ba brauf 
mutter tnr foeben auf bad Dedbett gelegt. Slbcr cd mar eine anbere Stimme laut gemorben unb feierl 
mufete mobl nicht allein greubc fein, tuad bad ftera in langgefebmungenen Dänen ballten bie SBcibnad) 
tunaen Wutter bewegte; benn Xbräne auf Xbräne gloden ihren geftedgrug herüber. Sonft hatte m 
rann über bie blaffe SBange herab unb auffdjluctföenb um biefe geit tm 0d)ultbeifjenbaud ben Sbriftbai 
fie ibe ^Ingeficht mit beiben öänben. angepnbet, aber heute blieb allcd ftiU unb bun! 

biefem ^lugenblid betrat bie SJlutter bed jungen benn bad ßbrifttagdgejebenf, bad beute in’d ^>aud 
^eibed bad 3 intmer. Sie hotte einen marrneit flogen mar, mochte feine laute greube ertragen. 51 


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18 


Mnljtimltyc 


ein leifed ©eflüfter lieg fic^ öor ber Satire üernegmen 
unb enblicg rief eine Stimme in bittenbem Jone: 
„dürfen mir nicht gercinfomtnen, nur einen Slugeu* 
blid?" unb bann als ignen bie Dhürc öon innen ge* 
öffnet mürbe, traten bret arögcre ^ubcn unb ein flci* 
nereS Sftäbcgen auf ben Aegen üorficgtig näher unb 
jebeö freute fid) in feiner vlrt über baS Heine Scfeti 
tn ber Siege, baS ignen *uerft am heiligen Seig s 
nacgtSabenb bie Dnfel* uno Dantenmürbc öerliegen. 
Aua) ber Scgultgcig fant für einen Slugenblid tn’S 
ftrantenflimmer unb fügte fegmeigettb baS ftittb in ber 
SBiege, ef)e er ber jungen grau, bie allezeit jein ßieb* 
ling genügen, beibe Hänbe entgegenftreate. 

„So, Marianne, fomeit mären mir nun mit (Lottes* 
Hülfe. Dein ftnäblein ift in einer fegönen Stunbe 
geboren unb mir fagt’S eine Ebnung, bag mit feinem 
srontmen für bid) eine beffere 3cit aubred)eit mirb." 

„Simen," fügte bie Butter aus tief innerftem H^ 
flen hinju, fegob bann aber janft, ©atte unb ftiuber 
jur Dgüre hinaus, ba nun oor allen Dingen Nuge für 
Die junge grau öon Nötgen mar. 

Aber obmogl biefelbe mit gefcgloffeuen klugen ba* 
lag, fo moHte igr bod) ber Schlaf nicht fommen unb 
ihre ©ebanfen manberten flurüd flum öorjägrigen 
2Beihnad)tSfeft, mo fie beim brennenben ©griftbaum 
bie 93raut beS jungen dauern öom Nübergof gemor* 
ben. Seid) eine glüdlicgc ßcit mar bann für fie ge* 
folgt, unb obmogl igr bann unb mann Sleugerungen 
über bie flufünfttge Scgmiegermutter flu Cgrett fa* 
men, bie nichts meniger als hoffnungSermedenb ma* 
ren, öermodjte bod) baS igr ©lüd md)t eigentlich au 
trüben; Marianne trugmte alle ßicbenben eine rotge 
dritte unb bie ganje Seit erfegien igr im rofigften 
Sichte. 

Die Hocgfleit, bie ©ttbe gebruar im elterlichen Haufe 
gefeiert mürbe, mar unb blieb aber fo ziemlich ber legte 
ungetrübte Sonttenblid in SftarianncnS jungem ©ge* 
ftanbe. Nad) gerfömmlicger «Sitte öerblieb oie junge 
grau noch einige Socgen im elterlichen £muje, um 
bann an einem jehönen fonttigen ftrüglingStage il)rcn 
©ittflug als Bäuerin auf beut Niibergofe flu halten. 
Der SBagen mit bem SluSfteuergut mar hoch bepadt 
unb reich befränflt. ©benjo bie prächtigen Ccgfen, bie 
benfelben flogen, mie bie gübfdje buntgefdjerfte Äug, 
bie naeggefugrt mürbe, trugen Äränfle an ihren 
Römern. 

Stall freubiger ©rmartung fd)lug baS §erfl ber 
jungen grau ber neuen §eimatt) entgegen, aber eine 
fchmerflliche unb bittere ©nttäufegung harrte ihrer. 
Äein SJfenfcg lieg fid) bei ihrer Annäherung auf bem 
Hofe erblideu unb erft als ber Äettcngunb ein mü* 
tgenbeS ©ebell erhob, fam eine Sttagb im SlrbeitSfleib 
aus ber «Scheune herbcigelanfen, um ben Hunb flu be* 
fegmiegtigen unb Marianne flu jagen, bag Die Stauerin 
mit ihrem Sohne auf ben SStegmarft gefahren fei, um 
Scgmeine einflufaufen. Sie mürben aber, fo fdjnell 
als möglich geintfehren unb bie junge grau möge fid) 
eS nur einftmeüett bequem madjen. Diefe aber mufete 
nicht, mie ihr gefegag; Stolfl unb ßiebc fämpften in 
ihrem fetten unb hätte fie nicht gebacht, bag ba ganfl 
gemig ein 3ftißöerftänbnig flu ©runbe liegen mitfjc, fo 
märe fie mogl am liebften an ber Sdjme'llc beS neuen 
HaufeS umgetegrt. ggre Leihen trüber aber, bie fie 


tief öermunbeten. Sie öerfuegte nach Straften bie 
beiben jungen Starfegen flu befcgmichtigcn, unb bat 
fie, bapeim öon bem $orgefaUenen nichts flu er= 
mähnen. 

I ?lber als fie allein mar, ba mar es auch um ih rc 
gafjung gefdjehen unb fie meinte lange unb bitterlich. 
Gin faltcr 9icif mar auf ihre fegönften Hoffnungen ge* 
fallen unb hotte alle Snofpen im Steinte getöbtet. 
Als cnblich ber 93auer heimfehrte, ba tgat es igm 
aufrichtig leib, fein junges SBetb fo traurig unb nie* 
bergefcglagen flu gnben unb er bereute, feiner Sftutter 
nachgegeben flu haben. Slber biefe hatte fo einbring* 
lid) auf ign etngerebet, bag meitn er nicht heute bte 
Sdjmeine taufe, man an bem näcgften SKarftaae leicgt 
ba« Doppelte flu flaglen gaben mürbe unb hatte fi> 
gemig gemeint, bag SKariannc fo früh ni( hi fomme, 
unb er noch flur rechten 3dt ba fein tonne, um fie auf 
bem Hofe flu empfangen, bag er mie immer, aud> 
bieSmal ber SJhitter geglaubt unb igr ju SöiUen ge* 
mefen mar. 

3fm Haufe öon SKariannenS Gltern gatte mie in 
jebem rechten S3auerngaufe aueg eine gemiffe Spar* 
famteit geherrfegt, unb bod) auch mieber eine gütle 
unb gretgebigteit, bie baS Herfl angenegm unb mogl* 
tguenb berührte, umfomegr, als fie aus bem ©eifte 
Ariftlicger ßiebe unb Starntgerfligteit entfprangen* 
Sie ganfl aitberS mar baS nun gier in ber neuen 
Heimatg. Derfelbe ©eift, ber bie Stauerin gerabe 
am Xage ber Slntunft igrer jungen Scgmiegcrtodbter 
auf ben S^iegntartt getrieben, berfelbe regterte baS- 
ganfle HauSmefcn unb Sflarianne mertte gar balb, bag 
eS ber ©eift mar, ben bie heilige Schrift als bie Sur* 
flel alles UebclS befleiegnet. 


hierher begleitet, maate fie niegt anflufegen aus guregt, 
bag biefclben igre ©efügle tgr öom Slngeficgt lefeit 
möchten. 

Scgmeiaenb mürbe baS SSieg in ben Stall geführt 
unb ber SBagen abgclabcn, aber als audi bann noch 
Stunbe auf Stunbe öerrann unb bie Abmefenben 
niegt flurüdfehrten, maegte fid) ber Unmutg ber S3rü* 
ber boeg in Sorten ßuft, bie baS Herfl ber Scgmefter 


erntübeten Sanberer eine Scgale Silcg ober ein 
Stüddjen S3rob flu reichen, fo meinte bie S3auerin, bag. 
baS auf bem föüberhofe feine Sitte fei unb bag man 
babureg nur baS ©efinbel an fieg fliege, ©inigen um* 
herfliegenben SJiufitanten gatte bie junge (}rau einft 
mie eS bageim Sitte gemejen, ein Nachtlager auf bent 
Heuboben gemägrt; aber fo mie eS bie Slltbäuerm er* 
fagren, gatte fie ben ©rogfneegt gegeigen, ben Strol* 
egen bie Dgüre flu mcifen. Diefer aber gatte fid) ent* 
fdgieben gemeigert, igrem Söcfegl naegflufommen, ed- 
mar ein heftiger Streit entftanben, bem bie junge 
grau aus igrer Kammer flitternb flugegört. ©nblicg* 
gatte beS Stauers SluSfprucg fieg für baS bableiben 
ber SWufitanten entfegieben; aber er gatte hinterher 
feine grau gebeten, boeg in 3ufunft folcge Sachen erft 
mit igitt flu bereben. 

„Slber Silgelm," hatte fie igm ermibert, ,,menn 
bu eine Sttagb gefuegt gaft unb feine S3äuerin, fo 

K bu mid) bageim bei ben ©Itern laffen fönnen/ - 
v uermunbert gatte ber Stauer fie barauf hin an* 
gefegaut unb mar ogne ein Sort flu ermibern qinauS* 
gegangen. 

So nagte inflmifegen bte $eit ber ©rnte gcran unb 
meil in bent ©efinbe auf bem Hofe ein fteter Secgfel 
gerrjegte, jo fegaffte bie junge Stauertn auf bem gelbe 
braugen, mehr als eS igre Äräfte erlaubten. Unb bie 
öcrloretten Äräfte mürben igr niegt mieber erfegt; 
benn mar igr fegon öott Slnfang an bie grobe Soft 
unerträglich gemejen, jo öermoegte fie fie jeüt, mo fie 
fegmädjer mürbe, faum noeg flu aeniegen. (stmaS S)e* 
jonbereS aber mollte fie für fid) rtid)t tnegr bereiten; 
benn als fie im Slnfang ftatt ber üblichen Staobfuppe 
beS Sorgens fid) einmal eine Doge Ä.affce gemacht, 
ba gatte ote Scgmiegermutter fpöttifeg oemerft, mie 
baS junge Stal! boeg geut flu Doge fo fdjledig fei. 


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GoO£ - 



gnßrimlüße CSfle. 


19 


Äftn SBunber boßer, baß Marianne immer meßr 
abmagerte unb baß bie fonft runbe unb blüßenbe ©e= 
ftalt faum mieber ju erlernten mar. SJtutter unb ©a* 
ter blidten febon lange mit Sorge auf ißr $inb: aber 
ba jte nießt tiagte, fo üerfeßmäßten fte e«, ißr bie 
Jtange ju löfen unb legten Da« ©lüd ißrer Docßter 
taaltcß tßrem ©ott an’« ®erg. 

wt einem Sonntagmorgen füllte bie junge grau 
jcßroäcßer benn je. Ste oetfpürte ein ßeiße« Verlangen 
r ad) ber SJtutter unb e« fröftelte fie bei bem bloßen 
©ebanten, ßier in biefem §aufe Iran! ju merben. 
Sie bat Daßer naeß längerem ftögern ißren SJtann, 
anfoannen ju laffen unb fte aur SJtutter au faßren. 

tiefer mare moßl aueß bereit ba^u gemefen; aber 
oon Seiten ber SUtbäueriu mürben allerlei Einmen* 
bungen gemacht unb fie beßauptete, baß e« eine Sünbe 
unb'Scßanbe fei, bie Stoffe aueß außer ber Ernte noeß 
p jdnnben. 

„SJtutter, glaubt mir, märe icß moßl, bann mürbe 
i<ß nießt ju faßren begeßren," marf bie junge grau 
ein. 

M, larifari. Qcßbin aueß nie aefaßren; aber bu 
bift eoen roie eine ©rinaeffin uno nteßt mie eine 
Säuerin auferxogen. gattet Qßr baßeim mehr ge* 
fpart, fo ßätteft moßl aueß noeß eine größere SJtitgtft 
auf ben $)of gebraeßt." 

„SJtutter, jept iffö genug!" rief ber junge ©auer 
unb oerließ Aomig ba« 3tntmer. 311« er fieß naeß 
feinem fBeibe umfeßaute, ba mar biefclbe üer* 
fcßnmnben. 

Stiemanb ßatte fie fortgeßen feßen unb fie batte 
aud) oon Sriemanben Slbjchteb genommen. Sie ßatte 
nur ba« eine ©efüßl, baß fie fterben«matt fei naeß 
£eib unb Seele unb baß e« für fie feinen belferen 
Ort auf Erbere gebe al« ben an ber SJtutter ©ruft. 

Sinne junge grau! SJtit einem fo hoffnuna«reicßen 
^erjen mar fie oor einem ßalben gaßr biefen SÖeg 
getogen; mübe unb elenb legte fie ißn ßeute aurfief. 

Sefannte, bie ißr begegneten, rebeten fte an; aber 
fie antmortete fo abroejeitb unb meeßanifeß, baß 
Sfamche berfeiben fteßen blieben unb ißr fopffcßüttelnb 
naeßfeßauten. 

9 fe näßer fie bemfteimatßborfe fam, um fo lang* 
famer mürben ißre Scßritte, um fo feßmerer ber Äopf, 
ra toelcßem e£ ßämmerte unb tobte, gaft oßne e« 
tu miffen, öffnete fie bie $au«tßüre, unb erft ba ber er* 
fdjrodene »u«ruf: „Um ©otte« SBitten, SJtarianne, 
loa« ift Mr ? !" brachte fte einigermaßen jur ©efinnung. 
„So jprieß hoch, ftinb, ma« ift gefeßeßen ?" fußr bte 
SJtutter fort, unb SJtarianne antmortete mit einem 
fdpoaeßen Säcßeln: „gcß bin mübe, Butter, bring’ 
mttß a« ©ett." 

fiimge feßmebte ba« Seben ber jungen grau in 
öefaßr; aber bie gute Eonftitution fiegte in©erbtn* 
Dung mit ber unermüblicßen pflege ber 3ßrigen, unb 
mbltcß tonnte ber alte fttrat, ber Da« junge graueßen 
feßon auf feinen Ernten getragen, mit gutem ©emiffen 
ferne ©ejuche cinfteflen. 

Stöer auf ben Stüberßof febrte SJtarianne nießt 
auriid. E« hatte gar emjte Sluftritte gegeben mit 
bem jungen föauem; aber ber Scßultßeiß blieb uner* 
bittlicß tn bem fünfte, baß fein Ifinb nießt anberS 
al^ reeßtmäßige ©äuerin auf ben §of aurüdteßren 
folle. 

Da« 2l(Ie3 jog am ©eifte ber jungen grau oorüber; 
aber e« berüßrte fie nießt meßr mit bemfelben nagen* 
ben Seßmerft wie in ber erften ^rit naeß ißrer ©ene= 
iung. gfe näßer ber Dag ßerannidte, an bem fie ißr 
feßnlicß erwartetes SHnolein an baS $era brüden 
burfte, je meßr wucßS aueß bie §offnungSfreubigteit 
4 t ißr, baß gerabe biefeS ^inbleüt bte ©rüde merben 


mürbe jum eingefeßnürten ©roßmutterßeraen. gür 
bie ©ertßeibigung tßreS SSilßelm rebeten ja taujenb 
Stimmen in tßrern $eraen unb fie ßoffte unb glaubte, 
baß fein §auptfeßler nur in einer au großen ÜRacß* 
giebigteit gegen bie Sttutter beftanben. 

„Ob er nun tommen mürbe, um fein Srinb au 
feßen? Unb ma« mürbe er ju bem prächtigen ©üben 
fagen ? Sil« bie Scßultßeißtn fieß naeß eitttgen ©tun* 
ben über bie Docßter beugte, ba athmete biefelbe leife 
unb rußig, — unb ob e$ moßl bte lebten ©ebanten 
gemefen maren, bie ein fo glüdlicße« öacßeln auf bem 
blaffen, aarten Slntliß aurüdgelaffen ? 


Diefelben Sterne, bie in Dingelftebt auf bie feßnee* 
bebedte ©rbe ßerabfuntelten, bie faß aueß ber junge 
©auer auf bent föüberßofe unb biefelben ©loden* 
Hänge, bie tröftlicß unb üerßeißenb au feinergrau ge* 
rebet, bie brangen aueß feßmeicßelnb unb maßnettb in 
fein öera unb eine ßetße Seßnfucht ergriff tßn naeß 
bem SBeibe feiner ersten Siebe. SBa« ßinberte ißn, 
ber Seßnfueßt $u folgen? gureßt oor ber Butter 
auf ber einen Seite unb auf ber anbern ber böfe 
Drop unb Stola in ber eigenen ©ruft, ber gerabe 
beeßalb nießt naeßgeben miß, meil ba« föaeßgeben aur 
©ebingung gemaeßt ift. 

Stußclo« burdjfcßrcitet er §of unb Stätte unb ber 
©roßfneeßt, ber ißm fopffchüttelnb naeßfeßaut, bemerft 
jur SJtagb, bie gerabe bte ©tilcß aum SSctßna^t«* 
ßirfebret auf ba« fladernbe geuer jeftt; „Den ßat’« 
padt unb feft padt. 9Jti freut’« unb je eßer bie junge 
grau aurüdfimmt, nacßßer bin i jeßon jo otel 
lieber ba." 

Slußer bem ^irfebrei ermartet ba« ©efinbe feine 
gefteSfreube: ba« dt auf bem Sliiberßofe feine Sitte. 
Slucß ber einaigeSoßn ßat’« nießt anber« gefannt; 
aber tann er ba« mögen, bte Erinnerung an bie feßönen 
Stunben be« oorjäßrigen Eßriftabenb« üerbannen? 

S mmer unb immer mieber taueßt ein brennenber 
aum, lacßenbe ^inberaugen oor ißm auf unb ein 
blonbßaarige«, rotßtoangige« SJtäbcßen blieft an ißn 
gejeßmiegt, glüdftraßlenb auf ben gefteöjubel. Scßon 
einige SJcale hat er fieß ßefttg oor bie Stirne gefeßla* 
gen, mernt er Daran benft, baß e« biefe« gaßr mieber 
fo ift unb baß er, ber boeß aueß baau geßört, allein 
unb oerlaffen feilt muß. 

Unb muß er e« benn fein? „©ott ßilf mir!" ftößnt 
er au« tieffter ©ruft unb mie eine Erlöfunji au« 
einem feßmeren ©amte mirft biefe« furae Stoß* 
gebet. 

Er muß fort, morgen fort, — ba« fteßt nun feft bet 
ißm; er muß fein iunge« Söeibcßen mieber ßaben, 
mag e« foften ma« e« mitt. Stoch nie ift ißm ba« 
fnauferige, geizige SBefen feiner SJtutter jo ocrßaßt 
unb ajimibcr gemefen, ia, er meiß erft, ma« ißm an 
ber Sftutter feßlt, feitbem er ba« ftifle, liebenbe 
SBalten SJtarianneit« entbehren muß. O, ma« ift er 
boeß für ein Dßor unb ein Dummtopf gemefen, baß er 
fieß fo lange hat mie ein $inb am ©ängelbanbe füß* 
ren laffen. Stein, er muß unb miß frei fein! greiließ 
amingen tann er bie ©äuerin nidbt; aber bie Söelt ift 
ia aroß genug, unb menn feine SJtutter nicht meießen 
miu, nun, fo ßat er träftige Slrme aur Arbeit unb 
einem reblicßen SBitten mirb e« ja ©ott gelingen 
laffen. 

So fpricht er gleieß barauf aur SJtutter, febnett unb 
ßaftig, al« füreßte er fieß, baß eine Unterbrechung oon 
ißrer Seite ißn manfeitb maeßen tönne. Die ©äuerin 
meiß aueß niit, mie ißr gefcßießt. Erft ftarrt fie ißn 
mit ißren großen Slugen fprachlo« an unb bann fagt 
fie bebenb oorUnmiuen unbSlerger: „Sieß, ba« tft 


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20 


ünljeimlid|e tfäfir. 


ja fcpön, ba« tft ja perrliep in ber Spat!“ 9Ufo wa« 
icp inüpfam etjpart unb aufammengebraept, ba« foll 
fo ein junge« Wilcpgefiept tn turjer Seit oertpun.“ 

„©epwetgt. Wutter,“ fällt ipr ber ©opn in bie SRebe. 
„gür miep nabt ipr lang genug gefpart, unb e« pat 
boep noep niept einmal au etnem (Spriftbaum gelangt. 
3 ep bin frop, baß iep einmal au ber ©rfenntniß ge* 
tommen bin, baß e« boep nod) etwa« Veffere« auf ber 
2 Belt giebt, al« ba« leibige i>ab unb ©ut. Wog’ ©ott 
euep auep wa« Veffere« fepenfen.“ Unb fepnell, al« 
um jebe weitere ©inwenbung abaufepneibeit, oerläßt 
er ba« gimmer. 

$ie yJacpt pat fiep perniebergefenft. S)a« ©cfiitbe 
ift *ur )Rupe gegangen unb nur in ber ©djlaf fammer De« 
$ofbauern brennt nod) ein fiiept. @r rieptet fein f^eft- 
tagSgewaitb auf ben morgenben Sag unb nimmt bann 
nad) langer geit einmal wieber bie JpoepaeitSbibel aur 
$anb, ba er wopl weiß, baß bie greube, bie fein foera 
erfüllt, ipm bod) ben ©eplaf üon ben klugen fepeuepen 
wirb. 

Unter ipm in ber Kammer liegt ruhelos bie Bäuerin 
auf iprem üager unb tann ebenfalls feinen ©eplaf 
Rüben. ©o unerwartet, wie eS ben $lnfepcin gepabt 
paben moepte, war ihr bie SRebe be« ©opne« niept ge- 
wejen. ©ie patte fepon feit einiger $ett bemerft, wie 
eS in feinem foerjen auSfap; aber tonnte fie freiwillig 
oeraielften auf btc ßeitung be« ©uteS? ©umntepen 
patten fiep au ©ümmepen gefuitbcn unb immer ftatt- 
lieper würbe bie SReihe ber ©olbpäufepen, an benen ipr 
ganzes $era pina. Sa« folltc fie noep auf ber Seit, 
wenn fie fein (Selb mepr oerbienen unb gewinnen 


tonnte? 

„$t, pi, pi! pi, pi, pi! 05ana reept Väuerin, gana 
red^t, ließ fiep eine feine, fraßenbe ©timme im ©e 
ntaepc oernepmen, jo baß bie grau erjeprotfen auffupr, 
um fiep naep bem Vupeftörer umaufepen. 

S>a faß im faplen Wonbliept auf bcmfteiflepnigen 
£epnftupl am Ofen ein fleine« pagereS Männlein, in 
einem Wnjuge fo bünn unb fabenfebeinig, baß man 
faft meinte, bie Hnoepen unter bcmfelben aäplen ^u 
rönnen. (Gierig blidten feine klugen auf bie Bäuerin, 
bie unter biefem Vlide aufammenfepauerte. „3ei,“ 
begann bie ©timme wieber, „(ßolb, ©olb, ba lacpt 
einem bas §era im fieibe, „pi, pi, pi,“ „pi, pi, pi,“ 
freut mieß ungemein, peutc 9lbenb pier au fein.“ 

„Slber miep burepau« niept,“ fupr bie Bäuerin auf. 
„SaS wollt unb fuept ipr pier? Hennt ipr niept ba« 
©priepwort, baß ungebetene QJäfte aur Spüre pinau«- 
gefeßt werben ?“ 

„SRupig Vlut, Bäuerin, nur rupig Vlut, ©ie werben 
boep peute 3lbcnb gpren beften greunb niept oerfennen ? 
©lauben ©ie mir, unter allen meinen oielcn greunben 
finb ©ie mir peute 9lbcnb bie £iebfte unb Sertpefte. 
@ine wapre Sopltpat, fage iep gpnen, ift eS, enbliep 
einmal gar niept«, auep rein gar niept« oon all bem 
SeipnaeptSplunber au fepen. S« wirb mir fepon übel, 
wenn iep nur baran benfe. wie oiel oon bem lieben 
©über unb ©olb in biefen 4agcn fo nußloS öergeubet 
wirb. Unb bie Hätte, bie pier perrfept, biefe wonnige 
tälte! 3ßa« fönnte mir angenepmer fein, al« ber ®e= 
baute, baß auep für Säuerung pier niept oiel oerauS* 
gabt wiro.“ $Bei ben lepten Porten ftreifte ba« 
SRänn^en mit liebäugclnben ’ölideit ba« altmobifepe 
©efretär. 

„Opo, maepen ©ie fiep nur niept breit, £crr ©ei^,“ 
ließ fiep plöplicp eine anbere ©timme üont $opfcnbe 
be« ^Jette« oernepmen, fo baß fich bie Bäuerin er^ 
feproefen uniwanbte. „Söa« ba« ^>olj anbetrifft, fo 
meine iep wohl an ber SBermeprung ber ©olbpaufen 
ben größten ftntpeil ju paben. Haufen brauept ia 
bie ©äuerin ipr ipolj niept; aber iep war e«, bie ipr 


rietp, ba« ipriae auf ben Warft au fepiefen, wo peute 
au«napm«wcife gute greife gejaplt werben. 1)ie 
Bäuerin barf ftol^ auf meine $cranntfcpaft fein.“ 
„9lber iep fenne (Surf) niept, pabe ©uep nie gefepen," 
pauepte biefe, einen entfepten 33lid auf bte fleine 
forpulentc grauengeftalt werfenb, bie mit HIeibung«= 
ftücfen, ©pipen, Solb unb $erlenfcpmucf förmltep 
überlaben war. 


,,2öie, ©ic follten grau 5>abfucpt oergeffen paben? 
9tein, unmögltcp, liebe, oerebrte 53äuertn. (Erinnern 
©ie fiep boep nur an ipre Wabcpcnaeit. Xamal«, al« 
©ie mit bem gorftgepülfen üerlobt waren, ba war ja 
iep e«, bie gpnen rietp, oen armen $ropf laufen a« 
laffen unb be« Hronenwirtp« s ^eter au petratpen, ber 
ein nette« Vermögen befaß.“ 

„Unb al« naepper“, fupr ba« bünne Wänncpen fort, 
„ber alte Hronenmirtp ba« .Acitlicpe jegnete unb bie 
©cpwiegcrmutter gerne au 3pnen ai^pen wollte, Weil 
e« ipr tm ©aftpau« au laut würbe, ba pabe iep 3Puen 
abgeratpen, ba alte ßeute wunberlicp finb unb alte 
2 ötrtpinnen aumal fiep an gute Riffen gewöpnt paben. 
Wir paben ©ie e« au Oerbanfen, baß Die ©ertrub bie 
Wutter bcpaltcit mußte, ^ie pflege patte 3pnen ein 
nette« ©tüd GJelb gefoftet. ,,$i, pt, hi,“ „pi, pi. pi,“ 
unb ba« bürre Wannepen rieb fiep fcpmunaelno bie 
§änbc. 

„ga, unb wäre iep niept gewefen“, fupr grau 4>ab* 
fuept fort, ,,©ie pätten fiep bei ber (MterOertpeilung 
gewiß niept fo tapfer um ihr SReept geweprt. 0, iep 
fepe noep bie oerbuhten ©efiepter 3prer ©epmägerin* 
nen, al«3Pnen bie SÖtefe mit ben Sannen augefproepen 
würbe, bie bie ©ertrub fo gerne gepabt hatte.“ grau 

t abfuept fepüttelte fiep oor fiaepen, baß alle Hetten, 
pangen unb Räuber an ipr flogen. 

„Unb baß e« nad)per mit ber gamilie ein Rerwürf^ 
niß gab,“ meinte föerr ÖJeia, ,.ba« war niept jcßlimm. 
©o fortwäprenbe gamilienbefuepe, bie foften nur 
@elb. 3 fl » wertpe grau, ©ie miiffen einfepen, 
baß wir 5$pre beften greunoe finb, unb e« ift waprlid) 
ein ÖJenuß opne ÖJleiehen, ben peutigen 9lbenb fo gana 
allein in 3P re ^ ©cfellfcpaft au ocrlcben unb un« ge^ 
mcinfam au erfreuen an bem ©olb, ap, bem lieben, 
lieben ©oib,“ unb wieber ßog ein gieriger $3lid be« 
alten ©eiapalfe« naep bem ©epreibfefretär. 

„©ie genießen auep meine oollfonimenftc öoepaep 
tung, ^Bäuerin,“ fupr grau ©abfuept fort. „Sie fluo 
oon 3Puen, baß ©ie 3P rem Wanne, ber fiep naep 
IRupc fepnte, ben ©ebanfen au«rcbetcn, ba« @Jut ab= 
jugeben. Sa« wäre ba au« ber Vergrößerung be« 
Vermögen« geworben? Unb wie einfieptig oon 3puen, 
3 pn au oeranlaffcn, baß er ©ie aur ©rbin be« Ver^ 
mögen« einfeßte, unb baß ipr ©opn erft naep 3Pnen 
erben foüe. Wan weiß ja, 3ugenb hat feine Xugenb.“ 
„Sa« aber id) oor allen Gingen oewunbere,“ napm 
öerr Ö5eia ba« Sort wieber auf, „baS ift bie (£on- 
fequena, mit ber ©ie ben Softor au« bem ftaufe ge¬ 
palten paben. ®a« wäre für ben fo eine fepöne ©aepc 
gewefen, jebe« Wal fünf Warf in bie Safdjc au fepie* 
ben, wo man bem Ouadfalber für Vefuch unb Webiain 
nur eine Warf au aaplen patte, greilirf) pätte 3pnen 
oielleicpt bie offene Sunbc am guße erfpart bleiben 
fönnen; aber wer leibet niept gerne ein wenig ©cpmer- 
jen, wenn er bafür ba« ©clb bepalten barf. Unb 3pr 
Wann, nun ber wäre boep fo wie fo geftorben, ba 
pätte auep fein $lrat mepr pelfen fönnen.“ 

„6« ift niept wahr!“ feprie bie Väucrin' auf, „3pr 
lügt! 3P rJ ügt!“ ycp Pätte einen 9lrat polen laffen, 
wenn iep gewußt hätte, oaß e« fo übel ftünbe.“ 
„(Srcifem ©ie fiep boep nidjt fo, Sertpefte,“ ant¬ 
wortete £crr ©eia; „Aufregung maept fepwacp unb 
©ie bebürfen 3P rer gönaeit ©tärfe, um jeßt bem 


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®in>06 oom Mßdjöfnhrti. 


21 


Soljne entgegen *u treten, bamit er feine XI)orf)eit | 

» d)t. SBtr werben 3h nen nach Äräften aur Seite 

„Unb wenn er fort ginge nad) Amcrifa?!" 

„$Bas macht cS? Xann bleibt bas ©elb hübfcp bei- 
lammen." 

„Äber id) liebe bod) meinen Sohn, meinen einzigen 
Sotjn unb aud) ba* brauchen ift nirfjt fo übel, obgleich 
fie —" 

„Obgleich fie un* niept auSftepen fann," motten Sie 
fagen, nicht wahr? ßben beßmegen muß fie fort- 
bleiben." 

„9Jem, ba* märe if)r Xob, benn fie ift aart unb liebt 
ben ?8ilbetm oon ganzem $cr$cn." 

„Sich befte grau, bod) nur feine Aüprung, ba* ber- 
brrbt ja bie gan^e Sache. Aur tapfer unb feft bleiben. 
Xie junge ftrau ift üiel a u aut, unüemünftig mottte 
i* lagen, oa ginge bas fepöne ©olb halb in alle 
SSinbe." 

„ßben weil fie gut ift, mirb fie mid) alte ftrau audj 
lieb haben; benn enblid) fommen bod) auch bie läge, 
wm benen mir fagen, fie gefallen uns nid)t, — unb 
teenn id) fterben muß?" 

„Ach, bod) nur nicht foldje ©ebattfen, bann palten 
mir Qßnen all if)r ©olb unb ©elb bor bie klugen." 

3 mmer näher rücften bie beiben©cftalten, ba* fleine 
3Rännlein unb ba* fette 2Betbd)en. Sie fdjienen bie 
Väuerin umarmen au motten unb entfept ftredte bie- 
fclbe beibe Arme aus, um bem unheimlichen Spufe ju 
mehren. Sie moUte fdjreien unb fonnte nid)t, bis 
enblid), enblid) ein unartifulirter Schrei fich über ihre 
Sippen rang unb fie ermachte. 

Angftootf fepaute fj e fid) im 3i mmer um, in bem 
bereits bie Worgenbämmernng herrfepte. Al* fie 
nichts mehr Dort ben unheimlichen ©ä)tcn bemerfte, 
ba faltetetc fie bie £>änbe unb fagte aus tiefinnerftem 
t>eqen: ©ott Sob unb Xanf; c* mar nur ein Xraum." 

Sie mar gana in Schmeiß gebabet unb gitterte nod) 
am ganzen fieibe. 

Aber mar ^Ues nur ein Xraum gemefen? Unb 
menn bem fo mar, fo hatte ihr ©emiffen laut im 
Traume an ihr gerebet unb es follte nicht Dergeblid) 
gerebet haben. 

„Butter, Butter!" rief gleich barauf eine Stimme 
xur Äantmerthür herein, ,,id) habe einen Sohn, pörft 
ou, einen Sohn, 3 c fct hält mich nieftt« mehr. 3d) 
taffe gleich anfp nnen unb fahre p Mariannen unb 
fortan ift meine £eimatp ba, mo mein Ak'tb unb mein 
Äinb ift" 

„SBilpelm!" rief bic Vänerin, „marte bod),Wilhelm, 
unb nimm mich mit." 

„Stfuttcr, ift ba* bein ßrnft?" Unb als ber Sohn 
bas tieferregte, faft leibenbe ©efidjt feiner Butter 
fab, Da fragte er beforgt: „2Ba* ift mit bir borge- 
gangen? Vtft bu franf?" 

Xte Bäuerin lächelte matt. „Aeinfagte fie, „aber 
ich habe unheimliche ©äfte ^um Vefud) gehabt biefe 
Aadjt unb bu, bein SBeib unb bein ftinb, Qpr müßt 
mir helfen, baß fie niept mieberfehren." 

Untermegs erzählte fie bem Sohne ben fonber- 
baren Xraunt. 

Sotten mir bie beiben metter begleiten? 

Xieies TOal brennt erft am jmeiten SBeipnacbtStag 
ber Vaum im Schultheißenhaus unb im Scheine ber- 
fei ben fifct unter ben Ucbrigcn aud) eine alte ftrau 
mit gefallenen ©änben, ber autn erften SRal eine 
Ahnung burep* OT ateht bo„ ber Siebe be* ©men, 
ber ba tarn *u fudben unb feltg au machen, ba* ba 
uerloren ift Au* ber göffneten Itammerthur aber 
bhefen auf fie Atvei glürflidie SJtenfchen unb fie geloben 
MnnTnbn, baff W unheimlichen Weifte, iie ba« 


Seben ber Butter arm unb freubenleer machten, ©eij 
unb &abfud)t, bei ihnen feine SSopnftätte finben 
follen." 


(fttons oom iladjöenhen. 

lOon —y. 


Siel mir ba jüngft ein ©üchfein iti bie ^)änbe, 
baö trug ben munberfamen Xitel: „ s Jiad)bcufen 
über mich felbft." 9 iachbenfen über mid) felbft? 
Scltfamer ©ebanfe! 3 Bar id) bi^^er nid)t ftet^ 
gelehrt toorben, nicht fo biel über mich felbft au 
finiten unb au grübeln? „(£* fontmt nichts 
babei heraus," fagte biefer; „es führt nur aur 
Schmermuth/' jener. Xie erfte fj?flid)t ift biel^ 
mehr, bich unb aubere h^raii^aurcifjen, au aer s 
ftreuett, auf heitere ©ebanfeii bringen, nur nid)t 
bei ber Vergangenheit oertoeilen, luiUft bu bir 
ein fröhliche* Sebeu aimmern. 

3 a, al* neulich eine liebe Sreunbin ben Xag 
ihrer filbernen ^ochaeit beging, ba hatten bie 
Angehörigen mit wahrhaft ftaunen*wertl)er 
Ueberlegung alles gethan, unt in buntem SBechfel 
heiterer fiieber, lebenber Silber unb finniger 
Aufführungen bem 3 u ^ c fP aar auc ^ e i nc 
Minute 3 e *t aum 9 ?arf)beiifcn über bie Vergalt* 
genheit au taffen, „ßs würbe fid) ihrer fonft 
leicht eine wehmüthige Stimmung bemächtigt 
haben," fagte mir ^eittanb, unb ber ba* fagte, 
war ein fonft ernfter, chriftlid) gefinnter 3 Wann. 
ßr ftanb in nahen Veaiehungen au ber Silber* 
braut, bie in ben fünfunbawanaig fahren uiel 
2 eib erfahren hatte. Sech* holbe ft inbtein 
hatte fie in fiihler ßrbe betten müffen; ba* wa* 
ren bittere Schmeraen gcwefeit. Xamals hirfe 
ba* s JReaept: auf Reifen gehen, fich aerftreuen; 
uitb auch heute, am Xage ber Silberl)od)aeit, 
follte fie um feinen tyreii an jene ßriteit erin* 
nert werben; fo oerlangte e* bie Wohfmeinenbe 
fRücfficht.* 

Unb hier mein jSüchlein? s JUd)t nur ein 
flüchtige* Sicherimtem, fotibern ein s ^ad)bettfen 
über fich felbft oerlangt es? Xas Viicf)lein 
war fchon fehr alt, aber ein Wann ooit gutem 
ftlange ftanb barauf: 3<rf)<um ÄaSper 2a0ater. 

3 d) machte mid) an* 2cfeit beffelbcu. ß* war 
eine offene, ungefchminfte Selbftfritif, ein 3 e uc^ 
niß ehrlicher Selbftpriifimg unb Auflage oor 
©ott. 

Unb wann lebte biefer Wann, ber fo ernft 
fich im Spiegel ber ßwigfeit au prüfen beftrebte? 
3 « einer 3rit, wo bie ©ebilbeten jebe* rcligiö* 
chriftliche ßntpfinben oon fich fo fern al* ntög* 
lieh a u Ratten trachteten. 2aoater oerfehrte mit 


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22 


$ai jrrflörtf tfßarleftton. 


©oetße, föamann, 3°ß an ne* *mn SftüHer, ^of). 
£eiur. 5?acobi; lernte griebricß ben ©roßen, 
|)erbcr, 3 un g 5 @tilling fennen unb fic alle, 
biefe großen -äKänner, Oereßrten nnb bcmnnber 
ten ißn. ©oetße nennt ißn in einem Briefe an 
grau oon Stein „bie ©lütße ber SDienfcßßeit, 
ba* Vcftc Oom SBeften," nnb an anberer Stelle: 
„ein gnbioibuum, einzig, au*gc3cid)nct, mir 
man c* nid)t gegeben t)at nnb nid)t mieberfeßen 
mirb!" 

Sa* munber, baß feine Schriften nid)t oßne 
Ginbrud blieben. §aman, ber SJtagu* be* 
Lorben*, in feinen Selbftbefenntniffen; bie 
gciftoolle giirftin ©ali^in in ihrem Sagebudje, 
finb nid)t bie einzigen, auf bie er burd) fein 
„©eßcinte* Sagebucß," „Sie 9 lu*fid)ten in bie 
Gmigfeit," „Lacßbenfen über inicf) felbft" anre= 
genb gemirft hat. 

3a, c* tourbe eine 3*üt laug mieber s JLobe, 
moralifcbe Sagebücßer3U fehreiben. Sod) nießt 
biefe fiitb c*, bie un* notß tßun, fonberit nur: 
Ginfeßr halten, ftillfteben, ^uriicfblicfen, hinab 
fteigen in unfer eigene* £>er,v „Gvfemte bid) 
felbft," }o mahnt fdjoit in oorcßriftlicßer ^cit bie 
3 nfd)rift bc* 2 lpollotcmpel*: „SerSJtenfd) prüfe 
fid) felbft," fo mahnt bie Sdjrift. Seiber ift 
ohne Ladjbenten über fid) fclbft nnmöglid). 
„Cb bu bid) felber erfennft? Su tl)uft e* 
fid)er, fobalb bu mehr ©ebredjeit an bir, al* an 
beu aubcrn cutbcdft." Sluguftinu* befcnnt: i 
Ser erfte Seg 3ur Saßrßeit geßt burcß Semutß, 
unb ber jtucite burd) Semutß, ber britte burd) 
Semutß n\," ober noch meitcr ^uriicfgrcifenb; I 
bie herrlichen Sorte 9 Kofi* an ba^ 9 Sotf ^^raet 
lauten: „Vluf baß bu gebcnfcft be* Sege*, burd) 
ben bid) ber £>err, bein ©ott, geleitet ßat, auf 
baß er bid) bemütßigte." 

„Sie ©röße be* Ätfeitfcßen bcftcßt in ber Gr- 
fenntniß feine* Glenb*," betont $a*cal in feinen 
$eitfce*. Lun, ba* ift mabrlid) nid)t* Singe- 
nehme*, fein Glenb 311 erfennen; barum hat ba* 
$ei*3 and) feine ©riinbe, mt* oon bein Lad)ben- 
feit junufyubalten. Sie betrügt un* unfer 1 


eigene* £>er3 fo gern! Sem fiele babei nicht 
ba* Sort Vobcnftebt’* ein: 

„SiUft bu flug burd)* £cben manbern, 
s ßrüfe aubre, bod) aud) bid). 

3cbcr täufdn gar gern ben anbem, 

Tod) am liebften j’cber fid)!" 

Sa* füll id) atfo tbun? Säglid) naeßbenfen 
über mich felbft, mid) prüfen im Sichte ber 
Gmigfeit; barauf tommt’* an. 

„Sa* nid)t and) im lob ift nfip, 

Sa* ift lauter eitler Siß. 

„Jviir bie Gmigfeit leben" nennt e* Saoater. 
Sie erfd)eint ba alle* in einem anberu, im rech¬ 
ten £id)te! mie fleitt bie Reiben, mie groß ba* 
Grbarmen be* £>crm! So gebenft man be* 
Sege* ben ©ott uu* geführt ßat, nießt, um in 
Srübfimt unb Schmcnnutß 311 oerfallen, foitbem 
11m ©ott 3U preifen, ber un* moßl oft munber- 
lid), aber immer felig führt. Sir finb einmal 
oon ©ott unb 311 ©ott gefd)affen, brum toirb 
unfer lieben nid)t eßer füß, al* bi* e*, mie ba* 
LJcermaffer, gen £>immel fteigt. So mir aber 
lieber im Laufcße bleiben, nießt 3ur Liid)tcrn 
ßcit ermaeßen mollen, gefliffcntlid) oermeiben, 
un* Lecßenfcßaft über un* fclbft 311 geben, ba* 
Vergangene in ueroöfer £>aft 3ubedeu, ba bedt 
©ott auf; hingegen, mo mir aufbeden, ba bedt 
©ott 311. (Luquftin) Saoib ßat e* erfahren. 
$ 132 , 3 - 5 . 

Sa* maren bie ©ebaufen, bie ba* fleine 
Scßriftchen in mir anregte. Unb bann fielen 
mir uod) bie Verfe oon Spitta ein: 

„Äcljrc au* ber Seit ^aftreuung 
3n bie Ginfamfcit 3 Unid, 

So in geiftiger Gmcuuug 
Seiner harrt ein neue* ©lücf. 

Mcßrc micber, cublid) feßre 
311 ber Siebe $cimatß ein, 

3 n bie giillc au* ber Sccre. 

3n ba* Sefen au* bem Sd)ein! 

Slu* ber Süge in bie Sahrßcit, 

Slu* bem Sunfel in bie Mlarßeit, 

Slu* bem lobe in ba* Xicben, 

Slu* ber Seit in* #immelrcid)! 

Sod) ma* ©ott bir ßent mill geben, 

92imm aud) heute — lehre gleich!" 




Pn0 lerpörtc ffljörlföton. 




^öünricü. 


ijf|jie 3 c ^uugen übertreiben, mie gemößnlicß." 

„So fcßlimm mirb e* moßl nießt fein." 

„Sorten mir eingeßenbe Sericßte ab." 

Sergleicßen Lebensarten ßorte man allent¬ 
halben al* bie Sd)reden*funbe in ben 3^lungen 
^u lefeu mar: Gßarle*ton in Süb-Garolina ift 
beinaße gan3 3erftört. 


Sic 3 e iUingen hatten jeboeß bie*mal nießt 
übertrieben. Sie bureß Grbbeben angerießtete 
3erftöruitg ift noeß oiel größer al* bie erften 
Lacßricßten fagten. ’ Senige Raufer inGßarle*- 
ton blieben unbefcßäbigt. Viele finb gänslicß 
3erftört. Saßre merben oergeßen bi* bie Stabt 
mieber aufgebaut ift, unb e* ift eine fjrage. 


-Dt^rtized by“G00gIC' 



J0OI jerflörtr fitjarleoton. 


23 


ob jie fich \t mieber Oon bicfem Schlag gänzlich 
erholt. 

Tie hier beigefügten 9 lbbilbungen finb 
tograpbien nachgemacht, welche einige SBörfjen 
nach bem Srbbeben angefertigt würben. Tie 
Silber finb alfo naturgetreu unb oeranfchauti^ 
djen bie furchtbare gerftörung. 

Tie St. 9 JtichaelStirche gehört ben epiSco^ 
palen, unb ift ein hiftorifd) benfwürbiger SJJlap. 
Seglet) hat in berfetben geprebigt als er in 
Slmerifa war. Siele Staatsmänner unb gül^ 
rer beS SübenS beteten l)ier an. Tie ®tid)aels 
©emeinbe gab nid;t bloS ben Ton für 6^arleS= 
ton, fonbern für gan$ Süb^Sarolina an. TaS 
©ebäube ift beffer weggefommen als anbere, 
hat jeboch tiefe Stiffe unb muß non ©runb aus 
reparirt, Dießeidjt abgeriffen unb neu aufgebaut 
werben. 


Siele taufenb ©inWot)ner ber unglüdlidjen 
Stabt mußten im greien campiren. gelte tuaren 
nicht gleich oorßanben, unb fo behalfen fich biele 
mit Setttüdjern, aus benen ein nothbürftig 0b= 
bach h^ r 9 e ftcttt Würbe. Tie Scene in einem 
folchen Säger auf freiem <ßlape war in ben erften 
SBocheit entfeptid), benn <$u aß bem üorhanbenen 
Jammer wollte fich bie erbe nicht beruhigen, 
fonbern oerfepte bie erfchrecften Sötenfchenfinber 
burch fortwährenbe Stöße in TobeSangft. — 
Tod) warb auch oiel gebetet in biefen Sägern, 
unb manch einer, ber wof)l faum je an ®ott 
ernfttid) bachte, hat hier in ber Roth ^um $errn 
ber Süett gefeprieen. 

So fchredtich *war wie bei manchen @rbbe= 
ben ift bie gerftörung { n eijarleSton nicht ge= 
wefen. SJtan beute nur an ben Untergang 
ber Stabt Siffabon im oorigen :gahrhunbert. 



©t. 9Wid)ael* ftirdji*. 


Tie Jpibemian £>aße ift ein Trümmerhaufen. 
Ter Thurm im ^intergrunbe auf bemfelben 
Silbe ift ber Thurm ber (Centennial öifd). 
Mett). Äirche, mofelbft eine farbige ©enteinbe 
anbetet. Tiefe, fottrie brei anbere Sifd;. Kirchen 
würben bebcutenb befchäbigt. Tiefe farbigen 
©emeinben finb arm, unb wenn einer unferer 
Sefer |>ülfe bieten miß, fo fanit baS burd) Tr. 
Öiflet, 190 SBeft 4 . Straße, eincinnati, ge 
flehen. 

Sluch oom Stoßer £>ospitat, wie oon oielen 
anbem großen ©ebäuben ift nichts übrig ge~ 
blieben als Trümmer unb Schutt. £>unbcrte 
^rioatroohnungen finb nicht beffer weggefommen, 
cU baS £auS f)intex bem $oftamt. 


einige Tage oor bem ehartestemer Unglüd 
J aber Würbe (am 27 . äluguft 188 ( 1 ) s $t)iliatra, 

I bie jpauptftabt oon ÜDteffeuien in 35 Minuten 
gän^tid) ^erftört, 0000 .ftäufer tagen in biefer 
^rodin^ in Trümmern unb auf ber gried)ifchen 
$albinfet SJtorea lüftete biefes erbbeben wenig¬ 
stens taufenb RJenfchenlcbcn. 3 n GharleSton 
tarnen fechSunbneunjig um. 

immerhin aber ift bie teptgenannte Stabt 
fchwer betroffen, giinf Millionen Totlar wer^ 
ben nothwenbig fein, aßen Schaben wieber $u 
erfepen. SSaS aber bie s il u s b e h n u n g beS 
ßrbbebenS betrifft, fo ift ba* im Wuguft in ben 
Serein. Staaten oerfpürtc baS umfangreicpftc. 
es behüte fich über ben ganaen öftlich oom 


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24 


glas jerftörie (ftiarleston. 


SWtffiffippi gelegenen 2t)eil ber Ser. Staaten, 
non 2llabama bi$ Eanaba au$. 

Selbftuerftcinblid) ift bie berühmte Statur^ 
miffenfefjaft jefet tüchtig an ber Arbeit, ba$ ©rb= 
beben in feinem Urfpruitg bi$ auf’$ $aar ju 
ertlären. 

$er2tu$bruch 
be$ artefifd)en 
Srunnenä in 
Setleptaine, 

3a., bie 2f)ä- 
tigfeit be$ ©£== 
celfior = ©eifert 
im geßomftoite^ 

St)a( (beibe$ 
am 27. 2lug.), 
bieumbiefe^eit 
ftattgehabte 
Sonncnfinfter 
niß, ber 9fem 
monb uitb bie 
SKeere$ = giutt) 
unb mer rneiß, 
tua$ 2llte$ noch, 
foü ^itm ©rbbc= 
ben beigetragen 
haben. So fa= 
gen mit fefer 
tueifer SDtiene 
bie Sftaturmif* 
fenfdiaftlichen. 

Siete berfetben 
fefecit j^in^u: 

„Seht, mie groß 
bie 9taturmif= 
fenfdjaft ift; fie 
ttrirb teben, 
rnenn 2ll(e$ am 
bere^unid)tege= 
toorben !" 

Söir ^aben al= 
ten S^efpeft nor 
ber 9iaturnrif= 
fenfeßaft unb at^ 
teranbererSBif^ 
fenfd)aft. $)ie$ 
ntat, unb fd)on 
fo oft I)at fie je^ 
boefe bemiefen, 
baß alles 3S5if^ 
fen eitet Stüdmcrf ift. $ie meiften ber ante= 
rifanifdjen SWaturroiffenfchaftlichen aber haben 
einem öfterreidjifefeen $oftor, bem |>errn 9t m 
b o l p h ft a t b nad)gefd)U)äfet unb it)re großen 
©rbbebeneutbetfungen feinesmegS burdj Crigi- 
nat-Stubien gefunben. 

®iefer ,£>err Siitbolph ftalb ift ein recht tüd^ 


tiger SHaturforfdjer. (Sr giebt fid) unter Slm 
berem auch mit Untersuchung ber ©rbbeben ab, 
unb ift eine ,,©rbbebem2lutorität". fiängft fd^oti 
hat'er ben Safe aufgefteüt, baß -äKonbnähe, 
Sonneitfinfterniß, SWeeresfluth, 9 ?eumonb unb 
anbere ©rfcheinuugen ettoas mit bem ©rbbebett 

3u tfeun hätten. 

811 $ nun bic 
©rbbeben int 
lefeten 2tuguft 
mit berartigen 
grfcheinungett 
eingetroffen, ba 
oeröffenttidhte 
£>err ftalb eine 
lange 2tbhanb= 
tung, m toetefeer 
er biefe feine 
8 tnfid)t ju be^ 
griinbeit fucht. 
3 )iefer 2tbt)anb= 
tung oerbanfen 
hier^utanb bie 
meiften „natur^ 
tuiffenfchaftli^ 
djen" sperren 
ihre gewaltige 
©rbbeben = ©e- 
teferfamfeit! 

Qd) habe miefj 
burefe bie ftalb’^ 
fefee 2lbf)anb= 
tung „gehntn* 
ben'' unb bin 
auch ai^t nie! 
gefcheiter ge^ 
morben. 3a, ich 
bin feft übern 
jeugt, baß $crr 
ftalb burefeauä 
oerfet)tt, bett 
S e tu e i $ $u 
liefern, baf* 
äJtonbnähe, 
9 ?eumonb,Son- 
nenfinftemiß 
einen eiitgreU 
fenbeit ©inftufj 
auf ©rbbebett 
ausüben. 

©r beginnt bnmit, ben fcferetftidjen 2lu$bruch 
be$ laramera auf ber 9 torbinfet oon 9 ?eufee= 
taub (10. — 16. 3uni 1886) *u fchilbern, 
metche fteuerausbrüdje mit ©rbftößen in Ser- 
binbung ftanben. $ur fetten 3eit mar, mie e$ 
fdjon fo oft gemefen — SKcnbmechfel. Seither 
ift jener feuerffeeienbe Serg, meldjer feit SJien- 



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9m {«flotte (Sljarleston. 


25 



JRofter $o$t)ita(. 


fdjengebenfei% fein geben oerratfjen, lieber in 
Zfpitigfeit. 

gobann betreibt £>err galb, bie ®nbe t 3(ngnft 
ftattgefjabten ©rbbeben: baS auf ber griecfjifdjen 
§albinfel SJiorea (29. 2lug.), tDeld^eö oben ge= 
nannt mürbe, unb ba3 in ben Ser. gtaatcu 
(31. »ug.j. 

®r fagt r unb ba3 begreift am Enbe jebc£ 


Siinb, baf$ biefe Ereigniffe feurigen Kräften ber 
liefe entflammten. I CT • 

Zarauf fäfjrt ber gelehrte SRaturforfdjer fort: 
,„ 3 mei Zage nacf) bcm griecf)ifd}en Erbbeben, 
nactjbem burcf) ba 3 ^ufammentreffen ber (;eroor= 
ragenften glntf) - gaftoren — 9tcumonb mit 
gonnenfinfternift unb Erbnäfye — unb genau an 
bem Zage, an metefjem ber SUtonb ben Slcquator 



J£>au« hinter bcm 


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26 


Pas ;ecRörte tfßarleston. 


paffirte, am 31 . Slug. jmifc^en 9 unb 10 Uhr 
SIbenba, pochte e 3 511m brittenmal an ben unter= 
irbifc^en Pforten, unb e 3 erbrößnte ber Soben 
ber Ser. (Staaten. Sa ift eä benn gerabezu 
unmöglich, ficf) ber Ueberzeugung 511 oerfcßließen, 
baß bie flutßerzeugenbe Straft be 3 SRonbeä unb 
ber Sonne aud) auf ba 3 in ben liefen ber ©rbe 
uorßanbene Saüameer au^beßnt, unb ©rbbeben 
al 3 unterirbifcße, burcß ben Stuftrieb ber ©afe 
unb Satmmaffen ßeroorgerufene ©ruptionen be¬ 
trachtet, bie fich in größerer Stnzaßl unb Starte 
um bie Seit ber tßeoretifcßen ^ochflutßmayima 
ereignen." 

Sa 3 Hingt auf ben erften Slnblicf feßr plau= 


aber ganz gewaltige Stöße auf ben 13 . unb 27 . 
September. „Sin biefen Sagen", fagt 
er, „erreichen nämlich bie glutß= 
fräfte ber Sonne unb b e 3 9 Ronbe 8 
wieber ein SDtafimum, unb bieS 
gilt indbefonbere öont leßteren Sa¬ 
turn." 

Stuf biefe Seßauptung baute ber £>umbugger 
Sßigginä tum Sanaba feine Prophezeiung, unb 
bachte woßl babei: Igept ßab’ ieh* 3 . 

©r hatte e 3 aber nicht. 

Stilen aSolf ber Ser. Staaten wartete am 
j 27 . September auf bie gewaltigen Stöße. SticßtS 
I rührte fich. SBäßrenb, wie e 3 ja oft ber gaH 





Saßet auf bcm SBafljinßton ^lafjc. 


fibel. 31 ber gab e$ benn nicht auch fchon 
früher ©rbnäßc, Sonnenfinfterniß, s Jteumonb, 
Stcquator - Surdjgang u. f. w. ? Unb — waren 
3U biefen Seiten bie unterirbifeßen geuer etwa 
oerlöfdß? Söeßßalb jebod) hört man nicht im¬ 
mer 001t folcß’ gewaltig’ ©eben ber ©rbe? Sllfo 
fragen einfadjc SJtenfcßenfinber, bie fich burcßauS 
nießt t>or ber gewaltigen Ueberzeugung ber 3 ta= 
turwiffenfchaftlichen beugen. 

Sebocß — e$ foinint nod) beffer. 

$n feinen Slnficßten burdj baö oben barge- 
ftellte 3 u fammentreffen befeftigt, prophezeite 
$err $alb nießt eine anbere Sfataftropße an ben 
beiben Srennpunftcn, pßiliatra unb Saoannaß, 


ift, 0 0 r unb n a cß bem ©rbbeben uom 
31 . Slug. fcßwäd)ere ©rbftößc oerfpiirt Würben, 
War e 3 gerabe am 27 . Sept., Wo „bie 
glutßfräfte beö SOtonbed unb ber 
Sonne wieber ein SRajintum er- 
reichten" abfolut (Hfl. 

28 a$ nun? 

9 ia, bie Staturwiffenfchaftlicßen ßaben fieß eben 
Wieber einmal blamirt. Stießt weil bie 9 iatur= 
wiffenfeßaft etwa an unb für fid) nießtd ift. Sic 
ift bebeutenb unb ßat SegenäreidjeS geleiftet. 
Sie blamirt fieß aber jebedmat, wenn fie fiel) 
oerfteigt unb Sillen wißen unb am ©nbe Silier 
erfaßen will. 


*€83* 


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3Lus mtintn |0rlt|nad^tstagrn. 


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■»- 

3lus meiiini Uhitjnad^tagfii. 

®ou dlfr tunt ßlmettporfl. 


ftn einem falten SeipnaeptSabenb im Qapr 
<# 18.. ttmr’3, als icp einfam in meinem 
e/r Stübchen faß unb ber vergangenen 3 e ^ en 
backte. 

Sie viel toerfeftiebene folcf)er Slbenbe mären 
mir fepon befeftieben gemefen. 3 jcp lieft fic alle 
im Seifte an mir toorüberaiepen, jene ©priftfefte 
roll Slanj unb jgeüe naep gnnen unb duften, 
für roclefte icp ©ott niept banfbar genug fein 
!ann unb jene anberen, mo baS £>erj im gerben 
Scpmer$e rang, mit benen aber ©ott ebenfalls 
feine roeife Äbficftt patte. 

Seid)’ glücffelige ftinbpeit patte icp verlebt, 
wie batten miep bie tbeuren ©Itern mit Siebe 
oermöftut, mit ©aben bebaept, mich unb meinen 
älteren Sruber, ber unfer aller Slbgott mar. — 
Sie frifcp lebte bie (Erinnerung an jebe Slei* 
itigfeit, bie icp aus ben tbeuren £>änben empfing, 
in mir. Qcp fab in ©ebanfen all bie |>errlicp* 
feiten vor mir auSgebreitet, bie fepöne $uppe, 
bie fo meicb gebettet im ftorbmägelcpen lag unb 
ihre blauen Slugen öffnen unb fcplieften, nötpi* 
genfaüs fogar freien tonnte, baS Xöcptcralbum 
mit all’ ben bunten Silbern unb ©efepiepten, 
ba? marme Sinterpcl^djen unb toaS es fonft 
noeb gab. 

Sie febnte fiep mein $er^ nach jenen golbeiten 
«inbertagen im tbeuren ©IternpauS unb mie 
empfanb icp fo reeftt bie Saprpeit beS Sorten: 
„0 felig, o felig ein ftinb noep ju fein!'' 

Stacp ber Kinbpeit fropen Xagcn gab es mopl 
aueft noeft t>iel fepöne Stunben, ba meine erften 
^ugenbjaftre fepr glücflicp verliefen, aber ber 
Räuber gänjlicper Sorglofigfeit, bleibt niept 
mepr in gleicper Seife, fobalb mau unter bie 
Reiften ber ©rmaepfenen ge^äplt roirb. Xritt 
leine toirflicpc Sorge an uns peran, fo bereiten 
mir uns boep oft genug felbft melcfte, baS bringt 
baS unrupige menfcftlicfte $erj mit fiep. 

9iacp ber ft inber^eit veränderte fiep baS 93ilb 
am Gpriftfeft. 'Sie puppen mürben burep 
upöne, buftige Satlfleiber erfeftt unb biefe Sol* 
fra non lüü unb ©a^e braepten vergängliepe 
?reuben, oft auep Seiben mit fiep. 

X:aS innere Seben aber gemann feineSfaßS 
burep biefe Sali * Gpifobe, bas ©emütp unb ber 
Sinn für ettoaS |)öfteres mürbe niept geförbert, 
bie ©ueftt naep Sergnügen nur immer mepr ge* 
fteigert. Softl ift es mir einbrüefliep geblieben, 
baft icp bamals mit reeftt meltlicpen ©efüpleit 
baS liebe ©ftriftfeft feierte unb meine s üugen fiep 
irüp t mit gleicper Snbaept als in ber fiinbpeit 
auf baS erleucptete ftripplein riepteten, melcfteS 


ba unter bem Xannenbaum aufgebaut ftanb, 
fonbern fidp über biefeS pinmeg in aß’ ber bunten 
^Sraeftt verloren. Selcpen s Jlupen flog icp aus 
biefem gefetligen Xreiben, maS braepten mir bie 
§ulbigungen unb Xriumppe ein — iep füplte, 
baft fie mieft verflachten unb baft es unreept mar, 
bie guten ©Itern mit Sitten 51 t beftürmen, bieS 
unb jenes geft mit mir §u befnepen unb boep 
lebte iep in biefem Strubel meiter. ^cp miß 
bamit feineStuegS bepaupten, baft gefeüige greu* 
ben ein Unreept mären — nur alles im Ueber* 
maft ©enoffene ift bem Wenfcpen fepäbliep unb 
bieS zeigte fiep an mir. 

X>ann tarn ein anberer ©priftabenb, mo aller 
bunter glitterftaat verbannt mar. Xer erfte 
bittere Scpmer;* mar in mein Seben getreten! 
•Weine armen ©Itern patten ben einzigen Sopn, 
icp ben tpeuren Sruber im ftriege gegen granf* 
reiep verloren unb unfer fleineS ©priftbäumepen 
ftraplte biesmal feinen fter^englan^ auf traurige 
©efiepter unb ernfte ©aben nieber. 

s ilm 18. Sluguft mar er in ber blutigen 
Scplacpt von St. privat gefallen unb als er in 
ben 2lrmen eines greunbcS feinen ©eift anS^ 
pauepte, ba marcit näcpft ©ritften an feine Sie* 
ben bie Sorte: ,,©ott fei mir Sünbcr gnäbig" 
feine (epten gemefen. 

Wein 33ruber mar für miep ftets baS 33ilb 
menfd)lieper SoUfommenpeit gemefen, nie patte 
er ben Gltern ftmmmer, fonbern nur Jrcube 
bereitet. Sie viel meniger gut füplte icp miep, 
baS fam mir jeftt fo re(pt ^um Semufttfcin! 
Sie oft patte iep meinen lieben (Eltern auf ipre 
liebevollen Grmapnungen peftige Sorte entge* 
gengefept, mie menig miep bemiipt, ipnen fo 
reept 511 ©efallcn ^u leben, fonbern mein eignes 
Qep ftets in ben SSorbergrunb geftellt. Sonnte 
mir barauS Segen ermaepfen für unb 
©migfeit? 

Xurcp bas Sterben meines geliebten SruberS 
mar icp ^urn 9Jaepbenfeit über tnid) gefommen, 
iep patte begonnen, an mir 5 U arbeiten, unb als 
id) damals in unfere SeipnaeptSftube trat, ba 
muftte iep, baft niept äufterer ©lan^ unb glirn* 
mer, fonbern nur ein Seben treuer ^Sfliepter* 
füßung unb ber Serfepr mit unferem ©ott unb 
feinem ®ibelmorte jum ^rieben beS ^er^enS 
füpren! 

J5a, icp empfing baS Gpriftfinblein mit an* 
beren ©efüplen an biefem Seipnacptsabenb, unb 
als mir ^um Harmonium baS erpebenbe Seip* 
nacptslieb fangen: 

„Sie foß icp 3)icp empfangen unV mie begegnen Xir" 


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2S 


Aus meinen IHeilptadjtfttagen. 


ba rourbe mir’S fo recht Har, baß ich bett 3^^ 
beS menfd)(id)en SebenS gan^ au? bem Sinn 
verloren unb recht in ben Sag ^ineingelebt 
hatte, ohne p bebenfen, baß wir hier feine bleü 
benbe Stätte haben, foitbern baS 3 u fünftige 
fliehen follen. 

Sd) fafete bie beften ©orfäpe, eine 9lnbere p 
werben. 0, baß biefe Ummaitblung meinet 
inneren Menfcheit nicht um einen fo fdjmerglichen 
s 45 rei^ hätte erlauft werben müffen, baß mir 
mein geliebter ©ruber nicht genommen wäre. 
?lber ©ott weiß, was p unferem ©eften bient 
unb wir biirfen nicht fragen „warum." 

Ser ©ruft beS Sebent trat mir nun mehr 
unb mehr nahe. 

s Jhir einen ßßriftabenb foflte ich noch mit 
meinen theuren ©Item feient unb biefer War 
audj fchou ooller SBehntutf), ba mein ©ater, Don 
Kiffen geftüßt, fchwadj unb franf im Set)nftuf)l 
faß, um feinem Kinbe pnt lebten Male einp* 
befdjeeren. 9tod) beutlich fehe ich fein liebet, 
blaffet ©efidjt oor mir, wie eS mir pnidte, als 
id) hereinfam, unb fehe mein gutes Mütterchen, 
wie fie mich p meinem Sifcfje führte. 

2lch, t)ätte ich bamals geahnt, baß id) iiber’S 
Saßr einfant unter ftremben weilen füllte! 

Sa, beibe ©Itern würben mir in biefem feßwe- 
ren S a h r genommen, ftarben in 3?it Don acht 
SBodjen beibe bahin, unb WaS ich ba gelitten 
habe, baS fann nur ber ermeffen, ber fetbft fdjon 
fein SiebfteS hergeben mußte. (Elternliebe unb 
(Elternhaus finb unerfeplid), baS empfanb ich 
täglich unb ftünblid), unb Welch’ Dortrefflidje 
(Eltern id) befeffen, baS lenite ich noch mehr 
fdjäften, als fie Don mir gefd)ieben. gür niid) 
hieß eS nun in bie Weite Säelt gehen unb einen 
SBirfungSfreiS fuchen, benn abgefeljen baDon, 
baß bies für mein gortfommen nöthig war, 
Weil bie £>anpteinnahme meines ©aterS in 
einem hohen müitärifchen ®ef)alte beftanb, 
fühlte id) auch baS Sebürfniß in mir, p wirfen. 
SBie hätte ich fonft allen Schmer-* ertragen, ber 
bamalS burd) mein |>er^ 50 g, nur Slrbeit unb 
©ebet halfen mir barüber hinweg! 

Sch fucfjte meine Kenutniffe p oeroollfomn^ 
nen unb nahm perft eine Stellung bei fleineren 
Kinbern an, benen ich bie 2lnfangSgrünbe lehrte. 

So fanb mich baS liebe Sfjriftfeft pnt erften 
Mal unter ^remben, unb wenn ich auch bort 
greunblidjfeit erfuhr, fo ift es hoch WaS Schwer 
reS, Don allen früheren ©erbinbungen loSgelöft, 
in gänzlich neuer Umgebung p fein.— ©or allen 
Singen aber fehlte mir bie treue (Elternliebe, 
unb als bie Sorffinber—eS war auf bem Sanbe 
—ihr SBeihnachtSliebchen anftimmten, ba fonnte 
id) bie Shräneu faum prüdbrängen, nnb nur 
bie felige ©hriftenfjoffnung, cinft an ©otteS 


Sh*on mit meinen ©Itern Dereint p werben, 
hielt mich aufrecht. 

Unb wieber über’S Sah*— Welch anbere ©e^ 
ftalt hatte mein geben befommen, welche ©er^ 
änbetung erfahren! 

Mein fiev$, Welches wirflich noch nie fo recht 
geliebt, fich in frühefter Sngenb nur mitunter 
in Sßufionen einer Siebe hineingeträumt hatte, 
bieS ^er-*, baS fich mit feinen 23 S fl h*en ^ otl 
recht alt Dorfam—eS empfanb jept bieS ©aitgen 
unb Sangen, bies ,,himmelhod)jauchpnb" — 
„pm Sobe betrübt" wie eS ©oetlje unb Dor unb 
nach if)nt fo mancher Sichter befungen hat! 

Sd) liebte unb würbe geliebt mit einer reinen, 
hohen Siebe, würbe geliebt Don einem ebten 
Manne, ber Sehrer in berfelben Familie war, 
wie ich, wnb empfanb bie ganp Scligfeit einer 
folgen Siebe an jenem unDergeßlicßen ©hrift- 
abenb! 

©in gliidlicheS Sah* erlebte ich bann, wenn 
auch getrennt Don ihm, ba er feine Stellung 
aufgegeben, fobalb wir uns uitfere Siebe geftan- 
ben, unb in einer UnioerfitätSftabt für fein 
©jramett arbeitete, ©lütflid) war ich in feinen 
herrlichen ©riefen, Weldje mir bie Xiefe feinet 
©emitthS unb «f>erpnS ntel)r unb mehr offene 
barten unb bie ich wir alle, alle wohl Dermal)^, 
fammt ben, ach fo theuren s 2lnbenfcn, benn jebe& 
©lümchen Don ihm war mir mehr Werth al& 
©olb unb Seelen. — 

SBie Diel föftliche Suftfchlöffer erbauten wir, 
wie malten wir uns unfer füuftigeS £eim fo 
traulich aus unb glaubten, bieS erfeßnte 3' e I 
läge nicht mehr fern. Slber ber Menfch bertft 
unb ©ott lenft! 

©erab’ in ber fröhlichen 3Beil)nad)tS ( *eit war 
eS, als er mir bie Srauerfunbe mittheilte, baß 
fein ©ater geftorben unb feine Mutter mit nod) 
unoerforgten Kinbern, barunter eine fränftieße 
SdjWefter, nur auf eine Heine SBittwenpenfion 
angewiefen, prütfgeblieben fei. Sropbem aber 
fpradj er mir in feiner treuen 9lrt unb SBeife 
Muth p, baß wir trop aller jepigen 5Kotl) bod> 
p einer fpäteren ©ereinigung gelangen Würben 
unb bie Hoffnung nicht aufgeben bürften. 

Sn meinem £>erpn aber begann ein Kampf, 
ben bie nachftehenben 3eilen eines alten Siebet 
wiebergeben: 

„Äcnnft bu baS bitt’re SBort „©ntfagen?" 

SBer biefeS SBörtchen lernen will, 

Muß fich burch tiefe Kämpfe fchlagen, 

3 e heißer, weil fie tief unb ftiU! 

Senn foldjen Äantpf ben mußt bu führen, 

Cb er Dernichtenb in bir toft, 

©ei feft üerfchloß’nen öer^enSthüren — 

Sie SBelt hat bafür feinen Sroft! — 

— 9tad) biefem Kampf aber, ben ich in ber 
Stille mit mir gefämpft, trat ich in ^ en ©lart& 


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£u» meinen $)eil)na(l|t»ta$en. 


29 


kr Seibnadjtäferaeit mit bem Haren ©emugt= 
jein, roas xd) ju tfprn hatte. 

@ott n>ie3 mir beit 2Beg ber ©ntfagung unb 
ba galt eS fein 3öö ern > fonbern £>anbcln. Tie 
beglüdenbe Ueberaeugung, treu geliebt $u mer^ 
ben für alle 3 e it* bie fixeren Scbafc in 

mir trug, bie blieb mir ja unb fie mugte mir 
genügen, toenn auch biefer Siebe feine Sereinü 
gung betrieben fein fonnte. 

Äm Jüripplein unferes £>eilanbeS legte ich 
mein SBünfchen unb Seinen nieber unb als icf) 
bann am späten Slbenb für mich allein im ftillen 
Stübchen toar,f chrieb id) an meinen fernen greunb, 
benn nur als folgen burftc ich if>n fortan noch 
betrachten. 

3 d) jdprieb, bag ich it)m für alle 3cit bie 
Treue betoahren mürbe, eS aber jept bei ber 
oeränberten Sachlage für baS Sichtige fyelte, 
i^m fein 3Bort aurücfyugeben, unb bah ich in 
biefem ©ntjchlug gana feft fei. — ÄinbeSpftidjt 
ginge über alles, unb fo ftehe bie Sorge für 
feine SRutter ihm in erfter Seihe au, alles 3ln= 
bere mügte bem meiegen, unb eine gana auS^ 
ftcbtslofc ©erlobung mürbe ihn nur in feinem 
Sirfen ftören. ©ine fortgefepte ©orrefponbeua 
mürbe unfere ©emütger auch nur in Unruhe 
bringen, um aber einanber nicht gana aus ben 
Äugen au oerlieren, fo moüten mir uns alle 
gagr jum heiligen ©griftfeft fegreiben unb 
SRittgeilung aus unferem gegenfeitigen Seben 
machen. 

So Regelte ich ben ©rief ju, ben man beinahe 
für $u gefügt halten fonnte, aber Siemanb 
mein, tuaS ich babei gelitten. 9ln jenem ©griff* 
abenb—heute finb eS aegu ^agre ger—höbe ich 
ben fchtoerften fifampf mit mir gefäntpft unb ben 
gröBten Sieg über mein eigenes Jfch errungen, 
imb nur burch ©otteS |)ülfe, ber in ben Scgina* 
cheit mächtig ift, mar bieS möglich. Tie 3lnt= 
mort meines greunbeS fam umgehenb unb aus 
jebem SBort leuchtete feine Siebe unb fein tiefer 
Sehnte^, gr fchrieb, bah wenn ich igu auch 
nicht binben mollte, fein $erj boch für alle 3eit 
an mich gebunben fei unb nie einer Änberen ge* 
hören mürbe. — 

Tiefe Treue gut fich bemährt burch alle bie 
^ehn 3agre. — Slßjährlich am ©griftfeft fam 
ein theurer ©rief, gr hat unermüblidj für feine 
idjroacge, alte 3Jfutter unb für feine ©efegmifter 
geborgt, babei öiel mit ©ntbebrungen jit fämpfen 
gehabt. Sein gortfommen mar in ben fcglecbten 
Seiten, tvo befonberS bie Segrer Karriere fo 
überfüllt ift, ein langfameS unb borneimoHeS 
unb heute — roaS mirb er mir heute fdjreiben? 
(rrmarte ich feinen ® ri ef ni ^ et >enfo ^ 
iiuhtia aU in ber ^ugenbaeit — unb boch bin 
jfhinjmifchen ein altes Stäbchen gemorben, 


melcheS bie oerbäugnigoollen Treigig fchon 
überschritten hat! 

$ehn ^ahre finb eine lange Spanne $eit __ 
t)iel einfame Stünben marcit mir befdjjieben, 
aber boch höbe ich bei Arbeit unb ©ebet bie 3u= 
friebenheit gelernt unb beni lieben ©ott ftets 
ein banfbareS $era bargebracht. — Turcg gleig 
unb Stühe höbe ich mir bor fünf Röhren e j n 
eigenes Heines $eim griinben fönnen unb er* 
merbe mir meinen Unterhölt burch ^ßriüatftunben. 

Tod) mie lange bertiefte ich mich heute in 
biefer ftillen Tämnterftunbe in alle jene öerfdjie* 
benen 3öeihnad)tSerinnerungen, mie biel ©Über 
aus alter 3 e *t höbe ich hennifbejdjmoren unb 
mie ift baburch bie Sehnfucgt nad) ber ©ergan* 
genbeit fo mach gemorben. §ier brinnen im 
traulichen Stübdjen mirb’S immer bunfler, nur 
ber Schein bes im Ofen fnifternben |>olafeuerS 
beleuchtet bie alten lieben Silber unb Sachen 
aus ber £>eimatb, bereu jebeS mir merth ift. 
Sein SSeihnachtSbäumchen brennt für bie ©in* 
fame; biele ©inlabungen hötte ich a u meinen 
berfchiebenen fleinen Schülerinnen, aber ich 8ög 
eS bor, ftille ©infehr ju hölten. — Trauten 
flimmern bie Sterne burd) bie falte 8Sinternad)t 
unb ber Schnee glifcert in taufenb gunfen mie 
Sriftaü, 

SBerben bie lieben SBeihnachtSglotfcn nicht 
halb erflingen, bie fo feierlich in*S $era hinein^ 
rufen, bafe unS ber |>eilanb geboren? Sinnenb 
ftehe ich öm Sanfter — ba fomrnt ein fernerer 
Tritt bie Treppe herauf — ift’S ber ^Softbote, 
ber mir ben erfehnten SBeihnachtSgrug bringt? 
Schnell mitl ich öffnen. — 

Trauten im glur ift’S aud) noch finfter unb 
nur bie Umriffe einer ©eftalt laffeit fich erfen^ 
nen. 3 n ^ er f e f* en Ueberaeugung, eS fei ber 
Sote, rufe ich nur InnöuS: „SSarten Sie ein 
3lugenblicfchen, bis ich Sicht angeftedt unb 3huen 
eine Heine SJeihnachtSgabe gefud)t höbe." — 
Ta tönt eS aurüd mit einer Stimme, bie mein 
§era erheben lägt in unfäglidjer greube: „Tich 
felbft, meine Slaria, begehre ich 5 «r SSeihnachtS^ 
gäbe unb laffe mich nun, nach a c ^ujährigem 
treuen ©arren, nicht mehr abmeifen!" 

SBachte ich benn ober mar eS nur ein glüd^ 
lieber Traum, bag ich theuren Sorte hörte 
unb bag ich bie liebe ©eftalt beim ungemiffen 
Schein beS fladernbcn Siebtes oor mir fah? - 

Sein, eS mar fein Traum — ©ott f)ötte mir 
bieS ©nabengefdjenf, auf baS ich nimmermehr 
au hoffen gemagt, in ber ©briftnadjt augefanbt. 
Tnrfte ich jept noch ^ögern, es aus Seiner £>aitb 
aitaunehmen, ba ©r bie Sege fo fichtbar für 
uns geebnet? 

3 n ft iirae berichtete mein Sicbarb, bag ihm 
au Seujahr eine fehr oortheilhafte Stellung an 


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30 


(Sin £oierihtt=$iüber in Umetika, 


einem größeren ©pmnafium angeboten fei unb 
er non bem frönen ©epalt opne Sorgen mich 
unb fein alte« SJtüttercpen ernähren fönne. ®iefe 
fepidte mir innige ©rüße unb noch l)eute follte 
un« ba« fc^nelle $ampfroß in toenig Stunben 
itjr tragen. 3eßt begannen bie lieben Suchen* 
gloden ju läuten uub ba mir bi« ^uin Slbgang 
be« 3uge« noch 3 e ^ Ratten, fo mar e« mein 
febnlicper ffimtfcb, gemeinfam pm naben Sird) 5 
lein $u mallen, um ©ott an ^eiliger Stätte ber* 


eint $anf }u fagen für ba« fetige SBeibnacbten, 
meldpe« er un« befc^eert! — 

|>efl ftrablte ba« liebe ©otte«bau« im gefte«* 
glanj, boll brauften bie gemaltigen Sltforbe ber 
Orgel unb in marmer, tiefer Slnbacpt ftimmten 
mir in ben ©efang ber ©emeinbe ein: 

„©mpor m 3bm mein Sobgefang, 

£cm einft ba« Sieb ber ©ngel tlang! 

$er pope greubentag ift ba, 

Sobfinget, ©otte« §eil ift nab • 




(Ein 3tacrika4Wifcer in Amerika. 

eint Sfijje an« betn geben mm ömrp SB. Sfif^er. 


f aß er ein „©rüner" mar, ba« erfab man nicht nur 
am Schnitt feiner Kleiber, ba« tünbeten nicht 
nur ferne ä la Pompadour gefämmte Stiefen* 
mäpne, feine Sprache, fern „genial'' gcfcplungene« 
$al«tucp, feine ftanonenftiefel, bie jablreidjen ©er* 
loque« feiner filbernen uprfette unb feine milben 
©eftifulationen an, — bie öerädtliden ©lide, melde 
er um fid) marf, menn ein englifepe« SBort an fein 0qr 
fcplug, fein gaiue« ©enepmen unb ©erhalten gaben 
Dafür berebte« 3cugni|. 

Slp,er molltc ben $anfee« geigen, ma« e r für ein 
fterl fei; er bube etma« gelernt, er fei in biefer feirtp* 
fepaft öietteiept ber ©innige, ber etma« gelernt bube; 
bie|)anfee«_ 

„SBa« üerftepen Sie unter ©anfee«?" 

„Stun, bieö gan^e elcnbe Ärrämeröolt, au« ©inge* 
borenen, ^rlänbern, ©nglänbern unb bem Slbjcpaum 
aller Nationen beftebenb, bem fiep leiber auep öicle 
$)eutfde, bie „ju ßaufe" Unechte unb Scbufter unb 
ScpneiDer gemefen ftnb, ^ugefeHt buben.... 

„Slber," fuhr er fort, „m i d fnegen fie niept unter 
bie Slnbeter be« golbenen Salbe«, nein, nie unb nim* 
mer!" 

©per motlte er hinter ber $ecfe (terben, berfieperte er. 
2 Ba« er *u tpun gebente? muroe gefragt. 

Stun, einftmeileu bube er ja $u leben, — freilich nicht 
genug, um „ftanbe«gemäß", „mie man’« gcmöpnt ift," 
*u leben. ^Cber man müffe fiep in bie ©erpältniffe 
fepiefen, unb nad)ber, na, e« merbe ficb boeb fcpließ* 
rid^ felbft in b i e f e m Sanbe immer noch eine Stel= 
lung auftreiben laffen, bie ein gebilbeter SJtenfcp an* 
nehmen tonne, ohne $u errötben. 

„Hum ©eifpiel...." 3d) mies foeben auf ben Seil* 
ner bin, melcper foeben ben „.^erolb" brachte. 

©r moüte juerft mid) nic^t berftepen, unb al« id) 
beutlicher. mürbe, fragte er mit fd)retflid)er Stimme, 
ob ich beabfidjtige, ihn ju beleibigen. giir ben gatt 
moHc er mich barauf aufmertfam machen, baß er ficb 
nichts gefallen laffe, — nichts! S)er Coded’honneur 
fei ihm geläufig, unb er bube „brüben" fiebert Quelle 
gebubt. 3 a, — um c« nur 511 gefteben, — feiner 
$)uelle megen bube er fortgemufjt. 

Hcmanb lachte laut. 

$er „gentanb" fag am nädften Sifdje unb butte 
eine Kummer ber „gliegenben ©lätter" bor ficb. Sein 
Sueben mar alfo genugfam motibirt. 

©r aber faßte in geregtem Xone, menn ihn gemanb 
„trumpfen" mode, jo bitte er um beutlicbe ©rtlärung; 
er fei fein „$anfee", unb ^iemanb bürfe e$ magen, 


ihn ju bänfeln, — felbft nicht ber ^räfibent ber ©er. 
Staaten. 

9tun lachten mir Sille. 

$a ich fein Stuhlnadjbar mar, frug er mich, ob ich 
feepten tönne. 3d ermiberte bemeinenb. gd bube 
einmal berfuept, einen Schmarrn SKoöquito^ ^u “fight¬ 
en”, aber bergebenä. 2)amal§ fei icp noch f c b r 9^ü« 
gemefen. 

5>a£ SBort „grün" mirtte auf ipn, wie Souife 
9Kicbel§ 9tebolution3=$Robe auf etnen bon ©uffalo* 
©ÜFS Stieren. 

„Sie merben bon mir b*ton," fdrie er — „Sie 
Sitte!" 

Unb er tränt fein fiebenteS ©la« ©ier au«, munberte 
ficb beinahe 5U 4 obc, al« ber Äeflner ihm mittbeilte r 
ba& er niept« 5U befahlen bube, ba6 Sitte« u allright ,r 
fei — unb ging. 

II. 

Stad) fecb« SBochen hörte icp mirtlidj bon ipm. — 
©rmünfebte eine Stellung an^unebmen; ob i^ oiel- 
leicht „etroa«" miffe. 

gd mar in ber Sage, ©in mir befremdeter SBljole* 
fale=£aufmann benötbigte eine« ©orter«. 

„Hieben Sie bie gelben ©lacepanbfcbube unb ben 
Stafentneifer ab, unb geben Sie mit biefer ^arte ju 
$erm 3E," fagte ich* ,er fuc^t einen porter." 

„Slber me«palb jou id) mich borber ma«tiren ? 44 

geh ermiberte, mein greunb fei ein eigenartiger 
$aita, tonne ficb bon geroiffen ©orurtbeilen nid)t lo«- 
fagen; ber itneifer unb bie feanarienbogehöanbfchuhc 
mürben ihm bietteid)t ba« ©ngagement berleiben. 

„So ift er ein ungebilbeterPatron!" 

„Möglich, baß Sie ihn fo abfebüfeen. Slber er hat 
©elb, unb Sie rönnen’« in feinem ©efebäft ju ettra^ 
bringen, feerr X. but felbft bon ber $ife auf gebient 
unb gefällt ficb barin, bie ©eftrebungen fleißiger 
Sttcnfcpen ^u unterftüpen." 

„©in rei^gemorbener üaffer, ein öau«fnedt außer 
^ienften!" 

„SBoüen Sie ju bem jperrn geben, ober nicht?" 
Natürlich mollte er. ©r bube ficb Mt horgenontmen 
^u arbeiten. Slber ba« Sorgnon merbe er nicht ab^ 
nehmen. 

„SBie e« 3b nen beliebt!" 

Stach einer Stunbe tarn er jurüd, feuerroth im 
©efidjt unb eifrig mit fiep felbft rebenb. 

„SBarum buben Sie mir nicht gefügt, ba& £. einen 
£>a u« tn e d) t fuept," feprie er auüer pcb- ^iefe* 


L 


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Herrin! 


31 


herein! 

®oii ftftr! ®erodf. 



«A^as < 551 öcfIciti erflinget : 3 b r Kinber herein! 

Kommt Ulle, Me (Ttiiirc ift offen! 

Pa ftcb’n fic, geblendet üom golbigen Scbein r 
Ton Staunen unb ^rcubc betroffen ; 

IPie flimmert unb flimmert non Siebtem 
ber 3 $aum! 

Pie (Saben 511 greifen, fte wagen’s noch Faum, 

Siefteb’n wie ner^aubert in feligem (Eraum, 
So nehmt nur mit fröhlichen l^änbcn, 

3 br Kleinen, bie Föftlicbcn Spenben! 

llnb mächtig ertönen bie (Slorfen im <Ityor, 
§um l^aufe bes lierrn uns 311 rufen: 

Pas ^eft ift bereitet unb offen bas (Efyor, 
^cratt 311 ben ^eiligen Stufen! 

Unb ftebt ihr, gcblenbct nom bintmlifcben 
Sidjt, 

llnb fagt ihr bas IPunbcr, bas göttliche, nir^t. 

(Ergreift, mas bie ewige Siebe nerfpriebt, 

Unb lagt euch ben feligen (glauben, 

3 b r Kinber bes 5 öcbftcn, nicht rauben! 

Unb bat er btc Kinber nun glücflicfy gemadyt, 
Pie grogert fo gut wie bie Flehten, 

Dann wanbert ber (Engel hinaus in bie tfadjt. 
Um anbern 311m (Srug 3U erfebeinen. 

Um Uimmcl ba funfeln bie Sterne fo Flar, 

Uuf (Erben ba jubelt bie fröhliche Scbaar, - 

So tönen bie (Slocfen r>on 3 (*h r 3 U 3 aljr, 

So flingt es unb t^allt es aud? ^cute, 

0 fcliges IPeihnachtsgeläntel 


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32 


(Sin 3Lmmha=fllübtr in ümtriha. 


S 3 lomage für einen Ntann oon einer intelligent unb 
gefellfdjaftlicßen (Stellung!" 

„ 3 cß bemerftc ausbrücilicß, baß £>err £. einen porter 
ßaben wolle." 

porter! 38er oerfteßt porter? Sogar ©uer 
£)eutfcß habt 3ßr bei ben ?)aitfecS oerlernt. Nicßts 
als cnglijcßc Groden!" 

„58tr gebrauchen nidjt halb fooiel englifcße, wie Sie 
franAÖfifcße unb lateimjcße." 

„4afür möchte icb 35eweife hoben!" 

„Bum 33eifpiel: Sie fpracßen foeben in einem 9ltßem 
ton Blamage unb intelligent’." 

©r beachtete ben ©inwurf nic^t. 

9Rit ben 33orten: „9Benn mir baS t u Jpaufe paffirt 
wäre!" ergriff er bie Xßürflinfe unb, inbem er bur<ß 
bie Ceffnung oerfcbmanb, warf er bie Xt)üre mit 
folcßer £>eftigfeit tu, als ob er fänimtlicße ihm Wiber« 
jtrebcnben inftitutionen bicfeS fianbeS mit einem 
©djlage Aerfcßmettcrn wolle. 

III. 

$rei ^abrc jpäter trat er in bie SRebaftionSftube 
einer Leitung beS 3Beftens, ber ich bamalS oorftanb. 
4cr 9llte. 

Nocf unb ^ofen oon beutfcßem Schnitt; berfelbe 
filberne, großäugige Nafenfneifer, bie langen £aare, 
baS SBefen potentsten ©igenbünfelS. 

«Sie Kleiber waren Aiemlicß neu — wie ich fpäter 
erfuhr, aus X)eutfcßlano nachgefanbt, — aber bie llßr« 
feite mit bem üielenöeßängjel brau waroerfchwunben 
mit ber ^rattßeit ber 3Baben, ber grifcße beS 9luS« 
feßenS, ber Sauberfeit ber 3Bäfcße. 

©r war fo gütig, bei ber Begrüßung nichts oon ben 
früheren Ntißßelligfeiten AWifcßen uns burcßblicfen au 
iaffen. 9Bie eS ihm ergangen, fcitbem wir uns nicgt 
gefaben? frug ich. 

fcffcß, — er war Nebafteur oon einem SJufocnb Heiner 
fianbblätter gewefen, hotte biefen allen tu ricfiger 
©irfulation oerholfen unb war überall mit ©ßreit 
überhäuft worben. 9lber ber „9lbler" — unb ber 
„SßoliSfreunb" tu — hotten feine Xienfte natürlich 
nicht aenügenb ßonoriren fönnen, (troßbem er ihnen 
eine Niefen«©irfulation oerfeßafft), ja, fie waren ihm 

S aftifcß Jponorar«($falber fcßulbig geblieben, unb er 
latte beSßalb auch „feinen" 9lboofaten beauftragt, 
oljne Säumen unb rücfficßtSloS ©intreibe«ft lagen 
antuftrengen. $efct wolle er fich einem größeren 
SBirfungsfreife tuwenben, beSßalb fei er au mir ge« 
fommen. — 3 ;cß folle Naum für ihn machen in ber 
fRebaftion. 

„^erfteßen Sie ©tiglifcß?" 

„Nein! 3(ß bin bod) fern N e p o r t e r!" 

4a einer nuferer £eitartifcl«Scßrciber gerabe Oer« 
reift war, jagte ich, e* fönne einftwcilcn beffen Stelle 
einnehmen. Qdj würbe ihm brei XollarS per Spalte 
Aaßlen. Seine Arbeiten müßten XageSjragen be« 
ßanbcln. 

„©inüerftanben!" 9lm nächften SNorgen foUte ber 
erfte 9 lrtifel geliefert werben. 

Unfcr 9Matt erschien Nachmittage um Rwei, unb 
nie ber Subftitut=Ncbafteur beSßalb um Aeßn einhalb 
Uhr mit jeinem SRanuffript anlangte, hotte ich -feine 
Beit, bafjelbe burcßAufeßen. 

Nur über ben Xitel burfte ich erftaunen: „X5ie 
olpmpifcßen unb bie norbamerifanifeßen National« 
Spiele." 

3 cl)u Ntinuten, nadjbcm ich bie „©opp" in ben 
Seperjaal c^pebirt hotte, feßrie ber Tormann burcß’S 
Sgracßroßr/icß folle iljm ein grembwörterbueß herauf« 
Jcßicfen. 


3cß fueßte oergeblidj nach bem ©ewünfeßten. 

äRein £>ülfS«Nebatteur fagte enblidj, einigermaßen 
oerlegen, er ßobe baffelbe geftern holen Iaffen unb 
oergeffen, eS wieber mittubrinaen. 

4er Tormann würbe fo befeßieben. 

©ine 3$iertelftunben«^aufe. 

4ann ließ ber fßrintipal ber Seßer naeßfragen, ob 
er bie „frantöfifeßen 33rocfen"in gewöhnlicher beut jeher' 
Scßrift feßeu Iaffen bürfe; bie „Nccent^" feien ißm 
aue(gegangen. 

Bugegeben. 

Uno wieberum tutete ba3 Spracßroßr. 

„Seit wann werben bei uns fieitartifel in gort« 
feßungen gefcßriebenV" frug eS oon oben. 

Qcß feßaute mieß naeß bem Subftitut-Nebafteur um. 
©r war gegangen. 

„Scßiaen Sie baS 9Ranujcript herunter!" 

4er Tormann felbft brachte eS. „Xer gan^c Seßcr« 
Saal jubelt ob ber neuen fttaft," berießtete er. „4ie 
Seßer fagen, feinölefcßreibfel maeße ihnen meßr Spaß, 
als ein vlrtifel oon s Jfteblenfa. 93iS jeßt finb brei« 
unbbreißig ortograpßifcße geßler, breijeßn Saß« 
oerrenfungen unb ßunbertunbbrei gremowörter m 
feiner ,, 6 opt)" fonftatirt worben. Unb ber Slrtifel ift 
erft Aur Själfte fertig." 

„$Booon ßanbelt er?" 

„ s ^on ben olßmpifdhen Spielen " 

„Xie ganje Sauce?" 

„3a, — oon 91 bis Q. 9lm Scßluß fteßt 5 Weimal 
unterftrießen: „3n ber näcßften Nummer werben wir 
auf bie Nationalspiele ber NanfceS näßer eingeßeti, 
obgleich ißr ^inocle« unb ©atcßpenni)=Spiel faum 
biefe 93eriicfficßtigung oerbienen." 

Um arnci Ußr erfeßien er, um fein ©elb ^u holen. 
Nacßbem icß ißm eine Nnweifung an ben Äaffirer ae« 

g eben hatte, oerfueßte icß, ißm m milben 9luSbrüaen 
eijubringen, baß fein 9lrtifel unoeröffentlicßt ge» 
blieben fei, baß er fieß für feine fpäteren 9lrbeiten ein 
frifcßereS 4ßema wäßlen unb fieß nebenbei aueß einer 
populäreren Spracße beßeißigen müffe. 

©r ßörte mieß groüenb an, murmelte etwas Oon 
9Rißocrftänbniffen, Unocrftänbniß, ©inmifeßung roßer f 
ungebilbeter Ncenfcßen (auf bie Seßer anfpielenfr), 
bie fieß fortwäßrenb um Sacßen betummern, bie fte 
niAtS angeßen, — unb ging. 

9lm anoeren Ntorgen feßiefte er mir einen Nrtitel 
„Uebcr bie ^ojfibilität eines türtijdjsuffifcßen 
niffeS in ber erften ^älfte beS ^wan^igften 3oßrßun^ 
bertS". 3dh las ißn ^ur ^älfte, unb icß ßotte, „nim= 
mer feines (Gleichen ^n feßen." ©S Wat baS tonfujefte 
Spracßen«Ouoblibet unb ^ppotßefen« Nagout, baS 
mir je ^u ©ejidjt gefommen ift. 3^ß poefte ba^ 
9Ranujcript fein fäuberlicß ein, legte $3 ba$u unb 
fanbte eS retour. 

darauf erßielt icß eine ^oftfarte folgenben 3n 
ßaltS: 

„3cß bebaure lebßaft, ben ®erfucß gemaeßt au 
ßaben, 3ß r ®latt in bie 93aßnen legitimer 3oumalt= 
ftif au lenfen. 3 * Verweigere hiermit auSbrücfUcf) 
meine fernere 9Ritarbeiterfcßaft. ft eine ©elboerfpre-= 
djungen 3ßrcrfeitS fönnen meinen ©ntjcßluß wanfenb 
machen. 3^ ßobe mir bie Sacße überlegt unb bin au 
bem Scßluß gefommen, baß es unter meiner 933üroc 
ift, für eine* Beitung, wie bie ä u arbeiten. 

9luS 3ßrem ftonfurrenAblatt weroen Sie erfeßen, bafe 
eS noeß Nebafteure giebt, bie meine geber au fcßä|ett 
wiffen. 

9Rit gebüßrenber Ndjtung 

2 . ^." 


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U9ie kauft mau rin $Kano? 


33 


Xie Xrohutig erfüllte ftd) niept; jwei, bret, aept 
Sage wartete id? fcergeblidb auf bas ©rfdpeinen feiner 
l'oroentape unter ber Aegioe meines Kollegen. ©nb= 
lub traf icp auf lefcteren. ©r lachte mir entgegen: 
„Xa paben ©>ie mir einen netten ©ejellen augejepieft !" 
jagte er. 

»W? — Sljnen?" 

„Well, er berief ftd) auf ©ie als einen alten Uni* 
uerfitatSfreunb." 

pabe niemals bie Uniöerfität befugt !" 

„Sr auch nidjt!_Aber ratpen ©ie, wie icp ipn 

losaeworbeit bin?" 

„Xa bin id) begierig!" 

„3dj pabe ipm eine Aufteilung bei ber ©ifenbapn 
Dfriprocpen unb ihn— $u etnetn italienifdjen Arbeite 
oermütler gefanbt. 

IV. 

fiür$lidj war ich auf VlacfmeHS SSlanb, jener fcpö* 
nen gnjel, welche bie Aew porter ihren Verbrechern 
nnb Uranien jum Aufenthaltsort angetoiefen haben. 

Als ich burep bie ©artenflucht bent Qrrenpaufe 
jujepritt, trat aus einem ber 9KaiSfelber, fpaten* 
bewaffnet, jonngebräunt, ein Unglücflicher im ominös 
geftretften ^abituS. ©r bliefte fcheu unb oorfidjtig 
ringsum, ftreefte bie $>attb nach mir aus unb fagte 
auf Xeutfch: „£>aben ©ie bieüeicht eine Zigarette 
übrig ?" 

„Gewiß!" 


^nbem ich ipnt e ‘ n reidjte, begegneten 

fich unfere Vlicfe. Xer ©cfangene erblaßte, feine 
Rechte gitterte. 

©ein „Qch baute Spnen, §err-" Hang meid) 

unb wepmutpsöotL 

,,©r tennt Qpren tarnen," flüfterte meine Vc* 
gleiterin. 

Xa erft fiel eS mir auf. ^d) wollte fragen, aber 
ber Sttann fam mir ^uoor. Aaffen Auges erzählte er 
mir jejjie ©erpichte. Verwunbcm ©ie fich ntept: ©r 
war ber ^>elb biefer einfachen ©rjaplung, — ein 
QucpthäuSler, ein Vettler! 

XieS ift feine Veicpte: 

Vier tfapre lang patte er bon „braußen" regel* 
mäßig wöchentliche ©clbunterftüfcungen empfangen; 
ebenfo lange hatte er feinen pochtrabenben 3been ge* 
lebt; ebenjo lang patte er öerfuept, Anterifa 5 ur An* 
ertennung berfelben $u bewegen. 

Xaitn waren feine ©Item aeftorben opne ipnt einen 
Pfennig ju pinterlaffen. AIS fein Ärebit erfepöpft 
war — es patte nicht lange gebauert bis eS foweit 
fam — ftanb er gänjlicp oerlaffen ba. Xie 9totp, bie 
§ülflofigfeit trieb ihn unter bie XrampS, bie ft’iein* 
biebe, bis er fcpließlicp wegen profejfionetter Vc* 
fcpwinbelung oon &oftpauS*2Birtptnnen in bie Veni* 
tentiaru gejepieft würbe. 

Um Aeujapr wirb er wieber ein freier SJtann fein. 

Unb hoffentlich ein befjerer unb flügerer. 

(Veil. Journal.) 





. DJie häuft man ein piano ? 

g«r $ans uub $crb beantwortet tum 3. §. SBaUfifcb. 


iefc Stage ift eine burdjauS bered)« 
I tigte, weil baS Seurtljcilcn unb 
2luSiud)en eines fßianoS fetjv 
o' fdhwer unb nicht SebermannS Xing 
Eift. SRan fann ein guter Spieler 
unb ühlcdjtcv 3nftrumenten*Äenner fein. Sei« 
nes Gehör, ©cfdjmacf, roirflid) mufifalifche ©e= 
gabung unb längere (£rfat)rung finb bie nötige 
ÜluSriiftung beffeu, ber ein maßgebenbeS Urttjeil 
ausfprecfjen foll. 

S)er Xoit j. S. fann hart, meid), oofl, leer, 
ipij, breit jc. fein. 2BaS Reifet baS? SSer 
fann es mit ©orten näfjer betreiben? Un= 
mögli^! ®benfo wenig wie man Sarben mit 
Sorten beuttid) genug fd)ilbern fann. SSer 
ein für SPiuftf geöffnetes, mit Xonfinn gepaar» 
tts Of>r f>at, ber ^ört unb unterfrfjeibet ben 
Ekarafter bcS XoneS unb f)at er Gelegenheit 
oerfdiiebene ^nftrumente ju hören unb ju uer= 
gleithen, fo roirb er nach unb nad) urthei(Sfähi= 
ger werben. 

Äuf (SinS nur möchte i^ aufmerffam machen: 
ftlingt ber %on „filjig," b. h- bumpf, gewiffer- 
maßen, als ob er in einem Saften eingefperrt 
märe, fo liegt bieS gewöhnlich an bem noch nicht 
ieftgebriieften Silj ber Hämmerchen. 9Hit ber 


3eit gibt f«h baS. $at jeboch baS Snftrument 
fchon oon oornfjerein einen anffalleub „hellen“ 
Xon, fo ift ju befürchten, baff es nach nicht ju 
langem Gebrauch — wenn ber Hammerfilj feft= 
getlopft fein wirb—einen unfpitipathifd)=grellen 
Xon haben wirb. 

Stächftbem hanbelt es fich um bie „Spielart,“ 
beren Seurtheilung oietleicht ein Wenig leichter 
ift, als bie beS XoneS. H' er fotnmt es auf bas 
Gefühl, auf ben ©inbruef an, welchen baS $cv= 
abbrüefen ber Xaften auf ben einjelnen Singer 
macht. XiefeS ift oon ber ©efehaffenheit ber 
(unfichtbarcn) Xnftenmechanif abhängig, haupt» 
fächiich bem SSagebalfen ober |>ebclpunft, in 
welchem ja bie9Köglichfeit beS auf« unb Jiieber» 
brücfenS ber Xaftc liegt. H' era “ö—je nadibem 
— ergibt fich bie fchwere ober leichte 
Spielart. 3ft biefer Xh c >l beS Qnftrumen« 
teS nicht corrclt genug gearbeitet, fo ba| e i n» 
j e l n e Xaftcn oieHeidjt fchtoer, a n b e r e leid) 
ter herabjubrüefen finb, fo entfteht barauS eine 
„ungleidjmäfjige“ Spielart, toaS gewiß feßr 
unangenehm ift unb baS Spielen nachtheilig 
beeinflußt. 

Siir fdjwache Slinberhänbe ift eine fernere 
Spielart natürlich läftig, hoch — Wenn fic nicht 


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34 


jfflie häuft man tiu Jüans. 


aßzufchwer ift — mag eS nüfslid) fein, weit eS 
bann zur Kräftigung ber einzelnen ginger unb 
ber ganzen .'panb beiträgt. Uebennübung 
mürbe aßerbingS baS ©egentljeil tjeroorbringen 
— Schwächung. 

3llte, auSgefpielte gnftrumente ^aben be= 
fanntlidf) eine „abgelagerte" Spielart burct) 
jahrelangen, zuweilen ganz unbarmherzigen ©e» 
brauch. (Son Sc&terem tann bie merthe ,, s Jiad)= 
barfchaft" manches ©laoierhelben ein SWiferere 
fingen!) $ajj ein alter Slapperfaften „für 
Anfänger gut genug" fei, ift ein ebenfo großer 
grrthum, als jener, baf) eS jum erlernen ber 
„SlnfangSgrünbe" feine« fo tüchtigen Sehrer« 
bebürfe. 

SUfo Sorfidjt; feine ju leiste Spielart beim 
neuen gnftrument! SBaS fall benn fpäter 
barauS werben, wenn eS fchon anfänglich fo 
„ausgeleiert" ift, bah eine Wohlbeleibte SSeSpe 
burch eilte zeitweilige «Rieberlaffung auf bem 
fdhnecmeifjen ©Ifenbein ber Saftatur lonwcüen 
heroorzaubern fann ?! 

3llfo wie? ga — einen goßftocf ober 'Xfyex* 
mometcr giebt’S nicht hierfür, fonft fönnte man 
oielleidht zahlenmähig ben ©rab beS nöthigen 
SBiberftanbeS, gegen welchen ber herabbrücfenbe 
ginger anzufämpfen hat, auSbrücfeit. Ipier gilt 
eben auch baS alte SEßort: „EJJrobiren geht über 
Stubiren". 

SBaS ben «ßreiS ber gnftrumente betrifft, 
lägt fich nicht »iel fagcn; er ift fef>r oerfdjiebcn 
unb läfjt fich auch nicht bis auf 10, 20, 25 $ol= 
larS (unb barüber) correft — bem SBertbe beS 
gnftrumenteS angemeffcn — feftftellen. ©rfah= 
rung ift auch h' er ber befte Schrmeiftcr. 

SBer eben f e l b ft nicht genug Erfahrung hat, 
ein gnftrument mit Senner=Sölicf, »Ohr unb 
»fäanb auSzuWäljlcn, ber follte fid) bod) in’S 
Unöermeiblidje fügen unb fich einen zuoertäffigen 
gachmann mitnehmen, felbft auf bie ©efaljr hin, 
bah biefer (als Solcher) oon bem Serfäufer 
einen gewiffen «ßroccntfafc ijjrooifiori befäme. 
©eht ber Unwiffenbe allein taufen, fo wirb er 
ben noch ebenfo »iel, wenn nicht mehr, 
bezahlen. §at man eine oerftänbige SertrauenS» 
perfon mit, fo tauft man trofj ber üblichen ißro= 
oifion bennoch gut unb fann beruhigt fein. 

SOtan tauft lieber in einem groben ©efchäft, 
wo bie grofjc StuSWahl bie Seurtheilung cr= 
leichtert. SBer Senner genug ift, fann aud) ein 
einzelnes gnftrument beurtheileu, geht muttjig 
in ein Heines ©efdjäft unb macht oiellcicht bort 
einen günftigen „©elcgcnheitsfauf". 

$a fällt mir ein ©rlebnifj ein: SltS ich öor 
etlichen fahren oon SreSlau nach Serlin ge» 
Zogen war, wollte ich wir ein ßlaoier taufen, 
taS beShalb bie geitung unb fanb ein armfeligeS 


e i n zeitiges gnferat, laut welchem ein gnftru» 
ment „aus SRoth" zu oerfaufen fei. . gc| ging 
hin unb fanb bie betreffenben £eute anfeheinenb 
in ber bitterften Slrmutt). SBenigeS unb jer 
brocheneS Stöbet, altes ©erüntpel — furz, bie 
ganze Scenerie zeigte ffilenb. geh faf) baS «ßia» 
nino, eS war preiswert!), unb baS ©efdjäft war 
halb abgemacht. SRod) an bemfelben Sage 
(glaube ich) follte ich eS in meine SBohnung 
befommen, boef) follte ich — i<h weih uicht, wie» 
oiet — Singelb bezahlen, ba ber „arme SDtann" 
noch SDiiethe fchulbig War unb ber SBirtl) baS 
IperauSnehmen beS gnftrumenteS o o r her nicht 
geftatten würbe, geh gab jebod) glüdlicherweife 
SlichtS. SBer weih, ob ich je wein gnftrument 
ober ©etb befommen hätte. Siefer «Kann fpielte, 
wie ich aus feinem imtnerwährenben gnferat 
erfah, bauernb bie Stoße beS armen SDtanneS 
unb hat — wenn nicht Siele gepreßt — fo hoch 
SRanchen oerlocft, oon ihm zu taufen. Siele 
gehen nämlich barauf aus, einen „guten ©eie» 
genheitsfauf" zu machen, wo oießeidjt gemanb 
„in «Roth ift" unb „fcfjr nötljig ©etb braucht". 
Unb wenn fich ihnen fotd)’ eine „gute ©etegen» 
heit" barbietet, fo finb fie gewiffenloS genug, 
bie traurige Sage beS Sirmen auSzubeuten. 3Rit 
flingenber «Dtünze ziehen fie ihm baS gefl über 
bie Dh re n, erbeuten # baS @igentl)iim beS Se- 
brängten unb fpielen'fehr „gcfühlooß" auf bem 
fo gefühllos erworbenen «ßiano. Sott 
folgen „©ctcgenheitS = Säufen unb »Säufern“ 
halte ich «ich 4 »iel; ba liegt Wenig SRufif b’rin! 

SBcnn ich bann im «ßiano»©efd)äft bin, ad)te 
id) barauf, bah aße anberen gnftrumente zufle» 
macht werben unb mit bem fraglichen (unb 
untereinanber womöglich) in feine Serührung 
fommen; benn «JJianoS finb ungeheuer tf)eil» 
nahmSüoße Greaturcn unb wenn baS eine cr= 
flingt, fo „raifonnirt" baS a n b e r c mit. ßRan 
wiß bodj aber ben Xon beS e i n z e t n e n, unb 
nicht 3111 e r auf e i n mal hören! 

GS oerftöfjt nicht wiber bie „ Jaubeneinfalt“, 
Wenn wir mit gefchäftlicher „Schlangcnflugheit' 
bem Scrtäufer folange als irgenb möglich üer= 
fchweigen, „wie hoch wir eoentueß gehen wür= 
ben" im greife. Sltan laffe fich oornweg bic 
greife afler ber gnftrumente fagen, aus benett 
man e i n S zu Wählen gebenft, jebod) ohne mer= 
fen zu taffen, für welches oon ihnen man 
etwa SOteinung h fl t. Unflug wäre eS, erft ein 
gnftrument auSzufuchen, eS als baS ©ewünfdjte 
Zu bezeichnen unb bann nach bem «greife ju 
fragen. 

„Saar ©elb lacht" unb wer ben boßen ißreid 
fofort zahlen fann, fauft um 5 —10 ißrocent 
billiger. 

«Roch ©ins! gu einem guten gnftrument ge= 


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J)rc j«ngf Pieter unb fein fUitihrr. 


35 


^ött aucf) ein Kenner, ber eö ju tuürbigen unb 
jn genießen oerftcljt. SSBie unbarmherzig unb 
uf)onung?loö bearbeitet fo DRandjer fein (Ilaöier 
— jum Stein erweichen! Steh, greunb, „Safe’ 
ab Dom grau jamen Spiet !" 

Siele begnügen fidj mit einem Spianino; ein 
langet ^nftrument, „giugel", ift freilich beffer 
unb roer »iel ©elb unb ißlaf} ^at, frfjnfft fiep 
einen mächtigen „Sonjertflüger an. Ülber — 
ber gute Spteler barf eben aud) nidjt festen. 

»tappt ^JlUeä — toaä nüfcte ei, wenn trofc 
aller ÜKujif teine Harmonie in^jerj unb £>aue 
ift?! Die 9Belt ift mit Dontoellen überflutet, 
aber leiber ebenfofetjr mit Unfrieben burd) 
Sünbe. 3Kan l)at bie SRuft! jur Dirne herab* 
geawrbigt unb unter bem Dedmantel ber »unft 
m ben Dienft be3 ©Öfen geftetlt. U n $ aber, 
bie wir ©ott unb unfere unfterblidje Seele lie= 
ben, foll fie al« eine gute unb öollfommene ©abe 
bei $errn — bie peilige SDtufica fein! 


|lft jungc^ Pidjter unb fein 
Kritiker. 

tfiu 9rlrf»c4fd dm 3«lin« @l>tr&#rb. 


Per Pidjter. 

IHein theurer ,Jreunb, oor beinen Kenneraugen 
Breit’ td? nur fdfüdjtern biefe Blätter aus: 
yb bin mir meiner Klüngel moty bemugt, 

Oodf bitt’ id} bidj, bu mollft mir offen fdjreiben, 

IPas bür mißfällt: menn bu mein ^reunb tpiUft bleiben. 

Per reunb. 

Htein teurer ^ reunb, mit innigem Dergnügen 
las id? die Perf e, bie bu mir gefanbt. 

21 m liebsten unterlieg’ id? alles (Eabeln, 
dodf weil bu’s forberft, fag’ id? biefes nur: 

£m bisdfen wendet pathos, mehr Patur ! 

Per Pidjter. 

IHein lieber ^rerinb, mit jiemlidjem Befremben 
fas idf dein Urttjeit über meine Perfe. 

3d> mar gefügt auf jeben anbern (Eabel, 
nnr biefen eben Ijatt’ «t erwartet 


Pas, mas bu pathos nennft, ift hoher Sdjmung. 

3 <h benfe felbft gering oon meinem IPerfe, 

Pod? f^at es (Einen Por3ug, ift’s gerabe 

Per ^lug ber feurigen Begeiferung. 

gu oberffäd?lid? lafefi bu; idj bitte: 

prüf no d} einmal, — fo mirft bu bidj nicht fernen, 

Pein hartes (Eabelmort 3urücf3unehmen. 

Per ^ reunb. 

Klein lieber ^reunb, es tut mir beglich leib, 

IPenn idj mit meinem Urteil bidj oerlegt. 

(Es bleibt ja beiner Pistung IPerth hefteten 
(Erog meines (Eabels, ben bu felbft oerlangteft. 

£ag bodj benfn! (Es bringt oielleidjt bie geit 
Uns halb Perftänbigung. P’rum feinen Streit I 

Per Pidjter. 

Pu Ijajt mid? nicht beileibigt, ^reunb, es fjanbelt 
Sich um bie IPaljrheit, bie ber Jreunbfd?aft (Srunb. 
<San3 anbers lautet über mein (Sebidjt 
Pie ITTeinung Urtheilsfäh’gerer als bu. 

Sie nennen eigentümlich fd? 5 n bas IPerf; 

Unb ber Perleger, bem bas f?eft ich fd?icfte r 
Sprach fein Bebauern aus, bag anbre Urbeit 
IHein IPerf 3U bruefen ihm nicht mollt’ erlauben. 
IPas that ich ^ tx 3 U leib, ba§ bu allein 
IHein (Sutes nicht erfennfi ? IPas mag es fein ? 

Per % freunb. 

IPenn alle loben, ^reunb, mas liegt bir nur 
So oiel am Urtheil eines (Ei^elnen ? 

Soll ich bir heucheln? foll bir fchmeicheln? IPie? 
IPär’ ich ^ c * n ^reunb, menn id? bir alfo thäte? 
Ijätt’ft bu bodj unterlagen mich 3U fragen 1 
3rr’ id? mit meinem Urtheil, mollft bu tragen 
211s <Jreunb mid? in (Sebulb ; brum bitt’ id? fehr: 
£a§ uns bo<h ^reunbe bleiben, mie bisher. 

Per Picht er. 

ytf feh, bag bu ber IPahteit h<ig oerfchloffen 
Pein 21 ug mit 21 bftcht. Bisher hielt ich 
^Jür meinen ^reunb: id? feh, bu biji mein ^einb, 
IPeil ftnftrer lleib bein ffer3 erfüllt. Pie tlachmelt 
IHög rieten 3®ifchen mir unb bir. Pon heute 
Sinb mir unb bleiben mir gefchteb’ne £ente. 

OugenbMfitter.) 



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JHe goliune |toft, 


37 




2. 3. 

©olbene Slofe, bu maMlofe, ©olbene 9tofe, bu malellofe, 

Stamft attä bem ©immel auf SetglegemS gelb; ©eilige SMunie toon 93etglegem8 gelb; 

9 hiit id> bi<# habe, tgeuerfte ©abe, gu füben Söeifen, lauten unb leifen, 

©ab* idb ben $binunel inmitten ber üüelt! übill icg bieg preifen ber laufcgenbeu SQJelt; 

^eiubteft fo fonnig, bufteft fo toonnig, $ab uicbtd bir gleitet, nicgtä bieg evreicget. 

ftoälein, tief innen im getmlicgen ©runb; ©iuuulifcge SRofe in golbiger ©lut; 

mm icb ba £eaen, $*0*» unb pflegen, Stto bu gemonnen, bleichen bie ©onnen. 

föteletn, bein 5£>ufi macgt bie ©eele gefunb. ©altet ba8 SRitölein in geiliger ©utl 

4. 

löSlein, mm blüge, bufte unb glüge 
93i$ in bie grobe, bie legte ©tunb’; 

3)a mill icg grüben bieg noeg unb Kiffen, 

©olbene SRofe mit fterbenbem 2Runb. 

©olbene SRofe, bu mafellrfe, 

3)ie teg gefnnben auf ©etglogemS gelb; 

3)icg trag’ icg fröglitg, bieg trag’ icg felig 
9tocg bmcg bie blügenbe, einige Söelt! 

0. Dunnbt. 


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38 


JLbraljatn finrtln ol* £i#b. 



JUuapatn Lincoln als Hiiib. 

Tfiir £a»3 muä $rti. grd trarbdtrt Mn SRrmoria •ratU. 


id) t i 5 ) ift 
eS, bau ber 
©runo ju 
einem er* 
folgreicpcn, frud)tba= 
ren Sehen in ber $u* 
” genb fielest mirb, 
bnrum ift cS and) pöcpft 
natiirlicf),baß mir, menn 
uns? bas ScbcnSbilb ei* 
ncS großen Samtes ge* 
jeidjrtct mirb, auf beften 
erfte ©ntmicflung einen prü* 
ifenbcn Blicf merfen. (SS ift 
J übrigens felbftoerftänblid) ein 
y folchcS ^eben bis in bie früpeftc 
( iliubbeit *u Verfolgen unb 
bie 3>erbaltntffc, bie baS 
junge Seoen bei feinem ©nt* 
ftcpeu umgaben, fomic bie meep* 
|elnben©inberniffe unbfi'ämpfe, 
melcpe fid) ipnt 51 t feiner ©ntmicflung in ben 2 äcg 
ftcüten, näper fennen 31 t lernen. 

SBenn baper baS Bilb unfereS großen Btärtprer* 
Bräfibentcn in einigermaßen beutlicpen Umriffen oor 
Augen unb baS große ©man 3 ipationS* 2 Berf biefeS 
toaprpaft großen Cannes in’S rechte Süpt gefteflt 
merbeii fou, fo entftept für ben natpbenfenben Sefer 
bie ftrage naep ber ftmbpeit biefeS ebclften (Staate 
manncS unfereS gahrpunbertS. 

3>ie Biograppte fepr oieler Scanner finben ipren 
Anfang fepr päufig in bem s JfacpmeiS i^rer eblen Ab* 
ftammung. gn ©uropa ift eS befanntlich gan^ be* 
fonberS Sitte, baS altabeltge ©erfommen berühmter 
Sftänner mo möglich als über allen 3 iüe U el c^aben, 
nadföumeifen. 

3 )aß aber 311 einem großen, ebeln ©parafter niept 
immer bie ©ertunft aus eblem ©efcplecpte erforber* 
licp ift, baß im ©egentpeil biele unferer größten 
SJtÖnner fepr einfache, mit ©ntbeprung unb BilbungS* 
mangel tämpfenbe Borfapren hatten, ia baß manche 
hon tbnen in ihren eigenen Sugenbjatjren bie Sorge 
um bie nothmenbigften SebenSbeoürfniffc fennen lern* 
ten — baS finb gefcpicptlicpe 3patfacpen. 

Ober ift bie ©efdbichte unfereS ©eiben bie einzige 

« ration biefer feabrpeit? fRidjt baS dürften* 
unb bie glän^enbe Umgebung eines europäifchen 
©ofeS finb bie einzigen ©ntmicflungSftätten großer 
uno in Der ©efepiepte epoepemaepenber Sttänner; auch 
ein Blocfpüttcpen im ©intermalbe, ein $ionierleben 
in ber SBilbniß reicht ba$u aus, menn ber $eim $u 
einem mahrhaft großen unb eblen ©parafter oor* 
panben ift unb inmitten beS Kampfes um’S naefte 
Unfein burch bie pflege einer natürlidjen aber ebeln 
©r$iepung genährt unb oor bem Berberben gefepüpt 
mirb. 

Abraham Sincoln üerbanft feinen SRupm nicht fei* 
nen fürftlicpen Apnen. SRaupe. mettergebräunte, 
mit ben ©iaentpümlicpfeiten beS $ionierlebenS mopl* 
oertraute Anfiebler maren eS, in bereu Btitte unb 
unter bereit pflege er fein junges Seben begann. 
SPm pat man’S niept an ber SSiege gefungen, baß 
fein SRupm bie gan^e cibilifirte SSelt in Staunen ber* 


fepen mürbe, fepon bcSmegen niept — er patte 

©S mar um’S S<*pr 1780 als ber mürbige ©roß* 
bater unfereS ©eiben gleichen Samens, bamalS fepr 
häufig Abrapam Sinfporn genannt, bem man ben 
Beinamen „$er Pionier" gegeben patte, fiep entfefaloß, 
aus Birginien auSAumanoern naep ber bamaliaen 
BMlbniß Stentucfh. 

tiefer Staat bilbete 311 jener geit noch ein unbe* 
fanntcS ©ebiet. Außer Sägern unb fonftigen Aben¬ 
teurern, bie ihre ©efriebigung barin fanben, Snbianer 
ju erfepießen unb ein raupeS, naep iprer Meinung 
romantifcpeS SSilbleben ju füpren, mar noep faft fein 
SBeißer über baS ©ebirge bis $u biefer meftlicpen 
SSilbniß gebrungen. 

35er bielfacp befannte unb feiner (SntbccfungSreifen 
megen berüpmte Daniel Söoone mar freilich fepon jepn 
gapre fruper bagemefen unb patte im beftänbtgen 
ftampj mit ben milben Söhnen ber fßrärie nunmepr 
auep für mirfliche Anfiebler oen 2 Beg gebapnt. 

Abrapam Sinfporn fepeint einer ber ©rften gemefen 
3 U fein, ber auf 93ooneS betrieb feine ©eimatp in 
moefingpam So., SSa., oerließ, um fid) tm „fernen 
Söcften" (benn bafür aalt Äentutft) bamalS) ein neueä 
©eini «1 grünben. Abrapam mar ber ältefte üon ben 
fünf Söpnen gopn SincolnS, mclcper einer 9D£affa= 
cpufettS gamilte entflammte unb fiep um’S gapr 1638 
in ©ingpam nieberließ. 

Sie übrigen trüber AbrapamS hießen in treuer 
Beobachtung puritanifeper Sitte, Bioeinamen ju ge* 
ben: gfaaf, gacob, 3pomaS unb gohanneS. 

Balb naep Abrahams Anfunft in ^entuefp, fcheint 
er mit ber Boone gamilie in ein näheres Bcrpältnifj 
getretenen fein. Sn Daniel Boone’S Xagcbuch ßnbet 
ftdj nämlicp eine meldpe bejagt, baß Aorapam 

Sinfporn am 11 . 3)caember 1782 ein Stücf Sanb Oon 
500 Acres faufte. 

@S fepeint, oaß Abrapam aus feiner Birginia*©ei= 
matp eine bebeutenbe Summe ©elbeS mitbraajte, 
benn gleicp naep feiner Anfunft in Äentudp, faufte er 
400 Acres Sanb für bie Summe oon 160 Bf. Sterling, 
unb bie (£ountp*Annalen meifen naep, baß er im Be- 
fipe oon 1700 Acres gemefen fei. 

Äentucfp mar für bie Birginier lange gapre bas^ 
Sanb beS fjabel* unb Bfärcpenpaften gemefen. 3ur 
Seit jeboep, als Abrapam Sincoln feine erften Sanb= 
anfäufe bafelbft maepte, braep in Birginien eine förni= 
liehe AuSmanberungSmutp naep Äentucfp unb ^eit= 
neffee aus. $entudp befonberS mürbe baS ©Iborabo 
oieler ©eimatpfuepenben unb ©lüdsritter, bie fici> 
in ben frueptbarften ©egenben nieberließen unb ein 
eigenes ©eirnmefen grünbeten. 

35er ©parafter unb bie SebenSmeife biefer erften 
^entucfl)*Anfiebler üerbienen unfere Aufmerffamtcit. 
S^aup unb pöcpft rüdficptSloS gegen einBfenfcpenleben, 
mie fie maren, pielten fie baS SRecpt beS ©igentpum«i 
in popen ©pren. 35ie meiften oon ipnen maren ja gc= 
fommen, um Sanbbefißcr 3 U merben, ein 3ug, ber ber- 
aermanifdpen 9face immer eigen gemefen ift. $>abei 
feplugen fie ben Berluft eines BferbeS oiel pöper an. 


m 


*) 6err fitjman S. Dratoer in Vtabifon, SBiS., ift im 
$ ©lattc«, auf welches »oone bie Aotia nieberjeprieb. 


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Hbraljam finrtln al* $inb. 


39 


al« ben eine« HRenfdfenleben«. Sßferbebiebe nmrbeit 
ebne 3 ufti$ abaethan. gauffenaetei unb geigheit 
»ötoi bic größten Verbrechen, beren gef) ©iner 
fdjulbig machen tonnte. Xa« rotlbe £>anbmerf ber 
3 ügb unb bie beftänbigen SRegeleien mit ben *Hotl) s 
Waten mar ihre tägliche Vefchäfttgung. daneben 
ober betrieben fie fleißig rieferbau. 

£ftre ©Öffnungen beftanben au« fefjr bürftigen 
firmen Vlocfgütten. ©in ©djuHetjrer jener 3 eit er* 

S it, bag er bei einem gemiffen £uca« logirt hübe, 
en ©ohnung au« einer glitte bon 16Xl6gug 
®röße beftanben habe, bie nur ein einziges 3 immer 
enthielt 3 n biefent ^immet feien jeboch §err unb 
grau 2uca«, 10 Shnber, ber Schullehrer, 3 §unbe unb 
2 Äafcen untergebracht roorben. 

3 ^re tägliche SEahrunq beftanb au« ©ilb, gifchen 
irab grobgefdjrotcnem ©elfchfornmehl, ©elb mar ein 
Ärtifel, ben bie bamal« aufmaebfenbe ©cneration 
lüttm je $u feben betam. 

Unter folcfjen Verhältniffen mar e« mobl nicht« 
ÄuBerorbentlicbrö, baß, al« eine« Xagc« Slbraham 
Sincoln mit feinen brei Söhnen Sttoroecai, 3ofiab 
unb Xhoma« bamit bejd)äfttgt mar, ein Stürf Sanb 
ju Hären, plöftlich au« bem nal)en ©albe ein Sdjug 
fiel, ber ben Vater augenblicflich tobt nieberftreefte. 
Worbecai, ber ältefte ber brei ttnaben hotte jeboch J 
@eifte«gegentoart genug $ur öäterlicben SBlocH)ütte au 
eilen, roo er ficb etne gelabene Vüd)fe fuebte unb bon 
ber Xadffammer au« ben $n ber Seiche be« Vater« 
bineüenben SWörber mit einem moblgeiielten Schug 
nieberftreefte. ©r rettete bamit nämnef) ben jüngften 
trüber Xhoma«, einen geben jährigen Knaben, ber bei 
ber fieidje be« Vater« geblieben mar, unb in bem mir 
in feiner fjmtem ©efdjtchte ben Vater be« Sßräfibenten 
Lincoln erfennen. — 

Xie ©ittroc ßincoln begab geh nach biefem traurigen 
©reignig mit ihrer gamilie in eine mehr angeftebelte 
öegenb in SBafhington ©ountt), Äentucft), mo ihre 
Äbiber aufttmdjfen unb Xhoma« ba« Schrcinerhanb* 
®erf erlernte. 

Ära 12 . 3 uni 1806, mährenb er noch in ©liaabeth* 
tonm in ber fieljre mar, berheirathete ficb mit 

flanetj £anf«, ber Xodjter eine« ebenfalfigen ©mi* 
granten oon Virginien. SRancp hotte b a « bor Dielen 
ihrer 3 eitgenoften oorau«, bag ge lefen unb fchreiben 
lonnte, eine Stunft, bie bamal« feiten ^entanb ber* 
ftanb unb bie beghalb fehr hoch gefcbäfct mürbe. 
Xhoma« tonnte ihr nur fehr menige hau«liche Ve* 
quemlicbfeiten *ur Verfügung fteuen. 3 n einem 
bau«cben 14 gug im Cuabrat machten ge fid)’« jeboch 
fo gemütblicb al« möglich. 

3 m folgenben 3 a hre mürbe bem jungen ©hepaar 
ein Xodjtcrlein geboren. Xa« Sdjrcinerhanbmerf 
febien ficb übrigen« in ©Itogbethtomn nicht recht ju 
lohnen. Xljonta« entfcf^log ficb be«halb ohne ©eitere« 
auf« Sanb ju riehen. 2 Tuf einer garm am SRolin 
©reef, brei Sfeeifen bon #obgen«bille, Sh)., lieg er fich 
mit ben Seinen nieber. Xa« Stücf Sanb hatte jeboch 
nur einen einzigen $Rei$ unb Arnar ben, bag e« billig 
®ar. Solge beffen mürbe e« unferm Xhoma« 
fernerer al« je oie Seinen ^u ernähren, ©ar e« ihm 
mClUabethtomn fümmerlich ergangen — hier erging« 
ihm fummerltcber. 

Xo<b fyiex, in tieffter virmuth, umgeben bon einer 
gren^enloien ^Bilbniß, beren leere ?fel«flüfte, unb mit 
Unfrant unb ©eftrüpp muchentben yrieberungen !aum 
ha« 2eben frifteten, ttrnrbe am 12 . gebruar 1809 
Abraham fitncolit, ber groge (Smanätyator unb 9Wär- 
ihreT^räfibent geboren. 

$ier 3abrc fbater fauf te Xhoma« eine au«ge«richnctc 


garm am ^ritob (£rcef, behielt biefelbe jeboch nicht fehr 
lange unb fiebelte ficb mieber anbermeitig an. 

$lu« jenen erften fahren ber ^inbheit be« ^räfi* 
benten tft un« nur fehr menig aufbemahrt. (Sr felbft 
äußerte geh febr feiten über biefe 3 afjre. ©inmal 
befragt, ob er fich be« $rieg« mit ben ©nglänbern 
0812) erinnere, evmiberte er: „ 3 .a, ich ging einmal 
&ijdjen unb gng einen einzigen fjifdb- »uf bem §eim= 
meg begegnete mir ein Solbat unb ba mir immer ge= 
fagt morben mar, man müffe ben Solbaten gegenüber 
freunblid) fein, fo gab ich ü) m e i° en 3 fifcb." 

Xer Heine Slbrapam genog fehr menig Schule. 9ttit 
feiner Schmefter Sarah ging er mol)l hie unb ba bei 
einem gemiffen 3 athanah Stille^ unb fpäter bei ©aleb 

t o^el ju'r Sdbule, lernte aber nicht biel mehr al« ba« 
. SB. ©. $on allerlei 9lnnehmlid)feiten, tüchtigen 
Unterricht — freunblicher ^eimath — hübfehe Sptel* 
fachen u. bgl. hatte Slbrafjam Sincoln feine SJbmmg. 

3 ur Reit, al« Abraham etma geben Qahre alt mar, 
hatten fid) bie alten 5ßerhältmffe in Äientucfb hoch 
fchon bebeutenb beränbert. ©inige bon ben 9lngeb* 
lern maren mot)lhabenb gemorben unb e« gab balb 
einen Stanbe«unterfchieb. 

Xhoma« Sincoln mar biefer Staub ber Xiitge höchft 
jumiber; er meinte in Äentucfg fei für ben armen 
UJfann nicht« lo« unb befdgog nach Sßerrb ©ounti), 
Snbiana, uber^ufiebeln. Sauf einem rohen ^log, ba« 
er mit feinem Schreinermerfyeuge unb 400 (Gallonen 
^ranntmein beloben hatte, begann er feine ftahrt nach 
3nbiana. Sliur einmal ftieg ihm untermeg« ein Un= 
glücf ju — fein glog fd)lug um unb bie ganje gracht 
Stürmte in ben glug, bod^ er rettete fein fämmtliche« 
©erfAeug unb oen grögten Xheil be« unentbehrlichen 
(!?) ©etränf«. 

Äl« er feinen neuen $eimath«ort aefunben, lehrte 
er mieber um unb holte feine gamiite itad). 3 roe * 
eborate Sßferbe trugen fämmtliche §abjeligfciten auf 
em tftücfen. So fmlugen fie benn ihr neue« §eim 
nahe fitttle Sßigeon ©reef auf, in einer fruchtbaren, 
aber uncultibirten milben ©albgegenb. 

2Äit §ülfe feiner grau unb Stinber baute Xhoma« 
al«balb einen Schuppen, ber nad) brei Seiten S^ug 
bot, auf ber Sübjeite aber offen mar. 3 U bieicm 
©elag mohnte bie gamilie ein aan^e« 3 a h^ mährenb 
meldjcr 3 eit Xhoma« einen $lafc Härte, morauf er 
eine SÖlocf^üttc errichten unb etma« ©elfdgom bauen 
fonnte. 

Xie ^locfhütte mar jeboch erft halb fertig, al« bie 
gamiite eiitjiehen mußte; benn mittlcrmeile mar ihnen 
eine bermanbte gamiüe. tarnen« Sparrom, gefolgt, 
bie bann ben Schuppen oejog. Xie iUocfhütte fehlen 
übrigen« allen ^ 3 ebürfniffen Jo bottftänbig ju ent* 
fpreqien, bag bon ber gertigfteuung berfelben einfach 
Äbftanb genommen mürbe. 

lieber «mei 3 a ß re mobnten fie in biefer befcheibenen 
©ohnung ohne Xhüre, genfter unb gugboben. Xer 
^ampf um*« Xajein lieg Xhoma« feine Reit übrig, 
fich biefen Suyu« «u berfchaffen. ©r baute hinret^eno 
®ora unb fonnte fo biele §irfche erlegen, bag bie 
gamüie gletffh genug hatte, unb ba« genügte. 

Xa« ßau«ntODiliar btefer primitiben ©ohnung mar 
fehr einfach, ©intge breibetnige Schemel bienten al« 
Stühle, einige junge ©aumftamme tn ber ©efe be« 
öaufe« burdg bie SBaublöcfc getrieben bilbeten bie 
Settftette, ein ungeheurer Älofc berfah bie Stelle be« 
Xifcheä unb Abraham mar froh, wenn er fcbenb« auf 
bie tn bie ©löcfe eingetriebenen Stöcfe, bie ihm al« 
Seiter bienten, fein 53 ett befteigen fonnte, ba« meber 
au« einer Spring*9ttatrafce noch geberbett, fonbern 
au« einem Raufen S!aub beftanb. 

SRan mag fagen, ba« müffe ein recht gefunbe« unb 


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40 


2Frautn|eitun$. 


frohes Safein getoefen fein. (E« mar toeber ba« 
(Emc nod) ba« Slnbcre. Sie biefen SBalbungen maren 
mit SJtalaria gefepmängert unb übten auf ihre S3c* 
mopner einen tjöcpft gefunbpeitjcpäblicpen (Einfluß 
au«. gm ©erbft 1818 mürbe bie Heine Slnfieblung 
bei ^Stgeon (Sreet beinahe entoölfert burep bie joge* 
nannte 9Jtil*!rantpeit. 9Wan fcprleb bied fietben 
tpeil« ber SJcalaria, theilö bem ©enuffe giftiger 
^flan^en ju; fie befiel 9ßeni*en unb Viep opne Untere 
fepieb unb enbete mit bem Sobe. 

Sludj bie gantilie ©parroto mürbe baoon befallen 
unb beibe,9Jfann unb grau, ftarben an ber fepreefliepen 
törantpeit. 93alb ertranftc nun auep Stancp, Spoma« 
©attin, unb aud) fie mürbe in menigen Sagen ein 
Opfer ber ©euepe. Spoma« wimmerte für oie ent* 
feelten füllen au« grünem .§olj rope ©arge unb ein 
pöchft einfache« S3egräbniß*) erfolgte. 

Scocp bor bem folgenben Seaember patte fiep 
Spoma« eine anbere grau au« Shntutfp gepolt, 
Manien« ©arap S3ufp. ©ie mar SSittme mtt brei 
Äinbern unb mar eigentlich eine früher gehegte 9tei* 
gutta oon Spoma«. 

3Jcit ©arap S3ufp begann in bem ßincoln’jcpen 


*) ©err 95. tt. Stubebafer bon ©outb ©mb bat ibfitcr an 
jener Stelle ber ©lütter be* ©räfibmtm ein $fntmal fefcm 
taffen mit ber ^nübrift: Nancy Hanks Lincoln, Motlier 
of President Lincoln, l>ied Ociober 6t h A. D. 1818. 
Aged föyears. Erected by afriend of her mnrtyredison. 


$aufe ein anbere« Regiment. Vor Sittern mußte Orb* 
nung gefepafft merben. ©ie brachte einen oier* 
fpännigen SSagen oott SJtöbel unb fonftigen $au«= 
ratp mit fiep — ba« mußte in*« foau«. gußboben, 
genfter, Spüren u. f m. mußten al«oalb gemalt mer* 
ben, für bie ftinber beburfte e« märmere üleibung 
unb ma« bgl. mepr mar. Spoma« ßh l °6 fid) nun* 
mehr au* oer SSaptiftengememfcpaft an (1823) unb 
feine öltefte Socpter ©arap folgte ipm hierin einige 
^abre [päter. 

SJtit oer ©cpulbilbung unb fonftiger Vorbereitung 
für feinen fpätem Veruf fah e« aber für unfern 
Slbrapam traurig au«. Sie ©chulhäufcr maren au« 
runben Vlörfen gewimmert (xum Unterfcpieb oon ben 
ftploofferen gefpaltenen). kleine Söcpcr bienten al« 
genfter. Sie Seprer felbft ermangelten jeber gäpig* 
feit ju ihrem Stauf; c« mürben üorigen« au* feine 
meiteren Slnforberungen an fie geftellt, al« oaß fie 
lefen, fepreiben unb nach ber Regula detri rechnen 
tonnten. 

3ubem mar ba« näepfte ©cpulpau« über 4 2Jte l?n 
Dom Sincoln’fcpen öaufe entfernt, fo baß ber Vater 
meinte, ba« £>in*uno §ergepen fei eine $u große 3*it* 
üerfeptoenbung, ber gunge rnüffe ju j&aufc bleiben, er 
braudpe ibn auch fehr notptoenbig bei ber Arbeit, ©o 
befeploß bie gugenbaeit eine« oer größten Scanner 
unjere« gaprpunoert«, beffen 9tame tn ber ©efepiepte 
unfterblicp gemorben tft. 


-» "-» fi CgJg c « - 

gfrauenjeifung. 


Sa« Sor’fc über ba« attgftnfine£au«mrfeiL 

Sa« gotgenbe fottmt« bie ®efaf)r jeigen, in ber 
mir al« beutfepe (Ehriften fiepen, un« Don bem 
3eitgeift nnb bem (Setreibe ber SBelt mit fort' 
reißen ^n taffen. 

Vor breißig S a ^ ren ^ ar ^ nicht nothmenbig 
un« baDor ju marnen. Samal« maren bie 
äßeiften Don un« noch arm, nun aber, ba fich 
unfere irbißhen Serhältniffe bei Dielen fehr Der* 
beffert haben, broht un« bie (Sefahr §u Dermett' 
liehen. 

SBir bürfen ni^jt Dergeffen, ma« mir un« 
felbft nnb unfern Sinbem unb ber raftlo« fich 
abquälenben SBelt fchutbig finb. @« mirb Don 
menig Jlu^en fein, ma« mir in ber ®irche finb 
unb thun, menn mir nicht (Einfluß in unferer 
Umgebung au«üben. 

SBenn biefer ein fegenbringenber fein fott, 
muffen mir bemeifen, baß mir unfern irbif^ien 
Veruf regieren unb nicht unfer Veruf un«. Sie 
größte ©efaßr für un« grauen liegt barin, baß 
mir unfer £au«mefen ju großartig einrichten. 
SBie oft Derfucht eine grau ein £>au« Don 8-10 
.ßimmer ^u regieren! ©ie näht unb focht, h at 
ihre ®inber, ihre ©efellfchaft unb bie fonftigen 
3lnfpriiche — all bie« märe oft ju Diel für jmei 


grauen. Sein SBunber, baß fie Dor ber 3^it 
altert unb juleßt S”t)alib mirb. 

®« ift biefe« feßr Unrecht fo an unferem Seibe 
ju hanbetn. SBie aber fteht e« um bie Seele ? 
SBir finb gemißlich nicht allein um be« Srbifchen 
mitten ba. SBir haben eine Diel eblere Veftint' 
mung. ©« mirb gefagt, baß ber Sßenfch nur 
menig braucht, aber ba« SBenige „braucht er 
fchtimm." 

SBir mit unfern gortfehritten unb (Erfinbungen 
finb bahin gefommen, baß fein (Enb unb 3ief ift 
mit ben Dielen ©ebürfniffen, bie jefct ber arme 
2Jtenfdh nöthig h at * 

Seßhatb ift bie |>au«frau meife ju nennen, 
bie au« bem Vielen ba« (Sute unb 3toecfmäßige 
mählt unb ju att’ bem anbem, mie jener heib* 
nifche 5ßh^°f°P^ fann „ich brauche biefe« 
alle« nicht." Siebe |>au«frau, mir motten einmal 
gan$ frei reben. ©iehbortba« Vett,—e« fagt 
un«, rühre mich nicht an! ©ieh bie mühfam 
genähten ffiffeniiber^üge, ich frage bich, mie 
lange nimmt e« bich biefe $u bügeln, 2-3 ©tun= 
ben ift bie Slntmort. ©benfo ba« meiße Steib 
ber SodE|ter. tttun, liebe ©d)mefter, benfft bu, 
e« ift Stecht in einer SBelt Doll (Elenb unb Qam* 
mer unb Sranfheit bie 3^it für etma«, ma« nup 


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Jraueujeitung. 


41 


W 3ierbe bicitt f fo ju oerWenben? Senfe, wie 
frol) märe jener ff raufe, Wenn bu nur eine halbe 
Stunbe an feinem Sette fäßeft, ihm Was Dor* 
julefen unb iljm eine ©rquidung ju reichen. 

ginen anbern großen geiler begehen mir, 
foerm mir unfere Raufer bauen. $a wirb nur 
geplant, wie groß unb fdfjön baS £auS fein foH, 
anftatt wie mir mit wenig Staunt auch auSfom* 
men tönnten. Sa fteHen mir uns oft fo einen 
gefräßigen Stephanien hin, ber jebeS gafjr große 
©eburfniffe hat. Salb finb eS Xeppidje, bann 
Xapeten, bann einen neuen 2lnftrid), unb wie 
oft tönnten mir ganj gut mit uiel weniger Naum 
fertig werben unb wären oft oiet gtüdlicher. 

%vufy wirb feßr oft beut ©orberhauS alle Stuf* 
mertfamfeit gefdjenft unb bie ff üdje ganj Der* 
iuußläfiigt. 

Um ber grau ihre Arbeit fo leicht unb ange¬ 
nehm wie möglich gu machen, ift eine wohl ein* 
gerichtete fiüche unumgänglich nöthig. Sie 
muß groß genug fein, muß Sicht unb Sufi ha* 
ben, eine gute ©Jafferabfeitung, wenn möglich 
baS ©iftemenwaffer in ber ff üdje; einen guten 
Ofen, gutes Srennmaterial, äWedmäßigeS ff od) s 
gefdjirr, unb bann ein leichtes, fröhliches §er^, 
unb bie Arbeit Wirb gehen (wie bie Schwaben 
fagen) wie gefchmiert. 

©in ©nbereS bürfen Wir auch nicht Dergeffen, 
nämlich— baß eS an uns liegt bie beutfqie ©e* 
müthlichteit unb ©infachheit unfern ffinbern su 
erhalten. ©}o aber bleibt bie ©emüthlichfeit, 
wo nichts als Nennen unb Sorgen ift? 3 ur 
ßrtlärung —$wei Silber. 

3>aS erfte: ®ie grau mit ihrem großen 
fmuSWefen. Sie thut alles allein, unb miß 
babei auch alles itn beften Stt)l höben. Sie 
quält fich ab Don Ntorgen bis 2lbenb. ©Senn 
ber 3Naun unb bie ff inber SlbenbS heimtommen, 
feßen fie an bem fchmer^lich angegriffenen ©e* 
fid^te ber 9Jlutter, baß es baS ©efte für fie fein 
wirb, gan$ ruhig ju fein. So wirb baS 2lbenb* 
brob ftittfchmeigenb genoffen. Nach bem ©ffen 
gleichen fich bie ff inber ju Nachbars, ber äRanrt 
macht fich auch fort unb bie Nlutter ift in ihrem 
reinen £aufe ganj allein, unb baS einzige, ipaS 
nc noch thun fann, ift, ihren müben fförper ins 
©ett $u fdjleppen. 

®aS anbere Silb: ®ie ©lütter ftefjt mit fefter 
Öanb am Nuber ißreS §auSWefenS. ©iS f)iex* 
her unb nicht weiter, fpricht aus ihrem ganzen 
Sefen. ©infachheit, Neinlidjfeit unb Orbnung 
finb ba; bie SDZöbel unb ©HeS im fpaufe labet 
mm ©ebrauch ein. ©ürdj ihre weiSliche ©in* 
tfjeilung ihrer Arbeit, gewinnt fie Beit, grauen* 
oereine $u befuchen, in ©liffionSoereinen unb 
bei ffranfen unb Firmen ©uteS $u thun. Nun 
betrachte fie nach einem in obiger ©Seife *uge* 


brachten Nachmittag, Wenn fie ihr Slbenbbrob 
^bereitet. ©Sie bantbar fchlägt ihr §er$ für 
baS Diele ©ute, baS ber liebe ©ott ihr unb ben 
lieben ghrigen geteuft. So halb bie ghrigcu 
baS £>auS betreten, lefen fie im ©eficf)te ber 
©lütter, baß fie etwas ju er^äh^u hat, unb 
währenb fie nun ihr einfaches Stbenbbrob ge* 
nießen, erzählt bie ©lütter Don ihren ©rlebniffen 
unb pflanjt ba ganj unbewußt Siebe ^ur ©Itf* 
fionSfacße unb Stilgefühl für bie arme teibenbe 
Stenfchheit. @S fällt feinem ber Shrigen ein, 
ohne Urfacße forfyugehen. @S ift fo traulich 
im lieben gamilien*ff reife. Nun, liebe ©lütter, 
Wähle bir bein Silb. 

(Sine gute ©Jähheit für biefc gahreSjcit; 

^afenpfeffer unb ffartoffefflößc. 

1. |>afenpfeffer, für 6 — 7 ^Jerfonen. ©lan 
nimmt baS gleifch Don 2 £>afen. Nachbem es 
gan$ rein geWafchert, legt man eS in ein irbeueS 
©efchirr, nebft einer großen B^icbel, einem 
großen Slpfel, beibeS fein gefeßnitten, 1 ®uhenb 
fchwar^e ©fefferförner, 6 Sorbeerblätter unb 
etliche Netten. Nun bebeett man baS ©an^e 
mit gutem ©ffig, beeft eS mit einem Xetter feft 
^u ’iinb läßt eS ^wei bis brei läge an einem 
fühlen Orte flehen. $ann nimmt man einen 
großen ffocßlöffet doQ ©utter in eine ©afferole, 
legt baS ^afenfleifch ba^u unb läßt eS bäntpfen, 
nach unb nach gießt man nun ben ©ffig baran 
unb läßt eS eine Stunbe fochcn. $aS Sat$ thut 
man erft baran, Wenn eS focht. ©Jenn baS 
gleifch weich ift, macht man bie Sauce, gft ber 
©ffig fehr fauer, fo nimmt man etwas fochenbcS 
©Jaffer ba$u. gm anbern gaü, mehr ©ffig. 
Nun rührt man einen fleinen ©ßlöffel Doll 
ÜNehl mit faltem ©Saffer an unb rührt eS an 
bie Sauce, cbenfo baS ©elbe Dom ®i, läßt eS 
faum auffochen unb nimmt eS fcßnell Dom geuer. 

2. ffartoffel * fflöße, für 6 — 7 ^ßerfonen. 

ffoche beS SNorgenS 5 — 6 große ffartoffeln, 
nicht m wei^. Neibe biefe ffartoffeln, nachbem 
fie ganj fall finb, auf bem Neibeifen. Nimm 
©Jeißbrob, 4 — 5 Stüde, Weiche eS im lauen 
©Saffer unb brüde es gan^ feft aus. Nimm ein 
gutes Stüd ©utter in bie Sratpfanne unb brate 
eine fein gehodte 3*°^* t e 9 

neben beine geriebenen ffartoffeln. Nun thue 
bein Srob in biefelbe Pfanne mit noch ein we* 
nig ©utter unb bämpfe eS frf>ön; leg eS auch }u 
ben geriebenen ffartoffeln. Nachbem bein Srob 
ein Wenig abgefühlt ift, nimm einen großen 
ffochlöffei Dott 2Jlehl, Salj unb Pfeffer ba^u, 
bann baS ©elbe Don 4 ©iern, baS ©Jeiße f^lage 
^u einem Schaum unb thue eS auch hi nc 'u. 
Nlenge nun bie gan$e SNaffe burcheinanber, for* 
mire fie in ziemlich große ff löße unb fodje fie in 
einem nicht ju ftarfem fochenben SaljWaffer. 


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42 


Traurnfeitum). 


8Ba$ frfjcnfm tn'r unfern Ambern? ©laubt 
nicht, eure Kinber burd) foftbareS Spieljeug, 
meld)eS nicht euern 93erf>ättntffen entfprid)t, 
ganj befonberS glüdlid) ^u inanen! 

$ean *ßaut fagt in feiner „Scoana": „Sin 
reicher 2 Birflicf)teit oermelft unb Derarmt bie 
5ßf|aittafie. ^ebeö ©tüddjen £015 ift bent Kinbe 
ein tadirter Sfumenftab, an tueldjem bie Sh ans 
tafie tjunbertblättrige Stofen aufftengelt !" 

©in $meijäIjrigeS ÜDläbdjen befam, nad)bcm 
eS lange mit einer alten, bis auf § £olj Ijenin- 
tergcfommenen *( 5 uppe gefpielt, einmal eine fetjr 
hübfdh unb täufchenb gearbeitete. Sltlein, balb 
barauf fnüpfte baS Kiitb nicf)t nur ben alten 
Umgang mit bent hölzernen Slfcßenbröbet miebcr 
an, fonbern ging audj nod) fo rncit, einen fdjlecf^ 
ten ©tiefelfnedjt beS SaterS in bie Strme unb 
gleidjfam an ^Suppenftatt aufaunehmen unb ifpt 
liebreich einaufd)läfern. 

©rging eS uns nicf^t ähnlich in unferer Sinh* 
heit? Ratten mir uns je fo red)t herzlich an 
einer eleganten, feinen <J3uppe erfreuen föunen, 
bereu buftigeS Kleib man nid)t aerbrüden, beren 
feinet SßadjSgefichtchen man nid)t mit ber £>anb 
berühren füllte? 

$aS über feine Serfjältniffe befdfjenfte Kinb 
mirb, befrentbet Don ber *ßradjt ber ©egen* 
ftänbe, auf feine Umgebung unb fich felbft 
blicfen unb Dermunbert fragen: %a, marum habe 
ich benn nicht ein folch fdjöncS Kleib ober 
marum ift unfer 3immer nicht fo fd)ön mie baS 
meiner 5ßuppenftube? 

$aS Kinb ift oielmehr beglüdt, menn eS in 
bem ©efchenfe Stehnlidjteit mit fid) unb feinen 
Serhältniffen finbet. „Sieh bodj, bie *ßuppe 
hat gerabe ein fold)eS Unterrödchen mie id)", 
hört man erfreut auSrufen unb — ,,3d) ^abe 
auch fo ein fcpöneS rotfjeS Sett^en mie meine 
^Suppe," fagt ftol$ ein SlnbereS. Uni ca. 

ltufere Atfppc. 28ir Ratten ein breiedigeS 
Srett, meldjeS gut in eine ©de beS 3immerS 
paßte. ©S mürbe fo fdjräg angebracht, baß 
man eS oon unten bequem überfeljcn fonnte. 
2 )ie Sänge beffelben betrug Don ber ©pipe bis 
an ben Dorberen Staub eine $arb. gn ber ©de 
mürben als §intergrunb einige Slumenftöde 
aufgeftellt, über biefen mötbte fich ein blauer 
£immel oon <ßappbedel, meldjer mit blauem 
Rapier überzogen mar. 3>aS Srett mürbe mit 
ÜDtooS belegt unb mit ©trohblümchen beftreut. 
3n ber 3Jlitte beS ©rettet mürbe ein 6 $oü 
breiter, etmaS gefd^läugelter Streifen, frei ge= 
taffen unb mit ©djeuerfanb bebedt, in meldjen 
bie aus Silberbogen gefcßnittenen giguren ein- 
geftedt mürben. ®ie Sogen Ratten mir erft auf 
Sßadpapier geliebt, fauber auSgefdjnitten unb 
bie einjelnen giguren mit einem jugefpifeten 


£ölachen oerfehen. 3 uer ft tourbe ber ©tall mit 
ber heiligen Familie aufgeftellt, rechts famen 
bie brei SBeifcn aus bem äftorgenlanbe mit 
ihrem ©efolge, linfs einige ^irten mit großen 
unb {leinen Schafen. 8 ln eine ©eite legten mir 
ein breiedigcS ©tüd Spiegelglas als See hin, 
bahintcr mürbe oon allerbanb ftiefelftein^en 
mit SOtooS ba^mifcßen ein gelfengebirge aufge= 
baut. 2 ln ben beiben ßhnmermänben unb an- 
beren teeren Stellen mürben Säumchen ange¬ 
bracht. Ueber bem ©anjen hingen brei ^apier^ 
©ngel, melcßc an ber $ede mit einem gaben 
befeftigt maren. ©in Heiner Kronleuchter Don 
Öolfl mit G Si^t^en beleuchtete baS ©anje. 
Ünfere mit fo menig Koften h^G e ft^ Krippe 
hat uns oiele gahre lang bie größte greube be= 
reitet. 51 u na. 

8nt ©rfleibung. SWeugeborene unb ©äug= 
linge merben burch unpaffenbe Sefleibung unb 
Sebedung nicht feiten ben größten ©efahren für 
©efunbljeit unb Seben ausgefept. $a bie her¬ 
gebrachte SRobe einmal baS unnüpe unb mcift 
fcßäbliche SBideln ber Kinber Dorfchreibt, fo lege 
man menigftenS bie SBidel fo lofe an, baß ba= 
burch ni^i 5lthmen unb bie ®arrnbemegun= 
gen beS KinbeS beeinträchtigt merben. Slllju 
marin höltenbe KleibungSftüde finb für Kinber 
ebenfo nachtheilig als all^u leidste, meit fie bie 
Einlage ju ©rfättungSfranfheiten Dermehren. 
Ser^ärtlung unb Sermeichli^ung burch att^ 
marrne Kleibung in ben 3 a h ren 
frifche unb Sollfraft trägt bebenflicße golgen in 
fid) für bie gahre beS ^unehmenben 5llterS. 
Stets mirb bie Sefleibung ber ©efunbheit nach s 
theilig, menn fie etmaS SeläftigeitbeS enthält, 
menn fie leicht fdhmipen macht, bie freie Seme- 
gung hinbert unb bie Sirculation beS SluteS 
beeinträchtigt: fo baS ftarfe Schnüren, ju feft 
anliegenbe Strumpfbänbcr, eng anliegenbe Seib= 
riemen, ^alsfragen u. f. m. 

SBer, maS Kleibung betrifft, ficher gehen miß, 
halte fich an feine ©rfahrung unb h^re bie 
Stimme feines mirflichen SebürfniffeS unb taffe 
fich nicht Don ber äJtobe regieren. 3m Sitter 
berüdfiihtige man bei ber Sefleibung forgfältig 
bie SBitterung. SlbhärtungSmethoben finb mohl 
ber 3 u 8 cn b empfehlen, finb aber im Sitter 
nicht mehr angebracht; auch beileibe man fich, 
bem Sebürfniß nach mehr SBämte unb Sequenz 
lid)fcit entfpredhenb. Irodene, marrne unb be* 
queme gußbefleibung oerbienen im Sitter fon= 
berlich Serüdfichtigung. 

©infdjläfern. SWoch immer gibt es unjäh^fle 
gamilien, in benen baS ©infdjläfern ber Kinber 
Srauch ift, maS ja nur eine Slngemohnljeit unb 
lei^t ju oermeiben ift. 2 )a muß, menn bie 
3eit beS Schlafens fommt, bie äöärterin ober 


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glmhc unb Jladjridjtfti für Urbriirr. 


43 


Kutter tyalbe ober gaitje ©tunben lang nodf) 
am Seit ber fileinen 3 ubringen, cntmeber bie- 
felben einfingen ober einfatjren ober gar untrer* 
tragen, bi£ ftd) eitblidj bie Keinen müben Slugen 
fdjtiefcen. 

3 e alter bie fiinber toerben, um fo fdf)toieriger 
totrb es, tfjnett bicfe ©etoof)nl)eit 311 nefjmen. 
3 a einmal an ba3 ©infingen unb ©infamen 
getoöfjnt, fcfjlafen fie gar nidf)t mctjr anber3 ein, 
io ba§ e£ ber äufjerften 3BilIen3fraft bebarf, um 
fie üon biefem fetjr oiel 3 eit unb Sßartnng be- 
anfprudjenbeit SBraudj lieber ju entloötjnen. 

Sie oiel einfadjer bagegen ift ba3 3 ubett* 
geljen ber fi leinen, too biefe ©eiooljntjeit nidjt 
berrfc^t. SSon ben erften jagen an roerben ba 
bie tool)l Oerforcjtcn fiinber in iljr ©ettdfjen ge- 
legt unb fid) felbft übertaffen; nacf) fürjer 3 ?it 
fdjon fjaben fie ftc§ an biefe 99 ef)anblnng getoöfynt 
unb liegen getoöljnlidj fdjon nadf) einer Keinen 
Siertelftunbe im tiefen Schlafe. @inb bie fiin¬ 
ber alter, fo toirb man fie jumeilen nodE) in 
ifjrem ®ettd)cn fingen ober fummen tjoren, bi£ 
ber ©efang allntäljlidj üerftummt. 


9ludj bei fo gemiauten fiinbern toerben ab 
nnb 31 t Sage fomnten, an benen ber ©cfjlaf fie 
fließt nnb ängftlid) nadf) ber SDtutter ober ber 
SSärterin rufen ober aud) 3 U meinen anfangen; 
bann genügen aber einige berufyigenbe SBorte 
ober ein fur^eä SBertoeilen am ©ettdjen, um fte 
jur SRnlje 311 bringen. 

$lllerbing§ gehört 3 U einer fotzen ©etoöfynung 
bie äufterfte SRegclmäfjigleit. ©benfo pünhlid) 
toie bie ©ffen^eit, mufi audj bie 3 eit be3 ©d)la= 
fen3 inne gehalten toerben, unb oor Slllem forge 
man bafi'tr, ba§ bie fileinen 311 m @d)lafen nur 
Eingelegt toerben, toenn fie toirflid) mi'tbe finb. 
Sei einiger Slufmerlfamfeit unb üernünftiger 
©int^eilnng toirb fid) bei jebem fiinb eine Re¬ 
gelung be3 @df)lafe3 aner 3 ief)en taffen. 

2tnfang3 Ijat man bei einer folgen Selianb- 
lung ber fiinber üieüeidjt ein toenig ntefpr SRiilje 
unb Saft, al£ im anbern 8 a öe; tjaben fiel) bie= 
felben aber erft einmal an ©infdjlafen ol)ne ©in= 
fdjläfern getoöljnt, fo toirb man reidjlidf) für feine 
3Küf)e belohnt. 

®. ©. 3U 




^?inße nnb ^Hadmdjfeit für Arbeiter. 


ffnf ritirr thcutoaifdirn ©anbibattyrüfung. 

8 u« Seutfdjlanb get)t un« fotgenber ©rief ju, 
twlt^et auf bie mer froürbige ©Übung ber 
Ideologen fitest rnirft. „©in mir na^eftefjenber 
junger Ideologe, ber mehrere 3ob« auf Der» 
jcf)iebenen beutfdjen Uniberfitäten ftubirte, ber 
auch in ber Slbfaffung feines ßeben«taufe« an 
ba« föniglid)e ©onfiftorium bejm. bie ©rü= 
nmg«=©ommiffion ungenirt ba« anerfannte, ma« 
iljm bie ©efanntfebaft mit uns gebracht fjat, 
tljfitt mir in einem ©rief über fein unlängft 
beftanbene« ©famen ffolgenbe« mit: 

„Sieber |>err ©! 

„Sille SBelt miH Stä^ereS über baS ©jramen 
toiffeit. 3^ fann aber leiber nic^t äße SBünfcße 
befriebigen, ba idj fonft nic^t läge lang, fonbem 
Soeben lang mit ©djreiben ju tf)un hoben 
nrnrbe. 3 hnen gegenüber jebod) miß ich eine 
Ausnahme machen, benn ©ie hoben mir feit 
unferer ©efanntfehoft fo biete Anregung gege= 
ben unb fid) um bie Hebung meine« religiöfen 
geben« fo biele ©erbienfte ermorben, ba§ e« 
bödiß unbanfbar bon meiner ©eite märe, wenn 
ich 3hee Sitte um genauere Nachrichten über 
bie ^amenSanforberungen mit ©tißfehmeigen 
enoibern woßte. 3<h »iß 3 h«en baher, fo= 


meit biefe« fdjriftlich möglich ift, einige 9Dlittt>ei= 
lungen in biefer ©cjiehung machen. 

„$ie ©riifung begann mit grnei ßlaufurar- 
beiten, bie beibe an einem Sage angefertigt 
mürben, bie eine in 4, bie anbere in 1 j ©tum 
ben. Sie erfte, miffenfchaftliche Arbeit fteßte 
bie Stufgabe, ba« SSefen be« rechtfertigenben 
©tauben« gu befchreiben. ©ie brachte bie 
SRetjrjaht bon un« in grofje ßloth (!). Stm 
©nbe ber Strbeit mar eigentlich (einer mit feiner 
Seiftung jufrieben. ©o ging e« auch mir. Soch 
mürbe mir fpäter mitgetheüt, bafe meine Strbeit 
mit „gut" jenfirt nnb bie befte bon aßen gemefen 
fei. 3 $ hotte ba« ©anje bon bem ©chuta’fdjen 
©eficht«hun!te au« bargefteßt unb fperr |). 
(©eneralfuperintenbent) erttärtebaju feine boße 
3 uftimmung. 

„Sie anbere Strbeit beftanb in ber 3lnferti= 
gung eine« tatedjetifeben ©ntmurf« über je eine 
ber erften fiehen ©ebote. SSelche« ©ebot ein 
3 eber ju behanbcln hatte, mürbe burdj« 2 oo« 
beftimmt. 3 <h befam ba« bierte. 3 n biefer 
Strbeit jeigte fich nun unfere ©tbmaebbeit unb 
Unerfahrenheit bereit« in einer flaffifdjen SBeife. 
Noch mehr aber trat fie berbor, al« un« am 
testen Sage be« ©gamen« ©etegenheit gegeben 


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4t 


löinhr unb JJadjriißten für JUbciier. 


mürbe, beit ©ntmurf praftifc^ (in etma 5-10 
Minuten, audaufüßren. die ©jraminctoren 
amüfirten fic^ föftlicß über unfere ©teifßeit. 
Sachen, ^taubem unb ©ntfeßen mecßfelten bei 
ißnen mit einanbcr. Am ©nbe ber ffömöbie 
ober beffer ber Sragöbie, befam bann ber eine 
bad ^ßräbifat „fomifcß," ber anbere bad <(Jräbi- 
fat „ungefcßicft," ber britte §. |>. bad *|5räbifat 
„ßölaern" (fo ich). 

„3n eitler äßnlicßen 2Beife tonrben bie oon 
und audgearbeiteten ^rcbigten beurteilt. S)ie 
|>auptfcßlagmörter maren ßier fomifcß, fcßau- 
fpielerßaft, inßaltlod unb unüerftänbiicß. $ie 
meinige mürbe ald „nocß etmad fcßmacß unb 
falfcß angelegt'' $enfirt, bocß lobte |>er #. an 
ißr bie marme ©urcßfüßrung im ©in^elnen unb 
meinte, icß mürbe cd bei einiger Anftrengung 
moßl halb }u etmad ©efriebigenbem bringen. 

der jmeite lag ber Prüfung mar bem münb* 
ließen ©yamen gemibmet. ©3 ftanben 3 ©£a* 
minatoren gegen 3 ©jaminanten. ®ie Prü¬ 
fung bauerte 4 ©tunben unb erftrecfte ftcß über 
neuteftamentlicße ©inleitung unb ©jregefe, $og- 
mati!, ©tßif, altteftamentlicße ©inleitung, ®£e= 
gefe unb Geologie, $ogmengefcßicßte unb ftir- 
cßengefcßicßte. 

3n ber neuteftamentlicßen ©inleitung mürbe 
gefragt nacß ber ©ntftcßung bed Saitond unb 
ber ©ntfteßung ber 4 ©oangelien. Ueberfeßt 
unb erflärt mürbe goß. 3. Atled feßr leidet 
unb einfad). gn ^ cr $ogmatif bemegte ficß bie 
©rüfung um bad 9Serf)äItniB ber Schrift jur 
dogmatif (fatßolifcße unb eoangelifcße Auffaf* 
fung) unb über bie Beßre Don ber Rechtfertigung, 
gn ber ©tßif !am bie Rloral ber gefuiten 
(Probabilismus unb reservatio mentalis) unb 
ber ©ib aur Sprache. gm alten Seftament 
ßanbelt ed fidtj um bie Ueberfeßung unb ©rflä* 
rung oon ©fatm 51, um bie allgemeine ©inlei¬ 
tung in bie ©falmen unb bie religiöfe ©ebeu- 
tung bed 3)aüibifcßen $önigtßumd. gn be* 
Sircßengefcßicßte mürbe nacß ber ©oangelifirung 
$eutfcßlanbd gefragt. 

,,©d maren alled ungemein leidste Jßemata 
unb mußten eigentlich oon jebem oierfemeftrigen 
©tubenten beantmortet merben fönnen. Ricßtd- 
beftomeniger geigte ficß bei und eine ziemliche 
Unfemttniß. Rur einer oon und befam bad 
©efainmtpräbifat „gut," einer fiel überhaupt 
bureß, mir anbem brei befamen bie ©efammt 
note „genügenb." gcß für meine ©erfon mürbe 
bie Prüfung gemiß aueß mit „gut" beftanben 
haben, mentt ich nießt bureß ben entfeßlicßen 
2Bagenlärm um jeben ©eßlaf gebracht morben 
märe. gcß ton* im ©yamen eine tebenbige 
Seiche. 3$ oegetirte nocß, aber ich lebte nießt. 
gcß bin aber hoch fehr jufrieben mit bem, mad 


mir ©ott gegeben ßat, unb meiß, baß mir eine 
Meine $emütßigung (menn ich cd ßocßmütßigers 
meife fo nennen barf) gut befommen mirb. 

„gcß habe bureß biefed ©jamen ben ©inbruef 
gemonnen, baß ed Xhortjcit, ober beffer gefagt, 
Frechheit ift, menn ba behauptet mirb, baß bie 
Anforberungett in unfercr 3cit $u hach geftellt 
mürben. An und menigftend mürben fo geringe 
Anforberungen geftellt, baß jeber, ber ihnen nicht 
genügte, bie ©cßulb fich fclber beilegen mußte. 
SBeniger fann unb barf jebenfaüd oon fecßd= unb 
mehrfemeftrigen ©tubenten nicht Oerlangt mer¬ 
ben. 28er fich baßer auf bad ©efteßen biefer 
Prüfung etmad $u ©ute tßun moHte, mürbe 
einen ebenfo bummen ^odpnutß befipen, mie 
etma ein im $ienfte jmölfjäßriger Unterofßjier, 
ber mit gefeßieften ©emeßrgriffen renommiren 
mürbe, ffiielmeßr ift eine folcße Prüfung reeßt 
geeignet, einem jeben, ber bie Slugen auftßun 
mill, ju geigen, baß er nießtd ift, ba er noeß nießt 
einmal mit ben attereinfaeßften ©egenftänben 
ber Ißeologie gefeßieft operiren fann." 

©om ©onu<ogd|d)ülcr 311111 (©traßrnjungnt 
oorrütfen. „Unfere ©onntagfcßulfnaben aoanci* 
ren oon ber ©onntagfcßule auf bie ©traße anftatt 
in bie $ircßc". ©ine traurige Ißatfacße bied. 
3m Allgemeinen mag bied jmar nur oon menig 
©cßulen gelten; hoffen mir, baß ed genau ge¬ 
nommen, oon feiner einzigen maßr fei. Allem, 
ber ©ap enthält SBaß.ßeit genug, um ©Item, 
Beßrer unb ^Jrebiger barüber jum Racßbenfen 
ju bringen, ©iele, ber f. g. cßriftlicßen £ei= 
matßen unb mad no^ fcßlimmer ift, bie Sitten 
fclbft, ßaben eine lenbenj, bureß melcße befon- 
berd bie ®naben gerabeju aud bem £aufe unb 
aud ber Sircße getrieben merben. 3 n ^ er ©ann- 
tagfcßule mirb bad ®inb auf bem ©ebiet cßrift- 
licßer ©rfenntniß untermiefen, bie Sonntag^ 
feßute fueßt aueß auf ^er^ unb ©emütß bed Sin= 
bed einjumirfen; aber ©rjießen, im eigentlichen 
Sinn bed 2Borted, fann bie ©onntagfcßule meßt, 
fie fann ben ©ßarafter bed Sinbed nießt bidei* 
pliniren — biefe Arbeit fommt ben ©Item jiu 
diejenigen ©Item, bie ißren Sinbem geftatten, 
irgenb etmad mit^umaeßen unb fie bann hinter¬ 
her in bie ©onntagfcßule fcßicfen, bamit fie boeß 
meßt gar Oermeltlicßen, maeßen einen ungeheuren 
geßler. ©d ift reeßt genug, bad ®inb am ©onn= 
tag in bie ©onntagfcßule ju fcßicfen; aber menn 
bad Sinb nacßßer ju ^aufe, fomie in ben gefeit 
fd^aftlicßen greifen, in benen ed fieß bemegt, eine 
gan$ anbere Atßmodpßäre atßmet, fo nüfct bie 
©onntagfcßule nießt oiel. ©Uem müffen ißren 
ganzen religiöfen ©influß gebrauchen, menn fie 
ißr ®inb reeßt erließen moüen. ®ie SRutter 
ift jebenfatld auf einem ungeheuren 3 rrtüC 9r bit 
Oon ber 3bee audgeßt, baß ed ju #aufe imifdßen 


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JUinhe unb JJaipridjtrn für JUbritrr. 


45 


©Item unb ff inber eine ju belifate 9lngelegem 
heit fei, über pcrfönlic^e ^erjen^religion ju 
btöcutiren. 

Senn ©onntagfepüler anftatt ber Sirene fiep 
bnt ©umntlern aitfepließen — bann ift irgenbtoo 
eine Straube Io£. Sie ff irepe, bie ipre fiinber 
unb jungen Scute behält, pat eine poffnungäüotle 
3ufunft. 9Jiancpe Sirenen fotten aber int ©egriff 
fiepen (fo Reifet e3), populär ju toerben, man 
will, toa3 äußern ©lanj :c. betrifft, ben 9faep* 
bar-ffirepen gleich fontmen ober bie leptern 
toopl gar übertreffen. $a3 erinnert an bie 
grauen, bie beftänbig gepupt auf ben 9Barft 
gefeit; bie golge ift: — bie fiinber oerfommett. 
©trabe fo üerpält fiep’3 in ber ff irepe. 

Brrgnügrn ober ©cleprung — toelrpc« Hott 
leiben ? Vergnügen unb ©eleprung finb feine 
gleiep bebeutenben Se^eiepnungen. ©ei bem je* 
boep toie ipm roolle; bie Xpatfaepe ftept jeben- 
falte feft, baß in unfern lagen ber „umjnderten 
Rillen" bie beiben fetjr häufig al3 gleic^bebeu= 
tenb angefepen toerben. Sßrofeffor Mnncl, ein 
erfahrener ©cpulntamt, läßt fiep folgeitbemtaßen 
barüber üernepmen: „Sie beiben mögen toopl 
oermifept unb auep miteinanber üerbunben toer= 
ben; totH man aber bireften unb befonbern (Sr* 
folg erjieleit, fo tput man toopl, fie auäeinanber 
ju palten/' 2>iefe Sleußerung patte ©epg auf 
Älltagsbilbung. 3ft bm jeboep fo, toie oiel 
notptoenbiger ttrirb e3 fein, biefelbett beim reli* 
giöfen Unterricpt ju fepariren, too man boep 
gan$ beftimmt auf ben birefteften ©rfolg ab* 
jielt — bie ©meuerung ber $er$en. 

3um ©etoeiä feiner ©epauptung äußert fiep 
ber^rofeffor roeiter: „Sa3 natürlicp angelegte 
fiinb ift allem aStfcpmafep, ber ettoaä Xäufepem 
be3 unb ©rfünftelteä an fiep pat, feinb". Sie3 
mag allerbingä öon üorfieptigen unb beobaeptem 
ben ffinbematuren gelten, aber niept üon bem 
Xurepfcpnittäfinb. Septerea toirb Oielntepr ben 
Spaß belacpen, aber bie barin entpaltene Sepre 
$urüdtoeifen. Sa3 ©paßpafte jerftreut ba3 


©ernütp be3 ffinbeä unb bie beabfieptigte Sepre 
finbet feine ©eaeptung. ©o mie ba3 ff inb, bem 
man eine minderte $ßille 5toang3toeife bei= 
braepte, bie ^iüe felbft auSfpudt, fobalb bie 
Umänderung abgefcpmol^cn ift, fo toirb ber 
Surcpfepnitt3=©onntagfcpüler fiep eine $eitlang 
an bem ©paß ergäben unb bie Sepre in ben 
SBinb feptagen. 

2lbcr ber ^rofeffor fpriept eine golbene ffiapr* 
peit au3, toenn er fagt: „^ßflicpt forbert 
©eporfam; ©tubium erforbert s 21ntoenbung; baä 
©ergttügett bagegen feßt nur guten Junior oor= 
au3. ©eporfant unb 9lntoenbung in ©ergttü= 
gungömittel um^umanbeln, peißt ben SSiUen 
feptoäepen. Sa3 ©emüpen, bie Xugenb mobertt 
erfepeinen flu laffen, ift fepr anerfennungätoertp; 
aber außerbem betocift c3 auep nur bie moralifepe 
©lutarmutp ber ©efellfcpaft. SBenn ba3 ©er= 
bauungäorgan unüerborben ift, bebarf e3 niept 
fo oieler änftrengung, Slppetit auf ©rob $u 
toeefen". Siefe Slnfiepten mirb jeber erfaprene 
Seprer üon ^erjen gut peißen, benn er ift fiep 
betoußt, baß e3 auf bem SSege $ur ©cleprfani; 
feit, Xugenb, ober grömntigfeit, feinen ffönig^ 
fpruttg gibt. Ser Xempel be3 3Biffeit3 ftept 
immer noep auf bem £>ügel, too er mit feinem 
SampfsSlufeug erreiept toerben fann; man muß 
fepritttoeife pinaufgelangen. lugenb fepmeiepelt 
niept unb grijmmigfeit pat für ba£ genußfüep^ 
tige fiinb biefer SSelt feinen Slei^. 3 oten un *> 
mipige 3lebenöarten reiepen niept pin, ipm biefe 
$inge nape ju bringen; ba^u gepört bie ©timme 
ber Sßflicßt unb Ueberjeugung. ift ein Un^ 
redjt an bem fiinbe begangen, toenn man ipm 
bie ^bec einimpft, baß ba3 Seben ein ©pielplafc 
unb nidpt eine 33erfftätte fei, baß bie Segnungen 
beffelben toie überreife grüepte auep ben Seiept* 
finnigften in ben ©epooß fallen, toäprenb bie- 
felbett boep nur burep gleiß unb ©eporfamfeit 
erlangt toerben fönnen. ©3 gibt freiliep auep 
eine ä u wt ©pid, ober e3 gibt auep eine jur 
©elepntng unb bie beiben foUten feparirt fein. 



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46 


Soiratagfdjultfelitioiirn. 


S»onitfagf4mC- Je&tionm. 


Sonntag, 2. Januar. 2)Cf 13Rof. 1, 26—81; 2,1—3. 


£6. Unb ©ott fpradj: Sagt unS dRenfdjen machen, ein tülb, 
ba* un* Qleid) fei, bie ba perridjen über bie ftifdje im SReer, unb 
über bie TBöfld unter bem ßtntmel, unb über ba* Sieb, unb über 
bie ganje (Erbe, unb über alle* ©emürm, ba* auf (Erben freutet. 

27. Unb ©ott fdjuf ben SRcnfdjen ibm jum ©Übe, jum ©ttbe 
©ptte* febuf er ibn; unb fdjuf fie ein dRännlein unb ftr&u* 

88* Unb ©ott fegnete fie, unb fpradj au ibnen: ©eib fruchtbar 
unb mebret euch, unb füllet bie (Erbe, unb macht fie euch unter* 
tban, unb ^errfepet über ftifdje im SReer, unb über ©ögcl unter 
bem $immel, unb über alle* Xpier, ba* auf (Erben freuqjt. 

29. Unb ©ott fpradj: ©epet ba, ich habe euch gegeben allerlei 
Äraut, ba* ficb befamet, auf ber ganjen (Erbe, uub allerlei frudjt* 
bare ©ftume, unb öäumc, bie ftaj befamen ju eurer ©peife. 


80. Unb adern Xfjier auf (Erben, unb aden Sögeln unter bem 
ßimmel. unb adern ©emürme, ba* ba Seben bat auf (Erben, bag 
fie aderlet grün firaut effen. Unb e* gefepab alfo. 

81. Unb ©ott fabe an ade«, wa* er gemacht batte: unb fiebe 
ba, e* mar febr gut. Xa marb au* mbenb unb dRorgen ber 
feajfte Xag. 

1. 2tlfo marb bodenbet $tmmel unb (Erbe mit ihrem ganzen 
$eer. 

2. Unb alfo bodenbete ©ott am flebenten Xage feine ©erle, 
bie er machte; unb rubete am fiebenten Xage bon aden feinen 
©erfen, bie er machte. 

8. Unb fegnete ben fiebenten Xag, unb heiligte ihn, barum, 
bag er an bcmfelbeu geruhet batte bon aden feinen ÄBerlen, bie 
©ott febuf unb machte. 


Siblifdjrr ©rttnbgebmtfe: „Em Anfang fchuf ©ott 
©immel unb ©rbe." 1 aRot. 1,1. 

Sttr ©rflärung. 

O. 26. SRadjbem ©ott burdj fein aßmächtigeg 
Sdjöpfermort ©immel unb ©rbe in'g Safein gerufen 
hatte, fuhr er fort in ber ©rjdjaffung beg aRenfchen, 
mit melier bag Schöpfunggmerf feinen ©ipfelpuntt 
erreicht Sie Schöpfung beg aRenfchen aber erfolgt 
nicht burdj ein aRadjtmort, meldjeg ©ott an bie ©rbe 
ergeben läßt, fonbern entspringt bem göttlichen 9toth s 
bluffe: „mir moßen aRenfchen machen in unjerm 
Silbe," moburch oon oornberein auf bie Serj^iebem 
beit unbSorzüglichfeit beg aRenfchen oor allen übrigen 
©efAöpfen ber ©rbe hingebeutet wirb. 

i)te breicinige ©ottljeit befdjließt aRenfchen z u 
machen »ein ilb bag ung gleich fei". Sie 
©otteäebcnbilblichtcit beg aRenfchen beftcht nicht in 
ber ßeiblidjteit unb törperlidjcn ©eftalt, ber aufrechten 
Stellung unb gebietenben ©altung, ba ©ott feine 
leibliche ©eftalt hot unb ber attenfchenlcib aug Staub 
gebilbet ift. Sie befteljt auch nicht in ber ©errfdjaft 
beg aRenfchen über bie atatur. ^5ilb ©otteg ift ber 
aÄenfdj oermöge feiner geiftigen atatur unb beg 
©aucheg aug ©ott, moburch bag ©ebilbe au« ©rben* 
ßaub Aur lebenbigen Seele mürbe, ©ap. 2. 7. Sag 
göttliqe ©benbilb beftcht in ber geiftigen perfönlichfcit 
beg aRenfAen; barin, baß ber zu freier, felbftbemußter 
Perfönlichteit gefdjaffene aRenfd) in feiner geiftigen 
mie leiblichen acatur bie ©eiligfeit unb Seligfeit beg 
göttlichen ßcbeng in urnatürlicheraibbilblichfeit befaß. 

„Sie ba berrfchen." ©ott befdjließt, bem 
nach feinem Silbe au fdjaffenbeit aRenjchen bie ©err* 
fdjaft niAt allein über bie ^^icrmelt, fonbern auch 
über bie ©rbe felbft zu geben, momit auch ber Segen 
Serg 28 übereinftimmt, tn meinem bem gefdjaffenen 
aRenfchen bag gußeit unb Unterthanmachen ber ©rbe 
fur^meg jugefprochcn mirb. 

®. 27. ©ier fchmingt fich ber Sericht über bie 
aiudführung oeö göttlichen Sefdjluffeä Aum Qubelge* 
ianae empor, in melchem bie Schöpfung bed ajfenfchen 
tn brei parallelen ©liebem gepriefen unb gefeiert 
mirb: (1) ©ott fchuf ben aReufchen ihm 5 um Silbe, 
(2) jum Silbe ©otteä fchuf er ih*V(^) unb er fchuf fie 
ein aRdnnlein unb graulem. SBir finb göttlichen 
©efchledjtS." 

0. 28« Xurch biefen Segen^fpruch theilt ©ott 
ben 3Renfchen nicht nur bie Eraft mtt, fich gu oer^ 
mehren unb bie ©rbe $u füllen, mie ben % h^u, 


ftehc S. 22, fonbern auch &i e SRocht über bie ©rbe unb 
alle Ihi fr c. 

©. 29. 30. 3 n biefen Serfen mirb 3Renf^en unb 
Xbtoen ih^atahrungangemiefen, unb$mar audbem 
Pflanzenreiche; ben aRenfchen »alled famentragenbe 
Äraut auf bem ©rbboben unb alle Säume, an melden 
famenhaltige grüßte maAfen," b. h- ßrelb* unb Saum* 
grüchte, ober Ä'om unb Obft; unb ben Xhieren „alleg 
©rün beg Ärauteg", b. i. ©rag unb $raut ober bie 
grünen pflanzen, atach 1 3Rof. 9, 3. erhalten bie 
aRenphen erft nach ber Sünbfluth oon ©ott bie ©r* 
mächtigung, bag gleifch ber Xhicre in gleicher Seife 
mie bag grüne ü'raut zu ihrer atahmng zu oermenben. 

31. 2Rit ber ©r|d^affung beg aRenfchen unb 
feiner Seftaüung zum §err|cher auf ©rben, ift bie 
Sdjöpfung aller irbifchen Sefen heenoigt. ©ott fah 
fein Serf unb fiebe, eg mar atteg fe^r gut, b. h- oue4 
m feiner 9lrt ooufommen, fo baß jebe ©reatur bag 


oom Sihöpfer ip 
ben 3med ihreg ( 


r gefepte ßebengziel erreichen unb 
afeing erfütten fonnte. ®urch bag 
oon Teöem ©ottegmerte auggefagte unb am Schluffe 
ber ganzen Schöpfung mieberholte: „unb fiehe ba, eg 
mar fehr gut" mirb bag Sorhanbenjein irgenb melden 
Söfen in ©otteg Schöpfung entfehicben oemeint. 

©ap. 2. ö. 1. „Fimmel, ©rbe unb ihr gan$eg 

t eer" bezeichnet bie ©efammtheit aßer Fimmel unb 
rbe fülienben Sefen. 

S. 2. 3Rit biefen Sorten mirb bie Soüenbung 
beg Schöpfunggmerfeg eingeleitet unb näher bahin 
beftimmt, baß ©ott am fiebenten %age fein Ser!, bag 
er gemacht, oottenbete, inbem er an biefern Sage zu 

g jatfen aufhörte, benfelben jegnete unb heiligte. 3>ag 
ouenben beg Sdjöpfunggmerteg am fiebenten Sage 
läßt fich nur begreifen, menn man erfennt, baß bie 
Sollenbuna in bem 2lufhören beg Sdhaffeng befteht. 
2luA bag ?lufhören zu fchaffen geljörUur Sollenbuna 
beg Serfeg. Sie ein menfchltcher Sertmeifter erft 
baburch fein Ser! ooßenbet, baß er, nachbem er eg {et* 
ner <3&ee entfprechenb hergefteßt hot, aufhört^ an trjm 
au arbeiten, fo hat in unenbiidj höherer Seife, ©ott 
oie Schöpfung ber Seit mit aßen ihren Scfen baburch 
ooßenbet, baß er aufhörte, ateueg heroorzubringen f 
unb in bie 9tuhe feineg Sefeng einßiug, aug ber er bei 
ber Schöpfung ber oon feinem Sefen oerfchiebenen 
Seit gleichfant herauggetreten mar. 


S. 3. Siefeg göttliche Segnen unb ©eiligen ift ein 
mirtlicheg aRittheilen oon Kräften beg ©eilg, ber 
©nabe unb beg $nebeng. ©eiligen bebeutet hier nicht 


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2oHnta9f4|iil*£rktioNtti. 


47 


blöd als heilig barftetten, fonbern auch in lebenbiger 
$e$ift)ung ©ott, bcm Heiligen fepen, gur % heil* 
nähme an bcm reinen, ungetrübten Siebte ber gött* 
lieben ^eiligteit ergeben. Xa bie gange irbijdje 
Schöpfung m bem SSechfel ber 3eit unb unter bad 
©efe^ ber jeitüdben ^Bewegung unb ©ntwicflung ge* 
fteüt ift, fo bebürfen alle ©efdppfe nicht nur beftimm* 
teT, »ieberfetyrenber Nuhegeiten, um sich gu erholen, 
$u erquiden unb neue Kraft für neue ©ntwicflung gu 
Kimmeln, fonbern fie ftreben auch einem Siele ent* 
gegen, roo alle Unruhe ber Bewegung fich in bie felige 
Stube ber sBoüenbuitg iljred Xafeind auflöfen wiro. 
Auf biefe Nutye beutet bad Stufen ©otted nach üoU= 
bradjtem Schöpf ungdroerte t)m: gu biefer Nuhe, gu 
btefem göttlichen Sabbath foll bie gange SBelt, oor 
allem aber ber Sftcnfcfy, bad Haupt ber irbifchen 
Schöpfung, gelangen. Xagu oollcnbete ©ott fein 
SBert burdt} Segnung unb Heiligung bed Sabbathtaged. 

frtftifte ©ebaafen. 

I. Xer Atenfift »** ©itt. 6.26. 27. 

1) ©ott ift fein Schöpfer. XerNlenfdj ift 
uidjt oon [ich felbft, ober oon ohngefähr geworben, 
jonbem ba^ er gur 2Birflichfeit gebieten, tommt bon 
bem breieinigen ©ott her. ,,©r hat und gemalt unb 
nicht wir felbft/' s 4$f. 100, 3. 

2) ©r ift im 93iIbe ©otted er f Raffen. 
Sie ber SRenfch, ber aud ©rbenftaub bereitet ift, gu 
einem 93ilbe ©otted geworben, tann man ben Sonntag* 
Hhülem einigermaßen baburch begreiflich machen, wenn 
man ihnen geigt, wie ber Künftler aud einem form* 
lofen unb audorucfdleeren SRarmorblocf ein fegöned 
’öilb ober prächtige Statue fchafft, inbem er bemfel* 
ben einen ©ebanten, einen begriff, beilegt, etwad 
©riftoolled aufprägt, unb gwar gerabe bad, road er 
perjonificiren will So hat auch ©ott ber menfchlichen 
Seele feinen ©eift, fich felbft, gegeben, um in bem 
jJienfchen auf folcpe SBeife bad 5Öilb ©otted bargu* 
üeüen. 

3) ©r ift * um ® i e n ft e ©otted beftimmt. 
Cbglridj ber Inhalt bed göttlichen ©benbilbed burch 
bie Sünde zerrüttet tourbe unb ber URenfdj bem ©e= 
jep ber Sünbe unb bed Xobed berfiel, fo tann er buch 
burch Ghriftum, ben Abglang ber ^errluhteit unb Ab* 
brnef bed göttlichen SBejend wieder in bad 93ilb ©otted 
oetflärt werben. 

Xer SRenfch ift erlöfungd bebürftig; er ift 
aber auch, ©ottlob, erlöfungdfäbig! 3efud 
©hnftud im gleifcpe, ift bie persönliche Sßiederherftel* 
lang bed göttlichen ©benbilbed im SRenfchen. Xaburch, 
dafe ©hnjtud burch fein Sühnopfer bie 9Rad)t ber 
Sünbe für und gerbrochen unb in feiner Auferftehung 
imfere SRatur gur $ertlärung erhoben hat, wirb ber 
ütenfch burch ben ©lauben tbeilhaftig ber göttli<ben 
Statur. Xurcb ben heiligen ©eift, welcher bie Siebe 
©otted audgicBt in unferc Hergen. werben wir pm 
$iibe ©otted erneuert, bid fich baffelbe in und öollen* 
bet unb wir ©ott im Sichte flauen unb ihm bienen 
werben oon Angesicht gu Angeficht! 

Xer oerftorbene preußifdse König befugte bei fei* 
Bern Aufenthalt auf Nfigen eine Schule. 3m ©pmen 
ttbü er auf einen Stein hmweifenb, wo berfelbe hin* 
Vhore' Xie Antwort lautete: „Qn’d SKineralreich^. 


Xarauf hob er einen Apfel in bie £öhe mit ber 2frage, 
wo berfelbe hingehöre: „3u f d ^Pflanzenreich", war bie 
Antwort. Auf fich felbft hiuweifenb, frug er: „Qn 
welched 9teich aber gehöre ich V" ©m flctued SKäbien 
antwortete: „ 3 n *3 Himmelreich". Xad ift ed. Xer 
SJtenjch gehört in’d Himmelreich. Sein Xenten unb 
SSoUen foll ©ott geweiht, fein Seben ein Xienft ©otted 
fein. 

II. Xer Heul# ttnb bie ©elf. fß. 28—31. 

1) ©r foll bie ©rbe füllen. X. h- einneh* 
men unb bewohnen, ©d ‘ gibt fein Xljier, öad unter 
allen Hiutmeldftridben unb in allen gonen ber ©rbe 
gebeihen fönnte. §ebex ©rbtheil hat feine einheimi* 
fchen Xhi cre - ^ er SJtenfd^ aber ift jo beschaffen, baf$ 
er jeben Xh e ^ ^ er bewohnen fann. Stehe 18. 
wie bie ^nben, bie feit ^nhrhnnberten über bie gange 
©rboberrläche gerftreut fmb, bennoch ihte Nationalität 
bewahrt haben. 

2) ©r foll über bie ©efdjöpfwelt he*f s 
f ch e n. Xer 9ttenf<h ift ein Stönig unb nicht ein Äönig 
olj>ne Sanb ober Untertbanen. Xie Söelt ritigdum 
mit ben Söerfcn fchöpferifcher SBcidheit, welche fie er* 
füllen, ift fein Königreich. Ni^t blöd bie Xhierwelt, 
nicht blöd bie ©rbwelt, fonbern bad 9öeltaU mit allen 
in ihm waltenben Mächten unb Kräften finb ihm er* 
geben. „AUed haft bu unter feine güfje gethan, Schafe 
unb Odjfen allgumal, bagu auch bie wilben Xhiere, 
bie SJögel unter bem Himmel, unb bie griffe im Nceere, 
unb wad im Stteere gehet." Ißf. 8, 7 — 9. Siehe 
3af. 3, 3—7. 

3) ©r follfich bon ber ©rbe ernähren, 
©ott hat reichlich geforgt für bie leiblichen SBebürfniffe 
bed Sftenfchen, unb ihm gebührenbe unb reichliche 
Steife bereitet. SBenn au* ber Acfer um ber Sünbe 
willen überall, wo bed 3ttenfd)cn Hanb eingreift, Xor* 
neu unb Xifteln trägt, unb man ber ©rbe bie ©yi* 
ftengmittel oft mühfam abringen muß, bleibt hoch bie 
löcrhei^ung m bieiem Schriftabfchnitt in Kraft. Xer 

» wirb fein $rob haben unb bad SBaffer ift ihm 

. 

III. Xer Alraft unb bie Seif* ®* 2—3. 

l)Sie ift ihm in beftimmte Ißerioben 
a b g e t h e i 11. Xag unb Nacht folgen aufeinanber. 
Sommer unb SBinter, fjroft unb ipih e / ©aat* unb 
©mtegeit löjen einanber periobifcb ab. Xer SNenfdj 
foll Orbnung lernen. Aucd hat feine 3eit. Sezieret 
euch in bie 3eit; laufet fie aud, aber mißbraucht fie 
nicht. 

2) Xer fiebente Xheil feiner 3eit ift 
*ur leiblichen Nuhe unb gum Xienfte 
©otted beftimmt. ©ott forbert bied im oierten 
©ebot. ©r geht in feinem fchöpferifchen SBirfen mit 
eigenem SBeifpiel boran. ©rfahrung lehrt, baß ber 
Sabbath ©ebürfniß ift für Ntenjchen unb ®ieh. 2Ber 
©ott bienen unb seine Sebendaufgabe erfüllen will, 
fann ohne ben Sabbathtag nicht bestehen. 

3) Xer Sabbath ift bem ©h*iflen ein 
93orbilb ber ewigen Nuhe. H ier iftnianim¬ 
mer in ber ©ile unb wirb getrieben oon einer Arbeit 
gur anbern. 2Bie oft heißt ed: „3* habe feine 3eit!" 
„5Bie fpnell eilt bie ^eit bahin ©ottlob, ber geier- 
abenb fommt unb bringt und ben Sohn. 



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48 Sannlogfiliul-fekitoiirn. 


Sonntag, 9 . .Januar. Sünbe unb Dob. 1 too|. s , i—o; 17—19. 

1. Unb bie ©Klange War lijtiaer, benn alle Dfticre auf bem 6. Unb ba« SBeib fdpuete an, baft bon bem ©aum gut ju effen 

3reib.% Die ©ott, Der $err, gemalt patte. unbfpradzu bemÄBeibe: wäre, unb lieblicft anjufeben, baft e* ein luftiger ®aum wäre, 
3a, tollte ©ott gejagt haben: 3br foUt tiid)t egen Don allerlei weil er tlug machte; unb nahm bon ber t£rud)t, unb aß, unb gab 
Säumen im (harten V ihrem SRann auep babon, unb er aft. 

2. Da fpracb ba« SBeib j$u ber Sdptange: Wir effen bon ben 17. Uitb gu 91 Dam fpratft er: Dieweil bu baft gehorchet ber 

grüthten ber ©äume im ©arten; Stimme Deine« SBeibe«, unb aegeffen bon bem Staunt, babon ich 

3. Slber bon Den ^rächten De« ©aum« mitten im ©arten hat Dir gebot, unb fprad): Du foult nicht babon effen; berflucht feg 

©ott gejagt: affet nicht babon, rühret e« auch nicht an, baft ihr ber Steter um Deinetwillen, mit Ättntmcr jo 11 ft bu bidj barauf näfc 
nicht ft erbet. ren bein ßebenlang. 

4. Da fprach bie Schlange junt SBeibe: 3ftt werbet mit nidjten 18. Domen unb Diftern fott er bir tragen, unb foUft ba« Äraut 

be«Dobe« fterben; auf bem gfclbe effen. 

5. Säubern ©ott weiß, baft, welche Dage« i^r bauon effet, fo 19. 3m Schweift beine« HngcffAt« foüft bu bein ©rob effen, 

werben eure Slugen aurgetban, uno werbet fern wie ©ott, unb bi« baft bu wieber &u ffirben werbeft, babon bu genommen bift. 
wiffen, wa« gut uub böfe tft. Denn bu bift ttrbe, unb foQft ju ttrben werben. 


©ifclifi|rr ©rtuibiubanfe : „$erpalben tote burch 
einen SJcenfcpen bie Sünbe iftgefommen in bie ©Seit, 
unb ber Xob burd; bie Sünbe, unb iftaljo ber Xob au 
allen ©tenfepen pinburcpgebrungen, biemeil fie ©Ue 
gejünbiget paben." ßiöm. 5,12. 
gtttleüunn: 

$er ftum §errn ber ©rbe unb ihrer ©efepöpfe be 
ftimmte 9ttenfcp mar mit ©ßem auSgerüftet, maS er 
iur gottgemoßten ©ntmidelung (einer SRatur unb Aur 
©rfiiüung (einer SebenSbeftimmung beburfte. vln 
ben grüepten ber ©äume beS ©artend batte er bie 
■ftaprung $ur ©rpaltung feines SebenS. vln ber ©e= 
bauung unb £>ütung bes ©artenS baS ©rbeitsfelb für 
Uebung feiner SeibeSfräfte. ©n ber ihn umgebenben 
$bier* unb ©flanAenmelt ein meiteS iweiep für ©nt= 
faltung feiner geiftigen Jäpigteiten. ©n bem ©aum 
ber ©rfenntniß ein pofitioeS ©ejep für bie ©uSbilbung 
(einer aciftig fittlicpen Anlagen. ©n bem ipin $u(je* 
jeßtenVBcibe bie feiner Statur enttoreepenbe ©epülfin 
unb ©enoffin feinet ©erufcS. Jn biefer Stellung 
fonnte er feine leibliche unb geiftige 9?atur bem gött* 
licken SBiuen gemäß entmideln. 3)a trat ber ©erfueper 
an ihn heran, unb er ließ fiep bon ihm $ur Uebertre= 
tung beS göttlichen ©eboteS oerfüpren unb ift baburep 
bem ©efep ber Sünbe unb beS 4obeS oerfallen. 

©rlläning. 

D l. 2)ic Solange mirb niept nur als ein £pier, 
fonbern auip als ein ©effpöpf ©otteS bezeichnet, bao 
gut mar, mie alte (Sreatur ©otteS. ©ott machte bie 
Solange, aber nidjt ben Satan. $lugl;eit ift eine 
natürliche ©igenfd^aft ber Schlange, um beretmillen 
ber ©öfe fie ju feinem Söerffteug mälzte. Jh rc ^ lu 9 5 
heit tritt als Sift beS ©erfucherS jum ©Öfen fchon 
barin h^tbor, baß fie fich an baS fchmächere SBeib 
manbte. 

©. 4. 5. 2>aburch, baß eS bem Satan gelang in 
©ba 3meifel an ©otteS SBort ju erregen, bradjte er 
fie jum 5aß. 2)er ymeifel ift ber ©ater ber Sünbe. 
©om 3tüeifel fchreitet ber ©erjucher au breiftcr Seug= 
nung ber 3Bahrt)eit ber göttlichen Siebe fort. Jh r 
merbet gemiß niqt fterben, fonbern ©ott rneiß, mel= 
cheS XageS ibr babon effet, merben eure klugen geöff» 
net, unb merbet fein mie ©ott, miffenb, maS gut unb 
böfe ift. 3Ufo nicht meil bie grucht beS ©aumeS euch 
fchaben mürbe, hat ©ott euch baS ©ffen bon ihm ber= 
boten, fonbern aus SRißgunft unb ©eib, meil er nicht 
miß, baß ihr ihm ähnliaj merben foflt. $urcb baS 
©ffen ber Jrucht lernt ber ©lenfch ©uteS unb ©öfeS 
tennen unb mirb in biefer ©ejiehung mie ©ott ©. 7 
u. 22. $)aS ift bie Sßahrheit, burch melche bie Süge: 
ihr merbet nicht fterben, berbetft unb bie ganje 9tebe 
Aur Unmahrheit mirb, bie ihren Urbeber als ben ©ater 
oer Süge tcnn$eichnet, ber nicht in ber SBahrhcit fteljt, 
(Joh. 8, 44). 


ö. 6. ,,^aS SBeib fdjaute an." Jn biefen Porten 
ift baS liifteme 2lnfchauen beS SBeibeS auSgebrüdt. 
3)ie ©orfpiegelung, mie ©ott ju merben, medte bie 
Suft nad) ber oerbotenen gruebt. Sie fchaute jept 
mit einem burch ben feimenben Unglauben gefällten, 
bezauberten ©hd, unb beßmegen meinte fie ju 
fepen, baß bon bem ©aum gut $u eßen, unb baß er 
eine Suft für bie &ugen mar unb begehrenSmürbig 
©inficht S u erlangen. 

SBic ber 3ttmfel an ©otteS ©ebot $ur 9Uchtad)tung 
bcrleitet, fo erregt baS Streben nach falfcber Selbft^ 
ftänbigfeit bie Suft nach bem oerbotenen fcheinbaren 
©ute. $ie Suft mirb burch ©innenreij genährt, baß 
fie bie Sünbe gebiert, fttoeifel, Unglaube unb fiocfc 
muth finb bcmnach bie Vöuzeln ber Sünbe unterer 
Stammeitem, mie aber Sünbe ihrer ftfachfommen. 
Je geringer ber ©egenftanb beS Unrechtes $u (ein 
icheint, befto größer unb jehmerer erfcheint bie ©er= 
fünbigung, bejonberS menn man baju ermägt, baß 
bie erjten SKenfcben in einem unmittelbaren ©erhält* 
niß gu ihrem Schöpfer ftanben, mie nie ein 9ftenfd) 
mieber; ihre Seele mar rein, ihre ©rfenntniß ungc^ 
trübt, ihr ©ertehr mit ©ott ein inniger, bon ©topl^ 
tpaten ©otteS maren fie rings umgeben, ©otteS 3BoTt 
an fie mar ju tlar, um mißoerftanben ju merben. 
dennoch folgte nicht nur bas ©kib ber berlodenben 
Sift ber Schlange, auch ber 3)tann ließ fich bom ^Beibe 
berführen, unb er aß. 

Uebrrgatta b. © 7—16. 2)ie SKenfchen haben fid) 
burch ^as ©nen ber oerbotenen Jrucht bon ©ott ge- 
maltjamer SÖcife loSgeriffcn, aber ©ott miß unb fann 
nicht bon ihnen loSlaffen. — 9lm 9lbenb erfdjeint er 
ihnen, meil bie 9ttenfAen ba im empfänglichften 3 Us 
ftanbe maren. ?lm Vlbenb merben bie Aerftreucnben 
©inbrüde beS XageS fchmächer, eS mirb ftilie im ©e* 
mütl), mir fühlen uns mit uns felbft aßein unb bie 
©efiihle ber Schmermuth unb beS ^eimmchS er- 
machen. So legte fich jept bei unfern Stammeltern 
ber erfte fliaufm fatanifdjer ©crblenbung, eS mürbe 
ftißer in ihnen, fie fühlten (ich oereinfamt aus ©otteS 
©emeinfepaft unb baS hetcmbrechenbc Xuntel ließ fie 
inne merben, baß ihr inneres Sicht erlojchen, barunt 
berftedten fie fiep bor bem Slngeficpt beS §errn, als fie 
feine Stimme hörten, ©ott aber naht ihnen mie ein 
3ttenfch bem anbem. ©r nimmt fie ins ©erhör unb 
fällt baS Urtpeil über fie. 

©. 17—19. ©ci 3lbam geht eine ©orhaltung ber 
Scpulb bem Strafurtpeil ooran. Seine S^ulb 
gipfelt barin, baß er ber Stimme feines SßeibeS gc* 
horcht hat, bie ihm untergeben mar, unb jmar im ©c- 
genja^ gegen ben ©eporfam, ben er bem ©ebote ©otteS 
jaiulbtg mar. Statt als ber $üter unb Seiter feines 
VöeibeS ben gaß $u berpüten, ift er ipr mit feiger 
©erleugnung feiner SBürbe im ©Ofen untertpänig ge' 
morben. 


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Sonntngfdjul^fhlionfn. 


49 


XerSRieptcTßmicp über 2lbam oerfügt eine hoppelte 
strafe; Verfluchung beS SlcferS unb ben Xob. ftbam 
bet baburep, baß er auf bie ©timme feinet oon ber 
Schlange betl)orten V&eibeS pörte, feine ^errfepaft 
über bie Sreatur oerleugnet. ftur Strafe oafür foll 
fortan bie 9?atur fiep gegen ipn auflehnen. $urcp 
Uebertretung beS göttlichen ©cboteS hatte er fiep über 
(bott pinweggefeftt, Dafür foü er burep 9lnpeimfallen 
an ben Xob bie 9?icptigfeit feinet VJefenS inne werben. 
Ta* Srbreicp foll ipm nicht mehr freiwillig bie $u 
»einer (Srpaltuug nötpige gruept barbieten, jonbern 
er foD bemfelben mit 3ftüpe unb fcpwerer 2lnftrengung 
ben Vebarf feinet SebenS abringen, $aß aber baS 
2eben beS VJenfcpen nicht cuigenblttflicp nach bem 
®ffen ber öerbotenen gftuept ju (£nbe ging, hat feinen 
%unb in ber göttlichen Sangmutp unb ©nabe, welche 
Saunt jur Vuße gibt uub aud) bte ©ünbe ber 
fdjen fo lenft, baß fte jur Verwirtlidjung feinet 
SdjöpfungSratpfcpluffeS unbgur Verherrlichung feines 
Samens bienen mnß. 
ttruftiffte Oefeanfrit. 

$er ©ünbenfuD. 

I. 3m £rrjen. V. 1—5. 

1. A w e i f e l. V. 1. „3a, fodte ©ott gefagt pa* 
ben: 3hr foflt nicht effen oon allerlei Vaumen im 
harten?" $ie ©cplange oerführte ©ba mit ihrer 
Sdjalfpett. (Sr berrüefte ihre Sinne oon ber ©infäl* 
ngfeit beS Portes ©otteS, 2 ©or. 11, 3. 

2. Unglaube n. V. 4. „3h* werbet aanj gewiß 
nicht beS XobeS fterben." $aburcp, baß ©ba biefem 
teuflijchen VSort ©epör fepenfte, Würbe fie ungläubig 
gegen ©ott unb trat fepon innerlich oon ipm ab. 
Glauben heißt ©ott unbebingt bei feinem Söorte ju 
nehmen. SSer baS oerfäumt, wirb, ehe er ficp’S ber* 
nefjt, ein ungläubiges £era haben. 

3. ©prfuept. V. 5. ,,©ure Slugeit werben auf* 
gethan, nnb werbet fein wie ©ott unb wiffen waS gut 
unb böfe ift." p. neibifcp fuept ©ott euch euer 
ßtöcCborjuentpalten, neibifcp ift ©ott auf euep, weil 
er fcpnmdj ift ber $atur gegenüber, weil euch bie 
Stncpt beS »erbotenen Raumes oon ihm frei maepen 
tonn, ©ott ift lieblos unb ttjrannifcp gegen euep. 
Sepmt eueT Vorrecht in 2lnfprucb, effet uno werbet 
©ie ©ott. SBie fein unb oerfänglicp fUngt boep biefe 
Siebe, bie im ©erjeu ber ©ba STufnopme fanb. Unb 
nt eS peute anberS? 3 mmer nod) zweifelt ber SRenfcp 
m jeinetn fterjen am SBorte ©otteS unb möcpte fiep 
m feinem ©tgenbfinfel über ipn erpeben! 

II. ttußfa. fß. 6. 

1. $er Vlict. „SDöS SBcib flaute an." Vom 
Zweifel an ©otteS SBort ift eS nur ein furjer ©epritt 


*ur gefälligen Vetracptung beS oerbotenen ©egen* 
ftanbeS. „SBenbe meine klugen ab, baß fte niept fepen 
naep unnüper Sepre," Vf- 119, 37. 

2. 3)ie Vegierbe. fiicblicp amufepen; ein 
luftiger Vaum; maept tlug!—9lcban } a p unter bem 
SRaube einen föftlidjen babplonifcpen Sftantel, jwei* 
punbert ©ecfel ©ilber unb eine golbene Qunge, „beß 
g c l ü ft e t e mich unb icp n a p m eS. Unglauben unb 
fünbpafte Vegierben gepen .ftanb in £anb. 

3. $ i e £ a n b l u n g. „© ie napm oon ber gruept 
unb aß unb gab ihrem SOiannc audp baoon, unb er 
aß." £>ier erfolgte bie cntfcpicbene Xbatfiinbe. $)en 
Gingen folgte baS £crfl, bem §erjen in feiner Vegierbe 
folgten bie Jpänbe unb fiiprten bie üerbotene gruept aum 
SJhmbe. „öat mein ©ang gewiepen aus bem SSege 
unb mein ©erj meinen klugen nacpgefolget unb tft 
etwas in meinen $änben betlebet?" burfte ber fromme 
§iob fragen. 

III. J)ie golnrn. V. 17—19. 

1. ©ieentbeefen ipren guftanb. Vciber 
klugen würben aufgetpan, unb würben gewahr, baß 
fie naefenb waren. $>aS ©epamgefiipl ipreS erwarten 
unb belctbigten ©ewiffenS regte fiep: fie füplten tpre 
©cpulb. ©o ift eS peute noep. „©internal ipr ©c* 
wiffen ße bezeuget, ba$u aud) bie ©ebanten fiep unter 
einanber Oertlagen." ©rfte gruept ber Uebertretung 
ber ©ebote ©otteS ift Schamgefühl. 3Ber fiep 
aber feiner ©üitben niept mepr fcpämt, ber ift ein 
Oerpärteter Vöfewicpt! 

2. ©ie fliehen üor bem Slngeficpt beS 

errn. „gürdjteten rniep," „oerftedten fiep." 3)ie 

ünbe entnerot ben Sttenfcpen, fte raubt ipm feinen 

Sttutp unb maept ipn feige. 

„•$aS ©rün im §ain, baS fiaub am Vaum, 
Vaufept ipm ©ntfepen ju!" 

3. ©ie werben tprer ©ünbe überfüprt. 
„§aft bu niept gegeffen?" „3cp will bi<p erinnern 
unb bir*S unter Vlugcn ftellen." „3rrct niept! ©ott 
läßt fiep niept fpotten. 28aS ber SWenfep fäet, baS 
wtrb er ernten." ,,©S ift nicptS fo fein gefponnen, 
eS fomrnt bentioep an bie ©onnen." 

4. *2>aS Urtpeil über fie wirb gefällt, 
geinbjepaft ift gefept: SebertSberuf unb Arbeit er* 
jepwert. ©epwetß uno Kummer wirb niept auSblci* 
oen. 2)er 2:ob i)t ber ©ünbe ©olb. ©atan ift boep 
ein harter SWeifter. 2)ie ©ünbe ift eine partc Slrbeit. 
^er ©ünber ift ein armer ©flaüe. — $ocp, ©ottlob! 
wo bie ©ünbe mäeptig geworben ift, ba ift boep bie 
©nabe oiel mächtiger geworben! 

3n biefer fiettion finbet 1, 15 buepftäbliepe 
©rfüßung! 




2onntag, 16. 3anuar. 


Äain mtb Kbd. 


1 SRof. 4, 8—16. 


Ti. (ri btqab ftch aber nach etlichen Xaaen, baü ftain bem Ferrit 
brachte oon Den fjrüchten be$ gelbe«: 

4. Unb §abel brachte aud) oon ben ©rftliugen »einer beerbe 
»ab oon ihrem getten. Unb ber ^>err »abe giiäbiflltch an ^abel 

»etn Opfer. 

5. «ber ftain nnb fein Opfer »abe er nicht andbialicb an. 
Sa ergrimmetc Äain fepr, unb feine öeberbe oerfteilete ftch- 

^ Xa fpra* ber ßerr a« ^ain: ©arum ergrimmeft bu ? unb 
saram oerfteuet fleh beine ©eberbe? 

7. gfT* nicht alfo ? wenn bu fromm bift, fo bift bn ange* 
bift bu aber nicht fromm, fo rubet bie Sünbe bor ber 
Sbür. «ber lag bu ibr nicht ihren ©iUen, fonbern herrfche 
iberRe. 

Xa rebete ffain mit feinem Oruber öabel. Unb e8 begab 
ft*, ba fie auf bem gelbe roaren, er bub fich ^tain roibet feinen 

^niber ftabel, unb fAltig ihn tobt. . _ . „ 

Xa tpraep ber oerr au Äain: ©o tft betn ©ruber ^abel ? 
5r »prach*. 3ch to?»B niept; foü ich meine« ©ruber« f)üter 

Hl»? 


10. ©r aber fpra*: ©a« baft bu gctbait ? Xie Stimme beine« 
©ruber« ©lut fdjreiet au mir oon ber ©rbe. 

11. Unb nun oerflncbt feift bu auf ber ffirbc, bie ibr HRanl 
bat aufgetbau, unb beine« ©ruber« ©lut oon beinen $änben 
empfangen. 

12. ©enti bu ben «der bauen Wirft, foll er bir fort fein 
©ermögen nicht geben. Unflat unb flüchtig foUft bu fein auf 
©rben. 

13. Äain aber fprach au bem ^errn: ©leine ©ünbe ift grbger, 
beim baft [ie mir Pergeben toerben möge. 

14. ©teoe, bu tretbeft mich beute au« bem £anbe, unb muft 
mich oor beinern «ngeficht Perbergen, unb mu| unftat unb flücb^ 
tig »ein auf ßrben. ©o mirb mir'« geben, bag mid) tobtfchlage, 
wer mid) finbet. 

15. «Oer ber #err fprach au ibm: «ein, fonbern mer ftain 
tobtfchldgt, ba« foll ftebenfältia gerochen werben. Uub ber 
$err maepte ein Seichen an ftain, bag ihn nientanb crfchlüge, wer 
ipn fänbe. 

16. «Ifo ging ftain Oon bem «ngeficht be« öemt, unb wohnete 
im fianbe «ob, jenfeit üben, gegen «lorgen. 


4 


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50 


$o»nlagfd)uU£fhtionm. 


©iblifdiet ©rttttbgebattfe s „Xa fpracb ber §err 
ju Sterin: Wo ift bein trüber 2lbel? ©r fprad^: 3ch 
rneig nid)t, foll id) meinet ©ruberS §üter fein?" 

(frflarttng. 

©. 3. 9luS freiem Antriebe ihrer göttlich beftimm* 
ten unb jur ©erehrung ©otteS üeranlagteit Statur 
bringen bie ©ohne Slbam’S bie erften Opfer beS SRen* 
fcbengefchlechteS bar. Um bie «gbee. bie bent Opfer* 
bienft 51 t ©runbe liegt, richtig au erfaffen, haben mir 
ju beachten, bag bie erften Opfer n a d| bem ©ünben* 
falle gebraut merben, alfo bie geifthdje Trennung 
beS SRenjdjen bon ©ott jur ©orauSiepung unb baS 
©ebürfnig beS §erjcnS, mit ©ott in ©emeinfchaft ju 
treten, jum Qmetfe haben. XicS ©ebürfnig hatte 
nicht bloS Slbel, fonbern auch Äain. 2)aS Opfer Äain’S 
mirb fogar juerft berichtet 

©. 4* 3h re Cpfer finb SluSbrucf bantbarer ©e* 
finnung gegen ©ott, bem fie alles oerbanten, maS fie 
finb unb haben, öerbunben mit bem ©efüble, bcraött* 
liehen £>ulb unb ©egnung fidj $u oerfiepern. 3 h re 
Opfer finb baher nicht bloS für Xanf*, fonbern ju= 
gleich für ©itt* unb für ©ühnopfer im meiteren ©mn 
beS Worts ju halten. 

Woran ertanntc man, baß ©ott baS Opfer beS Slbel 
mit gnäbigem Wohlgefallen anfap? ^iele Ausleger 
fagen, ©ott habe burd) ff euer oom Fimmel baS Opfer 
SlbelS angejunbet, Äain’S Opfer bagegen fei unberührt 
geblieben. Slnbere behaupten, ber waud) Dom Opfer 
Slbel’S fei gerabc juni ^imntel emporgeftiegen, mäfc 
renb ber Staud) bon Äam’S Opfer über unb um ben 
Elitär her fdjmebte. tiefer ©rflärung fehlt ber bi* 
rette ©djriftbemciS. Wir glauben, bag beibe, Äain 
unb Slbcl, ben ©emeiS oon ber Annahme unb Sticht* 
annah me beS Opfers in ihrem eigenen ©emufctfein 
hatten, ©otteS ©eift mirtte auf ipr Wiffen uno ©e* 
miffeit ein, fo bag fie eine untrügliche innere Ueber* 
Beugung hatten oon ber ©teUung, melche ©ott ihrem 
Opfer gegenüber einnahm. 

©. 5. 6. Äain ergrimmte. Wörtlich, eS ent* 
brannte ihm fegt, nämlich ber 30 m in feinem Jauern, 
©r lieg ben Äopf hängen unb richtete ben ©lief jur 
©rbe. $n biefer ©eberbe äugerte er feinen finftern 
Unmuth unb gab ein Sachen böferSlnfchläge oonfidj. 
$tr äerr rtbetr 311 Äain, ©in gemiffeS SJtag oon 
©mpfänglidjfcit mar noch Oorhanben, mie er ja noch 
opferte in feiner Slrt. Xarum macht ihn ber $err 
aufmertfam auf baS©pmptom feiner argen ©ebanten 
uno feiner brütenben öaltung. 

®. 7 . $ier gibt ber £>err Äain ju üerftehen, bag 
feine trübe ©eberbe ein Reichen böfer ©ebanten uno 
9tbfid)ten fei, benn ©rljcDung beS ©cfidjteS unb freier 
offener ©lief ift 3ei<h<nt eines guten ©emiffenS. Wenn 
bu nicht fromm bift. fo lauert bie ©iinbe oor ber 
Xhür unb ihr ©egejjr ift auf bid) gerichtet, öier 
mirb bie ©ünbe als ein mtlbeS Xhier oargeftetlt, oaS 
oor ber Xh ür bcS menfd)lid)en Innern lauert, unt ihn 
ober feine ©eele ju üerfchlingen. Äain foCT über bie 
nad) ihm gierige ©ünoe burd) Slufgcben feines 3 or* 
neS hcrrf^eit, bamit ber lauembe bofe geinb feinen 
©ingang in fein JJnnercS geminne. ©ott fpricht mit 
Äain, mie mit einem unmitligen Äinbe, enträtljfelt 
ihm, maS in feinem £erjen fdjlafe, unb oor feiner 
Xf)ür mie ein Söme laurc. Unb maS ©ott an Äain 
gethan, thut er an jebem, menn man auf fein £>erj 
imb bie ©timme ©otteS vldjt hat. 

ö. 8 . 2)ic ©ünbe SlbamS fteigerte firf) bei feinem 
©ohne fefcon jum ©rubermorb. Wieberpolt mirb 
9Cbel ber ©ruber ÄainS genannt, um bie ^bfdjeulidj 5 
feit biefer ©ünbe recht $u beleuchten. Qfn Äain ift ber 
WcibeSfame fd)on jum ©chlangenfamen gemorben. 


©. 9—15. 9Äit ber ©ünbe fteigert ftch ber Xrop 
beS ©Öfen unb mit ber ©chulb bie ©träfe. Xie erften 
S^enfchen fürchten fi<h oor ©ott unb betennen ihre 
©ünbe. Äain leugnet frech un b antmortet bem^errn: 
„©in ich ber §üter meines ©ruberSV" fo bag ©ott 
ihm fein ©erbrechen oorljalten mug. ö. 10. Unfdjul' 
big oergoffeneS ©lut hat eine für ©ott oemehmbare 
©timme als racheforbembeS fßrobuft einer frcoel^af* 
ten Xhat. 3)er 9Äorb gehört $u ben htmmelfchreien 
ben ©ünben. 

Weil bie ©rbe baS unfchulbig oergoffene ©lut hat 
trinfen müffeu, fo empört fie fich gegen ben 9Jtörber 
unb entjieht ihm, menn er fie bebauen miß, ihreÄraft, 
bag ber ©oben feinen ©rtrag liefert(©. II. 12). 
„Unftät unb flüchtig mirft bu fein auf ©rben." Xiefer 
Rluch erfchüttert Äain fo, bag fein Xrop in ©erjagt* 
peit umfdjlägt (©. 13. 14), unb er fein fieben als fepr 
unfi^er betrachtet (©. 15). ©r fürchtet bie ©lutracge, 

Oie über ihn fommen fönnte. ©ott aber lägt ihm 
hoch fchonenbe Sanamuth angebeihen. ,,©iebenfad) #< 
heiftt nicht bloS oielfach, fonbern fieben ift bie 3 a hl 
beffen, maS ©otteS Werf ift unb mirb bamit auSge* 
brüdt, bag bem an Äain fich ©erareifenben burd) ©ott 
oöttigeS ©ericht unb ©träfe ju Xh e ^ merben fott (©. 
15). XaS Reichen, meldheS ©ott Äain fe$te, hier aber 
nicht näher oefchrieben ift, fdjüfcte ipn gegen bie ©lut* 
rache. 

©. 16. $)aS ßanb 9fob ift geographifeh unbe* 
ftimmbar. Xer 9fame bebeutet ein Siano ber flucht 
unb ©erbannung, alfo ber ©egenfag beS WonnelanbeS, 
mo ber §err manbelt unb mit ben Sttenfchcn umgeht. 

$rafiif4e ©ebanfen. 

Unterfchirb im ©otteSbienff. 

I. Worin birfer Uuterfdjieb nidjt 31t fttigen ifl. 
©S gibt eine falfche unb eine mahre ©otteSOer* 
ehmng. Äain unb Slbel finb bie SHepräfentanteii 
berfclben. liefen Unterfdjicb in ber ©ebetSanbacht 
fdjilbert ber £>err 3efuS ©hriftuS im ©leidjnig oom 
©harifäer uno 3^ ner (Smt* 18, 9-14). Xiefer 
Unterfchieb im ©otteSbienft tritt heute nod) ju Xage. 
Xerfelbe lag: 

1. 9fid)t in ber ©erfönlid)feit ber ©rii* 
ber. ©or ©ott ift fein Slnfehen ber ©erfon. Wer 
Siecht thut unb ©ott fürchtet, ber ift ihm angenehm, 
©ott fommt Äain freunblichft entgegen mit oäterlidjer 
3ured)tmeifung, bamit er ihm mohlgcfäßig opfern 
möge. 

2. Siicht im ©egenftanb beS Opfers an 
unb für f i ch- 3ebcr brachte oon bem ©einen, alfo 
oon bem, maS er hatte, bem §errn jum Opfer bar, 
Äain’S Opfer mar ein X)anfOpfer, Äbel brachte ein 
©übnopfer bar. ©eibe Opfer maren recht an fid) 
felbft, unb mürben bem ©olt Israel im mofaifepen 
OpfertultuS befohlen. Xie äugeren Unterfchiebe bin^* 
fichtlich berOpferftüdehaben feine©ebeutunafürfic^. 

II. Woritt biefer Unterfchieb begeht. Xcrfelbe 
liegt im ©harafter in ber frommen ©efinnung beö 
SJlenfchcn. 

1. 3(bel mar fromm, b. h- aufrichtig, ohne 
©erftellung. Äain mar nicht fromm, ©. 7. 

2. 2lbel mar gläubig. „Xurch ben ©Iaubcn 
bat 2lbcl ©ott ein grögereS Opfer getban, benn Äatn," 
©br. 11, 4 Slbel nt unter ben ©IaubenSjeugeu auf* 

g enommen. Äain fehlte ber©laube, unb ohne ©lau¬ 
en ift eS unmöglich ©ott ju gefallen. 

3. 9lbel mar gerecht. SKatth.23, 35 bejeidjnet 
Refus 3(bel als „ben ©eredjten." 1 30 h. 3,12 merben 
$ibel’S Werfe „gerecht"' genannt, ©rfanb in feinem 
Opfer bie ^Rechtfertigung oon feinen ©ünben, bie Oor 
©ott gilt. Äain bagegen mar „oom Slrgen," feine 


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$onntagf$!iU£rkttoneti, 


51 


©erfe „rooTen böfe." Äain opfert blo3, um ftch mit 
fernem ©ott ab$ufinben unb ba3 mar ungerecht, maß* 
renb «bei iu frommer ©efinnung fein $erg in bte 
Gtobe legt, bie er ©ott barbringt unb ba3 machte ihm 
tarn $erm moßlgcf ätlig. 

III. $ie folgen M mrierfiteblidjett ©orte*» 
WnM. 

1. «bei fanb ©nabe, P. 4. Xer $err fatye 
fpiäbiglid) an, 31 bei unb jein Opfer. Xurch 
?etn Cpfer hat er „3eugnig ubertommen, baß er gc* 
recht fei, ba ©ott ^eugete oon feiner ©abe." ©br. 11,6. 

Äain bagegen mürbe erbittert. 3(13 
ftarn faß, baß 2tber3 Opfer ©ott beffer gefiel al3 ba3 
ieinige, ba beneibet er fernen Pruber unb mirb gegen 
üjn erbittert. 3(u£ bem SReib ermächft ber £aß. ©ef)t 
c* nid)t heute noch fo? ©e^t e3 bem elften mot)l, 
»ic leicht ftellt fieß ber 9leib ein; unb mefye un3, menn 
urir nicht jeitig genug biefe auffprießenben Äcime 
euier fd)realichen ©ünbe mit ben SBurgeln au3 bem 
perjen reißen! 

2. «bei fanb SRuße be3 §ergen3* Äain 
bügegen ß a 11 e einen ferneren Ä a mp f 
mit fich jelber gu befteben. P. 5—7. fea 
Äöin bie «ufrießtigteit feßUe, erfebeint bie ©ünbe in 
ii)m fd)on in gefteigertem 9ttaße. feie Perfudnmg hat 
fid) jept mie ein reißenbe3 X^ier bor feiner fe^ür ge= 
lagert, ©ott aber fdjreibt tyrn noch bie fä^igfeit gu, 


über bie ©ünbe hertfdjen gu tonnen. ©3 fteljt nid)t 
in unferer 2Bat)l, oerfuc^t ober nicht ocrjucht gu mer^ 
ben, moßl aber ftetjt e3 tn unferer äöahl, ber ©ünbe 
ihren SBillen gu laffeit, ober über fte gu perrfdjen. ©in 
mtgegogener Änabe, ber feiner SJhitter biel Kummer 
unb |>eneleib bereitete, mürbe bon ihr gefragt: „Äarl, 
marum bift bu näßt gehorfam unb folgft beiner 9Kut* 
tcr 2Bort?" ©r antmortete turgmeg: „28 eil id) 
n i d) t m i 11!" ©3 ift biel leichter fromm gu fein al3 
böfe, menn man nur m i 11. 

3. 31 be 1 fyatte © i e g über fid) fclbft, über bie 
©ünbe. Äain mürbe befiegt. Äain ift ber 
erfte 9ttenfch, ber bie ©ünbe in fid) ßerrfchen ließ, unb 
mie !>at fie geljerrjd)t! SBeld)’ einen jcßauerlic^en 
Xriumpf) hat fie gefeiert! 2Bie groß ift bie 2Äad)t ber 
©ünbe be3 9teibe3 unb ber entfeffelten fieibenfdjaft! 

4. «bei empfing emige3 £eben. Äain 
mürbe au3 ber öcimatbbcrbannt. ©r 
mußte ein unftäte3, flücf)tige3 fieben friften. Xer 
eigentliche glud) aber liegt auf bem ©emiffen felbft; 
fern fdjmere3 ©d)ulbbemußtjein muß ihn flüchtig 
machen auf ©rben. ©r ift gebannt über jebc ©infrie 
bigung eine3 ruhigen piä4d)en3 hinau3, menn er fid) 
aud) mit himmelhohen dauern umfehangen mollle. 

28ir fchließen mit bem betannten Xidjtermort ©d)il* 
ler’s: „fea3 geben ift ber ©ütcr höd)fte3 nidjt, ber 
Uebcl größte3 aber ift bie ©djulb". 




Sonntag, 23. Januar. 9?oal) unb bic $hdjc. 1 a»of. e, 9 — 22 . 


9. hei ift ba# Wcfdjlccht : 9toaf) war ein frommer SJtantt, 
unb oljne ©anbei, unb füb«te ein göttlich 2cben feinen 
.'inten. 

10. Unb aeugete brei Söhne, Sem, fynn, ^fabheth. 

11. Über bte (Erbe war berberbet bor ®otte3 «ugen, unb boll 
Jyrr&els. 

12 . Uj jähe Wott auf (Erben, unb ftehe, fie mar berberbet; beim 
aflre 51 «fch hatte feinen SBeg oerberbet auf ®rben. 

13. 5a fprach ©ott $u 9toab: ÄHeä ftlcifdjeä ffnbe ift bor mief) 
feamen, benit bie (Erbe ift ooU ftfrebeld oon ihnen; unb fiehe ba, 
uh will fie oerberben mit ber (Erbe. 

14. 9Rad}e bir einen haften bon Xannenholj, unb mad>e 
ftaramern brinnen, unb berpiche pc mit ^ßech inmenbig unb au*= 
»enbia. 

15. Unb macbe ihn alfo; 3)reihunbert (Ellen fei bie Sange, fönf- 
M fetten bie ©eite, unb breifeig Ctte bie £öl)e. 

16. (Ein ^renfter fottft bu bran machen, oben an, einer fette 
frofe. 5te Xhür foflft bu mitten in feine Seite fefecn. Unb fott 


brei ©oben haben, einen unten, ben aitbern in ber 'IJlitte, ben 
brüten in ber $öbc. 

17. ®eitn ftehe, ich toitt eine Stnbfluth mit ©affer fommen 

laffen auf ferben, jju oerberben allr# ö«nn ein Icbenbiacr 

0Dem ift, unter bem pimmel, Sitte#, ma# auf ferben ift, foU 
untergeben. 

18. Sloer mit bir, miß idj einen ©unb aufrichten; unb bu foUft 
in ben ftaften gehen mit betnen Söhnen, mit beinern ©eibe, unt 
beiner Söhne ©ribern. 

19. Unb bu foUft in ben ftaften thun atterlei Xhicw bon allem 
Slciich, je ein 'paar, SJiännlein unb ßfraulein, bafe fie lebenbig 
bleiben bei bir. 

20. ©on ben ©öaeln nach ihrer Slrt, bon bem ®ieh nach feiner 
Slrt, unb oon attcrlei ©ctourm auf ferben nach feiner Slrt; oon ben 
atten fott je ein Paarju bir hinein gehen, bafe fee leben bleibrn. 

21. Unb bu fottft allerlei Speife au bir nehmen, bie mau iffet; 
unb fottft fie bei bir fammeln, bafe fie bir unb ihnen $ur Nahrung 
ba feien. 

22. Unb 9toah that alles, tua« ihm ©ott gebot. 


9i6lifd|er ©mntgelMfc: „Unbloah that aKe3, 
wa3 ihm ber ^err gebot." 1. aftof. 7. 5. 

frfiärnng. 

Stoah ift ber lefcte ber fetbitbifeften Patriarchen unb 
nnbet mit ihm bie üorfünbfluthliaje Urgeit ihren 21b** 
jdjluß. ©r ift aber auch ber erfte ber neuen, burd) 
Sem fortaehcitben Patriarcbenlinte. %n biefer X)ar=* 
ftfQung ift er ein Porbilb oe3 gutünftigen ©hriftu3, 
öe3 Peenberö ber alten unb bc3 Urhcber3 ber neuen 
©eit. feie weit* unb heilägefchidjtliche 33ebeutung 
«oah*3 befteßt alfo barin, baß burd) ihn, ber um fei* 
m unftrapichen 2Banbel3 mit ©ott nullen ©nabe 
fanb, bie afeenfehh^it oor bem gängigen Untergange 
bewahrt unb burd) bie «He3 oemichtenbe Sünbfluth 
hmbureb gerettet mirb, um in feinen ©öhnen einen 
neuen @efthid)t3anfang gu begrünben. 

9. 9. ,/9loah mar ein frommer 9ttann ohne SBan^ 
bei", b. ß. er toar ein gerechter 9ttann unb untabelig 
Hnter feinem ©efcßlecßt. Offenbar ift hier bie ©erech* 
tigteit gemeint, bie ihn bor bem©cricht ber ©ünbfluth 
aered)tferttgt erfcheinen läßt. Xaher mirb hinguge* 
mgt, er mar nnffhulbig, bollfommen. ©eine ©erech- 


tigteit unb Uiifträflicfateit äußerte fid) im2Banbcln mit 
©ott, morin er ©no^ glich- ßap. 5, 22. 

©. 10- $aß er brei ©bhne geugte, mirb hier nod)^ 
mal3 berichtet mie ©ap. 5, 32. £)cnn in ihnen ift bie 
gortbauer eiue3 neuen ©efd)lechte3 geffchert. 9J?it 
Stoah foU aud) fein .§au3 gerettet meroen. 

©. 11—13. ©inen ©egenfafc gu 9toah unb feinem 
aufe aber bilbet ba3 ©cfchlccht feiner 3 c it. ^iefe 
erberbtheit mirb hier al3 eine bie gange ©rbe mit 
©itteuoerberbniß unb mit greoel aufüHenbe, bärge 
{teilt, fo baß ©ott ftrafenb etnfdjreiten mußte. Xicfc 
Perberbniß tarn baher, baß bic gange, ber 3»d)t bc3 
göttlichen ©cifte3 miberftrebenbe unb gu gleifd) ge 
morbene 9Ren]d)heit erfüllt mar oon greüel, .§anb 
hingen ber 23o3l)eit unb be3 Uebcrmutl)e3. Xic 
SKenfchheit ^attc e3 bi3 jum 2leußerften getrieben in 
ber Pcrfunfenheit, melcpe ben Untergang nad) fid) 
giehen muß. „34 to i U fie oerberben mit 
oer ©rbe." feie ©rbe al3 foldje fann freilich fein 
©trafoerberben treffen; ba3 Pcrberben tnfft fie nad) 
ihrer ©inbeit mit ben 9ftenfd)en al3 totales Perbcrben, 
ba3 über bic 3Kenjchen mit ber ©rbe fommt. 50rit ber 


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52 


£onntagrd|uI‘£tkiiMcii. 


©nteuerung ber SD?cnfd>f)cit muß aud) bie ©rbe eine 
erneuernbe ©eftalt erhalten. 

©. H— 10 . Zauber Vertilgung mirb Aoaß aud* 
qefdjloffen. (Sr foU eine SRettungdarcße für ficß, feine 
Familie unb bie 31 t erhaltenben Xl)iergefcf)led)ter 
bauen. (Sr fott nicht bloö oer ©rhaltene, fonbern au* 
ber ©rhalter fein. Xad 5ftaß0en)ältniß ergiebt, baß 
bie Arche itid)t fcßiffförmig gebaut mar, fonbern faßen* 
artig, ohne föiel, mit flachem Voben, meßr einem faß* 
renben oierfeitigen ©aufc, ald einem Schiffe gleicßenb, 
ba fic ja nidjt jum Segeln, fonbern nur $um Scßmim* 
men auf bem Atoffer beftimmt mar. 3Kan hat be* 
red)net, baß Dicfer Vau an ©röße bie größten Sinien* 
fcßiffc übertrifft. 3 m 3 a ß re 1609 baute Der 9ftenonit 
V- ganfen 311 ©orn in ©ollanb ein Sd)iff nach bem 
s JJiufter ber strebe, melcßed 3 um Schiffen jmar un* 
brauchbar mar, aber um ein drittel meßr Saft als 
aubere Schiffe gleichen $ubifinßalted 3 U tragen Oer* 
modjte. Saft 511 tragen unb troefenen Aufenthalt 3 U 
gemäßren mar aber auch bie einzige Veftimmung ber 
Arche, gür Sicht unb Suft jorgte ber ©err heftend 
burd) Xßür unb ?^enfter r obgleich wir und oon ber 
Vcfchaffeußeit berjelben feine rlare Vorftellung machen 
tonnen. 

V. 17—22. Seinen Vuitb macht ©ott pcrfönlich 
mit Aoaß, aber eingefchloffen in bem Vunb iß auch 
jein ©aud, baß er ald ©audüater oertritt unb mit bie* 
fern bie neue ußenfchßeit, unb im meiteren Sinne bie 
3 U erhaltenbe Xt)iern>elt. 

Xie Unterfcßeibuitg oon reinen unb unreinen Xßie* 
reit ift nidjt oon Atoje erft audgebilbet morben. 3 h rc 
Anfänge reichen in bie Urjeit prüd unb grünben fid) 
auf ein unmittelbared ©efüßl bed menfd)liä)en ©cifted, 
monad) berfelbe in manchen X^icreit Abbilber ber 
Sünbe unb bed Verberbend erbheft, bie ihn mit A$i* 
bertoillen unb Abfdjeu erfüllten. Ob bie Xhiermelt 
auf Anregung ©otted ober burd) bie ben 4f)icrcu 
eigene inftmftartige Vorentpfinbuttg jerftöreitber s Jta* 
turcreignijfe jufammengeführt mürben, tonnen mir 
nidjt näher beftimmen. Von ber Sammlung ber 
Xßiere mirb nod) bie Sammlung bed SpeifeOorratßd 
unterfeßieben, jo baß bie Arche etite oollftänbige Oefo* 
nomie bed ©aufed Aoaß’d repräfentirt. Xeu Schluß 
ber Seftion bilbet ber ©laubendgeßorfam 9?oaß’d. 

Vraftifdje ©ebanfen. 

Aoaß that alle*, to«»d ihm her ©err gebot. 

r. (Sr führte ein götilubed Sehen jtt feinen 
feiten. X)ie Seit, in ber 9toah lebte, mar ge* 
miß eine äußerft betrübte: „AHed gleifd) hat 
jeinen Aleg oerberbet auf ©rben". „Xte ©rbe 
tft ooll greücld". Xie 3Jienfd)heit mar jo gottlod 
gemorben, baß fic nidjt länger fortbefteßen tonnte; 
„ich will fie oerberben mit ber ©rbe", bad mar 
ber göttliche ©ntfcßluß. ^yefud fchilbert bieje Seute 
folgenbermaßen: „Sie aßen, fie tränten, fie freieteit 
unb ließen ftch freien, bid an ben Xag, ba 9toaß 
3 ur Arche emging: Unb fie achteten ed nicht, bid 
bie Sünbflutt) tarn, unb nahm fie Alle bafjin." 
(Afattß. 24, 38). Aoaß aber pflegte innigen Umgang 
mit ©ott. gn biejent Stüd glich er ©nod), ber Drei* 
hunbert gaßre ein göttliched Sehen führte. 

2 Bir lernen ©ier, baß mir unter allen geitüerßält* 
itifjen ©ott bienen fönnen. Mitunter fdjiebt man bie 


Umftänbe oor ald ©ntfcßulbigung, baß man nicht 
frommer fei. ©d ift freilich maßr, ein ÄHnb, bad 
fromme ©item hat, bie ed anleiten 3 ur ©ottedfurdjt, 
foUte bem ©errn leichter bienen fönnen, ald ein ftinb 

« er ©Item. Xad aber bürfen mir nie oergeffen, 
r in einer gefallenen Atolt leben, in melcher ber 
gürft ber ginfterniß ßerrfeßt. Ator feine Seele retten 
mill, ftößt auf große Schmierigfeiten, boch biefe ftnb 
nicßt unüberminblich, fonbern fönnen aue befeitigt 
merben. Bitten unter bem unfcßlacßtigen unb Oer* 
feßrten ©efcßlecßt biefer Aklt follen mir feßeinen al* 
Sicßter in bem ©errn. 9toaß ift ein erhabenes Vei 
fpiel in biefem stücf. A3ir müjfen bem ©errn bienen 
troß allen Sd)mierigteiteu. ©ottlob, baß mir ed 
auch fönnen! 

II. Gr baute bie Ariße nadj göttlirlem Be* 
fehl« Unter Anberem bemied Sßoaß feine grömmigfeit 
bamü, baß er mit einer heiligen gureßt überfaflen 
mürbe, nad) melcher er bie Xrohung ©otted megen 
ber Sünbßutß, ob fie gleich noch fern mar, für maßr 
hielt, fo baß er auf ben Vefcf)l ©otted bie Arcße jube* 
reitete, ob er gleich ntit ben Spöttereien ber Ä’ainiten 
oiel ^u fämpfen hotte, meil fic© bad ©erießt noch fo 
lange oerjog. 2öie aber tonnte er bad tßun? Ant* 
mort: „Xurcß ben ©lauben ßat Aoaß ©ott geeßret, 
unb bie Arcße jubereitet jum .©eil feined ©aujed, ba 
er einen göttlichen Vcfeßl empfing oon bem, bad man 
noch nidjt faße; burd) meldjen er oerbammete bie 
SSclt unb ßat ererbet bie ©ereeßtigfeit, bie burd) ben 
©lauben fommt (©br. 11 . 7 ). 

Xer rcd)te ©laube an bad oerfünbigte ©erießt ift 
jugleicß ein ©laube an bie SKettung. ©otted SJtüßlen 
maßlen langfant aber rein. Xad &aß ber ©ottlofig* 
feit ber SKenfcßen mar ooll. Xie gomedfefaale foU 
über bie ©rbc audgegoffen merben. Xic ©ereeßten 
aber meiß ber ©err oor ber Xrübjal 31 t retten. 

©ott miH Aoaß unb feine gamilie retten, aber 9 ?oaß 
foU bie Ardje bauen. Xer VWn ber Ard)c mürbe 
s J?oaß oon ©ott mitgetßeilt: Xenn ©otted ©eift ift 
ber Urheber aller 3&eale ober ufterbilber im 9?eicße 
©otted — Aoaß aber muß bauen — Unb er baute bie 
Arcße. 9ftenfd)Ud)cd unb göttlicßed Sofammenmirten 
ift notßmenbig jur Audjd)affung Ded Seelenheils. 
VMr follen mtt gureßt unb SiUern baran arbeiten, 
aber ©ott ift ed, ber beibed mtrft, bad Atollen unb bad 
Vollbringen itad) jeinem Atoßlgefallcn. 

III. ©r mar rin frebiger Der ©ernßtigfett 
(2 V etr - 2, 5). Aoaß foüte nicßt nur ber ©e* 
rettete jein, fonbern aud) 9fetter jeined ©aujed, unb 
aller Xenen, bie fern A 3 ort glauben merben. 

©rprebigte 1 ) bureß feinen heiligen Sebendman* 
bei, 2 ) bureß bad Vauen an ber Arcße unb 3 ) burd© 
bie Verfünbtgung ber ßereinbreeßenben Sünbflutß. 
©ier gingen ©lauben unb Atorfe gepaart. 

©inßunbert unb ^man^ig 3 aßre lang mar er Ver* 
fiinbiger ber Abfid)ten ©otted, unb ber Vermittler ber 
göttlichen Rettung, ©r tßat Alled, mad ißm ber ©err 
gebot. Atolcß’ cm Veifpiel bed ©laubend unb ©e= 
ßorjamd gegen ©ott für und, bie mir am hellen 9 ttit* 
tage ber ©etldoffenbarung leben unb bie ßerrlicßften 
Vorredjte in ©änben ßaben. Sollten mir irgenb 
©tmad ungethan laffen, bad ber ©err oon und for 
bert? 


4 


—¥■ 


Sonntag, 30. Qanuar. 

1 . Uub ber ^err fprad) üu 3(bram: ©eljc auä beinern ®ater= 
lanb, unb öon beiitcr greuubi^aft. unb au« beined ©aterö ^aufe, 
in ein ßanb, ba« id) bir jeigen wiu. 

2 . Uitb id) will bid) ^um arofeen Solt matten, unb will bid) 
fejnen, unb Dir einen groben Wanten mad)en, unb follft ein Segen 


5lbral)nm tuirö berufen- 


1 2Jtof. 12, 1— 9 . 

3. »oill fegnen, bie biefi fegnen. unb berfludjen, bie bid) 
uerflud)en; unb tn bir follengefegnet werben atl e 
CSefcßlethter auf örben. 

4. 35a aog 9lbram au«, wie ber #err ju i^m gefagt hatte; unb 
Sot jog mit ihm. Hbram aber war fünf unb fiebcn&ig 3 ahr alt 
ba er au« .§aran 30 g. 


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$onningfd)ul=ffhtionfn. 


53 


5. *Mo najbm flbram fein ©eit» Sara», unb £ot, feines iöruberS will idj bic$ ßanb geben. Unb er bauete bafelbft bem §errn einen 
celm, mit aller ifcrer £abi, bie fte g:n>ounen batten, unb ©eclcn, SUtar. ber ibm erfcqienen mar. 

5i.* be gejeuget Ratten tu fiaran; unb jogen aus $u reifen in 8. $arnad) braef) er auf üon bannen an einen Sflcrg, ber 
M 8inb (Kanaan. Unb aU fie fommen waren in baSfelbige lag gegen bem SRorgen ber ©tabt söctbel; unb ridjtete (eine 
«“b, £utte auf, baß er iöetbel gegen 5tbenb, unb Wi gegen bem SWor* 

*• oJHl Äbram burd) bis an bie ©tdtte ©icbem unb an ben gen batte; unb bauete bafelbft bem $errn eineu $iitar unb tne= 
patn 'Kore. Denn es wobneten ju ber ßeit bte Gananiter im bigte Don bem tarnen bes #crrn. 

b*»be. 9. Xarnad) wirf) Äbram ferner, unb jog au* gegen ben 

7. erfepien ber $err Äbram unb fprad); deinem ©amen ©tittag. 


Ztblif4er t&mubgebaufe : „Unb id) wiH btd) 511 m baffelbe md)t opne ©eiteret als fein ©igetttpum bc 
großen Volt machen, unb ich will biep fegtien, unb bir trauten, unb in Vefifc neunten, fonbern nur in bem- 
einen großen tarnen machen, unb jofljt ein ©egen felben als in einem fremben Uanbc im (Glauben pil- 
jfin." 1 Aftof. 12 , 1 —9. gern (©br. 11 , 9 ). 

Ürflirnng. $ier in ©iepem erjepien ihm ber §err unb fagte 

6 . 1 —3. ^£)aS 2Bort beS $errn, burep welcpeS tpin ben Vefifc bcS ^anbeS Hanaan für feine 9Jad)- 

Abraham berufen wirb, enthält ein ©ebot unb eine fommen $u. $icfc gufage geftpap benuittelft einer 
Zerbeißung. Slbrapam foll 2lUeS oerlafjen — V a t e r- ©rfepeinung beS .ftcrrit, bie Wbrapam erfonnte, barum 
lanb. 35aS Sonb Aftefopoiamien. Verwanbt- „baute er bafelbft bem §ernt einen $lltar," um ba- 
fdjaft. ©r gehörte *um ©cfcplecpt ber cpalbätf*en burep ben geheiligten Voben$ur©tätte ber Vercprung 
Semiten, unb Vaterhaus. XI) ara P unb feine Ja- ©otteS flu machen. 

milie (ftap. 11, 31. 32). Abraham foU fid) alfo un* Ö. 8. $as dämliche that er hernach im ©ebirge, 
bebingt ber fjubrung ©otteS anoertrauen, ihm folgen, wohin er tool)l um ber nötigen Vktbc für feine 
wohin er ihn führen wirb. Jür biefcS Opfer ber beerben willen 50g, nadjbem er bort fein gelt aufgc 
©ntjagung unb Verläugnung aller natürlichen Vanbe fd)lagen „Bethel unb weftwärtS, 2li unb ofttoärtS," b. 
ertbeilt ihm ber §err bie überfdjwengltd) große Ver- p- an einer Stelle awtfcpen Bethel unb Ai. 
beißung: „ich Will bi* au einem großen $er s JJame Vctpel ftept pier oorläufigerweife. Vc 
Zolle machen, unb bid) fegnen unb beinen thel war in ber Wicpter$eit Ort eines £eiligtpums 
tarnen groß machen unb follft ein ©egen (1 ©am. 10, 3) unb and) einmal ©iß ber Vunbeslabe 
ietn." ©ott oerpeißt ihm feine fpeciefle Leitung (Wicpt. 20,18. 20), fpäterpin ein <pauptort ber oon 
unb jwar in ein neues £anb. Zierfa* ift ber ©egen, gcrobeam angeorbneten ungefeßlichen ©otteSanbc 
ben ©ott ihm in ftuSficht ftellt: 1) Vermehrung ju tuna (1 «Sion. 12, 29; 2lmoS 7,10); baher fein 9iame 
einem jahlreidjen Volte; 2) leibliches unb geiftlicheS Vcthd, ber an bie ©teile beS alten Samens ^uS trat, 
©ohlergehen; 3) Verherrlichung feines Samens b. i. V. 9. „2Ö id) ferner gegen 9Jtitta g." 3)as 
(^hebung 2lbrahamS ^u ©h re lin ** Scrrlid)fcit unb SBcibebebiirfniß beS s J?ontaben,bie2lhnung bcSg-rotn 
4) Veftimmung^um Xrdger unb ©benber beS SegcnS. men, bie Umgebung beS Patriarchen in bie ©otteS- 
Abraham joü nidjt blos ©egen empfangen, er foü leitung führen ihn weiter iübwärtS 5U einer lieber- 
ielbft ein ©egett unb ©egensoermittlcr für 2lnbere laffungim füblid)en ^iftrirte Kanaans gegen bie ara- 
werben. 2)er ©egen foll fortan mit Abraham gleich^ bifdje mifte hm (£ap. 20, 1). $iefeS V3eitergehen 
iam oerroachfen fein, fo baß ©egen unb giu^ ber unb VMeberaufbrcchen ift eine Verattjd)aulichung ber 
IKenichen oon ihrer Stellung 5U ihm abhangen wirb, SebenSweife beS 9?ontabcn f Wie aud) bas SSohnen im 
unb in ihm alle ©cfd)led)ter ber ©rbe gefeanet jein Wer- gelte, 
ben. ©ein 9fame als ©laubcnSOater foll burch bie Praftifdjr ©ebanfen. 

Seltgefcßichte fortlendjten unb fortwirfen. Xer ©e- lieber üierhunbert gahre liegen jwifchen ber We¬ 
gen «brahamS wirb bte geteilten ©efchlechtcr wieber fd)id)te ber ©linbfluth unb ber Verufung Vlbraham's. 
,^ur ©inheit oerbinben unb ben um ber ©üttbe willen Tie ilenntuiß beS lebenbigen ©ottcS unb ber lebenbige 
über bie ©rbe oerhängten giuch für bie ganje ®tenfdh= ©laube an il)n, welcher unter 9toal) unb feinen Söt) 
heit in ©egen umwanbeln. «Dieje Verheißung um- nen l)errfd)tc f war längft im s >luSfterben begriffen. 
i|>annt alle Völfer unb geiten unb fteut bie qan^e ©ollte baper jene ©rfemttniß unb jener ©laube nicht 
Julie beS göttlichen SRathjcpluffeS jum ^eile ber 9Jfen- oollftänbig aus ber enfepheit oerfdpwinben unb biefe 
)dien in bie Verufung SlorapamS hinein. niept abermalsunrettbar bem ©erichte entgegenreifen, 

V. 4. ^brapamS SebenSalter wirb angegeben, fo mußte ©ott burd) außerorbentlicpe unb uitoerfenn 
weil mit feinem ßluSjuge eine neue Periobe für bie bare ©elbftoffenbarung entgegenwirfen unb fid) l)ie- 
©efcpichte ber SKeufcphett beginnt. burep eine ©emeinbe ©olcper bilbeit, bie fiep ipnt 

V 5. ^)ier wirb untftänbltcp berichtet, wie 2lbrapam willig unb riidtpaltloS pingäben unb infolgebeffen ^ur 
mit feinem 3Beibe, mit £ot unb iprer ganjeit Jpabe an Vermittelung beS öeileS an bie gau^e 9)^eufd)hcit 
Ziep unb ©eftnbe oon öarait aufgebroepen unb nach geeignet wären, gum Anfänger btejer ©emeinbe 
Xanaan gezogen ift. ©r ließ jurücf, was er laffen war s 2lbrapant attScrfepen. Unt ipn für biefen feinen 
maßte, er napm mit, was er mitnehmen fonnte. Un= Veritf peratnubilbcn, bewirfte ©ott in ipnt burd) 
rer ben Seelen, bte fie genüget patten, ftnb eigentlich wieberholte Offenbarungen, burep Verheißungen unb 
Die perfonen ber ©flaoen unb ©flaoinnen, bie beren Erfüllung, burd) wunberbarePtacpterwcifungeu 
Abrapam unb fiot erworben patten, gemeint. unb fegenSreicpe SebenSfüprungen bie jelfcniejte ©c- 

C. 6 . 3 n Äanaan angelangt, burep^og ^Ibrapam mißpeit oon ferner wahrhaftigen unb ausicpliehlicpcn 
MS ganb bis gen ©iepem, ber Ort, wo fpäter bte ©ottpeit unb eine bebingungslofe Eingabe an ipn 
5 tabt ©ic^em entftanb, bas jepige Nablus, ^wifepen unb jeinen SBillcn. gn biefer Slbficpt fnepte er ipn 
Dem ©bol unb ©arijin, mütem tm Sanbe. ü mä cp.fl ^cn oerberblidjen religiöfen ©iitflüfjen feiner 

iie Vemerfung, baß otele Äanaaniter tm Sanbe Jamilie auenUiepen unb ipn in etnefiage^u bringen, 
oopnten ift gemacht mit fRücffi*t auf bie folgenbc in meld)cr er jicp gan^ unb gar auf ben ©cpup unb 
Zerbeißung, baß ©ott biefeS Öanb bem ©amen ©egen beS lebenbigen ©ottcS angemiefen jap. ©r 
«brahamS geben will. befapl ipm, außer aüe Vc^iepung ^u feinen Ver 

• j qßc& ßanb, in welcpeS 2(brapam gefommett, wanbten ju treten, aus §aran ausjuwanberu unb io 
»ar niept unbewohnt unb h^renloS; Äbraham fonnte lange fortju^iehen, bis er felbft bas giel feiner VJait 


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54 


Hut brt Jrit. 


berung als erreicht beaeicßncn werbe. dagegen wollte 
er ißn, ben ftinberlojen, autn Stammoater eines 
großen Volle* werben laßen, ißn überjtßwenglicß 
jegnen uitb il>n aum Vermittler beS §eilS für alle 
Völler ber ©rDe machen. DiefeS VefeßlS* unb Ver* 
ßeißungSwort tnaeßte auf ißn einen fo tiefen ©inbruef, 
baß er oer crßaltencn Sei jung im gläubigen ©eßor- 
jam ju folgen bejeßloß. 

3n biefer jufammengebrängten Sieberßolung ber 
£eftio n ßaben wir eine llare Scßilberung ber © r- 
forbemiffe unb VeloßnungbcS wahren 
©ottesbi e ufteS, welcße ißre Anwenbung au, 
jeben einj einen 3flenjeßen finbet. 

1. ISaS gehört jum Wahren ©olteihtenpe? 

1 . ©eßorjam gegen ©otteSAuf. V. 1 . 
©ott forbert öon Abraham, baß er Alles berlafje, 
Vaterlanb, Verwanbtfdjaft unb VatcrßauS. ©r joll 
fieß ber unbebingten Leitung unb güßrung ©otteS 
ßingeben. 

Norbert ber §err weniger bon uns? §öret waS 
3efuS felber gejagt ßat: „Ser Vater unb Sttutter 
meßr liebt, benn mieß, ber ift meiner nießt wertß. 
Unb wer Soßn ober Docßter meßr liebt, benn mieß, 
ber ift meiner nießt wertß. Unb wer nießt fein $reuj 
auf fteß nimmt unb folget mir naeß, ber ift meiner 
nießt wertß" (3ttattß. 10 , 37. 38). „Alfo aueß ein 
3eglid)er unter cucß, ber nießt abjagt Allem, baS er 
bat, lann nießt mein 3üugcr fein" (ßul. 14, 33). 
Samuel, ber ftnabe, antwortete auf ben Auf ©otteS: 
„Aebe Jperr, bein Änecßt ßoret!" £>ören wir ©otteS 
Auf an un* unb leiften wir bemfelben unbebingten 
©eßorfam? 

2 . ©tauben an ©o1 1 e3 Sort, V. 4. „Da 
aog Abraham aus." ©lauben unb ©cl)orfant geßen 
mit einanoer. Der Verfaffer beS ©bräerbriefcS jagt 
unS: „Durd) ben ©lauben warb Abraßam geßorfam, 
ba er berufen warb, auSaugcßen in baS ijanb, baS er 
ererben follte, unb ging aus, unb wußte nießt, wo er 
ßiitfäme" (©br. 11 , 8 ). VauluS ertlärt Aöm. 1, 5, 
baß er baS Apoftelamt empfangen ßabc, unter allen 
Reiben ben ©eßorfam b e S © l a u b e n S auhu* 
richten unter bem Hainen Qefu ©ßrifti. Oßne ©lau- 
ben ift eS uitmögli<ß ©ott 511 gefallen. Unter biejem 
©lauben berfteßen wir ©ott bei feinem Sorte 
au nehmen. Das tßat Abraßam budjftäblid); er 
ging aus, oßne au rnijfen, wo baS 3^1 ber fReife hegt, 
©ott wußte eS, unb baS war ißm genug. 


„©lauben beißt ben öeilanb nehmen 
Den unS ©ott 00 m §immel gibt, 

Sicß bor ißm nießt fnecßtijeß feßämen, 

Seil er ja bic Sünber liebt." 

3. Verehrung feines A a m e n S, V. 7. „(Sr 
baute bafelbft bem £>errn einen Altar." ©r wollte 
babureß ben bureß bie ©otteSerfcßeinung geheiligten 
Voben nt einer Stätte ber Vereßrung ©otteS maeßen. 
DaS Aamlicße that er jpäter. Aus ©lauben unb 
©ehorfam gegen ©ott erwächft bie Danlbarleit unb 
biefe muß Opfer bringen. ©roßeS ßatte ber §err an 
Abraßam getßan, warum follte er meßt feinen tarnen 
üereßren unb ihn anbern anpreijen? Ser ©ott 
bienen will, muß fieß ißm aum Opfer weißen. Die 
befte ©abe, bie wir bringen tonnen, ift unjer £cra. 
Da „joll Aiemaitb brinn woßnen, als 3fejuS allein." 

II. Vrloßnung M toabren ©offeilienfleS. 

1 . ©ottes Segen bleibt nießt aus, V. 2 . 
„3cß will bieß jegnen." Der &ert gab ißm leibließe* 
unb geiftlicßeS ©ebeißen. „A 6 raßam aber war jeßr 
reich oon Vieß, Silber unb ©olb," 6 ap. 13, 2 . 3a, 
ber Segen bes ^>erm matßt reieß ohne 3)1 ü ß c! 
©r war auch reieß im ©lauben unb ©ottoertrauen. 
©S loßnt fieß ein WaßreS Äinb ©ottcS jufein; bift 
bu eSV 

2 . ©ott eßrt feine $inber, V. 2 . „3U) 
will bir einen großen tarnen madjen." QefuS jagt: 
„Ser mir bienen wirb, ben wirb mein Vater ehren." 
Slbraßant ift genannt ber Vater ber ©läubigett (9tÖm. 
4,16). Unb ber Segen SlbraßamS ift gefommen unter 
bieJöciben (©al 3,14). 

Sillft bu ©ßre unb ^luS^eicßnung genießen, Werbe 
ein waßrer ©brift, gib ©ott bein £>era; biene ißm betti 
fiebettlang unb er wirb bieß frönen mit langem Sebctt 
unb bir geigen fein $eil. 

3. ©ott maeßt feine Stinber aum Segen 
Slnberer, V. 2 . 3. „Du follft ein Segen fern." 
„3n bir foHeit gejegnet werben alle ©jjcßlecßtcr auf 
©rben." Sieße Violifcßer ©runbgebanfe. 

4. ©ott feßentt feinen Stinbern ein Vc 

f i ß t ß u m, V. 7. ? ,DieS Sanb." 3111 e S ift ©ottei? 
Äinbern äuge jagt; fie ererben baS ewige Sieben. 
aber begehren fte eines befjern, nämliiß eines ßimm- 
lifeben. Darum feßämet fieß ©ott ißrer nießt, 
ßeißeit ißr ©ott; benn er ßat ißnen eine Stabt aube 
reitet" (©br. 11,16). Ser wollte ©ott nießt bienen V 




Jlus ber ^etl. 


$otobrr(ß unb bie fatßottfdjen üfeßöfc. Die 

amerifanijeßen ©rabifeßöfe ßatten eine Verfammlung, 
in weldjer fte berietßen, weldße Stellung bie fatßolifcße 
Stircße aum Orben ber 3lrbcitSritter einneßmen foUe. 

Unb fieße ba — ^owberlß war aueß babei! Der 
Vertreter beS neuften gortfcßrittS unb bie Vertreter 
ber SReaftion! Sie paßt baS? ©ana gut, wenn fie 
einaitber braueßen tönnen. ©S ßat jeßon öfters gepaßt. 
3lber woau braueßen? Vei ber Vtlbung ber neuen 
politifeßen Arbeiterpartei unb aur Ausbeutung ber* 
jelben. 

©ine folcße Partei wirb gebilbet, barauf berlaffe 
man fi*, wenn nießt bur* gana uußer 0 rbent¬ 
ließ e Umftänbe bie Saeße au Saffer wirb. Sir 
ßaben eS jeßon oft auSgcfprocßert, baß bie ArbeitS* 


ritter nach politifeßer 3 Jfaeßt ftreben unb jeit ißr ©an 
bibat in Aew ?)orf ß3 f 000 Stimmen erßielt, ftreber 
fie meßr barndeß als je. 

Aucß^3tom ringt naeß politifjßem ©influß in bei 
Ver. Staaten. Unb wie? könnte berfelbe ntcfi 
bureß bie 3lrbeitSritter errungen werben? Die fat^e 
lifd^en Vifeßöfe wiffen reeßt wohl, ba| bie Arbeite 
ritter eine neue politijeße $anei grunben woUcn 
Sie benußten bie ©elegenßeit. 

^Sowberlß fam au ißnen, woßl auf einen freunti 
lieben Sinf—unb mm OrrdanUtate fidj. 

Vowberlß foH bie geftrengen Vifcßofe gan* bon be 
Aed^tmäßigfeit ber Sacßc ber Arbeitsritter ubcracuc 
ßaben. 

Dabei füllen ßauptfäcßlicß folgenbe ©rünbe maf 


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©fftne jßoft. 


55 


jfbenb getuefen fein. 3)te Arbeiter hätten baS Stedjt, 
ndj unter Den ©efefcen beS SanbeS unb ohne SBiber* 
ftreit gegen bie ©efefce ber Äircbe ju organifireit unb 
itd» auf frieblidjem unb gefefclicbem SBege gegen Uit* 
tnbrütfung ju fd)üßen. @3 ftnbe ftd) in bent Orben 
nichts, was ber ©ittlichfeit feiner Sttitglieber fd)äblid^ 
feL $te Ärbeitsrittcr Rotten »erfchiebenen fatI>oli= 
id»en ©eiftlicbeit freiwillig itjre geheimen Berl)anb* 
lungen, ja feloft ihre SofungSworfe unb ©riffe untere 
brntet, unb ihr Oberhaupt Bowberlt) höbe ja ben 
(hjjbifcbbfen perföniid) offenen 9tuffd)luß gegeben. 
XaS legte ^Blenarconail m Baltimore forbere bie 
geheimen ©efeüfchoften auf, ben Beweis ju liefern, 
baß fie feine bofen 3wede »erfolgten. 3)ie SlrbeitS* 
ritter aber Ratten ihr SBirfen flar gelegt unb betoiefen, 
baß ihr Orbeit nichts lieblet in ftd) fcpließc unb feine 
üRitglieber JeineswegS s ur ®ehetmf)altung verpflichte, 
jobalb biefelben bon fompetenten *ßerjonen betreffs 
ber Angelegenheiten tyreS OrbcnS befragt würben. 

drnbgulttg ^at nun über bie grage, ob ÄatljoliJen 
m ben vereinigten Staaten Arbeitsritter fein fönnen 
ober nid)t, bie StarbinaHlongregation in Dom *u 
entjepeiben, welche mit ber Bciirttjeilung biefer Sadqc 
betraut ift. 3 n biefer Kongregation bat, unter bem 
^orfib beS BapfteS, ber tarbinal Monaco Sa Valetta 
bie öauptftimme. SBenn Dom ben Anfichten ber 
amerifanij^en ©r^bifchöfc beitritt, fo loirb ber $ar* 
bmal-Kr^oitWof Xafajereau oon Quebec in Kattaba, 
welcher bie ArbeitSritter berurtbeilte unb ben $atpo* 
lifen oerbot, iraenb etwas mit bem Orben 511 tbun 51 t 
haben, feinen Bannftrapl aufbeben muffen; benn bie 
canabifcben ^Irbeidritter gehören ja bem Berbanbe 
ber amerifanifeben an. 

(Zimt fo$tattf!tfi|e üepubUf. Qn ben an 9Dej-ito 
gren^enben ©ebieten ber Ber. Staaten foö eine Be* 
wegung im ©angc fein, bie nichts ©ertngereS be^wedt, 
als eine Eroberung ber nörblidjen Staaten oon 
iRejrifo (Kbib ua ^ ua f 3)uratigo, Sonora u. f. tu.) burd) 
eine Armee, bie in ben Ber. Staaten atigeruorben 
inerben foö ober — wenn man ben etwas nach Sen* 
iation anSfehenben ReitungSbericbten glauben barf — 
*nm größten Xfjeil fa)on angeworben ijt. gebntaufenb 
Blann füllen für baS Unternehmen )d)on gewonnen 
unb bem ©eheimbunbe, bcnti um einen folgen bon* 
beit cs ficb, beigetreten fein. 


$aS wäre ja gan* prächtig! Da fönnten bie fojia* 
liftifeben SBeltocrbefferer einmal geigen, Was fie ton* 
tien. Sie tönnten wenigftenS probiren, ob fie etwas 
BeffereS ju Stanbe bringen als baS, was auf c^rift* 
licher ©runblage erbaut worben. 

feine fruchtbare ©egenb ift baS nörbli<be SDeyifo 
nachgrabe nicht, unb Die Herren Sojialiften müßten 
gewißlich ihr Brob im Schweiße beS AngefidjtS effen. 

And) werben fie jo fdjnell nid)t auf ben Krobe* 
rungS^ug auS^ieben, welcher übrigens ein f e h r um 
gerechter wäre. 

diite fomifdje ©eriditSfccnr, bie aber einen fe^r 
traurigen Inhalt hoi unb ein grelles Sicht auf bie 
Berhältniffe wirft, fpielte fich im »origen $ttonat in 
Berlin ab. $er Arbeiter SBilhelm granj Schüler, 
batte ficb wegen $)iebftahlS »or ber britten Straf* 
Jammer beS SanbgeridbtS I. 30 »erantworten. 9JJit 
einer gemiffen Steubigfeit befannte er ficb fdjulbig. 
Bräf.: Sie finb |d)on neun mal wegen TiebftaplS »or* 
beftraft unbjwar_(Angefl. unterbreebenb): Sieber 

t err Bräfibcnt, laffeit S’ et man jut finb unb fparen 
e fiep be 9ttübe, benn icf Jenne alle meine Strafen 
jan$ nad) ber 9teibe. ^räf.: 93c!ennen Sie ficb benn 
fdjulbigV 5lnge!l.: 9Ja »erfleht ficb; id bin ja nad) 
aue Dichtungen bin fcbulbig. $räf.: Sie hoben alfo 
bem Leibwächter Sebmann, ber Lh nen ein Dad)t* 
quartier gewährt hotte, 4 Kaninchen geftoblen? 
5lngefl.: Siebfter ®err ^ßräfibent, wat foU ia armes, 
altes $»b n i> enn weiter machen. Seb'n Sc hier, mein 
jan^er Unter 91rm iS mer jeläbmt, arbeeten fann id 
nicht, ©elb befißc id aber ooeb nid) ’ne Slleenigfeit, 
junger höbe id berbe gehabt — alfo wat bleibt mer 
benn übrig, als 511 fteblen, um wieoer in’S Gefängnis 
511 tommen. ^räf.: Jpaben Sie bie Kaninchen »er 
rauft? ?lngefl.: 30 woll, for 50 Pfennige. s ^räf.: 
Lür alle üier? ^ingefl.: 5ld) Qotte bod), eenS war 
ja fdjon hobt! — 3)er Staatsanwalt bringt trog ber 
»ielen ^orftrafen noch einmal bie Bewilligung mil* 
bernber Umjtänbe in Borfdjlag unb beantragt \% 

a re ©efängniS. $räj.: 5lngetlagter, hoben Sie 
etwas anaufüfjren? 51nge!l.: 3 bewahre! BloS 
wenn id bitten bürfte, baß Se mir nicb nod) wat ba* 
»on abbanbeln, unb bann möchte id meine Strafe 
aber ood) gleich antreten. — $er ©erid)tSbof erfannte 
auf 1 3 a hr ©efängniS unb ©h röe rluft auf 2 Qahre. 


- « - 

0ftne ^o(f. 


#rnmaiirrnbr 3uf<6rift(R erhalten wir beinahe mit jeber 
fjft unb finb berjlids bantbar bafür. «ui ben Dielen, bie uni 
:r%tm SRonat augeqangen ßnb, greifen mir nur bie beraui, bie 
an* «fron, C. tommt: 

fann nicht umhin, ®ir mit foenigengeilentunb ju tbun, 
&. u. p. in meiner r ,f$amilie" feine ÄSurbigung, unb $ein 
untere« Soaffen bei mir im ©efonberen marme ®nmbati)ie ge» 

. . Mn '/■ _'Ai. ...U na Urni M.» . U. 


tir »oute id) breift unb mit einem mombereihtigten ©eOjftbe* 
^«itfein anr [eben Söihertifih legen. ®anü befonberi paette 
Kii Änarmiften * ©efängnift in Chicago;^ bann „Älauiner;" 
^■iie unb Cugenie;" ,, 9 iaturm. Seitalter;^ »fiel, ©iütben 

«tkher eocialbemofvatie." «. 3. »ucher. 


min fdßdneS nttb bißi$e§ &eflgefd)ent ift § ans unb 

cerb für 188 7. M 3ung unb «tt, bei ßehrer unb 

3 £älfr unb 

l«it) tefonberg «u4 in Rer alten $eimat1j, 

1 Xrutw&taitb nnb ber Sdftoeis, fehr nHatommen fein. 


©Ue alte« Uiiterfchreiber erhalten bie Kummer, 
ffiir hoffen, bon feinem einzigen «bfchieb nehmen $u müffen. 

Uitfere wertbe» fiefer fönnen einer guten ©adje ichr behülflidi 
fein, wenn fie ihr ,,^>aui unb ^erb'' bem Wadjbar leiben 
unb ibn bann bitten, ei ielbft au halten. Ober wenn fie uni 
«breffen ichicfen, an bie mir ^rooenummern fenben fönnen. 

«ttgenommnte «rttfel. ©täubige grauen ber eoangelien. 
—«ui ©olfiocrfammiungen, bie uni manchei fagen. — «ui bem 
Urroalb. — ßinfoln ali güngling. 

©r. Orib fd>rcfbt, er fei fehr befriebigt mit bem Stefultat 
feiner «n^eige in 4>aui unb ^>erb. ©ir münfehen auth fernerhin 
(Srfolg unb empfehlen 0bn befteni. befouberi folchen unfern 
ßefer, bie gute unb billige Wübmaftbinen ju taufen gebeuten. 
Siehe feine«nAeige auf 3 )ecfenfcite. 

gfir ben neuen Jahrgang finb bic umfaffenbften «norb* 
nungen getroffen. 

gelang, neue, töihtige Mitarbeiter ju werben, bie über bc* 
ftimmte aufaegebene Öegenftänbe fchreiben werben, 
gür bie «btneilung — „g r a u e n 3 e i t u n g" fmb mehrere tüch- 
I tige grauen gewonnen worben. 

«uigeaeichnetc ©tahlftiche unb biele gute $o!^ 
: f d» n i t i e unb neue Schrift hat unfer ©erlag angefdjafft. 


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56 


Ilm lüdjfrtiCd) 


Jim ^Sü^erfifcß. 


Amalr Barfon'R Joiirnnl. ©ine @efcbid)tc aud bem £e^ i 
bcn oon Wird. G. G. ©ilbur. Verlaß bon Granfton & Stowe, 

Gine einfache unb bocf) fefjr lehrreiche £ebendgcfd)ichte, bic jur 
Wädjftenlicbe, SBohlthätigfeit, ©ottcdfurd)t, ©rt)arrlid)fcit unb 
Gntgaltfamfeit auffoibert. 

(ShriftlirfK ©cbhbte eilte# befristen 3*raelfteu, öon^f. 
$. SBaHfifch. 

ffiir haben und recht erbaut an biefen netten, aud bem §eraen 
entfprungenen ©ebidjten. Dicfelben finb fdjon beßfjalb inter= 
effant, weil fie bon einem belehrten ^dracliten flammen. Der 
Wetuertrag ift für bcn Grljaltungdfonb bed beulid) - englifchen 
Gollegiumd au ©alena, 3ü., beftimmt. 

Huticbrffl. Drama in fünf Elften, bon Wbam Warne. Drud 
unb ©erlag bon 3of. Cehniann. 

Den ftntidjrifl aeidmet ber ©erfaffer in ber ©ottedperneinung, 
btefidj felbft aum ©ott macht unb aldbann bie Schroiiten burct)- 
breajenb, au Wufrubr nnb Wuarchie fcfjreitet. Gin cocl angelegter i 
UJfenfdj — ©ottfrieb — ift cd, ben fleh Satan erfieht, biefc 8wcrfc 
bu rehauführen. ©ottfrieb wirb Pcrfchiebene Söegc geleitet. Gr 
lernt bie Jöofjlbeit ber ©clt unb ber Wlenfdjen fennen. ©rafen, 
dürften, ©eicbrte, ftünftler, fatl). ©rtefter, Herren unb Damen, 
mit benen ©ottfrieb aufammentrifft — finb aflefammt flingeubc 
Schellen. Gine fliuqcnbc Schelle, bie audj aum Ghorud ßebört, 
bat aber ber ©erfaffer Oergcffcn (!) — nämlich benrationa* 
liftifchen protcftantifchen Pfarrer. ©on feiner erften 
Üiebe betrogen, wirft ftd) ©ottfrieb bem Satan gana in bie 
Werne, ber ihn bon ben heibmfehen ftlaffifcrx bie Wrgu* 
mente für bad Sliitichriflentbuni holen läßt. Unb nun gebt cd 
fdjneU abwärtd bi-ö tum Wufrubr unb aum Schaffet. Die oer= 
fötjnenbe nicnfcblidie yfigiir ift Wunela, bie gottedfürebtig ift unb 
©ottfrieb liebt, unb enblid) bon ihm geliebt wirb. Dad Gnbe ift 
lob unb ©laubc an ben Grlöier. Der bumme Deufel wirb be= I 
troaen. Wlfo — fo eine Wrt ^auft im ft leinen, nur mit bem Un= j 
tcrfrfjicb. baß bic Grlöfung oon oben tommt, anftatt oom Wien- 
fdjen felbft. 

Die Dicfflerfraft, welche biefed Drama geftbaffen, ift feine unbe- 
beutenbe. 0b bad SScrf aber in ben ftreifen, too cd am meiften 
nötbig ift, Wirtjam fein wirb, ift fraglich- Schwanfetibc, namentlich 
junge Ücutc, bte noch nidjt abgefallen, mag ed befeftigen. 

Der $Htgef«ftalrnbrr für Stabt unb £anb auf bad 3ah r ! 
1887. $>eraudgcgebcn nnb berlegt oon ber ©i(gcr=©uchbanblung» 
Weabing, ©a. I 

(Berinania ftalenber für 1887. ©erlag bon ©eo. ©runber, 
Wttlwaiitce, Äöidc. 

Deutld>«Wiiicrffauff<bed 8£aga|ftt. ©iertcljahrdfchnft für 
©efehäfte, Literatur, ÜSiffcufchaft, ftunft, Schule unb ©olfdlcben 
ber Dcutfchen in Wmcrifa. $eraudgegeben oon W. Watter* 
mann, Gtncinnati, 0. 

Gin ftattlichcd ©icrteljabrdheft, ba« fid) bie rüljmlirfje Wufgabe 
gefefet t>ut, bic ©cfdjidjtc ber Deutftben in Wmerifa au erbalten. 

Wm# bem ©erlag bon unferm Draftatbau3 in ©erlin ift un§ 
ber ^abre§bcrid)t beä ©etbanienbereind tn fjranffurt a. ©t. au- 
gelommen. 

Witter. IJfe, Wissel. Thelr Essence, Pheuoraena 
nnd KeliitIons, examined wlth referenceto the Nature 
of Mau, and the Problem of his Destlny. By H. H. 
Moore, I). D. ©rei^ $1.50. Wetb ®ort, ©bilißä & ^>unt; Gin¬ 
cinnati, Granfton & Stotoe. 

Unfer Zeitalter, toelcbe« man ba8 materaTiftifcbe genannt bat, 
fann nicht oft genug auf bie ©eit be$ ©eifted genuefen »erben. 
Jn biefem ©uaj gefebiebt bie§ auf grünbhebe unb tntereffante 
©eife. Der ©erfaffer bat ba3 8eug. nicht bloß baä miffenfchaft= 
liehe Wtaterial berbeiaubriugen, fonbern baffelbe auch in bolf«= 
thumlicher ©brache baraufteuen, tbaS bei foldien Wbbanblungen 
aur Jiaubtfache gehört. Denn foH bem ©tatenali«mu« unter ben 
©taffen gefteuert werben, io muß man bem ©olfe geiftige ftoft 
bieten, welche e« berbauen rann. 

Hui bem ©erläge bon ©bittipg & #unt, Wew ®orf, ftnb unö 
folgenbe ©üchcr augefd)idt worben: 

Lesson Commentary on the International S. S. 
Lessons for 1S87. Webigirt bon Dr. ©incent unb Dr. #urlbut. 
The Senior lesson Book. The Berean Questlou Book. 
The Beginners Book. 

Hefter 3af>re#*©crfc&t bei Deutfchen Gbangelijchen j£>ülfe= 
©ereind ber Stabt ©rootlpn, über feine Dhätigreit im ebangey 
lifchen $eim, 3rairfa^ Str., nahe ©roabwab. 

®rfd>id)te Wto fei, Gin büb|ched ©eibnachtdbucb mit 86 ©il= 
bem, bauptfächlicb für ftiitbir ©rcid 15 Gentd. ©ilger-©ud)- i 
banblung. ! 


Two IhouieiHl Mite« ttironiirli Ihe Heirt «I 
Mexico. By wev. J. Hendrichson McCarty, D. D. ©reid 
$1.85. ©erlag bon ©billig * €>«nt, Wew Dorf; Granfton* 
Stowe, Gincinnati. 

Gd ift bied nicht eine gewöhnliche Weifebefdjreibung, fonbern 
eine Sthilberung bon Üano unb Seutcn, bic biel ©cfchia)td=, Wem 
fthen= unb Waturfenntniß berratb. Wan lernt alfo mehr, aldbad 
ber Weijenbe ba unb bort geweieu unb ein baar Wcnfchenfinber, 
ein Du$enb Stöbte unb ©erg, Dbal unb Gucne gefeben habe. 

I.eft- In l*i, €■ WIMernem. By Mary A. Roe. Wem 
Dorf, ©bißibb* & 4>unt; Gincinnati Granfton & Stowe, 

Gine echte ©efebiebte ber ©ilbniß. Sie berfefct in bie 3eit ber 
erften Wnfiebelung bed Staated 0bio. Der ^anbtebararter ber 
Graäblung ,,^obnnb Wbblefeeb"' ift ber befannte 0hio=©ionier 
^ouatban GbaPman, aber jenen Wionamen ber Pielcn Wpfelbfiume 
wegen erhielt, bie er aud Wpfclfernen gcaogen. Wn biefem ©udi 
werben bic ftnaben große ftreube jj a ben. 

Kiilfcht of Labor. Grand March for Plano or 
Organ. By J. Y. M. Prlce 40 Cents. Published by Ign 
Fischer, 121 Summlt St., Toledo, O. 

Die ffuifpradir euglifdier !SBorter. Gine furae Anleitung 
aum fcbnellen Griemen ber englifdjcn Wu*jpracbc. ©on Way 
straube, ©reid 50 Gtd. 

Gin recht nü^liched ©üchletn für folche, welche englifd) lernen 
wollen. 

Ont of tbo Brook er«. Wo. 5 bon ber Up the Lndder 
Serie«, ©on G. W. Wanb. ©erlag bon ©hillipd & 4>unt, Wcw 
Darf; Granfton A Stowe, Gincinnati. 

©icber eine prädjtige Graäblung für ftnaben bon Gbuarb Ä. 
Wanb! Gr hat in ber “Up The Lndder Club Series’* unb 
anberc ©efchichtcn bewieien, baß er für ©üben febreiben fann. 
3cbe feiner ©efchichtcn bat ein beftimmted Sich — ^n oorliegenr 
bem ©udie ^eigt ber ©erfaffer, wad junge fieute au tbnn haben, 
bie fich in einem Sebendbemf finben, welcher ihnen nicht aufagt. 


Vngrnni Vrraef». By Josephine Pollard. ©reid 
$1.00. Wcw Dorf, ©hiöipd & ^unt; Gincinnati, Granfton & 
Stowe. 

Diefe ©cbichte erfchienen früher im „Gentiirb," in „^arperd 
ffieeflb/' ^(tnbepeiibent/' „Wcw Dorf iVbger,“ 2 e. unb finb hier 
in febr bubfehem Ginbanb unb feiner Wueftattung aufammen^ 
gcftellt. * 

John l'wnsclence of Kinirneol. ©reid 80 Gtd. ©on 
3ohn W. ©amforb. Wew Darf, ©hillipd & $unt; Gincinnati, 
Granfton & Stowe. 

Gine fehr ernfte, aber intcreffante Graähfung. 

31on3 Herlrndtfrr. Gine Sammlung auderwähltcr, lieb= 
lieber Gompofitionen für gcmifchten Ghor, mit befonberer Wütf- 
Ticht auf ehriftlidjc Sänger-©creme, ©earbeitet Pon Gmft ©ct= 
barbt. ßweiter Dhetl. ©remen. ©erlag bed Draftathaufed, 
Wülfen. 

Der ©erfaffer ift in chriftlidjen Sängetfreifen Weithin auf'd 
©efte befannt. Gr bat fid) ald Gompomft, Sänger unb #eraiK^ 
geber einer Änaabl fiteberbücher, einen Warnen gemacht. Da» 
Porlieaenbe ©uch enthält 152 Wummern, bie in jeber ©caiebung 
bem Mwecfe entfprechen. Wammtlich finb bic lieber wirflid) 

1 i eblichc Gompofitionen unb meiftend leicht audauführen. ©tr 
empfehlen bad ©uep auf’d ©efte. 

ÜRrfne (Wrofinutter. Äud bem Gnglifchen ber GPelpne 
Gberett ©reen. Deutfche autorifirte Wudgabe Pon Waria 9 Wot= 
genftem, ©afel, Drud unb ©erlag Pon ftens Sdjneiber. Goclönc 
©reen ift eine berühmte SchriftftcHcrin, beren ©robufte unter 
bem englifchen ßcfepublifum retßcnben Wbfab nnben. ®tarie 
Worgcnftem ift eine erpropte Ucberfcherin. Die porlieflenbe 
Graäblung empfiehlt fid) burch ihren geoiegenen chriftlichcn ^n* 
halt unb Wir fönnen biefelbe auf’d ©efte empfehlen. 


©ferftimmigr fBefhnnd)tÄ*«f|&rc. Gomponirt Pon Oer* 
fd)iebenen Gomponiften. Wo. 2. Granfton & Stowe, Gincinnati, 
Gbicago unb St. Souid. „ßiefert neue Üiebcr, bauptiäcf)licb neue 
Gbnfttagd^fiieber/' alfo rufen unfere fortfchrittlichen Sönßer. 

Wun — bi« finb wenigftend Pier neue Gbrifttagd*2ieber, u n J 
awar gute, ©efanntiidi ift nicht Wlled gut, wad neu ift, un® 
manchmal würben unfere Sänger wohl baran thnn, lieber ettt»a* 
Wlted, ©ewährted au fitigen, ald neue Sachen ohne (Schalt. 
Diefefiicber haoenSepalt. Dad erfteift Pon3. ©San* 
üfdj, bem bewährten Gomponiften, eigend ftir biefed $jcft flcfdjaf* 
ten. Die beiben nädjften finb aud guten englifchen ©fiepern bem 
beutfehen Dcyt angepaßt. Dad Picrtc biefer tHcbcr ftammt and 
bem jweiten Dhcil ber ©erlenchöre, alfo cbenfalld and guter 
Cueue. 

Darum — nur frifdj beftellt. Weued unb ©uted ift ba. 


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■ Digitizecf 5y 


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Mitfjefjnfer ^ani). 


3te6nwr 1887. 


^weites .Äcff. 


Frauenarbeit im Urfd)e <3ott(0. 


(fcicrau baö Xitcllilb.) 


dfeitor. 


« ßne weitere (Einleitung über bie Stothtoenbig* 
feit biefer Arbeit unb über bie Xüdjtigfeit ber 
grauen, bie Arbeit im Steife ©otte# p Der* 
ncfjten, fragen mir: 

I. 

St# gebärt benn mx Mem toap? 

Siebe gehört Pap. Siechte, reine Siebe au ben ßflen« 
idjeti unb pnt Steife ©otte#. So bie nicfjt im Herzen 
leot unb glüht, ba mögen motyl Anläufe genommen 
©erben, ba mag man mofjl -^citmeilig „mohltbätiae 
Same" fielen; aber mit ber Sir bet t im &teiq>e 
©otte^ mirb e# nie recht oormart# gehen. 

8 a« Siebe ift, ba# meiß eigentlich JJebermamt, ob* 
©obl ba« SBort oon ben größten SJccnfchengeiftern 
nod) nicht Ooßftänbig gebeutet morben ift. Ste# Un* 
cermögen fommt baßer, meil äd)te Siebe oon oben 
ftammt unb bie „g r o ß e ft e" ift. Solche ©abe unb 
Sxrrlidjteit !ann feine nteufdjltcfje gebcr au#ntalen, 
unb feine einzige ift bent oont heiligen ©eifte einge* 
^ebenen brei^e^nten ftapitcl be# erften Korinther* 
bneie# auch nur auf ßunbcrt ßßeilen nahe gefommen. 

liefe# Kapitel empfehlen mir allen Arbeitern im 
Stridje ©otte# $um Slu#menbiglernen unb bitten ben 
berm, c# 3 ebcm mit glüßenber ©cßrift in’# iperj 51 t 
fdjretben. 

8 er noch ein menig meiter über ba# Sort nach* 
benten miß, ber mag ftd) erinnern, baß e# moßl oon 
bent altbeutfdjcn Sofort Saf, bie $anb, abftammt. 
Cber er mag ba# nieberfädnifdje geittoort leeoen an» 


Sie Siebe giebt alfo unb nimmt. Unb barin be* 
ftebt, mic 2 äü£ grommel fo feßön jagt, bie grauen» 
arbeit im SRetdjc ©ottc#. 3 n — £tebe ßeben unb 
Siebe nehmen, Siebe reben unb auf Siebe laufen, 
Siebe [innen unb Siebe tueefen. Sa# ift reiche#, meib* 
l:djc# Seben, auch in ber fleinen $ütte, meil e# reich 
ift unb reid) macht. Siebe ift bie maßre ©enialitöt, 
tonn bie Siebe ift erftnberifeß. 

Stoßet hat einmal gefagt: „©# giebt Sflenfdjen 
otjne Hänbe, bie fönnen nicht geben nnb nicht nehmen, 
tonen aefje id) au# bem Sege. Sic Siebe aber hat 
mele Hanbe, £>änbe zum ©eben, Hänbe $unt Nehmen, 
hanbe pn ©chüfcen unb ©tfißen unb Haube pm 
tufrichten, Mnbe jum ©aitenfpiel gegen ©aul’# 
Srauergeift, öänbe jum pflegen ber tränten, Hänbe 
ptm galten tm ©eoet, $änbe zum ©egnen auf’# 


t aupt unb auch — pm mancherlei ©chreiben im 
ienfte ber Siebe." 

Saß tm Reiche ©ottc# lange nicht genug gearbeitet 
mirb, ba# liegt baran, meil e# an Dem ©runb*©lc* 
ment — ber Stebe — fehlt. Saß bei mancherlei »iel* 
gcfdjäftigfeit im Reiche ©otte# oft bod) nidjt oiel her» 
au# fontmt, hat feine Urfache barin, meil nidjt menig 
biefer SSieltßuerei au# anberen Duellen al# berjeni» 
gen ber Siebe entjpringt. 

3 * miH biefe unreinen Duellen nicht alle aufbeden. 
SBoßl aber an mich unb meine merthen Sefer bie ernfte 
grage richten: 3ft unfer Srieb pr Arbeit im 9teidje 
©otte# bie ädjt e, unoerfälfdjtc, reineSiebe ? 

Söa# bamit gemeint ift, ba# fühlen mir SlUe, rnenn 
mir e# auch nidjt au#pbrüden oermögen. Suther 

K : ,.SÖer beutfep tann, ber f pürt moßl, mclch’ ein 
lid) Söort ba# ift: bie liebe Sttaria, ber liebe ©ott, 
ber liebe gürft, ber liebe SJtonn, ba# liebe totnb, unb 
ich »^6 ntcht, ob man ba# SBort Siebe auch fo her^» 
lid) unb genügfam in lateinifdjer ober anberer Sprache 
reben möchte, baß e# alfo bränge unb ffänge in 
ba# fcerj, burch alle ©inne, mie e# tljut in uttjerer 
©pradje." 

3a moh£ an SJerftänbniß fehlt c# un# nicht. Sie 
Hauptfrage ift: ®efipen unb g ebra ud) ett mir 
bengemaltigftenSlrbeit#hebeliin$Reiche 
©otte#? 


IBi|er ilcr niwtnt «an fafi|e Siebe? 

SSon ber großen ©otte#liebe. Sie ift ja mie be# 
3tteere#fülle unb miß ba# arme SWenfchenherj füßen 
bi# Aum Sleußerften, unb Atoar burch beit ©lauben. 

3 jt ba# Her^ icboch nod) nicht in fo üölligcm SJtaßc 
mit ber ©otte#liebe erfüßt, mie mir c#fc!bftmün* 
fdjen, fo entfdjulbigt un# ba# nicht üon ber Slrbeit 
tm Reiche ©otte#. 

©# ift idjmer ju oerfteßen, mie fi* auch ba# jüngfte 
unb geringfte ftutb ©ottc# oon folcper Slrbeit enthal* 
ten rann, ohne bie Siebe p ©ott p oerliereit. Sil# 
ber 3 e ( u ber ©amartterin ba# ^>etl oerfünbigt 
hatte, läßt fie ben Ärug ftehen, eilt nach ber ©tabt 
unb ruft: „Äommt." §m felben Äapitel aber mirb 
berichtet: „©# glaubten aber oielc ber ©amaritcr an 
3 hn<; um be# SBeibe# 9tebe mißen." 

Siefe grau befaß moßl nicht ba#, ma# mir mit bem 
Slu#brud ü ö 11 i g e Siebe bezeichnen, noef) meniger 


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58 


frmnwrbrit im Iteidje flottr«, 


tonnte fie baS DöUige SKanitcSalter in Etyrifto Qcfu 
erreicht ßaben. 

greilicß wirb <55ott ,ber §err,oon bent, welkem üicl 
geneben ift, aud) oicl Arbeit forbent. Unb man tann 
bcßßalb oon $cnen, bie üöflig in ber Siebe unb ge* 
reifte ©ßriften finb, unter gleichen Umftänbcn bie er* 
folgreießftc Xpätigteit erwarten. §ab’ jwar aud) jeßon 
taS ©egcntpeil waßrgenomnten unb maße mir über 
biefe Sahrneßmung lein Urteil nn. $as 9JZcnfcßen* 
ßerft ift eoen ein unergriinblicßeS Xing. 

§icr möchte icß nur einprägen, baß, wer in b c r 
Siebe ift unb bleibt, ob $inbtcinober 
s DZann in ©prifto, ber mill unb tann unb 
m u 6 im flieiepe ©otteS tpätig jein, benn bie s Mgcwalt 
ber Siebe treibt ba^u. 

Unb jmar unter allen Umftänben, in allen inneren 
Kämpfen, auf allen Stufen jßriftlicßer ©rfaßrung unb 
in ben roibrigften $erßältniffen. 

ftüralicp traf id) auf einer im Xienfte beS OleicßeS 
©otteS unternommenen SRcife eine fromme, emftc 
©priftin. Sie betpeiligte fießniißt anberjonotß* 
loenbigen organifirten grauenarbeit in ber betreffen* 
ben Stabt, obwopl ipre päuSUdjen 33crßältniffe tei* 
nerlci $inberniß boten. 

9 )tit ihr über biefen Uebelftanb rebenb, fagte fie, 
baß fie turjlicß in einer 3ritjcbrift gelefcn pabe f in 
jebeni ©priftenleben träte eine 3?^ ein, bie mit einer 
Süftcnwanberung $u oergleicßen fei. Scßon lange 
per jei jolcßeS ißr 3 u ft anö unb jo lange berfeloe 
bauere, tönne fie fiep niept an ben Arbeiten im SRcicße 
©otteS beteiligen. 

5luf bie grage, mie lange biefe Süftcnwanberung 
etwa noeß bauern tönne, lautete bie Antwort — bas 
fei unbcftimmt. 

SfJZit ber Erfahrung eprlicßer ©hriften tft befanntließ 
niept gut bisputiren. $lber gewiß ift eS, geeprte Sc* 
fern, baß im neuen Xeftament nießts oon einem 

h r i ft c n lauf ftept, melier mit einer langen 
Suftenwanberung ocrglicßen merben tönnte, burep 
meldie man abgebalten wirb, im ©>ienfte beS 9ieid)cS 
©ortiS tätig au fein. 

l eilige Scßrift fagt uns oon ^mcifelnbcn unb 
gefallenen Jüngern, oon Sinblcin unb SDZännern in 
eprifto, oon gleifcßlich* unb ©eiftlicßgefinnten 2 C. 33ei 
allen mit ber 9Zatur ber Sacße naep bie ©ntfeßeibung 
naep recßtS ober linfS fallen, unb in feinem galle ift 
bie © ß t ift en * ©rfaßrung mit einer langen SBüften* 
wanberung beAeidjnet, wobei man nur über Steine 
ftolpert unb mept arbeiten tann. 

Scpauen wir fl. 33. einen 9lugenblicf auf *ßauluS, ber 
uns turep feine üielen Briefe mannigfaltigere©inblicfe 
in fein inneres Seben geftattet, als irgeno ein anberer 
Äpoftcl. Slucßißm ift gegeben ein $fapl ins gleijd), 
nämlicp beS SatanS ©ngel, ber ipn mit kauften 
feplägt, auf baß er fiep niept überpebe. ©r fdjreibt 
ben .ftorintßerbrief mit Seinen. Sein Seben ift in 
©efaßr unter guben, Reiben, 9JZörbern unb faljeßen 
33 rübern. ©r leibet £>ipc unb groft, Streike unb 
Stod. $a war gewißließ üon gnnen tampf, oon 
Slußen 9Zotß. 

So aber wäre aueß nur angebeutet, baß in feinem 
ganzen © ß r i ft e n leben eine tßatenlofe Süften Wan* 
beruna oorgefommen? 9lcß neiit — „bei bem 2lflem 
überwmben tpir weit/' jubelt er, unb „tticßtS tann 
uns feßeiben oon ber Siebe ©otteS in ©prifto gefu, 
unferm §errn!" 

$arum tann er, trop allen innern unb äußern 
Kämpfen, auep bezeugen, er pabe niepr gearbeitet, 
benn fie alle. $ie Siebe war größer, benn aller 
Stampf. 

Ser waprpaft aus ©ott geboren ift, ber w a n b e 11 


im Sicpte, wie er im Sicpte ift. gn biefem 
Sicpte wirb ipm bie Siebe mehr unb rneßr $u ^heil. 
Seit entfernt, fiep burep an feinem gnnen* unb »u* 
ßenleben waprgenommene glecfen unb Scpäben oon 
djriftlicper Jpätigfeit abpaltenju laffen, läßt er fiep 
reinigen burep bas 33lut JJefu ©ßrifti, unb wirb j.‘ben 
Slugcnblief angetrieben ^u neuer, peiliger Siebestpä* 
tigfeit. 

"SoIepeS ift ber im UZeuen Xeftament be^eiepnete 
© p r i ft e n w a n b e l. 

Strebet naep ben heften ©oben. Senn bu bieß 
aber nur als Stinblein in ©prifto fübleft, ober Satans 
©ngel bid) mit gäuften feplägt, fo laß biep um gejü 
willen beßwegen niept abhalten oon ber Ärbeit, ber 
grauenarbeit im SReiepe ©otteS. $ie Siebe ift eine 
lebenbe Äraft. Ser jolcpe, unb wäre fie auep jepr 
gering, nid)t benüpt, ber oerliert fie. Unb wer ^cit* 
weiligen Skrjudmngcn naepgibt, ber mag wopl tu bie 
Süfte ber 3toeifcljucpt unb Sünbe geratpen. 

III. 

So uub mie (rtpiitifeu mir biefe Siebe? 

®or allem im |iaufe. $aS ^>auS, bie ganiilie ift 
ber erfte ^Slap für grauenarbeit im jReiißc ©otteS. 
^enn bie gamilie foll einStüd 9Zeiep©otteS fein unD 
9Ziemanb ift beffer geeignet, biefen 4heil beS Sein* 
bcrgS au bauen unb p pflegen als bie grau. 

Sopl weiß icp, baß maneße fagen: ,,©)aS ift bie al:e 
93efd)ränfung auf bie üicr Sänbe unfereS §cintS/' 

vluep nepme id) niept wenige grauen mapr, bie fiep 
an allen möglichen Vereinen betpätigen, aber ipr 

t eim ocrnaepläfjigen. 5)aS aepöre jept jum guten 
on fagen fie. $)te grau muffe fiep im öffentlichen 
Seben fiiplbar maepen, fonft tönne fie niept tm dteiepe 
©otteS arbeiten, unb wenn fie erft einmal bieOberpanD 
in Kirche unb Staat befommen, fo würben bie 
ftänbe halb beffer werben. 

©ben weil eS 9Jtobe geworben ift, alfo ju reben, 
müffen wir baoon jpreepen unb feft betonen, baß bie 
erfte unb größte 9Zeiep*©ottes*3lrbcit für bie grau im 
£auje barm $u tpun ift, baß fie für SJZann unb $inber 
iii oollem Sinn beS SorteS eine äept cpriftlicpe 
§eimatpbcreitet. 

Sir fiepen alle in großer ©cfapr, ein fteierwöpltcS 
Serf oicl lieber unb leiepter au tpun, als bie gebotene 
^fließt beS gottgeorbneten löcrufS. SBicle amerita* 
nifepe grauen ftchen in biejer §mfi(pt in boppeltcr 
©cfahr. Unb ba biefe $rantßeit anfteefenb ift, bepnt 
fie fiep ba unb bort auep fepon auf bie beutfcp*amcri= 
fanifepe graucnwelt aus. 

^od) gilt ein für allemal pier wie in oielen anbern 
Stüefen b.is alte beutjeße Spricpwort: „©in ^eber 
lern' fein Seftion, fo wirb eS wopl im öauje ftopn." 
^öe^üglicp unjereS ©egcnftanbeS peißt baS — 
oerrießte junäepft bie oonöott oerorbnete ^fließt, unb 
baS 9Zei(p ©otteS wirb gebaut werben. 

2)ie ber grau jugewiefene ^fließt ift baS ^>auS. 
3)ic beften ^Ircbiger finb allemal bie SJZütter. 2Jie* 
felbe pat ©oti orbinirt $u Wienern am Sort in ber 
©emeinbe iprer ftinber, unb waS fie ba auSfäen oon 
ber Saat feines SorteS, baS bringt gruept, etlicpeS 
breißigfältig, eiliges fe^igfältig, ctlicpcS punbert* 
faltig. 

Sie für bie ©attin, fo ift auep für bie Xöcßtcr, 
2Jtägbieut unb kanten beS jpaujeS Siebe bie reeßte 
Arbeit. 3m $aufe pat ©ott bie große Sorfcpule beS 
SebenS gebaut, wo bie Selbftfudjt täglicp gebroepen 
unb Siebe täglicp gelernt werben foß in ben oielen 
tleinen unb mancherlei Ziemten, bie baS Seben er* 
Icicßtem, erpeitem unb feßmüeren. 


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6erin$t< tMfc griffet Paum, 


59 


Solche chriftliche grauen ftnb wahrhaftige Sdjäfce 
im ßaufe unD im dieic^e ©otte$. ©3 finb©ngel, Me 
$ot|<haft gen Fimmel fc^icfen in forttüft^renDem 
Öebet, unb Sotfcßaft oom §immel ben 9)fcnf djen* 
falbem bringen. 

©$ gibt aber auch folche, bie noch fein |>au$ ^al en; 
f§ gibt foldje, bie feine gamilie mehr tjaben, unb es 
gibt entlieh folche, bie ^tuar ein £au3 ^aben f aber 
laneben geit unbftxaft übrig behalten, bie im eigenen 
taufe überfebüffig ift. 

2 iefe überfd)üj)igcn Äröfte unb Säten feilen alle 
ben Sufgaten te£ Reiches Sottet tienen in ber 
grouenarbcit ber fiiebe. $emt mat,re graucnlicbe 
öurdjtoaltet zuerft bad eigene $au3 mit Siebe, unb 
bann geht fte unb hilft in ber Siebe am Stteidje 
Lottes bauen, mo fie fann. 

8 oIjl weiß td), baß ich meiftenä z u beutfd) * ameti* 
lantfehen Sejerinnen rebe, berenSochcnorbnung etwa 
lautet: Sajdftag — ©ügeltag — glieftag — ®au3pufc= 
tag—Sacftag *c. 

auch ift es eine befannte Sache, baß bie fleißige, 
djnftlidje, beutjdje grau oftmals fagt: „Senn id) 
mein §au3 beftelle unb meine Äinber fromm erziehe, 
io bleibt mir feine Seit zur fonftigen Arbeit im »teiche 
öotteä." 

Unb e$ ift Dielfach it i djt eine leere 3Tu$rebe, toenn 
alfo gefproc^cn wirb. 

3 eöoch—begehen manche beutfehe, chriftliche grauen 
niipt ben entgegengefepten geiler mancher Slmerifa* 
nennnen? Sä^renb bie lefeteren in3 Seite fdjmeifen, 
md^ncn manche beutle grauen gar nie über ihre 
hier Sänbc binaud reifen zu fönnen. 

Unb bod) fann auch bie mit Arbeit überhäufte, bie 
gebrueftefte, bie ärtnfte beutfehe grau an ber nädjften 
tybxt anflopfen, unb ben aRenfchen ein ©otteämort 
brraaen; fann einer irrenben Seele einen Xrattat in 
bie §anb brüefen ober fünf SRinuten lang an einem 
ÄTanfenbette ben Seg p fceilanb toeifen. Unb 
toenn folcbeS Xh un in gläubiger Siebe gefd)ieht, fo 
rubt gewiß ©otte£ reifer Segen barauf. 

Sie aber greifen mir bie Arbeit an, wenn mir mehr 
als bas ttyun fdniten? alfo böre ich fragen. 

$te ächte Siebe ift bie befte Seljrmeifterin. Sie ift 
ernnberijd). Äuf Einzelheiten einzugehen, geftattet 
berSRaum nicht. ©3 fei leboch e i n Sin! erlaubt: 

Ston concentrire bie Äräfte unb SKittel in einer 


©emeinbe in e i n e n grauemScrein für 9Uiffion unb 
Sohlthätiafeit. 

Heftchen mehrerer grauen*Sereine in ein 
unb berfclbcn ©emeinbe — für aueläubifche unb in* 
nere 9ttijfion, für Äranfen* unb Armenpflege, 9?äh* 
herein, ÖungfrauemSerein unb &inber*Serein — 
mag als Aufnahme grüchte fchaffen. Qn ben 
SurcbfchnittSgcmeinben wirb jold)e 3 cr fpltttetung 
nur fchäblich fein, ©in herein ater fann Kräfte 
unb Sftittcl üertheilcn unb turdj ©entral=Seitung 
äRanthea auSrichten 

$abei richte ein foldjcr herein fein §auptaugcn= 
nterf auf bie Rettung ber$eutfd)en in ber 
9Jad)barfd)aft. $ie$iftunfereöon©ott 
unb ber Kirche übertragene Jpauptmif* 
f i 0 n. 

Aber mie fbnnen mir bei tiefer SUethobe etwas für 
bie auslänbijdje grauengejeUfchaft thun, bie mir hoch 
auch unterftüfeen mochten? 

©ebt, ma^ ihr fönnt für biefeö eble große Serf. 

9Kan mirb un^ jcboch bei folcher 3Uethobe nicht ald 
zur ©efcUfchaft ber auslänbifAcn grauenmiffion ge* 
görenb betrachten! 

Sa^ thut bieä zur Sache? 

^ie eblen grauen jener ©efcUfchaft finb finge 
$auehülterinnen. Sie merben bie Beiträge entgegen 
nehmen unb ©uted bamit tl)un. Unb mehr gefd)ieht 
au^ nicht, menn in ben Siid^ern ber ©efcUfchaft ber 
©emeinbe*$crein al^ $ülf3truppe oerjcichnet fteht. 

Sagt ben noblen grauen ber auäiänbifdjen 9Jfif* 
fton3*©cfeUfd)aft unb aUer Seit, baß bcutfdie ©hriften 
in 9lmcrtfa ein 2 Jliffionä*S8olf ftnb, baö 
oor?Ulem oon©ott z« ben©efreunbten 
nach bem gleifche gefanbt mirb. Sb mie 
bie ©hriften tn ©htna unb 3 n bien oornehmlich oon 
bem ©ebanfen befeelt finb, ©hitm unb fVnoien zu be= 
fehren, fo muß bie Setehrung ber $eutfchen in 
3lmerifa in unferen §erzcn bie erfte SteUe einnehmen. 
Utib zttmr ohne aUe ©ngherzigteit unb Sonberbün* 
belei; fonbern zum ber Rettung unfere^ Sol* 

fe^, ber ©öangelifation unfereb Sanbeö unb bed 
StommenS beb yteicheb ©otteb. 

Unb bab Sltteb in ber Siebe. Sic blähet fich nid^t, 
fie läßt fich uidft erbittern. Sic ift langmüthig unb 
rreunblich- Sie oerträat ?(üeb, fie glaubet vlüeb, fie hof* 
fet ÄUeb, fie bulbet 2lueb. 2)ic Siebe höret nimmer auf. 




^eriiigrö Sameitltoru und großer Pauttt. 

Ckitor. 


17. <2ept. 1833 toanberte eine au3 bem 
» 3ucf)tl)au?e entlaufene (befangene üon2öer= 
e/T ben tt «f) Äaiferättiertb bei ®üffelborf in 
$lfeinpreu£e.t. ©ie batte üon bem frommen, 
mengenfreunblicben Pfarrer bafelbft gehört, 
in fidj ber Sranfen unb ©efangenen fo liebe» 
»öd annabm unb baebte auf bem SBege: SBirb 
rr bicb roobt nicht abmeifen mit beiner Sitte um 
leibliche unb geiftlicbe $ülfe? 

Cr wie« fie nicht ab, fonbern nahm fich ber. 
»erlaffenen fßerfon fo gut an als er tonnte. 

3m Pfarrgarten ftanb ein ©artenbäu#<ben, 
poölfguf} lang unb breit, fpier brachte ber 
Pfarrer bie entlaffene Strafgefangene unter. 


Räuschen batte oben einen Keinen ©pei* 
djerraum, ju bem eine Sciter burd) eine fiute 
führte. 21benb# mürbe bie Seiter aufgejogen, 
unb bie ©ebläferin lag im Schule ©otteä. 

Salb tarnen jroei anbere Semobnerin binju, 
unb bann mar ber 3uflu<ht§ort ju Kein. 

2Iuä biefem geringen ©enfforn entfprang ber 
grofje, gemaltige Saum beg neu ermatten eoan» 
gelifeben $iafoniffen»3(mtc?. 

2118 ich oor mehreren fahren am 9K)ein unb 
ht ^ciitjcblaub auf unb ab reifte, ftanb ich lange 
3eit oor ber Keinen, unfbeinbarett SBiege einer 
fo großen, über bie SBelt auägebebnten ,,2Sobl» 
tbat" unb baebte ben ÜSunbermcgcn ©ottcä nach. 


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60 


4mn9t0 Samenkorn unb großer Saum. 


$a3 ©artcnf)äu3d)cn ftef)t itod). ©3 ift 
oon ben Siafoniffeu angefauft worben unb 
foH a(3 gefdjicfytiictjeS $enfmal ber ©nabe 
@otte3 für ade 3eiten ermatten bleiben. 

Siatiirlidj Ijat biefer Heine 9taum nie au 3 ' 
gereicht für bie 2 tnfprücf)e, bie an Ifycobor 
gliebiter, ben Pfarrer öon StaiferSwertt), halb 
oon allen Seiten gefteHt würben. Jlament* 
lief) füllte er, bafj für bie nieten Oranten, 
bie amt unb nertaffen nadj §ütfe fugten, 
ein SranfentjauS uttb tüchtige Pflegerinnen 
notfywenbig feien. 

„gonb3," fagte er 2tnfang3 3Kai 1836 
311 feiner grau, „I)aben Wir nidjt; aber ©ott 
ift unfer gonb. Sei ber erften ©elegenfjeit 
taufe id) ein $au3 in ÄaiferSwertlj, ridjte 
c3 3 ttm $o3pital ein unb cr^iefje $iafouiffen." 

9lm 30. 9Kai 1836 taufte er ba3 größte 
|>au3 in ber Drtfdjaft unb griff ba3 SSert 
otjne ©etb unb ©ut, ofyne Sdjuptjerrn, 9la= 
men unb Stnfefjen an. 

Stber er Ijatte ein $er^ für biefe Strbeit 
unb tnarfeft überzeugt, bafj ba3 eoangelifdje 
$iafoniffeu=9Imt ein gottgewolltes SBert fei. 

„$ie armen fitanten," fo fdjreifrt glieb* 



Xljeobor gliebner, 

bet ©eßrünber ber $Jiafonifi<manftalt in OaifcrSWertb. 



ner, „lagen mir unb meiner grau 
längft auf bem $erjen. S93ie oft hotte 
id) fie oertaffen gefeljen, leiblich fd)ted;t 
ücrjorgt, geifttid) ganj Ocrgeffen, in 
ilirctt oft ungefunben Kammern ba= 
tjinweltcnb wie bie ©leitter beS £>erb= 
fteS. 22ie oiete Stäbte fetbft oon grö= 
feerer ©eoölterung waren otjne 
$oSpitäler! Unb wo fjoSpitäler 
waren, ba fanb id) bie ©ortalc 
bisweilen oon äRarmor gtänjenb, 
aber bie leibliche fßflcge war 
fdjtedjt unb an bie geifttidfee 
würbe niefet gebadjt. 

„gebod)—foHte unfer flcincS 
KaiferSWertt) ber rcdjte Ort fein 
für ein eoangelifdjeS $iatoniffem 
ImuS; ein Ort oon iiberwiegenb 
fattjolifchcr ©eüöltcrung, wo nidjt 
einmal Kranfe genug ju erwarten 
»oaren, um Krantcnpflegerinnen 
fecranjubilben. ©in Ort, fo arm, 
bafe berfelbe unmöglich bie grofeen 
UnterfeaitungSfoften auch nur jimi 
2 l)eil tragen tonnte? Unb wa= 
ren nidjt erfahrenere Seetforgcr 
pnffenber als ich? 3 $ ging ju 
ben Slmtsbrübern in SDüffelborf, 
«Ruttcriiau# in Saiicr.imtf) Glbcrfelb unb ©armen unb bat fie, 

eine foldje Slnftalt ju errieten. 
Stilein fie alle lehnten meinen S 8 or= 
fdjlag ab. geh foüte bie Sache nur 




©artenbäu&ben, bie 
Wiege bet 9lnfta.lt. 


I 


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IStringe« Samenkorn trab größte Paum. 


61 


ttifd) in bie ^»anb nehmen. ®ie ©title beg ab= 
(telegenen Saifergroerth fei für eine folche ©il= 
Sungeanftalt äufjerft günftig. 2ag nötttige. 
Selb »erbe ber ©err auch naef) Sa if erg Werth 
idjicfen unb Stattte uttb Pflegerinnen baju. ©o 
merften mir, ber ©err Wolle biefe Saft auf 
unfete Sputtern tegen. 2öir reiften fie willig 
ler.'' 

2 er ©err War in biefem SSerfe. ©d)on int 
erften 3at)re würben 60 Sranle oon fieben 
Jialoniffen oerpflegt, unb jwar nid)t blöd 
leiblich—auch geiftlicf). ©enefenbe gingen Weg 


gan je ©täbtdjen oon ben Sranten oerpeftet wiirbe. 
2 er erfte ©ürgermcifter nutzte fid) einen „bum= 
men Serl" fdiclten taffen, Weil er fid) weigerte, 
bie erfte S'ranfe jum ©aufe ßinaug werfen 
ju laffen. 2arob wäre eg beinahe jum 2uell 
getommen. 2ie fntI)olifd)cu ©lättcr fpöttclten 
unb fd)ntäf)ctcn unb üerglidien bie latfjolifdje 
2 )iafonie mit bem berühmten gelbfjerrn 23alten= 
ftein, bie eoangelifdje aber mit feinem Gorporal, 
welcher bem ©eneral abgegurft habe, wie fich 
biefer räufpere unb wie er ipude. 

©turnt unb SSettcr finit jeborf» für jeben 



Cbcn: 3)aä neue SBerioaltunfläffaua äu ben ftrantenanftaltai. 
Unten: Stnficfjt oon ÄtaiTcrdrocrtf). 


mit bem ©ntfdjlujj, fortan ©ott ju bienen. 
Wandte fanben bie föftlidje Perle im S'ran» 
lenßaug unb ©terbenbe bezeugten eg, baß fie 
für ihre lefcten ©tunben Sicht unb Iroft ba= 
ielbft empfangen hotten. 

2 s ie Sache würbe befannt. ©ohe perfonen, 
ja bie ©taatgregierung fetbft nahmen bag Sraw 
tenhaugin©d)ufc uni) eg würbe oon oielen SBohl- 
thätern fo ju fagen in Pflege genommen. 

2 och blieb auch ©türm unb SBetter, Slnfein» 
bung unb ffiiberfpruch nicht aug. 2ie Seute in Sai= 
iergroertf) hatten j. S. gewaltig Slngft, baß bag 


©aum Oon SJtöthen, wenn berfelbe feft wurjeln 
unb erftarfen foll. Stlfo War eg auef) mit ber 
®ia!oniffenfache. ©ie erftarfte unb faßte 23ur= 
jel, unb gtiebner würbe, wie fein ©otjn ©eorg 
in einem Sebengabriß feineg ©aterg fagt, „burdf 
©otteS ©nabe ©rneuerer beg apoftolifdjcn ®ia= 
loniffenamteg." 

28ir fönnen bag 28ad)gthum biefeg SBerfeg 
nicht in’g ©injetne oerfolgcn. 3 U ber Sran* 
fenpflege gefeilte fid) bie Sleinlinberpftege unb 
bie Pflege ber ©efangenen, Woju ©elfer unb 
©elferinnen auggebilbet würben. 2ie Säume 


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62 


<$rrtnge 0 Sammkorn unb großer $aum. 



be3 SRutterfjaufeS mudjfen. Sein 
3 a^r »erging, ba nicßt (Sriueiterung^ 
unb 9leubauteit öorgenommen umr- 
ben. ÜRad) unb nad) tjat bad 9Jtutter= 
fjauS einen fctjr bebeutenben Umfang 
erlangt, unb niete anbere ©ebäube 
finb errietet morben, toie 3 . S. 
föirdje, £efyr!)alle, ImnbroerfertjauS 
unb geierabenbt)au3 in einem ge= 
mattigen Siercd, toeldjeS jmei große 


Oben: Seutfc^ed $o3pital auf bcm ©erße S*on in fterufalem. 
Unten: Änftalt Xalitljafumi in Serufalem. 


£>öfc umfdjtießt. 3 )iefe©ruppe öon©ebäuben 
ift nur eine unter fed)3, bie innerhalb ber 
Stabt fetbft liegen. Slußerbem finben mir 
auf bcm :gof)anni3berg bei ÄniferSioertt) bie 
£>eilanftalt für roeiblicfje ©emütt)§franfe, fer^= 
ncr im „£>immetreicfy" ba3 neue 9 Baifent)au£ 
unb auf bem gronberg ba3 fiinberfranfen^ 
IjauS unb ba3 £>auptfranfenfyauS. 

fiaijerätoertt) tjat außerbem nod) 35 %ofy 
tcrljtiiner, barunter 11 außerhalb 2 )eutfd)lanb. 
$iefe äße finb (Sigentfjum be3 2 Jluttert)aufcä. 
3» 14 fetbftftänbigen 9Hutterf)äufern f)at 
fi'aifersmetff) bie Anregung gegeben unb bie" 
crftcn s Ärbeit£fräfte geliefert. 

Stucb traten in ber ganzen Sßett unter 
bcr tum ffaifer^mertf) gegebenen Anregung 
äfjnlidje Stnftatten in3 fleben. (Sine berfel- 
bcn bcfinbet fid) in <ßitt£burg, <ßa. 

Soldj) Sßerf entftanb aus ben bürftigften 
Anfängen, roefdje gliebner fetbft befdjreibt, 
inbent er fagt: „©in Xifd), einige Stühle 
mit tjalb ^erbrochenen £el)tten, fcfyabfjafte 
ÜReffer, ©abcln mit nur aroei 3 infen, nmrm= 



®?art!;af)of in ©evlin. 


“ ized by LjOOQle 






























(Seringes äamrttkom unb großer Jlaum. 


63 



ftußige ©ettftättcn unb äßnlicßc SRöbet unb 
©erätße, bic und gefcßenft marcn. 3« folget 
ftnecßtdgeftalt gogeit mir ein; aber mit großen 
Jreuben unb Soben. ©enn mir mußten, mir 
füllten, ber £>err ßatte fieß ßier eine ©tätte be* 
reitet.“ 

#eute ift ed eine liebliche, großartige ©tätte. 
Jie ßinrießtungen finb mufterßaft. 5)ie 0rb* 
nung ift faft peinlich; Siqrud aber ift nirgenbd 
$u finben. 

3nt erften Qaßr 0tngen in Saiferdmertß 
14500 ein, bad lefcte (1886) ettoa $100,000, 
meijtend freituiflige ©aben. ©on ben anbern 
Dielen äRutterßäufem nießt z u reben. 3m 
erften 3,aßre 7 ©iafoniffen, ßeute menigftend 
OOOO in ben ftaifcrdmertßern unb anbern Sin* 


Änftalt 3ow in ®euut. 

jtalten. 2lucß bie Sfrbcitöfelber ber ©iafonic 
$aßlen bei Xaufeitben! 

Sein SBunber, baß lefcted ©pätjaßr in ber 
ganzen Weit bad fünfzig jährige 3ubi= 
läum ber iteucrftanbenen ©iafonie mit 3<w<ß s 
$eit gefeiert marb! 

gragen mir nun naeß < ber Cebendgefcßicßte 
bed ©aterd biefed SBerfed, fo finben mir anno 
1813 einen 13jäßrigeit ft naben Oliebner mürbe 
am 21. 3anuar 1800 geboren),bad oierteftinb 
einer armen *ßfarrmittme in ßppftein im lau^ 
itujgebirge. Äufter ©ßeobor befaß biefe SSittme 
noeß zeßn anbere ftinber. ©orgen fonnte fie 
für tßre ft (einen nießt. ßbelbenfenbe 9Renfcßen 
naßmen fieß befonberd ber ft naben an unb er- 
möglicßten ißnen ben ©efueß bed ©gmnafiumd 
ju ijbftein. (Scßon 1817 finben mir gliebner 


mit feinem älteren ©ruber auf ber Untoerfität 
©ießen,mo fie oongreunbeit uuterftüßt mürben. 

giir ben inneren äRenfcßen gab ed borb 
nießtd. gliebner fribft fagt: „gcß mußte 
mieß mit aller ©emalt baran feftßalten, baß icß 
bie SBunbcr^ unb bie Sluferfteßung ßßrifti nießt 
läugnete, fonft ßätte icß ben lefc en £alt oerlo^ 
reu.“ 

3n ©öttingen, mo er bie Unioerfität befueßte, 
mar ed nießt öiel beffer. 

©oeß—©ott, ber iperr, fannte ben SBeg, ber 
Zum ©tauben fiißrte. üRaeßbem gliebner oou 
1820-21 eine £>audleßrerftelle inne geßabt, 
mürbe er, erft 21 3 a ß re ©favrer an 

bie (leine, arme eöangelifcße ©enteinbe ^u ftai= 
ferdmertß berufen, ©ein ©eßclt betrug $135! 

©er ©anferott einer 
Zur ©emeinbe geßö= 
reuben ©ammtfabrtf 
nötßigte ißneineßot^ 
leftirreife naeß £ot- 
lanb unb ©nglanb zu 
maeßen. ©ad flaf* 
fifeße ©eutfeßlanb 
ßatte für bad eoan= 
gelifeße Häuflein in 
Saiferdmertß nießtd 
ald eitle SBorte. ©ie 
^ollänber unb ©ng= 
länber ßalfen, baß 
in Saiferdmertß ber 
9totß für immer ein 
ßnbe gemaeßt mürbe. 

Slber aueß glieb= 
ner marb geßolfen! 
3n bem oon ben 
©eutfeßen fo oiel öcr^ 
feßrieeuen ©nglanb 
fanb er ben ieben^ 
bigen ©lauben. ßd 
trat ein SBenbepunft in feinem Sebcn ein, ben er 
felbft alfo bezeichnet: „3<ß tcrute in ben bei* 
ben eüangelifeßen Säubern eine SRenge moßl- 
tßätiger Änftalten unb ©efellfcßaften (ennen unb 
bemerfte, mie ber lebenbige ©taube an 
Sßriftum alle biefe Slnftalten in^ Seben 
gerufen ßatte unb noeß erßält. SRäcßtig mirfte 
bie SBaßrneßmung üon ber gmeßtbarfeit unb 
£iebe^(raft biefeä ©lauben^ z ur Stärtung mei^ 
neS eigenen nod) feßr feßmaeßen ©laubend.“ 
©iefed „neue Seben“ bctßätigte fieß in glieb^ 
ner zunäcßft in treuer ^ßaftoralarbeit unb in 
ber pflege ber ftremfen unb ©efangenen. 3 m 
3aßr 1825 manbertc er oft ben fünf eitglifcße 
SReilen meiten SSeg naeß ©iiffelborf, um bort 
mit ben ©efangenen ©ottedbienft zu ßalten. 
©ern ßätte er fieß mit benfelbcn einfperren 


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64 


(Seringes Samenkorn nnb großer Saum. 


(affen, um auf fie eingumirfen. 3)ieS mürbe 
il)m jeboch nicht geftattet. 

3m %a1)x 1826 grünbete er bie erfteöefäng* 
nißgefeüfchaft in 2>eutfd)(anb unb mürbe, mie 
mir gefeßen hoben, burcß eine entlaffene ©efan= 
gene gur Stiftung ber Staifer^mert^er Sluftalten 
geführt. 

greilid) gehörte gu ber Ausführung fo!cf>er 
Arbeiten nicht bloS ©tauben, fonbern auch un* 
ermübliche, aufreibenbe I^ätigfeit. 3nt 
unb AuStanb, in ber Stubierftube unb braußen 
im Seben, mit ber geber, in SSort unb Sßot 
hot gliebner bis gu feinem ©nbe unauSgefept 
gearbeitet. 

jahrelang braute er auf Steifen ju. StveU 


Stinbern auch recht herglich freuen, ©r mar 
ein finblicheS ©emütf) unb unter Sinbern ein 
Sinb. ©inft fterfte er ben Steinen in feinem 
|>aufe mit £>onig beftric^cne Semmelftüdchen 
in ben 9Runb, um ihnen bie 9Ranna=Speifur«g 
aufchaufid) gu machen. Seim Singen beS Sie^ 
beS Dom SRiefen ©oliatß, bei beitffiorten: ,/£a 
fiel ber große ©fei f)in, fo lang unb bid er mar/' 
läßt er ficß felbft unter großem ©epolter ber 
Sänge nach auf bie Siele fallen.—So mar g(ieb= 
ner ein Semüthiger unb barum ©roßer im Steich 
ÖotteS unb ein Äleiner unter ben Steinen. 

Sie ©efdjichte ber neuen Siafonie ift, mie 
alles im Sleicße ©otteS, eine fet)r belehrenbe. 
Stfameutlich für unfere 3eit. $eut gu läge muß 



Cben: $oöpital in ftairo. 

Unten: $o*pital in SUejanbrien. 


mal mar er im SKorgettlanbe, in Alejranbrien, 
in ^erufalem, in Seirut, in Sonftantinopcl. 

Solche Saften mußten bie ©efunbßeit erfc^üt- 
tem. giiebner mar ftoßre lang fränflid), maS 
ißn aber nicht oom Arbeiten abl)ielt. Auf 
feinem Sterbelager hotte er oft einen langen 
Streifen Rapier, auf bem bie Stauten aller berer 
ftanben, bereu er perföntid) im ©ebet gebeuten 
moHte. ©r ging am 4. ßftober 1864 heim mit 
ben ©orten auf ben Sippen: „S o b e S ü b e r* 
minber, Sieger!" 

Streng mit fid), mar er auch in ber Pflicht¬ 
erfüllung mit anbern ftreug. Sie @d)meftem 
gitterten unb bebten, menn fie eiitgeln gu ihm 
befteßt mürben. 

Sabci fonnte er fich an gefttagen unb mit 


in ber SWeinung vieler SRenfcßen afleS gan* 
großartig begonnen merben. Sonft —heißt 
—geht es mißt. Sie 3eit fei fo gang anbern 
unb bie Seute gang anbere, unb bie Serßält= 
niffe fo ungeheuerlich berfchieben. 

©iß man heute etmaS für Sranfe tbun, fo 
muß fogleich ein Spital her, baS eine SRiflion 
foftet. Soßen entlaffene ©efangene gepflegt 
unb unterftiipt merben, fo foftet bie 2Rafd)ineric 
mehr als bie Sache felbft. 3ft man entfcßlof* 
fen, irgenbmo eine ©emeinbe gu fammeln, fo 
benft man an eine S'atßebrale im flehten Str>I, 
ehe nur eine Seele aus ber betreffenben StadE^ 
barfeßaft gu ©ott belehrt ift. 

Sie alte hotte ißre ©igenthümtichfeiten, 
melche bie neue nicht hot, unb bie neue 3eit hat 


JigTfized by 


jrGoOgtc 





























Jbraljöm finccrlit al* Süttgling. 


65 


mid) tyre befonberit üJlerfmale, tpelc^e bic alte 
nidjt batte. ©3 barf alfo nicfyt einfacb 
gejagt werben: (So bat tnan’3 öor 50 $ab= 
rengemacht, unb genau jo fann man’3 ^eute 
machen. 

Sebocb — niete Sachen finb fidf) auch gleich 
geblieben. ®a3 ajieujcfjenfyerj unb fein ©e~ 
bärfnife ift ba£ gleiche; üWenfdfjensSRotf) unb 
SRenjcheU'ßlenb finb bie gleichen; diele §inber= 
nifie finb bie gleichen unb bie ^ülfämittel finb 
ihrem 3Befen nadj auch bie gleichen: 2Bort©otte£, 


heiliger ©eift unb ©laube, ber in Siebe tbätig 
ift. ^ebenfalls aber gilt beute noch unumftöß* 
lieh ba£ SBort: $a£ Steiß) ©otteä ift 
gleich einem ©enflorn. 

$arunt — wenn bie äJtittel nicht gleich in 
ÜRenge ba finb, fo lagt unä mit S)em beginnen, 
ma3 norhanben. Unb wer nicht gleich eine fdjöne 
Kirche hiufteßen fann, ber predige heute noch, 
mie dor 9llterä im <ßrida4tmmer, ober beginne 
wie gliebner ein grofjeä SBer! im ©artenfjäuä* 
eben — amölf gu& im ©ediert. 




JUnrnljam fincoln ab IÜ119Ü119. 

81( 6m»# Nnb 6ert> tun Memoria Oratla. 


ft braham Sincoln hotte üon ^fugenb auf einen 
Tf natürlichen $ang jum Seien, eine ©igen» 
vr fefjaft, burd) welche er ben entbehrten ©te= 
mmtar Unterricht jum großen Ißeit erfeßte. 

S8of|l hatte ihn ber Sater ber ©dpile ent» 
nommen, um ißm bei feiner Pionierarbeit auf 
jeinerroalbigen 3nbiana»garm Jgtütfe ju leiften; 
hoch ba# linbcrte Abraham nicht, jebeö Sud) 
imb überhaupt alte« ©ebrutfte, beffen er an» 
fidjtig mürbe, förmlich ju üerfdjlingen. Seiber 
itanb ihm feine befonber# reiche Slu#maf)l »on 
Suchern jur Verfügung; gtücflicherroeife aber 
war ba# SSenige, naa# er ju lefen befam, höchft 
pajfenbe Sefture für einen Knaben feiner Slrt. 
lie Sibel, Slejop’# gabeln, SRobinfon Grufoe, 
Sunoan’# pilgerreife, bie ©efefpehte ber Ser. 
Staaten unb SBecm’# Seben SBafhington’# toa» 
ren bie einzigen Südjer, ju benen er 3»igong 
hatte. Natürlich la# er biefelben über unb über, 
bi# er fie beinahe au#menbig mußte. 

Seine Sefeluft mar jebod) fo groß, baß er fich 
ftunbenlang beim Dämmerlichte mit einem SBör» 
(«buche bcfchäftigen fonnte. Draf e# fich ein» 
mal, baß er ju Doton Gonftable Durnham’# 
@efehbüchern Antritt befam, fo üerfdjlang er bie» 
felben mit berfelben SButlj mie unfere heutigen 
Jungen ihre 10 Gent# Jlooeüen. 

Slu# Süd)ern, bie er nicht eignete, pflegte er 
längere S8u#jüge ju machen, bie er bann au#» 
toenbig lernte. 

Dabei that er üon ber 3eit ab, ba ihn fein 
Sätet au# ber Schule nahm, üolle 9)fanne#ar= 
beit. SBar jeboch bie Dage#arbeit für feinen 
Arbeitgeber beenbet, mie er biefelbe regelmäßig, 
toiemohl ohne Sorliebe bafür üerrichtete, fo be» 
gann feine eigene. 

gohn ßanf# erjählt üon ißm: „SBenn Slbra» 
harn unb ich üon unferer Dage#arbeit heimlehr» 
ten, pflegte er fich in bie ©peifelammer ju ftefjlen, 


ein ©tücf SBelfchfornbrob ju h n f c h cn unb fidß 
bann, bie Seine hoch h' nnu f 9 f 9 en bie SBanb 
geftemmt, in eine öde ju fejjen unb ju lefen." 

Diefer ©emohnheit, fo menig Slacfjahmung#» 
roertlje# fie am ©nbe auch hot, blieb ber große 
3J?ann noch treu, al# er längft bie ßöchften ©hren 
feiner Station genoß. 

3m Uebrigen unterfdpcb fid) Slbraljam feßr 
menig üon ben übrigen garmerlnedjten. ©eine 
ungeheure phpfifche Ära ft in Serbinbuttg mit 
natürlicher ^ntelligenj machten ihn jeboch ju 
einem tüchtigen Arbeiter unb fein guter ^umot 
unb beftänbig fprubclnber Stuttcrmif) ju einem 
angenehmen fiameraben. Dabei mar er ein 
fehr gefälliger unb tieben#mürbiger junger 
SRenfch, immer bereit, irgenb Jjemanbent mit 
SBort unb Dhot jur ©eite ju ftehen. 

©inmal rettete er ba# Seben bc# alten Dorf» 
Drunfenbolb#, ben er holberfrorcn am SBege 
liegenb fanb. Stit feinen ftarfen Sinnen trug 
er ben ©lenben in’# nädjfte ©afthau# unb bear» 
beitete ihn fo lange, bi# er mieber jum Seben 
ermadjte. 

Diefe Dhat mürbe ihm üon feinen 3e»tgenof» 
fen hoch angerechnet, ©inige freilich Irgten fie 
ihm auch al# Ueberfpanntheit au#, mie benn 
auch feine Dppofition jur Dh' er quälerei fehr 
üerpönt mar. 

3u J^aufe mar er bie ©cele ber gamilie, 
meldje nebft ihm unb feinen ©Item au# feiner 
©<hmefter ©arat), grau Sincoln’# beiben Död)= 
tent unb ©ohn, Denni# |»anf# (ein Ueberreft 
ber ©parrom gomilie) unb 3°h n 6anf# (ber 
Schreiner), 3ofeph ^»anf# ©ohn, beftanb. 
Slbraham mar unter biefen üermifchten ga» 
milienelementen immer ber friebliebenbe, mol)t= 
rooüenbe ©ohn unb Sruber, mie feine ©tief» 
mutter Sillen eine chriftlidje, pflichttreue SRutter. 

©ie felbft legte furje 3 e *t üor ihrem Dobe 


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Jlbrnljam JfiuMlu ab Süngling. 


gegenüber $errn $ernbon oon AbrabamS cjem» 
plarifdjen Sbarafter $eugniß ab in beti SBor» 
ten: „Aus daufenb lann frfjJncrlicf) eine SDlutter 
fagen, WnS id) fagen fann. Abraham bat mir 
nie Weber einen böfen ©tief noch ein unfreunb- 
lidjes SBort gegeben, notb bat er fid) jemals ge= 
meigert, irgenb etwas ju tbun, baß ich ißn hieß- 
©ein ©inn barmonirte fo ganz mit bem meinen. 
SDlein ©obn 3°b n würbe mit ibm jufammen 
erlogen, ©ie waren beibe braüe gungenS; 
aber icb !ann mieb ni<bt enthalten, um, ba fic 
beibe tobt fiub, zu gefteben, baß Abraham ber 
befte ;gunge Utar, ben icb je fab ober feben 
Werbe." 

damit foll nun freilich nicht üerftanben fein, 
baß ber junge Sincoln ein angebenber ^eiliger 
gcWefen fei — er War einfach ein braöer ©obn, 
ber aber bei atlebem einen binreicbenben ®rab 
non Ungezogenheit oerrietb, um in ib m baä 
SJtenfdjlicbe nicht zu Oermiffen. 

Siner feiner früheren Arbeitgeber bezeugt, 
baß ihm ein gutes SJlittageffen unb fein gabreS» 
loßn oiet beffer beßagt habe, als feine Arbeit, 
WaS atlerbingS feßr erflärlidj, weil eS eben 
menfebtieb War. SS Wirb auch gefagt, baß er 
bie Srntearbeit febr oft mit feinen tomifeben 
Sieben ober wobt gar mit ©pottprebigten, un= 
terbroeben habe, bie er jum ©aubium ber SJlit» 
arbeiter aber jum Aerger beS garmerS non ber 
flöhe eines ©aumftumpfeS b cra b ju halten 
pflegte. 

©ein fnoSpenbeS ©djreibetalent Würbe nicht 
immer auf bie befte SBeife angcWanbt. Sr 
febrieb nämlich mit ©orliebc beleibigenbe ©a* 
tpren unb ©aSquiflen in ©rofa» unb ©erSfornt. 
©elbftoerftänblid) feßte es babei mitunter Heine 
SHißbeHigfeitenab, bei beren ©eilegung Abraham 
nach ber bamaligett SBeife baS ©einige tbat. 

droß feiner Ouäfer» Abftammung banbeite 
Abraham nämlich nid)t nach bem ©runbfaß: 
„SBer bir auf ben einen ©aefen feblägt ?c." 
fiatte er fitf) übrigens in einen Streit cinge» 
laffen, fo zog ber ©egner in ber Siegel ben fiür» 
jeren; allein er war bann auch wieber oerföbn» 
lieb unb ju feinen beften greunbett zählten 
diejenigen, mit benen er Differenzen gehabt 
batte. 

Sbe wir biefen Slbfdjnitt aus Sincoln’S Seben 
befcbließen, müffen Wir uns jeboeb feine bama» 
lige .ßeiigenoffenfebaft ein Wenig anfeben. Qm 
©anzen ift nur ein geringer gortfebritt ber ba= 
maligen ©erbältniße über biejenigen feiner 
Sinbljeit zu oerzcicbnen. 

die Seilte Wohnten noch immer in ©toefbäu» 
fern auS runben ©aumftämmen, fo baß Siner 
unter ihnen, ber ficb baS Unerhörte behauener 
Stämme erlaubte, fi<b babureb ben Slamen 


“Splitlog-Mitchell” erwarb, die St'leibung 
beftanb meiftenS auS gegerbten fiirfdffeflen — 
eine böcbft unpraftifebe SJlontur bei naffer SBit» 
terung. ©ebube unb Kleiber würben übrigens 
auS einerlei ÜDlaterial bergefteKt. 

Ungefähr um bie $eit jeboeb, als Sincoln 
Zum ÜJtann beranreifte, fing man an, wollene 
unb leinene Sachen zu tragen, greilid) waren 
eS porläufig nur bie grauen, bie ficb biefe AuS» 
nähme erlaubten. 

Deffentlidjer ©ottcSbienft war eine große 
Seltenheit, Kam je einmal ein Sleifeprebiger 
beS SBegS, fo riiefte meilenweit AfleS aus, was 
©eine batte; bie SJlänner zu guß, bie grauen 
Zu ©ferbe. SBagen waren ein feltener SujuS. 
dabei genirte eS gar nicht, bie gelabene ©iicbfe 
mit auf ben Kircbweg zu nehmen, um per ©eie» 
genbeit unterwegs einen fiirfcb zu erlegen. SBar 
man an Ort unb ©teile, fo biente bei fd)Icd)tcm 
SBetter eine ©locfbüttc, bei gutem ber febattige 
SBalb als ©otteSbauS. der ©rebiger zog bann 
wohl feinen 9tod aus unb entwidcltc in feiner 
©rebigt einen Sifer, wie er in unfern dagen 
fcbwerlicb mehr zu finben ift. 

Anbere gefeflfd)aftlicbe ßufammenfünfte gab 
eS nur wenige. SJlan lam jeboeb zufammen zum 
„Stiebten" (Raisings), bei welcher ©elegenbcit 
ein ©locHjauS in einem einzigen dage bergefteflt 
Würbe, ober zum „©locfwälzen" (Logrollings), 
wobei Unmaffen ausgezeichneten Rotzes zufam» 
mengewälzt unb oerbrannt Würben. Aud) zunt 
gemeinfcbaftticben dreib = SBolfjagen oereinigte 
man fid». die bamaligen auSgelaffenen fiod)» 
ZeitSfefte müffen nod) ermähnt werben, die 
robeften ©pieie waren babei an ber dageSorb» 
nung unb bie ©cbnappsflafcbe würbe nie teer. 

der Aberglaube fpieltc unter biefen Seuten 
noch eine bebeutenbe Sloße. ©efonberS oerlcgte 
ficb bie bamalige ficilfunbc auf bieS ©ebict. 
©laubte man ficb behebt, fo nahm man wohl 
eine ans einem ©ilberbalb»Dollar gegoffene 
Kugel unb feboß bamit auf baS ©ilb beS Siegen» 
meifterS unb ber ©ann war getöft. Sin ©ogel 
am genfter, fmnbegebeul zu gewiffen 3 c i te u, 
baS ^»uften eines ©ferbeS einem Sinbe gegen» 
über unb taufenb anbere dinge, bie täglich paf» 
firen, batten ihre ©ebeutung. 

©äen unb Sratcn richtete ficb uacb bem 
©tanb beS SJlonbeS. Ueberbaupt batte ber 
ßllonb nach ber bamalS berrfebenben Anficbt feßr 
oiel mit ©lüd unb Unglüd zu tbun. 

Unter biefen fieuten erlebte Abraham Sincoln 
feine ^ugenbjabre unb war offenbar Siner oon 
ihnen, wenn eS überhaupt ztoifeben ib«t unb 
biefen Seuten einen Unterfcbieb gab, fo war eS 
ber, baß er jebeS ©ueb getefen batte, was ihm 
ZU ©efiebt gefommen war unb baß er irgenb 


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äbrößam fincoln aU Sttnglttig» 


67 


fine Scßule „runterbucpftabiren" (spell down) 
tonnte. 

Stancßmat pflegte er feine ftameraben mit 
Jbeen ju überrafdßen, bie ißnen fremb maren, 
j. ®. baß bie ©rbe runb fei unb bie gönne Der* 
Ijältnißmäßig ftiü fteße. ßr pflegte auep Meine 
politifiße Slrtifel ju feßreiben, bie bann Don ben 
Serien im näcpften Grocery-store bemunbert 
ftrarben. ßinige berfelben famen aueß im Srutf 
unb erßößten bamit 8l6raßamS Slnfeßeit nießt 
»enig. 

Slbraßam mar übrigens aud) rnegen feiner 
frönen =Statur unb feiner ungeheuren Sörper* 
traft befannt. 3 toe i 3 fl f) rc Jiwor, eße er ma* 
jorenn mürbe, erreichte er feine bolle £>öße — 
6 guß unb 4 3oß- ®r traf feiten einen 9Rann, 
ben er im ©anbgemenge nießt meiftern fonnte. 
6in alter 3)?ann in Spencer ßountp befeuert, 
baß er babei mar, als 9t6ral;am Sincoln ein 
fmßnerßauS im ©emiepte bon 600 ©funb auf- 
pob unb babontrug; unb ein artberer 3dtge- 
noffe berfiepert, baß Slbraßam einen mirfungS= 
bolleren Stjrtfjieb fertig braute, als irgenb je= 
raanb SlnberS. 

3m fjerbfte 1828 mürbe ißm bie erfte ©e= 
legenpeit, ßtmaS non ber übrigen SSctt $u feßen. 
£>err @entrp, ber moßlßabenbe ©ürger ©entrt^ 
bitteS, bingte ißn nämlicß, feinen Soßn mit 
einer ^Jrobutten^Sabung auf einem gladjboot 
naep Wem Orleans unb anberen füblicßen 2an= 
bmtgSpläßen begleiten. 

Äbrapam legte bei biefer ©elegenßeit reießließ 
ßßre ein. 9tur einmal mäßrenb ber gaßrt fließ 
man auf ^inbemiffe. Wacßbem bie jungen 
Scpiffer eines 2lbenbS geanfert unb fid) ^ur 
Stocptruße begeben patten, pörten fic plöplicß 
gußtritte unb Sarm. Äbrapam raffte fiep auf, 
naßm einen Knüppel unb flopfte bie fepmar^e 
Säuberbanbe, bie baS Soot plünbern mollte, 
gan* jämnterlicß, bis fie bie glucßt ergriff. 

Sen folgenben fjerbft jog 3°h n ® an *S — 
tooßl ber jubertäffigfte ber gamilic — naeß 
güinoiS. ßr fiebelte fiep in 2Jiacon ßountp 
an, mo eS tpm außerorbentlicp gut gefiel, ßr 
ließ beSpalb mieberpotte Stufforberungen an feine 
3nbiana = Vermanbten ergepen, ipm ju folgen. 
IpomaS fiincoln mar immer fertig 311m 3ifßen. 
glugS berfaufte er fein Sanb unb feine Korn* 
ßmte an |>erm ©entrß, tub bie menigen 
ieligftiten auf einen Ocßfenmagen unb — fort 
ging’S naep 3HinoiS. 

Seine Socßter Sarap, bie fiep einige %a1)vc 
*nbor berßeiratßet patte, mar geftorben. Sie 
überfiebelte gamilie fe^ftanb bemnäepft nebft 
XpomaS unb feiner Sr^ctu au 5 3°*) n 3opnftou, 
grau fimcofn’S Soßn, ipren Söcßtern, grau.fmfl 
unb grau £anf£, beibe mit ipren resp. ©atten. 


1 3ener falte Söinter bon 1830—31, ber in 
ber ©efeßießte bon 3ßinoiS unbergeßlid) gemor* 
r ben ift, mar ber erfte, ben bie Sincoln’S in 
, 3üinoiS ^ubraepten. SBer biefen hinter mit* 
= gemaept patte, befam fpäter baS Wccßt, 3U ben 
> SBerbinbungen ber „alten Setiler" ju gepören. 

S)ie fiincoIn’S tonnten mitpin baS We^jt für 
fiep beanfpruepen. Wur einmal pat fiep in 
! 3UinoiS bie außerorbentlicße ffälte beS ermapn^ 
ten SBinterS mieberpolt unb baS mar an einem 
Sage im SBinter beS 3«P^ 1836. Wocp peute 
erinnern fiep alte Stnfiebter an ben bamaligen 
f. g. „plöplicßen SBecßfel" (suddeu change). 

3ür 3flinoiS mar bie Sßionierperiobb iprem 
ßnbe nape, als SpomaS Sincoln mit feinem 
„großen 3 un 9 cn " au f bem ßeßfenmagen bie 
3nbiana=@ren3e treuste. Sie ßinmopner^apl 
beS ganzen Staates belief fiep fepon auf 157,447, 
bie fiep meiftenS an ben bcmalbeten Ufern beS 
SDiiffiffippi unb anberer ftliiffe niebergelaffen 
patten. Sagegen blieben bie frueßtbaren unb 
mit üppigem ßiraSmud)S mueßemben ^Jrairien 
entmeber als ®iepmeibe ober gan^ unbenupt 
liegen. 9)Jan patte eine Strt 3?orurtpeil gegen 
bie ßbene unb robete lieber 3«P^ fanfl Stum' 
pen, als baß man baS präeptige glaeplattb be- 
aderte. 

Sie fiebensmeife mar aHerbingS auep noep 
picr fepr primitio. Sie ^>irfd)leber^ 3 e ^ fl a H e 
3mar aufgepört: bagegen mürben glacps unb 
$anf gezogen; unb in bem ©rabe mie bie SBölfe 
auSgerotlet mürben, oermeprten fiep bie Scpaf^ 
peerben. Sie grauen fpannen unb moben unb 
fteHten auf biefe SBeife eine 2lrt ^leibung per, 
bie fepon etmaS an ßioilifation erinnerte. 

Waup unb milb mie biefe alten 3ttittoifianer 
maren, patten fie es boep in ber ©emopnpeit, 
bie ©otteSbienfte $u befudpen. ^pernbon fagt: 
„Sie gingen $ur Sirdpe, pörten bie ^Jrebigt, 
meinten, beteten unb jaucßjten burepeinanber, 
ftanben auf, patten etma eine ftunbentange 
Scplägerei unb feßrten bann mieber juritd, um 
auf’S Weue 3U beten." Sageruerfammlungen 
maren bie einzigen Stötten iprer inteüeftuellen 
unb religiöfen ©ilbung. 

Sic Se^irfSprebiger aber maren in iprer 
SBeife bie Vorarbeiter ber ßioilifation. 3Kön- 
ner mit außerorbentlicper SBillenSfraft, bie fie 
maren, freuten fie feine ©efaßr; benn fie mib^ 
meten fi^ gan^ bem frommen 28erf ber Seelen¬ 
rettung unb ber öebung beS geift i g unb geift- 
l i cp oeriommenen VolfeS. 

Sie SBirfungen ber ^rebigten maren oft 
ftaunenerregenb. SOfancpmal fti'ir^ten ganje Ser^ 
fammlungen in milbem Surcpeinanber nicber. 
Sie Sßrcbiger blieben bei biefen Semonftratio- 
' nen oft fepr rußig; fo mirb non einem alten 


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68 


2d)n>ar}e ober weiße JiriUe? 


©ionierprebiger erjagt, bcr unmeit feinet Ser* 
fammlungSplafceS eine SBolfSfaße gefteßt hotte, 
bafj er, als er bie gaße jufammenflappen fah, 
gait$ faltblütig bemerfte: „©ergefjt ben ieyt 
nicht, ©efdjroifter, mährenb ich hinüber fpringe 
unb ben ©Jolf abfertige." 

$aS mar SlßeS gan$ ehrlich gemeint unb jene 
©rebigcr erhielten grofje Erfolge. SRan barf 
bei bcr Seurtheilung ber bamaligcn ©eneration 
nicfjt oergeffen, bafj jene £eute Äinberihrer 
Seit maren. 

SBaS aber in ©ejug ihrer religiöfen ©c- 
bräudjc gilt, baS gilt überhaupt non ihren Sit' 
ten, bie in ©emäjsfjeit jenes Ur^uftanbeS oft 
feltfam genug maren. ©Joflte j. ©. ein junger 
SKann fidj oerehelichen, fo fam es nicht feiten 
oor, bafj er ben ganzen SBeg non ^Hiitoi^ nädj 
Senturft) gu gufj manberte unb feine ©raut 
bann in bcrfelben SBeife fyeimfüfjrte. ©rächte 
fie eine StuSfteuer mit, fo hotte ber |>err ©räu' 
tigam baS ©ergnügen, biefelbe auf feinen Sudel 
nad) flu fdjleppen, maS einmal einem 

^eiratljS^anbibaten fdjledljt befommen fein foß, 
biemeil feine gufünftige ein 50 ©funb fermeres 
geberbett mitbefam. 

v, e ©oß5iel)ung beS SrauafteS fjatte oftmals 

re ^ igfciten, meil bie Seute, bie baju 
©efugnifj hotten, f c h r fetten maren. Einem 
griebensricfjtcr in SRcSean ©ountp, ber an 
einem glufjufer tooljnte, fam es bafjer nicht \tU 
ten oor, bafj er einem liebenben ©aar auf ber 
anbeni Seite beS gluffeS baS jgamort ablaufdjen 
rnufjte. ©r beftanb bann gemöijnlich barauf, 
bafj bie ©etreffenben meit genug in’S SBaffer 
ritten, bamit er mährenb ber ©eremonie bie ©e^ 
fichtS^iige unterfdjeiben fönne. 

Solper Slrt maren bie gefeßfdjaftlic^en ©er* 
tjältniffe jur geit, ols Slbraham Siucofn in 
3ßinoiS eintraf. Stoch benfelben „falten ©Jim 
ter" machte er bie ©efamttfdjaft eines etmaS 
überfpaunten ©efchäftSmanueS, StamenS $en* 
ton ßffutt, ber gemöhnlich mehr ©ifen im geuer 
hatte, als er fdjmieben fonnte. $iefer 93tann 
beabfidjtigte eine gladjbootlabung nadj Stern 0r* 
leanS $u oerfchiffen uub ba er hörte, bafj Sincoln 
unb £>anfs etmaS Erfahrung in ber Seemanns* 
funft hotten, bejdEjieb er bie beiben auf einen ge* 
miffen Xag ju fidj. gofjn gofjnfton ftfjlofe fiefj 
ebenfaß» ber ©efeflfehaft an, fo bafj fie eines 
lageS iljrer brei in einem ßanoe ben Sauga* 
mon=glufj Ijinunterfuljren bis in bie ©egenb beS 
heutigen SameStomn. ©on ^ier aus gingen fie 
5 ©teilen $u gufj nac^ Springfielb. 

®ort fanben fie aßerbingS §erm Dffutt, aber 
fein gtacfjboot; ein folc^eS mufjten fie pietme^r 
erft felber berfteßen. So fdjneß toie bieS nun 
mit ben menigen SBerf^eugen unb aus ben griU 


nen Säumen möglidj mar, gefdja^ es benn audj 
unb baS ©oot begann feine gafjrt. Sei Siut- 
tebge’S äJtüblenbamm paffirte ben jungen Sdjif 5 
fern jebod) baS Unerhörte, bafj ifyr ©oot auf 
bem ®ammc fteden blieb. ©S blieb ilpten mei' 
ter nichts übrig, als auS^ulaben. SB ie aber? 
®aS mar bie grage. 

5Riemanb mu^te 9?atlj als ber erfte Steuer^ 
mann ber fleinen SdjiffSgefcflidjaft. ®erfelbe 
mirb als ein tanger SRenf^ gefdjilbert, ber feine 
§ofen etma 5 gufj fjod) aufgefrämpett unb fo 
im SBaffer maienb, eine ©orridjtung an baS 
Schiff angebracht mit meldjer man baS= 
felbe ohne Schmierigfeit entlabcn fonnte. 

$afj bie enbliche glüdliche Canbung am ®e* 
ftimmungSorte unferm Slbraham reiche Sor* 
beeren eintrug, lägt [ich benfen. Später hot er 
bie bamalige SRotheinrichtung jur ÄuSlabung 
beS ©ooteS oerbeffert unb patentiren taffen, mo* 
Pon baS äRobefl noch heute in SBafhington ju 
fefjen ift. 

Stuf biefer Steife jeboefj unb Pomehmtich in 
Stern Orleans hot Slbraham Sincoln feine erfte 
Stbneigung gegen baS gnftitut ber SftoPerei 
befommen. ©r fah hi er SBefen, mit Äetten ge= 
bunben, auf bie rohefte ©Jeife mifjfjonbett unb 
baS maren pentünftige SRenfdjen mie er fetber. 
@r fonnte Pon ba ab ben ©ebanfen nicht mehr 
loS merben, bafj biefe ffetten gefprengt merben 
foßten. 


$d)n>orjf ober todljf Prille? 

©bitor. 

et)rere Sefer meinen, ber ©bitor müffe eine 
fehr fdtjmarje ©riße aufgehabt hoben, als 
er einige Säfce in bem Slrtifet beS 3>e* 
jemberheftS ,,©narc|iften = ©efängnifj" niebei^ 
fdhrieb. 

gn jenen Säfcen mirb gefagt, bafe es nur 
^mei SRächte gäbe, metche bie SBelt regiere, ent' 
meber baS ©ajonet ober bie ©ibel, unb bafj fo 
gemifj 9tom unb ©riecfjentanb ber ©emattherr^ 
fchaft perfaflen unb enblich untergegangen feien,, 
fo gemi§ mürben bie ©er. Staaten $u ©runbe 
gehen, fafls es nicht gelinge, bie SRetjrheit beS 
©olfeS auf ächt chriftlichem ©oben $u erhalten. 

^)ätte idh burch „rofig" gefärbte ©rißen- 
gläfer gefel)en, fo mären jene Sä£e nicht nieber^ 
gefdhrieben morben. SlfleS in rofigem Sichte ju 
fehen, ift bieSäufcfjuug berjenigen, bie fi^ beS fo* 
genannten “gpread eagle styles” bebienen. Sol' 
d)en ift es ausgemachte Sache, bah es in ben ©er. 
Staaten bis jum SBeltenbe nur glorreich gehen 
fönne, fomme, maS ba moße. ©in folcheS Sanb, 
folcheS ©olf, folche ©erfaffung, fotd)e ©runb' 



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Sdjroarje ober mei^e Pulle? 


69 


läge fönneit nimmermehr ju ©runbe gehen, 
jagen fie, unb ma# begleichen Sarifari mehr ift. 

Surch bie meiße, ungefärbte ©ritte fieht man 
bie Singe mie fie finb—nicht fchmar^ unb nicht 
in rojigem Sichte. Sa gemährt man atterbing#, 
ba§ bie Ser. Staaten ba# bedor^ugtefte Sanb 
auf bem ©rbboben finb. 3Ran fieht aber auch 
Diele ©efahven unb große Stäben. 

9Rit ber gleichen ©ritte bie ©efchidhte betrag 
tenb, fommt man unmittfürlich ba$u, Sergteiche 
anpftetten unb mirb $u ber Folgerung getrieben, 
baß bie Uebel, bie anbern SRepublifen ben Un* 
tergang gebracht, auch bie Urfache be# Unter* 
gang# unferer Slepublif fein merben, fall# nicht 
ein fräftig ©alj ber 3^fefeung ©inhalt thut. 
Jie# Salj ift bie Offenbarung ©otte# in ber 
Sibel. Sille anbern angegebenen |mlf#mittel 
gruhben fich entmeber auf biefe Offenbarung 
ober fie taugen nicht#. 

2 a ß einmal f e h e n. 

©iner ber größten Schöben be# alten, finfen* 
ben Sömerreich# mar ber Slemterfchacher. 3je* 
ber fmllunfe, jeber Unmüubtge tonnte enblidh 
ein öffentliche# Slmt befommen, menn er nur 
genug dafür bezahlte. 

$3ie fieht e# in ben ©er. Staaten au#? 
Sott fei Sauf, fo fchlimm noch nicht. 

Ser h^ut $u Sage jeboch hier i u 2<*nb in ein 
Ämt mit bebeutenbem ©infommen gemählt mer* 
ben miü, ber muß in einer ©roßftabt, mie $Rem 
$orf 3. ©., suerft ein ©ermögen meggeben. 
Sor fünfunb^manjia fahren mar e# no<f> nicht 
alfo; ba tonnte fich auch ein SRann don mäßi* 
gern ©infommen um ein fol<he# Slmt bemerben. 
ipeute mirb bem ©anbibaten don ber Partei eine 
ungeheure Steuer auferlegt, bie unter bie poli* 
tijd>en ^anblanger bertheilt mirb. 

So mirb 5. ©. au# guter Quelle berietet, 
baß im Qafjr 1884 ein SRapor# * ©anbibat 
1125,000 (ber mürbe gemählt) unb ein anberer 
♦100,000 (ber mürbe nicht gemählt) fpenbirt 
haben. Sie lepte Sheriff#mal)l in $Rem gort 
foftete ben berfdjiebenen ©anbibaten jufammen 
♦125,000! 

freilich müffen bann bie Slemter auch baju 
benüpt merben, baß fie mieber ganj fabelhafte 
Summen per 3ahr einbringen. 

*Run — mie toeit finb mir ba dom altrönti* 
fdhen Slemterfchacher? Unb hoch mährte e# in 
ber römifchen SRepublif etma 400 ^aßre, bi# e# 
bahnt tarn; bie unfrige ift erft etma# über hun¬ 
dert alt! 

©in anbere#: 353enn Fernand jur 3ei* 
be# Serfaff# in SRom, ein ©injelner ober eine 
@efettfchaft, etma# burchfepen mottte, ma# 
„frumm" mar, fo taufte man ben Senat. 

Wie ift e# bei un#? $ürjlich fagte mir ein 


frühere# SRitglieb ber ©efefcgebung eine# nörb* 
liehen Staate#: „Siefe Korporationen beregnen 
Sitte# auf# ©enauefte; mie diel e# foftet, ihre 
Slbficht auf geraden ober frumnten SSegen durch* 
juführen. Ser bittigfte mirb gemählt, unb menn 
berfelbe ba# Stuffaufen ber Stimmen im Stabt* 
ratt) ober in ber 8egi#latur einfchließt, fo laffen 
fich diele SRitgtieber biefer Sörper gemöhnlich 
täuflich finben." 

‘3um britten bente man an bie fehreef* 
liehen ©ernichtung#fämpfe ber gemeinen Sürger 
SRom’# (Plebejer) unb ben Stabtabeligen (<ßa* 
tricier). Klopfen nicht in ähnlicher Steife un* 
fere heutigen So^ialiften unb Slnarchiften an 
bie Shü^en be# SRonopot# ? 

©in dierte#: äRati ^iehe einen ©ergleich 
jmifchen bem über alle SRaßen herrfeßenben 
Sujru# im finfenben SRom unb bem, meldjer in 
ben ©er. Staaten getrieben mirb, fo mirb bie 
©ntbeefung gemacht merben, baß mir feine tau* 
fenb SReilen mehr badon finb. Sort mie hier 
hielten unb halten fich Saufende nicht mehr für 
©ermalter, fonbem für bie unbefchränften Herren 
ber jufammengerafften ©üter. Sa# ift ein 3ug 
unferer 3eit, unb menn bie ©ölfer beinfelben 
nicht burch ©ehorfam unter ©otte# Offenbarung 
©inhalt thun laffen, fo ftampft eine ©otte#* 
©eißel ben Sujru# dom ©rbboben. So lehrt bie 
©efchidhte. 

3 u m fünften: $anb in |mnb mit biefem 
Suyu# ging in 9iom unb geht in Slmerifa bie 
©ötterei unb 3lu#fchmeifung. 3mar finb mir nod) 
nicht auf bem Stanbpunft be# finfenben 9tom# 
angelangt. 353er aber bebenft, baß jährlich 9 3Ril* 
lionen in ben ©er. Staaten für beraufdjenbe# 
©etränf au#gegeben merben; mer fich bk großen 
©aftinahle unferer £anbel#ftäbte ein menig 
näher betrachtet; mer fich don ber Unmittigfeit 
©ieler, in bie ©he ju treten, meil bie Sioften 
nicht erfdpoungen merben fönnen, unb don ben 
diel Saufend ©efattenen fagen laßt: ber fteht 
trauemb ftitte unb fragt — mie rneit finb mir 
nodh don SRom? 

3mar hatten bie SRömer ba# ©hriftenthum 
nidht. 353ir befipen baffelbe. 353enn un# jebodh 
dom ©hriftenthum nur bie 3?orm bleibt, menn 
bie 3Rehrl)eit be# ©olfe# nicht dom ächt chrift* 
liehen ©eifte burdjbiungen ift, fo nüpt un# ba# 
©hriftenthum nicht#. 

SReyifo unb bie fübamerifanifdjen SRepublifen 
haben audh ba# ©hriftenthum; aber bort brüeft 
©emaltherrfchaft ba# ©olf unter bem tarnen 
Slepublif. 

Sie franjöfifche SRepublif ift ebenfatt# eine 
fogenannte christliche, muß fich aber felbft in 
5rieben#^eiten auf 500,000 ©ajonnette ftüpen! 

©# bleibt babei — entmeber ©ajonnet ober 


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70 


{Hutter Jteinlpttif loefter$rfd|idpie. 


Sßibel. ©ntwebcr—göttliche Straft ober meitfd)* 
liege ©ewaltgerrfchaft. 

SRod) Hefigen bic 93er. Staaten in einem be= 
beutenben Iljeit ifjrer ©eoöltcrung ein gutes 
Salj, nod) wirft bie Stirne ©ottcS naef) allen 
Dichtungen f)in, tfjcitiger als juoor, noef) ift (Mott 
unb fein ^err, C£f>riftu^, mit uns. 'Jiod) brau= 
d)en wir eine neue Deformation, ein tßfinqjtfeft, 
Wie wir cS noch nie gefegen. Unb ein achtes 
s $fingftfcft wirb and; bie gleiche 'JSirfung gaben 
wie bau erfte. 

$ajumal warfen fid) bie mit bem heiligen 
(Meift Erfüllten mit aller Dtacgt auf bie Kettung 
bei Kaltes, inbeat fit einjclne Seelen retteten. 

Sie fudjtcn nid)t ben Streit mit bem H°h cn 
Datg, mit ftaifer unb Deicg unb igren ©efegen. 
2)amit l)iitten fie unter bamaligen Umftänben 
aud) reinwegS nichts auSgericgtet. Sie brad)= 
ten einem £ e r j e n nad) bem anbern 
ben Herrn §cfuS SgriftuS, unbtoug» 
t~e n, b a g wenn einmal bic SD c l) rgeit 
biefem ftönig unterworfen fei, bie 


© ö g e n unb bie barauf bezüglichen 
©efege fegon fallen würben. 

Heute muff bie Singe wogt aud) im großen 
(Manjen nad) stuften gin arbeiten, ©ewig aber 
ift es, bag fie oftmals ju oiel Straft unb 
bamit »erbraust. ©S ift eben leidster jn be= 
flamiren unb Sefcglüffe ju faffeit, unb fid) in 
ber ©rogfpredjerei ju üben, als in fernerer un= 
abläffiger Slrbeit eine Seele um bieanbereju ge= 
Winnen. $afür, bag Seberauf feinem ißoften mit 
einem Serien ooü Siebe bas tWeraugerfte t g u e, 
um 9M c n f cg c nj e e t e n für © g r i ft u nt 
au gewinnen, bafüt namentlich braunen 
bie jünger ©Ijrifti ein grogeS Ißfingftfcft. ^n 
ber Dettung einzelner liegt bie Hauptaufgabe 
ber St irege ©grifti; es ift fo ju fagen — igre 
einzige Aufgabe, benn alle anbern Aufgaben 
laufen in biefer jufammen. ©rfüllt bie Stirne 
biefen igren gweef in oollftem 2Jlage, fo wirb 
fie auch iw grogen ©anjen auf äugerliche Um- 
ftänbe Wirten, unb ein Salj jur ©rhaltung beS 
SanbcS unb ber Depublif werben. 




Uluttcr Heinlfoto* $t)ltiefUrg*fd)tdjti. 

San ®rof* GoerS. 


^|a, ftinber, id) bab* immer gefagt unb fag’S 

J auch Ijeute nod), baß am fReujabrSabcnb ber 
C/ SRenfdjen ©ebatifen fid) ihnen aus ber 33nift her* 
ausarbeiten unb herüortreten mie ber 9J?onb aus ben 
SSettermolfen, bofe ©ebanfen unb gute ©ebanfen, 
ernfte unb leidjtfertige, fröhliche unb traurige, bemü* 
tbiae unb hochmütige ©ebanfen. 

t)ab’^ immer gefagt unb fag’S ^eute noch, baß 
am -fteujabrSabenb bas ©eibentbum mitten m ber 
^^rtftenbeit aufmaebt uno fid) aufmadjt mie eine 
©päne, bie gefdjiummert bat, um mit frtfdjer ffraft 
unb neuer ©ier auf 93cute auSäugcbcn. '©in unfthul* 
bigeS Vergnügen' nennen fie bas Schießen unb SÖer* 
fen, baS $Ueigießen unb SBabrfagenlaffen, baS ©eifter* 
jeben unb ©efpenftermacben. '©in un)d)ulbigeS feer* 
anügen' nennen fie eS, unb eS ift bod) ©reuel ber 
feerroüftung an heiliger 6tätte, ift boeb ©eibentbum 
mitten in ber (£briftenbeit, ©eibentbum, barinnen fie 
ihre unftcrblicbe Seele fterben unb üerberben laffeit." 

So rebete bie Butter fReinbolb, bie alte 2Bäfd)erin, 
unb nidte mit bem grauen ©aupte gar entfliehen ju 
ber fRebc. Sic riidte ben ßebnftubl mit ber gefebnip* 
ten 9iüc!lebne fefter an ben Ofen, rührte mit ber 
3 rcuer$ange nod) einmal in ber ©lut, bajs fie beU auf* 
ioberte, marf nod) j^toei Stüdcben ©o^ in bie glam* 
men, unb manbte ficb mieber jum iifd), um ben bie 
©ejcllfd)aft '^lab genommen §attc. 

4a mar ber ©anne£, ihrer Scbmefter Sohn, unb 
bic Kathrin, feine Scbmefter; bann bie fiife, bie 
^üd)enmagb bom Stabtfcbreiber, bieSanna, bie febon 
fecb^ 3 fl l) rc fRecbenmeifter gebient batte, unb 
bie £ena, ber bie Xreue au$ ben klugen fepaute unb 
ber ©rnft auf ber Stirn thronte, üüfutter Äeinbolb 
febaute ficb nod) einmal in bem Äteife um, Happte bie 
große feibel ju, aus ber fie foeben gelefen batte, unb 


üerjebloß fie in bem fleinen 2 Banbfd)ranf, naeßbem fic 
bie große ©ombrifle forgföltig in’S gutteral geftedt 
unb auf bas liebe ©ud) gelegt batte. 

„XaS ift mir lieb/' fagte SRutter fReinholb, „baß 
^b^ am 9ceujabrSabenb nicht mie bie Scpneefloden 
über bie Straßen flattert, fonbem @ud) bei ber alten 
flieinholb feftgefept habt, ftd) mein’ nun, baß man 
am ^JfeujabrSabcnb ftidfteben unb rüdroärts f^arei 
foU in all bie Sünben, bie Sorgen unb ben ©ottes* 
fegen hinein, ftitl fteben unb Sltbcm holen,—b a d aber 
neulich irgcnbmo gelefen, unb bent’, eS ift ein gutes 
SSort, baß ba£ ©ebet baS Sltbembolcn ber Seele ift— 
ftill fteben unb üormärtS febauen, baß man nicht in 
ben Jlbgrunb tritt, ftatt auf feften ©runb. ^d) miU 
(Such eine©efd)id)te er^dblcn, bie ©uep meine SDceinung 
beftatigen foU." 

„3b r * enn t ^ic Sebrecbt, bie brüben in ber ©örgent* 
miete mobnt. $b r fcnnt a ^ er ^ tcnnc l* c b ^ff^ 
als 3b r ade. 9llS ich in bie Stabt fam, id) ftanb t a* 
jumal im fünfunb^manjigften 3 abr, ba batte bie 
feermietherin mir einen felaß üerfebafft beim fÄboo* 
taten SSalbftrom, ber baS große ©auS am SRarft 
bemobnte, mo jeßt bie SBirtbfmaft ju ben brei fronen 
eingerichtet ift. ÜRan hielt ihn für oen reid)ften SJiann 
ber Stabt. Cb er eine 9Rillion gehabt bat, mie einige 

K , ober nur bunberttaufenb, mie anbere meinten, 
eiß ich nicht; aber baS meiß id^, baß er eS oon 
ben Leuten nahm, mo er'S faffen tonnte, unb baß er 
fid) nicht barum fümmerte, ob’s ihm berXeufel fclber 
gebracht hätte, ober ob bie cbriftliche ©armberAigteit, 
mit ber er übrigens hart im ferieg lag, eS ihm oarge* 
reicht hätte, menn er eS nur unter bie ginger unb in 
feinen eifemeti Schrant betam. 

$cr 9lbbofat SBalbftrom batte nur ein einziges 
Äinb, eine Jungfrau fd^dn oon 3lngeficht unb ftattlich 


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ittuttrr Jltinljelfes $ijlut|lfrgffd}td)tf. 


71 


oon ©eftalt, blüijenb wie eine SRofe um gobamttötag, 
unb ba* war bie Anna. ga, bie %ima ! Ach, baß 
jtdj ©ott erbarm, Einber, ba* toar bieAnna, bie fie 
je$r bie alte Sebredjtin nennen. Ad) ja, ich würb’* nicht 
glauben, wenn id)’* nicht mit meinem eigenen klugen 
angefeben unb mit meinem öerjen bie gan^c ©cjcbiajte 
mit erlebt l;ätte; idj b.aö r ä aber immer gejagt unb 
iag**audj peute nodj: bie ©efdjidjte ift eine v Jteujabr*= 
geliebte, ob’* auch bie ©ejdjicbte eine* SKenfdjen* 
leben* ift. 

3 <b war’* bei meiner Butter gemobnt geworben, 
em cbriftlidje* 9ieujabr*feft ^u feiern. Xarum werb’ 
id)’* mein Lebtag Ttiajt oergeffen, ob icb auch b u nbert 
Jab 1 ölt würbe, unb oor ber ©eele ftebt mir’*, al* 
ob’* geftern geroefeit wäre, wie c* bet meiner neuen 
jperrfebaft juging. Al* bie ©loden oon ©t. 5ttarien 
jmn ©nloctfergotte*bienft läuteten, ging icb in’* Ar* 
beiteumnter be* £errn, um nadjäuijeiaen. X)a fab icb 
ben Alten oor feinem offenen ©elbjdjrant ftßen, unb 
ba* blante ©olb ftrablte mtr entgegen fo bell wie ba* 
itampenltdjt unb baneben leuchteten bie Augen be* 
Alten--bu, e* war ein unbeimltcber falter ©lang! unb 
bie Augen ftierten nur immer in Die©olbberge hinein, 
unb batten nidjt gejepen, baß icb w’* 3immer getreten 
roar. 

Xann lief* er bie ©olbftücfe bureb bie ginger gleiten, 
fll* jäblte er fte, ob er fie gleich fdjon jwanjtg 3Kal 

K batte, unb ber Elang ift ihm lieblicher burd)’* 
^ogeit, al* ber Elang ber ©loden oon ©t. 
Strien: benn er hörte nicht* al* ben Elang ber 
ÖolDftürfc, bie er auf ben eifemen ©oben feine* 
3<brante* gleiten ließ. Al* er aber mich fab, fcblug 
er ljafttg bie Xljür feine* ©elbfcbrant* $u, wanbte ftdj 
ju teinem ^d^reibtifc^ unb wühlte in ben papieren 
unb AftenftöBen, malte 3ablen auf’* ©apier, wählte 
bie SummetiAujammen, unb murmelte 3 a ^ lcn unb 
Staaten unb tarnen unb 3ablen wirr bureb einanber 
in feinen grauen ©art hinein. 

3dj würbe gan^ ängftlidj unb eilte binau*. Al* er 
aber jum Abenbbrob Ijeruntergegangcn war, padte 
trieb ftrafbare beugter. Denn ich war an jenem Aeu* 
jabr*abenb juft aebtunboier^iggabre jünger al* beute; 
ub jdblidj mich wieber auf jetn 3imnter unb lugte in 
bie ©apterc, bie auf feinem ©djretbtijdj lagen. Auf 
bem einen 33ogen aber ftanb’* ungefähr alfo gefebrie* 
ben: „gabre*fcbiuß: ©ewinn 16,500. Aürfjtänbige 
Jinfen 4400. llinjuflagen: X)ie Söittwe ©eter* am 
grünen ©$eg, fdjulbet mir 18 Xoü. Xie SBittwe 
lieber fdjulbet 22 Xoll. Xem griebel in Aeuborf bie 
^Opotpet tünbigen unb bie rüdftänbigen 3* n fen ein* 
treiben." ©o gtng’* weiter, bie gan$e©ette hinunter. 

3 dj tannte bie 5eute, beren Aanten auf bem ©ogen 
itanben. ©* waren etliche, bie leichtfertig Daher* 
iubren, unb in ihrem fietdjtftmt ihre 3ufludjt $u bem 
Abootaten genommen butten. Aber e* waren auch 
ßittwen, bie mit gertngem ©ut unb üielen Etnbern 
ftpen geblieben waren, unb ben griebel fannt* ich oon 
meiner frübeften Einbbeit her, war er boeb meiner 
Sutter Machbar: er lag feit brei gabren auf jebwe* 
rem ©djmer$en*lager. ©b e i*b aber ben gabredfdjluß 
meine* $errn juifenbe gelefen butte, gtng mtr ein 
gittern bureb mein §er$, teb mußte an ben tränten 
griebel beuten, unb an metnen irbifdjen $erm, unb 
an bie Sittwe ^eter* unb ihre fieben Einber; unb 
meine ©ebanfen tlopften bei bem §crra im $im* 
mel an. 

Al* id) mich aber recht befann, war ich biuhJC09^itt 
oon be* reichen Spanne* 3abre*abfcbluB, faß in mei* 
ner tammer unb weinte, unb baebte an ben tränten 
gnebeL 

SBie lange ich fo uflba gefeffen unb geweint hübe, 


ba* weiß ich ni( h^ mu 6 über wohl recht lange ge¬ 
wesen fein. $lbßlicb ftanb bie Anna oor mir. ©i 
ja, ba* oergaß ich, Such S u erzählen, baß bie Anna 
bajumal fteben^el)n Qaljre alt war, unb ihre SJtuttcr 
oor retchltcb ^ebtt gahren oerloren batte, ^te Butter 
mußte wohl eine treffliche grau gewejen fein, benn 
bie Anna follte ihrer Butter b 0 ^^ unl) toar 
gar gutherzig, wußte auch fo in ftillen ©tauben wohl 
bie §änDc ju falten, wenn’* auch gar feiten gefdjab, 
unb tonnte fo recht au* ber $iefe, wenn fte wie träu* 
menb in oergangene 3 e * tcn dürfte, manch gute* 
©prücblein berau*bolen, wa* fte nidjt in ber ©djule 
gelernt Ijatte, noch oom ©ater ober oon ber Xante, 
bie bem §au*mefcn oorftattb. 

Xie Xante war be* alten SBalbftrom* ©cbwefter, 
ja recht feine ©cbwefter, grab jo gelbgierig unb felbit* 
füdjtig wie er, nur iniofem tbm unähnlich, baß fte 
ftdj in ©antmt unb ©eibe flcibcte uitb mit ihrem 
©elbe prunfte, wäbrenb er feine ©chäße oerftedtc uttb 
allem abgeftorben war, wa* nicht ©oloc*flang batte. 
3n folcben ^änben lag nun bie ©r^iebuttg ber Anna, 
ober eigentltdj lag fie nidbt barin, bettn ber Alte tum* 
werte ftdj niept um ba* Sftäbdjen, fonbem febarrte unb 
fdjacberte nur für fte, ließ ihr ihren SBiUen, brummte, 
wenn fie ju ütel ©elb holte, ga6’* aber hoch tycx, weil 
bie Anna ihm fdjon al* Etnb über ben Eopfgewaebfen 
war, unb bei fdjwierigen gäüett ftet* bic Xante auf 
ihrer ©eite batte. 

Xte Xante aber batte e* ber Anna fdjon längft $unt 
©ewußtfein gebracht, baß fie bie Xodjtcr be* reidjften 
SWanne* ber ©tobt fei, tmb batte ihr bie ©itelfeit tief 
in’* $cr^ gepflanzt; unb wenn bte©itelfeit im Jper$en 
eine* jungen teäbcben* SBur^el gefdjlagcn bat — ach, 
Einbcr, taj hab’* wohl bunbert SOtal im sieben gefeben, 
—bann ranft fie wie bie ©rombcerranfe über’* frudjt* 
bare Aderfelb unb erftidt Alle*, wa* waebfen will, unb 
wa* gewachsen ift. 

Al)o: bic Anna ftanb oor mir an jenem Neujahr*« 
abenb, unb ich wifdjte mir rafcb bie Xbränen au* ben 
Augen, ©ie aber fab Weber meine Xbränen, noch 
metttc Augen, ©ie jagte in ihrer rafdjen, lebhaften 
SBeife: „glinf, ©retlje, flinf, bu baft ja ba* geuer auf 
bem §eerb au*geben lafjen, weißt bu benn nicht, ba® 
ber ©ater unb Dte Xante bei ©ürgernteiftcr* ihren 
^eujabr*punfcb trinfen, unb baß ich mir bie greun* 
binnen etngelaben habe?" > 

3 cb wußte e* jwar nicht, aber ich hörte jdjon fröb s 
licpe ©timmen oor ber ^au*tbür unb ctlte in bie 
Eudje, oorüber an ber ©djaar ladjenber unb fdjer$en* 
ber s JÜtäbdjen. ma^te geuer an. Xie ^äbdjen 
brauten fiel) felber einen 9ieujabr*punfdj unb fangen 
fröhliche lieber, lachten, feber^ten unb nedten ftdj. 
3 cb aber faß in ber Eüdje am geuerbeerb uttb badjte 
an ben N 3al)re*jcbluß / bc* Aboofaten3Balbftrom,unb 
an ben tränten gricbel, unb an bie ©Sittmeit, Deren s Jta* 
men idj auf feinem ©ogen gelefen batte; unb ob ich 
wteberunt geweint habe, ba* weiß idj nicht. 

3dj weiß aber, baß ich au* meinen Xräumen er* 
wachte, al* bie ©Aaar ber jungen 9ttäbdjen mich um* 
ringt batte unb Anna felber in bie Eoljien blie* unb 
trodene* ^>olj Darauf warf. „i?aß mt(h nur, ©retbe," 
fagte fie, al* ich ihr b el f cn wollte, „©iebft Xu, £ut** 
eben, Die glamme aebt grab’ in bie $öbe, ba* bebeutet 
©lüd für’* neue gaijr. #at mein Üui*djcn wettere 
SEÖünfdjc? ©ieb ba, ^wei glammeu! ©ie tommen ^u* 
fammen — e* wirb eute barau*: fte befommen ftdj —- 
£uife unb ein ©ewiffer." 

,,©V' fcbalt fiutfe, „ich oerftebe bcf[e:c Eunft al* 
bu; aieb mir bic geuerfcbaufel. ©lei b^* ich öer 
Xafqje \ 4i 

„SBunberooII!" jauchzten bie Anbem, „Suife will 


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72 


Ptuttrr $einl)oUs 


5ölci gießen; fie üerftept’S üortrefflid). guerft für 
3tnna ©albftrom, guiScpen* laß und fepen, men fie 
jum 3Kann betommt; fie ift fcpon fieben$epn gapre 
alt. ©S fcpmil$t! ©S fcpmittt! 'Jßaßt auf! @i, mie eS 
*ifcpt! Siel) ba! ganj bcutlid): cm fcplanter junger 
Mann; einen Scpnurrbart pot er, unb — eine ©ue. 
SDerjunge gebrecpt — ich rocttejepn gegen eins." 

„So fcpmcigt bocp!" rief bie #nna. gpre ©angen 
glühten, ipre Slugen funtelten. Unb micber fcpmola 
^iuife baS Blei, unb roieber aiicpte eS, unb micber ju* 
beiten fie. 

gd) aber faß bahnten auf bem §olstaften unb ge* 
badete ber Stunbc, ba mein alter Xorfpfarrer baS 
jmeite ©ebot erflärt unb backte an baS ©ort 
ocS öerrn: „Xaß niept unter eudj gefunben merbe ein 
©eijfagcr unb ein Xagemäpler, ober geidjenbeutcr, 
ober ber bie Xobten frage; benn mer folc^eö tput, ber 
ift bem §crrn ein ©reuel." 

SluS bem Xienft ju geben, mar bajumal für eine 
Xienftmagb niept gerabe eprenüoll, unb nach meinem 
erften StteujabrSabenb in bem großen §aufe am ÜRarft 
tarn halb ein jmeiter. 

Sftein ^auSbcrr faß mieber jmifcpen feinen $apie* 
reu unb ^at aucp mopl mieber in jeinem ©olbpaufen 
gcroüblt. gcp b a ^ 0 a ^ er niept gefepen. gcp pob’ in 
meiner Hammer gefeffen unb pob’ an ben alten grie* 
bei benten müffen, ber bermeil in’S SlrmenpauS ge* 
tommen mar. ga, ja, icp pah’ gebetet für ben armen 
griebel; unb bann pah’ id) an meinen ßauSperrn 
benten müffen, unb pah’ noch einmal bie Ipänbe ge* 
faltet unb pah* gebetet für meinen armen ^auSperrn. 
guerft mollt’S mir nia)t recht üon ben gippen, aber 
bann baept’ ich: er pat’S nötiger, als ber griebel; 
unb ich pah’ mopl barüber meinen müffen, baß ich 
nidbt längft für ihn gebetet hatte. 

Xarauf lugte mieber bie Slnna burd) bie Xbürfpaltc. 
©S mar bie geit, ba stacht unb Xämmerftunbe mit 
einattber tämpften. „©retpe," fagte fie, „feße beine 
Happe auf unb gebe mit mir/' 

©ir gingen üon Straße $u Straße. ©ir gingen in 
bie Borftabt unb bureb bie Borftabt. draußen im 
gelb, nicht fern oott jenem ©ege, an bem ber ©ärtner 
mobnte, ber uns bie ©emüfe in bie Hücpc lieferte, lag 
ein einjameS £äuScpen; faft roar’s eine ipütte nur. 
Xort machten mir £alt. 

„©arte," fagte fie, „marte, ©retpe, bis ich mieber* 
tomme. geh pabe ber grau ba brinnen ©elb $u brin* 
gen, baS möcpt’ id) felber abliefern." 

Mir aber bauerte bie ©artejeit braußen im peu* 
lenben Sturm au lange: ich trat auf bie glur. Slber 
man batte ntiaj nicht gehört ober mollte mich nicht 
hören, gcp hörte oon ber Stube her eine Stimme, 
©in fcpmalcr gieptftreifen fiel bureb bie Xbürfpalte. 
guerft blieb id) an ber JpauStpür fteben, bann hörte 
id) einzelne ©orte, mürbe aufmerffamer, unb trat 
näher flur Stubentbür. geßt tonnte ich jebeS ©ort 
ü erfteben. 

,,©ie ein fonniger borgen," fo fagte bie Stimme, 
„mie ein fonniger borgen, mein fcpöneS gräulein, 
liegt gbr geben oor ben klugen meinet peujepenben 
©eifteö. öerjbame liegt in ber SJtitte; bie gan$c 
Stabt bliat auf ^erjbamc, üiele neibifcpe klugen 
richten fid) auf fie. ©eabame, baS finb Sie. mein 
allcrfcpönfteS gräulein. &er fcpmar$e Honig pat fei* 
nen Blaß neben fierftbame gefunben. Sttcpt meine 
§anb, nein, baS augemaltige Scpicfjal bat bie Beiben 
jufammengefügt. ©r febemt buntcl $u fein. SDuntel 
liegt ^unäd)ft um bie Reiben. 5lber mie ber belle 
borgen ben s Jtebel zerreißt, fo roerben alle ^>inber* 
niffc unb ^>emmniffe, bie fid) ihnen entgcgenftellen 
merben, üon ben Sonnenftrablcn ihres ©lücts über* 


rounben. ©in $er$, eine Seele, eine Seligteit, 
fo ftebt’S gefebrieben über ber ftrablenben ^erjbame 
unb iljrem jebönen SRitter." 

geb mar noch näher an bie Xbür getreten unb fah 
burd) bie Spalte ber f<blecbt gefugten ©retter. gep 
iah bie roilben klugen eines braunen ©eibeS auf bie 
Harten ftieren. geh fab 9lnna’S klugen leuchten unb 
ihre ©angen glübn. geh fab, mie fte ihre ^öörje auS 
ber lafebe 50 g unb ben gnbalt in bie $>anb ber brau* 
nen Eliten gleiten ließ, geb bliefte noch einmal in baS 
milbe s 2 luge ber Sllteiu 

gd) mußte an bie $eje üon ©nbor benten. ©S mar 
mir feit meiner gugenb immer eine ber graufigften 
©efebiebten im ganzen großen ©otteSmort: basytaebt* 
aeftdjte unb bie tRadbtgefchicbte beS ©eibeS üon ©nbor. 
gd| mußte an baS fureptbare ©otteSgcricbt benten, 
baß ber große Honig auf fid) felber bemieberruft unb 
beriiieberreißt. ©ehe, Saul fällt in fein eigenes 
vsebmert! 9lcb, baß idb baS ftrablenbe 3lntliß unjerer 
3lnna mit ber URacbtgeftalt beS üerjmeifelnben HönigS 
üergleidjen mußte! vlbcr eS maren mir foldje ©eban* 
ten burd) bie Seele gefahren unb moHten mid) an je* 
nem Slbenb unb am ganzen yteujaprStage nimmer 
loSlaffen. 

geh blieb neben ber Stubentbür fteben, unb als bic 
Slnna berauStrat, faßte ich fie an bem Vlrm unb führte 
fie eilig biameg. Sie ließ cS gefebeben unb feproieg. 
vllS mtr aber burd) bie SSorftabt gingen, trat fie nape 
an mich b^on unb flüfterte mir mit erregter Stimme 
$u: „©rebte, menn bu ein ©ort üeirätbft, bann jag 
icp bi(p fofort aus bem 35ienft." 

5)a faßte id) mir ein öer$ unb fagte: „gräulein 
9lnna, üerratben merb’ im nichts; mem füllte icp’S 
auch üerratben? gbr ®ater unb gbre Xante mürben 
fid) menig b’rum tümmem, unb gbnen in ber Stabt 
Sdjanbe ju bereiten, ba^u ftebe icp nicht im Xicnft 
gbrcS Katers. ?lber, gräulein 2tuna, icp meiß, baß 
joldje ytcujabrSabenbe, mie id) fie bei gbnen erlebe, 
meinem jperrn im £immel ein ©reuel finb; unb baS 
bab’ icp meinem $$ater gelobt auf [einem Sterbebette, 
ünb meiner 9Rutter in ber Scpeibeftunbe, ba id) in bie 
Stabt jieben mottte, baß ich meinen ^peilanb nimmer 
laffen moue, unb baS ©clöbniß miü id) holten. Unb 
menn mid) gemanb in bie Sünbe bin.in^ieben ober 
an bie Stätten ber Sünbe mid) fteflen mill, bann metß 
id), baß man ©ott mepr geporepen muß, als ben 
yRenfcben." 

,,©i, ©retpe," ermiberte fie, „fei bod) niept fo när* 
rifd). ©er mill biep benn $ur Sünbe üerleiten, ober 
mer fteßt biep an bie Stätte ber Sünbe? ©enn icp 
mir am Splüefterabenb ein unfcpulbigcS Vergnügen 
unb peute ober morgen einen ykujaprsfcperÄ erlaube, 
fo finfc icp bamit boep noch niept m ben Sütioenpfubl, 
unb menn bu mich m gufuuft ju folcpen Scperjcn 
nidjt begleiten miHft, fo merbe icp anberc Begleitung 
ju finben miffen." 

ga, fie mußte anbere Begleitung ui finben. ©ic 
hätte bie fepöne unb reiche 9lnna ©albftrom niept 
leiept anbere Begleitung finben follen, als bie oeraep* 
tete niebere Xienftmagb ? hätten bie greunbinnen 
an jenem SReujaprSabenb fie niept mit bem jungen 
gebreept geneeft, bann mürbe fie ihn üicüeicpt meniger 
beaeptet paben; pätte bie braune vllte i')r niept gere* 
bet üon einem buntlen $>errn unb üon beu jQinber* 
niffen, bann pätte fie ipr 5luge üiellcicpt auf einen 
reicperen gerietet. Vtber mein alter Bater pflegte ^u 
fagen: „©in ©ort rieptet mehr aus, als ein gäpnlein 
ganbStnecpte," unb icpjelbft pab’S mepr als punbert* 
mal erfapren: BöfeS©ortunb böfeS Spiel, betrügen 
ber Sitten unb gungen üiel. 

So ift’S gan^ natürlich ^gegangen, baß ber ©riep 


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%n* Polkffaerfammlungeit, bie m* Pandjrs fugen. 


73 


Sebiedrt fein Stuge auf bie ttnna gemorfen tyat, meil 
fte iljr fcuge auf ign gerietet tjattc. ©r mar ber jüngfte 
oon Den jedjg ^inbern feinet SSaterg; fein SSater aoer 
nmr Sdjreioer beim Amtmann. ©nd* Sebredjt mar 
^anDlungggefjülfe im ©efctyftft eiiteg alten ©Henmaa* 
rnttyänblerg, unb menn er etliche Daufenb $ur $erfü* 
anng gehabt fjätte, bann Jätte er bag ©efdjajt taufen 
tonnen. Denn ber Süte munfc^te fichin bie (Stille $u= 
rütfjujiefyen. 9hin aber Ijatte ©rid) fiebredjt vorläufig 
nid}tg — nidjtg alg einen ftopf ooH §odjmuth unb 
einten Doll ©itelfeit, eine ftattlidje ©eftalt unb eine 
glatte jjunge. Dodj, mag er nicht batte, bag fjattc 
nnna Salbftrom; bag fdjöne SJtäbctyen Ijatte aber 
ubetbieg bie Dtjorheiten beg 6t)loefterabenbg im 
Äoyf, malte in iljre »üdjcr bie 931eigeftalt, rneldje bie 
gutfe iljr gegoffen tyatte, einen fdjlartfen 9ttann mit 
Dem Sdjnurrbart unb ber ©He, unb rebete in iljren 
Xräumen non bem „Nuntien neben ber 
Dame." 

$ag idj*g furj madje: am nädjften ©nlöefterabenb, 
ale Droben ber alte SBalbftrom in [einem ©elbe 
nmblte, feine Rapiere orbitete, feinen Ueberfdjug be= 
regnete, unb bie SBittmeu, bie trauten unb Unglüd* 
lidjen auffdjrieb, bie er megen ber SRütfftänbe etnHa* 


gen mollte, ba goffen brunten in ber $üdje iljrer gmeie 
iölei — ber junge $err unb bag gräulcin. 

Unb bann t)at ber ©rid) Sebredjt, alg bie ©loden 
oon 6t. Sflarien ^um 5lbenbgottegbienft riefen, bag 
Jräuletn meit fyinaugbegleitct. Durd) bie sBorftabt 
ftitb fie gegangen, Qd) backte mir bamalg, bag fie 
fid) bie mltialjr^ unb bie 5fteujahrg*<ßrebigt üon ber 
braunen $Uten mollten galten laffen; bod) rneig idj’g 
nidjt. [ag in meiner Kammer, benn ber SUte 
metnte, id) rönne morgen nod) lange genug in ber 
$irdjc figen; id) fag in Der Äammer unb metnte unb 
betete. 

Dann $ogen bieSttorgennebel über bag junge ©lüd. 
Der Wlte mürbe milb unb miitljenb, alg er oon bem 
SSertetjr feiner Dodjter mit bem ©rieb fiebredjt fyörte, 
unb mollte oon einer Jpeiratb nichts miffen; aber bie 
5lnna ^atte nid^t oergeden, bag ibr am SReujaljrgabenb 
bie Jptnbcrniffe unb feemmntffe febon üorhergefagt 
maren. Deg &aterg Söiberfprud) beftärfte fte in oem 
©lauben an bie SBeigfjeit ber braunen eilten, in bem 
©lauben an ibr ©lud. Der $Ute rnugte nur jtt gut, 
bag, menn er feinem $rinbe biegmal ben Söttlen laffe, 
e§ ibn oiel ©elb toften merbe; unb bag ©elb mar fein 
©öge. ((Bcblug folgt). 


- c - 

Jlu0 Polksrnfamtnliingcn, Die 11110 UtandK* fogen. 

#»Rß «ult 0 er ! 1 »an <£. ttafftl, $rutfd)laub. 


yL n einet ©efanntmadjungäfäule ber SRefibenj» 

® ftabt ©.laö id) folgenbe ginlabung: 

ClS> „Sßottd - ®erfantmluHfl! |>cute 2lbenb 
•)§ä 8 U^r (eä war ber brittc Dftertag) wirb 
ber Sanbtag^ = SIbgeorbitete $en: ©renter ou3 
Berlin im ©tabtbaufnale einen Ißortrag galten 
über bie ©onferoatioe Partei in iijrem S8erl)ält= 
nife jn ben anberen Parteien. Der ©onferoatiöe 
Serein." 

3ur beftimmten ©tunbe fteHte idj mief; mit 
einrm Sefannten an bem beftimmten Orte ein. 
$0$, wie würben wir beim ©intritt in ben 
Saal iiberrafdit! Unter ben etwa 400 erfd)iene= 
not altern unb jungen SKännern, jum Dfjeil 
autb rec^t „grünen ^ungenö" Ratten weitaus 
bie weiften bie SDtüfte ober ben fput auf bem 
ftopfe, bie ©töcfe fj^wingenb unb entfe^lid) 
qualmenb — nur SBein, SBier unb ^Branntwein 
fehlten — warteten fie ber Dinge, bie ba fom= 
men füllten, ©in fßolijei = ßommiffär natim 
Bla| auf ber ißtatform, wä^renb einige anbere 
2(bu^leute ficb me^r in ber iRälje beä ©ingangS 
bohrten. ^ßlö^lit| erfdjien am Difc^e ein gro= 
Ber fdjlanter §err, mit weitem langen S8ott= 
bart — ©e^eimer 9iegierung3ratl) §. — tlin= 
gelte unb ertlärte mit bem IBemerfen, baff nun 
§err ©remer feinen SSortrag beginnen, biefer 
aii^ bereit fein werbe, am ©bluffe etwaige an 
it)n geftellte fragen ju beantworten, bie 3Jer= 
jammlung für eröffnet. 


©rofje Unruhe! $n einer ©de ertjob ficb ein 
SDtann, ein gang einfacher ©ürger ber ©tabt, 
früher ©djreinergefelle, je^t ©pccerei^änbler, 
unb bat um baä SBort jur ®efd)äftäorbnung, 
baS i^m ber fperr 9tegierung4rat^ aud) erttieilte. 

„Daö ift ber fßfannfuc^!" rief mein Sieben» 
mann mir gu. @4 intereffirte mid; bod), ben 
focialbemolratifdjen 3lei^4tag8abgeorbneten beö 
6. SBerliner SBafjttreifeö ju fetjen unb ju Ijören, 
fintemal ic^ oft oerna^m, bafj er p ben ,,©e» 
mäßigten" gehöre. 

„©4 ift Ufuö bei unä" — fo begann er feinen 
fßroteft — „bafe wenn eine ®otf8uerfammlung 
jufammenberufen wirb, bieSBerfammlung 
ba4 ©ureau wäl)lt, unb bitte id) bringenb, bie» 
fern ©ebrauc^e aud) f)ier ju folgen, anbemfaßö 
i(f) unb meine ©efinnungögenoffen foldjeö als 
eine abfic^ttic^e Däufc^ung feiten« ber einlaben» 
ben ©artei betrauten müßten. SBiH alfo bon 
üomljerein bie ©artei regieren, bann ift e« eine 
©erfammtung be« ©onferoatioen Serein« unb 
feine ©ollöoerfammlung, wie foldje burd; ©la» 
fate 2C. ic. aggejeigt Würbe." 

Diefer gormfel)ter mußte aueß oon jebem Sin» 
wefenben ol)nc SBeitere« anerfannt werben, wefj» 
halb |>err ©remer ungenirt bat, menigften« 
bieömal oon bem erwähnten ©ebraueße Slbftanb 
ju nehmen. 

©benfo leicht War aueß bie ©eurtljeilung ber 
©ituation: ßätte man nämlitß biefem Slntrage 


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74 


3lu0 jfoihioerfammltingcn, Me unt Plandjrs fagrn. 


entfprocben, fo märe ja unstreitig ber Social- 
bemofrat Pfanufucb 511m fieiter ber Serfamm- 
lung gewählt morben, mogegen bie Polizei mit 
Aufhebung ber SBerfantmlung auf ©runb beS 
SocialiftengefepeS ^ätte einfdfjreiten rnüffen — 
unb btefeS folite augen}d)einlid) öon beu So- 
cialiften prooocirt merben. 

ES gab baber einen etma \ ©tunbe an- 
bauernben gegenfeitigen Auftritt. (Sin Meiner 
©d)ul)macbergefeHe ßbmang fid) plöplidj auf bie 
Plattform, unb unterhielt bie SSerfammlung 
auf einen Augenblitf mit einem unoerftänblicben 
©crebe über ben parlamcntarifcbcn Sact. 

©d)on fud)ten ängftlicbe ©emütber aus gurebt 
Oor einer blutigen ©d)lägerei ben AuSgang. 
|>crr Eremer erMärte freifebenb, nur fpredjen 
511 mollen, menn ber SSorftanb beS Eonferoati- 
neu SereinS bie Scitung ber Serfammlung be- 
halte, unb ber ermähnte Sorftanb milligte bureb- 
aus nicht in bie angebeutete Atabt. 

£>err Pfaunfud) Oerließ ben Saal unb mit 
ihm bötlifd) brobenb feine ©efimtungSgetioffen, 
bie fid) smar nur langfam, jebod) mit beftäitbi- 
gen Hochrufen auf bie Socialbetnofratie unb 
|>errn Pfaunfud), entfernten. Etma 80—100 
Perfonen, meift ©eiftlidje, Sebrer unb Be¬ 
amte k., blieben zurütf. „2)ie Serfammtung 
ift mobl Meiner, aber reiner" — meinte $err 
Eremer, fepte feinen „Kneifer" feft unb fuebte 
nun, menn auch mit öftern mübeoollen Unter- 
breebungen bureb faft gemaltfameS SRäuSpern, 
ber Meinen Serfammlung zu imponiren. 9?acb 
unb nach feßrtc ein Sb e ^ ^ er <5ocial-$emofra- 
ten mieber zurütf, blieben aber in ber 9?äbe beS 
Eingangs fteben. 

§err Eremer fanb bei feinem Stnnbgang bureb 
bie fiager fämmtlicber Parteien — eine natiir- 
lieb ausgenommen — foitft in feiner berfelben 
baS Stidjtige. An ber Social-$emofratie aner- 
fannte er bie eben ben gortfdjrittlem erman- 
gelnbe Eonfequenz; früher bem Eentrum felbft 
angebörenb, tonnte er baffelbe nicht als eine 
Partei legitimiren, fonbern gab ihm nur baS 
Prioilegium eines Vereins. 2)aS ,£eil für ben 
Einzelnen unb für unfer ganzes Solf fommt 
allein non ben Eonferoatioen — baS mar bie 
Cuinteffenz feines SSortrags. 

©cbört eS benn zum parlamentarischen Auf¬ 
treten ober ^um Aoancement in feiner öffent- 
lieben Stellung, oon 3 C ^ 6 U 3 e ** feinen i*eli= 
giöfen Katechismus barzulegen? $iefe grage 
brängt fid) einem — befonberS feit einem ge- 
miffen 3eitpunft f ben b^r anzugeben ich mir 
nid)t geftatte — gerabe^u mit ©emalt auf. Aud) 
f)err Eremer fonnte eS, trop beS SKaugelS an 
aller unb jeber Seranlaffuttg ba^u, nicht untere 
laffeit zu fagen, er fei als guter Katbolif bem 


pofitioen Ebriftentbum febr ergeben unb pries 
babei ben „Erlöfer." Cb biefer fontifeben SBen 
bung mürbe er oon ber Arbeiterpartei natürlich 
auSgelacbt, mäbrenb unfere ©emütber ein Solches 
©pielen mit ber djriftlicben Religion, gelinbe 
gefagt, bodj auch tief bebauern mußten. 

S?on feiner Auffaffung unb Stellung zum po¬ 
fitioen Ebriftentbum gab er ohne jeglidje 
Scbminfe einige beutlicbe proben: ben Auszug 
ber Kinber Israels aus Sgüpten berührend, 
befcbulbigte er „biefe jubelt" beS birefteit 3)ieb- 
ftaljlS; unb maS ber „fonft ausgezeichnete ba 
bplonifcbe 9teicbSfanzter" (alfo ®anie() tbat, 
fonnte er nicht ohne einen gemiffen Spott be¬ 
rühren. 

Als er non ber Arbeiterpartei faft immer uit- 
terbroeben mürbe, unb bie Polizei ihn zu unter- 
ftüpen menig Suft zeigte, troß feiner inbireften 
Aufforberung bazu, oerlieb er bie Plattform, 
ballte feine gäufte unb erflärte megen Mangel«? 
polizeilicher Unterftiipung oon feinem ^ausreebt 
felbft ©ebraueb machen zu mollen. 

55m 9Ju befanb er ficb auch mitten unter ben 
Social-$emofraten, feine ^ßroflamation mieber- 
bolenb, boeb biefe Scute ftanben mie eine ÜWauer 
unb marteten gemappnet auf ben Angriff feitenS 
beS |>errn Eremer, ber aber boeb unterblieb, 
benn im felben Augenblid fd)on mar bie ©ruppe 
oon ber anmefenben Polizei umgeben. ®er 
äu^erft I)i^ige |>err Eremer fügte ficb Schließlich 
brummenb mieber auf bie Plattform unb fuebte 
oon nun an mit einer 9Jtenge altgebacfener 
Schlag- unb SBipmörter um ficb zu merfen. 

Am Schluffe ber SJerfammlung folgte bem 
fmcb auf ben beutfeben Kaifer ein folcpeS auf 
bie beutfebe Social-®emofratie. 

Cb ber befannte berliner Qoumalift, $)err 
Eremer, f. 3- in ^ßlöpenfee ein pofitioer Eßrift 
gemorben, fonnte ich nicht erfahren, meiß nur, 
baß er bafelbft 3 C ^ gehabt bat, ein Solcher ju 
merben. 

©obalb irgenb eine politifebe gartet ihren 
reinen ^ßarteiftanbpunft mit bem Ebriftentl)um 
Zu betfett fuebt, ober aber mitten in bem oft fo 
febr müften s ßarteigetreibc mit bem Ebrifteu- 
tbum imponiren miil, ift fd)on Diel getban, uni 
namentlid) ber Arbeiterpartei bie djriftlicbe 9fe- 
ligion oerbaßt zu mad)eu, unb ift ber Ermägung 
mobl mertb, ob nicht bureb fotdjeS, bem El)rifteu- 
fl)um gerabezu ^)ol)n fprecbenbeS ©ebabren fold) 
leibenfcbaftlicber Parteigänger unter bem S*olfe 
ebenjo fcblitnrne Söirfungen beroorgerufen roev 
ben, als bureb atl)eiftifcbePranbreben unbSücßer 
äbnlid)en Inhaltes, parteileibenfcbaften unb 
Ebriftentbum Stimmen fo menig als Pelial unb 
EbriftuS. 


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3Uw PoHwoerfammlungei!, bie uns Pan i\ts fagen. 


75 


©alb nad) ermähnter SSoIf^ - ©erfantmlung 
erhielt ich eine ©inlabungSfarte ju ©Oangelifa^ 
tionS = ©erfammlungen, melcße ein Dr. med. 
|>err 3iemann aus Sonbon auch in obengenannt 
tem Stabtbaufaale hielt. 

Sie war ich erftaunt, am erften Slbenb feßon 
ben Saal angefütlt ju feßen non etma 1000 bis 
1200 anbäeßtigen 3 u ßörern. |>err 3)r. 3*^ 
mann ift non Heiner Statur, feine ©liefe unb 
©eficßtSsüge oerratßen ein nicht unbebeutenbeS 
9Raß oon ©nergie, ift auSgerüftet mit Dielen 
Srfahnutgen, bie er fieß auf großem Steifen, 
ebenfo im ruffifcß = türfifeßen unb im beutfd)t 
fransöftfeßen Kriege gefantmelt hat. ©r erfeßeint 
natürlich ohne Xalar unb 93äffdE)en — in einem 
einfachen 3 a Q ue *- 

3ur Sinfen ber Plattform fah ich mehrere 
©eiftlicße ber Stabt, oon benen einer baS ©in= 
gangsgebet s u meiner nicht geringen Ueber^ 
rafchung aber auch banfbarer ^Befriedigung mit 
ben Sorten begann: „Sieber $exx ^efu! ®ein 
Seift moßnt mo er miß; möge er auch hier 
»oßnen" ?c. 

©ine Sankel fcheint $)r. 3* nicht ju lieben, 
benn es toar ihm felbft hinter einem fleinen 
lifcßcßen ju enge, meßßalb er fich auf ben äußert 
ften Stanb ber Plattform magte, um ben 3ußö= 
rem fo nahe wie möglich <$u fein. Seine erfte 
Serfammlung begann er mit ber brittgenben 
Sitte an bie 3ußörer, fcj c bittern ©orurtßeile, 
»eiche hier gegen baS Auftreten eines Saien als 
Serfünbiger beS ©oangeliutnS Oorßerrfcßeit, jeßt 
»enigftenS etmaS faßen laffen ju moflen. 

„3«h habe aßerbingS feinen tßeologifcßen 
Stubiengang abfoloirt," fagte er, „glaube auch, 
baß biefe Herren ©entließen hier Diel beffer 
prebigen fönnen als ich, aber ba ich ein 2Ramt 
aus bem SSolfe bin,—ein SDtann mie Sie—miß 
ich in 3hrer Sprache unb $n>ar fo, baß mich ber 
fleinfte Stnabe hier uerftehen fann, auch etmaS 
reben uon bem herrlichen ©oangelium unfereS 
hochgelobten £>eilanbeS." 

35er 35oftor liebt bie thematifche *J?rebigt= 
toeife, fpricht aber — ohne Xolmetfcßer — mit 
iolcßer Straft, ginfacßßeit unb Klarheit über 
Sünbennotß, ©ußfämpfe, £eilSgemißßeit, 2Rög* 
lichfeit unb X^atfäc^tidhfeit einer augenblicflicßen 
©efeßrung, £ersenSreinßeit :c., mobei er auch 
bie Siebe ©otteS mit einer, jebem armen Sün= 
ber mohlthuenben Sieblichfeit fchilbert, bah bie 
©erfamntlung gans hingeriffen mirb. 

„©in ©oliseiratß in ©ioil manbte fich am 
Schluffe—naeßbem er fchnefl einige Sorte mit 
einem anbern $erm gemecßfelt — mit bem 93e^ 
merfen an mich: „3$ habe gemeint, ber |>err 
©ortragenbe fei ein äRetßobift, foeben aber höre 
ich, er gehöre ber englifchen ijoeßfireße an." 


©leicß barauf begrüßte mich ein 3 e ünngSrebaf- 
teur mit ben Sorten: „35er arme 35oftor hat 
hier Diel Stampf, 2lßeS meint, er fei äRethobift." 

©inmal rief ^err 35r. 3. burch ben Saal: 
„0, bitte, bringen Sie bem armen Sünber feine 
Rheologie (jebenfaflS meinte er bamit jene oer= 
fnöcherten bürreit ®ogmen, bie für aßeS Slnbere 
eher, am menigften aber für bas äRenfcßenßers 
berechnet fein fönnen.—©. S.), fonbent fagen 
Sie ihm einfach, baß EßriftuS für ißn geftorben 
ift unb bas — genügt!" 

2ln ben folgenben 2lbenben fonnten Siele 
feinen $1 aß mehr finben. Stuf einen gemiffeit 
älbenb lub er nur SRänner ein, mobei er über 
ben fiampf gegen bie Unfittlicßfeit fpraeß. Selch 
einöilbü |>ier fah ich einen reichen gabri* 
fanten neben feinem befeßmärsten Arbeiter, ber 
foeben bie Serfftatt oertaffen haben mochte. 
35ort fonute map einen höheren Staatsbeamten 
neben einem ber ärmften Seute ber Stabt er^ 
bliefen—unb maS baS Scßönfte hierin mar: So= 
cialbemofraten unb ©onferoatioe, Siberale unb 
gortfcßrittler, oiefleießt and) SentruntSleute uub 
oon ber neueften Sorte ber hier aufgetauchten 
älntifemiten faßen neben eiitanber unb unter 
einanber, um bie Stiße unb ©inljeit ber hießt 
bis an bie Plattform Sopf an Sopf gebrängten 
SBerfammlung ju erhöhen, unb in ber Z\)at — 
es ßerrfeßte bie größte s Jtuße. 

5Riemattbem fd)ien ber SRame 3efu anftößig 
ju fein. 9Rit heiligem ©rnfte uttb mie mit ber 
Spracßc eines gemaltigen ^ropßeten jeießnete 
ber liebe $oftor baS rabenfeßmar^e S3ilb geßei^ 
mer Sünben, feine SSolfSflaffe feßonenb, toobei 
fieß manches 2lntlip entfärbte. 9Rit feufeßer 
|>anb lüftete er manchen bunfeln Schleier, unb 
oertrat bann am Schluffe mannhaft feine Steßung 
SU $efu, bem ©rretter Oon aßen Sünben. ©in 
meßt enbenmoflenbeS Slpplaubiren belohnte ben 
93ortragenben. 

Sllfo aueß eine Solfsoerfammlung—moßl an= 
berer 2lrt — aber aueß im anbern Seifte unb 
baruin 00m SSotfe, aueß oon ben Socialbemo* 
fraten oerftanben, meil, nießt auf bem taufenb* 
föpßgen Untßier ber biabolifcßen ^ßarteißaffer 
einßerreitenb, fonbem nur bie afle Seit um= 
fpannenbe ©otteStiebe sum ©runbe, ein 
niß Oon unb für ©ßriftum abgelegt mürbe — 
unb bafür gibt’S noeß oiele mißige Cßren. 


3)ic Saintlie Stuart, bie einft ben 3b^on 
SdjottlanbS inne batte, erlebte bie größten ScbicffalS^ 
med^el immer im $« 0 ^ 88—2(m 11. 3itli 1488 üer* 
lor Eönig ^afob gegen jeiite aufrüßrerifeben Unter« 
tbanen eine Scßlad)t. ?lni lS.^ebr. 1588 ftarb bienn« 
gliicflicbe Königin äRaria oon Scßottlanb auf bem 
Scßaffott. 2lm 12. $ec. 1688 entfagte önig Qfafob II. 
bem 3brone, notßgebrungen bureß bie glucßt. 


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76 


Pi* jum Pitteljiunht btt drbt. 


Pte |um Ulittclpiinkt ber <£rbe. 


^ eitbern man 511 ber 9lnfd)auung gelangt ift, 
J^baft bie ©rbe, als ein im SBeltraume frei 
nT^fdjmebcnber fugelartiger Sörper, f)öcbft 
maf)rfd)einlid) ifjr gntfte^cn burd» baS 3 u f am * 
mcnbaflen unb bis 511m feurig flüffigen 3uftanbe 
fid) oerbidjtenber gasförmiger SDiaffen gefunben 
f)at, ift man aurf) beftrebt gemefen, ben innem 
3uftanb beS ©rbförperS ju ergrünben. 

©S ift eine öielfadj erfannte Tfyatfadje, baft 


SelfiuS tjerrfdjen, «nb ferner mürbe man bei 
etma 60 SDteilen liefe fd)on eine Temperatur 
tmit 2500 ©rab finben, bei melier Platin 
fämiljt. 

9luS ben in tiefen Vergmerfen unb Vol)r= 
tönern angefteßten Temperaturmeffungen miß 
man inbefj gefunben Ijaben, bafj bie SBörme^ 
junaljme im ©rbinnern nach Ueberfd)reitung 
einer gcmiffeit Tiefe fid) öerlangfamt, unb bie 



$er Qhrb&aH mit ben tönfönitten bet Oceane. 


mit bem ©inbringen in ben ©rbboben bie Sßärnte 
mit ber madjfenbcn Tiefe junimmt. Tiefe 
Temperatur^itnafjme mit mad)fenber Vertiefung 
unter bem ©rbboben jeigt $mar für oerfd)iebene 
Orte ber ©rbe oft eine jiemlic^e Verfd)iebenl)eit, 
für gemöfjnlid) nimmt man aber an, bafe biefetbe 
auf je 100 guf3 Tiefe burd)fd)nittlidj 1 ®rab©el* 
fius betrage. Stimmt man ben mitttern ®rb= 
tjalbmeffer gu 858 geograpl}ifcf)en Sfteilen an, fo 
mürbe nach bem angegebenen Verf)ältnif$ imSDtit* 
telpunft ber ©rbe bie für uns aufcer aflent SRafee 
fteljenbe ©lut oon menigftenS 193,000 ©rab 


Urfadje f)iert)on mirb bem mad)fenben ©rbbrucfe 
$ugefd)rieben, ber in 50 SDteilen Tiefe fdjoit 
etma 2000 Sltmofp^ären betragen unb bis jum 
©rbmittelpunfte ber june^menben Tidjtigfeit 
megen fic^ in enormer SBeife fteigern ntuft. 
SDtan !önnte nun öiefleicfyt meinen, bafc bei fol= 
djer Trucffteigerung ber ©rbfem fcfyliefelid) tro£ 
feiner ©lut eine fefteSDtaffe bilben merbe,aberba= 
gegen fprid)t ein anerfannteS Staturgefefc, monadj 
jebe ©ubftan^ bei einer gemiffen, if)r eigentljünu 
liefen Temperatur trofc aßer 3ufammenpreffung 
im bampfförmigen 3uftanbe oerbleibt. 


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(Sin JSilb aus bem leben. 


77 


SJtan ift aber nicht nur gu ber 2lnfid)t gelangt, 
baß bie Temperatur im ©rbinnern infolge ber 
Xrucfyunahme feineätoegS bie oben berechnete 
pöhe erreicht, fonbern man hat fogar behauptet, 
baß bei einer gemiffeu liefe bie bi£ bahin be* 
obachtete Temperaturpnahme fid) in eine Tent* 
peraturabttahute oermanbele, fo baß fd)liefelich 
im grbmittelpunfte eine über alle ©egriffe ge* 
beitbc Saite l)errfc^en tttüffe. ©ebeutenbe We* 
lehrte oertreten auch biefe 2lnfi<ht. 

Sehr intereffant ift in biefer ©e^iehung bie 
bereite oor fahren beljufa 2 luffinbung oon 
Steinfa^ gu ©perenberg bei *ßotebam au£ge= 
rührte ©oßrung, bei toelcher man bie auf 1272 
Sttr. 'liefe htnabfam. ©ei ben in bicfem ©of)r* 
loche angeftettten Temperaturmeffungen geigte 
jtch itt ber That, haß bie vorher bemerfte 2 Bärme* 
.gmahme nach Uebertoinbung einer getoiffen 
liefe jtch regelmäßig ^u oerminbern begann, 
io baß man baraue fließen fonttte, bei genii* 
genber Tiefbohrung bie Wefriertcmperatur uttb 
weiterhin ^unehmenbe Sälte au^utreffen. 

Sir haben fchon oft baranf ijingetoiefen, baß 
für üerfcßiebene Orte ber Erbe bie unterirbifcße 
Temperatur für gleiche liefen fid) oerfdjiebcn 
gezeigt hat: ee fcßeiiten babei örtliche ©erhält* 
niffe oon bebeutenbem ©influffe 311 fein, So 
raub man ©. itt bem ©ergtoerfe Dteuamalben 
in ©alifornieu bie Temperatur bei 180 9fttr. 
Tiefe icbon faft unerträglich l) oc h' nämlich 50 
@rab ©elfiu*, toährenb in ber größten ©d)ad)t* 
tiefe oon 450 9Jttr. bie SBärttte faunt 30 Wrab 


überfteigt, mobei flu bemerfen, baß biefe ©teile 
be£ ©Jedes fid) 150 9fttr. tief unter bem 3Kee* 
reSfpiegel befiitbet. ferner ift bie Temperatur 
in bem 360 ilttr. tiefen ©urefafd)od)t berfelbeu 
©egenb gan ( ^ unten ebenfo hoch mie meiter oben 
etnia in 30 s JDttr. Tiefe. Tagegen ^eigt toieberum 
ba3 Thermometer in ben ©omftotfegruben ber 
©terra -fteüaba bei 500 bi£ 600 s J>J?tr. Tiefe 
eine Temperatur oon 58 Wrab Gelfiu*, ttnb e§ 
entfprittgen in biefen Wruben foeßenb f)ei^e 
Quellen. Un^oeifclfjaft übt bie geologifdje ©e* 
fchaffenheit be$ ©obeitä einen bebeutettben ©in* 
fluß auf bie unterirbifd)e ©Järmeoertheilung 
au£, benn im Salfgebirge aeigt fich bie Tempe* 
ratur am ttiebrigften, toie man bei ber ©oßrung 
be£ SDXout Geni* Tunneln in ©rfahruug gebracht 
hat, toährenb im Trachitgebirge uttb in ber 
©teintohlenformation bie Söärme am ftärfften 
pnimint. 

2 lu$ allen biefen Semerfuttgen geht heroor, 
baß matt über ben Söärmeauftanb im ^nnern 
ber ©rbe nod) fehr itn Unflaren ift uttb baher 
auch leine beftimmte 9Jieinnng über bie fonftige 
innerliche ©efchaffenheit be3 ©rbball* fid) 
bilben oermag. ©o toeiß man nicht ficher, ob 
ber ßrbfertt feft, feurig fliiffig ober gasförmig 
ift, uttb au£ loelchent SDtaterial berfelbe befteht. 
Tie im ©rbinnern oor fich geßenben djemifchen 
unb mechanifdjen s JSroceffe finb ttod) gana rätf>= 
felhaft, unb oon ber Tide ber, bie organifd)e 
28ett tragenbeu ©rbrittbe hat man ttod) feinen 
Segriff. 




(fin itilb «US brn feben. 

Jiir §an£ itnb £rrb oon Otto fttrbrr$nty» 


eine nicht, Butter; ich merbe halb ftarf 
genug fein, um flu arbeiten, unb bann 
toill ich oiel ©elb oerbienen." 

Ter Sprecher mar ein munterer Snabe, noch 
nicht jeljn 3 a ^ re a ^* @ r hatte mit feinem 
Arme ber Butter $j>al3 umfchlungen unb oer* 
iueßtebie Thränen hmrneg au füffen, bie über ihre 
Sangen herabliefen. 

©eibc — Butter unb ©oljn - toareit itt tiefe 
Trauer gef leibet, unb oon bent fnite, melcße 
erftere auf ben Tifch ihr a ur Seite gelegt hatte, 
hing ber lange, fdpoarae Schleier, toelcher an* 
beutete, baß fie erft lür^lid) ©Jittme gemorben. 

flba ©rcoille umarmte bett fleinen ©Jillie unb 
nannte ißn einen braoen, guten Slnaben, ber 
jeboch noch eine SSeile anr Schule gehen müffe, 
toährenb bie Sintter ba^ ®elb oerbiene. 

^Irme^ ®cfcböpf! ©^ mar leicht gefagt; bod) 


fie hatte feine 2 lhnuitg, toa^ ®elb oerbietten im 
19. Qahrbunbert itt einem djriftlichen ßattbe 
bebeute. Sie hatte nie einen ©ent in ihrem 
Sebeit oerbient. 3hr Watte hatte immer alle 
ihre Öebitrfniffe befviebigen fönnen oon bem 
Weßalt, ben er al* ©d)reiber in einer ©attf er* 
hielt; nttb, obgleich fie menig gefpart hatten, 
mar immer genug bagemefen. 

^t'bt mar er tobt, feine gamilie mar in ßn* 
ropa, unb 2 lba mußte nichts oon ihnen. Jshre 
eigenen ©Item toaren ebenfalls tobt, uttb fo 
ftaitb fie allein ba in ber Sklt mit ihrem & naben. 

ßinige Tage ber Trauer gingen ooritber, bie 
fleitte ©aarfchaft fdimattb ^ufehenb^; 2 lba fanbte 
SBillie mit mehem ©erteil ^ur Schule unb jeßidte 
fid) felbft an nad) Arbeit um^ufdjaucn. ©ie 
mollte mit ber ÜKabel ihren yebensunterßcilt er* 
merben, benn fie tonnte fid) nicht entfd)ließen 



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TS 


(Sin Pilb aus bem feben. 


eine ©teile a^uneßmen, bie fie non it)rem ftna= 
ben getrennt hätte. $eSßalb manbte fie fid) 
bem SBeißmaarengefcßäft 311, mo fie 3U taufen 
gepflegt batte, unb oerlangte ben gigentßümer 
311 fpredjen. 

Siele gemachte ft leibungSftütfe mürben bort 
berfanft, bie oon irgenb gemanb gemacht merben 
mußten, unb marum nicht bon ihr? 

©efchciben feßte fie bem gefchäftigen ft auf- 
mann ihre Sage auscinanber, itnb trug ihre 
Sitte um Sefcßäftigung oor. 

„ 9 tein," fagte er, „mir laffen biefe Sachen 
nicht befonberS für uns machen. SBir finben, 
baß mir biefelben fertig gemacht billiger taufen 
föntten. $iefe |>emben 3. S. toften gemacht 
blos 3 gents mehr als ber Stoff; unb mir 
müßten für baS SJtacßen 25 gtS. besaßlen. $ 6 ) 
meiß nicht mie eS möglich ift. $ocß menn mir 
ben Stoff auSgäben unb für baS 2 Racßen be= 
3ahltcn, tonnten mir bie £>emben nicht für einen 
Dollar berfaufen. Sie merben überall 311 bem 
©reife bertauft, unb Sie miffen, meine ®ame, 
mir mürben halb unfere ftunbfcßaft berlieren, 
menn unfere ©reife höher mären, als bie anbe= 
rer. SBir müffen im billigten SHarfte taufen. 

$er ftaufherr mar ein chriftlicher ÜJtann, 
Sruftee unb $iaton feiner ft'ircße, feßr freigebig 
in feinen Seiträgeu 3ur Sirene unb ©eiben- 
miffion —- mie ein moßlßabcnber, chriftlicher 
ftaufmann auch fein follte. 

gr machte gute ©efdjäfte; feine ©reife maren 
fo niebrig mie irgenb fonftmo—unb einige Jagten 
ein menig niebriger; fiunben tarnen fchaaren- 
meife 311 ihm, unb fein 9 leid)tl)unt mud)S. gr 
mar als ein umfichtiger ftäufer befannt uitb mar 
immer bei ber ©anb, menn billige ©often im 
9 JJarfte maren. 3 )as mar baS ©eßeimniß feine» 
grfolgeS, mie er oft fagte: „giite Sache gut 
eingeßanbelt, ift halb bertauft/' 

$cbeS ©roßgefdjäft mußte, baß fie billig ber- 
taufen mußten, um feine ftunbfchaft 31t betone 
men, benn er tannte gute SBaare, meint er fie 
fat), unb tonnte ben SBertß bis auf ben achten 
2ßeil eines gents abfehäfcen. 

©crabc biefe ©entben hatte er getauft, meil 
biefelben baS ®upenb 0 gents billiger maren, 
als er fie je getauft hatte, gs mar ein ©often 
gemefeit, angeboten bon einem jungen ©efcßäftS- 
häufe, melchcS gerabe bei folgen ftäufern, mie 
er einer mar, beliebt mürbe. 

3 )ic SBittme magte 3U bemerfen,baßbie©em= 
ben bon irgenb gemanb augefertigt fein müßten, 
unb—mie fie unter Säcßeln fagte — gerabe nid)t 
befouberS gut. ftonnte er ihr nicht fagen, mo 
folche Arbeit 3U befommen fei? 

„©erniß," fagte ber ftaufmann, „ich mH 
Sßnen ein ©mpfehlungSfcßreibeu an baS ©aus 


geben, meines biefelben bertauft." Unb er 
that fo. 

grau ©rebille banfte ihm, unb fueßte bie 
Herren S. auf, baS gntpfehlungSfchreiben in 
ber Xafcße. 

SWcßrere ärmlich unb hungrig auSfchenbe 
grauen marteten feßon, als fie antam, unb Slba 
nahm ihr neues ft leib 3ufammcn beim ©inburd)- 
gehen—fie maren fo fdjmu^ig unb berriffen. 

„SJtit Sergnügen," fagte ber Sabenbiener, 
als er ben Srief gelefen. „®S ift uns einerlei, 
mer unfere Slrbeit tßut, menn fie nur gut unb 
3U unferm ©reife getßan mirb. SSir finb froh, 
©errn — einen ©efaUen 311 thun. Sie tönnen 
bieS ©aquet gleich mitneßmen, menn Sie mün- 
fchen, unb hier ift ein ©robeßemb. gs ift genug 
Stoff für ein Xußenb. Sie müffen Unterpfanb 
für ben Stoff ßicrlaffen, Sie erhalten es 3urücf, 
menn bie ©emben abgeliefert merben. 

grau ©rebille hinterliefe baS ©fanb, meines 
ihren ©elbbeutel leerte, unb, ba fie folche Saften 
nicht gemohnt mar, nahm fie bie Straßenbahn 
nad) ©aufe 3U. 

Sie feßte fid) gleich an bie Arbeit unb mar 
früh unb fpät babei 3U finben. Siidjt mie fie 
gemohnt mar 3U arbeiten, abmecßfelnb, menn 
miibe mit einer Stunbe SefenS ober einem ©pa- 
3iergang in ber Slbenbfüßle, fonbern anhaltenb 
bis ihre Slugen fchmer3ten unb ihre ©anb ge- 
lähmt feßien. Arbeitete fie nicht für ihren Se= 
benSunterhalt? gS mar fo fchön, baß fie Ar¬ 
beit befommen hatte für fid) felbft unb SBillie, 
gerabe als fie es nötßig hatten. 

Stur bei anhalteitbcr Slrbeit mar bas Xupenb 
©emben in einer SSocße fertig; fie legte biefel¬ 
ben forgfältig 3ujammen unb ging — mit etmas 
Stol3 im ©efid)te - um ihren erften Soßn 311 
empfangen. 

Sie faß benfelben Sabenbiener, unb er erin- 
nerte fid) ißrer. gr befaß bie Slrbeit, niefte 
lobenb mit bem fiopfe unb reichte ißr eine Sin 
meifung für baS ©elb auf ben Saffirer. 

„SBaS ift bies?" fragte Slba, „21 gents?" 

„SBofür ift baS ?" 

„®aS ift für baS SJtacßen ber ©emben. ®S 
ift unfer regelmäßiger ©reis." 

„SSaS, für ein Xupcnb?" fagte Slba, in 
ißrer Stimme bie fdjredlicßc gnttäufeßung ber- 
ratßenb. 

„jgamoßl, baS ift alles, ma* mir geben fön- 
nen. SJir maeßen eine ©pecialität aus biefen 
Sacßen. gragen Sie nur ©errn —, ber Sie 
empfaßl. gr mirb ^bnen fagen, baß mir fie ihm 
Hießt 3U bem ©reife oerfaufen fönnten, menn 
mir meßr als 14 gents für baS ®tad)en be- 
3aßlten. Sluf bie SBeife erhielten mir feine 
ftunbfchaft. Xas ©aus, bon bem er taufte, 


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»laubige $raueit bet (Suangelien. 


79 


bezahlte 2 ©ent#, bod) wir übertreffen ba# unb 
haben an ihm einen Äunben gewonnen." 

$ba ©remlle antwortete nicht. S^ränen er* 
{tieften ihre Stimme. Sie nahm igr hinter* 
laijene# *ßfanb unb bie 21 Sent# für eilte Steche 
harter Arbeit in ©mpfang, unb ging traurig heim. 

So war ba# Wätgfel be# Steigwaarenhänb* 
lers fein Wätl)fet für fie. Sie tourte, Warum 
er .'pemben fo billig laufen fonnte. 

3rgenb eine anbere Sefcgäftigung mugte ge= 
rnnben werben, benn fie unb SteUie tonnten 
Daoon nicht leben. Sie oerfucgte e# oielerwärt#, 
aber mit bentfelben (Srfolge. Sie ©eaaglung 
ricbtete fich in feiner ©efchäftigung nach ber 
getganen Arbeit ober bem ©ebürfniffe be# 
Arbeiter#, fonbern nur nach ber Anfrage um 
Arbeit. 

„Sir bejahten früher aegn Sollar bie Stecge," 
tagte einer ju if>r, al# fie feine Sinnige für einen 
drlfer beantwortete, „bocg fegt fucgen fo oiele 
Seicgäftigung, bag Wir jcbe beliebige Slnjaljl 
für brei Sollar bekommen fönnen, unb fie finb 
froh ba# erhalten. 3n einiger $eit, bettle 
tdi, werben fie fich erbieten, für awei Sollar# ju 
arbeiten. Sie werben benlen, bag ^Wei Sollar 
immer nod) beffer al# nicht# ift." 

g# war nach einem 9 Jtonat frucf)tlofen Su= 
dien*, al# bie SMttwe biefe epnifche Webe an* 
hörte, unb fie oerlieg ba# ©efcfjäft^immer mit 
beinahe gebrochenem $er^en. 

Surd) Webenftragen ging fie nad) £aufe, ben 
Schleier über ba# ©efidjt gezogen unb bitterlich 
roeinenb. ©# war eine ärmliche Stegnung, bie 
fie fegt inne ^atte. Sie war gezwungen gerne- 
ten alle ihre fleinen £abfeligfeiten au oerlaufen, 
um ba# Wötgigfte au erlangen, unb fie unb 
Siüie bewohnten eine ^interftube im oberen 
Stotfmerfe eine# SWietggaufe#. 

g# fchien, al# ob ihr 2eiben#becger ooH fei; 
hoch bie Wacht lief berfelbe über. SJillie war 
trau! unb fieberhaft. Sen nächfteit Sag war 
fr $u fchwach ,$ur Schule ju gehen, unb oor 
Sbenb fjatte er hohe# Sieber. Sie üblen Sünfte 
hatten ihr Stert an betn brauen, fleinen Steifen* 
fnaben getgan. 

Hba blieb bie Wacht auf, feine brennenben 
Witwen mit Steffer benepenb unb feinen fiebe* 
ringen Weben jubörenb. 3 u ^ e fet Warf fie fich 
in ihrer ^Bezweiflung auf bie finiee, unb betete 
- bie fwnbe feft gefdjtoffen — ernftlich 51t bem 
$ater ber SHttwen unb Steifen um grrettung. 
Cb, wenn nur ihr fileinob erhalten blieb! 

Srüh am anbern ÜRorgen fuchte fie ben Srat 
auf, beT ihren ©atten behaitbelt hatte, unb flehte 
ihn mit thränenbem Suge an au ihrem ftinbe 
w lommen, ihm beutlicg fagenb, bag fie au arm 
fei, um irgenb etwa# au beaahlen. 


„©ewig will ich lommen," fagte er, „unb 
ich bin froh, bag Sie au mir getommen finb. 
©# war erft geftern, bag ein £err nach 3 gnen 
fragte. 3$ mugte nicht, Wo Sie waren, hoch 
er lieg feine Sbreffe hier, wie er bei jebem ge* 
tgan, ber Sie lannte, fo bag er 3 hre Spur 
finben möchte. 3 cg Werbe bort oorbeifagren. 
Sr wirb froh fein, Sie au fhtben. geh glaube, 
e# ift ber ©ater Qgre# ©atten, jebenfaü# fprach 
er 001t feinem lleitten Sntel unb fagte, er wolle 
Sie beibe mit nach Snglanb nehmen." 

Sine Stunbe fpäter langte ber Slrat in ber 
fegmugigen Verberge an, ben befagten £errn 
mit fidE) briitgenb. 

Sba’# ©rief, ihre# ©atten gamilie Oon beffen 
Sobe benachrichtigen^ war au einer $eit ange* 
lommen, at# ein alter 9 Jiann in ber Stimmung 
war, einem migleiteten Sohne au oergeben. 

©# War au fpät ihm au oeraeihen; bodh foll^ 
ten bie äöittwe unb ba# fiinb wiffen, Wie fehr 
ber ©atte unb 2 teter geliebt war. 

Ser alte 2 Rann begab fid) fogleich nach s #me' 
rita, unb formte eifrig nach feinen unbelannten 
SerWanbten, bi# er biefelben auf folche Steife 
fanb. 

SJiHie unb feine SWutter blieben in fpäteren 
fahren nicht oon ben Uebeln biefe# fterblichen 
Seben# oerfegont, hoch niemal# wieber erfuhren 
fie ben fchredlicheu Rümmer ber Srmuth* 

-- • -- 

Gläubige IröUfii ber ^Ortiigelien. 

gär $an# ttnb $erb oon gerb. O. 


I. Sie äJtutter Sefu. 

Sl# eine reine, bemüthige 9 Ragb lernen wir 
fie auerft lennen in ben heiligen Urlunben ber 
©Oangelien. @ngel#munb begrügt fie al# bie 
^olbfetige, bie ©ebenebeite unter ben Steibem. 
3 u ihr, ber Saoib#tod|ter, bie in ber Stille oon 
Waaareth wartet auf ba# §eil 3 ^ r °e(#, fenbet 
©ott feinen gngel, ber ihr lunb thut, bag fie 
beftimmt ift, ein au#ermäblte# Wüftaeug be# 
heiligen ©eifte# au fein. 

Staunenb, erfegroden im ©efühl ihrer Un= 
mürbigleit, oernimmt 9 Ä a r i a ben hoh^n ©rüg 
unb bie wuitberbare Sergeigung; fie tann bie 
SJorte be# göttlichen ©oten nicht faffen, aber 
halb beugt fie ba# fmupt: „Siehe ich bin be# 
ßerm SDtegb, mir gefchehe, wie bu gefagt 
—ein fegöne# SJort, ber 2 lu#brud ihre# bemib 
tgigen, linblicgcn ©lauben# unb ihre# ftitlen 
©egorfam#. 

Wiegt lange tann SWaria bie himmlifche Of¬ 
fenbarung, bie ihr au Xf)eil geworben, in fich 


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80 


(Släubige grauen ber (Soangelien. 


verfchliehen. g# treibt fie auf# ©ebirge, ju 
glifabeth, ber frommen greunbin unb Bcrmanb- 
tcn. ghr miß fie ba# voße £>erz au#fchütten, 
unb bort erft ergreift fie ba# fclige Bemuhtfein 
ber großen Singe, bie ©ott an ihr get^an. Ser 
heilige ©eift, ber glifabeth’# s 2 lugen erleuchtet 
unb ihren äßunb geöffnet, rührt 3)£aria’# Sip- 
pen an, unb au# ihrem Kerzen bricht ein Sob* 
gefang, ben mir bieSrone aller fßfalmen nennen 
bürfen: „SQteine Seele erhebe ben £errn, unb 
mein ©eift freue fich ©otte#, meinet £>eilanbe#; 
benn er hat bie 9ticbrigfcit feiner ÜDtagb ange= 
fehen. Siehe von nun an merben mich felig 
preifen alle Sinbe#finber." 

SBeiffagenb fpricht fie e# h^* au#, bah tmn 
SJiiHionen von Seelen, bie fich be# Sünber= 
heilanb# freuen merben, auch *h r SWame genannt 
merben mirb, menn fie befennen: „©eboren au# 

©taria ber Jungfrau." 2 tf> C r e j ne bemüthige 

Sötagb bleibt fie auch in biefem Sobgefang. Sie 
rneif* feine grflärttng, marum gerabc fie fo hod)= 
begnabigt ift, al# bie eine, ba$ ©ott „bie SWie* 
brigfeit feiner SWagb" angefehen hat, bah ber 
Unerforfchliche e# liebt, bie Sthmarfjen unb ®e= 
ringen zu ©efäfeen feiner ©nabe 51 t machen. 

Söenig SBorte merben un# nad) biefeit %Sox 
gangen noch au# äKaria’# SKunbe beridjtet, 
mohl aber tefen mir mieberljolt, bah fie einen 
offenen Sinn unb ein treue# ©cbäd)tnih hatte 
für s Me#, ma# fich auf bie ©eburt unb Sinbheit 
gefit bezog. Sie (Stählungen ber Wirten, bie 
gefommen maren, um ba# Siublein in ber Srippc 
anzubeten, bie tiefen BJorte be# ^mölfjährigen 
3efu#frtaben felbft im Stempel zu ^crufalem, — 
„9Karia behielt alle biefe BSorte unb bemegte fie 
in ihrem fperzen." 

Sie trug ben fchönen grauen- unb ghriften= 
fehmuef, Von bem *ßetru# rebet: „Ser verborgene 
9Renfdj be# |>erzen# unverriidt, mit ftißem unb 
fünftem ©eift, ba# ift föftlid) vor ©ott." 3Kan* 
d)e# von bem, ma# fie bamal# in bie Schäpc 
ihrer Erinnerung aufgenommen hat, mag fpäter 
von bort au# in bie geber be# gvangeliften 
ßufa# gefloffen fein. 

g# mar eine 8 lrt ungetrübten äßutterglüd# 
für SJlaria, al# unter ihren 2 lugeit, unter ihrer 
Obhut ber Snabe ^efn# aufmuch# unb zunahm 
an Filter, 28ei#heit unb ©nabe bei ©ott unb 
ben SJtenfdjeu. 3Sie oft mirb fie in ber golge- 
geit an biefe ftißen, frieblichen 3 af)rc zurüdge- 
badjt haben; benn mit bem öffentlichen Wmt#* 
antritt 3 efu beginnt auch für fie eine fdjmere 
8 eiben#zeit. 

©ar halb muh fie e# fühlen, fd)on bei bem 
erften BJunber be# |>erm auf ber öodjzeit zu 
Sana in ©alliläa, bah bem Sohne ein 23eg vor= 
gezeichnet ift, auf bem 9iiemaitb, aud) bie SKutter 


nicht, ihm entgegentreten unb ihn beeinfluffen 
barf. Sort in Sana miß ihr SRutterftolz 
ihn brängen unb anfpomen, feine äufcere SBun* 
bermacht unb £>errlid)feit ben SKenfdhen zu offene 
baren, nachher, al# |mh unb Bo#f)eit ber geinbe 
fich fchon zu regen beginnen, miß ihre SRutter^ 
angft ihn marnen unb zurüdrufen unb beibe 
3Kale muh fie zurüdgemiefen merben. Sie hat 
gehofft, an feinem ©lanze theilzunehmen, menn 
er ben Savib#ftuhl mieber aufrichten mürbe, 
von bem ber Engel ihr gemeiffagt, nun merft 
fie, bah e# ein Sönigreid) anberer Slrt ift, beffen 
Shron er einnehmen mirb, unb bah ^er 2Beg 
borthin ein Sreuze#meg ift. 

Su arme#, eble# SDtutterherz, mie muh ba 
in bir gefämpft haben bie natürliche Siebe zunt 
Sohne mit ber höheren grfenntnih feine# 28e= 
fen# unb feine# 3iele#! SBie gerne fjätteft bu 
ihn zur giucht überrebet, mie gerne hätteft bu 
ZU Aerobe#’ unb ^gilatu#’ gühen gefleht um 
fein theure# Seben, aber bu haft ftiße beinen 
©rant, ba# Sdnvert in beiner Seele, getragen, 
bu muhteft jept, ma# ba# göttliche 11 h ju 
bebeuten hatte, bah bir einft unverftänblich !(ang 
au# bem Sföuube be# zmölfjährigett Snaben. 

9lie hat eine Butter fold)eu Schmerz erfolg 
ren, mie SRaria unter bem Sreuze ^cfu, benn 
e# hat nie eine foldjen Sohn gehabt. Ergreifenb 
ertlingt un# jene# lateinifche Sird)eitlieb be^ 
9Ji ittelalter#: 

Stabat mater dolorosa 
Juxta crucem lacrymosa. 

5ln bem Sreuze, fcbmerzen^bletcb 
Steht bie Butter thräitenreid). 

®r aber, ber am Sreuze#ftamme blutet für 
bie Siinbe ber Sl^ett, vergibt unter feinen eige^ 
nen Qualen auch berer ber ßKutter nicht. „Sßeib, 
fiehe, ba# ift bein Sohn/' — bamit legt er fie 
in bie s 2 trme be# jünger#, „ben er lieb hatte/' 
®ei Johanne#, bem Sohne ihrer Sdjmefter, ber 
feinem 9 Keifter am nädjften geftanben, feine 
®lide unb SSorte am fchneßften verftanben 
hatte, foß SKarie ihre ^eimath finbeit; mit ihm 
mag fie meinen, aber auch h°ffan unb marteit 
ber Offenbarung feiner £>errlid)feit. 

SWaria’# Silb ift, mie e# auch feiner Sftatur 
nach fein muh, ba# Sieblichfte unter ben grauen- 
bilbern ber ©ibel. ®ie heilige Schrift giebt 
nun zmar nicht einen Sdjatten Von Berechtigung, 
ihr göttliche Serehrung zu zaßeit, mohl aber, 
fie bie hcrrlidjfte unter ben grauen, bie ebelfte 
unter ben füttern zu nennen. 

II. ®ie SJiutter Qvhanite# be# Säufer 
glifabeth bebeutet „©otte# gib." ^rr 
mcldjer SBeife fie, eine 2 od)ter Slaron#, mit ber 
SKutter ^efu vermanbt mar, ift im# nidjt be 


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Gläubige Irauen bet ©oatigeürn. 


81 


tonnt, obtüot)! bie ©ermanbtfd)aft fetbft mty 
brürflic^ bezeugt toirb. $b rc ö^iftige ©erwanbt; 
i<f)aft mit ÜJlaria tritt jedoch deutlich Terror in 
ber gleichen glauben tftarfen unb tief bcmüt^igcn 
@efinnung, bie lefctere feitnzeicbnet. 

ßtiiabett) mar bat ©Seib einet <ßrieftert, bet 
3ad)üriat, atfo bie einzige jübtfc^e *J5farrfrau, 
oon ber bie ©oangelien Sunbe geben, unb meid) 
eine gute Äunbe. 3br, wie beut 3achariat, 
roirb bat b°h c Sob gesollt: „Sie waren alle 
beibe gerecht oor ©ott unb Wanbelten in allen 
Seboten unb Saßungen bet §erm untabelig." 

3b*e ©be ift diele ^a^re hindurch eine fin= 
fcerlofe, unb intbefonbere für ©lifabcth ift biet 
ein tief unb fchmerzlicb empfundener SKangel. 
Um fo inniger ift if)r Sanf, alt burd) ©ottet 
Öoten beit betagten ©beleuten ein Sohn der= 
beißen wirb, an beffen tarnen unb ©Jirffamfeit 
herrliche ©erbeifjungen gefnüpft werben. 

3acbariat unb ©lifabetb erinnern unt aud) 
bierin, wie burd) it)ren frommen SSanbel, auf t 
Sebbaftefte an ©brabant unb Sarah, nur bafc 
bei bem alten s $atriarcbenpaar ber SKann, t)iev 
aber bat 33 eib, bie ©lifabetb, ihre ©braf)amt= 
©ered)tigteit am beutlidjften ^eigt burd) „bie ge= 
roiffe 3uoerfid)t, baß bat man buffet, unb nid)t 
zweifelt an bem, bat man nicfjt fielet." 

©in fd)önet Senfmal f)at fid) ©lifabetb burd) 
bie liebeoolle ©ufnabmc gefeßt, bie fic ber SKut- 
ter Jefu bereitete, alt biefe ©ufentt)alt fud^te in 
ihrem ©aufe. 5 ro ^uc!enb unb doll bet ^eiligen 
Seiftet, ruft ihr ©lifabetb 311: „Söofyer foinmt 
mir bat, baß bie SKutter meinem |>erra 51t mir 
tommt? Unb, 0 felig bift bu, bafj bu geglaubet 
baft, benn et wirb oollenbet werben, Wat bir 
griagt ift oon bem £>crrn!" 

©lifabetb’t Seele weift nid)tt don Steib. 3 b* 
eigner SKutterftolz !ann ben propf)etifd)en ©lid 
nidjt trüben, oermöge beffen fie SJtaria alt bie 
höher ©egnabigte erfennt unb berfelbcn be 
raütbig ftd) unterorbnet. 

Siefen hoben ©eift weift ©lifabetb aud) in 
tat Jjperz iljrct Sollet einzupflanzen. SKit ber 
eblen, nciblofen ©efinnung feiner SKutter blidt 
ipäter ^obannet ber Säufer auf ben junebmeit- 
ben ©influft bet SOJeffia^ unb fagt in Semutf): 
.,©r muft wadjfen, id) aber muft abnebmen." 

©lifabetb Wirb faum noch am Seben gewefen 
fein, al3 um ber Saune einet Scannen willen 
ihre* Softnet fmupt fiel don Reuters) £mnb. 
Unb foüte fie et noch erlebt haben, fo wirb ibr 
rtarfer ©laube ben Schmerz um feinen lob 
nicht minber geheiligt haben, wie bie ftreube 
über feine ©eburt. 

III. |>anna, bie Prophetin. 

3b* ©barafterbilb bat s $aulut mit ein paar 
Haren, fräftigen ©trieben gezeichnet, wenn er 


fagt: „Sat ift eine rechte ©Jittwe, bie einfam 
ift, bie ihre Hoffnung auf ©ott ftellet unb blei¬ 
bet am ©ebet unb gleben Sag unb Stacht." 
$ a n n a b, ^battucte Softer, gehörte zu ben 
Stillen im Sanbe, bie ohne Unterlaß £>erz unb 
.'pänbe au^ftredten nach ber ©rtöfung S^rael^. 
©ine Prophetin wirb fie genannt, nicht allein 
weil beim Slnblid be$ ^efu^finbeö ihr ©tunb 
überftrömt don geifterfüUteit SBorten, fottbern 
weil aud) früher fcf)on ber propbetifche ©eift in 
ihr mächtig War. 

SSir lernen fie fennen zur 3eit ber ©eburt 
3 cfu, eine ©reifin don dierunbachtzig 3ah r eu, 
dielleicht feit einem halben ^ahrbunbert febon 
im SJittWenftanbe. Sa mag fie manch’ Stüd 
Sbfänenbrob gegeffen haben, benn ba^ SBittwen* 
loo^ war fein lcid)te^ in ^^^acl; aber fie hat 
fich zu bem gehalten, ber bie ßlenben labt mit 
ben ©ütem feinet |>aufe^. 

©ottes £>auä ift il)re liebfte ^eimatl) geWor= 
ben. Sort empfinbet fie feine Stäbe am fräf- 
tigften, bort fühlt fie fid) geborgen in it)rcr 
ffiittweufchaft, bort fann fie am inbrünftigften 
beten um ben Einbruch ber neuen 3^it^ too bie 
93ürger zu ^erufalem einen freien, offenen 
©orn haben füllen wiber bie Siinbe unb bie 
Unreinheit. 

Unter ©eten unb SSarten ift fie ein alte^ 
SJtütterlein geworben mit gebeugtem Stüden unb 
Weitem .'paar, aber ba^ ^erz war jung unb 
frifch geblieben in lebenbiger ©offnuitg. Unb, 
0 welch’ felige greube, aiö fie ihre Hoffnung 
noch erfüllt fiel)t, al^ fie ba^ Sinbleitt S^fu^ im 
Sempel erblidt unb il)r erleuchtetet Slugc auf 
feiner Stirn bie ©Sorte lieft: „SSunberbar, 
Stath, Straft, 6elb, ©wigdater, griebefürft!" 
©Sie jubelt il)r .'perz, wie fönnen bie Welfen 
Sippen noch fo beredt ben ,<perm preifen unb 
Zeugen don ihm zu allen, bie auf bie ©rlöfung 
Zu ^erufalem warteten. 

So ift öanna felig beimgegangen, umteuchtet 
00m SJtorgcnrotl) ber neuen ©nabenzeit. 

IV. © p 0 ft e l m ü 11 e r. 

Stur zwei berfelben find in ben ©dangelieit 
namhaft gemacht. Sie eine heißt S)t a r i a und 
ift bie SK u 11 e r 3 a f 0 b u t b e t 3 ü tt g e r it. 
Stnr ©Seniget ift don ihr aufgezeichnet. Sie ift 
bat ©Seib bet Sllphäut ober Äleopfjas, welche 
beiden Slawen gleichbedeutend zu fein febeinen. 
3 m Uebrigen ift unt nur befannt, baft fie 
fum auf bem ©}ege nach ©olgatha begleitet und 
an feinem ftreuze geftanben, eine ©ugenzeugin 
feinet qualdollen Sobet, wie nachher feiner glor^ 
reid)en ©itferftchmtg. 

Sort am kreuze ftel)t noch eine andere Slpoftel- 
mutter, Salome, bat ©Seib bet 3 c bebäut. 


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82 


(Sine (Srridjtftffyuig im Krmalb. 


SJtit jiemticher Sicherheit lägt fic^ annehmen, 
bag fie eine Schwefter ber SRutter :gefu War. 
Schon frühe l)at fie ;gefum erfannt als ben ©e^ 
falbten ©otteS, ben dürften aus Taoibs £aufe, 
ift feine begeifterte ^üageria Geworben, unb 
Wäfjrenb fie ihn auf feinen äBanberuugeit in 
©alliläa begleitet unb mit anbern gläubigen 
grauen liebeooll für feine SBebüvfitiffe forgt, 
träumt fie oon ber ^perrlicfjfeit beS meffianifchen 
Reiches, bas Jjefu errichten werbe. 

©ott hat il)r ^wei eble Söhne gefchenft, ga- 
fobus unb gohamteS, unb ooll mütterlichen 
Stolzes gewahrt fie, wie ber £>err bie beiben 
fo lieb t>at unb in einem fo innigen Serfjältnig 
ju iljnen ftelit. ftügne Hoffnungen in Se&ug 
auf bie ^ufünftige Stellung ihrer Söhne werben 
babitrch in iljr gernedt, Wo^u noch ber Umftanb 
treten mag, bag fie in oertefjrter, fleifdjlicher 
Söeife bie Serhcigung auffagt, bie QcfuS feinen 
^Ipofteln gegeben: „Söcnn beS Rienfcgen Sohn 
wirb figeu auf beut Stuhl feiner Herrlichkeit, 
Werbet ihr auch fiften auf ^Wölf Stühlen unb 
richten bte ^roölf ©efdjlechter Israels." So 
brechen benn bie hocijfliegenben ©ebanfen ber 
SRutter einmal heroor in ber feurigen Sitte: 
„£>err, lag biefe meine jwei Söhne fipen in 


beinern Reich, einen ju beiiter Rechten unb ben 
anbern $u beiner Öinfen." 

GS Werben wenig SRütter fein, bie fid) Der* 
fudjt fühlen, um biefer Sitte willen einen Stein 
auf Salome ju werfen, aber oerhehlen wollen 
Wir uns nicht, bag hier ein ©hrgei^ fie treibt, 
Oon bem baS fter^ einer ©lifabeth nichts gewußt 
hat. Söuitberbar jebod), wie auch in biefer 
übereilten Sitte ihr ftarfer, unerfchütterlidjer 
©laube an bie einftige ^perrlichfeit gefu fich be- 
bezeugt. Tenn gerabe, als ber £>err mit uru 
jmeibeutiger Seftiinmtheit geweiffagt hat oon 
feiner Ileberantroortung in ber Reiben £>ättbe, 
feiner ©eigelung unb feinem blutigen Tobe, 
„bä"' fällt fie oor ihm nieber unb bittet um bie 
©bnmftelleu für ihre Söhne. 

gh^ fchönfte Rechtfertigung aber ift bie, bag 
fie in ©lauben unb iiebe ^eiu güngcrin bleibt, 
obwohl er ihren Söhnen ben SeibcnSfcld) unb 
bie Sluttaufe in s <?luSfid)t gefteUt hat. Treu 
unb unerfdjroden hat fie ben £>e*nt auch auf ber 
lebten SBanbcrung, bem Slreu^eSwege, begleitet. 
Roch einmal treffen wir fie, oon ihrer Siebe ge^ 
trieben, am leeren ©rabe beS GrlöferS, too fie 
baS greuöcnwort feiner fiegrcichen s 2 luferftehung 
oernehmen barf. (Schlug folgt). 




(fine <$md)t0ftyui$ im PrronU». 


/#S mar im Territorium 2Bt)oming. Ta wähl- 
lg ten bie meitumher $crftreuten Slnficbler 
t Sob Tamfon flu bem in s 2 lmeri!a fo oer^ 
antwortungSoollen SXntte eines griebenSridjterS; 
er hatte nie $uoor eine Stelle befleibet, mol)l 
aber häufte er feit oier^ig fahren in biefen ©c^ 
genben, hatte gejagt, bem äBilbe gallen geftellt, 
^nbianer befämpft, unb fürchtete, wie er fich 
rühmte, ben Teufel nicht, war aber hoch ein 
rcblicher SRann. 

3 u bem brachten Squatters (Slnfiebler) eines 
TageS einen jungen kräftigen Surfdjett, ber feit 
längerer ßeit als Jfäger in ben Söälbern ge¬ 
häuft, geftern aber baS ^Sferb eines SlttfieblerS 
RadjtS oon ber SJeibe weggeftohlen hatte. SRan 
hatte ihn oerfolgt, gefangen unb mit auf ben 
Rüden gebunbenett Hauben ftanb er oor feinem 
Richter. Ter Tieb war ganj in £>irfchlcbcr 
gefleibet; ein Raufen Oon Jägern, Trappern, 
©olbfuchern unb Wnfieblern, Männer mit wil- 
ben oerwegenen ©efichtern, ftanben ober fagen 
auf einem freien Stahe unweit ber Slodl)ütte 
beS griebeuSrichterS. 

Sob Tawfon, ber ^uoor auf einem Saum- 
ftumpen gefeffen hatte, erhob fich mit würbe- 


ooder Rhiene, nahm feine Särenfellmühe ab uub 
rief: 

„Scute, ber Gerichtshof ift oerfammelt unb 
es fantt losgehen. Sllfo nur alle ftitle unb an^ 
ftänbig fein nach bem ©efefce. £ut ab!" 

Sille Häupter entblögten fich bann unb ber 
griebenSricgter rief: 

„ 3 öo ift ber oer.... Schuft?" 

Trei Rtänner mit Springfielbbiichfen unb 
Reooloern bewaffnet, traten oor unb führten 
ben Tieb, bem fie bie |>änbe feft auf bem Rüden 
gebunben hatten, oor. 

„SBie nennt man bid) <*u £>aufe?" fragte Sob. 

„£>abe fein ju $>aufe," erwiberte ber ©efan 
geue mürrifch. 

„Rid)t? Ra, welchen Rauten haft bu benn 
geführt, feit bu bie Staaten oerliegeft?" 

„Tie Seute in ben Sergen nennen mich ben 
Tiger^iw." 

„Run benn, Tiger bu bift als Sterbe-- 
bieb angeflagt, unb id) benfe, es ntug ettna* 
b’ran fein, fonft hätten bich bie Jagens nicht 
gepadt. SBeigt, fo ein gefcgnörfeltes Serhör, 
wie im Stäbtlein Saramie ober in ben Släfc e11 
an ber Sahn, nehmen Wir feinS oor. SBir f)Q r 


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(Eine Wfridjisftyung im Krmalb. 


83 


ben meber Sinte, nocp geber, nocp Rapier unb 
bergleicpen Dummheiten. SBir macpen’S fur^ 
imb jo gut, als mir föniten. 3d) frage bid) alfo 
im kanten beS ©efepeS: £aft bu ben ©aul 
geflogen?" 

„Onfel ©ob, eS hilft mir bocp nichts, menn 
i 4 lügen moßte, ich miß auch nicpt, aber auf¬ 
richtig fagen, roie es ^uging. SBetfd ja, geftern 
Sbenb war in SBilSfin’S SBirtpfcpaft in SRüfler’S 
Schlucht großer 3 U £> unb id) mar aud) babei. 
SilSfin patte aus Saramie ein gähcpen guten 
alten SBpiSfet) (Sramttmein) mitgebracpt, unb 
als ber Schnappe brinnen mar, marb er ©erftanb 
brauBen. ÄlS baS Sanken vorüber mar, moßte 
id) nad) ©omieS ©locfpauS, mo id) mich bic lepte 
3eit aufgepalten pabe. 

Sie id) um ben Sßilbfapeitpügel perumging, 
flöht mir ber ®aul auf, ben fie im Grafe attge= 
pjtoit batten, ©etrunfen mie id) mar, fipe id) 
auf unb fprenge baoon. 

3cp meif$, baß bafür ber Galgen meiner mar= 
tet, unb ich 9 e & e nichts barum. 3d) bin bod) 
*u nichts gut in ber SBelt, unb meitn’s mir nicht 
um meine SKutter in ben Staaten brühen mär 
(hier muhte er inne halten unb ein paar fepmere 
Ipräneu roßten über fein oermetterteS Gefiept), 
bie niemals einfeptäft, ohne üorper $u ©ott ftu 
beten, bah er mich mieber ju ihr aurüdbringe, 
bann moßte ich ladjen über ben lob unb euch 
helfen, baS Seil mir um ben £afS $u fchlingen. 
Äber menn ich an bie alte treue Seele beide, 
bann merbe id) feproaep, mie ein angefcpoffeiteS 
Sei). 3d) fage euch, Sungen, ich bin ein fdjlint; 
mer ©urfche gemorbett, feit ich in ben SSälbern 
roopne, unb bie ffielt mirb nichts oerliereti, menn 
ich aus bem 28 ege bin. 

Äber meine Butter mirb barunter (eiben, baS 
roeiß ich, unb ich bin ihr einziges ft'inb unb habe 
ihr jebe Un^e ©olb gefchidt, bie ich entbehren 
fomtte, unb fie bamit erhalten. Sie ift immer 
lieb unb gut mit mir gemefen, ©ott fegne fie 
bafür; es tput mir leib, bah id) nicht fo gelebt 
habe, um mit ihr ba oben jufammenjufommen. 
Surfcpen, miß nicht einer oon eiup ihr schreiben 
— 2om Jfirf rneih, mo fie mopnt — bah mi<p 
bie gnbianer gefriegt ober bie ©ären gefreffen 
haben? Um ©otteS Sannperaigfeit mißen fagt 
ihr nicht, baf* ich grhenft morben fei, bas märe 
ihr plöplicper lob! 

Äber ich miß aufhören mit bem ©efepmäp, 
iottft benft tpr, ich fei ein feiger Sterl, unb bocp 
lebt SKicmanb, ber Xiger^int erfchreden !ann. 
fängt mich auf, QungenS, fo gefdjminb ihr 
»oüt, ich bin fertig!" 

Ä 1 S er geenbet hatte, toar’S firepenftiß im 
Salbe; in manchen Äugen ber harten SKänner 
glanzte eS feucht; benn ber Karne SKutter hat 


i gar einen munberfamen S lang, befonberS brau^ 
, |en in ber Sßilbnih. 

Gnblid) fuhr ©ater ©ob, ber griebenSricpter, 
i mit ber fcpmieligen £>anb über bie Äugen unb 
, fagte mit etmaS unfieperer Stimme: 

„ 3 un, bu mirft einen Gib nid)t bred)en, gelt ?" 

„Kein, griebenSricpter, nicht für greunb ober 
geinb. GS giebt feinen SKenfdjen in ben ÄJäU 
i bern, ber fagen fönnte, bah $un ihm bas SSort 
: gebrodjen hätte. Qch bin ein Xhrrnidjtgut, aber 
ioenn id) etmaS fage, fo fannft bu beinen lepten 
! Doßar b’rauf metien, ba§ e^ fo ift." 

s Jtun, ba$ öängen haft bu oerbient, 

' barüber ift fein fttoeifel. Äber ich fomrne nicht 
I über ba^ meg, ma$ bu oon beiiter SKutter ge^ 
fagt haft. 3^ glaube, bie alte ftrau i^ r 
| gan^e^ $er^ b’ran gefept, bich mieber ju haben 
j unb fepaut fich bie Äugen mübe nach ihrem S iitb. 
3 d) habe felber eine SKutter, unb ob ich ftr 
j gleich feit fünfzig fahren nid)t mehr gefepen, fo 
ftept boep ipr ©ilb feft in biefer meiner Seele, 
unb e* fpriept ein Sort für beine S)futter, 

I ift eine böfe ©efepiepte, Xiger, foßteft 

j eigentlich baumeln; aber mart, miß’* anber$ 
maepett. 3 fl d, fepneibe ipm bie Stride bur^, 
ba§ er feine §änbe frei pat! So, jept ift’^ reept. 
3ept, Siger, hebe bie reepte £>anb auf, unb 
menn bu jemals in biefem Seben feilten heiligen 
Gib gefdjmoren paft, jo fdpoörft bu ipn jept. 
©elobeft bu beim großen ©ott, bei beiiter alten 
SKutter, bah, menn biep biefer Gerichtshof frei 
läht, bu auf ber Steße nad) ben Staaten $urüd= 
fepreit mißft unb peint ^u beiner SKutter, unb 
bah bu fie ehren unb ihr ©uteS tpun mißft bis 
3u iprer lepten Stunbe? Scpmörft bu foldjeS 
oor mir unb oor biefem ©erid)tspof?" 

„3a, Sticpter, id) fcpmöre es, unb ba paft bu 
meine §anb barauf! ®a paft bu fie! 3^ 
oerfpreepe eS unb mad)e mid) fogleid) auf ben 
Seg!" 

„‘Sann bift bu entlaffcn, unb bie 3 un H en * 
foßen bir beine Sachen auf bie Station fepaffen 
helfen. Äber pöre, Xiger, läht bu biep mieber 
pier bliden, bann gctp’s auf ben ©aum< — 
Seute, baS ©eriept ift ju Gnbe, unb ber ©efam 
gelte ift frei!" 

Unb ber riefenpafte Somancpe ©iß, ber eines 
Hauptes länger mar, als aße feine Satneraben 
unb fiep 311 pinterft gefteßt patte, um aßes beffer 
fepen uttb pören ^u föniten, ^og feinen Sieooloer 
peroor unb rief: „Ämen! Unb ber Scpuft, ber 
fagt, bah ®abS Urtpeil niept reept ift, pat’S mit 
mir auS^ufecpten, gleicp pier auf ber Steße!" 

Änt folgenben SKorgen, als ber 3^8 ber ©a^ 
eific=©apn bei ber Station Saramie aufattt, 
erblidten bie Sßaffagiere eine Än^apl oon ©erg= 
leuten, 3 äflcrn, Säuern, bie einem in ©irfcfc 


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84 


tffyarahtrr. 


fetlflcibern bcreitftebenben SRanne bÄnbe]cf)üt= 
telitb Scbetuobl faxten, unb al* ber ßug fid) in 
Seroegung fefcte, brei £>od) auf bie „ÜJiutter" 
au^braebten unb babei bie £)iite fdjmqiften. 

Wl* aber bie Sagen an %oxt Saunber* oor^ 
beifauften unb bie fteilc £>öt)e ber febtnar^en 
Serge crüommen batten, btiefte X i g e r = 3 i nt 
nad) ben fernen Sevgfpipen im Sdjneegeroanbe 
unb rief: „(E* ift fdjabe, baß icb euch oerlaffen 
ntufe, aber jept beif$t’*: ben 3trict al* £>al*tud), 


ober fort! Unb bei ©ott, mein Serfprecben miü 
icb falten, als ob c* öon ©ußftafa toäre, unb 
menn’* au* ßebeit ginge/' 

Unb ber blipfdjnelle ßug, ber einen ocrlore 
nett Sobn in bie kirnte feiner HKutter führte, 
faufte bem fernen Cften r )u bureb ben Urtoalb 
unb bie ^JSrärie. 

Die 9 Wutter aber fat’* erfahren: ©ott hört 
unb fiebt noeb bie Xhränett einer SRutter, mic er 
bie Thronen ifagar* in ber SBüfte^uSerfaba fab! 




(ü I) a r n k t f r 

Sou 3Ö. ®d)itttit. 


f er (EbaraFter eilten Wteitfcbeti ift rnohl au unter- 
fd)eiben oon feiner Waturaitlagc unb Tentpera- 
~ • ment. Tiefe fiub eine Vcftimmthcit feine* Sc- 
fen*, mit melcber er in bie Seit tritt ohne fein Vor- 
miffen unb Sollen. Xer (EbaraFter bagegen fdjließt 
eine freie, felbftbemußte Thätigfcit in fiel) unb ift ba* 
ScrF ber eigenen, freien Selbftbeftimmung. 

Xie Waturanlagcn ftitb fetjr oerfd)ieben. Hautn 
mot)l, baß unter ben oier^cbnbnnbert Millionen ber 
jept lebenben 3Weitfd)cn ,poei galt* gleiche gefunben 
mcrbeit Fömttcn. WJanuigfaltigfeit in ber Watur- unb 
©eiftermclt ift ber ausgeprägte ©ebanFe (Hotte*, ber 
uit* allüberall entgegentritt. ' Unb c* ift ja eiitleud^ 
tenb, baß jebc Waturanlage ihre eigene, beftimmte 
Xetibeita haben muß, bie fiel) in jeberftorm unb Seife 
Geltung 51 t fdjaffen fnd)t. 

Xarutn finb be* (Einen ©ebanfett philofophiid) »nb 
fcbmerfällig, bcs Wnbern oerftänblid) unb praFtifd): 
mirft ficb biefer mit s JWad)t auf bie Siffcitfcbaft, jener 
auf ein mehr praFtifche* ©ebiet; baut hier ^U’manb 
9ttafd)inett unb bort ein Witberer lieber ben WcFcr. 
Waptjael unb ©oethe—jeber ein ©citiu*, jenem brachte 
Geißel unb Vinfel, biefem bie fteber unfterblicbcn 
Wubrn. 

Wicht minber als bie (ErFenntnißanlageit ftitb auch 
bie Temperamente üerfdjicben. Sein märe er nid)t 
febon begegnet, ber leidet bemeglidje, fcbitcll erregbare 
Wcann, ber alle* 9Wöglid)e unternimmt, boeb Faurn 
ma* Wechte* ooüenbet unb jener Wnbere, ber in allen 
Stücfen gerabe bas ©egetttbeil befimbet? 3 d)toer 
bemeglid) unb äußeren Gnitbriicfen faunt ^ugängltd), 
gebt ber VbtegmatiFer feines Seg*. Tod) bemuitberc 
bie ©ebulb unb 2 lu*bauer, bie ber s JWann an ben Xag 
legt, meitn er ma* begonnen bat. Sie rafcb unb eiter= 
gijeb in allen Jmnbluitgeti, bod) leiber bas s 3Waß ber 
tWäßigung gern über’fcbreitcnb, tritt ber (Ebolcrifcr 
auf! Wber bort—ach mie triibfelig, in tiefen ©eban- 
feit ücrfunFen, fipt fein ntelancboltfdjer Vruber. 

©ut, baß ©ott böcbft feiten blo* einer Wichtung bie 
.'perridjaft gegeben hat, beitngemöljttlid) finb bie iem- 
peramentc in ftärferent ober jd)mäd)crem ©rabe alle 
oereinigt üorbanbcit, bod) fo, baß ba* (Eine ba*Wnbere 
ait Stärfc übertrifft. 

9Wit fold)eit unb aitbern Einlagen, toeldje auf fein 
ßcben unb feinen (El)arafter einen großen (Einfluß 
au*itben, betritt ber Wknfd) bie Sapn bc* ßebeit* 1 
unb bat bei allen foitftigcn Verirrungen menigften* ' 
ben berechtigten Xroft, baß ihn feiner iitbioibucllen i 
Watureigenbeit megett Wientanb ^ur ^erantmortung • 


Rieben faitit. Xer Wteitfd) ift nid)t oerantmortlidp 
baß er foldje unb nicht aitbere Wttlagen bat, mobl aber 
bafür, mie er biefelben gebraucht uttb ausgebilbet—*u 
meldjem Sbarafter er fiel) entmtcfelt bat. 

Wun aber üben and) bie Umftänbe unb Scrl)ältniffe, 
unter beiten ba* Seben beginnt unb fortgebt, einen 
ftarfen (Einfluß auf ben merbenben ©baraftcr au*, 
finb 3eit, Crt, Unterricht unb taufenb anbere Xinge 
ein mächtiger ffaftor in bem Silbung*pro^eß *u einer 
au*gcprägtcn (Eigenheit, ihren Stempel aufaubrürfen. 
Sir fageit, e* fei ein Sunber, menn ein täinb ber 
untergefommener ©Itcrn itt ben gefuitfenfteti Xheileu 
einer Seltftabt fid) einigermaßen gut entmicfelt, 
menn ber Sohn lafterbafter ©Itern bie Sege ber Tu- 
gcitb unb ^frommigteit mäblt ein Semeis, baß 
bie auf bas ©ciftesleben bes .Uinbes oon außen ein- 
mirfeitbeit (Einßüffe oon unberechenbarer Sebeutung 
unb Sicbtigfcit finb. 

Xantit mären bie etmaigett .^auptpunfte angeführt, 
meldjc jebem Wteitfdjen al* etma* Ueberfomntencs, 
fcf)lcd)thin ©egebeneö oonWnfaitg an^u ©ebotefteheti, 
mit meld)en er nuit,fofern fie feiner fittlidieit (Entmicf- 
lung entgegen finb, ben ftarnpf beginnen foll, um ber 
freien Selbftbeftimmung fiegreieb ( ^u Wcd)t unb (Ehren 
511 helfen. 

Wod) fei bemerft. baß bei allen fottftigen Serjdjte* 
benheiten alle SWenfcßen ficb bod) glcid) bleiben in 
^meierlei £>inftd)t: ba* (Eine ift bie oon ©ott ab- unb 
ber Seit ttnb Siinbe ^ugefel)rte Watur, meld)e auch 
ben glücflichft Veranlagten au* feinem (Eentraloer- 
hältmß ju ©ott beransgeriffen uttb irre geleitet bat. 
Xa* Wnoere ift bie gleiche Verewigung auf göttliche 
.'pülfe bureb ben heiligen ©cift ^nr oölligeit Er¬ 
neuerung in ba* (Ebeitbilb ©ottes, mcldje* bem Eba 
ratter erft bie mahrc Seihe gibt unb ba* Siegel be* 
göttlichen Sol)lgefaHen* oerleibt. 

Wun oerhalten fid) aber bie göttliche ©nabe, bie 
gegebenen Vcrbältniffe unb bie befoitberen Xenbcnjcn 
ber Waturanlagen nicht fo &u bem Wtenfchen, baß [tc 
ihn ^it ihrem (Eharaftcr machen. So märe ber9Weit)dj 
blos leibeitbe* Objeft innerlich uttb ättßcrliA mirten- 
ber fträftc, bie ihn ^u bem, ma* er ift, mit Wotbmen* 
bigfeit geftaltet hotten. 

Wein, ber eigene Sille hat ba aud) ein Sort mit b’rein 
äu reben. Xer SWeitfd) ift ein freie*, fid) felbftbeftim 
menbes Sefctt. Er braucht ben Sttmtnuitgen feiner 
Waturtriebc nid)t Jfolge leiften, noch ficb ben äußeren 
(Einflüffen bebingungslo* untermerfen, fonbern er 
fann, 6 raft feiner atterfebaffenen Freiheit ben (Ein- 


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$0rr mirt erben. 


85 


E üjfen «Biberftanb leiften unb fiep fclbft befehlen, be= 
immen unb fepett. grei ift ber «Renfcp erjcpaffen, 
unb bie greipeit ift feine Ärone, bie ipii gum Äöitig 
macht auf ©rben. 

«ber meldjer toacpfamen «lufficpt über fid} felbft 
bedarf eS, in ben taufenbfältigen Betätigungen nn* 
icre* ©eifteS, ben «Bitten ftets in Spannfraft gu er 
leiten, bamit er nie baS Opfer einer Saune in ben 
Sfdjfelfällen beS Sebent merbe. «Bie toedjfei^aft 
frab bie ©efüple, mie fiberrafcpenb oft baS geheimniß* 
uofle Spiel ber Bpantafie, wie gefcpminb brängt ein 
Gfcdanfe ben anbem unb wie oeränberlich, oft tiitfifcp 
ift bas ©efdftcf, baS unfer SebenSjdjiff pitt unb ber 
wirft! Xa immer felbft öerrgu bleiben 
and auS bem eigenen bem ©ent rum 
de* gebend heraus nt it 


rren 

bältni 

(Ebara 


ficb feil 
jertfcpen 


bft 


! ö n i g l i cb e r 
unb ben Ber* 
bas geigt ben 


je über 
ifen ju h< 

(t e r. 

Xiejer ift natürlich nicht bas «Bert eines XageS, 
ionbent Sache längerer ©ntmitfelung. Beim &na* 
ben gar nicht, beim Jüngling feiten, fann oon einem 
au$gebilbeten ©harafter bie Bebe fein. Bicpt, bis 
ber Jüngling gum 2Rantt gereift unb feine Natur¬ 
triebe unter bie Sucht beS «BillenS gebracht, bis er 
durch mancherlei Scproanfungen fiep pinburcp gear* 
beitet hat, rnirb fein ©harafter Bestimmtheit unb ge* 
ftiafeit erhalten. 

Bis bapin aber geht bie Bilbung bes GparaftcrS 
langiam ihren «Beg. @r ift wie ein ©emebe auS Oie* 
len gäben gemoben. gebe $raft in unS ift eine 
Spinnerin, bie jeben Xag ihre gäben fpinnt. unfcre 
Seele, bie immer thätig ift, nie ruht, bringt Millionen 
iolcper gaben peroor, unb unfer ©harafter mirb ge* 
bilbet burch baS gufammemoebcn biefer gapllofeii 
gäben beS täglichen SebenS. 

SRcnfcp, hab’ «icpt auf baS, maS bu gufamrnemoebft, 
denn biejeS ©etoebe bift bu felbft §ab* Bdft genau 
auf bie einzelnen gäbcpen, aus meinem baS ©äuge 
$ufammengefept mirb — auf bie tief tm Berborgenen 
deines Seelenlebens oorficpgepenben Begungen bei* 
wsSillenS, ber Triebe, ber ©ebanfcn, ber «Bünfcpe, 
die bort entfteben, auf baS geheimnißoolle Spielen 
deiner Bpantafte mit ihren Btlbern unb Bilbchen, bie 
uor bas «luge beiner Seele treten, auf alle beine 
Sorte unb jebe Jpanblung pabe Sicht, benn bie Summe 
oon biefem—bift bu, baS ift bein ©harafter. 

Sie tropfen um Xropfen in ralter «Binternacpt 
den ©isgapfen bilbet, fo fehltest bie gange Beenge aller 
Ibätigfeiten unferer Seele fidj allmählich feft gufam* 
men, baS Summa Summarum ift—unfer ©harafter. 
Sie belle funtelt jenes ©ebilbe oon ©iS, toenn iebeS 
Xröprlein, baS ihn bilben half, rein unb ohne glecfen 
floß, fo glängt auch ein ©harafter, menn bergluß ber 
Seele unbeflecft aus feiner Quelle Jam. «Iber mie ein 
Rapfen bunte! auSfieht, toenn baS gufließenbe 
Softer, baSjpn bilbete, [cpmupig mar, fo ift auch rin 


töranpiger ©parafter nichts als ber faule 3üfammen* 
faß etneS unreinen gnnern. 

«ber immerhin ift auch ber fepmupige ober fcplecpte 
fcparafter noch ©harafter unb unterfcheibet fiep barum 
&obl non bem ©haratterlofen. 

xach fiuthhart ift ber ©harafter bie beftimmte, aus* 
geprägte Seloftgleichhrit im SBotten unb öanbeln. 

^er böfe ©harafter fann offenbar biefe Selbftgleich* 
tat für ftch in Änfprucfa nehmen, ©r miß baS Böfe 
anbthuteS: ,,©r ooflführt, maS er auch untemom* 
men." SRidjarb III. fagte: „3ch bin gemißt ein 
$öfemi*t gu merben," unb noch tn biefem ffirebter* 
liehen ©ntfehlug ift bie Achtung gebietenbe Beacht 
öer freien Selbftbeftimmung nicht gang erlofchen. 


9üdharb III. ift noch ©harafter. ©r fchafft noch burch 
freie Sclbftthat feine eigene B e rfönlid)teit. 

dagegen erfc^eirit charaftcrloS, mer in feinen £>anb* 
lungert ftch ben inneren Stimmungen unb ben äufteren 
Berhältni|fen preisgibt. §ier hat ber SSiße bie Ober* 
herrlichfeit eingebüftt unb ift gum ÄneAt ber ©efülfte 
unb äußeren Berhältniffe herabgcfuitfen. Sßie oft 
begegnen mir Bfenfchen, beren mteßeftueße gäl)ig* 
feiten h^roorragenber 9lrt finb unb bie bemgufolge 
©roßeS leiften formten in ber Söelt; aber leiber oft fehlt 
bcntlchönen Xalcnt bie 3ucht eines guten unb erftarf* 
ten SÖißcnS, unb barum fließt fo giel* unb gmecflos 
baS Seben unbenüpt oorüber. 

dagegen jinb’s nicht feiten bie mittelmäßigen Xa* 
lente, bie oft ©roßeS ooßbringen, meil ein eifemer 
SBiße baS Scepter führte. ©S meine ja freilich Bie* 
manb, er fönne, mal er gäbe SBißertSfraft befipe, 
barum fepon ein ©elehrter merben. Söer fiep beffer auf’S 
Jpolgfpalten, als auf genaues unb tiefes Xenfen oer* 
ftetft, bem mag es immerhin beffer frommen, ben 
$intertoalb gu lichten, als oergeblicp nach Söiffenfchaft 
gu ringen. 

Xocp maS Begabung, Steßung unb Beruf auch ff* 
—ein guterSRenjch fannieber mit ©ottcS §ülf e 
fein unb in ber angemtefenen BerufSfphäre fi^ nup* 
lieh ma$en. Budp ber unfeheinbarfte Beruf bietet 
Baum für aße Xugenben. $eber Ärämer fann mapr* 
baftig, reblicp unb ebrlicp fein. 2BaS fann ein ©roß* 
bänbler mehr? — Xer Xagelöhner fann in feinen 
©runbfäpen fo feft, in feiner Uebergeugung fo treu, 
in feiner Stanbhaftigfeit fo unburcpbrechbar unb in 
feinem ©harafterjo ooßfommen fein, mie ber größte 
©entuS, ben bie SBelt je gefepen pat. 

gefte, unbegmiirgbare ©paraftere braucht biefe «Belt 
mopl mepr als fonft maS. ©elcpe gemaltige Bieber* 
lagen müßte ber Unglaube erfahren, toenn ©otteS 
Bolf, nacb beS BpoftelS Bfapnung, feft unb unbemeg* 
licp märe? «Bie mürbe ber SBacpt beS BerberbenS 
gefteuert unb ber mogenben ßocpfluth ber Sünbe ein 
Siel gefebt, menn’S bei aßen ©brtften auf ©rben gur 
feften UebergeugungStreue im Xienfte ©otteS gefom* 
men märe, unb es mit bem Xänbeln unb liebäugeln 
ber Sünbe—mit ber «Beicplicpfeii ein ©nbe hätte. 


{Oer wird erden? 


U orfic^tig trugen bie ÜRänner ben p^otogra= 
It pffifdjen Apparat an« bem gimmer, leife 
V unb fc^neü mürben bie 2)oppettt)üren hin¬ 
ter ben fid) (Sntfernenben gefc£)Ioffen. Unter 
güfjrung be^ I)ienerä gelangten ber ^^otograp^ 
unb fein ©e^ülfe bie niebrige, teppidjbetcgte 
Sreppe hinunter, tautlod öffneten fief) bie giügel 
ber |>au 3 tf)iir, unb nac^bem ber Pförtner, ben 
ginger auf ben SWunb ^aftenb, nochmalige# 
©chmeigen empfohlen, gingen beibe ÜDlänner, 
noch unter bem Sanne biefe# ®ebot#, hunbert 
Schritte rneiter, festen bann aber ben Apparat 
nieber, unb ber Weitere nahm aufatljmenb auf 
einer Stuhebanl unter ben Platanen <(SIah. 

„Unb bu, ©ertranb, mit beinen gefunben Sir¬ 
enen unb güfjen h«ft neulich Sage lang gemault 
bariiber, baff bu jum SBinjerfeft feinen neuen 


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86 


Pir Hausfrau auf btt BlifftonsRation in <8ftin)irn. 


s Jloc! gatteft, meinteft barnals eS verlogne ficg 
niegt meiter^u leben, menn immer ber Beutel flei- 
ner als bie ffiünfcgc {eien! 2 BaS fagft bu nun ?" 

„ s 2lcg, |>err," antmortcte ftotfeub ber ©egülfe, 
„nun fuge icg cS nie, nie mieber, 3 ht Wnnt 
mir’S glauben, nun bin icg für immer furirt; baS 
meig id) gan$ genug; — ad), baS mar ja fcgrctf= 
lid), ad), ber arme junge üRann, icg bacgte immer, 
er mürbe uns unter ben Rauben fterbeu; nein, 
mirflicg £>err, baS vergeffe ich mein Sebtag 
nicht." 

$)ieS ©efpräcg mürbe vor einigen Sagen in 
ber ©cgmci^ am fdjönen ©enfer (Sec geführt, 
unb in ber Billa, aus ber bie beibeit ^f)otogra= 
pgen gefommen, mar mirflid) ger^erreigettber 
Jammer inmitten beS glän^enbften SReicgthums. 

©in junger Slmerifauer mar, in Begleitung 
non äRutter, ©cgmcftcr unb jmei s 2 ler$ten vor 
einiger 3eit bort eingetroffen, um in ber inilben, 
meiegen Suft meitcr leben 5U Jöitnen. SageS für 
biefeS Jünglings Sranfgcit feine Teilung mehr 
gäbe, baSmugtcn bie s 2Ieratemogl, benn für bie ga= 
ioppirenbeScgminbjucgt, bieber^atientim göcg^ 
ften ©rabe gatte, marfeine©enefungmehr3uf)of= 
fen. 2 lber fterben burfte er niegt, meuigftenS 
nid)t, ege fein achtzehnter ©eburtstag vorüber 
ift, benn er ift ja ber ©rbe einer 9 D?iHion SollarS, 
bie igm zufallen mirb nach BoHeubung feinet 
achtzehnten SebenSjagreS; — er felbft mirb ficg 
nie au bem ©olbc erfreuen fönneit, aber feiner 
SRutter unb ©egmefter foH ber SReicgtgum er= 
galten bleiben. S)eSgalb gat er bie meite ©ee- 
nnb Sanbreife von Slmerifa nad) bem ©enfer 
©ee trog feiner ©egmäege unternehmen mitffen, 
unb be^^alb fiitb fortmägrenb ^mei Siebte neben 
bem Seibenben, bie jeben feiner Schritte, ja je* 
ben Sltgemzug übermadhen; fie hoffen mit ihrer 
Sfnnft fein foftbareS Seben bis $u bent erforber- 
liehen Sage verlängern zu fönnen. 

©tirbt aber ber junge 9Rann vorher, bann 
fällt baS ©elb einer anberen gantilie ju, bie 
fdjon jegt Sag unb 9 Zacgt feinen anberen ®e^ 
banfen bemegt als bie^rage: „SBerben mir baS 
©elb befommen ?" 9 lber fie lägt es nicht beim 
biogen Scnfen, nein, fie arbeitet fegon für ihren 
3metf,benn—fie hat nicht meniger als vier Ster^te 
von 9lmerifa gefegitft, bie beobachten follen, ob 
ber Trante noch lebt, mirflich lebt, ober ob bie 
feinblicge Bartei mit ihren zwei Siebten viel* 
leicht bie Wahrheit verhehlt. 

©o fpioniren benn bie vier Siebte um baS 
Sterbelager beS jungen SlmerifanerS unb laffen 
mit ihren fragen unb Bermutgungen 9 fiemanb 
von ber Sienerfdjaft beS £>aufeS unbehelligt, 
Sag für Sag, fegitfen fie Sepefcgen mit tröft= 
liehen s J?ad)rid)ten nach Slnterifa. 

©inige Sage vor bem oben erzählten ©efpräch 


hatten zmei s 2lerjte ben madjsbleicgen Jüngling 
auf einem SRngcbett in ber 9 iäge ber Balfontgür 
liegen fegen, regungslos hatte fein £>aupt länger 
als eine ©tunbe auf ben St'iffen geruht, ba mar 
e 3 ihnen zur ©emigheit gemorben: er ift fegon 
tobt—unb flugS eilten fie zum Selegraphenamt 
unb fanbten bie SobcSnacgricgt nach ®nterifa ab. 

2lber fie hatten falfd) gerechnet; als fie bei 
ihren SoHegen in ber Billa anfragten, ba fagten 
ihnen biefe: ja, geftem habe ber junge SKann 
in ber 9 ftittagSftunbe lange unb erquieftieg gc= 
fcglummert; unb bann liegen fie bie feinblicgen 
Siebte zugörcn, mie ber Slranfe im 9 lebenzimmer 
leife mit feiner SRuttcr fpraeg. 

s 2lber baS glaubten bie vier SIcrjte niegt, unb 
fie brangen barauf, bag ber junge 3 Jlann in ©c^ 
genmart von 3 eu Ü cn ntüffe pgotograpgirt tuer^ 
beit. Srog beS SträubenS ber -$mei s 2 ler^te, bie 
mit SRecgt eine groge ©efagr für igren $ranfen 
in ber Aufregung fagen, mugte es bennoeg ge^ 
tgan merben; unb eben mar eS gefcgegeit, — 
melcge SBirfung es auf ben ©egülfen beS Sßg°" 
tograpgen gegabt, baS gaben mir gegärt. 

35?eld)e SBirfung aber gat biefe ©efegiegte auf 
uns? meine biefe : 0 freu’ bid), bag bir 
©ott ©efunbgeit gat gegeben. 

SRit Sorge unb Rittern fegaffe bir nur baS 
emige Seben! 


Pie Hausfrau auf btt Jföiffioiis- 
ftation in (Sflinbien. 

9$n C. vait CK 

ogl nirgenbS ift eine gute 8uffid)t im ^auSgalt 
nötgiger, als in ben geigen Konen. 3Ran ift 
bort genötgigt, ber ©efunbgeit rnegen fo 
SRancgcS $u tgun unb cinpricgten, moran eine 
beutfege §auSfrau nie ju benfen gat. 0gne Slnmel^ 
bung tomrnt viel Sogierbejucg, man läuft ju bem 
BorratgSrautne, mo auf ergögten, freien ©cftellen bie 
gelte lagern, melcge für fReifefäüe unb für ©äfte vor= 
rätgig finb. Sa gaben benn oft bie hatten unb 9Räufe 
arge Bejcgäbigungen angerieptet, unb ber mugame- 
banifege ober cgriftlicge ©cgneiber, menn man fieg 
legteren gcranbilben fonnte, gat erft ju fliden unb 
erneuern. 

SSehc ber ßauSfrau, menn fie teine treue unb xu- 
berläffige ipülfe gat, ber fie ju geiten aueg ben ©cgliif 
felforb anvertrauen !ann! öat fie biefe niegt, fo gegt 
alles brunter unb brüber. geg mar in ber glücflicgcn 
Sage, mir ein cgriftlicgcS SBaifenmäbcgen aus unferen 
Stinbem, bie mir als SRiffionSleute in pflege unb ©r= 
Regung gatten, aiuulernen; fie gieö ^ubitg unb mar 
uns eine groge ©tüfce bei Ärantgeiten unb vieler 
Arbeit. 

?lm frühen borgen fummt ber Äeffel bei füglem 
Söetter auf ber Beranba beS ^aufeS; ber $odg, ogne 
ben eS in Dftinbien ber grogen öipe rnegen niegt gegt, 
gat ben Sgeetifcg jureegt gemaegt. Sie lleinen 3Bai- 



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Jlie Hausfrau auf brr Piifltonogation in ftßinbien. 


87 


[eitfinber haben nach her 9ftorgenanbad)t ihre bleuer» 
nen 3Rild))d)üffeln in bte 97äl)e beS Difd)eS gefcfct, unb 
ber SKildjmantt t)at feine ftuh in ben TOjfionSpof ge* 
trieben, um fic bor ben klugen ber grau beS HaufcS 
ju melten. Sagt man ihn fein eigenes Gefd)trr bagu 
nehmen, fo ift biefeS nicht auSgcmafchen, fonbern auf 
Sohlen ausgebrannt, Deshalb mug man, um mof)l= 
jebmedenbe 9tttld) gu erhalten, ihm ein eigenes, auf 
turopäifdje Slrt gereinigtes Gefäg geben. Manche 
Wildjhänbler berbergen auch Säger unten in ihren 
SRelftöpfen unb überoorttjeilen jomit bic Käufer. 

3ur rechten 3^* fommt man nun an ben Dheetifch 
unb bringt ben Dtjee mit, lagt ben ftod) ben Dheetopf 
auSfpülen, bag er heig tt>irb unb bereitet felbft baS 
erfrifd)enbe Gctränf. ftagee trinft man nur in ber 
fälteften 3eiri bont Oftober bis gum Januar, unb er 
befommt feiten gut; er erregt $t£e im 3Kagen. 

Dann fommen bie fleinen unb |d)tuäd)lid)en pflege* 
finber, ge mohnen nahebei in eigenen Raufern unb 
fiofen auf bem SKifftonSanmefeit unb berühren banf* 
oar ihr SRorgenjüppcften aus 9D?i!d) unb Scigenbrob, 
toeld)eS lefctere auf eifernen, flachen glatten bon ben 
größeren äöaifenmabdjen gebaden toirb. 5lud) baS 
Wehl mirb eigenhänbig gemahlen. Die anberen ft in* 
ber befommen geröftete ftörner, Chunscba (fprid) 
ßbunfega) genannt, Dicfe merben auf feigem Sanbe 
in grogen, gachen Dhongefcbtrren auf bem SÄarfte 
non ben Gingeborenen geröftet unb billig oerfauft; 
fie fmb gejuno unb riedjen fct>r aromatifd) unb fräf* 
tig. Ufeme brei ftinber agen bieje Speife leibenidjaft* 
lieh gern; 9teiS 9)?aiS Ghunt, c in in Guropa noep nidjt 
eingefüprteS (betreibe, merben fo gegeffen. 

Senn nun bie fleinen ftinber mit Salänt, Darrt, ab* 

S fittb, fo fegt fid> bie beutfebe gamilie ait ben 
, i). Der ftoch h a * für fie Seisbrob auf £><% 
lobten geröftet, bie (schnitte merben mit einer Gabel 
barüber gehalten unb gebreht. GS ift foldieS Srob, 
in ber englifchen Spracpe dost genannt, gefunber als 
ungeröfteteS; bie <ßalmbaum=Hefe, bon bem Safte 
ber Dattelpalme gemonnen, burchfäuert ben Deig 
nicpt genügenb, unb beSgalb ift baS Srob nicpt immer 
gar gebaden. gn ginnfäften, in benen englifche SiS* 
raitS mären, meldje biel nach gnbiett an pänblcr ge* 
fchidt merben, mirb baS Seigertbrob bon ntuhanteba* 
nij^en Bädern gebaden unb in europäifche Raufer 
geliefert; Gnglänber ober höhere Beamte haben auch 
felbft Säder als Diener uno laffen jeben Dag frifdjeS 
Srob baden, mie eS auch iu 5lmerifa läufig ber gall ift. 

GS ift gang intereffant gu fehen, mie bie Salmbaum* 
ftefe gewonnen mirb. SefonberS im Frühjahr, ja id) 
glaube baS gange gahr hiuburch, hat ber Dattelpalm* 
iwum fepr biel Saft. Sein Hol^brennt, ungetrodnet, 
bläulich; ein getdjen, bag ber Saft biel Sllfohol ent* 
hält Die HtnbuS gapfen benjelben ab, inbem fie 
oben unter ber Slätterfrone gmet tiefe Ginfchnitte mit 
bem Seil machen unb Döpfe anhänaen, bamit ber 
00 m Saunte einfliegenbe Saft biefe fülle, geben 2ttor* 
gen unb ®benb fteigt ber Darpor (Slbjapfer), einen 
ctrid um bie Seme gefcblungen, mit bem SRufe 
’ r Darpor ate hain“, auf Dcutfch: „ber ^Salmmamt 
tommt," auf ben S3aum, um bie bollen ©efäge herab* 
^unehmen unb mieber neue, leere, gu befeftigen. Gr 
ruft gu bem 3wed, bamit bie ntuhamebanifchen 
grauen in bie paufer gehen, meil fie noch int Pard«, 
hinter bem Vorhang, leben. SBürbe er nicht rufen, fo 
bürfte er in feinen ipof mehr fommen, benn bie ul)a* 
mebaner fmb fe^r geftrenge, eiferjüdjtige Gheherren. 

Senn nun biefer <ßalmfaft, Dari genannt, gährt, 
iogiebt eS Gfftg, Sranntmein unb #efe. 3luch burfrige 
traben lieben biefen Saft, unb man fieht oft Diele 
Mt bie gefüllten Döpfe fifcen unb trinfen. Die Seute, 


meldjc bieS Gemerbe betreiben, finb fogufagen 53rannt* 
meinbvenncr. Seiber fennen bic pinbuS auch biefen 
beraufchenbcit Dranf unb holen fief) oft gange Döpfe 
00 U baooit nach ®aufe. Gr ift fpottbiüia unb leictjt 
Alt haben, benn ber $almbaum mächft überall milb. 
vluf allen freien flögen gehen üicle biefer hohen unb 
jd)önen Säume beifammen. 

Die Arbeiten am frühen borgen finb in einem oft* 
inbighen Haushalte fehr üerfdpcben; man eilt, oor 
ber eintretenben $)ipe fertig gu merben. Die Mhner 
unb baS Gegügel merben gefüttert unb bie Gicrlc* 
aenben baoon eingefperrt. SSürbe man fie laufen 
laffen, fo mären bte Gier eine Seute ber fträljen, 
mclche auf ben Säumen lauemb, ben guten Srag 
ahnen uno oft genug bie Druthennen* unb Serl* 
hühner*Gier rauben. Dicfe fcheuen Dhierc lägt man 
im greien legen, fie gemöhnen fid) fdjmer an baS 
Gingefchloffenfein; nur beS 9fad)tS müfjeu fie ber her* 
umftreidjenben Schafale megett in ben pühnerhäuferit 
bleiben. 9Jfan mug biefe legenbcn Rennen bcobad)* 
ten unb ihr 9feft )ud)en; man legt bann ftatt ihres 
GieS ein Gips* ober ^orgcllamGi tu baS 9Jcft, bamit 
fic eS nicht oerlaffen. 

Oft hat man ote greubc, ein boOcS 92cft gu ent* 
beden; aber meift finbet man bie ^ühnermutter Per- 
munbet. Söenn fie brütet, bleibt fie fijjen, unb bte 
Schafale mttteru unb überfallen fie. Ste mehrt fid) 
fehr; eine Druthenne fanbett mir einft mit ftarf f)äm 
aenben glügeln fcljr früh am borgen auf berSeranba 
gehen, fie fal) frattf aus. S3tr unterfud)ten fie unb 
fanben ein hanbgrogeS Stüd glcifd) unter einem ihrer 
glügcl hcrauSgcrifjen. fVd) oermuthete fogleich, ein 
milbcS Dhter h^öe fic SfadgS auf Dem ^eftc über* 
fallen. 

3d) Iteg fttchet^ unb einer unferer fchmargen Sat* 
fenfnaben fanb hinter unferm ftochhoufe baS9lcg mit 
16 Giern, fie maren noch marm unb mürben bon brei 
Mhncrn auSgebrütct. 3)rit fturfume, einem gelben 
gärbeftog, ben unfer ftoch auf bem Steibftein mit 
äßaffcr gerrieb, mürbe bie SÖuttbe ber Druthenne täg* 
lieh beftrichen, fie mürbe gut gefüttert unb geheilt, 
fturfume ift ein [ehr gutes Mittel bei SSunben; bie 
öinbuS benuhen biefe*SSurgel audHür fturen an ftdh 
felbft. 

ben fahren 1857 unb 1858 müthete ein fchred* 
Iidjcr Aufruhr in Qnbtett; burd) eingebortte, flcine 
gürfteit angeregt, breitete er fid) meit aus, bielc 9ie* 
gimenter etngeoorner Solbatcn berjagten ben eng* 
lijchen Ofpgicren ben Gehorfam, baS Sanb mar über* 
fepmemmt bon geinben. man mirb fid) ber Greuel 
erinnern, bie bei Gomnpore ftattfanben; ein groger, 
leerer $id)&rtmnen mar mit gerftüdeltert Seichen bon 
Guropäcrn, grauen unb fttnbern, angefüllt. Das 
Slut flog barüber hinaus. Die 2ftiffionäre mugten 
alle Gfjriftcn auf Sdjiffen gegen ftalfutta gu güdjten. 
gaft gmei gahrc mährte biefe ^oth- Damm ift bic 
englifche Oicgtemng borfid^tig uttb geht langfam mit 
ber Gibilifatton beS herrlichen SanbcS bor. 

s Jhut gu ben Hausarbeiten gurüd. Die ft inber mol* 
len gebabet, ber Garten befajaut unb ?lnorbnuttgen 
getrogen fein. Die 9tpa, Hülfe bei ben ftinbertt oe* 
rettet baS Sabcmager in einem auSgehöhlten, grogen, 
runben Saumgantm bor. Der Oclpreger hat baS 
Holg baburd) magerbidft gemacht, bag er bic ftatauta, 
baS Holgaefäg, bter Sod)en gu fernem Gemerbe ge* 
braucht put. So, mit Ocl burchgogen, hült eS Die 

t ige aus, fprittgt nicht unb ift btd)t. Die fleinen 
tramplcr erfreuen fid) im Säger, bem man etrnaS 
rnatmcS gufefct, ba bte tropifdtc Hifee fehr empgnblid) 
gegen ftälte macht unb bte tiefen, gemauerten 3irh ? 
orunnen, morauS ber Safferträger DaS Säger im ge* 


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88 


dinr Jfirttrl|tunbt ju fpät 


erbten »üffelfeö f)Olt, falte«, oft fet)r falte« 9tafc ent- 
alten. 

3ft bie Butter niept beim ©aben gegenwärtig, fo 
fornmt e« oor, baß ein ft'inb ba« §emo an ©teile ber 
©rf)ür$e trägt. Tie inbifepen grauen lernen fcpwer 
unfere Äleibuna unterfepetben, ba fte nur ein langet, 
ungenäpte« ©tuet 3eug um topf, ©ruft unb Äörper 
tragen. Uebrigen« finb fie, wenn befferen Eparafter«, 
oft red^t treu unb liebeboll gegen bie ftinber; be= 
fonber« bie Äinber ber Europäer lieben fie fepr; 
e« gibt aber auep fepr böfe grauen unter ben Tie* 
nenoen. 

SSir Ratten einft eine, wclcpe um mepr SRupe au pa* 
ben, unjerm sapnenben Äinbe Opium sum ©cplafen 
gab. §ätte mir niept ©ott geholfen, bie« ju entbeefen, 
fo pätte fie mein Heine« Sttäbcpen gewiß getöbtet, 
benn faft brei Tage fcplief ba« ftinb ununterbrochen, 
ohne einmal aufsnwachen. 

E« ift in allem große ©orfiept nötpig. ©ott, ber 
$err, hat un« in ©naben fepr oft bewaprt,benn ©for= 
pione, ©chlangen unb allerlei gefährliche«, Heine« unb 
große« ©etpier umgibt ba« §au« unb ift in ber SJäpe 
ber 9flenfcpen. ©icle ©iftfliegen ftechen: bie fcpwar« 
Sen Slmenen finb groß unb btffig, ipr ©tß ^interläßt 
eine SKarbe. 

Um l\% Uhr ift gewöhnlich ba« zweite grühftüc!. 
Xa« Slbenbbrob finbet um 7 Uhr Slbenb« nach ooll* 


brachtet Xa<je«arbeit ftatt. 9tei«, Eurrp, eine mit 
ftarfemj©ewürs aefodbte gieifchfpeife oon 3iegen* ober 
©epaffieifep, auch $üf)nern, recht fepmaefpaft jubeyei- 
tet, nebft Xpee, Eiern unb ©rob, erquieft ben peim 
gelehrten ©ciffionar; man muß einige ©peifen haben, 
um bie Eßluft su reijen, bie §tpe nimmt ben Appetit 
oft ganj weg unb ba« ©preepen su ber ©taffe ber 
Reiben bei ben ©traßenprebigten greift fepr an. 

Tie ©hipamebaner ftreiten oft gewaltig, unb ber 
©tiffionar pat oiele ©eifte«gegenwart unb ©cplagfer 
tigfeit nöthig, um fie $um ©cpweigen su bringen unb 
^re anfiepten au« ©otte« 2Bort ju wiberlegen. Ei¬ 
nige Stupeseit wirb gegen Mittag allen gewährt; ©roß 
unb SHein fucht bei berfchloffenen Xbüren su fcplafen 
unb au ruhen, bi« um 2 upr bie &roeit«glo<fe läutet 
unb bie Shnber sur ©chule unb Näharbeit ruft, audp 
ftcüen fich Sentenbe unb $u Unterricptenbe ein; ferner 
befuchenbe Englänber, bte bie ©tiffion«arbeit lieben 
unb antpcil an mancher Einrichtung nehmen; ein 
ftitle« ßintmer nimmt oiefe bei bem ©tiffionar auf. 
vlbenb« geht e« wieber in bie $eibenfcpulen ober Aum 
©rebigen. ©0 aeßt ber Tag fcpnell bahin, bie ©iel- 
feitigteit ber Arbeit hilft über bie Saften unb manche 
Verlegenheiten hinweg. 

aber bie Siebe sunt 2Ber! muß groß unb wahr fein, 
fonft fchwinbet ber ©tutb, benn e« gibt oiel ©cpwere« 
in heißen Sänbern ju erbulben. 




(Urne Piertelftuiibe ;u fpat. 

®ou ?r. 9*. 


•Vn einer fransöfifepen geftung war übereinen 
4 jungen Offizier ba« Tobe«urtheil gefproepen 
worben, weil berfelbe über eine ©eleibigung, 
Welche nicht ihm, fonbern einem greunbe Wiber= 
fahren, bem ©eneral gegenüber feine ©tißbilli- 
gung au«gefprocpen unb enblich in ber @rre* 
gung bie |>anb an ben Tegen gelegt hatte. 

Ter Jüngling war ba« einzige ®inb einer 
SBittwe unb fie war gefontmen, bem Sopn ba« 
lepte Sebewopl ju fagen. 9 tocp blieb eine $off^ 
nung übrig. 3)er ®rieg«minifter war ein greunb 
üom Sater be« Serurtheilten gewefen,—gebachte 
er üielleicht noch be« ? Unb 

war er nicht vielleicht bereit, um be« SSater« 
Willen etwa« für ben ©opn ^u tpun ? $atte 
nidßt bie Xodßter be« jepigen 3 Rinifter« früher 
mandhe SBod^e auf bem Schloß be« 9 Jtamte« ju= 
gebracht, beffen Sopn jept sunt Xob vcrurtpeilt 
war? 

SU« hätte fie giüget, eilte bie SDlutter von 
bannen. S 5 on Station su Station hatte ihr ein 
greunb be« Sohne« füt bereite *ßoftpferbe ge= 
forgt, benn Eifenbahnen unb Telegraphen gab 
e« bamal« noch nicht. Snbtich fuhr ißt SBagen 
vor bem ^Jataft an, in welchem ber Srieg«mi= 
nifter wohnte. Tie SBittwe eilte bie 9 Jtarmor= 
treppen hinan unb bat bie ^Beamten unb SBagen, 
ihr Slubiens beim Srieg«minifter su verfchaffen. 


©ergeben«. Seine ©jceHens hatte befohlen 
Sliemanb vorsulaffen. Äänberingenb frug bie 
unglüdliche grau, wann fie empfangen Werben 
fihtne. Ter Sammerbiener erwiberte achfet^ 
Sudenb, möglich fei, baß eine ober swei SWinuten 
bleiben swifeßen ber jepigen 9 lmt«hanblung unb 
ber 9 lubiens, s u welcher fein §err beim föönig 
belieben fei. 

„ 2 lber bie Tochter be« ffltinifter«—ift fie im 
©alaft, baß ich ih r eiten !ann —?“ f^tuchste 
bie grau. 

„Ob ba« gnäbige gräutein ©efudje annimmt, 
ift mir sweifelpaft/' entgegnete ber ft'ammer= 
biener, ,,bi« jept würben ge'ftem unb heute alle 
abgewiefen." 

Tie gleiche Antwort gaben bie ©ebienten be« 
gräuleiit«, nur einer gab fich bie äRühe sur Äam- 
merjungfer s« gehen unb iiefe fam mitleibig, 
verwerte aber, ihre ^errin fchlafc jept uub fte 
ri«fire ihren Tienft, Wenn fie ungerufen ein¬ 
trete. 

©ersweifetnb bat bie SBittwe um ©apier unb 
geber, um Wenigften« fchriftlich ihre heißen 
©itten vorsubringen unb übergab ben ©rief ber 
3 ofe, welche verfprad), ihn mögli^ft halb su 
übergeben. 

SBährenb bie unglüdliche 9 Jtutter in biefer 
SBeife bie Weiten 9 täume be« ©alafte« burdpirrte, 


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föne Jfitrtelftunbe ;u fpäL 


89 


lag bie Jodjter beg SRinifterg auf intern @op{)a 
imb lag einen SRoman; alg bag Such ihren 
öänben entfiel, fprang if)r ©djofjpnbdjen bar» 
ifl<b unb gernagte ben eleganten ©inbanb, wo» 
für if|m Stephanie eine lange, lontifehe Strafe 
rebe hielt. „SRabante Dürant wirb ung ganten, 
gijf," fdjlofj fie ihre SRebe, „unb fagen, wir feien 
wd)t ttad)läffige Seute, aber ©apa unb ber gürft 
St. Elair fagen immer, bag fei an mir gang 
fjübi'cf), nacf)lnffig gu fein, unb nicht wahr, giff, 
fie haben Steift?" 

$>amit nahm bag gräulein ben SRoman wie» 
ber gur ßanb unb legte fich auf’g SReue in bie 
Sopfjaetfe. 

®ie Kammerfrau trat ein, alg fie reben hörte, 
unb überreichte Stephanie einen Srief auf gol= 
benem letter. 

„2eg ihn bort auf meinen Slrbeitgtifch," fogte 
bag gräulein leichthin. 

„©eftatten Sie mir gu bemerten, bag ber 
©rief Stle gu hoben fcheint," wagte bie Kam» 
merfrau gu fagen. 

„3uerft muh ich bie ©efdjichte »otlenbg lefen," 
{(halt Stephanie, „ich *onn bie armen Seute 
nicht gwifdjen Seben unb lob fchtoeben taffen 
unb gar nicht wiffen wie eg auggeht. Komm 
in gehn Sßinuten, mich gu frifiren." 

„SBürben Sie nicht fo gnäbig fein, ben ©rief 
angufeljen ? ®ie arme grau, bie ihn übergab, 
ift in Sergtueiflung." 

„Schweig, ich werbe ihn währenb beg grifi» 
rmg lefen." 

$ie 3ofe berlieh traurig bag 3iutwer unb 
fühlte fich erleichtert, alg fie hörte, bie ®ame 
habe fich entfernt, um womöglich bem SRinifter 
gu begegnen. 

8 lg fie nach gehn 9 Rinuten wieber eintrat, 
»ergingen noch einige, big fich Stephanie üom 
Sefen togrifj, unb an ben ©rief würbe fie erft 
wieber erinnert, alg ihr ©oiogneferhünbehen 
baran barrte. ©äljnenb nahm fie ihn bem 
Xhierdjen aug ben ©foten unb begann gu lefen; 
aber oon Sinie gu Sinie würbe ihr fchöneg 2 ln» 
gefickt emfter, enblich fprang fie auf, rifj ihre 
blonben Soden aug ben ^»änben ber ijaarlünft» 
lerin unb eilte nach bem glüget, ben ihr ©ater 
bewohnte. 

©or ihrem 2luge ftanb ber ehtwürbige ©ater 
beg ©erurtheilten, ber fie fo oft auf ben Knieen 
gejdjaulelt, an beffen $anb fie alg fröhlicheg 
SHnb fo oft bie SBätber burchftreift, währenb 
fein Söhn ihr bie ©Turnen unb ©eeren beg 2 Bal» 
beg in tinblidjer fRitterlidjfeit überreichte, ober 
fein fleineg SReitpferb ihr gur ©erfügung fteHte. 
©or ihren äugen ftanb oorMen bie arme 2 Rut» 
ter, beten Stuge erglängte, fo oft ihr Karl ing 
3 immer trat; bie grau, welche fo mütterlich 


jeben 2 lbenb fie gu Sette geleitet, bann neben 
ihr niebergefniet unb fie bem Schule ©otteg 
empfohlen hatte. SRun flehte biefe grau fie an 
um bag Seben ihreg Sohneg unb fdjloB mit ben 
Sorten: „gm SRamen Don Slllem wag Shuen 
heilig ift, im tarnen ©otteg unb feineg Sohneg, 
auf beffen ©nabe auch Sie geworfen finb, flelje 
ich Sie an, — erlangen Sie ©nabe für meinen 
Sohn, bag eingige ©lücf, bag mir geblieben ift!" 

Stephanie eilte burch bie langen, büfteren 
©änge beg ©alafteg. Ueberall, wo fie frug, 
hiejj eg: ,,©or faum einer ©iertelftunbc ift ber 
9 Riniftcr auggefahren! Sohin er nach ber 9 lu» 
bieng beim König fich üerfiigt, hat er nicht hin» 
terlaffen." 

Sic lieh cinfpannen unb eilte nach bem fönig» 
liehen Schloff — eben War ber Krieggminifter 
bort wieber abgefahren unb ÜRiemanb wußte 
wohin. 

9 taef) Stunben, welche Stephanie eine ®wig» 
feit bäuchten, lehrte ber ©ater nach ,£>aufe gurüd. 
Sie eilte bem ©ater entgegen unb übergab ihm 
ben ©rief. „0 ©ater rette ihn! rette ihn!" 
rief fie flehentlich- 

„SRorgen früh foU er erfdjoffen werben!" 
fagte ber $ergog !opffd)üttelnb. „geh fürchte, 
eg ift gu fpät, hätte ich eg gewufjt, ehe ich heute 
SRittag gum Könige ging, fo wäre eg möglich 
gewefen." 

9 llg ber mächtige 2 Rann fein Kinb aber immer 
gitternber unb bleicher werben fah, fuhr er fort: 
„Schwill übrigeng mein ÜRöglichfteg thun. Sein 
©ater war mein greunb, unb er felbft ift ein 
tüchtiger Dffigier, ber gewiffermafjen um einer 
guten Sache willen fich oergafj. Scf) will gleich 
gum Könige gehen unb wenn er begnabigt wirb, 
blihfdjnetl einen Kurier abfenben. Steg bid) 
nur nicht auf, mein Kinb, ich will alle? thun, 
beinen Sunfdj gu erfüllen." 

®r fuhr auch atgbalb nach ben Xuilerien, unb 
alg ber König nach ©erfaillcg gegangen War, 
folgte er ihm borthin. Stephanie oerbrachte 
bie SRacht in Üfwänen unb Steue; ihren ©ater 
fah fie erft am anbem SRorgen wieber. 

Um fedjg Uhr SRorgeng läuteten bie SDlorgen 
gloden beg ®orfeg, bag fich am gufj einer (Sita» 
belle hinftredt, aber eg herrfchte heute ftatt ber 
fonftigen ©efdjäftigleit ein bumpfeg Schweigen. 
5 )ie weiften ©inwoljner waren auf ben militäri» 
fchen fRichtplafc geeilt, wer gurüdblciben muhte, 
fpradj leifc, alg rebe er in einem Sterbegiminer. 

9 luf einem ©ladjfelb ftanb ein Srupp Sol» 
baten in emfter Haltung, manchem erglängte 
eine Ühtfäne im 2lugc; auch hier War lobten» 
ftiüe. — 

Se|t warb langfamer, büftererXrommelfchlag 
gehört. Stuf biefeg Signal bilbeten bie Sol» 

7 


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90 


® lieb', fo lang bu lieben hannft! 


baten }Wei lange Steifen, bie bis 311 einem ©icp= 
ftantm fiep auSbepitten, ber einft in frifcpem 
genbtrieb gen Fimmel geftrcbt, bann aber oom 
Slip getroffen nun geborgten unb Oerpeert baftanb. 
gilt ernfter 3 U 9 bewegte fiep peran. ©ecps 
©olbateit, welcpe iprcKareibiner unter bem 2lmt 
gefetift gelten, dritten lemgfam einiger. |>iw 
ter ipnen ging ber junge, fcpöne Offizier, ftopj 
baS |>aupt erhoben, ben 91 rm in ber Sinbe. 
Qpm folgten weitere äKilitärbeamte. Der®cr= 
urtpeilte grüßte feine greunbe rccpts unb linls, 
Wäprenb aber bie Spangen oon manchen unter 
ipnen oon Dpränen überftrömt Waren, btieb 
fein Stuge rupig, ja Reiter. 

$tn bem ©icpftamm angcfommeit, 50g er ein 
SKebaillon etuS ber Dcrfepe unb bat ben näcpft* 
ftepenben ©olbaten, beiß eS feiner SRutter gebraept 
Würbe. Dann fniete er nieber unb betete, ftanb 
Wieber auf, feepS an bie SBangen gelegte glinten 
ftarrtcn iptn entgegen, gin lautet SBimmcrn 
ging burcp bie Steipen ber Sßeiffengcfäprten. 
Dann ertönte ein furjer Kommanboruf, bie 
©epüffe trachten, ein Qammerruf ertönte, wie er 
nur aus einem jurn Dob getroffenen äKutter- 
perlen fomnten tann, unb als ber *ßulocrrauep 
oerflog, ba lag ber Jüngling tobt am ©oben. 

25 JaS palf eS, baß in biefem Slugenblid ein 
9 teiter in wilber gile t)erbeiflog unb fcpon oott 
ferne fein „£mlt! §alt" rief? 9 llS er anfam, 
beutete ein alter Solbat auf bie ©al)re, auf Wel= 
cper ber Seicpnam Weggetragen Warb, unb auf 
bie gruppe, Welche fiep weinenb um eine SBittWe 
fepaarte, ber mit bem einjigen Kinb alles grben^ 
glüef ins ©rab gefenft würbe. 

Der König fepte ipr eine große *ßenfion aus, 
ber SMinifter fuepte ipr auf jebe SSeife fein unb 
feiner Docpter Seib unb Dpeilnapme auS^u* 
brüefen, aber Was War baS alles für eine 2 Rut= 
ter, Weldje ipr Sebenlang cS niept oergeffen 
tonnte, baß ipr ©opit gerettet worben wäre, 
wenn niept einem gutmütpigen, aber oersogenen 
9Käbd)en fein neuefter SRoman wieptiger gewefen 
wäre als ein Anliegen feines Stäcpften ? 9 llS 
fie fiep enbliep auf ipre ^ßfliept befann, ba war’S 
— eiue ©iertelftunbe 511 fpät! 


( 8 ) lieb', fo laug bu lieben kn 1111 ft! 


O lieb’, jo lang bu lieben fannft, 

D lieb’, |o lang bu lieben magft, 

®ie ©tunbe lommt! bie ©tunbe lommt, 
©0 bu an ©röbern ftehft unb Haaft! 

greiligratfj. 

$iefeg ©ebicf)t ift mit immer, wenn auch nicht 
alöbagfchönfte,fo bod> alg bag ergreifenbfte aller 


Sieber tmrgefommen. ©g fcfjeint fo feiert ber 
SJtahnung beg $icf)terg gu folgen, ja eigentlich 
felbftoerftänblicf), unb boef), wie recht hat er, unb 
mie gut märe eg, ung feine SBorte öfterg ing 
©ebädjtnifj gu rufen! Mtagglehen, im 
thätigen, oielbemegten Seben beg iageg trübt 
fo häufig ein Jgwucf) ben ©olbglang ber Siebe; 
ein unfreunblidjer ©lief, ein heftigeg, unbebaef)» 
teg SBort—„eg mar nicht bög gemeint"—nein, 
aber eg mar bodj ba unb fränfte ben Slnbem. 

SSie oft entftcht burch S’leinigleiten eine iut= 
fteunbliche, liebeleere Stimmung, unb mie fdjön 
föttnte mieberum burch S'leinigfeiten bieg Sehen 
geftaltet merben! 

4)orcf)! braunen tobt ein fürchterlidjeg SBetter; 
ber Sturm burchjagt unheimlich heulenb bie 
mcnfdjenlecren Straffen, ber Biegen peitfeht an 
bie genftcrfcheiben. |>aft bu barait gebacht, liebe 
Sochter, unb bem mübe unb burd>näf}t fjeimfef)- 
renben Sater bie ^augfchulje, ben Stiefelfnecht, 
ein Ißaar Strümpfe unb ben Sdjlafrocf beguem 
gur $anb an ben Ofen gebracht? 

©mpfängft bu ihn recht froh unb herzlich ? 
machft bu ihm beim Slbenbeffen fein Sutterbrob 
recht munbgerecht? fuchft bu ein fröhlicheg, f)eU 
tereg ©efprädj in glüh gu bringen, bamit ber 
arme abgefpanntc Sater mit jufriebenem Sächeln 
auf feine Sieben in ber SRunbe bliefen !ann? 

Unb bu, lieber Sohn, huft bu beinern 50 tiiter= 
cf)en mit freunblicher SDtiene ab unb gu ein ®eil= 
chenfträugchen, einige faftige Simen mit nach 

f aug gebracht? $h ue e* hoch, eg finb ja nur 
leinigfeiten, unb bo<h erfreuen fie in fo reichem 
SRafje! 

Unb 3 h r - liehe ©Item, oergeiht, menn ich eg 
mage, auch ®uch an Sleinigfeiten gu erinnern. 

SJenn beine Tochter oon ihrem Serufe er= 
mübet nach Jpuufe fommt, ftreiche ihr, lieber 
Sater, freunblich mit beiner |mnb überg $aar 
unb fage babei „mein liebeg ®inb," mie mohl 
mirb ihr bieg thun! $f)te förperliclje ©r- 
fchöpfung mirb baburch nidjt oerringert merben, 
aber bie geiftige Slbfpannung, in ber man am 
leidjteften geneigt ift, ein barteg SBort auggu= 
fpredjen, mirb baburch gemilbert. 

Unb bu liebe SWutter, lege beinern 2 Rittag§ 
eilig auf eine Stunbe beimfebrenben Soljne bie 
3eitunggblätter mit einigen liebeoollen SBorten 
gurecht, ©g ift nur eine Sfleinigfeit, unb hoch 
mirb er fich freuen, baff er fie fo tjübfeh beifam» 
men finbet unb nicht banach gu fuchen braucht. 

Shut eg, 3 br Sieben, adjtet auf berartige 
®lcinig!eiten, 

Unb mäht ©ueb iebe ©tunbe frob, 

Unb macht ©uh feine ©tunbe trüb’. 
__ (^auS.) 


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miebrrfr^en nodj brm ®obt. 


91 


föefuiibrn. 


Sjen Seinen gibt es ber liebe Herrgott im 
lü Sdjlaf" — ja wahrlich, baS tl)ut er, benn 
Ä! roie ptte fonft baS alte SJtüttercßen, baS jo 
*g£ üertrauenSfelig auf beut SluSWanbererfcßiff 
ben ganzen Ccean bur<ßfußr, unb fd)ließlicß in 
Ke® ?)ort ans 2anb ging, ihre Sachter auffin= 
ben fönneit, twn ber fte auf alle fragen: Söo 
rooßnt 3 ßre Sachter? wie ift ber 9 ?ame ißreS 
SKamteS? nur in ihrer halb unocrftänblidjen 
id)®äbifcßen Sprache antwortete: „Sa, baS Weiß 
idj nicht!" 

Sie Socßter unb ber ©djwiegerfoßn hatten 
ifjr freilich alles in einem langen Vrief aufge- 
Trieben, wie fie bie Steife machen, unb an wen 
fie fid) in Stern gor! wenben fotte um 9 tatß unb 
Seiftanb. Slber ben Vrief—„ja! ben habe id) 
oergeffen!" fagte fie harmlos läcßelnb, unb mer* 
fen fann fidß UnfereinS alt bie auSlänbifcßen 
Kamen nicht!" 

So ftieg fie ganj wohlgemuth in ber fremben 
Stabt ans 2anb. ,,Sd) werb’ bie ®atßi 
fchon finben! ift hoch immer ein großes ftarfeS 
ffiäbdjen gewefen! wo foll bie fid) benn Oer= 
fteden," fagt fie suöerfidjtlid). „SBirb hoch ber 
liebe Herrgott mich nicht bei bent großen ©türm 
auf bem SBaffer fo gnäbig behütet haben, um 
midi hier in ber §cimatß meinem ®inbeS nerlo* 
ren gehen ju taffen!" 


Ser Kapitän nahm fid) ihrer an unb hieß 
einige SanbSleute auf fie achten, ©tannenb 
bewunbcrt fie alle f>errlicßfciten ber großen 
©tabt — am meiften fdjaut fie aber redjts unb 
tinfS auf ber ©traße um fich, ob fie ber £' a t h i 
nicht begegnet. Sabei Verliert fie bie ÜanbS^ 
leute aus ben Slugen, bie audj ißrcrfeitS fo oiet 
ju fet)en haben, baß fie nicht tnel)r auf bie alte 
grau achten. 9 tun Wanbert fie Straß* auf, 
Straß’ ab — feiner Oerfteßt fie, unb fie oerfteßt 
feinen. S n einer engen ©affe tritt eben ein 
SDZanit aus einem fleinen ©aftßauS, um fein 
baoor ßaltenbeS ©efährt 311 befteigen. Ser 
hört ben wohlbefannten äaut ber feßwäbifeßen 
Sprache, benn feine grau ift auch au» bem 
©cßwabenlanb gebürtig. Sin paar gragen hin 
unb her—unb fiehe, bie 9 llte hot wirfli<ß ihren 
©djwiegerfoßn gefunben, ber im Vegriff ift, 
300 englifche äJteilen weit nad) $aufe 3U fahren 
unb nur gerabe für einen Sag in (Seßhaften 
nach f)orf gefommen war. 

Ser eine Sag war ja aber auSreidjenb gerne* 
fen für ben lieben ©ott, um 511 geigen, baß er 
baS Vertrauen ber ©einen nid)t 311 ©djanben 
Werben läßt. 

Ser ©eßwiegerfoßn begleitete feine ©djwie* 
germutter 3um ©cßiff, um bie Sachen 311 holen 
— bann fußr bie 9 tlte Wohlgemuth ber fernen 
£)eimatß ber Socßter 3m „ 9 lun—ich toußt’ ja, 
baß ich fie finben würbe! ber §errgott in $lnte* 
rifa ift bocß berfelbe, Wie ber im ©d)Wabenlanb!" 


■fr®* 





HJteberfeljeii nad) bem tobe. 

(Eine ©efdjkßte aus bem Hem Dörfer £eben. 
Sen 3ofrp| $errtitß$. 


a faß er im ntenfcßenleeren 
Union*@quare, ber Surnp, ber 
Sramp, ber Srunfenbolb, um 
ben fich SRiemanb fümmerte. 
9 iiemanb! SS fei benn bie 
Vrüberfcßaft ber <ßarf * <ßoli* 
jiften. 

Sr aeßtete nicht beS un* 
barmßersigen SBinbeS, ber bie 
SRefte eines einft refpeftablen 
9ln3ugeS mm feinem mageren 
Körper 3U reißen broßte; er 
bemerfte laum, baß ftrömenber Stegen ißn bis 
auf bie §aut bureßnäßte. 

Siefer SDtenfcß, bem ber Sob im greifenhaften 
Öeßcßt gefeßrieben ftanb, ßatte faum — breißig 
ßebenSjaßre jurücfgelegt. 

Sie er förperlidß unb moratifcß fo weit her* 


unter gefommen fei, wiHft bu Wiffen? ^a, wie 
baS SIDieS gefommen, bas mochte and) woßl ben 
3errütteten ©eift biefeS Unglüdlicßcn befcßäfti* 
gen. ©ein ftarreS Sluge war auf baS graue 
Sßflafter beS *ßarfwegeS geheftet, auf bem 9 ?e* 
gentropfen ftatfcßenb nieberfielen, aber fein ©eift 
feßweifte in ber Vergangenheit, fein £er3 ßaberte 
mit ber Vergänglicßfeit beS ©iüdeS... .©edjs 
Saßre 3urücf eilten feine Erinnerungen unb blie* 
ben bort weilen. 

Sa fißt fein geliebtes junges SBeib im trau* 
ließen 3iwmer ißm gegenüber. 

Sit© War eine SBaife, als er fie ßeimfüßrte, 
ein ftitteS, ßübfcßeS SRäbcßen, ber natürliche 
Slnmutß, frifeßer froßer ©inn eine SDtenge Ver¬ 
ehrer gefießert hatten. SS War ber Sriumpß 
feines SebenS gewefen, als fie ißn aßen Slnberen 
öorjog. 


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92 


ÜÜrbrrfrheu nad) brm (Eobe. 


greilich itmr er bamatS ein Wilber, teid)tfin= 
niger Surfte, aber er tjatte ©efferung oerfpro» 
dien,—unb bann oerbiente er ein hübfdjeS Stiicf 
©clb, wäfjrenb bie gum Ä'ränfeln neigenbe ®iHt) 
nur allgu häufig gezwungen War, ihre Sptig^ 
feit als ©lumenmacherin gu unterbrechen. 

©erftanb unb £erg Waren i h r e r f e i 13 bei 
ber ©hefdjließung, gu gleiten I^eilen inter» 
effirt gcwefen. 

^a, ba faßen fie mit einanber. ©ine Ißräne, 
„bie leßte" — rollte über XiQp’S bleiches ©e» 
fidjtdjen. Soeben hatte er mit taufenb Schwü» 
ren gelobt, eS folle nimmer wieber oorfommen; 
er werbe nicht mehr trinfen unb bie ©efetlfchaft 
ber ffameraben überhaupt meiben. ®enn bet 
fällige SDtiethginS war nodj nicht begahlt, unb 
ber Üoüeftor beS ÜJtöbelfjänblerS hatte gebrotjt, 
baS £>auSgerätfje, baS auf 2 tbgal)lung getauft 
war, wegguneljmen, wenn bie ÜRote au cf) am 
Samftag uncingelöft bliebe." 

2 lm Samftag, am Sohntag, feilte 9 We 3 in 
Orbnung gebraut werben! 

211 )! ber Söcg gur fpötle, ber Xeufelsweg, ift 
mit guten ©orfäfcen gcpflaftert.... 

Sit BerMtr. 

Samftag. 

Sein |>erg frofjtoctte unb in feinen ©ebanten 
tljürmten fiel) bie tuftigften ßuftfdjlöffer, als er, 
feine feßwet oerbienten $15 im Sacf, ben $eint= 
weg antrat. 

©erwünfefjt,—ba lag fefjon greunb Silit) am 
alten 9tenbegooug*©lafc auf ber Sauer. 

„$al!o, ©harlet), bu trintft boef) ©ins, mein 
gunge?" rief ber ihm mit laDenber 3unge ent» 
gegen. 

®er junge ©bemann antwortete nid)t fogleicf), 
aber feine Stritte Würben Heiner. 

„Ober bat bir’S beine grau etwa oerboten?" 
fticfieltc einer feiner ehemaligen 9tebenbutjler, 
ber aus ber Kneipe getreten. 

®ie f)i)f)nifcf)e ©emerfung legte ©harletj’S 
fdjwache SSiberftanbSfraft oollenbS brach. 

©r wollte nidjt trinfen,—fo beruhigte er fein 

©ewiffen,-b. fj- er wollte nicht trinfen, 

um gu trinfen,-unb nur um gu beweifen, 

baß er ju $aufe ,,©oß" fei, folgte er ihnen! 

-Unb was fonnten ihm übrigens einige 

Schluß äShiSfl) anljaben?- 

®er Schanfwärter begrüßte ißn mit §änbe= 
bruef unb tertraulicher 2tnrebe. 

„©harleh fei tefet^in ein fo feltener ©aft ge» 
worben," fagteer; „man müffe ihn befonberS 
gut bebienen." „@r wolle üont ©eften auf* 
tragen!" 

®ie glafdje machte bie SRunbe, wieber unb 
wieber würben bie ©läfet gefüllt, ©harleh 


tranf mehr, als er oertragen fonnte, unb als 
jefct ©iner ein Sartenfpiel oorfdhtug, unb ihn 
aufforberte, „eine fjanb barin gu nehmen," ba 
üergaß er iillh’S unb feiner ©runbfäfce ooö* 
enbS. ©r fpielte leibenfdjaftlich, alfo—leicht» 
finnig, unb er üerlor in einem fort, ©on ben 
$15 oerfchwanb eine ,,©itl" nach ber anbemauS 
feiner ftafche. 

Usglücf im Spiel. 

Um fo glücHicher War fein Machbar ©eorge, 
ehemals 9 tebenbul)ler bei feiner ©rautwerbung. 

„®u thäteft beffer, aufguhören," fpottete jener. 
„ 2 BaS wirb Xillt) fagen, wenn bu ohne ©elb 
nach ftaufe fommft?" 

„ 3 ch frage ben Teufel bamach, WaS mein 
SSeib fagt!" 

„ 2 BaS,—ift’S mit ber ®urteltaubcn»Seligfeit 
fchon oorbei ?" gab ©eorge gurücf. 

Xer $elb beS Sprichworts: „®lücf in ber 
Siebe, Unglücf im Spiel" fprang auf. ©r 
pflangte fein ©las gwifchen bie 2lugen feines 
©eleibigerS,—biefer faßte ißn um ben Seib, unb 
im 9 iu war ein wüfter SBirtljShauSftreit trn 
©ange. 

Xifche würben umgeworfen, Stuhlbeine famen 
in Nachfrage unb bie ®laswaaren=$urfe gingen 
in bie .fjöhe. 

Unglücf im Streit. 

®er Särm brang auf bie Straße, unb halb 
war bie ©oligei gur Stelle. Xie ©lauröefe ar= 
retirten bie gange ©efellfchaft. 

2 lm Sonntag ©torgen Würben bie Sfombat» 
tanten oor ben Stifter gebracht unb ©harleh, 
ber Urheber beS SfanbalS, warb gu brei 2 Jto» 
naten £>aft auf „£artS Qälanb" Oerurtheilt. 

©roßer ©ott! ÜBaS füllte bie arme Xillh 
währenb ber $eit feiner ®efangenfcf>aft anfan» 
gen ?! 

©r fonnte eS nicht über fidj gewinnen, fie 
wiffen gu laffen, was ihm wiberfahren, wie tief 
er gefunfen fei. 

©effer, baß fie badjte, er fei baS Opfer eines 
Unfalls geworben.... 

Huf ber StrafinfeT. 

©ewiffenSbiffe im Ipergen unb OoH banger 
Ahnungen, gog er, auf ber Strafinfel angelangt, 
in bie ©araefe 9 to. 5 ein, welche ihm unb Oier» 
gehn anberen Sträflingen gum Quartier ange»» 
wiefen Worben war. 

Still unb finfter, aber gewiffenljaft that er 
feine fchwere 2lrbeit. ©r fchloß fieß an 9tie= 
manben an. SBenn feine 2 Ritgefangenen beS 
2 lbenS nach Oollbrachtem Xagewerf um ben Ofen 


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8Biebrrfrl)rti nadj bem ®obe. 


93 


faßen unb bic befteri unb luftigften Stunftftücfen 
aus ihrer Serbrechcr-Saufbahn zum Seften ga* 
ben, ober menn einer oon ihnen ber befonbere 
gertigfeit im SeimSerrcnten befaß, einen “Jig” 
probu^irte, tnoju bie Sameraben hänbeflatfchenb 
bie Kuftf lieferten, bann faß er eiitfam in ber 
buntlen ©de neben feiner ^Sritfdje in büftere 
©ebanfen oerfunfen. Sangfam, oiel zu lang* 
fam fdjlich ein lag nach bem anberen hin; läm 
ger, fdjrecflicher noch büuften ißm bie Rächte, 
äber AfleS hat ein ©nbe; auch feine Strafzeit 
näherte fich bem greiheitS= 3 iele- 

gäßlidje (SJefangeuenarbeit. 

la mürben brei SKann aus Sarrade Ro. 5 
ba^u fommanbirt, bie oon Rem $orf angelang= 
ten ^Jauper^Seichen in ^Sotter^fielb z u beftatten. 
Ehatlep mar einer ber brei. 

f>arte, häßliche Arbeit! 

Sarg um ©arg reihte fich auf bem ©oben 
be$ langgeftredten ©rabeS, baS für ein^unbert= 
unbfünfzig per rohgezimmerten Jobten^Xruhen 
bejtimmt mar. S m ntcr fünfzig in ber fttilel 
6 ine zmeite Sage fehltet fich barüber unb eine 
britte;—bie Arbeit ift nahezu ooßenbet. Roch 
einmal fuhren bie 25 rei nad) bem ©ootfjaufe hin= 
unter, um ben Reft ber 8eichen=©onfignation zu' 
holen. 

„|>o, hub," fagten bie Rtämter unb im ©ogen 
flog ein ©arg auf ben Darren. „$o, hub," 
jagten fie mieber; ein zweiter folgte. Aber ber 
fear fdjlecht gezielt, er geriet^ ins Ruthen unb 
fradjenb fdjlug er auf ben fteinpart gefrorenen 
Soben auf. 3)er $edel iöfte fid) gleichzeitig 
unb perauSroßte ein meiblicher Seichnam. 

XiU). 

$alb erfdjredt, halbauS abergtäubifd)erScheu 
ttrichen bie Sträflinge bei biefem unermarteten 
Anblid einige ©d)ritte zurüd. 

(£f>arlei^ aber hatte einen ©lid auf baS Ant= 
li| ber lobten geioorfen, unb furchtbares ©nt= 
}c|en malte fid^ auf feinem afchfarbenen ©eficht. 

©Sad)te er ober träumte er? ©Sar er feiner 
Sinne mächtig ? 

Sie ba fatt unb ftarr unb entfeett am ©oben 
lag — mar feine Xißp, mar fein ©Seib.- 

©emußtloS fan! er neben ber Seiche nieber. 

(SJeteiffcnSbiffe. 

ginige Sage fpäter oerließ er bie ©trafinfel, 
— ein gebrochener SRann; gepeinigt oon ©e= 
»oiffenSbiffen, Oon SchredenS=©ifionen, bar aller 
SifienSfraft, aller Arbeitsluft. 

er magte eS nicht, irgenb einem feiner alten 
Sefannten unter bie Augen ju treten, ober bei 
einem früheren Arbeitgeber oorju precheit, meil 


er fid) Oor ber anflagcnben grage: ©Saruml)aft 
bu beiu ©Seib gemorbet? fürstete. Jiflt) mar, 
toie er zufällig erfuhr, oon feinen ©auf * ®ame= 
raben über feine ©efangenfd)aft oerftänbigt mor= 
ben; fie hatten bem Schlimmen ©d)rcdticheS 
Zugefügt, inbem fie ber armen grau mitthcilten, 
baß er einen SRenfchen halb tobtgefd)lagen höbe 
unb baß er ihrer Siebe gänzlich unttmrbig fei. 
Silit) hatte fich |)iobSpoft fo fefjr gegrämt, 
baß fie in ein heftiges Reroeitfieber oerfiel, bem 
fie im ArmenhoSpital erliegen foßte. 

©eeps gahre maren feitbem üerfloffcn; fie 
hatten genügt, ben 9 Kann z u »n manbelnben 
©Srad zu machen; bie Seute nannten ihn jept 
„Sump,—Sramp,—Xrunfenbolb, unb baS mar 
ihr gutes Stecht.... 

3m Varf. 

©in ^ßolizift hotte fich bem fcheinbar Sebtofen 
genähert. 

„SJtacht, baß 3h? fortfommt!" fchreit er auf 
©nglifd), gleichzeitig einen muchtigen ©chlag mit 
bem Snüppel gegen bie gußfohlen beS armen 
SRenfchcn führenb. 

©harlp erfchrodeu, oermirrt, macht einen ©er= 
fuch, fich Z u erheben, aber fraftloS finft er auf 
bie ©an! zurüd. 

„Sch miß Such Seine machen!" SJtit ben 
©Sorten reißt ber ©raurod ben Iramp in bie 
|>öhc, ftellt ihn auf bie zittemben güße unb 
fchiebt ihn mit ^Süffen OormärtS. 

©efeflf4aft attf bem SBege na4 Votterdfielb. 

Ohne üJturren, bie fc^roffe ©ehaubtuna als 
fclbftoerftänblid) hinnehmenb, fchleppt fiep ber 
9 Rann mit bem moralif(hen SDtörber jeiner grau 
auf bem ©emiffen oon bannen. ©Ser ihn bahin 
maufen ficht, fieht auch, baß er eine Saft zu 
fd)teppen hot. @r freuzt bie ©ierzehnte ©traße 
unb manbert bie ®ritte Aoenue hinab. ®a bc^ 
rül)rt ein grauenzimmer fcherzenb mit bem Sie* 
gcufchirm feine Schulter, als fie aber, ba er fich 
ummenbet, feine gramerfüHtcn 3 üge mahruinunt, 
öffnet fie ntitleibig ihre ©örfe unb legt ein 25 
ßent^Stüd in bie §anb beS Armen. 

„©Sohin geht Sh r > a H er SJionn," fragt fie, 
als er fid) banfenb entfernen miß: 

,,9tad) ^JotterSfielb," haucht ©hotlic unb 
troßt meitcr. 

Sopffchüttelub fieht ihm bie $ime nach. 

9 tach ^ßottcrSßelb! 

Auch fie ift auf bem ©Sege nad) 5 ßotterSßelb, 
nur ift fie barauf noch lange nicht fo »oeit ooran^ 
gefchritten mie er. 

©horlie fc^reitet gerabeauS, bis er bie ©de 
Oon ^eß Street erreicht. 3 )ort biegt er rerfjter 
^>anb ein. 


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94 


^U6 brr Äefdjidjte unfern Spraye. 


3n brr IRadjt* unb ©crlre^er*Äncipe. 

©g mar beinahe zmei Upr Rtorgeng, alg er 
bie wenigen Stufen pinabftieg, bie zu einer in 
bf*r Räpe non SRulberrp Street gelegenen Spe* 
Innfe ber atlerniebrigften Sorte führten, an 
melcpen biefe ©erteprgaber ber großen Stabt 
fo überreif ift. 

Sitfer, berpefteter Dualm brang ipin entge= 
gen: Sie ©ugbünftung japlreic^er Rienfcpen, 
Speife^Geriicpe unb gufe^0el=@eftant. 

Gg ging, ber fpäten Stunbe ungeachtet, ba 
unten lebenbig genug zu. 

3tm Scpcnftifcp bräugten fid^ SRänner mit 
abfcprerfenben ©hpfionomien, ben SBaprzeicpen 
fcpeußlicper Safter auf ber Stirn; grauen unb 
SRäbcpen faßen unb pocften auf umgeftürztcn 
gäffern; Sinber, Säuglinge lagen am ©oben 
Zerftreut unb fcpliefen. 

&üttf*<£ent 0 * 9 iationen. 

SRit ©ugnapme ber lepteren trugen alle Sin- 
mefcnben ben Slugbrucf momentaner ßwfrieben- 
peit ober ©efriebigung zur Schau. Sie -fangen 
unb tränten, ober fie tauten an einem „Sanb^ 
mich," ber ihnen nebft Kaffee unb einem |>um= 
pen Schnappe gegen ein ©ntgelb bon fünf Gentg 
geliefert morbcn mar. Gparlep trat an ben 
„Gounter." 

“The regulär?” (Sie gemöhnliche *ßor* 
tion ?) fragte ber äftann mit bem ©eier^öeficpt 


unb bem fettglänzenben Sittel, ber bahinter 
ftanb. 

„Rein," antmortete ©parlet), inbem er eine 
Sobamaffer * glafcpe pcrborzog. „güllt biefe 
hier!" — 

Sie Orbre mürbe auggefüprt. Gparlep ^ 
zahlte unb 30 g fich mit feinem Sleinob in eine 
Gtfe jurüct, mo er fich au f eiuer ulten ®ifte 
berließ. 

SBieber nahm feine ©eftalt jenen leblofen 
Slugbrud an. Sumpf bor fich pinbrütenb faß 
er ba, nur bon 3?it Z u 3eit führte er bie glafcpe 
an ben Rtunb, big fie geleert mar unb geräufeps 
lo^ auf ben mit Sägemehl beftreuten ©oben 
nieberfiel. — 

<£nbe. 

©g begann lag ju merben unb bie Rächt' 
fchmärrner berüeßen bag Socal. 3n feiner ©de 
f)ocfte noch immer „ber alte SRann," ohne ein 
Sebengzeicpen bon fich , 51 t geben. Run fepienen 
bie erften Strahlen beg SRorgenlicpteg in fein 
geisterhaft bleicheg Gefiept. Ser Scpantmärter 
mürbe aufmertfam auf ipn. ©r trat herbei, um 
ben Scplafenben aufzurütteln. 

Ser Sörper mar fteif unb falt,-ber 

„Sump" mar tobt. 

©ine Stmbulanz füprte ben Seicpnam babon. 

Sie 3ebra=gaden auf |)art’g ^glanb merben 
iprem ehemaligen Sameraben morgen „bie lepte 
Gpre" ermeifen. ©. 3 * 


Jlu* brr ($cfdjid)te unferet $)mtdjf. 

Siir §au£ mtb gerb noit Zpeobtr Cbinga, ©erliu. 

S ebe Spracpe pat ipre ©efepiepte, bie augge* fanb man ©rje, pier maren nupbare ^ßflanjen; 
bilbetften fomopl, mie biejenigen ber ropen pier maren bie gaugtpiere einpeimifep. (SBenige 
Raturbölfer, unb ein intereffantereg Stu* Sefer merben mopl miffen, baß unfer SBort 
bium tann icp mir niept benfen, alg bag „Siep" eigentlich nieptg Slnbereg bebeutet, al3 
ber SRutterfpracpe. „gefangen.") 

9Rit beincr Grlaubniß, lieber Sefer, mollen ©on pier aug mögen fiep bie einzelnen inbo= 
mir ung nun etmag pineinoerfenfen in bie ©e= gertnanifepen Stämme berzmeigt paben. Sie 
fepiepte unferer Spraye. ignber unb ©erfer, bie mopl am längften bei= 

Sie ©ermanen (bie alten Seutfcpen) gehören fammen blieben, zogen tta(p Süben unb 0ften, 
bem großen arifepen (auep inbogermanifcp ge* bie ©raecoitalifer naep Sübmeften, bie ©er= 
nannten) Spracpftantnt an. Siefe Slrier ( 3 «b 0 ' manen, Selten unb Slaben naep Rorbmeften. 
germanen) paben aller ©Japrfcpeinlicpteit naep SBäprenb nun 3 nber unb ©erfer fiep mit 
ipren ^auptfip jmifepen Saulafug unb Safpifec ^irtenleben biel länger bef(päftigt paben ntüffen 
gepabt. ©iellcicpt mar bag alte Saftrien ber alg bie europäifepen ©ölfer, fepen mir bei biefen 
Stammfip berfelben. Sllleg fpriept pierfitr. fepon frühzeitig ben ^Iderbau. 

Rur bon pier aug tonnten bie großen SSanbe* SBoper mir bag miffen, lieber Sefer? Run, 
rungen naep Guropa auggepen. Ser 0jrug mar eben aug ber Spracpe. SBir tönnen biele gor= 
^pauptftrom beg Sanbeg: er zeigte ben 3nbo= men unferer arifepen Spratpen auf eine Ur^ 
gerntaueu ben ©}eg naep ©uropa. 3n ©attrien fpraepe zurüdfüprcn, unb aug ben SBörtern, bei 


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äus in @rfd)id)te unfrrer Spradjf. 


95 


beiten uns bieS gelingt, fdjließen mir, baß jene 
©egenftänbe, bie fie bezeichnen, fdjon befannt 
unb in ©ebrauch mären. 

Ser befte Eulturmeffer ift alfo bie Sprache, 
unb barnad) hotte bei ben ©ermanen bie Eultur 
idjon eine oerhältnißmäßig fetjr hohe Stufe er¬ 
reicht: unfere Borfahren finb atfo gar feine fo 
rohen Barbaren gemefen, mie fie bie römifdjen 
Sdjriftfteller barzuftellen belieben. Sitte for¬ 
men, auch bie Siateltformen unferer Sprache 
verfolgen mir juriief bis in eine fogenannte ger- 
manifdie Urfptadje. Sabei gehen mir nicht bott 
ben älteften unb alterthümlichften formen ber 
Sprache aus, fonbern non ben jüngften unb 
mobernften. 

Eigentlicher Stderbau ift biefer Urfpradje 
Tremb, bagegen finb bie 9tamen ber §auStljiere 
Dorhanben. SaS SBidjtigfte berfelben ift bie 
Sulj. 9lad) ihrer 3^ mirb ber 9teid)thum 
abgefcfjäpt, nach ihrer 2Jtenge merben bie Srif= 
ten abgetheilt. Stuf bie Anfänge beS 2lder* 
baueS beuten fdjon SBörter hin mie baS SBort 
„3odj." Sütinbifchen heißt es “jüga, ” 
im 2lrmenifcf)cn “sulk,” int ©riechifdjett 
“zfigos, ” int Sateinifchen “jugum.” Ebettfo 
befannt mar bereits baS SBort „ © ch i f f," alt- 
inbifch “nau,” arntenifd) “uav,” griechifch 
“naus,” lateinifch “ imvis, ” beutfeh „Stachen." 
Sud) ber ©ebrauch beS g e u e r S muß, aus ben 
Sörtern zu fdjließen, fehr entmidett gemefen fein. 

Sie Bezeichnungen für gamilie unb Eigen* 
tfjum ejiftiren ebenfalls fchon: altinbifch 
’patdr, — artnenifch bair, — perfifch feathür, — 
griechifch patdr, — lateinifch püter, — beutfeh 
„3?ater," h e ^* eigentlich „ber Befdjüpeitbe;" 
Stuttcr (mat&r) = b:e „Srzeugenbe," Bruber 
hei%t ber „Xräger, Erhalter/' ©d)meftcr == bie 
($unt Bruber) „3 u 9 c h ör ige," SBittme bie ,,©e* 
trennte, Bertaffene" unb ©tief = „beraubt." 
5ür baS SBort gamilie ejriftirt in ber Urfpra<he 
“sappd,” bie Sippe, bie Bereinigung. 

Siepotitifche Berfaffung ber ©ermanen 
in biefer 3^it hoben mir uns als p a t r i a r dj a- 
lifche ju benfen. SJtan nimmt an, baß bie 
meftarifchen Bölfer bie Bielgötterei f<hon nach 
Europa mitbrachten, bo<h zeigen fich immer noch 
Spuren ber Anbetung eines ©otteS, inbent t>iel- 
md) bon einem ^öc^ften §intntelsmefen bie SRebe 
tft. “Gott”-ku-hut a heißt baS angerufene 
Sefen. 

SJtit ben Bötfermanberungen beginnt ber (£iu= 
tritt in bie ©efdhid)te. ©eitbem |ört bie Brü* 
berfchaft ber Bölferftämme auf, fie mirb ber- 
geffen unb ift erft auf miffenfdjaftlidjem SBege 
imeber hergefteHt morben. 

©ermanen unb ©tauen hoben uermuthtich om 
cafpif^en ©ee ein gemeinfameS Seben geführt. 


Ein gemeinfanter Slderbau mürbe bamalS fdjon 
begonnen, mie bieS aus ben SBörtern für „Dbft" 
unb „Saat" heroorgeht. Ser germanifch^fla- 
üifdje SBortßhap z c i0t uitS in biefer ^ßeriobe beS 
3ufctmmenfeinS erft eine ßeit ber SWoth unb ber 
Sürftigfeit, bann eine 3eit beS 2lderbaucS an 
ber SBolga. 

Sie ©ermanen hoben mir mohl unt’S 5 a h r 
1000 Uor Efjtifto am Snjepr unb an ber Sonau 
anzufepett. ©d)on bamalS hotten fie mafjr* 
fdheinlich ca. 2000 3 fl h 1 ^ ^ cr Entmidelung hin= 
ter fich. Um 400 uor Ef)rifto müffen fie bie 
Oftfee erreicht hoben. 

Um bie Seutung beS 9famenS „©ermanen" 
ift in gelehrten Greifen fdjon üiet herum geftrit- 
ten morben. Sie neuefte unb vielfach onge= 
nommeneErflärnng ift bie: ©ermanen^-gerenbe 
SRannen (begehreitbeS Bolf). Siefe Seutung 
giebt |)olbcr. Sarnach ift ben ©ermanen biefe 
Bezeichnung oon ben Selten, bie üon ihnen oer* 
brängt mürben, beigelcgt morben. ©ie rüden 
Oon ber Oftfee bann fübmärts bis an ben 

grüher nahm man nun an, baß baS ©othifdje 
bie ältefte ber uns erhaltenen beutfehen Sprachen 
fei. Sem ift aber nicht fo. 2Jtan hielt eben 
baS erhaltene Sllthoc^bcutfdje (bie Bezeichnung 
beutfeh ftarnmt erft aus bent 9. 3ot)^h un ^ cr O 
für eine Sodjter beS ©othifchen. 

Sie neuere gorfdjung ift anberer Slnfidjt. ©ie 
theitt baS germanifche in zmei ©nippen, in oft- 
unb meftgermanifch. 3 um Oftgermanifchen ge¬ 
hörten gothifch unb altnorbifch (ffanbinaoifch), 
mährenb baS SBcftgermanißhe ober- unb nieber- 
beutßh umfaßt. SaS Slltnorbifcße trennt fich 
halb Dom Dftgerntanifdjen ab unb fo bleibt 
©othifdj benn allein ftehen unb tritt in näheren 
3nfanimenhang zum SBeftgermanifchen. 

3m 3 u fommenhang mit biefen Beränbernn- 
gen ftehen audj bie gortfehritte in ber Eultur. 
9Rit bent 2lucrod)fen, Stennthier tc. tritt bie 
beutfdje Urtoelt auf. Ser SBalb mirb burdj bie 
uielcn Bezeidhnungen für ihn in ben Borbcn 
grunb gebrängt. 

Stur ganz ottmäljlich tritt baS Bol! in bie 
Eultur ein. Sabei fehlt aber hoch baS SBort 
„Buchftabe" nicht. Sie „9tunen" maren gar 
midjtig bei ben alten ©ermanen, bienten fie hoch 
Zur SBeiffagung beS ©otteS. ©o intereffant cS 
märe, bie 9tunen näher zu betrachten unb zo 
fehen, mie bie ©c^rift auf fo merfmürbige SBeife 
entftauben, fo müffen mir hoch baoon abfeheit 
unb bie Betrachtung berfelben auf eilt anber 
ffltal oerfparen. 

SaS mirthfchaftlidje Seben ber ©ennanen in 
biefer &\t hält nodj immer bie SDtitte zioifdjcn 
3 tormaben!ultur unb fefter Slnfiebelung. 


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95 


$raufti}eituti<). 


3 n btefem entfcßeibenben SRomente tritt 
Gacfar baawifcßen, inbcm er ©affien für fRom 
erobert unb bie ©ermanen über ben fRßein 
rücfbriingt. ©ie müffen nun im Sanbe bleiben 
unb erobern baffelbe junt ^weiten 9 Jlat biircf) 
ben <ßflug. 200 3 a *) re bauerte ed, bid biefe 
fefte Slnfiebelung ber SBeftgermanen oor fidj ge= 
gangen mar. Um 375 brach bie Sölfertoanbe^ 
rung aud, in ber bie ©otßen unb Sanbalen ißr 
©nbe finben. 

®ie SBanbcrungen ber SBeftgermanen ^aben 
bem gegenüber meßt bad Slnfeßen eined eigene 
liefen $udäuged, fonbern einer fortfeßreitenben 
Giuilifation. ©d ift bie Slnbaßnung einer $er- 
fcßmeljung ber rötnifeßen unb germanifeßen Gul* 
tur, moju Globwig ben ©runb (egt, unb bad 
®arl ber ©roße frönt. 

3 ßre weitere ©ntmicflung oerbanfen bie ©er= 
ntanen nun nießt nteßr bem Sftömertßum,.fonbern 
bem ©inflnffe bed ©ßriftentßumd. Unb bad 
Gßriftentßum braute ben ©ermanett erft geben. 
$auon ein anber SRal. 

Sor Wenigen ^aßrjeßnten tourte man Don 


aff bem SRitgetßeilten noeß nießtd, ober wenig* 
ftend nur feßr wenig. 

©rft infolge ber großartigen ©ntbeefungen, 
bie feit 3 . ©rimm, Sopp, ^Sott unb ©djleicßer 
ißren SInfang naßmen unb beren gortpflanjer 
in neuefter 3 eit, •Küffenßoff, ©eßerer, !goß. 
Scßmibt unb SInbere waren, ßat bie Slulturge* 
feßießte bed beutfeßen Solted einen berartigen 
Sluffcßwung genommen, fo baß mir getroft ben 
Saß auffteffen bürfen: Um bie früßeften 
ftänbe unb ben Seginn unb bad gortfeßreiten 
ber ©ultur unb GioUifation bei affen SSölfcm 
fomoßl, ald aueß ganj fpecieff bed beutfeßen 
$olfed, ftnbiren ju fönnen, um fieß in bie $enf- 
rnäler ber S 3 ergangenßeit reeßt ßineinoerfenfen 
ju fönnen, muß man bie ©praeßgefeßießte er* 
forfeßen. 

(So meeßanifeß ed in ber beutfeßen ©praeße 
audfießt, ed ßerrfeßt boeß ©efefc barin unb 
ntancßed SBort, baß mir tagtäglicß gebrau- 
d)en, erßält erft feinen reeßten SBertß unb 
bad richtige Slnfeßen, menn man feine ©efeßießte 
fennt. 


«K 8 » 


3fratt«n}«ifuttö. 


$or’(e über $tenfhnäbfßeii. 2öir moffeit Don 
bem Unrecht, melcßed 5Rand)e begehen unb Don bem 
Unrecht, baß an ihnen begangen wirb, reben. 

SRun wirb fid) manch’ amerifanifd)ed SRäddjen 
rümpfen unb fagen: Söenn ich über nießtd $3ejfcred 
fehreiben tonnte, ald wie ein “ hi red pirl!” Sftun, lie* 
bed Dämchen, nur ©ebulb, menn ed in ber ©cfcßäftd* 
melt |o fort geht tote feit etlichen ftaßren, mer weiß, 
wad bann bie ^utunft nod) für bid) ‘aufbemaßrt hat. 

$Öenn bu mich J c befudift, lieber gefer, jo will ich 
bid) burch bie ©tragen unferer ©tabt fiißren unb bir 
bie fchönften <ßalöfte unferer ©tabt geigen, bie einft 
Don reidjen ameritanijeßen ©efcßäftdniannern erbaut 
mürben, unb menn bu mich frägft, mer woßnt jeßt 
barinnen, jo merbe id) bir jagen, ^cutfdje, beim ißre 
früheren ©igcntßümer fiub längft banferott. Unb 
manche Don biefen beutfeßen grauen waren einft foldje 
“ liired jgirls.” 

©in jeber SJtenfd), ber ctmad um bie ,'peimatß unb 
um bie SBeßaglicßfciten unb 2lnneßmlid)feitcn, bie 
nur bie focimatß bieten fann, giebt, wirb gewiß bie 
£>änbe eßren, bte ißm folcßcd bereiten. 33 ir mögen 
noch fo gliitflich in ber ©efellfcßaft unb in utijerem 
©efdjaft unb iöeruf fein, mir müffen aber bod) alle 
heim unb bie rciitften unb beften Wciuiffe foüteit mir 
immer in ber §eimatl) haben unb finben. 

©emifj wirb ein jeber fRecßt liebenbe 2)tenfd) mit 
mir übercinftimmeu, wenn icß einem orbentlicßen 
^ienftmäbeßen bie gebüßrettbe ©ßre gebe. ©$ giebt 
nod) folcßc ^ienftmäbeßen, bie eö mit Dollem 9tecßt 
Derbienen, geeßrt ju werben, bie fid) orbcntlicß unb 
anftänbig tleiben, fid) ©elb erfparen, oft armen ober 


trauten Gltern helfen, ba$ Söert ©otte§ unterftü^en f 
unb fid) au einem nüplicßeu geben oorbereiten. 

9tun wollen mir einmal ba£ Unrecßt, melcßeä an 
ißnen begangen wirb, betrachten: 

2Bie Diele gamilieti betreiben mit $)ülfe eine§ ein* 
jigen SRäbcßenö ein £au£mejen, mo^u man in $eutfcß- 
lanb unb ©nglanb menigften^ 2 bid 3 Ticnftboten ßal* 
ten mürbe? teilte nur an bie fcßrecflic^en 3Bafcß* unb 
53ügeltage jebeSSocße; bann alle bie anbere Arbeit, 
bie Don fo einem armen 9Jtdbd)en bedangt wirb. 

2)ad fcßlimmfte $ing ift, für gemanb ju arbeiten, 
ber felbft nidjtd Don ber Arbeit Derfteßt, unb bad ntufj 
leiber nur Don ju Dielen grauen biefed ganbed gefagt 
werben. 9?icßt nur, bag fie felbft meßtd tßun wollen, 
fie föniten einem 9ftcibcßen nicßt einmal bte 
reeßte Slnmeifung geben. 

Unb biefed ift ed gcrabe, wad bie SRabcßen Derbirbt. 
©ie lernen nid)t fpftematifcß ißre Arbeit ein^utßetlen. 
SBie Diele arbeiten in einem folcßeit Söirrmarr unb 
©ile, baß fie faum oft wiffen, wo ißnen ber Äopf fteßt. 
^ied wirft feßr fcßäblicß auf ißr förperlidjed wie geifti= 
ged geben unb ßat bei ^Bielen feßr fchlimme golaen. 

2öie oft ift bie 33eßanbluna eine folcße, worüber 
fieß Sftancße feßeimen follten. 4)ad harte $ 3 ctt, geringe 
Äioft! s 2 öie oft wirb ben ft'inbem erlaubt, bie 2 )cabd)en 
auf eine gemeine SSeife 511 beßanbeln. 

?llled oiefed unb nocß oiclmeßr, wad mir ßier nid)t 
Sllled nennen fönnen, ßat aud bem ^ienftmöbeßen ge¬ 
macht, Wad mir jept leiber finb :. ©ie ift ed fieß lei - 
ber nur $u bewußt, baß fie nid geachtet unb baß fi ^ 1 
nur feßr wenig beffer ald ein ©riaoe ift. 

$ad 2)ienftmäbcßen ift oft gan$ Dereinfamt Sbie 


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5rourn|fiIung. 


97 


oft ift e#, baß fie in einer gamilie hilft in $ranfl)cit, 
ja oft anftedenber ftranfheit. Slber laßt fie einmal 
Iran! werben, unb wie fdjned wirb fie in ba# ©o#pi* 
tal gebracht. 

$iefe# Sille# hat pr golge, baß in ber furzen grei* 
3fit fiep bie 35ienftmäbd)en in wahrem Ungcftüm in 
ba# Vergnügen ftürpn unb leiber wirb in unferer 
3 eit unb in ben großen Stabten ihnen boHauf gebo* 
ten, um fid) leibltd) unb geiftlid) p ruiniren. 

©rft oor etlichen Stbenoen la# ich in ber 3 eitun Ö> 
baß e# erlaubt tft, ganje Mächte hinburd) bie gemein* 
ften lanpläpe offen 511 halten, beraufd)enbe©etränfe 
*u oerfaufen, unb ade# biefe# Slngefidg# ber fßolijei. 
(f# ift gar nichts Ungewöhnliche#, baß Räbchen ganp 
Städjte burchtanpn. Den fauer erworbenen Sohn an 
Suft hängen unb bie Dielen traurigen ^hatfaepen, bie 
id) gier nteberfchreiben tönnte, würben manchem ©fjri* 
ften, bie nie etwa# p thun finben tönnen, einen fehr 
wichtigen 9lrbeit#frei# anweifen. 

3d) möchte hier hauptfadjlich Sanbleuten unb ben 
in Reinen Sanbftäbtdjen mohnenben ©liebem unferer 
Äirche ratl|en, febieft eure Töchter nicht fo mir unb bir 
nicht# in bie großen Stäbte, e# fei benn, ihr feib Der* 
fiebert, baß fie unter guter Sluf fid)t fteljen. Saßt fie 
lieber al# ganj einfache garmer#frauen heranwadjfen, 
al# fie ber ©efaljr großer ©täbte au#pfej)en. Sieb, 
©am gone# fagte em wahre# Söort, al# er bon ben 
Gefahren fprad), benen unfere Knaben au#gefebt finb, 
toenn fte üon ber ©eimath entfernt finb. ©r munjehte 
lieber, baß fein ©ohn ba# TO© in bem ©immel ler* 
nen würbe, al# ber ©efdjeitefte in ber ©öde p fein. 

©ier ift ein große# gelb, hauptjäd)licb für SJtiffion#* 
Vereine. ©# fehlt hauptfäd)lich an Dem bereinten 
Sirten in unferen großen ©täbten. gebe Eirdje h # at 
ihre Vereine, unb feiner bieferSSereineift 
ftarf genug, etwa# Orbentlicpe# au um 
t e r n e h m c n, unb fomit wirb bie geit mit Befcplüf* 
fen unb Sieben pgebraept. 

$or fur*er 3eit f am eine Xempereni * SJtiffionärin 
in großer Begeifterung p mir unb erjagte mir bon 
fdjrecflichen Gingen, bte fie auf ihren Bcfudjen fanb, 
hauptfächlich auch unter SJtäbdjen, bie in „Store#" 
unb gabrifen fchaffen. Stun, fagte ich ih r , toa# fann 
bir ba# gammern helfen, fo lange bu nicht p ben 
SJtäbdjen jagen fannft: fommt, hier ift eine ©eimath 
für ©ud), ein gute# d)riftlid)e# ftoftpau#. $a brauchte 
c# nicht biel Slöttjigen#. 5Die armen SJtäbdjen würben 
fdjon jelbjt fommen, unb anbere mit fid) bringen. 

35en ^tenftmäbepen jollte bie ©anb gereicht, unb 
eine ©eimatt) gegrunbet werben, wo fie fid) p geiten 
erholen, unb wenn franf, gepflegt werben tönnen 2 c. 
35ie# fann aber nur burdj bereinte# SBirfen gefche* 

S en. SBic weit fleht 3)eutfdjlanb in biefem un# boran! 
|n Stuttgart 5 . B. hat ein jebe# ©anbwerf feine ©ei* 
math, eine jebe Slrbeiterflafje hat jeine ©cimath! 

©# wirb in biejem Sanbe p biel gcjdjwäßt, unb p 
wenig wirtlich gethan, unb wa# oft gethan wirb, ift 
manchmal bon fehr wenig Stufcen. 

9nr eine MenftgefeUfifjafr. 

1 . ©callopeb 0 t)ft er#. Stimm eine irbene 
©chüffel, beftreue ben ©oben mit fein gerolltem ©rader, 
bann belege biefe# mit Sluftern. Sluf bie Sluftcrn lege 
fleine Butterftüddjen, Sal* unb ©feffer, fahre jo fort, 
bi# beine ©chüffel boll ift. $a# leßte müffen bie 
©raefer fein. Stun gieße SJtildj barüber, bi# ba#©anp 
ut burdjnäßt ift unb bade e# im Ofen, e# braucht 
einahe eine ©tunbe. 

2 . ©üfjner* 0 alat. Stimm ein große# ©uhn. 
©# braucht nid)t gerabe jung $u fein, Stoche e# ganj 
weich- 2tfe 93rühe fannft bu pr Suppe brauchen. 
$a# gleifd) h«fe gan$ fein unb thue e# in ein irbene# 


©eichirr. ©aefe 3-4 hart gefochte ©»er unb leg fie 
auf ba# gleifd); ebenfo ein feritttheil fo biel Sellerie, 
al# bu gleifch haft. Stun thue ©al^ uttb Pfeffer unb 
ein ganj flein wenig rotben Pfeffer barüber. Stun 
will id) hie* zweierlei ©alatfauce für ftrautjalat unb 
anb'em Salat geben. 

1 . 5Ber ©alatöl liebt, nehme ba# ©elbe bon awei 
hartgefottenen ©iern unb reibe fie mit einem halben 
©filöffcl boH trodenen Senf ganj glatt, gieße nun ben 
©ffig baran unb nehme je nach ber SDtenge 0 el bap. 
SJtenge e# alle# gut burcheinanbcr. 

2 . Stimm einen guten Söffel boH S3utter unb laß 
ihn auf bem geuer ^ergehen. Stimm ba# rohe ©elbe 
bon *wei ©iern unb ben halben Söffel boll Senf, rühre 
e# glatt an, gieße ben ©ffig baran unb rühre in bie 
SButtcr. Saß e# unter fortwährenbent Stühren pm 
Wochen fommen unb gieße c# falt über ben Salat. 
©# ift gut, wenn e# bor bem ©ebraud) ein wenig fte* 
hen fann. 

@djlaffofin!eit. Sticht# fchwächt bie Seben#fräfte 
mehr al# Sd)lafIofigfeit, welche meiften# auf eine ber 
folgcnben Urfacßcn ^urüdgeführt werben fann: ©ei* 
ftige Aufregung, geftörte Verbauung, unmäßige för* 
pcrlidje Slnftrengung, funftionelle ober organifeße 
Äranfheit. ©d)lafloffgfcit ift bie mahnenbe Stimme, 
bie un# fagt, baß wir bie©efeße ber Statur übertreten. 
2 öcr bon ©d^laflofigfeit gequält ift, frage erften# nad) 
ber ©aupturfaepe unb befinne fich bann auf bie paf* 
fenben SJtittel pr ©ebung be# Uebel#. 

Stührt ©chlaftofigfeit bon geiftiger Slufregung her, 
fo ift c# höchft fchwierig fie p heben. 35er oefte unb 
bietieicht ber crfolgreicpfte $lan ift, fpärlicße Äoft mit 
reichlicher ^Bewegung im greien, um in biefer xBeife 
ba# S3lut bom ©ehim p ziehen. 

S3ei geiftiger S3ebrüctung hat fich ein heiße# Seifen* 
bab bor bem Stieberlegen al# S3eruhigung#mittel be* 
währt, ber $opf ift oftmal# beiß, währenb bie güße 
falt finb, anjeigenb, baß ba# S 3 lut jum ©irn getneben 
worben. 2 Safd)e ben ganzen Körper in möglidfft 
heißem ^Baffer mit ©arbolic*Seife gut ab, um ba# 
$ 3 lut p bertheilen. Xhee unb Kaffee füllten Slbenb# 
bon folchen, bie an ©chlaflofigfeit leiben, nicht genof* 
jen werben, ba fie nerböfe Stimulante finb. ©in 
fchneller Spajiergang ift bor bem Schlafengehen an* 
ppreifen. 

©eftörte Verbauung führt gewöhnlich Sdjlaflofig* 
feit mit fid). Sobalb oer SJtagen überfüllt ift, wer* 
ben feine Kräfte gefchwächt unb eine raftloje Stacht ift 
bie natürliche golge. SJtan follte innerhalb einer 
Stunbe bor bem Schlafengehen nicht# effen. ©*# wirb 
är^tlid) conftatirt, baß unberbaute Speije im SJtagen 
eine ©aupturjache biefe# Uebel# ift. 

Söciin wieberholt bie Stäcßte ruhelo# bahin^iehen, 
ohne baß man ber Verbauung ober anbere Unor* 
bentlid)feit pr Stechnung fchreiben fann, fo wirb wol)l 
©runb ba fein, in biefer Stuhelofigfcit ben Vorboten 
einer Äranfheit p erfennen. ultan wenbe fid) an 
einen orbentlichen Slr^t, ba functioneüe Seibctt be# 
SJtagen#, ber Seber ober be# ©er$en# fich oftmal# in 
biefer SSeife anmelben. 

gn unferer Qeit greift man biclfältig jju höd)ft ge* 
fahrbollen Slneneimitteln unb bereitet fid) Sd)lafge- 
träufe. Solche, bie in biefer SBeife fich Siuhe ju oer* 
fd)affcn wünfd)en, meinen, fünftlidjer Sdjlaf fei befjer 
al# ©achliegen. SJtan fönnte fd>wcrlic© einen große* 
ren grrthum begehen, gebe# Opiat ift mehr ober 
minber fdjäblich unb bie Betäubung ift feine er* 
quidenbe Siuhe. 3Jaß alle folcße ®cruhigung#mittel 
fd)äblich finb, ift barau# erfidjtlich, baß'jebe t)ölK re 
55>ofi# fichem lob bringt. Unter bielen Beruhigung#* 
mittein beuten mir ©hloral an. 3)a biefe# ben Siuf 


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98 


JBinkf unb Jiad)rid)tra fiit Jtrbfü«. 


bat, ben fügen Seglaf ju fiegern, ogne bie übliegen 
böfen folgen ber SJtorpgiapräparate. Stun, biefe# 
ift t eilt fegr bebenflieger Srrtgum, ba ©gloral fort* 
toirfeit ber Statur ift unb biefelbe Xofi# mte= 
bergolt gegeben, ben Xob gerbei eilt. Unter all ben 
bctäubeitbeit Mitteln ift e# ba# gcfägrlicgfte unb füllte 
nur unter Slufficgt eine# Slrgte# oerabreiegt derben. 

SJtan gat fegon beobaegtet, bafj, mägrenb man, p= 
mal be# Stacgt#. in ©ebanfen oertieft gemefen, ftd> 
bie Slugenlieber pfammengepreßt, befonber# ba# 
obere, unb bieSluacn fieg fegembarnaeg oben riegteten. 
Sobalb man nun bie ©ebanfen unterbriegt, treten bie 
Singen in igre normale Stellung ^nrücf. $ält man 
nun bie Slugen begarrlieg al# ob man tiacg unten 
blirfte, fo gerftreuen fieg bie ©ebanfen unb ber Seglaf 
ift niegt meit. 

G# mag gu §c\ten fegmierig fein, bie klugen fo au 
fairen, boeg mirb biefe# einfaege SJtittel meiften# Sluge 
jegaffen. 

Xaft. Xa# SBort Xaft fommt oom lateinifegen 
* längere” berügren, bebcutet alfo mörtlicg genommen 
eine Seriigrung; Xaft in ber SJtufif ift oa# rhptg* 
mifege berügren ber Saiten eine# Qnftrument#, SJtan* 
gel an Xaft mürbe bie Harmonie ftören, bie SOtelobie 
unfemttlicg ntaegen. Xie Saiten unjere# bergen# 
merbeit berügt bureg bie Stehen unb öanblungen un* 
ferer SJtitmenfcgen, unb je naegbem oiefe 33erügrung 
eine angettegme ober uttanaenegme mar, nennen mir 
ba# Stencgntcn ber SJtenfcgen „taftoofl" ober „taft* 
io#." Xaft beftegt alfo im güglen, ma# bem Stehen* 
menfcgeit mogltguenb märe unb ma# ign oerlepen 
tonnte, unb im Raubein naeg biefer ©rfenntniß. 

Xer Xaft ift eine jener ©igenfegaften, bie man am 
beften bureg bie frangöfifdje Steben#art “bon com me 
le pain” djarafterifiren ittödtfc. Söie ba# täglicge 
S5rob ift er immer unb unter allen Umftänben notgtg 
unb anmenbbar. 

3nt Skrfegr mit im Slang ober Sllter über igm 


Stcgenben mcig ber XaftooHe fieg fern gu galten, 
ebenfomogl oon unmürbiger ftrieegeret mie oon unge* 
bügrlieger ftubringlicgfett. SJtit feine#gleicgen Der* 
fegrt er einfaeg unb natürlid), jeboeh erfegeint igm 
nägere S3efanntfcgaft unb greunbfegaft niegt al# etne 
S3crecgtigung, bte erften Siegeln ber SBoglergogengeit 
im gegenfeittgen SSerfepr gu oernaegläfftgen. 
oon ignt liegt bie Steugterbe, melcge in bie ©egeim* 
niffe Slnberer bureg unbefegeibene fragen eingubrin* 
gen fuegt, ferner aueg jebmebe unberufene, meitn audg 
moglgenteinte ©inntijegung in frembe Slngelegenbei* 
ten. ©cfeHfegaft gütet er fi<g, mit bem liegen 
„3cg," eigenen ©rlebniffen unb fieiben in ben Korber* 
grunb gu treten, ©r nimmt Slntgeil an feiner Um* 
gebung, ift fröglicg in geiterer ©ejellfcgaft, oermeibet 
bort ernfte unb traurige ©efpräcge. Seine flugen 
Söorte milbern manege gärten, bredjen maneger S3o#* 
heit bte Spipe ab unb gelfen über SSerlegeitgeiten 
gtnmeg. SJtit betrübten ift er tgcilnagm#ooll, feine 
garte £anb berügrt bie noeg frifege SBunbe, ogne neuen 
Scgmerg gu oerurfaegen. Slnber# oerfegrt er mit bem 
aemaubten Weltmann, anber# mit bem leben#frogen 
Mngling, bem ernften ©elegrtcn, unb, inbem er feine 
Seele mit ber igrigen in bie gleidjc Stimmung gu 
bringen rneifj, üermetbet er jeben SJtipton. 

Sind) in feinem Skncgmen ben Untergebenen gegen* 
über ftnbet ber tattoollc SJtenfcg ben richtigen SBeg. 
Xen Xienftbotcn gebietet er in freunbltdjcnt Xott, 
meitn aueg ernft uno beftimntt; bagegen Oermeibet er 
jebc bie Slcgtung untergrabenbe SSertraulicgfeit. Sin* 
beren fieuten geringeren Stanbe# gegenüber bleibt er 
ebenfo entfernt oon läcgerlicgem $ocgtnutg al# oon 
einer beletbigenbett £>erabla|futtg. 3ft er moglga* 
benb, fo gibt er Oon feinem Steicgtgum oon ftergen 
unb ogne ^raglerei. ©r aegtet autg im ärmften 
SJtanne bie SJtenfcgenmürbe unb mcig, baß bie Slrt 
unb Söcifc be# ©eben# ein ©efegent in einen Kadett* 
ftreieg oermanbcln lattn. 




^inüe unb 'glatgritgfen für Jlrßeifer. 


Ser un6cnugtc Stcgmfdjirm. ©in Jüngling be« 
fudjte einft feine Xante, fanb aber, al# er fieg entfernen 
mollte, bag e# angefangen batte ^u reatten, unb ba er 
einen Siegenfcgirm in Der ©de oe# 3.i mmerö ftegen 
jag, ergriff er bcnfelben unb mar eben im begriff ben* 
fclben anfpfpannen, al# feine Xante biefe# benterlte. 

©an,^ entrüftet lief fie auf ign p unb ben Scgirm 
erfaffenb, fegrte fie: Stein, nein, ba# rnirb niegt gefege* 
gen! Xiefen Siegenfcgirm gäbe icg fegon breiuttb* 
jman^ig 3^g^ unb berfelbe mar noeg niemal# nag, 
merbe boeg niegt pgeben, bag berfelbe jegt ruinirt 
toerbe! 

kennen bie fiefer unb Seferinnen niegt aueg $erfo* 
nen, melcge genau fo tgöriegt ganbeln,mte jcnejyruu? 
SBerftänbige Seute gebrauegen igren Siegenfcgirm, um 
ben Siegen ab^ugalten, jene grau aber trug benfelben 
nur pr Scgau. 

©beitfo gibt e# SBiele, melcge bie aanAe SBocge gin* 
bureg ihre Steliaion in eine ©de ftellen, 0 . g. fiemaegen 
feinen ©ebraueg baüon, aber am Sonntag, ober au 
gefttagen, naegbem fte oiellcicgt bie aaitp feoege ge* 
lebt mte Reiben, bann mollen ge boeg pigen, bag ge 
Ggriften gnb. Solcge Scute aber gaben ben magren 
3med ber Sleligion ebenfo grünbltcg oerfannt, al# 


jene alte Xante ben ftrnd be# Siegenfcgirm#. Solcge 
Sleligion mirb, geraoe be#megen, meil ge niegt ge* 
übt mürbe, unb meil ge niegt in JperA unb geben ein* 
bringen lonnte, aueg bann ben Xtenft üerfagen, mann 
bie fieute berett Xroft am Stötgigften gaben, nüutlieg 
in Xrübfal, Scibett, Stotg unb Xob. 

©in menig Siegen mürbe jenem Siegenfcgirm uiegt# 
aefegabet haben, ben güngling aber mürbe ber ©e* 
braueg beffelben oor einer ©rfältung gefegüpt gaben, 
©benfo menig merben bie Prüfungen unb SBerfuchun* 
gen im geben, magrer £>erpn#religion nacgtheilig fein, 
biefe aber mirb bte Seele üom $erberben oemagren. 

25a# feglenbe ©lifO. $or einiger Qt \t erfegien 
ein Slrtifel oon Slco. Sl. St. ©raft, X.X., int Christian 
Advocate, betitelt: »Xa# feglenbe ©lieb jmifd)en 
^irege unb Somttagfcgule." Xer Slrtifel entgält be* 
gerAigen#mertge Söagrgeitett. 

Stdegbem Sleferent auf bie §inbernige gur SSeleg* 
rung ber ^ugettb aufmerfiam gemaegt unb bie Uttp* 
länglidjfeit ber Somttagfcgule giegu naeggemtefen gat, 
entmidclt er feinen $lan al# ba# „feglenbe ©lieb." 
©r faat: Xie Äinberflaffe be# ^rebiger#, getrennt oon 
ber Sonntagfd)ule errcicgt ben Rtvtd niegt. 
SSerfammlungenrefp. Sonntagfcgulen an einem Sonn* 


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{Hinke unb Jlad)rid)tru für Urbeitet. 


99 


tage geht micber nicht; benn Diele überarbeitete Wüt* 
tcr unb ermübeten tfinber mürben Ginfjjrache erlje- 
ben. 3>ie SSodjentage finb aber hinlänglich burd) bie 
Xagfcßule in Änfprud) genommen unb ©amftag muß 
fein fRecßt ald Spieltag bemalten. 

$ie Arbeit muß in ber Sonntagfchule gefdbe^en. 
$ad alte Älaßoerfammlungdüerfahren auf bie Stinber 
angetoanbt, muft oermieben merben, ed fei benn, baß 
bie Seljrer in biefent f5atl bie Stlaßführer machen. 
$ie Älaßoerfamtnlungd* unb 2luflebungd*Seute müf* 

S i Arbeiter in ber Sonntagfchule merben. S^atürlid) 
b bie Ueberfpannten atidgefchloffen. 2 Sir müffen 
grünbliche, djriftlidje Sehrer gaben, bie beibed Sehrer 
unb Älaßführer fein tonnen. 

Wan arrangire eine Sonntagfchul * ©etftunbe ein* 
mal bed Wonatd oon etwa 15 Winuten. Wan gebe 
jebedmal babei Gelegenheit ^um £eroorfommen an 
ben Slltar. 3)er Appell an bie $er$en ber Stinber 
muß jebod) fur^, aber fo bringenb fein, tote bied bei 
anbaltenben ^erfamntlungen acfd)ie^t. 

iie meiften Stinber oon 10 ^a^ren unb fogar jün* 
gere merben *um Hacßbenfen gebraut unb fegr oiele 
merben erreicht unb manche Grmachfene tommen eben* 
faHd. Qd) tju&e biefe SBeife toieberl)olt oerfudjt unb 
mürbe mich oerantmortlid) galten, baß ich ed in irgenb 
einer Sonntagfdjule Stanbe brächte, grgettb ein 
braftifcper ©onntagfd)ul-©uperintcnbent ift gieau im 
Stanbe, toenn ber tßrebiger cd nidjt felbft tßun rann. 
Wan muß natürlich einen Sefretär buben, beffen ein* 
pge Aufgabe ed ift, bie ©udjenbcn flu notircn unb fid) 
über ihr Ylltcr,- ihre Söerljältniffe $u jpaufe, it>rc Sonn* 
tagfdjußchrer 2 c. ^u unterrichten. $er ©etretär mag 
aldbantt ben 9lufftd)tdprebiger oon all biefent in Stcnnt* 
niß feßcn. Xex s j$rebiger, Superintenbcnt oberStlaß* 
fü^rer mag mit einigen biefer ftittbcr ju gemiffen 
Seiten eine Heine Unterrebung über ^erflendreligion 
fiaben unb mit ihnen beten. Vluf folche ober ähnliche 
Seife tönnte bad „fehlenbe Glieb" tjergefteßt toerbcn. 

Gin ^rebigcr im ©taate 9Jcm $[)ort meint hierzu: 
„®enn unfere Sonntagfd)ul* 2 lrbetter äße fo glücflich 
mären Xr. Grafts gbee flu erfaffen unb fici> mit ool* 
lern Gnthufiadmud an bie Arbeit begeben mürben, fo 
FÖimten Xaufenbe unterer ©onntagfchüler gerettet 
meTbctL SBir müffen oiefe Arbeit ungefäumt, etter* 
gifcb unb im Geifte ber Siebe thun, oberem gehen oiele, 
oiele unfercr ©djüler oerlorett. 

Wir fcheint, mir erreichen bad 3iel bei unfern Stin* 
bent ni^t mr ftälfte in bem Waße ald mir foflten, 
menn mtr bebenren, mad aud bicjen Stinbera nach für* 
en 3 ahren toerbcn foß. $>ie Belehrung ber Söelt 
fingt oon biefem SBerte—bem ber frühen ^Belehrung 
unferer it inber ab. $er Gebanfe, mad OTed baoon 

f abbängt, mie treu mir in biefer ©egiehuitg unfere 
Pflicht erfüllen, ift für mich übermältigeito." 

■ifte für ftrbeiter. Gd ift aflgemein betannt, 
fierr Woobg $u Horthfielb, Waff., $mei Schulen 
jur Äudbilbung oon chriftlidjen Stnaben unb Räbchen 
gegrünbet bat. Sine Gfjicago geitung gibt einebegei* 
fierte Sdjilberung ber ©chulen, fomie ber Sehrmetgo* 
ben. $er Gorrejponbent fagt: Söährenb beö ©om* 
merd lieft ^>err Woobn ben Knaben jeben Worgen 
einen tunen ©chriftabfchnitt oor, ben er fur^ unb 
bünbig erflärt; aucn gibt er ihnen je unb bann prat* 
tifc^e Änfpradhen über chriftltche^ SBirten im Slßge* 
mnnen ®on einer 9lnfprache über öffentliehet 9te* 
ben, am Schluß berfelben burften fragen gefteßt mer* 
ben, erinnern mir un3 folgenber ^ßuntte: 

1 . Sprich nidht $u üiel. 

2 . ©priq nid)t, fei benn, bu bift fattelfeft. 

3. Gib baä 33efte, roa^ bu haft. 

4. Sprich nicht, menn bie Seute fchlafen. Grmede I 


irgenb einen Wann, unb bu mirft auch bie übrigen 
feffeln. 

5. Suche nicht beineGelehrfamteitherau^uftreichen. 

6 . ^aae ben einfältigften Wenfchen, unb bu feffelft 
auch bie Uebrigen. 

7. ©ei nicht oarauf au$, aber fürchte bich auch 
bie Seute $um Sachen ^u bringen. 

8 . ©et natürlich; üerfuch’ eö nicht, fonft Qentanb ju 
fein. 

9. SSermcibe affettirte SHebe unb ben flanjelton. 

10 . Sprich nicht *u lange. Gin Wann in Sonbon, 
ber prebtgte, biö alle Seute hin<m£ö<*gangen njaren, 
meinte, e^ fei hoch jammerjehabe auf^uhbren, fo lange 
nod) Qentanb jttm ^ören ba fei. 

11. 3ögere nicht, ba§ oor^utragen, maö Gott ge* 
braucht. 

12 . gahrc nicht mit ber ßtebe fort, blöd meil bu 
bie gubörer feffelft, laffe fie hungrig fortgehen. 

13. ©ährenb bie Seute fid) oerfammeln, oermerthe 
bie geit mit Singen. 

14. Schieße borthin, mo Seute ftch beftnben. 2Bie 
jener alte Ouäter junt Ginbrecßer jagte: greunb, id) 
miß gerabe Dorthin fdjießcn, mo bu ftei)ft. 2)u thäteft 
flug aud bem 2 Segc ^u gehen. 

15. Geftifulirc nicht p oiel, aud) bemege bid) nicht 
511 oiel hin unb her, unb rebe nicht mit oen £ä:tben 
in ben Xafchen. 

Hit Dem Strom. Gin Schiff trieb einer gefäbr* 
lidjen Älippe entgegen. Äeiue trbifdje Wacht, audge* 
nommen SBinb, fonnte bad gahrjeug oor bem fichcrn 
Untergang bemahren. 9lbcr fein Siiftchen unterbricht 
bie äußerftc ©iuoftiße unb bad ©d)iff mirb mit ber 
Strömung beftänbig meitergetrieben. 2)ic Effiliere 
unb Watrofen fchauen ängftltd) nad) oben, ob moljl 
ein flattern ber Segel bemerfbar fei. 9 lber fdjon ift 
bie Älippe nicht mehr tueit unb bort oben bie fchlaffen 
Segel. ®och, mad mar bad? Gin leichted glattem 
bed ©egeld ant ©auptntaft. 3Birb fidj’d mieberholen? 
Söiefich jcbed^luge auf bie fdjlaffen Segel heftet! 
$od) fieh! Gd meht ftärler, bie Segel füßen fi<h unb 
nun beftegen fie bie Wacht ber Strömung unb bad 
Schiff fteuert an ber gefährlichen Älippe oorbei. 

D ihr Sonntagfchullebrer, bie ihr fo mandjed merth* 
oofle Wcnfchenleben auf bem gefährlichen Weer ber 
geit bahintreiben fe^t, nichtd fann ben Gourd biefer 
Firmen ätibem ald etn glüdlid)cr SSinbftoß bed hrili* 
gen Gcifted oon oben. Schau nach oben mie jene 
Watrofen unb erbitte in heißen ©eufjem ben Gcift 
ber Straft—ben ^fingftgeift. 

Scheinbare Grüiibliibfeit. Gd mirb erzählt, baß 
SBal^ac einem eifrigen Sefer 2Berfe, ber ihn megen ber 
33ebeutung einer gemiffen Stcße in feinem SBuche be* 
fragte, bie Grmiberung gab, jene Steße h°he über* 
ifaupt feinerlei 53 ebeutung. 

„Sehen Sie," fo erflärte er, „bem Xurchfchnittd* 
lefer fontmt 2 lßed fehr einfach unb unbebeutenb oor, 
mad ihm oon Domherein flar ift. Söenn ich Daher 
nicht h^ unb ba einen complijirten, unoerftänblichen 
Saß mit hineinftreute, mürbe irgenb gemano glauben, 
er fei gerabe fo gefdjeit mie ich und)- Stößt ber Sefer 
aber auf irgenb ctmad Unbegreiflicßed, fo lieft er bie 
Steße möglichermeife nod) einmal, grübelt Drüber 
nach unb naepbetn er troß miebcrholten ^erjudjen 
feinerlei Sinn he*audbelontmen fonnte, bricht er in 
bie jalbungdooßen SBorte aud: „Großer Söal^ac, bu 
meißt mehr ald ich 

^ie oft hört man ^ßrebigten, bie nach eben biefem 
Grunbjaß gehalten mürben. Wandje $rebiger glau* 
ben, menn fie fid) recht unoerftänblicß audbriiden, fo 
mirb ihnen bad ben 9hif Des Gelel)rtjeind cintragen. 
Gd gibt auch gnhörer, bie ba oorgeben, fich an berar 


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100 2onnto$fd)ul<f(htionrn. 


tigen f?afeleien erbauen au fönnen, mal)rfd)einlid> aud), 
meil fie hoffen, baburd) in Ben ©erud) beS ©eoilbet* 
feinS ^u gelangen. 

@3 ift aber febr leid)t ein 9ftoraftlod) für außeror* 
bentlid) liefet SBafjcr an pulten. daraus, baß man 
ben ©runb beS gluffeS nicht fe!)cn tann, folgt nämlich 
nod) lange nicht, baß er ungeheuer tief fei. Rnt ©e* 
gentheil, baS glußbett mag gan* flad) fein, aber me* 
gen beS ungeheuer trüben 23afferS ftehft bu feinen 
Soben. dagegen fiept man burd) flareS SBaffer bin* 
burd) aud) bei ber größten Xiefe jebeS ©teind)eu am 
©rnnbe. 

KS gibt große Scanner, bie eS oerftel)en über ben 
bcbeutenbften ©eaenftanb aud) für ben ungebilbetften 
3 upörer oerftänblid) au merben. 

„9Jtein lieber trüber/' fagte eine alte $}ame ju 
bem ©epülfSprebiger eines SöeairJS: „Sttancpe Seutc 
hören 93r. 33. (ben MffidjtSpreb.) febr gern; ße jagen 
er prebige febr tief; aber id) jiebe bie flache fßrebigt* 
meife, fo mie bu prebigft, oor." $5aS Kompliment 
biefer guten ©cpmefter, obrnohl etmaS ungefcbidt an* 
gebracht, mar ant 3$lafce. Qener junge 9ttann mürbe 
fpater einer ber bebeutenbften ßRänner unferer Kirche, 
ber nie SEübe batte, feinen Qnbörern oerftänblid) $u 
merben, meil er felber oerftanb, maS er 
fagte. $abet fprad) er fomobl beutlicb als richtig. 
©onntagfd)ul*Sel)rer merben bie ßftoral leicht finben. 

8 djüfrr—fiebrrr. 2Ber bie SSahrfjeiten beS Küan* 
geliumS Zubern Beibringen miß, muß oor aßen 3)in* 
en felber in Kprifti ©d)ule geben unb lernen. SBeber 
ie fritijcbfteu Kommentare noch bie beften ©onntag* 
fd)ul*§ülfömittel finb im ©tanbe, ben Seljrer in bie 
liefen ber 2Bal)rl)eit ein$ufübren, cS fei benn, er fifct 
bemütbigliÄ gu ben güßen beS großen 9tteifterS unb 
fcpöpft aus Der Quelle. Um bie Ueber^eugung au ge* 
mimten, baß baS Koaitgelium ©otteSmort fei, muß 
man baffelbe nidjt lebiglicb als eine Sehre für richtig 


befinben, fonbern als Offenbarung ©otteS mit ganzer 
©eele ergreifen, fid) im ©lauben an baffelbe fetten 
unb bie miebergeoärenbe unb emeuembe Kraft beffel* 
ben am $eraen erfahren, $>eßpalb fagt auch Der §err 
^cfuS: „©0 gemanb miß beß SSißen tpun, ber mirb 
inne merben, ob biefe Sehre oon©ott fei"(gob. 7, IT')* 
Me d^riftlid^e Krfahrung beftätigt übrigens biefen 
©aß. 

Kein Sföenfd) ift im ©tanbe, bie bem ©otteSmort 
imtemofjnenbe Kraft ju erfenrten, bis er biefelbe in 
feiner eigenen ©eele erfuhr, baS ift bie Krfahrung 
Mer. SBenn baber ber Sebrer $u feinen ©d)ülera 
fagen fann: „geh liebe ihn, benn er bat mich auerft 
geliebt," fo macht er biefe Äußerung in Mbetradjt 
ber großartigften aßer ©otteSmahrbeiten, ©ott liebt 
bie fünbigen ßRenfdjen, auch mid) liebt er; unb er 
ftebt oor biefer SBaljrheit ftiu unb hält ftaunenb inne 
— eine Ib r äne —ent leifeS Rittern feiner ©efidjtS* 
muSfcln — ein oerflärteS Säajcln „Kinbcr, er liebt 
aud) mid)." $aS beißt beim §eilanb in bie ©d)ule 
geben. 

$ie ^fgenSbebingnngfii. SBie fönnen mir geift* 
liebe ©egnungen ermarten, menn mir in unferer 
©Pbäre nicht baS Unfere tbun? Können mir oon 
einer 2leolSharfe 9tfufi! ermarten, menn mir fie feinem 
Suft^uge auSfe^eu? SSenn mir eine reiche Krnte er* 
märten, fäen mir ba unfern ©amen in einer Keßer* 
ede V ©eiftlichermeife müffen mir unS benjenigen $Re* 
geln untermerfen, burd) melche aßer ©egen oebingt 
ift SBoflen mir unfere ©onntagfchülcr göttlich be* 
einfluffcn, müffen mir oor aßen Gingen felber im 23e* 
fifce göttlicher Kraft fein. KS beißt oa natürlich, fich 
oon ber SBelt trennen, fid) ©ott ooßig toeihen unb ihm 
ergeben leben. 2Bir müffen in ftifler ©ebnfuebt nach 
bem erfebnten ©egen benfelbeit glaubenSoou erbeten. 
$ann mirb’S, ob auch feine Steuerungen fid)tbar finb, 
*ßfingften merben. * 




Soititf agftßuf - Jkßiionett. 


©onntag, 6. gebruar. 

1. SCtfo aefl Hbram herauf au« ©gttyten mtt feinem ffieibe, unb 
mit aUem, ba« er hatte, unb 80t auch mit ihm, gegen ben SRittag. 

2. «hram aber mar febr reich bon Sieh, ©Uber unb ©olb. 

3 . Unb er jog immer fort bon SRittag bi« gen Scthel, an bie 
Stätte, ba am erften feine #iittc mar, aroifcheu ©ethcl u.ib 9 li, 

4 . ©ben an ben Crt. ba er borbin ben Slltar gemacht hatte. 
Unb ei brebigte allba ben tarnen bc« $crrn. 

5 . 80t aber, ber mit Slbrain 30g, ber hatte auch Schafe, unb 
btinber unb Jütten. 

6. Unb ba« 8anb mocht e« nicht ertragen, bah he bei einanber 
toohnctcn; benn ihre #abe mar groß, unb tonnten nicht bei ein= 
anber loohnen. 

7 . Unb mar immer 3ant Amifchen ben Wirten über 9 lbram« Sieh, 
unb Ämiichen ben Wirten über 80t« Sieh. ©0 mohneten aud& ju 
ber Beit bie Öanamter unb Sherefiter im 8anbe. 


1 Httof. 13,1—13. 

8. Sa fbrach Äbram ju 80t: Sieber, laß nicht 3 ant fein atui* 
fchen mir unb bir, uub amifchcn meinen unb betnen Wirten; benn 
mir finb ©ebrüber. 

9 . ©tehet bir nicht aUe« Saitb offen? Sieber, fcheibe bich bon 
mir. ffiMUft bu }ur Sintcn, fo roiH ich 8ur Siechten; ober miUft 
bu aur Rechten, fo miß ich aur Sinten. 

10. 2)a hob 80t feine Äugen auf unb befahe bie ganae ©egenb 
am Barban. 5 )enn ehe ber perr ©obom unb ©omorra berber* 
bete, mar fie majTerreidh, bi« man gen 3aar fommt, al« ein ®ar* 
ten be« $errn. giei^roie ©gbptenlanb. 

11. 5 Da ermdglte ihm 80t bie ganae ©egenb am Borban, unb 
aog gegen Slorgen. Älfo fcfjicb fief) ein Sruber bon bem anbem; 

12. $a§ Äbram mohnete im Sanbe Kanaan, unb 80t in ben 
©täbten berfelben ©egenb. unb fe&te feine Jütten gen ©obom. 

13 . Äber bie Seutc au ©obom maren böfe unb funbigten febr 
miber ben ^erm. 


Sott SBaljI 


©ißlifihfr ©rimbgcOnnfc. „5Trad)tet am erften 
nad) Dem ßfeich ©otteS, unb nach feiner ©credjtigfeit; 
fo mirb euch folcheS McS ^ufaßen." 2Jlattt). 6, 33. 

©iflörung. 

©. 1. „ÄnS dßhptrn," MrahamS ßfeife nach 
Kgppten um ber £h cu enm 9 mißen in Kanaan, Kap. 
12 , 20, hatte ihm nur s Jttühe unb ^er^eleib gebracht. 
Kr fepeint aus eigenem Mtriebe unb nicht auf ©otteS 


Befehl h'n nach Kgppten gezogen ju fein. Kr fühlte 
fich baf)er aud) nicht fid)er unter ben Kgtjptem unb 
anftatt fid) bem .§errn ^u oertrauen, nimmt er 3u* 
flucht p oerfehrten Mitteln ftch unb unb fein SBeib gu 
retten. 

SSon ^axao aus Kgppten oermiefen, fehrt er mit 
'einem Söeibe, bie iljm burd) ©otteS bejoitbere 3^or* 
ehung erhalten morben mar, Kap. 12, 17, mieber 


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$9tmtagfd)ul=ffhtionrn. 


101 


Aurötf in baS Aknb, babin ihn ber §err befd)ieben 
patte. 

8. 2. „Sehr rei4. 44 ©r batte Schafe, Minber, 
®fel, Jfnecbte unb SRägbe, ©felinnen unb Äamccie. 
fftap. 12,16). ©r mar febr reich an (Silber unb 
Öolb, ©efiptbümer ber Momaben. „Sehr reich" 
meint aud) f e l) r f d) w e r — Meidbtbum befc^njert 
unb erzeugt (Sorgen, wie wir im weiteren Verlauf ber 
Seftion leben werben. 

8. 3. „Sog imnifr fort." Abraham ruhte nid)t, 
bis er wieber na* ber früheren MomabentriftAWi= 
fdjen ©etbel unb »i getommen war, wo er ben 2 lltar 
atgrünbet unb mit ben Seinen bem £>erm ©otteS* 
bienft ae|>flegt hatte. ©r tebrt alfo $u ber Stätte 
feines SlltarS bei ©etbel jurüct. 

8.4. „(fr Jtrebiflte.“ ©r rief an ben tarnen 
bfS^errn. Aiap. 12,8. Ser Opferbienft, ben Slbrabam 
mit ben Seinen bem §erm braute, war augleid) auch 


eine ©rebigt oon 
8 . 5—7. Sa'aber nie 


[ür bie »eiten um ihn her. 
it nur Sbrabam febr reich 


an ©efiptbum war, fonbern auch Akt tfleinoieb unb 
äHnber unb 3dte für feine ßeute, aljo auch oiele 
SRenjcben batte, fo trug jte baS Aknb niept beifammen 
ju toobnen, b. b- baS Aknb bot nicht genug Mautn 
»rat SBeibcn für bie 5 ablreicben beerben, ©S entftanb 
Streit awifdjen ben Wirten, SamalS wohnten bie 
Äananiter unb ©b cre fitet nod) Sknbe, woburd) 
ber Maum fdjon febr befd)ränft würbe. 

Die ©b. cre fitcr waren bie ©ewohner bcS bitten 
8 anbeS, bie bem erbau unb ber ©iebauebt oblagen 
(§tf. 38, 11: Sad). 2, 4; 5 9Rof. 3, 5). Sie waren 
im ©efip ber beften Triften, unb Akt unb 2lbrabam 
blieb nur baSjenigc übrig, was fic oerfebmäbet batten, 
ßananiter bezeichnet hier bie Stäbtcbewobncr im ©e* 
genfap gegen bie ^berefiter als fiaubbewobner. 

8. 8 . 9. „Sauf jtoifdKii mir «tri» bir. 44 Ser 
Streit ber ^irtenfneebte würbe jum Streit ihrer 
Herren felbft, wenn biefe bem Unwefen ruhig ober 
mobl gar billigenb aufeben. ^Möglicher 3Beije tonnte 
aud) £otS ©erftimmung ficb febon in bem offenen 
3 ant feiner Ätncd)te oerratben. 

„®ir finto ©r Gräber.“ 2lucb ber etwa fonft au* 
läffige, boeb in aller SBeife au meibenbe MecbtSftreit 
ntnfcben gremben foU nicht ^wif^en ©rübern ftatt* 
fmben. ©erwanbtfcbaftlicbe 3 un eigung muß bie 
äußerfte Mad)giebigteit leimt machen. 

„IBiflfl D« jur ginfen. 4 ' Obgleich Slbrabam ber 
ältere unb güprer beS 3 u Ö e 3 war, überlieg er boeb 
bem jüngeren unb ©ruoerfobne bie 3Babl aus ©bei* 
mutb in oem auoerfid)tltcben ©lauben, baß ber £>err 
bie ©ntfebeibung fo lenten werbe, baß feine ©erbei* 
ßung in Erfüllung geben fönne. Ser ©orfd)lag 
nbrabamS ift pm Ypricbwörtlicben AkfungSWort ber 
JriebenSliebe unb Sia^giebigteit geworben für folcbe 
JäHe, wo eine 2lu3einanberfebung unb Scbeibung 
bureb bie ©erbältniffe geboten ift 
8. 10. 11. „&ob So t feine Ingen anf. 44 fiot 
wählte ficb ben bem 2lugeufcbeine nach beften Dbeü 
be4 fianbe^, nämü* bie Dbalebene ju beiben Seiten 
beä 3orban bom See ©ene^aretb bis in bie jefcige 
©egenb beS tobten SReereS. D)enn biefe gan$e ©e* 

8 enb war brtrlicb wie bie berfebwunbene ©arabiefeS* 
[u ober wie bie reiche Milan in ©gt)pten, welche bem 
Sot noch in befonberS frifebem ©ebäcbtnig war. 

„ftlfo Hieb fff ein ©rnber. 44 Sie Scbeibung war 
gut unb brüberheb nad) ber frieblicben ©efinnung 
ÄbrabamS, aber übel auSgefübrt, infofern ftc b ber 
ßiejfe als ein beborreAteter ©ruber benahm unb baS 
8efte für ficb wählte. 

. 8. 12. „nirnbom tno|nie im Sanle. 44 (fr ber« 
blieb in ber (finfamteit feiner ^aine, wo er bem 


§errn einen 2 lltar errichtet batte, ben fiot aber $og 
eS immer mehr ju ben Stäbten bes SbaleS bin; balb 
bat er feine Xriften in ber Stäbe bon Sobom unb feine 
SBobnung in Sobom felbft, ja in Sobom felbft finben 
Wir ihn unter bem Sbate. 

8 . 13. „$>ie gerne )ii Sobom. 44 Sie ©oSbeit 
ber Sobomiter lernen wir fpäter, Atap. 19, näher fen* 
nen. §ier febon wirb biefelbe angeführt, um $u er« 
flären, baS A*ot febr übel gewählt batte, wäbrenb er 
baS befte Sbcü 8« erwählen meinte, unb um bie ©e* 
jebiebte borpberciten, wie baS Strafgericht über So* 
bom lam, in welchem auch £ot für feine Sborbeit 
büfjen mußte. 

^raftifibe ©ebanfen. 

ftbrabam unb Sot. 

I. Küiffrbr aus ©g^piei unb großer tei4tbum. 

©• 1—5. Slbrabamo Ueberfieblung aus Kanaan 
nach ©gtjpten wäbrenb ber Sb^urung war eine will* 
türlicbe ^anblung. ©ott hätte ihn wohl erhalten 
fönnen trop ber JpungerSnotb. Seine Erfahrung 
in ©gtjpten war teme glän^enbe; fein ©laube würbe 
febr |d)Wacb. ©r batte hier lein ©IcibenS. ©r wirb 
oon ©barao aus bem AJanbe oerwiefen. ©r tebrt 
wieber jurürf jur Stätte feines Altars bei ©etbel. 

©on Alters bet ift ber 8 ici<btbum Abrahams ange* 
übrt worben, baß aud) reidje teilte fromm unb 
romme geute reich fein tonnen. Meid) unb gläubig 
timmt aufammen. Meid) fein ift fein ©erbrechen, 
©ott erlaubt nicht nur reich au (ein. ©r will eS oft 
jo. ©r mad)t eS fo. 

Micßt aller Meicptbum aber ift oon ©ott gewollt unb 
als göttlidjer Segen au betrachten. Akts Meicbtbuni 
gereichte ihm au feinem §eil. 

Meicbtl)um bringt ©efdjwerbe. ©r wirb bem 5lbra* 
bam gewiffermaßeu aur Aiaft, inbem er nicht Maum ge* 
nug fmbet für feine beerben. Meid)tbum febaffet oiel 
Sorge. 38er oiel 38ertbpapiere bat, )d)aut aüc 3Ror* 
gen wrgenoollen ©lides nad) bem Alursaettel. 3 ®er 
Sdjiffc auf bem 9Recrc bat, oemimmt mit ©raufen 
bas ^eulen beS Sturmes. 

II. uub Streit. 8. 6—7. Mbrabam muß 
bie Unbequemlicbfeiten unb große Scßmeracn, bie ber 
Meicbtbuni jd)afft, erfahren. Sie »eerben beS AJot unb 
beS Vlbrabam bebrängen einanber; unter ben gegen* 
feitigeu Sienftboten nimmt ber Streit fein ©nbe. 

$ier, wie überall, erfd)eint ber Meicßthum mit 
einem Mtaugel behaftet: baS ift ber ^Mangel genügen* 
ber Sriften. Ser MecbtSftreit ift immer bebentlich, 
unter „©ebrübern" aber ift er mit awiefacbetn ©rnft 
ju oermeiben. 3 n äem Streit oon Sienftboten unb 
untergebenen fpicgelt ficb oft in großen unb groben 
3 ügen bie feimenbe Spannung awijcben ben ©orge* 
fepten ab. 

III. MrabamS 8orf41ag. 8. 8 . 9. ©S bleibt 
nichts SlnbereS übrig, als baß bie beiben SRänner fid) 
feßeiben. SBie aber foll bie Scbeibung gefd)cben? 
So baß ber grieben üoH unb gaita bewahrt bliebe, 
©r läßt Akt wählen, was ihm beliebt unb nimmt, 
was übrig bleibt. Abraham oeraidjtet e r ft c n S auf 
fein Mecpt als ber keltere unb a w e i t e n S auf ben 
materiellen ©ortbeil. 

2Bie erhaben unb großmütbig ift biefe §anblungS* 
weife! 38ie befcbämenb für uns! 

Sie Alraft au folcbcr göttlichen fiiebenSwürbigfeit 

S ewann 3lbrabam aus bem ©lauben unb perfönli*em 
Imgang mit ©ott. ©3er mit ©ott wanbeit, ber Wan* 
beit in ber Siebe unb Selbftlofigfeit, benn ©ott ift bie 
AJiebe. ©r l)at aber auch ben grieben mit ©ott unb 
fuebt ben fjrieben mit allen SMenfcbeu fo weit eS mög* 
I lieb ift’ Vlbrabam war bereit, für jeben ©reis ben 


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102 


2onniagfd|ul>|(itii(mra, 


Trieben gu erjagen. Söie fonnig fälje e« au« in ber 
Seit, wenn man in ber ©eurtpeilung unb ©eljanb* 
lung feine« Siäcpftcn 9ldeö gum ©eften feeren unb 
nad) bem ©runbfap f)anbeln wollte: ,,2öa« bu wiflft, 
baß bir bie Seute tpun jollen, ba« tfjue bu ihnen aud) !" 

Üin $ufaren* Offigier, einer ber Selben griebrid) 
be« ©roßen, ift auf ben ipof eine« dauern geritten 
unb forbert, baß man ihm unb feinen Seuten ein § a* 
ferfelb geige, ba« man mähen fann. Ter ©auer 
gebt mit. ©alb tommen fie an ein treffliche« gelb. 
Schon toinmanbirt ber Offizier: „Slbfipen!" aber 
ber ©auer bittet flehentlich, baß man nod) gWei 9)li= 
nuten weiter folge. SDa finbet man freilich ein an* 
bere« ^aferfelb, aber e« tft jchiechter al« ba« erfte. 
^öhnifd) fagt ber Offizier: „Sag’« ehrlich, ©auer, 
jene« erfte gelb war oa« beine, ba« höft bu fronen 
wollen?'" ©ang befdjeiben antwortete btejer: „9iein, 
Serr, bie« ift ba« meine unb jene« gehört meinen 
Nachbarn." 

IV. £ot« SBaljl. ©• 10—13. Sot glaubt, oor* 
trefflich gewählt gu hoben unb*hat hoch fchlimm ge* 
wählt. Selbftfudjt War ber ©runbd)araftergug feine« 


SBefen«. SBer in Mem nur ben eigenen ©ortheil, 
nur fid) felbft fucht — ber ift felbftfüchtig unb ©elbft* 
fucht ift Butter aller ©ünben. 

Unb wie theuer tarn ihm feine SSahl gu ftehen! gür 
ben SSeltfinn, ber ihn befreite, wirb er guerft geftraft 
burch bie halb barauffolgenbe Söegjührung unb ©e* 
raubung im Kriege ber Könige (ft'ap. 14), fobann 
burch bie 0d)recfeu«flucht au« Sobom unb bie baran 
fich fnüpfenben Söerlufte, Unfälle unb Vergehen. 

0 o muß fich ber Mangel an grömmigfeit, ber 
©igennup, bie Sorglofigteit gegenüber ben gallftricfen 
ber SBelt immer bestrafen. unb gerabe bann, wenn 
einer in eigenwilliger unb fünbiger SBeife meint, fei* 
nen höchften SSunfdj erreicht gu haben, muß er fich 
am meiften üerftrieft finben in bie Vergeltung ber über 
ihm waltenben ©ered)tigfeit! 

3öie treffenb ber biblifche ©runbgebanfe! 2Ber wie 
Abraham, am erfte n trachtet nach öem 9teich ©ottc« 
unb feiner ©eredjtigfeit, bem wirb folche« Me«, gum 
ßeben«unterhalt 9iott)wenbige — gufallen. Tarurn: 

„Suche Ghriftu«, unb fein Sid)t; 

Me« Mbere hilft bir nicht!" 




0onntag, 13. gebmar. ©ottc$ ©unb mit ftbram- 


1 9Rof. 15, 5—18. 


5. Unb cc biefj ibn &inau«ael)cn, unb fpradj: Siebe gen $imntel, 
unb jäble bie ©ferne, tannft bu fie adtjlen? Unb fprad) au il)m: 
«Ifo foß bein Same werben. 

6 . «bram glaubte bem ßerm, unb ba« rechnete er i&m $ur @e* 
recfjtiqfeit. 

7. Unb er fpradj ju ihm: $dj bin ber $crr, ber bich bon Ur 
au« tthalbäa gefüfjret bat, bafj teb bir bie« ßanb gu befifcen gebe. 

8. «bram aber fprach: §err #err, wobei foß ich« merfen, bafe 
icb« befifcen Werber 

9. Unb er fpraef) gu ihm: ©ringe mir eine breiidbrige flub, unb 
eine breijdbrige Siege, uttb einen breijdbrigen «Bibber, unb eine 
Turteltaube, unb eine junge Taube. 

10. Unb er brachte ibm folcbe« atte«, unb gertbeilte e« mitten 
bon einanber, unb legte ein Tljeil gegen ba« anbere über; aber 
bie ßögel gertbeilte er nicht. 

11 . unb ba« ©eoößel fiel auf bie «afe; aber ttbram fcheuchte 
fie babon. 

12 . Ta nun bie Sonne untergegangen war, fiel ein tiefer Schlaf 


auf «bram; unb flehe, Sdjrecfen unb gro&e ftinfternifc überfiel 
ihn. 

18. Ta fpradj er gu «bram: Ta« fotlft bu wiffen, bafj bein 
Same wirb fremb fein in einem ßanbe, ba« nicht fein ift; unb ba 
wirb man fie gu bienen gmiugen, unb plagen bier buitbert ^aht. 

14. «ber ich tuia richten ba« ©olt, bem fie bienen müffen. Tat* 
nach foßen fie auegiehen mit grobem ®ut. 

15. Unb bu foßft fahren gu beinen ©ätem mit Trieben, unb in 
gutem «Her begraben werben. 

16. Sie aber faßen nach Pier 9Kann«leben wieber hierher tom* 
men, benn bie wtiifctfjat ber «moriter ift noch nicht aße. 

17. «lö nun bie Sonne untergegangen, unb finfter worben war, 
fiebe, ba raubte ein Cfen, unb eine fteuerflamme fuhr gwifchen 
ben Stücfen hm. 

18. «n bem Tage machte ber ßerr einen ©unb mit «bram. unb 
fprach: Teinem Samen miß ich bie« ßanb geben, bon bem ffiaffer 
Ggppten« an, bi« an ba« groge «Baffer ßhrath. 


Siblifctcr Cifttnbgc^atifr: „9*ach biefen ©ejchidjten 
begab fich’«, baß gu Abraham gefebahe ba« SBort be« 
§errn im ©efi&t, unb fprach*. „fürchte btch nicht, 
Wbraham; 5Jcb bin bein Schilb unb bem fehr großer 
Sohn." 1 SJcof. 15,1. 

ginlriltiiin : SJtit ber ftegeichnung rr 91adj birfrn 
@ef4iibffn 44 — fiehe OJnmbgebante — wirb eine 
neue Offenbarung be« ©errn an 2lbraham eingeleitet, 
bie nad) fjorm unb «gnhalt fid) oon ben bi«herigcn 
unterfcheibet unb eine neue 3Senbung feiner Seben«* 
führung begrünbet. 2Bar ihm auch burch bie ®e* 
Wahrung feine« SBeibe« in Ögt)pten bie SWöglichteit 
gur (Srlanguna ber 9tad)fommenfchaft unb burch bie 
Trennung £ot« oon ihm fowie burch ©efiegung ber 
Könige bte 9Köglichfeit ber fünftigen Vefifcnahme be« 
oerheißenen Sanbc« thatfäd)lich berbürgt, jo fehlte 
ihm hoch noch jebe Slu«ficht auf ®ermirtlichung ber 
Verheißung, gu einem großen $olte gu werben ober 
eine galjüofe ycachtommenfd)aft gu erlangen. 

^n btefer Sage mochten 33eforgniffe über bie 3«* 
tunft in feiner Seele auffteigen. SDiefen tritt ber §err 
burch neuen ©unb mit Abraham entgegen. 

Grflärnug. 

©. 5* 3)er ®err führte 9lbraham h'«ou« in’« 
greie unb richtete feinen ©lict gen $imntel unb oer* 
hieß ihm eine &achfommenfchaft fo gahlreich, wie bie 
ungählbare Stenge ber 0teme. 0iehe Äap. 22,17: 
26, 4. 2 äßof. 82,18. 

& 6. „Hbraham glaubte Um Qtttn.“ Sür 


Abraham h«t biefer ©organg hotte Realität. 5)ie^ 
beweift fein ©laube, ber ihm gur ©erechtigfeit gerech¬ 
net würbe, ©ott nahm ihn in bie ©unbe«gemein* 
fchaft mit fich auf. Slbraham« ©laube brüeft bie 
©timmuna ober ©efinnung au«, bie ihre« ©egenftan* 
be« ficher ift unb fich feft auf ihr oerläßt. 5)er ©laube 
ift nicht blo« 3uftimmung, fonoera gugleich unbebing- 
te« ©ertrauen auf ben §erm unb fein SBort. 

©. 8—11. Slbraham« fjrage tft nicht ftnige be« 
3 meifel«, fonbem be« ©erlanaen« nach ©cfiegelung 
ber menjdjltche« Renten unb ©egreifen überfteigen* 
ben ©erhetßung. 5)ieiem ©erlangen gu entsprechen, 
befiehlt ihm ber §err, oie ©orbereitung gu einer ©un* 
be«jd)ließung ju treffen, „^irnrn etne öreijäbrige 
^uh, eine breijdhrige 3 ic 9 c f einen breijährigen feib* 
ber, eine Turteltaube unb eine junge Taube," b. h- 
ein ©yemplar oon jeber opferfähigen Thiergattung. 

Tie 2lu«wahl ber Tljiere fowie ba« Ungerftüdt* 
laffen ber Tauben entfpricht gang bem Opfergcbraud)e. 
Tennoch ift biefe fianblung tem eigentliche« Opfer, 
weil Weber ©lutbejprengung nod) Darbringung auf 
einem Mare ftattfmbet, auch öom Slngünben unb 
©erbrennung ber ©tücfe feine Siebe ift. 

Ta« ©erfahren mit ben Thieren entfpriAt oiel* 
mehr gang bem bei oielen ©ölfem üblichen ©raudhe, 
bei ©cpließung oon ©ünbniffen Opferthiere gu fchladh* 
ten, in Stücfe gu theiien unb biefe Stücfe einanber 
gegenüber gu legen, burch welche bann bie ©unb* 
fajjließenbcn hmburchgingen. 


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SonntagfdjuUffhtionfn. 


103 


»$• fuhren Stauftftftgef. 44 $ic fRauboögel finb 
©üb ber geinbe, welche S^roel Dernicbten wollen. 
Xaß aber Wbrabam fic oerjeheuebte, beutet an, baß 
Wbrabam* glaube unb ©tellung jum $errn jeine 
gan$e Sfacbtommenfcbaft oor bem Untergänge be* 
wahrt, baß um feinetroillen Qärael errettet wirb. 
(?j. 105, 42). 

6 . 12—17. 3Äit biefer Offenbarung mar Wbrabam 
in großen, allgemeinen 3 “gcn bie 3 utunft feine« ©a* 
men« enthüllt, $a* Untergeben ber ©onne berfinn* 
liebt Wbrabam ba« ©cbwmben ber ©nabenfonne, 
bie 3«rael leuchtet, unb Den Veginn einer fdjreden* 
vollen, finftern i*eiben^eit für jeine Mcbfommen* 
jebaft, beren Vorempfinbung ihn umnaebtet. 

„$u foflfl Wiffen, 44 baß Deine fRacbfommen in 
einem fremben Sanbe bienen muffen. Vetreff* biefer 
Änedjtfcbaft g^rael* werben Wbrabam hier $>inge an* 
gezeigt: l) ©ie werben in biefer 'iDienftbarfeit gebrüeft 
werben; 2 ) ©ie mirb 400 Sabre bauern; 3) 35a* 
Soll ibrer Gebrüder mirb gerichtet werben; 4) $ie 
befreiten werben au^ieben mit großem ©ut. 3)a* 
gegen ift ber 9(ame be* Sollet unb Sanbe* biefer 
ftnedjtung oerjebwiegen, wa« febr 5 U beachten ift. 

,,gischte (tu Ofen; geuerffnntme fuhr.' 4 Sn 
biejem ©tnnbilbe offenbart ficb ber fterr Wbraham, 
wie ipätcr bem SSolfe $«rael in ber geuer* unb V$ol* 
fenfäulc. $urch bie Opferftürfe binburebgebenb, be* 
fejhgte er ben Vunb, ben er mit Wbral)am fchließt. 
©eine £>errlid)feit ift gebullt in geuer unb 9iaud), bei* 
be* Silber be* 3 0ntcö ®otted, beffen geuereifer alleö 
Sibcrmärtige Derjebrt. 

Xer Durchgang be* fterrn bureb bie getbeilten 
Opferftüde oerfinnlicbt Wbrabani bie $erablajjung 
be« frerrn 5 U feinem ©amen al* Siebter feiner geinbe. 
Xariim mürben bie Opferftüde nicht angejünbet unb 
begehrt, benn e* banbette fich nicht unt ein Opfer, 
welche« ©ott an ficb nahm, fonoern um ein Vünbniß, 
in welchem ©ott au ben 9Jtenfd)en berabfommt. 

C. 18. $er Vunb, ben ber £>err mit Wbrabam 
macht, beliebt ficb gan* befonber* auf bie Verleihung 
De« i}anbe* Kanaan an feine SNacbfomnten. Tie bei* 
Den großen ©tröme 9ril unb ©upbrat finb al* bie 
©rennen genannt, innerhalb welcher Abraham« ©a* 
men ba* oerbeißene Sanb einuebmen foEL beffen Um* 
fang in ben nadffolgenben Verjen bureb vtennung ber 
Volfer, bie e* banial* bewohnten, genauer beftimmt 
wirb. 

Vrcftif<|e ©ebaufen. 

©ölte« öunft mit fUraßam. 

Unter einem Vunbe ober Viinbniß Derftehen mir 
eine opn $wei V^f oncn ober Vartbeien einftimmig 
getroffene Uebereintunft ober Vertrag, worin beibe 
X^eile gegenfeitig gemiffe Verpflichtungen auf ficb 
nehmen. @4 war in altteftamentlicper 3 eit gebrauch* 
lieb unter ben Völfern, foldje Vünbniffe bureb äußer* 
liebe 3eicben, wie ©ibfehwüre, ©aftmable, Opfer unb 
Dergleichen mehr, ju betätigen. 

3 n biefer ©onntagfcbul*£eftion mirb ©otte* Vunb 
mit Abraham befeftigt. ©ott butte Abraham febon 
ju Derfcbiebenen Seiten große Verheißungen gegeben, 

$. V.: 1 ) 35 u follft ein SJcann be« ©egen« unb ein 
große« Volt werben ($ap. 12 , 1 . 2 ). 2 ) deinen ©a* 
men will ich bie« £anb geben (SCap. 12 ,7). 8 ) deinem 
©amen ba* Sanft, beinern Sanfte Deinen ©amen 
(ftap. 13,14. 15). 

I. ftirr nun mirb ißm ftunfteftmäiig Dir ©er* 
ftiiuig M ©amen* uuft M Kaufte* fterfirgeü. 

Von ©eiten ©otte* fc^ließt biefer Vunb üerfebiebene 
wichtige fünfte in ficb: 

1 . $a* prrfduliibe, gnäbige ^erablaffen 


be* §errn imVünbniß. ©iebeDorbergebenbe 
Verfe 1—4. 

2 . 3)a« in faßlichen Vilbern ©rrfhtitbilb* 
Isc|tc int Vünbniß. V. 0 . Unzählbar wie bie 
©teme bc* jnimmel« foll Deine 9tacbfommenfcl)aft 
fein. V. 9. ‘Surcb Verwenbung eine« ©yemplar« Don 
leber opfcrfaljigen STbierguttung foU ber Vunb feine 
Vejtätigung ßnben. V. 17. ,$urd) bie }Wijd)cn ben 
©tuefen binburdjfabrenbe gcuerflamme ift bie heilige 
©egenwart be« öerrn fowie ber Vunb felbft über 
allen Qnjeifet für Abraham fcftgefteüt. 

3. $a« beftimmt Vorbergrfagtr im Vünb* 
n i ß. V. 13. $>ein ©amc wirb fremb fein im Sanbe 
unb Dierbunbert Sahre bienen müffen. V. 1 4. Xie 
Unterbrüder feiner 9cacbfommen werben gerichtet unb 
fie werben mit großem ©ut an«aieben. V. 15. 5lbra* 
hgni foll im hoben 9Uter im grieben fterben. V. 18. 
3)ie ©rennen be* Derbeißenen fianbe« werben genau 
angegeben. 

II. SBarum aber offenbart fieb fter #err Iftrabam 

jo in'« ©injelgebenbe unb macht ben 
Vunb mit ihm founoerbrüchlid) feft? — 
V. 6 jjibt bie Antwort: „Abraham glaubte 
bem $errn, unb ba« reebnetc er ihm Aur 
©ercchtigtei t . 44 

2 lbrar)am« grage nach einem 3 e ^ en r 8 , woran 
er merten fönne, oaß er ba* oerbeißene Sanb befipen 
foll, war fein 2 lu*brud be* 3 ioetfel«, fonbern be« 
Verlangen« um nähere 9lu*tun ft. ©r glaubte 
bem^erm; war fein greu nb geworben, fo Durfte 
er aud) üertraulicbmit bem .perrn reben, wie ein 
9ttann mit feinem greunbe. Söcil er ficb bem §crm 
unbebingt ergeben, Veracht auf ficb f^ff gcleiftet 
batte, ließ ber $err ihm biefe gnäbige Offenbarung 
i$u Xljcil werben unb beftätigte feinen Vunb mit ihm 
auf immer. 

©in junger Sttann bittet um bie .§anb einer Qung* 
frau, bie er bcrUicb lieb gewonnen bot. Qm $er$en 
ber Qungfrau aoer fteigen allerlei bange gragen unb 
Veforgniße auf. ©ie foU ihr ©Iternbau«, ihre greunb* 
fdjaft, ihre greibeit, ihre .JJungfraufcbaft, ihren 9?a* 
men — ihr 2 Ulc* aufgeben ? — ©* ift, al« 06 fie fieß 
felbft oerlöre, wenn fic an be* Spanne* fier^ finft! — 
Unb bod) tbut fie e* julept in ber 3 uoerfid)t, baß e« 
5 U ihrem Ipeile gereicht. — 

©iebe, ba« ift ein Vilb be* ©lauben«! ©r befteht 
in bem Vertrauen, ba* fich fallen läßt 
auf ©nabe unb Ungnabe. ©infoltber©laube 
War Abraham* ©laube. 

III. 8Bi( fouute abrr ftcr #rrr Äbrabam liefen 
©tauften jur ©ercibtigfeit reißiien? ©0 wie ber 

Sfnabe be« Sftanue« Vater ift. ©0 wie ber große 
©eniu* fdjon in bem fleinen Knaben fcßlummert, e* 
muß nur Me* noch waefajen, au*geftaltet unb gezogen 
werben, — e* ift aber feffon 5lllc* ba, wa* einmal er* 
febeinen foll, — fo ift e* bei Slbrabam, unb fo ift c* 
bei Sebem, ber bureb ben ©lauben gerecht gernor* 
ben ift. 

©ott bat leine ©orgen um Mrabam, fein ©laube 
idjlägt bureb! 0 n biefem ©lauben Mrabam* fielet 
©ott bie gan^e 3 olunft. ©r Wout in e i n a n b e r, 
Wa* für unsere Mgen Diele Sob^e ober gar Saht* 
zehnte au* cinanber liegt. 

feir feben ben Äeim, ^alm, Wehre unb grueßt 
na^einanber fo wie fie jutn Vorfcbein fomrnen. 
gür ben ©ott ber ©wigteiten aber, in Dem (eine 3 ^it 
ut, gibt e* fein fRachemanbcr. ©r fiebt mit einem 
Male in Wbraham« ©lauben, Wbrabam* 3u(unft unb 
SRacbfommcnfcpaft. unb b a r u m rechnete er ihm fei* 
nen ©lauben $ur ©eredffigfeit. 

©enau f 0 oerbält e* fidb mit unferm ©lauben an 


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104 


SonnlagfdiuUlehiiontn 


©ßriftum, burcß melcßen mir gerecht unb ©ottcS $in* 
betjwerben. feir finb nun ©otteS $inber, ober bie 
richtige ©infleibung, $eimfüßrurig, ©rbfcßaft folgt 
feiner 3 ^it unb gur regten 3 eit. 3 m ©lauben ober 


ßaben mir baS $HIe3 f cß 0 n! SBir finb föinber unb 
borunt aueß ©rben ©otteS. SBer mollte bent §emt 
nid)t fein §erge geben unb ben Sunb mit ißm 
(fliegen! 


«--W 


Sonntag, 20 . Februar. ®[bm^0in« gürbitte für ©ObOOT. 1 9Rof. 18, 23-38. 


28. Unb trat au ihm unb fpradj; BMUft bu beim ben ©erechtcn 
mit bem ©ottlofen umbringen ? 

24. tt* möchten bieüeicht fünfzig ©erechte in ber Stabt fein: 
moUteft bu bie umbringen, unb bem £)rt nicht oergeben um fünf= 
jig ©ered)ter mitten, bie brinnen mdren ? 

25. 3>a* fei ferne bon bir, bah bu ba* tbuft, unb töbteft ben 
©erechten mit bem ©ottlofen. bafj ber ©ercdjtc fei gleich mie ber 
©ottlofe; ba* jei ferne bon bir, ber bu aller Äöclt dichter bift! 
S)u roirft fo nidjt richten. 

26. $er ßerr fnrad): tJinbe ich fünfjig ©erechte $u Sobom in 
ber Stabt, fo mia ich um ih«* mißen aue ben Orten bergeben. 

27. Äbraham antwortete, unb fbrach: ®ch fiehe, ich habe mich 
untermunben ju reben mit bem $errn, miemoht ich ©rbe unb 
3lfche bin. 

28. öd möchten bicßeidjt fünf meniger ben fünfaig ©erechte 
brinnen fein; rooßteft bu bcnn bie gan&e Stabt berberbcn um ber 


fünfe mißen ? ©r fpradj: 3rtnbe ich brinnen fünf unb billig, fo 
miß ich fie nicht oerberben. 

29. unb er fuhr meiter mit ihm au reben, unb fbrach: 3Ran 
möchte bielleicht bieraig brinnen finben. ©r aber fprach: 3<h miß 
ihnen nicht* thun um ber bieraiß mißen. 

80. Hbraham fprach: 3üme ntrfjt, $err, ba§ ich noch mehr rebe. 
ßWan möchte bießeidjt breifiig brinnen finben. ®r aber fprach: 
ginbe ich breifjig brinnen, fo miß ich ihnen nicht* thun. 

81. Unb er fprach: 5Mi fiehe, ich habe mich untermunben, mit 
bem $>errn au reben. man möchte bießeicht awanaig brinnen ftn= 
ben. ffir antroortete; ftch »iß fie nicht berberbcn um ber jman^ 
aig mißen. 

82. Unb er fbrach: Sich gürne nicht, #err, ba§ ich nur noch ein= 

mal rebe. 3Ran möchte bießeicht a?bn brinnen finben. ©r aber 
fprach: miß fie nicht berbcrben um ber gehn mißen. 

33. Uno ber $err ging hin, ba ex mit Stbraham au*gcrebet 
hatte; unb Mbraham tehretc mieber hinan feinen Ort. 


Siblifdkr ©runbacbaufc: „$err, ic^^abe bein ©c* 
tüd)t Störet, baß iah micß entfefce. &err, bu macßft 
bcin feer! lebenbig mitten in ben g'aßren. SBenn 
irübfal ba ift, fo benfeft bu ber Sarmßergigfeit." 
§ab. 3, 2. 

©tnlritunn. $urcß bie Sefcßneibung in ben Sunb 
mit ©ott aufgenontmen(Sieße$ap. 17), ftmrbeSlbra* 
ßam balb barauf gemiirbigt, ben £crrtt mit gtoci ©n* 
geln in feinem SOfamre aufneßmen unb gaft* 

lieb bemirtßen gu bürfen. 

&iefe neue ©otteSerfcßeinung batte einen hoppelten 
3 tuecf. 3 um f° ntc fein feei& ©araß im ©lau* 
ben an bie Serßetßung, baß fie noeß in ißrem Sllter 
einen Soßn gebären werbe, befeftigt werben. (S. S. 
1—15). 3 um Seiten fottte i^m baS ©erirfjt über 
Sobom unb ©ornorra oerfünbigt werben. (Sieße SB. 
16—22). 

$er ©runb, meßßalb ©ott bem Wbraßam ba£ ©e* 
rießt über Sobom j$um SBorau^ offenbaren mill, mirb 
angegeben. Slbrapant iß ©otte§ greunb uttb öor 
einem greunbe ßat man fein ©ebeimniß. Slbraßam 
ift beftimmt ^u einem großen SBolfe unb ^um Segen 
aller Golfer ju toerben. ©r mirb feinen ftinbern unb 
SRacßfontmen befeßlen, baß fie bie SBege bc§ ^>erm 
ßalten unb tbun, maö reeßt unb gut ift. $iefeä ©e^ 
rießt mirb ipm angefünbigt, bamit baffelbe feinem 
^aufe jum abfeßreefenben Söeifpiel bienen möge, ^aß 
felbe foHte ein bleibenbeö 2 )enfmal ber göttlicßen 
Strafgcrecßtigfeit merben, an melcßem jeine Sftacßfom* 
men ben Untergang ber ©ottlofen beftanbig oor Slu^ 
gen ßätte. Hbraßam foll fid) nießt nur oon ber ©e^ 
reeßtigfeit be§ göttlicßen fealten^ oollfommen über* 

K , fonbem aueß bie ©infießt getoinnen. baß. mo 
aß ber Süitbe ooll geworben, aueß feine gür* 
bitte ba§ ©erießt abtoenben fönne. 

©rfläruug. 

ö. 23—‘^6. Sfacßbem bie beiben ©ngel fieß naeß 
Sobom gemanbt ßatten, blieb Slbraßam oor bem 
öerrn fteßen, ber mit ißm gerebet ßatte. ©r näßerte 
fteß ißm mit inftänbiger, glaubeugtüßner gürbitte für 
Sobom. 

S)aß Slbraßam bei feiner gürbitte befonbcr^anßot 
baeßte, mag angenommen werben. 5)ocß mar eä nießt 
bieö allein; fonft mürbe um beffen Rettung gang be* 
fonberö gebeten ßaben. ©r benft gewiß an Die fünf 
Stäbte mit ißren taufenben ©inwoßnem, in welcßen 


möglidjermeife fünfzig ©ereeßte moßnen fönnten. ©r 
appeüirt an bie ©ercajtigfcit be§ §errn unb grünbet 
feine gürbitte auf ben Saß, baß ber SRicßter ber gan* 
gen ©rbc unmögltcß ben ©ereeßten mit bem ©ottlofen 
wegraffen fönne, wenn fid) oielleicßt nur fünfgig ©e* 
reeßte üorfänben. 

Äbraßam argumentirt in feiner gürbitte mie folgt: 
1 . ©ott fann nteßt ben ©ereeßten w e g r a f f e n mtt 
bem ©ottlofen. 2. ©3 fönnten boeß moßl fünfgig 
©ereeßte, b. b. Scßulbfreic in ^egug aut biefe£ Sser* 
tilgung^geri^t, oorßanben fein. 8 . feenn fo, mie 
fann ber SBeltricßter bie Stäbte oertilgen, bebingt fteß 
ja boeß bie ©ereeßtigfeit felbft bureß baö SRecßt? 

$er ßerr erflärt fieß berett, um fünfgig ©ereeßter 
willen, faH3 fie oorßanben finb, allen ben Drteit gu 
oergeben! 

®. 27. 28. $er breiften gorm ber erften gfür* 
bitte entfprießt bie bemütßige gorm ber gmeiten. 
Slbraßam weiß, bajj er mit bem jRicßter ber gangen 
©rbe rebet unb baß er ißm gegenüber nur Staub unb 
Slfche ift—Staub bem Urfprunge unb Slfdje bem ©nbc 
naeß—unb boeß erfübnt er fieß weiter mit ißm gu un* 
terßanbeln unb um Scßonung ber gangen Stabt gu 
bitten. 

©r jagt nießt: oielleicßt finb fünfunboiergig ©e* 
reeßte oa f fonberu er ßängt fieß an ba^ göttlicße 3^* 
geftänbniß. SEBenn e^ fo fteßt, wie bu fagft, fo fann 
ooeß ber m .angel oon günfen nießts entfeßeiben. 3lud) 
biefe SMtte faat ißm ber §err gu. 

ö. 29. 5)a Slbraßam nun weiß, baß e§ bem 

$errn nießt aufommt auf bie günf, wirb er breifter, 
unb geßt tn ber britten gürbitte oßne SBeitereS auf 
oiergm ßerunter, unb bringt babei noeß barauf, baß 
man fie jueße, bte man fie etwa finbe. Slueß bie^ 
feßlägt ißm ber öerr nießt ab. 

©. 30. 31. vlbraßam füßlt, baß er einen füßnen 
Sprung tßun muß. ©r fommt oon oiergig auf bret- 
ßig unb oon breißig auf gwangia ßerab. EÖie SRac^= 
giebigfeit be3 ^>errn ßat inn breift gemaeßt. 

ö. 32. 33. 3 um feeßften SRal wagt Stbrabam 
bie gürbitte, aber nießt, oßne mieber eine Slboitte 
oorauSgufcßicfen. 2 )cr ^>err möge boeß nießt über tßn 
gümen. 

Sei ber S^ngabl bleibt er fteßen, benn meniger 
als gwei SRanner für jebe Stabt fönnten feine SBen* 
bung ßeroorbringen. 


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SonntagfdjuUfehiionen 


105 


9tt>tabam3 Sfotgalten ift baö 3Befen bcr magren gär* 
bitte. (B ift bü£ unoerfegämte aingalten, 
oon welker 3efu3 Suf. 11, 8 rebet. ©S ift bie Un* 
Ocrftgämtgeit be3 ©laubenä, welcge ben unenblicben 
ttbftanb beä ©efegöpfed unb be3 ScgöpferS überbrueft 
unb unaufbaltfam auf ©otteä £er$ einbringt unb eS 
uiegt lägt, oi£ eä geg fiberwunben gibt. 

2Rit ber 3ufage, aueg um ä e ^ n ©ereegter willen 
iricgt *u oerberben, oerfegwinbet ber §err unb 2lbra* 
baut tegTt nach bem §aine tarnte ^urücf. 

fhrtftiMe öcbtnffu. 

Sie 4rifHid)e gnrbitlc. 

I. ®«mm fott fte gepflegt Werbe« ? 

1. SB eil bie aRenfcggeit eine gamilie 
btlbet. 35aS menfcglicge©efcglecgt gehört jufam= 
men, btlbet eine ©ingett. 3ft ©ott Schöpfer aller 
SWeitfcgen unb ©ater aller ©läubigen, bann ftnb wir 
Sküber unb jeber attenfeg, mit bem mir in Berührung 
fommen, ift unfer üRäcgfter. 35a$ 2Bogiergel)en ober 
SSerberben ber aftenfegen fann uns nicht gleicggiltig 
erfegetnen. 3Bir fühlen unö bis ju einem geWiffen 
©rabe für bie Rettung unferer atebenmenjegen oer* 
antwortlich. 

2. SB eil Siebe baS SBefcn wahrer 9teli* 
aion i ft. 35ie Siebe ift aufop erab unb mittheilenb. 
feie gat ein weitet fierj. eine offene $anb, einen be* 
rcttwiHigen gug. Sie fühlt jten $u ben atebenmen* 
fdjen ginge^ogen unb möchte vlue im §errn gerettet 
toifjen. 

3. SB eil wag re ©grifteu ^riefter ©otteS 
f i n b. gn ber gürbitte opfert ber ©brift ficb felbft 
für ben anbem. .gefuS opferte ficb in feiner gürbitte 
für bie günger unb bie SBelt (gog. 17). ©auluS 
toünfcgt in feiner gürbitte oerbannt $u fein oon ©grifto 
für feine ©rüber nach bem gleifcg. gobn Uno? oon 
©rfjottlanb flehte nun fierrn: „Scgenfe mir Seelen 
ober nimm meine Seele!" 

II. Sie Weit fott fte fi4 rrfhreifen? 

SBir füllen beten: 

1. gfir bie ©rrettung unb ©efegrung 
bcr SB eit. aflattg. 9, 85—88: „bittet ben $errn 
ber ©mte, bag er Arbeiter auSfenbe in feine ©mte." 
geglt biefe gurbitte, bann werben biele Seelen ber* 
[egmaegten unb niegt jur ©rfenntnig ber SBagrgeit 
tommen. 

35er felige ©engel fagte einmal: „35u fragft, warum 
nicht mehr aJtenfcgcn betchrt werben? 38ir beten 
nicht genug. SBemt e$ aefd)ä^e, wie biel beffer ftünbe 
f$ um ba£ menfcglicge ©ejcglecgt! 35arum bitte ja, 
»er beten fann." 

2. g ü r bie 0 b r i g! e i t. ©3 ift ©ott, ber bie 
öeltregierung in £änben gat,Uönige abfegt unb ein* 
fefit unb ihnen allen baS §erj lentt. 35arum wir für 
Könige unb Dbrigfeit beten, bag wir ein mgigeS unb 
itiüei geben führen mögen in aller ©ottfeligfeit unb 
Sbrbarfeit (2 iim. 2,1 4). 

3 ftür ba3 fßrebtgtamt. Siehe©pgef. 6,19; 
Sol Z2—4; 2 Xgeff. 8 ' 1 * öic f cn <Btcllcngeht 
bminr baft ®aulu£ ben rechten ©ingang inbaöSBort, 
ben rechten' ©riff in ba« ^eilöwort bei ber $rebigt 
SSfSSrt Der ©emeinbe abhängig macht. EiejeS 
rUhtJzRört aibt ©ott, barum jouen bie ©laubigen 
Ähten er feine Unechte beim ©riff in ba^ 
friÜortVeitc unt. i^nen bie red,te Siebe 0 efce. 


4gür einanber. „53etet für einanber, bag 
ihr gefunb werbet (gaf. 5,16). Xte SSebeutung unb 
Uraft biefer gürbitte beruht barauf, bag wir aü^u* 
mal ©lieber gnb an einem fieibe, uns um benfclben 
aJiittelpunft bewegen in ber Siebe unb eine Sebenäge* 
meinfehaft mit einanber haben, barum oermögen wir 
burdjä ©ebet auf einanber einjuwirten. 

5. gür bie geinbe. C^^riftnö am Äreug. Stc* 
phanuö unter bem Steinregen. 

III. »a6 itt ihre gnicht. 

1. airbeiter werben in ben SBeinberb 
©otte^ gefanbt. 35a£ ift unb bleibt und ein 
munberbareä ©eheimnig, bag baö aiuäfenben ber 
s ^rebiger oon ber gürbitte abhängt! aiber e§ ift fo, 
ba£ bezeuget ©otte^ SBort unb bie ©rfaprung. 38a^ 
bleibt nn£ übrig al^ ju thun, wie un^ gefagt ift, au 
bitten für bie 3Belt um un$ h c ^ bag ge belehrt 
werben möge? 

2. 3)a3 ^rebigtamt wirb erfolgreicher. 
So lange 2laron unb £ur 3Rog $änbe emporhielten, 
flegte gSrael über aimalet, fo halb ge faitfen, gegte 
aimalef über gSrael. 

3. Uinber ©otte§ werben oerbunben. 
gibt fein erfolgreichere^ Mittel eine ©emeinbe 

ober Sonntagfchule ju bereinigen in Siebe unb ©in* 
traefjt unb beftehenbe ^inberniffe $u befeitigen aB 
her^lidbe gürbttte. 

4. ®erbältniffe werben aefchaffen, 
burch welche ©ott weiter wirren rann in 
ber ©rrettung unfterblicher Seelen. 
35er fromme fßrebiger S pener hatte einen fehr be* 
fäl|igten, aber böchft ungerathenen Sohn, bei bem aüe 
aJhttel ber Sieoe unb be$ ©rnfte^ ganj fruchtlos ^u 
fein fdjienen. ©inft nun erfranfte bcr ungeratene 
Sohn heftig, unb lag mehrere SBocgen ba, nteift $war 
fegweigenb, aber fidgbarlich in grogen innerlichen 
Uäinpfcn. ©nblicg richtete er fid) einmal auf unb rief 
mit gepregter Stimme: „35ie©ebetc meineö 
®ater^ umringen mich *oie Mergel'' S3alb 
barauf wanbte fich oie.f ranlbeit, er gena£,unb Spener 
batte bie groge greube, ign fpäter al3 rechtfchaffenen 
©griften ju fegen. 3Bir erinnern ebenfalls an bie 
gurbitte ber aftonifa um bie ©efegrung igre^ unge= 
ratgenen Sogneö aiuguftin. 

Änbcntungcn für Shaffrit. 3Ran erzähle ben 33e* 
fiug ber ©ngel bei aibragam. 3Jfan befdgreibe ba6 
aBognen im anb bie morgenlänbifcge Sitte ber 
©aftfreunbfegaft. attan gebe geroor wie aibragam 
biefe gremben alö liebe greunbe beganbelte unb ba* 
bureg ogne Söiffen ©ngel beherbergte! aRan ^iege 
bie Sehre cgriftlicger ^öflicgfeit unb ©aftfreigeit ger* 
üor. uRan weife gin auf bie oertraute greunbfdjaft 
5 Wif<hen aibragam unb bem §errn; wie bcr §err geg 
mit vlbragam einlägt unb auf feilte ©itten merft! 
Ober aud) weife man barauf gin, wie ein ©grift feinen 
atebenmenjegen nun Segen gereiegen fann unb $war: 
1. ^ureg fern äRitgefügl. 2. 35urcg fein frommes 
©eifpiel. 3. ^ureg feine bereitwillige £>ülfe in bcr 
SRotg. 4. 35urcg feine unabläffige gurbitte. 

Ober aueg 1. gürbitte ift nötgig, wenn Sünben ^um 
Fimmel emporfdjreien. ©. 20. 

2. gürbitte fann nur pflegen, wer mit bem £>crrn 
oertraut ift. ©. 23. 

3. gürbitte mug inftänbig unb angaltenb fein, um 
©rfola ju erzielen. ©. 28. 30. 

4. gürbitte gat igre gewiffen ©rennen. ©. 32. 




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106 


S«nniagfd|u|:frhttonrn, 


©onntag, 27. [fcbruar. Vt?ltlglfR|| ©OfcOttlG 1 g»of. 19,15—20. 


15. Da nun bie ffltoraenrötbe aufging, bteften bie (Engel ben ßot 
eilen, unb fptacßen: ©cad) bim auf. nimm Sein ©eib unb beine 
ituo Xöcfater, bie toorbanben fmb, ba| bu nicht auch umtommeft 
m bet SRiffethat biefer Stabt. 

16. Da er aber beraog, ergriffen bie BR&nner ibn unb fein ©eib 
unb feine gtoo Död)ter bei ber eanb, barum. bafc ber $err fein 
nerfmonete; unb fäbreten iljnginau*, unb lieben ihn außen bor 
ber Stabt. 

17. Unb alft fic ihn hatten binau* gebracht, toradj er: (Errette 
beine Seele, unb fiche nichtbinter btch; auch ftehe nicht in biefer 

B ©egenb. «uf bem vetge errette bich, baß bu nicht um? 
t. 

18. «ber fiot fprach au ihnen: ttd) nein, $err. 

19. Siehe, bieroeil bein ftnedjt (Knabe funben hat bor beinen 
«ugen, fo ftotlcft bu beine ©armberjigfeit groß machen, bie bu 
an mir getban haft, baß bu meine Seele bei bem Sieben erhielteft. 


ft<h tann mich nicht auf bem ©erge erretten; eö möchte mich rin 
Unfall antommen, baß tcb ftftrbe. 

20 . Siehe, ba ift eine Stabt nahe, barein ich fliehen mag, unb 
ift Mein, bafelbft miß ich ntich erretten; ift fie hoch flein, baß 
meine Seele lebenbig bleibe. 

21 . Da fprach er au ihm: Siebe, ich habe auch in biefcm Stücf 
bich angefeben, baß ich bie Stabt nicht umfebre, baoon bu gerebet 
haft. 

22 . (Eile unb errette bich bafelbft, benn ich Kann nichts thun, bie 
baß bu hinein lommeft. Daher ift biefe Stabt genannt floar. 

28. Unb bie Sonne mar aufgegangen auf (Erben, ba fiot gen 
3 oar einfam. 

24. Da ließ ber $err Schmefel unb fffeuer regnen oon bem 
$errn bom $tmmel herab auf Sobom unb (Komorra. 

25. Unb fehrete tie Stfibte um, bie gange Ciegenb, unb alle 
(Einmobner ber Stäbte, unb maS auf bem fianbe gemacßfen mar. 

26. Unb fein ©eib fahe hinter fid) unb marb gut Salgfäule. 


ibfifdjer ©rnnlgebanfe : „Errette beine Seele/' 

1 SJtof. 19,17. 

Einfettung: $)aS längft gebrohte ©erießt beS gerrn 
über Sobom unb bie untliegcnben Stäbte im ißale 
Sibbim bricht nun enblicß herein. 2)ie fieutc au'So* 
bom maren böfe unb fünbigten feßr miber ben $errn 
(Äop. 13,13). 9^id)t einmal aeßn ©ereeßte loaren ba* 
felbft au finben. 2)aS ©erießt beS SMerßöcßften mar 
unausbleiblich. 

©3o aber bie 3aß l ber ©ereeßten, melcße ftefuS in 
feiner ©ergrebe als Sala ber ©rbe beaeießnet, nicht 
mehr auSreicht, ein ©olf ober eine ©emeinfehaft a u 
retten, ba forgt hoch noch ber gerechte ©ott für bie 
Rettung ber Wenigen, bie an ihn glauben, unb mären 
cS berfelbcn auch nur amei ober brei. fiot mar ber 
Offenbarung beS mähren unb lebeitbigen ©otteS mit 
Abraham tßeilhaftia gemorben. 

Obmohl er ftch auf gefährlichen ©oben begeben unb 
ftch ber Söclt gleicßgeftellt hatte, motlte ber £>err ihn 
unb feine Familie boch oom ©erberben retten. 'S'a* 
her bie ©rfeßeinung, meldet fiot au Xßeil marb ($ap. 
19, 1—14). 

Erfläntng. 

ö. 15. 16. Söhne ober üerheirathete Xöcßter 
feßeint fiot nicht geßaot au hoben, fonbern nur ©ibame, 
bie mit feinen beioen noch lebigen Töchtern oerlobt 
maren. liefen erfchien eS Xödherlidh, baß Sobom 
foUte üertilat merben. Sie maren nicht bereit xum 
ftuSaug. fiot tmb feine Familie aögerten ebenfalls 
bis aum lebten Slitgenblid. 

SllS nun bie SJtoraenrötße aufging, mar eS böcßfte 
3eit für fiot bie Srlucßt au ergreifen. $>ie Siuffor* 
berung gur ftlucßt Oon Seiten ber ©ngel feßien nicht 
cinbrucfsooU genug a.u fein. Sie mußten fiot unb fein 
2Beib unb jetne amei Töchter bei ber §anb ergretfen 
unb fie $ur Stabt hinausführen. 2Bie fchroer mußte 
ihnen biefer Schritt gemorben fein! 

©. 17. 2113 bie ©ngel fiot außen oor ber Stabt 
loS ließen, gebot ihm ber $err, bei Rettung feines fie* 
bettS, nicht hinter fid) aurütfaufeßauen unb nicht fteßen 
au bleiben m biefer gangen ©egenb, meil baS Um* 
feßen unb Stehenbleiben 3eit toftet unb neue fiuft in 
Sobom au bleiben, meefen möchte. 2luf bem ©erge 
foUte er fid) erretten, b. ß. auf bem moalitifchen ©e* 
birge jenfeitS beS tobten SJteereS. 

©. 18 -22. Unter ben himmlifcßcn SSefen, bie 
fiot er jebienen maren, erfannte er ©inen als ben 
©oraüglicßften an. 

SJtit biefem läßt er (ich nun in eine Unterhanblung 
ein, unb rnirb burd) feinen ©igeitnuß getrieoen, anm 
ftürbitter. ©r meift hin auf baS fleine ©eUa 3aar — 
unb meint, eS fei boch eine kleinigfeit, menn ber £err 


ihm biefe megen ihrer Kleinheit als 3nßuchtSftötte 
überlaffe unb alfo Oom Serberben auSnehme. 

$iefe Oertlichteit ift bis heute mohlbemäffert unb 
mit Säumen unb ©efträuaj bemachfen, boch unge* 
funb; fie mirb oon ©ebuinen bemahrt unb mohl ge* 
baut. 

2(uch in biefem Stüd übte ber $err 9?achfid)t. fiot 
hätte fid) gemiß auf baS ©ebirge retten tonnen, aber 
er mollte nicht. 

Söie gnäbig ift bod) ber $crr gegen feine fchmachcn 
Sttenfchentinber! ©r oeraieht mit ber äerftörung 
SobomS, bis fiot außerhalb ber ©efahr ift. ^aßer 
ber 3uruf: ©ile unb errette beine Seele! ©rrette bid) 
bafelbft! 

©. 28—25. 5U3 fiot fich nod) auf bem Söege nach 

oar befanb, ließ ber ^>err treuer unb Scßmefel auf 

obom regnen. Stießt nur bie Stäbte mit ißren 33e* 
mohnem, fonbern aueß ber an SlSpßalt—Sccßßara- 
reieße Boben tourbc in 53ranb gefteeft, fo baß baS 
ganae Xßal auSbrannte unb in Die Xiefe fan! ober 
umgefeßrt, b. ß. oom ©runb aus aerftört mürbe unb 
baS tobte SOteer an feine Stelle trat. 

5lußcr Sobom, melcßeS mahrfcßeinlicß bie $aupt= 
ftabt beS SibbimtßaleS mar, ift noeß ©omorra unb 
baS ganae Xßal, $ap. 14, 3, genannt, mit melcßem 
aueß aic noeß barin gelegenen Stäbte Slbama unb 
getoim untergingen (5 9)cof. 29, 22). Stur 3oar am 
Süboftenbe beS XßaleS mürbe um fiots miuen ber* 
feßont. 

ö. 26. 5)cS göttlichen Verbotes ungeachtet, 
feßaute fiotS Söeib aus Seßnfucßt naeß bem ungern 
oerlaffeneit SBohnfiße unb irbijeßem ©ute — ficße 
fiuf. 17, 31, 32 — unb marb au einer Salafäule. 

$urd) ißr 3urücfbleiben mürbe fie oon bem bie 
fiuft erfütlenben Scßmcfelbampf unb Seuer getöbtet 
unb bann oon Sala incruftirt, eingefcßloffen; baß fie 
einer Salafäule glicß. Stocß jefct merben oon ber fal* 
aigen Slusbünftung beS tobten SJteereS bie ©egen* 
ftänbe in feiner Stöße halb mit einer Satafrufte üoer* 
aogen. 

flraftifiße ©ebanfeit. 

Errette beine Seele! 

I. ©eridjt briißt herein. 

1. lieber Sobom. Stacß Xagen ooU Sünbe 
unb Stäcßten ooll ©reuel lagen bie föemoßner So* 
bomS im fixeren Scßlafe. ^a rollte fernßer ber 
Bonner; ^liße audten unb ber ©immel rötßete fieß 
in bunfler ©lutß. Xer ^Bliß fcßlagt ein, unb ein faft 
erftiefenber 2)ampf oerbreitet fid). Sie feßen ßinauS: 
ganae fteuermaffen fallen ßerab; eS regnet Scßmefel 
oom ©imrnel, bie fiuft ift entaünbet unb ber ©oben 
brennt. $er ©liß ift in bie mit $ecß* unb $ara- 


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3u* ber $rit. 


107 


abcm burd^ogene ©rbe gefahren. Der ©rbboben 
glüpt unb brennt! Die glommen jüngeln an unaäpli* 
gen ©teilen empor, ©inaelne Käufer, bann lange 
Reiben, enblicp bie ganje ©tabt fte^t im ©ranbc. 

Rttgemcined ©ntfepen ergreift bie ©ewopner! ©ie 
eilen, um fid) ju retten; ©ie gürten burcp bie ©tragen, 
aber ©üffe brennenben ©chwefeld »äl$en fiep ihnen 
entgegen; pie unb ba bricht ber ©oben, unb ed ent* 
iupen Rbgrünbe, bie ficb plöplich mit untertrbifcbem 
feaffer füllen, ©in $aud ber ©ünbe nach bem an* 
bern wirb ergriffen; aud bem geborgenen ©runbe 
leden glommen an ber ©cpwette herauf; bie glübenbe 
Suft jünbet ben ©iebel an; tracpenb ftürjen Sßaläfte 
jufammen. 

Der gammerruf ber ©erwunbeten, ber ©erbren* 
nenben, ber ©terbenben bringt burcb bad Doben ber 
©lemente. feilbed 3 ctcr Ö e f^ret burdbfcpneibet bad 
3ifcpen ber Rfarünbe, bad Gaffeln ber glommen, bad 
©raufen ber feinbe, bad Äraren ber fattenben § äu* 
fer unb bad bumpfe ©etöfe bed einfintenben ©obend. 
©nblich bullt fid? in bicfen Dampf ber Ort ber gin* 
ffemiß. 

Stach unb nach berftimmen menjcblicbe Döne, unb 
cd roirb ffitte. ©d raucht nur. ©d jijcpt nur bie glutp 
bed gorband, bie ficb ber ©ranbffätte bemäcptigt. 
©obom ift oertilgt unb bad tobte ©teer gebt über ber 
oergucpten ©teile! 

2 . Ueber bie feeIt. ©obomd Untergang ift 
ein ©ilb bed ©nbed ber feelt! ©leupwie ed gefcpah 
in ben Dagen Sotd. fo wirb ed auch aefd^e^en in ben 
lagen bed SJtenfchenjopned. ©ie aßen, fie tränten, 
jie tauften, fie öerfauften, ge pflanzten, fie bauten. 
Rn bem Doge aber, bo £ot aud ©obom ging, ba reg* 
nete ed geuer unb ©cpwefel oom §immel unb brachte 
ge RUc um. 

Ruf biefe feeife toirb ed auch geben an bem Jage, 
wenn bed SRenfcpenfohn fott geoffenbaret »erben 
(fiut. 17, 28—30). 

3. Ueberben©ünber. Der Dob ift ber ©ünbe 
Sohn! Die ©eele, bie fünbiat f fott bed Dobed fterben. 
gebe ©ünbe unb Ungerecptigteit wirb empfangen 
ihren geregten Sohn, feer auf fein gleifcp jget, »trb 
oon bemfelben bad ewige ©erberben ernten!' 

II. ©in Ort Her ©icherpeit ig borpauben. fead 
goar Sot unb feiner gamilie toerben fottte, bad fott 
gefud ©priftud i e & em SJtenfcpen »erben, ©r ig bie 
greigatt, ber Ort ber Sicherheit für jeben ©ünber. 
feer in ©prifto Aufnahme gefunben bat, ift eine neue 
©reatur, an ber ntcbt länger ettoad ©erbantmlicbed 
ig. ©ott will nicht, baß gemanb oerloren »erbe, 
fonbern baß fiep gebermann $ur ©uße lehre unb lebe. 


III. Der fterr lammt bir liebreich entgegen, feie 
beforgt »ar oer $err, baß Sot mit feiner gamilie ben 
©erberben ©obomd entrinnen möchte! ©r tünbiate 
ihm nicht bloß bie ©efapr an unb »ied ihn ben Ort 
ber ©iAerljeit; er nahm ihn bei ber $anb unb führte 
ihn. ©r hielt fogar mit bem Strafgericht über ©o* 
bom inne, bid Sot aud ben ©rennen ber ©tabt gegan* 
gen »ar. 

©o liebreich tommt ber £err und entgegen, ©r 
hat feinen ©onn gegeben, um mit ihm und Rtted ju 
jehenfen; ©r bat fein feort gegeben, um und *u be= 
lehren; ©r bat feine ftHrcpe unb bie ©onntagfcbule 

? iegrünbet, in ber »ir Rujnapme unb eine ^eimatp 
ür unfere ©eele gnben. ©r bot feinen ©eift gefanbt, 
ber an unfere £>er$en Hopft unb und an bad ©erber* 
ben ber ©ünbe erinnert, bamit »ir entgieben möchten. 

IV. Ruf hem feege her glaipt ig ©(fahr. Da* 
oon ig ßotd feeib ein »amenbed ©eifpiel, an »elcbed 
und ber $err gefud in feinen Sieben oon ben lebten 
Dingen erinnert. 

feie ©iele finb auf bem feege ber gludg umgetom* 
men! Rgrippa »ar beinahe überrebet, ein ©brift au 
»erben, gelij »ar oon *ßauli Siebe ergriffen, »uroe 
aber nicht errettet, feie ©iele haben einen guten Rn 
fang in ber Stellung ihrer ©eele gemacht unb finb 
hoch Oerloren gegangen. Demad ift hierin ein ©ei* 
fpiel. feie fchrecflich muß ed fein, beinahe gerettet 
ju fein unb hoch noch Oerberben! 

„©einab’ gewonnen" — jeßt fintt bad Sicht, 
„©einap* gewonnen" — bort naht’d ©erid^t! 
„©einab*" ift — nicht genug, 

„©einap'" ift — ew’ger Dmg. 
gept tönt ber ©chreaendipruch: 

„©ünber,ju fpät!" 

Rnbcntungen für Iclaffen. 1. ©dplbere bie ©ott 
loggfeit biefer ©täbte in benen Sot wohnte. 2 . ©e* 
fchrcibe bie ©intehr ber ©ngel in ©obom mit ihrem 
Ruftrag an Sot. 3. feeife befonberd hin auf bad ©er¬ 
halten ber ©ürger gegen bie ©ngel, gegen Sot, unb 
»ie ber Sot fchüpte. 4. ©rjähle bie ©reigniffe 
am borgen ber ©ertiigung ber ©täbte* bad 3 ogern 
Sotd unb feiner gamilie, ben ©rng ber ©ngel, bie Sot 
bei ber £anb j a ^ en uni) au ^yh ren< 5 , 
fchreibe eine große geuerdbrunff unb Dann oergleicpe 
ben ©ronb ©obomd. 6 . §alte Sotd feeib als »ar* 
nenbed ©rempel bed Ungehorfamd oor; 1 ) fie ftarb 
auf bem feege ber gludg; 2 ) fie ftarb plöplid); B)ffie 
garb in ihren ©ünben; 4) fie ftarb eined ungemeinen 
Dobed; fie blieb unbegraben $u einem ©yempel.ber 
©träfe ©otted. Rnwenbung. ©ile! ©rrette beine 
©eele! 




Jlus ber ^eif. 


#e|t*g Hem «onopol ja Seihe? fett »ünfeßen ed 
oon ganzem öerjen, fo ed burch gefepliche Mittel ge* 
ffhieht. Diefed 3 u f ammenr affen ber SJtacht über ein 
großed ©ifenbahunep, ober über mächtige ©ewerb* 
unb ^anbeldintereffen in ein paar SRenfcpen * $änbe 
muß oerberblicp »erben. 

l 5 b bad Sttonopol erfolgreich belämpft »erben 
lann, wirb man halb bur» $»ei oorliegenbe gatte 
erfahren. 

1 ) £at ber Oberftaatdanwalt oon ^ennfploanien 
nunmehtaegen bie mit ben ©ifenbahnen oerbünbeten 
ftohlen-Swonopoliften ftlage anhängig gemacht. 


2 } ©unbedrichtec ©rejham gab in ©hicago eine 
Wichtige ©ntfepeibung ao, inbem er bie Ultaiienoer* 
»alter ber feabafh*©ahn abgefept hat. Der Stichler 

S ;llte feg, baß biefe SJtaffcnoerroalter bie betreffenbe 
ahn nid)t im gntereffe ber ©läubiger oerwalteten, 
fonbern in bem gatj©oulb'd unb feiner ^elferdpelfer 
unb in ber richterlichen ©ntfefaeibung wirb bie Rrt 
unb feeife, in ber ©oulb unb iseinedgleichen fiep be 
reiepern, grünblicp an ben Pranger gegellt. Die ©nt* 
fcpeibung maept mit Stecpt großed Ruffeben unb wirb 
ald ein bem ©cpwinbel unb ©etrug oerfepter ©cplag 
oon ber öffentlichen SReinung mit gubcl aufgenom* 


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108 


Hu* brr $rit. 


men. 3 ao ©oulb faßt freüid^, Süd^ter ©rejßam fei 
oom ^räfibentenfieber befallen unb biefe ftranfßeit 
habe jeßon größere £eute *u Xßorßeiten oerleitet, 
aber aus ißm fprießt bie blaffe guteßi unb um feinem 
Xreiben ein ©nbe $u bereiten, fdjeint eS mirflicß eines 
3ftamteS oom Schlage ©refßamS im Eräfibentenftußlc 
*u bebiirfen. Unb menn ©refßam baS fianb oon ben 
©oulbs befreien tann, — allemal für ©refharn! 

Unb bod) übertroffen! „©roß, größer, am grö* 
ßeften !" alfo ruft man hier ju fianbe, menn oon Arne* 
rtfa bie Üiebc ift. $aS. größefte Sanb, baS größefte 
Eolf, bie größefte SHepuolif, baSßöcßfte Monument (in 
Etofßington), bie größte Eilbfäule (greißeitsfigur tm 
9Jem ?)or!er ipafen). AnberS tßun rnifS niißt. 

Unb bocß fiiib mir fchon längft oon einer anbern 
Eilbfäule übertroffen. §a —noeßoon ben alten Eubb* 
giften übertroffen! 

Ekit hinten in Aficn ftebt in ber 9Jäße oon ©abul, 
8000 ober 9000 guß über oer SfteereSfläA? unb ©e= 
birgSeinfantfcit eine Steinfigur, bie 173 guß ßocß ift. 
9Kau Tennt fie fcßon längft unter bem tarnen „Ea* 
mian Eilbfäule." Aber erft im 9?oüember 1886 
mürbe biefer ftoloß genau gemeffen. Unb fietje ba— 
bie Amerifaner fiub ubertroffen, benn i^re greißeitS* 
figur mißt oßne ben Unterbau nur 111 guß unb im 
©aiiacn blos lSl^guß. genes Eamian fttiefenbilb 
aber mißt oon bergußfoßle bis *um Scheitel 173 guß! 
©S fotl mit anbern Eilbfäulen fcßon 1600 ober 1700 
Qaßre bort in ber Eergnifcße fteßen, hat einft als 
©öpenbilb gebient, unb mar früher mol)l oergolbet. 
Eubbßiftifcße ^riefter Ratten in jener ©egenb ein 
SU öfter unb errichteten biefe ungeheuren ©bpenbilber 
in Eifcßen, bie fie in bie gelSmäube meißelten. 

©S tßut gar nichts jur Sache, baß Afien ben groß* 
ten Eilbriefen hat. 

3m Uebrigen aber bürftc man ber amerifanifeßen 
Nation münfehen, ben SJiunb nicht in allen Gingen fo 
ungeheuer ooll $u nehmen, unb auch ein menig befrei* 
ben au fein. 

3n mie oielen mistigeren Sachen finb mir mohl 
fchon heute übertroffen; in mie oielen merben mir noch 
iioertroffen merben ? 

©ine Sountagfdjul« ©ondention in Seutfdjtairti. 

derartige ©onoenttonen merben jefet ni<ßt bloS oon 
ben böjen Selten, fonbern auch oon ben Sttitgliebern 
ber StaatSfircße im alten Eaterlanbe gehalten unb 
gemößnlicß oon Pfarrern berfelben geleitet. 

28enn man fo ctma oor 30 ober 40 fahren p 0 rauS 
gefagt hatte, fo märe man für närrifcß gehalten 
morben. 

SBitnberlicße Sachen merben jmar auch heute nocß 
in biejen ftaatSfircßlicßen SonntagfcßuUSonoentioncn 
beS EatcrlanbeS oorgebraeßt, fo munberlicß, baß un* 
ferc beutfeß ■ amerifanifeßeu Sonntagfcßul* Seßrer, 
gleicßoicl melcßem Eefenntniß fie angehören, Sftunb 
unb Ohren meit auffperren mürben. 

. hielt 3 . E. ein $crr Eaftor Saßufen bei ber in 
Eremen gehaltenen ©onücntion einen Eortrag über 
baS $hema: „A3aS miß unb maS mirtt bie Sonntag* 
fdjule V" unb fagte unter Anberem, bie Sonntagjchule 
fei eiiüfacß $inber©otteSbienft; ihr 3o>ecf Erbauung, 
nidjt Eefeßrung. Xie Sonntagfcßule mollc bie $in* 
ber n i d) t $u gefu führen, ba bieS bereits burS bie 
STaufe gefSehen fei. Sie müffen beßhalb unter s 2luf= 
fiSt beS SUrchenoorftanbS fommen 2 c. Solper SUnber* 
©otteSbienft maSe bas ^>auS beS Jperrn merth, meefe 
heilige Antriebe, pflanze ^icbe in’S .^er^ 2 C. 2 C. 

SolS firSliS — oerfnöcherte Slnfi^t oop ber Sonn* 
tagfchulfadje fanb, ©ott fei 5)anf, bei manch« 1 2 lnme= 


fenben lebhaften ESiberfpruch. ®err ©raf oon Eem* 
ftorff betonte, baß bie ianfe hoch nur ein ©naben* 
a n g e b o t ©otteS fei, meid)«# erft burdb bie Eeteljrung 
ergriffen unb beantroortet merben ntüffe. 

^err Eaftor gunre fagte, er fürchte, baß menn bie 
SUrdje als folc^e bie Sonntagfdjul * SaSc aufnühnie, 
bie Sache in tobte öänbe tommc. SJtan mürbe als* 
bann fo lange an oer Sonntag*SSnle herumregle* 
mentiren, bis fie auch bem Xobe oerfallen fei. ©r 
halte nid)t oiel oom StaatSfirchenthum unb feße ben 
Eanferott bejfelben oorauS, baS heißt, biefer SUrdjen* 
form, nid)t aber beS 9teiSe§ ©otteS; benn tro^ beS 
EerenntniffcS fei oft ber Xob im Xopfe. 

ffii: finb banfbar, baß mir in Slmcrifa in biefen 
fragen einig finb. 

©ifbt eS ftrieg in ©uropa? 3 n näAfter 3 eit moßl 
niSt. $er 9tuffe brummt jmar gan^ oebeutenb unb 
möSte in Eulgarien unb jonftmo gan^ unb gar hau* 
fen, mie ißm beliebt. 9lber fttieg anfangen ? 5)aju 
gehört bor 5lllem eine Unmaffe ©elb, unb baS ift nicht 
fo leicht j$u haben. 

$>er granjoS ift burS feine fchrecfliche 9licberlage 
im Qahre 1870 tief getroffen, ©r möSte moßl bie 
Scharte gern auSmeßen. vlber er hat erfahren, mit 
mem er’S ^u tßun befömmt, unb mirb mol)l noS eine 
Söeile märten, bis er loSfchlagt. 

$ic ^eutfehen mollen grieben haben, menn fie fön* 
nen. Sie haben jept ein Si’aiferreiS, monaS fie 
fSon lange traSteteu. Sie haben ©liaß unb Soth s 
ringen unb zeigten bem gran^oS, baß ©inigfeit ftarf 
maSt. ©S ift ißr Eortßeil, menn fie ©emerbe unb 
§anbel im grieben entmicfeln fönnen. 

©nglanb, OefterreiS unb Italien merben fieß faum 
in einen großen $rieg einlaffen, oßne eine ber oben 
genannten Mächte als Ecrbünbete, ober menigftenS 
im dürfen ^u haben. 

$>er Xürfe fann nicht mit einem ber ©roßen an* 
binben, menn ißm ^iemanb hilft, benn eS fcßlt ißm 
bie 3Jtünje. 

Somit mirb eS moßl noS ein SSeilSeu grieben 
bleiben. Eietteicßt fogar fo lange als EiSmarcf lebt. 
®enn ber ift immer nod) ber Söceifter auf bem euro* 
päifSen ScßaSbrett, obgleich manch? fieute meinen, 
er ßabe in neuefter 3?*t in Eulgarien oom SRuffcn 
eine Oßrfeige befommen. ©r ßat ben Eattenberger, 
ben 3lleyanber geopfert, baS ift maßr. Sonft aber ßat 
er fid) mieber als SJteifter bemiefen, benn er holte bie 
Äaftanien n i cß t für ben ©nglänber aus bem geuer. 

Vorbereitungen jum Strieg merben getroffen. Sßeue 
SJtorbmaffen merben überaü eingefüßrt. Unb am 
©nbe maeßen biefe fchrecflicßen SOfcorbmaffen ben ÄMeg 
gerabeju unmöglich. $ fl S märe baS Eefte. 

N 2lcß, tüie gut haben mir’S bocß in 3lmerifa, mo mir 
fein großes ftebenbcS §eer brauSen, unb unfere 
Sößne oon ber $irfelßaube oerfSont bleiben! 

O, bu läctcrlicßc ^ummßcit! 3Benn folgenbeS ©e* 
fSiStS en »aßr ip, fo mirb baburd) na^ re^ts ober 
linfS bie ^ummßeit am Xßron unb in einer SKcpublif 
illuftrirt. 

©S mirb berichtet: „Eon bemEorrccßte ißreSSRan* 
geS ©ebraueß maS?wb, fpra^ ^abame be Saboulape, 
bie ©emaßlin beS franjöfffSen EotfSafterS in 
9Jtabrib, oor Tunern ben SBunfS aus, oon bem ju* 
genblicßen ^önig vllfonS XIII. in Slubienj empfan* 
gen *u merben. 9^acß ber fpanifeßen $ofetifettc barf 
ber Ä'önig, felbft menn er nocß in ben äöinbeln liegt, 
nur jmifSen ein unb brei Ußr SßacßmittagS 3lubicnj 
gemaßren. 9US bie EotfSafterin, oon ber Dberßof* 
meifterin begleitet, um jmei Ußr im Appartement 


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Jim Hämin. 


109 


UfonS’ XIII. erfcpien, lag bcr $önig fcßlummemb 
in Seiner SBiege unb gab, als er aufgemecft mupbe, 
jeinem SJftßoeTgnügen über biefe (Störung, energi- 
fdjen SluSbrucf. 9lue Verfucße ber SBartefran, ipn ju 
befepmießtigen unb *ur (Sntgegennaßme ber eßrf urcptS- 
rollen §ulbigungen ber Vertreterin ber fraii^öfifc^en 
Äejmblif m beroegen, ermiefen ftcß als erfolglos. 
$ 1 $ bie Votjcßafterin fiep jurüctjog, iagte ißr bie 
Cberhofmeifterm läcpelnb: „3<ß ßoffe, SRabame, baß 
Sie oen unliebenSmürbigen (Empfang, ben 3Pnen 
8 . SJtajeftät $utßeil merben ließ, niept übel aufneß- 
men, unb baß ber ungünftige Verlauf ber 3lubienj 
bie befteßenben guten Vejießungen amifcßen grant- 
reicp unb Spanien niept trüben tturb." 

t ie Seplußftßuttg bei 49. Kongreß toictelt ftcß ge- 
genmärtig ab. 2 Bcnn unfere SanbeSberatßer bie tßnen 
Diesmal nocß $ur Verfügung ftepenben brei Monate 
nur ßalb fo ungenübt oorübergeßen ju laffen oer- 
ßeßen, mie bie fieben attonate ber erften Sipung, bann 
fann Das Sanb bis junt näcpften 9ttärj [i<ß beS ooll- 
tommenften gefefcgeberifepen SBaffenfttlljtanbeS oer- 
fiepert palten. $a aber, — menigftenS nacp meiner 
iReinuna, — ein ameritanifcper Kongreß fcßlicßlicp 
boep noaj anbere 3toede pat, als bent lieben Vater- 
lanbe gerabe biefe &rt SRuhe ju gemäßrleiften, fo toirb 
man bocp niept umßin tonnen, ben VSunfcß auS^u- 
fpredjen, baß bcr 49ße Kongreß bie ißm nocß ^uge> 
mejfenen brei Monate ju etmaS Änberem benußen 
mocßte, als mäßrenb berfelbcn auf ben Lorbeeren, bie 
er ftiß tn jeinen erften fieben SRonaten niept ermorben 
bat, *u rußen. 

tit üittrr Hont blauen Äreuj. @S giebt ßeutyu- 
tage oiele Seute unb Vereine, bte fiep Witter nennen, 
unb manchmal tommt baS Sacßcn, rnenn man an bie 
Meinung biefes 2luSbrutfS bentt, unb bie Seute be¬ 
trautet, bie fiep alfo nennen. 

3n ber Scßmei$ pat fiep aber ein Verein gebilbet, 
toeleßer feinen JRittertitel „3 um blauen Streu-*" 
rooßl oerbient. £)iefc ©efellicßaft pat fiep baS Ricl 
gefteeft, bie elenben, armen 4runtenbolbc aus bent 
Serberben perauS^upolen. 

Tiefe bitter prebigen nicht bloß, marnen niept bloß 
imb oertpeilen niept bloß Scßriften. Sie tpun oiel- 
mebr. ge ein Vereins nimmt fiep im 


Vefonberen e i n e S Unglücfließen unb feiner ga- 
milie an. Tiefe SRitter entpalten fiep aller beraufepen- 
ben ©etränte unb laffen ben Xrunffälligen erft für 
eine SBocpe baS fcpriftliepe Verfprecpen gän^licper 
(Sntpaltfamteit geben. ©eltngt’S, fo mtrb’S für einen 
SRonat erneuert; bann für einen längeren Reitraum. 
3 n$nnfcpen trägt ipn unb bie Seinigen Siebe, ©ebet 
unb Xßeilnaßme, 9tatp unb §ülfe beS SftanneS „oom 
blauen ^reu^." 

X)er Segen biefeS erft neuerbingS gegrünbeten Vun- 
beS maept fiep bereits füplbar unb es merben auep in 
$eutfcßlanb Derartige Vereine gegrünbet. 

SBeldi’ ein Segen märe folcpe praltifcße Xpätigteit 
foleper (EntßaltfamleitS-SRitter in vlmertta! 

$ie neuefte ^rflnbuug auf firipltiprm Voben finb 
Äireben-Sott^erte ftatt beS (onntägigen WbenbgotteS- 
bienfteS. 3)ic ©ongregationaliften tn Vrooflpn, s Jt. %, 
maepen 2 lnfprucp auf biefe große (?!) @rfinbung. ®ie 
Seute mollen Sonntag SlbenbS niept mepr redjt in bie 
Äircpe fommen. 5)ie (Seiftlicpen flogen über Sabbatp- 
©ntpeiligung unb fepminbenben (Einfluß ber ^irepe. 
Unb biejen uebelftänben foK nun burep fonntäglid^e 
Äirepen-Sonjerte abgepolfen merben! 

(Sine Vrinta - ^onna ftatt beS SBäcßterS auf ber 
Rinne; ein Drcpefter ftatt ber betenbcit ©emeinbe; 
feines Cluartett ftatt eines brünftigen ®enteinbe-©e= 
längs! 

SBenn ber Antrag bapin lautete, pie unb ba fogc- 
nannte Vibcl- unb ®efang-©otteSbieufte an ber Stelle 
ber ^rebigt treten äu laffen, fo ließe fi* bieS pören. 
5lber alle Soitntag-Vlbenb regelmäßige Koujertc ftatt 
beS (SöangeliumS — baS ift boep gemtß fepl gegriffen. 

3öir mußten ein beffereS Mittel: 3 cne congrega- 
tionaliftifdben ©eiftlicpen follen jeben 9iaepmittag — 
Montag, ^ienftag, 5)tittmo(p, ®omterftag unb grettag 
bei ipren Ä'ircpcnmitgliebern maprpaftige Vaftoralbe- 
fuepe maepen, mit ben Seuten baS ^ort ©otteS lefen 
unb beten. 3^ öen Vormittag — Montag, Tienftag, 
aJtittmoep, 2)onncrftag unb greitag, fomic Den ganzen 
Samftag — mit betenbem .^erjen Xe^te ftubiren, unb 
bann am Sonntag mit glupenber Seele, unb opne 
Vapierfermone, oor’S Volt treten, unb bie §erjen unb 
©emütper paden. X)aS mürbe mopl beßer pclfen als 
alle (Sondert-©eberei 


Jl m Ha min. 


gär $afrn * jagenfee Pfarrer. S)er alte grip pat 
einmal auf eine Älage gegen ben „jagenben" Pfarrer 
folgenben Vefcpeib gegeben unb bamit mopl tief er 
gegriffen, als er beabfieptigte: „21 Ile £afen, 
fo ber ißaftor oon ©lomtp mit ber Vibel 
tobt f epmei ßt, biejoll er bepaltenbür- 
fen unb niept beßpalb oertlogt merben." 

fin 9Uttel gegen feie Sraurigfeit gab ber felige 
Vifepof ©obat aus eigener ©rfaprung öfter an. So 
hatte er einmal in ©traßburg in einer ©cfellfcpaft oon 
greunben oon feinem Vierte in Äbpffinien, oon feinen 
greuben unb oon feinen Xrübfalen gefpro^en. 2tlS 
er fertig mit (Sr^äplen mar, ftanb ein ^ßrofeffor, ein 
frommer Sftamt, auf uttb fteute in eifrigem Xone bie 
graaeanibn: „Äber maS tpaten Ste r als Sie ent- 
mutpigtuno oollerUnrupe unb Vattatgfeit mären?" 
—„icp fuepte einen entlegenen Ort auf/' antmortete ber 


SJtiffionar, „oft eine §öple, unb allba fuepte icp alle 
meine greunbe unb alle meine Sttitücrbunbenen oor 
mein GJebäcptniß ju füpren; icp üerfuepte, mir ipre 
9tötpe unb Vangigfciten oorjuftellen unb betete eifrig 
für jeben berfelben. Unb meitn icp alfo mit ben Sei¬ 
hen anberer befepäftigt mar, fo oerfeßmanben halb 
alle meine eigenen 9tötße, mie eine SÖolfe oor ber 
Sonne oergeßt." 

X>er Vroyeffor fepte fiep, opne etmaS ju fagen unb 
fepien in feine Vetracptungen fepr oertieft. (Sr patte 
an großer Scßmermutß gelitten, melcpe ^u peilen bie 
2lcr^te umfouft fiep bemüpt patten. Seit biefem 
2lugenblid oerfuepte er eS mit Dem SRatßc ©obatS: 
unb menn er füplte, baß 3Bolfen ber Scßmermutß fiep 
auf fein ©emiitß lagern mollten, unb er ÖJefapr Itef, 
fiep tn feine ÖJebanten ^u oerlieren, fo ßng er an f fiep 
mit ben Seiben ber anbern ju befepöftigett unb etfrig 
für fie ^u beten. X)ann teprten Der griebe unb bte 


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110 


Um Hömi». 




Shi^c mieber ein. ©alb nachbem er bie guten 3Bir* 
tungen biefeö geiftlicßen ©tittelS erfahren hatte, fdjricb 
er an eine Same, meldjc mit beftänbiger Sraurigfeit 
geklagt mar unb mclcpe bie Sterjte als unheilbar be¬ 
trachteten. ©r enäljlte ihr in feinem ©riefe, maS ber 
©iiffionar gejagt gatte, unb mie er beffen fKatbfdjlage 
u befolgen fid) bemüht, unb mie mol)l er fid) babei 
»efunben hatte. Siefe Same machte alSoann ben 
©erfud), aus fid) fclber Ijerau^utreten, unb fie mürbe 
in igrem Körper unb in ihrem ©elfte ^ergeftellt burd) 
ben ©egen beS ©otteS, melier feinen leibenben Um¬ 
bern, menn fie feinen Sßiflen $u tbun roünfchen, ju 
öülfc tommt. ©eitbem mibmete fie ihre erneuerten 
fträjtc bam, bie ©eufecnben gu üerforgen, ©lenbe an- 
Chören, Siebe ihnen au bemeifen unb burrte babei 
reichlich bie ©eliateit, bie im ©eben unb gelten liegt, 
genießen. Sic Secfe, bie SBolfe oor ihrem Auge mar 
meg. 


Abgctrumpft. Qu bem berühmten ©pradjforfcher 
SBilhelm ©nmm !am ein fran^öfifcher ©tubent, ber 
trop breiiähriger Anmefentjeit in ©erlin noch immer 
fein beutfdjcS SBort ^erauöbringen tonnte, ©rimm 
fragte ihn, marum er fid) benn feine ©tüfje gäbe, 
Seutfd) kn lernen. „Seutfd) ift mir ju häßlichr baS 
ift eine ©pradje für *ßferbe," antmortete ber gran- 
jofe. „©icßtig, nun begreife ich auch," jagte ©rimm 
jarfaftifd) läcyclnb, „marum ©fei fie niajt erlernen 
tonnen." 


ÄBie fann man bcflimmcn, an meinem XBodjen* 
tage irgenb ein ©reigniß ftattgefunfcen bat? ©iiiem 
jeben liegt bod) baran, ju miffen, an meldjem 2Bodjen- 
tage er geboren, ob er gar ein ©onntagSfinb ift, ober 
bod) ju miffen, an meinem SBodjentage biefeö ober 
jene§ il)m micßtige ©reigniß gefdjehen ift ober gefd)e- 
hen mirb. SieS ift nun, menn mirbloSauf 
biefeS Sat)*h u abert fehen, gar nid)t foJdjmer. 
©tan präge fid) nur biefe gmei tleinen Sabcuen ein. 


t. HTonatstabelle. 


Sanuar.2 

Februar.5 

©tär*.5 

April.1 

©cai.8 

Suni.6 

Sfuli.1 

Auauft.4 

©eptember.0 

Ottober.2 


©oüember.5 

Selber.0 

2. tDodjentagstabeüe. 

©onntag.0 

Montag.1 

Sienftag.2 

©tittmod).3 

Sonnerftag.4 

greitag.5 

©onnabenb.6 


©tan öerfatjre folgenbermaßen. ©tan abbire ju 
bem Sah*—aber ot)nc bie ^ob^wnberte—ein ©icrtel 
beffelben (©efte bleiben fort), oann bie oben üermerfte 
©tonatSaapl unb ben ©tonatstag. Sie Summe biüi- 
bire man burd) 7, fo bezeichnet ber ©eft ben ©Sodjen- 
tag. 3. ©. ©Treiber biefeS ift geboren am 5. Ofto- 
ber 1845. An melcßem SÖocpentag mar baS? 


Sollt. 

Jf ö*>n 45. 

3?f)l beS Oftober. 
©tonatstag. 


45 
11 
2 
. 5 


3eit bom 1. Qtmuar bis 29. gebruar eines ©<h a 11 * 

1 ’ a h t e S, fo muß ber ermittelte Sag um einen Sag 
rul)er genommen merben. Sie Schaltjahre er- 
ennt man baran, baß ihre 3.al)l burd) 4 ohne ©eft 
teilbar ift. Ausgenommen ift nur baS S ö h* 1800. 

©in ©clübbc ©ßittaS. ©bitta, ber meitbefannte 
^id)ter töftlid)er geiftlicßer Sieber, ermahnte einft 
einen ©ranntmeintrinter mit ernften, einbringlidjen 
unb liebreichen SSorten jur ©ntljaltfamfeit. „öerr 
©aftor," ermiberte ber Printer, „menn ©ie -Syrer 
©feife entfagen, fo min ich feinen ©djnappS mehr trin* 
fen." Xem thcuren ©otteefnecht, auf beßen Antli| 
ber griebe ©otteS leud)tete, mar nämlich baSSRaudjcn 
jur SeibenJAaft gemorben; er ließ, mie man ju fagen 
pflegt, bie ©feife nicht auSgehen. 5)er Printer fu^te 
in ber Seibenfchaft beS Pfarrers ein geigenblatt für 
feine Diel fd)ltmmere Seibenfchaft unb freute fid) fdjon 
im ©eheimen, ben Pfarrer in ©erlegenheit gebraut 
ju höben, ©pitta aber gelobte, nie mieber rauchen 
ju motten, berlangte jeboch oon bem Printer baS ©Je- 
lübbe, baß berfelbe ftd) gänzlich beS ©rantmeinS ent^ 
halte. 5)er Printer fchlug tn bie ihm gebotene §ato> 
ein, mürbe frei üon ber furchtbaren Änechtfd^aft ber 
Xrunfjucht unb ein glücflicher ©tenfd). 

©in toürliger ^rebiger unb tirchlicher ©oraefegter 
ging mit einem Hanbibaten beffen eingereichte $ r o b t= 
p r e b i g t burd). ,,©tem greunb," fprach er ju bie-= 
fern, „Syre ©rebigt ift fchön; fie mürbe gut fein, 
menn ©ie nicht baS m i r unb m i d) oermcdnelt göt 
ten." $er Stanbibat, ber fid) feiner ©prachfertigfeit 
bemußt mar, tonnte fich in biefen Sabel nicht finben. 
©r fragte, mie baS gemeint fei. „©? i r fott ich ä^ar 
grebigen," ermiberte jener, „aber nicht mich, — fon* 
bem Sefum ©hriftum. Sn Sh^ cr v re ^0t f^h^ id) 
aber oon Anfang bis ©nbe nichts als mich, ©ie 
fönnen ttxt 3 u ^ rer ä u Sh ncn belehren, aber nicht 
ju ©hnß°* $öuIuS oerftanb biefen Unterfdjieb beS 
Satio unb Atfufatio: 3Bir prebigen nicht uns felbft, 
fonbem S e fwnt ©hnftum!" 

ffiaS ber ©oner nicht fennt, bal ißt er nidjt. SBie 

Jepr fich & er ®öuer ein Söh^hunbert lang gegen bie 
©inführung ber jefct allgemein gefchäpten Kartoffel 
fträubte, erhellt aus folgenben Shatfaajen. Sn Seutfd)* 
lanb mürbe bie Kartoffel juerft in ber ©egenb üon 
©erlin f um 1650, gezogen. Aoer eS perrfepte bei ber 
bäuerlichen ©eüölferung ein ftarteS ©orurtheü gegen 
bie fonberbare Knolle, griebrich SBilhelm I. gab )id) 
alle ©tühe, bajfelbe ju unterbrüefen, unb befahl fogar 
ber ©eiftlicbfeit. für bie Kartoffel auf ber ^anjel ein- 
jutreten. griebrich II. ließ bann m ©ommem un¬ 
entgeltlich <$aattartoßeln auStheilen—aber Alles ohne 
©rfolg. S« ©chlefien mußten bie bäuerlichen S)o- 
mänenpächter mit ©emalt angehalten merben. bic 
grucht flu bauen, ©och Söy^ e 1763 befahl grie¬ 
brich ber ©roße ben ©epörben, burd) bie ©enbarmen 
barauf achten $u laffen, baß bie Kartoffel gepflanjt 
merbe, felbft im 3ahre 1775 ^ielt Abam ©mith, ber 
berühmte engltfdge ©ationalöfonom, noch rine ©m- 
pfeplung ber Äartoffel für notpig. 3öer mürbe fie 
heut auSage entbehren motten? 


63, biüibirt bur* 7 geht 9mal, 
©eft 0, alfo ein ©onntag. Ser ©djreiber biefeS 
ift alfo ein ©onntagSfinb. 

©un fteh einmal gu, lieber junger Sefer, ob bu bieS 
auch &ift. ift fieben gegen emS §u metten, baß 
bu’S nicht bift. 

9©er!e aber noch eins: gäHt ber Sag in bie 


Anfgeflarter Srrthum. ©in «ßrebiger in ©nglanb 
tarn eines SageS auf einem ©ange burd) feine ©e- 
meinbe auch bei einer Anzahl üon 9Raurem üorbei 
unb börte einen berfelben fagen: „Sch möchte mohl 
auch ©rebiger fein unb nichts ju thun haben, als in 
einem langen fd)mar$en ©od unb mit einem ©toef in 
ber £>anb fpajieren ju gehen!" 


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«flfene jßofi 


111 


Die Maurer lachten, ber Sßrebiger manbte fidj um 
unb fagte: „©Hemel oerbienen ©ie benn bie ©Hube?" 
„Siebenunbsmanaig — Schillinge!" — ,,9tun," fagte 
ber Brebiger, „obmoljl t* arm bin, mill idj 3 h ncn 
bod) pebcnunbjmanätg Schillinge geben, menn Sie 
feA$ tage mit mir gegen unb fehen, mie eS 3h nen 
gefällt, bann merben ©ie eher im ©tanbe fein, baöon 
ju reben." 

Der Waurer moUte a,mar ausmeießen, aber feine 
Äameraben fagten: ,,9fein, Wann, bu haft gefagt, bu 
raödjteft gern ©rebiger fein, nun mußt bu auch mit 
bem Ifrebiger geben!'' 

80 jog er benn feinen SRod an unb ging mit bem 
$rebiger, natürlich unter bem ©elächter feiner Ka* 
meraben. 

Der ©rebiger ging in ein ©äßeben unb fagte feinem 
Begleiter, fie mürben jefct einen tränten Wann befu¬ 
gen, unb er müffe [ich in acht nehmen unb bei bem 
gntaufgehen leinen Särrn machen. 


„SBaS mag ibm mohl fehlen?" fragte ber Waurer. 
,,©r b<*t bie Joelen!" jagte ber ©rebiger. — „Die 
©öden?" ermioerte ber Waurer, „bann mittichbod) 
lieber braunen auf ©ie märten; benn id) hübe fte noch 
nicht gehabt, unb teb höbe 2 Beib unb $inber." 

„Acer ©ie ftnb mit mir einig gemorben, bahin ju 
geben, mobin ich gehe." 

Dem Waurer Jc^ien baS nicht einpleucßten, unb 
nach einer SBeile fragte er: ,,Unb mo geben ©ie bann 
hin?" Der ©rebiger fagte thm. fie mürben bann ein 
anbereS §auS befugen, mo ber ©ater gefterngeftorben 
fei unb bte ganje fjamilie am ©djarlachfieber oarnie* 
ber liege, unb auch in ein $auS, mo baS SReröenfieber 
fei, unb morgen mürben fte einen meiteren SRunbgang 
ju machen haben. 

DaS mar bem Waurer $u biel. ^Wein $err," fagte 
er, „ich totÄ an meine Arbeit jurudtehren, menn eS 
Shuen red^t ift, unb nichts mehr gegen bie $rebiger 
fügen." 




Offene ^o(t. 


Se«e Unterfffreitar. ©S gibt mohl menige ©lä&e, 
Dörfer unb ©tabte, in benen nicht bon 3 bis 10 neue 
Unterfchreiber für $auS unb §erb gefunben merben 
fönnen. 

Sin $rcbiger, bem ©robenummern pgefanbt mur* 
öen, fchreibt: „ 3 cß habe, bem ©Sunjpje gemäß, bie 
Brobenummera oertheilt unb fünf neue Abonnenten 
betommen." 

6 m anberer fagt: „Die geute auf meinem ©eairf 
haben ein hartes gahr gehabt, aber brei neue Un* 
lerfchreiber tann ich boch für §auS unb §erb ein* 
fenben." 

Sinbritter: „3« beiner Aufmunterung fanbte ich 
beute fteben neue Uirterfchreiber für $auS unb $jerb. 

oerbient eS, baß mir alle fleißig bafür arbeiten. 
Wir gefüllt biefe herrliche ©ebrift immer beffer. §abe 
feine alten Unterfchreiber üerloren." 

Dergleichen tonnten mir noch SHandjeS anführen. 
fBemt nun alle auf biefe ©Seife eingretfen, fo mirb 
hauS unb £erb balb bie fo nötigen 10,000 Abon* 
nenten haben. 

„Der €frriftlif|e ÄJiolögcte“ torttmt feit bem neuen 
3 afjr in adjtfaltigem mod, mit fed)Sjeh n ©eiten ©roß* 
quart*gormat auf unfern Dif<h. 3)te ©efeßaffenheit 
bcS neuen KleibeS, baS ©abier ift bortrcfflich. 3efct 
fann maifS boch auch herpaft anfaffen. Dupen unb 
Druct ftnb hübjch unb rem. DaS ganje ©latt fieht 
fchinud unb ftattlich ans. 

Betreff ber 3nhaltS*©ertheilung muß man bie neue 
tnorbnung ent gemohnt merben. DaS mirb ficb je* 
boch geben, unb bet £ c f cr mrcb bie guten Sachen balb 
«nt ÖeiAtigteit finben. 

Der 6 :hrtftltcbc Apologete hat feit feinem Beftehen 
fchon manche 2 rorm * ummanbelung erfahren, unb 
^uwr immer auf ber ©ahn beS gortfcfjrittS. Die erfte 
im 3anuar 1839 herausgegebene bierfeitige Kummer 

t faum fo groß als baS jefeige fecßS^ehnfettige ©latt. 

bäter muroen biefe üier tleinen ©eiten üergrößert, 
bann folgte baS achtfeitige ©latt, unb nun liegt baS 
jedjSaehnjeitige bor unS. 

Unb mie in biefem gormenmaß, fo ift ber ftpologete 
jebeS 3ahr, mit nur menigen Ausnahmen, nach $er* 


hültniß ber ©lieberfchaftS*3unahme an Abonnenten* 
jabl gemachfen. 

3 m ©runbton blieb fich baS©latt jeboch immerbar 
gleich- 0 b in tleinem ober großem Format, ju nur 
menigen ober taujenben Abonnenten tretenb — ber 
Apologete mar unb ift maS fein ÜUame fagt—ein ©er* 
theibiger ber SSahrheit. 

Wöge ihn ©otteS ©nabe auch im neuen ©etoanbe 
begleiten unb er noch fielen jum ©egen merben. 

DaS hüfcfifce ©üb jmifchen ber 88 . unb 89. ©eite ftcllt 
ein ©rabbenfmal bor. ©S ift aus feinem carrarifchem 
Warmor gemeißelt unb glanjt meithin mie frijehge* 
faüener ©chnee. ©ine treffenbere, lieblichere Qbcc 
für ein ©rabmal tann ich nur nicht benfen als bie: 
Die gugenb, emige 3 u 9 cn ^ au f ©lumeii 
über ber ©ermefung. 

Wöge baS bein £ooS fein, lieber Scfer. Aber merle, 
bu mußt baS emige geben m biefem ©rbenbafein in 
bir tragen, fonft mürbe ein folcheS ©rabmal über bei* 
ner ©ruft eine Sügc b^bigen, benn bu trügeft ben 
Dob in bir, unb nähmeft benfelben mit in bie ©mig* 
feit. 

„ 2 Ber aber an ben©ohn glaubet, ber 
hat baS emige geben!" 

Willionen mube Wenfchentinber ruhen in©räbcrn, 
bie fein Dentmal fcbmücft, beren ©tätte nicht einmal 
burdh einen öügel bejeichuet ift Unb boch fchroebt 
ber ©ngelemiger^ugenb über ihrer ©ruft. 
Denn fie roaren im irbifchen Dafein 00 m Dobe 
§um emigen geben h*uburchgebrungen. 

Die 3«fah^fltion, bon melcher Dr. ©incent in 
einem ©irrular f^riAt, ha&en wir im ©ibclforfcher 
fchon längft eingeführt. Unb jmar Diel praftifcher 
als burA bloßes ©ermeifen auf ben Katechismus. 

©3ir ruefen in ben ©ibelforfcher felbft nach unb nach 
ben Katechismus ein, unb hüben bamit fchon pm 
0 eftercn auf’S 9teue angefangerf. 

€in einfaiheS Deutfdj ! 3a mohl, baS h<ü fich^aue 
unb ^erb oon Anfang an gemerft—u n b i ft immer 
einfacher gemorben. 


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112 


Offene JJoft. 


Xie 9Beifung, bie an unfcre Mitarbeiter ergebt, 
Reifet: „Schreibe im 93olfSton, jo baß eS Qebermann 
t»crftet)t. ©ebraueße furje ©äße unb feine gremb* 
mörter." 

Urtfere Mitarbeiter merfen fid) baS. 

Xer ©bitor beS ©aus unb ©erb macht ein mahreS 
©tubium barauS, fo einfaches Xeutfcß als möglich $u 
gebrauchen. Unb Xaufenbe unferer Sefer benten, 
baS in ©auS unb ©erb .gebruefte Xeutfdb fei feßr üer* 
ftänblicß. 

greilicß — mer nur feßr menig 93 erftänbniß unb 
Siebe für bie beutfeße ©praiße hat, für ben ift auch 
baS einfaeßfte Xeutfcß $u feßmer. 

AIS id) lebtet gafjrein menig im nörblicßenSReyifo 
reifte, öerftanben micß bie Sßeyifaner nid)t, unb id) 
berftanb fie meßt. 

9Barum ? XaS ift leidet ju erratßen. 

5 ür manche unferer jungen beutfdj*amerifanifcßen 
greunbe ift felbft baS einfache Xeutfcß in ber ©onn* 
tagfcßul*©locfc $u feßmer. 

9Beitn ©olcbe im ©rnfte Suft unb Siebe gur beut* 
feßen ©pracbe haben, fo ratben mir ihnen, recht oft 
ium Sejebucß unb ber93iblifcßen©efcßichte ju greifen, 
bie öon ©ranfton & ©tome ßerauSgegeben merben. 
Unb finb auch biefe „Einfachen" noch &u fchmer—nun 
ja — fo ift ja baS A93©*93ucß ba. Unb — Semen ift 
feine ©cßanbe. 

(Einfaches Xeutfcß aber fann immer auch reines 
Xeutfcß fein. Unb beutfeb* amerifanifdieS Zauber* 
melfcß, melchem ber ©eift ber beutfeben ©oracße ab* 
ßanoen gefommen, ift gemiß nießt üerftänoließer als 
einfaches, reines Xeutfcß. 

AuS ©crlin. ,,©o ift benn baS lebte ©eft für 1886 
bon unferm lieben ©auS unb ©erb iit unfern ©änben. 
9Benn ich biejen Jahrgang betradjte, fo muß id) fagen, 
baß er mobl einer ber beften, rnenn nicht gar ber befte 
ift. Unb mannigfaltig ift ©. u. ©.: es bietet allen 
etmaS. 9Bo finben mir ein ähnliches 93latt, baS uns 
jur ©rbauung unb $ur görberung im ©hrifteutßum 
bient unb bod) auch ju Unterhaltung unb ^Belehrung 
unb *ur 9Beiterbilbung feinen Sefern bert)ilft? Söeift 
bie Sitcratur (b. ß. bie beutfeße) ein ähnliches 9fta* 
ga$in auf? Qd) glaube nicht, ©ott fegne ©auS unb 
©erb! XI). Obinga. 

Sange Sinterabcnbc auf bem Sanbe. 9BaS thun 
mir benn mit ben langen SSinterabenbenV 9 $erjcßla* 
fen füllten mir fie nidjt. Aueß finb fie nicht ba$u ba, 
um fammt unb fonberS üerfebmenbet $u merben. 

©ott hat bem Sanbmann bie langen SBinterabenbe 
unter Anberem auch bam gegeben, baß er feinen 
©eift unb fein ©erj bereichere. 

Sfteßmt baS 93ucb ber 93iid)er jur ©anb, lest fonftige 
gute ©d)riften, 3 . 93 . aud) ©auS unb ©erb. 

93er noa) niept reeßt fertig ift im Xeutfcßlefen, ber 
übe fid) barin unb feßreite bom Seichteren 511 m ©eßme* 
reren oor. 

Äommt bann grübjaßr unb ©ommer, fo geht bie 
gelbarbeit um fo befier bormärtS. 9Ran hat nicht 
bloS geruht, fonbern fid) erholt, nämlich etmaS 
heraufgeholt jur ©tarfung für neue Arbeit. 

Unferc 3ugenbliteratur unb toaS fie fein fall. lln= 
ter biefem Xitel erhielten mir einen Auffaß, melcher 
fieben ootle ©eiten unferer gamilienfcßrift füllen 
mürbe, ©cßon aus biefem ©runbe ift berfelbe un* 
bermerthbar. Xer geehrte SBerfaffer hat (ich biele 
SRüße gegeben, aber nichts AeueS ju Xage aeförbert. 

X>a bom ©tanbpunft beS SeferS unb AonehmerS 
fchon fo oft gejagt mürbe, mie bie ftugenbliteratur 


jur Söfung ihrer Aufgabe befeßaffen fein müffe, fo 
fei mir, ber ich f#on mc hf als 21 gahre auf biefem 
©ebiete arbeite, in aller 9 kfd)eibenheit unb im 95e= 
mußtfein aller Mängel — geftattet, auch einmal bom 
SRebattionSftanbjjuntt aus baS 511 fijriren, 
roaS mir betreffs biefer ©chriften jur Söfung unferer 
Aufgabe unter ber ^uflenb brauchen: 

9Sir bebürfen nic$t fomohl fcharffinnige ÄritiTafter 
als berftänbnißbolle Sefer; etmaS meniger ängftliche 
©parfamteit unb etmaS mehr fröhliche Siberalität 
unb Xaranmenbung ber Mittel; nicht fo biele 
9Sünfd)e, 93infe unb gorberungen als 93enüpung 
beffen, maS borhanben unb freubige Xantbarteit ba= 
für; nicht eine faft bis in'S Unenoliche gehenbe &n* 
häufung ber Guantität, fonbern ©ichtung ber Cuali= 
tät; md)t fomohl ©djreiber, bie im alltäglichen 
(ErmahncrSton bie Qugenb langmeilen, als eine ©cßaar 
Mitarbeiter, bie erfüllt bom ©cifte ©otteS, in finb* 
licßem ©inne unb anfchaulicßer Seife für bie Qugenb 
5 U feßreiben berfteßen. 

©inb einmal biefe 93 ebingungen erfüllt, fo mirb bie 
guaenbliteratur noeß biel meßr jur Söfung ißrer 
großen Aufgabe beitragen als heute. 

„©djirfc 91. 91. in t. eine ober jtoei $rob(*!Ruiit* 
wem b(S ©aus unb ©erb r bießeicßt befteüt er baS* 
felbe." 

derartige 9lnmeifungen haben mir in leßter 3 eit 
manche berommen. ©ie mürben mit greubigfeit aus* 

g eführt. Unb fieße ba — in nicht menigen gällen 
efteflten bie 93etreffcnben unfere 9JtonatSfcßrift. 
könnte bieS nießt öfters gcfcheßen? 

^ic girnta 3oßn Ä. ©al^cr ift meit über’S Sanb 
befannt unb hat fieß bureß ißren gleiß, Untemeß* 
mungSgcift unb 3 uö erläffigfeit einen guten Hainen 
ermorben. 93 lumenfreunbe, ©ärtner unb garmer 
merben bort nießt bloS baS 93eftc, fonbern aueß baS 
■fteuefte ßnbeu. 

Angenommene Artifel. (EtmaS über'S Sefcn — 
Sarum ßat QefuS nießt gefeßrioben? — ©eiratß unb 
(Eße in Gßina. — Xie oerurtßeiltcu Anarcßiften. 

(fbangelifißeS ©irtenbuiß. ©erauSgegeben oou 
©ßriftian 9 Jcüüer, eoangl.=lutß. Pfarrer ^u gürftenau. 
Rmeite umgearbeitete unb oermeßrte Auflage, ©rfter 
Sanb. XaS ©irtenamt* unb bie ©eelenpfleae nach 
Sefen unb 3 iel. ©otßa, bei ©uftao ©cßlooßmann. 

@S ift bieS baS fcßon bor etma 25 ober 30 3aßren 
öon Xr. Xieffenbacß unb ^Saftor Müller ßeraitsgege* 
bene, jeßt aoer umgearbeitete, üermcßrte unb ben 
93 ebürfmffen ber ÜReujeit angepaßte 93ucß. 

3n furjer 3ufammcnfaffung cntßält eS jo ziemlich 
Alles, maS bem ©eiftli^en in ber ©eelenpflege An* 
leitung ju geben öermag, unb menn baS 93er! aueß 
auf bem ftaatSfircßlicßen Soben XeutfcßlanbS cnt= 
ftanben, fo mirb ber SBrebiger in Amerifa bennoeß 
manches Sermertßbare finben. 

Ecce Homo, ©in (Eßromo. ©erauSgegeben öon ber 
^ilgerbucßhanblung in fReabing, s J$a. ^reiS — ein* 
jeln 50 (EtS. 93ei größerer 9Jeftcüung, liberaler Rabatt. 

3trfuS, Xßeater, tartenfpiel u. f. tu. (ES merben 
fortmäßrenb Anfragen an ben ©bitor beS ©aus unb 
©erb geftellt, ob oben genannte Xinge unter Umftan* 
ben erlaubt feien ober nießt. ©auS unb ©erb ßat fuß 
fcßon oft beutlicß barüber auSgefprocßen. 9Bir merben 
aber in 93älbe AüeS noeß einmal ^ufammen fteHen, 
maS mir barüber ju fagen haben. 


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@f§" roar mir, afä ob idj bic Sage£b(ätter oon 
9leto Sjjorf, Cincinnati, Efjicago ober @t. 2oui3 
mit djriftlidjem gimife überzogen öor mir fä^e 

9 


yuufjUu) u hiujumj, vun j i t i n roeiueiufiiu T TT t^7 
unb bepatb bie ©tenfdjen baoor toarnt; ober 


ber jenige, meldjer baä Xfyeater unserer läge als 
bie Schute f)ot)er Mtur anpreift? 


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(Sin illuftrirtes JamilienbUtt. 



IMnfttljnfer ^Sani». ^8ar} 1887. 


J>r ittts <S»eft. 


Per verdummt bas |Jolk? 

EbitOf, 


ocf) nicht gar lange f)er mürbe 
in bem beutfdjen chriftlid) 
literarifdjen ©erein einer um 
ferer ©rofjftäbte baS I^enta 
befprodjen: „gft ber S^eater^ 
befuch ben Sitten fdjäblich ?" 

tiefer SSerein beftel)t aus 
3Ritgliebern, bie au üerfchie^ 
benen bibelgläubigen Sirenen 
gehören unb bie ;gugenb bei= 
berlei ©efd)led)ts ift in beim 
felben ftarf vertreten, obmohl 
auc^ ältere Seute TOitglieber finb. 9llt unb 
3ung biefer ©efellfdjaft aber finb rechtgläubige 
Triften unb eine namhafte Slnaafjl betennt ,§ei*; 
jenSerfahrung gemacht au haben. Unter befom 
berer fachlicher £) herauf fid)t fteht biefer herein 
ber $atur ber Sache nach nicht. 

Segierig, maS eine berartige chriftlichc ©e= 
ieUfchaft über obige grage a« fagen habe, liefe 
idj mich bereben bis SKontag Slbeitb in jener 
Stabt ^u bleiben, ging hin unb hörte—in einem 
mit üiel Salent gefchriebenen Sluffap — ba» 
64o ber beutfdjen 2 a g e S b l ä 11 e r. 

®ibel, S'irdje unb ©rebigtamt mürben $mar 
mit Achtung behanbelt, unb bem, maS fie fagen 
öielfach Seifall gesollt. 

Joch tönte auS faft jebem 5lbfchnitt herauf, 
bie „3ttang3jacfe" bod) gar au eng gcfchitürt 
»erbe, bafj veraltete, puritanische Slnfchauungen 
in unfer hocherleuchtetes 3eitalter nicht mehr 
paßten, bafe 2h eater f* ücfe *oie Scheint Seil, 
Kacbetb, Jungfrau non Orleans :c. nur Oer 
ebelnb mirfen tönnten unb bie ©haften bem 
?ortfchritt au hulbigen hätten, menn fie nicht 
mit bem tarnen „$unfelmänner" beaeichnet 
fein motlen. 

(SS mar mir, als ob ich bie SageSblätter üon 
Sem g)orf, Eiitciitnati, Ehicago ober St. SouiS 
mit chriftlichem gintiß überaogen oor mir fäfee 


unb fie anhörete. — gn ber ©efpredjung famen 
amar auch attbere 2lnfichten unb ächt chriftlid^e 
©runbfäpe jum ©orfchein. Ser Strom jebod) 
ging mit bem erften 3tebner. 

»uf bie grage aber, mie oft bemt jene foge^ 
nannten eblen Stüde, mie Seil 2 c., in ben Sf^ 
tern jener Stabt gegeben merbeit, unb mie oft 
fchantlofeS, fittenlofeS 3mg? mollte, mie auch 
auf attbere gragen, 92iemanb Slntmort geben. 

9htr baS ronrbe immer mieber betont, bafc 
man fid) bagegeit mähren miiffe, als fei baS 
Ehriftenthum eine „bunfele Kammer," „eine 
©erbummungSanftalt." 

„Sieh/' fagte mein alter greunb, auf bem 
SSege oont ©ereinSlofal aur ©ifenbahn, au mir, 
„ich bat bid) nicht umfonft au bleiben. ©icle 
ernfte Ehriften haben faurn einen ©egriff baoon, 
mie fehr ber feinere unb gröbere Unglaube, fo* 
mie bie oon ber Süitbe oerfinfterte Söeltan= 
fchauung faft unberoufjt manche chriftliche Greife 
angeftedt haben, unb mie namentlich ber SSahn 
$lap gegriffen hat, bafj bie ftirche ben Seuten 
boch immer noch unnöthigermeife bie 3ttmngS- 
jade anlege unb bie ginfternifcfappe über bie 
klugen aiehe. Sropfen nach Sropfen merben 
biefe gbeeit fortmährenb burd) bie gottent^ 
frembeten SageSblätter in unfere chrifttidjen 
gainilieu getragen unb biefe Sropfcn höhlen 
baS gmtbament cferiftlicher ©runbfäfce nach unb 
nach aus." 

38er berbummt bas *olf in biefer 2hea* 
ter frage? 

derjenige, melcher nachmeift, bafc unter 50 
in unferer 3eit gegebenen 2h ca terftüden 49 
gäualid) mertl)loS, ober fittenoerberbenb finb, 
unb behhalb bie äJienfchen baoor marnt; ober 
berjenige, meiner baS Xfjeater unferer Sage als 
bie Schule hoher Kultur anpreift? 



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114 


Per oerbummt bat Jlolh 1 


Derjenige, toelcßer feine Soßne unb Dödjter 
öor bet ©efettfcßaft ber ©cßaufpieterinnen warnt, 
weit niete berfetben feite Dirnen finb; ober ber» 
jenige, ber in feinem Statt bie ^etbinnen au« 
„Stad ßroof" unb „^»erjogin oon ©erolbftein" 
als begeßrenSWcrtße SDtüfter ibeater fiünftler» 
fdjaft auf’s SReijenbfte jeießnet? 

derjenige, Wetter bartßut, ba| es Südjer, 
©efettfeßaften unb ©oncerte bie SDtenge gibt, 
bureß welche unb in welchen fieß SJtenfcßentinber 
bitben unb unterhalten tönuen ohne fittlicße @e» 
fahr ju taufen; ober berjenige, welcher fort unb 
fort behauptet, baS Dßeater, aueß unfer 
heutiges D h e a t e r fei für ben ächten fful» 
turmenfehen einfach unentbehrlich? 

SBaßrßaftiglicß — biefer %ßeaterfrage gegen» 
über ftreut ber Unglaube unb namentlich unfere 
gotttofe DageSpreffe bem Sott fortwäßrenb 
©anb in bie Slugen, entweber weit bie Herren 
fetbft b t i n b e Stinbenteiter finb, ober weit fie 
ihre beffere Ueberjeugung—aus ©ewinnfueßt— 
öor bem Soll in’S ©egentßeil umwanbetn. 

2Ber öerbummt bas Soll? 

Dicfe grage brängt fief) auch auf, wenn fief) 
bie ungläubige Slaturwiffenfcßaft fo ungeheuer» 
lieh breit macht unb auf Sibelbericßtc unb Si= 
betlehre mit Serachtung herabfieht. 

Da habe ich mich tiirjticß in meinen Slbenb» 
ftunben burch einen biden Sanb * über SWen» 
feßenfnnbe burchgewunben. Der gelehrte Ser» 
faffer, welcher auf bibtifetjem ©ruttbe fteht, trägt 
unb fteüt alles pfammen, WaS englifeße, fran» 
jöfifeße unb beutfeße ungläubige (barwiniftifche) 
©chriftftetter über bie ©ntfteßung beS jejjigen 
SJtenfcßcngefcßlecßtS ju fagen haben. 

Slber baS ift ein fotcheS St'raut» unb SRüben» 
©ehefet, baf; einem ber ©chwinbet antömmt. 
Seiner biefer Herren ftimmt mit bem anbern 
überein. 5Rur barin finb fie fich einig, baß ber 
bibtifche Sericßt in’S Sereich beS SSaßngtaubcnS 
ju terweifen fei. 

Der eine fagt, ber SRenfcß fei oon ber ,,©e= 
meinfcßaftSeße" jur Sielweiberei unb enblidj jur 
einfachen ©he oorgefchritten. 

Stifts ba, ruft ber jweite. 3uerft beftanb 
bie einfache ©t)e (!), natürlich nicht cioilifirt, 
bann !am bie SBeiberßerrfeßaft mit Sietmänne» 
rei, unb enbtieß unfere je^igen 3uftänbe ber ©e» 
fittung. 

3hr wißt Sitte nichts, feßreit ber britte. Das 
äRenfcßengefcßlecht hebt fich unb fenft fich. ®ie= 
feS fpeben unb ©enten ift in ber Sergangenheit 
teießt waßtjuneßmen, unb wirb in ber 3utunft 
fortbauern, bis bie ÜRenfcßßeit bureß bie SJiffen» 


* Sie SRaturöBlter, öon Sr. ©cßneiber. 


feßaft auf nie geaßnte ©ipfet ber Sottfommen» 
ßeit getragen wirb. 

Die Stnnaßme irgenb weteßer biefer wilben 
Dßeorien erforbert meßr Aberglaube als ber 
Sieger ßat, weteßer ben getifcß anbetet, meßr 
btinbe, üerfinfterte golgfamteit atS ber SRufet» 
mann befißt, ber bem SJioßameb naeßtäuft. 

Dahingegen fagtbieSibet: „Am Anfang feßuf 
©ott .fjimmet unb Srbc. Unb ©ott fpraeß; 
Saffet uns SKenfcßen maeßen, ein Sitb, baS uns- 
gteieß fei. Unb ©ott feßuf ben ÜIRcnfcßen ißm 
jum Silbe, pm Silbe ©ottes feßuf er ißn. Unb 
er feßuf fie, ein 2Rännleiit unb ein gräutein." 

AtSbann feßitbert bie ßeit. ©ößrift ben galL 
beS SJtenfdjen, öertünbet aber auch fogteieß baS- 
Sommen beS ©cßtangentreterS: „Da fpraeß 
©ott, ber §err, pr ©eßtange: 3cß Witt geinb» 
feßaft fefcen jwifeßen bir unb bem SBeibe, unb- 
jwifeßen beinern ©amen unb ißrem ©amen, ber- 
fetbe fotl bir ben Sopf jertreten unb bu wirft 
ißn in bie Serfe fteeßen." 

DaS ift ber ©ang beS ÜRenfcßengefcßtecßtS,. 
wie ißn bie Sibct feßitbert, unb bie SJctt» 
gefeßießte beftätigt. 

äßet öerbummt baS Soll betreffs ber 
8onntagS< unb Demperenjfragen ? 

Die einen fagen: Der ©onntag ift 
einer ber beften SoltSfrcunbe. ©r ift um beS- 
SRenfcßen willen gemaeßt, bamit biefer ruße öon 
ber Arbeit ber SBocße unb an ffiötttießem feinen 
©eift näßre. Damit nun bicfeS ßoße ©ut bem 
Sol! erßolten bleibe, bürfen wir eS uns nießt 
öerfümmern taffen. 2Bir wollen SRiemanben 
jwingen in bie ffireße ju geßen. Aber wir fte» 
ßen babei, baf? ber ©onntag pm Seften alter 
atS SRußetag gefeiert werben fott. 

©ie fagen: Die Unmäfjigfeit broßt unfer 
Sott ju oerberben. Daufenbe gamilien finb- 
babureß ruinirt worben, ©in ganjeS £>eer öon 
Druntenbolben fintt jährlich in baS ©rab. SBir 
Wollen bejjßatb bureß 2Sort unb Seifpiet r 
bureß fitttidiretigiöfe ©inftüffe unb ©efeße baßin 
Wirten, baß äRäjjigfeit unb ©ntßattfamfcit ge» 
färbet werben. 

Die ©egner fagen: SRicßtS ba. Aff 
bieS geßört in’S finftere 3eitatter. ©S bebroßt 
bie perfönlicße greißeit. Um biefer perföntießen 
greißeit Witten öertangen wir ju lärmen am 
©onntag, fo öiet uns gefällt, eine ©eßnappS» 
brennerei unb Sierbrouerci naeß ber anbern jit 
bauen unb ju trinten, bis wir luftig unb trunten 
werben, wenn eS uns beliebt. 

Unb Wenn biefe ©egner ßeruntergefommene- 
SRcnfcßen finb, fo Werfen fie noeß mit ©cßimpf» 
Wörtern um fieß, als ba finb: „Slacßtfalter," 
„SBafferengel," „©onntagSßeitige," „Setfeu»* 
d|er" jc. ic. 


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Jlie $eutfd)rn in $rafüien. 


115 


So liegt mm bie Äultur; mer oerbummt baä 
Soll; Sa§ ift nmfjrljaftige ©rteudjtung? Ser 
ijt ber ädjte SJtenfdjenfreunb ? 

Seiber fyat mein alter greunb Siecht, menn er 
fagt, baft 9Jlandje3 au3 ben 2lnficf)ten be3 Un* 
glaubend unb füitblidj * öerfinfterter Seltam 
fdjauung in d)riftlid)en Greifen nur ju milligeä 
@eljör ftnbet, unb bafelbft großen Staben am 
rietet. 

©iebt eä bocf) amerifanifäe fßrebiger be£ 
6öangelium$, bie ber ungläubigen ®ntmicf= 


lungä^Xljeorie Sartoin’S pulbigen, unb babei 
behaupten, fie ftiinben auf biblifdjem ®runbe! 

®iebt e3 bodj fogenannte cbriftlidje beutfcfye 
Pfarrer, bie mit £of)n antworten, ober müffig 
am SRarfte fielen, menn anbere um bie ^eiligften 
®üter beä Solfe* fämpfen! 

HJtögc ®ott un£ Reifen unb Sei$f)eit fdjen^ 
fen, baä Unferige in öoUcnt SDtafje ba^u bei^m 
tragen, unfer Solf üor bem ®ifte beS Unglauben^ 
unb fiinblicfjer, oerfinftcrter Seltanfcf)auung ju 
bemaljren. 




Pie Peutfdjeii in Praftluu. 

3rür #au8 unb #erb bon §enricu3. 


jie $eutfd)-9lmerifaner in ben Ser. Staaten 
f)ören bann unb mann 9?acf)ricf)ten oon il)ren 
Sanbäleuten in ©rafitien, Süb^9lme= 
rifa. ®iefe 9tacf)rid)ten miberfpredien fiel) 
meiften£. S)a3 eine mal Reifet e§, irnfj e3 ben 
$cutfd)en in ©rafitien aufterorbentlid) gut ge^e. 


burdj anftrengenbe 9lrbeit ju ctma$. 9?iemanb 
mäpne, ba&, meit ©rafilien ein Süblanb ift, 
man bort nichts ju tfjun fyabe, als bie Papageien 
an$ugucfen, unb babei bodj ein reieper 2Kann 
merben fönne. 

@3 finb fcf)on oiele 3luömanberer in ©rafilien 



Äuöjdjiffung beutfdjer Stuaruanbcrer im Otajatjb granbe. 


$a3 anbere mal lauten bie ©erid)te bafyn, bafe 
bie beutfdjen SluStoanberer in ©rafilien elenb 
}u @runbe gingen. 

Seber ba3 ffiine nod) ba$ Stnbere ift öofltoim 
men richtig. 3n ©rafitien fomntt ber 9tu3* 
toanberer, roie in jebem anberen Sanbe nur 


ju ®runbe gegangen, ©ntmeber maren fie ju 
faul $u arbeiten, ober fie mnrben burd) Spefu^ 
ianten betrogen, ober fie liefen fief) oerteiten, 
in $u Reißen ®egenben ober lieber=®iftri!ten 
fidj nieberjutaffen. 

®ie Ser. Staaten bieten bem SuStoanberer 


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Pie Peutfdjtn ta Praftlira. 


116 



- mcnait in ©rafilien l)er= 
> ||jjj| - fdjeint, um ein ©efantmt* 

Kolonien^ in^ Srafi^en 

" L >. ^ . b Jnfidjten 

[873J geißelt, umrahmt Dom 

jungfräulichen Urrnalb, 
fefton ©ebäulichfeiten gang europäifchett Stilg. 

$ic ^eit im Den nichts an ber Ärt, wie ber 
ttolonift im Anfang fein erfted .v>eim ^rünbet, 
beim berfelbe betoerfftettigt bieg beute an ben 



©rfte Untertunft im Urtualb. 


gm golgenben foll eine anfchaulidje unb un* injtoifchen hinauSgerüdten ©rennen ber ©ejirfe 
parteiifche Säuberung be* Sebent beutfdjer genau fo, mie üor oier^ig ga|ren bie erften 
$lu3roanberer in Srafilien geboten werben. Unb Stnfömmlinge an ber Stelle be3 heutigen Een- 
$u biefem 3mecfe greifen mir bie Kolonie 83lu= | trumS. 2Bo man nun auf breiten Straften be* 













Pie Peulfd)eti in Praßlien. 


117 



quem bafyiit fährt, bahnten fie fiel) auf fjalb^ 
bunflen Urroalbpicabcn mübfant ihren 22eg. 

Stach einer galn't bon fiebettgig lagen gel)t 
ba$ SluStoanbererfcbiff auf bem ^tajahn bor 
Sitfer. 93orbem etfbumten Soloniften liegt bie 
neue £>eimath in ber gangen Fracht tropifdier 
Vegetation. Sie SluSfdjiffung beginnt fogieich: 
3eber ift froh, bem einförmigen Sehen an 93orb 
unb bem etoigen Einerlei ber Sdjiffsfoft ent^ 
fliehen gu tön* 
nen. 3)tit ben 
Sanfchen unb 
Sooten tuer* 
ben bie |>abfe* 
ligfeiten 
fammt ben 
äusroanbe* 
rem ben Stio 
bo ^tajahh 
hinaufgefdjafft 
in bie acht ße* 
goaS bon ber 
Sec entfernte 
beutfehe Kolo¬ 
nie ©lumenau 
ober ©ruSque, 
um oorläufig 
in bem langen, 
großen 2lu3* 
manberer* 
fdjuppen ein- 
quartirt gu 
©erben. 

eine ga* 
milie ober brei 
3unggefetten 
jufamnten er* 
halten in bie* 
fern aus oielen 
Äbtheitungen 
beftehenben 
©ebäube je 
einen ber ©er* 
fchläge. $ier 
bleiben nun 
bie SZeuange* 
fommenenbor* 
e^t unb be* 
giehen oon ber Sireftion ber brafilianifchcn 
StaatSfolonie täglich ihre Stationen, treldte fie 
fich ielbft tod)en müffen. gür einen Slrgt ift auch 
geforgt. 

Säglich toerben nun gruppemoeife gu ©ferbe 
ober gu gufc 9lu3ftüge nach allen ^Richtungen, 
too fdhon ßanb oernteffen ift, unternommen, 
ftaben fich bie Slntömmlinge für eine ©egenb 
(meift in einem gtuhthal gelegen) entfliehen, 


9ananenerntc. 


too 93oben, Stachbam ic. ihnen gufagen, fo met* 
ben fie bei ber Sireftion ihr ßoS an, erhalten, 
trenn getnünfeht, noch auf ßrebit £anbirerf£* 
geug, 9ljt 2C. geliefert unb begeben fich auf ihr 
93efifcthum. 

©on nun an hört jebe Siefcrung bon feiten 
ber brafilianifchen ^Regierung auf. Ser ftotonift 
fteht auf eigenen güfjen mit ber 9ljt in ber 
|>anb bor bem jungfräulichen,Urtralb. SRun 

beginnt bie 
fchmerfte, 
entbeh^ 
rungS* 
reich fteßeit, 
gtoei bis brei 
gapre h ar ter 
Arbeit! Qe 
mehr ijalbex- 
trachfcne &in* 
ber ba finb, 
befto beffer 
unb fchneüer 
geht Sittel bon 
Statten, benn 
fie fönnen mit* 
helfen. 

gür einen 
©ingclnen ift 
biefe ©eriobe 
nieber* 
brücfenb, er 
muh ^panbrei- 
chungen ber* 
miffen, bie in 
©uropa gang 
felbftberftänb* 
lid) traren; ei- 
genfyättbigj 
muh er jept 
fochen, tra= 
fchen, nähen; 
babei ift er fo 
entfeplich al* 
lein im fernen 
Sanbe, unb 
gliidlich ift er 
noch gu nen* 
nen, trenn er 
bleibt. 

nun ein fogr- 
auS ©almtoe* 


nur gefunb unb munter babei 
3ur erften Untertunft toirb 
nannter s Jtancho ober eine |>ütte 
beln errichtet, inbern man bie ^?almfd>äfte als 
Stitpen, bie SSebel als Sad) bertoenbet, trährenb 
ber ©almfohl, b. h- baS dimere ber Srone, 
gleich ols Stahrimg bienen fann. Stuu roirb erft 
baS Unterholg qröhtentheilS entfernt f 93ananett 
jeboch, bie gute grüchte liefern, fotrie ^ßalmen 


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118 


Pie Ptntfdjrn in flraftlirn. 


fdjont man nad; SRögtidjfeit), eine Strbeit, bie 
bei bem 9lfleä ju einem grünen jufaminem 
roebenben Inquararoljr (Srfjlinqbambuä) nicf)t 
gering ift! Wlsbann merben bie Stämme alle 


Sft ber Solonift fleißig, unb trifft iljn fein 
Unglücf, fo f)at er in jloei biä brei 3aljrcn eine 
®uf), ein fßferb, mehrere Sd)tt)eme unb Diele 
§üf)ner. 




Stonfulatagcbäube. 

nacp einer Widmung 511 v £>älfte angepauen, ein 
Urmalbriefenbaum aber, melcper, mit feinen 
heften unb burd) Scplingpflauaen mit ben aitbc 
ren oerbunben, bem ©ati^eit einen £>alt gibt, 
unberfeprt erhalten unb ^ldebt biefer ebenfalls 
^ur Hälfte burcpgepauen. ffommt nun ber 
SDtittag* gegen ein Ul)r regelmäßig fiep einftel^ 
lenbeSeeminb, fo ftiir 
^en mit ffracpen alle 
mopl einen halben 
borgen ftlädje be^ 
bedcitben ©äume ,511 
famrnen unb merben 
uoßenb* getappt. 

s JJacp bierjepn Sa= 
gen mirb gfeuer* au 
bie* nun einigermaßen 
trocfene Epao* oou 
rieften unb ^meigen 
angelegt unb baffelbe 
berbrannt. 9Jtan nennt 
biefeSßroaebur in Vra^ 
filien tttosafdjlagen. 

^n bie taum abge= 
füplte Erbe mirb bie 
erfte Saat tmn 9Wai*, 
fcpmarsen Vopnen 2 c. 
gelegt. Die SKacpbaru 
helfen fiep gegenfeitig 
ein größere* St'olo^ 
niftenpau* errichten; 
bie größte Arbeit ift getpan. 3 ^Xber mie biel 
Heinere bleibt uoep für Jrau unb Slinber im 
frnufe 2C. 3 u tpun, mäprenb ber 9Jtann, bi* bie 
Ernte reif ift, häufig auf Dagelopit gept. 


ber Statur. 


‘Dabei ift bie perfön- 
liepe greipeit unbe- 
fcpräntt, $oli$ei, Steu= 
ereintreiber 2 c. gibt’* 
uicpt(nicpt eiumal^iacpt 
mäepter!) unb boep finb 
Verbrechen feiten. Die 
©leicppeit ber Stellung 
unb bc* Sofe* mirft be 
rupigenb unb oerföp 
neitb. 

Von Vortpeil ift ber 
Umftanb, baß bie teilte 
meit au*einanber mop^ 
neu, ebenfo bie Ent= 
p a 1111 n g 0 0 nt $11 f 0 - 
polgenuß unb ber 
ftänbige Vertepr mit 
5 o manche Urfacpen $u Streit: 


Vetruufeupeit, Uebermutp, 9?eib, fallen fort. 

Äomint aber ein „Dpunicptgut" nacp Vra= 
filien, fo ergept e* ipm bort, mie in anbem 
Säubern: Er muß entmeber Einfepr in fiep 
felbft palten, unb ein nüßliepe* ©lieb ber 
j Wenfcppeit merben, ober er gept unter. 


Strafte m ber Stabt $lumcnau. 


3 ft ed ben meiften Einfangs red)t faucr ge- 
morben, fid) burdjjubringen, fo finb bie an s Är 

L beit gewöhnten Seute naef) Ueberroinbutig ber 
j erften Sdjtoierigfeiten öertiältnifjmäjjtg jufrie= 


—Digitized by 


Ge >gle 


















■ _ 


Pie Peutffben in Praftltrn. 119 

trunt be3 SJerfetjrä unb bietet ein buntem Silb 
gau^ beutfe^en 9$olfäleben3. £ier befinben fidj 
bie Sireftion ber s Äu3wanbererfcf)uppen, bie 
S'aufläben, baä $onfu!at, 2Birtf)3f)äufer zc. 
fefjrömege beffern, bie Äoloniften werben 28ol)l mehrere ®ufcenb <ßferbe fielen t)ier ge^ 
portiren unb rafdjer wofjtfjabenb Werben. fattett, unangebunben auf bem freien ©raSpIafc 

Kadj ben erften fed)3 gafjren fangen bie 2lb= burc^einanbcr. Ofjne *ßferb fann ein ft'olonift, 
Ölungen be3 SanbeS unb ber SBerfjeuge in ber oft fcd)$ bi3 adjt Stunben weit weg wotynt, 
Säten an bie ^Regierung an. §at ber SJtamt nic^t au$fomnten — alles reitet, bie Sinber $ur 
jeboc^ Unglüc! gehabt, fo tritt ©tnnbung oft auf Schule, bie grauen in bie Sirene; audj bei 
3afjre tjinauS ein; bie brafttianifdjc Regierung Saufen nnb Scicf)ciibegängniffen fteigt man flu 
märtet. $ferb. 



SRo$afdtfagen — «uJtoben be« Uroalbe*. 


“So geftattet fiel) ungefähr bie Sache auf SJlüffen SDiann unb grau zugleich fort unb 
Staatdfolonien mit burcfjgärtgig gutem ®lima hoben nur ein ißferb, fo nimmt bie grau hinter 
unb fruchtbarem S3oben, welche füblich ton 9tio b.-m SJlann im Sattel ißlah. ®ajj bei ßeuten, 
be Janeiro liegen. bie in (Suropa noch nie ein ißferb beftiegen, bie 

3la<h ‘’ßrioatfolonien auSjuwanbern, bie mehr poffirlichften Situationen üorfommen, ift felbft 
ober minber ben gweef hoben, ihren ©igenttjü* oerftänblich. 

mer ju bereichern, ober nach StaatSfolonicn £>anbel, SBanbel, Schifffahrt unb SSerlehr ift 
uörblich öon Janeiro in ben Iropen ift beinahe auäfchliejjlich in ben §änben ber ®eut= 

gefährlich- fchen, welche baher oon ben Srafitianern h<*h 

3n jeber Sfotonie ift ber Stabtptafj ba§ ßen= angefehen finb unb alle anberen Stationen faft 


ben unb taffen oft SBerwanbte nachlommen. 
Schnell reich iönnen fie allerbingä nicht werben, 
hoch oon 9iahrung$forgen lann nicht bie Siebe 
mehr fein. 9Rit ber 3eit werben fich bie Ser= 


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120 


Pie Peutfdjen in Profilim, 



Öcute, bie fdjon 
16 big 17 gafjre 
bort mohnen, be& 
*ßortugiefifd)en noch 
ni<f)t mächtig fittb. 

ßg toerben burcf)^ 
gängig nur bentfehe 
Staaten üerbrandjt ; 
bie Nationalität 
mirb fetbft burd) 
mehrere ©eneratio- 
neu f)iitburd) niefjt 
uertiufcht, Sitten 
nnb ©ebrändje blei¬ 
ben bie alten, ge* 
loobntcn. $a noch 
mel)r: felbft bie nnt= 
tuo^neitben 33rafili- 
aner nehmen 511m 
Jbeil biefe Sitten 
nnb ©ebräudje an, 
U)ie beifpielgtoeifein 

Stoloniften=$rauen ju ®?ar!te rcitenb. — Urtoalb^icabe. neuerer 3 ^it aucf) bet 

irrten jur ffiei^ 

gan ( $ oerbrängt haben. 2Ber nicht bentfd) üer- I nachtg^eit ber bentfehe ßl)riftbanm 511 leuchten 

ftef)t, fann oft in folchen Sloloniebiftriften toie pflegt. 

SBtumenau fautn oerfehreu unb reifen, inbetn ßiner ber fchlimmftcn geinbe ber Slugnmn- 



ft'irtffe in SUumcnau. 




















(Sine Putter. 


121 


berer ift boS mal de terra, baS 91cclimatifationS= 
fieber. $)iefeS Ijerrfdjt namentlich in ben neuen 
91obungen, unb fetten bleibt Sernanb bauon oer= 
fdjont. — ®ie ‘äuSWanbercr haben ein einfaches 
Wittel bagegen: fie legen eiferne ÜRäge! in Gitro 
nenfaft unb nehmen bie SRifchung als Stijenei. 

Somit ift «uth baS Seben in Srafilien, wenn 


eS f ö ft t i cf) ift — 2Küf)e unb Arbeit. 3ft 
weniger föfttidj, fo befteljt eS in läufdjung, 
Sorge unb S'ranffjeit. 

9tiemanb erwarte ein brafilianifdjeS ißara- 
bieS. Unb — SRiemanb wanbere nach Srafitien 
aus, ber nicht jum SßorauS ganj gewifj weif}, 
baf} er bort feine Sage oerbeffem fann. 


<Sine 




<$itt 8ilb aus bem Seben non 91. Sen). 


f it alte Dame trippelte gefebäftig oon einer ©tubc 
in bie anbere, ba unb Dort ftanb fie füll, mifeßte 
mit ben feßlanten Ringern über eine baueßige 
Commobe, rüctte an einem ßocßleßnigen ©tußl herum 
obernipfte einen Difcßteppicß in regelrechte galten. 
3*n gremben^immer mit ben blütßenmeißen 2Rull= 
garbinen Dermeüte fie befonberS lange, ©ie hob ben 
geftrieften Uebernmrf — ein ©ebulbämerf ihrer fleißi¬ 
gen fmnbe—ber über baS ©aftbett gebreitet mar, ein 
wenig in bie Jpöße unb ftrich mit Der melfen ©anb 
facht über baS Äopffiffen, bann prüfte fie bie SBoH= 
beae auf ihre SSeicßßett unb SBärme. (sie hotte baS 
feit Stachen gethan unb tßat eS heute mieber. sieben 
bem großen, breiten Säger ftanb ein $inberbettcßen, 
beffen giaumbecfe mit einem altmobifcßen, mit SRofen 
nnb helfen bebrueften Ueber^ug befleibet mar. Seine 
flöppeHpißeit fehmüeften baS «eine Riffen unb Sein* 
hieß. ©3 mären heute gerabe acht SBocßen ßer, feit 
bie alte grau ba£ fleine SJhißbaumbett aus ber 93oben* 
lammer ßatte herunterbringen unb im gremben^im* 
wer aufftellen laffen. ©immel, mie hatte e3 auäge* 
feßen Damals, unb mie Mint unb blant unb mouig 
ftanb e3 heute oorihr! greiließ, e£ mar in^mifeßen 
aueß genug baran ßerumgepufct, geboßnt unb getüf* 
telt motben. ©ie felbft unb ißre SRonifa hotten e* 
fub Diele Sftüße foften laffen, e$ roieberßer*ufteflen in 


Äcß, mie gemahnte eS bie alte grau jeßt mieber fo 
amu an bic felige 3ett, ba baä fleine Söettcßen in ihrer 
Seßlafftube ftanb, amifeßen ißrem unb feinem $ctt. 
Sie hatten ja beibe raum noeß geßofft, baß ein ftinber* 
bett nötßig fein mürbe, unb auf einmal mar e§ ba, 
imb eä lag ein prächtiger Qunge mit buntein klugen 
Darin. 

fleß, Damals, Damals! — 

„3Rit Stofen bebeeft. 

3Rit SRäalein befteat, 

©cßlupr unter bie Decf! 
borgen früß, menn ©ott mill, 

SBirft bu mieber gemeeft!" 

fo hatte fie unzählige Wlale, neben bem «einen Säger 
ffeenb, mit letfer Stimme gefungen, Denn oßne Der 
Snitter 2Biegenlieb märe ber fleine ©igenfinn ja nun 
unb nimmer eingefcßlafen. Unb mäßrenb fie fang, 
hatte er mit bem biefen fleinen 3^igeßnger bie »Jtofen 
unb helfen auf feiner Decfe angetippt, biä ihm bie 
Ängcnlieber fcßmer auf bie runoen rofigen SBangen 
niebergefunten maren. ©ie mußte ba$ aueS noeß fo 
gut, fo gut, ald märe e3 geftem gemefen. 

„Du oermößnft ja aber ben jungen ganj unerhört, 
Äuttercßen !" ßatte beffen Sater, unter oie ©dpaf* 


flubentßür tretenb, oftmals gefagt. ©ie ßatte bann 
ängftlicß mit ber ©anb geminft. ,,©ft, bft, Sieber, bu 
maeßft mir ihn ja mieber munter; er ift eben am ©in* 
feßlafen."—unb bei fuß felbft ßatte fie gebacht: SBenn 
ließ hoch bie $äter lieber nießt in Dinge mifeßen moll* 
ten, melche nur bie SJtütter angeßen. 

Äber fie ßatte ihm auch fpäteren 3aßren ba^ 
fRecßt nießt jugeftanben, fieß in bie ©rjießung feinet 
Änaben ju mifeßen. ©ie ßatte fo lange auf ißn mar* 
ten müffen, unb er mar ein jo fcßöneä, füßeS Äinb; 
baö biöcßen ^eftigfeit unb ©igenfinn Durfte man ißm 
nicht fo ßoeß anreeßnen, ba§ Derlor fieß fteßer ganj oon 
felbft.—,,©r ßat ein fo gutes §era, ®ater!^ patte fie 
oft entfcßulbigenb gemeint. Der ®ater aber ßatte 
bie ©tim frauä gezogen. „Qa, gut, ma^ eben eine 
SDtutter gut nennt: Diel Demperament unb menig 
©ßaratter!—SRüttercßen, Sftüttercßen, icß füreßte, bu 
binbeft Dir eine SRutßc 

Da^ mar lange ßer, feßr lange! unb injroifcßen mar 
be$ $ater3 feßlimme s BropheAetßung maßr gemorben: 
Die SRutße mar ba unb traf fie mit roueßtigen ©eßlä* 
aen bi^ in^ innerftc SebenSmart. — Unb als ba^ 
Scßlimmfte fam, ba mußte fie c$ allein tragen, Denn 
ben $ater foeßt lein Äreuj meßr an, unb fie gönnte 
e£ ißm, baß er allem ©roenmeß entßoben mar unb 
feßlafen fonnte—fcßlafen!—2öie gern ßätte fie fieß an 
feine ©eite gelegt, Draußen auf bem griebßof! 9lber 
fie mußte meiter leben in benfelben Räumen, mo fie 
jo glütfließ gemefen unb fo elenb gemorben mar; unb 
fie lebte aueß meiter. ©ie befeßiefte ißren tleinen 
^auäßalt, mie fie e3 oon jeßer getßan, aber menn fie 
an bem ftinberbetteßen, ba£ neben allerlei jurücfge* 
fteüten Döbeln in einer §interftube ftanb, oorüber 
mußte, bebeefte fie bie 9lugen mitberßanb; ftefonnte 

S inen Slnblicf nießt meßr ertragen, ©nblicp gab fie 
efeßl, Da3 ©etteßen naeß ber SRumpeUammcr ^ 
fAaßen; fie ftieg felber hinauf unb ließ e$ bort Don 
9lonifa in ben ßinterften, buntelften Söintcl feßieben. 
Dort follte e« fteßen unb fürberßin ber $ergeffenßeit 
anheimgegeben fein. 

Äber fie hatte e3 boeß nießt ganj oergeffen tönnen, 
Denn jebeö 3aßr, menn bie alte SJconita mit Älopfer, 
giebermifcß unb dürfte in bie ©obenfammer ßinauf* 
ftapfte, um bie bort oermaßrten ©ettftücte unter 3 
genfter in bie ©onne $u legen, au fcßütteln, ^u flopfen 
unb ju Dürften, mar ißr bie SRätßin naeßgegangen; 
unten an ber fteilen Dreppe mar fie fteßen geblieben. 
„Daß bu mir aber nießt an ba$ fleine 33ett rübrft, 
3Ronita!" ßatte fie ftreng ßinaufgerufen. Unb 3Jto* 
nita ßatte ißren grauen Äopf gejcßüttelt unb leife ae* 
feuf^t: „Unoerföhnlicß, immer unDerfößnlicß! - vir* 
mer, armer §anfel!" Unb fie ßatte e$ boeß nießt 
laffen tönnen, nur gan$ faeßte mit bem ^ejen über 


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122 


(Sine Putter. 


OaS oerfehmte, beftäubte Bettchen $u fahren unb bie 
Spinnmeocn, bie ihren grauen Schleier Darüber brei¬ 
teten, behutfam megjulehren. 

SBie batte ficb bas alles jept fo plöplid) geänbert! 

» ? — Stein, bie SBanblung war ber $anblung 
, ,on lange borangegangen, leife unb unbermerft 
unb mol)l auch uneingeftanben im Anfang. $)ie ju 
'©iS erftarrte, gefränfte Mutterliebe war langfam wie- 
ber aufgetbaut, ber tiefe berechtigte ©roll, bie herbe 
Verbitterung hatten ber Seljnfucht eines einfamen 
^er^enS nicht länger Stanb gehalten unb waren un¬ 
tergegangen in bem beißen Verlangen nach einem ein¬ 
zigen SBieberfinben. Slber ber Slnftoß j$ur Xpat, 5 um 
^erborholen beS feit langen fahren in ben Boben- 
mintel berbannten BettdjenS war bon außen getoin- 
men. Sin bem Xage, ba ber Vriefträger jenen bieten 
Brief mit ben bielen Marten unb Voftftenipeln in bie 
§anb ber alten grau gelegt, mar ber Befet)l ert^eilt 
worben, baS tleineVett fd)leunigft berunterjufcharfen, 
unb genau bon jenem läge an batirte fid) auch bie 
große ©efdjäftigfcit in bem fonft fo ruhigen, Meinen 
jpauShalt. 

Monita batte iljre alten Knochen rühren müffen, 
um ben taufenberlei tleinen Slnorbnungen ihrer Her¬ 
rin (Genüge ^u tbun, aber fie, bie fonft leicht in ben 
Vrummton im £aufe grau geworbener $)ienftleute 
oerfiel, hatte nie baS runzelige ©efidjt bezogen, wenn 
auch baS gan^e §auS aufben £opf geftellt würbe unb 
jeber neue Morgen eine Menge neuer Slnforberungen 
an ihre SeiftungSfähigfeit brachte. $>ie alte, treue 
Seele fanb ja gar feinen rechten Schlaf mehr oor 
lauter freubiger Erwartung, unb fie tonnte eS beßbalb 
burch bie bünne SSanb, bie fic bom Schlafgemach 
ihrer Herrin fchieb, gar fo gut hören, baß eS biefer 
•ebenfo erging; fie hörte, wie ihre grau $Ratl) fich 
brehte unb wenbete, Sicht an^ünbete unb wieber 
löfd)te, unb fie bermunberte fich nicht, wenn baS Ste- 
fultat biefer Sdjlaflofigfeit fid) am nädjften Morgen 
in allerlei neuen Vlönen unb haftigem Xrängen jur 
Bewältigung all ber Arbeit funbthat. 

3)ie Sache litt aber aud) feinen Verzug, mußte hoch 
fo manche Meine StaatSummäl^ung m gimmern, 
Schränfen unb ©ontmoben bor fid) gehen, wenn Staunt 
unb Behagen gefchafft werben foute für frembe ©äfte. 
—gremoe ©äffe? -Stein, baS war nicht baS richtige 
B$ort für SBeib unb $inb beS einzigen Sohnes, bie 
ba aus weiter gerne fommeu wollten, um fortan 
greub unb Seib, JpauS unb £>abe mit ber alten grau 
^u theilen! 

$ld), wie hatte ihr baS £er* gewittert in heißem 
Mutterfchmer^, als fie jenen Brief laS, ben erften, 
einzigen unb—lebten, ben fie bon ihm empfing, feit er 
fie jählings berlaffen hatte, belaftet mit tyrem giuch. 

f iatte fie ihm wirflid) geflucht? ©S war ihr Wie ein 
öjer iraum, baß fie eS getljan, bamalS, in ber §ipe 
—im ©ntfepen über feinen bobenlofen ßcichtfinn, feine 
Vflicht^ergeffenheit, fein gewalttätiges (Singreifen in 
ihre Vechte. Sie holte biel Qeit gehabt feither, an 
ipr eigen $er$ $u tlopfen unb $u fragen: Xrägft bu 
feine Schulb, baß eS fo gelommen? Bift bu beinern 
fdjwachen, irrenben Sohne eine ftarfe unb, wo eS Stott) 
that, ftrenge Mutter gemefen, ober hat bid) beine 
Siebe feig unb blinb gemacht unb untüchtig, ihn &u 

S alten, wenn er ftraucpelte? — Unb bie Antwort, bie 
e fich auf jolch banges gragen geben mußte, trug 
biel, unenblich biel baju bei, baß baS Verleihen in ihr 
4jer$ ein$og unb mit bem Verleihen bie Hoffnung, ihn 
eines XageS wiebertehren $u fehen, wie ben oerlore- 
nen Sohn ber Bibel, wiebertehren unb bor ihr nicber- 
finten mit bem reuigen Betenntniß: „Siche, id) habe 
gefünbigt bor bem $intmel unb bor bir unb bin nicht 


werth, bein Sohn &u heißen!" Sich' unl> öaltn too ß te 
fie ihre Slrme ausbreiten, weit, weit, unb wollte boU 
greuben fprechen mit bem biblifchen Vater beS reu* 
müthigen SohneS: „greueteudj mit mir; mein Sohn 
war tobt unb ift wieber lebenbig geworben; er war 
berloren unb ift wieber gefunben worben!" — Unb 
wenn fic aud) tein gemäftet Äalb $u fchladjten hätte, 
fo wollte fie mitfammt ihrer Monita thun unb geben, 
was $üd)e unb Heller bcrmöd)ten, $uc geier feiner 
SSieberfehr. $artoffelflößchen unb Slpfelbrei, $>ampf- 
nubeln unb gelochte gmetfdjen, baS hatte bem tleinen 
rntlben §anfel als Äinb immer fo gut gefd)mccft; wie 
würbe ihn baS wieber anmuten nad) all ber 3 cit , 
er bie Sectcrbiffen feiner jungen galjrcentbehrt hatte! 
—Xaufenbmal hatte bie alte grau fich öaS aueS in 
©ebanfen auSaemalt, wenn fie mit bem StricftÖrbdhen 
am genfter faß,jahrelang hatte fic baraufgehofftunb 
fid) baran gehalten mit ber 3äl)igteit ber Mutterliebe, 
unb jept, jept war ber Brief gelommen, auf ben fie 
fo lange oergcblid) geharrt, unb hatte all biefcS ©offen 
unb ©rwarten mit einem Schlage jerftört unb hoch 
wieberum erfüllt. Qa, ba lag er $u ihren güßen, ihr 
^anS, ihr einziger, oerloren geglaubter Sohn, unb 
tlagte fich an, baß er fein ©ut oergeubet habe mit 
Bräffeu, baß er f^wer gefehlt unb in ber Qrre gegan¬ 
gen fei — jahrelang, fid) felber jum Verberben. vld), 
welch ein trauriger, her&erreißenber unb bod) fo füger 
Brief war eS, ber jept wieber offen im Sdjooße ber 
alten grau lag, währenb fie im grembenjtmmer ju 
öäupten beS ^inberbettdjenS faß, auf beffen $ecte bie 
ntofen unb Stägelein immer noch blühten! 

„•Su haft mid) Don bir geftoßen, Mutter, als einen 
Verbrecher/' fchrieb ber Sohn, „weil ich m * r eigen¬ 
mächtig nahm, was bu mir oorenthielteft — wioer- 
rechtlich, nach meiner bamaligen Meinung — 0 Mut¬ 
ter, bamalS war id) fein Verbrecher, nur ein leichtfin¬ 
niger, genußfüdjtiger, üon unfeliger fieibenjehaft Der- 
blenbeier Menfch, ber bir fdjon oiel Kummer unb 
^erjeleib bereitet hatte, aber jpäter, fpäter trieb mich 
bie Sünbe wirtlich an ben graufen Slbgrunb* ein 
Schritt noch, unb id) wäre hinuntergeftür^t in Vacht 
uno Schanbe unb hätte ben Stamen oerbient, ben bu 
mir in jenem f Aredlichen Slugenblide in’S ©eficht fehlen- 
berteft: ben Stamen eines gemeinen $>iebeS! ftber 
ber ©itnmel hat mir in ber bunfelften Stunbe meines 
SebenS einen ©ngel gefenbet, ber mich ^urüctriß oon 
bem gähnenben SAlunb unb mich a™* milber $anb 
auf guten, fid)ern Bfab lentte, unb wenn idb heate mit 
ruhigem ©ewiffen htnübergehen unb oor ©otteS Sin- 
gefiept treten fann, fo h<*& e ich öaS einzig unb allein 
biefem, meinem ©ngel, meiner treuen, heißgeliebten 
Slnnie, au banten. 

0, wie habe ich bie grauen beratet, Mutter, als 
jene anbere, beren Siamen ich n id)t nennen mag, mich 
fo fchänblich betrog! SBie oerblenbet muß ich Oon 
ihrer bämonifchen Schönheit gemefen fein, baß im bich, 
bu treue Mutter, rücffichtSloS oon mir ftieß, als bu 
mich faft tniefäüig bateft, bie frembe Slbenteurerin $u 
meiben, bie fich wie eine buntjcbiüembe Schlange tn 
unfere fleinbürgerliche ©efelligteit bineingefchl«hcn 
hatte. Sie war eS gemefen, bie mir oen bofen 9tath 
gab, mich meines oäterlicpen Vermögens ju bemächti¬ 
gen unb mit ihr ju Ziehen aus ben engen hcimatpli* 
%en Verhältniffen. Sie warb meiner halb genug 
überbrüffig im fremben Sanbe unb oerließ miep, als 
ich »h* e lururiöfen Steigungen unb ßaunen nid^t mehr 
au befriebjgen oermochie, um in ber Villa eines oft- 
mbifchen ScabobS ben armen beutfehen Storren au oer¬ 
lachen, ber ihr ®eimath, Stamen, Stettung, ja felbft baS 
treufte Mutterhcrj ^um Opfer gebracht patte. 

3u meiner Schanbe muß ich öir’S geftehn, baß ich 


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(Sine Putter. 


123 


über ben Heugerungeniglü^cnbcr Qärtlicbteit, mit bcr 
nid* ba« berücfenbe 28 eü) anfänglich uberfdjüttete, 
bcn glu* au« beinern SJhtnbe oergaß, ben bu mir in 
unferer ©cheibeftunbe mit auf meinen Pflicht* unb ebr* 
oergeffenen ©eg gabft Slber er ift nicht ungehort 
fcerijaut, SRutter, unb heute bante ich’« bem ®intmel, 
tag er ihn oemommen unb an mir gerächt unb oofl* 
jogen ^at; benn ohne bie garten öammerfcbläge 
td}©erer unb «übriger ©efchicte unb bitterfter s Roth 
ftänbe ich heute nicht bor bir als ein ©ntfüljnter. 3a, 
ein ©ntfüpnter, SRuttcr, benn feit bie ©onne ber 
Siebe, beS ©lüde« meinen Vfab erhellt, feit ich ermar* 
men burfte unb erftarfen an einem reinen grauen* 
tagen, feitbem ift eS mir $ur ©eroiffheit gemorben, 
taff meine 3 Rutter mir bergeben, baß fie ihren glucff 
tan mir genommen hat. — 3fh habe nicht gemagt, an 
todj fchreiben, fo lange ich in ber ©rniebrtgung 
lebte unb arbeitete als ber ©eringften einer. 2)u 
rourbeft bem 2)arbenben ein Sllmofen gefenbet haben, 
id) aber mollte fein Sllmofen bon bir, ber beraubten, 
beren SBoplftanb ich fo unoerantmortlidj gefchmälert 
batte burch meinen geroaltfamen ©ingriff tn beitt ©i* 
geittbum. ©« entfepuibigt mich nicht, baff ich nicht 
muffte, bis bu eS mir bamalS fagteft, baff bu berbriefte 
$cdjte auf ben ganzen Nachlaß meine« Vater« hatteft. 
$d», mein Vater muffte, maS er tffat, als er beS leicht* 
finnigen ©ohne« ©efehief in bie «§anb ber Butter 
legte, als er thn auf lange 3apre hinaus ^ur Slbhän* 
gigfeit bon ihr ^minaen moute! Slber ich nannte eS 
bamalS eine fdjreienbe Ungerechtigfeit unb riff gemalt* 
fam bie ©erthpapiere an mich, bte bir ein behagliche« 
Seben auf gemohnter breiter Vafi« hatten fichern 
foflen. 

Xaff bu troßbem nicht barben muffteft, baff bir im* 
merbm fo oiel blieb, um forgenfrei, menit auch nicht 
mehr int früheren ßujru« flu leben, habeich inAtoifchen 
in Erfahrung gebracht, unb an biefen ©ebanfen habe 
idj mich geflammert al« an ben rettenben ©trohhalm, 
menn ba« Veroufftfein meiner ©cbulb mich in bie 
liefe troftlofer ©eelenqual unb ©eibftoerachtung ^ie* 
ben toottte. 

Seit id* an Slnnie’S ©eite ein rechtfchaffcncr 9 Renfch 
geworben bin, feit unfere gemeinfame Arbeit gefegnet 
warb mit ©rfolg, haben mir un« beibe unaufhörlich 
mit planen getragen für eine Vrücfe beinern §er^cit. 
$ir mottten felber fommen, felber anflopfen an beine 
Ibnrunb bein $erj unb molltcn merben um bein 
$er$eihen, beine Siebe, beinen ©egen. $)a mürbe 
un« aber unfer füffer ^[ohnie geboren, unb fttnna lag 
lange 3 «t tränt banieoer. unb ba$u trat bie Unmög* 
lirflfeit, ba« faum gegründete unb noch nicht erftarfte 
^tafdjäft, ba« un« nährte, ju üerlaffen. Unb al« enb* 
ltd) all bie Dielen $inoerntffe bejeittgt maren, al« ich 
im begriffe ftanb, Die Vorbereitungen su unferer Steife 
treffen, ba tarn mein fchlimmer £mften, unb ba« 
uerjehrenbe ^rieber warf mtch auf« $ranfenlager, üon 
tarn ich nie mieber auffteben merbe. 9 Ran fagt, baff 
ßruftfrante i^ren fjuftano meift bertennen; im Der* 
tarne ben meinen ntdjt, habe ich boch bie böfen 3 Jcächte, 
frie jeßt mein Seben bebrobn, ihr jerftörenbe« ©erf 
«n meinem feligen Vater tpun unb Dotlbringen fehen. 

Seifft bu noch, 3Rutter, mie bu in jenen tagen be« 
$er|eletbS meine Vruft unterfuchen lieffeft? ©iernar 
gefunb bamal«, unb bie ßungen arbeiteten träftig unb 
normal, aber unfer alter ^auSarjt hob Dennoch mar* 
nenb ben ginger gegen mtch unb empfahl eine gute 
Cbjorge für meine ©efunbpeit unb einen foliben ße* 
tanSmanbel. '9Raff halten in allen Gingen, junger 
SRamt, 9 Raff halten V fagte er. 3ch aber habe tm 
^ottgejühl meiner gugenb f cin ©cbot bereitet, habe 
xnc^t ©aß gehalten, fonbem mie ein ©itmlofer meine 


Straft Oergeubet, 3 a h re hinburdb! $ie Veue tommt 
nun fpat; ber tfetm, ben oieueicht fchon bie Statur 
in meine Vruft gelegt, unb ben idjjur üppigen ^flan^e 
heranjog Durch eigene ©dmlb, reift Aur unheiloollen 
Frucht: mein Heiner Sfriaoe mirb balo eine baterlofe 
©aife, meine grau eine SSittme fein. TOer bu mirft 
birfj ihrer annehmen, ich loeiff e«, unb menn meinem 
Sttutterlein ad ba« junge ßeoen, ba« ich ihr in*« ftiüe 
^>au« fehiefe, befchmerlich merben füllte, oh, fo erinnere 
bich baran, baff biefe« tapfere SBeib bir beine« ©oh* 
ne« §er^ unb ©eele gerettet hat, baff biefe« $inb ber 
lepte ©onnenftrahl feine« oerfehlten $ajein« mar! 

©oll ich, inu 6 ccf) ^ cn Schleier heben oon bcr ©tunbe 
ber Verjuchung, ber ©chmach, bie mir fo unoermuthet 
jum SBenbepunft meine« ßeoen« marb ? 

©« mar eine stacht mie jene, ba mir auSeinanbet* 
gingen auf ^iinmermieberfel)en. 3^ f tan ^ fcht* ms 
mer Slbficht im ^rioatcoinptoir meine« reichen Vrob* 
berrn, fchaubernb oor mir felbft unb meinem Vorha* 
oen unb boch ba^u gebrängt burch meine ©laubiger, 
benen ich auf ben morgenben tag Aahiaag oerfpro* 
chen^unb mehr noch burch meinen glühenbenSunfch, 
bie Mittel ju geminnen, um in’« 3nnere 511 gelangen. 
3 ch motlte um jeben VreiS bem ©efichtstrei« biefe« 
»aufe« entrinnen, unb ich hoffte in frember Umgc* 
bung enblich ein neue« ßeben beginnen 5U tönnen. 
©in neue« ßeben auf einem Unterbau oon unrech* 
tem ©ut! ta — mie ich bie |>anb auSftrecfte nad) 
biefem Unrechten ©ut, ba fiel etn ßicbtfdjein in ben 
bunfeln s Jfaum, mo ba« Verbrechen auf leifen ©ohlen 
fchlid), unb im Nahmen ber thur ftanb—mein ©ngel, 
jene« jehöne, beutfdhe Stäbchen, ba« feit Monaten al« 
©rjiehcrin im .’paufe meine« reichen |>erm meilte,unb 
au bem ich, fo oft id) ihr begegnet mar, aufgcblicft 
patte mie einem ©nabenbtlb. 3ch hatte fliehen 
moflen au« ihrer Sßähc, meil mein .^er^, ba« £>cr$ 
eine« Vermorfenen, ihrer begehrte. 3 ch louffte nicht, 
baff fie im §aufe mar—e« hirff, fie fei mit ben tfinbem 
bet Vermanbten ber .^errjehaft am Stteerc — aber fie 
mar ^urücfgetehrt 5u guter ©tunbe. ©in ©eräujch 
im VrioatAimmer ihre« $errn hatte ihr bie Ueberau* 
gung gegeben, baff beffen ©igenthum gefährbet fei, 
furchtlos hatte fie nach ihrem tleinen tajcpenreoolüer 
gegriffen unb mar bem ©cräufche nachgegangen, unb 
nun ftanb ber ertappte 2)ieb oor ihr in ber ^erfon 
eine« ßanbSmanneS, bem fie gütig unb freunblid) ge* 
finnt gemejen mar, unb ber unmitlfürlich oor bem 
ent^eßten Vlicf ihrer retnen, blauen Slugen^ufammen* 

©oll ich bir erzählen, dRutter, mie fie mid^ an ihrer 
ipanb hinausführte, mie einen Oranten, mie fie, ehe 
ffe oon mir ging, unter ben Väumen be« ^arf« auf 
ihre Äniee nieberfiel unb für mich unb mit mir betete, 
betete um bie $raft, ber Verfügung ju miberftehen, 
betete unb flehte um ein neue« §erj unb einen neuen 
©eift. $ort, unter bem ftrahlcnben ©ternenhimmel 
ber Xropen habe ich *h r unter heißen Spänen att 
mein Qrren gebeichtet, habe i^r Vefferung in ihre 
Heine §atib gelobt unb habe fte angefleht um ihre 
Mlfe unb äöegmeifung. ©ie mar ja faft noch ein 
Winb an 3 a h*en unb ©rfaffrung, bem in ©ünben früh 
ergrauenben 9 Rann gegenüber, aber mein §er$ mar 
mte 2Bach§ in beit ^änbeu biefe« Äinbe«. ©te hat 
mich gerettet, SRutter, unb hat ftch mir ju eigengege* 
ben nach 3 a h^e«frift, al« fie fah, baff meine Sßanb* 
lung eine emfte unb nadjpalttge fei, baff icb in ber 
elften ©tunbe noch einen neuen nftenfdjen patte an* 
Riehen tönnen. 

mirft fie fehen, SRutter, menn ich n ^t mehr 
bin, fie unb unfern füffen, fleinen ftohuic. 3 n öeine 
treuen §änbe lege ich ba« ^heuerfte, ma« ich auf ©r* 


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124 


(Sine Putter. 


Öen befipe, unb bu wirft fie aufneßmen unb wertß 
galten, ntcßt waßr?—Xiefe bier »lugen finb bie 2 icß* 
ter gewefen auf meinem buntein SSeg, bie Sterne, 
bie mir geleuchtet bureß bie Stacht ber Scßmerjen unb 
beSXobeS, beffengittien ich fd^on fpüren meine, unb 
fie werben bereinft aueß bein §auS unb bein £>erj, bie 
bureß meine Scßulb büfter unb einfam geworben, ßell 
machen bis an bein eigenes ©nbe. 

Xiefer Vrief ift baS SBerf langer SBocßen gewefen. 
■Sch hätte ihn oielleicht jo ni<ßt gefchrieben, wenn ich 
noch ein Stücf Seben oor mir hätte, aber SlngefidfiS 
beS XobeS muß auch ber leßtc Verjucß einer Selbft* 
reeßtfertigung feßweigen. ^$ch tritt waßr unb unücr= 
hüut oor bir ftehen, oor bir, oor mir felbft unb mei= 
nem ©ott. XaS weiche $erj meiner SRutter hot alle* 
^eit milbe gerichtet!" 


Xie alte grau neben bem Äinberbettcßen in ber 
grembenftube faltete ben Vrief jufamnten. Sie 
wußte ihn beinahe auSwenbig, aber fie hotte ihn hoch 
Wieber lefen muffen. (Sin Vlatt war üon ihrem 
©cßooße geglitten; fie biiefte fi<ß banaeß, unb ihre 
klugen ruhten einen Slugenbluf barauf. (Sine frembe 
grauenhanb tbeilte ihr in wenigen feilen mit, baß 
ber Schreiber beS VnefeS jur ewigenTRuße eingegan* 
gen fei. Xie feine Schrift war halb öerlöfcßt Oon 
Xßränenfpuren. „Sluf ben SBunfcß beS tßeuern 
Verblichenen reifen wir, fobalb ich im Stanbe bin, bie 
nöthigen Vorbereitungen ^u treffen/' lautete ber Saß. 
—Xie alte grau troemete fich bie Slugen unb feßoo 
bie Rapiere forgfältig in einanber, bann erhob fie fich 
langfam unb fenritt nach ber Xßür. 

„Vift bu ba, SRonifa?" frug fte in ben ©ang hin* 
aus. Xie ©erufene trippelte eilfertig herbei, „ga, 
grau SRatß," fogte fie. 

„geh glaube, baß wir jeßt halb fertig finb, 9 Ro* 
nifa?" 

„ga, grau fRatß." 

„Unb baß fie jeßt ein-fießen unb behaglich bei uns 
leben unb woßnen fönnten." 

„gawoßl, grau SRatß. SBenn fie hoch nur enblich 
erft tarnen!" 

„Xu bift recht ungebulbig, 2 Ronifa —£m,ich glaube, 
wir fönnten heute noch Himbeeren emmaeßen: bie 
werben was fein für ben fleinen gungen, meinft bu 
nicht, SRonifa?" 

„greilidß, grau SRatß. Ob er woßl auch Xampf* 
nubcln mit gwetfeßen gern ift, wie fein $apa?" 

Xie alte Xame lächelte. „Unb Äartoffelflöfjcßcn 
mit Slpfelbrei, nicht wahr, SRonifa?" 

„Sich ja, $artoffelflöß<hen! SBie freute fich unfer 
$anfel—will fagen, ber junge §err, als er noeß flein 
war, immer auf ben greitag, wo eS bcrgleichen gab!" 

„ 5 Ra, wir werbend abwarten muffen, SRonifa, unb 
wenn'S ißnen nicht fehmeeft, fo wie wir’S gewohnt 
finb" — 

„So werben fic ftd) allmählich baran gewöhnen, 
bis fie’S audj gern effen, nicht Wahr, grau SRatßV" 

„Slber, SRonifa, wo benfft bu hin! fRein, bann 
machen wir in unfern alten Xaaen noch Äocßftubien 
unb bereiten ihnen, waS fie brühen gern aßen! Slber 
bu lönnteft mir hoch jcßnell ein ftörbeßen holen, baS 
gelbe, mit bem foenfelcßen, bamit ich int ©arten bie 
Himbeeren abpfiücfen fann, wäßrenb bu hier noch 
einmal abftäubft." 

„Slber ich feße gar fein Stäubchen meßr, grau 
SRatß." 

„SRan fann hoch nicht wiffen, SRonifa, unb bann 
mußt bu nachher noch SReßl unb gnefer abwägen ju 
Slniefücßelcben, bamtt wir was im Vorrath haben 


Aum ftnuSpem für unfern kleinen. Unb bie blaue 
SReißener Vafe, bie icß auf ben genfterfimS gefteüt 
ßabe, laß mir nur ba fteßen, bie fülle ich heute noch 
mit SRofen, weil man ja nte wiffen fann. —Slber gib 
Slcßt, baß bu nicht baran ftößt, wenn bu baS Staub¬ 
tuch auSfcßüttelft; ich ßabe fie noeß oon meinen 
©roßeltem ßer unb baS Äopffifjen aus bem Äinber* 
bett fönnteft bu aueß noeß einmal in bie Sonne legen, 
mir ift, als röcße eS immer noeß ein btöcßen naeß ber 
Kammer!" — 

SRonifa braeßte baS gelbe $enfelförbcßen unb ben 
©artenßut unb bie alte Xante feßritt über bie jaubern 
lieSwege baßin. 

Xa wirb er nun halb ßerumßüpfen, ber fleine 
gunae, unb ßier auf ber Vanf werben SRutter unb 
©roßmutter fißen unb ißm ^ufeßen, baeßte fie im SBei* 
tergeßen, unb ißr war, als hüpfe jeßon etwas in ißrem 


alten ; 


Aen. 


Slm äußerften (Snbe beS ©artenS ftanben bie £im* 
bcerftauben, bie Ooll reifer grüeßte ßingen. Xie fcßlan= 
fen $änbe ber grau »fath machten fieß emfig an’S 
Vflüaert, unb babei entwarf ber unruhige alte Äopf 
feßon wieber ein SlrbeitSprogramm für bie näd^ften 
Xage. XaS SSarten war ja unerträglich, wenn man 
eS nießt nupbringenb für bie $u ©rwartenben auSfül* 
len fonnte. ^öffentlich würbe boeß nun halb ein Vrief 
fommen, ber ben Xag ißrer Slnfunft melbetc—oorßer 
fonnte man ja feine wränge winben unb auch feinen 
©ugelßupf baefen; baS mußte boeß alles ßübjcß frifcß 
fein!—Unb bann warenblidß biegeit ßerangefommen 
unb aEeS bereit bis auf’S lepte Xupfelcßen, unb bann 
füßr fie eines XageS in ißrem beften Äafcßmirtleib r 
mit bem neuen ftreppßut auf bem $opfe, ben fte flcß 
gleich naeß (Smpfang beS oftinbifeßen VriefeS ange^ 
jeßafft ßatte, auf ben Vaßnßof, um Scßwiegertocßter 
unb (Snfel in ©mpfang ju neßmen, unb HRonifa ftanb 
unterbeffen am §eerb unb weinte oor Führung unb 
maeßte oor Aittember ©rwartung gewiß ben aller* 
fcßlecßteften Äaffee, ben fie je bereuet, unb bann—unb 
bann — 

Sie fam nießt weiter mit ißren ©ebanfen, benn üom 
aufe ßer tönte eS laut unb immer lauter: „grau 
atb! grau SRath! grau fRatß!" 

Jpier bin icß, SRonila, bei ben Himbeeren!" — 

Xie alte s JRagb fam in öaft bureß ben ©arten ge* 
laufen, aber eS mußte ein Unglücf gefeßeben fein, benn 
fie jaß ganft oerftört aus unb rang naeß Sltßem. 

„Um ©ottcS Willen, SRonifa, ßaft bu etwa bieSWet* 
ßener Vaie auf bem genfterfimS" — 

Xie Sllte fcßütteltc ben Äopf unb feßluefte ein paar 
mal. ,/Rein, nein, grau fRatß, aber — fie finb ba — 
fie finb ba!" 

,,©ib mir beinen Slrnt, SRonifa!" braeßte bie alte 
Xame enblich ßerauS, „icß weiß nießt, meine güfee 
finb mir auf einmal fo" — 

„ga, grau SRatß, meine aueß. g^ weiß gar nießt,. 
wie mir ift. 3ur §intertßür finb fie auf einmal gan$ 


tanbS SieScßen ßat 
baS ift gewiß bie 


fachte ßcrcingefommen,! 

ißnen ben SÖeg gewiefen, unb v Sld /f „ 

gute, treue SDtonifa/ ßat bie junge grau aefagt, unb 
beibe ^)änbe ßat fie mir babei entgegengeftreeft, ja, ja 
N bie gute, treue SRonifa/ fo ßat fie gejagt, icß aber 
fonnte fein SterbenSwörtcßen über bie 3 ungc brin* 
gen, nur bie Xßür jur guten Stube ßabe icß aufge* 
riffen, unb bann bin icß baüongerannt, um Sie ju. 
fudjen.—Slber Sie gittern fo, grau fRatß?" 

„gaffe mieß etwas fefter unter ben Slrm, SRonifa ; 
fo—fo gcßt’S." 

„Slber bie ^ränje unb ber ©ugelßupf, grau fRatß!'* 
jammerte bie Sllte. 

gßre fterrin antwortete nießt, fie fcßüttelte nur bett 


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Heiratl) unb (H)e in dljtiia. 


125 


Äopf, atmete fcßwer unb Jd>ritt mit oerfagenben 
Jüßen oorwärtS, über bcn SieS. 

3 fpt ftanben Die beibeit unter ber X^ür $ur guten 
Stube, fein fcßlanfeS, junges SBeib lag auf ben Snieen 
oor bem Sopßa, über bem ein lebensgroßes Oelbilb 
bing. DaS hatte ebenfalls eine fröhliche Sluferfteljung 
gehalten unb war wieber in’S ßiebt gebangt worben, 
Halbem eS eine buntle Gyiftena im üerborgenften 
pauSroinfel geführt batte, Qabre binburd). GS fteUte 
einen fchönen jungen 9 Kann bar mit blipenben buitfeln 
Augen unb einem übermütbig-fröblicben 3 U 9 
Gkfidft. DaS war ber öanS, wie er ausgejehen 
batte bamalS, in feinen beften, febönften QüngHngS^ 
jagten, fur$ beoor er ber Sttutter fo oicl ^erjeleib 
angetban. 

Die tfnieenbe ^atte ben §ut mit bem langen Ärepp* 
fdjleicr abgenommen, eine ihrer blonben giechten, bie 
am öinterfopf feftgetnotet waren, batte fid) gelöftunb 
fiel lofe über baS einfache fchwarje Drauergewanb 
berab. Sie hielt ben $opf in beibe £>änbe gefenft, 
unb ihr Äörper erbebte in heißem Söeinen. 

Äeben ihr ftanb ein feböner Heiner ßuabe, er hotte 
ben einen vtrm um ben Warfen ber 9 ttutter gelegt unb 
bliefte mit feinen braunen Slugen ju bem ©ilbe empor. 

„Serbe ich auch einmal folaj einen prächtigen üer= 
fdmürten Sammtrod betommen, wenn ich groß bin, 
Kama, unb auch fotcb ßübfcheS, fchmar^eS Schnurr* 
bärtdjen wie ber febdne $apa ba auf bem ©ilbe eins 
bat?" fragte baS Äinb. 

„DaS finb Sleu&erlicbfeiten, meinftinb," entgegnete 
ihm bie t>on Schluduen unterbrochene Stimme ber 
Butter, „aber ich ^offe, bu wirft ein guter, frommer 
'Kami werben." 

Da trat bie alte Dame über bie Schwelle. 


Die junge grau wanbte ficb um. „AJhitter, TOut= 
ter!" nef fte bebenb unb ftreefte febnfücbtig bie Sinne 
nach ber Patrone auS. 

Diefe 50g fie in bie §öhe. „hierher, mein $inb, 
hierher!" fagte ße, inbem ßc bie ^itternben Slrme, fo 
feft ße tonnte, um bie junge SBittwe legte unb ßc an 
tbr <per$ brüefte; bann machte fie fich plöplich loS. 
gwei Heine $änbe batten nach ihr gefaßt; ihre ©e* 
rübrung burdjjudte ße wie ein elettnfdjer Schlag. 

„ßanfel, Hemer £>anfel!" ßüfterte fie mit oerfagen* 
ber Stimme. 

„3a, fo nannte mich ©apa auch," nef ber kleine, 
„aber fonft beiße ich - 3 <>bnie,nnb $°pa läßt bich grü* 
ßen, ©roßntama unb bu follft ihm nicht mehr böfe 
fein, Hebe, gute ©roßmama!" 

Sie Hißte baS Äinb auf ben rofigen Sttunb, wieber 
unb wieber nnb ftricb ihm mit ber £anb bie buntein 
Soden auS ber Stirn. 

„Sieb bocß, Sttouifa, wie er ihm gleicht!" rief fie 
nad) ber Dt) u * hin. 

SJtonifa ftanb noch an bemfelben s $lap auf ber 
Schwelle unb batte bie Schürfe oor ben Slugen. 

^3o, grau 9 iath. — Slber einen Äranj unb Gugel* 
hupf madjen wir hoch noch, nicht wahr, grau Statp ?" 
fchiuchjte fie, „unb Äartoffelflößchen unb Slpfelbrei 
fodbe id) gleich $u morgen!" 

Dann fchwiegen fie alle üier, unb eS war einen Slu= 
genblid ganj ftill in bem 3intmer. 

„(SS ßiegt ein Gngel burdj ben Ütaum, wie man in 
meiner rbeinifchcn §eimatb fagt," flüfterte bie junge 
grau. 

Sie blidten alle unwiUtürlich $u &cm ©ilb empor. 
—Die Slbenbfonne lag barauf, unb eS war, als leuch* 
teten bie glän^enben braunen Slugen. 




heirotl) unb (flje in (lljtna. 


©on g. Cßlinger, üRifftoitar in fehina. 


» ic geftuug ber feit SllterS ßer Verehrten 
Sitten, in Welcher fich bie Serie beS 
Reiben gteichfam wie oerfchanjt, muß 
erforfcht unb ergrünbet werben. Sößt 
fich auch nur ein Stäubchen tiefer (Srunb- 
u Wahrheit herauSßnben, fo ift baS fdjon 
5 genau ju beher 5 igen, unb ©rfenntniß 
unb ©aijrheit ntüffen fich ä u m Sturmlauf gegen 
5inftemiß unb ^rrthum bereinigen." 

3n biefen SEßorten ift ber 3toecf unferer Sit= 
tenftubien au^gebrüdt unb bamit ßhreiten wir 
^ur ©ehanblung unfereS DhentaS. 

3m Sfieich *> er SÄitte rieten fich bie jungen 
Seute in ®h e f ac ^ en nac3 ^ ^ cm ® c f e ^ ^ cr ©^tern 
ober Sorgefefjten; biefe aber richten fi<h nach 
bem ziemlich allgemein benuptem ©rautwerber. 
Öraut unb ©räutigam bleiben baßer einanber 
fremb, bid ber uerbängnißpolle Stritt ge= 
tban ift. 

Daß e3 ba ber unglüdlicßen ©h^n oiete gibt, 
uerfteßt ft<h oon f e Wf °örin bei ber eigen* 


thümlicßen ©leiißmüthigfeit biefeS ©olfeS tritt 
biefeS Diel feftener an ben Dag als man erwar* 
ten bürfte. Slber fo etwas Wie reine, beließe 
Siebe ^wifeßen ©h c 9 a tten tommt benn aueß nießt 
^um Seimen auf biefem ungünftigen ©oben. 

SBieine grau pflegte eine reieße aber leibenbe 
Sßinefin unb ba ißr Seiben ßauptfäcßliih ber 
eßelicßen Untreue beS ÜJtanneS $u$ufcßreiben 
War, wollte fie ißm einfcßärfen, baß er feiner 
grau biefelbe Dreue unb |)ocßacßtung fcßulbe, 
bie er oon ißr erwarte. Gr war ein Gantonefe 
unb gab gan$ freimütßig in feinem “pidgin 
english” ^ur Slntwort: My lubb? Oh no — 
my no catchee latt; my b’long Chinaman. 
Oh no! my no lubb wifee. 

Der ^inefifeße Sräutigam ift 15 bis 17, bie 
©raut 12 bis 14 3oßre alt. Serlobungen fin* 
ben meiftenS 00 m 3. bis 6. 3aßre, ßäufig aber 
aueß, bebingungSweife, feßon oor ber ©eburt 
ftatt. 3rigen fieß auf ben ©erießt beS ©raut* 
Werbers bie betreffenben gamilien geneigt, eine 


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126 


Hctrail) nab ffl)e in (Stjina. 


©erlobung anpfnüpfen, fo wirb ber Kaufpreis 
unb überhaupt ade wichtigen |ieiratf)Sbebin 
gungeit näher beftimmt. 

®er SBertfj beS SDtäbchcnS mit natürlichen 
güfjen ift $80—100, ber eines SCRäbcfjenS mit 
Silienfüfje $120, unb wenn gonj befonberS Hein, 
fage jwei 3°U lang, bann $140—160. 9tatür= 
lief) mufe bann alles Anbere einigermaßen mit 
ben oornehmen güfjchcn im ©inflang fein, boch 
bleiben biefe immer §auptfad)e. ®aS Kauf= 
elb wirb pm Xt)eil baar, fobalb bie Verlobung 
efdjloffen ift, ber 9teft unmittelbar oor ber 
#od)jeit entrichtet. ®od| genießt AdeS be= 
bingungSweife bis bie ßuftintmung ber oerftor* 
benen AUoorbern gefiebert ift. 

<£iie gamilie beS Knaben fehieft ber beS 9Mäb= 
tbenS eine Karte p, auf welcher Slame, ®e= 
burtsfahr, lag unb ©tunbe gefebrieben finb. 
®iefe wirb mit üblicher geierlicßfeit oor bie 
Ahnentafeln gelegt unb bann bas JRefultat mit 
größter Spannung abgewartet. $rei Sage unb 
brei Staate liegt bie Karte im gamilienfehrein 
unb ade ©reigniffe im häuslichen Seben werben 
unterbeffen genau beobachtet unb — gebeutet, 
©erungliidt eine ©chüffel ober irgenb ein 
auSgerätb im Saufe ber brei Jage, fo wirb bie 
arte entfernt unb Alles rücfgängig gemacht. 
Verläuft hingegen AHeS günftig, fo wirb ber 
gamilie beS Knaben eine ähnliche Karte pge= 
fchirft, bie auf biefelbe SBeife gebraucht Wirb. 
§ier wäre aber nicht nur baS 3eebred)en eines 
©erätffeS, fonbem auch baS Krähen eines ^aßneS 
ein ungünstiges 3 e *ä) en - ®aS würbe nichts 
©eringercS oorauSfagcn, als bah baS SRäbchen 
fich bie §ofen aneignen, ber Knabe aber ben 
Unterroct tragen müffe. ©or biefem fehreeft 
man prüd. 

©erläuft jeboch Alles günftig mit bem ©e= 
fragen ber Ahnen, fo menbet man fich päd)ft 
an ben SJahrfager unb lägt fich baS |>oroffop 
ftellen. 

3ft hier baS Utefultat ungünftig, fo geht man 
oon einem ®ö|en pm anbem, um Math unb 
Auffchluh- ®ie gamitie beS SDtäbchenS befragt 
fich höchftenS beim SEBahrfager, ob fich nicht baS 
Seben beS Knaben auf Koften beS ihrigen auf= 
baue, ob nicht jene gamilie reich werbe, wäh= 
renb fie felbft oerarme. $aS würben fie be 
fürchten, wenn eS fich ^eraugfteüen follte, bah 
baS SRäbchen im gahr, lag ober ©tunbe beS 
Jpafen, ber Statte ober ber Kuh geboren fei, ber 
Knabe aber in bem beS SigerS, beS |>unbes 
ober ber Kaße. 

§ier jeigt fich bie gurdjt oor ben oerborge= 
nen Uebeln, bie fich außerhalb ben ©renjen 
menfchlicfjer Kenntnifj unb fDtadjt bewegen. ®ie 
Seftamente werben erft bann auSgefchrieben, 


wenn man ben AuSfprudj beS 2Baf)rfagerS citi= 
ren !ann. ©inige SKonate oor ber £od)jeit 
feßidt bie gamilie beS Knaben ber beS SJtäbchenS 
bie Sragfächer p. ®aS obere gadj ift ooH 
Secferbiffen unb fflerthfachen—gewöhnlich etwas 
Such, eine ©ans, ein gerfel ic.; — bie mittleren 
gächer finb leer, obwohl fie ben Anfdjein hüben, 
als feien fie ood unb fdjwer. ®ie Iräger müf= 
fen es benn auch oerftehen, burd) ihren fdjwer* 
fälligen ©chritt unb lautes Aedjjen ben ©inbrud 
p oerftärlen. 

3« ©Ijina meint eine ^eiratf) für baS 2Jiäb* 
chen in ganj befonberem ©inne — Srennung. 
oon ©Item unb ©efdjmiftem. ®aher beim ©e* 
fteigen beS SrautmagenS (fo nennen fie beit 
©rautfeffel; Haffifch) oft baS laute SBeinen ber 
3urüdgebliebenen. ©ie werfen ber ©raut ©alj. 
unb ffieijen nach, 1D ’ e einer Seiche — b. h- baS 
©alj in einen neben bem ©rautfeffel ftehenben 
Ofen, ben SEBcijen gegen ben ©effei. 

$ier fehen wir mieber fo recht bie ©erwanbt* 
feßaft ber ©hinefen mit uns felbft. SEBerfen wir 
nicht hie unb ba ber ©raut einen alten ©cfpt> 
nach ? ■'paben mir baS oielleicht oon ben ©epptern, 
bei benen ber ©chuh ©rbfegen bebeutete? Stacf> 
gofephuS bient baS ©alj pr ©efruchtung beS- 
©toffeS unb ift ©pmbol unb gnßalt ber männ= 
liehen Kraft. Sei ben ©hinefen fodte biefe ©itte 
ursprünglich nur bebeuten, bah bie ©raut einer 
Umwandlung entgegen geht, wie ber SBeijen, 
wenn er in bie ©rbe, wie baS ©atj, wenn eS- 
auf feurige Kohlen fällt. 

®ie ©raut hnfjt Sing Ing (neuer 2Jlenf<h). 
©ic geht pm erften 9Kal über bie XhürfchweQe 
beS elterlichen fpaufeS unb begegnet nur grem= 
ben. ©ie ift baher mit einem Spiegel oer= 
fehen, ben fie fich beim AuSfteigen über baS- 
#erj hält. $er Knabe, ber ihr ben ©effei pm 
AuSfteigen öffnet, thut baffelbe mit bem, ben er 
in ber ^anb hot. ®a es immer fraglich ift, ob 
bie lotom (©dphthiere) ber jwei gremben, 
bie fich 5 um erften 3Ral begegnen, mit einanbeir 
oertragen, fo benu|t man ben Spiegel, oon 
welchem ade böfen ©infliiffe abpraden. 

©ei ber Stauung unb fonftigen geierlich!ei= 
ten finb feine AnoerWanbten ber ©raut pge=- 
gen; gewöhnlich folgt ein ©ruber bem ©effei, 
bis fie ben ©rübern beS SräutigamS begegnen. 

®er binbenbe Aft bei ber geierlicgfeit ift ba& 
Srinfen beS 2Bechfel=@laS-3BeinS. 3 We i 9Bein= 
gläfer werben mit einem rothen gaben jufam^ 
mengebunben, aus benen ©raut unb ©räutigam 
pgleich trinfen; bann werben bie ©läfer ge 
Wechfelt unb normal getrunfen. ®iefeS erin¬ 
nert an baS Sänbegeben bei unS. ®er feiertichfte 
Aft ift, für ge, bie Anbetung ber Soreltern bed- 
©räutigamS; unS aber fommt' bie Anbetung^ 


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lUinterfturm 


D i g i t i zed by 1 




128 


$ur $cfd)id)tt fett JUbtiterfrogt. 


Rimmels unb ber ©rbe bem wahren ©otteS» 
bienft am nächsten. 

3lm Slbenb nacf) ber Stauung fjat man benn 
auch ein ©olterjimmer, bei welcher (Gelegenheit 
man bie Reinen güfechen ber ©raut, ihren s 2ln» 
ftanb n. f. tu. auf eine Söeife beWunbert, bie bie 
jwei ©lücflichen in ©crlegenljeit eigenfter 2lrt 
bringt. 

Sie ©raut foH roeber reben, noch effen, noch 
eine 9Jiiene ocrjieben, unb boch oerfuchen bie 
9lnwe|enben alles SDlöglidje, fie baju ju bewe» 
gen. Sa meint man benn, eine SRealtion fei 
auf bie langweiligen ©eremonicen unb fteifen 
jpöflidjfeitcn eingetreten nnb 3cbeS gibt fid) ben 
auSgefuihteften Summheiten h'u. 

Safe bieS benn auch oft in Stohfeeit unb Un= 
pd>t auSartet, läfet ft<h leicht benfen. ©in ganj 
gewöhnliches ©ergmigen! baS man fiefe babei 
macht, beftcht barin, bafe man ben Sräutigam 
in ©egenwart ber ©raut mit einem langen ©tric! 
unb jwar in einer peinlichen Stellung binbet 
unb bann bie ©raut aufforbert, ihn ju löfen. 

Unfere ©hriften behalten mehr ober weniger 
non ben genannten Sitten bei, mit SluSnaljme 
folcfeer, bie einen beftimmt religiöfen ©horafter, 
ober im Slberglauben ihren ©runb hoben. 

9lu<h hier Icifet fich bie oerebelnbe 3Jiad)t beS 
©hriftenthumS fehon recht beutlich erlennen. 

9loch einige SBorte ans ber Siteratur ber 
©hinefen über bie hier befjanbelten ©unftc: 

„Sie ©eremonial»©ebrnudje bilben einen 
Samm gegen bie ©jeeffe, ju welchen baS ©olf 
geneigt ift. Sie ftellen bie paffenbe Srennung 
ber ©efchlechter bar, fo bafe aßein ©erbacht uor 
gebeugt ift unb bie ©erwanbtf^aften beutlich 
beftimmt finb." 

3m chinefifchen Sud) ber Sieber heifet eS: 

„SBie behouen mir ben Stiel einer 9ljt? 
Ohne eine onbere Sljt fann es nicht gcfchehen. 

2ßie nimmt man fi<h ein SBcib? Ohne ©raut» 
Werber fann eS nicht gefächen; unb man mufe 
juerft bie ©erfahren in ftenntnife fe^en." 

Ser Sßeifter fagte: ,,©S nimmt feiner ein 
SEBeib, bie feinen ©efchlechtSnamen hot, barnit 
ber Unterfchicb jWifdjcn SRonn unb grau beut» 
lieh gefehen werbe. SBenn boher einer ein SebS» 
Weib nimmt unb ihren ©efchlechtSnamen nicht 
erfahren fann, fo befragt er fich mittelft ber 
Sdnlbfrötenfchale. Stuf biefc SScife gebachte 
man baS ©olf oor grrthum in biefer Sache ju 
bewahren." 



ÜHnterfturm. 

* $t.er/tu baS @ilb. 

inter ift cs. 3 n &em netten Heidje 
Der Bahn herrfdjt tiefe <£infamfeit, 
Unb fie felbft liegt, eine fd?öne £etdje, 
^ ö Hutjig in bem meinen Sterbefleib. 
3h re Blumenfinber rutj’n geborgen 
Ün ber Dlutter Bruft, mit tyr beberft, 
(Eräumenb r>on bem Uuferfiehungsmorgen, 
IDo ber £en 3 fie aus bem Schlummer merft. 

Utter beiner pradjt bift bu entlebigt, 

<£rbe, beine Schönheit ift bahtn, 

Unb bu felbft bift eine £eid?enprebigt 
Don erbauungsDollem, tiefem Sinn. 

IDas bie <£rbe hat, fann nicht hefteten, 

3h re (Sabe l^eigt Dergänglid^feit, 

Uufmärts 3u bem l?tmmel mußt bu fetten, 
Sud?ft bu em’ge Sdjön* unb fjerrlichfeit. 

Saß 3 um f?inimel bid? bie <£rbe metfen, 

Suche beine Beimath nid^t auf ihr, 

Du mußt meiter, immer meiter reifen, 
Deines Bleibens ift nidjt lange hier. 

<£m’ge 05iiter fudjft bu hier Pergebens, 
Darum fndj’ im £?immel beinen Sdjatj, 

Don ber <£rbe nur am giel bes Gebens 
(Jür bas Kleib pom Staube einen plaß. 

Uber menn bie 0 fter lieber Hingen, 

Unb ber große 0 ftermorgen graut, 

ITTnß bir auch bie (Erbe mieberbringen 
Deine fjütte, bie ihr anpertraut. 

Steh, fo ift unb fo bleibt nichts if^r eigen, 
Suche niebt, mas fie nicht tjat, bei it^r, 

£aß oon ifyr bid? t^in 3 um E^immel 3 eigen, 
€m’ges f^eil finbeft bu nur über bir. 

ptf. Spitta. 


|ur ©ffdjidfte ber Arbeiterfrage. 

©bitor. 

iejc 0c)'d)id)tc ift ganj turj, unb balb erjäplt, 
fönnte ^emanb fagen. 

9Bie man’ö nimmt. 5)ie Bewegung ift eine 
uralte; bie ©rfdjeinungäfornt neu. 2Ber bie 
">id)te ber Arbeiterfrage in ber jefeigen 
merita auftretcuben ^rfebeinungötorm 
fc^rctben miH, brauet feinen fet)r grogen 93anb ju 
füllen. SBer aber biefc ©efdjidjte im 3 u f amm cn^ang 
betrachtet, unb bie ©reigitiffc unb 33etoegungen ber” 
fei ben bis $u ben Quellen berfolgt, ber toirb betreffs 
ber Arbeiterfrage in ber ©efchimte ber 3ftenfd)f)eit 
eine „SJienge (Stoff" jum Siachbenfen finben. 

I. 



Ohne auf bie Arbeiter* unb ©tanbeäberlj&ltniffe 
ber älteften Sölter, ber @gt)pter, ©abqlonier, ^ßerfer 
unb ©riechen einjugehen, motten mir un8 einmal be* 


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3ur tfrfdpdjtc ber Urbeitrrfragt. 


129 


treffe unjcrer grage b a S alte Vol! ein menig näper 
anfeben, melcpcS in ben Ver. Staaten am öfteren an* 
geföprt toirb: b i e 9t ö m e r. 

Stießt feiten pört man baS alte, unöerborbcne (V) 
Som als eine 2Rufter*9tepubli! preifen. Scpant man 
jub jebocp bie römifcpen Quftänbe näper an, fo finbet 
jiq burepaus nicht baS öermirtlicpt, maS mir l)icr^u= 
lanb unter einer 9tepublif öerfteßen. 

9hc^t au reben öon ber patnarcpalifcpen ^eit ber 
alten römifcpen Könige, ftepen fiep im republifanifepen 
Stom bie $atricier unb bie Plebejer gegenüber. 2)ie 
Satricier merben ber Populus, baS Volt, genannt. 
4)a» fmb bie $ 11 b ü r g e r 9tom’S, benn baS bebeutet 
ba* iöort ^atricier im urjprünglicpen Sinne. ©S finb 
bie alten ©efcpledßter, meiepe bie Stabt 9tom unb ben 
Staat grünbeten. Sie betrachteten fiep als ©igenthü* 
mer beS Staate unb finb im alleinigen Vefiß ber bür* 
ijerlidjen unb priefterlicßen Remter. Ste finb bie 
perrfeper. 3)aS alte 9tom mar eine MbelS=9tepublif. 

$ie Plebejer, baS ßeißt Deubiirger, finb urfprüng* 
lieh We befiegten ßattner, bie in bte Stabt 9tom Der* 
ie&t mürben, niept um bafelbft gleiche 9tecpte ju ge* 
me§en, jonbern um bie ^mnbmerfer ber ^Satricier ju 
jein, $iefe $lebS ftanben unter ber Politiken, geift* 
ließen unb redjtlicpen Vormunbfcpaft ber $atncier, 
hatten fein Stimmrecht, mußten aber ungeheure Steu* 
erlaften tragen. 

Unter biefen Untftönben tonnte ber Äampf faum 
oennieben merben. $ie Mrbeiterbemegung mußte 
tommen unb enbigte borläufig bamit, baB ben fßlebä 
getotjfe SRecpte eingeräumt mürben. 

$ie großen non ber römifcpen 9tepublit in aller 
Seit «führten Kriege oermifchten baS Mnjcpen ber 
alten $atncier üoflenbS gana, benn bie Kämpfe mit 
bemMuSlanb boten ben Plebejern ©elegenpeit, fiep 
tatwrjuthuit. 

9hm aber emtftanb ein neuer StanbeSunterfcpieb, 
nämlicp ber MnrntSabel (nobilitas). 3)aau gehörten bie 
Ibtömmlinge ®erer, bie irgenb ein potjeS Mmt beflei* 
beten. 2Ber fiep folcher Mbftammung nicht rühmen 
tonnte, ber gehörte au ben Uneblen (ignobiis). 

Unb mieber tobt ber Stlaffentampf jtöifcpen ben 
Stdnben, mobei oft punberte auf ein uRal nieberge* 
macht merben, bis bie ©äfaren* unb Solbatcnmirtp* 
jdjaft baS alte 9tom in einen blutigen Safterfumpf 
mint unb baS SReicp untergeht. 

IIS britte klaffe finb noch öir Sflaben ju nennen, 
meijtcnS Kriegsgefangene aus barbarifchen Völtem. 
Bie waren bie adiulicß 9tecptS* unb Schußtoten unb 
»urben jum Slaerbau unb ben niebrigften §anbar* 
toten oermenbet. 

tber auch P c forberten Befreiung bom brüefenben 
3ocß. Xie blutigen Stlabentriege maren bie golge, 
uitb 79 oor ©pr. ftanb ber Sflabe SpartacuS mit 
120,000 3Rann gegen ben römifchen Staat im gelbe 
tob jehlug einen römifchen gelbperm nach öem anbem 
rafS Haupt. 

yn afl’ biefern 9tingen ber Klaffen panbelte eS fich 
toben Vefferen um S r o b, 9t e ch t u n b 9R a cp t; 
tober HRepraapl um— Mu gen tu ft, gleif cpeS* 
laftunb ^offo^rtigcd feefen. 

II. 

la$ ®hnftenthum, melcßeS fich nach Öen Urnmäl* 
hmgen ber Sölferroanberung über Europa oerbrei* 
tettj mar nicht im Staube, in Den neuen gefchichtlicpen 
ftanben bem alten $ampf Einhalt ju tpun. Unb 
par aus jmeierlei Urfache: 1) meil oaS SRenjAen* 
ein gar troßig 2)uig iftunb 2) meil bie Äirc^e 
®üanter mürbe unb fich m 't äußerlichem 93efenntmß 
^iifigte. 3a, fie oerbanb ft<h bielfach ' m HRittel* 


I alter mit ben 9Ract)thabem ^ur 95ebrücfung bcS Voltes 
i unb legte baffelbe in fachliche unb politische geffeln. 
i ®och bilbete fich un * e r bem Einfluß beS (loange* 
liumS unb feiner Kultur nach unb nach in ben Stabten 
| ber freie 93ürgerftanb aus. Xic ^lebS beS 9iömer* 
i reicht mürben, um einen Vergleich ^u gebrauchen, ^u 
j felbfUtänbigen, mit bürgerlichen Rechten begabten 
I URenfchen, bie in ihrer 9Racht unb ftraft bem 9lbel, 
! mit bem fie in beftänbiger gepbe lagen, oft gefährlich 
mürben. Sic fagten ben 9lbeligen, baß mer nicht 
Stimmrecht Ijabe, auch nicht ju fahlen unb ju fropnen 
brauche unb fchrieben manchem ftitter unb gürften 
einen 55enfaettel in’S ©ebächtmß, an bem er Zeit¬ 
lebens baepte. 

greilicp — innertjalb ber Stabtgren^en maren biefe 
mittelalterlidjen Bürger au^ niept öiel beffer als bie 
Slbeligen. ©egen biefe bertpeibigten fie ipr 9fecpt, 
aber bie „^Infäffigen'' in ben Stäbten mürben öon 
biefen „freien Burgern" beinape mie 9le*tSlofe be* 
hanbelt. ©S gab m ben Stäbten beS SOcittelalterS 
$atricier unb $lebS mie im alten 9tom. 3)er 9llt* 
bürger mußte fo gut maS ftapitalmacht ift, als untere 

i ieutigen ©rünber unb eS gab bamalS (Sroßfapitaliften 
o gut als peute. liefen Mitbürgern ftanben bie Mn* 
affigen, bie §anbmer!er, gegenüber, bie ßd) (mie un* 
ere heutigen Mrbeiter) in ^unften, Innungen, ©ilben 
u. f. m. aujammentpaten. 

fiange, peftig unb oft blutig mogte ber Stampf, bis 
baS Stabtiunfertfjum mit MuSnapme einiger Stäbte 
(Mürnbew j. 5B.) überall öon ber ^errfepaft öerbrängt 
mürbe. $)te3 ünfle patten gefiegt, maren 
aber barnaep noep gemalttpätiger als 
bie Mitbürger. 

Mm fcplimniften maren bie armen Söauem im 9Rit= 
telalter baran. $)ie Mbeligen troßten in ipren 93ur* 

t en; ber Stäbter mehrte fiep feiner £aut hinter feinen 
Rauern. ^)aS Bäuerlein mürbe öon MUen gefepun* 
ben. Selbft bie freien Söauern beS germanijepeu 
^eibentpumS maren aümählig burep baS Muffommen 
beS SepenSmefenS unb beS Heerbannes ju leibeigenen 
gemorben, fo baß ber gemeine 9Rann enblid^ nichts 
mepr, felbft niept feinen unb feiner Stinber Seib fein 
eigen nennen fonnte. 

’Söilbe ^erjmeiflungSlämpfe beS fianböolfS gegen 
feine Unterbruder maren beßpalb öom 9. bis 16. Sapr* 
ifunbert in ©uropa etmaS ©eroopnlicpeS unb gipfelten 
in bem blutigen Söauernfrieg beS „93unb*Scpuh </ unb 
beS „Mrmen ^onrab." 2)cr Sllaöe beS SRittclalterS 
moHte feine Stetten breepen. 

©S gelang ipm niept. dagegen barf für baS SRittel* 
alter bie ©ntftepung beS freien ©ürgertpumS, bie ®e* 
freiung beS ameiten StanbeS, mie man bcnfelben in 
©uropa nennt, öeraeiepnet merben. 

III. 

$ie neue 3^it, bie mit ber Deformation unb ipren 
Vorgängern über ber SBelt anbrad), foHte bie Ve* 
freiung Mller bringen. 3m greipeitsfcpminbel griff 
ber Vauer aur ^eule, unb Sutper mußte feine feparfe 
Scprift über „bie greipeit eines ©priftenmenfepen^ m 
bie SBclt gepen laffen. 

2Bie im 9Rittelalter, fo pemmten auep ießt bie 
gleichen Urfacpen ben öon ©ott aemoHten ©ntmid* 
lungSproAeß: baS troßige SRenfcpenpera unb bie 
Stircpe felbft, bie halb in tobte Örtpobojie öerfiel, 
ftanben im SBege. 

beßpalb bebrüdt naep mie öor ber Starle ben 
Scpmaafen. $er Mbelige fcplägt auf ben Vürger* 
liehen, unb beibe reiten Mrbeiter unb Vauern au Xobe. 

&a briept ber britte Stanb mie Strom perfür. ^ie 
alten 3 u ftänbe merben in ber franaöfijcpen Deöolu* 


io 


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130 


£ut •tfdjidjh ber Htbeitrrfrage. 


tion (1789) burep einen Strom oon hlut roegae* 
fcproemmt. Napoleon I. fegt rote eine ©otteS ©eißel 
über Europa unb ^erfcpeEt bie Ueberreftc ber tfepeitS* 


Stuf ber roeftlicpen £>albtugel roerben bie bereinigten 
Staaten auf ben ©runbfaß g l e i cp e r ER e n f cp e n* 
rechte gegrünbet. ERiEionen rufen: ©efunben! 
unb flauen mit poffnungSooEem hlicf nacp bem roeft- 
liefen ©Iborabo, bem neuen ©lücfslanb. 

©)ocp, auep pier feitnt bie Saat ber böfen Ipat — 
bie Etegerfflaoerei. Sie ift niept bloß ein gen Jpintmel 
fcpreienb Unrecht gegen einen ERenfcpenftamm, fon* 
oern roirb auep ttrfacpe jur öeranbilbung einer klaffe, 
roelcpc ben botnetem beS alten EiomS unb bem fteu- 
bal=Abel beS mittelalterlichen ©uropa’S auf’S £mar 

! [leicht: ©)ie Sflaüenbarone roachfen auf anterifani* 
ehern hoben. Sie trachten nach AEeinperrfcpaft mit 
Interbrücfung aller Anbern - - ob weiß, feproar^ ober 
braun. 

An langroierigem blutigem Gingen roerben burep 
ben^rieg, niept burep Humanität, Sflaoerei unb 
Sflaoenbarone roeggefeproemmt. 

Unb nun — freie hapn für 3111 e. 

3uerft tritt baS Kapital in bie hapn. 3)aS bat fiep 
burep ben $rieg großartig bermeprt. ©S tput fiep au* 
fammen; eS roäcpft flum Monopol, Aur ERacpt, Die 
orücft unb perrfept unb ift auf bem EBege, bie freie 
hapn au jperren. 

ESocp — ba ift auep bie Arbeit, bie alte beroäprte 
Straft. ‘Ser Arbeiter pat feinen Arm erprobt — im 
Kriege, im $anbroerf, in ben fünften, auf bem Acfer. 
©r pat feinen ©eift gebilbet, ober roenigftenS einen 
hucpiepntiß erpalten. ©r fühlt fiep, roie man fagt; 
er weiß, er ift etwas roertp. Auep bie Arbeiter tpun 
fiep pfammen unb bieten in großen Innungen bem 
roirtlicpen ober oermeintlicpen geinb bte Stirne. 

3 )ie Arbeiterbewegung tft fertig unb ber $ampf 
ift entbrannt mit bem Scplacptruf: pie Arbeit, pie 
Kapital. 

Am leßten ©runbe ber alte Äampf unb bie gleichen 
llrfaepen beffelben; nämlicp püben unb brüben 
bei benhefferen: hrob, (©yiftenA), Et e cp t 
unb ERacpt; bei ber ERepr$apl: Augen¬ 
luft, ft l e i f cp e S l u ft unb poffäprtigeS 
2 B e f e n. 

IV. 


.fiat biefer Äampf here ept igung? 

Aa unb nein. 

1 . 3a. . 

©S rann niept geldugnet roerben, baß bie Anhäufung 
großer ©elbmaffen in §änben bon Stapitaliften * ©e= 
feEfcpaften, bie immer noep mehr lufammenraffen 
Wollen, für baS ganje holt, niept bloß für bie Aroei* 
ter, fepr gefäprlicp roerben fann. ©)enn roenn roir auep, 
roie reut anbereS holt, im Allgemeinen Stimmrecht 
ein treffliches ©egenmittel befißen, fo bezeugt ja bte 
©efepiepte Der hergangenpeit foroopl als bie ber ©e= 
genroart, roie täufliep bie ERenfcpen finb, unb baß — 
roo baS ©elb ift, ftep auep bie ^errfchaft befinbet. 

Aebocp tönnten ja gerabe pier Die Arbeiter ihre 
ERacpt entfalten, inbem fie in reinfter Abfiept bafür 
roirten, baß nur folcpe ERänner geroöplt roerben, Die 
nicptS als baS allgemeine holtSroopl im Augen paben. 
3 u folcpem SBirten ber Arbeiter gepört aber ein 
geläuterter Arbeiterftanb. ©)en paben roir niept. 

ferner ift cS Xpatiacpe, baß baS Kapital ben Ar* 
beiter öfters in unerpörter Eöcife auSbeutet. EBenn 
man j. h. pört, baß reiepe fjabrifanten fientben für 
3 ©entS per Stücf, unb ERännerpofen für 5 ©entS 
per Stücf gemaept betommen, unb ben $reiS immer 


noep perunterbrücten roollen, fo ift bieS hlutauSfau* 
gerei ohne ©leiepen. 

Am Allgemeinen jeboep roerben bie Arbeiter in ben 
bereinigten Staaten fo aut bejaplt, baß fie fiep reept 
roopl babei befinben. ntanepen toirb cS nur $u 
roopl. Sie üerfcplagcn tpreit guten berbienft in her* 
feproenbung unb höüerei unb fepreien bann in felbft* 
üerfcpulbeter Armutp über baS graujame Kapital. 

3)er Arbeiter pat baS unbeftrittene Etecpt, fiep in 
©enoffenfepaften $ufammen au tpun, um fein unb ber 
Seinigen EBoplergepen ^u beförbern. watürli^ — 
immer in ben ©rennen ber SanbeSgefepe. ©r pat auep 
ein Etecpt entroeber $u arbeiten, ober auSAuftepen. 

2 . 9tein. 

©)er gepäffige Ä'ampf, roelAer gegen baS Kapital 
peraufbefeprooren rourbe, ift oft ein unfinniger. ©)er 
Arbeiter roiE ja in biefem Äampf im lepten ©runbe 
auep Kapital erobern, ©r fann ja opne baS Kapital 
nicptS anfangen. Aep fentte roentgftenS fein oon Ar¬ 
beitern gegrunbeteS ©ompagnie * ©efepäft. roo man 
niept ©elb, Aftien unb hänfen brauchte, ^u unb icp, 
mein lieber greunb aus bem Arbeiterftanbe, foUten 
©ott banfen, baß es Kapital gibt, roclcpeS uns er* 
möglicpt, für unS unb bie unfrigen hrob 511 oerbienen. 

Söenn gefügt roirb, eS panble fidp niept um baS Ka¬ 
pital, fonbern um gleichmäßigere hertpei* 
lung beffelben, fo beißt baS nicptS AnbereS, als 
burep ©eroalt ober ©efepe herpältniffe peroorjroän* 

t en ^u roollen, roelcpe roegen beS ^er^enSAuftanbeS ber 
ßenfeppeit unb ber oon ©tott gerooEten Drbnung un* 
möglich finb. ©S meint bieS nicptS AnbereS, als baß 
ber ©efepiefte fiep für ben Ungefcpicften, ber fleißige 
fiep für ben Xrägen, ber Sparfame für ben herfeproen* 
ber fiep opfere. ©)aS meint jener Sap Oon gleichmäßi¬ 
gerer hertpeilung im lebten ©runbe. SEBenn eS aber 
auf bie AuSfüprung anfommt, fo finb bie fleißigen, 
aefepieften, (parfamen Arbeiter burcpauS ntept ba^u 
bereit. 

3 Bären bei Weitem bie meiften 3Jtenfcpen äepte ©ot= 
teSfinber, fo möcpten äpnliepe parabiefifepe 3^ftänbe 
roie oon felbft entftepen, obroopl eS immer noep Arme 
unb 9teicpe gäbe. So lange aber bie hfaffe ber 
hlenfcppeit, unb auep bie EJtaffe ber Arbeiter ein ge= 
aen ©ott oerpärteteS öen pat, ift folcpe beftänbtge 
H'apital-hertpeilung in 7 S Efeicp ber 3) u fei eien ^u bet* 
roeifen. 

tiefer Äampf ift ferner gän^licp ungereept, fobalb 
bie Arbeiter 5)inge oerlangen uno tpun, bie unbillig 
unb tprannifcp finb. SBenn fie auSftepen, fo paben fie 
ein Efecpt baju; wenn fie aber Anbere oon ber Arbeit 
abpalten, fo ift bieS roiber baS Etecpt Anberer unb eine 
Xprannet 

EBenn fie gute Arbeiter in biefem unb jenem fjaep 
peran^ubilben beftrebt finb, fo ift bieS $u rüpmen; 
wenn fie jeboep einem ©efepäft Oorfcpreiben, fo unb fo 
oiel fieprjungen ju paben uno niept mepr, fo ift bieS 
ein Uebergriff, ber fiep räcpen roirb. 

SBoburep roirb biefer $ampf beenbet 
ro erben? 

Eticpt burep ©eroalt. ©)ie beutfepe hauemfAaft pat 
fiep Oon bem Öcplage, roelcper im geroaltfamen hauern- 
trieg auf fie gefallen, jroeipunbert A a ^ rc niept 
roieoerpolt. 

Eticpt burep ^pilofoopie unb EiationalHDetonomie. 
ERan mag hänbe üou guter horfepläge ic. oerf*ltn= 

g en unb taum ein einziges für bie ßofung biefer grrage 
raucpbareS ©olbtömlein finben. 

EMept burep ©efeße. Sie mögen in etwas ben SBeg 
bapnen. 3Benn bte Arbeiter aEgemeinen Scpuljtoan^ 
herroaltung ber Xelegrappen unb ©ifenbapnen bur^ 
ben Staat ?c. oerlangen, fo fage icp Amen ba$u. Abe 


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(jftuias Bber's fefen unb insbefonberc oom Prutfä^fcfen 


131 


öte grage wirb baDurd) ttid)t befeitigt. ©efefee Der* 
änbern nie bie SJtenfchenberzen. DaS leljrt Die ©e* 
jdjidjte. 

Ser bie Arbeiterfrage im Sichte ber ©efdjicbte be= 
trautet, ber wirb finben, baß in jebem geüabfönitt 
bie Aedjtftellung ber üerfd^iebenen Älaffen in fo weit, 
unb nur m jo weit, gelungen ift, als ber äd)t c^riftüdje 
fdftin Durdjbringung be# VolfeS gortfchritte machte. 

Hier liegt bie Söfung. ©S ift eine langfame. SKandje 
fieute, bie ©raS warfen hören, wiffen *war ganz ge= 
nau, wann ber Arbetter bem Kapital über fein wirb. 


a rCK fl. 


3$ weiß eS nicht. Aber baS ift aewifclich wahr: D aS 
wahrhaftige Heilmittel gegen Kapital* 
ntad)t unb Arbeitermacht liegt im ©Oan= 
g e l i u m. 

Unb bis bieS Heilmittel allgemeinere ©eltung ge* 
funben, wirb wohl gelten, was fchon Schiller fagte: 
„Seidjt bei einanber wobnen bie © e b a n! e n, 

Dod> h^rt im Aaum ftoßen fid) bie S a dj e n. 
s 2Bo etne $lap nimmt, muß bie anbere weichen. 

A3 er nicht bertrieben fein will, muß oertreiben. 

Da herrfdjt berJStreit unb nur bie S t ä r t e fiegt." 


ßtrooö iiber'0 frfeii unb iiiöbefonbere oom Peutfdj-J?efen. 

3rür Haus unb $erb non ©aroluS. 


I. 

ffiir finb neugierige ©efchöpfc. 3 e me ^ r 
toir wiffen, befto mehr möchten mir miffen. SBir 
fonnen faum recht jufrieben fein, menn mir ab* 
gefdjloffen mären oon bem, maS bie Schäle ber 
Vergangenheit in ihrem @ch 00 & c bergen, ober 
toaS jept ba$ innerfte Seben beS VolfeS bemegt. 

AIS Deutfch-Amerifaner foUten mir befonberS 
3ntereffe hoben an bem, maS baS beutfche Volf 
bcnft unb treibt, maS eS erfreut unb betrübt. 
3u biefem Qtoedc müffen mir lefen. 

Sir Deutfeh * Amerifaner hoben eS nament* 
lieh mit zmet Sprachen ju thun: SÖtit ber eng- 
lifdjen unb mit ber beutfeßen. Daß bie engli* 
fc^e nicht z u furz fommt, bafttr forgt ber 
Strom ber 3eit. 2Benn mir aber unfer 
Volf unb fein Seben fennen lernen unb ihm 
nuben motten, fo ntüffen mir beutfdf) lefen lernen, 
unb unS barin in Uebung erhalten. 
An Schriften aller Art — Oom A93S>®uch an 
bis $um gelehrten SBerf—fehlt eS uns im Deut* 
jthen gewiß nicht. 

©in ©runb alfo, meßhalb mir lefen, beutfd) 
lefen follten, märe ber, baß mir baburch unfer 
Volt fennen unb lieben lernen, um ihm unb 
bem Sanbe beffer bienen zu fönnen. Dazu müf* 
fen mir erfahren, mie baS beutfche Volt fühlt 
unb bentt. Unb barum fagen mir: lies oiel, 
lies aber oomehntlich beutfeh. SBenn unfere 
beutfche Sprache unter ben Deutföen AmerifaS 
nicht in unoerftänblicheS äJtifchmafch ausarten 
fott, fo muß ber Deutfchein Amerifa beutfdf lefen. 

©in anberer ©runb, meßhalb mir lefen fott* 
ten, befteht barin, Weil mir uns baburch allerlei 
nüpliche ßenntniffe fammeln. ©S ift gewiß, 
baß ber, welcher einen reichen S^ap Oon xrennt* 
nijfen befipt, auf ben üerfchiebenen (Gebieten beS 
Schaffens ben Vortheil hot. 

©S gibt nur einen SBeg für alle, fich Äennt* 
niffe zu fammeln—baS ift Sefen. Sticht Qeber 
tann Hochfluten befuchen ober im Umgänge mit 


foldfen Beuten leben, welche uns untermeifen 
fönnen. Sefen fann jeboch 3eber, ber ba mitt. 
Allen fteht ber reiche ©djab ber Siteratur ju 
©ebote, menn fie fid) ernftlich bemühen motten, 
biefelbe ju benüpen. Arme fönnen zwar nicht 
fo oiel baoon haben, als fie manchmal münfehen, 
aber Veinittelte follten oft Oiel mehr baran men 
ben, fich guten Sefeftoff zu befchaffen. 

SBieberum: Nichtiges Sefen gut gewählter 
©Triften fchüpt oor mancher ©efahr. 3ft & 
nicht befannt, baß Verführer unb ©chminbler 
am liebften unter ber unmiffenben Älaffe arbei¬ 
ten? SBarum? SESeit fie ben Unmiffenben am 
leichteften etwas anhaben fönnen. 2>ieS gilt 
für alle ©ebiete beS SebenS. 

Aud) in anberer äBeife fann baS Sefen oor 
©efal)r fchüpen, inbem eS nämlich unfere 3*it 
nüplich auSfüttt. SEBer fann unbefchäftigt fein? 
Stiemanb, beffen ©emüth nicht franfhaft oer- 
ftimmt ift. ©ibt eS einen beffern SBeg als bie 
SKugeftunben, bie fich u nS bieten, burch Sefen 
nüplicher Schriften auS^ufütten? Der ©d^reu 
ber meifc feinen. 

©obann benfe man an ben ©enufc, melden 
folcheS Sefen bietet! 2Bie öbeift man<heS Seben, 
weil biefe Oueße ber greube oernachläffigt wirb. 

Da finb bie langen SBinterabenbe. Diefel^ 
ben fönnen uns großen Stupen unb ©enujl brin= 
gen, Wenn mir fie recht anWenben. ©S gibt 
faum eine beffere SBeife fie recht genußreich unb 
nüplich ju oerbringen als bur<h Sefen guter 
Schriften, entmeber baheim im gamilienfreife, 
ober in Sefeoereinen. SBürbe nicht mancher 
gamilienoater für fidh unb feine gamilie großen 
©egen ftiften, menn er mit ben ©einen nüplidje 
Schriften lefen mürbe? SBürben nicht oiele 
Jünglinge Oor ben ©efahren, bie fie fo oielfadj 
umgeben, bewahrt bleiben, menn fie, ftatt ihre 
Abenbe auf ber Straße, in „®artieS" ober am 
bem zweifelhaften Vergnügungen zu oerbringen, 
biefelben burch Sefen auSfütten mürben? 


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132 


tftnuis iibrr’s fefen unb titsbefrabrre oam 


©uteö, chriftlicße$ ßefematerial förbert unfer 
3Bof)l. ©3 macht unä meifer unb frömmer unb 
tarnt baßer nicht ftarf genug empfohlen merben. 

$aß ber Schreiber ^ier nun mieber ernftlid) 
auf bcutfche Schriften ^imueift, h°t triftigen 
©runb. ©3 mangelt un£ baran nicht, unb ba 
ba£ ©nglifcße fid) mie Don felbft in bie SBclt 
hinauäbeförbert, fo füllten mir beutfcße <Scf>rif= 
ten immerbar im Sluge behalten. 

II. 

Slber — mie fallen mir lefen ? $Run — junt 
erften nicht mie ber Kämmerer auä bem 2Rohren= 
lanbe, ber oerftanb nicht, ma3 er la3. gum re ^ 
ten ©erftänbniß gehört oor SlHem ein ©erftänb' 
niß ber (Spraye, in ber mir lefeit. SBem ba£ 
©erftänbniß für bie beutfcf)e Sprache abgeljt, 
für ben fann fein ÜRenfcß fo beutfd) fcßreiben, 
baß e§ ein folcßer ßefer oerftef)t. 

I Um aber bie beutfcße Sprache oerftehen $u 
lernen, muß man fie aud) lieben. $Rur mer fie 
liebt, mirb berfelben gcnügcnb Slufmerffamfeit 
ermeifen. ®er SRangel an Siebe $ur Sprache 
ift eine Urfacße, meßhalb ©iele fo menig beutfd 
lefen unb reben ./ 

©erabe hier fei bemerft, baß eä fehr mün^ 
fcßensmerth ift, nicht nur beutfd) lefen, fonbern 
aud) ftfjreiben $u lernen. ©£ füllte bem ©tfjrei^ 
ben meßr Stufmerffamfeit gefcßenft merben. ©rft 
bann, menn mir beibe§, ßefen unb Schreiben, 
©ebrudte£ unb ©efcßriebenea lefen tonnen, fa¬ 
belt mir Sluäficßt bie Sprache %u meiftem. 3h r 
©Item fel)et barauf, baß eure Kinber beutfd) 
lefen unb fcßreiben lernen. 3h* Kinber galtet 
eure ©rjicljung nicht für OoHftänbig, bi£ ißr ber 
beutfdjen ©pradje fo mächtig feib, baß ißr fie 
reben, lefen unb fdjreiben fönnt. 

Sobann muß man lefen — nicht oerfdjlingen. 
SBer ftets ^mei 3 e ^ en ouf einmal lefen mitt, 
mag fcßnell über eine ©palte megfommen, im 
lebten ©runbe mirb er aber bei allem ßefen nur 
feine Slugen ermüben, feine Sterben erregen unb 
feine Igbeen oermirren. ®a heißt e3 bann: 
Siel gelefen unb menig gelernt. 

SJtan füllte fo Diel lefen als man Oerbauen 
fann unb nicht mehr, fonft befommt man bie 
Sefe = $t)3pepfia, moran heutzutage fo SSiele 
leiben. 

III. 

Slber—ma£ foH man lefen? ßefen unb ßefen 
ift jmeierlei, je nach bem ba$ ift, ma§ gelefen 
mirb. 

ßefen gleicht einem jmeifcßneibigen ©djmerte. 
@£ fann un£ beffern, oerebeln ober oerberben. 
$aburcß fönnen mir meife ober 9?arren merben. 
$’rum ift ber SRath atlemege am Sßlafce: Sieö, 
lieg Diel, lie£ recht, Ueö aber auch ba3 
SR e ch t e. 


$aä SRecßte zu mahlen ift manchmal fehr 
fcßmer, aber rtotßmenbig. Tie aReßrzaßl ber 
im Sanbe ßerauägegebenen ßeitfcßriften unb 
©ücßer finb berart, baß fie für SRiemanb taugen, 
am menigften aber für bie ^ugenb unb ben 
milienfreiä. 

Ta ber SRaunt nid^t geftattet, auf ©inzelßeu 
ten einzugehen, fo fei blo£ barauf ßingemiefen, 
baß alle für ben gantilienfreiä paffenben Schrift 
ten unb ©ücßer nicht nur frei fein füllten Don 
unmoralifchen Tingen, fonbern auch Oom ©eifte 
be£ ©hriftenthum^ burchbrungen fein müffen. 
Unfer ©eift Sollte nicht nur üor 
©ift bemahrt bleiben, fonbern auch 
Währung hoben. ©^ ift gerabe fo f<hlimm, 
ben ©eift hungern £u taffen, aU il)n ju oer^ 
giften. 

©ottlob, mir hoben feinen äRangel an mirf= 
lieh gutem, d)rifttid)em ßefeftoff, fonbern eher 
einen SRangel an 3lbnehmem beffelben. 2)er 
Schreiber ftellte einmal einen Sudjhciubler jur 
Sftebe megen be^ 23erfauf£ ^meifelhafter 
eher, unb frug ihn, marum er ni^t lieber gute 
nüpli<he Sücher holte, ba biefelben hoch ebenfo 
billig unb babei unenblichbiel beffer feien: „^o," 
antmortete ber Suchhönbler: „3)ie Seute taufen 
fie nicht. $ie fieute, tpelche nur gute ©ücher 
lefen, taufen fehr menig.'' £atte ber 3Rann 
recht ? ßeiber. 

Unfer ©üdEjeroerlag liefert ben beften Sefe^ 
ftoff $u ben niebrigften greifen. 9luch im $>eut- 
fchen gibt e^ grofje Slu^mahl. fann fich heut* 
$utag SRiemanb beflagen über äRangel an gebie* 
genem beutfehen ßefeftoff. gür bie Kleinen unb 
©rofcen, bie Sitten unb Saugen mirb rei<he ?lu§* 
mahl geboten. 

®a finb j. ©. „®ie ©onntagfchul*" unb 
„SReue ©lode" mit ihren ©ilbern unb ©rjöh= 
lungen für bie Kinber; „®er ©ibelforf(her" für 
bie ©onntagfchulen; „®er Slpologete," biefirdj* 
liehe äBochenfchrift, unb ja nid)t ^u oergeffen — 
„|)aug unb $erb." ®ie§ SIRagajin bietet un£ 
allerlei ßefeftoff in f?ülte. SBer ©Höhlungen 
liebt, ber fuche fie in £>gu£ unb ^erb. 21ucf> 
©ol(he, bie etmaö „©ebiegene^" hoben mollen, 
finben „©peife" barin. $ie ©rflärung ber 
©onntagfchul * Seftionen bietet bem benfenben 
©onntagfchul*21rbeiter üiel Stoff unb Sluffdjlufc. 

Unb bann—bie Dielen ©ücher, mel^e in im* 
ferm ©erläge Derlegt merben. SBahrhaftig — 
eine große Slu^mahl guten ßefeftoff^. SBer fich 
unb feine ^omilie reichlich mit biefen 3eitfchrif= 
ten unb ©üchern Derfieht, ift in feiner ©efahr, 
baß ihm irgenb meld)e3 ©ift Dorgefe^t mirb unb 
er mirb nebenbei bie $reube hoben $u feßen^ 
baß baä ßefen biefer guten ©djriften gute grüchtc 
trägt. 


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<fin {rügte dnbr. 


133 


Inuitn = Utiffioii. 


f enn td? eifrig lefenb forfd?te 
3n bem alten, tjeiPgen Bncp, 

Unb bann finnenb nacp bes ffetlanbs 
liebffcen — treuften 3 üngern frag, 

§og an meinem (Seiftesauge 
(Eine ßille Scpaar oorbet; 

©pne prunf, befcpetb’nen Sinnes, 

Über jtonbpaft, feft unb treu. 

grauen roaren’s, bie pon Anfang 
3 pm in liebe fiep genagt, 

Die tpie Iicpte Blumen fcpmütfen 
Des (Erlofers rauben pfab ; 

Die ipm bienten, menn er rneilte, 

Die traft feiner ^einbe gapl, 

Kn ihn glaubten opne tDanfen, 

,fär ihn mirften aÜ 3 umgl. 

IHartpa bort, bie nimmermübe; 
lybia, fromm unb unnerjagt; 

Seine fcpme^ensreicpe IHutter; 

Salome, bie reine IHagb ; 
llnb bas IDeib, bas fünbenbange. 

Das 3 U feinen ^Jüßen lag 
Unb tpr lefttes Harbenfriiglein 
3n bem Dienft bes Ejerrn 3 erbracp. 

Unter’m Kreu 3 e mie am (ßrabe 
Stetst ber grauen ftummer <£por, 

Ueberall fteigt if^re liebe 
milb mie Blumenbuft empor. 

Bie pat fie ben f?errn perlengnet, 

Bie perlaffen feinen Bunb, 

Unter allen feinen Klägern 
^inbet fid? fein ^rauenmunb! 

nein, — 3 U opfern unb 3 U bienen 
IDaren grauen ftets bereit 
^ur bie Sad?e ihres IHeifters, 

Unb — jte finb’s, (Sott lob, nod? fyeut! 
Kühren gern biejleiß’gen f?änbe 
3n bem Dienfte ber JTliffion, 

^orbern für bie liebesmerfe 
Keinen Zkmf unb feinen lopn. 

Seib gefegnet, eble grauen ! 

ITIilbe Eje^en, feib gegrüßt 
3n bem Ejerrn, ber aud? ber Beiben 
(Ereuer Seelenbirte tft. 
laßt uns rnirfen ihm 3 um preife; 

Sinb mir aud} nur fcpmach befteüt, 

Der ber IDittme Sdjerflein ehrte, 

Uiißt nicpt mit bem ITlaß ber UMt l 

3- St. im ,,^ürs l?aus." 


ütin feliges (fttbe. 

gür $au3 unb £erb uont 2>or’le. 

3 mar Sonntag Slbenb. ©rebiger ©bmarbä 
fam eben fjeint öon ber Slbenböerfammlung 
unb erjagte feiner grau, meid/ gefegneten 
©)ottc$bienft fie batten unb toie biete ben |>errn 
fugten, al£ ein ftarfeS Sauten ibn an bie 2bür 
rief. ®r öffnete fcpneH unb SBilpelm SBpman 
| ftanb bleicb unb gitternb bor berfelben. 

1 „kommen Sie gefepminb, &err ®bmarb$," 
rief ber $nabe, in bem er bie £>anb be3 ©rebf 
ger£ frantpfpaft faßte. 

„Slber SBitbelm, ma3 ift e$, maö ift paffirt," 
fragte ber gute äJiann poepft bermunbert. 

„SKeine SJiutter liegt im Sterben/' fcplucpate 
ba£ £?inb unb mit feiner $appe fein ©efiept be> 
beefenb, tebnte er ficb an ben Xpürpfoften, um 
ficb aufrecht ju batten. 

„Sterben!" erroiberte ber ©rebiger, marf fei¬ 
nen Plantet über bie Schultern unb tbeitte bie 
traurige Nachricht feiner grau mit. 

„Sterben, fie bat ja faum bor einer Stunbe 
bie ©erfammlung berlaffen. Somm SBitbelm, 
laß un3 eiten." 

Sie eilten jufammeit nad) ber £>eimatp SBil- 
pelm*. 3n furjer ßeit batten fie ba$ £äu3- 
epen erreicht. SBitbelm ging ^lierft hinein, ge= 
folgt bon bem ©rebiger. 

S)ort auf bem ©eite lag bie arme grau in 
fepreefliepen Sipmeraen; fie fonnte nicht reben 
unb fepien ganj betäubt ^u fein. 

SBitbelm mürbe jum Slrjt gefepieft, mäbrenb 
,f>err Sbmarb3 bei ber franfen grau blieb. ®r 
rieb ipr bie £>änbe unb mufcp ipre Schläfe mit 
etmas ©ampber, jeboep opne irgenb melcpe Sin= 
berung. 

3)er 2)oftor fam halb, auch mürben anbere 
greunbe gerufen, unb atte$, ma^ ärztliche ®unft 
unb ©epanblnng oermoepte, angemenbet. Sfadp 
©erlauf einer Stunbe mich bie Starrheit unb 
bie Äranfe fonnte reben. 3)er milbe, gtäfeme 
Sluäbrucf miep auä ipren Slugen unb ber alte 
liebetmlle unb moplmollenbe ©lief leuchtete mie- 
ber au^ benfclben. 

SBilpelm fniete an ber Seite be$ ©ette^ nie^ 
ber unb faßte bie falten |>änbe feiner ÄDiuttcr 
in bie feinigen unb bebeefte fie mit S'iiffen. 

peiße Ipränen ftrömten au^ feinen Slugctt 
auf bie |>änbe. $ie SKutter fühlte fie, fie 
manbte fiep nach ihrem in (Sram oerfunfenen 
.Stinbe unb fagte mit ihrer füßen Stimme: 

„SBilpelm, mein Sopn, bu mußt beinc 
oerfiept auf @ott fepen." 

„O SRutter!" bie§ mar Sillen, mad ber arme 
Änabe peroorbringen fonnte, inbem er auf 3 



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134 


üin felige* ®tiie. 


äteue bic |>änbe mit ffüffenb ebecfte.—Xer ©r^t 
unb £err ©bmarbS pgen ficb jurücf in bie 
ffüche, um ju beraten. 

Xa tag bie arme grau, es mar nicht nötbig, 
ihr p fagen, baß bie $anb beS XobeS auf ihr 
lag, fie füllte es. ©in altes Seiben ^atte im 
Stißen feine ©rbeit getban; Hoffnung für Sef= 
ferung mar feine oortjanben. 

©iS bieS ber grau betoußt marb, mar ihr 
Seetenfampf einige ©ugenblicfe groß unb heftig. 
Seit bem Xobe t^re^ lieben äRanneS butte fie 
nur für baS ©Sohl ib*eS lieben ©ohne« gelebt. 
Sbn p einem nüplicben unb gottfeligen Seben 
p ergeben, mar ibr einziges Seftreben. gür 
bie« betete unb arbeitete fie. Unb o, metebe 
greube, als fie feben burfte, baß ihre Arbeit 
nicht Oergeblich mar, baß er fein S e f u (Pb ’• 
Unb nun muß fie i^n oerlaffen, oerlaffen in 
bem Sitter, mo er bie äRutter noch fo febr nötbig 
batte, um über ibn p machen unb für ibn $u 
forgen. 3BaS faßte aus ihrem armen Sohne 
merben, mer mirb ficb feiner annebmen. Xiefer 
©ebanfe mar ibr unerträglich. 

Sie erbebt ibr £>er$ p ©ott—bem ©ott, ber 
fie nie oerlaffen bat — unb b^ß unb ftar als 
eines ©ngels Stimme, fam bie füße ©erbeißung 
p ihrer Seele: „@ib mir beine oaterlofen fi'in= 
ber, ich tuiß fie tebenbig erhalten." 

XieS genügt ihr, ©ott bat es oerbeißen, ihr 
SiebtingSfobn mirb hinfort unter ber befonberen 
gürforge ©otteS fteben, benn er bat ficb fetbft 
ben ©ater ber ©Seifen genannt. 

©in ftißer griebe 50 g in ihre Seele unb er= 
beßte ihr bleiches ©ngefidjt, fie manbte ficb 5 « 
bem htieenben Knaben, inbem fie mit großer 
©rgebung in ben ©Sißen ©otteS p ihm fagte: 

„©Senn bein ©ater unb äRutter bich oerlaffen, 
fo nimmt ber |>err bid) auf. Xer Xob bat bich 
ja eines cblen ©aterS beraubt, unb nun ift er 
baran, bir auch bie äRutter p nehmen, eine 
äRutter, bie nichts als Siebe für bich mar. ©ber 
es ift aßeS in Siebe, mein lieber Sot)n, menn 
bu p ihm empor bliefft in biefer ferneren Stunbe, 
mirb er gemiß beine £>ütfe fein." 

„©ber ach äRutter, ich merbe gan^ aßein fein, 
menn idb bich Oerliere," unb ein ftarfeS guefen 
ging burd) feinen ganzen Seib, melcbeS feine 
äRutter Jül)lte. 

„ä 2 icbt aßein, mein liebes ff inb," fagte bie 
äRutter, inbem fie mit ihrer lebten fftaft feine 
, $änbe brüefte, „nein, nicht aßein, bein |>eilanb 
* mirb bei bir fein; er mirb bich nie Oerlaffen 
noch oerfäumen. ©ueb merb’ ich bir nicht Oer= 
loren fein, ©ott nimmt mich p ihm felbft. 
Sch ermarte bi(h bort, mo fein Scheiben mefjr 
fein mirb. S^ toerbe beinen lieben ©ater feben 
unb auch bu mirft bich halb mit uns oereinigen 


broben hn Sicht. Scb buffe, mein Sohn mirb 
miffen, mo er in biefer bunfeln Stunbe feine 
Straft holen muß." 

„Sch toiß oerfuchen, äRutter." 

©Silbelm erhob ficb oon feinen ffnieen unb 
füßte ber äRutter bleiche ©Sange unb begab ficb 
in fein fleineS ffämmerlein. ©JaS er ba feinem 
©ater im £immel gefagt, melden ff ampf er ge^ 
fämpft, meiß nur ber, ber ins ©erborgene fiebet. 
©ber als ber ff nabe nach ©erlauf oon einer 
halben Stunbe berauSfam, mar er Sieger. 

Xer ©r^t unb $ert; ©btoarbS ftanben bei 
bem Sette, als ©Silbelm prüeffam. ®r näherte 
ficb ebenfaßS bem Sette, unb als feine äRutter 
fab, baß er ben Sieg baoon getragen, mar bieS 
eine große greube unb ein mächtiger Xroft 
für fie. 

„ffannft bu aßeS bem £>errn anbeimfteßen 
unb ihm aßein oertrauen, mein lieber ©Silbelm," 
fragte bie fterbenbe äRutter. 

„Sa aßeS, liebe äRutter.". 

@r fniete mieber neben baS Sett unb nahm 
bie lieben |>änbe in bic feinigen. 

,,©S ift aßeS mobl, aßeS moht, mie gut ift 
©ott," fagte bie äRutter. 

„Unb ift S^fuS bir jept tbcuer, liebe äRutter," 
fragte ©Silbelm. . 

„Xer Schönfte unter jebu Xaufenb, lieber 
Sohn." 

„Xu baft bich in beinen gefunben Xagen fo 
febr Oor bem Xobe gefürchtet, ift biefe gurcht 
nun oerfchmunben, liebe Schmefter, ba nun bic 
Stunbe gefontmen ift," fragte |>err ©btoarbS. 

„Unb ob ich manbere im finftern Xhal beS 
XobeS, fo fürchte ich fein llnglücf, bein Stecfen 
unb Stab tröften mich," mar ihre befcheibenc 
©ntmort. 

„©Soßteft bu nicht leben unb beinen Meinen 
Sohn ergeben," fragte er meiter. 

„©bnftuS ift mein Seben unb Sterben mein 
©eminn, mein ©ater meiß aßeS am Seften, er 
mirb für meinen Sohn forgen. S^ laß ihn 
nicht aßein. Xie ff irche mirb ihm eine äRutter 
fein unb ber ©Jaifen ©ater ift fein ©ott, gelobet 
fei ©ott." 

„0 ©Seib, bein ©taube ift groß, bir gefeßebe 
] nach beinern Segebren," ermiberte ber ©ottes^ 
mann febr gerührt. 

§err ©bmarbS batte biefe gragen mehr um 
beS Sohnes mißen gefteflt, benn er mar ber 
Ueber^eugung, baß bie lepten ©laubenSmortc 
feiner fterbenben äRutter bem ffnaben unüer= 
geßlich bleiben unb ficb mie eine Scßupmebr ge= 
gen bie ©erfuebungen um ihn lagern mürben. 

Xa ftanben fie, bie meinenben greunbe, um 
baS Sett ber fterbenben ©bnftin. Sie fonnten 
beinahe ben gtiigelfcblag ber ©nget fühlen, bie 


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ftm |9tun}igjäl}rigrr auf im Haifertlpoit, 


135 


ba »orteten, um bie rein gemäkene (Seele ju 
ben Sohnungen beS ßichtS ju tragen. 

Der ©rebiger nahm bie mot)t benugte ©ibel 
ron bem Difd) unb tag Sorte füfjen DrofteS: 

„3n meinet ©aterS |>aufe finb niete 3Boh s 
mrngen, menn eS dicht fo märe, fo mollte id) ju 
eud) fogen: 3ch gehe hin, euch bie Stätte zube= 
reiten. Unb ob ich hinginge euch bie Stätte zu 
bereiten, mitt ich bod) mieberfommen, unb euch 
ju mir nehmen, auf bah if)r feib, mo id) bin/' 
Seid)’ föftltcfie Sorte! Oftmals hatte bie 
Sterbenbe biefe Sorte gelefen unb (efen hören, 
aber mie ganz anberS tauten fie jept, mie gleid) 
einer Stimme eines ©ngetS an ber offenen Dt)ür 
bes ©arabiefeS. Sie füllte batb bie felige ©e^ 
toi&beit biefer ^errtic^en ©erheifjung erfahren. 

Der ©rebiger legte baS liebe ©ud) bei Seite, 
fie unb fnieten nieber jum ©ebet. Der £eilanb 
irar bo. Der ©eter flehte für bie STOutter, bah 


if)r ©taube möchte ftanbtjaft bteiben bis 511 m 
©nbe. ©r bantte ©ott für bie ©nabe, fetig zu 
fterben unb für bie ffraft ber Seete 511 trium- 
phiren burd) beS ßarnmeS ©tut. ©r betete für 
ben armen ff naben, ber nun batb allein in ber 
Seit ftefien mürbe, unb bat ©ott, baf$ er ihn 
bemahren unb zu einem Serfzeug gebrauchen 
möchte, um 2 lnbere für ben £errn zu geminnen. 
©r legte fegnenb feine |>änbe auf beS Knaben 
|>aupt. 

„hinten," fagte bie fterbenbe SOtutter. 

Die ganze 9iacht faf$en fie um baS Sterbebett 
ber Sd)eibenben unb ats ber SKorgen feine erften 
Straften im Dften hinauffchidte, ging bie 2Rut- 
ter zu ihrer 3tuhe ein, inbem fie noch fegnenb 
ben Sohn ©ott unb beV ffirche hintertieh. 

;gefuS mar ber tefcte Name, ben fie auf ihren 
ßippen hatte, unb fo ging fie ein zur fetigen, 
himmtifdhen Nuhe. 




<£tn Peitii(i0|al|ri$er auf bem iaifertljron. 

©bitor. 


nfer Beben mähret fieberig Qahre unb menn 
eS tyod) fommt, fo finb eS achtzig, fagt ber 
©falmift. 

Sinb eS nun neunzig 3af)re, fo ift baS 
Seben gemifj f e h r h 0( h gefommen. Das fann 
ber alte ffaifer Sithetm oon feinem ©rben- 
bafein fagen; am 22 . 9Rärz biefer Jahres mirb 
ber greife üJlonarch 90 Saljre alt. 

Nur menigen SNenfchett ift eine fo tauge ße^ 
benszeit befdjieben. 2lud) benen auf bem Dhrone 
nicht, geh toenigftenS tenne aus ber ©efd)id)te 
feinen neunzigjährigen ffaifer. 

Sie jebes anbere mirftich ächte 9Nenfchenle= 
ben, fo ift auch biefeS föfttid) gemorben, inbem 
es®tüf)eunb9trbeit gemefen. 

Sir Meinen, geringen SNenfchen benfen manefc 
mol, fo ein ©roher ber ©rbe habe eigentlich 
nicht üiel mehr tjienieben zu thun, als fich burch 
einen ©erg oon buchen hinburch z» effen. 

Seit fehtgefchoffen! 

Denn ad),' mie oiet muffen bie „©rohen" auf 
lebem ©ebiete lernen, bis fie groh gemorben! 
Unb mie fefjr haben fie fich abzumühen, menn 
fie grofj bteiben motlen! 

ffaijer Sithetm oon Deutfchlanb hat oon 
Sugenb auf bis h cu t c cm f e h* arbeitfame* 
fieben geführt, unb fchon be^halb füllten mir, 
nnb fotfte namentlich bie amerifanifche ^agenb 
fein ßebenSbitb ein menig näher anfehen. 

©s ift noch nicht lange her, ba rebete man an 
ber taiferlichen Dafel oon ber fogenannten $d)t= 


ftunbem©emegung in ben ©er. Staaten. 9iach= 
bem oerf<hiebene ber 9lnmefenben ihre SKeinung 
barüber auSgebrüdt, fotl ber S'aifer täd)elnb ge- 
! fagt haben: ,,^a, ja, biefe Herren bort brüben 
| mögen mit achtftünbiger Arbeit per Dag re^t 
1 gut auSfommen; es finb Daufenbfünftter; mir 
( aber müffen oft 10 bis 14 Stunben fdjaffen." 

! SBiU’S gerne glauben, baß ber alte $err alfo 
gefprochen, benn eS fieht ihm auf’s |>aar gleich. 
Stuch ift eS nur bie reine ©ahrljeit, bah er fchon 
gar manchen Dag feines ßebeitS 10 bis 14 
Stunben tang fotibe Slrbeit oerrichtet hat. 

9?od) bis oor kurzem ftanb ber 9?eunzigjäh' 
rige jeben SRorgen um ? Uhr auf unb betrat 
balb barauf feine 9IrbeitSftube, mo er fich ange* 
ftrengt feinen Pflichten mibmet. ©rft neuere 
bingS haben es bie 9terzte burchgefe^t, bah ber 
©reis bis 9 Uhr SKorgenS im ©ette bleibt, ©r 
prüft jebeS Sdjriftftüc! fclbft mit mufterhafter 
©emiffenhaftigfeit unb hört oon 10 Uhr 9Ror= 
genS bis 1 Uhr Nachmittags regetmähig bic 
©orträge feiner SKinifter. Stlsbann martett 
gemöbnlicb fchon anbere ©flichten auf ihn. 

©igentliche Nuhe hat er fehr menig unb atS 
ihn oor etma einem 5°hre fein TOjähriger 
ff ammerbiener ©ngel um ben 9lbfd)ieb bat, fagte 
ber ff aifer lachenb: „©ngel, bn unb ich, wir 
beibe haben feine 3eit zur Nuhe." Unb bamit 
mar ber ßlbfchieb abgethan. ff aifer unb ff am= 
merbiener arbeiteten meiter. 

SBäre biefer grohe ff aifer jeboeb nur ein 



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136 


<Sin Mtunjtgjäl)rigfr auf betn $aiftrtl)ron 



QüiUtelm im <&<rtte«bienß. 


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(Rn Jleunjigjäljriget auf bem $atfrrtl)ron. 


137 


arbcitfameS 9Jtenfd)enfinb, unb f)ätte nicht auch 
aitbere gute ©igeufchaften, fo tonnte ich mid) 
fanm ba$u entfliehen, etwas über ihn 311 fd)rei= 
ben, obwohl er einer ber £>ol)en unb ©rohen 
auf grben ift. 

6 S ift mir $. 93. noch nie in ben Sinn getont 
men, eine Sfi/föe über ben fieberhaft tfjätigen 
Napoleon I. $u fdjreiben, fo fehr ich auch feinen 
rieftgen, umfaffenben ©eift bewunbere. 

Diefer ftaifer SBilhelm ift jeboch auch ein ädjt 
jitt lieber unb einfacher ©harafter, 
welchen fich manche Seute, bie noch lange nicht 
Äoifer finb, aber hoch fo Oiel SBefen aus fich 
machen, wohl anfehanen bi'trfen. 

“Soßen bie werthen Befer j. 93. eine ber Ur= 
fachen erfahren, Wehhalb er ein fo hohe$ s lttter 
erreicht hat, fo ift %u berichten, bah ber greife 
Äoirarch-oon ^ugenb auf fel)r ntäfjig unb itüch= 
lern lebte. @r raucht nicht, unb fdjnupft nicht, 
unb trinft nur fo Diel SBein, als ihm bie Werkte l 
feiner ©efunbheit wegen oerorbnen. 9 Benn er j 
mit ber grau Äaiferin aßein fpeift (unb baS 
ioll ihm am liebften fein), fo giebt eS brei 
gan^e ©änge — alfo breierlei Speifen mit 
gehör, unb in einer halben Stunbe ift bie faifer 
liehe Mittagstafel oorbei! 

Die SRenfchenfinber fönnen fich jwar sn ihres 
SeibeS Sänge feine ©fle ^ufepen; aber ßRißioiten 
Jhoren haben fich Ühon burd) ÄuSfchweifung 
unb Unmäßigfeit baS Seben abgefür^t. 3 U 
Denen gehört fiaifer SBilhclm nicht, 
jjfwnb in $aitb mit feiner ÜRähigfeit unb 92üd)^ 
ternheit geht feine Sparfamfeit. gi’tr feine per= 
[entliehen ©ebürfuiffe braucht er gar SBenig, ob= 
wohl er ben Ih rou einnimmt. Sein £auS in 
Berlin ift oiel einfacher als manche ^ßaläfte an 
ber fünften Sloenue in ber Stabt 9lem $orf, unb 
er braucht lange nicht fo oiele neue SRöcfe als 
mandhe unferer amerifanifchen Herren! 

^e älter er wirb, befto mehr brängt fich ih m 
bie Ueber^eugung auf, bah afle 9leuherlichfeiten 
nur leerer lanb finb, unb bah öer fittliche 
halt beS SebenS barin befteht — bie auferlegte 
Pflicht getreu ju erfüßett. hierin beftanb oon 
Anfang fein Streben, unb felbft feine heftigften 
@egner haben bieS bereitwillig jugeftanben. 
Beim er ©h*Ö e 4 Mipt, fo befteht berjelbe barin, 
für baS SBohl feines SolfeS nach befter UeFer^ 
Beugung 511 forgen, unb fich beffen Siebe ju er= 
werben. 

Sein einfacher Sinn unb gefuttber oon aßem 
Dünfel freier ©erftanb führte ihn auch baju, 
bie rechten Seute an bie rechten *ßläpe -$u fteßen. 
Obgleich fein griebrich ber ©rohe, was mächtige 
ÄeifteSanlagen unb 93ilbung betrifft, wirb bie 
öefchichte ffaifer 9Bilhelm I. hoch neben jenen 
Selben fteßen, benn mit 93iSinarcf, 9Jloltfe unb 1 


fltoon hat ber greife ftürft ben hunbertjährigen 
beutfehen bräunt oon bem einheitlichen Steich 
jur ®irflid)feit gemacht. 

Der lebte ©runb aber, in welchem biefeS 
reiche Seben wurzelt, baS ift ber f e ft e © i 
bel= unböotteSglaube. Darum bringt 
§aus unb £>erb baS ©ilb beS SRonarchen auch, 
nicht wie er hoch ju fltofj feine Schaaren bem 
geinb entgegenführt, fonbern, wie er als be^ 
ntütpiger ©hrift ben f>errn ber ©eerfchaaren 
anbetet. 

3 n meiner ^ugenb fah id) eiuft biefen äoifer, 
wie er im beften ßftanneSalter an ber Spipe 
feiner s JJreuhen nach s Rieberwerfung bes ’49ger 
SlufftaubeS in bie babifdje .^auptftabt einjog. 
So maffenhaft marfdjirten bie ^Jidelhaubeit ju 
aßen fünf Dporen herein, bah bie Knaben auf 
ber Strafte in bem wunberfepönen mittelrheinp 
fcheit Dialcft eiitanber juriefen: „93ube ’S hat 
©reihe g’fchueet." 

damals l)ieh baS ®olf ben jepigen Äaifer 
„Sartätfdhenprin^/' unb ich föuntc nicht fagen, 
bah er fehr beliebt gewefen. 

Siele ^ah^e barnach (1881) fal) ich ih« wie^ 
ber, wie er als alter bewährter £>elb feine fieg= 
reifen Jruppen auf ber ßafenheibe bei 93 erlin 
währenb einer s ^arabe „abritt.^ 

9lber am liebften benfe ich wir ihn hoch fo, 
wie ich ihn im felben ^nh* in einem ©otteS= 
bienft fah. ©r war einer ber s 2 lnbächtigften. 

I 9luS feinem 9lngefid)te unb feiner ganzen i>al 
tung fonnte man erfehen, bah er im ©eift unb 
1 in ber 9Sahrheit anbetete. $)ie SJSrebigt würbe 
ihm gewih .jum ©enuh unb bas greife .fpaupt 
beugte fich finblich oor 3 c i u * Shriftus. bem 
Sönig aßer fi önige. 

9iid)t erft int 9llter, nein f<hon in feinen Ätta^ 
benjahren hat fich biefer Saifer auf ben feften 
©runb ©ottes gefteßt. 

93ei ieiner Konfirmation fchreibt ber achtzehn; 
jährige Jüngling: „ s 21 uf ©ott wiß id) uner 
fchütterlich oertrauen, ihm 9lßeS anheimfteßen, 
unb nur im ©laubeit an feine ®orfef)ung, einen 
1 getroften SMuth ^u erhalten fuchett. ßJieineS 
öotteS wiß ich iiberaß gebenten, an ihn wiß ich 
in aßen 9lngelegeuheiten mich wenben, unb es 
I fofl mir eine fiihe Pflicht fein, im ©ebete mit 
| ihm meine Seele ^u oereinigen. weih, öah 
1 id) ohne ihn nichts bin unb nichts oermag.'/- 

JiefeS ©elübbe hat biefer ^iirft gehalten, 
©r hat ben 93ibel= unb ©otteSglauben immer 
hoch erhoben unb fich nie bie ©hre angemaht, 
bie Wott, bem §errn gebührt. 

Darum fchreibt er auch nach bein erftaunlidjen 
©rfolge, welchem er über bie 5 rfl n^ofen unb 
s Jtapoieon III. im 3ah re 1870 errungen, feine 
prahlerifche Sieges 93otfd)aft, ionbern fagt: 


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138 


Gläubige grauen ber (joangelitn. 


,,2Bemt ich mir beute, bafj itacf) einem großen, 
glüctltcffen Kriege ich toährenb meiner s Jiegie= 
rung nichts ^Ruhmreiches mehr ertoarten tonnte, 
unb ich nun biefen meltgefchichtlichen @rfolg fehe, 
fo beuge i ä) mich oor ©ott, ber allein mich, 
mein £>eer unb meine aJiitoerbünbeten auSer- 
feffen hat, baS ©efcheffene ju oollbringen, unb 
uns JU SSertjeugen feinet SBittenS beftettt hat. 
atur in biefem Sinne üerrnag ich baS 3Berf auf- 
jufaffen, um in $emuth ©otteS güffrung unb 
feine ©nabe ftu preifen." 

9Jian tann ein feffr begeifterter Verehrer un- 
ferer amerifanifdjen SBunbeSoerfaffung fein, unb 
fold)’ acht ! a i f e r l i cf) e S Xffun unb Renten 
bcnnoch hochfchäfcen. 

3Bir haben, ©ott fei banf, in ben $er. Staa¬ 


ten eine namhafte flnjahl hocfjgeftellter Beamte, 
bie auf biblifchem ©runbe ftehen. SBer aus ben 
Sefem aber n>ünfcf)te nicht, baff alle unfere *ßrä- 
fibenten, ©oubemeure unb 93 iirgermeifter oon 
ähnlichem, einfachem, chriftlichem Sinne befeelt 
feien! 9iur ju oft roirb politiffhe äRacfft ober 
fonftige Srrungenfchaft Seranlaffung, baff arme 
aWenfchenfinber oom ©röffentoahn befallen mer- 
ben, unb oon ©ott nichts roiffen motten. 

®S giebt jeboch aud) oiele Seute, bie nichts 
tonnen, unb nichts finb, unb nichts geleiftct ha^ 
ben, unb in ihrem Hüntel fich boch oorfchroin^ 
beln, fie feien hoch erhaben über bem 93ibel= 
glauben. DaS finb bie lächerlichften aller 
faltspinfel, bie oon ©ottes Sonne befchienen 
merben. 




(Släubigr fronen der (foangelien. 

gftr §au$ ttttb gerb ton gerb. £). 3tfi|. 

(Schluß.) 


V. grauen, bie gefu^anbreichung t h a t c n 
oon ihrer fiabe. 

SBenn unter biefer tteberfchrift nur brei grauen 

J ier angeführt merben, nämlich Sufanna, go= 
an na unb aRariaattagbalena, fo gefd)iel}t 
eS, rneil SufaS btefe brei bei befonberer (Gelegenheit 
aufammen nennt, nicht aber, als menn bie hilfreichen, 
oienenben grauen, bie für bie irbifchen $ebürfniffc 
beS ©rlöferS unb feiner flpoftel Sorge trugen, auf 
biefe Heine 3 *# bcfchräntt gemefen feien. Aud) bie 
früher genannte aftaria, bie aJcutter gafobuS beS 
Jüngern, beßgleidjen Salome gehörten ju benen, bie 
gefum unterftüfctcn mit ihrer £aoe unb außer ihnen 
finb eS noch „oiele anbre," benen baffclbe ehrcnöolle 
geugniß gegeben mirb. 

a?ie ftno grauen höher geehrt unb geabelt morben, 
als eS burch gefum gefdje^en ift, ber ignen in berSie= 
beStbätigfeit um feine heiltgejfferfon unb fein heiliget 
2Berf eine fo herüorragenbe Stellung einräumtc, unb 
nie jeigt fich bie Xüdjtigfeit ber grauen jurn Xienft 
beS aicicheS ©ottcS in einem helleren Sichte, als bort 
in ben ©üangelien, rno fie gefum unterftüpen, ihn 
ehren, ihm bienen, ihmals treue güngerinnen nacbfol» 
gen bis unter baS Äteuj unb an’S©rab unb enblicp be= 
gnabigt merben. bie ersten menfd)lid)en 3 cu 0 en im b 
iperoloe feiner fluferftehung ju fein. 

$on S u f a n n a, 511 beutfeh „Silie," hören mir 
nur einmal, im achten Kapitel beS SufaS. $Bci ihr, 
mie bei oielen anbern, mar Ärantheit, förperlid)eS 
Seiben, ber gottgefänbte föote, an beffen 6 anb fie 511 
ben güßen gefu geführt mürbe; unb nachbem fie ign 
tennen gelernt als 3lr^t SeibeS unb ber Seele, treibt 
fie ihr banfbareS ©emüth, bie miebergefchenften 
Ähräfte in feinem unmitteIbaren5)ienftejuoermenben. 

Xaffelbe gilt oon gohanna, bem SBeibe ßhwfu^* 
9lud) fie burftc erfahren, maS jenes Sprüchlein befagt: 
gm Seioen prägt ber aReifter 
gn bie §er^en, m bie (Geifter 
Sem alftüttg ©Ubniß ein. 

(£hufa mar ber $rofurator ober JpauShofmeifter 


beS ÄönigS ^erobeS SlntipaS, beffen atefibenj fich in 
XiberiaS befanb, betleibete alfo als jolcper em hohes 
unb oerantmortlicheS $lmt. 5Bunberbar, mie aus 
bem berüchtigten »ofe biefeS motlüftigen, gemif[en^ 
lofen, für jeoe höV re s ^ e fl un 9 erftorbenen gürften 
eine fo treue güngeriu heroorgehen tonnte, mie go^ 
hanna,—ein 3 e ^ en öer unbefepräntten ©nabenmadjt 
beS §erm, ber aus gifcherhütten unb ÄönigSpaläften 
fich f e i n $u fammeln meiß, ein ©emeiS, baß auch 
in einer Umgebung öoU meltlicher Xhorheit unb fitt^ 
licper gäulniß noch Seelen fidj befinben tönnen, bic 
aus ber SBahrheit finb unb gefu Stimme hören. 

fluch uad) ber Ärenjigung ßnben mir gohanna noch 
in gerufalem unter benen, bie gefu Xob betlagten 
unb feiner fluferftebung fich freuten. 

2Bie ®hufa bem (Glauben feines SöeibeS gegenüber 
fich oerhalten habe, ift jehmer ju fagen. Xürten roir 
annehmen, baß er ber tönigliche ©eamte mar, Oon 
bem gohanneS im oierten Äapitel berichtet, fo ließe 
fich’S aUerbingS leicht erflären, marum er fein 3Beib 
ni^t hinbertc, fich öffentlich sum feerrn ju betennen 
unb ihn als güngerin ju begleiten. 

aJtaria, bie aftagbalenerin genannt, meil fie 
mahrfcheinlich aus ajtagbala am See Liberias gebür¬ 
tig, ift ein neuer 3 *ugc ber göttlichen ©nabenmacht 
gefu. Xer^err hatte fie befreit oon ber fchrecflichften 
unb zugleich geheimnißüoUften ÄranHjeit, oon ber baS 
ateue Xeftament ju 'berichten meiß. „&on melcßer 
maren fieben Xeufel ausgefallen/'—mit biefen ?Bor* 
ten führt SutaS fie unter ben bienenben grauen an, 
unb atfarfuS hebt biefelbe Xhatfache mit befonberem 
ataeßbruef heroor. ailjo unter berfelben grauenhaften 
attad)t, oon ber bie Xodjter jenes fananäifcheu ffieibeS 
I geplagt mar, mit ber eine große Anzahl anbereraften* 
tchen ju jener Reit gefcplagen maren an Körper unb 
1 ©eift, hatte SKaria aJtagbaleua in nod) erhöhtem 
©rabe gefangen gelegen. aBohl mochte fie bem £»erm 
I bantbar fein, ber ihre geffeln gelöft, ben finftern Sann 
gebrochen unb fich * un ö gethan hatte als ber, ber 
i ba getommen mar, bie 5Bcrtc beS XeufelS ju jerftö^ 


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Äläubige Jrauen 

reu Jortan gehörte ißr ßeben ißm. Tie Opfern 
freubigfeit, mit ber fie beiträgt *um Unterhalt Jefu 
unb ferner Jünger, bie treue Siebe, mit ber fie ißn 
begleitet bis nach ©olgatßa, it>r ergreifenber Schmer* 
um leeren ©rabe, als fie flagt: „Sie haben meinen 
berm weggenommen," baS *ittembe JRabbuni," als 
fie ooü ©lud, Temuth, Anbetung ben Auferftanbenen 
erfennt,—baS alles ertlärt fid^ reic^tid) aus ber großen 
$annber*igfeit, bie ihr bureß Jefum mieberfahren 
war. j 

Äein SBort jeboeß, fein ©ueßftabe, feine nod) fo ent* t 
femte Anbeutung ber ©oangclien berechtigen uns, i 
ton reinen Jraucncßarafter ber SRaria Sftagbalcna I 
anpigreifen unb fie mit jener „Sünbcrin" *u ibentifi* I 
Ären, bie (f. Suf. 7) mit ihren SBußthränen bie Jüße 1 
5efnne|te unb fie trodnete mit ben paaren ißreS j 
paupteS. Seiber haben bie Vorliebe für eine jenfa* 
rioneüe Ueberlieferung, fo grünblich biefelbe fd)on 
»on ben älteften feircßenOätem «überlegt mürbe, ba*u 
bie Serie oon 2Ralem, Richtern unb $ilbbaucrn fuß | 
bereinigt, biefe irrige Meinung *u einer üolfSthümli* | 
(tat *u machen. i 

VI. Tie0cßmeftern*u93cthanien. j 

Sföit ihnen fdjließen mir bie Steiße ber gläubigen 
trauen, beren tarnen unS tn ben ©oangelien auf* 
totMßrt finb. 

Etwa brei englifche HReilen bon Jerufalem entfernt, | 
cm öftlicßen Abhang beS OelbergeS, liegt Bethanien 
einft wohl ein freunblicßeS, betriebfameS Stäbtdjen, 
tot# oft unb biet bon Jerufalem aus befueßt marb, 
jejt ein armfeligeS Torf, bemohnt bon ©ßriften unb 
Arabern. Stod) jefct *eigt man bem S^eifenben baS 
bouS Simon bes AuSfäfetgen unb baS ©rab beS Sa- 
imiS. Bethanien mar Die ©eimath ber ©efeßmifter 
Hartha, SRaria unb £a*aruS, unb gar liebliche 
Erinnerungen fniibfen fich an ihre tarnen. 33ei ihnen 
bat JefuS als erfeßöpfter SBanberer je unb je Cbbad), 
Ntfreunbfchaft unb Siebe gefunben, in ihrem §aufe 
m er ein* unb auSgegangen als liebreicher Jreunb 
tnib fiehrer in guten Tagen, mie als mächtiger Tröfter 
«nb Reifer unter ben ©njreden beS TobeS; im $er* 
febr mit biefen ©efeßmiftern hat er eins feiner erßa* 
fünften SBunber gethan unb manches SBort gefproeßen, 
qhs beffen ©nabenfülle hungrige unb elcnbe Seelen 
gefd)dpft haben oon einem jahrßunbert burcß’S an* 
toe. Ser mag fie *äßlen, bie Scßaareu trauernber 
$enfcßenfinber, beren troftlofe £er*en erquidt, beren 
tftternbe fimiee geftüßt mürben, beren gerungene 
öänbe fid) fülle falten lernten unter bem Sort, baS 
3efu# einft *u AJtartßa gefproeßen: ,,Jd) bin bie Auf* 
mtebung unb baS Seben. Ser an mid) glaubt, ber 
mirb leben, ob er gleich ftiirbe, unb mer ba lebet unb 
Raubet an mich, ber mirb nimmermehr fterben." 

Ter beibeu ©eßmeftem mirb bei brei befonberen 
Gelegenheiten in ben ©Dangelien ©rmäßnung gethan. 
¥ufoS erzählt uns bie gaftfreunblicße Aufnahme, bie 
JeiuS in ihrem fiaufe gefunben hat; Johannes jcßil* 
tat uns ihren Schmer* bei ber Sfraiußeit unb bem 
lobt beS ®ruberS, ihre Sehnfucßt nach Jeju frülfe, 
ihren ©lauben an feine SBunbermacßt; 9Rattf)äuS unb 
SRartuS berieten unS am ausführlichen über jenes 
Gaftmaßl in Simon’S $auje, mo Hartha bienete unb 
$toria ben §erm falbte. 

Taß SRartßa bie ältere Schmefter mar, geht *iem* 
itd) flar barauS ßeroor, baß fie als biejenige genannt 
wrb, „bie ihn aufnahm in ihr £>auS." Somit mußte 
ne. aiö 3efuS bei ißt einfeßrte, fid) auch befonberS 
torantmortlicö fühlen für feine unb feiner Jünger 
&toirtbung. Jnhem fo ihr oomehmfteS Streben 
tommf hingeht, Dem geliebten ©afte ben Aufenthalt 
ntihrem fcaufe fo angenehm mie möglich * u machen, 


bei (liiangeUen. 139 


fteljt fie in ©efahr *u oergeffen, baß ber §err gefom* 
men ift, mehr noch, um ju geben, als um *u nehmen. 
9ttaria oergißt baS nicht. SSäbrenb bie Schmefter 
fid) noch in ftüche unb Heller *u feßaffen macht, meiß 
fie ben 2öeg *u Qefu 5ü6 cn finben, unb bort mirb 
£t)x unb £er* balb fo gefeffelt, baß fte ber Außen* 
melt nicht meljr gebenft. öätte SWartha eS ebenfo 
gemacht, fo märe eS um bie leibliche 33emirthung beS 
§errn aüerbingS übel beftellt gemefen. So mag fie 
benn ein gar erftaunteS, auch mohl unmiHigcS ©eftdjt 
gemacht gaben, als fte nad) länaerem Suchen bie 
Schmefter, bie fie fo nothmenbig brauchte, untbätig 
unter ben 3 u ^^ ern 3 e f u fanb. ,,^>err, frageft bu 
nicht baritach, baß mich meine Schmefter läffet allein 
bienen? Sage ihr bod), baß fie es auch angreife." 

Tie Antmort beS §erm ift meniger ein Tabel für 
SRartha, als eine ®crtheibigung für SRaria. „9Jtartha, 
SRartha," fagt er freunblia), „tdb meiß, mie oiel Sorge 
unb Unruhe bir aus unfrer ^emirtijung ermächft; 
aber urtßeile nicht fo hart über 9Rarta, menn fle an 
beiuer Arbeit nicht fo theilgenommen, mie bu cS 
münfehteft. Sie hat beßhalb ooeb bie §auptfache, baS 
©ine, mas noth thut, baS gute Tgeil, unb baS foU ihr 
Aiemanb abfprechen, auch menn fie nicht fo eifrig unb 
thätig ift mie bu." Sollten bie SBorte ^eju mirtlid) 
einen Tabel für 3Rartha auSbrüden, bann gemiß nicht 
megen ber liebeoollen Sorge unb SJtühe, bie fie um 
feinetmiUen fich machte, fonbeni eher barüber, baß fie 
meinte, ihre Schmefter SRaria müffe genau mie fie fei* 
ber fein. 

Sie haben beibe baS gute Tßril ermäßet, 9ftartha 
mie SRaria, fie haben beibe ben foerrn innig lieb unb 
fühlen fich getrieben, ihm ihre Siebe *u bemeifen. 
9Rartßa, meu fie eine regfame, thatträftige Statur ift, 
bemeift fie burdj äußere Arbeit unb Tienftleiftung, 
s JRaria, mehr befchaulidjer Aatnr, burd) ftilleS, tiefes 
Sichoerjenfen in 3riu 3Borte. 

I Abermals hören mir Oon ben beiben Schmeftem *u 
einer 3cit, ba ihr glüdlidjes $auS oon fernerer öeim* 
fuchung betroffen mar. „Jperr, fiehe, ben bu lieb haft, 
ber liegt franf-fo lautet bie bemüthige, oertrauens* 
oolle S3otid)aft, bie fie oom ftrantenbettc beS93ruberS 
| aus nach 'JSerea fenben, mo Qcfus gerabe thätig mar. 
©r aber läßt ihnen fageit: „Tie föranfheit ift nicht 
*um Tobe, fonbern *ur ©hre ©ottes, baß ber Sohn 
I ©otteS baburd) geehret merbe," unb bleibt noch *mei 
I Tage lang an bem Orte ba er mar. 
i xBelcßc Anfechtung für ben ©lauben ber Schmeftem, 

| als ihre 93itte fcheinbar unberüdjicßtigt bleibt, als bie 
| bangen Stunben unb Tage unter fruchtlofem §arrcn 
bahmftreichen, als fie nun bem tbeuem SBruber bie 
' Augen *ubrücfeit, ihn iu’S ©rab legen müffen, ohne 
noch ein SSort, ein 3eid)tt! nur oon Qefu empfangen 
*u haben. Aber 3 tt?e ^ c l Mißtrauen tonnten 
I über bieje Seelen feine Stacht geminnen. Tie Söorte, 
' mit benen IRartha Qefum empfängt, als biefer enb* 
lid) Bethanien fid) nähert, bezeugen eS unS, baß ihr 
; ©laube bie Jeuerprobe beftanbeu. Älagenb über 
i ihren herben $erluft tritt fie oor Qefum hin, aber 
aus ber ftlage erhebt fie fid) *n bem helbenmiithigen 
Vertrauen, baß auch Tob unb ©rab ber ©ebetsmacht 
beS .'perrn feine Scßranfe feßen fönuen, unb fdjreitct 
‘ oormärts *u bem großen ^etrusbefenntniß: ,,.t>err, 

; ja, ich glaube, baß bu bift ©hriftuS, ber Soßn ©ottes, 
i ber in bie 2Selt gefommen ift." 

1 Tie Thränen beS ©rlöfers, als er bann aud) 9Raria 
1 meinenb *u feinen Jiißen fießt unb ihre unb ihrer 
Jreunbe Klagen oeniimmt, reben laut baoon, mie 
theuer bie ©efeßmifter feinem .'bcr*cn gemefen finb. 

SBirb nun hier 9J?artha's ©laube in ben Korber* 
gmnb geftellt, fo *cugt bie Salbung *n Bethanien 


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140 


$tQenßil;r. 


nid)t minber oon Maria’S JOicbc. Wuf feiner lebten 
Weife nad) Jerufalent begriffen, wenige Xage oor fei¬ 
ner (yefnngennebinnng, gönnt jid) ber £>err noeß eine , 
fur^e Waft unter Den (Gläubigen 23etbanien. ^b m 
äu (Streit ljat man tm Jpaufc Sinton’S, ben ber .perr 
mol)l einmal nom Wusfaße gereinigt, ein gcftmaßl 
bereitet. Unter ben (Haften befinbet fid) außer feinen 
Jüngern aud) 8 a;*aniS, „ber 2$erftorbene, rocidjen ge- 
fuS aufermetft tjatte non ben Xobten." 

„Martha bicnetc." 22o ift Maria? inmitten 
bes MaßleS tritt fie unerwartet unter bic oerfammel 
ten (Hafte, ein ©las ooll ungefälfcßteit, föftlidjen War- 
benwafferS in ber $>anb tragenb. Sie jictjt nicht ben 
fragenben 93licf ihre* WrubcrS, nicht bie erftaunten 
Mienen ber jünger, fie fießt nur ißn. Unb fie ^er- 
brad) bä*? (HlaS uhb goß baS 28affer auf fein £>aupt; fie 
falbte bic güßc gefu unb trodnete fie mit ihren .paaren. 

Maria, wo$u laßt bu bict) ßinreißen? du ineinft 
eS gut, aber meißt bu aud), was Wnbre oon bir fagen, 
wie fie beine Jßat beurtheilcn werben? Sie weiß 
nichts unb will nichts toiffen, als baß fie etwas tßun 
muß, um all bie gefummelte Siebe, all bfn gejmnmel- 
ten danf ihres i>er, 5 enS einmal *um2luSbrucf ( ^u brin¬ 
gen. 32er meiß, toie lange fie es uod) fann. Sie 


afjitt es, baß er ben XobeSweg antritt. 2öaSMartßa 
bereite mit 28orten befannt, fie muß eS einmal oor 
aller Seit mit ber Ißat bezeugen: „du bift Sßriftus, 
ber Sohn (Hottes, bu bift beröfefalbte, berftönig non 
gSrael, bu bift mein ftönig, unb als beine genngfte 
Magb mill id) *u beineit güßen Üegen immer unb 
ewiglich." — C Maria, mo gefu ©oangelium gepre 
bigt rnirb in ber ganzen Seit, ba mirb man aueß fa 
gen $u beinern (ßebiicßtniß, was bu getßan ßaft. 

2lls ein Cpfcr bemütßiger 2iebe unb als eine Seif 
fagung auf fein 2kgräbniß hat ber £>err Maria’S 
§ulbiguug angenommen, hat tiefberoegt auf fie nie 
bergefeßaut unb fie in Schuß genommen gegen jebeS 
barte Urtßeil. „Raffet fie mit griebeit," fprießt er, 
„folcßes bat fie beßalten 511 m dage meinet 2 kgräb- 
itifjeS." 

ga, laffet fie mit gricben, alle bie Seelen, bie fieß 
gebrungen fühlen, für ben foeilanb ber Seit ein le 
! benbigcS, fräftiaes 3 cu 0 n U3 ab^ulegen, melcßer 2lrt 
eS aud) fei. Möget ißr ad)fel$ucfenb oon Ueber 
fcßmänalid)feit ober Scßmärmerei rebeu unb mit an 
berem barten Urtbeil bei ber .'panb fein ber duft 
achter Xemutb unb 2 iebe fteigt boeß $um j&errn ein 
por, unb ißr Wnbeitfcn bleibt gefeguet. 


® egenfäfee. 

gür ftaus unb §crb non Slmta Sporn in Sßtntertßur. 


i(jp in feßließter Sarg mirb bureß bas Stäbtcßen 
ßinauSgetragcn auf ben griebßof. 

1 „28er ift geftorben?" fragt ein 2$or- 

übergeßenber. 

„2lcß, nur bie alte Margaretße aus bem 21 n 
menßaus," Hingt geringfcßäßig bic 2lntmort. 

„ia mirb moßl Wientattb trauern/' beitft 
ber ^ragenbe unb blieft tßeilnaßntloS bem tlei= 
tten 3 u ß e fieß munbernb, baß uod) f 0 
®ie(e fid^ gefuttben ßaben, bie ber armen, alten 
Jungfrau baS tefete ©eleite geben. 28eiß er boeß 
nießt, baß Stanb unb Wattg diejenigen nießt 
feßeiben, bie SineS ©eiftes $inber finb unb fidß 
als folcßefennen lernten; geßt boeß feine 2ümnng 
bureß fein $er^, baß es bie ^iille eines (HeifteS 
ans föniglicßent (Sefcßlecßt ift, bie man ba ^n 
(Hrabe trägt. 

.'pat fieß benn nießt eine £>aitb gefuitben, bie 
auf ben feßmncflofen Sarg einen eittfadjen Slu- 
mettftrauß gelegt ßätte, bie natürliche Spenbe, 
bie man bem 2(ennften nidjt oerfagt? 

5 ?a, gerne ßätten fie es getßan, bie bie ftiße 
2 )^argaretße fannten unb liebten; fie aber ßatte 
gebeten: Seßmiicft mieß nid)t mit®tunten,meint 
icß geftorben bin! deinen £>eilaitb ßaben fie 
( Vtm dobesgang mit dornen gefrönt: barunt 
möeßte id) nießt mit Öluntenfränjen begraben 
merben. 

3 n ber Äircße ßatte fieß eine jiemlicße 2 ln 5 aßl 
oon 3»ßö^ni eingefmtben, tßeils aus mirfließer 


dßeilnaßme, tßeils um $u ßören, mas ber*ißfar 
rer fagen mürbe oon ^emanb, ber nießt feiner 
Wicßtung angeßörte. (Sr aber ift ßier ein mt 
parteiifdßer Wiauit, oon bem man fdjon ineßr- 
mals nießt mit Unrecßt flagte, baß er ben 
meinfcßaftsleuten bie feßönften ©rabreben ßalte. 
Unb menn er fogar ßeute fein gcmiffeS 2Bort 
ßat für ben feligen 3 u fi fln ^ *> er 2?erftorbeneit, 
menn er nur ßoffett fagen fann, nießt aber 
poerficßtlicß glauben unb miffen im 23tief 
auf bas oerßiillte Weicß jenfeitS beS ©rabeS, fo 
erflärt er boeß biefe geier als eine ber felteneit 
©elegenßeiten, bei melcßen er nießt unflar unb 
oerlegen £u fein braueße, um einen paffenben 
^eießente^t unb ßebt aus einer Wusmaßl ber 
feßönften Stellen aus bem 28orte ©ottes, bie 
alle für fie paffen mürben, als fprecßenbfte eines 
ißrer lebten ©orte ßeroor, baS gleid)fani bas 
©epräge ißres fiebenS unb ©rbiaffens trage: 
(5 ß r i ft u S i ft mein 2 e b e n unb Ster 
ben mein ©eminn. 

©roße dßaten, mießtige SebenSepoeßen finb 
oon ^argaretße nießt ,^t berichten; fie mar eine 
Stille im Sanbe unb ißr 2eben io unfeßeinbar 
als mögließ. 

grüße mar ber Öater, einige gaßre fpäter 
bie Mutter geftorben, unb bie 28aifen traten in 
dienfte, um ißren SebenSuuterßalt ( ^u ermerbeit, 
roeit müßfamer freili^, aber aueß ^ufriebener 
unb befriebigenber als oiele dienftboten ßeuti- 


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ttegrnfShe. 


141 


ger geit mit itjren grogen Anfprüt<m unb 
Seiten. 

Jagte ^er^ingcn, in benen bic ©eftmifter 
nur tärglid) e SJunbe oon eiuanbcr Ratten; ba 
lommt SDtareiti, bie etmaS ältere ©tmefter, il)r 
®ritli 5 U befucfmn. 83 on ba an mar fein |>attenS 
mehr; bie järtlic^e, gefc^tuifterlic^e Siebe tnar 
jo lebhaft aufgettmtt, baS ^eintmeg 50 g jo 
mastig bie cinfanten ^per^en sufammen, bag fie 
fragten unb fugten tote ein tiebenbeS paar, 
ba* mit ©egnfucht bie ©rünbung beS eigenen 
§eerbeS ju beförbem fmgt, bis in einem ein- 
faten ©täbt^en ber 0 ft-@tmeis fit ©elegen- 
geit für fie fanb, gemeinfam ju leben unb in 
fleißiger ^anbarbeit baS tägliche ©rot er¬ 
werben. 

©eiben bot fit fein gamiliengtüd, fein großer 
egrenootler 28irfungSfreiS, aber fie oermigten 
nügt, roaS igr äufriebcneS H er S nic^t begehrte, 
gn rügrenber ßdrttic^feit, tn ungetrübter Har¬ 
monie, jebe ber Anbern 5 U bienen fucfjenb, lebten 
bie ftitlen ©d)loeftem miteinanber über ätnanjig 
gagre. Aeugerlit blieben fit bie Sage gleit, 
innerlid) ftritten beibe nkgt nur bem 3 iete ber 
irbiften SBattfagrt näher, nein, aut bem Steicfj 
ber aSagrgeit, beS einigen SebenS ju. Sie $u- 
friebengeit gutmütiger, genügfamer £>er-$en oer- 
manbelte fit in ben grieben, ber ba göger ift, 
bcnn alle ©ernunft, benn fie Ratten in ber pre- 
bigt nom fireuje ben £eitanb gefunben, ber aut 
für fie als ©iinbentitger unb griebefiirft in bie 
Seit gefommen. - - 

Unb ©griftuS tnurbe igr Seben. gn bem Kei¬ 
nen Stübchen görte man nur SBorte ber Sanf- 
barfeit unb Siebe, beS ©tüdeS unb griebenS. 
Sor foltern ©lüde ftog Altes, maS berieten, 
roaS tgr Sergäftnig ober baS ju anbern 9Jlen- 
ften hätte ftören fönnen; fie mürben feine Ur- 
facge ^ur Stage unb ©tmerj. 

Sie lieb mar ihnen bie ©tätte, tno baS reine 
©oangetium oerfünbigt mürbe! SSeber ftürmi- 
ggeS SSetter not ®unfetgeit, not baS Witter 
mit feinen ©eftmerben fonnten fie abhalten, fo 
lange als nur mögtkg ben für fie ziemlich mei- 
ten SBeg $u gehen. SSiie freuten fie fit ber 
triftlit^n ©emeinftaft, mie gtüdticg matte fie 
ein ©efut ber Siener beS |>errn, mie mar ihnen 
bie Ausbreitung beS SReiteS ©otteS fo grog unb 
mittig, bag fie meinen fonnten oor greube, 
menn ber f>err fit offenbarte. ggr Stiebe mar 
mie ein SBafferftrom, aut in ben Sagen ber 
Srübfal, atS Äranfgeit unb ©tmerj über un¬ 
tere SWargaretge in ihrem fiebenaigften SebenS- 
jahre famen. 

©ebutbig unb freubig fonnte fie baS got > 
großer Seiben tragen, ohne gurtt, in fxeubiger, J 
lebenbiger Hoffnung beS emigen SebenS bem I 


Sobe entgegenfehen; Sterben mar ihr ©eminn. 
Ser $err, bem fie bienten, hielt fie über ben 
SEBaffem ber Srübfal unb oerherrlichte an ihnen 
©einen 9?anten aut üor ber SBelt. 

Sa geigte fit, mie bie in fit fileinen unb 
©eriitgen, nat feiner ©gre ©trebenbeu, geattet 
maren. Ratten fie in gefunben Sagen mit 
treuem gleig für ihren SebenSuntergalt unb bie 
einfate Heine SSognung im Armenhaus genug 
oerbienen fönnen, fie famen aut in feine 
9totg; ber £>err forgte. 

Sief berührte es fie, bag eine entfernt mog- 
nenbe Same, bei metcger SWareili oor mehr als 
20 fahren gebient, ohne feither Oon ihr ^u hö¬ 
ren, gerabe jcfet, innerst getrieben, ihnen nat^ 
fragte unb ein ©olbftücf in’S firanfenftübcgeit 
fanbte. Aut anbere ^änbe regten fit gelfenb 
mehr atS nöthig mar. 9RiIb unb leife fam ber 
Sob unb löfte ben triumphireuben ©eift oon 
ber leiben^matten irbiften Hüöf- 

äBeinenb fteht bie alte einfame ©tmefter am 
©rabeäranbe, ber ©taube aber trägt fie hinüber 
in bie litten 3BoI)nungen emiger ©eligfeit, bie 
halb, batb aut ihr fit erftliefien merbeu. — 

# * * 

Surt bie ©tragen ber Stabt bemegt fit ein 
langer, langer Seiten^ug. ©ine gemaltige SJieit- 
ftenmenge oon nah un b fern folgt bem mit ©tu¬ 
rnen, fi'ränjen unb ^atrn^mcigen bebecften ©arge 
jur Sirte unb jum ©rabe. SDiitten im 3 ^ 9 ^ 
meht bie trauerumftorte 3 ahne eines potitiften 
©ereinS. Sraueriieber, üon ftangootten SJtän- 
nerftimnten meit getragen, ftmungootte 9teben 
oon ©eifttiten unb ©taatSmännent oerherr- 
titen bie ©cgräbnigfeier. 

©ereine haben ihre Abgeorbneten gefanbt unb 
ihre ®rän^e bem geehrten, bagingefticbenen 
SJtitgtiebe auf beu ©arg legen taffen. Unter 
ben feierliten fi'tängen ber ftäbtiften Slet^ 
mufif mirb ber ©arg feines ©t muc f e ^ entftei- 
bet unb hinabgefenft in bie ©ruft. 

Anhänger unb greunbe fammetn fit in gro¬ 
ßem Streife not b n e * ner ©rinneruitgSfeier unb 
meihen ben Steft beS AbenbS mit freunbtiten 
unb emften Sieben unb ©rügen in poetifeger 
gönn bem Anbenfen beS ©erftorbenen. 

©ernig, eS mug einer ber ©rogeit biefer grbe 
fein, ben man fo ju ©rabe getragen hat! 9 lie- 
ntanb mug gente fragen, metter SRarne jener 
fterbtiten ^>ütte, bie üon all ber ©gre nid)ts 
megr fügten fann, gegörte. Alte SBett meig es, 
feit oor brei Sagen üon ättunb 5 U 9)tunb bie 
fi'unbe ging: Ser meitbefannte Staatsbeamte 
unb politifte Parteiführer SR. 91. ift nat fur^er 
®ranfgeit geftorben. SSeit hinaus trug bie 
Preffe in jagtreiten 9lefrotogen bie unermartete 
Srauernatnttf «ab oon 9lag unb gern eilten 


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142 


Pie otruriijeilten JUardpßra. 


bie greuttbe unb Anhänger beS ©erftorbenen | and) beS ©üpinenS feiner ©igenidjaften würbe, 
herbei, i£)tn bie le|jte ©hre ju erweifen. j ©Sorauf er fich immer ftüfcte, bas ftreuj ©hrifti 

©Sir wollen einen furjen ©lief in fein ßeben unb feine ©nabe im ßeben unb Sterben roaren 
werfen nnb ein wenig l)ören, Was man twn bem I es uidjt; ebenfowenig ftanben feine fjeber nnb 
SDtanne $u rühmen weife. ©uS angefefeener ga- \ fein SSort im ®ienfte beS ISoangeliumS. 3Rit 
milie ftantmenb, mit guter Sdjulbilbung unb , ten aus feinem Staffen rife ifett ber lob t)in 
befonberen Talenten unb ©eiftesgaben auSgc- i über itt’s unfidjtbare ©eich, Wenige 9Ronate 
rüftct, betrat er feine ßaufbafen. nad) bem jpinfdjciben feiner ©attin. 

35ie Stille eines engem ScrufcS genügte ihm * * * 

halb nicht metjr; er trat hinaus in’S öffentliche ; gaft jn gleicher 3eit fdjwcbten bie Seelen ber 
ßeben unb als 9Kitarbeiter in eine ©Sirffamfeit, armen alten 9iäfeterin unb beS weitbefannten 
bie feiner freien ©eifteSridjtung beffer jufagte. ©olfSmannes aus ber fiefetbaren ©Seit hinüber 
$>iefeS 9lbf)ängig!eitSt)erfeältnife würbe feinem jum Ife or ^ er ©wigfeit. ©rofe waren bie @e 
engen Streben jebod» auch halb ju eng; nad) | gegenfäfce ihres innem unb äufeern ßebenS, itjreS 
ücrfdjiebenen fördern Ucbergängen fefeen wir Sterbens unb ihres lebten ©angeS! 
ifjn an ber Spipe freifinniger, ool!swirtfefcfeaft= ©Serben bie ©egenfäfcc ihres ewigen ßoofes 
lieber, focialer unb politifcper ©eftrebungen. Heiner ober werben fie nod) weit gröfeer unb 
Umrcf) bie ©reffe fowofel als burefe fein ©Sort, oon unnennbarer Tragweite fein'? 
übte er einen mächtigen ©tnflufe auf laufenbe ©or bem fRicfeterftuhle 3)effcn, ber ©ugen hat 
feiner 2 Ritmenfd)cn aus. ©r ftieg oon ©Sürbe wie eine geuerflamme unb oor bem fein ©nfeheti 
ju ©Sürbe unb würbe oon feiner, burch feine ber ©erfon, fein äufeerer ©omp, fein eigener 
©Sirffamfeit immer mächtiger werbenbeit, für i ©Sertl) unb feine ©Scrfgeredjtigfeit gilt, wirb in 
ihn begeifterten ©artei in bie oerfdjiebeniten einer anbern ©Sagfcfeale gewogen als hier auf 
©ernter beS Staates eingeführt. ©rben. ©Selchen ©la| wirb er biefen bei- 

3n ben politifdjen ftämpfen würbe er auch ben Seelen in ber ©wigfeit mit ihren unöer 
oielfach angefeinbet, aber er trag, wie ein Sio= änberlichen 3 u f*änben unb ©crhältniffen an- 
graph fagt, baS ©HcS mit ftoljer lapferfeit unb weifen ? 

9tuhe, feines eigenen ©Sertljs unb ber Feinheit darüber ju entfeheiben, ift nicht unfere Sache! 
feines Schaffens unb StrebenS fid) beWufet. I ©ber ,}u eraftem s Jtad)benfen unb grünbticher 
Ueber feine Stellung ju ©ott, ju $efu ©hnfto ' ©rüfung unferer eigenen Stellung mögen uns 
als fpeilanb nnb ©etter hört man nichts, fo oiel folche fragen wohl ocranlaffen. 

- i - 


Pie oerurtyriltttt 


3 rfir #<1118 nnb #erb non 6 efla. 


$ finb ernfte Stunben, bie ein 511 m 2 obe 
üerurttjeilter ©ienfeft in feiner 3 eUe oer= 
bringt. 3 e^r ernft aber ift e$, toeitn, 
tnie e3 t)ier in S^icago ber ftall ift, eine Anzahl 
SKänner oom ©efefc für ben ©enter beftimmt 
finb. 

9 Kenfd)enleben ift eben ein töftlicheä ©ut, 
unb barum fpürt ^ebermann, ber noch ben 
SBertt) beö Sebent fchäfcen tann, baä ©rnfthafte 
ber Sage, fo oft ein SDlenfchenleben bem ©efefj 
öerfaüen ift. 

geboch eben beferoegen, roeil ba£ Seben ein 
hohes ©ut ift, mit meinem man nicht fpielen 
fotl, niuft baS ©efefc baffelbe fc^ü^en, unb ?>tvax 
oft felbft babureb, bafc e$ ba$ Seben beS fDiör^ 
berä forbert. 

®on biefem ©tanbpuntte au$ betrauten tau^ 
fenbe moblgefinnte unb menf<$enfreunblicbe 


^erfonen bie fytx in ©bieogo oerurtbeitten 
Stnarcbiften. 

3 cb tonnte mir bie ©elegenbeit nicht öerfa 
gen, biefelben auf ber Slntlagcbant in Slugcn 
febein ^u nehmen. 

$ort fajsen fie, bie großen SDlautbelben, rnn^ 
geben oon dichter unb öbüotaten, ©eridbter^ 
ftatter unb oon guföfluem f oü irf bex grofce 
©ericbt^faal nur faffen tonnte. 

©pieä, ber herüber ber furchtbaren, gotte£= 
täfterlichen „Arbeiterzeitung," la^, mit einem 
Sftafenztüicfer bewaffnet, f^einbar eifrig in einem 
Suche. 

Sielben, ber getoanbte ©chtoä^er, brehte ft(^ 
fcheinbar gleichgültig auf feinem (Stuhle, 
renb er 3 eu 9mf$ ablegte, hin unb her unb fpiette 
mit feiner Ubrfctte. 

Schrnab fah au^, graufig mie bie bunfle 



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Pie oerurtfjeilten inardjiften. 


m 


bei einem ©efeitterftumt. Xiefer SJtenfch | 
t)at eine furchtbare ^ßt^^fiognontie. I 

SJarfonS unb gifcher flauten frech, leichtfertig 
unb jheinbar ungezwungen um fich herum. 

Reebe ftrich fich jutneilen feinen feohlgepfleg^ 
ten Schnurrbart. I 

Sngel, glaube ich, fear e$, ber auch feine 2 lu* 
gen nicht emporheben feollte, er brütete ftumm 
öor fich hin, unb badjte feahrfdjeinlich in feinem 
bergen: SBenn hoch ber dichter unb bie ©e= 
fafoorenen, fammt allen reichen unb frommen I 
3Äenfchen, ^ufammen nur einen ®opf hätten, 
unb id) bürfte ihn abfchlagen. 

ler noch „grüne," junge, aber fchon fehr 
befperate ßingg, melier nad) Stmerifa fam unb 
baö „©ombenmachen" lernte, bilbeteben Schluß 
btefer faubem 93 rüberfd)aft. I 

Surch ben Sßrozefc, burch ihr Selbftzeugnife 
unb burch baä 3 eu 9 nife Slnberer, tonnte man 
einen guten ©inbtid betommen, Oon bem ©ha= 
rafter, Seben unb Treiben biefer anarchiftifchen 
Vattbe. SJtan mufcte zu ber Ueberjeugung fom= 
men, bah man e3 hier mit Seuten zu thun habe, 
»eiche gefährlich unb ein $Jreb3fd)aben für bie 
menschliche ©efeüfchaft finb. 

So gerne man auch al£ ©hrift bie 9)tenfchen= 
liebe möchte malten laffen, unb bem anard)ifti= 
idjen Ireibeit eine günftige ©eite abgefeimten 
möchte, fo fetU biefeä einem hoch nicht gelingen. 

SBenn man e£ früher nicht fchon gefeugt hätte, 
batte man burch ben *ßrozefj e3 jur ©enüge er= 
fahren tonnen, bah biefe ©lutmenfehen mit ©ott, 
Vibel, jf ird)e unb ©ebet längft gebrochen haben. 
Sie haben ja bie ßerftörung biefer Xinge ju 
ihrer Seben^aufgabe gemacht, „lieber mit ben 
ftirchen unb Slltären!" fear eine beliebte Xeoife 
auf ihren gähnen. „äRadjt eure Rechnung mit 
bem |>immel, ihr Pfaffen, benn eure Uhr ift 
halb abgelaufen," fear eine oon ihnen au£ge= 
forochene Drohung. 

Xah e£ bei Seuten mit foldjen ©runbfäfcen 
in Sitte unb SJtoral nicht gut beftellt fein tarnt, 
läfjt fich beuten unb ift auch gar nichts 2 lnbere$ 
ju erfearten. 2tu3gcfprochen glauben^lofe SRern 
ichen finbet man gefeöhnlich als herz* unb fitten* 
lofe. 

Sehr bejeichnenb ift e3, bah bie oerruchten 
SSläne biefer rothen ©anbe in ebenfo oerruchtett 
Souftneipen auägebrütet feurben. Xer Sef)r= 
unb SBehroerein, welcher fich in ben SBaffen unb 
bem Sombenfeerfen übte, hatte feine ©erfamm= 
lungen in einer ©aufhöhle. 

Cd tourbe burch ben $rozejj unzfeeifeltjaft 
bemiefen, bah fie fhftematifch unb mit Slbficht 
Vorbereitungen getroffen hatten, um SJtenfchen 
unb Eigentum gefealtfam zu zerftören. SBaffen 
unb gefährliche Somben feurben in SRaffe bei 


| ihnen gefunben. 2iu£ ihren eigenen ©chriften 
I tonnte unfeiberlegbar befeiefen feerben, bah fie 
baä »o» birett jur SRifeachtung ber ©efepe, zu 
Staub, ©ranbftiftung, SRorb unb Xobfdjlag an 
geleitet unb aufgeftad)elt haben. 

I gpre fatanifchen Sehren haben furchtbare 
grüßte getragen. Sin 40 ^Soli^iften feurben 
burch bie ©ornbe tpeite getöbtet unb theild für 
8eben3$eit oertrüppelt. Stuf biefe vielfach be= 
feiefenen Xhatfadjen hm feurben unb tonnten 
I bie Sluffeiegler oerurtheilt feerben. 

6 $ fear für fie fatal, bah gerabe ein gllinoia 
©taatägefefc beftimmt unb auäbrüdlich fagt, bah 
feer einen anbern anleitet unb aufftadjelt, einen 
Staub ober SRorb zu begehen, foll ebenfo ftraf- 
bar fein, ald ber, feelcher ben SRorb begangen. 

geht, nachbem fie oerurtheilt finb, unb bie 
„Xobtcnfeachc" an ihrer 3 die auf^ unb abmar- 
fchirt, rufen fie ba3 ©efe£ an, ba£ fie mit 
gü|en traten. SRan hätte ihnen fein uitpar 
teiifche^ Stechtäoerfahren geftattet, behaupten fie 
unb ihre Stnfjänger in bie SBelt hinaus. SBad 
fie unter einem unparteiifchen Verfahren oerfte^ 
hen, ift einfach ein folcheä, ba3 mit greifpredputg 
enbet. ©erabe bie Unparteili^teit gegen bie 
Urheber ber ©reueltpaten ift e^, feaä fie unb 
ihre Anhänger fo empört. 

®on ben 12 ©efchfeoreneit, feelche bieXobe^^ 
urtheile oerpängten, fearen elf oon ber SSerthei- 
bigung au^gefeählt. Xüchtige SlbOotaten haben 
mit ©charffinn bie SSertheibigung geführt. SSiele 
lange Säochen hat man ihnen geftattet, um alle 
Sefeeife unb 3 eu 9 en h er ^ci^ubringen, bie fie 
nur auftreiben tonnten, obgleich ber ^Jro^eh bem 
Eountt), b. h* ben Steuerzahlern jeben Xag an 
$400 toftete. SBenn je Verbrechern ein grünb- 
lieber, unparteiifdher V ro 5 e fe geftattet feurbe, fo 
hatten biefe Slnarchiften einen folchen. 

Die SSertheibigung hat häufig ben ©inbrud 
machen feoöen, al§ feien bie Slngeflagten acht 
„unfchulbige Sämmer, /# bie man als Opfer &ux 
©cplachtbant führen feolle. 911^ unfchulbige 
SRärtprer ftellte man fie hm; ja ber Slboofat 
©lad ging fo feeit in feinem ©ifer, fie mit gohn 
Srofen unb gefu4 z u dergleichen, ©fui! 
©chanbe! möchte man babei auSrufen. 

©ie felbft gefallen fich in ber Stolle al3 9)tär^ 
tprer. 91. ©pieä fagte in feiner Siebe an ben 
©ericht^hof: „geh feetbe ftolz für bie©adheber 
©erechtigteit fterben. @o thaten ©ofrateö, ©a 
lilei, ©iorbaito unb ©hriftu^.^ 

SRärtprer! ÜJtärtprer! ift jefct bag ©d)lag^ 
feort ihrer ©efinnung^genoffen. SRärtprer fol^ 
len biefe ©lutmenfehen fein! SBelch ein SBiber 
fpruch! SBelch eine Süge! Diefe Seute follen 
feahrfcheinlich ÜJtärtprer fein, feeil fie bie reichen 
Seute unb bie frommen ÜRenfchen nicht föpfen 


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144 


Pie oerurtljfiltfn Unardjiftrn. 


! o n it t e tt; toeil fie alle Strafgefepe unb ®e* 
richte nitt ^erftören ! o tt n t e n. 

3 u ben ßeibtragenben unb zugleich ©ntrüfte* 
ten ber acfjt derurtheilten „unftulbigen ßäm* 
mer," ober SJtärtprer toic fie fie belieben $u 
nennen, gehören aut, man foUte e* faum glau* 
ben, bie Sumer. 31. Spie* (unb oielleitt not 
anbere ber Verurtheilten) ift ein SJiitglicb be* 
Sumoerein*, fomit mufe, ftcint’*, ber herein 
oerbammen, ma* reblite unb orbentlicfje SJieit* 
ften billigen, gut unb recfjt beifeen. Siefe 
„Surnbrüber," bie gerne bie Stolle al* „Vor* 
reiter" unb „Vafjnbreter" auf ber SBeltbüpne 
fpielen, haben einen geharniftten *J5rotcft im 
^ntereffe ber Slnartiften erlaffen, toorinnen e* 
feeifet: „SSir befürtoorteu unb erftreben bie ©nt* 
mitflung be* Volf*ftaate* auf mahrhaft hu* 
m a n e r unb dol!*tl)ümliter Vafi*. ©in fie* 
benfarfjc* Sobc*urtl)eil in einem SKorbpro^efe, 
in bcm ber SDtörber nitt entbecft ift, ift nitt 
• human." 

SBunberbarc Vegriffe haben biefe Herren oon 
Humanität. SBarunt bem ^Uinoi* Staat*gefep 
aut fo frei) in’* ©eficf)t fdjlageu? 2öar e* 
human einen anbern aufjuljepen, eine Vombe 
ju toerfen, toobei 40 SJtenften fit im ©lute toäl* 
$en müffen? Ser „^Broteft" ber Surner ift 
eine bobenlofe Sretheit iit Slnbetratt ber dielen 
Opfer, toelte bie Slnartiften abgeplattet haben. 

®* mufe freilich l)ier beigefügt toerben, bafe 
nic^t alle Surndereine mit bem „^ßroteft" über^ 
einftimmten. Sie toal)rhaft Rumäne unb dol!** 
tl)iimlic^e Vafi* erheipt, bafe biefer Sorte don 
Vertretern be* Seutpthum* iljr beraubte* 
|mitbmerf gelegt toirb, fei e* nun burd) ben 
genfer ober ben $ud)tf)au*fd)liefjer. 

Safe unter ben 8 Verurteilten 6 Seutfte 
finb unb bafe Seutfte biefe Verbrecher in Sepp 
nehmen toollen, ift für ba* Scutfcfethum in bie* 
fein ßanbe fehr bepämenb. @* ift balb ßeit, 
bafe eine Scheibelinie gezogen toirb, ^loipen 
ben S e u t f ch e tt, toelte in biefe* ßanb 
tommen, um beutpen Steife, beutpe* Sßiffen 
unb Sonnen, beutpe 9lu*bauer, beutpe Spar* 
famteit unb Sleblpfeit $ur ©eltung -$u bringen, 
unb benjenigen, toepe fpal* frecfee©rofe* 
fpreefeer, faule ©rfenfteper, hatboerrütfte Vaga* 
bonben unb at* heimtütfifte Verbrecher unb 
SBeltdcrbeffcrer aufmerfen toollen. 

Siatbent ber Urtheit*fpruch gefällt, tourbe 
ben Verurteilten geftattet, toenn fie münftten, 
not toa* 5 u fagen. Von biefem Vorrett 
haben fie guten ©ebraut geutatt, benn fie ha* 
ben ihr ®lauben*befenntitife in fefer langen Sie* 
ben not einmal abgelegt, höben aut toefentlit 
eingeftanben, bafe fie beffeit pulbig finb, toofür 
fie projeffirt toorben finb. 


Stur einige Säpe au* biefen Sieben: Spie* 
fagte: „Wan habe aut bie Semonftration oor 
bem Vörfengebäube — bie Slnartiften müßten 
näinlit ba* neue Vörfeitgebäube, al* e* einge* 
toeiht lourbe, in bie ßuft fprengen, tourben aber 
burt bie ©olijei baran oerhinbert—ben Singe* 
flagteit al* eine oerbreteripe Spät angeretuet. 
Sei e* benn in Söirflpleit ettoa* Schlimme*, 
toenn folten Sieben, toie ben Vörfengaunem, 
bie Veute abgejagt mürbe?'' 

81. 3 ifter befannte offen unb frei: ,,©* fei 
eine Sfeatfate, unb er leugne e* aut upt, bafe 
er in bem Slufruf an bie Slrbeiter bie SBorte 
hinjufügte: Slrbeiter, bemaffnet @ud)! 3t 
hatte meine ©rünbe bafür, marum it fo getan 
habe." ßoui* ßingg, ber junge, „grüne" ©a* 
bcitfer, toelter bei feiner Verhaftung beinahe 
ben ^ßoli^iften umbratte, hnt mit btipenben 
Slugen unb milben ©eberben Sofgenbe* bem 
Siitter gugerufen: „ 3 t bin be* 9Rorbe* ftnl 
big befunben morben, meil it Vomben höbe 
derfertigen Reifen. SSenn mir Slnartiften finb, 
fo ift bie brutale ^Soti^ei ftulb baratt. 3 t 
rnufe hier ertlären, bafe e* oerättlite miferable 
©efepe finb, bie ipr hier höbt. (Ser Serl 
tennt fie ja gar nitt.) Sein Stnljnnge fann 
fotte ©efepe anertennen. Sie ^ßoli^ei hier 
äiet)t bie Siebe grofe. SEBenn ich lönnte, 
mürbe it jept nat biefem ^ßrojefe Spnamit* 
bomben gebrauten. Sie iäteln unb benfen, 
it merbe mopl leine mehr toerfen fönnen/' 
Ser befperate SJlenft trat nun bitt dor ben 
Stitter fein, ballte bie Söuft unb ftrie: „©* 
finb $unberttaufenbe bereit Spnamitbomben 
ju toerfen. Sie* ift meine Hoffnung. 3t 
oerftute eure ©efepe — hängen Sic mit ba* 
für." 

®. ©ngel erüärte bem Stitter: „Ser Slnar* 
ti*mu* toirb nitt au*gerottet merben, menn 
aut fieben SRänner jum ©algen unb einer in 
ba* 3nttöu* gefehlt mirb. SRiemanb !ann 
bie Slrbeiter baran derhinbern, Vomben ju ma* 
ten unb bie merben benupt merben. ®en 
Staat*anmalt@rinnel unb feine ©epülfen mötte 
it ön ba* Stidföl be* ^ßoli^eirath* Stumpf in 
in S^önffurt a. 9W. erinnern." 

3n äfenlitem Sinn höben fit bie Slnbem 
au*gelaffen. Siefe Sieben höben bie allgemeine 
SSirfung gehabt, bafe faft 3ebermann in ber 
Ueberjeugung befeftigt mürbe, bafe biefe ßeute 
mirflit Vertreter finb. 

©ine Slu*nal)me in feiner Siebe matte Siel* 
ben. Serfelbe foll früher ein ©hrift gemefen 
unb gu ben 3Be*lepaner in ©nglanb gehört ha* 
ben. Sie Slrbeiterbemegung hat ihn oon ©ott 
unb guten SJienften meggeriffen unb. ihn in bie 
©efeflftaft ber aHergefahrlitften SRenften ge= 


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Ptultrr Uriit^olbi Sijlurpfrgffdjidjte. 


145 


bracht. ®r ftat ein gutes SQlunbftücf. SJtit 
Su^c unb ©elbftbeherrfchung hat er eine tücf^ 
tige SRebe über bie ananfjifttfcfyen Seftrebungen 
gehalten. 

SBie befanttt, fottten bie 9Riffetf)äter ben 3. 
®ejembcr 1886 gelängt werben. Sie ßjefution 
uwrbe aber oerfcftobeit, bis baS 0bergericf)t, an 
toeldjeS appellirt würbe, bie ©adje geprüft hat. 
3m 9Rära ’87 wirb baS ©ericht aufammentre* 
ten. Sie Serurtljcilten unb ihre greunbe leben 
bcr Hoffnung, baft ihnen ein neuer <J5roaeft wirb 
gejtartet werben, welcher mit ihrer greifprechung 
enben würbe. — 3m SUlgemeinen wirb baS aber 
nic^t geglaubt. Sie Seitungen warben oor einer 
folgert iöenbung, unb befürchten mit Stecht, einen 


fdjümmen SluSgang ober gortgaitg beS9(narchiS* 
muS in ßufunft. ffiS Wäre gewiftlich teine |>uma* 
nität, fonbern eine ©raufantleit, wenn biefe blut= 
bürftigen 3Jlenfd)en auf’S 9teue auf bie ajicnfcft* 
heit Würben loSgelaffen Werben. Sie „rottje 
gähne" würbe halb Wieber in unferen (Straften 
im SBinbe flattern. 3 m ©efchäftS^ uub ©efeH= 
fthaftsleben Würbe mit erneutem @ifer Weiter 
gewühlt unb neues Unglücf über taufenbe ga^ 
mitten gebracht werben. 

hoffen wir, baft fein ©ericht biefe mit Stecht 
oerurtfteilten Verbrecher wieber auf freiem guft 
fefcen Wirb, fonbern baft fie ihre woftloerbiente 
©träfe, wenn nic^t am ©algen, fo hoch im 3ucht= 
hauS erteiben müffen. 




IKutter üeinlfolto Sijtofflergefdjidjte. 


Sott dm ft dorrt* 


mm. 


|bgleicb ber alte SBalbftrom nichts oon ber 
#eirath wiffen wollte, war er {einem Sttnbe 
gegenüber machtlos. ©r batte fiep nie be* 
muht, bie Saget ber Sucht unb ©raiehung in 
feine $)anb au betommen, eS war ibm auch 
aiemlich gleichgültig, wie {ein Sttnb eS treibe 
tmb wo eS bleibe, wenn nur fein©elbfchran! nicht be* 
rityrt würbe." 

„Äber jefct gewann bie lebenbe ©ewalt bie SJhcht 
über bie tobte. Sie ftnna trat trofcig oor ihren Vater 
Jm unb ocr.angte oäterliAeS ©ut unb oäterlicbcn 
fceaen, unb als er {ich mit #anb unb guft gegen ihre 
$töne gur SSepre fefcte, ba oerlanate fie tura unb 
banbig oon tyrn ipr mütterliches ©rbtljeil; 'bann 
werbe fie ihr eigener $err fein/ ©r fagte ihr jwar, 
baft fie unntünbig fei unb nichts $u forbern habe; 
aber fie erwiderte ihm, baft fie warten werbe; baft fie 
ieboch, je länger fie warte, oefto mehr oon ihm ber* 
laugen werbe/' 

„Ob er nun gefürchtet hat, baft bie ©erid)te einen 
dcnblicf in feine Vermögens *Verhältniffe befommen 
tönnten, ober ob er gebacht hat, feine Xodjter billiger 
loS au werben, wenn er gütlich mit ihr oerpanble, 
ober ob bie fchwadje natürlich menschlich? Siebe ju 
feinem Äinbe ben ©ieg über ben ©eia babongetragen 
bat, baft weift ich nicht; aber baS weift ich, baft ber 
junge fiebredjt baS ©ejc|ctft feines SßrinaipalS getauft 
hat, baft bie Slnna ferne grau geworben ift unb 
baft fie eine 3eitlang herrlich unb in greuben gelebt 
haben." 

„Ser Sebrecht berftanb eS auch, fi<h eine SSnle bei 
feinem Scbroiegeroater ein^ufchmeicbeln; er berftanb 
ben §anbtl unb rnuftte neue Äunbfqsaft m ber alten 
heranjujiehen. ©ar aber leichtftnntg. mber eS hat 
bodf immer ben ttbbofaten berbroffen, baft feine Soch* 
ter ficft an ben $anS $abenicht$ weggeworfen hat unb 
eine einfache tfaufnunnSfraü geworben ift" 

„ÄS nun aber gum SfabreSfchluft ber §err ©djwie* 
gerfohn um neuen 3 u tä u ß bat > ftatt ben alten jurüct* 
guahlen, ba wart aus mtt ber greunbfehaft beS 
owmiegeroaterS. Unb als biefer im zweiten unb 
brüten 3ahe ber ©h e immer beutlicher fah, baft ber 


Sebrecht ein leichtfertiger unb hodjmüthiger ©cfeUe 
fei, unb als er’S je mehr unb mehr fühlte, baft er wie 
mit eiferner Äette an feines ÄinbeS ^cr^ gebunben 
fei ujib baft er fein tinb nimmer werbe iu f S ©lenb 
finteii Ia'fen fönnen, — ja, ja, ba tjab’ idb ben reichen 
©albftrom oftmals neben feinem ©elbfcprant fteheit 
feljen mit 9Rien n b:r ®erjweiflung in fünem ?ln* 
geficht." 

„3ch h^’ rt ihm gefagt, benn i^ hatte fchon fed>5 
g[ahr beim alten ©atbftrom gebient, warum foHt’ ich 
ihm nicht einmal bie ©ah r h eit fageit? id) h fl b’S ihm 
gefagt am ©ploefterabenb, als ich in feinem Simnter 
na^beijte, uttb er eilig feinen ©elbfdjrant oerfchlof* 
fen, [ich über feinen Sajreibtifch gebeugt unb fich in 
feine Rapiere bergraben unb gerechnet uub gefeuf^t 
hat. v $err ©albftrom/ hab’ ich gefagt, v bte ©loden 
oon ©t. Marien läuten ^um ^IbenbgotteSbienft/ v ©eh 
morgen *ur Kirche, ©rethe/ hat er geantwortet, v benn 
wir wollen bei iöürgermeifterS ben ^unfdj trinfen, 
barum muftt bu baS §auS hüten/ \§err/ fagte ich, 
v idj wollte wohl baS öauS hüten, wenn ich meine 
§errjchaft einmal im ©otteShanS wüftte, unb mich 
barüber freuen tönnte, baft fie ihre ^erjen ©ott 
erhebt. §err ©albftrom/ fagte idj, v ich bin aroar nur 
eine Sienftmagb, aber ich h fl b’ fchon über breiftia 
3ahre in ber SÖelt gelebt unb hab’S mehr als einmal 
gesehen, baft eS Unheil bringt, wenn man ohne feinen 
^eilanb aus bem alten ^ayr hinaus unb m’S neue 
3[ahr hineingeht; unb mir ift bange, baft bie ®ergc, 
bie $h* an biefem 3ahreSfdjluft in ©urem Schrcinf 
bort aufammengetragen habt unb in biefeu Slbenb* 
ftunben ©uch in bie Vlugen ftrahlen laffet, ©uch einft 
über’S ^aupt fallen unb ©udj aermalmen werben/" 

„ v ©rethc/ fagte er, unb feine klugen rollten, N bn 
wirft au alt in ber Verberge unb nimmi't bir Freiheiten 
unb Frechheiten heraus. Sehalte baS SfaffengefchWjip 
fürbich;* baS ift für Sienftmägbe, aber nicht für at- 
bilbete fieute/" 

„5)a würbe ich marm unl) e*wiberte ihm: \<pcrr 
©albftrom, ich SWar nur ©ure Sienftmagb, ater 
ich glaub 1 , baft auch bie Sienftmägbe unter Umftänben 
bie Pflicht haben, ihrer ^errfchaft b‘e 2öa^rt;cit ;iu 


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146 


fHutier jäfint)olb# $i)lofflrrgffd)td)lf. 


jagen, menn fie cd in aller $emutß tßun. $ad ßab’ 
id) in ©urent §aujc gelernt, baß ba, mo ber (Glaube 
aud^ießt, mit bem Unglauben aueß ber Aberglaube 
einjteßt, aud) bei beit ©ebilbeten; fragt nur (Sure 
£od)tcr nad) bem SBleigicßen unb bem SÖaßrfagen an 
ben Aeujaßrdabenbeit, barauf fie ißre arme $ufunft 
gebaut ßat. Unb bad ßab’ ieß aueß in ©urem §au|e 
gelernt, baß ber ©eij feinen 23oben ßat unb bau bte 
Sßcrfcßmenbung aud) feinen 93oben ßat, unb baß ber 
©einige fid) arm fammelt unb baß bie Söerfcßmenbung 
fieß arm jubelt. 3<ß bebaure (Sud) toon ^erjen, £>err 
fealbftrom, benn ob id) aud) ein armed, fünbiged 
Sftenfcßcnfinb bin, fo mollt’ id) boeß meinen ^Hcict)- 
ttjum, ben fReicßtßum hier brimten in ber 9ftcnfcßcu* 
bruft, nießt für all’ (Sure ©cßäße Ijinacbcn.' $err 
äBalbftrom, bidßer ßabt 3 ßr nur an ©ucr ©clb ge* 
baeßt, unb ßabt ©itcß fclbft um bad £>eil ©ured Äinbed 
nid)t befümmert, unb ©uer Äinb ijt in’* Unglütf ge* 
rannt; unb 3 ß r toerbet in ten emfamen ©tunben 
ßier ftßeit, ©urem ©oft gegenüber, unb merbet ben 
©eßrei ber Armen hören, benen 3ßr meße aetßan ßabt, 
unb merbet bie ©eßläge ©ured ©emifjeud füllen. 
<perr SSalbftrom, ©urc Altjaßidjtbenbe gehörten bis¬ 
her ©uren golbenen ©öfceu, beute miU ©ließ ©oit im 
Fimmel, ber maßrßaftige, gerechte, gitäbigc ©ott, ru= 
fen. §err Aklbftrom, teßrt um! ©uer £>aud, bie ©e* 
genmart uub bie gufunft ®wrer ftinber betoeift cd 
unb mirb’d immer tlarer bemeifen, baß bad, toas 3 ß r 
jßfaffengefdjmäfc nennt, ©otted Söort unb emige Söaßr* 
ßeü ift/ 2)a faßte er mid) an bem Arm unb fd)ob 
mieß jur Xßür ßiuaud unb fagte: '©retße, am geuer* 
ßeerb ift bem <ßla$ unb nießt auf bem fRicßterftußl oor 
beinern ^audßerrn/" 

„gcß ging ftille meine SBege, unb ßab’ in meiner 
Kammer gemeint unb gebetet, unb ßab’ nad) jenem 
Abenb noeß fünf STCeujaßrdtage in bem großen Jpaufe 
am 9ttarft üerlebt." 

„ 3 )ie junge grau Sebrecßt lam bann unb mann in’d 
foaud; unb menn fie fam, braeßte fie gemößnlicß cined 
ißrer brei Äinölein mit, aber ber Alte jeßiett fid) meber 
über feine Socßter nod) über itjre ftinber $u freuen. 
‘Ser alte A$albJtront ift an ben ©ploefterabeubcu uießt 
einmal meßr ju Söürgermeifterd gegangen, foubern 
ßat gcred)net unb gefcßricbett uub in feinem ©elbe ge* 
müßlt bom Altjaßrdabenb bid $um Acujaßrdmorgcn. 
SBenu ich aber unferer Anna tn’d Angeficßt feßaute, 
bann mußt icß immer an bad alte ©prüeßlem benfen: 


'ftatt mir ein Oförtlein bauet 
Sou ©dldieu unb grünem Älee, 
ftft mir iu frül) erfroren, 

Xt)nt meutern $?r$cn luei)/ 

Unb mir mollt’d oorfommen, ald ob ber jungen 
grau bad alte ©prüd)lcin gar leferlicß in’d Angeftcßt 
aefeßrieben märe. Qa, id) mußte ed längft, baß ber 
Sebrecßt ein leießtfertiger unb ßocßmütßtger SJfcnfcß 
fei, unb bjß er be^ alten Sßalbftrom’^ ©elbfifte ßatte 
ßciratßen mollen unb bie Socßter in ben ftauf genom* 
men ßat. Scß mußte e$ längft, baß bie junge grau 
fdjon oor gaßren feine SRoßßeit ßatte füßlen uub e£ 
hatte erfaßren müffen, bag er fie mit feinen glatten 
SSorteu tn fein Acß gezogen ßabe. $a, er ßatte moßl 
ßuubcrtmal ißre Sd)önßeit unb ißre 2ßei3ßeit aeprie* 
fen: nun mußte fie e$ mit 3Beß unb Ad) erfaßren, 
baß fiobett noeß fein Sieben fei. Aber fie mu|te noeß 
Diel meßr erfaßren. 3>er Sebrecßt fpielte. ©ie fag* 
ten aber in ber ©tabt, baß er nid)t blo^ harten ge= 
fpielt ßabe, foubern baß er aueß $örjenfpiel treibe/' 
„®er alte SBalbftrom ftarb lange oeoor er fterben 
molltc. ga, mär*^ naeß feinem Söillen gegangen, bann 
mürb’ er noeß ßeute iu feinem ©elbe müßten; aber 
ber Jperr über geben unb $ob feßte ißm jäß fein 


3 icl: aeßt Xage naeß 9feujaßr fanb icß ißn neben fei* 
uem ©cßreibtijcß liegen; unb al^ mir ißn in’3 ^ett 
gebraeßt ßatten, moUte bie 3 u ngc reben unb fonnt’e 
nießt. ^rei Xage meßrte er )icß noeß miber ba^ ©ter* 
ben unb fämpfte fureßtbar mit bem iobe, aber bann 
ift ber reieße xöalbftrom eine teilte beß ©rabeö unb 
feine ©üter finb ein SRaub bc^ Sebrcdjt gemorbem" 

,,^ie alte ^ante mußte baö iwus( räumen unb be* 
50 g eine fleine s Dfictßmoßnung, unb ift nießt lange 
nacßßer bem trüber nacßgefolgt in bie große ©mig* 
feit." 

ff 3 cß bW baflumal ßierßer an ben grünen 2 Beg unb 
rouroe eine AJäfcßerin; unb jeßon meine erften Äun* 
ben nannten mieß bie Butter JKeinßolb/ obmoßl icß 
nie ein ftiubeäßera metn eigen genannt ßabe, unb 
MDlutter Sfeiitßolb' bin icß geblieben bi^ auf ben ßeu* 
tigen lag uno merb’d aueß bleiben, fo lauge noeß 
SJfütter ißre äinber in bte ©tabt fcßicfen unb $u mir 
jagen: v ^alt fie an bir, ©retße föemßolb, uno leite 
unb ermaßne fie, al$ mären'ö beine eigenen/ 3 °^ 
SWntter föcinßolb merb’ icß bleiben, jo lange noeß am 
©ploefterabenb fieß eine ©cßaar um meinen Xifcß 
fammelt, unb e3 fieß gefalleu läßt, baß bie alte graue 
©retße ißnen al£ ißren lieben fttitbern bie Aeujaßre* 
©efcßidjte erjäßU." 

,, 2 )od), Äinber, ma« feßmaß’ icß ba, unb fott mit ber 
©ejeßießte ju ©nbe fommen. 3)aß icß’S benn fur^ 
maeße: mein $ater pßegte ju fagen: v Xaö ©pielen 
ift feine Äunft, aber bae Aufßöreu/ §err Sebredßt 
aber fagte: 'ÄÖagen geminnt/ unb menn ©iner fort* 
fußr: v 'iöagen oerlicrt/ bann pflegte er lacßenb 5 U er* 
mioern, baß nad) großem ißerluit ein größerer ©mfafc 
gemaeßt merben unb jo lange fortgejpielt roerben 
müffe, bi§ ber ^erluft mit Qim unb .gmic^inö micbcr 
ßeintgebraeßt fei." 

„Aber ob er amß immer bon feuern eingefeßt ßat, 
fo muß er moßl immer oon Aeuem oerloren ßaben, 
benn naeß menigen 3 a ß^en ßieß eö, ber Kaufmann 
Sebrccßt fteßc auf jeßmaeßen güßen. ©ie rebeten oiel 
hin unb ßcr über ben $$ermögen£ftanb beä s Jl)ianne^. 
©inige meinten, e$ fei ganj unmöglicß, baß bie 9Kil= 
lion De« alten Ätelbftrom m fo fur^er Qcn oermeßeit 
fonnte mic einc^ Raumes glätter im !perbftfturm, bie 
Anbern fanben c$ gar natürlich, baß, mo ber ^Äann 
jpiele unb bie grau oerfcßmeitoe, mo ber s Jftann fieß 
um fein ©efcßäft unb bie grau fieß um ben §au#ftanb 
nießt fümmere, baß ba aueß bie tieffte Quelle balo er* 
feßöpft merbe." 

„3a, aueß bie Anna molltc noeß bie ©rfte in ber 
©tabt fein; aber be§ $aufe$ 3 erri lf en ß e it unö 
^er^enö SBcß jcßauteit ißr beutließ aud bem früß 
burdjfurcßtcn Angefießt ßeraud. 2)ie Seutc jagten, ba** 
ber Sebreeßt, menn er fein ©elb oerjpielt hätte unb 
trunfen ßeim fäme, fern SBeib mie einen $mt> be* 
hanble. 3)ie Scute rebeten moßl mancherlei, unb 
Butter fReinßolb möcßte ©ueß maßnen, Äinber: laßt 
bie Seute reben unb bie §unbe bellen!" 

„Aber — aber bie ©aeße bei Scbrecßt’d ßatte bod) 
ißren §afcn, unb mo feine Quelle fprubclt, ba fließt 
aueß fein ©front, unb bad meiß iiß fo gut mie jeber 
Anbere, baß ber ßebreeßt ein roßer ©ejelle gemefen 
ift, ob er aueß einen feinen JJtocf trug unb bte ßalbc 
©tabt, ober meinetrnegen bie gan$e, tßit einen gebil* 
beten SJfaitn nannte. 3 cß moßnte bauiald fdjon ßier 
braußeit unb faß bie Sebreeßt’d feiten, unb menn bie 
grau mir einmal auf ber ©traße begegnete, bann 
mollt’d mir üorfomnten, ald ob fie mieß ittcßt beaeßten 
motle, unb ald ob fie an mir oorüber eile mic ein bofeä 
©emiffen am ©cßarfrießter, obmoßl mir feit gaßren 
faum ein SBort mit einanber gemecßfelt ßatten. ©ott, 
ber §err, naßm ißnen in ber geit, ba fte ed am ärgften 


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{Hutirr H'inlpfös Sqlorftrrgrfdiiditr. 


147 


trieben, t>on ißren fünf Äiitblcin jwci blüßettbe Kna¬ 
ben turA nad) einander jählings weg: fie aber trie¬ 
ben nacßßer wie oorher biejelbe tolle ifeirtßfchajt, unb 
id) mußte an baS 28ort bes Propheten benfeit: 'Xu, 
ßerr, jcßlagft fie, aber fie füßlen’S nid)t; bu plageft 
jte, aber fie* befjern jteß nießt. Sie haben ein harter 
Slngeiicbt benn ein geiS, unb wollen fiel) nidjt be- 
feßreit/" 

, # 3n>ci gaßre nach bent Xobe ber tinber war’», 
ba ging um bie SBeißnacßtsjeit bie Siunbe bureß bie 
6 taot, Daß eine fremDe AftieugejeUfchaft, bei weldjer 
ber Äaufniann £ebred)t ftart beteiligt fei, ©anfrott 
gemacht ßabe." 

„üebrccht’S triebcn’S wäßrenb bes gefteS ärger bemt 
juoor. Am Sßloefterabenb begegnete id) bett ©eiben 
tn ber ©orjtabt. Hur* oor ber Xämmerftunbe war’S. 
gd) mußte an jenen Abenb benfen, ba id) felbft mit 
ber Anna biejen 28eg gegangen war, unb an jenen 
anbern, ba bie ©eiben mit einanber jur ©orftabt I)in- 
ausgegangen waren. Ob braußen am gelbweg baS 
braune 28eib noch lebte?" 

,,gd) wußte es nicht. Qd) fal) bie ©eiben jum 
StaDttßore ßinauSgeßen unb mußte an baS 28cib oon 
Gnbor benfen, unb an baS furchtbar gewaltige ©ottcS- 
wort: 'Unb Saul fiel in fein eigen Schwert/ Unb 
wie ein falter 2Binterfroft joa’S mir burd) bie Seele." 

„Xrci Xage fpätcr, ach, Sinber, bie alten Augen 
Juden mir noch heute, wenn ih baran benfe, fam an 
ben grünen 2Beg bie Aadjticß', baß ber Kaufmann 
gebrecht in ber v JJacßt beim ©lattetS bont 3Jtüßlen= 
bamm geglitten unb ertrunfen fei. Xer ©arbicr 
öüpfer rief es mir am borgen ju unb faßte: 'Xer 
Ärui gebt jo lange jum ©runnen, bis er brießt, 9Kut= 
tec tftemßolb. Xie Üeute reben arge XingT/fit* hätte 
ber gebrecht bont 2ftüßlenbamnt gleiten wolleji/ 
'i&eifter öüpfer/ jagt’ td), 'eS ift lcid)t Schmntf^om 
Cege aufjußeben unb bie Seute ßintcrrücfs bantit ju 
bewerfen; ich meine aber, baß man über bie Xobten 
nichts reben )ollte, als Was man gaitj gewiß weiß/" 

„Ad), am näd)ften Xage mußte tch freilich über ben 
lob Des SRanncS meine eigenen ©ebanfen haben, 
benn ba finb bie öaren botn ©eridjt gefommen unb 
haben gaben unb gager mit ©efdjlag. belegt, unb bie 
©laubiger unb bie «guben ßafrenTid) um ä’affe 
unb um bie ©üdßer gcfammclt, wie bie gliegen um 
ben ö^nigtopf, in beut nur noeß ein Aeftdjcn bringe- 
blieben ift; unb ju bem Sterbefall ift ber ©anfrott 
über bie arme grau gebreeßt ßereingebroeßen. gn 
ber Stabt hieß c*, Baß fi * eS nicht glauben wolle, baß 
ihres ©aterS ganjeS ©erwögen bahtn fei, unb baß fie 
fidj geberbe wie etne 2Baßn|tmtige." 

„Xa fonnf ich'S nicht langer auSßaltcn hier braußen 
am grünen 2Beg. gei) mußte hin unb unferc Anna 
fcbeit. GS war ja immer noch mein gräulein Anna, 
mtt ber ich unter einem Xad) gewohnt, mit ber ich 
über neun gaßre greub’ unb getb gethcilt hatte. Als 
ich an bem öaufe oorüberging, wo ber alte SBalb- 
ftrom gewohnt batte, unb bon brüben her bie großen 
genfter beS georecht’fcßcn gabcitS über ben wiarft 
olinfcn fah, ba mußte id) an all’ bie ©elbgier unb an 
baS gottlofe SBefcn, an all’ bie öärte uno Ungered)- 
ngfett, unb auA an all’ bie Gitelfeit, ben öoeßmuth 
HHb ben ^eichtRnn benten, unb bas 2Bort beS ©fal- 
nriften fam mir in ben Sinn: 'Xarum wirb bid) ©ott 
and) ganj jerftören unb jerfcßlagen, unb aus ber Quitte 
reißen, unb aus bem ßanbe ber liebcnbigen auSrotten. 
Sela/" 

„Stber als ich bann an all* ben gammer unb baS 
Öerjeleib, unb an bie 2lnna baeßte, bie boeß mein 
g r a u l ei n gewefen wutr, ba mußte icß in ben Xhorweg 
bes großen $aufeS treten unb mußte weinen unb be¬ 


ten. 2lbcr wie ßab* id) erft weinen mftffeit, als id) ihr 
nun gegeitüberft wb—ber fdjönen, ftoljen 9litna 3Balb- 
ftrom. Der ooritchmen grau iJ:brccht!" ~ 

„Sic faßte fein 28ort, unb ich fagte fein 3Bort. 28ir 
w:iiiteit nur immer mit cinaitDcr, itub ich brüefte ihr 
bie feine öattb, uuö erft als ich gehen wollte, faßte icß 
au ißr: 'grau gebrecht, als id) bei gßnen im Xienft 
ftanb, wußten Sie noch ben Spruch, ben gßre s JDhtttcr 
Sie gelehrt hatte, ben föuf ißrcS ^cilanbeS: kommet 
ßer ju mir, 21 Je, bie ißr müßfclig unb belaben feib. 
rau Üebrecßt, gebenfen Sie beS Sprudjes gßrer 
lütter, beS 28ortcS gßreS ö^ianbes; werju ihm 
fommt, ben will er nicht hinausftoßen. SBetm aber 
alle 9Jtenfcßen Sie üerlaffcn folltcn, grau ^ebreeßt, fo 
wißen Sie, wo bie Jftutter ^Wcinßolb Woßnt. s Jieun 
gaßre ßab’ id) gßreS ©atcrS ©rob gegeffen; nun ßab’ 
id) mein eigen ö^üu unb ßab’ mem gutes 21usfom- 
men; unb Sie wißen, grau üebreeßt, baß 2Kutter 
JRcinßolb gerne mit Denen tßeilt, bie mit ißr getßeilt 
ßaben/" 

„Xic grau fagte fein 22ort, aber fie weinte, git 
ben namten feoeßen ßörte id), baß baS §aus ber 
SSittwe iiebreeßt oerfauft werbe, unb baß fie felbft 
ärmer fei, als bie ärntftc Arbeiterin, weil fte nid)t ein¬ 
mal arbeiten gelernt hätte. Sie ift barauf hinter bie 
ft'irdje gezogen unb hat Sticfereicn gemacht unb oer¬ 
fauft. get) bin nießt wieber ju ißr gegangen, weil icß 
woßl merfte, baß fie mir auswieß, wenn unferc 28ege 
fteß freisten, unb weil id) woßl faß, baß fie nod) in 
jtolj fei, ober baß baS Glenb fie ju troßig gemacht 
ßabe, um fid) ju ber früheren 9ftagb ißres ©aters ßer- 
nicberjulaffen." 

„gwei gaßre waren feit bem Xobe beS fiebreeßt 
Oerfloffen. Gs war in ben Xagen jwijcßcn Dem Gßrift- 
feft unb bem neuen gaßre. Gin fd)arfer Oftwinb wehte 
bureß bie Straßen. Xie genfterfeßeiben waren mit 
GiSblunten bießt bemalt, ba begegnete mir bnutten 
am grünen 9Seg ber jiingfte Soßn ber grau ^ebreeßt. 
Xcr ad)tjäßrige ©ub jittertc oor groft. Gr hatte Das 
Qeug an, bas er oor jwei gaßren als Sonntagsftaat 
getragen hatte; aber er war aus bem glitter längft 
ßerausgewaeßfen. Xer Soßn ber reidjen Anna SBaib- 
ftrom jaß fo oerßungert aus." 

„ilaum waren mir folcße ©ebanfen über bie Stirn 
gezogen, als ber ©ub au mid) ßerantrat unb feine 
§anb in bie meine feßob. '©Uten Xag, Butter Stein* 
holb/jagte er. gcß erwiberte ben ©ruß, hielt feine 
Öanb fe)t unb fragte nad) ber Butter. Xa trat er 
näßer ju mir ßcrati unb flüfterte mir in’S 0ßr: 'But¬ 
ter SRemßolb, gieb mir eine Schnitte ©utterbrob, id) 
bin jo hungrig/" 

,,gd) naßm ißu mit mir, gab ißm ©utterbrob unb 
[teilte ißn an ben Ofen, baß er recht warm würbe. 
Ad), ber arme Ätnabe, wie elenb er auSfaß! Aber er 
fagte, baß er iticßt franf gewefen fei. Ad), ber ilnabe 
ber reid)cn Anna 28albftrom war elenb geworben im 
junger, ^aeßbem er gegeffen unb getruufen hatte, 
jagte icß ißm: 'Aun geß’ ju beiner 'JWuttcr, goßanncs, 
bring’ ißr einen fdjöncn ©ruß oon ber Butter 9iein- 
ßolb unb fag’ ißr, baß id) in Den erften Xagen Des 
neuen gaßreS ßinüberfänte, fie ju befueßen/" 

„211S aber bie Xämmerftunbe bes Sßlocfterabcubs 

f [efommen war, fam grau ^ebreeßt ju mir. ga, 
te fam ju mir. Aber einen Aeujaßrsgruß unb Sc- 
genswnnjcß ßat fie mir nid)t gebracht. ä8ie follte fie 
aueß? gßre Stimme war er)ticft oom Xßränenftront. 
Sie weinte nießt - nein, ißr Öeinen war ein Sd)reien. 
Xen Äopf hatte fie an meine Scßulter gelegt unb 
jcßric; unb icß ßielt fte umfcßluugcn unb jog fie feit 
an mid). gcß glaub’, fie wäre umgefallen, wenn icß 
fie nießt gehalten hätte, gcß fagte aueß iticßts, als Daß 


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148 


Plultrc Jlfinljolbs 9i|lurflrrgrfdiidjtr. 


id) fte ermaßnte ju meinen, unb zog fie fefter an mieß. 
Denn id) baeßte, fotd) ein Menfdjcnßerz, ba$ fo lange 
in ber Kalte be£ iM>m$ baßingegangen ift, muß erft 
auftßaucn unb marm rnerben am ^erjen beä Mit* 
menjeßen, eße e3 fieß auftßut. 

„4>ann *og id) |ie nieber. Dort auf bem ©tußl 
ßat fie gefeffen unb ßat mr ißr ganfrtf 2eib unb ißre 
gan$e ©ünbe au$gemeint. ga, )ie mar gebrochen — 
bie ftol^e 9lnna SBalbftrom; ißr ganzer Stolz, ißre 
ganze ©itelteit, ißre ganze Dßorßett toar gebrochen. 
Sie gab nießt mel)r anbern bie ©chulb; fie ßäufte bie 
ganze ©cßulb ißreä Unglück auf ißr eigene$tßöricßte3 
iperz. Sie fagte mir aueß, baß fie in ber leßten ^eit 
mit ißren Kiltbern ßabe ßungern müffen, baß fein 
Menfcß ißr Reifen motte, baß |ie bie Mietße fcßulbig 
fei unb in ben näcßften SBoc^en ißre Söoßitung merbe 
räumen müffen. 

„Sie jagte mir, baß fie bureß ©tiefen fid) nießt er* 
nähren rönne, baß fie günzlicß ratßloS fei in SÖexug 
auf ißre Qufunft, baß fie aber um tßrer Kinbcr mitten 
entfcßloffen fei, jebe mbeit zu überneßmen, menn fte 
nur ißre Kinber bureßbringen tonne. 

„3* ermibertc ißr, baß icß 9tatß fchaffen mürbe, 
menn fie mir oertrauen motte, unb baß |ie morgen 
Slbeitb mieberfommen möge, bamit mir über ißre gu* 
funft meiter fpreeßen tönnten. Dann aber befann 
id) mieß barüber, baß fie fein 33rob im ftaufc ßabett 
merbe für ißre Kinber, unb icß ßatte neun gaßre lang 
ba$ s 43rob ißre3 $$atcr3 gegeffen. unb baß fie faum 
ein 93ettlein ßaben unb fern ^oljfcßeit für bie SBörme 
in ber bitteru SBinterfölte, unb icß ßatte neun gaßre 
lang £>cimatß unb SBürme in ißreö sBatcrs Jpauö ge* 
itofjen. 3Bär’$ nießt eine ©üitbe unb ©djattbe für 
mieß gemefen, menn icß meinet £>auößerrn Kinb alfo 
oom alten gaßr in’ä neue ßatte gießen laßen motten? 
gcß ging alfo in meine Kammer unb berebete bie 
Sacße ßtn unb ßer mit meinem ©ott, naeßbent icß 
brinnen in ber ©tubc ber grau ßebredjt baä Slbetib* 
brob bereitet hatte. Die Kammer ftanb leer, unb c3 
maren jmei betten b’rin für bie 3^ menn meine 
©eßmefter mit ißrent Mann ober ben f inbern einmal 
ju >Beji;cß tarn. 

„gcß feßömte mid), bie grau 2cbrecßt auf morgen 
oermiefen zu ßaben, ging eilig mieber zu ißr unb fagte: 
'grau fiebreeßt, icß ßabe neun gaßre (Sure* SöatcrS 
*Örob gegeffen, unb ba£ ©elb, baö gßr mir jelbft ge* 
feßenfet habt, ßab’ icß als eine befonbere Summe im* 
mer für fich’auf ber ©partaffe fteßen lauen, grau 
2 ebrecßt/ jagt’ icß, v eö märe ja eine ©cßrnacß unb 
©cßanbe für mieß, menn icß mieß nießt freute, ©ueß 
miebergeben ju bürfen, ma£ gßr mir gefcßenTt ßabt. 
$lbcr ba$ ift nicht einmal nötßtg, grau Öebrecßt; jeßt, 
idß ßab’, ©ott fei Danf, fo otel zu mafeßen unb ju 
plätten, baß id) ntid) lange feßon naeß £ülfe umgeje* 
ßen habe, unb ßab* fie nidßt fitiben föitnctt. Söofltgßr 
nun bei mir bleiben? ©eßt, bie Stube ift groß genug 
für eine gamilie, unb in ber Kammer fteßen amei auf* 
gemaeßte betten, glätten fönitt gßr, unb aueß '2ln* 
bereö, ma3 in biejeö gaeß geßört; o, idß ßabe üiel 9lr* 
beit für @ucß. 3ßr beforgt’^ ßier brinnen unb id) 
bcforg’3 ba braunen, benn icß ntuh 2uft unb ©eme* 
gung ßaben. grau Sebrecßt/ fagt id), 'entfcßließt 
l&ucß rajeß; ein rafeßer ©ntphlufj ift immer ber befte. 
gd) mill bann noeß ß.eute einen fteßeren SUfartn aud 
meiner 9tacßbarfcßaft ßinfeßiefen, ber bie Ungelegen* 
ßeit mit (Surem 2>au^mirth orbnet, unb bie Kinber 
loglcicß herüberßolt; gßraue bleibt borläufig bei ber 
Mutter meinßolb. ?lbcr — grau Sebrecßt/ fagt’ icß, 
v 3ßr ßabt ja meßtä gegeffen. 9ta, märtet, mir motten ba£ 
aUee auf ben Ofen fteucn, bafe e^ marm bleibt, bann Tön* 
nen mir mit ben Kinbcm jufammett ju Difcß geßen/" 


„Sine ©tunbe fpäter jaßen bie beiben Mäbcßen unb 
ber Knabe ber grau ßebredjt ßier um ben Di)dß unb 
liegen e$ fieß moßl feßmeefen; aber ber Mutter moüt’ö 
nießt munben, bie faß ftill unb ftumm neben mir unb 
meinte/’ 

„3Bir aber haben oon jenem Dage an ein gaßr lang 
mit einanber ßier gelebt, bis bie alte SBäfcßerin, grau 
Mesmer, in ber ©orgentmiete ftarb. Da ßat biegrau 
ßebreeßt bie Söoßnung ber Meiner gemietßet uno ift 
eine SBäfcßcrin gemoroen, mie bie Marner e^ mar unb 
mie bie Mutter dteinbolb e^ noeß ßeute ift. gßre 
Kinber ßabett bie äöafcpe ßcranßolen unb auätragen 
uub baßeim fleißig mitßelfen müffen, unb fie ßat fie 
aufgezogen in ber 3ucßt unb SSermaßnuitg jum ^erm.” 

„Die ältefte Docßtcr ift in ^eimöburg glüefließ Oer* 
ßeiratßet unb bieanbere iftSeßrerin an Der ftäbtifdß^n 
©cßule iu ©eefelb; ber ©oßu aber ift bei ber ^oft 
angeftcUt unb oergiftt e^ nimmer, menn er bei ber 
Mutter ju SBefucß ift, bei Mutter SReinßolb einju* 
jeßen." 

„Die grau Sebrecßt ift bermeil bie 'alte Sebredßt' 
aemorben, obmoßl fie faft jeßn gaßr jünger ift al^ icß. 

$ie fieute fagen moßl, baß fie mtr metne jmeiunD* ^ 
fieberig gaßre nidjt auö bem 9lngeficßt lefen fömten; 
bie ©ilberßaare ber 2cbrecßt aber reben oon ber ^ 
eifigen ®öße, barauf fie geftaitben ßat, unb oon ben 
tiefen buntlen Dßölern, Darinnen ber ©cßnee ^mifeßen ^ 
ben Domßccfcn liegen bleibt; ja, ja, Kinber, e^ ift 
feßmer, oon ber SBcrgeSßöße ßernieberjufteigen, unD^.^ ‘ 
maneße^ Menfcßen ^>aar blcicßt babei." 

„Daö ßat feftgeftanbennun fd)on feit fünfunb^mait* 

}ig gaßren, baß* am ©plüefterabenb in ber Dämmer* 
ItunDe bie Mutter Sieinßolb unb bie fiebreeßt beifam* 
menfißen unb in ocrgaitgeite g^iten iurilcfblicfen, uub 
in bie 3 lI *»nft unb in bte (£mtgfeü oormärtefdjauen, 
ßinunterblicfen in’^ bunfle ©rbentßal, unb ßinauf in 
ben ßeüen ^immeldfaul. Unb alö mir ßeute in ber 
Dömmerftunbe fo mit einanber beteten, unb baoon 
rebeten, mie bie 9lnna SBalbftrom bod) fo gar üer* 
geffen fei oon ber ÜSelt unb oon ben früßeren greun- 
Den unb —oon ißr jelbft, ba fagte fie: Ns 3Tur meinen 
Kinbern geb’ icß bte ©efeßießte Der ?Inna SBalbftront 
bann unb mann oon feuern mieber mit al^ ernfte ÜBar* 
itung unb ßeilige Maßnung auf ihrem ßebenämeg/ 
'Darf icß ben ftntbem,1nr ßeute 9lbenb mein ©tüb 
eßen alö ißr ^)cim anfeßen, bie ©efeßießte ber ?lnna 
Söalbftrom erfaßten ?' fragte icß fie. 'Da3 barfft bu, 
ölretße/ antmortete fie; 'aber feßminfe mieß nicht, 
unb fdjone midß nid)t, benn bie gugenb ßat große 
Maßnung nötßig. Dunflc 2Bamung$tafeln mit ßeUer 
©cßrift barauf, unb ließte SSorbilbcr müffen bie gugenb 
auf bem fcßmalen 3Seg erßalten/” 

„So ßab’ ich’S ISucß cnäßlt, fo gut icß*^ Tonnte. 
3Bar’^ ßte unb oa nießt red)t gefagt, bann bent’ icß: 

Tein gifcß oßnc ©rät’ — Tein Menfcß oßne Mangel; 
ber £>err ge)uö muß boeß in SBort unb Dßat fein ©ie* 
gel brücTen unb feinen ©egen barauf legen, fonft 
taugt’3 nimmer, gd) ßab’§ @ud) erjäßlt, fo gut icßV' 
Tonnte; gßr aber geßt ßinauf! Dragt bie ©efdßicßte 
nießt in bie Stabt* zurücf, baßer fie getontmen, unb 
mo fie üeraeffen ift, jenTt fie aber in (suer ^erj ßincin 
unb oergeßt fie nießt!” 

Dattit fußtte Mutter SRcinßolb an ben Ofen. D)cr 
Ofen aber mar unterbefjen Talt gemorben. 3lu§ bem 
SBanbfcßranT naßm fie mieber ba§ ^ibelbucß ßeran^. 

Sie ßielten mit einanber ben Slbenbiegen, unb bic 
5llte betete ein TräftigcS ©ebet baju. „Mein SBanber 
lieb aber,” fagte fie zom ©eßluß, „ba^ ßab’ ich noeß 
oon meinem $ater gelernt unb Den ßat’ö fein ©roßOater 
geleßrt, unb mir finb alle gut bamit gefaßten oongaßr 
ju gaßr. Mein SSanberlieb, ba§ mitt tcß al£ Krone 


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iöarum Ijot 3efus nidjt gffdjrirben? 


149 


auf bie ©efdjidrte fefcen, unb milfS (£ud) beut* nod) 
lfbren. ©fein teanbcrlieb ift je unb je baS alte ge* 
öejen unb foü’S aud) bleiben, untf Reiftet aljo: 

ftn öotted 9?amrn följrfn nrir. 

6dn briraer öngel gef)’ und füv 
Sie brm ©olf in Ggtjptrnlaub, 

3)jd entging ©baraontd §anb! 

Äbrieleid! 

äerr (Sfjrift, bu bift ber rechte ©eg 
«um unb ber einige Steg; 

£t(f und $i(grim' in’d ©aterlanb, 

©eil bu bein ©lut Ijaft b'ran getnanbt. 

Äijrieleid l'*^—"-. , - 




Harum IjatBeTuö ntdjt gcfdjriebfii? 


3far §an3 unb £erb Hott 3* 6. Karting. 


f er ben SBertb eines SdbriftftütfeS ^ur Se- 
ftätigung ber SBafyrfyeit, jur Serebehutg 
ber 2Beifett unb jur ©rleucbtung ber ©in- 
faltigen erfennt, ift geneigt fragen: „SBarum 
bat er, welcher ber 2Beg, bic 933al;r^eit unb baS 
Seben ift, nid^t felber feine Sehre fdjriftlicb anf- 
gezeichnet? 

Oft führte er Stellen aus ben altteftainent- 
lieben Schriften an, legte il)re Sorfcbriften unb 
?ropl)e$eif)ungen aus unb erftärte, bafj fie non 
ijjm jeugen. Unb bemtoef) bat er nie feine gött- 
liebeSBei^beit in feinen eigenen g e f cb r i e- 
b e n e n SSorten anSgebrücft. 

6r, bie fleifdjgemorbene SBeiSbeit ©otteS, 
offenbarte ben SJteufdjen bintmlifcbe SSabrbeiten 
m menfdjlicbcr Sprache unb trug Sorfdjriften, 
Seljren unb ©leidjmffe non ben liefen ber gött¬ 
lichen SBeiSbeit oor. ®iefe tarnen aber an 
menjtf>licf)e ^er^en burd) baS geäußerte SBort. 
Soldes mar bie 2el)rmeife beS $errn. 

Sei einer ®elegenbeit febrieb er mit bem gin¬ 
ger in ben Sanb. ©S mar $ur 3cit beS Saub- 
fäitenfefteS, als feilte geinbe — bie Sdbriftge- 
lehrten unb *ßbarifäcr— e * n befd)ulbigteS SBeib 
i# jeine 9iäf)e brauten. Sie gebaebten ben 
?röpbeten oon ©aUiläa gu fangen. 

§ätte gefuä biefeS SBeib freigefprod)en, fo 
hatten fie ibm als im SBiberfprucb mit bem ntö- 
faifdjen ©efefc ftebettb, Oerfdbrieen. $ätte er 
bie oom ©efefc oorgefdjriebene graufame Strafe 
gut geheimen, fo mürbe er ficb bamit bie $b äs 
tigfeit beS SRichterS angemafct haben. 

SIS beg^atb biefe bflrtl)er$igen geinbe bie 
filage brachten, büefte gefuS ficb lieber unb 
febrieb auf bie ©rbe. $aS mar eine Anbeutnng, 
er fie nicht anjubören münfd)e, noch ficb in 
iljre Angelegenheit mifeben mode. Als fie aber 
jnnt jmeiten ÜJtal ihre fcbänblicbe grage ihm 
auibrängten, richtete ficb ber $rilanb auf unb 
wüte in oder 9tuhe baS Urtbeil über bie SSer^ 
Üa^er: „SBer unter (Such opne Sünbe ift, ber 
®erje ben erften Stein auf fie.'' 


©3 gibt ein atteä 9Jtanufcript in folgenber 
Se^art: ,,©r f^rieb auf bie ©rbj bie Sünben 
eine^ $eben unter ihnen." 

211^ er mieber aufblicfte, maren bie SSertläger 
öerfcbmunben, 9teue unb ©nabe jeboeb geblieben. 

©3 gibt feine juberläffige 9ta<bricbt, bafe 
fu^ je irgenb etmaä Slnbereö getrieben bat. 

SBeim ^irebengef^iebtfebreiber ©ufebiu^ fin= 
ben mir jeboeb ©tma£, ba^ menigften^ beit 
Schein beglaubigter ©efebiebte für fid) bat. 
©ufeb ermähnt nämlich gleich im erften Sud) 
feiner ®ircbeugcfcbicbtc eines SriefmecbfelS, ben 
3efuS mit bem gürften 2lbgaruS Hon ©beffa 
geführt haben fod. S)ie ©uangelien miffen oon 
foteben Sriefen gefu nichts. ^>ier hingegen 
bringt uns ©ufeb einen Sriefmed)fet, ben er 
felbft in ben 2lrcbioen don ©beffa gefnnben bä 5 
ben mid unb ben er, aus bem Sprifcben über= 
fept, uns griedbifcb mittbeilt.—2lbgaruS f^reibt 
an 3efum: 

„2lbgaruS, 2oparcb oon ©beffa, entbietet 
Sefu, bem guten ^eilanb, in ber Stabt gern^ 
fatem feinen ©rufe, geh habe oon bir unb bei* 
nen Teilungen gehört, bic bu ohne 2lnmenbung 
oott Arzneimitteln unb Äräutern oerrid)teft. 
®enn mie bie 9tebc gebt, maebft bu Slinbe fel)en, 
Sabme geben, reinigft bie AuSfäpigen unb trei^ 
beft unreine ©cifter unb ®ämonen auS; auch 
beileft bu folcbe, bie oon langmieriger Äranfbeit 
gequält finb unb meefeft bie lobten auf. Unb 
ba ich uun ^aS AdeS oon bir gehört habe, fo 
habe ich bei mir gebacht, ©inS ober baS Anbere; 
entmeber, baß bu ©ott bift, ber oom £>immcl 
herabgefommen folcheS thut, ober ber Sohn 
©otteS, inbem bu folcheS oerrichteft. ®ehbalb 
menbe ich mich fchriftlich mit ber Sitte an bid), 
bu möchteft bich ^n mir bemühen, unb baS Uebel, 
baS ich habe, heilen. Auch habe ich gehört, baf$ 
bie guben miber bich murren, unb bich oerber^ 
ben moden. Jfcb habe nun eine febr fleine, aber 
anfebnliche Siabt, bie mirb für uitS beibe groß 
genug fein." 

9tun bie Antmort $ef« : 

„AbgaruS! Selig bift bu, ber bu an mich ge¬ 
glaubt baft, ohne mich ^u fel)en; benn eS flehet 
oon mir gefd)riebcn: bie mid) gefeljen haben, 
glauben nicht an mich, bamit bie, rneldbe nicht 
gefeben haben, glauben nitb leben. 

„28aS nun biefe ©inlabnng betrifft, ju bir 
^n fommen, fo rnuf} ich erft 2ldeS, mefebalb ich 
gefanbt bin, hier erfüllen, unb menu baS erfüdt 
ift, aufgenommen merben $u bem, ber mich ge¬ 
fanbt bat. Unb tann, meint ich merbe aufge¬ 
nommen fein, merbe ich bir einen meiner jün¬ 
ger fenben, bamit er bid) oon beinern fieiben 
heile unb bir unb ben Peinigen 2eben bringe." 

®aS oon ©ufeb aufgefunbene Scbrijtftücf 


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150 


ÜJarum Ijat Sefus nidjt grfdjrirbfn ? 


ftainmt jebenfalls aus bem brittcit Qahrßunbert. 
Siuen abfid)tlid)en ©einig braucht man bei bie- 
feit ©efcßicßten nicfjt üorauS 3 ufeßen. SS mar 
ein arglofeS ©id)gel)enlaffcit in frommen ^Jl)an= 
taficn. SRait finbet 21ebnlid)eS in ber fpätern 
chriftlichcn Siteratnr. 23al)rfcßeinlicß t)at Sufeb 
biefe ©riefe mirflidj in bem 2lrchio üott Sbeffa 
oorgefunben. 2lber mie biefelben in’S Slrcßib 
gefontnten, ift eine anbere grage. 

•Diacß einer Ueberlieferung loaren bie ©riedjin, 
melcße 511 3'cfu in bcn Sernpel tarnen unb Don 
©bilippuS unb 2lttbreaS bem fierrn üorgeftedt 
mürben, 9lbgar’S ©oten. 

Sufeb c^äßlt nun meiter, mie nad) ber Him¬ 
melfahrt ^efu ber Slpoftel SfjflbbäuS burd) ben 
2lpoftel SßontaS 3 U 2lbgaruS gefanbt morben 
fei, unb ii)n geteilt unb mie fein ©olf bas Soam 
gelium angenommen habe. 

Sod) genug 001 t biefem. Sin» ftel)t feft, ob 
baS ©titgetheilte maßt* ift ober nid)t: $ e f u ^ 
bat nicht mit eigenen $änbcn bie 
großartigen 23aßrbeiten beS Soan= 
g e I i u m S g e f d) r i e b e n. ©eine ©ebanfen 
unb 23orte mürben uns auf eine anbere 28eife 
erbalten. Sr fcßrieb fie in bie ^er^en feiner 
Slpoftcl, unb beim Slufjeicbnen berfelben mürben 
fie 00 m heiligen ©eift, üotn Herrn felbft geleitet. 
Sr fagte 311 ihnen: „Ser Sröftcr, ber heilige 
©eift, mirb euch alles (ehren unb cud) erinnern 
alles beß, baß ich P cucß gcfagt habe/' Sin 
nebenbei ©cbädjtniß ift bie befte Safe! unb ber 
heilige ©eift ber befte Srinnerer. 

2 lnf fold)e SBeife mürben bie 00 m £>errn ge= 
fprodjeuen 23orte mieber beroorgerufen unb unS # 
erbalten. Sie großen Xh^tcn unb muuberbaren* 
23orte beS H crrn finb Don ben Stmngeliften un- 
ter ber birefteu Seitung beS ß e ilig en ©eifteS 
niebergefchrieben morbett. SaS 2Scfentlicße ift 
mit einer ©enauigfeit unb Sebenbigfeit gegeben, 
mie fein einfad) menfcßlicbcr ©erießterftatter, unb 
märe er noch fo geübt, fie hätte mieber geben 
tonnen. 

Siefebeffere 23eife paßte für bie um 
ocrgleid)lid)en Beßrer. 

Sd)on Sß omrt ^ 9lquinaS l)°t biefe grage be^ 
fprodjcn. Sr faßt fein Argument folgenber 
23eifc jiifammen: „^cfuS mill feine Beßre bat*^ 
ftellen, als eine, bie ©eift unb Beben bat, unb 
bie nid)t üom ©ud)ftaben abhängt. SßriftuS 
pflanzte feine Sehre in bie Serben unb fdjrieb 
fie nicht auf ©apier ober ©ergament. BeßtcreS 
hätte bcn 9tnfd)eiu gehabt, baß feine 23orte unb 
Sehre oerlorcti gehen tonnten. Srbe unb $im= 
mel merben Vergehen, aber Sbvifti 23ort mirb 
emig bleiben,—in ben H cr 3 cn treuer 9£ad)folgcr 
bleiben. Unfere Sprachen finb 3 U arm für baS 
emige Sieb ber Srlöfung. Ser heilige Sröfter 


ift eS, ber bon bem, maS Sbvifti ift, nehmen 
unb unä geigen mill, nicht burd) ben ©uchftaben 
allein, fonbern burd) baS innere, ber ©eele mit- 
getheilte Sid)t. 2luf biefe 23eife hüben mir bon 
bem göttlichen Scbrer eine lebenbige, bauernbe 
unb fortgefeßte ©rebigt beS SoangeiiuntS. 9Jkbr 
als eine geber mußte biefe 28abrt)citcn nieber= 
feßreiben; unb als alle Sbangeliften if)veSr 3 äb= 

1 ungeit beenbet, unb ©aulud unb ©etruS, gßfobuS 
unb Johannes in ben berfeßiebenen ©riefen an 
bie ©emeinben ihre Sannt entare ba^u gefdjrieben 
batten, mar noch nicht alle* bollftänbig gefagt. 
Sine 9lpoealt)pfe mürbe noch binjugetban. 

Siefe gefeßriefeenen gießen lehren biel unb 
burd) baS göttliche 2id)t, meldjeS auf fie fällt, 
tauchen beftänbig neue 23mtbcr ßwoor, fo baß 
ber fromme Sefer oft in befannten ©teilen Singe 
entbedt, bie er gar nicht gefud)t hätte. SaS 
jebcch, maS eine in ber ©nabe unb Srfenntniß 
^efu Sbvifti machfenbe ©eele am maßvften unb 
tiefften erfaßt, tarnt in 23orten nicht eingehüüt 
merbett. 

23öhrenb fie bie heiligen ©lätter überfeßaut 
unb in beren $ n l ) a 0 fich bertieft, entbeeft fie, 
baß biel mehr ba ift, als ber ©ueßftabe. 

SS mirb begreiflich, marutn SßviftuS nießt 
einen bollftänbigen Seyt ^um tbeologifcßcn ©t^ 
ftem entmorfen ßat. Sie 3U111 |>eil notßmenbi^ 
gen Singe merben bon Cbeit beleuchtet unb in 
bie ©eele aufgenommen, nid)t burd) ©ueßftaben 
uub ©laubensbetenntniß eingeprägt. 

Sie 23orte Shvifti finb maßr: „^eßhabebieß 
bertläret auf Srben unb bolleitbct baS 23ert, ba^ 
bu mir gegeben ßaft, baß id) cS tßun füllte." 
SS balte feinen für ihn, mehr 31 t thun. 
SS hätte feinen gehabt, menn er bureß 
felbftgcfchriebene Sd)riftftücfc feine Sehre ber^ 
breitet haben mürbe. Sie uttcnblidje 9SeiSßeit 
beabfichtigte, baß bie Srlöfung burd) bie münb^ 
lid)c ©rebigt, mit ber Straft beS heiligen ©eifteS 
begleitet, berfiinbigt merbett füllte. 

$ätte ShviftuS bie „bielen anbem Singe/' 
bie er gettjan unb gelehrt l)öt, gef^rieben, fo 
ßätte baS mädjtig große Such feine 2lufttal)me 
gefunben. Ser ©erftanb ber gemößnlicßen 
iötenfeheu hätte ben Inhalt aud) nicht erfaffen 
tonnen. SrtßatetmaSSeffereS. Sr 
fagte: ,,^dß tt)iU ben ®ater bitten, unb er foll 
euch einen anberen Sröftcr geben, ber bei eueß 

bleibe emiglicß, ben ©eift ber 2 Baßrbeit.". 

„^cß habe eueß noch uiel 3 U fagen, aber ihr 
tonnt es jeßt nicht tragen. 2 £etin aber jener, 
ber ©eift ber 23af)rf)eit fomnten mirb, ber mirb 

euch in alle 2Baßrßcit leiten".„unb toaS 

3 ufünftig ift, mirb er euch üerfünbigeit. ®er^ 
felbe mirb mid) oerfläreu, benn t»on bem SKeinen 
mirb er cS nehmen unb eueß oerfüubigett." 


- —Btgitized by 


C - >gle 






jfocotn’f Jlfljrjaljre. 


151 


Jfiir £auf unb §rrb Hon Memoria Gratia. 


jn ber erften Periobe feiner Sehrjaßre finbeit 
4 wir 21braham Sincoln in 9tew Salem als 
^ Sabenbiener (Storeclerf) befd^äftigt. 

gs mar um^ 3 a h r 1831, als er bafetbft in 
berm Offutt’S Jienfte trat, für ben er bie frm 
her ermahnte SBafferparthie oermittelft beS 
telbftgegimmerten ©ooteS beforgt hotte. £>err 
Offlitt batte nämlich mittlerweile in 9tew Salem 
ein Keinem ©efefjäft eröffnet unb ba er in beim 
ielben einen öehüifen benötßigte, unb 2(braf}am 
fuß als Steuermann gut bewährt hotte, fo fiel 
feine Saßl auf ibu. 21braham ftieg übrigens 
beftänbig in ber glunft feinet priitgipalS, fo 
t>a§ letzterer, bem man in 9tew Salem ben nicht 
fdjrfchmeichelhoften ©einamen „alter Schwäher" 
beigelegt hotte, oon ihm behauptete, Abraham 
habe mehr „Scbneib" als irgenb ein aitbcrer 
3Rann in ben ©ereinigten Staaten unb nehme 
e5 im 3üJeifampf unb Söcttlauf mit irgenb 
^cmanb auf. 

Offutt warf mit biefen Prahlereien gum 21er^ 
ger ber bortigen gaufc unb Saufßelben fo lange 
um fich, baß unfer 2lbrabam eitblich in bie um 
angenehme Sage Oerfeßt würbe, bie SluSfagen 
feinet £>errn mit feinen |>ünenmuSfeln gu be= 
fräftigen. 2Bar Slbraham bis bahin ber ®e* 
genftanb beS geheimen üReibeS gewefen, fo ging 
er aus ben nun folgenben gauft* nnb SBettlauf* 
groben mit feinen bisherigen Leibern als ber 
oon Stilen angeftaunte ,£>elb beS JageS ßeroor. 
So unbebeutenb, man möchte fagen lächerlich, 
nun biefe grrungenfehaften auch waren, fie oer* 
halfen 2lbrahain Sincolit unter feinen bantaligen 
3 eitgenoffen entfd)ieben gu 2tnfehen unb SRefpelt. 
6 * mag bieS feßr begeidptenb fein für ben banta= 
ligen ©egriff oon männlicher große, wouach 
hertulifcheXlraftbeweife unb auSgegeid)nete23ett= 
laupSeiftungen für ben Inbegriff äeßter 9Käm 
nermürbe galten. 

Joch lief; eS fiincoln feineSWegS bei gtpm 
naftifchen Uebungeit bewenben, fonbern, feinem 
ithon erwähnten Jrieb getreu, fpürte er auch 
jeßt mit heißer SBiffenSbegierbe 2lllem nad;, baS 
ihn in feinem imtern ©ilbungSgang förberte. 

gS war um biefe $eit als ißm ein gyemplar 
einer englidhen Sprachlehre in bie $änbe !am. 
6 r hatte allcrbingS 12 Steilen gu guß gehen 
muffen, um fuß baS alte oergilbte Such gu oer* 
!<haffen; aber bafirr befaßte er fich ouch in ber 
nachften $eit mit bem Inhalt beffelben bernta* 
Ben, baß er bie ©prachtünfte in furger 3eit mei= 
fferte. Jaß er burch biefe grrungenfehaft als 
Singiger beS Orts, ber etwa grammatifche 9te* 


geln inne hotte, in ben 2lugen feiner Sefanntcn 
als 2llIerWeltS-©elehrter gu feiner beträchtlichen 
Sänge noch um mehrere 3oß wuchs, ift wohl 
begreiflich. 

Jie gange |)errlid)teit bauerte inbeffen nicht 
lange. Schon im Sommer 1832 ging Dffutt’S 
®efd)äft pleite unb Sincoln War arbcitS- unb 
fteliungSloS. 

SlUein gerabe um biefe 3eit erließ ©ouoer^ 
neur 9?epnolbS einen Slufruf an greiwillige, um 
ben Störenfricb ©lad $awf gu Oertreiben. 
21uch in 9tew Salem begeifterte man fich in 
höchft patriotifeßer SBeife für bie Stobilmadjung. 
Setbftoerftänblich war 21braham Sincoln einer 
ber grften, bie fid) ntelbeten unb in 9teW Salem 
würbe eine gontpagnie organifirt. Jiefrlbe 
mußte einen Kapitän hoben unb bie9Jiamifd;aft 
hatte ihn gu Wählen. Hbratjam hotte bie gl;re 
faft einftimmig bagu auScrforen gu werben, eine 
2litSgeichnung, bie ihm ungeheure ©efriebigung 
gewährte. 

Seiber erntete irctcrcr ned) feine gompagnie 
oiele KriegSlorbccren. giner nach bem Slnbcnt 
feiner Seutc gab baS KriegShanbwerf auf, ba 
Weber Stußm ttod) angenehme Sage babei in 
SluSficßt ftanben, fo baß auch er fchließlidj ge^ 
nötf)igt war, fich auSmuftern gu laffeu. Joch 
noch an bemfeiben Jage ließ er fich als ©emei= 
ner inSapt. glijahSl^’SSomp.ignie einreil)en. 

SDtit ber SSürbe hotte 2lbral)am nun aud) bie 
©ürbe eines ©orgefepten abgelegt unb gab fich 
in ungegwungenfter SBeife bem Solbatenleben 
hin. Jer „©lad ^aw! ^ ®rieg" War inbeffen 
halb gu gnbe unb Sincoln unb fein ffamerab 
|>arrifon gogen Wieber ihrer s JteW Salem = §ei- 
math gu. 2Bar ber Strieg felbft recht abenteuere 
lid^er 21rt gewefen, fo war’S bie ^peimreife nicht 
miitber. 21Uein nach manchen gntbehrungen 
unb SebenSgefahren gelangten bie beiben theilS 
per ßanoe, theilS auf einem gloß wohlbehalten 
nach 5Kew Salem. 

gS war nur Wenige Jage oor ber Stuguft^ 
Wahl, als Sincoln heimfehrte. 5Wa^ bamaliger 
Sitte hotte er fich, nod) el)e ber Krieg auSbrad), 
bur<h ein girfular als Sanbibat für baS 21mt 
eines Slbgeorbneten in bie Staatslegislatur am 
fünbigen laffeu unb begann nun allen grnfteS 
ben SBahlfampf. 

gS mag h^ r gefoejt Werben, baß Sincoln 
feßon bei biefem erften politifcßen ©erfuch fich 
b<»r bamalS fehr populären bemofratifeßen par= 
tei als SBh' 9 = ^’onbibat gegenüber ftetlte. Wög= 
licßerweife War bieS bie Urfacße feines 9Riß= 


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152 


£iiirolti ’0 fiprjapre. 


erfolgt; er mürbe gefeptagen unb jtpar 3 unt 
erften unb einigen 2 Kate in feinem Seben. 

Unter ben gtüdlicperen ®anbibaten befanb 
fiep unter Mberent and) ber namhafte @r* 
medungS * ^rebiger *ßetcr ßartmrigpt. SSäp* 
renb ber ffiapteampagne traf Sincotn einmal 
mit ipm jufammenunb ber altc^ionierprebigcr 
munberte fiep niept menig über bie (Schlagfertig^ 
teit unb ben Scparffiitn beS Vromn’fcpenÄnecpt’S. 

immerhin patte Sincotn bie ©enugtpuung, 
baf$ er faft baS einftimmige Votum feinet pei* 
matptiepen VJaplfreifeS 9lem Salem ermatten 
hatte—277 gegen 3 Stimmen. 

9Rit biefem politifepen ÜRifterfotg entftanb 
für Sincotn auj’S 9leue bie grage naep einem 
eigentlichen SebenSberuf. SlnfangS moBte er 
$uffcpmieb merben, nm auf biefe SBeife feine 
fräftigen SKuSfeln ju oermertpen; eS mürbe 
aber nichts b’rauS. 2lfS er jeboch in ber gröfj 
ten Verlegenheit um feinen täglicpen Srob* 
ermerb mar, öffnete fich ipm eine ©etegenpeit, 
einen Keinen ©rocert)=Saben au^utaufen. 

©incr ber früheren @efchäft§theilhaber blieb 
fein Kompagnon unb bie Uebertragung feinet 
Slntpeils mar um fo leichter, als babei keinerlei 
'VaarauS 3 aplung notproenbig mar. Sincotn gab 
einfach feinen Scpulbfdjein für fo unb fo diel 
unb mar eigenpänbiger „Storefeepcr." 

Späterhin 30 g er einen anbern Kompagnon, 
fRamenS Verrp, in’S ©efchäft. Mein bie$öde* 
rei moBte nicht genug einbringen, fo bap man 
auf irgenb einen anbern Krmerb^meig finnen 
mufjte unb baS gefchah- 2)ie ffinna Vervp unb 
Sincotn befeptof* bemnächft ein SoftpauS 311 er* 
öffnen, um ipre ginan 3 en auf 3 ubeffern. Seiber 
blieb eS beim ©ntfcplufj. 

$)ie beiben fahen fich, burep ipr neues Unter* 
nehmen noch mehr eingcfd)ränft, in bie Sage 
Oerfept, ipr ©efepäft 3 U ueräufjern. ®abei ge* 
rietpen fie jeboch in bie §änbe öon 3 toei gemiffen* 
tofeit ©aunern. ®icfetben machten mit Verrt) 
gemeine Sache unb unfer ehrliche Slbrapam 
mürbe ber ^Betrogene, ©r gerieth in ungeheure 
Scpulbeit, bie ihrer ©röfce megen öon feinen 
greunben fcpledjtmeg als bie „9fationatfcpulb" 
bezeichnet mürbe. 

$od) — ob eS auch $ a Pre ^ atl 9 c SMüp* iwtb 
©ntbeprung erforberte, Sincotn bezahlte ben 
lepten fetter berfetben. 

®ie Urfacpe 31 t Verrt) unb Sincotn’S Van* 
ferott lag mopl 3 um Speit barin, baf$ Verrt) 
inmeitbig im Store unaufhörlich 
geigte, unb Sincotn braunen oor beut 
Store im Scpatten einer großen ©iepe Vfad* 
ftone’S ©efepbücper IaS. 

Sein Viogrnpp er^aptt, baf$ er feiner gan 3 en 
Sänge naep auf bem ©rbboben liegenb, bie güge 


gegen ben Vaum geftemmt, t)on $eit 3 U $eit um 
ben Vaum bem Scpatten 3 U perum rüdenb gan 3 e 
läge mit Sefen 3 ugebracpt pabe. 

$KS ber Store abgetpan mar, patte er befto 
beffere ©ctegenpeit fiep feiner SiebtingSbefcpäf* 
tigung pii^ugeben. daneben beforgte er Keine 
Arbeiten für liefen unb :genen unb üerbientc 
fiep feinen SebcnSunterpatt. 3a, er tonnte fo* 
gar noep SBopltpätigteitiiben; bemteS mirb oon 
ipm gefagt: „®r befnepte bie SBaifen unb SBitt* 
men unb fpaltete ipnen baS § 013 ." 

3m grüpjapr bcS $apreS 1833 mürbe er 
3 um Voftmeifter t>on Blem Salem ernannt, mel* 
cpeS 9tmt er brei Qapre oermattete. 

Seine ©infünfte maren babei aflerbingS fepr 
Hein, aber feine SlmtSpflicpten maren auep äu* 
feerft (eiept. 6 r tonnte fid) mitpin feinen Stu* 
bien befto ungeftörter ergeben. 3ltS 9?em Sa* 
lern jeboep aufpörte eine fßoftftation 3 U fein, 
pörte fetbftoerftänblidp au^ feine 3tnfteBung auf. 

Von feiner fpricpmörtticpen ©prlicpteit mirb 
aus biefer 3 citp^mbe er 3 äptt, bap, naepbem er 
fi(p tängft atd SRecptäanmalt etabtirt patte unb 
ipn ein 3ftegieruttg£*$oftinfpeftor erfuepte, fein 
rüdftänbige^ ©onto mit bem ©encrat * fJSoftamt 
au^ugtei^en, er ein forgfättig oermaprtea Vün* 
bet, metepe^ genau bie erforbertiepe Summe ent* 
pielt, peröorpotte mit ber Scnierfung: ,,^cp 
brauche niemals anberer Seute ©etb; picr ift 
bäs Spre." 

goptt ©atpoun, ber Sountp*Sanbmeffer, mar 
um bie 3eit, ba Sincotn’S ^Softmeifterfcpaft auf* 
pörte, fepr mit Arbeit iiberpäuft unb um einen 
©epiitfen benötpigt. Seine Stufmertfamleit 
mürbe batb auf Sincotn getentt. ©r gab ipm 
baper eiu Seprbucp mit ber SBeifung, einmal 3 U 
oerfuepen, ob er bamit fertig merben tönne. 
Scpon naep fed)S SBocpen patte Sincotn baS Vucp 
bermafeen burepgearbeitet, ba§ er im Stanbc 
mar, bie ftelbnteftfunft prattifepermeife 31 t be* 
treiben. ®r mürbe batb ein tüchtiger Sanb* 
meffer nnb hatte als foteper aüe £änbe 00 B 3 U 
tpun. 2)urcp biefen neuen Veruf gemann er 
jeboep ungepeuer in feinem 9lnfepen beim Volt, 
©r patte nun mit nieten Seuten 3 U tpun unb ba= 
bei mürbe er unmiütürlicp ScbcrinannS greunb. 
ffreiti^, er mar arm, benn feine ©infünfte ma* 
ren auep jept noep gering; aber tro^ feiner 
mangelhaften Scputbilbung mar er einer ber in= 
teBigcnteften SWänner feiner $dt. ®abei maren 
feine SebenSgemopnpeiten eyemptarifep. ©r mar 
meber bem Spiet, noep bem Srunt, noep irgenb 
einer anbern Seibcnfcpaft ergeben, ©in foteper 
STCann biirfte bei ber uäcpften Stuguft * SBapl 
(1834) niept iiberfepen merben. 

25aft bie SSpigS mie eilt SDtann für ipn ftim=* 
men mürben, mar auper gragc; allein auep bie 


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J)ie „Pomben^nna.“ 


153 


S)emofraten begiinftigten ihn in grober Strahl. 
SBaS SBmtber, bah er bei ber ffiahl mit grober 
SRajorität ben Sieg baoott trug ? 

®tit Sedjt mirb feine ©rmählung 3 um 2lbge= 
orbneten als ber SBenbepuuft in feinem Seben 
bezeichnet, ber ihn bent ^Sionierteben entzog unb 
für ^ö^ere 3 mede oorbereitete. 

Sinan^ieU freilich befferte fich and) jept feine 
Sage nodj nicht fonberlid) unb er hat noch jaljre- 
lang mit {Entbehrungen aller 2trt fomie mit ber 
alten „Sationalfcfjulb" $u fämpfen gehabt. 9tber 
er machte ©efanntfdjaft mit tüchtigen SSännern 
unb batte ©elegenheit, t)on ihnen 311 lernen. 

8 lS Sincoln baljer non feiner erften Sipnng 
nad) Sem Salem 3 urü<ffef)rte, mar er ein am 
bererSKann gemorben. ©r hatte ©elegenheit 
gehabt, mit ben inteßigenteften unb bebeutenbftcn 
Scannern beS Staates 3 U oerfehren unb feine 
eigene gähigfeit an ber ihrigen 3 U ineffen refp. 
$u toefcen. @r mibmete fich nun mieber feiner 
alten ©efdjäftigung als gelbmeffer unb galt in 
biefem gad) halb als bie bebeutenbfte Autorität 
in Sangamon ßountt). 

®r mohnte herauf ber folgenben SegiStatur* 
äifcung 1835—’36 bei, mähreitb melier er ber 
(Einführung beS ©onoentionS=9öefenS refp. 9Ra* 
idjinenpolitif mit Sifer entgegenarbeitete. Un¬ 
ter Stnberem tierhalf er auch feinem ©ountt) 3 U 
bem Secht, fich fünftig burd) neun SegiSlato^ 
ren: fieben Step, unb 3 toei Senatoren repräfeit- 
tiren 3 U taffen. 

Seltfamertneife ftetlten fich für bie nächfte 
3Baljl richtig neunSanbibaten herauf, nicht mehr, 
nicht meniger, bie biefe Slentter befteiben moß= 
ten. Sincoln toar felbftoerftänblich einer biefer 
nenn, bie gemöhnlich als „bie neun Sangen" bc= 
zeichnet mürben, ba ihre $ur<hfd)nittslänge über 
*> gu§ betrug unb fie eine ©efammthöhe oon 
55 guf$ repräfentirten. „$ie neun Sangen" 
würben fämmttich ermät)U unb 3 mar erhielt 
Lincoln bie bei SBeitcm größte Stimmensahl. 


SBenn Sincoln in ber nun folgenben SegiSla- 
tur-Sipung für $rojefte fchmärrnte unb feine 
®raft bafür einfe^te, bie bem Staate mehr 
Schaben als Sufcen bringen mußten, fo hanbelte 
er einfach im ©eifte feiner 3 ?it. Sie bamalige 
Ijochtöbtiche SegiSlatur glaubte, mit einigen ©e= 
fchlüffen fomie mit einer beabfichtigten ungeheu= 
ren ©elbanleihe ben gan 3 en Staat ^ßinois mit 
©ifenbahnen über 3 iehen 3 U fönnen unb maS ber 
klärte mehr maren, bie nie ausgeführt merben 
fonnten unb für bie Sincoln ftimmte unb arbei= 
tete, meil er ein $inb feiner 3 eit mar, unb mit 
feinen 3 eitgenoffen biefetben Srrthümer beging, 
bie fie für grobe gortfdjrittsibeen hielten. 

$ab „bie neun Sangen" immer in Harmonie 
arbeiteten unb in eine Sichtung ftimmten, er- 
Hart fich auS bem Umftanbe, bah fie Sincoln 
gemiffertnahen als ben $opf ihrer ffiörperfchaft 
anfahen unb eben thaten, maS er oerlangte. 
®odi auch anbere ffltitgtieber beS Kaufes }d)loffcn 
fich ihm in berfetben ft)mpatf)ifchen SBeife an. 

Jfn biefer Söeife gelang ihm beim auch bie 
Verlegung beS Staats - ©apitoliumS oon $an- 
batia nad) Springfielb. Ueber bie Sothmern 
bigfeit ber Verlegung fetbft mar man fich in 
beiben Raufern einig; nur nicht über baS SSo= 
hin. 3n feiner geminnenben SBeife muhte Sin- 
coln jeboch fo oiele ©lieber beS Kaufes 3 U über= 
reben unb für Springfielb 3 U intereffiren, bah 
il)m bie Verlegung borthin !ur 3 oor Vertagung 
gelang. 

Unmittelbar oor bem ©efdjlub biefer Sinnig 
fe^te Sincoln bie Einnahme jener benfmiirbigen 
©roteft - Sefolutionen gegen bie herrfchenbc 
Sflaoerei burd). ^h m toar eS mithin oergönnt, 
in jener befdjeibenen ©anbalia^Sitjung ben gro^ 
ben ©man 3 ipationS=©aß iit’S Soßen 3 U bringen, 
ber einige $ahr 3 ehnte fpäter bie ©runbfeften 
unferer Sation 3 U erfdjüttern brohte, anftatt 
beffen aber unferm Solle baS |>eiligthum gleicher 
SSenfdjenre^te fieberte. 

■8 cgi 8 «* * - 


pie „Pomben-Jlimo.“ 

JBie (general Sogan unter bem Senner ber 6efd)üt|e ein Äinb aus ber laufe hob» 


Jm Sommer 1864 hatte bie UnionS * 2lrtnee 
1 unter Sherman ihre Steßungcit oor 9tttanta 
* oerlaffen unb mar bemüht, bie ©onföberir- 
ten unter ©eneral #oob 3 U einer ©ntfcheibungS- 
flacht 3 U 3 minflen; ©eneral Sogan befehligte 
unfere Sorhut. ®ic $eerfäulen marfchirten 
auf engen ^Pfaben 3 toifchen majeftätifchen SBat^ 
hugen bahin, als plöplid) in ber Sähe beS 
alintSiüer eine maSlirte Satterie ihr geuer 


gegen ben Stab beS ©eneral Sogan unb beffen 
©ebedungSmannfchaften eröffnete. ®er ©ene¬ 
ral lieh ätwi gelbbatterien auffahren, bie aus 
©ron 3 e = ©efchüpen fleinen SfaliberS, ben fog. 
„SapoleonS," unb 3 mei ©onibenmörfern beftan- 
ben. Unfere Kanoniere fonnten fich beim 3ielen 
nur nach aufblipenben feinblichen S^üffeit 
richten, thaten bieS.aber mit fo oiel @efd)icf unb 
©liicf, bah halb baS feinbliche geuer oerftummte. 


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154 


Pie ,,Bomben=^nna/' 


Unbelöftigt oom ^einbe mürbe bcr ©iarfcß fort- 
gefegt. 3fn Sogan’m Stabe befanben fieß ba= 
malm ®r. SBoobmarb, bcr Dberinfpeftor ber 
Selblawaretße bcr Sorßut, unb ein 3tegirnentm- 
Slrwt alm Slffiftent. SBoobmarb mar fpätcr unb 
bim ju feinem oor menigen Satiren erfolgten 
®obe ber ©ßef unferer 9Rarine-£)ofpitäler. 

SBäßrenb bic Siebte an ber ©pijje einem SBa= 
genwugem mit Sawaretßbebürfniffen baßinritten, 
eröffuete fieß ißnen linfm Pon ber Straße eine 
Heine Sichtung. ®iefelbe beftanb au» mehreren 
SlJern gehörten Sanbem, unb in ber üKitte ber- 
felben erßob fieß ein rot) gewimmertem ©locfßaum. 
hinter bem $aufe feßlugen flammen empor. 
®am $aum befanb fieß gerabe in ber ©:ßußlinie 
ber ©atterien, bie foeben erft mit einanber ge- 
tämpft ßatten, werfplitterte ©alten gingen oom 
®ad)e ßerab unb an ifjnen flatterten bie geßen 
einem gelben Xucßem ober ©emanbem. „®ie Sa- 
Waretßflagge ber 3tebetten," fagte ® r. SBoobmarb, 
„mir miiffen naeßfeßen, ob fieß oietteießt ©er- 
munbete im $aufe befinben, bie unferer £ülfe 
bebürfen." 

®ie beiben Werkte ritten, gefolgt oon wmei 
Sawaretß ©eßülfen, naeß bem |>aufe ab. ßinter 
bemfetben flammten bie Ueberrefte bem ©ebäu-/ 
bem, meinem maßrfcßeinlicß ein ©orratßmßaum 
ober ein Statt gemefen mar. ®ie SBänbe bem 
Raufern weiten wctßlreicßc S'ugelsSöcßer. 28oob- 
marb Hopfte an bie niebrige ®ßür. Sine alte 
Stau öffnete, fitcßte aber, alm fie bie nörblicßen 
Uniformen erblicftc, biefetbc fofort mieber wu 
feßließen. ®ie Siebte Ratten jeboeß in ber ©de 
bem ßimrnerm, in meinem bie ©onne ßett bureß 
bam jerfeßmetterte ®acß ßineinfeßien, ein Säger 
unb barauf eine ntenfcßlicße ©cftalt erblich, 
©emaltfam erwmangen fie fieß ben ©intritt unb 
entbeeften auf bürftigem ©ette eine anfeßeinenb 
foeben oerfeßiebene, aber noeß im Xobe feßöne, 
junge Stau, unb neben berfetben ein neugebo^ 
renem Sinb, bam in ben lebten 3ügen i n liegen 
ftßien. ®ie Sterwte marteten ißrem Ämtern: 
einige Xropfen ©raubt) unb SBaffer mürben ber 
jungen Stau eingeflößt, bam SSinb marb in ein 
©tücf fetbftgefponnenen unb gemebten ©aum- 
mottenftoffem gemiefett unb ber mieber wu fieß 
gefommenen SDtutter in bie feßnfueßtmoott geöff^ 
neten Sinne gelegt, unb mit einem Steubenfcßrei 
legte biefetbc em an bie ©ruft. 

„College," fagte SBoobmarb, „unter fo feßmie- 
rigen ©erßältuiffen ift moßt noeß fcinSHnb in’m 
Seben getreten! SBir müffen nun toeiter für bie 
Seute forgen, bic, mie em feßeint, oon Sittern ent¬ 
blößt fittb." 

„Siebe sperren," ftet ißm bie alte Stau in’m 
SBort, — „Sßt feib wmar oermünfeßte ?)anfeem, 
aber Sßr feib gut unb boeß maßrfcßeinlicß au:ß 


Sßriften. |>abt Sßt ttießt einen 9teüerenb in 
ber 9läl)e, baß er bam Sinb taufe, — beim erft, 
menn em getauft ift, fönnen mir unm feiner freuen. 
®ie SRutter bem ®inbem ift meine ©nfelin, — 
meine Socßter ftarb bei Slumbrucß bem Kriege», 
unb ber ©atte meiner ©nfelin fteßt bei unferer 
Slrmee." 

„Sta, ein Kaplan mirb feßon aufwutreiben 
fein/' fagte SBoobmarb, feßrieb ein ©ittet an 
©eiteral Sogan unb übergab em einem ber Sa- 
Waretß;©eßülfen. 

SBäßrenb aum bem SBagen mit ben Sawaretß- 
©ebürfniffen ein Heiner Sorratß Oon Sebent 
mittein in bam £>aum gefeßafft mürbe, unb bann 
bie Saßrer unb fonftige SRannfcßaft bem 3 u ge3 
frciroillig baran gingen, ®acß unb SBänbc be^ 
§aufcm fo gut mie möglicß aumwnbejfern unb 
mafferbießt wu matßen, fprengte ©encral Sogan 
mit bem S^lbfaplan SBßiteßeab ßeran, trat in 
bam $aum, unb mar feßnett oon ber Sage ber 
®inge unterrießtet. ®ie alte Stau braeßte ein 
3innbcden mit SBaffer ßerbei. 

„©eneral Sogan/' menbet fieß SBoobmarb an 
feinen Steunb Sogan, „ßeben Sie bam ®inb aum 
ber laufe unb geben ©ie ißm ben SZameit." 

®ie SÄutter legte ben ©ingliitg, ber frieblicß 
fcßlummerte, in Sogan’m Slrme. ®iefer unb bie 
beiben Slerwte ftettten fieß bem ©eiftlicßeit gegen^ 
über auf, unb ber ©eiteral fpraeß: 

„Unter bem ®onner ber ©efeßüße unb bent 
?ßlaßcu ber ©omben, unter bem föraeßen ber 
©alten bift bu in’m Seben getreten,—möge bein 
Seben frieblicß unb glüdlicß fein! 3 u t ©rin- 
nermtg an bie ©reigniffe bei beiner ©eburt gebe 
icß bir ben Statuen '©omben^Slnna'." 

®er S'aplan oerrießtete bann furw unb büitbig 
ben Saufaft. 3 n ^ em Sogan bam Sinb ber 
SDtutter wurüefgab, fagte er: „3^ß muß boeß 
meinem ©atßen bam übließe ©efeßent maeßen, 
neßmeit ©ie, mam ein ©olbat w u geben ßat. 
®abei ließ er ein großem ©olbftücf in bie Sölten 
bem ©aurnmottenftoffem gleiten, melcßer bie Stelle 
bem Sauffleibem oertrat, ©einem ©eifpiele 
folgten bie Slerwte unb bann traten bie Uebrigen 
ßtttju unb bräitgten ber SRutter grüne 3 c ttel 
auf. ®ie Seute ßatten nur menige ®age wubor 
ißre Sößnungen in ©reenbaefm aumgewaßlt er- 
ßalten. 

3 nleßt trat noeß ein Sranfenmärtcr ßinju, 
ein feiftem |>ußn in ber 9tecßten. „^err ®of- 
tor," fagte er wu SBoobmarb, „biefer Sogei ^ßat 
fieß, icß meiß nießt mie, in einen ©epätfmagen 
oerlaufen, gcß ßabe aueß Stau unb ^iitb §u 
£>aum unb benfe, bie |)enne mürbe ber SBöcßiterin 
für ein paar SBocßenfuppen gute ®icnfte tßun." 

„Saft 9tecßt, mein ©oßn," ermiberte ber s 2lrjt, 
„gieb bie ^enne ber alten Stau, — aber 


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JtöUfnffitung. 


155 


Sic, ©rofemutter, nein Urgroßmutter, machen 
Sie bie ©uppen crft in einigen lagen, unb nur, 
rocnn gar fein gieber fid) einftettt. Sie fiub ja 
eine erfahrene grau." 

„3cfj roerbe 3ltfe3 gut beforgeit." 

„Unb nun öornürts," rief Sogan, „mieber 


hinein in Kampf unb Krieg, baS Kiitb aber unb 
(Such grauen befdjüpe ber §immel!" 

gort ging eS, unb in ber £>auStl)ür fniete bie 
alte grau nieber unb rief mit gefalteten £>änben 
ben Ab^iehenbeu naeß: „gh r f c ^ cfcitbe gautees, 
aber id) bete für Sud)." 


- j -fiCgJB" ' « - 

gfrauenjeituug. 


,/Dein beftes (Sliicf, o nTerifcßenfinb, 
23 erebe btcß mit nickten, 

Paß es erfüllte tDünfcße ftnb; 

<£s ftnb erfüllte pflichten." 

$;i? $or’U über Vergnügen. GS wirb beut ju 
läge Diel gcflagt über ßarte feiten; wenn man aber 
an bie großen Summen ©elbeS benft, bte jährlich für 
Vergnügungen auSgegebcn werben, fo folltc man ntei* 
neu, bas ©clb märe im Uebcrfluß t>ort)anben. 

©enn man bebenft, baß fe^r t»tel bon biefem ©elbe 
Don ber ArbciterHaffe fommt, fo tann man fiel) nießt 
nwnberu, baß gerabe oon biejer Klaffe, jo Diele Kla* 
gen gehört werben, ^er Sftann, welcher feinen fauer 
oerbienten Soßn in ber Soge u. f. w. oerbraudjt, unb 
bas Uebrige am Sonntag noch bureßbringt, flagt, baß 
feine gamilie barben, unb oft beinahe baS Aller* 
nötßiguc entbehren muß. 3>er junge 9ftann, ber mit 
feinem guten Soßn taum bureßfommt, flagt, baß er 
nicht ausfomnten fann, unb wie oft wirb bie Gßrlicß* 
feit noeß baju auf bent Altar biefeS ©ößen — Ver* 
gnügeu — geopfert! 

Sas Sftabcßcn flagt ebenfalls baß ißr Soßu nießt 
ausreießt, $u was? um fieß in ben Strubel beS Ver* 
gnügens hinein gu werfen. 

$Bir wollen ßier nießt bie Arbeiterfrage Derßanbeln; 
ober wir wollen nur Dies fagen, baß bie Arbeitsgeber 
gerabe fo Diel Urfacßc 5 ur Klage gaben, als bie Ar¬ 
beiter. 

fBie fann.ein s üfann 3 ufricbenßeit geben in feiner 
Arbeit, wenn er s J 2 äcßtc itacß s Jtacßte bureßbringt im 
Vergnügen unb ben Sonntag, ben er jur #tuße unb 
^rßolmig fo nötßig ßat, im SauS unb VrauS ber 
Sünbe Dcrlebt! 

^Äancßer junge 9 J£amt, ber alle feine Kräfte utib 
Talente nötßig ßat, fieß in feinem ©efcßäft $u ent* 
wideln unb waSOrbcntlicßeS auSißniju niacßen, Der* 
geubet biefc foftbare $e\t, fowie feine Kräfte unb fei* 
nen Sohn, ben er einft fo feßr nötßig ßat. 

SJtancß.* Xtenjtmäbcßm benfen, cS fei feßr ßart Don 
ißrer grau, baß fie naeß einer auf bem Xan^boben 
bureßgebraeßten Üttacßt eben bod) bie Arbeit tßun mftf* 
fen. Sie benfen aber nießt, wie Diele ©ebulb Don 
Seiten ber grau eS nimmt, mit einem folcß’ „auSge* 
tankten" unb feßläfrigen SJfäbcßen bie Arbeit ju tßun. 

©ir wollen ßier nießt *u beweijen fließen, baß Alles, 
was bie ©eit bem Sftenjcßen in ber ©eftalt beS Ver* 
gaügens bietet, Sünbe ift. Unb ba baS Verlangen in 
unferer 3eit fo franfßaft ift, fo ßat bie Kircßc befon* 
bers nötßig, ißre Augen Offen ju ßalten, unb unfere 
Sugenb oor biefem Hebel au bewaßren. ®S ift leiber 
bei oielcn Kircßenleuten baßin gefommeft, baß fie glau* 
ben, um ißre 3 fugenb ber Kircße au erßaltcn, müßten 
fie weltlicße Vergnügungen in Die Kircße einfüßreti. 


Sftau borgt fopfagen Don ber ©eit. 1)ieS ift feßr 
gefäßrlid], unb obciibrein feßr jiinblicß. 

©aS bie Kircße ber Qugeub bietet, unb bie unf<ßul* 
bigen greubeu unb ©enüffe, bie fie ßabeii, finb ßin* 
länglid), um irgenb einen bernünftigen s )JJenfcßett ju 
befriebigen. Ünb wenn bie gugenb ber Kircße flaat, 
baß fie feine ©enüfje ßabe, fo ift cS ißre eigene Scßulb. 

©ir wollen ßier nur einige aufaäblen, bie wir nebft 
ben jeßönen ©otteSbienftcn ßaben fönnen in einer je* 
ben ©emeinbe: Vereine unter ber Sngeub — Qung* 
frauenVcrcine, 3ünglingS*Vereine, Siterarifdje* unb 
s JttiffionS Vereine. 

$ie ©eit fenut bie SJtacßt ber Vereine unb eS liegt 
Diel Darin, in Vereinen mit einanber befannt au wer ■ 
ben. ‘Ser AuStaujeß ber©ebanfen bringt bem, Der fieß 
im reeßten (Reifte Daran betßeiligt, Diel Vergnügen. 

^5ie gliicflid))ten 9)fenjcßeu ftnb Die ©leidjmütßigen, 
bie immer eine ftille greubc unb grieben im ^intern 
ßaben unb fo^ujagen Don einer unfießtbaren Quelle 
trinfen. Gin foldjer s JJienfcß muß feßon in feiner früßen 
3ngcnb, biefe Quelle feunen lernen. 

GS ift bie Butter, bie in biejer Vejießung, wie bei 
allem (hüten, baS in beS KinbcS Seele gepflanzt wirb, 
bie Saat flu fäen ßat. 2)er große Aapoleon jagte, bie 
3ufunft beS KinbeS fei in ber Arbeit ber Butter 
fmßen. ^oßit Quincp AbamS jagt: „Alles, was id) 
bin, ßabe id) meiner Butter ju Derbanfen. ^iic s Dfut* 
ter ßält Den Scßlüffel ju Des KinbeS Seele in ißrer 
£>anb, fie ift cS, Die ben Gßarafter Des KinbeS bilbet, 
entweber jum ÖJuten ober §um Vöjen. 

GS liegt beßßalb an ber SKuttcr, ben @5ruub ju 
einem gliicflicßeti ÖJeniütßc 511 legen, ©ede in bem 
Kinbe (ßefdjmacf jum ©Uten unb Scßonen, maeße i^m 
bie Kinberjaßre fo glüdlid) als möglich; betßeiligc 
bieß am Spiel ber Kinber, lerne fie bie Schönheiten 
ber Aatur fcßäßen, laß bie Vilberbücßer unb (^efeßieß- 
tenbüd):r auf beinern Xifcßc liegen unb Du wirft ben 
©runb legen in Deinem Kinbe, ber nießt Don ber ©eit 
5 U borgen braneßt, um glüdlid) p fein. 

GS hegen Diele Derborgene Kräfte jornie auA Sei* 
benfcßafteit unb Vegierben in eines KinbeS Seele, 
©enn nun biefc Kräfte junt ©Uten geweeft, bie Sei* 
benfeßaften in ißrem erften Keime erftieft, unb bie Vc* 

? iierben in mäßige unb reine Derwanbelt werben, wie 
ann eS anbers fein, als baß ein auf biefe ©eije erjo* 
eneS Kinb, bann aueß als ^üngltug unb Jungfrau 
er Sünbe ©iberftanb leiften fann? 

Gs ift etwas in beS Wenfcßen Seele, wo eS ßeißt: 
„GS ift ftille geworben." $iefe Stille fann baS Kinb 
feßon erfahren, ©enn ber, welcher ju bem ftürmijcßeu 
See fagte, fei ftille, auf unjer ftürmifcßeS feinen 
griebens*^)aud) weßt, fo müfjen fieß bie wilbcu Gle* 
mente legen unb Dies fann feßon ein Kinb erfahren. 
Unfer ©ott ift ein treuer Vater, er wirb bem Kinbe, 
bas fo feiner Stimme geßoreßt, bie waßren greubeu 


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156 


£raurn;rilung. 


geben. Unb auch bem Jüngling, bem Wann unb bem 
©reis. Unb maS er gibt ift rein unb bringt uns feine 
©emiffenSbiffe. 

Liebe Butter, üerfäume begpalb niept einen freu- 
bigen unb immer fröplicpen ©cift in beinen $inbern 
p meefen. 

XaS Leben ift p fur^ unb bie 3 C ^ bid P föftlid), 
um fie mit fünblicpcn Vergnügungen p oergeuben. 
©in junger Wenfcp braucht alle feine 3^it, feine Prüfte, 
fomie auch feine Mittel, um etmaS Süchtiges p ber 
Seit p merben, unb eS hat gemig noch Wietnanb ge¬ 
reut, menn er im Älter prücfblicfen fonnte auf fein 
Leben unb fagen: .geh habe nie etmaS für fünblid>e 
Vergnügungen auSgegeben—id) höbe meine $cit unb 
meine Xalente p meinem, mie p meiner Witmenfcpeu 
Sopl oermanbt. Weine ©cfunbpeit, fomie mein 
Soplergepen habe ich biefem p oerbanfen. 

dinen Sdjinfen gefdjmaiftioff p foehen. Stacpbem 
er in marment Soffer gut gcmafchen ift, bring ihn in 
focpcnbeS Saffer auf baS geuer, lag ihn nun gan^ 
laitgfam, je nach ber ©röge, 3 -4 Stunbcn foepen. 
Xann lag ihn in ber Brühe liegen bis er falt ift. 

©ine anbere Seife: Wan nimmt ihn gleich heraus, 
fobalb er meid) ift, legt ihn in falteS Saffer unb jiept 
bie §aut ab, unb legt ihn bann in eine Bratpfanne 
unb beftreut ihn gati* bief mit Brofatiten unb fteflt 
ihn in ben Bacfofen unb laßt il)n gaitj gelb braten, 
ungefähr eine halbe Stunbe. 

Xen Scpinfen im Bäcferbacfofen p baefen, ift eine 
ber beften Wctpobcn. 

©erändjerte ^nnge. Sirb ebenfalls mie Styinfen 
in marmem Saffer rein gemafepen unb bann im fo* 
epettben Saffer aufgefegt unb etliche 6tuitben gan# 
lanafam gcTocpt. Wan lägt fie in beni Saffer liegen 
bis fie falt ift. 

Wobei rein p erhalten non gingerflecfen nnb 
Statt!. Stimm ein fcirfcpfell unb taud)c es in mar- 
mes Saffer, in melcpeS man einen fleinen Löffel s 2lm= 
monia getpan hat. Wit biefem naffen Seil mafepe 
nun beinc Wöbcl unb Spiegel unb Bilbcrrapmen. 
©S gibt aßen einen fepönen ©lan$. 

Xer f4marp Wann. Sie oft hört man fleinen 
^inbern gegenüber bie Xropung: „Senn bu nicht ge- 
porepft, fommt ber fepmarje Wann !" Sopl nie über¬ 
legt fiep eine jo unbebaepte Särterin, melcpeS Unheil 
fie bamit anricptet. ©rft burch foldj’ tpöricpteS ©e- 
Papren lernt baS hon Statur furcptlofe ft'inb fid) 
fürchten! 

gebe Wutter meig, melcpe Stolle bie ©inbübungS- 
fraft bei .tinbern fpielt. Unb mie erfutberijep ftnb 
manche Wütter, ©rogmütter unb Särterinnen barin, 
bie ^ßhantafie ber kleinen mit paarfträubenben .^cjrcn- 
unb gaubergeiepiepten, mit $err- unb Scprecfbtlbern 
p beleben, bag es unS niept Sunber nehmen barf, 
menn folcp’ ein $inb nicht magt, ÄbenbS über beit 
ftnftern ,§auSflurober nad) Sonnenuntergang biSaum 
Stacpbar p gepen. XaS Stiitb glaubt ja hinter jeoem 
Baum ober nt jeber finftern ©efe einen Stäuber ober 
Stobolb p fepen. 

Xie SJtutter follte alles unterlaffen, maS bie ohnehin 
rege ©inbilbungSfraft beS $iitbeS übermägig anftren- 
aen mürbe. Sie oerbiete ber Särterin auf’s Strengfte, 
oaS ilinb mit furepterregenben ©rpplungen p unter¬ 
halten. So es aber tpunlicp ift, (affe man baS Ä'inb 
bie ipm gurept einflögenben ©egenftänbe genau be¬ 
trachten unb erfläre ipm bie Urfacpe jeber ©r)cpeinung, 
melcpe baS ^inb erfepreeft pat. SJtit gan,^ anbern 
Vlicfen mirb ein $inb einem ©Jemittcr beimopnen, 
menn ipm Urfacpe unb Stupen beffclben erflärt mor- 


ben ift. Vei fleinen ^inbern genügt in ben meiften 
ftäUeu, felbft feine fturept ju geigen. 

©in roeiteres SJtittel bie Äcngftlicpfeit in ben &in- 
bern ^n befepmieptigen, beftept aber barin, ©otteSfurcpt 
in baS finblicpe $cr^ p pflanzen. ©S meig bann, bag 
eS nie allein, fonbern ftets unter ©otteS Scpup ift, 
oou bem SllleS, auep baS ipm Unbegreifliche, fommt. 

Sine gute ftlfijipfuppf. Xie Sranpfen behaupten, 
bag Stiemanb auger ipnen im Staube [ei eine mirflid) 
gute Vouiüon per^ufteUen unb boep beoarf eS nur ber 
pinreiepenben Äufmcrffamfeit, um biefeS p er^ 
reichen, ©ine gute Suppe mirb allein burep bie Be¬ 
reitung erhielt; eS fommt babei meniger auf Dualität 
beS JleifcpeS—älteres, mageres 5lcifcp gibt bie beften 
Suppen—felbft niept einmal auf bie Quantität beffei¬ 
ben an. Um rationell unb babei möglicpft fparfam p 
berfapren, fegen mir baS Sleifcp, naepbem baffeloc 
ioibie auep bie ftnodhen, Hein gefepnitten unbprpauen 
finb, in faltent Saffer auf’S $euer unb laffen eS lang- 
fam ermärmen. Sticht heftiges, fonbern gelinbeS, lan¬ 
ges ftoepen gibt bie befte Suppe, obmopl man nur p 
häupg ber Vernacpläffigung bieferSJtagrcgcl begegnet. 
Stacp einiger Reit mirb ber fich auf ber Oberfläche bil- 
benbe, aus ©imeigflocfen oeftepenbe Scpaum ab^e- 
fepöpft unb baS erforberlicpe Sal^ pinpgetpan. XaS 
nötpige Surplmerf gibt man nid)t früper, als eine 
Stunoe oor bem Änrtcpten in bie Vrüpe, ba biefelbe 
fonft leicpt einen p ftrengen, unangenehmen ÖJefcpmacf 
enthält. Slucp bie vlnmenbung beS braunen 3^cferS 
pm Bräunen ber Suppe ift bem ©efepmaef berielben 
niept oortpeilpaft. Sill man eine bunflerc J^arbe 
paben, fo ift bcrßufag oon etmaSfiiebig’fcpent^leifcp- 
ejtraft empfeplenSmertper. Xie fepmaefpafteften Sup¬ 
pen finb btejenigen aus gemifeptem glei)d), mie Stino, 
öammel, £mpn. |)at oaS J^lcifcp bic pinreidjenbe 
Seit gefoept, fo ift auf biefe Scije aller Saft bcffelben 
ber Brühe einoerleibt unb ber ausgefoepte Siücfftanb 
entpält faum nod) einen Staprungsftoff. SJtan nimmt 
nun baS Jett ab, giegt bic Suppe Durcp ein Sieb uub 
erpigt fie nochmals. Soll bie Suppe flar genoffen 
merben, fo lägt man fie immer foepen. XieS ift bic 
©runblagc aller ^leifd)brüpfuppen auf ber bie man¬ 
nigfachen Beränbentngen bafiren. 

3n ben Bereinigten Staaten nimmt bie ßapl ber 
grauen unb SJtäbcpen, melipe fiep ihren Lebensunter¬ 
halt augerpalb beS Kaufes oerbienen, oon ^apr p 
Qapr p. XaS nationale ©rjiepungSbureau ift gegen- 
märtig bamit befepäftigt, genaue Eingaben barüber ju 
famntelit. Äm 1. ^ult 1886 maren eS niept meniger 
als 3 SJtiUionen metblicper Bevfonen, bie fiep auf jolcpe 
Ärt ipr Brob ermerbeti; baoon finb 600,000 auf bem 
Lanbe mit gelbarbeitcn be[cpäftigt, namentlich in ben 
Baummollbiitriften beS SübcnS, 640,000 arbeiten 
in ben ftabrifen, 530,000 in Safcpanftalten, 280,000 
finb B u & ma d) cr üm cn ' 200,000 Jfleibcrmad)eritinen, 
60,000 arbeiten in ben ^errenfehneibermertftätten unb 
690,000 finb Bcrfäuferinncn, Lehrerinnen, Xelegra- 
ppiftimten, Bucpführerinnen unb Bonnen; fernergibt 
eS in ber Union über 2500 meiblicpe Äer^te. 

Ser mirb cnblicp noep foepen mollcn? 

3tnei ber ßaupteigenfipaften eines ©priften finb 
©ebulb unb Berträglicpfeit. ©ebulbig im Leiben, in 
Verfolgung, in Xrübfalen, in Stötpen, in Stampfen *c. 
Verträglich gegen bie Seit, gegen geinbe unb gegen 
anberS benfenbe SJtitcpriften ic. XaS Sort ermannt 
uns, uns in biefen Stücfen ju üben. Sie fepr aber 
eine folcpe Uebung notp tput, jeigt unS ber im Äflge- 
meinen fiep funbgebenbe Wangel an biefen ©igen- 
fepaften. 


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{Binkr unb Jladiriditrn für Htbritrr. 


157 


^Snnße unb IHatßridjfen für JlrBeifer. 


$er ftattliiße Vfarrßerr. ©in Heiner beutfeßer 
prft oerlangte tmn $r. SWartin Sutßer, er foüe ißm 
einen braöen, frommen, berebten, gelehrten, im Qu* 
«nbunterrießt bemanberten, fura einen mit allen ©r* 
Forbemifjen moßl auSgerüfteten ^rebiger, bem aber 
ein feßr geringes ©eßalt auSgefept mar, oorjdjlagen. 
Sutßer aeießnete einen ^rebiger auf ein ©tücf Rapier 
unbfeßiefte eS bem gürften mit ben SBorten: „2>a 
toben euer ©naben einen ftattlicßen '.ßfarrßcrrn auf 
Suren Sumpenbienft!" 

fcllerbings etmaS feßarf, aber richtig gefagt, unb mag 
(icß’S ieber, ber Seute fueßt unb brauet, ßmter’S Dßr 
idjreiben. 

$ite büß. 1. gange nießt an oßne Vorbereitung. 
Äomme mit einer moßl bereiteten Seftion aur ©onn* 
togfcßule. 2Bie tann einer leßren, ber nießt erft ge* 
lernt bat? SluS s JticbtS tommt 9cicßtS. Qcß fenne 
ßeßrer, bie eS an ber ©emoßnßeit haben, jeben ©onn* 
tag Nachmittag ober Slbenb ihre näcßfte Seftion bureß* 
julefen. ©äßrenb ber SBocße batten fie biefelbe im 
öinn, benfen Darüber nach, fammeln Qlluftrationen, 
lejen Darüber, füllen ficb fo au jagen mit ber Seftion 
an unb fmb bereit, menn ber ©onntag tommt. ©ie 
brauchen nicht erft bann £U fammeln, menn fie geben 
ioDen. 

2 . Sehre nicht über bie Äöpf e toeg. ©ebrauebe ein* 
fache Sprache, ohne große Söörter. Saß beine gra* 
gen unb ©rflätungen oerftänblicb fein. @3 ift eine 
Äunft, gragen richtig $u ftellen. 'Sie grage foll bie 
Antwort nicht anbeuten; fie foU auch nicht unflar 
ober irreleitenb fein. 

3. ©rfläre nicht, maS bu nicht berfteßft. Saß eS 
lieber fein ohne ©rflärung. ©s gibt $inge in ber 
Religion, bie noch fein SRenfcß ergrünbet hot. ©S ift 
©ottes Religion. SJfancßeS ift für ben Verftanb, baS 
fann ertlärt unb berftanben merben. SlnbereS mieber 
»ft in groß, hoch, breit unb tief für ben menfeßließen 
3oUßab. ©otteS SJafein, baS SBefen ber $reieinig* 
tat, bie Sttenfcßmerbung ©hrifti, — baS fiub SSaßr* 
feiten, bie mir mobl bemunbem aber nicht ertlären 
tonnen. 

4 ©ei nicht troefen. Qm Sehren, mie in ber Sanb* 
toirthfehaft berbirbt iu biel troefen SBctter bie ©rnte. 
Äan braucht nicht aueS au bemeifen, man barf auch 
ein menig malen. Qcbcrmann liebt Vilber. ©ine 
fcnetbote, ein munterer ©eßera, menn er angemeffen 
ift, eine furie ©efeßießte, gut eraäßlt. ermeefen baSQn* 
tereffe, berußten baS Jpera unb beleben bie Seftion. 

5. ©cßelte nießt. §alte Orbnung. $alte bie 3 ö 9 el 
mit fefter aber janftcr $anb. Vefteße auf ©ehorfam, 
«iftein roießtiger EEßeil beiner Aufgabe ©eßorfam 
$u lehren, fei nur nicht berbrießlich unb fcßelte nießt. 

6 . feenn bu fertig bift, hör’ auf. SBenn bu ein Vrett 
befeftigft unb ßaft ben ytogel am rechten ^ßlaß hinein* 
gemeben, bann hör’ auf. gäßrft bu mit dämmern 
rort, fo mirft bu bem s Jlagel ben Äopf abbrechen, bein 
flrett aerfeßmettern unb bein Söerf oerberben. $in* 
ber jinb tlein. ©purgeon fagt: „kleine ©efäße finb 
halb gefüllt/" 

tta einer Äinßrtäre. @S mar ©onntag, unb bie 
Seute gingen aum ©otteSbienft, benn bie ©locfe hatte 
töngft geläutet, ©erabeüber mar eine ©diente, unb 
tooor faß ein 3Äatrofe ; hatte bieSlrme über bie Vruft 
getreuat, bie ©igarre im SRunbe unb faß beräcßtlicß 


b’rein, mie bie 9Jh*nfcßen aur ftireße gingen.—25a faA 
auch ein 9)tann bes 3Bcgeö mit feinem ©efangbueß 
unter bem s 2lrm, ging an bem 9ttatrofen üorbei, faß 
ißn abfällig an, utto ber ^Jtatrofe faß ißtt auch an mit 
einem Sädjeln, ald bäcßte er: 2)u armfeliger 3tarr, 
ma^ läufft bu boeß in bie Äircße! 

$er mtann oerftanb biefen Vlicf feßr mobl unb 
mürbe nid)t aomig, fonbern blieb fteßen unb fragte: 
„greunb, roiüft bu nießt mit in bie Sßrebigt?" 

,,^ein \“ brummt jener barfcß, menbet jicß um unb 
bläft l>en ©igarrenbampf über bie ©cßulter. 

$er SJtann fäßrt aber fort: „greunb,bu mußtböfe 
Xage geßabt ßaben;—lebt beine Butter noeßV" 

Eüer s J)tatrofe betroßen, blitft bem gremben in^3ln* 
gefiAt unb fdjmcigt ftiUe. 

„VJenn beine Butter ßier märe/" fäßrt er fort, „bie 
mürbe feßr traurig fein!" 

SBctter fagte er nicßt$ unb ging ber Äircße au. $er 
SJtatrofe aber faß ftarr bor fi^ bm unb faß lange in 
©ebanten. darauf ftanb er auf, bie ©igarre fiel ißm 
aus ber^anb; erging langfam über bie ©a|fe ui b 
ift in ber Äircßtßüre oerjeßmunben. — Qn bem ^craen 
muß maS borgegangen fein! SBaSV icß fann’* moßl 
aßnen. $aS eine 3Bort „SNutter"" ßat ißm bie 
©eele getroffen. 

unb ba§ für ©ountagfihul^ehrer. Xaß bie 

©onntagfcßule bie ßäuslicße ©raießung nießt erjeßt, 
mirb moßl bon 9liemanb beameifelt merben; aberbaS 
Verfahren maneßer ©Itern mo^te bocß fdjließen 
laffen, baß man fieß in ber ©onntagfcßule einen be* 
beutenben ©rfaß für bie ©raießung „in ber gueeßt 
unb Vermaßnung aum 5>errn"" berfprießt. ©ie ift 
eben im Vergleich tut Sagfcßule unb ßäuölicßen ©r* 
aießung nur eine ©tunbe aur ganacn SBocße. ®tag 
moßl maneßer ©onntagfcßul*Seßrer feßon gebaeßt ßa* 
ben, menn ißm bei ben milbeti langen bie ©ebulb 
auSlaufen mollte: „könnte icß nur bie häuslichen 
Verßältnifje biefer Knaben umgevtalten, mie biel leicß* 
ter mürbe bie Arbeit ßier in ber ©onntagfcßule fein r 
&ber ift cS ben alfo ©ntmutßigten aueß feßon in 
ben ©inn gefotnmeti, baß ©onntagjcßulen alSbann 
nießt ßalb jo notßmenbig mären, als fie es jeßt finb? 
Viele unferer©cßüler empfangen ißre einzige religiöfe 
Anregung in ber ©onntagfcßule — unb ein ©egen ift 
eS, baß ißnen bie au Xßeit mirb. 

9Rau fei Jnrtftifiß. ©elbftberftänblicß muß unfern 
Äinbern in ber ©onntagfcßule fo biel biblifcße ©eo* 
grapßie unb ©efeßießte beigebracht merben, als baS 
Verftänbniß ber Seftionen erßeifeßt unb bie turae 3eit 
auläßt. Slber mer ba glaubt, mit biefem ertlärungS* 
rneifen Unterricht 3llleS getßan au ßaben, maS notß* 
menbia ift, ber irrt gerniß. Äein ©onntagWulunter* 
rießt ift bollftänbig unb erreicht ben 3mecf, ber ben 
Äinbem nießt menigftenS eine praftifeße SBaßrßeit be* 
aüglicß ißreS eigenen religiöfen SebenS beibringt. 

©in unbetannter junger 9tfann trat eines ©onn* 
tageS in ein ©onntagfebul * Sotal unb naßm Bntßeil 
an bem Älaffenunterricßt. ©r feßien jebodß mäßrenb 
ber ©rtlärung ber Settion gana tßeilnamloS. 

2US aber ber ©onntagfcßul = Scßrer bie praftifeße 
Änmenbung ber Seftion maeßte, mürbe er gana Cßr 
unb fteHte eine grage über bie anbere. ©päterßm 
erfußr ber Sebrer, baß biefer junge SRann reeßt biel 
SNißgefcßicf geßabt unb bis aur Verameiflung getrieben 


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iDinhe unb jladjridjtfn fttr febriler. 


worben fei, unb bog er gerabeum biefe Seit bie Sonn« 
tagfcpule befuepte, woburep möglicher äöeife fein geben 
in neue Gapnen geleitet würbe. $)er geprer follte 
mit ber lleberzeugung bor feine klaffe treten, baß 
•biefe jungen geute oom ©onntagfcpuljaal wieber in’d 
Hittagdieben piuaudtreten, um wäprenö einer anbern 
2 Sod e allerlei Verfügungen unb Kämpfe jn hefteten. 
2Sie notpwenbig, baß fie in ber ©omttagfcpule unb 
zwar burd) ben perzlid)en Appell bed gd)rerd üermit* 
telft ber geftion bagu einen heiligen Xalidman mit 
auf ben 38eg betommen. 

SUuftrationen. ©efepiepten merben niept nur bon 
Stinbern geliebt. 2Kan fann fie bei größeren klaffen 
ebenfo gut oerwenben. 

(Erftend füllte fiep jeber gehrer ein Notizbuch befor* 
gen, um fid) bartu wichtige Gegebenheiten aud bem 
geben au notiren. 3- ®- : Sch hörte einmal bie fol* 
genbe ©ejd)ict)te bon General SBaüace, bent Verfaffcr 
bon „Gen §ur." $cr erwähnte ©eneral SBallace 
ging einmal gu einer Verfatnmlung, meld)e ein be= 
fanntcr ©otteslcuaner über bie „^rrtpürner Gtofed" 
anreben wollte. (Er befcploß barauf, bte Gibel burd)* 
Aulefen, um fid) bann felber bon ber GtoJjrpeit ju 
überzeugen, (Er würbe babei aber fo feft überzeugt 
bon ber ©aprheit ber ©eprift unb bad (Ebangelium 
würbe ihm fo löftlicp, baß er baffelbe für fid) ald ge= 
bendcompaß ertor. Gtcin Notizbuch enthielt bon 
biejer ©ejepiepte nur bie folgenden Hnbeutungcu: 
„Gen $ur—Sngerfoll—91(le3 oerfeprt—Umgefeprt." 

ßweitend follte jeber gehrcr fid) ein fogcnamiteS 
©crapboof halten, um 3eitungdaudjcpmtte unb ber¬ 
gt eichen, wad ihm wichtig genug bünfr, barm aufzu* 
heben. (Ein wenig 9Jcüpe ift’d, fid) auf biefe SGBeije 
eine Sammlung bon Hnetboten, Slluftrationen :c. 
aufzufpeid)ern, aber ed ift ber 9ftüpe werth. 

Ungefünflclter Unterridjt. $er unwiHfürlicbe ober 
unetfütiftelte Unterricht ift nad) Willem boep ber e i* 
gentlidje Unterricht. 9*id)t wad wir und etwa 
borgenommen haben zu lehren, fonbern wad und ohne 
alle Hbfidjt entfdjlüpft, wirb oft am beften behalten 
unb ftiftet ben mciftcn ©egen. Ricpt bie Rrebigt 
über (Ehrlichfeit, wohl aber bie rcblicpc §anblungd= 
weife überzeugt unfere 3upörer. 

©ef) r treffen!) hat noch nicht fürglid) ein gehrer bed 
„VJortcd" einem fepr gelehrten Ungläubigen auf bie 
bielen (Sinweitbungen, bie biejer gegen ben cpriftlicpen 
©lauben machte, geantwortet: „'seien ©ie nur ganz 
ehrlich/' fagte jener gehrcr; „bas (Eoangelium (Epriftt 
ift ihnen barum unbequem, weil ©ic fid) 3P rc ©*tt* 
lieh feit felbft gemacht unb feine guft haben, nach 
ber gorberung ber ©ctjrift ihr gleifd) z« freuzigen. 
Hlled, wad ©ie ta oorbringen, um mich zu überreöen, 
gpre W i f f e n j ch a f 11 i ch e Ueberzeugung fei wiber 
ben Gibelalaubcn, ift im©runbe nur ein geigenblatt, 
um Shre vlbneigung gegen ben fittlicpen (Ernft ber 
Gibel auf eine anftänbige SSeife zu bcrftccfen." 

$er fWnnn auf ber flauer. $ort fepreitet ein 
Sttann auf einer hohen flauer einher. Huf feiner 
©cpulter trägt er eine fcparfgelabenc Güdjfe. SSad 
will er bort oben? $>en Vögeln näher ju Kommen, 
um fie zu fdjießen? flit niepten. $ad VMlb, bem er 
nachfteUt, entwijept niept im ftluge, ergreift aber befto 
häufiger bad ^afenpanier. innerhalb ber SJtauer ift 
ein jeltjam begrenzter §of unb in bem §ofe ift ein 
maffiüed ©ebäube mit bunfeln 3 e Ü cn - $er Sftanit 
auf ber 9Jlauer aber hält bie SBacpe, bamit fein $n* 
jafje biejer 3eUen entlaufe, ©eine Hufgabe ift cd unb 


bafür wirb er bezahlt, bafür zu forgen, baß deiner 
heraudfommt bon benen, bie ba brinnen fi£en. 

Xad erinnert an einen 9Jlann, beffen Hutgabe ed ift, 
bafür $u forgen, baß Utiemanb pineinfommt. 2Jer 
eine will ben Verbrecher reformiren, ber Hnbere bad 
Verbrechen oerpüten. tiefer le^tere trägt feine 
Gücpfe auf ber ©cpulter, feine einzige SSaffe ift bie 
Gibel in ber $anb. (Er befteigt feine popc flauer, 
©eine ©phäre ift innerhalb einer Älaffc k naben, ©r 
juept in bie ©emüther berfelben ©runbfä^e zu pflan= 
Zen, bie oor ber Verbrecperlaufbahn bewahren, feel-- 
eper twn biefen beiben leiftet wohl bem ©laate mepr 
'Jfuüen: Xer bezahlte ©taatdbeamte ober ber ©oun^ 
tagfchulleprer, ber feine Hrbeit ber giebe unbezahlt 
oerrieptet. 

Spaten <$otte£ reben für fid) felbft unb bebür^ 
feit niept unjrer boftrinärcri Rechtfertigung; l a f f e n 
wir fie nur zu 3Gßo rtc Kommen; treiben wir 
mehr (Ebangelifti’f ald Xogmatif unb erzählen 
ftatt zu bociren. Öanz fpeciell gilt bad ooit ber © 
jd)id)te bed gebend 3 c fu. @d gibt feine er* 
pabenerc, tieffinnigere, ini)altdreid)erc (A)efd)id)te ald 
biefe, unb mächtiger ald bie feparf jinnigfteti bogma* 
tifepen Xeßnitionen, Gegriffdentwidelungen unb Ge* 
weidführungen erzeugt unb ftärft biefe (äefcpichtc ben 
©lauben an bie ©ottijeit Seju ooit Nazareth 
unb an bie © r l ö j u n g d f-r a f t jeined geibend unb 
©terbend. ©o pat nie ein Gfenjd) gerebet, gcbanbelt, 
gelitten, wie Sefud oott Hazaretl). ©d ift oft über* 
rajepenb, weld) einen (Einbrud auf bie gupörer aller 
Stlajfen ed maept, fo ipuen einzelne 3üge bed gebend- 
bilbed 3^fu pft)d)ologtfcp oermittclt, lebenbig unb an* 
fcpaulid) oorgefüprt werben. 

^ünftliipfett uitb Brette, ^ie gonbener ©onn* 
tagfcpul*Union befifct iu einem iprer oier ©elrctärc 
einen ^Jfann, ber berühmt ift wegen feiner Rünftlid)' 
feit ititb % reue, ©r ift fdjon fiebenzig Sapre alt, aber 
feine 9ied)tjchaffenheit unb bie ©rünblicpfeit feiner 
Hrbeit fanu niept übertroffen werben, ©eiu 3Bort ift 
fo aut wie ein (Eib unb ed niacpt ipm greube allen 
Hnforberungen pünftlicp naepzufommen. (Er ift ber 
befriebigenbjte (Eorrefponbent, wenn bu in beinern 
Grief jed)d fragen an ipn ftellft, fo wirb er bir mit 
feebd Hmwortcn erwibern. 

Gerüprft bu in einer Unterrebung fünf Runfte, 
über welcpc bu Hufjdjluß wünfepeft, fo erpälft bu tn 
nerpalb 24 ©tunben ober fobalb er fid) barüber er* 
funbigen fann, einen Grief wie folgt: „Su Gezug auf 
bie erwähnten fünf Runfte" :c. unb bann folgen fie 
alle ber Reipe nacp,nebft allem, wad er barüber zu ja 
gen weiß. 

SBirb ipm bon einem (Eommittee eine Hrbeit über* 
tragen, fo tput er fie unb ftattet bann einen audfupr* 
licpen Gericpt barüber ab. 

tiefer Gparafter unb bie ©emütpdart, bie zu fol* 
epem ßparafter füprt, foüten emftlicp empfoplcn 
werben. ^£)ie öaft unb Unruhe unb' bie bewegliche 
unb vielfältige Gejcpäftigung bedamerifanijepen Vol* 
fed, bropen ben ©efd)äftdcparafter zu herber ben. Un 
genauigfeit unb 9facpläffigfeit im kleinen erzeugt Un¬ 
treue im ©roßen. 

hierin liegt eine moralijepe gehre, bie ber ©oitn* 
tagfcpul^gcprer niept überfepen foutc. 

Vebtttaungen bed erfolgreichen gehrend. Um fei* 
neu ©cpülern eine ©aepe wieptig rnaajen zu fönnen r 
muß ber geprer felbft oon iprer 9Bicptigfeit burci)* 
brungen fein v (Eine gettion, bie ihm nidjt eineCueUc 
ber Schönheit unb bed ©enuffed ift, wirb auep ipiten 


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Sonniagfd)ul=#chtionrn. 


159 


trotfen, gefchmacfloS unb nufcloS fein. Xenn SRicmanb 
gtebt me^r, als er t^at. 

hieraus ergiebt fid) baS Gebürfniß, bie fieftion, 
Ddd)e gelehrt werben foll, foforgfältig unb grünblid) 
311 ftubiren, baß man ihren feerth unb ihre Derber* 
oene Schönheit entbeeft unb Don ihnen begeiftert wirb, 
samt wirb Der Vortrag in ber ftlaffe nicht troefen 
unD fdjwerfäOtg, fonbern eine genußreiche Gejdjäfti* 


gung fein, ©in Derartiges ©tubiurn ber Dorgefchrie* 
benen fieftion fegt ein gewifjcS 9Jfaß Don ©elbftbe* 
herrjdjung, allgemeiner Gelcfenljeit unb geiftiger 
iljätigfcit DorauS, woburd) ber ©eift fällig ift, einen 
©djag Don Qbcen, 5l)atfad)en unb ©runbiägen fid) an* 
jueignen. Xann erft wirb er im ©tanbe fein, lebenbig, 
ausführlich unb Deutlich *u lelfren. Xamt wirb auch 
fein gehren eine frifdje uno erfolgreiche Xtjätigfeit fein. 




^omttttgfdjuf - JeRüonen. 


Sonntag, 6. 3Rär$. 3fßßft Opferung, i gjjof. 22 ,1-14. 


1 . $atb biefen ©efdjidjten berfuditf ®ott ©brafjam unb fprarf» 
ji itnn: «bratjam ! Unb er antwortete: £ie bin i(p. 

1 Unb er iprad): 9fcimm 3iaaf, beinen einiflen Sofjn, ben bu 
lieb &aft, unb getje bin tn ba* ßanb ©toriia; unb opfere ibn ba* 
iftbftjum ©ranbopfer auf einem ©erge, ben itb bir lagen werbe. 

8 . 2 )i ftanb ^(brabam be* ©borgend frühe auf unb gürtete fei= 
nea ftfri, unb nahm mit fid) Awren ftnaben unb feinen Sobn 
3iiat, unb fpaltete © 0 I 3 Aum ©ranbopfer, mad)te fid) auf, unb 
ging bin an ben Ort, baoon ihm Sott gefaßt batte. 

4 . ttm britten Xage b“*> Äbrabam feine «ugen auf, unb fabe 

fcte Starte üon ferne; _ . . 

5 . Unb fpracb 311 feinen ftnaben: ©feibet tbr bie mit bem ®icl; 
tdj nnb ber ftnabe wollen bortbin geben; unb toenn wir äuge? 
betet baben, wollen wir wieber au eud) tommen. 

6 . Unb ttbrabam na Um ba* $ola &um ©ranbopfer, unb (egte 
«auf feinen Sobn ^faaf; er aber nahm ba* ^euer unb ©lener 
in ictne ©anb, unb gingen bie beioe miteinanber. 

7 . 2a iprad) 3 faat au feinem ©ater 9tbrab«m: ©lein ©ater! 
Sbrabam antwortete: £ie bin idj, mein Sobn. Unb er iprad): 
Siebe, hier ift ftencr unb $o!a; wo ift aber ba* Sdjaf Aum 
©ranbopfer? 


8. Slbrabam antwortete: ©lein Sofjn, ©ott wirb ibm erfebeit 
ein Sd)af aum ©ranboprer. Unb gingen bie beibe mit einanber. 

9. Unb al* fie tarnen an bu* Stätte, bie ibm ©ott fagte, bauete 
Stbrabam bafeltft einen Slltar, unb legte ba* jpols brauf, unb 
banb feinen Sobn 3iaaf, legte ibn auf benSlltar oben auf ba* 
$olA, 

10. Unb reifte feine $anb au*, unb fafTete ba* ©leffer, baß er 
feinen Sobn frf)Iad)tete. ^af. 2, 21. 

11. Xa nef ibm ber CJugel beb .fScrrn bom #tmmel unb fpracb: 
©brabam, Slbrabam ! Cfr antwortete: #ie bin id). 

12. (Sr fpracb: ßege Deine ftanb nicht an ben & naben, unb tbu 
ibm nid)t*. $enn nun weift tdj, baß bu ©ott fiircbtcft, unb 
baft betneb einigen Sohne* hiebt öerfibonct um meinetwillen, 
©öm. 8, 32. 

18. Xa bub ©brabam icine klugen auf, unb fabe einen ©ibber 
hinter ibm in ber Jede mit fernen Römern bangen: unb ging 
bin, unb nahm ben ©ibber, unb opferte ibn um ©ranbopfer an 
feine* Sohne* Statt. 

14. Unb ©biabam hieß bie Stätte: Xer fterr ftebet. Xabir 
man ned) heutige* Xage* faget: Stuf bem ©erge, ba ber #err 
Hebet. 


ViMtfAer ©runDflcbanfc. ,,©ott wirb ihm crfchen 
ein ©Äaf jfum ÜÖranDopfer.^ 1. 9ttoj. 22, 8. 

^inlcirung. günfunDawan^ig ^abre ftnb Dergan* 
gen feit Der Vertilgung ©oDomS. ^ie Verheifjung, 
Deiche Der ^err Abraham gab, War läng ft in CrrfüU 
lung gegangen; 3faa! war jum jungen 3Kann her* 
angewachfen. 

abraham Sieben mit Den Vewohncrn DcS 

SanDes unb erfreute fid) eines ruhigen fiebenSabcubS. 
9tod) war er ftar! unb fräftig, obgleich er ein 2Uter 
oon ginhunbert unb füufunb^wanjiQ Sahnen erreicht 
hatte. ®r jeßaut hofftiunaSDoll ber gufunft entgegen. 
2a lommt plößlid) bie fwwerfte ©laubenSprobe über 
ihn — Öott forbert Don ihm bie Opferung feines ein* 
jigen ©opneS 3f aaf 8 um ^ranbopfer. 
frfläntng. 

1. 2. ®iele 3^ee lang h^le Abraham auf 
Den Derpeißenen ©amen, in welchem bie göttliche 
Verheißung ihnt erfüllet werben follte, geharret. 
Snbli^ hatte Der £>err ihm ben erfehnten fieibeScrben 
gegeben. 92un biefer ^um 3üngling herangewachjen 
tft, ergeht an Abraham baS SBort beS ^>errn, ben 
einzigen, ihm als ©rben ber Verheißung gegebenen 
Sohn im Sanbe SWorija auf einem Verge, ber ihm 
gezeigt werben foü, ©ott als Vranbopfer barpbrin* 
gen. Xiefeä SBort tarn Don bem perfonlichen, wahren 
Sötte, welcher ihn, nach Den Dielen <&efd)id)ten feines 
Gebens, oerfuchte, b. h-Ft Prüfung nnb Bewährung 
ieineS ©laubeuS baS Opfer beS emsigen, geliebten 
Sohnes bon ihm forberte. 

%tx «uSgang biefer Gegebenheitjeigt, baß ©ott 
nid)t bie Opferung 3faafS burch Schlachtung unb 
Verbrennung auf bem vlltare berlangte, fonbern nur 


bie Döfligc ©ingabe beS ©ohneS unb bie GereitwiHig* 
feit, benfelbeu auch Durch Den Xob ©ott 511 opfern. 

iennod) lautete ber göttliche Gcfcl)l io, Daß 2lbra= 
harn ihn nicht aitDers, als Don einem äußeriid) 
DolI^ichcnDeu GranDopfer Derftehen fonnte. Abraham 
war auch nicht im ©taube. Die Döüigc Eingabe 3iaars 
anDerS 511 bethätigen, als Dnrd) Die thatjäd)lid)c Ge 
reitheit, Das Derlangte Opfer wirflich Dar^ubringnt. 
^aljer Dicfer Gefct)l (Lottes an ihn. 

G. 3. 4. Abraham nal)m feine Vernunft gefangen 
unter Dem ©chorjani Des ©laubctis. ©r amcifelte 
nicht an Der SBahrijeit Des ^Bortes ©ottce, Das er auf 
eine innerlich ihm untrügliche 3Beife oernommen hatte, 
fonbern ftanb feft im ©tauben, (©br. 11 . 9). 

Ohne fid) mtt gteijd) unb Glut 511 berathen, machte 
Abraham fich am frühen ©forgen auf Den ©3eg mit 
feinem ©ohne 3ßmf «ab ^wei Unechten, um Dem gött 
lidjen Gefehl nachäufommcn. 

Ohne yweifel waren Die Drei Xage feiner SRcife bc* 
ftimrnt, ihm Seit flu geben für Den großen tfarnpf, 
ber in feinem Innern Dor fid) ging, ©e wirb angc 
nommen, baß bie „©tätte" Der Gerg ift, auf welchem 
©alamo ben Xempel baute. ©iel)e 2 (^l)ron. 3 , 1 . 

V. 5 — 8 . ÄngefidjtS Des fernen GergcS ließ 
Abraham bie Slnedjte mit Dem ©fei jurücf, um mit 
3iaaf allein ben legten jd)Wcrften ©atig ^u machen, 
feie unenblich bcbcutfam, l; e Ü l 9 mtb furchtbar ihm 
bie Opferftättc fein mußte, tft nur angcbcutet. 
bort auf bem Gergc oorgehen werbejöllen bie ütned)tc 
niebt mit anfeheu, weil fie biefeS „Änbetcn" nid)t f 
fafjen Dcrmögcn, unb Der 9lu3gang ihm fetber, trog 
Dem hinftugejügten: „wir wollen ju eud) jurüdfeh 
ren/' nod) tn bas tieffte Xunfel gehüllt ift. 


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lßO 


Sonniagrdjul-fthHonrn. 


®cr weitere ©ang wirb $. 6—8 umftänblid) be- 
f*ricben, an^ubeuten, meid)* gewaltigen inneren 
Stampf ieber Sdjritt oorwärts bent '-Baterperjen bes 
Sßatnardjen getoftet! (£r mit bem geuer unb mit bem 
Opfcrmeffer in ber §anb unb ber ©opn Opferpotj 
auf feinen Sputtern tragenb — fo gepen fte beibe 
mit einanber. 

®ic wenigen aber bebeutungSreicßen SBortc „äRein 
©ater T mein ©ohn!“ bcjcic^ncu bie ©cßwere De* 
©ange« für Mbraßam, welche bie ©ntfcßiebenßeit fei¬ 
ner OpferwiUigteit nur um fo mehr ßeroortretcu 
läßt. 'llbraßam will unb fann bem ©ohne ben gött* 
liehen ©efebl noch nicht mittheilen, barum bie aus* 
weießenbe Antwort: „©ott wirb fidj ba* Opfer er- 
fehen." 

©. 9.10. 2ln ber be$eicßnetcn ©tätte angetommen, 
baut Abraham einen Vlltar, legt ba« $on auf ih m 
$urecßt, binbet feinen ©ohn unb legt ihn auf bas $01$ 
be« Elitär« unb ftreeft feine $anb au« unb nimmt oas 
Keffer, um feinen ©ohn $u fehlten. Von einem 
©träuben ober jammern Öf aatö n i$t« Ö c f a Ö t * 
Offenbar fott er bamit als ba« willige Opferlamm 
bezeichnet werben. 

©. 11—13. 5)er ©ngel feßreitet ein. 55enn nun 
weil ber $err, baß Abraham gottesfüreßtig ift, baß er 
feinen ©laubensgeßorfam bis $ur Opferung feine« 
eigenen, geliebten ©ohne« bewährt, ba« Opfer tm 
$cr$eu fchon oollbracßt unb ber göttlichen gorberung 
ooüe« ©cnüge geleiftct hot. 

® 14. Pöcß biefem 55reinfeßen ©otte« benannte 
Abraham bie ©tätte: „55er $err ließet," b. ß. erfleht. 
55 er $err erfaß, inbem er in feinem ©ngel fuß $u ießen 
gab, b. ß. erjdfienen ift. 

©rafHfdpe ©ebanren. 

3faaf* Opferung jeigt un«: 

I. ttbraßam« ©lattbenf probe V. 1. 2. 

55 er herrjehenbe ©runbgebanle in unferer fiettion ift 
bie Vollenbung be« ©laubenSgcßorjams be« Abraham 
in ber Opferung feine« ©ohne« 3faat. 

©oft hatte Abraham oerßeißen, baß in ihm alle 
©efcßlecßter ber ©rbe gefegnet fein foUen. 2lber er 
war finbcrlo«. Konnte Abraham ©ott glauben, fo 
lange er feinen ©ohn hotte unb menfchlich gerebet, 
feine SlnSftcßt für einen ©rben borhanben war? 3a, 
Abraham glaubte bem $errn unb c« ift ihm gerechnet 
$ur ©ereeßtigteit. 

Pad) langem, langem $arren war 3faaf geboren, 
unb wir fehen, wie ein neuer Uebeustag für ben 
Patriarchen aufleuchtete. 5>ie Verheißung ©otte« ift 
erfüllt. 55er ©rbe ift borhanben! Vlbraßam jollte 
aber noch fernerer geprüft werben. 

Kann er glauben, baß in ihm alle ©efcßlecßter ber 
©rbc gefegnet fein Jollen, wenn er ihm ben ©ohn ber 
Verheißung ßinwegnimmt ? ® ott „b e r f u ch t e" 

Abraham! ©r ftellte ihn auf bie feßwerfte probe. 

3faaf opfern! Verftehft bu ma« ba« heißt — 
was ba« ift, bon ba an, wo ba« Opfer auf bem Vlltar 
gebunben — bi« bahin, wo ba« Pieper ge$ücft wirb — 
bi« bahin, wo nur noch eine $anb boll s 2lfcße übrig 
ift? — ©er will ba« genauer betreiben? ©S tann’s 
wohl Piemanb. 

II. Kbraham« ©laubenggefjorfam. V. 3—10. 

©ortloS gehorcht Abraham. — ©r übt feine Kritif 
an bem göttlichen ©ebot; er murrt nicht, flogt nicht, 
er fragt nidft einmal: „$err, warum?" ©r fprießt 
nicht, weil er nicht fann. unenblicßer ©cßmer$ macht 
ftumm. ©r braucht ja auch nicht $u fpretßcn. $an¬ 


beit e« fich ja hoch barum, ©ehorfam $u be weifen! 
Unb bas thut er. 

grübe bes borgen« fteßt er auf unb trifft bie nöti¬ 
gen Vorbereitungen, ©r jpaltete jelbft bas $ol$ $um 
VranDopfer; er fattelt jelbft ben ©fei $ur Uieije. 55ret 
Xage lang foll er reifen bi« $ur ©tätte be« Opfern«. 

©r joll niept im ©türm heiliger ^eiDenjcßaft ba« Opfer 
bringen, ©r foll gan$ unb ooll wifjen, wa« er tßut; 
er jou mit oollfontmuer Pücßtemßeit unb ohne alle 
Ueberftür$ung eiitgehen in ben ©cg unb ©lUen ©ot- 
tes. niur auf biefe ©eife wirb ba« Opfer ooll* 
wertßig. 

Abraham wanft feinen STugenblid. 9lngeficßtS be« 
Vergcs, auf bem ba« Opfer ftattfinben füllte, ift er 
ruhig gefaßt, entfchieben: ,,©enn wir angebetet ßa= 
beu, tomiuen wir wieber!" 55er Mnftieg geicßießt ftiU- 
jeßwetgeno. ©tille herrjeht ringsumher. 

55 er ©oßn unterbricht bie stille mit einer ßer$- 
burchbohrenben grage. 2lßnungsloje Kinber fönneu 
ihre ©Item mit ihren unjehuloigen gragen aui’s 
iyurchtbar|te martern. Slber vlbraham iß gefaßt, ©r 
piibec bie rechte Antwort, ©r baut ben Vlitar, binbet 
ben lieben ©otjn auf ba« $ol$ be« Elitär«, er erfaßt 
bas Wtefjer unb reeft feine $ano au«, um ben Xooce» 
ftoß $u führen! — 55a« ift ©el)or|am bes ©lauben« 
bis auf bas '2leußerfte. 

111. Abraham« ©(aubenllopn. V. 11—14. 

©ott fielet, baß $wifchen bem frampfhaften ©rfaffen 
be« Pleiter* unb bem. Xobesjtoß jelbft fein Untertcpieb 
mehr i|t. ^a« Opfer ift gcfchepen, obgleich es nicht 
ba$u fotnmt. „ s Jtun weiß ich, & a & bu ©ott fürchteit 
uno l)aft beiues eigenen ©oßue« nicht berjehonet um 
meinetwillen." 5;a« ift ber üohn, ben Vloraham’s 
©laube ipm cinbracßte! 5)er Verfaffer be* ©bräer^ 
briefes jagt: „Vlbrat)am baeßte, ©ott fann auch 
woßt bon oen booten auferweefen (©br. 11,19). 55ie» 
fes 55enfen würbe $unt ©cßreien, ba* ber $err ßörte 
unb ehrte. 

„55er $crr fchaut brein." ©o nannte3lbra- 
ßam bie ©tätte. 3a, $ur reeßten ©tunbe )d)aut er 
brein unb läßt fieß tpüren. VSenn bie yfotß ani gröfe* 
ten, ift bie $ulfe am uäcßften. Keiner wirb $u ©cßan- 
ben, ber bem $ernt aui s äöort folgt unb jicß gan$ 
unb gar auf ißn oerläßt. s 2lbrahant naßm feinen 
©oßn wie oom £obe wieber. Vater unb ©oßn finD 
nun nießt nur mit ißrem ©ott, fonbern auch mit ein- 
anber tiefer al* bisher oerbunben. ©* lohnt fieß, Dem 
$erm $u oertrauen! Um ißm aber $u oertrauen, mix j* 
|en wir un* ißm gan$ ergeben. 55’rum laßt uns mit 
s Ängclu« ©ilefiu* bitten: 

$öd)fter ^Sricfter, ber bu bieß 
isjeltlt ßcoprert Jjaü für mic^, 

XJufe oo^, bilt 1 id), no* aur «rben 
mein oein Opfer roeroen. 

Xrafle aur ben Ältar 
Unb oerbrenu' midj gana unb gar, 

C, bu atterbödifte liiebe — 

Sag bod) gar nut)td bon mir bliebe! 

Slnbctttnngen für Klaffen. 1. SSeife man ßin auf 
©otte« Slbficßt in ber gorbenmg, baß Slbraßam fei 
nen ©oßn 3f oa * opfere: 1) ^tbraßain* ©taube an 
bem $erm joll fieß bewähren; 2) ©r foll o f fe n- 
bar werben; 3) 5)ie ßoßen gorberungen ©otte« an 
un* in feinem 55ienft follen e r! a n n t werben; 
4 ) ©ßrifti Opfer follte oorgebilbet werben.^ 2. ehe 
man aufmerffam auf bie©haratter$üge Abra¬ 
ham«: l)©läubcn; 2) Pünttlicßfeit- 3) StuSbguer; 
4) ©ntf^iebenßeit; 5) ©rgebung. 3. ©ott forbert 
oon un«, baß wir ißm: 1) oertrauen; 2) gehorchen; 
3) 9llieS weißen. 


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SonnlagfdjuUI’rhtionfn. 


161 


Sonntag, 13. 3Knr^. 


ütafob tu Stthd. 


10. Wer 3föfob joa au* Pon ©erfaba, unb reiiete ßen §arart. 

11 . Unb tarn an einen ßrt. ba blieb er über 9tad)t, benn bie 
Sonne war unteraeflangen. Unb er nahm einen Stein be* Ort*, 
unb legte ißn £u feinen $äupten, unb legte ftd) an bemfelbigen 
Ort fmlafen. 

12 . Unb ibm trdumete, unb ließe, eine Ceiter ftunb auf ffirben, 
bie rübrete mit ber Spifce an ben ftintmel, unb ließe, bie ®ngel 
®otte* fliegen bran auf unb nieber; 

13. Unb ber Aerr ftunb oben brauf, unb fpraeß: 3<ß ßin ber 
Petr, «braßant*, beine* Sater*, ©ott, unb ^fa«*** ©ott; ba* 
Sartb, ba Du auf liegeft, will icß bir unb beinern ©amen geben. 

14. Unb bein ©ame lod roerben, wie ber ©taub auf (Stben, 
unb bu foUft au*gebTeitet werben gegen ben Wenb, borgen, 
SBitternacßt unb ©cittag; unb bureß bieß uitb beinen ©amen fei¬ 
len alle ©cicßledjter auf (Erben gefeguet werben. 

15. Unb ließe, icß bin mit bir, unb will bieß behüten. Wo bu ßin= 
jiebeft, unb wiQ bid) Wieber berbringen in bie* 8 anb. Denn icß 
will bi<ß rrießt laffen, bi* baß id) tßue 21Ue*, wa* id) bir gerebet 
babe. 


16. Da nun 3 atob bon feinem Scßlal anfwachte, fpracfi er: 
©ewifjlidj ift ber #err an biefem Ort unb id) wußte e* nid^t, 

17. Unb füreßtete ficö, unb fpraeö: ©ie heilig ift biefe ©tätte! 
hie ift nicht* anber*, benn (Hotte* £au*, unb hie ift bie ©forte 
be* #iminel*. 

18. Unb 3afob ftunb be* SJtorgen* frühe auf, unb nahm ben 
©tein, ben er jtu feinen Raupten gelegt hatte, unb richtete ihn 
auf 511 einem ©tat, unb goß Oel oben brauf, 

1 ». Unb hieß bie ©tätte ©etßel; borbin ßieß fonft bie ©tabt 
Sn*. 

20. Unb 3atob that ein ©clübbe unb fpradj: So (Hott Wirb 
mit mir fein, unb mtch behüten, auf bem ©ege, ben id) reife, unb 
©rob au offen geben, unb SUeibcr aiuu^ieheu, 

21 . Unb mich niit Uneben wieber heim au meinem ©ater brin= 
gen; fo lofl ber §err mein ©ott fein; 

22 . Unb bief er ©tein, ben id) aufgerichtet habe ju einem TOal, 
foU ein ©otte*ßau* werben; unb »He*, wa* bu mir giebft, beß 
will ich bir ben Sehnten geben. 


fKIltfißer ©runbaehanfe. „©emißlidj ift ber $err 
an biefem Ort." 1. $Ro|. 28,16. 

$inleititti 0 . 

3fflaf mar 60 gahre ult, al« if)m bie gmillinge 
®fau unb gafob geboren mürben. $)er Sljaratter 
biefer ©rüber mar oom ©runbe au« üerfdjieben. 

Cfau mar ein milber gäger. gafob ein überlegen- 
ber neferätnann, ber mit großem ©charffinn fein ©e- 
ftbaft betrieb. $ie ©erfdjiebenljeit be« ßhurafter« 
beiber ©rüber trat balb in einem befonberen gall zu 
luge, ber für ihren $*eben«gang entfdjeibenb mürbe. 

Cjau, einftmal« ermübet oom gelbe nad) ,§aufe 
fommenb, fielet bei gafob ein ©eriebt Sinfen unb Der- 
langt mit heftiger ©ier baoon zu effen. liefen §eiß- 
hnnger be« ©rubere benußt 3>afob oaju, fi* bon ihm 
fein €rftgeburt«red)t berfaufen zu taffen. &a« ©rft- 
geburtöreebt hotte bie ©ebeutung ber ^errfdjaft über 
bie ©rüber unb bie ganze gamilie unb be« 2lnred)t« 
auf ben ©erßeißung« - ©egen, melcher ben fünftigen 
©eßh Sanaan« unb ber ©unbeSgemeinfchaft mit ge- 
hooa in fid) fcßloß. 

Xa« mußte gafob unb ließ fid) baburch berleiten, 
ber göttlichen gügung oor^ugreifen. $a« mußte aber 
auch 6fau unb beachtete e« boeb nicht. 

9(1« nun gfaaf in* ©orgefuhle be^ nahen Xobe« 
feinem älteren ©ohne ben ©egen erteilen mollte, 
mußte 9tebeffa ihn ju hintergehen, unb ihrem Sieb^ 
ling 3alob ben ©ater^=©egen ^u fichern. ©fau’ö Äla= 
en unb Seinen über ben ihm entzogenen ©rftge^ 
urtd*©egen oermanbelte fich balb in toötlichem .§aß 
gegen ben ©ruber, ©alb, — meint er — ftirbt mein 
alter ©ater, bann mill id) Qfafob untbringen. M13 
Äebefta bon biefem 9lnfchlage ft'enntitiß erhielt, rieth 
fie 3atob, $u ihrem ©ntber Saban nach $aran ju 
ziehen unb bort zu bleiben, bi« be« ©ruber« 3 orn f l $ 
legen merbe. 2luf biefer SReife finben mir Q-afob in 
mtferer ©onntagfchul*8eftion. 
frflirnng. 

8 erl 10—12. ©on ©erfaba, mo 3f aof bamal« 
meilte, Äap. 26, 23, nach &<*ran ö« manbernb, traf 
Jafob auf einen Ort, mo er übernad)ten mußte, meil 
bie ©onne untergegaimen mar. , Jffr fließ an ben 
Crt“ brüeft bie bon ©ott gefügte Sahl biefe« Ort« 
ium 9ladhtlager au«, melcher burdj bie folgenbe ©ot^ 
te«offenbarung befannt gemorben ift. (S« mar eine 
laime, gefährliche Steife bon 450 SReilcn. 

Xie ^immel«leitcr ift ein finnboHe« ©ilb ber un- 
unterbrochenen ©cmeiufchaft ©otte« im Fimmel mit 
ben ©einigen auf ©rben. Xie ©ngel auf berfelben 
auf- unb abfteigenb, bringen bie ©eburfniffe ber 9Jten 
)(hen zu ©ott hinauf unb ©otte« §ülfc unb ©dju^ zu 


ben 3Renfd)en herab. $ie Reiter ftanb auf ber ©rbe 
ba, mo 3alob einfant, bon äRenfdjcn berlaffen, arm 
unb hülTloä lag; oben auf ihr im Fimmeljteht ber 
§crr unb beutet ihm burch fein 2Bort ba« ©ilb, ba« 
er fief)t. 

©er« 13—15. 911« bem ©ott feiner ©äter fid) 
hmbgebenb, beftätigt er 3ntob nicht nur alle ©erhei* 
ßungen ber ©äter iit ihrem ganzen Umfange, fonbern 
er berbeißt ihm auch ©emahrung unb ©d)uh auf fei¬ 
nem Sege unb 3urücffiihrung in bie fteimath- 
Seil aber bie Erfüllung oiejer ©erheißung für 
0afob noch in meiter gerne liegt, fo fügt ©ott ba« 
ftd) feftoerbiirgenbeSort hinzu: „3ch merbe bicb 
nichtberlaffen, bi« baß ich gethan hüben 
merbe, ma« ich *>i r flerebet." 

©er« 16—19. sticht Die SUIgegcnmart ©otte« mar 
3afob unbemußt, fonbern baß ber §err in feiner her- 
ablaffenben ©nabe auch h^r f ern bom bäterlichen 

t aute unb fern bon ben feiner ©erchrung gemeinen 
tätten ihm nahe fei, ba« ahnte unb mußte er nicht. 
SDiefe Offenbarung follte nicht allein bem ©egen, 
mit meldjem 3faa! ißn au« feinem Jpaufe entlaßen — 
.tap. 27, 27—29 — ba« ©iegel ber göttlichen ©eftä- 
tiguug aufbritefen, fonbern zugleich 3 a fnb tief einprä- 
gen, baß, obfdjon ber ßerr igm aud) in ber grembe 
fd)ühenb unb leitenb nage fein merbe, hoch ba« fiaitb 
ber ©erheißung ber heilige ©oben fei, auf melden 
ber ©ott feiner ©äter feinen ©nabenbuub aufridjten 
motlc. 

©ei feinem Segzuge au« biefem Sanbe follte er 
einen heiligen ©egauer bon ber ©nabengegenmart 
©otte« in bemfelben mit in bie grembe nehmen. 
Xarum bezeugte ißm ber £crr feine s J?ähe in einer 
Seife, bie einen erfchüttemben ©mbrud macht. 

9lm 9Rorgen barauf richtete gafob, um für bie 
golgezeit ein ©cbäd)tniß ber empfangenen ©otte«er 
Meinung zu ftiften, ben ©tein zu feinen ^äupteii zu 
einer $enffäulc auf unb goß Oel auf feine ©pißc, 
um ißn zu einem $entmale ber ißm girr miberfap 
reuen (Baabe zu meihen. 

3ugleich gab er bem Orte biefer ©egebenheit ben 
kanten ©ethei, b. i. §au« ©otte«, mogeaen bie 
©tabt Anfang« Su« hieß, ©cthel lag im ©ebirge 
©pbraim, an oer ©traßc bon gcrufalem nach Sichern, 
3 1 .,' ©tnnbeti uörblich bon gcrufalem. 

feer« 20—22. gafob fprad) ba« ©elübbe au«: 
menn ©ott ben zugefagten ©djuß ihm auf feiner 
Säuberung erzeigen unb ißn mohibchaiten in’« bätcr^ 
ließe ^)au« zuriirfführen merbe, fo follte ber .'berr ißm 
©ott fein, ber zur $cntfäule aufgericßtetc ©tein zu 
einem ftaufe ©otte« merben unb ber i&crr bon 2(Uem 
ma« er ihm gebe, ben Zehnten erhalten. 


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162 


SfRntagrdplUfrhtunrn. 


Xiefed ©elübbe enthält brei fünfte: 1) ift ed nur 
eine Srflärung bcr öorßergeßenben ©erßeißung; 
2) ift ed eine jeßr befcßeibene Srflärung berjelben 
(Sffen, ftleiber); 3) betont er ben ©unft am meiften, 
melden bie ©erßeißung $u jeiner weiteren Prüfung 
bnntcl gelaffen Ijatte, nämlicß im ^rieben Haufe 
feined ©aterd juriieffeßreu *u bürfen. 

Heber bie (Erfüllung biefed ©elübbed erfahren mir 
and ftap. 35, 7, baß ^afob naeß feiner 9iücffebr $u 
©etßel einen Elitär baute unb maßrfcßeinlicß aueß ben 
ßepnten $u ©ranbopfem unb Xanfopfern unb mil* 
ben ©oben üermenbete ($ap. 31, 54; 46,1). 

©raftifrße ©ebanfen. 

Xie Himmelsleiter. 

Sine Seiter ift ein jeßr gemößnlicher Slrtifel, beffen 
man fieß aber nur in folcßen gräuen oebient, in melchen 
fein anbered Hülfdmittel jiureicßenb ift. ©äßrenb oer 
©runbgebanfe einer Leiter in ben beiben ©orten 
©erbmbung unb © e m e i n f cß a f t feinen 2lud- 
bruef finbet, barf nicht überfeßen merben, baß ber 
31 n b 1 i cf einer Seiter oie © cß m i e r i g f e i t ber ©er- 
binbung auf ber einen ©eite unb anberfeitd bad 9R i t- 
telaurUebcrminbung biefer ©eßmierigf eit Der- 
anfeßauließt. 

©on biefem ©eficßtdpunfte aud betrachtet, berfteßen 
mir ben Xraum Qafobd ju ©etßel einigermaßen. 
$ braß am, ber greunb ©otted, beburfte eined fol¬ 
cßen ©ilbed nid)t. 3hm mar ber ©eg ium H^iRen 
offen unb befannt. SÜtofed, ber mit ©ott oon s Xn= 
gefießt $u Slngeficßt rebete, mie ein SJtann mit feinem 
ftreunbe rebet, mußte bon teiuer Ä l u f t $mijcßen ißm 
unb feinem ©ott. Xer ©falmift fonnte fagen: 
„3cß bleibe ftetd an bir!" (©). 73,23). 

©arum beburfte 3afob biefer Srfcßeinung? 2lcß, 
ed ßatte fieß eine große $luft $mifchen ißm unb feinem 
©ott gebübet unb fernSJiittel jurueberbrüefung 
berjelben feßien ißm borßanben %u fein! Xad Stacßt- 
gefießt fagte ißm n i cß t, ed fei ferne ftluft borßanben. 
3m ©effentßeil, feine Sntfrembung bon ©ott mürbe 
nur beftätigt. ©äre 3afob mit ©ott bertraut unb 
berbunben gemefen, mürbe er bad ©efießt ber Htm- 
meldleiter nteßt beburft ßaben. 

©ie aber mar biefe $ luft entftanben ? Sd mar bie 
Sünbe, bie ben Srben ber ©erßeißung bon feinem 
©ott getrennt ßatte. Safjet und bie feierlichen ©orte 
bed Hrorn nie bergeffen: „Sure Untugenben fdjeiben 
eueß unb euren ©ott bon einaitber, unb eure ©unben 
Derbergen bad 5lngeftcßt bon eueß, baß ißr nießt ge- 
ßöret merbet." (3?f- 59,2). 

Xie erfte griiißt, bie 3 a *°&3 ©ergeßen ißm ein- 
braeßtemar -XäufcßungunbUnjicßerßeit — 
Sr fann nießt länger im elterlichen Haufe berbleiben; 
er ift feined Sehend bor feinem erzürnten ©ruber 
nießt länger fiißer. — Sr muß fließen! Xurcß 
bie ©eantmortung bon brei fragen lernen mir ben 
3nßalt unferer Seftion in ißrer praftifcße^Slnmen- 
bung beffer berfteßen. 

I. ©ad mar her ©rnnbjng in 3afobd Sßarafter? 

Mntmort: Sr ßielt fieß für meit beffer ald er in ©irf- 
ließfeit mar. — 9hcßtd feßabet ber Sntmicflung bed 
Sßarafterd jo jeßr, ald©elbftüberßebung. 3a- 
fob moeßte fi<ß $mei Xinge p ©ute ßaltcn. 1. ©ar 
er ber rechtmäßigeSrbe ber ©erßeißung unb ed mar 
ißm barum $ u tßun, ben ©egen Der Srftgcburt 
bon jeinem ©ater flu empfangen. 2. Sr mar ein 
„guter 3 u n 0 e" unb braber ©oßn jeiner SJtutter 


im ©egenjaß $u feinem raußen, milben ©ruber Sfau, 
ber auf ber 3agb umßerfcßrneifte. 

©ibt ed nießt noeß ßeutc ©onntagfeßüler unb er- 
maeßfene Seute, bie biefen Sßarafter$ug mit 3afob 
tßeilen. Sd ift in ber Xßat feßlimm mit und befteflt, 
menn mir glauben, baß mir beffer finb ald anbere 
Seute. ©ott bemaßre und bor folcßem ©aßne! 

II. SWit melden ©efäßlcn unb Ucberjeugungen 
berfieß 3afob bad elterliw $aud ? ©etreffd ferner 
©tcllung ju feiner Butter, feinem ©ater unb feinem 
©ruber, mar er überzeugt, baß man ißn audge- 
f u n b e n ßatte, in jeiner uneßrlicßfeit unb §intermt. 

©erabe barum, meil er fein m o 111 e, mad er nießt 
mar, mar er in ben Slugen feined ©ruberd fo tief ge- 
funfen, baß er ißn ju tobten befcßlojfen hatte. 

Xie 3öelt unb ber Xeufel geßen befonberd ruef- 
ficßtdlod mit ©olcßen um, bie fteß in ißrer grömmig- 
feit b e r ft e 11 e n. 3°*nt u ß fließen! Dßne 
meele, oßnc irbifeßen ©cfiß, oßne ftneeßte, oßne ©e 
gleiter, geßt er mit leerer öanb ßinaud in bie 
meite Söelt. 3 n f^ner eiligen flucht nimmt er nur 
feinen ©tab mit auf ben 450 teilen langen 2Beg naeß 
Haran. 

SBie arm, leer unb bon allem ©Uten a u d g e j o- 
gen muß fuß 3afob auf feiner einfamen ©Sanberung 
borgefommen fein! SJtit Sinbrucß ber 9facßt befanb 
er fieß in äußerer unb innerlicher ftinfterniß un ^ 
©eßreefen. Xer ©Bea ber Untreue unb bed Ungcßor» 
famd ift ßart. SBoßl bem, ber mie %alob, ju biefer 
Sinficßt gelangt! 

III. ©ie ging ber Herr mit 3afob am ? Sr aeigte 
ißm bie H^nimeldleiter! SBarum bad? 3 a f°& er* 
fennen, baß ber fich mit ihm berbinben mofle. Xiefe 
Seiter fpriit benlebenoigen ©erfeßr ^mifeßen 
Himmel unb Srbe aud. 

Xie Himmelsleiter & on oben naeß unten, be^eießnet 
bie Offenbarungen, ©Borte unb ©erßeißungen ©otted 
unb bie Himmelsleiter bon unten naeß oben, be$eicß= 
net ben ©lauben, bie ©eufjer, ©efenntniffe unb (Ge¬ 
bete. Xie auf* unb nieberfteigenben Sngel finb bie 
©oten unb bie ©innbilber ber ©öaßrßeit eined per¬ 
fön ließen ©erfeßrd jmifeßen ©ott unb ben 4fcen- 
jeßen, 3afob fofl erfennen, baß ber Herr ißn, trofc 
feiner untreue, nießt berlaffen ßabe, bad fießt er 
aueß ein, mie ßeilig mirb ißm biefe ©tätte! Sd ift ißm 
©otted H<*ud unb oie Pforte bed Himmeld! Sr betet 
an unb opfert; er errietet bie Xenffäule; er maeßt 
ein ©elübbe unb meißt fieß auf’d 9feue feinem ©ott. 

ftntoeutnngen für klaffen. HJfan greife in ber 
©cßilberung jurücf unb betraeßte, mad fich bei ber @r= 
tßeilung bed üäterlicßen ©egend iutrug: Sjau’d 3om 
unb audgefprocfacned tffacßegefüßl,—3afobd glucßt,— 
bie Steife, — 3 a ^ 0 ^ äußerliche ©erßältniffe, — innerer 
Ruftanb. ©ein Stacßtlager. ©cßilbere ben Ort. Qa- 
fobd Xraum. ©Barum ßatte 3<*fob biefen Xraum. 
©ieße praftifche ©ebanten. — ©ad 3<Uob faß, ßörte, 
mad ißm berßeißen mürbe. — ©irhmg bed Xrcui 
med auf 3ulob beim Srmacßen. ©ludruf. ©elübbe. 

9Jtan fonnte aueß bad ©innbilb ber Seiter in'd (£m- 
jelgeßenbe audmalen. Sßriftud bie Himmeldleiter. 
Ober bad Sehen bed Sßriften eine öim* 
meldleiter. 1. ©ie beginnt mit ber Srfuuutig 
ber näcßftliegenben ©fließten. 2. ©ie füßrt aufmdrtd 
©cßritt für ©cßritt. 3. 3b r ift ©olfommenßeit! 
4. ©ie )ucßt unb ßat ©emeinfeßaft mit ©ott. 5. (js 
mirb immer ßeHer unb ßerrlicßer. 6. ©tan geßt enb* 
ließ uim Himmel ein. 


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$o«ttt(ic)fd)uU£tkH«nrn. 


163 


Sonntag, 20. SRärj. 3<lfob$ tlCUCt 92am(- 1 9Rof. 32, 9-12; 24—30. 


9. fBriter fpradj 3fatob: ©ott meine« ®ater* abrabam, unb i 
»ott meine« »ater« 3faat, $err, ber bu mir gejagt tjaft : Beucft 
»ieber tn bein ßanb, unb ju beiner ßrcuiibidjaTt, tdj miu bir 
roobübun; 

10 . 3 $ bin ju geringe «Her ©armberaiflteit unb aber Ireue, 
bie bu an beinern frnecnte getljan baft; benn idj batte nidjt mehr, 
»eber biefen Stab, ba idj über biefen ftotban ging, unb nun bin 
i«b jwri $eere roorbeu. 

11 . Errette mich oon ber fianb meine« ©ruber«, oon ber §anb 
ttfau; benn idj furzte midj oor iftm, baft er nidjt fomme, unb 
fdjlage midj, bie wütter fammt ben ftinbern. 

12 . $u baft gefaßt: 3$ will bir woftlttjun, unb beinen Samen 
na<ben, tote ben Sanb am ©teer, ben man nicht aätjlen tann Oor 
ber Stenge. 

91. Unb blieb allein. $>a rang ein Wann mit iftm, bi« bie 
Sorgenrötlje anbrad). 


‘25. Unb ba er fafte, baft er ifjn nidjt übcrmodjte, rutjrete er ba* 
©elent feiner Äiifte an: unb ba« ©elenr feiner $itfte roarb über 
bem fRingen mit ifjm oerrcnft. 

I 26. Unb er fpradj: 2aft midj geben, benn bie Worgcnrötbe 
bricht an. aber er antwortete: tftp laffe bidj nidjt, bu fegneft 
I midj benn. 

27. ©r fpradj: ©ie beifteft bu ? ®r antwortete: $afob. 

28. Sr fpraaj: j)u follft nicht metjr Jtatob beinen, fonbern 
Ofraet. Denn bu baft mit ©ott unb mit SRenfdjen gefämpft, unb 

| bift obgelegen. 

i 29. Unb 3«tob fragte ibn unb fpradj: Sage bodj, wie beifteft 
bu? Sr aber fpradj: SBarum fragen bu, wie ich heiße? Unb er 
| fegnete itjn bafelbft. 

30. Unb $atob hieß bie Stätte ©niel; benn ich babe ©ott oon 
I angefidjt gefefjen, unb meine Seele ift genefen. 


8i!(ifi}er ©runbgebanfe. ,,©r aber antwortete: | 
3 <h laffe bidj nidjt, bu fegneft mich benn/' 1 2Hoj. | 
32,26. 

Einleitung, Vierzig Sabre finb berftrtchen feit 
jener SRadjt, ba Satob ba« Draumgefidjt au Vetfjel 
batte. Diefe melen Sa^re hatte er im Sanbe §aran 
oei feinem Dljeim Saban augebradjt. ©r befinbet ficlj 
nun roieber auf ber §eimrei}e. 

©r ift nidjt länger ber einjame SBanberer, wie wir 
ibn in ber lepten Sonntagfchuüeltion lennen lernten, 
©r ift ein görft geworben, reich an Äameelen, Scha- 
fen unb Ddjjen. ©r bat awei SBeiber unb elf Söhne. 

Durdj bie mißgünftigen Sleußerungen ber Söhne 
2 aban« über feinen wadjjenben SReidjthum unb bie 
fidjtbar werbenbe Verjtimmung Saban« gegen ihn, 
fag fich Salob genötigt, Saban *u oerlaffen unb 
Ijeumoart« ju aieljen. ym elterlichen §aufe waren 
bie Stimmungen gegen itjn noc£ nicht oerfdjwunben. 
Dton hatte nicht nach iljnt gefdjiclt. ©fau hatte feine 
Drohung noch nicht ^urücfgenommen. üßun h ö ^ er 
auch noaj oon feinen ftunbfdjaftem, baß ©fau ihm 
nicht nur leinen 5rieben«grufj iiberfanbte, fonbern 
[ogar mit 400 ftreitbaren 9ftämtern ihm entgegen- 
fomme. Jährlich bie 9toth war groß tn ber Sufob 
ftch befanb! 

Sa« foll er beginnen? Sein©ewifjen fchlägtihm, 
um feine gamilie ift er beforgt. ©« oleibt ibm nur 
ein Seg offen—er nimmt feine äuftod)* ä u im 
©ebet. 

irllärung. 

Cer« 9 “l 2 . D)iefe« ©ebet trägt alle ©igenfehaf- 
ten ehte« rechten ©ebete« in fich- ©« lommt au« 
einem bebrängten iper^en; e« ift ein 9lothfd)rei. Sfcotb 
lehrt beten. (©« ift ein Sommer, bafj wir gewöhnlich 
unfer öerjeletb nicht fühlen; barum finb unfere ©e- 
bete oft fo unbeftimmt unb fraftlo«. 

©rften« wenbet fich So^°o an ben ©unbe«gott, 
ben ©ott feiner Säter. S w e i t e n « erinnert er an bie 
Xhutfadje, baft er fich auf bem SBege ber Pflicht befin¬ 
bet; ber buju mir gefagt höfc Stehe ic. 
(Äap. 31, 3). dritten« belennt er feine Unwür- 
bigfeit; „S^ &tn su gering/' Vierten« 
bergiftf er nicht, wa« ber fierr bereit« an ihm gethan; 
,Sch hatte nicht mehr, benn biefen Stab, 
nun bin ich S^ei §eere geworben/' Sanf¬ 
ten« bittet er um ©rrettung bon ber §aitb feine« 
Sruber«. Sechsten« ergreift er ben ©ernt bei 
feinem SBort: „4)u ha ft gejagt" ic. 

Der ©laube bängt fich an bie Sjerbeifcungen ©otte« 
unb entwirfelt fie. Dur* biefe« ©ebet würbe S a f°& 
geftärlt unb getröftet. Der ©rhörung au« ©otte« 
3 ujage aewig, jteht er auf unb banft fepon burch fein 
nächfte« feornehmen für bie ©nabe, bie fein ©ebet bei 
©ott gefunben. 

Der liebergang bon 33er« 13 bi« 23 $eigt, wie S« 5 


lob entfchloffen ift, ftd) gegen feinen 33ruber 511 ber 
halten. @r will nic^t fliehen bor ©fau, fonbern ihm 
entgegen gehen unb ih» mit £iebe«beweifen betämpfen. 
©r hanbelt nach bem 2 Kotto: ‘‘Ora et labora”; ^etc 
unb arbeite. 

®er« 24 — 26. M Unb blieb allfin." Sefct, ba 
Salob 2llle« in« Steine gebracht $u haben meint, be¬ 
ginnt erft bie größte 9toth. 

Söohl hatte er nach feinem ©ebet in ©otte« Ver¬ 
heißung muhe gefunben, aber ba« Scßulbgefühl er¬ 
wacht boch wieber in ihm. 9)tit ©fau ift er nod) nidjt 
au«gefübnt. Der 3orn feine« Vruber« fcheint ihm 
ein gerechter 5 « fein; foute ber gerechte ©ott Öiejen 
brechen, um bie 3 u fage feiner ©nabe $u halten? 

©« ift ihm auf« Veue al« wäre äße 3 aberfid)t ber- 
fdbwittiben, al« fei e« faft unmöglich, baß ©ott ihm 
ben ©ingang in*« gelobte Sanb geftattet. ©r fühlt, 
fein öer£ ift noch aich* tedjt mit ©ott. ©r muß ba« 
vlngeficht be« ^errn fehen, ehe er in ba« ?luge feine« 
Vruber« fdjauen lann. 

Unb fiehe! ©in wunberbarer Vorgang ßnbet ftatt! 
Daß e« ein wirtliche« ©reigniß unb nicht ein bloße« 
©eficht war—beweift bie lahme Jpüfte— © in a u n 
lommt ju ihm unb ringt mit ihm, bi« bie 
SJtorgenröthe anbricht. 

Da« Söort Vtngen, welche« nur hier borfommt, be- 
beutet winben, fim entwtnben; e« ift wuraelberwanbt 
mit fich berfchränten, bidjt ©lieb an ©lieb fich anfaf- 
fen. Diefer 3Jtann fieht, baß er ben Salob nicht über- 
winben lann, unb berrenft ibm barum burch $Tn- 
rühren bie $üfte. So ftar! ift ber 2Wann, baß er 
burch bloße« 2lnrühren ben Salob lampfunfähtg ma 
chen tann unb boch bermag er e« nicht, fich Salob au 
entwinben! 

Dennoch ließ Salob ihn nicht, wenn er ihn uidjtau- 
bor gefegnet habe. Salob erfennt in iljm ben »errn 
felbft, barum fein Seitbalten an ihm. Salob |ühlt, 
er muß fich jefct ben Segen, ben er bom Vater mit 
Sift erworben, mit Sieben erbitten bon bem geheim 
nißboflen, göttlichen 9Jtanne. 

V. 27—29. Der $err fegnete Salob, inbent er 
ihm ben tarnen S^rael, b. h- ©otte«lämpfer gibt. 
2ln bie Stelle feine« Serfenhalteit« ift jept bei ihm ein 
heilige« Kämpfen getreten, baber foll er nicht mehr 
Salob heißen, fonbern S^rael. 

3Ba« Salob über bieVerjon be« wunberbaren Ääm 
pfer« unb über 3ioed unb Vebeutung be« Kampfe« 
m wiffen brauchte, ba« hatte er febon gealjnet, al« er 
oenfelben nidjt, ohne oon ihm gefegnet an fein, ent 
laffen wollte, unb noch &cutlidjer Durch ben neuen 
tarnen erfahren, ben er oon ihm empfing mit ber 
©rllärung: Du Ijaft mit ©ott unb mit äßenfdjen gc- 
fämpft unb bift obgelegen. Darum wirb ihm feine 
Nachfrage nidjt beantwortet, V. 29. 

Sn ber ©eftalt eine« 3J?annc« war ihm ©ott ent 


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164 


$onntagfd)uU£ehtionrn. 


gegen getreten, b. h- nid)t in einem geraffenen ©n= 
gef, fonbem in bem ©ngel Des §errn, ber fidjtbaren 
©rfd)einuug De* unfidjtbaren ©otteS. 

©er$ 30. DaS ©ebächtniß DiefeS munberbaren 
Kampfes oeremigt Qafob burd) ben Warnen, ben et 
bem Orte, mo er fid) ereignete, beilegt: ©nicl, b. i. 
2lnaefid)t ©otteS, weil er bafelbft ©ott non Wngefid)t 
ZU &ngefid)t gefepen unb feine Seele oom Dobe ge¬ 
rettet morben mar. 

©raftifdje ©ebanfeit. 

©on $etpel, bem Haufe ©otteS (fietje lepte get* 
tion), fommen mir nun nach $niel, bem Wngefid)te 
©otteS. Diefe beiben Warnen bezeichnen ben Unter* 
fchieb in bem ©rabe bcS S^tteS } um Sxrrn. ben 
Qafob genießen burfte. 3 U fiet)t Qatoo ben 

Herrn oben über ber Himmelsleiter unb Dies ©e= 
ficht mirb ihm nur im Traume zu Dheü. Wm 3ab* 
bof begegnet ihm ber Herr felbft in leiblicher ©eftalt 
unb nimmt ben 3meifantpf mit ihm auf. Dieje bei* 
ben Offenbarungen bezeichnen bie beiben ©pochen im 
geben gafob’S. 

©iele 3°^ rc liegen zmifchen biefen beiben 3eitpe= 
rioben. ©ein bisheriges geben muß für ihn unbe* 
friebigenb gemefen fein. gafob fann nicht in teber 
Hinftmt als ©orbilb für alle 3eiten gelten, ©r ift 
fein ^beal, fonbem ein mirflicher SWenjd), in melchem 
bic fünbliche Waturanlage im Kampfe liegt mtber 
einen beffern ©eift; aber in harter geibenSfd)iile, bie 
fein .geben zu einem trüberen macht, als baS feiner 
Leiter gemefen, ftap. 47, 9, mirb er mehr unb mehr 
geläutert. — 2Bir fragen: 

I. SBaS erjieft Jafob als ftnttoort (eines ©ebetcS? 

1. ©ine neue Watur. gafob heißt er nach 
feiner angeborenen ©emanbtheit unb Schlauheit, gegen 
melche ber phpfifdj ftärfere, friegerijehe ©fau, jomie 
ber felbftfüchtige, berechnenbe gaban ben kürzeren 
Ziept. WIS ber Scbmädjere, burd) bie ©erbältuiffe 
untergeorbnet, glaubte er auf ben föeg ber gift ange* 
miefen au fein. 3ept aber mirb er einer neuen Watur 
theitl)aftig. „3ft 3emanb in ©hrifto, fo ift er eine 
neue ©reatur, baS Wltc ift oergangen. Siehe eS ift 
alles neu gemorben." (2 ©or. 5,17.) 

2. .traft mit bem Herrn unb mit Wien* 


f d) e it, b. h- er hat obgelegen im tampf mit ©ott 
unb im Stampf gegen ©fau. ©ott mar ihm gnabig 
gemorben. ©fau hat er nicht länger zu fürchten. 

3. ©ine tiefere ©rtenntniß©otteS. 3a* 
tob tonnte zmar nicht baran zweifeln mit mem er 
gerungen, aber er mollte zu ber Ueberzeugung bes 
©laubcnS nod) bie ©emißheit bes SchauenS haben, 
barum bat er, baß ©ott ihm felbft fage mie er heiße. 
Die Wntmort aber lautete: 5öic tannft bn noch eine 
anbere ©emißheit forbern, ba bein ©laube flar er* 
fannt hat, mer bein ©cgner unb Helfer gemefen? 
Unb ber Herr jeguete ipn. Die gitrdjt mar üer* 
fchmunben. Seine Seele mar geuefen. 

II. SBoburd) fodtc 3afob an biefen großen Segen 
erinnert m erben ? 

1. Durch b ie ©er än berun g feines W a* 
m e n S. täglich foUte er burd) feinen neuen Warnen 
an baS ©roßc erinnert merben, baS ber Herr ihm ge* 
than hatte, ©r ift nicht länger ber gerfenl)alter unb 
Hintertreter, fonbem ber ©otteStämpfer. 

2. D u r d) bie ©eränberung, bie feinem 
ftörperroiberfuhr. ,,©r hmfte an feiner Hüfte/' 
— Durd) jein ganzes geben hinburd) fodte er mit 
jebem Schritt unb Dritt, bei jeber ©emegung feines 
StörperS baran erinnert merben, baß eine große 33er* 
änberung'in feinem ©fjarafter unb geben ftattfanb. 

3. Durd) ben 3£ed)fel beS WamenS oom 
Ort, an meldjem bie große ©eränberung 
ftattfanb. ftatob nannte bie Stätte fßniel: 
„Denn id) habe ©ott ooit Wngefidjt gefehen unb meine 
Seele ift genefen." 

ftttfeeutunaett für Älaffen. Satob’S geben unb 
SSirfen in Iparan. ©erhältniffe zmifchen ihm unb 
gaban. Sein Verlangen zurHeimath zuriitfzufehren. 
Die ©reigniffe zmifchen ihm unb gaban bet fernem 
Söcgzug. ©roßer Weichthum gafobS. Seine gurdjt 
oor ©fau. geblfd)lag beS ©eriudjS ber ©erföljnung 
zmifchen il)m unb ©fau. Seine 3uflud)t b n ©ott im 
©ebet. Sein Stampf mit bem ©unbeSengel. H^" 
lieber Sieg. Weuer Warne. Die ©erinberung, bie 
in ©jau’S ©efinnung gegen feinen ©ruber oor fid) 
ging. ©rüberlid)eS ©egegnen unb oodftänbige WuS* 
jöhnung. 


Sonntag, 27. Wtärz. äHäfeigfeitfc&ltion. 


1 2«0f. 9, 18—27. 


18 . 2te Söhne 9toab. bie aud bem Uaften oingen, ftnb biefe: 
Sem, ßam, ^apbctf). ßam aber ift ber Suter Üaiiaan^. 

19. finb bte brei SöbnefWoat), bou benen ift alle« 2anb bc= 
iebt. 

20 . 92oab aber fing an, unb marb ein Slcfermann, unb pflaumte 
Weinberge. 

21 . Unb ba er bc* TOeiit« tranf, marb er trunfen, unb lag in 
ber §ütte aufgebetft. 

22. 3)a nun Jpam, CSauaane Später, fabe feine« $ater« Stbam; 
fagte er*« feinen betben 33rubern braußen. 

23. 5Ja nahm Sem unb ^apbctb ein Uleib, unb legten e« auf 


ibre beiben Schultern unb gingen rüctling« bin^u, unb beetten 
ipre« Sater« Sajam au; unb ihr &ngeftdjt mar abgemanbt, baß 
ge ibre« $ater« Sdjam nicht faben. 

24. 911« nun 9toab ermaepte bon feinem ©ein, unb erfuhr, toa* 
ihm fein Heiner Sobn getban batte; 

25. Sprach er: ®crflucbt fei (Sanaan, unb fei ein Änedjt aller 
Änechte unter feinen förübem. 

26. Unb fprach meiter: belobet fei ©ott, ber $err be« Sem; 
unb (Sanaan fei fein ßnecht. 

27. ©ott breite ^apheth au«, unb laffe ihn mohnen in ben $üt« 
ten be« Sem; unb ttanaan fei fein ftnecht. 


©iblifdbfr ©runOgtOanfe. „SBehe Denen, fo Hcl s 
Den finD 3öein zu faufen/' 3d. 5, 22. 

3fit. ©tma 2348 3°h^ oor ©hrifti ©eburt. $alD 
nam Woah’ö WuSgang aus Der 2lrd)e. 

Ort. 3rgenDmo int Hochgebirge Armeniens. 
3eilbcrhältnifff. Die SünDfluth mar oorüber. 
Woah hatte mit feiner ^amilie unb adern 3?ieb Die 
Wrd)e oerlaffen. Die ©tnrid)tung DeS Opferaltars 
batte auf’s Weue ftattgefunDeu unb Der H^rt hatte 
feinen ©unb mit Woah unb Dem ganzen fomtnenben 
Wtenfchengejdjlecht erneuert. Der 3$ater mit feinen 
Söhnen begann Die Söeacferung DeS ©rbbobenS. Der 
erfte SBeinberg, oon Dem mir lefen, mirb gepflanzt 


unb Die folgen DeS unmäßigen ©enuffeS Oon ©ein 
mirb als mamenbeS Jöeifpiel üermerft. 

©rflärung. 

öerS 18. 19. DaS in Diefer gettion au {gezeichnete 
©reigniß aus Dem geben Woah’S nach Der ^luth zeigt 
uns Die föeime für Die zünftige ©ntmicflung DeS 
5Wenfd)engefchlea)tS in Dreifacher Wichtung, roelcbe 
in Dem ©harafter feiner Drei Söbne oorgeoilbet ift. 
2Beil oon ihnen ade fünftigen ©efcmed)ter unb Hölter 
abftammen, fo merben hier il>re Warnen mieberholt 
mit Dem auf DaS golgenbe oorbereitenben 3 u faße: 
„Ham aber ift Der Sater DeS ©anaan/' 33on biefen 
Dreien breitete fich Die ©rbbeüölterung aus. 


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äonntagfdjuUftktiontn. 


165 


Ceti 20. 21. 'JJoah als 2lderSmann fing an, 
©einberge $u pflanzen. Sen burd) bie ©unbflutl) 
unterbrochenen Slderbau fepte er lieber fort unb er» 
gan$te ü)n burd) ben neuen Söeinbau. Armenien, 
»o er fich mit ber 2lrd)e niebergelaffen batte, ift ein 
altbefannteS SSeinlanb. „Sie Aeljn Xaufenb fanben 
m Armenien alte, wohlbuftenoe SBcine, unb noch 
beute wächft bort oiel trefflicher VSein, felbft noch in 
einer ©ohe bon 4000 guß über ber 2JfeereSfläd)e." 
laß ber SBeinbau aus Sfien ftammt, ift befannt. 

Ser SBeinraufd) macht ben 9JJenfd)en nad)läfßg, 
auch in Beziehung auf OiefAlechtSfünben. SieS toirb 
hier bamit angebeutet, baß 9Joah, in feinem $elte i 
lieaenb, unbewacht ficb trüber baS ©efep ber ©ajam» 
Ijüftigfeit entblößte. 

Cerl 22. 23. SaS Verhalten beS VaterS in bie» 
jem gaüe bienet, bie ©erzen feiner ©Öhtte offenbar 
$u machen. 

©am fab bie Blöße feine# VaterS unb geigte eS fei» 
nen beiben trübem braußen an. Seicht genug, feine 
Äugen an ber ©djanbe feinet VaterS $u weiben, muß 
er feine febanbbare greube auch feinen trübem funb» 
tljun unb oamit feinen fdjamloS ttjierifc^en ©inn of» 
fenbaren. 

Sic trüber bagegen beden mit ehrerbietiger ©eben 
bes VaterS Blöße mit einem STleibe au unb bewiefen 
bamit eben fo fel)r wahre finblidje CS^rfurd^t als ^arte 
Äeufcbbeit unb ©d)amt)aftigfeit. 

Cerl 24—27. Um bieäpriidje Woah’S über feine 
Söhne zu oerfteben, muß man erwägen, baß bie gei» 
füge unb moralifcfje ÜRatur bes ©tammüaterS auf 
iemc 9Jadjfommen ftd) bererbt. 

3n bem oerfebiebenen (£harafter ber ©ohne ftoah’S 
ift bie Verfdjiebenheit ber moratifeben Anlagen ber 
bon ihnen abftammenben Völfern oorgebilbet. 

3« ber ©ünbe ^am^ liegt ber ©chanbfled beS gan» 
jen fünftigen ©ejdjlechtS, oefjen ©auptdjarafter bie 
$leifd)eSfunbe ift, unb ber glud), ben 9Joal) überbiefc 
sünbe auSgefprodjen, laftet noch auf ben hamitifdjen 
Golfern. 

aller ttnedjte." Obgleich biefer glud) nur 
über Kanaan auSgefprod)en wirb, fo nötljigt bod) 
fdton ber Umftanb, baß ©am toeber für ficb noch für 
jeine anbern ©ohne 9lntl)eil an bem ©egen ÜRoah’3 
erhält, anzunehmen, baß in CEanaan ©am’S ganzes 
®efd)lccht oon bem f5rlud)e mitgetroffen wirb. 

3d)on ju 3ojua’3 £eit werben bie (Eanaaniter oon 
bem $um ©efd)led)te vsem’s gebörenben gSrael t^cil# 
auSgerottet, tpeüS z um niebrigften ©flaoenlooS üer» 
urtbeilt Qof. 9, 21; 9Rid)t. 1, 28—35) unb ber SReft 
roiro oon ©alomo bem gleichen ©efchide untertoorfen 
(1 Äön. 9, 20). 

Xem glucpe gegenüber toerben ©egensfprüd)e über 
Sem unb ^apbetp auSaefprochen. Statt bem ©em 
©eil zu wunfepen, preift Woap ben ©ott ©cm’S unb 
beutet bamit ben ©baratter beS ^>eil#, baS ibnt au 
7h«l toerben foü. SBenn ber ©err ©em’S ©ott wirb, 
fo wirb ©em ©mpfängcr unb Srbc aller ©eilSgüter, 
toelcbe ©ott ber SRcnfcbbeit jugebad)t bat. 

9raftif<he ©ebanfen. 

(£s ift gewiß ein trauriges ©reigniß, baS unfere 
Sonntagfdjul» Seftion berichtet. Sie Xrunfenbeit 
Woalfil 

$oab, bem alle SBaffer ber ©ünbflutb nicht gefd)a» 
bet, toirb bureb bie unbewachte Unmäßigteit, burch 
em SWaß Sem gefchäbigt! ^a^ ift ber fd)toar*e 
Rieden in feinem ÖebenT ^n feinem betrunfetien 
^uftanb wirb er ©egenftanb ber frechen Verhöhnung 
unb fept ft* bem ©Pott feine# ©ohne^ ^>am prei^! 

Um bie Votbwenoigteit unb Vebeutung ber 


ßigfeit beroorjuheben wirb un3 hier bas ft'ebrbilb ge» 
$eigt. SSir werben auf brei 'Singe aufmerffam ge 
macht. 

I. Sie ©djanbe ber Srunfeubeit. 

Sruntenbeit ift ba3 Saftcr, in welchem man in fol» 
chem Uebermaße bem ©enuß beraufchenber ©ctränle 
fich ergibt, baß man baburch feiner Vejonnenheit be» 
raubt unb ^u feiner Berufsarbeit untüchtig wirb. 

Sie Srunfenheit macht einen tollen Darren nod) 
toller. Ob aud) fdjon ein Vieh nicht mehr fäuft al* 
feiner 9?atur zuträglich, fo hat hoch Der s Uceufch fd)on 
oor ber ©ünbflutb (2Dlatth- 24, 38) fich fo gemein 
gemacht, unb ift biefeS Hafter fo allgemein geworben, 
baß man überall fchreien hört: „Ätommt ner, laffet 
uns SBciu holen unb ooH faufen; unb fou morgen 
[ein wie h c nte, unb noch Oielmehr" (jjef. 56, 12). 
Jährlich, baS heißt aus oernünftigen s 3Jtenfd)en Un 
menfdjen machen! 

Ser Sruitfenbolb entwiirbigt fich unter baS unoer» 
nünftige Viel) herab! ©ibt es wohl einen trauri 
geren Slnblid für ben9Wenfd)enals einen Vetrunfenen 
auf ber ©traße taumeln unb in bie ©offe fallen zu 
fehen V 

Samit bie ftinber QSrael erfennen follten. wie groß 
bie ©chaube unb baS Safter in feinen klugen ift, 
hat er befohlen, baß ein Schlemmer unb Xrimfenbolb 
gefteinigt werben foü, baß er fterbe! (5 2Kof. 21, 20. 
21). 3n unfercr *jeit ift biefe ©ünbe fo allgemein, 
baß man üor ihrer ©d)anbe nicht leicht errötl)et. 

II. Sie folgen ber Srunfenheit. 

1. ©ie fdjabet bem natürlichen £eibeS unb ©eelen 
leben, inbem fie bic©efunbbeit untergräbt, eincSJiut» 
ter oieler ftranfljeiten unb ©ebreeßen ift, bie ©eifteS 
fräfte abftumpft unb fd)Wäd)t, ben Verftanb Ocrfinftert 
unb oerfehrt unb zolcpt ben 2ftenfdjcn um fieib unb 
©eele bringt! 

2. ©ie zerftört bas gamilienglüd unb zerrüttet baS 
biirgerlidje 23ol)t; fie oerlcitet z»r Verjchwenbung 
unb zerftreut ©ab unb ©ut, fie erzeugt ein unorbent- 
liebes Vkfen, führt zur Vernachläffigung ber Berufe 
aroeit, oernichtet baS eheliche ©lüd, ftürzt ganze ga» 
milien in unabjehbareS ©lenb unb zieht Verachtung 
unb ©dpnach auf fid). 

3. ©ie fd)änbet ben SRenfdjen, baß er fid) unter bas 
Shier herabwürbigt (fiehe oben), fie mad)t lofe, wilbc 
9ftenfd)en, gebiert oicle üafter unb ©reuel, reizt zur 
Unzucht, fd)amlofer ©ntblößung (fiehe oben) unb oer 
leitet au 3orn unb Schlägereien. 

4. ©ie ift mit ber chriftlichen Srömmiafeit ganz unb 
gar unocreinbar, ba fie gerabe baS ©egentheil bes 
©eifteSlebenS ift, fie erregt ©ottes ^orn (3ef. 5,11.12), 
bemmt baS ©eoet (1 ^ctr. 4, 8), halt ab oon ber $u 
oereitung auf ©hrißi Äommeu (Üuf. 21, 34), unb 
fdjließt oon ber ewigen ©eligfeit aus (1 (£or. 6, 10). 

III. Ser Sluih ber Srunfeuheit. 

„Ser ©egen bcS Vaters bauet ben Stinbem ©äufer, 
aber ber mutier [jluch reißet fie nicber! 3öie ber 
glud) ber Srunfenheit auf ben Wacbfommen laftet, 
müffen wir leiber z u oft üor klugen feßen. Sie 
©ünbe ber Srunfenheit erbt fid) bnrcf) ©enerationen 
fort, ©ott fud)t biefe 9Jfiffetl)at ber Vater an ben 
ftinbent Ijeim bis in bas britte unb oierte ©lieb. 

Uebrigens gilt oon bem ©egen unb ftlud)e ftoah’s, 
waS oon allen propljetifdjen S 2lnsfprüd)en gilt, baß fie 
fich an ben ©efd)led)tern uub Völfern, über bie fie 
auSgefprocßcn worben, im ©anzen erfüllen 
unb nicht baS unabwenbbare ©efchid aller einzelnen 
Verfonen im Voraus unabänberlid) beftimmen, fon 


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166 


%m brr 3eit 


bern ber greißeit pcrfönlidjcr SelbftentfAeibung | 
SRöum lafjenb, eben fo wenig bie ©inaelpcrjon bed ge* , 
fegneten ©cfAlecßt* oor ber 3Köglid)teit bed gaUend 
au« bem ©nabenftanbe fidjer ftellen, ald fie bem ber* 1 
fluchten ©efdjtec^te ben einzelnen Perfonen bie Sftög* 
liAfeit ber Sefeßrung abfAneibet unb ben ©eg pm 
Segen unb §eil abfcßließt. 

Andeutungen für iHaffen. 3ftan frage bie Scp* 
ler, ob fie je einen betrunfenen StenfAen gefeßen? 
9ttan laffe fie er$äßlen, welchen ©inbruef ber Anblicf 
bed %runfenbolbed auf fie gemalt batte. 3tfan fc^il* 
bere bie golgen bed ©enuffed herauf Aenber ©etranfe. 
SRan laffe Die klaffe SprüAe Sal. 23, 29—35 lefen 


unb füge entfprechenbe Anmerfungen bei, wobei man 
fidjber „praftifdjen ©ebanten" bebienentann. 

9 ftan fAarfe ben Äinbern bie große ©efaßr einbom 
mäßigen irinten beraufc^enber ©etränfe pr Unmä* 
ßigfeit p gelangen. $ie Sinie jwif^en SKäßigteit 
unb Unmäßigfett liegt irgenbwo jwiic^en einem 
©lad unb einemgaß! — ÄU einjiged ab* 
foluted fießereö Mittel gegen Xrunffucßt 
fcßärfe man gänzliche ©ntßaltf amt eit 
aller beraufeßenber ©etranfe ein! 

Anmertung. ©enn eine ©cßuie eine SRifftond* 
Seftion üorjießt, mag eine folcße naeß 1 9Rof. 18, 
17—26 oorgenommen werben. 


jlu* ber Bett. 


$ie fd|recf(t4eit <£ifeuia$ii*$lufa0e, bie in legerer 
3eit wieber borgefommen, ßaben Oorneßmlicß bed* 
fjalb fo bicle 9ttenfAenlebcn gefoftet, weil bie ©agen 
burA bad geuer in ben Oefen in Sranb gerätsen 
unb auf biefe ©eife oielc ber SReifenben elenbiglicß in 
ben glammen umfamen. 

©he ©ifenbaßn * ©efellfd)aften jagen, baß man bie 
©agen nidjt anberd ald burA Dejen ßeipn fönne. 
ttn3 ift bie« faurn begreifließ. ©d jdjemt oielmeßr, 
baß mittelft ber Cefen bie billigfte ßergeftellt 

werben fann. ©d foftet eben etwad, anbere ©mriA s 
tungen p treffen. 

©iebt ed folcßc anbere ©iuriAtungen, woran wir 
nießt AWeifeln, fo fotlten bie ©ifenbaßn * ©efeUfcßaften 
gefe^licß gezwungen werben, bie Oefcn and ben ©a* 
gen au entfernen. 

3 ft jeboeß noeß feine ©rfinbung borßanben, wobureß 
bie Öcfeit in ben ©ifenbaßnwagcn erfeßt werben fön* 
nen, fo wäre ein ergiebiges gelb für unfere ©rfinber 
offen. 

Xßeure Sopaltflen. $ie Herren ©o^ialiften ßaben 
immer feßr Diel bagegen au fagen, wenn gemanb, 
welcßer gerabe nießt m ißr ipora bläßt, für gelieferte 
Arbeit gut bepßlt wirb. 

Sie jelbft aber oerjteßcn cd, ganj anfcßnliche 9fecß* 
nungen p maAen. ©)ad bat bad fo^ialiftif Ae paar — 

t err unb grau Aoeling bewiefen. ©)iefed erlaubte 
ünftlerpaar reifte fürUicß im Öanbe umher unb ßielt 
pm heften ber iRenfcßßett fo^ialiftifcbe Vorträge. 

$ie eingebraAte SRecßnung belief füß auf $1,400! 
darüber würbe nun bad fo^ialiftif Ae ©ommittee in 
s Jfew gort furAtbar erboft unb forberte eingeßenbe 
SReAuungd*Ablegung. 

©)ie Aoelingd leifteten biefelbe, unb baraud geßt 
ßeroor, baß fie ed fiA reAt woßl fein ließen. 

Sie ßaben 3Rüßen unb gäßrliAfeitcn in eine gar 
luftige Pergnügungdreife umgewanbelt unb ßaben ob 
ber 3ufunft, toelAe fie Ruberen in AudfiAt (teilten, 
niAt oergefjen, ben greubenbeAer, welAen ißr bie 
©egenwart bot, gan^ ßübfA für fiA felbft p leeren. 

Salb ßaben fie in einem Saltimorer £>otel in ^wei 
Xagcn für $42 ©ein burA ißre focialiftifcßen, burfti* 
gen Ä'eßlen laufen laffen; balb ßat grau vlocling ed 
ür nötßig gefunben, um bie Proletarier *- perfamm* 
ungen für bie fAönen 9febendarten empfänglicher p 
maA^n, Slumen im ©ertße oon $25 an ißren Sujcit 
p fteefen; balb pguriren ©igarren unb ©igarretten 
mit $50, %ßeaterbiuettd mit $100 in ben Silld, wclAe 


bad ©fefutib*©ommitttee fiA woßl pm immerwäß- 
renben 9lnbenfen an biefen einftmaligen Import 
ber Xßeuren unter ©lad unb 3?aßmen aufbewaßren 
wirb. 

9!iAt=©Ojialiften werben freiliA in bem willen fein 
fo jebwered SeroreAen erblirfen. $atbocß$r.2löeling 
gleidß in einem feiner erften „SpeeAeä" tm fianbe ber 
greißeit „Unbejaßlte Arbeit für ben größten gluA 
ber mobemen ©imlifation" erflärt. 

9?un ift er biefem ©runbfaße auA für feine Perfon 
treu geblieben, ©r unb feine grau ßaben fiA fo 
grünblkß bepßlt gemaAt, baß bie ßiefigen Agitatoren 
woßl oon fo tßeurcn Arbeitern ein für alle iRale ge¬ 
nug ßaben werben. 

Xit fAtoeijertfAe 1 ibgenoJenfAaft ald SAnappd* 
brenner. 3Ran traut feinen Augen faum unb botb ift 
ed waßr: $er Sunb ber freien ©ibgenoffen ßat ben 
SAnappdüerfauf übernommen, um—b er Srannt* 
weinpeft ©inbalt ju tßun!r 

§icr folgt bad ©efeß, welcßcd ber Sunbedratß in 
Sern angenommen ßat: 

1 . Xem Sunb wirb bad gabrifationd* unb in ge* 
wiffem Sinne auA bad Monopol bed SA^oppdOer* 
taufed eingeräumt. 

2 . $er notßwenbige gmport oon Alfoßol (Sprit) 
ift SaA* eben bejfelben; ald Sepgdqueüen foflen 
aber nur bie beften audlänbifA*n gabrifate in Serüd* 
fiAtigung fallen. 

3. $ie Reinigung bed Altoboled beforgt allein ber 
Sunb; aud feinen Depots ßaben bie autorifirten Ser* 
fäufer ben Scßnappd in beftimmt abgegrenjten Ouan* 
titäten p bepßen. 

4. 3m Qntereffe ber ©rßaltung ber im fianbe be* 
fteßenben großen, gut eingeridjteten Srennereien unb 
pgleiA im ^ntcreffe berjenigen Sanbwirtße (£ar 
toffelbauem, namentliA im ©antonSem unb fiugem), 
bie oorwiegenb ißre ißätigfeit auf bie ©rpugung 
bed 5 ur Alfoßolfabrifation notßwenbigen 9loßmate* 
rialed oerlegcn, muß fämmtliAen Sprited im 
Sanbe felbft, fei ed bureß ben Sunb ober ourA 3Ro- 
nopoldpäcbter fabrijirt werben. 

5. $ic Sereitung oon j. g. Xrefter unb Prüfen 
branntwein, fowie ber Sertau] bejfelben wirb, fomcit 
inläitbifAed ©r^eugniß babei in grage tommt, Don 
ben SJtonopoldbcfttmmungen niAt getroffen. 

6. ©)er SUtouopoldgewinn (aud ber gabrifation, 
bem Serfauf, joweit ber Sunb benfelben bewerfftel* 
ligt unb bem in 3 uJun fl bebeutenb erßößten 30 II auf 


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Offene jtoft 


167 


SiqueurS unb ClualitätSfpirituofen) wirb ^wif^en al* 
len tantonalen unb ber BunbeSftaatStaffe geteilt, b. 1). 
in bem Sinn, baß ber Bunb jum minbeften ben Be* 
trag erhält, ben er bis jefct aus bem 3*>fl auf bie 
Spriteinfuhr —2 9KUL fjrö—bezogen. 

Sir haben oon jeher 3 iemlid) biel auf bie SeiSßeit 
ber Schweizer ©efef geber gehalten. Aber eS fd)emt, 
baß ber Alfohol*£eufel aud) ben Berftanb ber flüg* 
ften 9Renfd)enttnber berfinftert. 

Solch ein ©efefc, baS bie oberfte ©efepgebung in 
eine Branntwein * Brennerei umwanbelt, fott ber 
ttamntweinpeft fteuern. ©twaS Begehrteres fann’S 
nicht ntebr geben. 

Artifel 6 beS ©efepeS ift noch ber aflerfd)önfte. 
XaS ©elb fott nämlich Mbfd) bertheilt werben, u m 
Damit ben fittlichen unb wohlthätigen 
Beftrebungen gegen ben Branntwein* 
teufel ju $ülfe ju tommen!!! 

fine beutfiße ftegerfitale. 3n SouiSüitte, ft)., foü 
eS eine Negerfcßule geben, in welcher bie fchwar^en 


finber ganj gut beutjeh lefen, fingen unb beflamiren. 
©S wirb berietet: 

„3)er fiehrer ift ein Neger, Ramend ft. 21. AbamS, 
ber fich längere 3 C ^ * n $eutjchlanb aufgehalten unb 
eine gute beutfdje ©^ieljung genoffen hat. ©ine 
für^lich ftattgefunbene Prüfung ber Schüler unb 
Schülerinnen würbe mit bem Beten beS „Baterunjer" 
eröffnet, unb bem ©ebete folgte ber ©efangSüortrag 
beS Siebes: „$ie Sacht am 3n bunter Neit)e 

folgten bann weitere ©efangSoorträge beutfeher Sie* 
ber wie ,,3mmer fröhlich/' „9Nein Sabbath*£eim," 
„Senn bte Schwalben heimwärts 3 iehen,"„Xer reic^fte 
§ürft" 2 c., ferner Necitationen, Borträge bon ©ebich* 
ten, Borlefungen unb $)etlamationen, bei benen fid) 
große gortfdjritte lunbgaben. ©in^elne ber Sd)üle* 
rinnen waren fd)on foweit borgefchritten, baß fie fich 
an fchwerere Sachen heranwagen tonnten, unb ein 
fohlrabenfchwaaeö fträulein trug ben „©rltönig" fct>r 
hübfd) bor. BcfonberS auch int $eutfchfpred)cn ftnb 
bie ftortfeßritte biefer Negermäbcßcn unb Negertna* 
ben jehr überrafeßenb." 


^rO>Q. 


Offene ^ofL 


Jur Bte nieleu SegenStounfcßc für 1887 unb ben ; 
15. 3ahrflang unferen ^er^lic^cn ^Dant! Sie haben j 
uns recht ermuthigt, flumal ba gar manche berfelben 
oon Nachrichten begleitet ftnb, wie bie folgenbe: 

„ 3 u meinet iper^enS greube will ich $tr berichten, 
iß eS mtr gelungen biefeS 3ahr 12 neue Unterfdjrei* 
ber für frauS unb föerb au befommen." 

3. ®. ©giß. 

frlouliißeS. freilich bringt $auS unb §erb (Sr* 
bauliches unb $mar fehr biel. .Sftan fuche eS nur, fo 
toirb eS fchon ju ftnben fein, auch wenn nicht gerabe 
barüber fteht—©rbaulicßeS. 3)a fittb 3 . B. bie Bibel* 
lettionen. $)ie finb 3 unäcßft für Sonntagfchul * Ar* 
beiter gefeßriebem enthalten jeboch für 3 e b e r* 
mann gar biel ©rbaulicßeS. Ntan lefe fie ein* 
mal unb bente barüber nach l 

(Sin lutherifcher greunb, bem #auS unb §erb Aum 
£efen gegeben würbe, fich gan$ befonberS an oie* 
fenfiertionen erbaut unb fagte: 3)aS ift gerabe fo 
einfach unb ße^lich n>ie in „ollen titen/' unb eS wirb 
petoiß feinem fiutßeraner feßaben, ipauS unb £>erb 3 U 

ijfrif# etugeWÄuberte $eutfiße nnbßeimflättclanb. 

Sou man frifch eingewanberten Xeutfajen rathen, fich 
auf §eimftättelanb nieber^ulaffen? 3m Allgemeinen 
ift eS beffer, wenn frifch etngewanberte SJeutfcße an* 
bercS Sanb einnehmen fönnen. 

gibt zweierlei ©eimftättelanb: 1 . Solches in 
älteren Staaten, wie 3 . B. Nfiffouri, Btichigan 2 c. 
8 ber baS ßanb, welches in foldjen Staaten noch ber 
BunbeSregierung gehört, ift fo unergiebig, baß eS fich 
nicht lohnt, baffelbe anAubauen. 2. ®aS gute, begeh* 
renSwerthe ^eimjjtättelanb liegt an ber@ren 3 e ber 
(Sioilijatton—in NebraSfa, ÄanfaS 2 c. $afelbft gibt 
es me^r 3 U ertragen unb auS 3 ufechten, als für Den 
frifch eingemanberten 3)eutfchen gut ift Senn 4—10 
SüiniUen Aufammen hnücn unb NegierungSlanb in 
naher Nacpbarfcbaft aufnehmen, mag eS gehen. Slber 
ber ein 3 elne „grüne" ©inwanberer Wtrb fo weit brau* 


ßen einen harten Stanb haben. Senn er feine SJlit* 
tel hat, ein wenig näher „bei ben Nknfchen" 3 U tau* 
fen, fo thut er bejfer, wenn er einige 3 a h*c für anbere 
arbeitet, unb barnad) in ben fernen Seften 3 ieht, um 
ben .fantpf auf 3 unel)men. 

900 SfiClionen werben jährlich in ben Ber. Staaten 
jnür beraufchenbe ©ctränfe ocrauSgabt, unb nicht 9 
Ntiflionen wie irrthümlich in ber legten Nummer, 
Seite 69 unter „3um fünften," berichtet würbe. 

Sonntagfdjularbetter erfennen mehr unb mehr, 
welch* wicßttgcS ^ülfSmittel ihnen ^auS unb §erb ift. 
täglich gelangen 3«fchnften, bie btejeS be 3 eugen, in 
unfere Ämtsftube. ^luS benfelben greifen wir nur 
eine heraus: 

„$auS unb £>erb," biefe treffliche SNonatSfdjrift, ift 
ni^t allein einfach, unterhaltenb unb lehrreich ihrem 
^nhalte nach, jonbern auch praftifch für leben Stanb. 
ye mehr ich baffelbe lefe, befto lieber unb unentbehr* 
lieber wirb eS mir. ©$ paßt für einen ©h r ^ en / ä Us 
gleich aber auch ift eS ein $)ing ber Nothwenbigfeit 
für einen erfolgreichen Arbeiter in unferem beutfeßen 
Sonntagfchul=Sert. 

Äarl Sfaer, Sonntagfchul*Superintenbent. 

Senbe frobeuummeru, fo lauten manche Aufträge, 
bie burcf) bie Baft an uns gelangen. Unb—wie gerne 
wir Brobenummera fenben! 3 c bcr Scfer weiß wohl 
eine Slbreffe, wo B*obenummem gut angebracht pub. 
Sir bitten foldje vlbreffen ein 3 ufenben. 

Angenommene ArtifeL Nanbgebanfen. — XaS 
Äreu 3 . — Xer Amerifanifcße Kongreß. — ©iner ber 
beften 3wgpnbfreunbe.—pr^inbe bes ^amilicnglücfS.— 
Nur ein fianbftrcicher— 3ebe^ f>er 3 hat feinen eigenen 
Schmer 3 —Unfere Äinber im öffentlichen ©otteSbienft. 
©in elenbeS Seib. — fiopala unb ber 3efuitenorben. 
— NfiffionSwerf in ben jioe BointS. öülfe in ber 
Noth-—5)er erfolgreiche Sonntagfchul=Arbeiter. 


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168 


Um 9 Bd)(rlifd). 


Jim ^üdKrtifeß. 

-—- 

9lüe hier befprodjenen ^3ürf>er tonnen üon (CranSton & Stowe betonen werben, finb iebod) nicht in 
jebem galle üorrättßg. 


llnfere leutfdjei ©orfaßren. 3 ßr urfprünglidjer 
iPolfScharafter, ihre l)etbni{ct)e weligion unb tt)r 
Ucbcrgang junt (Jhriftenthum. $on Tr. ©eorg (S. 
Seibcrt, $rofeffor am thcol. Seminar*u SMoomfielb, 
«J 1. 3„ (Sbitoi beS „Teutjdjen ÜSolfSfreuubS," «Rew 
?)orf. Verlag üon ©. (yiäfer. 

$orliegenbeS 23ud) hübe icf) nid)t bloS beS Berufs 
wegen, fonbern mit Suft unb Siebe, fowie aud) mit 
Stufen gelefen. (SS honbelt üon Leuten, bie gewi߬ 
lich jcben Teutfdjen intereffiren füllten, itämlid) üon 
ben alten T e u t f ch e n, unb ift üon einem äd)t 
bcutfdjen SRann in ädjt beutfdjer Spradje gefd)rieben. 

Tas üon bem 2 $erfaffcr üoüfommen bet)errfd)te 
Material ift gut angeorbnet, unb fo burd)fid)tig bar- 
geftellt, baß ber 23üd)ermenfd) fid) bariiber freut, unb 
bas Kinb beS Golfes leicht folgen fanit. 

(Sin Houptüor ( uig liegt in bem frifdjen an^ichenben 
Styl, welcher auf frühere über biefeS Xfjetita gehal- 
tene Vorträge fdßicßen lägt, woran aud) bie ba unb 
bort ftefjen gebliebene Slnrebe „Verehrte Slnwefenbe" 
erinnert, was fid) etwas curioS lieft, wenn man baS 
«43ud) in ftiller «Jtadjtftunbe im einfamen Stübchen jur 
$anb hat. , 3 e bod) — bicfc «tfnwefenbcn fönnen ja in 
ber nädjften Auflage üerfdjwinben unb wir t)offen, 
baß ber &crfaffer burd) ra)d)en «flbfap biefeS elften 
Raubes ermutigt wirb, beit ^weiten folgen *u laßen, 
in welchem bie iöcfehrung ber eigentlichen Teutfdjen 

am Stbein, an ber «Befer unb (Slbe unb im wunber- 
fdjöneit Hefienlanb er*ät)lt werben foll. 

Trucf unb Rapier fmb gut. 3 u ben Ätiaufern ge¬ 
hört ber betrcffcnbe Verlag wahrlid) nid)t. (Sr pat 
bie Trucffeitcn, üornehmliaj oben, mit einem Staub 
auSgeftattet, aus bem man recht wohl ein Nein’ 58üd>- 
lein fabricircn fönnte. 

2 Öir empfehlen bas $ud) allen Teutfdjen, nament- 
lid) ber bcutfch-amerifanifchen^ugenb unb ben Sonn- 
tagfd)ulen auf’S Skftc. 

Ter fleine granj unb fein alter Biß nnb anbere 
föebidjte, Humor unb Satire, üon OculeuS. ^Huftrirt. 
$rciS 40 (Cents. 

Ter fleine 5ran^ ift bie Hauptfigur in biefetn Büd)- 
lein unb nimmt 77 Seiten bcßeloen ein. Tie anberu 
(yebichte ftnb fo $u fagen freunbliche unb intcreffante 
Zugaben. 

$n’S beutfch-amertfanifche Sanblebcn führt uns ber 
fleine granj ein unb erzählt uns in gebunbenerStebe, 
inbem er namentlich eine Gpifobe fernes SebenS auS- 
malt, wie eS ba jugeht: 2Beid)e ftreuben eS bietet, 
welche Schwierigfeiten 31 t überwtnoen finb, unb wie 
üiel Humor naa) allem barin liegt — wenn man ben- 
felbcn nur $u finben weiß. 

Taufenbe, bie biefeS Seben feitnen, werben fid) an 
ben üom fleinen granj gemalten Silbern erguicfcn. 

Xie SRoral aber üon biefer OJefdjichte, bie ruft er 
allen $u: 

,/Tt)ut niefct, loic i cf) fletlian; 

Spannt euren SBaacn 0 0 r n, 

$>od) nie am 1 ) i it t e r n ©nbe an/' 

s 2luS ben anbern (yebießten, meld)e bie Seiten 78—200 
füllen, fönnten wir manche nette, unterhaltenbe Sa¬ 
chen hcrauSgreifen, wenn cS ber Staunt erlaubte, ma¬ 
chen jebod) nur auf baS ©ebidjt: „«Reue ©laubcnS- 
lehre" aufmerffam unb fd)ließen mit Anführung eines 


Kerfes aus „0, bie .fritifer," welche bem SSerfaßer 
oßenbar ftart im 9Ragen liegen: 

„€, bie Uritirer! ^ 

Xic 9ltlertt>rttdflicfcr! 

Wcflicft nmft bodi iein, 

Unb müRteu ein *?ocfi fie felbft idjneiben hinein/' 

John A. Salzer’s Plant & Seed Catalogne, 

1887. 

2)ie J^irma Salier ift nicht nur eine ber unternef)= 
menbftert in ihrem Sache, fonbern aud) *uüertäffig. 
Xer üorliegcnbe Äatalog ift hübfeh auSgeftattet unb 
gewährt bem £efer über Samen, «Pflanzen, SBur^cl- 
gewächfe, Blumen, betreibe ?c. üiel Information. 

Tlie baucht er of Pharaoh. (Sine ©efd)ichte 
auS bem ^weiten ’öuehe SJtofiS üon S rc Ö Sltüron 
©olbt). 3 nt Verlage üon ^Phittip^ & H un t Stern 
2)orf; (^ranSton & Stowe, (Cincinnati. 

311 ©cftalt einer (Cr^ählung führt uns Öerißerfaßer 
ein iöilb egüptifchen ScbcitS üor. Sitten, Ofebräuche, 
Älcibuttg, jjbeen, religiöfe Slnfdiauuugcn ber alten 
(Cgppter unb Hebräer ftitb treu uno lebhaft gejehilbert. 

^ie Mochtet s iPhnrao’S ift aber nicht jene, bie ben 
fleinen SRofe auS bem Söaffer gießen ließ, fonbern 
eine fpätere «Prinaefftn, weld)e 1 Ghron. 4 genannt 
wirb. 

Vlck’s llliistrnted Ma^nxlite & Floral Guide, 
Januarj 1887 , publi^irt üon QftS. 5 ^id, 9 tod)efter, 
Siew $)orf. 

Hübfd) unb fdjmud Jommt aud) heuer ber Slatalog 
bieder befannten gtrina wieber auf unfern Xifd). Sie 
fd)icft ihre Sämereien unb SBur^clgewächfe weithin 
liüer’S Sanb unb gewährt ihrer fficeüität wegen üoll- 
ftänbige «-öefriebigung. 

Öicberluß. SllteS unb «ReueS für muntere Sänger 
in Kirche, Scbule unb H«uS üon 21 . Späth- HerauS- 
aegeben üon %. H* ^iepl (23robst’fd)c23ud)hanblung) 
Äuentown, «Pa. . 

tiefes 58ud) ift „für bie H au Sgemeinbe, Qugenb- 
Vereine unb junge Äirdjenchöre beftimmt." mlfo fagt 
ber SSerfaffer. feir feßen hiuju, baß aud) ältere itir- 
cßenchöre unb Sonntagfchuleu ^ugreifen bürfen. Xie 
Sammlung enthält feqr üiel ®uteS uubempßchlt fich 
namentlich ihrer 2$olfSthümlid)feit mib ber leichten 
SluSführbarfeit ber SRufifftürfe wegen. Sluch ßnben 
fid) eine ^Injahl englifcher Sieber - Wie Nearer ray. 
Godtothee ic— in red)t guter beutfehet Uebcrfefcung. 

^ie SluSftattung ift untabelig. 

$en Firmen tntrh IsS (^üangelium gcprebigt. ©in 

Jahrgang ^olfSprebigten über bie (Cüangeltcn beS 
.Kirchenjahres üon 2lbolph Stötfer. Verlag ber23ud) 
hanblung ber berliner Stabtmiffion. 

Herr Slbolf Stöder ift ein ^olfSrebner im beften 
Sinne beS SöorteS. 5)afür zeugen aud) bie üortiegen- 
ben ^Prebigten, bie mit Stecht ^olfSprebigten 
genannt werben. 

Schon beßwegen ltnbaud) um ber93üitbigfeit biefer 
Vorträge willen eignet fich oortreßltd) 

jum SSrioatgebraucpe. 


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J §••§ itl |llk. 

diu tUufirirtes Jnmili mblati 


^FünfieQnfer ^ftanb. Jlprif 1887. ^Jierfes 



Pö0 Hwu|. 

gär gaui unH gerb ton ttnna $j>örri. 


cbou Sngft fennß bu bas 
eine geilen, 
Das fdjon fo manches 
ger3 bemegt, 
Por bem prütf bie Spöt= 
ter meinen, 

21 n feine Bruft ber Sün* 
ber fdjlägt. 


(Es uxtr ber fdjlimmften Cfyaten Bädjer, 
Die tieffte Sdjmad? für 3 *te™tann, 

Das Kreu3, — ber ^einbe unb Perbredjer, 
Der armen Sclaoen (Eobesßamm. 


gum Kreu3e gafl bu bidj geroenbet, 
Kls um Pergebung rang bein ger3. 
Dorthin fjaß bu ben Blitf gefenbet 
3 n Seelennotlj, in EDeff unb Sdjmety 

Unb ruft (Er bidj, itjm nad^utragen 
(Ein Kreu3 3U beiner Seele geil, 

3 m BlieF auf ign fannft bu es rnagen. 
Denn feine Kraft mirb bir 3U CEgeif. 

0, fürdjte nie, 3U unterliegen, 

EPogt in unb außer bir ber Streit, 

3n biefem geilen mirfi bu fiegeti, 

3 n Klient übertpinben meit. 


Bis (E r erfdjien, ber Angegeben 
Km Kreu3est^ol3 in blut’gen (Eob 
Sein teures, göttlidj reines £eben 
Uns 3U befrei’n pon Sünb’ unb ZTotg. 

ZTun ift bas Kreu3 ber größten £iebe, 
Der nmnberbarßen gulb Symbol, 
Sein Knbticf merft bes Danfes Criebe. 
<D)ut ber gebeugten Seele rootjl. 


(Es leuchtet uns poran 3um Siege, 

EPenn rauff ber EPeg unb tief bie ZTadjt, 
Bis als bas (Enbe aller Kriege 
Bricfyt (Bottes Ueidj herein mit 2 Ttad?t. 

So 3tege freubig betne pfabe, 

Streiter bes gerat l Des Kreu3es Strahl 
(Erleudjtet Se; bie ganb ber (Snabe 
^üljrt audj burcfy’s (Eobesfdfattentljal. 


gtnan, hinauf l Bet’m (Snabenttjrone 
3ü bir ein felig'geim bereit! 

Durd? ZTadjt 3um £idjt, burdj Kreu3 3ur Krone, 
Pom pilgerlanb 3ur gerrlidjfeit I 



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170 


Pit ;vti <Sroßmäd)tr. 


Pie fwei törofjmadjtr. 

«Mtor. 

„ftleildflitfi flffinnft fein, ift ber lob; unb geiftlid» aeffnnet fein, ift bat Ceben. SRdm 8. 6." 


!|fl id)t ©merifa unb ©nglanb, nicht leutfd)» 
«1, lanb unb grnnfrcid) finb biefe beiben 
©roßmächte. liefelben Reißen oielmehr 
— Seben unb lob. 

Um biefe jtoei Ireßpunfte betoegt ficß alles 
in ber ©}elt. 9ladE) bem Seben »erlangt unb 
ftrebt ©des. ©or bem lobe fließt Silles, lurcß 
taufenb unb aber taufenb ©littet fucßen bie 
Slenfchenfinber ben lob abjuhalten, unb jmar 
oergeblid). 2eib, greub’ unb Slot!) finb uitge» 
miß; ber lob aber ift gemiß. SKit jebem 
©dritte fdjcibcn mir aus bem Seben. 

Unb bod) ftefjt im ©Sorte ©otteS getrieben, 
baß geiftlidjc ©efinnung Seben fei, meldjcS ben 
lob auSfcßließe. Um biefeS ©cßriftmort im 
©tauben ju faffen, moden mir bie SluSbriide 
Seben unb lob ein menig näßer betrachten, unb 
fragen: 

I. SBorin bcftcßt bas geben unb »ab ift ber 
lob? 

liefe gragen finb leichter ju ftellen, als rieb» 
tig, faßlich unb einfach ju beantmorten. 

©iner ber geiftreießften ©chriftfteder fagt: 
„ler lob ift ein noch nicht oermeffeneS Sanb, 
eine noch nicht georbnete SBiffenfcßaft." 

©in anberer ruft auS: „las Seben ift fo 
unenblich, baff ich nur eine ©ßnung baüon habe, 
menn ich mich in ©ott oerfettle." 

SDlit biefen geiftreichen, menfehlichen ©uSfprü» 
eben fönnen mir menig anfangen. Unb boeb 
brängenfich biegragen immermieberauf: SBaS 
meinen benn bie SluSbriide — ju leben unb tobt 
ju fein? 

©Jagen mir baher einen ©erfuefj. 

las Serntjeicßen eines lebenbigen ©JefenS 
befteht barin, baß es mit feiner Umgebung in 
lebenbigem 3ufammenhange fteht, unb beßßalb 
hat man gefagt, baS Seben fei bie fortlaufenbe 
©npaffung innerer ©cjießungen an äußere. 

3um ©eifpiel: lu rebeft unb ich höre» bie 
©onne fcheint unb ich f c h c ; ift lalt — ich be» 
nüße marme fi’leibung; es ift heiß — id) fuefje 
ben ©chatten, liefe gegenfeitigen Sejießungen 
bemcifen uns, baß mir leben. 

SBirb nun ein ©lenfcß auf irgenb eine ©Seife 
beS ©ebrauchS feiner Ohren beraubt, fo ift bie» 
fer laube bezüglich beS £örenS außer ©ejie» 
ijung ju feiner Umgebung gefeßt, benn er hört 
nicht mehr, ©ein ©eßör ift unempfinblid). 
©in lßeil oon ihm lann mit Stecht als tobt an» 
gefehen merben. ©Särbe er auch noch blinb, fo 


oerfeßt ihn biefeS Unglöd außer ©ejießung jir 
einem noch größeren Iheil feiner Umgebung. 
@r märe noch in höher«« ©rabe tobt, ©rieht 
aber im SJtittelpunft beS munberbar bereiteten 
Körpers ein miebtigfr Iheil, fo merben alle 
Iheile geftört, alle ©erbinbung mit ber Umge» 
bung hat aufgehört, ler Organismus ift jeßf 
ein 1 i n g, benn berfelbe ift tobt. 

©terben ift alfo ber 3ufammenbruch in einem 
Organismus, ler lob ift baS ßeröorgebracßtr 
©rgebniß: ler SKangel an ©erbin» 
bung mit ber Umgebung. 

©Joden mir nun erfennen, maS bie Schrift 
betreff beS SDlenfcßen unter geiftlich tobtfein unb- 
geiftlich lebenbigfein meint, fo gilt es feftju» 
fteden, mie meit bie Umgebung beSSWenfcßen 
traft feines ©ermögenS reicht; ober in anbero 
©Sorten — in melcße SebenSfreife er ju 
treten bermag. 

3um 3t®rde ber ©nfcßaulicßfeit bebienen mir 
unS einiger ©cifpielc. 

©ei ©etraeßtung ber lebenbigen Schöpfung 
ergiebt fid), baß manche lebenbe Kreatur nur 
eine feßr befeßränfte ©ejießung ju ihrer Umge» 
bung hat, nur ein befchräntteS Seben fährt. 

Seim ©aume, jum ©eifpiel, fteht ber Stamm 
in ©ejiehung jum ©oben, feine ©tätter haben 
©ejießung jum Sonnenlicht unb jur Suft. @r 
lebt alfo. ©ber ber ©aum ift an einen Ort 
gebunben. ©etreff beS ©emußtfeinS ift er gar 
nicht lebenbig, benn er hört mißt baS SJturmeln 
ber Ouede, bie feine SSurjeln beneßt, noch faßt 
er baS munberbare Qnfeftenleben unter feinem 
Saubbach. ©r fährt alfo fo ju fagen ein be» 
fcßränfteS Seben. 

ler ©ogel hingegen nimmt einen höheren 
Slang auf ber Stufenleiter beS Sehens ein. @r 
fteßt ju einer meiteren Umgebung in ©ejiehung. 
ler ©trom unb baS Snfett finb fär ihn in 
©Sirflicßfeit ba. ©r meiß, toaS hinter ben ©er» 
gen liegt, ©ein ScbenSfreiS ift ein größerer. 
SDlan fönntc fagen: ©r ift lebenbiger als ber 
©aum. 

Sebocß ein folcßeS ©ogedeben ift noch nicht 
baS ßödjftc. 

SJlan oerfeße ben SJlenfchen in bie gleiche Um» 
gebung unb man mirb feßen, mie oiel meßr Se» 
ben ber SJtenfcß hat. Rimbert linge, melcße 
ber ©ogel niemals im Snfeft, ©trom unb 
©aume erblidt hat, nehmen feine ©ufmertfam» 
feit in ©nfprueß. @r ift baS lebenbigfte oder 
©efeßöpfe. ©r oermag nicht bloS mit ber äußern. 


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Pit ;»ti ©roßumcßif. 


171 


ficßtbaren, fonbern auch mit ber geiftigen, un* 
ficßtbaren SBelt in Serbinbung ju treten, Er 
fann nicpt blc« fcfjen, i)örcn, füllen, fonbern — 
wollen, b ernten, gl buben. Es ift ißm 
gegeben, mit bem Urquell alles Bebens, mit 
©ott in ©emeinfcßaft ju treten, unb alfo im 
hofften ©inn beS SBorteS ju leben. 

Ifann man nun von ber großen SRaffe bet 
SRenfcßen lagen, baß fie mit ©ott in perfönli» 
<ßer ©erbinbung, mit ißm in ©emeinfcßaft fte= 
ben? «Rein, man tann baS nicht fagen. 

3 u fagen, ich glaube an ©ott, ich halte baran 
feft, baß er ber Schöpfer unb Erhalter ber SBelt 
ift, baS allein feßt mich nocß in feine perfönlicße 
©esießung gu it|m. Der ©linbe mag aud) fa= 
gen: gd) glaube, baß baS Sicfjt bie SBelt er» 
feuchtet, fteßt aber in feinerlei Sejießung gu 
bem Siebte unb ift bemfelben gegenüber tobt. 

SJteine ©ejießung gu ©ott muß eine fräftige 
Einwirfung auf mid), meinen Eßarafter, mein 
Sieben, Renten unb SBoHen haben, wenn biefelbe 
eine lebenbringenbe ©emeinfcßaft fein foH. 

Diejenigen, bie außer folcßer ©emeinfcßaft 
flehen, finb geiftlicß tobt, unb biejenigen, bie ficf) 
in ©emeinfcßaft mit ©ott befinben, finb geiftlicß 
lebenb. 

Der ungeiftlicße SRenfcß ift ber, meiner in 
ber befdjräntten Umgebung, in ben Streifen bie» 
fer irbifcßen SBelt lebt. Diefer irbifcße ©inn 
tann eblen ©eßaltS, reich an ©Übung unb fogar 
auch tugenbßaft fein, ©o er aber ©ott nicht 
mahrbaftigtidj fennt, was näßt eS, wenn auch 
feine ©ejießungen bis gu ben ©ternen beS $im» 
mels reichen, ober bie ©roßen ber 3eit unb beS 
Saumes erfotfcßen ? Die ©teme finb nicht ber 
£>immel; bet Saum ift nicht ©ott. 

Solch fleifcßlicßer ©inn hat Beben f o weit 
er reicht. Sind; nimmt ber ©efißer feine 
Entbehrung vielleicht gang leicht, unb lebt in 
feinem Element gufrieben. SBir brauchen uns 
einen foldjen nicht als ein Ungeheuer vorjuftel» 
len. ©r mag ein gang feines ÜRenfcßenfinb 
fein. Slber er gehört bocß ber ©roßmacht — 
beS DobeS an, benn er reicht nicht feiner 
©eftimmung gemäß über bie Greife beS gleifcßtS 
hinaus. Die ißflange ift auch Ungeheuer, 
weil fie gegen bie Stimme beS ©ogels taub ift; 
noch ift ber eines, ber es gegen bie ©timme 
©otteS ift. Sber er ift fleifdjlidj unb 
fleifcßlicß gefinnet fein ift berDob. 

SBenn uns alfo ungläubige, ober in’S irbifche 
Beben oerfunfene ÜRenfcßen fagen, fie feien blinb, 
taubftumm, ftarr unb tobt für baS ewige 
Beben, für bie oon ©ott geöffnete SBelt, fo 
muffen wir ihnen baS glauben. ©auluS fagt eS 
auch, inbem er fcßreibt: „Der natürliche SRenfcß 
aber oernimmt nichts oom ©eifte ©otteS; es 


ift ihm eine Dhorßeit unb fann eS nicht erfen* 
neu, benn es muß geiftlich gerichtet fein." 

aber baS fleßt unverbrüchlich feft, baß Sic* 
manb bem Dob unwieberbringlicß Verfallen ift, 
fonbern baS ewige Beben ererben fann, unb baß 
biefer fleifd)lidjc ©inn, welcher eine Jeinbfcßaft 
wiber ©ott ift, in eilte geiftliche ©efinnung um» 
gewanbclt Werben fann, welche baS ewige Beben 
bringt, benn eS fteßt für Sebermann gefdfrie* 
ben: Das ift aber baS ewige Beben, baß fie 
büß, baß bu allein wahrer ©ott Bift, unb, ben 
bu gefanbt haft, Sefum Eßriftum erfennen." 

Ewiges Beben alfo ift ©ott in SBaßrßeit er» 
fennen. 3 h n erfennen heißt mit ©ott überein» 
ftimmen. SJiit ©ott übereinftimmen heißt mit 
einer oollfommenen Umgebung übereinftimmen, 
unb ber Organismus, ber biefeS erreicht, muß 
ber Satur ber Dinge nach waßrhaftiglid) leben, 
ewig leben. 

II. Der Bebensfürft. 

gragft bu, wie erreich’ baS ? SBic fann 
ich nrirf) ber SRndit beS DobeS entreißen, unb 
bem Beben gehören; wie in ©emeinfcßaft mit 
bem |>öchften leben — mit ©ott fommen, ba bie 
©ünbe bie 9Renfcßen boch in ben ©ann beS 
DobeS gethan hat, fo antwortet bir baS SBort 
©otteS: SBeil bie' in ©ünben tobten 9Renfcßen 
nießt jum Beben fommen fönnen, fommt baS Be* 
ben in Eßrifto ju benSRenfcßen unb nimmt bem 
Dobc bie SRacßt, bamit alle, bie an ißn glauben, 
baS ewige Beben haben. 

DaS Beben, baS ewige Beben, ift eine ©roß» 
macht auf Erben geworben bureß baS Beben, 
fleiben, Sterben unb bie auferffeßung unfereS 
£errn unb ^eilanbeS 3efu Eßrifti. 

„63 roar ein munberlicher Stieg, 

Da Dob unb Beben rangen. 

DaS Beben, eS befielt ben Sieg, 

©3 ßat ben Dob Verfehlungen." 

DaS prebigt jebeS Oftern unb jeber ©onntag 
in bie SBelt hinein. Denn EßriftuS ift nidßt 
für fieß geftorben unb auferftanben, fonbern für 
uns. Darum ruft er: Qcß war tobt, aber fieße, 
icß lebe unb habe bie ©cßlüffel ber fpölle unb 
beS DobeS. Denn er ift auferftanben als ber 
©efreujigte, als baS fiamm ©otteS, baS ber 
SBelt ©ünbe trägt unb hat aus bem ©rabc ge» 
brocßt Beben unb unvergängliches SBefen, bie 
eine große Ofterbeute: ©ergebung ber 
©ünben. 

Unb was icß an’S £>et 3 legen möchte — b a S 
iß EßriftuS, bie SebenSmacßt wi = 
berbie©roßmacßt ber ©ünbe unb 
beS DobeS: SBie er fieß nieberbeugt ju all 
ben armen, ©linben, Sahnten, Dauben unb 
Sfranfen unbauSruft: „kommet ßer flu mir." 


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172 


Untre fern tfßtrgloiktn. 


SBie er tritt on bie Sterbebetten unb ruft: lob, 
idj will bir ein ©ift fein, $ööe, idj will bir eine 
Sßeftilenj fein. SBie er fi|t an ben Särgen unb 
fpridjt: „SBeine nid)t, fie|e, icf) habe übermun* 
ben, ber 2öWe au$ bent Stamme 3uba; icb 
will abwifd)en alle $ljränen oon euren äugen." 
SBie er gro| unb majeftätifd) über ben ©räbern 
ftefjt unb ruft: 3<f) bin bie äuferfte^ung unb 
ba8 Seben. 

SBie jebe Sünbe unä bon ©ott trennt, unb 
barutn in unferer Seele als Xob empfunben 
wirb, fo eint unä bie Vergebung ber Sünben 
mit ©ott unb wirb in unferer Seele empfunben 
at$ Seben. fpier liegt unfere ©ewijjfyeit, baff 
ci eine ©rofjmadjt be§ Sebenä giebt, welche bie 
©rogmaebt be3 $obe$ befiegt. (S^rtftuä ift un* 


ßcbcnbifl Cbriftud tommt berfftr; 

S)ie $eint>’ nimmt er aefanacn, 

Verbricht ber Rotten ©eßlofi unb X&üt, 
Xrdgt locg ben Staub mit prangen. 
Stidfa ift, ba$ in bem Siegeslauf 
2)en ftarten #clb tann halten auf: 

SUT& liegt ba übermunben. 

$ 0 betete unb triuntpßirte ber alte Lüfter unb 
ltaßnt eilig ben großen $ircßenfd)lüffel oon ber 
Ätanb. Sr grüßte fein 3Beib unb feinen ®c* 
ßülfen mit ben ^Borten: „wer fcerr ift auferftanben!" 
unb fie grüßten ißn mieber: „3fa, ber Jperr ift maßr* 
ßaftig auf erftanben!“ — „größließe Oftern!“ — 

„;ga, frößließe Oftern!" flang e« noeß oon ben Sip^ 
pen unb au« bem £>cr$en; unb ber Lüfter unb fern 
©eßiilfe gingen rajeßen Scßritte« *ur Xßür hinauf, 
baß fie ben ©ruß be« Äuferftanbenen mit allen ©loden 
über bie Sanbe jießen ließen. Äl« fie über ben $ircß* 
hof gingen, rnarf ber alte Lüfter einen ernften, freuen 
&lia ßinüoer ju beit buntlcn teuren, loanbte aber 
ben 33lief rafcb toieber ab, al« ßatte er nießt« gefeßen; 
benn ob’«aucß eine ißm freinbe ©eftalt gemefen mar, 
bie er an ben Äreu^en erblicft ßatte, fo mußte er gar 
moßl, baß folcß* ein Ofterpilger in ber tiefen, ßeiligen 
©title bc« ©ftermoraen« am liebften ganj alleine 
bleibt — alleine mit oem ©rab unb mit ber Siebe, 
mit Verlieren unb SBieberfeßen, mit fieß unb bem 
Äuferftanbenen. Ueberbie« mirb bie ftircßenußr im 
Äugenbtid fecß« feßtagen, unb bann müffen bie ©loden 
e3 über bie Sanbe jubiliren: „‘Ser $err ift auferftan« 
ben, ber $err ift mabrßaftig auf erftanben!“ 

Stamm ßat ba« Äuge be« alten Lüfter« fieß laum 
fo mit einem ßalben 33tid ßingemanbt $u bem 2ßann 
neben ben $reu$en. S)er 9ttann ßat aber oon bem 
eilten unb feinem ©eßülfen aar nießt« gefeßen, benn 
fein Äuge ift tief ßineingemanot in*« eigene §er* unb 
blidt meit jurüd in’« eigene Seben. ©« finb tieftrau« 
rige Äugen: bie Äugen neben ben Äreujen; unb bureß 
ba« einfame öer* jießen Oiele ©ebanlen binbureß, 
aber frößließe ©ftergebanfen feßeinen e« nießt $u fein. 
S)er 9Rann feßaut meit aurüd, unb bie (Stimme in fei« 
ner 33ruft feßreit: „föießarb, Stießarb, märeft bu ßier 
geblieben, bann märe 33iele« anber« gemorben, unb 


fere ©enufjßeit. 333er an ißn glaubt, ber ift 
perfönlicß unb unaupö^licß mit ißm, bem Seben, 
uerbunben. ®r ßat unä gefagt: „3fdß miß bidj 
nießt laffen, bi§ baft icß tßue Ätted, mad icß ge= 
rebet ßabe.“ Unb mir ßaben gefagt: „3cß laffe 
bieß nießt, bu fegneft mieß benn." 

Unb — maS madßt e^ aläbamt au«, menn ber 
3ufammenbrueß be« Körper« erfolgt, unb ber 
lob be« Seibe« eintritt! Äann er un« boeß 
nießt trennen oon bem Seben, benn in äße ®rüfte 
ßat e« ber SebenSfürft gefeßrieben; „333er an 
mieß glaubet, ber mirb leben, ob er gleieß ftürbe." 

Unb in bemfelbigen ©lauben miffen mir aueß, 
ba§ ber arme Seib einft auferfteßen mirb au« 
bem ©taube in oerflärter ©eßöne unb äßntieß 
merben mirb bem üerflärten Seibe ©ßrifti. 




Unter ben ftfterglodten. 

Sine ©eftßii|te oon $üßtn unO Gruben. 

bu ftänbeft beute nießt fo gar einfam an ben ©räbern 
ber Xcinen r 

Unb fein gan^e« oeraangene« Seben breitet fieß oor 
ißm au«. $ort ßinterm föircßßof, unter ben großen 
Sinben, ßat er feine .finbßeit oerlebt. &r ift ja 3ßfar« 
rer« fRicßarb. 3Selcß’ glüdlicße $inbßeit lag ißm bort 
ßinter ben großen Sinoen! @r mar allein, mäßrenb er 
m ben trauten Räumen bort ßinter ben Sinben fein 
linblicße« Spiel ßatte, ber ©tn^ige bi« ^u feinem 
jmölften 3aß^e. tobtgeborene 33rübercßen la¬ 

gen ßier neben ben großen $reu$en. 

Äl« aber Dticßarb ^molf 3aßre alt mar, ba mürbe 
ißm ein Scßmcfterlein befeßeert. ©t batte noeß ßeute 
nießt oergeffen, meid)’ eine greube bie ©eburt bc« 
Scßmefterlein« ißm unb ben ©Itern bereitete, ©r 
tonnte ftunbenlang an ißrer Üöiege fteßen unb ißr bie 
3Bangen ftreicbcln unb ißre fleinen $änbe unb ißre 
ßetlen, blauen Äugen bemunbern. Unb menn er fpä« 
ter oon ber boßen Scßule ßcimfebrte, bann mar*« tm= 
mer feine erfte grage: „3Bo ift ©ertrub?“ Steiften« 
tarn ißm ba« Scßmefterlein feßon unter ben Sinben 
entgegen unb fletterte ißm auf bie Scßulter, unb in 
ben gerien braueßte bie SJtutter leine 333ärterin für 
ba« Äinb, benn ber SRicßarb batte moßl tagelang fei« 
ner ©ertrub ©efeßießten erzählen, ißr bie rofigen 
3Bangen ftreicßeln unb ißre fleinen $atfcßßänbqen 
unb bie ßeßen, blauen Äugen bemunbern tönnen. Sie 
mar unb blieb fein einzige« ßerUiebe« Scßmefterlein. 

Äber SRicßarb blieb nießt feiner ©Uem guter 
ßtießarb. $ie ©Itemliebe ift moßl bie alte geblieben; 
aber feine $inbe«liebe ßielt nießt Stanb in ben ®er= 
fueßungen be« Seben«. Sein leicßter Sinn folgte ben 
Sodungen böfer 33uben, fein finblicßer ©laube üer« 
fanf in milbe 4Bogen ber ©rbenluft. ©in tiefer, tiefer 
Scßmerj mar’« für ben 33ater, al« ber Süngling bie 
Unioerfität be$og mit ber Äbficßt, alte Spracßen 
ftubieren. 3Bar boeß ber 33ater fißon ber fünfte fßfar* 
rer feine« ©efcßlecßt«, ein Pfarrer, ber fein Ämt unb 
feinen §eilanb fo lieb ßatte, baß e« ißm gan§ felbft« 
oerftänblicß mar, baß fein Äinb in ben 3)ienft be« 
^erm trete. 

$a« §erj ßatte bem 3Rann geblutet, al« ber ßtießarb 


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Unter ben Äßerglodten. 


173 


ihm erflört fyattt, ex fönne nid)t werben, wag ber 
»ater geworben fei, unb er !5nne nid)t glauben, was 
ber ©ater glaube. $er ©lig fdgen in eine ftarfe 
©id)e gefahren §u fein. $er Pfarrer bon Sinbenhöh 
ging etne ©eile ferne ©ege, gebeugten §aupteS, als 
©äre feine £raft gebrodjen. 

Iber er lieg fernen jRidjorb ziehen unb fdgog nod) 
Wufiaer als früher bie X^üre feines ©ebetSfämmer* 
leinS hinter fic^ zu. *Rad) einem gahre aber ift ber 
IRidjarb wiebergefomtnen unb fab fo oerlebt aus, bag 
ber ©ater ü)n an bie $anb bat faffen, mit ibm in fein 
Kämmerlein bat geben unb bie $bure zufdgiegen 
muffen. „9Ücbarb, bu bift in fcblecbte ®änbe gctom= 
men!" bat er gefeufzet; unb bie Reiben hoben oiel 
mit einanber gerebet unb finb mit einanber auf bie 
Kniee gefunten unb ber ©ater bot mächtig mit feinem 
§emi gerungen. SRidjarb aber bot nicht mitgebetet. 

fRicborb bot feiner neunjährigen ©ertrub wicber 
bie ©anaen geftreic^elt unb bot fie auf feinem $uie 
reiten lajfen; aber fie bot ihm oerwunbert in’S Ange* 
fidg geflaut, als hotte fie fagen wollen: „$u bift 
nidbt ber alte fRidjarb mehr." — Unb wieber ift er 
hinausgezogen in'S luftige Seben unb ©riefe finb aus 
ber Jeme gefrnnmen: bie hoben bem armen ©ater 
aemelbet, wie toll ber Sobn eS treibe unb Wie Diele 
Sdjulben er gemacht höbe. Unb wieberum bot ficb 
bie Ibur beS ÖebetSfäntmerleinS aufgetbon für ©ater 
unb SRutter unb Äinb. Aber ber $err bot gejagt: 
„©eine Stunbe ift noch nicht gefommen!" 

Auf bie Uniüergtät ift SRidjarb nicht Wieber gezogen, 
benn er bot gefügt: „geh werbe boeb nichts lernen; 
id) habe meinen ©ater jd)on genug ©elD gefoftet; ich 
©lü arbeiten, auf eigenen Sogen fteben unb mich felbft 
burdgcblagen. Qd) gebe nach Amerifa." 

$a hoben ben ©Itern erft red)t bie fterzen geblutet 
unb fie haben ihn holten wollen mit ihrer Siebe unb 
mit ihren ©ebeten; aber er hot fich ttid)t holten laf* 
fen. ©r ift binweggezogen, wie jener Sohn balgn* 
$og, beffen traurige ©efdgdge geschrieben fteht Sucä 
im fünfzehnten. 

Cr hotte eine gefdjicfte $anb unb cm helles Auge; 
er hatte auch mancherlei gelernt, unb was er anfagte, 
baS hatte guten gortgang, aber fein unftätcr Sinn 
lieg ihn Dort einem ©erf auf’S anbere flattern: unb 
feine ungezügelte ©egierbe zog ihn in Die 4iefe, 
©enn er eben eine £öl)c meinte erflomnten zu hoben. 
60 ging’S bergauf unb bergab mit ihm. 3uerft würbe 
er Kaufmann unb hielt faft ein gabr auf einem grogen 
Comptoir auS unb wäljrenb biejeS QahreS [djrieb er 
mehrere SRale nach £aufe. Aber bie Briefe, welche 
er wieber erhielt, tbaten ihm wehe burd) ben $on 
ber grogen Stebe, ben er aus ben ©orten berauSflin* 
gen hörte, unb in ihren ernfteii Mahnungen waren fie 
thm Stacheln für baS ©ewtffen, baS er ood) einfdgä* 
fern wollte; benn was er oerbiente, baS brachte er 
um mit ©raffen. 

$arum fdjricb er feltener, unb halb fdjrieb er gar 
nicht mehr, ging weiter in ben ©eften hinein, würbe 
©ietjbänbler, trteb ficb weit unb breit im Sanbc herum 
unb hörte nichts oon ben Seinen, weil er nichts oon 
fid) hören lieg. Unb bann hot er ficb eingerebet, bag 
es befjer fei für ihn unb für bie ©Item, wenn fie 
nichts mehr oon einanber hörten. AUmäblid) finb bie 
legten ©riefe, bie er als lofe ©lätter mit fid) führte, 
bom ©etter oermifdjt unb Dom ©inbe oerweht, unb 
er ift babin unb baber gezogen; unb er bängte fid) in 
feinem Unglüd halb an oiefen, balb Derjubeltc er bann 
»iebeT fein ©lüd mit jenem — lauter leichten ©e* 
feilen. 

© i n ©rieflein nur hot er noch jahrelang bewahrt, 
Zucrft in feiner ©rieftafdje unb bann in feinem SReije* 


foffer; beS©riefleinS erfte Säge aber lauteten: „SRein 
lieber, guter ^erjenSbruber, mein füger ©ruber 
fRicbarb! 3d) möchte fo gar gerne, bag bu wieber 
bieber fämeft unb mich auf beinen feien reiten 
liegeft, unb mid) auf beine Schulter böbeft. 3* wollte 
bir aud) gerne baS grögte Studcben $udjen fehenfen 
unb nur oaS lleinfte für mich behalten, $u foHteft 
bicb auch wunbem, wie grog ich fd)on geworben bin, 
unb ©nglifd) unb granzofifd) lerne ich oud) fdjon!" 
$ann folgten allerlei $orfneuigfeiten. $er fRidjarb 
aber hotte ben ©rief jahrelang oerwahrt unb wenn er 
ihn in einer ftillen Stunbe zum bunbertften 3Rale ge* 
lefen batte, bann waren ihm jebeSmal bie Augen feucht 
geworben. flulegt ftatte cr ÖU( Jl liefen ©nef oerlo* 
ren. ©r wugte ntdg wo, er wugte nidjt wann er ihn 
üerloren hotte; aber feitbem ber ©rief fort war, 
fdjien ihm baS legte ©anb, baS ihn an Die £>cimatb 
fettete, zerfd)nitten zu fein. 

©ergauf war er gezogen unb beraab; unter Son* 
nenlidjt war er gepilgert unb unter ©etterwoUen: ba 
fam er in ©ofton wieber in ein ©omptoir. $aS war 
oor fieben fahren: — ja, oor fieben Qabren, nad)bem 
er reichlich fünf $abre brüben gewefen war. Xe^ 
©anberlcbenS war cr fatt unb mube, unb als er an’S 
Scbreibpult trat, ba hotte er ben feften ©orfag, nidht 
wieber baoon zu ziehen. ?lber er batte fd)on mehr 
als einmal gute ©orfäfee gefagt: fie waren alle Der* 
webt wie bie ©riefe uno ©lätter feiner Sieben, ©r 
hatte auch balb gemerft, bag in bem S)oufe beS ftan* 
belSherrn ein anoerer ©eift wehe als anberSwo; unb 
manchmal fam’S über ihn, als ob er oor biefem ©cifte 
fliehen mügte weit, weit hinweg. $er $>anbclShcrr 
war ein ©?ann oon faum oierzig fahren; aber er fab 
älter aus. Sdjeiben unb mciben altert. 

©ier blühenbe linblein hatte ber 9Rann braufieit 
auf bem grogen Stiebbof neben einanber liegen, ©e* 
beugt war ber 2 Rann, aber nicht gebrochen; üerloren 
hatte er unb war bod) alüdlid). Proben int .t)aufe 
waltete fein treues ©eio unb h^gte unb pflegte baS 
einzige Kinblein, baS bem ©Ucmpaar geblieben war, 
bie neunjährige ©äcilie, bie fie im ©omptoir bie ©iüt) 
nannten. $ann unb wann war 9iicharb broben ge¬ 
wefen im gamilienfreife, benn er wugte fich u>ohl Z u 
bewegen in guter ©efeüfchaft, unb ber 4>anbelSt)err 
fd)ägte ihn wegen feiner Spradjfenntniffe, fo bag il)m 
fdjon im Saufe beS erften RahreS ein 2b c tl ber fron* 
Zöfifchen unb fpanifepen ©orrefponbenz anoertrant 
war. ©enn cr aber broben gewefen war, bann hotte 
fid) baS neunjährige 2Rägblein mit ihm zu fchaffen 
gemacht, war ihm auf ben Sdjog geflettert unb hatte 
nicht oon ihm gelaffen, bis er ipr ©efd)id)ten erzählt 
hatte oon £eutfd)lanb unb oon feinen alten Stabten 
unb ^Ritterburgen. 

©inmal aber—er war wohl anberthalb ^ah* fdjon 
auf bem ©omptoir gewefen—ba hatte bie ©illp ihn ge¬ 
fragt: „£aft bu benn feine Sdjwefter, unb feinen 
©apa, unb feine SRantaV — ©i, fo erzähle mir hoch 
auch einmal oon Deiner Schwefter ganz hübiche ©e- 
fchidhten/' ©r aber hatte ge anfehaueu müffen unb 
thm wafS gewefen, als hätte ihn bie ©ertrub mit bit- 
tenbem ©lid anaefchaut • unb ber ©lief hatte ihn über¬ 
wältigt. ©r mugte baS jtinb niebergleiten laffen, trat 
in eine genfternifche unb fdjaute hinaus, unb eine 
beige Simone quoll ihm über bie ©angc. 3)ann trat 
fierr ©ebfer, ber ipanbclSherr, zu ihm, legte ihm bie 
|>anb auf bie Schulter unb faßte: „SRidjarb ©erger, 
erzählen Sie aud^ mir oon ^l) ren ®ltem unb ©e* 
fchwiftern. Sie hoben gd) wtber bie 3h rc u oerfün* 
bigt, fonft hätten Sie längft oon ihnen erzählt, benn 
id) fehe jegt, bag Sie Angehörige hoben, ©rjählcn 
Sie, lieber ©erger, unb ob Sic aud) über groge Sünbe 


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Unter ben ÄJUrglodttn. 


511 flogen batten, fo merben Sie ben Iroft beS©otteS* finben. So l>at er biefen unb nod) manchen Slbenb 
mortcs erfahren: v 2Ber feine Sünben befennet, bem tn ber gamilie feinet HanbclSherrn oerlebt, unb bat 
finb fie oergeben/“ toieber ber ©illt) alle mögliche greunblichfeit jugeroen^ 

la hat ber SRicparb oon feiner ©ertrub erzählt unb bet. ©r hat auch einen jmeiten ©rief nach leutfch* 
oon feinen ©Item, unb oon feiner Sünbc. Äber mäh= lanb gefchrieben an bie SBittme beS ©aftor ©erger in 
Tenb er erzählte, ift ihm ber alte Iroß mieber burd) Sinbenhöh- 35er ©rief ift lange unterwegs gemefen, 
bie Seele gezogen, unb ber alte SSeltfinn hat entfc^ul*= ift Oon £inbenhöh nach törcuftberg gegangen unb ift 
bigt, 10 aS nicht *u entfdjulbigen mar; unb als fdjließ* mieber nach ©ofton aurüdgefommen mit bem ©er* 
lim ber Hausherr ihn ermahnte, an bie ©Item $u merf: „Slbreffat oci^torben." 
fchreiben, hat er $ucrft allerlei Ausflucht gefugt, unb Unb mieberum iffd mie eine leufelSgemalt über 
bann hat er oon lag 511 lag baS Schreiben aufge ben Sticharb hewingebrochen, unb er hat hinaus iuüf> 
fchoben; unb je länger er eS auffd)ob, je mehr fagte fen unb aus bem fchäumenben ©echer ber Suft trin* 
ihmbaSHauS, barin er lebte, mie tief bie Stluft fei fen; aber nur menige läge ift er braunen geblieben: 
gmifchen ihm unb bem ©aterhaufe. bann hat bie ftill Oerborgene SRacht ihn ^umefge^ogen 

©nblich aber hat ber milbe ©rnft beS HanbelSherm in baS HauS beS HanbelSherrn. ©S mar ©harfreitag, 
hoch gefiegt, unb Sticßarb hat an feine ©Itern gcfdjrie^ als er hcimlehrte. SHS er in baS Sintmer trat, hat 
ben, einen langen ©rief über fein Ihun unb Irciben ber Hausherr bie Ihür oerfcßloffen unb ift nieberge- 
unb über feine ©läne unb Hoffnungen, aber über fei* fniet mit Söcib unb &mb, unb Sticßarb bat mit fnicen 
nen innerften SRenfcßen hat ber ©rief nichts gemelbet. müffen. ©r fonnte hoch nicht allein ftehen bleiben, 
lann finb mieberum SSocßen unb SRonate oergangen, ©r hat mit fnieen müffen. Unb ber emfte SRann hat 
bis ber ©ote eingetreten ift unb gefagt hat: „©rief lange gebetet. 0 , rnelche ©eftalten traten ihnen ba 
aus leutfcßlanb an Herrn Sticßarb ©erger." Unb oor bie bemegte Seele! $u aUererft bie ©eftalt oofl 
SRicßarb hat ihn ben ©rief aus ber £>anb geriffen — ©lut unb SSunben, ber baS Hetj gebrochen ift über 
ach, eS mar fein eigener ©rief, ben er oor SRonaten ber Sünbe ber SRenfcßßeit. Unb unter beS HeilanbeS 
abgefanbt batte, unb auf bem ©ouoert ftanb groß unb Äreufl fchrieben gefaltete Hänbe bie Unterfchrift: ,,©r 
beutlich gefchrieben: „Slbreffat öerftorben." ift um u n f e r e r SRiffetßat millen oermunbeL unb 

„Slbreffat oerftorben!" ©Sie eine legenfpiße fuhr um unferer Sünben mitten jerfcßlagcn. Die Strafe 
bem SRanne am ©ult baS SBort burch’S Her*. - liegt auf ihm, auf baß mir Triebe hatten, unb bureß 
„Slbreffat oerftorben'" unb baS treue SRutterßerfl? feine SBunben finb mir geheilet." 

Slucß gebrochen? ga, auch gebrochen. Sonft märe ber Sin biefe ©eftalt lehnten fuß oiele anbere ©eftalten, 
©rief nicht mieber in feine Hänbe gefommen, benn mie cinft SRaria fich an ihres .StinbeS $reuj unb fto- 
baS SRutterauqe hätte beS ÄinbeS Sdjrift erfannt unb banneS fich an feines ©rlöferS fiiebe anlehnte, gür 
hätte — ben ©rief nimmer fahren laffen. Sebenbe flehte ber emfte SRann unb für ©erftorbene, 

©r ging hinaus, ftetfte ben ©rief in bie laiche, unb für Stahe unb für gerne. Unb als er bat, bajj ber 
ift läge lang baßingegangen im bumpfen Sdjmera. treue Heilanb ihres lieben Sticßarb ©erger’S ©Item 
^egt erft hat er gefühlt, mie er an’s ©lternßer$ ge* möge in bie Seligfeit hinaufgenommen haben, — ba 
fettet mar mit goloenen betten. Unb bie Heine ©er* bat Sticßarb mitbeten müffen. $a, er hat beten m ü f* 
trüb: — mo ift fie? fe n, ob er*S auch meinte, gänzlich oerlcmt $u haben. 

©in ©efannter fontmt $u ißm unb labet ihn ein $u Unb ber emfte SRann hat meiter gebetet, baß ber treue 
einem SlbfcßiebSfcßmaiiS eines greunbcS. ©r nimmt Herr bie oerflärten Äugen ber ©Item möge nieber* 
bie ©inlabung an. SHT bie ©ebanfen mitt er Ocrtrin* fcßaucn laffen auf ihren Sticßarb, unb ihre Sippen 
fen - - ja oertrinten unb oergeffen, unb baS alte Sün* möge jaucßjen laffen barüber, baß ihr $inb baS emige 
benleben beginnt mieber. feoeßen lang ift Sticßarb Seben ermahlct unb beS HeilanbeS ©nabe gefchmecfet 
toieber ber alte, milbe $Rid)arb. Das ©omptoir mirb habe. Da hat ber fRicparb meinen müffen, ob er auch 
thin allmählich eine bumpfe Stätte; cS mirb ihm $u meinte, baS ^Seinen fepier oerlemt $u haben, 
eng, ju fcßmül in bem ernften, oomehmen Kaufmanns- Sin jenem Slbenb aber ijt Siicparb noch lauge in ber 
häufe; er mitt hinaus, er muß hinaus, hinaus in bie .WaufntamtSfamilie geblieben, unb fie haben üielc gute 
toeite, meite Söelt. Sieben unter einanber geführt, Sieben, bie ben ©infa* 

©ineS SRoraenS ift er halb trunfen auf’S ©omptoir men immerbar mahnten an baS oerlaffenc unb oer* 
gefommen. l)er HanblungSherr hat em Äuge auf lornc ©aterhauS. len finblicpen ©lauben, ben er 
ihn gehabt. Siidjarb hat in feinen ©riefen ©ermir^ cinft im ©aterhaufe hatte, unb ben bie arge SBelt ihm 
rung angcricbtet. Sener hat eS bemerft unb ruft ihn entriffen, ben hat SHcparb noch nicht mieber finben 
ab. ©S ift ipm unheimlich, mit bem ernften SJianne fönnen, ob er fich auch in biefem neuen ©aterhaufe 
allein $u fein. — „Sie haben falfche Slngaben in-3h r *n an beS ©laubenS Früchten erquiefte. lenn Sehn* 
©riefen gemacht!" — „Unb Sie motten mich en * ; fucht nach ©lauben ift hoch noch fein ©laubc; H un ger 
laffen?" — „Siein, Siidjarb ©erger, id) mitt Sic ift noch feine Sättigung. Ober iffS fchon mehr als 
halten, unb mitt für Sie beten, mehr als ich & bisher Sehnfudjt, menn er fich wohl fühlen burfte im .Greife 
gethan habe." — „$ür Sie beten!" beS ftitten gamilienfreifeS — er, ber ©infame, er, ber 

laS hatte ihm fein SRenfch gefagt, feitbem er aus ©erlorne? 1er SRuIjetag üor 0ftem ging bahin. 

bem ©aterhaufe fort mar. „gür Sie beten!" laS laS beS ©infamen mar balb tief traurig, bemt 
flang ihm in’S Her^, als mär’S ein ©locfenton oon er ba^te an feine ©infamfeit unb — er fonnte nicht 
Smbenhöhe. „§ür Sie beten!" ©r mürbe plö^lich beten, unb bann mieber gog’S burdj baffelbe Her*, alS 
gan^ nüchtern unb legte bie ®anb über’S Sluge, als mären’S lauter ^ubeltöne; bann bachtc ber ©infame 
molle er bie ©emegung oerbergen, bie ihm burdj’S an baS ©ebet beS ernften 3Ranne$ unb an baS bunfle 
^Ingeficht judte. ©r hatte f orteilen motten aus biefem $reuj. 

Haufe, aber er tonnte nicht; eine Oerborgene SRacht $n früheren fahren tt^ar bie gamilie SBebfer im* 
hielt ihn feft. 1er s $rin*ipal fragte ihn bann nach mer allein hioauSgegangen auf ben großen griebhof, 
hen ©Itern unb nach bem ©rief, unb bat ihn, ben heu* mo bie üier Äreuje in langer Sleipe ftanben; heute 
tigen Slbenb in feiner gamilie p^ubringen. früh hatte ber HanbelSherr ben ©omptoiriften bitten 

©r hätte am liebften biefe ©inlabung auSgefcplagen, laffen, mit ihnen hinauSjugeljen, um bie ©räber 

aber im Slugenblid fonnte er feine ©ntfcpulbigung feßmüden. „@r muß hinaus," hatte er ju feinem 


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ünler ben ©fterglorhen. 


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lieben SBeibe gejagt, „er mug ginau« unb ben grieben 
<ine« Ofternfriebgof« tennen lernen; er muß ginau« 
unb ben Seben«fürften linnen lernen, ber au« ©ra= 
bern Seben geroorgeben lägt. ©r mug ginau«, fei¬ 
nem §eilanb in'« Buge jebauen unb ficb igm an’« | 
legen.'' 

Unb er ift mit ihnen ginau«gepgen. Bn jenem 
Dftertage bat er jicb mögt feinem $eilanb noch nicht 
an 1 « fter* gelegt. Ober bat et*« hoch getgan? 3Sogl 
bat er ibm in*« Buge gefegaut — tief hinein. Ob er 
fieg ibut an’« öerj gelegt bat — ba« glaubte er nicht; 
ba$ meig er jelber nicht. 

Bon jenem Oftertage an ift au« bern einfamen 
ttomptoiriften ein lieber £>au«freunb für Da« einfam- 
«rnfte $au« gemorben. Da« »ergangene Seben bünfte I 
ben SRicgarb ein böfer Draum gemefen p fein, unb 
ba« jepige geben bünfte ign mieberum nur ein Draum 
ju fein, aber ein feliger. ©r mar allmäglicg De« §an- 
betögerrn rechte $anb gemorben: er mobnte jept mit 
ber lieben gamilie in einem Jpaufe, er ag mit ibr an 
Einern Difcge, er betete mit ibr in einem ©ebet«= j 
fämraerlein. ! 

* * I 

Unb jept, jept ftiiet ber einfame Kaufmann au« 
Bofton auf bern Kirchhof p Sinbengög. ©r fniet 
an ben Äreujen feiner ©Itern unb bat De« Bater« 
Äreuj mit feinen beiben Firmen umfcblungen. Öfter- 
trinke bat er nicht gebracht $u feiner ©Itern ©rab, 
aber er bat bed Bater« Äreuj umfcblungen unb bat 
fein §aupt baran gelegne, unb feine beigen Dgränen 
perlen baran gernieber. @r gat rücfmärt« gejegaut 
in fein »ergangene« geben unb gat barin gelefen roie 
in einem aufgefcglagenen Bucg. Dag ber alte Lüfter 
anf ben Äirdggof gefommen ift — ba« bat er niegt ge- 
fegen; bag ber groge ©cglfiffel im ©cgloffe ber Äircg* 
tgur aefreifegt gät—ba« gat er niegt gegärt. 

3ept fcglägt bie Dgurmugr feeg«. ©eit amölf gab- 
ren gat er biefen Älang niegt gegört, feit £t»ölf hag¬ 
ren niegt; barum gat er bie ganjeBacgt niegt fcglafen 
tonnen unb gat au« ber nagen ©tabt geräumigem 
müffen fegon in berDämmerftunbe De« Oftermorgcn«. 
Die Dgurmugr feglaat jeeg«. Drüben ginter ben 
Sinben öffnet fieg eingenfter. ©r fennt’«: e« ift ba« 
Jenfter in — feinet Bater« ©ebet«fämmerlein. Die 
Xgurmugr feglägt feeg«, unb al« ber legte ©cglag »er¬ 
hallt ift, grügen bie Ofterglocfen über*« Selb; fie 
jaueg^en mit ben gläubigen Ußenfcgen: „Der foerr ift 
anferftanben, ja, ber ^err ift magrgaftig aiifcrftan- 
ben." Bber manchmal tönte e«, al« ob au« ben ©locfen 
ein anberer ©egal! gerau«flinge, unb al« ob eine 
Stimme au§ ber £öge riefe: „Diefer, mein ©ogn, 
ttar tobt unb ift mteber lebenbig morben; er mar »er- 
loren unb ift mieber gefunben morben." 

©o tönten bie Ofterglocfen. 

Bl« aber igr lepter Slang oergaUt mar, fegaute ber 
©infame um fug* benn er mollte einfant bleiben an 
feiner ©Item ©rab, unb fag, bag neben feiner Butter 
Ärenj noeg ber groge Seben«baum ftanb auf bern 
ISrabc eine« längft »erftorbenen Bmtmann«. Der 
Sebenöbaum mar oor ^mölf unb »or sman^ig hagren 
jegon faft mie eine biegte Saube, unb unter feinen 

a m lag bamal« fegon unb beute noeg ein groger, 
emaegfener ©tem, ber einft mobl lieben Drau= 
rmben ald Utugebanf gebient gatte. Dort batte oor 
tnelen hagren ber9fticgarb mit feiner ©ertruo gefeffen 
nnb gatte igr bie ©efegiegte er^äglt oom SaAaruö, ber 
bie ©rabtücger abmirft unb feine SRaria unb 3)tartga 
grftgt mit fröglicgem Oftergrug, unb bie ©ejfgicgte 
bon jenem anberu 8a$aru£, ben bie ©nael trugen 
in ftbragam’d ©egoog, unb ber bort broben feine Öfter 
lieber fingt. 


Unb oiele anbere fegöne ©efegiegten gat bort ber 
>)iicgarb feiner ©ertrub erjäglt. ©r meig e$ noeg, er 
fennt ben ©ig. Der .Stlang ber Ofterglocfe Dergaüt, 
unb ^Kicgarb ift gineingefeglüpft unter bad ©e^meige 
btö ^eben^baunteö unb figet bort auf bern mooäbc 
' maegfenen ©tein—ganj mie bapmal. Äber ©ertrub 

8 autelt niegt auf feinen ftnieen. ©r meig bie ©e- 
iegten nocg,aber feiner ©ertrub tann er fie nimmer¬ 
mehr erpglen. 

Der einfame SJtann fiegt ben alten Äüfter unb fei¬ 
nen ©egülfen au$ ber Äiregentgür treten unb über 
ben föircggof gegen; er rügrt fug niegt, er beugt ba$ 
•tmupt in tiefen, fegmeren ©ebanten. ©r bentt an 
feine ©ertrub. $£ie gat er fie fo lieb gegabt — bie 
I fleine ©egmefter! ©o lieb — fo lieb nur ein groger, 
einziger trüber fein fleineS, ein^igeö ©cbmefterlein 
gaben tann. ^m grenjenlofen fieicgtfinn gat er ba$ 
legte ^latt oon igrer .'panb Dermegen laffen; in roil- 
ber ^wflcnbluft gat er ber ©egmefter ©pur oerloren. 
©r gat fegon bor Qagren an ben Pfarrer in iiinben 
| gög gefegrieben; unb berSJlann gat ihm geantroortet, 
bag ber Pfarrer Berger oor jeftt fieoen Qagren ge- 
ftorben fei, bag bie s Bittme naeg ^reu^bera gepgen, 
unb bort, $met 3ahre naeg bem Dobe igres iftanne^, 
fanft unb felig entfcglafen fei, unb bag bie beiben auf 
bem Sriebgof ju ßinoengög neben einanber igre 
9tugeftätte gefunben gatten. 

©r gatte igm ferner mitgetgeilt, bag fein ©rbtgeil 
oon bem ©eriegt p Äreujberg oermaltet merbe, bag 
er aber naeg feiner ©egmefter »ergebend geforfegt gäbe. 
Diefelbe fei in einer ^senfion in ber ©egmeij gemefen, 
er gäbe aber ben tarnen beä Ortcd niegt erfahren 
tönnen. Docg gäbe igm eine Jreunbin ber grau 
^farrerin Berger mitgetgeilt, bag Fräulein ©ertrub 
mit einer franjöfifcgen Dame auf meifen gegangen 
fei unb fieg in granlreicg ober in Italien aufgalte. 

3lcg, mag fragte Sticbarb S3erger naeg feinem ©rb¬ 
tgeil, naeg bem tobten ©olbc feinet SSater^; er fragte 
nur naeg bem lebenben ©rbtgeil au« feiner ©Item 
.§änben, naeg feiner ©ertrub. 3lber, ob er aueg 
forfegte unb fragte beim ©eriegt unb beim Amtmann, 
ob er Slnpige erlieg in ben 3eitungen—feine ©ertrub 
fanb er nimmer. 

3 ept mar er jmölf ^agre brüben gemefen. £err 
38ebfer unb bie ©einen gatten oft bie ©tille bemun- 
bert, mit ber er ben ©<gmer$ feine« ,§erpn« trug, 
©r aber gatte gejagt: ,,$8a« mein ©ott mir auf erlegt 
gat, ift eine milbe ©träfe für fegmere ©ünbe." 

5öor einem galben 3«g^ gat $crr SSebfer ben 9ti= 
egarb mit fieg auf fein Zimmer genommen unb gat 
igm gefagt: „fRiegarb ®erger, ©ie miffeu, bag mir 
unfer ©efegäft in ber lepten Reit ermeitert gaben. 
2 Jteine Besiegungen jur alten $8elt maegen e« mün- 
fcgen«mertg, bag ieg m öomburg einen Vertreter gäbe. 
Stiegarb Berger, ©ie treten mit ein in mein ©efegäft, 
gegen ginüber unb repräfentiren brüben ba« $au« 
Slöebfer & ©o. s Jftacgen ©ie feine Söiberrebe: ieg 
meig, ma« ieg an ggnen gäbe; feeg« 3agre habe ieg 
©ie tn meinem ©efegäft erproben Dürfen; feit Dier 
3agren finb mir bureg ftärfere Banbe al« bureg irbi- 
fege an einanber gefügt: bie ©nabe be« £>eüanbe« gat 
unfere fterpn mit einanber oerbunben. Unfer Äon¬ 
traft ift geicgriebcn; negmen ©ie ign mit, prüfen unb 
unterfegreiben ©ie ign. Bon SBeignaebt bi« Oftem 
gaben ©ie Urlaub, unb merben, ba« malte ©ott, ygre 
©egmefter finben. Negmen ©ie ggre ©ertrub mit 
fieg, unb riegten ©ie fieg naeg Oftern eine traute §äu«- 
liegfeit ein, Darinnen bröberliege unb fegmefterliege 
Siebe fröglicg unb felia mit einanber malten." 

Da« maren gute Bsorte, unb >Hiegarb Berger ift 
ginau«gepgen, fie magr p maegen. Bei ben Ber- 


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Unter fern ttßrrgtahen. 


wanbten hotte er anaefragt. ©ie wußten nichts non 
ber ©ertrub. Tie ©enfion, wo fie brei Satyr* ber* 
lebt, ^atte er erfunbet. Tie ©orfteherinnen Ratten 
ihm aefagt, baß bie ©ertrub ©erger mit einer fran* 
Aofifmen ©räfin auf ©eijen gegangen fei. ©ine frü* 
bere greunbin {einer ©djwefter gatte er aufgefudjt. 
©ie war boll beS SobeS über©ertrub, aber fett Dritte* 
halb 3°h ren h öt * e Ü e nichts uon ihr Demommen. 
©ie wußte nur, baß fie in granfreid) ober in 3 ta» 
lien fei. 

Unb nun fipt ber ©infame unter bem SebenSbaum 
an feiner ©ltern©rab unb hat ba lange fcbon gefeffen 
unb hat baS ftaupt gebeugt in tiefer ©etrubnifj. 

„§anS ©hrtftian!“ ruft Drüben ber alte Lüfter fei* 
nem ©ehülfen au, „geh nic^t ju weit bomJ>aufe, benn 
halb wirb bie Uhr neben fein, unb baS ©ieben*Ul)r- 
©elöute muß noch geller hinauSflingen als baS erfte 
©eläute. Tie Ofterglocfe tönt geller Don ©tunbe ju 
©tunbe, aber junger ftraft bebarf’S, um baS gewaltige 
©Jetall äufd)imn 0 ttt; fcarum geh nid)t ju weit." 

Tem ©cann unter bem SebenSbaum tönt bie 
©timme wie ein Ton auS längft begangener Seit. 
Unb ba fein ©lief burdj baS grüne, buftige ©ejwcige 
fdjweift, fieht er, wie bie &ird)!jofgpforte fich öffnet, 
unb eine fdjwarj gefleibete Tarne tritt ein. ©ie fieht 
nic^t au# wie eine Don Sinbenhöp. Ueber bem linfen 
2lrm trägt fie grüne Stränge, ba# blaue $luge fcpweift 
über Den griebtyof; eS fiept traurig auS; Da# §aupt 
fenft fid), unb tiefgefenlten Raupte# geht fie Dorüber 
an ber ftireptpür. ©äper fommt fie feinem ©ipe — 
immer näher. Tie grünen Stränge nimmt fie Don 
bem 91rm. ©ie befranst bie ÄreuAe, — bie ftreujc 
neben ihm. ©ie finft nieber am guße ber ftrcuje, 
bort, wo SRidjarb ©erger gefnieet pat. ©ie betet. 

Unb al# fie auSgcbetet gat ba hebt fie ba# 2luge 
auf; unb fein 2luge lugt Durch ba# ©ejmeiac, unb 
feine Sippe murmelt: ,,©J einer Butter Slugcr Tie 
Tpräne wifept er Dom 2lngeftd)t. Tic jittemben 
£änbe falten fid) noch einmal. Tann erhebt er fid) 
unb theilt leife ba# grüne ©ejweige, unb fiept Dor ber 
Qungfrau. SSer ift bie Jungfrau ? ©ie fepeint im 
erften 9(ugenblicf crfchrocfcn ju fein unb fichabwenben 
ju wollen. Ta rebet er fie an mit jitternber ©timme: 
,,©ie fcheinen aud) eine ©infame ju fein, mein gräu* 
lein, bie in tiefer Trauer ju Den ©räbern ber 3pren 
muß?" 

„©0 gar einfam Darf ich midi nicht nennen,“ erwi* 
berte fie, unb fchaute ihm ernft in’# emfte Slngeficpt 
»benn ber Ofterfönig ift mein ©eleitSmann. 3luch 
bin id) nicht fo tief traurig, benn id) weiß, baß meine 
Sieben Daheim finb unb felia. 9lber id) bin eine, bie 
©epnfucht hatte nad) ber .peimatp, Die in fremben 
Sanben gin unb her gejogen. ift, unb feit brei 3apren 
bie ©räber ber 3P ren nid)t gefehen hatte, unb nun 
am britten Oftern einmal wieber hier fnieen unb beten 
unb bie ftreujc fehmüefen mußte.“ 

„0 ja,“ fagte er, unb feine ©timme bebte, — „hier 
fnieen unb—alter oergangener feiten gebenfen. 0ber 
haben ©ie es Dergeffen, wie ©iner bort im Dichten 
©ejweige 3hnea bte©efd)ichte crjäplte Dom SajaruS, 
ber getragen würbe Don Den ©ngeln in Slbrapam’S 
©epooß, unb Don bem anbem SajaruS, ben ber 0fter= 
fönig Dom Tobe erweeft v unb er gab ihn feiner ©cpwe* 
fterr“ 

©ie fchaute ihm mit forfchenbem, flehenbem ©lief 
in’# 3lngeficbt. ©r aber fuhr fort: „Ter erfte Sa ja« 
ruS, ba# ift ©farrer ©erger Don Sinbenhöp, ber jweite 

--ba# ift fein ©ohn. ©ertrub! ©ertrub! — 

meine ©cbwefter!“—„9t i d) a r b!“ rief fie, unb fcplud)* 
jenb lag fie an feiner ©ruft. 

©leben ©cßläge hallten Don ber Thurmuhr über’# 


Torf unb bie Ofterglocfen h^ben wiebrr an unb jauefe** 
ten mit mächtiger ©timme: „0 Du fröhliche, 0 dxl 
felige, ©nabenbringenbe Ofterjeit, ©eit lag m ©an* 
Den, feprift ift erftanben, greue, greue biaj, 0 <£pri* 
ftenheit!“ 

Unb bie Sllten, bie üorüberjogen, riefen in be3 
©farrerS ©ebet#fämmerlein hinein: „Ter §err ift 
auferftanben!“ unb heraus tönte bie Antwort: ,4Ja r 
ber ®err ift wahrhaftig auferftanben!“ Unb Die 
jungen auf 

timme ju 


ift wahrhaftig auferftanben!“ Unb 
uf ber Torfftraße riefen fid) mit lauter 
„gröbliche Oftern!“ Unb auf bem 


griebßof hflüte baS ©ort wieber. Unb ob bie Sippen 
ganj ftiUe 


, fo jauchjeten mächtig bie ^erjen: 
„©clige Oftem, ja felige Oftem!“ 

Ter alte Äüfter aber trat auS ber Älrchthür unb 
fchaute ju ben Äxeujen feiner lieben *ßfarrleute hin* 
über. Sch, wie hatte er fie fo lieb gehabt; unb jaft 
wollte ihn bünfen, als ob baS ©ort beS alten ©far* 
rerS in feiner tiefen ©infalt mächtiger in bie j&erjen 
gebrungen wäre als baS fräftige ^ngniß beSjepigen 

r- *•-«! ehabt! 
t 


jungen öirten • ach, luicbatte er fie fo lieb 
üfterftänje hat fein ©cütterdjen ihnen 
gewunben, unb er hat!S fich nicht nehmen laffeit, ftc 
eigenhänbig über bie ftreuje au hängen. 9?un fteht 
er ftiue an ber £ird)thür unb fd)aut ftaunenb hinüber 
ju Den fttcujen. ©er Durfte ipm juoorfotmnen? 

Ta fällt fein ©lief auf bie ©eiben; auf bie ©eiben 
bort neben ben Äreujen, unb größer wirb fein 91uge. 
„©0 fah ber Pfarrer ©erger aus Dor Dierjig 3abren f 
als er emjog m Sinbenhöhich f c h f ih n no%.—©rab 
wie gener — fo fah er auS. Unb grab wie ^ne fap 
bie grau ©farrerin auS; — wahrlid) grab wie Qene, 
,,$lber nein, — nein — fie finb’S nicht, ©enn ich 
meine lieben alten ©farrcrsleute wieber feljen werbe 
an jenem großen 0 [tern, bann werben fie noch fdjöner 
auSfehen als igenc bort, bann werben fie ganj i)urdj= 
leuchtet unb Derflärt fein Don ber Dfterfonne.“ 

©0 murmelt ber alte £üfter in Den grauen ©art. 
Unb bann fährt er fort: „Tie alten klugen fehen nicht 
jeharf mehr. 5lber wer fie auch finb, fie -follcn einen 
fröhlichen Dftergruß Dom alten ftüfter ©toller mit^ 
nehmen Don ben ©räbern.“ 

Unb näher tritt er unb grüßt fie mit freunblichem, 
fröhlichem ©ruß. ©ie aber erwiberten jauchjenb ben 
©ruß unb fragten mit jubelnber ©timme: „Stennt 

8 hr unS nid)t, ©ater ©töller, fennt Qh r ^icha^b unb 
ertrub nicht?“ 

„ 3 a, ja; ich ertannte ©ud) wohV' fagte er; „aber 
ich traute ben alten klugen nicht—ach, Ü e werben fepon 
fchwadj." 

Tic heißen Thränen aber rollten ihm über bie 
Durchfurchte ©ange, unb beS ©icharb’S ßanb hielt 
er feft umjdjloffen unb jog bie ©eiben mit fid) in fein 
§auS. 

9US fie aber aus ber ÄirdjhofSpforte traten, ba 
ftanb er einen 5lugenblid ftille, fchaute bem ernften 
©tann doU unb ernft in’S Slngeficht unb fragte ihn: 
„©icharb, bift Du heimgefehrt ju beineS ©aterS Äteuj 
unb ju feiner OfterhÖffnung?“ 

„3a, ©ater ©cöller,“ erwiberte er, „jum l^reu^ 
unb jur Ofterhoffnung.“ 

„Ter ^err ift Dem alten Äüfter ©töller fehr gnä* 
big,“ fuhr er fort, „baß er mich bie ©otjehaft mit pin* 
auf nehmen läßt, wenn id) Droben am großen Oftem 
meinen alten ©farrer grüßen Darf: v ©iel)e, bein 
©ohn ift heimgefehrt jum Äreuj unb jur 0fterhoff* 
nung/ 3 Ö ^ fcer V tTX W fee,n flltcn »öfter SRoller 
feßr gnäbig, baß ich bir noch beineS ©aterS ©otfehaft 
auSrf^ten Darf, mein ©ohn — meines ©farrerS IRu 
d)arb. ©iehe, als er auf feinem ©terbebette la) 
mein lieber, guter Pfarrer, ba hut er ju mir gefagl 




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(Sin armer Itänig unb feine großen $d)löffer. 


177 


'tufter fRöller/ Ijat er gefügt, Hnein fRicharb wirb 
^eimfe^ren; imb wenn er heimtebrt, bann fagt tlpit, 
bafc id) ihm äüeS vergeben habe, unb bag icg old mein 
befteS drbt^eil ihm meinen boüen SS ater fegen hinter* 
laßen habe. Unb bittet ihn. bog er feine ©djwefter 
lieb beoalte, wie er fie old tfnabe lieb gehabt ^abe, 
«üb bap er für fie forgen foü ihr Seben lang/" 

$a fmb fie in ba£ JtüfterbauS getreten. ter $Ri- 
dprb jat noch einmal feine ©ertrub feft umfÖlungen, 
unb bie alte tffifterSfrau hat ge ihm aus bem ärm 


genommen unb hat bie junge, oornehme tarne gefügt, 
roie eine SRutter ihr ftiitb fügt. tcr alte Süfter aber 
betete unb triumphirte alfo: 

$)a$ tft bie reidje Ofterbeuf, 

'Der nur tljeiUjaftiß werben: 
jjrieb', ftreube, peil, ©erecfitißteit 
}ni pimmcl unb auf ®rben. 

Pier flnb Wir ftiU unb warten fort. 

©iS unfeT ßetb wirb äbnlid) bort 
Cbrifti »erHärtem fieioe. 

(®rnft ®ner*.) 


1 LCWV 1 


<£iii armer Honig unb feine groben Sdjlblfer. 

gfur §au$ unb $erb bon SRarie ©igtoctfhcr. 


enn baS, Was fürstich oor unfern äugen 
üorübergesogen, unb heute noch oor aller 
SEBett fteht, nicht greifbare SBirflichfeit 
wäre, fo fönnte man berfudjt fein ju fagen: ®ie 
©efchichte Subwig II. bon Saiern gehört in 
baS SKärdjen bon taufenb unb eine Stacht. 

6S ift jietooc^ ©efchichte. $er rätselhafte 
ßönig hat gelebt unb feine geen-@chlöffer fön* 
neu befehen werben. 

Ebel unb reich begabt, fyat er nach manchen 
©eiten hin Schönes gefdjaffen unb ©rogeS am 
geftrebt. ®oc| ift er feinem Sotfe nicht sunt 
©egen geworben. ©eiftig uub förderlich auf’s 
^errlichfte auSgerüftet, hat ihn nach nnb nach 
bie Stacht beS SBahnfinnS umfangen, ©eine 
©«hlöffer glänzen als 3Denfmale ftaunenSwerther 
Äunfi; aber an feinem ©arge werben wir er* 
innert, bafc er in wahnfinniger Sersweiflung 
ben wunberbaren ©otteSbau—fein eigen Seben 
—-jerftörte nnb ben treuen, bienenben är$t in 
ben gluthen beS Starnberger ©eeS mit in ben 
tob gezogen. 

63 ift alfo trop alles ©lanseS ein gar arnteS 
SRenfchenleben, an baS wir burch biefe @chlöffer= 
fnracht erinnert werben. 

Unb — gibt’3 hier in Europa unb brüben in 
Smerifa nicht noch mehr fotch’ arme, glänsenbe 
SKenfchenleben ? 

tie Seute ftannen gewöhnlich nur bie flitm 
membe, ober auch golbige äugeufeite an, unb 
benfen babei: $er ift aber ein Seoorsugter! 
ffiemt fie ben Vorhang wegsögen unb ein wenig 
tiefer btieften, würben fie anberS urtheilen unb 
geh nicht abmühen mit bem ©ebanfen: Sich, bag 
uns bodh auch ein folcheS SooS betrieben wäre! 

ES ift alles eitel. $aS prebigen auch bie 
Prachtbauten Subwig II., bie man jept nach 
feinem lobe befehen barf. 

Such Wir gingen hin. grül) ÜJtorgenS mit 
bem 3nge 5 Üh* 30 9Minuten oerliegen wir ben 
SJlünchener Eentral=Sahnhof, um nach SRuraau 
SU fahren. 


SBer je gefagt, bag bie Umgebung oon Sai* 
ern’S $auptftabt öbe unb monoton fei, ber Wirb 
auf biefer Sahnlinie fidjerlich ein anbereä Ur=^ 
theil empfangen. Sn bem reisenb gelegenen 
SKühlthal geht e$ oorüber, wo einft ber Sage 
nach Karl ber ®roge ba£ Sicht ber SBelt er= 
btiefte unb bann weiter entlang am Ufer be3 
lieblichen ©tamberger ©ee3, ber oon Sillen 
unb blühenben Ortf^aften wie oon einem ffiranse 
umrahmt wirb. 

ffiom anbern Ufer trüber grügt un§ emft 
unb traurig ba£ einfache ©chlog Serg, ba£ noch 
biö oor Wenigen Sötonaten feinem 333anberer sn- 
gänglich War, bem fein Soot fich nahen burfte. 
Oebc finb nun feine 9täume unb wohl niemals 
Wirb gans ber ©chatten fchwinben, ber fich auf 
baä freunbliche, h^fe ©chlögchen lagerte, alö 
bie beiben tobten, gürft unb tiener, sur fursen 
9laft hineingetragen würben. 

Sn ber ©übfeite be^ ©ee^ entlang, s^h cn 
fich bie in ÜRorgenglut getauchten Slpenbcrge 
unb geben un£ eine Shnung oon ben Schönheit 
ten, benen wir entgegen eilen. 

SRumau ift ©nbftation. 

333ir gehen s« gug. gmmer näher rüden 
bie Serge; immer impofanter wirb bie ©egenb. 
SBir machen an bem munberbar geformten Et- 
taler 9Kanbl oorüber, hinüber über bie Et- 
taler ©teige einen Sbftecher na<h bem hübfehen 
torfe Ober = Smmergau, ba§ un£ burch feine 
reisenbe Sage eben fo fehr, wie burch bie freunb- 
lid^en Käufer unb ©ärten entsüdt. 

grüh am anberen ÜRorgen brechen wir nach 
bem Sinberhofe auf unb empfangen noch oor 
Snfunft bafelbft einen ©rüg Oon bem mit ewi* 
gern Schnee bebedten Jpanpte ber 3 u öfpi6 e * 

SBer nicht wügte, bag bort s«r Sinfen oer* 
ftedt hinter ben Sergen ein ©chlog läge, ber 
Würbe ohne Slljnung oon bem fo nahen Sor- 
hanbenfein eine§ fleinen irbifchen parabiefe^, 
feine ©trage siehe« unb bod) bebarf e$ nur we¬ 
niger Schritte einer fursen SBanberung über bic 



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178 


(Sin armer Bönig unb feine großen $d)lö|ftr. 


weichen Sfteäwege be« partes) unb baä reijenb 
erbaute Sdjlöfjchen liegt in einer (leinen 
fenfung Bor unferen erstaunten ©liefen. 9ting$ 
um ba3 3d)lofj bie tjerrlidjen ißarfanlagen, in 
benen Statur unb ffunft um bie Sette geeifert 
unb ba3 ®anje im weiten Greife eingeratjmt 
oon ben tiefernften gierten = Salbungen unb 
majeftätifihen 0—7000 ftufj hohen ©ergen. 

So weit ei bie ®rö|e beä ©ebäube# anbe 
trifft, fo hätte ja am Silbe jeber wirtlich reiche 
ÜJiann fidf Sle&nlichcs erbauen fönnen; aber ei 


mir junächft in ba3 oon Dtarmorfäulcn getra¬ 
gene ©eftibul eintreten. ^n ber SJtitte beffelben 
fteljt auf einem prächtigen, fchwarjen 3Dtarmor 
focfel eine bronzene Steiterftatue Subroig XIV., 
barüber im ©lafonb bie ftrahlenbe Sonne unb 
©enien, welche bie ^nfdjrift: “Nee pluribus 
impar’’ tragen. $iefe ©crljerrlichung 2ub- 
wigä XIV. unb feiner ganzen 3eit ift ei, bie 
und ^ier wie in $errenchiemfee überall ent= 
gegentritt unb und tljeiia fdjmerjlich, theilä ab= 
ftofjenb berührt. 



®<f)lo& ©erg am Starnberger See. 

ift t)ier mieber mie in ^errenchiemfee bie Fracht, 
ber Üujud bed Innern, i&ad f° überrrafdjenb 
auf und wirft; hoch \)\ex t wo s 2Wed fleiner unb 
ma&voller gehalten, wirft ed weniger erbrücfenb 
unb befchmerenb auf bad ©emüth ein, ald in 
#errendhientfee. 

Dad Schloß befielt nur aud einem grbge- 
fchofc unb einer ©tage. Den gingang $um 
erfteren vermitteln brei prächtige, reid^ mit Der- 
golbetem ©ittermerf versierte Dhore, burdj bie 


Oben in ben jeljn um 
bie Dreppenflucht gruppte 
tenßinunern begegnet und 
biefe ®erl)errlid^ung bed 
franjöfifcben SBefend ftetd 
auf’d 9leue, fo in ben^ßor- 
trätd geiftreic^er Wänner 
unb grauen aud ber $eit 
Submigd XIV. unb XV. 
in bem reijenben gelben 
©abinet, wo SBanbftoffe 
unb Wöbet aud reich mit 
Sifberfticferei versierter 
gelber Seibe beftehen,wie 
auch in ber munbervoflen 
auf Submig XIV. be$üg- 
liehen ©ruppe aud gar- 
rara-Warmor, bie im vor- 
hergehenben ©obelinsim- 
mer smifchen $mei ©ar- 
rara-Safen auf bem War- 
ntorfamin fteht. 

®on einem gimmertn’d 
aitbere wanbernb, finben 
mir überall nicht nur 
Fracht, fonbern auch ben 
befteit ftunftgefchmacf. Unb hoch werben Wir 
Diii'cl) mancherlei 2onberlichfeiten immer mie- 
ber baratt erinnert, bah ber Schöpfer biefer 
rimluijteit feilt gliicfliched Wenfchenfinb tvar. 

Daf$ cd il)m in biefem Schloß gefallen h<*t, 
unb cd fein Sieblingdaufenthalt gemefen, ift 
leicht glaublich, ^pier in biefer prachtvollen 
©infamfeit, bie au bad Wärchen von Daufenb 
unb etne stacht erinnert, tonnte er fchwärmett, 
beten unb s J$läne für neue Schlöffer entwerfen. 
3Bir manbern weiter! 

«uf hübfeher gahrftrafee, halb burch frifdj= 
grünen SBalb, halb an milbserflüfteten ©ergen 
vorüber, fchreiten mir vorroärtd unb höben reid^ 
lieh ©elegenheit ben Dürft mit bem unver¬ 
gleichlich frifchen SBaffer, ber neben und riefeln- 
ben Quellen unb ©ebirgdbäcfje ju ftillen. 

gin ©ang von reichlich einer ©tunbe bringt 
und an bie Dproler ©ren$e unb von tyex aud 
führt ein linfd abbiegenber 2Beg und in etwa 


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(Sin armer Sönia unb feine großen Stßlöffer. 


179 


20 SRinuten nacß ber berühmten am guße ber 
Sreu^fpiße in einer bunflen Zßalfcßlutßt gele^ 
genen §unbingßütte. ©cßott allein al£ *än 
fdjauungämittel ift btefe ©ütte ßöcßft intereffant. 
Sie gibt un£ nämlicß eine Sorftellung oon 
ben äBoßnungen unserer alten Sorfaßreit, mie 
mir c3 beffer nicßt toünfcßen föititen. 

®ie SSänbe befteßen au$ roßen ©aumftäm 
men; an einer (£fcße ßängt 
b a% SBalfungeit ©eßmert; 
berßocßßeerb ift ßöcßft ori 
ginell unb roß; gelle, 3 Baf^ 
fen unb £örner feßmüefen 
ben SRaunt unb ba§@anje 
mirb oon einer Ä'ienfacfel 
erleucßtet. 

Sor bem £>aufe befinbet 
fi(ß ein Srunnen unb ein 
fleiner ©ee mit bem iibli 
<ßen Sinbaum, unb mer 
für einen Slugenblicf oer= 
gejfen faitn, in toelcß einer 
3 eit be3 £u£it$ unb be* 
unaitfßaltfamen gortfeßritte er lebt, ber oerntag 
fid) üollfommen jurücf^uträumen in jene 3 e ^ 
ber ©infacßßeit unb ber urmüeßfigen ffraft um 
ferer Sorfaßren. ©eitmärtä liegt bie nieblicße 
Eremitage unb an ber anbem ©eite oon ber 
Straße ab ba3 ntaroffanifeße £>au$, ba3 mit 



fiinberbof. 


feinen rotßeu unb gelben garbeit, originellen s JJtö 
beln unb ^icrratßen ben geraben ©egenfaß ^u 
ber eben oerlaffenen imnbingßütte bilbet. 

SBir feßren nun auf ben gaßrroeg jurücf, um 
naeß ctma einer Stunbe an ber neuen ©cnnßütte 
oorbei ab^ubiegeit unb über ben fogenannteu 
©cßüßenfteig nach ^poßenfeßtoangau 31 t gelangen, 
gn fortmäßrenben äöinbungen füßrt ber 2 Beg 
in bie $öße unb faft au 
einer jeben Siegung bie 
tet fieß uu3 eine neue unb 
überrafeßeub, ja faft erßa^ 
ben fcßöne9lu3ficßtaufba3 
©ebirge. 

Sluf ber £)öße finben 
toir ein Heiltet gägerßäuä 
eßen, fonft ift Me« ein 
fant unb ftiÜ unb außer 
bem ßarmonifeßett ©lodern 
geläutebe* s ?llpenoieß3oer; 
nimmt unfer Oßr feinen 
£aut.$urcß bie fo genannte 
Sletfenau toanbern mir 
^mifeßen bunflen Sergen, bie un3 nur bann 
unb mann einen 9lu3blicf in bie gerne geftatten. 
liefer unb tiefer fenfeit fieß bie Statten be£ 
2lbenb3 auf ben einfamen ©ang; aber ba er^ 
feßeint un$ im dürfen ein treuer ©efäßrte unb 
mirft feinen milben ©lan^ über bie fdjon in 



$errend)iemfee. ©orberfront. 


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180 


(Sin ormtr König unb feine großen ädjIöfTer. 



ÜHadjt getauchte ©tgenb. ©rmübet oon einem 
fdjon adjtftünbigen SRarfdjc wiD ber gufj nur 
nod) ungern toeiter fdjrciten unb es ift tvur ein 
SEunfd) oorljanben, ber nad) SRuße unb ®r= 
quidung.' 

®o, toaS ift ba8?! UntoiüfMid> t)ält ber 
gufj an unb baS Sluge fuct)t ben 9iebelfd)leier 
ju burd)bringen, ob bo8 ©ilb, baS ba jur SRfd)= 


Schlots $of)enfd)toön0aii. 

teil aufgetaudjt, Xäufcßung ober 2Birflid)leit fei! 
lieber einer tiefen, fd)malcn Schlucht fcheint eine 
Srüde im äftonbtidjt zu fdjmeben nnb hinter ifjr 
ergebt fich ein Sau, fo fdjlanf, fo majeftätifcf), 1 
fo fchmanenhaft meiß, baß inan im erften äugen* 
blicf geneigt ift, e3 für eine läufcßung ber fßf)an= 
tafie zu galten. 

„$>a£ muß Surg ©chmanftein fein!" ift unfer 


Sluöruf unb fo ift e3. ®iefer erfte Sinbrud be£ 
herrlichen, burgartigen k ®ebäube$ ift unb bleibt 
ber bleibcnbe unb mirb* auch am anbern SJiorgen 
nicht oermifdjt, mo mir oon £ohenfchtöangau 
au£ bie Surg fReufchmanftein in einer £öheoon 
etma 200 ÜReter über ber I^alfo^le auf einem 
nach Often jie^enben felfigen Sergrüden liegen 
fe^en.—gt)r fd)räg gegenüber auf bem reid^ be- 
malbeten ©chmarzen^ 
berge liegt bas 
© ch l 0 ß §o^em 
f i) m a n g a u, ba£ 
ber Sater be£ oer^ 
ftorbenen Sfönigs er= 
baute unb bas jefct 
bie fchmergeprüfte 
9Wutter für ben 
größten Xßeil be£ 
igahresalSSBittmen- 
fiß bient. Sludj 
heute zeigt eine auf¬ 
gezogene blau^meiße 
flagge bie 2lnmefen^ 
beit ber gürftin an 
unb bamit zugleich, 
baß baS Schloß 
gremben nicht z u ^ 
gänglich ift. @0 
menben mir un£ alfo 
nadjSReufchmanftein. 

(Srbaut iftbiefelbc 
auf berfelben ©teile, 
oon mo aus einft bie 
alte Surg ©chman= 
ftein in bie fianbe 
hinauf ragte, beren 
Ruinen noch oor 
menigen fahren 
fichtbar maren. 
®urch Slbfprcngung 
mächtiger gelsftüde 
ift bie fßollatfchlucht 
ermeitert unb ber 
3ugang zur Surg 
außer an ber 9Zorb^ 
feite unmöglich ge^ 
macht. SS mar feine 
leichte Arbeit, biefeu 
herrlichen Sau, zu 
bem bie ©runblage theilmeife erft aufgemauert 
merbcn mußte, auf bem fchmalen gelsrüden zu 
errichten. 

Stolz unb fchtanf ragt bie oierftödige Surg 
mit bem riefigen 200 guß fjo^cit Ireppentßurm 
unb oerfchiebenen fleinen lärmen in bie Süfte. 

Son allen ©eiten, mir mögen un$ ber Surg 
nähern, oon meldjer mir mollen, ift ber Slnblid 


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(Sin atmet König unb feine großen SdjIoflTer. 


181 


toaßrßaft intponirenb, gewaltig. Sommert wir 
Don ber Slorbfeite auf ber breiten, bequemen 
gaßrftrajje, fo ßält bei ber «Orienten ©iegung 
bed 23eged unmilltürticß unfer guß an unb ein 
berounbembed „9lß! Weid) ein Sau ift baS!" 
entfeßlüpft unferen Sippen oor biefer ßimmel 
anftrebenben ©teinmaffe, bie wie in bie Suft 
ßineingemeißelt erfcßeint, fo flar, fo plaftifcß 
tritt jeber gaden, jebe notß fo fieine gigur ßer= 
oor. Unb begeben wir und natß ber ©eficßti 
gung ber (Burg auf bie bie ©öllatftßlucßt über» 
fpannenbe ©tnrienbrüde int ©üben bed ©cßloffed, 
fo ift ber ©nblid noeß impofanter. SEBie aud 
ber ©eßlueßt ßeraud feßeinen bie narften, faßten 


ben wir gerabe oor und bad ®erüft ju bem mkß 
unooüenbeten Semnaten» unb SapeÖenbau, jur 
fRetßten ben fRitterbau unb im SSeften ben präch¬ 
tigen gürftenbau, über beffen oierftikfiger ga= 
cabe ber tnäcßtige eiferne Söwe, bad SBappen» 
tßier ©aßernd tßront. $ad ©rbgefcßoß biefed 
®ebäubed entßält bie SBirtßfcßaftdräume: ©or» 
ratßd», ©peife» unb ©efeßirrfamnter, riefige, öon 
©ranitfäulcn getragene 3täume. ©efonberd 
intereffant ift bie umfangreiche Südje mit ißrem 
bid in bad oierte ©todwerf ßinaufreitßenben 
©peifeaufjug. 

$ad erfte ©todwerf, ju betn eine breite grei» 
treppe ßinauffüßrt, enthält bie IRäumticßfeiten 



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©urg 9 leu ©djhmnfteiti. 


gelien ju toaeßfen, mit beneu fieß allmälicß, faft 
unmerflid) bie mädßtigen ©anbfteinquabern bed 
•twuptbaued oerbinben, um riefenßorß in bie 
Suft ßinein ju watßfen. $)er oorfprittgenbe 
Crfer beffelben ift bed Sörtigd ©eßlafjimmer. 
3wifcßen bem ^tauptbau unb bem Xßorbau mit 
feinen Xßttrmen unb 3innen reeßtd beßnen fieß 
bie tRäume bed SRitterbaucd aud mit bem ßerr 
ließen ©ängerfaat. 

5)er ganje ©urgbau befteßt aud bem ©nlaft 
ober gürftenbau, bem fRitterbau, ber Semnate 
unb Sapeüenbau unb bem Xßorbau. 

treten wir bureß ben Seßteren an ber Oft» 
{eite ber ©urg in ben unteren |>ofraum, fo ßa» 


für ©ebiente unb Odefolge. 3)ad jrneite ©tod» 
wert ift notß gäujlicß uncingericßtet, wäßrenb 
bad britte unb oierte bie eigentliche föttiglicße 
SBoßnung entßatten. 

9ln ben SBänben bed Ireppenoorplaßed im 
britten ©tod befinben fieß ßerrlicße 3)arftelluit= 
gen aud ber ©igurbfage oon Sligned. 

S)er fRaum mangelt, all’ bie ©raeßtjimmer ju 
ftßilbertt. 

Sn bem präeßtigen, in ®rütt gehaltenen 2lr» 
beitdjimmer ßat man eine freie Sludficßt naeß 
■Korben. ®ie ®emälbe ßier finb aud ber $ann- 
ßäuferfage. 

S)et; Ißronfaal ift 40 guß ßotß unb reießt 


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182 


itun laftt uns gep'n unb ttrtm. 


burcp ba« britte mtb oierte Stcdmerf. Derfelbe 
ift f>5 guft lang unb 38 guft breit. Der guft; 
boben ift Warmor mit Wofaif aufgelegt unb 
fteHt bic liiere ber ©rbc oor, mäprenb fiep am 
^ßlafonb ber |)immel mit ber Sonne befinbet. 
Die S33anbgemälbe ftellen bie ©e^iepung be« 
ft önig«tpum« aur Religion bar. Die meftlicpe 
Vängfeite ift uon einer fioggia burcpbrocpen, 
non melcper au« man eine ent^üdenb fcpöne 9lu«; 
fiept auf bie näepfte Umgebung pat. Der Saal 
ift groftartig, fürftlicp, ja föniglid) in jebem ©e= 
bauten unb jebcr fiinie. 

Der Sängerfaal ftef)t in feiner eblen, ge; 
fcpmadoollen s 2lu«ftattung bem Xb)ronfaaI mär* 
big jur Seite. 

©in ft'unftmerf biefe« Saal* ift bie in 42 
gelber abgetpeilte, au« ^>ol^ gejepnipte 3immer; 
bede. !gebe« gelb mieber ein anbere« Wotio 
^ur Slnjipauung bringenb. 

Die SBänbe be« Saales finb mit ©emälben 
au« ber <ßarcioalfage, bie be« ‘Iribünengange« 
mit Darfteöungen nach ben ftompofitionen 
Wunfep’« non gerb. ©ilotp unb 2luguft Spier« 
gefcpmüdt. ©on ber Sübfeite be« Saales er* 
blicft man bie ©öüatfcplucpt; non ber Dribüne 
unb bem ©rfer au« eröffnet fiep eine s Äu«fiept in 
bie meite ©bene. 

®« ift 11 Upr Sormittag«. Son brei Seiten 
per ftrömt ba« golbige Dage«licpt in reieper 
gülle in biefen ©raeptbau unb überflutpet in 
meiepen SBeHen bie munbemoHe nielfarbige 3im* 
merbede, bie perrlicpcn ©emälbe unb bie funft= 
noflen mit ©olb burepmirften Seibenftoffen über* 
jogenen Seffel, briept fiep in reiepen Straplen 
in ben ftrpftaUen ber ftronleucpter unb iiber= 
paupt Me« v mit ©lanj unb SBonne. 

3ögernb nur reiften mir un« lo« non bem 
eigenartig fepönen SRaume unb begreifen mopl, 
baft berfelbe ber i?iebling«aufentpalt be« ft'önig« 
mar. 

üftaepbem mir itocp 180 Stufen be« Dreppem | 
tpurme« pinaufgeftiegen finb unb noep einmal 
bie Scpönpeiten ber ©egenb mit monnetrunte; 
nen ©liden eingefogen paben, fteigen mir mie* 
ber pinunter in bie Sllltäglicpfeit, in ba« ge* 
möpnlicpe üeben — aber mer fann unb roirb je 
gan$ uergeffen, ma« er in jenen Säumen gefepen 
unb empfunben? 

„Slrmer, armer Wann, ber bu biefe perr; 
liepfte, ebelfte beiner Scpöpfungen in einer folcpen 
SBeife oerlaffen muftteft!" 

SBie ift boep naep 2lUem unb Slllem ba« Wem 
fcpenleben fo arm unb fo flein! 

Scpaut man fiep biefe Scplöffer an, fo muft 
man au«rufen: ©racptooll! 

©lidt man in ba« Seben biefe« Sönig«, fo 
pören mir ben biblifepen Stuf: 5(1 le« ift eitel. 


Puh laßt uua gdj’u unb treten. 


f er berühmte Somponift unb ßrgelfpicler 
Sebaftian SBach in Seipjig würbe im Sllter 
btinb. 

Da fam am 1. Januar 1750 fein alter 
greunb, ber ißaftor Dr. Depling $u ißm. 911« 
er ben alten 93ach fragte: „2Bie get)t’^ lieber 
greunb ? 2Bie habt 3h r ba« neue 3ah* ange¬ 
treten ?" — antwortete biefer: ,,©anj gut mit 
©otte« gnäbiger $ülfe. Doch irf) habe eine 
Slßnung, baß biefe« 3 a hr mein lefcte« fein 
werbe.“ 

„SBie," fprad) ber Pfarrer, „ift ba« Ueber^ 
bruß unb 3Jhitl)lofigleit, bie au« (Surf) reben ?" 

„C, alter greunb, wie Jönnt 3^r folt^e« bem 
alten 93adj jutrauen ? Ueberbrufe am Seben 
haben, nadjbem ich fo uiel ©nabe oon ©ott er- 
fahren ? fflie foHte ich nicht auch ben Selch trim 
len, ben feine 9Bei«heit mir jefct eingefchenft 
hat? Unb muthlo« an ©otte« Ireue tterjwei= 
fein? Da fennt 3hr ben alten 93ach fchlecht. 
9Bie lönnte ich jweifcln, baß, ber bi«her gehol¬ 
fen, mir auch ferner helfen unb nicht auch Sraft 
geben wirb ju tragen, wa« er mir noch befdjie 
ben hat?" 

„3a, ja, ba« bachte ich wohl mein ^»erjen«^ 
freunb," erwiberte ber Pfarrer, „aber fagt mir 
boch, wie fommt 3h r J“ ber Slhnung, baß bie* 
fe« 3ahr ba« leßte Sure« Seben« fein werbe?" 

„Da« will ich © H 4 fagen," h°b ber alte 93ad> 
an; al« ich biefen SJiorgen mit meiner Familie 
$aul ©erharbt’« Sieb fang: „9? u n laßt uitö- 
geh’n unb treten“ — unb wir ju bem 
®erfe famen: 

©ei ber Verlaffnen Sater, 

Der Qrrenben ^erattjer, 

Der Unoerforgten @abc, 

Der Ärmen ©hup unb ^abe — 

ba trat mit einem 9Jlale ber ©ebanfe in meine 
(Seele: Da« werben halb beine Sinber allein 
beten muffen. 34 lonnte nicht weiter fingen, 
unaufhörlich Hang’« mir in ber Seele: „Sei ber 
Serlaff’nen SBater!“ 

„9lber nicht wahr," fprach ber Pfarrer, „3hr 
feib barüber nicht beforgt?" 

„0, wie follte ich!" fprach ber Sitte. „3d> 
weiß ja, wir finb ftet« in ©otte« £>anb, unl> 
Denen, bie ihn lieben, müffen ade Dinge jum 
93eften bienen. 34 'oeiß unb fühle e«, er wirb 
ein 93ater meiner ftinber, ein 93eratl>er auef) 
meine« SBeibe« fein. Sott i4 nicht glauben, 
baß ber Sltem Segen auf ben Sinbern rußt? 
34 fage ba« nicht oon mir, ba« wäre ja 9tn= 
maßung, ich fage ba« mit ^inblicf auf meinen 
feligen 93ater, ber mich täglich jur ®otte«furcht 


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Jiun laßt un* grlj'n unb treten. 


f83 


angeleitet fjat. Worgen, wenn er auf 

feinem Sehnftufpe fag, mußte id) mid) gwifdjen 
feine Knie? ftetten unb beten unb unferer fetigen 
Kutter gebeuten. Sarum fpredje id) heute nie 
immer: Ser |>err ift mein ,$irte, mir wirb 
nichts mangeln!" 

3efct unterbrach ihn ber ©farrer unb fpracf): 
„#ört, lieber greunb, wie, wenn bod» Such 
niellei^t ber gnäbige fperr baS Augenlicht wie* 
berfchenfen wollte, wärbet Qtjr euch beffen nicht 
freuen?" 

„Ach gewifc, ich würbe ihn preifen unb lob¬ 
fingen feinem heiligen Warnen. Aber wie füllte 
baSmöglich fein?" 

„ffiijfet," fuhr ber Pfarrer fort, „eS ift jefct 
in Seipgig ein berühmter Augenargt aus Sonbon. 
Alle (Sure greunbe haben ihn angegangen, feine 
Swift an Such gu oerfuchen, unb er ift bereit, 
es ju thun. 2Boßt 3h r euch einer Operation 
unterwerfen ?" 

„gn ©otteS Warnen!" fagte getroft ber alte 
Aach. 

Ser oerbängniftöolle Sag tarn. Siele greunbe 
fammelten fcch in ber KantorWohnung. Aber — 
bie Operation mißlang. Als nach hier langen 
tagen ber Argt bie ©inbe oon ben Augen löfte 
unb bie umftehenbe gamilie ben geliebten ©ater 
fragte: „Kaitnft bu uns fehen?" — muhten fie 
baS jentnerfchwere SBort hören: „SeS .fjerrn 
Sille gefchehe! geh tann nichts fehen." 

(Sine gweite Operation hatte feinen befferen 
Srfolg, oielmehr trat nun erft eine Potte ffirbtin* 
bung ein. AIS alle Umftehenben barüber mein* 
ten unb bem Alten baS $erg fefpoer machen 
BoOten, rief er: „Singet mir lieber mein Sieb* 
lmgStieb: 28aS mein ©ott will, gefcheb’ attgeit, 
fein Sitte ift ber befte!" 

lieber feinen Augen lag nun bunfle Wacht. 
Aber je finfterer oon äugen, befto heller würbe 
es in ihm. S)a lag über feinem ©laubenSauge 
ein heiterer, heller fpimmel, unb ba hinauf gog 
es ihn jefct mit aller ©ewalt. (Sine unwiber 
ftchliche Sehnfudjt ergriff ihn, gu flauen, was 
er glaubte. 

CineS SageS in ber Witte beS 3“li 1150 
hatte er fchon einige 3eit in feinem Sebnftuljle 
gefeffen, bie §änbe gefaltet, bie blinben Augen 
nach oben gerichtet. Sa bat er feinen Sohn 
griebrich, er ntöge fdjreiben, was er ihm biftire. 
Saum hatte biefer einige Woten aufgegeidjnet, 
fo unterbrach er ben ©ater mit ben ÄJorten: 
„Sie, eine adpftimmige Wotette?" 

Ach, ntein Sohn, fommt bir baS wunberbar 
Bor? Wit taufeub Stimmen möchte ich fingen, 
BaS meine ©ruft bewegt. Komm, reiche mir 
bie #anb unb führe mid) gum Klapier." 

Ser Sohn tljat’S, unb nun fpielte ber in fei* 


nem bergen felige ©reis, wenn auch niit git 
tember £)anb, was er feinem Sohne hatte bif 
tiren motten. 

„3a Wutter," rief er bann gu feiner neben 
ihm fifcenben ©attin, „meine Sage finb gegätjlt. 
34 fü^le, bag weine Auflöfung naht. Aber 
mir ift nicht bange. Weine Augen fegen ben 
£eilanb, feilt’ ich nicht gern fcheiben, um bei 
©hrifta gu fein ?" 

„0, fprich nicht alfo, lieber Sebaftian," er* 
miberte bewegt bie ©attin. 

„SBaS fott aus uns werben, wenn wir bidp 
nicht mehr hoben ?" 

„Ser £ert ift ein ©ater aller SBittrocn unb 
SEBaifen. ©r wirb Such nicht oerlaffen noch 
oerfäumen. 34 ober will bem §crrn ein neues 
fpaHeluja fingen. Sag mich, log mich giehen in 
baS Sanb meiner Sefjnfucht, wo meine Augen 
wieber aufgetpan werben, um ihn gn flauen in 
feinet ^errlichfeit. Sag beinen Kummer fahren, 
unb ftimme mit mir an: 

Komm, Seiu, lomm, mein Scib ift miibc, 

Sie Kraft Dcrjdjroinbet mehr unb mehr. 

3 d) fet)ne mich nach beinern gruben, 

Ser faure ©eg wirb mir gu fchmer. 

Komm, tomm, ich will mid) bir ergeben, 

Su bift ber ©eg, bie ©ahrheit unb baö Seben.'" 

SBährenb fie miteinanber fangen unb er bagn 
fpielte, rief ber Alte plöfclich mit fröhlicher 
Stimme: „SBaS ift baS ?" 

©rfdjrocfen fielen bie Umftehenben ein: „2BaS- 
ift bir ©ater?" 

„O, ich fonn wieber fehen. ©roger, gnäbiger 
©ater, ich &in nicht werth, bag bu unter mein 
Sach geheft. 34 fege ©«4 wieber meine Sie¬ 
ben. SBeldje ©nabe will mir ber §err por mei= 
nem ffinbe noch ergeigen! ©egt unb ruft mit alle 
meine Kinber, bag ich an ihrem Anblicfe mich 
noch einmal meibe." 

©alb waren bie Kinber gufammengerufen unb 
ftanben mit feligem bergen um ben ©ater. 

„0 meine lieben Kinber! 3h* feib’S in 
ABafjrheit, wie ich euch efjebem gefeljen. Kommt, 
helft mir ©otteS ©üte preifen, ber mir altem, 
fchwachem Wanne noch einmal feine groge Wacht 
offenbaren will. Ach, nun er mein ©ebet er* 
höret, fott ich noch gweifeln, bag er mich halb gu 
ftch nehmen werbe, in bie ewigen Jütten ?"— 

SaS Waren wohl unerwartete, felige Stun* 
ben. SaS gange Antlig War oerftärt, bie Siebe 
auSgegoffen mit hiwmlifdjem ©lange. Aber 
biefe wunberbare greube War nur wie baS 
©linfen eines Sternes, ber ihm bie 9?acfjt er 
leuchtete, ©r würbe oom Schlage gerührt, Per* 
fiel in ein bißige* gieber unb entfchlief fanft 
unb ruhig am Abenb beS 28. 3**ti 1750. 

(9tacf)bar .) 


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1. 3^r ©täbter, fudjt tyr greu-be, ©o fommt auf’d £anb tye*raud! ©e^t ©ar* len, geU> unb 

2. SBir fe$n, mie ©ott ben ©< = gen Slud mit * ben §än * beit ftieut: 3Bie gritylingdfottn’ unb 



SBei - be Um = grünt hier je - bed !gaud! 
Stte ' gm Und fealt> um> glur er * neut; 


'=i= pp± 


m m m m u 


iiasta 


Stein ret * c$er SRanit Oer * bau * et Und 
Und blüb’n bed ©ar * tend Säu * nie; Und 



SRonb unb ©on = neu -* fdjein; Unb 2hbeubd ü * ber * flauet man je * bed ©ter - ne * lein, 
ttjallt bad grü - ne tfom; Und fd)Wärmt nach $o*nig * fei s me 2)te ©ien’ um Slum* unb SJovn. 


8. Und fingt bad Söglein lieber; 
Und raufctyt bie blaue ^(utb; 
Und fcbtüirrt bed §ofd ©efteber, 
Umf)ievt tnm junger SJrut. — 

2) ie Arbeit aber würget 

3) em ttanbrnanu jeine itoft, 

Unb 3)iutb unb greife fiirjet 
2)ie 3Mb’ in unb groft. 


4. 3$r «nnen ©täbter trauert 
unb häufelt in ber ©tabt, 

$ie euch Wie «ingemauert 

B tt bumpfe iterfer bat. 

i wollt ibr greubc flauen; 

©0 Wanbelt ipaub in §anb, - 
3b* Herren unb ibr grauen, 
Unb fommt gu und auf’d £anb! 


-fr»«« 


(firkus, Sljeoter, Bortnifpiel, (SefeUfdjQftsgloe und brrgleidjeti. 

mit» t. 


'dffaii fanu fief) uicfjt genug barübet wunbera, 
TB. baß etwelche Efjriftenmenfc^en immer uub 
wr immer mieber anfragen, ob ber iBefudf 
be« Girfu«, be« I^eaterd, ober ob ein Karten* 
fpiel ic. ic. juläffig fei ober nicht. 

Solche grageit bezeugen breierlei: 

1. 3ft ci !aum möglich, baß ba« #erj be« 
ffragefteller« oou bem unenblidfen (Sott erfüllt 
feilt fann, benu fonft fönitte ein jungem naef) 
folgen $ingeit nicht entfteben. 

2. ®ieten fidj ja doncertc, ®orlefungen, ®e= 
feUfdfaften, geitfdjriften unb ®üd)er in Stenge 
bar, bie ohne ®ewiffen«aweifet gebraust Werben 
fönnen, unb ^Derjenige, welcher immer noch nach 
Anbetern fragt, muß entmeber noch oiet bom 
fleifcfjlichen Sinn in fiel) haben, ober in feinem 
®e|icf)t«frei« fef)r hefijränft fein. 


3. Stimmt bie Kirche jutu £eite ber eigenen 
Seele fowoht al« für SDtiffion«jWecfe mit JRedjt 
oiel $eit unb Diele Slbenbe in Slnfprucf). SBer 
nun nebft ben bielen Erholungen, bie ohne ®e= 
benfen genoffen Werben fönnen, ftetig na<h ßWei= 
felßaftem -frägt, ber muß entweber mehr läge 
in ber 38o<f)e haben al« anbere SJtenfdjenfinber, 
ober finhliihe ®orredjte unb Pflichten bemach 5 
läfftgen. 

3ebo<h — f(hauen Wir un« einmal ben Girfu« 
an! SBa« bietet benn berfelbe? 

(£« ift gewöhnlich eine ©efettfdjaft, bie mit 
allerlei Steiter*, Kraft*, Seiltan^ nnb ©clcnf= 
fünften bie Stenge unterhält unb bcluftigt. 
®abei fommen folche ®lo«fteUungen be« Kör 5 
per« bor unb werben leichte Jricofleiber fo all 5 
gemein angewanbt, baß e« für feinen fhttidjen 


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(Sirkue, Skater, Hartenfpiel, ®eftllfd)oft»gla« unb brrgleidjftn. 


185 


Kenften, geftweige benn für einen Stiften, 
fdjicflit ift, ben 3uftouer gu machen. 

Sine Ijauptfädflidje 3ugabe be« Sirfu« ift ber 
$an«rourft, ber ©lown. SBürbe biefer ißoffen* 
reifeer nur fabe, abgebrofdjene S8t|e machen 
ebne ben Slnftanb gu oerle|en, fo wäre weniger 
Sinroenbung gu erleben. @r reifet aber oft eine 
attgüglite, unfittlidje 3°t e nadj ber anbern. 
SBürbe ein 3Jiann irgenb welcher ehrbaren grau, 
irgenb Welchem fittlic|en ÜRäbdjen folcfee ©arftig» 
feiten in’« ©efic|t fagen, er befäme nach (Gebühr 
eine tüdjtige SERautfefeeOe. gm ©irfu« aber f)ö» 
teil öfter* biefetben grauen unb 3Jtäbd)en berlei 
Unflätereien läcfeetnb an unb — b e g a h l e n 
not bafür. 

Stauen wir un« unter ber 3)tet)rt)eit ber 
3u|‘tauer im ©irfu« um, fo ergiebt fit, bafe 
biejetbe (9tu«nahmen abgerechnet) au« folgen 
'.üleniten Ueftefet, bie feauptfäcfeticfe um ber an» 
itüßigen Singe wißen fommen. Ser ©irfu«» 
Unternehmer fennt bie ©tajorität feine« ißubli» 
fum« unb weife, wa« er bieten mufe, wenn ein 
gute* ©efdjäft gemacht werben foß. 

9hm frage ich in aßet SRulje, aber in aflem 
(irnft, ob ein wahrhaft fttttiefeer ©tenfeh, ob ein 
Ubrift, welcher bezeugt, ©hriftu« in ihm 
fei bie Hoffnung be« ewigen 2e» 
b c n «, in fotefee ©djaufteflungen unb folche ®e= 
jellfchaft gehört? 

„Slbcr" — Wirb eingewanbt, „ber Kirfu* 
bringt hoch auch Wilbe unb fettene Sh> cre — 
'Jörnen, Schlangen, ©lephanten, ffameete ic. ic." 

'JÄcinetiuegen. Solche Xfeierjuga6e ift ein 
anberer @eftäft«griff be« Unternehmer«, wo= 
mit er bie beffere klaffe ber betreffenben 9tat= 
baridiaft gu föbern gebenft. 

gebot wäre e« nicht Diel beffer, gu warten, 
bis man (Gelegenheit hat, ben Sörnen in einem 
Jhiergnrten anguftaunen? Ober fann man nicht 
auch ein mißlicher, gebilbeter, rfjrifttic^er SWenft 
teilt, wenn man bie mitben Stiere nu« 9lbbil» 
Jungen unt) Sefchreibungen fennen lernt? 

Sont ©irfu« gu ben meiften Sheaterftiicfen 
unferer 3eit ift’« nur ein fleiner ©tritt — auf» 
man*, unb manchmal aut abwärt«. 

Sie Stwoter Mieten heutgutage faft nitt« al« 
2d)auftiicfe, weite bie ©inne fifceln. 

SBarcn e« blofee 91u«ftattung«ftücfe mit fol» 
ehern ©taugepränge, gegen weite« fit lein 
iittliter (sinwanb erheben läfet, fo würben fie 
ntinber ftäblüh fein* ®ie aflermeiften biefer 
Schauftücfe finb jebot nitt blofe fenfationefler 
Slrt, fonbertt gerabegu barauf berechnet, ben 
Sinncnfißet gu erregen. 

(£* gehört meine« ©rotten« tfjeitweife gu 
meinem '-Meruf, wenigften« in ben 3eitungen 
natgufehen, wa« bie hotberühmte Sheaterfunft 


in unfern Sagen bem Solle gut 8tu«bilbung (?) 
bietet, unb weite ©tücfe ben bebeutenbften 3 U = 
lauf |aben. 

Unb wa« finben wir ba ? ®i — feöcfeft, Ijötft 
feiten werben fogenannte flaffifte ©ac|en, wie 
„SBilhetm Seß," „SRacbeth" u. f. w. gegeben. 
Sfomint’« einmal üor, fo fagt ber Seritterftatter 
gewöhnlit — ba« ,,§au«" fei mehr al« gur 
£>ätfte teer gewefen. Sie« geugt oom ©eftmaef 
be« fßublifum«, weitet in unferer 3 e *t ba« 
Sheoter befutt. 

Sei SBeitem bie SWefergahl ber in unfern Ska¬ 
tern aufgeführten ©tücfe finb nitt blofe nitt«» 
fagenb, fonbern gerabegu fittenoerberbenb, wa« 
ja bie ^bäuerlichen unb ftamlofen Slngeigebilber, 
burt weite bie Seutc in’« Sheoter gelocft wer» 
ben, gur (Genüge barthun. 

9ßie unter fotten Umftänben ein Steiften» 
menft not fragen fann, ob ber Sheoterbefmfj 
für ihn ftieflit unb rett fei, ift mir gerabegu 
unbegreiflüh- 

eingenommen, ein ©hrift wählte fit eine« 
ber aßerbeften ‘itjeaterftiiefe au« — fage 2Rac» 
beth — ginge hin unb ftoute fit ba« Srauer» 
fpiel an unb hätte (Genufe babei, würbe aber 
»on Slnbcrn gefehen, bie barauf paffen, ©haften 
im Sheoter gu erWiften, um eilten Sorwanb 
für ihre Seibenftoft gu hohen; wa« würbe bie 
golge fein? 

®i, man würbe fagen, Wenn biefer ernfte 
©hriftenmenft in’8 Später gehen unb 3Racbet| 
„geniefeen" fann, fo bürfen wir un« fton „Sie 
|>ergogin oon ©erolbftein" anftatten. 

9Ran fage nitt, bie« fei etwa« gang SInbere«. 
gn ber Sorfteßung be« Solfe« ift e« ein 
unb baffclbe. gebenfaß« höngett biefe 
Singe gufatnmen. Sa« eine ift bie erfte, ba« 
anbere bie tc|te ©proffe berfelben Seiter. 933er 
alfo nitt ein Seifpiel liefern wifl, burt weite« 
Siele, unb oießeic|t er felbft angeleitet werben, 
gur testen ©proffe gu flimmen, ber bleibe oon 
ber erften weg. 

Saufenbe junge Seute beiberlei ©eftlett« 
werben jäferlit hurt hie fittenlofen in unferem 
Sanbe aufgeführten ©taufpiele unb bie bamit 
oerbunbenen Umftänbe an ßeib unb ©eel’ rui» 
nirt. Unb fton aßein um biefer Shotfate 
wißen foßte e« ©fjriftenmenftfeett nitt fraglit 
fein, ob fie in’8 Sheatcr gehen bürfen ober nitt. 

9tehnlit oerfeält e« fit betreff be« harten» 
fpiel«, be« ©efeßftaft«trunfe«, be« Sange« 
u. f. W. ©8 finb fämmtlit Shore gu jenem 
933eg, ber gebem Serbcrben bringen mag unb 
Saufenben fton Serberben gebracht hot. 

So« Sartenfpiel mufe im ©tanbe fein, eine 
wahrljoftige Sefeffenljeit im 9Renften hcroor» 
gubringen, benn it |abe fton auf ©ifenbahn» 


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186 


(Sin tlrnbrs JBtib. 


faxten augenfdjeittlicf) anftcinbige SRänner unb 
grauen ben ganzen Jag unb bie ^alt>e 9ind)t 
in größter ßeibenfcfjaftlidjlcit unb (Srfjifjtfjeit 
©arten au^roerfen fetjen. gä ift gcwifs eine§ 
ber ©ängelbänber be3 Jeufcl-3, burcf) welche* 
bie ÜJienfdjen bereits fdjoarenweife jum 3 elbft= 
morb geführt Würben. 

S)aS fogenannte ©efeUfcfjaftägläadjen unb baS 
non SRanajen fo fefjr oert^eibigte Sänken im 
fßartor, finb bie fdjeittbar fetjr anftänbigen S 3 or= 
fallen ju bem Wahrhaft abfdjeultdjen lob brin= 
genben Sumpf, ber baljinter liegt, ©einer, 
welcher bie SBorljatle betritt, Ijat bafiir ©arantie, 


ba| er nicht im Sumpf nerfinft, abgefchen non 
bem ©eifpict, roeldjcS er fe&t. 

©Ijriftcn leben nicht für fich felbft, fonbern 
®em, ber für fie geftorben unb auferftaitben ift. 
Sb™" 9 tH baS SSort ber Schrift: „Unfer feiner 
lebt ihm felber, unb feiner ftirbt ihm fetber. 
ßebeit wir, fo leben wir bem $erm; fterben 
wir, fo fterben wir bem fperrn. 5 )arum, ob 
wir leben ober fterben, fo finb wir beS fperrn." 

2 Sie ift eS benn auch nur mögtidj, bajj SBeldje, 
bie fich ©haften nennen, immer wieber fragen: 
Sinb girfuS, Sweater, ©artenfpiel, ©efetU 
fchaftSglaS ober 2 anj erlaubte S)inge? 




diu eUiiöes Jfleib. 


%üt §au* unb $erfc and Um ßeieu geaeidjiitet non 0regorht*. 


/^jlfa, $err ©rofeffor, ich befür<f)te, ich 
merbe in ©äibe gelungen fein, mein 
Sanbgut entmeber $u oertniethen ober 
511 oerfaufen. Stein SBeib ift feit eini¬ 
gen fahren fo elenb, baß fie nicht ohne 
frembe ,f)ülfe bem £auSmefen Oorfteßen fann, 
unb Sie miffen ja mohl, baß ber Soßn für 
Dienftboten allen ©rooit, ben man fonft erzielen 
fönnte, rein megfrißt." 

get) betrachtete ben Sebner. ®r mar ettoa 
fünfzig 3 a hre alt, fyatte aber fo ein frifc^e^, ge- 
funbeS SluSfefjen mie ein Dreißigjähriger. Durch 
feinen fur$ gefrorenen ©art blühten bie lan¬ 
gen rofigrotß. @r mar fauber gefteibet unb 
trug eine fernere Sette, an ber eine merthooUc 
golbene Ußr h^9- 3$ »ar ftolj auf ihn. (Sr 

mar ein gelungenes ©ilb eines amerifanifchen 
SanbmanneS, ber fich im ©Johlftanbe befanb. 

„3hr S33eib befinbet fich fllfo in einem 'eien- 
ben' ©efunbheitSsuftanbe?" 

,,^a, §err ©rofeffor, mein SSeib ift eine 
jämmerlich? ©eftalt; fie ift mit einem troefenen 
^üfteln geplagt unb hat feinen UnternehmungS- 
geift. Sie ift fo hager unb mager. 2Ban- 
gen finb jufammengefaHen unb ihr ©ang im 
|>aufe um|er ift fo fchleichcnb unb geifterßaft, 
baß ber Slnblicf für mich migränenßaft ift." 

„Sft fie jart gebaut unb oon fchmäcf)ticher 
Statur?" 

„Sie? Sich, nein. SllS mir in ben ©ßeftanb 
eintraten, mar fie baS ftärffte unb blühenbfte 
Stäbchen im ganzen Dßal, Oon Sinb auf mar fie 
an bie härtefte Arbeit gemöhnt. Sie mar ein 
armes aber braoeS Stäbchen, burch ihren gleiß 
aber hat fie einen reichen Staun befommeit." 
Stit biefen SBorten 50 g er feine golbene Ußr 


aus ber Dafcfjc, um $u fehen, melche Stunbe fie 
an^cige. 

„Sie h a * alfo um ißreS gteißeS millen in 
ihrer |>eirath eine gute ©artßie gemacht. Sicht 
maßr?" 

„freilich. Sie befam bloS $2.50 SBochen- 
lohn. Durch il)re eheliche ©erbinbung mit mir 
mürbe fie Herrin beS SanbguteS." 

„©ntfchulbigen Sie eine meitcre grage, 
melche ich im ©ertrauen an Sie richten möchte. 
2öie hoch mürben Sie ihren irbifchen ©efiß im 
Sßertf) ^mifchen ©rübern anfchlagen ?" 

„Sun, |>err ^ßrofeffor, cS mirb fich rnoßl auf 
über fünfzig Daufenb Dollars belaufen." 

„DaS läßt fich hären. Unb mie oiele ^aßre 
finb Sie üerheirathet ?" 

,, 3 m Quni maren eS fchon breißig ^aßre. 
SBir machten einen SluSflug nach Sllbani) mit 
einanber. 3 ch bot ihr meine §anb ^um ©unbe 
unb fie milligte ein." 

„SBie oiel ©elb h^äen Sie in ben lebten 
breißig fahren etma gefpart?" 

„Slßem — hent — laß’ mich ’ntal fehen? Qn 
ben erften jehn h fl äfa 0 )ir bie Daoie 

garm getauft unb befahlt, nachher ben Simon’$ 
©laß, bann baS §ol^lanb, nun, ich benfe, £>err 
©rofeffor, mir hoben etma breißig Daufenb 
Dollars freies ©elb ermorben." 

„Das mar in ber Dßat gelungen! SBar ^hr 
SBeib 3h nen in biefen oicien 3 a ^) ren ebenfalle 
bef)ülflich?" 

„©eßülflich? 2Bie fönnen Sie auch nur eine 
folcße impertinente grage an mich fteHen! Die 
Slrbeit flog ißr nur fo aus ben |)änben. Sie 
fonnte baS Sinb beforgen unb jmanjig Sühe 
melfen. SBir hatten oier Sinber, aber ich fage 


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(Sin elenbes $0eib. 


187 


3ßnen, in ber ganzen 3eit Ratten mir nocß 
nießt einmal fecßS Stonnte lang eine Stagb int 
§aufe." 

„ittuSgeaeicßnet; unb in biefer 3eit haben 
Sie breißig Xaufenb $ottarS erübrigt?" 

„©erniß, unb baS mit leießter Slüße." 

„Unb mie Diel Don biefer Summe fjat mof)l 
3ßr SBeib Derbieut ?" 

„Sie? ©i, ^err ißrofeffor, fie ift ja mein 
SBeib!" 

„$aß mei| idj moßl. Stber mie Diel bat fie 
oerbient ? Sie fagten, fie mar arm, als Sie in 
ben eßeftanb traten. SBie Diel bat fie in biefer 
3eit rooßl Derbient ?" 

„SBaS fällt 3ßnen benn ein, ©err ißrofeffor? 
Sie ift ja mein SBeib unb mir eignen ben irbi= 
fdjen ©efiß mit einanber." 

,,©ut! ®ann bot Sb* SBeib baS 8teeßt, ©etb 
aus ber ©aut ju aießen. 3)ann ftebt it)r ©ferb 
unb ©ßaife jur Verfügung nach ©elieben unb 
fie fann fidj eine Stagb bingen, roenn eS ibr be= 
liebt. ®ann befißt fie baS Sßorrecßt, ju ihrer 
©efunbßeit auSfaßren ju bürfen. Sie fann 
tßeure Äleiber unb eine golbene Uhr mit mertß» 
Dotier SJette tragen, mie tbr ©err ©emaßl, nicht 
toabr?" 

„Sie finb boeb nicht blöbfinnig, ©err ©ro= 
fejfor! StiemanbcS SBeib ift ©errin auf bie Don 
3ßnen eben gefebilberten SBeife, baS märe ja 
unerhört!" 

„Sehen Sie einmal, Sic fagen, 3ß r SBeib 
bat moßlgetßan, inbem fie einen reifen Stnnn 
gebeiratbet habe, baoon aber bin ich noch nicht 
überzeugt. Stach 3ß ter StuSfage bot fie möcßent» 
lieb $2.50 Derbient. ®aS beliefe ficb bis jeßt 
auf $3,600. Stit 3'ofen gerechnet märe baS 
eine Summe Don über $5,000. Sie fagen mir 
ferner, 3ß r SBeib fei elenb unb jufammenge* 
broeben, ber Slnbticf febon mache Sie franf. Sie 
bat atfo fein Selb, feine ©efunbßeit unb toirb 
Don aller ihrer langjährigen ferneren unb treuen 
Slrbeit nichts befommen, als — einen marmor= 
neu ©rabftein!" 

„ßerr ijjrofeffor, 3ßre Siebe ift beleibigenb im 
hofften ©rwbe! SBären Sie jünger, ich mürbe 
Sie jum $ueH betauSforbem!" 

„SBarum baS? 3f* meine Scbitberung Don 
ber roaßrfcßeinlicßen 3b tf ö SBeibeS 

nicht naturgetreu! Sie ift nicht mehr jung, noch 
fdjön unb bejaubernb. 3ß re ©änbe finb hört 
unb hoben Schmielen, ihr ©efießt ift braun unb 
runjetig, ihr ©ang ift gebüeft unb ber Süden 
gebogen Don ber Dielen Slrbeit über bie unaäß» 
ligen Stitcßtöpfe"- 

„(£ine folcße Siebe möchte ich mir Derbitten, 
©err ißrofeffor!" 

„Sie bot Dter Äinber erjogen. eines ber» 


felben gebt in bie UniDerfität, baS Stnbere 
empfängt Stufif»Unterrießt. Sie anberen jmei 
finb Scßul»2eßrerinnen gemorben. Sen ganzen 
Sag lang ift fie allein im ©aufe. Sie macht 
ihre ©änge Don Storgen bis an ben Slbenb mie 
ein ißferb in ber Iretmüßle, Sag für Sag be» 
toegt fie ficb in biefer geifttöbtenben Slrbeit, 
meicbe auleßt enbigen rnirb, in einem Sarge 
aus ©Imbola unb einer großartigen ©egräbni|= 
feier." — 

„3ch bitte Sie, ©err ißrofeffor, halten Sie 
bod) inne mit folcber Siebe!" 

„Unb Sie finb noch ftarf, gefunb unb er» 
freuen ficb eines einneßmenben Sleußeren. Ohne 
3meifel hoben Sie in 3*> ren ©ebanfen febon 
Ütunbfcßau gehalten, mo ficb ein fcßöneS, acht» 
aebnjäbrigeS Stäbcßen befinbet, baß boftig a u = 
greifen mürbe, ficb mit 3ßren breißig Süßen unb 
einigen ßunbert Slder SanbeS a« Dermäblen!" 

„Um’S Rimmels mitten, hören Sie boeß auf, 
©err ißrofeffor!" 

„3«. Unb 3br SBeib mürbe 3ß r neues ®e» 
fäßrt mit ben ftolaen ©ferbett nicht aieren, fie 
bleibt alfo au ©aufe, mäßrenb Sie mit bem 
Snecßt unb beS ttfacßbarS Stäbchen jur ®ircße 
faßten, nießt maßt? 3ß r SBeib geßt nirgenbS 
ßin, fie braucht baßer auch feine golbene Ußr 
mie bie 3ßri0e, ober ein feibeneS Sleib, ober 
ein ißferb unb ißßanton, in melcßeS fie oßne 
Seiter einfteigen fönnte. Sie ift ftitt unb an» 
fprucßSloS, barum ßat fie aueß fein neues ©ebiß 
aus ©utta ißercßa unb ©olb, mie Sie feßon 
lange eines haben, — fonbern fie muß mit bem 
©aumen fo lange am Srob unb gleifcß mum» 
mein, bis fie eS ßinuntermürgen fann, in golge 
beffen ißre Safe fieß anfmärtS a ur Stirne Der» 
feßoben ßat, unb ißt ©efießt fo faltenreich ift, 
mie ein alter gebrannter Stiefel. Sic geßt nie 
aus, barum läßt fie aueß ißr gebleichtes ©aar 
nießt färben, mie Sie feßon lange gemoßnt finb 
au tßun!" 

„S)aS ift ja nießt aum SluSßalten, ©err ©ro= 
feffor!" 

„3a, eS ift, barum laffen Sie 3ßr SBeib fort 
unb fort arbeiten unb Sie, — Sie merben auleßt 
ein junges Stäbchen ßeiratßen, melcßeS 3ßnen 
ben Stanbpunft feßon noeß flar maeßen mirb." 

„©oben Sie benn gar fein erbarmen mit 
mir?" — 

„Sie miffen eS nur au gut unb icß rneiß unb 
3ebermann toeiß eS, baß menn 3^ r SBeib ein 
menig Stuße befäme unb feßöne Kleiber aum 3ln= 
aießen ßätte unb mit 3ß«en aur ftireße ginge, 
märe fie immer noch geroinnenb in ißrer er» 
feßeinung." 

„So etmaS ift mir ja noeß gar nießt einge» 
fallen, ©err ^Jrofeffor!" 


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188 


Pie SBittoeft in 3nbint. 


„21lt uttb abgearbeitet mie 3h* SBeib, mürbe 
fie hoch oor greube erröten, menn Sie ihr ben 
©orfdjlag machten, am Sonntag mit it)r jur 
£irdf)e ju fahren uttb auch fonft Heine 8luSflüge 
ju machen." 

„Sie mögen Stecht haben, £err ©rofeffor." 

„Unb menn Sie ihr am Stontag fagen mür= 
ben: 3t merbe mich um ein competenteS $ienft* 
mäbdjen umfehen, unb bu fannft bicf) jum 
neuen Slnthracite 0fen fefcen unb am feibenen 
Sfeibe naben, meldjeS icb bir taufen merbe." 

„(SS fott fo fein, £err ©rofeffor!" 

„3a. Unb menn Sie ibr bann ein ©orte= 
monaie geben mürben mit fünf neuen 20 $ottarSs 
Stoten unb ibr fagen: Son jefct ab macbft bu 
felber bie (Sinfäufe, lieb’ SBeib! 3t bitt eS 
mübe, bir immer baS ©elb oor= ober natju^ 
jählen." 

„3t mitt’S probiren, |>err ©rofeffor." 

„3a. Unb menn bann Spänen ber greube 
in ihren Slugen perlen, unb ficb bie Stöthe burcb 
bie SBangen jiefjt, mie baS ber fjatt mar, als 
Sie ibr bie £mnb jur (Sh* boten, auf bem SBege 
nad) SUbanp, unb — menn Sie ibr einen 
järtticben Sufj ber Siebe auf bie Sippe brüd- 
ten“- 

„(SS foH fo fein, $err ©rofeffor, es foll fo 
fein!'' 

„®ann, lieber greunb, mürbe idb glauben, 
bafj fie eine gute ©arthie machte, inbem fie einen 
reifen Stann beiratbete!" 

„Sie haben geroifj recht, $err ©rofeffor!" 

„Sie mürben bann auch nicht mehr baran 
benfen, bafe 3h* 9B*i& e 1 e n b ift. Sie mür= 
ben 3br Sanbgut meber oermiethen noch nertau¬ 
fen motten. 3h* SBeib *nä*e Xh e itaberin non 
jenen breifeig Xaufenb $ottarS. Unb menn Sie 
3bren SBitten machen — mürbe ihr SBeib eine 
mahlmürbige SBittme fein!" — 

„Steinen Sie, §err ©rofeffor?" 

„3a mobl, ich mcifj, mooon idb rebe. (Sin SBeib 
ift mie eine ©flanje, bie Sonnenfehein haben 
mufe. Sie haben 3h* SBeib J u feh* in ben 
Schatten geftellt. Sie bat ihre garbe oerloren. 
Sie haben 3h* SBeib glauben machen, fie fei ein 
altes, buntmeS ®iitg. Sie hat alle Hoffnung 
auf Slnertennung unb Siebe ^^rerfeit^ oerloren 
unb martete nur noch gebulbig auf ben lob, ba= 
mit fie aus bem SBege geräumt mürbe! — ©e= 
fefct ben gatt, Sie mürben biefc oielen 3 a b re 
fo behanbelt morben fein?" 

„SBaS? 3t? 3ch-mir fehlt ja nichts, 

f>err ©rofeffor!" 

„3a hoch. (SS fehlte 3hnen etmaS. ©lobe 
grauen bebauerten Sie, bafj Sie immer noch an 
ein foldheS elenbeS SBeib gebunben feien. Sllte 
3ungfern unb einfältige Stäbchen flüfterten fidh 


SU: „SBaS ift baS hoch für ein bilbfdjöner Staun! 
Schabe, bafc er einen Steden jur grau hat!" 
Unb Sie haben ficb öon folchen StebenSarten fo 
fehr beeinfluffen laffen, bafj Sie umher gingen 
unb bei ben Stachbam über 3b* elenbeS SBeib 
jammerten." 

„(SS fott anberS merben, £err ©rofeffor!" 

„^öffentlich hat 3h* c 3 e *emiabe ein (Snbe. 
3cb merbe Sie nächftenS befuefjen " 

„3a, tommen Sie nur, £err Sßrofejfor. Stein 
SBeib fott nicht länger um ntetnetmillcn clenb 
fein. 3cb miß fie beffer bebanbeln. 3t tritt 
ihr fchöne Kleiber unb eine Uhr taufen. Sie 
fott ©ferb unb Phaeton unb Selb ju ihrer Ser^ 
fügung nach ©elieben haben. Sin guten $ienft= 
boten fott es nicht mangeln. 3$ merbe fie bei 
meinen Ausflügen mitnehmen, gux Kirche fott 
fie mich begleiten. 3 n ®*anfheit mitt ich fie 
hegen unb pflegen, benn fie mar mir immer ein 
treues liebes SBeib." 

Sachbem ber Sanbmann ficb oerabftiebet 
hatte, fagte ich mir : ,,3 e ner 3Rann ift im ©e^ 
griff, ben einzig richtigen unb oon ©ott gegeben 
nen SBeg einjuftlagen — fein elenbeS SBeib 
los ju merben!" 


pit JPitttom tu Inbifn. 


on 3 c *t ju 3*it bä*t man, bafj bie $err^ 
fchaft ber (Snglänber in 3nbien bie grauem 
haften h^ibnifchen ©ebräudhe beinahe ganj 
abgefdjafft habe. 3 n manchen gätten mag bem 
alfo fein. Slbcr es beftehen noch fo üiele hcib= 
nifche, barbarifche Sitten, baft fefeon be^halb bie 
größten Slnftrengungen ber SJtiffion nothmenbig 
mirb. Sur ädjteS ©h*ift*athum lann einen 
Urnfchmung h**6eiführen, nid^t aber bie £crr* 
febaft ber Snglänber. 

^tören mir einmal, mie es ben SBittmen in 
Dftinbien ergeht. SBir folgen einem türjlich in 
biefem berühmten StiffionS^Stagajin oeröffent- 
lichten Slrtitel. ®iefe 3 e *tfcferift fagt: 

„3n ©engalen lommen auf taufenb grauen, 
bie eine ®h e eingehen, 271 unter jebn 3ah**tt 
unb 666 jmifdjen jehn unb oierjehn 3ah*en! 
$ie ©efe^e ber 9teligion oerlangen fogar eigene 
lieh, bafe bie jungen Stäbchen üor bem achten 
3ahre oermählt merben fotten. Sehält ein im 
bifdjer gantilienoater feine Töchter ju ^aufe, fo 
ift er in ben Slugen feiner ©laubenSgenoffen 
entehrt, unb fo oermählt er biefeiben, fobalb er 
tann, gleichgültig, mit mem. 

$arauS entfpringt ein eigentümlicher @r= 
merbSjmeig in 3nbien; eS gibt bort eine Stenge 



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Per Huuukanifdjf (Kongreß 


189 


©reife, toeldje bag Sanb bur^ic^en unb für 
eine Heine Summe fief) mit ben jungen SRäbctjcn 
berheirathen, bereu Säter feine paffeitbe Partie 
augfinbig machen tann. 

SBag aug einer folgen ®h e toirb, braucht ja 
nicht erft erörtert ju toerbeu. Stber noch trau= 
riger ift* bag Seben ber SBitttoe. Sie meiften 
fmb beim lobe ihrer ©atten noch blutjung, 
aber bie Sitten unb ©ebräuche berbamnteit fie 
trofcbem ju ftrengfter ®f|etofigfeit unb $u ber 
benfbar traurigften Sebengtoeifc für ben 9teft 
ihrer Sage. 

Sie junge SBitttoe toirb alg *ßaria angefeljen, 
alg ein berftudhteg SBefen, bag ^ier fefjon alle 
oon ihm unb ben ©einigen begangenen Siinben 
abbügen muß, um fich ben £imme( ^n ertoerben. 
3Ran fc^neibet ihr bie £aare ab, fleibet fie in 
unfdjöne ©etoänber, bie fie nicht ablegen barf, 
man fd)(ief$t fie non aßen geften, felbft non ben 
3ufammenfünften ber gamiiie aug, jtoingt fie, 
brei Siertel iljreg Sebent im ©ebet hin^ubrin^ 
gen, (egt ifjr — unb $toar bigtoeilen für ^toei- 
unbfieben^ig Stunben — gaffen auf, fließt fie 
toiebie Sßeft, benn fie hat ja ben „böfen 33Itcf"; 
fur^, jebe SDtinute beg Sebent toirb if)r $ur 
Oual gemalt. Sabei nehmen biele biefer un= 
glücHicfien SBefen bie ©rflärungen, bie ihnen bie 
^riefter $ur Rechtfertigung biefer fd)euf$(icf)en 
fßrajrig geben, mit einem ©lauben unb einer 
Reftgnation hin, bie beinahe ju Spänen rührt. 
Sie finb feft baoon überzeugt, bafj ihre Seiben 
jte reinigen unb ihnen im jenfeitigen Seben ben 


fdjönften Sohn eintragen. Sag finb bie $eili= 
gen unter ben SBitttoen. 

Slber eg gibt Slnbere, bie fich nicht fügen, bie 
trofc ihrer Stbgefc^toffenfjeit einen SRann finben, 
bem fie ihre Siebe fchenfen, bie ber Stimme 
ifjreg ^er^eng folgen; beren Soog ift noch 
furchtbarer; fie toerben öffentlich berfludht, man 
jagt fie in bie SBilbnifj, too fie e(enb uinfom= 
men, man nimmt ihnen, bamit fie ganj berlaffen 
feien, bie ihrer ®h e entfproffenen Slinber, ba* 
mit biefe nicht beflecft toerben bon ber Sünbe 
ber SKntter, bie über ben Sufjen, bie fie übte, 
nicht bergeffen fonnte, bafj fie ein SBeib fei. 

3« ©hren ber Jgnber fei eg gefügt, bafj fich 
feit einiger 3 e i* eine ftarfe Strömung geltenb 
macht, bie biefe ©efefce aufgehoben toiffen miß. 
Sie teuerer behaupten, bie alten Seben fd)rie* 
ben biefe barbarifchc Sitte ganj unb gar nicht 
bor. Sie oerfangen eine Sluglegung ber aften 
Sogmen in einer bem 3eitgeifte entfprechenben 
SBeife, fümment fich nm bie ©yfommunifationen 
nicht, toelche bie $riefterfchaft auf ihre Häupter 
hageln lägt, fonbem oermählen ihre Söcpter 
erft, toenn fie ben rechten 3Jlann gefunben pa= 
ben, unb nehmen fie, faßg ber Sob ihnen ben 
©atten entreißt, toieber bei fich auf. 

Slber bon bem £eibenthum ift in SBaprheit 
feine Slbfjülfe ju hoffen. Sie englifche Regie* 
rung fchreitet nicht fräftig ein, um bie $nber, 
nicht bor ben ®opf %u ftofjen. Ser £>eilanb, 
©otteg- unb SRenfchenfohn, fann unb toirb Nu¬ 
bien frei machen." 


■» K83 » 


per Jtmcri kttnifdj e ttongrejj. 

gär $au6 unb §erb bon 3oJn fö. Qubtt. 


egierungen finb nothtoenbig Aum Schub unb ber 
feoblfafjrt ber meitplichen ©efeßfehaft. Siefe 
SBahrtyett mirb fo augemein anerfannt, bag man 
gefagt hot, bie aßerfd)le(htefte Regierung fei 
be^er Denn gar feine. Samit ift aber rn^t gefagt, 
baß ein Sanb mit einer fcbledjten Regierung aufrte* 
ben fein muß, wenn eg eine gute haben fann. 

So baepten bie Später unferer 9tepublif unb ttmrfen 
bie öerrfdhaft ©nglanbg in biefem Sanbe über ben 
kaufen unb fepufen eine gan^ neue Staatgorbnung. 
Sie grünbeten eme $erfaffung, in meteper fie ben 
3toea, bie gorm unb ©emalten ber SRegterung feft- 
festen. 

Siefe Serfaffung ift heute nod^ bag ©runbgefefc 
unfereg Saitbeg. ©ie bertheilt btc oberfte ©unbeg- 
gemalt auf brei ^auptbehörben, eine gefehgebenbe, 
boßj^iehenbe unb richterliche. 

Sie ©efepgebung ift Sache beg ©ongreffeg. 

Sie boß^iehenbe ©emalt gipfelt im $räfibenten, 
ben eine große ^fnjahl ©eamten in ber ©rfüllung fei¬ 
ner Richten unterftupt. ©r hat bie ©efefte, bie ber 
©ongrejj macht, in $raft ju fe^en. 


Sie ritterliche ©etoalt ruht in ben $änben eineg 
oberften ^unbeggerichteg unb einer Slnjahl Unterge- 
richtghöfcn. 3h r ^ Aufgabe ift, bie ©ere&tigfeit ju 
hanbhaben, inbem (ie, in Uebereinftimmung mit ben 
©efefeen, S3efchtoerben abhilft unb Uebertreter beftraft. 

9lue brei ©etoalten finb unbebingt nothtoenbig -junt 
33eftanbc einer Regierung. Ohne ©efefee fann über¬ 
haupt feine ©efeUtdjaft beftehen • ohne Stacht, bie ©e- 
jepe burch^uführen, finb felbft biefe bon feinem 
iRupen; unb ohne orbentliche ©erechtigfeitgppege ift 
Stiemanbeg Seben, greipeit ober ©igenthum ficher. 

SBir hoben eg heute mit bem ©ongrefc ju thun. 

Serfelbe ift biejenige 9lbtf)eilung ber ®unbeg - Re¬ 
gierung, ber bie gefepgebenbe ©emalt anoertraut ift. 
Siefe ©etoalt ift ihm in ber ^erfaffung bom $olfe 
berliehen. Ser ©runbfap unferer Regierung ift, baß 
bie 3uftimmung beg Kolleg bie alleinige ©runblagc 
aUer Autorität ift. Semgemäß hat ein jeber Bürger 
beg Saitbeg bag Recht, an ber Regierung beffelben 
theiljunehmen. 

Sa eg aber nicht für aßc Bürger möglich ift, ihre 
täglichen Arbeiten unb ©efchäfte ^u bernacpläffigen. 



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190 


ßet Hmmkontf4« (longtffj. 


um ©efege mad^cn, fo übt bad 5$olf fein £crrfcber= 
recht aud burch einen gongreg, bem ed biefe Arbeit 
übertragen h<U. 

©ad oiefer taut, aefAiebt alfo im kanten unb auf 
Söefe^l bed $olted, oeffen Vertreter unb Wiener er ift, 
unb foüte aud) immer 511 m heften bed SSolfed getgan 
merben. 

tiefer oberfte gcfeggebenbeÄörper unfered fianbed 
beftegt aud einem Senat unb einem s 2 lbgeorbneten= 
häufe. 

3eber Staat ber Union jenbet *mei 9Jtitglieber in 
ben Senat unb ^mar auf fedjd Qaljre. Die grneue* 
rung gefcgieht jebod) bon jmet ju *mei Sauren, je= 
meild *u einem ‘Drittel. Äeine $erfon ift jum kirnte 
cined Senatord mähbar, bie nid)t bad breigigfte Se= 
bendjabr erreicht hat, unb neun 3 a ^ re Bürger ber 
bereinigten Staaten mar. Die Senatoren merben 
bon ben gefeggebettben Körpern ber berfdjiebcncn 
Staaten gemählt. 


Der Diftrift bon golumbia unb Slladta haben feine 
bertretuna im gongreg, mad faum gerecht erfcheint. 

Qebed SRitglieb mug fi(h burd) gib, ober burch be* 
träf tiguna an gibedftatt, bcrpfliihten, bie berfaffung 
ber ber. Staaten $u unterftüjjcn. Sonft nimmt ed 
feine berpflicgtung auf fid). Such bie Sefretäre bed 
gongreffed unb anbere beamten, bie nicht SJtitglieber 
finb, haben ben gib auf bie berfafjung $u teilten. 

$ur grlebigung feiner ©efdjäfte tritt ber gongreg 
in ber bunbedhauptftabt ©afgington jiufammen, unb 
*mar am erften SJfontag im Sttonat Dezember eined 
jeben 3ahrcd. 2lud) ift ber fßräfibent beooUmächtigt, 
benfelben ju irgenb einer Qtit jufammen^urufen, 
menn er ed für nothmenbig erachtet. 

Der gougreg hält feine Sigungen in einem grogen 
aud Sftarmor audgeführten ©ebäube, melched ben $a* 
men Capitol trägt. Dad erfte Ä'apitol, ein prächtiged, 
noch unoollenbeted ©ebäube, mürbe oon ben ©nglän* 
bern im 3<*hre 1814 jerftärt. 





Sfrapitol. 


Dad Slbgeorbnetengaud mirb gebilbet burch bertre= 
ter aller Staaten, mel(he alle jmei Qahre neu bon 
biefen Staaten burd) bolfdabftimmung gemählt mer= 
ben. 3 m gongreg ftimnten fie frei, ald Vertreter ber 

f lauten Nation, ungebunben burch irgenb meldje 3 * ls 
truftion ihrer unmittelbaren ©ägler. 3ebcr Staat 
ift *u einer feiner eigenen bebölferungd^iffer entfpre* 
cgenben Slnjagl bon ?lbgeorbneten bcred)tigt. 

Sftitglieb bed Slbgeorbnetengaufed fann nur 3 e= 
manb merben, melcger bad Filter bon fünfunb^man^ig 
fahren erreicht hat, unb fieben 3 ahrc Bürger ber 
bereinigten Staaten mar. s 2lud) mug jeber Senator 
unb jeber 2 lbgeorbneter, flur $eit feiner ©agl, ein 
bemogner jened Staated fein, melcger ihn ermählt. 

s Jtebj‘t ben Staaten haben auch bie Territorien ihre 
Vertreter im gongreg. Qcbed Territorium fenbet 
einen Delegaten in bad Unterbaud. Dicfe Delegaten 
bi’trfen fid) an ben Sieben unb Debatten beteiligen, 
finb aber nicht ftimmberechtigt. 


Dad gegenmärtige mürbe fpäter errichtet, unb feit 
1851 bebeutenb bergrögert unb berfegönert. Die 
Äoften biefed baued foüen fi(h auf beinahe 16 SttitliO' 
neu Dollard belaufen. 

Die Senatoren bcrfantmeln fich in einem grogen 
Saal im nörblichen unb bie Slbgeorbneten in einem 
noch grögeren fltaum im entgegengefegten fjlügel bed 
$apitold. 

©ägrenb jebed £>aud ber ©efeggebung bon bem 
anbern unabhängig ift, mad bie Rührung feiner eiae* 
iten ©ejd)äfte unb bie bermaltung feiner eigenen #n* 
gelegenbeiten betrifft, fo mirb bod) ber Senat ald bad 
Oberhand bed gongreffed betrachtet. 

Die Senatoren finb fich ihrer hohen Stellung auch 
mot)l bemugt. 3hr Auftreten int Senat ift gemöbnlid) 
rul)ig, ernft unb mürbeboll. bei ihnen hoi nicht ber 
feurige »iebner, fonbern ber tiefe Denfer ben grogten 
ginflug. 

3 m anbern £aud geht ed oft ftürmifd) au* gd ift 


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Ire JLtnmkamfdje Äongreß. 


191 


ftpon boraefommen, baß ber Sprecher nicht im Stanbe 
fear, bic SRitglieber in Orbnung $u galten, unb aus 
Serbruß baruber, ben Borfip einem anbern SRitgliebe 
übergab unb fich in’S Bett legte. 

5er Bice **ßräfibent ber bereinigten Staaten ift 
Borfiper beS Senates, wäbrenb baS §auS ft<h einen 
Sprecher wählt. gür ben fratt, baß ber Bice* 
bent oerhinbert wirb, beim Senat ben Borfipju füp* 
ren, wählt fi* biefer einen $eitweiligen Borfifeer. 
5er bice * fßräfibent hat feine Stimme in ben ber* 
banblungen beS Senats, ausgenommen im Salle ber 
Stimmenaleidjbeit- Xann gibt er bic ©ntfepeibung. 

3eöcS $auS erwählt einen Sefretär (im Unterhaus 
Gier! genannt), ber ein genaues Brotototl ber ber* 
banblungen au führen bot. XiejeS <ßrototoll wirb 
uon ßcit ju 3?it beröffentlicht. Auch finb bei jeber 
Bipung jahlreiche Beridjterftatter ber täglichen Qei* 
Hingen anmefenb, bie bafür forgen, baß baS ^ublifum 
erführt, was bie Herren ©efepgeber treiben. 

Aebft ben Setretären wählt fid) jebeS §auS noch 
anbere beamten, $. 33., einen Äaplan, einen Stabträ* 
9 er (sergeant-at-arms), ber gleichfam ^olijeibiener 
tft; einen Xpürhüter, ber aufaupaffen bat, baß feine 
unberechtigte Berfon bie Kammer betritt, benn baS 
$olf muß oon Den ©alerien auS aufeben unb Chören. 
5er Xhürpüter bat überhaupt bafür su forgen, baß 
bie Senatoren unb ^Repräsentanten eS bequem haben. 
5bm fteben eine Anjapl ftnaben oon 13—16 fahren 
Aur Seite, welche Wiener unb Boten ber oberften ©e= 
fepaeber finb. 

5er ©ongreß gibt ber Station ihre ©efepe. Alle 
allgemeine Stagen in biefer Beziehung gehören in 
bas Bereich feiner Xhätigteit. ©r entfeßeibet über 
bie auswärtigen Berpältniffe — $rieg, grieben unb 
Verträge — er regulirt bie £anb* unb Seemacht, 
^anbelSfachen unb 3 *Me, aRüu^e, ^apiergelb, Sin* 
leiben, $o(twefen u.f. w. 

©S barf lebodj fein ©ejep gegen bie SRcligionSfrei* 
heit, feines gegen bie ^reßfreiheit unb feines gegen 
baS BetitionSredbt erlaßen werben. 

3ft ber erfte SRontag im Xeacmber gefommen, fo 
oeriammelt [ich jeber Körper in feinem eigenen 
BipungSfaal im Äapitol. Xer Kaplan erfleht ©otteS 
Begen auf bie Berhanblungen. darauf folgt Ber* 
lejung ber StamenSlifte ber SRitglieber. Stach biefem 
benachrichtigt jebeS £>auS baS anbere, baß eS feine 
Bißungen begonnen habe. 

5ann macht ein gemeinjameS ©ommittee beiber 
§äujer bem Bräfibenten feine Aufwartung, unb be= 
ruhtet bemfelben, baß ber ©ongreß ficb oerfammelt 
habe, unb bereit fei, irgenb wel<he SRittthcilungen 
»on ihm entgegenjunehmen. 

hierauf jehiert ber ^Sräfibent feine Botfdjaft an ben 
Kongreß. 3n biefer gibt berfelbe AuSfunft über ben 
Mtanb ber Union unb ihre Beziehungen $u anberen 
Wachten, unb empfiehlt ber (Erwägung beS ©on* 
grejfeS folche SRaßregeln, bie er für notpwenbig unb 
erfprießlich erachtet. 

5ie .«elfte Arbeit beS ©ongreffeS gefiept burch 
AuSfcpüffc. Qebe Kammer ernennt eine Anzahl 
ftebenbe ©ommittcen, a. 33. über Bewilligungen für 
ben Staatshaushalt, über auswärtige Angelegenheit 
ten u. f. w. 

SBirb ein Antrag (33iU) eingebracht, fo wirb berfelbe 


gewöhnlich an baS entjprechenbc ©ommittee berwie* 
fen. Auch fann eine Borlage einem befonberen ©om* 
mittee übergeben werben. 

Xie ©ommitteen haben über bie 33ilIS ju berathen 
unb $u berichten. Xann erft ftimmt baS §auS über 
biefc ab. ©S fann aber feine Borlage jum ©efep er* 

? loben werben, eS fei benn, beibe öäufer nehmen bie* 
elbe an, unb ber 3 $räfibent unterfefareibt fie. SBenn 
berfelbe fie gutheißt, fo oerfieht er fie mit feiner Un* 
terfeprift. Qft er aber gegen bie 33 ill, bann fepieft er 
fie, mit ©egenbemerfungen berfehen, an jenes $auS 
Aurücf, bon welchem fie auSging. Beharren aber 
gweibrittel ber mepräfentanten unb ber Senatoren 
auf ber Annahme beS ©efepeS, bann tritt baffelbe fo* 
fort in $raft. 5)aßelbe gejdjieht auch, toenn ber 
fibent berfäumt, baS ©efep binnen jehn 5agen an ben 
©ongreß jurüdAufenben. 

©ejepe unb Berorbnungen fönnen entweber im Se* 
nat ober im Unterhaus borgefdjlagen unb auSgear* 
beitet werben. 5)och ift in biefer Beziehung baS Stecht 
beS Senates befchränft, inbem ©efepe ^ur ©rpebung 
ber ©intünfte ihren Urfprung im Unterhaus haben 
muffen. 

Scebft ber gefepgebenben ©ernalt, welche ber ©on* 
greß befipt, hat bie Berfaffung jebem $auS nod) be* 
lonbere Borrechte übertragen. 3 U öen SSorred^ten 
beS Senates gehört, baß alle Berträge unb ©men* 
nungen ben $*äfibenten $u BunbeSämtem ihm Aur 
Betätigung borgelegt werben müffen. .gnfofern hat 
er Antheil an ber BollAugSgewalt beS Bräfibenten. 
5)er Senat hat baS alleinige SRecht, in allen gäflen 
bon SlmtSanflagen baS Urtpeil ju fprcdjcn; waprenb 
baS Unterhaus bie ftlagc ein^urcichen hat. 

5)er berühmtefte Sau biefer Art war, bic Bro^effi* 
rung beS s Jräfibeuten AnbreaS^ohnfon im 3apr 1868. 
Xer B^eß bauerte bom 23. 3)tär^ bis flum 26. 3Rai. 
©S beburfte jur Berurtheilung emc Stininienmel)r* 
heit bonjwei dritteln, unb ba^u fehlte nur noch eine 
ehuige Stimme. 

Sollte bie SBapl für bie jwei höchften BunbeSämter 
refultatloS jein, bann hat baS SRcpräfentantenhauS 
baS alleinige $Recßt, ben Bräfibcntcn, unb ber Senat 
baS alleinige Stecht, ben Bice * ^käfibenten $u er* 
wählen. 

XhomaS Qefferfon unb Qohn C. AbamS würben 
beibe bom Unterhaus gewählt. 

Xer erfte ©ongreß ber Ber. Staaten unter ber ge* 
genwärtigen Berfaßung berjammeltc fich in ber Stabt 
v Rew $ort, am 4. ÜJtärj 1789. Stur elf Staaten rna* 
ren bamalS ber Union beigetreten unb fanbten Ber* 
treter. 55ie SRitglieberAahl ber beiben Käufer betrug 
nur 81, 59 Stepräfentanten unb 22 Senatoren 
Xie nächften 10 Qahre war ^hüabelphia ber Sip 
ber BunbeS*9iegierung. 1800 würbe fie nach 2Bafh s 
ington berlegt. 

Xer gegenwärtige ©ongreß macht ©efepe für 50 SRil* 
lionen s JD?enfdjen, welche in 38 Staaten, 10 Xerrito* 
rien, bem Xiftritt ©olumbia unb AlaSfa leben. 

Xer Senat beftept ans 76 SRitgliebern, unb baS 
SlepräjentantenhauS hat über 300. 

Xer A^tbare Qapu ©. ©arliSle bon Äentudt) ift 
Sprecher beS leptern, unb im Senat führt Qopn Spcr* 
man, Senator bon Chio, feit bem Xobe beS Bice* 
[ Bräfibenten XpomaS A. ©enbriefs, ben Borfip. 



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192 


Hülfe in brr Holl). 


Hülfe tu Der Jlotlj. 

gor öattl ttnb derb bearbeitet bon tt. ©ribe. 


S mar an einem lieblichen ©abbath 5 9iad ) 5 
mittage. 

®ben mar ber ©lodenhaß bom bernooS^ 
ten Sirdjenthurm beS nahen SorfeS berftummt 
unb fräftig ertönte ber anbädjtige ©efang ber 
berfammelten ©emeinbe, als ber alte ÜJtüßer 
mit naffen Slugen am genfter feinet fteinen 
$üttchenS horchte, ©infam ftanb fein unbe= 
ratheneS £>äuSd)en, gleichfam bcrtoren bon ben 
©ehöften ber Sanbleute, bor bem Sorfe, mie 
ein einzelner bürrer £alm bon bem fruchtbaren 
Slderfelb am hurten Söege. 

2 Kit h er 5 li^em Summer, aber ohne bie ge= 
ringfte SRegung bon SJlißgunft ober 9?eib, hatte 
ber ©reis mit feinem betagten SBeibe eine 9lm 
5 aht gut gefteibeter ÜWänner unb grauen aus 
ben nachbarlichen Ortfcßaften jur Strebe borbei^ 
gehen fehen unb fich bei ihrem Slnblide in be^ 
miithigenbe ©rinnerungen an bie gemefenen gm 
ten läge bertieft. 

Sen 2Rüßer hätte jeßt SKiemanb mieber er* 
fannt, ber bor jehn fahren mit ihm umging. 
SamalS glühte täglich fein |>eerb, bampften 
bolle ©djüffeln auf feinem Stfche, maren bie 
Soffer mit Sleibern unb Seinmanb gefüllt, ba= 
malS reichte er bem Sürftigen ein großes ©tüd 
Srob unb feine ©attin gab ber nadten 9lrmuth 
manches noch nicht bertragene SleibungSftüd. — 

SBie mar hoch &ßeS in menigen fahren anberS 
gemorben! SSäßrenb eines ber ^erftörenben Srie= 
gen, bie Seutfcf)lanb fchon fo oft heintfud)ten, 
mar Sötüßcr tief in ©chutben berfunten unb 
nach ber SBiebertehr beS griebenS hatte eine 
geuerSbrunft, bie bei einem üftadjbar ausbrach, 
alle Ueberbleibfel feines SBohlftanbeS berührt, 
©in reicher 9Rann hatte mit ber Sebauung fei= 
ner Sranbftätte feine ©chulben übernommen, 
unb ein greunb ihm einen Stab gegeben, bon 
melchem geftüßt, er an ber |>anb feines SßeibeS 
bor fedjS fahren als ein neuer ©iebler in bie 
£iitte manberte, bie er jeßt bemohnte. 

Sie armen Sitten brad)ten außer einigen ®e= 
Renten, momit mohlthätige äRenfcfjen ihre 
-ipanb gefüllt hatten, nichts mit unter ihr ©trofc 
bach — als alte, erfchöpfte ©lieber, bie menig 
511 erfchmingen bermochteu unb ebte ©efinnum 
gen, bie es ihnen mehrten, in ben umtiegenben 
Drtfcßaften als Settier ^u fammeln. 

@ic mären ohne gmcifcl berhungert, hätten 
nicht bie Següterten beS SorfeS, ohne baß fie 
etmaS berlangten, fie bon 3 e ^t su 3?it mit 2e= 
benSmitteln berforgt. 

Slber gerabe jeßt fehlte eS ihnen mie noch nie, 


an 2 lßem; barum meinten unb Hagten fie auch 
heute heftiger unb lauter, als jemals $ubor. 
9US fie baS Säuten $ur ©onntaganbaeßt hörten 
unb ihre Nachbarn ba$u breiten faßen, ba 
fchnitt eS ihnen tief in’S $era, baß fie nicht mit 
^um §aufe beS £errn mallen burften, m e i l 
fie feine Sleiber hatten. 

SaS manfenbe £aupt ber grau ruhte in ben 
§änben, melche auf bie Sniee fich ftüßten; in 
ber borgehaltenen Schürfe barg fie ihr ©cßluch* 
jen, unb ber ©reis ftanb finnenb am büfteren 
genfter. ®r ftarrte ein SBeilcßen in’S meite 
gelb hinaus; halb hob fich fein Slid fcßmach' 
tenb gen $imtnet, halb fenftc fein Sopf fich bor- 
märts, baß fein filbermeißeS paar in fein blaf= 
feS Slngeficßt maßte unb auf feinen naßgemeinten 
SBangen fich neßte. 

©in langer Seufzer brängte fich aus feiner 
beengten Sruft unb feine jittembe £>anb blät= 
terte in einem geborgten ©efangbuche nach einem 
Siebe über bie Sorfehung, in meinem, mie er 
fich erinnerte, eS hieß, baß ©ott bie Söget unter 
bem $immel fpeife unb bie £aare auf unferem 
Raupte ^äßle, als ein bliißenber, gut gefteibeter 
junger 9 Jtann auf einem fleinen Staine bor fei* 
ner |>ütte fich $u einer furzen 9?uße nieberließ. 

Ser Jüngling öffnete fein Sleifepädcßen, 
nahm ein frifcßcS £>alstucß heraus unb 50 g bei 
ber ©elegenßeit auch eine Srieftafche ßerbor. 
©r burchfah bie Rapiere, padte bann gufammen, 
feßmanf fein Sädcßen auf ben 9tüden unb man* 
berte, mie in ©ebanfen bertieft, längft ber Sanb^ 
ftraße meiter fort, ohne bie |>ütte näher ^u be^ 
achten. 

9Kan meiß, mie Unglüdlicße, bie ohne Sraft 
fich ju helfen, gan^ ihrem Summer hiagegeben, 
fich nur teibenb berhalten; mie fie halb hierhin, 
halb borthin gleichen, als roerbe ihnen am am 
beren Orte anberS ftu Sinne merben. @0 ging 
eS jefct SDfiißer. 

©ine geheime ©ehnfucht nach bem ftärfenben 
Anhauche ber frifchett Suft unb ber bunfle @e= 
banfe, mo ein s 2 lnberer rul)te, merbe er auch 
9ful)e finben, trieben ihn ^u bem SRafen. Unb 
fieße, auf ber Seite beS SRafenS, bie fidh bom 
SBege abmärtS fenfte, fchimmerte ißm etmaS 
Weißes entgegen, ©r hebt eS auf, es bäucht 
ihm feßmer, er entmidelt baS Rapier, unb — 
mie erftaunt er! — ^mei große ©olbftüde Mißen 
ißm in bie 2 lugen. 

„Sltutter, SlWutter!" rief er h a ftig, „fornm 
einmal heraus! SKutter/' fuhr er fort, als fie 
nun bor ihm ftanb, „fdjau, maS ein SBanberer 



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Hülfe in ber Jlotl). 


193 


foeben ^ier oerloren hat. Äemtft bu fo ©tmaS 
noch?" 

„Sater, lieber Sater!" rief bie grau, bie 
gläitgenben SJiüngen in ber |mnb miegenb aus, 
„fiefjft bu, ©ott oerläßt uns nicht. ©ie maljr 
ift baS ©prüchmort: ©enn bie 9ioth am größ= 
ten ift, bann ift ©ott am nädjften. SRidj ljun= 
gcrtc recht, Sater, id) rnoßte bir nur nichts fa= 
gen unb bich hungerte gemiß auch. Unb betraute 
nur beinen 9lod! bieS ©elb ift mehr als genug 
gu einem neuen SRocf für bich unb gu einem 3Rie= 
ber für midj. ©ann fönnen mir in bie ®irdje 
getreu; ©ott hilft!" — 

„®ott Hilft, ßRutter," ermiberte SJlüßer, ja 
er hilft gang gemiß, aber nid)t burd) biefeS ©elb. 
3$ fagte eS bir ja, baß eS einem ©anberer ge- 
§ört, ber oor SJurgem Hier auSruhte. ©r muß 
noch bicHt Hinter bem ©älbcßen bort fein.'' 

„©enn eS auch bem ÜJianne gehört, Sater, 
fo adjtet er es ficßcrlich nicht, fonft märe er of= 
fenbar oorfidjtiger bantit gemefen; aud) meiß er 
e3 nicht, mo er eS oerloren hat. ®r hat ohne 
3meifel an mehreren Sßläpen auSgeruljt." 
„SRutter, beine SRebenSart befrembet mich, 
©eiß ber Jüngling auch nicht ben 0rt, mo er 
fein ©elb oerloren hat, fo meiß es bod) 
©ott. gaffe bid) unb lag bicH burch baS ©elb 
nid)t blenbeit. gfjrlicfy mährt am längften." 

„äber Sater! unfere SRoth — unfere große 
Soll)! ©aS foH aus uns merben?" 

,,©u haft mof)l redjt SRutter, unfere SRotl) ift 
groß — größer als fie je mar, bod) 
oergage nicht. ©ieh nur, mie fcßön baS ©e* 
treibe ftef)t! oor uns beS ©djulgen ©eigen, bort 
beS Pfarrers SRoggen; fie fönnen’S maßrlicß 
nicht afleiit oergehren, fie merben uns baoon 
bebenten, mie fie eS in oergangenen fahren 9^ 
tfjon haben. Unb fiel) nur, Hier meljct ber 
ffiinb fcßon über bie Stoppeln; ber £>erbft ift 
nahe unb biefer §erbft fönnte uns mof)l mitnef)- 
men oon ber ©eit. Salb geht ber ©inb über 
unfer ©rab unb fo nahe am ©rabe foflten mir 
etmaS oeruntreuen? ÜJtir mirb bange, SRutter, 
mir mirb fetjr bange. ©eg, mitbemöolbe! 
3 ft es mir hoch, als märe id) fdjon tobt, unb 
ftanbe ich oor bem ©eltcnridjtcr mit ben flam= 
menben äugen unb er fagte gu mir: ©u trugft 
beine meißen $aare mit gljren, unb um ein 
paar ©olbftüde ßaft bu bein graues $aar für 

immer gefdjänbet; fdjäme bid)!"- 

©iefe Söorte SRüßer’S machten einen tiefen 
ßinbrucf auf baS |>erg feiner ©attin. 

,,©u ^aft 9tecßt, Sater," fpracß fie ßierauf, 
,,i<H muß micß oor ©ott unb bir fdjämen, baß 
id) bem ©atan nur einen äugenblid ©e^ör 
fcHenfte. Sieber moßen mir oer^ungern als un= 
eljrlidj merben. SRein ©emiffen mad^t mir tjef= 


tige Sormürfe; id^ friere unb bebe, als Hätte 
id) fcßon geftot)len. Sauf, lauf, maS beine alten 
güße nur oermögen; id) miß bir beinen ©tod 
bringen, ©ott gebe es, baß bu ben SBanberer 
nod) einpolft." 

än aßen ©liebem bebenb, als fei fie fdjon 
beS ©iebftafylS überführt, eilte bie grau in’S 
|muS unb ungebulbig unb gitternb fcHritt ipr 
l)od)betagter ©atte nadf), um ficß fertig gu macfjen, 
bem gremben nacßgueitcn. 

©S mar nicptS ©eringeS für bie beiben aus* 
gehungerten, alten Seute, ben SBeg fcHneß ge^ 
nug gurüd gu legen. ®odh — fie ftrengten fidj 
an, benü^ten einen gußpfab unb trafen ben 
Jüngling. 

„3Reiu ^err/' fagte ber 2llte, „Hier finb gmei 
©olbftüde, bie fie auf bem 9tafen Oor ber lebten 
$ütte beS ©orfeS Oerloren haben.'' 

Sermunbert fah ber junge SRann bie älten 
an unb adf)tungSooß rut)ten feine äugen auf 
ihren SRitleib ermedenben Kleibern. ,,3h^ 
f<Heint arm gu fein," begann er nach einigem 
9tadjfinnen. 

„38ir finb arm, fehr arm, mein |>err," fagte 
3Rüßer, „aber mir möchten gerne ehrlich blei¬ 
ben; ba haben ©ie gh r ©olb." 

©er giingling bebenft fid) eine ©eile mit 
aßen 3 e ^ en ^ er Uncntfchloffenhcit im ©eficht, 
bann fprach er: „^ch nehme baS ©elb mieber, 
meil ich’S ba, mo ich hiaroMf gebrauchen fönnte. 
giir heute miß ich ©uch geben, maS i^ je^t ent^ 
behren fann unb halb fomme ich iuriid, bann 
foßt gh r f«h cn f baß eS noch 9Renfd)en gibt, 
melche bie rebliche ©ürftigfeit fchäfcen. $ört, 
gute Seute, mogu ich baS ©elb oieflcidht nöthig 
habe, günfgehn gahre finb eS nun, baß id) 
meine ©Itern als ein junger ^panbmerfer oer= 
ließ unb nur ein 3aßr meniger ift’S, baß idh 
9?id)tS mehr Oon ihnen gehört habe, ©amals 
ließ ich mich Überreben, ein paar ©eereifen mit= 
gumacpen. äuf mehrere Sriefe habe ich feine 
äntmort erhalten, meil meine ©Itern fie nicht 
befommen haben. 3 ll ^ e ^ lebte ich einige galjre 
in 9iem ?)orf. ©er hintmlifche Sater hat mich 
reichlich gefegnet. Sor fecßS ©odhen bin ich in 
Hamburg mieber angefommen. ©ie ©oeßter 
beS 3ReifterS, bei meldjem idh längere ßeit ar= 
beitete, mar inbeß eine blühenbe Jungfrau ge= 
morben. ©er Sater fannte mich; ich habe gu 
leben; in gmei SRonaten mirb bie ©odjter meine 
©attin fein. $ u meinem ©lüde brauche ich 
nun Nichts, als baß ich meiß, mie eS meinem 
Sater unb meiner SRuttcr geht, äuf einen 
Srief Oon Hamburg habe idh mieber feine 9tad)= 
ridf)t befommen, barum bin idh auf bem ©ege, 
meine liebe §eimath gnm lebten 9Rale gu grü¬ 
ßen, unb ©ott gebe, baß idh meine ©Itern noch 


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194 


Jer Statut, brr keine Jett pat. 


am Sebcn antreffe unb bag fie fiep entfcpliegen, 
mit mir zu ziepen unb zu tpeilen, mag mir ber 
liebe ©ott burcp gleig unb Sparfamfeit be= 
fcpeeret pat. Stuf ber Siütfreife fomme icp pier 
mieber burcp unb bann fepe icf) ©ucp mieber." 

SRüller, ber mäprenb ber Siebe beg SBanbe- 
rerg feine grau meprmalg bebeutunggvoll an- 
gefdjaut patte, frug ben 3üngling pierauf: „SBie 
meit ift eg nocp big z u iprer ,<jpeimatp, mein 
|>err?" 

„3m Sorfe bort," ermibertc er, „pat man 
mir gefagt, bag eg nocp vier SReilen fei big 
Srotf ftäbt, bag ift mein ©eburtgort !" 

©ei bem Siarnen ©rotfftäbt fdprien bie 
beiben Stlten laut auf unb ber junge SRann er- 
fannte fofort, bag etroag Slugergemöpnlicpeg fie 
bazu veranlagte. 

Um fiep ©emigpeit zu verfcpaffen, frug er enb- 
lidp: „2Bag feplt ©udp ? Solltet 3pr bort befannt 
fein ? SRein ©ater mopnt bort unb peigt SRüHer !" 

Saum patte ber Jüngling bag lepte SBort 
gefprocpen, ba ftürjten bie Sitten an feinen fmlg 
mit bem greubenruf: ffiilpelm, unfer 

©opn, unfer miebergefunbener SSilpelm! SBir 
glaubten, bu feieft fcpon längft tobt unb fiepe, 
bu lebft nocp!" 

SRepr zu fagen, vermocpten bie Ueberglürf- 
lidpen nicpt. Ser Jüngling fant mie beraufcpt 
von einer ©ruft an bie anbere unb auf lange 
3 dt erlag bie Siebe ber ©ntzüdten ber über- 
grogen ©efüple iprer feligen ©efüple. ©nblicp 
überzeugten ben SBanberer mepr bie furzen 
Slntmorten auf einige abgebrocpene grageit, alg 
bie burcp ben Summer veränberten ©eficpt^züge, 
bag er in ben Sinnen feiner ©Item pänge. 

©r fiel auf feine Suiee, peftete ben ©lief gen 
4pimmef unb betete mit zitternben Sippen: „0, 
©ott, mie gut paft bu eg mit mir gemaept! ge¬ 
lobet fei bein peiliger Staute!" ®g mar ein 
furzet ©ebet, aber eg fant aug ber Siefe eineg 
banfbaren |>erzeng. 

Sille brei traten nun unter trauten ©efpräcpett 
ben Stüdmeg naep ber einfamen |>ütte an. Silier 
Slotp ber ©Itern patte ber ©opn halb abgepol- 
fen unb alg am näcpften Sonntag - Slacpmittag 
bie ©locfe mieber zum ©ottegbienft einlnb, ba 
fcploffen fiep mit frenbcftraplenbem SIngeficpte, 
SRüller, beffen grau unb ©opn ben Stacpbareit 
an, um nocp einmal in ber Sorffircpe ber ©re- 
bigt beizumopnen unb ©ott an peiliger Stätte 
für bie ipiten ermiefene ©nabe unb §iilfe pet^ 
iiepen Sanf abzuftatten. 

©tlicpe Sage fpäter mar Silier zur Slbreife 
vorbereitet unb bie betagten ©Itern eilten mit 
iprem geliebten ©optte naep Hamburg, um bei 
ipm, mie eg fein fepnlicpfter SSunfcp mav, ipre 
tepten Sebengtage z« befcpliegen. 


Per JBaitu, ber keine Jhit Ijat. 

fller SRann, ber „feine 3^it pat," ift in allen 
HI ©erufg-Sppären zu ftnben, unb bleibt un- 
ter allen Umftänben ein gleicp unange- 
*** nepmer ©atron. ©r pat auf ber ©trage 
faum 3^it, unfern ©rüg zu ermibem, unb bietet 
man ipm etma bie |mnb, fo mirb er flüeptig 
einen ginger entgegenreiepen, alg fepiene eg ipm 
einen SRepraufroanb von 3<*it z u bebeuten, bie 
volle $anb zu geben. 

Sie Unterrebung ift natürlicp eine furze, 
benn — fagt er entfcpulbigenb — „icp pabe feine 
3 eit." Qm ©efepäfte pat er natürlicp auep feine 
3 eit, unb eg paffirt ipm babei nicpt feiten, bag 
er gefcpäftlicpe Stufträge unb Slbmacpungen, bie 
er megen 3eitmangelg nur flüdptig bepanbelte, 
palb vergigt, mag natürlicp bie hoppelte 3^it 
foftet. 

Sarum pat er auep „nie Seit,“ bringt eg bei 
allem ©ifer boep nicpt vormärtg, unb bie Seute 
trennen ipn, ben ©ielbefcpäftigten, fogar nocp 
einen „Sdjugbartl," ober „©’fcpaftelp’uber." 

SSJenn er fiep nur einmal 3eit nepmen fönnte, 
— er molfe e^ ben ©epimpfern fcpon z e iQ e u! 
Slber ba^ iff d eben, - - er pat feine 3eit! Sen 
greuitb, ber ipn naep japrelanger Srennung 
auffuept, meift er an feine gamilie, — beim er 
felbft pat jept feine $e\t, unb menn eö gilt, ben 
©einen einen fropen Sag zu bereiten, unb fie in 
bie grüne .f>errlicpfeit von Sßätbern unb SSiefen 
ZU fiipren, überträgt er bieg an grau unb @ou- 
vernaute,—benn er felber pat befanntlicp „feine 

3eit." 

3 ft er 3unggefellc im ftarf peiratpgfäpigen 
Sllter, fo lägt er mopl einen „£eiratpg-9tntrag" 
einfcpalten, ber mit ben äBorten beginnt: 

„junger SRann, bem eg an 3 e ^ mangelt, 
Samen-©efanntfcpaft zu fuepen :c." 

Ser Same feiner SBapl mug feinegmegg ein 
beneibengmertpeg Soog befdpiebeit fein an ber 
©eite eineg SRanneg, ber nicpt einmal fo viel 
3 eit pat, fiep eine ©raut zu fuepen! SBoper foll 
er auep bie 3^ü nepmen, fiep feiner gamilie zu 
mibrnen? 

®r finbet natürlicp auep nicpt bie 3*it, ein 
©uep zu fefen, unb eg gibt unter Seineggleicpen 
fogar munberlicpe Säuze, von benen man bie 
gragepört: „3Bag gibt eg moplSJeucg? 3Bif= 
fen ©ie, icp pabe nämlicp feine 3^it, — 3^^ 
gen zu lefen. 

©tubengeleprte unb pie unb ba übereifrige 
Saufleute ftellen ipr Sontingent zu biefer ©epaar, 
bereit ©jnftenz man peutzutage beinape bezmei- 
feln möcpte. Unb bodp gibt eg folcpe Seute, ge- 
bilbete Seute, melcpe von bem SBapne befangen 


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Jeinbe bes lamilienglüdtr#. 


195 


finb r feine 3 e ^ ä u ^öben, um ein ©latt ju le* 
fen, unb fiep im Saftigen ©efpräcp barüber un* 
terricpten laffen motten, maS in ber 2Belt nör¬ 
gelt! ®a$ geiftige ÄrmuthSseugnig, meldpeS 
jtcp folcpe Seute mit einem berartigen ©eftäitb= 
nijfe auSftetten, ift ein fepr bebeutenbcS, öttein 
fie paben feine 3^it, bieS 311 merfen. 

SBenn ber 3 Jlann, ber nie 3 e ** h a *> einmal 
eine Steife tfjun rnug, pflegt er mopl ber unleib* 
licpe ©oupegenoffe ju fein. Sie anberen Stei* 
fenben fyaben bei uns ein reich affortirteS Säger 
oon „3eiten." ^Berliner 3eit, SBiener 3 e *t> 
$arifer 3 eit, — je nach ber ©trecfe, bie man be^ 
fatjrt. ®er Unglücflidpe pat aber mie gemöpnlicp 
gar feine Qtit, unb fcpimpft beftänbig über ben 
3 eitberluft an ben oerfcpiebenen ipauptftationen, 
ohne ber üRitmenfcpen 3 U gebenfen, bie, — mit 
Serlaub! — auch einfteigen unb mit fahren 
tootten. 

SefouberS bie fargen fünfunb^maniig äKinu* 
ten an einer äJtittagSftation machen unferen 
SJtann, ber feine 3*it hat; überaus nertmS, unb 
er bejammert lebhaft btefen 3 ^itnerluft. 

®ie er fo burcp baS Seben haftet unb ftets 3 U 
nichts 3 e ü h a t> ifl er eigentlich eine ebenfo fo* 
mifcpe, als bebauernSmertpe gigur. Er ge= 
mahnt einerfeitS ftets an ben ^Berliner ^aar= 
fräuSler, ber gefd^äftig burcp bie ©trage 
tauft, bis if)m ^emanb Dom genfter herab 31 ^ 
ruft: „*ßft! Sie, ©arbier, paben ©ie mopl 
3 eit?" — „0 ja motte!'' — „ s Jtu, benn loofen 
Sie man nicp fo arg!" 

SnbererfeitS ift ber SJtann, ber nie 3eit Ijat, 
auch bebauernSmertp, meil er ootn Seben fo oiet 
roie nichts geniegt unb cS babei in ber Siegel 
hoch nicht trnrmärtS bringt, benn er fennt baS 
Öepeimnig ber metfen, oerftänbigen unb fruchte 
bringenben 3 e ileintheitung nicpt. ©r meig 
nichts öon jeuer flugen StuSnüfcung ber 3eit, 
bie baS SJiag ber Slrbeit unb baS ber ©rholung 
in ©etracpt 5 iept unb babei meit beffer fährt, 
toeil ber SJtenfcp in biefer ber ©rholung gemib^ 
meten 3 eit feine Slrbeitsfraft fonferoirt unb t>er= 


ftärft, fo bag fie in ben ber Slrbeit gemibmeten 
©tunben meit elaftifcper ift, als bie unfereS 
SftanneS, ber „nie 3eit h a ^*'' 

S5on ben ©nglänbern, ben Storbbeutfdhen unb 
tpeilmeife auch toorn fra^öficpen ©ourgeoiS, fön* 
nen mir bieSbe^üglicp lernen. 9ßie ruhig unb 
glatt unb babei recht günftig micfetn 3 . 93 . bie 
Storbbeutfdhen ihre ©efcpäfte ab unb finbeit nocp 
immer 3eit genug, je nadh Umftänben ein guter 
|>auSoater ober ein oollenbeter Sebemaitn 311 
fein, 3 eitungen unb ©ücper 3 U lefen unb ©ins 
3 U politifiren. 

Unfere neroöfen Seute, bie „nie 3*it paben," 
fönnteu baoon lernen, unb es märe gar nicht 
ferner, benn baS gan^e ©epeimnig liegt nur in 
ber richtigen Einteilung beS foftbaren ©uteS 
3«t. 

2BaS ber SJtann, ber „niemals 3 e i* hat," 3 U 
bem fojialiftifchen ©runbfafce: Sicht ©tunben 
Slrbeit, acht ©tunben ©rholung unb acht ©tun* 
ben Schlaf fagen mürbe, meig ich mopl nicht; 
allein eS ift anpnefjmen, bag er minbeftenS 51 t 
ber adhtftünbigen Erholung feine 3^ü fänbe. 
2 Bie eS bie ©rfaprung lehrt, h<*t er oft nicht ein* 
mal fo Diel 3cit, um feine ©läubiger ^u befriebi- 
gen, unb bie 3 ierbe biefer ©ilbe bilbete mohi jener 
®efraubant, ber mit überfeeifcher s ^oft feinen 
©hef baoon in Scnntnig fepte, bag er igm eine 
beträchtliche Summe geftohlen hübe, ©r f>abe 
nicht 3 eit, gmei ober brei 3 ^h re 3 llc ^^ au f c 
ju fi^en unb fei bcSgalb lieber nach Slmerifa 
gereift. 

©0 haben oiele Seute ju gar nichts 3 e ^ tuälj' 
renb ihres ganzen SebenS, bis fie fich eines 
SageS benn hoch 3 e ^ nehmen müffen, baS 3 e ^ 
liehe 5 U feguen, bis ber alte femige beutfehe 
Spruch gur SBahrheit mirb : 

ingcht bie 3rit — h^rfemmt ber Xob, 

Sttenfch beoenfS in 6Hüd unb Stoth! 

©ie finb nicht beneibenSmerth, bie Slrmen, 
bie bann 311 m erften SJiale „ 3 U ©tmaS 3 e ^l 
haben." 




Irtube lamiliengliidir0. 

Sür unb gerb bon 3. ©. Seift. 


\m ©arten fteht oon Sträuchen umgeben, ein le^ 
benSfräftiger Slpfelbanm. Unter feinen meitoer^ 
jmeigten heften labet ein weicher, grüner Xeppirf) 
jum Stieberlaffen ein. ©ine hbljerne 93anf ift 
ring^ um ben Stamm angebracht. 

Äuf biefer fipen SlbenbS bie ermachfenen 3ami^ 
lienglieber, mahr^ub bann bie Äinber fich auf ben 
toeidjen Stafen pinftreefen. x a s ^»nfepige Saubmer! 


briept bie fengenbe SJtacpt ber Sonnenftraplcn in pei* 
6 en Sommertagen, unb bie rotpbaefigen grüepte la^ 
ben bie SUtcn wie bie jungen im gerbft'unb im SBinter. 

2 )er 93lap unter bem ^aum ift ein Jfamiiien= 
geiligtpnm. fjn guten wie in böfen iagen ift 
bort ftamilien=matp gepalten morben. Somopl pei= 
tere, als auep emfte ÖJcfpräcpe mürben unter bem 
93aume gefüprt. 


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196 


?tinlt bn ?amiürnglUdu*. 


Qit ed unter fold)en Umftänbcn ein Sunbcr, baß 
ber s - 8 aum mit großer 5ßorficßt pepflegt mirb? Stel* 
len fid) Raupen im Saubmerf cm, unb fanden an ben | 
SUätterfcßmucf 311 jernagcn, fo merben fie oßne $uf* 
fd^ub abgelcfen. 

Qm Verlaufe eined bemerftc ber Fanti* 

lien*$ater guerft, baß iraenb etmad bad Sacßdthum 1 
bed SBaumed hemme. 4>ie neuen Triebe maren 
fc^tnäd)lic^ unb rlein, bie Farbe bed Sauber faßl unb 
matt, $on allen Seiten mürbe ber 93 aunt untere 
fucßt, aber nirgenbd finbet fidh ber Schabe, bi« enblicß 
ber 3Satcr auf Den ©ebanfen fommt, baß Sürmcr fid) 
unten am Stamme eingeniftet haben mochten. ©r 
nimmt fein SJieffer unb fraßt bamit bie ©rbe um ben 
Stamm fyinmeg, unb richtig — bort finbet er ben 
Schaben. 

3mifcßen Stinbe unb £>ol* Ratten fid) einige Sür* 
mer eiimebohrt, unb baburcß ben natürlichen Qufluß 
neuer Säfte geftört. Säre ber Schoben niefit er* 
fannt, bie Sürmcr nidjt audgerottefmorben, fie ßät* 
ten in fur^er 3 e ^ Den fdjöneit 93aum ^erftört. £urd) 
ein jeitiaed ©mfeßreiten mürbe ber $aum erhalten. 

3)er Saum berfinnbilblicßt und bad Familienleben, 
fomoßl in feinem gefunben 3uftanb, ald auch im 3 ^ 
ftanb ber ©rfranfuug. 

$>er atlmeife unb gütige Sdjöpfer hot bad Fanti* 
lienlebcn felbft eingefeßt, unb hot Dafür geforgt, baß 
im großen moralifcßen Sfantrott, ben bie Merijcßhcit 
erlitten, ihr noch ein Stüdlein fßarabied berblieocn 
ift. 9luf ©rben ift fein s J$laß fo feßön, fo anaießenb, 
ald bad traute „fteim." $a ift ein ^eiligtßum, bad 
treu gehütet unb bejeßüßt merben folltc. 

$)ad Familienleben ift ber Spiegel bed iöolfdlebend. 
(Sin rcined, glücflicßcd Familienleben läßt auf ein ent* 
fprecßenbed ®olfdleben fcßlicßen. Unfcren beutfeßen 
Vlßnen mar bie Familie em £)eiligtßum. Sie mach* 
ten ängftlich über beffen SReinerßaltung. 

Leiber aber müffen mir gefteßen, Daß in biefent 
Qahrßunbert einige Sürmer fich in biefen 93aum ein* 
gebohrt hoben, unb ber Schaben allbereitd fießtbar 
gemorben ift. Sill ber geneigte Sefcr mir folgen, 
unb mir helfen biefe Sürmer blod^ulegen? 

Xie Urfacße bed ungefunben 3 u floitf>ed bed Fanti* 
lienlebend ift nidjt immer auf Seiten bed männlichen 
©cfcßlecßted, foitbern bidtoeilcn and) auf Seiten bed 
meiblidjen ,^u fließen. $)er erftc Surm, ben id) für 
bie Sefer blodlegett mill, ift 

t >ad $eretndlrfcen. 


ber Seite ißred SRanned ald ßöcßftcd ©lüd oorgemalt. 
Sie glaubte ihren (beliebten mit Seilen ber Siebe un* 
aertrennlicß an fich gebunben, aber jeßt erfennt fie, baß 
Die $ereind*®amerabfcbaft ihren Slop erobert hot. 
©rft grämt fie fid) Darüber, enblich aber gibt fie SlHed 
oerloren unb fällt in SEißnuitß. 

$ie Äinber feheu balb bad SttißDerßältniß. Sie 
nehmen fich Den &ater jum ^orbilb, unb bcßanbcln 
Die arme Butter mit Mißachtung. Xie väterliche 
3jtd)t fehlt im §aufe, unb bie fann ade Siebe ber 
Mutter nidjt erfeßen. 

$>ad ^creindleben foftet aber auch Diel ©elb. SJfit 
jebem herein finb Feftlicßfeiten üerhiinben. Qaßred* 
fefte, lurnfefte, Sängerfejte, Xan^fränacßen, Madfen^ 
bäüe, Xheater u. b. in. «solche jefte finb bie 53lut* 
fanget bed 9lrbeiterd. @r Darf ba nicht faraen, er 
muß fich liberal erzeigen. ift ja im 3 ntereffe bed 
SScreind, menn viel ^ier getrunfen mirb. Um folcße 
?ludgaben beftreiten ^u fönneit, muß entmeber in ber 
Familie gefargt, ober bie ^affe bed ^in^ipald ange* 
propft merben. 

6 d märe mirflich balb 3 e ^t, baß ein herein ge* 
grünbet mürbe, um bem 9?ereindlcben ben ©araud *u 
machen. Xiefer „^ereindmurm^ ift nahe oermanbt 
mit einem anbem. Verheißt: 

Sirthdhaudlebcn. 

9Jtit tiefer ^öefd)ämung muß id) einaeftehen, baß 
unfer geliebted, beutfehed ^olt fdjmer an oiefem Ucbel 
leibet. 2 öic ein gcfährlidjed Ärebdgefchmür hot ed 
im beutfd)cn ®olf gemueßert. 3)ie feunbe ift groß 
I unb tief unb fdjmcr^haft. ©enn man bie s !Bunbe 
auch nod) fo leije berührt, erzeugt ed großen Schmer^. 
2 lber gerabc baraud fann Qebermann erfennen, mte 
tief ber Schaben fifct. 2 öie eine Söroin ihre jungen 
oerttjeibigt, fo oertheibigen beutjeße SKäniter Dad 
5öirtl)dhaudleben. Ser nicht mitmaeßt, ift „ein ge* 
Jährlicher Frinb ber perfönlidjen Freiheit." Ser ba* 
gegen feine Stimme erhebt, ift „ein üerfappter $em* 
pcrcit^ Spifcel." Ser fid) unterfteßt, anberer 3)?ei* 
nung §u fein, ift ein „£>eucßlcr," „Fonatitcr" unb 
„Safjerfimpel." GSin ^rebiger Darf alle anbem 
Siinben unb Uebelftänbe angreifen unb ohne (Srbar* 
men geißeln, ftößt er aber einmal and ©lad, bann hat 
ed gefcßellt. 

(£d fommt mir bor, ald ob ber Surm feßom im ©e- 
ßirn biefer Sirthdhaud*^ertßeibigcr bie ^öerftanbed* 
neroen bureßfreffen habe. 


2)em jungen §olj feßt biefer Surm mehr au ald Qm Sirthdßaudleben mirb ©elb für 5)ingc barac* 
bem alten. 9ln biefer Seucße tranft ganj oejonberd jäßlt, bie im heften Fall unnötßig finb. ©eiftiae ©e* 
unfer beutfeßed 3Solf, unb maneßed Familicitglücf ift tränte finb feine Äulturmittel. ©in beutjeßer Steifen* 
bureß biefclbe bernießtet morben. ber in Slfrifa veröffentlichte für^licß ein Schreiben, in 

©d mirb ben ®cutfcßen naebgefagt, baß, menn bureß melcßem er barthat, baß ber Sftohamebanidmud mehr 
einen Scßiffbrucß, jmet 2)eutf^e an eine unbemohnte Aiir ©ibilifation iened Selttßeild beitrage, ald bad 

t ifel geroorfeu mürben, fie meßtd ©iligered ^u tßun ©hriftentßum. Senn ber Schreiber jened Slrtifeld 
uben, ald einen herein ^u arünben. Äaum ßot bie 1 unter ©briftentßuin „^ranntmein, Scßicßpulbcr unb 
oeße Slbenbe genug, um allen Sereindfißungen bei* | F euer i° a ffcr" berfteßt, fo moüen mir ed gern glauben, 
jumoßnen, beßßalb halten maneße beutfdjeu Vereine | 5)ie .öerreu ©bitoren ber beutfeßen 3 ritungcn hatten 
tßre Sißungen an Sonntagen. 2)ie 3 e *lf melcße ber nießtd ©iligered ju tßun, ald bad 3*ag ao^ubruefen. 
Fomilienbater ber pflege bed Fomilienlebend mibmen | Sic haben aber nicht bebaeßt, baß biefed Schreiben 
follte, mirb Den Vereinen geopfert. ] ißre iöertßeibigung bed ©ulturgctränfed, in einem er* 

Xa lobe id) mir bie ©hmefeu, benit felbft Der ißor*, bärmlicßen Sid)te erfeßeinen ließ. ^3efanntlid) ber* 
neßmfte unter ißnen bringt feine freie 3eit im Scßooße 1 bietet Der Qdlam bad Xrinfen beraufd)enber©etränfe. 
ber Familie ^u, fpielt mit ben Äiubern, unb ßilft $ie ^ranntmcii^.öänbler, melcße ben armen Scßmar* 
ißnen beim Semen. jen bad .^öllenmaffcr bringen, finb feine ©ßriften, ob 

Senn bie ®ereindfud)t bie Siebe $ur Familie er* 1 fie aueß ben Staincn haben mögen. Senn nun aber 
tobtet ßat, bann ift aueß Dad Fomilieiiglücf ent* ber Qdlam gerabe megen jeiner ©ntßaltfamteit oon 
ießmunben. ©)ie gefüßlbolle feaudfrau füßlt fieß mit ! geiftigen ©etränfen ben Mfrifanern Segen bringt, mic 
:Kcd)t ^uriicfgefcöt, beraeßtet unb betrogen. Sic ßat I biel meßrmirb ed aueß bad mahrc©hnftentßumthun, 
fieß in ben lagen ißred ^örautftanbed bad Sebeu an I bad ben Suff berabfeßeut! §ebt ©ntßaltfamfeit beit 


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Pit Äinfadjljfit. 


197 


Scpwanen, warum foütc eS niept gut fein für ben 
Seiften! 

$aS SBirtpSpauSleben berurfaept neun 3ebntel al* 
ler Ärmutp unb alles ©lenbS. Sfber noep jcplimmer 
ift bie SBitfung beS SBirtpSpauSlebenS auf Sittlicpfeit. 

Sill eine grau fiep einen fcplecpten Namen machen, 
bann braucht fie nur bie SSirtpSpäufer $u befueben. 
$ie SBirtpe felbft erlauben ipren ffinbern in ber Ne* 
jjel nicht, bie Srinfräumc -$u befueben. Söarunt? SSeil 
jeber SBirt^ weift, baft eine berpeftete SltmoSppäre in 
feiner SBirtpfcpaft berrfc^t. 

3cp pabe füralicp eine NeujaprSbefcpeerung ange* 
feften, bie einiges Sicpt, wopl aber trauriges Sicpt 
auf biefen ©egenftanb wirft. Nacpbem icp einer 
SBacptnacpt beigewopnt patte, unb burep bie Straften 
einer unjerer weftlicpen Stabte ging, pielt, wenige 
Stritte bor mir, eine Äutfcpe. 2>cr ffutfeper [prang 
toom Sod, öffnete ben Schlag, unb half einem fepred-' 
lief) betrunfenen SÄanne perauS. Unter groften Sin* 
ftrengungen gelang eS, ben Setrunfenen *ur £>auS* 
tfjür ju fcpleppen; bort poepte er an, bie Xpür würbe 
geöffnet unb ber ffutfeper fdbob feinen SJtann tn’S 
grnimer hinein. Butter uno Xocpter ftüpten ben 
Siberftreoenben unb jogen ihn bottenbS hinein, 
fcploffen aber fogleid) bie Xpür, ba einige Neugierige 
lief) anfammelten. 

0 , ftamilienglüd, wo bleibft bu, wenn ber©atte 
unb Sater in einem folgen 3 ufianb Peint fommt! 
SM) öerr, fierr, erlöfe boep bie ©ebunoenen meines 
SolfeS. 

$ocp—noep einen anberen SBurm muft icp bloS legen, 
ber am 2toum beS gamilien*©lüdeS nagt. @S ift ber 

Stöbe »gBurnt. 


Sr fuept fiep pauptfäcplicp baS weiche §04 auS. 
Stoncpe fagen, er fei „fchön," Slnbere, er fei „päftlicp," 
fobalb er alt geworben fei. tiefer SBurm ift etn Xp* 
rann. ©r beperrfept mit einem eifernen Scepter feine 
armen Stlaoen. 2Ber niept mit ©eraeptung geftraft 
»erben miß, muft fiep bem Xnrannen $u güften wer* 
fen. ©elb, SBopljein unb ©efunbpeit müffen ipm 
leine Untertanen jum Opfer bringen. 

güfte, ftänbe, Nuden, Senben uno ber ffopf werben 
in einer 3wangSjade berunftaltet, unb babei bürfen 
bie Opfer niept einen fflagelaut pören laffeit. 

Süroe irgenb ein Sflabenpalter feine SHaben fo 
IdjonungSloS bepanbeln, bie gan$e cibilifirte SBelt 
nmrbe gum ©cpmert gretfen, um ben Unmenfepen ben 
lobeSftoft ju geben. 

$er Neooe*Surm pat feine Saunen unb änbert fie 
nach eigener SBillfüpr — gewöpnliep alle SNonate. 

Salb blaSt er fiep auf wie ein Suftbaüon, bann 
jiept er fiep ^ufammen $ur ©eftalt einer SöeSpe. Söalb 
toirft er fidj in bie 93ruft wie ein Nfau, bann wieber 
gleicht er, in feinem gebüdten (Sang unb feinem 
jpöder, einem ffameel. 

Slenbert er feine Saunen, fo müffen Xaufenbe auf 
bie Sfriiee finten, um ipm erneuerte ^ulbtgungen bar* 
jubringen. gn lepter fttit berlangte biefer SNobe* 
3)racpen bie buntgefieberten Sänger ber Süfte mm 
Opfer. NtiUionen biefer armen unfcpulbigen Xnier^ 
(pen würben gemorbet, um als SiegeStroppäen 
beS SJtobegöpen ju bienen. 

9hir einen ©runb tann mein fcpwacper SJerftanb 
finben, um biefen ftopffdjntuc! m re^tfertigen. 2 Bo= 
für biefe bielen 95ögel auf ben ^üten? Antwort: Sie 
(ollen uns an ben wibelberS erinnern: „Sepet bie fßo* 
gel unter bem £immel an; fie fäen niept, fie ernten 
niept, fie fammeln niept in bie Scpeunen; unb euer 
bimmlifeper Sater emäprt fie boep." O, wel<p* eine 
Sangmutp! 


316er waS bat baS mit bem Sfamilienglüd ju tbun? 
Sepr bieL tiefer Xprann forbert fcpredlicpe 5l6ga= 
ben. 2)er SNann oerbicut, im Sipweifte feines Singe* 
fiepts, baS jum Seben Notpwenbigc. ©r läftt eS fiep 
lauer werben, unb boep will eS nirgenbS reiepen. 
ueber feiner ^auStpüre ftept gefeprieben: „tiefes 
§auS ift in ben §änben beS SDtobe * Xprannen." Sin 
feinen Kleibern muft gefpart werben. 3 m ©ffen muft 

« : werben, bamit ©attin unb Xötpter ipre neue* 
ufter fpajieren tragen fönnen. 

Unter biefen Umftänbeit ift an Slrbeit niept ju ben* 
ten. 35ie Slnfprücpe ber ©efellfcpaft (?) finb fo aroft, 
baft bem ©atten feine ©attin, unb ben Äinbern feine 
Sttuttcr urtb bem $jaufe feine ^auSfrau mehr übrig 
bleibt. 3jt eS in etnem foltpen ^aufe ein SBunber, 
wenn ber ©atte unb bie ftinber ber ^icimatp entfrem* 
bet werben, unb man baS eigene $>eim nur noep als 
ÄoftpauS anfepeit barf V 

SNöcpten bo^ cpriftlicpe grauen fiep ermuntern unb 
gegen biefen 2Kobe*&urm tn’S gelb jiepen, beöor baS 
qnftlicpe $muS beraieptet ift 

Slubere föümttr, 

bie iep im Saum gefunben pabe, will icp nur benen* 
nen, ben ©ommentar baju, fann fiep geber felbft 
ma^en: 

1 . Unfäpigfeit. bem |iauSpalt borju* 
ftepen. SlrbeitSfcpeu. 

2 . Unreinlicpfeit. 

8 . ©egenfeitigeS SNifttrauen ber @pe* 
gatten. 

4. Untreue im epelicpen Seben. 

5. SNürrifepeS unb unfreunbliepeS SBe* 
fen. 

6 . giftiges Xemperament. 

Son auen biefen Uebeln fann uns bie ©nabe ©otteS 
befreien. 

$ie cpriftlicpe Neligion — wapreS ßer^enScpriften* 
tpum — ift beftimmt, baS gamilienglucf ju grünben 
unb ju erpalten. $)a wo bie Siebe ©otteS bie epelicpe 
Siebe peiligt, blüpt baS ©lüd ber gamilie in Doller 
Neinpeit unb Sollfommenpeit. SNancpeS geftörte ga* 
milienglüd würbe neu erblüpen, wenn bie ©pegatten 
fiep $u ©ott befepren würben. 


Pi e tfiufapljeit 


^ffrur einfadp/' ift ber feftftepenbe StuSbrucf 
eines uns befannten $auSDaterS, — wenn 
C/r eS fiep um Steiber, um Spielzeug, um @f- 
fen 2 C. feiner Sinber panbelt. 

©S brauept feine fdparfen Slugen, um Wapr= 
^unepmen, baft bie beftgeratpenen unb beftgear* 
teten ffinber immer in benjenigen gamilien fiep 
finben, beren Seben einfaep ift, bie Weber in 
ffleibern, noep in päuSlieper ©inricptung, noep 
im ©ffen bem SujruS fiep ergeben unb bie ftetS 
unb überall ben ©runbfap „nur einfaep" be* 
folgen. 

Unfer fudpenbeS Sluge trifft peut^utage in ben 
Stabten, auep ben fleinem, Wenig fotepe ein^ 
faepe gamilien; bagegen trifft man um unb an, 
auf allen Spajiergängen, öffentliepen ©arten 


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198 


IHe (Snftedtuttg unb oorübrrgeljenbe Jlefubrlung ^mrrika'ö 


unb Einlagen, *ßrunf unb Sßrachtliebe; aber eben 
fo feiten, ftrie einfachen gamtlien, begegnet man 
gerätsenen, mohler$ogenen Sinbern, an benen 
man non £>auS aus fchon eine gebiegene ®r- 
$iehung erfennen fönnte. 

Sie ©Item mollen mit if)rent ©öfclein Staat 
machen unb ba mirb nichts gefpart. Sie t>er* 
geffen gan$ ba3 Unpäbagogifche in ber Sache 
unb ben moralifchcn fltachtheit, ben ba3 $inb 
non fotcSent Staatmadjen un^meifelhaft batmm 
trägt. 

SBenn bagegen bie S'inber ein gemiffeS 9llter 
ber ^atbfelbftftänbigfeit erreicht höben, begegnet 
man oft meinenben unb flagenben ©Item, $ä- 
tem unb äJtüttem, beren iper^en burch $inber= 
ftreidje geraffen morben finb. 

©infach h a t burcfjaua nichts gu thun mit 
blöbe, bagegen höt bie beutfche ©infadhheit niel 
gemein mit ©erabheit, föechtfdhaffenheit, ©ieber* 
feit unb ©efcbeibenSeit. 

Sie finb Schmeftem, beren eine ober bie am 
bere nicht gut beftefyen unb geheimen fann; eim 
fache Sitten, einfaches Seben, einfaches 9Iuftre= 
ten h«t immer einen guten ®fang bei uns unb 
mir lieben es auch nur ba, unfere glitte aufgu* 


fragen. Ser ©eift ift bann auch einfach, baS 
2Iuge ift einfach ober einfältig, baS gange Sem 
fen, f5üf)Ien, Sprechen unb Sh un ift einfach 
Sie SBafjrheiten finb einfach, mögen fie öon ber 
©migfeit ober öon ber 9tatur hanbeln. 

Sie größten ©ntbecfungen, bie ftaunensmer^ 
tieften SBerfe unb Sauten — fie berufen oft 
auf einer fo einfachen Söahrheit, bie faft ein 
ffinb faffen fann. Stilen meit ^ergebolte, recht 
ferner unb öerfcfjtungen SluSfehenbe trägt burch= 
aus nic^t ben Stempel ber SBahrheit. SBie 
richtig trifft fo ein einfach erlogener SRenfch ben 
SRagel auf ben ffopf, toie fd^Iagenb unb über* 
rafc|enb, mcil einfach unb natürlich, finb feine 
SIntmorten! 

Su magft, lieber Sefer, unter biefen SIrtifel 
©eniigfamfeit fdjreiben unb bir baS äRehrere 
noch bagu benfen; benn oft genügt ein einzige* 
ric^tiged Sßort, öemünftige Seute mieber auf S 
richtige ©nbe hinguleiten. SaS ift ja oft unfer 
gehler, bafj mir unferem Sh un un ^ Söffen 
nicht ben richtigen ©attungSbegriff gegeben hö¬ 
ben; benn biefer mürbe bann hinreichen, uns 
entmeber gu fdjrecfen ober gu beftärfcn unb %u 
ermuthigen. (9?ach Sifchhöufen.) 


•btt# 


Pie Mbedtuttg unb oorübetgefjfitbe Pfjtebelung Amerikas 

burch bie Stottnamte« vor 900 StaBten. 


8 er fftuhm, Slmerifa entbeeft ju haben, mirb 
bem großen ßolumbuS öon jmei ©eiten 
ftreitig gematzt, oon ben ßtjinefen unb 
öon ben Normannen. 

z 3ene haben uor etwa 1300 Qafjren 
U ju Schiff ein öftlid) oon Slfien gelegenes 
« Sanb erreicht, welches ihre ©efdjicht» 
Treiber gu Sang nennen, unb roeldjeS oiclleidjt 
9lmerifa war; aber bie Sache ift noch jn uw 
fidler, als baß fie uns f)ier befdjäftigen fönnte, 
benn wenn and) SJlancheS bafür fpridjt, baß mir 
bei gitSang an Stmerifa (etwa an Salifornien) 
ju benfen fjaben, fo Wollen boef) anbere gorfefjer 
lieber 3npan, nod) anbere Sadjalin barnnter 
öerfte^en. 

dagegen ftef)t e8 öoHfommen feft, baß bie 
Normannen, jene unglaublich füf)nen Seefahrer 
nnb Seeräuber bes frühen SJlittelalterö, Welche 
urfprünglich fein eigentlicher SBolfsftamm Wa= 
ren, fonbem als „9torbntänner“ anö Storwegen, 
Dänemarf unb Schweben famen, um in altger 
mauifcher Slbenteuer- unb SBanberfucht theilö 
bloße SRanb» unb S3cutejüge ju unternehmen, 
tljcilö erobentb unb colonifirenb thätig ju fein, 


—baß bie aiormamten gegen ßnbe beö 10.3°hr' 
hunbertö bie atlantif^e ®üfte SRorbamerifaS 
entbeeften unb bafelbft Sticberlaffungen grünbe¬ 
ten. £>ie erfte ßntbedung fällt in baö 3a|r 986, 
fobaß mir leßteö 3 a h r ih r 900jäf)rige8 Qubi= 
iäum hätten begehen fönnen. 

Unfere Quellen über biefe £hatfacf)en finb bie 
fogenannten ©aga’ö (saga = baö ©efagte, 
Ucberlieferte), jene eigenartigen @rjät)lungen 
ber altnorWegifdh = iölänbifcf)en ißrofaliteratur, 
bie, foweit fie geschichtlichen Inhalt haben, fidh 
nod; am eljeften mit unferen mittelalterlichen 
ßhronifen oergleichen laffen, nur baß fie an Db= 
jectiöität, fleibenßhaftölofigfeit, SRuhe, Sachlich- 
feit unb SBahrhaftigfeit ber ß)arftetlung tiel 
höher ftehen alö bie meiften biefer Sh r °nifen. 

®ie ©aga’e erjählen über bie ßntbeefung 
Slmerifaö fehr genau unb ausführlich; nach- 
ftchenb in möglicher Äürje baS SBichtigfte aus 
ihren ^Berichten. 

3m 9. 3ahrhwnt»ert famen bie Hermannen 
nach 3®Ianb unb befiebelten bie 3nfel. ©alb 
Würbe öon hier aus ©rönlanb entbeeft unb etwa 
100 3 n h re ipätcr, um 983, burch ßrif 9taubi 


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iurdj bie Jionnannra oor 900 3ai|ten. 


199 


(©rief) ben Stotpen, oon ber Haarfarbe) juerft 
colonifitt, inbem et fid) bie Siieberlaffung SBrari 
tat)lib (Steilufer) grünbete. 

liierter Wollte im Saljre 986 SBjarni, ber 
®o|n §erju(f’g, oon Q«lanb au« fegeln, Würbe 
aber burcf) einen 9 torbfturm fübwärt« ocrf<f)la= 
gen unb fanb eine fiüftc, ber er fid) an brei oer» 
fdjiebenen fßunften näherte, ol)ne jcbocf) ju law 
ben; enblief) tarn er glütflid) in ©rönlanb an. 

6« ift nad) ben <Sef|ifffaf|rt«bericf)ten unjwei= 
felf)aft, bajj bie fragliche Süfte ber Dftftranb 


SBalb erreichte er aucf) bie oon Sjariti gefefjene 
Äüfte, an ber er nun fübwärt« Ijinfegette. 3 U ' 
erft flieg er an einem fünfte an’3 Ufer, ben er 
JpeHulanb (glacf)fteinlanb) nannte, weiterhin 
in SJtarflanb (SBalblanb) unb enblidj in einem 
Sanbftrid), ber il)m fo wot)l gefiel, bag er fiel) 
mit adern ©erätlje ausJfc^iffte unb 2Bot)nungen 
baute, ©in greifet ©efäfjrte, ein 3)eutfd)er 
9 tamen« Xgrter, entbedte ben überrafc^enben 
2Seinreid)tt)um be« Sanbe«, Welches banad) ben 
Siamen Sßinlanb (SBeintanb) empfing. 



.rossanes 


Kjalarnes 


Furdu 

-Sfrau- 


Slaaf 


Island 


■ 

.'\rartr,a.‘s ^ 
VtaeijarcL 


'«•'luckcl 


Straumsey 


Sa* ©mlatib ber Kormanncii. 

(Sie fettgebrueften Kamen bebeuten norm&nntfd)e, bie fdjmad)gebnidten blutige Benennung.) 

T. tborflnn’#, L. Seif’* Kieberlaffung,-©ren^e amifdjen ben heutigen Staaten SRaffacbufett» unb Kbobe 3»!anb. 


Q 

71 Westlich v : Greenwich. 


ftorbamerifa« etwa jwifefjen bem 42 . unb 
62 . ©rab nörblidjer ©reite war, unb fomit fja= 
ben wir e« f)ier mit ber erften oon ©uropa au« 
erfolgten ©ntbedung 8lmerifa« ju tljun. 

©inen wichtigen Stritt Weiter tfjat im 
Safjre 1000 (ober 1001 ober 1002, ba bie 
Seitangaben ein wenig fdjwanfen) ein gewiffer 
Seif, ein ©of)n be« rotljen ©ridf). 3 pm liefen 
bie Berichte über ba« gefeierte, aber unbetre= 
lene Sanb feine 9 tuf)e, er rüftete ein Schiff au« 
imb fuljr ntit 35 ©efäfjrten oon Srattaljlib ab. 


£edulanb ift Waljrfdjeinlief) ein Stiicf oon 
Sabrabor, SJiarflanb ein fotdje« üon 9 ieufunb= 
lanb, Sßinlanb bagegen oödig fiefjer berjenige 
2 f)eil be« heutigen 9 fIjobe 3«lanb unb 3 Raffa= 
dfyufett« gewefen, ben unfer ftärtcfjen wiebergibt. 

$>affelbe bringt bie normannifdjen Sencn» 
nungen nad) ben wnl)rjd)einlicf)[ten gorfdgnigö 
ergebniffen über bie Sage ber Certlicfjfeiten unb 
fügt jur Crientirung einige ber jefcigen ©e= 
jjeidjnungen Ijinju. 

Seif erhielt nad) feiner 9 tütffel)r ben Seina 


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200 


Jlerlornte Jett. 


men „Der ©fiicflicfje," unb feine ©rfotge er- 
regten grofteS 9(uffe|en. 

Surg nach ihm, mahrfcheintidf) 1002 , untere 
nahm fein ©ruber Hjortmlb eine gmeite Steife 
nad) Sinlanb, melche ihn fdjon in untiebfame 
©erührmtg mit ben Sanbbemohnem. (ben 
„Sfrälingern," oon skral, flein; ^ebenfalls ®S= 
fimoS) brachte. ©S !am jurn Kampfe, Dh°^ 
oalb oertor fein Seben burch einen Sßfeilfcfjufj 
unb mürbe nach feinem SBitten unter jmei Kreu¬ 
zen auf einem Sorgebirge begraben, baS man 
nun KroffaneS (KreuaeSfpifce) nannte. 2luch 
KjalarneS (Kielfpipe) empfing non ihm ben 
SZamen, ba er ^ier feinen SchiffSfiet auSgebef* 
fert hatte (Oergt. baS Kärtchen). 

Die ©intanbfahrten mieberholen fid) nun 
öfter, inbem bie Unternehmer Jür^ere ober län¬ 
gere 3*it on Ort unb ©teile oermeilten, ihre 
Schiffe mit ben SanbeSprobuften befrachteten 
unb leptere bann nach ©rönlanb, 3Slanb, ja 
an bie europäifchen lüften brachten. 

©iner ber ©inlanbfafjrer, Dhorfinn KorlS= 
efni, nahm fogar ©ieh mit, bemohnte theilS bie 
non Seif erbaute Stieberlaffung (auf bem Kärt¬ 
chen L), tljcitS eine eigene (T) unb blieb brei 
Sahre. 

©ine anbere ©inlanbfahrt zeichnete fich burch 
eine graufige SJtorbthat auS: Stoei ©ypebi- 
tionen h a tten fich $u ber gahrt nereinigt, in 
©inlanb aber ftachelte eine gemiffe grepbiS, 
melche Oietteidjt meniger bem Stamen als ber 
Sache nach bie gührerin ber einen mar, ihre 
©enoffen aus £abfucht unb ©oSheit auf, bie 
SWitgtieber ber anbern um^ubriugen, mobei fie 
felbft fünf grauen, an bie Stiemanb #anb legen 
mottte, mit einer 2l£t erfcfjlug. 

Dies ift bie tefcte in ben Sagas ermähnte 
©inlanbfahrt; aus anberen Duetten aber mif- 
fen mir, bafe bamit bie ©efud^e ber Siorntannen 
in Stmcrifa nicht aufhörten, fonbern baf$ noch 
1347 ein Schiff nach ÜJiarflanb ging, um ©au* 
hotg u. f. m. ju holen. 

UebrigenS h^ ntcr ^ e 6 en Normannen aud) 
Denfmate ihrer SInmefenheit an ber amerifani* 
fdfjen Küfte, nämlich Steine mit Stuneninfchrif- 
ten, beren einige fpäter miebergefunben mürben. 
Der michtigfte Don ihnen, ber fogen. SBriting 
Stocf (Schriftfelfen) am Daunto.nfluffe (bergt. 
baS Kärtchen) unter 45 ®r. 45£ 3Kin. nörbl. 
©r., ift fchon feit 1860 befannt, aber erft in 
unferem Sahrljunbert entziffert. Seine ;gn- 
fdjrift nennt ben St amen Dhorfinn’S unb bie 
3ahl feiner ©efährten (65), mic fie in ben Sa= 
gaS angegeben ift. — Steht fomit bie ©nt- 
beefung 2lmerifaS burch bie Stormannen feft, fo 
bürfen mir fie boch nicht mit ber 1492 burch Ko¬ 
lumbus erfolgten, auf eine Stufe ftetten. 


3 fene befifct jmar ihre hohe gefdfjichtliche ©e- 
beutung, unb mir Deutfcfje tönnen immerhin 
mit ©enugthuung betonen, bafj es germanifche 
StammeSgenoffen gemefen, melche oon Dften 
her nadjmeislid) ben guf$ juerft auf ben neuen 
©rbtljeil festen; aber fie ift für ©uropa ohne 
praftifefjen SBerth geblieben, bie Wahrten bort- 
hin finb eingefchlafen, bie Sache auf lange 3eit 
überall (mit Ausnahme gSlanbS) in ©crgef= 
fenheit gerathen, unb ©otumbuS mürbe unan¬ 
fechtbar nicht nur ber SBieberentbecfer, fonbern 
ber ©ntbetfer in bem Sinne, bafc er bie Sitte 
SBelt mit Slmerifa befannt machte unb SeptereS 
für unfere gorfchung, unferen §anbel, unfere 
SluSmanberung u. f. m. auffanb. 

Steiitholb Schmibt. 


Verlorene 3fit. 

für #miI ttttb §erb tton Opumixm 

X/er ©harafter unfereS 3eitalter8 ift cmfige, 
^ eilfertige ©emeglicfjfeit nach allen Seiten 
hin. $ie 3 eit miß mit ©emalt fich felbft ent= 
fliehen unb h a f<ht boch am ©nbe immer mieber 
fich felbft. ©£ ift baher ein unruhiges ®rän^ 
gen unb Xreiben überall fichtbar. 

3)ie SWenfchen mehren fich, unb jeber mit! le^ 
ben. Unb roer ju leben hot, ber miß auch gut 
ju leben hoben u. f. m. ®er Dürft nach bem 
3W e h r nimmt mit ben SJtitteln $u, bie man an- 
menbet, ihn ^u ftitten. 28ie bie Xerritorien, 
bie StaatSeinfünfte unb bie Sanbftrafcen, 
hat man auch bie SWenfchenfräfte auf baS ©e^ 
nauefte oermeffen, bamit ja fein $funb ®raft für 
bie äufjere SBelt Oerloren gehe. Daf$ für 
innere bittigermeifc auch noch etmaS übrig 
bleiben fottte, hot man babei überfehen. 

3Ran fottte boch bie SRenfd^en nicht fo un* 
barmherjig treiben, ju thun unb immer ju thun f 
b. h- brao frifch nur bie äRühte ^u treiben, ba= 
mit eS ber lieben SBelt nicht an ©rob fehle, ©ei^ 
beS, Säen unb SEBachfen taffen, hot feine 3*it, mer 
immerfort bem Slcfer jufefet, mirb nichts ernten. 

Unfere 3 e ^ miß aufgeforbert fein, einmal 
ftitte ^u ftehn unb fich ju befinnen, einmal auf 
bie innere höhere Kraft $u achten, bie etmaS an 
uns thun mitt. ®s mürbe bann bas ©emiffen 
berüeffid^tigt merben. SBir mürben üietteidjt 
meniger Schein, aber mehr Sein hoben. — Das 
SBort beS Dichters: 

JBerlorne Stunben, a* fie nagen 
yu fpät baS $er$ mit ©ram unb üßeib," 

hat einen fehr mähren unb guten Sinn, aber 
ber Sinn, morin man bie „oertorenen Stunben" 
gemöhnlid^ nimmt, nämlich Stunben, morin 


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Per Prfynte, ober foutfa’s (fntfdjlufi. 


201 


man feine SBecftfel acceptirt, feine Meinungen 
quittirt, £anbelSgefd)äfte gemacht, Tabellen an- 
.gefertigt unb feine Jinte am s .ßulte öerfchrieben 
hat, biefer ©inn, um bcffen SBiüen ber SerS 
bei Dielen beliebt loorben ift, ift gettnfiltd) toe- 
ber Wahr, nod) gut. 

s J}etn, wer ttod) nie um baS Sfteidj ©otteS auf 
biefe SBeife eine ©tunbe Dertoren ^at, ber hot 
hödjft toahrfdfeinlid) an ^immlifc^eit ©ütern 
noch gar wenig gewonnen, ©ucfjet, fo Werbet 
i^rfinben! (SRattl). 7.) 

Jreilicf), bie ©zrufSarbeit berlangt auch ihre 
3cit; baS Keicf) (Sottet ift auch nie^t lauter ©e= 
ten unb ©ingen unb frommes äJiüffiggefjeit, 


eben fo Wenig aber ift eS lauter Slrbeiten im 
geitlicfjen. ©$ir müffen auf ben alten ©prud) 
juriicf, ber unferen Sätern bie Raufer gebaut 
hat: ©eteunbarbeite! Unb eines ohne 
baS anbere get^an, baS l)ei|t feine 3 C ^ öers 
toren. 

UebrigenS baS einzige -Kittel, berlorene 
©tunben wieber ju gewinnen, ift bie reueootle 
©inficht, bag man fie berloren hot. SSentt 
nur erft bie berlorenen ©tunben baS £>erz mit 
„©raut unb Keue nagen," fo hoben fie auch eine 
grucht für baS §immelreich getragen, fie finb 
bann ein oernadjläffigteS Kapital, Welches aber 
bie 3in[en nadjbeaaljit. 




§tx Irifiitr, oder £ouifa'p (Entftylufj* 

gür $au* unb $erb non %. glammauu. 


f s mar Sonntagmorgen. $cr ©otteSbienft in ber 
Strebe zu ©. mar beinahe ^u ©nbe. ©erabe Dor 
bem Schlug beffelben bemerfte ber ©rebiger, bag 
ber ©cgenftanb für bie Slbenboerfammlung fein 
würbe: „ftann ich ben 3^b n ten Don meinem ©intom* 
men geben ?" 

Souija ©raun, obwohl fie gewöhnlich fug interef* 
iirte für Dilles, was gefagt ober getljan mürbe, bürte 
biefe ©orte gleichgültig an, inbem fie Don oorn* 
berein annabm, baß bicje grage fie nicht berühre, ba 
fie nicht in ©crhältninen fei, fo Diel geben zu tönnen. 

Äber als ge eine Stunbe nachher in ihrer gemütb* 
lidjen i>eimath bei ben gingen fid} befanb, ba fam 
biefe grage unwiüfürlich toieber in ihr ©emüth %m* 
rüd. Sie tonnte fie nid)t loS werben. gmmer i°i Cs 
ber würbe fie baran errinnert. 

Sie wußte, bag .t>err gafob ben 3eb n ten gab Don 
ifinem©ehalt atö Oberlehrer ber Schule, in welcher fie 
als ßehrerin ber allerunterften klaffe angeftellt war. 
Bber §err gafob befam mehr als mal fo Diel ©ehalt, 
als fie. Ste ^atte auch gehört, bag grau SanoerS 
bat fünfzehnten Xheil ihrer ©ütnahme für literarifche 
Arbeiten für baS ©er! ©otteS zurücf legte. 

Kber fie hatte feinen KebenDerbienft irgenb welcher 
Art; fie hotte, im ©egentbeil. als junge Sehrerin 
manche ©jtra*KuSgaben. Kein, Kiemano follte unb 
tonnte Don it)r erwarten, bag fie mehr geben würbe, 
als fie bisher gettyan hatte. 

„©ewig, ich brauche nicht ben ßchnten 3 U geben," 
iagtefie holblaut Dor fid) bio* nachbem fte mittler* 
weile ihren £>ut unb Kantel abgelegt batte, unb im 
2 chauf elftu bl eS fich bequem machte. ,,©enn mir et* 
was übrig bleibt, nachbem ich Kutter für Soft unb 
Süiche befahlt unb meine Kleiber unb Schuhe ange* 
)«haj}t habe, fo ift mein ©ruber grip ba, für ben td) 
auch gelegentlich nodb Sachen taufen mug. gd> bin 
jeroiC baß id) rein ©elb auSgebe für ingenb welche 
ringe, bie ich nicht nothwenbig gebrauche." 

Koch wotirenb fie alfo zu fich feiber fpraeg unb 
Ftd) entf^ulbigtc, ftreefte fie ihre fcanb aus, um 
«ne flehte Schachtel, bie fie am Kbcnb borher ge* 
lauft unb auf ben Xifch gefteüt hatte, zu öffnen. Sic 
enthielt ©onbonS, für welche fie $errn $h oma 3 fünf* 
nnbjwanzig <£cntS bezahlt hotte. 


„$te gebrauchft bu nothwenbig," flüfterte ihr ©e* 
wiffen ihr Icife zu. ©twaS bejehämt mugte Souifa eS 
Zugeben. „Kbcr fann man benn gelegentlich nicht 
auch ein wenig Rucferwaaren geniegen, wenn mau fich 
jeben Zaq fo anftrengen mug," fagte fie zu ftc^ feiber, 
inbem fie Derjucfite ihr ©cwtffen zu bcfchwichtigen. 

3eßt war baS KJittagSefien fertig. Sdjncll bie 
Schachtel wcgfteüenb ging fie in’S ©gzimmer. Sfauin 
batte fie am 4ifd)e ^flab genommen, als ihr Heiner 
©ruber grifc eine ©ntbeaung machte. 

„Kha, )chon wieber ein neues ^ 8 aar 9Kanfchettcn= 
fnöpfe!" rief er aus. 

„3)ie finb nur golb*plattirt," erwiberte fie errö* 
thenb, „unb ich toar’S fo mübe,bie alten noch länger zu 
tragen." 

Unb wieber fagte bie Stimme: „3)ie gebraudjteft 
bu nicht nothwenbig." Sie mugte zugeben, bag baS 
©ewiffen Kccgt habe. 

gut fiaufe beS KachmittagS würbe fie auf biefe unb 
jene SBeife noch öfter auf 3)tnge aufmerffam gemacht, 
bie nid^t abfolut „nothwenbig" wären. 

KicbtS beftoweniger ging fie SlbenbS in bie Ä'irche, mit 
bem feften ©ntfeblug, bag, wenn fie etwas fagen 
würbe in ber ©erfammlung, fie fidjcrlich bie negatioe 
Seite ber grage oertreten, unb entfdfieben „Kein" fa* 
gen wollte. 

Knfiatt mit einem Xrjte behanbelte ber ©rebiger in 
einer tunen Kebe bie grage in brei ©auptpunften, 
wodou jeber auf ©ibelftellen fich grünbete, nämlt*: 

1. ©otthoteSbe fohle n.—3 5Kof. 27, 80—82; 

5 SKof. 16, 17; 9ttal. 3, 10; 2 ©or. 9, 6 , 7. 

2 . ©ir tönnen ©ott nicht täufchen. — 

Ktal. 8,8,9. 

8 . ©ott fagt, wir tönnen eS thun. — Spr. 

Sal. 8,9, 10 ; Spr. Sal. 11 , 24; Spr. Sal. 

19,17; SutaS 6 , 38. 

$ie 5?nntte, bie währenb ber Kebe bcS SßrebigerS 
am meiften ©inbntrf auf ßouifa’S ©emüth malten, 
waren biefe: 

,,©ir geben bem ^errn nur, was ihm gehört, wenn 
wir bloS ben 3^hoten, unb nicht mehr geben. $ie 
alten gfraelit^n wugten, bag ©ott bea zehnten Don 
ÄUern oeanfpruegte, unb fie fagten teShalb zu ficb fei* 
ber: ,©enn wir gh*” hen geinten nicht geoen, bann 


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202 


J)rr 3fljntf, obre fouifa'* (Sntfdjlufj. 


mögen mir baburcp unfere neun 3 e *)utel bcrlieren.' 
Bir, ald unter bem neuen Söunbc ftcpenb, paben grö* 
ßere Vorrechte, unb bcßpalb aucp größere $crpflicp= 
tungen ald bad 58olf gjrael. $n feinen Briefen an 
bie Eorintper brücfte 'Jsaulud biefe gbee aud, unb er* 
mahnt bie Epriften 'reicplicp'au geben." 

„W unfer ©elb/' fagte ber ^rebiger ferner, 
„füllte bem frerrn geheiligt fein; aber eine gemiffc 
Summe, ein Jepntel ober mepr, je nacpbem ©ott und 
gefegnet bat, tollte beftimmt unb aurücfgelegt mcrben 
für ben fterrn. Sclbftjüdjtig aufgcpäufteo unb er* 
geiated ©elb bringt Sünbe, Herberten unb Xob. Qn 
ben meiften gälten gereicht ed aum glucp, anftatt jum 
Segen. Bir füllen und immer betrachten nur als 
§audpaltcr über bad, mad ©ott und anoertraut pat." 

ftuleßt rebete er bann nod) üon feiner perföulicpen 
Erfahrung. 

„Bäprenb Dieter 3oprc," fagte er, „gab icp nur 
menig. Qcp entfdiulbigte micp bamit, baß icp ia fei* 
ber mich bem $ienfte ©otted gemeipt pätte, unb baß bad 
bod) genug geopfert fei. 3 u bnn batte icp Schulben. 

„Wit ber $t\t jap id) ein, baß cd meine s 43flid)t fei, 
ein tfcputcl &u geben. Wein ©epalt betrug 500 Ipalcr. 
'.Bid Dapin patte icp etma fiinfaepn Xpalcr jäprlid) ge* 
geben. Qept mit einem Wal fünfzig Später auf ben 
5 lltar ©otted au legen, mar für mid) eine jcpmerere 
Aufgabe, ald id) $ucrft geapnt patte. Nber id) blieb 
meinem 3$orfafce treu, unb balb fanb icp aud, baß ber 
fßlan Diele ^ortpeile patte. 

„Ed mar erftend für mid) eine Erleichterung im 
©eben, gröber Patte mein ©emiffen mir manchmal 
gefagt, baß id) ju menig gäbe. 3 U anbcrn 3eiten 
glaubte id) oft au Diel gegeben $u paben, pingcriffen 
Don meinem ©efüpl. Nun patte icp Nupe. 3cp fann 
jept mit greuben ^epn Xpaler geben, mo icp früper 
oft mit Bibermillen nur einen gab. 

„3meitend ift ed auch au meinem SSortpcil. Nuf 
irgenb eine Beije, icp mciß felber faum mie, maren 
meine Scbulben balb nacpper beaaplt. Wein ©cpalt 
mürbe erpöpt. ©clegenpeit mürbe mir geboten, et* 
mad mit meiner gebcr au Dcrbienen. ©ottcd Segen 
rupt ficptbar auf meiner gamilic. Bir erfreuen und 
9lUe guter ©cfunbpeit. Nie mangelt ed und in ber 
^audpaltung ober aum ©eben. Snftatt ^epn gebe 
icp jept amaiiaig ^ro^ent Don allen meinen Einnahmen 
bem jperrn. 

„1>rittend pilft ed mir aucp in geiftlicper SBeaiepung. 
$ie Nudfüpruna meiued iöornepmend mürbe meiner 
Seele jum großen Segen. Nadjbem icp bem £erm 
all’ bad Weine gegeben pabc, ift ed um fo Diel leicpter, 
micp felber ipm üöUig baraubringcn. Baprlicp, icp 
fann’d crforbcrn, bem Jperru Don meinem Einfommen 
au geben, beim tcp erfapre ed, baß er feinem Borte 
treu ift, unb baß er micp reicplicp fegnet auf Erben." 

Nid er fiep gejefct patte, ftanb eine junge $>ame auf, 
bie ben meiften Nnmefenben noep fremb mar. 

„greunbe," fagte fie, „ich bin eine Baije. 3cp er* 
näpre micp mit Walerei. Wein SSater faUirte; oalb 
barauf ftarb er unb ließ micp mittellod aurücf. 

„Eincd Nbcnbd tarn icp in biefe ft’ircpe, unb euer 
^rebiger fagte unter Nnberem: \gcp glaube niept, baß 
irgenb eind picr gegenmärtig ift, baß ed niept aud 
üicbe aum £errn etmad für fein Bert geben fann, 
menn ber Bille Dorpanben ift/ Qcp ging pcim, marf 
micp auf mein 93ctt unb meinte. «gep patte feinen 
Eent in meinem 93cfiß. $ie mödjentlidje Wietpc für 
mein gimnier mar fällig am itäcpften Worgcn. Weine 
brei täglicpen Waplacitcn beftanben fepon feit länge* 
rer 3eit aud 33rob unb Baffer, gd) wollte faft Der* 
aagen. 3 ule pt ftanb icp auf unb fiel auf meine iniee. 
3?d) fonnte feine Borte peroorbringen. 


„2lbcr ber ^)err fap micp unb Derftanb meine ©e* 
füple. 9?acp einer Beile mürbe icp rupig unb getroft. 
4lm näcpften Worgen Derbracpte icp eine Stunbe mit 
©cbet unb Üefen ber SBibel. Cpne grüpftüc! au gc* 
nießen, fe^te icp micp bann an meine Arbeit. Wein 
$era fühlte leiept, unb ber $cilanb mar innig nape. 

„ s Äm Wittag befam icp einen 93rief, in meiepem mir 
mitgetpeilt mürbe, baß eind meiner Silber, mclcpcd 
icp fcpou lange auf ber 2ludftcHung patte, Derfauft fei 
für brei Xpaler. 9Ud icp bad ©elb m ber ^)anb pielt, 
fonnte icp bie Xpränen bed Tanfed unb ber greube 
niept aurücfpalten. habe icp etmad für meinen 

§errn/ rief icp freubia aud. 

„Qcp napm einen 3cpntel Don bem ©elb unb legte 
ed roeg. 9facpbem icp meine 3^ mmerm wfP c un b 
Bäfcpe bc^aplt patte, blieben mir noep fünfunbaman* 
aig Eentd übrig für fiebendmittel. 3cp baepte, bied 
müßte audreiepen für bie Bocpe. 

,,^ocp cd mar niept notpmenbig. 9lm näcpften $age 
erpielt icp für ein anbered iöilb eine s -öanf*?lnmeifung 
Don aepn Xpalern, mooon id) bann fogleicp einen ipa* 
ler anrücflegte. $on bem läge an bid pierper pabe 
icp feinen Wangel gepabt an M aprung ober ftleibung. 
Jmmcr patte i^ ©elb in öänben. 4ber, mad beffer 
ift, ald Med bad, icp fann fagen, mie euer s ]$rebigcr 
fagt, 'id) bin bed Sptrxn/ — mein ©elb, meine Qtxt, 
meine Xalente, mein fieib, meine Seele, ja, mein 
Slllcd gepört ipm. £obe ben 6errn, o, meine Seele t" 
Bäprenb bie junge Xame rebete, rollten peißeXprä* 
nen über fiouifa’d Bangen, unb fobalb biejelbe geen* 
bet patte, ftanb fie unmiüfürlicp auf, unb fragte mit 
aitternber Stimme: 

„5lld biefer ©egenftanb peute Worgen ermäpnt 
mürbe, mar icp gleichgültig. Slber peute Nachmittag, 
ald icp bapeim mar, brängte berfelbe fiep meinem ©e* 
mütbe mepr unb mepr auf. gep fagte entfepieben a« 
mir felber, 'icp fann niept ben 3epnten geben/ aber 
icp mciß jept, baß icp meinte, 'icp miü niept/ Nun aber 
fepe tcp bie Sacpe in dinem gana anberen Sicpte. gep 
glaube, baß ich fann, unb mit ber &ülfe ©ottcd miU 
icp aucp menigftend beit 3cpntcn geben." 

$er näcpfte Samftag mar ^ouija’d 3 a W a 9* 
blieb bei iprem Entfcpfuß, obmopl fie mußte, baß fie 
fiep mancher ©egenftänbe entfagen müßte, Die niept 
„notpmenbig" maren. 

Nun aber fam bie grage, mie fie bad ©elb am 
heften anmenben fönnte. Sie entfeploß fiep, möcpent* 
iid) eine gemiffe Summe au geben für mopUpätiae 
3 mecfe in ^erbinbung mit ber $ircpe. Nber bafur 

S ebraucpte fie niept rllled. Sorgfältig legte fie bas 
lebrige in eine 93ücpfe. 

Weprcre Wonate Dcrgingen. Eined Worgend fam 
bie ficine Waria $)orn, eine ber beften Schülerinnen 
in Souifa’d $lafjc, in bie Scpule aanj bleicp unb er* 
mattet. 3wcimal ftoefte fie im ^erjagen ihrer ficf= 
tion; beim britten ^erfuep fanf fie auf ipren Siß au= 
rücf unb meinte bitterlich. Nm Scpiuß ber Scpule 
rief Souifa bie Ä'leine au fiep unb frug tpeilnebmenb : 
„Bad ift, Waria? Bie fam ed, baß bu beine Öeftion 
niept fagen fonnteft?" Sie ping ipr ftöpfepen unb 
meinte. 

„Äontm, Liebling, fag* mir’d," fagte fiouifa in lie¬ 
bendem boep emftem 4one. 

„3cp bin fo pungrig; icp fann niept lernen," ermi- 
berte bad ftmb, inbem ed mit beiben £änben fein ©e* 
fieptepen bebeefte. 

„5:ad tput mir per^licp leib; fag* mir SlHed, mein 
Äinb." 

2 )ie kleine faßte fiep unb fagte: „Seit mein 
unb trüber .Uarl bei bem gabrifunglücf umfamen, 
pat meine Warna ed fepr part gepabt. Sie fcefommt 


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3U* Soßanue« Sdjerr'B j!ad)loß. 


203 


nicht oiel $u nähen; unb fie hat nichts ju effen ge* 
habt feit öorgeftem, unb idj habe nid)ts gegeffen feit 
geftern." 

„$u armes &'inb," antwortete Souija, „tomrn mit 
mir!" 

SJtit biefen Sorten faßte bie ßefjrerin baS ftinb bet 
ber £mnb unb nahm fie mit fid> in bie nächfte Speije= 
toirthjehaft, wo baS ^ungerige $inb halb erquieft 
ttmrbe burd) ein träftigeS s jfeittagSeffen. Jami würbe 
noch etwas getauft für bie arme 2 Jtutter baljeim unb 
2ouifa entlteß fie mit ben Sorten: „©rüge beine 
9J?ama freuublichft oon mir, unb jage ihr, bah id) 
felbft balb fommen unb fie bejudjen werbe." 

Jabeint angefomnten, nahm youifa $wei günf* 
Jl)aler = Scheine auS ihrer 93üd)ie unb taufte bamit 
SebenSmittel unb $leibungSftütfe für bie bebürftige 
gamilie. 2Tuf bem Sege, ben oerfprodjenen $efud) 
ui rnadjen, ging fie noch bei einer wol)U)abenben 
greunbin bor, bie ihr ebenfalls etwas gab unb Souifa 
bat, ber armen Sittroe flu fagen, bafj fie 511 ihr tont* 
men unb fid) Wäljarbeit holen möchte. 

grau 3)orn war aan$ überrafcht über bie unerwar* 
tete ftulfe in ber geit ber 9tott). Sie tonnte nicht 
©orte finben, ihre Janfbarfeit gegen fiouifa auS^u* 
brüefen. 

Jiefe aber erwiberte liebreich: „ Janfen Sie nicht 
mir, grau $)oro, fonbern banten Sie bem lieben $a= 


ter im §intmel, ber eS mir in’S §er$ gegeben hot, et- 
waS für gh n ä u thun." 

(SS ift fdjwer, ju fagen, wer bie ©lütflichfte war, 
grau Jorn, bie banfbare Empfängerin, ober ßouifa, 
bie fröhliche ©eberiu. 

Einige Jage jpäter befudjte auch Souifa’S ^rebiger, 
bem fie ben Vorfall erzählt hatte, bie arme gantilie 
unb burch fein bemühen würben noch anbere eprift* 
liehe greunbe interefjirt, für baS leibliche unb geiftlidjc 
Sohlergepen ber Stttwe J)orn unb ihrer ftinber. 

Jie golge babon war, bafj biefe, burch bie crmie= 
fene Siebe unb Jh^lnahme ihrer UWitmenfchen ge*o- 
gen, balb regelmäßige 33ejud)er beS ©ottcShaufcS 
würben, unb baß nach unb nach bie Sttutter fammt 
ihren ft'inDern bem |>crrn baS $era unb Scben weih 5 
ten, unb mit ber $trd)e, bie ihnen ju jolchem Segen 
geworben war, fid) als ©lieber oerbanben. 

S 3IIS bei ber Aufnahme ber Sttutter als ©lieb ber 
Kirche, ber ^rebiger einige ®emertungen barüber 
machte, auf welche Seife biefe Seelen für ben foerrn 
unb für bie Kirche gewonnen worben waren, ba beugte 
Souifa fid) bemiithig oor ©ott, unb banfte ihm in 
ihrem $erjen, baß fie je£t wußte aus ihrer eigenen 
alüdlidjen Erfahrung, baß fie ben gebnten oon threm 
Eintommen geben tonnte, unb baß fie felber ba- 
burd) nur um fo reifer unb glütflidjer gemacht wor¬ 
ben war. 


4®* 


,Au0 loljaniirs $d)frr r s lladilnjj. 


Sät $au* Nnb §etb non 

CVm 21. 9loOember 1886 ftarb p 3^ridEt ein 
<# ÜDiann, ber p ben ftreitbarften äJtännern 
tfi ber 3eit gehörte — ber befannte ißrof. 
QoßanneS Scßerr. ©eboren war er am 3. De* 
tober 1817 p §oßenrecßberg in SBürtemberg, 
wo fein SSater Scßrer war. 

$er Snabe genoß eine mufterßafte Grjießung 
rntb 8tuSbilbung. (Sr befugte bie ©pmitafien 
Sdjmäbifcß = ©emünb, 3ürid) nnb ©gingen 
a. b. ®onau unb ftubirte auf ber Unioerfität 
Tübingen. 1843 ließ er fieß in Stuttgart nie* 
ber, war 1848 ein rüftiger 33orfämpfer aller 
freißeitlicßen ©eftrebungeit unb würbe in bie 
mürtembergifeße Slbgeorbnetenfammer unb ben 
SanbeSauSfcßuß gemäßlt; als jene am ll.Sluguft 
1849 aufgelöft würbe, follte Scßerr als geinb 
ber Regierung oertjaftet werben. 

6 r floß in bie Scßweij, lebte al4 fßrioat- 
bocent in ^iirieß unb äBintertßur, bi4 er 1860 
alä orbentlidßcr ißrofeffor ber ©efeßießte an ba4 
eibgenöffif^e Eßotßtedßnifum berufen würbe, Wo 
er bi4 1884 unauSgefeßt wirfte, wo ißn eine 
ßmßgrabige Sdjmerßörigteit jwang, feine S?or* 
lefungen auäpfeßen. ^nbeffen naßm er fie im 
Sinterfemefter 1885—86 wieber auf, allein für 
ni(ßt lange 3eit. 3lm 21. Slooember 1886 
ftrrb er. 

Ä14 Scßriftftelter War er befonberä frudßtbar. 


Zßeobor Cbinga, Serlin. 

®ie SBiicßer, bie er geftßrieben ßat, würben al¬ 
lein feßon eine ftattließe Sibliotßet auämncßcrt. 
S5ie behnnteften unter feinen SBerfen finb: 
„Silberfaal ber SBeltliteratur," ein im ©roßen 
unb ©anjen oorpglicßeS SBerf, eben wegen fei* 
ner S'nappßeit gut braueßbar. Siel gelefen ift 
ferner baS Söucß „Scßiller unb feine 3 c *t,“ ba8 
ja aueß berfdßiebene amerifanifeße 8lu4gabeit er* 
lebte, a ^ e feine SBerfc werben bodß 

übertroffen oon feiner „© e r m a n i a," einem 
SBerf, baS feinen ißlaß noeß lange beßaupten 
wirb, pmal ba e4 oiel bap beigetragen ßat, 
ben -Kamen. Scßerr’3 p oerbreiten. 

@ine4 feiner leßten, bebeutenberen SEBerfe ift 
ba4 oietgelefene, ebenfalls in einer amerifaui* 
feßen 2lu#gabe erfeßienene S9ucß : „3)ie SRißili* 
ften." ÜJiit ootlem SRecßt ßat baS SBucß uuge* 
ßeureS Sluffeßen erregt; e5 entßütlt unä, befon* 
ber3 im (Spilog, baö innerfte Renten be4 IDten 
feßen — e« jeigt un8 bie Stellung, bie ein SRann 
wie Scßerr p ben offenen focialen fragen ein* 
nimmt: eä jeigt un§ ben ißejfimiftcn im Waßr* 
ften Sinne beS SBorte4. Gin Urtßeil über bie* 
fe3 Kapitel jn fällen, ßabe icß nießt nötßig, es 
ift bereits im leßten Saßrgonge unferer 3c 11 
feßrift gefeßeßen, wo bie bebeutfamften Stellen 
aus ben üRißiliften citirt finb. 
ißeffimift mar Scßerr, unb wer, wie icß, ©e* 


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204 


Urin fflalf für JHulift. 


legenfeeit featte, ©cfeerr in feinen SSortefungen ju | 
Ijörcn, ber wirb bie# bestätigen müffen. — i 

Ungebrutfte# feat ©cfeerr faft nicfet# hinter» I 
taffen, wa# oorfeanbetc ift, finb nur ©fijjen ju | 
Vorträgen unb beabfidjtigten Arbeiten, beren | 
8 lu#füferung ber Job feinbcrte. Süi 3 biefem 
SRacfetafj, ben bie „beutle Jicfetung" tfecilmeife 
öeröffentticfet, mäfete icfe Einige# au#, wa# für j 
bie Slnfcfeaunngen ©cfeerr’# cfearafteriftifcfe ift: | 

— „jie Arbeit am 93au ber 3ufunft eine; 
nie raftenbe. Jie Hoffnungen auf ein 3ufunft#» j 
parabic#, auf ewigen grieben, auf ein ungeftör» 
te# SBölfergtücf unb bergteicfeen fcfeöne ©acfeen 
mefer, finb nur Hoffnungen 00n Sinbern unb 
Jfeoren. Dfene Sampf feine Entwicftung, unb 
Weit bie ©cfellfcfeaft bie raftto# oorfcfereitenbe 
Entwidtung ift, fo ift e# ifere SBeftimmung ju 
fäinpfen, fo lange überhaupt ifere labprintfeifcfee 
2 aufbafen mäfert." 

„grieben gibt nur ber Job. Sluffeören be# j 
Sampfe# um’» Jafein ift atfo gteicfebebcutenb i 
mit bem (Srlöfcfecn be# Jafein# fetbft. Ja# 
grofje ©pfeittj: = tRätfefct: SBarum ber 9Jtenfcfe ? 
unb woju bie SBeltgefcfeicfetc? wirb nie gelöft 
werben.“ 


,,?tud) bann nicfet, wenn mit bem ütuffeören 
ber 2eben#fäfeigfcit be# Erbbatle# ba# 9tuffeören 
ber ÜRenfdjfecit oon fetbft gegeben fein wirb. 
2 Bir müffen ba# eben mit SRefignation feiunefe» 
men unb bie un# aufertcgte Arbeit tfeun, wie fie 
unfere Sorfaferen tfeun mußten unb unfere 'Jiadp 
fafercn werben tfeun müffen." 

„Unb ba# märe ba# SRefuttat, ba# ber Jroft, 
welchen bie Sulturgefcfeidjte ju gewinnen unb 
ju fpenben weife ?" 

„ga mofel. 3^ weife fein anbere# SRefuttat 
unb feinen anberen Jroft. Jenn bie ©ejcfeidjte 
ift nicfet ba$u ba, ju pfeatctafiren, wie bie tßoefte 
unb wie bie SReligion, bie ben äRenfdjen eine 
rofengolbene 3eitalterjufunft oormalen. ©on= 
bem bie ©efcfeicfete fann, eben weit fie ©efcfeicfete 
ift, nur Jagen: ©o War ei, unb Weit ei in ber 
Söcrgangentjeit f o war, wirb ei in ber 3ufunft 
fo fein.“ 

„Jie g or m e n ber menfcfeticfeen ©ejcttfcfeaft 
wecfefetn, aber ba# SEB e f en bteibt." 

SBaferfeaftig — einen beutlicfeeren 93ewei# ba» 
für, wofein bie tüdjtigften SERenfcfeen ofene ©ot» 
te#» unb Sibetgtauben geratfeen, fann ei nicfet gc» 
ben, at# biefe 9lu#jüge au# bem 5Racfetaf}©cfeerr’8. 


Hciti pia^ fiir Mutter. 

gär §an« unb #erb bon <E. ©. Wagarct. 


/Fcfeen ©ie nörbti<fe, liebe grau?" 

II) „tRein 9Rabame." 
i „©übticfe bann ?" 

„3ffe weife e# nicfet, äRabame." 

„Ei, e# finb bocfe nur jmei SBege mögticfe." 

„3cfe weife e# nicfet; icfe reifte nocfe niemal# 
auf ber Eifenbafen. 3$ warte auf ben 3«g, 
um nacfe 2oui# ju gefeen." 

„2oui#? E# gibt feinen Drt biefe# SRamen# 
an ber Safen. 3So liegt er?“ 

„Ofe, 2oui# ift mein ©ofen! Er Wofent brau» 
feen in Sanfa# auf einer Heimftätte.“ — 

„Stucfe icfe reife bireft nacfe Äanfa#. ©ie Wot» 
ten 3feren ©ofen befuefeen?" 

„3Jein SRabame!" 

©ie begleitete biefe SBorte mit einem fo fefeme» 
ren ©cufjer, bafe bie grembe bewegt Würbe. 

„3ft Soui# franf?" 

„9fein." 

jie auSmeicfeenbe Antwort unb ber fcfemerj» 
ti^e 9tu#brucf bei gefurefeten ©efiefete# fielen 
ber feingefteibeten Jame auf, wäferenb ba# 
graue H<mpt fiefe traurig auf bie arbeitämüben 
Hänbe fenfte; fie wünfdjte ifere ©efdjicfete ju er» 
faferen unb, wenn mögtidj, ifer ju feetfen. 


„Serjeifet 9Jtütterdjen — gefet e# 2oui# 
fdfeteefet?" 

„Jlein, ofe nein; mir gefet e# fcfeledjt; icfe feabc 
Kummer, — Summer, wie ifen mein atte# 
nocfe nie empfunben feat." 

„E# bauert nocfe eine SEBeite, bi# ber 3ug 
fommt. — Ja; legen ©ie 3fet Haupt auf mei» 
nen SKantet." 

,,©ie finb fefer gütig. Sßären meine eigenen 
Sinber wie ©ie, fo feätte idj feeute Stbenb feinen 
Summer." 

„So fefett e#? Sßietleicfet fönnte icfe 3fenen 
feetfen." — 

„Ei wirb mir fefemer, ei gremben mitjutfeei» 
ten, aber mein atte# ift ju üott. 8tt# mein 
ÜDlann ftarb unb miife at# SBittwe mit brei Stei» 
nen jurücfliefe, ba meinte icfe, ba# fei rnefer, at# 
icfe tragen fönnte, aber e# War nicfet fo fefemer, 
wie bie#." — 

Jie grembe wartete rufeig, bi# fie fiefe fo weit 
gefafjt featte, um fortfaferen ju fönnen. 

„3<fe befag nicfet# at# mein H äuät ^ en unb 
biefe beiben mittigen Hänbe. grüfe unb fpät 
arbeitete icfe, 3 a *> r au# 3“^ r c *u, bi# 2oui# 
mir feetfen fönnte. Jann fanbten wir bie bei* 


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(filier brr beftrn dugenbfrfunbf. 


205 


ben 3Räbd)en *ur Schule, 2ouiS unb ich. ©or 
Sur$em oerheiratheten fic fich, — machten eine 
gute $art£jie, ipie man in ber 2Belt jagt. 2ouiS 
Derfaufte baS Räuschen, unb braute mich 
ihnen in bie ©tabt; er felbft ging nach bem 2 öe= 
ften, um fich einen eigenen $eerb $u grünben. 
®r jagte, mir hätten für bie SRäbc^en gejorgt 
unb jefct mürben fie für mich forgen." — 

Spänen erfticften ihre Stimme. 3)ie frembe 
®ame martete jc^meigenb. 

„So fant ich $u ihnen in bie ©tabt; juerft $u 
SKaricn. ©ie mofjnte in einem großen |>aujc 
mit Dieter ® ienerfdjaft. 3)aS £auS mar meit — 
weit größer als unfer fleineS Räuschen, aber ich 
fab batb ein, eS mar nicht <ßlap genug barin 
für mich — 

lieber bie gefurzten SBangen roßten Xtyxfc 
nen. ®er Sahnbeamte trat leife aus feinem 
©ureau, fc^ürte baS $euer unb ging jurüd. — 
ftacb einer *(Jaufc fuhr fie fort: 

„darauf ging ich $u 3Jiartha, — fo munb 
unb met) hatte mein §er^ nod) nie juDor ge¬ 
fühlt. 3cf) mar mißig irgenb ©tmaS ju thuu, 
um nur nicht ^emanbem i$ur ßaft 3 U faßen. 
8 ber baS mar eS nicht. ©ie feßämten fi<h nteU 
neS alten gebeugten Körpers, meines ge^ 
furchten ®efichtS, meiner rauhen runzligen 
.j)änbe, — rauh unb runzlig Don ber Arbeit 
für fie — ." 

$ie Ih^änen ftoffen jefct bicht unb fdhneß. 
Sie £mb ber gremben ruhte liebreich auf bem 
grauen Raupte. 

„ 3 ulept jagten fie mir, ich müffe in einem 
ffofthauje mohnen unb fie mürben für rnid) be* 
jahten. %d) fonnte fein SBort erroibern. SJlein 


§er$ moflte mir brechen Dor ©d)mer$. — 3$ 
fchrieb an 2ouiS, maS fie thun moßten." 

„®r antmortete mir fogleid) in einem langen 
freunblichen ©riefe unb bat mich ohne Säumen 
ftu ihm ^u fommen. ©o lange er ein S)ach über’nt 
Sfopfe habe, fchrieb er, — hätte ich immer eine 
$eimath, unb feine ffltutter brauche fein Dbbach 
bei frentben Seuten $u fuchen." 

„@o gehe ich jeftt ä u 2ouiS. ®r hat nichts 
als feine rauhen £>änbe unb fein großes mar- 
meS $erj, aber er hat Sßl ap für feine alte 9Rut- 
ter, — ©ott — fegne — ihn!" 

3)ie frembe 5)aine mifchte haftig eine Sßräne 
Don ihrer SBange unb martete auf ben Schluß. 

„©inft, menn idh bort angefommen bin, mo 
ich ih nen nie nteh r pr Saft faße, merben 9Karie 
unb Sßlartha an aßeS biefeS benfen. ©inft — 
menn bie ßänbe, bie für fie arbeiteten, fatt unb 
ftiß im ©arge ruhen, menn bie s 2 lugen, bie 
manche lange SRacht hinburch aber fie gemacht 
haben, auf immer gefchloffen finb, menn ber alte 
Körper, gebeugt Don ben 2aften, bie er für fie 
trug, borthin gebettet mirb, mo fie fich feiner 
nicht mehr p fchämen brauchen." 

S)er Sal)nbeamte fuhr mit feiner $anb gc- 
fchminbe über bie Slugen, unb ging hinaus, mie 
um nach ^ em 3 u 9 e flauen. 

®ie $arte $anb ber frentben $ame ftreichelte 
bie grauen 2 ocfen, mähreitb fich bie Spänen 
beS Summers mit benen ber Sh e *tnahme mifdj= 
ten. S)aS mübe unb befchmerte §er$ fühlte er¬ 
leichtert. ©rqnicft Don bem £>aud)e roarmer unb 
inniger Iheilnal)me, übermältigte fie, baS ©er¬ 
langen nad) 9tuhe unb fie Derfiel in einen fünf¬ 
ten Schlummer. 




(liucr ber bcjtcii lugenbfrrunbe. 

gür Qau8 unb gerb bon IBtöfilt. 


f et Sonntag ift oon ©ott. ®r ift feine 
ntenic^tic^e (Srfinbung, fonbern eine ^ei= 
lige Berorbnung ©otte^. 2Bie ©ott bet 
allmächtige Schöpfer Rimmels unb ber Srbe 
an biefent läge ruljete, fo foH auc^ ber aJtenfc^ 
oon feiner 9Ultag3arbeit abfteben unb fott fic^ 
bnre^ er^olenbe Stube bie nötige ftraft ju 
neuer Arbeit unb Stnftrengung famnteln. 

®ie Arbeit »erjebrt bie Kräfte; burd) ange» 
meffene Stube werben biefelben aber luieber er» 
iefjt. 5)er Schöpfer be3 SRenfcben berftanb bie 
öebürfniffe ber SDtenfcben beffer, atä all bie 
ffie.ien unb Klugen ber SBelt. 3n feiner 3lHe£ 
nmfaffenben SBelt orbnung traf er Borfebrungen 
jn: Befriebigung aller biefet Bebürftiiffe. ®a» 


bin gehörte auch ber oon itjm beftimmte Stube» 
tag, ber Sonntag. 

SBir feiern ben Sonntag als 2ag bee .öerrn 
jur ©rinnerung an feine Sluferftebung. Xurcb 
bie Sluferftebung Ijcfu ®b r *ft> üon Öen lobten 
würbe bie Steufcböpfung ber SKenfcbbeit ber» 
fiegett. 6« gejientt fid», bajj bie djriftlidje 
Kircbe bureb bie Slpoftel, unter ber Scitung bed 
heiligen ©cifted, ben lag ber Sluferftebung bed 
Sobned ©otted ju beftänbiger Heiligung ein» 
febte. Uebrigend oeränberte bie Bcrlegung bed 
Stubetagd oont fiebenten auf ben erften Soeben* 
tag bad oon ©ott gegebene Sabbathgcfefc feinem 
SBefen nach nicht. 

3 )er Sinn biefed ©efe^ed ift, bag ein lag 


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206 


(Storr Der brjten 3ugrnbfreunbf. 


aus fieben au#fc^Iie§Iic^ berSJulje unb ber©er= 
cprung ©ottcS geweiht werben fott, wäljrenb bie 
übrigen Sage jn irbifrfjcr Arbeit Derwenbet 
werben mögen unb füllen. Solch’ periobifche 
Sabbathrufje ift auch eine ©ebingung erfolg- 
reifer Arbeit, ©in SeWeiS hi erüou ift, baf$ 
bicjenigen ©ölfer, welche ben Sonntag am 
flrengfien feiern, bie gefegnetften unb reichften 
Sölfer ber ©rbe finb. 

Ser Sonntag fontmt immer als ein greunb 
ju ben SRenfchen; er bringt Segen unb äBoljl* 
ftanb mitten, bie ihn aufnehmen, ehren unb lie^ 
ben. ®S giebt feine anbere ©inricfjtung, welche 
baS perfönliche, fowie baS fociale geben ber 
SKenfchen nach allen Seiten hin fo tief berührt, 
als ber Sonntag. 

Siefer Sag gehört jur göttlichen 2öeltorb= 
nung fo gut Wie Sag unb 9tad)t, wie Sommer 
unb SBintcr. Unb biefe göttliche Orbnung barf 
ber SJJenfdj nicht üerfehren ober oeränbem. 2Bic 
ber SDtenfdE) im Allgemeinen jurn Sonntag fteht, 
fo fteht er auch ju feinem ©ott. £at er feinen 
Sonntag mehr, fo hat er auch feinen ©ott mehr. 
SieS gilt bon ben einjelnen SDtenfchen fowof)l, 
als bon einem ganzen ©olf. 

Siefer unfcr befter greunb, ben bie göttliche 
SBcltorbnung uns gegeben, Wirb aber bon ben 
3Renfd)cn gar ju oft als ein rechtlofer gremb= 
ling betrachtet unb behanbelt. Unb hoch erzeigt 
fich bie SBeiSljeit ber SRenfchcn, welche ©otteS 
Drbnungcn meiftcrn Will, nirgenbS mehr als 
Sharheit, als gerabe hier. 3e mehr bie 2Jlen= 
fchen jur SonntagSarbeit greifen, befto mehr 
weicht ber Segen ©otteS bon ihnen, befto mehr 
geht’S bergab mit ihrem SBohlftanb. Sie jer* 
brechen fich bann oft bie fföpfe über ber ftrage, 
Woher baS Wohl fomme; — bergeffen aber ba= 
bei an bie berachtete ©otteSorbnung beS Sonn¬ 
tags ju benfen. SEBerben fie bann an baS gött= 
liehe ©ebot: „©ebenfe beS SabbatbtageS, bafc 
bu ihn heiligeft" erinnert, fo ^liefen fie fpöttelnb 
ihre Achfeln unb fagen: SaS ift pharifäifhe 
SJfucferei, putritanifc^e Sprannei. Aber baS 
Achfeljucfen unb Spotten ftofcen boch ©otteS 
Drbnung nicht um. 

©ine £>auptbeftimmung beS Sonntags ift ber 
gemeinfchaftliche ober öffentliche ©otteSbienft. 
2Bir bienen jWar ©ott auch in ben fed)S Arbeits¬ 
tagen ber SBodje, wenn wir feine ©ebote be¬ 
folgen, ©ott hat aber boch gewollt, bafj ihm ein 
Sag auSfdjliefjlich ju feinem Sienfte geweiht 
Werbe, unb fepte baju ben Sonntag ein. 

9ßir fehen in biefer ©infepung beS Sonntags 
als einen Sag beS ©otteSbienftcS, einen ©eweis 
ber gicbe unb ber SBeiSheit ©otteS. |>ätte es 
©ott Gebern felbft überlaffen, eine gewiffe 3eit 
jnr auSfchliefjfichen ©otteSWohnung ju beftitw 


men, fo wäre eS nie ju einem gemeinfchaftlichen 
©otteSbienfte gefommen. Saburdj aber würbe 
uns eins ber ebelften ©nabeugüter, baS wir 
SRenfchen befipen, geraubt. Ser 9Jlenfch be- 
barf beS gemeinfchaftlichen ©otteSbicnfteS jur 
Stärfung feines ©laubenS unb jur görberung 
in ber ©ottfeligfeit. @r ift bent ©hriften ein 
unentbehrliches ©nabengut. ©S liegt etwas 
©rhabeneS unb feierliches in bent Seifantnten- 
fein fo Dieter ©otteSfinber. ©S trägt baS jur 
heiligen Anbadfjt bei, ohne welche eS feine ©ott 
wohlgefällige Anbetung giebt. Unb wenn bann 
ber begeisterte ©efang raufdjenb gen |>immel 
empor fteigt, bann empfinbet man einen ©orge* 
fehtnaef Don ben f reuben beS SaterhaufeS. So 
wirb uns bann ber Sabbatl) htoieben mit fei¬ 
nem ©otteSbienfte ein ©orfpiel Don bem ewigen 
Sabbath, ber unfer Wartet broben im Fimmel. 

9?ebft bem ©ottcSbienft giebt eS am Sonntag 
noch Diel ju thun, befonberS für bie jungen geute 
in ber Sonntagfchute. SieS ift für fie ein gelb 
ber angenehmfteu unb fegenSreichften Arbeit. 
An biefem SBerf foH fidh bie ganje ftugenb ber 
©emeinbe betheiligen. Sie Sonntagfchule, Wenn 
red)t geleitet, ift nicht nur fegenSreich, was aller= 
bingS bie |>auptfache ift, fonbern auch unter= 
haltcnb. ©S ift eine Stunbe, bie 3eber auf bie 
angenehmfte SSeife jubringen fann. 

SEBo eS nun fo Diel Angenehmes unb •Jiüfj* 
ticheS ju thun giebt, foHte ba noch 3 cmfl nb über 
einen langweiligen Sonntag flogen? 2Ber finb 
auch bie, benen biefe 353eife ben Sonntag juju= 
bringen fo fchrecflich langweilig Dorfommt? 
Sinb eS Siejenigen, bie biefe Singe mitmachen, 
ober Siejenigen, bie fich benfelben entjieljen? 
©erabe biefe gepteren finb’S. SBer biefe Arbeit 
thut, bem wirb fie angenehm unb lieb, Qe 
mehr wir ben Sonntag feiern burch ©ott Wohl* 
gefällige SBerfe, befto lieber Wirb er uns Wer¬ 
ben. ®r wirb baburch ju unferm beften unb 
liebften greunb. SRit ©erlangen Wartet man 
bann auf feine jebeSmalige SBieberfehr. 

®S fommt Diel auf bie ©Item an, Welches 
©erhältni^ ihre ff inber ju bem Sonntage ein= 
nehmen Werben. Sinb fie felber gleichgültig in 
ber §eilighaltung beS Sonntags, fo werben eS 
ihre ffinber wohl auch fein. SaS ©orbilb ber 
©Item Wirft ftarf auf bie ffinber ein. Ober 
finb fie nadjläffig in ber Auffidjt über ihre ff in= 
ber, fo werben biefe nicht träge fein, fich *>ieS 
junt ©ortheil ju machen. 

Statt in bie Sonntagfchule unb in bie ff irchc 
ju gehen, werben fie auf ber Strafe h*nrat* 
lungern unb allerlei ©ergnügungen nachgehen, 
Don benen es befonberS am Sonntage fo Diele 
giebt. Sie werben auf folche SBeife burch ber. 
©Item Schulb ber ffirche entfrembet unb gc^ 


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$0tnke unb Jlodiridjtfn für JUbritrr. 


207 


ratzen auf bic böfen ©ege ber ©ünbe unb be* 
Safter*. Saburd) mirb ihnen ber Sonntag in 
Sirflidjfeit ein geinb, ber ifjr SSerberben mit 
fic^ bringt. 

JUIe* ©ute mirb mißbraucht, fo auch ber 
Sonntag, gine ber fdjrerflidjften ©ünben unfe* 
rer 3eit ift bie freche gntheiligung be* Sonn¬ 
tag^. ©ie ift eine offene ©unbe am JStörper 
imfere* ®olf*leben*. Siefe &'ranfl)eit bringt 
uiet glenb unb 9toth. Saß e* hierin jctjt 
jcWimmer ift, al* in früheren 3 etten, behaupte 
ich nicht; aber e* ift fcblimm genug. 

Sr. Sorcbefter toeift in feinem äußerft lehr* 
reifen Such: „Problem be* rcligiöfen gort* 
icbritt*" nach, baß bie gntheiligung be* ©omt* 
tag* früher cbenfo groß ober noch größer mar, 
al* b^ute. Sie große ginmanberung trägt nief)t 
wenig bi er 5 u bei* ® a bie ginmanberung in 
einem bebeutenben 9Raß au* bem Slbfcbaum ber 
curopaifcben SeDölferung beftebt, fo barf un* 
eine Sermebrung ber allbereit* beftebenben 
Uebet babureb nid^t munbern. 

Ser ©onntag ift bei un* fomobl eine gefeh¬ 
lte SJerorbnung, al* ein göttliche* ©ebot. ©er 
baber ben ©onntag oeradjtet, ber ignorirt bei* 
be* ©ott unb ba* ©efeh be* Sanbe*. Sie 
^eiligbaltung be* ©onntag* ift ein nationale* 


grforberniß; benn mit bem ©cbminben bc* 
©onntag* febminbet auch bie ©ohlfal)rt be* 
Sanbe*. Sie ©efebiebte liefert bafür genügen* 
be* 3cugniß. „©ereebtigfeit erhöbet ein Sol!, 
bie ©ünbe aber ift ber Seute Scrberben." 

Sie Sfirche fomobl, al* auch bie gltern foll* 
ten e* ficb angelegen fein laffen, ben ©onntag 
für bie $ugenb j 0 angenehm unb fo unterhaltend 
ju machen mie nur möglich. Sa^u ift, nebft 
ben Serfammlungen in ber Kirche, geeigneter 
Sefeftoff in ber gamilie nötbig. 5ln biefem 
foHte e* in feiner cbriftlicben gamilie fehlen. 
Ser ©onntag follte fo Diel mie möglich in ber 
Kirche unb in ber gamilie ^gebracht merben. 
3 ft ber Sag febön, fo ift atlerbing* ein ©parier* 
gang in ©otte* freier 9latur nicht nur erlaubt, 
fonbern gerabegu mobltbuenb. Slucb bürfte ein 
Sefucb 3 U cbriftticber Unterhaltung nicht unrecht 
fein, hoch follte babureb feine mistigere Pflicht 
oerfäumt merben. ©enn recht Dermenbet, mirb 
ber ©onntag für $eben & er Kcbfte Sag ber 
©oebe, „ber ®önig ber Sage" merben. 

„©ebenfe be* ©abbatbtage*, baß bu ihn b*i s 
ligeft. ©ecb* Sage follft bu arbeiten, uitD alle 
beine Singe befehden. 9lber am fiebenten Sage 
ift ber ©abbatb be* §erm, beine* ©otte*." 




'pinße unb ^Had)rid)fett für Arbeiter, 


Sie 3tnoe(en ber Königin, ©amenförner 
fmb feine ©arben. Eingabe an ein ©erf ift 
noch nicht beffen SoHenbung. ©amenförner ent* 
wiefetn ficb $u ©arbeit unb hinter jebem großen 
SBerf mirb man bie Sriebfraft einer 3bee fin* 
ben, Don ber ficb 3emanb leiten unb treiben 
läßt $ur großen Shat. 

Eolumbu* b attc eine 3bee, baß hinter ben 
Sebeln be* großen SDteere* im ©eften neue Ufer 
liegen, unb er glaubte, baß er fie finben fönne. 
ämerifa in feiner ganzen ©röße unb mit feiner 
bewegten ©efebiebte lag oerborgen in einer 3 bee, 
einem ©ebanfen — in bem ©eifte Eolumbu*. 
6 * mar nur ein ©amenfom, aber ba e* ficb 
cntmicfelte, mußte unter feinen 3 *neigen ficb bie 
©efebiebte eine* ©elttheit* abfpieten. j 

Seine Aufgabe, mein lieber ©onntagfebul* 
lehrer, ift, baß bu einer ©eete bie neue ©eit, 
©ott, Ehriftu*, ben £immel, emige* Seben ent* 
berfft. Sn fannft einem Änaben ober SRäbcben 
in beiner Sflaffe behülflich fein, ein nene* Seben 
anjufangen, ba* mit großem ©egen unb gin* 
fliiß gefrönt fein mirb. Sa* ©cbidfal einer 


©eele burch lange gmigfeiten mag in beinen 
£änben liegen. 

golumbu* gehorchte feiner Qbee. gr ließ 
fein Seben unb feine |>anblungen oon ihr regic* 
ren. ©ie hat er feinen 3 *ned erreicht? ©äh j 
renb Slmerifa feinen gntbeefer feiert, follte e* 
nicht oergeffen, baß eine graueithanb geholfen 
hat, e* au* ber Serborgenheit trauriger 3 a h r ^ 
hunberte heroor^ujiehen. 

Sie Königin 3fabetla fagte: ,,3cb unterftiihe 
ba* Unternehmen ju ©unften meiner Slrone unb 
bin bereit, meine gumelen Derpfänben jur 
Seftreitung ber Unfoften, mentt ba* ©clb im 
Schahamt nicht au*rei<bt." 

(Somit rüfteten ficb läge* brei fleine 
©egelfcbiffe unb fuhren 5 unt |)afen Don ^ßalo* 
hinau*, um ihren ©eg über bie unergrünblicbe 
3Reere*tiefe nach Sonnenuntergang 3 U finben. 

©a* millft bu biefe* $ahr mit beiner ^bec 
madhen, baß beine Slrbeit 3 um ^peil ber Seelen 
gefegnet unb bie Pforten ber neuen ©eit für fie 
geöffnet merben mögen ? 

Saß bicb Don biefem ©ebanfen regieren, gühlft 


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208 


ümkf unb fladjridjten für Urbrifrr. 


bu bidO arm an ©rfenntitif* unb Sehrfäl)igfcit, 
aber reid) an Segeifterung? Siehe, ein ffönig 
ttrirb bir Reifen. Sr giebt fönigliche :gumelen 
äu biefem Unternehmen. 8 luS ber giifle feiner 
•Dtad)t fchenft bir ©ott SBeiSheit, ©ebulb, ©elbft- 
üerleugnung, ©rfolg. SBißft bu nehmen, maS 
er bir geben miH ? 2 luf beinen ff nieen meif)e 
bidj biefem SBerf, benn eS meint bie ©abe eines 
neuen Bebens, einer neuen SBelt an unterb¬ 
lieben ©eelen. 

Ser erfolgretdje ©onntaflfdjulleljrer. Ser 

erfolgreiche Sonntagfchußehrer ift derjenige, 
melier feinem fttvede entflicht unb baS 3* e f 
erreicht, meldjeS bie ff irche im Sluge hatte, als 
fie ihn für biefeS mistige unb üerantmortliche 
Slmt einfe&te. 

Ser 3merf ber ©onntagfchule ift, bie ffinber 
3 U ju führen, fie 3 ur ©rfenntnifi beS |>eilS 
3 U bringen unb fie 311 mähren ©hriften f° roeit 
als möglich hcran^ubilben. Samit biefeS ge= 
fchet)e, muh fie bal)in mirfen, bie ffinber mit 
bem SBiflcn ©otteS betannt 3 U machen; mie mir 
uns gegen ©ott, gegen ben 9täd)ften unb gegen 
uns felbft 511 verhalten haben; maS ein ©hrift 
3 um |)cil feiner Seele miffen unb glauben foU; 
fie 3 ur ©rfeuntniß ber eigenen ©iinbhaftigfeit 
unb bem 3 ufotge 3 m ginficht ber9totl)menbigfeit 
eines ©rlöferS unb fpeilaitbeS $u bringcu; fie 
ermuntern, fich bem ^eilanbe im ©ehorfam beS 
©laubenS h^ugeben, bamit fie in ber Vefel ) 5 
rung junt Vcmußtfeiit ihrer Einnahme bei ©ott 
gelangen, unb auf ©otteS SBort fußenb, ©runb 
ihrer Hoffnung, bie in ihnen ift, geben tonnen. 
SiefeS SRefultat bemirft bie ©onntagfchule burch 
ben Sehrer unb infofem biefer 3 roerf öon ihm 
erreicht mirb, ift er erfolgreich. 

SBifl nun ber ©onntagfchullehrer ©rfolg ha¬ 
ben, fo muh er üor allen gingen felber ein 
©hrift, b. h* P ©ott betehrt fein, ift er baS 
nicht, fo mirb er, fo glän^eitb auch fonft feine 
©aben unb gähigfeiten fein mögen, feinen fttved 
oerfehlen, benn mer Slnbere in göttlichen Singen 
lehren miß, muh suerft oon ©ott gelehrct fein. 
SBer Slnberen ben SBeg jurn £>immel geigen miß, 
ber muh ihn felber fennen, fonft ift er noch 
geiftlich blinb unb meint ein Vlinber ben anbem 
leitet, fo faßen fie beibe in bie ©rube. 

Ser erfolgreiche Sonntagfchußehrer ift mit 
Siebe $u ©ott unb feinem SKächftcn erfüßt. ©r 
fieht bie üielen ffinber einherirren, mie bie 
©chäflein, bie feinen $irten haben. Sie große 
Srage beS groben SehrerS unb ber bamit oer- 
bunbene Auftrag: „£>aft bu mich lieb? f° üjeibe 
meine flämmer," ift ihm burch ben ©eift ©ot¬ 
teS in bie ©eele gebrannt; unb meil er feinen 
£eilanb liebt, fo liebt er bie ff leinen, fein £er$ 


ift entbrannt üoit mütterlichem Xriebe. ©r geht 
hinaus unb labet bie ff inber ein, in feine ff laffe 
3 u fontmen. ©r geht ihnen nach unb bringt 
eins nach bem anbem in bie ©onntagfchule, 
mofelbft ben ffinbern bie befte ©elegenheit ge¬ 
boten ift, jur ffirfenntnih ber SBahrfjeit $u gc= 
langen, bie in ©hrifto 3 >efw ift. 

©ich bemüht, bah feine Schüler unfterbliche 
©eelen höben, bah fie an ber ©chmefle einer 
emigen ©fiften^ fich befinben unb für fid) felber 
p mgßlen unb bie ©ntfdjeibung ju treffen hö* 
ben, ob ihre 3 ufunft eine emig glüdlidje ober 
eine emig unfelige fein foß, fühlt er, bah ÖU( h 
er ein SBer! p thun höt, meldjeS 3 U üernad ) 5 
läffigen ihm ©itnbe fein mürbe, ©eine grohe 
Verantmortlichfcit, feine eigene ©chmadjheit füh- 
lenb, biefeS grohe SBerf 3 U üoßbringen, bemü= 
thigt er fich üor ©ott unb bittet ihn um ff raft 
unb SBeiSheit, bamit feine Arbeit mit ©rfolg 
gefrönt merbe. 

Vei bem Veten aßein läßt er’S jebodj nicht 
bemeitben, „er arbeitet auch!" ©r „betet unb 
arbeitet." ©r „betet", als ob „©ott" Slßes 
thun müffe unb er „arbeitet", als ob ber ©rfolg 
„aflein" oon feiner Xreue, Oon feinem gleiße 
abhinge; unb menn er SlfleS gethan l)öt, maS 
er thun tonnte, bann legt er mieberum biefeS 
SlßeS bem gnabenreichen ©ott 311 güßen unb 
bittet: „§err, Iah beinen ©egen 3 m; Vefel)= 
rung meiner ©onntagfehüler auf meiner Arbeit 
ruhen!" 

Ser erfolgreid)e Sonntagfchußehrer ftubirt 
bie Beftion bei 3 ?iten, menn möglich fchon am 
j Anfänge ber 2 Boche, unb nimmt nicht erft bat 
SBibelforfcher ober fonft ein ®latt ^ur £>anb f 
nachbem er baS ©onntagfd)uflofal betreten t)öt, 
als ob ein flüchtiger Ueberblicf 3 ur Vorbereitung 
für ben Unterricht genügenb unb für bie ff inber 
irgenb etmaS gut genug märe, auch c£ 
lauter ff ohl ift, maS ihnen oorgefchmafct mirb. 
9lcin, er hat 3 U oiel Sichtung üor feinen ©cbü^ 
lern, unb fein 3Rotto ift: „Steine Schüler folieit 
unb müffen baS Sefte haben." 

©r fommt, erfüßt mit göttlichen SBahrheiten 
über bie Beftion, bie ihm felber in ber grünb= 
liehen gebetSüoßen Vorbereitung p ©eift unb 
Beben gemorben finb, üor feine ff laffe, unb ma£ 
ihm ju ^erpn gegangen, baS theilt er feinen 
Schülern mit, mclche bie mit bem 3 e «cr ber 
göttlichen Siebe begleiteten SBahrheiten nicht 
nur hören, fonbern auch bemahren, bis ber gött= 
liehe ©ame aufgehe unb fjrucht bringe juin 
emigen unb feligen Beben. 

©in anbereS fchöneS ffenn^eichen beS, erfolg^ 
reichen ©onntagfchußehrerS ift „fßünfttichfeit". 
©r ift ju ber üon ber ffirche feftgefe^ten 3 ^it 
auf feinem fßoften unb ein fetbftüerfchulbete^ 


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JBinhe unb $ad)tid|trn fUt Arbeiter. 


209 


3 ufpätfommen tuürbe er fid) al« eine Sdjanbe 
anrccbnen, er ift nud) hierin feiner fleinen beerbe 
ein SBorbilb, beim wie fönnte et oon feinen 
«cfjülern pünftlidj ju fein erwarten, wenn er 
felber ben §an« £cf)(enbrian fpielte. 

Sr weifs, baff Orbnung aud) in ber Sonntag» 
fcbule walten muff unb ift baffer ftet« bei ber 
„Sröffnung" ber ©onntagfcbule jugcgen unb 
befleifeigt fid) (Sott ju erjeigen einen recbtfcbaffe» 
nen Arbeiter, ber ba red)t tffeilet ba« SBort ber 
SBabrbeit. 

Sr banbeit fo, als ob ein jeher feiner Schüler 
ein inbioibuellc« 5RedE»t an if)n hätte, al« ob er 
ibr Snedjt, if)r ©Habe wäre, bamit er nicht nur 
Stlitbe, fottbem Wo möglich Sille gewinne unb 
felig mache. 1 fior. 9, 22. 

Solcher Selfrer gebt bem „Sinen" nach- 
SSenn einer feiner ©chüler abwefenb ift, fo er» 
funbigt er ficb nach ber Urfacbe be« Slbwefenb» 
fein«. Sr gebt bin unb bcfudjt ibn, erfunbigt 
ficb nach feinem Sefinben. 

3ft ber Schüler erfranft, fo befucbt ber fiel)» 
rer ibn fo oft al« möglich unb nimmt ein rege« 
3ntereffe an feine« Schüler« 3Bol)lergeben unb 
wenn biefcr in biirftigen fßerbältniffen ficb be» 
finbet, fo forgt er juerft bafür (benn er fann 
auch felber Opfer bringen), bah e« fei» 
nem Schüler an nicht«, ba« ihm bienlidj ift, 
gebreche. 

®iefe« Stanffein benufct ber Sebrer, um ihn 
ju ermuntern, bod) jefet ficb bem |>errn über 
Xob unb Seben Ijinjugeben. SEBirb jeboeb fol» 
ehe« SBegbleiben burch Unluft jur Sonntagfdjule 
ober burch fErägbeit ueranlafft, fo gebt er biefem 
Sinen nach unb, ben §irtentrieb in ficb füblenb, 
ruht er nid)t eher, bi« er fein ©chäflein juriid» 
gebracht b at - Unb Weil er fo bem „Sinen" 
nachgebt, fo bringt er Sin« nach bem Slnbem 
jur ^eerbe Sbnfti, bie unfägliche greubc er* 
lebenb, bah feine Spüler ju bem treuen Sifcbof 
unb Srjbirten ib rer ©eelen befebrt werben. 

©einem SBorgefebten fowie auef) ben anbern 
Sebrem gegenüber ift er in feinem SBenebmen 
mufterbaft. ®ie Slnorbnungen be« ©uperinten» 
benten befolgt er mit freubigem §erjen, bie 
brüberlicbe Siebe ift bei ihm J^erjlidh unb er 
fommt aßen Slnbem mit Sbrerbietung juoor. 

$ah er ein ©lieb ber Kirche ift, öerftebt ficb 
oon felbft, benn wie fönnte er Slnbere ermah¬ 
nen, ficb mit (Sötte« Sßolf ju oereinigen, wenn 
er nicht felber mit ihm gemeinfcbaftliche Sache 
gemacht hätte. 

Sie gragemetbobe fcheint bei ihm ber „Singet» 
baten" ju fein. Sr weih feine fragen fo ge» 
febieft ju fteUen, bah bie „© chüler" bie in 
bet Seftion enthaltenen SBabrbeiten ertennen 
unb treffenb antworten fönnen. 


Sein SSunber, bah bie ©chüler eine« folcben 
Sebrer« ben göttlichen feeil«ptan oerfteben unb 
fchäben lernen unb toiffen, Wa« fie ju tbun ba» 
ben, um felig ju werben. 

©o gereift er Obermann, mit bem er in 
©erübrung fommt, jum ©egen unb wirb ba« 
SBerfjeug in Sötte« feanb, ©eelcn für ben feint» 
mcl ju gewinnen. 

S« ift freilich «ine EEbatfadje, bah ber Srfolg 
eine« fo treuen ©onntagfcbullcbrer« nicht immer 
fogleicb fid^tbar ift, fo bah ba« ©ute, ba« er 
ftiftet, nicht immer fofort jum SSorfcEjein fommt, 
aber jener grofje lag wirb e« tlar machen, wie 
oicl ©terne ber treue unb erfolgreiche Sonntag» 
fchullebrer in feiner Scben«frone erworben bat. 

„0 ©ott. Wie muh ba« ©lücf erfreun, 

®er Stetter (Sttter 3cd' ju fein." 

„Solche" Sebrer werben leuchten Wie be« 
feimmel« ©lanj, unb bie, fo Siele jur ©erech» 
tigfeit weifen, wie bie ©terne immer unb ewig» 
lid). 3 . St. SB er t b, 

©an grauci«eo, Sal. 

SBichttfie SHetntgf eiten. Sebcr Srjicljer 
bilbet Sbaraftere au«. S)ie« ift ganj beftimmt 
Waljr üoin ©onntagfcbullcbrer, benn feine ©ebii» 
ler wiffen, bah er nur barum Sebrer ift, weil 
er ein begliche« Verlangen bat, fie ju (£l)rifti 
Jüngern ju machen. 

®ehbalb erwarten fie auch natürlich unb mit 
Stecht, bah ber Sebrer burch feinen ©anbei ben 
Sbarafter iöuftrirt, ju welchem er fie heran» 
bilben möchte. 3" biefer Srwartung erlauben 
fie fi<h, feine Sieben, feanblungen unb feine ®c= 
mütb«oerfaffung ju beobachten. Seine SRilbe, 
©ebulb, greunbticf)feit, ÜJtitgefüljl unb Xrcue 
flöhen ihnen Sichtung unb Vertrauen ein unb 
machen fie empfänglich für bie SBabrbeiten ber 
Steligion, bie er lehrt. Srgiebt er ficb aber in 
flatterhaften Sieben, oietem ©eläcfjter, leicht» 
finnigem ©eplauber mit feinen Slacbbarlebrern, 
in gereijtem SBcfen, fcharfen ©orten, Ungebulb 
ober in jornigen ©orten, fo werben fie ungiinftig 
geftimmt fein gegen ihn nnb mit Sßorurtbeilen 
erfüllt gegen bie Sleligion. $enn fie entbeden 
gar balb, wie ungereimt folche feanblung«» 
Weife ift. 

3>t erftcrem 3aH baut er ben Sbarafter fei» 
ner Schüler mit gutem unb in (edlerem mit 
fdjlecbtem SRaterial. Sr mag bejweifcln, ob 
folche ®leinigfeiten wie feine Sieben unb feanb» 
lungen ober feine ®emütb«ftimmung einen folch 
gro|en Sinftuh au«iiben fönnen. Slber bie ®e» 
fdjicbte lehrt un«, bah fileinigfeiten, leichter 
benn ©preu, bie SBenbepunfte waren in ber 
SSilbung ber Sbaraftere. 


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Jraufnjeüung. 


210 


Wxt bem ^eiligen ©elfte mitmirfen. Tr. 

Ärnolb, einer ber erfolgreichen ßeprer gng* 
lanbS, l)nttc einen Haren ginblid in bie ©ott* 
lofigfeit ber SUnabennatur. Ta er touftte, bafj 
fiep baS ©öfe unter it)nen ausbreitet, „toie gif* 
tige Söaffer, bie überall burepbringen", fo fagte 
er einmal: „SSJemt icp eine ®tuppe böfer ober 
mutpwilligcr Knaben um baS grofje Scpulfeuer 
uerfammeit fcl)e, fo bäucht miep, icp fepe ben 
Teufel in iprer s JDlitte." Opne 3 ra eifel werben 
bie Knaben — uitb auep bie ©iäbepen — oom 
bofen ©cift oerfuept, einanber $u oerfüprcn, aber 
wirft liiert auep ber peilige ©eift an iptien ^ur 
©ereeptigfeit. 

@3 ift bie Aufgabe beS SonntagfcpulIeprerS, 
mit bem ©eifte ©otteä $u Wirten, inbem er baS 


Sicpt beS SBorteS ©ottcS ben ü naben unb 2Räb* 
epen $u ©ewiffen bringt, um fie ju beftiinmen, 
baS ©öfe ju paffen unb baS ©ute ^u lieben, 
©on einem gänjlicp oerborbenen Sdjüler !ann 
niept gefagt werben, bafc er baS ©öfe paffet. 
®eitt Scpüler !ann gän^licp oerborben fein ober 
(eiept 5 um ©Öfen oerfüprt werben, fo lange er 
baS ©öfe paftt. ßaß ben Sonntagfcpulleprer 
bapin ftreben, baft er bie fepon oorpartbene gr* 
tenntnifj ber Sünbe entroidelt 5 U einem fräftigen 
Äbfcpen gegen baS ©öfe. ©Jeitn biefe SBirfung 
peroorgerufen ift, bann Wirb eS leiepter fein, 
ben Scpüler ju Überreben, bem ©Uten anju* 
pangen. Tann wirb ber 2lder frueptbar fein, 
auf ben bu guten Samen fäeft. 


-- 

^frauenjeifung. 


tüopl giebt’s opn’ bange Klagen 
Kein fcjer 3 unb feinen 0rt, 

Tocpaep! wie (Stab unb Sterben — 

So traurig Flingt Fein U)ort I 

Kllein es flingt au<p feines 
So pell wie Kuferftep’n, 

So fcpön, mie em’ges leben, 

So füg roie IPieberfep’n l 

Tal Tor’le über SRiffion. SBir wollen pier Don 
cinpeimifcpi'r Wifiion rcöen, bie ein jehel ©lieb ber 
Äircpe fcpulpig ift au tpun. 

©3 wirb 9ciemanb leugnen, baß biefe fo wieptige 
Arbeit in ben lebten g-apren fepr ocrnacpläffigt 
würbe. Wan patte fepöne ftirepen, gute ^rebiger, 
unb man füprte ein reept rupigeS, gemiitplicpeS Sehen. 

Tocp ©ott fei Tanf, baß bie itircpe aus biefer ge* 
fäprlicpcn 9iupe aufwaept, unb bafj eS allbereits $u 
Hracpen anfängt, wie gewöpnlicp etlicpe Tage oor bem 
4ten 3uli, unb wir poffen, bafj cl $u einem tücptigen 
geuerwerf fontmen ntöcpte, wclcpeS all’ biefe geiftltcpe 
Sau* unb Trägpeit berbrennen möcpte. 

Wiffion3=©ifer unb Arbeit ift eine ber erften 
grüepte unb SebenSjeicpen eines oeränberten $er$en 3 
unb SebenS. 

2öie oft finbet man bei grünblicp erwedten Seelen, 
bafj fie fepon epe fie noep felbft Trieben erlangt paben, 
für bie gprigen ringen unb feufeen. 

Tiefer Wtfffon3=©ifcr füllte gleidjen Scpritt palten 
mit unferem iöaepstpum in ber ©ottfcligfeit. ©0 ift 
biefe beSpalb auep ein ^ßrüfftem für utiS. 

können wir gleichgültig fein, um bas Seelenpeil 
ber Unfrigen unb bie, bie um uns finb, unb einer in 
Sünbe oerfuntenen feelt, fo ftepen wir gewifj niept 
reept oor unferem ©ott. 

wirb oft gefragt, wer foü biefe Arbeit tpun unb 
wie foll fie getpan wrrben? Tie« ift oft eine bebenf* 
liepe grage für bie fromme ©auSmutter, fie möcpte fo 


gerne auep ipren Tpeil an biefem pcrrlicpen fBerf 
1 tpun, unb boep wie ift e$ ipr oft beinahe unmöglicp. 

I Tie oielen $flicpten au öaufe, unb oft febwäcpliepe 
©efunbheit, oerpiitbern fie—beim beften ^Sitten an 
energifeper 9Riifion0arbeit nur gan^ wenig tpun. $ur 
©efriebtgung folcper lieben §au3mutter wollen nur 
, bie|e3 fagen, bie erfte unb befte 9)tiffion0arbeit bc* 

1 ginnt in ber gamilic, unb pier ift eä, wo bie Butter 
‘ bie attererfte ultifjion^arbcit tput. 

Unb wer tarnt ben Söertp einer aottgeweipten yKut* 
ter au^recpneit? Ter ©influfj auf ipren Wann unb 
ihre Miitber, unb bie um |ie finb, ipre greunbe unb 
9caepbarit, baö ift tein ©eringeä, unb aud^ bie Serant* 
wortung, bie auf jeber Wutter rupt, ift grofe. 

Qcp glaube fagen 311 bürfen, bafc e3 Unreept ift für 
eine cpriftlicpe ipau^mutter pinauö in bie 23clt 
gepen, 11 m Wiffionearbeit ju tpun, epe fie erft ipre 
gan^e ^ßfliept ^u $aufe getpan pat. Qcp glaube unb 
habe es erfapren, baß, wenn e3 un 0 am $eaen liegt 
für ben ©errn ju arbeiten, bafj er un 0 bie Arbeit'tn 
ba£ §auö bringt. Tarüber tönnte manepeä in* 
tereffante Kapitel gefepricbeit werben. 

ßllfo wir glauben, baft bie erfte unb peiliafte Wif* 
fionaarbeit bergrau inb:r^eimatp ju tpun ift; bleibt 
thr bann noep Äcit, fo ift e$ Wieberum ipre peilige 
Pflicht, biefe Seit für bie Wifjiottöjacpe ju ber* 
wenben. 

9tiemanb als eine cpriftlicpe grau ift fo geeignet in 
bie öäufer eüuutreten unb ben Ernten uub (Slenben 
Troft unb ^)ülfe ju reichen, fowie mit ben grauen 
über ipr Seelenpeil ju rebeti, bie Stinber in bie Sonn* 
tagfcpule p bringen. ^3er biefe Arbeit mit auftiep* 
tigern §er^en getpan pat, wirb mit mir übereinftim* 
men, baf* eS etne ber feligftcn ©efepäfte ift, bie ein 
Wenfcp nur tpun fantt. 

©3 wirb jeboep oft geflagt, wie wenig man auSrid)* 
ten fann, unb wie gart es ift bie Tcutfcpen ju über* 
reben, in eine SHrcpe au gepen, pattptfäcplicp, wenn Ttc 
fiep irgenb einer ©efeufepaft angefcploffen paben. Tie 
einigen, wo man noep etwas auSricpten tann, feien 


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^rauenjcilung. 


211 


bie frifcp ©ingewanberten, unb bic werben, fagt man, Siebe Seferin, weilt ©ielleid)t in beiner Nähe, in 
üon ben ©inwanbereroeretnen weggenommen. beinern Samilicnfreife ein foldjeS unglüdlid) bean* 

©ewig eine traurige Xpatfache. Xic ©ottlofigfeit lagtes SSefen? 0, bann bebenfe, bag aud) biefeS fo 
vieler Xeutjdjen in biefem Saube ift grog. 2Sie ©er* wenig an^ichenbe ©ejd)öpf ein Vlümlein im ©arten 
jünbigen fie fid) nur an bem bcutjdjcn tarnen, uitb ©ottcS ift, baS für all’ jene ihm ©erjagten ©aben 
trie treten fie bie Vorrechte, bie ihnen biefeS Sanb bie* hoppelt ©icl Sonnenfehein warmer Siebe bebarf, um 
tet, mit gügen. fiep entfalten $u tönnen. ©S ift freilid) Icidjter, einen 

$odj, ber Siebe ©ott fi^t am Stüber. ©3 liegt an offenbaren ©harafterfchler ju befdmpfen unb auS^u* 
uns, unfere ^flic^t $u fpun unb wo eS immer möglich rotten, als bie unoerbefferlid) ©leidjgültigcn $ugäng= 
ijt, $u feben, ob wir bie Kinber nidjt retten tönnen ba* lieh zu machen. 

burd), bag wir fie in bie Sonntapfcpule betommen. 2loer habe ©ebulb: fage bir immer wicber, bag 
Sin gutes SJtittel, um $u mtfjioniren, ift bie d)rift= aud) 2BiuenSfraft, bie jdjeinbar jeber jelbft erringen 
liehe treffe. Verbreitet eure 3ettfc^riften unb Vüd)er. fann — ein ©efdjenf bei Rimmels ijt, weldjcS er jenen 
Wan finbet bod) immer wieber Seelen, in benen nod) Schattenblumen nid)t gewährt — unb beurteile fie 
ein Verlangen ift nach etwas Vefferem, unb bie haupt* beShalb mit Nachficht. 23irf ihnen niemals ihre Vc* 
fachlich guten Sefeftoff febäßen. fchränftpeit ©or — nidjts ift träntenber — fonbern 

3cbeS unferer Kirdjcnolätter iollte SNiffionSbienfte juche ihnen mit unermüblidjem ©ifer $u beweifen, bag 
tl)un, nachbem es in ber gamilie gut beniipt würbe, auch fie etwas leiften tönnen, bag auch fie im Sehen 
$iefe Vlätter fmk grog unb gut gehalten, unb wer* nüpen müffen, fei’S auch nur mit Kleinigfeiten. 
ben ©on ben Nachbarn gern gelefen. Namentlich ift Unb wenn bu einen gortjepritt bemerfft — eine un= 
JÖöuS unb £erb für folaje NciffionSgänge befonbers bebeutenbe Seiftung — eine jcpüchtcrne Selbftübcr* 
geeignet. winbung: bann ermuntere burd) freunblichcS Sob. 

6 m anbereS ^Nittel, welches unS bie V re ff e liefert, Xen armen SBeien, bie nie etwas recht machen, thut 
baS finb bie NfonatSblätter für jebe ©emeinbe. 3Bir eine liebeootle s 4nerfennung fo wohl! 
müffen aber barauf achten, bag fie oiel ScfenSwer* SSenn aber all’ bein SNupcn umfonft, wenn beine 
tbeS enthalten, fonft fagen uns bie Seute, ba ift ja Arbeit an ihren Seelen nicht mit ©rfolg gefrönt wirb, 
nidjtS barin—baS ift gejepenft $u theuer. bann halte baS rauhe SBort beS Zornes ober bcS ©er* 

wunbenben Spottes $urüd unb fage bir, bag cS nicht 
fine gute NeiSfnppe. gür 5—6 Verfonen nimm böfer 23iüe, fonbern eine unglüdltcpe Natur*4nlage 
einen Snppenfnochen ober etliche Vfunb Suppen* ift, welche beine Vefferungsbeftrebungen pinbert. 
fleifd). Xen Knochen fege im falten SBaffer auf unb Vergig niemals, bag bu jene ©efepöpfe, auf bie ber 
baS gieifch im fochenben. Nimm % Xaffe ©oll NciS, Schatten faßt, währenb bu im Sichte waitbelft, nicht 
nachbem er gut gemafdjen, thue ihn $u bem gieifch nur bulben, fonbern lieben mugt — benn auch fie 
unb lag eS noch eine ©tunbe todjen. Nun fepneibe finb Vlümlein, unjeheinbare, ©erfümmerte Vlümlein 
etliche Stüde Vrob in SBürfel unb brate fie fcpön im ©arten ©otteS! 

«elb unb lege fie in beine Suppenfcpüffel. Xann 

fcblage baS ©elbe ©on einem ©i mit ein wenig f altem Verbrennungen perbeigefiiprt burch geuer ober fo* 
waffer unb rühre eS an beine Suppe unb giege bann chenbe giüffigfeiten theilt man in brei ©rabe. 
fchnell beine ©uppe über bie Vrobwürfel. Vei Verbrennungen beS erften ©rabeS befte^t in 

bem ©erbranuten i heile eine geringere ober heftigere 
©inen guten &art0ffe(*Sa(at. Äodie bie Kartoffel, ©ntjünbung ohne Vlajenbilbung, biejclben fmb nicht 
ehe bu ben Salat machen wißft. Nachbem fie ge* ©on Velang. Umfd)läge ©on einfachem faltem SBaf* 
ichält fmb, fdjneibe fie fo bünn als mögltd) in ein fer, ©on gleichen Xheilen Seinöl unb ftalfmajfer, be* 
irbenee ©efchirr. ^ann bade etliche Qwtebel fo fein ftreidjen mit ©Ipcerin, bem einige tropfen ©arbol* 
bu nur fannft unb ftreuc fie auf bie Kartoffel. 3)ann jäure ^ugefügt finb, ober aud) mit ©oüobium, genü- 
fchneibe geräucherten Sped in fleine Würfel nnb gen, um ben Schaben $u heilen unb ben Sd)merj ju 
brate ben Sped fd)ön gelb unb lege bie Söiirfel auch ftillen. ©eriebene rohe Kartoffeln, ober Umfchläge 
auf bie Kartoffel. 3 U Dcm auSgebratenen gett fann oon ©ffigmaffer fmb aud) gut. Naffer Sehm ober 
man noch c * n wenig gett nehmen. $ann giegt man ©rbe helfen fd)neU bei Verbrennungen burd) Soaloel. 
ben©ffig hinein, tput SaU unb Vfeffer baran, unb Verbrennungen beS 3 Weiten ©rabeS aber finb ernfterer 
ein gan* flein wenig 3uaer, unb giegt biefeS nun Natur, biefelben erftreden fid) nicht nur auf prögere 
über bie Kartoffel per unb mengt es gut burd)* giächen unb gehen tiefer, fonbern eS geigen fiep neben 
einanber. ber ©nt^ünbunp auch Vlafen, wel^e mit einer gelb¬ 

lichen giüffigfeit gefüllt finb, auch fmb bie Schmerlen 
i»i| ein Sfumlftn im ©arten ©otteS. 2Sie oft heftig, oft unerträglich. Vetreffen biefe Verbren* 
begegnen wir im Seben 9Nenfd>en, benen ber Schöpfer nungen einen grögeren Xheil beS Körpers, fo beachte 
alles ©erfagt hat, was er anbern fo reich gewährte: man golgenbeS: Obwohl eS nahe liegt, bie Klei* 
Schönheit, @eift. Xalente, SiebenSWürbigfeit, Iper* bungSftüae ©on bem betroffenen Xheile fd)neH ju 
sensfüDe. Sie finb wie im Schatten ©erfümmerte entfernen, fo müffen wir bod) gan$ entfehieben baoor 
Vlumen aus bem ©arten ©otteS. geber meibet fie: warnen, benn finb bie Schmerlen fo fdjon uner- 
^ ift ja fo langweilig, mit ihnen $u ©erfehren, benn fraglich, fo fteigern fiep biefelben, fobalb bie Kleiber 
ftr beg|en feine Neigungen, feine ^ntereffen. 3n entfernt finb unb bie Suft 3utritt ^u bem ©erbrannten 
Üumpfer ©leichgültigfeit laffen fie baS Seben an pd) Xh c * lc befommt, oft bis ^ur Naferei. SNeiftentheilS 




bnnh eigenes Schaffen Jreube am Xafein gu gewin* fepen mit loSgeriffen. XaS merfe man fid): Xie Suft 
um. 3pr ©epchtSrreiS ift eng begrenzt, ihr ©efuhl mug ©on bem ©erbrannten Xheile femgepalten wer* 
Mentwidelt: fie finb, mit einem Söorte, nur beyu ba, ben. Kaltes SBaffer unb nichts wie falteS SBaffer, 
Wdplten unb — überfepen gu werben, benn fie pa= wenbe man $u attererft an. & bie öanb ober ber 
vol ju nicptS ©efepid, unb ihre Xpatlofigteit, bie ge s 5ug» fo ftede man baS ©lieb in ein ©efäg mit faltem 
wohnlich ihrer Unbeholfenheit entjpringt, macht fie Soffer. 2ln ben übrigen Körperteilen mache man 
^oepft unbequem. falte Vegiegungen unb naffe Umfcpläge, bis ber erfte 


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212 


SonntogfdittUfrbtionett. 


Scßmerg unb bie erfte Aufregung öorüber pnb ober 
ber 2Irgt tomrnt. (Später bann entferne man bic 
SHeibungSftücfe, aber fo, baß man jeben 30 U jpaut 
ben man ooit ben Kleibern entblößt mit einer fd)üßen= 
ben $ecfe oon ficinöl unb Mtmaffer ober (Slßcerin 
mit (Earbolmaffer oerfießt. 3 m 9totßfalle tßutS aueß 
baS Veftreuen mit 9Jteßl, baS Veftrcicßen mit unge= 
falgener Vutter, ftett ober SJtolaffeS. 2llle biefe 9Jtit= 
tel halten bie fiuft ab, geben ber $aut eine fcßiißenbe 
^eefe unb erfüllen barum ben ßweef. $?etlung 
muß ia bie 9tatur boeß felbftbeforgen; man ßalte nur 
bie Scßäblicßteiten fern. Verbrennungen beS britten 
©rabeS geßen feßr tief unb finb feßr auSgebreitet unb 


barum feßr gefäßrlicß. SBir faßen oor einigen 3 aß* 
ren in beutfdßen ftoSpitälern feßr auSgebeßnte Ver* 
brennungen babureß ßeilen, baß man ben Oranten 
mocßcnlang in einer ßiegu ßergerießteten Vabe* 
manne unter SSaffer bermeilen ließ. s Jtur baS (Sefitßt 
mar frei. Vei Heineren Verbrennungen aber benie 
man immer guerft an falteS SBaffer, bahn an (Slpceriit, 
bem man einige Xropfen (Earbolfäure, aueß Sauba* 
num gufügen fann; an 2 lußegen bon lofer, reiner 
ÜBatte unb fpäter jutn Verbinben an Qintialbe. $aS 
unoernünftige 2 lbreißen ber Äleibungeftürfe aber ber* 
meibe man, Denn bas ßat feßon öfter meßr gefeßabet, 
als bie Verbrennung felber. 




§omrfaflfd)uC- Jefcf tonen. 


Sonntag, 3. 2 lpril. Boieplj toirb nadj 

23. «(3 nun Cfofepb ü« feinen ©rfibern tarn, jogen fie ihm fei* 
nen SRrcf mit bem bunten SRod au3, ben er anbatte; 

24. Uub nahmen ihn, unb warfen ihn in eine Öfrube: aber bie= 
felbigc ©ruhe mar lecr t unb Tein SBaffer brinuen. 

25. Unb festen ficfi meber $u efjcn. ftnbcfc buben fie ihre Hu« 
gen auf, unb faben einen Raufen ftomaeliter fommpn oon©ileab, 
mit ihren tfameelcn: bic trugen ©urje, ®alfam unb SKtjrrbcn, 
unb üoaen binab in ® ; ibpten. 

26. 3)0 fprad) ftuba ju feinen ©rftbent: ®8a3 hilft'3 un3, bafj 
mir unfern ©ruber erwürgen, unb fein ©lut berbergnt? 

27. ftommet, laffet uu3 ihn ben Bämaeliten oerfaufen, ba§ fteft 
unfere .öänbe nicht an ibm öcrgrctfcit; benit e3 ift unfer ©ruber, 
unfer ftletfch Hnb ©lut. Unb fie gehorchten ibm. 

28. Unb ba bie ©tibianiter, bie Äauflcutc, öorüber reifeten, 
jogen fie ihn heraus aus ber ©rubc, unb öerfaufteu ihn ben $3= 
maeliten um gmau*ig Silberlinge; bie brachten ihn in ©anpten. 

29. 2113 nun 9lubcn micber *ur ©ruhe tarn, unb fanb Bofeph 
nicht barinnen; jerrih er fein Jfleib. 


©gWtcn otrfnuft. 1 anof. 37,23 - 30 . 

30. Unb tarn mieber 411 feinen ©rübern, unb fprach: 35er 
ftnabe ift nicht ba, mo foll ich hi« ? 

31. Da nahmen fie ^ofeob 3 SRod, unb fchlachteten einen Bic* 
genbeef, unb tunften ben SRod in’3 ©lut. 

32. Unb fdjidten ben bunten IRod bin, unb liehen ihn ihrem 
©ater bringen, unb fagen: Diefen haben mir funben; fiebe, ob 
e3 beines Sohnes 9tod fei, ober nicht. 

83. (ir erranute ihn aber, unb fprach: ©3 ift meines Sohnes 
SRod; ein böfe3 Xhter hat ihn gefreffen, ein reiftenb Xbier hat 3 c- 
frpb jerrifien. 

34. Unb ftafob jerrift feine Äleiber, unb legte einen Sad um 
feine genbrit, unb trug Ceibe um feinen Sohn lange Beit. 

.35. Unb aue feine Söhne unb Xödjter traten aut, bafe fie ihn 
tröfteten: aber er moütc fidj nicht tröften taffen, nnb fprach: $cb 
merbe mit üeibe hinunter fahren in bic Gfrube, sn meinem Sohne. 
Uub fein ©ater bemeinete ihn. 

86. «ber bic SRibianitcr oerfauften ihn in ®gt)pt^n bem ©oti- 
Phar, be3 ©barao ft'ämmercr unb ^ofmeifter. 


Vißftfißer #fittbgeliauf(: „$ber ber ©err mar mit 
Qfofepß unb reichte feine £mlb p ißrn." 1 3Kof. 39,21. 

ßinleitung. 3 11 ben fieftionen biefeS Vicrteliaßrö 
ragen ^mci ©erfönlicßfetten ßeroor — 3 o f ep ß unb 
o f e$. ®ie ßeptige fieftion beginnt etma mit bem 
3aßre 1728 o. (£ßr. 3 f o a f lebte noeß, mar jeboeß 
ein 168jäßriger GJreiö. (Sr mar blinb, feßr gebretßluß 
unb ftarb 12 3 a *) re fpäter. 3 a J ° b war 109 3<*ßre 
alt unb moßnte biefer Qeit ju ^ebron. 3 °' 
fepß mar fein jmeitjüngfter Soßn. 211« 17jäßriger 
Jüngling mürbe er, mie feine älteren Vrüber, ein 
.^irte. ©r mar feines Vaters Siebling. Xeßßalb 
matßte berfelbe ißm einen ßübfcßen, bunten 9 tocf. 
2Begen biefer offen jur Scßau getragenen Vorliebe 
beS Vaters für feinen *meitjüngften Soßn, mürben 
bie älteren Vrüber bem 3o|*cpß feßr gram. 3)aS führte 
äu ber g e ß ä f f i g e n Z ß a t, bie in ber ßeutigen Set* 
tion uns berießtet mirb. 

(Srflärung. 

V. 23. 24. 3 aJ ob fanbte ben 17jäßrigen 3ofepß 
ßinauS gu feinen Vrübern, bamit er erfußre, roie’S 
ißnen ergeße. 3 °(epß fanb pe 5 U $othan, etma 
85 teilen oon öebron entfernt. 211S bie Vrüber ißn 
tommen faßen. Da bemäeßtigte pcß ißrer bie 2 )torb* 
luft Sie moUten ißn töbten. Stuben, ber ältefte 
Vrüber, überrebete fie, fein Vlut ju oergießen. (Sr 
moßte ben 3ofcpß retten unb unbefcßäbigt bem Vater 
mieber ^ufüßren. 5)eßßalb feßlug er oor, fie mollten 
ißn inetne mafferlecre(£ifterne merfen. 

V. 25. Sie oerlaffen bie (orube mit ber 2lbpcßt, 
ißren Vrüber bem§ungertobe preiSjugeben. Sie 
aberfeßten fieß nieber, um ju effen. feie ßeqloS! 


2 Bäßrcnb pe effen, feßen fie eine (Saraoane oon $auf* 
leuteu bureß bie feüfte jießen. CSS maren bieS 9tadj* 
tömmlinge 3^ m aers. Sie bcmoßnten baS^mifcßen 
©gppten unb 2lffnrien liegenbe Sanb. Sie befanben 
ffd^ jeßt auf bem feege uaeß (Sgppten, um bic mitge* 
braeßten 2 öaaren für anbere umjutaufeßen. 

V. 26. 27. $em 3 ul)0 Q^aut noeß bei bem ©e= 
banfen, beS Vaters Siebling bem graupgen junger* 
tobe fru opfern. ^5er 2lnblicf biefer Saraoane bringt 
ißn auf bie 3^ ee ; P c wollen ißn in bie Stnecßt* 
feßaft oertaufe it. 2luf biefe SSeife merben pe 
ißn loS, oßne einen Vrubermorb ju oerüben. 

V. 28. 3 «ba’S 3 bee pnbet Entlang. 5)ie 3^ntae* 
liten finb fofort bereit taufen. Sie miffeu, baß pc 
ißn in (Sgopten mit großem ©eminn unb oßne SOtüßc 
mieber loSfcßlagen tönnen. ©gpptifeße 2)entmäler 
aus jener 3ett Itefern ben VemetS, baß bie fcanbelS* 
reifenben in jenem Sanbe einen guten Stlaoen* 
martt pnben pflegten. Sie gaben 20 Silberlinge, 
b. ß. etma 15 i>otfarS, für ißn. $er gemößnli^e 

t rciS eines Sflaoen flu jener ßcit war 30 Silberlinge. 

ie 33ntaeliten naßmen ißn naeß (Sgßpten unb oer* 
tauften ißn an einen ßocßgepetlten Veantten, ber V 0 * 
tipßarßieß. 

V. 29. 30. 9t u b e n, ber ben Qofepß ju retten be= 
geßrte, mar nitßt ^ugegen, als ber V r u b e r 0 e r t a u f 
ftattfanb. (Sr mar lebenfaHS ßingegangen, um naeß 
ben öeerben ju feßen. 2US er Aurücftam, unb bie ©rube 
leer fanb, ba übermannte ißn ber Scßmerj. 9tad) 
morgenlänbifcßer Sitte gernß er fein ©emanb, um 
benifelben 2luSbruct au oerleißen. (Sr glaubte, mie 
aus bem (Sangen erßeut, baß ferne Vrüber ben 3°f e Pff 


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£onntagfrf)ul=j'fhlionfn. 


213 


mährenb feiner Äbmefenheit bo$ ermorbet ^aben. 
SBie e« fdjeint, liegen bie Vorüber ihn bo«hafter ©etfe 
in biefem ©lauben. Äl« ber Sleltefte unter ihnen aber 
war er bor willen fiir ben Qofeph oerantroortlid). Da* 
her ber ttlageruj: ,,©o jott ich t>in‘?" 

V. 31. 32. Damit motten fie ben Vater auf ben 
©ebanfen bringen, jein Liebling fei oon einem nnlben 
i^ier aerriffen rnorben. Da« oerübte Verbrechen 
wollen fie oerbergen. Wicht ber leifefte Verbaut foll 
auf fie fallen, ©ine ©ünbe gebiert bie anbere. «Sie 
trugen ben Wocf nicht jelber fyin. (£« fehlte ihnen 
entroeber ber Wfuth, ben Ijcr^errei&enben ©cf)mer$ 
bc« Vaters an$ujeljen, ober bie g-redj^eit, ben Vetrug 
in eigcnfter Verjon burchaufefcen. 

C. 33. 3afob mürbe betrogen. Da« mar eine 
Sättigung ©otte«. ©o hatte er einft feinen Va* 
ter betrogen. $ap. 27, lß. 

®. 34. 35. Äl« Seiten feiner tiefen Drauer, fei* 
ne« gerben ©chnter$e«, legte 3afob ein ©etoanb oon 
grobem $euge an. Vergeblich maren alle Dröftung«* 
berfudje. ©einer ©bljne Vo«heit mar aber fo grog, 
ba§ fie Ujn 22 3ah re lang ben Dob Qojeph’o be* 
trauern liegen, ©ie trieben*« in ber ^euäelei fo meit, 
bag Re, nach ©cbron aurücfgefehrt, ben Vater in fei* 
ner trauer $u tröften fudjen. 


flrafttfihe ©ebanfen. 

Äuf funblii^en ©egen. 

I. Del Weifcel. ©tephanu«, ber erfte SWärtprer 
ber djnftlicheu tfirdje, bezeugt bor bem hohen Watpe: 
„Die©rjoäter ncibeten 3ofeph unb oerfanften ipn 
in Sghpten." Äpoft 7, 9. Diefer Weib geftattet un« 
einen tiefen ©lief in be« SRenfchcn arge« #er$. «go* 
feph mürbe bon feinen Vrübero beneibet: 

1. ©egen ber Siebe be« Vater«. gafob 
machte fein £>ehl au« jeiner Vorliebe für ben S^ofepl^. 
Äl« 3eichen öerfelben fepenfte er ihm einen buntfar* 
bigen Wocf. Da« mar unoorfidjtig. ©ine fo offen 
$ur©d)au getragene Vorliebe ift bem Sieblinge oft 
felber jd)ä blich unb mug bie übrigen Srinber erbittern. 
Daburd) merben Weib, $ag unb geinbfchgft erzeugt. 
Ällerbing« fann ba« in ©ottc« Äugen bie Weiber nicht 
cntfdjulbigen. 

2. ©egen fciner^o^enVe ft immun g. Diefe 
zeigte ihm ©ott in träumen. Ärglo« erzählte gofeph 
biefe Dräume feinen Vrübera. ©iepe V. 6 bi« 11. 
Daburch mürbe ber Weib genüprt. gortan nannten 
fte ihn nur „Dräunter." ©o macht’« ja bie ©eit immer 
nod). Der Ärme beneibet ben Weichen, bem Vöfen 
ift bereute ein Dorn im Äuge; ein ftinb beneibet 
ba« anbere um feine fdfönen Kleiber ober hübfdje« 

3^er Weib ift eine teuflifdfe ©ünbe. 
Der unfelig gemorbene Deufel beneibete bie SRenfdjen, 
welche im $arabiefe fo glüeflid) maren. Daher raftete 
et nicht, biö er fie jum gatt gebraut hatte. gn einer 
gemifjen ©tabt lebten oor Älter« $met SRänner. Der 
©ine mar neibifch, ber Änbere habgierig. Der Regent 


lieg fie beibe $u fief) fommen. Dem Leiber fagte er, 
er motte ihm geben, ma« er fich erbitte, unter ber Ve* 
bingung, bag fein habgieriger Machbar ba« Doppelte 
baoon haben fotte. Da gerieth ber Leiber in groge 
Verlegenheit, ©rbat er jtch etroa« ©ute«, fo mürbe 
ber Änbere e« hoppelt empfangen. Da« geftattete 
aber ber 91cib ihm nicht. Daher bat er, man foUe 
ihm ein Äuge au«fted)cn, bamit ber Änbere beibe 
Äugen berlöre. Unb jo gefchal)’«. 

II. Del 9Rorbanf4(agel. 3ofeph^ ©rüber mer* 
fen ihn in bie ©ifternc, um ihn ba bc« §ungertobe« 
fterben gu laffen. ©ie ber 9Jeib ben ftam jum ©ru* 
bermörber machte, fo erzeugt berfclbe auch iüforbge* 
banfen in ,3ojeph’« ©rübern. ©eldje ©raufantfeiten 
unb ©chanbtpaten höf ber Weib nicht fchou oerübt! 
Ouintilian enaljlt, ein reifer Wtann höbe bie 
Vluitien in feinem «©arten üergiftet, bamit feine« Wad)* 
bar« Viencn feinen $onig meljr auf ihnen fatumeln 
jottten. Diefer 3Jforbanjchlag gegen 3ofeph gejehah: 

1. SWitbeleibigenberDemüthigung. ©ie 
riffen ihm ben fchönett Wocf ab. ©o nahm ttaifer 
©aligula im Weibe bem Dorquatu« bie $al«fette, bem 
©inemnatu« bie gefroflte ^aarlocfe, bem V*>mpeju« 
ben ©einamen be« ©rogen, ber bod) feiner gamilie 
gehörte. Der Weiber beleibigt unb bemüßigt ben 
Veneibeten, mie unb mo er fann. 

2. 3W i t r o b r r © e m a 11. ©ie m a r f e n ihn in 
bie ©rube. Den Propheten geremia«, liegen bie 
geinbe bermittclft ©eilen in bie fcplanimige ©rube. 
ger. 38, 6. 

3. 9Witunerbittlicher©raufamfeit. Äu« 
Äap. 42, 21. 22 erhellt, bag ber jugeubliche 3°f e Ph 
angfterfüllt um ©rbarmung flehte. Ättein feine Vrü* 
ber maren unerbittlich- Der Weib macht -g r a u f a m. 
©aul beneibete ben Daoib unb trachtete erbarmung«* 
lo« nach feinem Sieben. Die s $hörtfäer unb ©chrift* 
gelehrten beneibeten gefum unb rafteten nicht, bi« fie 
ihn an’« Ähreuj gefchlagen hatten. 

III. Del »rulerurrfaufl. Dem guba fchlug ba« 
©emiffen bei bem ©ebanfen, ein«n Vrubcrmorb *n 
oerüben. Äber auch bei ih m h crr i^ tc ber Weib. Äl« 
fich baher eine günftige ©elegenheit barbot, mar er 
bereit, feinen Vruber ju oerfaufen. SWancher böfe 
Änfchlag mirb nicht au«geführt, meil fich feine ©eie* 
g e n h e 11 baju bietet. Änbererfcit« aber merben oicle 
Verbrechen burch bie ©elegenheit geboren. Da« 
©prüchmort fagt gan$ richtig: „©elegenheit madht 
Diebe/' 

IV. Del Vaterbetrugl. ©ir feben, mie eine 
©ünbe ^ur anbern führt. Der Weib führt ju einem 
Verbredhen, biefe« verleitet $ur fiüge, um ba« Ver* 
brechen ^u oerbergen, ©egnbet man fich einmal auf 
iünblichen©egen, fo rneig man nicht, in melden 
Äbgrunb«tiefen man lanben mirb. Der Dieb fcheut 
oor einem Wlorbe nicht ^urücf, menn er glaubt, ftch 
burd) benfelben oor ©ntbeefung fchüpen $u fön* 
nen. Darum fotten mir nicht treten auf ben ©eg 
ber ©ünbe. 


•►M-HIN—Kl 


©onntag, 10. Äpril. @rl;ebung. 


1 SWof. 41, 88—48. 


38. Unb $parao fprac^ au frinen Unechten: ©ic tdnnten mir 
rinnt ioldjen 8Rann ftnben, in bem ber ISleift ©ottc^ fei ? 

80. unb fpra$ au Oofepb: ©Hl bir ©oft foldje« aue£ bot tunb 
flttban. iR feiner fo oerftanbig unb Weife, a(§ bu. 

40. foflft über mein $au* fein, uub beinern ©ort fott alle 
nein ©olt geporfam fein; aUeine be« tdnigli^en ©tutjl« Will i^ 
lieber fein, benn bu. 

41. Unb weiter fpraeft Äbarao au ^fofepb: Siebe, itb bube bicb 

^Sno nJaMeinen «fn^oon fHner ßanb, unb gab ib«3ofepb 
an feine ^anb, unb fleibete ibn mit weiter Seibe, unb bing ibm 
rine gftlbene «ette on feinen $al*. 

48. Unb lieb ib« auf feinem anbern ©agen fahren, unb Ue6 


bor ibm ber aulrufen: Ser ift be« ßanbeft ®ater. Unb fefete ibn 
Über gana Sgpptenlanb. 

46. Unb nannte tbn ben heimlichen 9tatb. Unb gab ihm ein 
©eib, UOnatp, bie locbtcr Sotipbera, be« $ricfter« a« C«- ®lfo 
aog ^ofepb au«, ba« 2anb Sgppten au befepen. 

46. Unb er war breiftig Oapr alt, ba er bor $barao ft unb, bem 
Äöniae in Sgppten; unb fuhr au« bon $barao, unb aog burch 
gana vgbpteitlanb. 

47. tlnb ba« fianb tbat aUo bie ßeben reichen ^apre; 

48. Unb fammelten alle Speife ber heben <lubre, fo im Sanbe 
Sgppten waren: unb tbateu fie in bie Stäbtr. ©a« für ©peife 
auf bem f^elbe einer jeglichen ©tabt umher rnueb«, ba« tpaten fie 
hinein. 


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214 


SonntQgftyul’ffktionrti. 


©iklifditr ©runifltianft : „befiehl bem ßertn 
beine SBege uitb tröffe auf ipn; ©r wirb ed mot)l ma* 
cpen." V). 37, 5. 

Einleitung. 13 3apre finb feit bcn in ber oorigen 
Settion ergäpltcn ©reigniffen ocrftrtcpen. Xie ©e* 
fcpicpte bcr heutigen Settion fällt in’d 3 a pr 1715 
o. ©pr. Die Qdmaelitcn braepten bcn 3<>fepp naep 

S eliopolid, eine ber §auptftäbte bed bamaligen 
gpptend. Sie oertauften ipn an $ o t i p p a r, einen 
föniglicpen Veaniten. 3 n beffent Xicnfte ftanb jQfofept) 
ettoa 10 3.ap re unb genoß feined £errn Vertrauen 
unb Siebe tu einem popeit Wtaße. ©nblicp mürbe er 
in 5olge einer nicberträeptigen Verläumbung in ben 
Werter gemorfen, in bem er brei 3 fl pre lang 
jepmaeptete. 9lber auep im Werfer mar ©ott mit bem 
frommen ® r gemann halb bad Vertrauen 

bed Kerfermeifterd, ber ipn ald 9luffeper über bie an« 
beren (befangenen feftte. ©ier lernte er ben Obe r= 
p o f b ä cf e r unb £5 b e r p o f f cp e n t e n fennen, beutete 
ipre Xräume, bie fid) bucpjtäblicp feiner Deutung ge« 
maß erfüllten, bem Vorfteper ber ^offepenfen gum 
öcil, bem Vorfteper ber ^ofbäcfer gutit ilnpeil. 3 loe i 
3apre fpäter patte bet egpptifcpe König g m e i 
4räume. X)er eine Xraunt panbelte oon fieben 
fetten Küpen, melcpc oon fieben mageren oerfcpluttgen 
mürben; ber anbere Xraunt panbelte oon fieben ool* 
lett Lepren, bie oon fieben mageren aufgegeprt mur* 
ben. Wientanb unter ben 2ö ei fen unb ÜBaprfa* 
gern tonnte ipm biefe Xräume beuten, Xa gebaepte 
ber Oberpoffcpente an 3°i e bP* Xerfclbe mürbe per« 
beigepolt. (Sr gab bie Deutung. Xie fieben f et« 
ten Küpe unb oollcn Lepren bebeuten fie* 
bcnfrucptbare3öpre. Die f teben mageren 
K ü p e u tt b Lepren maren ©innbilbcr einer f i e* 
benjäprigen Mißernte unb Xpeuerung, 
bie auf bie (leben fruchtbaren 3<*pre folgten. Xurip 
biefe Xraumbeutung gelängte Sofeppju fürftli* 
cp e r § o p e i t. Xaoou panbelt bie Settion peute. 
Erflärung. 

V. 38. ^parao ift ber egpptifcpe Warne für 
König., ben alle einpeimifepen Regenten füprten. 
Xen ©gpptologen tft’d bid jept noep niept gelun* 
gen, mit abjolutcr ©emißpeit feftguftellen, m i e ber 
König pieß, bcr ben 3°f c PP 5 U feinem erften 
Wtinifter erhob. O r e 11 1 unb XpornlepSmitp 
finb ber $ln|icpt, ed fei 21 p o p p i d, ber lepte ber $ir* 
tenfönige ber 15. Xtjnajjtte, gemefen. 

3u (fünften btefed Königd fpriept 1) bie ©prono= 
l o g i e. Wccpnen mir 430 Qfapre oon Wantfed II, 
bem Könige, ber 3drael niept fiepen laffen mollte, fo 
ftoßen mir auf bie Wegierungdgeit bed äpophid. 2) Xer 
König, melcper 430 Qtopre oor Wantfed II. regierte, 
peißt auf ben Xenfmälern Slpopi. 3) Säßt fidp 
aerobe gu biefer, 3eit eine Oieljäprige 
ipungerdnotp naepmetfen, rnadin ©gopten feiten 
bergaU mar. 4) ©rflärt fiep baburep btefreutib* 
liepe lief in innig bed Königd gegen bie 
Jemitifcpen ©inmanbercr. ©ie maren ja 
tpm ftammoermanbt. ©r tonnte fiep einen Qumacpd 
feiner ^audmaept oon ipnen oerfpreepen. 

V. 39. 40. Xiefer König mar e m p f ä n g l i ep 
für bie oom ©eifte ©otted fommenb'e a p r p e i t. 
3tt bem $ergen biefcd femitifepen ^irtenfönigd fepeint 
noep ein Junten ber mapren ©ottedertenntmß ge« 
glommen gu paben. ftebenfalld feprieb er, ob ed nun 
bemußt ober unbemußt gefepap, bed Qftfepp’d SBeid* 
peit ber reepten OueUe gu, nämlicp bem ©eifte 
© o 11 e d. 

(Sv mar auep ©taatdmann genug, um fiep bie* 
fen meifen eiitficptdoollen SWann für feine Regierung 


gu ftepern. Xerfelbe patte ipm bereitd einen guten 
W at p gegeben, Siehe V. 83—36. Xaper maept er 
ipn gu feinem e r ft e n WH n i ft e r. (Sr war bem Stange 
nach ber näcpfte gunt König. 

V. 41 — 44. $ier mirb und bie ©infepung 
3ofepp*d ald erftcr SJtinifter Übergang 
Sgpptenlanb gefepübert. ©g pp ten ftanb in 
jenen Xagen auf einer pöperen Kulturftufe 
ald irgenb ein anbered Öolt jener $eit. Xie ©gnpter 
jeiepneten fiep fepon bamald aud burep SBiffen* 
f cp a f t e n unb K ü n ft e, bejonberd ©terntunbe, 9Jteß* 
unb SRecpentunft, 2lr^neifunbe, Verfertigung bed 
pierd aud ber Vaoprudftaube, unb burep großartige 
Vauten, unter toelcpen bieriefigen ©rabm&ler 
ber Könige, bie f. g. VbnmtiDen, feit 3—4 
taufenbe allen 3 er fiörungen miberftanben paben. 
Ueber biefed mäeptige Steicp mürbe nun ber f ep l i cp t c 
^irtenjüngling gefept. 

Der König gibt ipm ben eigenen Siegelring 
unb oerleipt ipm bamit bie pöcpfte SRacpt unb 
W ü r b e. 2öad bie Stamcudunterfcprift in unfern 
Xagen ift, bad mar ber Siegelring ju jener Qeit. 4»ad 
meißfeibene ©emanb unb bie golbene 

t a l d r e 11 e maren ©pmbole ber popen, ipm gu 
peil merbenben ©pre. ©obann fuhr ber König mit 
ihm burep bie Straßen ber Stabt ^eliopolid. Xcr 
König fupr ooran unb 3°f e Ph i n öcm ä^ei* 
ten fönigliepen SBagen. X)ied gefepap, bamit 
bad Volt bem Sofepp eprerbietig begegne. 

V.45—48. »nftatt „nannte ipn ben peimlicpcn 
Statp," lefe man, „nannte ben Warnen gofepp’d 

ä appnatp ^aaneap" b. p. „Vrob bed Sebcnd." 

n be^eicpnet pier bie Stabt ^eliopolid. 
p p e r a meint „ber Sonne gemibmet." Xied mar 
ber Warne bed Vriefterd, beffen Xocpter 3°f c bh auf 
bed Königd Vorfcplag epelicpte. Xie neue Stelle an* 
tretenb, beeilt fiep Könige gemaepten 

Vorfepläge aud^ufapren. ©äprenb bcr frueptbaren 
3apren fammelt er äroße Vorrätpe im ganzen Sanb. 
Xurep biefe fluge Vorforge fepüpt er bad Volt oor 
einer §ungerdnotp in ben naepfolgenben 3apren ber 
SWißernte. 

Vraftifipe ©ebanfrn. 

dofepp’i Vcforberung. 

I. ®if fant unertoartet. 3<>fcpp patte f*on lange 
auf Vefreiung aud ber Kerferpaft geparrt. X)er Ober« 
ho f^enfe aber patte fiep niept für ipn oermanbt. 3m 
©lüefe patte berfelbe ipn oergeffen. SBie 
oft trägt ftep bad noep peute in ber m4t ^u! 3iw 
Söoplergepen oergeffen bie Wtenjepen oft bie greunbe, 
melepe ipnen in Wotp unb Slrmutp pülfreiep bie ^anb 
boten. 

3mei 3apre finb oerftriepen feit bed Oberhoffcpen* 
fen Vegnabigung. X)ie Hoffnung auf Vefrei« 
ung ift in 3afepp’d Vruft'beinahe erlo* 
‘ ep e n. Xa mirb er eined Xaged jum König geru* 
en, um beffen Xräume aud^ulegen. ©r gept getroft. 
Sr ift ber feften Suoerfiept, ber ©err merbe ipm bie 
rechte Xcutung entbeefen. Vieueiept ftieg auep bie 
Hoffnung in ipm auf, ed tönne bied bad ^Wittel ju 
[einer Vefreiung merben. Xer ©ebante aber, baß er 
ber gmeit^oc^fte in gang ©gtjptenianb 
merben tönne, lag ipm ferne, ©erabe bad jeboep lag 
im fßlane ©otted. So tarn 3afepp*d V e f ö r b e* 
rung gang unermartet. 

So ifrd auep in unferm Sehen päußg. Xie miep* 
tigften ©reigniffe in bemfelben tommen unermartet. 
3ür ben Vejepeibenen unb Xemütpigen ftnb alle Ve* 
förberungen förmliepe Ueberrafefaungen. Sluf bad 
$aupt bed befepeibenen Xaoib’d feftt fiep bie Krone 


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SonntagfdjuUfrldionfn, 


215 


3irael3. ©inem Vlbfolom ßingegen, ber Dag unb 
Wacßt barauf finnt, wie er biefe kröne an ftcß bringe, 
gelingt’* nicßt. 

II. ßr war barauf borbereitet Wauß unb flür- 
mtfd) waren namenllicß bie lebten 13 3aßr* im geben 
ftofepßd gewefen. Allein bie Vöiberwärtigteiten bed 
gebend erfeßütterten fein ©ottoert rauen 
nidjt. 3 ^be roilbwaüenbe SBoge trug ihn näher au 
feinem ßimmlijcßen ©ater. 3 n ber Schule ber Drüb* 
fale lernte er, wie notßwenbig unb wie woßltßuenb 
bad 3R i 11 e i b ift. Daburcß würbe er mitleibiger 
gegen bie Ernten, beren ed jo oiele wäßrenb bcr $un* 
gerdnotß gab. 

3 n ber S e b e n d f cß u 1 e gibt*ö niebere unb 
!) ö ß c r c klaffen. SJtancßc oon und muffen länger 
in ben nieberen klaffen audßarren ald Wnbere. Der 
üine wirb rafeßer in bie ßößeren klaffen beförbert, 
ald ber Rubere. Der ßimmlifeße Seßrmeifter tennt 
bie b c ft e H e i t, um und $u beförbern. ©inb wir 
geßorfame ©cßülcr in feiner ©cßule, fo wenbet er aueß 
bie b e ft e it Mittel an, um und borwärtd unb auf* 
märtd 31 t bringen. Der iierfer geßt mancßedmal bem 

M \t , bie Drübfal bem ©aterßaufe mit feinen bie* 
oßnungen boran. 

III. Sie würbe Zubern $um Segen.. Dad ge* 

fammte 01 f © g p p t e n d bürfte in golge ber 
Stanbedcrßöbung 3o|epbd ©egen unb Wufcen ernten. 
£d gab jebcnfatld aueß Weiber genug in ©gppten, 
melcpe meinten, bie bem Sofepl) übertragene Vöitrbc 
ftel)e in feinem ©erßältnifje ju bem bon ißm gelcifte* 
ten Dienfte. ©ie meinten woßl, ber köntg ßabe bie« 
fen SÄaitn über alle ©ebüßr belohnt. 3 n öcr 2 ^eue* 
rung aber würben folcße Weibßämmel jebenfalld an* 
berer Wnficßt. ©ie mußten betennen, baß ber reeßte 
VJtann ba am rechten ©la&e fei. Söie fegend* 

-- —» 


reieß war aueß S^fcpll’d ©eförberung für bad Heine 
©unbedoöltlein in kanaait. 

©ott fpraeß ju Vlbraßam: „ 3 <ß will bieß fegnen 
unb bir einen großen Warnen macßeit, unb bu 
fo 11 ft ein ©egen fein." Dad fagt er aber aueß 
Villen, bie er jegnet unb beförbert. 3 C meßr ®ott 
und beförbert in irbifeßen ©ütern, im Wang unter 
unfern SRitmenfcßen ober in ber ©eiftedbilbung, befto 
größer ift unfre (Gelegenheit, ber Mitwelt $um ©egen 
p werben, ©r wirb und $ur Wecßenfcßaft gießen, wie 
wir biefe ©clegenßeiten audbeuteten. 333 enn er und 
a. 33. in feine gamtlie ald kinber aufnimmt, fo ge« 
fdjieht bad nicht nur, um und au beglücfeit, fonbern 
anchr um bureß und bie ge ift ließ barbenben 
3Renfcßen mit bem Sebendbrobeju oerforgen. 

Knbeutungrn für bie UleinfmberHaffe. 

1 . ©cßilbere ben 30 feph Int kertcr. 
VBcr wirb gewößnlicß in’d ©efängniß gelegt? ©öjc 
VRenfcßen, Diebe, VRörbcr unb anbere ©erbreeßer. 
VRancßcdmal ßaben böfe VRenfcßen feßon gute üeutc 
cingetertert. ^ 3 aulud. 3 oßn ©umjait lag 12 3 «tßrc 
lang im ©ebforb ©efängniffe. ©0 war aud) Qofcpl) 
lein ©erbreeßer. SBeil er bad ©öje nicht tljun wollte, 
baßer mußte er im Werfer feßmaeßten. 

2 . 3eiQc, welcße Wolle bie Dräume im 
geben 3 0 f e p ß * d fpielten. Die eigenen 
Dräume (fteßc kap. 37, 5—10), welcße er ben ©rubern 
er&äßlte, würben Vlnlaß, baß er ald ©flaue naeß (Sgpp* 
ten fam unb feßließließ in ben Werfer gelegt würbe. 
Die Dräume bed Oberßof*©äcferd unb ©cßcnlen witr* 
ben Mittel, ihn aud bem ©efängniffe $u füßren. Die 
Dräume bed $ßarao, bie 3ofepß beutete, würben bad 
Mittel, ißm ben ^weitßöcßften Waitg im großen l£gt)p« 
terreieß 5 U berfeßaffen. 

M-- 


Sonntag, 17. Wpril. ^ofcpl) offenbart fub. 1 ®iof. 45 , 1 - 1 .-,. 


1. 2)a tonnte fid) ^ofepfj ntc^t lÄnßer entljatten üor aßen, bie 
nra ibn f)€t ftuuo» it, unb er rief: ßajfet jebermann oon mir b»n* 
aud geben. Uno ftunb fein Stenfeb bei tbm, ba ft(^ (fofepb mit 
feinen ftrübern betannte. 

i. Unb er rorinrte laut, ba6 e# bie dgbpter unb bad ©eßnbe 
Sljarao böreten; 

3. Unb ipraeb ^u feinen ©rübem: ^f<b bin QfoffPb- ßebetmein 
©ater noeb ? lluo feine ©rüber tonnten ibni nicht antworten, fo 
eTfdjraten ßc oor ietnem ^Itigeficbt. 

4. ®r fprad) aber ju feinen ©rübern: tretet boeb ber $u mir. 
Unb fte traten berau. Unb er fpracb: 3$ bin Sofepfj, euer ©rn* 
ber, ben ibr in ttgpjJten »erlauft habt. 

5. Unb nun befummelt euch nicht, unb beutet nießt, ba§ ich 
barum aürne, baft ihr mich bieber berfauft habt; benn um eure« 
ßebenä wißen bat mich (9ott oor euch ber gefanbt. 

6. 2)enn bie* fmb jmet Clabri ba§ ed tbeuer im ßanbe tß; unb 
ftnb noeß fünf 3abr, bag teilt ©ßügen noch Ernten fein toirb. 

7. Uber c^ott bat mich oor euch ber gefanbt, baft er euch übrig 
behalte auf (frben, unb euer geben errette bureb eine grobe Cr« 
rettung. 

8. Unb nun, ihr habt mich nicht bergefanbt, fonbern @ott, ber 


bat mich ©barao Aum ©ater gefeftt, unb aum $crrit über aß fein 
Vaud, unb einen dürften in gana Cgpptenlanb. 

9. Cif et nun, unb aiebet hinauf an meinem ©ater, unb taget 
ibm: 2)ad läßt bir 3ofepb, betn S'Obn, fagen: »ott bat miebaum 
^erm in gana CgbPten gefegt, Tomm berab au mir, jdume Dich 
mebt; 

10. 2)u foßß im ßanbe Oofen wohnen, unb nabe bei mir fein, 
bu unb beinc ftinber, unb beine ftinbedtinber, bein fhin unb 
groß ©ich, unb aße« wad bu baft. 

11. Otb miß bicb baielbft oeriorgen: benn ed fmb neeb fünf 
^abr ber Xbfnernng [ auf baß bu niept oerberbeft mit beinern 
$aufe, unb aßem, baß bu baft. 

12. Siebe, eure ©ugen feben, unt bie ©ugen meined ©ruber« 
©eujamin, baß ich müublicb mit eueb rebe. 

18. ©ertünbiget meinem ©ater alle meine §errliditfit in Cgop* 
ten, unb aße», wad ihr gefeben habt; eilet, unb tommt bernicber 
mit meinem ©ater bierper. 

14. Unb er ßel feinem ©ruber ©enjamin um ben $aft unb 
toeinete; unb ©eniamiu meinetr auch an feinem ^alfe. 

15. Unb rüffete aße feine ©rübet, unb weincte über ße. $ar* 
nad) rebeten icinc ©rüber mit ibm. 


Qtiltfd|er ©nutbgrbaufr. „Ueberwinbe bad 33öfe 
mit ©utem." Wöm. 12 , 21 . 

ftnleihiug. 3 cit: ^ CUIt 3 a ^ re öen ® rei 9 s 
nijjen ber oorigett Seition, 1700 oor (£ßr. Ort: 
heliopolid, jpauptftabt Unteregßptend. ©ie lag 
etwa 150 SWeilen oon Hebron, bem SBoßnorte 3&* 
fobd. ^erfonen: 3 a ^b lebte noeß unb warun* 
gefäßr 130 Satyxe alt. @r woßnte mit feinen 11 
Sttßnen §u ^ebron. 93enjamin war etwa 24 
3übre alt. 3 o f c p ß $äßlte 29 3aßre, oon benen er 
22 m ©gppten oerlebte, nämlicß 10 ald ©Habe, 3 im 
kerter unb 9 ald bed Äönigd erfier SWinifter. Die 


93rübcr 3°f c P^ ntaeßten jwei Weifen naeß 
©gppten wäßrenb ber Dßeuntng. ©ie ßaben ijn wc* 
ber bad erfte noeß bad AWeite 3Äal erlannt. ©r aber 
erlannte fie fogleicß. Diefe fieltion berichtet, wie er 
fieß feinen 93rübern entbeclte. 

©rflantng. 

93.1. 2. 3°fepß ßattc feine 93rüber geprüft. 9lld 
er in Solge btefer Prüfung fanb, baß fie bußfertig 
feien unb oollcr Sttitgefüßl gegen ben 3 $ater unb ißren 
lüngften ©ruber* ald er faße, wie bereit 3 “Do 
an ©enjamind ©teile in ber knecßtfcßaft prüdp« 
bleiben; ba tonnte er bem Drängen feined /perlend 


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216 


Sontitagfd|ul*f(ktioR(ii. 


nid)t länger »iberftefyen. ®rmu& ftd) i^nen of* 
fenbaren. (Sr fenbet beopalb bie egpptifcpen 
Wiener unb Beamten prnauä. (Sb gefepap bieb 
au* $artfüplcnber SKücfficpt auf feine trüber. (Sr 
sollte ipnen nicf?t mepc tpun burd) bie öffentliche 
©lofcfteUung ihrer früheren ©ottlofigfeit. Staunt mar 
er aUein mit ben trübem, ba übermannten ihn beffen 
©efüple. (Sr meinte jo laut, baß bie draußen* 
ftepeitben ihn hörten. 

©. 8 . XieSirfungbiefer&nfünbigung 
fann man fich leichter oorftellen, alb befchreiben. 
tsBibtjer glaubten fie 3 appnatp qSaaneap, einen 
popen Beamten beb Stönig*, oor fiep |u paben. 
©loplicp gepen ipnen bie klugen auf. Sie fepen ben 
langoerlomten trüber, an bem fie ftd) fo fdjmer oer* 
jüubigt patten, oor fiep. Stein Sunber, baß fie er* 
bleicpten unb oor Scprecfen feine Sorte fanben. 

®. 4. 5. 51 m 3o)epp fiep ju erfennen gab, miepen 
beffen trüber enrfept $urücf. ®r forbert fie jeboep 
freunbliep auf, näper $u treten. (Sr gibt ipnen auep 
fogleicp bie gujicperutig, baß er ipnen niept jürne, 
trophein fie ipit mept nur unbrüberlicp, fonbern fogar 
unmenfepitep bebaitöelten. ©r tonnte niept mopl an* 
berb, alb iprer früperen ©ottlofigfeit ©rmcipnung $u 
tpun. Äber jept, mit meid)* jartfüplenber 
Siebe gefepieptb! (Sr errnapnte fie, fiep boep niept bem 
felbftquälenben Stummer pin^ugebeit. ©ott pabe ja 
Vllle* Autn ©eften gelenft. 

®.o—8. Xieje ©egebenpeit ereignete ftep 
alfo im ^weiten 3ip* öcr Xpcurung. 9tocp 5 ftapre 
lang follte bie ufttßerntc, unb tpr $u golge bie 
•punger*notp roäpren. 

3 ofepp erfennt unb betennt bie leitenbe §anb 
©otte* in jeinem Seben. Xie ©rüber öerfauften 
ipn, um ipn lob $u merben. Sie mollten ipn Aum 
Sflaoen maepen; ©ott aber maepte ipn $u einem gür* 
ften unb (Gebieter in gan$ ©gpptenlanb. 

Senn eb ben s i)ten[cpen gelingt, in ber Seit empor 
£U tlimmen, fo finb )ie nur 511 geneigt, ben (Sr f 0 lg 
iprem gleiß, X a f t, © e n i e ober iprer % ub* 
bauet aujufepreiben. gofeop aber erfennt eb banf* 
bar an, bag ©ott ber ©aumeifter feineb 
© l ü cf e b ift. 5lucp erfennt er, baß ©ott burep feine 
©eförberung einen 3 ^ecf im 5 luge patte. (Sr foll in 
©otte* §anb ber fetter beb aubcrmöplten ©ölfleinb 
merben, roelcpeb fiep ©ott erfor, Xräger beb §eüb 
äu fein. 

©. 9 — 11 . ©on ben ©rübent eilen nun gofeop’* 
©ebanfen $u bem in ber gerne meilenben greifen 
©ater. (Sr fertigt bie ©rüber alb ©oten an ipn ab. 
Sie foUen eilen, geber Xag, ja jebe Stunbe beb 
©erjugb berurfaept bem ©reib $u £ebron bange 
Sorgen. 

Xa bie Xpeuerung noep 5 gapre bauern mirb, fo 
fenbet er bem ©ater eine bringenbe ©inlabung, boep 
mit ber ganten gamilie, mit Stnecpten unb SOtägben, 
furj mit beffem aanjen ©efl& naep (Sgpptenlanb 5 U 
fommen. Xa* Saab © 0 f e n miß er ipm jum Sopn* 
fi|e geben. Xie jer Sanbftricp lag auf ber 0 ft j e 1 1 e 
beb 'Jf ilb, Amifcpen bem tanitifcpen&ilarm unb bem 
peträifepen Arabien. Xerfelbe erftreefte fiep oon bem 
^fengalepfee unb ben bortiaen 9ttarjcpen im ÜRorben 
bib gegen Jpeliopolib im Suben pin. Saprfcpeinlicp 
mar* ein unbemopnteb Sanbgebiet, melcpeb 
fid) für S e i b e a m e cf e befonberb eignete. 

©. 12. 18. Xa ipre 5lugen ipn fepen, ipre 0pren 
ipn pören, fo fönnen fie ben ©ater überzeugen, 
baß er leine ©efapr laufe, menn er ber ©inlabung 
golge leifte. Sollte er bem 3 e u g n i f f e ber 51 n* 
bern fein ©ertrauen fepenfen, fo mürbe er bem 
Sorte beb ©enjamin glauben. 


(Sb mar niept (S i t e l f e i t, melcpe ben ©rübern ben 
Auftrag gab, bem ©ater oon feinem popen Stanbein 
©gppten $u er^dplen. gofepp gab biefen Auftrag, 
1 . um ben ©rübern bab © e ft ä n b n i ß 1 p r c * 3 u g b 
unb ©etrugb bem©ater gegenüber $ u e r* 
leid) lern; 2 . um bem ©ater burep bie Sftacpricpt 
feineb Soplergepenb $u tröften unb £u beru* 
bigen; 3. um bem ©ater ben ©emeib $u lie* 
fern, baß er im Stanbe fei, bie gern ad) ten ©er* 
jpteepungen au erfüllen. 

©. 14. 15. ©enjamin mar niept gofepp’* £alb* 
b r u b e r, mie bie anbern. Sie mären beibeSöpne 
©apel*b. Xaper lüjfete er benjelben ^uerft unb 
meinte Xpränen ber greube in feiner Umarmung. 
Sobann füßte er bie übrigen ©rüber, um fie oon feiner 
brüberlicpen Siebe <ju oerficpern. Xa* 
burep füplten bie ©rüber fiep berupigt. (Sine län* 
gere Unterhaltung entjpinnt fiep,mapreubmel* 
qer man fiep gegenfeitig ©eriept erftattet über bie ge* 
maepten (Srfaprungen. 

tpraftifipe ©ebanfen. 

Sofepp’b ©ntpüßüttgett. 

I. Seine ©erfönliipfeit. ©. 1—8. Xie 3cit ift 
gelommen, ba Sofepp fiep ben ©rübern entp üllen 
fann. gatobb Söpne finb burep bie (Srjapruugen unb 
Seiben beb Sebenb milber gemorben. ©in anberer 
©eift befeelt unb regiert fie je$t, alb oor 22 gapren. 
9Ucpt 3uba nur, auep bie übrigen ©rüber finb 00 H 
ängftlicper Sorge um ©enja in in. Sdjienen 
bie Umftaitbbbemeife auep auf feine S^ulb^u beuten, 
fo möepten fie ipn boep retten. Sie roijfen’b, feprt 
©enjamin niept mieber mit ipnen jurücf, jo iffb beb 
©aterb Xob. 

^nba’b 3tebe, namentlich aber beffen ©ercitmillig* 
feit, fiep für ©enjamin $u opfern, erjepüttert ben go* 
fepp gemaltig. ©r fiept, baß fie ©ater unb ©ru* 
ber lieben. 9tun entpüllt er fiep ipnen. ©eaeptet, 
mit melepem 3<*rtgefüpl eb gefepiept. Selcp’ ein 
©eifpiel paben mir ba, oon bem Sieg beb ©uten 
über bab ©öfe. Qofepp jeigt unb, m:c mir bab 
©öfe überminben fönnen. (Sr panbelte naep bem bib* 
lifipen ©runbgebanfen: ,,Ueberminbc bab ©öfe 
mit ©utem." Xurcp ©emalt fann man geaibe un* 
terbrüefen; nur burep Siebe fann man fie gemimten, 
©öfeb mit ©öfem oergelten, oernieprt nur bab ©öfe, 
fann aber nimmer bie ©Öfen geminnen uio retten. 

Sie^ofepp mit feinen ©rübern, fo Oer« 
fäprt ©oft mit bem Sünber. Senn ber Sün* 
ber rceptfepaf f ene grüepte ber ©uße an ben 
Xaa legt, fo oergibt er ipm um $efu roiUen alle 
Sunb en. Senn berfelbe bie Saften ber Sein b* 
[epaft nieberlegt, fo beglüeft ipn ©ott mit feiner 
greunbfepaft unb Siebe. 

II* Xul Salten ber ©orfepnng. ©.4—8. Xrei* 
mal meift Q[ofepp bie ©rüber auf bie XpatiiAe pin, 
baßbie$anbber©orfepunaipnnacp(lgpp« 
ten gefüprt unb $u einem gürften 1 n bie* 
fern Sanbe gemacht pabe. ©ott bebiente fiep 
ber böfen Xpat, bie 3 afob’£ Söpne oerübten, um 
feine 5lbficpt ju erreichen. (Sr beburfte jeboep ju bie* 
fern 3toecfe jene Xpat niept. Um feine glbfiipien $u 
erregen, ftepen ipm unjäplige Mittel ju ©ebote. 
XerUmftanb, baß ©ott 5 Ule$ fo leitete, baß felbft 
ipre böfe jpanblung jum ^eil umfcplug, entfjpulbigt 
btefelbe niept. ©4 mar unb blieb eine Sünbe, für bie 
fie oerantmortlicp maren. 

Xiefer Umftanb aber fonnte unb follte 
ipnen gum Xrofte bienen jept, ba fie ipre 
©ottlofigfeit einfaben unb bereuten, ©eleprenb unb 
troftreiep ift biefe Xpatfaepe in ber©efcpicpte 3ofepp’4 


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ÄonntagfdjuUfthHonen 


217 


für alle ©otteSlinber. ©ott leitet alle Xtnge fo, baß 
felbft baS Söfe gur Serßerrließung feinet Samens 
unb gum fBoßl feiner $inber bienen muß. ©r 5 er* 
jtört beS SWenfcßen SBiflen nießt, aber er bebient fieß 
beffen §anblungen fo, baß ber 3 ttenjcß oft wiber 
SBiHen Dem göttlichen $lane bienen muß. SBie hoff* 
nungSloS unb ounlel märe unfer Sehen tjienie* 
ben, menn baS blinbe ft atu nt ber Reiben, ober 
Dämonen, ober auch Stenfeßen über baS ©eßief* 
fal ber SWenfcßen oerfügten. ©S ift aber ein all* 
mächtiger, allmeifer unb allgütiger ©ott, 
ber unfere ©dritte burcß’S Sehen lenft. SBenn mir 
@ott bienen, fo mirb er feßon ©orge tragen, baß aUe 
$inge und gum Seften gereichen. 

III. ftinDliiße jPietät. ®. 9—13. Pietät meint 
unter Anbcrm: ®anfbare Siebe unb ©rge* 
benßeit beS ÄinbeS gegen bie ©Item, 
©ine folcße banlbare ÄinbeSliebe enthüllt in 

ber Seftion. ©ein Sater fott naeß ©gßpten tommen, 
bamit er ißn oerforgen fann. $ie 22 jährige $ren= 
nung f^at baS fteuer ftnblicber Siebe auf bent^ergenS* 
beerb mißt auSgelöfcßt. 

-- -» H —►* 


©0 follen aud) mir unfern ©Item in bant- 
barer Siebe ergeben fein. SGBie haben fie fieß 
boeß für uns aufgeopfert, ba mir noch ßülfloS maren. 
2Bir follen uns beS SaterS ober ber attutter nie feßä* 
men, unb menn uns ©ott aueß nöcß fo ^od) in ber 
2Belt fteHt. 3ofepfa fdjämte fieß feines SaterS nilßt, 
obfcßon er ber gweite Stegent im großen ©gtfpterreuß 
mar. %n ftranfreieß feßwang fid) eines Säuern ©oßn 
im £eere oon ber unterften ©tufe bis gum $aupt* 
mann empor, ©inft befuebte ihn ber Sater. ®er 
©oßn ftettte ißn auf ber Sarabe bem Dberften beS 
Regiments oor. ©taunenb unb läcßelnb empfingen 
bie übrigen Offiziere ben greifen Sauer, ©ie batten 
geglaubt, ber $auptmamt ftamnte aus einer angefeße* 
nen ftamilie. ©)er Dberft berichtete ben Sorfau an 
föönig Submig XIV. ©r ließ ben $auptmamt an 
ben $of tommen. „Jperr £auptmann," fpraeß er gu 
ibm, „üß freue mich einen reeßtfcßaffenen $Jiann mci* 
neS SanbeS tennen gu lernen, uno bemitlige Sßnen 
ein ftabrgeßalt oon taufenb Xbalern, bamit ©iejftßre 
©Item beffer pflegen tonnen." ©)ann umarmte eribn 
oor bem ganzen §of. 

•o—KH-- 


Sonntag, 24. April. < 3 ofCttl) tttlb feilt * 1 Stof. 47 , 1 — 12 . 


1. Xa tarn ^ofepb, unb faßte e$ ^Stjarao an, unb fpracb: Wein 
Cater unb meine förüber, ihr fletn unb grofe ®ieb, unb alle«, ma« 
fie haben, ftnb tommen au« bem 2anbe Ganaan; unb fiebe, fie 
fino im ßanbe ©ofen. 

2. Unb er nahm feiner jfingften fBrfiber fünf, unb [teilte fie bor 
$barao. 

3. Xa fpracb ^fiarao ju feinen Srfibern: 3Ba« ift eure 9taf) I 
nmg? ©ie antmorteten: Xeine ft'nccf)te finb Siebbirten, totr 1 
unb unfere Säter; 

4. Unb faßten meiter $u Sbarao: SBir finb tommen, bei euch 
ju roobiten im Sanbe; benn beine Unechte haben nicht ©eibe für 
Uu Sirb, fo hart bructet bte Xbeuerung ba« fianb Ganaan; fo lag 
hoch nun beine ßnedjte im £anbe ©oien mobnen. 

5. Sbarao fprach ^u ^ofepb: Gs ift bein ©ater, unb finb beine 
©rüber, bie finb 411 bir tommen; 

6. Xa« Sanb ®ßbpten ftebet bir offen, lag fie am beften Ort 
beo Sanbe« mobnen, lag fie im £anbe @ofen mobnen; unb fo bu 


meigeft, bagSeute unter ihnen finb, bie tüchtig finb, fo fege fie 
über mein Sieb. 

7. Sofcpb brachte auch feinen ©ater ftatob hinein, unb ftcöete 
ihn oor ©barao. Unb ^atob fegnete ben ©barao. 

8. ©barao aber fragte 3afob: ©ie alt bift bu ? 

9. 5afob fpracb äu ©borao: Xie 3«t meiner ©aUfabrt ift 
bunbert unb breigig 3abr; roeniq unb böfe ift bie 3rit meine« 
2ebeu«, unb langet nicht an bie Beit meiner Sätcr in ihrer ©all^ 
fahrt. 

10. Unb Batob fegnete ben ©barao, unb ging brrau« oon ihm. 

11. Slber Ofofepb febaffte fernem ©ater uno feinen ©rübern 
©Sobnung unb gab ihnen ein ©ut in Ggbptcnlanb, am beften Ort 
be« Sanbe«, nantlicb im fianbe ©aemfe«, mie ©borao geboten 
batte. 

12. Unb er oerforgte feinen ©ater, unb feine ©rüber, unb ba« 
an*e #au« jeine« ©ater«; einen jeglichen, nadjbem er Uinber 
attc. 


Siblifcbcr ©runOarbanfr. ,,©bre Sater unb 9Wut= 
tcr, baS ift baS erfte ©ebot, baS Scrßcißung böt." 
©Pb- 6, 2. 

©mleitttitg. Reit: 1706 o. ©br., wenige Monate 
nach ben ©reigniffen ber oorigen Settion. ©d)au= 
plafe: ipeliopoliS, Siefibenjftnbt beS KönigsaipopbiS 
unb 00 S Sanb ©ofen. 

SerbinbungStette: ftofepb’S Srüber fehrten 
nadj ©anaan jurürf. ©ie tbeilten bem Sater mit, \ 
boß 3oiepb noch lebe. ©)er ©reis tonnte eS guerft j 
nicht faffen. 911S er jeboeb bie oon fjofepb gefonbten 1 
^agen fab, ba feßwanben alle 3 tüC U eI toi® alebel oor 
ber ©onne. ©)er greife Qftfob lebte neu auf. ©ofort 
traf er bie notbtoenbigen Slnftalten, um bie lieber^ 
iiebelung nach ©gppten gu betoerffteHigen. 
4üS ber Äeijegug fieß enbltd) ^eliopoliS näherte, ba 
jog Sofepb bem Sater entgegen. ©)aS SSieber¬ 
leben mar äußerft rübrenb. Qofepb umarmte ben 
Sater unb meinte Xb^nen ber greube. ©obann 
folgt bie Seftion, in ber uns berichtet wirb, wie 3 0 * 
fepb bie©einigen bem&önige oorftellte. 

©rflamng. 

©. 1. 2. Dbfcbon 3ofepb, in Solge ber tönigli^ 
eben Serorbnung, ein $err über gang ©gpp^ 
tenlanb ift, fo miß er in biefem Sfalle nicht ohne 
beS Königs SBifJen unb SBillen bnnbeln. Xie ©)anf* 
barleit gegen feinen SBobltbäter bringt ihn, bemfelben 
bie Slnfunft ber ©einigen gu melben. ©r ftellt bem^= 


felben fünf feiner Srüber oor. 9Iber nicht, wie 
Suthcr überfept, „feiner jüngften Srüber fünf." 

©S b^ßt: „%uS allen feinen Srübern 
nahm er fünf Scanner." ©r läßt ben ftönig 
merten, baß eS ihm lieb wäre, wenn er ben ©einigen 
baS Sanb ©ofen gur Serfügung ftellte. 3fn 
Setreß biefeS SanbeS fiebe ©rtlärung beS 10. SerfeS 
ber oorigen Seftion. 

S. 3. Wirten waren ben ©gpptern ein 
© r e u e l. ©)a Qofeph’s 2lngebörige nebft Sichgucßt 
auch aicferbau bertrieoen, fo hätte er fie gang wahr* 
ßeitSgemäß als 2l<ferbebauer oorftellen fönnen. ©ie 
wären babureß im ainfeßen ber ©gtfpter geftiegeu. 

2lber barin lag ©efaßr für bie QSraeliten. ^ureß 
ben Serfeßr mit ben ©gifptern, welcher babureß angc* 
baßnt worben wäre, würben fie aueß nadj unb naeß 
.bem egifptijcßen Aberglauben unb ©öpenbienft an* 
ßeimgefallen fein. $aburcß wäre bie ißnen Oon 
©ott gegebene Seftimmung nießt erreießt 
worben. AIS §irten aber gehörten fie gu einer Stafte, 
bie religiös unb gef ellf cßaf tlicß ben ©gpp- 
tern ferne ftanb. 

©. 4—6. SofcMS Srüber tßeilen bem Könige 
mit, fie feien nacß©gtfpten gelommcn, nießt um Sür* 
gerguwerben unb fieß für immer im Sanbe nie* 
bergulaffen, fonbem um bafelbft baS ©nbe ber 
3>ürre unb Xßeuerung abguwarten. 

$er$önig tßut nun ein 3 f oeß eS. 1. ©r 
gibt bem 3ofepß ben Auftrag, ben ©einigen einen 


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218 


Sonntagrd|ul^|eMtottett. 


guten SBobnfiß im Sanbe anjumeifen. 

2 . Soll er Solche unter ißnen, melcße bie gäßigfeit 
befißen, al3 0berßirten feiner^eeroen an* 
(teilen. $)ic3 tt)at er, entmeber um ba3©efüßl großer 
Verpflichtung ihnen $u nehmen, ober um fic burch ein 
folcße3 Wmt ju ehren. 

8 . 7. gofepß fcßärnt fich feinet 8ater3 nicht. (Sr 
{teilt auch ihn bem ftönig oor. 2113 Abraham einft, 
oon bem £>errn nicht gejanbt, nach ©gt)pten ging, ba 
brachte er Unheil über ben bamaligen £önia. 2113 
aber g a f o b, oon beni öerrn geführt, nach ©gßpten 
tarn, ba brachte er bem Könige einen 6 e g c n mit. 

8 . 8 . 9. $e3 $önig3 grage mürbe ameifel3oßne 
bureß bie greife ©rfeßeinung be3gafob heroorgerufen. 
gafob nennt fein Sebcn eine SSallfaßrt ober 
$ i l g e r f cß a f t. 9ttancße meinten, er tßue ba3, meil 
erein Womaben* ober SBanbcrleben geführt habe. 2lu3 

t ebr.'ll, 9—13 erfehen mir jeboeß, baß er eine höhere 
eben3anfcßauung hatte. ©r meinte, bie ©rbe fei 
feine ^eimath nicht. 3>ie3 irbifeße Sehen fei nur bie 
Weife nach ber emigen öeimatß. 21 b r a ß a m mürbe 
175 unb g f a a f 180 gaßre alt. g a t o b mar hin* 
gegen nur 130 gaßre alt. 2)e3 Seben3 borgen, ©rant 
unb Kummer hatten ihn öor ber geit gealtert. (Sr 
lebte noch 17 gaßre nach feiner 2lnfunft in ©ggpten. 

8 . 11 . 12 . gofepß beeilt fich nun, feine 2 lnge* 
hörigen nnter^ubringen. (Sr 1 meift ihnen bie f r u d) t* 
barfte © e g c n b i m Sanbe ©o fen an. ©3 
mar in jener ©egenb, mo fpäter bie Stabt Waemfe3 
erbaut tourte. (Sr oerforgte fie auch mit bem erfor* 
berlichett 8 rob au3 be3 S£onig3 ftornßäuferu. Seine 
(Sinnahmen mareit bebeuteno genug, um ihm biefe 
großartige greigebigteit ju geftatten. 

Vraftifdje Gebauten. 

8or bem ftouigr. 

I. gofepß’« 8rüber. 8. 1—6. 

1 . 8 e i m Könige a n g e f ii n b i g t. Obrnoßl 
gofepß ein £>crr ift über gan^ ©gpptenlanb, fo Per- 
gißt er boeß feine3meg3, baß nocß ©iner über 
ihm ftehe. (Sr erzeigt ihm bie gebührenbe 
©ßrc, inbem er bie 2lnfunft ber Seimgen ißm melbet. 

,,©ßre, bem bie ©ßre gebühret/' fagt ber 2 lpoftel. 
Ber Schüler foü bem Sebrer, Der Seßrling bem 9Äei* 
ftcr, bie ftinber ben ©Itern, bie ©emeinbegliebcr bem 
©entließen unb bie 8 iirger ben obrigfeitlicßen 8 er)*o* 
neu bie gebührenbe Sichtung crmeifeit. 

2 . Wach bem 8 eruf befragt. fßßnmo’3 
grage feßte Porau3, baß gofepß’3 93rüber feine ii f* 
figgänger feien, fonbern eine 8 efcßäftigung 
haben, gebe Wegierung hot ba3 Wecßt, ja bie $flicßt, 
pon ihren Untertanen ^u forbern, baß gebroeber 
bureß gleiß unb Jhätigfeit $um allgemeinen 2 $oßl* 
ftanbe beitrage. 6in3 ber ältefteu ©cbotc ©otte3 
lautet: „gm Schmeiße beinc3 2lnaeficßte3 follft bu 
Dein 8 rob effen." 2lrbeiten follen mir. 2ttüf* 
jtagang ift aller Saftcr 2lttfang. ^erfclbe ift be3 
ieufel3 Wußebanf. ©in alter ©ßrift pflegte 511 jagen: 
„ 8 e[fcr abgenußt al3 oerroftet." 

3. gßr ©ntfcßluß erflärt. gofcpß’3 8 rüber 
teilen bem Könige mit, baß fie nur mäßrenb ber 
Xßeuerung ißren Söoßnftfc in©gßptcn auf ^ltfcßla* 
gen gebäeßten. „Ster SWenfch benft, aber ©ott lenft." 
So gefcßaß’3 auch hier. Wicht etliche gaßre nur, 
fonbern etlicße gaßrßunbertc füllten bie g3* 
raeliten in ©gppten bleiben. „gebermann3 Gänge 


tommen Pom §erm." Spr. 20, 24. gebermann hat 
bie greißeit, feinen 2 Beg flu mäßlen. gür biefe SBaßl 
ßält ißn ©ott üerantmortlicß. 2lber e3 ift nießt geber* 
mann überlaffen, all* bie golaen ju beftimnten, melcße 
au3 feiner Söaßl entfpringen follen. 

4 . gßre Vitte mirb gemäßrt. fßßarao 
gab bem gofepß ben 2 (uftrag, ben 2 lngehörigen im 
Sanbe ©ofen einen meibercicßcn Stricß ^um ^oßnßße 
an*umeifen. ©3 mar ißm lieb, baß er bem gofepß 
auf biefe SSeifc feine 2) a n t b a r t e i t bezeugen ronnte. 
gofepß ßatte ja fo oiel für ißn unb fein Weich getßan. 

i)anfbarfcit ift eine feßöne % ugenb. „Sei bie ©abe 
noch fo tlein, banfbar mußt bu immer fein." ge 
meßr gemanb für un3 getßan hat, befto meßer tßut’3 
ißm, menn mir un3 unbanfbar ermeifen. Äinber 
aßnen^ feiten, mie Piel fie ben ©Item gefoftet ßaben. 
Unb aeß, wie fdjmerjt e3 fie f menn bie Ämber e3 ißnen 
mit Unbanf lohnen, ©rjeige ihnen be3ßalb Deinen 
5)ant. Siebe fie. Sei ißnen gehorfam. 

5. Xer 8 efebl jur 8 ef orberung. Xücß* 
tige Wtänner (oll gofepß unter ben 23rubern ßer^ 
auöfucßcn unb ju Oberßirten über bie töniglußen 
beerben feßen. SSa3 Pharao forberte, ba3 ift ba3 
große 8 ebürfniß unfererReit—tücßtigeSWänner. 
2 öir brauchen fie in ben ©e m e i n b c 11 , Sonntag* 
fcßulcn, im Staate unb in ber ©efchäft3* 
m e 11. Xer Sonntagfcßule gmect ift, folcße SWänncr 
ßeranjubilben. 

II. gofepß « 8ater. 8. 7-12. 

1. gofepß ft eilt ißn Por. ©r feßamte 
f i dß f e i n c 3 V a t e r 3 n 1 cß t. ©r betrachtet e3 al3 
eine größere ©ßre, ber Soßn gatob’3 ^u heißen, al3 
ber gmeitgrößte im großen ©gppterreid) p fein, ©in 
$inb foll ben 8 ater eßren, er fei, mer er molle. 

gn SSien ging einmal ein rnoßlgcfleibeterjunger 
§crr bie Straße entlang. 3)a tarn er an eine Scßaar 
pon Sträßingcn Porbei, meldie bie Straße fegten. 
Sie trugen ißre Sträßing3trad)t. “2)er junge i^err 
trat an einen heran unb füßte ißm eßrfur^t3* 
Poll bie Jpaub. 2lm genftcr ftaub ein faiferlidßcr 
Watß, meldjcr bie3 faß. ©r ließ ben günaling rufen 
unb fagte ißm, e3 feßiefe fieß ni^t, einem UWiffcthäter 
bie §anb ^u fiifjen. $a entgeanete ber junge $>err: 
„ 2 lber biefer 2 Kiffetßäter ift mein 8 a* 
ter." 5)a feßmieg ber Watt). 2 lber ber güngling 
mar fo in feiner 2 td)tung geftiegen, baß er beffen 8 e* 
förberung bemirfte. 

2 . gatob fegnet ben $önig. 2)a3 mar 
eine mertßPolle ©abe. ©3 mar nießt blo3 eine 
gemößnlicße Begrüßung, fonbern ba3 ©rflcßen 
be3 göttlichen Scgcn3 auf ben $önig. 
^ßarao mar aüerbing3 ein $eibe, aber aucßgafob3 
unb feiner Sößne ^feoßltßäter. So follen mir 
für alle Wtenfcßen beten. Unfere gürbitten follen 
emporfteiaen p ©ott für Obrigteiten unb Wegenten, 
für ©lauoige unb Ungläubige; mir follen beten nießt 
nur für greunbe unb SBoßltßäter, fonbern aueß für 
geinbe unb 8 erfolaer. 

3. gatoberjaßlt feineSeben3gefcßicßte. 
©r nennt fein ©rbenlcben eine Wallfahrt, b. ß. eine 
8 ilger}cßaft. ©t War ein S5?anbcrer. ©r be= 
^eießnet biefe ^ilgerfcßaft ferner al3 eine t u r $ c unb 
al3 eine leib Polle. ©inV* l g cr biftaueß 
b u. $eine3 8leiben3 ift auf ©rbeu nießt. ^u mall 
faßreft nach einem anbern Sanbe. Sebft bu für bie 
©rbe nur? Ober manberft bu al3 ©ottc3pilgcr burd) 
bie3 ©rbcntßal ^ur §immel3ßeimatß? 




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Um Hämin. 


219 


Jltn Hamitt. 


'Äugeburger Spottblatt auf bie 9)tobetbor= 
betten be? 18. 3ahrhunbert8. 

So fd?on peränbern fid? bie HToben mit ber geit, 

Dem einen alles eng, bem anbern alles meit. 

IDieeine fjäringsfecl’ ift jene an 3 ufd?auen, 

Die anbre briijtet fid? als mie bie fio^en Pfauen, 

Die nehmen bie Hatur pon einem IHinbljunb an, 

Dag man bes £ad?ens fid? oft ntd?t enthalten fann. 
Die anbre fdjtpellt fic^ auf roie eine bay’rifcfje Hubel, 
Unb jener gef?t halber, als mie fein alter Hubel. 

Skpoleonifche# üaiferwetter. Napoleon« 
I. ©encralfefrctär unb Qnfpirator ber ab= 
hängigen Ißreffe, SJiaret, lieg e# fich ftet# fefjr 
angelegen fein, für feinen ©mpereur frfjönce-. 
Setter ^erjuftetlen, nnb ba i(jm bie# natürlich 
nicht immer nach Sunfd) gelingen tonnte, be= 
gann er allmählich in ben Berichten be# Setter# 
ju fälfchen. ©eroöfjnlich fcfjtoß er folch ein 9te» 
ferat mit ben Sorten: “Le eiel memo fait 
ln cour d l’empereur” (ber $immel felbft 
macht bem $aifer ben £>of). 211# am 5. ®ej. 
1804 bie Bertheilung ber faiferlichen 2 tbler auf 
bem 2Rar#felbe erfolgte, ftrömtc ber Stegen 
molfenbruchartig hemieber. 53 er mastige fßla& 
oertoanbelte fich in einen Sumpf, unb SJlenfdjen 
unb Bferbe waren burcfjnäfjt unb froren erbarm- 
lief). Tiefer Xpatfadje gegenüber War man auf 
ben Bericht im „fOtoniteur" gefpannt. Unb 
fte^e! — bcrfelbe lieg alle# ftrahlen unb gtän 
jen in einem SKcer öon ©ntjücfen unb fdjilberte 
ben gnthufia#mu# ber SJtenge. Stur ganj am 
Sd)luffe bc# umnäjjig langen Slrtifel# finbet fich 
ganj oerftccft jmifchen afierhanb Bb ra ? en b ; e 
Üeine Stotij : „Mcrbing# mar bei biefer fo 
glänjenben geier ba# Setter nicht ganj fo an= 
genehnt, roie man e# hotte erwarten unb roiim 
fchen follcn; allein, unter ben oielen Taufcnben 
3 ufd)auern war nicht einer, ber ba# nicht über 
bem 3 ubel, feinem ®ntf)ufia#mu# unb feiner 
Begeifterung oergeffen hätte.“ 

St Stuffenlebber bun Bruutftanb un 
(fgeftanb. 

Hon Daniel Bartels. 

($lnttfcentf<6.) 

H)em batt Ptlltd?t nod? nid? befannt, 

EDie in ben Braut* un <£fjejianb 
De Uutbrucf ber Hertrooltd?feit 
Sief naf? un naf? peräitnern beil?t, 

De folg* — f?e fallt ba nid? tjeubabl 
ITIt op be Stuffenlebber mal. 


(Emec ^mtglüüb alfo f>er>t fif alleen, 

Un 3eber benft for fief alleen, 

E?e: ,,De perfon is tpürfltd? nett I" 

Se: ,,tDatt be ininfd? för’n Unfianb l?ett !" 
Un mang Befannte fprirft nal?l?er 
Se benn pun (Ern un f?e nun €l?r. — 

Se braapt fitf b’rob bie’n £ufipartie 
Un nennt fief gegenftebig Sie; 

3 nbeffen nal? en Baubeipul? 

Herfallt Se halb op Du un Du, 

Un enblid?, enblid? riitft fe ’ruut 
2Tlit Brojam Se un f?e mit Brnut. 

Bet to be l?od?tiet bliot batt fo; 

D’ropp fegt Se UTann un £?e feggt ^roo. 

Bie’n erften lütllen (Erallala 
Ejeet Eje papa itn Se Ulama. 

Kummt mit be (Eiet en Hahmufi bann, 

Un rnaff’t be (5öor’n nu flott heran, 

Derfteiijt fid?, batt man, mie’t fid fd?icft, 

Hun Habber un pun UTubber .fprirft. 

Dod? menn fid erft be (Enfel reugt, 

So fittbe Beiben fef?r pergneugt 
Dagbäglid? in ben pulfierftoljl, 

Se als be 0olfd?, E?e als’be 0ol. 

<En annera Hamen friegt fe nie; 

Ha, (Sott erljool jem man babi! 

$ie flröftte bieder bon &uftfd)ijfern er* 
reichte £öhe betrug etwa 36,000 gug. $aä 
Söagftüd biefer ga^rt Würbe am 5. September 
1862 bon beit ©elefyrten ©laiffjer unb ßo^well 
unternommen, bie fid) üorgefe^t Ratten, fo lange 
5 U fteigen, al^ e3 nur irgenb bie Si^er^eit 
il)re3 Sebent geftatte. 9Jlül)fam nur atmeten 
fie bie für i^re Sungen $u bünn geworbene Suft; 
^er^tlopfen unb ßfjrenfaufen fteüte fid) ein, 
ba§ Slut bro^te bie Slbern an ben Schläfen p 
^erfprengen, bie ginger erftarrten unb üerfag= 
ten jebe ©ewegung, aber bie SBiden^fraft ^ielt 
fie aufrecht unb immer wieber liegen fie ben 
Sanb au£ ber ©onbel rinnen unb trieben ben 
©allon aufwärts. ®laifger fiel in Oljnmacgt, 
fein ©efägrte tgat niegt^, um ba3 2 luffteigen 51 t 
mägigen; feine 2 lugen auf bie ^uftrumente ge= 
geftet, Herfolgte er ba£ Sinfen ber Duedfilber^ 
faulen im Sarometer unb Sgermometer, al^ ob 
er fid) im Dbferüatorium in fitew befänbe. 
SÖlit ben gälten ^ielt er ^ule^t ben gaben beä 
Sentit feft, unb erft ate er füllte, bag nur 
eine Sefunbe ign unb feinen ©efägrten 00 m 
lobe fc^eibe, lieg er ba$ ©a^ entweichen unb 
ben Satlon allmählich finfeit. 2 )ic grögte ööhe 


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220 


£uf ber Stil 


bor biefem fühnen gorfdjer erreichten SRufh unb 
©reen im 3oh** 1858 mit 27,000 guft. 

©in origineflcr ©rief eines öfterreichifchen 
Solbaten an feine ©eliebte aus bem 3 a h re 
1718 lautet: „l^ig ©eliebte! Du fannft noch 
2feln an meiner 3e, ba boch mein ^er^ nur 4 
Di d) fchlägt. Unfer ©tab liegt in 5*Kirchen 
unb ßtrablatt mirb Dir fagen, baft ich tapfer 
focf)t unb tein 7f<f)läfer mar. 3$ nehme Urlaub 
jeftt unb gib 8 , ehe Du glaubft, bin ich bei Dir. 
©age aber ja nicht 9, menn id^ um Deine |mnb 
anhalte; benn mir mäffern fc|on bie lOe nach 
Dir. 3ch fdjreibe biefen ©rief in ber größten 
1 lfertigfeit; benn eS fcl>lägt gerabe 12 unb bie 
*ßoft geht ab. Dein Dich liebenber ©eter, 13ter 
gelbmebel bei ber 14ten ©ompagnie beS löten 
Infanterie = ^Regiments, am 16. ^annar 1718 

Späte ©eloftnung. 9lls griebrich II. im 
3af)re 1741 bei ÜRoflmifc im Säger ftanb, recog* 
noScirte er einmal baS Dorf 3*nbel. Der ©auer 
SRargner non ba bemerfte bei biefer ©elegen* 
heit, baft ein feinblicher Drupp in einem ©ra- 
ben auf ben König lauerte unb hinterbrachte 
ifpn bie SJlittheilung mit eigener SebenSge= 
fahr, mofür ihm ber König ©elohnung jufagte. 
3Kargner mar ju'fchüdjtern, fich fpäter biefer; 
halb 511 melben, unb griebrich ber ©rofte ber- 
gaft im Drange ber ©efd)äfte ben Sorfaß. Stuf 
feinem Sterbebette erft erzählte ber ©auer baS 
©reignift feiner Dotter, bamit bicje im 9toth s 
falle ben König um bie mo^lberbiente ©elof); 
nung auf preßen !önne. Die Dod)ter SRarg; 
ner’S, bie mit bem ©djneiber ©hriftian Submig 
©djmeincrt ju ©reSlau oerheiratljet mar, tarn 
fpäter mit ihren fed)S Kinbern in bittere 9totf) 
unb manbte fid^ nunmehr in ihrer ©ebräitgnift 
an ben König mit ber ©itte um eine Slnfteßung 
für ihren SKaun, inbem fie ben König an ben 
Dienft erinnerte, ben il)in ihr ©ater geleiftet. 
griebrich fdjrieb fogleid) an ben fchfcfifdjen 9Ki- 
nifter bon £oftm: „Die bon ber ©chmeinert 
angerühmte Dl)at ihres ehrlichen ©aterS ift bei 


mir noch in gutem Stnbenfen. Sie berbient bie 
ihm besprochene ©elohnung, unb bahero miß 
34 baft folche feiner hinterlaffenen Dotter an= 
geheimen unb ihr ©bemann bon ©uch gebetener* 
maften mit einem für ihn fich fchitfenben Sßoften 
berfe^en merben fofl!" ’DaS gefchah benn auch 
halb barauf. 

6in bon ben Wtanobern int ©Ifafo heintge* 
fester £err erzählt folgenbe broflige ©efdjichte 
bon ber „höchften Ungerechtigteit": Stuf 
einem ©pajiergang burdt) bie „SEBunberfchöne" 
paffirte ber ©r^ä^ler auch bie ©teinftrafte unb 
betrachtete fpe^icß bie auf ber rechten Seite biefer 
©trafte befinblichen hübfdjeit ©auten, melche ju 
benen auf ber anberen ©eite ber Strafte befinb¬ 
lichen, maS ©röfte unb ©legan^ anbelangt, in 
einem h öc §ft bortheilt)aften Kontrafte fteften. 
„ 3 a, io/' fo hört* er fich plöplich bon einem 
torpulenten älteren £errn, melier bor einem 
|>au3thor ber „befcheibenen" ©traftenfeite ftanb, 
augefprochen, „nit mahr, fage Sie nur felbfd)t, 
bafch üfcht hoch bie ftöchfchte Ungerechtigteit.^ 
„SSaS ift bie höchfteUngerechtigfeit?" Unb nun 
begann baS gute |>errd)en, ©efiper beS $äuS= 
dhenS, bor melchem er ftanb, beS Sangen uub 
©reiten bon ber „höchften Ungerechtigfeit" au 
erzählen. Daft nämlich, anno 70, als baS 
©teintt)or fo gemaltig befchoffen mürbe, baft 
fein ©tein auf bem anberen blieb, leiber nur bic 
rechte ©eite ber ©teinftrafte ben ©orjug gehabt 
hätte, gemiffermaften megrafiert ju merben, ba= 
gegen bie linfe ^äuferfront ber Strafte ber- 
feftont blieb. „Seiber nur? — ffior^ug? fragte 
unfer greunb bermunbert. „9tu ja," ermiberte 
ber biebere Hausherr, „feften Sie, bie ba brü¬ 
hen, les canailles! bie ho&en fo biet KriegS- 
entfeftäbigung erhalten, baft fie fich bafiir, mie 
Sie fehen, förmliche ^Jaläfte aufbauen tonnten, 
mir aber auf biefer ©eite hoben nichts befom- 
rnen." „©anj richtig/' ermiberte ber ?lnbere, 
„meil 3 h re $öufer auch intaft geblieben finb?" 
„3a, baS üfcht’S, baS üfcht ja ebe bie Unge= 
rechtigteit!" 




Jlu$ ber «Beit- 


(BrOi ober 2eutr. — Solange ©clbermerb um fei* 
ner felbft ober um ber SJtacht mtllen, bie er berleibt, 
bie ijerrfdjenbc Seibenfd)aft auf ©rben bleibt, — fo* 
lange mirb ber Kampf ^toifdjen Arbeit unb ©apital 
juneljmen unb baS foctale Sebenjerreiften. ©rft menn 
fid) ein mabreS 3»tereffe am Söohl ber 9Jtenfchbeit 
unb an ihrer ©eftimmung unb an einer befferen 8e* 
benSmeife jeigt, bürfen mir bemünftiger SBeife er* 


märten, baft baS SlufmärtSftreben ber 9ttaffen ftch b u 
einem ruhigen, erfreulichen gortfeftritt geftaltet. 

©ott fei 2)ant, eS mehren fid) bie geidjen überall, 
baft bie höheren unb befferen SebenSibeale, Anhänger 
gemimten. Selbft bie Sebrcr ber StaatStunft fangen 
an, einjufehen, baft 9ttenfd)en unb nicht blofte ©in* 
fünfte ober 9teichtl)ümer, ben ©egenftanb ihres ©tu* 
biurnS büben. 3 C meiter biefe Änficht allgemeinen 


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Ulli bet Jett. 1 


821 


(Eingang finbet, befto grögere Veränberungen mug 
fie, nicht nur in ber Änuhauunggmeije, fonbem auch 
tn ber Leitung unb ber $olitit ber öffentlichen Nnge* 
legenbeiten h^rborrufen. 

©efchäftgmethoben unb politifc^e Ntagregeln mer* 
ben neue formen annchmen, unb gan* berfchiebene 
Nejultate liefern, tbenn einmal bie öffentliche SNei* 
nung bon ber grogen Wahrheit burchbrungen ift, bag 
bie Hauptaufgabe aller perfönlidjen ^Bemühungen 
unb aller ftaatlichen (Einrichtungen, nicht barin be* 
fleht, Reichthümer aufzuhäufen, fonbem bie SWenjch* 
heit zu erziehen unb zu berboQfommnen. 

So ift ba* ftriegftgefihret ift 

im SSinb berflogen. Ober bielleicht ift eg auch fo, 
tote (Einer fagte: „$)er$rieg ift in Vigmard’g lafche 
fteden geblieben." 

©g beftanb überhaupt feine fo gar groge ©efahr, 
bag fich bie fierren lieber bei ben paaren friegen, 
unb bie SWcnfchenfinber fich einanber morben mürben. 

Slber mie tann benn fo grogeg ftriegggcfchrei ertt- 
flehen ? 

1 ) $>ag entgeht, mie anbereg ©efchrei auch. $er 
Sine fchrcit, unb ba bentt ber Nnbere, er müffe auch 
fcpreien. 

2 ) 3)ie §aupturfache beg Äriegglärmg beftanb mohl 
in bem Verhalten ber beutfchen Negierung bent Neid)g* 
tag gegenüber, Vigmartf moflte mehr ©olbaten unb 
mehr Selb für bie Nrmee. Unb er befam oom 
Neidet ag beibeg. 3)ie Regierung rooßte aber 
auch, bag biefe Vemißigung auf lieben Qahre gelten 
foll (©eptenat) unb bag befam fie nicht. 2luf brci 
Qapre rooßte ber Neidjgtag beroißigen, unb alg bie 
Sßeprzahl berfeiben gegen bie Regierung ftimmte, ba 
löfte Sigmare! ben Neichgtag auf. 

„dahinter mug mag fteden," fagten bie ßeute. 
„©eroifj giebt’g im grrübjahr $neg, fonft märe bie 
Deutfd}e Negierung nicht fo eigenfinnig geroefen." 

3 ) Siebt eg immer fieute, bie eg gerne fehen, menn 
eg ttrieg giebt. ©oldje fieute finb namentlich bie 
Vörjen * ©pefulanten. SBenn Ärieg unb Ärieggge* 
jeprei in ber SSelt ift, lägt fich eher etmag „ o e r D i e = 
nen," alg menn Nuhe unb Jfriebe herrfcht. 

©teigt nun irgenbmo ein fleineg Äriegggerüd)t auf, 
fo mirb baffelbe oon folgen Seuten taujeubmal Der* 
grögert unb in bie $8elt hinein getragen; benn fie 
benfen: „Qm Xrüben ift gut fifchen " 

©o glaubt $aug unb §erb zum Vetfpiel ganz be* 
ftimmt, bag oiele bon ben lepten „ftrieggnach 5 
richten" oon ©pefulanten in fionbon, Berlin, $a* 
rig unb Nero $orf fabri^irt mürben. 

$ie Herren geitunggfehreiber aber laufcbten mit 
2 lubacht auf biefe Nachrichten, unb oerfagten 
hochmeife Slrtitel über ben beborftepen* 
ben Ärieg. 

2 Ber jebod) bie ©efdjichte ber iüngften 3eü unb bie 
beg eifemen Äan^lerg orbentlidj ftubirte, ber tonnte 
miffen, bag eg bieg grühjahr noch nicht zum Xreffen 
fommen mirb. 

SBenn Sigmare! einmal logfchlagen miß, jo lägt 
er eg nicht SNonate lang in bie 3Bc11 
trompeten, darauf oerlafje man fich* $ag 
mirb, mie Nnno 1870, gar rafch unb unermartet 
tommen. 

Die JJranjofen aber finb noch nicht fertig $um Sog* 
fcplagen. $}eut jchlanb ift ihnen mit bem V1 e 11 a b e r 
boraug getommen. 

Unteroeffen macht man in (Europa Verfuge mit 
neuen fürchterlichen ©prengftoffen. $iefelbcn beigen 
„SNelinit," „Sßanflafit" unb „Noburit." S)ie oeiben 
erftgenannten foflen etma hunbertmal ftärfer mirfen 


alg ©chiegpulber. 25ag Noburit jebodj foß jmei 
hunbertmalfo fräftig fein alg ©chiegpulber. 

$pnamit ift nichtg Dagegen, eg mirtt nur zehnmal 
fo ftarf alg ©chiegpulber. Vlapt aber eine mit No* 
ourit gefüllte Vombe in ben (Erb* ober ©teinbauten 
einer Qeftung, fo mirb gleich ein grogeg ©tüd berfcl* 
ben augeinanber geriffen. Von Verrounbung ber 
geftunggfolbaten ift nicht mehr bie Nebe. ©ie roer* 
ben einfach in gjepen geriffen. 

graft möchte man rounfehen, bag bie (Ergnbung ber 
SNorbinftrumente fo meit gebiehe, bag ein $rieg um 
möglich mirb. 

©inftroeilen mirb bieg ein frommer SSunfd) bleiben. 
Nber einftroeilen mirb eg auch noch nicht zum Kriege 
fommen. 

©onft unb jept. Xie gute alte geit mirb täglich 
oon $aujenben mieber herbeigemünfeht. Unb bod)— 
ift in ber guten alten geit auch nicht alleg ©olb, mag 
glänzt. 

3Bir moUen einmal einen Vergleich hören, ber bon 
einem 9ttanne angefteßt mürbe, meiner fich ot ele 
Ntühe gab, biefe Vergleiche feft^ufteßen. 

5)er Nfann ijeigt Ntfinfon unb nach fet ner SBerccb^ 
nung ergiebt fich, bag im Qahrc 1860 (bor bem Vür* 
gertriege) ber gemöhnliche ^anbmerfegehülfe burd^ 
ichnittlid) einen lagclohn bon $1.68 in ©olb berbiente, 
im Qahre 1885 aber $2.04 in ©olb; ber gcfchidte ©e- 
merbgarbeiter aber $2.37 in ©olb im Qahre 1860 unb 
$3 im Qahrc 1885. 

Nuf bie grraae, mie meit man mit einem $oflar 
reidje, hatNtfmfon burch genaue Vergleiche ber greife 
bon 200 betriebenen ©egenftänben beg täglichen 
Verbraudjg folgenbe 2lntmort gefunben: 5)ie ftauf^ 
fraft eineg $5ollarg, im Qahre 1860 alg 100 angenom* 
men, betrug im Qahre 1865 nur 56.84; im Qahre 1872 
nur 74.75; im galjre 1881 fchon 102.97 unb in 1885 
gar 126.41. 

Vinnen 25 Qahtcn bat fich a lf° öer burchfchnittliche 
Nrbeitglohn um ein grünftel big ein Viertel erhöht, 
mährenb man heute jd)on für hunbert ^oüarg fo biel 
bon nothmenbigen, nüplicpen unb angenehmen 3)in= 
gen taufen tann mie im Qahre 1860 für $126.41. s JNit 
anbern ^Sorten: ^eute erhält ein Arbeiter $10 für 
biejelbe äeiftung, mclche bor 25 Qaljren mit $7.75 
befahlt mürbe, unb fann für biefe $10 eine ©umme 
bon fiebengbebürfniffen unb ©enüffen faufen, bie ba= 
malg $12.64 gefoftet hoben mürbe. 2)er Unterfchieb 
jmifchen $7.75 unb $12.64 — 63 Vrojent — bezeichnet 
Die in biefem Vierteljahrhunbert emgetretene Ver 
befferuna ber Sebenglage ber Arbeiter. 

®er Vergleich ber 9Niethgprcife, bon benen Igcr 
ni^tg gejagt mirb, mürbe mohl ju ©unften ber frühem 
geit auöfaüen. hingegen zeigt fich bie aßgemeine 
Veffemng ber Nrbeiterlage in ben ©efchäften ber 
©parbanten unb ber fiebeng * Verficherungg * ©efeß^ 
jehaften. 


$er eifeme ftanjler hat eg ben Herren grortfehritt^ 
lern(?) mieber einmal gezeigt, mer ber ©tärffte ift, 
unb mer, menn eg barauf anfommt, bag beutfche Volt 
auf feiner ©eite hat. 

Sllleg, mag bie beutfepe Negierung feit 20 Qahren— 
unb meifteitg zum Veften beg alten Vaterlanbeg, burd) 
fepen moßte, haben biefe eingebilbeten grortjebrittg* 
menfehen opponirt. ©o auch bie Vorlage ber Negie 
rung, bie Vemißigung für’g ^eer gleich für fieben 
Qabre zu machen. 

&er alte Neichgtag ftimmte biefe Vorlage nieber, 
ber nach Sluflöjung beg erfteren gemählte neue, mirb 
bie Negierung unterftüpen, benn bag beutfehe Volt 


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222 


Hut )tr Jrit. 


pat bafür gejorgt, baß bie Anarcpiften, So*ial-demo- 
traten unb Ultramontancn niept mcpr bie Majorität 
paben. 

E« ift *war fcprecflicp, baß folcpe ungeheuren §tcre 
nöthig finb. Aber notpig finb fie in Europa fo lange, 
bi« bie tocnfdjen anber« werben. 

Einftweilen ift burep bie Abftimmung ber griebe 
gefiebert, unb felbft ba« fran^öfifc^e Oolt freut fiep 
barüber. 

3u bebenten ift jebod), baß auf biefen Sieg ber 
beutfepen Regierung bie 9Rilitair * Ariftotratie ba« 
öaupt höher emporbeben wirb al« je. da« bürfte 
Oi«marcf noch *u fajaffen machen, Auep im Elfaß 
unb in fiotpringen wirb er *u tpun befommen, benn 
bort ift bie Majorität be« Oolt«, wie au« ben Saplen 
heroorgeht, immer noch gut franjöfifcp. 

„die firmer ift bie fsontepmffr aller jnftitutianen 
in jebem öanbe ; benn fie allein ermöglicht ba« Oe- 
ftepen aller übrigen Einrichtungen; alle politifepe unb 
bürgerliche greipeit, alle Scpöpfuttgen ber Äultur, 
bie ginan*eit, ber Staat ftebt unb fällt mit bemJpeer." 

Alfo fprach ber ©eiteral-gelbmarjipall ©raf 5Roltte 
in ber beutfepen 9teid)«tagofißung, m welcher bie Oe- 
willigung für bie beutfepe Armee beratpen würbe. 

Er hot, foweit europäijehe 3 u flönbe in Oetracpt 
fommen, ein wapre« Sort gefproepen. die europäi- 
fcpeit ^Regierungen brauchen bie großen ftepenben 
Armeen, niept bloß um fiep gegeneinanber *u jepüßen, 
fonbern *um Schufte gegen ba« eigene 33olf! 

„9Rit bem £>cer ftept unb fällt ber Staat/' 

Seid)’ ein Armutp«*eugniß für bie taufenbjäprige 
Ät'ultur! 

Oajonete ftüßen ben Staat. „Aber auf Oajo- 
neten," pat ber Staatsmann dallerpanb gejagt, 
„läßt fiep niept gut jißen." darum auep bie fortwäp- 
renbe Unrupe, bie (tetige Oermeprung ber ftepenben 
Armeen, bie immer größere Au«bepnuug ber !äRilitair- 
maept, unb bie rtefigen gorberungen für biefelbe. 

Senn bie ftirdjc deutfcplanb« etwa« forbert, aep— 
wie fnaujerig wirb fie bepanbelt! Sie pat eben feine 
9Racpt; fie ftiißt ben Staat niept. 

Sir finb, ©ott fei Tauf, in ben Oer. Staaten noep 
niept fo weit gefonunen. Uttfer Sdjuß ift immer noep 
bie Kölbel unb ipre £epre. Aber wir pabeti Acpt *u 
geben, baß un« biefe ©ruublage mept abpanben 
fomntt. 

die neue politifrpr Partei, weldje tür*licp in Ein- 
cinnati gegrüubet würbe, barf niept oerwecpfelt wer¬ 
ben mit ber Arbeiterpartei, an beren Spiße ®enrp 
©corgc oon s Jiew $)oif ftept. 

die erftere peißt fiep btc U n i o n - S a b o r - a r- 
tei unb pat im Süben unb Seften ipre meiften An¬ 
hänger. 

dem £>au« unb $>erb = 3Rann gelang e«, einigemal 
*u ben Oerpanblungen 3ugang b n crpalten unb er 
muß geftepen, baß er jwijcpen ber neuen Partei unb 
ber alten ©reenbarf- Partei niept Diel Unterfcpieb ent- 
beefen fann. 

die Partei, an beren Spiße Jpenrt) ©eorge ftept, 
peißt fiep ü a n b - unb Sabor -Partei. 

die beiben paben burdjau« niept« mit einanber *u 
fepaffen unb werben fiep faum einigen fönnen. 

Somit paben wir *wei politifepe Arbeiterparteien 
unb mit ben anbern werben etwa fünf Saßljettel 
bei ber näcpften *ßräfibentcnmaßl im gelbe fein. 

die ^erropung in deutfdjlaitb.- <Einen befremb- 
licpcit Einbrucf maepen bie oon beutfdjen 3 c ^ un 9 cn 
gelieferten s J?acpmetfe über bie Oerroputig in deutjep- 
lanb, unb biefer Umftanb ift um fo bemerfen«wertper, 
al« ber ftacpwei« geliefert wirb, baß biefe traurige 


Erfcpeinung niept auf ^Rechnung eine« SRotpftanbe« *u 

e en ift, ba gerabe bie auf Armutp *urücf*ufübrenben 
rbreepen, wie dicbftapl, eine bebeutenbe Abnahme 
erfahren paben. „SRacp ben feiten« be« SReidröjufti*- 
amte« veröffentlichten ooTläufigen Ergebniffen ber 
beutfepen Strafrecpt«pflege im 3apre 1885, fagt bie 
„Äölnifcpe 3ritung," läßt fiep bie Oepauptung oon 
ber Oerminberung ber burep bie SRotp oeranlaßten 
Sergepen unb ber 2$ermeprung ber Üioppeit«- unb 
Unbotmäßigteit«oerbrecpen wieberum nur beftätigen. 
$roßbem bie mitgetpeilten 3 a Pl en noc ^ niept enbgül* 
tig feftgeftcllt finb, fann mit oer größten S3eftimmtpeit 
uerfiepert werben, baß bie beutj^e Äriminaliftit ßcp 
auep in biefem Qapre wieber in erpeblitperem 3Raße 
al« früper burep SRoppeit unb ©ewalttpätigteit fenn* 
*eicpnet. 2)ie 3opl ber wegen einfachen ^fciebftapl« 
oerurtpeilten '.ßerjonen beträgt in bem genannten 
Qapre 69,241, wäprenb fie 1882 noep 79,116 betrug; 
piernaep ift in einem 3^itraume oon oier gapren eine 
abfolutc 35erminberung oon faft 10,000 Oerurtpeilten 
eingetreten, b. p. bie wegen einfadien 2)iebftapl« oer- 
urtpeilten ^erfonen weifen einen mütfgangoon nape*u 
einem Acptel ber abfoluten ©röße auf. 2)ie« ift un- 
emein bebeutung«ooll unb bie nüchterne *aplenmä- 
ige geftfteüung beweift beffer al« fpaltenlange Au«- 
füprungeu, baß in ben Erwerb«oerpältnifjcn feit 1882 
eine Ocfferung, unb *war eine ftänbige eingetreten ift; 
benn anber« läßt fiep bie fortjepreitenbe äRinberung 
niept erflären. Sie rücfläußge Bewegung ift niept 
nur bei ben relatio Icicpteftcu $iebftapl«fällen einge¬ 
treten, fonbern auep bei bem fcpwercn ^iebftapl unb 
überhaupt bei allen ©efcße«oerleßungen, weldjc burd) 
Wirtpfcpaftlicbe s Rotplage peroorgerufeit werben. $cnt 
gegenüber peoen wir peroor, baß im Qapre 18a5 niept 
weniger al« 18,620 ^ßerfonen wegen einfäcper Äörper* 
oerleßung Oerurtpcilt würben, gegenüber 16,527 im 
Qaprc 1882. Aod) fcplimnicr ift aber bie Steigerung 
bei ben gcfäprlicpcn Ä'örperoerleßungen. $ier weift 
ba« Oeobacptungöjapr ein SRepr ooii 13,158 Oemr- 
tpeilungen auf, 51,449 gegenüber 38,201, wäprenb bie 
fogenannten fcpweren Oerleßnngen oon 573 auf 663 
gediegen finb. deutlicher läßt fid) bie 3onapme ber 
Sioppeit in deutfdjlanb nidpt nadjweifen, al« burep 
biefe 3iffcrn. greilicp entpiillen un« biefelben niept 
etwa eine gan* neue unb unerwartete dpatfaepe. 
3 m ©egentpeil, feit 3opreit wirb biefelbe bcobad)tet, 
wirb mit eritften warnenben Porten auf fie aufmerf- 
fam gemad)t, jett 3apren wirb ber Staat unb bic©e- 
jellfcpaft, bie mecpt«pflege unb bte Oerwaltung in ein« 
bringlicper Seife befdpworcn, biefe unpeintlicpe Oer- 
ropuug niept weiter fortfepreiten *u lafjeu. 

„Dpne pier auf eine genaue Angabe ber für bie 3« s 
napme ber Äörpcroerleßungen maßgebenben ©rüube 
eingepen *u wollen, glauben wir boep oon einem &in- 
wei« auf bie wieptigften niept Abftanb nepmen *u ton¬ 
nen. Sir machen für biefe betrübenbe Erfcpeinung 
in erfter £inie bie unmäßige Scpnapp«faujerei oer- 
antwortlicp, rnelcpe oon dag ju dag junimmt unb 
niepr unb mehr in eine OöUerei au«artet, wie fie bie 
©ejepiepte noep feiten wüfter unb brutaler gefeheit pat. 
Sir maepen bafür in jweiter fitnie bie 3)tilöe ber 
Strafrecpt«pflege Oerantwortlicp, welcpe leiber immer 
noep niept bie notpwenbige dpatfraft befißt, um ben 
Au«brücpen ber moppeit entfcploffen *u iieibe *u ge¬ 
hen. Anftatt, baß bie Ergebniffe ber Statiftif bie ©e- 
riepte au« ipretn gemopnpeit«mäßigen Strafmaß auf¬ 
rütteln unb fie bewegen follten, gegen biejenigen, 
welcpe eine gefäprlicpe itörperücrlcßutig oerübt paben, 
mit ber äußerften Strenge oor*ugepen, bleiben fie 
gän*licp unbeaeptet, unb wirb einmal, wie bie« oor 
wentgen SRonaten in biefer 3 e ^ un 9 g^fepap, auf bie- 


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«flfene JTofh 


223 


fen Sftißftanb pingemiefen, bann ergeben unöerftän* 
bige Blätter ben Vormurf, man motte ben ©ang ber 
SRecptSpflege beeinfluffen. 

©S ift eine traurige Betrachtung, baß baS Scpmert 
ber ©ereeptigfeit Jtumpf unb roftig p (ein fepeint unb 
beßpalb auaj niept im Stanbe ift, fid) ben Uebeltpä* 
tern fühlbar zu machen. 28er bie anhaltenbe 3 Us 
nähme ber ftörperoerlejjungen mit ber Schlaffheit 
ber Strafurtpeile bergleicht, mer beobachtet, mie oft 


bie abfcheulichften Rohheiten mit menigen Monaten 
beftraft merben, meil baS ©ericht bem Verbrecher bie 
Srunfenpeit als milbemben Umftanb gelten läßt, ber 
muß unmittfürlich mit Spielhagen fragen: „28aS mitt 
baS merben V" ©3 ift 3eit, baß etne 2lenberung in 
biefer Beziepnng eintriit, jonft fönnte ber SRothfcprei 
ber ben Angriffen faft fchuploS preisgegebenen Beööl* 
ferung ein energifcpeS ©infepreiten oeS Staates un* 
mittelbar erforbern." 




Offene ^ofl. 


„3*1* rtd)ttn ©rpolung mirb uns ©aus unb ©erb/' 
2llfo fchreiben Sefer aus berfchiebenen ©egenben. 

©ott fei 3)ant bafür. ©S tann mir feine größere 
ftreube bereitet merben, als bie, p miffen, baß fiep bie 
Sefer in ©aus unb ©erb ©eift unb ©emüth erfrifepen 
unb neue Äraft für beS SebenS $ampf barauS her* 
a u f h o l e n. 

©ingebilbetr. ©S giebt überall eingebilbete Seute, 
unb mir müffen fo gut mit ihnen auSfommen als 

S^ieS* ift ber erfte SRatp, melchcn mir ben 5Ritglie* 
bern jenes Vereins ertheilen, ber um ein SRecept ge* 
gen bie Ärantpeit ber ©inbilbung fragt. 

Sobann muß man unter ben Patienten unterfepei* 
ben lernen, unb fie barnad) bepanbeln. 

1. ©S giebt SRenfcpen, bie beinahe nichts öerftepen 
unb fönnen unb boep mit bem 28apn geplagt finb, 
baß fie (o jiemlicp 2lfleS fertig bringen fönnen unb 
menigftenS eben(o gut in ber Stelle beS SRacpbarS 
taugen als er. 

Solchen mit bem ©rößenmapn geplagten SRicptS* 
miffem unb 9tichtSfönnern muß man hie unb ba, 
opne bie cpriftlicpe Siebe p oerlepen, bie 28aprpeit 
faQen. Vielleicht pilft’S. 28enn eS aber nicptS hilft, 
fo fepaffe man fid) bicfelben ooin ©alfe, unb laffe fie 
mit iprem ©rößenmapn in bie große 2Belt gehen. $ie 
ift in folcpen fjällen etne gute Seprmeifterin. 

2 . ©S giebt aber aitcp Seute, bie in bem unb jenem 
ftaep fepr ©uteS leiften, fiep aber einbilben, auep auf 
einem anbern ©ebiete fiep auSjeicpnen p fönnen, maS 
boep niept ber ftatt ift. SolcpcS mag manchmal ganz 
tüchtigen SRenjcpen paffiren. 

So z* V. glaubte griebriep ber ©roße, ber gemiß 
ein großer gelbperr unb Staatsmann mar, er fet auep 
ein großer dichter. Unb Voltaire, fein ftreunb, ber 
ein tücptigcr Scpriftftetter mar, meinte, aud) ein großer 
Staatsmann p fein. Ueber bie V e r f e beS großen 
ÄönigS aber fagt Voltaire, baß bie ©iipner barüber 
p ©runbe’gepen, unb ber Sta a tSroeiSpeit beS 
Voltaires ftettt ber alte, mächtige grip baS 3eugniß 
aus, baß nur ein OcpS auf folcp’ pirnoerbrannte poli* 
tifepe ©infätte tommen fönne, mie ber ausgezeichnete 
Xicpter Voltaire. 

3fn meiner tannte icp einen ber auSgezeid)* 

netften Seprer, bte mir je begegneten, ©r hätte im 
iJeprfacp genüßlich ©roßeS geleiftet. SReinte aber, 
Zum SRebafteur geraffen zu )ein, mozu er boep fepon 
megeit feiner ©infeitigfeit unb Stecfcnpferb*9teiterei 
burcpanS niept taugte. 35ic moplgemcinteften Vor* 
Teilungen nüpten jeboep nicptS. ©r mürbe SRebaf* 
teur unb ging an biefer ©inbilbung elenbiglicp zu 
©runbe. 

Vielleicht fönnen melcpe aus biefer klaffe turirt mer* 


ben, menn man ipnen beftänbig reept biel in b e m 
©ebiet zu tpun giebt, mo fie mirfliep etmaS leiften 
fönnen. 

So erzäplte mir einmal ein SRebafteur, er pabe 
einen tücptigen Scpufter, ber fiep einbilbete, ein ©ans 
SacpS zu fern, unb bie fRebaftionSftube mit fcplecpten 
Verfen überjepmemmte, baburep turirt, baß er (ber 
iRebafteur) bem Schufter aufgab, für bie 2lbtpeilung 
„©emeinniipigcS" jecpS furje 2lrtifel über „Scpup* 
merf" p fchretben. 

2ln ber Vrofa über „Seber, Seift unb Scpup" er* 
famtte ber begabte s JReifter, meid)’ elenbe ©ebiepte er 
geliefert patte. 


„ein 3ct>er f c &e, mie er'« treibe, 
ein ^eber fetjf, wie e« neb’. 

UnD eine« febiett fid) nidjt für 


8 Ba$ bas $or’lc für ©aus unb ©erb fdjreibt, mirb 
oon ©unberten grauen unb SRäbcpcn gerne gelefen. 
So fägen oiele Aufcpriften. SRöcpte baS ©elefene auep 
t>iel praftifd)en ?Rupen unb Segen fepaffen. 

Ütur$e, inhaltsreiche «rtifel, bie 700 bis 1500 2Borte 
enthalten, ben ©eift bereiepertt unb bie Seele erbauen, 
finb am mittfommenften. Sange 2lbpanblungen, bie 
öier bis fieben Seiten füllen mürben, fann ©aus unb 
©erb niept oermertpen. s )tur bei intereffanten, erbau* 
Itcpen ©rzählungen laffen fiep bie Sefer manchmal bie 
„Sänge" gefallen. 


$ie fiinber ben Eltern, ^n le^ter 3eit paben mir 
meprere Briefe erpaltcn, bie al|o anfingen: „©in 
junges SRäbcpen," „ein junger 2Rann münfd)t ben ©!* 
tern in X'eutjcplanb ©aus unb ©erb zu fenben." 2US* 
bann folgen bie 2lbre|fen unb bte Veftcllung. 

5)anfbare Äinber baS! kaufbarer, als man fie 
heutzutage gemöpnlicp ßnbet. ^Der ©Itern Segen 
mirb folajen Ätinbern ©äufer bauen. 


3ft benn baS Rapier fo fnnhterliih tbener? 211 io 

frage icp oft, menn Sacpen zum Xrucf fontmen in 
einer ©anbfeprift, bie fo zufammen gepreßt ift, baß 
man meint, eine befepnebene 3 e ile f« nur ein einzig 
langes 28ort. 28arum benn niept ein Blatt V^pier 
mepr gebrauchen unb fo fepreiben, baß eS 2lnbere aud) 
lefen fönnen opne fiep bie 2lugen „auSzugucfen?" 


2lngenommenf Ärtifel: ^ie Scpriftfpracpe. — 
.fturiofitäten auS ben erften B^ftö e ntenmaplen. -- 
©eroorragungen an ber Sonne. — Seinblicpe ©egen* 
fä^e. — Unfere SebenSmeife. — ^ie Ofunenfcprift. — 
2Btc eS einem Vöftor auS bem ©intermalbe mit lajrer 
SCRoral im Dften erging. — Stranfenpflege in ©bina.— 
3ur ©efepiepte ber Bädertunft. — Selbftintereffe. 


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■m 


Jim gfldjrriifty. 


jfcm ^üdicrt fcfi. 


IW" Alle pier befprocpenen Sucher tönnen oon ©ranSton & Stowe bezogen werben, ftnb jebod) niept in 


ebem gatte Oorrätpig. 

$rr gamüieifrenttl, St. Vaul unb SDmneapoIiS. 
grifcp unb munter, wie eS bem Dorbmeften gejiemt, 
fommt biefeS Vlatt auf unfern Xifdj unb fepaut mit 
feinem fepönem X)rucf reept freunblicp b’rein. 

©S ift, wie eS fiep nennt — ein gamilienfreunb, 
welcher bie lieben Xeutppen bapin weifen Witt, wo 
eS ihnen in Söaprpeit wohl wirb. 

Xie Debatteure, Deo. gr. Stopp unb Deo. ©. ©. ©il* 
ler, paben gleich in ber erften Kummer oiel ©efepief 
bewiefen, unb ihr gleiß pat eine f c ^ r an$iepenbe gci= 
tung peroorgebraept. 

©lürf unb ©eil auf ben Söeg! Unb möge ber ga* 
milienfreunb oiel taufenb greunbe erwerben. 

The Heretic Priest unb anbere ©naplungen ber 
Deformation ber Dieberlanbe unb XeutfcplanbS. 
Xem ©ottänbiiepen entnommen. $reiä fl. gm Ver* 
lag oon VPiflipS & ©unt, Dem ?)orf, ©ranSton & 
Stowe, ©incinnati. 

©rjüplungcnauS ber DeformationSseit ftnb meiftcnS 
intereffant. Damentlicp sieht uns ber langjährige 
Stampf ber Dieberlänber um ihre DeligionSfrctpeit an. 

XaS oorliegenbe Vucp enthält eine treffenbe AuS r 
Wahl, ©inige biefer ©r^äplungen höben wir fepon 
früher ben liefern unfercS ©aus unb ©erb oorgefüprt. 

dont’S ©effftipten: Do. 150, Xpeobalb. (Sine ©r= 
Säplung aus ben Sacpfenfriegen im 8. gahrpunbert 
oon Ottofar Scpugg. Do. 151, gameS ©arfielb. (Sin 
SebeitSbilb oon Ottofar Scpugg. Do. 152, Xer ©eu* 
fenpfennig. (Sine Antwerpener ©efepiepte aus ber 
3eit ber niebcrlänbifcpen VefreiungSlämpfe, oon 
g. Vonnet. Do. 153, Xie ©pinefenflotte. ©ine ©e* 
fd>icpte oon ben Sulu-gnfeln unb ber gnfel (SelebeS, 
oon g. Sonnet. 

©S freut uns jebeSmal, neue Bücher biefer VolfS* 
unb gugenb *Vibliotpef in bie ©anb flu befommen. 
Sie finb frifcp unb gut, in äeptem Houston gefeprie* 
ben; oon cpriftlicpem ©eifte burepbrungen unb — waS 
eine ©auptfaepe ift — unterpaltenb. 

No, oon Dofe Xerrp ©oofe. VreiS 80 ©tS. gm 
Verlag oon Phillips & ©unt, Dem ?)orl; ©ranSton & 
Stowe, ©incinnati. 

XaS Dein — fagen ift eine Stunft, bie auch gelernt 
fein will. Scpr oft fott unb muß man biefe Stunft 
üben. Dlancpmal auep niept. 2Bie $u bem Vöfen — 
nein, unb fo oft baS ©ute an uns herantritt j a gejagt 
werben fott, baS lehrt uns biefe unterhaltenbe ©r= 
$äplung. 

Omber Star and A Fair Half-Dozen oon Dlatp 
Some Xicfinfon. $reiS f 1.25. gm Verlag oon ^hil= 
lipS &©unt, Dem ?)orf; ©ranSton & Stowe, ©tn= 
cinnati. 

©ine fepr bcleprenbe unb gebiegene ©rjäplung, bie 


in oielen Stetten für bie jugenblicpen fiefer faftju 
fcpmereS ©efepüp auffüprt. 

Fssay« Rerlows and Discoiirsf 8; Statements: 
Theological and Critical oon Daniel X. SBpe* 
bon, D. D., rebigirt oon feinem Sopn, Deo. g. S. 
SBpebon, M. A. unb feinem Deffen, Deo. X. A. «Bpe* 
bon, S. T. D., in ^wei Vänben. ^?reiS $2, im Verlag 
oon ^pittipS & ©unt, Dem $orf; ©ranSton & Stowe, 
©incinnati. 

Xr. VSpebon, ber frühere Debafteur „Quarterlp 
Deoiew," war einer ber größten Xpeologen beS 9Re* 
tpobiSmuS, ein Äritifer, wie man folcpe feiten trifft, 
unb ein unabhängiger, tiefer Genfer. 

gn biefen Vänben finb feine Abpanblungen *ufam* 
men geftettt. Xiefelben paitbeln über bie Sepren, 
©inrieptungen unb ©ebräuepe beS DtetpobiSmuS. 
lieber Unglaube unb Aberglaube, ArminianiSmuS, baS 
Dtillennium, Antropologie jc. jc. gür ^rebiger—ein 
fepr wertpootteS A3ert. 

SonntagSgruß für bie beutfepe gugenb oon ©. SDinf. 
Verlag ber ©^pebition beS „^eutfe^en SHnberfreun* 
beS/' ©amburg. 

©ine fepr fcpön auSgeftattete Ä'inberfcprift, rebigirt 
oon einem Dlanne, ben ©ott ba^u erforen, für’S 5Bol! 
unb bie gugenb ^u fepreiben. 

gaui()et Äott in allen Sanbrn, gefwefang auf baS 
heilige Dfterfeft für aemifepten ©por. ©oniponirt oon 
©. ütöonneberger. Verlag ber $ilger=Vucppanblung. 
^SreiS: einzeln 25 ©tS., baS ^upenb fl.75. 

©err SSonneberger oerftept es, gilt unb populär $u 
componiren. 2)aS ßcfctere ift für bie meiften ©efang* 
Vereine oon großer 3Bicptigteit. Aucp bie oorliegenbe 
©ompoßtion pat biefe beiben ©igenfepaften. 5Bir 
empfehlen biefelbe auf’S Vefte. 

Out. of the Tolls. ©ine Xemperen^©efcpicptc oon 
gopn 3Ö. Spear. f 1.25. Verlag Oon ^pillipS <fe 

.©unt, Dew ?)orf, ©ranSton & Stowe, ©incinnati. 

$iefe ©r^äplung fotttc oon Xaufenben jungen unb 
alten fieuten gelejen werben. Sie ift paefenb, wapr 
unb niiplicp. 

Xrojl in geiben. ©efang für eine Singftimme mit 
Vianoforte- ober ©armonium = Vegleitung arrangirt. 
3Sorte oon Xpeobor Obinga. ©ommiffionS* Verlag 
oon gop. SpcrgenS in Vonn. 

©in emfacpeS, aber inniges ßieb. Xaffelbe läßt fiep 
oon ber Dtelobie unb Vegleitung fagen. 

Parlfamcntanr Practlc« Oon Deo. g. V. Deelo, 
D. D., 10 ©tS. in $apier, 25 ©tS. in Xucp. & 

©unt, Dew ?)orf, ©ranSton & Stowe, ©incinnati. 

©in fepr nüplicpeS Vücplein, oerfaßt oon einem 
SDann, welcper bie Xebattirfunft oerftept unb „Var* 
lamentS-Degeln" tücptig ftubirt pat. 




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äß - ~ 




C 4 » 


, t ■ c» 1 / __- i «i* »»» y ^pjw ymtt4i. wwt 

röTt (jeirgeftellt toirb, jo mufc eS | ©igenfäaflätoort Ijot no<$ einen engeren ©inn. 

17 


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(Stn illuftrirtrs ?amilienblatt. 


^Fünf$eQnfer '98on6. '§8ai 1887. ^tünffes ^eff. 


fflalbgefaug. *&&<*** 


(Bum £itel6ilbe.) 



TDalbesnadjt 1 
<D Blätterpradjt I 
Pu grüner Bergesrücfen! 
tPenn tdj ein munteres Pogleitt mär, 
3<$ tauchte mtdj in bas grüne IHeer 
Ulit jubelnbem (Etüden. 


(Ein jeber Baum, 

(Ein grüner (Traum 
Per ^rülflingsnadjt, ber grünen, 
Unb gleich geflügelten (Engelcin, 
So fdjmeben mit fügen HTelobein 
Pie Pöglein unter tfjnen. 


Unb Blatt für Blatt, 

(Db raufy, ob glatt, 

Kn Kräutern, Bufdj unb ^almen, 

Pas müffen Bete^ungen fein, 

Unb fäfyrt ber Qaudj bes £jerrn barein, 

So fltngfs mie lauter pfalmen! 

K. Sdpuartjfopf. 




(5fbonkfii über ein hird}lidjr 0 (Seföttgbudj. 

©bitor. 


. I. 

Sdjon ber StuJbrud „firc^ticf>eS ©efangbuefj" 
Weift barauf hin, Wa8 ba8 für ein 93u$ fein 
fod, Welches biefen Sitel trägt. 

1. ffis fod ein Solföhud) im aderbeften (sinn 
beS SBorteS fein. 2)a8 chriftliche Sol! fncf)t in 
einem ©efangbudj ©rbauung, ©laubenSftärfung, 
2roft unb Strebung be8 ©emütl)«. @8 oerlangt 
in greub’ unb Seib, an (Sarg unb ©rab, wie bei 
Jreubenfeften ein Sieb, ba8 oerftanben wirb, 
Oor adern aber $erj unb ©emüth ergreift unb 
im ©an^cn fo gehalten ift, baf} es nach left 
unb SRelobie ©igentljum be8 Sol!e8 werben 
fann. 

ffieil nun ein firdflicheS ©efangbudj nament* 
lieh für b a 8 Sol! hergeftedt wirb, fo muh e8 


auef) ein billiges unb leicht jit honbljabenbeä 
Such fein, fo bah c8 ber ärmfte dJtann erwerben 
nnb leicht jur Sirene unb Oon berfclben nach 
fpaufc bringen fann. 

„5)en!t an unfere armen Xaglöhner unb 
•JRägbe," fagte jebeSmal ein SJiitglieb be8 Gotm 
mittec8, welches ba8 auSgejeichnete Würtember- 
gifche ©efangbud) jufammenfteflte, fo oft ein 
Scrjuch gemacht würbe, bie Sammlung bebeu= 
tenb ju erweitern unb barum auch i u oertheuern. 

2. 2>a8 ©igenfehaftswort ,,firri)li(h" bebew 
tet nicht b l o 8, bah man ’ n einer folefjen Sanum 
lung ben allgemein geltenben finhlidjcn Xon 
fuch't. 

S)aran ift jwar feftjuhalten. $lber jenes 
©igenfehaftswort hot noch einen engeren Sinn. 


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226 


(Srbankm über ein hmßlttßM Ätfangbudj. 


©S toeift barauf ßin, baß ntan bon einem 
f i r cß t i cß e n ©efangbueß bie Wicberfpiegelung 
ber ©laubenSauffaffung, ber cf)riftticf)en ©rfaß- 
rung unb beS ganzen firc^Iic^en ©eprägeS b e x= 
jenigen $ircßengemeinfcßaft ertoar- 
tet, für toelcße bie betreffenbe Sammlung be- 
ftimmt ift. 

freilich finbet ficß in ben betriebenen d^rift^ 
liefen ©efenutniffen unb fird)licßen ©ernein- 
fdjaften biel ©emeinfamcS, unb eben besßalb 
trifft man auch in aüen ©efangbiießern auf eine 
große 2 lnzaßl ein unb berfelben Sieber. 

dahingegen berleugnet fief) auf biefer gemein- 
fcßaftlicßen Saßn nirgcnbS bie in Soitber- 
ßeiteingefeßlagene tirc^tic^e SRi 
tung, toelcße aueß in ber Slnlage unb 2luSfiiß- 
rung eines fircßlid)en ©efangbucßs gleicß- 
fam ^ur darftellung !ommen muß, foU bie 
Sammlung in Waßrßeit ben tarnen f i r eßl id) 
berbienen. 

©or mir liegen ettoa 20 ©efangbücßer ber- 
feßiebener fireßlidjer Benennungen, bie fämmtlicß 
3 cugniß bafür ablegen, baß fie ganz geftrenge 
bon bem betreffeitben firdjUi^en Stanbpunft 
aus abgefaßt tourben, oßne bie geringfte 9tüd- 
fießt barauf ju nehmen, ob bie betreffenbe Sie* 
berfammlung bon anbern fireßließ genannt toirb, 
ober nid)t. 

der |>ocßfircßlicße, toeldjem fireßließe ©inrieß- 
tungen als 9ticßtfcßnur gelten, ßat fein ©efangi 
bueß fo zu fagen bem Sircßenjaßr gemäß ange- 
legt unb berfießt bon biefem Stanbpunft aus 
audj* ben ^ußalt. — ortßoboye Sutßerancr 
ftellt fo biele objeftibe Sieber als möglich z u ^ 
fantmen. — der rationaliftifeße ^Jrotcftanten- 
©ercinlcr greift mit ©orliebe 51 t moralifirenber 
Sircßenpoefie.—diejenigen SJircßengemeinfcßaf- 
ten aber, bie auf perföniicßeS ©rfaffen beS |)eilS 
bringen, tßun biefc 9ticßtung aueß tu ißren ©e- 
fangbüeßern !unb. 

©on biefem fpecietl Hrcßlicßcn Stanbpunft, 
unb nid)t bon anbern ©efießtspunften aus muß 
beurtßeilt toerben, ob biefem ober jettet Sieb 
f i r d) l i cß ift ober nießt. 

Was zum ©eifpiel bem |>errnßuter als äeßt 
fireßließ erfeßeint, toirb bielleicßt bom ßoeßfireß- 
ließen Sutßeraner &cßerei genannt. Unb — 
beibe finb 511 ißrem Stanbpunft berechtigt, die 
moralifirenben Sieber bes beutfdjen SRationaliS- 
muS neßmen fid) in manchen ©efangbücßern 
aus toie feßöne ©iSgebilbe in dropenlänbern, unb 
boeß paffen biefc Sieber zum r a t i 0 n a I i ft i- 
f cß e n fireßließen Stanbpunft. 

S'iirjlid) ßat eS ein engherziger, ßocßfircßlicßer 
Sritifer bitter getabelt, baß baS innige Sieb 
Spittal „9timm 3 e fu meine £>änbe" in ein ©e- 
fangbneß aufgenommen toorben, toeil eS, toie er 


meinte, gänzlich „unfireßließ fei." SJJan ant= 
toortete ißm: da, too baS Sieb in ben £aupt- 
gottcSbicnften gefungen toerbe, fei eS im beften 
Sinn beS ©Sorten f i r cß 1 i cß. 

diefe Slnttoort ift rießtig. Jfeber muß fieß 
bei ©eurtßeilung feinet fireßließen ©efang¬ 
bucßs auf feinen firdßlicßen Stanbpunft 
ftellen. 

der beutfeß-amerifanifeße 9Iltlutßeraner frägt 
nießt barttaeß, toaS bie UnionSfircße deutfeßlanbs 
fird^licß nennt. Unb toenn ber SDietßobift bie 
Sieber in feinem ©efangbueß bcurtßeilt, fo frägt 
er nießt, toa$ man ettoa in Preußen, Württem¬ 
berg ober ©aben unter bem ©egriff „fireßließ" 
oerfteßt, fonbem für ißn ift bae firtßütß, m* 
metßobiftiftß ift, ba£ ßeißt, toa» z u ^ cr in fei¬ 
ner ^tird)e geltenben 2 luffaffung paßt. 

SCRit biefer 3ragc über bie in einem ©efang- 
bud)e ausgeprägte ftireßließfeit ßängt aueß bie 
2(nzaßl uttb 9)tannigfaltigfeit ber Sieber zufam- 
men, bie toir in einem ©efangbueß fud)eit. (Sine 
S'irdjengemeinfcßaft z* ©., bie nur am Sonntag 
©orntitiag ©otteSbienft ßat, fann mit oiel ge¬ 
ringerer Sieber - ffliannigfaltigfcit auSfommcn, 
als eine anbere, bie jebeit dag ber Wodje bas 
©efangbud) beniißt. 3 ci, c mag bem fogenann- 
ten ßiftorijeßen 9{ed)t ^Wüdficßt fdßettfcn unb alle 
©erfe ber Sieber eiitfeßen; biefe toirb um ber 
^Dtaunigfaltigfeit toiUeit abfiirzen müffen. 

3. ©efangbud) ßeißt bie Sieberfammlung, 
bie toir bem ©olf znm fircßlid)en ©ebraueß in 
bie ,g)aub geben, daraus ergiebt fid), baß bie 
Sieber gefungen merbcit follen; man alfo in 
erfter Sinie fein 2lnbad)tSbud) zum Sefen fueßt, 
unb in ber SluStoaßl SRüdficßt barauf zu neßmen 
ift, baß bie Sieber bom ©olf gefungen 
toerben f önnen. 

II. 

3 n Unterhaltungen, ßorrefponbenz unb um- 
faffenber Seftüre über ©cfangbücßcr bin icß fo 
oft auf ztoei 2luSbrüde geftoßen, baß icß nießt 
umßin fann, ©inigcS barüber ßier einzufcßalten. 

der eine 2luSbrucf ßeißt—„SHaffif^er Scßaß 
beutfeßer Sfircßenlieber;" ber anbere—„ipiftori- 
fcßeS 9tecßt." 

1. Jteßmen toir baS Wort „Hafjtftß" z ucr f* 
bor. 

fi!aum giebt eS ein mißßanbeltereS Wort als 
biefeS. Will ^ernanb ettoaS reeßt ©orneßmeS, 
£>ocßtrabenbeS fagen, oft oßne tieferes ©erftänb- 
niß bon ber Sacße zu befipen, fo fagt er „f l a f - 
f i f cß." £>at 3cmanb ein abfprecßenbeS Urtßeil 
abzugeben, fo fagt man „u n f l a f f i f cß." da¬ 
mit ift’S aber nod) lange nießt abgetßan. 

WaS meint benn bieS Wort flaffifcß? dies 
Wort fommt offenbar bon filaffe ßer. 


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Äfbanhm Uber ein hird|ltdies ftefangbud). 


227 


Slafftfcpe Scpriftftefler unb Sieber ftnb folcpe, 
bie in bie erfte Stoffe gehören. $er flaffifd^e 
Scpap beutfcper Sircpenliebcr märe alfo ber 
muftergiltige Sieberfcpap. 

9tun ift e* ja mapr, baß e3 eine gan§e 2 lnsapl 
beutfche Sirchenlieber giebt, bie nach Jorm unb 
3 npalt muftergiltig finb, unb biefe finb auch 
in3gefammtin ben meiften ©efangbücpern einge- 
fcpaltet. 

SBirb aber ber pöcpfte SOtaßftab ber SDtufter- 
giltigfeit angelegt, fo finben fid^ f o l cp e flaffi- 
fdje Sieber in ber beutfchen $t)mnologie lange 
nic^t fo häufig mie man oft meinen foilte, menn 
man ben unb jenen über ben ungeheuren Scpap 
flaffifcher beutfcper Sircpenlieber fprecpen 
hört. 

®er „Scpap" ift groß, fo Diel ift an folgern 
©erebe mapr, aber mirflicp ächte perlen erfter 
klaffe finbet man hoch nicht bei ben |>unberten 
unb Xaufenben. 

SJiacpbem ich tni<h m ^ en Icfeten fahren fef)r 
Diel unb eingepenb mit ber beutfchen |)t)mno- 
logie bcfcpäftigt, bin ich bereit $u bemeifen, baß 
bem ftrengften SDlaßftab ber Stoffoität gemäß 
burcpauS nicpt fold)e 9Kenge beutfcper Sircpen- 
lieber „ttaffifcp" genannt merben fönnen, mie 
man oft annimmt, unb baß bie beften beutfchen 
©efangbücper, ma3 poetif^ fiterarifchen 323ertt) 
betrifft, gar manche ©robuftc weiter, britter 
unb oierier Stoffe enthalten. 

®er 9tatur ber Sadje nach ift e3 aud) gar 
nicht anber» möglich, ©in ©efangbucp pat bem 
betreffenben firep ließen ©ebürfniß 
entgegen$ufominen, unb biefem 3 tüec * b xl ent5 
fprecpen, mu| man nehmen, ma3 oorhanben ift, 
unb ba3 ift nicht immer „erfter klaffe." 

©on biefem Stanbpunft au$ ift ba3 Sir- 
chenlieb muftergiltig, melcpcr bei literarifcfj-poe- 
tifcher ©rauchbarfeit bem betreffenben $ roec f 
entfpricpt, #er£ unb ©emütp be£ ©otfe3 erfaßt 
unb Don bemfelben gefungen merben fann. 

Sft nun bei ber gertigfteflung eine§ ©efang- 
buchet biefer Oefid^t^punft betreffs ber b e u t- 
fcpen £>t)mnotogie fefoupalten (unb berfelbe 
ift thatfächlich bei aßen beutfchen ©efangbücpern 
feftgepalten), fo foilte ber gleiche 2 Kaß- 
ft ab auch anbieSieber-Uebertra- 
gungen aus anbernSpradjen ange- 
legt merben. ®a§ peißt, man barf oon 
folcpcr Uebertragung roenigften§ nicht mehr for¬ 
dern, al3 Don Dielen Originalen. 38ie nicht 
alle beutfche Sieber perlen erfter klaffe finb, 
fo fönnen auch nicht afle Ueberfepttngen erfter 
Stoffe fein. 

®aß auf amerifanifchem ©oben namentlich 
folche beutfche Sircpengemeinfchaften, bie einer 
englifchen ©enomination enttoachfen, ober mit 


berfelben enge Dermanbt finb, fich bie englifcpe 
£t)tnnologie $u nupe machen foflten, ba$ 
fo fef)r in ber SRatur ber Sache, baß barüber 
fein 3Sort $u Derlieren ift. ©* mirb ^mar 
manchmal behauptet, e3 fänben fich in bem „un* 
erfchöpflichen *ßerlenfcpape beutfcper £>tjmnolo- 
gie" jebeämat gerabe folche Sieber, bie man 5 um 
©eifpiel aitä bem ©nglifcpen 511 entnehmen ge- 
bcnft. 

Solche StebenSart ift eine Uebertreibung, unb 
ich habe fchon oft ben d e r g e b l i ch e n ©erfuch 
gemacht, Don folgen, bie bergleicpett behaupteten, 
beutfdje Sieber genannt ^u hören, bie ba3 cnt- 
halten, ma3 englifcpe £pmnen bieten, bereit 
Ueberfepung ato münfcpenämertp erfdjien. 

©icpter oerfd)iebener Sänber finb Sinber iftred 
©olfeä unb ihrer Sircpe unb merben fich bem^ 
gemä§ Derfchiebenartig entmideln, ma^ felbft^ 
oerftänblich ihtc ^ßrobuftioncn beeinßuftt. 

Stjarleä SBedlep unb 3 faaf 3Batt^ befunben 
ebenfo hohe poetif^e ©egabung mie ^Sant ©er^ 
harb unb Sllbert Snapp. ©^ märe Xhorpeit, 
rooßte fid) bie Sirdhe nicht gcgenfeitig mit ben 
beften ©r^eugiriffen anberer Nationen bereidhcrn. 

^n aßen englifchen ©efangbiichern finben fid) 
Ueberfepttngen einer s Mu^al)l beutfcper Sern- 
lieber. Unb roenn biefe Ueberfepttngen in un¬ 
fern beutfchen Ohren and) nicht fo gut flingen 
mie bie Originale, fo bereichern fie bie eitglifche 
Sammlung benitod). 

3 n äl)niid)er SBeife merben auch beutfche ®e- 
fangbiicher burch Ueberfepung englifdjer Sieber 
bereichert. -Kur mufc man an biefe Ueberfepun- 
gen n i cf) t übertriebene 21 n f p r ü d) e 
ftellen unb Derlangen, ba§ fie gerabe fo gut 
flingen mie ba3 Original, ober an SSertl) ebenfo 
poch ftepen, mie ein beutfd)e3 Sernlieb er- 
ft e r S l a f fe; mährettb man hoch sur ©efrie- 
bigung be^ ©ebürfniffe^ ge^muitgcn ift, beutfche 
Sirchenlieber ^meiter, britter unb üierter Stoffe 
5 U benitpen. 

2luch barf an bie Ueberfepung nicht ba3 2ln- 
finnen gefteflt merben, cinexfeit§ mortgetreu bem 
Original ^u folgen, unb anbererfeit3 im $och' 
fchmung erpabenfter ^ßocfte einpergufapren. ®aö 
märe gerabe, al$ menn man 3 ei «anb in eine 
ßtoang^jacfe fdpnürt unb ipm alsbann fagt: 
„So, mein Sieber, jept fliege gen |>immel." 

3jebe einigermaßen genießbare Ueberfepung 
ift, fo ju fagen, ein ncue$ bid^terifcpe^ ©robuft. 
Unb—®icpter müffen Sicen^ paben. 

2 . Unter htftorifdjem 9tetht Derftept man 
ben 2lnfprucp, ben etn Sieb macht, unD:rfiir^t 
unb fo, mie e£ ber Serfaffer gefcpaffen, im ©e- 
fangbucp eingefcpaltct 5 U merben. 

|>anbelt e^ fi^ barum, eine Sieberfammlung 
für bie ©ibliotpef unb ^um Sefcn per^ufteflen, 


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228 


Krbanhm Uber ein htrd|Iid|ra ürfangbud). 


fo ßat baS ßiftorifeße Siecht atterbingS 2ln* 
fprücßc. 

2 lber mir ftctlen uns unter einem ©efangbueß 
ja ein ßanbtießeS, billiges, bem fireßließen 8 e* 
bürfniß entfprecßenbeS ©otfsbucß nor, beffen 
Sieber gefungen werben fotlen. 

$eßßalb müffen Wir auch biefen SDlaßftab 
nor 5lßem gettenb machen. 23enn atsbamt baS 
fogenannte I)iftorifc£>e Stecht nießt immer ju fei* 
nem Stecht fommt, fo muß eS eben bringenberen 
Rütfficßtcn meidßen. 

III. 

Sie SRetobie fpielt in einem ©efangbueß 
eine große Rotte. Unb Wirb bie Aufgabe ge* 
ftctlt, ein Se£t*9Retobienbudß ju nerfaffen, fo ift 
biefe Rolle eine jmiefaeß große. 

©S ßanbelt fieß aisbann nießt btoS barum, 
Wirfließ gute, fing bare Steifen ju finben, 
fonbern aueß barum, gleieß non nornßerein -bar* 
auf bebaeßt ju fein, baß baS £e£t*9Retobienbueß 
uießt 511 umfangreieß wirb. SBäre bie mit Roten 
nerfeßene SuSgabe ju groß, fo mürbe fte ju 
tßeuer unb JU unßanbließ, unb ber Bmetf toürbe 
tjerfeßtt, meteßer barin befielt, baß Wontögließ 
bie SReßrßeit ber anbetenben ©emeinbe baS 
Xe^rt^SDielobtettbud^ gebraucht. 

i. Singbare, nom ganzen Sötte fingbare 
SRelobien finb ein £aupterforberniß. 

Sa muß nun teiber gefagt werben, baß maneße 
beutfeßen ßßoräte in Stnerifa, wo man eben 
feine Scßutmeifter ßat, bie ben Sdjutfinbern bie 
fdirocreit Saeßen mäßrenb ber SJoeße eingeigen, 
ni ßt boit ber ©emeinbe gelernt werben, alfo nie 
iß;en eigentließen 3 wed erfüllen. 

Riemanb fann ein größerer ©ereßrer beS 
beutfdßen ßßorals fein als icß. $cß wünfdßte, 
tpir fönnten jeben einzelnen auf amerifaitifcßem 
©oben für bie ©emeinbe berwertßen. Slber eS 
ift uumögtieß. 

„Unb boeß ntöglidß," ßöre ieß fagen. 

Run — wo ift eS benn je möglicß geworben? 
Sußenbemat ifteS mir fetbftinreformirtcn, unir* 
ten unb lutßerifcßen Streßen, unb jwar aueß ba, 
Wo ganj tücßtige Sireßeneßöre eyiftirten, fdßon 
borgefommen, baß ber Drganift eine ßerauS* 
getefene Siebnummer mit ber ©emerfung jurütf* 
gab: „Sebaure feßr, biefeS Sieb fann bie ©e* 
meinbe uießt fingen, bitte, ein anbcreS 511 
wüßten." 

Roeß ein ©eifpiet aus bieten: ©S ift nießt 
feßr tange ßer, ba fpradßen wtr mit einem wade* 
ren SRufifprofcffor über biefen ©unft. Ser 
gute SRann beßauptete fteif unb feft, feine ©e* 
meinbe fange jeben ©ßorat, baß es; eine Slrt 
ßabe, wobei unter 2 lnberm bie gerabe nid)t feßr 
feßwierige SRetobie auf baS Sieb — „0, baß 


boeß batb ein geuer brennte" 2 c. benamt Würbe. 
®aum war bie ©eßauptung reeßt berftnngen, 
als bei einem geftgotteSbienfte im fetben Stabt* 
eßen ber ©rebiger baS nämlicße Sieb auSgab. 
Ser liebe ©rofeffor fpielte unb fang aus SeibeS* 
fräften. Sie ©emeinbe unb felbft bie ßoeßbe* 
gabten 3öglinge ßörten meiftenS ju. 

Raeß bem ©otteSbienft fragte man ben be* 
geifterten SRufifprofeffor, wie benn bie ÜRetobie 
Ro. 180 gegangen fei. 

„gamoS," rief er; benn ber ©ute ßatte ob 
feiner Sömenftimme gar nidßt waßrgenommeit, 
baß neunjeßntel ber ©emeinbe ftumm gewefen. 

ÜRan beßaupte getroft baS ©egentßeit — wir 
ßaben boeß mit ber Sßatfaeße ju reeßnen, baß 
maneße ©ßoräle nie jnm ©emeinbe gefang 
taugen Werben. 

Stncß ift bie Sßatfacße nießt ju überfeßen, 
baß naeß ©organg amerifanifeßer unb englifeßer 
©emeinben teießtere, aber feßr gute au 3 ben 
„SDJeiftern" auöerwüßtte 9Mobicn fieß fdßon in 
nieten bcutfeß*amerifanifcßen ©emeinben ©in* 
gang nerfeßafft ßaben. Unb biefe SRetobien 
Werben in ber 3 u * un U noeß niei ©oben ge* 
Winnen. 

Sottten foteße SReiftermetobien Weniger ftaf* 
fifcß fein at3 ber ©ßorat? 

2. Sliißt ju umfangreitßbarfba^ 2 :e 5 t*aRe* 
tobienbueß fein, fotl e£ wirftieß braneßbar Wer* 
ben. $a3 teßtereift aber nur ber galt, Wenn eä 
ßanblicß unb nießt ju tßeuer ift, unb bie 
3Retobie gteieß neben bem betref* 
fenben Sieb fteßt, beim, wenn man mei* 
ftenä auf anbere Seiten für bie SRufif ocrWei* 
fen muß, fo wirb ja „ber 3med ber Roten" 
nießt erreießt. 

Bur $erfteHung eine3 jweefmäßigen leyt* 
SRetobienbueßä gitt e^ bcßßatb oor Sittern, bie 
Anlage be^ ©udße^ fo einfaeß als mögtieß ju 
rnaeßen. ©ei feeß^jig ober fiebenjig Unterab* 
tßcilungen wäre ein praftifeße^, jmeefentfpre* 
eßenbe^ ©efangbueß mit Roten eine Unmögtieß* 
feit, Weit Sieber eines unb beffelben SerSmaßeS 
ober gar einer unb berfetben SRetobie fieß auf 
3 u niete Stbtßeitungeu nertßeiten, unb fomit 
ju niete SRetobien * SBieberßotungen ober £in* 
weifungen ftattßnben müßten. 

Bebe Stbtßeilung nermeßrt bie Seßwierigfeit 
ber praftifeßen, braueßbaren 2 tuSffißrung, unb 
fdßon beßßalb, nebft anbern ©rünben, ift eine 
einfaeße BußattS * ©intßeitung bei SBeitem nor* 
jujießen. 

# * * 

©ebanten nannte ieß obige Ißefen. ©er 
barauS feßtöffe, als feien biefetben in ber ®e* 
feßminbigfeit nur fo ßingefeßüttelt Worben, würbe 
fidß feßr tauften. Rie ßabe ieß einer fireßließen 


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Per Sempelfilat; in Srnifalem — fonft unb je^t. 


229 


grage fo oiel Qt\t unb ®raft gcmibmet als bie= 
fcr ©efangbucßsfrage. ©eit fahren fachte ieh 
mittelft Seftüre, Eorrefponbeng, Untergattung 
unb ^Beobachtung über jeben einzelnen $unft 


belehrt gu merben, unb bie obigen ©äfcc finb 
baS ßrgebniß ernfter Slrbcit, reiflichen 9tad>= 
benfenS, oietfadjer Nachfrage unb einer nicht 
geringen ©rfafjrung. • 




per ^cmpdplol? in lerufalem — foult unb je%t. 


8 ent Slawen nad) ift ber jübifd;e Xempel 
in Qerufatem, ben ©atomo erbaute, ben 
Slebufabnegar gerftörte, ben SefuS 
©^riftu§ mieberholt betreten f)at, einem 
jeben Sefer biefeS Stattet oon 3ugenb 
auf mohlbefannt. Sßftrben mir aber bie 
©ingelnen fragen, meines 93ilb fie fich 
oon ber ©eftalt unb oon ber Einrichtung biefeS 
berühmten SautoerfS beS alten Oriente mach¬ 
ten, fo mürbe uns oietteicht jebe Antwort, fo* 
oiel mir beren erhielten, einen befonbercu ©nt* 
rourf biefeS £>eiligthumS barbieten. Stur in 
bem einen ^Junlt mürben wahrfdjeinlich ade 
übereinftintmcn, baß baS ©ebäube felbft als 
red)t groß unb feine Ausführung unb AuS* 
fd)müdung als rec^t prächtig unb loftbar gu 
benfen fei. 

S)iefe Auffaffung liegt ja außerorbeuttid) 
na^e, benn mir finb fofort geneigt, uns einen 
Öegenftanb, ber in ber ©efdjidjte eine große Se* 
beutuug erlangt ßat, felbft menn biefeS nur um 
feines inneren SBertheS mitten ber galt gemefen 
ift, aud) in feiner äußeren ©rfcheinung als groß 
unb prächtig oorguftetten. 

3)er lefcte Tempel ber guben in gerufalem, 
beffen Sau nid)t lange uor ber $eit gefu boit 
£erobeS bem ©roßen begonnen mürbe, ift nach 
ben übereinftimmenben SRadjridjten beS Sitter- 
tf)untS allerbingS ein mit berfdjmenberifcßer 
^rac^t auSgeftatteter Sau gemefen. Sticht aber 
lann baS oon bemjenigen $eiligtl)um gefagt 
»erben, baS bie aus bem babplonifdjen ©£il gib 
rudteßrenben Suben unter ber Seitung beS ®a= 
oibiben ©erubabel errichteten. 

®er ättefte lempel, ber Oon ©atomo erbaut 
»urbe, mar für feine 3eit gemiß ein SSerf, baS 
baS Sol! Israel mit ©tauneu unb Semunbe* 
rung erfüllt f)at ; ob eS jeboeß unferm ©efeßmad 
unb. unferm 3beal öon ©^önheit entfpredjen 
mürbe, biefe grage muß eher oerneint als bc* 
jaht merben. greilich befinben mir uns bei ber 
Aufgabe, eine Steconftruftion beS falomonifchen 
XentpelS gu oerfudhen, in nicht geringer Serie* 
genheit, ba bie Sßittet ber Anfdjauung, bie mir 
gu biefem 3med oermerthen fönnen, fef)r gering 
ftnb. 


$ie Anlage egpptifcher unb affprifeßer lern- 
pet, mit ber uns bie gorfd)ungen ber testen 
Sahrgeßrtte in überrafdjenbem ©rabe befannt 
gemalt haben, ift für ben Sauplan beS ©a* 
ionto nicht maßgebenb gemefen. Siclmehr ma* 
ren eS phönigifdhe Zünftler unb |mnbmerfer, bie 
ben Xempct biefeS Königs entmorfen unb aus- 
geführt haben, natürlich nach phönigifdjen Sor* 
bilbern. Slber Oon ber Anlage unb ber ©iu= 
rid)tung pl)önigifdher Xempet haben mir bis gur 
©egenmart eine nur redjt mangelhafte Senntniß. 

^eber Steconftruftiou eines alten SaumerleS 
in igerufatem ftel)t außerbem bic nur mühfant 
gu übermiubenbe ©eßmierigfeit entgegen, baß 
bie Oberflächengeftaltung Ws SobcnS biefer 
©tabt im Saufe ber gafjrhuitberte einen unge* 
Ijeuren SBechfei erfahren hat. 

SSährenb ber jungfräuliche Saugrunb entme* 
ber ber oöttig nadte ober ber nur mit einer biiii- 
nen rötlichen Sehmfchicht übergogene gelfeu 
mar, tritt biefer heutigentags bem Äuge nur au 
menigen hochgelegenen ©teilen beS Ortes un* 
mittelbar an ber Oberfläche entgegen. $ie 
SJtulbeit unb Shöler finb burd) ©rb= unb ©djutt* 
tager in einer |)öhc Oon fünfgeßn, ja breißig 
SKeter für ben Slid Oollfommen unfenntlich ge* 
macht unb oerfchmunben. 

®ie alten Sauten mürben aber, mie fid} oon 
felbft oerfteht, nicht nur auf ben gelfen gegrün- 
bet, fonbern eS mußte audh ihre Einlage noth= 
menbigermeife nach ker oon ber 9?atur gegebenen 
Oberfiächengeftaltung beS gelfenS eingerichtet 
merben. 2Kan barf baher, miß man fid) bie 
Sage beS falomonifchen SempelS oorftettig 
machen, nicht ohne SEBeitereS bie heutige gläche 
beS Haram esch-Seherlf bem Silbe guförunbe 
legen, fonbern muß gunädjft barüber ©emißheit 
gu erlangen fud)en, melcheS bie urfprüngliche 
©eftalt biefer $öhe gemefen ift. 

3)iefe oor allem 2litberen nothmenbige Seiet)- 
rung über bie Serättbcrung beS ©runbeS, auf 
bem ber jübifd;e Sempel geftanben h a t/ liefert 
uuS eine Sergleichung ber brei gegebenen Silber 
in fehr beutlicßer SBeife. ©h e ich jeboch t^ie 
9lufmcrffamfeit beS SeferS auf bie großen Un* 
terfchiebc oon fonft unb jept rid)te, fei ber £er* 



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230 


Per Sruiprlplaß in Serufalrm — fonft unb jeßt. 


funft biefer Silber mit einigen SBorten gebaut. 
®ie Hbbilbungen finb nach photographifcßeu 
9lufnaßmen eine£ 9Robetl3 ßergeftellt, baä ben 
heutigen Haram esch-Scherif, ben alten 2em* 
pelplap, in ben mießtigften Spocßen feiner ©e* 
feßießte zu Hnfcßauung bringen foll. 

2)a£ Original, in jahrelanger Arbeit bon 
bem föniglicß mürtternbergifeßen Saurath S'on* 
rab ©<hicf in gerufalem gefertigt, ift au$ £olz 
gearbeitet unb zmar fo, baß bie Sauten ber 
einzelnen ©pochen bis auf bie gunbaniente ab* 
gehoben merben fönnen, um bem Sefcßauer zu* 
lept nur bie Racßbilbung beS natürlichen gel^ 
bobenä barzubieten. 

$aS britte Silb jeigt ben Haram esch- 
Scherif, ben heiligen $lap ber üDtuSlimen, 


Jung ber heutigen Oberfläche auf bemfetben 
Raum unb in berfeiben Dichtung nur etwa fle¬ 
hen SReter. 

Sebenfen mir nun, baß bie natürlichen Ab¬ 
hänge beS Sergej nach Süboften, ©üben unb 
Söeften ebenfo fteil ober noch fteiler abfallen, fo 
begreift fid) leicht, baß ber Rüden beS SergeS 
nur eine ziemlich Heine ebene 3täcßc barbot, bie 
Zur Sebauung geeignet mar. 3h* Umfang mirb 
etma ber erhöhten Plattform in ber 2Ritte beS 
erften SitbeS entfprochen haben, nur baß er fich 
zmeifetloS nach ©üben hi« etmaS meiter auSge* 
beßnt hat. 

Huf biefe Plattform richten fich baher bie 
9lugen ber gorfcher mit befonberer SBißbegierbe; 
benn ihr Untergrunb hat zweifellos bie ölteften 



I. $er Xcmpel aur 3cit Salomo«. 


in feiner heutigen Scfchaffenheit. SBir gemäß* 
ren, oon ber erhöhten Stattform in ber 9Ritte 
abgefel)en, eine im SBefetitlicßen ebene Stäche. 
Saffen mir bann baS erfte Silb in’S 9tuge, fo 
tritt uns im Sorbergrunbe, b. i. in ber nörb* 
ließen $älfte beS Saumes — benn ber Slid beS 
SefcßauerS ift oon Rorboften nach ©übmeften 
gerichtet — ein großer Unterfcßieb ber Ober* 
fläcßengeftaltung entgegen. 

3[n 9Raßen auSgebrüdt, bebeutet biefer Un* 
terfeßieb SotgcnbeS: mäßrenb fich bie urfprüng* 
ließe ©oßle beS furzen, aber tief eingefeßnittenen 
JßälcßenS am borberen Ranbe beS Silben be* 
reits um bierjig 9Reter unter bie größte |)öße 
beS SergrüdenS gefenft hat, beträgt bie @en* 


benfmiirbigen ©ebäube auf biefer $öße getra* 
gen: ben Salaft ©alontoS unb baS £mu* 
ijoDaS. 3)ocß ift biefe SSißbegierbe bisher nur 
in geringem 2Raße befriebigt morben, meil eine 
Untersuchung beS SobenS bon ben SRuSlimen 
um feinen tyxeiä geftattet mirb. 

®ie ©rlaubniß $um Sefucß beS heiligen 
Stapel ift feit 1854 freilich leicßt zu erlangen, 
aber nur maS zugänglich ift unb frei bot Hugen 
liegt, fann betrachtet unb im günftigften Satte 
aueß gemeffen merben. 3)ocß muß fieß ber 
Srembe immer nojß mit Sorficßt bemegen; benn 
bie alte Unfitte, bie in ben ©öangelien mehrfach 
ermäßnt mirb (j. S. 3oß. 8, 59), nämlich ben 
9Rißliebigen ober HnberSgläubigen mit ©teinen 


Digit — c. >ale 











Per ffifmpelplalf in 3(rufalem — fonft unb jeljt. 


231 


$u werfen, ift ^icr noch nicht aufter Uebung ge^ 
fommen, wie bcr Schreiber biefcr geilen t)or 
einigen ^afyren fetbft erlebt hat, als er ohne bie 
übliche muSlimifche Begleitung auf bem *ßlape 
umherging. 

$er ftol$e Suppelbau, ber fich auf ber er* 
höhten Plattform beS britten BilbeS ergebt, ift 
eins ber öornehmften unb fdjönften ,£>eiligthümer 
ber gefammten muSlimifchen SBelt. ©r Wirb 
Kubbet es-Sachra, b. i. „Selfenfuppel" ober 
gewöhnlich „Selfenbom" genannt, weil bie brei* 
|ig 9Keter hoch gewölbte Suppe! ben „heiligen 
Reifen" überfpannt, bie fyeiiigfte Stätte beS 
ganzen ^ßlafceS, bie burch einen reichen, aus ben 
öerjdjiebenften Blättern geflochtenen Sagenfran^ 
oerijerrtidjt ift. 


fen offen erfcheiut. $ier — unb nicht in Bethel, 
tuie baS alte Seftament erzählt — h a & c 3afob 
im Iraum §immel unb ©rbe burch eine Seiter 
oerbunben gefefjen unb nach bem Schlafe ooü 
©befürcht bie SBorte gefprochen: „§ie ift nichts 
2lnbereS, beun Rottes £auS, unb tpe ift bie 
Pforte beS |)immels!" 2luS beruhte unter 
bem heiligen Seifen fotl SDZuhammeb auf bem 
SSunberroffe Bürak in ben §immel entriicft 
worben fein; t)or feinem Sörper öffnete fich bie 
$ecfe ber £whle, unb fo entftanb baS runbe 
2ocf), burch welches noch heute bie Sefucher nach 
oben burch ben heiligen Seifen hinburchfchauen 
föunen. Qa ber ftarre Seifen fing bei biefern 
©reigniß an fich §u regen unb hätte ben Bro* 
pheten auf feiner S ö h r * gern begleitet, Wenn 



II. $er Stempel aitr 3«t be« £erobe«. 


35ie eine SReifje oon (Sogen rühmt it)ii al# 
eine wichtige Sultuöftötte fcfion ber grauen Sor= 
jeit. äRetchifebe! fotl hier geopfert haben, tjicr 
fott Slbratjam bereit getoefen fein, feinen einji= 
gen Srben ben Opfertob erteiben ju laffen. 
3)aoib fott t)ier bem ®otte 3#racl# einen Slltar 
gebaut haben, tucit an biefer Stätte bie ißlage 
ber ißcftilenj aufhörte, bie wegen ber oon 3)aoib 
unternommenen Solf#aählung ba# Sol! 3*raet 
getroffen hotte, ©nblid) fott auf biefern Reifen 
ber Sranbopferaltar oor ben Sempetn be# Sa= 
lomo, be# Serubabet unb be# ^crobeS geftanben 
haben. 

2)ie anbere 9teihe Pon Sagen fnüpft fo(rf)c 
©reigniffe an biefen Ort, benen ber $ug eigen= 
thftmüch ift, baff ber §immet über biefern gel* 


nicht ber ©ngel ©abriel mit übermcnfchlicher 
Äraft ihn jurücfgehalten hätte; bie Spuren fei= 
ner ipanb finb noch heute an ber toeftlichen Seite 
be# heiligen gelfen# toahrjunehmen. 

3n melier Sejiehung biefer burch bie Sage 
oerherrlichte Stein roirltich ju bem Xeinpet be# 
Salomo geftanben hot, ift ftreitig unb toirb 
ftreitig bleiben, bis eine genaue Prüfung be# 
Untergrunbc# bcr Slattform oiettcicht einen 
fieberen Üluffchtufc barüber liefert. 

©inige ©eiehrte finb ber fttieinung, bafj er 
bie Sabe 3 c h 0 °a#, ba# alte unb oornehmftc 
^»eiligthum 3#rael#, getragen höbe unb bem» 
nach in bem $untel be# Sttterheiligften ben 
Stielen be# Solle# oöttig entzogen getoefen fei. 
Stnbere bagegen holten e# für toaljrfcheinlich, 


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232 


Brr Srmprlplol in Serufalrm — fonft unb jrljt. 


bah bcr Sranbopferaltar über ihm errietet mar, 
uitb berufen firf) namentlich auf baS runbe 2od) 
beS h c iÜ8 en gclfenS, melchcS in ©erbinbung 
mit einem uuterirbifchen Kanal baS ©lut ber 
Dpfertljiere abgeführt höbe. 

Diefcr lederen 21nfi<ht ift auch ©aurath Schief 
gefolgt, inbem er, mie bie erfte 91bbilbung ^eigt, 
ben falomoitifchen Xempel an bie SSeftfeite beS 
Haram csch-Seherif Oerlegt. £>at nämlich 
ber ©ranbopferalter auf bem heiligen gelfeti 
geftanben, fo bleibt feine anbere Sage als bie 
ermähnte für ben Xempel übrig, meil mir genau 
miffen, bah ber ©ranbopferaltar an ber Oft* 
feite beS SempelS unb ^mar öor bem großen 
gingangSthore beffelben geftanben hat. ©iefeS 
Septere hat einen eigenthüntlichcn Sdjmucf, ber 


mürbe, als anbere im Sanbe Israels, beren 
^eiligfeit über alles menfchliche ©ebenfen 
aufeuragen fcheint, fo hat fie bennoch allein ben 
gharafter ber .feeiligfeit für bie fpätere jübifche 
©emeinbe behalten. 

®ie Stählung im 2 Sam. 24, auf bie fchon 
oben angefpielt mürbe, läfjt barüber feinen 3me - 
fei, bah biefe £öhe noch ä u ®ctöibS 3*it nichts 
SlnbereS mar als eine ®refchtenne, auf ber man 
bie ©arben Don ben gelbem jufammentmg, bie 
Körner burch bie $ufe beS ©ieheS austreten 
liefe ober mit £>ülfe eines Schüttens auSquetfchte 
unb nachher oon ber Spreu reinigte. Sie biente 
auSfchliefcüch für profane 3^ecfe unb befanb fich 
nicht einmal im ©efip eines 3|Sraeliteu, fonbern 
eines Kanaaniters, beS gebufiterS Slrafna. 



III. 35 er Xempel, toif berfelbe jefet ift. 


ber grmäljnung merth erscheint. gS erhoben 
fich b° r ober in bem Durchgänge jmei aus gr$ 
gegoffene freiftehenbe Säulen, bereu Krönung 
in einem ebenfalls gegoffenen Kapitäl beftanb, 
baS mit einem glechtmerf bon 3 roe i9 en unb 
©ranatäpfeln oer^iert mar. ®ie ©efammthöhe 
biefer beiben Säulen, bie Qlafin unb ©oaS hie* 
fcen, belief fich auf ll£ ÜJleter. Siemaren of= 
fenbar ber SluSftattung eines phöniaifdjen Ie.n= 
pelS nachgebilbet, benn eS ift uns ein fleineS 
2RobetI eines folgen erhalten, baS in genau 
entfprecheuier SBeife oor ber Dempelthür jmei 
freiftehenbe Säulen mit jugefpifctem Kapitäl 
ieigt. 

Obgleich biefe Stätte öiel fpäter gemeiht 


grft unter SalomoS ^Regierung mürbe fie 
enbgültig für heilige 3*oecfe gemeiht. ®och ift 
eS bon SSichtigfeit für bie ursprüngliche ©eben* 
tung beS XempelS, baran ju erinnern, baf$ Sa* 
lomo bie für fich unb feine grauen, für feine 
®ienerfcf)aft unb für StaatSjmecfe nothmenbigen 
©ebäube in ber unmittelbaren SRälje beS £eili{j* 
thurnS errichten liefe. ®iefelbe #öf}e trug bte 
SSohnung beS Königs unb bie beS ©otteS $S= 
raelS, unb jmar bilbete bie Sefctere ein 3ubef)ör 
ber grfteren, nicht etma umgefehrt. ®er Xem* 
pel mar baS ^eitigthum ber fönigtichen ga= 
milie ober beS föniglichen SßalafteS in ähnlicher 
SSeife, mie eine mittelalterliche ©urg ihre eigene 
Kapelle für bie gamiüe unb bie bannen beS 


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9rr ®empelplaß in 3mtfalrm — fonft unb jcßt. 


233 


Burgherrn innerhalb ißrer äRauern ßatte. — 
Sie ©efcßicßte be3 fReid^e^ Iguba bfö gum ©fit 
bietet nun bie mertmürbige unb folgenfcßmere 
©rfeßeinung, baß ber Stern be3 KöuigtßumS 
oerbleicßt, ber bureß baffelbe geraffene Sem- 
pel hingegen in einem ftet$ größeren ©lange 
ber £eiligteit leucßtet. Sie töniglicßen Setm 
pel be3 nörblicßen 9teicße$ g3rael mürben ent- 
niei^t unb gerftört, aber ba3 ,§eiligtßum in gc= 
rufalem btieb unoerfeßrt, ja im lebten Viertel 
be3 VII. ;gaßrßunbert3 mürbe e3 at3 bie einzig 
legitime Kultuäftätte be3 9teicße3 guba an= 
ertannt unb jebe3 Opfer an einem anberen Orte 
al3 ©ößenbienft gebranbmarft. Sa3 mar bie 
reife grueßt be3 ©amentornS, ba3 Saoib unb 
Salomo, felbft aßnung3lo3 über biefen 2lu3gang, 
ßier einft eingefentt ßatten. 6 i n #eiligtßum 
oerbanb nun ba3 ©olt be3 einzigen ©ottc3, unb 
biefe3 Sattb ßat mefentlicß bagu beigetragen, 
trop be3 babplonifcßen ©£il3 bie ßebenätraft 
ber jübiftßen ©emeinbe gu erßalten. 

Ser *ßropßet ©geeßiel tabelt bie Könige gm 
ba3, baß fie t>or bem ©fit ben ßeiligen tarnen 
3efjooa3 entmeißt ßatten, inbem fie ißre ©cßmelle 
an feine ©cßmelle unb ißre ^ßfoften neben feine 
^foften feßten, „fo baß nur eine SBanb gtuifeßen 
mir unb ißnen mar/' unb forbert, baß eine folcße 
©ntmeißung in 3u!unft nießt meßr ftattfinben 
fotte (Kap. 43, 7—9). ©3 ift in ber Sljat 
naß bem ©fit anber3 gemorben: Ser Sempel* 
pla& trug nur ba3 £>eiligtßum unb bie Raufer 
berer, bie Sienfte an ißm gu oerrießten ßatten; 
neben geßooa unb feinen ßeiligen Sienern mar 
fein ©laß meßr für profane, für meltlicße ©e^ 
bäube, felbft giirften ßaben feitbem ißre 2Boß* 
nungen ßier nießt meßr aufgefeßlagen. 

SRocß einmal erftanb ber Sempel naeß maneßen 
traurigen ©cßicffalen gu größerer Sßracßt at3 je 
guoor. £erobe3 ber ©roße, tßeilä oon bem 
ffiunfiße befeelt, bie Slbneigung ber guben ge¬ 
gen feine £errfcßaft gu überminben, tßeil3 oon 
bem ©ßrgeige getrieben, aueß ben SRußm einc3 
Salomo gu übertreffen, ßat ben ©laß mit foft= 
baren Saumerfen gefeßmüeft, t)on benen fieß troß 
ber oerßeerenben ©türme, bie über fie ßinmeg= 
gebrauft finb, noeß ftolge Stefte bi3 ßeute erßal- 
ten ßaben. (Sergl. bie gmeite Slbbitbung.) 

Ser ßeilige ©egirf mürbe bebeutenb oergrö^ 
ßert unb bureß gemaltige ^Ringmauern eingefaßt, 
bie au3 f(ßön beßauenen Steinen oon auffaßenb 
großen Simenfionen erbaut mürben. 

©auratß ©cßief leitet freiließ, mie eine ©er^ 
gleicßung be3 gmeiten unb erften ©ilbe3 geigt, 
ben größten Sßeil biefer ^Ringmauern feßon Oon 
Salomo ßer; allein e3 fprießt 3Rancße3 gegen 
biefe Slnnaßme. SBie bem aueß fein mag, bie 
©rößc unb ©cßönßeit biefer äRauern, beren 


£öße noeß ßeute Don ben Derfcßütteten gunba= 
menten bi3 gur Krone Diesig, ja fünfzig äReter 
beträgt, ift roaßrßaft ftaunen3mertß. SRacß in¬ 
nen fcßloffen fieß geräumige unb präeßtige fallen 
an biefe äRauern. 

SBer au3 ißnen ßinau3trat, befanb fidß auf 
bem äußeren lempelbejirf ober bem „©orßof 
ber Reiben," ben betreten tonnte, 

3;3rae(iten mie 9tnber3gläubige 

©in reger, geräufeßootter ©erteßr mirb ben- 
felben belebt ßaben; benn auf ißm betrieben 
Käufer unb ©ertäufer fomie ©etbmecß3ler ißre 
©efcßäfte. §ier tonnte ber au3 einem fremben 
ßanbe nad^ ^erufalem gemanberte Ruhe fein 
au3länbifcße3 ©elb in jübifeße äRün^e urnmeeß- 
fein; benn nur in folcßer bnrfte bie lempel* 
fteuer be^aßlt merben. .§ier tonnte man bie 
©cßafe, bie Ocßfen, bie lauben, bie man §u 
opfern gebaeßte, einfaufen. 

2lu3 biefem „©orßof ber Reiben" oertrieb 
einft bie bureß foteßen ^anbel ba3 

§au3 ®otte3 entmeißten, mit ben betaunten 
Söorten: „©teßet nießt gefcßriebeit: äRein|>au3 
foll ßeißen ein ©etßau3 aßen ©ölfern? 
aber ßabt eine äRörbergrube barau3 gemaeßt!" 
(©o. 9Rart. 1 1, 15 ff.) 

$er innere iempelbe 5 trt lag etma in ber 
äRitte be3 ganzen ^51aße3 unb mar bureß eine 
anberßalb äReter ßoße ©teirtf^ranfe abgegrenjt. 
91n berfelben maren ©teinfäulen mit ^nfeßriften 
in grieeßifeßer unb lateinifeßer ©praeße ange= 
braeßt, bie jebern pfremben, ba3 ßeißt älicßtjuben, 
bei Xobe3ftrafe bieUeberfeßreitung biefer ©ren^e 
oerboten. 

Sie ©teinfeßrante mar an meßreren Stellen 
bureß Sreppen unterbroeßen, bie gu ber bie 
eigentlichen Sempelgebäube tragenben Serraffc 
emporfüßrten. 3Ber oon Often ßer eintrat, tarn 
bureß ba3 „forintßifcße Sßor" gunäcßft in ben 
„©orßof ber grauen." |>ier ftanb ber @otte3- 
faften, oor bem fieß 3 e f u ^ ™ lebten Sagen 
feiner irbifeßen SSirffamteit nieberfeßte, um gu 
feßen, „mie ba3 ©olf ©elb einlegte. Unb e3 
tarn eine arme SBittme, bie legte gmei ©eßerf= 
lein ein." #ier ßat unfer |>err unb ^eilanb 
bie ©abe biefer grau oor feinen Jüngern mit 
ben SSorten gerüßmt: „ffiaßrlicß, icß fage eueß, 
biefe arme SBittme ßat meßr in ben ©otteätaften 
gelegt, benn 91ße bie eingelegt ßaben." (©o. 
9Rart. 12, 41 ff.) 

©cßritt man meiter muß Often oor, fo führten 
fünfgeßn Stufen gu bem „großen Sßore" em= 
por, ba3 ©inlaß gu bem „©orßof ber äRänner" 
gemäßrte, üon bem aßc grauen au3gefcßloffen 
maren. $ier enblicß lag ba3 eigentliche Sem- 
petßauS frei oor ben 2tugen be3 anbäeßtigen ©e- 
fcßauer3. 


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234 


jRanbgrbankrn. 


316er nur betrachten, nicht betreten, ja auch 
nicht berühren burfte ber ^ube ba£ |>au3 feinet 
Sottet, benn ein fteinerueä ©itter fchieb nodj s 
rnalä nad) innen non bem $orl)of ber SDiänner 
„ben 9Sorf>of ber *ßriefter" ab, in bem ber 
Vranbopferaltar ftanb uub ftch bie zur ©chlad^ 
tung ber £f)i cre nothwenbigen Vorrichtungen 
befanben. ©o tonnte ber gläubige 3 fube nur 
au$ einiger Entfernung bie Fracht i>e$ Xempelä 
bewunbern. 

S)er Vau, an£ ben foftbarften meinen ©teinen 
gefügt, erhob fich bi£ 311 ^meiunbfünf^ig Steter. 
9ln nieten ©teilen waren bie ©teine mit ©olb^ 
platten bebectt, fo bag ber jübifche ©chriftfteüer 
^ofephuS non biefem SBunberwerfe beä herobi* 
anifchen Xempelä, ben er no<h mit eigenen 
klugen gefehen h a ^ c , rü^mt r bag er burcf) bie 
Söeige feinet SiarmorS einer fdjneebebedten 
Vergfpifce ähnlid) gewefcn fei unb ber ©lanz beä 
©efteinS wie be£ ©olbe$, non ber ©onne bc- 
fcpienen, ba3 Sluge geblcnbet hübe. 

2113 3efu3 jum leptenmal biefen Sempel be^ 


fud^t hatte, machte ihn einer feiner jünger auf 
bie Fracht unb auf bie ©rogartigfeit be3 Vaue3 
aufmertfam. 2 lber ber |>err erwiberte ihm: 
„©ieheft bu Wohl allen biefen großen Vau? 
Sicht ein ©tein wirb auf bem anbern bleiben, 
ber nicht zerbrochen werbe." (Start. 13, 1 ff.) 

2 ln ben Ernft biefe» 28orte3 wirb fich Qcber 
erinnern, ber auf bem heutigen Haram esch 
Scherif vergeblich nach ben fReften be3 grogar- 
tigen gerobtanifchen 2empcl3 fud;t. $a3 mäch¬ 
tige Vauwert, ba3 für alle $eiten errichtet zu 
fein fegien, ift nerfchwunben, ber ehrwürbige 
Vranbopferaltar ift zertrümmert. 3)a3 Opfer 
be3 neuen Vunbe3, burch ba* ber ,3aun zwifegen 
3 uben unb Reiben abgebrochen unb für bie 
ganze Stenfcggeit ber freie Zugang 8 U bem ®ua= 
bentgrone ©otte3 eröffnet würbe, ift an einer 
anberen ©tätte bargebracht worben. 

2 ln bie ©teile be3 fiegtbaren ®otte3gaufe3 
^3rael3 trat nun bie „Vepaufung ©otte3 im 
©eift" unter allen Völtern. 

(£>. ©. im 5 )ageim.) 




i&anbgebanlmt 

ju Victor b. Sdjtfftr* igfroptt: 


„Tas ift im tieben bä&lid) eiimcri^tct. 

Xafj bei ben 9Jofen qleicf) bie Bornen ftetj'n, 
Unb roa3 ba# arme $er* aud) ielint unb bubtet, 
9tm Scbfuffe tommt bad ®oneinanbernet} , n." 

j?ür §au* unb derb bau Äntta Sporn. 


Jjlj a s ift im leben hägltcg eingerichtet, 
jjjl Dag ficg bas ITtenfchenherz fo leidet empört 
Ci« Unb in ber (Erübfal, bie fein <Slü<# oerniegtet, 
Die Stimme feines (Sottes überhört. 

0 fönnteft bu in feine piäne fehen 
Unb beiner Seele wahres f?eil oerftehen, 

Dann würbeff bu in finblicbem Vertrauen — 
IDenn auch burch Chräncn—feine liebe fchauen. 

Dag bei ben Hofen gleich bie Dornen gehen, — 
0 nenn’ es nicht ein unbarmherzig loos ! 

Des lebens Hofen muffen bodj pergehen 
Unb fallen bir entblättert in ben Schoog. 
lag bid? ben furzen gauber nicht betrügen, 

Das (Erbenleben f 0 11 bir nicht genügen. 

€s mug bie 231üthe fld? 3 ur ^ruegt entfalten, 

Der (Eraum zur XDirflicbfeit fich umgeftalten. 


Unb was bas arme Qerz auch fegnt unb bichtet 
Umfonft, — weil oft bie lichten 23ilber flieg’n, 
Wenn bu bas Uuge erbenwärts gerichtet, 

Um hoffnungslos ben öben Pfab zu zieh’n, — 
Derzage nichtI gu Roherem geboren, 
gu ew’ger Seligfeit big bu erforen, 

Unb manches (Erbenglücf, es mug nur fchwinben 
Dag bu ben Weg zur Qeimath mögeft ffnben. 

Um Schluffe foinmt bas Doneinanbcrgehen. 
Hichts in ber Welt löft f 0 bas arme ßerz 
Don (Erbenbanben, — zieh* in geigem flehen 
Uus (Erübfalsnacgt bich licht unb himmelwärts. 
Uub wenn bu Ejeil in 3efu Hlut gefunben, 

3n feiner Kraft gelebt unb überwunben, 

Dann winft in (Snaben bir in fjimmelshögen 
€in ewig’ IJeim, ein fel’ges IDteberfehenl 



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Sfb» Hrrf Ijat fttnra rigrnrn $d)tnrr;. 


235 


3cbf0 Jjjer) l|at feinen eigenen Sdjmer?. 

©ine ©rzäßlung au« unferen Tagen. 


8 ur #äb| unto §t 

ebe« fterz hat feinen eigenen Gcßmerz." 

SJfit biefen ©orten jueßte gräulein ©eit eine 
Gcßülerin itjrer ftlaffe zu tröften, bie in ißrem 
tiefen ftummer gefommen war, ißr $erz oor iß* 
rer fießrerin, mit ber fie al« greunbiu innig oertraut 
war, au«zuicßütten. 

„Tu mußt bid) nießt aüzufeßr mit beinern fieib be* 
fdjäftigen, ftätßcßen," fußr fie fort. „Me Tinge werben 
bir zum heften bienen. Go bunfcl unb oerßängnißooll 
bie güßrungen ber göttlichen Vorfeßungen btr in ber 
Gegenwart auch feßeinen mögen, fei oerfießert. bie 
ßeit wirb fommen, wo bn fagen wirft: ,,©otte«©ege 
finb hoch lieble ©ege unb alle feine Gteige finb 
griebe." 

„gcß fann nießt begreifen, gräulein ©eif, wie bu 
aud) nur fo zu mir reben fannft! Tie geit wirb nie 
fommen, ba ich fagen tonnte, e« ift Alle« reeßt." 

5 Wit biefen ©orten brach ftätßchen $arlan auf’« 
Aeue in lautet ©einen au«. Ta« SJJaß iljrer fieiben 
mar boü unb bie SEBaffer ber Trübfal reichten ihr bi« 
an bie Geele. 

Vor fecß« gaßren war tyre SMuttcr geftorben, an 
ter fie mit ganzer Geele hing unb beten Sfatß unb 
gureeßtmeijung fie immer noch fehr beburfte. gßr 
findiger Vrubcr war bor zwei fahren nach ber gnfel 
(Euba gereift in ber Hoffnung, baß feine ©efunbßeit 
mietet ßergeftellt werben möchte. Allein umfonft. 
6r lehrte nie roieber nach ben bereinigten Gtaaten 
Zurüd. 

gn golge ber bielen fieiben unb ftranfßeiten, bie 
feine gamilie betroffen hatten, war £crr Sarlan eben= 
falls feit mehr al« einem gaßre in einem leibenbett 
guftanbe. ©r war nicht länger im Gtanbe feinem 
©ejcßäfte Oorzufteßen. (Er 50g jich baher bon ber 
©efdjäftswclt zurüd, taufte ein nette« £äu«d)en in 
einem flehten Gtäbtcßen, in welchem fid) ein berüßm* 
lc« Geminar zur Auebilbung junger Tarnen befanb. 

fcier war c«, wo Äätßcßen mit ber Lehrerin, gräu* 
lein ©eit, befannt unb bertraut worben war. 

Wach brei SWonaten ihrer Anrunft machte $err 
fiarlan eine Heine Steife, um einige ©efcßäfte zu be* 
forgen. Am zweiten Tage aber nach feiner Abreije 
mürbe er bon einem heftigen fiungeitbluten befallen, 
welchem feinem Beben in wenigen Gtunben ein ©nbe 
machte, £err £arlan ftarb unter fremben SJfenfcßen, 
bie ihn jebod) auf ba« gärtlicßfte behanbelten unb 
feine fieieße ihrem VeftimmungSorte zufanbten. 

gür Äätljehen war ber plößlicße Tob ißre« Vater« 
ein Vltfcfcßlag au« heitrem §immel. Anfänglich 
mußte fie fich gar nicht zu faffen: wie im Taumel gtng 
fie tm £aufe umher bi« $ur geit be« Trauergotte«* 
bienfte«. gljre einaifl* guflucßt war gräulein ©eit, 
in beren Saufe fie einige ©!ocßen Aufnahme fanb. 

Aach Veftreüung ber Veerbigung«toften unb an* 
tfTer Auslagen blteb bom elterlichen Vermögen faum 
genug übrig, um ßätßchen al« fießrerin au«bilben p 
wnnen. Troftlo« faß $ äthehen auf einem gußfeße* 
mel bor gTäufein ©cif, in beren Gcßooß fie ißr ntübc« 
ftaupt gelegt ßatte. 

Aach eintgem Gcßweigen unterbrach gräulein ©eit 
bas ©einen unb Gcßlucßjen flätfccßen« mit ben ©or* 
ten: „©« ift gewiß eine jeßwere Aufgabe, bie bu, lie* 
besÄtnb, p lernen ßaft, allein laß mich bieß ber* 
ßeßem, baß manche ^erjen ebenfo feßwierige fiettionen 


b bon ©regoriu«. 

im Beben lernen mußten, unb wenn biefer Äelch ber 
fieiben einmal borübergegangen fein wirb, wirft bu 
©ott banten für bie Beftion, bte bu gelernt ßaft. 
gebe« SAenfcßenfinb muß leiben, ge naeßbem wir 
un« nun im Bciben berhalten, wirft baffelbe ©ebulb 
unb (Ergebung ober auch Verzweiflung." 

„Vielleicht befißefl bu genug ©itlen«fraft, um zu 
beftimmen, wa« bie golgen ber fieiben in beinern fie* 
ben fein follen," erwtberte Äätßcßen; „aber icß gefteße 
bir gerne, baß id) ßierp unbermögenb bin. gubem 
ift e« für bieß feine Aufgabe ©ebulb zu üben, ba« ift 
bir bereit« zur jweiten Statur geworben. Aucß ßaft 
bu, wie e« mir jeßeint, feinen befonberen ©runb trüb* 
felig zu fein." 

Tiejc« lefcte ©ort brang gräulein ©eit tief in’« 
§crz. „deinen befonberen ©runb trübfelig zu fein l 4 * - 
mieberßolte fie langfant unb mit Stacßbrud. 

„^ättjeßen, jebe« $erz ßat feinen eigenen Gcßmerz. 
©rlaube mir, bieß mit bem Gcßidfal meine« Beben« 
näßer befannt zu ntaeßen, bamit bu zu urtßeilen fäßig 
bift, ob icß feinen befonberen ©runb zur Trübfehgtcit 
ßatte." 

,,gcß ßabe feine ^eimatß," ßub gräulein ©eit an, 
ZU 3 e ücu feßeint mir mein fieben«wea ein befoitber« 
einfanier unb trüber zu fein. fiiebenoeSänbe hielten 
einftmal« bie meinen feft unb führten mich fießere 
©ege. Allein fein irbifeßergreunb ift mir geblieben, 
um mich weiter zu füßren. gcß fteße allein in biefer 
trüben ©eit. gcß Hage jebod) iticßt, obfcßon e« gei* 
ten in meiner Erfahrung gab, wo icß glaubte, oaß 
©ott ungerecht gegen mich gewefen fei. 

„geboeß, mein &erz, ba« impulfioer unb leiben* 
fd)aftlicßer war, al« ba« Teilte angelegt ift, rußt er* 
geben unter bem ©iüen ©otte«. 3 U ißm ift meine 
Geele ftille geworben. 

„gn ben wilben ©ebirgen bc^ Gtaate« Vermont 
ftanb meine ©iege. gcß war ein Äinb ber Statur in 
befonberem Ginne. Verge zu erflimmen, ben wilben 
®afen zu jagen, ba« war meine greube. Ta« $\m* 
nter wollte mir oft zu enge weroen; e« trieb mich 
binau« in ben Tembel ber Statur, wo icß Augenweibe 
für meine lebhafte Vßantafie fanb. 

„SJteine SJtutter war eine liebenbe Geele, fie be* 
fcßäftigte fid) jebod) zu feßr mit ber ©eit, um ißren 
Äinbern befonbereAufmerffamfeit feßenfen zu fönnen. 

„SJtein Vater war ein ftolzer SJtann mit ßoeßfaß* 
renbem ©eift. An meinem wilben unb unbänbigem 
©efen ßatte er befonber« ©efallen. Von Kinb auf 
füßlte id) mieß p ißm ßingezogen, unb oft überßörte 
i<jß bie Vemenung meiner SWutter, ba& Stiemanb 
einen folcßen ftatfen (Einflug auf ißn ausgeübt ßabe 
al« icß. 

„SWeine ©Item waren feßr reich unb hatten Diele 
greunbe. gefteffen, zu benen Diele gelabene greunbe 
fieß einfanben, war meßt« Geltrne«. Ta« freunbfcßaft* 
ließe ©eingla« maeßte oft bie Sfunbc unb mein Vater 
(brach bemjelbcn befonber« zu. 

,,Al« icß faum zwölf gaßre alt war, ftarb blößließ 
meine SDtutter. Valb naeß bem Tobe meiner SDtutter 
würbe icß in eine Gtabtfdjule gefdiidt, welcße ich Uier 
gal;re lang befueßte. gn biefer geit war eine große 
Veränberung mit meinem Vater oorgegangen. Tage* 
lang beobachtete er ein förmliche« Gcßweigen ober 
er würbe launijeß unb ungeftüm gege.i geoermann 


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236 


3tb» fjcq W frinrn rigrnrn Sd|mer{. 


im $au|e. $iefe Unfälle festen immer mieber, mur* 
ben mit ber Reit häufiger, bis er zuleßt in eine 21rt 
s JMan4olie oerfiel. 

„Monate waren oergangen, cfjc ixß cuträtßfeln 
fonnte, maS meinem SSater eigentlich fehlte, obwohl 
eS ben Nachbarn löngft befannt war. 9Rein3$ater 
hatte fuh bem Xrunf unb ©lütfSfpiel ergeben. 

„0 Ääthchen, ich Tann bir feinen begriff geben bon 
bem, waö ich in biefer Reit gelitten habe. 34 zog 
mich bon aller ©efetlfc^aft zurücf unb ücrf4loß mich 
tagelang in baS HauS. 34 nahm mir oor, meinen 
Skater oon ber fcßrccfli4en geibcnfcbaft, we!4«r er 
jum Opfer gefallen war, zu retten. 34 wußte, baß 
ich immer noch einen ftarfen ©influß auf ihn auSzu* 
üben oermoeßte—wie aber follte ich ihm mißen laßen, 
baß feine oerfeßrten ©ege mir befannt finb? 

„93alb barauf ging eine große Söeränberung in mir 
oor. $er ©ebanfe, baß mein SBater 6cßanbe unb 
3lrmutß über uns beibe bringen follte, füllte mich mit 
©ntrüftung unb war mir zu Reiten faft unerträglich- 
$ann bat ich ih n toieber in ben järtlichften ©orten, 
baß er boch oon feinen oerfehrten ©egen abftehen 
möchte. 34 bat ihn um feinetwillen, unt ber tobten 
Butter willen, um meinetwillen, um ©otteS willen 
oom 5£ynf unb Siticl au laßen, allein er oerfießerte 
mich, er fönne fi4 unmöglich oon biefen Seibenfcßaf-' 
teu loSreißen. ©r geftano mir mit gebrochener 
StimmVTfiaß er fieß unwiberfteßlicß zu biefen gafter* 
l)ößlen gezogen füßle: eS fei ißm moßl bewußt, baß 
eS zu feinem zeitlichen unb ewigen SRum gereiche unb 
baß er mir baS Herz breeße, allein, er fömte eS nießt 
laßen. 

,,©ag unb 9facßt bra4te er in ben Sciftcrhößlen au. 
©toß bei einem folcßen geben unfer irtfTjajer 33efiß 
immer weniger würbe unb unS zuleßt bic bitterfte 
Mrmutß entgegen ftarrte, ift faum nötßig zu fagen. 

,7^aS auSfcßmeifenbe geben zerrüttete bie ©efunb* 
heit meines ®aterS unb er war fortan gezwungen baS 
33ett zu hüten. 3u Reiten waren feine geiben un* 
fäglid). Unermübet waeßte icß an feinem tZette unb 
tßat alles Mögliche ißm feine gage zu erleichtern, 
©enn bie SReue über fein oerfeßlteS geben ißn über* 
ßel, unb er zu jammern begann, bot icß SlfleS auf, ißn 
au tröften unb auf 3efum, ben greunb ber Sünber 
hinzuweifen. Slllein mein bemühen, feine Seele zu 
retten, war üergeblicß. 9?acß zwei fahren großer 
geiben ftarb er, oßne mir ben Xroft zu ßinterlaffen, 
baß er Vergebung feiner Sünben erlangt habe. 

„Ru ^Baltimore, 9JJb., hatte icß reieße &nüermanbte. 
liefen tßeilte icß meine gage brießieß in ber Hoffnung 
mit, baß fie fi<ß meiner anneßmen würben. 9tacß 
langem ©arten empßng icß enblicß einige Reilen, in 
welchen fie ißr 3ßitleib auSbrücften, oßne jeboeß auf 
meine üereinfamte gage zu reßeftiren ober mir ein 
Heim in ihrem gamilienfreifc auzubieten. 

„Heiße ißränen rannen über meine ©angen beim 
gefen biefen tßeilnaßmlofen Schreibens. 34 war 
entrüftet unb entfcßloß mieß fofort, für metnen ge* 
benSunterßalt felber Sorge au tragen. 

„34 hatte eine grünbliajc S4ulbübung empfangen; 
in ber SÄufif hatte icß mieß fogar ausgezeichnet. 34 
war halb entfcßloßen, mid) bem geßrerfaeß zu wib* 
men. ©)urcß bie freunblicße Hülfe beS States, ber 
meinem SSater in feiner legten Sranfßeit aufwartete, 
befam kß in furzer Reit eine Slnftcllung als 9JJufif* 
leßrerin an einem Seminar. 

„gür mein irbifcßeS 3luSfommen war alfo geforgt, 
aber mein Herz war fo tief üerwunbet, baß icß ganz 
unb gar für muß baßinlebte unb feinem SRenjcßen 
einen ©inblicf in mein inneres geben geftattete. 3cß 
lag ber 9Rufif unb bem Stubium ber Sprachen ob. 


34 bemeifterte eine Spra4e ua4 ber anbern; ni4t, 
baß i4eine befonbere Vorliebe zu bem Spra4ftubiuni 
qeßabt hätte, aber eS naßm meine ©ebanfen in 2ln* 
}pru4 unb half mir mein geib oeraefjen. 

„©rßolung üerf4affte i4 mir auf bem glügel. 34 
Oerfu4te mid) ebenfalls im ©omponiren oon Sttujif* 
ftüaen, in mel4en i4 bem tiefften ©efüßl meiner 
Seele SluSbrucf zu geben bemügt war, unb bie mir 
baßer als befonberS mertßooll galten. 

,,©S gefiel jebo4 bem barmherzigen $atcr, gegen 
ben mein Herz oft rebeüirt ßatte, muß eher, als 14 cd 
erwarten fonnte, in ein anbereS gebenSoerßältniß ein* 
Zuführen, inbem er mir einen oerfpre4enben jungen 
SRann, ^arriS geoief, zufüßrte, mel4er um meine 
giebe warb unb fchließli4 mein Herz gewann. 

„92acß unferer eßelicßen SBerbinbung legte i4 meine 
geßrerftelle nieber. ©ir bezogen ein befcßeibeneS 
HauS, wel4eS auf baS ©infa4fte möblirt war, benn 
wir waren nidjt bemittelt. 3lber, o, mel4’ ein <ßara* 
bieS war mir mein neues Heim! ©ir hatten $3ü4er 
unb Blumen unb 3Rufif. Unfere jugeublidben ^enen 
waren üoUer giebe unb wir f4auten ber Rufunft oe* 
geiftert entgegen. 

„3n bem furzen Reitraum eines 3aßreS ßatte i4 
baS geib meines geoenS oergeffen, unb i4 banfte bem 
©eher aller guten ©oben für bie rei4en Segnungen, 
bie er mir bef4eerte. 

©arris war ein 9te4tSgeleßrter, ber ß4 oon 3aßr 
ZU 3aßr emporarbeite unb bereits bebeutenben 9tuf 
erworben ßatte unb beffen ©Jienfte immer meßr ge* 
fu4t würben. So oft i4 wi4 mit ißm über unfere 



„So lange eS mir na4 ©unf4 ging, fonnte uß 
auch fagen: ,,©)ein ©iüe gefc^eße!" . 

„feier 3 a ßre hatten mir im ebelkßen ©lüefe gelebt. 
Unfer ©ittie, ein aufgcwecfteS Irinb, war brei Raßre 
alt. ©er üon uns Reiben auf’S Rärtli4ftc an bem 
$inbe ßing, eine grage—bie wir uns oft oorlegten— 
fonnten wir ni4t beantworten. 

„©ineS XageS bra4te mir ©arriS bie Äunbe, baß 
er in einem befonberS üermicfelten gaü als Slboofit 
angeftellt worben fei, unb baß er im 3utcref?c beS 
gaueS eine Steife na4 ©ßicago ma4cn unb auf eine 
©oeße abwefenb fein müßte. 2lm borgen feiner 31b* 
reife trug er fi4 mit ben füßnften Hoffnungen. N ©ib 
bieß zufrieben, Schaß, icß werbe nur aeßt iage abmc* 
fenb fein unb bie Steife na4 ©ßicago ift gewiß fein 
Unternehmen, wel4cS bieß mit banger Sorge um mieß 
erfüllen follte. Unfer ©illie wirb Dir in ber SSertrei* 
bung ber 3eit f4on beßülflicß fein.“ 

„34 ober war ni4t oermögenb meine ©efüßle z« 
unterbrüden, fonbern bra4 heim ?lbfcßieb in lautes 

S41u4z e * 1 o u ^- 

,,'©i, glorence, wenn i4 geaßnt ßätte, baß mein 
©eggeßen auf eine furze ©oeße bi4 fo feßr angreifen 
würbe, wäre i4 Z u geblieben!' 

„ v 34 weiß Horrig eS einfältig ift, mi4 fo an* 
Zuftellen/ antwortete id), v aÜein im befüreßte, wir 
werben uns nie roieber begrüßen bürfen/ 

,,'©ott fegne bi4 unb unjer Äinb/ ermiberte er unb 
nad) einem ßerzli4cu 3lbf4tcbSfuß eilte er bem ©aßn* 

^ Is?acß zweiXagen erßielt i4 einen ©rief, in welchem 
Harris mir bie SJcittßcilung ma4te, baß tllleS treffli4 
üon Statten gehe, unb baß er innerhalb einer ©oeß^ 
wieber heimfeßren würbe. 34 maeßte mir f4on im 
Stillen feormürfe, baß i4 nid)! Vertrauen auf 
©ott ßatte, unb üerfpracß fünftigßtn ni4t fo flcin* 
gläubig zu fein. 


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3rbrs $rr| Ijat frinrn rigrnra Sdjmrr;. 


257 


„©nblidj brach ber Xag ber $eimfehr meined 9Ran* 
ned an. TOit ©inbrod) ber Md)t moute er foauie 
fein. 3$ fSeibete midj unb unfern BiUie auf bad 
6orgfaltigfte, bamit wir ihm um fo mehr greube be* 
retten mosten. 

„Äld bie Uf)r auf bem ©efimd neun fchlug, hörte 
id) ben in meiter gerne anbraufenben gua, auf bem 
mein 9Mnn Ijeimrommenjotlte. ©eim fepritten ©fiff 
ber Sofomotioe fprang BiUie auf mit bem 9tuf: 
„$apa fommt, $apa fommt!" 

„geh fonnte igm taum begreiflich machen, bag mir 
nod^etne Heine geit märten müßten, ehe ^ßapa $u 
^aufe fein tonnte. 

©d mährte foft eine Stunbe bid bie $rofchfe, meld)e 
meinen SRann bringen foUte, bor unferer Sfcpüre h' elt - 
Mehrere ©erfonen ttiegeit gleichzeitig aud. geh öff* 
nete bie ©orbertl)üre bed^mufed unb ftanb mitBittie 
an ber §anb in ber % höre, um meinen 9Rann au be* 
grüßen, ©ier 2Ränner traten heran, aber mein sftann 
mar nicht unter ihnen. $er Street über bie Xdu* 
fthung, Die mir miberfuhr, hätte mich jju ©oben ge* 
ftür^t, menn nicht einer ber ©tünner tmr $ur $ülfe 
gefommen märe. 

„'Sagt mir bie ganje Bahrheit. gd) tarnt cd er* 
tragen. ©fein 9Rann ift tobt!' 

„SRit biefen Borten leitete id) ein. ga, ed mar 
nicht nötpig, bag man ed mir mittheilte; ich mugte, 
bag mein $Rann tobt mar. Äld man mir aber bie 
3Rittl)eilung machte oon bem fchrctflicgen ©ifcnbabn* 
uitglud, meldjed mehrere 9Renfchenleben jum Opfer 
forderte, unter benen fich auch mein 9Rann befanb, 
fam ed mir oor, ald ob ber ©oben unter mir mirf)e. 
3Rein Äuge ftarrte thrünenlod oor fich h* n r meine 
©ruft mar jufammengeiogen, bag ich föum Ätljem 
holen fonnte, mein ©epirn fdjien mir in einem fiebern 
ben guftanbe au fein. $>er Äcld) ber Seiben mar boll. 

„warum foute ©ott ben ©inen hinnehmen unb bad 
änbete $urücflaffen. Barum fonnteit mir nicht mit* 
rinanber fterben? geh brüefte mein St inb fratnpfhaft 
an bie ©ruft unb bat ©ott inftäubig und ©etbe fo* 
gleicbfterben $u laffen. 

„'wir buchten, ed mürbe ghnen fel>r ermünfeht fein, 
gljren SRann noch einmal $u fehen; bie Seiche mirb 
in einigen Ginnten anfommen/ 

„9Rit biefen Porten mürben ©orfehrungett im gim* 
rner gemalt, ^um empfang ber Seiche, ©ier 3Rdn* 
ner trugen ben entfeelten ftörper meined SRanned auf 
einer ©ahre in bad gimmer, unb nachbem Med, mad 
gefchehen fonnte, für mich gethan mar, lieg man mich, 
auf meinen Bunfd), für eine fur^e allein mit bem 
lobten. 

„gn berfelben tfleibuna, bie mein 9Rann beim Äb* 
fchied trug, lag er, eine Seiche, bor mir. Md einer 
Sunbe, bie er tn ber rechten Schläfe empfangen hatte, 
quillte immer noch ein menig ©lut. geh fam mir oor 
wie eine Sräumenbe unb BiUie lieg nicht nach mit 
©itten, ben ©ater $u meefen, ba er ihm etmad fagen 
wolle. Ärmed $inb! (Sr begriff feine Sage nicht, 
noch fonnte er miffen, mad ed heißt, oaterlod au fein! 

„läge oergingen. 9Ran nahm mir ben lobten unb 
begrub ihn. Bte aber foflte tch leben ohne ihn! 

„Ädj! geh hatte bie Seftion ber Seiben noch nicht 
recht gelernt, ein neued Scib mugte über mich fom* 
men. tont maren brei SRonate feit bem Xobe mei* 
ned SRanned oerfloffen, ald bad Scharlachfieber in ber 
Mdjbarfchaft audbrad) unb unter ben oielen bahin* 
gerafften Äinbem mar auch mein Heiner BiUie. 

„Äcein ©edber mar gefüllt. $ie SBogen ber ©itter* 
feit fdflugen über meinem Raupte jufammen; ich mar 
bereit, ©ott ju fluchen, ber, mie tch glaubte, meiner 
fpottete unb fchonungdlod mit mir oerfuhr, fteine 


SBorte fönnen bie ginftemig fchilbern, bie meine 
Seele untnachtete. $ie Schatten bed Xobed fchienen 
fich über mein §er£ gelagert au haben; benn ich fonnte 
meber meinen noch beten, geh h^t ©ott für meinen 
geinb unb mar ber ©er^metflung anheimgefaflen. geh 
folgte meinem Stinbe ^ur ©ruft, aber icb fam mir oor, 
mie eine ^Serfon, bie meber fieht noch hart. Md) ber 
Seichenfeier lehrte ich in mein einfamed ßaud prücf, 
um über mein harted Schicffal bahinAubruten. — 

2)er $erbft fteflte fich ein; bie ©lätter bed nahen 
SBalbcd prangten in allen garben, aber für mich hatte 
biif: ©rfcheinung ber Mtur feinen 9iei^. Äm 3Beih* 
nachtdmorgen ftanb ich am genfter unb beobachtete 
bie ©orübergehenben. gür mich aber maren feine 
28cihnachtfreuben noch greunbe üorbanben, mir fröh 5 
liehe SBeihnachten jn münjehen. M ©hrifttagdbc* 
fd)eerung mar einfach nicht $u benfen. v Söarum mugt 
bu beineu Söeg fo emfant unb allein pilgern?' frug 
ich mich auf’d ufeue. 

,.3Bahrenb id) mich fo frug, ftattete ber ißrebiger 
auf feinem ©ang flur Äirche mir einen ©efuch ab. 

„ v ®el)eu Sie prutc ÜRorgen nicht jur Ä'ircbe, grau 
Seüicf ?' frug er mich in feiner freundlichen weife. 

„'Min,' antwortete id) fur$: 'für nu^ finb feine 
greuben bereitet, geber tropfen greube hat fich bei 
mir in ©itterfeit Oermanbelt/ 

„Md) einer turnen ©aufe ermiberte er in ber järt* 
lichften 3öeife: "Barum mollen Siefidb benn gar nid)t 
tröften laffen, grau Seüicf, faft jebe gamilie ift oom 
Bürgengel gefchlagen morben; mir haben ebenfalld 
jroei liebe Shnber oerloren/ 

„Xer ©rebiger mugte unüerrid)teter Sad)c jur 
^ivd)e eilen, ©on meinem 3immer aud fonnte id) 
bie 4öne ber Orgel unb ben geftgefang ber ©emeinbe 
üernebmen. 9Rem ^erA aber blieb hart. 'Äch,' bachte 
id), 'bie mögen fchon fingen, fie haben jmei Ä'inber 
oerloren, i* aber habe Med Oerloren/ 

„Äld bie geftgäite hoimmörtd gingen, ftanb ich mie* 
ber am genfter. 3Rein f^ lu .9 mich menig, 
roahrjunehmen, bag bereitd bte $alfte ber ©emeinbe, 
bie Reichen ber Trauer trugen, ^ort ging eine 
Bittroe mit ihren oaterlofen Äinbern, hier ging ein 
alted SRütterlein, einfam uub fchmad), bed Beged. 
^inber ohne ©Item gingen oorüber, unb ©Item, bie 
ihre Sieben $u ©rabe getragen, famen einfam baher. 

„^iefe Belt ift boep ein gammer* unb Xh^änen* 
tbal. unmillfürlich fenfte fich mein §aupt auf bie 
©ruft unb bie erften Xh räncn f ^ cnt meined 
lieben Äinbed, pelen mir auf bie $änbe. gn biefem 
Mgenblicf trat bie Äinbermärtenn ein, bie meinen 
BiUie in feiner ftranfheit fo treulich oepflegt hatte. 
9Reine Xh^nen rührten ihr £>er$. 

,,'©r meig, mad und am fteilfamften ift; gebed $erg 
hat feinen eigenen Schmeiß/ 

„9Rit biefen Borten nahm fie mich auf in ihre ftar* 
fen Ärme, mie fie gemohnt mar, ben fleinen BiUie $u 
umarmen. Sange h^U f^ mich auf ihren Sd)oog 
unb rebete mit mir über ©otted ©üte unb Siebe ge* 
gen feine 9Renfdjenfinber, mie er unfere Seiben fennt, 
9Ritleib mit und hat unb und für bad emige Seben 
erziehen fucht. Unfer Seben in biefer Spanne 
[ei nur ein Xheil nnfered ^afeind; ed giebt eine 3u» 
fünft, eine befjere Belt unb für biefe mitt ber ^)err 
feine Äinber Oor* unb Aubereiten. $ie Seiben biefer 
geit, fagt fie ferner, finb ein $aupter*iebimgdmittel 
in ©otted $anb, unb mir haben barauf ju fehen, bag 
mir und fo üerhalten, bag biefe ihren gmeef nicht oer* 
fehlen. 

,/35iefe einfachen Borte ber Bärterin ©ogan thaten 
meiner Seele mohl. Sie tarnen oom öer^en unb gin* 
gen ju ^erjen. geh meinte mich recht fatt ald ich mich 


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233 


m* Sam Bonre ;u frittrt frau kam. 


flu ©ette legte, worauf id) fanft cinfd>lief wie ein 
$inö. 

„©eint Srmacpen am näcpften borgen war mir 
fonberbar ju Sttutpe. 3 <P war fdpad), um auf* 
juftepen. Xie fieiben ber lebten 3 cl ten ftiegen im* 
mer wieber üor mir auf, um in weiter ^erne fid) *u 
oerlieren. 3 # lag im peißen lieber. Delirium fteüte 
fid) ein; ba* ßiept meiner klugen berlor fid). 

„ 3 d) wäpnte juerft, bie Söärterin pabe ba« 3 ' mmcr 
fo buht oerjcploifcn, baß fein ßicptftrapl herein fom* 
men tonnte. ©aib aber foflte icp entbetfen, baß icp 
blinb war. Xa« Sieber war mir in bie Slugen ge*o* 
aen. Xagelang befanb id) mid) in biefem 3uftanbe. 
Xa* lieber patte mid) oerlaffen, aber id) war tmmer 
nod) fepr feproad). ßangjam teerten bie Kräfte wie* 
ber, opne baß fi<h ber 3 uftanb meiner 9lugen merflid) 
belferte. Xa« Verlangen, bie fepöne SBelt mit ipren 
©lumen wieber *u fepen, würbe immer ftärter in mir. 

3 n meinem Seib oerfd)mäl)te id) biefen 9lnblicf; 
nun war e* mir nid)t oergönnt, bie ©errlicpfeit be* 
©immel* unb ber Srbe $u erblufen. Sftein ©eroiffen 
roaepte auf. Xie Unbanlbarteit unb ber Sfturrfinn 
meinet ©er^en* ftanb oor mir. 3 d) napm meine 3« 5 
flud)t im ©cbet jju ©ott. 

„ßange unb mftänbig flehte id) il)n an, um 3 *fu 
willen mir gnäbig ^u fein, mir meine ©ünben oer* 
geben unb fo e* fein SBille wäre, mir ba« Wugenlicpt 
wieber ju fepenfen. 9Jacp langem feptoerem ©uß> 
fampf napm mid) ber $err 511 ©naben an unb id) 
burfte it)n al* menten £>eilanb lobpreifen. 

„Xrei Monate fpäter waren metne klugen cbenfafl* 
wieber oöllig pergeftellt. 

s Jfad) meiner ©enefung würbe id) mit einer reifen 
Santilie betannt, bie mid) bat, mit ipnen nad) iprer 
^cimatp im fonnigen ©üben — 9tew Orleans — 
gcljen. 3 d) naljnt bie ©inlabung an, unb id) würbe 
wie ein ©lieb ber Samilie gehalten. Xod) auep biefe* 
©lüd foUte niept lange wahren. 

„Xer ©ürgerfrieg brach au*. Xie Santilie würbe 
um iljren fämmtlkpen ©efip gebracht unb id) war 
wieber opne $>eimatp. S* bauerte jebod) nur tur^e 
3 eit, bi* id) wieber im korben war unb al«$Bärtcrin 
im ©o*pital ber $lrmee oier 3 al|rc lang biente. 

„ 3 n biefer neuen ©teüung tarnen mir meine ße* 
benäerfaprunaen trefflid) ju ©tatten. Xer ©err patte 
mid) in etne ©orfcpule gencmiten unb mid) tn berfel* 
ben gefdjidt gemal)t, 2 lnbcrn leiblid) unbgciftlicp jum 
©egen *u werben, unb inbem id) iept auf mein ßeben 
priicffdjaue, au*rufen tann: ©clobet fet ©ott für 
9Iüc*!" 

ftätpcpen patte ber Grfläplnng itjrer ßeprerin mit 
unoermanbtem ©lief gelaufcpt; tpre erfte Srage aber 
war: 

„38ie tommt e« benn, baß man bid) fjicr in ber 
©cpule Sräutein nennt?" 

„S* war bie« ein 3 rrtpum be* ©räfibenten ber 
©cpule bei meiner Stnfüprung al* ßeprerin unb 
ba id) ben 3 rr ^ um niept fogleidj torrigirte, fehlte 
mir pernad) ber 9ttutp e* $u tpun, au« gurept, id) 
müßte meine ßeben*erfaprung mittpeilen, wa« mir 
bamal« jepr |cpwer geworben wäre." 

Ä'ätpcpcn banfte iprer fieprerin per^licp für bie Set* 
tion, bte üe oon ipr befommen unb Sttiulein 5g e if 
fiipltc ati,’^ 9teue wie wapr ba« ©pricpwort ift: ,,©e= 
tpeilter ©cpnter^ ift palber ©cpmer^." 



IbifSntnBonfe |u frinrrfrnu katn. 

gür $au« unb ©erb bou K. f. 

ie« erjäplt er felbft, wie folgt: 

„3 m &erbft be« 3 a ^ rcg 18 64, al« 2lt* 
lanta gefallen war, feprte id) au« meinem 
flud)t«ort nad) ßarter«oille, @a.,^urüd. Union«= 
folbaten unter ©eneral Xpoma« pielten c« befe^t. 

„Sin fiiblidper 9Rattn, ber bort Kaufmann 
gewefen, er ^ieß S—, fagte mir eine« Xage«, 
baß er in einem gemiffen Xpeil bc« Sanbe« 
Saumwolle ßabe. ©r wollte SSagen barna^ 
fepiden, unb wenn icp beit guprleuten al« 
rer bienen unb bie Saumwolle itt Sicherheit 
bringen wolle, bann wolle er mit mir ben ©e- 
winn tpeilen. 

,,X)amal« galt Saumwolte $1.20 ba« ^ßfunb. 
3dt) war mit ber ©egenb fo oertraut, baß ich 
beinahe jebe Sann tannte. 3 $ würbe oor ©en. 
Xp°wa« gebracht, ber mir ben Statt) gab, Sol- 
baten-ffleibung an^ulegen, um Unanitehmlich- 
feiten oon Seiten ber Union«folbaten ju oer= 
meiben. 3^) ^ aw( h- (®ic« ift ba« ein* 

$ige 9Kat, baß Sam 3*>ne« in Solbaten* S'lei* 
bern ftedte.) 

„9lm näcpften SJtorgen maepte id) miep in Se* 
gleitung eine« Sluffeper« über ben Xran«port 
auf ben 2Beg. ß« waren etwa 120 ©Jagen. 
©3ir fanben bie Saumwolle unb feprten nadp 
Sarter«oille jurücf, wo fie auf bie Sifenbapit 
oerlaben unb nach Stafpoille gefepidt würbe. 

,,^err S. bat mid), ipn bortpin ju begleiten, 
mofelbft er bie Saumwolle oerfaufen, unb— fo 
bad)te kp wenigsten« — bann mit mir tpeilen 
wollte. SBir tarnen in Stafpoiöe an unb feprten 
in ein ©aftpau« ein. 

,.9X1« icp ein paarXage bort gewefen war unb 
in ber Stabt perumfpajierte, trat ein Sßroooft* 
SRarfcpatl, ober wa« immer er geWefen fein mag, 
auf miep jti unb fagte, er pabe Sefepl midp ju 
oerpaften. Sr wußte jebod) niept warum. Unb, 
um e« für miep eingefperrten, fecp« 3 epnjäprigen 
Surfcpen noch abenteuerlicher ju mad)en, ftapl 
mir ber ?)anfee * Solbat noep £ut, Stocf unb 
Stiefel. 

„3cp ließ naep £erm ß. forfepen, aber erft 
naep geraumer 3rit brachte man mir bie Sunbe, 
baß er bie Stabt oerlaffen pabe. 3<P pro* 
teftirte felbftoerftänblicp bie gan^e 3 e it über 
energifcp gegen meine £>aft, weil icp miep un* 
fcpulbig wußte. 

„Stacp einigen Sagen fagte ber Offizier ber 
S33acpe, baß er inicp niept länger feftpalten wolle, 
weil feine ®lage wieber miep oorliege. Sr war 
fepr freunblicp gegen miep unb gab mir $10, 
ba$u Sfotf, £ut unb ein ^ßaar Stiefel, ©ent 
wüßte icp, wer er war. 



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Srnnkfnpflpge in (Sljinn, 


239 


„Unterbeffen mar id) ju ber Ueberzeugung 
gelangt, baft mein Kaufmann mid) betrogen unb 
im ©iidj gelaffen habe. ©r hatte bie ©aum* 
wolle für $280,000 verfauft unb bie (Stabt ver* 
(affen, ©eitbent habe icf) if)n bloS noch einmal 
gefefien, baS mar im folgenben Sommer. ®r 
gab mir $50 ^Sapiergelb unb verfprach, auch 
baS Uebrige in Drbnung ju bringen. 2lber 
noc^ in jener 9iad)t verlieft er bie ©tabt, unb 
id) jaf) ihn nie mieber. Gr 50g nach Äentudt), too 
er für $100,000 eine grofte ©iefcgarm faufte. 

„9llS id) mieber in greihcit mar, machte id) 
mid) auf ben SBeg nadj bem ©üben, fo gut es 
eben gehen moflte. ^cf) fanb einen Gifenbaljn* 
jug für Slrbeiter, ber gcrabe abfaf)ren mollte, 
unb id) ftieg ein. ©r fuhr zehn SReilen füblid), 
roo eine ©rüde gebaut mcrben foflte. SBäfyrenb 
id) bort martete, traf i<h einen SDtann, $ittS mit 
Kamen, ber ehemals in ©arterSviße gemoftnt 
hatte, ber lub mich ein, in fein |>auS ju fom* 
men. geh blieb bei iljm ungefähr zehn Sage. 

„GineS SagcS, als ich ben s JDtännern bei ihrer 
Arbeit an ber ©rüde zufdjaute, tarn ein Gifen* 
ba^ug 00m ©üben, mit ®cntudt) Gruppen 
beloben, bie nad) breijäl)riger S)ienftzeit heim* 
lehrten. S)er 3 U 0 hielt bort geraume 3eit an, 
unb ich unterhielt mich mit einigen ber ©olba* 
ten. ©ie maren faft alle betrunfen. ©in @ol* 
bat, beffen Senehnten, obgleid) er betrunfen 
mar, ben ©entleman verrietf), gab mir ben Statt), 
jenen |>erbft nid)t in bie £>eimath jurüd^ufehren. 
Sr meinte, ber „©pectafel" merbe halb vorüber 
fein, unb er brang in mich, bis bahin mit ihm 
in jeine ^eimatft 511 reifen, ©r habe gute ©l* 
tem unb ein vortreffliches £>eim. @0 begab ich 
mich benn zu ben ©olbaten auf ben 3 u 9f unb 
norbmärts ging eS. Sitte fchienen zu trinfeit 
unb zu fpielen. Samals hatte id) baS Srinfen 
noij nicht gelernt. SSJährenb ber 3ug in voller 
öemegung mar, marfeftirte ein ©olbat von ber 
hintern Plattform hinunter, unb ein anberer 
fd)oft fich einen 3 e h en ab. 

„SBir erreichten unfern ©eftimmungSort, aber 
mein greunb mar auf fold) eine ©auftour ge* 
rathen, baft ich ihn Verlor. Ser ©apitän ber 
Sompagnie nahm mich mit fich. ®r bemirthete 
mich einige Sage auf baS ©efte. SllS mein 
erfter greunb nüd)tern gemorben mar, fam er, 
um nad) feinem Schübling zu fehen unb nahm 
mich in baS £>auS feines SaterS. ©S mar ein 
fürftlicheS £auS. ©in herzlidjeS SBittfommen 
mürbe mir zu Sfteil, unb man behanbelte mich, 
als gehörte id) zur fjamilie. Sort blieb id) bis 
piSee’S Uebergabe. gef) hatte eineföftliche3eit. 
«IS bie 3eit beS ©djeibenS nahte, muftte id) ju 
einem ©epneiber gehen, ber mir auf St often mei* 
ncS ©affgeberS einen frönen Slnjug anfertigte. 


gn allen meinen SSanberungen unb Gnttäu* 
fchungen mar bennodj ©otteS ©orfehung ver* 
borgen. Ser ©ater meiner grau mar uäcfjfter 
Sladjbar meines ©aftgeberS, unb bort mürbe 
ich mit einem attcrliebften fleinen SRäbdjen be* 
famtt. SBir maren bei einanber mie feinber. 
9tad) meiner ^eimfehr fchrieb id) an fie unb fie 
an mich- günf 3nhi* fd)rieben mir einanber, 
bann reifte ich hinauf, fie $u befudjen. ers 
innere mich no( ^ lebhaft, mie ich jwr 2hür 
ging unb ben alten ©lodenjug in ©emegung 
fepte. mar gefpannt barauf, ob ich baS 
Heine SJiäbchen miebererfennen mürbe. ®ie 
2h^ öffnete fich, unb eine hochgemachfene, eie* 
gante $ame trat mir entgegen. ,,©ift bu baS, 
©am?'' Jagte fie. „^amohl, bift bubaS, Saura?" 
fagte ich. ®i r würben am nächften Sage ge* 
traut, unb fo fam id) 311 einer ber beften grauen, 
bie je einen 3Kann beglüdt." 

©am’S ©ater mar vor bem Kriege Stbvofat. 
©r trat als ©apitän in baS $eer ber ßonföbe* 
rirten ein, unb mürbe halb flurn Quartiermeifter 
beförbert. 1864 fe()rte er vermunbet ^urüd. 
5Wach bem Kriege mürbe er von ben ßountp* 
©epörben nach bem korben gefanbt, um ben 
nörblidjen ©rübern bie 91oth ber Slrmen unb 
ber garbigen an’S ^per^ 5U legen, ©r bereifte 
ßhio, „unb er mar noch nicht lange ^urüdge* 
fehrt," fagte ©am, „ba famen ganje ©ifenbahn* 
labungen von ©etreibe, ffleibungSftiidcn unb 
allen möglichen ©ad)en an. SlileS von ben 
hochherzigen Semohnern Dl)i°’^ l^fcmbt, bamit 
bie Slrmen, benen ber ®rieg alles genommen 
hatte, hoch nicht 311 ©runbe gehen möchten. 
Siefe ©rohmuth beS Horbens überzeugte unS, 
bafj bie ?)aitfeeS bod) nicht fo fihlimm feien, mie 
mir meinten." 


Iranlten))fl(0e tu &l)ina. 

gür $auS unb §crb non g. Ohttnger. 


|aS ^teibenthum ift finfter unb troftloS. 
$aS fühlt man erft recht, menn jener 
©orbote beS XobeS—Stanfheit—fich 
ftellt; ja, bann zehnmal ntel)r als ge* 
möhnlid). 

S)er SJiiffionar fühlt ben Srud f)eib* 
^ nifcher ginfternift in einem mirflich 
^ furchterregenben fo lange, bis er 
burd) zunehmenbe ©efanntfehaft mit bent SSerf, 
abmechfelnb auch mit bem mehr Grbaulichen in 
©erühruitg fommt. 

£>ie unb ba fällt einer aber auch untermegS 
bem Unglauben, in ber einen oberanbern gorm— 
gemöhnlich ber beS ©effimiSmuS — anheim. 
Ser ärztliche SKiffionar ift biefer ©efahr tted) 


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240 


Stranlifitpflegf in ftljina. 


mehr audgefefct, unb wenn ed auch nicht oft fo 
weit fomnit, fo gefdjiefjt ed um fo häufiger, baß 
er fidO einer fyer^ unb geiftlofen, refpeftio rein 
profcffioiteüen Xt}ätigfeit hingibt. Saßer benn 
auch bie Sorurtheile gegen ärztliche SRiffionare, 
bie ftdO noch oor wenigen fahren öerne^men 
ließen, jept aber, unb $war aud ben beften 
©rünben, immer mehr fleinlaut werben. 

Sie einfjeimifcßen ©Triften ftetjen in S'ranL 
Ijeitdfätlen auch in ganz befonberer ©efahr am 
©tauben ©chiffbrudf) zu leiben. Sitte nod) anfle- 
benben Schwächen machen fidfjba aufdSteue fü 1)1- 
bar. Siefe finb ßweifel am Safein ©otted, gurcht 
oor beleidigten Slltüorbern unb eine oerborgene 
Slhnung hoch üieHeidjt Hülfe oon irgenb einem 
©öpen, ober burch biefeö ober jened ßaubermittel 
erlangen zu fömten. 

Sad©rfte,wadber ©hinefetljut, wenn er franf 
wirb, ift bie ©öpen um Statt) beftürmeu. Sar= 
auf wirb bann ein foftfpietiged geftmahl, eine 
ßaarfträubenbe ©elbftpeinigung, (wie bad ©r^ 
ftcigen einer Beiter, beren ©proffcn aud fcßarfcn 
SReffern beftehen) eine häßliche ßauberceremonie 
unb bgt. mehr oeranftattet. 

gft ber Siranfe nicht zu Houd, fo muß er unbe* 
bingt unb ohne Serzug, ohne Stücffidjt auf ©e^ 
fahr unb ffoften nach H°ud gebraut werben, 
©in ®ocß, ber über zwanzig $ahre in ber einen 
ober andern gamilie unferer goocßow SRiffion 
angefteüt war, würbe gerabe in einem heftigen 
gieberanfall gleidjfam mit ©eWatt aud unferer 
pflege weggenommen unb nach feiner SBo^nung 
gebracht, ©r erholte fich aber nicht oon biefer 
Slnftrengung unb ftarb in wenigen Sagen. 

gür gewöhnliche Seiben hoben fie meiftend 
ihre beftimmten Heilmittel unbSRethoben. ©inb 
jebocß ungewöhnliche ©pmptome oorhaitben, fo 
entfteht unter ben zufommengeeitten Slnocr* 
Wanbten unb Stacßbarn ein jWar gutmiithiger, 
aber um fo oiel heftigerer ©tre.it über Siagitofe 
unb Slrjnei. Saburcß foüberffranfe fich nicht be= 
täftigt, foubern beruhigt unb gefcßmeichett fühlen, 
©r fott benfen: SBo fold)e Sorgfalt an Sag tritt, 
ba fann ed nicht fehlen. folgen gälten wer= 
ben bann bie gefud)tcften SRittel, ©chlongenhout, 
geftoßene ©chilbfrötenfchate, ^>unbefteifcf) unb 
bergl. oerabreicßt. ©ich ein ©tücf gleifdh 00 m 
Körper fcßneiben unb bem fßatient heimlich zu 
effen geben, ift nicht nur eine rühmendwürbige 
Hingebung, fonbern auch fehr wirffam. Stach 
ben Slaffifern unb ber allgemeinen Studfage 
würbe baburch manch föfttidjed 2eben gerettet. 

3«h traf einmal einen SRann, ber in ber Stähe 
eineö amerifanifchen StrjteS breißig Sollar für 
ein Sferbegeßirn bezahlte. Siefe Summe War 
wohl fo oiel ald breihunbert Sollar für bie ge* 
wohnlichen Strbeiterfamilien in Slmerifa. 


Sei fdhweren ^ranfheiten nimmt man oft als 
lepted SRittel bad Sfleib bed ffranfen, binbet ed 
an einen Sambu^weig unb macht bamit einen 
Stunbgang auf ben benachbarten Straßen unb 
Hügeln. Sei ber Stütffepr wirb bann bad ®leib 
bem ©igenthünier, felbft wenn biefer fdhon eine 
2eidhe ift, angethan, in ber Hoffnung bie ©ine 
ber drei Seelen, bie, welche beim Sob 2eib unb 
Heimath oerläßt, höbe fich burch bad Sleib Wte* 
ber jurücflocfen unb bewegen taffen, länger ju 
bleiben. 

geh bruefte mehrere galjre in unferem chine* 
fifdhen Äirchenblatt fogenannte ©efunbpeitd- 
regeln. Unter Slnberem auch ben Statt) bem 
SterbenbenbieHonb ju holten, mäljrenb er mit 
bem Sobe ringt. ©3 ift nicht ber SJiühe Werth 
ba3 ju bructen, benn fein ©h* nc f e bem 
Himmel (er fagt nie „unter ber ©onne") „Würbe 
ben ÜJtuth hoben baö ^u thun/' fügten meine 
©eper unb Srucfer. ©ie fehen ben ©terben' 
ben an als ein ©efpenft — wörtlich — Seufel — 
unb fürchten fich. 

©in Seiltänzer machte in ©egenwart einer 
ftaunenben SJtenge feine S*unftftücfe. SBenn er 
mitunter fchwanfte, aU müffe er herunter ftür* 
Zen, riefen Saufenbe einftimmig au3: ge^t ift 
er ein Seufel! 

Sor einem 2ekhnam hoben fte fchon nicht 
mehr fo oiel gurcht, oietteicht nicht mehr als 
man unter unä ßnbet. Sa^ erfte, Wad ber 
franfe ©hinefe n i ch t thut, ift bad äBafdhen unb 
dämmen. „Unfer Soll hot noch nie ein grie* 
bendüertrag mit bem SBaffer gefchloffen/' fagte 
einft unfer lafonifcher Li Yu Mi. 

Sicht Soge muß ber chinefifdje Säugling War¬ 
ten, ehe er fein erfted fpärliched Sab befommt, 
ber Sranfe acht SRonate, acht 3ahre, f 0 lange 
er franf i ft. 

gn Shanghai befteht ein amerifanifdher Slrzt 
barauf, baß alle feine Patienten burch ein Sobe- 
Zimmer—z u fommen. ^ch befürwortete 
biefelbe ©inrichtuug in goochow. So meinten 
aber manche unferer babeluftigen ©hrif^n, bie 
franfen H^iben würben fich nur noch mehr oor 
und fürchten unb unferm H° 3 fpitol nicht nahe 
fommen. 

SSir haben jeboch erfahren, baß audh bie 
SBafferfcheu zu überwinben ift. Sie meiften 
chinefifdjen ©h r if tcn haben fo oft ald wir unb 
©ia Sef Ong trinft falted SBaffer beim Sßrebigeu. 

©ine chriftticße föranfenpftege oerfehlt jeboch 
nicht einen ©inbruef auf bie H^iben zu machen. 
Salb hört man biefen erzählen, Wie ber SWiffionar 
fich uießt oor bem @^mu| fürchtete unb ißm 
ben gieberfchweiß abtroefnete; jenen, Wie bie 
SJtiffionarin muthig eine ganze Stacht bei einem 
Sobten wachte u. f. w. 


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gut rin fanbßrridjrt. 


241 


| i r t e n I i t b. 

Sur $au6 null $erb bon gibelte. 

$rei con Sorgen, treib idj jeben IHorgen meine t^eerb’ in’s £elb. 

JPenn bie Dögel fingen, meine Sdjäfdjen fpringen, fing idj: (Sott erhält 
<5näbig, mächtig, gütig, prächtig feine liebe XPelt. 



<5rüne Halber, Korn* unb IPeijenfelber, milber Sonnenfdjein, 
Kleine, ftlberfjelle, fctyattenreidfe Quelle, liebercoller Qain I 
(Sottes tPillen 3 U erfüllen, müßt üjr uns erfreu’n. 

<D mie mächtig, gnäbig, gütig, prächtig ift ber C?err ber UMt, 
IDeldjer Sonn’ unb (Erbe, König, Birt unb beerbe oäterlidj erhalt 1 
tag mein £a(len bir gefallen, großer Qerr ber IPelt I 

- » - *12(208 « » « - 


Pur rin ^attbPrridfer. 

Sine Srptyhmg au$ bern geben für $au$ unb #erb bon IC. glammatln. 


xoax ein brücfenb heißer Xag im ÜJtonat ^uli. 
IE ier Beiger ber (Sonnenuhr auf bem SRafenplape 
oor bem Saufe bed garmerd t^ompfon mied gerabe 
auf imölf. Sfn & cr geräumigen Äiid^e bed garmbau* 
jed jtanb fdjoit bad SRittageffen bereit für bie tyungri* 
gen <$äfte. 


grau X^ompfon mar nicht allein eine tüchtige 
$ödjin, fonbern überhaupt eine geriefte unb fleißige 
§audfrau. ( SSäljrenb bie Scanner bom gelbe beim* 
teerten, bejehäftiate fie fid) noch bamit, bie Stühle 5^ 
recht $u rücfen, Xöpfe unb 8d)üffeln au orbhen, unb 
biefe unb jene Äleinigteiten $u beforgen. \ 

18 J 


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242 


jlut rin lanbßtrtdjrr. 


Süd nacp wenigen Stinuten ber §auSperrmit feinen 
Arbeitern eintrat unb bie bampfenben Scpüffeln auf 
bem fchön gcbedten Xifcpe fap, oergaß er für einen 
Slugenolid feinen junger unb inbem er [einer ihn 
freunblicp begrüßenben ©attin einen Äug auf bie 
fcange brüdte, gratulirte er fiep felber, baß er bocp 
cm glüdlicper unb erfolgreicher Stann fei. 

©r lebte in guten Verpältniffen. Stit porter Arbeit 
unb großer Sparfamfeit war eS ipin gelungen, all* 
mäplig ein bebeutenbeS Vermögen jufammenju brin* 
gen. So weit er oon feinem £aufe aus fepauen 
tonnte, war beinahe alles fianb fein ©igentpum. $ie 
wogenbeit SBei^enfelber bort in bcr gerne, bie beerben 
brüben auf ber SBeibe, biefe fdjönen Stallungen unb 
anbere ©ebäuliepfeiten, baS bequem eingerichtete 
SöopnpauS, ^ineö gehörte ipin unb zeugte oon feinem 
gleiße unb feinem Erfolge. £ein SBunber beg^alb^ 
baß er fiep reich unb glüdlich fühlte. 

Äber gerabe biefer@rfolg war in einer §inficpt ipin 
äum Schaben geworben, ©r hatte bie garten ©efüple 
5 um Säcpften m feinem Serben abgeftumpft. 

VefonberS berSotp unb bem©lenb feiner ärmeren 
Stitmenfcpcn gegenüber war er in großem Stoße 
gleichgültig unb gefühllos. SBeil ©ott eS ihm hatte 
gelingen laffen, fo glaubte er, baß eSaucp jebemSten* 
fchen gelingen müffe, ber fleißig fei unb fein VefteS 
thue. ©r bebachte nicht, baß ©rfolg niept allein bon 
gleiß unb Sparfamfeit, fonoern auch oon mancherlei 
anbercti llmftänben abhängig ift, bie Wir nicht immer 
reguliren fönnen, unb baß befoitberS „an ©otteS Se* 
gen ift MeS gelegen." 

©r war, mit einem SBort, einer Don jenen ©parat* 
teren, wie man fle gelegentlich finbet, bie mit fiep fei* 
ber fo aufrieben fino, baß fie fid) als beinahe ooUfom* 
men betrachten, ftnbere bagegen oft ohne ©runb hart 
unb lieblos beurtheilen. „geber ift feines ©lüdeS 
Sdjmieb," pflegte er $u fagen, unb Damit unterbrüdte 
er üielfacp bte Regungen beS StitleibS, bie gelegen^ 
lieh in feinem §er§en auffteigen wollten. 

feäprenb gopn Xpompfon im Vefiße feiner irbi* 
fepen ©üter fid) glüdlich fepäßte, war eS befonbcrS fein 
tleineS Xöcptermen Sofa, woran fein ganzes §er^ 
hing. Sie war fein fitebling, fein „Heiner Sonnen* 
ftrapl," wie er fie nannte. Sie erwartete ipn gewöhn* 
lieh an ber £muStpür, wenn er peimfeprte, unb fobalb 
er fich feßte, tletterte fie auf jeine Änie, jupfte feinen 
Vart uno unterhielt ihn mit ihrem finblichen ©e* 
plauber. 

Stan mußte wunbern, wie er fich oon btefem $inbe 
fo beeinflußen ließ, baß er oft felbft gegen feinen SSil* 
len unb feine Ueberjeugung panbelte. 

.freute hatte fie fich oerftedt, bamit ihr $apa fie 
fließen follte, wie er eS gelegentlich tpat. ©pe er ß<P 
beßpalb an ben Xifcp fegte, ging er leifc in baS anfto* 
ßenbe SBohnjimmer, um feinen fiiebling xu juchen. 

„2Bo ift benn mein Heiner Sonnenftrapl?" rief er 
aus. gm näcpftenMgenblid jprang fein Xöcptcrcpen 
igm entgegen aus einer ©de mit ben fcorten: „§>ier 
bin ich, ©apa!" inbem fie augleicp ihr HeineS Stünb* 
eben für einen $uß $um Vater emporhielt. „0, 
Vapa," flüfterte fie ihm bann iti’S 0pr, „o, fßapa, Dort 
fommt ein armer Scann, ein fehr, (ehr armer Stann 
unfern ©artenweg herauf; fiehft bu ihn wopl?" 

Xer garmer fepaute nad) bem genfter, unb richtig, 
bort fam ein Stann, benmanwemgftenSauf ben erften 
Mblid für einen £anbftreicper—Xramp, wie man fie 
hier $u fembe $u nennen pflegt—halten würbe. Sofa 
oerfroep fid) ängftlid), fo fchnell fie tonnte, hinter ihrer 
Stama, Währeno garmer Xpompjon, fepon entfcploj* 
fen, wie er ben grembling empfangen würbe, an bie 
.frausthür ging. 


Xer Stann war mittlerweile bie paar Stufen per* 
auf unb bis oor bie Xpnr gelommen. Opne auf eine 
?lnrebe oon Seiten beS Cannes ju warten, begrüßte 
unfer garmer ihn mit ber furzen grage: „Wun, 
greunb, was miuft benn bu?" 

Vielleicht entmutigt über biefe 3lnrebe, ftellle ber 
Sftann fiep oor Xpompfon hin, opne ein feort ju fa* 
gen. #ber feine ganje ©rfepeinung, feine Oerlumpten 
ftleiber, feine paß^re ©eftalt, fein ganzes Venepmen 
war gleicpfam eine Antwort unb fagte beutlicp, waS 
er wollte unb was er nötpig patte. 

„9^un," fagte ber garmer unaebulbig, „wie lange 
ftepft bu ba wie eine Stunde? sprich boep; bieS tft 
ein Sanb ber freien SRebe; waS wiuft bu?" 

„©twaS ju effen; um ©otteS willen, etwas $u effen," 
war MeS, waS er herausbringen tonnte. 

„XaS ift bie alte ©efepiepte—bie alte ©efehiepte, bie 
man immer oon ganbftreicpern pören muß. SBiUft 
bu jonft noep tuaS?" 

,,©S ift nur bie SBaprheit, wenn icp gpnen fage, bafi 
i^ beinape oor junger fterbe. Seit jwei Xagen ip 
fein Viffen Speife über meine Sippen getommen. 
SRiemanb will mir etwas ju effen geben, unb id) pabe 
fein ©elb, womit icp waS taufen fann. 0, pabenSie 
SJtitleib mit mir!" antwortete ber grembling mit 
jitternber Stimme, wäprenb Xpränen über feine pa* 
gern Vaden liefen. 

„Stein greunb, icp bemitleibe biep oon ganzem 

enen. yd) bemitleibe irgeitb einen Stann, ber 
o alles ©efüpl [einer Stenfcpcn* unb SJtanneSwürbe 
öerloren pat, baß er umhergept unb bettelt, wäprenb 
überall Arbeit genug ^u pnben ift, für ben, ber arbeiten 
will," entgegnete partpenig ber garmer. „geber ©if* 
fen Speife auf meinem Xi)cpe pier," fupr er fort, „ift 
baS ©robuft harter Arbeit, unb icp weiß biefe ©aben 
beffer $u gebrauchen, als Stüffiggänger bamit jit 
füttern." 

„Stein $err, icp bin willig $u arbeiten; aber—" 

„Slber, aber—immer baS aber," unterbrach Xpomp* 
fon ihn. gcl) pabe noch nie einen Stann oon beinern 
Schlage ge)epen, ber bejonberS gern arbeiten wollte. 
SBenn ipr eud^ nur fatt effen tönnt, bann laßt ipr gern 
bie Arbeit oon 9lnbern thun. Äoinm, fomm, maep’, 
baß bu fortfommft; icp pabe Weber 3*it b u Oergeu* 
ben, noep ©rob wegjuwerfen für Scute oon Deiner 
Sorte!" 

Xer arme Stann brach beinape jufammen. Xocp 
raffte er fiep noep einmal auf, unb machte 9htftren* 
gung, bie Stufen hinunter ju geben. Me, bie in ber 
Äücpe bie Unterrebung mit angepört patten, bebauei 
ten ipn, boep deiner wagte etwas $u fagen, aus 
gurept oor garmer Xpompfon; felbft feine grau niept. 

Xa plöplicp fprang Sofa perüor, biebiSjubemÄu* 
genblid fi% oor Mgft oerftedt unb aanj rupig Der* 
palten patte hinter ihrer Stutter. kleine Xpränen* 
perlen glänzten in ihren Mgen. 

„Xu foUft niept hungrig Weggehen, armer Stann," 
rief fie auS, inbem fie auf ben grembling jufprang 
unb ipn bei ber §anb ergriff, gm näcpften Äugen* 
blid ftep ^u iprem Vater wenoenb, fagte fie: „Xu bö* 
fer, unartiger ^5apa; beine Heine Sofa fann biep gar 
niept mepr lieb paben." „Xu fotlft meinen XeUer üoÜ 
haben, bu armer, armer Stann," fepte fie pinju, wäp* 
renb fie ben Stann liebeOoU anblidte. 

0b eS war, baß garmer Xpompfon wirflicpju einer 
beffem ©inficpt fam unb fein ^er^ aufrichtiges Stit* 
leib füplte, ober ob er eS mepr tpat,um feiner fleinen 
Xocpter ju gefallen unb fie flu befepwieptigen, immer* 
pin war feine Stimmung plöplicp oeränbert, unb fid) 
ju ber kleinen perabneigenb, gab er ipr einen ®uß, 
mit ben Porten: „Stein Siebling, bu paft beinern 


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Hut rin l’anbflrridjrr. 


243 


$apa gezeigt, mad red)t ift, nicht mapr? Wun, meine 
nur nicpt mehr; tomm, gib bcm armen 9J?ann einen 
großen Xeller doU non unferm SRittageffen." 

©alb barauf hatte bie Butter ihr auch einen ge* 
Rauften Xeller ooll auredjt gemalt, ben Wofa bann 
erfreut bem ^mngcrnben barreid)te. 

„öott jegne bid), liebet Slinb," jagte biefer, inbem 
er ben Xeucr aud ihren §änben nahm. „WJagft bu 
in beinern Öeben nie in Sorge unb Woth tommen, unb 
nie rniffen, mad ed meint, ^u Jüngern !" 

Wactfbem bad Wlittageifen genoffen mar, ging gar* 
mer Xljompfon an bie XI)ür, um $u fel)en, ob bie bro* 
henben ©emittermolfen, bie fid) fdjon borgend ge* 
jeigt Ratten, nicht oorbeigegangen maren. 

„ 3 d> münfdjte, bad öeu märe unter Xad), grau," 
fagte er $u feiner bei ihm fteljcnben ©attin. „gene 
Solfen Dort im Scften bringen Wegen, unb memt id) 
md)t irre, fo merben mir in tur^er §eit ein fdjmered 
©eroitter haben. Xer Wegen mürbe gut tommen, mir 
gebrauchen if)n fe^r; bad Öanb ift troden, aber menn 
nur bad freu heremgebrad)t märe. SCommt, gungend, 
laßt und jchncll an bie Arbeit gehen/' Xann fid) au 
bem gremben menbenb, bcr immer no<h oor ber Xpür 
faß, um fid) audjuruhen, fagte er: „§ier, Wtann, mad 
ift benn eigentlich bein Warne?" 

„Wtein Warne ift William S^ent." 

„Wh, Silliam Stent! Wun, William Shnt, bift bu 
roilltg einen ehrlichen Schilling *u Oerbtenen? Xu 
fagft „ja"—nun bu bift ber erfte Xramp, ben ich treffe, 
ber roillig ift $u arbeiten. Jpier ift eine ^eugaoel für 
bid), tomm bann mit und, unb mir motten jepen, mad 
bu leiften tannft. Wbje, grau; abje, Wo ja; fei aud) 
recht brao!" unb fort mar er mit ben Männern. 

grau Xhompfon bliefte ihnen nad), fo lange fie fie 
[eben tonnte. Wachbent fie Wofa bann ermahnt hotte, 
(ich nicht au meit ooni $aufe ^u entfernen, machte fie 
fid) mieber an ihre £audarbcit. Xod) hotte fie fort* 
luäprenb ein eigenttjümlid)ed ängftlidjed ©efüpl, ald 
ob fid) an bcm Xage noch etmad©ejonbered ereignen 
mürbe. 

«*~*Xie brüdenbe -^>ifce unb bie grofje Stille um fie her 
übten Zubern einen entmuthigenbeu ©influfj aud auf 
ihr ©ernüth. 6 ie oerfuchte, bied ©efüpl *u übermin* 
ben. Sie fang: fie machte beim Spülen ihrer Sd)üf> 
* fein mehr Samt ald nothmenbig mar. Sie lachte fei* 
f ber über ihre ungegrünbete furcht unb ihre ©inbil* 
I bung. Wid)tdbeftomeniger aber ging fie alle Wagen* 
. blide nach öer Xhür unb fchoutenad) jener brohenben 
Solle, bie immer größer unb jehmärjer mürbe unb 
i immer höher flieg. 

^ Xie fiuft füllte fid) an mit einem bid)ten Webel, ooit 
> eigentümlich gelblichem Wudfefjen, melcher bad Wtb* 
, men befchmerlid) machte. Xann unb mann burep* 
l fchnitt ein ©lifcftraljl, begleitet üon bem ©etöfe fernen 
V^onnerd bad Xunfel jener fehmeren Solle. 

iRicht lange bauerte ed, bid ber nahenbe mastige 
Sturrnminb heranbraufte unb ben Staub auf ber 
Sanbftraße molfcnglcicf) in bie ööfje mirbelte. Xie 
Wefte ber träftigen ©äumc mürben 00 m Sinbe immer 
heftiger hi« unb her gefchautelt. Xad Setter tarn 
unermartet fchnett heran. 

„So in aller Seit ift nur bad $inb hingegangen," 
fagte grau Xhompfon crfd)rcdt ju fid) felbcr, ald fie 
Reh nach Wofa limfchaute unb fie nicht in ber Wäl)e 
bed §aufcd fap. ©ilig ging fie hinein unb marf 
ihren Shaml über bie Schultern, um bad $inb $u 
juchen. 

Wld fie $ur Xhür hiitaudtrat, hörte fie bie Stimme 
ihred SWanned, bcr ihr ein lauted „#allol), grau!" flU" 
rief. Obgleich fie mohl fah, baß *mei feiner Arbeiter 
ihn trugen, fo tonnte fie bod) in bem Wugenblide bei 


ber Wngft über ihr berlörened Xöd)terchen nicht Diel 
nad)benten. 

,,©ile in ben Steller, grau; in ben Steller, — bie 
Sinbdbraut (©pclon) tommt!" Xiefe Sorte ihred 
Wtanned hörte fie nod) foeben; bann fanf fie opn* 
mächtig unb bemufjtlod auf bem gufjboben ber $tüd)e 
nieber. 

,,©d ift boch eigenthümlich," fagte ber garmer, ald 
er bad öoud erreicht hatte, „mie in ber 3 rit öer Woth 
unb ©efahr manchmal Wtted gerabe fo bertehrt geht. 
Xa mufj id) bei bem eiligen ueberfteigen ber Wtauer 
meinen öerrenten, unb meine grau, auftatt mir 
jefct ^u helfen, liegt bemufjtlod auf bem ©oben. 
Schnett, jungend, tragt fie hinunter in ben Steller, 
unb bu, Sittiam Stent, fei mir behülflid), baR ich in 
Sicherheit tornme." 

Staum maren Wtte unten angelangt, ald grau 
Xhompfon mieber ^u fidb tarn. Xad erfte Sort, mad 
fie fagte, mar: „So ift Wofa, ©ater?" 

„Wofa? Wofa?!" rief überrafcht ber garmer aud, 
mährenb er oor Sdjreden tobedbleid) mürbe unb bie 
Wtänner ficb entfett einanber anblidten. 

„ga, Wofa, unfer Siebling!" ermiberte mit fdjma* 
eher Stimme grau Xhompfon. „geh mar gerabe im 
©egriff, fie 511 fuchcn, ald id) ohnmächtig mürbe, gft 
fie nid)t hier?" 

©in tiefer Seufzer mar bie einrige Wntmort, bie ihr 
Sftann ihr geben tonnte. Stalte S^meißtropfen ftan* 
ben auf feiner Stirn, ©r oerfuchte auf^uftehen, aber 
er tonnte nicht. Sein oerrentter gufe mar mittler* 
meile ftarf angejdjmottcn. 

„geh tarnt fie nicht retten; 0 ©ott, rette bad arme 
Stinb," ftöljnte er, mährenb er in feinem Schmer^ unb 
Stummer auf bem ©oben bed Steucrd fid) hin unb her 
marf. 

„3Rein Stinb, meine tljcure Wofa; fie mirb umforn* 
men," feuf^te bie SJtutter. gd) fann nid)t gehen oor 
Sd)mäd)c unb Wngft. O, ihr Wtätiner, bie it)r ftarf 
feib, rettet, rettet mein Sliitb. Xoth id) fann’d nid)t 
oerlangen oon eud), baß ihr euer Seben ridfirt; id) 
mitt jelber gehen unb mit ihr fterben!" SWit biefett 
Sorten raffte fie fid) auf unb mar gerabe im ©egriff 
bie Xreppe hinaufjufteigeu, ald eilte fräftige §anb fie 
aurürfhielt mit ben Sorten: 

„©leiben Sie hier, grau, unb oertrauen Sie Wtted 
bem ,§errn an. gd) miU ben ©erfud) machen bad 
Äittb in Sicherheit $u bringen. Wiemanb mirb um 
mich trauern, menn td) fterben follte. geh bin nur 
ein armer ©eitler, ein Xramp — unb fie mar fo gut 
ju mir!" 3ftit biefen Sorten fprang er bie Xreppe 
hinauf. 

Wld er bie Xhür erreicht hotte, fchaute er ängftlid) 
umher, ob er fie irgenbmo erfpähen möchte, gm 
nächften Wugenblitf fah er fie, in nid)t fepr meiter 
©ntfernung. W\t einem Sdjrei ber greube unb ber 
gurd)t auf feinen fiippen eilte er $u ihr. 

Xer Sturm heulte um ihn her. Xie riefigen ©id)en 
beugten fid) oor ber ©ernalt bed Sinbed. ©d mar 
fdjauerlich. ©r aber fah nid)td unb hörte ni^td, bid 
er bad Stinb fieper in feinen Wrmen hotte, ^ie um* 
faßte ihn mit ihren fleinen Wrmen unb fd)nuegte fid) 
oertrauendoott an ihn. „©ringe mi^ $u meinem 
©apa, bitte ; bringe mid) 3 U meinem ©apa!" bat fie 
ängftlid). Unb er ermiberte mit befeftigenber Stimme: 
„ga, flciner Siebliitg; id) merbe bid) $u beinern fßapa 
brtngen, menn ed ©otted Sitte ift!" 

©r fühlte feine eigene Jpiilflofigfeit. Um ipn her 
mar^ jc^t finiter mie Wfitternacbt. Xer Sturrnminb 
heulte unb tobte. Xonner unb ©lip mechfeltcn fchnett 
mit cmanber ab. Wegen unb £>agel fiel in Strömen, 
©retter, Steine, ©äunte flogen burch bie SJuft in allen 


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244 


glit Drroorragungra an brr Sonne. 


9H(btungen, lodgeriffen unb getragen burcb bie Äraft 
bed ©Sinbed. SBar’d ein ©htnbcr, baß auch fein ^erj 
erbebte? Xod), er füllte, baß er ein wicbtiged 
Settungdwerf ju tbun batte, unb bied Gefäß gab tgm 
Stutty unb ftraft. Gr wollte fein ©efted tbun; bad 
Uebrtge überließ er Gott. Gr tonnte beten, „Dein 
©Sille gefdjetye!" 

Sluf fränben unb güßen frodj er langfam unb mit 
großer vlnftrengung bem Jmufe entgegen; wäbrenb 
er bad Ä'inb mit fernem Äörpcr befajü&te, fo gut er 
tonnte. $)er Sturm oerjucbte ihn emporflubeben, 
aber er ^ielt fid) mit aller ftraft feft an Grad unb 
Sträucßern. ©lutenb unb gan* erfcböpft tarn er *u= 
le$t bid an bie §audtbür. Gr fühlte, baß feine Kräfte 
ibn oerließen. Gr tonnte nicht ioeiter. Seine lebten 
fträfte anftrengenb nahm er bad $inb in feine §änbe, 
fügte ed mit yttembem SJtunbe unb legte ed bann 
burcb bie geöffnete Xb ör in'd §aud. ,,©ott fei mir 
Sünber gnäbtg," rief er aud. Gr härte nod) ben 
greuben- unb ?fcanfedruf ber Butter, über bie 9tet* 
tung ihred geliebten $ in bed. 

gn bemfelben 9luaenblicf jucfte toieber ein heller 
©lipftrabl burcb bad Tuntel, begleitet oon einem be= 
äubenbcn Xonnerfcßag. Stan börte ben gewaltigen 
fttacb eined fallenben ©aunted, ber jum X^eil gegen 
bad £>aud ftür^te. 

©alb bamacb war ber Sturm oorüber. $ad Ge= 


töfe bed 3)onnerd üerftummte in ber gerne. $ie 
Sonne brach wieber burcb bie SEÖolten. 2llled!war 
rubig wie guoor. 9lber oor ber $audtbür lag ©Billiant 
$ent, ber Sramp — ber ebelmütbige gebendretter. 
Gin mächtiger Gidjbaum war auf ißn gefallen unb 
batte ibn erbrücft. Gr batte fein geben geopfert, für 
bad geben bed Äinbed. 

* * * 

Saß einer unferer blübenben weftlicben ©täbte, 
liegt ein Heiner unanfebnli<ber griebbof. Xer gärm 
bed gebend oermifd)t fid) hier mit ber Stille bed Ho* 
bed, benn eine ber größten Gifenbabnen fährt gerabc 
an ber Stauer biefed Gottedacferd üorbei. Stuf einer 
Anhöhe auf bemfelben befinbet ficb ein em$elned 
Grab, $ie erften ©lumen bed grüblingd, fowie bie 
lejjten bed ^erbfted, werben oon gcit $u 3 C ^ auf 
baffelbige gelegt, oon liebenben £>änben unb bantbaren 
$er$en. Gin einfadjed 3)enfmal oon Starmor fteßt 
bei biefem Grabe. $affelbe trägt bie tur$e, aber 
üielfageubc Qufcbrift: 

3um Anbeuten an 

-SBiUtant Äent.- 

„Gaftfrei $u fein oergeffet nicht; benn burcb baffelbe 
haben Gtlicpe, ohne ihr ©Siffen, Gngel beherberget/'— 
Gbr. 13, 2. 




Pie Ijertjorraguttgcii an örr Sanne. 

gär öaui unb derb oon Cpuiculum. 


jffl ei ber Slbßängigfeit, in welcher unfere Grbe 
jll 8 U b er Sonne, barf ed nid)t wunberneß 
men, wenn außergewöhnliche Grßbeit 
nungen auf ber Sonne fofort in $Be$ie= 
{jungen mit folgen auf ber Grbe gebradjt werben. 

So gefchah ed oor einiger $eit, baß man bie 
langanbaltenbe, ungewöhnliche ©Särme im Sluguft 
unb September ald eine golge ber im Sluguft 
auftretenben £eroorragttngen (^rotuberan^eu) 
ber Sonne anfab, welche jn einer bebeutenben 
jpößc anwuchfen. 

Gd wirb gewiß üielen unferer gefer willfom* 
men fein, wenn wir.irathftehenb oerfuchen, eine 
®arfteüung biefer ©ebilbe unb oerwanbter Gr* 
feßeinungen auf ber Sonne au geben. 

Sach ben neueften ^Beobachtungen, Welche über 
bie Sonne angefteHt würben, lagert über bem 
eigentlichen Körper berfelben eine glüßenbe 
©joltenfdbicbt, bie ^5b oto fP^öre, welche feßeinbar 
bie Oberfläche ber Sonne bilbet unb bie $aupt= 
quelle bed Sonnenlicbted unb ber Sonnenwärme 
ift; über biefer gliibenben SBolfenfcbicbt liegt 
jeboeb eine gadföruiige |>ülle oon unregelmäßiger 
unb oeränberlicber ©eftalt: bie 2ltmofpbäre. 

®iefe §iitle beftebt aud glommen, Strahlen 
unb Strömungen unb verfällt in jwei If) c ^ e r 
beren äußere bie Sorona, ben Strang bilbet. 
5 )er innere X^eil liegt ald eine bt.n:te, rofenrotbe 


Sd)id)t über ber $bol°fphäre unb madft ben 
ßinbruef, ald ob auf ber Oberfläche aud 3al)l : 
lofen Oeffnungett Strahlen gliibenber ©afe ber^ 
oorbvächcn, bie ben ganzen Sonnenraub wie 
glommen umgeben. 

§iit unb wieber erbeben fi(h Stoffen biefed 
©afed ^u einer bebeutenben £)öl)c unb ragen 
weit in bie Gorona hinein, wo fie wie SSolfen 
febweben ober burcb anbere Strömungen empor* 
geriffen werben. 

$iefe emporgefcbleuberten Staffen finb bie fßro* 
tuberanjen (|)erüorragungen), welchen Samen 
man biefen ©ebilben im §abre 1842 beilegte. 
Statt war jebod) über bie Satur berfelben nod) 
im Unflaren unb tonnte nießt ermitteln, ob fie 
ber Sonne, bem Sionb ober ber grbatmofpbäre 
angel)örten ober überhaupt nur lättfchungcu 
feien. 

SSentt man wäbrenb einer totalen Sonnen* 
finfterniß bie allmählich abnebmenbe Sichel ber 
Sonne beobachtet, bemerft man nichtd 2(uffallen= 
bed bid nahe bem 3*itpunfte ihred üoUftänbigen 
©erfdjwinbend. t aber ber lepte Strahl bed 
Sonnenlicbted uerfeßwunben, bann erfcheint bie 
tieffchwar^e Stonbfugel, umgeben üott einem 
Straßenfront äbnli^ bem ^peiligcttfd^eiit auf 
alten ©emälben, unb in biefe Gorona ragen ßun* 
gen unb ©5elfen rofenfarbiger glommen in ben 


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Pie Heroorragungeit an ber Sonne« 


245 



merfwürbigften ©eftalten non oerfcpiebenen ^ßunf * 
ten beS SDtonbranbeS empor (gig. l f a bis g). 

$ie erften fixeren Stacpricpten über eine 33e= 
obacptung non <ßrotuberangcn ftammen auSbem 
3apre 1733, Wo man Waprenbber totalen Son* 
nennnfternife brei ober nier fleine rofenrotpe 
SBöifcpen bemerttc, wetcpe nom SJtonbranbe nöl= 
lig loSgelöft erfcpienen unb nacp ber 2tnfi<pt beS 
SeobadpterS in ber SDtonbatmojppäre fcpwebten. 

Son biefer Seit ab fcpeint man aber ben $ro* 
tuberangen Wenig Slufmerffamfeit gefcpenft gu 
paben, benn eS finben fiep bis gum ^apre 1842 
nur fparlicpe Stacpweifungen über bie Seobacp* 
tung folcper ©ebilbe. $ie früheren Seobacp* 
tungen Waren 
fo in Sergej 
fenpeit gera * J 
tpen, bafj bei 
ber totalen 
Sonnenftn* 
fternifj im 
Sapre 1842 
befonberS 
glängenb auf* 
tretenbe S ro * 
tuberangen in 
popem ©rabe 
bie Stufmerf* 
famfeit ber 
Seobacpter 
fejfelten. 

Sei ber to* 
taten Sonnen* 
finfternifj non 
1860 würbe 
gum erften mal 
eine erfolg* 
reiche 2lnWen* 
bung ber Sßpo* 
tograppie ge* 
macpt, unb 
Seccpi fowie 
SBarren be ta 
SRue gogen barauS bie Folgerung, bafc bie $ro* 
tuberangen Wirflicp ber Sonne angepörten, benn 
eS geigte fiep auf ben ppotograppifcpen 2tufnap* 
men beutticp, ba& fie burcp baS f?°rtfc^reiten ber 
Stonbfcpeibe auf ber einen Seite ber Sonne nacp 
unb nacp nerbetft würben, wäprenb fie auf ber 
anbern Seite immer mepr perbcrtraten. 

®a gu jener bie Jlunft, baS Sonnenlicht 
gu gerlegen (Spectralanalpfe), nocp fo wenig 
cntwidelt war, bafj Stiemanb baran bacpte, fie 
auf bie ffiorona unb bie ©rotuberangen angu* 
rnenben, nerging eine geraume 3 e i*> epe man 
über bie Statur biefer ©rfcpeinungen ftlarpeit 
erlangen fonnte, unb erft im ^apre 1868 war 


firifl. 1 . ©onnenfinftmii&. 


ber Sau beS SpectroffopS (Sorricptung gur 
3ertegung beS SonnenlicptS) gu folcper Sott* 
fommenpeit gebieten, bafj man eS mit ©rfolg 
benupen fonnte. 

$er ßnglänber ßoefper, Wetter bie SBiffen* 
fepaft ber 3^rtegung beS SonnenlicptS fepr eifrig 
pflegte, fam im ©erlauf feiner Unterfucpungen 
gu bem Stefultate, ba& bie £eroorragungen ber 
Sonne, twn bereit wecpfelnben formen 3rig* 2 
eine Sarfteflung gibt, aus einer bünnen, bie 
gange Oberfläche ber Sonne umgebenben §üüe 
entfpringen unb nur befonberS pertwrragenbe 
Speile berfelben finb. 

Stacp ipm ift bie Sonne non einer Sttmofppäre 

umgeben, 
Welcpe in ber 
£>auptfadje 
auS SSaffer* 
ftoff beftept, 
beffen Speile 
non 3eü SU 
3 eit als flaut* 
mige SBolfen 
ober 3«ngen 
emporgefcpleu* 
bert werben. 
Sie fcpmale, 
peHleucptenbe 
^tmofppärc 
belegte ßodper 
mit bem Sta* 
men ßprorno* 
fppäre, unb 
biefelbe ift nur 
mittels beS 
SpectroffopS 
ober wäprenb 
totaler Son* 
nenfinfterniffc 
Waprguncp* 
men, bei lep* 
teren ©elegen* 
peiten auep 

fepon non früheren Seobacptem gefepen worben, 
opne bafe man inbefc über ipre wapre Statur 
Slarpeit erlangen fonnte. 

Sie |)ert)orragungen (^ßrotuberangen) ber 
Sonne tpcilt man meiftenS in gwei Klaffen ein: 
in wolfenäpnlicpe (gig. 3) unb in eruptioe 

Sie erfteren finb rofigen SBolfen gu oerglei* 
epen, bie in einer Sltmofppäre (wenn man ben 
SluSbrud pier gebrauchen barf ) gu fcpwimmen 
fepeinen. 

®ie eruptioen ©rotuberangen beftepen aus 
SBafferftoff* unb SRagnefiumbämpfen, weldje 
aus ber Sonne felbft ober aus ben unterftm 


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Pie fjeroorrngungen an ber Sonne. 


Z4t> 



©cpicpten ber Epromofppeire mit einer ©efcpwin* 
bigfeit üon ntancpmal 150 engl. ÜJteifen in ber 
Secunbe emporgejcpleubert werben. $icfe 
Eruptionen 


bauern ftun= 
ben= ja oft ta= 
gelang, bie 
Kämpfe breiten 
fiep iaufenbe 
non UKeilen 
aus unb finfeit 
bannallmäplicp 
auf ben ©runb 
ber Epromo- 
fppäre jurüd. 

2 Benn mau 
bie Sonne 
burep ein ge= 

WöpnlicpeS 
gentropr be¬ 
trautet, fo fiept 
mau nur bie 
feueptenbe 
Dberfläcpe, 
aber Weber Eo* 
ronanocpßpro; 

mofppäre, 
welepe in fol* 
epen 3 n ftru= 
menten nebft 
ben protube* 
rangen nur bei 
totalen ©on- 
nenfinfterniffen 
erfepeiuen. 

SBitt man pro-' 
tuberanjen be^ 
obaepten, fo 
mu§ bnS 
geriiropr mit 
einem ©peclro^ 

flop oerfepen ^. 2 . 

unb in eine 

fotepe Stellung gebraept toerben, bap baS ©on= 
ncnbilb mit bem ( ^u beobaeptenben Jpeile beS 
Staubet ben ©palt beS SpectroffopS berüprt. 

3 ft an biefer Stelle beS ©onnenranbeS eine 
protube¬ 
rans 001 = 
panben, fo 
bietet fiep 
bem ©eob* 
aepter ein 
2 lnblicf 
äpnlicp bem 
in gig. 5 
bargeftetl^ 


ten.—®er rotpe Xpeil beS ©pectrumS fiep 
in ©cftalt eines fcparlaeprotpcn ©anbeS quer 
burep baS ©eficptsfelb unb ift felbft wieber non 

einem etwas 
bunflern©anbe 
burtpjogen. 

3 n biefem 
Sanbe fiept 
man bieprotu^ 
beranj als 
fcparlaeprotpe 
SBolfen, welepe 
man naep ©e= 
ftalt unb 8 luS* 
fepen etwa mit 
ben SBolfcn in 
unferer Erbat- 
mofppäre oer= 
glcicpen tonnte.' 
2 lm beften lägt 
fiep ber Slnblicf 
mit bem burep 
eine palb geöff* 
netc Ipür gefe- 
penen Slbenb^ 
piinmel 0 *r- 
gleiepcn, nur 
ba&beiberpro- 
tuberanj ber 
garbencontraft 
unfereS Slbenb* 
pimmelS feplt, 
benn alle pro- 
tuberansen jei ? 
gen biefelbe 
rein fcparlacp= 
rotljcgarbe. 
9lm SRanbe beS 
©paltcS beS 
SpcctroftopS 
seigt fiep bie 
§ertu>rraQiing ber Sonne. Epromofppäre, 

welcpe au^ 

{(einen, jungen- ober fabenförmigen ©ebil-- 
ben beftept unb in ftörterem ©lause ftraplt als 
bie fiep aus ipr erpebenben Sßolfeu. 

$aS Sluftreten ber protuberanjen ift an feine 

beftimmte 


nw^R— 


fjiq. 3. tBolfenäfjnlidje ^erüorragungen. 


©egenb ber 
Sonne ge= 
bunben, je* 
boep taffen 
fie einen ge- 
wiffen 3u= 
fammen* 
pang mit 
ben gteefen 


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3)it jtaiun * Sdjrift. 


247 




ertenneit. Qn einem eitgcni nod) ftetjen fie mit 
ben fogenannten gacfeln, bennmanbat jurreiten 
bie Beobachtung gemacht, baff gacfeln, bie big 
jum Sonnenranbe 
oerfolgt merben fonn» 
ten, öon ©rotubcran» 
jen umgeben waren, 
unb bieg wirb wahr» 
idjeinlid) immer ber 
galt fein. 

Tie ©röjje ber 
$rotuberanjen 
fdjwanft innerhalb 
weiter ©renjen; bie 
SKehrjahl erreicht 
eine §öt)e jwifdjen 
18,000 unb 25,000 
engl. Steilen. $u 
manchen $eiten cr= 
fcheinen auch folche 
mit $öljen Don 
95,000, jafelbftüber 
240,000 englifcfjen SDieilen unb eg ift bem @rb= 
bewohnet nicht möglich, fich oon ben bicfe ©r= 
fcheinungen bemirlenben ©ergangen einen auch 
nur entfernten ©egriff p machen, benn mag finb 
»ergleicfjgweife bie mächtigften Slugbruche un= 
ferer feuerfpeienben ©erge gegen bag ©rnpor» 
fteigen felbft ber fteinften ©rotuberanj, bie an 
$öl)e ben ©rbburdjmeffer 
naheju zehnmal übertrifft! 

— ©g ift big jefct ber 
gorfdjung nicht gelungen, 
eine ©tnroirfung ber ©rotu» 
beranjen auf bie Temperatur 
unfereg©laneten feftpfteHen, 
unb bie ©ingangg ermähn» 
ten Sermuthungen bezüglich 
beg Urfprungg ber öfterg 
eintretenben ungewöhnlichen 
Sommerhifce werben wohl 
noch f° lange ber ©eftätigung 
harren muffen, big jahrelang 
auggebehnte ©eobacf)tungg= 
reihen ung bie SRöglidjfeit 
foldjer SBirfungen bargethan 
haben. 


&ig. 4. ©ruptioe Jpcrtortagungeu. 


für bie beutfdje Öeiftcäfultur unernte&lich grofc 
ift, lebte mm 311—381, feine Ueberfefcung3' 
arbeit fällt alfo oor nunmehr fünfaehnhunbert 
fahren.—Ueber itjn 


nnb feine Sibelüber- 
fefcnng Ijanbett ein 
iefen^mert^er Slrtifel 
in $an3 unb $erb, 
Jahrgang 1885,mor^ 
auf icf) biejenigen, 
bie ficf) näher für iljit 
unb fein SBerf inter= 
effiren, oermcife. 

Unfere Slufgabe 
hier ift gaitj anberer 
$lrt. 2Bäf)renbbem 
2 Bulfifa^ burd) feine 
S3ibe(überfebung ei* 
neetfjeitä bem beut- 
fchen SB o r t einen 
in ber literari- 
fd)en SBe(t gab, }o 
anberntheifä burch baä gleiche 

in= 






§ig. 6. Änblirf bet ©promofpl.ätY unb brr $cit>or= 
ragungen t>u:d) Da* topoctrcffcp. 


pir Pmtfit=$d)rift 

gär &ant nu* gerb oon Xlfeobor Obinga, Serien. 

Sllg ©ater ber mobernen beutfehen Schrift 
unb ihrer lautebebeutenben $eid)en ift ber go» 
thifche ©ifefjof SSulfilag — fo ift bie richtige 
Schreibung—anpfehen. 

Tiefer merfwürbige 9J?ann, beffen ©erbienft 


Perfchaffte er 

SBerf ber bcutfdjen S dj r i f t ©ürgerredjt, 
bem er aug ben altgermanifchen Bunen unter 
3 uhülfenahme griedjifdjer Schriftlichen ein 
neueg gotljifdjeg Sllphabct fdjuf, auf bem unfer 
beutfeheg Sllpfjabet beruht. 

Sdjon bei ben ^nbogermanen fönnen bie 9tu 
nen alg bie älteften Slnfänge 
ber Schrift gelten. 

Tag ältefte 9iunen»2l©ß 
beftanb Waljrfcheinlicb aug 
15 Urjeidjen, näherte fich 
bann burd) nachbarliche ©in» 
fliiffe etwa 800 galjre bor 
SBulfilag bem griedjifd;»rö» 
miid)cn Sllphabet, blieb aber, 
wie bie Schreibfunbe über» 
(jäupt, ©cbeimnifj ber ©ric» 
fter unb einiger weniger 
©ornehmen. 

Bag bebeutet pnächft bag 
SBort „runa 9tid)tg Wei» 
ter, alg wag eg für ben gröfj» 
ten Theil beg ©olfeg war— 
„©eheimnijj." ©leidjjeitig 
befapt bag SBort Bune aber auch Bouberei, 
SBeiffagung, SRotf), Urtheil, SBeigljeit, ©eiehr» 
famfeit, aber auch ein Ijeimlidieg glüftem (ba= 
her unfer „raunen"), womit man bem 0f> r beg 
Stnbern oerborgene Slnfchläge funb gab. 

So mögen bie SRuncn, bie man in ältefter 
3eit auf hölzerne Täfelchen unb Stäbchen rifcte 
ober fchnitt, ben ©rieftem alg gewiffermafjen 
hieroglpphifdje, geheime Reichen bei ben SWpfte» 
rien ber ©ötterlehre gebient hoben. 


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248 


Slräume finb Sdjäume, obre nidjt olle. 


So mirb, um ein Seifpiel 311 geben, ber 
„2Biffenbe," ber unfer £ als bie Nune beS Pa¬ 
gets, got. erfettnt, im Nunenzeicben ben 
Zudenben Slifc feben, ebenfo mte im N ber Nune 
ber nautfjä (Notb, Sfeffel) bie gefiel, bie ben 
SRann banb, ber in Notf) gerätsen mar. 

Slucb mer fpäter von beit Nicbtmifienbett es 
tvagte, ben SSißen ber ®ötter burd) folcfje $ei= 
c^en, benen natürlich auch baS Sol! 3aubei> 
traft zufdjrieb, zu erforßben, ber grub bie $ri s 
d^en, melcbe er bem *ßriefter abgefeben hatte, 
gern in einen Meinen Stab vom $o!j ber 
Suche. 

Ser Saum, beni biefe Stäbchen entfprofien, 
ift mit feinen Slättern noch tebenbig in unferm 
SBort Sucbftaben, mit benen mir barte ein 
Such unb feine Slätter füllen. Sie mun* 
berbaren Sorfteßungen, bie ficb ein mit ber 
Sucbftabenfcbrift noch unbefannteS Sol! tmn 
einer Sunft machen mußte, burd) metd)e mit ei¬ 
nigen ©trieben Sefebrungcn, Nadjridjten, ®e* 
ban!en gegeben unb mitgetbeilt merben fonnten, 
trugen baju bei, ben Suiten ben 6 b ara ^ er beä 
Uebematürlicbeit 311 geben, ihnen verborgene 
Sräfte beizulegen unb fie zu magifeben ©ebräm 
eben anjumenben. 

Noch lange, naebbent bie d)riftlicben ®cr= 
maueitbefebrer, bie s $riefter unb SNöndje, bie 
lateinifebe Sucbftabenfdjrift eingefübrt batten, 
galten bie Nunett bem Sol! alS^ mertl)e, eiitbei- 
mifdje @d)rift. 

SBer ficb eine SBaffe anfebaffte, rijjte ihr Nu= 
nen ein; baS Srintborn, meldjeS unter benbur- 
ftigen SKännern ber £afle freifte, mar mit Nu* 
nen bebedt; über ber Sbür beS £mufcS gaben 
SRunen an, mann unb von mein es erbaut mor* 
ben. Sie ®renje, melcbe ben Sldcr beS 
barn trennte, baS ©rabrnal beS ©efcbiebeiten, 
marb burd) Nunenfteine bezeichnet. ©elbft bie 
cbriftlicbe ®ircbe mit ihrem ©otteSbienft, mußte 
es ficb gefaßen taffen, baß ber Seutfcbe, ber ficb 
im bunfetn SBatbe unb auf ftifler £aibe ferner 
Von feinen beibnifdjen Sorfteßungen trennen 
fonnte, bie b^ibnifeben 3 ei<beK ber ^itrcf)e auf* 
brang. Noch jefct finbet man auf uralten ©fotfen, 
Slltarbeden, Xauffteinen, 9ftaud)fäfiern, ja fetbft 
auf äRonftranjen offentunbieje Nunen neben la== 
teinifeben Snfdjriften eingertfct. 

8 luS biefen uralten Nunenzeicben feinet Sot¬ 
tet febuf SButfilaS fein Sllpbabet. Saß er bei 
ber geftfteßung feiner ©djrift bie ©d)ärfe unb 
©digteit ber in $olz unb ©tein gerieten ober 
gefeßnittenen Nunen verließ, unb infolge feines 
täglichen SertebrS mit ben ©riechen, beren 
Sucßftaben er ja bei feiner Ueberfepung fort- 
mäbrenb vor Slugen batte, bie rohe gorm ber 
SRunen verebette, ift begreiflich. 


2Bie er babei im Sereiit mit ben SRitteln beS 
ScrgamenteS (maimbrana), beS StobreS 
(raus) unb ber Sinte (svartizla) bie Sud^ 
ftaben mehr runbete, öffnete unb mo eS febarfe 
Untertreibungen galt, mieber edte unb lenfte, 
fo baß bie gotbifeben £>anbfcbriften boeb im ©an- 
Zen ber Unziaijcbrift gleichzeitiger grieebifeber 
unb römifeßer Urfunben ähnlich feßen, baS afleS 
ift etmaS fo Natürliches, baß baS ©egentbeil 
nicht gut benfbar märe. 


träume find $d|3timf, aber utdjl 
alle. 

8ür #au8 unb #ert> ton $alatini£. 

/ßt)riftlid)e Nüchternheit ift eilt löftliche 8 @ut. 
fL Uufcre liebe 99ibct empfiehlt biefelbe wie» 
'V bertjott. „$!u aber fei nüchtern aUentt>at= 
bett" mahnt ißauluä ben Simott)euä (2 Sim. 
4, 5); unb „@eib nü^tern," fo fcfjreibt an^ 
ijäetru^ in feinem ©riefe ben Sänften t)in unb 
t)er (liJSctr. 1 , 13; 5, 8 ). 3)ef}batbfagenmir 
auch, Wie oben mit Sejug auf bie Xräume, bie 
wir beä 9?acftt^ hoben „iräume finb 
<2 d) ä u m e." ®a e4 aber in ber ganzen SBelt 
feine Siegel ohne Sluänabme gibt, fe|en Wir Ui 
binju „aber ni i )t alle." 333er wollteautb 
bem aümädjtigen Sott, bem Sdjöpfer Rimmels 
unb ber ßrbe, bie |>änbe binben, bafj er nid)t, 
auch be»te noch, febaffen fann, wa« er Will? 
S33er Will ibm wehren, fo bafj er nicht auch bu^b 
Sröume ju bem äJlenfdjen rebe? £>at er ba4 
nicht früher auch getban ? Unb fagt nicht $iob: 
„ 3 m Iraumc bei ©eficht«, in ber Slacht, wenn 
ber Schlaf auf bie ßeute faßt—ba öffnet er baö 
Ob^ ßeute unb fdjrecfet fie unb jüdbtiget fie 
(Jpiob 33, 15 u. ff.)! 

ßö ift wahr; cö ift baö nicht ber gewöhnliche 
Sßcg, auf bem ©ott ben Seuten ba§ Oh 1 öffnet. 
Stuf bem gewöhnlichen S33ege tljut baö ©ott 
bureb feinen heiligen ©eift, ber burcb’ö ©ewiffen 
ober auch burd) bie Vernunft jum SRenfchen re» 
bet unb ihn ftraft; ebenfo thut er baS burch fein 
3Sort. äber ©ott fdjlägt f)ie unb ba auch einen 
außergewöhnlichen 2 Beg ein unb batton wollen 
wir ben Sefem hier jwei ©efchichten alö 33ei= 
fpiele erjählen unb }War }u 9luh unb frommen 
aller, benen „tpauö unb $erb" in bie Stäube 
fommt. 

1. $er nächtliche ^rebtger. 

9118 Seffing, ber befannte ^b'lofopb nnb 
dichter, ftubirte, war unter feinen 2 Jtitftubiren» 
ben ein junger äJlenfch, ber ein auöfchweifenbeö 
Seben führte. Seffing fueßte ißn au 8 biefen 


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Staunte ftnb Säjaumc, aber nld)t alle* 


249 


Solingen loggumacpen, aber ber Jüngling mar 
gav gu tief barein oerftricft, bie greunbegftimnte 
fcpien oergeblicp. $a !am ber Süngting eineg 
SJlorgeitg in atter grüpe gang oerftört auf Sef= 
fingg 3' mmcr ^ unt ipm einen merfmürbigen unb 
erfepütternben Borfad gu ersten. 

„Scp war peutc, fpät naep äRitternacpt," er= 
gäplte er, „öon einem Xrinfgelage naep $aufe 
gefommen, Warf micp palb angefteibet auf’g 
Bett unb fd^fief halb ein. $a träumte mir, 
bafc mein $unb Sedo an meinem Sette fafc, bie 
Sorberfüfte auf ben @ip beg baöorftepenben 
©tupleg legte unb förmlich gu prebigen anfing. 
Seine^rebigt mar gang adein an micp gerietet unb 
enthielt ungefähr baffelbe, mag bu Seffing, mir 
paftfooft gefagt: Bormürfe über mein bigperigeg 
Seben, Ermahnungen, ein beffereg angufangen, 
nur mit anbern Slugbriicfen, unb fod icp bie 
SBaprpeit fagen!— in einer üiel frafttwderen 
unb erhabeneren Sprache.. 

©eine SBorte fcpienen ben *ßroppeten entlehnt, 
feine 3unge flammte im geuer. X)ie Siebe beg 
^unbeg rührte mich tief; ich bin übergeugt, ba& 
ich im Schlafe barüber gemeint habe. Sr fcplop 
feine Ermahnungen mit einer furchtbaren X)ro= 
pung: SEenn ich meinen bigherigen Sebengwan- 
bei fortfepe, fo mürbe ich über fecpg SJtonate eine 
Seiche fein. „Unb bamit bu fiepft," fagte er, „baß 
ich, ein unoernünftigeg Xpier niept au ^ mir felbft 
fo fpreepe, fo fcplage nur in beiner Bibel bag 
erfte Slapitel beg Sßroppeten Seremia auf, bort 
finbeft bu im 9. Berfe bie Beglaubigung meiner 
©enbung." 

Scp ermaepte, eg mar fepon lag unb mit Ent- 
fepen fupr icp in bie £>öpe; icp glaubte meinen 
£unb noep oor mir am ©tuple fiepen gu fepen, 
aber er lag rnpig gu ben güfjen mcineg Setteg 
unb fcplief. Scp fprang auf unb mein erfteg 
©efepaft mar, aug meinen Sücpem bie Bibel 
pertwrgufuepen, ein ©efepen! meiner feligen 
SJlutter, bag icp auf bie Unioerfität mitgenom= 
men, opne feitbem mepr barin gelefen gu paben. 
3 cp fcplug bie begeiepnete ©tede auf unb fanb 
bie SBorte: „Unb ber £err reefte feine §anb 
aug unb rüprete meinen 9Kunb an unb fpraep 
gu mir: „©iepe, icp lege meine SBorte in beinen 
SRunb !" ®enfe bir mein Entfepen beim Sefen 
biefer 3eilen! $cp marf meinen Slocf über unb eile 
nungu bir, meinem eingigen, mapren greunb unb 
frage biep: „SBag fagft bu gu biefer ©efepiepte ?" 

Seffing, fo gmeifelnb er einem munberbaren 
(Eingreifen ©otteg in beg SWenfcpen Sebenggang 
gegenüber ftanb, fonnte boep niept umpin, ben 
Xraum alg eine SJlapnung beg ©emiffeng auf* 
gufaffen, ber gu folgen ber Jüngling ade ffraft 
gufammen nepmen foHe, bamit er niept in bag 
Berberben falle. 


®er Jüngling napm fiep mirfliep eine längere 
3eit gufammen, pielt fiep gu Seffing unb lag ben 
SSiffcnfcpaften ob. Slber auf einem* ©pagier* 
gange, nur oon feinem treuen £>unbe begleitet, 
traf er einft mit einem jubelnben ©cpmarnt feiner 
früperen ffameraben gufammen, bie einem napen 
SBirtpgpaufe gueilten. 

Natürlich lagen fie ipm an, fiep mieber gu 
ipnen gu tpun, unb ber arme fepmaepe 9Kenfcp 
liefg fiep bereben. Born Xrinfen !am eg gum 
©aufen unb gulept gum £opn unb Spott über 
ben fromm geworbenen Äanteraben. Bor adern 
forfepten fie naep bem ©runbe feiner plöplicpen 
©innegänbernng. Sange wodte er niept ergäp= 
len; enblicp löfte ber SBein feine 3 un 0 c nnb cr 
fepilberte feinen Xraum. Eine SBeile War bar- 
naep adeg ftumm. Slber ein ftider Slugenblicf 
ift für eine ieieptfinnige ©efedfepaft beängftigenb. 

Einer ber freepften unb mipigften Burfcpen 
ftanb auf unb ftedte bie ernfte ©efepiepte alg 
einen luftigen ©cpmanf unb alberne ©pueferei 
bar, barin ber £unb bag üerfappte ©efpenft ge- 
wefen fei. SBeil berfelbe aber ipreit greunb fo 
erfepreeft pabe, bap er adern fröplicpen Seben 
entfagt pabe unb ein Sfopfpänger geworben fei, 
unb biefeg gar burep äKipbrauip ber Bibel er¬ 
reicht pabe, fo müffe über ipn, alg einen falfcpen 
Propheten, ein ftreitgcg©ericpt gepalten Werben. 

Sldeg jauepgte bem Spötter Beifad gu, unb 
ber £unb war in berfelben ©tedung, wie er fei* 
nem £erm im Xraume erfepienen War, auf einen 
©tupl geft^dt unb naep feierlicher Slitflage unb 
Beratpung bag Xobegurtpeil über ipn gefädt. 

®er üerblenbete Jüngling erfeprad guerft bei 
biefem ©ebanfen; aber ber |!unb, ber ipm feit je¬ 
ner Siacpt ftetg eine gewiffe ©epeu eingeflö^t patte, 
fepien ipn jept, ba er mieber üom guten 3Bege 
gewiepen war, hoppelt laut anguüagen. Er 
widigte ein, unb mit einem ©tein am §alfe 
warb bag treue Jpier unter fomifepen geierlicp= 
feiten in ben napen Xeicp geworfen. Ein leifeg 
©töpnen, ein fcpmerglitper Blicf naep feinem 
£errn — bann fanf cr unter. 

Slber biefeg ©töpnen, biefer Blicf Oerfolgte 
nun jenen auf ©epritt unb Xritt, im SBacpen 
unb im Xraum. äuf’g 9?eue gab er fiep bem 
Xaumel beg wüften Sebeng piit. 

Seffing üerfuepte umfonft ipn gurücfgupalten. 
Sr ftürgte fiep oon einer Slugfcpweifung in bie 
anbere, big feine gefcpwäcpte ©efunbpeit gufam- 
menbraep. Sin pipigeg lieber raffte ipn weg, 
unb feepg SRonate nad^ feinem Xraum Warb er 
begraben.— 

2. Eilt nächtlicher fieprer. 

Sn ©t., Begirfgamt ^omburg, ^ßfalg, ®eutfcfy= 
lanb, lebt, Wäprenb wir biefeg nieberfepreiben 
eine römifcp - fatpolifepe Oerpeiratpete grau. 


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250 


Srlbflintcrcfff. 


©or noch nid^t tanger 3 *it fommt biefctbe ju 
einem SJtitgliebe meiner ©emeinbe unb fragt, 
tief bewegt, ob bic folgenben SBorte etwa in ber 
©ibet ber ©roteftanten ftünben. Sann fagt, 
fie beutlid) folgenben, atlen tcbenbigen eoange= 
tifd)en Keiften befannten ©ibelfpruch f>er: 

„Sief)e, id) ftefye üor ber ®pr f unb ffopfe an. 
©o gemanb meine Stimme fjören wirb, unb bie 
Sljür auftljun, $u bem werbe ich eingeljen unb 
baS Slbenbmaht mit ihm galten unb 6 r mit mir/' 

SaS ©emeinbegtieb, ein feit gafjren lebew 
biger ©hrift unb atS fotcher befannt in St., 
erroibert: ,,©i freilich, fteht baS in ber ©ibet!" 
Soch wefehatb fragt gh*? 

grau ©. erjäljlt it>m nun wie folgt: „fiepte 
Stacht hörte id) im Sraume eine Stimme, bie 
mir obige SBorte taut unb beuttid) fo oft oor= 
fagte, bis id) fie auSWenbig gelernt ^atte. geh 
bin fatljotifd) unb befifce feine Sibel, t)abe auch 
noch in feiner getefen; nun würbe id) aber burd) 
bie gehörten SEßorte fo fetjr beunruhigt, haft id) 
mir oornaljm, fobatb als möglich, mich bei ®ud) 
gu erfunbigen, WaS baS ju bebeuten habe. gef) 
hatte fofort eine Stiftung baoon, bafc biefe SBorte 
oon ©ott finb unb in ber ©ibet ftehen müffen; 
ich Witt fie auch befolgen unb ©ott bie Sh üre 
meinet ^per^enS aufthun, baf$ Er ©infehr hatte. 
SBer mich biefe SBorte gelernt hat, weift ich 
nicht; ob eS ©ott fetbft ober einer feiner heili¬ 
gen ©ngel War?" u. f. w. 

Seit jener 3 e it befugte grau ©. fammt 
ihrem äJtanne unfere ©otteSbienfte unb fragt 
mit bem Serfermeifter: SBaS muß ich tl)un,baft 
ich fetig toerbe? Stuch hat fie ftef) eine ©ibel ge* 
lauft, in ber fie gerne tieft. SJtit banfbarem 
^er^eit gebenft fie noch immer ber nächtlichen 
Stunbe, in welcher fie ein fo fcftöneS SBort habe 
auSWenbig lernen müffen, baS fie im Seben nie 
gehört habe unb baS ihr nun ^um ewigen £>eil 
biene, gürwafjr, bu bift ein Wunberbarer ©ott! 


ScIbftiutrrrflTc. 

gfir gottf nnb gerb bott ©. ©. SRagaret. 

ie biete üon uns finb geneigt $u glauben, 
baft baS, WaS W i r benfen, beabfidjtigen ober 
thun für gebermann bom atlergröfteften gntereffe 
ift. ©etbft bann, Wenn man unferen SBorten 
augenfdjeintich gar feine Stufmerffamfeit fdjenft 
unb wir baS ©efagte ju unferem ©erbruf} wieber* 
holen müffen, meinen Wir hoch, baS gntereffe 
Würbe fchon fommen, Wenn nur bie Seute orbent* 
lieh suf)ören Würben. 

Sie Sorfälle in unferem Seben foHen, unferer 
3 tnfid)t nach, alte unfere ©efannten intereffiren. 


Stile SBeft wünfeht $u Wiffen, Wann unb Wie Wir 
uns erfättet haben; bie ©rünbe, wefthatb wir 
unfere Seibe träufeln, anftatt fie in gatten ju 
legen, müffen im greunbeSfreife auSeinanber* 
gefegt Werben ; Wir glauben, am grühftüdstifch 
fei geber begierig ju erfahren, wie oft Wir in 
ber Wacht aufwachten. — gebe SDtutter ift in ber 
S'ranfheitunfereSS'inbteinS fointereffirt,wiewir 
felber; unb wie wir in ©etlegenf)eit famen, unb 
wie uns geholfen Würbe, was unfer ©efchmad, 
unfere Slnfidjtcn, unfere ©ewohnheiten finb unb 
wie wir fie uns aneigneten, — baS, — unb eine 
SDtenge ähnlicher Singe, ift in unferen Stugen 
wichtig unb erwähnenSwertl). — 

Selbft bie größten unb beften SDtänner ftnb 
nicht gan$ frei non biefem übertriebenen Setbft- 
intereffe, fonbem hcflcu häufig eine hohe ÜJtei* 
uung oon ihrem eigenen SBerthe. 

StlS einer ber SDtitgefangenen beS befcheibenen 
©houon fein fd)redli<heS S 00 S bitter beftagte, 
fragte ihn ber |>elb erftaunt, ob eS nicht etwas 
©rofteS fei, mit ©h°uon 511 fterben. Unb bie 
©ef<hid)te fagt uns, baS SlntigonuS, ein 9Kann, 
bem gewöhnlich alte Prahlerei fern tag, wäljrenb 
einer Seefcftfacht einen SRatrofen, ber auf bie 
überlegene 3aht ber feinblichen Schiffe aufnterf* 
fam machte, ^urief: „Unb für wie Diele Schiffe 
jät)tft bu mich!" 

©S Wirb uns fd)Wer einjugeftehen, baft wir 
in ber ©ergangenheit nicht Waren, was wir 
gerne gewefen wären, ober baft Wir in ber 3 « 5 
funft in nieten ©ejiehungen nidE)t fein Werben, 
was Wir gerne wünfdjten. „©inft Waren wir 
jung unb ftarf unb fütjn," fingen bie ©reife in 
einem ber griechischen ©höre. — „©innen Sur* 
^em werben Wir eS fein," erWibern bie Knaben. 
„SBir finb es jefct," tönt eS non ben Sippen 
ber günglinge Weiter. — 

©ietleicht liegt in biefem iiberwiegenben 
Setbftintereffe bie Urfache, ba^ bie ÜJtacht ber 
Schmeichelei auf Erben fo grofj ift. Sie 
(Schmeichelei im gnnern, baS natürliche ©rjeug- 
nifc unferer Eigenliebe, öffnet ber Schmeichelei 
twn au^en Shät unb Sh or - SBürben wir nur 
unfere ^anblungen prüfen, nach ^cm berühmten 
©runbfafce: „©rtenne bich fetbft!" würben Wir 
bie Singe naef) ihrem Wahren SBerthe fchäfeen, 
unb babei bie Unootlfommenheiten unb SDiänget 
unfereS ©harafterS unb unferer ©rjiehung er^ 
wägen, bie fich in unferen SBorten, ^anbtungen 
unb Neigungen äußern, fo Würben Wir bem 
Schmeichler, ber feine ®unft an uns probirt, 
nicht fo leicht unfer Dljr leihen. 

gm Seben aber ift fetbftoerftänblidj ein geber 
ber SKittetpunft feines eigenen UntoerfumS, unb 
beurtheilt bie ©rö^e unb ben ©tanj eines 
Stern’S non feinem eigenen ©efichtpunlte aus. 



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0:r jUaleriotismus, in größte lortfdjritt unferer JJeit. 


251 


Säßer bie ®erfdjiebenheit in ber SlnfdhauungS* 
toeife itttb im Urteil. (Sin geraiffeS SKaß non 
Eigenliebe müffen mir bei 3lßen borauSfegen 
unb crttmrten, Wohl gufrieben, wenn eS fid) nur 
in einem lebhaften Qntereffe on ber eigenen 


s £erföultcf)feit äußert, nnb nidjt in jene rüd* 
ficf)t^(ofe £elbftfucf)t anSartet, welche atte aus* 
faugt, mit benen fie in Berührung fommt, unb 
alles im Seben bem eigenen ®ortl)eil bienftbar 
macht. 


— ----- 

Per UtutrriftUsinus, ha «roßte fortf'djritt nuferer 3rlt. 


Siir $an$ unb ßerb 

,,©ef)e fo fHCfe bu ntanft beine ffiefle, 

Qi brüeft bir bie 3dt tpr ®i*prä«c 
Ci brürft bir auf'« flutlift, bie SBclt 
3tyren Stempel, rote Surften auf’* ©elb.^ 

So lautet ein alter ©eiSfjeitSfprud), un & ^ 
haben feine ©ahrljeit febon mehr ober minber erfolg 
ren. ©ir fennen baS Eepräge. ES ift baS Ijarter 
Arbeit unb Sorge beim Einen, eS ift baS beS SeibeitS, 
ber Sümmerniß beim ?lnbern. ES ift baS Eepräge ber 
Bergänglid)feit unb ftinfälligfeit, mit einem ©ort: 
$er Stempel ber Sütibe unb beS $obeS. 

Hber wie, ift baS baS Bergänglid)e? Qft öaS ber 
ganae unb einzige ßwed menicfilicben $afeinS, baß er 
mit jeinem ooilen ©ertf), mit Mcm, was er ift unb 
bat,ja^le für baS armfelige Sinfengericht feinet für* 
aenErbenlebcnS?—ober Wenn nicht? —,,©aS ift baS 
Bilb unb bie Ueberfchrift?" 

9Jacß ber Beantwortung biefer 3ragehaben bie ©ei- 
fen aUer 3eiteu gerungen. Sie ift ber Erunbgebanfe 
aüer ^t}ilofopt>ie. ES ift erftaunlich unb rührenb au* 
gleich, au fe^en, wie Männer toie XaleS o. Milet, 
Slnajimanber, ©eraflit, SofrateS, Blato unb 2lrifto= 
leie« unb Diele 2lnbere ihr ganaeS Seben, ihre ganae 
Äraft baran gefegt, biefed 9tättjfel beS 3>afeinS au lö* 
jen, unb mie fie bod) fd)ließlid) immer nur auSbrechen 
in bie $Uage, bie Eött)e feinem Sauft in ben Munb 
gelegt: „$>aS toill mir jebier baS §era üerbrennen, 
baß mir nichts Rechtes wißen fönnen !" 

Erft im Gingen ber oßenbarungSlofen fteibenwclt 
nach Erfenntniß abfoluter ©ahrheit, gebt unS baS 
rechte Berftänbniß auf für ben unenblidjen ©erth 
göttlicher Offenbarung. 

9iimm bret ESfimoS, bie gar feinen Begriß ^abett 
öom Berthe unfereS EelbeS, führe fie an einen gana 
bunflen Ort unb giebt ihnen ein Eolbftücf mit ber 
Jyrage: ,,©aS ift fein ©erth — ©eß ift baS Bilb unb 
bie Ueberfchrift?" Sie werben eS betaften, fie 
werben eS mit ber |>anb wiegen, auch nieffen, aber 
fein S3ilb erfennen, feine Umfajrift entaiffern, feinen 
©erth oerftehen fönnen fie nicht. 

Erft im Sicht fehen wir baS Sicht. Qm hellen Elana 
be§ Sterne^ oon Bethlehem erfennen wir ben 9lb* 
alana göttlichen SSefenö in unö felbft. Qn ber Er= 
fenntniB bcö SBertbeS ber Erlöjung finben wir erft 
bad rechte ®erftänbniß unfereö eigenen SBertbeö. 

5)ie ^Pfaffe ber Ungläubigen, bie biefe einfache 
©ahrheit leugnen, reben mit großem $atho3 üon 
bem 5 o r t f ch r i 11 beö 9Renjchengeifte3 auf allen Ee* 
bieten be^©iffenö; unb in ber $hat, ich öer 
le^te, ber folgen gortf^ritt leugnen wollte. Qch 
freue mich öeffelben unb eigne mir, nach ber Siegel bed 
Sofrateö, ber nie genug lernen fonnte, fooiel baoon 
an, als mein Äopf nur immer faßen mag. 

Slber gortfdhritt — ich hnöe baö ©ort nie lei* 
ben mögen. ES (ollte Diel beffer unb richtiger $ o r* 
f ch r i 11 heißen, fofern wir barunter baS SB o r f ch r e i* 


bon $. ©. Seibert. 

ten, baSSBeiterfommen auf bem ©ege ber 
©ahrheit, beS fiichtS unb beS wahren 2e* 
b e n S ocrftel)en. 

Qn ber % hat aber trögt ber hochberül)ntte philofo* 
pl)ijd) * miffenichaftliche 5 o r t f d) r i 11 unferer % age, 
ber auf 9llleS, was man nicht greifen, fehmeefen unb 
üerbauen fann, auf 9UleS, was jenfeits beS befchränften 
^oriaonteS finnlichcr ©ahrnehmung liegt, mit SJerad)* 
tung herabfieht, feinen tarnen mit Slecpt. 

Senn biefe 3citftrömung unb EeifteSrichtitng ift 
ein 3 o r t fepritt oorn ©ege ber ©ahrbeit, beS 2id)tS 
unb beS fiebenS — Eine abermalige SÖcftätigung beS 
alten SßibelmortS: „^a fie fich felbft für weije hielten 
finb fie au Darren geworben/' 

Unb in biefem Sinne ift ber aterialiSmuS 
ber größte 3 o r t f ch r i 11 unferer Qeit. 

„ES ift nid)ts 9?eueS unter ber Sonne," jagt Salomo, 
unb fo ift auch ber ‘äftaterialiSmuS im Erunbe nichts 
s JteucS. Seine prahlerische Söehauptung ein ober 
beffer nod) b aS £inb ber miffenfchaftlichen Errungen' 
fdjaften unferer Xagc au fein, i ft eine große U n- 
w a h r h e i t, unb fann nur Don Qgnorantcn geglaubt 
werben, bie oon Eefchicpte ber ^ 5 ilofophie nid)t bii 
leifefte Ahnung hoben. Xcx geiftooUe griebr. Gilbert 
Sange (Sohn beS berühmten v ^rofefforS ber Jheo^ 
logie Qohann ^Seter Sange) beginnt feine Eefchid)te 
beS Materialismus mit bem Sag: „3Der Materialist 
muS ift fo alt wie bie ^^iIofopQie. 4# Unb baß bicS 
feine bloße Behauptung, fonbern ^iftorifchc ©ahr^ 
heit, weiß jeber Sadjöeritänbige. 

Xic ältefteit Bhiloiophen, bon benen wir itenntniß 
haben, bie alten Qonier waren Materialiften, gar nicht 
au reben oon bem in ber öeS Verfalls griechijchcr 
^hdofophie auftretenben Materialismus eines Epi* 
cur, Sucrea, SejrtuS—EmpiricuS unb ?lnberer. 

Unb wirtlich, Streifen wir bem Schooßfmb unferer 
mobernen ©eltmeiShcit bie mobifd)cn Kleiber ab, 
wafchen ihm bie Schminfe ber ©iffenfchaftlid)feit bom 
Eefid)t, fo bleibt nichts als baS flappernbc Eerippe, 
baS grinfenbe Sfelett beS alten, uralten 21 b e r g l a u* 
b e n S, mit bem man fdjon um 600 bor Ehnfto in 
Eriechenlanb anfing, nid)t bie Minber in’S Bett, woljl 
aber bie, nach höherem ftrebenben, Menfchen in bte 
B^raweiflung ^u hegen. 

Unb hoch burfen wir, um gerecht an fein, nicht ber* 
fchweigen, baß fich a®ifd)en bem Materialismus ber 
Sitten unb bemjenigen unferer 3eit ein tiefgehenber 
Unterfchieb bemerflich macht. 

3Jer eigentliche Eelsalt ift berfelbe, aber bie perfön- 
lidje Stellung, bie feine Bertrcter heutautagc anneh s 
men, ift eine bon ber ber 2(tten grunbberfa)iebenen; 
unb gerabe hierin befunbet fi(h ber 3ortfd)ritt, (im 
eigentlichen Sinne beS ©ortS) bom ©eg ber ©ahr* 
heit. beS SidjtS unb beS SebenS. 

Bei ben alten beibnifchen ^l)ilofop^en nämlich ift 
ein Eefüt)l ber Bebürftigfeit nach — unb ber 2lb* 


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Per Ptatrrialiftmuft, irr größte Jorlfdjritt uttferer 3rü 


bän^iqfeit oon ©ott unoertennbar.—Sie miffen nichts 
©efttmmteS unb 3u&crläfiigeS oon ©ott, aber fte 
atmen itm unb fernen fid) barnad), ign ben Urgrunb 
aßeS Seienben #u erfennen. ©in Suchen unb Stagen 
nacg bem „unbefannten ©ott," eine ©ietät, bie fid) oft 
in un§ ©griften magrgaft befcgämenber ©Seife funb 
tgut, cgarafterifirt igre gan*e ©gilofopgie. 

3)en armen, oon feinem ^erm^um Krüppel gefc^la- 
genen Sflaoen ©piftet gören mir fagen: „©Senn icg 
eine SRacgtigal märe, mollte id) fingenb meinen ße* 
benS^mecf erfüllen; märe id) ein Scgman, fo foßte 
mein Scgmanengefang ben Schöpfer oergerrlicgen. 
$a id) aber ein oernünftigeS ©Sefen bin, fo ift es meine 
Aufgabe mit bemufitem ©eift ©ott $u loben; baS ift 
mein ©eruf, id) miß ign erfüllen." 

SofrateS prcift ©ott als baS göcgfte ©ut 
unb rebet mit heiliger ©egeifterung oon bem unge* 
fcgriebenen ©efeg ©otteS im ©emiffen. 

^Ptato, „ber griecgifd) rebenbe MoieS" nennt ©ott 
baS ©rin^ip aßeS ßebenS, baS 3iel aller Kreatur. $ic 
©ottägnlugfcit hält erben Menfcgen als baS t)öd)fte 
Streben oor. ©r tennt einen gerechten ©ott, ber baS 
©ute belohnt unb baS ©öfe beftraft; „benn bu mirft 
feinem ©lief nicht entfliegn, märeft bu noch fo tlein 
unb Oertröcheft bich in bie liefen ber ©rbe, ober noch 
fo hoch unb fegmängeft bich in bie foimmel empor; er 
mirb bir oergelten nach beinen Xgaten, fei eS fchon in 
biefem geben, fei eS, menn bu ginabgefagren bift in 
ben £>abeS ober an einen noch fd)redlid)eren Ort." 

SBelch tiefes Sehnen nach c * ncr ' aIlen 3 rr tg. um unb 
«Bmeifel auSfcgliegcnben Offenbaruna burch bie Seele 
©lato'S gegangen, baS läßt jene Stelle im ©gäbon er* 
fennen. mo er fagt: ©Senn hoch ©ott nur „ein g 51t* 
Iid) ©Sort" ihn mollte hören laffen, fo molle er bar* 
auf, als auf einem feften gagrjeug, fiegerunb fröhlich 
über baS ftürmifche Meer beS ßebenS fahren. 

©Sie gan$ anberS ift bieSteßung unterer mobernen 
Reiben. §ier treffen mir bie freegfte © i e t ä 11 o f i g* 
feit, ben gliigenbften © o 11 e S g a g. 

$>aoib griebr. Strang* in beffen geben fich ber 
S o r t fchritt menfdjlicgen ©SeiSgeitSbünlelS oon ber 
aßeiniaen Gueße aßer ©SeiSgeit, fo recht flar befunbet, 
nennt bie Religion eine Scgmachgeit, bie ber Menfcg* 
heit oor^üglid) mägrenb igrer ftinbgeit anflebe, ber 
fie aber mit bem ©intritt ber SReife entmachten foß. 
2>aS religiöfe ©ebiet in ber menfcglidjen Seele oer* 
gleicht er mit ben ßteferoationen ber Onbianer, bie 
bureg bie meigen ©ultur* unb ©joilifationSträger oon 
3agr ju $agr megr eingeengt unb fcglieglicg gan^ 
oerfegminben merben. $)er alte ©laube an einen per* 
förtlichen ©ott, an ben feit ber neueren Aftronomie 
„bie ©SognungSnotg herangetreten fei," fei eine finb* 
lic^e ©gantafie unb beruhe auf ber iäufcgnng, bag 
mir baS, maS in uns felbft ift, unb maS mir felb)t finb, 
auger uns $u fegen glauben. 

ßubmig fteuerbacg, ber erft baS Xüpfelcgen 
auf baS Straug’fcge i gefegt, belehrt bie ©Seit, ©ott 
üerbanfe fein i)afein leoighcg ber franfgaften ©gan* 
tafie. 3)er Menfcg fage „^u," mo er „Ocg" fagen 
foute; ber ÜRame „©ott" fei nur baS Stammbuch, in 
baS ber Menfcg feine tgeuerften tarnen fegreibe. $er 
Men f* fei ©ott. 

2)iefe Vorläufer beS Materialismus gat jeboeg ber- 
aroge fttaftftoffel ©ü cg ner noch meit übertrumpft. 
SagtenStraug unbgeuerbaeg: ©ott ift niegt! |o 
fägrt ©üegner fort: aueg ber Men feg enget ft ift 


* Änmertuna: Strau& toar in ferner 3ugeub ein aläu= 
big er (3ietje „$anf für bie ©rrcedung" in feinem 

poetifdjen fßadjlajB.) 2)ann ©pirituaiift, fpater 8datic= 
na Iift, bann ^antbeift unb enblicb conicquenter ©eife 
9Ka tcria Itft. 


niegt. 9lßeS maS man biSger©eift, ©ebanten ge* 
nannt, ift nichts als bie natürliche Slbfonberung beS 
©egirnS! „©aS ber SJlmfcg i g t, baS i ft er." 

Sagten Straug unb geuerbaeg: Xer 9Renfcg 
i ft ©ott, jo beflamirt ©üegner patgetif*: „5) e r 
Jgiermelt göcgfte©lütgeift ber wen feg." 

©ogt, SKolefdgott, ©ücgner merben ni<gt mübe bem 
»olf einpreben, auger ber emigen, nie fieg Oerrin* 
gernben, nie fieg oermegrenben SRaterie gebe eS 
n i d) t S. 2)ie ©jiftenj ©otteS fei unmöglich; ©goS* 
pgor, Sticfftoff, f oglenfäure 2 c. feien bie emigen @öt= 
ter, melcge bie SSelt regieren. 

©on Scgminfen ber ^Biffenfcgaftlicgteit, Oom 3tber* 
glauben beS Materialismus fpraegen mir. 9lber 
mie? ©rüftet fieg benn niegt gerabe ber MaterialiS* 
muS mit jeber $lrt oon ©lauben ein für aßemal ge* 
broegen iu gaben? ©erufen fieg feine *ßroogeten 
niegt beftanbig auf bie ßlefultate ber ejacten SSiffen* 
jegaften unb bauen igre Spfteme auf lauter „ermie* 
jene Xgatfacgen;" mie barf man ba mögen oon ro i f* 
jenfcgaftlicger Scgminfe unb % berglau* 
ben ju reben? 

Sie felbft, greunb, geben unS baS SRecgt, unb menn 
uns einer, ob biefer ©logfteßung igreS aßergeiligften 
Aberglaubens ©ormürfe maegen moflte, fo Jönnen mir 
getroft mit jenem grogen feerrn im ©oanaelium ant* 
morten: „Aus beinern Munbe riegte im bieg, bu 
Scgal!." 

©in ©eifpiel ftatt oieler: ©in guter fjromb oon 
mir, ein ©rebiger beS ©oangeliumS mar emft auf eine 
§od)^eit geloben. S^acgbem er ben ©rautleutcn in 
ber iraurebe an’S öer^ gelegt, mit bem §errn im 
©unbeein geben beS©laubenS ju führen 2 c., oerfuegte 
bei Xifcg ein, üom mobernen Aufflarugt angegangener 
Scguftergcfeß fieg über ben „©faffen" luftig mo* 
egen, „©leiben Sie mir oom geioe mit igrem ©lau* 
ben," rief er, „icg glaube an nicgtS, maS icg niegt fegen 
unb fegmeefen tann. ©in gutes ©ffen, ©. mie bieS, 
baS ift ber ^rtbegriff meines ©laubeuS!" ©iele ber 
©äfte lacgten (man orauegt ja faft überafl nur etmaS 
reegt dummes ^u fagen unb man finbet gemig folcge, 
bie barüber lacgen) unb richteten ipren ©lief auf ben 
©aftor ooß ©rmartung, mie er ben öieb pariren merbe. 

tiefer heg benn aueg niegt auf fieg märten: „So, 
fo, baS ift igr ©laube, mie Sie fagen, unb Sie fegeineu 
ben für ben oßein magren unb untrüglichen $u galten. 
SBoßen Sie etma, bag id) mieg aueg oaju befenne?" 
Qfener: „Qa freilidg, menn Sie ein gefcgeiter unb auf* 
getlärter wann fein moflen." 

,,©3oglan, icg miß 3gnen ben ©efaßen tgun unb er* 
fläre 3fgitt n giermit, bag Sie ber grögte ©oglfopf 
finb, ber mir noeg oorgefommen, benn oon ©erftanb 
fege icg bei Ognen aueg feine Spur, unb Sie merben 
barum boeg aueg niegt ermarten f bag icg barau 
glaub e." 

Jg>ut! ba gitteft bu baS©eficgt fegen foßen, maS 
jener machte. ©S fegmeeft galt bitter, menn fo einem 
aufgeflärten Scguftergefeflen fein eigener ©eegbragt 
burd) bie 9ßafe gezogen mirb. 2)er Mann beS ©lau* 
benS gatte nun, mie bu bir leiegt benfen fannft, bie 
gaeger auf feiner Seite; jener aber mugte fegmeigen, 
er mar mit feinen eigenen SBaffen gefcglagen. 

„iBerjulegt lacgt, lacgt am beften," fagt baS Sprücg* 
mort, unb mie ©ott im ©immel lacgt ber Sgorgeit 
ber Menfcgenfinber, fo merben aueg bie julegt unb 
am beften lacgen, bie fieg niegt mit fortreigen laffen 
oom aeraben unb oernünftigen 2Beg ber geoffenbar* 
ten SSagrgeit auf bie frummen unb bumipen SBege 
beS Aberglaubens unb Unglaubens. 

©lauben, irgenb etmaS glauben müffen mir, ba 
beigt leine MauS feinen gaben oon ab. Unfer ©eifl 


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Per JHatoialismus, ber grüßte Jorlfdjritt unfern pe.t 


253 


ift, (o lange mir auf ©rben finb, Diel ju befdjränft, 
unfer Berftanb ju e n b l i d), als baß mtr baS Unenb* 
ließe, baS ©mige faffen unb oerfteheit fönnten. Nur 
burd) ben ©lauben merfen mir, tute bie Schrift jagt, 
baß es ift. tiefer ©laube ber Sd)rift aber ift bura) s 
aus nid)t bie Keule, mit ber mir juerft unb uor Hflem 
unfere Vernunft tobtfdpagen müffen; er ift im ©egen* 
tßeil bie einzig maßre, oernunftgemäße ©rgänzung 
alle« magren ©iffenS. 

®S fommt nur barauf an, maS mir lieber glauben 
toollen, bie abenteuerten §t)potßejen (Zunahmen) 
berer, bie pcß felbft für !lug halten, ober bem geoffen* 
barten ©ort beS lebenbigen ©otteS. 

Schau bir einmal beine ©anbußr an, lieber Sefer. 
9Ba$ für ein fünftlicßeS ©ert ift eS bocß. QebesNäb* 
djen barin, jeber (Stift an feinem richtigen Blap, ent* 
fpricht bem be^ ©anzen. Sie geht fo ju jagen 
üon felbft unb jetgt bir bie rechte 3^t- Der Niann 
muß bod) einen gefreiten Kopf unb eine gefdjicfte 
§anb gehabt haben, ber baS ^uerft erfunben unb fer* 
tigaefteüt. 

Nun benfe bir, eS fommt einer ju bir unb fagt: 
,©er bat bie Uhr gemacht?" Du: „Der Uhrmacher." 
fer: „Kennft bu ißn?" Du: „Nein, id) f^abe ihn nie 
gefeßen. Die Uhr ift mir gefeßenft unb id) me iß mir!* 
ließ nid)t einmal, mo fie gemacht ift." ©r: ,,©aS, bu 
fennp ben Uhrmacher nicht, baff ißn nie gefeiten, 
toeißt nicht einmal, mo unb mann bie Ubr entftanb, 
unb bod) bift bu fo thörießt, zu glauben, baß fie 
überhaupt ^emanb gemacht hat. s Jtein, 
für fo ungebilbet, fo meit hinter bem NufflärungS* 
monb baheim, hätte ich bid) bod) nicht gehalten." 
Du: „Hber ich bitte bich, $emanb muß hoch 

bie Uhr gemacht haben." „Unfinn! Veraltete 
flnfießten! Köhlerglaube! Numpclfammcr ber ©e* 
jeßithte!—Unfere tnobeme ©iffenfeßaft hat längft b e= 
to i e f e n, baß NüeS auS fid) felbft, baS heißt auS bem 
Urfcßlamm ber emigeit Materie, entfteht. ©ie ber 
Schimmel am Brob, bie Staben im Käfe, fo hat fid) 
auch biefe Uhr auS ihrer Subftanz herauf felbft gebil* 
bet unb entroidelt." 

Du fagft nichts mehr, aber bu benfft: ,,©enn ber 
Kerl nicht oerrüdt ift, bann meiß ich nicht, maS berrudt 
ift" Unb bu thuft recht, baß bu fo benfft. 

Nun peß, gerabe fo machte berSNaterialiSmuS mit 
ber ©eit gft fie nicht noch ein meit munberbarereS 
©er! als beine ©anbußr? Bon ber Störung unb 
Disharmonie, melche mie bie Schrift lehrt, burd) bie 
Sünbe hineingefommen, ganj ju fehmeigen, melche 
geifmolle Kunft, meid)* meiSßeitSbollc Orbnung in 
allen ihren Dtjeilen. So regelmäßig unb genau geht 
bie Sonne auf unb unter, baß mir nicht fte nad) un* 
feren Uhren, fonbern unfere Uhren allezeit nach *h r 
richten. Unb baS foll SllieS bon felbft unb bon ungc* 
fahr entftanben fein? 

Du fennft ben Schöpfer nicht, haft ihn nie gefeben; 
toeißt auch nicht einmal, mann bie ©eit unb NllcS, 
toas bu ßehft entftanben, aber bu meißt ganz genau, 
baß, mie beine Uhr bon einem flugen unb gefeßidten 
NJenfdjcn, fo bie ©eit bon einem felbftbemußten, über 
ber tobten Materie hoch erhabenen Schöpfer gefeßaf* 
fen fein muß. DüSJagt bir bein gefunber Berftanb, 
baS bepätigt baS ©ort ber Offenbarung, bem mir 
jjlauben. ©elcbeS ift nun ber bernün f ti gere 
Glaube, ber ber SKaterialiften ober ber, ben Die iöibel 
forbert? 

ÄUeo © if f en beruht im lebten ©runbe auf ©lau* 
ben. ©ie bie eyactefte ©iffenfehaft, bie aRathematif, 
ihre Sljiome — b. h* ßemiffe unbemiefene unb 
tinbemeiäbare ©runbregeln — hat, auf benen fie 
fich auferbaut, fo auch jebe anbere ©iffenjehaft. Das 


Slfiom ber mobem*materialiftifchen 9laturforfchung 
ift ber ©Iaube an bi c mige 9Jla ter i e uno 
bie ihr innemohnenbe emige Kraft, gragft 
bu fie nadb 93 em ei fen für biefe Annahme, jo 
fdjmeigen fie alle ftill ober— fchelten bich einen heim* 
tüdijehen ättuder unb bornirten Dummfopf, ber nicht 
im Stanbe fei, eine miffenfchaftliche 3bee ^u faffen. 
Hnbeant sibi! 

9lber, fagft bu, ift eS benn nicht mahr, baß bie ©if* 
fenfehaft bie ©oolutionen, baS heißt, bie ©utmidlung 
einer 9lrt aus ber anberen nachmeift? 

Nimmermehr, greunb, eS ift bie ungeheuerlichfte 
ßüge, bie je in ^örfälen ber ©iffenfehaft laut gemor* 
ben. ©in Körnlein ©ahrheit ift aUerbmgS baran unb 
baS ift, baß ©ott oon ber anorganijehen Nlaterie an 
bis jum höchften Organismus S11 e S in auffteigen* 
ber Stufenfolge georbnet. 

Nun mögen pd) innerhalb ber ©rennen biefer be* 
ftimmt gefdjiebenen Klafjen unb Orbuungen, burd) 
Ntifchung, flimatifcheunb taufenb anbere^erhältniffc, 
bon einer Urart Diele Abarten gebilbet hoben — baS 
gibt jeber ©infichtSDolle gerne *u, bem miberftreitet 
auch meber göttlidjeS noch menfd)licheS Ned)t, baß 
aber eine Nrt in bie anbere übergeht, baß 
fid) baS höhere auS bem Nicberen entmidelt, aus bem 
Koth bie ^ffaosc, auS ber ^ffan^e baS Dh*fr, auS 
bem Dlpere ber Ntenjch, baS ift eine fo abenteuerliche 
Behauptung, baß man mirflid) nicht begreifen fann, 
jumal uns bie ©iffenfehaft allen unb jeben 
meiS bafür fchulbig bleibt. 2luS einem grofd) iftnod) 
nie eine Otter, auS einem ©fei nod) nie ein i*öme ge* 
morben. Sei bu barum fein 3rofd) unb fein ©fei 
unb laß bir Dom SNatcrialiSmuS einen 9(ffen ober 
Bären aufbinben, benn barauf allein fcheint er’S ab* 
gefehen ju hoben. 

gortfeßritt, erfeßredenber 2fortfd)ritt Dom ©eg 
ber ©ahrheit unb beS SidjtS auf bie frummen ©ege 
ber £üge, ber ftinfterniß, beS thörichtcnNbcrglaubeuS 
unb Unglaubens. 

DaS Draurigfte aber ift, baß biefer gortfdjritt 
[ich nid)t nur im thcoretifCßen Dcnfeu, fonbern in 
fur^tbar praftifdjer ©eife auf allen 
©ebteten beS SebcnS befun bet. 

Kennft bu bie ©orte SocialiSmuS, Nnar* 
d) i S m u S, Nihilismus? ©eißt bu, maS fie be* 
beuten? 

©otjlan, in ihnen hoff bu bie praftifche ©onfequenj 
beS ©ott leugnenben, ben SNenfdjen jur Beftie herab* 
mürbigenben SNaterialiSntuS. 

©S mürbe mir nicht fdjmer fallen, biefe ©ahrheit 
mit einer ganzen Blütbenlefe Schauerlicher Naub*, 
Ntorb* unb Diehifdjer Suft * ©itate aus ben Schriften 
ber herborragenbften Bertreter obiger Nichtungen, 
ju bemeifen unb ju iüuftriren; unb erft hier mür* 
ben mir ben gortfdjritt beS SNaterialiSmuS Dom 
Ouell beS Gebens Aum Nbgrunb beS DobeS, beS ^eit* 
liehen unb ernigen BerberbenS, recht in feinem mähren 
©efen erfennen, aber—uufer geehrter ^err Nebafteur 
hat eine große Schere, mit ber er jeben Nrtifel, ber 
ihm äu lang ift, unbarmherzig furzt. Unb cS ift gut 
unb meife, baß baS fo ift, fonft möchte ,,.§aus unb 
§erb" in ben Käufern gar balb in ben §eerb man* 
bem. (©ie ja auch bie Herren Baftoren, bie ihren 
lieben 3uhörcm alle t)immli}d)e ©eieheit auf einmal 
eintrid)tcm mollen, meip bas ©egentheil bezmeden.) 
Darum mollen mir uns lieber bejeßeiben unb bem 
Bo rfcßrittS'Drieb beS geneigten ficferS im Berfcßmei* 
gen beS Uebrigen freien Spielraum lajfen. 

Doch noch einmal unb zum Schluß: ,,©aS ift baS 
Bilb unb bie Ueberfdjrift?" Sragft bu in Betreff 
beS SNaterialSmuS fo mag bir baS Norftctjcnbc miD 


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254 


iJrltfr fjodimuil). 


bein eigener gefunber ©erftanb bie Slntmort geben, 
gragft bu aber im ^inblicf auf ben armen unter bie 
Änedjtfdjaft ber ©ünbe Perfauften Sttenfcben, ift ed 
bir nicht um ben ©d)ein, fonbem um bieäcbte, lebend 
PoUe SÖafjrbeit $u tf)un, fo mirb btr auch bein un* 
fterblicber ©eift, bein ju ©ott gejdjaffencd bie 
Sichtung $u bem 3iel angeben, too fid) alle Dtätbiet 
unb SBiberfprucbe löfen. mo fid) SBiffen unb ©tauben 
bereinigen, mo bu in lebenbiaer Hoffnung allein jum 
grieben unb in anbetungdpouem ©d)auen bereinft ju 
Polter ©eligfeit fommen fannft. 

ftennft bu ben, ber gefagt: bin ber 2öeg, bie 

2Bal)rl)eit unb bad Seben." 


©rbärotlicbered, ald jene greifenbaften 2Jfen> 
fd)en, bie mit mattem ©lief, mit bem ©pötter$ug um 
ben Sippen bad §öd)fte ungeprüft pon fid) roeifen mit 
ber ©emerfung: „ßd b fl t leinen SBertb." 

Sie grrttjümer unfered Senfend unb Sebend finb 
bad Scljrgelb unferer ©djmachbett — feine SBaljrbeit 
ift bad Ängelb einiger ßrbidjaft. Ser ©e* 
trug ber ©ünbe ift bad 3rrlid)t auf ben ©ümpfen bed 
©croerbend — feine SBorte finb feie bie ©terne: 3 eu * 
gen Oberer Gelten, ©ottlofigfeit ift bad 9ttorpl)in, 
bad und einjrf)läfert, betäubt, unfer gan^ed ©tjftem 
jerrüttet,—feine Siebe, bie und mit ©ott Perjöbnt, ift 
£ e 1 1, ©enefung, neued—emiged Scben. 




Pettfr Ijo(fytmitl). 


/ßin fehlster |>anbmerfdmann hatte ed mit 
einem ©ürger einer (Stabt $u tbun, melier 

* fidf) auf fein Stabtbürgerrccht gar nicht menig 
einbitbete. — „28ir wählen und noch lange nicht 
äufammen" — batte biefer einmal ju if)m int 
ßifer gefagt.—„9JZeinen Sie?" ^atte ber^anb* 
merfdmann erroibert, — „unb boeb fyaben mir 
einen gemeinfamen ©ermanbten!" — „Unmög* 
liefe, Sie bon ©cfe., iefe Pon ©." — „Unb boefe, 
mein $err, ift’d fo. SBir ^aben beibe benfelben 
SBctter-ben 8 e 11 e r £ o cf) m u 1 b!" 

0 bu guter |>anbmerfdmann. Sa ^aft bu’d 
gut getroffen. Sa bin ich auch mit bir Per* 
manbt unb biefer t^eittofe ©etter ^at fid) mie 
mein ©Ratten an mich gelängt—unb id) bringe 
if)n gar nicht mehr fort, #unbertmal ^ab id) 
ihn $ur If)üre ^inaudgemiefen, gemorfen bie 
unb ba—h un b cr * m al ib m un ^ f e * ei " 

lieb abgefagt unb Perboten, ^d) habe in front* 
men uttb meltlicben Greifen aUed mögliche unb 
unmögliche ©öfe über ihn gefagt: unb — banb* 
februm ift ber unberfchämte ©etter |)od)mutb 
immer mieber ba. ßd ift jum ©er^meifetn. — 
Unb mad bad Slergfte ift: er bleibt gan$ berfelbe, 
idjmag ibm fagen,madid) null. Kleiberäuberter 
bie unb ba, aber ber©urfcbe felbft mirb nie beffer. 

Schon bamatd, atd id) ein Siinb mar, fam er, 
—bamatd felbft jung—ju mir unb faß mit mir 
auf ben ©oben ober aufd ©Sägelcin. Unb 
menn icb barnacb etmad machte, ftcHte er fi^ 
neben tnid) unb flüfterte mir ^u: „So, jebt bift 
bu ein SRecbtcr, jefct merben fie lugen .' 1 — Unb 
felbft ald ber |)err ©farrer fam unb Sölutter 
fagte: ,,©et’ jebt febön, griebli!" ba ftanb ber 
©etter |)ocbmutb ba unb fagte mir: „Sieb’, mie 
ber £err ©farrer ficb ob bir oermunbert!" — 
unb ald ich meine erften £>ofen anjieben burfte, 
ftedte er ficb hinter mich unb fagte mir beutticb: 
„§eiba, bu bift jebt ein Äerl, gribolin! fiel), 


mie bort ber Sub’ noch nur ein 9Jlabcben=$Röcf* 
lein anbat!" — 

Unb ber ©etter muebd mit mir auf unb liefe 
mid) nie gan$ allein. Unb mit mie manchem 
Stücf ©rob unb Schlurf ©Sein buben ihn meine 
Santen unb grau*©afcn birf unb ftarf gefüttert, 
ben argen ©etter £>ocbmutb, menn fie lobten unb 
priefen unb ein SSefcnd malten aud bem 3Ren* 
febenfinb, bad boeb, mie ich jefet bie unb ba ein* 
fel)e, ein gar orbinäred Äinb mar! 

Sch mürbe ein $nabe. 3cb befudjte Schute 
um Schule. — ©ing’d gut, febmaftte mir ©etter 
£mcbmutb Singe Por, bie bid in ben £>immel 
reichten, ©ing’d meniger gut, fanf ich im 9tang 
um einige ffameraben hinunter, fo flüfterte er 
mir 511 : ber Sebrer fei ungerecht—unb ich glaubte 
ed bem eleitben ©etter. 

Sch mürbe ein Jüngling unb lief mit ben 
flotten Äaineraben. ©etter $ocbmutb immer 
neben mir herein: „Safe bir bad nicht gefallen" 
—ober „mach’, bafe man bich ehrt unb rühmt," 
ftachclte er mich halb jum Streite an, halb $u 
allerlei Summ* unb Sl)°rheiten; machte, bafe 
ich balb im Schmören, halb in allerlei Dieben, 
balb im Sriitfen unb ©rofettiun meine ©röfee 
fud)te. 

s 2 lber mad fotl ich fagen, bafe ©etter ^pochmuth 
mir auch ba nachgelaufen ift, ald ich fö 011 
ermerft mar unb ben ^immel fuebte,—unb beten 
foitnte,—unb meinen $eilanb fannte unb liebte. 
Sa fam er gar fein unb fanft, menn id) betete 
ober rebete, unb fagte mir in’d Db*- r/®ut, jefct 
ift’d bod) fd^on etmad mit bir; je^t ift’d hoch 
pormärtd gegangen." — ßr fam mir fo recht 
frech, toie jenem ©h ar *^ er Sempel, unb 
fagte mir am bciter^ellen Sonntag in ber Kirche, 
ober auf ber Strafee, ober in ber ßifenbabn: — 
„fei bu froh unb banfe©ott, bafe bu fein fo eien* 
ber Äcrl bift, mie ber unb ber, bie unb bie!" 


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Knfrre frbfttsreife. 


255 


Unb bi« ins 8fllerf)eiligfte herein fomrnt SBetter 
^odjmuitj unb Safe ©itelteit unb öerberbt mir, 
roaS etrna fiblereS ermaßen moßte: — ja, als 
fingeleiit öertfeibet, fagte er mir fogar, mie fd)ön 
mir meine Semutf) ftefje! — 

0, ba tjabe idj mir itirf)t met)r auberS ju tyU 
fen gemußt, als baß idj bem lieben £>ei!anb an* 
gehalten f)abe: „0 bu aflmäclßiger $ei!anb, bu 
treuer #irte—id) bringe ben Setter nicf)t felbft 
flum |>auS hinaus. Komm’ bu, id? bitte bicf) 
bringlidj, fomm’ bu unb jag’ if)n felber 3 unt 
Jempe! hinaus." 

Unb ba fcfyien mir’S längere $t\t, als nüfce 
baS Seien itidjt Diel. 3$ tourbe traurig unb 
jagte: „£err, mittft bu nichts oon mir? 2ld), 
id) bitte bid), rette mid) öor meinem Setter." 

Stber erft ba, als ber £>ei!anb rnid) erhörte, 
merfte idj redjt, baß ein Setter blutSoermanbt 
unb uns lieb ift. ®er#ei!anb fdjicftemir eines 
2ageS einen finge! ins £auS, melier ben Set* 
ter $odjmut!) tüchtig auSHopfte unb oor bie 
Sfjüre merfen foHte.— Unb fiefje, ba tf)at mir’S 
toef), als ob ber finge! mid) getroffen, unb id£) 
fjatte nichts fiiligereS p tfjun, a!s für ben ar= 
men Setter ein gutes SJort einjulegen; ja—ein 
fotgenbeS 9Jia! farn’S bei mir bis p S^ränen, 
unb idj mar b’rauf unb b’ran (faft glaube ic % 
id) fjabe eS mirflid) getrau), für ben argen 
©dielm um ©nabe ju bitten, ben id) fo oft fdjon 
toerrofinfdjt Ijatte. 

9?ur ferner fyabe idj’S* gelernt, banfen, menn 
ber £cüanb ben Setter ans bem £auS Ijat mer- 
fen laßen. 3 mmer lieber miß mid) ein 6r= 


barmen anfommen mit if)m. Unb id) freue midj 
fyeralid), baß immer meljr mein treuer |>irte ben 
eleitben Kerl fjinausmirft, ofyite mid) perft an*’ 
pfragen. 

3e|t fjabe id) ben Sunb mit meinem $errn 
gemacht: „0 £err, fyanble bu feft unb treu an 
mir unb mirf um jeben ^SreiS ben ^perrn Setter 
hinaus. Unb tfjue eS, aud) menn id) fauer bap 
fefje, menn id) ben Setter unter bem Sett ober 
im ©djranf üerfteden miß. ^pier ljaft bu, o 
|>err, ben ©dßüffelbunb p aßen ßimmern unb 
©den, p Keßer unb ©ftridf), p jebem ©djranf 
unb jeber Komntobe meines $erjenS. $u fyaft 
oon nun an p befehlen." 

Unb immer füfjner merbe idj. 3 e fc* fyibe idj 
if)m gefagt: „0 £err S e f u — ^ I)obe gemerft, 
baß mein alter Setter £odf)mut!) in beiner ®e* 
genmart fid) nid^t auflaffen barf, fonbern ab* 
marfdjirt, unb baß er fdfjon baS ^eidfjen beineS 
KreujeS fdfjeut unb ftd) oor i^m prütfjieljt. ©o 
fomm’ benn bu felbft unb mof)ne in meinem 
jenSf)auS unb laß ben Setter gar nidjt rnefjr 
fjerein. %a, menn er immer mieber fid) auf* 
rnadjt, ba er ein ÜJlörber unb griebenSräuber 
ift, fo nimm baS ©emefyr unb f^ieß if)n otjne 
Erbarmen nieber, ben ©eelenmörber,ben3Bürge' 
teufe!, ben £>euc|!er, ben elenben ©iftmifdjer, 
ben fiömöbianten unb Sragöbianten!" 

2 !m üebften aber, §ei!anb, fomme id) bann 
3 U bir. 2)a barf er uic^t me^r !)in!—9Bie muß 
eS $6) Ijerrlid) ru^en of|ne Setter ^oc^mut^! 

©ott fei gelobt! 9!men. 

(2Ißer!ei.) 




Unfere ^fbensreiff. 

Sfir §aitl unb §trb bon 9. 3. fttOtr. 


eben ift Steifen. SBanberftob unb 9teifepa§ 
bringen wir gleidjfant mit auf bie Söclt. 
©obalb ein SDtenfcb baä 8i<f)t ber SBett cr= 
blidt, ift ber grofje s JKarfcf) angetreten. Unauf« 
baltfam ge^t eä jeben Sag bem gemeinfamen 
3 iele ju. 

Huf ber rofigen Station ber fdjönen ^ngenb» 
jeit möchte man fo gerne oertoeilen, aßein ba§ 
fiebenSfdjifflein treibt unaufljaltfam weiter. 
S3ie man fid) audj fträuben unb wehren mag, 
raftlo§ treibt baä ^eitenrab oorwärtä. 9Jcr= 
i(Rieben finb bie (Erfahrungen unb ift ba3 £oo3 
ber SRenfdhen auf biefer SebenSreife. 2Kit un= 
fid)tbaren §änbcn fpinnen unb weben bie oon 
©ott gefanbten (Engel an ben ©djieffaten ber 
äRenfcßen, je nachbem ber Hflweife unb Hflwif« 


fenbe fielet, ba§ e8 für bie fßilger am beften ift, 
unb wie fie am ficf)erften ba« rechte 3iri errei= 
eben (önnen. Sem (Einen flechten fie eine Jfrone 
au« Stofen, bem Hubern au« Sornen. Siefen 
fuhren fie auf lieblichen Ißfaben burch herrliche 
©efilbe, ^enen burch graufige SSüften unb an 
fürchterlichen Hbgrünben oorbei, bem $iele ju. 
SSarum Stiele fdjon auf ber erften unb ^weiten 
Station ber 2eben«reife au«fteigen müffen, b. h- 
warum ihre 2eben«fonne fchon am 9Jtorgenober 
SJtittag untergeht, weife ber aßeiu, oon bem c« 
heifet: Unfere 3 e '( ftefet in beinen ^äitben. 
Siefe« beftänbige, unaufhattfame ißorwärt«* 
treiben im niertfd)licf>cn 2eben wäre unb ift ein 
troftlofc«, wo nicht ber fefte ©laube an ein h^-' 
here«, göttliche« SBalten unb Stegieren in ber 


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256 


Knftre ffbrnßtriff. 


©ruft eines 9Renfchen »oljnt. ffion biefern ®e* 
fießtspunft aus foH auch biefer SebenSlauf auf* 
gefaxt »erben. Jer ©ebanfe unb ©laube an 
einen allweifen ©ott, ^ebt unb trägt uns über 
manche |>inberniffe unb macht baS Sehen unb 
{Reifen erträglich. 3 n $h r änen unb greubeu 
»enbet man feinen ©tief bem $immel 5 U, ben!t 
an bett unfidjtbaren gührer unb an baS h crr * 
liehe 3 iel. • 

SBie oben gefagt, fobatb ein Khtblein baS 
Sicht ber SBelt erolidt, beginnt ber SebenSlauf. 
SBie ein unfähiger Sngel liegt es in feiner 
SEBiege. ©eflügelte, ^iiumlifche ©oten finb fein 
Schuf} unb ©eleite. ©S f»t bie {Reife angetre* 
ten, unbefümmert um bie $ufunft. ©S h at *oe* 
ber Summer noch Sorgen, ©(eichgültig ift cS 
ihm, ob’s in einer golbenen SBiege liegt, ober 
in einer aus rauhen ©rettern gejimmert, ob’s 
in türftlidjen ©emächern ober in einer armen 
£>ütte getoiegt unb gepflegt »irb. 

Jie erften 5 ober 6 $ahre ber SebenSreife 
finb aber fchnetl bahin geeilt. Jer Heine Knabe 
hüpft mit freubigen Sprüngen hinaus, als hätte 
er giügel an feinen güßen, unb frifch unb ted 
reitet er auf feinem h^ernen $ferbe. Salb 
flettert er auf Säume unb über gäuite unb ehe 
ber ©ater fidj’S Oerficht, h°dt ih m ber Kleine 
auf bem {Raden. $aS ffliäbchen oergnügt fich 
am {ßuppenfpiel, ober »inbet unb binbet ber 
2Rama ein Sträußen. 

{Run aber beginnt bie SluSrüftung für’S Se* 
ben unb {Reifen. {Rieht »eit oon ber $eimatf) 
fteht ein $auS, aus »eldjem oiele heße Stirn# 
men herüberflingen, es ift ein SdjulhauS unb 
nicht »eit baooit fteht auch bk Kirche. Jort* 
l)in »irb geleitet ber Sitabe unb baS {Diäbdjen 
an mütterlicher §anb. Jer Slnfang ift ein 
fch»erer. J)er 3unge ßodt auf feiner San! unb 
faugt beflommen an feinen Ringern. G3 »irb 
ihm gefagt, er müffe hören, folgen unb lernen. 
JeS SeßrerS ©lid, SBort unb Steden flößen 
bem S un 9 cn SRefpedt ein, auch erinnert er fich, 
baß ju §auS über ber 11»** hängt ein „Sir- 
fenftrauß" ober eine „Kape." 311 ber Kirche 
»irb il)nt cingeprägt, »ie bie ©otteSfurcht ber 
SBciSheit Anfang unb baS SBort ©otteS feines 
gußeS Seucßte auf bem SBege fein fann. 

3 n ein paar 3 rt h ren nerfteht ber gunge bie 
Kunft beS SefenS unb {Rechnens, unb feinen {Ra* 
men fdjreibt er auf Jifcße unb ©änfe; er »ar 
fleißig unb fröljlid). ®ie Siutter runjelt 
5 »ar bie Stirne, »enn er faft jebeit s Kbenb mit 
einem Sod) in ben £>ofen nad) £>aufe fommt, 
oerurfadjt burch fein Klettern unb feine tollen 
Sprünge. 

JaS ift bie fchöne, fröhliche ftugenbjeit, t> cr 
{Morgen beS SebenS. $em Knaben unb igiing» I 


ting malt fich ber £intmel mit golbenem ®e* 
»ölf. Jie ©rbe liegt oor il)m unb funfeit »ie 
ein beperlteS ©efilbe, »ie bie mit ©iS belabenen 
Säume im üRorgenfchein. 

®aS $>er 3 ift ber Qugenb fo leicht unb bie 
SBelt fcheint fo feßön. Jie £ifce unb Saften beS 
JageS liegen bem Jüngling noch fern. 

Sein irbifcheS ©lüd ber ©rbe fann baS ©lüd 
ber 3 u 9 en & fpäter erfefoen. $aS Dolle unb 
reine KinbeS* unb igugenbglüd ift jeboch auch 
nur bei ber frommen unb gotteSfürd)tigen Qu* 
genb $u finben. 

SBir gönnen ber $ugenb ihre greube; »ir taf^ 
fen fie tummeln auf bem {Rafen ober in bem 
Schnee, benn »enn bie Station ber 3»9*nbjeit 
paffirt, fehrt fie nie »ieber; eS gibt auf biefer 
{Reife feine {Retourbillete. 

jer Knabe ift nun $u einem ftarfen Jüngling 
öorangefchritten. ®er Schulfad hängt am {Ra* 
gel in ber Kammer. {Run gilt’S in biefern 
SebenSlauf einen SebenSberuf $u 
»ählen. ©in fluger ©ater nimmt {Rüdficfjt auf 
baS ©emüth unb bie Anlagen im SBäßlen eines 
©erufs für feinen Sohn. {Rieht umfonft h<d 
ber S^öpfer bie ©aben fo oerfchieben auSge* 
theilt. 

®er ©ine fann auf biefer SebenSreife ber 
{ERenfchhnt unb ©ott am beften bienen, »enn er 
fich bem {Rährftanb, ein $lnberer, »enn er fich 
bem Sehrftanb »ibmet. hinter bem {ßflug ober 
hinter ber £>obelbanf, auf bem Sdßieifeertifch, 
ober in ben ©efchäftsräumen, ober als Sefjrer 
beS ©olfs »irb ber ScbenSlauf gemeinfam fort* 
gefept. 

Sluf ben ÜRorgen folgt ber ernfte Jag mit fei* 
ner Arbeit unb |>ipe. ©ine gotteSfürchtige gu* 
genb ift am beften geeignet, bie Aufgaben beS 
SebenS »ürbig ju löfen. SBaS ber geßorfame 
Sol», bie folgfame Jochtcr, ber fleißige Schüler 
unb ftrebfame Qiingling in ber Schule unb 
Kirche gelernt unb gefanunelt, baS fommt ber 
SBelt 511 gut in ber Arbeit unb Ausübung feines 
©erufs. J)em frommen Jüngling bleibt baS 
£muS ©otteS in alle 3ufmtft eine liebe ßufluchtS* 
ftätte, »0 er gerne einfehrt, Kraft junt Kampf 
beS SebenS unb jur SBeiterreife holt. 

2)ie {Reife ift nun fo»eit ^urildgelegt, fo baß 
ber fräftige, junge SRanit baran benft, fich e * nen 
eigenen, häuslichen £>cerb 5 U grünben. ©r reißt 
fid) üont @lternl)auS loS, um bie SebenSpfabe 
mit einer treuen SebenSgefährtin »eiter 311 
»anbeln. 

9lud) bie Jöchter fönnen nicht immer beim 
3J?ütterd)en bleiben; bie eine grünbet fich ^ a r 
bie Slnbere bort ihr eigenes £>eiin. 

Salb ift baS £>aus ber eilten oereinfamt. 
JaS ©Iternpaar fi|}t nun »ieber allein, »ie oor 


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Praudjbar für Me $Belt. 


257 


40, 50, ober 60 fahren, nur um \° Mel ä ^ er 
unD an öietfeitiger ©pfahruug reifer. 
baten fie ßeit auf bie jurücfgelegte Strecfe $u* 
rücfyufchauen. Sie erinnern ficf), mie fie gar 
manche fteile Stufen emporfteigen mujjten. 

SRanchea eble Streben ift mit ©rfolg gefrönt 
morben, SRancheä ift ihnen mißlungen. Sie 
ben ihrer gamilte gelebt unb Diel greube genof 5 
feu, fte haben Üttenfchen gebient unb fich ihnen 
uufclich ju machen gefugt, unb haben Unbant 
geerntet. Sie haben ©ott gelebt unb gebient 
unb ber hat fich als ber befte greunb er* 
toiefeu; fein Sluge machte über fie, ob fte auf 
lichten ober bunfeln SSegen manbeln mußten. 

®ie SSittagSlinie ift Übertritten. $ept geht 
bie Seife bergab unb gilt eS nieberjufteigen, unb 
feie bie Vergfahrer fagen, fo ift baS £>erabfteigen 
fchmerer als baS ©inporflettcra. 

3)aS Seifen mirb jept befchmertich, — baS 
Älter brüeft. ®ie Sage finb ba, mo man fagt: 
fte gefallen mir nicht, früher mar alles gebenS* 
luft; jept mühlt bie (Sicht in bem Körper unb 
anbere ©ebrechcn machen baS geben $ur Vürbe 
unb $ur fiaft. S)ie Älten, bie fo Diele Qahre 
mit einanber gepilgert, lieben fich, ftüpen unb 
pflegen einanber, fo gut mic fie fönnen. Sie legen 
einanber bie meiden Kiffen zurecht unb reifen 
einanber ben marmen Xh ce - j°, fc^ncU finb 
bie $ahre bahtngeeilt, unb ehe man es fich Der* 
fah, ift bie gebenefomte nach ^ cm Slbenb hingen 
rücft. SEBie fcfjön ift’S, meitn bie eilten im Süd- 
blief auf bie Vergangenheit fich erinnern fönnen, 
bag fie ®ott gelebt unb ber SDtenfchhrit nüpltch 
geroefen finb; DtefeS gemährt ihnen bann auch 
einen frohen SluSblid auf eine fd)öne gufunft. 


©ineS SDlorgenS bleibt alles fo ftiH in bem 
Kämmerlein, mo bas äKütterlein ber Sulje pflegt. 
211S ber ©reis mit feinen Silberlocfen fich aach 
ihr umfieht, fo finbet er, baf$ fie für immer ein* 
gefchlafen. gept ift ber alte Sßilger allein, unb 
hat fchon über 80 gapre auf feinem Süden. ©3 
mar ein harter Schlag für ihn. ,,2lcf) SKutter," 
feuf$t er für fich hin, „nun bift bu auch 
fort/' unb mifcht fid) eine helle Xh r äne Don ben 
SBangen. So ift nun aber einmal unfer gebend 
lauf. 

©ut ift’S für ben alten 5ßilger, bafj er feine 
Sachommen chriftlich hat er$iet)en laffen. Seine 
Kinber finb gut ^u ihm. Seine ©nfel führen 
ihn hinaus in ben ©arten unb heiter unb lieb* 
reich plaubern fie mit ihm. ®er alte ©reis 
laufet ihren Spielen unb Scherben unb freut 
fich mit ihnen auf finbifche Söeife. 

9Bic in milber Slbenbbämnierung lebt er gleich 5 
fam noch einmal bie längft oergangene $eit beS 
KinbcS unb beS Jünglings. 

®ocb baS äRütterlein in ihrer meinen |>aubc 
fommt ihm nimmer aus bem Sinn. feinem 
Kämmerlein finft er auf feine Kniee, blieft nach 
Oben unb fpriept: SSein Vater fomnt’, unb hole 
auch mich in bein Seich. 

®er Vater höri’S. 9Bo Dor mehr als 80 
fahren feine SBiege geftanben, fteht nun fein 
Sarg. Äuch feine Seife ift nun Dotlenbet. 

®ie Kinber unb ©nfel betten ben ©roftoater 
in bie fühle ©rbe, unb Jhrönen ber giebe fat^ 
len auf feinen §ügcl. Schnell eilt bie $eit; 
mie eS biefen Sitten gegangen, fo geht eS halb ben 
Kinbern. So geht baS Sab ber 3eit im KreiS 5 
lauf herum unb mit il;m baS mcnfchliche geben. 




liraudjbar für bie Hielt 


08 ift für un^äfjtigc Eltern unb 2egrer ba 8 
eigentlieg göcgfte 3 ict igrer ßraiegung. 
SBenn mit berfetben nur bn 8 erreicht roirb, 
baß ber 3 dgling einmal eine geartete Stellung 
in ber SBelt einnimmt. ®aß ba 8 fegönfte, 
gödjfte, geiligfte 3iel aßet Erjiegung ba 8 $iiw 
melreicg ift unb bie legte SIbfidjt be« Gqietjerö 
barin beftegen muß, ba 8 finb bet inneren Ö)ci= 
fte 8 rid)tung eine« Jpimmelrei^ 8 bürger 8 ^ujufüt)- 
ren, baoon fc^einen biefe Seute aud) niegt einmal 
fine Eignung }U gaben. 

Sie fteßen igre Aufgabe oiet niebriger; igr 
Sögling fofl ein 2 Beltmenfd) Werben. Xa^u ift 
(eine grünblidje Uniänberung ber ©efinnung be« 
$erjen 8 oonnötgen; benn biefe ift ja t>on Statur 


figon auf bie SSelt gerietet. 3Jtan muß alfo nur 
nod) biefe SSclttriebe etwa« cioilifiren, noeg außen 
bie Eden roegfcglagen, glätten, poliren, fo ift 
man auf bem tieften äöege ba« ©ewoflte ju er= 
reitgen. ffiettformen, SSeltgcwanbtgeit, SBelt* 
bilbung, SBeltgeituß — nur Sille« mit Stnftanb 
naeg außen — ba« finb immer bie öor Slugen 
gefteßteu ^beale. 

Stun bie SKittel ju biefer erftrebten SBelt* 
brauegbarteit miiffen niegt weit gergcgolt werben. 
2 )ie Seit gat fie in ©ereitßgaft. SBie ber Dia¬ 
mant ben Diamant fcgleift, fo bilbet bie SBelt 
für bie SBelt, ber SBeltmenfcg ben SBeltmcnfdjen. 

^»eutjutage geißt, wenn man einen Heineren 
Igeil oon Steicgen unb SBoglgabenben abreegnet, 

19 



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258 


SnKrlgmlob brr Paria Ptjer, bet Ouaherin, 


„für bie Seit brauchbar" — fein Surchfommen 
haben unb baS eben als oberftcS 3iel,— au f 
baS get)t ja bie gr^iehung, — b u r d) a u S pa* 
ben motten. 3 um MuSfommen brauet man in 
unferer 3 eit t»iel ©intommen; namentlich, wenn 
man bie|e Seit, für bie man erlogen ift, ge* 
brauchen will. Sie Seit bietet ja fo üirf unb 
beffen mächtig unb tpcithaftig fein, ift ja eben 
üon Qugenb auf baS h ö <hfte Streben gewefen. 

gS nicht erreichen, biefeS macht ungtücf* 
tief), un 5 ufrieben. Unb um es $u erreichen, ge* 
braucht man Sftittet. Ser Sieger gebraucht, um 
ju einem, wie er meint, ungetrübten ©enuft ber 
SScIt ju fomnten, einen Stein, ein ©tücf § 0(5 — 
atS getifcp, ber rnuft ihm baju helfen. 

Ser moberne Seltmenfcp brauet ba^u ©etb, 
itnb um biefeS ju erlangen, ift bann nur gu oft 
gparafter, ©itttiepfeit, Unbeftecpticpfeit, ©emif* 
fenhaftigfeit eine feite Saare. Step, fe^en mir 
nicht, wohin biefe Sclteraiepung unfer junget 
©efepteept bringt. Sat)in, baft StrbeitSfcpeu 
überpanb nimmt, bahin, baft man batb mit QiU 
tern einen folgen äKenfcpen an eine Sfaffe ftettt, 
Weit man nicht weift, wann er ber Serfucpung, 
mit ihr burepäugepen, erliegt. 


Unb was ift fo ein wettförmig erjogener, 
fchtiefttich att geworbener unb in Änfepen ge* 
bliebener SWenfcp! 

Siun, wir haben eS gefepen; ein innerlich aus* 
gebrannter für |>öpereS !aum mehr empfäng¬ 
licher, mürrifeper, geifttofer ©iinber. Senn 
biefe Seltperrlicpfeit geht ju gnbe unb er wirb 
fchtiefttich feinen grjiepern wahrlich fehlten 
Sanf wiffen für baS, WaS fie an ihm erlogen 
ober oer^ogen haben. 

3 a, ba fann eS einem gr$ieper, ber treu 
unb eifrig auf feinem Sßoften ftehen möchte, 
wehmütig um’S |>erj werben, wenn er um fiep 
fieht, WaS für grüepttein biefe Scltersiepung 
unter gttern unb Seprem, unb ber ©efettfepaft 
überhaupt aufweift. Sie tief bie ©emiffen* 
tofigfeit in’S $otf gebrungen, wie feptaff baS 
fitttiche Urtheit bei £open unb 9?ieberen ift, 
Wie energielos man in alten SBerpättniffen wiber 
baS Söfe ift, wie grobes Sügen, SSertcumben, 
übte Siacpreben ben meiften feine ©ünben ftnb, 
oon ben feineren gormen ber Süge, üon ben tie¬ 
fen ©elbftbelügungen, mit benen ihr geiftticpeS 
Seben burchwachfen unb gefepmängert ift, nicht 
ju reben. 


-Q_fO-> o- 


Itlärltjrfrtob brr Ulorirt ptjer, brr (Quöhcriii 

(Ein Stücf aus ber (Sefc^ic^te £teu> €ngtanbs. 

gfir §au$ unb §erb bon $or’le. 


ie ©efepiepte SieW gnglanbS hat 
auch i^re fepmaraen ©eiten. Sic 
Puritaner Waren üor jmeipun* 
bert fahren gegen StnberS* 
benfenbe nicht fo mitbe Wie 
heute, wie unter Stnberem auch 
nachfotgenbe gr^äptung be* 
weift. 

3m 3ahre 1 65 7 ging 
^mmpprep Norton, (ein SJZann 
oon groftem Slnfepen) bur(h 
©outppolb, auf feinem Seg 
nach ber beutfehen Stnfiebtung. 3 n ©outppolb 
Würbe er ohne atteS Seitere gefangen genommen, 
ju Saffer nach Stern £>aüen gebracht unb bort 
in baS ©efängnift gefteeft. 

3wan$ig Sage würbe er in ftrenger Sinter* 
fätte, ot)ne geuer unb Sicht in Einern offenen 
©efängnift gehalten, auch burfte Stiemanb üon 
feinen greunben if)n befuchen. 

Sta<h fchrecftichem Seiben würbe er enbtich oor 
baS ©eriept gebracht. Sftagiftrat unb *ßriefter 
oerhörten it)n unb atS er fich oertheibigen wollte, 


banben fie ihm einen groften eiferneu ©eptüffet 
oor ben SJtunb. 

gr würbe bann üerurtpeitt öffentlich gejüdn 
tigt ju Werben, unb ber SBucfjftaben $ würbe 
mit einem triften gifen in feine |>anb gebrannt. 

S^achbem alle biefe 9Ri^hanbtuugen an ihm 
üotljogen waren, Würbe er mieber in baS ©e* 
fängnift gefteeft, inbem fie behaupteten, baft er 
bem ©ericht 10 $funb fetjutbe. 

gin mitteibiger ^ottänber, ber üon ben fehreef* 
liehen Seiben biefeS SRanneS hörte, bezahlte bie 
obige Summe für ihn unb er würbe befreit. 

Ser arme gemarterte ÜRann war fo banfbar, 
baft er auf bem aJJarftptafce nieberfniete unb 
©ott taut pries. 

SaS ©eritrf)! üon biefer fdjrecftichen ^anbtung 
üerbreitete fiep Weit unb breit unb fam ju ben 
Ohren SKaria SperS, einer fepr fchönen grau, 
einer ernften gpriftin unb SJtutter einer gamitie. 

©ie war üon ©eburt eine Ouäferin, unb bc* 
faft ein fo tiefes ©emüth, f^ e öon ©ott 
berufen gtaubte, bie Seiben unb S3erfotgungen 
üon ihrem SSotfe abjuwenben. 



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Pariijreriob bet Paria Ptjer, bet ffiuiilifriti. 


259 


Smei ißrer grcunbe münfcßten Sem £aben 
ju befugen unb fie entfcßloß fic^ (gegen ben 
SBiflen ißreS SRanneS) fie ju begleiten. 

©S mar falter SBinter, ber 2Beg mar lang 
unb fcßmterig. ®anj bon bem ©ebanfen bejeelt f 
etmaS für ißr armes Sott ju tßmt, freien fie bie 
ffälte unb beinahe übermenfcßliche änftrengun* 
gen mcßt ju fügten. 

©S mar SRittag, als fie enbtid) Sem £>aben 
erreichten,, taum jebocß, baß fie ißre güße über 
bie ©renjlinie gefegt Ratten, fo mürben ihre 
beiben greunbe gefaxt unb unter milben Sannen 
mieber jurüdgefcßicft unb ißnen mit JobeSftrafe 
gebroßt, falls fie eS magen mürben, mieber ju 
fpmnten. 

äRaria ®ßer mürbe auf ein {ßferb gefegt unb 
ebenfalls unter milbem Särmen heimgefcßitft. 

Saum hatte fie fich bon ben Strapajen biefer 
Seife erholt, als bie ffunbe verbreitet mürbe, 
baß man ganj ftrenge ©efefce gegen bie Duäfer 
paffirt hätte, nämlich Serbannung, JobeSftrafe, 
unb trgeitb gentanb, bcr einen Duäter in feinem 
$aufe beherberge, müffe bie Summe bon50$fb. 
Sterling bejahten. 

Jeffenungeacßtet fanben fleh hoch Siete, bie 
ft<ß biefer frteblicßen unb ßarmlofen Sette am 
nahmen. Unter biefen ftrengen ©efefcen bulbe* 
ten biefe Sinnen jmei Qfahrc. 

SRaria ®ßer tiebte ihren ÜJlann unb mar eine 
järtlicße 3Rutter. Jeffenungeadßtet meitten ihre 
©ebanfen bei ihrem Sott unb bie SSißßanblun* 
gen, bie an ihnen berübt mürben, metfte 2tHeS, 
foaS ebet unb ßeroifcß in ihrer jarten Satur 
mar. 

KberntalS entfcßloß fie fich beßßalb für ©nabe 
unb {Recht ju bitten. ®ocß ihre Seife mürbe 
burch ben Job ihres jüngften ff inbeS berhinbert. 
JaS arme äRutterßerj mar bon Scßmerj jer* 
riffen. Stber als fie hörte, baß ber ©ericßtS* 
hof in ©ofton tagen merbe, hielt fie eS für ihre 
Pflicht baßinjugeßen unb für ihr Sott gürbitte 
etnjulegen. 

®ie Seife mar äußerft anftrengenb. Sie 
glaubte mehr ©influß bor bem ©erießt ju haben, 
menn etliche äRänner fie begleiten mürben unb 
fo überrebete fie jmei bon ihren greunben mit 
ihr ju gehen. 

3mei SBocßen manberten fie burch bie SBilb* 
niß, bebroht bon ©efahren, mobon mir uns in 
unfern Jagen feinen Segriff machen fönnen. 
Cft mußten fie geuer machen, um fidh am Seben 
ju erhalten, ©ine bebauemSmürbige Seife* 
gefeUfcßaft! 

©S mar erftauntich, mie bie jarte 9Raria folcße 
Strapajen auSßalten tonnte. ©S fchien ihren 
greunben, als ob eine unfießtbare 2Racßt fie hielt 
unb ihr ©eift nur mit bem einen ©ebanfen be* 


feett mar, ihr Sott ju retten. — ©nblicß, mübe 
unb mit munben giißen, erreichten fie ©ofton. 
£ier traf fie fein freunbticher SSittfomm. 

Sßre ffleibung berrieth fie unb fie mürben 
ohne Weiteres gefangen genommen unb bor ©e* 
rieht gebracht. 

2Ran berhörte fie, geftattete aber nicht, baß 
fie fich bertheibigen burften. Sie mürben jur 
Scrbannung berurtheitt, unb fatlS fie jurürf* 
fehrten mit JobeSftrafe bebroht. 

2ln bem fetteren bcr greunbe berübte man 
noch große Stißßanblungen, mcit fie glaubten, 
er fei ein Sehrer, unb fo mürben fie bann alle 
brei aus ber Stabt getrieben. 

gür eine grau mie 9Raria, bie fein erjogen 
unb bon Satur eine jarte grau mar, maren alle 
biefe ©rtebniffe unb 2Rißßanblungen fcßredlicß 
unb nur ber ©ebanfe, baß aus all biefer Sacht 
Sicht fommeit merbe, hielt fie aufrecht. 

2US fie mieber ihre freunbtieße |>eimath er* 
reichte, mürbe ihr bon ben Sßrigen ein herjlicher 
SMüfomm. 

Joch, mährenbbem fie bie gßrigen an ihre 
Sruft fcßloß, legte fie ©lätte, mie fie ihr Sott 
erlöfen fönnte. Unb noch in berfelbcn Sacht, 
fo müb unb angegriffen fie auch mar, offenbarte 
fie ihre ©läne ihrem {Sanne unb bat ihn, ihren 
SBoßnort nach Salem ju bertegen, fo baß fie 
näher bei ihren greunben fein fönnte, um fie ju 
befueßen unb ihnen Jroft ju fpenben. 

SSiüiam Jper liebte feine grau, unb obmohl 
er nießt ihres ©laubenS mar, hatte er hoch im* 
mer ihren cßriftlicßen ©ßarafter faß* geachtet. 
Joch fam ihm nie bie ganje ©röße ißreS eblen 
unb aufopfentben SßcfenS bor’S ©efießt mie jept. 

Stunbenlang berfueßte er fie ju überjeugen, 
baß eS nießt reeßt fei bon ißr, fuß folcßen ®e* 
faßren auSjufeßen. 

Jocß SSaria fiegte, fie fah eine ©emiffcnS* 
faeße barin unb bagegen fonnte er Sicßts ein* 
menben. 

So mürbe befcßloffen, fobalb als tßuntieß, 
nach Salem ju jießen. 

Sacßbem fie nun in ihrer neuen £>eimatß ein* 
gerichtet mar, mar eS ihr ganj (eießt, allein nad) 
Softon ju geßen. 

So treffen mir fie eines JageS auf einer ber 
Straßen bon Softon, mie fie fieß mit einem 
©ßriftopß £o!ber unterhielt, ber eben im Se* 
griff ftanb, auf ein Schiff ju geßen unb nad; 
©ngfanb ju fließen. 

Sßr Äleib berrieth auch mieber ißre 
Sefte unb fie mürbe mie ein grober Serbrecßer 
in einem bunflen ©efängniß mit ein meuig 
Stroß unb fcßlecßter ff oft eingeftedt, bis fie mit 
etlichen anbern Duäfern bor baS ©erießt gebracht 
mürbe. 


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260 


Spiritisten nni PtilUonett. 


Ser Nidjter befahl, baß man ihnen bie £>üte 
öom Sopf fchlage. giner non ihnen moUte fid) 
Dertheibigen, unb ber SRic^ter fprad) ohne 333ei* 
terea baa Sobeaurtfjeil aua. 

Ala ber Stifter nod) befonbera baa Sobea* 
urteil über äRaria Sper auafprach, neigte fie 
ihr £aupt unb jagte: „Sea £>errn SSille ge* 
fd)el)e!" Nun richtete fie ihr Auge auf ben Nid)* 
ter unb rief: „9Rann, miffe, baß bu gegen ©ott 
fämpfeft unb bie Unfdjulbigen marterft. SSifje, 
baß ©ottea 9SoXf ißm jept fo merth ift, ala je, 
unb baß bie, bie fid) an ©ottea ©olf oerfünbi* 
gen, ßhredlid) gerietet merben. Unb ich ermahne 
bich im tarnen ©ottea, miberrufe biefea gott* 
lofe ©efefc, ehe ber $oxn bea Allmächtigen birf) 
ergreift. 1 ' 

Sie mürbe enblich mit ©emalt oon ber Stätte 
unb mit gemaffnetett 9Rännern burd) bie Stabt 
geführt. Socf) oergaß fie ihre Umgebung, in 
bent unenblichen ©lüd, mürbig 311 fein, ben 
SRärtprertob 3 U fterben unb rief in ber greube 
iprca f>er 5 ena: „©elobet fei ber Name bea 
|>errn!" 

Sen nächften Sag fodte fte hingerid)tet mer* 
ben. ©a mar jd)on fpät am Nachmittag, als 
ber 3^9 burcß bie Stabt ©ofton fich bemegte. 
9Rit s JNufif unb gemaffneten 9Rännern braute 
man biefe brei nach bem Nid)tplap. 

9Raria fah aua mie öerflärt. 9Ran fonnte 
fie njdjt bemitleiben; ea fchien, ala manbelte fie 
fchon im ©arabica. 

Sie 3 mei 5Ränner mürben erft hingerichtet, 
unb bann fam bie Neiße an bie 9Raria, in bem 
lepten Augenblicf theilt fid) bie SRenge. ©in 
N*ann brid)t fich Saßn, inbem er rief: „£mlt 
ein, £>att ein, ein AJiberruf!" gamar ihr Sohn, 
meiner bie Segnabigung für fie ermirft hatte 
unb er nahm nun auch oh ne aßea Söeitere bie 
liebe 9Rutter hinmeg. 

Sobalb fie erfuhr, mie fie 3 U ihrer greißeit 
gekommen mar, fdjrieb fie einen langen ©rief 
an ben Stichler, fteüte ihm bie Ungered)tig!eit 
bor baa ©emütß unb ermahnte ihn auf baa Al* 
lereinbringlichfte baa ©efep 3 U miberrufen. 

Ala bie Nicßter ben ©rief gelefen, beriethett 
fie, maa fie mit bem SBeib anfangen fodten. Sie 
mußte mieber meit fort* in eine unberoohnte ©e* 
genb 5 ieljen. Ala fie nun hier nicßta thun 
tonnte, betete fie Sag unb Nacht für bie SBiber* 
rufung bea ©efepea. 

äBiebcr finben mir fie in ©ofton. An einem 
Samftag mar fie gctommen unb ging am Sage 
bea f>errn bann unerfcßroden auf bie Straße, 
benn fie glaubte fich an biefem Sage ficßer. Aber 
fie täufcßtc fich, fie mürbe mieber bor benfelben 
Nicßter gebracht unb er fpracß 3 um smeiten 2Ral 
baa Sobeaurtheil über fie aua, unb mieber re* 


bete fte ihm in baa ©emiffen, fo baß er eine ge* 
miffe gurcßt nicht berbergen fonnte. Ala fte 
fortfuhr, in einer übernatürlichen Sfraft $u re* 
ben bon bem Unrecht, baa an ihnen berübt mürbe, 
unb bon bem fcßrecflicßen ©erichte ©ottea unt 
bon ber feligen Auaficßt, bie fie hatte auf ein 
emigea Sehen, mürben alle mit gurcßt erfüllt. 
Sen nächften Sag, ben 23.Quni, mürbe fie hin¬ 
gerichtet. 

Sie mar baa 3 ro ritlepte aua ber ßuäfer* 
gemeinbe, baa ben Niärtprertob ftarb. ga fam 
eine gurcßt über bie Nicßter, unb fte glaubten, baß 
bie ©ropßeaeißungen SRaria’a hoch mahr roerben 
fönnten. Unb jo befahl ©arl II. burch föniglicße 
©eftimmung, baß alle Guäfer unb Siffibenten 
ihre greiheit erhalten joden. Siea gefcßaß ben 
9. September 1660, morauf bie Ouäfer im 
gabelt Sanbe Sanfjagungafefte feierten. 


$piriti|itn unb Ütillionrii. 

(Sin (tapittl out 6er Canberiilffötn gawilien« 
#ronif. 

enn ber Sefer micf) nad) bm ©ebäube 9Jo. 
31 Oft 17. Straffe, in toeldjem fid) baä 
befannte Se^rer » ^nftitut befinbct, be= 
gleiten tüiü, fo fann er bie ©elanntfibaft eines 
intereffnnten 9 RanneS mad^en. Qlntereffant burdj 
feine eigene Qnbioibualität, intereffanter burd) 
feine ©.’jietjungen ju einer unferer Slabob* 
familien. 

$er 'Uiann ift arm mie eine ßirdjenntau», 
muff oon früt) bis fpät angeftrengt, unermüblid) 
arbeiten, um nid^t ju oerl)ungern, mirb arbeiten 
müffen, unentroegt, raftloS, bis einft feine mü* 
ben 2 (ugen bredien, bis er f)inübergel)t in jenes 
ßanb, Don beffen Sdjmeüe fein SBanbercr mie» 
berfefirt. 

(Sr l)at langft bie $öf>e feines SebenS über» 
fdjritten. Qn feine ©tirne — eine l)of)e, freie 
®enferftirne, Don fdjneemcifeen paaren unimaQt, 
f)at ein büftercS, gramDoßeS Scbidfal unDer- 
mifc^bare galten gegraben; um feinenHhmb— 
einem fleinen, öomefjmen 9Jinnb—fdjmebt, and) 
menn er bie glei<f)gültigften ®inge fagt, ein me» 
fandjoüfdjeS, traumDerloreneS Säbeln, feine 9lu» 
gen—fc^öne, blaue, abgrunbtiefe Slugen—blicfen 
mandimal fd)mermütf)ig. ®er SKann fieljt aus mie 
ein greifet ^amlet. (Sr tpeilt baS erbarmungSlofe, 
^erjerfdEiüttembe ®efd)id Don Starcifj fRameau. 

Qn ©ofton lebt in einem fßalafte, umgeben 
Don aßen greuben beS ®afeinS, melt^e nur un» 
ermc^lidier 9 ieid)tt)um gemalten fann, eine grau. 
Seine grau! Sie fjaben fidj einft geliebt, 
ber fron jöfifdje Spra^lebrer unb bie ftolje Jod)» 



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SpiriitRm utf> PI Mionen. 


261 


ter beS Gommobore ©anberbilt, peiß, unfagbar. 
gatjrc gtücflicpen 3Jtit* unb 3neinanberlebenS, 
in bcneit 3*b*r don ©eiben beftrebt mar, nur 
gu geben unb nichts gu empfangen, unb heute? 
Gin Abgrunb. Ter 9Jiaun ftrerft fepnfücptig 
bie $änbe hinüber, um baS nocp immer geliebte 
SSeib an fiep gu reifen, aber bunfle, gepeimniß* 
dofle äRädpte gerren unb reißen am bergen ber 
ftrau unb graben gefcpäftig bie ®luft immer 
mcitcr, immer tiefer. GS führt feine ©rücfe 
inepr hinüber. 


GS mar im 3al|re 1878, als fiep SJtonfteur 
ft. ©erger, bauialsfrangöftfcperöeneral^onful 
unb ®efcpäftSträger am SSafpingtoner „£>ofe," 
nnb bie oermittroete SOtabame £e Seau, bie äl* 
tefte Tocpter beS Gommobore ©anberbilt, gum 
erften ©täte begegneten. Auch er mar detmitt* 
met; er patte nur einigen Soh^n fein SSeib ba 
brüben auf bem ©6re la Gpaife eingefcparrt, 
groei fiinber, ein Sopn unb eine Xocptcr, maren 
in granfreid) in einem GrgiepungS*3nftitut gu* 
rucfgebtieben. 3m ©efipe eines bebentenben 
©ermögenS, lebte er in ber Kapitale ber Union 
auf großem ftuße, fein fcpöncS Gefiept, unb feine 
eleganten, leichtlebigen, acht frangöfifcpen 9Jta* 
ntcren erfchloffen ihm leicht alle Streife unb alle 
£>ergen. 

Such baS £erg ber bamafe- am ©eginn ber 
©iergiger 3opte ftehenben, in pifanter Scpön* 
heit ftrahlenben SSittme Be ©eau! Gin achter 
SiebeSfrüpling mit allen Sonnenftraplen eines 
folcpen, ein marrner 5?o^aitni^trieb mar über 
bie beiben alternben üßenfcpen gefommen, unb 
nach nur furgem fangen unb ©angen fcploffett 
fie, troß alter ©rotefte ber ©anberbilt’S, ben 
©unb für’S Beben. Unb baß biefer©unb nicht 
für baS Beben aushielt, fonbem fchon nad) me* 
nigen 3 a P rcn äetrifJr baS ift ber tiefe, unpeil* 
bare ®ram, melcher am £>ergen beS armen, alten 
2JtanneS, ber nach bem Scheitern feines Bebens* 
fcpiffletnS ein einfacher, part arbeitenber Sprach* 
iehrer gemorben, nagt. 

3mei 3 ö hre lang maren bie beiben in Siebe 
©erbunbenen glüdlicp. Nichts ftörte ben ftrie* 
ben ihrer Gpe. ©rin Ginfommen reichte für 
alle ©ebürfniffe auS; ber 9teicptpum, mefcpen 
baS ©chicffal ber Xocpter Sanberbilt’S in ben 
Scpooß gemorfen hatte, blieb unberührt. Unb 
als ber Üampf um baS Xeftameut beS ©aterS 
begann, ba trat ÜRonfieur ©erger mannhaft für 
bifc 9tecpte ber ®attin ein, nichts für fich begeh* 
renb, nur um ihr, ber Geliebten, ben Bebens* 
pfab gu oerfcpönem. Ter ©reis beS Sumpfes 
maren dier SDtiflionen ToflarS, melche er ihr, 
ber Gnterbten, rettete. 


2Jtabame ©erger hatte aus ihrer Gpe mit bem 
erften ©atten, Be ©eau, gmei Xöcpter, unb um 
ber £ocpgeit ber einen bcrfelben beigumohnen, 
begaben fich bie ©atten im 3apre 1881 nach 
©ariS. ©erger fanb bet feiner Stüdfepr nach 
ftranfreiep feine SermögenSguftänbe in arg ger* 
rütteter ©erfaffung unb um Orbnung in baS 
GpaoS gu fepaffen, mar er gegmungen, längere 
3eit an ber Seine gu bleiben, mährenb ÜJiabame 
©erger, nach bem gärtlicpften Abfcpiebe, nach 
Amerifa gurüeffehrte unb in Softon ihren SBopn* 
fifc auffchlug. 

9)tit biefem Augenblid begannen tiefe, nacht* 
fdjmarge Schatten fich auf biefe bisher fo fon* 
nige Gpe perabgufenfen. Ter mtjftifcpe 3ug int 
SSefett beS alten Gommobore Sanberbilt’S, met* 
eher il)tt, trop aller fonftiger, nüchterner SSelt* 
anfcpauuung, bem Spiritualismus in bie Arme 
trieb, lebte in ber Tochter nun, mo fie, fern dom 
©atten, allein auf fich angemiefen mar unb 3 e *t 
unb Sttuße fanb, fich ftißen Träumereien unb 
©rübeleien pingugeben, mächtig auf, in einer 
Stärfe auf, mcldpe ihren SSißen bra<p unb fie 
in fürgefter 3^it gu einem mißenlofett SBerfgeug 
in ber §anb ber -ötebien, jener blutlofen, bem 
frifdjen Beben abpolben ©eiftcr * ©efchmörer, 
machte. 

m SRonfieur ©erger nach längerer 3 e *t 
nach 2lmerifa gurüeffehrte, mar er ein bettel* 
armer 9Rann, er hatte ben lepten Sou derloren. 
Ten lepten Sou, — unb baS £>erg feiner ftrau. 
Gr fanb fie in ©ofton, umgeben don fepmefgeri* 
fepem Steichtpum, im Sreife don Spiritualiften, 
bie eS meifterpaft derftanben, ben gum Ueber* 
finnlicpen geneigten Gparaftergug im SSefen ber 
ftrau für ipre eigenen, gelbgierigen SRotide auS* 
gubeuten. Sie pielt offenes £auS für bie gange, 
gerabe in ©ofton ftarfe ©emeinbe biefer fiep 
überirbifeper ©erbinbung mit bunflen 3Jtäcpten 
rüpmenben GparlatanS. Sie patte fein SSort 
ber Siebe, feinen freunblicpen £>änbebrucf mepr 
für ben 9Rann iprer SSapl. Gr fuepte fie don 
bem derberbtiepen SSege abgulenfen, er fteßte ipr 
mit bemeglicpen SSorten dor, mopin biefeS burep 
gemiffenlofe Abenteurer gefepürte Ginfpinnen in 
mpftifepe ^irngefpinnfte füpren müßte, er be* 
fepmor fie, baS gange ©efepmeiß don iprer 
Scpmefle gu oerbannen.... AfleS dergebenS! 
Sie gab ipm füpl gur Antmort, fie fönne mit 
ihrem ©clbe machen, maS fie moße, unb menn 
er in 3 u f ult f^ nn iprer Seite leben moflte, müffe 
er lernen, fiep mit ihren ftreunben gu dertragen. 

Gr pat eS niept gelernt, er derfepmäpte aßen 
afteieptpum, er gefiel fiep niept in ber Stoße eines 
ScpmäcplingS, ber don feiner ftrau ein ©naben* 
brob annimmt, er fagte ipr mit tiefergriffenem 
$ergen ein Sebemopl, unb fam nach Stern $orf, 


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262 


Blinke unk JJndiridjtft! für Arbeiter. 


um, ein Schiffbrüchiger, bon Steuern zu berfuchen, 
ju leben.... 

@r ftrebte, er fämpfte, er rang mit aller S'raft, 
unb wenn er auch nicht £>err ber bitterfüßen 6 r~ 
innerungen wurße, fo gewann er hoch bie Stube, 
Welche ihm erlaubt, feinem (Erwerbe, bem Un* 
terrichtgeben, bor^uftehen. 

Sich, biefeä Stunbengeben! SBie Diele Sor= 
gen, wie Diele nagenbe Dualen, falte, nüchterne 
Sage, bleiche, fummerboöe 9täd)te finb mit ihm 
berfnüpft. den 93echer be3 SeibenS — SDtonf. 
Serger, ber Schwiegerfohn be§ alten Sommo^ 
bore SSanberbilt, Schwager Don SSillicun £>. 
SSanberbilt, Ottfel Don ßorneliuä Sanberbilt, 
teerte ihn bis jur £>efe. 

Anftrengungen unb feelifche Dualen warfen 
ihn auf baS Sranfenbett. gm fran^öfif^en 
£>o£pitat in ber bierjehnten Strafe lag er lange, 
lange, franf, elenb, bewußtlos. Unb bann rief 
er fein Sßeib, befeßwor er fie, zu ihm zu fommen, 
bamit er noch einmal in ihre Augen fchauen 
fönne, bebor er bie feinigen jurn ewigen Schlafe 
fchlöffe. 

Sie antwortete ihm, fie habe eine ©otfcßaft 
Dom £erm erhalten, bie ihr berböte, 51 t ihm gu 
eilen, unb fie ntiiffe bem ©efeßl gehorchen .... 

(Er ftarb nicht, er erholte fid) langfam Wieber 
unb begann Don Steuern ben Äampf um baS 
dafein. SSäßrenb feiner Äranfßeit war ein 


örief:©oubert, weldßeS h un ^ er i®°ß flr ^ enthielt, 
an ihn gefommen, er glaubte, es Wäre Don ihr, 
aber diejenigen, bie fie genau fennen, begwei* 
feiten eS. Spiritualiften berfchenfen fein (Selb 
an Ungläubige. 

Seit jener 3eit,—eS finb nun zwei gaßre her 
— bat er feinet Sebent fflürbe mit $uße unb 
jener ftitlen SBürbe, bie fo feiten bem Unglücf 
berfchwiftert ift, getragen, (Er bat eine bübfdje 
Anzahl Schüler unb baS fdbüfct ihn bor bem 
bleichen ©efpenft beS Jüngers. Seine grau 
wühlt in ©ofton in unermeßlichen Scßäfcen, 
feine anberen ©erwanbten in Stew ?)orf zählen 
ihr Vermögen nach SDtitlionen, aber nie fommt 
eine Silage über fein Schicffal über feine Sippen, 
unb wir bezweifeln, ob einer feiner Schüler bis 
Zur Stunbe geahnt, welchen Erinnerungen ber 
Sprachlehrer ©rofeffor Serger in ruljctofen 
Mächten lebt. 

(Er felbft hot feinen SBunfcß, als bereinft naeß 
granfreieß zurüefzufeßren, um bort im $aufe 
feiner berheiratheten doeßter ben lebten Atßem* 
Zug thun zu fönnen. 

Unb auch jene grau in Softon wirb einft ihr 
mübeS $aupt auf baS Sterbefiffen legen unb 
bie ©eifterbefeßwörer werben auch bann nodß 
berfuchen, ihr aufgefcßeucßteS ©ewiffen mit fpi* 
ritiftifchen ©efcßwörungSforateln einzuluöen... 

(Seil. gouni.) 


-- 

^infie unb Nachrichten für Arbeiter. 


gn ©bicago wirb am 1., 2. unb 3. guni bie fünfte 
internationale 6. Scßulconoention abgeßalten wer* 
ben. der Stebafteur beS £>auS unb $ero ift bajn ein* 
geloben worben. So gerne er aber folgen Berjamm* 
iungen beiwohnt unb fid) babei bethätigt, wirb eS ihm 
bieSmal wohl nicht möglich fein, benn etwa einen 2Ro* 
nat barauf tagt in felbiaer großen Stabt baS ©efang* 
bud)S©ommittee. dieje Stfeung wirb nicht Diel we* 
niger als hier 2Bod)en in Anfprud) nehmen, unb ba 
gilt eS mit ber geit hauSzußalten. 

©an* furje Säße. 1. gebermann fottte wiffen, 
baß (Erflärungen unb Auflegungen berSonntagfcßul* 
Seftionen zum Stubium baheim beftimmt fino unb 
nicht zum ©ebraueß in ber ftlaffe. 

2. „Wehr unb beffere Arbeit für gefum," ift ein 
gutes SOtotto. (Erft bie Saat unb bann bie (Ernte. 

3. das Borurtßeil gegen Sonntagfchulen fchwinbet 
in Scanbinaoien fd)nell. gn Norwegen würben im 
berfloffenen Sommer Diele neue Schulen gegrünbet. 

4. der befte (ErzießungSort in ber SBelt ift baS 
Sonntagfd)ul=3immer, uno ber Bunft, ben wir mit 
befonberem Aadjbrud herborheben möchten, ift ber,— 
baß bie, welche eine Sonntagfdjule unter ihrer Sei* 
tung haben, fid) bemühen foflten, alle ftinber unter 


ihrem (Einfluß frühe zum Altar beS §erm zu bringen, 
wie ber berühmte gelbherr ber ©arthager §amilcar 
feinen Sohn ^mnnibal zum Altar ber ©Otter brachte, 
— um bort bem abfcßeulicßen Uebel ber drunfjucht 
unb bef Saloon* unb ShteipenwefenS, bem töbtlichften 
geinbe unferef Sanbef, bef $erm unb berSRenfchheit 
überhaupt,—ewige geinbfdj»aft ju fchwören. 

5. der öffentliche Unterricht tu ben ©ibeUeftionen, 
welcher in manchen größeren unb Heineren Stäbten 
bon competenten SJlämtem erteilt wirb, ift bemSeh* 
rerperfonal einer Schule bon großem SRufceit.—Sollte 
ef fich nicht ber Sftühe lohnen, auch an manchen anbe* 
ren flößen ben $erfud) aü mad^en, welcher an etlichen 
Orten mit fo herrlichem ©rfolge gefrönt würbe.—gn 
^rootlpn finb $orfef)rungen zur durchnahme ber 
Seftion an jebem Sonnabenb Nachmittag getroffen 
worben, welche abwedjfelnb in ben berjehieoenen Äir* 
d)en ftattfinbet unb bon ben berfeßiebenen ^rebigem 
geleitet wirb— SBarum fönnte biefer fßlan nicht aud) 
an anberen Orten bon ben berfeßiebenen cßriftlichen 
Benennungen gemeinfam burchgefüßrt werben? — 
©rnfte Sebrer würben eine folcße fegendreieße ©inrieß* 
hing mit greuben begrüßen. 

6. Sebrer unb Sehrerinnen folltcn e« fieß zur Siegel 
machen : 


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itfinlu unb gadjtidjtfn für Arbeiter. 


263 


a. ftranfe ©chüler, fobalb als möglich, a u befugen. 

b. Ärmen unb fd)üd)ternen ©d)ülern befonbere 
Äufmertfamfeit §u wibmen. 

c. Veim Fragefteflen feinen ©cßüler au übergeben. 

d. ©id) für ben wenig begabten Knaben befonberS 
Au intereffiren. 

e. Slfle ©chüler im Saufe beS ftahreS wenigftenS 
Aroeimal ju befugen. 

f. 3b re Älaffe wenigftenS einmal im Saufe beS 
QabreS in ihr £>auS ein^ulabem 

g. Für ihr focialeS unb Familienleben ein perfön* 
Ikbeäjjntereffe an ben Xag §u legen. 

h. uRit bem eigenfinnigen unb öcrfebrten ©d)üler, 
welcher ben ©eg ber ©ünbe einjufcplagen fdjeint, be= 
fonbere ©ebulb $u haben. 

i. DaS a u fein, was ihrem ©unfdje gemäß, ihre 
©djüler werben follten. 

k. ©ott um neues Sicht unb mehr Siebe au bitten. 

7. $r. Slrnolb, ein dufter unter ben Sebrem, batte 
ein fcharfeS Verftänbniß oon ben fünblid)en Neigungen 
beS jugenblicben ©barafterS. ©ot)l wij'fenb, baß baS 
Vöfe ftcb unter ben Knaben üerbreitct, „wie oergiftete 
©affer, welche überall btnfließen," pflegte er ju fagen: 
,,©enn ich eine ©djaar gottlofer unb leichtfertiger ft'na* 
ben um ein großes Feuer im ©djulbaufe oer|ammclt 
febe, fo ift mtr’S, als fäbe ich ^ cn Teufel mitten unter 
tipten."—Ohne ^meifel oer|ud)t ber Vöfe ftnaben,— 
unbacb, auch Vfabdjen, — fid) gegenfeitig ^u üerleiten, 
aber ift es nicht ebenfo wahr, baß ber heilige ©eift fid) 
bemüht, fie für ©ott unb bie ©abrljeit $u gewinnen? 
$ie Aufgabe beS ©onntagSfd)ul*Sel)rerS ift eS, mit bem 
heiligen ©eifte $u}ammen$urüirfen, unb baS Sicht 
beS göttlichen ©orteS auf baS ©ewiffeu ber Knaben 
unb Räbchen ftrömen *u laffen, bamit fie bie ©ünbe 
oerabfdjeuen unb baS ©ute lieben lernen. Von bem 
grunboerborbenen ©djüler fann man mit 5Red)t fagen: 
„(Sr oerabfebeut nichts VöfeS." $ein ©d)üler ift bureb 
unb bureb fehlest ober leicht jur Annahme id)led)ter©e= 
»obnbeiten au Oerleiten, fo lange er VöfeS oerabfdjeut. 
$eßbalb joßten ©onntagfcbuUScbrer ihre ©djüler fo 
belehren unb beeinfluffen, baß fid) ihr angeborenes 
Vewußtfein oon ber ©ünbe in einen ftarfen Slbfd)eu 
gegen afleS ©ottlofe ocrmanbelt. 3ft biefeS große 
©ert in ihnen gefd)eben, fo toerben afle Vemubun* 
gen, fie $u oeranlaffen, „bem ©Uten anAuljangen," 
guten ©amen gleichen, ber auf fruchtbaren Voben 
fäßt 

$c* Se|mS Einfluß, ©ine anbäd)tige, grünblidje 
Vorbereitung ift nothtoenbig, um ©rfolg au erzielen. 
Stießt nur foßte beS SehrerS $erA mit inniger Siebe 
$u ©ott unb ju feinen ©cbülern erfüllet fein, fonbern 
er foßte aud) burd> eine grünbliche Vorbereitung auf 
bie Seftion, ben praftifdjen VeweiS liefern, baß er 
feine Vcrantwortlidjfeit ertennt. ©iß er ©rfolg fei* 
ner Arbeit feben, fo barf ber Sebrer fid) nicht bamit 
begnügen, f äbig au fein, bie Settion ju ertlären, fonbern 
fein 3iel muß fein, baß burd) perfonliche Slmoenbung 
bie ernften ©abrbeiten ber Seftion bem $erjen unb 
©ebäd)tniß ber ©chüler eingeprägt werben. Unter* 
richtet ein Sebrer feine klaffe oon ©onntag au ©onn* 
tag, ohne einem bewußten Riele entgegen au ftreben, 
fo toerben feine ©chüler folcpeS halb merfen, unb ber 
Unterricht beS gewünfdjten ©rfolaS entbehren. Slber 
grünbliche Vorbereitung unb ^ielbemußteS ©treben, 
ohne ben moralifchen Sca^brucf eines gottgetoeibten 
SebenS, wirb nic^t binreichenb fein, feinen ©orten 
UeberjeugungSfraJft au geben, Stur bann, toenn beS 
SehrerS $er$ unb Seben bem $erra unb feinem $)ienfte 
getoeihet ftnb, wirb fein ©influß unb Veifpiel, feine 
Schüler jur Frömmigfeit, ©ebet, finblicpem ©lauben, 


unb banfbarer Siebe j^u ©ott, anrei^en. ©inen foldjen 
©influß ju befißen, tft eines jeben SehrerS Vorrecht 
unb heilige Vflidjt. 

Von „Onfel Qoßn Vaffer" wirb gefagt, baß er mehr 
burd) feinen gottgeweibten ©influß, als bureß ben er* 
tbeilten Unterricht bie Achtung unb Siebe feiner 
Umgebung gewann, unb in folcher ©eife ipre ©e* 
banren auf ©briftum binlenfte. ©S ift bie 9JJad)t beS 
©influffeS, was bie VolfSmenge fo ftarf gu ben SJfoobt)* 
Verfammlungen bi^iebt. ©in folcher ©influß ift 
nicht nur eine 9flad)t baS Voll anjjujiehen, fonbern 
macht aud) baS ^erj empfänglid) für baS ©ort ber 
©abrbeit. 

©iß ber Sebrer feine oofle Aufgabe löfen, fo ift 
nicht nur notbwenbig, baß er fid) grünblich auf bie 
Seftion oorbereite, fonbern er foßte auch mit bem Wß* 
tagSleben feiner ©djüler, ihren bejonberen ^inber* 
ni)fen, unb ben ihnen am meiften brohenben ©efab- 
ren, befannt fein. $>aber foßte er biefelben jo oft 
als möglich, in ihren refpeftioen fteimatben befuchen. 
BiefeS wirb ihm bie Siebe unb Sichtung feiner ©djüler 
fiepern, unb baS §er* für ernfte Mahnungen unb 
©arttungen empfänglich machen, ©ein ganzes Ve* 
ftreben muß fein, in ben ©cbülern bie Ueber^eugung 
beroor*urufen, baß er ihr leibliches, fornohl als geift* 
licpeS ©ohlergehen Wünfcht unb bereit ift, ihnen mit 
Statt) unb $t)at beijuftehen. 3efuS fagt nicht nur: 
©eibe meine Sämmer, fonbern ebenfalls: ©abrlid) 
ich tage euch, was ihr nicht gethan ha^t ©inem unter 
biefen ©eringften, baß habt ihr mir aud) nicht gethan. 
Siebe unb Freunblicßfeit finb mächtige £>cbel eine 
©onntagfchule an^iehenb au machen, unb nur wenige 
^er^eii fmb’S, welche ber 5D7ad)t tbeünebmenber Siebe 
unb Feeunblichfeit oerfd)loffen bleiben, ©ebraudjc bie* 
fen ©chlüffel unb beine Arbeit wirb nicht ocrgeblid) fein. 

©ißreibc an beinen aiWefenben ©d)üler. ^er 

Sebrer, ber fich einen warmen v ^lafe in ben ^cr^en 
feiner klaffe erwirbt, gewinnt für feinen Unterricht 
unb für feine Mahnungen baS fogenannte ©egeredjt. 
Um biefen Vorteil au V& cn , muß mau feine ©d)üler 
überAeugen, baß man fie liebt, baß man nur if)r VefteS 
fuebt. Unter Slnberem wirb fi^ aud) baS als ein unfdjul* 
bigeS unb UugeS Mittel baAU beweifen, wenn man an 
foicße ©chüler fchreibt, bie oerreift finb, oiefleidjt ju 
einem Vejuch unb längerem Slufentbalt bei entfernten 
Freunben ober Verwanbten, oießeid)t für mehrere 
Termine in eine ftoftfd)ule. 3ebeS jugenblicbe ©e* 
mütl) wirb bei folchen ©elegenbeiten mehr ober weni* 
gcr oon Heimweh ergriffen. 3 U foldjen 3 c i* e u, fagt 
©owper: ,,©r fehnt fich mit mädjt'ger Vegierbe nach 
§auS." 

Unb mit mächt’gcr Vegierbe würbe er bann auch 
einen Vrief oon ben Sieben au &auS burdjleien, unb 
gewiß nicht weniger, wenn er Oon feinem ©onntag* 
jdhußehrer berftammt. könnte er feinen ©efüblen 
SluSbrucf geben, fo würbe er mit ben feligen &r. 3 . 
V. SJtOAlet) jpred)en, als er in feiner 3 u ? en b ein* 
mal oerreift war: „Sticht Steuiafeiten will ich hören, 
baS ift nicht, was ich toitl, aber eS liegt etwas 
in einem Vrief aus ber fceimatb baS mich auf* 
muntern würbe/' ‘DicfeS Vcfenntniß eines finblicßen 
VebürfniffeS mag bem ©onntagfd)ul*Sehrer einen 
einfachen ©eg Aeigen baS öerA feiner ©chüler au 
gewinnen unb feinen ©influß über ihn au oermeh* 
ren, um ihn befto leichter in bie Stacbfolae 3^fu A« 
iepen. 2)aS wäre ein herrliches 3*el, unb baS SJtit* 
el ift einfach unb in feinem Fuß toftfpielig. 

„Saßt eS nicht aßfaßlen V* 3n ber alten ©ießerei 
ift eben bie bebeutenbfte Arbeit §u thun. Qeber Slrbei* 


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264 


£raurn;titung. 


tcr fcßeint fid) boppelter Eile ju befleißigen unb bureß 
ben Dichten 9taucß fießt man ßöcßften« bie meiße 
flüffige Sflafje ftrommeife in bie formen gifcßen. 

„Saßt e« nicßt abfüßlen!" lautet bie ßie unb ba 
mieberßolte Sttaßnung an bie betreffenben Arbeiter. 

$>a« Metall ift jejjt fo leicbtflüffig mie SBafjer unb 
üllt bie feinftcn gugen ber gorm au«, bie fie bann 
reificß felber aueß annimmt unb bemaßrt. 

„Saßt e« nicßt abfüßlen!" 2Bir benfen babei un* 
miflfürlicß an bie ©onntagfcßule. $ie Eßriftfefte finb 
üorüber, bie anßaltenben Berjammlungen finb faft 
überall geßalten morben, ba« grüßjaßr näßt— e* 
fommen Die marmen Xage, bie aber religiöjermeife oft 
5 u ben falten gcßören. 

2Ba« niifcen bie bejonberen Slnftrengungen maß* 
renb ber feintertage? 3Sa« ßilft e«, Daß mir üon 

S anuar bi« 9lpril ba« geuer fcßüren unb bann im- 
ommer gleicßgültia merben? 2Bo bleiben bie guten 
Embrücfe unb Borfafte? 23o finb all bie feligen ©e= 
füßle ? $>arum, 0 „laßt e« nicßt abfüßlen!" Söenn man 
ba« eigene #er$ immer marm unb aerfcßmoljen üon 
ber Siebe Qefu ßält, bann mirb man nicßt fo üiel fla* 
gen müffeit über Äälte um fieß ßerum. 2öie maren 
mir fo felig, al« mir bei jener anßaltenben Berfanim* 
lung mit |>eilfucßenben am Elitäre gerungen ßatten 
unb um mit ißnen jaucßjen burften! „Saßt e« nicßt 
abfüßlen." 


„Erinnerungen au« meinem Berliner Kmttleten“ 

ift ein feßr empfeßlen«mcrtße« Bucß üon 5)r. B ü cß* 
fei, 4 Banb ber „Erinnerungen au« bem Seben eine« 
Sanbgeiftlicßen" (Berlin, SBieganbt Abrieben; äße 
üier Bänbe jufammen gebunben 6 SÄarf). gn bem* 
fclbigen er«aßlt ber Berfaffer etlicße fleiue ©efeßießten 
unb Erfahrungen, melcße aueß bie §au«* unb $erb* 
Sefer intereffiren merben: 

„311« icß einmal au« ber ftireße tarn unb eine feßr 
feßöne Äutfcße üor ber ©afrifieitßür ßalten faß, 
rebete icß ben ftattlicßen ftntfcßer an unb fragte ißn, 
ob er benn gar nicßt in bie $ircße geße? Er antmor* 
tete, ba er mieß nicßt fannte: „^a^u ßabe icß leine 
Reit, unb jeben ©onntagüormittag muß icß bie gnöbige 
$>errfcßaft ßierßer faßren, unb be« Sfacßmittag« mirb 
oft fpa^ieren gefaßren. E« ift aueß bei mir ba« $ircßen= 
geßen nicßt fo feßr nötßig, icß bin ein orbentlicßer ßJtenfcß 
unb erfülle meine ^fließt unb ©cßulbigfeit. 3)er Sßre* 
biger an biefer ftireße muß feine ©aeße aueß nicßt reeßt 
üerfteßen, benn, obglcicß bie ^errfeßaft fonntüglicß 
ßießer fommt, ßabe icß noch nicßt gejpürt, baß ber 
£>err ©raf unb bie grau ©räfin fieß gebeffert ßaben." 
geß bat ißn, mieß einmal ^u befueßen, menn e« feine 
Reit erlaube, nannte meinen tarnen unb meine SBoß» 
nung; aber er tarn nicßt, metl bei ißm leine Bei* 
ferung nötßig mar, unb bei ber $errfcßaft ba« föircßen* 
geßen nicßt« ßelfe." 


- * ^«C83>o c - 

gfrauen^eif ung. 


2lm guten Ulten 
3n Irenen ßalten, 

2lm fräft’gen Heuen 
Sicß ftärfen unb freuen 
IDirb Hiemanb gereuen. 

$a« $or’(e über #au«arbeit! gnbem nun bie 
Reit be« .^auöreinigen« mieber üor ber Ißnr ift, fo 
märe e« üietleicßt gan« am Blaß, etlicße SBinle ju ge* 
ben, mie man biefe allgemein gefürchtete Arbeit fo 
leießt al« möglicß maeßen fann. fließt nur bie §au«* 
trau füreßtet fieß üor biefer ßarten Arbeit, fonbern bie 
Uftänner offenbaren eine große gureßt baüor. SBir 
fennen einen 2Jtann (er moßnt feine ßunbert teilen 
üon üier), ber befommt eine jiemlicße 3lngft, menn c« 
nun ßeißt, baß man mit biefer Arbeit beginnen mirb, 
unb boeß mirb nicht ba« ©eringfte üon ißm bedangt 
unb immer barauf gefeßen, baß ein Xßeil be« §auje« 
moßnlicß ift. 

Biele 9Jfänncr meinen, biefe jäßrlicßen UrnmäUungen 
mären gar nicßt nötßig, unb feien üergeblicße vlrbeit. 
2)aß e« feine üergeblicße Arbeit ift, meiß jebe orb* 
nung«liebenbe ^>au«frau. E« ift eine feßr nötßige 
Slrbeit unb für bie ©efunbßeit ber gainilie unumgäng* 
licßnötßig. 

SBie gan^ anber« ift bie Suft be« £aufe«, naeßbem 
äße« an ber Suft unb ©onne unb alle« gut gerei* 
nigtmar! 

um nun biefe Arbeit fo leießt al« möglicß $u maeßen, 
ift gute Vorarbeit nötßig. 

Eine üon mir nun üiele gaßre erprobte 9Jfetßobe 
ift biefe: gcß tßeile meine Arbeit für ba« gan$e gaßr 
auf ja)lgenbe SBeife ein: 


9?acß ben geiertagen fange icß an unb geße bureß 
aU mein ©eißjeug; alle« ma« nur ben tarnen ©eiß* 
fleug ßat, mirb geiuuftert unb au«gebeffert unb über* 
gemadßt. Ebenjo merben bie Kleiber beßanbelt. 

Ru biefer Arbeit gebraueße icß gemößnlicß bi« Enbe 

ajfär^. 

9tun treffe icß Borbereitungen jjum 9leinmacßen. 
2Ba« icß im $auje üeränbern mill, mirb getßan. ®ic 
tleinen Sierratßen üon ben SSanben genommen unb 
gereinigt, ober menn e« nötßig ift, üeranbert. 

2)ann geße icß bureß bie ©cßränfe unb bringe bie in 
Orbnung. üfun mirb gefeßen, baß alle«, roa« ^ur 
^uß*®rbeit nötßig ift, üorßanben: guteBürften, 9fä* 
gel, etlicße gute §irfcßßäute, eine glafcße 2lmmonia. 
Äucß ein guter Borratß üon Seben«mitteln mirb jube* 
reitet, fo oaß nicßt fo üiel 3eit $um Äocßen gebraueßt 
mirb. 

S)ann mirb angefangen unb fort gemaeßt, bi« 
b a« §au« rein ift. 

$)a« 9lu«fcßmücfen ber ßintmer beforge icß erft, nafy 
bem bie feßmere Arbeit ganj getßan ift. 

SJfan ßat ßeut^utage fo üiel jur Äu«jcßmücfung ber 

t eimatß unb ^mar billige ©aeßen, fo baß bie ärmite 
loßnung etma« ßaben fann, um fie freunblicß unb 
einlabenb ju maeßen. 

9fatürlim tüirb biefe 2lu«fcßmü<fung oft übertneben. 
2)ocß, bie cßr ift ließe ^au«frau finbet aueß ßier bie 
reeßte ©renje. SEBir muffen nicßt üergeffen, baß alle«, 
ma« mit ber £>eimatß üerbunben ift unb ma« bie $in* 
ber in ißrer gugenb umgibt, ein Xßeil ißrer Erüeßung 
unb Bilbung i)t, unb biefe« mirb einer jeben UJfutter, 
melcßer üor vlllem ba« 23oßt ißrer ^inber am $er^en 
liegt, ben reeßten SBeg geigen. 

90tit biefer §au«puß * Arbeit geßt ber $pril baßin. 


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fraufnffihing. 


265 


Vid icg nun meinen ©arten unb Blumen beforge 
unb »ad noeg an neuen ©ommcrfleibent angefegafft 
»erben muß, fo gegt ber Wai au ©nbe. 

9m 3unt »afege ich mein Vettaeug, bring 2Med öf* 
terd an bie ßuft unb ©onne, bejfere 5üled aud, unb 
maege auch gl cid) bad 9teue, unb bann »irb Sllled 
»eggelegt für ben fommenben Söiuter: 

$m 3uli negme icg atted SBinteraeug, »ad bon bem 
lebten feinter noch ba ift, unb reinige ed unb maege 
Äfled »ieber aureegt für ben fommenoen SÖtnter. 

$er9(uguft unb (September »irb mit ©inmaegen 
ber grfiegte unb bergleicgcn Arbeit augebraegt. 

3m Oftober »irb bad $aud für ben Söinter gerge* 
rügtet, bad nötige ©triefen baa»ijcgen getgan unb 
bie neuen SBinterfleiber gemalt. 

3 $ bin gewöhnlich etluge SBocgen oorSBeignacgten 
gana fertig mit meiner SBinterarbeit, fo baft ug bann 
bie übrige geit oerwenben fann, um SSeignacgtd* 
gefegenfe au machen. 

lieber bie geiertage rüge icg mich aud unb erlaube 
mir ein wenig ©rgoluitg. 

Stuf biefe iöeife habe icg nun fegon maneged 3ahr 
gearbeitet, unb icg Rnbe bte Wetgobe gan^ jmerftnä^ 
fiig. 3$ fomme nie in Verlegenheit, SSenn Sitte* 
rungd*Secgfel eintritt, fann ich ben deinen bie $cit* 
gemäße tfleibung reichen unb ed bleibt mir 3eit ju 
bielem Zubern. 

Weine (Erfahrung gat mich gelehrt, bafj ed eigent* 
lieg nicht fo oiel barauf anfommt, »ie oiel »tr au 
thun hoben, ald barauf, »ie »ir unjere 3eit eintgei* 
len, unb »enn »ir gewiffe Arbeiten tgun. s 2lud) 
glaube ich, baß man fegr mel fparen fann, »enn man, 
ehe man bad 92eue tauft, erft fiegt, »ad man mit beni 
eilten thun fann. 

nüglicge Hntoeif ungen. Wan oerfäume ja 
nicht eine Slafcge.ftmmoniof anaufigaffen, bennSlm* 
monia ift aum Peinigen unentbehrlich. Sßacgbem bad 
fcol$»erf, bie Spüren unb Senfterragmen rein gewa* 
f(hcn finb,nimmt man eine ftirfeggaut unb thut fie ind 
SBaffer. in »elched man Slmmonia gethan hot (au 
einer Safcgfcgüfiel ooll föegenwaffer nimmt man et* 
liehe fiöffel ooll Slmmonia), unb »äfcht s 2llled bamit, 
bie Wobei, ftenfterfegeiben, ©piegel unb Vilberrag* 
men. ©d gibt allem einen fegönen ©lana. 

Um Teppiche aufauwafegen, fchneibet man gute 
»eige ©eife in bad SReaenWaffer unb thut etliche ©tücfc 
Voraj ba^u unb lägt ed toegen. 9fun nimmt man 
biefed jo geig, tote man ed nur fann unb reibt ed mit 
einem reinen Sucg auf. Siefed fegabet bem beften 
leppicg niegtd, im ©egentgeil wirb er gana frifeg aud* 
fegen. 

Um bem @arten$aun eine bauergafte Xüncge au 
geben. Wan nimmt ein gag unb tgut % Vufcgel 
ungelöfcgten Äalt hinein, etliche $funb ©(gaffett 
ba*u; nun »irb ber ftalf abgelöjegt, bann »erben et* 
liege $funb grobed ©ala baau getgan, unb naegbem 
cd bie gegönge S)ic!e gat, »irb aüed bamit angeftri* 
(gen, ©artenjäune, Väume, ber Äefler, $olafcguppen 
unb »ad nur immer nötgig ift. 

Um einem batffteinernen ©eitenweg ein jegöned 
Stotg gn geben, nimmt man 4—5 *J3funo rotged gar* 
bennegl unb tgut ed in einen grogen ©imer unb rocht 
io biel bünne Wegtftärfe, um ben ©imer ju füllen, 
©ägrcnb bie ©tärfe foegt, tgut man ©ala unb alted 


gett baau unb lägt ed mit foegen. Sann gießt man 
bie ©tärfe bureg einen Surcgfcglag auf bad Wegl, 
aueg laffe für 10 ©entd Seim im »armen Soffer aer* 
gegen unb gieße ed aueg baran. Naegbem ed nun gut 
gemengt ift, »irb ed mit einem Vefen gleich einge* 
rieben. Sied hält einen Seg ben ganzen ©ommer 
fegön unb oerginbert aueg, bag bad ©rad fo fcgnell 
5 »ifcgen ben Vacffteinen »äcgft. 


tbalte $oud mit deiner Seit, ©egr wenig Seute 
halten gut mit igrem Vermögen $aud, noeg weniger 
Wenfcgen mit igrer 3eit. ©leicgwogl ift unter beiben 
lefctere bad ©egäpbarfte. 

gunge Scute benfen gern, fie hätten fo Oiele 3 c 't 
oor fieg, bag fie baoott üerfegwenben fönnten unb noeg 
immer genug übrig begielten, fo »ie aroged Vermö* 
gen oft bie Öeute au oerberblicgerVerf^wenbungoer* 
führt gat. ©in fcgäblicger grrtgum, ben man alle* 
äeit bereut, atlejeit aber au fpät! 

geg empfegle bir bager biejenigen Winuten unb 
Viertelftunbcn ben Xag über, »elcge bie Seute für au 
fura galten, ald bag fie igre 9lufmerffamfeit oerbien* 
ten, unb bie boeg, »enn man fie am ©nbe bed gagred 
aufammenreegnete, einen beträcgtlicgen Xgeil3cU aud* 
maegen würben. 

©efebt aum Veifpicle, bu follft naeg Verabrebung 
um a»olf Hgr an bem unb bem Orte fein; bu gegft 
um elf aud, um üorger a»ei bid brei Vefucge a« wo* 
egen, ginbeft bu bie Seute niegt au $oufe, fo fegre, 
onftatt bie 3»iicgenaeit in einem ^aReegaufe, oieüeicgt 
gar allein, a« oerlieren, in beine feognung aurücf, 
fegreibe einen Vrief ober nimm ein guted Vucg a«r 
§anb. 

Viele tommen aUcrbingd auch bureg Sefen um einen 
arogen Xbeil igrer 3 e ^ • & cnn f* c l e f cn unbebeutenbe 
Vücger, abgefegmaefte Romane, in »elcgen Sßerfonen 
auftreten, bie niemald ein^afein gatten, unb ©mpfin* 
bungen, bie nie gefüglt »urben, mit ©cgwulft gefcgil* 
bert »erben, eitled, nicgtdbebeutenbed 3 CU 8' »elcged 
bad ©emüth niegt beffer nägrt unb bilbet, ald ber au 
©egaum gefcglagene 9tagm ben ficib nägren würbe. 


^ic Kranen nnb Wäbigcn bon ©rogiritannien 
jebed ©tanbep, 5llterd unb ©laubend, ieber ©ejell* 
f^aftdflaffe unb politifcgen Weinung »erben aufge* 
forbert, fieg einer genieinfamen ©abe on bie Königin 
bei ber Keicr igred Ütegierunadjubiläumd anaufeglie* 
gen ald 3eict>cn ber Xreue, aegtung unb Verehrung 
gegen bie emsige ^errfegerin in ber ©efegiegte, »elcge 
50 3agre lang bie Arbeiten unb Wügen ber 9teaie* 
rung unb bed öffentlichen Sebend ertragen, aüe 
fungeit, »elcge bad ©cgicffal einer grau auferlegen 
fann, bureggemaegt unb ald ©attin, Wutter, SBittroe 
unb Königin igrem eigenen Volt unb anberen 9tatio* 
nen ein leucgtenbed unb mafellofed Vorbilb geworben 
ift. ^ie ©oben foUen niegt unter einen Vennp unb 
niegt über einen ©ooereign betragen, bie Königin 
felbft aber über bie Verwenbung ber ©umme beftim* 
men. Unteraeicgnet ift biefer Aufruf oon 11 öerao* 
ginnen, 3 Warquifen, 2l©räfinnen 2 C. $ic©infamm* 
lung ber©aben »irb oon ben grauen ber©raffcgaftd* 
ftattgalter, Vorlamentd * Witglieber, Vürgermeifter, 
©c meinbeoorfteger, ©eiftlicgen, ©utdbefigcr unb öaud* 
eigetgümer in igren betreffenben Veairten beforgt. 



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266 


SotmtagrdjuUfthtiotun. 


§omttag fdjuC - Editionen. 


Sonntag, 1. 2ftai. 3 «racl in 

0 . $a min 3ofepb gcftorben mar, unb üfle feine ©rüber, unb i 
äße, bie ju ber gelebt batten; 

7 . ©Jutbfen bie ftinber 3$rael, unb aeugeten Äinber, unb mefc 
retenfid); unb mürben ihrer feßr biel, baß i^rer baä £aub Doß 
marb. 

8 . $a tarn etn neuer Äönig auf in Sgppten, ber mußte nichts 
boit ^ofepb, 

9. Unb fpradj 5« feinem ©off: Siche, be« ©olfS ber St inber 
3*racl ift Diel, unb mehr, benn mir. 

10 . ©oblan, mir moßen fie mit Siften bfimpfen, baß ihrer nicht 
fo Diel merben. $cnn mo (ich ein ftrieg erhübe, mochten fie ßch 


(Sjjljpten. 2 sKof. i, e--i4 

auch 511 unfern fteinben fdjlagen, unb miberunS ftreiten, unb 511m 
Sanbe aiK-jichen. 

11. Unb man feßte ftrobnDögte über fie, bie fie mit ferneren 
$ienften brüefen foßten; benn manbauetebem ©barao Oie ©täbte 
©itlion unb fRaemfeö ju Stfmßbänfrrn. 

12. 9 lber je mehr fte bas ©olf brüeften, ie mehr fidj e$ mehrete 
unb auSbreitete. Unb fte hielten bie Sfinber $«rael mie einen 
©reuel. 

13 . Unb bie ®gt)pter jmangen bie ffinbrr 33 rael an 3 ?ienft mit 
Unbarmhcraißfrit, 

14 . Unb machten ihnen ihr Sehen fauer, mit fchmemr Arbeit im 
2hen unb Siegeln, unb mit aflerlei jfröbnen auf bem frelbe, unb 
mit aßerlci Arbeit, bie fte ihnen auflegten mit Unbarmheraigteit. 


Giblifdjer ©runbgebanfe: ,,©r lieft fein Golf febr 
tuadjfen unb machte fte mächtiger, als ihre geinbe." 
Gfalm 105, 24. 

©mfettung. SflofeS ift fonber 3roeifel b<*r 9lutor, 
b. t). ber Schreiber biefeS GudjeS. Kap. 24, 4 wirb 
biefeS entfd)ieben auSgcfagt. Slucb Qefuö bezcidjnet 
in Sttarf. 12, 26,unb in fiuf. 20, 37 SttofeS als ben 
Schreiber. Tie genauen Kenn tniffe, welche berSlutor 
biefeS 8ucheS in betreff ber «Sitten unb ©ebräudje 
ber alten ©gbpter unb Der geographischen Sage ber 
finaitifdjen ©albinfel an ben Tag legt, beuten aud) 
auf 9KojeS. Tiefes Gucb würbe bemitad) wäbrenb 
ber Söiiftenwanberung gefdjrieben. 

Tiefe ßeftion fällt etwa in’S 3 a *J r 1580 u. ©br. 
© d) a u p l a ft ber fjier ersten ©reigniffe ift ©gpp* 
ten, namentlich baS fianb ©ojen. (Sin 3crtraum oon 
126 ift feit bett Gegebenheiten ber oorigen 

Seftion oerftrtdjen. S^raelS Sage, bie fid) bisher fo 
günftig itt ©gtjpteu geftaltet Ijatte, foll nun eine 
brüdenbe werben. 


©rflärang. 

8. 6. 3a!ob ftarb 17 Sab** nad) feiner SInfunft 
in ©gbpten. (Sr brachte fein weiter auf 147 Sabre. 
Sofepb war 110 Sal)** alt, als er aus biefem Seben 
fdjieb. 55 Qabre finb feit feinem Tobe bergangen. 
©ein 2ctd)nam würbe einbalfamirt unb fpäter, als 
bie 3$raeliten nad) ©anaan zogen, in jenes 2anb ge* 
bradit. ©o batte Sofepb eS ihnen bor feinem Tobe 
befohlen. SBelcb* gewaltige Geränberungen bewirft 
ber Tob in 50 ober 100 Qabren in einer $amilieober 
in einem Golfe, in einer ©tabt ober einem fianbe! 

ö. 7 . 2ttit biefem Gerfe beginnnt bie eigentliche 
©efebiebte bed Sluöaugö. ®ie S^ raeliten batten ftcb 
rafcb bermebrt. ©ie waren an einem Golfe heran* 
gewaebfen, welche^ jwei Sßiuionen ©eelen ^äblte. 
©o erfüllte ficb bie Gertjeiftung ©otteö, weldje er 
bem Safob gab, al^ er ibn nach (Sgbpten Rieben Ijieft. 
1 9ttof. 46. 3. SBir nehmen an, baft S^rael nur 215 
Sabre in (Sgbpten weilte. $ie in ber Gibel mehrfach 
erwähnten 430 S a bre beginnen augenfcbeinltcb mit 
bem 9Cu3ftuge 9lbrabant’ö au^ feinem Gaterlanbe, unb 
nicht mit Sßfob’d Slnfunft in Sgbpten. 57un hat man 
aber bie attöglicbfeit in grage gezogen, baft bie S^ s 
raeliten in biefem Hertraume ficb bermaften oermeb* 
ren founten. SSir fönnen un^ hier auf feine längere 
Gewcisfübrung einlaffcn. fjolgenbeä mu 6 ^ a her ge* 
nügen. 5. Ger£ lefen wir: „9111er©eelen, bie auä 
ben fienben Safob’ö gefommen waren, berer waren 


fiebenjig." 2)icfe ©ieben^ig bezeichnen offenbar nur 
bie 3ahl ber Ütinber 3afob^. ^3Die ©bhne hatten 
aber aud) 9Beiber unb Äinber. ©obann hatten fie 
Unechte unb 9ttagbe. Gunfen nimmt an, feien 
Zwilchen ein* unb zmeitaufeubGerfonen nach (Sgbpten 
gefommen. Sollte nun biefe Anzahl fid) nicht leidjt 
in 215 Sahreu bi^ zu Z*uei Millionen oermehrt haben 
fönnen ? 5)tefe rafd)e Germehmng war ihnen ja. Wie 
wir au^ ber oben angeführten ©teile feben. oon ©ott 
Oerbeiften. Gon 1672 bis 1887, alfo in 215 ftahren, 
wuchs bie Geoölferung ber Ger. Staaten oon 200,000 
bis zu 60 äRiUionen heran. 

G. 8—10. ©eit bem Xobe Sofeph’3 Waren bie 
©irtenfönige oertrieben worben, ©ine neue^buaftie 
oon Königen war entftanben. $>er hier genannte 
.^önig war aller SBahrfcheinlidjfeit nad) ^amfcS II. 
Tiefer toüftte nichts oon S°f c Ph- ^eS ÖeptcrenGer* 
bienfte um (Sgbpten waren fdjon ber Gergeffenheit 
anheinigefallen. Tie rafcheGermehrung beS fremben 
GolfeS erregte bie Geforgniffe beS Königs, ©r bc* 
fürchtete, eS fönne im Kriegsfälle fid) mit bem 3reinbe 
oerbinben unb fo ben Untergang feines 9teicheS h« r 
beiführen. Taher befd)loft er burd) fd)Were 3»uangS* 
arbeit baffelbe zu fned)ten. ©r hoffte baburch bcjfen 
fernerer Germehrung zu fteuem. 

8.11.12. Tiefe ^rohnoögte waren Wuffeher über 
bie zur 3iuangSarbeit Gerurtheilten. 3 n ^ eTl Ruinen 
oon Theben würbe ein ©rabgemälbe gefnnben. Äuf 
bemfelben wirb bie Gerwenonng oon gremben aur 
Seohnarbeit oeranfd)anlid)t. ©S finb nid)t*egt)ptifd)e 
Arbeiter barauf abgebilbet, welche mit R^ßeUtrei* 
chen bcfchäftigt finb. 3 ro ei egpptif^e 9lnf* 
(eher mit ©töden in ben ©änben fteheit habet. 
Hnerft müffen fie z^ei ©täbte bauen, bie als Gor* 
rathSfammern für ben ©rnteertrag bienen foflen. 
Tiefe ©täbte lagen in ©ofen. Tie SfSraeliten muft* 
ten nicht nur an ber ©rbauung biefer ©täbte arbeiten, 
fonbern (ebenfalls auchfchwere ©teuern bezahlen. 
Slber oergeblid) war ber Gerfuch, bie 3#*aeliten burdb 
harte Lohnarbeiten förperlich unb geiftig zu entfräf* 
ten. ©ott lieft fie trob aber Unterbrücfung wachfen 
unb tro^ aller SJUfthanolungen fich mehren. 

8. 18. 14. Tie Lohnoögte behanbelten fie auf’S 
©raufamfte. 9Jtit ©cpeltworten unb graufamen ©d)lä* 
gen festen fie ihnen zu. Tiefe unbarmherzige Kned)* 
tung währte 89 Sabre, ©ie begann nämlid) 93ab*e 
oor ber ©eburt Stbfis unb bauerte bis z«nx ÄuSzug, 
b. h- bis aJtofcS 80 Sabre alt war. 


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SonntogfdjuUfrkttonrn. 


267 


ftafttföe ©efeanfen. 

3m egfeptifipen Tienflbanfe. 

I. 30rae V9 ©rtoeilen. 

1. 3m SBotflergeljen. ©ine lange SRcilje oon 
3a^ren pinfcurd) festen ben f^^aeliten im Sanbe ©o* 
fen bie Sonne beS ©lücfS. Sie batten 9taum genug 
unb StapranflSmittel in Sülle, ©otteS Segen rupete 
auf ihnen. 3kfe rafdje Vermehrung murmelte in bie* 
fern Segen unb in einer beftimmten Zerbeißung. 1 
9Koi. 46, 8. ZtaS Söunber benn, baß fie in titrier 
$eit }o aablreidj mürben. Sin ©otteS Segen ift ja 
immer alles gelegen. Zermebrung ift ein 3 e ^ en 
göttlichen SBotjlroolIenS. Tie 17 9ÄiHionen Zrapmi* 
nen in 3nbien oermeljren fidj nur um 6 Z*ocent in 
10 3abren. Tie *mei Sttilltonert ©brifteit hingegen 
öermebren fiep um 85Zmccnt in bemfelbeit Zeitraum, 
©ine Urfacbe ift in ben Zerrungen ber ftieptepriften 
*um ©priftentpume ju finben. Tie anbere Urfacbe 
aber liegt in ber höheren ©eburtS* unb niebercit 
Sterberate unter ben ©haften, als bei ben §inbuä. 

2. 3 n b e r r a n g f a l. Tie Untcrbrücfung be* 
toirfte baS ©egentpeil non bem, rnaS fie, ber 5lnficpt 
beS ÄönigS gemäß, bemirfen füllte. 3^ ntehr man 
baßelbe brüefte, befto mehr öermeprete eS fiep unb 
breitete eS ficb awS- So pat ficp’S immer mit bem 
Zolle ©otteS. Zerfolgungen „gerätsen nur mehr 
*ur görberung beS ©OangeliumS." Zbil- 1, 12. 
Siebe aueb &pftg. 11, 19. Zerfolgungen brachten 
ben Slpoftel ZauluS nach 9tam ins Hauptquartier beS 
geinbcS. 3c größer bie Zerfolgungen, befto rafeber 
bie Sluebrettung. Taper baS unter ben erften ©pri* 
ften berrfebenbe Sprücbmort: „TaS Zlut ber SOtartt)* 
rer ift ber Same ber Äircpe." Sluf jebe ber großen 
©priftenoerfolgungen folgte eine rafebere Ausbreitung 
beS ©priftentpumS. So roirb’S bleiben bis an’S ©nbe 
ber Tage. 3 e f u§ faß* Pon feiner ©emeinbe: „Tie 

t forten ber Höüe follen fie nicht übermältigen." 

unqan’S 3$ilaer f fl k im H°nfe beS Auslegers einen 
2Rann, ber fid) ernftlicb bemühte, ein geuer auS*u* 
löfeben, inbem er SBaffer auf baffelbe goß. 3 e mepr 
er jeboep ba$ geuer auf biefe SSeife befämpfte, befto 
heuer brannte eS. TaS erfebien bem Züfler fonber* 
bar. Ta führte man ihn in ein anftoßcnbeS 3immer. 
flun aemaprte er, mie eine Z^fon bamit befebäftigt 
mar, baS geuer mit Del ju nähren. So nährt unb 
fdjüjt ber Herr feine Ä'ircpe. 

II. Vfcarto’0 Zolitif. Sie beftanb bar in, baS 
Zolfburcf? febmere grobnbienfte förperlicp unb gei* 
ftig *u entfräften unb babureb ipret Zermebriutg *u 
fteuem. 

1. Tiefe olitif mar unbanfbar. Tiefer 


Äönig mußte nichts oon bem3ofepb. Zielleicbt moUte 
er nichts oon ihm miffen. 3°f e Pb hotte unter ben 
Hirtenfönigen baS Sftinifteramt oermaltct. Tiefe 
HqffoS maren ©inbringlittge gemefen. Ter jefeige 
Äönig aber mar ein ©gppter unb jene HblfoSberrfcbaf t 
mar tbm oerbaßt. 2öie gnbioibuen, fo oergejfen auch 
Stationen oft ihre SBopltpäter. 

2. Tiefe Zolitif mar graufam. Siefcblug 
ein ganzes Zolf in Sflaoenfeffcln. Sie tannte fein 
©rbarmen. Solch' jelbftfücptige ^olitif ift immer 
penloS. Stapoleon fagte: „ZtaS ftitb mir punbert* 
taufenb Ztanfcpen mehr ober meniger." 

3. Tiefe fßolitif mar f nr* fiept ig. Ter 
Äönig batte faum ein mirffamcreS SÄittel ergreifen 
fönnen, um baS perbei*ufüpren, maS er befürchtete. 
Tie graufam gefueebteten g^raeliten batten ficb nun 
gan* gemiß, im gaile beS Krieges, *um geinbe ge* 
(cplagen. Seine Volitif überfeblug ficb. Sie mar ber 
Anfang bom ©nbe. Sie batte ben fcpließlicben Zer* 
luft beS gatten ZolfeS für ©gppten ^ur golge. 

III. ©raufatne Änerbtung. ©arum geftattete 
©ott biefe tjcr^lofc Knechtung feines Zolles? 2Bir 
beantmorten biefe grage breifacb. 

1. 3ur Strafe. TaS Zolf batte ^meifclSobne 
im ©liicf unb 28ot)lergeben oielfacb feinen ©ott oer* 
geffen. ©S batte ficb im ©roßen ben ©gpptern ^ttfebr 
gleirfjgeftedt. Tiefe Sünbe fonnte ©ott nicht unge* 
ftraft laffen. Tarin liegt ein ©runb ihrer barten 
Äneebtung. 3 ur falben 3eit ift ihre Änecptfcbaft ein 
Zilb beS SünberS. Tenn Sünbe ift Änecbtfcbaft. 
Sie ift innere Unterjochung. Sie ift jcbmacbooller 
Sflaoenbienft. Tie böfen fiüfte beS eigenen H^cnS, 
bie ungöttlidje SSelt unb ber Satan finb unbarm* 
bergige grobnoögte. 

2. 8 ur ©laubenSprüfung. Sie mar’S in 
einem b^b^n SKaße für bie grömmeren unter bem 
Zolfe. Tiefe Änecbtfcbaft mirb 5 Ztaf. 4, 20 ein „ei* 
ferner Cfen" genannt. 3 n liefern Schmelzofen läu* 
terte ©ott feines ZolfeS ©lauben. ©r läutert ihn 
im geuer ber Trübfal. 

3. 3ur ©ntmöhnung. fionnten’S bie 3Srae* 
Uten auch ba^umal nicht erfennen, fo miffen mirsboeb 
beute, baß jene 89jäbrige Änecbtfcbaft böcbft normen* 
big unb beilfam mar. S^rael’S ®er^ mürbe babureb 
oon ©gppten entmöbnt. Sie mürben millig gemacht, 
eS $u oerlaffen. ©S meefte bie Sebnfucbt nach Äa* 
naan. Sie lernten beten unb ipr Zertrauen auf ben 
Herrn fe&en. @o entmöbnt ber Herr noch beute fei* 
uer Äinber Her* oon ber 23elt unb meeft baS Heim* 
meb nach bem Himmel, inbem er fie bureb Äreu* unb 
fietben führt. 




Sonntag, 8. SJtaL 

^l. Unb ti ging hin ein TOann bom $aufc ßebi, unb nahm etne 
lothter ßebi. 

2 . Unb bab ®eib warb fAmanger, unb gebar einen ®obn. Unb 
ba fte fahe, ba§ eÄ ein fein Rtnb mar. oerbarg fte ihn brei Wonben. 

3 . Unb ba fie ihn nifbt länger neroergen tonnte, machte fie ein 
Ääftletn »on Stohr, «nb oerflebte e« mit Xhon unb $ech, unb 
legte ba& Sbinb brein, unb legte ihn in ba« Schilf am Ufer be* 
»affer«. 

4 . Uber feine ©«hwefler ftunb hon ferne, ba§ fee erfahren motlte, 
»ie «ifjm geben mürbe. 

5 . Unb bie Xodjter ZhAtao ging hrcnieber. unb moUte haben 
im fBaffer; unb ihre Jungfrauen gingen an oem 9 ianbe be« SBaf= 
ieri. Unb ba fee ba« Haft lein im ©«hilf fahe, janbte fie ihre 
Wigb hin, unb liefe e« holen. 


2 SRof. 2, 1-10. 


6. Unb ba fte ei aufthat, fahe fie batftinb; nnb fiehe, ba« 
Änäblcin meinete. ®a lammerte ei fie, unb fprach: C* ift ber 
ebräifchen Äinbletn ein«. 

7. $-a fprach feine SchmefterAU ber Icchter Zharao: ©eil ich 
hingehen, unb ber ebräifchen SBeiber eine rufen, bie ba fäuget, 
bafe fie btr ba« Äinblctn fauge? 

8. 35ie Tochter Pharao fprach *u ihr: @ehe hin. $ie Jung* 
frau ging hin, uitb rief be« Itinbe« ®tuttir. 

9. $alprad) Pharao Xcchtcr au ihr: 9iimm hin ba« Äinblein, 
unb fäuge mir 1 «; ich Witt bir lohnen, ffca* ®eib nahm ba« 
ftmb, unb fäugete e«. 

10. Unb ba ba« Äinb grofe marb. brachte fie eS berXcchter^ha* 
rao, unb e« marb ihr Sohn; unb biefe ihn wofe, beim fie iprad): 
Jch hübe ihn au« bem ®affer gezogen. 


2 )a« Äiitb SWofef 


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268 


Sanntagf^uhfektkiieiu 


©iblifspet ©runbgebanfe : „Der §err behütet bicp." 
fefalm 121, 5. 

(finleitung. 3R o f e mürbe 1571 ü. ©pr. geboren, 
inberSRäpe Oon DaniS, auch 3 0an genannt. ©S 
war bieS bie im nörblicpen ©ofen gelegene Jpaupt* 
ftabt, wo SRamfeS II., ber mutpmaßliche König biefer 
feeriobe, feinen Aufenthalt napm unb große ©au* 
rnerfe jur feefcftigung unb ©erfcpönerung anlegte, 
©r patte bie ©icptigfeit biefeS „ScplüffelS oon ©gpp* 
ten" erfannt. ©S galt benfelben gegen ©inbringlmge 
$u behaupten, gegen bie fcmitijcpen ftiebergelajfenen 
beS ©aueS ju bemalen unb $u AuSjügen nacp Sp* 
rien *u oermertpen. 

aiäcpft QefuS ift 3RofeS ber größte aiame in ber©e* 
fcpicpte. ©r ift ber größte Staatsmann unb ©efeß* 
aeber, ben bie ©eit aufjumeifen pat. ©r ragt über 
aRupammeb, ja fogar über feauluS empor. AIS ber 
oon ©ott berufene ©rünber ber jübifcpen ^Religion 
macpt fiep fein ©influß nid)t nur unter ben 6 3RiUio* 
nen 3 uben, fonbern in ber gefammten cpriftlicpen 
Kircpe fühlbar. Die heutige Seftion erstattet feericpt 
über ben feeginn feiner irbijcpen ©aüfaprt. 

©rflärung. 

©. 1. tiefer 3Rann mar Amram. Die Jungfrau, 
mit ber er fiep oermäplte, pieß 3 ocpcbeb. sie maren 
beibe aus bem Stamm Seüi. 

®. 2. 3. DiejeS Kinb, beffen ©eburt pier bericp* 
tet mirb, mar üRofeS. Der fünftige Befreier feines 
©olfeS begann fein Dafein $ur 3^it ber pärteften ©e* 
brürftmg. Kelter als 3Rofe maren nacp 2 aRof. 7 , 7 
fein ©ruber Aaron unb feine Schmefter aRirjam. 
Kur^ bor ber ©eburt 3Rofe patte ber feparao befohlen, 
bie neugeborenen 3Sraelitenfnaben in ben afilftrom 
*u merfen. Drei aRonate lang magte eS Qocpebeb, 
Die aRutter beS ÜRofe, biefem ftrengen 5Befeple 511 
tropen. Sie berbarg baS burep fein liebliepeS Aus* 
fepen oieloerfptecpenbe Kinb im öaufe. ©nblicp je* 
bocp glaubte fie baS Kinb nicpt mepr ftcper unter bem 
elterlichen Dacpe. Der Späperaugen gab’S $u biele. 
Sie rniü’S bem Sfcil übergeben. Aber nicpt auf bie 
bom Könige befohlene ©eife. 

Die aRutterliebe ift erfinberifcp. Auf bie §ülfe 
beS $ö<pften oertrauenb, miH fie nocp einen ©erfucp 
macpen, baS Seben beS KinbeS ^u retten. AuS ben 

S appruSftauben macpt fie eine fleine Arcpe. 3Rit 
rbparj unb feecp oerfittet fie bie Arcpe, bamit fie 
mafferbtcpt merbe. Sie fefete baS Heine SRettungSfcpiff 
mit bem Kinbe aus im Scpilf am Ufer beS Stromes. 
Dies gefcpap, bamit baS Scptfflein bor bem ©egtrei* 
ben bemaprt bleibe. 

C. 4. aRofe patte nur eine Scpmefter, rnie’S 
fcpeint. 3Ritpin mar’S aRirjam, bie ipn bcmacpte. 
^ebenfalls patte ipr bie aRutter ben Auftrag ba$u ge* 
geben. Sie ftanb bon ferne, um ben 3^^ ipteS 
DortfeinS nicpt $u berratpen. 

®. 5. Die Docpter feparao’S mirb in ber jübi* 
fepen Sage DpermutpiS ober SRerrtS genannt. DaS 
©aben ber popen Dame im afil pat man mit Unre^t 
angefoepten. Die ©gppter legten auf’S ©oben im 
peiligen Strom geraoe einen popen Söertp. Die 
„Sungfrauen" maren §offräulein berferinjeffin. Die 
babenbe ferin^effin felber entbedte baS Ääjtlein, ließ 
eS burep tpre aRagb polen unb öffnete eS mit ipreu 
eigenen §änben. DaS fepöne, aber mimmembe Änäb* 
lein rüprte ipr graueitpera unb medte beffen 9Ritleib. 
Sie ift fofort entfcploffen, nicpt nur beS $inbeS Sehen 
ju retten, fonbern eS an $inbeS Statt anjunepmen. 

®. 7—9. aRirjam patte nicpt umfonft gemaept. 
Sie fap baS $ujjinben ipreS ©rüberleinS unb mar 


fofort bei ber ßanb,umbie jebenfaHS bon ber 2Rutter 
ftammenbe Anfrage m macpen. Daburcp mürbe baS 
le^te ©ebenfen, melcpeS bie egpbtifcpe ferimefftn nocp 
haben moepte, befeitigt. Der SSeg mar ipr gezeigt. 
Sie fonnte baS Shtäblein aboptiren unb eS burep eine 
QSraeliterin großjiepen laffen. DaS leuchtet ipr ein. 
Sie befieplt ber aRirjam, etne iSraelitifcpe aRutter per* 
beijufepaffen. Diefe ruft nun bie uRutter unb bie 
ftönigStocpter übergibt ipr ben Säugling, bamit fie’S 
nähre unb pflege. 

©. 10. atoepbem bie ferinjeffin ben ginbling burep 
beffen aRutter patte fäugen unb jum ftattlicpen Äna* 
ben er^iepen laffen, napm fie ipn anSopiteS Statt an. 
2lm §ofe mürbe er nun in aller SBeiSpett ber ©gppter 
unterrieptet. aipftg. 7, 22. ®ntmidelung PeS 

jungen 3Rofe mar bie ?lrt feiner ©rrettung oon poper 
©ebeutung. Sie füprte ihn bapin, roo er bie nötpige 
©orbilbung -^u feinen fpäteren Seiftungen auf bem 
üielfeitigen ©ebiet ber ©olfSfüprung unb ©efeftge* 
bung erpielt. Die $önigStocpter legt bem jugenb* 
liepen 3Rofe ben egpptifcpen atamen „aRoufcpe" bei. 
Diefer a?ame bebeutet „ber auS bem ©affer ©e^o* 
gene." Da aber ber §erauSge;jogene jum £erauS* 
Pieper mürbe, fo öermanbelte fiep fein 37ame oon 
SRoufcpe in 3Rofcpe. 

ißraftifipe ©ebanfen. 

DaS ©alten ber treuen ©otteSpanb. 


3 ?n biefer ganzen ©r^äplung mirb ©ott nicpt ein 
einziges aRal nampaft gemaept. 3£ocp mepr, mir pö* 
ren nicptS oon ©ott bis lange pemaep. ©rft alS3Rofe 
etma 80 3 a P re & cr ^utor ©ott als 

panbelnbe feerfönlicpfeit ein. ©r berieptet uns bann, 
mie ©ott bem 3Rofe im brennenben ©ufep am öoreb 
erjepien. panbelnbe 3Renfcpen merben m ber Seftion 
genug eingefüprt. Die aRutter, baS ^inb, bie Scpme* 
fter, bie Königstochter, bie Äoffräulein unb bie 3Ragb, 
fie tauepen aue naep einanoer oor uns auf. ©otteS 
aber aefdpiept teme ©rroäpnung. Unb bocp, mer füpllS 
nicpt perauS, baß gerabe biefer unermäpnte $err JfS* 
raelS bie centTale, alleSbeperrfcpenbe 5jg ur biefem 
peiligen SebenSbrama ift? 3 n ber ©ejepiepte unferer 
Seftion fepen mir beutlicp baS ©alten ber aUmäcpti* 
gen, ber treuen ©otteSpanb. 

I. 3n Kmraut'S #aufe. ©S mar ©ott, ber baS 
Kinb SRofe gerabe *u ber 3^t unb in bem $>aufe baS 
Sicpt ber ©eit erbliden ließ, ©r pflanzte bie aRutter* 
liebe in baS $en ber go^ebeb. ©r medte unb näprte 
in ipr ben ©tauben an feine ©erpeißung. ©r gab ihr 
bie ©ebanfen ein unb micS ipr ben ©eg, auf bem ipr 
Kinblein gerettet merben fonnte. @r fap baS grau* 
fame ©orgepen beS übermüthigen Königs, ©r pörte 
aber auep baS Seufzen unb ©ejeprei feines geplagten 
©olfeS. ©r mill bie ipnen gegebenen ©erpeißungen 
erfüllen. Sie foUen auS ber ©emalt iprer ©ebrüder 
gerettet merben. DiejeS Kinb berief er, bamit eS ber 
güprer feines ©olfeS auS bem Dienfthaufe merbe. 
aiiept 3ufall mar^S, fonbern beS treuen ©otteS ^anb, 
bie fiep hier offenbarte. 

DaS ©alten biefer ftarfen unb treuen ©otteSpanb 
erbliden mir auep im Sehen anberer 3Renfcpen. ©S 
mar fein 3ufaU, baß SRebeffa mit bem Kruge baper 
fam, als ©liefer am ©runnen ftanb. DaS ©ebet beS 
frommen KnecpteS foüte erhört unb bem Sfaaf ein 
©eib, mie er eS beburfte, befepeert merben. 

©S mar nicpt 3ufaE, fonbern eine gügung ©otteS, 
baß Stotofc bem Sofepp einen bunten »lod macpen 
ließ. Durcp ben veeib ber ©rüber foüte 3°fepp uaep 
©gopten oerlauft merben. Dort foüte er ju popem 
ainfepen gelangen, bamit baS öauS feines ©aterS in 
ber^ungerSnotp gerettet mürbe. 


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SonntagfdjuHehtiontn. 


269 


©3 mar niept gufoü, fonbern ©otteS Rügung, bog 
bei oon bem fprifcpen Söogenfcpüpen auf’s ©erabe* 
wopl abgejepoffene v J$feil ben ftönig 2lbab ämijdien 
Sanier unb §engel traf. Wpab joute fterben. 4>ie 
#unbe füllten fein ©lut leefen, wie ber §err eS ipm 
burep ben Siuub beS ißroppeten üertünbigt t^atte. 

©s mar nietet 3ufafl, fonbern göttliche Sügung, bag 
^pilippuS bem Äämmerer auS Stoprenlanbe begeg¬ 
nete. SJer ©eift ©otteS felbft wies ipm ben ©eg, auf 
bem er ipn finben füllte. $er Äämmerer füllte jenen 
Sepmer$enSmann finben, bün bem er im $roppeten* 
buep 3efaia gelefen patte. ©r füllte burep beffen 
©unben peil werben unb ferne Strage fröplid) bapin 
Sieben. 

II. Um UferbeSftilS. ©erwar’S,ber bieÄönigS* 
toepter gerabe jur reepten Qcit an baS Ufer beS ©af* 
ferSfüprte? Sie fam meber ju fpät noep au früp, 
um bes ÄtnbleinS Retterin $u werben. ©er mar’s, 
ber fie an ben reepten Drt füprte, bag fie baS Änäb* 
lein finben mugte? ©er lentte ipr rluge auf baS 
fdjmimmenbe Ääftcpen? ©er lentte ihr ba$ §era, 
bag eS burep beS ÄitäbleinS ©einen gerüprt mürbe ? 
©er maebte fie willig, baS Äinb $u aboptiren unb eS 
ber oon Stiqam perbgwerufenen 3$raelitin aniuoer* 
trauen? Äein 3 u f a « 1 2 3 4 5 6 roar’S, fonbem eine gugung 
be$ aDweifen ©otteS. @r leitete ben ©ang ber ©rin* 
jeffin unb lentte ihr $er$, bamit fein Katp unb ©iUe 
UÄan biefem Äinblem crfnßrn füllte. 

©S ift bem $)erm ein ßeiepteS, bie *piäne ber ©ott* 
lofen $u bereitcln. Um eS $u tpun, ift er niept ge* 
jungen, ein ©unber au wirten. 3 ” be* Kettung 
Stofe würbe ber göttliche ©ide ooüaogen unb boep 


■i-f 


bem ©itten ber panbelnben ©erfonen teine ©cwalt 
angetpan. $uf ganj natürliche ©eife würbe 9Jtofe 
burep bie ÄönigStocpter gerettet, ber Siutter $ur ©er* 
pflegung übergeben, bon ber ^nnaefftn an ÄinbeS 
Statt angenommen unb in golge biefer Knnapme in 
aller ©eiäpeit ber ©gppter unterrieptet. So burep* 
treust ©ott beS graufamen Königs ^ßlan burep beffen 
eigene Jocpter, aber auf gan$ natürlicpem ©ege. 
©ott fängt bie ©ottlofen tm Ke$e, melcpeS fie feloer 
geftellet paben. $j. 9,16.17. 

III. Jn $parao’0 $alaffe. ©ar eSbloger 3ufaH, 
•bag ber ftnabe unb 3üngling am §ofe $parao% un* 
ter beffen klugen unb in beffent ^ßalafte erlogen wer¬ 
ben mugte? Kein, eS war eine gfigung ber treuen 
©ottespanb. Stofe joHte in aßen ©iffenfepaften ber 
©gppter auSgebilbet werben, ©r füllte ber tünftige 
©efepieptäfepreiber ber Sepöpfung unb ber fünf ©üeper 
peiliger Urfunben werben, ©r fotUe ein §eerfüprer 
unb ©efepgeber werben. $a$u gepörten ©ilbung 
unb Äcnntniffe. ©gpptifipe ßeprer unb egpptifcpeS 
©elb müffen ihm au biefeit üerpelfen. 

©ie tröftlicf) bie ©aprbcit, bag 5UIe8 unter ber 
Seitung ©ottcä ftc.pt. Xa^ ©alten ber treuen ©otteS* 
panb tritt auep in beinern ßeben su Xage, wenn bu 
nur offene 2lugen paft, um e3 ju fepen. ©S ift nidbtd, 
gar mcpt§ in beinern Seben bem 3 u f°ü unterworfen. 
©8 ftept KUe8 unter ber Sügung be8 treuen, allbarm* 
per^igen ©otte8. ©ertraue bu ipm nur getroft in 
jeber ßebenälage. 5>emt 

JB&tx @ott f bem «Herbbtbflen, traut, 

$er bat aur feinen ©anb gebaut." 

*rc -» H> -- 


Sonntag, 15. SJtai. SWofC# ScUlflltltt. 2 Stof. 3,1—12. 


1. Wofe aber hütete ber ©tpafe ^ctfiro, feine« be« 

trieft er« in Sltbian, unb trieb bie ©d»afe hinter in bie ©fifte, 
unb fam an ben ttera @otte« ^oreb. 

2. Unb ber (Snael be« fterm erfebien ihm in einer feurigen 
Wamme au« bem ttiufd). unb er fabe, baß ber 9uf(p mit &euer 
brannte, unb marb bodj nicht beraehret. 

3. Unb fprad): 3d) min babin, unb befeben bieg grobe 0efubt, 
fcarum ber ©uj(b nicht üerbrennet. 

4. $a aber ber ^err fabe, bafe er btngina au feben, rief ibm 
@ott au« bem SBufch/ unb fprach: ®tofc, Stofe f ffr antwortete: 
pte bin ich. 

5. Sr fprach: Xritt nicht htr«u, «euch beine Schube au« oon 
beinen ^ü§en; benn ber Crt, ba bu ouffletjeft, ift ein heilig 
Vanb. 

6. Unb fprach weiter: ftdj bin ber @ott beine« Bater«, ber 
«ott «brabam'«, ber ®ott (Jfaat'«, unb ber @ott ^fafob’S. Unb 
Wofe oerhuUete fein ttngeftdjt, benn er fürchtete ftch (Sott anau- 
f (bauen. 


7. Unb ber $err fprach: 3<h habe gefehen ba« fflcnb meine« 
»olf« in (fgppten, unb habe ihr (Sefchrei gehöret über bie, fo fie 
treiben; ich bab ihr tteib ertannt, 

8. Unb bin bemieber gefahren, ba§ ich fie errette Don ber ttgbp* 
ter ^anb, unb fie auofübre au« biefem fianbe, in ein gut unb weit 
fianb, in ein ßanb, barinnen »tileb unb J^onia fleufit; nämlich an 
ben Ort ber ttananiter, Hethiter, «moriter, SbPtffiter, ^ebiter 
unb ^ebufiter. 

9. ©eil benn nun ba« ©efchret ber IHnber ^«rael bor mich 
fommen ift, unb b«b auch baau gefehen ihre «ngft, wie fte bie 
ffghptcr äugften; 

10. So gebe nun bin, ich wtU bich au Sharao fenben, bah bu 
mein Bolt bie IHnber iwraet au« ttgbpten fübreft. 

11. Wofc fprach au @ott: ©er bin ich, bah ich «u $harao gehe, 
unb führe, bie Äinber 0«rael, au« Cghptcn? 

12. Cr fprach: »uia mit bir fiiu. Unb ba« fott Dir ba« ßei* 

en fein, bah ich bich gefanbt habe: ©enn bu mein ©olt au« 

gppten gefübret baft, werbet ihr Öott opfern auf btefem Berge 


tHMifiper ©runPaePanfe : „34 tnin mit beinern 
Stunbe fein unb biep lepren, wa8 bu fagen foßft/' 
2 TOof. 4,12. 

©tnfeüuug. 5)ie ©ibel cr^äplt un$ nur eine Xpat 
au8 Stoje’8 ßeben am $ofe. 5;iefe Xpat ift aber eine 
bebeutfame. Sie jeigt un8, bag er trop feiner popen 
Stellung fid) feiner ipertunft niept )d)ämte. 2lucp am 
fcofe bewaprte er fernen ©rübern etn warme8 ^erj. 
Ä18 er 40 3 a *> re Wör / er f4tug er einc$ Jageö 
einen unbarmperjigen grohnoogt. fap. 2,11. 12. 
Xaburcp oerrietp er ben fünftigen ©oltebefreier, aber 
no* feineöweg« ben gottberufenen ^Sroppeten. 

Kacp biefer 3;pat war feines ©leibenS in ©gppten 
niept. ©r flop oor ©parao’S 3orn in^ ßanb Stcibian. 
©r fanb eine ßeimatp tm füboftlicpen $peü ber finai* 
tifepen ipalbinTel. ©$ panbelt fiep pier alfo nur um 
einen 3weig beS SttbianiterftammeS. 5>er eigentliepe 


Stamm patte feinen Sip öftliep oom ©olf oon Slfaba 
bis na^ Stoab pin. ©in mibianitifeper ©riefter nahm 
ipn in feinen $ienft unb gab ipm feine Xocpter 3 l p* 
pora 5 um ©eibe. 40 ^apre lang weilte er, Wirten* 
bienfte Oerricptenb, in Stibian. ©äprenb biefer 3eit 
würben ipm iwei Söpne geboren. Ten ©rftgebore* 
nen pieg er ©erfom, b. p. grembling. iSlsgrembling 
füplte er fiep unter ben Stibianitcm fortwäprenb. 
^en ^weiten Sopn nannte er ©liefer, b. p. ©ottpilf. 
2>ie Hoffnung auf©otteS §ülfe war alfo m ipm uoep 
niept erlofcpen. Stofe war 80 3ap*e ölt, als bie pier 
berieptete ©erufung ftattfanb. 

©rfläruna. 

©. 1. Stofe’3 Sepwiegeroater pat jwei Kamen, 
ier peigt er 3 e *pro, Map. 2, 18 aber Keguel. 3)er 
rftere war fern reepter Kante; ber ßeptere, wcleper 
„©otteSfreunb #/ bebeutet, war ber ipm beigelegte 


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270 


2onntagfd)ul*!tkH«ntn. 


©ürbenamc. $ie SWtbianiter maren Wacpfommen 
beS vierten SopneS SlbrapamS unb ber Ketura, roel- 
eper Wtibian pieß. 1 StUof. 25, 2. $aS (Seficpt, in 
meinem Wtofe mit feinem $ntt betraut mürbe, fepaute 
er am Perg iöoreb ober Sinai. 

®. 2. 3. Siejer „(Ingel beS $errn" mar niept eines 
ber erjepaffenen £icptroefen, fonbern ber SBunbesengel. 
ds mar bie zmeite perfon in ber heiligen 2 )reieirtig* 
teil, (X^riftud jelbft, ber Da ift (Sott über 2WeS, gelobet 
in dmigfeit. Xie gorrn ber pier berichteten drfepei* 
nung mar nicht eine ntenfcplicpe, fonbern eine elenten* 
tare. dine geuerflamme bot fich bem PlicfeWJofe bar. 
Sie ftieg aus einem Xornftraucpe auf. 2Wein fie 
berührte ihn nidjt unb erroieS fich baburch als etmaS 
UebernatürltcpeS. Sie mar Das Sinnbilb göttlicher 
(Segenroart. Sie öeranfchaulicht baS SÖuitber beS 
PunbeS, ber burch Wtofc follte vermittelt merben: 
bas Söopneit (SotteS in feinem fünbigen Polfe, ohne 
cS Durchfeine $eiligfeit zu berühren. $er aufflant’ 
menbe feornftrauep erregt Des Wtofe Weugierbe. dr 
mochte ahnen, Daß er’S pier nicht mit einer bloßen 
Waturerjcpeinung, fonbern mit einem (Seficpte z u 
tpun höbe. 

®. 4. 5. Wach bem $omftraucpe eilt ÜJlofe. Sich 
ihm näl)ernb, ruft ihm eine Stimme aus bem bren* 
nenben Strauch entgegen: „SWofe, Wlofe!" 2)er $err 
mar maprjdjeiulicp Wiemanbem erfreuen, feit gafob 
nach dghpten 30 g. 2US nun SWofe baS Wennen teiltet 
WantenS aus ber glamme herauf bernimmt, ba über» 
rafept eS ihn. gft er auch tn etmaS geftür^t, fo ahnt 
er hoch, mit mein er’S pier 8 U *pun P^- Schnell 
gefaßt, ermiberte er: „Jpie bin ich." $te Schulde, 
melche Wtofe ber göttlichen gorberung gemäß auSzie* 
hen mußte, maren Sanbalen. Sie beftanben einfach 
aus lebernen ober auch harnen Sohlen, bie Durch 
Wiemeit am guße feftgebunben mürben. d)aS Wus* 
Ziepen ber Sanbalen, ehe man ^eilige Stätte betrat, 
mar gebräuchlich bei ben dgpptern, guben unb ift’S 
nod) bei ben Wtupantmcbanern. ds mar baS 3eichen 
ber dprfurcht unb Demutb. dS hotte zumal biefelbe 
Pebeutung, mie baS dntblößen beS jpaupteS unter ben 
dpriften heutzutage. 

$. 6. 3)er £>err tünbet fich bem Wtoje als ber (Sott 
feiner Pätcr, ber Patriarchen, an. s JWit ihnen hotte 
er einen Punb gefdjloffeit. s JWofe oerhüllt, im ttefen 
(Sefüpl feiner Unmürbigfeit, jein §aupt. So dliaS, 
1 tön. 10,13.; So bie dr^engel oor Glottes Xpron, 
3cf. 6, 2. 

$. 7. 8 . (SotteS 9luge ftanb unermüblich machenb 
über feinem Polfe offen, dr horrete nur, bis bie 
red)te Stuube fcplüge, um fein Polf zu erretten. d)iefe 
Stunbe mar gefommeit. d)enn bie achtzigjährige 
Pebrücfung hotte eS zu 2 >em auffchauen lernen, oon 
melcpem allem Weitung tommen tonnte, drlöfen 
mill er’S nun aus ber Knecptfcpaft unb in’S berheißene 
ßanb einführen. 

®. 9. 10. ©ter theilt (Sott bem 9Wofe ben groeä 
feiner drjd)einung mit. dr foll fein (Sefanbter an 
Pharao unb ber gührcr gfraelS aus bem ®ienft^ 
hauje fein. 

$.11.12. treulich mirb ber SSiberftanb a^ofe’S 
gegen biefe Berufung bargeftellt. dr macht allerlei 
Üöcbenfen unb ©egengrünbe geltenb. 2 lber eS hilft 
ihm alles nicht. £er öerr mmbet fie ihm alle ber 
Weihe nach ouS ber §anb. 

Praftifdjc ©ebanfen. 

itofe’l Smtfung. 

I 35er flammenbe ^ornftramh. Unter allen Wöl* 
tern hotte baS geuer etmaö bie ©ottpeit Perfinnbilb^ 
lichenbeS. %n ber Pathologie ber gnbier ift Wgni 


ber dlott beS geuerS. dr mirb als $ouptfchuSgetft 
berehrt 35ie Öraminen opfern ihm auf ihren $aus* 
altären zof^fr ©eppaiftoS in ber griechifchen unb 
$ulcan m ber romitchen dötterfage maren geuer* 
götter. 2luch P^oloch, ein ®ö^e ber Wmmoniter unb 
Pioabiter, mar ^arftellung bxefer gbee. gm alten 
$unbe offenbarte fich @ott nicht nur f^ter, fonbern 
auch fonft poußg im geuer. 2lm Sinai, tap. 19, 18.; 
bem Ptonoagh, Wicht. 13, 20.; bem Daniel, 5)an. 7, 
9.10. gm Weuen Xeftament mirb er ein bekehren* 
beS geuer genannt, §ebr. 12, 29.; baS fiiept ber ^öelt, 
gop. 8,12.; baS maprhaftige Sicht, goh. 1, 9. Unter 
allen materiellen Gingen ijt nichts fo geeignet, (Sott 
barzuftellen, als baS geuer. dr ift jo hell unb rein, 
fo jchrecflich einerjeits unb Doch fo tröftlich anbe* 
rerjeits. 

Wicht nur im geuer offenbarte fich ®ott bem 3Rofe, 
fonbern im flammenben Xornjtrauche. gn biejer 
Beziehung ftept bie Offenbarung einzigartig ba. ds 
gejehap bicS nicht nur, um jeine 2lufmertfainfeit zu 
tejfeln, fonbern um ipn unb uns zu belehren. Xer 
jlammenbe ^)omftrauch leptt: 

1. (SotteS 3Beije ift nicht ber Sttenfchen 
iß e i f e. 2>ie Weigung ber ptenjepen ift, mögltchft 
biel prunf zu treiben. (Sott htugegen ift bem prunt* 
treiben abbolb. dr entfaltet nicht feine ganze Jperr* 
liefert, dr erhellt mit feinem unerträglichen (Sianze 
nid)t baS ganze §orebSgebirge. Wein, er offenbart 
fiep in einer fleinen glainme. dr bebient fiep etneS 
nieberen, beraepteten 3)ornftrau^S. ißie mapr ift’S, 
mas pauluS fagt, 1 dor. 1, 26—29. Spelten ruft er 
burep ein ißort m’S 3)afein. Königreiche zerftört er 
mit einem $>aucpe. Pernuttclft Speicpel uub drbe 
gibt er etnem $nnbgcborenen baS (Seficpt. Piit etli* 
^cn gifepern beginnt er bie droberung ber 3öelt. 

2. i) a S g ö 111 i cp e d r b a r m e n. dr beDient 
fid) beS unaniepnlicpen 35ornftraucpS, aber zerftört ipn 
niept. (Sott erbarmt fiep aller jeiner (Sejcpöpfe. Un* 
nötpiger iöeife tput er Keinem Sepe. dr forgt für 
bas geringfte äBürmcpen, tleibet bie Silie aut bem 
gelbe unb läßt opne feinen SBiUen feinen Sperling 
auf bie drbe fallen. 

3. (Sott ift feiner Kircpe Scpu^. ©ott mar 
in bem ^ornftrauep, baper mürbe er mept bom geuer 
oerzeprt. So mar er mit feinem beörängten $olfe 
in dgppten, baper unterlag eS uiept. dr mopnt in 
feiner K'ircpe, baper tonnten bie Pforten Der iQölle fie 
bisper niept übermältigen. SBeil er biefelbe idpüpte, 
baper ging biefelbe bisper fiegreicp aus allen stfertol* 
gungspürmen perbor. 

II. Inf heiligem ©oben. 

1 . SWofe nähert fiep bem brennenben 
$ 0 rnftrauepe. dr mar ein gebilbeter Wtann. 
2 )ieje munberbare drfepeinung meefte feinen gor* 
fd)ungStrieb. (Sott pat uns zmei $ücper gegeben — 
bie $ibel unb baS $ucp ber Watur. Äöir Jollen niept 
nur in bem erfteren, jonbern auep in bem lefcteren 
$ucpe forfepen. 2)aS Pucp ber Watur liegt bor bem 
$lide beS s Jütenfcpen fepon feit gaprtaufenbeit aufge* 
jcplagen. ds ift in großen perrtiepen 3 ufl cn öefdprte* 
ben. gorfepe in bie|em $ud)e. 

2 . Süd 0 f e pört feinen Warnen rufen, gefct 
bemächtigt fi(p feiner bie Ueberzeugung, baß er’S pier 
mit feiner bloßen Waturerfcpeinung zu tpun pabe. 
dine göttliche Offenbarung foll ipm zu Xpeil merben, 
mie epebem feinen Worbatern, bem s 2 löain, $eno^, 
Woap, Wbrapam, gfaat unb gafob. Wajcp beionnen 
unb jcpncll gefaßt, fteUt er fiep bem jjperrn zur Per¬ 
fügung. gn bem „Jpier bin td)," befunbet fiep billig¬ 
ten zu pören unb zu tpun. Petbe digenfepaften müj- 


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SonntagrdiuUfthtionrn. 


271 


fen and; wir beftfcen, foH bet §crr fid) unjern Seelen 
offenbaren. Söir müfjcn feine ©timme hären unb 
ihrgehorfam fein. 

3. Atofe muß feine ©diuhe auSjiehcn. 
Sn tiefer ©htfurd)t füllte er fid) bem §errn nahen. 
Sag ^eilige muß un$ heiüfl fein. Söenn wir uns im 
©ebetejuöott nahen, fo folTS ftets in ehrerbietiger 
Eemutb aefdjehen. S)iefe (£ljrfurd>t üor bem ©öttli* 
djen foU fid) befunben in ber £>anbt)abung ber ©ibel, 
im ©ebraud) ber göttlichen tarnen unb im §aufe 
dotteS. 

III. $er göttlidje Auftrag. 

1. SB o r i n biefer Auftrag beftanb. 5Rad) 
dgppten $u gehen, oor ©barao $u treten unb QfraclS 
Befreiung $u forbern. £aS mar feine Icidjtc Auf* 
gäbe. $er adjtAigjahrige Atofe burfte fid) bei ber 
Ausführung biefes Auftrages feine bequeme Sage 
üerfpredjen. Ser Xicnft ©otteS forbert immer 
6elbftoerlcugnung unb treu$eSaufnahme. 

2. TOof e erhebt (Sinmanb. SB. 11. ®r fühlt 
feine perjönliche Untüchtigfeit, $ie fähigften Aten= 
fd)en ftnb in ber Siegel auch bie bemüt!)igften. Ser 
große Rcmton fam fich bor mie ein itinb, mclcheS 


Atufdjeln am ©tranbe beS SSahrheitSmeereS fammle. 
©emußtfein ber eigenen ©d)Wäd)e in ©erbinbung mit 
unerfd)ütterlid)em Vertrauen auf ©ott macht irgenb 
einen Atenfdjcn tüchtig für bie ihm oom $errn auf* 
getragene Arbeit. 

8. feie ber öerr Atofe’S ©ebenfen be* 
f e i t i g t. (Sr gibt bemfelben bie ©erfidjerung, baß 
er mit tbnt fein merbe. SaS follte immerbar genü* 
gen, um alle unfere ©ebenfen htnmeg^uräumen. Senn 
tft ©ott für uns, mer mag miber uns fein? 

Anbentitngen für Äleiufinberflaffen. 

Ser fiehrer mache fid) mit ber ÖJefd)id)tc bertraut 
unb erzähle biefelbc in beit aflereinfachfteu.feorten, aber 
möglidfft anjdjaultd). 1. ©djilbere baS lieben am 
£>of. Atoie mußte biel lernen. 2. ©cfdjreibe bie 
Urfacbe, marum er aus (Sgtjpten floh- 8. ©eine 
glud)t nad) Atibian unb mie’s iljm bafelbft erging. 
4. ©chilbcre bie Sreignijfe ber üeftion. ©chärfe 
bann folgenbe praftifdje fiebren ein. 1. Cb fie nid)t 
aud) manchesmal furdjtjam finb, mo eS gilt, bon Qeju 
*u zeugen. 2. Cb fte immer thun, maS ber £>err ber 
langt. 8. Saß QefuS mit einem Qeben unter ihnen 
fein miü, um fte $u leiten, $u fchüpen unb $um ©Uten 
$u ftärfen. 

*hc -f - 


Sonntag, 22. Atai. Stiftung bc« ^ßajfalj. 2 kof. 12 , 1 - 14 . 


1. Xrr $err aber fpra* au TOofe unb Aaron tu ©gbptenlanb: 

8. Ziffer SRonb fott bei cud) ber erftc ®tonb fein; unb bou ihm 
foöt ihr bie SRoubc be« 3ahre« anheben. 

3. Saget ber aanaen (Gemeine äffrael, unb fpreebet: Am aehn« 
ten Xagc biefe« uRonben nehme ein iealidjer ein flamm, mo ein 
$au«»ater ift, je ein flamm au einem fcaufe. 

4. ©0 ihrer aber in einem ftaufc aum flamm au menia finb, fo 
nehme er 1 «*, unb fein nächftcr Stachbar an feinem $aufe, oi« ihrer 
fo biel mirb, bafe fie ba« tiarnm aufeffen mögen. 

5. Jjbr foUt aber ein foldj flamm nehmen, ba Tein gehl an ift, 
ein wAnnlein, unb eine* 3ahr« alt; bon ben fldmmem unb 3ü** 
gen foUt ihr 1 * nehmen. 

6. Unb font c* behalten bi« auf ben bteraehnten Xag be« 9Ron= 
ben. Unb ein iegliajeS ^Auflcm im ganaen 3«rael feu e« fthlath* 
ten atbifthen Äbenb«. 

7. Unb foUt feine« ©lut« nehmen, unb beibe ©fofteu an ber 
Zhür, unb bie oberfte ©chroeQc bamit beftreid)cn, an ben ^auf em, 
ba fie e« innen effen. 

8. Unb foüt alfo ffletfth effen in berfelben stacht, am fffeucr ge« 
braten, unb ungefäuert ©rob, unb foUt e« mit bitteru ©allen 
fffen. 


9. Ohr fottt e« ni(ht roh effen, nodj mit Kaffer gefotten, foubern 
am Sfeuer gebraten, fein ^aupt mit feinen ^chenfeln unb Cin* 
gemeibe. 

10. Unb foUt nifht« babon überlaffen bi« morgen; mo aber et* 
ma« überblcibet bi« morgen, follt ihr’« mit fteuer berbrennen. 

11. Alfo foUt ihr’« aber eifen: Um eurefleitben foUt ibr aegiir* 
tet fein, unb eure ©Auf)»* an euren gfiücn haben, unb Stabe iu 
euren öänben: unb foUt e« effen, al« bie biumeg eilen; benn e« 
ift be« <>errn ©affah. 

18. Xenu ich miü in berfelbigen Aacht burd) CgtfPtenlanb gehen, 
unb alle ttrftgeburt fcblaaen in (Jghptenlanb, beibe unter ©teil* 
fchen unb ©iet). Unb miu meine ©träfe bemeifen an allen ©öt* 
tern ber Cgbpter, ich bei $>err. 

18. Unb ba« ©lut foü euer 3rifhm fein an ben fcöufero, barin 
iljr feib, baß, menn ich bac ©lut fehe, bor euch Übergehe, unb euch 
nicht bie ©läge miberfahre, bie euch oerberbe, menn ich ttgppteit* 
laub fchlage. 

14. Unb follt biefen Xag haben aum ©cbflchtnij, uub foüt ihn 
feiern Dem fcerru aum §eft, ihr unb alle eure fwachfommen a«r 
eroigeu ©eiie. 


ötßlifdjer ©nuibgebonft: „^eumoir haben and) 
ein Cftcrlamm, baS ift (ShriftuS, für uns geopfert." 
1 Äor. 5, 7. 

dtnlritnng. Sltofe, bem SRufe beS §erxn gchorchenb, 
begibt fid) mit ©Jeib unb ©öhnen auf ben feeg nac^ 
(Sgqpten. UntcrmegS fcplägt ©ott Den 2Jfoje mit 
einer Ätanfßeit. ©le follte fein ©emiffen in ©etreff 
einer UnterlaffungSfünbe meefen. AuS falfcper Aach- 
giebigteit gegen bie ©attin hatte er bie ©ejd)neibuug 
eines ©ohneS unterlaffen. ©rft als Qippora bas 
©erfdumte eigenhünbig tiad)haUe, njurbeA^ofe mieber 
gefunb. ftap. 4, 24—26. 

SSabrfcheinlid) in golge biefeS ©orfallS fanbte 
SRoje feine ©attin famnit ben ©öhnen 3ctt)ro ju* 
rücL feiefe 9ftüdfenbung ift burch $ap. 18, 2 bezeugt, 
fiaut biefer ©teile führte ftethro g e & em sj^ 0 ^ e er ft 
nad) bem Ausluge am ©inai mieber ju. Am ©inai 
fommt Aaron feinem ©ruber entgegen. Söährenb 
3Rofc in 9ttibian weilte, war ein anberer ft önig ^ur 
Aeaiemng getommen. AamfeS II. mar geßorben unb 
beßen ©opu ^tenephtah regierte. 

©or biefem Pharao erjeheinen 9Jtofe unb Aaron 


unb forbern QfraelS ©cfreiung. $a ber tönig fid) 
meigert, baS ©olf jiehen au laßen, fo folgen bie $ehn 
©lagen. $urd) bicfe befam (Sgpptcn nad) unb nach 
bie oolie ©emalt beS ^errn ^u fpüren. ^ie jehn 
©lagen folgten auf einanber in furzen gmifepenräu-' 
men, mahrjeheinlid) innerhalb weniger Atonale, ©ic 
famen in folgenbcr Reihenfolge. 1. $ic ©erwan* 
belung beS AilmafferS in ©lut; 2. bie ^rofdjplage; 
8. bie ©tedjmütfcn; 4. bie ^unbSßiege; 5. bie ©ich* 
fcuche; 6. ©latterngefd)Würe; 7. ber £agelfd)lag; 
8. bie £>eufd)recfen; 9. bie ginfterniß; 10. Die $öb* 
tung ber ©rftgeburt. tiefer lepten ©läge geht unfre 
fieftion ooran. ©ie berichtet bie göttliche Anorbnung 
beS ©affah- 

drflamng. 

©. 1.2. 9Kofe unb Aaron füllen nun Anhalten 
treffen, bamit bie Sfraeliten non ber lepten ©läge 
nicht betroffen werben unb ^um rafdjen Ausluge be* 
reit feien. $aS ©affahmahl würbe am Abcuo beS 
oier^ehnten 5^ageS im Atonat Abib, fpäter Aifan ge* 
nannt, genoffen, tiefer Atonal follte fortan als ber 
Anfangsmonat bes Jahres gelten. $erjclbe cntjpricht 


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273 


SonntagfdjuUffhfionfn. 


ber lebten Hälfte unfern »JärzeS unb ber erften Hälfte 
beS 2ümlS. 

ö. 3—6. 3 unäc W hat i c ^ cr ®au^öater ffhon am 
Zehnten läge oeS »JonatS ein fehlerfreies, einjähriges, 
männliches iJarnni non Schafen ober 3^ e Ö en auSzu* 
fonbem. 28ar eine Familie nicht mhlretd) genug, 
etwa weniger als zehn »erfonen ftarf, fo jottten metf* 
rere fich zum »affahmahl Bereinigen. 2lm Dierzehn* 
ten Xage beS Monats füllte ber ©auSOater baS erle* 
jene ttamm fchlachten. 3)iefe Schlachtung mußte 
„zmifcpcn ben 2lbenoeu," (nicht wie fiuttjer „zwifchen 
Vlbenbfc") gefchehen. Xie ©inen beuten biefe »ezeidj* 
nung ber stunbe auf bie 3eit jwifchen Sonnenunter* 
gang unb Xuntelheit, bie 2lnbern zwifchen »achmit* 
tags 8 Ubr unb Sonnenuntergang. 

iß. 7. 3)aS »lut beS Opferlammes würbe in ©gpp* 
ten an »foften unb Oberjchweüe ber ©auSthüre ge* 
ftrichen. ©s biente bem richtenben ©ngelzum Zeichen, 
baß er hier nicht eintrete, fonbem fcponenb oorüber* 
gehe. 

». 8—10. XaS 2amm burfte nicht roh gegeffen 
werben. 3)icfe Mahnung war nicht überflüjfig; benn 
eS gab peibnifche »öltcr, welche baS glcifdb ber Opfer* 
thiere roh Berührten. Glitch follte baS 2amm nicht 
gefotten, b. b. gefocht werben. Xurcp baS $ocpen 
geht bie Jtraft beS glcifcpeS $um Xheil in’S üBajfer 
über. ©s follte gebraten werben, 1. weil baS bie em= 
fadjftc unb fchnellfte 2 Beife ber Zubereitung war; 2 . 
weil baburdh bie straft beS gleifcheS toncentrirt 
würbe. 2 ln einem hölzernen »ratfpieß in ftreuzform 
Würbe eS ganz farnint ben ©tngeroeiben unb unzer* 
üroepenen »einen gebraten. Unjerftücft follte eS zu* 
gerichtet werben, 1 . um bas ©ine)ein unb ©inSbleiben 
ber tleinen ^auSgemeinbe anzubeuten* 2. um, Wie 
wir aus gop. 1 #, 30 erfehett, ben ßeib ©hrifti bor^u» 
bilben, an bem fein »ein gebrochen werben burfte. 
(SS burfte bott bem Uammc auch nichts aus bem Haufe 
getragen werben ober auf ben »Jörgen übrig bleiben, 
»lieb etwas übrig, fo mußte es mit geuer Derbrannt 
werben. 

».11. 3)aS ©ffen follte eilig gefchehen mit umgürte¬ 
ten Zenben, befchupten güßeit, unb mit bem Stab in 
ber £>anb. 35urcp biefe Drei »Jerfmale wirb bie 
Lüftung jur Steife bezeichnet, 511 ber fie fich bereit 
halten mußten. 

Ö. 12 . 13. ©icr finben wir bie zehnte »läge be* 
Zeichnet, mit ber ©ott bie ©gppter beimfuefcte. 35er 
©err ertlärt hier, wcßhalb er biefe heilige ©anblung 
angeorbuet hübe. 35er Würgengel fou baS ganze 
©gpptenlanb Durchziehen unb alle ©rftgeborene unter 
»cenfchen unb »ich erwürgen. 35er SBürgengel war 
jebenfallS eine fchnell hinraffenbe »eft. 3)ic golge 
ift, baß alle ©btter ©gpptens oom ©erm gerichtet 
werben. SaS will bas jagen? 3)iefer 2luSbrucf be¬ 
zieht fich auf baS Umtomnten ber erftgeborenen STOiere, 
tubent bie ©gppter bie Spiere als »erförperungen 
ber ©ottpeit oerehrten. 4 aS »lut an ben Spür* 
pfoften unb an ber Oberfchwelle uuterfchieb bie ifraeli* 
tifchen Wohnungen Don Denjenigen ber ©pppter. ©S 
war baS geiepen für ben »Jürgengel, baß er an ber 
mit »lut gefepüpten »Jopnung fcponenb oorüberzu* 
gehen pabe. 

». 14. 35aS »affapfeft foH fortan an bie »ewap* 
rung oor bem »Jürgengcl unb ben eiligen 2luSzug er* 
innern. gn feiner ooUcnbetcn gorm bauert baS 
»afjapmapl in ber neuen Stiftung beS 2lbenbmapleS 
fort. 

»raftifdje ©ebanfen. 

(Chriflu* ift unfer Cflerlamm. 

I. Xurcps »affaplamm borgebilbet. gm biblifchen 
OJrunbgcbanfen paßt eS: „2ötr höben auch ein Öfter* 


lamm, baS ift ©priftuS, für uns geopfert/' 35aS »af* 
faplamm mar alfo ein »orbilb auf unfern ^errn ge- 
fum. Saßt uns bie »ergleichungSpunfte betrachten. 

1. 3>aS »affaplamnt war unfchulbig. 
®S mußte als Sühne für bie ifraelitifche gamilie fter- 
ben. Xarin liegt baS ©rgreifenbe beS ÄreuzeS. ge- 
fuS höt nichts gethan, baS beS XobeS würöig war. 
®r ftarb an unferer Statt. SöaS wir Derfchulbet hat¬ 
ten, baS büßte er am ÄreuzeSftamm. 

2 . XaS ^affablamm war fehlerfrei 
©ott oerorbnete, baß ein jot<heS Samm aus ber 
öeerbe für biefen 3 med gewählt werben müjjo. ge- 
fuS war abfolut fünblos. ©r tonnte feinen geinben 
gegenüber, bie ihn mit Späheraugen beobachteten, 
fragen: „Welcher unter euch fann mich einer Sünbe 
jeihen?" gn reinem SEBorte, feiner .^anblung unb 
reinem ©ebanfen hat er fich berfünbigt. Xaher fchrcibt 
Petrus, wir feien erlöft „mit bem theuren »lute ©h^fti, 
als eines unfchulbigen unb unbefledten SammeS." 

3. XaS^Saffahlamm würbe gefchlachtet. 
3)er ifraelitif*e $auSDater mußte eS gegen flbenb am 
oierzeljnten Äoib, fpäter SJifan genannt, abfdjlathten. 
So mußte baS Samm ©otteS, baS ber SBelt Sünbe 
trägt, an’S Äreuze fterben. ga, Durch &i* ©ünben 
35erer, welche eS mit feinem Opfer entfühnt, würbe 
eS an’S ftreuz gefAlagen. 21 n feinem ßeiben unb Ster¬ 
ben haben alle Sünbcn ber »Jenfcben mitaewirft: 
ber Üeichtfinn beS ©erobeS unb bie ©ewiffcnlofigfeit 
beS ^ilatuS, bie mohheit ber ftriegSfnechte unb bie 
Heuchelei ber ^riefter, ber SBanfelmuth beS Röbels 
unb bie »erleugnung, ber»errath, biegeigheit feiner 
günger. 

4. 35 eS $affahlammeS»lut fanb 21 n- 
wenbung. gfrael mußte mit bem »lute beS ge- 
Jdjlachteten SammeS bie »foften unb Oberfchwelle ber 
Xhüre beftreichen. 9Jicht baS Dergoffene, fonbern baS 
angemanbte »lut ©hrifti macht rein oon ber Sünbe. 
2Rit einem »fopbüfchel Würbe beS ^affablammeS 
»lut an bie Oberfdbwelle unb »foften ber Xpüre ge- 
ftreichen. 35iefcr fjfopbüfc^el ift ein »üb beS ©lau» 
benS, ber baS »lut ©hrifti in feligmachenbe, reini» 
genbe »erührung mit Dem $erzen bringt, »ermit» 
telft beS ©laubenS müffen mir unfre $erzen mit bie- 
fem »lute befprengen, wenn eS uns retten unb be» 
glüefen foü. 

5. 35eS ?JaffahlammeS gleifcb würbe 
gegeffen. So müffen wir auch unfer Ofterlamm 
genießen. »Jan lefe, waSgefuS Darüber fagt ingoh. 
6 , 53—50. ©S ift ein geiftlidheS ©ffen unb Xrinfen 
Durch ben ©lauben, oon bem ber §err hier rebet ©S 
ift nichts 2lnbereS, als bie gläubige 2lnetgnung ©hrifti, 
wie er uns Don ©ott zur äöeiShett, ©erechtigfeit, Hei¬ 
ligung unb ©rlbfung gemacht ifl—SfJeifebereit genoß 
gfrael baS ^affahlamm. ©S ftärfte fie zum 2luS- 
zuge. SBährenb bie ©gnpter fchliefen, aßen bie gf» 
raeliten unb gewannen Äraft zur glucßt. 2 luch wir 
finb s $ilgrimme unb gremblinge in biefer 2Belt »Jir 
follen bem geglichen ©gppten gern Den 3Jücfen lehren 
unb mit fepnfuchtSDottem »erlangen nach l>em Der* 
heißenen Äanaan eilen. 3)ort ift unfre ewige © e i* 
math, wo 9Juhc unferer wartet. ®uf bem SSege Da¬ 
hin ift ©hriftuS bie uns ftärfenbe Speife. 

6 . 35eS »affahlammeS gubehör. gfrael 
mußte baS »affaplamm mit ungesäuertem »rob unb 
mit bittem förautem effen. Xer Sauerteig war baS 
Sinnbilb fünblicher gäulniß unb »erberbniß. Xer 
egpptifche Sauerteig batte baS »olf ©otteS fdjon zu 
fehr burchbrungen. 4)ie ©ntfernung follte ihnen pre- 
bigen, was Paulus uns zuruft in 1 ©or. 5, 7. 8 . Xie 
bittem Ä'räuter füllten fie einerfeits an bie in ©gpp* 
ten überftanbenen Seiben erinnern, bann aber Die 


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äonntagfdiuUfrltHonrtt, 


m 


^öitterteit be 8 SebenS f)ier auf ©röcn überhaupt abbiU foitbem ber 3 orn ®otte$ bleibet Aber fljm." SBet 
Den. 80 joüen aucp wir unfern ©lauben an ben aber fein §erz unb ©emiffen mit ©prifti 5ölut be- 
Sünberpeilanb bemeifen, intern wir in $eiligfeit unb fprengt, an helfen Xpüre gept ber ÜBürgengel be« 
©erecptigfeit oor ipm manbeln * inbem wir alle Seiben ewigen :£obe« fcponcnb oorüber. 2U« ©otte« (Senate 
öiejer 3 eit in feiner ©emeinjcpaft gern unb willig über Sobom unb ©omorrap pereinbracpen, ba burfte 
überwinben. Sot naep 3 oar flüchten. §ier war er geborgen, ©pri- 

II. 9tt feiner ©rföfung. $a« ^affaplamm jcpüßte ftu« ift unter 3 oar, bapin wir fliepen, um ben zufünf* 
bie 3 «raeliten oor bem ritterlichen 3 °rn ©otte«, tigen 3 oni S u entrinnen. ©r ift unfre greiftabt, in 
welcher fit über bie ©gppter ergoß. $a« <ßaffap- bie wir fliehen, in ber wir oor bem blutroter gebor- 
mahl bezeiepnete auch ben beginn threr ©rlöfung au« gen finb. 

©gppten, au« ber Änecptfcpaft. So bringt auch ®t)ri* 2 . ©rlöfung au« ber Ä’necpt fcpaf t. 

ftu«, unfer Ofterlamm, un« eine zweifache ©rlöfung. *ßaffap unb ber s 2 tu«zug finb unzertrennlich mit ein- 

1 . ©rlöfung oon bem 3 orngericpt © o t* anber oerbunben. 00 hat fich’ö auch in ber geiftlichen 
1 e«. aRenfcpen, welche ihre $erzen nicht mit bem ©efepiepte ber Slinber ©otte«? Vergebung ber Sünbe 
®erföpnung«blute ©prifti befprengen, oerfauen biefem unb Befreiung oon ihrer $err jepaft fallen immer zu- 
Qorugericpte unrettbar. 5)er §err fagt: „SBer bem fammen. SSir finb bann nicht mehr Unechte ber 
Sohne nicht glaubt, ber wirb ba« Seben nicht fehen, Sünbe, fonbern srinber ©otte«. 


Sonntag, 29. 9Rai. 2)fl$ rotfyt 3W(Ct. 2 9Rof. 14,19—31. 


19. Sa erhuh fich her (Enflcl ©otte«, ber oor bem Äeer 3®rapl 
brr sog. unb machte fleh hinter fie; unb bie ©olfenfaule machte 
fiefj aueq fon ihrem ängefidjt, unb trat hinter fie. 

20. Unb fam groifeben ba* $eer ber ©ghpter unb ba* ßeer 
rael. ©« mar aber etne finftere ©ölte, unb erleuchtete bie «Rächt, 
bafe ge bie gange Stacht, biete unb jene, nicht gufammen fommeit 
tonnten. 

21. Sa nun SJtofe feine $anb reefte über ba* SJtcer, lieg e* ber 
£err hinweg fahren burch einen garten Cftminb bie gange Stacht, 
unb machte ba« SJteer trotfen; unb bie ©affer theiltcn fich oon 
einanber. 

28. Unb bie ttinber 3f*rael gingen hinein, mitten in'* SJteer auf 
bem Zrodenen; unb ba* ©affer »ar ihnen Tür SRauern.gnr Siech¬ 
ten unb gur hinten. 

28. Unb biettghpter folgten, unb gingen hinein ihnen nach, alle 
Stoffe Sharao«, unb ©agen, unb Reiter, mitten in’* ©teer. 

24. «I* nun bie SRorgenroadjie tarn, fchauete ber $crr auf ber 
(ighpter $eer, au* ber fjeuerfdule unb ©otte, unb machte ein 
Schreiten in ihrem äeer; 

25. Unb flieg bie Räber Bon ihren ©agen, ftürgte ge mit Un- 


geftüm. Sa fpracheu bie ©gppter: liaffet un* fliehen Bon 3ftrael; 
ber $err ftreitet für ge roiber bie Cgppter. 

26. «ber ber $err fprach gu SJtofe: Reefe beine $anb au* über 
ba* ©teer, bag ba* ©aifer mieber herfaHe über bie ©ghpter, über 
ihre ©agen unb Reiter. 

27. Sa reefte ©tofe feine $anb au* über ba* ©teer; unb ba* 
©teer tarn mieber oor ©torgen* in feinen Strom, unb bie ©ghpter 
gohen ihm entgegen. «Ifo ftürgte ge ber §crr mitten in’* ©teer. 

28. Sag ba* ©affer roieberfam, unb bebccfte ©agen unb Reu 
ter, unb alle ©tadjt be* Pharao, bie ihnen nachgcfolget waren 
in'* ©teer, bag nicht Cftner au* ihnen überblieb. 

29. «ber bie IHnber $*rael gingen troefeu mitten burch’* ©teer; 
unb ba* ffiaffer war ihnen für ©tauera, gur Rechten unb gur 
2infen. 

80. «Ifo half ber §err 3«rael an bem Sage oon ber ttgbpter 
^aub. Unb ffe fahen bie öghpter tobt am Ufer be* ©teere*, 

81. Unb bie groge $anb, bie ber Qerr an ben ©ghPtern ergeigt 
hatte. Unb ba* Rolf fürchtete ben $errn, unb glaubten ihm unb 
feinem Äueifjte SJtofe. 


IHlItf^tr ©runbgebonfe. »So bu burc^’ö Söoffer 

K , will icp bei bir fein, baß bic^ bie Ströme mdjt 
erföufen." 3ef. 43, 2. 

(Einleitung. (Etwa in ber ^Dritte be« 2tprilmonat^ 
im 3a^re 1491 bor ©brifto fanb ber$urd)gang burc^^ 
rotpe Weer ftatt. jübifdjer Xrabition wari® 

fieben Xage nac^ ber $a)fabfeier. ®ie SRe^rza^l ber 
(Egpptologen bejeiebnet 3Renepbta^ al« ben Pharao 
be« \ttu«zug«. $iefer wor ber Soljn 9iamfe« II. 

(BtWQtiity ®erfcwfcuttglfette. 9 ^od) in berfelbett j 
S 4 recfen«na^t, in weiter bie ©rftgeborenen ber ! 
©gputer bem ric^tenben SÖürgengel erlagen, gab ^ß^a* ; 
rao bie ©rlaubmß zum ^u«zuge. $>er erfte $altort j 
ber 9 u«ziel)enben war Suüot^. ©« lag ein wenig öft« 
lieb oon 2 ani«. $ier fepeint eine längere 3 laft ftatt-' 
gefunben zu ^aben. 3 fcan parrete hier wol)l auf bie' 
Juzüge ber 3 f«raeiiten au« ganz ©Ofen. üap. 12 , 37 j 
wirb bie 3 öt)i au«zietjenben 53 olle« auf 600,000 ! 
iRann angegeben. ^)ie ©efammtzapl be« 3 $olfe« war 
fomit etwa iwei äßidionen. S)ie jlueite Station | 
©tljam „am Saum ber Söüfte." £>icr fanb eine 21 b*- 
fc^wenfung bon ber bi«^er eingefallenen, bireft naep 
fianaan ztelenben 9 ?icftung ftatt. Sßadj tap. 13,18 
mar ba« ScfUfmeer ba« 3^1 biefer abfepmentenben 
3 licptung. 3 Rit biejem tarnen wirb burepgängig ba« ■ 
rotpe 9 Reer genannt, fei e« ber älanitijcpe ^ufen ober : 
ber oon Suez. &ter tann aber nur ber SJeptere ge^ ! 
meint fein. 1 

2 utrcp ©otte« geuer* unb Söoltenfäule geleitet, zo* | 
gen bie ^«raeliien oon ©tpam au« naep Süben unb 
Sübmeften. Xie« würbe bem $parao befannt. <£i« 


nerjeit« erfap er au« biefer gortfebung be« 2 Rarfcpe«, 
baß er auf bie SBieberfepr be« Solte« niept poffen 
bürfe. Wnbererfeit« ließ tpn bie eingei*lagene SRicp* 
tung oermutpen, ibiegübrer feien ipre« 2 Bege«unb ftie* 
le« nicht gewiß, ©r glauote, baß er ba« $olf leiept einpo-' 
len unb zum mütfzug zwingen fönne. $ie greilaffung 
3 «rael« reuete tbn. äßit feinen Ärieg«wagen jagt 
er bemfelben naaj. ©r erreiepte ben iöolt«zug no^ 
am 3Jteere. g«rael« Sage fepien eine äußerft beben!= 
liepe zu fein. §ier nun fept unfere Seftion ein. 

©rflärnng. 

©. 19. 20 . 2 )ie ©gppter waren, naep einem an^ 
ftrengenben SRarfcpe, in ber SRäpe be« i«raelitifcpen 
Säger« angelommen. ©« war gegen Stbenb. 
fie wußten, baß bie g«raeliten feftfaßen unb, wie fie 
wäpnten, ipnen niept entrinnen tonnten, fo feflugen 
fie ipr ^Racptlager auf. 25en näcpften 9Rorgen moll« 
ten fie ben Angriff maepen unb ba« ®olf jur 9 tüd- 
tepr zwingen. ^)ie SBolfenfäule, in ber fiep bie ©egen- 
wart be« iperrn befunbete, war bi«per ben ^raeliten 
oorangezogen. ge&t aber erpob fiep bieielbe, zog 
rücfwärt« unb lagerte fiep zwifepen bie 3 «raeliten 
unb ©gppter. $acp ber einen Seite pin war bie 
SSolte finfter unb breitete ben Schleier ber tie¬ 
fen SRacft über ba« Heerlager ber ©gppter. SRacp 
ber anbern Seite pin war bie 2Bolte leueptenb unb 
oerbreitete Sicht über Oa« öeerlager 3^ raclg - 
war jo pell, baß fie fiep zum SBeitermarfcp rüften unb 
ben $urcpzug burdp’« rotpe 3Reer bewertftetligen 
tonnten. 

0. 21. 22. 3>n ber bebrängten Sage Oerlor ba« 


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274 


$<rantagfd}ui«fthti»nrtt. 


«olt allen ffltutt). (£« matzte bem Stofe bittere «er 
würfe. Ädein biejer wußte, weffen güprung er ficb 
überlaffen hatte. ©r oertraute unerschütterlich auf 
biefe tjöljere ©anb. Äuf fein ©ebet bin geigte ber 
©err ibm einen wunberooden Äu«weg mitten burch’« 
UJtcer. Äl« SJtofe feinen Stab über oae Üteer redte, 
ta tbeilte ber ©err beffen ©ogen. 3* r ael tonnte 
nun troefenen guße« ^tnburdj^teljcn. Den Ueber* 
gang ber 3«raeltten oerlegen bie Reiften in bie 9täbe 
t>e« heutigen Sue*, fei’« etwa« nörblicb babon, wo 
oier Unfein ben dJceerbufen fperren ober fei*« etwa« 
iüblidj oon ber Stabt $ur 8 eit Stofe’« erftreefte 
ficb ber 2Keereäbu(en *weifel«ohne weiter lanbein* 
wärt«. @« ift wohl raum anzunehmen, baß bie 
Scenerie bon bantal« oöüig unoeränbert geblieben fei. 

V. 28—25- Die ©gtjpter boU ©ier, bie Veute ficb 
nicht entwijeben zu laffen, jagten ben 3«raeliten nach, 
©egen bie ihn brobenbe ©efahr machte bie Seiben* 
febaft fie böflig blinb. Sie bebienten ficb be« bom 
©erm für fein Volt burch’« Stoer gebahnten ©ege«. 
Vcim Durchzug be« ©agentroffe« entftanb eine Ver- 
Wirrung. Sie würbe oerurfadfl bureb einen erfefareden- 
ben geuerblid au« ber ©olfenfäule. Die dtoffe wer¬ 
ben fweu. Die ©agen ftoßen aneinanber. Die Ver* 
Wirrung erzeugt gurdfl unb bie gurept neue Ver- 
Wirrung. Äu« bem Ädern gewarnten bie ©gppter bie 
Ueber^eugung, ber ©err ftreite für fein Volt. ©egen 
biefen ©ott, beffen ©anb fie bereit« fojcpwer getroffen 
batte, wagten fie nicht $u tämpfen. Daher treten fie 
ben $ucf$ug an. 

V. 26—28. Äuf©otte« Vefehl ftreeft TOofe feine 
©anb wieber über« dJteer, aber mit entgegengefepter 
golge. ©ieber ift ber ©inb mit 3«rael im Vuitbe, 
bie«mal um bie ©gppter *u oerberben. $ap. 15,10. 
Der ©inb feblug um nach Süb, bem ©iden ©otte« ge« 
bordjenb, um bie nunmehr entfeffelte giuth wunberbar 
zu fteigern. ©egen borgen wogten bie zurüdgehal- 
tenen ©affer wteber h^an. Vergeblich fuebten bie 
©gppterzu entfliehen. Die unaufhaltfam heranwäl- 
Zenben ©ogen oereiteten ber ©eere«madit be« Vharao 
ein naffe« ©rab. ©agen, Stoffe unb dJcenfcpen wür¬ 
ben bon ben ©eden oerfdflungen. 

ö. 29—31. Der©tnb wtrb al« natürliche Ver¬ 
mittlung ber zweifachen Veweguna be« ©affer« ge¬ 
nannt. ©. 21 unb $ap. 15,10. ©in Oftwinb legte 
bie gurtp troden. ©in anberer ©inb befcbleunigte 
ba« ©eretnbredjen ber für*« egt}ptif<±>e ©err oerpäng- 
nißboden giutp. Durch biefe phhftfcpe Veranfcpau* 
üepung wirb ba« ©unber um nicht« Heiner. Denn 
welche« ©alten ber ©anb ©otte«, bie ade ©lemente 
beherrfebt, offenbart fiep h ierI SBinb unb SBogen 
mußten warten, bi« ber unbeholfene ©anberjug eben 
$eit hatte, hinburepzuziehen. Dem ftürmifcb nach* 
jagenben geinbe«peer mußten fie zur rechten 3eit ben 
Untergang bringen. «gn folcpem Äugenolid unb un¬ 
ter folgen Umftänben erlebt, mußte ein berartige« 
dtaturcreigniß ben ©inbrud einer ©otte«that machen. 
©« berfeblte feine ©irtung auch bei bem i«raelitifcpen 
Volte nicht. Neffen ©lauben an ©ott würbe geftärft 
unb beffen Vertrauen zu dtofe oermehrt. 

tßraftifdje ©ebanfen. 

Äm rotben SReer. 

1. 3«racl« ^unbzug. V. 19—22. 

1 . $ie ©olfenfäule leud^tet ihnen, ©äh* 
renb bie zwifeben betben feeren fid) lagembe ©ölten* 
äule ben ©goptern eine finftere Seite zufehrte, er- 
üdte fie bas Säger ber 3«raeliten mit Sicht. $>te- 
elbe ©olfenfäule hudte bie ©inen in Sftacbt, bie Än- 
bern in 5tageohede. Äde Offenbarungen ©otte« ba* 
ben biefen hoppelten @eficbt«punft. ®a« ©efep bient 


ben ©inen jur Sünbenerfenntniß, ben Änbern zur 
Verbammniß. Xa« ©oangelium ift ben ©inen ein 
©erud) be« Seben« zunt Seben, ben Änbern etn ©e 
rud) be« lobe« zuiu lobe. 3 e i u ^ ift ben ©laubigen 
föftlich, ben Ungläubigen aber ift er ein Stein be« 
Änftoßen« unb ein gel« ber Äergerniß. ©otte« ©e- 
genwart ift ben ©otte«fürcbtigen greube unb ©onne, 
ben ©ottlojen aber gurebt unb ©rauen. 55>iefelbe 
Sonne, welche ben Seben«feim be« im ©rbreicb ruhen- 
ben Saatforn« wedt, befdhieunigt bie Vermefung 
ber tobten Stoffe im Pflanzen- unb Xh^nreicb. 

2. $ie iheilung be« SKeere«. Um fie zu 
bewirten, bebtent ficb oer S)err einer SJaturfraft — 
be« Cftwinbe«. Än unb für ficb genommen, hatte 
ber Oftwinb bie 3Jteere«theilung niept zu Stanbe ge¬ 
bracht. Äber bie Senbenz be« Oftwinbe« lag na^ 
biefer Stiftung. Xer admäebtige ©ott, al« Urbeber 
ber Watur, bebtent fich berfelben oft, um feine Äoficb* 
ten zu erreichen, ©r fpeifte bie günftaufenb unb bie 
Viertaufenb ijtit wenigen Vroben unb gif eben. 3n 
ber ©irtung be« ©unber« fnüpfte ber |>err an Scbon- 
üorbanbene« an, obgleich baffelbe in feiner unoermehr- 
ten ©eftalt nicht wett gereicht haben würbe. So hat 
ficb’« mit aden Ätäften, welcpe Scbwierigfeiten oon 
bem Seben«wege feiner IHnber räumen. Sie fmb 
mirffam, nur weil ber f>err biefelben wirffam macht. 

3. g«rael zog trodenen guße« bureb 1 « 
SJfeer. E^a« ©öfter würbe ihnen eine Sföauer iur 
Rechten unb zur Sinfen. So führt ber $>err ferne 
ftinber wohlbehalten burch ade giuthen ber Xrübfale 
biefe« Seben«. Siehe bie tm „biblifdjen ©runbgeban- 
fen" gegebene Verheißung, ©ine fronte ©hriftin batte 
burch tiefe Seiben«flutben zu gehen, ©me« Jage« 
fagte ihr Vtebiger zu ihr: „©ott legt eine Saft auf, 
aber er hilft un« auch." „3a wohl, hilft er/' jagte 
bie ftranfe; ,,e« ift mtr oft, al« fühlte ich feine ®anb 
unter meinem ftopffiffen." 

II. $er ©öppter Untergang. V. 23—28. 

1 . Sie begaben ficb blinbling« in bie 
© e f a h r. $ie außerorbentlicbe ginfterniß unb ba« 
geteilte ©eer waren ©amung«momente für bie 
©gppter. Sie hatten biefelben beachten foden. Qfbodö 

8 om unb Veutegier machten fie blinb gegen biefe 
Tarnungen. Sie ftürzten ficb mit offenen Äugen in 
bie Gefahr. So ftürrnt ber unbußferttge Sünber auf 
bem ©ege be« Verberben« bahin, bem Äbgrunbe be« 
ewigen iobe« entgegen. Äde ©rmahnungen feblägt 
er in ben ©inb. Äuen ©amung«rufen leiht er etn 
taube« Ohr. 

2 . Sie tarnen in ber ©efabr um. $)urcb 
einen geuerblid au« ber ©olfenfäule gerieth.ba« egbp- 
tifebe |)eer in Verwirrung, ©in panifeber S^reaen 
bemächtigte [ich beffelben. 3e|t wodten fie flie¬ 
hen, aber zu tpat. 3>ie ©affermauem, bie bi«her fo 
feft ftanben, ftürzen ein. Die ©ogen roden uner^ 
bitterlich heran. Vraufenb fdjließen fi* bie giuthen 
über ben ©gpptem. Sie gingen ade plöfeltch unter. So 
wirb’« Äden ergehen, welche in ihrer gemb|cbaft wiber 
©ott beharren unb ihre ©erzen frop aden yücbtigun^ 
gen Oerhärten, ©ott ift wohl barmherzig unb gnä* 
big; aber er ift auch heilig unb gerecht, ©r wid nicht 
be« Sünber« 4ob. ©r tput, wa« er tarnt, um ihn zu 
retten, ©enn jeboeb ber Sünber in feiner Unbußfer¬ 
tigleit beharrt, fo nimmt bie oergeltenbe©ered)tigfeit 
ihren Sauf. „Qrret euch nic©t, ©ott läßt ftd) ni^t 
fpotten. ©a« ber SJtenfcb fäet, ba« wirb er ernten." 


III. De« ©unber« ©irfung. V. 29—81. 

1 . ©« ftärfte be« Volte« ©laube. ©« 
hatte bie admächtige ©ülfe be« ©errn in feiner be* 
brängten Sage erfahren. Da« biente zur ©lautait* 


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%U9 bet £eit 


275 


bermehrung. ©o fofljebe neue Erfahrung, in ber ttnbeutungcn für ben Älaffenunterricht. 1 . $er 
wir Eottcd gnäbige Xurchpülfc erfahren, unfern Elau* Sekret gebe $uerft ben gefcpicptlichen gufammenpang. 
ben an ©ott ftärfen. Er finbet einen Slbriß beff eiben unter „Einleitung" in 

2 . Ed tue dt e ben Eeift bedEeborfamd. tiefer Seftiondbearbeitung. 2 . Erfläre, wad zu er* 
$ad ©olf gewann Vertrauen au SRofe. Ed erfannte flären ift. $azu bietet 19 m bie „Erflärung" oben 
nun in ihm ben Eefanbten Eotted. 9Rit biefer Er* eine §anbpabe. 3 . SRacpe er prartifcpe Änwenbun 
fenntniß erwarte bie SBifligfeit, ihm ju geborgen, gen. ftiezu liefert ihm „praftifcpe Eebanfen" ben 
feiner Sü^rerfc^aftfi^äu überlaffen. Hörigen Stoff. 


Jtus ber Jpeif. 


©ad lernen mir and äeurt) ©arb ©eeiper’0 fie* jeben Slbenb Vorträge hielt, unb ald er feine SRunb* 
den? 3ebcd SRenfcpenleoen enthält eine £epre für reife twßenbet, jubelte ihm bad englifcpe ©olf zu, unb 
und, ein oielbewegted geben aber, wie badjenige ©ee* bie Slnerfennung bed ©onberbunbd oon ©eiten Eroß* 
djer’d, enthalt beren Diele. britanniend unterblieb. $ied war ein ©ieg, wie ihn 

1 . Seme ich auf’d Sleue, baß jeber SRenfcp mittelft 50,000 Krieger nicht hätten erfechten fönnen. 

ber ihm gefchenften^nbioibualitätju wirfen hat, wiß 3. SBcr ba ftebet, ber fepe wohl z u , baß er nicht 

er etwad Orbentliched audricpten. §. SB. ©eecper falle. 5)ic meiften geitungdfcpreiber übergehen bte 
war ein geborener großer SRebner, ber in aßen Slrten ©chattenfeiten biefed großartigen gebend, ©ie fcpil* 
ber SRebefunft SReifterfcpaft bewied unb beffen förper* bern £>. SB. ©ecpcr entweber nur bid aumSahre 1865, 
liehe unb geiftige Eigenfcpaften jufammenwirfteu, um ober malen nur ben glän^enben Steoner. Sft bied 
ben großen, gewaltigen SRebner auf fan^el unb <ßlatt* nü^lidh ? können nicht auch bie ©chatten eined foldj' 
form au erzeugen, wo er feiner Eigenthümhchfeit mächtigen $afeind zur Sehre bienen? SBir woßen 
feine gwangdjadfe anlegte. ben weltberüchtigten Prozeß übergehen unb nur auf 

Entweber burch Snftinft ober burch ©eobachtung einen ©chatten aufmerffam machen, ben wir wohl be* 
bat er frühzeitig in fiw feftgefteßt, baß er burch bie achten bürfen. Ed ift bie ©enfationdmacherei. ©ee* 
Webe zu wirren habe unb barauf hin fein gan^ed eher war gewiß nicht frei baoon, auch wenn feine Ei* 
©eftreben gerichtet, mbem er unter Slnberem auch tm* genthümlichfeit unb bie Xpatfadje, baß er Diel auf po* 
merbar in enger Fühlung mit bem ©olfe blieb. Er litifch*bürgerlichem Eebiete wirfte, in SSetracpt gezogen 
bat feine ©epriften oon popem theologifchem SBerth wirb. Unb biefed §afcpen nach Stuffepen unb ©opu* 
ginterlaffen. $n feinen heften Xagen (1850—65) gab larität war ed wenigftend tpeilweife, wad ihn nach 
er fich auch ^ aum uiit irgenbwelcper©chriftfteßereiab, unb nach non ber Erunblage bed einfachen Epriften* 
fonbern wibmete fich feinem Mar erfannten SRebner* glaubend pinweggefepoben hat. E)ie ©flaberei war 
beruf. $arin leiftete er auch panj Slußerorbentlicped. abgefchafft, bie Union gerettet. SBad nun — um bie 
3n ben fahren 1861—63 hatte ich Eelegenpeit ihn 2Renge au feffeln? $a tag ed ihm, ber fo lange ber 
ZU hören, benüßte biefetbe fo oft ed mir möglich war Slbgott bed ©olfed gewefen, nahe, bibelwibrige 3)ingc 
unb ging iebedmal, ob er nun eine politifcbe SRebe, über bie ewige $oflenftraf e, bie ©erfühnungdlepre, 
ober eine ©rebigt, ober einen ©ortrag gehalten, mit bie ftrafenbe Eerecptigteit Eotted ic. zu fagen. Unb 
taufenb Slnbem wie eleftrifirt nach &auje. ©eecper hat bamit, gerabe weil er ein außergewöhn* 

iie Stacpäff er aber, bie tu ©erfennung ihrer Eigen* lieber SRenfcp war, oiel mehr ©droben angeri<ptet, ald 
thümlichfeiten, „fiennj ©arb ©eeeber fielen" wofl* fich Manche oorfteßen. Er hat namentlich nicht we 
ten unb noch wouen, fmb eben—armfeltge Slffen. nige Erünfcpnäbel in ber Rheologie auf bie Qbee ge* 

2 . $)aß ein fittlicp muthiger 2Rann, f a 11 d er bracht, baß man ein merlwürbiged SRenfcpenfmb fei, 
auch f° n f* &ad geug baAU hat, oft Spaten wenn man ber neuen Rheologie hulbige. 
oernchtet, bie 10,000 geübte ©olbaten ni*t hätten ©eecher hat überhaupt auf bem bürgerlich * politi* 
audführen lönnen. ®er moralifchc SRuth ©eecher’d fchen Eebiet Erößercd geleiftet, benn ald ©eelforger 
war ein außergewöhnlicher, unb wer fagt, bad fei unb güfjrer zum ®erro 3efu. Er war währenb ber 
eben nichtö ald ooflenbete ©chaufpielerei gewefen, ber triegdjahre ein erforened fRüftzeug. Slber id) fann 
tbut bem SRanne bitter Unrecht. 3 n oen für bie mich ber Ueberjeugung nicht erwehren, baß fein Ein* 
Uniondfache fo bunfeln fahren 1861 unb ’62 habe ich P u ß im ßfeich Öotted, nachbem ber ©ürgerfrieg been 
©eecher öfterd oor taufenben feinbfelig geftimmten oigt war, fein günftiger gewefen, unb er in SBahrheit 
SRenjchen flehen fehen wie einen im SReer. unenblich mehr geleiftet hätte, wäre ed ihm gelungen, 
fturebtiod unb mächtig oerfünbigte er ba unter gifchen fich aud ber populären Umarmung lodzumachen, unb 
unb fohlen ben Erunbfaß ber Eleichheit aßer 9Ren* nachbem feine „Äriegdaufgabe" gelöft,fich ber©eelen* 

i chennnber unb bie Untbeübarfeit ber Union. Unb rettung zn wibmen. 
iehe ba—bie gährenbe SRaffe beruhigte fich nach unb 

nach, laufchte bem gewaltigen ©olfdreonerunbiauchzte Ein ffriebendfeß ift bie Eeburtdtagdfeier bed grei* 
ilpn enblich in lautem ©etfafldMatfchen zu. Sumo '63 fen ßaiferd SBilbelm geworben. ®ad ift noch beffer, 

O er na^ Englanb, um bad englifche ©olf für bie ald aßer Subei, ber ©erlin am 22 . SRärzerfüßte. 

mdfache zu {timmen, benn bamald war ed nahe $ie ganze ©eit fah, mit welch* glühenber ©egeifte* 
baran, baßEroßbritannien ben füblidjen ©onberbunb rung bad beutfepe ©olf an feinem Ä’aifer hängt, unb 
anerfannt hätte. Sn Sioerpool unb anbem ©täbten wirb nicht fo fchneß bad ©chwert gegen ®eutfd)lanb 
würbe er anfänglich entweber eidfalt, ober mit gifepen z^fcu. 

empfangen. Er ließ fiep baburep mept irre machen, Seöt werben wir auep eine geitlang nicht mepr fo 
fonbem wanbette oon ©tabt zu ©labt, inbem er faft üiele griegdnacprichten (!!) burch bad $abel erhalten 


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27« 


&ua brt Jfit. 


unb bie hodjmeifen 3eitungSfchreiber brauchen einft- I 
meilen baS amte ©ehirn nicht mehr anzuftrengen, 
munberliche ÄrtegSartifel $u Treiben. 

Alle Arbeiter * Unionen foHten bod) bem Veifpiel 
ber Aem porter Maurer einige Aufmerffamfeit fchen- 
fen, bie eS unter allen ©emerfen faft am beften ber- 
ftanben, baS gute ©inbernehmen mit ben Arbeitgebern 
aufrecht zu erhalten, worunter ihre eigenen ftntereffen 
nicht etma gelitten, fonbern gleichfalls ganz mefentlidj 
geförbert tuorben. Soeben tft ztbifchen biejen beiben 
theilen abermals ein $ahreSbertrag abgefchloffen 
morben, burch ben man fiep verpflichtet, für einen gc* 
miffen ßohnfafc eine getbiffe 3 a hl bon Stunben täg¬ 
lich P arbeiten, ohne baS baS ©efcpäft durch StrifeS 
bon ber einen ober fioofouts bon ber anberen ©eite 
geftört »erben fofl. ©S gefdjah bereits zum britten 
Male, bab ein berartiger ©ontract abgefd)loffen mürbe, 
ber beiben $h*ü en biele 33crlufte unb Unannehmlich* 
feiten erfpart unb mefeutlich bazu beigetragen, baS 
ftetS ein freunblicheS Verhältnis Amifcgen thnen er¬ 
halten blieb. AIS fich bor Äußern Die Arbeitgeber in 
berfchiebenen Vaugemerben zufammentpaten unb, ge- 
miffermaSen in Oppofition zu ben Arbeiterorganifa- 
tionen, eine Vereinigung grünbeten, fteüten bie Mau¬ 
rer an ihre Meifter baS ©rfuepen, fich nicht an biefer 
Vereinigung zu betheiligen,unb bamit baS jepige gute 
Verhältnis reine ©törung erleibe, mürbe ihrem ©e- 
fuch entfproepen. SBarum fönnten ähnliche 3uftänbe 
nicht in allen ©emerfen perrfdjen ? 


$ie «intarlaften — b. i. bie Ausgaben für fieer' 
Jflotte unb ftnbalibenpenfionen — finb in ben Ver 
Staaten thäifädjlicp gröber, als in Eeutfcplanb' 
trofebem baS beutfehe ffepenbe fteer bem unferen an 
3ahl minbeftenS fiebzehnfaep überlegen ift,unb unfere 
flotte mit ber mächtigen Kriegsflotte beS beutfehen 
föeicpcS einen Vergleich überhaupt nicht auShalten 
fann. $ie „3HS. StSztg." h at fich öer Sttüpe unter= 
zogen, bie betreffenden Ausgaben auf ©runb ber lep= 
ten SapreSbemifligungen in überficptlicper SBeife zu- 
fammenzufteüen. 

danachiftbieftapreSrecpnungfür bie Ver. Staa¬ 
ten mie folgt: 

fceer. 123,724,718 

Militärfcpule. 419,936 

flotte. 25,753,165 

Venfionen. 76,252,500 

MeEifani)cpe Venfionen. 6,900,000 


QnSgefammt.$133,050,319 

dagegen für baS b e u t f cp e 3t e i d) (bie Mart p 
24 ©entS gerechnet) fo: 

öeer (orbentl. Aufmanb).$82,328,811 

bo. (auSerorbentl.). 9,962,781 

giotte (orbentl.). 8,904,284 

bo. (auSerorbentl.). 2,328,450 

Militär-Venfionen. 4,958,328 

Marine-Venfionen. 151,129 

^nbaliben-Venftonen. 6,470,781 


SnSgefammt. $115,104,570 

$er ftapreSaufmanb für bie Ver. Staaten ift alfo 
um 18 Millionen Dollars, ober um 75 MiH Mart 
höher, als ber beS beutfehen fReicpcS. $n SJtarf 
(p 24 ©entS) gerechnet geben aus 

bie Ver. Staaten.554,376,200 

baS beutfehe SReicp. 479,601,149 


Alfo bie Ver. Staaten mehr . 74,775,051 


J>te ViH, tP^lc^c bat ferneren Verlauf bon Vun* 


beSlänbereien an AuSlänber oerbietet, ift bom Vraft- 
benten unterzeichnet roorben, unb menn eS auf ben 
erften Vlicf fcheinen möchte, baS bie Urbarmachung 
unjerer noch unbebauten VegierungSlänbercien be¬ 
günstigt merben follte, baS bie Anlage auSmörtiger 
Kapitalien in amcrifanifchem ©runbetgentpum unb 
beffen ftultibirung nur bonAupen fein fonnte, fo muS 
hoch mohl eingeräumt merben, baS bte Anhäufung 
unfereS ©runbeigentpumS in ben §änben bon AuS 
länbern burchauS nicht münfchenSroerth ift, unb baS 
ein biefe ©efahr abmenbenbeS ©efep gemi| feinen 
Augenblicf z« früh fam. ©djon befinbet fiep ein Areal 
bon etma 20 Millionen Ader, b. p- faft bon ber@rö&e 
ftrlanbS, in ftänben frember ©tgentpümer. Unfer 
£anb füllt fiep rafch auf unb um ihm feine beborpgte 
Stellung unter ben Nationen bemabren zu fönnen, 
müffen mir im Staube fein, allen Anfommenben, bie 
in unferer Mitte eine ^eirnatp fueben, billige $eim- 
ftätten bieten zu fönnen. ©>aS müroe balb ntcht mehr 
möglich fein, menn mir AuSlänbem bie ©rmerbung 
beträchtlicher gänberftreden geftatten mollten, bie fte 
borläufig ber Veftcblung berfchlteSen mürben, um 
fpäter um fo höhere Vretfe bafür erhalten zu fönnen. 
l)ie Anhäufung beS ©runbbefifceS in ben ©änben SSe 
niger ift ein gefährlicher Uebelftanb, ber bermieben 
merben mu&, unb bie Sache mirb natürlich noch um 
Vieles bebenflicher, menn bie ©igentbümer nicht ein¬ 
mal Vürger finb unb nicht unter Den ©efe$en beS 
I SanbeS ftehen. 


Uebrr baS tmanfhaltfame Anttaihfen ber Social 
bemofratie in Verlin—trofc Socialiftengefeh unb allen 
möglichen polizeilichen UnterbrüdungS-, |)inberungS* 
unb ©rfcbroerungSmaSregeln bei gleichzeitiger unbe- 
fchränftefter Agitationsfreiheit ber anderen Parteien 
—geben folgende 3 a h Ic « c ^en erfchredenben Ueber- 
blid: 


$ie Socialbemofraten 


1867 in ©erlin 67 

1871 

„ 2,058 

1874 

, 11,279 

1877 

„ 31,522 

1878 

„ 56,147 

1881 

„ 30,871 

1884 

„ 68,582 

1887 

„ 94,259 


^ti neue SonntagS*©efeb beS Staates fiouifiana 
beftimmt, baS bon Samftag TOttemacht bis Sonntag 
SJtittemacht alle gäben, äBerfftätten, SBirtbfchaften 
unb offenen ©efdmftspläfce, melche eines befonberen 
©emerbefcheineS bebürfen, gefdjloffen merben müffen 
unb ba& in benfelben nichts oerfauft merben barf, bei 
einer ©elbftrafe bon $25 bis $250, ober ©efängniS 
bon 10 bis 30 Xagen, ober VeibeS, je nach ©rmeffen 
beS Richters. Ausgenommen bon biefem Verbot fmb: 
3eitungShänbler, Sobafontainen - Vefifeer, Vergnü 
gungSpläpe, Vabeorte, öffentliche V<»rfS, ©iSberfäufer, 
Leitungen, Vuchhanblungen, 2)rudereien, Seidhen- 
beftatter, öffentliche unb $ribat - 99tärfte, Vädereien, 
Milchereien, geihftälle, ©ifenbahnen, öotelS, Äoft- 
bäufer, 5J5ampfboote, 3teftaurationen, 4elegraphen- 
Aemter, Xh^ater unb ähnliche UnterbaltungSorte 
borauSgefept, baS an foldjen Orten feineriei heran 
fchenbe ©etränfe berfauft ober berabfolgt merben. 


Vc&ölfcrong ber ©rbe. 3)ie Vebölferung ber ©rbc 
nimmt man (natürlich finb aüe biefe Sdjäpungen nur 
ganz ungefähr) zu 1434 Millionen an; baoon rechnet 
man auf ftichtcpriften 1008 MiU., nämli*_831WMiH 
§eiben^ 169 Miü. Muhamebaner, 7^ Miß. §ubcn. 


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©flfette W. 


277 


Die 3&PI aller Triften fcpäpt man auf 426 Mid.; 
unb jroar 9tömifcp*$atpolifcpe 210 Mid., ©oangelifcpe 
130 MÜL, ©riecpifcp*$atpolijcpe 80 Mid., Armenier, 
topten ic. 6 Mid. »on biefen 1434 Mid. Menfcpen 
fommen auf Europa 328 Mid. (12 Mid. ftieptepriften, 
316JDÜIL ©priften), auf Elften 796 Mid. (784 Mid. 


9ticpt(priftett, 12 SD^iCL (Sänften), auf Afrifa 204 Mid. 
(200 Mid. ftieptepriften, 4 Mil Sänften), auf Arne* 
rifa 102 Mid. (10 Mid. 9ttcptcpriften. 92 Mid. ©pri* 
ften), auf Auftralieit 4 Mid. (2 Mifl. 9ticptcpriften, 2 
Mid. ©priften). Man fic^t, baS ©eibentpum umfaßt 
noep bie gewaltige Meprjapl. 


.OfCK 


Offene ^o(I. 


ttufrre ©uipagenten machen baS Anerbieten, Qebem, 
ber 6auS unb ©erb für ein palbeS Qapr beftedt, 
b i e M a i unb Quai Hummern mit in ben 
Stauf au geben, fo lange ber »orratp reitp t. Somit 
acht fepone ©efte mit 448 ©roßoftaüjeiten, Stapl* 
ftiepen unb ©oljfcpnitten für $1.00. Stann man tr* 
genbwo bidijgere Literatur laufen, bie jugleicp nup* 
unb fegenbnngenb ift? Qefct ift e$ 3eit ©auS unb 
©erb allen anjubieten, bie eS noep niept galten. 

»»Der gefürnte ©immel“ fanb beß^alb feine Auf* 
napme in ©auS unb ©erb, weil in bem Auffafc gremb* 
Wörter wimmeln, wie Sterne in ber Milepftrale. 

„fBiUfl bu ein fitster Xeutfdjer fein, 

6o fpriep auch bnne Sprache rein, 

ßatetn unb $eutf*. ftrütijiöfifdj bunt unb trau?, 

Siept ja wie eine ftarreniaae au§." 

„Qntedigent" unb „Qntedeftnell.“ ©S fei eine 
pijige Debatte, ob ben oeiben AuSbrüden entftanben, 
fagt man uns, unb wir (öden entfepeiben. Die eine 
Seite meint, man fönne mtedigent fein, ohne intedef* 
tued au fein. Die anbere Seite fagt, ein intedigenter 
Menfcp fei auep intedeftued. 3 um ^tofte fet jurn 
©rften gefagt, baß bie SBurjel ber beiben AuSbrüde 
ein unb biefelbe ift Sie werben üon “intellectus” 
abgeleitet, roaS fo biel peißt als ©rfenntnißoermögen, 
93erftanb. 

Somit patten wir alfo einen gemeinfamen AuS* 
gangSpunft, unb bamit ift ja jcpon oiel gewonnen. 

Scpauen wir unS nun ben ©ebrauep biefer AuS* 
brüde an, fo peißt intelligent fo oiel als oerftänbig, 
einfieptSood, funbig; inteueftued aber (roaS eigentlich 
barbarifcp-lateinifep ift) fo ütel als geiftig, oerftänbig. 

Qm gewöhnlichen Sieben legt man aber bem SEBort 
mtedigent oft oornepmlicb bie ©igenfepaft beS ®un* 
bigfeinS bei, unb aus biefem ©ebrauep ift wopl bie 
Debatte entftanben. So peißt man j. 93. ein Anzeige* 
ein SfcacpriebtSblatt auep „Qntedigenjblatt." Unb in 
bemfelben Sinne gibt eS em Qntedigenj * ©omptoir, 
ein Anzeige* ober 9Jacpfrageamt, eine Anfrageftube, 
wofelbft man über gewiffe Dinge funbig ift. 

Qn biefem Sinne aufgefaßt, beftept aderbingS ein 
Unterfcpieb AWifcpen ben betben AuSbrüden, benn eS 
mag Qemano burep Anwenbung ber ©ebäcptnißfraft 
ic. k. in üerfepiebener »ejiepung jiemlicp „funbig" 
werben, ohne eigentlich ein getfttger oerftänbiger 
Menfcp ju fein. 

Qm lefcten ©runbe jeboep fann icp mir feinen geifti* 
gen, üerjtänbigen Menfcpen benfen, ber niept auep in 
etwas unterrichtet ift, unb anbererfeits fodte jebeS 
iupte Sfunbigfein auep baS ©rfenntnißoermögen, baS 
Qntedeftueue fepärfen unb ftärfen. 

Sie man Untertoreifter fammelt, bas seigt eine 
Äreunbin biefer ßcitfdprift iortwäprcnb turep bie Dpat. 
©W gab S. iprem ajce|gerjungen tpre ©efte ^um 


fiefen. 93alb pielt er ©aus unb ©erb felbft. Unb 
nun fcpreibt fie: „Der junge SJtann gab feine ©efte 
feinem SÖGeifter ^um Sefen, unb weil erfterer biefelben 
auep naepDeutfiplanb fepieft, fo fragte iep ben SKeifter, 
ob er ©auS unb ©erb niept palten wode. 0pne 2Öei= 
tereS antwortete er mit ja unb lieft mit Vergnügen." 

Hin berühmter Sfranjofe fing feine »riefe immer 
folgenberma&en an: „Da iep feine 3eit pabe, bir einen 
furzen »rief ju fepreiben, fo fcpreibe iep einen 
lange n." 

Damit ift oiel gefaat. SJtögen fiep unfere wertpen 
Mitarbeiter immer yeit nepmen, für je, aber fepr 
inpaltSreicpe 2lrtitel für ©aus unb ©erb ju liefern. 

Bm füllen Meer fommt immer noep febmuef, in 
f^önem Drucf unb ood guter Saepta auf unferen 
Dijcp. 9Bir begrüben baS»latt iebeSmal mit befon* 
berer greube, weil eS fiep unter ftpwierigen Umftän= 
ben fo waefer palt unb wir auS ©rfaprung wiffen, 
welcpe Mühe eS foftet ein berartigeS Unternepmen 
erfolgreich fortjufüpren. ©S barf auf bie enerjjifcpe 
Mitpülfe ader Deutjepen in ©alifomien, wie über* 
haupt auf biejenige ader wapren »olfSfreunbe gereepte 
vlnfprüepe maepen unb wir poffen unb beten, ba& 
bemfelben noep ein weiter, fegenSreitper SBirfungS* 
freiS geöffnet werbe. 

The Pilgrim« Progress from this world to 
that whicli comes. By John Bunyan. With 
one hunclred Ulustrationa, by Fredrick Bern¬ 
hard and others. Engraved by Dalziel Bro¬ 
thers. New York: Phillips & Hunt. Cincin¬ 
nati: Cranston & Stowe. preiS: $3.00. 

©S gibt oiele ^ßraeptauSgaben biefeS berühmten 
»udjeS. Dies ift etne ber fepönften unb heften, ©roß- 
quarto im gormat, auSgeftattet mit Rapier, Drucf 
unb ©inbanb erfter klaffe, unb gejepmüeft mit »ih 
bern, beren beinape jebeS ein Äunftwerf genannt wer* 
ben barf—ift biefer »unpan fo anjiepenb, baß man 
feine greube baran pat. 

9GBer naep einem fepönen, wertpooden unb fegenS* 
reidjen ©efepenfbuep fiept, ber beftede biefe $raept* 
auSgabe. 

©arum benu immer reimen? Qft benn ber 
»erfuep fepmerer, perjerquiefenbe, geifterleueptenbe, 
padenbe, äept oolfStpümlicpe $rofa ju fepreiben? 

Angenommene Ärtifel : Utap unb bie Mormonen. 
— ©erjog Äarl unb Scpider. — geberffijjen aus bem 
Worbweften.—Sift gegen fiift, ober beS $apftcS ©oep 
jeitSreife. — Acptjig yapre in ©lauben, Äampf unb 
3ieg.—Qa, ja—bie äinber. — Märtprertob ber Gua* 
Terin Maria Dper. — 9Sie bie Scpiderbüfte entftanb. 
—Die beutfepe Sprache unb baS ©priftentpum— »i* 
belwort im »olfSmuub, 


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278 


ttfinmorgcn. 

















































©Ilrnnorgm. 






























































280 


(Ojlfintorgrtt. 




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Hutjt fanft, fcblaft mobl, itjr (Ebeuren, Sdjmerj unb Hotb 
Sic ftnb nun meit, fo meit; 

Vov cucrtn }3licF bes Gebens ITiorgenrotb, 

Die ^ötj’ ber (EroigFeit. 

3 br habt bas Paterfanb gefunben, 

Dctt ^Jeinb, ben lebten, übermunben. 

Kuljt fanft! Sdjlaft u>of}I! 


Kuljt fanft, fdjlaft ipofyl1 Der Sünben bunFIcs tfeer 
(End} nicht mehr fd»recfcrt famt; 

Des groeifels Qual, bic Seufjer bang unb fdm>er 
Sirtb ron euch abgetban. 

3t?r lieben Schläfer, (Sottes ^rieben 
3ft eud? uadj Ijeifiem Kampf bcfdjieben. 

Kubt fanft! Schlaft tpoljl! 

T 21 


3»m töräberfdjmürf ungStüß don s $. 2Jt. 

£ier,su ba* Xitelbilb. 


ufyt fanft, fcfylaft rootjl, i^r Sieben groß nnb Flem, 
(Sott ift’s, ber euch bemacht; 
r 3n eure Stille bringt Fein (Eon hinein, 

Der uns erbeben madjt. 

Die fdjroerfte Prüfung ift 311 (Enbe, 

IDir falten banFenb unfre ^änbe : 

Kubt fanft 1 Schlaft n>oljl I 










282 


3kd)t|ig 3«ljre in Glaube, Bantpf unb Sieg, 


Huljt fanft, fd?laft woljl I Des Cobes ffnffre Dad?t 
Bebrolff uns für unb für; 
gur wahren ^reitjeit tjat er eud? gebraut, 

Kuf fprang bie fjimmelsttjür. 

(Es flammten Sonne, ITtonb unb Sterne, 

Der perlentfjore (Slan3 pon ferne: 

Hutjt fanft! Schlaft wof?l 1 


I Hufyt fanft, fcblaft wof?l, it^r lieben, unfern Pfab 
IDir wetnenb weiter gel?n; 

| (Ein droffesffern bem müben IDanbrer nal?t, 

Die Hoffnung: IDieberfefjn I 
I 21 m großen Kuferffeljungstage 
' gum £?allelujat? wirb bie Klage: 

I Huljt fanft 1 Sd?laft wof?l 1 


»ft®«* 


Jtdltffg |al|re in Glaube, latttpf unb Sieg, 
u fr. Dtot ’0 arbtsigatem ^rburtatagisifeisit (is. fuwi 1887). 


§für ßtttti unb #crb bon fttnna «Sporn. 


I. 

a fielet er, t?od? auf ptöga’s^elfe^inne, 5 9Hof.34,i. 
3srael’s ^ürft unb Kned>t, ber (Sottesmann, 

Das greife tjaupt umweht non £?im meislüften, 

Den Set^erblicf gewanbt nad? danaan; 

Dem £?immel nat?, pon (Sott gerufen 

Dor feines IjeiPgen dtjrones Stufen, 82, 48 . 

Kn 3 afyren reid?, nod? fraftgeübt, 

Das ^euerauge nid?t getrübt. $ 4 , 7 . 

Kn feinem (Seifte 3iet?et ffifl porüber 
Sein leben, wunberbar unb reid? unb fd?wer, 
gwar bas geplagtere genannt auf (Erben, 4 12,3. 

Unb bod?, weil (Sott geweift, fo groß unb f?ef)r. 

3 n bittrer Kned?tfd?aft arm geboren, 
gu großem IDerf pom fjerrn erforen, 
giefjt er il?n auf perborgner Datjn 
gum (Slaubensljelben felbff fjeran. 

<£r pel^t, wie treu (Sott tl?at, was er perljetßen : 

„ 3 cb werbe mit bir fein, bein UTunb, betn lid?t l" 
^ 2 Ä 4 , 12. 

IDie it?n burd? ItTeeresffutt? unb IDüffengluttjen 
(Seieitet gnabenpoü fein Kngepd?t 1 
(Er blieft mit fd?mer3lid?em (Emppnben 
Kuf fein unb feines Dolfes Sünben, 

Dod? über Strafe, Stytlb unb Sd?mer3 
hinein in (Sottes Daterlje^. 

Unb ob fein Kuge glaubenb nur barf bliefen 
3 n’s fd?öne, t?eißerfef?nte danaan, — 
tDotjl itjm, bas t?immlifd?e fielet lid?t unb offen, 
Durdjpilgert ift bie Kampf* unb Siegesbatjn. 

Der Knecht bes tjerrn gef?t ol?ne (Srauen 
Dom (Slaubensleben l?eim 3um Sd?auen 
Der unperljüHten tjerrlid?feit 
Don (Ewigfeit 3U dwigfeitl 

II. 

Seljt it?r il?n ffetj’n anf lichter lebensböfje, 

(Ein ^ürff in 3 sra ^/ ein (Sottesmann, — 

Das greife fjaupt umweht pon £?immelslüften, 

Den fePgen Blicf gewanbt nad? danaan? 


(Ein pisga ip il?m l?eut befd?teben, 

(Ein £?ot?epunft poü lid?t unb ^rieben, 

Dem Jubilar, nod? fraftgeübt. 

Das eble Kuge ungetrübt. 

(Er läßt pe banferfüllt porübergleiten, 

Die ad?t3ig 3 a ^/ bie it?m (Sott gefd?enft, 

Sein (Seiftesblicf burdjeilt bie IDunberwege, 
Durd? bie fein Krm if^n gnabenpoü gelenft. 

Unb daufenbe, bie frof? it?n fennen, 

Unb feinen Damen Iiebenb nennen, 

Sie jubeln mit unb beten an 
$üx bas, was (Sott an it?m gettjan. 

3a, als por ad?t3ig 3 a fy r * n ®arb geboren 
3 n Sd?waben’s Hepben3 ber 3 ubilar, 

Da fonnten (Eltern nid?t unb ^rennbe aljnen 
ID 03 U bies Kinb pon (Sott erforen war. 

(Sebct umfd?webte feine tDiege, 

Unb frütje regten (Snaben3Üge 
Sid? in ber jugenblidjen Druff, 
gu (Sottes IDegen lieb* unb luff. 

Dod? ad?, bie 3arten (Slaubensfeime ffarben, 
Derütjrt pom <Jroff ber IDeisfjeit biefer IDelt; 
IDo Strauß, ber gwetfelsfjelb, genährt, er3ogen, 
3 ff unfers 3 ünglings (Slaubensfd?iff 3erfc^eüt. 
gu wa t? r, pd? (Sottes Kned?t 3U nennen, 

Don beffen Dienff il?n nunmehr trennen 
Unglaube, gweifel, blinber U 2 af?n, 

Derläßt er bie gewählte Dal?n. 

(Sott aber l?ält in ffarfen tiebesl?änben 
Das arme £?er3, bas trofflos por it?m ffief?t, — 
(Es ift fein weifes, gnabenpolles ^ül?rcn 
Das il?n, glücffud?enb, in bie Jeme 3iet?t. 

Das tanb, wo mand?er (Eraum jerronnen, 

U)o manches E?er3 für (Sott gewonnen, 

Kmerifa, ber ^reit?eitsffranb 
tDirb aud? fein geiffig Daterlanb. 


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fin neue Siiben als beutfdjfs fftifftonsftlb. 


283 


Da leitft ber Ejerr mit Itebertbem (Erbarmen 
Den 3ÖNgltng burd? bte Hadjt 3 um em’gen ltdjt, 
^Jüljrt itjn in gottgetpeiljter UTenfdjen Kretfe, 

IPo, tief erfannt, fein reuig Eje^e bricht. 

Unb ob in bunfeln Kampfesftunben 
Die Eröffnung etpig fdjten entfdjrounben, 

Das (Slaubertslidjt ju jterben brotjt, — 

Die Seele fämpft unb ringt nad? (Sott. 

Unb ftefyl Hadj Sturmesnadjt unb IPüpenretfen 
IPirb iffm ein (Slaubensptsga aufgetfjan. 

„0, Brob genug in meines Paters E^aufel" 

„Kudj idj erlöß, ba^eim in <£anaan!" 

3n 3efu Ejetl unb (Snabenfüüe 
IPirb feft bas Ejer 3 unb felig ftillc, 

Unb tjat im tjeiPgen (Slaubensfrieg 
3n jebem Kampfe Pollen Sieg. 

Hun muß er aud? bie frotje Botfcfyaft tragen 
hinaus, pon 0 rt 3 U 0 rt, pon I}cr 3 3 U E?er 3 . 

Unb nur bie (Emigfett roirb offenbaren 
IDie uielen (Eaufenben er Ijimmeltpärts 
€in (Sottesbote burfte tuerben, 

(Ein treuer flirte Pteler Ererben, 

€in ^üfjrer burdj bie XPüßenbatjn 
3n’s lanb bes (Slaubens, (Eanaan. 

Unb ob im Kampf mit Sünbe, IPelt unb £?olle 
Die gunge fdjmady ifjm fdpcn unb flein bie Kraft, — 
3m (Stauben iß itjm IPort unb IHadß gemorben 
Durdj ben, ber in bcn Sdjtpadjen (Sroßes fdjajft. 

(Er trug bas Kreu 3 panier ergaben, 

Ejat feine reichen (Scißesgaben 
3n IPort unb Schrift bem E>errn gemeint, 
^rud?tbringenb für bie (Emigfeit 


IPie piel tß tjier fdjon t^errlid? auferftanben, 

IPas glaubenb er in Scfyroad^eit dusgefät. 

(Ein fel’ges IPnnber ift’s por ITtenfdjenaugen, 

(Ein gottlid? 3** 3 U feines Knechts (Sebet. 

Pom Segensbaum, ber, reidj an (Saben 
U^älß’ge Ejeqen burfte laben, 

E?at betenb er ben Keim gelegt, 

Unb (Sott tjat fegnenb ifyn gepßegt. 

Sagt, ift nidjt unfer 3ubilar aus (Snaben 
(Ein (Slaubenstjetb in (Sottes Streiterfyeer, — 

Sein leben, rounberbar porn Ejerrn getragen 
IPie eines UTofe, reidj unb groß unb tjetfr? 

Dodj tß er flein in ßdj geblieben, 

(Ein fjcil’ges Streben, poües lieben 
3 ft feinem IPefen aufgeprägt, 

IPo pd? fein ebler (Seift beipegt. 

Seht, tpie ben teuren Pater frotj umringet 
Pon (Seiftesfinbern eine große Sdjaar, 

Die fämpfenb fyier unb bie pollenbet briiben 
Danfopfer legen auf bes Ejcrrn KItar 1 
Unb fort unb fort mirb reidy im Segen 
Sein lieb (Sebädjtniß Pe bemegen. 

Unb er, ber pe 3 um Ejerrn gebracht 

IPirb leuchten rote bes Rimmels pradß. ‘San. 12, 3. 

(Sott fegne itjn unb feine adß 3 tg 3 a fy r */ 

3m (Stauben, Kampf unb Sieg Hjm treu gemeint 1 
Sdjon glän 3 en tpmmlifcfyc Perflärungsftratßen 
Um itjn, ben (Erben jener Ejerrltdjfeit. 

Den treuen Kttedß roirb (Sott ergeben 
Pom Siegeslauf 3 um ero’gcn leben, 

Pom (Slaubensfampf 3 ur Ejimmelsraft I 
(Sott fegne erotg Doftor Ha ft! 


-fQtlL 


Per neue Äen al$ beutfdjes JKifftonefrlö. 

dbitor. 


ben Teilungen unferes ßanbeg ftöfjt man 
feBfjf neuerbingä häufig auf ben 9lugbru<f — 
„$er Sie ne ©üben." 
fWf 2Baä wirb batnit bejeii^net? ©inb 
benn bie ^uftänbe im fiiblid&en 2f)eile 
ber Ser. ©taaten niefit fd)on feit ©eenbi= 
^ gung beä Sürgerfrieged neu? SSurbe 
bie ©ttaoerei nic^t fc^on 1863 abgefibafft? 

3amo^l ; aber big 1875 fonnte fi<^ ber ©ü= 
ben nid)t in bie neuen 3uftänbe finben. S)ie 
©übtinger gehrten an ber SBergangenljeit unb 
größten mit ber Sauft in ber Xaft^e. ©ie er= 
blirften in jebem, ber üom Slorben (am, einen 
lobfeinb, bem man bie I^üre oerjdjtiefjen müffe, 


unb laufenbe fiofften immer auf eine rounber 
bare SBenbung beg bitteren ©c^irffatg. 

0t)ne 3roeifel giebt eg au<^ ^eute nodj eine 
bebeutenbe Stnja^I Sourbonen im ©üben, bie 
nidjtg oergeffen (ömten unb aug ber ®efd(icbte 
nidjtg lernen. Qm Slttgemeinen jebod) madjt 
fi(^ fdjon feit jebn Qaljren ein anberer ©eift 
geltenb, unb bie Srüdjte biefer Umtoanbelung 
treten bereits ju läge. 

®er oerftänbige ©üblinger fie^t ein, bag ifjn 
fein ©roß gegen bie $anfeeg (einen 3®ß Weiter 
bringt. Gr iieftt fitb in feinem Sanbe um, unb 
gcroaiu't in feinen Sergen einen faft unerfdjöpf^ 
liefen ©djafj oon ©ifenerj unb ft:lßen unb er ift 


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284 


9er neue Silben als beutfdje* Utifftmisfelb* 


fo meife, Slnbem bcn Sergbau p geftatten, menn 
er benfelben nid^t felbft betreiben milt ober !ann. 
©r betrautet fein tutturfätjigeg 2anb unb muß fich 
fagen, baß eg noch uiet nupbarer gemalt mer* 
ben fönnte. Er erfennt ben SBertf) unb ©egen 
freier Slrbeit für fiep unb feine^eimatf) unb münfat 
bie ,8 u Pnbe ber ©Hauerei nicht mehr herbei. 
Er mürbe befannt mit ber gut gefaulten WlitteU 
Haffe beg SRorbeng unb getobt, baß eg betreffs 
ber allgemeinen Sitbung im ©üben beffer mer* 
ben müffe. 

Siefer gang attmähtig ftd) uotlgiehenbe Um* 
fchmung hot ben begeidjnenben Stuebrud: S e r 
9leue ©üben erjeugt. 

3n mie meit berfelbe ber SBirtlicpfeit ent= 
fprfat, merben mir bufa einen furzen ©inblid 
in bie gegemärtigen füblidjen 3uftänbe entbeden. 

I. 

Ser alte ©üben mieg brei Seuölferunggflaffen 
nach: 1. Sie ©Hauenbarone, 2. bie ©Hauen, 
3. bie arme freie Staffe — meiß, famarj ober 
gelb. SBirftiche, ftätige Slrbeii uerrid)teten nur 
bie ©Hauen. Sie ©Hauenbarone hielten namens 
tid^ £anbarbeit meit unter ihrer SBürbe, unb bie 
heruntergefommenen Sßeißen uegitirten blog. 
(2luänat)men finb bei beiben Staffen p uer= 
merfen.) 

Sie Slufhebung ber ©Hauerei hot bie Slrbeit 
im ©üben p ©hren gebracht. Ser meiße, hoch* 
mo^tgeborene ©übtinger mürbe burcf) biefetbe 
emancipirt uon bem igrrmahn, baß bie Slrbeit 
einen gebitbeten SRenfaen entehre, ©r ift heute, 
fo er nicht p ben Sourbonen gehört, in eigen¬ 
ster sßerfon ein arbeitenbeg SRenfaenfinb ge= 
morben, unb tjot fomit einen ber erften ©runb= 
fteine pr £ebung feinet 2anbeg unb Solfeg 
gelegt. 

Samit fott nicht gefagt fein, baß bie atten 
feerren beg atten ©übeng gerabep gauflenger 
gemefen feien. 2tber fie Ratten beftänbig un- 
enbticf) uiet 2Ruße. $eute finben ffa niete tau* 
fenb ©übtinger, bie gerabe fo gut miffen, boft 
$eit—©etb ift, mie ber $anfee in Softon, unb 
fid) burdjaug nicht fchämen, biefe foftbare 3eit, 
menn fich’S gerabe fo trifft, auch mit ^anbarbeit 
augpfütten. 

Siefe Sefreiung beg meinen 9J?anneg aug ben 
Setten atbenten Sorurtheitg hot pr ^eruor- 
bringung ber 3uftönbe, bie man mit bem 2lu^ 
brud „SReuer ©üben" begegnet, fo uiet ober 
mehr gettjan, afg bie ©rtöfung ber ©Hauen nom 
brüdenben Igod). 

II. 

Sie tjauptfädjtidjen Slderbauprobufte, uon 
benen 2Ranche glaubten, baß fie mit ber ©Hauen- 


©mancipation beinahe gu nichtg uerfcßminben 
mürben—Saummotte unb Sabad—merbe nheute 
uiet maffenhafter gegogen benn je. 

3m Satyr 1886 mürbe im ©üben breifeig 
$rogent mehr Saummotte gepflangt, atg in ber 
beften ©Hauengeit. Unb gmar mürbe bie meifte 
Saummotte, nämlich 55 $rog. uon SEBeißen ge* 
pftangt, mäßrenb uor bem Sürgertrieg nur 10 
$rog. ber Saummotte uon meinen Seuten ge¬ 
baut mürbe. 

©o bebeutenb aber biefeg 5ßrobuH ift, fo fann 
bie Saummotte gum ©lüde beg ©übeng nicht 
tanger bie Sönigin genannt merben. Ser @üb^ 
tinger feat entbedt, baß er uor bem Srieg ju fei¬ 
nem Schaben nur Saummotte, Sabad unb 3u<fer 
pflanzte, mä^renb atte anbern Stderprobufte faft 
augfatie^tic^ uom SRorben getauft mürben. 
^)eute baut er nod) uiel Saummotte unb feat im 
3at)r 1885 and) für 33 SKittionen Sabad Uer= 
tauft, ©r 5iet)t fic^ aber bie anbern getbfrüdjte 
meifteng felbft unb feat nicfet mef)r nöttjig, 3uder^, 
Saummotten= unb Sabad=©rnte ju uerpfänben, 
um fein Seben p friften. ®r mirb mit jebem 
3at)re ein unabhängigerer Sauergmann, mä^ 
renb er früher ein großartiger, aber uerfchutbe^ 
ter ^Jftanpr gemefen. 

2tußer ben gemöhntichen getbfrüdjten mirb 
jcpt im ©üben uiet Dbftpdjt, ©emüfegärtnerei 
unb Siehpcht getrieben, ©g mareit 1886 ein- 
hunbert äRittionen Sottarg mehr in Sieh im 
©üben angelegt, alg anno 1876. 

III. 

SRod) größere ftortfdjritte hat ber ©üben be- 
treffg ber ©emerbe, ber gabrifantagen unb ©r- 
öffnung uon Sergmerfen gemacht. 

Sor bem Srieg befcfeäftigte man ficfe in ben 
©übftaaten faft augfchtießlfa mit Sabad=, Saum= 
mott- unb 3^derbau. Unb nur in fo fepr uer- 
einptten gälten machte fidj bie ©roßinbuftrie 
bemertbar, baß ich n0( ^ re( ^t 9 u t au ^ mei¬ 
nen Schuljahren erinnere, aug bem geographi- 
fdjen ^anbbuch gelernt ju ho6cn: „Sie ©üb= 
ftaaten Jiorbamerita’g eignen fich faft nur für 
Stderbau." 

Sor 3^ücn fanbte ber ©üben faft alte Saum- 
motte nach 9leu ©ngtanb unb ing 2tugtanb pr 
Serarbeitung. 9toch im 3 a ^ re 18^0 gab eg 
im ©üben nur 180 Saummotlfpinnereien; im 
3af)re 1885 bagegen phtte man nafjep 400! 
Sie ©Hauerei hotte biefe gabrifinbuftrie prüd- 
gehatten; bie freie Arbeit mieg bie meiße Se^ 
uötferung beg ©übeng auf ihre eigene Sraft an 
unb fpomte ben SBitten pr Shötigfeit. 

Sie reichen Eifern unb Sohtentager in 3?orb- 
2ttabama unb Senneffee tagen uiete Sahre taug 
beinahe gang unbenüpt, unb noch Ph n 3 a Ö s 


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Per neue Silben als beutfdjes Süfltonsfelb. 


285 


ren hätte ntan alle gifengruben in ber 5iäf)e 
©irmingbant’g, 8Ua.,um #50,000 haben fönnen; 
beute fönnte man fie nicht um 50 SDiitttonen 
Xollarg buben. 

Sie brei ©übftaaten — ©irginia, Stlabama 
unb Senneffee probucirten 1884 breibunbert* 
fünfunbzmanzigtaufenb Sonnen 9tot)eifen mehr 
al* anno 1880, mäbrenb für äße Jiorbftaaten 
im gleichen ßdtHmm eine ©erminberung ooit 
9000 Sonnen im gleichen ^rtbuftriesmcig z u 
oerzeidjnen ift. 

©irmingbam, ber äRittelpunft ber gifen* 
inbuftrie in 9iorb*2llabama mirb bag für ben 
©üben merben, mag bie ©tabt ©irmingbam in 
gnglanb für ©robbritannien ift, unb bag eifen* 
reid^e *ßittgburg mufj feine Sorbeeren mabren. 
©or etma anbertbalb fahren führte mich mein 
SSeg burcb jene fübliche „gifen* unb S oblenftabt." 
3<h benüfcte einen längeren gifenbabnbalt zur 
Umfcbau, unb fam zur Ueberjeugnitg, bafj jene 
©tabt ein ©entrum ber ©eoölferung unb auch 
ein SWittetpunft beg Seutfdjtbumg im ©üben 
merben mirb. 

3ur ©eranfchaulichung beg ungeheuren gort* 
fcbrittg, ben ber ©üben gemacht, nehmen mir 
ben ©enfug oon 1880 zur |>anb unb feben, mie 
toeit bie ©übftaaten big 1885, alfo in fünf fah¬ 
ren gefommen. Sie 3 Q hten bezeichnen 2JtiI* 
lionen. 

1880 1885 3umad)3. 

'Äcferbauprobufte.549 GG9 120 

Sabrifprobufte.315 445 130 

Siebzucbt.130 1G8 38 

©ergmerfprobufte. 7 21 14 

freilich b at nörblicheg Sapital oiel zu biefem 
©ebenen beigetragen, unb je mehr fich ber @ü* 
ben erfchliefct, je mehr ber ©üblinger ben 
neuen ©erhältniffen gerecht mirb, befto mehr. 
Sapital toirb ficb i« feinem Seften in ben ©ü* 
ben ziehen. 

IV. 

2Bir fönnten noch auf bie gortfebritte in ber 
©olfg*©r jiebung aufmerffam machen, mofür ber 
©üben im Safjr 1885 fünf 9Ral fo oiel auggab, 
alg anno 1870, fomie auf anbere erfreuliche 
Umftänbe, taffen eg jeboch mit obigen Eingaben 
bemenben unb fragen: SSirb ber ©üben auch 
ein ergiebigeg beutfebeg SJtiffiongfelb merben? 

Chne 3roeifet. 

gg ift bereitg feftgefteflt, bag ber beutfebe 


2tc!erbauer in nieten Sbeiten beg ©übeng recht 
mobt arbeiten unb feine ©efunbbeit babei erhal¬ 
ten !ann. ©obatb nun ber neue ©üben noch 
ein menig meiter auf ber betretenen ©ahn oor* 
gefchritten ift unb in bem ©erbältnifj atg fich 
ber beutfebe Slnfömntling in ben meftlidjen 
Staaten immer meiter nach Jlorben begeben 
muh, um.SRegierangglanb ober eine fehr billige 
garnt zu finben — mirb fich nach unb nach 
bentfehe aeferbauenbe ginmanberung nach beut 
©üben menben. 

Sie SRittelpunfte ber fübtichen ©ergmerf* unb 
gabrif-^nbuftrie merben fich mit beutfetjen 2lr* 
beitem anfüHen, unb meifen jefct fchon eine be¬ 
trächtliche beutfehe ©eetenzaht auf. Seutfdje 
£>anbmerfer unb Saufleute merben fich bafelbft 
nieberlaffen unb ben Sem germanifcher Seoöl* 
ferung bitben. 

2tn 9Jliffiongfelb, aber auch an fehlerer 2Rif* 
fiongarbeit mirb fein JDtangel fein. 

©on Sap ©irarbeau am 2Jtiffiffippi unb oon 
Üftafboitle, Senn., big SRern Drteang gibt eg nur 
oereinzette beutfebe ©emeinben im ©üben. Sie 
in jenen großen ©übftaaten mobnenben Seut* 
feben finb firchlich gar nicht, ober bod) nur fünt* 
merlidj Oerforgt. 

Sag groge ©übfetb beutfeher 9Jtiffion liegt 
oor unfern Shoren. Sreten mir burcb biefel* 
ben ein. 

2lber fotcheg gintreten foftet ©etb, unb mo- 
ber baffelbe nehmen? freilich finb ©elbmittel 
notbmenbig. Unb ba bie Sache non ©ott ift, 
fo merben biefetben auch befebafft merben. 

§ülfe mirb geteiftet merben unb oor 2lHem 
fönnen mir fetbft ein ©ebeutenbeg beitragen. 

Sag beutfeh s amerifanifebe SRiffiongfetb ift 
ben beutfehen ©haften ber ©er. Staaten ganz 
befonberg oon ©ott unb ber Sirene Z ur ® car2 
beitung übertragen, ©ie finb meifteng grüßte 
ber beutfch^amerifanifchen 9Jtiffion unb erhalten 
oor a 11 em 2In b ern oon ihrem 9Jteifter ben 
Auftrag: ©ehe in ben bentfehen Sheil beä 
SBeinbergg nnb arbeite. 

©ie bürfen bem großen, meiten ©ottegreiche 
gegenüber nicht engherzig fein. Slber, mag fie 
auch für entlegene ©ebiete tbun mögen, an je* 
nem Sage merben fie SRecbenfcbaft bafür oblegen 
ntüffen, ob fie zu £aufe getreu gerne* 
fen unb im näd^ftliegenben 3R i f* 
fiongfelbe ifyxt ootle Pflicht er* 
füllten. 



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286 


Utolj unb bie JÄortnonen. 


Utah mit» bie Mormonen. 

8fur §au0 unb § erb bon 3. 3. Kcfjmcr. 


tat)"—„SWorntonenmer öerbinbet nicht 
heut ju Sage biefe beiben ©egriffe mit 
einanber, fo bafj, menn nur ErftereS ge^ 
nannt mirb, man auch fofort an SefctereS benft. 

Siefe ©ebanfenoerbinbung hat aud) itjre 
üotle ^Berechtigung. ©or bem 24. 3uli 1847, 
an meinem Sage ©righam ?)oung mit feiner 
^ionierabtfyeilung ber ^eiligen ber lebten Sage 
baS ©afyfeethal betrat, fannte man nur bie 
grofje amerifanifche SBüfte. Sie mar ber 


ben fich je|t ibtjflifche Dörfer, bie burdj ihre 
mof)tgepflegten ©arten unb ihre fruchtbaren 
gelber baS non ber Sinöbe ermübete Sluge beS 
Steifenben erfrifchen. 

2Ran rnufc es biefen munberlid)en „^eiligen 
ber lebten Sage" jugeftehen; in bem Slufbaue 
i{jre£ neuen EanaanS haben fie einen gteifc, 
eine Energie, eine ©tanbljaftigfeit unb einen 
©emeinfinn an ben Sag gelegt, beren fich nur 
menige ©erneinmefen rühmen bürften. SDtan 




Änfidjt be$ gro&cn Saljfee’« üon ben ©Qtjiafdjbergen. 


©chreden ber Emigranten, metche auf ihrer müt^ 
fameit Steife nach bem ©olbtanbe Gatifornien 
biefe mitben Stegionen burchsiefjen mußten. 

^eute burdhfauft ber Steifenbe mütelft ber $a* 
cific^Eifenbahn mit SBinbeSflügetn bie meiten 
©treden. Sie Steife, metche juoor brei bis üier 
SRonate in Slnfprud) nahm, mirb nun gut in 
einer SBoche jurüdgetegt. ^m bequemen $a^ 
(aftmagen ^urüdgelehnt, mirft er neugierige 
©titfe auf bie h^ unb ba auftauchenben SRor^ 
monen^Slnfiebtungen. 

3Bo früher baS SBilb fein SBefen trieb unb 
ber rotfje SDtann feiner ©eute nachjagte, ba fin= 


bebenfe nur bie ungeheuren ©chmierigleiten, 
metche ju überminben maren. 

SaS Serritorium Utah liegt ^um guten Sfjeit 
in bem ungeheuren ©etfen, baS fich smifchen bem 
37. unb 42. ©rabe nörbticher Sänge unb bem 
109. unb 114. ©rabe meftlicf) bon ©recnmich 
ausbreitet. Sie Benennung „Seden" hat biefe 
Stegion baher, meit feine ©emäffer feinen 2IuS^ 
flu£ nach bent SJteere haben. - 

SaS öan^e ift eigentlich ein £>ochIanb, beffen 
niebrigften Sheite fo hoch gelegen finb, mie ge* 
möhnliche ©ebirgS^üge. Selten benefct Stegen 
baS atfatihattige Erbreich. Sie ©emäffer, bie 


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Mtai} unb bie JKormonen. 


287 


öon ben Sergen herabfommen, oerftnfen in ben 
Soben ober memt fie größer finb, mie 5 . S. ber 
gorban, ber Sear, Dgben, SBeber, @et>ier, fo 
nehmen fie ihren Sauf nat bem großen Safjfee. 

Diefeä 80 Steifen lange unb 50 Steifen breite 
SBafferbecfen ^at gleit bem tobten Steere feinen 
SluSflufe. 2 lut bie Ifjeorie t>on einem untere 
irbiften 2 tbffufe ift als unhaltbar aufgegeben 


in gemiffen geeigneten Sofafitäten gefdjeben unb 
unter einmütigem 3 ufamrnenmirfen aller oor* 
hanbenen Kräfte. £ier ermieä fit bie mahr* 
haft bictatorifte Diäcipfin, melte bie mormo* 
nifcf)c ^riefterftaft über ihre Anhänger auä* 
übt, inbem fie fid) birefter götttiefjer Offenbar 
rungen rühmt, af$ befonberä fegen3reit* 

2lf3 Srigbam $oung mit feiner *ßionier*Ea* 



morben. 

Die un^ 
gebeu r e 
Serbun* 
ftung oer^ 

^efjrt affe 
SB a f f e r * 
m affe n, 
bie ibm 
ö u ft r ö ' 
men. Sut 
hier, toie 
im tobten 
St c e r c, 
ftmimmt 
ber 

menftfi* 
te&ö xpex 
oon fefbft. 

Der ©al^gebalt be3 ©ee3 ift fo groß, bafe ber* 
felbe ba3 ganje menftfite ©eftfett für 1000 
gafjre hinfänglit mit ©afy oerforgen fönnte. 

Der Stange! an Siegen liefe fefbft in benfonft 
fruttbaren glufetfjäfem ben Sfderbau als un* 
tfeunfit erfteinen. Da3 einzige Stittef, bie 
SBüfte in einen gruttgarten umpmanbefn, mar 
bie Anlage eineä auägebefjnten SemäfferungS* 
©hftemä. Unb ba£ fonnte natürfit aut nur 


$er neue OTormonentempel. 


SattTaTe Citt) unb SBafn'afcfjbcrfle. 

raoaite im ©aljfeethate angelangt mar, 
liefe er oor allen Dingen einen (Jana! 
bauen unb b ad SBaffer non ben SBabfafd)* 
bergen nat ber neuen Sfnfieblung feiten. 
Slefenüt mürbe in affen anbent Slnfieb* 
futtgen oerfabren. Die Cbcrn geboten, 
unb ba3 Soff famntelte fit gefjorfam jur 
Sfnfage oon Deiten unb (Jantifen, bann 
mürbe ba* Sanb auSgctheift, SRebcncanäfe 
führten ba* föftfite Safe ju jeber garm, 
ju jebem Sldcr, um bann in fleinen 9tin* 
neu in bie gurten geleitet 511 merben. 

gebe 9Infieb!ung l)at ihren SBaffer* 
meifter, ber ftrenge barauf fiebt, bafe ge* 
ber feinen gehörigen Sfntbeil cr()ä(t. 
SBaffer ftef)fen, ift ebenfo oerpönt, mie 
ba§ (Stedten eines jeben anbern Slrtifelä. 
gn ber troefenen 3eitmirb mötentfit 2—3 Stal 
gemäffert unb bie ^Reihenfolge mufe ftrenge inne 
gehalten merben. 

©efbftoerftänbfit matte fidj biefeS 9lfle3 
nitt fo Iekfet, mie e3 fit auf bem Rapier au3* 
nimmt. Samentfit im Anfänge h a tten bie 
SInfiebfer ftmere gntbehrungen, junger unb 
Sranfheiten beftehen. Sfber man trug SltfeS 
gern, unb bie fanatiften Srebigtert Srigham 


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288 


gtal) nnb bit Hormonen. 



SMfl&ant ®ounfl. 


$oung’3 unb aitberer gührer bienten nicht täe- 
nig bagu, 9Jtutf) unb Vertrauen aufrecht gu er¬ 
halten. Unb Sioth mar eine gute Sehrmeifterin! 

©on ber menfchlichen ©efedfchaft au^geftoßen, 
fjunberte Oon äReilen trnn ber ciüilifirten äJtenfch 5 
heit getrennt, üon einer troftlofen 28üfte urn- 
geben, hieß e3, fich eine |>eimath gu erringen 
ober untergeben. Unb babei mirfte bie ^lu^fic^t, 
gleich 3^rael, fich ein eigene^ ßanaan gu fchaffcn, 
um ba ungcftört unb uneingeengt bon Anbern 
gang ihren bcfonbem ©laubenSanfichten leben gu 
ifönnen. Unb biefeAuäfichtmodten fie fich in feiner 
SSeife oerfümmern (affen. SDiit fdjlecht oerhal* 
tenem ©rintme mürben bie burchpaffirenben 
©migrantengüge nach bem ©olblanbe beobachtet. 
Ratten biefe nicht nebenbei auch noch ben 3toed, 
fie in ihrem mühiant errungenen ©efipe gu ftö- 
ren? !ge mehr fid) bie öffentliche SKeinung in 
ben Staaten gegen ihr Treiben au3fpra<h, befto 
feinbfeliger mürbe ihr Verhalten gegen bie (Emi¬ 
granten. 

„33i^h er , // rief ©righam ?)oung in einer fei= 
ner fanatifirenben ©rebigten au§, „haben mir 
bic gnbianer gurürfgehalten, nun aber merben 
mir fie auf unfere geinbe lo^laffen." 

Unb fie liefen fie lo£; unb gmar nicht blo£ 
bie ^nbianer, foubern auch th*e 9iäd)cr; ober 
beffer gefagt Stäuber - ©anbeu in inbianifdjer 
©crflcibung. SRorb uitb Staub traten nun an 
bic lagcäorbnung. Sie maren ja ba£ au§er= 
mäfjlte ©olf ©otte», ba3 ooUfommeit ba3 Sted)t 
gu haben meinte, fid) bie Gananiter mit ber 
Schärfe bc£ SchmerteS oom £>alfe gu halten. 

S)cr oerrätherifepe Ueberfad unb bie erbar= 
mung^lofe Abfcplachtung öon 150 ©migranten, 


barunter t>iele SBeiber unb Äinber auf einer 
©ergmiefe in ben gelfengebirgen anno 1867 ift 
eine ber fchänblichften ©reuelthaten oder 3eiten. 

©on jeher haben bie SRormonen öerfudjt, bie 
©erantmortung für biefelbe ben ^nbianem in 
bie Schuhe gu fdjieben, aber e3 ift gerichtlich be* 
miefen unb feftgeftedt, baß fie bie ^aupturheber 
unb herüber ber ©reuelthat maren. 

3h r Stäbelafüljrer, ber Aeltefte 3oh n ®. See, 
hat gehn Jfahre fpäter auf berfelben Stedc ben 
mohlöerbienten iob bnreh $enfer£hanb erlitten, 
unb ©righam $oung felbft entging mol)! nur 
burch ben lob ber ©erantmortung für bie Un- 
that, al£ beren geiftiger Urheber er mit Stecht 
angefehen mirb. 

Anbere kleinere ©migrantentruppä öerf<hman= 
ben unb man erfuhr nie, ma£ auä ihnen ge= 
morben mar. 

Unb nicht adein gegen bie e i b e n" fühl 5 
ten fie fich berufen, be£ Schmcrteä Schärfe gu 
gebrauchen; fie manbten biefelbe auch gegen Wb- 
trünnige im eigenen Säger, ©righam goung, 
bem unumfehränften #errfd)er unb Dber - ©ro* 
pheten erftanben ©egen - Propheten, bie ihre 
eigene beerbe faminelten. 

Unter benfelben mar ein gemiffer 9Ji o r r i 8 
heroorragenb, ber fich enblich nach einer fdjarfen 
©elagcrung unb h e ftigem SBiberftanbe ben 
©righamiten übergeben mußte unb oon bem An¬ 
führer berfelben einfach über ben Raufen ge¬ 
soffen mürbe, meines Schidfal feine #aupt= 
oerbünbeten unb unter ihnen felbft grauen 
gleichfads ereilte. 9)tan<he Steifenbe, bic jept 
Saltlafe ßitp unb bie SRorinonen^Anfieblungen 



Ättna ?)ounß. 


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gtölj unb bie {Hormonen, 


28 » 




befudjen, taffen ficb öon bem an= 
febeinenb fnebficben Kbötafter 
berfetben fo hefteten, baf$ fie fie 
beinahe in @d)u{} nehmen. Un= 
fere ©eneration faitn aber bie 
blutigen ©reuet nicht öergeffen, 
bie ficb in ihrer ©efc^icf)te abge= 
fpielt haben, nod) baä 9tuge bem 
firebägefcbmür ber SSietmeiberei 
üerfcbtiefjen, beffen 9lu3rottung 
bis beute noch nicht getungen ift. 

©3 mar ein großer gelter, 
baß bie mifitärifdje ©pebition, 
metebe bie 33uttbe§regierung in 
1857 nach Utah fanbte, nid )i 
beffer geleitet mar. Journal 
märe e3 noch möglich gemefen, 
b ad ©efdjmür mit fdjarfem 
Schnitte oon bem Sörper ber 
Kation ju trennen, mäbrenb mir 
beute noch für Igabräebnte baä 
attmä^tige SSerborren beffetben 
abmarten müffen. 

®ajj e§ enbtid) abborren mirb 
unb ber Anfang oom ©nbe be3 
3Jtormonentt)um^ getommen ift, barf man nicht 
mehr be$meifeln. 2>er Serfatt beffetben barf 
füglich üom 10. 9Jtai 1809 an batirt merben, 
an meinem Sage bie grofje Pacific = ©ifenbabn 
oollenbet mürbe. ®er 9Rormoni3mu3 !ann nur 
in &bgefd)tofienf)eit geheimen, unb bamit mar e$ 
nun für immer öorbei. 


^orjütaburt. 


Strafte in Saltlafe Citt). 

2Raffenf)aft tarnen neben ben giigen Keube^ 
fester auch Kid)t4Rormonen iit’3 Sanb. ®cd 
festen fie ihre ©otte$bäufer neben ben Saber^ 
natet ber ^eiligen. Unb feit bie ©ebirge auch 
grofje Säger t>on ©ifen, ®of)ten, Stei, ja fetbft 
©itber unb ©otb ergeben haben, gieren fid) mei= 
tere Saufenbe oon ©inmanberern batjirt. 2>a3 
gibt ben S3unbe^bet)örben einen im= 
mer fefteren $att, bie ©efejje ^u 
oodftreden. 

freilich haben bie SKormonen ge= 
genüber ben ©efejjen eine ©d)Iau= 
5eit unb ©emiffentofigteit an ben 
lag gelegt, bafc ben SUeitigfteu bei= 
5 utomnten mar. Slber ber Gongreg 
läßt ficb’3 nicht öerbriegen, alte Süden 
au^ufiitten unb bie SKögticbteit, 
nid)tntormonifd)e ©efdjmorene -$u er^ 
galten, mirb immer gröger. 

©cblieglicb mirb ihnen Kidjtä 
übrig bleiben, at3 fid) $u unter* 
merfen, benn auämanbern mit fol* 
ehern ©ut ift nicht met)r möglich unb 
mobin mottten fie geben? 

Unb mie in früheren 3eiten jutu 
©djmert ju greifen, gebt aud) nicht 
me^r, fifct boch beinahe oor ben ®b°" 
reit ©altlafe Gitt)’^ ihnen ba3 gort 
®ougla3 mit feiner ©unbeabefafcung 
fo recht auf berKafe, um ihnen 5 um 
9Sorau3 alte rebettifchen ©etüfte au3= 
$utreiben. 


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290 


Huf imb Hiebet. 


Schon beginnen einzelne Häupter fic^ $u fü* 
gen unb ba$ in 2lu»fi<ht ftepenbe SRärtprertpum 
mag fcfjließlich ben SBenigften besagen. 

„21ber marurn geben fie benn bie peibnifcpe 
Unfitte ber SSieltoeiberei nicht auf?" frägt man 
öermunbert. Unb freilief), menn e£ nicht um 
berfelben millen märe, fo möchten fie ungeftört 
ihr SSefen treiben. 

Slber man muß eben ben9Rormoni3mu$ recht 
lennen lernen, unb mirb bann um bie Beant^ 
mortung biefer grage nicf)t oerlegen fein. Biel* 
meiberei ift ein mefentlicher Beftanbtheil beffel* 
ben; fie gehört fo recht eigentlich jum Stjftem 
biefer corrupten ^Religion. ®arum ift e£ auch 
umfonft, baß bie Söhne !gofeph Smith’ä unter 
bem Borgeben, il)r Bater habe bie Bielmeiberei 
nie fanttionirt, eine ^Reformation anftreben. 
ßeptere Behauptung ift gerabe^u unmahr. ©» 
ift faltifcp bemiefen, baß er barüber eine gött* 
liehe Offenbarung gehabt ju haben behauptete. 

Unb gerabe feine Bcrfudje, biefe neue Sehre 
in’3 praftifche ßeben $u überfepen, führten jene 
Unruhen in SlauOoo h er ^ei, bie il)n fcpließlich 
bem dichter Spnch überlieferten. 

®ie Bielmeiberei ift jebodj nicht bie einzige 
anftößige ©rfcheinung in ber Religion biefer 
Seite. ©3 ift hier freilich meber ber Ort noch 
Staunt näher auf biefclbe ein^ugehen. $aß 
aber ein folcher 9Jlifch=9Rafch bon ©hriftentf)um, 
Subentpum unb ^eibentffum, bon SRopameba* 
ni$muS, greimaurerthum unb ©otnmuni£mu3 
eine folcpe SRenge Anhänger gewinnen fonnte, 
gehört ;*u einer ber traurigften ©rfepeinungen 
in ber ©efepiepte menfchlicher Berirrungen. Unb 


ber gotteäläfterlicpe StituS, ber befonberS im 
©nbomment = $aufe beobachtet merben folt unb 
gu ben SRpfterien ber Seite gehört, muß ba3 
£>er£ eines jeben ©priften mit ©ntfepen erfüllen. 

$ur ©pre ber armen mißleiteten, mormoni* 
fchen ©inmanberer muß jeboep gefagt merben, 
baß mopl feiten ©iner bon ihnen einen auch 
nur annähemb richtigen Begriff bon bem map* 
ren SSefen ber Seite hat. ®ie glatte 3 un 9 c 
be3 Berfüprer§, ber im neuen ©anaan ein irbi* 
fcpe3 s ßarabie3 in Sluäficpt [teilt, bie peluniäre 
$ülfe, bie ber mormonifche ©inmanberungäfonb 
in Sluäficpt ftetlt, bie tiefe Slrmutp, in benen bie 
SRepraapl ber Belehrten in ber £>eimatp fcpmach* 
tete, trugen bon jeher nicht menig baju bei, bie 
Steipen ber Bilger anjufcpmetlen. Unb e3 tann 
ja mopl nicht geleugnet merben, baß für bie 
SRajorität berfelben bie befepeibene ©jriftenj in 
Utah immerhin eine große Berbefferung ihrer 
früheren armfeligen Sage ift. 

erllärt auch, meßhalb au£ ihrer SRitte 
fo biele ßufriebenpeit^Sleußerungen, fo mancpe£ 
Soblieb über ba3 glücffelige Seben im neuen 
©anaan tommen. Sie öffentliche Meinung läßt 
[ich bamit nicht mehr täufepen unb berlangt ge* 
bieterifcp, baß mit allem ©mft gegen biefen 
Sjpnnbfted unfrei Sanbe3 borgegangen mirb. 
3ft auch ih re Sache alä ein SotonifationS - Un* 
ternehmen ein ©rfolg, fo ift hoch baä gan$e 
Spftem ein fo bon ©runb aus bermerfliehet, 
baß jebe* erufte ßpriftenpera pier mit ooüem 
Siechte [ich ber SSorte be3 $erm in SRattp. 7, 
15 erinnert. Unb bamit nehmen mir bon bie* 
fern traurigen Ipema für biefer 9Rat Stbfcpieb. 


#ۤ3# 


JCuf unb lieber. 

(Sine ße&enSgefrpirpte an§ Intertla. §ür §anl unb §erb bearbeitet bon genricu*. 


I. 

©enn id) bi* mit ber Unf*ulb ©außen, 

O, ftinb, jefct oor mir fifcen icb, 

Örßreifet mich ein ieltfam ©außen, 

Cb beiner 3urunft, faft ein ©et)' — 

SSor beu gemitteritbroülen laaen 
3^er Seibenftbaft au^ eiß'ner »ruft, 

Unb mte bu bi* bur*’# iieben fcfjlaßen, 

®lit ßrimmeit Jyctnben tämpfen mußt. 

©iä enblirf) bann bie 3eit eri*ienen, 

©o bu, aclautert, mirft bem ^errn 
3m @eift unb in ber ©abtbeit bienen, 

»om äuöer’n (5Uauben«stbume fern. 

mar im Sommer 1840 als ©noef) Jofter ftep fein 
ßäu^epen wimmerte. Sein fröhliche^ ©ehammer 0er= 
jtummte erft, menit bie Sämnterftünbe Seierabenb ge* 
bot; menn aber ber 9ttonb fein Silberlicpt über bie 
©rbe ergoß, bann tönte e$ fort bi£ tief in bie Slarfjt 

! iinein. ©nod) gofter, ber glücfliche Baumeifter, mottte 
ein Meinet Sabeim fertig haben, um nod) oor bem 
erften ScpnecfaU bie liebltcpfte unb jepönfte Jungfrau, 


melcpe er tanute, al^ feine ©attin pinein ju führen. 
Unb $efter mar mirftiep fcpön unb lieblim, uno fte 
mar auep gut unb fromm; in ipren blauen Slugen 
fpiegelte fiep eine ^arte Seele; ©noep, ber SRann Der 
Arbeit, ber oon Bocfie nieptß mußte unb ber nie ein 
Bucp gelefen patte außer feiner Bibel, nannte fie; 
„SJteine Ueiite Scpneeflocfeunb ^efter freute fiep 
be^ 9?amen^ unb pflegte, menn fie ipn pörte, mit bem 
glüefliepften Säcpeln $u flüftern: „Sie gepört 2)ir— 
gatu 25ir, ©noep \‘* 

©noep gofter tpat ben lepten $ammerfcplag an 
jeinem t)öuecpen, al^ ber leftte Septembertag oon ber 
©rbe Slbfcpieb napm. ©lucflicp betraeptete er fein 
Söerf:—„SDiefe Stunbe merbe icp nie oergeffen," flü* 
fterte er, unb bann tarn ipm ber ©ebante, oaß er mor* 
gen fepon mit feiner $efter über bie S^meUe be8 
.'Oäuöcpen§ treten mürbe; feine Slugen füüten fi^ mit 
Jpränen unb feine Stimme patte etnen neuen, eigen* 
tpiimlicp liebreichen ftlang, als er bie SSorte fpraep; 
,,©ott pelfe mir, iprer mürbig $u merben unb fie glüd* 


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Huf uni» jliätr. 


291 


lieh ju machen/' Von &’inb auf mit einanber be- 
freunbet unb oertraut, fcpienen fie nur für einanber 
ju leben. 

©S waren glütfliche Xage gewefen, bie gugenbtagc 
ber armen fttnber! SRoch jefct in ber (Erinnerung wa- 
ren fie fug unb lieblich! Xie Xage, welche ihnen folg- 
ten, waren bott Vlüthenbuft unb Sonnenjcpein unb 
Vogelfang. 

Der oirgintfche Xagfchläfer, biefer wad)fame Vogel, 
welker fein Soblieb fingt, wenn feine ©efährten fcqon 
ruljen, wecfte ©noch aus leinen Xräumereien; Ijalb 
bekämt wifchte er bie Xljränen aus feinen Vlugen, 
als ob fie nicpt fteidjen feiner ächten SDcannpeit, fon- 
bern unmännlicher Schwäche wären, fftoch einmal 
blicfte er tfin aut fein ©äuSajen, bann fcplenberte er 
ben 2Bcg hinunter unb laufchte auf ben ©efang beS 
Vogels, ber iljm in biefer ÜRacht jo gan* befonberS 
lieblich ju fein Jdjien. 

Xie SJtorgenfonne hatte eben erft ben öftlichen ©im- 
mel röthlich gefärbt, als ©noch ben Verg hinauf ftieg, 
auf beffen ©ölje baS Jleine braune ©aus, umgeben 
üon anbern ©ügeln, in fidjerm Verftcd lag, baS feine 
©efter bisher ihre ©eimath genannt hatte; unb als 
bie Sonne bie ©öbe ihrer Saufbahn erreichte, jogeit 
©nodj unb ©efter ©anb in ©ano in bie neue ©eimath 
ein, um baS neue Seben ju beginnen. 

3Bic Äinber burcbwanberten fie ben fleinen 9 ?aum. 
©lütffclig ftricp ©ejter mit ber ©anb über bie unjchö- 
nen Sfööbeln, bie ©noch mit fo oiel Vefriebigung in 
ber benachbarten Stabt getauft unb bie unter ber 
wörtlichen Verührung ber jungen grau zierlicher unb 
pübjcher au werben jebienen; uub bann —gingen 
beibe oereint an bie Bereitung ber erften ÜRahlzeit. 
©noch macht baS 3 reuer an, beffen glamme jo tjell 
unb luftig brannte, baß eS faft fdjien, als ob bie gröb¬ 
lichleit beS jungen SebcnS juch in ber giamme ab- 
fpiegeln woue. XaS weiße Xijchtuch war balb gelegt 
unb bie Xetler gefegt, unb wäljrenb ber X^eefeffel fang, 
holten bie glüdlidjen 9)tenfchen ben ftorb heroor, ben 
©efterS Xante fürjorglicp gepaeft hatte. SSie föftlicp 
war bie Butter, wie leiajt unb weiß bas Vrob, wie 

» basgebratene©uhn! ©noch,berglücflidje©noch, 
nie begleichen gegeffen —unb enblicf) tarn ber 
Xpee, ben ©efter fprubelnb in bie Xaffen goß. 

„Sieh nur, ©noch, wie ocrfdjwenberifch bie gute 
Xante gewejen, fie hat uns ©aljne ftatt Sttilcf) ge¬ 
geben !“ 

Xie ©tödlichen oeraaßen, baß fie nur geringe Seute 
waren unb in einer Söelt ooü Arbeit lebten, fie waren 
fo leichtfertig, ach unb «och fo jung! 

2 (IS bie Sonne jtdj fenfte unb zur SRuhe ging, ba 
wanberten beibe wieber ©anb in ©anb burch baS Heine 
©itter, am Seeufer entlang hin nach bem Bächlein; 
©efter wollte eS h^nte fo gern plätfcpern hören. Unb 
als fie bann wurueffamen im Stbenbbunfel, hatte fie 
bie ©änbe ooüer Blumen, wie ber ©erbft fie giebt, unb 
©noch trug ein Vaar lange 9lhornztoeige, bie ber Vor¬ 
läufer beS ©crbfteS fefon getüßt hatte. 

>, 6 ieh nur, ©noch," flüfterte ©efter, welche bie glän- 
wenben garben liebte, „fo ift mein Seben." ©noch 
lächelte bawu. 

©ine halbe Stunbe fpäter war bie Heine Sampe 
angewünbet, bie wie ein Stcmlein burch bie JVerne 
blinfte, fo baß ©efter’S Xante in ihrer ©auätßür auf 
bem ©ügel ben Schein erblicfte unb fröhlich rief: 
„Xie ftinber haben ihr Sicht ange^ünbet — bae Sicht 
be3 neuen ©aufe§;" unb grau goneö, bie mit ihrem 
alten Spanne jenfettö be$ See’S wohnte, faf ben Schim¬ 
mer auch unb fagte, währenb fie ba$ geuer auf bem 

f eerbe ^ufammen fchürte: „Sieh bod), 5ftann, baö 
icht ift wie ein greubenfeuer, ba^ wirb baö Sicht in 


bem neuen ©aufe fein, in welchem ba3 junge fßaar 
wohnt!“ 

Xaö war ber erfte Xag be§ neuen Sebent, aber er 
war nur ba3 Vorfpiel oieler glürflicheit Xage. 

„©in glüdlidjeS, glücflicheö 3 ahr," war oerfloffcn. 
Xa jagte ©noch 8 U f e t ncr ©djneefiocfe: „34 gehe 
heute nicht oon bir." 

Unb er blieb ben ganwen Xag baheim unb war ber 
erfte, welcher bie fleme Stimme hörte, bie um Mittag 
ertönte unb bie bem glücflidjen Vater wie 3Jiufit Hang. 
Qa, aU bie Sonne am höchsten ftanb, 30 g ein Heiner 
grembling irt ba§ ©äuöd)en ein —etne menfehliche 
Seele, unb eine neue, biä bahin nicht gehörte Stimme 
fchaflte in’^ Seben hinauf. 

„Suche ihm einen kanten," flüfterte ©efter, al£ 
©noch neben ihrem Vette faß unb bie traute Däm¬ 
merung ihren weichen Schatten burch ba3 Heine gim- 
mer warf. „Suche ihm einen tarnen." 

Sie blicfte nach öer alten Vibel, welche fie oon it) s 
rer SJtutter geerbt hatte; ©nodj brachte ba3 Vuch unb 
hielt eS mit jeiner ftarfen ©anb, unb ©efter fchlug bie 
Vlätter um unb legte ihren ginger auf ben erften VerS 
be$ fRömerbriefe^, welcher anhebt: 

„Vaulu3, ein Unecht 3efu ©brifti." 

So gaben fie bem kleinen feinen Vamen— V°ul 
Softer. 

©noch gofter hatte feine gan^e ©elehrfamfeit im 
Saufe jweier hinter in ber Schule einer benachbar¬ 
ten Stabt eingefammelt; fein weniger als ftücfwcifeä 
V3iffen gab ihm eben nur ein leifeö 9U)nen oon frem- 
ben Sänbern unb oon fremben Völfern— unb ©efter 
wußte faum mehr. Xte Vibel war Veiben ein weit- 
geöffnete^ genfter, burch welches fie 2WeS fahen, waS 
thnen 9ioth tljat. XaS lebenoe Vilb, welches ©efter 
mit bem fleinen fßaul auf bem Slrme barftellte, baS 
fein Köpfchen an ihre Schulter brüefte unb mit gärt- 
lichfeit oon ihr gehalten würbe, war in ©nodj’S f&ugen 
baS fchönfte, h^rrlidjfte, wahrbaftigfte ©cmälbe, baS 
fein Vinjel bcS größten Zünftlers ju fchaffen oer- 
modjte; eS erwedte ©ebanfen in ihm, bie 5 U ©ebeten 
würben. 

Unb ©efter, bie einfache ©efter, würbe jur Dichterin, 
ohne eS §u wiffen. Sie hatte 4 r ©piunrab an bie 
SSiege gefchoben, in welcher ihr ftnäblein fchlief, unb 
währenb thre ginger ben gaben sogen, entquoll ihrem 
©erjen ein Sieb, beffen einfache VJorte ooü ber jiiße- 
ften Voefie waren. So weiß ber gütige Vater tm 
©immel auch jeine ärmjten unb geringften ftinber su 
erfreuen, ©r jehidt ihnen Vtlber unb Sieber, in ber 
lieblichen güHe, wie er ben SBiejengrunb in früher 
Sommersett mit Vlumen jehmüdt; aber wir müffen 
nur klugen unb ©erjen öffnen, um fie ju ßnben—bie 
Vlumen unb bie Vilber unb bie Sieber. 

Von ber maepfamen Siebe ber särtlicpen ©Item be¬ 
hütet, glitten bie erften föinberjahre $aul’3 wie ein 
lieblicher Xraum bapin. Der aufmerfenben 3)tutter 
entging fein Säbeln beS fleinen ©efichtdjenS. 

3ftit jebem SRonat unb mit jebem galjre entfaltete 
fiep beS ÄinbeS Seben immer herrlicher. ©S war an 
einem Sommertage, als er baS erfte feort fprach, unb 
als ©efter feinen SSortreicfathum an ben gingern er¬ 
zählen fonnte, ba glaubte fie, bie Sprache ihres ftin- 
beS fei fdjon oollfommcn auSgebilbet. 

Vaul’S Spielgefährten währenb feiner erften 3 a h re 
waren fein Vater unb feine SRutter; feine Spielge- 
räthfehaften waren ©icpenfapfeln, blanfe Äiejelfteine, 
bie am Seeufer gefunbeit waren, VSiefenblumen unb 
SSalbmoofe. 

Xie junge ©efter war ein ftiitb mit bem fleinen 
Vaul. Mitunter war eS fcpwierig, zu fagen, weffen 
©eläcpter fröhlicher Hang, baS ber üftutter, ober baS 


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292 


Huf unb JlUber. 


be« Äinbed, wenn beibe tn ben langen Sommernacß* 
mittagen im Somtenfcßein umßer manberten, ober in 
ber Geborgenheit eine« fcßattigen fßläpcßen« am See* 
ufer ruhten unb fleine Gärten malten, bie ©noeß am 
9lbenb oefehen mußte. 

Der ftnaoe erbte ber HJJutter Vorliebe für prächtige 
Farben. Scßon in ber 3Biege jaucßjte er oor ©nt* 
dürfen, wenn ©noeß einen Strauß purpurrotßer ©ar* 
binalblumen ober rofig ungenauester Julien Seim* 
brachte. 

gebe« gaßr braeßte neue unb oermeßrte greuben. 
©« war ein merfmürbiger lag, an melcßem ber &nabe 
bie ©ntbeefung maeßte, baß er mit gefpipten Stein* 
eßen Söäume unb Blumen auf bie glatten Stiefeln ma* 
len fonnte, welcße er am Ufer fanb. 9lber ber glütf* 
licßjte unb föftlicßfte Dag feiner jungen gaßre war 
boeß ber, an welcßem feine fleinen ginger ^Beeren au«= 
preßten unb bie bunfelrotßen Safttropfen, an beren 
garbe er fieß erfreute, mit fcülfe feiner Butter an bie 
^weige be« gemalten 93 aume« flebte, weil, wie er 
tagte, „fie wie 9lepfel au«faßen." Da« war ba« erfte 
Gemälbe feiner £anb. 

Da« §äu«cßen war fo weit bon bem alten, rotßen 
Scßulßaufe entfernt, baß ©noeß $efter’« SBunfcß naeß* 
gab unb fieß pfrieben erflärtc, wenn s ßaul bie Scßwie* 
rigfeiten be« fleinen 91$B*©*23ucße« baßeim #u befie* 
gen fueßte. So ßatte ber ftnabc ben erften Unterricßt 
am ftnie ber Butter. 

9lber ba« 9l=93=©<53ucß lieferte nießt bie alleinigen 
Aufgaben für ben fleinen Scßüler; c« gefeilten fieß 
fdjmterigere bap, benn bie 5 $erfucßung fanb fogar iß* j 
ren 2Beg in ba« geringe Stiibcßen ber ftillen gamilie, 
unb ber bunfele Scßatten, Welcßer aueß bem ftinber* 
leben Sßaul’« nidjt feßlte, fam oon ber Sünbe. 

©r Würbe jeboeß p einem Scßrittfteine, oon wel* 
(ßem ber jecß«jäßrige Stnabe ßinüberjeßaute in ba« 
Sanb, welche« feine Sdjatten ßat. ©r ftanb ja neben 
feiner s Jttutter, welcße ißn letfe unb üebreieß p bem 
fteilanbe füßrte, ber ba« §er^ eine« ftinbe« noeß 
beffer oerfteßt, al« eine Butter. 

Daß Gebet, baß ©ßriftu« ißn p einem guten 2 )ten* 
feßen maeßen möge, ßalf ihm über bie löerfucßung ßin* 
weg, wie aueß wtr in ben Sünben unb ben Dßorßeiten 
uitjere« fpäteren gebend bureß ba« Gebet §ülfe fin* 
ben, bi« fie un« p „Scßrittfteinen" werben, oon benen 
wir ßinüber bliefen in ba« fünbloje Sanb, beffen 
Scßein bureß ben ©ontraft mit unferer ©)unfelßeit 
noch licßtüoller wirb. 

$aul ßatte fein fiebente« gaßr noeß nießt prüd* 
gelegt, al« er ba« 9 l* 93 =©* 93 ücßlein faft au«wenbig 
fonnte unb oon bentfelben pr s oibel überging. Die* 
fe« Stubium würbe an jebem Sonntag Wachmittag 
fortgefept, unb bie ©piftel St. goßanni« würbe mei* 
ften« bap gewäßlt. 

„©« macht Sßaul fo glüefließ," jagte bie SJtutter, 
„3Borte p fiitben, welcße er bereite fennt, unb ba« 
3Bort „Sieb e" fennt er am beften oon allen; er 
fprießt e« immer richtig au«." 

„Siebe! — ba« 38ort wirb er in feinem Sebeu nießt 
oergeffen," pflegte Hefter p fagen, wenn bie Sefe* 
ftunbe beenbigt war unb ber «Stieme bie 93ibel wieber 
an ißre Stelle trug. 

Unb er bergaß e« aueß nie in feinem Scben. 

Die gaßre, welcße Sßaul .Straft unb Stärfe gebraeßt, 
welcße jeinen rofigen langen bie garbe ber Ge* 
funbßeit aufgebriidt unb in ftopf unb §erpn be« 
Slinbe« Gebanfen unb Gefußte erweeft ßatten, fie ßat* 
ten ber Butter etwa« geraubt. 

38a« war c«? — Wicßt ba« füße Särfjeln unb bie 
fanftc Stimme, nießt ben Siebe«reicßtßum, mit wel* 
eßem fie ©noeß begrüßte, wenn er, ermübet bon ber 


Dage«arbeit, 9lbenb« ßeim fam, unb nießt bie £>erpn«* 
wärme, welcße bereitwillig auf alle« einging, wa« ber 
kleine bor ßatte: — Die« alle« ßatte fteß eßer ber* 
rneßrt, al« baß e« weniger geworben wäre. Da« 
©twa«, ba« gefeßwunben ober gefommen war, ßatte 
einen ftillen, fo atlmäligen Verlauf genommen, baß 
ber fletne Sßaul nießt« bemerfte, al« baß feine Butter 
nießt meßr mit ißm ßinunter ging an ba« Seeufer 
ober in ben 3Balb, fonbem ißn allem fort feßiefte; baß 
fie borgen« nießt meßr fang, wenn fie an ißrem 
Spinnrabe faß, fonbern müjpß in bem gepolfterten 
Scßaufelftußl rußte unb bie muben 9lugen oft feßloß. 

Xie« war alle«, wa« ba« Äinb bemerfte; aber ©noeß, 
welcße §efter mit bem fchnellen 9lugc ber Siebe beob* 
aeßtete, faß, wie ber rofige 9lnßaucß ißrer ^Bangen 
ließter unb ließter würbe unb pleßt oerfeßwanb; er 
faß, wie bie, trog ißrer ®crtrautßett mit ßäu«lidßen 
Arbeiten, fo feinen öänbe täglicß feiner unb weißer 
würben unb er ließ ffcß bureß ba« Säcßeln ber jungen 
grau nicht täufdjen. 

,, s Ä'a« feßlt iir, meine fleine ScßneeflocfeV" fragte 
er oft besorgt unb fie erwiberte ftet« mit füßem 
Säcßeln: „gcß werbe wieber fräftiger werben, wenn 
ber grüßling fommt.“ 

©)er grüßling fam, — ber Qa«ntin über ber £>au«* 
tßiir unb oor bem genfter belaubte fieß wieber unb 

B mücfte fieß mit oielen bitftenben 93 lütßen; bie ®ögel 
igen ißre Sob* unb Siebe«liebcr ben ganzen langen 
Xag; aber — .ftefter würbe nießt ftärfer unb ©noeß 
fonnte fieß ber Sorge nießt oerfeßließen, baß fie — 
feine junge Gattin — leife unb unoermerft fcßwäcßer 
unb bleicßer würbe. Statt naeß ber SMßle p geßen, 
welcße am anbern ©nbe be« ©)orfe« lag, unb oßne fieß 
flar p maeßen, wa« er eigentlicß wollte, feßlug ©noeß 
eine« borgen« bie entgegengejepte fRiAtung ein. 

,,38a« mag ©noeß gofter p oiefer Xaac«pit mol* 
len?" fragte bie alte 3Bittme 33raun, al« fie ißn bor* 
übergehen faß; „er ift naeß ber <ßoft gewefen unb er 

geßt auch nießt in’« ftaufhau«, er-o, mein 

Gott, er fteßt ja oor bem Gitter be« Xoctor« Witter 
ftill!" 

ga, ©noeß öffnete ba« Gitter, burdßfcßnitt ben flei* 
nen 35 orraum unb flopfte an bie Xßiir, weldje gleicß 
oon außen in ba« Sprecßjimmer be« 9lr$te« füßrte. 

9lbcr er tßat e« nießt fogfeieß. — ©r pgerte erft ei* 
nen 9lugenblicf, um bie 3 Öorte p lejen, welcße auf 
bem Scßilbe ber Ißüre ftanben: „Dr. meel. Steter 
Miller;" unb er läcßelte, benn er mußte an ben fleinen 
s $>aul benfen — wie oergnügt berfelbe fein würbe über 
bie glän^enben gelben unb rotßen 33 ucßftaben. 9lber 
bie ©rinnerung an ba«, wa« ißn ßießer oraeßte, feßrte 
fogleicß ^u ißm prüd. 

©r flopfte unb eine muntere Stimme rief bon 
innen: 

„ftur ßerein, ©noeß gofter!" — unb ©noeß folgte 
ber ©inlabung. 

„gcß ßoffe, e« ift9fiemanb franf bei eueß," fagte 
ber ^octor. 

„9kin — nießt gerabe — nießt — eigentlicß franf?' 
lautete bie Antwort, „aber — §efter — meine grau 
— fie wirb immer bünnerunb blaffer — unb ift immer 
ntübe — unb — unb icß baeßte — ba icß juft borüber 
ging, icß wollte fie bitten, gelegentlicß einmal bei ißr 
borpfeßen." 

©« war ßerau«, wa« ißm fo feßmer geworben, unb 
©noeß begann eine eifrige Unterhaltung über anbere 
Dinge, über ben Getreibeftanb, bie SRüßle, bie neuen 
ganiilien, welcße naeß 38— gefommen waren; aber 
wäßrenb er anfeßeinenb fo leießt über gleicßgültige 
Dinge fpraeß, nagte ein bumpfer Scßmerj an jeinem 
laut flopfenben S>erjen, — benn baß er p Dr. SOtiUer 


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Huf unb Jftrbtr. 


293 


gegangen, ihn um einen 93efud) bei ^eftcr gebeten, 
oaS t)atte feiner gurdjt neues 2eben~ gegeben, unb 
feine Slngft gleichsam oerwirflidjt. 

Tr. ©itiler mar „ein fc^arffidjtiger, alter ©tann, ber 
ein menfd)enfreunblicheS, warnteS ,$cr* batte." 

Enod/S $lngft oerftanb er augenblicflid), unb er fab 
auch bie Änftrengung, bic berfelbe machte, fie it)m au 
oerbeimliehen. 2Wit ber garten ©ücffid)tnabme, welche 
zuweilen unter ber rauben Slußenjette fd)lummert, 

ing ber alte ©tann über alle weitem Erörterungen 

inrocg unb begnügte ficb zu fagen, als Enod) fchon 
bie Xbürttinte gefaßt batte: 

,,gd) »erbe eS nicht oergeffen." 

„Sie fönnten fd)on beute fornmen, &err Xoctor, 
trenn eS Rbnen paßt," gab Enod) zuriitf, inbem er 
hinter ber Xbür oerjd|Wanb. 

Einige ©ugenblicfe Wüter fdjritt er wieber burcb ben 
Sonnenfcbein babin, aber in feinem Kerzen fcbien feine 
Sonne mehr. 

£efter batte toäbrenbbem mit Mlfe s $aul’S bie ge* 
ringe Hausarbeit ooüenbet, tuclcbe Enoch ^urücfge* 
laßen. — ES mar nicht oiel; ihre 9lugen füllten fid) oft 
mit Xbränen, benn fie erfannte bie türforgenbe Siebe 
ihres ©atten, ber jebem ihrer $3ebürfnifse zuoorge* 
fornmen mar. 

„Riebe meinen Seffel in bie SjmuStbür, lieber 
$aul," fagte fie, „bann fann ich jufeben, menn bu 
fpielft." 

0ie faß in ber Xbür, baS Spielzeug beS ÄinbcS lag 
auf ben Xrittftufen oor ihr in bunter Uttorbnung; 
ba brana ber Xon beranroüenber SBagenräber mte 
ein ©Jißflang burcb bie Stille. fßaul lief ben fd)ma* 
len $fab hinunter, ber zum ©ttter führte, um zu 
feben, mer ba fomme. — ES mar Xr. Miller. Cbne 
befonbereS gntereffe bltcfte ber kleine hinüber; eS 
mar ihm genug, baß gemanb oorüber fuhr. Slber ber 
Xoctor nef fein $ferb an, fprang aus bem 3Bagen 
unb jcßlang ben 3ügel um ben Stamm beS 9ll)orn* 
baumeS neben bem ©itter. 2BaS founte baS bebeu* 
ten? £alb furcht jam, halb neugierig lief ^ßaul zurücf 
$ur ©tutter unb rief ihr fchon aus ber gerne zu: „©lut* 
ter, ©lütter, ein frember ©lann fommt zu uns!" s 3eoor 
Hefter noch antworten fonnte, ftanb ber alte Xoctor 
neben ihr. 

Xer fdjarfe ®licf beS erfahrenen Arztes, ber eS ge* 
wohnt mar, in ben ©efid)tem feiner ©litmenjcben zu 
lefen, fab fogleid), was Enocb nicht batte feben wollen. 
Er fanb f baß bie junge grau bereits zu nabe an ber 
©rettze ftanb, welche baS XieSfeitS oon bem QenfeitS 
trennt, unb baß alle ferne Äunft unb ©elebrjamfeit 
bie Söbatten nicht $u jertheilen oermodjte, welche 
Enoch goftcr’S Räuschen bicpt umhüllten. 

Xoctor Stiller mar fein jchmacher ©tarnt, er war eS 
nicht gewohnt, AurücfAufcbrecfen, menn feine 'Midjt eS 
ihm gebot, bie SBabrhcit au fprechen. 28ie oft batte 
er in feiner langen ärztlichen ©rairiS fcbon gefagt: 
„3d) fann nicht helfen—Slrjcnei hilft auch nicht mehr." 
Unb jefct — eS fcbien ihm unmöglich bie ©Sorte au 
&cfter zu fagen. ES lag etwas in bem füßen ©efia)t 
unb in ber weichen fanften Stimme, oieüeicht auch in 
bem ©nblicf beS Spielzeuges beS &inbeS, baS zu 
ben grüßen ber ©tutter auSgebreitet laa, maS ihn zu* 
rücf hielt; oieüeicht war eS auch bie Erinnerung an 
Enod), beffen unterbrüefte Slngft ihn ergriffen batte. 
— SBaS eS auch fein mochte, Der alte ©Rann schwieg 
lange, aber fsefter oerftanb ben befümmerten 5luS* 
bruef feines ©efichteS unb wußte, maS er ihr fagen 
mußte. 

fagte fie fanft, „lauf’ nach ber ©Siefe 
hinunter unb pflüefe mir ©lunten." 

Rögernb gehorchte ber kleine, benn er mochte bie 


©tutter mit bem gretnben nicht gern aüein laffen; 
aber er ging bod), unb ber alte ©fann unb bie junge 
grau faben tbm nach bis er ihrem ©liefe entfehwun* 
ben war. §efter brach baS Schweigen. 

„gürebten Sie nic^t, mir aüeS zu fagen, §err Xoc* 
tor," jagte fie leife; ,,td) weiß eS fchon. ©ceine Schwäche 
nimmt täglich z u ; ich fühle, baß ber ©bfdjieb oon 
ihnen immer näher rücft." 

Unb wieber fdjroieg ber alte Xoctor. Xa fprad) 
Reiter noch einmal — nur wenige SBorte unb ganz 
leife, unb Xr. ©ttüer ermiberte ntd)tS alS:~ 

„Eott fegne Xid), mein Äiitb." 

Sangfam febritt er ben 2öeg hinunter nach bem 
fleinen ©itter unb baftig fuhr er mit ber ©anb über 
bie Slugen, um weg zu ftreicben, waS benlölicf ihm 
trübte, unb baS glänzenbe ©toraenlicht bunfler er* 
febeinen ließ; unb als er bie $anb zurüefzog, ba 
fd)immerte auf bem groben Slcrntel feines iRocfcS ein 
Etwas, baS einem Xtamanten glich. 

ES war nur eine Xbräne. 

Unb Hefter war aüein — aüein mit ber Xbatfacbe, 
bie ihr nun gewiß geworben. 

28ie fonnte fie berfelbeit entgegen treten? 2Bie 
fonnte fie baran benfen, Enoch unb ihren fleinen ftna* 
ben zu oerlaffen, ba fie Reiben fo nötbtg war? — ©ein, 
©ott — ber ©ott, welcher ihr bleibe gefeßenft — — 
nein, er fonnte fie nicht hinweg nehmen! — Unb bann 
— aüein, ganz aüein lernte fie bie Sporte: ,,©id)t 
mein, bein SSiüe gefebebe!" Sie lernte fie, wie jeber 
©tenfd), welcher ©ott feinen $ater nennt, fie lernen 
muß — aüein mit ihrem öcilanb. 

2US s $aul eine Stunbe fpäter oon ber SBiefe zurücf 
fam unb fepon oon Leitern rief: „Sieb ©tutter, wie 
oiele jd)öne ©lumen id) für bich habe," ba begrüßte 
fie baS ftinb mit einem Sächeln. Sie fußte ihn auch 
unb nie in feinem Seben Oergaß $aul biefeS Sächeln 
unb biefen ftuß. 

Xie Sonne ftanb noch hoch am ©orijont, als Enod) 
feine Arbeit oerließ unb feinem $)au}e zuwanberte, 
benn eS war ihm nicht länger möglich, feine Unruhe 
Zu beherrschen, er mußte erfahren, was Xr. ©tiüer 
gefagt hatte. §efter faß noch in ber öauStbür, wo 
Sie am ©torgen gefeffen batte, aber ber Sonnenfehein, 
ber fie eingebüüt, war bem Schatten gewichen, weidser 
ftch über baS Xbal gebreitet — nur bie $öben ber 
s 43erge glänzten noch tm Sonnenlicht. 

3um zweiten ©tal an biejem Xage würbe her fleine 
^aul fortgefebieft, fi<h aüein zu oergnügen. 

„©eh, Schaufele btdj am ©artentbor," fagte fein 
$ater. 

Hefter unb Enoch faßen in ber Xbür ihres fleinen 
©aufeS, ihr Äopf ruhte auf feiner Schulter, ihre 
bünne, rnetße §anb in feiner ftarfen gebräunten unb 
baS 3uüelicbt, baS fid) immer mehr oerbunfelte, 
machte eS ihr leichter zu flüftem, waS ihn fo fchwer 
traf. 

„ES wirb nicht lange währen, Enoch/' faßte fie, 
„bann ruft ©ott Xicb unb $aul auch-" 

Er antwortete nicht — er fonnte nicht fprechen, aber 
er zog fie in feine 2lrme unb brüefte fie feft an feine 
33ruft, als ob er fie halten, ihr Äbfcheiben hwtoem 
fonnte unb woüte. 

ES war bunfel geworben — bunfel unb falt. fßaul 
fam zurücf, aber er blieb oor ber §auStl)ür ftetjen. 
Xie tiefe Stiüe unb bie Xunfelheit erregten ihm 
gurebt. 

„Sßater, wo biftbu?" rief er laut, „ich tarnt bich 
nicht feben!" 

Enoch zünbete ein Sicht an unb fchob bie glimmen* 
ben Äohlen auf bem beerbe Aufammen, baß eine beüe 
glamme emporfchlug, unb ißaul fürchtete ßd) nicht 


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294 


Huf unb JJiebft, 


mehr. Inmi bereiteten beibe, ®ater unb Slinb, ba3 
einfache Slbenbmapl, bon welchem Stiemanb etwa« 
genag, al« ber Älctne. 

5$a, fo ift e« in biefer SBelt. Qn & en Stunben be« 
tiefften ©ergeleibe« werben wir gu ben Pflichten be« 
täglichen Seben« guriief gerufen; oa« Sid)t muß ange* 
jünbet, ba« geuer muß gefepürt werben. Qa, e« ift 
beffer fo. 

©nod) la« an biefem Slbenb nur einen Ster« au« ber 
alten SJibel bor, benn e« lag etwa« bor feinen klugen, 
was ipm ba« ©epen erfepwerte, unb feine ©timme 
war burep etwa« gepinbert. Ser Ster« lautete: 

„SBie fiep ein Steter über £■inber erbarmet, fo er«' 
barmet fiep ber ©err über bie, fo it)n fürchten." 

Sa« ©ebet, ba« ipni folgte, war eben fo furg— nur 
ein Sluffcprei: 

„Sein SBifle gefepepe! ©err pilf un«, e« gu fagen, 
um Qefu willen. Simen." 

©r lieg bie S3ibel aufgefepiagen auf bem Sifcpe lie* 
gen unb ging pinau« in bte Sunfelpeit ber 9tecpt. 

Sa« $tnbe«herg be« fleinen Steul tonnte fiep niept 
finben in alle«, wa« er heute gefepen unb gehört; er 
fürstete fid) unb war berwunbert, aber feine Sftutter 
berftanb e«, if)n mit liebreichen Porten jur SRupe gu 
bringen unb, ermübet bon ungewohnten Slufregungen 
be« Sage«, fcplief ber kleine, al« fein Stopf fanm ba« 
Säger berührt hatte. 

©noch tarn erft fpät gurücf; ©eftcr I)atte auf ihn 
gewartet. Sttit bem garten Saft ber Siebe, ber eine 
grau in bem ©ergen lefen lägt, welchem fie bertraut, 
bermieb fie e«, ihn mit fragen gu beläftigen. 

„Sieber ©noch, pörteft bu borhin, wa« Steul fagte, 
al« er fureptfam im Suntcln bor ber ©au«tpür ftanb V 
„Steter," rief er, „wo bift bu, id) tann bid) nicht fepen!" 
Sa giinbeteft bu ba« Sicht an. Unfer linb rief feinen 
irbifepen Steter unb e« patte bte ©ewigbeit, bag ber* 
felbe ba« Sicht bringen werbe; fiel), ©nod), ba« pat 
mein ©erg bewegt," — ihre ©timme würbe noch lei* 
fer — „fönnen wir unferm hiwmlifchen Steter nicht 
fo bertrauen, wie ber Heine Steul bir bertraute?" 

„©efter — meine Heine ©chnecflocfe"-war alle«, 

Wa« ©nod) erwiberte, aber burd) ba« ftille gtutmer 
brang ein laute« ©d)lud)gen. 

Ruhige, friebbolle Sage folgten. Sie ©dbatteu be« 
nahen Sibfcpiebe« fenften fid) tiefer unb tiefer auf 
©noch« Softer’« ©au« perab. Sie Stebel bon bem 
falten, buntein Stoffe, ben ©efter freuten füllte, um* 
hüllten fie immer mehr, unb .©efter unb ©noch glaub* 
ten faft mit ihren leiblichen O^reit gu hören, rna« ihre 
©eelen jehon lange bernommen — ben tröftlicpen $u= 
fpmdh: „Sürcpte bid) nicht, benn ich bin bei btr." 
— Siefe SBorte nahmen bem gagenben SBeibe alle 
gurd)t. 

SU« ©efter fcbwäcper würbe, ging ©nod) nicht mehr 
nach ber Sttüple; er blieb bapeim bei ihr, ben gangen 
Sag. Stur nach ber Sichtung am Ufer be«"©ee’« 
pflegte er gu gehen; bon bort tonnte ihn $aul gurücf* 
rufen burep einen eingigen Son be« ©ome«, ba« in ber 
©au«tbür hing. 

Qn oiefen Sagen pflegte ©efter biel mit Steul gu 
reben bon bem Sanbe, welchem fie gueilte — fo biel, 
bag ba« Stinb gang bertraut mit ber pimmlifcben ©ei* 
math würbe, bie ipm aar nicht „wett weg" gu fein 
fchien; unb wenn bie SJcutter gu mübe war, um biel 
gu reben, bann lieg fie fich öon bem $inbe au« ber 
Offenbarung borlefcn, bie un« bon ber ©tabt ergäplt: 
„welche feiner ©onne bebarf, nod) be« Sftonbe«, bag 
fie ihr febeinen, benn bie ©enlichfcit ©otte« erleuchtet 
fie,unb ipreSeucpte iftba« Samnt"; unb: „bie Reiben, 
oie ba felig werben, wanbeln in bemfelbenSicht; unb 
ber Sob wtrb nicht mehr fein, noch Seib nod) ©e}d)rei, 


noch ©chmergen wirb mehr fein." 5)ann fpraA ge 
gu ihm bon „ben grünen Sluen unb ben frifd^en SBaf* 
fern," bon welchem ^aoib fingt, ober fie lieg $aul 
in ben Propheten Qefaia« lefen bon „bem Könige in 
feiner ©djöne," bon „ber fiepem SBopnung, ber ©utte, 
bie nid)t weggeführt wirb, benn ber ©err wirb mäch s 
tig bafelbft bei un« fein; unb wo bie©inwobner nid)t 
mehr fagen werben: id) bin febwad). Senn oa« Solf, 
ba« bannnen wohnet, wirb Vergebung ber ©ünben 
haben." 

Stacpbem ^ßaul aufgepört gu lefen, pflegte e« bie 
SJtutter nie gu unterlagen, hhuugufiigen: „Um ©prifti 
willen Vergebung, ^ergtg ba« ntept, mein Heiner 
Siebling, Vergebung ber ©ünben um ©prifti willen." 

Söenn ©noq) Slbenb« peim tarn, blieb er wopl oor 
ber ©au«tpür fiepen, benn burep bie ©title be« ©om* 
merabenb«, welche nur burep bte leife ©cpwirren ber 
Qnfeften, ba« ferne Staufepen ber glätter unb be« 
tleinen 23acpe« unterbroepen würbe, tonnte er beutlicp 
bie Äinberfttmmen pören unb mitunter auch ben Xon* 
fall, ber ipm noch lie &er war, ber ©efter« SBorte fo 
melobifcp madjte: „bergig e« niept Heiner Sßaul, beine 
SJtutter gept in bie fepöne ©eimatp, um immerbar bei 
©ott un)erm SSater, bei ©prifto unb ben ©ngeln gu 
fein." Unb bann fcplog fie mit ben SBorten be« $$cr* 
fe«, bie $aul ipr naepfpreepen mugte: ,,©ott ift bie 
Siebe." 

Siefe ©tunben wirfteu leben«länglidp auf S$aul’« 
©emütp; iprem ©ingug entwuep« er nie. SSon bie* 
fen ©tunben unb oon ben tief in ihm rubenben leb* 
paften ©d)önpcit«gefüpl, welcpe« feine SJtntter faft 
unbewugt in bem ftnaben aewedt unb au«gebilbet 
patte, fchien feine ©eelc bie SJegeifterung gu fdjöpfen, 
welcpe ipn nicht nur ba« ©cpöne in jeber ©eftalt unb 
jebergorm ertennen lieg, fonbern ipm auep oa«S5er* 
langen eingögte, e« mit Slnbent tpeilen gu fönnen. 
Slber fowopl al« ftinb, wie auep fpäter al« Jüngling 
unb SJtann würbe e« fßaul nicht leicpt, feine ©mpgn* 
bungen in SBorten au«gubrücfen, unb biellei^pt trug 
biefer Sflattgel bagu bei, ba« Verlangen in ihm gu 
fepärfen, ba«, wa« er füplte, in SMlbern barguftellen, 
bamit anbere fepen fönnten, wa« er ipnen niept gu 
Jagen uermoepte. 

®enn feine Sttutter mit ber gieberpipe auf ben 
SBangen fcplief unb im ©cplaf bie ginger unrupig be* 
wegte, pflegte ber Heine $aul ftunbenlang an iprem 
S3ette gu ftpen unb feine Safel mit türgeren ober 
längeren Sinien gu bemalen, bie er in biefer 3eit au«* 
brutf«üotleren gtguren oorgog. „Sie SJtutter wirb 
fiep barüber freuen, wenn fte erwacht," baepte er. 
Unb er freute fiep auep unb fap foglcicp, wa« nur ba« 
Sluge einer SJtutter in ben Sinten fepen tonnte — bie 
Sftetnung be« fleinen Zünftler«, bie er aber niept ber* 
feplte, in ben SBorten au«gubrüden: 

,,©iep, SJhitter, ba« finb bie grünen Sluen unb bie 
ftilien SBaffer." 

©o entfaltete fiep bie junge $ünftlerfeete in bem 
fleinen ©äu«cpen ©noep Softer«, aber nur bie SJhitter 
wugte e«. SBie gut, bag ipr liebreiche« ©erj niept« 
bon ben $ a ^ ren apnte, in weldpen bie ©ecle ipre« 
©opne« fämpfen, jepwer fämpfen unb an bem Stetp* 
gitter wibriger Umftänbe fiep wunb fcplagen foHte. 

Unb wäprenb biefe friebbollen licpten ©ommertage 
langfam bapiit fepmanben, rücfte ber legte Slbfcpieb 
näper unb näher heran. 

©efter wugte e« unb ©noep aud^. SU« er nun lam 
ber legte Sag, ba glaubten fie beibe nid&t, bag e« ber 
legte fein würbe. ©« war ein fo töftlicper, ein fo 
fonniger Sag, wie berjenige gewefen war, an welcpem 
©nod) feine junge ©attin in fein ©au« gefüprt patte* 
unb wie fie oamal« gu ipm gefommen war, fo fepieb 


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fünfjig Snljte auf (Snglanbs Styrotu 


295 


fte jept öon ihm — mit füßern Säcßeln. ©ie mußten 
e« nid)t, ba& fie fcßieb unb fie mußten e3 nidjt, baß e3 
ihre lebten SBorte toaren, melcße fie fliifterte — bie 
SBorte: „$aul, lieber Heiner s .ßaul, füffe beine SJJutter 

— ©nodj, füffe bu micß aud)." 

©ie lächelte io — fie lädjelte unb fcßloft bie klugen 

— ©ttod) unb fjSaul glaubten, fte jd)luminere. Stein, 
fte mußten e$ nicßt —©ater unb $inb — baß ein 

gel eingetreten mar; fie työrten nid)t baö leife Stau* 
fdjen ferner glfigel; fie gärten nicßt ba3 gliiftern fei* 
ner leifen ©timrne: ,,©o füßrt er feine ©eliebten ein 
ju feiner 9tuße." 


Stad) unb nad) mürbe e£ ißnen Har. ©£ bebarf 
feiner SBorte, um bie ©efcßicßte ber ©tunben $u er* 
$äblen, melcße folgten, benn biefe ©ngel be3 Sebent 
uno $obeä finb ferne grembett in ben päufera, melcße 
mir unfere irbifcße §etmatß nennen. 

©nocß grub ißrba$ ©rab am Ufer be$gluffe3, beffen 
Stellen 00 m borgen biä ä u m Slbcnb ißr ©cßluntmer* 
lieb fangen - - unb aud) mäßrenb ber Stacßt, an bem 
Ufer, an melcßem jur grüßling^eit bie erften ©lu* 
men blühten. Unb al£ |ie ben tßeuren Seib geborgen 
mußten in ber fcßüßenbett ©rbe, ba gingen fie prüd 
in ba3 einfame §au3 — ber ©ater unb jem feinb. 
(gortfefcung folgt.) t 


»fr®«* 



pttßtg |af)re auf (fuglanto ®t|roii. 


(?6itorifU. 


in Siograpß fagt, e3 fei äußerft 
feßmierig, ba§ £eben£bilb einer 
noeß tebenben ©erfon ju ^eieß* 
nen. $iefe Seßmierigfeit, fo 
fügt er ßin^u, merbe bebeutenb 
erßößt, menn biefe *ßerfon eine 
grau unb biefe grau mieberurn 
eine Königin fei. 

$aß e£ fid^ aber in ben foI= 
gettben u m eine geber' 

^eießnung ber Königin Sictoria t)on ©nglanb 
unb fogleicß um bie Söfung ber oben angebeu* 
teten Aufgabe ßanbelt, barüber toirb ben Sefern 
naeßbem fie bie Ueberfeßrift gelefen, fein 3tt)eifel 
meßr geblieben fein. 

9 fun ift aber ba£ Seben biefer erlaubten 
§errfdßerin feineämegS ein foleßea gemefen, baß 
man c3 in lebhaften garben fenfationeller 9to- 
manti! ^eießnen fönnte; e3 mar oielnteßr ein 
ebfe 3 , müßeüotleS Streben na<ß bem |)öcßften 
unb Seften ^ur SBoßlfaßrt be3 ©aterlanbeS, 
frei oon adern ßöfifeßen ©epränge unb eitler 
©ueßt naeß gürftenrußm. SBollte man e» oer* 
gleiten, fo fönnte man moßl fagen, e£ fei einem 
füllen, breiten SBiefenftront gleid^ gemefen, ber 
feine fpiegelglatten giutßen geräufeßloa baßin* 
gießen läßt, tinfS unb reeßtS bie üppige glur 
bemäffemb unb erquidenb, im ©egenfap $u 
bem plätf^emben, feßäumenben ©ergfluß, ber 
Unheil üerfiinbenb unb auf feinem 3e*ftörung£= 
pfab 8 tHe^ mit fieß fort in’^ Ißal ftür^t. 

ftönigin Sictoria mar feine ®rieg§f)elbin mie 
3Raria Ißerefia üon Oeftreicß, nod) eine eitle 
SRobebame mie ffaiferitt ©ugenie oon granf= 
reic^; fie mar unb ift üielmeljr bie einfache, 
friebtiebenbe grau unb 9Rutter, fomol^l für ben 
ftreiö ber 3 ^ 9 cn ^ f ür 9 r ^ße^ ©olf. 

SSenn fie auf irgenb einen 3tu^m Slnfprucf) 
ergeben fann (unbmermollteißre©erecßtigung 
bajubejmeifeln), fo ift e3 ber: eineäcßte, fürbaö 


SSoßl ißrer Untertßanen beftänbig beforgte 8 an= 
be^mutter ju fein. $ariit ßat fie ißren ßoßen 
Seruf mäßrenb ber Dielen ^aßre ißrer fegend 
reichen Regierung nie mißoerftanben, foitbem 
fidj immer al§ bie erfte Wienerin be» Staate 
unb ©efeßüßerin ißrer Sanbe^finber angefeßen. 

©cßon frül) mürbe ißr bureß bie |mnb ber 
©orfeßung bie ßoße©erantmortlicßfeitauferlegt, 
bie ißr föniglicßeä Slmt mit fieß bringt, ©ie 
mar erft 18 3 a ^ rc 3 oßre 

1837 (am 20. 3uni) ben englifd^en Sßron be- 
ftieg, ber bureß ba^ Stbteben ißre§ finbertofen 
Cnfel^ SSiüiam IV. erlebigt morbett mar. 

©ie ßatte jeboeß unter ber Sluffidßt ber $er^ 
^ogin oon $Wortßumberlanb eine gemiffenßafte 
©rjießung genoffen unb fo in ißrer 3 u 9 en ^ ben 
©runb ^u einer eblen ©ittfamfeit gelegt, fo baß 
fie bei ißrem 9tegierung3antritt, memt audß jung 
unb unerfaßren, fo boeß fittenrein unb unoer= 
borben in bie blidte. 

Unb ma^ fie bamafä mar — bie äeßte jung^ 
fräuließe SBeiblidßfeit, gepaart mit jener ßitt= 
gebenben 2 lnfprucߧlofigfeit, mobureß fie fieß bie 
Siebe unb ba§ ©ertrauen ißrer Station — ja 
ber gan 5 en SDtitmelt ermorben ßat, ba§ ift fie 
bi^ ßeute geblieben. SDtit ißrem 9tegierung^= 
antritt mürbe bem englifdßen Sotfe mieberum 
bemiefen, baß au<^ bie, bie auf bem 2 ßron figen 
tugenbfam fein fönnen — eine ,gbee, bie jenem 
©otfe bureß bie ©cßanbtßaten unb brutalen Un^ 
menfeßließfeiten feiner ^errfeßer feßon feit 
ßunberten oertoren gegangen mar. 

©in reiner, frifeßer Suft^ug 50 g 00 m fönig= 
ließen ©d^loß burdß’^ Sanb, mie man ißn in 
Snglanb lange nießt oerfpürt ßatte. 2 )enn oon 
^einrieß VIII. bi^ auf ©eorge IV. mar man 
bei ben englifcßen ^errfeßent unb ißren £>of= 
feßran^en nießt^ 2 lnbere§ gemößnt aU bobenlofe 
Unfittlicßfeit. fi'ein SBunber alfo, baß man mit 
ber $bee eine^ gürften ^ugleicß, bie ber ©ößerei 


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296 


Jiinfjig Saljre auf @nglanb's Sljron. 


unb Unzucht, fotüie aller anbern bettfbaren Sei* 
benfc^aften üerbanb, unb f)alb erftaunt, halb be* 
geiftert ju ber jungen Königin aufblicfte, in ber 
man baS Unerhörte einer fittenreinen Jungfrau 
erfannte. 

Stit biefem eblen, reinen ^er^en begegnete 
bie gefrönte 3 un flf rau intern Sräutigam, ©rinj 
9llbert non Sachfen*goburg*(Gotf)a, als fie it)m 
bei (Gelegenheit eines |>ofbafleS ein Sofenbou* 
qnet in’S Knopfloch ftecfte. 

Stan fyat an biefer 9lrt unb SSeife, mie fie 
ihren (Gatten felbft mahlte, 9lnftoß nehmen mol* 
len; hoch mer bie Roheit unb Unnahbarfeit 
einer brittifchen ^errfcherin erfennt, mirb leicht 
begreifen, baß fie alfo haitbcln mußte. 

9lm 10 . gebruar 1840 mürbe fie barauf mit 
ihrem felbfterforenen Sräutigam unb Setter 
feierlichst getraut. 

gS mar fein conoentioneßeS politifcheS Ueber* 
einfommen, moburch baS fönigliche ©aar üer* 
bunben mürbe, mie baS bei fürftlichen Serfjei* 
rathnngen fo häufig üorfommt. ®ie Stimme 
ber Siebe unb innerften ßuueigung hatte h^r 
gefprodjen unb baS ücrtiel) ihrem ©unbe bie 
re^te SBeihe unb leitete ihr gleichen in bie rech 5 
ten ©ahnen. 

2 fn ihrem (Gatten fanb bie Königin üor aßen 
gingen einen Stamt non ruhigem, ebenmäßigen 
gljarafter, fobann aber auch eine mächtige Stüpe 
in ber 9luSiibung beS hohen MmteS* beffett ©flieh 5 
ten für eine gemöhnliche grau $u fcfjmer fein 
mußten. ®abei mar er ferne baüoit, in ihre 
fönigtichen Rechte einjugreifen ober in irgenb 
einer SBeife bie burch feine eigentümliche Stel* 
tung ihm gefegten S^ranfen $u übertreten. 

Stan mag in gemiffen Greifen baS ©erhält* 
niß beS “Prinee Consort” etmaS üeräcßtlich 
finben, unb ber 9lnfi<ht hulbigen, er habe per* 
fönlich eine feßr untercjeorbnete Stellung $u ihr 
eingenommen. SBer jeboch in grfahrung ge¬ 
bracht hat, baß biefer geniale Satfjgeber ber 
Königin fo red^t eigentlich bie Seele unb baS 
|>aupt ber fönigtichen gamitie mar, mirb üon 
biefer Kritif abfeßen. 

®abei marb ber “Prince Consort” ein ei* 
friger görberer üon Kunft unb 28iffenfcf)aft in 
feinem 9lboptiü*Saterlanbe, ja er marb in biefer 
Sichtung gerabe^u bahnbrechend 
Son ben größten beutfdjen ®enfem gichte, 
egel u. 91. an beutfcßen Unioerfitäten unb 
unftfchulen erlogen, hatte fich ber junge ©rin^ 
nämlich nicht nur einen hohen Kunftfinn für 
SJtufif unb SSalerei, fonbent üor9UIem auch eine 
grünbliche ©efanntfchaft mit ben praftifd^en 
Säiffenfchaften angeeignet unb ftaitb gleich ge* 
liebt unb geachtet oon feinem Solfe mie oon 
feiner Königin, als ein ebleö Sorbilb achter 


üDtännermürbe ba. Solcherart mar ber äftamt, 
mit bem bie Königin ihre fürftliche garriere 
begann unb an bem fie mit ber ganjen garten 
Siebe ihres jungen ßerjenS h^ n 9- 

Sein SSunber, baßCGlücf unb Segen mie in’S 
Schloß, fo in’S Sanb einfeßrte; unb fein 28un* 
ber, baß baS englifcße Solf bem jungen Königs* 
paar mit Stol^ unb Siebe begegnete unb es 
förmlich üerehrte. 

9llS Sönigin mochte Sictoria ihrer garten 
3ugenb megen unter ihren KabinetSmitgtiebern 
unb anbern bebeutenben Staatsmännern, bie fie 
an fahren unb an grfahrung meit überragten, 
eine eigentl)ümliche Solle fpielen. 

®och hat fie gleich üon 9lnfaitg burch ben ihr 
eigentümlichen Xaft, fomie burch baS ginnef)* 
menbe ihres ganzen 23cfenS 9lchtung geboten. 
Sie mar bie erfte unter ben engtifchen §err* 
feiern, bie fich feiner politischen ©artei anfehloß, 
unb feinem btinben Sorurtheil folgte, gilt 
9Jtann, ber Serbienft hatte, gleichviel, melier 
politifcßen ©artei er angehören mochte, ftanb in 
ihrer ©unft. 

®abei mar ihre gan 3 e Spaltung unb ihr ©e* 
nehmen ihren Untertanen gegenüber ächt fönig* 
lieh- Schon ihre impofante grfcheinung, frei 
üon aller überflüffigen ©rächt unb eitler 9lffef* 
tirerei, ließ feinen 3 meifet barüber auffommen, 
baß fidj in biefer grau ber ebelfte StonarchiS* 
muS üerförpert habe, gine 9 lugen 3 eugin läßt fich 
barüber ungefähr folgenbermaßen üernehmen: 

„3t faf) bie Königin ^uerft in Siüerpoot. 
Sie muß bamalS in ihren beften fahren, 5fa* 
fangS ber breißiger gemefen fein. 3h rc 2lu* 
gen maren mir am auffaßenbften. Som rein* 
ften Stau — nicht bunfelbtau — leuchtete aus 
ihnen ein 3 U 9 Königlich 5 SSürbeüoflen 
heraus, ber jeben ©lief ber ftarrenben Stenge 
mit ber größten Sulje 3 U ertragen im Stanbe 
feßien." 

Son Satur ift bie Königin ftcu unb ben öf* 
fentlicßen Schauftettungeit ihrer ©erfon üor ber 
gaffenben Stenge abgeneigt. ®abei aber ift 
eine ht re Ungejmungenheit in ihrem ganzen 
SBefen, bie in jeber Semegung unb in jebem 
©lief jum 9luSbntcf fommt unb jeben 3^oifet 
über ihre fönigliche 9lutorität üerftcucht. 

9lußer ihren auSgcjeichnetengigenfchaften als 
grau unb Königin üerfitgt Sictoria übrigens 
noch über anbere nennenSmerthe latente unb 
gharafterfeftigfeit. So befi^t fie 3 . ©. ein üiet* 
feitigeS ©ebäd^tniß für ©erfönlichfeiten, mit 
benen fie in ©erührung fam ober üon benen e 
gehört hat. Sie fann fich nach 3 a h^ beS 
fpe^ießen SorfaßS erinnern, ber ihre ©efannt* 
feßaft mit biefer ober jener ©erfon üerantaßte 
unb meiß bie gamilienüerhältniffe, SebenS* 


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Per Haifa als pailjohnt. 


297 


fteHung je. beS Setreffenben genau anjugeben. 
Siefe ©igenfchaft ift it)r inbeffen in intern hohen 
9lmte oft fefjr ju Statten gefommen, befonberS 
wenn eS fit^ um Scfe|ung oon Slemtern ober 
©eförberung gereifter ©eamten hanbelte. 

Sabei teirb if)r eine bebeutenbe ©efanntfehaft 
mit ben ©taatswiftenfehaften jugefdfjrieben. @S 
reirb fogar gefagt, baft fie hierin ihre färnmt» 
litten ©abinetSmitglieber übertreffe. 

Saft eine folrfje grau, beren ©flirten unb 
Aufgaben fich währenb ber bieten ga^re it»rer 
{Regierung bis in’S Unenblidje angehäuft haben, 
tfjre 3cit E)Dcf)ft oortfjeilhaft benu|en muft, reirb 
oon fetbft einleuchten. ©inb bie regelmäßigen 
©taatSgefchäfte befeitigt, fo gibt eS möglicher» 
reeife ©djreierigfeiten mit auswärtigen 2Räd)ten 
beijutegen. Unb Sictoria tjat in ber Shat 
roä|tenb ihrer bisherigen {Regierung bie fritifcf)= 
ften ©erreicfelungen mit ben mädjtigften unb 
einfluftreicfftten ©öltent ber SBelt gehabt. Sann 
aber nehmen auch bie £offefte unb öffentlichen 
©djauftettungen ber Königin nicht nur einen 
bebeutenben Sf)eil ih ret 3 e >i» fonbern auch 
ihrer förperlichcn unb geiftigen Ära ft in 21 n» 
farudj. 

©o innig unb reahr als fich baS $erjen8» 
üerf)ältnift ju ihrem geliebten ©atten fteHte, fo 
tief unb fchmerjtich rear auch bie Trauer, in bie 
fie bei bem plöfctichen Sobe beS “Prince Con- 
sort” oerfiet. 

3m ÜRärj 1861 war ihre geliebte SRutter, 
bie ^»erjogin oon Äent, geftorben unb fchon im 
Sejembet beftetben 3af)reS oerftarb unerwartet 
unb in ben rüftigften unb beften 3 a h ren 'h r 
theurer ©atte, in beften 3uneigung unb liebenbe 
gürforge baS ©lücf ihres ßebenS beftanben 
hatte. 3hre Srauer war tief unb nachhaltig, 
fo baft fie oon ber 3«it ab, feiten mehr bei öf» 
fentlichen $offeften erfchien unb bie SBittroen» 
fleiber nie mehr reechfelte. 

©egenftanb ihrer befonbern Siebe unb ©flege 
waren oon nun ab auSfdjlieftlich ihre Äinber, 
neun an ber 3aht» oon benen bie jüngfte ©rin» 
jeffin ©eatrice beim Sobe ihres ©aterS noch in 
bem jarten Sitter oon oier 3aljren ftanb. Sa» 
bei aber war Königin Sictoria feine oon Senen, 
bie burefj ih« Srauer fo abgeftumpft werben, 
baft fie in gänjticher SRefigrtation jegliches 3n» 
tereffe für ihre Umgebung einbüften. {Rur bem 
©itten unb ©ontpöfen lehrte fie ben {Rücfen. 
Seffenungeachtet aber oerwattete fie ihre ©taatS» 
gefchäfte mit berfelben ©ewiftenhaftigfeit Wie 
oormatS unb oerfäumte nie eine erfannte ©flicht. 

©rft im gebruar 1876 eröffnete fie feit jener 
traurigen SebenSerfahrung jum erften fötal 
wieber baS ©artament; unb im 2lprit beftetben 
3 ahreS würbe fie oon jener ©arlamentsfi|ung 


auf Sorfchlag ihres ©remierS S’3^raeti jur 
Äaiferin oon gnbint erhoben. 

UnS Seutfchen — ob Wir nun bieSfeit ober 
jenfeit beS OceanS wohnen — Wirb ©ngtanb’S 
3ubilarin fchon beSWegen in treuem Slnbenfen 
bleiben, baft ihre erftgeborae Sochter ©rinjeffin 
Sictoria an ber §anb griebrich SBilhelm’S oon 
©reuften einftenS SeutfchlanbS Slaiferin werben 
wirb, unb bie ebten Sugenben, bie fie oon ihrer 
erlauchten üötutter geerbt hat, ihr fchon feit 3ah 5 
ren, als bie gleich bewunberte unb geliebte 
Äronprinjeffin beS Seutfchen {Reiches, bie un» 
getheiltefte Sympathie beS beutfehen SolfeS ge» 
fichert haben. 


prc Ptttfer al$ patljoljm. 


iirjlich berichtete ein berliner ©latt, Äaifer 
SBilhetm habe eines SageS in feinem 2tr» 
beitSjimmer geftanben, im ©egriff, ben 
Sortrag eines feiner {Räthe anjuljören. Siefer 
aber wartete oergeblich, beginnen ju fönnen, ber 
Äaifer ftanb fcfpoeigenb unb beharrlich oon ihm 
abgewanbt, ben ©lief hinaus ju bem hiftorifchen 
©afenfter gerichtet. 

©nblich brehte er fid) um unb fagte, freunb» 
lieh entfchulbigenb: ,,5Run bin ich bereit; eine 
grau hielt brauften ihr Äinb empor, unb ich 
wollte ihm bie greube nicht ftören, mich ju fe= 
hen." Sann oertiefte er fich in bie Staats» 
gefchäfte. 

SieS Äinb üergiftt eS Wohl fein Seben lang 
nicht, baft eS ben ^elbenfaifer geflaut. Slber ich 
weift einen anbent ©üben, bem ift’S nodj befter 
geworben. ®r War ber achte ber ©öljne, weiche 
in ununterbrochener {Reihenfolge einem waefern 
©reuften gefdjenft waren, ©efanntlich über» 
nimmt ber Äaifer in biefem galle ein ©atenamt, 
unb unfere {Rümmer Seht erhielt nach bem oor 
Äutjem in SerfaiüeS gefrönten fiegreichen Äaifer 
ben SRamen 2B i l h e l m. 

günf 3ahre fpäter foöte ber greife $elb in 
bie nahe ©tabt einjieljen, um in ihrer Umgegenb 
einem groften SRanöoer beijuwohnen. 

Sie ©tabt prangte im reidjften gähnen» unb 
©lumenfehmuefe; ^»unberttaufenbe eilten Oon 
{Rah unb gern herbei, um ben geliebten ^»errfcher 
ju fehen unb ben geften, bie ihm §u ©h re n oer» 
anftaltet würben, beijuWohnen. 

©o etwas oon ©egeifterung unb geftjubel 
hatte noch {Riemanb erlebt, unb Wer nur bie 
©hre hatte, einen freunblichen ©lief, einen ^länbe» 
gruft ober gar ein SBort aus bem SRunbe beS 
gefeierten Monarchen ju erhalten, ber war über» 



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298 


Unftxt Jtinber im 0ffrntlüi)en <8ottetiienft. 


glücflicb. 23er aber hätte benfen Jollen, baß 
unter biefen ©lücflicben aud) unjer Heiner 2Bil* 
beim ficb befinben mürbe! 3a, bem Reinen, 
paugbacfigen Patron mürbe fogar eine ©bre ju 
S^eil, ber ficb mancbeg ^oc^gefteQte 9Jienfcben- 
finb nicht batte rühmen fönnen. 

Saum nämlich hörte ber Heine Surfcbe eineg 
frönen äJlorgeng, baß fein faiferlicber^Jatbobm 
um neun Uf)r an ber näcbftgelegenen ©ifenbabn= 
ftation aitfontmen merbe, um bort $u ^ferbe $u 
fteigen unb nach bem SKonöverfelbe $u reiten, 
alg er inftänbigft bat, ihn bortf)in ^u führen, er 
motte feinen Saifer feben. Sie Sitte frf)ien un¬ 
erfüllbar, benn Sllt unb 3>ung, |>err unb Snecßt 
maren f<bon früh SJlorgeng aufgebrodjen, um 
nacf) bem SJlanöverfelb $u eilen; nur bie äJlutter 
unb ber erfte Snecbt maren mit bem Heinen 
SBilbelm attein $u §aufe geblieben, ba bodj 3e= 
manb §aug unb |>of unb ben Sleinen felbft be* 
machen mußte. Mein biefer mar nicht gu be¬ 
ruhigen, er mottte unb mußte ben Saifer feben, 
unb enblid) gab bie gütige Sftutter nacf). 

Sie vertraute ihren Siebling bem Snecßte an 
unb gab biefem auf, ficb möglicbft nabe an ber 
|>alteftette ber ©ifenbabn, mo ber Saifer auS= 
fteigen foflte, mit bem Snaben auf^uftetten, ba- 
mit er feinen „Satbobm" feben fönne. 

©efagt, getban. Ser Snecbt poftirt ficb, ben 
fünfjährigen an ber $anb, ganj in ber ttläbe 
beg Stationggebäubeg auf bem Scbienenbamm 
auf. ©in ©eitgb’arm mitt ibn freilich ohne 
SBeitereg megmeifen, meil ber Sabnbof megen 
ber naben Slntunft beg faiferlicben 3 u 9 e ^ titelt 
betreten merben bürfc. Slber ber Snedjt 1 äßt 
ficb nicht verblüffen, ©r beruft ficb bar auf, baß 
ber S leine, ben er bei ficb habe, ein ^atbenfinb 
Sr. ttJlajeftät fei, unb bringenb münfetje, ben 
Saifer $u feben. Ser ©engb’arm berichtet bieö 
ben bienfttbuenben Offneren, biefe bem 9lbjm= 
tanten beg Saiferg, — unb fie^e ba! ber Heine 
Schelm finbet nicht nur in ben Singen biefer 
Herren folcbe ©nabe, baß ihm geftattet mirb, 
auf bem Sabnbof $u verbleiben, fonbem, alg 
berSaifer^ug beranbrauft unb bie hoben Herren 
vom ©efolge beg Saiferg in ihren glän^enben 
Uniformen augfteigen, ba gebt’g algbalb von 
3Runb $u 2Runbe: „©in Heiner <ßatbenfobn 
münfebt ben fdiferlidjen |)erm $u feben!" 

Sogar bem Saifer mirb bavon äJtittbeilung 
gemacht, unb biefer in feiner altbefannten £>utb 
unb Seutfeligfeit befiehlt fofort, ben Sleinen ju 
ihm in ben SSaggon $u bringen. 

SBilbclm im SBaggon feinet Saiferg! 2Bel<be 
Slugen mirb ber Heine *ßatbe gemacht, unb melcbe 
freunblicben SBorte mirb er ju hören betommen 
haben! ©ine ganje SBeile unterhielt ficb ber 
hohe $err mit bem boebbeglüeften Snaben, bann 


entließ er ihn in ber ber$licbften, b^ablaffenb* 
ften SBeife, fo baß alle Umftebenben baburebmit 
beglüeft mürben. Unb melf ein 3ubel mar 
auf bem Slntlifc beg Heinen ©tücfgvogelg ju 
feben! 

SSie banfbar Vernahmen feine hoch überrafd)- 
ten ©Item, melcb’ eine ©bre ihm miberfabren 
mar, unb mie freute ficb jeber, ber Von biefem 
acht föniglicben bem Geben unfern all- 

Verehrten unb geliebten Saifera hörte! 

Sem beglüeften Sinbe mirb freilich bie Stuf¬ 
gabe 5 ufatten, ficb in 3 u ^ un fl auc ^ f 0 ^’ c i ner 
Slu^^ei(bnung mürbig ju geigen, unb ber Saifer 
felbft fott ihn beim Stbfcbiebe barauf bingemiefen 
haben, bafc er ein frommer unb braver Snabe 
merben möge. 3Röge eä bem je^t Se^jebn- 
jäbrigen bureb ©otte^ ©nabe gelingen, ba§ er 
ficb feineg faiferlicben 5ßatben mertb erzeigen 
möge alg ein rechter — „SB i l b e 1 m." 

(21. 91. im Machbar.) 


itnfere Binder im ofentUd)en 
CSottcobienft. 

gür §au0 unb §erb mm ©. ©utj. 

U a§ ber Sefucb beg öffentlichen ©ottegbienfteg 
^ Von Seiten unferer Sinber in ber Siegel 
• nicht im rechten Serbältnifj $u bem beg er= 
maebfenen ©efcblc^tg ftel)t, mug gemig einem 
jeben fleißigen Sircbengönger febon öfters auf- 
gefatten fein unb ihn mit banger Seforgnifc er^ 
füllt hoben. 

Stübmlicbe Slugnabmen bilben jumeilen un= 
fere Öanbgemeinben, mo bie Qugenb mit bem 
Sllter regelmäßig jum ©ottegbienfte ficb einfin= 
bet. gn manchen Stabtgemeinben aber fiebt 
man nebft ben jungen Seuten, bie ficb om ©bor- 
gefang beteiligen, nur menige ber Sinber un= 
ferer ©lieber ober ber größeren Sonntagfcbüler 
überhaupt, bie fleißige Sefucber unferer öffent¬ 
lichen ©ottegbienfte mären, ©g ift biefe ibat* 
fa(be gemiß ein bcbenflicbeg 3 e i c b en unferer 3eit, 
melibeg ung $u Schlüffen smingt, betreffg ber 
Stellung unferer 3 u 9 en ^ i um öffentlichen ©ot- 
tegbienft, bie feinegmegg erfreulich finb. 

SBir glauben, baß bie Sßrebigt beg SSorteg 
©otteg eine göttliche Serorbnung ift, bie ung 
in ber Stugfdjaffung unferg Seelenbeilg großen 
Segen unb Slugen bringt. Sönncn mir aber 
ermarten ben vollen Segen beg ©vangeliumg 
ju empfangen, menn mir unfern Sinbem geftat- 
ten, baß fie gemobnterrnaßen beijt Sefucb unferer 
Serfammlungen ficb entziehen? 

Sie ?ßrebiger unferer ©emeinben finb in ber 


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Unfere Jtinber im 5ffentiut|en Sottesbtenß. 


299 


Siegel SJlämter ©otteS, bie fich’S angelegen fein 
taffen, baS SBort ber S8ahrf)eit recht zu feilen 
unb ben ganzen SJtathfchlug ©otteS z u unferm 
$eile zu üerfüubigen. ®ie prebigten in unfe* 
ren Sirenen finb burdjgängig einfach unb flar, 
fo bag unfere ©onntagfcgüler fie zu faffen Der* 
mögen. ®er treue ©eelforger f>at ein martneS 
£erz, baS in Siebe gegen bie Kinber fcglägt. 
gS mug ihm ficherlich barum zu tljun fein, it)r 
Vertrauen unb ihre Siebe zu gemimten, bamit 
er gingang zu i^ren £erzen finbe, um bie gött* 
liefen SBahrheiten ihnen beibringen zu fömten. 

SluS üerfchiebenen ©rünben aber fdjeint eS 
ihm nicht immer gelingen zu motten, auf bie 
Kinber in ihren £>eimathen, mie in ber Kirche 
ben ginflug auSzuüben, ber nothmenbig märe, 
ihnen jum vergebenen ©egen zu gereichen. 

SBie notgmenbig ift eS bafjer, bag gltern bazu 
fegen unb bafür Sorge tragen, bag igre Kinber 
unter ben belognenben unb erziegenben ginflug 
igreS ©eelforgerS fomtnen. 

SSürben unfere Kinber zahlreicher in unfern 
SJerfammlungen vertreten fein, als ber gatt ift, 
meid)’ einen ginflug mürbe baS auf prebiger 
unb ©emeinbe auSüben? gS mürbe in ber 
Sankel meniger pfjitofo^irt unb „abgemidelt" 
merben unb in ben Serfammtungen märe meni* 
ger ©cgläfrigfeit unb ®f|eilnaf)mlofig!eit. ®ie 
Prebigten mären einfache, mo^lburd^bad)te unb 
trefflief) ittuftrirte ®arftettungen ber göttlichen 
£eilS - SSagrgeiten, bie Sebermann öerftegen 
tonnte. 

SBäre nicht in manchen ©emeinben ber ©efang 
beffer, bie änbaegt ergebenber unb baS attge* 
meine gntereffe lebenbiger, menn bie liebe 3u* 
genb ftd) zahlreicher unb pünftlicger in ben Per* 
fammlungen einftettte? 

gS ift möglich, bag matt in einigen gälten 
bie Pebeutung beS SefucgeS ber ©otteSbienfte 
oon ©eiten unferer Qugenb überfielt unb untere 
fcgäfct. gehlen aber bie Kinber in ben Per* 
fammlungen, bann ift ber prebiger unb bie ©e* 
meinbe eines ginfluffeS beraubt, ber oon großer 
Xragmeite ift unb ben Perfammlungen jum 
größten ©egen merben fönnte. 

SSaS eine gantilie ohne Kinber, baS ift eine 
©emeinbe, ber eS nicht gelingt ihre Qugenb jum 
Pefucge beS $aufeS ©otteS zu erziehen! 

gn vielen gälten ift bie Stbmefengeit ber Kin* 
ber von ben Perfammlungen ber ©tei^gültig* 
feit unb Iräggeit ber gltem jujufchreiben, bie 
nicht bie nötigen Porfegrungen in ber häusli¬ 
chen ginrichtung treffen, bamit ihre Kinber ftch 
Zeitig fänden tönnen zum ©ang zur Kirche. Sin* 
bere gltem mögen aus ÜKangel an Pflichtgefühl 
unb Ueberjeugung ihrer Perantmortlicgfeit bie* 
fern ©egenftanbe feine meitere Slufmerffamfeit 


fchenfen unb lieber alleine zur Kirche gehen 
motten, als fich ber äJtüfje zu unterziehen, für 
bie Kinber auch in biefer Beziehung Sorge zu 
tragen. 

®er bebenflichfte ^rrtgum aber mirb begann 
gen, menn man fich vielleicht bem ©ebanfen hin¬ 
gibt, bie ©onntagfchule fei ben Kinbern ein ent* 
fpreegenber grfap für bie Kirche. gS ift faum 
erflärlich, mie intelligente unb treue gltem—gl* 
tem, bie hoch igre Kinber für ben ^immel er¬ 
ziehen motten, fich biefem irrtümlichen ©ebanfen 
hingeben fönnen! 

SBaS bie ©onntagfchule auch immer fein mag, 
unb mie hoch mir ihren -Jlufcen anfchlagen mö¬ 
gen, fo viel fteht unoerbrüdjlich feft, bag fie fein 
grfafc beS öffentlichen ©otteSbienfteS für bie 
^ugenb ift. giner KinbSmagb barf nicht er¬ 
laubt merben, bie ©teile ber SRutter bem Kinbe 
gegenüber einnehmen zu motten, obgleich fie un* 
ter mistigen Sßerpffichtungen zum Kinbe fteht. 
gben fo menig barf bie Kirche zugeben, ba| bie 
©onntagfchule an ihre ©teile tritt in ber gr* 
Ziehung ber Qugenb für baS emige Seben.—®ie 
©onntagfchule ift ber 3 u gmb ein #ülfSmittet, 
©otteS SBort unb ^efuS, ben greunb ber Kin¬ 
ber, fennen zu lernen; fie füllte aber nie bie 
„Kirche ber Kinber'' bilben, mie man fdjon be¬ 
liebt hat, biefelbe zu bezeichnen. SSir finb längft 
bavon überzeugt, baß, menn es einem Kinbe nicht 
möglich ift, beibeS, bie ©onntagfchule unb ben 
öffentlichen ©otteSbienft zu befudjen, fo füllte 
bem prebigtgotteSbienft ber SSorzug gegeben 
merben. 

®ic prebigt bilbet immerhin ben £aupt- 
beftanbtfjeil beS ©otteSbienfteS. SBeber bie 
Kla^oerfammlung, noch bie Setftunbe fann uns 
bieten, maS in ber ®erfünbigung beS SBorteS 
©otteS geboten mirb. ®affelbe lägt ftch auch 
betreffs ber ©onntagfchule zum öffentlichen ©ot* 
teSbienfte auSfagen. 

„Stber," möchte ^emanb einmenben, „unfere 
Kinber finb nicht mittig in ben PrebigtgotteS* 
bienft zu gehen; mie fömtten mir ihre Slbneigung 
üon bemfelben überminben?" 

SSir geftehen bereitmittigft ein, bag es feine 
Kleinigfeit ift, biefem ginmanb erfolgreich z u 
begegnen, unb eS fei ferne üon uns, benfetben 
erfdjöpfenb beantmorten zu motten. SSir bür- 
fen jeboch auf zmei allgemein anerfannte punfte 
aufmerffam machen, bie viel bazu beitragen mö= 
gen, bag unfere Kinber ben öffentlichen ©otteS^ 
bienft regelmägig befuchen, menn mir fie grunb= 
fä^lich beobachten unb ausführen. 

Sor Sittern fottte eS uns barum zu thun fein, 
bag mir ben Sefuch beS öffentlichen ©otteS* 
bienfteS unfern Kinbern fo reizenb als möglich 
üorftetten, bamit in ihnen bie Suft unb Siebe ju 


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300 


Pie kleinen $d)ul)e. 


betreiben geweift werben möge. Unb gerabe 
hier fei uns erlaubt, barauf aufmerffant ju ma= 
djen, baß man im Greife ber gamilie unb beim 
Sifcßgeffjräcß alles baS gefliffentlidj oermeiben 
fotlte, was ben ftittbem bie Siebe jum ©ang 
beS Kaufes ©otteS rauben fönnte — wie j. 93. 
lieblofe unb falte ®ritif über bie fßrebigt, ben 
fßrebiger, ober bie oerfcßiebenen Hebungen beS 
©otteSbienftcS. 

Sie Sugenb unferer 3eit ift leiber fo wie fo 
ooreilig unb äußerft frei in ihrem Urtf)eil unb 
bürfen wir ihnen beßßalb burdj unfer Sßerßalten 
feinen 2lnftoß itocß 5lergemiß bereiten. |>ier gilt 
befonberS ju beachten, was in ben SlUgcmeinen 
Siegeln unferer Sircßertorbiiung öerboten ift, 
nämlich „lieblofeS ober urtnüßeS ©efcßmäß, be= 
fonberS Uebelreben bon obrigfeitlicßen ißerfonen 
ober fßrebigem." fiaben nicht manche Gltern 
unferer ©emeinben in biefer 93ejiehung fcßmere 
©ünben auf fid) ruhen, bie an ihren f inbera 
bie übelften gmcßte ber ®leid)gültigfeit in 9le» 
ligion getragen hüben? 

©eben aber unfere ®inber regelmäßig in bie 
93 erfammlungen, bann müffen wir gebulbig mar» 
ten, bis ber auSgeftreute Same beS 9BortS auf» 
geht unb grüßte trägt. 2Bir müffen nicht ju 
biet bon ben Siinbern erwarten, fonbern ©ebulb 
üben. 

®S wirb bon einer djriftlichen äJlutter erzählt, 
baß fie eines SBinterS ihre Söcßter fünf ÜReilen 
SBegeS aüabenblicß zur berlängerten 93erfamm= 
lung fanbte, mit ber ©rwartung, baß fie fich ju 
©ott belehren mürben. 9llS fie am Schluffe 
ber 93erfammlung faß, baß ißre ©rwartung nidßt 
in ©rfüttung ging, ftrafte fie biefeiben 
gehörig ab! 

Sßäßrenb wir nicht im ©taube finb unb eS 
auch niemals unternehmen foüten, unfere Sinber 
jur 93efehrung ju treiben, fo fällte eS hoch an 
uns nicht fehlen, baß ber $erjenSacfer unferer 
SHnber woßt bebaut werbe, bamit ber göttliche 
©ame ©ingang finbe, worauf mir in liebenber 
©ebulb unb unerfcßütterlicßem ©lauben an ©ot» 
teS 93erheißungen ju Warten haben bis zur 3 e >t 
ber @mte. 

3 W e i t en S. Sollte eS uns nicht gelingen, 
unfere ®inbcr burdj Siebe unb ÜJtilbe ju beme» 
gen in bie 93erfammlungen ju gehen, fo bleibt 
eben nichts SlnbereS übrig, als baß mir unfere 
Autorität als ©Item auch in biefem Stic cf jur 
©eltung bringen. 

®S mag ju 3«iten nichts weniger als ange» 
neßm fein, unfere Sinber jum 93efudje beS ©ot» 
teSbienfteS jwingen ju müffen, allein Wo baS 
ffinb fußt unb begreift, baß bie ©Item ernft 
unb gewiffenßaft in biefer wie in jeber anbem 
SBegiefning finb, fann es faum fehlen, baß eS 


fich unter ben 9Billen berfelben beugt. 2BaS in 
biefer Sticßtung anfänglich gejwungenerweife ge» 
fdjießt, wirb mit ber 3eit eine gute ©ewohnheit 
werben, ber man ficß julc|t mit 93ereitwilligfeit 
unterzieht unb bie großen ©egen einbringt. 
©Item bürfen cS ftch nicht erlauben, in biefer 
inficht eine gleichgültige Stellung gegen ißre 
inber einjuneßmen. ©ßriftlidje ©Item foüten 
feinen Slugenblicf zögern in aller Siebe aber 
mit ©raft zugleich ißre ßinber zum 93efucß ber 
©otteSbienfte anzußalten. Sie finb eS ©ott, 
fich felbft unb ißren Äinbera feßuibig. 3ft eS 
^fließt bafür Sorge zu tragen, baß fie zur Sa» 
gesfcßule gehen, bamit fie wenigstens einen 
grünblicßen Slementar»Unterri<ht genießen, wie 
oielmeßr ift es ißflicßt fie zum 93efucße ber ©ot= 
teSbienfte anzußalten. 

Saffet uns aber fcßließlicß nießt oergeffen, oon 
Welcßer SragWeite unfer eigenes ©cifpicl ift unb 
bazu feßen, baß wir felber unfere 93erfammlun» 
gen nie oßne gegründete Urfacße oerfäumen. 


Pie hleineii Sdjulje. 

Con 3aqtte0 ftörmaub. 

einigen greunbeti bereifte icß grlanb. 
SBir befanben ung an ber fübtoeftlicßen 
ffüfte unb bureßfußren Sonnemara, ben 
ärmften ®ßeit biefer fo armen Sanbeg, ber fieß 
gtoifeßen ©alüat), ©tifben unb 3Beftport aug= 
beßnt. 

SBenn je ein Sanb ben erfeßreefenben ©inbruef 
ber Unfrucßtbarfeit unb beg ©lenbg ßeroorrufen 
fann, fo ift eg ©onnemara. ©in unenbfießer 
©eßmerg feßeint ferner auf biefem gteef ©rbe gu 
liegen. Sein SWertanb; jur Sinfen erftreefen 
fieß big gum üReer öbe ®ünen, jur Stedten eine 
ff ette faßler, mie burefj eine große geuer£brunft 
bermüfteter Serge, meite, öbe glücken oßne ®ör= 
fer, oßne Käufer. ®ie Jütten, bie man in 3tm s 
feßenräumen oon jtoei ©tunben antrifft, befteßen 
auö üier 33tauem oon aufeinanber gelegten ©tei= 
neu unb finb mit feßmarjen, nieberen ®äcßcm 
oerfeßen, au§ benen bünner, blauer 9taucß auf* 
fteigt. 

SSenn man bei einer biefer Jütten oorüber^ 
fäßrt, fo fommt au£ berfelben eine ©ruppe ftinf^ 
big jmöfjäßriger, barfüßiger, abge^eßrter, jer^ 
lumpter ff inber ßeroor, bie, in ßalb irlänbif^er, 
ßalb englifeßer @pra(ße feltfame aBorte augfto^ 
ßenb, ßinter bem 3Bagen ßertaufen. 3Rit Bit- 
tenber |)anb reießen fie ben Sorüberfaßrenben 
armfelige, faum bearbeitete £ofsfcßuße, tnottene 
©trümpfe, Heine Souquetg mattfarbiger, auf 
ben Sergen gepflüefter Slumen gum ff aufe ßin. 


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Go - \\ 



Pie kleinen Sdjuge. 


301 


@te taufen, fie eiten, ber ©ine mirft ben Stübern 
gin unb Stile rufen im ©gor: “Penny please ! 
Pennv please!” gijrearmen, matten Stimmen 
miebergoten unaufhörlich biefen monotonen fRuf. 
Sobatb ihnen ein $ennh gingemorfen mirb, ent' 
ftehen Schlägereien, Sümpfe, gauftfcgtäge.... 
3)er Sieger bleibt jurüd; bie Stnbern taufen 
mieber hinter bem SBagen ger. Sicug unb nach 
verringert ficg bie Heine Gruppe, ermattet, auger 
Sttgern bleiben bie tteinften ftehen, bann folgen 
Stnbere ihrem Beifpiet, bann nur noch brei, nur 
noch jmei, fcgliegticg faßt ber fiepte in ben bureg 
bie SRäber aufgemirbetten Staub, mit feucgcnber 
Stimme ein tepteS “Penny please!” rufenb. 

©egen 11 Uhr mären mir bicht bei Dugtge* 
rarb, baS bei bem Sac ©orrib gelegen ift, an* 
getaugt. 3ener See mar, mie bie ©inmogner 
ju fagen pflegen, mit fo jagtreicgen Qnfetn, atS 
eS E£age im 3agre giebt, bebedt. 3 n Dugtge* 
rarb beabficgtigten mir ju frügftüden. Seit 
einiger Qeit folgte ein Keines jmötfjägrigeS 
SRäbcgen unferem SBagen. Sie mar bie fiepte 
einer aus fünf bis fecgs Sinbern beftehenben 
Iruppe, bie am SBege jurüdgeblieben mar. 

gür ihr Sitter mar fie grog unb ftarf, fie hatte 
einen reijenben Sopf, einen frönen irtänbifcgen 
IppuS, fie mar brünett unb hatte groge blaue 
Stugen. 3)aS fcgnette Saufen hatte ihre Baden 
gerötget; ihr offener ÜRunb lieg meige 3cih nc 
fehen; ein grobes $emb aus fcgmarjbramter 
Seinmanb unb ein abgefcgoffener Unterrod ma= 
ren ihre ganje Sleibung. S)aS $emb mar oben 
geöffnet unb lieg einen meigen $atS fegen, ber, 
mie es fcgien, von ber groben Sleibung vermut 
bet merben mugte. 3*) rc nadten, bemunberungS* 
mürbig garten, Keinen giige fcgienen im Staube 
nur ju fliegen. Strme Steine! $aS £erj btu* 
tete mir bei igrem Stnbtid. 

Btöplicg ftieg fie einen Scgrei aus, ftredte 
bie Sirme aus unb fiel ju Boben. 

SBir liegen £en SBagen angalten. ©S mar 
faft nicgtS: ein fpiper Siefetftein gatte teicgt igre 
groge 3ef)t verlegt, bie ein menig blutete. SBir 
fragten fie, mer fie fei unb moger fie täme; 
fie nannte ficg Betfp unb mognte in Ougtgerarb. 

333ir forberten fie auf, in unfern SBagen ju 
fteigen, unb fagten igr, bag mir fie bis bortgin 
fagren mürben. Sie btidte uns an unb fcgien 
uns nicht ju verftegen. SBir mugten es igr 
nocg $meimal miebergoten. Sie errötgete vor 
greube unb btidte uns mit teucgtenben, banfba* 
ren Stugen an. 3m SBagen fagren! SBetcge 
greube! Sieger, es mar baS erfte 3Jtat in igrem 
fieben. 

3 egn SJtinuten fpöter maren mir in Ougtge- 
rarb, ein armes Sörfcgen mit einigen vierzig 
Sinmognem. SBir gaben bem Sinbe jmei Schil¬ 


ling ; fie glaubte igren Stugen nicht trauen $u 
fömten. 

$a fie ein menig hinke, befürchtete ich, bag 
bie SEBunbe igrer 3*ge ficg bureg baS ©egen im 
Sanbe entjünben fönnte. 3^ trat in ben ein¬ 
igen Scgugtaben beS SorfeS unb taufte ein 
Baar Scguge. 

Betfp btidte neugierig bureg baS Sabenfenfter 
unb fegaute mir ju, mie icg ben Sauf beforgte. 
SttS icg gerauStrat, auf fie jufegritt, igr bie 
Scguge hinreichte unb igr fagte, bag fie für fie 
beftimmt feien, ba überfam fie eine tiefe Betäu¬ 
bung, ein unbefegreibtieger greubenraufeg. Sie 
magte niegt, bie Scguge anjunegmen; von brei 
ober vier ÜJiäbcgen, bie mit grogen Stugen ju- 
fegauten, umringt, ftredte fie enblidg igre fteine 
$anb aus, jog fie aber gleich mieber jurüd. 
Scgtiegticg, ba fie barauf beftanb, ergriff fie bie 
Scguge, fprang vor greube in bie |>öge unb tief, 
ogne ein „5)anf!" JU fagen, bavon. 

„Steine SBitbe! 44 badete icg unb begab mieg 
ju meinen Steifegefägrten, bie fegon im SBirtgS- 
gauS am EEifcge fagen. 

SBir gatten gefrügftüdt unb moöten mieber 
ben SBagen befteigen, atS eine Keine $anb mieg 
ergriff unb mieg fortjujiegen fuegte. ©S mar 
Betfp. 

„Sommen Sie, Sir/ 4 fagte fie ju mir, „fom- 
men Sie. 44 

„Unb mogin mittft bu mieg fügren? 44 

„9lacg unferem^aufe, baS ganj in berStäge ift. 44 

3 <g folgte igr; meine Santeraben ein menig 
neugierig, tgaten baS ©teiege. 

Sie fügrte uns bis an’S ©nbe einer engen 
©affe, naeg einem armfetigen |>äuScgen. Sie 
öffnete bie E£gür, mir traten ein. 

©S mar ein einjigeS faum möbtirteS unfreunb- 
ticgeS 3immer. @S mürbe Von bem matt gin- 
einfegeinenben EEageSlicgt faum ergeöt; vor bem 
genfter aus Rapier fpann eine alte grau; es 
mar Betfp’S ©rogmutter. Bei unferem ©intre* 
ten ftücgteten brei fegmarje geriet erfegroden 
unter ben Stugt ber grau. 3” e i nc * ftanb 
baS fümmertiege Bett ber Sitten; igm jur Seite 
baS Heine Bett beS SinbeS. 

Stm Sopfenbe beS Bettes jeigte mir Betfp 
ein unbearbeitetes, an ber SKauer befeftigteS 
Bücherbrett. 

Stuf bem mittleren, mit meigern Seinen bebed= 
ten Brett bemerfte icg unter bem Bitbe beS geiti= 
gen B a ^id, beS geliebten Scgupgeitigen 3 rs 
tanbS, jmifegen jmei Bouquets mattfarbiger 
Btumen, bie Keinen Scguge! ©S mar eine 
taegenbe, forgfam gepflegte ©de inmitten beS 
entfeptiegen ©tenbs. 

S)aS arme Sinb betrachtete entjüdt, faft mie 
ein $eitigtgum bie Scguge. 


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302 


Pas erfolgreiche fHifftontioerh in ben $ioe Points ;u Jletu Park« 


„Sfber bu mußt fie anjiehen!" fagte ich 
ladjenb %u ihr. 

(Sie f<f)ien erftaunt, faft böfe ju fein. 

„0 niemals!" fagte fie, „fie finb ju fc^ön!" 

SBir ftedten in bie lafcfje ber alten ©roß* 
mutter etmaS ©elb unb fagten ©etfp Slbieu. 
Slber fie mollte uns noc^ nicht neriaffen unb be= 
gleitete uns bis ^um SBagen; bann verfolgte fie 
uns mit ihren Stugen, bis fie ubS nicht mehr 
fe^en tonnte. 


©inen SRonat fpäter paffirten mir auf ber 
SRücfreife benfelben Drt, mir fuhren non ©lifben 
nach ©atmap. SBie baS erfte SRal gelten mir 
bort an. SBir Ratten Setfp nicht bemerft. 8e~ 
nor id) baS Sanb oerließ, moljin icf) maljrfcfjeins 
lieh nie mieber jurücffehren mürbe, mollte idj 
einen Slugenblid unfern (Scfjüjjting mieber fetten. 

Sd) Hopfte an bie Xbür beS £äuSd£)enS. 
9Jlan antmortete mir nid)t. $ch öffnete unb 
trat ein. ©in trauriger Slnblid bot fich mir 
bar. 

SRingS um ffietfp’S 93ett, baS non brei quäl- 
menben SalglidEjtem beleuchtet mar, fnieten 
einige alte grauen unb fagten eintönige ©ebete 
her. 


©ei meinem ©intreten fchmiegen fie, unb SMe 
blieften mid) an. ©ine ber alten grauen erhob 
fich unb fchritt auf mich $u, es mar ©etfp’S 
©roßmutter. Sie hatte mich mieber ertannt. 
3 mei große Ih räncn ^ e f en über ihre gefurchten 
©aden. 

„©etfp!" murmelte ich, „©etfp." 

9)iit einigen SBorten, bie ich mehr errieth, als 
nerftanb, erflärte fie mir mit leifer Stimme, 
baß ©etfp am gieber erfranft unb am SRorgen 
geftorben fei. * 

Qdh näherte mich. ®aS blaffe ©efießt beS 
®inbeS rußte frieblicß; ifjxe langen, fchmar^en, 
gelöften £aare oereinigten fich $u bitten Soden; 
ihre fdhönen, Haren Slugen maren gefchloffen. 
SDZit ihren garten, blau gemorbenen $änben 
preßte fie baS ©itb beS heiligen ©atrid unb bie 
Keinen Schuhe an ihr |>er$. 

„SBährcnb ihrer ganzen ffrantheit," fagte 
mir bie 2llte, „burften bie ©d£)uhe fie nicht oer* 
laffen, unb ich lege fie ihr, mie fie mich flehend 
lief) gebeten, mit in ihren ©arg." 

©ine Xßräne trat in meine Slugen. 3d) 
büefte mich 8 um Sntbe nieber unb brüefte einen 
Stuß auf ihre ©tirn, mährenb mich bie brei 
Keinen, fchmar^en ©chmeine, bie unter baS ®ob- 
tenbett fid^ geflüchtet hotten, ängftlicf) anblicften. 




pa0 erfolgreiche lUifltotiötoerk in Öen fine pointe ;u Peto iforlt 

gur §auf unb §crb bon Ä. ©aefteletn. 


2 |er große Slpoftel fchrieb einft an bie Körner, 
j|| baß baS ©nangelium eine Straft ©otteS 
fei felig ju machen, bie baran glauben. 
®ieS ift fein bloßes ©efenntniß, fonbern 
baS ©nangelium, baS SBort nom ßreuj, hot 
feine Sraft fdhon unzählige SRale bemiefen in 
ber ©rrettung unb ©crebelung ber 2Renfcf)en. 

SBaS baS ©hnftenthum, bie SKiffion in einem 
gemiffen ©iertel ber SBeltftabt Mem $orf be* 
jmedt hot, moüen mir in bett folgenben 3eilen 
erzählen. 

1. $ie gine ©ointö nor 50 Sohren. 

©roßftäbte finb ber ©ifc non ©erbrechen unb 
Softer. SBie eS in benfelben ©iertel giebt, mo 
ausschließlich bie mohlßabenbere Klaffe mohnt, 
fo giebt es ©tabttßeile, mo bie ©erbrechermelt 
norherrfchenb ift. ©on einem folgen ©iertel 
moüen mir ©inigeS erzählen. 

®cr SRame „gioe ©ointS" (fünf ©unfte) 
mag ben meiften Sefern nicht unbefannt fein, 
©or 50 fahren mürben ben ©inmanberern 


Sdhouergefchichten non biefem 0rt berichtet, 
noch ehe er ben guß an’S Sanb feßte. 

®ie fine ©ointS liegen unmittelbar hinter 
ben StegierungSgebäuben, bem Stathhoufe, ©oft' 
amt, unb finb nur eine furje ©trede non ben 
marmornen ^anbelshäufem am ©roabmap ent= 
femt. ®ie ©tragen: „Sittle SBater, Slnthonp, 
Drange, ßrof$ unb 3Rulberrp" bilbeten bie 
urfprünglidjen fine ©ointS; fie münbeten ouf 
einen breieefigen ©la|. 

®ie Straßennamen mürben mit ber 3eit ner- 
änbert, fie heifeen jept: „Satter, SWott, SWul^ 
berrt), ©arf unb ©roß. grüßer mar an biefer 
©teile ein großer Seid) (Collect Pond). 

gm Sapre 1741 ereignete fidf) in ber ©tabt 
ein großer 21ufftanb, bie Sieger hotten fich oet* 
fchmoren, bie gonje ©tabt ju ^erftören. ®er 
Slufftanb mürbe unterbrüeft, bie StäbelSführer 
gefangen genommen, sman^ig non ihnen mürben 
auf einer Keinen Snfel inmitten beS XeicßeS ge^ 
hängt, mährenb 13 SBeitere am Ufer oerbrannt 
mürben. 


Difffeed by UOOQl 





Pas erfolgreiche Ptifflonsmerk in ben $ioe Points ;u Pein Jfork- 


303 


®iefer, fo ju fagen, gefdjidjtlidje Seid) mürbe 
{pater, ald fid) bie Stabt vergrößerte, ^ugefchüt- 
tet unb Käufer mürben auf bent gemonnenen 
©oben erbaut. 

Snno 1792 mürbe f)ier ein umfangreicßed 
©ebäube aufgeführt, eine Brauerei. günf unb 
mergiö ^aßre fpäter mürbe biefelbe in ein gro- 
ßed SJiiethhaud nmgemanbelt. $iefe „alte 
Brauerei/' mie bad |>aud auch ferner genannt 
mürbe, mürbe halb ein Slufentßaltdort ber 
fchlimmften Berbrecßer, ein ^meited Sobom. 

9Jlan fagt, baß ju einer 3 eit 1200 menfch* 
ließe SBefen inbiefent ©ebäube jufammengepfercßt 


Unterirbifcße ©änge führten von einem |mufe 
jum anberen, um im gatte einer Ueberrafcßung 
von Seiten ber ^Sol^ei ein Entrinnen $u ermög¬ 
lichen. gatttßüren maren überall angebracht, 
ein jebed |mud mar ein — Begräbnißplap. 

Sie SBänbe ber 3immer in ber alten Brauerei 
maren fahl, aber ein anberer Bemurf mar bort 
^u fehen. Sie maren von oben bis unten mit 
Blut befprifct. — 31n ben X^iirpfoften flebte 
Blut. Sein Seppicß fcßmüdte bie Sielen, fie 
maren mit Blut gefärbt. 

!gn einem 3 mtmer machte bie ^ßoli^ei bie Ent* 
bedung, baß ein Ißeil beä gußbobend aufge- 



maren. Sie ©änge maren lang unb buntel, 
bie 3 iuimer verfcßieben, 2 ltted ba^u eingerichtet, 
um ein Scßlupfminfel für Serbrecher 51 t fein. 
Siebe unb SRörber fanben hier eine 3ufluchtd- 
ftätte; ein Reiner 2Beg auf ber Oftfeite bed ©e- 
bäubed trug baßer ben Planten SKörbergäßchen. 

Unb mie biefed ©ebäube, fo mar auch bie 
gan$e Siadßbarfchaft eine Brutftätte bed Safterd. 
Sie Sünbe ift eben anftecfenb, ein fcßredlicß um- 
ficßgreifenbed Uebel. Sliemanb magte ed, biefe 
©egenb unbemaffnet ju betreten unb felbft Be- 
maffnete maren in großer ©efaßr. 

ätte Raufer hatten gemiffe Einrichtungen. 


hoben merben tonnte, unter bentfelben fanb man 
brei vermefte Sörper. ©eftoßlene ©egenftänbe 
mürben auf ähnliche SBeife verborgen. 

SSir lefen manchmal in unferen angenehmen 
SSoßnungen, im trauten gamilienfreife, von 
bem Slenb ber ©roßftäbte, von ber fcßredlicßen 
Siefe bed Berberbend, mir haben moßl auch 
fd)on bie 3eitung bei Seite gelegt mit bem ©e= 
bauten „übertrieben." Slber ed ift nur leiber 
eine ^u traurige SBaßrßeit, baß von einer Ueber- 
treibung auf biefem ©ebiete nicht bie Siebe fein 
fann. Unfere beutfcße Sprache ift p arm, um 
biefe überirbifcßen Rotten $u betreiben. 


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304 


Jto* erfolgreiche Pifftottimerk in ben fine $mh }u jf m Jfork. 


3 n bcn gibe ?ßoint^ hatte jebeg £aug feine 
©aufs unb ßafterhöhle. hierher lodte man 
SRatrofen unb ©inmanberer, bie ßefcteren unter 
fügen Besprechungen. £ier tanjten faule 
®irnen Jag unb SRadjt. ©ntlaufene ©flauen 
lebten mit meigen grauen, jungen SRäbchen 
unb $inbern begegnete man Iger, beten ©tiefe 
unb ©eberben ben fittlichen SJlenfchen erfdjaus 
bem malten. ®ie meiften $inber fannten ihre 
©Item nicht. Jeugifch maren bie ßafter, bie 
hier betrieben mürben. 2Bo ßafter herrfcht, ba 
ift auch Äranfljeit, ©iedghum, ein Bermobem 
bei lebenbigen ßeibe. 1 Jim. 5, 6. 

$och genug bon biefem ©lenb unferer Gebens 
menten. ®anfe ©ott, lieber ßefer, bag bir 
ein beffereg ßoog befdgeben ift, bag bu nicht in 
biefen ober ähnlichen <ßeghöhien unter bem Slbs 
fd)aum ber SRenghheit erjogen murbeft. 

2. ®ie gritoe SßoiittS ber ©egemoart. 

SBir motten biefem eben betriebenen ©tabts 
theite in unferer 3 e ü einen Sefud) abftatten. 
SSir befteigen einen $ug ber Hochbahn, ber ung 
in furjer $t\t nach bem unteren Jljeile ber ©tabt 
bringt. Sin ber ©fjatfjam ©tragen Station 
fteigen mir aus unb menben ung nach redjtö. 
SEßir biegen um eine ©de unb finb in ber SRott 
©trage. 

3 m Stu teint eg ung, alg mären mir in einem 
anberen SBelttheil berfefct, benn biefer Jheil ber 
©tabt ift nämlich bag ©^inefenbiertet. ®ag 
erfte #aug enthält im 2. ©todmerfe einen Bubbs 
hiftentempel, mobie 7000 ©fjinefen Stern $orfg 
ihren ©open bienen, ©in jebeö #aug trägt 
ein 9tu3ljängefdjilb mit grogen d)inefifdjen 
©djrigjeichen. 

ßeiber ift bag orientalifdje ßafter, ber 
Opium s ©enug, fjier fdjredlt im ©ange unb 
nicht nur bie SRongolen, fonbern auch bie taufa* 
fifc^e Stace fröhnen bemfeiben. 3 e bod) üJir f)aU 
ten ung nidg auf. 

©ine Heine ©trede SBegg unb mir fielen auf 
einem breiedigen $tafc, ber mit Bäumen ange* 
pflanzt unb mit Bänfen berfehen ift. SBir finb 
in ben gibe Sßointg angefommen. 

Um biefen fleinen ©arten gehen recht ans 
fef)nlid)e Käufer, bie ©tragen finb reinlt. 
Unb finb bag mirflt bie gibe Bointg ? ©in feljr 
grogeg §aug, bag unfere Slufmerffamteit bor 
Sittern auf fid) jieljt, gibt ung bie Slntmort. 
2Bir lefen an bemfeiben in groger Schrift 
“Five Points Mission.” (gehe bag Bitb.) 
ßieber ßefer, fiel)’ bir biefeg §aug genau an, eg 
geht ba, mo einft bie alte Brauerei ftanb! 3 Ö 
bie Stätte beg gludjeg ift in eine ©tätte beg 
©egeng bermanbelt morben. SBo einft bag 


Jhierifdje im SRenfchen gegen ben SRenfchen 
gemüthet, mo ßafter unb Serbredjer ft gerne 
paarten, ba geheimen jefct bie grüßte beg 
©eifteg. 

gteunbliche ®inbers©eftter grügen ung las 
chenb beim Sorübertreiten unb ihre hellen ©tim* 
men ertatten in untutbigen ßiebern, bort, 
mo einft ber gluch bon ÜRörbem unb ©ntetjrten 
ung ertredte. 

®od) mir treten näher, um bag SRifgongs 
gebäube ju begütigen. 3n ber Office begrügen 
mir ben jjefcigen SRiffionar 9teb. 0. Bouton, ber 
ung bereitmittig alle gragen beantmortet unb in 
ber Slnftalt ^erumftrt. 

Ueber ber Office befinben fic^ eine Slnjaljt 
SBo^nungen, bie an gamilien unter gemiffen 
Sebingungen bermiet^et merben. SSon ^ier 
aug gelangen mir in einen geräumigen ©aal, 
ber für ©ottegbienfte beftimmt ift. SRegetmägige 
©ottegbienfte merben ^ier gehalten, ebenfo 
©onntagtute, Älagberfammlungen unb 93ets 
ftunben. Sin biefen ©aal tliegt ft bk Jas 
gegfd)ute. SReunfiunbert unb fünfzig ftinber 
merben ^ier unterrichtet. 

®aneben ift ein ßefesimmer, eine ©ibliothef 
mit na^eju 2000 ®änben. gür SRäbchen bes 
fte^t eine 5Räf)tute, unb Unterricht in allen 
häuglten Slrbeiten mirb ertheitt. Slug bem 
lepten Qahregbericht entnehmen mir noch gols 
genbeg: „2Rah4eitenberabreicht: 97,510 ;*ßers 
fonen geholfen: 7025. 15,500 Äleibunggftüde, 
1200 $aar ©chte bertenft. 

®rei geftlid^feiten merben jährlich gehalten, 
$icnic, Jantfagunggtag unb bag SSeihnachtgs 

ffeft. 

©g begeht ebenfattg ein “Fresh Air Fond,” 
mit ^ülfe beffen fränHiche ^inber im h^ife en 
©ommer auf bag ßanb gefchidt merben. §m 
bergangenen 3t re uicht meniger atg 300. 
SBelche ßiebegarbeit! SBie biele Jhränen murs 
ben baburdj getrodnet! 

®ag beutfehe ©tement ift in ber ©chule hers 
borragenb bertreten. 

grau ban Slfin, feit 30 fahren SJorfteherin 
ber Schule, meig biele SBunber ber ©nabe ®ot* 
teg ju erjählen. |)ören. mir ©ineg: „SReulich 
bot mir ein §err einen ©ip in einem ©tragen^ 
bahnmagen an. ©r fagte: '©ie haben mich fo 
oft auf ihrem ©chooge fi^en taffen/ — @r gab 
fich ju erfennen — ber ©ohn eineg SRörberg; 
bur<h ben ©influg ber gibe Sßoint ÜRiffion ift 
er ein ©hrift unb mohthabenber SRann gemors 
ben.'" Jiefeg nur ein Seifpiel aug £unberten. 
Sieben ber gibe $oint SRiffion begehen in ber 
•Rachbarghaft nod) anbere mohlthätige SlnftaP 
ten, auf bereu Betreibung mir nicht entgehen 
Jönnen. 


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Hu» fintoln's polttifdjet faufbalju. 


305 


3. SBobttrdj mürbe biefe ©eränberung fjer« 
porgebradtf? 

gin gewiffer ©djreiber nennt bie ©eränbe» 
rang in ben giöe ©ointö „äBeltftäbtifdje Um» 
manbluttgen" unb ben gactor „grauen=ginficf)t, 
grauen»2iebe unb grouen=@d)arfblicf." 

Kein, nein, nid)t menfd^lic^titfie Straft, nid»t 
Humanität tonnte eine foldje ©eränberuttg be» 
loirfen. ®ab ©Dangelium, bie Straft ©otte3 
bat ei getljan. ®ie fjiüe ©ointS finb ein 2Bun= 
ber ber ©nabe ©otteS. ©ott bebient fid) 2Berf» 
Sfuge. 

©8 Waren grauen, bie int ;gaf)re 1850 ben 
ebten ©ebanten faxten, biefem Jammer, biefem 
©üitbettelenb ein Sitbe ju machen. SBarum l)at 
baä ©efefc bieä itid)t fc^on früher getf)an? ©S 
öermodjte ttidjlä. Slber ei waren nicht wett» 
lidje, ungläubige Samen, bie biefeö SBert be» 
gannen; foldje ©ebanten entspringen nicht bem 
natürlichen £>erjen. @8 Waren djriftlidje grauen, 
erfüllt mit ber |>eilanb3liebe, bie ihre gljre unb 
ihr Seben auf § ©piel festen unb in biefe 9Kör» 
bergrube gingen, um ju retten. 


©ie würben oertacht, aber fie glaubten an ben 
£>errn gefum unb an bie rettenbe Ära ft beä 
SoangeliumS. Ster Sperr war mit ihnen, er feg» 
netc baä SBert. ©pre ben Kamen „SBright, 
©tibmore, ©alnter, oan 2lfin unb Knberen. 

Ster erfte ©chritt mar bie ©rünbung einer 
©chule. Keo. 2. SK. ©eafe, SKetljobiftenpre» 
biger, erhielt bie 2luffid)t, burch feine felbftoer» 
leugnenbe unb anftrengenbc Krbeit oerlor er 
feine ©efunbljeit. Sodj ber ©runb jum Srfolg 
mar gelegt. 

3m 3ahre 1852 würbe bie alte ©rauerei 
täuflich erworben unb oier 3<*f)re fpäter organi» 
firten fich' bie ©chweftem unter bem Kamen: 
“Ladies’ Home Missionary Society of the 
M. E. Church.” ©eit biefer 3eit ift bie 9Kif» 
fion ein fortgefefcter ©rfolg gewefen. 

3Röge ber ,perr ei noch oielen feiner günger 
unb güngerinnen in’ i £>erj geben, in feinem 
Kamen ©anier aufjuwerfen. Kew ?)ort hat 
fehr oicle oerWaljrlofte ©egenben, Wo Ktenfchen 
aller 3“ngen fich jufammenfinben, aber in einem 
gleich—2after, ©erbrechen unb (Stenb. 


- » r. j CC3l ° ■- 

3lu0 fiiuoln'0 politifdjer faufbalju 

gär $and uub §erl bon Memoria ©ratia. 

I. 


ft’n jener lebten $anbalia * fiegidlaturfifcung im 
<TT ^at)re 1836—37 hatte Sincoln bie ®efanntfd)ajt 
fsjf emedgemiffenSBm. Autler gemacht, ber fid) für 
bie Verlegung bed (Sapitoliumd nad) Springfielb 
fehr intereffirte, unb in beffen 2 lugen nun Sincolnnad) 
ferreichung biejed QitItZ ber rechte 9ftann mar. SButler, 
ber felber in Sjmngfielb mohnhaft mdr, iiberrebete 
bedtjalb unfern jungen ßegidlator nach ber fünftigen 
Staatdhaujrtftabt uberjufiebeln. 2 >a Lincoln in Wem 
Salem teinerlei $erbtnblid)feiten jum 5)ortbleiben 
batte, ging er fogleid) auf [einen 93or|d)lag ein unb 
begleitete nad) Vertagung ber Sifcmtg feinen neuen 
greunb nach feiner Springfielb * föeimatl), in meldjer 
er aldbalb bte ©aftfreunbfehaft beffelben in audgie* 
bigfter SSeife genoß. 

Springfielb mürbe*u jener 3?it auf irgenb Qemanb, 
ber etmad öon ber Seit gefeljen hat, ben l£inbruct 
eined oben $orfed gemacht höben; in Sincoln’d 2 lu* 
en mar ed jebod) jdjon „eine anfehnlidje Stabt, mo 
ie fieute etmad auf fich hinten unb in feinen föutfdjen 
umherjagten." $)ie $3ebölferung belief fich auf 1500 
Seelen, oon benen (ehr oiele bon $entueft) eingeman^ 
bert maren. 

$)ocb flammten auth einige ber ©ebilbeteren bom 
£5ften 9 er. 3)ad eigentliche Üßionier=£eben machte fich 
übrigend in ©pringfielb nie recht geltenb; bagegen 
nahm eine cibilifirtere fiebendroeife gleich bon oom= 
herein feften galt. 

©ouberneur gorb bemertte ju feiner größten 93e* 
friebigung fefjon mehrere 3 a h rc bor biefem, mie fich 
Die Sttten im Staate .gttinoid *um ^efferen änberten. 
Selbft bie äußere ©rfcheinung oer 33emohner gernann 
ein ganj anbered Sludfehen. ßeber unb felbftgefer* 


tigte Seinen^ unb SBoüen^euge berfchmanben mehr 
unb mehr, fomie auth bad ^agbmeffer unb ber $o* 
mahamf. \flnftatt ber SRoccafind mürben fieberfdjuhe 
unb Stiefel unb anftatt ber lebernen Äniehofen lange 
moberne §ofen getragen. 35ie grauen gingen nicht 
mehr barfuß unb fingen fogar an, Kattun unb Seibe 
äu tragen. 

3 n Springfielb mar biefer SBecbfel ber $)inge fchon 
erheblich roahrjunehmen, mad auf fiincoln ben ©in* 
brud einer ©roßftabt mit ariftofratifcher ©ebölferung 
machte, greilich auf ben ßauptftraßen ber Stabt 
tonnte man fich noch fehr mol)l bon ber ©ebiegenheit 
bed QUinoifer lobend ubeaeu^en; benn baß oie er* 
mahnten ftutfd)en um bie gruhjahrd^eit gelegentlich 
bid an bie 9lyen in ben tohlfchnjarjen Sumpfboben 
einfanfen, mar nid)td ^lufiallenbed. gn meifer 55or* 
audfidjt ber hohen 3n^nftdjmecfe Springßelb’d hat* 
ten bie Stabtbäter jeboch in ber2ftitte bed Stäbtchend 
einen großen, freien $lafc referbirt unb ber füllte nun 
bie ©aufteüe bed neuen ©apitoliumd abgeben, gn 
einem ber größten Käufer Springßelb’d, oad gegen* 
über ber 97orbmeft = ©de biefed ^laped frontete, ent* 
beeten mir bie Slbbofatenfirma: Stuart & Sincoln. 
Allein mir finb mit ber ßegidlatur * ©arriere unfered 
gelben nod) nicht fertig uno motten baher nicht bor* 
greifen. 

fimcoln mar in SSanbalia noch nicht ganj au ©nbe. 
©5ie Staatd*3lrchibe mürben erft im galjre 1839 nach 
Springfielb binübergefchafft uno fiincoln berblieb burch 
jebedmalige Siebermahl in ber Segidlatur bon 1834 
bid 1842. Qm 3ah re 1837 im Sommer gab’d eine 
©ftra*Sißung in ^anbalia, an melcher ber m ©runb 
urfb ^öoben ruinirte Staatdcrebit burch neue 9Kaß* 


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306 


3k.ua fintoln's politifdjer faufbaljn, 


nannten mieber aufgebeffert rnerben fodte. SJtan batte 
nämlid), oeranlaßt bur<h bic plaufiblen ©ifenbabn* 
projefte ber früheren ©ifcungen &en ©taatin fürd)ter= 
ltdjc ©djulben gebrockt. Xabei efiftirten freilich bie 
©ifenbabnen meiftenS nur auf bem Fabier. Xaß in 
fjolgc folcher Verljältniffe baS öffentliche Vertrauen 
manrte, unb bie hänfen unfieper mürben, liegt auf ber 
#anb. 28ie menig jebod) aud) biefe ©ijpng pr Vei* 
Iegung beS UebelfitanbeS beitragen tonnte, barüber 
mag uns baS Urteil eines bamaligen ©taatS * ©om* 
mitteegliebeS pr gafpi^ining ber Vant in ©bamnee* 
tomn aufflären. Üuf bie »frage, maS er bort gefun* 
ben habe, ermiberte ber Viebermann: „Viel guten 
©dbnappS unb Ruder, um ihn p oerfüßen." 

Än ber nächsten ©ifcung im ^al)re 1838 mürbe 
Sincoln, ba er ber güprer ber 2Bbi0 ; ¥artei mar, als 
Vorfifcer beS §aufeS oorgefdjlagen, aber bei ber 2lb* 
ftimmung mit einer einigen ©tirpme gefd)lagen. 

3m feinter beS gapreS 1840—41 batte Sincoln 
feinen erften 3ufammenftoß mit $errn XouglaS, ber 
nachher fein lebenslänglicher ©egner blieb. XouglaS 

K te nämlich au jener ©ifcung bie Steubefefcung ber 
. pedationS * Stiajterfteflen burd) unb jmar fo, baß 
biefelben anftatt oon SBhigS nun oon Xemofraten 
eingenommen mürben. ©r butte babei bie böcbft ge* 
miffenlofe Slbßcht, einen ©treitpunft p ©unften ber 
Xemofraten geflüchtet p feben. Sincoln unb Oberft 
©ater proteftirten gegen bteS Verfahren im tarnen 
beS Voltes unb beS öffentlichen Vertrauens; aber 
leiber ohne Erfolg. 

Söäbrenb ad’ biefer 3abre feiner legislativen Xbä* 
tigfeit praftipte Sincoln als 9lboofat in bem un= 
freunblichen, büftem ©tübdjen über bem ©dlaben ge* 
genüber bem fogenannten ©quare (freier ©tabtpla^). 
@r mar fid) babei ziemlich felbftüberlaffen; benn fein 
Kompagnon ©tuart mar entroeber pr ©ongreß* 
©ifcung in SBajbington ober hielt SBablreben auf fei* 
nem Xiftritt, fo baß oon ber fo notbmenbigen gort* 
bilbung in feinem gad) feine Siebe fein tonnte; fadte 
er hoch Wiemanb, ber ihm hierin auch nur im SLRin* 
beften bebülflid) gemefen märe. 2US Slboofat blieb 
in golge beffen fein Siuf oorläufig nod) in 3*ueifel. 
dagegen entmidelte er fein ohnehin fd)on bebeutenbeS 
©tumprebner * Xalent unb feine bumoriftifche 3 ls 
luftrationS*V3eife in einem ©rabe aus, baß er baburd) 
in ©pringfielb*ftreifen bie ©eele ber ©efedfchaft unb 
beS politischen SebenS mürbe. 

911S fich baber bie V3big§ im 3°bre 1840 mit ber 
Hoffnung trugen, General §arifon pm Vräfibenten 
p ermäßen, unb Sincoln pm ‘‘Presideutial Elector” 
nominirt morben mar, marf er fich mit ber ganzen 
2Bud)t feiner ftumprebnerifd)cn Veanlagung in ben 
2Bal)lfampf. feie er früher feine gauft* unb Söctt* 
lauf >' Uebungen ficgreich beftanben batte, fo trug 
er auch in ben nun oft febr lebhaftJgefübrten Xe* 
batten unb Siebe * Xoumieren jcbeS SJcal bie Valme 
babon. 

Vei einem bcrartigenSiebe*XueÜ 3 mifd)en mehreren 
gübrern ber 2öl)ig* unb ber bemofratifchen Partei 
mürbe er bureb feine fernige, oon Slnefboten unb fri^ 
Jdjem §umor ftropenbe ©djlußrebe ber Söme beS 
XageS. Xer feierliche, patbetifd)e ©d)luß bieferföebe 
ift eineSthcilS ein dufter ber Verebtfamfeit, anbem^ 
lljeilS ber SluSbrud feiner unerfd)ütterlichcn Veftän= 
bigteit im Kampfe für bie beiligften Sftenfcbenrecbte 
eines freien Voltes. (£r fagte: 

„,öier, oor bem ^Ingeficptc ©ottcS unb ber SBelt 
fchmore id), ohne 9tüdfid)t auf bie etmaigen (£onfe* 
quen^en, emige Xreue für bie nach meiner Slnjicbt ge= 
rechte ©ache meines SanbeS, meines SebenS, meiner 
greibeii unb meiner Siebe. 2Ber, ber mit mir im 


tiefften 3unem oon biefer Ueberjeugung burchbrungen 
ift, modle nicht mit berfelben ©ntfchloffenbeit biefen 
©ib Ieiften! 9üemanb manfe, ber ba glaubt, baß er 
im ^eepte fei, unb ber ©ieg mirb nicht fehlen, ©ott* 
ten mir jeboch bennoch unterliegen, fo fei eS b’rum. 
2Bir moden inbeffen unferm ©emiffen unb bem ent* 
jebmunbenen ©chatten unjerer oaterlänbifchengreibeit 
iurufen, baß mir bie ©aeße, bie fich unferer 

Ueberjeugung als eine gerechte aufbrang, unb für bie 
unfere ^erjen glübenb fchlugen im Unglüd unb in 
Vanben, in Verfolgung unb hn Xobe opne 3aubern 
oertbeibigten/' 

3« fold)er 23eife ftürjte fich fiincoln in jenem 
SSabltampie in’S politifche Scben; unb feine Vriefe 
an feinen Partner ©tuart t^un beutlid) bar, mie bang* 
beforgt unb bod) mie energifch unb entfcbloffen er auf 
ben ©ieg beS Söbig^idetS binarbeitete. 

©eine Vefürdjtungen maren inbeß arunbloS; benn 
§arifon mürbe im IRooember jum V^afibenten er* 
mäblt unb bie SBbtgS batten ©elegenbeit, baS„Veute* 
©pftem/' meines unter ^Sräfibent 3adfon folche un* 
gebeuren Ximenfionen angenommen batte, nun aud) 
mr fid) §u oermertben. Sincoln mar jcboA biefem 
Veftreben mit SRecht jumiber unb in einem Vricf an 
©tuart fagt er unter Slnberm: 

„Xiefe OJeubefepung ber Remter ift höchft läftig 
3bnen gemiß noi mehr mie mir. feie ©ie mobl 
miffen, bin ich ber vlbfe&ung oon Veamten lebiglid) ^u 
©unften unferer greunbe, b^lich abgeneigt." 

SBir febmeifen jegt ein Hein menig ab oon Sincoln’S 
politifcher Saufbabn unb berühren für einige klugen* 
blide eine b^chft feltfame SBenbung feines inneren 
^SrioatlebenS. 

Sincoln mar oon Statur lein ©chmarsfeber — fein 
SRelancholifer. Allein nach feiner Verlobung im 3ab*e 
1840 mit gräuleiu 3Rarp Xobb oon Seyington, jdjien 
er in feinem ganzen SBefen auffadenb niebergebrudt. 
©elbft in feinen Vriefen an ©tuart fommt bieje ©e* 
mütbSftimmung beutlicb jum SluSbrud. ©r fagt in 
einem berfelben unter $lnberem: 

„3Benn ich 3^ nen biefeS 9Ral bie XageSneuigfeiten 
nicht nach jjemohnter feeife fummarifch mittbeilen 
fann, fo muffen ©ie baS fchon entfchulbigen, ba ich 
nicht in ber Sage bin, fo ju tbun. 34 hin nämlid) 
gegenmärtig ber unglüdlicpfte ^enfep m ber ^Sclt 
feenn baS, maS ich empfinbe, oon ber ganzen 3)?cnfch s 
beit empfunben mürbe, fo mürben ©ie tn biefer meiten 
feelt fein glüdlicheS uRenfchenberj ßnben fönnen. 
Ob fich biefer 3 u fianb je änbem mirb — ich weiß eS 
nid)t. 34 ahne aber nichts ©uteS. 9ldein biefe gol* 
ter ift mir unerträglich. ®S muß anberS merben ober 
ich fterbe." 

Xie Urfache ^u biefer unheimlichen ©emütbSoer* 
faffuitg Sincoln’S batte einerfeitS ihren ©runb m ber 
uebergeugung, baß jmifchenihm unb feiner Verlobten 
nicht baS rechte gegeufeitige Verbältniß beftehe, an* 
bererfeitS aber tu feinem unerfchütterlicben Pflicht* 
gefübl, melcbeS ihn jur Untreue feinen ©ajritt mögen 
ließ unb ihn baper ber furchtbaren golter, jmifchen 
mangelnber ^aaeißaafl un b unoerbrüchücher Xrcue 
p laboriren, überlieferte. 

3n .t)erm 3°f*)na g. ©peeb oon Äentudp, ber in 
©pringfielb ein ©efd)äft betrieb, fanb Sincoln einen 
ptrauli<hen greunb, mit bem er feinen öerpnSfum* 
mer tbeilte. ©peeb ocroulaßte ihn benn auch, mit 
ihm eine Steife nad) $entudt). p machen, um fich p 
prftreuen unb fuchte überhaupt auf jebe erbenflidK 
feeife, il)n aus bem Sabprintbe feiner oer^meifelten 
Sage p retten. ViS p einem hoben ©rabe ift ihm 
benn bas mobl aud) gelungen; benn am 4. Stooemoer 
1842 mürbe für Sincoln eine .fteiratbSbemittigung aus* 


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Pibrhoort im JloUtsmuiriit. 


307 


gegellt unb nod) an bcmfelben Sage nmrbe baS $aar 
t>on ^aftor ©parleS Treffer getraut. 

greub* unb fietb toec^feltert bet fitncoln beftänbig. 
AIS er für} üor feiner ipoepaeit üon Äentucft) 
teerte, oeroreitete fiep bie Äuttbe, bag er ©taatSgou* 
öerneur werben foue; unb in ber Spat würbe thnt 
bie Nomination angetragen, für bie er jeboep freunb* 
lieb banfte unb fie — ablepnte. 

fealb barauf patte er eine unangenehme Streitig* 
feit auS$ufecpten. ©in geroiffer $olitifer, NamenS 
©pielbS, glaubte fiep butd) eine üon Sincoln üeröf* 
fentlicpte Satpre bermagen beleibigt, bag er ihn jum 
fcuell aufforberte. Sa jeboep feiner üon Reiben ernft* 
liep begehrte fein 2Mut bergoffen }u fepen, fo fanb bie 
Angelegenheit eine Jfrieblicpe ©etlegung. SieS war 
übrtgenS baS lepte Ntap bag Lincoln mit gemanb in 
einen perfönlicpen ©trett geriet!). 

3n bem borerwähnten $8rief an Stuart hatte 
Lincoln biefem feinen ©ntfeplug mitgetheilt, fief) mit 
Nicpter fiogan in ©ejcpäftSücrbtnbung }u fegen unb 
in golge beffen würbe im April 1841 btegirmaStuart 
& Sincoln aufgelöft. ©8 wirb gefügt, bag fiincoln 
burtg biefe 2$erbinbung erft anfing ein tüchtiger NecptS* 
anwalt $u werben, ©o wte ©tuart gab eS bantalS 
eine Anzahl Abbofatcn, bie fid) faft auSfcplieglid) mit 
$olitit bfjcpäftigten unb ihre juriftifche gortbilbung 
gänzlich üernacpläffigten. 

©elbftoerftänblicp tonnte ein berartigeS 23eifpiel in 
feiner AbüoiatenprariS für Lincoln nur bcmorcrlifi* 
renb fein. SieS nahm nun mit feiner SRerbirtbung 
mit fiogan eine anbere SSenbung; bettn £ogan war 
einer bon ben wenigen, bie nebft ber s $olitif ihre juri* 
ftifepen ©tubien mit allem ©rnfte betrieben. Sen 
NeeptSwiffenfcpaften bon ganzem Sperren augetpan, 
war Steppen fiogan ein Ncann bon ungewöhnlicher 
©erabpeit unb ©erecptigleitSliebe. ©ein bisheriger 
Kompagnon 25afer, ein begabter aber leichtfinniger 
junger Ntenfcp, war niept nach feinem ©efehmaef. gn 
fiincoln erfannte fiogan ipm berwanbte ©paraftcr* 
$üge unb Wählte ipn b’runt $u feinem Partner. £in= 
coln fah fid) halb beranlagt, bem Söcifpiel feines (£ol* 
legen $u folgen unb ftubirte fleigig in ben ©efep* 
buepern, fo bag er nad) fur^er Reit fcpoit in ber Sage 
toar, einen fritifepen NecptSfall flu übernehmen, }itr 
grogen Ueberrafcpung SoganS, ber ihn lebiglicp für 
einen eprlicpen Schwäger gehalten patte. 

2$ier gapre wäprte biefe für Lincoln pöcpft nüglicpe 
^erbinbung^ in welcher er $u einem ber fäptgften Ab* 
bofaten in ©pringfielb peranreifte. 

Nach feiner SBerpeiratpung be^og Lincoln mit feiner 
grau borläufig baS StoftpauS “Th» Globe.” fcicr 
würbe ben ©peleuten ipr crfteS Äinb, ber nachmalige 
äriegSminifter, Nobert fiincoln, geboren, ©päterptn 
baute fiincoln ein bequemes §auS an ber ©de 8. unb 
3adfon ©trage, in'welcpem er noep wopnte, als er in’S 
weige §auS berufen würbe. 

2$on feiner Ntelancpolic üöllig gepeilt, fonnte er 
fiep nunmehr wieber entfepiebener bem polittfepen 
gahrwaffer anbertrauen. Vorläufig biente er fein 
3apr aus als SNitglicb beS ©entral* ©ommitteeS ber 
Spig^artci unb betpeiltgte fiep entfepieben an ber 
bamaligen (1842) Agitation }ur Steuerung ber Uit* 
mägigfeit. ©S panbclte fiep nämlid) um ben 2$crfu<p, 
jur Erinnerung unb im Namen beS eblen ©eorge 
ÜBafpington, ber Unmägigfeit einen moralifepen 
®amm entgegen^ufepen. Qnt Namen SBafpington’S 
—baS war oie Carole; unb in biefem Namen ptelt er 
feine begeifterten Neben für bie ©aepe ber fittlicpen 
Neform feines Golfes. Unter Anbcrem fagte er in 
einer Nebe im 9När$ 1842: 

„SBafpington ift ber grögte Name unter ben ©terb* 


liepen, ber grögte unter $encn, bie berSBelt nationale 
greipeit gaben, ber grögte aber auep als fßagwort 
moralifcper Neformbeftrcbungen. liefern Namen 
feine ^obrebe! ©ie ift unnötpig. Xen ©lan^ ber 
©onne $u erpöpen ober ben Namen SBafpington’S noep 
gröger ( ^u machen, ift beibeS gleich unmöglich. Nie* 
manb wage ben $8erfucp. y n eprfurcptsooller 33e* 
geifterung biefen Namen auSfprecben unb ipn in fei* 
nem imüerpüHten UnfterblicpfcitSglan^e in bie 6mig= 
feit pinüberftraplen laffen — baS ift genug/' 

- ! -. •- 

Plbelmort im politsmmtb. 

8für ^auS unb gerb bon 9R. 

octpe nennt bie 99tbel „baS ®udp ber ffiöl- 
fer." Sie ift audp baS ebelfte SSottSbudp, 
geeignet für jebeS ®o!f unb für gebermann. 
SStlpelni non ^pumbolb fagt: „Schwerlich fann 
es eine ©eifteS^ unb ©emüthSftimmung geben, 
bie nicht in ber Sibel einen entfpredjenben An* 
Hang fänbe." Sie rebet }u uns fo lieb unb 
traut, fo einfältig unb oerftänblich, fo warm unb 
weife. Wie eine SNutter }u iprem Sinbe. 

S53ir haben in nuferer UmgangSfprache, in 
unfern bilblicfjen AuSbrücfen unb fprüchwört^ 
liehen Neben eine 9Nenge Scheibemün^e, bie 
biblifcheS ©epräge pat, oft freilich entftedt unb 
oerwifept. ®er SolfSmunb rebet in ©ibel* 
Worten, opne eS eigentlich }it Wtffen. 

,,^)alte mir morgen ben Säumen," bittet etwa 
ein ©yaminanb am ®orabenb beS entfcpcibenben 
SageS feinen greunb, b. p. bete für miep, falte 
für miep bie £äitbe; benit bei bem ^mnbefalten 
wirb in ber Spat ein Saumen oom anbern ge^ 
palten. „SaS ftept feft Wie baS ©oangelium," 
„barauf fannft bu fcpwöreit, wie aufs Soange- 
lium." Cb folcpen, welcpe alfo reben, wopl 
baS ©oangelium ber ©rinib- unb ©efftein alles 
feiles ift? „Sie ift eine böfe Sieben," hören 
wir fagen. SBoper ftammt bie „böfe Sieben?" 
©eleprte, bie unfere Spracpe auf ipren SBorU 
gepalt pin erforfdpt paben, behaupten einftim* 
ntig, bag fie aus ber ©ibel abgeleitet ift, ent= 
Weber oon ber fiebentenSitte: „©rlöfennS Oon 
bem Uebel," ober oon ben fteben Sobfünben, 
ober aus ben Spriicpen Salomo’S (Sap. 26) 
„eS finb fieben ©reuel in feinem ^er^en," oiel= 
leiept auep oon jener Sünberin, bie oon fieben 
©eiftern befeffen War. 

„©in ffanabier, ber noch ©uropa’S 'über^ 
tünchte' |>öflicpfeit niept fannte," beginnt Seunie 
fein ©ebiept. 28er Weig, ob baS 28ortbilb 
„übertünept" in unfern Spracpfcpap gefommen 
wäre, ohne bie Nebe ©hrifti, in ber er bie SP a:: 
rifäer „übertünepte ©räber" fcpilt. gn ber 
geitnng ift angegeigt „N. N. ift im £errn ent* 
fcplafen." 28enngleicp bem gnferenten bie tiefe, 



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308 


Ptbelmort rat Polksmunb. 


religiöfe Sebeutung biefeS 2lu3fprucf)3 nicht ftar 
fein mag, fo ift eS hoch eine unbemufcte 2lnmen* 
bung beS SdjriftmorteS: „Seben mir, fo leben mir 
bem $erm; fterben mir, fo fterben mir bem 
£>errn u. f. m." „9tun hat bie liebe Seele 9?uh," 
— ift bieS nicht ein ©cho jenes SBorteS, meines 
ber thörichte SReidje im ©üangelio fpridjt: 
„£abe nun 9tul)e, liebe Seele, i| unb Irin!?" 

©3 gibt aber auch genug 2luSbrüde, meldje 
ber Sibel mörtlich entlehnt finb. Süchmann 
in feinem Suche: „©eflügelte SBorte" jäl)lt 
beren über hunbert. gft eine* 0 ör nicht ober i u 
fümmerlich gefleibet, fo nennt man fein 2lu3fehen 
„abamitifch." ©in hochgemadjfener 9Rann mirb 
„SRiefe ©oliath," langer „Saban" ober ein 
„©nafsfinb" gef^eifeen. gft gemanb reid^, fo 
hat er „äRofen unb bie S*opheten," ober er hat 
„9J?oo3" (Slbfürjung oon3Rofeö). gft gemanb 
arm, bann ift er ber „arme Samaras;" ift er ein 
©ei^halS, bann nennt man ihn einen „®iener 
Mammons;" ift er motjltfjätig, fo hat er bie 
©fjre ein „barmherziger Samariter" $u ^ei§en. 
SBir empfangen ©riefe; ob nicht unter ben Die* 
len auch eine „#iobSpoft" ift? aRandjer befommt 
mohl auch einen „UriaSbrief." 

gubaS ift ber JppuS aller Verräter, unb 
SRanchem brennt ein gubaSfujj auf ben Sippen. 
pat einer einen greoel oerübt, ober hält ntan 
if)n für oom böfen ©emiffen ©epeinigten, bann 
entbedt man gemif$ baS „KatnSaeichen" an ihm. 
3Siß man ben anbern etmaS nicht glauben, bann 
ntufj ber „ungläubige IhomaS" h e *h a lten. 
Sinb böfe Seute jufammen, fchmiebet eine ©e= 
feöfchaft fd)limme *ßläne, mirb fie als eine 
„SRotte Korah" bejei^net. 3Ran mag an jener 
©efellfdjaft nicht theitnehmen. Sich, ba ift ja 
„Kretin unb ^ßlethi" beifammen. Sifceft bu 
recht marrn, bift bu gut aufgehoben, bann bift 
bu nach ber äJleinung beS SieibeS ober nach bei* 
nem eigenen Urtheil mie in „SlbrahamS Schoofj 
.im anbern gaU lannft bu mie „auf Kohlen" 
fifcen. Ob unfer Voll mohl bie Se^eichnung 
„bitterliches SBeinen" fennen mürbe für ben 
StuSbruch Hefften, untröftlichen SchmerjeS ohne 
jene Sefdjreibung beS Schmedes Setri nach fei= 
ner Verleugnung ? 

©in greunb ober geinb hat fiel) etmaS heraus* 
genommen; marte, mir motlen ihm „bie ©pi* 
ftel" ober „Seoiten" tefen! $a ift eine Stabt, 
in melier bie „Ungeredjtigfeit überhanb neh 2 
men" miß; baS ift ja ein rechtes „Sabel" ober 
eine maf)re „SRörbergrube," mohl gar „Soborn 
unb ©omorrha." O, eine „egpptifche ginfter* 
nifj!" ruft ber eben in’S Sunffe |)inau3tretenbe. 
©in gemaltiger „aiimrob" ift jener fühne gäger. 
Sinb $mei immer recht einig, fo finb fie „ein 
$erj unb eine Seele." ginbet babei ein Ser* 


hältnifc gegenfeitiger gürforge ftatt, fo fagt man 
nach bem Sfalntfpruch, bafj fie einanber „auf 
ben Rauben tragen," unb ift ein Üheil befonberö 
fchu^bebürftig, fo nimmt ber anbere ihn gemifj 
„unter feine gügel." SlnbermärtS geht eS me* 
niger friebfam unb järtlicf) ju; eS giebt ja 
„fdjlangenfluge" 3Renfchen, bie babei oergeffen 
„fanft mie bie Xauben" ju fein; ja eS giebt 
melcpe, bie als „SBotf fich inSchafSfteiber" fuchen 
5 U hätten. 

$eS SBalbeS fchattigeS 3)unfel, meldjeS bem 
müben SBanberer, nach angeftrengtem 3Rarfd) 
eine angenehme Verberge bot, entlodte ihm bie 
SBorte Setri oom Serge ber Sertlämng: „$ier 
ift gut fein, hier lagt uns Jütten bauen." 3ft ,g 
aber ein SßSeltfinb, baS alfo fpricht, fo möchte 
man ihm entgegnen: „mie !ommt Saul unter 
bie ©ropheten." ®er StuSmanberer träumt oon 
einem Sanb, „mo ÜRilch unb $onig fließt," er 
finbet fich ^mar fchredlich getftufcht, menn er’S 
betritt, bod) bie „Hoffnung — auf beffere 3eiten 
— täfct ihn nicht ju Schauben merben." 5Ra, 
ein^r mu| ja immer ber „Sünbenbod" fein, 
tröftet man ben gan^ ungerecht Sef^ulbigten. 
®aS ift ber „mahre $a!ob" Hagt ber Sehrer 
über jenen hinterlistigen ftetS auf feinen eigenen 
Sortheil bebachten jungen. ®er SRenfch ift 
fchon alt, er hat immer „herrlich unb in greu* 
ben" gelebt, ich glaube aber, er mürbe baS Sllter 
„SRethufalemS" erreid)en, hoch halb mu§ eS 
auch bei ihm „SRatthäi am lebten" h^i&en. 

®ie Se^eichnung „Serie" für etmaS SluSer* 
lefeneS, ift jebenfalls bem ©teichnife 3efu oon 
ber föftlichen Serie entlehnt. Sluch baS ®teich ; 
iti§ oom Sauerteig fommt in vielfacher Slnmen* 
bung öor, memtgleich oerfchiebene SluSbrüdc für 
bie &ir!ungmeife beS Sauerteigs gebraucht mer* 
ben. ®ie Leitungen nennt man „baS tägliche 
Srob" beS Volles, unb baS Voll lägt fich nn* 
„Xräbern" abfpeifen. 9Ran „mirft auf Slnbere 
einen Stein,", unb „fchlägt nicht immer an bie 
eigene Sruft." SBie viele Seute, benen meniger 
am SBohl als an ber SBolle ber £>eerbe liegt, finb 
alS„SRiethlinge" offenlunbig! Qa, heute ruft man 
ben ©efeierten ein „^ofianna" entgegen, halb 
mag er aber baS „Kreuzige" hören müffen. 3n 
ber ©tatS*®ebatte ruft einer: feien Sie fparfam, 
eS lönnen auf bie „fieben fetten 3 a h rc ft c & en 
magere folgen." gm politifchen ©efpräd) füllt 
baS SSort: „2SaS lann aus — man benlt an 
aiajareth — granlreich ober Spanien ©uteS 
fommen!" gm Sarteitreiben mujj „Schiboleth^ 
für Sarole gelten. 9Ranchermu§: Pater pecavi 
(„Vater, i^ habe gefünbigt") fageit unb möchte 
hoch gerabe nicht mit bem oerlorenen Sohne $u* 
fammengeftellt merben. Um „geigenblätter" ift 
man nicht oerlegen, fie merben nur ju reichlich 


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Pie beutfdje Spradje unb bas <ZI)rißtntl)um. 


30» 


aud) heute geflochten unb angelegt. SBie ÜJtan* 
(her „loöfcht feine §änbe in Unfchulb," unb ift 
hoch fo unentfchieben unb unreblich wie <ßitatu«. 
3ener ift ein „ißfjatifäer &ott ber gufjfot)(e bi« 
jum Scheitet." ®iefer ein „fchwanfenbe« 5Kof)r," 
ein Änberer jetjrt Dom „SRarf be« Sanbe«." 
®ie ©rjeugniffe ber ®id)terabem unb am 
Schreibftufj teibenben ergießen fich wie eine 
„Sünbfluttj" über ba« Saitb unb man feufmit 
©irach: „ach, be« ©üthermachen« ift fein @nbe!" 
®och wir finb in’« Stagen gefommen, wir woU 
ten feine „Qeremiabe" fingen. 9lun Ütbieu, „ber 
§err mit bir." 


Pie beutfdff $pnid)f unb ba» 
(ÜljriReiitljtim. 

öon Sftcobor Obinga, »erlitt. 

S ift eine merJmürbige Ifjatfadje, mie fid) 
ber Einfluß beS Et)riftentt)umS auf alle nur 
benfbaren ©ejietjungen beS menfdjticfyen 
SebenS erftredt. nur, baß ba§ äugertic^e 

Seben burd) ben fieitfamen Einfluß beS Efyriften^ 
tfjumS anfängt fidj umjugeftatten; nicf|t nur 
baS ©taatSteben unb baS gefettfcfjafttidje Seben 
änbert fidj, nidjt nur baS gamitienteben nimmt 
eine SBenbmtg jum ©efferen, — aud) auf bie 
©pra^e t)at baS Etjriftenttjum ben meitgetjenb* 
ften Einfluß geübt. 

ES beburfte einer gemattigeren ÜRadjt, als eS 
bie metttic^e Kultur beS 8iömerreid)eS mar, um 
auf ba3 ©eifteSteben ber ©ermanen Einfluß ju 
geminnen: biefe erftanb im Ef)riftentl)um. 

©on brei ©eiten Ijer ift ben ©ermanen ber neue 
©taube geprebigt morben: bie öftlidjen Stämme 
oerbanten it)n ber griedf)ifcfjenff irct>e; irifd)e unb 
römifdje ©taubenSboten paben ben meftlict>en 
Stämmen unb bem innem $eutfd)lanb ba3 
Eoangetium gebracht. $al& irifcpe Eljriften* 
tljum fdjeint Jeinertei Einfluß auf bie beutfdje 
Spraye gemonnen $u tjaben. SJiit ©pjans 
maren t>aiiptfäcf)tid) bie ©otljen in ©entrang 
getreten unb biefe finb früfje untergegangen. 
Sfber fie tyaben ben übrigen beutfcfjen ©öttern 
eines ber midjtigften SBörter oermittelt, baS 
Säort Sirene (*griedfjifdj Kyriakdn.) Studfj 
Pfaffe, *ßfingften, leufel bürfte burd) bie ©o^ 
tfjen ju unS aus bem ©riedjifdjen gefommen fein, 
toätjrenb bagegen $apft (^pdppas) erft fpäter 
eingemanbert ift. 

SUteS, maS fpäter ber griedfjifcpen Sprache 
entnommen, ftammt nidjt rnetjr aus unmittel* 
barer ©erütjrung. 

Stm ftärfften mar natürlidj ber Einfluß beS 


römifdjen ffirdjenttjumä; mit ben ©elegen für 
biefen Jommen mir auf ben ©oben gefdjidjtlidjer 
3eit ber beutfefjen Sprache: mir betreten baS 
©ebiet beS 2lltf)od)beutfd)en. Sateinifd) finb bie 
meiften Se^eicpnungen für tireßlidje Saulidjtei* 
ten unb ©erätljfdjaften: ff taufe, ff to ft er, 
fünfter, Schute; Stttar, ffanjet, 
ffreuj, ßrgel; für tircplidje Stemter unb 
SBürben: Stbt,ffüfter, äReßner, 2Rönd), 
SRonne, trieft er, *ßrobft, Sigrift; 
für Jirdjlicße ©ebräudje unb ©erridjtungen: 
Jeier, SRette, ©efper, 2Ref f e unb ©e^ 
gen; 2ttmofen, ©penbe; opfern unb 
p r e b i g e n; auep für einzelne ©orftettungen 
ber djriftlicpen Stetigion: Enget, SKarter, 
^Jein, $lage, oerbammen. 

9tfleS SBörter, bie fo in Steifd) unb ( ©tut 
unferer Sprache übergegangen finb, baß mir Jaum 
met)r aljnen, baß mir biefetben erft burdj baS 
S^riftent^um ermatten fjaben. 

©on ©ebeutung für bie beutfe^e ©pratfje ift 
befonberS bie Strbeit ber ©eifttidjJeit, befonberS 
ber 9Jt ö n <f) e. ©on S33utfita3 unb feiner 
gott)ifc^en ©ibetüberfe^ung ift an anberer ©tette 
gefproc^en. SS folgt nun eine Ueberfeßung 
nad£> ber anbem auö bem tateinifdjen ©ibelteyt, 
ein SKönc^ 5R o t J e r überfefct bie 5ßfatmen, ein 
anberer fdjreibt eine SebenSgefc^icßte S e f u ^f ^ er 
als „$elianb" (.^eitanb) bie beutfe^en Sanbe 
bur^iept unb beffen jünger als beutfetje fjür^ 
ften gefc^itbert merben, Otfrieb gibt eine Soam 
getientjarmonie in beutfe^er Sprache ^erau^, 
SB i t i r a m Perfaßt eine SluStegung beS t)of)en 
Siebet unb eS entfielt aud) ein Epos ^J5 i t a t u S. 

SBir fe^en, bie 2Rönc^e finb aud^ titerarifd) 
rec^t t^ätig für bie beutfdje Sprache. 3 a 
gab eine 3eit in ®eutfcßlanb, mo fie faft bie ein= 
jigen maren, bie fdjreiben Jonnten, unb eS gab 
einen beutfdEjen ®i(|ter beS 12. 3ri)rf)nnbertS, 
ber einem ©djreiber feine ©erfe biJtirte, meit 
er fetbft nic^t fd^reiben Jonnte. 

©roßeS teifteten bie SKönc^e für bie beutfdje 
Sprache, aud^ burd^ bie ©rünbung Pon Stuten, 
mo bie ©pradtje gut gepflegt mürbe. erin^ 
nere an bie befonberen berühmten ff tofterfc^uten 
Pon ©t. ©alten unb Pon gutba, bie lange 3*it 
faft bie einzigen Stätten finb, bie unS fdjrifttidje 
ffunbe Pon unferer Spraye geben. 

Unb burdf) bie ganje ®ic^tung unfereS ©otle£ 
jie^t ftd^ Pon je^t an ein ganj anberer Ion : 
baS ^eibnifc^ 9?o^e unb ©raufame fc^minbet: baS 
Sott tritt in ben ffreis ber ffiutturpötler ein. 

Ungeheuer groß ift ber Einfluß, ben ba3 
E^riftent^um auf unfere beutfdje ©praeße ^atte: 
benn eS ift eS, baS Pon rtun an bie Irägerin 
beutf^er 3 un 9 e toirb; freitid^ pflegt bie ©eift- 
lic^feit neben ber beutfd^en Spraye noä) mefjr 



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310 


Ct1000 uon ber g&oljltljttttglieit. 


bie lateinische. ®rft Suther hat mit berfelben 
in ber ffirdje aufgeräumt unb bafür unfere 
beutfdje Sprache gefegt; inbeg trog ber lateini* 
fegen Kirchenfpracge gebührt borf) ber ©eiftlid^ 
feit ber 9 iuljm, bie beutfc^e Sprache ung über= 
liefert unb toeiter auggebilbet $u haben. 


<£t m* 0011 ber Utoljltljättglmt. 


\ 


eig nicht, too i<h einmal gelefen habe, bei 
ber 2 Bof)(thätigfeit muffe man n a b f i d)= 
t i g unb f e r n f i cf) t i g fein. So ift 
eg aucf) fidjerlid). Siahfidjtig unb fur^fichtig ift, 
toer nur in ber Siäge gut fiefjt, in bie gerne 
aber fehlest ober gar nicht. 

So gibt’g gar manche Seute, bie fdjon gan^ gern 
ifjre Sllmofen geben, aber fie finb n a h f i 4 t i g 
babei, fie geben nur ben Sinnen in ihrer näcfjften 
Umgebung; bag ©lenb, bag leibliche unb geift- 
liege glenb, bag toeiter ginaugliegt, fegen fie 
nicht unb eg fümmert fie nidjtg. Sie jagen t»iel= 
leicht auch, toie jener 3Rann: „SBo^u fo mancge 
blanfe Sflarf für bie Hottentotten auggeben unb 
Socfen ftriefen für bie Gaffern, toägrenb eg bocg 
ber Slrmutg fo tuet bei ung gibt?" 

Solchen nagficgtigen Seuten fehlt eg an einer 
©rille, mit ber man aud) in bie gerne fcgärfer 
fiegt, unb biefe ©rille ift bie magre dgriftlicge 
Siebe; bie macht ben ©lief toeit unb auch bag 
Her^ meit, bag man eg macht toie bie ®orintger, 
bie bem ©aulttg gern ihre Scherflein für bie 
arme ©emeinbe ju $erufalem gaben, trogbem 
^mifegen Korinth unb ^erujalem ein grogeg 
9Jteer liegt unb in beibeit Stabten eine gan$ 
oerfegiebene Sprache gefprochen mürbe. 

Siefe Siebe macht ung 511 Scgulbnern „beibeg, 
ber $uben unb ber ©riechen," berer, bie in un= 
ferer 9täge finb, toie berer, bie in ber gerne 
toognen, unb treibt ung, mit unferer ©abe mit* 
äugelfen, bag bag SReicg ©otteg mit feinem 
mannigfachen irbifegen unb himmlifcgen Segen 
überall hinfomme. 

Sann gibt eg aber auch ©eher, bie to e i U 
f i ch t i g finb, bie fpenben ihre ©aben oft nur 
für Stei^ggotteg^mecfe unb überfegen babei beg 
Glenbg unb ber Strmuth, bie in ihrer SHäge ift. 
Samit toirb leicht bei benjenigen, bie überfehen 
merben — unb manchmal finb’g bie eigenen 
Hauggenoffen,—©erbitterung angerichtet, gür 


biefe SBeitficgtigfeit aber gat ber H err , unfer 
Heilanb ein fräftig Stecept gefdhrieben, bag fteht 
SÖZarf. 7, 11—13, too ber geneigte Sefer nach* 
fehen fann. 

Seg meiteren meine ich aber, bei ^ er SBogl- 
thätigfeit müffe man auch n aegf ich t ig fein lön* 
neu. Sie Söogltgätigleit unb bie Sanlbarleit, 
bag finb jmei Sugenben, bie fich nicht attju^ 
häufig begegnen. Sie erftere möchte aber bie 
legtere gern immer fehen, unb toenn fie fie nicht 
erblidt, fo toirb fie leicht oerbroffen uttb siegt 
fich in ben Scgmollminfel surüd. Sarurn n a cg* 
f i ch t i g beim Spenben ber Scherflein! Sag 
meint ber Slpoftel ja toogl auch, toenn er baoon 
rebet, bag bie Siebe langmütgig ift unb fich nicht 
erbittern läßt, atleg glaubt unb hofft unb nim* 
tner auf höret. Sllfo n a ch f i ch 1 i g—aber hoch 
auch oor fichtig! Ser Slpoftel fagt auch: S 8 er 
nicht arbeitet, ber foU auch nicht effen; toenn alfo 
einer nicht arbeiten miß, fo fott man ihn auch 
nicht mit Sllmofen füttern unb feiner gaulheit 
nicht auch nocg ein Sotterbettlein machen. Unter 
Umftänben ift eine tüchtige ^opftoafegung beffer 
alg ein SDZarfftüd, unb toenn bu einem Slrbeit 
oerfchaffen fannft, ift’g auf alle gälle nügtieger, 
alg toenn bu ihm bie fegönften ©raten hinftellft. 

Unb noch eing sunt Schluß: SBenn bu recht 
toogltgätig fein millft, bann mugt bu auch um- 
f i ch t i g fein, nämlich in beinern Honghalt, in 
beinen Sluggaben. Sa flagt SMancher, er möchte 
auch gern ettoag geben, aber eg bleibe ihm nichtg 
hiefür übrig. Sag ift aber gar lein SBunber, 
toenn eg an ber genannten Umficht fehlt. SRach’g 
nur toie jener ©raf, ber jährlich bebeutenbe 
Summen fchenfte, aber baheint ^ufah, bag auch 
mit bem ^nnbhöljdhen nicht oerfdhtoenberifch 
umgegangen tourbe; ober toie jener reiche $oU 
länber, ber bem colleftirenben ©aftor gliebner 
ein Säclchen mit fünfzig ©ulben in bie H a nb 
brüdte. gliebner banlt ihm, unb im ©egriff 
^u gehen, merlt er, ba§ ber Hoßänber mit einer 
gemiffen Slengftlichleit bem Säddhen nachfieht. 
gliebner benlt, bag er toohl bag Säddjen toieber 
jurüd haben möchte unb fagt, toenn er eg toünfche, 
toolle er ihm bag Säddjen toieber jurüdgeben, 
Sa heitert fich bag ©efidht beg Höttänberg auf. 
unb er ruft freunblich: “Ja wel, myn Heer, 
de zakjes zyn zeldzam” (bie Sädchen finb 
rar.) So ähnlich mach’g, unb bie Sd^erftein 
^um Spenben toerben fich f^on einftellen. 

(Sladhbar.) 



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I&urioßtäten aus ben Jetten bet elften {fräfibenten - Hinkten. 


aii 


ünttojUatrit aus freu leiten brr erften pröftbentrn = JUaljlen. 


gür $att* uni ©erb öou SB. gotfep. 


^ o jung unfere Stepublif noep ift, fo pat fic bocp 
-3% auep ihre „gute alte Bei t." 

^ $iefe beginnt natürlich mit SSafpington unb 
reicht bis auf Sttonroc. Unb bor jenes Cannes 
berühmter „S)tonroe 3) o c t r i n" befam ber ftol$e 
britte Napoli um noep folgen Stefpeft, mie mei* 
lanb mir ©cpmei$er ftnaben bor einem Serggeift. 

$m eilten SJtittmocp beS Januar 1789 ermäplte baS 
Sol! unfereS SanbeS feinen erften fßräfibenten. Slm 
erften SJtittmocp beS gebruar traten bie ©lectoren ber 
berftpiebenen ©taaten jufammen um einen ^räfibenten 
unb Sice*$räfibenten $u finben. Slm erften SJtittmocp 
beS SJtür* (4.) berfammelte fiep ber erlaubte ©ongreß 
$u Stern fjorf, um bie ©lectoral * ©timmen ju jagten 
unb bie neue ©taatSmafcpine in ben ©ang $u bringen. 

3 )ie erfte <ßräfibentcn= 2 Bapl fanb in einer fepr falten 
fBinterSjeit ftatt, unb SJtabifon fonnte eS nie laffen, 
feine SBiöe barüber $u maepen, unb feinen ftreunben 
ju erfaßten, roie !a 11 eS bei jener iöinter* 
n?af)I juaing. 

Sefanntlicp „lief" er bamalS für ben ©ongreß in 
Sirginien gegen $. SJtonroe; beibe mürben pernaep 
auep $räfibenten unb ßeßterer beS ©rfteren Stacpf olger. 

SBafpington, SlbamS unb 3efferfon hielten nie po* 

a i Sfteoen ju ©unften beS $u erftrebenben SlmteS. 

er mißige SJtabifon fonnte meber feine feparfe 
gunge, noch feine fpipige geber bezähmen. 

©0 beftieg er an einem ©onntag Stacpmittag fein 
$ferb, unb ritt auf eine lutßerifcpe Äircpe loS; benn 
*ur Anhörung Politiker Sieben naßmen fid) unfere 
fleißigen Setter an Söerftagen feine 3eit. ©S mar 
auch mieber bitter falt. Unb als bie guten Seute aus 
bem fpäten borgen * ©otteSbienft fameti, beftieg 
SJtabifon einen Saumftumpen unb brachte fernen 
Sebeftrom in rafeßen gluß. Slber in ber ©iße beS 
SSortfampfeS erfror eines feiner Qpren, unb fpätcr 
pat er oftmals als SolfSpaupt bor fremben 
SBürbenträgern auf fein Qpr gebeutet, mit bem Ser* 
merf, baß er auep eoenfo eprenpafte SJtaple trage, als 
maneßer $riegSmann. 

Sefanntlicp ftimmte alles Solf für ben Sater beS 
ßanbeS, für ©eorg SBafpington. feoeß fepien eS, als 
ob Stiemanb bie Sice^ßräfibentfepaft öerlangte. ftber 
es mar felbftberftänblicp, baß, ba Sirginien ben $rä= 
fibenten gab, SJtaffacpufettS ben Sice^räfibenten lie* 
fern fotlte, ©am. SlbantS, ftopn ©ancod unb 3opn 
SlbamS maren auf ber ßifte. Slber ber ©ouoerneur 
©ancod mar m ftolj, um nur ben jmeiten 
Slaß anjunepmen. SlbamS piclt man oer neuen 
Regierung niept günftia genug, unb fo napmen bie 
Sater ben aemanoten gopnrlbamS. tiefer fam 
eben bon ©nglanb unb ^oüanb fturüd, aumo er 
bie Siecptfame unteres fianbeS mit großer gäpigfeit 
bertrat. ©eine yfaepfommen bemapren peute noep 
eine golbene Äette mtt aJtcbaitton, melcpe öoflanb’S 
pöcpfter SRagiftrat, im SBertp bon 1300 ©ulben, als 
©pren*&ngebinbe in feine ^>änbe legte. 

ailS an jenem 4 9Jiärj ber ©ongreß berfammelt 
»ar, fanb fiep fein Quorum in feinem ber beiben 
Käufer. S)eßpalb mußten fiep bie, ©äufer bertagen 
ünb fidp gebulben, bis bie bieberen (£ongreß*9Jiänner 
perbeifamen. 

5 )oep fepienen biefe feine befonbere ©ile ju paben. 
©mige batten eben auep bom jepönen ©eorgien unb 
bom luftigen 9*em ^ampfpire perjupilgem, unb baS 


mar ba^umalen fepr — fepr meit, unb bie ©ifenbapn 
mar eben auep noep niept erfunben. 

©0 berging SBocpe um Söoepe, aber eS fam feiner. 
SUtn mürben bie fäumigen ©erren per ©ilpoft einge* 
laben, fiep boep enblicp nacpjtem ?)orf ju fputen. 

Unb alfo berging ber yftonat Wftäv^ ©elbft bie 
aus 9tem Werfet) maren noep niept gefommen. 9ttabifon 
berichtete an SSafpington bie Urfacpe, meßpalb bie 
fonft fo SSaderen bon Stern 3 er fcp feplten. ©S 
mar bafelbft nämlicp noch gar fein $ag beftimmt, 
menn bie SBapl gum Slbfepluß fommen foute, unb baß 
einige ©ountieS 3—4 Söocpen lang mäpUen, bis ber 
©ouoerneur enblicp ben ©anbei jumSlbjcpluß 5 U brin* 
gen gerupte. 

©nblicp am 6 . Slpril fanb fiep baS Quorum. 
Söafpington befam fämmtliepe ©lectoralftimmen, unb 
SlbamS mürbe auS 69 mit 34 jum Sice * fßräfibenten 
crmäplt. 

Xann fanbte ber ©enat ben ©efretär beS ©onti* 
nental"©ongreß, ©paS. Xpompfon, naep SJtt. Scrnon, 
um SBafpington bon feiner SBapl in ^enntniß ju 
fefeen. ©plbanuS Somen ging naep Quincp, um 
SJcabifon bie Steuigfeit $u bringen. 

^5)amit bergingen mieber fünf Söocpen im SBarten 
auf baS Dberpaupt. 

aUS ber gute ©eorg merfte, baß er halb ßan* 
b e S b a t e r merbe, bat er feinen greunb, ©ouoerneur 
SÜtorriS, er foüe ipm eine „feine golbene Upr" 
beforgen, unb fanbte ipm ^um Slnfauf J ü n f u n b * 
jm an jig ©uin een für Upr unb ©cpliif \ el." 
Sufproo SKafpington SlbamS pat fie jept im Sefip. 

^pompfon brauepte fieben STage bon Stern "Sorf 
naep 9)tt. Semon. ©5ort angelangt, fanb er Söafp* 
ington niept 5 U ©aufe. StacpmittagS fam SB. jurüd, 
uno unterpielt fiep ^mei ©tunben mit Xbompfon. 
$ann ging’S mieber auf’S fBferb, um bie alte 80jäp= 
rige SJtutter ju befuepen unb fiep bon ipr für*S ßeben 
^u berabfepieoen. Slm nöepften Xage fam er mieber 
naep SJtt. Sernon jurüd. 

9lm 16. Slpril berließ SBafpington mit Xpompfon 
unb ©ol. ©umpprep feine geliebte ©eimatp, „f ü p 11 e 
aber mepr mie einer, ber bor ©eriept feinen $rojeß 
ermartet, als mie ein fiegreieper ©eneral, ben oer 
pöcpfte SJtagiftrat an bie ©piße eines freien SolfeS 
ruft." 

2 )icfe erfte ^räfibentenfaprt geftaltetc fi^ 5 Ü einem 
mapren Xnumppjuge. 3 n «Uejanbria gab f S ein 
großes ©) i n n e r. i&aS m Saltimore $ferbe patte, 
ritt ipm fieben SJteilen meit entgegen, unb bie ©tabt 
gab ein großes geftmapL 5)er ©ouoerneur bon 
$ennfplbanien fam ipm mit bielen Serittencn entge* 
gen bis an bie ©taatSarenje unb geleiteten ipn naep 
$ppilabclppia, mo 333afpington unter bem 3ubel beS 
SolfeS emjog. 

3 n Xrenton famen ipm brei^epn SJtäbepen entge* 
gen; fie fangen ein ©iegeSlieb unb [treuten ipm Slu* 
men auj ben SBeg. Slber Stern ?)on tpat eS allen au= 
bor. ©in Soot mit breüepn meißgeflcibeten Siloten 
napm ipn in ©lifabetp $omt an Sorb, mofelbft ein 
©ommittee bom ©ongreß auf ipn martete. liefern 
©epiffe folgten eine Unjapl beflaggter ©epiffe aller 
©attungen,unb fclbftein JpanifcpeS ifriegSfdpiff grüßte 
mit breuepn KanonenfAüffen. 

©in Sierfpänner foute ben Sräfibenten in feine 
©erberge bringen, aber ber merfmürbige SDtann jog 


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312 


Iturioßtätrn aus ben Jetten bet etfien )fräjtbroten=$8al)len. 


eS oor, zu guß ju gepcri. XaS 2$olt mar faft außer 
fiep oor greube. 

gn einem gemietpeten ipaufe in ber ©perrp ©trage 
binnirte er mit ©ouoerneur Clinton. 

Xiefer mujtcrpafte crfte SSräfibent blieb fid) ftetS 
gleich unb ruhig, fomopl im ©cplacptenbonner, als im 
betäubenben feoltSjubel; benn er erinnerte fid), mie 
bicl bieS 23oU bon ipm unb feinem fcpmercn 2lmt er* 
»artete. 

Unterbetten biSputirte ber ©ongreß lange über ben 
Xitel beS $räfibenten: „2Bie foü man ipn anrcben?" 
SJtabifon’S SSorfcplag nmrbe angenommen, ihn ein* 
fad): „Sßräfibent ber SBereinigten ©taa* 
t e n" z u nennen. 

©nblicp tarn ber gnaugurationStag. Um 9 Upr 
mürbe in allen ßircpen Stern 2)orrs OfotteSbienft ge* 
galten. Um 12 Upr begann bie ißroccffion. Sßafpington 
trug einen bunfelbraunen 2lnzug, aus „eigenem 
häuSlicpemgabrifa t," meiße feibene ©triimpf e, 
&cpupe mit filbernen ©djnallen, etn prächtiges ©cpmert 
aus gutem ©tapl, gepuberte §aare nebft bem u n * 
bergejlichen 3°Pf« 

Xie ©ibeSlciftung ift peute nod) biefelbe unb 2Men 
mopl bcfannt. 

gm gapre 1792 fanb bie *m eit e SGBapl 
ftatt. ©S mar mieber !alt. Xocp gab’S bamalS nod) 
reine gacfelzüge, nocp SDtajfen * ®er)ammlungen, nod) 
fold)* glüpenbe 3eitungS*2lrtifel, mie in unfern Xagen, 
alle« ging ftiU unb frieblicp ju. 

Xer epr ließe ©corge fucpte ben zmeiten Xer* 
min nicpt, fonbern äußerte: ,,gd) mifl lieberauf meine 
garm gepen unb mit bem ©paten unb ©cpaufel ar* 
beiten, als 'ßräfibent fein." Shir aus Siebe jum 
fianbe napm er bie zmeite Söapl an. 

gn SÖafpington’S föabinet faß z u feiner 
Stecpten Xpom. gefferfon als ©taatS*©e* 
tretair, ein langer rötplicper SDtann mit rotier 
SBefte, er fpricht uno benft gerne franzöfifd). 211 ej. 
ftamilton fipt bem ^räfibenten gegenüber, ein 
fleiner, eleganter SDtenfcp mit ausgezeichneten ©eficpts* 
Zügen, mit blauem Ototf, oergolbeten knöpfen, meißer 
feefte unb feibenen ©trümpfen. ©r ift freunbficp 
mie ein Räbchen, bielleicht meil er ber güngfte ift 
Sieben ihm fißt ©en. ö r ß. $ n o j, & r i e g S * © e* 
Jretär, ein großer, träftiger ftriegSmann; nebft 
bem Virginier ©b. Stanbolpp, cm behutfamer 
21 b b o ( a t. 

©inen ©en. Sßoftmeifter, noch Sefretär beS gnne* 
rcn, nod) ber glotte brauste man noch nicht. Xer 
©taatS*©efretär mit ©ehülfe betamen $250 pergapr. 
Unb $no£ 2lrmee beftattb aus 600 ©olbaten. 

guerft ging’S im Äabinet gut, aber fdjon nächften 
SOtonat geriethen gefferfon unb Hamilton hinter ein* 
anber mie „jmei tfampfpäpnemie fid) ber ©rftere 
auSbrüdte. 

gn 23ofton mürbe im ganuar ein ganzer ©cpfe ge* 
braten zur SBerperrlicpung beS ©rfolgS oer franzofi* 
fdjen Sftepublif; 16 $|erbe mürben bor ben SBagen 
gefpannt, mit beren Silie unb unfern ©temen geziert 
unb biele 2Bagen folgten mit 23rob unb ^ßunfch. 3n 
fjaneuil ®all faßen 300 ©äfte mit ©am. 2ft>amS an 
Der ©pipe, bem ©oubemeur unb bem franjöfifchen 
©onful. 211S aber SouiS XVI. guiüotinirt mürbe, mur* 
ben bie Änaben nicht mehr SouiS getauft. 

„Sßillionen für 2^ertheibigung, aber 
feinen ©ent als Xribut," mar baS s J)cotto bcS 
SöahltampfeS bon 1800. 

fPräfibent 2lbamS fanbte ben $aroliner ^incfnep, 
ben Virginier g?. 2Jtarjcfaall unb ©errp bon 9ttaffad)u* 
fettS afS ©efanote nach $ariS. 

Xafelbft tarnen fchon ben nächften Xag 2ttuftfer unb 


berlangten baS übliche ©efchent bon 20 ©uineen. 
Xann erfchien eine Xeputation ber gi f cp er * 2öei* 
ber unb rüßten bie 2lmeritaner, mofür fie eine©uine 
betamen. ©nblich tarnen ©inige bom Xireftorium 
mit bem Verlangen, unfer ßanb müffc fjrantreicb 
©elb leihen unb }ogieich forberten fie für bie fünf 
Xirettoren 1200 granten. Stach furzer ©erathung 
rief ihnen ©en. fßtncfnep z u * „SEBir geben feine 
f e ch S ?ß c n c e."—Unb zur 23eträftigung rief er ihm 
obiges ©d)lagmort in’S ©efid)t. 

©errp blieb in fßariS, bie 2lnbern gingen mieber 
heim. Xie franjöfifaje Unberfchämthcit rüttelte 
0ncle ©am auf. ©ine glotte mürbe gefchaffen, um 
bie biebifchen granzofen ju züchtigen, unb als unfere 
„© o n ft e l a 1 1 o n" bie franzöfijme gregatte „l’gn* 
iurgente" befiegte, öcrftel unfer ®olt m einen fonber* 
liehen ©iegeStaumel. SDtit biefer©loriecnbete2lbam*S 
fPräfibentfchaft. 

Xie 2Sabl bon 1800 ergab für Xhom. gefferfon 73 
unb für 21. 23urr biefelbe 3ah l * ®omit mar bie 
SBoltSmahl unentfehieben. Xer ©ongreß entfebieb fid) 
bcfanntlid) für ben ©rften. XhomaS mar früper fepr 
ropaliftifcp gefonnen, mürbe aber in fßariS mehr re* 
publitanifd) geftimmt. ©r ging oft in bie öütten 
ber 2lrmen, fepaute m ihren Äeffel, aß 
mit ihnen ihr fcpmarzeS 23rob, faß auf 
ipr partes SBett, unb behauptete fein ßebenlang, 
baß „ein fleißiges ®olf nidt) t einen Xpcil ber 
Station, fonbern bie Station felbft anSmadfe. 44 

2lbamS faß, feit einigen SÜtonaten im meißen $auS 
auf glüpenbcn Kopien. 58urr gejtanb murrenb, baß 
er fi^ bem SBoltSmitlen füge, raährenb 3 e f f c r f o n 
fie bor „^Betrug" marnte, „fonft mirb euch 
bie republitanifepe Partei mit ©emalt 
miberftepen. 

Xicfcr SBarner mürbe im SOtörz 1801 inaugurirt. 
Um 12 Upr f cpmang er fiep auf fein ^sferD 
bot feinem SBoarbingpauS in bem (leinen, ungefunben 
SBafpington, unb ritt jum neuen ©apitoL 
Xort ftieg er ab, unb banb fein $ferb felbft 
an einen gencepfoften an :c. Xu toftlicpe 
©infaeppeit! 

gii ber guten alten 3 c 'i mürben bie $rä* 
fibenten nimt bon 2$oltSber)ammlungen nominirt, 
fonbern im ©aucuS ber ©ongreßleute. 23efanntlid) 
mürbe ber „gute X p o m" mieberermäplt, mit ©lin* 
ton, ftatt bem ftreitjücptigen 23urr. 

Xie ©entralfigur ber 4. guli*geier bon 1802 mar 
^efferfon’S großer ^äS." 3u ©pefbire, 
SJtaff., lebte nämlicp ein Sßrebiger, gebürtig aus feir* 


caff., lebte nämlicp ein Sßrebiger, gebürtig aus feir* 
ginien, 3opn üelanb, mefd)er3effer)on’SzmeitenXer* 
min auf bie origineüfte SBeife begünftigte. 

©r maepte naep ber^ßrebigt auf berÄanzel befannt, 
baß gebermann, ber $üpe pabe, bie SDtilcp bon einem 
Xage in ©apitain SSromn’S SDtüple bringen foHe. Xie 
SDtilcp floß halb in ©trömen, unb als ber riefige St äS 
fertig mar, beftieg £elanb einen Älob, gab ein Sieb aus 
unb pielt ob bem $äS eine entpufiaftifepe 9tebe. 

Xann mürbe ber $aS, er mog 1600 ^ßfunb, bem 
^ßräfibenten gemibmet. 3 ur winterSAeit mürbe er 
auf einen ©cplitten gelaben, unb nach brei möcpent* 
lieber gaprt tarn ßelanb in SBafpington an. 

2ißc Parteien begrüßten bie munberlicpe Sßoft mit 
großem gubel. 25or gefferfon’S öauS mürbe ^>alt 
gemacht, unb mit paffenber 9tebe Dem Sßräfibenten 
baS ©efepent übermittelt, morauf ber „große SB a* 
t e r" mit Xant ben ÄäS in ©mpfang napni, unb mit 
einem SJteffer ein großes ©tüd perauSfcpnitt unb 
unter bie Staatsmänner oertpeilte. 

Xann münfepte baS SBürbigpaupt, Selanb fotte ben 
ÄäS mieber nach ©pefpire nepmen, auf baß ipn bie 


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J8it n einrai $taftor aus brat $jtnttnoalbt mH laset Paral im < 9 ßra »91119. 31 S 


©eher $u fcßmecfen befämen. $lber ber oereßrtc 
Selanb uberltcß baS ©efcßeuf bcm 'ißräfibenten, uub 
ein großer Dßeil beffelben gierte noeß bic näcßfte oierte 
3uh*geicr. 

Den beftcn fianbel braute Dßorn. Qfeffcrfon mit 
Napoleon $u ©tanbe, inbem er bem räubertfcßen unb 
üerjeßmenberifeßen ©orporal baS „£ o u i i i a n a * © e= 
bi et" für eilte §anb ooll ©olb abfaufte, meldjeS 
jenem ©ölferfpieler bloS einige SSocßen auSreicßte. 
Der macfere Sttonroe brachte bcn £>anbel in ^ßaris für 
15 äßiüionen Dollars jum $lbfeßluß. 

„Die ©rmerbung jenes TerritoriumS," 


jagte Napoleon au unjerm fünften ^räfibcttten, „bc* 
feftigt bie SJcaeßt ber bereinigten ©taa- 
ten für immer, unb bamit ß abe ieß @ng* 
lanb einen Stioalen ^ur ©ee auf ben 
dürfen gefeßt, meleßer früher ober fpä* 
tcr feinen © t o l $ b e nt ü t ß i g e it mirb." 

Dies ßatte ber beoeeßttenbe granrlin feßon erfannt, 
unb barunt fifrfjte er feßon oor $roan$ig ;gaßren bar* 
naeß. 2lber bie Diplomaten tn *ßartS fagtcnißm: 
„28 aS, bie^flünbung b eS 9fttf fif f ippi ocr* 
taufen?— Das ßieße ja unfere §auS = 
tßüre o erf cßa eßern!" 


—n ro» n. 

I * 1 


iUie es einem JJaJlor aus dem Ijjintermnlde mit tarn Moral im 

töjten erging. 

dinc auf Dßatfadjen berußenbe drjäßlung für §au6 unb §ert> bau «. ©röbe. 


I. 

Die ttnfunft am $ufcfon. 

©3 mar an einem marmen Stacßmittage im grüß* 
ßerbft beS 3aßreS 1883 in ftobofen, 9t. 3 ., als aus 
einem ber ©ullman©alaft=2ÖaggonS beS foebcn ange* 
tommenen Delemare unb Saefamattna ©fprcß^ugeS 
ein etma öieraigjäßriger SJtann ßeroorfant, beffen 
gan$e Haltung, ©cßnitt ber Äleibung, fomie $ßqfiog* 
nomie eS oerrtetß, baß er bem geistlichen ©tanbe 
tmgeßörte. 

trug eine golbene ©rille, langes ftauptßaar 
unb ein moßlgepftegter, fcßöner fcßmarjer ©dllbart 
feßmüefte fein blüßenbeS, oon ©efunbbeit ftroßenbeS 
»ngefießt, unb als er mit großem, ferneren <jpanb* 
foffer, ©tocf unb Stegenfcßirm auSgcriiftet, im geräu* 
migen SSartefaal erfcßien, um fiep ju orientiren, ba 
rießteten fidb aller 2lugen auf feine fräftige, reeßt im* 
ponirenbe <&eftalt. 

311S er baS Depot öerlaffen ßatte, beftieg er eine in 
ber Stöße ßaltenbe SJtietßfutfeßc unb oalb befanb er 
fieß oor bem berüßmten, in ber fcubfonftraße gelege¬ 
nen ©aftßaufc beS Jperrn ©., baS megen feiner auS* 
aejeießneten Dable b’ßote unb anberer ©or^üge üon 
Seifenben auS aller Herren Sänber frequentirt mürbe. 

3 n j? otcl cintrctcn ^ tourbe er oon bem rooßl* 
beleibten SBirtß mtt ber größten ^freunblicßteit be* 
grüßt unb ßerjlicß miUtommcn geheißen. 3m oorge* 
legten jrembenbudt) regiftrirte er fieß als: 9feo. X. aus 
einem £intcrmalbftäbtcßcn im meftlicßen Dßeile 
beS ©taateS b enn f^ löan ^ cn * 

«Racßbem ber ^auSclert ißm ein 3intmer angemie- 
fen, unb er Toilette gemaeßt ßatte, fepte er fieß mit 
einer ?lngaßl anberer ©äfte an bie Dafel unb ließ bem 
üorgefefcten ^^mbiß^ ooue ©ereeßtigfeit miberfaßren. 

TOit ber allergrößten Oßenßeit, als bef änbe er fieß un* 
ter lauter intimen greunben unb betannten, erjäßlte er 
unter 2lnberem ber DifcßgefeUfdßaft, baß er als moßl* 
beftaüter $aftor einer jgroßen eüangelifcß4utßerifcben 
©emeinbe, auf fecbS mconate beurlaubt morben fei, 
um eine feßon längft geplante Steife naeß Deutfcßlanb 
tu maeßen, tßeilS um fieß einigermaßen oon ber an* 
ftrengenben ^aftoralarbeit ju erßolen, tßeilS au<ß um 
feine noeß bort lebenbe SJhitter, eine ^farr * SBittme, 
ju befueßen. 

„Daß bie ©emeinbe, melcßer id) feßon feit $eßn 
Saßren als ©eelforger oorfteße/' fügte er noeß ßinju, 


„mieß recht gerne ßat, unb meine ißr geleifteten Dienfte 
gu fcßäben meiß, geßt befonberS aueß noeß barauSßer* 
oor, baß ber ^Bräfibent beS S3orftanbeS mir am 2$or* 
abenbmeinervlbreifeimStamenberfelbeneine große, 
mertßoollc, golbene Ußr nebft ein paar 
§unbert DollarS = 3eßrpfennige, als ©e* 
feßenf überreießt e. u 

®ei biefen Porten beS „©eiftließen^ feßauten fieß 
ein paar junge, feingeflcibete Scanner an einem S?e= 
bentifeße mit üerftönbnißmäßigen ©liefen an, unb 
mäbrcnb ber eine fieß langfam naeß beS ©ueßßalterS 

f ult begab unb einen oerftoßlenen ©lief auf baS 
breßbueß marf, trat ber anbere bießt ju bem s ^aftor 
ßeran unb fagte: „ßntfcßulbigen ©ie meine greißeit, 
mein §err; i* möcßteSie nurjur©orfießt ermaßnen, 
bamit ©ie nießt in biejer S>öfenftabt um 3ßre SBertß* 
faeßen betrogen merben, maS feßon oft oorgefom* 
men ift." 

„©eien ©ie meinetßalben oßne ©orgen, mein 
greunb," ermibertc ber ^Ingcrebete, „icß bin fein Äiitb 
meßr, unb jubem mödßte icß b e n Dafeßenbieb feßen, 
ber fo lange ginger ßat, um mir in bie innere ^uge* 
näßte Söettentafdqe ^u greifen." 

„Stun, mie bem aueß fein mag, fo feßabet es 3ßnen 
boeß auf feinen gall oorfießtig ju fein," fagte ber 
tooßlmetnenbe (?) grembc unb oerließ bann mit fei* 
item 3unftgenotfen jufriebenen SlngeficßtS baS ^auS. 

• II. 

din oorgcbltcßcr früßerer Ätnßcngünger. 

^ßaftor X. fanntc offenbar troß feiner großen ©eie* 
fenßett nießt bie ©efaßren einer ©roßftabt, benn fonft 
hätte er feuteStoegS fo offen unb frei in ©egenmart 
üon fo oielen frentben ^erfonen in feinem $otel über 
getoiffe Dinge gerebet. 

Stad) einem erqutdenben ©eßlafe ftanb ber $elb 
unferer ©näßlung am näcßften SJtorgen 00 m Säger 
auf. Der Dag mar feßon unb lieblich unb naeß bem 

E rüßftücf trieb es ißn ßinauS in’S greie. ©in fur^cr 
pajiergang im ariftofratifeßen Dßeile #obofen’S, 
baAte er, fönne nur moßltßättg auf ißn einmirfen. 

Scacßbem er frößlidßen ^er^enS ©traße auf* unb ab* 
gegangen mar unb bie jeßönett Stefiben^en ber ^ßatri* 
Aier bemunbert, lenfte er (eine ©cßritte naeß bem naben 
|mbfon=giuß unb begab fieß nadß bem SanbungSplaß 
ber Hamburger unb ©remer Dampferlinien, um bie 


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314 gBie es einem gtaftor aus bem $intermalbe mit laxer JRoral im #ften erging. 


ftattlidje o n a u," auf meld)er er bie Weife über 
baS Weltmeer ju machen gebadete, menigftenS bon ber 
Wußenfeite her in Wugenfcpein ju nehmen. 

511S er an ber ©djiffSroerftc ftanb unb mit fid)t= 
barem Qntcreffe einer vlit$ahl Männer jufchaute, bie 
ben bon ber lepten k ©eereife etmaS ftarf mitgenom* 
menen Kämpfer rcparirten unb einen neuen Wnftrid) 
gaben, ba nat)te fid) ihm ein freunblidjer junger Wcann 
unb ben$utgraciöSjiebenb, jprad) er: „©Uten bor¬ 
gen, -t>err ^aftor: id) pabe ©ie auf ben erften Vlicf 
fogleid) miebererfannt unb freue mid) herzlich ©ie 
hier in Roboten $u begrüßen, ©ie tennen mich bod) 
roofjl noch?" 

,,3cf) fann mich mirtlich nid)t erinnern mit ment id) bie 
©hre habe ju reben, obgleich mir 3h r ©efidjt betannt 
bor*urommen fcheint. 2Bie Reißen ©ie benn, menn 
id) fragen barf, unb mo fommen ©ie her?" 

„5BaS? ©ie tennen mid) nidjt mehr, $err Vfarrer? 
3dj heiße $erjog unb fomme bon 21. in $ennipl* 
banicn unb mar, menn and) fein ©lieb 3hrer ©emeinbe, 
bodj ein fleißiger Vefudjer ber Kirche —ba mir 3h r e 
Vrebigten fet>r entsprachen. SBohl bin id) fd)on etma 
fünf 3ahre bon Syrern ftcimathSort fort unb hier im 
Often tl)ätig, bod), menn ©ie nad) 51. ^urüdfommen, fo 
ertunbigen ©ie ftch nur nad) meinem tarnen unb ©ie 
roerben eS in ©rfaljrung bringen, baß mid) bort bei* 
nahe gebermann unb jmar als ©hrenmann fennt. 
3d) muß mid) nur munbcm, baß id) gijnen ein gremb* 
Ung $u fein fdjeine, ber id) bod) fo lange in Sbrer 
Kirche ein* unb auSging unb felbft bon 3eit gu 3eit, 
mie etma bei JSodföciten unb Kinbtaufen, pcrfönlid) 
mit 3hncn in Verubrung tarn/' — 

Vaftor X. freute fid) über alle SWaßen mit einem 
feiner ehemaligen (?) Kirchengänger fo uncrmartet 
Aufammen ftu treffen, ©r begte nicht ben geringften 
vlrgroohn, baß biefer ihm fo freunblid) entgegentre* 
tenoe Wtann ein maSfirter ©auner fein fönne, ber 
feine Wtittheilungeu im ©afthaufe mit angehört, fein 
mirflicher Warne unb SBotjnort aus bem grembenbud) 
erfahren unb ihm nun in ben 3Beg trete, um ihn in 
fein Weh S u Stehen un *> fc^Iiejsltc^ au berauben, unb 
hoch mar bem fo. 3a, biefer borgebliche alte Vefannte 
beS fcerrn X. mar tu 2Birtlid)feit nichts 2lnbereS, als 
eines ber liftigften Writgliebcr einer notorifd)en Ver* 
bredjerbanbe, bie fdjon jo biele arm unb clenb gemacht 
unb in’S Unglücf geftür^t hatten. 

©in Vunb ber greunbfdjaft mar nun balb, mie man 
fid) benfen fann, jmifchen ben beiben gejd)loffen. Zex 
junge ^uborfommcnbc SWann erbot fid) aus freien 
©titcfen bem Vaftor jum giiprer au, um ihm am Wad)* 
mtttage unb 2lbenb bie „© e tj c n S m ii r b i g f e i t e n" 
ber großen VMtftabt, jenfeitS beS ©tromeS, bereu 
§errlid)fcit er in ben glänjeften garben fchilberte, 

^ JßaS tonnte bem $)intermalbS=Vfarrer ermünfdjtcr 
ober angenehmer fein? 2)ie paar läge, bie ihm noch 
biä $ur vlbfahrt ber „5)ona u" ^ur freien Verfügung 
ftauoen, tonnte er gemiß nach f ei ner Meinung nicht 
ocffer anmenben, afe menn er an ber ©eite biefeS 
SWanneS bie ©tobt Wem ?)orf burcpmanbere. ©eine 
babei gemachten Söeobadjtungen unb ©tubien mollte 
er bann fpäter, nad) feiner Wüctfehr au3 bem alten 
SBaterlanbe, prattifch al3 Xbcologe unb 3^ u ^ nali ft 
ocrmerthen. Wad) einer bieSoejüglichen ®erabrebung 
fchieben bie Reiben auöeiuanber, um am Wachmittage 
oon 53. §otel auö, bie 5Baitberung nad) ber großen 
SWetropole an^utreten. ^ 

f in bnr4 ©ter unb SBein betrogener Mann. 

Um bie beftimmtc 3^t betrat .^er^oa bie ©aft* 
ftube be^ oben genannten Jpotetö, röo er offenbar fein 


Srembling mar, benn bie SBebienteften, mie ber biete 
äöirth felbft, nieften ihm gar freunblich $u. 

fßfarrer 3t. martetc fchon feiner unb im aHerbeften 
föumor trat er mit feinem ©cleitSmann ben ©parier* 
gang (?) an, ber für ipn, mie mir balb fepen merben, 
ein folch traurige^ ©nbe nehmen foHte. 

Ob er mohl öorher im Kämmerlein, im ernften 
©ebet, ©ott um gnäbige 53emahrung oor ©chaoen 
nach ficib unb ©eclc angerufen hatte? 52Bir be^mei* 
fein e^.- 

3n Wem ?)orf angefommen, ftatteten fie juerft bem 
Wo[tamt^©ebäube, oer ©tabt=.palle, ber ©uSpenfionä* 
Srücfe, ber Xombö, bem befannten ©tabtgefängniß, 
ba^ fo biele SWörber unb notorifepe Verbrecher birgt, 
unb mehrere anbere öffentliche Vläpe im unteren 
©tabttheile einen furjen 53efucp ab. 

Xem „öintermälberi' tarnen alle bieje Vauten unb 
Kunftmerfe fo fd)ön unb großartig bor, baß er bar* 
über aüeö Wnbere bergaß uub fepeinbar oft nicht mußte, 
mache ober träume er. 

Stuf feinen ^eunb (?) machten natürlich alle biefe 
25inge, bie er |o fel)r bemunberte, menig ober gar fei* 
nen ©inbruef; er hatte nur ein 3icl tm Wuge, unb 
ba3 mar bie Aneignung bon fßaftor X. ©elb unb SBerth* 
fachen, unb barauf fteuerte er mit aller ihm $u ©e^ 
bote ftebenbe 3Wad)t lo3. 

Durcp ba^ biele öin* unb ^ermanbem, unb ba e§ 
aud) ^ubem ein heiler Zag mar, mürben bie beiben 
re^t mübe unb erjehöpft. Vor einem ber bielen 
3;rmflotalen in V efl rl ©traße, au^ roelcpem SWufif, 
©efang unb milber fiärm ertönte, machte ber 3üh rer 
plöplid) ©alt unb fprad): „Sßiemäre e^, ^>crr $aftor, 
menn mir uns h* er e ^ n laenig au^ruhen mürben unb 
ben brennenben $urft burq ein ©la^ ©erftenfaft 
iöfdjten? ^och bielleid)t berbieten 3*) ncn ctmaige 
Xemhcren^grunbjäpe ober ©clübben, gleich fielen 
anberen ©eiftlichen, ein berartigeä ®au§ ju betreten 
unb ei it £ 3 U trmfen? Söenn fo, bann mill id) ©ie ge* 
miß nicht gingen mit mir hineinAugehen."- 

,,^)aö ift feine^megö ber galt bei mir, mein lieber 
9Wann," ermiberte §err X. ,,©ie tennen mid) fdjlecht. 
©in Jempereii^ler mar ich nie unb bin auch nicht unb 
hoffe ich auch niemals §u merben. 3^ 5 abe ^ tr0 $ 
meines ©tanbeS, noch nie für Unrecht gepalten, einen 
refpeftablen (?) ©aloon ^u betreten unb ein ©laSfia* 
ger ober Vkin *u trinfen; biefeS 3eußniß föitnen mir 
alle 5£irtf)e in W. auSftellen.“ 

„Wun, bann tommen ©ie/' rief £>er$og freubig er* 
regt, „mir finben ba brinnen eine heitere ©efettfajaft 
betfammen. Um bie 3eche braunen fie fid) nicht $u 

fümmern, bie ^afjle ich."-Veibe traten ein unb 

fepten fich an ben Xifcp. 5luf einen SBinf beS jungen 
SWanneS brachte eine Kellnerin baS gemünfehte ©c* 
bräu. X. mollte [ich öuerft mit einem ©laS be* 
gnügen, aber fein Begleiter lachte ihn aus unb fagte: 
„©in ©laS, maS ift baS? ©ah ich öoeh oft, mie 
©ie bei ©och^eitsfeften unb Kinbtaufen oier bis 
fünf ©laS tränten. SBenn fie heuAUtage nicht mehr 
als e i n ©laS trinfen fönnen, bann ßnb ©ie fepr nape 
baran, ein Xempereniapoftel unb SBafjerfimpel $u 
merben." — 

2)iejc VJorte, bie bon ben anmefenben 3:rintgenof* 
feit mit lautem VeifaU aufgenommen mürben, maren 
oon mohlöerechnenbcr Söirtuitg. Unb, um 
bem ^reuube unb ber gangen ©efellfdjaft ju geigen, 
baß er noch meit babon entfernt fei, ein 
ÜemperenAler ^u merben, leerte er ein 
©laS nachbemanbern! ©omeit hatte ihn be* 
rcitS ber ©eelenfeinb gebracht auf ber abfdjüffigen 
Vahn beS VerberbenS! 5lrmcr, betlagenSmcrtper 
W^ann. 


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Pie es einem flaftor aus bem finterroalbe mit laxer Pforal im ®ften erging. 315 


AIS fic baS ASirtbSbauS üerließen, mar bie Wad jt 
fd)on herein gebroden unb jeßt mollten fic einen Jf)eil 
her ABeltftabt beim „© a S1 i 3) t" betrauten! Sie eil¬ 
ten nun non einem SBergnügunaSplafe gum anbern unb 
genoffen baS ©ute (?) unb Schöne (?) in üollen $ü* 
aen. ©egen 11 U^r münfebte X., oeffeit Seine ihn 
raum aus Sttübigfeit mef)r tragen mollten unb ber 
über heftiges ftopfmeb llagte, nad) feinem 
üuatier gurüdgufebren. 

Sein Jüfjrer erflärte fid) bereit bagu mit ihm ben 
$eimroeg nad) Roboten angutreten, bod) oorber moll* 
ten fte fid) nod), fo lautete fein Sorfdjlag, an ei nem 
©l äScben feinen $Re inmein ft arten, Sie 
betraten einen matt erleuchteten ftellerraum, in einer 
engen febmufcigen Seitengaffe, bie megen ihres fd)lint* 
men SRufeS oon Sielen, felbft am liebten Jage gemie* 
ben mürbe. §m inneren ber elenben Spelunfe er* 
bliefte$err X. nur einen 3Rann, ber b e i b e S A3 i r t h 
u n b © a ft su fein febien unb baS mar üRiemanb fonft, 
als ber mobint ei nenb e greunb, ber ibn am 
läge öorber in feinem §otel gur 93orfid)t ermähnt 
batte. Söelcb ein unermarteteS A3ieberfef)en! 

Jie ©läfer maren halb gefüllt unb man tränt auf 
baS SBobl beS Pfarrers (?). joch taum batte lepterer 
fein ©las geleert, fo mürbe eS ibm fo fonberbargu 
3Jhitbe! ©ine fürchterliche Angft überfam ibn; er 
moHte um $ülfe rufen unb bie fjlucbt ergreifen, b o cb 
in bemfelbeit Augenblid fingen feine 
Sinneangufdjminbenunberfanfbemußt* 
l o S in bie geöffneten $lrme ber g m e i 
©auner. A3ie mabr: „A3er fid) mutbmillig ber 
©efaf)r auSfefct, tommt barinnen um!" • 

IV. 

©in traurigem ©machen in ber $oli$eiffation. 

Soeben batte bie ©lode beS Jrinitn*$ird)entburmS 
am unteren SBroabmat) langfam unb feierlich bie 2ttit* 
ternaebtsftunbe oerfünbigt, als gmei üerbädjtig aus* 
jebenbe Subjette mit magren ©algengeficbtern äugen* 
jcbeinlicb einen recht febmeren ©egenftanb, oon einer 
bunflen £ülte umgeben, geräufcbloS unb oorfidjtig in 
einer menig bom ©aSlidjt erbeuten Straße bat)in* 
1‘cbleppten. 3>hr 3iel fd)ien ber ©aft s Jiioer gu fein! — 

Ja tauchte plöfelid) tn geringer ©ntfernung bon 
ihnen, bie riefige ©eftalt eines Solisten mit bem ge* 
fürchteten <pidort) Knüttel auf! Angft unb ©ntfepen 
überfam bie gmei Strolche unb mie auf’s Äommanbo 
ließen fie ihre Saft mit einem bumpfen Jone gur ©rbe 
fallen unb fudjten ihr heil in fdmeller gludjt. 

Aad) furjer aber üergeblidjer Verfolgung ber fdjein* 
baren Jicbe, tebrte ber Scbufcmamt gurud, um ben 
bon ben Ausreißern gurüdgclafjenen ©egenftanb einer 
3nfpeftion gu untermerfen. A3er bcjdjreibt fein ©r* 
ftaunen, als er in bemfeiben einen halb entfiel 
beten, leblofen menfcblicben Körper ent* 
bedte. 

Ja er fofort auf einen SRaubmorb febloß, fo gab 
er ein Signal mit feiner fcbriUen pfeife unb halb roa* 
ren etliche feiner ftameraben an Ort unb SteUe. *Rad) 
turser Veratbung brachten bie maderen SRönner ben 
Scheinbar unter bie „9t ä u b e r" ©efaUenen, fo fcbneU 
als fie eS öermoebten, nach bem etmaS entfernten Sta* 
tionSbaufe. 

Jort angetommen, fteUte ber ^olipi^Arjt mehrere 
Aeriudje an, ben Scbeintobten in’S Seben gurüdgu* 
rufen unb gmar mit bem beften ©rfolge. $uis* unb 
öergfcblag mürben fräftiger unb regelmäßiger unb 
oalb fd)lug ber in ber ©aunerböble bureb ben mit 
bem allerftärfften Opiate gemifcbten 
«ein befinnungSloS gemachte $cn X., benn biefer 


bebauemSmertbe 2Ramt mar eS mirflicb, — bie Au* 
gen auf! 

©r ermaebte aus feiner gefährlichen Jaumelei, 
aber meid) ein ©rmacbcn mar eS! AIS fein 
SBlid auf bie ihn umgebenbe Sßoluiften fiel, ba traute 
er feinen Augen taum. 3 uer ft ^b m 0 an ä c 
Situation als ein müfter Jraum oor, boeb eS mar 
Realität. AUmählid) ging ihm ein Siebt auf in ber 
ginfterniß unb er erfannte eS nur p mofjl, baß man 
ihn in eine galle gelodt unb üollftänbig 
auSgebcutetbatte. 

SRid)t nur feine golbeneUbr, feine gange 
mit bon & aufc gebrachte Öaarfcbaft unb 
anbere S^erthfacben maren fort, bie iptjänen 
in SRenjcbengeftalt hotten fidj felber feiner 
föopfbebetfung, feines fRodeS unb {einer 
Söefte bemädhtigt! 

©r bergoß nun bittere Jb r &nen über feine große 
Jhorheit, bie ihn in bieS Unglüd gebracht hotte, boeb 
au fern Klagen brachte bie berlorencn Sachen nicht 
prüd. Jiefcn Betrügern, benen er pm Opfer fiel, 
febien bie ^oligei mit all ihrem Sdjarffinn 
nicht gemacbfeit gu fein, unb fo mar in ber Jbot febr 
menig Hoffnung für ihn borhaitben, je mieber m ben 
5öefiß ber geraubten ©üter gu gelangen, ©r fab 
auch’nie mieber etmaS oabon. 

SSon bem $oligei * Kapitän, einem bieberen 
J e u t f cb e n, bem baS Unglüd beS leichtfertigen un* 
bortichtigen 9RanneS febr gu bergen ging, mit ben 
nötpigen $leibungSftüden unb ^leingclb berfehen, ber* 
ließ X., als ber Jag gu grauen anfing, baS StationS* 
gebäube, um nach Roboten guriidgufehren. 

AIS er in feinem £>otel antam unb feine ,,©e* 
febiebte" ergählte, ba fanb er menig Spmpatbie; 
im ©egentheil, man erlaubte fid) allerlei übel lautenbe 
33emertungen über ihn unb ber 2Birtb gab ihm gu ber* 
flehen, baß, menn er feine SRedjnung nicht auf ber Stelle 
begabte mürbe, er ihn als einen religiöfen Sump, ber 
auf eine fpftematifdje SSeife bie Äofthäufcr betrüge, 
berljaften laffen merbe. 

3t. erfuebte ihn, tl)ränenben AugeS, fid^ bo^ bis gum 
fommenben 3Rorgen gu gebulben, ba er ihn. bann auf 
alle ftfälle begahlen mürbe, aber bis bapin muß* 
ten feine „©ff eite n“ als ^Bürgfcbaft in bie 
fiebere $$ermabrung beS berglofen §o* 
telierS manbern! 

V. 

Aodj tiefer in Sünbe unb in’6 ©lenb hinein. 

^aftor X. mar nun, mie man fid) benfen fann, in 
ber allergrößten SBerlegenbeit. ©elb unb ©ut maren 
fott unb feine $Reifetafd)e in ben bobgierigen ©änben 
eines unbarmbergigen SSirtheS. 

2öaS foHte er nun tl)un? ASoher je ßt baS nöthige 
©elb nehmen, um bie SReifefoften nach ber alten 
£eimath gu beftreiten, fomie aud) um feine §otelrecb= 
nung gu begah^o^ 

An feine ©attin in A. gu febreiben, fie mit feiner bitte* 
ren ©rfal)rung in ber Stabt Aem ?)or! belannt gu ma* 
eben unb fie um biegufenbung ber notbrocnbigen©el= 
ber gu erfueben, baS febien ihm eine allgu* 
g r o ße (?) J e m ü t b ig u n g g u f e i n. 

AöaS mürben auch feine ©emeinbeglieber, feine 
gfreunbe unb geinbe fagen, menn ihnen bie © e f d) i d) t e 
gu Ohren !äme? ASüroen nicht ®iele oon 3h nei1 ^ eits 
ten unb fagen: „X ift nicht um fein ©elb beraubt 
morben, fonbern er hot eS oerfebmenbet unb mie, mäh* 
renb fid) Anbere über ihn nur luftig machen mürben. 

Unb gar guriidgufehren, ohne in Jeutjajianb gerne* 
fen gu fein, — unb noch genug $obn unb Spott ba* 


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316 Hie ts einem Jlaflor aus beut Jjjinfmtialbt mit laset Ptoral im OfUn erging. 


ju gu paben, — baran mochte ev gar niept benfen. 
©egen biejeö 9llleg empörte ftdj ber tpm eigene ©tolg. 

(Ir molite, mo möglicp, feine s J2em porter ©rieb* 
niffe bor feiner grau, roie überhaupt ad feinen greun* 
benunbBefanntenim£>intermalbc geheim galten. 
Xocp biefer $ocpmutp fam ipm treuer gu ftepen. — 
$od) an bemfelben Tage befuepte ber „Unglücflic^e" 
etliche feiner ipm Pen tarnen naep befannter ©lau* 
beng*refp. 9lmtgbrübcrin Roboten unb in 9tem 
gort in ber Hoffnung, baß fie ipm big gu feiner SRüd* 
fepr aug ©uropa bag itötpige ©elb l c t p e it mürben, 
boep oergeblicp. UeberaU, mo er anflopfte, geigte man 
ipm bie t a 11 c © cp u 11 e r. © e i n e s Ji o t p r ü p r t e 
deinen. Sttatt mottte ipm niept einmal ein paar 
X p aler borgen, um für ftoft unb ßogig gu gapleit, 
oiel meniger ipm gar bag s Jteifegelb über ben atlan* 
tijepen Dcean oorftreefen. greunbe in ber 9iotp finb 
befantttlicp rar; mer pätte bag noep niept erfahren? 

Sflit fernerem $ergett feprte £>err 3c. naep feinem 
Cuartier gurüc! unb jcploß fiep tn fein 3immer ein. 
9hm mar guter SRatp tpeuer! Seitit er nur feinen 
§ a n b t off e r patte, bann moHte er fiep p e i m l i cp 
aug bem ©aftpaufe, bag ipm jept mte eine 9iäuber* 

S ie borfam, entfernen unb irgeitbmo Beschäftigung 
en, big er fooiel beifammen pätte, um ben Sirtp 
gu bcgaplcn unb naep vl. gurüefgufepreu, beim naep 
Xeutfdffanb gu aepen, baran badffe er niept länger. 

©ollte eg, oaeßte er, ein fepmereg Berbredjen 
fein, fiep mäprenb ber tommenben 9kdpt in ben Befip 
feiner ©ffeften gu feteen unb pcimlid) bag footcl Oer* 
laffen? 

Xer Berfucpcr, bem er leiber nur gu oft ©epör 
fepenfte, flüfterteipm gu: „Xag ift fein Berbrecpen; 
gubem miUft bu ja bem ©aftgeber bag ©elb fobalb alg 
möaliep gufepiden." 

3t. patte cg bemerft, baß §crr B. feine s Jteifetaicpe 
in ein fleineg gümner in ber 9Jäpe beg ©peifefaalg 
gebraeßt unb naepbent er eg berfcploffen, ben ©cßlüffel 
an eincu 9iagel oberpalb beg Bucppalterg Bult ge* 
pängt patte. Sie, meint er nun naep ber Witter* 
nacptgftunbe, menn ber £crr beg §aufcg, fomie bag 
gange Xienerperfoital fiep gut fftupe begeben, fiep leife 
pinabfcplicpe, um menigfteng ben Berfucp gu maepen, 
mieber in ben Befip feincg ©iaentpuntg gu fommen 
unb bann bag Seite gu fucßeitr 
©r entfcploß fiep, eg gu tpun, ohne bie etmai* 
gen g o l g e n b n ^fbenfen! ©r tonnte faunt bie 
3eit abmarten, big bie lepten ©tammgäfte fiep entfernt, 
bie grontthür ocrfchloffen, bie ©ag*£idffer tm Xrinf* 
unb ©ßjaalperabgeorept unb bie gnfaffen beg §aufeg 
ipr Säger aufgefuept patten. 

2Ug Wlleg rupig gu fein fepien, ba öffnete er leife 
feine 3tntmertpür, feßließ fiep auf ben ©öden langfam 
bie Treppen hinunter unb eilte, unten angefommen, jo 
fdmell er cg fonnte naep beg©efepäftgfüprerg ©djreio* 
tif cp, griff in bie §öpe unb faßte ben ©cplüffel 
—, aber tn bemfelben Slugenblttf überrafepte ipn 
ber Sirtp, ber mit einem Sicpt in ber föanb aug einem 
üftebengimmer, mo er befcßäftiat mar, perüorfam. 

Xic © cen e, bie nun ftattfanb, fann man fiep ben* 
ten. Sic ein milbeg Xpier ftürgte fiep ber Hotelier 
auf fein oor 2lngft unb ©epreden gcläpmteg Cpfer 
unb fcpric, baß eg burep bag gange &aug ertönte: 
„Sag, ©ie ^Pfaff, ©ie Sump, ©ie Sanbftreicßer, ©ie 
mollen tniep bcfteplen? Xag foll Qpnen fepmer gu 
ftepen fommen!" 

3c. moUte ben Sirtp bie ©aepe augeinanberfepen, 
boep biefer roodtc natürlicp nieptg baoon pören. 

©in ^oligift mar balb gur ^)anb unb biefer füprte 
ben Uitglücflicpen foglcicp gefcploffen na^ bem 
ftäbtifepen Werter ab. 2lm näcpften 4age mürbe er 


naep bem Unterfucpungg * ©efängniß in 3crfep ©itb 
^peigptg gebraept. 

©eine Angelegenheit mürbe balb barauf oor ben 
©roßgejepmorenen oon ^ubfon ©oimtp, 9fem 3 er f e P/ 
bie gerabe in ©ipung maren, unterfuept unb b a b e r 
©epein gegen ipn mar, fcpulbig befunben unb 
üom SHicpter gu üi er nt onatl icp er ©efängniß' 
ftrafe, bei jepmerer Arbeit, oerurtpeilt. 3ln et* 
mag ^erarttgeg patte er fieper niept gebaept! 

VI. 

3n ber ©trafanfialt. 

3ur 3^it, alg biefe ©efepiepte fiep mit „Jpaftor" 3c. 
gutrug,mar ber©cpreiber biefeginQerfep ©itt)£eigbtg 
alg ^Srebiger ftationirt unb baper genau über biefen 
SSorfaU informirt. 

Alle Tageblätter oon 9fem |)orf unb Umgegenb 
nahmen 5iotig baoon unb oiele publigirten lange 
Artifel barüber für bag fcnfatioitgliebenbe v $ub* 
lifum. 

Taß babei große Uebertreibungen unb offenbare 
©ntfiellungen ber Xpatfacpen ftattfanben, liegt auf ber 
§anb. Säprenb bie cp r i ft l i cp e ^ r c f j e ben gaU 
biefeg Dianneg tief beflagte unb oor ben Klippen beg 
Seicptfinng, ber Unmäßigfeit unb beg © t o U 
g e g marnte, an benen er gu ©runbe ging, jubelten bie 
©taatgbafe — unb anbere im Xienfte bes Unglau* 
beng ftepenbe beutfdje Journale befonberg l a u t auf, 
baß einmal mieber ein „geiftlicper(?)§err" 
entlarot unb an ben tBrattger ge ff eilt 
m o r b e n fei! Tag Unglüd biefeg SUcnfcpen jepien 
ipnen orbentlid) mopl gu tpun unb gab ipnen auf’g 
s J^eue ©elegeitpeit bag ©priftentbum unb ^ßrebigtamt, 
ba beibcg tpnen ein Xorn tm 2luge ift, mit Äotp gu 
merfen. 

Anfang^ ^ooember begab icp miep, in Begleitung 
meineg gefepägten 9lmtgbruberg oon 5>obofeit, naep 
bem etma jmet teilen oon gerfep ©itp öeigptg ent* 
fernten „©nafe $pill," bem ©i& beg ©ountp ©e* 
fängniffeg, um bent'„©efaUeneu" einen Befucp abgu* 
ftatien. 

©g mar niept eitle SUeugierbe, jonberu cp r i ft l i cp e g 
9)titgefüpl, bag ung gu biefem ©ang oeranlaßte. 

a^betn mir, fraft unfereg ^Saffeg, bie ©cpmeüe ber 
©trafauftalt überjepritten, im ©ntpfangggimmer an* 
gefommeit unb ben ©uperintenbenten mtt bem 3ro«fe 
unfereg ^erfommeitg befannt gentaept patten, mürbe 
ung balb barauf ber ©efaitgette — na^ oollenbeter 
Sttittaggmaplgeit — oorgefüprt. 

©g ift imnterpin ein trauriger Anblicf einen fei* 
ner greipeit beraubten 3Jfenfdpen gu fepen, aber gang 
befonberg fo, menn ber Betreffenbe früper ein $re* 
biger beg ©oangeliuntg mar ober fonft ein ©prenamt 
einnapm. 

Alg 3E. erfupr, mer mir maren unb mag ung bemog 
gu ipm gu fommen, ba mar er tief gerüprt, ,,©ie finb 
bie erften ^aftoren," fpraep er, „bie nttep feit meinem 
^ierjein befuepten. Tiefe mir ermiefene ©pre.unb 
befonberg ipre brüberlicpe Tpeilnapme tput meinem 
§ergen fo mopl." 

9Jcit tpräneitben 3lugcn ergäplte er ung nun feine 
bitteren ©rfabrungen unb gmar bie, melcpe er in zRero 
|)orf unb ^ooofen mie auep bie, melcpe er bereitg im 
©efängniß gernaept patte, ©r fepien ber Bcrgmeiflung 
nape gu fein, ©in paar Tage guoor patte ergmei Briefe 
erpalien, ber eine fam oon feiner betagten SKutter, 
bie burdp D^em ?)orfer Blätter oon bem Btißgefcpid 
ipreg ©opneg guerft in Äenntniß gefept mürbe unb 
beren £>erg infolge beffen beinape gebroepen mar, unb 
ber anbere fam oon feiner ©atttn, bie ipm niept nur 


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Dtrjog Bail unb fc. SdjiUet, 


317 , 


bie peftigften ©orwürfe machte, ba er ipr SebenSglücf 
für immer ^erftört pabe, fonbern au<ß mit ei* 
net ©hefeßeibung broßte. 

Um ipn einigermaßen aufjuriepten, öefpraepen mir 
eS ipm an beibe $u fepreiben, um erftere fo öiel 
als möglicß *u tröften unb l e fc t e r e an tpre ©elübbe 
oor bem Dranaltar ^u erinnern. 

Da £. $u harter Arbeit oerurtpeüt worben mar, fo 
mußte er, gleich üielen 9lnberen, nun Dag für Dag im 
guten wie im fcplecpten Setter in einem Steinbruck 
arbeiten. Seine §änbe, bie garten, bie nie an körte 
Arbeit gewößnt waren, mußten jefct ben fcpweren 
Jammer füßren unb Steine Hopfen. 

Der irlanbifc^e Sertermeifter faß baju, baß er fein 
Quantum Slrbett berricktete opne im ©eringften SRücf* 
fiept auf ikn *u nekmen. 

Dock nack rlttent mar bie berricktenbe Arbeit, fo 
anftrengenb fie auck war, beS befangenen größtes 
Äreuj nickt, benn mit ber 3 *it gewöknte er fick 
baran. 

X. katte, ba gebermann in ber Strafanftalt eS mußte, 
baß er bem ^rebigerftanbe angekörte, bejonberS beß* 
kalb biel bon Seiten feiner Mitgefangenen ju crbul* 
ben. 9ln Spott unb §obn feplte eS nickt. „Du bift 
ein s JZarr gemefen," fpraep ber Sine, „baß bu bie ge* 
ber mit bem Jammer unb ben Dalar mit ber Uebra* 
Qacfe bertauickt kaft." ©in Zuberer fagte: „$eo. X. 
mußte mopl, warum er pierßer tarn; er wollte '© e* 
fängnißprebiger' werben." „Unb er pat mopl 
getßan, baß er gefommen ift," ließ fid) ein brilter oer* 
nepmen, „benn opne einen H^ciftlicpen' in unferer 
Sftitte würben wir ja alle -$u ©runbe gepen." Selbft 
bie partperjigen Sluffeper bon ber grünen gnfel er* 
laubten eS fiep, ipn mit Sticpelreben -$u quälen. 

Wadpbent er uns feine mannigfaltigen Sciben ge* 
fcpilbert unb Wir ipn, fo gut wir eS bermoepten, auf* 
gemuntert unb 5 u r © u ß c gegenöottunb $ u r 
Srrteuerung feinet ^er^enS unb Sebent 
ermähnt patten, napmen wir Slbfdjteb bon ipm, 
ba bie geit ßerbeigefommen mar, wo er in Weiß unb 
©lieb mit feinen „©ollegen" $ur Arbeit auSrütfen 
mußte. 

©twaS fpäter befuebten mir ipn noep einmal unb 
fanben ipn guten 3ftutpS. DaS ©efängnißlebcn patte 
ipn reept mürbe unb bemütpig gcmad)t unb er betannte 
eS frei unb offen, „baß ipn fetn tiefer gatl mopl einer* 
tötS für immer in ben klugen f e t n e r greunbe unb 
nmtSbrüber 'geäcptet unb gebranbmarft' 
pabe, bennoep anbererjeits fepr petlfam geworben fei." 
,,©S ift eine partc Schule," fügte er noep ßirmt, „in 
bie icp infolge meiner Sünbe, meiner layen Moral 
gefommen bin, aber icp poffe 3 U ©ott' ber baS ge* 
fniefte JRopr niept aerbriept, baß icp waprpaft gebelfert 
unb weife gemaept aus berfelben peroorgepe."- 

Anfangs gebruar 1884 oerließ ber arme X. bie 
Strafanftalt als ein freier 3Rann. SSopin er fiep bann 
begab unb waS auS ipnt geworben ift, paben mir nie 
in ©rfaprung gebrockt. Docp mir geben uns ber 
Hoffnung pin, baß er, wo immer er fiep bewegt unb 
melcpen SebenSberuf er auf’S *Reue ergriffen paben 
mag, nun j c b e S ft ar t e © e t r ä n t m e 1 b e t, j e g* 
lieper ©erfuepuna ftur Sünbe aus bem 
28 ege gept unb 'naaj ben in ber peiligen Scprift 
niebergelegten ^rin^ipien ober ©runbfäpen 
oor ©ott ünb SRenfcpen manbelt. — 

3Röge SRiemanb, ber biefe ©r^äpluug gelefen pat, 
benfen: „So tpöriept wie ViBaftor 7 . 1 *., werbe icp nie* 
malS panbeiit." DaS 28ort ©otteS fagt niept umfonft: 
„©er ba ftepet, ber fepc $u, baß er niept 
a 11 e." 


$erm0 Pari unb fr. SdjiUrr. 

SRitgetßeilt bon 3. 3. Ä. 

C oeben pabe icp bie intereffante Sefcpreibung 
oon bem fepönen „Scpwabenlänble," in 
* ^auS unb ^erb nocpmals gelefen, wie bie= 
felbe im 3flpnf ön 9 1883 finben ift. 

$rt jener ©efepreibung wirb auep |>er^og 
®arl unb feine ©attin, bie „grän^el" erwäpnt. 

wirb bort gejagt, wie biefer „fürftlicpe ©cpul^ 
meifter" in feiner Dreffur=8(nftaU, ber „®arlS= 
fcpule," Scpiöer oeranlaffen, ja zwingen wollte, 
fid) als 9ftebi$iner auS^ubilben. Da ift mir 
nun eine Heine ©efepiepte eingefallen, bie icp 
einmal gelefen, oorn £er$og Sari unb @d)itler, 
wäprenb Septerer auf ber Sarlsfcpule ftubirte. 

^>er^og Sari War ein eigener ©parafter. @r 
war ein ftrenger unb eigenfinniger $err, unb 
patte feine eigentpümlicpen Saunen. 

ßr war ja auep ber ^er^og Sari oon 2Bürt* 
temberg, fomit fonnte er iepon feine abfonber^ 
liepen ßigenfdjaften paben unb fie ba jur ©el^ 
tung bringen, wo eS ipm beliebt. 

Diefer .^er^og patte unter 91nbcrent auep bie 
©ewopnpett oon 3^it ju mit feiner ©e= 
maplin, feiner geliebten „gran^el," ber Sarls= 
fcpule einen ©efuep ab^uftatten. Der erfte befte 
Scpiiler, Weiter ipm in ben SBeg tarn, mußte 
oor ipm auf ber Stelle eine ©riifung aus bem 
Stegreife ablegen; ba palf feine ©ntfcpulbigung. 

2Benn ein fold)er Stubent bem ^er^og eine 
gute unb fd)fagfertige Antwort geben fonnte, fo 
niefte er bem Scpüfer freunblicp ju, Hopfte ipm 
mopl auep auf bie Scpultcr unb fpraep: ,,©ut 
gemaept, mein Sopn! ßr pat was in feinem 
Sopf! DZicpt Wapr gründet 
Sieß fiep aber ein Scpüler überrumpeln unb 
oerblüffen, oerlor er bie ©eifteSgegenwart, ober 
ftotterte er etwas UnricptigeS peroor, ober 
blieb gar eine Antwort fcpulbig, bann fagte ber 
$er^og gewöpnlicp niepts, fonbern feprte ipm 
ben Etüden unb fagte $u feiner ©emaplin: 
„Somm, grän^el, laß ben Dummfopf ftepen." 

Daß folcpe „Dummföpfe'' oon ipren Sarne^ 
raben bann geneeft unb auSgelacpt Würben, läßt 
fiep benfen. 

Diefe ©eWopnpeit beS ^erjogS pat ben lufti¬ 
gen Stubeuten niept nur oiel Spaß gemaept, 
fonbern fie paben auf äpnlicpe SBeifc wirfliepe 
Suftfpicle aufgefüprt. S^iHer mußte ben eya= 
mtitirenben, unb je nadjbem ben lobenben ober 
fcpeltenben lier^og oorftellen, unb er fpielte in 
Sorten, Spracpe unb Haltung ben |ier 5 og fo 
treffliep, baß ipm jebeS 9Ral ein Waprcr Sei= 
faHSfturm jugejubelt würbe. Die $auSpälterin 
ber Sarlsfcpule, eine ^entließ bide grauenS- 


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318 


«in* ift üotl). 


perfon, rnufete an ©djißer’S ©eite bie „gründet" 
borfteflen. 

©ineS ®age£ !am ber ^erjog mit feiner grau 
Wieber in bie Schute, unb in ber ©orfeafle bc= 
gegnete if)m ©filier. 

„SRun Wirb’S bei mir to3get)en," badjte 
©editier, blieb aber ftramm twr bem |)errf<f)er 
ftefjen. 

SRidjtig, ber $er^og nahm ben ©cf)ißer fefearf 
in baS Gramen. ©Ritter tieft fieft aber nicht 
einfchüchtern noch üerbtüffen, fonbem antwortete 
ungejWungen unb frifeft weg. 

®er ^erjog nidte freunbtich mit bem ffopf, 
Hopfte it}m auf bie Schulter unb fagte: „Srab, 
mein ©of)n! @r f>at ben ffopf auf bem rechten 
gled." 

Stber anftatt beifügen, wie gewöhnlich: 
„9?i<f)t Wafer, gründet/' btiefte er ©dritter an, 
machte ein finftereS, grimmiges ©eficht unb 
fagte: ,,£ör*’ ©r einmal, ©Ritter, id) habe ge= 
ftört, ©r foß meine £>anbtungsweifc oor ben 
(Schülern fo gut nadf)äffen fönnen? gft baS 
Wahr? äRifebraudfet ©r meine |>anblungS= 
Weife ?' 1 

„®a bift bu nun in einer fdjönen gatte," 
baefete ©Ritter, ba mufe ein ©tubent ober bie 
^auSfeätterin geptaubert haben. 

„ $Run wirb’S halb ? heraus mit ber Sprache!" 
fdfenaufcte ihn ber ©er^og an. 

„@w. ®urdfelaucht Werben bod) ber^eifeen," 
ftotterte ©Ritter, „eS war ein unüberlegter 
©dfeera, id) Würbe gern abbitten unb" — 

„2BaS fagt ®r ba? öb eS ©pafe war ober 
‘ ©ruft ift mir einerlei. 3 <h will einmal feften, 
wie ®r baS macht. 333er mir, bem ^erjog, 
nad^rnen miß, ber mufe baS oerftehen, fonft 
mag eS ihn ttjeuer ju fteften fommen. 2llfo 
borwärts, ich miß, id) mufe baS feften, wie ©r 
baS macht." 

„SRun, wenn ©w. SRajeftät beferen, fo mufe 
idf) gehorchen. ®ann mufe id) aber ©w. ®urd)= 
taud)t bitten, für einen Slugenblid bie SRoße 
eines ffartSfd)ülerS 511 übernehmen, unb mir, 
um ben $er^og fpieten ju fönnen, bero ©tod ^u 
übertaffen." 

„SDieinetmegen, ba hat ©r tpn, aber nun bor* 
WärtS," feerrfefete ihn ber ^er^og an. 

©chißer nahm nun bie gan^e Haltung beS 
^er^ogS an, unb fteßte fid), ben ©tod feft auf* 
fepenb, bor ben ^errfdjer hin. 

3Rit fpöttifdhem ®one fagte nun ber ©feubo* 
£>er 5 og: ,,$ör’ ©r einmal ©chißer, es ift mir 
gefagt worben, ®r nehme fich heraus, mir, bem 
^erflog feine £>anbtungSWeife, oor ben ©tu* 
beuten nad^uafemeu. gft baS Wahr?" 

®a ber eigentliche ^er^og nieftt gleich ant* 
Wortete, fo fcfenaujte ber unäd)teifen an: „5Run, 


borwärts! §erauS mit ber Sprache, fonft mag 
eS ihm theuer $u fteften fommen!" 

®er ädf)te erwiberte launig: „©eraeifee ®r, 
eS War ein unüberlegter ©djer^ unb" — 
„333aS? ©in ©d)er$?" rief nun ©chißer, 
unb Warf bem £erjog einen grimmigen ©lief 
äu. ©r reichte nun ber ©räfin feinen 9trm unb 
fagte fpöttifch: „ffomm, gründet, tafe ben 
®ummfopf ftefeen!" unb fdjritt mit ihr ber 
®feüre ju. 

©inen Slugenblid fchaute ber ^er^og bem 
5ßaare nach, brach bann in ein tautet ©etächter 
au^ unb rief: „3Biß ©r mir mein gründet ba 
taffen! gür bieä 3Ral mag ihm ba£ hi n 9 c ^ en ^ 
©eftißer," fagte er, „aber unterftehe ©r fich 
nicht wieber ben $er^og ju fpieten. 


$m* »n Poti). 


f nfer £>err fagt: „®in^ ift 9?oth." ©iit 
^Jaffagier fag einmal auf bem ffutfeher- 
bod be^ ©ilwagenö, ber in alten geiten 
nach ® a *h fuhr, unb fragte ben ^oftißon: „Sßer 
wohnt in jenem £errenhau£ ?" ®ie Antwort 
war fur$, wenn auch nicht eben gut. „geh weife 
e$ nicht, mein £err " ®er SReifenbe fuhr ein 
wenig Weiter unb fragte bann: „SBohin tauft 
biefer ffanat?" „SBeife nicht, mein |>err." 
SBieberunt Woflte ber ^gaffagier ©etehrung unb 
fragte: „SBo Wohnt ber ©utäbefifccr 9R. 9J.?" 
,,3ß) tueife e§ nicht, mein £>err." „5Run, mein 
guter ÜRann," fagte ber SReifenbe, „Wa^ wiffen 
©iebenn?" ®ie Stntwort war eine fepr be^ 
ftimmte. — ,,gd) Weife, wie ich ©ic uad) ©ath 
fahren mufe, mein £>err." ©ewife, ba§ war 
ba^ $auptgefd)äft eineö ff utfdherä. ©benfo ift 
e^ in geistlichen ®ingen bie ^auptfadhe, 
wiffen, wie ein ©ünber begnabigt. Wie ein 
©ünber gerechtfertigt unb gezeitigt Wirb. ©$ 
giebt taufenb ®itige, bie eine\n SRenfdhen unbe= 
fannt fein fönnen, ohne bafe er beafeatb um fo 
fchlimmer baran ift; aber ben £errn ^efunt 
nicht fennen, ba^ h c i 6 tr ben SBeg jum Seben 
nicht fennen! SBenn ein SRenfch ben ^errn 
gefum ©hriftum fennt, fo fennt er ben SBeg 
^um ewigen ©tüd, unb mag ©ott fein fiebern 
lang für biefe ffenntnife toben. ÜJlöge ein 
Seber fo ©ieteä lernen, Wie er nur fann, aber 
möge er nicht benfen, bafe btofee ffenntnife ihm 
in himmlifdhen ®ingen oon grofeem SBcrth fein 
wirb. 3 ch möchte mich mit ©auluS entfchtie= 
feen, nichts 5 U Wiffen als ©hriftum ben ©efrem 
$igten allein. Safet bie ©eifenblafen jerfprin^ 
gen unb ben ©chauin jerftiefeen. fiafet baS 


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Jur < 8 efdjid)te ber lüdurhunft. 


319 


geuer bic Sergolbung unb ben gtitter Dcrjet)= 
ren. 2 öa§ ift bieä gegen eine Sarre beä ächten 
©olbeä bet (Srtenntnifj tton itjm, bet un§ ge= 
liebt fjat unb fiel) felbft für unä gegeben. 


$ur ($efd)id)te bet pdurkuuft! 

gär tt§ ttitb #erb Dom $or’Ic. 

f ie ©efdjichte beg Sadeng ift eine ziemlich 
einförmige. 3 m Sllterthum gehörte 
bie Srobbereitung 31 t ben Arbeiten ber 
4j>augfflaoimten. Sei £omer brefjen 
bie ©flammten bie £anbmüt)te, meldje 
fdjon bag noch ältere ^nftrument zum 
3 erbrüden beg ©etreibeg oerbrängt hat. 

3m 3af)re 240 0 . ©hr. erhielt in Rom bie 
erfte Säderzunft ihre Rechte unb ©efe£e unb 
bie Stühlen maren zu biefer 3 eit fc^ott finnreich 
genug eingeridjtet, um ziemlich feinet 9Rehl ju 
liefern. Srob, mie mir eg fennen, mürbe ba= 
malg jebod^ noch nicht hergefteflt, fonbern man 
bereitete einen gefönten unb bann ertalteten 
9Rehlbrei, bem man aßerbingg eine beftimmte 
gorm gab unb ber fpäter auch in mit fmlzfohlen 
geheizten Oefen gebaden mürbe. Salb führte 
bag fteigenbe Sujugbebürfnig in Rom bal)in, 
auch Suchen unb lorten ^erjufteßen. 

SBohl gleichzeitig bei aßen Sölfern beg Sllter^ 
thumg entmidelte fich bie Sunft beg Sadeng z u 
immer größerer Soßfommenheit, bie in ber 
©djmadhaftigteit unb Reinheit ber SBaare 
beftaub. 

Sefonbere pflege erhielt bie Säderei bann 
in ben Slöftem für bie Sederjungen ber Siebte 
unb Stände. ©g entgegen bamit, auch in ben 
©täbten, fertige Steiger in ihrem gad), benen 
man Snabeu in bie Sehre gab unb melcgc eine 
Dberauffidg über bie anbern Säder augübten. 

©0 gliederte fich öon felbft bag Sergältnig 
mm Steiger, ©efeß unb Sehrting. SBar ber 
£err unb ©ebieter befonberg mit ben Seiftun¬ 
gen beg Steifterg zufrieben, fo gab er ihn mohl 
frei unb fo entftanb ber Slnfang ber greifaffem 
fchaft eineg Sürgertgumg in ben ©täbten. 

2Bie in Rom unb bei anbern Sulturoöltern 
brachte bie Serfeinerung beg Stefjleg unb bie 
©rftnbunggluft ber Steiger 00 m Sadtrog eg 
auch in SDeutfchlanb bahin, bag bag gemogm 
liehe Rahrunggbrob für beftimmte ©elegenheU 
ten burch ein Supggebäd erfefct mürbe. 

3eber beffere Säder üerftanb auch balb 
Suchen zu machen unb auf biefem ©ebiet tonnte 
er fogar einer gemiffen ^St^antafie unb füngiert 
fchen Neigung fich hingeben. 


®er ©onbitor ging aug bem Säder heröor 
unb reichte zumeilen bem ©arfod) bie $anb, ber 
für bie feinen Safetn hafteten zu liefern j^atte. 
2 Bag biefe lafeln anbetrifft, fo mürben fie big 
Zum Unglaublichen ber Sößerei unb oerfchmem 
berifegen Suft zu ®ienften. 

Stit ben Sreuzzügen zumal Jam ber Xafel* 
Sujug aug bem Orient nach ©uropa unb bei 
fürfttiegen Sermäglungen, Krönungen, Sinb- 
taufen, fuegte einer ben Stnbern barin zu über* 
bieten. ®iefe Seifpiele ahmten bann ©belteute 
unb fcfßieglich auch bie moglhabenben Sürger 
nach. 

Sei folgen üppigen ©chmäufen tauten @<ham 
effen unb riefige Stuffä^e auf bie Xafeln. 
3 hre ©rgnbung unb £>erfteflung bitbete einen 
Serbienft ber Säder, mel(he bamit ihrem $anb= 
merf einen h^chft fünftlerifchen ©h nrn ^ er b n 
geben Juchten. Sei ben Rittern maren lange 
3eit bie fogenannten ^JJfauengeri(hte in 9Robe, 
ein Suchen mit grudjtfüflung unb ^ierrath in 
gornt eineg Pfauen. ®ann tarnen X^ürme 
mit ©chmärrnern, alg golge ber Sermenbung 
beg ©chie^puloerg zu Spielereien, in Slufnahme; 
Stumengärten mit gontainen, bie mohlricchen' 
beg SBaffer fprubeln liegen, ©tatuen, Sauben 
unb bergl., oft fehr ungethüme ®inge, mehr. 

Run maren bie Nürnberger Säder befonbere 
SReifter in biefer 9trt unb unter ihnen genog 
^ang ©chneiber na(h SRitte beg fechgzehuten 
gafjrhunbertg eineg grogen Rufeg. Son meit 
unb breit tarnen ihm Sefteflungen auf folche 
©chaugericgte zu unb mit bielen Soften mürben 
bann biefe tljeuren ®inge in befonbere 9Sagen 
nad) ben oft fegr entfernten Orten unb Surgen 
hintrangportirt. ©ineg Xageg fteßte fich in 
bent Saben öang ©chneiber’g ein pufcigeg 
ßRännlein ein, hoch[ e m gefleibet unb in feinem 
Senehmen oon fpanifeger Stbtunft. 

©r fteßte fich alg ber |)ofmarfchaß eineg ber 
reichen ©rafen t?or, bie im ©Ifägfifchen ihren 
$of hielten, unb begehrte oon SReifter @d)nei^ 
ber zur beftintmten bie Sieferung eineg 
ungemöhnlich prächtigen ©chaugerichtg für bie 
|)ochzeitgtafel feineg §errn. „©tmag Reueg!" 
betonte er. „Roch nie ©efeheneg; gleichviel 
mag eg foftet, aber bemunberunggmürbig!" 

„®er Säder legte bem |>ofmarfchaß verfchie^ 
bene 3 ekhnungen, 2Robefle unb ^robeftüde oor, 
fniipft baran Sorfchläge über Seränberungen, 
über bie güflung mit zahlreichen ©erichten an; 
hoch bieg Slfleg f^ien ben ©ofmarf^afl nicht 
recht zufrieben zu fteflen, ber immer babei blieb, 
bag eg etmag no<h nicht ®agemefeneg fein foß. 

„ 3 ht müffet etmag zur lleberrafchung feiner 
®amen machen, beghalb bin ich Oont Rhein 
hierher nach Nürnberg zu euch gereift, ©ine 


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320 


gllinke unb JJadjridjten für Arbeiter, 


haftete, bie nicht n?ie aitbere ^Safteten finb, bie 
fpringt, ober fliegt, ober tanzt; 3hr feib ein 
©enie unb muffet mir etwas Neues in ©urer 
®unft erfinben." 

,,@uer ©naben/' antwortete Scfjneiber, ,/affet 
mir 3cit, um barüber nachzubenfen." 

„@ut, ich Will ©uch oertrauen." 

©inen Sag oor ber Hochzeit beS ©rafen fam 
Hans ©chneiber oon Nürnberg auf bie Surg 
beffelben. ©r überbrachte bie grofce haftete 
felbft in einem eigens baju hergerichteten SBagen 
unb wollte 3euge ber Ueberrafchung fein, bie 
fie beim ^od^eitsfdjmaufe auSüben foUte. 

Ser Shmftbäder erbat fid) ein befonbereS 
3 immer für fid) unb feine haftete, wo er bis 
jum anbern Sag unbehelligt bleiben fönne. 
©erne gewährte bcr ^pofmarjdjatl biefen SBunfcf). 

3lm anbern Sage prangte auf ber Safe! 
biefe haftete inmitten berfelben. Sie war er* 
ftaunlich grofe unb aud) fdjön in ber SluSfü^ 
rung, infofem fie einen gried)ifd)en Sempel 
mit Säulen unb ©ötterbilbern barfteUte. 

„SBenn eS 3eit ift, H err ^ofmarf^atl, fo 
fdjneibet bie haftete an unb beginnt bamit an 
bem Sache beS SempelS." Unter allgemeiner 
Spannung ergriff er enblid) auf eilten SBinf 
feines Ferrit baS SNeffer unb fenfte eS oor* 
fid^tig in ben funftooüen <ßaftetenbau. Saum 
hatte er baS erfte mit eblem grudjtfaft gefüllte 
Stüd baoon gelöft, als eine lebenbige Saube 
herüor flatterte unb bann nod) eine. 

©in Ausruf fröhlichen ©rftaunenS entfuhr 
ber ©efetlfchaft; ber $oftnarfd)alI ftraplte Oor 
Vergnügen. 

i |>anS Schneiber würbe mit ©lüdwünfchen 
unb Sanf ausgezeichnet unb meinte tädjelnb 
jum $ofmarfd)aß: ©ine lebenbige haftete war 
nod) nicht ba. 

“9Nan machte nun biefe neue ©rfiubung nach 
unb lief* einen Schwarm Singoögel ober gar 
eine Sette Nebljüner zu allgemeiner ©eluftigung ! 


ber Safelgäfte fchwirrenb aus folgen hafteten 
heroorfliegen. 

Siefe äJlobe artete bann, wie gewöhnlich, 
Zum Uebermafce aus. So war bei ber Hoch¬ 
zeit beS fßfalzgrafen beim Nljein utit Nenata 
oon Sothringen zu SRünchen im ^ähre 1568 
baS einunbzwanzigfte Schaueffen eine haftete, 
in welcher beS ©rzherzogS gerbinanb oon 
Deftreich 3*uerglein in einem ganz toohlgepufc* 
ten S'ürafe, mit feiner Nennfaljne oerborgen 
war, „fehr luftig anzufehen;" wie bie ©Ijro* 
nif berichtet, welcher 3^9 auch über brei 
Spannen lang nicht geWefen ift. 911S nun folche 
©aftete auf bie fürftliche Safe! gefefcet unb ge* 
öffnet Worben, ift oorgemelbeteS 3iuerglein per* 
auSgefprungen, ift auf ber Safel umpergegan* 
gen, h^t gefungen unb ben fürstlichen *ßerfonen 
mit gar gebüprenber Neoerenz bie $an b gebo* 
ten. fold^er haftete finb auch bis an bie 
oierziö Woplgefodjte Speifen gewefen, welche 
beS Herzogs Wibrecht oon ©aiern ®ocp, infon* 
berheit gemacht unb zubereitet pat. 

Sie Sitte folcper riefigen Schaugerichte, 
Wenn auch nicht mit einer §üüung Oon leben* 
bigen Spieren unb -äRenfcpen, ift auch noch nicht 
oerloren gegangen. Namentlich wirb fie in 
©nglanb üielfach in ben HocpzeitSfucpen gepflegt. 
Ser erfte ©äder ber Königin, ©. Ntarebitt, er* 
hielt 1840 zu ber Hochzeit mit $rinz Sllbert 
oon ©oburg, wie ©erlepfdj auch in feiner ©hro* 
nif beS SäderwerfS zitirt, ben Auftrag, ben 
eigentlichen HocpzeitSfucpen zu baden, ©r wog 
breihunbert ©funb unb man erblidte auf bem* 
felben eine Megorie in 3uder, barfteöenb einen 
Nlamt mit Schnurrbart in einer Sunica, ber 
einer fdjönen Königin mit Sceptcr unb Srone 
bie H a ub reicht, um fie zum Slltar zu führen; 
baneben üNineroa mit bem Sreizad unb Speer 
©nglanbs, ben ©unb fegnenb unb weihenb, ein 
Nofenfranz unb eine hübfdhe Sucheinfaffung um* 

1 rahmte baS ©anze. 


-«*€£*»-*- 

fünfte unb ^admdjlen für Jirßeifer. 


Srei drforberniffe jum ©rfolj. (2uf. 9, 62.) 
SaS erfteSrforbernifj ift ein ungetheil* 
t e S, oom heiligen ©eift e erfülltes $ er z- 
3ener SWcnfd), ben ber §err abwieS, war gewig ein 
religiös angeregter, aber fein belehrter SJtenfd). 
©ein ^)erz war geteilt, eS fchlug nod) nidjt allein für 
ben §errn 3efuS unb feine Sache. Solchen 3ftann 
tonnte ber £>err in jener fd)Weren nicht brauchen; 
er wollte unb muhte in feinem Sienfte Scanner 
haben, bie fidh ihm hingaben mit ungetheiltem Kerzen. 


Solche Scanner unb grauen will er auch jefct. ®r 
fann in feinem SBeinberge feine Arbeiter brauchen, 
bie ftd) nid)t oöllig für ihn entfepieben haben, fonbem 
er muh Seute hüben, bie im ©lauben unb in ber 
Heiligung ftepen, unb fid) bie Sofung in*S Hrrz fchret* 
ben: „Um einen ew’gen $ranz, bieS arme Seben 
ganz." 

§at Qemanb noch mancherlei anbere SluSftattung, 
wie z-53.©efunbheit, Klugheit, SBelterfaprung, Äennt» 
niffe, fo ift’S um fo beffer. iftber biefe Sachen 


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Pinke unb $ad)rid)ten für Arbeiter. 


321 


madjen’d nießt aud; fie ßaben nur einen Oerßältnig* ©ßriftud, benn nießt umfonft fielet gefcßrieben: „@d 
mäßigen SSertß unb bürfen unter Umftänben aud) finb bie SReicße ber SBelt unfered $erm unb feinet 
feßlen. ©indaberbarf nießt fehlen: ©in ungetßeil* ©ßriftud gemorben, unb er mirb regieren öoit CSroig- 
ted §er$. feit ju ©migfeit." Utlfo SRutß, hebe Srüber unb 

Aun, meine greunbe, nrie fteßt cd mit und? $jaben nicht rütfmärtd geblicft, fonbern üormärtd! „SBer bie 
mir ein ungeteiltes fter*; ift badfelbe oom heiligen §anb an ben ^ffug legt unb fielet $urütf, ber ift nicht 
©eifte erfüut; manbeln mir im Sichte, unb macht und gefcßicft $um fteicße ©otted." 
bad Slut gefu ©ßrifti rein oon aller Sünbe? ftcutgfeiten auf Sonntagfdmlcn in fernen Sanften. 

©in $meited©rforbernig ift bie Auf* Aud Spani en. — gn ©d c an an mirb bie ein* 
bietung aller Kräfte. gener 2Renjch hoffte *igeproteftantijcßeSonntagfcßule in ber ftrooinA oon 
gemig oon ber Nachfolge ©ßrifti einen geiftlicßen ©e* £errn g. ft. Sope§ gehalten. $ie (Schule ift 9 Sabre 

minn; aber ed ift ntcht untoaßrfcßeinlicß, baß ber £err alt. gn ber Sibliotßef befinben fid) blöd 12 Sibeln 

ißrn anjah, bag er mohl geniegen unb felig fein, aber unb ebenfooiele biblijcße ©efcßidjtdbücßer. Aud bem 
nicht arbeiten, fämpfen unb leiben mollte, unb felben merben jeboch 70 Schüler unterrichtet. $ad 
bag er balb febnfücbtig iurücfblicfen mürbe auf bad gan$e $orf ift burcb ben ©influg biefer Scßule ptote* 
rußige unb bequeme Seben, bad er au §aufe hatte. ftantifch gemorben. Siele ber Schüler fommen meite 
Solch einen Arbeiter fonnte ber Jperr nicht gebrau* Strecfen ju gug, um ben Unterricht beimohnen $u 
cßen, unb bad fann er auch heute nicht. $>er Arbeiter fönnen. 

im fteicße ©otted finbet, mad er jucht: ©ereeßtigfeit, g n S e o i 11 e jäßlt bie Schule 45 Schüler, ©ine 

griebe unb greube impeiligen ©eifte; aber fein Seben gioeigfcßule in San Sernarbino £ählt 28 Schüler, 
foll fein geiftlicßed ©enugleben, fonbern ein Arbeitd* ©ine s Jftäbcßenf<ßule unter ber Aufficßt oon $errn 
leben fein. Alon^o in Seoille märe megen SRangcl an Unter* 

Siel Jaufenbe unter und haben jmar feßmere irbi* ftüpung beinahe in bie Srücße gegangen, ift jeboch 
fdje Serufdpflicßten $u erfüllen, $ad tägliche Srob bureß einen liberalen Seitrag einer beutfeßen Sonn* 
miH oerbtent fein. ©)er SRann muß fein ©efeßaft taajcßule in Srooflpn mieber gerettet morben. 
beforgen, bie grau ßat im £>aufe Arbeit bie gülle, ba* gnSalencia betreibt ein icßmebifcßer SRifftonar, 
bei aber bürfen mir bie Arbeit im SReicße ©otted nießt Ramend §aglanb, eine Schule mit 34 Schülern. Sor* 
hintenan fefcen. urtßeil unb ganatidmud pinbern hier bad SBerf be* 

gunäcßft gilfd gleig unb Xreue an fid) felbft ju be* beutenb. 
metfen, ben eigenen |>er$endacfcr umjupflügen unb Aud gtalien. — gnglorence fteßt eine oer* 
remigen $u laffen oon allem hornigen Unfraut. So* ipreeßenbe Schule unter ber Seitung oon Signor 
bann tßue aUed, mad bu oermagft m ber gamilie, in >Kibetti. SBäßrenb bed Sommerd mürbe biefelbe oon 
ber töacßbarfcßaft, in ber SonntagfAule unb in ber 100 Scßülem, meiftend Äinber oon fatßolifcßen ©Item, 
Äircße, ba$u ift bie Aufbietung aller Kräfte notß* befueßt. gebed Äinb trägt oon %—1 ©ent per 28ocße 
menbig. bei $ur Seftreitung ber Unfoften. 25ie 15 Seßrer 

Steßt gemanb im ftrebigtamt, fo ßat er biefed oerfammeln fieß jeben greitag ju einer Seßrer * Ser* 
Amted mit 5)aranmenbung aüer feiner aller fammlung. 

©aben unb aller Sfräfte au märten, ^a ift ed nießt g n i e j i in Sicilien beauffießtigt §err 9totar* 
genug, bag man guted Xalent ßat, fonbern, bag ed bartolo eine Scßule oon 140 Schülern, biefelbe ift 
fortmäßrenb, fßftematifcß angemenbet unb audgebil* jeboeß noeß nießt in klaffen eingetßeilt gaft fämmt* 
bet toerbe, bamit man anbere Sfunbe bamit geminne. li^e Scßüler gehören fatßolifcßen ©Itern an, bie ißre 
©inbritted©rforbernig ift bad unbe* ütinber gerne feßiefen. 
bingteSertrauen auf ben enblicßen Sieg Aud Selgien. — ,<pier ßat bad Sonntagfcßul* 
bedfterrn. generSRenfcß, ber fid) in ^efu Augen mer! mit ungeheuren ^inbermffen ju fämpfen; bad 
ald untauglich errnied, ßatte gemifi ein ©efüßl baoon, größte ift bie unbefcßreiblicße Armutß bed belgifcßen 
bag ber §err gefu ber £>eilanb fei unb bag er über Solfed. 

furj ober lang mürbe bad SReicß ©otted aufrießten. Auf bem JJumet^iftrift finb bie Seute faft 
Aber ein felfenfefted Sertrauen au feiner fterfon unb alle 9ftinenarbeiter, unb §mar nießt nur bie ©rmacßfe* 
feiner Sacße feßetnt er boeß nießt geßabt ju ßaben, nen, fonbern aud) bie .ftinber. Sid jept befteßen auf 
unb ed mag leicßt fein, bag er fid) bureß oorßerige genanntem Xiftrift 59 Spulen. 3)ie Seßrer in bie* 
Aüdfprache mit feinen £mudgenoffen ben fRücfen fen Scßulcn arbeiten bie ganje Söocße in ben SRinen 
beden moute. unb am Sonntage marfcßiren fie äReilen meit, um in 

©in folAer 3Renfcß ift nießt gefdjicft Aiim fReicße einer armfcligen Äücße, mo bie Scßüler auf Srettem 
©otted. 2Ber arbeiten miü mt SReicße ©otted, ber placirt finb, Sonntagfcßule au halten. 2)ie Sretter 
mug oon bem enblicßen Sieg ber Sacße ©ßrifti feft merben au biefem 3 tüerf oon ben Seßrem gebettelt. 
überAeugt fein, ber barf fieß bureß ^eitmeilige ©rf olge AudSößmen. — gnfRolen leitet 9R. 2)utcßect 

ber finjtem 9Racßt nießt irre maeßen laffen, ber mug eine reeßt oerfpre(ßenbe Scßule. 
feft glauben, bag im ftamen gefu fieß noeß einmal gn 3Roraoia, naße 3abraricf, ßaben mir eine 
aller frniee beugen. An^aßl Sonntagfcßulen. ©)iefelben fönnen jeboeß 

Sagt und begßalb, geliebte Mitarbeiter, unter allen nur im Sommer gehalten merben, roeil fieß bie Mittel 
Umftänben baran feftßalten, bag mir im 2>ienfte Aum ^ei^en nießt aufbringen laffen. ^ülfdmittel feß* 
eined Äönigd fteßen, bem s Jtiemanb auf bie $auer len ßier faft gän^licß. 

roiberfteßen fann, meil er ber ftönig ber A?aßrßeit Aud Srünn berichtet fReo. ©larf eine neue Sonn* 
ift. Unfer ©laube ift ber Sieg, ber bie tagicßule. @r ßatbort aueß eine Seßreroorbereitungd* 
SBe11 übermunben ßat. Sagt und Scßulter Smole in Angriff genommen. Söenn man bebenft, 
an Scßulter unb 9Rann an 9Rann ßocßßalten bad bag bad Sonntagfcßulmcrf in Sößmen erft im Auguft 
panier bed ©laubend, nämlicß bad Äreuj. $>er .'perr 1884 begonnen mürbe, fo mug man fieß munbern über 
ift ftönig. 9ficßt ber Unglaube mirb fiegen, fonbern ben mächtigen ©rfolg, 

ber ©laube; nießt ber grrtßum mirb fiegen, onbern Auf bem s ^rag i ft r ift allein finb ihrer 10 
bie SBaßrßcit; nießt bad gleifcß mirb fiegen, fonbern Scßulen mit 30 Seßrem unb 400 ft'inberit. &ie an- 
ber ©eift; nteßt ber Anticßrift mir fiegen, fonbern bem brei $iftrifte ^äßlen, ber eine 21 Scßulen, 60 


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322 


$oturtagfd)ul>£tktioiira. 


Lehrer unb 500 Schüler, ber anbere 17.Spulen, 125 
fieljrer unb 900 Sdjüler, ber britte 17 Schulen, 24 
Lehrer unb 700 Schüler. Summa in gan^ Böhmen: 
64 Schulen, 250 legrer unb 2500 Schüler. 

21 u d granfrei d). — 21 u f b e m (£ r o i j 
Xiftrift befinben fich brei Sornitag)d)ulen mit 
etma 480 Ambern, oon meiftend ungläubigen (Eltern. 

21 ud s ^erjien. — 3[n labreej betreibt 2flif- 
fioitar ©aftou eine Sdjule aud 80 ermachfenen Sd)ü= 
lern bejteheitb. gehn stirer beforgen ben Untere 
ridjt. i)ie meiften ber Schüler finb Bäter u.tb 3ftüt* 
ter unb finb jeljr lernbegierig. 

2lnd 2lr m enien. — Xi e 21inftab s JUtiffiou 
oerfügt über 25 Sonntagfchulen. Xiejelben finb 
jebod) nur fpärlich mit Füllmitteln öerjeben. 2)ie 
Arbeit ift ^ier eine jetyr mühfamc; benn Die meiften 
ftinber muffen ben Xaq über Bieh meibcu, fo baß 
fie haftend in ber 9)fatagdftunbe eine fur$e 3 eit 
unterrichtet merben fönnen. 

3ur 9J£arafh Station gehören ctma 60 
Spulen, 600 Lehrer unb über 1000 Spüler. 2)ie 
ttJhffionare geben ftd) alle ttßüfje, ihre Lehrer fjeran- 
jubilbcn. $er 2lnblitf einer biejer türfifd)en Sonn¬ 
tagfchulen ift für ben gremben l)öd)ft auffallenb. 
3flan benfe ftd) mehrere Funbert 9flänner unb grauen 
auf bem gußboben fißenb, in gebüefter Stellung oor 
i^rem Sehrer, ber fie eifrigft unterrichtet, mährenb 
bieganje Schüler^ahl bie üeftion laut ^erfagt. 

2fud 3apan. — gn X ofio rnirb fdjon feit 10 
fahren rin <Sountagfdjul - Blatt h?Hiudgegeben, bad 
nunmehr felbfterhaltenb ift. 

3?it gafua, Seplon, betreiben jmei Schmeftern 
eine Sonutagfdjule oon 800 Äinbetn. 

3rt>er hat feine Arbeit, gn ben morgenlänbifdjen 
ßänbern mar ed gebräuchlich, baß ber 2tteiftcr bei 
feinem Weggang ben Änechtcn ihre Arbeit anmied, 
unb bei jeiner miteffehr 9ted)enfd)aft oon ihnen for- 
berte. Bon ber bemiefenen Xreue unb ©emiffenhaftig* 
feit bed ftnechted hing feine fünftige Stellung ab. Unter 
Ferr unb tüieifter ift für eine 3eit lang oon hinnen 
gegangen. ©tnem jeben feiner Unechte aber hat er 
feine bejonbere Arbeit angemiefen. 

Arbeit ift bad genieinjchaftliche Erbgut 2lttcr; ed ift 
bie göttliche Orbnung. ©ben mar ^mar ein (harten 
©otted, 2lbam unb ©oa mürben jeboch nicht hinein 
blöd um bie grud)t $u effen, ober fich an bem 
ber Blumen gu erfreuen, fonbern benfelben ju 
bauen. Xad ©efep bei- Arbeit gilt überall. 2)ie 
Planeten freifen iu ihren Bahnen; bie Säfte ber 
Bäume unb ^flanjen finb immer in ©irculation; ber 


28inb ift immer t^dttg, er treibt bad Schiff, breht bie 
ajfühlt, reinigt bte fiuft. Selbft ber unbebeutenbe 
Söurm im Staube ootlbringt bad Seine im Faudhalt 
©otted. diejenige ©efettjehaft, bereu einzelne ©lieber 
fich ber ernftlichen Xhätigfeit befleißigen, mirb am 
meiften audrichten. Sine klaffe träger Seute bilbet 
einen glecfen, ein ©efdjmür am gefettfdjaftlichen ober 
fachlichen Körper. 

SSürbe bad ©hnftenthum, auf ©otted SSort gegrün- 
bet, ald ber einzige SftaBftab ber perfönltdben unb ge* 
fcllfchaftlichen Verpflichtung anerfannt, fo gebe ed 
feine SJtäuner, bie blöd Den ettlen Vergnügungen nach* 
hängen, unb feine grauen, bie blöd berttJcobe fröhnen 
mürben. s JUemanD mürbe bann leben, blöd um $u 
effen unb $u trinfen, ju ftoljiren unb berounbert $u 
merben. 

gn bem Bereich bed geiftlichen ßebend gibt ed feine 
9ii^tigfeit bed djriftlichen ©h ara ^ er ^ ^ c ' nc erhobene 
©emeutfehaft mit Oiott, feine 2Jiacht SJfenfcben ju er* 
reichen, ohne gleiß, ©ott hnt ^ine ©ünftlinge; er 
ift nicht parteilich. 

2Bad Deine Arbeit ald S^ift fein mag, fann 9£ie* 
manb ald ©ott unb bu felbjt feftftellen. (£r mag bich 
nicht berufen, bie Säulen bed Xempeld nieber^ureißen, 
mie Simjon; ober bich einer gottlofen 3febel ent* 
gegen ju fteüen, mie ©liad; ober ber Votfcpaf ter einer 
neuen Xidpenfation ju fein mie gohanned; ober bich 
ald Bahnbrecher unter bie F?^ en 5 U fenben, mie 
Baulud; ober eine bie gan^e feelt bemegenbe Kirche 
5 u grünben, mie Söedlet); ober bie Arbeit eined roelt* 
berühmten ©oangeliften ^u thun, mie SJfoobp; ober 
mit ber Botschaft oonßhrifto iu’dgmtere bed bunfeln 
s 21frifa hinein ju bringen, mie Xaplor; unb bodh h a ft 
bu beine eigene Arbeit, bie fein2lnberer für bich thun 
fann. 

Wiemaub fann ^um Boraud miffen, mad ©ott ihm 
befehlen mag, benn ©ott meiß beffer, moju mir brauch* 
bar finb, ald mir jelber. Sei bereit unb mittig irgenb 
etrnad ju thun, mad ber Sfteifter bir aufcrlegcn mag. 
^Jiach’d uiemaid mie .gmuid: ^eine 9feifetaf(he ^ur 
Fanb nehmen unb nach fernen unbefannrcn©egenben 
aufbrechen. 2)er Ferr mödjte bich bod) h^mmholen, 
unb biynöchteft burd) Diel Schaben flug merben müf* 
Jen. Sei treu in beinern Beruf, ftft bie Sphäre 
Deiner Bfaffamfeit auch nur gering, fülle fie aud.. 
(Sd ift ein aroßed 2)ing, recht ju leben. Born Bringen 
Äarl oon Oefterreich jagte Napoleon: ,,©r ift ein gu¬ 
ter 9ftann, unb bad faßt 2llled in fich.“ üaßt und gut 
fein unb ©uted thun, fo merben mir unfere Aufgabe 
löfen unb ©otted 4Bohlgcfatten mirb auf und ruhen. 


- c - 

Sonntag fd)uf ■ Rektionen. 


Sonntag, 5. 3uni. 

4. fprac^ ber ^>err ju Siebe icf) lotH eutb 33rob üom 

t>immel rcfliieii laffen, unb ba^ &olt foll btnau^ flcljen, unb jam- 
mein tdölim, roa® e# be? Xafle^ bebarf: baß \d)'t oeriutbc, ob e* 
in meinem OJefefc manbele ober nicht. 

5. Xe* ierfnten Xafle* aber iollen fie fiel) fdnefen, ba§ fie üroie- 
fältifl eintraflen, meber fie fonft td^ttd? fammeln. 

6. Woic unb Haron fpraeften ju allen Hindern 0?rael: ?lm 
Ubeitb follt ihr inne merben, baß euch ber #evr au* Önbbtenlanb 
gefnbret bat. 

7. Unb be* s )Koran^ roerbet ihr be* ^errn ^errlicbteit fefien; 
benn er bat euer Durren roiber ben ^>errn geböret. ffia* finb 
mir, baß il)t roiber un* murret. 

8. J® ei ter ipracb iJioie: Xer ^>err roirb euch am fcbenb ^rleifth 
|u effen neben, unb am ’JKornen ©rob* bie ^üüe; barunt, baß 


2 9Kof. 16, 4—12. 

ber 4?crr euer Spurren ßeböret bat, bafe ihr roiber ibn gemurret 
habt. Xeun roa* finbroir? ttuer Durren ift nid)t roiber une, 
fonbern roiber beti ^errn. 

9. Unb SWofe fpvacb 5» ?laron: Safte ber flanken ©emeine ber 
Hinber 3*rael: Hommt berbei oor ben §erm, benn er bat euer 
Durren fteböret. , 

10. Unb ba -Haron alfo rebete $u ber ganzen ©emeine ber fftro 
ber ^*rael, roanbteu fie fiebftegen ber föuftc; unb fiebe, bie$err- 
liebfeit be* jperrn erfebten in einer ffiolte. 

11. Unb ber £err fpradb ®tof£. 

12. fttf) habe ber Hinber J*tael Wurren fteböret. Sage ihnen : 
4roif(ben 2lbenb füllt ihr ftleiitb 3u (iffen haben, unb am borgen 
«rob* iatt roerbeu, unb inne roerben, ba% ich ber $err, euer @ott 
bin. 


Xa$ Manna 


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$onntagfdiul=#fktionfn< 


323 


©iblifcper ©runbgebanre : „$efuS ober fpracp 
ihnen: 3$ bin baS ©rob beS fiebens." ^op. 6 , 35. 

Einleitung. Unfere fieftionSereigniffe gefchapen 
im ©faimonate 1491 o. Ept. ©ier ©Socpen mären 
feit bem AuSauge oerftricpen. XaS 3^ el ber weiteren 
©Säuberung Israels bilbete aunäcpft ber „©erg ©ot* 
teS." 3mi]cben bem Xürcpaug burcp’S ©feer unb bem 
Sinai merben üerfcpiebene Stationen genannt. ES 
maren baS nicpt einfache Nachtquartiere, fonbern Naft* 
orte, mie fie bie ungleich Dertpeilten Oafen boten. 
Sn folcpen Crten mürbe für längere ober fürjere 3 eit 
|>alt gemacht, Smifcpen benfelben manberte man oft 
Sag unb Nacht. 

XaS Xriumpplieb (f ap. 15) mürbe maprfcpeinlich 
bei Ajun SNufa gefunden. ©on ba auS burd^ogman 
brei Sage lang bie ©Süfte Schur, btS mau nach ©fara 
tarn, mo baS ©Saffer bitter mar. Xaper fingen bie 
Ätnber Israel an, miber ©fofe *u murren. Sie 
nannten ben Ort SNara, b. p. ©itterfeit. Xurcp ein 
©Sunber mürbe baS bittere ©Saffer trinfbar gemacht. 

Xer nächfte §altort mar Elim. §ier maren jmblf 
©runnen unb 70 ©ahnen. ES mar bie befte Säger* 
ftätte ber g^raeliten amifcpen bem rotpen ©feer unb 
Sinai. XiefeS Elim ift in bem heutigen ©Sabi ©pa* 
ranbel au fucpen. Nach bem alten StationSDeneicp* 
niffe 4 ©fof. 33 lagerten bie QSraeliten *mifcpenElim 
unb ber ©Süfte Sin noch einmal am Schilfmeer. ES 
mar bieS oermuthlich in bem frönen ©Sabi Xajibe. 
©on biefem Orte gingS in bie ©Süfte Sin. 


Erflarung. 

©. 4 . Schon auf ber erften Strecfe beS 3ngeS burch 
bie ©Süfte geigte fiep, mie geeignet biefer Aufenthalt 
für bie göttliche Erziehung beS ©olfeS mar. $ier 
mar eS gaiu auf feinen ©ott aitgemiefen. Er mußte 
ihm ben ©3eg geigen. Er mußte ©rob unb ©Saffer 
fcpaffen. Xabei tarn freilich auf Schritt unb Xritt 
ber Äleinglaube, bie Ungebulb unb baS ©Mißtrauen 
ber ©fenge $u Sage. So murrt auch Iper bie ganje 
©emeinbe miber ©fofe unb Aaron. ©. 2 . Xarum 
fpricpt ber §err ju ©fofe unb geigt ihm oor Allen ben 
AuSroeg. Xer AuSbrucf „©rob oom Fimmel regnen" 
fennaeicpnet ben ©orratp als einen ftreng üt^rnatür* 
liehen. 5Nit einem ©Sunber hoben mir’S hier offenbar 
ju thun. Ohne einen folgen ©orrath hotte baS rie* 
fenpafte iSraelitifcpe $eer beS Sängeren auf ber §alb* 
infei nicht leben tönnen. Sie ©abe beS ©fannaS mar 
eine ©laubenSprüfung beS ©olteS. .gpre ©ebulb, 
ihr ©laube, ihr AopängigfeitSgcfühl unb ihr Xanf* 
gefühl mürben in ben gegenmärtigen Erlebniffen ftetig 
auf bie ©rohe aefept. 

18. 5. Xie ©erorbnung biefeS ©erfeS liefert ben 
©emeiS, baß ber fiebente Sag als Sabbatp oon ben 
gSraeliten gefeiert mürbe. geben g^ or g C n füllten fie 
nur genug tammein für ben betreffenben Xag. Am 
fechften Sage jeboch mußte eine hoppelte Ouantität 
gefammelt merben. Xenn am ficbenten Xage, rnel* 
eper heilig mar, burfte nichts, tonnte vielleicht nichts 
gefammelt merben. 

©. 6 . 7. Xer ©fannafpenbe foH eine gleifcpfpenbe 
oorangehen. Xaran fotlen fie ertennen, baß ber $crr 
fie aus Egppten geführt habe. gn ben ©Sacpteln mill 
er ihnen einen Erfab für bie gleifchtöpfe EgpptenS 
bereiten. Am folgenden ©forgen fouen fie bie öerr* 
lichteit beS §erm baran erfennen, baß er ihnen ©rob 
in ber SBüfte, unb jmar in ber ©eftalt beS SNannaS, 
befchecrt. 

©. 8 . SNofe erinnert baS©olf baran, baß ihrSNur* 
ren miber ihn unb feinen ©ruber ein SNurren miber 
@ott felbft fei. Er bebeutet ihnen, ©ott höbe biefeS 
Nhirren gehört. Er hört’S auch, menn mir murren. 


Xie ©orgefepten — Eltern, Sehrer Arbeitgeber unb 
Negenten—hören’S nicht immer, menn bie untergebe* 
nen miber fie murren. Unb eS ift gut, baß fie eS nicht 
hören. Sie fönnten’S mol)l faum ertragen, ©ott 
aber hört jebe ftlage, jegliches Nhirren. Er aber ift 
fo unenbltcp langmütig unb gebulbig, baß er’S oft 
lange erträgt. 

©. 9. 10. ©erfe 6 bis 8 befepreiben eine Unter* 
rebung beS 5Nofe mit bem ©olle, bie etmaS früher 
ftattfanb. Xer Aufruf Aaron’S an baS ©oll, fid) öor 
bem $errn ju oerfammeln, erging etmaS fpäter. 
,,©or bem «Sjrni" h^r fann mopl nur meinen, in ber 
Nähe ber ©Sollen* unb gcnctfäule, in melcher ber 
£>err feine ©egenmart offenbarte. Am ©eftimntungS* 
orte oerfammelt, gemährte baS ©oll, baß ©ott burch 
einen außerorbentlichen Strahlenglanj in ber führen* 
ben Säule feine majeftätifche ©egenmart belunbete. 
XieS gejehaih 1 . um bem ©olle ju jeigen, miber melch’ 
ein hehres SBefen fie gemurret hatten; 2 . um bemfel* 
ben 5 u oeranfchaulichen, melch* einen großen unb herr* 
liehen gührer eS habe, ber alle Jeinbe befiegen, alle 
Schmierigfeiten überminben unb baffelbe ficher burch 
bie ©Süfte ins gelobte Sanb bringen lönne; 3. um 
bemfelben flar §u machen, baß tfleifd) unb ©rob, 
melche ihm nun $u Xheil merben follte, feine bloße 
Naturfpenbe, fonbem im engeren Sinne eine ©otteS- 
gäbe feien. 

©. 11* 12. „3mifcben Abenb" meint 3 unb 6 Uhr 
Nachmittags. XaS Jieifch, meldjeS fie §u effen befa* 
men, mar nach 13 baSjcnige ber ©Satteln. Xiefe 
©Sacpteln maren gelbljühner. ©pätfrühlinge 

§iehen ße in ungeheuren Sdjaaren aus bem Süben 
norbmärtS. Xa fie ihres fdjmeren Körpers megen 
Diel auSrupen muffen unb nur menige ( guß über oer 
Erbe hinfliegen, fo merben fie auf bem |>in* unb $jer* 
meg äu Xaufenben gefangen. Qhr fchmacfbatteS 
gieifch mirb entmeber frifd) grgeffen ober eingefallen 
unb geräuchert. Am nächften Nlorgen gab ©ott baS 
Nianna. Xrei Anfichten herrfAen in ©etreff biefeS 
SNannaS. 1. ES fei biefelbe ©Süftenfpeife gemefen, 
meld)e noch h eute auf ber finaitißhen .^albmfel ge* 
funben unb Don ben Arabern, auf ©rob geftridjen, 
gegeffen merbc. XaS ift bie Anficht ber Nationalsten, 
bie jebe ©Sunbermirfung ©otteS ju befeitigen beftrebt 
finb. 2. XaS XamariSfenbars bilbe bie natürliche 
Unterlage beS ©SunberS. XaS ©Sunberbare läge in 
ber ©ermeprung unb Steigerung ber Naturgabe. 
XaS ift bie ©ermittlungStheorie. Allein nach bem 
Urtbeile folcper Nlänner, mie Schubert, Nobinfon, 
Naumer, Sengerfe unb ©raul, ift baS XamariSfen* 
manna Don bem biblifchen bem Stoffe nad) grunb* 
Derfcpieben. XaS Erftere fann nicht, mie baS ISeptere, 
mit Nlüplen verrieben, noch io Dörfern xerftoßen, 
noch gelocht unb *u Älucpen Derbaden meroen. ES 
enthält auch feine folcpe Stoffe, bie bemNfenfchenaur 
leiblichen Erhaltung nötpig finb. 3. XaS Ntanna ift 
eine ©Sunberfpeife. ES ift ein in ©rob Dermanbelter 
Xpau. ©ana ber ©fannajpenbe entfprcchenb ift ber 
ftochjeitsmein ^u Äana, Qoh- 2 , 1 — 10 . Xie leptere 
An fiept ift bie unfere. ©Sie hätte Nfofe fiep unter* 
minben fönnen, baS ©olf 511 Überreben, ©ott laffe baS 
©fanna Dom £imntel regnen, eS falle mit bem Xpau 
herab, menn baS ©olf tagtäglich fap, mie ber©fanna* 
faft auS ben Xarfap^meigen perDorquoll, als Xropfen 
an ben 3 rocigen t)ing unb als erftarrte Äörner auf 
bie Erbe fiel V 

©raftifepe ©ebanfen. 

XaS ©fanna ein ©orbilli anf Epriffum. 

^m „biblifcpen ©runbgebanfen" fpriept ber §err, 
un)er ^eilanb: „gep bin DaS ©rob beS Gebens." 3n 


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324 


SonntagfdjuUfchtioiun, 


jenem 6 . Äap. $ol). er audj: ,,3d) bin baS leben* 
bige Vrob, öom Jpimmel gefommen." ,,©5ieS ift baS 
Vrob ©otteS, baS öom Rummel !ommt unb gibt ber 
SSelt baS Sebeit." ©r ift ctlfo baS©egenbilbbeSin ber 
SBüfte üon ben QSraeliten gcgeffenen SftannaS. Ve* 
tradjten mir etliche ber miqjtigften VergleidjungS* 
fünfte. 

I. 3n ber Spcnbc. 

1 . 93 eib e tarnen in giille. ©ott ianbte 
äftanna genug, um 2,000,000 QSraeliten ju fpeifen, 
mäfjrcnb ber ganzen 3 Büftenreifc. Xaffelbe fiel rings 
umS Säger per. ©S mürbe iljnen fo nafye gcbradjt, 
baß fie nur bie £>anb auSjuftrecfcn brauchten, um eS 
ju befifcen. 2öenn ein Q^raelit junger litt, fo mar’S 
nic^t ©otteS Scpulb. ©r fpenbete ben Vorrat!) in 
giille. 3Bcld)’ ein trefflid)e§ Söilb ber ^eilSfülIe in 
©Ijrifto. 33er fam je öerlongenb, Seclennaprung fu= 
chenb *u ihm, ben er t>unartg, unbefriebigt megge* 
fanbt hätte? @r gibt fein gleifdj für baS Seben ber 
33elt. 3ol). 6 , 51. ©r fagte: „jjch bin gefommen, 
baß fie oaS Seben unb öoue ©enüge hoben foUen." 
3n ihm ift bie güHe ber ©nabe, 33eiSf)eit, Vergebung 
unb Seligfeit. 

2 . V e i b e tommen in ber Stille. XaS 
9ftanna fam geräufdjloS, mie ber Xtjau unb mit bem 
Xhau ber Stfadjt. So jieht 3 efuS ohne äußerliche 
©eberben, geräufdjloS in ein fich ihm erfcßließenbeS 
£)er* ein. $id)t im Sturmminbe, noch im geuer, noch 
im ©rbbeben, fonbem im ftiHen, fanften Säufeln 
fommt er. SBeitn alle anberen Stimmen in unS unb 
um uns fcßmeigen, menn mir in ber Stille gläubig 
harren; bann fommt ber treue Sünberfreunb in bie 
Seele unb füllt fie mit feinem ^rieben. 3m©efdjäftS= 

S , im VergnügungSraufcße unb im ©etobe ber 
jehaften finbet «SejuS feinen 9taum, tann er fich 
nicht nteberlaffcn. 

8 . 93 eibe finb ein freies ©efdjenf ©ot* 
teS. XaS 3ttanna mürbe ohne ©elb unb umfonft 
ben QSraeliten gefpenbet. jjebmeber burfte, 3eb* 
meber foüte ©ebraudj baöon machen, sticht ein ©in* 
^iger mar öon beffem ©enuffe auSgefdjloffen. So ift 
auch QefuS ein freies ©nabengefdjenf beS pimmlijdjen 
Vaters. ftol). 3, 16; Xit. 2 , 11 . 12 . 3u bem öon 


©hrifto ermorbenen ©eil ift Qfebermann eingelaben. 
3ef. 55,1; Offb. 22,17; 1 Xtm. 2, 4; 2 $etr. 3, 9. 

II. 3n bem ©mpfange. 

1. ©S mußte gefammeltrnerben. ©S 
tonnte ben ^Sraeliten nichts nüpen, baß baS SJianna, 
mie perlen ui ber SJforgenfonnc glipernb, rings um’S 
Säger her log. Sie mußten’S fammeln, effen, ihren 
junger ftillen unb SeoenSfraft barauS geminnen. 
So hat fich’S mit ©hrifto unb feinem öetl. ©r be* 
zeichnet fich felber als baS „Vrob beS SebenS," nicht 
nur/um barjutpun, maS er ift in Vetreff beS großen 
Seelenhungers ber Sttenfdjen, fonbern auch maS mir 
mit ihm au thun haben, mollen mir beS geiftlichen Se* 
benS theilhaftig merben. 3Bir müffen bnrtp ben per* 
fönlidjen ©lauoen ihn annehmen, innerlich ihn genie* 

f ;en unb $u unferer geiftlichen Nahrung machen; bann 
tiHt er unfern Seelenhunger, bann ift er uns baS Se* 
ben, bann geminnen mir bie nöthige Ära ft, um im 
neuen Seben §u manbeln, in Sciben gebulbig ju fein 
unb im Xobe 51 t triumphiren. 

2. XaS -ättanna mußte frühe gefammelt 
merben. ©efehoh bieS nicht, fo jerfchmoli unb öer* 
fchmanb eS in ben heißen Sonnenftraijlen. So ift eS 
unjere Aufgabe, ben $eilanb frühe, b. h- in ber fd)ö* 
nen Qugenb^eit ^u fudjen. „4)ie mich frühe fudjen, 
finben mich." Spr. 8 , 17. „©ebeitfe an beinen 
Schöpfer in beiner 3ugenb." s;p re t) 12 , 1 . SBenn 
mir üer^iehen, mit ber SBelt liebäugeln unb bie 93e* 
fehrung auf eine gelegenere 3 eit üerfdjicben; fo mö* 
gen mir ju fpät aus unferem Sünbentchlaf ermaßen 
unb ju unfrem Schrccfen entbeden, baß 3 c f u ^ öon 
unfrer ^erjenStbüre öerfchmunben ift unb mir bie 
©naben^cit oerfcher^t hoben. 

3. 3)aS9ftauna mußte täglich gefammelt 
merben. Äein 3^raelite tonnte am SRorgen beS 
erften SBodjentageS genug fammeln für ben ganzen 
355ochenbebarf. "Xhot erS bennoch, fo fanb er am 
nächften borgen, baß baS am öorhergehenben Xage 
©efammelte ungenießbar gemorben mar. So bebür* 
fen mir ©hriftum, baS mahre SebenSbrob, tagtäglich- 
^ie geftern empfangene©itabe genügt nicht für heute, 
mie bie geftern genoffene Speije ben heutigen junger 
nicht 31 t ftillen oermag. 


Sonntag, 12. Smu» OdlötC. 2 HJZof. 20,1—11 


1. Unb ©ott rebete alle biefe ©orte: 

2. 3d) bin ber ßerr, betn @ott, ber bid) au« öfibbtenlanb, 
au« bem 3?ienftt)au[e flefübret bnbe. 

8. 5)u joClft feine anbere ©ötter neben mir haben. 

4. $11 lottft bir fein ^ilbnift noch iraenb ein @lei(fjni& machen, 
meber beß, baä oben im Fimmel, noch bejj, baß unten auf ©rbeit, 
ober beß, ba8 im ©affer unter ber ©rbe ift. 

5. ©cte fie nicht an, unb biene ihnen nicht. S)enn ich ber joerr, 
bein ©ott, bin ein eifrifler ©ott, ber ba heimfuchet ber ®äter 
©tifietbat an ben Hinbern, bii in baS britte unb liierte ©lieb, 
bie mich hoffen; 

6. unb thue ©armheraiareit anbielen laufenben, bie mich lirt 
haben unb meine ©ebote patten. 

7. 2)u foQft ben tarnen be^ ^ierrn, beinen ©otte$, nicht miß* 


brauchen; benn ber §err mirb ben nicht ungeftraft laffen, ber fei* 
nen Warnen mißbraucht. 

8. ©ebenfe beö Sabbathtaged, bah bu ihn beiligeft. 

9. Sechs Xage foüft bu arbeiten, unb alle beine Singe be* 
fehiefen; 

10. 9tber am fiebenten Sage ift ber Sabbath beS 6erm, bci= 
nee ©ottes. Sa ioUft bu fein ©ert tbun, noch bein Sohn, noc| 
beine Xocfjter, noch bein ftnedjt, noch beine Wtago, noch bein Sich, 
noch bein ftrembting, ber in beinen Xhoren ift. 

11. Senn in fedjs Xagen hat ber §err Fimmel unb 6rbe ge¬ 
macht, unb baS Wteer, unb alles, maS brimten ift; unb ruhete am 
fiebenten Xage. Sarum feguete ber §err beit Sabbathtag, unb 
heiligte ihn. 


$ifi(ifd)cr ©runbgebanfc: „QcfuS aber fpraeß ju an ben guß beS 33ergeS. 5)aS ®olt mußte öon ber 
ißm: 2)u fottft lieben ©ott, beineu §errn, öon ganzem iöerütjrung beffelben burd) ein ©c^ege ^urücfge^alten 
§er.^en." Sttattp. 22, 37. merben. vlm guße beS 33ergeS gab eS ein fließenbeS 

Einleitung. Zie ©ejepgebung faub ftatt im s Ulo= Gaffer, ©ter mürbe burc^ SRofc Vermittlung ber 
nat s Dtai beS 3ol)reS 1491 ö. ©fjr., 50 Xage nad) ber Vunb jmi|d)eu ©ott unb bem Volte gefdjloffen. §ier 
Vaffapfeier unb bem ^luS^uae. XaS (Öefeß mürbe maepte ^roel auc^ beS Sängeren ©alt. 
am Vcrge Sinai gegeben. 3lm Juße biefeS VergcS ©rflärung. 

lag eine 4öüfte, meldje bem Volte 9taum §ur Säger* V. 1. Sufo ©ott unb nidjt 3Kofe ift ber Urheber 
ftätte bot. i)ie SBüfte erftreefte fid^ bis unmittelbar ber jel)n ©ebote. SJtanc^c ^aben behauptet, 9 Kofe 


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SontttögfdjuUffMionen. 


325 


batte bie zehn ©ebote ans ben Sehren ber ©gppter 
über bie ^flic^ten beS KtenfAen gufommengeftellt. 
Unfer VerS ftraft eine folcpe Vepauptung ber Süge. 
©ine göttliche Öffenbarung’beS SittengefefeeS mar 
notpmenbig: 1 . Damit ber Ktenfd) mit bem umfange 
unb ber Dragmeite feiner Verpflichtungen genau be- 
!annt »erbe. DaS ©efeß, melcheS ©ott urfprünglid) 
in beS Ktenfcpen £>erz gefeprieoen hatte, mar burd) 
bie ©ünbe gleicpjam bermijept morben. Deßpalb 
mußte ©ott eS nun auf’S Keue geben, diesmal 
fdjneb er’S auf fteinerne Dafein. So mürbe ihm eine 
pofitibe Offenbarung feiner Pflichten gegen ©ott unb 
gegen bie $Kitmenfd)en ju Dpeil. 2 . Damit eine zu- 
Derläffige ©runblage für bie ©ittenlepre gemonnen 
»erbe. Die SKenfcpen maren oon jeher bemüht, bte 
bom ©ittengefefc aufcrlegten Verpflichtungen pinmeg 
iubeuteln. Die ©efeßgebung feitenS ©otteS aber 
macht allen folcpen menfdplichen Deuteleien burd) ein 
„0o fpricht ber öerr" ein ©nbe. 3. Damit baS 9ln= 
(epen beS ©emiffenS geftärtt unb bermehrt merbe. 

gefallenen guftanbe beS SRenfcpen iffs uotpmcn- 
big, bafe bie innere ©timme beS ©emiffenS oerftärft 
merbe burch bie äußere ©timme ber Offenbarung. 

V. 2. Um baSKnfehen eines ©efcßeS in ben klugen 
beS SRenfcpen perzufteucn, muß ihnen flar fein, baß 
ber ©efeßgeber berechtigt unb bemächtigt fei, ©efeße 
$u erlafjen. DiefeS Kccpt unb biefe Vollmacht be¬ 
grün bet ©ott in unferm Verje. Der Vcrfaffcr eines 
VucpeS feßt feinen Kamen auf baS erfte Vlatt beffel- 
ben. ©o fchreibt ber Jperr unfer ©ott feinen tarnen 
feinem ©efeße boran, um bemfelbcn baS gebührenbe 
»nfeheit zu fidjern. $>atte er ein Kedjt, ©efeße ju 
geben? ©ott ift ein |>err unb &önig. £>at ein Sol 
eper nicht baS Kecpt, in feinem Keicpe Crbnungen zu 
treffen, ©efeße zu geben? ©ott ift ein Vater; hat 
ein Solcher nicht baS Kecpt, in feinem £>aufe eine 
£ausorbnung z u treffen? tiefes Stecht grün bet fich 
aber nicht nur barauf, maS ©ott ift, fouberii auch bar- 
auf, maS er thut. QSrael befreite er aus egpptifcper 
Änecptfcpaft. ©r erlöfte fie aus ben §änbcn ber 
gropnoogte. ©r machte fie nicht zu feinen ©flauen, 
fonbern zu feinem Volle, ©o bat er auch uns aus 
bem ©lenb unb ber ^neeptfepaft ber ©ünbe burch fei¬ 
nen bielgeliebten Sohn erlöft deshalb fötlen ;mir 
ihm bienen unb feine ©ebote halten. 

©elattfen. 

Die erflen Hier ©ebote. 

Da bie ©ebote äußerft praftifcb finb, fo mollen mir 
fie bon biefer ©eite aus bepanbeln. Sollte ba ober 
oort eine ©rtlärung nothmenbig fein, fo merbert mir 
fie mit bem Vraftifä)en bermeben. Unter jebem Ver¬ 
bote ober ©ebote merben mir immer ein gmeifadjeS 
betrachten, nämlich 1 . bie berbotene ©ünbe; 2 . bie 
auferlegte Vflidjt. 

I. Ikiße nur ben einen ©ott. V. 3 . 

1 . Die berbotene ©ünbe. $n 1 Äön. 16, 
30—33 haben mir ein Veifpiel bon einem Könige, ber 
ben lebenbigen ©ott berüeß. 3lpab biente ben ©Ot¬ 
tern anberer Völfer. Durch bie Anbetung falfcher 
©ötter übertrat er biefeS ©ebot. Qn Slpftg. 7, 42 
lefen mir, bah bie ffSraeliten bem ^immelSpeer bien¬ 
ten, b. h. Sonne, SKonb unb Sterne. Sie bergingen 
fich an biefem Verbot. 211S VauluS, ber große $ei- 
benapoftel, nach Sltpen fam, ba fanb er eine Stabt 
öoller ©ößentempel. gn ©Jbina, .JJnbien unb anbern 
peibnifepen Sänbern finb bie Vemopner meiftenS Ueber- 
treter biefeS Verbots. Slnbere bienen feinem ©ott. 
9Jfan nennt fie Ktpeiften. Vorgeblich glauben fie an 
feinen ©ott. Von ihnen fagt fepon ber Vfalmift: 
„Die Sporen fßreepen in ihrem §erzen: ©S ift fein 
©ott." 


9lucp mir fönnen bieS ©ebot auf bie eine ober bie 
anbere SSeife übertreten. Kiancpen geht baS ©ffen 
unb Drinfen über SlUeS. VaulnS fagt, ber Vaud) fei 
ihr ©ott. Vh.il- 3, 10 . Knbere berlaffen ©ott, um 
ber 23elt zu bienen, mic ein DemaS. Ober mir fönnen 
ohne ©ott leben, ©ebet unb ©otteSbienfte bernad)- 
läffigen. 2 Bir fönnen Slnbere ober uns felbft mehr 
lieben als ©ott. DaS SlüeS ift Uebertretung biefeS 
Verbots. 

2 . Die auferlegtc Vfücht. 3mei Söorte 
bezeichnen fie: ©laube unb Siebe. JJn 1 9Rof. 22 , 
1—9 haben mir in Slbraham ein Veifpiel bon biefem 
©lauben, biefer Siebe, ©r glaubte an ©ott unb bc= 
mies feinen ©tauben burd) ©chorfam. ©r bemieS 
feine Siebe, inbem er rnillig mar, baS Dfmuerftc ©ott 
ZU opfern—feinen $faaf. So follen auch »ir unfern 
©lauben bemeifen, mbem mir ©ott in allen Sehens- 
ereigniffen bertrauen. 2Sir follen unfere Siebe be¬ 
meifen, inbem mir zu jeber 3eit bereit finb, ihm baS 
Vefte zu opfern. 

II. 9Ra<hc bir fein Vilbni§ ober ©(eichm§ V. 

4— 6 . DiefeS Verbot berbietet nicht bic Slnfertigung 
ober ben Vefi£ oon ©emälben unb Statuen. Die 
StiftSpütte, bejonberS ber falomonifd)eDempel zeid ) 3 
nete fich burd) ftunftmerfe aus, meld)e ber $err felbft 
angeorbnet patte. 

1 . Die berbotene ©ünbe. ©S ift ber ©oben- 
bienft, melcper pier nnterfagt rnirb. 9 Ran foU ©ott 
niept unter irgeub einem Vübniffc ober ©leicpniffe, 
unter irgenb einer äußeren ©eftalt anbeten. DaS 
erfte ©ebot oerbietet bie Anbetung anberer ©ötter; 
bas zmeite bic Anbetung ©otteS unter äußerer fjarm 
ober ©eftalt. Qcrobeam übertrat baS leptere ©ebot, 
inbem er golbene Äälber maepte unb anbetete. Slucp 
mir fönnen bieS ©ebot übertreten. 2Bir tpun’S, menn 
mir irgenb etmaS 2leußerlid)eS an bie Stelle ©otteS 
feften. 28ir tpun'S, menn mir unfer Vertrauen auf’S 
„©ebeteperfagen^ fepen, anftatt mirflid) z« ^^ten; 
menn mir uns auf ben Vcfucp ber Äircpc berlaffen, 
anftatt mirflicp ©otteSbienft zu pflegen. 

2 . Die auferlegte f 11 d)t. Diefe beftept 
in ber Anbetung beS lebenbigen ©otteS. 3Bir müffen 
barauf achten, men, mie unb marurn mir anbeten. 
2 öir müffen ©ott im ©eift unb in ber Söaprpeit an¬ 
beten. yop. 4, 24. DaS erfte ©ebot behauptet bie 
©inpeit ©otteS unb unterfagt bie Vielgötterei. DaS 
zmeite ©ebot begrünbet bie ©eiftigfeit ©otteS. ©S 
proteftirt gegen ben ©öfcenbienft unb ben SERaterialiS- 
muS. Slucp ber panteiftifepe ©otteSbegriff ift ©otteS 
unmürbig. 

III. &t§bran(he wi*ht ben Kamen ©otteS. 

1 . Die berbotene ©ünbe. Der Karne ©ot¬ 
teS mirb mißbraucht: 

a. Durd) befjenleichtfinnigen ©ebrauep. 
SSie Spreu, aus ber baS Hörnlein heraus ift, umher- 
ftäubet, fo gehet ber Karne ©otteS bei Vielen *alS leere 
KebenSart über bie Sippen. 2Bie ber $erbftminb 
mit ben melfen Vlättem, fo fpielen Viele mit bem 
Kamen ©otteS unb 3efu. 

b. Durch baS glucpen. ^n ber Kegel flucht 
ber Ktenfcp, menn er zornig ift. ©ott ber $err foü 
biefem 30 m ben Krm leipen. ©r foll gleich fo $ü<h= 
tigen, mie ©ienfdpen es nidjt fönnen. Die giücpe finb 
mapnfinnige ©ebete. 3Bie fcprecflicp mär’S, menn 
©ott fie alle beantmortete. ©in Jlucb ift mie ein 
Stein, ber gen öimmel gefepieubert, auf ben zurücf- 
fäflt, ber ipn pinaufmarf. Die Kfcpe fliegt bem in’S 
©efiept, ber fie mirft. 

c. D u r cp ben 5K e i n e i b. ©S ift baS eine ber 
fcpredlicpften ©ünben, bie ber SWenfcp begepen fann. 
3n bem Kerzen beS Kfeineibigen muß ber lepteßunfe 


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326 SonntügfdjuUfehtioiiftu 


wahrer ©ottegfurcpt erlofcpen fein. 33ei ben ©gt)p- 
tern mürbe ber Sfteineib mit bem Xobe beftraft. $ie 
©rieten glaubten, bie göttliche SJemcfig Verfölge ben 
Sftcineibigen unb bringe 33 erberben auf if)n unb feine 
s J?acpfommen. 3 )ie Corner betrachteten ben SJteineib 
alg etmag ©chmäplicpeg unb ben SKeineibigen alg 
©cgcuftanb göttlicher 9tacpe in ber anbern SBelt. 

2 . $ie au{erlegte ^flicht. 33on ©ott unb 
göttlidjen Gingen follen mir immer mit tiefer ©pr= 
furcht reben. 3Bir follen 5 . 33. ©prfurcpt betunben: 

a. 33 0 r bem tarnen ©otteg. $)ie 3 uben 
pflegten eine 'ßaufe gu machen, ehe fie ben göttlichen 
tarnen nannten. 3)er große Slcmton pflegte immer 
fein §aupt gu entblößen, menn er ben tarnen ©otteg 
nannte. 

b. 33 or bem ©aufc ©otteg. 1 )ag lehrt ung 
Qefug burch bie Steinigung beg 2empelg. 9flan hatte 
bcnjelben in ein Sftarftpaug umgemanbelt. Ccpfen, 
©cpafe unb Xauben mürben ba getauft unb öerfauft, 
frembeg ©elb um jübifcpeg auggemecpfelt. $>er §err 
trieb bie Käufer unb Bcrfäufer prnaug, ftieß ber3Sccpg- 
ler Xifcpe um unb fprach: „SJtein paitä foll ein 33et- 
paug heißen; ihr aber habt eine 2 Jtörbergrube baraug 
gemacht." Öucp mir follen anbäcptig in*g &aug ©ot¬ 
teg tommen. 3 )er irbifchen, meltlichen ©ebanten foU 
len mir ung bafelbft entfchlagen. Unfer gangeg 33e- 
nehmen im $aufe ©otteg muß öon ©prfurcpt gcugen. 

c. 33or bem 303orte ©otteg. Qfn bemfelben 
rebet ©ott gu uitg. gn ber 33ibel haben mir bie 
Offenbarung feinet heiligen ©nabenratpjcpluffeg. 
3Senn mir fie gur $anb nehmen, ober menn fie in un¬ 
terer ©egenmart gelefen mirb, fo follen mir bie 33 ot- 
jcpaft mit Slnbacpt unb ©prerbietung oernehmen. 

IV. ^eilige ben 2ag M §errn. B. 8 .11. 3)iefeg 

©ebot galt gunäcpjt bem iübifcheu 6 abbatp. ©g finbet 
aber im neuen 33 unbe Slnmenoung auf ben cprtftlicpen 
©onntag. Sßir feiern ben Stupetag nicht mie bie $u- 
ben am fiebentcn, fonbem am erften 3Bocpentag, meil 


bie^ ber 5luferftepunggtag ©prifti unb ber ©eburtg- 
tag ber ^riftlicpen $ircpe ift 
1 . ©) i e oerbotenc © ü n b e. ©ie befteht barin, 
baß man ben oon ©ott geheiligten Xag entheiligt. 
$er ©onntag aber mirb entheiligt: 

a. 5)urch SJtüffigung unb 33ernacpläf[igung beg 
öffentli(hen ©ottegDienfteg. SJtancpe üerfajlafen ben 

! »alben ober ganzen ©onntag. ©g gibt leiber Xau- 
enbe in ©priftlänbern, bie bag gange 3 apr pinburcp 
feine ftinpe betreten. 2 Bag hält fie ab? Xie tieffte 
geiftlicpe Xrägbeit. Xer 3Selt greuben unb ©orgen 
liegen mie ein Bann auf folgen 3)tenfcpcn. 

b. * 3 ) u r cp meltlid^e Arbeit unb ©efchäf te. 
3 Ber am ©onntage irbifche Arbeit, meltlicpe ©efcpäfte 
»errichtet, ber beftiehlt ©ott. 3)enn ©ott gibt bem 
Sttenfcpen fechg Xage in jeber 333ocpe gur 33errichtung 
feiner Arbeit, ben fiebenten Xag aber hat er fiep oor- 
behalten, ©g ruht fein ©egen auf ber ©onntagg- 
arbeit. 

c. 3) u r cp meltlichc unb fiinbliche 33 er- 
gnügungen. gür manchedJienjcpcn ift ber©onn- 
tag ein 3 ag ber SJuftbarfeiten, ber Böflerei unb ber 
Unzucht. ©0 feiert fein 3ube feinen ©abbath, fein 
Sftuhammebaner feinen greitag, mie üiele getaufte 
©hriften ihren ©onntag. 

2 . 3) i e auferlegte ^flicht. 3)icfe befteht in 
ber Heiligung unb geter biefeg 3ageg. ©ott hat bie- 
fen äag einaefe^t unb geheiligt: 

a. gar Äube oon berSlrbeit. Sluhebrauet 
jebe ©reatur. muhe braucht felbft bie ©rbe, um fich 
oon ihrer ©ommearbeit gu erholen. Siuhe braucht 
ber 2)tenfch. 

b. ßor ©tärfung auf bem ^3ilgermege. 
©g ift Der ©eele SJiarfttag. 2öie bie 33ienen §onig 
fammeln aug ben 33lüthen ber iöäume, fo fammle bu 
bir an biefem Xage 33orratl) aug ben Sölüthen beg ße 
bengbaumeg. 

c. 9llg ißorbilb ber emigen Sfuhe. 3 cöer 
©onntag ift ein 33 orbote ber feligen ©mtgfeit, ber 
ooüen Stuhe in ©ott. 


©onntag, 19. ^uni. 2)ie (Sebote. 2 SJtof. 20 , 12 — 21 . 

12. $u lottft betnen Satcr unb beine Butter ebrci^ auf bafe bu 18. Unb alle« ©olf fabe ben Bonner unb ©li^ unb ben Xon 

lanflc Iebeft im 2aube, ba# bir ber ^»err bein @ott, gibt. ber ©oiaune, unb ben ©erg raudjen. fie aber foldie* iaben, 

13. ®u fotlft nicht tobten. flotjen fie. unb traten oon ferne. 

14. Xit ioUit nimt cbebretben. 19. Uito fpracb iu TOofc: SRcbe bu mit un#, mir motten gehör- 

15. 3Ju foUft nicht fteblen. eben; nnb lag QJott nid)t mit un# reben, mir möchten fonft fterben. 

Iß. Xu fott t fein falfd) 3cugniß reben miber beineu s JJäcf)ften. 20. SBofc aber fprach aum©olt: $ürd)tet euch nicht: benn 

17. Safe bict) nicht gelüften Deine# Wäcbftcn |>aufe#. Sah Dich ©ott ift fommen, bah cv euch oerfudjtc, unb bah frine ^furcht eud) 

nicht gelüften beine# «Üchften ©cibc#, noch feine« finecht«, noch bor öligen märe, bah ihr nicht iünbiget. 

feiner ©tagb, noch feine# Ochfcn, noch feine« ©fei«, noch alle#, 21. Sllfo trat ba« ©olf bon ferne; aber 9Rofe machte fich hin^u 

ba« bein SJtächfter hat. in'« Xunfel, ba ©ott innen mar. 


gHMifdjtr ©rttnbgcbanfc: ,,^)u follft Deinen 9^öch s 
ften lieben, mie Di^ jclbft" SKatth. 22, 37. 

$n 33etreff ber 3 ctt, beg Orteg unb anberer mit ber 
©efefegebung am ©inai oerbunbencr Umftänbe giehe 
man ote „©tnleitung^ gur oorigen Seftion gu Stathe. 
©rflärung. 

3Sir übergehen 33erfe 12 big 17, meldje bie lefeten 
fechg ©ebote enthalten, unter „©rflärung" unb geben, 
ba biejelben gang prattifd) finb, eine ©rlautcrung ber- 
[eiben unter „praftifchen ©ebanfen." 3Sir beginnen 
alfo bic ©rflärung mit bem 18. 33erg. 

B. 18. 19. Unter bem ©etöfe roüenber Bonner 
unb fchnietternber ^3ofaune, oon bem rauchumfan¬ 
genen, blipumgueften 33erge herab gab ©ott feine ©e- 
[ehe. 9luf biefc 3®cife offenbarte ber ©efepgeber 
feine 9Jiajeftät unb crgielte für feine ©ebote bie ge- 


bübrenbe ©prfurebt. Slngefichtg biefer furchtbaren 
©rfcheinungen mich bag Bolt entfept 00 m 33crge gu- 
rüd. ©g bittet Sftofe, fein Mittler gu merben unD mit 
©ott gu reben. ©in Mittler ift 33 ebürfniß ber gefal¬ 
lenen SJteufcheu. ©ine reiitmenfchlid)e Bermittelung 
aber genügt biefem 33 ebürfniffe nicht. 2 )cßpalb hß- 
ben mir einen ©ott, unb einen Mittler gmif^en ©ott 
unb ben Sttcnfdjen, ber SJicnfd) ©priftug 3 efug. 
1 Xim. 2, 5. 

B. 20 . 2 )ag Bolt befürd^tete, eg muffe auaenblid- 
licp fterben, menn ©ott mit ipm rebe. sftofe beruhigt 
bie .j^aeliten, p a ß fie nach biefer SUcptung nieptg gu 
befürchten haben, ©g fei niept ©otteg Slbjicpt, fie gu 
tobten, fonbent ipnen eine peilfame JJurdpt eingußö* 
ßen, Damit fie feiner göttüdien 2D2ajeftät gegenüber 
fi^ eprerbietig benepmen. ©ott pabe fiep auf biefe 


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$oimiögfd)ul=#ektioneit. 


327 


majeftätifcge ©eife geoffenbart, um fie ju prüfen, ©ott 
prüft auep und fortmäprenb im Seben, balb auf biefe, 
batb auf eine anbere ©eife. ©otted grögted Merlan* 
gen ift f und bon ber ©ünbe $u erlöfen; unb ©rlöfung 
Don ber ©ünbe foflte unjcr grögted Verlangen fein. 

®. 21. Slud bem ergän$enben ©ericpte, mie mir ipn 
in 5 ©of. 5, 28—30 finben, erhellt, bag SJtofe bed 
$olfed ©unfcp bem $erm bortrug. Xerfelbe ge* 
toäprte ben ©unfcp in ©naben, ©r nat)m uRofe ald 
SKittler bed ©olfed an. Xem ©ol!e geftattete er, fiep 
in feine Jütten äurüctjuaiepen. 3Rofe aber erftieg 
ben ©erg, um bie ©ebote, auf fteineme Xafeln einge* 
graben, bon bem Jperrn in ©mpfang $u nehmen, ©r 
freute fiep niept in jened Xunfel emporjufteigen, meil 
er mugte, bag ©ott in bemfelben fei. 

$raftifipe ©ebanfen. 

Xie lepten feipd ©ebote. 

I. ©pre ©ater unb Putter. ©. 12. Xad fünfte 
©ebot gehört nocp ^u ber erften ©efeptafel, melcpe 
unfere ©flicpten gegen ©ott aufaäplt. Xenn bie ©1= 
tent erfcpeinen gier niept ald unfere Stäcpften, bie und 
gleicpftehen, foitbem ald unfere ©orgcfefcten. ©ie finb 
Die ©teuoertreter ©otted für bad $inb. Xaper foß 
bad ftinb fie nicht nur lieben, fonbem aud) epren. ©d 
ftegt aber bad fünfte ©ebot ald lepted auf ber erften 
lafel, meil ed ben Uebergang ber jmeiten Xafel 
bilbet, melcpe bie ©fftcpten gegen ben Stäcpften auf* 
Jäplt. 

1 . Xie aufcrlegte ©fliegt. ©in breifacped 
fcpliegt biefe in fiep. 

a) Siebe. ©ad traten unb tpun nidpt bie ©Item 
für ipre ÄinberV ©ie arbeiten für fie, pflegen fie in 
ftranfpeit unb forgen für fie. ©oßte niept bie iiiebe 
ber ©Itcrn bie ©egenliebe ber Äinber mecfen? Xer 
Xrojaiter Slenead trug feinen alten ©ater aud ber oon 
ben geinben eroberten ©tabt. ©in junger Corner, 
Ramend Oppiud, trug feinen greifen Skater, ben feine 
Jeinbe in bie Siegt erflärt patten, auf ben ©chultern 
burcp palb Qtalien. Xad maren jpeiben. ©ofltcn 
Gpriftenfinber bann niept auep ipre ©Itern lieben bid 
in’d popeSUtctV 

b) ©eporfam. Xen üon ©ott über und gefep* 
ten ©Itern fcpulben mir ©eporfam. ©ept, bad Qefud* 
finb mar feinen ©Item untertpan. Suf. 2, 51. ©ir 
füllen unfern ©Uem xn aßen Gingen geporcpen, 5 . ©. 
in ber ©apl ber greunbe, ber SeftiFre, ber Xauer 
unferer ©cpul^eit unb bed Sebendberufed. gorbern 
aber bie ©Uem üom Äinbe, mad miber ©otted peili* 
gen ©ißen ift, mie a. ©. ^u lügen, $u fteplen; fo pören 
fie auf ©otted ©teuoertreter au fein. Xad $inb muß 
©ott bann mepr geporcpen ald ben ©Item. $n allen 
anbern ©tücfen füllen mir ipnen geporcpen. 

c) Xienft. hinter fönnen ben ©Itern mancpen 
Iritt erfparen, mancpen Xienft leiften. Xer berüpmte 
poüönbifcpe Slr^t ©oerpaoe patte eine alte ©tiefmut* 
ter, bie er mit ber finblicpften Xreue oerpflegte. Slld 
fie ©ott abrief, ba fpracp er: „gcp freue midj, bag fie 
jur emigen ^errlicpfeit bemfen ift; aber icp meine, 
Dag icp nun leine ©elegenpeit mepr pabe, ipr meine 
finblicpe Siebe burcp bie Xbat au bemeifen." 

2 . Xie oerbotene ©ünbe. ©eringfcpäpung 
ober Seracptung ber ©Itern, fomie aller Ungeporfam 
gegen biefelben. Slbfalom übertrat biefed ©ebot 
groblicp. ©r oergag fo aan^ jebe finblicpe ^flidtjt, 
oag er feinem $ater 00 m Sprone ^u ftünen tracptete. 
©r fepte eine 9febeDion in ©eene, melcpe ben 33ater 
jur giucpt jmang. 25ocp 2lbfalom napm ein ©nbe 
mit ©cfaretfen. Slld fein Jpcer oon bem fönigfliepen 
$eer, unter bem gelbbauptmann ^oab ftepenb, ge* 
fcplagen mürbe, ba blieb er auf ber giucpt mit feinen 


langen paaren in ben Sleften einer ©iepe pangen. 
Qoab napm brei ©piefe, unb ftieg fie ipm in’d ^er^. 
Sie äJhxpammebaner, guben unb ©pinefen paben ben 
Otupm, bag feiten ein $inb ben alten ©Uem bad Se* 
ben oerbittert. 

II. foOff niept tobten. ®. 13. 

1 . $ie oerbotene ©ünbe. gebe oorfäplicpe 
3 erftörung eined SJfenfcpenlebend, burcp eigene ober 
frembe ^>anb. ^er felxge ©pener fteUt in feinem 
^ateepidmud ^Hngeftcptd biefed SBerboted bie grage: 
„23ie oielerlei ift ber Xobfcplag?" ©r beantmortet fie 
alfo: „Vielerlei mit bem fterjen, mit bem ©efiept 
unb ©eberben, mit ber 3 un 9 ^ unb ber gauft." ®ag, 
3 orn, s Jfeib, Habgier unb bergleicpen finb bie ®äter 
bed ÜJtorbed. ®om 3 ornc un ^ ^ a ff e fuflt fepon ein 
alter peibnifeper SSeife: „Xu bift ein Sttöroer, epe bu 
bie §anb mit 33 lut beflecfft.^ gopanned fagt: „3Ser 
feinen trüber paffet, ber ift ein Xobtfcplägcr." Slud 
Steib unb 3orn pat $ain feinen ©ruber Slbel erfcpla* 
gen. Slud ©elbgier finb Xaufenbe ju SÄörbern ge* 
morben. Slud Jmg fmb ©iele Xobtfcplägern ge* 
morbeu. 

2 . Xie auferlegte ^flicpt. 3Bir foüen.oon 
unfern ^äepften ab^umepren fuepen, mad feinen Seib 
unb Seben fepaben fann. 3n aller Sfotp füllen mir 
bereit fein, ipm au pelfcn. 2Sir foUen bem bebürfti* 
gen ©mber bie pelfenbe $anb niept entjiepen. Xcr 
$riefter unb Seoxt, melcpe an bem unter btc 9Jtörber 
©cfaüenen falt oorübergingen, maren oor ©ott auep 
Üförber. Söer biefer Söelt ©üter pat unb fcpliegt fein 
$er^ oor ipm *u, ift auep ein Sltörber. Sin ^onatpan, 
bem ©opne ©auld, paben mir ein trefflieped ©eifpiel, 
mie man oon feinem Stäcpften abmepren foll, mad fei* 
nem Seib ober Seben fepaben fönnte. ©r maept über 
Xaoib’d Seben, ald ob ed fein eigened märe, ©r be* 
maept ben, ber einft an feiner ©tatt bie $rone tragen 
foll. ©r bemaept ipn gegen feined eigenen ©aterd 
©rimm. 

III. Xu foOfl niept epebrerpen. ©. 14. 

1 . Xie oerbotene ©ünbe. Unfer Äatecpid* 
mud fagt: „SWeunfeufcpe©cbanfen,©eberben, ©orte 
ober ©erfc in unb auger ber ©pe." ©d gibt ©lu* 
men, bie fiepen bei ber geringften ©erüprung ihre 
©lätter aufammen. ©ie paben ein folcp* feined ©e= 
füpl, mie ed nur irgenb ein SJtenfcp paben tann. ©0 hat 
fiepd mit ber reepten ftcufchpeit auep. Xad $erj fußt 
jebed unreine ©ort. ©d faßt auf bie ©eele mie ein 
gunfe auf bie §aut. ©ie ftofepp oor ©otippar’d 
©cibe, fo fliept ber feufepe SJtenfcp oor ber ©erfuepung. 

2 . Xie auferlegte ©fliept. §ierfagt unfer 
ilateipidmud mieber treffenb: „Xag SKann unb ©eib 
treulieg palten, mad fie einanber üerfprad^en, ald fie 
in ben ©peftanb traten/' ©on ben ©töregen mirb 
erjäplt, bag etn jeglicper fiep ju feinem fftefte palte, 
©enn ein ©torep fernen ©efeßen Oerlägt unb ed mit 
einem anbern palt, fo faßen bie Slnberen über ihn 
per unb raufen ipm bie gebern aud, ja töbten ipn 
mopl gar enblicp. ©oflten oeraunftbegabte Sttcnfcpen 
pinter ber unoemünftigen ©reatur in ber $eufeppeit 
gurüefftepen? 

IV. Xu foßft niept fteplen. ©. 15. 

1 . Xie oerbotene ©ünbe. Xiefelbe fcpliegt 
ein SJteprfacped in fiep. 

a) X i e b ft a p l. Xarunter oerftept man bad Step* 
men beffen, mad und niept gepört. ©enn man ©elb, 
Kleiber, ©iieper ober fonftige Xingc fiep aneignet, bie 
Slnbern geporen, fo peigt bad fteplen. Xie Stinber 
mäpnen mancgedmal, cd fepabe nieptd, Slleiniafeiten $u 
nepmen, mie 5 . ©. ©riffel, ©leiftifte, s JDteffer, Obft 


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328 


2onntagfd)ul^|ektioimu 


unb bergleidjen. Allein in ©otteS klugen mad)t bic 
Quantität feinen Unterschieb. 2öer einen Gipfel 
ftiehlt, Übertritt biefes ©ebot ebenfo gemifj wie ber, 
welcher jehn Jaufenb Ih aler raubt. 

b) Unehrlichfeit, ©ott fagt: „ghr follt nicht 
ungleich hobeln am ©ericht mit ber ©Uc, mit ©e= 
wicht, mit 9ftafj, rechte 38age, rechte s J5funbe, rechte 
©cheffei, rechte Stanncn fallen bei eueb fein.“ Uebcr* 
oortheilen im £>anöel, leid)tfinniae£ borgen, Serheh* 
lung be3 ©eftohlencn ober be£ ©efunbenen, Serun* 
treuung anoermanbter ©üter, Seftechlidjfeit, ©nt^ie- 
hung ber Abgaben an bie Obrigfeit, Sorenthaltung 
beä oerbienten Lohnes, ©eminnfpiel, baä Zetteln aus 
purer Faulheit — baS Alles gehört unter bie iRubrif 
ber Unehrlichfeit. 

2 . $>ie auferlegte $fli^t. J)ie ehrliche ©r= 
Werbung unfereS irbtfd)en ©uteS. 2BaS bu bir mit 
ehrlicher Arbeit erwirbft, baS ift bein. darauf ruht 
auch ©otteS ©egen. ©S hangen beine ©ebete baran, 
benn man barf ©otteS ©egen auf bie ehrliche Arbeit 
erflehen. ©S liebt auch bein faurer ©chmei& baran. 
Jarum bleibt eS bir unb oermebret fiep. 

V. Webe fein falfdjeS Beujm#. 8 . 16. 

1 . J)ic oerbotene ©unbe. AUe £üge unb 
Serläumbung. 

a) J)ie Süge. ©in fiügncr iff ber, beffen .'perj 
unb SJtunb, ©ebanfe unb feort nicht mit einaitber 
übereinftimmen. $>ie £üge will ftep gern frühe im 
^inberher^en einniften. £>at fie fid) aber in bemjelbeti 
'feftgefe^t, jo roeidjt fie entweber nie ober unter Schwe¬ 
ren Stampfen, ©ie legt fid) auf bie &c rjen wie s ÜfehU 
thau auf bie ^flanjen. Sn alle Serhältniffe bringt 


bie 2 üge ein. gn jebern ©taub unb Serufe macht fte 
fiep breit. 

b) J)ie Serläumbung. 2 )ie alten fagten: 
„35er Serläumber ift ärger als ein Stabe; benn ber 
Stabe oerhaeft nur bie Xobten, ber Serläumber aber 
bie £ebenbigeit." SMr fönnen uns oor böfer Stad)* 
rebe nicht genug hüten. 35aS s Dlenfchenher$ h°t öon 
Statur einen ftarfen £mng ba^u. 

2 . 35 ie auferlegte Pflicht. 35a6 wir bie 
SSafjrheit lieben unb reben. ©ei wahr gegen bid) 
jelb|t, wahr gegen beinen Nächsten, wahr gegen beb 
neu ©ott. gürd)te biep nicht oor bem. was auS ber 
Söaprpeit entjpringt. ©ingroßer Kirchenlehrer fagt: 
„Stenn bie Stelt an einem gaben hinge, unb ber ga* 
ben wäre eine £üge, unb ich hätte nie ©cbere, mit ber 
er burchichnitten werben fönnte, fo wollte ich ntiep 
nid)t befimten.“ 

VI. bid) nicht gelüflen. 16. 17. 

1. 35 1 e oerbotenc ©ünbe. 35ie böfe Se* 

gierbe wirb hü* r verboten. AuS ber bojen fiuft beS 
per^enS gehen alle böfen SBorte unb Jbaten heroor. 
Senn bie ©ebanfen ertappt werben tonnten, wie 
oiele würben bann als *3)iebe ertappt werben? 2 Bie 
oielc würben bann als ©hebrecher ertappt werben ? 3 Bie 
man ben hoffen Bügel anlegt, wie ber Säger einem 
galten eine Stoppe überhüngt; fo follen wtr unjerer 
Scgierbe auch ben Bügel anlegen, unb unfere Augen 
,ycfd)lie 6 en, wenn bie Scrlocfung burch biefelbe herein 
will. * 

2 . $ i c auferlegte S JMl i dbt. 9t ach einem 
reinen .^er^en ( $u trauten. 9Jtit 35aütb ju beten: 
„Schaffe in mir, ©ott, ein reines ^erfl.“ 


IH—HN— 


©onntag, 26. guni. äJHfjtoiiköeltion. 


2 ®lof. 35, 20—29. 


20. ging bie ganje ©emetne ber ftinbeu 3$rael auS Don 
Dtofc. 

21. Unb alle, bie ei gerne unb nnttialidj gaben, Tarnen unb 
brathtcu baä .^cbopfer bem .fcctrn, aum SßjcrT ber ßutte be-s Stifte, 
unb <$u alle ieinem 35ienft, unb au ben heiligen ftleibcrn. 

22. (£^ brachten aber beibe SDlann uub ©eib, toer roifliglidj 

tbat, Obtenrinfeu, Stiiige uub Spanien, uub allerlei 

gftlben ©erättje. Xa^u brachte jebermann ©olb $ur SBebe bem 
^ernt. 

23. Unb tuerbei ihm fanb, gelbe Scibc, Stbarlafen, Koftnroth, 
meiße Scibe, Ziegenhaar, röthlich SBibberfell, unb ©achdfell, ber 
brachte e>3. 

SM. Unb roer Silber unb ©r^ h»h, ber brachte ei sur ^ebe bem 


#errn. Unb tner 3rörenbol} bei ihm fanb, ber brachte m &u 
allerlei ©ert be^S ©otteäbtenfteS. 

25. Uub melche oerftdnbige ©eiber mären, bie mirften mit ib= 
ren jpdnben, uub brachten ihr ©ert bon gelber Seibc, (Scharlaten, 
SRofinroth, unb meiner Selbe, 

26. Uub roclche ©eiber fotepe Wvbeit Tonnten unb miUig baju 
maren, bie mirften Ziegenhaar. 

27. 3)ic dürften aber brachten Onhj, unb eingefaftte Steine, 
aum ßeibroef unb aum SchilDlcin, 

28. Uub Specerei, unb Oel au ben ßichtem, unb aur Salbe, 
unb au gutem ÜRdnchmerf. 

2«. «ifo brachten bic Jftnber 3*rael mißiglicf), beibe ?Jtann 
unb ©eib, au allerlei ©erf, ba» ber §crr geboten hatte burd) 
aJtoie, bafj mand machen foUte. 


öihfifchrr ©rnnbgebanff: „©inen fröhlichen ©e- 
ber hot ©ott lieb.“ 2 ©or. 9, 7. 

Einleitung. 2 )ie ©reigniffe unferer Seftion fallen 
in ben §erbft beä Qahre^ 1491 Oor ©hrifti. ®olf 
lagerte nod) immer am guße bc^ ©inai. Unfere 2cf- 
tion fdjilbert, wie unb wa$ ba^ SSolt jum 33au ber 
©tift^hütte beitrug. $>ie Arbeit an biefem 33au 
würbe fobann in Angriff genommen unb fortgefept 
bi^ ©nbe 3ltär§ im gahre 1490 Oor ©h^f^- Suther 
hat ben h^bräifchen ^lii^brucf ohel moed mit bem 
Sporte ©tiftShütte überfeüt. Unter ©tift oerftept er 
ein au gotte^bienftlichem Bwecfe geftiftetc§ ©ebäube, 
wcldhe^ aber in biefem gaue ein B^Uf fine §ütte ift. 
5 )cr pcbräifcpe Slu^brud bebeutet Qelt ber 3 u font* 
mentunft. ©£ fottte ber Ort fein, wo ©ott mit fei= 
nem Solle ^ufammentreffen würbe, j|um B^^ ^ er 
Offenbarung feinerfeit^, ber Anbetung feiten^ be^ 
Solfeö. 

gn bem erften XhfUc be^ SeftionSfapitel^ warnt 
Vlojc ba§ Sol! oor bem ©abbathbruch. ©obann 


j^aplt er bie ©oben auf, bie ba3 Sol! jjum Sau ber 
©tift^hütte nach göttlicher Slnweifung bettragen fottte. 
©ott hatte biefen Sau nicht nur angeorbnet, nicht nur 
ben Sion bafür entworfen, fonbern auch bem 3Rofc 
2lnmeifungen in Sctreff ber Aufführung gegeben, 
©o finben wir oom 4—9 SerS ein bem Solle oerlüw 
bigte^ Ser^eichnig ber ©egenftänbe, welche gebracht 
werben bürften. Son Ser§ 10—19 wirb bie Arbeit 
Oerjeid)net, welche burch ^unftbegabte freiwillig am 
jufertigen ift für ben Sau ber ©tiftöpütte. 

Erflärung. 

8 . 20. 21. 9?achbem ttHofe baö Sol! oon ben für 
ben Sau nothwenbtgen ©egenftänben in Ä'enntniß ge* 
fept hatte, entließ er baffelbe. Unb bann beginnt bie 
©djilberung ber freubigen OHerwittigfeit, bic baö 
Sol! an ben Jag legte. $)ie Seitrage mürben nur 
oon ©olchen gebracht, bie fie gern unb mifliglich gaben. 
Att^ ber 9ttenge ber SBeipgefcpcnfe ergibt fleh bie 
fdjöne Xhotfadje, baß bie groge Sttaffc be^ Sollet ju 
ben freiwillig Opfemben gehörte. 


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Sonntagfd)ul=f(ktionm. 


329 


ö. 22. SRänner unb SBeiber metteiferten mitein- 
anber. (Sine heilige Segeifterung patte fiep beS SBol^ 
feS bemächtigt. ©ie brachten allerlei ©olbgerätp unb 
©epmueffaepen, mie j. S. Rafenringe, Ohrringe, gin¬ 
gerringe unb |>alSgepünge. Unter Den Hebräern tru¬ 
gen niept nur bie grauen, fonbem auep bie Männer 
golbene ©epmueffaepen, mie auS Kap. 3, 22 unb Kap. 
32,2 crpeUt. 

®. 23. 24. Suerft mürben bie förderlichen 
©cpmudfacpen geopfert. Dann tarnen anbere ©epape 
unb Sorrätpe an bie Steife. Die ßeßteren merben tn 
biefen jmei Werfen aufgezählt: flauer unb rotper 
furpur. KoccuS, Saurnmoue, giegenpaare, rotpe 
Sibberfette, DacpSfeUe, ©ilber, ©rz unb Äcacicnpolz. 

®. 25. 26. ©ier merben bie non faepoerftänbiaen 
SBeibem aimefertigten ©aepen namhaft gemacht. 3>aS 
üon ihnen ©emobene mirb hier als ein SicrfacpeS be¬ 
zeichnet: SurpurblaueS, JBurpurrotpeS, Karmefin- 
rotbeS unb 58aurnmolle. Rad} ben Dalmubiften unb 
Raobinen foüen bie erften brei ©toffe SBoUe gemefen 
fein. Dann hätte aber ber pohepriefterlicpe Ornat 
SerfcptebenartigeS enthalten, maS fiep mit 3 SRof. 19, 
19; 5 3Rof. 22, 11 nicht oertragt, gn ©zech- 44, 17 
mirb bie SBoUe für Sriefterfleiber unterfagt. ©icherer 
aber nimmt man an, baß alle üier SBebeftoffe flächfeneS 
©arn maren, bie brei erften gefärbt, baS lefcte gebleicht 
unb meiß. 

®. 27. 28. $ier merben bie Koftbarfeiten aufge- 
Zäplt, melche bie gürften als ihr Opfer barbrachten. 
Diefe gürften maren jebenfaUS bie Ä.elteften, melcpe 
in Kap. 3,16; 4, 29 ermahnt merben. 9Rofe batte fie 
auf getpro’S tftatp pin *u öauptleuten ober gürften 
gemacht, Kap. 18, 25. 5fciefe gürften brachten Onp£- 
fteine für ben ßeibroef beS §ohenpriefterS, Kap. 28, 
9—12; Sefafcfteine für baS Srufticpilb, Kap. 28, 
17—20; Oltoenöl für ben ßeuepter, Kap. 27, 20 unb 

i fir baS heilige ©alböl, Kap. 29, 24; unb ©emürz zum 
tüueperroert, Kap. 29, 24 

8 . 29. §ier mirb noch c ^ nma ^ rüpmenSmertpe 
X^atjad^e betont, baß bie Opfernben aus innerem 
Antrieb beS JperzenS unb baper freimillig ihre ©aben 
bem §emt barbrachten. ©S mar nichts ©ezmunge- 
neS. DaS ift einer Der herrlichften Sicptpunfte in ber 
©efeptehte 3SraelS. 

Jftaftifcpe ©ebaufen. 

Die heilige SRiffionSfaipe. 

I. Hin offene* Äuge. Da§ erfte ©rforberniß bie* 
fer heiligen ©ache ift ein offenes, ein peUeS Äuge. 
QSrael fap, wie notpmenbig ber Sau einer ©tiftS- 
butte mar. ®S butte ja feine ©tätte ber Anbetung. 
©3 hatte feinen Ort, mo eS fiep bor bem $errn alS 
©emeinbe aum ©otteSbienft oerfammeln fonnte. Die- 
fer 9Rangel machte fich fühlbar unter bem Solle. ÄlS 
mm ©ott burch SRofe ben Äufruf um freimiüige ©a- 
ben ergehen ließ, ba fanb berfelbe ein fröplicpeS ©epo; 
ba jünbete berfelbe unter bem Solle, mie ein fjunte 
im 3unber. Die SBogen ber Segeifterung gingen 

d . §ätte aber baS Soll fein Äuge gehabt, um Die 
(jmenbigteit beS Unternehmens zu fchen, eS mürbe 
nimmer mit folcher Segeifterung £anb an’S SSerf 
gelegt haben, um ein Dreifaches zu erfennen. 

1. 2BaS ©ott gethan hat. DaS aber hier 
auf§uzäplen, geftattet ber Raum nicht. ©S gilt ja auch 
nur, oen ©eoanfen hier anzuregen. 2BaS hat nic^t 
ber öerr ©roßeS burch SRifffonSbeftrebungen fei¬ 
ner Kirche gethan, feitbem SauluS mit bem ©oan- 
gelium in bie #eibenmelt hineinzog? 2Bir fehen ihn, 
ton gferufalem auSgehenb, über Äleinafien nach ©u* 
ropa, ja bis nach torbringen. 3Bir fehen, mie 
baS heibnifdK Warn ber ©iegeSmacht beS ©tangeliumS 
nach nnb nach erliegt, bis ©onftantin ber ©roße im 


4 ^ahrhunbert nicht nur felbft ©hrift mürbe, fonbem 
aua) baS ©hriftenthum auS feinem bisherigen SJtär- 
tprerthum zur herrjehenben Religion im großen SRö- 
merreich erhob. 2Bir fehen, mie bie fchottifchen unb 
fränfifepen ©laubenSboten bis in’S 8. ^ahrpunbert 
hinein ben alten Deutfchen bie ^ßrebigt tom kreuze 
brachten. Dann folgte allerbingS eine lange 3eit ton 
tielen Qahrhunberten, mo bie SWiffionSbeftrebungen 
mehr ober meniger, menn auch nie töllig ruheten. Qu 
©ube beS torigen ^ahthunbertS regte fich bann ber 
TOffionSgcift mieber fräftig. 9)tiffionSgefelIfchaft um 
SJftffionSgefellfchaft ift in Y S ßeben getreten, ©ine 
50tiffion um bie anbere mürbe in ben §eibenlänbem 
gegrünbet. 

2. 2SaS ©ott thut. ©tliche Dhatfachen müffen 
auch h^r genügen. Durch & e n ©chlüffel beS öanbelS, 
ber Diplomatie unb SBaffen, ber Drucferpreßen unb 
beS Delegraphen hat ©ott nach einanber bie Dhoren 
QnbienS, ber Dürfei, SurmahS, ©iamS, ©prienS, 3fa s 
panS, ©hinaS, ÄfrifaS unb Koreas aufgefchloffen. 
©epet in Qnbicn eine halbe SJfillion ©hriften, eine 
ganze Änzatjl felbfterhaltenber ©emeinben am ©u- 
Phrat. Setrachtet §apan mit feinen riefenhaften 
Sortfehritten, bie felbft baS Sßngftfeft nidht übertraf. 
Solpnefien mit feinen taufeno Äirchenthürmen; 
iftcÄU’S hunbert HltiffionSftationen in bem ungläubi¬ 
gen granfreiep. innerhalb 14 fahren finb 700 pro- 
teftantifche Kapellen auf ber Qnfel 9lfabagaStar ge¬ 
baut morben, fo baß biefe 3nfel jebt im ©anzen 1200 
Äircpen unb Kapellen zahlt. Die S^oteftanten zahlen 
8000 SJtitglieber. 3n Sucfnom, ^nbien, mo tor 30 
fahren mährenb ber ©epop Stebeuion fo oiele ©hri- 
ften ermorbet mürben, marfchirten neuli* 2000 £in- 
ber in einer ©onntagfchul-Srocefßon. Dr. Runter, 
©eneralbireftor ber ©tatiftif für bie englifche Regie¬ 
rung, fagt, über zwei SRiDionen ber Seoölferung 
QnbienS feien ©hriften. Diefe 3apl ift ZWölfmal fo 
groß mie biejenige Der Änhünger SubbpaS. »einrich 
Sftartpn fagte einmal: „3Senn ich K einen belehrten 
öinbu zu fehen befomme, fo merbe ich etmaS gefehen 
haben, maS ber Äuferftehung eines tobten ßeibeS ähn¬ 
licher ift, als maSicp bis lebt noch zn fepen ©elegenpeit 
hatte.ßeute jeboep gibt f S eine palbe 9Rillion einge¬ 
borene ©priften in gnoien. ^errlicpe ©iegeSbericpte 
fommen bereits üon allen OTffionSfelbera. ©S mirb 
berichtet, baß im Qapre 1886 auf bem gefammten 
SRiffionSgebiet 35,000 ©eelen gemonnen mürben, 
©outen mir ba niept fingen: „greift ©ott, ber aUen 
©egen gibt!" 

3. SBaS noep zu tpun ifi Rocpbiel,feprDiel. 
Das Söerf ber $eibenmiffion ift fo zu fagen erft be¬ 
gonnen. Droh aller SRiffionSarbeit, trop aller ©aben 
unb ©ebete für bie ÄuSbreitung beS Reiches ©otteS, 
troh aüer Kämpfe unb ©iege fifcen p^ute noch 800 
2Riuionen Reiben „in ginftemiß unb ©epatten beS 
DobeS. #/ Rocp gehen pribnifepe ©reuel unter ipnen 
im ©cpmange, oor benen uns graut. Rocp merfen 
bie ©pinefen ihre ftinblein taufenbmeiS in ben Sejo- 
ßuß. Rocp ift ber SBigmam beS ^nbianerS unb ber 
Salaft beS Königs üon Dapomep mit ben Kopfhäuten 
erfcplagener geinbe unb mit ben ©cpäbeln ermorbeter 
Diener gefepmüeft. Roch hängt ber getiepbaum ber 
Sulloneger üoU flappemoen 9RenfcpengebeinS. Dar¬ 
um foUen mir ein offenes Äuge für ben Jammer unb 
baS ©lenb ber öeibenmelt haben. 98ir foUen niept 
lieblos unb gleichgültig an ben armen Reiben üorüher- 
gehen. Die RrifffonSfacpe foü unS niept frernb bleiben. 
©S ift bie ©ache unferS §errn unb ßeilanoeS. 2Bir fül¬ 
len in güplung mit berfelben bleiben burep baS Sefen 
ber ©JfffionSfcpriften unb ben Sefucp ber SRiffionS- 
ftunben. 


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330 fröttenjettung. 

II. ©ine freigebige §anb. $ie SJftffionare rnüffen für beS öerrn 28er! nach unferm Vermögen, ©ib, fo 
unterftüpt, Bibeln unb ©djriften gebruett unb $apel= biel bu fannft. §aft bu fein ©olb, fo ^aft bu bodj 
len gebaut toerben. $>ie Betreibung bicfeS ^eiligen mopl Silber in benöotteSfaften ber Bttffton $u legen. 
feerreS foftet ©elb, üiel ©elb. Bon ben gSraeliten, ©elbft baS ©djerflein ber 2Bittme ift angenehm, 
mie fie unS in biefer SftiffionSleftion gefcpilbert mer* 3. ©ie gaben 2Ule. 3)ie fjürfren unb baS 
ben, foQen mir lernen, mie mir für biefe ©adje beiju* Bolf, bie Scanner unb bie SBeiber, bie gungen unl) 
tragen haben. gljre Beitrüge jeic^neten fich burch bie Sitten. ©o folPS in ber djriftlidjen Sirene auch 
folgenbe Sfterfmale aus. fein. gm ©eben füllten alle klaffen mit etnanber 

1 . ©ie gaben millig. ghre ©oben mußten metteifern. • 

nicht burd) meben, ©rmahnuugen ober gar Xrofyun* 4. ©ie gaben reichlich- ©o reichlich flojfen 
gen herauSgellopft merben. äftofe batte nur betannt bie ©aben, m folcher güue trugen fie bie ©acben 9 er- 
au machen, maS 5 um Bau einer ©tiftSl)ütte unb pr bei, baß 9Jtofe fich fdjlieglic^ genötigt fah, ben gS* 
©inrichtung beS ©otteSbienfteS nöthig jei, unb baS raeliten ©inhalt *u gebieten. $ap. 36,5—7. SBann 

*Bolf beeilte fich, eS berbeijujebaffen. feaS mir geben, mirb bie ftirche ©h^fti eine ähnliche greigebigfeit für 
follen mir millig unb froljlid) geben. Xenn „einen bie fKeidjSfache ihres Jperrn an ben Sag_ legen? Sie 
fröhlichen ©eher hat ©ott lieb." einheimifepe unb auswärtige SRiffion leibet 9!oth me= 

2 . ©ie gaben n a cp Bermögen. Siegürften gen Mangel an bem nötigen ©elb, um fie $u betreib 
brachten ©belfteine unb anbere foftbare ©achen. Sin* ben. Ser ^err gebe feinem neuteftamentlicpen Bolt 
bere brachten ©über unb ©r$. SEancpe gaben §olj. ben freigebigen ©inn, ben fein altteftamentlicpeS 
Anbere, meldje bietteiept nichts au geben im ©tanbe Bolt offenbarte, als eS ben Bau ber ©tiftspütte 
maren, leifteten Arbeit. ©0 fouen auch mir geben galt. 


gfrauenjeifung. 


Sttcpt bem, ber gibt bon feinem Ueberfluß, 2Baren eS auch MoS 2—3 ©eriepte, bie baS BlittagS- 

Soaj bem, ber gibt, nur meil er geben muß, mapl auSmachten—fo mürben biefelben bocp mit gro= 

Ser 3lUeS gibt unb gern baS Seben gibt, 6 er ©orgfalt ftubereitet, unb bie gefunbe gamilie 

Sem glaub icp’S nur, ba 6 er baS ©eben liebt. lohnte ®*üpe ber SJtutter. 

feir tonnen baffelbe für unfere gamilien tpun. 
Sag Sor’le über ba$ Hofften. ©S mirb in unferer gn mannen Gingen ift eS gut, ba 6 mir nicht nur 
geit biel geflagt über baS unbefriebigenbe Wochen, beutfd) bleiben, fonbern jeben Sag mehr beutfep mer* 
baS ^eut ju Xage fo biel au finben ift. ©rofje Ber= ben, tjauptfad^lid^ im ®od)en. Unfere SJtütter ^aben 
munoeruna tann ba3 mirtiic^ uiAt berborrufen, menn unä gelernt, ba§ ©infac^fte gut ju toc^en, unb ba| bie 
man bebenft, mie menig ©elegenbeit geboten ift. baö Äunft alles Äodbenö ift—bem ©infamen biefelbe Suf* 
Äoc^en grünblid^ ju lernen. ©$ finb in biefem Sanbe merffamteit gu fepenten, mie bem gemeren. 

8,000,000 Stücken, mo für 60,000,000 Betonen g e , ^ er größten Uebel im Äocßen in biefem fianbe 

toc^t mirb. Slucß finb in biefem Sanbe 20,000 SÖtufit' ift, ba 6 man nur barauf auä ift, eine große 2lu3mal)l 
leßrer, unb blo^ 20 Sefjrer, bie Äocßen leßren. gft bon ©beifen auf ben Xifc^ $u bringen. ®ie beftc 
eö ba ein Söunber, baß jo Biele überfpannt merben aller SJca^l^eiten ift bie einfache, mo aue§ aut jufam= 
unb jebe britte B^fou $)t)£bepfia ßat! men paßt, niept^ au fagen bon ber ©efunbpeit, meldjc 

gebe^©efcftäft unb jebe Eunft ßat geitfeßriften, bie burd^ einfadje $oft bema^rt bleibt, 
im gntereße beä ©cfcbäfteS ober ber £unft beraub 2 )iefed £anb ift fo reich alt OTem, maö nur ber 
gegeben merben. dagegen gibt e3 teine einjige gei^ arme Sttenjd) bedangen mag, unb e^ ift aud) geforgt, 
tung in biefem Sanoe, bie fieß au^fd)lie 6 li^ bem baß ber 2 lrme fein befcßeibeneS Xbcil haben tann. 
^auShalt miomet. ^)ienftboten, fo unerfahren, mie $ann man ba^ Befte nid^t taufen, fo ift bieleö ba, maä 
man fid)’ö nur benten tann, merben angefteüt, baö billig ift unb, menn borfidjtig gerodjt, bem gefunben 
Wochen tn ber gamilie ju t^un, unb eö ift erftaunlich, Appetit gerabe fo gut fdjmeat, mie bem heießen feine 
mie in biefem Sanbe, mo alleä bie §ülle unb güue Sederbifjen. 

borhanben ift, fo menig gutes unb gefunbeS lochen 5lud) ift eS eine oertehrte Slnficßt ju glauben, baß 
getban mirb. gleifcß unumgänglich nötbia ift. ©in 5hifcenb ©icr 

flcun märe biefeS 5UleS nicht fo jdt)limm, menn nicht pnb befjer als etliche Bfuito gleifch- HJtildb unb ©ier 
fo biel bon gefunber unb mohlgetochter Nahrung ao* unb SJtehlfpeifen finb nahrhafter als gleifd), ebenfo 
hinge. Stber mir 9)tenfchen h^oen gefunbe Nahrung Bohnen unb Öinfen. gür SHnber finb bie bielen ber' 
notpig. ©Sift^idhtS fchäblicher für ben 9tten)chen, [chiebenen ©rüpen, ßajergrüpe, SSeijem unb SSelfch' 
als ungenügenbe ^oft. SBirtungen unb 9tach 5 fomgrüpe 2 c. baS alferbefte ^ahnmgSmittel. 
theile erftreaen fich über Seib unb ©eifit. $>ie gcringfte Slufniertfamteit mirb in ber amerita^ 

2öir hoben beßhalb als beutfehe chriftlichc grauen nifdjen’ ®üd)e ben ©emüfen gefchentt. Beinahe jebeS 
unS ni^t bon bem geitgeift ftören 311 laffen. SSenn ©emüje mirb auf ein unb biefelbe SBeife aefod^t unb 
unS ber äJhitl) finten miu, fo laßt uns unfern Blicf natürlich oft gänzlich berborben. gcbeS ©emiife hat 
auf unfere SÄutter richten, feer bon unS baS ©lücf feinen eigenen ©ejeßmad unb eS lohnt fich gemiß ber 
hatte, in 3)eutfchlanb geboren unb erlogen morben ju 3Rül)e, ein jebeS borfidjtig unb fchmadhaft ju tochen. 
fein, mirb fich Ö^miß mit einem gemiffen §eimmeh ber ©me anbere Äunft im ifeocheu ift bie Beränberung. 
heimathlichen ^üche erinnern. BJie mürbe ba alles 2Sie oft hört man bie $lage, 0 , ich we jfi maS ju 
mit ber größten ©enauigteit unb Borficht gethan! lochen, unb bodj mollcn fie auch ni^tSSßeueSprobiren. 


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Jrauenjeitung. 


331 


©ine grau foU immer lernen, unb man !ann yi ber 
Hausarbeit nie auSlernen unb foflte beßhalb gerne 
irgenb etwas, was zur SBeränberung unb zum Söeften 
ber gamilie bereitwillig angenommen werben. 

Bum regten Äocfjen gehört bor Mein auch gutes 
uno zwedmäßiges ©efchirr. 9MdüS ift beffer als bie 
patentirten ©ranit*@tfenwaarüi/bon ber ©t. SouiS 
©tampina (Jo. ©S ift noch ffidjtS bagewefen, waS 
(o bie Arbeit in ber $udje erleichtert, als biefeS ©e* 
fdjirr. @S ift leicbt rein zu halten unb fiept immer 
gleich fdjön auS. 

ln ein jnngeS ftäbdjen. 

©ieh bir einmal im frühen Senz ben ©chlebborn an, 
bu fcpöne 2ftaib! 

2 Bie fteht er zart unb zauberhaft im fpipenflaren 
93lütljenfleib! — 

Doch wenn ber $erbft nach Dpaten fragt, hat er brei 
grüdjtlem faum bereit: 

Unb biefe noch finb herb unb fcparf — bent macp’S 
nicht nach, bu junge Sttaib! 

Hanbarbeit für bie linfe §anb. DaS „Dopeim" 
hat einen SßreiS auSgefefct für bie befte Söefcpreibung 
einer Arbeit, welche mit ber linten ftanb auSgefitprt 
werben fann. Unb ba wir unferen Sejerinnen in al* 
lerlei Gingen bepülflid) fein möchten, foll bie preis* 
gefrönte Irbeit eingerüdt werben. 

©ine leichte unb iopnenbe öanbarbeit lägt fid) mit* 
telft nachftebenb befcpriebenen gftftruments ohne 2ttüpe 
mit ber linten §anb anfertigen. äßan laffe fiep Z Us 
nädjft bon einem Difcpler zwei ungefähr 30 ©m. lange 
Seiften ma^en, bie an beiben ©nben mit einanber 
verbunben ftnb, woburch in ber 2ftitte ein $aum bon 
vielleicht 2 ©m. Breite entfteht. $n jebe ber Seiften 
wirb nun eine Anzahl runber 3ähne (ebenfalls aus 
Holz), bie nach °& en etwas fpiper zugehen, eingelaffen. 
Sie haben eine £öpe bon 3—4 ©m. unb müfjen uit* 
gefäpr 1 ©m. bon einanber entfernt ftehen. liefen 
zweireihigen Äamm befeftigt man nun fo burch eme 
gewöhnliche, an jeben Difd) }u fepraubenbe §olz= 
icpraube, baß man benfelben mtt Seicptiateit pin unb 
her bewegen fann. USbann mag bie vtrbeit begin* 
neu. Sftan fnotet bie zu berarbeitenbe SSoÜc am 
erften ©täbepen feft unb fchlingt biefe nun herüber 
unb hinüber in gorm einer 8, bom erften ©täbepen 
ber borberen Wethe zum zweiten ©täbepen ber pinte* 
ren Wethe u. f. f., bis alle einmal umwidelt finb, bann 
breht man ben ftamnt auf ber ©chraube um unb be* 
ginnt bon feuern ju umfcplingen, fo baß ficf| auf je* 
bem ©täbchen z*oet gaben befmben. 9Jun zieht man 
mit Daumen unb Beigefinger bie unterfte ©dringe 
über bie oberfte, erft bon ber einen, bann bon ber an* 
beren ©eite. gft bieS gesehen, fängt man wieber 
an zu umfchlingen ic. Die fertige Arbeit hängt ^wi* 
fchen beiben Setften herunter. ÄuS biefen ©treifen, 
bie ber Sßatentftriderei fehr ähnlich fehen, fann man 
alle ©orten Derfen, Wöcfe, ©hawlS 2C. berfertigen, es 
geht bei einiger gertigfeit fehr rajeh unb fiebt wun* 
berfepön aus. geh felbft hübe Arbeiten auf biefem 
3nftrument gefepen, bie bon einer Dame berfertigt 
waren, welche erft bor kurzem bie rechte §anb ber* 
loren unb erft nachher biefe Arbeit erlernt hat— Sßon 
Kerzen würbe ich utich freuen, wenn biefe meine ln* 
gaben bon einigem fßufeen fein fönnten für eine arme 
leibenbe SDfcitfcpmefter, bie nicht im ©ebraud) fämmt* 
licper, uns fo unentbehrlich erfepeinenber ©Itebmaßen 
ift 

ItteS jnr redeten Seit. Unter allen ©orgen ber 
Hausfrauen ftehe bie, baßltleS zur rechten 3eit gefipehe, 


obenan. föommt baS 3JMttageffen nicht zur regten 
Beit auf ben Difcp, fo zeigt baS ganze §auS, bom 
$sapa hemnter, ber feine Beit genau eintheilen muß, 
bis zum fleinen ©cpulbuoen ein berftörteS ©efiebt. 
3 ft man nie zur rechten 3eit zum ©paziergang fertig, 
muß erft ©Ife, bann TOnti nod) einmal zurüalaufen, 
weil fie bieS ober baS bergeffen haben unb grifethen 
fcpließlid) bor bem ©tabtthor nod) einmal umfehren, 
weil bie SJiama etwas liegen ließ, — bann hat fid) 
fepon am urfprüngtid) h e ttern ©emüthShimmel ber 
gamilie ein ©ewöltjufammengezogen, baS fich leicht 
ju einem tüchtigen ©ewitter entwicrelt unb bei nach 5 
|ter ©elegenheit entlabet. gft baS ©eburtStagSge* 
fchenf nicht zur rechten 3eit fertig, fo hat eS feinen 

S ialben 2öerth berloren, unb ift ber Empfänger allen* 
allS auch über bie nur halbe Arbeit erfreut, ber ©eber 
wirb bo^baS nieberfchlagcnbe ©efühl nicht lbs f baß 
er nicht SiHenSfraft genug befaß, feine Arbeit biS zu 
einer beftimmten 3eit fertig zu machen. 

ä 3cb totO! 

d) wiU ! — baslßort ift mächtig, 
pricht’S ©iner ernft uno ftiU, 

Die ©terne meift’S bom ßimmel 
Das eine Söort: „3ch wiu!'' 

geb wiU! — DaS SBort ift mächtig. 
m foU! — DaS SSort wiegt fd^wer; 

DaS eine fpric^t ber Diener, 

DaS anbre fpnd)t ber ^err. 

Saß ©ins Dir beibe werben 

e m H er 4 en ohne ©rott* 

S gibt lein ©lüct auf ©rben, 

3US 3öoUen was man foIL 

©in gutes Srob bon ©rabom glour. 3Jtan nimmt 
bon bem SBorteig, ben man für baS Weiße S3rob macht, 
je uaebbem man bon biefem $rob madien will gur 
zwei Saib ^rob nimmt man 1 Ouart SBorteig, nimmt 
2 Söffel bofl SftolaffeS ober aud) braunen 3uder, bazu 
J^Söffel boll gett unb fo biel ©rabam SJtehl, um 
einen fteifen Deig zu machen, eS braucht nur gemengt 
ZU werben. 9tad)bem eS wieber gegangen ift, formirt 
man eS zu Saibe unb läßt eS abermals gehen, worauf 
eS gebaden wirb. DiefeS SBrob foHte auf feinem 
Difaje fehlen, eS ift fehr gefunb unb nahrhuft, Weil 
bie ganze ©üte beS SSeizenfornS in biefem uftehl ift. 

fpargel zu fodjen« 92achbem er in ©alzwaffer 
gefönt ift, legt man ihn auf ein geröfteteS ©tuef 
Srob unb gießt eine gute TOlchfauce Darüber. 

©pargclfuppe. SJtan f^neibet ben ©pargel in 
fleine ©tücfe unb focht ibn in ein wenig ©alzwaffer 
Weich, nun röftet man Sörobwürfel in einem Söffel 
bott Söutter fcpön gelb unb gießt fo biel fodjenbeS 
Sßaffer bgran'alS man ©uppe haben wiH,zulept rührt 
man baS ©elbe bon einem ©i barau. 

©rbbcer*Äudjen. ©inen Daffe boll 3uder, 1 Söffel 
boll Butter, 1 ©i, 2 Dheelöffel boll Sacfpulber, 1 
s J8int 3Kehl unb fo biel 3ftilch, um einen gewöhnlichen 
Kuchenteig zu machen, zerteile ben Deig auf 3 ober 
4 niebere $uchenteHer unb baefe il)n. gn ber ^roi=* 
fdjenzeit laß bie S3eere mit ein wenig 3ucrer barllber 
)tehen. ©obalb bie Sueben fertig finb, lege bieSöeere 
bazwifchen unb gib 2Jtil<h, ober wo eS zu faben ift, 
3fiahm barüber mit 3uder. 

©S gibt stoeierlri grauiü. ©in immermäbrenbeS 
greubenfeft ift ber Umgang mit ben ©inen. Die 9fo* 


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332 


3raum;ettung. 



bern geben un£ nichts al3 bie Ueberaeugung, baß Jie 
in ihrem ßerjcn einen ©lafc bewahren, mohin ftch 
flüchten laßt, roenn baä fieben uns t>ermunbet ^at. 
3n SSirflichfeit finb bie ©inen ba, um Schmerlen ju 
fdwffen, bie Slnbern, um fie ju heilen. 


$n ber beatmen HeidjShaubtflabt geminnt hm 
metbliche ©lement ein immer grö&ereS numerifche# 
Uebergemicht über ba$ männliche. 3)ie Urfacbe hier* 
üon ift, ba& ber 3uftrom ber metblichen Sanbbebölfe* 
rung nach ©erlin ein Diel größerer a'ld ber ber münn* 










Uns ber 3fit. 


333 


litten ift, unb baß im Segenfap f)ier$u ein größerer 
Snuptpeil üon ^Berlinern al« ^Berlinerinnen bie $ro* 
öin$ mit ber ftauptftabt bertauftt. $eute gibt e« in 


©pree*9ltpen 51,000 grauen mepr al« SRänner, mäp- 
renb bor fünfoepn gapren männliche Element 
8000 $öpfe mepr ^a^Ite al^ ba« (töne Seftlecpt. 


«•»fr 


Jlu« ber $eit. 


59 8i*ntanf naA Ganoffa gegangen? 6 o mir ber 

eiferne Äanjler auf bem Silbe abgejeupnetift, fo benfe 
it mir Denselben, tbenn et bie Kämpfe im beutften 
jReicpgtaa au«fitt. SRic^ter unb SBinbporft, bie tyax* 
teien namrettö unbnadilinf« laufen bem mastigen 
SWann mit ungeteilter Äufmerffamteit $u, unb mcnn 
fie ihm öfter« ju nabe fommen, fo forbert er fie *ur 
3urutfnapme gemalter Sepauptungen ober $ur Se* 
metöfüprung mit foldjer SButt auf, Daß e« fern Snt* 
rinnen gibt. 

Unb bot wirb bon bielen 3 e rtungöfc^reibern be- 
pauptet, biefer getoaltige 9ttann fei „nat Sanoffa ge* 
gongen/' unb pabe fid) r mie Äaifer §einrit IV. tm 
ecbloß ju Sanoffa, bor bem (ßapfte gebemütpigt. 

Sr ift aber nid)t bapin gegangen. 

9U« Si«marcf mäpreno be« Milturfampfe« ba« 


, a gep’n mir nitt," b° 
>a« beuitcbe 9 tcicb für alle Seiten 

i . ._nri □ m x a 


©ort fpradh: „ÜRai 
meinte er nicpt, baß 
mit bem ^Sa^ft im (Streit fein molle. 9U« IR el t« s 
tangier muß gfirft Si«mar(f bor OTem barauf be= 
Datpt fein, ba« Sefte be« beutften SReite« &u mapren, 
unb er Darf nie bergeffen, baß in bemfelben aut 
Millionen ftatbolifen mopnen. 

Xiefe feine Stellung ift getoiß eine rittigc, obgleit 
eifrige fßroteftanten biel baran au^ujefeen pa- 
bcn. 3)er beutfte SReup«fan$ler ift al« folcper nitt 
berufen, bem ^apfttbum ben Ärieg bi« auf’« SReffer 
ju erflären, fonbem oa«©opl be« ganzen ftaiferreicp« 
$u förbem. 

Bl« ber 9ftomani«mu« bie Seben«auf gäbe Si«marcf« 
—bie beutfte ®taat«einpeif gefäbrbete, ba fupr ber 
Äanjler mit eifemer gauft ba*miften unb $etgte bem 
f apft, baß SBilpelm Der ©iegreiipe unb nttt §ein- 
rit IV. auf bem beutften Äaifertpronftßt. 

§eute ift bie ©atlage eine anbere. Xer^apftunb 
bie popen (Bürbenträger ber fatpoliften $inpe mol- 
len bie Sinpeit Xeutfcptonb«, unb e« ift bie 
nicbere fatpolifte Seifilitfeit, bie nebft ben (so^ia- 
liften unb Bnartiften au befämpfen ift. 

$a batte ber beutfte ÄanAler : Sut, ba fann man 
etwa« natgeben, auc 9 wenn Die Seute fagen, it fei 
nat Sanoffa gegangen. 

Sr matt einige 3 u Ö e ?tänbniffe, bie beim retten 
Sitt betrattet nacbaerabe nitt Übermaß groß finb, 
unb fagt in feiner tRebe bor bem preußifchen Bbge- 
orbnetenpau«, baß man biefe gugeftänbniffe lieber 
jurütfnepmen tonne, f o b a l b bie©atlo0e ba^u 
nötige. 

5)a« pauptfät^tfte 3 u 9 c ft ftlll)n i6 beftept in ber 
3 urücfgabe be« S^orrett«, bie fatpolifteu ^riefter 
m eigen« baju beftimmten ©eminarien ju erjiepen, 
onftatt in ©taat«uniberfitäten. 

©ölte ^orrette genießt ber$Romani«mu« unb an^ 
bere tirtlite ©etenntniffe in ben Ser. ©taatcn bon 
Anfang an. gft unfere Sunbe«regierung be«megen 
nat ©anoffa gegangen? 


(Bie fimmt man im Seben bormärt«? Sine 
(btytl ®eftäft«leute tarn jüngft auf ben ©ebanten, 


ein s Jtunbftreiben an biejenigen iprer Seruf«genoffen 
ju fticfen, beren Arbeit bon namhaftem Srfolg ge- 
frönt morben mar, mit ber Sitte, an$ugeben, mie fie’« 
eigentlich angefangen pätten. Sine große Sfnjabl 
?lntmorten lief ein, unb, für beseitige Serpältniffe 
faum glaublit, in ben meiften Wntmorten ftanb ge* 
ftriebcn ba« Sibelmort: Xrachtet am erften nat 
bem SReupe Sötte«! X)er s Jiacpfaß lautete: bann 
merbet ipr aut in ber Söelt bie beften Srfolge paben; 
ber fommt im Seben oormärt«, ber nitt barnat 
trattet, baß er bormärt« fomrne, jonberit barnat, 
baß er Sott gefalle, gn ben §lntmorten peißt e« 
meiter: SSillft du Srfolg haben, fo fei ein Sparatter, 
fei §err über alle Deine Segierben; übe ©elbftber- 
leugnung; püte bit oor ^u langem ©tlnf, ju biel 
Berftrcuungen unb Sergnügcn, bor jeber unnötpigen 
$u«gabe; fiepe ju, baß bu einen guten ÜRagen be 
pältft; fei im Meinen unb ^leinften forgfältig; ma« 
überpaupt mertp ift getpan au mcrbcn, ift aut mertp 
gut getpan ju merbeu; pabe eine genaue Äcnntniß 
aller Älcinigfeiten Deine« Sefcbäft« unb übermate 
aut ba« Seringfügigfte. Srleoige raft unb genau 
alle Seftäfte. ©ute Deine Srpolung in berSlbmetS 
lung Deiner Arbeit. $abe 3lu«bauer; ma« Dir peute 
nitt gelingt, gelingt Dir bieüeicpt über*« gapr, ober 
in 5 ober 10 ooer 50 gapren. ©ei fepr borfittig in 
Der SSapl aller beiner fieute. 3. ei 9 c i^ n «n geftigfeit 
unb greunblkpfeit. Serpalte bit 9 c g en Qebermann 
fo, al« tönne er bir nocp einmal nu|licp merben; 
tpue e« aber nitt au« Serecpnung, fonbern au« un 
etgennüpigem ©oplmoüen; palte bit nitt mit SRe* 
benbingen auf, pabe immer Dein 3^1 &or klugen, 
meibe unnüfee« Seftrnä^ ?c. — Öauter ©orte att 
praftifter Seben«mei«beit, bie jenen 3lmerifanern 
alle Spre maten unb Der Seper^igung mertp finb 
für gebermann, er fei Seftäft«mann ober nitt.— 
Xa mötten mir not beifügen, baß Sater unb9Rutter 
epren unb beren ©egen mit in’« Seben pinau«* unb 
bineinnepmen aut nitt ba« ftlettefte SRittcl ift, im 
fieben oormärt« ju fommen. 

SifcnaefAäft gilt pier ^u i]anbe befanntlit 
al« fiterfter uRaßftab be« allgemeinen Seftäft«ftan 
be«. Siegt jene« banieber, fo finb bie allgemeinen 
SeftäftS*9lu«fitten ftleti/ florirt e«, fo ift ein all- 

g emeiner „Soom^ $u ermarten. gn biefem s 2 lugen* 
lief finb mir ganj eutftieben in Der leßteren angc^ 
nepmen Sage, giir laufenbe« gapr ift bie Seguitg 
bon nitt meniger al« 21,347 2Retlen neuer Sifenbap 
nen in 2 Iu«fitt genommen, mäprenb minbeften« 
15,000 teilen älterer ©tienen neu gelegt merben 
(ollen. 3 ur Sefriebigung biefe« immenfen Sebürf 
niffe« fino 33^ SRilUonen Xonnen ©taplftienen er- 
forberlit, beren Sieferung nitt nur alle üorpanbenen 
Sorrätpe oöllig erftöpfen, fonbern auch fämmtlite 
Sifenmerfe De« Sanbe« in Sorb unb ©üb für bie 
Xauer eine« Ooüen gapre« Xag unb 5Ratt oeftäf- 
tigen mürbe. 3lut Die Sinmanberung ift aemöpnlit 
ein guter Sarometcr unfere« geftäftlitfn Scbeipen«, 


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334 


Situ btt 3rit. 


unb für laufenbeS 5$apr oerfpric^t fie, wie unfere 
eigene ©rfaprung leprt unb alle aus europäifcpen 
©äfen eintreffenoen Vericpte befagen, Simenfionen 
anjunepmen, bie waprfcpeinlicp alles Sagewefene 
überfteigen. Ratürlicp wirb ber ju erwartenbe ©e* 
fcpäftSboom aucp ein neues SpefulationSfieber per* 
borrufen, baS weniger heilfame SBirtungen äußern 
mag. ©lüdlicperwetfe bleiben leptere lofal, wäprenb 
erftere ber ©efammtpeit ju ©ute fommt. 

Raubritter unb ©ifcnbahnbicbe. Xie öielgetorie= 
Jene, fortjcprittlicpe Kultur oer Reujeit pat baS Ver* 
orecpen feineSWegS abjufepaffen bermoept. ©S äu|ert 
fiep bloS in anberer, ben 3ritberpältniffen angepaßter 
gorm. Sie alten Räuberbarone, bie aus ihren geften 
am Rhein ben borbeijiepenben ©anbelSmcmn aus* 
plünberten, bie RinalboS ber Schauerromane, bie 
Sief SurpinS unb „Veau VrocabeS" mtb bie ©artou* 

eS einer frübern Seit finb alle bor einem fräftigen 

olijeifpftemjurüdgewicpen. Sogar bieberwegenen 
weftlichen Vapnplünberer unb Wegelagerer haben fiep 
überlebt. Siefe ©lücfSritter finb inbeß bureb eine 
neue 2lrt SiebeSgeftnbel erfc&t worben, unb maprlicp 
bie öffentliche Storni hat bureb ben Umtaufcb nichts 
gewonnen. Surch bie alten SSegelagerer unb Raub¬ 
ritter ging immerhin noch ein gewiffer „ritterlicher" 
3ug. Sie waren Räuber, bie aus ihrem ©efepäft 
tein ©epl machten, bielmehr eine gewiffe ,,©pre" pin* 
einlcgten. 9Rit ben Leuten, bie fic auf ber ^aitbftrafje 
auSplünberten, ftanben fiem feiner nähern Bejiepung, 
fie übten feinen VertrauenSbrud). unfere heutigen 
Räuber hingegen befipen nicht eine einzige milbernbc 
©igenfepaft. Sie finb Scbleicbbiebe unb — waS baS 
Scplimmfte ift — Verrätper an Sreue unb ©Iauben 
ihrer SRitbürger. Sie Veute beS VkaelagererS war 
meiftentpeilS bon geringem Berthe uno feine Strafe, 
Wenn er ergriffen würbe, war ber Sob. Sen Scpleicp* 
hieben ber geptjeit fteht eine 3ucptpausftrafe bon brei 
biö fünf fahren bebor, wenn eS nämlich ben jungen- 
ferttgen vlbüofaten nicht gelingt, burep irgenb einen 
„gormfehler" beren greüaffung ju bcwirfeit. 

Siefe Betrachtungen würben beranlaßt bureb bie 
lepte $8o<pe in ^ittäburg, B a -, erfolgten s JRaffenbcr= 
baftungen ber biebiicpenVebicnfteten berBan©anble 
©ifenbahn. 2luS ben Berichten bariiber erhellt, baß 
man eS pier mit einer woplorganifirten SiebeSbanbe 
ju thun hat, bie ihre Vrobperren um ©unberttaufenbe 
bon SotlarS beftohlen haben, hoffen wir, baß feiner 
ber Vetpeiligten ber fo wohl berbienten Strafe ent* 
rinnnen wirb. 

gn ber Legislatur ju ©arriSburg ift bereits eine 
ViU eingebracht worben, welche bis ju oier gapren 
©efängniß unb bis ju $500 ©elbbuße auf baS nnbe* 
fugte Betreten, Oeffnen ober ©rbreepen eines ©üter* 
Wagens. ©epäcfwagenS ober einer Locomotibe fept. 
Siefe Bill fann natürlich auf biefe Verhafteten feine 
Slnwenbung mehr finben, wirb aber fiinftigpin bie 
Veftrafung bon Bahnräubern erleidfteru. 

©ine reiipc ßintoanbenmgS^rntr fepeint uns in 
SluSficpt ju fiepen. SaS gapr 1887 mag fich bielleicht 
ben für bie ©inwanberuna ergiebigften fahren an bie 
Seite fteUen. Sie berwimene 28ocpc gab eine barauf 
pinjielenbe 5lnbeutung. SediS Dampfer lanbeten an 
einem einzigen Xage an ©aftlcaarben 4273 @inwan* 
berer, ein ju biefer frühen fJahreSjeit nod) niemals 
bagewefeneS Veifpiel, ba fich *> er ©iuwanbererftrom 
gewöhnlich erft gegen 9Ritte laufenben SRonatS bon 
oen eurobäifchen §äfen aus in Bewegung ju fegen 
pflegt. i)\e 3nftänbe in Europa unb unfere eigenen 
arbeiten fiep in bie §änbe, um ein auSnapmSweife er* 


giebigeS SinwanberungSjahr ju febaffen. $>er wäp s 
renb beS ganjen Sinters brobeno über ber alten 
Söelt fchwebenbe’ftriegSfturm fann niept berfehlen, 
Xaufenbe unferen fieberen ©eftaben jujutreiben. 3)er 
fommenbe Ärieg wiro ungeheure Opfer an Vlut unb 
©igenthum forbern, gewaltige Stockungen beS ^>an* 
belS unb ©rwerbS im ©efolge haben, unb wer eS 
irgenb bermag, juept wopl ber ©efapr ^u entrinnen. 
2lnbererfeitS fteben unfere piefigen ©efcpaftS* unb @r* 
werbSberhältniffe günftig genucL um ftarfe 2ln$ie* 
pungSfraft ju üben. So große uRüpe man fidp auep 
brüben gegeben, bie Vegnffe ber SRaffen über 2lme* 
rifa ju berwirren unb trre ju leiten, baß eS allen 
gleißigen, Strebfamen unb griebfertigen ein gort* 
fommen bietet, hat man boep niept ju berbergen ber* 
moept unb bie ©Öffnungen Jaufenber finb naep wie 
bor nach bem fianbe ber greibeit unb bürgerlidjen 
©leicppeit gerichtet, ^lucp Der Umftanb, baß bie &r* 
beiterorganifationen pier in einem, braußen nidbt ge* 
fannten Rfaße gebeipen unb, opne bauembe Beem* 
träeptigung bon ©anbei unb ^nbuftrie, jur ©ebung 
unb Vcrbefferung berVerpältniffe beS 3lrbeiterftanbeS 
fepon fo wefentlicp beigetragen gaben, fann natürlich 
ni(pt berfeplen, jur Slnfcpwellung ber ©inwanberung 
beijutragen. Slmerifa ift unb bleibt baS gelobte 
Laub ber in ©uropa burep Verpältniffe unb ©erfom* 
men benacptpeiligten klaffen, unb als folcpeS wirb eS 
borauSficptlicp noep für gaprpunberte Rfillionen eine 
glücflicpe ©cimatp bieten fönnen. 

f>aS tm Reto Qorfer StaatSfenat eingebraepte 
©efep, WelcpeS ©otcleigentpümer jwingt, tn jebem 
Raum Vorrichtungen xur Rettung bei geuerSaefapr 
nnjubringen, ift gewiß bringenbeS Vebürfniß, nur 
foute boep etwas genauer angegeben werben, welcher 
2lrt biefe Vorrichtungen ju fein pabcn,b. p. man foute 
irgenb einen als einfach un *> erprobt erfannten Rp* 
paratfür obligatorifcp erflären. ©in einfaches Seil 
ift j. B. eine fol^e Vorrichtung, aber SBenige würben 
im fritifepen SRoment im Stanbe fein, Ruhen babon 
ju jiepen. ©ine gepörig befeftigte, jmedmäßig einge* 
rieptete Stricfleiter würbe bagegen bem 3*°ecf fepon 
bebeutenb beffer entfpreepen. Vor allen Singen aber 
füllte man für ©otclS auch gewiffe bauliepe Rnorb 
nungen crjwingen, bie ben Bewopnern baS ©ntfom* 
men bei geuerSgefapr erleichtern. Solche SRcnfcpcn* 
fallen, wie fie fegt in größeren Stäbten Ieiber allen!* 
halben im Schwünge finb, müßten energifcp befeitigt 
werben. 

3m füMtdjcn VunbeSgericptSbejirf hott Alabama 

belaufen fiep bie ©ebüpren ber VunbeS * ©ommiffäre, 
beS BunbeSanwaltS unb ber BunbeSmarfcpäHe für 
Verhaftung unb Verfolgung öon Regem wegen flei- 
ner ©oljbiebftäple auf RegieruitgSlanb unb wegen 
anberer unbebeutenber Vergehen gegen bie ©efehc 
auf bie ßleinigfeit bon $125,000, ohne baß ; außer m 
ben atlerfeltenfteu gälten, eine Verurtpetlung unb 
noep feltener eine Veftrafuna erfolgt wäre. Sererfte 
©iilfS * ©omptroüer ©arrifou pat ^IngeficptS biefer 
enormen unb pöcpft überßüffigen Soften ein Schreiben 
an ben Sanbcontmiffär SparfS gerichtet, worin er 
ganj unumwunben bie Slnficpt auSfpricpt, baß im 
[üblichen Vejirf bon Alabama bie ©erren VunbeS* 
beamten fiep Reger mietpen, um ©oljbiebftäple ju 
begehen, unb fie bann bafür berfolgen, um bon ber 
VunbeSregierung Sporteln einfaefen ju fönnen. ©err 
SparfS pat berfproepen, fid) nach ber Satpe umju* 
fepen unb biefem Treiben ein ©nbe ju maepen. 

gn ganj äpnlicper SBeife foUen—wie bie 3eitungeu 
behaupten — bie VunbeSbeamten im Rorbweßen 


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Äffrae ?off 


335 


©portein machen au« ben Slnflagen gegen ^ßerfonen, 
bie ben gnbianern 33ranntmem bertaufen. d« fommt 
nicht gerabe feiten öor, bag ^Serfonen, bie irgenb 
einem gnbianer ©djnapp« oertauft gaben, mit oieleit 
3euaen auf hunberte oon teilen oor bie 33unbe«- 
gerügte gefdjleppt rnerben. Ter bie Verhaftung unb 


bie Vorlabung beforgenbe 2ftarfd)aU erhält natürlich 
SReifetoften unb Tagegelber, bte 3 cu 9 en ö **urfa- 
djen Uncle ©am auch bebeutenbe Zogen unb ber 
„Verbrecher" mirb meift in eine ©elbftrafe bon einem 
Toflar ober zu bierunbzmanzigftünbiger §aft ber- 
urteilt! 


- ^^!C8JSn « - 

Offene 


ftinfcerfefttag. Zeine ©onntagfdjule möge berfäu- 
men, ben Zinberfefttag zu feiern, ©ohg ein geft, 
wenn e« gut au«gefüf)rt miro, bringt reime griiehte. 

hoffentlich fenoen bie beutfegen Sehranftalten dir- 
culare au«, unb haben auch für Programme geforgt. 
d« ift bomehmlich ©ache ber Sehranftalten, biefen 
Zinberfefttag einzuführen, benn bie an bemfelben er* 
hobenen douetten fino für bie Unterftüpung armer 
©tubenten beftimmt. 3ebe« Sehrer-dotlegium füllte 
barauf bebacht fein, biefe geier in bem betreffenben 
Territorium recht fegen«reidj ui geftalten, niept nur 
ber dollette halber, fonbern ber drziehungöfadje megen. 

ÄH« Per ©^toen erhielten mir au« 9lnlag einiger 
Vemerfungen über oa« bon bem fchmeizerifchen Vun- 
be«rath au«geübte Vranntmein * Monopol eine Qu 
fdjrift, bie mir au« ^meierlei ©rünben gerne pub- 
li^iren. 

drften« ift biefelbe al« Slntmort eine« 2lnber«ben- 
fenben mufterglütig, unb mir rauhgemorbene Teutfd)- 
amerifaner burfen un« mohl ein Veipiel baran neg- 
men, fo baß unfere 9Reinung«berfd^iebenheiten etma« 
höflicher au«getaufcht rnerben. feiten« hat hau« 
uno jberb fetn 9Ronopol auf bie Unfehlbarteit unb 
fein SHebatteur hagt nicht« mehr, al« menn bei ber- 
fAiebenen Slnficgten bie ViUigteit«rücffichten in einem 
Platte hintenan gefegt rnerben. 

28ir banfen unferem greunb unb geehrten Scfer 
für ben guten- Ton feiner gufchrift, jomie für fein 
unterer 9Ronat«fchrift gefdjenfteö Sogimollen unb 
laffen ihn nunmehr unberfünt reben: 

2lu, 3öäben«meil, 3ürich, 22. 5lpril 1887. 
herrn Siebhart! 

Qn ber lefcten Kummer Qhre« gefehlten „hau« 
unb herb/' beffen treuer Abonnent id) feit mehr al« 
10 fahren bin, haben ©ie bezüglich be« in ber©chmeiz 
ein^uführenben Vranntmein = Monopol«, einige Ve- 
mertungen gemalt, bie ich al« guter Bürger unb al« 
dhrift nicht unerroibert ginnegmen faun. Qdj be- 
greife jmar recht gut, menn greuube gänzlicher dnt- 
naltfamteit fleh mit biefem Öefefc nicht befriebigt er¬ 
klären tonnen; aber für uu« in ber ©djmeiz mit un¬ 
fern bon Slmerita gänzlich berfchiebenen Verpältniffen 
ift e« menigften« ein ©epritt zum Seffern unb ztoar 
ein groger, menn nur ber Zleinbertauf be« 
Vranntmein« unb bie 2Birt h fdjajt« f reih eit 
befchränft unb ba« ©ift höher besteuert mirb. 
Tag e« ein gortfd)ritt in guter Dichtung ift, bemeift 
am fchlagenoftcn ber Umftanb, bag bie ©chnapp«- 
roirtpe, ©chnapp«brenner unb Trinter fich gemaltig 
bagegen auflehnen, unb bag fc^on je^t bie nötige 
Untcrfchriften-3 a h l beifamnien ift, burch Verlangen 
be« meferenbum« (ober ber gefammten Volf«abftim- 
mung) bem ©efefc ben Tobe«ftog z u geben, hoffen 
mir, oag e« ihnen nicht gelinge; fobiel rann ichShnen 


fagen, bag alle ©läubigen unb bie Veffergefinnten 
jeber politifdjen Partei barin einig finb, für bie Vor¬ 
lage energifch cinznftehen. 

halten ©ie mir biefe Vemertungcn zu gut, ich meig 

hren ©tanbpuntt ebenfall« zu murbigen; aber 3hre 

u«laffungen über bie 28ei«geit ber fchmeizerifchen 
fRätge maren nach meiner Slnftcgt in biefergrage übel 
angemanbt unb haben gemig auch anbermärt« bei 
Shren ©chmeizerfreunben feinen Entlang aefunben. 

s 2Ufo — barum feine geinbfehaft nicht! geh bleibe 
3h r treuer Abonnent unb habe au« lauter greunb- 
fdjaft Qhuen meine Meinung gefagt; fommen ©ie 
mieber einmal zu un« nach Jorgen, motlen mir 
meiter über biefe Materie reben. 

Ter liebe ©ott fegne ©ie unb „hau« unb h^b" 
fomeit e« hinfomnit! 5tRit herzlichem 

da «per h ö h n , Unter Crt. 

SBefdfc ©ibelauSgabe enthält bie äd|t luthenffhe 
Ueberfepung ? XBir haben früher ben ^öibelteft im 
„SBibelforfcger'' unb „.hau« unb herb" au«fd)licglich 
au« ber 33ibelau«gabe oer 3lm. ^3tbelgefellfd)aft fcfcen 
laffen, meil borau«zufehen ift, bag biefe ^lu«gabe hier 
ZU Sanbe bie berbreitetfte ift. 

Tagegen marb eingemanbt, bag fieg biefe $u«gabe 
nicht tn münfd)en«mcrther Ucbereinftunmung an bie 
äd)t lutherifdje Uebcrfepung halte. 

Teghalb mürbe bie in ber ganzen 3Sclt al« urluthe- 
rifd) anertannte Sibelau«gabe bon 33. ©. Teubner 
angefchafft unb feitger für ben s 3ibelforfcher benüpt. 
’Run aoer fagt ein 93efcfalug ber fRebgelb ©onntag- 
ul - donbention, bag bie benüpte 3lu«gabe bem 
ortlaut nach nicht in ftrenger Uebereinftimmung 
mit ber 33ibeluberfepung bou Tr. 2R. Sutger ftehe, 
unb mir rnerben erfudjt, tünftig bie 2lu«gabe ber $lm. 
33ibelgcfellfchaft zu gebrauchen. 

Scjjtere« mirb bom 1. guli an gefchehen, nicht meil 
bie Bibeln ber 2lm. 93ibelgefeflfchaft „lutgcrifcher" 
finb al« anbere (biele Äenner behaupten gerabe ba« 
©egentgeil), fonbern meil bie 2lu«gabe ber 9lm. ^8i- 
bclgefetlfchaft gier $u Sanbe bie am m ei tei¬ 
lten ber breitete ift. 

Sßa« bie ädjte, uralte, lutgerifche ?lu«gabe betrifft, 
fo mirb mogi feine einzige in ber©eaenmart nach ^r. 
3R. Sutger’« Ueberfepung gebrudte löibel ben erften 
lutgeriidjen 33ibeln auf’« haar gleichen, fchon beghalb 
nicht, meil biele bor breigunbert fahren gebräuchliche 
5lu«brücfe heut zu Tage ganz unberftänolich mären. 

$a0 Kabfhen au« bem (£lfa§, melche« ber Zünft¬ 
ler fo treu unb gut abgebilbet pat unb beffen 5Bilb 
zmijehen ©eite 312 unb 313 ju finben ift, fipt fo fricb- 
lich bei feinem Tägchen Zaffee, al« ob e« bie feelt- 
hänbel gar nicht« angingen, unb ba« dlfag nidht ber 
groge gantapfel ztoifchen Teutfchlanb unb grant- 
reich fei 


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336 


Um Sdjattm. 


Unb fo ift eS beim Bol! im Allgemeinen. Die 
Mütter, bie ©chweftern unb bie grauen—wollen ben 
gtiebeit, fowte audfchunberttaujenbe Männer. gum 
Krieg unb Wachezügen reifen nur bie unruhigen Kopfe 
unb biefleidjt finb aud) bieie Offiziere ber Armeen ba- 
mit.einberftanben, wenn cS „loS geht,“ benn alSbann 
blüht ber feeren beS DffiziercorpS. 

. 9Wöge griebe unb ©intracht bie Böller -bcglüden 
unb ber Krieg mit feinen Sdjrecfen ferne bleiben. 

' Aus Auftralien tommt bie Wachricht, baß in ber 
Rationalen gelbprobe ber Binbemafcpinen bie bon 
ilultman, Etiler & ©o. in Atron, 0., IjergefieUte 
SWafchine bie golbene SJlebaille am 14. Dezember 1886 
au ©pepparton, SSiftoria, errungen h*t- Die bon 
Sfcfcr girma angefertigte, leicht zu bewegenbe Buctep 
Binbcmafchine, welche man^ufammenlegen tann fcpnitt 
bie ihr Augewiefene ©rnte auf einem zwei Ader gro¬ 
ßen gelo neun Minuten früher ab, als ihre englifcpe, 
unb YechSzepn Minuten früher, als ihre amerifantfd^e 
Wioalift. Dabei gebrauchte man für bie Afron - 3Wa= 
fcpine nur zwei, für bie anbem aber brei Bfcrbe. 

„Auf unb lieber“ — bieS ift ber Xitel einer aus¬ 
gezeichneten ©näplung, welche in biefem foefte be- 
innt. Die fiefer werben biel ©enuß unb ©egen in 
crfeloen finben. ©ie wirb in 5 ober 6 Wummern 
beenbigt. 

grau Anna ©pörri in SBintertpur pai unfern 
Auftrag, einen $pmnuS zum aeptzigften gapreSfeft 
unfereS Dr. Waft zu fepreiben, in fo föftlicper Bkife 
auSgeführt, baß wir nicht umhin tönnen, öffentlich 


Die leibliche Bewegung ift nöthig zur leiblichen 
©efunbpeit: geiftige Arbeit ift nöthig *ur grifche beS 
©eifteS; geiftlicher Kampf mit ber ©unbe, SBelt unb 
©atan tft nöthig zur geistlichen ©efunbpeit. 

„Alle* ift euer“— baS ift bie ^eripberic; „gpraber 
feib ©prifti“—baS ift ber WabiuS; „©priftuS aber ift 
©otteS“—baS ift baS ©entrum. halleluja. 

Die nnanfechtbarfle unb einzig richtige Antwort 
auf bie jept auch in Amerita |o bielfach bentilirte 
grage: „0b Krieg, obergrieben?“ gibt ber^umorift 
beS „Dil ©itp Blizzarb “ ©r beginnt feinen lebten 
fieitartifel über bie tßeltlage mit oem ebenfo großen, 
wiegelaffen niebergefebriebenen 28ort: „Der näcpfte 
Krieg ift unbermeiblich r 

SRrS. VrouPmotpcr jeigt ihr acht Sttonate altes 
Babp einer Wachbarin, bie wegen ihrer geringen ©abe, 
Komplimente zu machen, im ganzen 0rt berannt ift, 
mit ben SBorten: „Wun, baS muffen boch felbft ©ie 
Zugeftepn, baß ber Heine Kerl feinem Bater, Wie aus 
ben Augen gefepnitten ift,—nicht?“—,,©ewiß,“ erwi- 
bert bie ©efragte, „aber wenn baS Kinb nur gefunb 
ift, würbe ich mich an 3prer Stelle nicht weiter bar- 
über tränten.“ 

3« einem noch oerljcittmfmäßig jungen, weftlichen 
©ettlement würbe eine ©ouette zur ©infaffung unb 


Dant abzuftatten. ©ott erhalte biefe Dichterin bon 
©otteS ©naben noch Diele gapre, unb mögen [ich un¬ 
tere Sefer noch manchesmal an ben ausgezeichneten 
ißrobuften berfeben erquicten bürfen. 

gür bie mancherlei ©intaPungen, in ben SWona- 
ten guli unb Auguft an Sagerberfammlungen unb 
anberen gcftlicptetten Dpeil zu nehmen, Jagt ber ©bi- 
tor beS foauS unb ®erb ^er^lid) Dan!. ©S wirb ihm 
in jener geit jeboch nicht bergönnet fein, biefen freunb- 
liehen Wufen $u folgen. Am 12. guli biefeS gapreS 
fott pamlicp bie lepte ©ibung beS ©efangbuep* ©orn- 
mitte^S in ©hicago, gll., beginnen. Diefelbe mag 
hier ^Soeben währen, obwohl wir hoffen in türgerer 
geit bie Arbeit zu boHenben. ©omit wäre ein Som¬ 
mermonat mit pöcpft erquictenber Batanzarbeit ge¬ 
füllt, unb ich tönnte {ebenfalls bom 12. guli bis 12. 
Auguft teinerlei Besprechungen machen. 

Da jeboch eine längere Aowefenpeit auS ber We- 
baHionSftube Borbereitung für biefe AbWefenheit er- 
forbert, unb nach ber Wücnepr eine SWcnge unerlebig- 
ter ©orrefponbenzen unb ©efcßäfte beforgt werben 
müffen, fo wirb ber ©bitor beS jjauS unb §erb ben 
tommenben ©ommer !aum im ©tanbe fein zu geft- 
lidjfeiten zu reifen, um mit feinen lieben greunben 
ftärfenbe ©rquictungSzeiten mitzumadhen. Deßhalb 
— nochmals herzlichen Dan!; aberben lommenben 
©omniet laben wir unS am „neuen ©efangbuch.'' 

Angenommene Artifel : ©djloß SBinbfor unb feine 
Umgebung.—Der Kolibri.—$elbenmuth einer grau. 
—23ach auf, bu ©eift ber erften geugen.—5Wäbchen- 
erziepung. — ©ibt cS auch gäUe, ba man oermeigem 
barf ©uteS zu thun? 


Berfchönerung beS Kirchhof beranftaltet. AIS man 
mit bem betreffenben ©ammeibogen auch bei bem 
einzigen Arzt beS $lapeS oorfpraa). lehnte eS biefer 
ab, ftd) an ber ©oHe!te zu betheiligen, unb moütnrte 
biefe SBeigerung mit ben SBorten: „geh ben!e, ich 
thue ohnehin fepon mehr, als ein Anberer filr ben 
Kircbbof, itibem ich ih n fo fchnell wie möglich auf¬ 
fülle!“ 

©in in ©uropa r reifenPer f)anfee hotte in einem 
Babeorte baS ©lüd, einem ber Dielen beutfdjen gür- 
ften, ber fidj ebenbafelbft auf hielt, baS geben zu retten, 
als bie Bferbe beffelben mit ihm burchgingen. Bon 
ber banfbaren Roheit gefragt, waS er zum Sohn für 
feine Dhat lieber haben woÜe, ob Ijunbert griebrichS- 
bor ober eine große golbene SWebaiHe, erhinbigte fid| 
ber amerifanifebe Schlaumeier: „SBie oiel bie 9J!e- 
baiüe werth fei?“ — „0b, etwa fünf griebrid^Sbor,“ 
lautete ber Befcheib.—„Wun benn,“ ertlärte ber fürß- 
lic^e SebenSretter, „fo will ich fünfunbneunzig grie- 
bnchSbor unb bie WtebaiÜe nehmen.“ 

Ueber Pen neuen, auf ben erften ©eptember als 
„Sabor Dap“ für ben Bereich beS ©taateS Wew Ror! 
feftgefepten, gefeßliAen geiertag fchreibt ein weftlicber 
©paßbogel: „Der Dag ift oon ber Wew Rorler Se- 
giSlatur waprfcheiniieh oeßhalb v ArbeitS*Dag / getauft, 
weil fidb an ipm fämmtliche v Baar!eeper / im Staate 
überarbeiten werben. 


- » l -— 

|m Sdiattrn. 


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' 2. Jteue unb SBa^eit ift eine anbere ®i» ßatntf für ®otteä®$re unb «efc§; 'für So« 

- unb Saiertanb unb beffen fjödfifte ©fiter Kar 

*) (Erattöton & Stoire polten »ortrefftüfie Silber» fyerauötritt, 
bfiiber auf Säger. 2)a8 graufentiafte 8ef)ogen am @eme|el einer 

ss 


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§fünf)el}ttter 'gSanb. 


|ufi 1887. 


£iefieitfe$ #«fL 


Bilö uni» Pud) für bas Biitöeenltfr. 

@6itoritD. 


fUn* :p 3 \ J-sl Lj! an hatoon jeher Silberbücher 
^J rilrll ein jwetfmäßige« Unter» 
'• V 4/l!J lL ^Itung«» unb Silbung«» 
für^»nberangefehen, 
unb überaus reich öertreten 

l in gerabe biefer Sichtung ift 

f J > bie Siteratur. gaft lein 

- ; - 3af)r »ergebt, ohne baß nicht 

ber eine ober anbere Serlag 
neue Srjcßeinungen auf ben Süchermarft bringt, 
greilidh finb e« in oielen gatten nicht gerabe 
muftergültige, empfehlenSroerthe ©Triften, im 
©egentheil: bie Silber finb unwahr, unfd)ön, 
enthalten fein bilbenbe« (Element, unb ber lejt, 
Wetter ihnen beigegeben Wirb, paßt junt ©an» 
jen wie bie gauft auf’« Sluge, b. t). gar nicht, 
lie erfte grage benn, welche unfere SeantWor» 
tung forbert, ift bie: 

SBie fott ber Inhalt be« Silberbudjeä be« 
fdiaffen fein?*) 

1. @« enthalte nicht«, wa« bie gaffung«fraft 
ber Sinber überfteigt. laljin gehören über» 
finntidje ©egenftänbe, ©igenfdjaften ber Seele, 
fhmbilbliche ©emätbe. 

laß e« aber fchlechterbing« nicht« aufnehnten 
foKe, Wa« man täglich in ber Statur um fid) 
habe, ift unrichtig. Ia« Sinb foö ju feiner 
Unterhaltung fich jaba« Slbwefenbe gerabe bur<h 
fein Slbbilb al« gegenwärtig benfen; e« foH j. 
S. beim Slnfchauen eine« abgebilbeten Spiere« 
fuh allerlei barfiber merfen; bei Säumen, SBät» 
bern, ©ebirgen, gelbem, ©ärten, Slumen ihre 
garbe unb ©eftatt, ihren Stufen unb ihre Schön» 
heit befpredfjen. 

2. Irene unb SBahrljeit ift eine anbere ®i= 

*) SranSton k Stowe halten oortrefflidje Silber» 
bfidjer auf Säger. 


genfchaft, bie man an ein gute« Silberbuch $u 
ftetten toohl berechtigt ift. 

©ewiß ift bie Schönheit unb geinheit ber 
Silber wünfchenswerth, höher jeboch fteht bie 
Ireue unb SBahrheit be« largeftellten. ler 
Sinfel, fagt ein trefflicher Schulmann über bie» 
fen Sunft, barf fo wenig lügen al« bie $unge. 
Ia« Sitb habe innere SBahrheit unb äußere 
Stöglidjleit, unb meibe, Wa« bem Sfinbe eine 
falfdie Sorftellung oon ©ott unb SBelt, oon 
Statur» unb SJtenfchenleben beibringen müßte, 
laher finb fo wenige ber gewöhnlichen Silber» 
bücher, weil ihr Srei« e in außtrorbentlidj nie» 
briger ift, ohne jebweben bilbenben SBerth für 
ba« &inbe«atter. 

3. le« erziehlichen gweie« Wegen bränge man 
nicht ju Diele unb ganj ungleichartige ©egenftänbe 
auf einem Slatte jufammen. Solch’ bunte« lurcf)» 
einanber öerwirrt ba« S'inb; e« fteht bie Stenge 
höchft oerfchiebener Silber, bie alle jufammen» 
ftehen, auf einmal, fpringt mit feiner lebhaften 
GEinbilbungSlraft oon einem jum anbem über, 
unb fann beßhalb nicht feine Slufmerffamfeit auf 
einen ©egenftanb richten. 

4. ©nblich—unb bie« ift einer ber michtigften 
fünfte—enthalte ba« Silberbudj nicht« Unfitt» 
liehe«, fonbem nur larftellungen, welche irgenb 
eine gute, eble ©mpfinbung weefen unb nähren 
fönnen. SBir laffen über biefen Sunft Ir. 
Schmibt reben. Ia« Silberbudj fott unb barf 
auch ööfe ©eftnnung in Iljaten heraustreten 
laffen, aber immer fo, baß bamit auch ein fitt» 
liehe« Urtheit nahe gelegt wirb; ba« fUtlidj 
Unfdjöne werbe nie oerfchönert, oergolbet. 
Schlad)tenbitber §. S. foHten nur mit Sorßdjt, 
nur bann etwa aufgenommen Werben, wo ber 
tampf für ©otte« @hre unb Steich, für Sol! 
unb Saterlanb unb beffen höchfte ©üter Har 
heraustritt. 

Ia« graufenhafte Sehagen am ©eme$el einer 


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338 


>IU) unb lud) für bas $inbesalttt. 


Schlacht ift fo jiemtich baffelbe, mit bem bie al¬ 
ten Sömer ihren ©labiatoren* ober I^ierfäm* 
pfen jufaben unb bie ©panier ihren ©tierge* 
festen noch jufeben. ®affelbe gilt auch t>on 
ben ^e^jagben; eine oon ben Quellen ber 
Tierquälerei fönnte fonft auch baS Silberbucb 
werben. 

©in Vauptbilberbud) bürfen wir ni(f)t oer* 
geffen, es ift bie Sibel. ©ine gute Silberbibet 
ift ein Wahrer ©cba|} für eine ffamilie. Son 
®ore, bem berühmten franjöfifcben SRaler, toirb 
erjäblt, bafj er bie Sibel befe^aib fo lieb gewon* 
nen unb fpäter ittuftrirt t»abe, weit feine Slmme 
ifjm, als er noch ein Kinb toar, bie heiligen @e= 
fdjidjten barauS erjäblte unb bie Silber ihm er* 
Härte, Snbeffcu ift fein fefyr teures 253ert mit 
feiner raffinirten @ffectf|af<±)erei unenblid) rneit 
oom (Seifte biblifcfier Keufcbbeit entfernt, unb 
fdjon aus biefem ©runbe fotlte eS oon uns ®eut= 
jdben toeniger berüdficbtigt toerben. 

Mein Wir ftnb oon jeher Anbeter beS grem* 
ben gewefen, unb granfreid) infonberbeit toar 
ber Srennpunft, in bem, nach unferer SReinung 
WenigftenS, fich alles, toaS Silbung unb SRobe 
biefj, bereinigte. (Sott fei ®anf finb wir feit 
ben emig benfroürbigen 3 n b rcn oon 1870 unb 
1871 babon geteilt. Md) bebürfen wir beS 
SettelnS bor fremben 2:^üren nicf)t. $ie beutfcfte 
Künft fann fid) mit irgenb einem Kulturöolf 
f)eute meffen, ohne fid) ber ©efabr auSjufefcen, 
bintenangefefct ju werben. ®ie Schnorr’fcbe 
Sibel in Silbern ift ein SReifterwerf im oollften 
©inne beS SBorteS. SBaS Songfeöow — fo ur* 
tbeilt ®r. Koeget — oon ®ürer fagt, gilt aud) 
bon ©tbnorr, er ift ein ©oangelift ber Kunft. 
SBäbrenb ®ore bie ^eilige ©dbrift wie taufenb 
unb eine Sacht malt, mäbrenb eine Seihe beut* 
fd)er moberner HJtaler ben Vbrm tbeilS Iran!» 
baft, tbeilS niebrig auffaffen, ift bie ©cbnorr’fcbe 
Sibel in gortfefcung ebrwürbiger Ueberlieferun* 
gen, geweihter Sorbilber feufcbe jC^eoIogie, 
©cbnorr’S (£b r >f tug eine erhabene unb erbebenbe 
©eftalt. 

Son biefen ©cfichtspunften aus lief) fidb auch 
unfer Serlag in Cincinnati leiten, als er an bie 
Verausgabe einer Sibel in Silbern ging. ©S 
würbe aus ber SDtenge beS Wahrhaft ©uten unb 
©tbönen auSgewäblt. ©o fommt es, bafj bie gröfjte 
9lnjabl ber Silber ber ©cbnorr’fcben Sibel ent* 
nommen ift, obfdjon auch bie beften unb reinften 
oon 3)ore Aufnahme barin gefunben haben. 2Bir 
möchten auf biefeS SBerf unfer beutfd)eS Sol! 
hiermit na<hbrüdli<hft bintoeifen. 333er irgenb* 
wie bie Soften erfebwingen fann — unb fie finb in 
SBabrbeit nicht fo groß —, ber taufe biefe Sibel. 
Cr wirb nicht nur für fid) felbft einen uncr= 
id)öpflicben ©d)a| reiner greuben tjaben, fon* 


bem auch feinen Kinbem eine ganje SSelt beS 
©cbönen unb ©uten erfdjtiefjen. 

3fn Serbinbung biemit fei auch ber guten, 
febön iHuftrirten unb billigen oon ©ranSton 
& ©towe berauSgegebenen „S i b ti f dben ©e* 
febiebte," fowie beS Silber faatS" (im 
fetben Serlag) gebaebt. 

SRan erfennt ben 253ertb beS letztgenannten, 
unfcbäfcbaren SBerf eS lange nicht jur ©enüge. 
3n ben Kleinfinberflaffen beifpielSWeife ift ber 
Sitberfaal unentbehrlich- 3>d) WenigftenS wüfjte 
nidbt, Wie baS Qntereffe an ber Seftion beffer 
gewedt unb biefe felbft jum bteibenben @igen= 
tbum ber Kleinen unb Kleinften gemacht werben 
fönnte, als gerabe burch biefeS VütfSmittel. 

3ubem finb im Saufe ber Sabre bie Silber 
fo oeroollfommnet Worben, baff fie als muftergül 
tige für ihren 3>»ed getroft f»ingefteHt werben 
bürfen. hartes, Seines, Schönes foll in ben 
Spiegel ber Kinberfeele fallen. SBoljlan! Ijiet 
ift es. 2Ran brauche es, woju eS beftimmt ift! 
®ie geringe SReljranögabe Wirb jeber Sonntag* 
fcfjule, bie fich jur Slnfdbaffung beS SitberfaalS 
entfdfiliefjt, reiche grüßte tragen. 

SBir wenben uns ber jweiten grage §u: 

SBeldbett SBertb hot ba§ Silberbudb für baä 
KinbeSalter? 

©in erfahrener Schulmann ergreife oaS 3Bort. 
®r. ©chmibt fagt barüber: Stngenebme Unter* 
baltung junächft. ®aS Silb bot für alle Kin* 
ber einen unerfeböpftidjen Sei§. ®amit ift oiel 
gewonnen für ben allejeit regen SefchäftigungS* 
trieb unb gegen bie bem Kinbe fo unnatürliche 
unb barum fo läftige unb gefährliche Sange* 
Weite. 

3tt ber Sefchäftigung mit bem Silberbuch 
aber entwideln fich Allerlei im Kinbe fdblum* 
mernbe unb ber Anregung unb Silbung bebürf* 
tige Slntagen unb Kräfte. Slm Silberbuch ent* 
widelt fidb fc> er ©efichtS* unb ©dbönbeitsfinn. 
@S bilbet unb bereichert bie Mfchauung, belebt, 
orbnet unb oerebelt bie Sb an t a f>c, erweitert ben 
©efichtSfreiS über bie engen ©rennen ber fpei* 
matb b'*wuS, eS übt, bilbet, bereichert nament* 
lieh auch @b rac h e - 

©chon bie Senennung ber oerfdjiebenen ©e* 
genftänbe im Silberbuch ift für baS Kinb nicht 
unwichtig; mit ben Samen ber ®inge fefct fid) 
ber fleine SERenfc^ geiftig in ben Sefijj berfelben. 
Unb Welche Sprechübung bereitet nun nidbt Wei* 
ter baS fpören beffen, WaS bem Kinbe, an ben 
Silbern anfnüpfenb, erjäblt Wirb unb WaS eS 
felbft bann wieber erjäbtt! Samentlicb tbun bie 
Silber auch für bie Silbung beS ©emütbeS unb 
ber fittlichen ©efinnung ihre guten SJtenfte. 
®ie guten unb bie böfen $anblungen ber 3Ren* 


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Sdjloß XKnbfbr unb feint Umgegend. 


339 


fdjen üben im Silbe il)r Stecht, halb Warnenb, 
halb nadhjiehenb unb werben, mit bem paffen» 
ben 2Borte üerbunben, Samenförner, bie fich im 
Soben bed ©emütljed niebertegen. 

fBir haben ben Starten biefed Scßulmanned 
nichts SEBeitered beijufügen unb wenben und ba» 
her bet brüten ffrage ju : 

Sßann ift bad Silberbuch ju gebrauten? 

Jjn ben erften Sinberjapren ift ber gebrauch 
ber Silber nicht nur ganj entbehrlich, fonbern 
auch an fid) unb für fpätere Senfifcung berfel» 
ben fdfäbüdj. ©ntbeßrUch beßwegen, weil bad 
Serftänbniß füt Sbbilbungen bem Sinbe noch 
gänjlich fehlt. ®ie feinften Staßlftiche, bie 
fcßönften Delgemälbe ober bad gewößnlichfte 
3eug, wenn ed nur redjt bunt ift unb in bie 31 u» 
gen fällt; ißm ift’d gleich- ®d bejubelt bad 
Üine wie bad Slnbere mit berfelben Suft ober 
Unluft; lann jefjt fich baran recht ergäben unb ed 
wenige Süugenblicfe fpäter gleichgültig bei ©eite 
legen ober Woßl gar jerreißen. 

Sdjäblich bagegen ift ber j u f rü he ©ebraucß 
ber Silberbücßer infofern, ald fich an ih ncn ber 
©eficßtöfinn weit weniger übt unb bebeutenb un= 
fixerer, ald an wirtlichen ©egenftänben. .Qubem 
foü in ben erften fahren ber Seobadjtungdgeift 
weit mehr, ald bie ©inbilbungdtraft geübt wer» 
ben. Silber aber tönnen, ohne äRitßülfe ber 
Bhantafie, feine Sorftetlung öon förderlichen 
©egenftänben in ber Seele erzeugen, dagegen 
ift bei wirtlichen ©egenftänben Weit mehr Se» 
obadjtungdgeift nöthig. 3 U frühed btoßed Spie» 
len mit ben Silbern, gibt ber Stufmerffamteit 
bei bem Wirtlichen Slnblicfe ju wenig E£hätigteit. 
5)er SReij baju ift gefchwächt; bie ©inbilbungd» 
traft hat im Soraud fcßon Sefijj oon ber Seele 
genommen unb ber finnlicfjen SBahrncßmung 
leinen fRaum gelaffen. 


2Ran begnüge fich baher im friüjeften 8ttter 
mit folchen ®ingen, Welche bad ftinb umgeben. 
3ft bagegen biefe erfte Silbungdjeit, bad 4. 
bid 6. ^aßr oorüber; fangen bie ®inber an 
auf Stbbilbungen ju merfen, unb Wünfchen fie 
ihren Sinn unb ihre Sebeutung ju erfahren: fo ift 
ed $eit, ihnen biefe lehrreiche Unterhaltung ju 
gewähren. 

2)ad bringt und jur Schlußfrage: 

Söie fott bad Silberbuch gebraucht werben? 

SBer ba meint, bie bloße Sufchaffung eined 
Silberbuched, felbft eined guten, genüge, um bie 
ßinber ju befdjäftigen unb ju bilben, ber irrt 
ganj gewaltig, ffiinber wünfchen Selehrung. 
®arum ift’d junächft wichtig, baß man ihnen in 
faßlicher SBeife Slufflärung gebe über bad, Wad 
ein Silb ift unb nur fein tann; Wad ed mit bem 
wirtlichen ©egenftanbe gemein hot, unb Worin 
ed oon ihm oerfdjieben ift. ®ann gebe man ihnen 
2tnfangd nur bad Silb einef ©egenftanbed unb 
bezeichne ed mit bem beftimmteften Flamen, Wo» 
mit auch bcrStame ber ©attung oerbunben Wer» 
ben tann; j. S. biefer Saum heißt ein ©ich» 
bäum, biefed $ta er e >o §unb. Sor allen ®in» 
gen oerßüte man bad flüchtige Stnfdjauen, bad 
Vorteilen oon ©inem jum Snbcm. ®ad tann 
man aber nur ereilen, Wenn man fich mit ihnen 
barüber unterhält. 

©d bürfte faum nöthig fein, ©Itern unb ^u» 
genbfreunben bie aRetßobe oorjufeßreiben, welche 
fie bei ben Unterhaltungen über Silber inne 
ju halten hoben. Qe finblicher ihr eigened ©e» 
müth trofc ber oorangefcfjrittenen ^aßre geblie» 
ben ift; je forgfamer fie bie Sinberctjaraftere ftu» 
birt unb ber Sinberherjen grüßlen unb SBünfchen 
belaufcht unb oerftanben hoben: um fo natür» 
licßer unb mirffamer wirb ihre Unterhaltung 
fein. 




Sdjloß Jtyindfor und feine Umgegend. 


gür {fand unb ©erb ton g. Korf. 


I d ift anertennungdWertß, intereffont unb 
nüjjlich, baß $aud unb $erb und burch 
Start unb Silb auch bad öorbringt, wad 
J gteichfam in ber ßuft liegt unb jur $eit 
bie 3Renfchen befchäftigt. 

©rfepeint' eine neue Siographie ßincolnd — 
gleich bringt §aud unb fperb prächtige Sudjüge 
aud berfelben; wirb Saifer SBithelmd 90igfter 
©eburtdtag gefeiert, fo bringt unfere äJtonotd» 
fchrift fdjon Stachen Oorßer eine©haratteriftit bed 
Monarchen, unb im 3uni=$efte erhielten wir 


aud Slnlaß bed 50jährigen SRegierungdjubi» 
läumd eine treffliche ^inWeifung auf Sittoria, 
ber guten, frommen ffamilien» unb ßanbedmut» 
ter ©nglanbd. 

®a mag ed auch am ^lofte fein, auch einmal 
etwad oon bem englifchen Sönigdfcßloß ju ßö= 
ren, wofelbft fich bie Sittoria am meiften auf» 
hält. 

2)iefed große unb prächtige Schloß, Weld)eö 
gegenwärtig einen glächenraum oon etwa jwölf 
borgen bebeett, war oor 3 a h r h ult berten eine 


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340 


Sdllofj §Btnbfor u»t> feine Mmgegenb. 


ftarfe ffeftung, ju toetc^er fdjon SBilhelm bet 
gröberer ben (Srurtb gelegt haben foü, uitb 
toelc^e oon betn nachfolgenben Regenten immer 
mehr üergröfjert unb oerfd)önert mürbe, big fie 
ben jefcigen Umfang erreichte. 

Stuf bem Silbe finb mehrere oon ben breijehn 


ber bie ©egenb meithin beherrfcht.—Stuf ber 
fftiictfeite liegt ein 1800 SJtorgen großer, herrlich 
angelegter ijkrf» mit Stöeen unb gruppen oon 
riefigen Säumen, unter benen fich oiele Stubet 
^»irfche unb Stehe aufhalten. 

$)a§ Schtojj befteht au« brei Xheilen, bem 



Ihürmen be« Schlöffe« ju fehen, ber alte, runbe 
Jhurm, ber bie ERitte be« Schlöffe« bilbet, unb 
jur Siechten ber ©lodern ober Säfar« Ih urm - 
Son ber ©aleric biefe« Schlöffe« geniest 
man bie Stu«ftcht auf jmölf ®raffd)aften, ba e« 
auf einem jiemlich hohen unb fteilen £ügel liegt, 


oberen, mittleren unb untern. 3m oberen unb 
größten Xheit ift bie Sieftben} ber Königin Si!- 
toria, toeldje oiet jur Serfchönerung berfetben 
gethan hat. 

2)ie Zimmer nach Storben mürben jeitenloeife 
oon bem ungtäcflichen S'önig Sari 1. berechnt, 


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Sdjlofj ffiinbfor unb feint gmgegrob. 


341 


unb fpäter bienten fie if)m ald ©efängrtiß, bis 
et nacf) bem fßalaft 331)itet)aH gebraut würbe, 
um bort Eingerichtet ju werben. 

®ie blutbürftige TOarin hielt fdjon im 3af)re 
1545 einen feierlichen Sinjug in SBinbfor noch 
ihrer Sermählung mit Eßhil'P II. oon Spanien. 

gm mittleren bem fogenonnten runben 
Ih«mC/ jeugen noch oiele SBänbe oon feiner 
früheren traurigen Sebeutung ald ©efängniß 
für hohe, in Ungnabe gefallene ißerfonen, bereu 
Jtamen, SBappen u. f. w. noch beutticf) ju fehen 
unb ju lefen finb. 

Sin 520 fjuß langer ®ang, ber mit eielen 
Süften unb ©emälben gefdjmücft ift, oerbinbet 
bie öftliche unb {übliche ©eite bed Scßtoffed. 
$er föniglidje Slubienjfaal enthält berühmte 


3n ber fehr großen SRüftfammer finb SBaffen 
aller 2lrt bis ju ben ätteften feiten juriicf auf» 
bewahrt unb in guter Orbnung anfgefteHt. 31 m 
füblichen @nbe ftehen bie S3üften oon äJtarl» 
borough unb Wellington. 3 11 ber SDtitte einer 
großen genfternifche fteßt ein Ih e *t b £ ä ®or= 
mafted ber Siftort) (bad (Schiff, auf welchem 
Stbmiral SRelfon bei Trafalgar fiel), unb bar» 
auf eine Soloffalbüfte biefed gelben. SSechtd 
unb tinfd ftehen jwei eherne ©efdjühe, bie aud 
bem ®rie(j mit ben Siffyd h £ *ftammen. Ueber 
bem Sainin fteht ein Sdjilb, ben granj I. Oon 
granfreid) Heinrich bem VIII. jum ©efdjenf 
machte. Qn ber fehr großen S3anfethatle, „St. 
©eorgd £>nHe," ift bie ®ede mit Samtera unb 
SBappen ber Witter oom jgwfenbanborben ge» 



©emälbe, unter Slnberen auch bad Silb ber 
äJlaria (Stuart. 33ie SBänbe finb mit fchönen 
©obelind gefdjmüdt, welche bie ©efchichte ber 
altteftamentlichenÄönigin@fther barfteHen. $)ad 
®ectengemälbe ftetlt bie Königin Katharina (®e= 
mahlin ßarld II.), ber ald Sritannia in einem 
oon Schwänen gezogenen SBagen fifcenb, beglei» 
tct oon giora, Sered, Sßomona unb anbem ®öt» 
tinnen, auf ihrem SEBege jum Üetnpel ber %\x- 
genb. S)ad ®ecfengemälbe in einem ©mpfaitg» 
Zimmer ber Königin ftellt ebenfalld bie Königin 
Katharina bar, umgeben oon ©eftalten: SReli» 
gion, Klugheit, ©ebulb unb anbem Ungenbcn. 
®ie SBänbe finb ebenfo mit ©obelind bebecft, 
Welche eine gortfefcung ber ©efchichte Sftherd 
bilben. 


fdjmüdt, unb an ben SBänben ftellen bie mei» 
ften ©emälbe englifche Slönige bar. 

®ad große Smpfangjimmer ift im Stpl 
Souid XIV. mit Oerfdjwenberifcher ^racßt, Ser» 

f jolbung unb Schnißwerl oerjiert. Die SBänbe 
inb mit ©obelind bebecft, welche bie ©efchichte 
bed golbenen Sließed barfteöen. ®ad foge» 
nannte SBaterloojimmer zeichnet fich burch archi» 
teftonifchen Schmucf aud unb enthält jahtreidhe 
Sßorträtd berühmter ©rößen, bie fic^ bei SBaterloo 
audgejeidwet hotten, fowie aud) bad Silb Oon 
fßabft VII., Stlejanber I. oon SRußlanb, 
granj I. oon Oeftreich, griebrich III. oon $reu= 
ßen u. f. w. $)ad Staatd»Sorzimmer hot eine 
feßr fcßön gemalte $ede, ein ©öttermahl üor» 
ftellenb, unb fehr reiched, foftbared ©cfjnigWerf. 


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342 


ädjloß Pinbfor unb feine Kmgegenb. 


Ueber bem Samin ftanb baS Sitb ©eorgS III. 
im SrönungSomat. 

Sie große Sßorßalle bietet wirtlich einen im» 
pofanten Slnblicf, fotuoljt burcß ißre Sauart, 
als auch burcß bie nieten Xrophäen unb Süftun» 
gen, bie ringS um bie ©tatue bet Königin Sit» 
totio angebracht finb. Sine fet)t hohe, breite 
Xreppe führt bireft ju ben ©mpfangSräutnen. 
SaS 3uccareni=3immer enthält eine große 3tn= 
jaht non ©emätben biefeS ©teifterS; fie ftetlen 
attteftamenttiche ©eenen, fed)3 itatienifche Sanb» 
fchaften unb ißortraitS engtifcher Könige nor. 

SaS San Spcf » gimmer enthält eine SRei^e 
non ©emätben feiner ffunft, meiftenS ©lieber 
ber gamilie SarlS I., ihn fetbft ju $ferb, unb 
nerfdhiebene ©erfonen feines §offtaate8. 


3n bem ©emötbe unter bem Stittetpunft beS 
©horS hmrben ftart I., Heinrich VIII. unb feine 
©emahtin 3ane ©epmour, welche non SBeftmin» 
fter higher überführt toorben tnar, fotoie ein 
Xöcflterchen ber Königin Stnna, beigefeßt; fpäter 
Würbe auch ber ungtücfiiche Heinrich VI. non 
ber ©hertfep Stbtei hierher gebracht. 

Unter ben nieten frönen unb intereffanten 
©rabbenfmätem macht baS ©enotaphium auS 
Weißem SKarmor ber tßrinjeffin ©hartotte, Xodp 
ter ©eorgS IV., ben tiefften ©inbrud; eS ftettt bie 
ißrinjeffin auf bem ißarabebett bar, an jeher ©de 
fttiet eine trauembe ©eftatt; im $intergrunb 
ift ein ©taufoteum fidjtbar, aus bem fidh ihr 
©eift erhebt, geleitet non jWei ©ngetn, unb ei= 
ner berfetben trägt ihr neugeborenes $inb. 



Qm unteren Xtjeit beS ©djloffeS fteht bie St. 
©eorgS = Kapelle. $ier Würben am fjeiertag 
beS ^eiligen ©eorg 1349 bie erften Sitter beS 
$ofenbanborben3 ernannt; feitbem würbe biefe 
SfapeHe non ben fpäteren Segenten immer mehr 
nerfchönert unb oergrößert; unb noch heute Wer» 
ben im ©hör biefer Kapelle bie Sitter biefeS 
OrbenS eingefeßt. 3hre Sanner ftehen an ih= 
ren Stäben rechts unb tinfS, unb ihre Seihen» 
folge richtet fich nach bem Saturn ihrer 2tuf» 
nähme; an jebem ©i| ift eine ©teffingptatte, 
auf welcher Samen unb Xitel beS Inhabers 
ftehen, unb barüber SBappen, f»etm unb Schwert 
jebeS SitterS angebracht. Sie Königin mit 
fjamitie hat ihren ©iß unweit ber Orgel, bie 
wirtlich einen majeftätifchen Son hot. 


©in in ber Sähe beftnbticheS jjenfter mit ©la8< 
gemätben Wirft prächtige ffarben auf biefeS 
Senfmat. 3m wefttichen Xheit ber Kirche hot 
bie Königin Siftoria ein fehr fchöneS ©ionument 
für ihren Sater, ben fterjog oon fient, errieten 
taffen, unb im fübtiepen Xf)eit ein bCSgteidjen 
für ihre Xante, bie $erjogin oon ©toucefter. 
2tn bie öftlidje ©eite ber Kapelle ftößt ein hoher, 
fteinemer Sau, bie Kapelle beS ftarbinatS 
SSotfet), bie jeboch feit beS tßrinjen SIbertS lob 
biefen ju ©hren reftaurirt, prae§tooll gefchmüctt 
unb nach »h m 2ttbert=8'apeIIe genannt würbe. 
SaS Senotaphium (®hrengrab»Sentmat) iß 
oon fchwarjem ©tarmor mit ©otb; rings herum 
finb Heine Sifchen mit niebtichen ©tatuen, bie 
Sarmherjigfeit, grömmigfeit, Hoffnung, ©e 


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Sdjlofj jfönbfor unb feine gmgegrob. 


343 


rec^tigfeit, ©Ijre unb SEBa^r^ett barfteHenb. Sin 
ber öftlidjen ©eite ftef)t eine fefjr Heine trouernbe 
©tatue bet Königin SBiftoria. 2)ie oben tie= 
genbe ©eftattbe8(j}ringen=©emabl3 ift aus 3Rar= 
mor, unb gu (einen (fü|en liegt fein ßtebtingS= 
$unb @o3.—Sin biefe beiben Kapellen ftoffen 
flofterartige ©änge unb $öfe, toel^e ben 3 U= 
gang gu ben SBo^nungen ber ©eifttidjen unb 
fonftigen SlngefteHten bilben. 

®ie @d|Q^getoö(be finb für ba8 fßublilum 


anftojjenben ©ewölbe (tet|t eine lange Xafel mit 
lauter ©atgfäffern ber foftbarften Strt, eine 
jtoeite mit bieten Jabadäbofen, Sehern, Kel= 
eben, SBafen Don ben öerfdjiebenften funftreicb 5 
ften (formen bon Silber unb ©olb; ber grobe 
filberne ©t. @reorgä=Kronleucbter; ein grober, 
filberner ©tbilb; ba8 laufbeefen nebft Sanne 
bon bergotbetem Silber; ein febr grober @olb= 
Humpen, ben eine ©efettfefjaft ber Königin ge= 
febieft butte; ein 9?eitfattel, ben ber Sultan ber 



nur febr auSnabmäweife gugängticb; e3 ift aber 
auch ein aufjerorbentlic|er 9teid)tbum barin 
aufbemabrt. ©o boeb unb grob baö crfte ©e= 
Wölbe ift, fo geben bo<b ringö herum ©efteöe 
bis an feie ®ede, mit ©itbergefebirr, tbeilweife 
bergolbet, unb in allen erbenHi<ben (formen; 
in ben ffenftemifeben fteben b°b e Komm oben 
mit giemtüb flauen ©(bublaben, worin unjäb» 
lige Seftetfe unb Söffet, öiele ber teueren Oer» 
golbet, unb in allen ©röfjen fi(b befinben. 3m 


Königin SBiftoria f(ben!te unb ber gang mit 9tu= 
binen unb ©maragben geftieft War u. f. w. 
u. f. W. 

©inen ©egenfafj gu biefem SReidjtbum bit= 
ben feboeb bie einfachen Sßrioatgcmndjer ber Köni= 
gin, beren SJtöbel nur mit geblümten Söaumwol» 
lenftoff übergogen fiitb.—3 n turger ©ntfemung 
oon SBinbfor liegt baö ©täbtdjen ©ton, tuclcfjeä 
bureb eine ber angefebenften fiebranftatten @ng* 
tanbö, baS ©ton ßolleginm, berühmt ift. ®iefe 


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344 


$djloß Pinbfor unb feine gmgegenb. 


Slnftalt tourbe anno 1440 oon £>einrid) IV. ge= 
ftiftet unb mirb nicht nur Oon 70 greifchütern 
befugt, beren Soften bie Königin beftreitet, fon» 
bern auch nodj oon etma 900 ©öfynen meift 
reifer unb oomeijmer ©Item. 2)ie jährlichen 
Soften eines ©tubenten belaufen ficf) auf unge» 
fäf)r $840! ®ie $iSciplin ift ftreng unb bie S oft 
feljr einfach. ©ebeutenbe tarnen fielen auf ber 
Sifte ber Sllumnibiefer Slnftalt, als: Wellington, 
SBalpole, goj, ©anning, ©otjle unb galant, 
ber ©eft^ic^tSfdfireiber. ®ie ©ollegiumSgebäube 
bilben jtoei große, lange ©ierede, bie mit 2luS* 
nähme ber Kapelle, oon ©adfteinen aufgeführt 
finb. 


fernte $orf Stofe ©ogiS ju befugen, roo berge* 
feierte 3)id)terIfjomaS ©rat) auf bem©otteSader 
ber Reinen $orffirdje feine lepte fRuheftätte ge* 
funben fjat. 5)erfelbe mürbe im 3aljre 1716 in 
Sonbon geboren, mürbe in ©ton Ijerangebilbet 
unb mibmete ficf) bem ©tubium ber Siebte unb 
ber alten ©pracfjen. ©r ftarb im 3faf)re 1771 
unb mürbe feinem SBunfche gemäß neben feiner 
SKutter beerbigt. ©eine ©ebiehte, bie juerft in 
Sonbon anno 1768 erfcfjienen, erlebten zahlreiche 
SluSgaben. 3 n feinen ©ebidjten bereinigt fidj 
poetifcheS geuer unb SBürbe beS ©efüf)l8 mit 
Kraft ber ©ebanfen unb ©leganj beS ©tilS unb 
ber Sprache. 



3)ie Sorberfeite ift gegen bie Hfjemfe gelehrt 
unb fcfjöne ©arten erftreden ficf) bis an baS Ufer 
beS fjrluffeS. Qn ber 3Ritte beS fjofeS ergebt 
fid) eine ©tatue £einricf)S IV., beS ©rünberS 
ber Slnftalt; biefelbe ift eine impofante gi* 
gur, ben König im ©taatSornat oorfteöenb, in 
einer $anb bie ©rbfugel mit Kreuj, in ber am 
bern baS föniglidje ©cepter tragenb. 

SEBie aus bem beigefügten ©ilb ju erfetjen ift, 
fo bietet biefeS großartige ©ebäube mit feinen 
antifen Stürmen unb feiner erhöhten Sage an 
ber fanft bafjinfliefjenben Xßemfe bem Künftler 
reidfilicßeS SRaterial jur Sanbfdjaftmalerei. 

Wenige fReifenbe, bie baS Schloß SEBinbfor 
befugen, oerfäumen eS, baS fünf SDteilen ent* 


©ein berübintcfteS SBert ift eine ©legie ober 
ein 2rauergebid)t über bie Xobten, beren ©rab* 
f)ügel )id) um baS fdjlicßte, länblic^e ©otteSbauS 
ßerum erheben. ®affelbe berührt bie jar= 
teften ©aiten beS menfd|liehen §er jenS, meßhalb 
eS nicht ju oermunbem ift, baß es in faft alle 
Sprachen ©uropaS, felbft in’S ©riechifche unb 
$ebräifdje überfeßt morben ift. 

®ie föftlichen ©ebanfen, benen ©rap in feiner 
©legie SluSbrud gab, oerbanfte er großenteils 
ber ^nfpiration, bie er in ber Umgebung ber 2)orf* 
firche oon ©tofe fßogiS fchöpfte, menn er etma 
in abenblicher ®ömmerung8ftunbe ba meilte, 
mo fein theuerfteS Kleinob auf ©rben, feine ge* 
liebte äRutter, im fühlen ©djoß ber ©rbe ruhte. 


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J^tngfttofrn. 


345 


S)ie Sirene fclbft, beren Silb beigefügt ift, ift beigeren, fonbem auch flöteten StaitbeS gef(f»ä|t 
ein alterthümlicheS, mit 3Roo3 unb ©pfjeu über* unb empfunben mürbe, geht t)eroor auä ber ®e= 
»achfeneS ©ebäube, ba3 au3 bem 16.3o^rt)un= fchidjte Don ber (Eroberung ber Stabt Quebec, 
bert ftammt; ber oiereefige Shurm ift oon 2ln bem Sage Dor bem Angriff auf bie Stabt, 
®pf»eu, roie Don einem ftleibe, umranft unb bie mieberfiolte ber berühmte ©eneral SBolfe mit 
alten, grofjen Ulmen ftrerfen itjre Stefte gleich Diel @efüt)l im Seifein feiner Offiziere eine 2lit= 
^rrnen nach bemfelben aus. jaf)t Serfe aus berfelben unb machte babei bie 

SaS grembenregifter> melctje^ an biefer Diel» Semerfung, er rnoDte lieber ber Serfaffer beS 
befugten Stätte gehalten mirb, meift unter an» ©ebichteS als ber ©roherer Don Quebec fein, 
beren Diele amerifanift^e SJiamen auf; $am-- ©he ber nächfte Sag ju ©nbe ging, mar für ben 
tliorne unb Saniel SBebfter arteten eS ber SÖiüfje tapferen ©eneral „bie unoermeibiie^e Stunbe" 
toerth, ju bem ©rabe beS Sinter« ju pilgern, getommen, unb er erfuhr an feinem eigenen ©c» 
SJefcterer oerlangte noch auf feinem Sterbebett, fcf)icf als fiegreicher ftriegShetb bie SBahrljeit, 
baf ihm Qemanb „©rapä ©legie" Dorlefen melche ©rat) in feiner ©legie au8fpricf)t: 
follte. „SeS SRuhmeä fßfab führt bod) nur hin jurn 

SBie fehr biefelbe nicht nur Don fßerfonen nie» ©rab." 


Pfingflröfeti. 

8on drnft ©Der«. 


I. 

ftnotpeu. 

„Ätnb, wenn bie Sirmen mantbe« Wal 
®or beiner Ibüre fteljn: 

Wert' auf. ob nid)t in ihrer Bohl 
$er $rrr {ei ungefebn." 

$a« war ber Spruch ber alten $ortpe=2Jhitter unb 
banalp patte fie gelebt unb ipre Sinber gelehrt, M’ 
ipre SHnber Ratten ben Spruep oon Sinbe«beinen an 
auep gar gut au«wenbig gewußt, aber al« fpäter 
bie $eit immer gelbgieriger geworben war, paben 
mehrere oon ipnen ipn i n w e n b i g niept mepr gewußt; 
unb auep bie Sina, bie ber 2ttutter fonft fo äpnuep war, 
pat ipn oerlemt. 

Sina war mit bem fcalbpufner Detlef 3>orn üerpei* 
ratzet unb patte eine erwaepfene Socpter, bie naep ber 
©roßmutter Eortpe pieß; bie patte $wei ^a^re bei 
Sepulmeifter« gebient, war aber jept, ba ipre §err* 
f^aft in eine ferne ©egenb gezogen war, unb fie niept 
patte mitwanbem wollen, opne Stelle ju §aufe. 

$ortpe*9ttutter pielt biel ton biefer ©nfelin; ba« 
tarn wopl baper, baß biefe ein ebenfo weiepe« §era 
patte wie fie felber. $ortpe=3Jhitter« §erj aber war 
mit ben Qapren immer weteper unb immer weiter ge* 
Worben; niept blo«, baß fie fnp jebe«mal, wenn etne 
magere §anb fiep fcpücptem burep bie Xpürfpalte fcpob, 
ton iprem §eilanb gejagt fein ließ: ,,2Ba« ipr einem 
biefer ©eringften getpan pabt, ba« pabt ipr mir ge* 
tpan," fonbem, weil fo manepe |>anb in Sranfpeit unb 
Scpwacppeit ju iprer $pür niept reichen tonnte, bar- 
um wanberte bie Sllte, feitbem fie im Vlltentpeil, ober, 
wie fie in jener ©egenb fagen, auf ber Slbnapme, faß, 
hin unb per in bie ßäufer, wo bie Sranfen unb ©e* 
oreeplicpen be« $orf« auf iprem Säger feufaten. 

9hm war Xortpe*3Jhitter felbft tränt. „$er $>err 

f wept an, baß iep miep jur £eimfaprt rufte/' pflegte 
ie au fagen. SSeil fie nun aber gar *u etnfam unb 
aöein auf iprem Säger lag unb bie Sßacpbaräleute 
niept jeben Slugenbliet perumiaufen unb naep ipr fepen 
tonnten, barum mußte bie ©ntelin, bie bapeim gar 


wopl entbeprt werben tonnte, an iprer pflege perüber* 
fommen. 

„Butter, wie foll iep e^ ber ©roßmutter reept ma¬ 
chen?" tlagte bie $ortpe. ,,©o gut fie ift, fo eigen 
ift fie boep auch wieber, unb fie muß 2lUe3 fo gana 
naep ber alten $Beife paben, bie iep niept tenne. Unb 
nun joH iep fie gar in iprer Äranfpeit pflegen, iep, bie 
iep me einer Giranten bie Äiffcn aureeptgeaogen habe. 
Unb wenn fie nun gar part leiben müßte — wie follte 
iep ba3 mit anfepen fönnen? SBürbe iep niept ftetä an 
iprem 93ette ftepen unb weinen müffen?" 

^a, am erften Xage ftanb e^ ber ^ortpe wopl lin* 
tif$ an, bie Äiffen aureeptaulegen unb ben gebrecpli* 
epeu, fepwacpen Körper au peben unb au ftupen, bie 
Jebern ber Xecfe gleiepmäßig au tertpeilen unb ber 
Ärantenfuppe bie rieplige Stellung au geben. 2lber 
am aweiten Xage ging’^ fepon beffer, unb am britten 
aing’3 fo gut, oaß bie ©roßmutter ipr bie SBangen 
ftreiAelte unb rühmte: 

„2öie bu mir oa^ Me« fo fepon aureept bringen 
tannft, mein ^inb. 3a, wa« ber gute SSiue unb bie 
Siebe termögen! Sie fagen Me, &u pabeft nur für 
grobe Arbeiten eine £>anb: nun laß fie mir mit folcper 
9tebe wiebertommen r 

^ie ©roßmutter lag tiel mit gefalteten ßänben 
unb gefcploffenen 5lugen: aber fie fcplief niept; ba« 
waren tielmepr jene Maenblicte, wo fie bie Serappim 
unb ©perubim um ben Stpron be« Samme« pat ftepen 
fepen unb barum ton ber SEBelt pienieben niept« mepr 
hat fepen wollen. $ann murmelten auep wopl ipre 
Sippen, aber bie ©ntelin pat immer nur bie äöorte 
terftepen fönnen: „9Jtein ©eilanb, 3 c fu3 ©prift, 
5lmen, toen." 

3« ben erften Xagen pat ba« 9ftäbepen fiep an bie 
tielen Sprücpe unb Sieber, welcpe bie ©roßmutter 
oft mit lauter Stimme herfagte, niept reept gewöpnen 
fönnen; benn ob fie audb beten gelernt patte bei ber 
Butter unb ob auep ber feater aue Sonnabenb Menb 
einen ©efang torla«, fo patte bie« Me«, ma« bie 
©roßmutter wußte, einen gana eigentpümlicpen Slang, 
etwa wie wenn wir in ber $acpt erwaepen unb un« 


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346 


PfitujftrefttL. 


ganj plöfeUcb ein fraipenber Bonner burcp bie ©ec 1c 
fährt. Stocpber finb ihr einige ber ©prüdje unb 
feerfe gar lieb gewefen unb fie pat gebacbt: „Xte wirft 
bu bemalten, bt« e« aud) mit bir einmal jum ©terben 
gebt." 

URit bir jum ©terben-wer miß baran jefct 

{cpon benfen — jefct, ba bie Stofen ber $ugenb auf 
oen Sangen blüpen? —Äucp pat fie niept jo recpt 
begreifen fönnen, wie bie ©roßmutter e« fo recpt aus 
tiefinnerftem §er$en einmal über*« anbere pat rufen 
fönnen: „©« ift genug, fo nimm nun, §err, meine 
©eele."—Unb gejittert bat fie, gewittert wie ba« @3* 
penlaub, al« bte Älte ihre £anb feft umtlammert, ba« 
Äuge *u ibr aufgefcblagen unb gefagt bat: „Xortbe, 
mein ffinb, i<b gäbe Suftabjufcpetben unb bei (Sprifto 
ju fein, welche« auch Diel befjer ift" 

Äl« bann ba« SJläbcben ju weinen anbub, bie öanb 
jurürfjieben unb ficb aowcnben wollte, bat bie ©roß* 
mutter fie noch fefter an ficb gezogen unb bat gejagt: 
„Xortbe, nun fieb mich einmal recpt an, Xu bift ja 
mein ^erjen«ftnb! unb benF an bie ©tunbe, ba Xu 
beut’ ober morgen grab’ fo liegen foßft wie icp. XenF 
bran, Xortbe; fie jagen, Xu fäpeft mir ähnlich: fo 
fieb Xir boep einmal bie Sa$aru«geftalt an, ber Xu 
ähnlich fiebft! Stein, weine nicht, mein Ä’inb; ftebt 
benn nid^t gefeprieben: bie Sa$aru«geftalt warb ge* 
tragen üon ben ©ngeln in Äbrabam’« ©epooß ? ©iep, 
ich freue mich, wenn bie ©tunbe nun tommt; Xu aber 
benF baran, wenn Xu beut’ ober morgen fo liegen 
foUteft wie ich!" 

„§euf ober morgen — Xu wie id) —" ba« wieber- 
haUte au jenem Xage bem Sftäbcpen immer üon 
Steuern in ber ©eele, unb al« bie Stadjt getommen 
war unb bie ©roßmutter ihr gefagt batte: ,,©eb’ ru= 
big in Xein Zctt," ba batte bte Xortbe fiep wogl ne* 
ben ber ©roßmutter, wo ihr Säger aufgefcblagen war, 
niebergelegt, aber ihr waF« immer gewefen, al« ob 
fie üon ferne bie ©loden läuten hörte, babei fie bann 
immer batte benfen muffen: bie läuten über beinern 
eigenen offnen ©rabe. Xabei war bie Stacht fo finfter 
unb fo feßaurig unb bie ©roßmutter feufjete unb be* 
tete abwecbfelnb unb fpraep leife mit ihrem §eilanb 
über’« ©terben unb ewige Seben. Xie Xortbe aber bat 
Äße« hören unb bat nicht fcplafen fönnen, unb ift erft 
ruhig geworben, al« fie auch bie §änbe feft in einan* 
ber gefugt, bie Äugen im ftiffen geborgen unb mit 
ihrem £>eilanb bin unb bet gerebet batte. 

JJn ben folgenben Xagen ba* ba« SJtäbcben ba« 
„beute ober morgen" nicht lo« werben fönnen, unb 
wenn bie ©roßmutter fie nur mit ihrer mageren £anb 
angefaßt unb fie ftiße angeblidt bat, bann finb ihr 
bie bellen Xbränen über bie Sangen gelaufen. 

Stach bierjfebn Xagen üofl ©ebulb unb ©lauben, 
üoß Sieben unb Xragen, üoß Zeten unb §offen fam 
jene 3eit, ba ficb ber ftinblein Äugen üerflären im 
Sicht au« ber .pöpe, unb ba auch bie Älten mit ben 
©ngeln „paßeluja" fingen über ber Äriüpe unb bem 
ftinbe—ba fich auch bie alten, müben, abgelebten Äu= 
gen üerflären, baß bie bebenben Sippen mit ©imeon 
troblotfen: „perr, nun läffeft Xu Xeinen Xiener in 
grieben fahren, wie Xu gefagt baft; benn meine Äu* 
gen haben Xeinen peilanb gefeben." gn jener beßen 
unb grünen Qeit, mitten im bunflen, tobten Stnter, 
an jenem Äbenb, bem fonberlich bie Zerbeißung be« 
Zroppeten gilt: „Äm Äbenb wtrb e« licht fein" — ba 
lag bie alte Xortbe-SJtutter unb fepien gar ^u lächeln, 
unb großer Triebe flaute au« aß ben Stun^eln unb 
galten tbre« Ängefid^te« betau«; ba« Xortbe*$tinb 
ftanb baneben unb weinte aud) nicht ntebt, hotte aber 
bie pänbe gefaltet unb betete. 

„Xortbe," fagte bie Älte, „auf biefen b c i li 9 en 


Äbenb habe ich nüth gefreut wie ba« $inb hinter bem 
©cblüfjeßocb, baß mir ba« §er$ barob gittert. Stun 
Ue« mir ba« Äße« üor üon bem ©ngel«jauchjen unb 
bem grieben auf ©rben, ehe aß’ bie Äinber fommen, 
bie nachher Spriftfeft an ©roßmutter« ©terbebett 
feiern woflen. Senn Xu e« bann jum ^weiten SJtal 
liefeft, wirft Xu e« beffer fönnen." 

Äoer bie Xortbe tonnte e« auch f$ on bie« erfte 
Sttal lefen, ohne $u fcpluchaen unb $u ftotfen. 

©ropmutter legte )tch bann auf bie anbere ©eite, 
erhob beibe pänbe etn wenig, faltete fie noch fefter 
unb betete mit fräftiger ©timme: 

„«uf meinen 3efum miff id) fterben; 

StA, ftefu, Ijtlfin le^ter Wotn; 
mia) baä befte Xljeil ererben; 

Betfüfie mir ben bittem lob! 

$u btft mein troji afletn; 

J)ir leb 1 unb fdjlaf' idj fehg ein! «men." 

Stachber but fich Stau Xorn nicht genug über bie 
Umficht unb geftigfeit ihrer Xochter wunbem fönnen. 
Stach brei Xagen aber fühlte Xortbe*9Jhitter ben 
perrn mit feinen lieben ©ngeln näher unb immer 
nähet tommen. Äm Sttorgen faßte fie noch einmal 
be« $inbe« panb: 

„$inb," fagte fte, „üerlaß Xeinen ^eilanb nicht" 
„Stie, ©roßmutter," war tbre Äntwort. 

,,©o wirb er Xid) auch nicht üerlaffen," fuhr bie 
Älte fort. — 


„0 ©err, o $err. mir treu bift bu! 
feie reit fuib betne ©orte! 

2)u bleioeft meiner ©eele fRub’ 

«udj an ber 2obe«bforte. 

5)a fteb’ ich mit erbob’nem $aupt! 

3a, felifl ift, loet an bi(b fllaubt/' 

Xarauf ließ fie bie $inber unb $inbe«tinber rufen, 
ermahnte unb fegnete fie, unb bann ftarb Xortbe* 
SJtutter. 

Sbt ©terben ift bem SJtäbcben ein Seben«gueß ge* 
worben, ©epon tn iprem Äeußeren war e« crft^Utch, 
baß eine Zeränberung mit ipr üorgegangen fei: ge* 
wanbt war fie geworben, unb auf tprem Äntlip Ta* 
gerte wohl ein heiliger ©rnft, aber auch c i ne miI öc 
greunblichfeit. 

Äl« ber §err Pfarrer üon feinem Xroftgana au« 
ber gamilieXorn peimtehrte, empfing ipn feine grau, 
bie niept patte mitgeben fönnen, mtt ben Sorten: 
„Äcp, wie werben wir Äße, unb juntal bie gamilie 
Xorn, unb am aßermeiften aß’ bie Ärmen unb £ran* 
fen, bie liebe Älte entbehren; folcp* ein ©terben ift 
mopl Si^t nach °&en, a öer ©epatten nach unten, 
'gpre beßen Äugen/ fagte geftern noch ber alte franfe 
§an« Steimer, "waren mir wie freunblidje ©teme, 
aber nun ift ber Xob gefommen, unb pat fiep wie eine 
finftere Solle üor bie ©terne gelagert/" 

„grau," erwiberte ber Zfarrer, „paft Xu nicht ein* 
mal au« ZoIf«munb ba« Sort gepört, baß febe Solle 
einen filbemen Stanb pat? gq wiß nid^t üon ber 
alten Xortpe*3Jtutter felbft fpreqen, bie fo wopl auf* 
gepöben ift, wiß auep niept baüon reben, wie ipr ©ter* 
ben bem alten franfen §an« Steimcr unb manch’ Än* 
berem Zeibe«, ein ©tacpel unb Xroft werben fann. 
Äber ©ott fei gebanft, baß er au« bem ©terben ber 
alten eine junge Xortbe un« pat ermachfeu laffen, bie 
er um bie britte ©tunoe fiep in feinen Xienft jjenont* 
men, baß fie nun noep einen ganzen langen Ärbeit«* 
tag in feinem Seinberg fiep müpen barf." 

„Xorthe Xorn, meinft Xu?" 

„Xortbe Xorn ift be« öerm SJfagb; unb fepon 
pabe icp Ärbeit für fte in feinem Xienft ©iep’, ba 
liegt bie gnäbige grau auf ©cploß ©eeburg unb pat 
niept bie reepte pflege, weil fie feine cpriftliqe Xienft* 


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Pftngjtrtrrn. 


347 


boten hat: bort toirb bie Sorthe ön ihrem $lafc fein. 
Unb wernt ber ©otteSgeift aus bem Sette bet $ran* 
fen in’S #erz ber ©efunben gezogen ift, fo bürfen mir 
hoffen, bog er auch aus bem £erzen ber Jungfrau 
tn’S Sett ber bornehmen Oranten ziehen toerbe. 
Wo ch heute gehe ich hinüber, mit ber ©räpn z u 
f freien." 

„Äoer Weifet Su temt, ob Sorthe, unb zumal ihre 
©Itern, fich Darauf einlaffen werben?" 


„Saran ^weifte ich ni 
zweifle, ber biefcerzen ber 
büche." 


o Wenig ich ön ben §erm 
'enflhen lenft wie SBaffer* 


Unb nach taum acht Sagen waltete unb fchaltete 
bie Sorthe auf Schloß ©eeourg, gerabe wie fie bei 
ber ©rofemutter gefchaltet unb gewaltet hatte: wo 
eine gälte im Setttudj, ober eine «Bolle auf ber ©tim 
ber «tonten, ober ein lautes Stert in ber «inberftube 
war—überall War auch bie Sorthe mit ihrer linben, 
fanften §anb, ihrem ernflen, treuen Äuge, ihrem 
tmlben, herzlichen Stert. 

SaS war nun freilich eine ganz anberS geartete 
fhranfe, bie hier Z u Pflegen war, als eS bie ©roß* 
mutter gewefen War. Reicht nur, bafe eS eine gar 
feine Same War, fo fein unb oornehm, bafe Sorthe 
wohl nicht mit Unrecht zagenb gefragt hatte, ob für 
{biegen Sienft ihre $änbe nicht biel zu rauh unb hart 
unb ihr Senehmen nicht biel zu ungefchieft fei, fon* 
bem, waS fchlimmer war: bie ©räpn war eine recht 
ungebulbige «rante, unb babei war i^r Seiben fo 
fdjwer unb fo langwierig. Sie Äerzte gtngen ein unb 
aus, flüfterten mit einanoer unb gaben fo biele Ser* 
haltungSmaferegeln, bafe Sorthe Stoth hatte, baS 
ÄUeS zu behalten; gaben auch wohl brauten in ber 
«rantenftube gute «Borte unb biele Hoffnung unb 
Zogen braufeen bie ©djulter in bie ööhe unb fcgüttel* 
ten ben Sfr>pf. — Stenn bann baS Stäbchen bie gam* 
mergeftalt anfah unb braufeen bie fttnberflimmen 
hörte, bie nach ber Butter fragten, — ach, eS waren 
hier «inblein im Älter bon fieoen bis zwei gahren — 
bann fühlte fie pdj wieber ftart genug, noch eine 9tadjt 
unb immer noch eine bei ber Fronten zu wachen. Ste 
gnäbige grau war hoch auch fogar beroriefeltd), wenn 
Sorthe ihr nicht bie Riffen zurechtlegte, ober wenn 
eine Änbere ihr bte Stebicin reichte, ©elbft ber $err 
©raf wufete ntemalS recht Sefcheib unb machte SteleS 
berfehrt. ©in recht zufriebeneS ©eficht hatte bie 
«rante auch ihrer treuen Pflegerin noch nicht gezeigt, 
aber ben anbem Sienftboten gegenüber, fo äußerte 
pe fich »Ohl Z um ©tafen, fei bie Sorthe hoch ächteS, 
ebleS ©olb. 


Sie ©räftn hatte wohl mancherlei Äerzte, aber 
ben einen Är^t, Der allen ©chaben heilen fann, hotte 
pe nicht, ©te tannte ihn wohl, aber fie hatte ihn 
nicht; fie wufete Wohl, bafe er um ihretwillen bieSor* 
nenlcone getragen hätte, aber bafe fte baS Jfreu* auf 
pd) nehmen unb ihm nachfolgen foflte, baS hatte fie 
bergeffen. ©ie liefe wohl ihre ftinber beten, aber fte 
felbft hatte baS ©ebet mit ben furzen Kleibern zu* 
fammen abgelegt; unb wenn fte eS nun auf ihrem 
Säger wie aus oer Shintbelfantnter herborfudfle,’ ba 
foute eS ihr §eil* unb SBunbermittel fein, ©o lag 
fte nun fdfon ben ganzen SBinter hinburch, floate über 
thr ©efehief unb haberte mit ihrem ©ott. SortheS 
gefalteten §änbe hatte fie wohl gefehen, aber fie that, 
als hätte fie nichts gefehen; bann unb wann hatte fte 
wohl auch ihre Spruche unb ©ebete gehört, aber fte 
that, als hörte fie nichts gehört. 

©chon würben bie Sage länger unb bie ©offnun* 
gen ber SRenflhen würben groger, ba faß Sortl;e 
eines SageS bor bem Sette ber gnäbigen grau; bte 
lefctere hatte in biefen Sagen oft einen erquiefenben 


©chlaf gehabt unb fchlummerte auch Jefct Wieber. 
SeS ateäochenS ©ebanfen hatten ft* bahin gerichtet, 
wo bie ©rofemutter unb wo ber Ärzt aller «ranfen 
war. 9ttit bem Sefeteren hatte fie gerebet, unb all* 
mählich hatte fich öiefe {Rebe in wirtliche Sterte ge* 
fleibet: bie zogen leife hinauf unb rebeten bon ber 
©räfin unb ihren IHnblein, unb bon $ranfheit unb 
©enefung, unb bon Seib unb ©eele. 

Sann zog bie Sorthe ein SReueS Seftament aus ber 
Safche; fte blätterte barin: hinten waren bie Sßfal* 
men brangeheftet. ©ie blätterte unb laS unb fann— 
unb laS. 

©ie hatte nicht bemerft, bafe bie ©räfin bie Äugen 
aufgefchlagen hatte, ©rft als fie bie magere ftanb 
über bie S&imber legte, bliefte Sorthe auf unb fab bie 
«tonte frageno an: ihr woIlfS borfommen,als ob fie 
jwifchen ben burchficfatigen gingem hiuburch eine 
flare Quelle fpmbeln (ehe. 

SRach einer SBeile liefe bte Äranfe bie §anb bon* 
bon Äugen über bie Secfe gleiten unb fragte ihre 


weatTtn: 


„ffiaS lafeft Su, mein ^inb?" 

Sie Ätmerebete war bon ber grage überrajeht: 
„Sie ©efehiepte bont ©ananäifchen SSBeibe," ant* 
wortete fte. 

„EBarutn lafeft Su gerabe bie ©efehiebte?" 
gömtlich er^chrocfen bliefte fie bie ©räftn an; boch 
war ihr jebe Unwahrheit zuwibe^ unb als pe noch 
einmal gefragt würbe, erwiberte pe: 

„geh wollte bie gnäbige grau mit bem ©ananäi* 
fchen SBeibe Dergleichen." 

„ginbeft Su Äehnlichfeit?" 

„geh bachte, — wenn bie gnäbige grau nur einmal 
ben ©aum bon meines §eilanbeS ©emanb anrühren 
würbe, bann würbe bon ihm eine $raft auSgehen, bie 
pe gefunb unb felig machen fönnte." 

„geh weife boch nicht, ob bie ©efd^id^te Sir fold>e 
©ebanfen nahe legt; wiüft Su fie mtr borlefen?" 

Sorthe laS recqt gut. Sie ©räpn fdjwieg eine 
SBeile: oann fragte fte wieber: 

„Sajeft Su now utehr, als biefe ©efd^ichte?" 

„geh laS auch n °ch ben zioeiunbfechziöften Sfalm." 
„ßafe mich auch Öen hören." 

Sie ©efehiebte aber unb ber ^falrn, ober bielmehr 
bie ©otteShanb, bie burd) ©efcbiqjte anb Sfalm unb 
burch ihr Seben mächtig hinburchgegriffen hatte, ftnb 
ihr zu pari geworben, unb als in ben folgen ben 2Bo= 
djen ber fdjwacbe Körper wieber Äraft gefammelt hat, 
ba ift baS §erz erft recht franf geworben, unb bie 
Sorthe, ober bielmehr baS Süchletn in ihrer §anb, 
hat Salfam in bie «Bunben träufeln unb Serbanb 
anlegen müffen. Äber ber grühling war im Än*uge 
unb wie ba biel falteS, ftarreS ©iS in ben tiefen glu* 
then zerfchmolz, fo trieben linbe fiüfte manch grüne 
knospe, unb aus bem genefenben Kerzen wieberhaKte 
beS Sfalmtpen SBort: „SJfeine ©eele ift ftiüe zu ©ott, 
ber mir hilft; benn er ift mein §ort, meine ipülfe 
unb mein ©chuj." 

„9fun lies mtr noch einmal bie ©eßhichte bont ©a* 
nanäifchen SBeibe, Sorthe. SamalS, als Su pe oor 
acht Stechen lafeft, war ich nicht werth, jener grau 
bie ©chubriemen aufjulöfen; auch heute noch werbe 
ich einen vergleich mttiljr nicht beftehen lönnen; aber 
ber $err bat au* ihre ©djwachheit angefehen, unb 
nicht ihre &raft: SaS tröftet mich, ga, Sorthe, Seine 
felige ©rofemutter, bon ber Su mir fo biel ©uteS er* 
Zählt baft, hat auch barin Stecht, bafe ©efunbheit unb 
jferanfhett, Fimmel unb ©rbe ein ganz anbereS ÄuS* 
fehen erhalten, wenn man fie mit ©laubenSblicfen an* 
fieht. SBie anberS bin ich ntir früher borgefommett, 
als jefet: früher hötte ber Sergleid) mit jenem SBcibe 


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348 


Pftitgßrofen. 


mich Oerleßt unb jeßt-boch Ueö, mein Tinb." — 

Jortße laS unb ihre Herrin laufdjte ben Söorten. 

II. 

Wofett. 

Jie Sftaienlüfte $ogen oont Mittag herauf. Jer 
Gärtner $u ©eeburg hatte Oleanber unb Sorbeer* 
bäume bor bem §errenl)aufe aufgeftellt; bie Schling* 
gemächfe um bie SSeranba liegen ihre Tnospen auf- 
fpringen, baS §pa$intenbeet mar im Verblühen unb 
grüßte mit bem lebten garbenfdjintmer unb mit fei* 
nem Jufte oom Wajcn herüber. ©in großer meießer 
Seficl mar in bie SSeranba gefteüt. 3 e &* öffnet fid) 
bie glügcltßür: ber ©raf tntt herauf unb fuhrt am 
Arm bie $arte, blaffe ©eftalt einer ©enefenben; bann 
erfeßeint Jorthe mit einer güHe meicßer, marmer 
Werfen. Jie gnäbige grau läßt fid) in bem Seffel 
nieber, fie beugt baS $aupt uno oerhüllt baS Singe* 
ficht. 4er Frühling tft ihr oiel $u groß gemorben, fie 
muß oor ferner SWacht unb $racjjt jufammenfinfen. 

Unb mieber öffnet fieß bie glügelthür: Jie oier 
Trinblein ftürmen heraus; bie beiben älteften hängen 
ber SRuttcr am §alfe, bie tleine Antonie legt ihr baS 
Töpfchen in ben Sdjooß unb ber ameijährige Otto 
hießt ihre Tniee $u erflettem. Ja ift ber reiAen 
grau ber grüßling noch oiel größer gemorben. 2ÖaS 
foUcn jeßt bie Bjfngen reben, mo bie freien fo rnäcß* 
tig fchlagen? Aber baS Auge hat 9ftaienregen unb 
fchludföenbe Sippen haben grußlutgSjubel. 

Jer ©raf hat fich an eine ©äule gelehnt, als ob er 
eine Stüße hätte fuchen muffen; als er fich nach 
Jortße umblicfte, fab er fie in ber anberen ©de ber 
SSeranbe fißen, ißr Angeficßt tief im Jueße bergenb. 
©r ging ju ihr hinüber, legte ihr bie §anb auf bie 
Schulter unb fagte: 

„Jortße, maS Ju an uns getßan haft, ift ju oiel, 
als baß mir eS Jir lohnen formten/' 

„Jer Jperr," ermiberte fie, „hat baS ©efte gethan." 

„freilich, aber er hat Jicß gefanbt als eine Jiato* 
niffin feiner Siebe." 

©in helle« Wotß flog über ihr Antliß. „3$ habe 
bas $3ucß über bie Jiatoniffenarbeit, baS auf bem 
Scßreibtifcß ber grau ©räfin lag, gelefen —" 

„©buarb," rief in biefern Augenblid bie ©räfin, 
menn ich in’S S3ab gehe, barf ich hoch auch unjere 
Jortße mitnehmen?" 

„©emiß, mein Tinb." 

„Aber, gnäbige grau; Jortße mifchte bei biefen 
^Borten bie leßte Jßränenfpur ficßauS ben Augen unb 
trat an bie ©räfin heran, aber, eS tßut mir fehr leib, 
3hnen baS fagen au müffen,—unb grabe heute fagen 
au müffen-aber — ich fann mißt mitgehen." 

„Ju fann ft nicht, Jortße?" 

„©näbige grau, iA miH Jiafonijfin merben." 

2 ftit fpracßlofetn ©rftaunen bliate bie ©räfin eine 
Beit lang ihre Pflegerin an, bann $og fie biefelbe an 
fi ch: 

„Jortße, gib mir Jeine ^anb, Ju gutes SRäbcben. 
©S märe unrecht unb felbftfucßtig bon mir, Jicß oon 
folgern ©ntfehluß abbringen ju mo!len,aber fage mir, 
mie Ju 5 U bemfelben tommft." 

„SBenn man jmei jolche Trante gepflegt hat, mie 
ich ße habe pflegen burfen, eine in v S fehge Sterben 
hinein unb eine in ein neues, feligeS Seben hinein, 
bann meiß man, melch* hohes, heiliges, feligeS Amt 
eS ift, im tarnen Qefu Trante $u pflegen, unb mer 
einmal fold>e Seligteit gefeßmedt hat, ber fann nicht 
oon ihr laffen." 

Jie ©räfin ließ einige Jage barauf ben SSfarrer 
rufen. Jerfelbe freute fich jmar beS ©ntjd)luffeS ber 
Jortbe. aber er famttelte boA auA ben Äopf ba^u. 


„Jer SBeruf einer J)iafoniffin," fagte er, „forbert 
ein ebenfo nüchternes, als entfchiebeneS uno fefteS 
©hriftenherj unb ein folAeS fehlt ber $)orthe noch. 
3<h hätte lieber gefehen, baß baS SRäbchen auf anbe* 
rem feege ju biefern ©ntfehluß gefommen märe. $>ie 
Beit oon SBeihnacht bis ^ppngften bat eine heÜ* 
flamme in ihrem £>«§en ent^ünbet, aber menn’S fo 
rafch auflobert, mirb’S fo leicht bem Strohfeuer äl)n* 
lieh, baS balb mieber erlifcßt." 

„Slber tarn nicht auch ber ^ßngftgeift plößlich auf 
bie jünger?" fragte bte ©räfin, „unb iffS nicht h^rr* 
lieh, baß in unferer 3eit hie unb ba mieber allerlei 
©eifteSgaben lebenbig merben?" 

„ 3 ch freue mich febr," ermiberte er, „baß in unferer 
3 eit etn neues ^ßngften in bie Äirche ©hrifti gefom* 
men ift, unb banfe bem öerrn, baß auch* auf bie Jöch s 
ter unfereS Voltes bie gfamme beS $erm getommen 
ift unb baß bie SiebeSmerfe ber alten IHraje mieber 
aufgemacht finb; aber je mehr mir unS beffen freuen, 
befto forafältiger müffen mir auf bie SBerfyeuge achten, 
bie mir für bie SBerfe beS §errn beftetlen, baß nur 
feine Schmärmerei mit unterlaufe, bie immer iajiabet, 
auch menn bie Slbficht gut ift. freilich fam bie t)t‘u 
tige giamme auf bie s ßfingftiünger plößlich, aber biefe 
Qünger hatten fchon bret 3 ahre lang im innigften 
$ertehr mit ihrem öeilanb geftanben, unb mar*n 
mohl oorbereitet, als Der §err ihnen baS ^eilige Slmt 
übertrug." 

Jie ©räßn fchüttelte ben äopf ju folcher Webe. 
Sie hatte ermartet, baß ber ^err Pfarrer mit greu- 
ben unb ohne jegliches Söebenten ihren ^länen $u* 
ftimmen merbe. 

„Jorthe," fuhr ber Pfarrer fort, „hat oon bem 
33eruf, bem fie fich mibmen miü, bisher nur bie Sicht* 
feiten gefehen: fie ift eine Oberin gemorben, ohne 

f robefepmefter gemefen $u fein; niAt baS pflegen ber 
ranfen ift bie erfte Pflicht einer Jiafonifftn — fon* 
bem baS Jienen.—©S gilt juerft unb juleßt, bem ju 
bienen, ber auf bie ©rbe gefommen ift, um Sünber 
felig *u machen. UebrigenS glaube id), baß Jortlje 
baSjenige, maS ihr fehlt, fiep noch ermerben mirb, 
menn fie nur in bie rechte Schule fommt, unb eS liegt 
mir fehr fern, Jorthe oon bem 28ege abjubringen, 
ben fie betreten miH. 3$ bin meinem ©ott hetiltdj 
banfbar, baß unter ben mancherlei ©eifteSgaben auep 
bie Jiafonie mieber aufgemacht ift unb als ^ßfingft* 
rofe ben ©arten ©otteS fehmüeft. Slber beüor ein 
£inb hanbelt, muß eS auch ber 3“ftimmung feiner 
©Item gemiß fein." 

„0," ermiberte bie ©räfin im Jone heiligen ©iferS, 
„öerr Pfarrer, Jorthe’S ©Itern merben felbftoer* 
ftanblich jolchem emften, heiligen SBiHen ißrer Jochter 
nicht Sterne in ben Söeg legen." 

©in feines Säbeln jpielte um bie Sippen beS 
aftorS. ©r badete an baS oergangene Seben ber 
räfin. 2BaS hätte fie oor einem 3apre aefagt, menn 
er ihr eine treue Wienerin hätte'in’S JiafonißenhauS 
führen moüen? ©r fannte Jorthe’S ©Item ganj ge* 
nau; er mußte, baß fie bem Vorhaben ißreS ÄinbeS 
ftarfen SSiberfpmch entgegenfeßen mürben. 

©r oerabfchiebete fich oon ber ©räfin unb oon 
Jorthe, um-bie Angelegenheit mit ben ©Item ber 
Seßteren ^u befprechen. ©r batte fich nicht getäufdjt. 

„Ja feten bo^ noA oiele Anbere, als gerabe ißr 
£inb, mel<he Jiafonijfinnen merben fönnten," meinte 
bie 2Jhitter. „3hre Jochter fönne fie auf bie Sänge 
nicht aus ber SSirthfcßaft entbehren. Uno nun foute 
fie biefelbe fo gar meit 00 m $aufe fehiefen, unb bann 
— ach, aü’ ben Wadjtmachen unb ben anftedenben 
Trautheiten merbe baS 2Räbchen fchon in ben erften 
SSochen unterliegen müffen." 


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Pfutgftrofm. 


349 


„grau Jorn," fagte bcr Pfarrer, „ich »in f>cute 
nid)td »on g^ncn erreichen, ald baß Sie ben ©unfeb 
3bred SHnbed in ©rwagung fliehen unb in’d ©ebet 
neunten. 3^ »erbe nad) acht Jagen »ieberfom* 
nten-bann wirb aud) bie Jortbe hier gewefen fein; 
eine Äntwort auf fo große gragen barf nicht übereilt 
»erben/' 

Unb nach acht Jagen — ja, ba mußte bie Butter 
wohl einräumen, baß fie im ftaudbalt ihr Äinb »erbe 
»ogl entbehren tönnen, unb Baß für bie Oranten unb 
©lenben, für bie Verladenen unb Verlorenen nod) all* 
juwenig #änbe tbätig feien; aber, ad), all’ bie aßüben 
unbjumal all* bie ©efabren! 

„grau Jom," hub ba ber Vf arrer an, „ J 0 r 0 
11) e a Ijeißt 3b. r $inb; fürflen ©ie in 3 u h m f* & en 
tarnen nießt »ieberab; Jorotbea beißt badaßäbcben: 
bad ^eißt fiberffpt v ©otted©eja)enf/ ©ebt, ber^err 
bat fte gbnen gegeben, jo haben ©ie ed felbft bei ber 
taufe befannt; unb nun »öden ©ie ihm bied ©e* 
fdjent feiner $anb nid^t ein JBaar Sebendtage ober 
Sebendjabre »ieberleiben? Von ©efabren fpreeben 
©ie? ©0 foüte ©ott, Der §err, fein ©nabenjefebent 
fo »enig lieb haben. baß er ed in ©efabr foute nm* 
lommen laßen? 9cein, grau Jom, ©otted ßanb ift 
über feiner ©abe, unb bie §anb ift ftärter, ald 3ßübe 
unb ©efabr, ald Änftedung unb ©terben. ©in fol* 
djed föinb füllt ftetd in Vaterarme flurüd, felbft »enn 
ed fallen foHte. Siebe grau Jom, 3b re Sieben ent- 
fprtngen nicht jenem ©ottoertrauen unb jener ©rgc* 
Buna, bie mit §iob fprießt: v Jer §err hat’d gegeben, 
ber Serr bafd genommen, ber Spante Bed $erm fei 
gelobet' Vebenft, »ad mo^l in btefer ©tunbe bie 
gute, felige Jortbc*aßutter, bie nun oon oben herauf 
ibr Äinb unb ftinbedfinb bcrnieberblidt, »ad fie »obl 
lagen »ürbe. Vebentt, »ad ©uer £eilanb fagt, unb 
bann febt ©ure Jodjter an; ihre gefallenen Jjänbe 
betennen ed: v ©iebe, aßutter, ich bin oed $errn aßagb; 
mir gefebebe, »ie bcr $err gefagt bat/" 

Ja »einte bie SRutter, ergriff bie £anb ihrer Jod)= 
ter, bie neben ihrem ©tuhl ftano unb fagte: 

„©0 geh’ mit ©ott, mein $inb!" 

Unb ber Vater fagte: „Ämen." 

* * * 

3abre finb feitbem »ergangen. Jie Jortbe Jom 
ift eine Vrobefcbwefter in oer Jiatoniffen*9lnftalt ge* 
»orben, unb bat noch 3ßand)ed lernen unb aßancbed 
»erlernen müffen; aßand)ed bat fie fid) anberd »orge* 

S tellt, unb »on mancher |>öbe bat fie berabfteigen müf* 
eil. aßandje Arbeit ift ihr febr* fdjwer geworben, 
jumal in ber erften 3^it, unb manchmal bat an ben 
Vetten ber ©ebulbdfaben reißen wollen. aßandjmal 
bat fie bad Äuge ab»enben müffen, hinweg »on ber 
motyeit, bie auch bann unb »ann ihnen in bad §aud 
getragen ift, aber fte bat*d immerbar bingewanbt au 
Dem, oer ihr gefagt bat: „Saß Jir an meiner ©naBe 
genügen; meine $raft ift in ben ©cb»acben mächtig." 

3agre finb feitbem »ergangen. Äud ber Jortbe 
Jom ift eine ©cb»efter Jora geworben; reich gefeg* 
net finb ihre ftänbe unb ihre ©orte an ben hänfen* 
unb ©teroebetten. Älle gabre lehrt fie eine 3eit lang 
beim in*d ©Itembaud, ©in reicher ©egendftrom ift 
aud bem fielen Ber Jodjter auch in bad §aud ber 
©Uern gejtrömt,fo baß nun längft febon ©Item unb 
©efcb»ifter ber ©roßmutter ©prueb auch »ieber in* 
»enbig gelernt haben. 

3hre feligften ©tunben feiert bie ©cb»efter Jora 
natürlich immer in bem füllen $aufe »oll ftranttjeit 


unb ©Chinesen, »oll ©eufjen unb ©ebeten. ©ie ift 
eine treue 3Ragb ibred öerrn, unb barum ift fic eine 
Iräftige ©tüpe ihrer Oberin geworben, ©enn bie 
tränten feufflen: „3cb»efter Jora," unb bie ©ter* 
benben flehen: ,,©cb»efter Jora," Bann »eiß fie bie 
rechte aßebifltn für bie tief»er»unbeten £erjen, unb 
bie tränten banfen ihr bie ©abe mit freunblicbent 
Vlid. Jer ©cbwefter Jora ftrömt Jroft »on ben 
Sippen unb ©eligteit aud ben Äugen; aber fie »eiß, 
baß fie nidjtd Änbered geben tann, ald »ad ihr felbft 
gegeben ift; unb barum ift fie immer bemütbiger ge* 
»orben, je älter fie geworben ift, »eil fie immer mäd)* 
tiger erfahren bat — ihre eigene 9ttad)tlofigteit unb 
ibred $eilanbed 2Rad)t. ©0 ift bie ©d)»efter Jora 
em feltged ©d)»efterber$ geworben, badSlnberen burch 
ibred fterrn ©nabe »iel felige ©tunben f d)af f t, »eil 
fte felbft fo »iel felige ©tunben bat. 

3ene Jage jäglt fte auch $u ben allerfeligften im 
3a»r, ba ne bei ihrem Vefud) im ©Itembaufe auch 
bei ber gräflichen gamilie einfebren barf. ©ie brüdt 
bann bie liebe ©rafin ihrer „Jortbe * Vfleaerin" bie 
§anb! Unb bie öier tinber hängen ficb tör an bie 
weiße ©d)ür$e, unb auch »obl um ben ipald. Unb 
ald fie neulich im ©cbloffe war, legte Vertba, bad 
ältefte 9Jtäbcben, »eld^ed Valmamm eingefegnet »er* 
ben foü, ben ?lrm ihr um ben Suaden unb fagte: 
,,©<h»efter Jora, »eißt Ju, »ad bie 9ftutter mir er* 
laubt bat?" 

„9tun, Vertba?" 

„©enn ich er»achfen bin. bann barf ich Jialonifßn 
»erben, grab’ »ie Ju ed btft" 

„©ott fegne Jeinc ^Kutter unb Jicb, unb gebe, 
baß Ju in bem ©ntfdjluffe immer mehr beftärft »er* 
beft »on bem, ber allein bie rechte GueUe für foldje 
©ntjdjlüffe ift, unb bie rechte traft gibt, fie aud^u* 
führen." — 

Sieb*, liebe Seferin, fo jiebt ©d)»efter Jora ihre 
©traße, gefegnet unb fegnenb. ateulicb fagte mir ihre 
Oberin, man »olle fie fonberlid) in bie gamilien bin 
unb ber in ©tabt unb Sanb febiden, »eil fie fidb in 
alle Verbältniffe fo »unberbar gut bmcinfügen fonne. 
©enn alfo Ju, ober eind »on oen Jeinen, Jein Va* 
ter ober Jeine SKutter, Jein Vruber ober Jeine 
©cbwefter, einmal franf wirb: — fieb*, ba »iH bie 
©cpwefter Jora auch Jeine liebe ©cbwefter fein. — 
3lber halt! ©illft Ju benn nicht au^ ihre ©cbwefter 
fein ? ©ie grüßt Jicb heute. Ju baft folcßer ©cbwefter 
»ielleiAt lange nicht in’d 2luge gefeben, baft lange 
ihren öänbebrud mdbt gefühlt; lange Trennung — 
felia©ieberfeben! ©cbwefter Jora grüßet Jicb! ^)ir 
»erben unter bem ©ruße »obl bie Äugen feucht jaber 
©cbwefter Jora bat ed Jir nid)t nur bureb bie ©im* 
per Juden laffen »ollen, fonbern bat in Jein §erj 
btnetngreifen, unb ed »eit auftbun, unb Jir tief, ganj 
tief btneinfenfen »ollen ihren mahnenben ©ruß: 


$u Stfnueftfr&era, it^ ^ab’ qcirad^t 
an beu 3Jloracnftern: 

92un tuadfe $ u bie ndeftfte Stadst: 
$u tpuft e« für ben $erm. 


$u ©Äineftet^era, i* pfCrge jebn 
3mn ßeben ober — Xob; 
oörft $ u benn ni<bt ba« ßölfefle^n 
Ciel «nb’rer in ber 9?otb 7 


Äittb, toenn bie ftranten manche« Wal 
9tacb deiner fiülfe fieb’n, 

C, fübf rt, baft m ihrer 3*bl 
$er $err fei unqefern. 




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350 


•ibt h im taitstljuii aud) Srtn;tn? 


J$<ut) auf, du (Seift irr erften $ rügen. 

gfir $tu* vufe #e?l utdj 8 ogt$ty — cigefiir)t »tu 3. ft. ft. 


« id? auf, bu (SeiR ber erften geugen, 

Die feR auf gions HTauem Retj’n, 

Die (Eag unb Häd?te nimmer fd?weigen 
Unb füt?n bem ^einb entgegengetj’n, 
3 <*, beren Scfyaü bie IDelt burd?bringt, 

Unb Dölferfdjaaren 3U bir bringt. 

®, bag bein ^euer balb entbrennte, 

Dag mir’s in allen tauben fel?’n, 

Huf bag halb alle IDelt erfennte, 

IDas 3ur <£rlöfung it?r gefd?et?’n! 

® Ijerr ber €rnte, Ret? barein; 

Der Schnitter Sd?aar iR nod? fo flein! 

Dein Sot?n t?at ja mit flaren IDorten 
Uns biefes in ben ITT unb gelegt. 

® fiel?e, wie an allen ®rten 
Sid? betner Kinber ßer3 bewegt, 

Did? brünRig barnm an3uRet?’n l 
Drum l?ör, unb fprid?: <£s foll gefd?et?’n l 

t?err, gib bein IDort mit grogen Sd?aaren, 

Die in ber Kraft Hpoftel fei’n l 
tag eilenb £?ülf uns miberfat?ren 
Unb brid? in Satan’s Heid? hinein I 
Breit auf bem gan3en <£rbenfreis 
Dein Heid? balb aus 3U beinern preis! 


tag fd?nell bein IDort bie XDelt burd?Iaufen, 
<£s fei fein ®rt ot?n* beffen Schein; 

Hd?, fütjre balb baburd? mit Raufen 
Der Reiben ^ulfe 3U bir ein. 

Hud? 3srael meef’ enblid? auf, 

Unb fegne beines IDortes tauf 1 

£?err, beff’re beines gions Stege, 

Unb öffne beinern IDort bie Bat?n; 

IDas t?inbert, räume aus bem IDege, 

Dertilg ben fa Ifd?en < 5 (aubensmat?n, 

ITTad?’ beine Kird?e rein unb frei, 

Dag Re ein (Sarten (Sottes feil 

tag, jebe t?ot?e, nieb’re Sd?u(e 
Die IDerfRatt beines (SeiRes fein; 

3 a, Rfce bu brinn auf bem Stut?le, 

Drücf ’ bu bein Bilb ber 3 ugenb ein. 

Dag treue tet?rer wir Rets fel?n, 

Die oor bem Hig ber Kird?e Ret?n. 

Du wirR bein t?errlid? IDerf oollenben, 

Der bu ber IDelt (Erlöfer biR; 

Du wirR ber IHenfd?f?eit 3 unimer wenben, 
So bunfel jefct bein IDeg aud? iR. 

Drum !?ören wir nid?t auf 3U Ret?’n: 

(Et?u’ über Bitten unb DerRelj’n. 




mbi e$ im töute*tl)uii aud) törenjftt? 

gür #attf uub fterfc bon $. ©. 


„Saffet ung aber ®uteg tljun, unb ntd)t mübe wer* 
ben; benn ju feiner 3dt werben wir auch ernten, otjue 
ftufljören." 

®ieg ift ein SBort beg fjocgerleucfjteten Slpoftet 
*J}aulug. ©ennodj gibt eg im ©utljegtfjun audj 
©rennen, bie üttiemanb überfdjreiten tmrf, oljne 
bag bag an unb für fic^ ©ute in Unrecht oerwan*. 
beit würbe. 

®g fann überhaupt 9 tiemanb all bag ©ute 
tfyun, bag ju tl)un ift. Sein ßfjrift fann felbft 
bag ©ute atleg tljun, bag er gerne tfyun möchte. 
®g gibt fomit aucfj im ©utegthun, Wie in allem 
Slnberen, ©rennen, bie felbft ber SBefte nid^t über* 
fdljreiten barf. 

Sg gibt gälle, wo man ^Wifcljen bem ©uten, 
bag 311 tljun ift, 3U wählen Ijat, wobei unb wo* 
burdj bie Verweigerung beg einen ©uten, fo* 
wofyt alg bag 2^un beg Slitberen ung ^ur beut* 


licken $flid)t gemalt wirb. — SBenn Wir 
un 3 ^u irgenb einer 3d* entfd^eiben, wag 
wir t^un wollen, fo entfdjeiben Wir ju glei¬ 
cher 3eit, wag wir nicht tljun wollen, benn 
man fann nicht jwei ®inge jur gleichen Qtit 
t^un; mand^e $inge aber erleiben i^rer Katur 
nadj feinen ^tuffchub. Somit wirb oft bie 
^flidjt ber Verweigerung ©uteg ju t^un, fo 
flar unb beftimmt, alg bie ©uteg £u 

t^un. 9 )tan ^at fein 9 tecf)t metjr ©uteg ju tljun, 
alg man tljun follte. 

Sagt .ung nun ben Verfug machen, bag ©e* 
fagte burc^ Veifpiele flar $u beleuchten. 

Sin ^Ir^t, oon beffen geriefter Ve^anblung 
bag Sebcit -äJtancfjer ab^ängen mag, ift eben 311 
einem fdjwer Verwunbeten gerufen Worben, bef* 
fen Veljanblung feine üoQe Mufmerffamfeit in 
Slnfpruc^ nimmt. $a fomint ein Soie, ber ihn 


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gibt e§ im guteityim midi 0ren}eit? 


351 


in größter ©ile gu einem anbern Sranfen, ber 
auch in größter 2eben3gefahr fchmebt, rufen mitt. 
©emiß märe e3 im t)ödjften ©rabe münfchen3= 
merth unb gut, rnenn er ben SRann, ber, menn 
er ftirbt, eine gange gamilie in Slrmut^ unb 
6 lenb ftürgt, retten fönnte. Slber er !ann ben 
©rfteren nicht berlaffen, ohne beffen Seben im 
hödjften ©robe gu gefährben. 63 bleibt ihm 
nid)t3 übrig, at3 fich gu meigern, bem £ülfe= 
rufenben 9lo. 2 gu $ülfe gu fommen; unb menn 
aud) Siefer ftirbt, bat ber 2lrgt bo<h feine Pflicht 
gethan. 

SSieberum: ©in armer 2lrbeit3mann, ber 
eine große gamilie gu berforgen bat, ift ©lieb 
ber Sirene. 9Rit fnapper SRoth ift er im Stanbe 
ba3 SRötbige für feine gamilie gu erringen. 
9hm merben Slnfprüche für bie 2Riffion3fache 
gemacht, ©emiß ift bie3 ein febr gute3 28erf, 
metche3 ber freigebigften Unterftüfcung mürbig 
ift. Ser arme SRann bat aber bei bem beften 
SBitten nur fehrtoenig übrig; fo gerne er auch 
Diel geben möchte, unb fo Diel ©ute3 auch ba* 
burcb begmecft merben fönnte, ift e3 bocb feine 
Pflicht, e3 nicht gu tbun. Sie Familie gu ber* 
forgen, gebt allem Slttberen boran. 

9Zocb ein ©eifpiel: 3n einem Heilten Stäbt* 
eben, mo nur eine geuermannfehaft borhanben 
ift, brechen an gmei berfchiebenen Orten geuer 
au3. 3 n ^ em rinen Salle ift ba3 £au3 einer 
armen 2Bittme in ©raub, mährenb im anberen 
gatte ba3 ©efebäft eine3 reichen 9Ranne3 mitten 
in ber Stabt in glammen ftebt. 3S3a3 ift nun 
bie Pflicht ber geuerlcute? Sin beiben flöhen 
fönnen fie nicht halfen, fo müffen fie benn ba3 
mäljlen, ma3 ihnen am rathfamften erfebeint. 
SW’ ba3 gleljen unb att’ bie Spänen ber armen 
333ittme fönnen fie nicht abhatten, menn fie fich 
entfchließen nach bem anberen geuer gu eilen, 
meil ihnen ba3 am michtigften bünfen mag. 

333er eine öffentliche Stellung einnimmt, fin= 
bet meü mehr Stnforberung ®ute3 gu thun, al3 
er gu thun im Stanbe ift. 6r muß lernen, 
fomobl gur rechten 3rit nein gu fagen, al3 auch 
gur rechten 3rit gu hanbeln. Steigert er fich 
nicht öftere entfehieben ®ute3 gu thun, fo mirb 
er nicht im Stanbe fein, ba3 ©ute, ba3 er gu 
thun fähig ift, au3guführen. 

9ttterbing3 erfordert e3 biet 23ei3heit, gu ent* 
fcheiben, toann e3 ertaubt ober Pflicht ift, ficf> 
gu meigern ®ute3 gu thun. 

Sucht ^emanb mehr ®ute3 nach t>erfd)iebe= 
nen Seiten hin gu thun, al3 3 e *t un b Kräfte 
ihm geftatten, fo mirb er um fo meniger ®ute3 
au3ridjten fönnen. 333irflich!eit mirb biel 
bon bem ©Uten, ba3 in ber 333elt gethan toirb, 
auf Soften bon anberem ©uten gethan, ba3 gu 
thun ebenfalls nüplich toäre. 


Sie eigentliche grage, betreffs melier ^eber 
!lar toeiben muß, ift nicht bie: 28 a 3 fann 
ich thun? fonbern oielmehr bie: 28a3 f o11 
ich thun? SRicht atte3 ©ute, ba3 für mich 
thunlich ift, fottte ich be3hatb oerfuchen gu thun. 
63 fönnte g. 83. ein reicher 9Rann bei ©elegen= 
heit einer Ueberfchtoemmung ober Sßeftiteng alle 
feine §abe ben üRothleibenben geben; bie3 jebo^ 
ift feine Urfache, baß er e3 toirflich thun füllte. 
Ober e3 fönnte ein ^Srebiger feine gange 3*it 
unb Sraft gubringen, inbem er folgen, bie al= 
lerbing3 ber $ütfe bebürfen, bie aber größten* 
theil3 außerhalb bem ihm angetoiefenen 333ir* 
fung3frei3 ftehen, nachgeht, toobei er oielfach 
oerfäumen müßte, ba3 ihm näher Siegenbe gu 
oerrichten. Sa3 ©ute, toelche3 ein SRenfcf) thun 
f o 111 e, fott er thun, ba3 ©ute aber, toeld)e3 er 
n i cf) t thun füllte, fotl er auch nicht thun — 
fetbft menn er e3 thun fönnte. 

2 Bie e3 be3 Solbaten Pflicht ift, fetbft im 
bidjteften geuer be3 geinbe3 üortoärt3 gu brin* 
gen, toenn ber ©efeht bagu gegeben toirb, fo ift 
e3 au^ feine ^Sflid^t ftitte gu ftehen, obgleicb bie 
Schlacht oor ihm beben mag, toenn er feinem 
©efeljl gum ©orbringen hut. Sa3 toärmfte 
§erg, ba3 je in eine3 9Renfchen ©ufen f^tug, 
mar ba3 §erg unfere3 ^eitanbe3 3efu ©hrifti, 
unb hoch fanb er 3cit fid^ in bie 6infamfeit ber 
333üfte gurüefgugiehen. Dbmohl er ©ielen half, 
half er hoch nicht mitten, bie feiner §ülfe beburf* 
ten. 6r mußte genau, ma3 er thun follte 
unb ba3 that er; unb toa3 er nicht thun füllte, 
obtoohl e3 auch gut gemefen märe, ba3 unterließ 
er. So fottten auch mir nie fäumen, ba3 ©ute 
gu thun, ba3 mir thun füllten, unb nie eilen, ba3 
gu unternehmen, ma3 mir untertaffen füllten. 

Qeber SDZenfch l)ut uueh bie nöthige 3eit unb 
Sraft, ba3 gu thun, toa3 ©ott mitt, ba3 er thun 
fott. 2Ba3 man fott, ba3 fann man, aber nicht 
atte3, ma3 man fann, fott man. ®otte3 9teich3* 
fache leibet auch nicht barunter, baß ein Sinb 
@otte3 fich meigert, 9Rand^e3 oon bem gu thun, 
ma3 e3 thun fönnte, oorau3gefeht, baß e3 9ltte3 
thut, ma3 e3 thun follte. 

63 ift mof)l feinem 9Renfchen oergönnt, all ba3 
©ute gu thun, ba3 er gerne thun möchte, noch 
2ltte3 gu oottenben, ma3 er unternimmt. Sa3 
©ute, ba3 ber eine bermeigern muß, mag ein 
3lnberer thun fotten, unb ba3 ©ute, ba3 ber 
eine beginnt, mag einem 9tnberen gur 9lu3fiih s 
rung übertragen merben. §ierinnen erfüllt fich 
ba3 SBort ber Schrift: Siefer fäet, ber Slnbere 
fchneibet. Unfere ^auptforge muß inbeffen bie 
fein, baß mir bon allem bem, ba3 un3 gu thun 
befohlen ift, ni<ht3 unterlaffen. Sagu aber hut 
ber SRenfch ben ©eiftanb be3 hriligen ®eifte3 
bon nötben. 


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352 


fjelbtnmutlj einet frau, 


gär #taf nnh 

ur 3^it ber erften SteoolutionSfriege toarb 
auch bic geftung ©hrenbreitftein bcm lau* 
nenhaften SriegSglücf auSgefegt. 

®urg guoor, ege ber fratt^öfifc^er ©enerat 
$odf)e fein £eer über ben 9t^ein führte (1797), 
mürbe in ©obleng ein frattgöfifcher ©beimann, 
©raf b’Slubignt), feftgenommen. 2tuS feinen 
papieren erfah man, bag er mit bem ^arifer 
®ireftorium in fegr nagen ©ergältniffen ftege, 
unb man befdjlog fi<h feiner für einen etmaigen 
9iothfafl als ©eifiel gur (Std^er^eit ber Stabt 
gu bebienen. @r mürbe mit feiner ©emahlin 
unb feinem eingigen ©öhnchen nach ©hrenbreit* 
ftein abgefüfjrt, meines bamals burcf) eine Sur* 
äßaingifche ©amifon unter bem ©efegl beS 
Dberften gaber oertheibigt mürbe. 

SBenn auch ungebulbig über ben ©ergug, ber 
ign an ben ©rennen feines ©aterlanbeS gurücf* 
hielt, tröftete fidg b’Slubigng bodg mit ber |>off* 
nung, bag ber bamalS fcgon befprocgene näcgfte 
Songreg in Staftabt fidf) feiner annehmen merbe. 
SSar er ja bocg oon bem ®ire!torium aus bem 
freimifligen ©fil gurücfgerufen, unb auf bie 
Stufe ber Slemter unb ©gren gefteßt morben, 
bie igm früher feine ©eburt unb feine Talente 
oergeigen Ratten. 2BaS aber Slnbent oießeicgt 
bie Hoffnung oermegrt gatte, baS burdhgucfte 
beS erfahrenen b’Slubigng £erg mit 9tngft unb 
©c^reden. ©in fränfifcgeS ©locfabe*§eer nahte 
ber ©efte unb ber bürftige 3ufianb ^ er $or* 
räthe, mie bie fefte ©ntfchloffenheit beS ©om* 
manbanten liegen ihn baS Scglimmfte für ©at* 
tin unb ffinb befürchten. 

©alb gab ihm bie ©erminberung ber SKunb* 
Stationen ben SemeiS, bag bie äugerfte 9totg 
einbre(hen merbe. ©ergebenS fämpfte noch fein 
Stolg unb ein Steft oon Hoffnung gegen bie ftn* 
ftere Stgnung, melche feine Seele befiel, er be* 
gtoang fiel) enblidh, ben Dberften gaber gu bi U 
ten, er möge feine ©attin unb feinen Sohn un* 
ter einer SicgerheitSfahne nach ©obleng fenben. 
Slber fruchtlos maren feine ©itten. gaber 
fannte fein anbereS ©efügl, als baSjenige feiner 
^Pflicht. „Sure frangöfifdgen $)anten," fagte er, 
„ftnb oon gu betoe^licger 3unge, bog roon 
ihnen im Säger etneS geinbeS trauen fönnte, 
unb SRorig gaber gat menig Suft bie fcgöne 
©räfin in ben ©tanb gu fegen, 9Zacgrichten oon 
bem entblögten 3 u f*onbe ber gef* un 9 unter 
ihren SanbSleuten gu oerbreiten, unb eine fö* 
nigSmörberifche ©anbe gu noch grögerem ©ifer 
gu entflammen. Stein, Sie oermeilen in bem 
alten Slblergorft. Unfere ©alerien fcgügen 


einer Iran. 

$trfc non 3. ®. 

©uch gegen (Sure greunbe im X^ale unb meint 
unfere SSorrättje ju ©nbe gefjen—unb baS müf» 
fen fic, ehe ich mein 2lmt bem geinbe übergebe 
—fo möge bie ©räfin unb if)r ©oljn mit ©fren 
unfere 9Jat|rung unb unfere ©ntbehrungen tf)ei= 
len. Bietleicht jerftreut bie Semttniß oon ben 
Seiben einer Dame Sure brauen SanbSleute 
ef)er als galfonet unb getbf^tange. 

D’^lubignp’S gureben half nichts unb feine 
einzige Hoffnung mar, baß entmeber gaber’3 
ober feine eigene ©taffette Born Kongreß ben 
Befehl ju irgenb einem Berftänbniß jmifdjen 
Belagerern unb Belagerten bringen follte; bod^ 
Dage auf Dage oergingen, unb halb tonnte 
b’Ülubigni) bie Sänge ber vergangenen 3^it nach 
ben regelmäßigen Berminberungen ber 3tatio= 
nen abmeffen. 2Rit ftiHer Ergebung ertrug 
feine ©emafjün gntbeßrungen, ju meinem ißre 
(Srjietiung fte fo menig vorbereitet batte; mobl 
meinte fie in ber ©infamfeit, toenn ibr ©emabl 
nadb bem fernen Boten auäfdjaute, bittere Dbrä= 
nen bem ©cbidfal ibreö einjigen, geliebten ftin= 
beö; aber b’Slubignt) fab ihre ©tim nur beiter, 
unb nichts verrietb ibm bie Slbitabme ihrer 
Sörf)er= unb ©eelenfräfte, als bie immer juneb» 
menbe Bleiche ihrer SBangen unb bie Biattig* 
feit ihres fonft fo auSbrucfSvoHen kluges. 

SBer ben junger nur von bem gelegentlichen 
Ausfallen eines getvobnten SKahleS fennt, hat 
nur eine fcbroacbe Slhnung von ben Qualen bef* 
felben, unb mag eS für ©chmädhe halten, feine 
©eele an fo gemeinen Bebürfitiffen unterliegen 
ju laffen. 9lber baS mirfliche ©efühl einer 
,'pungerSnoth, jenes ermattenbe unb jugteidj er» 
regenbe ©efühl, melcheS bie Ob«« mit vertvor» 
rtnen Dänen, ben Körper mit Qualen, baS |>erj 
mit Berjmeiflung unb ben ®opf mit SBabnfiim 
erfüllt: baS finb ©mpfinbungen, melche in bie» 
fern galt ben ©ah von ber Ueberlegenbeit bet 
©eele über ben Sörper urnmerfen fönnen. 

©raf b’Slubignt) mar ber Srfte aus ber ftei» 
nen gamilie, melcher feinem gepreßten $erjen 
in Klagen Suft machte. 

„©Veline, mein tbeureS SBeib,“ fagte er, 
„fonnt’ ich eS ahnen, als ich mich am Deine 
|>anb mitten unter ber fßracbt unb bem Ueber» 
ftuffe beineS hohen ©tanbeS bemarb, baß fie mir 
nur merben follte, bamit Du bie ©chrecfen mei» 
neS traurigen ©cßicffalS mit theilen müßteft? 
Sonnte ich träumen, als id) bie erfte greuben» 
thräne über bem Raupte biefeS lieblichen Sin» 
beS meinte, baß ich ih n halb bahintvelfen, ihn 
langfam, qualvoll mürbe fterben fehen!“ 



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$}elbettmutl) einer $rau. 


353 


„Still, b’Stubgnp! ®r fc^fäft; • fein £>aupt 
ift auf mein Sinie niebergefunfen." 

„Stein/' fagte ber Srtabe fchmadj, „ich fd)lafe 
nicht, ich laufdje ber Stimme meinet ttjeuren 
Sater^." 

„®ad ift @rfd)öpfung! ©ott! ©ott! ®r- 
fdjöpfung lieg feinen ®opf nieberfinfen!" rief 
ber ©raf aud; mie in Ser^meiflung nahm er 
ben Sohn auf feinen Slrm unb Staferei in ben 
SRienen ftür^te er ju gaber t)in: „Sieh’ ihn 
an/' fagte er mit gebrochener Stimme, „er ift 
mein eiu^iged ffinb, fieh’ ihn an, unb menn bu 
mcnfchtich fühlft, erhöre meine Sitte! Stoch iffd 
nicht ju fpät; fenbe ihn meg non ber gfeftung!" 
,,©d ift nicht möglich!" antmortete gaber, feine 
Stührung unterbrüdenb, mit @ntfd)loffenheit: 
,,Sd) mitt mit greuben, fomeit ed irgenb mög= 
lic| ift, meine eigene Stahrung mit ihm theilen, 
£err©raf; aber feine lebenbe Seele üerlägt 
bie Sefte. Sch bin in hoh em ©rabe üerant^ 
»örtlich, unb bie elenbe Sage meiner Solbaten, 
meiner Sinber, möchte mich fonft noch eher 
gingen, einen @ib $u brechen, ben ber Staftabter 
©ongreg fich fo menig %u fchüfceit beeilt. SDteine 
^fliegt, ©raf, ift eine harte: 3 $ fann Sh re 
Sitte nicht gemähren." „SBeine nicht, Satcr," 
lidpelte fdjmach ©ugen, „meine nicht meinetf)al= 
ben; ed mirb ja beffer merben, ich miß effen, 
mad ich befomme—meine nicht, Sater!" 

SDtit einer Slnftrengung, bie fein ^arted Sitter 
überftieg, $mang er fich jum ©enuffc ber eien* 
ben Siffen, melche ihm jnfieten; aber halb mar 
jebed £>audtf)ier innerhalb ber SBätte getöbtet, 
unb bad gleifch öon |>unben unb ^Jferben eine 
©elifateffe gemorben, melchc bem Solbaten fchon 
jn hoch im greife ftanb. Unb biefe Speije ge- 
nog bie $arte, bie hodjgeborne ©oetine; fie ^mang 
fich, biefelbe 51 t genießen, um ihred Söhnet 
Sertangen nad) Stahrung * nidjt noch burch ©fei 
oor ber oorhanbenen ju oerfchlimmern. 

SDiandjer non ber ©arnifon mar fchon ald ein 
Opfer bed Stahrungdmangeld geftorben, unb bie 
Straftlofigfeit unb bie bleichen Sippen ©ugen’d 
unb feiner SDtutter geigten beutlid), baß fie halb 
nachfotgen mürben. 9tochmatd oerfuchte ed ber 
©raf, gaber’d ©ntfchloffenheit gu befiegen—unb 
mieber ohne ©rfotg. Slber nic^t mehr entfagenb 
nahm er bie abfchlägige Stntmort auf. @r mü= 
thete, brohte unb oergag fich fo meit, Xh^tlich- 
feiten ^u oerfuchen. ©ie Scene hatte 3 eu 9 en > 
unb ber ©ommanbant fühlte fich verpflichtet, 
ben Seteibiger mit einfamer ,f>aft 51 t bestrafen. 
„So," buchte ber ehrliche Sfrieger, „merbe ich 
bem Unglüdtichen menigftend ben Sdhmer^ er= 
fparen, Seiben anfehen ju müffen, bie er nidht 
linbera fann." 

©ad fd>tecf)te ßimmer, melched bie ©räfin be= 


mohnte, tag in einem ber hörten unb fefteften 
©hörme ber Surg. Slld bie Sonne am ©age 
nach b’Slubigm/d Serhaftung burch bk Sd)ieg- 
fd)arten blidte, erhob fich Soetine fe^r früh, um 
ihre fchmadjen, fieberhaft erregten ©lieber an 
ber SDtorgenluft ju ftärfen; ihr £aupt an bie 
fdpnale Öeffnung legenb, fah fie nieber auf bie 
flaren, blauen frönen ©emäffer bed 
bie meit, meit megfloffen üon ber Sefte, unb ber 
SBmtfd) mürbe rege in ihr, fie möchten fich ev * 
heben unb fie üerfd)lingen. Slber halb bereute 
fie ben ©ebanfen ebenfo, mie fie fchon früher 
bed heftigen b’Slubignp’d Slbficgt ihrem lang= 
famen fchretflichen ©obe entfcgloffen ^uborju^ 
fommen, oermorfen hatte, „©iefed ®inb," fagte 
fie, „ift ein heiliged, und anüertrauted *J 5 fanb, 
unb mir haben fein Stecht, ed feinem ©lenb üer= 
maift %u übertaffen. Unb ber ©ebanfe fonnte 
hoch mahrtid) nicht in ©ir entftehen, fein junged 
Seben enben $u motten." 

*,2Bad fiehft © u benn ba unten, SDtutter!" fragte 
matt ©ugen, ben ihre Setoegung gemedt hatte, 
ber aber 511 fchmach mar, fich 3 U erheben unb 
ber Öeffnung 51 t nahen. 

„Sch fehe bed ^irnmeld herrliche Sonne auf- 
fteigen, lieber ©ugen, glänjenb, atd ob fie fein 
ntenfchliched ©lenb befd)iene, ich f e h e bie mei^e 
Stabt ©obten^ mit ihrem grünbelaubten ^)iit- 
tergruttb, unb ben Stauch bon taufenb beerben. 
Sin ihnen ift ©lüd, ©ugen, ^reube unb 3tah= 
rung — unb bei und nicf)td ald Sertrauen auf 
©otted ©nabe, ©ettfe baran, mein theured 
®inb, benfe baran, ba§ mir burch ©ott halb 
aUed Seihend unb aller Stoth überhoben fein 
merben." 

„Sch fann nicht benfen, SDtutter, mein ®opf 
fdhminbelt fo fortberbar. SXber nod) ift ©efühi 
in meinem unb nur ©efühi für Sater 

unb ©ich." 

„©ugen, fotten mir biefe Stoth überleben — 
unb für ©id) ift ja bie meifte ^Öffnung in ber 
Stärfe ber S u 9 en ^ — fo lag biefe ©rinnerung 
eine ©rmahnung ^ur SOtilbe für bein ganjed Se¬ 
hen fein. Saffe oon Strmen unb hungrigen ©ich 
nie umfonft bitten." 

„SDtutter, ©eine SBorte erreichen mein fdjma^ 
<f)ed Ohr faum; tritt näher! ©d ftärft mich, 
menn ich $eine SBorte üernehme, ©eine ^>anb 
in ber meinen halte." 

©oeline ging 511 ihm unb meinte ftitt üor fich 
hin. Saber gemährte fie, bag unten bei 
einer Kanone ber Strtitterift niebergefunfen mar 
— in einem plöglicgen im halben SBahnfinn 
fommenben ©ebanfen ergriff fie bie geber unb 
fchrieb auf ein Slatt Rapier: 

„gran^ofen, in biefer Sefte oerfchmacgtet 
©raf b’Slubignp, fein SBeib unb eingiged Sinb, 
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354 


Per Solibru 


fie fterben ben ^urtgertob, menn $t) r nicht 
fdjleunig Hülfe fc|afft. ©3 fielet ©ud), it>re 
Sanbäteute, um biefe Hülfe an eine öerzmeif* 
lungäbotte äftutter 

©oeline b’Slubignp." 

$iefe Schrift banb fie an einen Stein, iljn 
noch mit Seinen ummidelnb, unb ba fie fo oft 
gefetjen ^atte, mie bie Kanonen geloben unb ab¬ 
gefeuert mürben, mottte fie öerfudjen, ben Stein 
in’3 5h a l hinab zu fliegen. Sie trat au» bem 
Jt)urm, fie überzeugte fidt), baf$ ber Slrtilterift 
tobt mar; fie oerfuchte e3 eine Seite erfolglos, 
ihren Sorfap au^ufütjren, hoch plöplich bonnerte 
ein Sdtjuf* unb Sittel auf ber Sefte, SltteS im 
5hal fam in Semegung. 

gtjrer Sinnen nicht mefjr mächtig, fanb man 
©oetinen niebergefunfen bei bem ©efepüp. Sftan 
fragte, unterfuchte, unb al» fie enbfiep mieber 
Sorte patte, geftanb fie aufrichtig, ma3 fie gethan 
unb marum fie e$ getpon habe — ach, e3 mar bie 
Xhat einer Nhitter für ihr h«ngernbe3 ®tnb! 

5h*änen ftanben in ben Slugen be3 alten, foitft 
eifenfeften Dberften gaber, unb er bermo^t’ e§ 
nicht, bie harten Sorte au^zufpredhen, bie fein 
Pflichtgefühl ihm zufliiftcrte gegen biejenige, 
melche zur Serrätherin bc3 3 u ftanbe3 gemorben 
mar, burd) ben bie Uebergabe ber Sefte ben 
geinben als nahe bezeichnet fein muffte. ®r 
lieg ©beiinen nach bem Xhurmzimnter bringen, 
er gab Reichen, ihren ©atten au3 ber Haft -zu 
holen unb Seiner fanb Sorte in ber ©rfd)iitte* 
rung, bie jebe3 H^J ergriffen hotte. 

Salb barauf fünbigte fiep ein <ßarlamentair 
be§ g-einbeS an, unb Oberft gaber, bon feinen 


Offizieren begleitet, trat ihm entgegen, ©r 
überbrachte folgenben ©rief: 

„$err Oberft! 

Sie ho&en 9 etpan, toa£ menfchliche Sraft 
irgenb bermag, unb ba ich &on bem töbtenben 
Mangel meifj, ber in ber Sefte perrf<ht, ich auch 
Nachrichten höbe, bafc ber griebe nahe ift, zu 
golge beffen mir burch ©onbention ©prenbreit* 
ftein erhalten, fo motten mir bi3 bahin alle 
geinbfeligfeiten einftetten, unb ich tuerbe gern 
bie ©efapung mit Sittern öerfepen, ma3 fie be- 
barf. ©£ fteht ein 5ran3port mit Sebenämit* 
teln für fie bereit, unb Sie fömten beren in @m- 
pfaitg nehmen, fo Diel Sie ihrer bebürfen. Ser* 
melben Sie ber ©räfin ©beline b’Slubignp ben 
©rufe ih rer Sanb^leute, mit benen fie hoffend 
lieh zufrieben fein mirb, unb nehmen Sie ben 
SluSbrud ber berbienten Hochachtung, bie ich 
jebem braben Srieger zolle. Hocpe." 

©encralHoche hielt fein Sort rcblich,erberfaf) 
uocp beinahe *iinf Socpen bie Sefapung ©pren* 
breitftein mit Sittern, ma£ fie beburfte, unb aU 
bie granzofen burch Uebereinfunft bie Sefte in 
Sefip nahmen, mürbe bie fleine ©arnifoit mit 
allen friegerifchen ©hren bon ben Selagerem 
empfangen. — ©raf b’Slubignt) aber trat mit 
feiner ©attin unb feinem ©ugen bor H^pe hin, 
ipm zu banfen, unb biefer manbte fiep an ©öe* 
linen mit ben Sorten: „Nidpt3 uoit ®anf für 
meine Scpulbigfeit; Sie aber hot ba3 Sftutter* 
gefiipl z 11 einer Helbin gemacht, beren 5hat 
unöergeplicp fein mirb, unb mir mär’£ eine ©hre, 
meitn unfre Namen bereiitft einmal zufommen 
genannt mürben!" 




Per Moltbri. 


gür §au$ unb Herb bon 3 . Sern. 


®iefe fleinen, lebhaften Sögelchen, mit bem 
munberbott glänzenben ©efieber, haben ihre Hei" 
matt) pauptfächlich in Slmerifa, mo fie bon einem 
©nbe be§ Kontinente bie zum anberen gefunben 
merben. Slm attermeiften jeboep halten fie fiep in 
ben tropifepen 5peilen, ben $eltae unb an ben 
Uferlanbfcpaften ber großen gliiffe s Norb* unb 
Siibamerüa’e auf. 

®iefe fepr intereffante Sogeifamilie jählt 
nahezu 300 Slrten unb 75 Untergattungen, mo* 
bon bie ftleinften nur 20 ©ran miegen. 

Suffon, ber Naturforfdher, fagt in einer Se* 
fchreibung biefer Sögelchen: „Unter aßen beleb* 
ten Sefen befipt ber Solibri bie eleganteste 
gorm unb ben fünften garbenfepmud. Sünftlid; 
polirte ©belfteine unb Nletatte fönnen biefem 


'gumel ber Natur' niemale gleichgefteflt merben. 
Sont Schöpfer in bie Slaffe ber Söget gefept 
unb in Sezug auf ©röfee auf bie unterfte Stufe 
geftellt, hot berfelbe aber biefee fleine ©efchöpf 
hoch reichlich befchenft mit ^ähiQfeiten, melche 
bei aßen SInberen immer nur einzeln zu fiitben 
finb — glinfheit, ^iertidje Semegung, SNmtter* 
feit, Sd^nettigfeit unb munberüott gtönzenber 
fteberfdjmud. Stuf feinen ^ebern prangen bie 
Farben bee Sntaragt, Saphir unb Xopaz, unb 
meil berfelbe ein Semopner ber Suftregionen 
ift, unb nur feiten ben ©rbboben berührt, 
mirb fein ©emanb auch nicht 00 m ©rbenftaub 
befledt. SBenn berfelbe öon Slume zu ©turne 
flattert unb Nectar trinft, fieht er in feiner 
SJlunterfeit unb ©lanz, felbft faft einer Slume 


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gier Jtolibri. 


355 


üfjnlid). Ser tropifdje ©üben, mo bie ©turnen 
in beftänbiger Stufeinanberfolge blühen, ift feine 
£eimatl), nur SBenige manbern aus, unb biefe 
nur mäljrenbben frönen Sommertagen, ©obalb 
ber ßerbft naljt, teuren 9lße mieber nad) bem 
fonnigen ©üben zuriid." 



Sububon, ber amerifanifdje s JZaturforfd)er, 
oergteidjt bie Kolibri mit einem „©tüdcfjen beS 
funfelnben 9tegenbogenS," mäfjrenb ber inbia^ 
nifdje 5Rame biefeS fdjmuden ©ögeldjenS „@on= 
nenftraljl" bebeutet. 

Ser ^lug biefeS Keinen Sogeis ift aufcer- 
orbentlid) fdjneß, faft feenhaft unb pfeitfdjneß 
eilt eS burd) bie fiuft. Sie glügel finb, im 
©erf)ältni& jur Körpergröße, feljr lang unb 
fdjmat, unb bie Sehern in beitfelben fo gcfteßt, 
baß bie Suft nidjt ztoifdjen benfelben fyinburd) 
bringen !amt. Sa mandje üon ifjnen mäfyrenb 
ben Sommermonaten nad) nörblidjer gelegenen 
©egenbcn auSmanbern leiften ißnen ißre 
langen, aber leisten gliigel auSgezeicfc 
nete Sienfte. 

©on biefen manberluftigen Kolibri, • 
fagt ©uffoit: „Sie folgen bem Sauf ber 
Sonne, rüden oormärts unb feßrett 511 == 
rüd, mit biefer, genießen baßer beftänbig 
grüßlingStuft." SluSnaßrnSmeife aber 
oermeilen bocß fie in ben fälteren ©egem 
ben, bis fie burd) ©cßneeftürme öcr- 
fdjeudjt merben. 

3 ßre -iftaßrung befteßt aus bem £>omg* 
faft ber ©lumen unb ©lütßen, fomie aus 
Keinen ^nfeften. SBunberöoß ift, mie 
fie bei ber ©ammlung ißrer 9 Zaßrung, 
non faft pfeilfcßneßem augenblicK 
ließ inne galten unb in ben ßuftanb f re ^ 
fcßroebenben ©leidßgemicßteS fid) öerfeßen 
fönnen. ©uffon fcßilbert biefen Keinen 
|mnigfafcSammler auf folgenbe Steife: 
„Kaum baß bie ©onne burcß ißre SRüd* 
feßr ben grüßling eingeleitet ßat, unb 
9 Jtiflionen non ©flanjen anfangen unter 


ißren moßltßuenben Strahlen, ©lütter unb 
©lütten zu treiben, fo befugt aucß fdjon ber 
Heine Kolibri jebe fid) öffnenbe Knofpe unb ent= 
fernt bie fcßäblicßen gnfeften, meldje fonft fefjr 
halb baS ©ermelfen ber ©lume ßerbeifüßren 
mürbe. SJäßrenb er in ber Snft fdjmebenb, 
burcß bie fcßneße ©emegung feiner gtügel bie 
©lume befäcßelt unb burd) baS fummenbe ©e= 
räufcß bie ignfeften in Schlummer miegt, bringt 
fein f rf) a r fe r 
©lid in bie im 
nerften SBinfel 
beS Slumen!el= 
cßeSßinein. © 0 = 
halb fein 9lugc 
ein Ungeziefer «* lflflCl öc * Äolibri - 

entbedt, ftedt er ben langen, bünnen ©cßnabel 
in ben ©lumenfetdj, fcßneßt bie mit einem fleb= 
rigen ©peigel belegte 3 un 9 e tjcrnor unb fängt 
auf biefe Steife feine s Jiaßrung. 9lßeS bicfeS 
nimmt nur einen Sugenblid in Snfprucß, unb 
obgleich bie Sluine einen Keinen ©erluft an 
fmnigfaft erlitten, fo mar bocß ber ©efucß, in 
Snbetracßt ber entfernten Snfetten, eine SSoßl^ 
tßat für bie ©lume. ©eine Steuerungen er* 
ftreden fid) über Stelb unb glur, $rairie unb 
©arten, unb überaß finbet ber Keine ©ogel 
©ergnügen unb Staßrung. Seine Semcguitgeu 
oon einer ©lume zur anbern gleichen bcnen beS 
SicßtftraßlS, aufmärts, abmärts, nacß rechts unb 
nacß linfS" 

Somit eS biefem fleinen ©efdjöpf möglidj fei, 
aus ben oft langen ©lumenfetcßen feine SRaßrung 
Zu Idolen, mar es nottpoenbig, baS baffelbe oom 







356 


litt üolibri. 



Xa« bcd Kolibris. 

Schöpfer mit ttodb einer eigentümlichen (Sinrid)» 
tung »erleben tuerbe, nämlich einem langen Sd>na» 
bei. SBenn roirben Kolibri bctrad)ten, fo fdjeint 
fein tanger Schnabel ebenfo unoerhältni&mäjjig 
jur Körpergröße ju fein, mie feine langen gliigcl. 
®ie beigefiigten ^tluftrationen geigen, mie aut 
in biefer Schiebung ber gütige Schöpfer biefe 
Keinen $h ier 4> en mit ^ cm öer l’ et ) en 
jur ©rtangung ihrer Nahrung nöttjig ift. Kr» 
ftauntidj ift bie gertigfeit, roetche fie im ®e» 
brauch beffelben befifcen, unb mie ficher fie mit 
bentfclben jieten. Sei eS beim pfcitfd)neüen 
gtug, ober fei ei fchtoebenb oor einer 33tume, 
fobatb ihr fdjarfbtidenbeS 9luge ein Snfett ent» 
becft, fährt auch fd»on ber mohtgejiclte Schnabel 
nach bemfetben aus unb erhafcht baffelbe. $od) 
bitben Riefelten nicht ben fea'upt» 

Diährftoff ber Kolibri, fonbern 
auch fie jiehen bas Süffe oor. 

$nhcr finb fie gerne bereit, bie 
Sßlumen oon ihren täftigen Kun» 
ben ju befreien, menn biefe ba» 
für mit §onigfaf t bejahten, 9lber 
auchh'erinfinb fie mähterifchunb 
jiehen gemiffe 33 tunten, j. 33.3e» 
länger jelieber unb SSalbminbe 
oor. $ur ©rtangung biefer 9tah» 
rung ift and) bie .gütige berfelben 
fehr praftifch eingerichtet; bie» 


felbe ift fehr lang, fabenförmig, an ber Spige 
getheilt unb fann mit grofjer Kraft heroorge» 
fchneltt merben. Ohne bietet eigentümlich 
conftruirte ©lieb märe ei ihnen nicht möglich 
ihre 2iebtingS=9 l tahrung ju geminnen, unb mür» 
ben fehr roahrfcheinlich barben müffen. 

„$)aS 9teft beS Kolibri ift aus 33antnmolIe, 
SBotle ober tßflanjenfafern funftooll gebaut, 
fdjön mit Gebern burchmoben unb mit ®unen 
auStapejirt; beinahe alle Slrten legen jrnei ©ier, 
melde bei einigen Varietäten aufcerorbentlich 
Kein finb." KunftooQ ift bie 2lrt unb SBeife, 
mie fie biefe Utefter an ber Oberfläche eines 
33latteS, einen Keinen S3aumjmeig ober an bie 
Seite eines Reifen ju befeftigen oerftehen. $aS 
beigefügte S3ilb fteöt bar, mie ber „Keine l£tu» 
fiebler," eine ber gemöhnlichften Ülrteit ber Ko» 
iibri, fein Steft baut. Saffelbe ift üon ber 
©röße einer Keinen Xaffe, unb bur<h ein Spinn» 
getoebe ähnlichen gäben an bie Oberfläche eines 
33latteS befeftigt, fo bah bie junge S3rut oom 
3Binb gefchaufett mirb. 333ährenb ber 33rüte= 
jeit finb neugierige 33efncher fehr unmiHfommene 
©äfte, unb erfüllen biefe Keinen 38efen nicht nur 
mit SKifjtrauen, fonbem macht fie oft fehr böfc. 
83ei ber S3ertl)eibigung ihrer 33rut geigen fie 
große ®reiftigfeit, ftürmen auf ben ^erannahen» 
ben ein, unb jttm Reichen ihres 9KiffallenS flic» 
gen fie pfeilähnlich, unb fo nahe mie möglich an 
feinem Kopfe oorüber, bis er es für mcife fin» 
bet, ben 9Uidfd)ritt anjutreten. 9llS jtt foldier 
3eit befonberS uncrfchrotfen unb fehr erregbar 
mirb ber Keine „meEifanifthe Star" bejcichnet, 
ber im Kampf gegenüber gröberen Vögeln, ftetS 
auf baS 9tuge beS ©egnerS toSgeht unb mit fei» 
nem nabel»ähnlicheit Schnabel baffelbe ju Oer» 
lefcett oerfucht. Kampf mit anberen Koti» 
bri hingegen oerfucht er feinen ©egner burch 
Uebermältigung ju erlegen unb fe|t ben Kampf 
fo lange fort bis entmeber ber ©egner, ober er 
felbft, ermattet ju 53oben fällt. 

3Sir befdjliefcen biefe Sfijje mit einer grage 
beS berühmten DtaturforfdherS Slububon: 3Bo 
märe eine iperfon jtt finben, melche eine biefer 



Kolibri Ä3i)fc. 


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Huf unb jSifber, 


357 


öe$aubernb frönen ©efdjöpfe, feenhaft fdjmebenb 
erhalten, burcf) Heine Schwingen burcf) bie Suft 
getragen, bon ©turne $u93lume flatternb, mit ©e= 
megungen, bie eben jo anmutt)ig als aucf) leidet unb 
flüchtig finb, feine ©a^n über unfer auSgebehn* 
teS geftlanb oerfolgenb, greube bereitenb wo 
immer er erfcfjeiut — too i \t bie ©erfon, frage id) 
bidj lieber ßefer, melier biefeS „fc^immernbe 


Stücfcfjen Regenbogen'' beobadftcnb, nicht ftitte 
fte^en, bemunbem unb augenbüdlidj feine öeban^ 
feu anbetenb bem allmächtigen Schöpfer erhe* 
ben mürbe, bie SBunber bon beffen §anb mir bei 
jebent Stritt entbeden, unb beffen erhabene ©e* 
bauten aus feiner benmnberungSttmrbigen SBelt* 
orbnung bei einer Schöpfung uns entgegen 
leuchten ? 





JCnf und nieder. 

©tne 8ebendgefi|ii|te tu! Ämcrift. gär #au§ unb §erb fiearleitet Hon genricud. 

(gortfepung.) 


^tnen SRonat fpäter ftanben fie beibe an 
bem füllen ©rabe, too fie täglich geftan- 
ben hatten im 3wieli<ht. vlm onbern 
Mfr Riorgen wollten fie weit fort bem 

| Sßeften ziehen. 

f ©noch mußte recht gut, baß er fein Sperjeleib 
I mit ftdj nahm; aber er bachte, waS manche trau* 
embe ©eele fd^on bor ihm gebacpt, er unb ^Saul 
mürben eS an einem fremoen Orte leichter er* 
tragen tonnen. ©0 mar eS benn befchloffen, 
fie wollten fort, obwohl jpefter’S Xante, bie ein* 
iige ©erwanbte, bie itjnen blieb, bebenflich ben 
Slopf fchiittelte unb mehr als einmal fragte: 
„ 2 BaS foll in bem frembeit Sanbe aus bem gun* 
gen werben, wenn Xu traut wirft, ober wenn 
Xir etwas RtenfchlicheS gefehlt, ©noch?" 

. Rber ©noch mar gefunb unb ftarf unb jung, 
er fürchtete nichts für fich unb lehnte fogar grau 
goneS’ ©üte ab, bie eines XageS, üon mütterlicher 
©orge für ben fleinen ©aul getrieben, baS Verbieten 
machte: 

„geh will ihn flu mir nehmen unb für ihn forgen, 
als ob er mein eigenes SHnb wäre, wenn gfjr mir 
ben jungen taffen wollt, Rachbar gofter." 

Rber ©noch tonnte fich nicht ba$u oerftehen. 

„geh bante ©uch hcr^lic^/' erwtberte er, „eS ift mir 
unmöglich; nur ©ott tann mich unb ben fleinen fjkul 
trennen. geh werbe ihn nie oerlaffen, bis ©ott einen 
bon uns abruft." 

Xie alte blaue Äifte, welche §efter*S Rhitter gehört 
hatte, nahm alles in ftch auf, fogar bie wenigen ©chäpe, 
welche ©ater unb SHnb mit in bie gerne nehmen 
wollten. Xie alte ©ibel, einige ©üdjer, welche §efter ge* 
hört patten, ein blaues ©anb, baS fie an geiertagen 
getragen, ein RrbeitStörbchen mit halbabgenähten 
KWirnrotten unb bie Rabeln, burd) bie fie telbft bie 
gaben gezogen, ein angefangener ©trictjtrumpf für 
$aul, baS waren bie ©cp je, welche ©noch als §eilia* 
thümer berwahrte unb beren SBerth eben nur in Heb* 
reich gebüßten ©rinnerungen beftanb. 

fßaul’S ©chäpe beanfpruchten mehr Raum als bie* 
jenigen feines ©aterS. grau goneS wollte ihn ein 
paar SWal abweifen, wenn er auf'S Reue belaben ju 
ber Stifte heran trat, aber ©noch bermittelte immer 
wiebeT. 

„Sagt ihn alles mitnehmen, was ghr unterbrin* 
gen tonnt," bat er f inbem er bor ber blauen Stifte 
miete unb einen äBtntel für fßaulS SHefelfteine unb 
©chieferplatten frei machte, bie bem Knaben lieb ma* 


ren, weil er fie mit ber SRutter jufammen gefucht 
hatte. Xann tarn baS R*©*©*©ucß unb bie tleine 
gibel, unb bie Schiefertafel, welche forgfältig in ©a* 
pier gemictelt war, bamit bie fiinien nicht berwifcht 
würben. 

„Xu weißt hoch, ©ater," flüfterte ©auf leife, bamit 
grau goneS cS nicht hören foHte, „eS ift baS ©ilb, 
baS ich Öen lepten Xag malte — wir nannten eS: bie 
grünen Sluen unb bie frifchen SBaffer. Xu weißt eS 
hoch, ©ater?" 

0 ja, ©noch wußte eS. 

©üblich war alles gepaeft, bie Stifte gefchloffen unb 
mit einem ©trief ummunben, unb bie Sparte aufge* 
nagelt, auf welcher ©noch mit großen ©uchftaben bie 
iftbreffe gemalt hatte, grau goneS ging mit bem 
©erfpreajen, gegen Rbenb noch einmal wieber tom* 
men 511 ‘wollen, unb ©noch ^atte etwas im Xorfe ju 
beforgen; fo blieb ©aut allem. 

©r fletterte auf bie Stifte unb fudjte fich bamit ju 
unterhalten, baß er bie Rbreffc buchftabirte: „Xomp* 
finSoiHe." SSaS mochte baS für ein Ort fein? Xomp* 
fiiiSbiUe—er buchftabirte unb laS ben Ramen wieber 
unb wieber unb brach Plöplich in ein leibenfchaftliiheS 
©chluchjen aus. ©r hörte nicht, baß grau $oneS in*S 
Qimmer trat unb bemerfte eS taum, als fie ihre #anb 
auf feine ©djulter legte; fie mußte ihn erft empor 
heoen unb wieberholt fragen, waS ihm fehle, ©aul 
wußte eS nicht 511 fagen, er weinte nur noch Hägltcher 
unb eS währte lange, bis feine Xh^änen oerfiegten; 
aber bie Ruhe, bie biefem RuSbruch folgte, war noch 
ergreifenber, als fein lauter ©chmer$. ©r ruhte in 
ben fMrmen ber guten grau unb befreite fich erft auS 
benfelben, als er feinen ©ater fommen hörte. 9 ttu* 
thig oerbarg er feinen ©eßmerj, weil er fich erinnerte, 
baß jeine SRutter immer gelächelt hatte, wenn ber 
©ater heim fam. 

„Qch habe einige ©feffemüffe im Xorje gefauft," 
fagte grau goneS, „bamit ©aul auf feiner Reife 
etwas ©üßeS ju effen hat, aber ich fomme morgen früh 
oor ber Abfahrt noch einmal." 

©ie ging unb halb barauf machten ©noch unb ©aul 
ihre lepten ©efudje am ©rabe. 

©S mar fehr früh, öle Xämmerung war noch nicht 
gewichen, ba medte baS Rollen beS aßagenS, welcher 
©noch anb ©aul unb bie blaue ^ifte über bie ©erge 
führte, hier unb bort einen ©chläfer, bem eS aber ^unt 
atufftehen noch 5a früh mar. ©no^ ja^ nicht fturücf 
nach bem $>aufe, in welchem er fo glucflich gerne* 
fen; fein Sluge ftarrte hinaus in ben Rebel, aber 


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358 


Huf unb jiifber. 


S oul patte bcn #opf rüdroärtS gebrept unb in biefer 
teHung üerparrte er, bis bie ©erge ipm bie SluSftcpt 
oerfcploffen. XaS niebrige £>auS mar feine ©eburtS* 
ftätte, bie glüdlicpe £eimatp feiner früpeften ftin* 
berjapre, bte er an biefem SRorgen oerließ — für 
immer. 

Xer SBagen, melier fie führte, mürbe in ber gan* 
aen Umgegenb ber ,,©o|tfad" genannt; er fupr ben 
einen Xag nach ber benachbarten ©tabt 3R— unb 
teerte ben folgenben Xag aurüd, um SB— in einem 
jmeifpaltigen 3eitungSblatt, roeldpeS roöcpentlicp er* 
fcpien, bie Meinen SReuigfeiten ber Slußenroelt juau* 
tragen. XiefeS ©latt, einige menige Briefe unb pin 
unb miebcr einmal ein jßaffagier, baS mar bie „große 
fiabung," mie ber alte ©pil, ber guprmann unb ©e* 
ftfecr beS SBagenS fiep auSaubrüden pflegte. 

©pil mar ein rauher, gebräunter, fiebenaigiäpriger 
SRann. Xie feparfen güge feines ©eficpteS patten 
manepe ©orge unb manchen Kummer Oerjeicpnet; 
feine tiefliegenben Slugen maren oon grauen, bufepi* 
gen ©rauen befepattet; er patte eine parte, etroaS 
abftoßenbe SBeife ju fpreepen unb fiep benepmen, 
aber ein tinblicpeS, iiebreicpeS, menfcpenfreunblicpeS 
&era; $inber unbXpiere, mit benen er in©erüprung 
tarn, liebten ipn trop feiner rauben ©praepe. 

©r mar etrnaS bon einem ©efcpäftSmann, benn er 
patte ftets einen ©ad auf feinem SBagen, melcper bie 
munberfamften unb oerfepiebenartigften Xinge ent* 
hielt, bie er aum Verlauf auSbot unb auep ju oertau* 
fen pflegte, gn jebem grüpling unb in jebem öerbfte, 
beffen ftep fßaul ju erinnern mu|te, patte er auf^pil’S 
Slnfunft geroartet. ©efter’S ©erfieperung, baß fie 
bieSmal nicptS SReueS bebürfe, patte ©pil ftets mit 
einem gelaffenen: „SBir moUen fepen, grau gofter, 
mir mouen fepen," beantmortet unb bann mar baS 
Slufbinben unbSiuSpaden beS gepeimnißüollen ©adeS 
erfolgt, beffen gnpalt mit offenbarem Vergnügen ge* 
geigt unb auep gefepen mürbe, ©o mar eS benn ge* 
tommen, baß fcefter’S ipre menigen ©intäufe ftets bei 
bem alten ©pil maepte. 

©r mar nie gefommen unb nie gegangen, opne ir* 
genb eine ©üßigteit aus feinen Xafcpen perauS ju 
langen, bie ©aul roabrpaft unergrünblicp ju fern 
fepienen. Slber ber alte 9Rann patte auep ftets für 
$efter etrnaS *urüd gelaffen. ©r mar in feiner SBeife 
eine Slrt ©eleprter; menn er auep oon ber SBeiSpeit 
ber ©cpulen niept oiel mußte, fo patte er boep reicpe 
©rfaprungen gefammelt unb bie SBorte, roelcpe er 
Hefter ju pinterlaffen pflegte, bemiefen fiep bauerpafter 
alS bie ©ußigteiten, melcpe ©aul erfreuten. 

Sin biefem SRorgen begnügte fiep ber alte SRann 
mit einem ©ruße, benn er erfannte mit bem Xatte 
eines roarmen §erjenS, baß er ©noep unb ©aul feine 
Xpeilnapme burep ©epmeigen am beften bezeigen 
tönne. ©ie patten baS Xorf bereits erreiept. ©or 
bem SBirtpSpaufe pielt er ftifl. 

„§aüo, fage icp!" rief er mit tlirrenber ©timme. 
„©inb Beute für miep peutc SRorgen? öcran opne 
©eräug, mir haben feine 3 *it ju oerlierenr 
3 mei ^oljpader melbeten fiep als ©affagiere. ©ie 
mouten, fagten fie glcicpfam entjcpulbigenb, naep 
einem Orte gepen, mo eS noep niept fo oiele Sicptun* 
gen gäbe, als um SB—. 

„gmmer luftig perein!" mar ber SBillfommen 

f hil’S; er tnallte mit ber ©eitfepe unb rief feinen 
ferben au: „SRunter unb moplgemutp, alte ©ur* 
fepen, munter unb moplgemutp fage icp, moplgemutp." 
$ie Xpiere geigten fiep gefmrfam unb in einer palben 
©tunbe lag baS rupige Xorf, baS fiep fo bepaglicp 
an bie güße ber ©erge fepmiegte, meit pinter ben 
JRcifcnben. 


Xie Banbftraße füprte lange 3eit burep einen biep* 
ten Xannenmalb, in melepem eS faft bunfel mar, unb 
als fie bann plöplicp für einige SRinuten bie fiieptung 
burepfepnitt, mar $aul ganj oermunbert, bie ©onne 
fepon fo poep am ^immel 511 fepen. 

,,©ieb feater," nef er; „eS ift peller Xag unb bie 
©onne fepeint ganj präeptig!" 

©noep antmortete mit einem leifen: „£$a," aber er 
maepte eine Slnftrengung, um fiep au bilden — bem 
ftuaben au Siebe. 

©egen 9Rittag maren bie SReifenben faft auf ber 
§öpe.—„©in mirf lieper S3erg," fagte ber alteSSpil, „oor 
b'cm bie SRenfepen 9tefpeft haben unb ber ben $ferben 
au fepaffen macht. SBir finb faft oben." 

4)iefe lefete feemerfung galt $flul unb mar oon 
einem mopfmollenben Säckeln begleitet. 

„©iehft ^u bie ^euf^uppen unb baS ©aus bort 
brüben ?" fragte ber alte SRann naep einertBeile mie* 
ber. „25aS ift ber Ort, mo mir $u raften pflegen, 
unb mo eS eine ©rfrifepung gibt für SRenfcpen unb 
Xpiere." 

$aul mar auf ben SSorberftp hinüber geklettert. 
$pirs SBort: „SBir finb faft oben," patte baS gepeim* 
ooüe ©erlangen naep ben munberfamen Gingen 
mieber in bem kleinen ermedt, melcpe er fiep ftets 
„auf ber anbem ©eite" gebaept patte. 

©r brängte fiep feft an ben alten SRann unb roagte 
enbliep, bie grage auSaufpreepen, bie er feinem ©ater 
fo oft oorgelegt patte: 

„SBaS ift auf ber anbem ©eite, Sßpil? SBerben 
mir eS jept fepen, jept gleiep?" 

„Xu meine ©üte," rief ber alte SRann oermunbert, 
„maS joU auf ber anbem ©eite fein? SftcptS ©eforo 
bereS, gunge, eine ©bene unb bann mieber ein ©erg, 
ben mir pinauf müffen unb fo gept eS fort bis aum 
Slbenb. SBaS paft Xu Xir benn SSunberlicpeS ge* 
baept? heraus bamit! §e!" 

„O, icp meiß niept," ftammelte ©aul aögemb, „aber 
icp baepte —id^ badpte —oben auf bem ©erge — gana 
oben, ba müffe eine ©teüe fein, oon melcper bie icpö* 
nen ©aepen peroortommen—©ater fagte, eS feien oiele 
Seute unb oiele Käufer an ber anbern ©eite." 

„SJun ja, mein gunge, baS ift auep mapr — eine 
SRaffe SRenfcpen unb etneSRaffe^äuferaber fie fepen 
boep meiftenS gerabe fo aus, mie bie SRenfehen unb 
ftäufer in SB—, unb fie finb meiftenS auep fo. Xie 
fepönen ©aepen, oon benen Xu fpriepft—fiehft Xu fie 
niept, $inb? SBaS oerlangft Xu nod^ ©epimeres, als 
Xu pier paft?" 

Xer alte SRann blidte um fiep unb nidte awfrieben, 
faft ftola, als er auf bie popen ftattliepen Xannen unb 
bie benachbarten gelSftüde geigte. 

„Slber," fragte Sßau l flemlaut, „müffen mir benn 
immerfort ben ©erg pinan fteigen ?" 

©S mar bie grage eines ÄinbeS unb bie fie aus* 
fpreepen pörten, maren nur ungebilbete SRänner ber 
vlrbeit—aber ein tiefes ©epmeigen fentte fidp auf alle 
perab. 

XaS SRittageffen mar aufgetragen, als bie SReifen* 
ben baS einftme SBirtpSpauS betraten. 

„SBir moüen uns gana gepörig auSrupen," fagte 
©pil, „unb ber ©onne einen guten ©orfprung laffen, 
bamit bie £>ifce fiep erft ein roenig milbert. @S ift 
beffer, mir tommen etroaS fpät naep 9R—, als baß 
mir untermegS aerfepmelaen. 

Unb fie mpten fiep gepörig. Xie ©epatten ber 
©äume maren bereits länger gemorben, unb ein fnh* 
leS ßüftefaen brachte ©rquidung, als ©pil aum Sluf* 
bruch rief, ©aul mar faft betrübt, ba§ er fort füllte; 
mie oegierig er auep mar, au fepen, toaS nun tommen 
merbe, fo patte er boep fo große greunbfepaft mit bem 


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Huf unb jlteber. 


359 


attcrnbcn ©ßepaar in bent einfamen §aufe gefcßlof* Unb bie gan$e lange, bunfle ÜRacßt faß ©noeß allein 
fen, baß ißm ber Äbfcßieb feßwer würbe. $>en guten mit feinem ©eßmera, ben er nießt $ur 9Rut)e bringen 
ßeuten ging eS ebenjo; *ßaul ßatte fie plöfclicß baran tonnte unb in bem tiefen Tuntel, ba« in ihm unb um 
erinnert, baß fie einft aueß ein ©ößneßen gehabt. ißn ßerrfeßte, baeßte er gar nicht an ben ©inen, wel* 
„SEBarte nur ein wenig, 55u ©olbmann," rief bie eßer bei ißm mar unb bem e« fo Ieicßt mürbe, feinen 
alte grau, ate^ßaul naeß oentSöagen ging, in welchem ©eßmer* in greube ju oermanbeln. 
fein Ssater unb bie anbem SRänner bereite <ßl aß ge* 5>a« 3ttorgengrauen $eicßnete bereite einen filbemen 
nommen; „warte ein wenig!" Streifen am öftlicßen ^ori^ont, ate ©noeß enblicß 

mt biefen SBorten oerießmanb fie ßinter einer ber leife einfeßlummerte, aber nur für ein ßatbe« ©tünb* 
bielen Xßüren, welche in bie große $ücße münbeten, eßen. @« war noeß bunfel im gimnier, ba füßlte er 
tarn aber gleicß wieber mit einer ©cßürie oofl rotß* *ßßir« §anb an feiner ©cßulter unb ßörte, wie ber 
wangiger Äepfel jurüct. 2Rit großer greube füllte alte ÜRann ißn mit raußer, aber boeß freunbUcßer 
fie $aur« Xafcßen unb ein SBeibenförbcßen, baß fie ©timme anrief: 

ißm gab. „$ier bin icß, §err gofter, um ©ueß fiebemoßl ju 

* „gcß bente, bie feßmeefen 55ir auf deiner Steife," fagen, unb ©ueß unb bem fleinen ©urfeßen ©lücf *u 
fagte fie gutmütßig. munfeßen. ©in präeßtiger 3unge, ein waßrer ©cßafe 

®ie fonft nießt weieße grau jeigte fieß feßr bewegt, für ©ueß !" 5)er alte SJcann feßwieg einen Äugenblicf, 
^Sßil ßatte ißr erjäßlt, baß ber $nabe feine SRutter unb fügte bann faft bewegt ßinju: „55er foerr fegne 
oerloren, unb ba« rußrte tßr$erj$. 9Rit ungewohn* ©ueß beibe, 9Rann! ®ergeßt e« nießt, baß er ©ueß 
ter 3ärtlicßteit beugte fie fteß $u tßm nieber unb tüßte an ber öanb ßält unb ©ueß füßrt, im 55unfeln fo* 
ißn. woßl, ate im Sicßt. @r bleibt berfelbe unb er ift 

,,©ei immer ein guter gunge, immer," flüfterte fie. ©ueß immer naß; gßr tonnt ißn im 55unfeln nur 
„Vergiß e« nießt, baß ©ott 5)icß fießt, wo 5>u aueß nießt fo genau feßen, ate im fiießt—ba« ift ber Unter* 
fein magft, unb wa« $u tßuft, unb—wer weiß—üiel* feßieb." 

ieießt tann 5)eine SRutter 55icß aueß feßen." 5)er Älte ging unb ber ©aftmirtß tarn. 

„heran gunge, ßeran,fage tcß!" rief $ßil unb *ßaul ommt ßierßer, wenn gßr früßftücfen wollt, be* 
blieb teine Qtit $u antworten; aber er faß fieß noeß oor gßr geßt; langer $enug ift nießt geftattet." 
einmal um unb mintte mit ber §anb, ate oer SBagen $er Sßater neigte fieß über ba« feßlummembe Äinb 
feßon fortrollte. unb weefte e«. fjsaul feßlug bie Äugen auf unb faß 

„Sater," fagte er bann mit warmem ©ifer, „bie oerwirrt umßer; ba« frembe Seiner unb ber unbe* 
Seute, weieße oben auf ben bergen leben, gefallen tannte SRamt flößten ißm fjurebt ein, er fudjte bie 
mir, fie ßnb fo gut." ©anb feine« ®ater« unb hielt fie feft, aber ©noeß’« 

§ätte $aul bei biefen SBorten ^Sßil angefeßen, fo ©rflärung, baß ße in ber Verberge feien, ^u welcher 
mürbe er in bem alten ©efießte ein 2lufleucßten ber ber alte $ßil fie geftern^lbenb gebracht, berußigte ißn. 
Äugen bemertt ßaben, oieueießt würbe er aueß oer* $a« grüßftüc! war ein eilige« 9Jcaßl; e« war 
ftanben ßaben, ma« ber alte 9Rann murmelte: „©ine no* nießt ganx ßell, al« bie SReifenben9R— Oerließen, 
©tabt, bie auf bem SBerge erbaut ift, tann fieß nießt ©reignißooue Xage folgten; fie braeßten $aul im* 
oerfteefen." mer neue Äbweeßfelungen. 

,4J<ß benfe, £>err gofter," faate ^ßßil laut, inbem er Unb boeß—fie bilbeten nur ein oerworrene« ©ßao« 
fieß $ur ©eite bog, „bie 9taeßfolger be« 6erm, wie in be« tfinbe« ©eift, biefe Xage. UeberfüHte ?5oft* 
unfer $aftor fie nennt, leben ba oben. 9Reint $ßr futfeßen, ßolprige fianbftraßen, Dörfer, glüffe unb 
ni*t aueß?" S3erge, alle« wogte in buntfeßeefiaer Unorbnung bureß* 

5)ie ©onne war lange $ur fRuße gegangen, al« bie unb übereinanber. iRur ber erfte Xag, ber Xag, an 
Steifenben 9R— erreiwten. $aul jeßlief feit einer welchem fie bie $eimatß oerlaffen unb mit ^Jhil über 
©tunbe; er tonnte fieß faum ju bergrage ermuntern, ba« ©ebirge gefaßren waren,—unb ber legte 4ag ber 
wo fie jeßt feien, al« ©noeß ißn in bie Xorffcßente Steife ßafteten mit beftimmter $eutlicßteit in $aul’3 
trug, in weleßer ße bie Stacßt Oerbringen wollten. ©rinnerung unb ftanben abgefonbert oon ber ba^wi* 
,^Äeine Stiße unb tein Soeß frei," entgegnete ber feßen liegenben 3«t. 

©^entwirtß, al« ©noeß naeß einem 3 immer fragte. Stacß einem trüben Xage, weleßem ein fonniger 
,,^er SBaßltag ift naße," fügte er ßinju, „ba ift ber Äbenb folgte, naßmen fie Äbfeßieb oon bem ^oßwa* 
ßulauf groß. SBenn 3ßr bie S3ant bort benußen gen unb bem ftutfeßer, weleßer in ben legten jmeiXa* 
wollt; weiter Oermag ieß nießt« flu geben." gen ißr ^Begleiter gewefen. 

©noeß geigte fieß jjufrieben. SBenn er nur einen ©in gußrmann tollte ße ßinüber naeß Xomgtin«* 
$lag für $aul ßatte, an fieß baeßte er nießt. oille bangen. 

©anft legte er ben feßlafenben Knaben nieber unb 9Rit ©noeß’« §ülfe würbe bie blaue Äfiße auf ben 
jdrtließ, wie eine SRutter, bebeefte er ißn mit bem §interfig geßoben, er felbft fanb feinen $lag neben 
Xueße, baß ber ^erbergßalter braeßte; benn bem ßei* bem gußrmann, unb ^aul faß auf feinen Änieen. 
ßen Xage war eine füßle ÜRacßt gefolgt. 2)ie gaßrt ging gemäeßließ oon ©tatten. „55er §im* 

©noeß jog ßcß einen ©tußl bießt an faulte Säger, mel muß gan$ ßell fein, wenn man ißn feßen tann," 
©r war mübe unb erfeßöpft unb nießt geneigt, fieß ju bemertte ^aul. auf ben ©onnenfeßein jeigenb, ber 
ben SRftnnem ju gefeüen, weieße um ben langen Xifeß über ben 2Seg fiel. 

im £intergrunbe be« großen 3^ mmer ^ f a 6 cn * ® r ©noeß löcßelte bei ben SBorten—e« war ein trauri* 
batte fieß ben ganzen Xag über mit aller Änftrengung ge« Säeßeln. ©r bemüßte fi^ fo feßr, „ßinauf ju 
bemüßt, ba« tiefe Heimweh gu betämpfen, ba« ißm blieten jum §immel," aber e« gelang ißm nießt, ob* 
am $erjen nagte. 5)ie ©eßnfueßt nadb ^efter regte woßl er e« feiner unb be« Änaben wegen für nötßig 
fein ganxe« SBefen auf, unb nun ber Äbenb fteß ge* ßielt. 

neigt, erfaßte e« ißn mit boppriter ©tärte. @« gitcß ,,Ä3a« feßlt 55ir, ®ater, gefällt e« ^ir ßier nießt?" 
bem raufeßenben ©ießbaeße im grühling, ber baßin fragte $aul leife. 

ftürmt, oßne bie Blumen unb Slütßen ju beachten, Äber er wartete ni^t auf bieÄntwort; ein feit* 
weliße er überputßet—benn er will nur ba« eine—fort, fame« ©eräufeß erregte feine Äufmerffamtcit. 
fort, fuß ergießen in ba« unenbließe 2Reer. ,,SBa« ift ba«? &ört boeß! 2Ba« tann e« fein?" 


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360 


Huf unb Huber. 


©in mit jeber Minute ftärfer merbenbeg©etöfeüer* 
mirrte ihn faft. 

„5B3ag ift eg? 2Bag ift eg nur?" fragte er athem* 
log, „ber glug tann eg nidjt fein." 

„3 bu meine ©üte," entgegnete $acf, „mag foü eg 
benn fein? eg ift bec SBafferfaE, mrtter niegtg, mir 
merben ihn gleich fehen. S°ft Xu nie einen SBaffer* 
fall gehört? £>ier zu fiano finb bie Söafferfälle mie 
bie Vicnen." 

ein tiefer Äbhang ber ©trage öerhinberte meitereg 
©preßen. Xer Söagen bog um eine gelfenecfe unb 
— ba mar er, ber raufdjenbe SBafferftrom. ©c^neU 
unb unaufhaltjam fiel er über bag hoch emporraaenbe 
gelggeflüfte, in unzähligen, gebrochenen ©trömen, 
mie ftlberne Vänber herunter. 

eg mar ein Xurdjeinanber öon SSeHen unb Söogen. 
einige fletterten über moogbebecfteg©etlüfte, bag fidj 
bunfel aug bem Vett beg giuffeg aufthürmte; anbere 
ftürjten über jebeg ^inbemih hinmeg unb nahmen 
bag lofe ©teingerötl mit fich, bag ihrer Straft nicht 
miberftreben tonnte. Ueberau mar Vcmegung, ßeben, 
mrgenbg ©tillftanb. 

„eg fteht ja nirgenbg ftill, nicht einen Äugeriblicf, 
Vater!" rief Vaul ganz erftaunt. „©elbft bie flein* 
ften Xropfen laufen fort öon benen, bie meiter her 
tommen, unb fuchen ftch ben eigenen 2Beg." 

„ÜRein, SBaffer fteht nie ftitt, menu eg etmag zu thun 
hat," entgegnete ©nod). 

Xie Söorte feineg Vaterg öerftanb Vaul nicht, ben* 
noch machten fie einbruef auf ihn. Xaher tarn eg 
mot)l, bag er ben SBafferfaU mit feinen fchaumgefrön* 
ten SSeUen nicmalg mieber öergag, unb bag er fich in 
fpätern fahren ber Söorte feineg 58aterg erinnerte: 
„Söaffer fteht nie ftiU, menn cg etmag zu tljun hat," 
fo oft er einen SBafferfaü jah- 3a, bie berühmte unb 
hcrrlicgfte ©agcabe, melche Xichtcr befungen unb 
Äünftler auf ber Seinmanb abgebilbet haben, erregte 
ihm immer bie alte Vermunberung, bie er bei biefeni 
erften Vkfierfatt empfunben. 

.. s 2Barum," fo fragte er fich, „fteht bag SBaffer nie 
ftiü, marum mirb eg gezmungen, immer meiter zu ge* 
hen, menn eg auch ruhen möchte: marum mirb eg 
üormärtg getrieben mie ber 9ftenfch, ohne Sftaft unb 
ohne SRupe?" 

Xicfe fragen befdjäftigten ihn; er ermog fie nach 
atten ^Richtungen tpu, big ber ©ebaufe an bag nie 
raftenbe SBaffer zu einem jarten, fchönen fiebengfpm* 
bol für ihn mürbe, bag ihm zeigte, *oie fein ßeben 
fein, mie er unaufhaltsam meiter ftreben, üorbringen 
müffe, unb .hie tofenben SBeUen unb felfigen Vfabc 
nicht altert bürfe, bie eg ihm ferner machten unb ihn 
öieUeicht öermunbeten. 

Xie legte ©trecte ihreg SBegeg führte burch eine 
malblofe ©bene, aber bie Äbenbfchatten hatten fich 
bercitg fo tief gelagert, bag fßaul nur einige ©chritte 
meit fehen fonnte, unb halb auch bag nicht mehr, ©o 
mar er faft gezmungen, zum Simmel hinauf zu bliefen. 

Vaul’g SRt'opf rügte an ber ©cgulter feineg Vaterg, 
fein Vlicf mar untermanbt unb ernft auf ben Simmel 
gerietet. 

„Vater," rief er plöglicf), „mag fagen bie ©terne? 
©predjen fie mit einanber?" 

Xertletne zeigte mit bem ginger hinauf unb neigte 
ben Stopf ein menig zur ©eite, um bag ©jhmirren ber 

E nfeften heutiger aufzufangen, bag fein fiitblicher 
inn mit ben ©ternen m Verbinbung brachte. 
,,©ieh," rief er mieber unb zeigte nach einer be* 
ftimmten ©teue, „mie fie blinfen! §örft Xu bag 
©efchmirr?" 

„5Rein, nein," entgegnete ber Skater, „bie ©teme 
machen tein ©eräufch, eg finb bie ©rillen." 


,,©ie finb ganz auggelaffen biefe Stacht," fiel gaef 
ein. 

„33ag finb bie ©teme?" fragte fßaul, ber feinen 
©ebanfengang beharrlich üerfolgte. 

„3öag bie ©terne finb, Xu bummer guuge?" fagte 

ä aef oermeifenb; „ich möchte eg felber gern miffen. 

ie finb bie feefften, glänzenbften, fleinen Xinge, bie 
man fich nur benfen fann, unb fie blinfen unb zroin* 
fern in einer tlaren SRacht, mie bie heutige, unb fehen 
auf einen Vurfchen, mie unjereing herunter, bag er 
fich fchämen mug, menn er etmag gethan hat, mag 
nicht ganz in ber Orbnung ift ©g aibt Sieute, melche 
fidh einbilben, bie ©teme feien eine vlrt Heiner ©rbe, 
mie bie unfrige, aber bag glaube ich nicht; fie fehen 
üiel eher aug, mie bie Äugen ber SRenf^en, bie ge* 
ftorben finb, unb bie auf ung hernieber bliefen. 

5ßaul mar ganz erftaunt. 2Bar bag aüeg mahr, mag 
gaef fagte? SBugte er eg gemig, bag bie ©terne bie 
Sugen Der Verdorbenen finb, bie in ben Simmel ge* 
fommen, unb zu benen nteberfchauen, bie |ic lieb pa* 
ben? Satte bag bie Sauerfrau auf bem Serge auch 

Ö , alg fie gefagt hatte: „Vielleicht fann Xeine 
Xich auch fehen?" 

©eine Butter hatte ihm einft gefagt, bag bie ©terne 
mährertb beg Xageg ebenfo heü Schienen, mie beg 
9?a<htg, bag ihr ©chein aber burch bag hellere ©onnen* 
licht öerbeeft merbe. „SRun," buchte er, „fann meine 
liebe Butter mich zu jeber $eit fehen. SBenn bie 
SBolfen ben Simmel bebeefen, mirb fie ©ott bitten, 
einen fleinen ]Rig zum Xurchfehen für fie zu machen." 

„Vater," fragte er flüftemb, »ift Butter ein ©tern 
unb fann fie ung jept fepen? mtir gefällt cg fo, mag 
ber s JWann jagt. £at t ^ m p a g alleg erzählt?" 

SBährenb 3facf unb Vaul mit einanber reöeten, 
baegte ©noch an bie Vibelöerfe, bie er gelefen hatte, 
unb fagte fie leife üor fich hm» um m benfelben eine 
^ntmort auf fßaul’g fragen zu finben. ©r erinnerte 
fich einer ©teile, in meldjer eg heigt, bag fie „mie 
©terne" leuchten, unb bann fiel ihnt ber Verg beg 
Vriefg an bie Hebräer ein: „Xiemeil mir folchenSau* 
fen 3 cu 9 en um un ^ haben." SBarum foUten biefe 
Qeugen nicht bie ©terne fein? 3 n ber Offenbamng 
merben hoch biejenigen, bie im Semmel f in p f ffe i nc 
groge ©chaar" genannt, melche SWemanb zählen 
fonnte. ©noch erhob feine Äugen zu ben zapllofen 
©ternen ber ^irnrnclgmelt, unb ein $riebe zog tn jein 
Setz ein, fo tief unb föftlidb. mie er ipn nicht empfun* 
ben hatte, feit Sefter öon ipm gegangen mar. „Qch 
tann mich nicht mehr fo öereinfamt fühlen," buchte er, 
„menn ich glauben fann, bag fie mich fte^t unb hört." 
©m freubigeg ßächeln öerflärte fein ©efiegt, alg er 
nach Qacf pin jah- „SBie hätte ich benfen tonnen, 
bag biefer 3ftann mich fo tröften mürbe?" fragte er 


ber biefer ©ebanfe beruhte auf einem grrthum, 
benn eg mar nicht ber SJienfd), ber ihn getröftet hatte, 
fonbern ber ©eift ©otteg, ber burch ben SJienfchen ge* 
fprochen. 

©ie hotten bie legten Säufer beg fich lang hiu 
ftreefenben Xorfeg erreicht. 

„gft bieg ber Ort, Vater?" flüfterte Vaul öerroirrt. 

„3a, mir finb in XompfingöiUe," lautete bie Änt* 
mort. 

Xie Steife mar aljo beenbet. ©ine ©tunbe fpater 
fchlief ber kleine. 

©g mar ein traumlofer ©cglaf, mit meldjem fßaul 
in biefer flacht gefegnet mürbe; unb bag mar gut, 
benn biefer ©cglaf f^log fein öergangeneg ßeben ab, 
aber er lieg ihm eine flare unb beutlicge ©rinnerung 
an feine forgloje tobheit, melche mit biefer 9ßad)t 
enbete, unb er lieg ihm ben lebhaften ©inbruef, bag 


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Wtt bie erfte SdjiUrrbUjte entftanb. 


361 


bie Slumen, ber ©efang ber $ögel, baS gelle ©on* 
nenlicgt, ber mtlbe ©ternenfcgein, unb ber würdige 
$uft ber §eufelber unb SBfefenträuter, baS liebreiche 
ßäcgeln beS fterrn, feinet ginttnlifcgen SBaterS fei, — 
beS SktcrS, bon meinem feine Butter ignt er*äglt, 
roenn fie mit igmin berXgiirbeS ßanbgaufeS gefeffen 
unb ignt gefagt gatte: „SBergig eS nie $aul,'©ott 
i ft Sieb e/ u (gortfe^ung folgt.) 

- . -- # -- 

JUt» <5olb. 


@S gat einmal einer mit treibe an ein ©cgeu* 
nentgor getrieben: 

3 <g gäbe Kreu* unb ßeiben, 

$teS fcgreib’ icg gin mit Treiben: 

Unb roer fein Kretu unb ßeiben bat, 

35er mifcge btefen Seim nur ab. 

©S ift aber non Siemanbent abgemifcgt mor 
ben. @S gat ja 3^ber fein Rädlein 51 t tragen 
nnb menn’S jum Xaufcgen fäme, mer meig, ob 
bann am ©nbe nicgt 3jeber baS ©eine begatten 
moflte. $abei ift eS ja gemig, bag ßeib unb 
Hrübfal bem 9Kenfdgen bon Statur ebenfomenig 
gefallen (önnen, als bie Jaube ficg in einen 
Sperber oerlieben mag, ober SEBaffer unb geuer 
eine ©ge eingegen fönnen. ©benfo gemig ift 
eS aber, bag mir alle unter ber Segel ftegen: 
,/£)aS ©olb mirb auf bem geuergeerb, 

3)er ©grift in ntancger Sotg beroägrt." 

$arum märe eS eitet Sgorgeit, mit ©ott 
recgten ^u motten, menn er uns etmaS fdgidt, 
maS mir lieber nicgt gaben motten, ober menn 
er un£ etmaS nimmt, maS mir gern begatten 
möcgten. %cbe$mal, menn baS ©cgaf blöft, 
oerliert eS einen SDtunb üott gutter, unb jebeS= 
mal, menn mir (lagen, entgegt uns ein ©egen. 
SBirb eine Sgür 5 ugetgatt, fo (ann ©ott ba* 
für eine a n b e re auftgun. ©eratgen bie ©rb- 
fen nicgt, fo geratgen bafür mögt bie Sognen. 
©eratgen aber beibe nidgt, fo finb immer nocg 
bie Kartoffeln ba. pit 3 r fonb fott eS gantilien 
aeben, bei meldgen über bem Sifcge ein £äring 
gängt, an bem jeber feine Kartoffel gin- uitb 
gerftreicgt. ber $äring aufgebraudgt, bann 
ftreicgt man bie Kartoffeln am gaben, ober beu- 
tet bei jebem Siffen nacg ber ©teile, mo einft 
ein £>äring ging, unb bodg ift man frog unb 
banfbar, menn man nur feine Kartoffeln gat, 
bie man bann „Kartoffeln mit ^rntjeigen" nennt. 
Db baS nun mirdicg gan£ fo ift, mie icg eS oor 
3eiten in einem ©udge getefen gäbe, baS mag 
bagingeftettt bleiben. Stuf atte gätte ift eS aber 
ricgtig, bag berjenige, meldger oiel begegrt, är= 
mer ift als folcger, ber menig gat. 3 tem: 

Wer tröden ©rob mit ßuft geniegt, 

35em mirb eS gut befommen; 

Wer (Borge ftatt beS SöratcnS igt, 

3)em mirb baS 9Ragl nicgt frommen. Sacgbar. 


JUie bie erjte Sdjiüerbiifte entftonö. 

gür §ök 0 unb gerb bon Sgcobor Obingo. 

CTn ber Sibliotgel ju SBeimar finbet ficg bie 
befannte ©cgittcrbüfte, bie üon $ a n n e d e r 
ra? gefcgaffen mürbe unb gunbertfacg nacgge^ 
bitbet, fdgon längft bie Seife um bie gebil- 
bete SSelt gemacgt gat: jene ®iifte ift nicgt 
nur bie befanntefte, fie ift aucg bie erfte, unb 
Sanneder mar eS, ber eS unternagm, bie ßiige 
beS beutfdgeften 35icgterS aus bem 2Karmor 5 U 
meigefu unb eS mag gerabe in unferer ßeit, mo 
ein ©cgitterbenfmal nacg bem anbern auftandjt, 
intereffant fein, aus ber ©ntftegungSgefcgicgte 
jenes erften ©cgitterbenfntalS ©inigeS 5 U erfagreu. 

3unäcgft ©inigeS über beS KünftlerS ^ßerfön^ 
ticgfeit. ©ein Seben bemegt ficg gan-$ in ben 
©mnb^ügen ber altgergebracgten Kiinftlevle^ 
genbe: bunfle |>erfunft, garte ^ugenb, müge= 
ootte ßegr= unb SJanberjagre, fcglieglidg etmaS 
©onnenfcgein unb 5 uguterlept Üeberflng an Cr= 
ben, Titeln unb ®eregrung—baS finb bie©rnnb^ 
^üge feiner ßanfbagn. 

®anneder mürbe 1758 als ber ©ogn eines 
ger^oglicg mürtembergifd)en ©tattfnecgteS gebo^ 
ren, (am 1771 in bie fogenannte KarlSfd)ule, 
mo ^mei 3 ö g re fpäter aucg ber Knabe ©dgitter 
^unt SKebicuS gejücgtet merben fottte. 3)a man 
auf biefer ©cgule befanntlidg menig nacg ber 
perfönlicgen Sefägigung fragte, fottte ber (leine 
Sanneder ^nnäcgft ään^er merben unb (am erft 
fpäter in feinem 15. ßebenSjagre, jur 93ilb- 
gauerei, in ber er aber bann rafcge gortfcgritte 
macgte. 

3m 3agre 1780 üerlieg ®anneder bie ©cgule 
mit bem Xitel unb ©egalt eines $ofbilbgauerS, 
ging 1783 nacg fßariS gu gug, 1785 na^ Som 
üon ^SariS aus — ebenfattS auf ©cgufterS Sap= 
pen, (egrte 1790, trefflieg auSgebilbet, nad) 
©egmaben ^urüd, mo er Sßrofeffor an ber KarlS^ 
afabemie unb im ßaufe ber 3^1 Cmfratg, ®i- 
rector ber Kunftfcgule nnb ein attermärts be= 
rüginter Künftler mürbe. 3 n fpäteren 3 a g ren 
pflegte er mogl barüber 3 U feger^en, bag es igm 
fo groge SJZüge ge(oftet gäbe, ben „£>errit" üor 
feinen Samen g i n=, aber nodg oiel grögere, ign 
mieber m e g ^ubringen. 

StlS ©cgitter int SHärj 1794 Stuttgart be= 
fücgte, mar 2)anneder fein liebfter Umgang. 
„ 3 cg ferne oiel üon igm/' fagt ©dgitter. Dgne 
eS 5 U motten, ergögte $anneder bie geiftige 
Kraft beS $icgterS, inbem er fein äugereS SBilb 
üeremigte, unb biefer mugte, maS er meinte, 
menn. er bie ©tnnben, bie er ^u feiner Süftefag, 
unter bie genugreidgften feines fegmäbifegen Stuf* 
entgalteS redgnete. 


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362 


$a6 Jtreuj. 


Die Süfte mar ein äJieifterftücf. Der $iinft= 
(er felbft aber fcheint bott feinem SBerfe feine 
oofle Sefriebigung gehabt zu haben; menigftenS 
er^äfjtt Schtßer’S Schwägerin, baß er nach ber 
lebten geile zu ihr in’S Nebenzimmer trat unb 
mit Xfjränen in ben Singen fagte: ,,3lcf), eS ift 
bodj nicht ganz, WaS tch gemottt habe." Doch 
mich fpäter bie Unzufriedenheit einem glücflichen 
Sehagen. ©in ©rief Dannecfer’S an ©chißer 
fagt eS uns. ©S i)e\$t barin unter Stnberem : 
„@S ift fonberbar, als ich’S boßenbet hatte, ba 
bift Du 3euge, f° gefiel eS mir nicht, jefco bin 
ich wie ein Starr berliebt barein. gef) muß 
Dir aber auch fugen, baß Dein ©ilb einen um 
begreiflichen ©inbruef auf bie SDtenfchen macht : 
bie Dich gefehen, finben eS boflfommen ähnlich, 
bie Dich nur aus Deinen (Schriften fennen, firn 
ben in biefem ©ilb mehr als ihr Sfbeal fich fchafc 
fen fonnte. gefiele meine ©igenliebe, mir 
fommt nun auch bor, als menn biefeS, meine befte 
Slrbeit, bie ich gemacht hübe, märe." 

Sluch bie übrigen ©riefe biefeS greunbfcfjaftS- 
bunbeS zeigen uns bie große Siebe unb bie hohe 
©erehrung, bie Dannecfer feinem greunbe ge= 
genüber hegte, ©eroe mürbe ich beren mehr 
anführen, allein eS mürbe mich zu meit bon mei= 
nem 3*ele abführen. 

©ei ber ®unbe bom lobe beS Dichters er^ 
macht in bem Zünftler zum erften SDtale ber ©e= 
banfe, fein ©ilb foloffal auszuführen, unb er 
fchreibt barüber, niebergebrüeft burch bie Drauer- 
poft, bie er anfänglich nicht glauben motlte: 
,,.... 3h r ©rief erf<hrecfte mich nun ganj unb 
ich fürchtete mich ihn Z 11 lefen, fing an unb marf 
ihn bei ber erften geile ^eg .... ich tooüte 
meitertefen unb fonnte nicht .... idj glaubte, 
bie ©ruft müffe mir zerfpringen unb fo plagte 
mich’S ben ganzen lag. Den anbern SDtorgen 
... .ba fam mir’S in ben Sinn, ich miß ©chißer 
lebenbig machen, aber ber fann nicht anberS te= 
benbig fein als foloffal. ©chißer muß foloffal 
in ber ©ilbhauerei leben." 

SluS feinem anbern SJtunbe hat bie Drauer 
über ben ©erluft beS beutfdjen Didiers fo mahr, 
fo heftig unb fo fdjön gefprodjen unb beßhalb 
fann ich eS nicht (affen, ben Äünftler auf ei¬ 
nige Stugenblicfe bei ber StuSführung feiner 
aus Schmerz unb ©egeifterung geborenen $bee 
Zu überrafchen unb zu zeigen, mit meinem ©ifer 
er biefelbe gegen bie aßerhöchfte ©egriffsftü§ig= 
feit zu fchüfcen mußte, gn feiner lebhaften, 
anfchaulichen SBeife fchreibt Dannecfer im Ja¬ 
nuar 1806: ,,©or fed^S SBochen mar mein ®ö- 
nig bei mir im Sltelier. 2Sie er ©d)ifler fah, 
fagte er: ©ofctaufenb mie groß!—Stber marum 
fo groß? — 3 ( h : 3h r Durchlaucht, Schiller 
nt n ß fo groß fein.—Stber maS Wollen Sie ba- 


mit machen? — geh: 3h r Durchlaucht, ber 
Schmab muß bem ©chmaben ein SJlonument 
machen."—3mei Slntmorten, bie fo einfach unb 
ebel finb, fo ganz eines SKeifterS Werth, beffen 
Sunft nicht lange nach ©efteßung fragte, fonbem 
bem Stufe beS ^erzenS gehorchte, nur um baS 
©ine beforgt: ber greunbfehaft ein mürbigeS 
Denfmal zu fepen. 

Unb eS ift ein fchöneS Denfmal, biefe Dam 
necferfche äWarmorbüfte, ein bleibenbeS Denfmal 
einer greunbfehaft zmifchen Richter* unb Sünftler. 

Unb feitbem ich bie ©efchichte — ich möchte 
fagen bie Siographie—biefer ©chißerbüfte fenne, 
ift auch baS fteinerne Denfmal in meinen Slugen 
Zu einem lebenbigen gemorben. ©S erinnert 
mich ftetS an bie greunbfehaft zweier großer 
SDtänner. 

Daß auch bu, lieber Sefer, in bem Denfmal 
mehr als falten Stein ftnben mögeft, barum 
habe id) bir erzählt, mie biefe erfte ©chißerbüfte 
entftanb. 


Paö Breit;. 


^d) pabe einmal in einer reept ferneren 3«t 
ein ©efepenf erhalten: ein einfaepeg, unpotirteg 
^otjfreuj. Stuf ber Sorbcrfeite mar ei mit 
einem p^ogpfjorartigem gimijj beftric^en. Sei 
Sicfjt befepen, fa^ eg na^ gar ni^itg aug, aber 
atg icp eg 9tacf)tg in mein bunfteg Zimmer trug, 
ba fing bag ftreuj an ju leuchten in einem fo 
milben, Jlaren Si^t, ba| id) mic^ gar nic^t fatt 
fefjen fonnte. Scitbem teuftet eg mir jebe 
9tad)t, unb eg ift mir ein gar lieber gfreunb ge 
worben. SBie oft pat mi^ bag ftra^Ienbe ßiept 
in ber bunfetn 9tad)t getröftet unb midj pinge= 
wiefen auf ben, ber gefagt pat: 3tp bin bag 
Sidjt ber SSett! Unb mie oiel gibt eg ju benfen! 

Stm Xage gept man oorüber unb bemerft ei 
garniept; Jtacptg bleibt man ftepen, unb bie 
Jpänbe falten fiep, ga, fo ift’g im Seben auep. 
SJcnn bie ©epatten über ung fommen, Sranf= 
peit, ©orge, |>erjeteib, ©ünbennotp—bann erft 
erfepeint ung bag Sreuj beg §errn Qefu in pet= 
tem Sitpt, wir freuen ung barüber unb getröften 
ung feiner. 

Unb je bunfter bie Staept, befto petter ftraptt 
mein Sreuj. ®ag ift wieber Wapr. Sßenn aüeg 
irbifepe Sicpt in trüben ©tunben für ung er» 
bleicpt, unb wir merfen, bie SJienfcpeu fönnen 
alte niept petfen, aep, bann menben Wir ung fo 
gern ju unferm ®ott. $)ann tagt ung ber 
Sarmperjige fein (Snabenlicpt teuepten, unb mir 
’genefen. 

©g freut mitp, bag bag Sicpt gerabe in ber 


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Pie PUtten 


363 


gornt be« Sreuje« leuchtet. 933 ie oft, menn icty 
in meiner ginftemifj feinen ©atty metyr mufjte, 
fpracty mir ba« Sreuj ©lutty ein, gum SSater im 
£immel gu getyen unb um be« ©efreu^igten 
mitten mir ©nabe unb Sraftp erbitten. ®ar= 
um münfctye icty oft allen meinen Sieben fo ein 
Sictytfreuj. Slber icty glaube, fie finb nocty öiel 
beffer baran, menn fie ein« im ^er^en tragen, 
gcty la« neulich ba« fctyöne SSort: „©in jünger 
gefu tnufj aucty im ©chatten leben fönnen." 
$>a« fctyeint itym oft fo fctymer. gcty glaube, er 
fann e« nur, menn in feinem §erjen auch ein 
Kare«, friebtictye« Sictyt ftratylt, unb menn er au« 
perföntidtyer ©rfatyrung fprectyen fann: 

5$n meinet ^er^en« ©runbe 
36ein ©am’ unb Ährcu^ allein 
gunfelt $u aller ©tunbe — 

$)efj fann icty frötylicty fein. 

Sille ginftemifj mufj meinen üor bem Sreu$ 
be« ^errn, in bem allein unfer ganzes f>eil rutyt 
unb in beffen Sichte mir getroft ber ßmigfeit 
jumanbern fönnen. ©ott gebe un« allen biefe« 
Sictyt in’« ^erj! 


Oie Mütter. 


ie meiften ©lenfdtyen finb ba«, mo$u ityre 
©lütter fie gemalt tyaben. ®er Sater ift 
ben ganzen lag öom $aufe meg unb tyat nictyt 
tyalb ben ©influfc auf bie Sinber, ben bie ©lut= 
ter tyat. 

©ine ©lütter tyat barum grofje Serantmort^ 
lictyfeit, ob fie aucty bie ärmfte im Sanbe fein 
mag, benn fetyr öiel tyängt öon ityr ab, ob ib)re 
Knaben unb ©läbctyen fctylectyt ober gut merben. 
SBie ber ©ärtner, fo ber ©arten; mie bie grau, 
fo bie gamilie. ©amuef« ©lütter machte itym 
jebe« Satyr einen Keinen 9?od; aber fie tyatte 
üortyer fetyr öiel für ityn gettyan: ©amuel märe 
nictyt ©amuel gemorben, mentt §anna nictyt 
£amta gemefen märe. 2 Bir merben nie ein 
beffere« ©efdtylectyt öon ©lännem fetyen, etye bie 
©lütter beffer finb. ®ie ©nabe liegt nictyt im 
Stute; aber mir finben meift, baf$ Sünglinge 
mie limottyeu« gotte«fürctytige ©lütter tyabcn.— 

Steine Sinber öerurfactyen ityrer ©lütter Sopf^ 
mety, aber menn fie itynen ityren eigenen SBitten 
läftt, fo merben fie ityr ^erjmety öerurfactyen, fo* 
halb fie ju großen Sinbern tyeranmactyfen. £työ= 
rictyte gärttictyfeit öerbirbt üiele, unb ©ictytbe* 
ftrafung ber getyter öerbirbt nocty metyr. ®är* 
ten, bie nie gejätet merben, erjeugen menig, ba« 
be« ©infammein« mertty ift; nur begießen unb 
nictyt tyacfen, mirb eine fctylectyte ©rnte geben. 
©<tymactytyer$ige ©lütter jietyen fctymactyföpfige 


Sinber auf; fie fctyaben itynen für’« gan^e Se^ 
ben, meil fie fürsten, itynen mety 31 t ttyun, mäty- 
renb fie jung finb. ©eib in eure Sinber öer^ 
narrt, unb ityr merbet ©arren au« itynen mactyen. 
Styr fönnt ein Sinb fo über^ucfem, bafe e« jebem 
§uroiber ift. 

®ie gacfen ber Snaben tyaben bann unb mann 
ein menig Slu«fIopfen nöttyig, unb bie Sleiber 
ber ©läbctyen merben um fo beffer, menn man 
fie gelegentlich abftäubt. Sinber otyne 3üctyti^ 
gung finb gelber otyne pflügen, ©ictyt, ba« mir 
übertriebene ©trcngemünfctyten; graufame©lüt* 
ter finb gar feine ©lütter; bie, melctye immer 
fctylagen unb tabetn, füllten felbft gefctylageit 
merben. ©ute ©lütter finb ityren Sinbem fetyr 
ttyeuer. ©« ift feine ©lütter in ber SBelt, mie 
unfere eigene ©lütter, ©lein greunb ©anber« 
fagt: „®er $aucty ber ©lütter ttyut fo motyl!" 
SBenn fromme grauen ityre Steinen jum ^eilanb 
fütyren, fo fegnet ber ^err Qefu« nictyt nur bie 
Sinber, fonbern aucty ityre ©lütter, ©etig finb 
unter ben SSeibem, bie ityre ©ötyne unb Söctyter 
in ber SBatyrtyeit manbeln fetyen. SBer e« für 
teictyt tyält, Sinber ju erjietyen, tyat nie eine« 
getyabt. 

6 « ift Kar: 2 Ba« für getyler aucty unfere Sin= 
ber tyaben, mir finb bocty ityre ©Item unb fönnen 
nictyt ben ©tamm tabetn, bem fie entfproffcn. 
SBitbe ©änfe legen feine jatymen ©ier... SSenn 
mir fctymar$ finb, fönnen mir unfere ©pröfjlinge 
nictyt tabeln, meil fie bunfel finb. Sa^t un« 
unfer Sefte« an itynen ttyun unb ben mäctytigen 
,f)errn bitten, feine £>anb an’« 5 Berf ju legen! 
©ebet«finber merben ju ®anfe«finbem tyerait= 
mactyfen; ©lütter, bie üor ©ott über ityre ©ötyne 
gemeint tyaben, merben eine« Jage« ein neue« 
Sieb ityrettyalben fingen. 

©ott fann biejenigen jurectytbringen, bie mir 
nictyt beffern fönnen, befctyalb füllen ©lütter nie 
an ityren Sinbem oer^meifeln, fo lange fie leben, 
©inb fie meg öon eucty über See? ©ebenft ba= 
ran: j)er $err ift bort mie tyier. Verlorene 
©ötyne mögen umtyerirren, aber fie finb niental« 
bem großen Sater au« bem ©efictyt, felbft menn 
fie nocty „ferne öon bannen" finb. 

Safjt bie ©lütter ftreben, ba« £au« pm glücf^ 
lictyften Crt ber 28elt ju mactyen. SBenn fie 
immer mäfeln uitb murren, fo merben fie ityre 
©lactyt über bie Sinber üerlieren, unb bie Sna^ 
ben merben in Serfuctyung fommen, ityre Slbenbe 
au«märt« ju^ubringen. 

$a« ^>au« ift ber befte $la$ für Snaben unb 
©länner, unb eine gute ©lütter ift bie Seele be« 
£aufe«. $a« Säctyeln auf bem ©efictyt ber ©lut* 
ter tyat fctyon üiele auf ben rectytcn $fab gelocft; 
bie gurctyt, eine Ityräne in ityr Sluge 51 t bringen, 
tyat manctyen ©lamt öon böfen SBegen juriidge^ 



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364 


%u* fincoln'ß politifdjer faufbaljn. 


rufen. ®er ®nabe mag ein £>ers mie ©tfen 
pabeu, aber feine äRutter fann tf)n mie ein 9Rag= 
net galten. 3)er Teufet rechnet nie barauf, baft 
ein 9Jiaun Verloren fei, fo fange er eine gute 


3Rutter pat. 0 SBeib, grofc ift beine SJtacpt! 
<3tepe ^u, baft bu fie für ben braucpft, ber an 
feine SKutter fetbft in ben Kämpfen beS TobeS 
backte. Spurgeon. 


fcpiebenen Serfucp bie ©ongreß*Romination ju be* 
fornmen. Harbin, ber bisherige Repräjentant, fab 
and) halb ein, baß Sincoln’S Nomination unabtoenbbar 
fei unb ^og feinen tarnen surücf. $n golge beffen 
mürbe Rbrapam Sincoln am 1 . s JRai 1846 auf ber 
©onbention su Petersburg sum ©ongreß*©anbibaten 
nominirt. 

Tie Temofraten begegneten ipm mit einem feltja* 
men Opponenten — Peter ©artmrigpt, bem berüpm* 
ten ©rmecfungSprebiger unb Reformator beS hinter* 
malbeS. ^ie beiben ftanben fid) übrigens nicpt sum 
erften Rtal gegenüber. 28ar bod) Lincoln im gapre 
1832, fürs nacp bem Slatfpamf*ßrieg in ber SegiSla* 
tur*2Bapl bem ScsirtSprebiger unterlegen. 

diesmal follte eS anberS fornmen. freilich fo gans 
leicht maraud) in biefem gaU ber Sieg nicpt su bemerf* 
fteüigen. Tenn ©artmrigpt, obmopl fein bebeutenber 
StaatSmann,nod)bielmeqreinperborragcnber©elepr- 
ter, mar burd) feine SesirfSreifen als Prebiger nicpt nur 
ber befanutefte unb populärfte SRamt auf bem Ttftrift, 
fonbern er mürbe als ein entfepiebener ©otteSmann 
oott feinen bielen greunben unb Rnpäitgern aerabesu 
bereprt. Tabei mar er ein unbeugfamer ^aeffon* 
Rtann unb t)atte als folcper bie Spntpatpie ber perr* 
fepettben bemofratifepen Partei. 

Allein als bie 2öaplfd)lad)t gefcplagen, 50 g Sincoln 
als Sieger mit einer bebeutenben Rieprpeit auS bem 
Kampfe. Tie ©ampagne felbft pat ipm feinerlei Un* 
foften gemacht. ©S mirb gejagt, baß ipm mehrere 
RSpigS einen Söaplfonb oon $200.00 fammelten, um 
feine Reifeunfoften su beftreiten. RIS bie SBapl bor* 
über mar, gab Sincoln $199.25 babon mieber jurütf, 
mit ber Söetfung, bie Summe ben Unterfcpreibern mie* 
ber su erftatten. (Sr pabe bloS 75 ©entS babon für ein 
gaß ©iber berauSgabt. Seine Reifen patten ipm fei* 
nerlei Unfoften gemaept, ba er baju fein Pferb be* 
nufct unb fiep bei feinen greunben einquartirt pabe. 

Ter 30. ©ongreß mürbe am 6 . Tesember 1847 er* 
öffnet, Sincoln mar sum erften Rial ein SRitglieb 
beffelben unb jmar als einziger SBpig bon gUinoiS. 
Seiner melacpolifcpen Raturanlage sufolge patte bie 
neue SBürbe füt; ipn menig ScpmeicpelpafteS. ®r 
fepreibt barüber an feinen greunb: „Obgleicp id) 
meinen greunben banfe für ipre Riühe, fo gemäprt 
mir bod) meine ©rmäplung in ben ©ongreß lange 
nicpt bie Scfriebigung, bie iepermartete." 

Tabei ging er jeboep mit allem ©rnfte an bie Rr* 
beit unb entlebigte fid) feiner Pflicpt mit einer außer* 
orbentlicpen ©ntfepiebenpeit unb ©emiffenpaftigfeit. 
©leid) im Anfänge berfuepte er fiep benn auep pie unb ba 
in einer fleinen Rebe. (Sr fagt barüber in einem Srief 
an feinen greunb: „SBaS baS Rebenpalten betrifft, fo 
pabe id) miep auep fepon barin berfuept, um mid) 


•fr»«« 


JIuö JHiieolir* politifdier faufbalju 

Sür $aud unb £ert> bon ÜRctttoria ©ratia. 



II. 


ber SSaplcampagne im Qapre 1843 fptelte 
Sincoln eine peroorragenbe Rolle. 28ar 
e r eS bod), ber in feinem Staate bie 2öpig* 
Partei neu organifirte, ipr eine platform 
gab ünb in jeber Pejiepung ben Partei* 
füprer maepte. 

3n golge biefer feiner Stellung mar eS bann fein 
28uitber, baß er als ber mdglkpermeifesu uominirenbe 
©ongrcß*©anbibat genannt mürbe. (Sr patte jeboep 
mit einem ftarfen Rritbemerber, RantenS Safer, su 
tpun, ber einerjeitS ber gegenmartige Reprafentant 
beS TiftriftS mar unb nebenbei feine s JRiipe jepeute, 
bie Romination auf’S Reue su befommen. 

Ta Lincoln jeboep ebenfalls bebeutenben $lnpattg 
patte, unb bie ©efapr einer Parteifpaltuna bropte, fo 
nominirte bie ©onoention einen gemiffeit Harbin, ber 
benn auep fiegreiep auS ber 28apl perborging. 

3m folgenben ^apre gelang cS Safer jparbin mie* 
ber su berbrängen unb ßincoln mürbe präfibenten* 
Stapler (Presidential-Elector), eine Stellung, bie er 
lange Qeit inne patte unb für bie er fiep, feiner 
„ftumpprebnerifepengäpigfeit megen gans befottberS 
eignete. §eitrt) (£lat) mar su biefer grit Präfibent* 
jcpaftS*(Sanbibat ber 38pigS. 

(Sinen ftärfereit Ganbibaten patte bie Partei nie 
in’S gelb gefüprt. Ruf ber Rational*(Sonbention 
mürbe fein anberer Rame genannt unb feine einftim* 
mige Romination erfolgte opne eine einige Salloti* 
rung. fiincoln fd)märmte förmlid) für ©enrp ©lat), 
in melcpem er baS gbeal eines großen staats* unb 
(SprenmanneS erfannte. Sein ©ifer für bie Turcp* 
jepung eines SBaplticfetS mar nie fo groß aemefen 
mie bteSmal. Rnfänglicp fepien auep alles pojfnungS* 
boll. 

Ter Temofrat polt maepte gar fein Ruffepen unb 
patte im Rorben rein gar niepts su poffen. RHein, 
maS bie Temofraten im Rnfange ber ©ampagne 
mopl felber niept geapnt unb ©lapS greunbe nie be* 
fürstet patten, gefepap. — ©lat) mürbe gefcplagen. 
Ob feine erflarte Rnßept besüglicp ber Rnnefion 
TefaS ober feine berfehrt gebeutete Ruffaffung ber 
Sflaoen*Rngelegenpeit ipn ftürste, ift fepmer }u feigen, 
©emiß ift, baß bie übereilten Rbolitiomften, bie foge* 
nannte greipettSfaftion ber 28pigS ipm ipre §ülfe 
berfagte unb polf ermäplen palf. 

Sincoln ift mopl nie in feinem Sehen burd) einen 
politifepen Rrißerfolg fo fepr aus bem ©eleife gefom* 
men mie bei bem Sturze ©lapS. Seine perfonlicpe 
Sereprung .beS RtanneS, fein unermüblicper aber ber* 
gebltcper ©ifer für ©lapS Sieg unb enblicp bie unab* 
menbbare Tpatjacpeber ©rmäplung PolfS übten einen 
unbefcpreiblicp perabftimmenben ©influß auf ipn auS. 

$mei 3apre fpäter (1846) maepte Sincoln einen ent* 


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Hu* lintoln'e polttifd)« faufboljn, 


365 


einigermaßen einzubreten. 3Wit bäucht bie ©ate 
pier nitt fchmerer als irgenbmo anberS. Jt mar 
ungefähr fo beflommen, als menn id) bor bent ©eritt 
fpreepe, aber aut nicht mehr. (Stma in einer 2Bod)e 
gebenfe ich eine längere Nebe zu holten, bie lefenS* 
mertp fein mag/' 

Xie Hauptarbeit ber bamaligen ©effion fteint bie 
Befpreajung beS mejifaniften Krieges gemejen jju 
fein, ber gerabe im ©ange mar. Bräfibent ^olf|o 
ertlärten Die —^abe benfelben unnötbigermeife 

beraufbefebmoren; er tyabe, fo behauptete Sincoln, 
ohne allen ©runb eine frieblicbe ÖJegenb mit ftrieg 
üoerjogen unb ho&e feine Berechtigung baju gehabt. 

Xaruber entftanb nun zmiften ben Xemofraten, 
bie ben $rieg münftten unb ben SBpißS bie bitterfte 
(Sntzmeiung, mobei bie fiebteren bon ben (Srfteren 
fchlecbtmeg als BaterlanbSfetnbe bezeichnet mürben. 
£tncolti fuebte biejen Bormurf in leinen fräftigen 
Beben bon ber 2Sb i g 5 .Bo r tei abzumälzen. ©o äußerte 
er unter Anberem einmal: „Xie Behauptung, baß 
mir immer '(Gegner beS ftriegeS' feien, ift mahr ober 
nicht mahr, je naebbem man bie Bezeichnung Gegner 
beS StriegeS' berfteht. SBenn b a S bem ftrieg oppo* 
niren beißt, menn man benfelben für unnötig unb 
unconftitutionell erflärt, bann finb mir bieDppofition. 
SBenn aber, naebbem ber ftrieg nun einmal an ber 
XageSorbnung ift, bie Xapingabe unfercr §abe unb 
unfereS BluteS etne ÄriegSunterftüpung ift, bann ift 
eS auch nicht mahr, baß mir bie ©cgner finb." 

Xie ©tlaberei*Jrage febeint zu btefer 3eit noch fein 
außerorbentlicbeS Jntereffe matgerufen zu paben. 
SBenigftenS mar jebr menig Cppofttion zur ©flaberei 
borhanben. ®ie füblkpen SBbigS maren mit ben Xe* 
mofraten barin eins, baß bie (StnriAtung beibehalten 
merbenmüffe; unb bie nörblicben maren ge* 

tbeilt. Berührte ja einmal ber eine oberanbere (Son* 
greßmaitn bie Angelegenheit bom ©tanbpunfte beS 
AbfdjaffenS, fo galt baS für eine Belcibigung beS 
HaufeS. Behauptungen, mie bie beS (Songreßmamt 
(Slingman machten fern Auffepen. (Sr fagte nämlich: 
„(SS ift eine Berirrung, menn man unfere {üblichen 
juftänbe 'eigentümlich' finbet. U n f er ©ijflem ift 
bie perrftenbe Siegel unb baS JreiheitSfbftem ift baS 
'eigentümliche/" SBorauf fterr Balfrt) not ganz 
troefen bmzufeßte: „X)ie ©flaberei ift etmaS ganz 
Natürliches, gerabe fo, mie bei ben Barbaren Jei* 
genblätter uno Bärenhäute bie natürliche Äleibung 
finb." 

Xie näcbfte fßräfibenten * SBahl bot Sincoln mieber 
©elegenpeit, fein Talent als „©tumper" zu bermertben. 
Anfänglich hegte er ben Blon für ©lat) z u arbeiten; 
Doch mar er halb bon ber Unmöglicbfeit [einer Norni* 
tion überzeugt. Jn einem Brief an einen Jreunb 
bemerft er Paper: „$errn (£lat)’S AuSfiAt auf (Sr* 
mählung ift einfaA—gar feine AuSficht." X)er Btann 
jebot, bem am ©cbfuffe beS meyifaniften Krieges 
AUeSju jubelte, ber bebeutenbfte fiöme beS XageS mar 
fein Anbcrer als ber ©ieger bon Buena Bifta — ©e* 
neral Xatjlor. 2BaS SBunbcr, baß er bie Nomination 
erhielt. 

Xaplor mar gerabe feiner bon ben “Free soil 
Whigs.” (Sr felber nannte fit einen "Non ultra 
Whig”; mar er bot felber ein fübftaatlicber ©Haben* 
baltcr, oerftanb eS aber, mäbrenb beS SSaplfampfeS, 
mit feinen Anficbten über bie ©tlaoerei*Jrage fo l)in s 
ter bem Berg ju halten, baß ihm Daraus feine bebeu* 
tenbe 3Bpig * SJPpofition ermucpS. UebrigenS teilte 
er mit fernen 2Bbig ; ®rübern bie £5ppofition zum me* 
jrifaniften Kriege, beffen ruhmboller §elb er aller* 
bingS getoorben mar, unb erflärte fich aut gegen bie 
AuSbepnung ber ©flaberei. 


Sincoln, meitberzig mie er immer mar, opponirte 
nicht nur nitt feiner $anbibatur, fonbem zog mit 
fliegenben Jahnen in ben SSahlrampf. Xie xßahl 
Xaplor’S mürbe übrigens mit einer fleinen Nfajorität 
erreitt. 

Jn ber nätften (£onareß*©ißung, ber Sincolnnot 
beimopnte, befam bie ©flaberei*Jrage fton eine an* 
bere Järbung. 2BaS in feiner früheren ©ifcung mög* 
lit gemefen märe, geftah—fiincoln reitte eine Bor* 
läge zur Abftaffung ber ©flaberei im Xiftrift of (So* 
lumbia ein. 

Xurd) Die bebeutenbe Betheiligung mehrerer (Son* 
greß*NHtglieber an ber Befpretung biefer Borlage- 
murbe ein für allemal feftgeftellt, baß ber bis bahnt 
eingenommene ©tanbpunft, bie ©flaberei habe Are 
Berettigung, nitt fo ohne Weiteres feftzupalten fei. 
Xroß ber märmften Bertpeibigung biefer Borlage,, 
mürbe fie alierbingS abgeftlattet. XieS mar im 
Japre 1849. S^ölf Japre fpäter mürbe Bräfibent 
Lincoln eine äpnlite Borlage zur Unterzeitnung un* 
terbreitet unb bon ipm zum ©efeß erhoben. 

Am 4. Ntärz beS borermäpnten JapreS enbete fein 
Songreßtermin unb Damit feine legiSlatibe (Sarriere. 
(Sr mürbe nie mieber gemäplt. (Sinmal, mäprenb 
Xaplo^S ^Sräfibentftaft ließ er fit bemegen, beim 
Bräfibenten um einen ©ubalternpoften in Söafping* 
ton anzupalten, ben er jebot 8 u m $eil ber Nation 
nitt erpielt. 

Nat Beenbigung feines (Songreß * XerminS legte 
fit Sincoln mit Doppeltem @ifer auf bie NettSprayiS. 
(Sin (£picagoer Abbofat matte ipm Denn auch balb 
ben Antrag, mit ipm in (Sontpagnie zu gehen. (Sr 
zog jebot oor, in feiner länbliten ©pringßelb * $ei* 
matp zu berbleiben. Jn (Spicaao, fo meinte er, mo 
er feilte 3 e ^t in enger Abgefcploffenpeit zubringen 
müffe, merbe feine ©efunbpett leiben. 

Jn feinem Umgang mit ben größten ©eiftern in 
SSafpington patte er icbot manten Ntangel an fit 
entbccft. AIS er fiep baper mieber in feiner Abbofaten* 
ftlaufe in ©pringßelb mußte, patte er nichts (SiligereS 
Zu tpun, als biefern Uebelftanbe burt eifriges ©tu* 
bium abzupelfen. 

3ubem mar ber Abbofatenftanb nun nidjt mepr 
maS er früper gemefen mar. Xie NcttSanmälte tn 
Jagbpemben unb ,,'lNoccafinS" patten aufgepört • Die 
Reit, als bie Nüpter not, natbem fie baS Urtpeilge* 
fproten, mit bem Xeliquenten Darüber Nürffpratf 
napmen, ebentueH fiep entftulbigten, benn bie (#e* 
fttoorenen feien ja fcpulb — bie 3 e 't mar borüber. 
Anbcre Anforberungen mürben an ben Abbofaten 
fomie an ben Nitter geftellt. 

Xaß Sincoln fit uuf ber £>öpe feiner ftext bepaup* 
tete, ja baß er einer Der bebeutenbften bamaligen Ju* 
riften im ©taate JllinoiS mar, ift außer Jmetfel. 
Nttter Xabib XabtS, ber bem atten ©eriditSbezirf, 
innerhalb melt^nt Sincoln praftizirte, bieie Japre 
als Nitter biente, läßt fit folgenbermaßen über ipn 
auS: 

„Jm Befihe ad’ ber (Sigenftoften, bie einen bebeu* 
tenben Juriften auSmachcn, pabe id) fnum je feines* 
gleiten gefannt. ©r mar auSgezeitnet als Bertpei* 
biger bor einem ©eftmorenen * ÖJeriAt unb ebenfo 
unübertrefflit bor bem AppellationS*4ribunal. (Sr 
paefte bie ^auptpunfte eines NettSfalleS unb prä* 
fentirte fie burt eine außerorbentlit Hare, compacte 
XarftclIungSmeifc. ©eineXenfmeife mar logifd) unb 
Zum Bunft. Xabei ließ er fit nie in XiScujftonen 
ein über $inge, bie nitt zur ©aepe gehörten, ©ein 
fprubclnber aNuttermi^ ließ ipn nte im ©tit, fo baß 
er oft einen an fit langmetligen Jall in einen pötft 
intereffanten bermanbeln tonnte, ©eine meiftcrlich 


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m 


fiebljaberei unb Neigung als $jinberitif{ bes Erfolges. 


gemailten Anefboten fatneit ihm übrigen« außeror* j fid) in (ein ©otel unb al« berStidjter nad) ibm fdjitfte, 
Deutlich ju ftatten. greilid), eine ungerechte Sache gab er zur Antmort: „Sagen Sie bem Sachter, id) 
fanb in ihm einen fd)led)teit Sertpeibiger. Söenn feine Batte jehntufcige ©änbe unb märe fortgegangen, um 
gaiue Straft zur Entfaltung fommen foHte, fo mar fie zu mafd)en." 

nothmenbig, baß er einer gerechten Sache borftanb. €b fiincoln ber fähigfte Abüofat feine« 5)iftrift« 
Atar er baoon überzeugt, fo gemann er auch faft in ober gar be« Staate« Qlfinoi« gemefen fei—mermottte 
jebem gall feinen Prozeß. freilich auf bie foptjiftU barüber entfcheibeit. ©emiß ift jebod), baß er ber be= 
fepe Art unb SBeife, b. h- auf bie Stänfe unb Schliche liebtefte unb oerehrtefte oon Allen mar. Seine Am 
oieler feiner Abüofatem©rüber oerftanb er fid) jd)led)t. funft im Eountpfip oeranlaßte jebe« Wal eine Art 
Er fomtte nicht gut au« Unrecht Siecht machen. Er fteftlidjfeit. Qeber mollte ihn hören unb fehen. $nt 
mar baher aber auch fehrborfichtigiit berUcbernahme ©erid)t«faal, in bem er fomohl burch feine perfulifche 
feiner Sted)t«fätle. Sehr oft, menn ihm ein jmeifeU ©eftalt, mie burch feine müriigen Sieben bie herbor- 
ijafter ftall oorfam, fudjte er feinen Wann bon Der ragenbfte ^ßerföitlic^feit mar, fteüten ffd) maffenmeife 
Ungeredjtigfeit feiner Angelegenheit ju überzeugen. 3 u hörer ein, um fernen Sieben $u laufen. So hatte 
Sem Eompagnon, ©err ©ernbon, erzählt folgenbe er e« benn nach unb nach 3 U einer tüchtigen ^raji« 
Srroiberung, bie Lincoln einem SJianne gab, ber feine unb auch z u einem anftänbtgen Einfommen gebraut. 
Tienfte in einem zmeifelhaften gaü begehrte. Er Allerbing«, unfere heutigen Aboofaten mürben über 
fugte: feine ftorberungen ein ßädjeln nicht unterbieten förn 

„0 ja, ich Zweifle gar nicht, baß id) 3h nen bie Sache neu, hoch ihm genügte babei. Seine größte 5*>rbe= 
geminnen helfen tönnte. fömttc eine ganzeStad) 5 rung, bie er je machte, mar $5000, bie er fid) aber bon 
barfepaft uneiu« machen, eine SBittme unb ihre fed)« ber QUinoi« Eentral Sifenbahm©efcllfchaft gertcptlid) 
oaterlofen ftinber in’« Elenb ftürzen unb Qpnen $600 einfaffiren mußte. 

fichem, bie meiner Anfid)t nach eper ihr aß -Spnen 3Sie in feinem öffentlichen, fo mar erauchin feinem 
gehören. Qd) merbe ben ftaU nicht annehmen, aber s ßrioatleben ber befcheibene anfprud)«lofe Wann, ber 
id) miü Spnen einen Statt) geben, mofür id) Qpnen gerne au«theilte unb feiten einnahm. 3n feiner 
nicht« berechne. Sie fchemen ein recht energifcher, §äu«lid)feit fehlte jeber£u£u«unjerer mobernen3eit. 
thatfräftiger Wann zu fein, gehen Sic unb ermerben j dagegen aber gebrach e« nicht an notptoenbigem Eom= 
Sie fid) bte $600 auf eine anbere Akife." fort unb oor Allem mar ber unocrgleicpliche ©ausperr 

©ie unb ba traf c« fich, baß er im üaufe ber ©e- felbft für alle möglichen ©efueper, bie im öincoln’fdjcn 
rid)t«oerpanblung bie Ueberzeugung gemann, baß ©aufe üorfpracpen bie Seele be« ^ntereffe«. 
fein Stlient fcpulbtq fei. Einmal, al« ihm ba« oorfam, So oergingen benn bie $apre feiirer ftiUen, aber 
manbte er fid) an feinen Eoüegen mit ber ©emerfuitg: nüßlicpen Xl)ätigfcit in Sprmgfielb bi« zu bem QtiU 
„Smett, ber Wann ift fcpulbig. ©ertpeibigen Sie puntt, oon ber ftörner fepreibt: „Sine große 3eit roiü 
ihn; idi tarnt nicht." SelbftOerftänblid) ging er feine« große ©er*en." Xaß er aber aud) ben Stürmen, bie 
Antheil« an ben (Gebühren oerluftig. Einmal ent* über ihn, fomie über uttfer ©olf pereinbraepen, ge- 
bedte er, baß fein Client (Gaunereien getrieben pabe. mad)fen mar, ba« bat bie ©efepiepte gelehrt unb ba^ 
Unmutp«üoll oerließ er ben ©ericpt«faal unb begab burd) ben Stamen Öittcoln unfterblich gemaept. 


fiebljabem unb fldguug nls giuberniß be0 Erfolges. 

Sbitoriefl. 

/£in SJtann, ber nicht mit ttopf unb ©erz in gen, um Erfolg zu hoben unb ©rofce« in ber 
feinem s J8er!e lebt, mirb in ber 23elt nur 23elt zu leiften; in SBirflichfeit aber finb biefe 
** toenig au«richten. Sr muß ba«, lua« er Steigungen meit häufiger ein ©inberniß al« ein 
ift, ganz menn er Erfolg haben mill. ©ebel zum Erfolg, unb mahrhaft erfolgreich ift 
SBir tonnen jebod) nid)t 3lde in bem gleichen gemöhnlich nur ber, melcfje fie bemciftert anftatt 
s 2Birtung«treife arbeiten. $er Eine ßnbet in ihnen zu fröbnen. 

biefem ©erufe Sefriebigung unb greube, ber Unter Steigung öerftetjen mir einen angebo- 
Slnbere in jenem; ein $eber tann fich uur renen ober angeeigneten ©ang, eine gemiffe ©e* 
einem befonberen SSerte mibmen, unb märe, miitl)«richtung, feinen mohlüberlegteit Entfchluß, 
menigften« zum Sh e i^ erfolglos in ber Stellung feine burd) Stachbenfen gemonnene Ueber^ugung. 
be« Slnbern. 3h r beiberfeitiger Erfolg mirb S)ie Steigungen unb Siebbabereien be« SRem 
burch ihre Stellung im Seben bebingt. fdhen, merben oon Selbftintereffe unb Eigenliebe 

E« ift be«halb für Sebermann oon h°h er beeinflußt. Er liebt ©el)aglid)feit unb 2Sohl= 
praftiieher ©ebeutung, ben rechten ^Slaß unb bie fein im Seben unb fd)eut Unannehmlichfeiten 
rechte Aufgabe im üeben zu fiitben, nid^t allein unb Serbruß. ^Jcrfönliche ©efriebigung feiner 
für fid), ionbern auch für bie, meld)e unter feiner 3Sünfd)e ift ihm angenehmer al« -B^aug unb 
Seitung unb gürforge ftehen, beiten er rathen Entfagung. Er ift meit eher geneigt, ba« zu 
unb helfen foll. ©iele Seute hegen bie irrthüm^ tl)uu, ma« ihm bie menigfte 3)tühe unb Sln^ 
lidie Anficht, man müffe feinen Steigungen fol= ftrengung foftet, al« ba«, ma« er nur unter gro* 


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ftebfyabtrei unb Heigung al* Hittberniß b ts (ftfolges. 367 


feen ©chmierigfeiten erreichen !ann; unb je Klu¬ 
ger er biefen feinen Steigungen folgt, befto fefeme* 
rer n?irb e£ ihm fpäter, ihnen 3 U miberftehen 
unb einen anberen 2 Beg ein 3 ufcf)tagen. 

Unb bodj meife ein geber, bafe SEBiberftanb 
ben 90Zenf<hen ftäfett, bafe S^atfraft, Stnftren* 
gung unb Setbftüerleugnung jur Sntmidetung 
unb 2tu3bitbung ber gäpigfeiten unb beä ©ha* 
rattert, fomie jum mapren Erfolge im Seben 
unumgänglich notfemenbig finb. Safeer !ommt 
e£, bafe bie Steigungen oft unferent Streben 
nach Erfolg hinbernb in ben SSeg treten unb 
felbft im beften gälte unfere Saufbahn gefährben. 

Safe übte unb üerfehrte Steigungen auägerot* 
tet merben müffen, ift Stilen ftar. §at 3 . 8 . 
ein Snabe Steigung }ur SSötterei ober 3 ur Sräg* 
heit, tiebter e3, bie !oftbare 3 eit 3 U oerträumen, 
ober ohne Stoed unb 3iet in ber SBett umher* 
3 ufchmäraten, fo meife jeber Pater unb jeber 
Seprer, bafe biefe Steigungen unterbrüeft merben 
müffen, unb bafe e£ Sünbe märe, ihn barin 3 U 
beftärfen. Saffetbe gilt, menn er 3 m: Per* 
fdjmenbung ober 311 m ®ei 3 ober 31 t unüberlegten 
SBorten unb §anbtungen geneigt ift. Sa geben 
Sitte 3U, bafe bie Steigungen in b i e f e m gatte 
ein ^emmfefjuh be£ Erfolget finb unb baß man 
fid) auf ba» Ernftlichfte bemühen ntufe, fie 3 U 
überminben. 

£>at bagegen ein fi'nabe Steigung 3 um Sefen 
unb Stubiren ober 3 um 3 eid)nen unb SDtaten, 
fo hegen bie Ettern leicht bie gbee, e3 fteefe in 
ihm ein ©eteferter ober ein Äünftter. Arbeitet 
er gern mit SDteifeet unb 8 o!)rer unb attertei 
|mnbmerf 33 eug, ober legt ein gntereffe für SDta* 
fefeinerie an ben lag, fo gilt ihnen ba3 aU 8 e* 
mei£, ber guitge fei 3 U einem |mnbmerfer ober 
SJtafchiniften beftimmt unb merbe üietteicht noch 
einmal ein berühmter Erfinber. §at er ©e* 
fehmaef unb ©efatten an bem SBohtftang ber 
Söne, fo erbtieft man in ihm einen fünftigen 
SJtufifer ober ©omponiften. 3 ^ 9 * fe<h bei ib)m 
oon ffinb auf eine Steigung 3 um Si3putiren 
unb Pemeiäfüferen, fo ^ei§t e§: „Ser macht 
einmal einen tüchtigen Stbüofaten." Schreibt 
er einen guten Stpt unb meife er fteine ©efehief^ 
ten unb ntoralifche Setrachtungen in entfpre* 
efeenber gorm mieber 3 ugebeti, fo hegt man hohe 
Ermartungen oon feinen fpäteren Erfolgen at3 
Schriftftetter, Stebafteur ober prebiger. Unb 
baffelbc gilt oon jebem anbem 2Birfung3freife, 
in metchem ber SDtenfcfe mögtichermeife Erfolg 
haben fann. 

gn ber Steget aber finb bie Steigungen mehr 
ein ftinbernife at3 ein £ebet 3 um Erfolg, benn 
ein ffltann, ber nur ba3 thut, mo 3 U er 2 uft 
unb Steigung h a *> befipt nur einen geringen 
©rab oon SStänntichfeit. 


©rofee Seiftungen erforbem SDtühe unb Stn* 
ftrengung, Stu^bauer unb Peharrtidjfeit, unb 
biefe mieberum bebingen einen feften ©harafter. 
Ein fefter ©harafter aber, ber unä befähigt, be* 
harrtich unb erfolgreich nach einem tmh cn 3 iete 
311 ftreben, mirb nur unter bem Srud ber Ser* 
hättniffe im Seben gebitbet, unb Stiemanb be* 
fommt ihn, ohne feinen persönlichen Steigungen 
entgegen 3 uarbeiten, unb bie unmittfommenen 
£)inbemiffe auf feinem SBege muthig 3 U über* 
minben. 

Ein SOtamt, ber nur feinen Steigungen folgt, 
treibt miltentoä unb müffig mit ben SSogen be£ 
fchnett bahitt raufchenben Stromes, aber e3 er* 
forbert ben fepnigen Strm unb ben fcharfen 8 tid 
be§ funbigeit 8 oot£manne£, ftromaufmärts 3 U 
rubern,—gegen ben Strom ber eigenen Steigun* 
gen. Stiemanb mirb in irgenb einem Perufe 
befonbere Erfolge er 3 ieten, ohne oiet Slrbeit 3 U 
thun, bie er feinen Steigungen 3 ufotge, meit tie* 
ber untertaffen hätte, ober mit anberen SBorten, 
ohne feinen Steigungen 3 U miberftehen, anftatt 
ihnen nad) 3 ugeben. 

So leicht ift eö ben eigenen Steigungen 311 
folgen unb fo unüermerft gerät!) man aufbiefen 
Slbmeg, ba^ man ©efahr läuft, atten ©eminn, 
ber au^ einem reblichen SJampf mit ben £>inber* 
niffen im Seben entfpringt unb fich befonbere in 
oermehrter ©harafterfeftigfeit unb SJtänntichfeit 
äußert, in biefer nachtheitigen Siebting^bef^äf* 
tigung 31 t Oertieren. 

Ser, metcher beftänbig ba^ ftubirt ober ba£ 
matt, ma§ feinen Steigungen entfpricf)t, mirb 
fchmertich ein erfolgreicher Stubent ober ein be* 
rüpmter Äünftter merben. gt)m mangelt ber 
mohtgefchutte ©eift, unb bie gähigfeit, feine ei= 
genen ©oben unb Salente 3 U meiftern, metd)e 
man fich nur burch treue Pflichterfüllung ermirbt, 
gteichoiet ob biefe Pflichten unferen Steigungen 
entfprcchen ober nicht, unb ohne fie ift fein mah= 
rer Erfolg möglich. Ser erfolgreiche Schrift* 
fteller befipt oon Statur nur fetten bie ©abe, 
ohne befonbere SJtiihe in einem flaren unb an* 
3 iel)enben Stpte 3 U fchreiben. SSäre ba£ ber 
galt gemefen, fo hätte er fich üielleicht 3 U feinem 
Stachtheit barauf oertaffen unb griinbtid)e Str* 
beit üerfäumt. Pefonbere^ Stebnertatent mag 
einem SDtanne in gatten hebern, ein tüchtiger 
Stboofat ober ein h^üorragenber Prebiger 3 U 
merben, meit er ©efahr läuft, im Pefip biefer 
©abe bie SJtittet 3 U oerfäumen, bie it)m allein 
beibmben Erfolg in feinem SSirfung^freife 
fichern. 

Unb umgefehrt, ein fefter Entfd)tufj,nach Er* 
folg 311 ringen auf einem ©ebiete, metche3 ben 
perfönficf)en Steigungen nicht entfpricht, ift fepon 
an unb für fich eine Sürgfchaft beö Erfolget. 


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368 


JJtoei $efd)id)tett |um #ad)benktn. 


Unb in biefer SBeife mag ber SBiberftanb gegen 
unsere Steigungen anftatt unf ^inberlic^ fein, 
5 U unferen ©rfolgen beitragen. 

6f ift ein gewaltiger Unterfchieb, ob Sewanb 
jit einem ©erufe Steigung fül)lt, ober ob er ißm 
üor anberen ben ©or$ug gibt. Qm erften gatte 
folgt er einem angeborenen |>attg, einer 2ieb= 
baberet, im lebten trifft er eine wohlüberlegte 
»aht. 

©ei einem ächten SDtanne gehen Steigung unb 
Pflichtgefühl oft Weit aufeinattber. ©in Sol= 
bat im feinblichen geuer mag geneigt fein, rechte 
umlehrt «$u machen unb baüon $u laufen, aber 
alf ©olbat jieht er ef üor, auf feinem poften 
§u ftehen, tro£ kugeln unb ©efafjr.—©ine forg= 
liebe Pflegerin am ffranlenbette mag eine Stei¬ 
gung ^um Sdjlafe fühlen unb hoch mag fie cf 
üor^iehen, Wach ^u bleiben. So mögen in jebem 
©erufe Pflicht unb Klugheit SDtandjef gebieten, 
waf ben perfönlidjen Steigungen ^uwiber ift, aber 
ber Weife SJtann gibt Pflicht unb ff lugheit ©ef)ör 
unb fie attein beftimmen feine |mnblungfweife. 

Sie Steigung einef SJtanncf lommt bei ber 
SBaf)l einef Serufef weniger in ©etradjtung, 
alf bie grage: „SBeldjem ©erufe fottte ich ben 
©or^ug geben?" 


11m eine gute SBatjl $u treffen oerbienen be- 
fonberf folgenbe brei gragen nachbenlenbe unb 
betenbe ©erüdjichtigung: S n welchem ©erufe 
lann ich nteinen ©ott unb SDteifter am beften 
ehren unb oerherrlichen? — S n sichern ©erufe 
lann ich meine ©aben am beften oerwerthen unb 
meinen eigenen ©haratter am meiften auf bilben 
unb oerebeln ?--Unb fchließlich: „S n welchem 
©erufe lann ich ben zeitlichen unb ewigen 
Sntereffen meiner SDtitmenfchen am beften bie* 
nen ?"—S n ber ©eantwortung biefer brei gragen 
foflten natürlich bie angeborenen unb erworben 
nen gäljigleiten jebef ©in^elnen berüdfidjtigt 
Werben. S n ben meiften gälten wirb baf ff inb 
©ottef, melcßef fid) aufrichtig uub rebtich be¬ 
müht, ©ottef SBitten $u Wiffeu unb ju thun, er* 
fahren, baß bie SlntWort auf biefe brei gragen 
einen Singerzeig in ber rechten Stiftung gibt 
unb baß biefe Stiftung ben perfönlichett Stei¬ 
gungen nicht entflicht. 

£at aber S ema ttb auf foldje SBeife feinen 
SBirtungflreif ertannt, fo füllte ©ewiffen unb 
Pflichtgefühl ihn beftimmen, treu unb Wader 
barin ju arbeiten, — troß aller ipinberniffe unb 
Schwierigleiten, welche ihm feine Steigungen 
bereiten mögen. 




Jitm (Sefdjidjten ?nm $ad)t>enkeii. 


1. 34 bin tobt. 

©3 gibt eine Wohlbelannte ©efdjichte auf ber 
Seit Stapoleon I. S n einer ber ©onflriptionen 
währenb feiner oielen ff'riege würbe ein SDtann 
aufgehoben, ber leine 2uft hatte $u gehen, ©r 
hatte ittbeß einen greunb, ber fid) anbot, für ihn 
5 u gehen. Serfelbe ftieß ^um Stegimente in 
feinem Stamen, Warb in ben ffrieg gefchidt, in 
einer Schlacht getöbtet unb auf bem Schlacht* 
felbe begraben. Später würbe ber erfte SDtann 
auf ©erfehen ^um ^Weitenmale aufgehoben, aber 
er weigerte fid) mit^ugehen. „Sh* Wnnt mich 
nicht nehmen." — „SBarum nicht?" — „Sch bin 
tobt," ermiberte er — „Su bift nicht tobt; bu 
bift am2eben unb gefunb."—„Slber id) oerfichere 
euch, ich bin tobt," fagte er. — ,,.§ör’, SDtann, bu 
mußt nicht recht bei ©erftanbe fein. SBo bift 
bu benn geftorben?" — „Sn ber unb ber 
Schlacht, unb begraben habt ihr mich auf bem 
unb bem ©d)lachtfe(be." — „Su rebeft wie ein 
©errüdter," riefen fie; aber ber Sftann blieb 
babei. — „Schlagt eure ©iid)er auf unb fefjet, 
ob ef nicht alfo ift." Sie fchlugen nach unb 
tanben, baß er recht hatte. — fagten fie, 


„bie Sache oerßält fich fo, bu bift nicht felber 
geftorben; aber bu fjaft Wahrfcheinlich S eTnfl nb 
belommen, ber für bi(h ging; ef muß bein 
©telloertreter gewefen fein." — „Sch 
weiß baf wohl, er ftarb an meiner Statt. Sh* 
j lönnt mir nießtf anhaben; ich ftarb in jenem 
I SJtanne unb gehe baßer frei auf. Saf ©efeß 
j hat leinen Slnfprucß an mich." — Sic Wollten 
1 bief nicht gelten taffen, unb bie Sache tarn üor 
ben ffaifer. 2lber biefer fagte, ber Sftantt habe 
recht; er fei in ben Slugen bef ©efeßef tobt unb 
1 begraben, unb grantreich habe leinen Slnfprudj 
an ihn. 

1 Sie ©efdjidjte mag wahr fein ober nicht; 
aber einf weiß ich: ©f ift Wahr, baß ber ff ö* 
| nig bef £)immelf bie 2eljre ber Steflüertretung 
I anertennt. ©ßriftuf ift für mich geftorben, bar* 
I auf baue ich bie Hoffnung meinef 2ebenf. 
,,©f ift nießtf ©erbammlidjef an betten, bie in 
ßfjrifto Sefu ftnb." gragft bu midh, waf bu 
1 tl)un müffeft, um btefcf Segenf theilßaftig $u 
werben, fo antworte ich: ,,®eh’ unb mad) ef 
perfönlich mit ©hrifto ab. SBirf bich alf Sün* 
ber unter’f ff reuj. ©nttleibe bich aller eigenen 
©erecßtigleit unb ziehe bie ©erechtigteit ©hrifti 


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jtaei Äefdjidjten ;um JJadjbetiken. 


369 


an. §ütte bich in fein reinem, oottfommeneS 
Kleib, unb nimm itjn in fittblichem ©lauben als 
beinen $eilanb auf, fo mirft bu bie föftlicfjen 
©djäjje ererben, bie ©hnftuS mit feinem ©tute 
bir erfauft. ,,©o üiele ihn aufnahmen, benen 
gab er S0lad^t, ©otteS Kinber ju merben." 3 a , 
©otteS Kinber, 3Rad)t, bie Sßett, baS gleifch 
unb ben Xeufet $u überminben; SJtacht, j[ebe an* 
flebenbe ©ünbe, Seibenfdjaft unb Suft $u freu* 
jigen; SRacht, ju triumphiren über jebe 
®rangfal unb Prüfung beS SebenS. ,,3d) 
üermag alles burch ben, ber mich mächtig macht, 
©hriftuS." 

2. „34) lernte fte ttid)t." (SJtatth. 26, 72.) 

©ine SBittme hatte eines SJtorgenS ihr £>auS 
unb ihre fünf Kinberlein üerlaffen, um einige 
nötige ©infäufe ju beforgen. Slach etmaS 
mehr als einer Stunbe teerte fie eiligen ©cßrit* 
teS jurüd unb freute fidj fchon, bie fröhlichen 
Kinbergefichter am genfter ju erbliden. StlS fie 
aber um bie ©de ihrer ©traße bog, gemährte fie 
ju ihrem ©ntfepen, baß ihr $auS in fjetten 
flammen ftanb. ©einahe im gleichen Slugen* 
btide fam if)r ein Sladjbar mit ben oier älteften 
Kinbern entgegen, „©ottlob!" rief bie arme 
Sßutter, „feib boc^ ihr, meine Kleinobe gerettet! 
— Slber mo ift bie Kteinfte?" fuhr fie im gtei^ 
djen Slthemjuge fort. 

3n ber allgemeinen ©eftürjung mar baS 
jfingfte Kinb oergeffen morben, 

„0, mein Kinb, mein Kinb!" rief bie SJtut* 
ter unb eilte bem brennenben £aufe ju. hinein 
burch bie praffelnben glammen ftürjte fie. SKan 
mottte fie gemaltfam jurüdhalten. @S mar 
üergebenS, bie Siebe ift ftärfer als ber £ob. 
Sie üerfdjanb in bem brennenben £aufe; aber 
fdjon nach menigen Slugenbliden erfc|ien fie mie* 
ber mit bem Kinblein in ben Slrnten unb fonnte 
als ein mafjreS SBunber noch gerettet merben. 
Kaum hotte fie baS geliebte Kinb, baS beinahe 
ganj unüerfehrt geblieben mar, in bie Strme ei* 
ner greunbin gelegt, fo ftürjte fie beftnnungSloS 
jufammen unb mußte in’SSpital getragen merben. 
3hr ganjer Körper mar eine SBunbe, unb ber 
lob fdjien mtoermeiblich. Sittein nach monatelan* 
gern Seiben unb treuer pflege genas fie allmählich 
mieber unb mürbe ihren Kinbern aufs Steue ge* 
fd)enft. $och befielt fie bie Farben jener 
fchredlichen SBunben; namentlich mar ihr Singe* 
fid)t burch biefelben fo fehr entftettt, baß fie auf 
gretnbe einen miberlidjen ©inbrud machte, mie* 
mohl alle, bie fte fannten, bie innere Schönheit 
burch bie äußere abftoßenbe £üfle hinburchfchim- 
mern fahen. — 

©S vergingen 3 a h re / unb baS fo munberbar 
gerettete Kinb mar jur blühenben Jungfrau 


herattgemachfen. Sinft befaitb fie fich mit ihrer 
SRutter in einer fremben ©tabt in größerer ©e= 
fetlfchaft. ©ie ftanb in einem Kreife junger 
SDtäbchen, bie in ihre ganje Umgebung mifeelnbe 
©enterfuitgen machten.. $fö§Iich fagte eins ber= 
felben mit fpöttifcher SJtiene jn ihr: „Sehen 
©ie hoch einmal jene häßliche grau mit ben ent= 
fe|Iid^en Starben. Kann man etmaS ©arftige= 
reS fehen? SBiffen ©ie, mer fie ift?" Unb bie 
leichtfertigen jungen 9Jtäbchen brachen in ein 
tieblofeS ©etiler aus. ©ine bunfle 9töthe flog 
über baS ®efid)t ber Softer, ©inen Slugen* 
blid fämpfte ©itelfeit mit Siebe, falfche Scham 
mit ®an!barteit; enbli<h fagte fie leife: „Stein, 
ich fenne fie nicht!" —®u menbeft bich mit einem 
StitSruf beS SIbfcheuS üon biefem unnatürlichen, 
unbanfbaren Kinbe ab, geliebter Sefer; aber 
halt — fodten nicht etma bir bie SBorte gelten: 
®u bi ft ber SJtann? 3Bie oft, o mie oft 
haft bu nicht ben auf gröbere ober feinere SSeife 
oerleugnet, ber für bich in ein oiet ^redlicheres 
geuer ging, um bich aus einen ©ranb heraus* 
jureifcen! ®en ooit melchern cS tyifct: „@r 
hatte feine ©eftalt noch Schöne! mir fahen 
ihn, aber ba mar feine ©eftalt, bie uns ge* 
fallen h ä ^e. @r mar ber Slderüerachtetfte 
unb Unmerthefte, üoHer ©chmerjeu unb Kranf* 
heit. @r mar fo üerad^tet, baf$ man baS Singe* 
ficht oor ihm oerbarg, barum ha^en mir ihn 
nichts geachtet. 3a, menn man Oon feiner SJtacht 
unb SBeiSheit, oon feiner ©orfehung unb.^err* 
lichfeit fprach, ba fonnteft bu mit einftimmen. 
Slber menn es galt, mitten unter ungläubigen 
mber h^lbgläubigen ©enoffen ju jeugen oon 
3efu bem ©efreujigten, oon bem liebreichen 
|ieilanbe, ber bich, üerloreneS ©chäflein, gefugt 
unb gefunben, mie maren beine Sippen fo ftumm, 
beine SBorte fo flug unb beredjnenb! SBenn eS 
eine ©hre oor ber SBelt mar, menigftenS oor ber 
chriftlidjen SBett, in biefe ©erfammlung ju 
gehen, ober jenen Sortrag ju hören, bann manb* 
teft bu beine Schritte auch h^ a ^ er ^enn 3 c 5 
fuS in feiner KnechtSgeftalt oor bich trat, menn 
eS galt, mit ihm Oor’S Säger hinauSjugehen 
unb feine Schmach ju tragen — ba bliebft bu 
jurüd. ®enfe an jene Jodler! SBaS müßte 
baS heiß liebetibe $erj ber SRutter gefühlt hoben, 
menn fie bie eifigen SBorte ihres KinbeS gehört 
hätte. Unb mie muß eS b e i n en Stetter betrü* 
ben, menn bu burch Sieben ober burch ©chmeigen, 
burch %t}un ober burch Untertaffen oon ihm 
fprichft: ,,3d) fenne ihn nicht!" 0, laßt uns 
alle lernen, bie ©cßn ach ©hrifti für größeren 
Sleichthum ju holten, als bie ©chä^e ber SBelt 
unb uns freuen, menn mir gefdjmähet merben, 
fo eS um feines StamenS mitten gefchiefjt. (SKarf. 
8, 38. Slömer 8, 17.) (Stachbar.) 


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370 


girr gtoftnfttaud). 



Per Jloffii|lroud). 


K i n b f rf) I ä f t unter bem Kofenjtraudj, 

’ w Die Knospen fcbmellen im 11 laientjaudj; 

(Es rittet fo felig, es träumt fo füg 
Unb fpielt mit (Engeln im parabies: 

Die 3afjrc nergeljen. 

Die 3nn9ftau ftc ^t ror bem Hofettjhaudj, 
Umfpieft non ber Blütbcn buftigen fjaudj. 

Sie pregt bie tfanb auf bte flopfenbe Brufi, 
(Erglütjenb in mnttberfcliger £uft: 

Die 3at?re nergcfyen. 

Die IT! 11 11 e r F n i e t ror bem Hofen jlraudj. 

Die Blätter fäufeln im Hbcnbtyaud}; 

Sie benft an vergangene (Tage ^uriief, 
n£s nbmimmt in (Ebräncit it^r trüber BItrf: 

Die 3 a brc v ergeben. 

(Entblättert trauert ber Hofenjtraudj, 

Die Blütfjett verwebten im perbftesliaudj. 

Die Blätter weiften unb fielen ab, 
llnb beeften fliifternb ein ftilles (Stab : 

Die 3 a ^ rc vergeben. 

(E. ^Jerranb. 


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Pifodjftwtjitljung. 


371 


|Httbd)ener|iel|UH0. 

gür $au$ unb $erb 


ei jebem Unternehmen foßte man ein 
getpiffeö 3iel im Singe haben, unb 
W* i ur ® rrc ^ un 9 nötigen SRittet 

^sSZc) ergreifen. 

2tu<h bei ber |)eranbilbitng ber 
;gugenb foßte bie fünftige ©eftim= 
mung mohl ermogen, unb ber ©rjiehungSgang 
barnach eingehalten merben. 

Sie Slnlagen beS SRanneS meifen barauf hin, 
baß er bon Statur hauptfächlicf) für ben ®ainpf 
beS Sebent beftimmt ift, mälpnb bie förper^ 
liehe unb feetifche ©efdjaffenheit beS meiblicßen 
GefchledjteS auf bie ruhige Stätte beS ^aufe^ 
hinbeutet, als ben für baffelbe beftimmten unb 
geeigneten SBirfungSfreiS. 

SllS Hüterin ber häßlichen Sitte, als SRutter 
unb Gebieterin fofl fie hier ben SRittelpunft bil= 
ben, unb ihre fegenSreidjfte Spätigfeit entfalten. 

SluSnahmSmeife höben grauen auch in anbern 
berufen fich mit ©rfolg herborgetpan, aber bie 
Gefehlte unb tägliche Erfahrung bemeifen un* 
miberlegbar, baß im gamilienfreiS, ber Schuld 
ftube, im Sranfenjimmer ihr eigentlicher Sßir* 
fungSfreiS ift, ba fie ju aßen feiten Großes, 
Segensreiches geleiftet haben. 

©S liegt ganj außer ihrem ©eruf an politi* 
fchen ©arteifämpfen Sheil JU nehmen, in Ge- 
fe^eShaflen mit fdjlauen <ßolitifern ju ftreiten, 
in öffentliche Stemter einjubrängen, ober gar im 
Sanbe umfjerjureifen, ©ranbreben gegen bie be- 
ftehenbe Drbnung unb bie Spranei ber SRänner 
ju holten. Saburdj ftreift fie ihre SSeiblichfeit, 
bie garten, erfurchtgebietenben Seiten ihres 2Be* 
fenS ab. 

SaS Siel, melcheS beßhalb bei ber SRäbcpen* 
erjicpnng im Sluge behalten merben foßte, ift 
bie Süchtigmachung für ben häuslichen 2Bir= 
fungSfreiS, für baS Seben in ber gamilie. 

Sie übermiegenbe SRehrheit beS leiblichen 
Gefehltes hat natürliche Slnlagen unb SJei- 
gung bafür, unb nur ein berfchminbenb Heiner 
Jheil mürbe eine anbere SBapl treffen, menn es 
in ihrer 3Rad)t läge nach Gefchntad mäplen ju 
fönnen. 

Stach ben amtlichen ftatiftifchen Seridjten gibt 
eS in biefein Sanbe nicht meniger als brei 3Ril= 
lionett meiblicßer Sßerfonen, meldje außerhalb 
beS £aufeS thätig finb. 

^ngabrifen finb 640,000, inSBafchanftalten 
530,000, in ^ufctäben 280,000, im Kleiber* 
maepergef^äft 200,000, in Scßneibermerfftätten 
60,000, im ältlichen gach 2500, als ©erfäu- 
ferinnen, Sehrerinnen, Selegraphiftin, ©ud)- 


Don 3. Sglagettljauf. 

fithrerinnen unb Slufmärterimten 670,000. Sie 
übrige 3apl bertheilt fich auf öerfchiebeite ®e* 
fcpäftigungen, befonberS auf bie im Süben auf 
ben Plantagen befchäftigten Siegerinnen. 

Sie Urfache biefer gemiß alarmirenben @r= 
f(heinung liegt hauptfäcf)lich in ber berfehrten 
©rjiehungSmetljobe beS meiblidjen Gefehltes, 
moburch bie Siebe ju ihrem eigentlichen Serufe 
nicht gemedt, ober fie nicht tüchtig bafür gemacht 
merben. 

Sie fepeuen fich in bie HäuSlidjfeit einjutre^ 
ten, meil ihnen Suft unb Süchtigfeit bafür fehlt, 
uttb junge, berftänbige SRämter fehen mohl ein, 
baß fie mit folgen SBeibern fdjlecht befteßt mä= 
ren. Saljer bie bielen alten Jungfern unb ein- 
feitigen §ageftolge. 

grüher mürbe bei ber SRäbchenerjiehung, 
felbft ber ©omehmften unb Steichften, baS häus¬ 
liche $id mit im Sluge behalten. Sieben ber in- 
teßeftueßen ©ilbung mußten fie fich auch bie 
Gefchidlichfeit aneignen, baS HauSmefen ju füh¬ 
ren unb mit ber eblen ffoch- unb ©adfunft ber- 
traut fein, ehe fie in bie ©he treten burften. 

©iele bon uns erinnern fich noch ber ehrmür* 
bigen SRütter unb Großmütter, bie im Haufe 
unb auf bem Hofe fo bortrefftich ju fchalten unb 
malten berftanben. ©S mag fein, baß fie mit 
ihrer ©ilbung heute etmaS hinter ber 3eit mä= 
ren, aber gemiß maren fie beffere Haushälterin* 
nen unb glüdlicßere SRütter, als bie jepigen 
Samen beS HaufeS, melche mit Stotenheften, 
Geigenbogen, fjaßeten unb fonftigen Slbel^eichen 
meiblicher ©ilbung fo fi£ um^ugehen miffen unb 
babei bom HauSmefen fo menig als möglich ber> 
ftehen. 

Sie Serrichtung ber häuslichen Slrbeiten ift 
heutzutage bie ©efdjäftigung ber SRütter unb 
Großmütter, biefen Ueberbleibfeln aus ber alten 
3eit, mährenb bie fünftige Hausmutter am ®la= 
hier, Stidrahmen, Sufchfaften fi^t, im Schaufel- 
ftuhl ober ber Hängematte fich miegt. 

Geflimpert unb geftrichen muß merben, felbft 
menn aßeS Salent baju fehlt. 

SRit ber ©^iehung ber SRäbcßen finb mir in 
biefem Sanbe in eine .Stiftung gerathen, bie 
bom eigentlichen 3^tc ableitet. 

SRan gönnt ihnen faum mehr bie fröhliche 
gugenbjeit, in ber fie im greien fpielen, unb 
ungenirt im häuSlid^en Greife mithelfen foßten. 
So fdjneßatS möglich müffen fie burch afle Älaf* 
fen in ber Schule, um als junge SabieS fungiren 
ju fönnen. SaS ^inbliche unb SJaibe mirb 
ihnen borjeitig abgeftreift, unb ein afficirteS 



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372 


PJöbiljenerjteßung 


SBefen beigebracßt, baS an’S Säcßerlicße grenzt. 
3Ran feße nur, mie fie bat)cr trippeln, bie Strme 
fcßmingen, baS Köpfcßen fteif galten, ben ganzen 
Körper ßim unb ßerbalanciren, als mären fie 
nacß ber £ofetiquette eines ©emaltigen ein= 
e^er^irt. 

SRan taffe fie boeß ben fcßönften Xßeil ißreS 
Sebent genießen, unb lege nießt burcß früß^ei* 
tigeS ©cßulreglement ben ©runb, fie für ißren 
fünftigen ©eruf unfähig 5 U machen, ©ine grau 
mag nocß einmal ein ©ngel merben, ein 3Räb' 
cßen mirb fie nie mieber. 

Stuf biefe SBeife merben taufenbe unb aber' 
taufenb SRäbcßen oerbilbet, baß fie meber greube 
nocß ©efcßid für ben fünftigen ßäuSlid)en ©eruf 
ßaben, ober benfetben gar als eine Slrt ©Jlaoerei 
anfeßen. 

ßine Slmerifanerin befueßte auf ißrer euro= 
päifcßen Xour aueß ben $alaft beS giirften 93iö- 
mard, unb faß bafelbft bie gürftin mit einem 
©cßliiffelbunb an ber ©eite, ben £>auSßalt in- 
fpijiren. darüber riß bie Slmerifanerin bie 
Slugen gar getoaltig auf, unb meinte in einer 
ßorrefpoitbens in einem SRem Dörfer Slatte, baS 
fei einer fo ßocßfteßenben$ame boeß gan^ unmiir- 
big. ®er gürft ©iSmard aber faß ben ©cßlüffel* 
bunb feiner grau lieber, als ben $iamanten- 
feßtnud, mit melcßcm er fie befeßenft ßatte. SBenn 
fein £auSmefen unter ber Sluffidßt biefer Slmerifa- 
neriit, melcße maßrfeßeinlicß öom £>auSßalt feßr 
menig Derftanb, geftanben ßätte, märe er oßne 
gmeifel in früßeren gaßren banferott gemorben. 

SBenn icß an ben ©eruf benfe, meteßer üon 
©ott unb ber Statur bem meibtießen ©efcßlecßte 
angemiefen ift, fo feßeint eS mir, ein fräftiger 
gefunber Körper unb bie ©efcßidlicßfeit baS 
|>auSmefen $u füßren, feien nü^Iießer unb nö* 
tßiger, als menn bie SRäbeßen bie tarnen ber 
alten *ßßilofopßen, bie SRebenflüffe beS ©aitge^, 
bie StuSläufer ber Sttpen, bie fieben SBunber ber 
alten SBett an ben gingern ßerjäßlen, ober gar 
bie SBerfe ber alten äReifter präzis abfpielen 
fönnen. ®amit miß icß nießt berftanben fein, 
als ob bie geiftige SluSbilbung gering gefcßäjjt 
ober üerföumt merben foßte, benn fie ift ßeute 
nötßiger unb aueß leießter ju erlangen, als in 
früßeren gaßren, meit überaß regerer ©erfeßr 
ßerrfeßt, unb bie gabrifinbuftrie baS ©pinnrab, 
ben SBebftußt unb felbft baS ©triden überflüffig 
gemaeßt ßat. Slber baS meine icß: guerft nä¬ 
ßen, fliden, baden, foeßen, mafeßen, bügeln ler^ 
neu, bann muficiren, ^^eießnen, SDtalerei unb 
©eßriftftetterei treiben. 

Unb eine SRutter, meteße ißre ermaeßfenen 
löcßter nießt fomeit in ben ßäuSlicßen Slrbeiten 
unterrießtet ßat, baß fie bem ^musmefen borfte= 
ben fönnen, maeßtfieß einer ©erfünbigung tßeil- 


ßaftig gegen ißre Kinber, ©cßmiegerfößne unb 
fünftigen Stacßfommen. 

©ine eben aus ber ßößeren Jöeßterfcßule fotm 
menbe junge ®ame fegte ißrem ©ater ißr .ßeug- 
niß mit großer ©elbftbefriebigung öor, inbem 
fie fagte: „$Run ©apa mirft ®u gemiß mit mir 
jufrieben fein, ©olfsmirtßfcßaft, feßr gut; 
©temfunbe, gut; SDtalen unb SRufif, befriebü 
genb." Stacßbem ber ©apa baS Rapier eine 
SBeile ernft angeblidt ßatte, fagte er: „@cßön, 
feßr feßön, mein Kinb! SBenn nun bein 3u- 
fünftiger etmaS non ber ipauSßaltung üerfteßt, 
tücßtig foeßen unb näßen fann, merbet ißr eine 
glüdlicße ©ße füßren." 

SBenn baS ÜDtabcßen $ur Jungfrau ßerange- 
madßfen ift, foßte fie baS ^auSmefen grünblicß 
oerfteßen, bamit fie fieß nießt fpäter gleicß einem 
unmiffenben Kinbe non ben ®ienftboten feßuf- 
meiftern, befpötteln ober gar abblifcen laffen 
muß. ©0 erging es jener jungen grau, bie im 
gnftitut erlogen, eines SRorgenS p ber nom 
äRarfte ßeimfeßrenben SRagb in normurfsnoßem 
£one fagte: „SBarum bringen Sie fo Meine 
©ier ? Saffen Sie biefelben boeß im Sfefte liegen 
bis fie auSgemacßfen finb!" 2)aß fie pr $kU 
feßeibe beS ©potteS mürbe, braueßt faum er= 
mäßnt ^u merben. 

Sebe grau muß ja boeß einmal ben ^auSßalt 
unb bie Kü(ße fennen fernen, ob fie fieß gern 
ober ungern baju nerfteßt. £>inft, ßapert unb 
feßlt eS bann an aßen ©nben unb ©den, fo Der* 
liert aueß bie befte SRufif bie |>annonie, menn 
ber üRamt ben ©aß naeß ben 5Roten ber unge^ 
flidten §ofen ba^mifcßeit brummt, unb bie fein- 
folorirten Silber verlieren ben SReij in feinen 
Slugen, mäßrenb er baS me^fteinartige ©rob 
unter ben 3 ö ß nen ^erarbeitet. 

®ie glitterjeit, in melcßet oiele SRänner mit 
offenen Slugen nidßt feßen, oerfliegt gar feßnefl, 
unb menn fie bann bie Unfenntniß unb Untaug* 
licßfeit ißrer grau, baS £auSmefen ju füßren, 
maßrneßmen, merben fie oerbrießließ unb eS 
fommt ju unangeneßmen Sluftritten. 3ft bie 
Koft ju $aufe f^lecßt, fo fueßt ber SKann ©rfaj 
im fogenannten Suncß ober gar im ©lafe. Ser* 
fcßleubert bie grau ben fauer ermorbenen £oßn 
beS SRanneS, fo mirb aueß er leießtfinnig unb 
bringt feine greiftunben in ©efeßfeßaften ju, bie 
er fonft meiben mürbe. 

®aS ift ber Slnfang ber ©lenbSgefcßi^te fo 
üieler ntinirten gamilien. ®ie ©cßufb liegt 
nießt an ben Söcßtem, fonbent an ben gltern, 
befonberS an ben SRüttem unb bem einfeitigen 
SilbungSgange auf unfern |>ocßfcßulen. SBer 
Jönnte oon einer jungen ®ame, bie 4—6 !gaßre 
meiftenS mit ©üeßern umging, ermarten, baß fie 
oiel Suft jur ßäuSlicßen ©efcßäftigung ßabe. 


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Mod) einige (Sebnnhen über ein hird)lid)e6 (Sefangbud). 


373 


©or noeß nießt langer 3eit fagte ein erfolgret* 
cßer Kaufmann, mit toelcßem icß über biefen ©e* 
genftanb fprcuß: „Die meiften 9Jtäbcßen finb in 
©runb unb ©oben hinein für ben ©auSbatt 
oerborbett, roenn fie üon ben ©ochfdßulen heim* 
fommen." Dafe biefen Urteil üon einer über* 
aus großen An^aßt amerifanifcßer Dämchen nur 
3 U mat)r ift, lehrt bie ©rfahrung. Natürlich 
gibt eS aueß üiele rüßmticße Ausnahmen unter 
ihnen. 

Die Döchter ber Deutfcßamerifaner toerben 
getoöhnlicß fctjon in früher gugenb üon tüchtigen 
ÜKüttern im ©auStoefen unterrichtet, unb legen 
bef$öfb bei ihrer Slücffehr üon ber Schule 
ebenfo große gertigfeit in ber ®ücße an ben Sag 
als im ©racfjtaimmer. Deßhfllb blüfjt unter 
ihrem Stegimente gemöhnlicß SSohtftanb unb 
häuSlidjeS ©lücf. 

@S ift ju üerttmitbern, baß in biefem fonft fo 


praftifcfjen Sanbe üon ben Settern ber größeren 
höheren Döcßterfcßulen noch nie ein emfter ©er* 
fucß gemacht mürbe, ein Departement für häuS* 
ließe Arbeiten ein^urießten, in toefeßem bie jun* 
gen Damen im & oeßen, SBafcßen, ©iigetn u. brgt. 
m. unterrichtet unb für ißren künftigen ©eruf 
üorbereitet mürben. Da fönnten fie baS bis* 
eben Chemie unb ©eometrie am ©robbaefen, 
Äteiber^nfcßneiben unb gtiefen praftifcß aus* 
üben. 

©in reießer, moßttßätiger Onfel mürbe ein 
fegenSreicßereS SBerf ftiften, menn er ©unbert* 
taufenbe für beit Stücßenunterricßt in einer An* 
ftalt botirte, als für einen Seßrftußl frentber 
(Sprachen. SBenn mieß mein ©ebäcßtniß nießt 
trügt, mürbe üor ^aßren ein berartiger ©erfueß 
in ©ofton gemaeßt, aber bcrfelbe muß im Sanb 
oertaufen fein, benn man ßört unb lieft jticßtS 
meßr baüon. 




üod) einige §eönnken über ein kirdjlid)e0 fätfa ngbnü). 

mtox. 


S ift ßöcßft erfreulich, baß bie „©ebanfen über 
ein fircßlicßeS ©ejangbueß" (5ßai*Aummer ©aus 
unb ©erb) io ütelfacß jurAnregung gebient ßa* 
ben. Der Cbitor erhielt nießt bloS etue An^aßl 
meiftenS ^uftimmenber SDiittßeilungen, fonbem ber 
mertße College 00 m Cßriftl. Apologeten hat aueß 
einen brüberfießen SKeinungSauStaujcß oeröffentlicßt. 
Da nun eine mießtige ©aeße gemißließ ber ©efpreeßung 
mürbig ift, fo fügen mir, oßne baS ©ebiet ber Con* 
trooerte ju betreten, noeß einige ©ebanfen $u ben be* 
reitS publiflirten. 

CrffcnS: Atit bem ©aß beS geflößten Apologeten, 
baß baS Committee nießt nbtßig ßabe, „gereimte 
*ßrofa, SBortgeflimper ober irgenb melcße Sieber auf* 
auneßmen, bie feinen maßren poetifeßen ©eßalt ßa* 
ben," brauchen mir uns nießt ju befaffen. 

,,©auS unb ©erb" enthält in bem Artifel ber 9ftai* 
Kummer feine einzige ©t)lbe, bie aueß nur im leife* 
ften anbeutete, baß fieß baS Committee mit Söortge* 
fUmper 2 c. jufriebenftellen foUe. 

3 n ©aus unb ©erb mürbe oielmeßr folgenber 9flaß* 
ftab aufgeftellt: „Da§ fircßenlieb ift muftcrgiil* 
tig, melcßeS bei Itterarifdj * poetifäer ©raudjbarfeit 
bem betreffenben Qmecf entfprießt, ©erg unb ©emütß 
brö ©olfe^ erfaßt, unb üon bemfelben gefungen mer= 
ben fann." 

Da e$ nun rein unmöglich ift, baß alle braueßbare, 
muftergültige Drigiuallieber ©erlen er ft er klaffe 
finb, fo märe e£ eine Uebertreibung, mollte man Uc* 
bertragungen auö anbern ©praeßen an oerein^elten 
beutfeßen Öieberfcßäpen meffeit, unb fageit, biefe Ue= 
bertragungen finb ntcßtS mertß, menn fie ben ©ergleicß 
mit einigen „ßocßflaffifeßen" Originalprobuften nießt 
auößalten. 

Die^ ift ber 00 m Cbitor bc^ ©au§ unb ©erb einge* 
nommene unb in ber Stfai = Kummer flar erörterte 
©tanbpunft. 

©ier fei noeß beigefügt, baß e£ fieß bei ©erfteHung 


eiltet ©efangbueße^ nießt blo§ um bie Crreicßung 
einc3 literarifd)-poetifeßen gbeal§ßanbelt, fom 
bem aueß barum, baß ber ©tanbpunft, bie ©ebürfniffc, 
bie Crfaßrungen unb Anfd)auungen beö ©olfeS ©e- 
rücffießtigung fiitben, für melcfje^ baä Söerf beftimmt ift. 

AJoßer fomrnt e3 bemt jum ©eifpiel, baß bie beut* 
feßen SJtetßobiften an bem mangelhaft übertragenen 
Sieb „©3 ift ein ©orn gefüllt mit ©lut" fieß moßl 
^eßitmal marm fingen, bi^jie einmal ^u bem ßoeßflaf* 
ftfeßen „©eßeßl bu beine SBcgc" greifen? Die 93te* 
lobie fann bie$ boeß nießt beroerfßelligt ßaben, benn 
e£ laffen fid) auf ba$ beutfeße Sieb feßr bemegließe 
unb lcid)te S 0 ?elobien ßrtben. 

„Da£ au^ bem Cnglifcßen übertragene Sieb," ant* 
mortet man, „ift eben jum Cigentßum be^ ©olfe^ ge* 
morben, unb beßßalb mirb e§ oiel öftere gefungen." 

Qa moßl. Aber m aru m marb e£ in biefem9J?aße 
sum ©olfocigentßum? De ß me gen, meil e# trop 
feiner literarischen Mangelßaftigfcit bie fpeciefle d^a* 
rafteriftifeße Crfaßrung unb Anfcßauung be§ betreff 
fenben ©olfe^ barftellt, unb in bem beftimmten streife 
fid) scßrtmal bie ©elegenßeit bietet, baffelbe 3 U fingen, 
biö baößocßflaffifcße beutfeße Sieb einmal an bie9teiße 
tommt, obgleich lepterc^ jebem Deutfcßen oongugenb 
an befannt ift. 

Stoeitenl: Aueß auf ba£, maö ber geflößte Apo* 
logete über bie auf ©eftellung oerfertigte Ueber* 
feßungen fagt, ßat ©au£ unb ©erb feine Autmort 3 U 
geben, benn e£ fteßt fein SSört^en baüon im Artifel 
unferer 9Jtai*9tummer. 

Da bie ©adje aber einmal angeregt ift, fo mollen 
mir boeß naeßmeifen, mic leidßt man fieß, nießt 
etma au^naßm^meife, fonbern feßr oft betreffs ber 
„fteigemäßlteit," fomie ber„beftellten"©aeßen täufeßt. 

CS ift ja maßr, baß $ur ©e^tedung emeS Siebes 
Qnfpiration, ©egeifterung geßört. 3lber bamit ift 
noeß lange nießt bemiefen, baß bie gnfpiration aueß 
ein gutes Sieb ßerüorbringt, ober baß bei freier SBaßl 



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374 


£lod) einige (Sebonhen über ein htrdjlidjeB Äefongbudj. 


immer BeffcreS entfielt, alö menn man tüd 
auf BorpanbeneS z ur Bearbeitung pinmeift. 

teilte langjährige Erfahrung in biefem gaep be- 
toeift mir abjolut baS ©egentpetl. 

Seitbem baS neue ©efangbuep untermegS ift, pabe 
id) mohl (unb 511 m dljeil oon gan* tüchtigen, Üterari- 
fepen Straften) einen .ftanbtorboou freigeroä^lte, 
überfeßte lieber erhalten. Biele berSinfenber jagen, 
fie feien zur 2 lrbcit getrieben, alfo infpirirtmorbcn;aber 
nad) genauer, unparteilicher Prüfung ift baS Urtheil 
nidjt ju unterbrüefen, baß bie meiften biefer burch freie 
Sapl entftanbener Uebertragungeu feinen Bergleid) 
auSpalten fömten mit anbern, bie aufgegeben mürben. 

dahingegen bin ich üi ber Sage nacpjiimeijen, baß 
bie meiften ber anerfannt beften Ueberfeßungen, bie 
mir in ben lebten fünfzehn fahren erhielten, auf Be- 
ftellung entftauben. 

9luS dußenben Beifpielen feien nur einige .heraus» 
gegriffen: das mirflicp gelungene 㣟ter ift bie Stacht 
)d)ier hin" in Soncorbia mürbe öon 3ieü. B- §äring 
auf meine Befteüung gebieptet, roie er überhaupt 
manche fehr gute beutfaje Uebertragungeu unb Ori- 

g inallieber in gleicher Seife lieferte. Selche ber 
eften Umarbeitungen öon 9to. ©. Seiler, fomie an- 
berer mürben auf Befteüung geliefert, der prächtige 
ÖpmnuS auf baS aeptzigfte gfcpreSfeft unfereS dr. 
Via ft ift bie Söfung einer genau fifirten 
Aufgabe. 

doch—genug ber Beifpiele, bie ich auc h aus ber all¬ 
gemeinen Siteratur oermehren fönnte. 

da biefelben fo häufig finb, baß fie nicht als bloße 
Ausnahmen gelten bürfen, fo lehren fie uns meitig- 
ftenS baS, baß mir nicht fragen )ollen, tote ein Sieb 
entftauben, fonbern ganz objeftio— toaS eS ift, unb man 
in grrtpümer unb gneonfequengen öerfiet, 
mollte man mit Borurtheil beßmegen an ein Sieb her¬ 
antreten, meil eS bie Söfung einer geteilten Aufgabe 
enthält. 

SaS bie 51 rt unb Seife ber Slufgabefteüung 
betreffs ber Uebertragungeu englifcper Sieber betrifft, 
fo gejdbap biefelbe auf Befcpluß beS SommttteeS, 
Bcrjönlicp patte *4 urfprünglich einen anbern tylan, 
ging aber auf bie Meinung beS SommitteeS fröhlich 
ein, unb bin jeßt feft überzeugt, baß biefer BtobuS 
unter Umftänben recht gut ift. ^ebenfalls aber 
hätten mir im©anjen nicht palb fo dud)tigeS erreicht, 
rnenn mir anftatt aiuSmapl ju treffen, gebermann ein* 
gelaben hätten, ad libitum unb ad innnitum barauf 
foS 5 U bitten. 

SS mürbe jeboch mieberholt bie Bitte auSgefprocpen, 
freigemählte Sieber einjufenben, unb baS ftefultat 
biefer Bitte ift oben angegeben. 

2Iucp ging baS Srfucpen an jeben Beauftragten, 
„falls er glaube nicht im Stanbe zu fein, baS eine ober 
baS anbere bezeiepnete Sieb gut übertragen zu f önnen, 
bie ahtmmer beffelben mieber zurücfjufenben," maS fo 
oiel heißt als — menn bir baS Original feine 2lnre» 
gung bringt, feine gnfpiration einflößt, fo unterlaß 
bie Bearbettung, dies gefepap auch tu nicht menigen 
gäüeit. 

drittens : SaS Ueberfeßungen unb Ueberfeßer be¬ 
trifft, jo Hingt eS ganz jepön, menn man fagt, „bie 
Ueberfeßungen fouten bem Original an poetifchem 
Sertp unb geiftiiebem ©epalt burchauS nicht naepfte- 
penunb — „baß eS einen meit größeren ©rab öon 
dieptergabe erforbert, um eine bem Original an poe¬ 
tifchem Sertp gleich fommenbe Ueberfeßung perzu- 
ftellen, als ein Originalgebkpt ju oerfaffen." 

Ser jeboch geit unb gleiß barauf oermenbet, fiep 
unter Ueberfeßern umjufepen, unb bie allcrbeften 
Ueberfeßungen fritifcp ju betrachten, ber mirb balb 


$ur Ueberjeugung fommen, baß obigeSäße oiel däu- 
jepung unb Slnfprücpe enthalten, bie noep nie erfüllt 
morben finb. 

gebe Sprache pat ihren eigentpürnlicpen ©eift, ihre 
gbiotne, Reinheiten, Sdjattirungen unb Senbungen, 
bie in einer anbern Sprache, namenttiep in gebunbe- 
ner 9febe, nicht miebemigeben finb. 

Bor mir liegen z* B. 23 englifcpe Ueberfeßungen 
oon „Sine fefte Burg ift unfer ©ott." Kräfte erfter 
Stlaffe, mie Sarlplc, Bifcpof Sittingpam, ö. ^arbougp 
unb Anbere haben fiep baran oerfuept. Slber feine ein¬ 
zige biefer Uebertragungen fommt bem Original 
an poetifchem Sertp gleich, deßmegen aber finb melcpe 
biefer Ueberjeßungen boep ausgezeichnet, unb 
bie englifcpe .^pmnologie ift burep biefelben berei¬ 
chert morben. 

3ln biefen unb punbert anberen Beifpielen, bie uns 
Zu meit füpren mürben, ift naepzutoeifen, baß ein 
treffliches Criginallieb in oollern Sinn beS 
S 0 r t e S in ber Ueberfeßung nie erreicht mirb, benn 
ein folcpeS Sieb ift eine eigenartige Schöpfung, bie, 
aus bem innerften Sefen beS dicpterS peranSge- 
maepfen, in ihrer ganzen Sigenartigfeit nie ooüfiänbig 
reprobujirt merben fann. deßmegen aber finb gute 
Ueberfeßungen in geroiffen gäüen für ein ©efangbuep 
boep unentbehrlich unb bereitem baS Serf. 

Senn ein Ueberfeßer bie meprobuftion annäpernb 
au Stanbe bringt, fo pat er fepr ©uteS geleiftet. Sr 
bebarf zu folcper Arbeit oiel poetifepe Begabung unb 
bebeutenbe Rormgernanbtpeit, nicht aber beS eigent¬ 
lichen biepterifepen ScpaffenS. der Ueberfeßer erhält 
©runbibee, fomie ben. ©ebanfengang 00 m Original, 
melcpeS ipn entmeber anregt, ober auep niept. 

3ft baS Seßtere ber galt, fo fann bie SReprobuftion 
niept gelingen. Sirb er aber 00 m Original erfaßt, 
fo mirb, bei anbern gegebenen Bebingungen, bie Ue¬ 
berfeßung gut merben, ob bie Slufgabe etne geftellte 
ober frei gemäplte ift. 

Seitbem Ropann ^einriep Boß betreffs ber Ueber¬ 
feßung fremolänbifcbcr didjter in ber beutjepen Site* 
ratur bie Bapn georoepen pat, paben eine 9Kenge 
Ueberfeßer bie lateinifcpen unb grieepifeben Älaffifer 
unb namentlich SpafeSfoeare in’S deutfepe umgegof- 
fen, unb zttiar öfters in fepr gelungener Seife — auf 
Befteüung. Ser aber rnottte behaupten, baß bie 
Sieberprobuftion SpafeSfpeareS arößere dichter¬ 
gabe erforbere, als biefer fie patte! Ober mer be¬ 
hauptet, baß bie Ueberfeßung oon ÜJlilton’S oerlore- 
nem BarabieS einen meit größeren ©rab oon dichter* 
gäbe erforbere, als 2 Riiton gepaßt? 

„das muß ber gaü fein," mag geantmortet merben, 
„menn bie Ueberfeßung üöflig fo gut fein foü als baS 
Original." 

SaS aber im leßten ©runbe nie möglich fein mirb, 
mein Rreunb. dies ift niept bloS unfer, fonbern baS 
Urtpeil ber tücptigften Siteraturfritifer, obmopl fie 
manepe Ueberfeßungen als muftergültig unb unüber¬ 
trefflich bezeichnen, unb jebe gute Ucbertragung als 
Bereicherung ber Siteratur anerTennen, tn beren 
Sprache eine fremblänbifcpe dicpierfcpöpfung über¬ 
tragen mürbe. 

BiertenS ift mieberpolt barauf pinzumeifen, mie 
leicht man fiep pinficptluh beS „überaus r e i cp e n 
Scp aßeS guter auS bem öerzen aum ^eraen fpre» 
epenber beutfeper Sieber, biefid) auf aüe SebenSoer- 
pältniffe unb jebenStanb cpriftlicper Srfap- 
rung beziehen," täufepen tann. 

Ser bie großen beutfepen Sieberfammlungen ober¬ 
flächlich anjiept, unb fiep oon ben unzähligen ©ejang- 
büepern in deutfcplanb fagen läßt, mag bie Meinung 
pegen, baß ber beutfepe Baum geiftlicper dieptung je» 


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Pie Htbeiter = (Solomen in Peutfd)lonb. 


375 


benfaUS für alle gälte auSreid)e unb jebeSmal ein 
beutfdjeS Sieb £U pnben fei, melcheS ein gegebenes 
englifcheS Doüfontmen „beae." 

feer ober einmal Sftonate unb 5$al)re lang bie bicf= 
leibigen beutfchen Sammlungen $latt für Vlatburd)* 
fud)t, in ben Dielen beutfchen ©efangbücpern SRubrif 
nach Jtubrif bur$forfd)t, unb gemogen unb gefidftet 
hat; mer fid) bei foldjer gorfcpung oft fragte: „mirb 
Denn biefe unb jene entbedte §errlid)feit auch je oon 
ber ©emeinbe gelungen toerben fönnen, ober—erl)al* 
ten mir auf eine unb oiefelbe beutjcheGhoraMlttelobie 
nicht fo Diele Sieber, bag bie praftifdje unb houblidje 
^erfteHung beS Sert*2ftelobienbuchS faft zur Unmög* 
lidjfeit mirb?" feer fid) alfo burd) ben „überaus 
reichen beutfchen Sd)ap" tjtnburdjgearbeitet, ber 
mei&, bag trop beS ungeheuren 9feid)thumS gar 
manche Süde betreffs ber fpecieUen Anfchauung, Auf* 
faffung unb ©rfaprung im ©efangbud) entftünbe, 
menn oiefe Süden nid^t burd) Uebertragungen aus 
bem ©ngüfchen gefüllt toerben. 

Ober—um mieber 93eifpielSmeife zu reben—too ftnb 
bie beutfchen geiftlidjen Originallieber, bie aud) nur 
annäpernb folgenbe Sieber aus bem ©ngüfchen 
„beden": “Rock of ages;” ‘‘Just as I am;” 
“When I can read my title clear“Abide with 
me;’’ “Forward be our watch-word“Take 


the name of JesusEver fainting with desire” 
:c. 2C. ? 

©olb, achtes ©olb ju Sage zu förbern, baS mar 
Don Einfang an, unb ift heute ber ernfte ©ntfdjlug 
beS ©ommitteeS. £>auS unb £>erb mill nichts Atibe* 
reS. Aber eS mug nid)t bloS ©olb für ben Siteratur* 
Äritifer ober bie Söibliothcf beS ©eiehrten, fonbcrn 
in erjter Sinie ©olb f ü r * S 2$ o l f fein. 2Sir müffen 
baS m beftntögltchfter gorm bieten, maS baS 23olf 
braucht, maS eS zur Nahrung unb für bie oerfd)iebe= 
nen ©otteSbienfte ndttjig hat, unb — maS eS aud) 
fingen fann. 

Sasu bebürfcn mir an Scjt unb 9ttelobie Diel Al* 
teS fomotjl, als Diel AeueS, fofern eS gut ift, unb — 
nid)t bloS „einige ber gebiegenen, auS ber ©rfah= 
rung gesoffenen englifchen Sieber unferer Kirche," 
fonbern, mie eS gleich im erften anno 1880 Don ben 
beutfchen ©eneral*©onferenz s Selegaten angeorbncten, 
unb oon Sr. 9?aft, Sr. ftrehbiel unb mir unterzeichn 
neten Jtunbfdjreiben Reifet: „gar manche Schäpe 
englifcher Jmmnologie." 

S>ie Aufgabe ift groß unb fd)toer. Aber mir finb 
ber feften guoerfidbt, bag mit ©otteS £ülfe unb unter 
allgemeiner reger Sheilnahme ein neues ©efangbud) 
entfteht, melcheS allen billigen unb gerechten Anforbe* 
rungen entfprechen mirb. 





Pie Arbeiter = (Kolonien in Peutfdjlanb. 

Sür Dans unb #crb bon #. Rann. 


ine Arbeiter * ©olonie, maS ift baS? fragt 
ber Scfer. ©S finb nun 5 jjahre Derflof* 
fen feit bie erfte biefer ©olonien mit bem 
tarnen „A&ilhelmSborf" Don bem 9ften* 
fdjenfreunb unb thätigen ißaftor Sr. Don 
Vobelfcbming bei Viclefelb eröffnet mor* 
ben ift. — „Arbeit ftatt Almofen," baS mar ber ©e* 
banfe, ber junödjft auf bie©rünbung Don ©olonien hin* 
lenfte unb baS 3iel berfelben ift, mie o. Vobelfdjming 
fagt: „Sie SRettung unb 23emal)runjg un* 
jercr Derfinfenben 2Ritbrüber" ©S gibt 
nämlich in Seutfchlanb ein mahreS §eer—man fpricpt 
Don über 100,000 — l)erumziehenber, befd)äftigungS* 
lofer, bettelnber 9ttänner unb Jünglinge, fielen 
Don ihnen ift leiber biefeS 93ummlerleben zum §anb* 
merf, ober mie man fagt, zur zweiten Statur gemor* 
ben. 5ßiele aber auch finb baburd), bag fie, nament* 
lieb im SBinter, feine Arbeit finben, ber ©efabr aus* 
gefefet, burch ben 2$erfeht unb ben näheren Umgang 
mit ben bereits ©efunfenen, ebenfo tief unb noch tie# 
fer jju finlen, ober aber, fie fallen megen ^Bettelei ber 
$oujet in bie £>änbe, fommen in’S ©efängnifj, mieber 
heraus unb mieber hinein unb fo geljt’S fort, bis fie 
Verbrecher unb lafterhafte 2ftenfd)en gemorben finb. 

©ine Arbeiter * ©olonie hui baher ben hoppelten 
3med: 1. StrbeitSluftige unb arbeitSlofe 9Jtänner 
jeber ©onfejfion unb jeben ©tanbeS, fomeit fie rnirf* 
iiib noch arbeitsfähig finb, fo lange in länblidjen unb 
anberen Arbeiten ju befd)äftigcn, bis eS möglich ge* 
morben ift, ihnen anbermeitig lohnenbe Slrbett ju be* 
jdhaffen, unb ihnen fo bie £anb ju bieten, oor bem 
Vagabunbenleben bemahrt ju bleiben, ober Don bem* 
ielben loS ju fommen. 2. 3lrbeitSfcheuen USagabun* 
ben jebe ©ntfchulbigung abjufchnejjen, bag fie feine 
Arbeit fänben. 

©eit 3ahren hot man fd)on Derfucht burch allerlei 


Mittel bem Uebel ber immer anmachfenben SBanber* 
bettelei entgegen au treten. 9ftan arünbete ^Inti* 
bettelDereine mit ©entralfteüen, Don Denen bie S9e* 
bürftigen ihr 2llmofen abjuholen hotten; man eröff* 
nete mbeitSnachmeiSburcauS ic., bis man enblich jur 
Sammlung ber SlrbeitS* unb Dbbachlofen jum £eit* 
meüigen Aufenthalte in Arbeiter * ©oloitien gefom* 
men ift. 

©ine Arbeiter*©olonie bilbet meift einen abgefchlof* 
fenen ©utsbe^irf, auf bem theilS bie borl)anbenen 
Söaulichfeiten, Söobngebäube, Scheunen, StäÜe be* 
nupt, theitS neu aufgeführt morben finb. Siefelben 
enthalten oor allem geräumige unb luftige Schlaf*, 
Speife*, Söohn* unb Vetfäle, fomie ein Amtszimmer, 
S8onathSzimmer, tüche nebft Söohnung beS §auS* 
DaterS, bem bie Seitung ber ©olonie anbertraut ift. 
Außerbem befinben ftch in allen ©olonien, bie fo un* 
bebingt nothmenbigen 93abe* unb SeSinfeftionS*©in* 
richtungen, feaf(hfuchen ; ^ranfenzimmem unb Heinere 
SBerfftätten, in benen emShcil ber ©oloniften, fomeit 
eS bie, für bie ©olonie etfarberlichen 53eburfniffe be* 
hingen, jeber möglichft in feiner eigenen V^fcjfion 
als Schneiber, Schuhmacher jc. thätig ift. Sie SDf ehr* 
Zahl ber ©oloniften mirb jebod), fo meit eS bie .jah* 
reSzeit irgenb geftattet, mit fanb* unb forftmirth* 
fchaftlichen Arbeiten befd)äftigt. ollen ©olonien 
mirb tägli* ^auSanbacht gehalten. Auger ben ©o* 
lonien felbft, beftchen als Unterftüpung unb ©rgän* 
jung berfelben ein 9iep Don SSerpflegungSftationen 
ourm ganz Seutfchlanb (über 1000), moburdi eSjebem 
SBanberer ermöglicht mirb, bie in ben einzelnen Wro* 
binzen gelegenen ©olonien, ohne betteln zu müffen, 
aufzufudjen. 

feirb nun z. S3. ein Arbeiter arbeitslos unbfinbet 
trop aller SBemüljung. mie baS namentlich im feinter 
oft gefchieht, feine Vefchäftigung, ift babei brobloS 


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376 


JKr Arbeiter* (lolomen in J)eutfd|lanb. 


unb in $ 8 czug auf ftleibung „peruntergeriffen," fofin* 
bet er, fotüeit ber 5ßlaß reicht, freunblicpe Aufnapme 
in einer folgen Eolonte. §ier empfängt er Arbeit, 
föetöftigung unb pie unb ba auep einen fleinen 58er- 
bienft, mit meinem er fiep menigftenS eine orbentltcpe 
ftleibung anfcpaffen unb fiep mieber als 5ftenfcp fepen 
taffen fann. 

$amt manbert er mieber meiter, bis er fcpließlicp 
Arbeit befommt, ober aber ein Arbeitgeber, ein ga- 
Prifant ober ©utSbeftßer fommt auf bie Eolonie unb 
bietet ipm Arbeit an, refp. polt ipn in fein Etabliffe- 
ment. 50iaitcper, ber’S Arbeiten gar iticpt mepr gemopnt 
mar, pat eS auf ber Kolonie mieber gelernt. Leiber 
gibt eS auep Oiele, bie, naepbem fie aus ber Eolonie 
ausgetreten finb, ipr feuminelleben meiter füpren, be= 
fonbcrS folcpe, mclcpe burep ben übermäßigen Alfopol- 
genuß ruinirt finb. (Sin^clne merben aud) Eolonie- 
Summier, b. p. fie manbern oon einer Eolonie zur 
anbern. $>ie AufentpaltSbauer in berjelben beträgt 
burcpfcpnittlicp 4 Monate, pöcpftenS ein Qapr. 

s Jtad) ben biSper ftattgepabten Ermittlungen über 
ben 58efud) ber Eolonien, fällt baS ©aupteontingent 
auf bie Altersgruppe oon 30—403apreit, alfo auf baS 
fräftigfte Alter; bann folgt bie AlterSflaffe oon 20 
—30, unb bann erft bie oon 40—50 unb 50—60 gap- 
rcn. $ie Monate, au mclcpen ficb bie meiften Solo* 
niften einftefleu finb bie Monate ffeoüember unb Te= 
Zember. 

Eine ber intcreffantcften Eolonien ift bie feit bem 
1 . 5)J?ai 1883 beftepenbe Arbciter-Eolonie im äußerften 
korben Berlins gelegen. 

Unter ben greunben ber Sacpe perrfepte Anfangs 
faft allgemein ber ©runbfaß, „in große Stäbte barf 
man teine Arbeiter-Eolonien liiueinlegen." Seit bem 
58cftepen unb ©ebeipen ber Arbeiter-Eolonic in 58cr= 
lin ift man aber im Söcfcntlicpen anbercr Anfiept ge- 
morben. 5B$ie notpmenbig cS ift, gerabe in einer gro¬ 
ßen Stabt, mo bie 5ttotp unb bie ArbeitSlofigfcit am 
größten, mo bie fittlicpe ^erfommenpeit unb religiöjc 
feermaprlofuttg fo uttgepeuer finb, eine ßuflueptSftätte 
bereit zu palten, in meldjer ber 58cbiirftigc Dbbacp 
unb 5flaprung, Arbeit unb 58erbienft, unb neben bem 
leibliepeu 58rob aud) baS geiftlidje finbet, baS pat bie 
58erliner-Eolonie gezeigt. 

Sie unterfepeibet fi<p oon ben länblicpen Eolonien 
mefcntlicp baburep, baß fie pauptfäcplid) auf bie Qu* 
buftric anaemiefen ift. Xic 58ejcpaffuitg oon Arbeit 
für bieje Eoloniften ift mit oieleit Scpmierigfeiten 
oerfnüpft. TOan pat’S fd)oit mit maneperlei probirt; 
Xijcplcrarbeiten, bejonberSfttfteu,58rettcpcn für Spiel- 
maarenpanblitnaen, 5ßräfentirtellcr, Ecfbrettcpcn, guß- 
bäitfc, Stropfleajtcreien, 58ürftenfabrifation, AuSfeu- 
bung ber Arbeiter zu Jagelopn arbeiten in gabrifen 
u. f. m. 5ftad) bent leßtett ^öeriepte, ben bie Eolonie 
perauSgegeben pat, ermarben aber bloS % ber Eolo* 
niften baS, toaS fie fofteten unb barüber, % ber Seute 
oerbiente ipre ft oft nid)t. ES muß baper Anjprucp 
auf bie SiebeStpätigfett gemad)t merben, roie baS 
iiberpaupt bei allen Eolonien ber gaü ift. $ie ftoften 


merben burep QapreSbeiträge ber 9Jfttglieber, burep 
Sammlungen unb burep ben ©erbienft ber Eoloniften 
aufgebraept. 

3nt oerfloffenen gapre fuepten 595 Eoloniften bie 
berliner Arbeitercolonie auf. Unter biefen maren 
276 föanbmerter; 105 fonftige Arbeiter; 88 ftaufleute; 
35 Scpreiber: 15 Wiener; 10 fteüner; 8 ftünftler; 
7 Seprer; 5 feeamte; 11 Ingenieure; lOApotpefer; 
25 Xioerfe. 

So jung nun biefe Einricptung noep ift, fo pat fie 
boep bereits im Segen gemirft. 3n ber am 23. ge- 
bruar 1887 in Berlin gepaltenen 4.3apreSoerfammluitg 
ber ^orftanbSntitglieber mürbe feftgefteüt, baß gegen- 
märtig in $cutfcplanb 16 folcper Arbeiter-Eoionien 
unb ^roar in ben oerfepiebenften ©egenben Xeutfep- 
lanbS (nur in Maiern beftept noep feine) mit 2350 
bläßen fiep befinben. 3n °fl en Eolonien finb bis 
April 1886, 12,151 Männer aufgenommen unb 11,632 
mieber entlaßen morben. ©egen 80 ferojent maren 
unter ben Aufgenommenen bereits poltjeilicp beftraft. 
$roß ber Unoolltommenpeit ber biSperigen Einriep- 
tungen gept aus ben Sftittpeilungen, toelipe bie 5ßro- 
oin^ial- unb SanbeSocrcine madjten, peroor, baß 
bie Sßanberbettelei entfepieben a b a e- 
nommen pat. So bezeugen z* 58. meftppälifcpe 
ftreifc: „9JUt oereinjclnben mtSnapnten pat bie feet- 
telei in unferm ftreife fo gut, tote gäniliep aufge- 
pört! 3 n einem ftreife mürbe naepgemiefen, baß bie 
oon ber ^oli^ei oerpafteten 58ettler um 50 5J$rocent, 
in einem anbern um 80 fßrocent feit Erricptung ber 
Eolonien mit JßerpflegungSftationen abgenommen 
pat." 

$ie Arbeiter Eolonien finb ein 2öerf ber fogenanm 
ten „inneren s Dtiffion" in unfernt fianbe. ßeßterc 
fuept burep allerlei Arbeiten ber cpriftlicpen Siebe, bem 
feerberben einen tarnen entgegen 511 feßen, fo \ 
aud) burep bie Verbergen *ur $eintatp r bie auf eprift- 
lieper 58afiS errieptet finb, burep cpriftlicpe Männer- 
oereine, u. f. m. 

58ei aller Anerfennung, bie mir biefen SSerfett jotlen, 
fönnen mir niept umpin mit 58e^ug auf bie Arbeiter- 
Eolonien, eS als pöcpft münfepcnSmertp ju bezeichnen, 
baß ntepr ©cmicpt gelegt merben mbepte auf bie 

r ü n b l i d) e 58 e f e p r u n g ber Eoloniften ju (Sott. 

ur burd) eine folcpe mirb aus einem burep fünblicpe 
Scibcnfcpaften gefcffelten Sflaoeti, ein freier alücfli- 
d)cr Atenfcp, ber burep gleiß unb Sparfamfeit fiep mit 
jeinen eigenen öänben entöprt. Seiber gefcpiept in 
geiftlicper £>infid)t für bie Eoloniften nur menig. ^ie 
feeriepte berüpren auep biefen feunft nur tteoenbei. 
ES parmonirt baS ganz ^ en nnpliepen Quftänben 
in Xeutfcplanb überpaupt. Söenn einer nur einiger¬ 
maßen ein orbentlicper 3)tenfep ift, bann ift man zu- 
friebeit. 25ie erneuembe unb feligniacpenbe ftraft 
beS ÜßorteS ©otteS unb beS peiligen ©eifteS tennt 
man bei unS nur im geringen ©rabe. ^ettnodj ift 
baS 3öcrt ber Arbeiter-Eolonie ein großes ©otteS' 
merf unb oon Kerzen münfcpeit mir iptn ein fröplicpeS 
©cbeipen. 



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jBinkr unb jfod)tid|ten fllc Arbeiter. 


377 


^inßc unb ^lacfiricßfen für jlrßeifer. 


ftaofcß’S ©erfahren. Sn meiner Nacßbarfcßaft 
moßnt ein außerorbcntlicß gottlofer 2ftann, ein Sa* 
loonßalter, beffen Kinber id) feßr gerne in meiner 
SonntagSfcßule gefeßen hätte. — So befugte ich it>n 
eines XageS unb faßte: „$err ©eil, id) münfeßte, 
Sie mürben 3ß rc Kinber in meine Sonntagfcßule 
jeßiefen." Ueber biefe 3 .untutßung mar er ßöcßft auf* 
gebracht; er erflärte mir, er glaube meber an ©ibel, 
SonntagSfcßule, nod) jonft ©tmaS, unb befahl mir 
fein $auS t u berlaffen. ©alb nachher ging id) mieber 
tu iljm unb lub ißn jur Kirche ein, unb mieber mürbe 
er fetjr tomig. Seit 19 Sorten, — jagte er, — habe er 
feine Kirche oefucht unb mürbe nie mieber geßen.— 
(Sr feße eS meit lieber, baß fein Soßn ein Xruntenbolb 
unb feine Socßter eine |mre mürbe, als baß fie jur 
SomttagSjcßule gingen. Unb tum jmeiten Wale faß 
id) ntid) genötigt, baS §auS t u berlaffen. —3^ei 
ober brei $age fpäter fprad) id) mieber bei ißm bor. 
— ,,$d) benfe," fagte er im Saufe ber Untcrl)altung, 
„Sie finb ein gan$ guter 9Jtann, — gant berfd)ieben 
bon ben ©ßriften im Allgemeinen, fonft mären Sie 
nicht mieber getommen." — $a id) ißn bei fo guter 
Saune traf, fo fragte id) ißn, maS er benn eigentlich 
gegen ©ßriftunt einjumenben unb ob er je fein Seben 
geiefen habe? AIS Antmort fragte er mid), maS ich 
gegen ©aine’S 3.eüalter *> cr ©ernunft einjumenben, 
unb ob ich & je gelefen habe? unb fügte t)in§u, 
er fei bereit, baS Neue Xeftaraent tu lefen, menn ich 
„baS 3eitalter ber ©ernunft" lefen moUte, maS ich 
ihm iogleich berfpraeß, obgleich er bei biefem Ueberein* 
fornmen offenbar im ©ortheil mar. — ©*aS ich ber= 
fproeßen, ttjat id). — Wir gefiel baS ©uch nicht befom 
berS unb id) mürbe Steinern em b f e h l e n, eS t u le* 
fen. — 3d) lub £errn ©eil ^ur Kirche em, aber er er* 
flärte, bie Kirchengänger feien lauter öeud)ler. ^oeß 
eins molle er erlauben; ich bürfe in fein §auS fom* 
men, menn ich molle, unb prebigen. 

„.frier in biefem Saloon ?" — 

„Qa, aber merfen Sie mohl; Sie bürfen nid)t allce 
Sprechen allein tßun: (Sr fagte bann, er unb feine 
greunbe mollten ihre ©Meinung fo gut äußern als ich. 
©$ir famen überein, baß fie bie erften fünfunbüiertig 
Minuten unb id) bie lebten fünfzehn ber bestimmten 
Stunbe aufueßmen füllten: er Pachte, baS fei recht 
unb bie Sache mar abgemaept. 

3>er $aa fam unb ich $ing hi«, um auf meinen 
©often ju fein, aber in meinem ganzen Seben bin id) 
nod) feinem folchen fraufen begegnet als an jenem 
$agc in bem Saloon' Sold) eine Sammlung bon 
Ungläubigen, 3)eijten unb bekommenen Leuten aller 
Art habe id) nod) nie tubor beiemanber gefchen. gßr 
glucpen unb bie ©eben, bie fie führten, rnaren fchredltcß. 
SNancße bon ihnen feßienen bireft aus ber frölle 311 
fomnien, — auf Urlaub. — 3 « meinem Seben mar ich 
ber frölle noch nie fo nahe. Sie begannen auf eine 
ötteSläfterlicpe ©Seife tu rebert, bie einen hatten 
iefc, bie anberen jene Anfkßt. Ntancßc glaubten, eS 
gäbe einen ©ott, anbere nicht; manche meinten, eS 
habe einmal einen Nknfcßen 3 c ium ©ßriftunt gegeben, 
anbere bemeinten eS, unb bicle glaubten rein gar 
nichts. Sie tonnten nicht eins merben, fonbern 
miberfprachen fid) gegenfeitig unb hätten fich beinahe 
geprügelt, ehe bie 3 eit abaelaufcn mar. 

3 <ß hatte einen fleinen ©Saifcnfnaben mitgenommen 
unb als ich iß** ©otteSläfterung fah unb hörte, jo 


machte ich mir ©ormürfe barüber, baß id) ihn hierher 
gebracht hatte. AIS ißre 3eit berftrichen mar, bc* 
merfte ich ihnen, baß ©ßrtften ihre ©erfammlungen 
immer mit ©cbet tu beginnen pflegten.— 

„fralt,"— fagten fie, —„tu einem folchen ©orfcßlag 
nimmt eS ttoei." — 

,,©ut," ermiberte id), — „mir finb unterer tmei." — 

Unb fo betete ich nnb nach mir ber rlcine ©Saifen* 
fnabe. S n meinem ganzen Seben bernahm ich lein 
©ebet, mie feines. ©S fepien, als ob ©ott burd) ben 
2ftunb beS Kleinen rebete. Unter ftrömenben 
nen bat er ©ott, um Gtjrifti SöiOcn, fich biefer armen 
Seute 311 erbarmen, unb baS ging ihnen burdj’S Öen. 
3d) bernahm ba unb bort em Schluchten im Saal, 
unb ein Ungläubiger berfdjmanb burd) biefe Xhürc, 
ber anbere burd) jene; unb bann fam $err ©eil 
tu mir unb fagte: „Sie fönnen meine Kinber haben, 
!>err s ^oobp." Unb ber befte greunb, ben ich h<mte 
in ©hicago habe, ift eben biefer Sofua ©eil unb fein 
Sohn ift ein Nachfolger ©hrifti unb ein Arbeiter in 
feinem Weinberge gemorben.— 

Sie Knaben oerloren geben. Sie unb ba fomrnt 
eS oor, baß ©Itern ein Kinb berloren geht, ^er 
Sdjmertin folchem Salle iftfaft unerträglich; mancher 
©hitter ift barüber fd)on baS £ert georoeßen. ©ei 
Xag unb Nad)t fdjmeben ißr bie fd)recflid)ften ©ilber 
bon bem oerlorenen Kiube bor ben Augen. 5)a heißt 
eS benn aud): „Naßel bemeinete ißre Kinber unb 
mollte ficß nießt tröften laffen, benn eS mar aus mit 
ißnen/' 

Aber marum malen mir uns folcße eintelne gällc 
bor: ©ibt eS nießt untäßlig biele Knaben, bie fid) auf 
ben berfüßrerifeßen ©legen Der Sünbe berloren haben. 
Sn ben großen Stäbten gibt eS frunberte unb 2au* 
fenbe, bie baS ©IternhauS nur feiten betreten ober 
bod) nur menig 3 eit batu bringen, ©inft rnaren folcße 
Knaben ißrer ©Item greube, jept finb fie ein Sorgen* 
ftein auf ißren gierten gemorben. ©taneße mögen 
einft auf ber frommen Sftutter Scßooß ißre ©ebetc 
gefprod^en haben. Weiften^ finb cS, jeboeß, Kinbcr 
gleidjgültiger ©Item, bie ißnen ungcbüßrlicße grei= 
ßeit erlaubten. 

Kinbertudjt min auch berftanben fein; alltu lajr 
unb alltn ftreng ift bcibeS nicht gut. Am ©nbe ift 
eS einerlei, ob baS Kinb megen alltu großer Strenge 
ober megen alltu großer Schlaffheit in ber ©rtießung 
berloren gegangen ift. ©km ©kiSßeit mangelt, ber 
bitte fie oon ©ott. ©iclc ©Item beten aber nie; mo 
follen folcße ißreiMilfe ßerbefommen, ißreKinber recht 
iu ertießen. Cber follen bie Kinber oßne cßriftlicße 
©rtießung moßl ertogen merben! Saßt uns feßen, 
maS einige ber Urfacßen finb, moburd) fo biele Kna* 
ben berloren geßen. 

1 . Sft t 11 befürchten, baß ißnen tn biel greißeit in 
ber ©*aßl ißrer ©efellfcßaft erlaubt mirb. 3öoßl tön* 
mir unfere Kinbcr nießt tmingen, 5)iefc ober S^ne fid) 
als greutibe tn mäßlen, benn maßre greunbfcßaft 
berußt auf gegenjeitiger 3 nneigung. S u j^bein gatle 
aber füllten mir ben ©ßarafter berjemaen ©erfonen 
einigermaßen tennen, mit benen unfere Kinber ©efell' 
feßatt pflegen. ©Mr follen etmaS bon bem Knaben 
miffen, mit bem unfer Knabe fo intim befreunbet ift. 
©S ift nießt genügenb tu fagen: Unfer grip mirb feßon 
auf ficß felb)t Acßt geben, er ift ein gutes Kittb. ©ben 


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378 


Pinkt unk ftadjcidftrn für JUbrittr. 


roetl er eilt gutes Einb ift, fottft bu forgen, baß er 
nicpt oerführt merbe. Nud) ift eS nid)t genügenb, 
baß uitfer Enabe mit beit Ätnaben reicher unb 
ang:fehencr Seute Umgang pflegt. Tic Sünbe ift 
mdjt nur unter ben Trinen ju fucijen; ba, mo man eS 
nicpt ermartet, lauert oft baS größte 5$erberben. 
©ab ?(d)t auf bic ©efedfchaft beineS Knaben. 

2 . Äitaben fdjlageti oft eine oerfeprte Nichtung ein, 
weil ihnen erlaubt toirb lefen, maS fie moUcn. Sin 
fcplecpteS 53ud) ift einer ber fünften ©ege ^um 53er* 
berbett.. 58jeißt bu, maS bein Mnabe lieft. ©irf eS 
in’S geuer, metm bu cS für gefährlich t)älft unb lag’ 
ihm offen unb frei, maruin bu eS getpan paft. 3 U 
glcidjer ßeit oerforge ipit mit gutem ßcfeftoff. greue 
bid), meint ber Enabe gerne lieft, benn baburcf) fann 
er Vieles lernen. SS fomntt aber auf bie 53 ücper att, 
maS er lernt. Nfit ben täglichen 3eitungen muß man 
ebenfalls fetjr beljutfam fein, benn bie meiften finb 
für Einber untauglich. SS merben allezeit fo oiele 
Näubereien unb Scanbalgejchicpten berichtet, baß eS 
für manche Knaben oerhättgnißooll fein mürbe, cS §u 
lefett. ©ab Ncf)t auf beit gefeftoff beineS Knaben. 

3 . Änaben gehen oft oerloreit, meil bie Leiter unb 
bie Mütter eS oernacpläjfigen perjönlicp aber liebeooll 
mit ihren Einbern über baS .©eil ihrer Seelen $u re* 
ben. 53eteft bu beibeS für unb mit beinen Enaben? 
SS ift ein NitbereS tn i t bem Einbe $u beten, als bloS 
f i't r eS $u beten. SeptercS merben cpriftliche Sltern 
Sicherlich thun, aber thun fie auch baS Srftere? Tu 
jelbft mußt in beinern Enaben mehr gntcreffe haben, 
als irgenb 3emanb fonft. Sott mirb ihn oon Deiner 
©anb forbern. SS gehört oftmals ju ben fepmerften 
pflichten perfönlid) mit feinem Einbe über baS ©eil 
feiner unfterblichen Seele $u reben; über alles Slnbere 
fpriept man ungenirt mit thm, marum nid)t aud) bar* 
über. ©arum follte unS eine falfipe Scham baoon 
abljalten, ift hoch baS, baS Ndermichtigfte. Tie Sltern 
beS fleinen Samuel meinen ihn oon 3ugenb auf 
burch ihr Sebet bem ©errn, tbue beßgleicpen. 

Sltern finb ©auShalter SotteS. TaS theuerfte 
Sut, baS ihnen dnoertraut ift, finb ihre Einber. “Sie 
mirb ber ©err oor adern Nnbern oon ihnen forbern. 
Nlögeft bu treu erfunben merben, menn eiitft ber Tag 
ber Abrechnung tommen mirb. - 

Einberöfrfammlungrn. Tie große Aufgabe ber 
Sonntagfchule unter ber gugenb tann unmöglich 
mährenb beS anbertpalbftünbigen Unterrichts am 
Sonntage grünblich gefepepen. 

„Niacpt Die Einber mit ber SNäßigfeitSbemegung 
befannt," ermahnt ein mohlmciuenber gremtb. „Tie 
3eit ift *u für,}," entgegnet ber Sonntagfchudehrer 
achiel^ucfenb. „Unterrichtet fie im EatecpiSmuS," 
rätl) ein Nnberer. „SS mangelt an 3eit," lautet bie 
Srmiberung. „3ehrt bie Einber baS ©ort SotteS 
mit Qnterepe unb stufen ju leien/' meint ein Tritter; 
aber ber Seprer ertlärt: ,,©ie fann ich? i<h habe 
faum 3 eit bie Seftion burchäunepmcn unb oft lautet 
bie Slocfe beS Superintenbcnten, ehe id) jur ©älfte 
fertig bin." „Scbt ihnen Nnmeifungen *um 53eten;" 
macht fie mit ben Sinrichtungen unb ben Saframenten 
ber Eirche befannt." — Auf biefe unb ähnliche Natp* 
Schläge erfolgt oon Seiten beS fieprerS immer bie 
ttamliche Antmort: „ 3 cp möchte gern, aber ich &e= 
tommc feine ©elegenpeit ba^u, bie 3 eit ift *u für*." 

Ter Superintenbent felbft ift oerlegen. „Qcp toeiß," 
fagte er, „eS märe münfchenSmerth aueS bieS unb noch 
mehr in ber Sonntagfchule ein^uführen; id) münfepe 
bie Schüler mürben Die $ibel als ein 53ucp grünblich 
fennen lernen, fo baß fie fid) mit Seicptigfett barin 
jureept finben fönnten; fie jodten mit ber munberba* 


ren ©efepiepte ber 53ibel felbft oertraut fein, aber — 
moher bte 3 e it nehmen?" ©enn ber Vrebiger bie 
Sad)e übernehmen fönnte. — Aber ber $rebiger er* 
mibert: „ 3 d) oerfuche in bem möchentlicpen fatheche* 
tifchen Unterricht oon biefeu Tingen fo oiel als tnög* 
lieh einpflechten, aber, aber —bic 3 e it ift 511 furj, 
baß ich faum ben Anfang mache mit bem, maS getljan 
merben foüte. Qch bin überzeugt ju ©aufe, in ber 
gantilie muß baS gehlcnbc eriept merben unb bie 2lr* 
beit gefchejen, oon beren fftothmenbigfeit mir 2 lde 
überzeugt ftitb. 2 lber ach, ba finb bie oielen fleinen 
Einber unchriftlidjer Sltern, mclche unfere Sonntag* 
fd)ulen befuchen unb felbft in oielen d)riftlid)en gami* 
lien fehlt bie rechte grünbliche unb betenbe Unter* 
meifung." 

Tie ifeutter feuf^t: „Tie 3^it oon einem Sonntage 
pm anbern ift lang unb ifl) fürchte meine Einber 
oergeffeit baS Sute, maS fie in ber Sonntagfchule 
lernen. Qd) mürbe fie 9IbenbS mit in bie 53et)tunbe 
nehmen, aber fie merben fo mübe unb fchläfrig, baß 
fie nicht ben geringsten ftupeu baoon haben. 2 lußer* 
bem finb bic Srmahnungen bort ihren gaffungSoer* 
mögen nicht immer angemeffen. — geh habe fchon oft 
gemünfd)t, eS mürbe eme Einberoerjammlung mitten 
tn ber 59od)e gehalten." — 

3a eine Einberoerfammlung ober ein EinbergotteS* 
bieitft mitten in ber 2 Soche mürbe ben dJfattgcl an 
religiöfer Untermeifung ber Einber, ben ade chriftli* 
d)en Arbeiter unb Arbeiterinnen beflagen, jum gro* 
ßen Theil abhelfen. Slber ift ber 53lan ausführbar? 
©at man je ben 53erfud) gemacht? ©erben bte Einber 
tommen?--Einber befuchen gern einen Crt, beffenin* 
nere Sinrid)tung unb 2luSftattung ihnen gefädt unb an 
bem fie ettoaS gntereffanteS hören. Schon ber Sebattfc, 
baß fie eine eigene 53erfammlung haben, begeiftert fie. 
3 n ber 9?ortb Aoe. Songregational*Eirche, Sambribgc, 
^Jfaff., befteht feit fahren eine fold)c Aterjamtnlung, 
med)e burchfchnittli^ oon 110 Enaben unb 9Käbd|en 
befucht mirb. Tie meiften bcrfelben fommen natur* 
lieh aus ben eigenen gatnilien ber ©lieber, aber fie 
bringen ihre greunbe unb 33 etannten mit ohne 9tücf* 
ficht auf tird)lid)e Unterfd)iebe unb 2lde finb midfom* 
men. Sehnliche SinriAtuitaen beftehett in manchen 
anberen Semeinben. 2 ut etlichen ^läpen merben biefc 
5$erfammlungen am SJhttmoch Nachmittag, etma eine 
Stunbe nach bem Schluß ber öffentliAen Sajulen gehal¬ 
ten. Tie Einber fommen in tbrer ©erttagSfleioung, 
mit ihren Büchern unb Sßförochen unter bem Nrm. 
Shriften, meld)e bie Aufgabe ber Eirche, biefe Eieinen 
bem ©errn jujuführen, recht ertennen, nehmen ein 
reaeS ^ntereffe an folchen 53erfammlungen. 

©ie fodte eine fold)e 53erfammlung geführt mer* 
ben? — 3n ber obenermähnten Songregational *®e* 
meinbe in Sambribge, 3Jhff., oerfährt man folgenber* 
maßen. 3 n einem heden freunblicpen fiotale, beffen 
gußboben mit Teppichen bebeeft ift, unb beffen ©änbe 
hübfdje 53ilber gieren, labet eine 5ftei^e oon Stühlen 
halbfreiSförmig aufgeftedt, put Sipen ein. Ter 
gül)rer ber 5$erfammiung ift bei 3 eiten anmefenb unb 
bcitupt bie 3eit oor bem beginn beS SotteSbienfteS, 
Sich mit etlichen ber Einbern freunblich $u unterhalten. 
Semöhnlich haben fie einige biblifcpe gragen ju be* 
antmorten, unb biefe Äntmorten merben jchrtftlich 
emgehänbigt. Tie oorberen Sipe finb für bie un* 
ruhigften Enaben beftimmt. Sobalb ber gührer fagt: 
„SS ift 3^if unfere Versammlung ^u beginnen," folgt 
tiefe Stide. — Nach bem Singen unb 53eten ftedt ber 
gührer eine Neihe oon gragen über biblifche Segen* 
ftänbe auf, melche oon ben Schülern beantmortet mer* 
ben. Tann behaitbelt furj unb prattifch ein biblifcheS 
Thema j. 53. Slbfalom ber eigenmidige Enabe. Sr 


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Sstatls If^trr ^roptjet. 


379 


entmirft eine lebenbige Sd)ilberung bon feiner £auf= 
bahn unb oou bem Kummer, ben er jeinem Vater $a= 
bib bereitet hat. $)arait fnüpfeit fid) manche bcf)erzi= 
gcnSmertlje Sehren unb eine ernfte bringenbe Wahnung, 
tm Seben bie rechte 2SaI)l z u treffen. — $urze tinblidje 
©ebcte abmed)felnb mit lebhaften (befangen bilben 
ben Schluß ber Verfantmlung. — 

Cb eine ähnliche ©inrid)tung in unferen beutfdjen 
©emeinben ztuetfentfprechenb unb prafttfd) auSfäl^ 


bar märe, ift eine gragc, bie ber ernfteften ©rmägung 
berer bebarf, bie mit ($ebet unb ©ifer an ber Rettung 
ber Qugenb arbeiten. Obige Vemerfungen follen ben 
©egeufianb nur anregen, nicht eiitgeljenb erörtern, 
©emiß ift eS, baß fid) in mtferem Deutfcben 3*on ber 
Mangel an grünblichent religiöfen Unterricht täglich 
fühlbarer macf)t, unb baß fid) bie ftircße mit ©ruft 
barnad) umtbun muß, auf bie eine ober aitbere Steife, 
biefem Uebelj'tanb abzuhelfen.— 




löraels Iffeter propljd- 


8rür §aul unb ©erb bott ©. ©utß. 


er ©üangelift SufaS berichtet uns 
im britten Kapitel feines ©oan* 
geliuntS, baß im fünfzehnten Qabr 
ber Regierung beS SlatferS $ibe* 
riaö eine gemaltige gciftlidje ©r* 
medung baS ganje Volt 3Srael er* 
griffen habe. SSteber toar ein großer 
Prophet auf getreten, mie einftih alter 
3eit. 3m jüblicßen Xh e il ber 3or< 
bangegenb machte er feine ©rfd)ei* 
nuna in ber $rad)t ber alten Propheten unb ^atte 
baS volf au fid) gerufen, baS oon fern unb nah in 
Waffen jufammenftrömte. 3 n übermältigenber Vkife 
öcrfünbtgte er bie Nähe beS großen unb fcbretflidjen 
£ageS beS ^>erm, mie ihn eiitft bie Propheten ocrfün- 
bet hatten. Siehe 3of- 13, 9.; 3epb. 1,14—18, unb 
3oel 2, 1—13.— ©r rief baS Volf jur oöüigen Sin* 
neSänberung auf, bie fie burd) bie Saufe im 3orban= 
fluß oerfiegeln foHten. XaS ©emiffen ertoachte in Vie= 
len, melche, nad)bem fie ihre Sünben befannt, in bie 
gluthen beS 3°*ban hinab ftiegen, um als ein bem 
Herrn bereitetes Volf mieber heroor^ugehen. ©ine 
feierliche ©rmartung bemäd)tigte fid) beS VolfeS be= 
treffS beS großen Propheten, ob er nicht ©hriftuS fei. 
Aber er lenft alle auf ipn gerichteten Vlitfe auf einen 
nach ih m Äommenben, meinem er nicht mürbig fei 
bie Schuhe ju tragen. Xann, fobalb biefer Nachfolger 
erfd)eint, jieht er ftd) in ben Hintergrunb jurüd unb 
fpricht feine lebhafteste greube barüber aus, baß er 
tn Schatten geftellt mtrb. 

2Bir fennen biefen Propheten bereits. Auf bem 
©ebirge 3uba u>ar er geboren, unb fdjon über baS 
neugeborne $inb erging baS SBeiffagungSmort, baß 
biefer 3°^anneS ber SBegebereiter ber meffianifdjen 
3ufunft fein toerbe. Schon in feiner $ugenb fcheint 
etn bamalS in 3Srael nicht ganz Seltener 3ug zur ©in= 
fiebelei, zur flucht aus einer üerberbten xBelt ihn in 
bie ©inobe oftlicg bom 3orban geführt zu haben 
(Suf. 1, 80). ©in tiefes Vorgefühl ber Verlorenheit 
)eineS Volles unb ber bemfelben uahenben ©otteSge** 
richte machte ihn zum einfamen gufter unb Vcter um 
©rrettung beffelben, ben bie SBüfte mit ihren tärgti* 
chen ©oben, bon §eufd)rec!en unb milbem $onig, er= 
hielt. XaS trauernbe ©ebet um fein Vol! fano zu=* 
le^t ©emißheit ber ©rhörung; h ö h ere Erleuchtung 
jetgte ihm baS $eil 3SraelS nahe, unb fo toarb aus 
bem ©mfiebter ein Prophet, ber aus ber SBüfte bis 
an ben ftanb berfelben heraustrat, um in baS Volt 
hineinzurufen: „4but Vuße, benn baS Himmelreich 
ift nahe berbeigetommen." 


SBarum aber mußte ber ttmtstbätigfeit M WcffiaS 
bie eines anbem göttlichen ©efanbten borßergehen? 

SBir antmorten, meil in 3^ael ber HeilSbegriff 
fclbft gefälfcßt mar unb baljer oor ber Vermirflichung 
beS Heils berichtigt merben mußte, ©in fleifchlidjer, 
leibenfchaftlicher V a l r l°l^ m uS hutte fid) beS Voltes 
unb feiner Oberen bemächtigt unb baS3&eal einer 
rein politifeben Befreiung ffd) an bie Stelle einer 
geiftlid)eu ©rlöfung gefefct. $3äre ber Heilsbegriff 
nicht borher, ehe ber WeifiaS an feine Ausführung 
ging, auf feine fchriftmäßige Neinheit zurüdgeführt 
morbert, fo hätte biefer nicht nur einen großen iheil 
ber ihm angemiefenen 3^* au f biefe borläufige 
Arbeit oenoenben müffen, jonbern man hätte ihm 
auch unfehlbar ben Vormurf gemacht, er mache fid) 
felbft eine Heilstheorie, meil er eineanbre burchzufüf)* 
ren nicht bie Wacht habe. $)al)er mar eine anbere 
göttlich beglaubigte Verfönlidjfeit nöthig, melche bem 
Volt zum Vemußtfein nef, baß baS Verberben nicht 
in ber untermerfung unter bie Nömer beftehe, fonbern 
in ber göttlichen Verbamntniß, unb folglich baS Heil 
nicht in zeitlicher Vefreiung, fonbern in ber Vergebung 
ber Sünben. ^em Volt ben Vegriff eines tn ber 
SünbemVergebung beftehenben H^ mieber beizu^ 
bringen, hieß alfo in ber Xhat bem ben 2Beg au bah= 
nen, melier biefeS unb fein anbereS H^l bringen 
iotlte. tiefem Voll, melcßeS nur ©rhebung zu bebür- 
fen glaubte, mußte Johannes zeigen, baß eS nid)t 
meniger unrein fei als bie Heiben unb fo fehr, als fie, 
ber göttlichen Vergebung bebürfe; unb bieS mar eben 
bie Vebeutung ber Xaufe, zu meldjer er bie 3uben 
aufforberte. 

Aber toorinnen lag bie be[onbere Äraft beS Vorläm 
fers ©hnffi? 

1. 3 u b e r V o t f ch a f t, bie’er zu bringen 
hatte. 

„S)aS Hiutmelreich ift nahe herbeigefommen/' baS 
mar ber Schmerpunft feiner Verfunbigung. 3>aS 
Himmelreidh, b. h* &aS üerheißene meffianif^e Neid) 
bad)te fich Spannes offenbar nach Art ber alten Vro>- 
Pheten als mit einem Schlage fomntenb, unb ztuar 
mit Heil unb ©ericht, h^ aeu h ei ^9 en ©cift, bort 
emigeS geuer auStpeilenb (Watth. 3, 10—12).— 
SBelch einen ©inbrud müßte nicht h*ut zu Xage bie 
s ^rebigt eines WanneS machen, melier mit ber ihm 
burd) feine Hetligfeit innmoljnenben VoHma^t Die 
nahe 3ufunft beS H^^u unb jein beoorftebenbeS ©e^ 



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380 


Israels Ulfter Jfropljrt. 


ricpt laut üertünbigte! ©o trat 3 oponneS in QSrael 
auf. Um nun an bem §eil tpeilzunepmen unb niept 
bem ©ericpt zu oerfallen, mar baS Volt §ur ©inneS* 
änberung, äur33efchrung unb zu fittlicper Erneuerung 
bon ©runb auS aufjurufen. 

ES märe gemiß ein gnrtpum, menn man annepmen 
mollte, baß ftopanneS &urd) ftrenge Vußübung unb 
parte Entfagungen bie ©inneSänberung cr^mingen 
mollte. Ucberpaupt märe eS oerfeplt, menn man 3 c* 
jum baburcp erpöpen mollte, baß man bie Vufle, 
melcpe 3 opanneS prebigte, nocp als eine mepr äußere 
licpe, niept baS Cpfer beS ganzen Sftenfcpen forbembe 
betrachtete. 92icpt nur ift eS tpatfäcplicp biejelbe oöl* 
lige ©inneSänberung, bie er oerlangt, mie fie fpäter 
3efnS forberte, unb niept etma nur eine Vefferung beS 
SebenSmanbelS, fonbcru Qefu^ felbft pat aucp auS* 
brücflicp feine Vußforberung als bie Vebingung ber 
rnapren Umlepr anerfannt, maS aus folgenbem vluS* 
fprucp beS $errn peroorgept: „gopanttcs tarn ju eucp 
unb lcprete ben ©eg, unb ipr glaubtet ipm nid)t; 
aber bie göflner unb £>urer glaubten ipm." Sftattp. 
21, 32. 

2 . gn ber $rt unb ©eife, mie er feine 
Votfcpaft bracpte. 

2)ie $uSfprücpe beS XäufcrS, melcpe £uf. 3, 10—14 
mitgetpeilt merben, zeigen uns, mie er ben einzelnen 
Älaifen im Volte ben ©cg mieS, ipre Untfcpr ju be= 
tpätigen, in mclcpen fiep aber feine ©pur irgenb mel* 
eper außerlicpen Uebungeu finbet, bie er bent Volte 
auferlcgt pätte. Von ben göünern oerlatigtc er, baß 
fie ipre unreblicpeöcminnfucpt, bon benftrtegSleuten, 
baß fie ipre gcmalttpätigc Habgier ablegen, bon $ 1 * 
len, baß fie bie Varmperzigfcit üben füllten, bie $Iei* 
bmig unb ©peifc mit bem Vcbiirftigcn tpeilt. $ie 
feparfe $nrebe ,,£tterngeziid)te" pebt namentlicp bie 
VoSpeit unb §interlift ber ^parifäer unb Sabbucäer 
perbor. Ctternbrut nennt er fie, b. p. ein ©efcplecpt, 
baS bon bem ©ift ber ©iinbe burep unb burd) ücr* 
berbt ift. 3 °b anne ^ fiept biefe naep cinanber zu fei* 
ner Xaufe fommenben ©epaaren boit gupörern unter 
bem ^ 3 ilbe bon einer fortlaufcnben, lebenbig auSbcm 
Vaud) iprer Butter auStriccpcnbcn ©cplangcnbrut. 
Xiefe fcpauerlicpc Vezcicpnuitg bilbet ben EJegenfap 
gegen ben bon Slbrapam’S Ambern, ben fie fiep bei* 
legten, unb ift zugleid) eine $nfpielung auf einen an* 
bern Vater, mclcpen QcfuS 3°P- 8 , 37—44 auSbrücf* 
liep nennt, $cr UnroiUe beS XäuferS mirb fo gemal* 
tig erregt burep ben $itblicf bon Seutcn, mcldje bie 
Vflicpt ber Vuße burep baS äußerlid)e geiepen berfel* 
beit jju umgepen fuepen, baß feine STtrafrebe feine 
SRütfjicpt fentit. 5tber baß er Vuße prebigte unb oöl* 
lige ©anblung ber ©efinnung unb beS öebeuS ber* 
langte, mar niept allein baS Vlußerorbeutlidjc in fei* 
nein Sluftreten, fonbern bie $rt unb ©eife, mie er fie 
berlangtc, ber ©runb, burep mclcpen er baS Volt Dazu 
bemegen mollte. Er erflärte nämlicp: „ES ift fepon 
bie $jrt ben Räumen an bie ©urzel gelegtba^ j>ol^ 
fällen foü balb beginnen. 21 'ie, menn ber^anbmann, 
ber ben Ertrag feiner Ernte auf berXcmte gebrofepen 
pat, bie 3 llurffcpaufel *ur ^anb nimmt unb baö 2 $or* 
fein beginnt, ba *2 bie ©preu bom SSlci^en fonbert, — 
jo napt unaufpaltfam ba^ EJeriept (Sottet, um bie 
große ©epeibung ju boll^iepcn, bie über bas^ ©cpidfal 
eine^ Qebcn im ®olfe entjdjeibet. $a3 Eicricpt alfo 
ergept ^uerft unb bor Willem über bas jübifepe ®olf 
felbft, jeber unfrueptbare 58aum mirb abgepauen unb 1 
tn’^ geuer gemorfen, bie ©preu mirb bom SSci^en ge* 
fonbert merben. 3Bentt aber ba^ Elefeplecpt bleibt, I 
mie es ift, unb alfo ba3 gan^e unbußfertige Sßolf im I 


EJericpt ju ©runbe gept, bann ift bie SBunberpanb 
©ottes immer noep mäeptig genug, fiep ein neues 3 S* 
rael $u fepaffen, um an ipm feine Zerbeißungen ^u er* 
füllen; unb müßte er aus ben ropen ©teinen, mie fie 
bort am fjorbanufer umherlagen, eine neue ©enera* 
tion in’S Seben rufen. Sßollen fie baper bem 3 *> r ” s 
geriet entrinnen, fo muß eine böllige ©inneSänberung 
ftattfmben, beren Jruept im gefamtnten fieben unb 
©anbei -$u fepen ift, mie eS fiep*S geziemt. 

3. Qn feiner ©tellung jum berpeißenen 
SJfeffiaS. 

$13 baS SBolf ben Käufer brängte, fiep über feine 
meffianijepe Sßerpeißung auS^ubrüden, meil baS SSolf, 
mejjianijdjcr Ermartung boll, bielfaep bermutpete, 
aus ipm felbft merbe fcpließlicp ber SDieffiaS perbor* 
gepen, antmortete er cbenfo bemütpig als ^uberfiept* 
liep, baß er niept ber 9JtejfiaS fei, baß berfelbe ipm 
aber auf bem guße folge. Er fei nur naep ^ef. 40, 3 
bie ^crolbSftimme, bie bem fommenben Äonig bor* 
angepe unb bie ©ege bapnen peiße. tiefem ©röße* 
ren fei er niept mertp, bie ©cpupriemen auf^ulöfen. 
$IS nun gefuS jur 5:aufe fam, mollte ipn ^opanneS 
^uerft baoott ^urücfpalten, inbem er fpraep: 3 :^? 

Darf eS, bott Dir getauft ju merben, unb bu fommft 
^u mir? 3opanneS mar ficp’S tlar bemußt, trop fei* 
neS popett ZerufeS, ein fiinbiger SKenfcp ^u fein, unb 
baß eS ipm baper geziemet, bon biefem feiinbenreinen 
bie Xaufc fiep 51 t erbitten. Er fügt fiep jeboep ber 
göttlicpen DrDiiung unb ruft in Der ütaufpanblutig, 
mie auep am näcpften Xage QefuS als baS 2amm©ot* 
teS, baS ber ©eit ©iinbe trägt, bem 5$olfe auS. $a* 
mit erfüllt er feinen .^erolbSoeruf. ©pätcr meift er 
auS ber 3 apl feiner eigenen 3cfu bie erften jünger 
ju. ©ie ein greuttb beS ZräutigatnS fiep neibloS 
freut über ben Qubcl beS ©lüdlicpen, ber bie Zraut 
geroonnen, fo foiiute er nur fiep freuen über ben 3 u* 
Drang beS 5$olfS ^u 3efu (gop. 3, 23—36). 

Sctraeptcn mir fiplteßliip ben ftuSgang feiner 
©irffamfeit. 

gm ©anxett genommen mirb bie $mtStpätigfeit 
beS Vorläufers Eprifti niept über ein 3°P r gebauert 
paben unb marb ipr burd) ben Vierfurften .^erobcS 
$ntipaS ein gemaltfameS Enbe aemaept. $ic Ver* 
paftuiig erfolgte rnegeit beS üon 3opanneS über baS 
epebreeperifepe Verpältniß beS Vierfiirften gur §ero* 
btaS auSgefprocpenen Nabels, meleper ber EJrunb ber 
jpätcren .'oinridjtung mürbe. Er mürbe in SWacpäruS, 
berE5reitäfeftung ^aräa’S, gefangen gepalten, Anfangs 
in milber «§aft, fo baß feine Mnger mit ipm oerfep* 
ren Durften, unb fo erflärt fiep feine Votfepaft auS 
bem ©efängniß an 3 e f u ni. 2 )ie $ntmort 3 c f u auf 
bie grage: „Vift bu, Der Da fommen foü, ober follett 
mir eines anbern märten V" bezeichnet ben Käufer 
auSbrücflicp als einen an 3.ef um -Rrregcroorbetten, 
nnb Dies 3rremerben naep anfänglich freubigem ©lau* 
ben begreift fiep Ooflftänbig, menn man Die mejfiani* 
fepe Ermartung beS Käufers bebenft. 9?acp bem Vor* 
gang aller ^roppeten, ermartete ber Käufer eine fo* 
fertige, fieptbare unb perrlicpe ^erfteUung beS ©ot* 
teSreicpeS, ein gugleicpeintreten oon ©eltpcil unb 
©eltgericpt. 3 C weniger nun 3 c fwS piemt $nftalt 
mad)te, je meiter er in feinem fanftmütnigen unb 
bemütpigen ©irten pieroon abjutommen (epien, um 
fo mepr tonnte unb mußte Der in Der $aft beS 
Jprannen ben Xag beS öerrn ungebulbig erhar* 
renbe ^roppet an ber $ngepungSmeife beS tperrn irre 
merben. 

©opl balb, naepbem ber iperr ben Käufer betreffs 


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JonntagfdjuUftbtionrn 


381 


ber 2lrt unb SBeife feinerSSirtfomfeit npherinf^ennt* 
nig gefefet unb getröftet hatte, fanb im ©efängniß 
jene ocrDred)erifd)e ©eene ftatt, in melier bie feige 
©chmädje beS $erobeS bem gotilofen £aß feinet 
SBeibeS baS fieben beS ©otteSmanneS jum Opfer 
braute. 3 e f u ^ nennt if)n ben ©ngel, ben ©ottge* 
fanbten, ber oor ihm her gefanbt fei, if)m ben 2Beg ju 


bereiten, ben SWann, ber mehr als ein Prophet, ben 
5Xbfd)lug beS alten SöunbeS unb ben Snbrucp beS 
neuen bezeichne, ben ©rößten aller bon Sßeibern ©e* 
borenen, unb bod) nod) nicht in’S Himmelreich fjinein* 
geboren, fonbem nur erft an ber Pforte beffelben fte= 
fjenb, barum ift ber ftleinfte im Himmelreiche, ber 
neuen 93unbeSüerfaffung, größer benn er. 




^onntagfdjut • ^Scdltonen. 


©onntag, 3. 3uli. 2 )ic ©eifen and 

1. $a $efu« geboren toar $u ©etlichem im Sübiftben ßanbe, 
AHr 3fit be« Äonia« $erobc«, ließe, ba tarnen bie ©cifcn Dom 
worgenlaiibe gen fterufalem, unl) fp ra ^ cn : 

2. ©o ift ber neugebornc Scönta ber 3uben ? ©ir haben fci= 
nen Stern flefeßen im ©torgenlaitoe, unb finb gefommen ihn an= 
jubeten. 

3. ®a ba« ber ffönig $erobe« tjörcte, erfeßraf er, unb mit ihm 
ba« gan$e ^erufalem; 

4 . Unb ließ berfammeln alle $oßeprtefter unb Scßnftfleleßrten 
unter bem ©ölte; unb erforfeßete »on ihnen, mo Cßriftu« foQte 
geboren werben. 

5. Unb fie Jagten ihm: 3u ©ethlebem im ^ftbifcfjcn ßaitbe. 
2)enn alfo ftehet gefeßrieben bureß ben ©ropheten: 

6. Unb bu ©etqtebem im ftübifeßen ßanbe, bift mit nießten bie 
tleinfte unter ben durften 3uba, benu au« bir foH mir fommen 
ber $eraofl, ber über mein ©olt 3«rael ein §err fei. 


bem SWorgenlanbc. a»att$. 2 , 1 - 12 . 

I 7. $a berief #erobe« bie ©eifen heimlich, unb erlemete mit 
j f?leiß bon ihnen, mann ber Stern erfeßienen märe; 

1 8. Unb rote« fic gen ©ethlehem, unb fpraeß: 3iehet hin, unb 

1 foridjet fleißig nach bem ftinblein; unb roenn ihr e« finbet, fo fa* 

I get mir"« wteber, baß ich auch tomme unb e« anbete. 

I 9. 211« fie nun ben ftönig gehöret hatten, flogen fte hin. Unb 
ftehe, ber Stern< ben fie im ©lorgenlanbe gefchen hatten, ging 
bor ihnen hin, bt« baß er tarn unb ftanb oben über, ba ba« Shnfc 
lein mar. 

10. $a fie ben Stern faßen, mürben fie ßoeß erfreuet; 

11. Unb gingen in ba« $au«, unb fanben ba« ftinblrin mit 
SJtaria, feiner ©lütter, unb fielen nieber, unb beteten c« an, unb 
tßatrn ihre Schöße auf, unb feßentten ihm ©olb, ©eißrauch unb 
©tqrrhen. 

12. Unb ©ott befaß! ihnen im Xraum, baß fie fleh nicht füllten 
mieber $u Aerobe« tenten. Unb flogen bureß einen anbern ©eg 
mieber m tßr fianb. 


©ifrlifdjtr ©runbgebanfe. „©ein 9tame follft bu 
$efuS h e *& cn ; kenn cr mirb fein ®ol! felig machen 
oon ihren ©üitben." 9Wattf). 1, 21. 

Seit. Qefuö ©hriftuS mürbe geboren um baSQahr 
ber SBelt 4000; oier Saljre oor unferer Seitrechnung, 
©r ift oor 1891 fahren geboren unb nitgt oor 1887 
fahren, mie mir rechnen. ©)er Srrthum mürbe ge* 
madbt 00 m 9ßönd), melcher im 3at)rc 526 eine 3 eit= 
tafel ausfertigte, nach melcher man feiger bie ftahre 
zahlte. 

Ort. Bethlehem in 3ubäa, einem $orf, fünf bis 
fed)3 Steilen {üblich bon Qerufalem gelegen. 

ftegenten. HuguftuS, Äaifer zu SRom; fierobeS, 
genannt ber ©roße,—ber erftc berfiebenHerobuffe,bie 
im 5Reuen Xeftameut namhaft gemacht pnb — iönig 
über gubäa. H erofec ^ im 34- $ohre feiner 3?e« 
gentfegaft; ein alter Sttann, ber fiep bem ©nbe feinet 
Sebenö näherte. 

^rflantng. 

©. 1. «. 2. Unter biefen Söeifen, eigentlich 9Ka* 
gier nach bem ©riedjifchen, b. h- Sßahrfager, haben 
mir eine hochgefteüte Äriefterfafte ber SWeber unb 
erfer a« berftehen, melche ben geheimen SRath be^ 
önigö bilbete unb fid) mit ^Iftrologie, SWebijin unb 
geheimer SRaturfunbe befaßte. 25ie 2lrt, mie hier bon 
thnen bie SRebe ift, läßt fte augenfcheinlich als „©term 
funbige" erfcheinen. 

3h rc angegeben. 5)ie Irabition 

aber fefet bte gahl auf brei, nacb ber 3°hl ber ©e* 
fchenfe, ber ^erforten in ber©ottheit unb-ber 2lemter 
©hrifÜ. 3hre tarnen follen fein ©aSpar, Melchior 
unb 53altbafar. ®ie mittelalterliche Kirche hat ba^ 
©ebädhtniß ber fogenannten heiligen brei Könige mit 
bem fircbltcben ©piphanienfefte berfchmol^en, meld)e$ 
ben ber chriftlichen Srefte eröffnet unb junädjft 

ber Xaufe ©h^fU gemibmet mar. 


TaS Sttorgenlanb finb bie ©egenben hinter bem 
©uphrat unb Jigri^, mo einft bicaffprifchen unb cbol* 
bäifchen Reiche mit ben Hauptftäbten 9Uniüe unb^a^ 

S ion blühten. 3nr 3eit3efu mar^erfien ba$Herr* 
erreich, ungefähr baffelbe fianb, baS jept noch fo 
heißt. 

„2Bir haben feinen ©tern gefehen." $er 
berühmte vlftronont Äepler hat nachgcmiefen, baß im 
^ahre 747 nach SRom’a ©rbauung, b. h- 5 ur Seit ber 
©eburt 3efu, fid) eine fehr mertmürbige breifache 3u s 
fantmenftcllung be^ Qupiter unb ©atum im 3eia)en 
ber gifdje ereignet habe; baß im grühling be« folgern 
benSahreä noch ber planet SKard hinaugefommen fei, 
pnb hat e$ alö mahrfcheinlich bezeichnet, baß zu jenen 
3 Planeten noch ein außerorbentlicher ©tern hinzuge* 
tommen fein tönne,miebie§im3abre 1603 ber gütige* 
mefen. Kepler hielt biefe ©onjunttion für ben ©tern 
ber SSeifen. Ob bieö mtrtlich ber ftaH mar, iftfehmer 
mit S3eftimmtheit feftzufteHen. SBeit ungezmungener 
unb natürlicher ift e$, menn mir unter biefent ©tern 
eine Himmel^erfcheinung annehmen, bie ben SBeifen 
im SBtorgenlanbe erfdjten unb auf ihrem SBege 
oon Qeruialem nach Bethlehem plöfelid) mieber 
leuchtete unb ztoar fo, baß fic in mäßtger Höhe über 
ber ©rbe in einiger ©ntfernung Oon ben SSeifen fid) 
zeigte unb jo oor ihnen hinging, „bis baß er tarn unb 
ftanb oben über, ba baS ftmblein mar," $. 9, — maS 
getoiß tein HimmelSftern tl)un tann. 

„3h n anzubeten," b. h- nor ihm nieberzu«« 
fallen unb ihm nad) morgenlänbifcher (Sitte zu h uls 
bigen. 

8—6. H er °be3 unb baS ganje ^erufalem er 
fdjraten, mürben erfchüttert im ©mne ber böfen 

» . ©in plöplidjeS kommen beS SKeffiaS er= 

e an unb für fid) fchon, meil man ihn auch als 
einen 93oten beS ©erichtS fleh bad)te. Hi cr aber mürbe 
ber ©djreden um fo größer, meil man gleich ben arg* 
möhnifd)en unb graufamen ^önig H^robeS fürchtete, 


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382 


2#nntagfit)uUfthti«nrtt. 


ber folcpe Kunbe nur mit bem bitterften Ingrimm 
aufnchmen mürbe. 

föerobeS ücrfammelte ben popen SRatl^ um 
fid)~ näher 511 befragen über baS kommen £>e* 

robeS mar ein graujamer JJürft, ein gottlofer iRenfcp, 
aber er fürchtete fiep oor einem Nebenbuhler unb er 
glaubte gemiffermaßcn an ©otteS ©ort. ©r fann 
fofort auf VöjeS — Ntorbgcbanfen — unb um befto 
fidlerer zu feinem $iele ju fommeii, befragte er fid) 
mit ben Jpopenpricftern unb Scpriftgeleprten, bie er 
feierlich zufammenberief. ©S mäprteaudp mohl niept 
lange, bis man bem König aus bem Vucpe ber 
Vroppeten oorlaS, mo ©priftuS foüte geboren merben. 

©. 7. u. 8 . .^erobeS oerfeprt nun mit ben ©ei* 
fen qait^ im Verborgenen, um über bie $eit ber ©r 
jcheinung beS Sternes bie genauefte ©rfunbigung ein* 
upolen, bamit er auf baS Nlter beS KinbeS fcplteßen 
ann, melcpeS z u tobten er fchon bei fid) befcploffcn 
hatte. Siet) auf bie unbefangenen ©eifen oerlaffenb, 
bie er fieper gemacht zu haben glaubte, oerfäumte er 
eS, Kunbfdjafter ntit^ufenben, unb ber Naub, auf ben 
er lauerte, entging ihm. So mirb bie größte Sd)lau* 
heit oft im Nugenblicfe ber ©ntfepeibung mit Vlinb* 
heit gefcplagen. 

©. 9 . u. 10 . $)ier mirb erzählt, mie bie ©eifen, 
nachbem fie fid) 00 m König $erobeS oerabfd)icbet 
hatten, unt nad) Vetplepem ^u manbern, ben Stern 
auf’S Neue erblicfcn, ber fie fieper zum erfehnten 
Neifeziel führte. ©le mag ihr Jpcrz gejubelt haben, 
al$ fie mit einem Nfale beS SternbilbcS mieber an* 
fidjtig mürben! Sie folgen bem Stern nad), unb als 
biefer fid) in bie §öpc hob unb über einem .ftauje fte* 
heit blieb, mußten fie, baß fie gefunben hatten, maS 
fie fud)ten. Sie fiitb fidjer, baß ber §err fie zum 
rechten Ort gefiipret hat. 

©. 11. „Olingen in b a S ipauS." 2>ie ©Itern 
befanben fid) alfo nicht mcl)r im Stalle, in meld)em 
3 efuS geboren mürbe. 2 )ie Nntunft ber ©eifen muß 
menigftenS 40 Xage nach ber ©eburt erfolgt fein. 
Nach Sitte beS NtorgcnlanbcS ift bie feftliche Vegrü* 
ßung, zumal bie Smtbigung mit ber Xarbringunaoon 
©efepenfen öerbunben. $aS ©olb beutet auf Neid)* 
thum. ©eiprauep unb Nhjrrpen auf ben Orient, zu* 
nächft Arabien. Xer ©eipraud) ift ein Vaumparz 
oon bitterem ©efepmad, aber mohlriechenbem Tuft. 
Xaper ber Name. Nciner ©eiprauep beftanb aus 
001 t Natur malzenförmigen Stücfchen eines meißen, 
fpröben, inmenbtgen fetten .ftarjcS, baS auf glühenbe 
Kohlen gelegt, fofort mit flarer flamme brannte. 
Xic 9N urrpe ift ein ähnliches §arz oon einem Strauche, 
ber befonberS in Arabien unb Netpiopien peimifcp 
mar, aber auch in ^Saläftina mud)S. ^ie SNprrpe 
biente befonberS zu einer fepr foftbaren Salbe. 

TaS ©olb fönnte ben©lanz beS Königs, ©eiprauep 
baS Nmt bcS JoopenpriefterS unb 3Nprrpe baS 2Berf 
beS peilenbcu Propheten bezeichnen. 

V. 12. ©ott oereiteltc bie Ntorbgcbanfcn beS 
STprannen $erobeS baburd), baß er ben Steifen im 
Traume bie genaue Nmoeifung betreffs ihrer Nücf* 
fehr gab. 

Vraftifdje ©ebanfen. 

3 eful r ber Reiben fteilanb. 

I. ©ic fie fid) nad) ihm fepticn. 

3 m fernen SNorgenlanbe, unter ben Werfern unb 
Ntcbern, bie eine üerhältnißmäßige reine pcibnifche 
Neligion befaßen, mar eine brennenbe Sehnjitcßt nad) 
bem Jpeilanb ber ©eit. ©ir fepen in biefem Nb* 
fepnitt, mie eS unter ben ©clehrten reblicpe Seelen 


gab, bie ein pöpereS Streben, ein Sehnen nach mirf* 
liehen göttlichen Offenbarungen hatten, unb Solches 
mürbe burd) bie Schriften ber Propheten, meld)e fie 
burch gefangene flSraeliten erhielten, in itjnen angeregt 
unb erhalten. XaS Verlangen nach ©rlöfung mar ber 
ftärffte $ug ihrer Sehnfud)t. 

©te fteuen boep biefe Reiben fo bielc SNenfcpen, 
jung unb alt, unferer $eit j n p en @cpatten! Xie 
Selinfucpt ber Ntenfdjen heut zu Sage hat eine anbere 
Nicptung eingefcplagen. VergnügungSfucpt, SNobe* 
luft, meltlicpcr Vefip finb ©egenftänbe ber Vegierbe. 
Sutper fagt in feiner Varabel 00 m Naturreich, baß 
ZU einer gemiffen $eit alle herrlichen grüepte berSrbe 
Zufammengebracpt morben maren, bamit bie Spiere 
biefclbcn prüfen möchten. Unter ben Jpiereu befanb 
fiep auep baS Scbmein, melcpeS an ben fepönften grücp* 
ten perunifcpnüffelte unb z ulc 6 l frug: „feinb audp 
Kleien ba?" Saßt uns oon biefem peibnifepen ©et* 
fen lernen, nad) bem beften Kleinob unb perrlicpften 
Scpap —GpriftuS —zu fepnen. 

II. 8Bic fie ipn fuipcn. 

Sie folgen bem Sicht. baS ber &err 
ihnen l e u cp t e n l ä f f e t. ©ie gnäbig ift bod) ber 
$jcrr, baß er fid) auf bie Stufe beS Ntenfcpen perab* 
laßt unb in feine 5>enfungSmeife eingeht, um ipn ju 
fid) ziepen zu fönnen! 3)en gifepern offenbarte fiep 
3 efus burd) ©unber an ben Jifcpen, ben ^branfen 
burep Teilung iprer ©ebreepen, ben Scpriftgeleprten 
burd) NuSleguna ber Scprift, feinen 3upörern im NÜ* 
gemeinen burd) Vüber unb ©leicpniffe aus bem tägli* 
epen Seben unb biefen ©eijen burd) -tierablaffung zu 
iprer Naturmiffenfcpaft! VauluS crtlärte auf bem 
Nrcopag z« Ntpen ben ©eifen biefer ©clt, baß fie 
ben 5 )crrn juchen füllten, ob fie bod) ipn füplen unb 
finben mödjten. Unb zioar, er ift niept ferne oon 
einem 3eglid)en unter unS (Npftg. 17, 27). 

3 cfu$ tomnit jebem 3Nenfcpen,—jebem Kinbe—auf 
eine lcicpt faßlid)e ©eife nap,ermedt baSSepnennacp 
ipm unb läßt fiep finben. ftolgft bu bem Sicpt ber 
0 )nabe, baß ber heilige ©eift bir burep fein ©ort unb 
ben göttlichen Unterricht aufgeftedt pat? 

III. ©ic ftc ipn finben. 

1 . Irop ber langen, bcfcpmerlicpen Neife nad) Qe* 
rufalem unb ber erftcu jäufepung, bie ihnen bort 
miberfupr. 

2. irop beS gottlofen, meltlicp gertnnten Grannen 
auf bem 'Xpron, roelcper bie JJrage ber ©eifen burep* 
aus niept üerftatib. 

3. 2:rop ber Xpeilnapmlofigfeit ber jübtfepen Ver* 
tretung beS ^eiligtpumS, bie 00 m außerorbentlicpen 
©reigniß niept einmal eine Nhnong paben. 

4. Irop bem gleichgültigen Verhalten NUcr, mit 
benen fie in Verüprung tarnen, oon ben eS aud) 
niept einer ber Nriipe rnertp pielt, biefe ©eifen zu be* 
gleiten unb mit ihnen anzubeten. 

©otteS ©ort ertpeilt ihnen näheren 
Nuffcpluß unb mirb ihr ©egmeifer. So 
ftept eS gefd)rieben; baS gilt, ©iüft bu 3ejum fin* 
ben, rict)tc bid) niept nad) bem, maS bU Oor Nugen 
fiepft, bie Kirdpe mag bid) täufd)en, SNenfcpen mögen 
biep beirren. ©otteS ©ort aber führt biep fieper. 

„Orrft bu, Pilger, hier im ^unfein, 

$u*ft bu reiner ©atjrbeit fiidjt, 

Siel) boeb, ihre Strahlen funteln 
3n bem ©ort, ba« 3cfu« fprid^t." 

IV. ©ie Fie ihm pulbigen. 

1. „Sie fielen nieber unb beteten eS 
an." Sie epren biefeS Kinb niept nur als ihren Kö* 


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Sanntagfd)uUf(htion(n. 


383 


nig, fonbern als ©ott. $iefe Seifen finb ein mürbi* 
geS Veifpiel für alle ©eleßrte auf ©rben; fie follen 
fid) nicht fcßämen, ^efum flu fucßen unb fid) üor ißm 
au beugen. Unb rner ^efum einmal gefunben hat, 
ftößt fid) Hießt meßr an feiner SRiebrigfeit unb ftnccßtS* 
geftalt. 2)ie reblidje SeltmeiSßeit fann nicht umhin, 
flu ©ßrifto flu führen. $ie Siffenfcßaft foü bem 
©ßriftentßunt bienen; benn ©eleßrfamfeit unb Sif* 
fenfeßaft finb »erträglich mit einanber. 

2 . ©ie brauten ißm ißte Schäle bar. 
$urd) biefe ©aben ßulbigen bie Seifen ©ßrifto als 
ihrem ^riefter unb Mittler bor ©ott. ©ie leifteten 
aber auch einen roirtlidjen $ienft. Valb mußte baS 
Äinblein fliehen. $a fam baS ©olb, baS ihm bie 
Seifen gefeßenft Ijatten, als SReifegelb treulich flu 
©tatten, unb- für bie flüchtige Familie unb baS Sei- 
len in ©gßpten mar geforgt. (sprich nicht: ich fann 


bem fteilanb nichts bringen, benn ich befiße feine 
©cßäße. ©chon recht. ,^>aft bu nicht ein §erfl, baß 
er oon bir begehrt. ©pricß: 

„Wiein ©ott, ba* #crs id) bringe bir 
Sur ©ab' unb sum ©eicbenf: 

ftd) gab'ö io gut id)'* geben fann. 

«ehr* su mir bein @e)id)t!" 

V. Sic ber £crr fie toieber heim führt. 

,,©ie 50 gen einen anbern Scg mieber 
in ihr Sanb." ©obalb ber 9Renjd) ben ^eilanb 
gefunben, mirb er einen anbern Seg geführt, 
als er gef 0 muten ift. „9Jicine ©ebanfen finb nicht 
eure ©ebanfen unb eureSegc finb nicht meine Sege." 
©ottcS Segc finb höher, benn bie unferen, fie finb 
aber auch fießerer. Saßt uns ihm oertrauen auf bem 
s $ilgerpfab. „‘Eu leiteft mich nach beinern SRatß unb 
nintntft mich enblich mit ©ßren an." 


4-f- 




Sonntag, 10. ;3uli. 

18. Da fie aber binroeg gesogen toaren, fiepe, ba erfcf)icn ber 
(5ngel De* #emi bem Ofofept) im Draunte, unb iprad): Stehe auf, 
unb nimm ba* fiinblein unb feine HJlutter su bir, unb fliehe 
in Ggtjptenlanb, unb bleibe allba, bi* tdj bir faqe; benn e* 
ift Porfjanben, ba§ Aerobe* ba§ Äinblein fudje, ba^elbe umgu- 
bringen. 

14. Unb er ftanb auf, unb nahm ba* SrinDiem unb feine But¬ 
ter 511 Ttch, bei ber Wacht, unb entiuid) in ©gpptenlanb; 

15. Unb bliib allba bi* nach bem Dobe §crobi*, auf baß erfül¬ 
let mürbe, ba* ber jperr burch ben Propheten gefagt hat, ber ba 
fpneht: Wu* ©gnpten habe teb meinen ®ohn gerufen. 

16. Da Jperobe* nun fah, bah er Pon ben SBetien betrogen mar, 
marb er fehr sornig, unb fdjidte au*, unb ließ alle Umber ju 
Bethlehem tobten, unb an ihren ganzen ©renjeii, bie ba sroei 
jährig unb bruntcr mären, nach bei .Seit, He er mitgleifc oon ben 
©eifen erlernet hatte. 

17. Da ift erfüllet, ba* gefagt ift Pon bem Propheten Oeiemia, 
ber ba fpricfjt: 


Die gluckt uad) ©gt)ptcn. 


SRattl). 2,13—23. 

18. 9luf bem (Gebirge hat man ein ©cicprei gehöret, Piel Ula? 
gen*, ©einen* unb §eulcn*; Wabel bemeincte iljre Üinber unb 
roollte firf> nicht tröften iaffen, beim c* mar au* mit ihnen. 

19. Da aber öerobe* geftorben mar, fiebe, ba crfcfjicii berUngel 
J be* jperrn bem ^ofeph im Draume in ©gpptenlanb, 

20 . Uitbipradj: Stehe auf unb nimm ba* Uiitblein unb feine 
Butter 511 bir, unb siehe hin in ba* ßanb 3 *iari; fie finb geftor= 
ben, bie bem ftinbe nach bem ßeben ftanben. 

21 . Unb er ftanb auf, unb nahm ba* ttiitblfin unb feine SWuts 
ter su fich, unb tarn in ba* ßanb 3 *rael. 

22 . Da er aber börete, baß Wrcpelau* im ^übifchen ßanbe Äö- 
nig mar, anftatt feinem ®ater* Jperobe*, fürchtete er fid) bahin su 
fommeit. Unb im Xraitme empfing er $5efeljl Pon ©ott, unb , 50 g 
in bie Oerter De* ©aliläiidjen ßanbe*. 

23. Unb fam, unb mobnetc in ber Stabt, bie ba beißt Wasaretf); 
auf baß erfüllet mürbe, ba* ba gefagt ift Durch bie Propheten: 
®r foQ Wasarenu* heißen. , 


©iblifthcr ©runUgcllönfc. „Unb er führete mich 
aus in Den 9iaum, er riß mich heraus, beim er hotte 
Suft ftu mir." s ^f- 18, 19. 

Einleitung. i)ie ©efd)id)te biefer Seftion toirb 
nur 00 m ©oangelift SKatthäuS erzählt unb muß fid) 
ohne balb nach ber SKücftehr ber Seifen 00 m 

SÄorgenlanbe jugetragen haben. ©S ift fehr möglich, 
baß Öafeph mit bem ©ebanfen trug, Bethlehem 
fortan au feinem ^eimathSorte ju madjen, mar ja 
bod) bafelbft geboren nach ber alttcftamentlid)en 
Verheißung, unb ^atte feine Vaterftabt s Jta^areth in fei- 
nerlei Seife Vorzüge aufjumeifen, bie in ber ©r^iehung 
beS ftinbeS hätten oon 3Rufeen fein fönnen. 9fach V. 
21—23 $u fchließen, beabfichtigte überhaupt 

nicht nad) ^a^areth ^urücfiufehren, bis er 00 m .'fferrn 
beutlicheu Vefdbeib befommen hatte. Sie mürben 
hoch alle jeine s $läne auf bie Qufunft oereitelt! 5luch 
2 p|eph unb Sttaria mürben 00 m §errn einen anbern 
£Beg geführt. 

C^rflärung. 

©. 13—15. ©S ift anjuuehmeu, baß bie Seijen 
00 m SKorgenlanbe unb bie ©Item $efu oon Aerobes 
gefproeßen hatten, unb baß fie feiner s ilbfid)t, auch 
ju fommen unb baS Äinblein anjubeten, mit bem 
pöchften Mißtrauen gebachten, ©ie mochten fid) aber 
baburch beruhigt haben, baß bie Seifen fich nicht mie* 
ber $u ^perobeS lenfteit, fonbern burch einen anbern 
Seg mieber in ihr Sanb flogen, ^ofeph fonnte baher 
nicht ahnen in melcher ©efahr baS Q[efuSfinb fich be* 
fanb. $er fchrecfliche Xprann, beffen $old) fonft nie 
gefehlt hatte, mar nun feft entfchloffen, baS Äinblein 
au fucheu, um baffelbe umflubringen. diesmal aber 
foüte eS ihm md)t gelingen. 


^)er ©tigel beS £>errn crfd)ieit bem Qo* 
f e ph im %ran me. Sir haben hier ein 3eugni| 
für bie treue Eingebung Qojeph^ für baS Jtmb, baß 
er auch jept mieber burd) ein iraumgeftd)t fid) belel)* 
ren unb beftimmen läßt, betreffs ber ©id)erl)eit beS 
5linbeS. Senn ber liebe ©ott burd) ©nael flu ben 
9Jtenfd)en im Xraunte fprießt, bann maprlich finb 
Xräume feine ©d)äurne. ^ieS mar Qofepl) flar. ©r 
bejann fid) Daher nießt, gleich nad) jeinem ©rmaeßen 
bie glucßt mit ber ÜDhitter unb bem Äinbe flu unter* 
neßmen. 

gließc naeß ©gßptenlanb. ©gtjpten mar 
ber einflig mögliche QuflucßtSort. ©S lag ben fübli* 
eben ©trieben oon Qubäa naßc. Vefannte Scgefüßr* 
ten burd) eine meitcSiifte baßin, unb im Sanbe felbft 
fatib fid) eine fltoeite, freiere Qubenmelt für 
unter bem ©cßupe eines eioilifirten Regiments. 9 tacß 
ber ©age ßat fi^ ©ßriftuS flu ©gppten in SJfatarea 
aufgeßalten, in ber s Jfäße Oon SeontopoliS, mo ber 
iSraelitifcße Tempel beS CniaS ftanb. 

91 uf baß erfüllet mürbe ßat nießt ben 
©inn, baß ^ofepß bie fReife nach ©gßpten maeßen 
mußte, um bie ^rophefleißung flu erfüllen, fonbern eS 
mürbe oon §ofea prophefleißt als eine Vegebenßeit, 
bie ftattßnben mürbe in ber Sirflicßfcit. 

^ie ©Itern in ißrer 9lngft um baS QefuSfinb muß* 
ten meit baoon entfernt fein, eine 9teife oorfluneßmen, 
um einen ^rophetenfprueß flu erfüüen, flumal einen 
folcßen, ber fid) im buchftäblicßen ©inne auf bie 9luS* 
füßrung QSraelS auS ©gßpten beflog. 2 9Jtof. 4, 22; 
Qer. 31, 9. 91IS aber bte glucßt unb Sieberfeßr mirf* 
ließ erfolgt mar, ba fonnte ber ©oangelift, ber überall 


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384 


3<mntagfd)ul«£fkUonen. 


bie ©rfüllungen in’S Sluge faßte, bie Vemerfung ma* 
men, baß auep biefer Sprucp fiep erfüllt pabe. 

V. 16—18. §erobeS fap fiep Don ben 
SBeifen betrogen. (£ö ift bieS Dom Stanbpunft 
beS jperobeS aus gefagt. $aß er übermeiftert morben 
mar, entflammte ipn *ur SSutp ber ffiaferei. Sein 
gätaorn faiinte feine ©rennen. 

gmei jährig unb barunter. ©)arauS erfolgt, 
baß bie Söeifen ben Stern feit ungefäpr ^mei gapren 
erfepeinen fapen. gn bem fleinen Ort mar bte 2ln* 
ftapl ber Shnber, bie ber 2Rorbbefepl traf, {ebenfalls 

S ; baper eS niept auffallen fann, memt aus ber 
rungäfteit beS graufamen $erobeS biefer ftinber* 
morb fonft niept ermäpnt mirb. 

«Iuf bem ©ebirge. §ier citirt ber ©Dangelift 
eine ^roppetenftcDe, bie fepon bei ber babplonifepen 
©efangenfepaft eine tpeilmeife (Erfüllung gefunben 
bat. £er (Sinn ift mopl biefer: $aS fcerjeleib jener 
SBegfüprung mar fo groß, baß eS bis in baS §er^ ber 
Stammmutter Vcnjamin’S pniefgriff. *35ort mar 
SRapel’S Silage ber 2luSbrucf beS großen §eraeleibS 
ber Mütter unter ben Verbannten. £>ier aber erfüllt 
fiep jene ©efepiepte in iprer pöcpften fcpaucrlicpen Ve* 
beutung. Stapel ift pier bie Stelloertreterin ber betb* 
lepemittfepen Mütter in ipren SBeptlagen. 2öie tref* 
fenb ift baper bie Slnmenbung iprer Silage unb baS 
§eneleib, baS fo unermartet über Vetplepem perein* 
braep! 


©. 19—23. föerobeS geftorben. ©)ie lep* 
ten gapre biefeS SBütperiepS fmb, mie bie erften, be* 
flecft burip SJiorb in feiner eigenen gamilie. Sr lag 
bereits fepmer erfranft barnieoer, als er feinen lebten 
SRorbbefcpl jur ^inrieptung feines SopneS, Sintipater, 
gab. günf Sage fpäter ftarb er an einer efelpaften 
ftranfpeit, in melcper baS Volt eine Strafe beS £>im* 
melS für feine ©ottlofigteit erbliche. 

SlrcpetauS, Siöntg im jubifepen Sanbe. 

*Racp bem Xobe beS §erobeS tpeilte SluguftuS baS 
SReicp beffelben unter feine brei Söpne. SlrcpelauS 
erpielt gubäa, gbumäa unb Samaria; £erobeS Sin* 
tipaS ©aliläa unb *ßeräa; VpiüppwS Vatanea, $ra* 
cpenitiS unb SluranitiS." Sange. SlrcpelauS mar fei* 
nem Vater §erobeS an Slramopn unb ©raufamfeit 
äpnlicp, baper füreptete fiep gofepp, fiep mit bem ge* 
fuStinbe in gubäa nieberjulaffen. ©r manbte fiep 
im ©ebet ^um öerrn unb burep ein 'Iraumgefiept er* 
pielt er ben Vefepeib, fiep in ©alüäa nieberjulaffen. 

©r foll SRaiarenuS peißen. $a fiep feine 
Stelle im Sllten Seftament finbet, in ber ber Siame 
„Stajarener" *ur Vejeicpnung beS SJteffiaS ftept, meift 
ber ©Dangelift in biefen SBorten auf gef. 11,1 unb 
Sach. 6,12 ptn, in melcpen Stellen ber SReffiaS als 
ein fcpmaepeS, unanfepnliepeS $ReiS bargeftellt mirb. 
$)aS pebräifcpeSBort für^aretpiftgmeig oberSReiS. 
$a nun Sta*aretp eben megen feines armen Deracp* 
teten ©parafterS biefen tarnen empfangen pat, mieS 
ber öerr ipm biefen SBohnungSort an, auf baß bie 
SBeifjagung öon bem SReffiaS als bem „Veracptetften 
unb Unmertpctften, ber auffepießen fott, mie ein SReiS, 
mie eine SBurjel aus bürrem ©rbreiep," erfüllt, unb 
bie (Erfüllung fepon burep ben tarnen feines SSopn* 
orteS angejeigt mürbe. 


Vraftffdje ©ebanten. 


Siege ber göttlichen Vorfepung. 

I. 3Dic gingt mit bem ftittbe. V. 13—15. 

Xiefelbe §anb ber göttlicpen Vorfepung, melcbe bie 
SBeifen Dom SRorgenlanbe auf iprer langen SReife be* 
fcpüjte unb enblicp fieper naep bem Ort, ba baSgefuS* 


finblein lag, leitete, pat fiep beutlicp xu erfennen ge* 
geben in ben SBegen, bie gofepp unb aRaria mit bem 
ftinbe geführt mürben, veoep pallt ber ©ngelgefang, 
mie bie Wirten ipn berieptet patten, in ihrer Vruft 
mieber; noep gepört ber Vefucp ber VSeifen ju ben 
merfmürbigen ©reigniffen ber lebten Xage, ba er* 
fepeint ber ©ngel beS h^rit mit bem Vefebl: fliepe 
m ©gpptenlanb unb bleibe atlba, bis icp bir jagen 
merbe! SSie gar unbegreiflich finb beS §errn Siege, 
unb mie unerforfeplicp finb feine ©ebanfen; mer bat 
beS öerm Sinn erfannt unb mer ift fein iRatpgeoer 
gemefen? ©ott füprt bie Seinen munberbare ßege, 
yfaep ber ©rfepeinung unb ber Vereprung ber SGBeijen 
fommt bie glucpt. greube unb fieib finb nape 9tacp* 
bam. 2öenn ber £>err beinen ©lauben befonberS 
ftörft, maepe biep auf fepmere Vröfungen gefaßt, benn 
Dom VerflärungSpügel gept eS pinao ürS Xpal, in 
ben ©rnft beS fiebenS; in’S fieiben unb in benÄampf. 
Äaum finb mir als felige ^inber ©otteS geboren, fo 
erpeben fiep fepon Verfolgungen miber uns. Slberber 
§err meiß bie Seinen aus ber $rübfal $u erlöfen. 
s &irft bu gepaffet um beS SRamenS gefu miüen unb 
mollen bie deinen bi* niept leiben, fo pat ©ott auep 
unter gremben eine Vleibftätte für biep. $er öerr 
ift auep in ©gppten unb mirb biep $u feiner geit per* 
auSfüpren. 

II. $cr Äinbermorb. V. 16—18. 

©S ift feiten, baß biegürften biefer Sßelt ber3teicpS* 
faepe ©otteS günftig finb. Sie Derfolgen bie Äircpe, 
meil fie ni*t erfennen, baß baS SReicp ©prifti nidpt 
Don biefer SBelt ift. Von Anfang an fließ bie Slirepe 
auf blutige Verfolgungen. iperooeS mitt baS gejuS* 
finb tobten. Seine Slnfepläge finb fcplau erba*t, 
aber—„Vefcpließet einen SRatp unb merbe niepts bar* 
aus. Verebet euep unb eS beftepe niept; benn pier 
ift gmmanuel." gef. 8,10. Öott läßt bie Slbficpten 
beS Vöfen nur fomeit auSgefüprt merben, als fie feine 
eigenen Slbficpten nicht pinbem. Stoß ©ott bie @r* 
morbung biefer SHnber ^uließ, bürfen mir gemiß niept 
ber Ungereeptigfeit jufdpreiben. @r ließ biefen SRorb 
ju, meil baburep baS 2Berf ber ©rlöfung unb bie Äin* 
ber felbft feinen Scpaben erlitten. gebeS SRenfcpen* 
leben ift Don ber ©eburt.an bem Xobe DerfaÖen. 
2)er $ob fo Dieter fleiner ^inber ift ein VemeiS ber 
©rbfünbe. $iefe Äinber ftarben für gefuS, nur um 
für ipn $u leben; mäprenb er für fie am Sehen blieb, 
um für fie $u fterben. $ein V*eiS Don Vlut unb 
Xpränen ift ju tpeuer für bie SRettuna beS SebenS 
gefu, benn fein Seben ift ber VreiS, burep melcpen bie 
ganje SBelt erfauft mirb Dom Verberben. 

Obmopl biefe ftinber niept unter bie eigentlichen 
2Rärtt)rer ©prifti §u reepnen finb, meil fie opne eige* 
neS geugniß unb eigene SBapl ftarben, finb fie boep 
als Vornüber beS cpnftlicpen SRärtprertpumS bärge* 
fteüt morben, benn fie ftarben in iprer Unfcpulb,—als 
betplepemitijcpe ^inber ber Verpeißung, — burdp ben 
fcaß ©priftum, — j^ur $)etfung ber glucpt beS 
gefuSfinbeS unb feiner Verguna in ©gppten. 

SSarum aber eS ©ott jugelaffen pat, baß bei ber 
©eburt ©prifti, ber als ber Xroft gSraclS Derfünbigt 
morben mar, fo Diele SMtter in fo tiefes Seib geftünt 
merben füllten, ift eine grage, bie mir $u unferer Dol* 
len Vefriebigung niept beantmorten tönnen. ©S bleibt 
eben niepts ÄnbereS übrig, als baß mir unfere Ver* 
nunft unter bem ©eporfam beS ©laubenS gefangen 
nepmen. Obmopl ©otteS ©ebanten unb bie SSege 
feiner Vorfepung uns oft bunfel unb unbegreiflich 
fepeinen mögen, finb fie nichts beftomeniger ©ebanten 
beS griebenS unb ber tiefften SBeiSpeit. SEBir finb 
feiten im Stanbe, ©otteS SBege Döütg ju Derftepcn, 


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Sonnlagfd) uUf thtionett. 


385 


Weit wir uns auf bem ©tanbpuntt be§ Reitlicpen be* 
finben, ©ott aber panbelt ftetS im Sicpte oer ©wigfeit. 

III. Sott ©giften nadj 9ta)arctp. 19—23. 

SBenn wir bebenfen, baß 3 e f u ^ bereite 28 Qa^re 
feinet SebenS in Sßaaaretp oerweilte, fo erjcbeinen 
un3 ©otteS SBege auf’3 9teue gepeimnißüoH. ©ewig 
war eä ben ©Item wie eine erfte ©nttäufcpung, baß 
ber ©opn, bem eine jo glänjenbe 3ufunft befwieben 
war, juerft fiep nad) ©gpüten flüchten mußte, unb 
bann m jenem entlegenen SBinlel ber in ber ftöntgä* 
ftabt beS Sanbeä reajt üeräcptlicp angefepenen Sftorb* 
prooin* aufwacpjen mußte, Wa^aretfa tft für immer 
ein 93ilo ber äußeren ^iebriafett unb ÄnecptSgeftalt 
©prifti. 3n ber ©titte lebt 3efu£ im gamilienfretö, 
anftatt in ber raufcpenben ©tabt 3erufalem. SRicpt 
ber Särnt ber großen SBelt, fonbern bie ftiüe §eimatp, 


nicpt eitle SRacpt unb ftoUe Bracpt, fonbern bie ©in* 
facppeit unb SBefcpeibenpett bat ©ott erwählt. 9lu3 
kleinem ©roße$ madpen, au3 3)emutp *ur ©pre unb 
$lnfepen, baß ift ©otteä SBeg. Suerjt nieberwärtä, 
bann aufwärts, ©o führte oer fierr gelob, gofepp, 
SRojeä, 4)aoib unb Daniel, ©o füprt er bie ©einen 
peute nocp. 

Änbcutungen für Waffen. 

1. ©reife aurütf in bie üorpergepenbe Settion bon 
ben SBeifen. 2. Saß bie ©Aüler auSfinbig machen, 
wie oft ber ©ngel be$ £>errn 3ofepp im Xraurne er* 
fcpien. 3. ©cptlbere bie gludpt unb ba$ SBopnen in 
©gppten. 4. ©r$äple üon ber©raufamfeit be§£ero* 
be3 al3 Regent. 5. betone bie S3ebeutung ber Qu* 
rüdgejogenpeit ber 3fugenb^eit 3efu unb ferne Unter* 
tpänigfeit unter feine ©Item. 


-hf 


©onntag, 17. Q[uli. 

1. 8u ber fleit tarn ftoftanne«, ber Säufer, unb prebigte in ber 
»üfte be« ^ubifdjen ßanbc«, 

2. Unb fprad): Xbut Suge, ba« fcimmelreicb ift nabe herbei 
gefommett. 

8. Unb er ift ber, bon bem ber Sropbet ftefaia« gefagt bat, unb 
aefprodben: ff« ift eine Stimme eine« ^rebiger« tn ber ®üfte, 
bereitet bem #errn ben ®eg, unb machet ridjtig feine Steige. 

4. ffr aber, Rabanne«, batte ein «rlcib bon ftamcelSbaaren, 
unb einen lebernen ©firtel um feine ßenben; feine Speife aber 
mar ßeufchreden unb rotlbcr ßonig. 

5. t)a ging ju ibm binau« bte Stabt ^erufalem, unb ba«ganac 
3&bifd)e ßanb, unb alle ßänber an bem fforban ; 

6. Unb liegen ftch taufen bon ibm im ;jorban, unb befannten 
ihre Sönben. 

7 . « 1 « er nun biele Sbarifäer unb Sabbucäer jab $u feiner 
Saufe tommen, fpratb er ju ihnen: 3 br Otterngezüchte, wer bat 


3ob»nneS ber Säufer. 


3ßattfy. 8,1—12. 

benn eueb gewiefen, bag ibr bem jufftuftigen 8orne entrinnen 
werbet ? 

8. Sebet au, tbut reebtfegaffene ftrüchte ber Suge. 

9 . Scntet nur nicht, bag ihr bei euch wollt fagen: ®ir haben 
9 lbrabam zum Sater. $ 3 ) fage eud) : ®ott bermag bem «bra- 
bam au« btefen Steinen Jhnber au erweefen. 

10. ff« ift fd)on bie U^t ben Säumen an bie ®ur&el gelegt. 
Darum, welcher Saum nicht gute ftrudjt bringet, ber Wirb abgc^ 
bauen, unb in’« geworfen. 

11. 3 c$ taufe euch mit ®affer jur Suge: ber aber nach mir 
fommt, ift ftärter, benn ich, bem ich auch nicht aenugfam bin, 
feine Schube $u tragen; ber wirb euch mit bem beigen ®eiftc 
unb mit ffauer taufen. 

12 . Uno er bat feine ©orffchaufel in feiner $anb: er wirb 
feine Senne fegen unb ben ©eijen in feilte Sdjeune fammeln, 
aber bie Spreu Wirb er oerbrennen mit ewigem treuer. 


fHftttfiftrr ©ntitHgebattfe: „©e^et ^u, tfyut rec^t* 
fc^affcnc grüeßte ber ^uße.'' aftattfy. 3, 8. 

Seit. 3m ©ommer unb §erbft beg 3°^ red 26 - 

Ort. 3n ber Söüfte 3ubäa% welche fic^ an ber 
meftlidjen Äüfte beS tobten 2Jteere« Iftnjog unb im 
3orbant^al fid> nörblicß bi^ nac^ 3eric^o erftreefte. 

3ffu0 war in feinem bretßigften SebenSjatyre unb 
wohnte immer noc^ $u ^aret^. 

3o6anned ber Käufer mar jecfy3 SJtonate alter alö 

3eju*. 

Varafleffletten: 9War!. 1, 1-8; Sut. 3, 1-18; 
3o^. 1, 6—28. 

©inleititug. ^ er le &* en S^tion unb bie* 

fer liegt ein 3?ttraum oon 29 3al)ren. S3on bem 
Seben 3[efu in yta^arett) ift nidjtS berichtet. 3ofep^, 
ber ®pegeoater, wirb wa^rfc^einlid) geftorben jein, 
weil feiner nirgenbä gebaut wirb, ©roße polittfdje 
^Beränberungen ßatten ftattaefunben, bie in Suf. 3,1 
genau üerjeießnet ftnb. 3cfu0 ift halb bereit oor bem 
Soll $u erfAeinen. ©0 ift bie Söorbereitung^cit etn« 
getreten, ^ie S3ebeutung 3ofyanni al0 SBegbereiter 
i^ fo wichtig, baß alle ©üangeliften fein Sluftreten 
emge^enb gefc^ilbert ^aben. ®tan lefe batyer fämmt* 
lic^e $arauelfteHen. 

frflimtng. 

®. 1. 2. 8» $*it, ba 3efu3 nod) in s Jtasaret^ 

wohnte, fie^e Äap. 2, 23. SB u fte, ein felfiger Sanb* 
ftrid^. (©iepe oben.) 

3^^ut SBußc. SBörtlic^: 9lenbert euren ©inn, 
fommt au einer anbern, einer befferen ©infidjt unb ©e* 
ßnnung; te^rt um, oom ^öfen jfum ©Uten, oon ber 

© 


SBelt unb ©ünbe $u ©ott. 2)iefe ©inne^änberung 
fdjließt in fiep a) ©rlenntniß ber ©ünben; b) ©efennt* 
niß ber ©ünben; c) ©ntfd^loffenbeit üon ber ©ünbe 
ut laffen unb d) ba3 aufriephge Verlangen oon ber 
©ünbe erlöft ju werben. 

§immeirei(p nape perbeigefommen. 
2). p. ba$ Oteicp ©otte0, beftepenb au§ oem 9teicp ber 
©nabe in biefem Seben unb bem SReicp ber ewigen 
©eligfeit in jenem Seben. 

ö. 3. 4. ©timme. $ie pier angefüprte Bro* 
ppetenfteHe — 3ef- 40, 3—entpält einen Aufruf, oem 
§erm, welker fein ®ol! au0 ber ©efangenfAaft ju= 
rürffüprt, bte SSabn bereiten, wie e0 im 9Rorgen* 
lanbe bei ber Oteife ber jjürften übliep war. 2)ic ru* 
fenbe ©timme ift bie ©tirnme eine0 §erolbe§. ©o 
ift 3opanne0 ein Slu^rufer be3 §errn. 

bereitet. 9Racbt euep ^unt würbigen ©mpfang 
be0 oerpeißenen 2Reffia8 bereit; räumt alle §mber* 
ntffe au0 bem SB eg. 

©r felbft, 3opannc3in feiner tleibertracpt 
unb Sebenäweife war ein lebenbigcS 33ilb ber SBelt* 
entfagung unb ©uße, wie feiner 3eit ©lia0. ©ein 
©ewanb war fein ^ameelfetl, fonbern aus ben §aa* 
reu eine0 tfameelS bereitet, au0 welchem man grobes 
$ucp ju Kleibern unb Seltbecfen machte—§eute no^ 
werben meprere Slrten oon ^eufepreefen oon ben ärm* 
ften Seuten gegeffen. fjrlügel unb S3eine werben au0* 
geriffen, ba3 Uebrige mit ©al^ beftreut unb entweber 
gefod)t, ober gebraten genoffen. 

©. 5. 6. (fingen p i n a u 0. Sßicpt jeber einzelne 
S3ewopner ber ©tobt unb beS Sanbe«. fonbern bie 
attafje ber 2Jtenfcpen; gan$eS3ol!0paufeneilten per* 
bei, würben üon ber ^reoigt ergriffen, befannten tbre 
©ünben unb ließen fiep taufen. 2)iefe Xaufe foute 


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386 


8onnt<ujfd|ul=ffkti*i»nt. 


nichts Änbere« fein, al« ein äußere« ©innbilb einer 
innerlichen Reinigumj, bie burch Den SReffia« an ihnen 
boßjogen werben foute. 

®. 7. ©>ie ^ß^arifäer unb ©abbueäer waren bie 
fieiter be« ®olfe« in*« ®erberben. ©)arum griff fie 
ber Käufer fo berb an unb nennt fie eine Schlangen* 
brut. ©ie erfcheinen ihm al« Unberechtigte, welche 
fich auf bie Xaufe warfen, um fte fich ihren fcheinhei* 
ligen äderten bienftbar ju machen. 

®. 8. 9. © e h e t j u. SBoflt ihr bem jufünftigen 
orn entrinnen, fo bringet bie rechten grüßte wahrer 
uße. Sin ber grucht erfennt man ben Saum, ©tehe 
SRatth. 7,17—19. 

©laubeHa nicht, baß ihr felig werbet, weil Slbra* 
bam euer Stammbater ift. ÖJott ift an fein äußerliche« 
©efep gebunben. ©r tann euch al« unächte ftinber 
Abraham*« berwerfen unb au« biefen ©teinen, b. h- 
au« wüben, rohen, menfchlichen Stoffen fich ächte 
©lauben«finber erfchaffen. Offenbar ift biefer &u«* 
jpruch ein $inwei« auf bie Berufung ber Reiben. 

®. 10. 2lft an ben ®aum gelegt. ©)a« 
©ericht über bie unächten 9lbraham«finber ift nicht 
blo« nahe beborftehenb, fonbem e« hat fdbon begon¬ 
nen. ©)ie&£t liegt fchon an benSBurjeln ber ®äume 
$um ©infchlagen. ©)a« ©ericht ift ein burdjgreifen* 
oe«. 44 gahre nach biefer SBamung fam ba« ©ericht 
über bie guben burch bie gerftörung gerufalem«. 

®. 11. 12. Xaufe mit SGBaffer. ßier erflärt 
gohanne«, baß ntd^t er ber Richter |ei, baß feine Xaufe 
ihnen ba« fceil nicht jufidjere, fonbem fie nur jur 
®uße aufforoert. 

Rad) mir lommt ber SReffia«, bem ich in meiner 
Stellung ju ihm nicht Werth bin, bie ©anbalen au 
tragen ober fie an* ober abjubinben — ba« geringfte 
©efajäft ber ©flauen. 

f eiliger ©eift unb geuer. SBaffer reinigt 
SRetafi nur bon außen; geuer brennt bte ©chlacfen 
au«. SBaffertaufe fönnen fich öic ©euchler gefallen 
laffen, benn fie fdjmerjt nicht. 25ie ©eift* unb geuer* 
taufe aber berührt ben Heuchler im ©ericht. 

gn ®. 12 wtrb ba« erfte unb zweite kommen ©hrifti 
Aufammenaefaßt in einem ®ilbe, ba« ben guhörem 
Deutlich erfcheinen mußte. 

®raftif4e ©ebanfen. 

gohanne« ber Käufer al« ®rebiger be« ©bau* 
geltnm«. 

I. ©r War ju feine« ttmte berufen. ®. 8. 

3)a« göttliche fßrebigtamt jeießnet fich öor allen 
anbern öeben«beftimmungen baburdb au«, baß ©ott 
feine Unechte mit einem befonberen Stufe beruft. ®on 
©aulu« heißt e«: „tiefer ift mir ein au«erwäMte« 
Rüftjeug." 3 U ^efefiel fprad) ber §err: „geh gäbe 
bich jum feuchter über ba« £>au« g«rael« gefegt." 
Siehe ben Ruf Samuel’«, gefata’«, geremia’« u. 
m. gohanne« trat auf im ©eift unb ber Straft be« 
©Ha«, ©r erflärte: „geh bin nicht ©hriftu«, fonbem 
bor ihm hergefanbt." ,,©r ift ber, bon bem ber $ro* 
phetgefaia« gefagt hat unb gefprochen." $eute noch 
ift biefer flare Stuf jum ^rebigtamte abfolute ®ebin* 
gung für ba« 2lmt. tiefer Stuf ift ein flarer ©inbruef 
be« heiligen ©eifte« auf ba« £eri unb ©ewiffen eine« 
belehrten SRenfchen, baß er ba« ©bangelium prebigen 
muß. 

II. ©r tour felhftberlengnenb. ®. 4. 

SBelch’ eine außerorbentliche ©rfcheinung war go* 
hanne«! 9tüed an, um unb au« ihm jeugte bon fei* 


nem felbftberleugnenben ©eifte. ©ein Äuftreten in 
ber feüfte, feine rauhe ftleibung, feine fpärliche Rah* 
mng — 9We« war ein lebenbige« ®ilb Der ©elhftbcr* 
leugnung unb feeltentfagung, gerabe wie bei ©lia«, 
weßhalb ber Prophet aRateachi ben ©harafter be« 
Vorläufer« be« §erra im ®ilbe be« ©lia« anfebauenb, 
ihn ben ©lia« felbft nennt, gohanne« hat fich bon 
bem ©lanj unb ben ®cbürfniffen feiner Htit unb fei¬ 
ne« ®olfe« in hcroifAer feeltentfaguna frei gemacht, 
baher fonnte er ba« strafamt an ben Sbarifaern unb 
©abbucäem unb an ben gürften be« ®olf« mit ber 
großartigften greiheit berwalten. 

III. ©r toar ein ®olf«pretoiger. ®. 5. 

©chaarenweife ftrömte ba« ®olt au« Stabt unb 
Sanb in bie feufte, biefen wunberbaren SRann ju fe* 

J ien unb au hö^n. 3)ie ^h^föw «nb ©abbueäer 
ühlten fiep ö| >n ihm angejoaen. 3)a« ®olf im «ß* 

S ememen, bie 3 ö ßner, bie ©olbaten,—lurj au« aßen 
eben«ftänben unb©efeßfchaft«freifenfam bießRenge 
mit ber grage: SBa« foßen benn wir thun? ©r war 
ein 3Dtann feiner Reit; au« bem ®olf für ba« ®olf. 
©ott beruft unb befähigt ftet« feine Unechte jur be* 
fonberen Aufgabe ber geitoerhaltniffe, in ber fie fich 
befinben. gohanne« war ein brennenbe« unb leuch* 
tenbe« Sicht feinem ®olf unb feiner fteit 

IV. ©r War furdjtlo« tu feinem ©uftritt. ®. 7. 

©r hielt ben SRenfchen ihre ©ünben bor. ©mannte 
bie ©ünbe bei bem rechten Stamen. ®en 
bie bußfertig waren, prebigteer: „gorbert nicht mehr, 
benn gefegt ift/' b. h- „tm wßft m^t ftehlen." 3)en 
5trieg«leuten: „Xhut Stiemanb ©ewalt noch Unrecht, 
unb laßt euch begnügen an eurem ©olbe," 0 . h- Juß 
bich nicht gelüften." S)em ®olf überhaupt: „feer 
jwei SRöcfe hat, ber gebe bem, ber leinen hat; unb 
wer ©peife hat, thue auch °if°-" ® em Unberoeßer* 
liehen unb Scheinheiligen: „ghr Ottemgejüchte!" 
©r prebigte bon ®uße unb ®ergcbung, bom SBeijen 
unb Spreu, bom bropenben ©ericht unb bom ewigen 
geuer. ©r forberte feine bloße ®lätter, fonbem 
grüchte. ©r bemühte fich feine Auhörer ju überjeu* 
gen bon ber unumgänglichen Rothwenbigleit emer 
fich burch rechtfchaßene grüchte beweifenben Sinne«* 
änberung. 

V. ©r toar bemiithig nab attfprtuhdlo«. ®. 8. 

gebe ©hrenbejeuaung unb ©mt«au«jeichnung lehnte 
er entfehieben ab. ©I« ba« ®olf im fealjn war unb 
bachten ©ße in ihrem §erjen, ob er bießeicht ©hriftu« 
wäre unb ihn gerabeju fragte, ba befannte er unb 
leugnete nicht; unb er befannte: geh bin niAt ©hriftu«. 
Unb fie fragten ihn: 9Ba« benn? ®ift bu ©lia«? 
©r fpraep: geh bin e« nicht. ®ift bu ein Prophet? 
Unb er antwortete: Rein. 2Ba« bift bu benn? geh 
bin bie Stimme eine« Sßrebiger« in ber SBüfte; ich 
bin nicht ©hriftu«, fonbem Oor ihm hergefanbt. 

VI. ©r toar erfolgreich. 

©r erfüßte feine SRifßon, inbem er ©ott biente unb 
feinem feolf fich opferte. ©« ift bie munberbarfte 
feirfung ber göttlichen ©eifte«macht be« gohanne«, 
baß er ba« felbftgerechte unb fcheinbeilige gubenthum 
feiner 3ri* ber feaffertaufe jur ®uße unterwerfen 
fonnte. ©brpfoftomu« fagt: „©ieheft bu, wie mäch^ 
Hg bie ©rfcheinung be« Propheten wirfte? SBelchen 
Schwung er bem ganjen ®olf mittheilte? ®ie er fie 
jur ©rfenntniß ihrer ©ünben brachte? ©ie hörten 
bier nicht« bon ben gewöhnlichen Reben bon fhriegen, 
Schlachten unb irbifchen Siegen, bon Sßeft unb §un* 
| ger«noth, bon ®abploniem unb Verfem unb ber ©r* 


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Jonntagfd)ul=ffkti<mm. 


387 


oberung bcr ©tabt, — fonbern Dom öimmel unb bcm 
SReicp ©fotte« unb bcn pödifcpen ©trafen. Ungeacptet 
baper erft förmlich mit ^uba« uttb Spunba« Siele in 
bcr SBüfte umgefommen waren, ftrömte boep Äfle« gu 
ihm perau«; benn er rief fie niept gu Aufruhr unb 
Steuerungen, fonbern gum öimmefreicp. Sarunt 
befielt er fie auep niept bei fiep in ber SEBüffc, fon* 
bern, naepbem er fie getauft unb burep fetne Sie* 
bcn auf ben redeten SBeg gelettet patte, lieg er fie boit 


Änbcntungcn für IHaffen. 

SJtan fepilbere ^opanne« ben Käufer. — Sie3eit* 
üerpältniffe, unter welchen er auf trat:— Sie SSüfte 
guba. — Sie ©parifäer unb ©abbueäer. — SJtan er* 
Höre ben ftinbem bie ©ebeutung bon ©uße, ßim* 
melreicp, 3ufünftiger Qorn, 2lbrapam«tinber. Stan 
erläutere ba« ©ilb be« Srefcpen« al« 3fl!uftration be« 
jüngften ©eriept«. SJtan fann auep gopanne« al« 
eoangelifAen ©rebiger fepilbern naep bem Seitfaben 
ber praftijepen ©ebanfen. 




©onntag, 24.3ult. 2)tt XöUft ^tfu. 


Statt!). 3,13—17. 


13. flu ber Seit fam ftefud «ud ©aliläa an ben Sorban au 3o= 
banne, ba§ er ficb bon tbm taufen liege. 

14. Äber Johanne« »ebrete ihm, unb fhrach: bebarf moht, 

bag icg bon Dir getauft werbe; unb 3)u rommft au mir? 

Iß. 3efud aber antwortete, unb fbradj au ihm: ßaft ed iefet alfo 
fein; alfo gebühret ed und aue ©erechtigfeit au erfüuen. 15a lieg 
er e« ihm au. 


16. Unb ba ftefud getauft war, flieg er balb herauf aud bem 
ffiaffer; unb fiche, ba tbat ficb ber ftimmel auf über ihm. Unb 
ftohamted fah ben (Keift (Kotted, gleich als eine Xaube, herab fab- 
ren, unb über ihn Tominen. 

17. Unb flehe, eine Stimme bom ßimmel hewb fbrach: $ied 
ift metn lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen hübe. 


©ntnbgrbanfc : „Sie« ift mein lieber 
©opn, an welchem up SBoplgefallen habe.“ SJtattp. 
8, 17. 

(Sinlettnng. Siacp Sul. 8,28. ging gefu« in ba« 
breifiigfte 3apr, al« er gu gohamte«, bem 4äufer, am 

S oroan in ber SBüfte fam, fiep taufen gu laffen. Sa« 
erpältniß gmifepen gopanne« unb gefu« gleicht bem 
bon gwei m Heiner (Entfernung auf einanber folgen* 
ben unb äpnlicpe SBanblungen bureplaufenben ©e* 
ftimen. Sie Slntünbigung unb ©rfepeinung be« @i* 
nen folgt fofort auf bie ber ©rfepeinung be« Slnbern. 
©o war e« bei ber ©eburt Leiber, bei bem Antritt 
iprer &mt«tpätigteit unb gulefct bei iprem beiberjeiti* 
gen gewaltfamen ©nbe. Unb boA fommt in ihrem 
gangen Sauf blo« eine perfonlidbe Begegnung gmifepen 
©eioen öor, bie bei ber laufe gefu. gn btefem #u* 
genblicf burepfepreitet ba« eine ®eftim rafcp bie ©apn 
oe« anbern, bann trennen fie fiep, unb jebe« verfolgt 
wieber ben ipm borgefepriebenen SBeg. liefen 2lu* 
genblicf ber unmittelbaren ©erüprung fcpilbert unfere 
Seftion. 


©rflintng» 

©. 18. gnbemgefu« *u gopanne« fam, fiep taufen 
ju laffen, gab er fid^ mit ber Bewegung pin, weide in 
oiefem Äugenblicfe bad gange Soll gu feinem ©ott 
pii^og. §dtte er ed nicM getpan, fo patte er bie ge* 
metnfam oerpflicptenbe Serbinbung gelöft, in melcpe 
er burep feine SRenfcpwerbung mit ber Sttenfcppeit unb 
burep feine ©efepneibung mit 3^rael eingetreten ifl 
©. 14. 3opanne§ weprete ipm. Qn bie® 
fen SBorten Hegt, bag ;ftopanne$, ber tro^ feine« 
popen ©erufe« fiep boep bewußt war, nur ein fünb* 
pafter SRenfcp gu fein, ben, ber oor ipm ftanb, er* 
fannte al« ben eingjg ©ünbenreinen, ber feiner 
©ußtaufe bebürfe. ®aper gegiemte e« ipm, ber 
al« ber gottgefanbte Käufer ote auep oon ipm ge* 

J orberte ©inne«änberung noep niept patte in Der 
Caufe befiegeln fönnen, oor biefem ©ünbenreinen 
feine ©cicpte abgulegen unb bon ipm bie Xaufe gu 
erbitten. 55iefe ©rfenntniß bon Qefu wedte in ipm 
bie Uebergeugung, baß fein anberer al« biefer ©ünben* 
reine weroe oer bon ipm erwartete große Sfacpfolger 
fein, (©iepe ©. 11.) 3opanne« füllte fidp al« oer 
kleinere bem ©rößeren, al« ber ©ünber einen ©ün* 
benreinen gegenübergefteHt. $arum tonnte er, be* 
ftürgt über biefen großen ©egenfafc, niept einfepen, 
warum fi(p au^ 3efu« feiner Saufe untergiepen 
foOte. 


®. 15. Saß i e $ t alfo fein, ftefu« berlangte 
bon Spanne«, bö6 troß bcm großen ©egenfap gwi» 
fepen ipnen, berfelbe ipn boep gur Saufe gulaffen folle, 
weil e« fiep für fie beioe gegieme, bem SBillen ©otte« 
fiep unbebtngt gu unterwerfen. |>ier wirb angebeu* 
tet, baß Qefu« mit bem flaren ©ewußtfein feiner 
SReffianität gur Saufe fam; benn bie Slufforberung, 
für jefct eine $)anblung gugulaffen, melcpe eine Unter* 
orbnung unter Spanne« au«gubrücfen fAien, fepließt 
notpwenbig ben ©lief in fiA auf eine gutunft, wo 
feine wapre SBürbefteUung über tpn gum 2lu«brucfe 
fomrnen werbe, gür jept aber galt e«, „alle ©ereep* 
tigfeit gu erfüllen," b. p. alle« ben SBiHen ©otte« ©nt* 
fpreepenbe gu tpun, auA wo berfelbe, menfcplicp an* 
gef eben, f cp wer begreifliep erf epeint. Senn ber burep 
ben hoppelen bertünbigte ©otte« SBitle berlangte in 
ber ©egenwart, baß gang 3«rael burep gopanne« ge* 
tauft werbe. mußte 3efu« fiep unterwerfen, 

weil er auep ein ©opn 3«raei« mar, unb ipm mußte 
3[opanne« fiep unterwerfen, auep wenn er niept opne 
©ruitb in oiefem eingigartigen gall fiep weigern gu 
bürfen glaubte. 

®. 16. Spat fiep ber ^immel auf, ift fo 
gu berftepen, wie Styftg. 7, 55., b. p. al« ein ©ieptbar* 
werben oer £>errlicpfeit be« §erm. ©leiep al« 
eine Saube. Suta« fagt: „Ser peilige ©ctftfupr 
pemieber in leiblieper ©eftalt auf ipn, wie eine 
Saube." ©« war alfo feine mirfiiepe Saube, melcpe 
au« bem geöffneten ©immel perabflog unb fiep auf 
Qefum nieoeriteß, fonoern ba« fierabjteigen be« ©ei* 
fte« wirb mit bem öerabfepweben einer Saube ber* 
gliepen, um angubeuten, baß berfelbe niAt blibartig 
auf ipn perabgutfte ober ipn fturmartig ergriff, wie 
bie $u>bpeten be« alten ©unbe«, bie barum nur mo* 
mentaner gfnfbiration gemürbigt mürben, fonbern fiep 
fanft auf ipn perabfentte, um bauernb über ipn gu 
weilen. 


®. 17. © i n e © t i m m e. Sfiept« ift fo ein unmittel* 
barer 2lu«fluß be« perfönliepen Seben« al« ba« äBort, 
bie ©timme. §ier ertönt bie ©timme ©otte« felbft 
gualeicp in bem 0pr unb in bem §ergen 3efu, unb 
fepließt ipm auf, wa« er für ©ott ift — ba«geliebte 
SBefen, geliebt, wie ein einziger ©opn Dom Sater — 
unb wa« er für bie SBelt feu 1 foll, ba« Organ ber 
göttlichen Siebe gegen bie Sttenfcpen. §ier erfolgt 
mit ber Offenbarung be« heiligen ©eifte« auep bie 
Offenbarung be« ©ater« unb be« ©opne«. Ser erfte 
©epimmer ber beftimmt peroortretenben Sreieinig* 


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388 


$onntagrd)ul=ftbtionrn. 


feit, melier bei ber Saufe ftefu f)erDorbricbt, entfal* 
tet fid) in ber ©tnjeftung ber ^eiligen Saufe SJtattl). 
28,19. aum Dollen ©lan$e; im tarnen beS ©aterS, 
beS ©ofjneS unb beS ^eiligen ©eifteS. 

$raftif$e ©ebanfen. 

Sie Saufe 3cfn. 

I. Sic ©affcrtanfc. 

Um bie©ebeutung ber ©taffertaufe richtig auffaffen 
au fönnen, ift eS nothmenbig, baß mir Die ©ußtaufe 
burd) 3?ol)anneS in’S Äuge faßen. 

3rür oaS fünbtjafte ©oll mar bie ©ußtaufe ber Ab* 
fällig feines bisherigen ©ünbenlebenS, ber beginn 
eines neuen fünbenretnen unb bamit bie ©efiegeuwg 
Döüiger ©inneSänberung. gür^efuS konnte baS ge* 
miß nicht fein. Aber auch ifjnt Derfiegelte bie Saufe 
im gorban ben Abfcßluß feines bisherigen gebenS 
unb ben beginn einer Döuig neuen, freilich mar 
fein bisheriges geben, baS gleidjfam in ben glutßen 
beS gorban begraben mürbe, fein füitbigeS, aber eS 
mar ein feinem natürlich menfcßlicpen Berufe unb 
feiner perfönlicßen AuSbilbung gemibmeteS. SaS 
neue geben aber y au bem er auf tauchte, mar nicht burd) 
feine ©ünbenreimjeit Don feinem früheren unterfdjie* 
ben, fonbem nur baburch, baß er fortan ganj feinem 
bödjften göttlichen Berufe gemeiht mar. Qn biefem 
©inne fat) SfefuS in bem befehle ©otteS, ber aud) ihn 
i*ur Saufe rief, eben bem lange erroarteten SBinf fei¬ 
nes ®aterS, baß eS geit fei, nunmehr feine StteffiaS- 
laufbahn $u beginnen. 

II. Sie ©eiftestanfe. 

gür gefum berbanb fich mit ber SSaffertaufe au* 
gleich bie ©eifteStaufe. SaS mar ja nad) 3oh-1, 33 
oaS 3eichen, baS bem Säufer Derljeißen mar unb 
beffen ©rfüHung er bezeugt, menn erfpridjt: „Qd) 
fai)e, baß ber ©eift tjerabfuljr, mie eine Glaube unb 
blieb auf ihm." 

Obmoijl QefuS in einem ununterbrochenem Um* 
gange mit feinem $ater ftanb unb fein ganzes geben 
oor unb nach feiner Saufe ein ©mpfangen beS heil \* 
gen ©cifteS gemefen ift, bürfen mir bod) nicht Der* 
gcffen, baß fein ganzes geben fid) in einem (Sntmitf* 
lungSganae befanb. MerbingS hatte fich QefuS aud) 
fchon bor feiner Saufe als ben ©obn ©otteS unb als 
ben SReffiaS erfannt. ©ei ber Saufe aber mürbe ihm 
jurn erften Sftal auch ein finnlich mahmehmbareS $ei* 
d)en uub Unterpfanb $ur ©efiegelung feiner SKcffiani* 
tät öon ©ott gegeben. 

AIS mabrhaftiger Sttenfd) mar 3efu gauf in biefer 
Atalt ein ©laubenSlauf unbbeburfte er folcpc ©eftdti- 


a oom ©ater tm $immel, mic fie ihm bei ber Saufe 
en mürbe. S)iefe Auffaffung mirb burch ben 
Soangeliften gufaS bestätigt, melcher berichtet, baß 
QefuS mährenb ber Saufpanblung betete, ©omit 
mar bie ©eifteSmittheilung grucfjt feines ©ebeteS $u 
©ott. ©on nun an foU er unter ber beftänbigen 
©inmirfung beS ©eifteS fteljen, bie ihn befähigt $u re* 
ben unb au thun, maS er m feinem SJteffiaSberuf au 
reben uuo au thun hat. S)arum mar fein ganzes ge* 
ben ein ©eoetSIeben. $n *> er Apoftelgefcßtcßte mirb 
biefer ©eifteSfalbung Qefu folgenbermaßen gebacht: 
,,©ie haben fich oerfamnielt über bein IjeiliaeS £inb 
3efum,melchen bu gefalbet I)aft"(4,27),unb ,,2Bie©ott 
bcnfelbengefum Don WaAaretl) gefalbet hat mit bem f)ei= 
ligen ©eift unb Itraft; oer umhergejogen ift unb hat 
mohlgethan unb gefunb gemacht Aue, bie Dom Seufel 
übermältigt maren, benn ©ott mar mit ihm" (10, 38). 
Somit ftimrnt, baß mir überall in feinem amtlichen 
Söirfen einem einzigartigen franbeln begegnen, mel* 
cheS mir nur burch ben ©eift ©otteS, unter beffen 
ftetigen ©inflüffen er Don ber Saufe an ftanb. Der* 
mittelt beulen tönnen. Sarum ift Don einem <ßlan* 
machen Qeju, Don einem ©Amanten unb JJmeifeln, 
Don einem ©udjen nach ben Mitteln unb 28egen *ur 
Ausrichtung feines SBerfeS nirgenbS bie Siebe. SBie 
ber ©eift eS ift, ber ihn nach ber Saufe in bie SBüftc 
treibt, fo ift er eS überall, ber feine ©3ege lenft, feine 
©ntfchlüffe beftimmt. ©r fann nicht hanbeln, menn 
feine ©tunbe noch nicht gefommen — $oh. 2. 4; — 
aber er meiß, menn fie ba ift. ©r ift fich in iebcm 
Augenblitf beS göttlichen SBillenS flar bemußt, ber 
höheren Slothmenbigleit, bie ihn auf ©djritt unb 
Sritt leitet; unb ber ©eift, ber ihn ju feiner ©erufs* 
erfüDung auSrüftet, ift eS, ber ihm biefe ©emißheit 
gibt. 

Änbentu^gcn für Waffen. 

©. 13. Qefu ©ehorfam unter baS ©efejj. ©ein 
meiter 2Beg jur Sfaufe. ©ein ©elenntniß in ber 
Saufe. ©. 14. gefu Semuth unb Untermürfigleit 
unter ^ohaitniS. Johannes fcprecft ^urüd Dor $efuS, 
ben er taufen foU. ©. 15. ©eibe, 3efuS unb ^oh^nneS, 
übten unbebingten ©ehorfam. ©. 16. ©inb unfere 
^erjen empfänglich für ben heiligen ©eift? gaßt 
unS, mie ©hriffuS, um biefe ©abe l)er$li<h bitten. 
©. 17. ©otteS SBohlgefaHen ruht auf feinen Äinbern, 
bie feinen SBitlen tpun unb alle ©eredjtigfeit erfüllen. 

©iblifcbe ©ilber beS heiligen ©eifteS. 
SBaffer, 28inb, geuer, Siegen, Shau, Oehl, Stimme, 
©iegel, Saubc. Ser gehrer fchilbere biefe ©egenftänbe 
unb jeige, in meldjen ©tücfen fie bie ©igenfchaften 
unb SBirfungen beS heiligen ©eifteS oerfinnbilbiichcn. 




©onntag, 31. guH. 


2)ie Setfu^ung 3lcfu 


1 . toarb SefuS Dom ©eifle in bie ©üfte geführt, auf ba§ er 
bou bem Xeufel »erfuchet toürbe. 

2 . Unb ba er üierjig Jage unb bierjig ^ö^te gefaftet hatte, 
hungerte ihn. 

3 . Unb ber ®erfucher hrat au ihm, unb fbrach: ©ift bu ©otteS 
Sohn, fo fprid), ba& biefe Steine ©rob werben. 

4 . Unb er antwortete, unb fbrach: ftehet gefdjrieben: Xer 

Weufch lebet nidjt bom ©rob allein; fonbem bon einem jeglichen 
SBorte, bad burch ben 9 Runb ©otte« gehet. 

5 . ®a führete ihn ber leufel mit fich in bie heilige Stabt, unb 
fteUete ihn auf bie ßüme be$ XempelS, 

6 . Unb fprach au ihm: ©ift bu ©otteä Sohn, fo \a% bidj hinab; 
benn e« ftehet gefchrieben; ®r Wirb feinen Engeln über btr ©c 


SKatth. 4, 1—11. 

fehl thun, unb fie Werben bich auf ben §äuben tragen, auf bafe 
bu beinen ^fufi nicht an einen Stein ftofcefl. 

7 . $a fprach O'efu# au ihm: ÄBieberum ftehet auch gefchrieben: 
Xu foUft ©ott, beinen ^etm nicht berfucheu. 

8 . ffiieberum führete ihn ber Xeufel mit Reh auf einen fehr ho^ 
ben ©erg, unb zeigte ihm alle Gleiche ber ©eit unb ihre ßerr- 
lichreit; 

9 . Uitb fprach a« ihm: Xie$ alle« Wifl ich bir geben, fo bu nie* 
berfäüft, unb mich anbeteft. 

10 . Xa fprach ^efu«a« ihm: ßebe bich t»ea oon mir Satan; 
benn e« ftehet gefchrieben: Xu foüft anbeteu, ©ott, beinen $erm, 
unb ihm allein bienen. 

11 . Xa oerliefe ihn ber Xeufel; unb ftelje, .ba traten bie Cfrtgel 
au ihm, unb bieneten ihm. 


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JonntagfdjuUfehtumen. 


389 


fKMifger ©rnnbgcbönfc : „Xenn Botinnen er ge« 
litten pat unb öerfucpt ift, fann er Reifen benen, Sie 
öerfucpt merben." ©6r. 2,18. 

©inlettiutg. Xie ©efcpicpte hon bcr Verfucpung 
Qefu htüpft fiep unmittelbar an bie ton ber Xaufe 
an. SBährenb anbere ©etaufte nach ber $anblung 
in ihre SBopnungen zurücffeprten, begibt fiep QefuS in 
bie feüfte unb zmar nicpt aus eigenem Antrieb; er 
wirb tont ©eifte bapin geführt. SNartuS foaar 
berietet: @r mürbe tom ©eifte getrieben. Opne 
3meifel toürbe bie menfcpiidje SBtflenSregung ftefu ge« 
mefen fein, nach ©aliläa zurucfzufepren, unb jofort mit 
bcm fielen anzufangen. Aber ber ©eijt, ben er bei ber 
Xaufe empfing, pielt ihn zurüd unb führte itjn in bie 
SBüfte, — um berfucpt zu merben. 

Xiie Verfucpung mar notpmenbig, meil jebeS freie, 
temünftigi unb mit mancherlei ©oben ton ©ott ge« 
fcpaffene XBefen eine Prüfung zu beftehen pat, in 
melier eS fich entfcpeiben muß, ob eS feine Strafte 
nach eigener SBiflfüpr termenben ober ben ©ebraucp 
berjelben ganj unb gar bem SBiflen ©otteS anheim« 
fteflen miß. xieS mar ber fjafl mit bem ©ngei, mit 
Abam unb ©ha im fßarabieS, unb 3efuS, als magrer 
ßRenfcp, befanb fiep unter bemfelben ©efefc unb fonnte 
einer Prüfung nicht enthoben merben. 

Von biefem ©eficptSpuntte auS betrachtet, ift bie 
Verfucpung 3fefu nicht als ©lei^niß, Xraum, Vifion, 
ober Äomöbie, fonbern als ein tpatfäetlicher 
Vorgang £U betrachten, melcher aufs ©ngfte mit fei« 
nem mefftanifepen Saufe zufammenpängt. 

©rflärttstg. 

V. 1—4. Xie ©etJteSmitipeilung bei ber 
Xaufe gefepap z u bem oeftimmten 3toed, $efum m 
feiner AmtSbermaltung au führen nach bem SBiflen 
feines Katers im §immel. 

Xie SB ü fte mirb nicht näher bezeichnet, man benft 
aber gemöhnlich an bie fogenannte SBüfte Jfuba, eine 
felflge ©egenb tm öftlicpen Xpeile öon ftubäa, bie fich 
bis gegen baS tobte SNeer hin erftredt, eine fepauer« 
liehe ©inöbe. 

Xie tollftänbige ©ntpaltung $ e f u öon atler ^ap« 
rungmäprenb fernes tierzigtägigen Aufenthaltes tn 
ber SBüfte ift VerneiS feines anbäajtigen NadjbenfenS, 
in melcheS er fo fehjr terfunfen mar, baß er ben Sta« 
chel beS Jüngers nicht empfunben hatte. Nach SufaS 
mar 3efuS mährenb biefer ganzen 3eit ton ununter« 
brochenen Anlaufen beS getnbeS terfolgt, b. p. feine 
innere Arbeit beS ©eifteS mürbe burep frembartige, 
ben heiligen ©ebanten, mit benen er befepöftigt mar, 
entgegen gefegten ©inflüfterungen gehemmt. 

Xer junger mar natürliche Jftolge feines langen 
gfaftenS. XaS Vebürfniß ber Nahrung machte fiep 
mieber bei ihm geltenb, benn ber erfepöpfte Störper 
fühlte fich ganz ohnmächtig. 3n einer folcpen großen 
Scpmacppett mag JfefuS ftch befunben hoben, baß ber 
Xeufel etnen günfttgen Augenblicf zu hoben glaubte, 
ben entfepeibenben Anlauf zu madben. 

Obgleich ber AuSbrud: ber Verfucper trat 
Zju ipm ben ©ebanten einer leiblichen, fieptbaren 
©rfepeinung in fich ä u fc^ließcn fcheint, geht boch aus 
bem ganzen 3ufammenhang, mie auch aus ber ©r^äh s 
lung oeS ©t. SufaS hertor, baß bie Auffaffung etneS 
inneren Vorgangs bei ber Verfucpung ben Vorzug 
terbient. 3 u & em toeber in ber ©emalt 0a« 

tanS, noch mirb irgenbmo in ber Vibel ein goß be« 
richtet, mo fich ber Satan fichtbar gemacht höbe. 

3n ber erften ^erfuchung forbert ber Xeufel ben 
§erm auf, in feiner $erjon als Sohn ©otteS zu hon* 
beim Xa bu, nach ber Stimme tom Fimmel bei bei« 


ner Xaufe ; ber Sohn ©otteS zu fein fcheinft, ift boch 
nicht nöthtg, baß bu hier in ber SBüfte länger hungerft! 
Siefere ben 33emeiS beiner ©otteSfohneSfchaft, inbem 
bu zu biefen Steinen fpricMt, baß fie fich augenblicf« 
lieh m ^3rob termanbcln! Sobalb aber biefe ©inflü« 
fterung ftattfanb, erfannte fie ber $err unb mieS 
fie mit bem Schriftmort entfehieben ab, in meinem 
bie Sepre enthalten ift, baß baS menfcßlfche Seben nicht 
aßein auf Nahrungsmitteln beruht, nach benen baS 
natürliche 33ebürfniß terlangt, fonbern auf Aßem, 
maS ©ott ben ßftenfehen thun heißt. 

B—7. JJn ber zmeiten SSerfuchung honbelt eS 
ich um baS Söerf ber ©rlöfung, baS QcfuS in Aus« 
ührung bringen foß. SBähreno er fich nun mit bie« 
em ©ebanfen befchäftigte, flüfterte ber Xeufel ihm 
ein; mie, menn bu bei einer feolfStcrfammlung in 
3[erufalem bich ton ber 3'une beS XempelS herab« 
laßen mürbeft? ^ebermann mürbe bann glauben, 
baß bu tom £immel gefommen bift. 3 U Schaben 
fönnteft bu bet einem folgen Sprunge niept fommen; 
benn eS fteht ia gefchrieben: ©r mirbfeiu e u ©ngeln 2 C. 
SBie fein gefponnen unb fcplau auSgebacht! 3 c fu g 
aber meift biefe S5erfuchung entfehieoen ab. „Xu 
foßft ©ott, beinen §ernt, nicht terfuchen," b. b- ^u 
foßft nicht burch toßfühneS SBagen ben göttlichen 
Sßunberfiup eigenliebig h^ouSforbern. Auch ben 
SNeffiaS fepüpt auf felbftermählten SBegen bie göttliche 
Verheißung fo menig, mie ihm zu jelbftermähltem 
Xhun bie göttliche SBunberhülfe zu ©ebote fteht. 

V. 8—11. 3 n ber brüten Verfucpung ponbelt eS 
fiep um baS Vertjältniß $efu feinem Vater. Satan 
mirft auf 3*iu VorfteßungStermögen ein ünb zeigt 
ipm in einer Vifion alle Neicpe ber SBelt.— 
SufaS fügt pinzu: , r in einem Augenblicfe," unb ter« 
fpraep tpm ben Vefi^, faßS er tor ipm nieberfäflt in 
eprerbietiger Anerfennung. fiier maßt fiep ber Xeu« 
fei an SBeltbefiper zu fein. AIS 9Jknfq> gepörte gefuS 
Demnach in baS bem Satan übergebene ©ebiet. mel* 
Aer bei förmlicher Anerfennung, ©priftuS als feinen 
Nachfolger berufen moflte. ®ie liftig etfonnen! 
Aber 3c|uS erfennt ben Satan opne Schmierigteü in 
biefem 5oß unb gebietet ipm ipn au terlaffen. 3efuS 
fonnte unb moflte niept auf bem SBege ber Unterorb« 
nung unter ben Vierfacher ©otteS zur irbifepen 
Nfaqt gelangen, ©r berAicptete auf afle äußeren, po* 
litifcpen Nfaqtmittel, er brach mit ber NIeffiaSibee in 
ber unter bem Volt eingebürgerten gorm irbifeper 
SNacpt. Xarum feine ©rtlärung: „§ebe biep meg 
Satan." 

Satan jeboep oerließ ben ^)erm na cp SufaS nur 
eine Reitlang; fein fpätereS Seben mar bofl ber emfte« 
ften Verfügungen. Xie ©ngel bienten ipm. ©r 
hatte nöthig, in eigener SBiflfüpr für fiep felber zu 
forgen. ©ott füprte unb oerforgte ipn zur reepten 

Vrafttfcpe ©ebanfen. 

Xie Verfmpnng 3efn. 

3n feiner Xaufe mürbe 3 e fu^ olS ber SReffiaS ge« 
m e i p t. (Siepe üorige Scftion.) .Jn ber VerfuAuung 
beftanb er bie Vrobe für feine $erfon unb Amts« 
fteflung. Qefu feeg füprte öon ber ^)öpe ber göttli« 
epen Anerfennung in bie Xiefe ber fepmerften Stampfe 
unb Anfeinbungen. Vom Verge ber Verflärung 
mußte er in baSXpal ber Seiben unb 3äpren binabftei« 
gen. Auch für unS gept ber V3cg zum VorabieS 
burcpS finftere Xpal unb über ©olgatpa. 

©priftuS ift uns in Aßem gleich gemorben * er mürbe 
üerfuept, oon außen per, opne baß er eine ©rfaprung 
im Sünbigen machte. Nun fann er aber auch helfen, 


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390 


frauenfeitung. 


benen, Me berfucßt werben. (Siehe biblifcßer ©runb* 
gebante.) 

I. 3cfu Stellung jur menfißlidjfn Utotß. 

$er Teufel will beit öerrn nicht bloS jum Zweifel 
an feiner ©otteSfohneSfcßaftawingen; er will ißnöucß 
bewegen fein ©cbicffal tn feine eigene §anb au neß* 
men unb gegen ©otteS Dränung steine in Brob *u 
berwanbeln berfudßen. ©otteS ©oßn barf mcßt lei* 
ben, nußt bebrängt fein unb jungem; er muß tn fei* 
ner SUlmacßt fi<ß Reifen fönnen unb felbftftänbig fein, 
©o »iß ber ©atan auch in uns S^eifel an (Sottet 
SBort erregen unb uns anleiten, bem Seiben ju ent* 
rinnen burd) eigenmächtige ©elbftßülfe. 9lber wie 
ber fterr, fojiegen auch wir burch unfere Berufung 
auf ®otteö 28ort unb feine Mrnatjt, ben eS nur ein 
2Bort foftet, ben Btenfcßen nach Seth unb Seele J u ers 
halten, fiier lernen wir, wie unbebingtcS Vertrauen 
auf ©ott Die zeitliche SRotß befiegt unb julefct ©ngelS* 
bienft ^um Sohne hat. $er Ußenfcß lebt ja nicht bom 
Brobc allein: wer baher antSJhmbe ©otteS hangt im 
©tauben, beffen Bhino wirb nicht barben. 

II. Sefu Stellung jur weltlichen ©hre. 

$)er Teufel will, baß gefuS burch dn Äuffcben er* 
regenbeS ©cßauwunber baS öer-* unb ben Beifall 
beS ganzen tSraelitifcßen SBolfeö fich mit einem 
©cßlage fichern fott. ©r weiß ©otteS SBort aus* 
jubeuten unb $u berbrehen, um feinen 3 wecf au er* 
reichen. gefuS aber !ennt auch ©otteö 9Bort unb 
weiß, baß fern 28eg gum Xßron ber föerrlicßfeit ber 

» nere unb fchwerere 2 Beg ber ©elbftberleugnung 
euaeSaufnaßmc unb beS tiefften SeibenS ift. 
Bur nach treuer Arbeit unb heißem Gingen barf er 
ben ©ieg erwarten. $aS ift genau unfer 2$eg. Um 
5 U BuSaeicßnung unb ©ßren 51 t tommen, muß man 
jubor leiben, ©8 ift gut für ben 9Benfcßen f baß er 
tn feiner Qugenb baS Streue trage. Unfer ©teg hegt, 
wie bei fjefu, in ber Berufung auf ©otteS SBort, trofc 
ber wiflführlicßen Bnwenoung beffeiben bon ©eiten 


beS ©atanS, ber ftetS baffelbe ju berbrehen fucht, um 
feinen Qwerf ^u erreichen. 

III. 3efn Stellung $uut trbifdjcn 8efi$. 

©atan fbiegelt bem £>errn ben irbifchen Beftfc in 
feiner ßöcßftengülle—bie gan$e SBelt—unb glänjcnb* 
ften Fracht—ihre Herrlichkeit—bor unb will ihn über* 
jeugen burch etne großartige Beweisführung, baß er 
baS 2We8 burch ein einziges SBort fia> aueignen tarnt. 

Slber gefuS wußte wobt, baß er nicht auf b i e f c m 
SBege baS Öieich ©otteS bauen werbe, unb baß fein 
Beicß nicht bon biefer SBelt fei, baß er als Äönig im 
Reiche ber SBahrheit auftreten werbe. 3 u *> cin weift 
3efuS auf bie Xhatfacße ** nur c ' ncn Wah* 

ren, lebenbigen ©ott gibt, bem allein Anbetung ge* 
bührt. $)amit erreicht bie Berfucßung ißre ©ptfce 
unb ber ©atan tritt unberrießteter ©ocße ab. ©hrtftuS 
hat ben geinb gefcßlagen; er muß baS gelb raumen 
unb bie ©ngel fittb ihm bienftbereit. 

ttubeutungen fit Waffen. 

©eßübere beiner Waffe ben©ontraft jwifeßen SefuS 
am Qorban unb ftefuS in ber SBüfte* bort jeießnet er 
fieß aus, wirb bom ßintmel ßer bestätigt, wirb mit 
Breis unb ©ß rc getronet • bier ift er unter wilben 
tßieren tn f^auerlicßer ©inobe bom ©atan berfueßt 
unb in leiblicher Botß. BJie oft wecßfelt greube mtt 
fieib in biefem Seben. 

3eige wie w a cß f a m 3efuS war über feinen geinb, 
wie rafcß in ber ©ntbeefung ber Berfucßung, wie 
bertrauenS boll in feiner Botß, wie treu unb 
gewiffenßaft in ber Slnwenbung beS SBortcS 
©otteS. ©inb wir ißm barin flleiA? 

3ieße ben Beraleicß jwifeßen oer Berfucßung Äbam’S 
unb ©ba’S unb 3efu8, ober jwifeßen 3efuS unb uttS, 
nach 1 3 oß- 2,16. $)ie bret öauhtformen aller ©ün* 
ben befteht in gieifdbeSluft^ 31ugenluft, hoffartßigem 
SBefen, ober ©innlicßteit, ©elbftfucßt unb ^oebmutt). 

911S 2lnwenbung beS ©an 5 en: Äetnen Äampf, teine 
^rone. 


- ^ ' * * SC838 « ^ - 

^frauenjeifung. 


SBirf in ben Brunnen, wo bu tranteft. teinen ©tein, 
©ag’ UebleS bem nicht nach, bei bem ou teßrteft ein. 

^aS ^or’le über ben Sonntag. Um bie ©eg* 
nungen aufjujäßlen, bie ber ©onntag für baS wahre 
SHnb ©otteS ßat, unb bie ©efüßle ju befeßreiben, oie 
fein^nnerfteSburchweben bei bem SBort, ©abbatßtag, 
um biefeS ju befeßreiben, müßte man bie geber tn 
baS Bteer ber ewigen Siebe ©otteS tauchen, benn ber 
©abbatß ift eins oer größten Segnungen, bie ©ott 
bem SJtenfcßen gab. 

®S ift bie Station, wo wir wöchentlich anßalten, 
um unfern inwenbigen SWenfcßen $u ipeifen; eS ift bie 
Dafe in ber SBüfte, wo wir uns mit bem SebenS* 
waffer erquiefen; eS ift bie töußebanf an ber ftaubigen 
Straße, bei bem SBegweifer, wo wir uns auSntßen, 
unb naeß Oben bliefen. 

S®o ift ber ©ßrift, ber fieß feinen ©abbatß rauben 
ließ? Unb boeß gefeßießt bieS in unfern großen 
©täbten bon Qaßr ju 3aßr immer meßr. ^aupt* 
fäcßlicß tritt bie jeftige ©aDbatßentßeiligung mitißrem 
ganzen ©reuel in ben Sommermonaten bor baS 3ln* 


gefießt. ©cßon am ©onntag beS 3RorgenS geßt es 
mit HJhtfif unb Bier hinaus jur Suftbarfeif. W \e 
blutet einem baS f>er$ bei folcßem Grethen. 

Unfere einft fo {title ©taot, wie wirb eS jebeS ^aßr 
fcßlimmer in berfelben. ?lnftatt ©abbatßftiüe, baS 
©eräufcß ber ©ünbe. 

SBaS ift feßöner unb erhabener in einer Stabt, als 
ein ruhiger unb ftiKer ©onntag. g* erinnere mieß 
eines folcßen ©onntagS — unb wollte ©ott unfere 
©tabt hätte lauter folcße Sonntage. — Bor ungefähr 
fecßS Qaßren ßatte eine unferer Äircßen ißre große 
©onfereiu hier. ©S war im Sflai. 9lm Sonntag 
waten aue wandeln mit ben ^rebigem ber ©onfereiy 
befeßt. ®en SBinter ^ubor ging eine mächtige reli* 
giöfe Bewegung burch' beinahe alle Sfircßen, unb ich 
werbe ben herrlichen nnblicf nie bergeffen, ben biefer 
feßöne Btaifonntag bot. 5luf allen «Segen $u ben 
oerfeßiebenen ^ireßen wimmelte eS mit anbäeßtiaen 
Kirchengängern. ©S gab feine leeren Sifce an biefem 
Xage. 

©S ift feßr ^u bebauern, baß gerabe unfer beutfcßeS 
Bolf, fteß fo berSonntagSentßetligung fcßulbig maeßt, 


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fraiieiifettung, 


391 


ein Soll, baä be3 ©dfäferS ©ountagälieb ttidjt nur 
im Siebe pat, jonbent Siele oon iljnen tarnen au§ 
iljrer 3ugenb etnen folgen $ag be3 §errn. 

©er ba3 ©lüd Ijatte in 5)eutfdblanb je auf einem 
Serg p fteben, an einem gellen lieblichen ©onntag* 
morgen, unb in ben Xljälern bie Meinen Xörfcben unb 
©täote fah, toäprenb ba3 ©loctatgeläute p itjm ent* 
porbrang—wer fann bieS je oergeffen! ©enn er bann 
bie Kirchengänger, ftiü unb anbäegtig, burch ba3 too* 
genbe fjelb oaptn manbeln fap — ben Sater oorauS 
mit bem 3)retmafter auf bem öaupt unb bem Knotern 
ftoef in ber fianb, — bie 2Jlutter befcheiben nacßlont* 
menb, mit bem aroßen ©efangbucfj im 2lrot unb 
bie Kinber fröljlia} folgenb. 

Siele oon ben Kinbem biefer ©Item, tooüen in biejem 
Sanbe burcßauS gar nichts bon einem ©onntag toitfen. 
Sieber @ott erbarme bich über unfer beutfcpeS Soll. 

Unb hilf un« als ©haften un3 p befleißen, mit 
©ort unb ©anbei p betoeijen, toeß ©imteS mir finb. 

Saßt und in unfern fjamilien, ben Xag fettig pal* 
ten im mähren ©inn bed ©orted. Um btefed p tpun, 
ift ed notptoenbig, baß mir am Anfang ber ©oepe und 
befleißen, unfere Ärbeitju thun, unb nicht fo Diel auf 
bie lepten $age in ber ©oege auffeßieben. ©ir laffen 
und in biefem Sanbe fo Diel rauben, mad mir ald pei* 
liged Erbgut unferer ©Uern aufbemahren füllten. 

©ine$ biefer geraubten ©üterift bie $ämmerftunbe. 
©er oon und erinnert fiep biefer $ämmerftunben im 
elterlichen §aufe, mo manfo traulich beifammen faß, 
unb ber Sater ober bie SJcutter und ©efdncpten er* 
jählte! ftn biefem Sanbe pat man feine Rett baju. 
Unb am ©amftag—toie mürbe am ©amftag Sftacßmit* 
tag bie ©oeßenarbeit auf bie ©eite gefefet, bad ©pinn* 
rao unb anbered, unb mte fing bie ©aboatßftitte feßon 
an fiep fühlbar p machen! 

®iefed gertigfein unb biefed föupigtoerben am 
©onnabenb ift eigentlich unumgänglich notpig, tooüen 
mir ben mähren <$enuß oom ©onntage erhalten. (Sd 
füllte beßhalb eine jebe §audmutter barauf fehen, 
Daß man ed im §aufe fühlen lann, ber ©onntag be* 
ginnt, unb bie Kinber anleiten, feine Arbeit, bie am 
©amftag gethan merben fann, auf ben ©onntag p 
Oerfcßieoen. 

©ir müffen alled ©ute, mad mir unfern Kinbern 
beibringen moüen. ihnen oorleben. 4)ad ©eifpiel 
mirtt oiel beffer mte bad Diele Üfeben. ©ie oft hört 
man eine arme SJhitter Hagen, baß ber ©onntag ber 
pärtejte ü£ag für fie ift unb baß fie nie fo mübe mirb. 
&ad brauch? nicht alfo p fein, faüd eine jebe SJlutter 
ed fich sur Aufgabe macht, aüed mad nur immer ntög* 
lieh, am ©amftag p thun, unb ed oon ihren Kinbem 
ebenfaüd oerlangt. 

5)ad ©eifpiel ber cßriftlicpen gamilie ift oon großer 
©icßtigleit. ©ir muffen unferer Umgebung mit un* 
ferem ©anbei prebigen. ©ad ift erhabener ald eine 


Jamilie, pauptfäcplicß ant Sage 
Proß unb Klein, anbächtig pm 


i romme, 1 
1 ed öerrn, menn all 

t aufe ©otted tooüen. ©ine foldje fjamilie ift jeben 
onntag eine ftiüe Srebigt für bie 9lacßbarfcßaft. 
*u<ß foüte bad oiele Kochen am ©onntag burep* 
aud nicht fein, ber §auptfacße nach foüte rnüed am 
©amftag gelocht merben, unb bann ift bad 92öt^ige 
am ©onntag balb gethan. Such aüed u n n ö t h t g e 
Sefucpen foute nießt ftattfinben. Saßt und bie Reit, 
in melcper mir nicht im §aufe ©otted finb, unfern 
Kinbem mibmen, unb oor aüem barnaep fehen, mo 
unfere Kinber am ©onntag finb. ©ie mancßeS hat 
fich f$° n auf fünblicpe oerlaufen, ©d ift un- 
{ere «ufgabe unfere Äugen offen ju haben unb mit 
aller SJeaeßt, bie und *u ©ebote fteßt, gegen biefed 
Uebel unferer 3eit p lampfen. 


©tlirpe nüßltipf ttntueifungen. 1 . Serfäume ja 
SRiemanb p biefer Reit ©ebraueß p machen oon ben 
jungen ©emüfen. äftan hört oft^baß Manche glauben, 
©emüfe mären nicht gefunb im ©ommer. ©emüfe finb 
immer gefunb. Sftan muß nur bap fehen, baß man 
fie fo frifch ald möglich oefommt unb fie bann im 
©aljmaffer meich focht. 3)ann macht man eine ange* 
nehme äftilchfauce unb läßt bad ©emüfe in berfelben 
ein menig lochen, ©emüfe auf biefe ©eife gelocht, 
fchaben $iemanb. 

2. ©in guted ©etränf für ©rfältung ober gieber= 
Ironie. 3Jcan nimmt eine §anb ooü Scelanb ÜJtoß, 
nachbem ed etliche Sflal gemafchen, gießt man 2Guart 
lochenbed ©affer baran unb läßt ed ftehen, bid ed 
falt ift, bann gießt man ben ©aft oon 2 ©itronen 
baran unb 3uaer, um ed angenehm füß p machen. 
3m ©ommer thut man ein menig ©id baran. 

3. gür Heine Kinber. ©)ad fjolgenbe ift für Heine 
Kinber, menn fie bie ©ommerfranfheit haben, fehr 

g ut. 9ftan nimmt guted Srob uno röftet ed gut 
raun. 9?un gießt man lochenbed ©affer baran, &mei 
©tüde Srob rechnet man p einem Ouart ©affer. 
Nachbem ed eine 3eit lang geftanben hat, gießt man 
ed ab unb thut einen Söffet ooü füßem SRahm bap. 


3m g&orgetiarauen. Uli H&bt^cn batte tcf> eine fieiben- 
febaft, bie mir nod& über ben (ü^lauf unb manche anbere 3 ugenb^ 
freuben ging, nämlidj ben ®lorflenfcbtaf mit feinen bunten 
Xräumen. 

®lübfam brachte ich nach meiner Serheiratbung ber Orbnung 
beö jpaufed biefe $affton jum Opfer. 3 ft ed nun Wacbt ber @e= 
mobnbeit ober bat meine Watur ftcb aednoert, turft, feit mehr ald 
Aebn (fahren bin icb nicht mehr im &tanbe, länger ald bid 
ubr in ben liebem &u bleiben. Wicbt mit meinem Wann unb 
ben JHnbem, fonbem lange oor ihnen aufjufteben, ift mein ®er^ 


^.ie ich biefe frühen Worgenftunben einft miffen (onnte, be¬ 
greife ich ie|t nicht, ©ie finb bie föftlidjfte Reit bed Xaged, mabre 
©lücfdftunben für mich. Wit tlare^t ftopT. »ie ed im ffiirbel 
bed Xaged nicht möglich ift, überbente ich bie vreianiffe bed (üeftem 
unb bie Pflichten bed ^eute, ertrage, rechne, notire, »ad notbig 
ift. 2)iefed ftillc freuen auf meiner Sieben ®r»acben gibt baoe» 
ein @(üctdgefübl, »ie ed mir, »enn bie ganae liebe ©^aar mich 
tagdüber umftürmt, feiten jum ©ewu§tfnn romrat. 

«Bad bad Ueberge»id)t ber ^audfrau ben fDienftboten gegen¬ 
über, »ad bad 2 neb»erf bed Äaudbalted gewinnt, »enn erftere 
„oor Xbau unb Xag" bad VBoql.bed ®arwen überbentt, liegt au 
nabe, um ed 511 erörtern. 3 <b möchte mehr auf ben unfidjtoaren 
höheren Sortbeil binmeifen. 

©0 lange bie ©lonbtöpfchen fich noch in bie »eichen ftiffen 
fchmiegen, ift bie befte 8 «t, *bw ®ücbertafcben einmal burchau- 
muftern. ©retefd ®brgeia ift ed, fcblerlofe Aufgaben abaulie^ 
fern. Xa finbe ich in ber tauberen, franaöfifdjen Arbeit eine 
soeure ftatt soeur. Beim Haarflechten frage id) bann gelegen^ 
li* ein paar Xufeenb ®ofabeln ab. bie soear natürlich barunter. 
„Wit ober ohne e, ©retel „Wit l“ „3 be»abre. Xad »äre 
ein jehöner ©chniber. Sieb 1 gleich noch einmal beine Arbeit 
bur»/' — ©eiche Xanfbarfeit bann, »enn fie ben Fehler finbet! 

©ei ben jungen ift bad ©erfahren biretter. Xa fieifet'd einfach 
Oor ber gewöhnlichen Heit: „fcuffteben! Sie meepenaufgabe 
mu§ noch einmal aogefeprieben »erben r ober bergt. ©0 habe 
ich mein xh?il baran, ba§ bie ftinber nicht bie ©ajlechteften in 
ber ftlafTe ftnb. 

Ueberhaupt imponirt ed ihnen gewaltig, ba 6 bie Wutter überall 
im Haufe thdHg ift, »äbrenb fie no» träumen, ©m meiften ift 
bied nun oor SBeihnacpten unb ben (»eburtdtagen ber 3 aQ. Siefe 
©uppenfleibchen. ©chmetterlingdnepe, ©chüracben unb ©naüge, 
beten Cntftehen fpurlod für fie Bei ßampenlicbt im Worgengrauen 
oor fich ging, machen bie Wutter 411 einer ®rt guter fffee, an ber 
fie mit oerehrungdooller Siebe hangen, bie — @ott gehe ed! — 
für‘d ganae Seben audbauem möge! 


Rotten. 3n Cincinnati arbeiten 10,000 fffrauen für ihren 
Sebendunterhalt. 

3n ©arid gibt ed 490,000 unOerbeiratbete W&bdjen unb 880,000 
3 unggefeUen. 

Cine Wutter in fjlonba hat ihre beiben Äinber 3 efferfon Saoid 
unb Abraham Sincoln genannt. 

Wrd. 3fabeUa ©eeeper - Hoofer oerlangt, baft bie H^Üi c öer 

» ei in ieber größeren ©tobt aud flauen beftepe. Kommentar 
erflüffig. 

Sie Corelfin Hammcrfmitp in Cngtanb »urbe oon ipren Nach¬ 
barn oerflagt, burep bei; abfcheulicpen Särm, ben ihre 41 Ha n & c 
unb fta&en machten, ihre Nune in empfinblidjfter ©eife geftört 
3n 8 ufunrt barf bie arme ©räfin nur 80 HaudBeftien 


au haben, 
palten, 


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392 


(Straus Uber Strdjen unb 35irdjen=PSbel. 


dtma0 über iirdjen unb Iirdjen=Htöbel. 

gär ©au« unb gerb bon 3. &. Äartmg. 


2>ie erften Kirdtcngebäube unfere« fianbc» machten menig Än= 
fprud) auf architcttonifcbe ©igcnfchaften. 

2 )ie ßeute marett meiftenö arm. ®eit ©aumeiftern fehlte bie 
©raiehung unb bem ©ölte ber ©efdjmad für ba« Kunftöolle. 

3n beu lefcten 40 fahren ift jebodj ein anberer ©eift über 
„ßanb unb ßeutc" gefommen. ©in gefunbe« ©efiibl macht ficf) 
tn ben ernftlidjen ©erfud)en funb, bem breieinigen (Sott amedeitt* 
fpredtenbe Käufer, bie feine« groben tarnen« mürbig finb, ju er* 
richten. ®«ift gerabeau erftannlich, meid) grobartige, bauerbafte 
unb funftbolte $ome manche ©emeinben in iiingfter Seit errichtet 
haben.—Unb bieSutunft mirb noch hie! fdjönere unb amedentfpre 
djenbere Kirdjeti aufautoeifett haben. 



©« mub bem bentenben fiefer auffaDen, toie bie ocrfdtiebencn 
funftoolleit ©auarten anberer ßänber in ben früheren ftahrhun* 
berten bem Änge Rechnung trugen. Älic« mubte reiaenb, fd)ön, 
geicbmarfoofl unb in’« Äuge faßenb fein. 3>ab äufccrc unb ins 
nere ber Kirdten foUte imponiren. 2>ie Äfuftif tarn meniger in 
Änfdflag. Wtit ber Seit, al« in ben ©ottc«bienften bie ©rebigt 
ben erften ©la» einnahm, mubte ber Ätuftit mehr Stedjnung ge= 
tragen toerben unb man oerfudjite ba« Schöne mit bem ©raftitdjen 
ju oereinigen. 

Äber mieberhielt e» fich mit ber inneren Äu«ftaffirung ber Kir* 
eben ber früheren Seiten ? ©urbeaudj Sorge getragen, ba«$an« 
©otte« bem ©efucher angenehm unb gemütqlia) $u machen ? ffi» 
fetjeint, bab man toenig baran badjte, gepolfterte Stfce ober Stühle, 
nne ba« heute oft ber fjaß ift, aur ©cquemltchleit ber SuhÖrcr in 
bas $au« ©otte» au fteüen. 

f)te Kirchen hatten ihren Ältar, ihre Äanael unb ihre Sifce für 
herborragenbe ©erfonen, aber bie oerfammelte SJienge mubte 
ftehenb ber ©rebigt laufdjen. SWü&ten unjere Kirchengänger 
heutautage mahrenb ber ©rebigt ftehen, fo ftunbe au befürchten, 
ban biele baheim blieben. 2)ie früheren ©tjriften tonnten uner* 
mubet einem etliche Stunben bauernben ©otte»bienft ftehenb bei- 
mohtten. — Äber „bie S citen haben fic^ geänbert" unb — bie 
ßeute auch. — ©ie ber ©erliner fagt: „$aö jinge je»t out noch 
tuohl, aber c» jeit nich mehr."— 

©» ift auch noch $u mttnfdjen, bab jene „guten alten Seiten" 
mieber tebren. ©tt haben hoch im Manchem ftortfehntte ge* 
macht. 2)te erften Kirchenjtühle unsere« ßonbe» beftauben au« 
©retter. bie au« ©aumftamme gefpaltcn mürben; benn aum 
Sögen fehlten noch meiften« bie ©ertieiige. 

Sann tarn eine atoeite berbefferte Äufictge— fteif au«fehenbe, 
unbequeme, aerobe öretterbänic. 3)icfc haben feither auch mei* 
djen müffen. Änbere, bie bem Äuge beffer gefallen, bie mit ber gan* 
aeuinneren©inrichtuna berKirdjein#armomeftebu, unb bie praf* 
tifdjer, bequemer unb beffer finb, haben ihren ©la£ eingenommen, 
©iefc neumobifchen Sifte finb fo gemacht, ba& fte bcrfjforntbe« 
mcnfchlichen Körper» angepafct ftnb. 2>e»balb fifet man fo be= 
quem auf benfelben. 2)er aanae Körper fann mirrlich ruhen. — 
$ic langen, geraben Steigen oon ©anten fieht man heutautage 
feiten in ben Shrdjen. Än bereu Statt meroen bie ©ante fo an= 
gefertigt, bafe fie im ©irtel aufgefteHt toerben tönnen, fo baff ba« 
Äuge eine« jeben Suhörer« btreft auf beu Stebner gerichtet ift, 
unb ber S»horer fiep nicht erft im Sifee umbreheu muh, um ben 
fltebner aiuufdjauen. 

früher hat man nur eine Sorte ^>olj| für bie Subereitung ber 
Sijje genommen, unb Jie bann, nach ©elieben, gefärbt. $efct 
mirb C»ola oon ben oerfchiebenften Farben unb Schattiruugeii oer= 
manbt unb fo $ufammeii gefegt, baß ber U r malb fidi in feiner Sev= 
fchicbenartigteit an fffarben unb Sribern auf’* Schoufte aeigeti fann. 


Smei ©etahren fehe ich in biefjer brittenÄuflage ber 
Äirchenbänre. ©rften«, bieten fie bem Kirchengänger oiel Äugen* 
toeibe, fo bafi er in ©efahr ftebt, ftd) bnrdj fte in ber Änbadjt ftoren 
xu laffen. Smeiten«, bieten yic bem oon ber fehmeren Ärbeit ber 
©od)e ermubeten JHrchengänget folchc angenehme Stube, bah er 
oerfucht ift fich aurüda» lehnen unb mäprenb ber ©rebigt ein 
Schläfchen au machen, fo bah er nicht nur bie ©rebigt üerfdjläft, 
fonbern auch burdj häßlithe« Schnarchen Änbere in ber Änbacht 
ftört. 

SDiefc amei ©efahren fonnen, nach meinem befdfeibenen Dafürhal' 
ren. burch gute, bunbige unb aefalbte ©rebigten unb lebenbigen 
©efaiig oermieben toerben. a?iefe neumobifchen Äirdjenmöbel 
prebtgen bem ©rebiger, bünbiget unb beffer au prebigen. Xhut 
er biete«, fo merben bieheutigen Kirchengänger an ficib unb Seele 
geftärtt oom ^aufe ©otte« heim tebren. 

ju ben lebten fahren finb tn oerfchiebenen Ihdlen unfere« San» 
be« Sfabrilett entftanben, in meldjem auöfchliehlich Kirchen* unb 
SdmUSRöbcl fabmirt merben. 

©ohl ift feine Stabt im ßanbe au ftnben, in melcher biefer 

S meig einer groben ftitbuftric fo bebeutenb getoorben ift, al« bie 
-liäferftabt, Stidjmonb, ^nbtana. 2)ort befinben fUp etliche 
FHrma’«, bie fich auSfchltehlid) mit ber fjfabritation Oon Kirchen* 
uRöbeln befchäftigen. Unter biefen ift bie oon ben Herren ^ ab* 
ne», Spencer & ©o. befoitber»nemten«mertb. ^tt bettle»* 
ten amatuig fahren haben biefe Herren fich miHfleth unb ©e* 
id)äft«tart biefer Sache gemibniet. ©on ihren ©Tdbeln ftnb int 
Worben, Süben, Dften unb ÄBeften unfere« ßanbe« a u ftnben. 
©iele ber beften Kirchen be« beutfehen ©iethobi»mu» haben ihre 
Kanaeltt, Kauael* unb Ältarftühle unb ©änfe oon bort her. 3)ic 
genannte gfirina eignet arohartige ©ebäube unb befifjt alle ©in* 
richtungen, bie aur fierrfteflung guter ©aare nöthig ftnb. 3>iefe 
öerren haben an Ärbeitsdohn tn ben le»ten aebn fahren, im 
SJurchfchnitt über $60,000 per Saht auSbeaahlt. 

S5er Schreiber biefer Seilen hatte ba» ©ergnügen unb ba«8or* 
recht oor etlichen fahren bie gabrifen biefer fftrtna a» burchftö 
bern. JJenti al« er ©rebiger unferer ©emeinbe in jener Stabt 
mar, erhielt er oon Seit au Seit Äufträge oon ©rebigern unferer 
©emeinben an biefe^terren. 



©feine« ©iffen« mttrbe bie ftißma in unferen Kir*enblättem 
noch nie ermähnt, miemobl iljre Ärbeit oiele unferer Kirchen at^ 
ren. ©arunt nicht, bie unb ba, menn man Kircheinmethungen 
berichtet, auch mitthcilen mer bte ©löbeln gemacht hat? ©rebi 
ger unb ©etnetnben haben ein ^ntereffe baran. 

Unb nun, lieber ßefer, fehe bir einmal biefe« ©ilb, ba» mir hier 

S ebett, an. So lange matt ,*für ©elb unb gute ©orte" folchc 
irchenmöbeln befommen tann, foUte ba» ^au» ©otte« einer ber 
angenebmftcn unb anail'hctibftcu ©lä»e fein. Watürlid) foUte alle« 
innerhalb oen ©renaen be»©raftifchen ntib Wothmenbigen bleiben, 
©ir empfehlen nicht» Uebertriebene«. 


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e- 





4 üf ittl |tfl, 

® in Ulußrirtes $amiütnblatt 


3fttiif|«pler Usitb. 


^Cugun 1887. 


Odiles Äeff. 


SrßtesegeR. 


3um Dedcnbilb. 


fid ?, (Sott 311 5* 0Tl / lobt man in ber Stille, 

Damit man ^eilige (Selübb’ erfülle, 

Unb Salcnts pfalter unb (Sefäng’ erfüllen, 

Dir 311 gefallen. 

Du fudjfl bas £anb Ijeim; bie (Sefilbe lachen; 

Du roäfferft fte mit (Djau, fle reid? 3 U machen, 
Dein Strom ift poll; burd? bid? reift bas (Setreibe 

5 u unferer ^Jreube. 


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Die tief gepflügten <Jurd?en füllt bein Segen, 
Unb bas 3 erlec^ 3 te £anb erfrifdjt bein Hegen; 
Du madjft cs meid? unb fegnefl feine Saaten, 
Dafc fte gerätsen. 


Du frönfl bas 3^* mit beiner milben (Snabe; 
(Sebeilj’n unb 2Dad?stl?um folgen beinern Pfabe 
Unb träufeln, n>o bu manbelfl, bafl bie (Erbe 
33efrud?tet merbe. 


Unb Danf unb ^reub’ unb 3^1 jaud^t aus Ullcn, 

Unb ^ain unb Huen unb (Sefilb erfdjallen 
Don lautem bir frolflodenbem (Setümmel 
Bis in ben £?immel. 

Had? bem 65. pf. pon 

3 oljann Cramer. 







394 


gOit lüftinen mir unfett 3ugtnb für öie JUbeit 


|Hie können wir uttfrre lugruk für Me Arbeit bet inneren 

iiiterefliren unb tieratibilbrit? 



dbihmeEL 


Lie innere SKiffion ift eine %ofy 
^ ter ber 9tot§ unferer 2age 
unb eine Pflegerin ber 33e= 
bürfniffe ber@emeinbe; ober, 
wie ein Attberer ficf) auSbrücft: 
fie ift bie burdj bie (ebenbigen 
, ^ ©lieber ber Sirene auSaufüfc 
* renbe Arbeit gur Ausbreitung 
V. beS 9teidjeS ©otteS unter be= 
nen / bie bem goangelio ferne 
ftefjen ober gleichgültig an bem* 
fetben borübergeben, 
gin weites gelb ber Ityu 


1 


tigfeit fürtoaßr! SRancße3 ift 
in biefer $inficßt moßt getßan, 
bodj Diel, feßr Diel, bleibt noeß ju tßun übrig, 
©ucßeit wir beßßalb unferer grage, bie eine geit= 
gemäße ift, näßer gu treten, inbem mir ber ga= 
milie gunäcßft un3 guwenben unb fragen: 

SBnä tonn bie gamilic tßun, um bie 
Äinber für bie innere SWiffion ju 
. interefftren unb ßeranjubilben? 

Unfere gange pflege be3 religiöfen Sebene, 
fo fagt gunfe, muß auf ber ©runbanfeßauung 
ber ooflenbeten ©rlöfung berußen. SS5ir foßen 
unferen ©inbem baS ©ßriftentßum barfteßen in 
feiner ibealen $errli(ßteit; ißnen nießt fowoßl 
einen ftarren ©efeßgeber, als oietmeßr baS 
leueßtenbe Saterantliß ©otteS oorßatten, unb 
ißnen überall unb immer geigen, baß ftommfein 
gleidj ift froßiein. ©rfennen foßen mir unfere 
©inber als foldje SBefen, bie bureß ßßriftum 
©otteS ©inber geworben finb; unb ein ßimm= 
lifcßeS ©tanbeäbewußtfein follen mir in ißnen 
Weden, inbem wir ißnen ei nie gu oft oorßalten 
Jönnen: ißr feib ©otteä ©inber! 

Sewaßren wirb fie foldß Erinnern bor oielen 
geßltritten. SBicßtiger aber noeß unb in feinen 
folgen nadjmirfenber bleibt ba§ Söeifpiel ber 
©Item felbft. Sin ißnen, an Söätern, Müttern 
unb ©rgießem, müffen fie’3 oerfteßen lernen, 
maä für ein felig unb ßeilig Ding eä ift, ein 
©inb ©otteä gu fein; wie ba bie gteube nie= 
malä ftirbt, audß mitten im tiefften Seiben nießt; 
wie ba immer 3**^ unb ©elbftbeßerrfcßung 
bleiben, aueß wenn bie SBogen ber Drübfal notß 
fo ßoeß geßen. Da3 wirb ber ©inber £>erg 
ßimntelämärtä gießen, Wenn fie erfaßten, baß 


ißre ©Item SRenftßen finb, bie nadj oben feßauen 
unb burtß foltßen Slufblid ftart unb gtüdlicß 
finb. gn ber Siegel werben bie ©inber ben 
2Beg ber ©Item geßen. — 

greilidj geßt ba§ fo oßne SBeitereS nießt. 
Dßorßeit ftedt bem Knaben im bergen — barant 
muß 3ucßt, muß ©eßorfam fein. 

9t un gibt’3, wie gebermann weiß, aber nießt 
gebet genug barauf aeßtet, einen hoppelten ©e= 
ßorfam: ben ©eßorfam au3 3 roon 9 unb ben 
©eßorfam aus Siebe. Daß biefer leßtere ber 
beffere, unb ba$ ei baä ßöeßfte 3* e t nßer 
waßren ©rgießung ift, ißn gu erreießen, leueß» 
tet ein. 

SBiebaä gefeßießt? fragt man begierig, gcß 
antworte aueß ßier mit gunfe’3 SBorten: ©in= 
ber werben in ©eßorfam, Vertrauen unb Siebe 
ißr |>erg un3 nur bann geben, wenn fie fort unb 
fort ipüren, baß unfer $erg ißnen geßört, baß ei 
unä Suft unb 2Bonne ift, ißnen Siebe gu beweifen 
unb greube gu bereiten, baß wir aueß bann nießt 
aufßören, auf Siebe unb greube für fie gu fiw 
neu, wenn ei unä feßwer, wenn e« mit Selbft» 
oerleugnung üerbunben ift. Die ©Itern müjfen 
ftetä ben ® inbem al8 gute ©ngel erfeßeinen, bie 
für 8ltte3, maä ber ^inber |»erj in Suft unb Seib 
bewegt, ein ooQe3 SSerftänbniß ßaben; unb bie 
Sinber müffen ei werten, baß Sßater unb ÜRut» 
ter immer 3«'t fn r fie ßaben unb baß ißnen 
nicßtS gleießgültig ift, waä ber Kinber ©eift be= 
wegt. greue biiß mit beinen frößließen, weine 
mit beinen meinenben ffinbem. Saß fie fpü= 
ren, baß ißr ©cßtnerj bein ©eßmerj unb baß 
ei beine Suft ift, ißre greube ju erßößen. 

2luf ©ranb biefer Siebe, mobureß ©Item ben 
©inbem baä |>erj .geben, muß ber ©eßorfam 
fieß entwideln. gft er oorßanben, bann folgt 
baö Slnbere naturgemäß Wie bon felbft, unb 
biefeä Slnbere ßeißt: Arbeiten unb 
Dienen. 

SUtögen ©Item reieß ober arm fein, auf jeben 
galt tragen fie ju bem ©lüd ißrer ©inber nur 
babureß bei, baß fie biefetben gut ©infacßßeit 
unb ©infalt ergießen. Muf gefum follen wir 
fie ftetä ßinweifen. ©einem Öeifpiele ber boü= 
enbeten ©elbftberteugnung unb Siebe foßen fie 
folgen. 

©oteßeä Sluffeßen auf ißn unb folcßeä Silben 
natß ißm, wirb gut Demutß gwingen, gu jener 
Demutß, meine icß, bie aueß bem 9tä<ßften gerne 


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bet inneren Piffum intereffiren unb (jeranbüben? 


395 


ffülfreiche |>anb leiftet, b. tj. gerne bient. Solche 
2)ietieluft in bie $erjen bet Sinber ju pflanzen, 
baS ift ber regten Erjiefjung großer Enbjtoed. 
Unb baS ift im testen ©runbe fo ferner nicht, 
toenn ©Item eS nur recht berfteljen. 

Sinber erfahren ei batb, bafc Nichts bie 
Seele Weiterer ftimmt, unb baff SRidjtS bie 
9lngefichter ber Sftenfcfjen um uns t)er fonniger 
macht, als freubige, freunblidje $ieneluft. 

s 2ttö Erläuterung beS ©efagten mögen t)ier 
jtoei gäße aus gunte’S Seben ihren Sßlafc fin= 
ben. SBir, fo fagt ber treffliche 3Rann, gingen 
burch einen 2Balb, unb ber Bater erzählte etroaS, 
toa$ mich f e h r intereffirte. 91m SBege ftanb eine 
alte, fchntufcige grau unb mühte fid) oergeblich 
■ab, eine fchmere Sürbe £otj auf ihren Sopf ju 
heben. SDer Sätet fah, baff ich biefe öergebli-- 
<hen Bemühungen ganj gut bemerlte, unb ba ich 
hoch leine HJtiene machte, ber grau ju helfen, fo 
•gab er mit eine Ohrfeige. 

SDlich öerbrofj jene Züchtigung, aber nicht 
lange. Batb muhte ich bem Batet SRedjt geben, 
ber ju fagen pflegte: „SS ift unmenfchlich, 
einem SRenfchen nid)t ju helfen, Wenn man ihm 
helfen lann." 

9tu<h fonft, fo fährt gunfe an einer anbern 
stelle fort, mürben mit pm ®ienen angehalten. 
3EBir Söhne ijmfjteit Xöpfchen mit Suppen ju 
ben Uranien tragen unb jmar am Xage. Sie 
golge mar, bah mir bon unferen Äameraben 
•Spott unb fpohn ernteten. Unfere. Bitten um 
tlbfteßung biefer ©ängemaren Oergeblich- „3b r 
merbet ei einft einfehen," fo tp e h e § bei ben 
■Eltern. Unb mir hoben ei eingefehen. SBir 
lernten gerabe auf biefem SBege ben ächt djrift» 
liehen Sah berftehen: Ser höhere foll bemSRie» 
bern bienen, eben meil er ber höhere ift. Unb 
maS für ein Segen mar es für mich, fo früh 
p erfahren unb mit 9lugen ju flauen, mie 
oft ein Sopf marmer Suppe ein ganjeS 
IrauertjauS bofl Sonnenfehein machen lann! 
SBelch’ ein Segen mar ei für bie Sharatter» 
bilbung, bah tbit lernten bem albernen Spott 
ja trojjen! 

SBir neriaffen bie gamitie unb menben uns 
ber Sonntagfchule ju. 

58a8 tarnt bie Sonntagfchule thnn, tun 
bie ftinber für bie innere SRifftoff jn 
intereffiten unb (uranjubtlben? 

geh fchreibe für SRethobiften. Sie finb 
Ehctften, bie aus Erfahrung miffen, mie felig 
ei ift, ein begnabigteS Sinb ©otteS ju fein, ge 
tiefer unb grünblicher nun biefe Erfahrung ift, 
um fo mehr merben jie auch beftrebt fein, ihre 
Sinber auf benfelben SBeg ju führen unb p 


rechten ßRiffionaren, p tüchtigen Arbeitern im 
SBeinberge ihres ©otteS heronpbilben. 9lber 
leiber ift baS nicht allenthalben ber gaß. Ein 
©eift ber Trägheit unb Bequemlichteit h<)t h' er 
unb ba bie 9tlten ergriffen. 3Ran läfjt bie Sa» 
chen eben gehen, mie fie gehen; maS nüfct eS 
benn auch, Stoffe 9tnftrengungen ju machen! 

Sarf eS uns ba SBunber nehmen, menn fol= 
eher ©eift mie ein töbtenbeS ©ift auf bie gugenb 
fällt unb fie nur gar p balb in bie breit getre» 
tenen ©eleife bes trägen SichgeljenlaffenS führt? 

ES foU nicht, lieben Brüber, alfo fein! Schaut 
um euch! Xaufenbe eurer ÜRitmenfdjen gehen 
neben euch h er ! >h r toifct’S, ei finb nicht grie» 
bensmege, bie fie manbetn; bie breite Straffe 
ift eS, bie in’S Berberben führt. Unb ilfrfönnt 
gleichgültig fein folgern Elenb gegenüber? gh r 
habt fein freunblich 9Bort ber Mahnung für ben 
irrenben Bruber, leine herzliche Bitte jur Um» 
lehr für bie irrenbe Schtoefter ? Stuf — unb 
ermannt euch! öintoeg mit ber faulen Bebens» 
art: SBir tönnen’S hoch nicht änbern! gljr 
lönnt, menn ihr mollt! 

ES füllte — unb bieS befonberS für bie ©lie» 
ber ber Äirdje in ben groffen Stäbten—in jeber 
©emeinbe ein Berein für innere ßßiffion ejifti» 
ren, ber eS fich pr fpecießen 91ufgabe macht, 
unter ben Seutfdjen p mirlen unb pm Befuge 
ber ©otteSbienft einplaben. 

Unb jmar foßte bie Sache fpftematifch betrie» 
ben merben. gebeS ©lieb biefeS BereinS, bet 
aus SRännern unb grauen befteht, fucht fich fein 
gelb ber Sljätigleit unb arbeitet treu unb un» 
ermüblid). Eine grofje #ülfe bei biefer 9lrbeit 
bietet ihm bie Siteratur ber Stoche bar. Sie 
ift fo reichhaltig unb in fo bortrefflicher 9tuS» 
mahl borhanben, bah eö Seinem fchroer faßen 
bürfte, baS 3medförberliche gar balb hotauSju» 
fiuben unb für etmaige Borlommniffe in Bereit» 
fchaft ju haben. 

®a finb in erfter Sinie bie Jrattate. SBeldj’ 
ein Segen ift nicht bon ihrer betenben Berthei» 
lung fdjon ausgegangen! ®a ift baS SBochen» 
blatt, ber 9tpologete. Stimm ihn, menn bu ihn 
gelefen, getroft mit auf beine SBanberung burch 
bie Strafen unb trag ihn in bie Käufer ber un» 
tirdjlich ©efinnten, maS gilt’S ? bu lannft biel» 
leicht burch <h n manches ^erj für©ott unb feine 
Sache geminnen! 

SDa ift unfere SRonatSfchrift, ßauS unb £>erb. 
Efemplare jur Bertheilung fteqen gebem, ber 
fie münfeht, ju ©ebote. SDtan benufee folch* 
freunblidjeS Anerbieten! ©eroife, SDtancher, ber 
moht noch bem alten Borurtheil hulbigt: ®ie 
SERethobiften finb fa ungebitbete Seute, maS tön» 
nen bie unS lehren ? rnirb burch biefe Schriften 
anberer SReinung merben! 


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396 {Bit können mir unfett Bugrnb für bie Utk eit bet inneren Ptiffion u. f. m. 


Slllmonatlich bann, an einem beftimmten 
Slbenbe, fommen bie ©lieber biefeg Vereing ju» 
fammen unb berieten über itjre ßrfolge ober 
SJtifferfolge, tauften ihre gemalten ©rfah» 
rangen aus unb ftärfen fo ©iner fich am 
Slnbern. 

©inb nun bie ©emeinbeglieber eraft unb im» 
mer in ber heiligen Slrbeit begriffen, Slnbete ju 
retten, fo haben fie ber ©onntogfchule fcE>on eine 
bebeutenbe Anleitung für innere SRiffion ge» 
geben. 

Slber—wie !ann man benn bie ©omttagfchule 
für bie Slrbeit ber inneren SOtiffion gebrauten? 

Jn oerfc^iebener SBeife. 

Die ©onntagfdjüler folcher ©Item, bie nodj 
brauffen fte|en, öffnen gteidffam bie Spüren ju 
mannet $eimatl). SBer will in ba§ offene Dffor 
eintreten, iljr Seljrer, Beamte unb fßrebiger ? 

Die Schüler (önnen, namentlich ju gewiffen 
ßeiten, Dortrefflid) jur % rattat» unb 3eitfchriften» 
Dertheitung gebraucht to erben. 

SBenn man arme ©dfüler hot — unb mo wa¬ 
ten biefelben nicht ju ffnben — fo leite man bie 
anbern an, ju helfen» unb Diele junge, fleißige 
|>änbe werben fich bereitwillig anbieten. 

Jn ben ©onntagfdjul» SDtiffiongfeften rebe 
man oft unb biel Don ber ÜJtiffion unter ben 
Deutfchen, unb ftetle ffefte an, bie nur allein ber 
inneren SRiffion gewibmet finb. 

Dag ^erbeiführen neuer ©chüler werbe we» 
niger jur ©hren» unb Setohnungg» at8 jur 
3R i f f i o n § fache gemacht. 

Die ©onntagfchul»SBibliothef, bag ©hrifttagg» 
feft unb felbft bag ^ßic»9?ic fann ber Sache ber 
inneren Sftiffion bienlich gemacht werben. 

ffinber, Jünglinge unb Jungfrauen, bie ihr 
©lieber ber Kirche unb in ber ©onntagfchule 
th&tig feib, hot’g euch noch nie fdjmer auf bem 
^erjen gelegen, baff ©otteg SBer! nicht fo ge» 
beihen will unter euch, wie ihr eg Wohl gern 
fähet? §abt ihr auch wohl fdjon barüber nach» 
gebacht, an wem eg benn eigentlich liegt, baff eg 
nicht beffer fteljt? @g gibt ein fchöneg Sieb, 
bag mit ben SBorten fdjliefft: Safft ung beffer 
Werben, gleich wirb’g beffer fein! 

Dag merlt euch! SBerbet ihr einmal recht 
burchgtüht Don bem heiligen Jeuer ber Siebe ju 
Jefu, unb ihr werbet gar halb bie 2hätigfeit 
entfalten, welche nothwenbig ift, um neueg Se» 
ben ju erzielen unb bie ©renjen eureg ©ebieteg 
ju erweitern, ©chliefft eng euch jufammen jum 
heiligen Sunbe für Jefu Sache! ©agt’g euch 
immer wieber: SBir finb beg |>errn ©treiter» 
fdjaar—unb atg fotche tretet hinaug in’g Seben 
unb hinein unter bie ÜRenfchen unb gehet aug 
unb fuchet unb nötiget h e reinjufontmen, men 
ihr finbet. 


@o Diel über bie jmeite Jrage. ®g folge 
bie britte unb lefcte: 

SBab (ann ber tatedjctifdje Unterricht tffnn r 
um bie ffinber für bie innere SOTif* 
fron ju interefflren unb heranjn» 
büben ? 

Jdj weiff fehr wohl, baff ber fßrebiger ht 
biefem ßanbe gerabe auf biefem ©ebiet mit gro» 
ffen Schwierigkeiten ju lämpfen hat. Da fehlt 
junädjft ber grünbliche SReligiongunterricht, wie 
ihn bie beutfaie Schule ju erteilen pflegt; eg 
fehlt bie grünbliche ffemttniff ber beutfehen 
Sprache, wie fie in Deutfchlanb’g Schulen ge» 
lehrt wirb. Unfere ffinber haben auifchliefflich 
englifche Schulbilbung genoffen, bag wenige 
Deutfdj, weicheg fie lernten, h«t bie Sonntag» 
fdjule ihnen beigebracht. 

Da ift’g oft fdjwer für bie ffinber, auf bie 
im ffatechigmug Dorgefdjriebenen fragen bie 
Antwort richtig ju lernen, unb eg muff Dietfadj 
elterliche £>ülfe eingteifen, um nur einigermaffen 
befriebigenbe SRefultate ju erjielen. 

Unb bodj wäre bag eine Hägtiche Sehrweife, 
wollte ber ^Jrebiger fich mit bem mechanifchen 
Slugwenbiglernen begnügen, ©r hot, will er 
feiner Aufgabe gerecht werben*.iif Seltion mit 
ben ff inbern burdjjugehen, fchwierige Stellen §u 
erläutern, unb bag ©anje auf #erj unb Seben 
anjuwenben. 

Nehmen Wir, um bie Sache ju oeranfehau» 
liehen, bie ©ebote beg |>errn jur §anb. Da 
tritt ung im erften ©ebote ber ©ö|enbienft Dor 
Slugen. Sticht nur Dom groben @ö$enbienft ber 
Reiben wirb ba ju reben fein, fonbern Dielmehr 
Don bem feinen ©ö$enbienft ber ©hriften, Wie 
er im $eiligenbienft ber latholifdjen ffirche, unb 
im SRammongbienft unb in SelbftDergötterang 
ber SJtenfchen fich jeiflt- ©elbliebe, SJtenfchen» 
Dereffrang, SelbftDergötterang finb bie brei ge» 
maltigen jeinbe, gegen welche bie Xhätigteit ber 
inneren SRiffion fich J“ richten unb bie fie ju be» 
lämpfen hat. 

Veim britten ©ebot ift auf ben teichtfinnigen 
©ebrauch burdf gebanlenlofeg Stennen ©otteg, 
ben frechen SRiffbrauch burch Jtuchen, ben fre» 
Dentiichen burch Schwören, ben abergläubigen 
burch Sauberei unb ben heudjterifchen burch 2ü= 
gen unb Xrügen hinjuweifen. 

©g folgt bag Dierte ©ebot. 5E>ie Heiligung 
beg Sonntagg bilbet feinen wefentlichen Jnholt. 
$ier werbe juerft ber SBertf) beg Sonntagg auf 
©runb feiner heiligen ©efchichte betont. Dann 
werbe bie ©ntljeiligung biefeg Dageg gezeichnet, 
wie fie fich jeiftt burch Verachtung beg göttlichen 
SBorteg, burch Vefuch beg Dh f °terg unb ber 


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(ftwao oon brr „nirtwti tSeiftlldjhett.^ 


397 


■Siergärten. Sieben bern vierten geht alg jmei* 
ter groger Pfeiler eineg gottfetigen Solfglebeng 
l)ag fünfte ©ebot mit feiner Slufforberung, bie ©l* 
tern ju ehren. $ier befonberg ^ebe man heroor, 
mag ftinber ihren ©item fdjulbig finb unb 
zeichne in furjen 3ügen ©hrfurdgglofigfeit 
unferer Seit im ©egenfage ju ber ©hrfurcht, 
metche bie ©cf>rift in Sehre unb Sorbilbern ung 
nahe legt. 

®och eg mürbe ju meit führen unb f)iefte bie 
mgen ©renjen biefeg Slrtifelg überfdjreiten, 
moflte ich augführlicher noch barthun, melden 
©ang ber Unterricht im ff atechigmug ju nehmen 
hat, um bag ^ntereffe für innere SDliffion 31t 
meden unb ju förbem. 

Slug bem Slngebeuteten geht $ur ©eniige l)ex* 
oor, bag eg bem ^Jrebiger nicht ferner faßen 
dürfte, feine Slufcanmenbungen an geeigneter 
©tefle anjubringen unb auf bie £erjen ber ff in= 
t)er einjumirfen. 

gaffen mir bag ©an^e fur$ aufammen, fo er= 
gibt fich golgenbeg: $en ©ntnb $u miffionis 
renber ®h^tigfeit hat bie ©r^iehung in ber ga* 
milie $u legen. SBag hier üerfäumt mirb, bag 
lann oft ferner nachgeholt merben. Sarum, 
©ttern unb Sehrer, h a ^ ct eurc ffinber frühe 


3um mähren ©laubengleben an, lehrt fie burch 
SBort unb SBanbet, ein mie felig Sing eg ift, 
3u arbeiten für ben §errn unb $u bienen ben 
miterlöfeten Srübern unb ©chmeftern. 

Sie ©onntagghule, alg bie eigentliche ^ßflan^ 
gälte beg religiösen Unterrichtg, pflege neben 
ihrer unterrichtenben ®hätig!eit bag praftifche 
©ebiet unb halte ihre 3 ö 9^ n 9 c ä u georbneter 
Slrbeit in biefer fRichtung an. 

9 Jlan Oerfudje eg nur einmal recht, ffinber 
arbeiten gern unb mit Suft, unb eg fporitt fie 
5U regerem Sh un > tüenn it) lien Qelingt / neue 
©djüler ber ©djule ^u^uführen. ©olcheg Sh un 
oerbient Sob unb Slnerfennung. SJlan fcheue 
fich nicht, bag öffentlich $u fagen. ©in ©porit 
mirb’g für Slnbere merben, ein ©leicheg 5U thun. 

Ser fatechetifche Unterricht oertiefe bie in ber 
©onntagfchule empfangenen ©inbrüde, ^iehe 
neue ©efichtgpunfte herbei unb laffe bie ffinber 
erfennen, bag auch ge, obgleich noch jung on 
fahren, hoch fchon oiel beitragen föitnen ^um 
Slufbau oon ©chufe unb ©emeinbe. 

lieber bem Slflen aber, ihr ©Itern unb fiel)* 
rer, oergegt eure ^fliegt nicht! Sag Seifpiet 
mirft kräftiger alg bag SBort. ©eht ihr ooran, 
bie Sugenb mirb eurem Sorgehen folgen. 




Cftioas üoit ber “imkeren CBeiftlidjIteit “*) 

9301 t ©mil ftrontntel. 


•C^ie gehört auch mit ^uin Slmt, $u ben „Sei^ 
ben unb greuben" eineg Sfarrerg, unb eg 
* fomrnt nicht menig barauf an, mie mir ung 
ihr unb fie fich ju ung fteflt. 3ft hoch fchon 
mancher fonft fehr gebulbige Slmtgbruber faft 
aug ber fiaut gefahren über feinen ßrganiften, 
ff antor, ff üfter, SDlegner ober ff irdhenbiener, Sei* 
chenträger unb Sobtengräber, unb mie im beut= 
fd^en Sleicge fonft bie Situtatur aßer berer „00m 
Ißfarrer abmärtg" fich fchreibt. 

Slber ob ber £err Slmtgbruber nicht hierbei 
auch bie oierte Sitte imSaterunfer nöthig h a *? 
$at felbft ein Pfarrer feine liebe Sloth, bag 
•er aflemege auf ber £öt)e beg Slmteg bleibt unb 
liegt ihm bag „^anbmerf" oft in gefährlicher 
D?äh c —toie vielmehr benen, bie nur a m $ei= 
ligen, aber nicht mit bem ^eiligen befchäftigt 
gnb, mie er? Slun, eg foß in unferem Statt 
feine Sßaftoraltheologie getrieben merben; bag 


*) ®ieg ©tüdlein fanben mir in einem SBedjfel* 
blatt. ©g ift fo urmüchfig unb pagt fo gut bahinunb 
borthin, bag mir*g herfegen. 


möchte einem am ©nbe fehlest befommen, bie= 
meil babei jeher auf feine eigene gauft ftubirt 
hat. Sei aßer griebfertigfeit finb mir $ßafto= 
ren mitunter auch ein ziemlich ftreitluftig Soll, 
bag auch an ^ er Unfehlbarfeit franft. 3 |ch miß 
nur erzählen Oon aßerlei Solf unter bem ffir* 
^enhintmel, bag ich ^eiligthum angetroffen 
in meinen jungen unb alten Sagen, Oon ©Uten 
unb Söfen, oon ffraut unb Unfraut auf bem 
ffirchenader. 

grüh in bie ffinberjeit faßen bie beiben @e= 
galten beg ©tabtmegnerg unb beg ^ofmegnerg. 
Sief fah ber $ofmegner auf feinen ffoßegen, 
ben ©tabtmegner, herab. SRich^og’g mehrjum 
©tabtmegner, mag mohl mit meiner plebejifchen 
Slber jufammenhängt. Slber ber Oierfdjrötige, 
badenbärtige SRann fam mir hoch „geiftlidjer" 
Oor, alg ber glattrafirte ^ofmegner. ©r ging 
bem alten ffirchenrathe, ber noch ffniehofen unb 
©trümpfe, ©chnaßenfdhuhe unb ein feibeneg 
SRäntetein trug, ehrerbietig Ooran unb machte, 
ehe bie „£ochmürben" bie ffan^eltreppe beftieg, 
feine Sleoerenj, unb ebenfo, menn er ihn mieber 


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398 


(Stitm® oon ber „niebereit gfifllußkeit." 


ßerabgeleitete. SBenn er mit bem Klingelbeutel 
—ben icß Oon Sugenb an geßaßt ßabe—ßerum* 
ging, begrüßte er meinen Sater refpeftooU unb 
nidte mir freunblicß gu, menn icß mit einiger 
Kunft meinen Kreuger, ben icß frampfßaft bin 
baßin, bie ßalbe Srebigt bureß, in ber ©anb ge* 
ßalten, richtig ßineinbugfirt ßatte. ©rft oon ba 
ab fonnte icß einigermaßen gußören. ©in ba* 
ßin flaute id) auf bie Seute, ob feiner mit ber 
großen Stange ben Klingelbeuteln einen *ßuff 
befäme, unb ob bie Klingel unten orbentlicß lau* 
tete, am meiften aber, ob bie Seute opferten ober 
nur ein „acßtungnoollen Kopfniden" machten, 
man icß in fpäterer 3eit erft reeßt in feiner tie= 
fen ©ebeutung gu mürbigen mußte. 

3cß ßabe en einft einmal meinen ©auern aun* 
gelegt bei St. Safobi SBort; baß nämlicß fold) 
Kopfniden beim Klingelbeutel gumeift auf beutfeß 
ßeißt: ,,©ott tröfte bieß unb fleibe bieß — aber 
geben tt)U icß nießtn." $enn menn man ißiten 
©armßergigfeit prebige, fo fei ban gerabe fo 
Diel, aln menn man einen Dcßfen in’n ©orn 
fncife. SBorauf fie mir bie änerfennung nießt 
oerfagten, baß fie mieß b i e n m a l richtig oer* 
ftanben Ratten. 

2llfo biefer ßerUofe Klingelbeutel — ber aß* 
nungnooU feßon in ber Kinbßeit mir aln einer 
ber Söget erfeßien, bie naeß SDtattßäi am 
13. ban 2ßort, ban auf ben SBeg gefäet ift, 
megfreffen — mar oorüber unb icß fonnte mieß 
ber Srebigt ben Kircßenratßn ßingeben, oon ber 
id) aber menig oerftanb. ®enn ber SJtann ßatte 
troß feinen feibenen Strümpfen unb Scßnatlen* 
feßußen feinen $aßn nteßr im SDtunbe. SBan 
icß aber Oerftanb, mar für mieß faum bie Scßuß* 
foßle mertß, bie icß auf bem Kirdßgang gerriffen. 
©r fpraeß nämlicß oiel unb oft oom „3beal," 
unb ban oermanbelte fieß in bem Scßäbcl ben 
acßtjäßrigen jungen P u 9^ nur * n bo3 befannte 
„Sineal," momit ber Scßulmeifter am SDiontag 
bie ®abntein auntßeilte. Qcß fonnte nießt be* 
greifen, mie ber HJtann baoon in ber Kircße eine 
ßalbe Stunbe lang reben fönne. ®er Stabt* 
meßner mußte aueß moßl biefelben ©ebaufen ge* 
ßegt ßaben mie icß, benn er feßte fieß oft naeß 
Soßenbung feiner Ktingelbeutelei feßmeißtrie* 
fenb unter bie Kanjel unb feßaute bann unb 
mann f<r meßmütßig ßinauf gur Kangel unb feßüt* 
telte aueß maneßmat ben Kopf, menn er fieß un* 
bemerft glaubte. 

©ang anbern mar’n aber, menn „ber ©err 
Stabtoifar," ein junger, feuriger *ßrebiger ben 
©oangeliumn, gur Kangel fam. $a lebte aßen 
an ißm, er maeßte, baß er fdßneß mit ©infam* 
mein fertig marb, ßiett aueß gmifeßen brin ein* 
mal inne, um auf einen Sap ber Srebigt gu 
ßören (benn ban ift ja aueß ber erfte Seßaben 


biefer Seute, baß fie faum eine S^bigt ßören, 
unb fein SBunber, menn fie feßließtieß aueß gur 
Seracßtung ben SSorten fommen). Qcß fetbft 
oerftanb aueß ba nießt gerabe oiel, aber icß Oer* 
gaß boeß bie falten gfüße unb paßte nießt meßr 
auf ban feßönfte Säörtlein ber Sßrebigt, ban c ^ ne 
fatale Sleßnlicßfeit mit bem SSörtlein „ämen" 
ßat. 3cß baeßte, menn man fo lebenbig reben 
fönne, baß ben Seuten bie Ißranen in bie 9tu* 
gen fämen unb feiner feinen Kireßenfeßlaf ßielte, 
ban müßte boeß man Seßönen fein. 

Slacß foldjer ^Srebigt fam ber alte SDZeßner 
oft, aln er meine großen äugen faß, bie ben 
Srebiger faft oerfeßlingen mofften, auf mieß gu 
unb fagte mir ftiU in’n Cßr: „©eit, ©üble, 
ban mar mieber man!" SBan en mar, fagte er 
nießt, aber icß füßlte aueß fo, baß en „man mar." 

gcß ßabe fpäter Oon ißm geßört, baß er ein 
ftiller, frommer SKann gemefen, feßließt unb 
reeßt unb ©ott füreßtete unb ban ©öfe ntieb, 
mie ©iob, ber SJtann im Sanbe Ug. 

$er ©ofmeßner mar anbern. ©r ßatte furg* 
gefeßorenen, feßneemeißen ©aar unb, mie gefagt, 
ein glattrafirten ©efießt, aun melcßem gmei fte* 
eßenbe, graue Slugen feßauten. 3eß füreßtete 
mieß oor bem 9)tanne, menn er mit feinem ©eu* 
tel fam, unb mir fiel immer „ber 3uban, ber 
ben ©eutel trug," ein. 9lln idß einmal biefe 
biblifeße Slnmenbung meiner feligen SKutter oor* 
trug, befam icß eine ßßrfeige, meil i^ einen 
reblicßen 3Jtann im Serbaeßt ßätte. Slber ie^ 
fonnte mir nießt ßelfen; mir mar’^ bo^, aln ob 
er untermegn reeßnete, mie feßmer ber ©eutel fei ^ 
er lauerte aueß babei fo feßarfmit feinen äugen, 
baß feiner ißm bureßginge. SBenn^er^ an ben 
Siß ber „ßößeren Staatn* unb ©ofbeamten^ 
fam, bann grinfte er ßöfließ bie Seuie an, aß 
rooKte er fagen: „So, Sie finb and) ßier! ©abe 
bie ©ßre, mieß 3ßnen geßorfamft gu empfeßlen." 
Kurg, bin ber rießtig Oorüber mar, bauerte e$ 
eine ©migfeit, er ßörte nie auf bie Sßrebigt unb 
mar nur froß, menn ber Sern fam: 

un, gottlob, en ift üollbracßt 
Unfer Singen, ©Ören, ©cten, — 

(ein Sern, ber, beiläufig gefagt, aueß fein „gmei^ 
feßneibigen" ßat). 

©r fepte fieß mäßrenb ber ^rebigt in bert 
©roßoaterftußl in ber Safriftei unb feßtief ba 
ftiH, bin bie Orgel ging unb fein obbefagter 
Seiboern fam. — Sor ber Srebigt gog er rud* 
mcife bie ©arbine auf am Safrifteifenfter unb 
feßaute, mer fam, unb melbete ban pflicßtfeßul* 
bigft bem Kircßenrätß ober Oberßofprebiger. 
„Sinb noeß menig ba" — „jeßt fommen ber 
©err ßberforftmeifter mit grau ©emaßlin" — 
„ßeut ift nießtn Someßmen ba" unb mie feine 
Sieben meiter gingen. 


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ffbensrettungebienfl an ben Bußen ber $n. Staaten. 


399 


Kinmal batte er ficb böfe oerfcbnappt. Kin auf bem $opfe öertbeilt, unb am Sonntag 
feljr gefugter {ßrebiger ftanb auf bem SirdEjem mußte ifjm feine grau eine „3toangSanleibe" 
jettet. ®er aber mar erfranft, unb ber menig in paaren machen bon ber Steckten gur Sinfen, 
gern gehörte £err ®efcm, — ein mof)tbeleibter um einigermaßen ben faxten Sdjäbel ju betfen. 
£err, (bem bie böfe Sßelt nacßfagte, baß er bei 2 lber $mei freunblidje, hellblaue Sugen fdjauten 
einem Scbaufpieter ©ortragSftunbe genommen) aus ben bufdjigen ©rauen unb ber 9Runb, ber 
mußte prebtgen. ®ie Sirene mar überooU—ba nur nod) einen einzigen großen ftafyn beherbergte, 
entfuhr bem ^ofmeßner baS geflügelte SBort: mar jo berebt unb batte für jeben ein gutes 
„Slber bieSmal finb bie Seute a n g <'jjfyn i e rt, S33ort. 

|serr ®efan, alle glauben, ber ^crr^nFame Seinem 3 e ^ cn ^ war ber „®ircbenjafob" ei* 
unb nun tommen Sie!" ®aS ©efiebt beS ®c- gentlicb ein ehrlicher Sdjufter, ber mit 28eib 
fanS bat leiber feiner in biefemSlugenblicf gemalt, unb ®inbern unb einem balblabmen, einäugigen 
®urj, ber ^ofmeßner ift eines ®ageS oer^ ©efeflen arbeitete. ®ie Schufterei aber geftat- 
buftet, unb icb glaube, icb batte mit meinem ab s tete ibm noch nebenher baS s 2lmt eines dobten* 
nungSOollen ff inberge mütbe baS {Richtige ge= gräberS $u oerfeben unb sugleicb ©laSbalgtreter, 
troffen. ®iefe TeföeTTtft'cbengeftalten ließen Slingelbeutler unb Sfircbenbiener $u fein, ®ura, 
mich ahnen, baß in ber Äircbe boeb nicht alles er mar alles unb ertrug mit ©lüd biefe beneid 
fromm fei, meber unter ben ©eiftlicben, noch bensmertbe Slemterfumulation, maS man nidbt 
unter ben 9Reßnem. Unb baS ift immerhin oon allen feinen beneibenSmertben Kollegen in 
ein Schabe für’S ^inberber^. biefem garf) fagen fann. greilid) ftrebte er auch 

3 cb übergebe bie'lbeiteren Krinnerungen ber nach höherem noch, unb eS geigte ficb bei ihm, 
gugenb unb fomme 51 t meinem Kircbenbiener baß ber äRenfcb irrt, fo lange er ftrebt. Kr 
in meiner erften ©emeinbe. meinte nämlich, er fönne fo ziemlich „alles" in 

3 a, ber fcblicbte 3 fl fob — er mar nicht glatte ber S'ircbe, als ba ift: Orgeltreten, ©üben in 
rafirt unb ließ ficb nur Somtabenb SlbenbS feU 3 uc ^t halten, Elitär beeten, Sichter anfteefen, ja 
neu Stoppelbart notbbiirftig febeeren, er batte felbft ein ©iScben Orgelfpielen habe er bem 
auch feine meiße ^alSbinbe noch graef, fonbern §errn „|>auptlebrer" abgegudt; bann aud) 
trug große, ftebenbe Satermörber, bie als ,^emb= dobte begraben— nur baS eine fehle noch: 
fragen fauber aufgeftiilpt maren, einen tymmeU baS {ßrebigen. ®aS müffe er freilich bem £erm 
blauen SRod mit filbemen ®reffen unb ein ©ein^ Pfarrer überlaffen, aber eS fei boeb febabe b’rum, 
tleib mit einem Silberftreif—aber baS mar boeb baß er baS nicht fönne unb Oieöei^t fönne er 
ein anberer 2Ramt. ®ie £aare maren fpärlicb aud) ba noch etmaS lernen. 


febeti 0 rettuti 90 bienfl an ben Hüften bet gSerriitigteii Staaten. 

hieran ber 6tablfti(b. 

gnr ©au* unb ©erb bon einem alten Seemann. 

ein X©eil ber mehr als 10,000 2ReiIen langen bie Jfüfte Song SfSlanbS mit ©ütten Oerfehen mar. 
See- unb ©innenfee * Jfüften ber ©ereinigten die ©erfuebe englifcber unb anberer europäischer ©e- 
Staaten ift für bie Schifffahrt oerberbltcher feüfchaftenjurSBeroollfommnungbeSSebenSrettungS* 
als baS langgejtredte, fanbige Ufer jmifeben bienfteS mirften günftig auf ähnliche ©erfuche $nte- 
Kap Kob unb Kap ©atteraS; beffen gef ähr- rifaS ein. die Organisation unb baS gegenmärtige 
lichfter Xbetl mieberum bie Äüfte bon {Rem Spftem beS dienfteS, mürbe aber erft im Äahre 1871 
gerfets ift 3Ran jagt, baß bie SBratfS aller Schiffe, oon bem jepigen ©eneralfuperintenbent Summer g. 
meldhe jmifdjen Sanol) ©ood unb ©arnegat auf bem $imball bemirft. 

SWeereSboben liegen, eine Sinie bilben fönnten, bie ©egenmärtig hefteten an benSReereS* unb ©innen- 
bon bem einen bteferJBunfte bis pm anbern reichte. fee-Ä'uften beS SanbeS ungefähr 200 SebenSrettungS- 
©ier errichtete bie Sfegierugg im gahre 1848 einige ftationen, beren größere »njabl ficb natürlich an ben 
rohe ©ütten, melcße bie erften Anfänge beS SpftemS gefäbrlichften fünften beßnbet. ®ie Äbbilbung auf 
Aur Rettung Schiffbrüchiger bilbeten. Sie [oüten ben- nächster Seite jeigt bie Kinrichtung eines folchen ©ebäu- 
Selben Obbach gemäbren, unb enthielten ©oote unb beS. diejenigen an ©äfen ober Kinfährten finb berfehen 
anbere bamalS betannte SRettungSapparate. die gi- mit einem ©ootmagen, dräger eines fich felbft auf- 
fcberbeoölferung jener Äüfte fteute greimiüige, rnelcbe rießtenben unb felbft SSaffer entleerenben SRettungS- 
baS KettunaSmerf im galle eines SchiffbrucpeS über- booteS. diefeS fann aber bon feiner flachen Äufte 
nahmen. &er Kongreß erlaubte bon $rit iu 3eit in’S SBaßer gelafjen merben, megen feines enormen 
fleine ©clbbemiüigungen, fo baß auch balb Darnach ©emichteS unb ©röße; Kigenfchaften, melche noth s 



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400 


febrnmttungsbirnß an brn Bußen bet Bet. Staaten. 



menbig finb, um tyinreidjenbe Sicherheit unb brauch* 
barfeit §u erzielen. 

pDaS öauptgebäube \)at unten einen Söootraum, 
eine Küche unb ©chränfe, oben aber nod) zmei©d)laf= 


Sebensrettungsftation. 

räume unb eine ^orrathotammer. 2)cr iöootraum 
enthält baS Rettungsboot, meines an flauem Ufer 
unb in feistem Soffer zur Rnmcnbung fommt. Stuf 
einem leisten Sagen mirb es an baS Ufer beförberf. 
3n bemfelben Raum befinbet ftd) auch ber SRörfer* 
mögen mit bem ©efchütj z um Serfen ber Seinen nach 
bem bebroßten ©chiffe, beffen SBefcßrcibung meiter 
unten gegeben merben foü. 3fn bem 33orrathSraum 
merben Daue, Referbc*Ruber unb ähnliche Utenfilien 


ftd) jelbft aufridjtenbe ©oot. 

ihre Pflichten oft febmer unb gefährlich finb. Dte 
geit ber DuHfelßeit ift in brei Soeben getbeilt, mel<he 
je non jmei SRann berfeben merben. 3ft oaS Setter 
iebieebt, fo merben biefelben audj bei Doge fortgefefct 
Diefclben finb üon großer Sicßtigfeit, unb eine Rath* 
läffigfeit in biefem Dßeil beS DienfteS mirb mit (int* 


aufbemabrt. — Die Bemannung beftebt aus einem 
Kapitän unb fecßS Rfatrofen. Diefelben finb aus 
ber ©tranbbeüölferung mit großer ©orgfalt geroäßlt, 
ba ihre ißerantmortlicßfeit unb bie Rnforberungen an 
ibre Eingabe unb Oeftbicfliebfeit febr groß 
finb. Die RuSbilbung berfclbcn mirb 
oon Offizieren ber 3oÜ)chiffe geleitet, be* 
reu Kenntniß ber Küßen — erlangt auf 
langen Kreuzfahrten. jur ^erbinberung 
beS ©cßmuagelS, unb ilebung im Unter* 
Hüben notßleibenber ©cßtffe—fie zu bie* 
fern Flinte oor^üglid) geeignet erfeßeinen 
laßen. 

Das Seben ber Rtamtfcbaft ift ciit febr 
einförmiges. UebungSfabrten unb baS 
Reinigen unb Qnftanbbaltcn ber^crätße 
füllen ihre Dage aus, mogegen bei Ratßt 



Uebungen mit bem ^Rettungsboot. 


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frbrnstrttungsbirnft an ben lüfttn bet $rr. Staaten. 


401 



laffung bcftraft. ftortfrimfieii bc3 Sttörimoaflenö. 

£ft ift ba* 3lmt 
tiefer, üier bi* 
fünf Steilen bin 
unb l)er man- 
bernber ftüften* 

Wächter febr be* 
f d) it) e r 1 i cf). 

Sd)ufelo* ftehen 
biefclben, oer 
© e to a 11 be* 

2 öinbe*, bcm 
Stegen, Schnee, 

4 ?agel ober gar 
ben SBolfen be* 
garten, gla*ar* 
tigen Sanbe* 

4 ?rei*gegcbcn — 
welche ber 2 Binb 
aufroirbelt, unb 
biebie£>autjer= 
fdjiteiben unb 
unerträgliche 
Schmerlen Oer- 
urfacben — auf 
ihrem «(Soften. 
s o e i einem 
S d) it e e ft u r m 
aber ift bießüftc 
be* Öcean* bie 
Pf ablofefte 
2811 b n i 6 ber 
eit. Selbft 
bei Sage gibt 
nur ber Sdjcium 
ber an’* Ufer 
fdjlagenben 
Hellen bent 
2 Bäd)ter bie ein- 
*ige 9?id)tfd)nur 
feinet einfamen 
28 cg e*; bei 
Uiad)t aber ocr= 
mag nur feine 
genaue ftennt= 
nife be* 23oben* 
unb langjährige 
Hebung ihn in 
ben Stanb 511 
leben, fid) auf 
feiner 28anbe* 
rung burd) bie 
aufaewirbelten 
Waffen 00 n 
S d)n ee unb 
Sanb^urecbt ju 
finben. 

Söemerft er, 
baß ein Schiff 
an’* Ufer ge¬ 
trieben wirb, 
fo brennt er ein 
Signal ab, wei¬ 
ther er . außer 
ber fiateme bei 
fid) trägt, unb 
ba*, burd) eine 

Scblaaporridjtung entjünbet, etne ioeitt)in leuchtenbe 1 gel* ober bie an’* Ufer gefchroemmten Xrümmer fein, 
rotbe flamme gibt. Sa* leifefte ^In^eidjen genügt bem belebe jein ftufj berührt. Sa* Signal loarut bie ^ 8 e= 
SBädjter, bie «Rabe eine* Schiffe* mahr^unehmeri; mag , bräugten oor ber gefahroollen «Räi)e ber Äüfte, ober 
«e* ber Schimmer eine* Sichte*, ber Schein eine* Se= ' gibt ben ÖJeftranbeten bie freubige (Gewißheit oott ber 


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402 


frbenffrttttnpbiettft an ben Hüften brr 0er. Staaten« 



9tät)e ber §ülfe. §at berSBädjter fid) überzeugt, baß 
ba« ©d)iff geftranbet ift, fo eilt er auräcf naa) bem 
©tation«t)auje. ©ein fur^er atbemlofer ©erid)t ift 
binreidjenb, um bie SJtannfcbaft *ur rübrigften Xpä* 
tigfeit anflufeuern. ©ebarf man be« Rettungsboote« 
fo wirb baffelbe auf ©efeljl be« Sapitän« auf bem 
Söagen an ben ©tranb gezogen. ©inb feine ©ferbe 
jur §anb, fo muß bie Bemannung felbft bie fernere 
Saft — ca. 180 v ßfunb auf bie s ßer)on — nach bem an* 
gegebenen Orte Rieben. Xort mirb ba« ©oot in bie 
©ee gefeboben, unb oormärt« gebt es ju bem 28erfe 
ber Rettung. 

Xer Sapitän ftebt unb ftcuert ba« ©oot mit einem 
Riemen, bie Ruberer febauen mit gefpanntem Sluge 


Ser ©ebraud) ber fcofenboie am ftabeltau. 

auf ihn, unb feinen ©efeblen geborebenb, merfen unb 
berfteben fie felbft feine leijeften ©emegungen im 
$antpf mit ben entfeffelten Elementen. Rid)t im* 
mer gebt bie Abfahrt glüeflieb bon ©tatten; eine 
$Boge mag ba« ©oot mit SBaffer füllen, unb bie 
Stannfcbaft in bie bocblaufenbe ©ranbung fcbleu* 
bem, mo fie. burdj ib^c ftorfgürtel unterftüfct, mit 
berfelben fämpfen, bi« fie guß faffen, unb ba« ©oot 
an*« Ufer jurücfjieben fönrten. ©o gelingt ber ©er* 
fud) oftmals erft nad) mieberbolten 9lnftrengungen. 

©ei bem ©Sracf angelangt, ift bie größte ©orfidjt 
nötbig, um einen berberblicben 3ujammenftoß ^u 
bermeiben, ober faüenben ©pieren unb umbertrei* 
benben ©d)iff«tbeilen auSflumeicben. Xie bon ben 


bodjgebenben SSellen in ba« Xafelmerf be« ©ebiffe« 
binaufgefebeuebten ©Aiffbrüd)igen, merben, fo gut eS 
geben miü, in ba« ©oot gebracht; unb nun banbeit 
es ficb barum auf bie ficberfte ©Seife ba« Ufer $u er* 
reichen. 

3umeilen mag eS tbunlid) erfebeinen, unmittelbar 
hinter einer 2Beuc ab^ufabren, um mit terfelben bie 
Stufte $u erreichen, beoor bie näcbfte folgt; ober man 
mag auf eine ©Seile märten, meld)e ba« ©oot bem 
©tranbe juträgt. ©ebt bie ©ee febr hoch, fo mag 
man riiefmärts bem Ufer ^fahren, um, mo nötbig, 
gegen eine gefabrbrobenbe ©Seile anfteuern $u fön* 
nen. 3ft bie ©ee aber febr milb, bann bermittelft 
eine« Xauc«, melcbe« am ©ebiffe befeftigt mirb, um 
ben Fortgang be« ©oote« in ber 
©emalt $u behalten, bamit nicht 
eine unermartet anfommenbe 
©Seile baffelbe auf ihr febäumen* 
be« §aupt nehme, unb in bie ©e* 
fahr be« Umfcblagen« ober ber 
be« $opfüber*©türäen« bringe. 

$at bagegen ber ©Sachter bie 
Nachricht gebracht, baß ba« ©oot 
nicht oermenbbar fei, fo mirb ber 
©törfermagen an ben ©tranb ge* 
bracht. §ier gebt eS fogleicb an 
bie Arbeit; ber Apparat mirb 
aufaefteüt unb jur ©enufcung 
ooroereitet. ©inige laben ba« 
©efcbüfc,®nbere fefcen bte ©djuß* 
leine in ©ereitfdjaft unb machen 
bie 3* c t) Icinc unb Kabeltaue*) 
fertig, befeftigen bie fiofenboje, 
legen bie Xalje«t) “ar unb 
merfen mit §acfe unb ©paten 
einen ©raben au« j*ur ©ufnabme 
be« ©nfer«, mäbrenb bie Äüften* 
lateme bie ©eene beleuchtet. 

Run mirb ber ©djuß abae* 
feuert. Xie ©cbußleine fliegt über 
ba«©d)iff, mo bie ©ebiffbruchigen 
ficb berfelben bemächtigen. $f)r 
SJreubengefcbrei berfünbigt ben 
Settern, baß fie ihr 3' el ni$t 
berfeblt baten. Sun befeftigt 
man an Der ©cbießleine einen 
einfdjeibigen ©tertblocf mit einem 
burcbgefdjorenen ©eil, beren @n* 
ben mit emanber oerbunben finb, 
nebft einem ©rett, auf meldjent 
©ebraueb^anmeifungen gefebrie* 
ben finb. ©obalb bie 3ftann* 
febaft beS ©ebiffe« ficb ©tert* 
bloct an ©orb gezogen boben r 
befeftigen fie benfelben nach gege* 
bener Stnmeifung, unb geben ben 
Männern am Ufer abermals 
ein ©ignal. ©ermittel« biefe« ©tertblocf«, mit fei* 
nem ringartigen, enblofen ©eil, ift nun bie fernere 
©erbinbung ^mifeben Ufer unb ©ebiff bcraeftellt. 3efet 
befeftigt man an einem $b*il be« enblofen ©eil« 
ein ftarfe« Kabeltau unb ein jmeite« ©rett mit ©e* 
braucb«anmeifungen, melcbe« bureb 3i c t« n einem 
anberen Xb^ti be« ringartigen ©eil« an ©orb beför* 
bert mirb. Sfacbbem nun ba« fernere Kabeltau am 
©ebiff befeftigt morben, fcblägtj) man einen Xalje, 
ber am ©anbanfer befeftigt ift, an bem Kabeltau unb 


*) Sa8 fc^toerfte Sau bc« Schiffe«, 
t) tön mit Btdden berfe^ene« Seil. 
X) ©efeftiflen. 


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febfMrrttungebienft an ben Stiften brr §n. Staaten, 


405 


jieht e$ fo ftramm wie nur möglich. Um baffelbe nun 
aus bem SBaffer unb in bie $öt)e $u heben unb noch 
ftrammer ju machen, errichtet man unter bent $abel* 
tau *wei treu^weife über einanber befefttate Stangen. 
$iefeS Kabeltau bilbet nun bie StettmtgSbrütfe für bie 
Schiffbrüchigen. Stun wirb bie £ofenboje bin unb her 
an bem Kabeltau geflogen, unb bermittelft berfelbert 
werben bie Schiffbrüchigen fidler an’S Ufer gebracht. 

$iefe SRetßobe ift erfolgreich, wenn fie richtig be* 
folgt wirb; aber nicht feiten ereignet ?S fich, baß bie 
SchiffSmannfchaft, in leicht 
begreiflicher Verwirrung, 
bie Slnweifungen mißoer* 
ftebt unb fobie Leitung er* 
fchwert. Slud) tönnen burch 
ben Einfluß beS Sturm* 
roinbeS, ber Strömung unb 
ber bothlöufenben See bie 
Seile in Unorbnung gera* 
tben ober bei faltem SBet* 
ter mit Eis überzogen wer* 
ben. Zuweilen zerreißt auch 
baS Kabeltau oon ber 
Wacht beS ftch hin unb 

! ier bewegenben Schiffe, 
o baß bie Schiffbrüchigen 
bermittelft beS leichten, enb* 
lofen Seilet an’S Ufer ge* 
flogen werben müffen. 

$>ie öofenboje, fo bor* 
theilhaft fie auch für SRäu* 
ner ift, ift fie boch taum 
' für bie 


Seförbenmg bon grauen 
unb $inbern, noch für eine 
große Stnflahl bon äRenfdjen 
ober für alte unb tränfliche 
ßeute. gür folche galle 
ift aber ein fogenannter 
^Rettungswagen im ©e* 
brauch. 3)erfelbe wirb eben* 
falls auf bie bejd)riebene 
SBeife beförbert, zuweilen 
aber auch — ba er ein einfa 
djeS gebecfteS Voot ift—mit 
einem an jebem Enbe be* 
f eftigten Seil flwifchen 
Schuf unb Ufer über baS 
SBaffer bin unb hergeflogen. 

3)er ^Rettungswagen hat 
81a um für fünf biS fedjS 
jjnfaffen. Völlig waffer* 



... .Infi 
biejentgen ftch feinen großen 
Unbeguemlichfeiten au un* 
terwerfen, welche fich bem* 
felben anbertrauen. Sein 
Stufeen ift ein großer, gn 
ofeinan* 



$te $ofenboje, 


einem gaHe, wo fein anbereS 
Wittel anwenbbar war, nämlich &ei bent Schiffbruch 
beS Stampfers S^prefhire an ber $üfte bon Stern ger* 
fety, würben 201 Verfonen baburch in Sicherheit ge* 
bracht. Vei etner anbem©elegenbeit rettete man ba* 
burch außer ben Voftfadjen eine große Summe in.©olb* 
barren, welche Eigenthum ber Ver. Staaten waren. 

®ie eigentümliche Vefchaffenheit ber Vinnenfee* 
lüften uno ber Ufer beS ftitlen OceanS, geftatten bie 
SfatoenbungbeS ftd) felbftaufrichtenben unb felbftent* 
leerenben VooteS, baS ieboch an ben feidjten, fanbi* 


aen lüften beS atlantifchen OceanS, feiner großen 
Schwere halber, nicht anwenbbar ift. Staffelbe ift 
ein SBunberwerf ber Erfinbung auf nautifchem ©er¬ 
biete, unb hat fich Wan in Dielen gätlen als äußerft 
nüßlid) ertoiefen. ES ift baS Siefultat eines hunbert* 
jährigen StubiumS unb EjperimentirenS. Sticht im* 
mer tommen bie (geretteten wohlbehalten an’S Sanb. 
Oft fontmen Verlegungen oor, unb bie SiettungSfta* 
tioti üerwanbelt fia) in ein ftoSpital unb bie raupen 
Seemänner in forgfame Slranfenpfleger. Webicin^ 
fowie anbere Wittel flum 
Veiftanbe folcßer ßeiben* 
ben, wie auch Vetten unb 
Verbanbjeng finb flur 
£anb; unb eS gehört mit 
flum S)ienfte ber SJtann* 
Waften mit ber rechten Sin* 
wenbung berfelben ber* 
traut flu fein. Slud) fdjließt 
bie SluSbilbung ber Siet* 
tunaSmänner, bie fanitären 
SJtaßregeln flur SBieberbe* 
lebung Ertrunfener in fich, 
bie Entfernung beS etwa 
oerfchludten SBafferS aus 
bem Körper, fowie bie Vele* 
bung ber SltpmungSthätig* 
feit. Statürlidi gibt eS noch 
Diele $ülfSgeratl)e, mit wel* 
d)en bie SiettungSftationen 
Derfehen finb, bod) ber 
Staunt geftattet uns nur 
bie mefentlichften flu be* 
fchreiben. 

Eines ber wichtigften ift 
ber SlettungSanflug, Wel* 
eher aus Ätarf beftehenb, 
ben Xräger beffelben über 
SBaffer halt unb ihm baS 
Schwimmen wefentlich er* 
leichtert. S)erfelbe würbe 
mehrfach benußt, wo eS 
fich barum hanbelte, ben 
auf bem SBracf befinblichen 
Verfonen beifluftepen in ber 
richtigen Slnwenbung ber 
©erätpe, bie ihnen burch 
bie Schußlinie übermittelt 
waren, unb in beren ©e* 
brauch fie fich nicht gleich 
hineinfinben tonnten, 
«uch haben bie SiettungS* 
männer bermittelft bielfeS 
Apparates mehrfach Ertrin* 
tenbe gerettet, welche Don 
ben Schiffen herab in bie 
Vranbung gefpült worben 
waren, unb ohne biefe ßülfe 
Derloren gewefeu waren. 

$)ie Organifation beS 
S)ienfteS ift einfach, aber 


jwecfentfprechenb. S)ie ßüftenlinie ift in flwölf $i* 
ftrifte getheilt, Don welchen acht am atlantifchen Ocean, 
brei an ben Vinnenfeen unb eine an bem ftiüen Ocean 
liegen, geber biefer S)iftrifte hat feine burch Stunt* 
mern bejcichneten Stationen unb fteht unter einem 
Superintenbenten, welcher feinen SBohnort bort ha^ 
ben unb befannt fein muß mit bem Eharatter unb 
ben Eigenthümlichteiten ber ihm anoertrauten Strede. 
Er ernennt bie Eapitäne, forgt für ftäte Erneuerung 
berVorrätße atleSStothwenbigen,unb ^ahlt biefiöhne 


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404 


^tbrnettttungsbirnft an btn ÜUflrn btt Per. Staaten, 



fid) felbft aufricf)tonbc SRcttunflSboot unter ©cgel. 


an bic SJtannfchaften aus. Ebenfo ift ein Qnfpeftor 
für jeben Tiftrift ernannt, meld)er mglcid) ftommam 
bant bcs an ber ftiifte ftatiomrtcn 30 m utters ift. Tie 
Cffi^ierc, unter ber Votmäßigteit eines Hauptinipef 
tors ftebeub, führen bic 2lufftd)t über bic Stationen 
unb bilben bie s JNannfd)afteu aus. Ter ganze Se= 
bensrcttnngSbienft unb feine Vermattung fteljt unter 
•einem General juperintenbenten. 

Vlber mclcbe Erfolge bat benn ber SebenSrettungS- 
bienft aufzumcifcn, möchte mau fragen. Qn bem 
SiSfaljabrc 1878, enbenb am 30. Quni, fielen 171 
Schiffbrüdje oor, bei meldjen 1557 9Jtenfd)en in s Jtotb 
gerietbeti. Gerettet mürben Dort biefen 1331, miil)= 
renb 226 V^nonen um’S Seben fatnen. Von biefen 
•gingen 183 mit ben Tampfcrn ©uron unb s JWetrapo- 
iiS au Grutibc, t>on melden ber elftere oicr Tage öor 
ber Vcmannung ber Stationen, unb ber anbere in 
einer fo roeiten Entfernung oon ber näcbften Sta¬ 
tion febeiterte, baß augenblicfliche Hülfe unmöglich 
mar. Vierzehn anberc ocrloreu baSSeben, mo bic 
Hülfe megen ber Entfernung ober 9?id)terrid)tung ber 
Station unterbleiben mußte, fo baf 3 bie Slnzgbl ber 
Umgefommenen im Vereidjc ber 9tettungSoperationen 
fid) nur auf 29 beläuft. 

Vom Qabrc 1871 bis 1878 betrug bie 3al)l ber Un¬ 
fälle im Vereicbc ber Stationen 578. Turd) biefe gc= 
rietben 6287 Sßerfonen in fiebenSgcfahr, aber 5981 
•mürben gerettet, mäbrenb nur 306 umfamen. Tie 
Schiffbrüchigen fanben 3716 Tage Verpflegung unb 
Hülfe auf ben Stationen, greilid) ift uid)t gefagt, 
baß alle biefe Geretteten ohne bie Hülfe berOtettungs- 
leute hätten umfomnteu müffen; ein Tbcil öou ihnen 
märe icbcnfallS burd) eigene 2lnftrenaungen entfom- 
men, aber ber Segen ber Stationen ift crficbtlid) ein 
großer. — Ein ctroaS unoollfommcncr Vcricbt, ber 
bei SBeitem nicht alle ftattgefunbeuen Schiffbrüdje, 
mäbrenb bcS QeitraumS öon 1850 btö 1870 an ben 
betreffenben Stuften Siong QSlanbS unb s Jtem Qcrfet) 
einfd)ließt, liegt oor. Ein Vergleich zmifchen bamalS, 
ba nur bie rauben Quitten ftanben unb ber Gegen¬ 
mart mit ihrem feit 1871 eingefübrten Stiftern, zeigt, 


baß bic 3 abl ber jähr- 
lid) burd) Sd)iffbruch 
Umgetommenen fid) 
int Turchfdinitt um 
ungefähr 87 ^ro^eut 
oerminbert bat. 

Tarum Ehre ben 
braoen Männern, bie 
fid) mit foldjer Selbft 
lofigfeit uub s 2luSDauer 
ihrem gefährlichen Vc- 
rufe h.tngeben. Oft 
genug jeßen fie ihr £c 
ben auf's Spiel bei 
ihrem fühnen 9tet* 
tungSmerfe, mie eS 
at)ireicbe Salle bemic 
en haben. Ein braoer 
s lftann, beffen 9tamc 
auf ber Üifte ber 9tet- 
tungSntänner ftept, 
fagte einft: „28enn 
id) einen Dtcnjchen in 
TobcSgefapr auf einem 
VJratf erblicfc, fo fef)e 
id) nichts SlnbereS tn 
ber V$elt; id) oerntag 
nicht an Qamiiie unb 
greunbe 511 bcntcu, bis 
id) ipn gerettet habe/' 
Ties ift ber Geift, meldier biefe Männer erfüllt; alle 
Verid)tc bezeugen es, unb jebeu hinter geben tpre 
Tbaten eine neue Qiluftration bcSgöttlichen SluSfpru- 
d)eS: „Wictnanö bat größere Siebe benn bie, baßer 
fein Seben läßt für feine Qrcunbe." 


llotifrl 111. mau, ticr (fuaugrliU 
uan Jlatis. 

Sur Oau$ unb Derb bon Q. G. Hübenflcin. 

rner ®tann nuferes 2trtifelS ift bisher ein 
irf auSermäl)ltcS 9tüftzeug ©otteS zur Goam 
£7 gelifation SranfrcidjS gemefen. $urd) 
(Lottes Vorfebung tnurbe fein s 2luge nad) bem 
fianbe gerichtet, mo einft bie Hugenotten blute^ 
ten, mo bic ©uillotinc in bei* 9teoolution ihre 
Atolle fpielte, mo anno 70 unb 71 bie S)eutfd)en 
beit Sranjmännern bic rothen Hofen gerbten, 
unb mo bic Gommune ÜBraitbfadcln in bie 
läfte marf. 

Qu jener 3eit tarn ber einfache, flüchte Gng* 
länber mit ber ©otfehaft beS nad) <pariS. 
©ott fegnete bieS Unternehmen reichlich- 

Robert ®hitafer9Jtc2lll ift ber ©of)n beS be= 
rühmten s ßrebigerS 9t. @t. 9Jtc2lfl, L. L. D., 
in ber Gongregationalfirche tion ®tanchefter, 
Gnglanb. Gr mitrbe geboren 1827, ift fornit 
60 Qaljrc alt. Schon frühzeitig lernte er ©ott 
femtcu. Qm Qahre 1846 meiste er fich ©ott 
auf’s Völligfte, unb ging ins Gollegium, fich für 
baS ^ßrebigtamt oorzubereiten. 9Kehr beim 


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jSobrrt j®. JHeJLU, bet (foangelift von ffaris. 


405- 


20 Satire wirtte er als Songregatiortaliften» 
©rebiger in ben ©rogftäbten. ©eine ©rebigt» 
weife war aggreffio. SRid)t jufrieben mit ben 
99 fuc^te et nach bera |>unbertften, ben Serlo» 
tenen, augerhalb feiner ©emeinbe. 

©inft war er ju ©efud) bei einem 9lmt3bru= 
ber, unb felbftoerftänblich muffte er für biefen 
prebigen. 8118 in ber Smifchenjeit ({Rad)mit= 
tagb) 3emanb auf ber ©trage prebigte unb 
man frag, wer er fei, antwortete man „SR. 3Rc» 

an." 

®8 War im Sttuguft beS 3 a h re 3 1871 als 
9Rc®tt burdj Slnftrengung förperlid) herunter» 
getommen, ©rgotung fud)te. ©r lenlte feine 
©djritte grantreicb ju. Kaum mar er in ©arte 
unb fab baS %i)m unb Dreiben, ba Würbe fein 
#erj mit SRitleiben erfüllt, ©id) fetbft oer» 
geffenb, nahm er ©ibetn unb Irattate unb ging 
ju ben Slermften ber fernen, bie ©lätter ju oer» 
theilen. ©r befugte SBeinhäufer, SReftauratio» 
nen unb wo immer eine offne D£)ür mar, fe^rte 
er ein. 

©alb ergingen ©inlabuugen bie 3Renge an 
iljn. Dies als ©otteS gügung anfeljenb, {ehrte 
er nach ©nglanb jurüd, reichte feine SRefignation 
ein unb reifte nebft gamilie nach grantreich 
jurücf. 

©etteoide, eine ©orftabt ©arte’ oon 100,000 
©inmohnern, wählte er ju feinem SBirtungSfreiS. 
fpier waren bie ©ommuniften betanntlidj am 
ftärfften. £>ier, im norb=öftlichen ©arte, mof)= 
nen bie äermften—aber ein gefunber unb b 0 ^ 1 
gelegener ©la| ift eS bodj. Die Raufer finb 
fdjmu$ig, bie ©tragen enge. Durch ©djanb» 
tbaten ift ©edeoille längft berüchtigt, fo baff bie 
©ifenbahnbebienfteten ficf) wunbera, wenn Seute 
nach ©edeoide fahren. 

#ier unter biefen Seuten „mit blutigen jpän= 
ben" arbeitet 9Rc?ld fcbon 16 Sabre lang, ©in 
Steifenber fagt oon ber Arbeit: „Seben Slbenb 
ift in einer ober mehreren Stationen ©erfamnt» 
lung. HRit ©efang Wirb eröffnet, bann folgt 
©erlefen eine« ©ioelabfdjnitteS, bann ©efang, 
bann eine 12 Minuten lange Siebe, Sieb, mieber 
eine turje anfpradje, ©ebet unb ©djluggefang. 
©8 bauert etwa eine ©tunbe. Der ©tpl ber 
{Rebe ift febr “einfach, ©ontrooerfen unb Kno= 
tenpunfte werben oernrieben. Seelen für ©hri= 
ftum ju gewinnen, ift bie. Aufgabe. {Rieht in 
SR e b e m e i 8 h e i t ift i|re Kraft, bemt als 9lu3= 
länber fiel e3 ihnen anfänglich bodj fchwer, baS 
granjöfifche ju bemeiftera, fonbern in ©emeifung 
beS ©eifteS unb bet Kraft oon oben. 3 u ^ em 
Wiefen bie Störer auf ©infachheit hin, ba es 
meift Unwiffenbe unb Ungebilbete finb. ©ine 
hochftubirte ©rebigt ift ihnen ein „b ö h m i f ch 
Dorf." Die Siebe ©otteS, ©hrifti 


Seben unb SBirlen fönnen alle oerftehen 
lernen." • 

Sn ganj granfreieh finb ©tationen. ©ariS- 
hat allein 30. Sogar in ©orfifa unb Stlgier 
hat 9Rc3ld angefangen. Die Sotale finb reno= 
öirte SBeinftuben unb fallen, mit ©änlen uub 
einem {leinen Difch oerfehen. Die Serfamm» 
lungen werben gut befugt. Sticht nur öffentlich, 
fonbern auch ptioatim oon £>au3 ju $au3 Wirb' 
gearbeitet. 

9Rc9ld führt felbft baS ©ontmanbo unb ift 
fehr eifrig, ©r fchreibt: „91 od) nie waren. 
Seute fo willig, uns ju hören, als gerabe jefct. 
Anfangs blieben wir lange unbeachtet. {Run 
aber ift es anbers. ©elbft währenb ben tjei^en 
©ommermonaten haben unfere ©erfammlungen 
eher j u als a b genommen. 

9113 2Rc9lü 14 üRonate lang gearbeitet hatte, 
befam er ÜRittel oon Slmerifa unb 7 3«hre fpä= 
ter 1880 erhielt er $88.70. SRebftbem jahlt 
eine Dame bie halben Auslagen für ©tation 
“Boulevard Voltaire.” ©renefle wirb ganj. 
oon ber Slmeritanifehen ©pistopal = Kirche in 
©arte unterhalten, unb bie American Chapel 
unterhält Les Ternes. S n ben bereinigten 
Staaten finb ©ereine gegrünbet, biefen michti» 
gen ©often, innere ÜRiffion, ju unterftüfcen. grau 
SR. ©. £>ape3, ©jpräfibentin, ift ©räfibentin oon 
ber ©efeUfchaft. 

Sm S*ini 1883 waren bie ©aben ju $16,755 
angemadjfen. Die Ausgaben für alle Statio¬ 
nen betrugen $51,175. 9Rc9ld Wirb auch Jf't= 
weüig burch amerilanifche Sefucher in ber 9lr* 
beit unterftü|t. 

Die3 ein ©eifpiel bafür, wa3 mit @otte3 
$ülfe ein einjiger SRann teiften !ann. 

Dies ift ber einjige SBeg granlreich ju retten. 
©efe|e unb ©ereine helfe« wenig, Wenn nicht 
baö ©oangelium ein {ReueS fchafft. gaft ade 
Klaffen mürben erreicht, ©olbaten, ©olijiften, 
©trafjenfeger, ©onbucteure u. f. w. Sille freuen 
fidj, wenn 9RcSH mit ©ibeln, unb Iraftaten unb 
Seitungen umher geht, ©ogar bie Knaben ge» 
hen gerne in feine Sibelflaffe. |>err, rief einer, 
in b i e f e m Sommer fanb ich meinen jpeilanb. 
(©renetle.) 3f^ banfe ihnen oon |»erjen, 
fagte ein Arbeiter oon {IRontmatre, als er 
©arte oerlieg, biefe 8leunion3oerfammlung blei» 
ben mir unoergegtich. 3^ bin ein a n b e r e r 
SDtann. 

3 « einer gamilie würben brei ©enerationen 
unter bem ©influg be3 ©oangeliumS gebracht. 
Die Dantbarfeit ber 90jährigen ©rogmutter 
war rührenb unb herjbemegt. Sa ©hoppele» 
©tation ift oon {leinen Käufern umgeben. SRe» 
ben ber Kirche lag ein 76jähriger ©reis im ©ter» 
ben. SRur e i n Slrjt, 3 e f« ö, lann mir helfen» 


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406 |0rr tfl für ben Pangel an Sefrlligkrit in kird)liihen greifen orrantroortlid] ? 


tief er. ©efragt, tote er baS wiffe, antwortete er: 
3<h war in SJtcAfl’S Serfammiung. — 

SBäljrenb ber AuSfteflung 1878 würbe bie 
La Salle Evangelique eröffnet. £>ier würbe 
geprebigt unb bie ©ibel in 22 Sprachen oer* 
i^eitt unb oerfauft. Unter ben ©efuchem wa* 
ren Süden, gapanefen unb Werfer. 

Senft nun ber ßefer, es fei alles £ i cf) t in 
©ctreibung biefer SRiffion, fo irrt er, benn bie 
ßRöncße unb ^ßriefter finb noch nicht auSgeftor* 
ben. — ©ie eifern gegen bie proteftanten. ©o<h 
Wirb ihnen oft bie Sehrfeite gezeigt, ftatt ©ei* 
fall 3 U ernten, fingen manche „SRarfeilaife" unb 
rufen „eS lebe bie ©ornmune!" unb „nieber mit 
ben prieftem !" 

©ott gebe, baß granfreidj mit feiner SR ob e* 
f u dj t unb $ i e r a r dj i e halb oom ©oangelium 
erfüllt unb ©hriftum bienen möge im heiligen 
©chmucf! 


JOer ift für bfti Dtniigrl an (5t * 
fdligkdt in kird|ltd)en Urei« 
frn nrranltnorUid)? 

©on (S. €. SRagaret. 

in djarafteriftifcher 3 U 9 ber chriftlidjen 
Sirdje, feit ihrer ©rünbung, war bie in* 
nige ©emeinfehaft ihrer ©lieber unter einanber. 
©r wurzelte in bem „neuen ©ebote," welches 
©hriftuS ben ©einigen fjinterlaffen hatte, baß 
fie fich unter einanber lieben foßten, mit einer 
befonberen fiiebe. ®ie ©lieber ber apoftolifdjen 
©emeinben „gelten, laut ber Sibel, alle ©inge 
gemein" unb waren täglich einmütig im Sem* 
pel beifammen. ®ie ^eilige Schrift felbft tft 
oofl Ermahnungen an bie ©laubigen, ihre gegen* 
fettigen Pflichten anjuerfennen unb fid) mit he*Z ? 
lieber Sheilnahme unb fiiebe zu begegnen. 

,,©o finb wir oiele ein fieib in ©fjnfto, aber 
unter einanber ift ©iner beS Anbem ©lieb." 
„Einer trage beS Anbem Saft, fo werbet ihr 
baS ©efefc ©hrifti erfüflen." „©in g^glicher 
fehe nicht auf baS ©eine, fonbern auf baS, baS 
beS Anbern ift." ©iefe unb ähnliche ©rntah 5 
nungen würben oon ben erften chriftlidjen ©e* 
nteinben fo treulich befolgt, baß einer ihrer her* 
üorragenben ©ertreter am ©nbe beS ^weiten 
3fahrhunbertS bie SBelt auf biefe innige ©er* 
binbung ber ©läubigen hinweifen unb triumphi* 
renb fagen fonntc: „Sehet, Wie f ie f ich 
unter einanber lieben!" 

3 e mehr eine djriftliche ©emeinbe in ber ©e* 


genwart mit biefem ©eifte ber fiiebe $u ©hrifto 
ihrem Raupte unb ihren ©rübern befeelt ift, 
befto beffer erfüßt fie ihre ©eftimmung auf Er* 
ben unb genießt baS SBohlgefaßen unb ben ©ei* 
faß ihres SReifterS. 3ebem ©haften foßte baS 
SBohl unb SBehe feiner ©efchwifter am fielen 
liegen; er foßte bereit fein, fein 3ntereffe für 
fie burch bie Shnt ju beweifen. Aße anbe* 
ren ©anbe auf ©rben, — ber ©erwanbtfchaft, 
ber 3uneigung, beS Patriotismus, ber greunb* 
jehaft, beS ©efchäftSlebenS unb ber Politif, — 
gut unb recht an ihrem piafce, — fommen nicht 
im ©ntfemteften benen gleich, welche SRenfchen 
in liebenber Eingabe, für 3?tt unb ©wigfeit, an 
einem gemeinjamen §eilanb feffeln. ®ie, welche 
mit einanber baS ©ebächtniß* unb SiebeSmahl 
ihres fterbenben ©rlöferS feieni, — bfirfen fich 
nicht fremb gegenüber fteljen, benn baS ©ebot 
ihres £>eilanbeS lautet, „baß fie fich unter ein* 
anber lieben foßen, gleich wie er fie geliebet 
hat." — 

Seiber befifjen manche chriftliche ©emeinben 
biejen ©eift ber Siebe nicht. ®aS 3ntereffe 
unb bie Sheilnahme für baS leibliche unb geift* 
liehe SBohl ber ©efchwifter fehlt unb bie ©lieber 
begegnen fich in unb außer ber Siräje ohne ein 
freunblicheS S33ort ber Aufmunterung ober ©e* 
grüßung. @S mangelt ihnen baS ©emußtfein 
ihrer ©erpflidjtungen ihren SRitdjriften gegen* 
über, benen fie in ©erfueßung unb©efahr rathenb 
unb hülfreich $ur ©eite ftehen unb mit benen fie 
fieib unb greube theilen foßten. ®er gremb* 
ling, welcher ihre ©erfammlungen befueßt, Wirb 
nicht bewiflfommt, fonbern man geht jahraus 
jahrein tatt unb gleichgültig an ihm üorüber. 
©o foßte eS gewiß nid>t fein. — ©S ift eine 
©chanbe, baß foldje 3uftänbe in ber Sirche über* 
haupt möglich finb. — Aber an wen liegt bie 
©chulb ? — 333er ift für biefen SRangel an ©e* 
fefligfeit unb Sheilnahme unter ben ©hriften 
oerantmorilid)? — 

3 n ben meiften fjäßen tragen bie ©eamten unb 
©lieber ber ©emeinben felbff bie ©chulb unb beß* 
halb foßten beibe ihre perfönlicße ©erantwort* 
lichfeit recht erfennen. ®er prebiger foßte ben 
©liebem bie Ausübung biefer Pflichten befon* 
berS einfeharfen unb ihnen in ©afttichfeit unb 
herzlichem liebreichen ©ntgegenfommen mit ev* 
nem guten Scifpiel oorangehen. Aße übrigen Se* 
amten foßten ein ©leicheS thun unb jebem ©liebe 
unb gremblinge freunblich unb zuborfommenb 
begegnen. Unb jebeS Sirchenglieb foßte in 933ort 
unb AJanbel bie Siebe bethätigen, Welche bie $er* 
gen aßer Wahren ©hriften erfüßt; benn ©h r *ftoS 
hat biefe pflichten nicht nur bem ©orftanbe ober 
ber ©emetnbe im ©roßen unb ©anzen, fonbern 
ben einzelnen ©liebem auferlegt unb hält fie für 



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18er I ft fttr beit Plattgel an •efrUigltfit in hirßlidjen Streifen verantwortlich? 407 


bie treue ©rfüßung berfelben perfönlicß verant* 
toortlidO, gleichviel ob Anbere fie vernacßläffigen; 
ober nicht. — 

SBer bie SBicßtigfeit biefer Aufgabe re<ßt er* 
fennt, mirb fich gebrungen füllen, in feinem 
$ßeil bag SNöglicßfte ju leiften. — Unb mer fich 
einer ©emeinbe anfcßließt, in melier fie vemaeß* 
lafftgt mirb, foßte fich bemühen, baß menigfteng 
e i n ©lieb, unb fei eg auch bag jüngfte, biefe 
heilige *ßflicßt erfüllt« Am allertoenigften hat 
ber SRann ein Ste<ßt, fich über bie Sernacß* 
löffigung biefer göttlichen Anforberung in ber 
©emeinbe ju beflagen, ber troß biefer fußt* 
baren äRangelg ficb nicßt beftrebt, felbft einen 
befferen $uftanb unter ben ©liebem ßerbeiju* 
führen. Unb bocß, toie viele gibt eg, melcße ei* 
liehe SKonate ober 3aßre ju einer ©emeinbe ge* 
hören, unb fich bann eine anberc firehliche £>ei* 
math fuchen, meil fich, laut ihrer eigenen Aug* 
fage, Niemanb um fie fümmert, — toeil deiner 
fie toillfommen ße»ßt, fich nach ißren öerßält* 
niffen erfunbigt unb ihnen freunblich unb juoor* 
lommenb begegnet. 

SBelcß ein Sefemttniß eigener fßflicßtverfäum* 
niß liegt in einer folchen Aeußerung. ®er SJtann 
felbft ift, feiner eigenen Augfage gemäß, ein 
Nachfolger ©^rifti unb alg folcher befannt mit 
ben Anforberungen, melcße Sßriftug an feine 
jünger fteflt. @g fießt mit eigenen Augen, baß 
eg ber ©emeinbe an gegenfeitiger Ißeilnahme 
unb Aufmunterung fehlt unb baß Anbere, gleich 
ihm, biefen SKangel fcßnierjUcß empfinben. Aber 
toeil bie übrigen ©lieber an ihm nicht ihre Pflicht 
thun, glaubt er fich berechtigt, bie feinige Anbe* 
ren gegenüber ju unterlaffen. — Unb mag ift bie 
golge? ®ie ©lieber, mel<ße öor feinem ©in¬ 
tritt in bie ©emeinbe vemacßlaffigt tourben, finb 
jeßt um fein Haarbreit beffer baran, unb bie, 
welche n a ch ihnt famen, finben auch bei ihm bie 
Ißeilnaßme unb bad ©ntgegenfommen nid y t, 
toelche er bei Anberen vergeblich fuchte. Unb 
ber SJtann toagt eg über Sieblofigfeit unb ffälte 
unter ben ©liebem ju reben." —, 

Angenommen, 3emanb beflagt fich über bie 
Ungefefligfeit amerifanifcßer Keifenben. „Sch 
tourbe," erzählt er, „auf meiner Steife burch ben 
©ontinent in einem ber praeßtvoßen ^ußmann* 
Scßlaf*2Bagen bei einem anberen £>erm einquar* 
tirt. Alg ich neben ihm Sßlaß nahm, grüßte er 
mich nicht unb roährenb ber vier Sage unb 
Nächte, bie mir miteinanber jubraeßten, mürbigte 
er mich feineg SBorteg.. Solch ein Benehmen ift 
abfcßeulicß." 

„Aber haben Sie ihn angerebet?" magft bu 
einjumenben. — 

,3cß ? — Kein! — 3cß fpreeße mit Niemanb r 
ber mich nicht anrebet." — 


„Aber oießeicht fühlte ihr Steifegefährte gerabe 
mie fie?" 

„SJtag fein, aber er hatte bereitg fßtafc ge* 
nommen, alg ich eintrat, unb ich meine, eg lam 
ihm ju, ben Anfang ju machen." 

„©efeßtenfaßg eg märe fo unb er hatte feine 
Pflicht oerfäumt, benfen Sie, Sie hätten 
unrecht getßan, menn Sie ihm ein freunblich 
SBort gegönnt hätten?" — „ 3 $ benfe nicht." 

„Nun benn, mein greunb, menn laut 3^ r er 
eigenen Augfage fich aße Neifenben höflich nnb 
juoorfommenb begegnen foßten, fo haben Sie, 
mie eg fcheint, biefe Sßflicßt oerfäumt, gleichviel 
mag 3hr ©efährte tßat." Unb ganj ebenfo 
mürbe bag Urtheil über ben lauten, ber ben 
Sommer übet mit anberen ©äften in einem 
Sabeort baffelbe £>otel bemohnen unb mit ihnen 
aug* unb eingeben mürbe, ohne auch nur feinen 
näcbften Jifcßnacßbar freunblich ju grüßen.— 

Ober, nehmen mir an, ein SKann hat einen 
Alarmruf „geuer" vernommen unb eilt gefeßmin* 
ben Scßritteg nach ber Sranbftätte. ®ie glom¬ 
men haben gettnltig um fich Gegriffen unb aße 
Serooßner beg ßrteg legen £>anb att’g SBerf, ju 
löfeben unb fo viel Wie möglich *u retten. Gt id^e 
tragen SJtöbel, Seppicße unb Silber aug ber bren* 
neitben SBoßnung, Anbere fommen mit ©imern 
SSaffer, um bie Säcßer ber benachbarten Käufer 
ju begießen. feßeint eg, hat etrnag ju thun 

mit Augnaßme biefeg einen SHanneg; er regt 
feinen ginger. Nach bem Sranbe labet ber 
©igentßümer beg Nachbarbaufeg Aße ein, bie an 
ber Kettung feiner äBoßnung mitgeholfen, ein* 
jutreten unb einige ©rfrifeßungen ju nehmen; 
unb unfer SNüffigänger fchlenbert Verbrießlich 
feiner Sßoßnung ju unb brummt: ,,$m,’ mich 
hat Niemanb aufgeforbert, ju halfen; ich hätte 
eg fo gut gefonnt, mie bie Anberen, aber man 
fragte mich nicht Unb ber Nachbar lub nur 
bie ein, melcbe geholfen hatten; fomit mar ich 
auggefchloffen. ©inen folgen SRangel an ©efel* 
ligfeit unb freunblicßem ©ntgegenfommen finbet 
man fonft nirgenbg," fflahrlich/ ein folcher 
Sßann foßte über bie Semacßläffigung, melcße 
ihm miberfnhr, fein SBörtcßen verlieren, benn er 
felbft legte bie $änbe in ben Scßooß, anftatt fei* 
nen SNitbürgern in ber Stunbe ber Sebrängniß 
ju Reifen. Unb baffelbe gilt von bem, ber 
SJtonate unb 3aß™ tang eine ®ircße befueßt unb 
babei beftänbig über ben SKangel an Siebe, 
Ibeilnaßme unb ©efefligfeit flagt, oßne bag 
leifefte Seftreben von feiner Seite, biefen Uebel* 
ftanb ju befeitigen. 

3n jeber ©emeinbe gibt eg mehr Arbeit alg Ar* 
beiter; in jeber finbet man menigfteng etliche Sßer* 
fonen, melcße von ben älteren unb ßervorragenben 
©liebem überfeßenmerben. Unb barum bietet fieß 


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Brr fokomotiofUljrrr. 


auct) 3ebem eine (Gelegenheit, bieje Siebesarbeit 
ju tf)un, unb benen, bie if)eilnaf)me bebürfett, 
mit t)er$lidjer $l>eitnal)nte ju begegnen 
(Sin Solcher mag in (Gottes §anb ein Sßerf= 
jeug »erben, bie ©emeinbe jum Sehmfstfein i(j= 
rer ißflidjt ju bringen unb fie auf einen Ijöfjeren 
Stanbpunft djriftlicfjer SBirffamfeit ju ergeben. 


3n ben meiften Sollen fjoben bie, meldje ftd) 
über ben Mangel an freunbtidjem ©ntgegen* 
fommen in ber ftirdje beflogen, ifyre eigene 
ißflidjt öerfäumt, unb tragen felber bie ©djulb, 
bafe fie 9Konate unb 3af)re lang ju einer ®e= 
meinbe gehören, oljne als ©efätoifter anerfannt 
unb beljanbett ju werben. — 


Per fokomotiufüfjrrr. 

©on %%. gemjtel. 




eit brei Xagen reg* 
net e«, regnet ohne 
Unterlaß, einzelne 
Sdjneefloden mi* 
Idjen fid) unter bie 
Xropfen, al« ein 
Reichen be« lieber* 
gange« Dom §erbft 
^umSBinter. Xroß 
De« ungemütl)li* 
dien SSetter« man* 
gelt e« nicht an 
Steijeluftigen, welche an einer 3 ^ifchenftation bie 2 ln* 
tunft be« SiUug« erwarten, um nad) ber Sfefiben* $u 
gelangen. — 3 m grellen ©egenfafe ju ber tiefen Xun* 
telbeit braußen, tft bie Slbgang«bafle h^H erleuchtet, 
©ahnbebienftete fielen in Erwartung, SRitreifcnbe 
fchauen ungebulbig bem ©eleife entlang, ber Slnfunft 
be« 3 uge« entgegen. 

3wei junge eben anfommenbe SRäbdjen plaubern 
abwechfelnb in großer Erregung: 

„SBie rciflenb, wie lieben«wiirbig Dom Ontel, an 
un« ju benten, e« f)at ihm gewiß Diel SRühe gemacht, 
un« ©iüet« $u Derjchaffcn, um ben berühmten Äünft* 
lerju fehen." 

Sine ältere Xame, welche mit ihnen auf bem ©er* 
ron auf* unb abgeht, meint freilich: 

„3Rir wäre e« lieber, S'inber, ihr bliebet bei folgern 
SBetter ruhig flu $au«, hoffentlich erfältet ihr euch 
nicht/' « 

„Slber, liebe SRutter, wir ftnb ja nicht fo Der^ärtelt, 
bente bir nur ba« ©lüd, ben größten Sänger unjrer 
3 # eit $u hören, wir freuen un« idjon barauf, bir recht 
Diel ftu erzählen oon alt* bem herrlichen, wa« wir $u 
hören unb au erleben hoffen." 

„SBie, $err ©rofeffor, bei biefem fchredlid)en 2 Bet= 
ter wollen Sie heut &benb nod) auf Reifen gehen?" 
SRü biefen Porten hörte ein älterer, ftattlidjer §err 
fid) Don einem ©efannten angerebet. 

„SBeit lieber bliebe ich h?ut« a u $au«, aber Sie 
wiffen, ber &r$t ift fo wenig $err feiner 3 eit, man 
berief mid) telegraphifd) 5 U einem ftranfen nach ber 
§auptftabt. $äme ich erft morgen unb bann Diefleid)t 
$u fpät, würbe ich wir ©ormürfe machen, e« ift eine 
emfte Sache um ein SMenfdjenleben. ftann ich h eu *e 
nicht halfen, that ich wenigften« meine Pflicht." 

Sr hüllte {ich feft in fernen ©elj, um fid) möglichft 
Dor ben Unbilben ber Witterung iu fdjüßen unb über* 
legte, baß er noch einen ^rantenbefud) t)ötte machen 
tonnen, anftatt hier ben 3 ugju erwarten. 

„SBie, Slnna, Xhoänen un Yluge? ©ereuft bu bereit« 
bein ©erfprechen, mir freubigen SRuttje« $u folgen, 


mir auliebe, ohne Kummer, bie foeimath &u berlaff en ?" 
So fragte ein $err feine erft heute ihm angetraute 
©attin, fich järtlid) $u ibr herabbeugenb. 

„©erjeihe mir, Sllfreo, e« bewegte mich heute fo 
oiel Srnfte« unb grohe«. $er Slbfdjieb Dom ©ater* 
hau« ift ein wichtiger Slbfcßnitt im ßeben, ich gehe 
mit bir Don ganzem $er^en, fei e« aud) in ben Xob." 

„^Rein, meine ©eliebte, nicht jum Xobe, gu ©lüc! 
unb Seben führ ich öich hm in ben fonnigen Süben r 
hinweg au« Siegen unb Schnee." 

$lrm in Slrm juchen fie ein einfame« <ßläfechen, fie 
haben fich fo oiel $u fagen, fie finb ja jum eqtenmale 
fo ganj allein. 

Xa erfdjeint noch ein ©efchäft«reijenber, welcher 
einem Kollegen mit lauter Stimme feine Sioth flagt 
,, 3 d) fahre nach £>aufe, e« ift fein ©efd)äft ju ma* 
djen, miferable 3eit, nicht bie Spefen-Derbient man r 
fein ©elb unter Den Seuten, feine Unternehmung«luft r 
Stodung wohin man blidt." 

@r läßt fid) be« anbem erfahrungen über ben ©ang 
be« ©efdjäfte« mittheilen, beibe bemühen fid) mit ftar* 
fen färben aufjutragen, grau in grau $u malen. 

Xie 3 eü tommt heran, in welcher man bie $lntunft 
be« 3 u 0 e S erwarten fann. Stoch in ber le|ten SRt* 
nute fährt ein Sanbauer Dor. bem ein fchlanter iun* 
ger §err Don gewinnenbem Sleußem unb fein militä* 
rifd)er Begleiter entfteigt. ein Wiener, welche Steife* 
beden trägt, folgt ihnen. SJtit Derbinblichem fächeln 
erwibert ber junge SRann bie ehrerbietigen ©egrüßun* 
gen ber 93al)nbeamten unb anberer Slnwefenben, an 
ben ober jenen ein freunblidje« SBort rid)tenb. 

,,Xa« ift unfer erbprin$, welcher hier ftubirt, er 
fährt mit nad) ber Stefibenj," — berichtet ein ©ahn* 
Wärter bie Umftehenben. 

& flüftert Don SRunbe ju SRunbe: ber ©rbping, 
bie Hoffnung be« fianbe«! Sein juaenbfrifd)e« ®e* 
fid)t flößt Vertrauen ein, möge er erfüllen, wa« man 
Don ihm hofft, wenn er einft bie 3ugel ber Stcgierung 
in bie £>änbe nimmt. 

Signale ertönen, bomuxnb fährt ber.3ug in bie 
©alle ein. Sin bunte« Xurcheinanber ber Slu«* unb 
Sinfteigenben, benn ber SiUug holt nur fur^e 3eit, 
(dinell ift alle« georbnet. Stuf ber Sofomotioe jteht 
ein bewährter ffühofo, welcher fdjon manche« Äah r 
3ügc führt, er ift fid) feiner oerantwortlid)en Stellung 
flar bewußt, er weiß Don ernften fdjweren Stunben 
\w erzählen, ba er bem Xob in*« ^uge gefdjaut, ba 
©efahren ben eilenben ©ahn$ug bebropten, Don benen 
biejenigen nicht« ahnten, welche fie forglo« feiner Rüh¬ 
rung anDertrauten, ©efahren, bie nur er ertannte unb 
nur mit ber größten ftraftanftrengung unb ©eifte«* 
gegenwart Dermieb. 


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9n fohwmrtitrfUljrfr. 


409 


Qm ©ertranen öuf ©ott, auf feine ©rfaprung unb 
©ieperpeit in ernften Augenbliden ift et bis peute im* 
merjilüdlicp an’S gielgelangt. 

„Aber, ©illmann, Wie feben ©ie benn aus?" fragt 
ber ©apninfpeftor ben 3 u ÖT ü ^ rcr / — rrpa* 3Pn en baS 
fcplecpte ©etter bie Saune oerborben?" 

,,©ie wiffen wopl, $err gnfpeftor, baß icp miep 
öor ein bitten Stegenwetter niept fürepte, icp pabe 
noep anbem ©türmen getrost, aber icp weig niept, 
peute liegt eS mir ferner in ben ©liebem unb auf 
bem £er$en." 

,,©i, ei, finb ©ie abergläubig, ein fo langjährig 
treu erprobter güprer foute boep mehr Vertrauen in 
feine eigene ftraft fe|en!" 

„Aberglaube ift eS nicht, #err gnfpeftor, aber ©ie 
wiffen ja auch, AWifchen pier unb ber ©auptftabt ift 
ber 5)amm, meiner fo Diel fchon auSgebeffert, hoch 
feine geftigteit befommt. ©enn baS ©rbreiep Don 
feuern naepgiebt unb bie ©rüde ihren ßalt verliert, 
fo fann ein unfiberfepbareS Unglucf geschehen, ber 
Heine glug ift fchon mehr als einmal jum reigenben 
©trom geworben noch anbaltenbem Stegenwetter " 

,,©ie finb ein ©cpwarxfeper, ©illmann, auf gpre 
auSgefprocbenen ©efüreptungen pin warb ja fürjlicp 
erft bie bebenHicpe ©teue Don ©acpDerftänbigen un* 
terfuept unb in völlig gutem Quftanb gefunben." 

,,©ei bem anhaltenb troefenen ©etter batte eS feine 
©efapr, aber ber Stegen fann bort geraoe Diel ©epa* 
ben angerichtet paben." 

55aSAbfaprtSfignal ertönte, bie ©agentpüren wer* 
ben gefcploffen, bie ©iüetS foupirt, bie ©epaffner nep* 
men ihre ©läpe ein. Stoch einmal menbet fich ber 
©abninfpeftor ju bem 3ugfüprer: 

„Aun, ©illmann, ben Äopf oben, ben 3ug freier 
nacb ber Stcfibenj gebracht, unfer ©rbprin* fährt mit." 

„5)er ©rbprin* fährt mit/' murmelte ©illmann für 
fich nnb feine güge werben noch emftcr. 

„Aun, eS ift ja gleich, rin SRenfcpenleben ift fo Diel 
wertp, wie baS anbere, alle SRitreifenben finb mir an* 
vertraut, ich pnt>e bie ©erpftieptung, fie wohlbehalten 
an Ort unb ©teile ju bringen, aber bag ber ©rinj 
gerabe peut Abenb mitfährt, ift mir hoch recht pein* 
lieh/' 


Aun tritt er an feinen ©lap, alle ©orge pat ipm 

Ö t bie gäpigfeit genommen, feft unb ftcher feinen 
len $u Derjepen, feinem ©epulfen mit furzen, fla* 
ren ©orten feine ©efehle ju erteilen, gifepenb wir* 
beit ber 5)ampf auf, noch ein Süden unb ©rügen 
jmifepen Abreifenben unb 3urüdbleibenben unb mit 
lautem 5)röpnen berlägt ber ©iUug bie §aHe unb 
eilt hinaus in bie bunfle ßerbftnacpt. 

(£S wirb ftiü unb menfcpenleer in ber ©artepalle, 
‘ pt noch nnb jepaut ben ro* 


nur ber ©apninfpettor 
then Sicptern naep, bis fie 


peller unb fcpneHer in ber 


gerne entfepwinben. 

„§at mich boep ber ©illmann beinahe angefteeft mit 
feiner Äopfpängerei, bag icp baftepe unb fepe bem 
3uae nadp, wie auf Sümmerwieberfepen," jagt er. 

$a tritt ipm mit paftigen ©epritten ein Selegra* 
Ppenbeamter entgegen unb überaibt mit $itternber 
fcanb eine eben aufgenommene 55epefcpe. 55er gn* 
fpeftor überfliegt fie, bringt fie bem ©aSlicpt näper 
unb lieft fie nueber. ©S rann ja niept fein, gemig 
fein Auge trügt ipn, unb eS ift boep, eS lägt fiep 
niept wegleugnen, ba fiept e$ mit Haren ©orten: 
„©rüde niept befahrbar, ©Uftug $urücfpalten bis auf 
©eitere«." 

®er ©efepl tommt ju fpät, nur um wenige SRinu* 
ten ju fpät unbfje patten boep fo fcpwere ©ebeutung, 
biefe wenigen ÜRinuten, fie berfcpulben vielleicht baS 
traurige ©nbc vieler, bie noch bor Äurjem frifcp unb 


80 


gefunb in baS Seben pineinfepauten. Shir einen Au*« 
genblic! fepen fiep bie beiben ©eamten tief erfeproefen 
an, bann beginnt ber gnfpettor, feine ©ebanren fam* 
melnb: 

,,©ir müffen ©orfeprungen treffen, eine gepeilte 
Sofomotioe ftept, ©ott fei $)ant, bereit, ein gug mit 
allen möglichen feülfSmitteln mug fofort naepgepen, 
vielleicht ift ein Ar^t in ber Steftauration, bann bitten 
©ie ipn, uns ju begleiten, icp fapre natürlich felbft 
mit ©r winrt noep einen Unterbeamten herbei, er* 
tpeilt ipm Aufträge, mit bem $in$ufügen: „©eforgen 
©ie alles möglicpft opne Auffepen, öietteiept berputet 
©ott baS ©cplimmfte." — 

$er ©il^ug berfolgt feinen rafepen Sauf; opne an* 
jupalten fliegt er an Meinen 5Rebenftationen borüber. 
®urcp Xunnel, an ©ergeSabpänge, burep frieblidpe 
Xpäler unb biete ©älber führt ipn fein Sauf. 

3)aS Xoben ber ©lemente berupigt fiep, ber Mare 
©oümonb ertämpft fiep fein Siecpt er burepbriept fieg* 
reiep bie ©ölten, er beleuchtet peU ben bom Sugfüb* 
rer fo fepr gefürchteten 3)amm. 5)aS bon ber Scäffe 
aufgeweicpte ©rbreiep rutfept langfam, einzelne Meine 
©teme tommen in'S Stollen, baS ©affer fcpwemmt fie 
fcpnetl pinweg. 5)er Meine glug ift jum reigenben 
©trom geworben, er umfpült fdjon Bie ©rüde unb 
berfuept leine $raft an ben ©epienen. 

55a brauft um eine feparfe ©ieaung ber ©iljug peran, 
feft ftept ber güprer auf feinen ©often, feparf auSfpä* 
penb naep allen ©eiten, bie innere Angft, welcpe fein 
|>era bebrüdt, barf ihm bie ftlarpeit niept rauben unb 
boep bropt ipm ber Atpem ju ftoden, als ipm pier bie 
traurige ©enugtpuung wirb, bag fiep betätigt, was er 
längft gefürchtet, ©eparf unb grell beleuchtet ber 
SRonb baS ©ilb, er barf fiep feiner Jäufcbung pin* 
geben. Acp,. unb leine SRinute geit ju überlegen! 
&en f*nell fabrenben 3ug an^ubalten an ber gefapr- 
liehen ©teile ift niept ntepr möglich. Sangfam fapren, 
naep ©orfeprift, baS fann baS Unglüd nur um fo 
Jicprer perpeifüpren. ©cpnell über bie wanfenbe ©rüde A 
fo fcpnell, als nur immer möglich, baS fepeint ipm bie 
einzige fcpwacpe SRöglicpfeit jur Stettung. ©r fann 
ja Stiemanb um Statp fragen, er bat feine 3*it fich 
befinnen. auf fiep, auf "fein (Sfewiffen gan^ allein mug 
er fie nepmen, alle bie SRenfcpenleben, welcpe apnungS* 
loS vielleicht einem fureptbaren ©nbe entgegengepen, 
auep ipn, beffen SGBobl man ipm gan^ befonoerS an’S 
^erj gelegt mit ben ©orten: 5)er ©rbbrinj fäprt mit! 

©einen 5)ienft üerliert er ficber, wenn er, bem ftren* 
gen ©efepl entgegen, fcpnetl über bie ©rüde fäprt. 

Ob ipn niept ein pöperer, als alle feine ©orgefefeten in 
wenigen ©efunben aller irbifepen Arbeit, aller ©erant* 
wortung ent^iept? ©r pat nicht einmal an 

feine Sieben bapeim, an ©eib unb ^inb gu benfen, 
niept einmal 3^it ju beten unb er ift boep baran ge* 
wöpnt, in greub’ unb Seibficp an feinen pimmlifepen 
©ater flu wenben. ©inen ©lid noep naep oben, bann 
aept eS mit Dotier 55ampffraft, mit paarfträubenber 
&efcpminbigfeit pinein in bie tofenbe glutb. 

gn ben oerfepiebenen ©agen paben ficp’S bie Stei* 
fenben bequem gemaept, jeber fuept fich bie $eit ju 
türmen naep feiner ©eife. §ier paben fiep mittpeil* 
fame ©eelen ju gemütplicpem Sßlaubem jufammen* 
aefunben, bort lepnt eines, feinen ©ebanfen naep* 
pängenb, fcpweigenb in einer ©de. 5)er ©rbprinj 
taufAt mit feinen ©egleitem ©rjäplungen ber jüng* 
ften gagbabenteuev aus. 5)ie beiben jungen ©cpwe* 
ftem freuen fiep ber rafepen gaprt, welcpe fie halb 
bem erfepnten Aide ^ufüpren wirb, ber junge ©pe* 
mann pat bie Xhränen beS geliebten ©eibeS getrod* 
net unb peiter läcpelt fie ipn an. Aber bag eS fcpnetl, 
fureptbar fcpnetl gept, baS empfinben alle, fogar ber 


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410 


•efaug uub Äffoug=|5ttd)fr in ber Sonniagftule. 


©eftäftSreifenbe fährt auS füßem Schlummer em¬ 
por: ber Äerl toll/' murinelt er unb finft wie* 

ber gurucf. deiner ahnt, was bie rafte ©ile beben* 
tet, feiner al)nt bie ©efahr, in welker er fcbwebt, nitt 
waS ber ftlitte Sttann bort auf ber Soromotiöe in 
feinem gnnem bunpfärnpft. 

©)aS aBagniß ift gelungen, ber 3ug ift glüdlit, ohne 
SBanfen über bie überfluteten Stellen hinweggefübrt. 
Runter ihm rntfdjt unb raufet baS ©rbreit, tragen 
bie ©alten unb werben in ben SBirbel ber ftäumen» 
ben gluth gezogen, gum leßtenmal t^at ein ©ahngug 

bie ©rüde befabren.- 

2 )er ©aljnljof in ber SRcfibeng liegt ftill unb leer, 
nur not t>on einigen Saternen matt erbeut. Sftan tann 
ja feinen 3ug mehr ermarten, ba bie ©rücfe nitt mehr 
gu befahren ift ©)a fährt plößlit ber ©ilgug bon» 
nernb in bie §aüe ein. ©rfdjrecfen unb Staunen ber 
wenigen anwefenben ©ahnbeamten, bis baS SRätßfel 
fit loft. 

©)ie SReifenben jinb feßr befriebigt, baß bie ©efahr 
fo ungeahnt an ihnen borüberging, baß fie erft jeßt 
babon hören, mo fie fich im fügen ©ef üßl ber Sicher» 
heit wiegten. Sie müffen fit aber ohne ben üblichen 
empfang ©erwanbter unb ©efreunbeter ihren Söeg 
fuchen, fogar ber ©rbpring muß fit einer in beruhe 
paltenben $rofchte bebienen, bie£ofwagen finb längft 
üi’S Stloß gurucfgetehrt, natbem befannt gemalt 
War, baß ber ©ilgug nitt anfommen fönne. 

©)er 3ug hat hier eine halbe Stunbe Aufenthalt. 
3>er Sofomotibführer fteigt bon ber SRaftine, aber 
mühfam nur tann er fit fortbewegen, bie güße finb 
ißm bleiftbjer, er geht wie im Xraume, ©in ©ahn* 
Beamter nähert fiaj tm, um Aufflärung über baS 
unerwartete ©reigniß gu erhalten, ba bie Telegraphen» 
leitung an einer Stelle gerftört war. 

„Um beS Rimmels willen, waS ift Q^nen gefte* 
en V" — ruft er erftroden auS, — 5öiumann näher 
etrattenb. ©r hat moljt ein föettgu biefer grage, beS 
3uaführeS fonft frifteS©efitt ift berfallen unb als er 
bie$eUmüße abnimmt, um ben rinnen ben St weiß aon 
ber Stirn gu trocfnen, ba fielet ber ©eamte mit ©nt* 
feßen, baß jein bunfleS ©aar gang weiß geworben ift. 
Aut bie ©emübungen SBiHmannS, bie Sdjrccfniffe 
ber gaßrt gu ftübern, erweifen fit als üergeblicß, 
er muß fit erft fammeln, ehe er im 3ufammenbang 
gu ergaben bermag. — Tann muß er ausführlich be* 


ritten, feine AuSfagen werben gu <ßrototoü ge* 
nommen, um natträalicb alles genau gu ermitteln. 
Ter ©aßnbireftor ift felbft anwefenb unb wenbet fit 
an SBiümann mit ben SBorten: „3tr ©tellbertreter 
mag ben ©ilgug weiter führen, Sie müffen fit erft er* 
holen unb ruhig werben." 

„|>err Tireftor, wenn baS ©ferb feinen Leiter ab* 
wirft, fehnt er fit um fo mehr, eS wieber gu befteigen, 
it glaube, it fomme am erften wieber gum grieoen, 
wenn it auf meinem ©often ftehe, Bier in ber 9tuhe 
finbe ich mtt nitt gurett. ©rlauben Sie, baß it 
meine Sotomotibe weiter führe. 2Ber weiß, ob eS 
nitt ohnebieS gum leßtenmale ift," —fügt er mit 
gitternber Stimme hingu, — „it fann ja nitt leug» 
nen, baß it miffentlit gegen meine gnftruttion han* 
beite, inbem it mit ber größtmögliten Scßuelligfeit 
über bie ©rücfe fuhr, it wußte mir nur nitt anoerS 
gu helfen." 

„©eben Sie mit ©ott," — entgegnete ber $irettor, 
— „Sie finb ein braber äRann, it bente, bon 5^h ne n 
wirb man am menigften eine ©erantmortung jjhreS 
IhunS forbem. Sie hanbelten nat beftcm xBiffen 
unb ©ewiffen unb ein reitgefegneter ©rfolg hat ,yh* 
fübneS ©eginnen gerettfertigt." 

SBillmannS Sorge, baß ihm eine Strafe beborftehc, 
beftätigt fit nitt 3fm ©egentheil, er erhält eine 
öffentlite Slnerfennung feines ©erhaltenS, bon feinem 
SanbeSherm wirb ihm ein ©hrengeiten berliehen; 
ber ©rbpring futt ihn auf ber Stätte feiner SBirtfam* 
feit auf, banft ihm mit freunbliten SBorten unb über- 
reicht ein reiteS ©elbgeftenf. SBenn feine greunbe 
ben wacferen 3Rann wegen aller biefer SluSgeitnun- 
gen beglücfwünftten, ba fagte er fopfftüttetnb: 
,,^t habe fein ©erbienft babei, nat meinem @e= 
wiffen tonnte it nitt anberS hanbeln, wußte it 
auch, baß eS gegen ben ©efehl war unb it meine 
Stelle auf baS Spiel feßte. ©in SRenftenleben 
ift fo biel Werth als baS anbre, aber baß ber ©rb- 
pring gerabe mitfahren mußte, hat mir bot &en 
$opf not tnärmer unb baS §erg not fttncrer ge* 
matt" 

5Rot manteS 3ahr hat ber alte 3Biümann fein 
weißes ßaar in ©bren getragen, not ntanten ©ahn- 
gug glüalit bon Station gu Station geführt, eine fo 
graufige Wadjt hat er aber nitt Wieber erlebt unb ba» 
für banft er ©ott aus ftergenSgrunbe! 


(Srfoug und (ßefong^udicr tu der Sonntogfdjule. 

©bitor. 


€ in befannter (Sc^riftfteller nennt bie fran* 
göfifte 3leformationSürtc bie b l u t e n b e, 
bie englifdje, mit ihrem ©ebetbut, bie 
betenbe ftirdjc, unb bie beutfte bie f i n= 
g e n b e. 

Obwohl Wir biefen ©aß in feiner gangen 
Tragweite nitt unterftreiben mödhten, fo freuen 
wir uns bot namentlit barüber, baß baS 
beutft 5 amerifanifte ©onntagftul * Soll ein 
fingenbeS ift, unb hon ^ergenSgrunb in baS Sieb 
einftimmt: 


,,^)a bin it gern, wo fromme Sänger weilen, 

Unb frommer Sang im ©hör erflingt; 

$!ie frohen Stunben raft öorüber eilen, 

Unb jebe neue greube bringt. 

©eim frommen Sang ba fühlt fit froh 
bewegt baS &erg, 

©ei Siebertlang fton halb geheilt iftje* 
ber Stmerg." 

®ie beiben leßten 3*ilen enthalten bie Ur* 
fate, weßhalb bie ÜKufica aut t« ^r ©onm 
tagftute ein mättiger $ebel ift. 3 ur Srrei' 
tung unfereS ©tutgweäeS bebürfen Wir bei 


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(Sffaug und •efang=PUd|fr in der Sonntagfdjule. 


411 


Jgung unb Sllt b e m e g t e §er§en, mährenb bie 
Arbeiter in ihrem oft fo fdjmierigen SBirfen 
Selebung b e S 3R u t h e S nöthig haben. 

Städjft bem 9Borte®otteS unb bem ©ebet fenne 
ich jur (Erreichung bieferßiele fein beffereS ßRittel, 
als ein gutes fd)ön gefungeneS Sieb. Unb micein 
folcheS in ber ©onntagfchule jum ächten görbe* 
rungSntittel merben fann, fo ift eS int ganzen Seben 
ein ©<haß, metdjer fid) in aßen Sagen unb Um* 
ftänben geltenb machen mirb. 3ft eS uns befe^atb 
möglich, unfere 3ugenb mit einem reichen Sor* 
ratfj fdjöner, frommer Sieber in’S Seben ju fen= 
ben, fo höben mir ihr eine SluSftattung befchafft, 
bie ihr, fomohl als bem SRiffionSmerf unter ben 
$eutfchen, ju gut fommen mirb. 

SBenn mir beßhalb oom ©efang in ber 
©onntagfdpile reben, fo fei 

1 . feftgefteßt, baß berfetbe nicht bloß jur Un* 
terhaltung, SlbmechSlung unb Serfchönerung 
bient, fonbern toor Slßem ein £ebel jur 93eför- 
berung unfereS ^auptmerfeS ift, melier barin 
befteht, mittelft beS SBorteS ©otteS, bie ©cf)ü* 
ler ju Qefu ju führen, unb tüchtige ©hriften 
heranjubilben. 

2)er ©efang ift alfo meber etmaS ganj 9te* 
benfädjlidheS, gleichgültig unb fchauberljaft ju 
SetreibenbeS, noch ift anbererfeitS bie Sonntag* 
fchule eine ©efangftunbe, in melier nur fo mie 
per $ufaß baS SBort ©otteS gelefen mirb. 

Seibe ©jtreme finb mir fcf)on oft oorgefom* 
men, fönnen jeboch bermieben merben, menn 
man bie ©onntagfdjule auch als einen ©otteS* 
bienft betrachtet, unb ben ©efang als mefent* 
liehen %f)tH biefeS ©otteSbienfteS behanbelt. 

2 . ©elbftoerftänblich muß jeboch, faß fchön 
gefungen merben, auch ©efang Übung in ber 
©onntagfchule üorfommen. 

Slm beften märe es, menn biefe Uebung außer* 
halb ber ©onntagfchule mit ben ©djülern oor* 
genommen merben fönnte. ®a jeboch nur fehr 
menige ©chulen in ber glücflichen Sage finb, 
folche @£tra*Uebungen bontehmen ju fönnen, 
fo entftehenbiepraftifeßenfragen: mann unb 
m i e üben mir bie ©onntagfchulen, bei ber furj* 
gemeffenen Qext unb mit oft fehr geringen ®räf* 
ten, im ©efang. 

SetreffS ber $eit foffen fich Siertelftunben 
finben, menn man pünftlicf) ift, mit ben 2Rinu* 
ten hauSjuhalten berfteht, unb bie aßfomttäg* 
liehen, banbmurmartigen (Ermahnungen unter* 
laffen fann. SBenn bon ffl i e r t e 1* unb § a 1* 
benftunben bie Siebe ift, melche abmechfelnb 
ber ©efangübung gemibmet merben formen, fo 
ift hiemit ber eigentliche Äunftgefang aus ber 
©onntagfchule auSgefchloffen, unb ©ingöögel, 
mie bie fßatti, merben auf biefem einfachen So* 
“ben faum jur ©eltung fommen fönnen. — 


3ft ein großer $h e rt ber Schrenben auch ja* 
gleich int ®ircf)engefang*Serein betätigt (unb 
baS foßte eigentlich alfo fein), fo fönnte fich bie* 
fer, anftatt 9Ront*Slanc*S e r fteigungen ju un* 
ternehmen, l)ie unb ba herunter halten ju ben 
fiebrigen, unb, jur nach jeber ©eite hin nüfcli* 
d£)en Sorbereitung, ©onntagfchul * Sieber ein* 
üben, moburch jebenfaßs triel 3eit in ber ©onn* 
tagfchule erfpart mürbe. 

99ejüglich ber Slrt unb SBeife biefer ©efang* 
Übungen, gibt es fo üiele ©orten non ©chulen 
unb ajlenjdjen, unb fo Diele gute, beffere unb 
befte ÜKethoben, baß ein armes, einzelnes 3Ken* 
fchenfinb nur einige aßgemeine Slnbeutungen 
magen fann unb (EingehenbeS ben Schulen über* 
laffen muß nach bem befannten SBort ©öthe’S: 

„(Ein geber fehe, mie er*S treibe, 

(Ein gebet felje, mie eS geh’, 

Unb (Eines fdjirft fid* nicht für Slße." 

Sor Slßem fei bemerft, bafj ein gutes ^nftru* 
ment unb ein geübter Spieler aufjerorbentlich 
fdjäpbare §ülfSmittel finb, benn obmohl bie 
menfchliche Stimme bie befte glöte ber SBelt ift, 
fo flöten bo<h nicht aße Stimmen richtig unb 
gut; auch toirb bie befte SRenfchenftimme in bem 
oft mirren SangeSbraufen einer hunbertföpfigen 
^ugenbfchaar oft gar halb fchachmatt. 

SBer jeboch fein Qnftrument hat, ber finge 
boef)—gut, mittelmäßig ober fehlest, unb ftrebe 
nach ber Soßfommenheit. 

SBichtiger noch als ein ^nftrument ift ein 
oerftänbiger, frommer ©ingführer. 3ch fage 
nicht—©ing 1 e h r e r, benn baS mirb ein folcher 
Seiter im eigentlichen SBortfinn hoch faum fein 
fönnen. 2luch finb bie (Eigenfdjaften o e r ft ä n* 
b i g unb fromm betont, benn eS mirb oorauS* 
gefept, baß ein ’foldjer gührer einigermaßen 
mufifoerftänbig ift. |>at er babei auch noch bie 
©abe beS gefunben SRenfchenoerftanbeS unb ift 
er ein frommer SRenfd), fo mirb er bie ©chule 
nicht §u einem mufifalifchcn lummelplap ma* 
chen moßen, unb baS ächt religiöfe ©lement im 
©efang immer $u betonen miffen. ©r mirb 
bem Seyt unb ber SluSfpradje beffelben bie nö* 
thige Slufmerffamfeit fd^enfenunb fich juftel* 
len miffen, baß bie ©efangübung nicht eine 
grohnarbeit, fonbern eine ©rholung für bie 
©chule mirb. 

greilich, faßS eine Schule gar SRiemanb hatte, 
melcher einigermaßen nach bem ©ehör ober nach 
SRoten fingen fann, fo ftünbe cS ziemlich fchlimm. 
©oßte aber beßhalb ber fflerfu^f ©ott im Siebe 
ju loben, aufgegeben merben? „Sich, nein/' ant* 
mortete mährenb einer Sonntagfchul*©ont>ention 
ein alter ©onntagfchul*Sehrer auf biefe grage. 
„3ch erinnere mi^ einer 3*it, ba mirjn unferer 
©onntagfchule oft brei* bis fiebenmal in ein 


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412 


(Belang unb <5efangbUd)rr in brr Sonntagfdjule. 


unb berfelben SJtelobie ftedfen blieben. 3)er 
Zeitige ©eift h«t’S bocf) gefegnet. SBir haben 
gelernt unb jefct fingt unfere @djule fo fd)ön, 
baff bie Sngelein int Himmel fid) borob freuen 
tuerben." 

3. ©ilt eS, jWifchen ber fteberifcfjen Haft nacf) 
Steuern unb bent fortwährenben ©bleiern alter 
SJMobien bie rechte ©litte ju treffen. 

Unfere mit ®ampf arbeitenbe $eit überftürjt 
ficf» auch in ber ©onntagfdjule, unb bat e3 jum 
allfeitigen ©(haben felbft baf)in gebraut, baff 
man auf jebe ©onntagfdjul » Seftion ein neue« 
Sieb bidjtet unb ganj merfmürbige ©lufif com* 
ponirt. Obwohl biefeS Sieber namentlich im 
englijchen Säger häuft, fo hat baffetbe boeh auch 
in beutfch=amerifanifhcn Greifen ÜBurjel gefaxt. 
Saunt ift ein Sieb orbenttidj eingeübt, fo toirb 
eS unter’ 8 alte ©ifen gejäffft unb man ruft nach 
Steuern. 

Solche ©ucht nach neuen Sachen tffut ber 
StuSbilbung beS mufifalifdien ©efcfjmadS, bem 
religiöfen 3toeef beS Siebes, fomie bem ©<f)ön» 
fingen Stbbrudj, unb »erhinbert, baff £ejt unb 
©letobie wirtliches ©igentljum beS ©injelnen 
Werben unb ihn burch’S Seben begleiten. 

®urch Stifts hot ber ©onntagfdjul»©efang 
mehr ©egen geftiftet als baburdj, baff berfetbe 
baS chriftliche Soltslieb geraffen, welches fo 
ju fagen in gleifdj unb ©lut beS SÜolfeS über» 
gegangen unb in §ütte unb ©alaft, auf ber 
©rairie unb in ber ©rogftabt gefungen wirb. 
SBemt man jeboch öon einer ©angeSblume jur 
anbern flattert, fo fann oon folchem 9lufneljmen 
beS Siebes in ©emüth, ©efför unb ©ebäd)tniff 
feine Siebe fein. 

©o fehr wir jeboch aus bijfen ©rünben für 
bie SBieberholung guter alter Sieber eintreten, 
ebenfo ernftlich haben gegen baS abftumpfenbe, 
fortwäljrenbe Stbleiem ein unb beffelben lejteS 
unb ein unb berfelben SJtelobie ©infprache §u 
thun. 

®aff folcher SJtiffbraudj ba unb bort fonntäg» 
lieh oorfommt, baoon fann man (ich beftänbig 
überzeugen. Unb h' e unb ba bebarf eS fehr 
braftifcher SJtittel, um fo ein bis jum Ueberbruff 
abgehaSpelteS Seiblieblein öon ber ©ilbflädje 
oerfhwinben ju laffen. ©o jum SBeifpiel hatte 
eS ein fonft recht guter ©onntagfdjul = Super» 
intenbent im ©rauch, Sonntag nach Sonntag 
jum ©djluff baS Sieb fingen ju laffen, beffen 
©horuä alfo lautet: 

„9Me gute ©abc tommt oben ber oon ®ott, 

Som fajönen blauen Fimmel perab." 

©inft häufte brauffen in ber Slatur ein tüchti» 
geS Hagelwetter. Irinnen in ber ©hule aber 
fangen bie Sieben oom blauen Himmel, bis 
©türm unb Hagel eine Slnjaljl fjrenfterfdjeiben 


jertrümmerten. ®a fonnten bie gebulbigett 
©änger nicht mehr länger an fidj halten; fie 
brachen in unwiberftefjlidjen Sadjframpf au8 r 
unb unter budjftäblidj fjagelbidjter ©eweisfüh* 
rung erfannte ber liebe ©uperintenbent enbtidj, 
baff auch bie befte Siebergabe burch fortwähren» 
beS Stbleiern ungenieffbar werben fann. 

®effhalb: 

„Stoifchen bem 'Jieuen unb Sitten 
yft gehörig fflta& §u halten." 

©onntagfcfful < ©efangbndj hat fiefr 
nach bem $wecf unb ©nbjiel beS ©onntagfchul» 
©efangS ju geftalten, unb muff 

1 . © in achtes, djriftlicheS, üolfS» 
thümlicheS Qugenbbuch fein. 

©S unterfdjeibet fidh oon anbern für bie 3u» 
genb oerfafften ©ingbüchern burch feinen pofitiö- 
djriftlidjen Inhalt. ©3 ift oornehmlich für bie 
3 u g e n b unb foldje alte $erjen üerfafft, bie 
noch jugenblicfj fchlagen. SBem biefer frifeffe 
©ulSfdjlag abhanben gefommen, ber muff fidf- 
anftatt an’S ©onntagfdjul»©efangbuch an beit 
beutfdjen ©h°ral unb bie fdjottifche ©falm=3)te» 
lobei halten. 

$ie 3ugenb brauet oolfSthümliche, jugenb» 
licffe Sieber unb SJtufif. 3mar ift ber ©inwanb- 
fdjon oft gemalt worben, baff gerabe ber beut» 
fdje ©horal aufferorbentlidj oolfstljümlieh, unb- 
cS fehr wünfehenswerth fei, wenn bie Qugenb- 
jur Vorbereitung für ben öffentlichen ©otteS» 
bienft bie ©horalmufif, baS eigentliche Sirdjen» 
lieb erlerne. ©ei folchem, fieh meiftenS auf eu» 
ropäifdjc ©erljältniffe ftüjjenben ©inwanb Oer» 
gifft man jeboch gewöhnlich, baff wir in ber ame» 
rifanifdjen ©onittagfchule nicht alles burchfüljreit 
fönnen, was ber ©cfjulmeifter in Seutfchlanb ju. 
Wege bringt, unb baff felbft nebftbem 
©horal auch noch reichlich anberweitig für 
baS jugenbliche ©angbebürfniff geforgt ift. 

©S wäre ja fehr wünfdjenswertlj, wenn wir 
jebe einjelne ©horalmelobie in ber Sonntag» 
fdjule Oorbereiten fönnten; aber ü i e l n o t h s 
w e n b ig e r ift eS, baff wir oor allem baS ju» 
genbliche H er S mit ben Siebern unb SJtelobien 
unferer ©ingbüdjer erfaffen unb baju ift ber 
©horal nicht immer paffenb. ga, ächt beutfehe 
SJlänncr unb gute SJlufifanten, wie j. ©. ®r. 
SBilhelm ©obe, fagen fogar, baff heut ju Sage 
baS proteftantifche ffirdjenlieb unter bem beut» 
fdjen ©olf ohnmächtig fei, unb namentlich bie 
Kirchen m e 1 o b i e ©eränberung ju erfahren 
habe. 

9118 Oor fünfunbjwanjig fahren bie erftetc 
beutfehen @onntagfchul=©efangbücher mit fröh» 
liehen, lebhaften ©Jeifen herauSfamen, ba wur» 
ben h«nbert ©cbenfen laut. Heute hat mehr 
ober weniger jebe beutfehe SJirchengemeinfehaft 


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Pa» oerkannte •rnie. 


413 


t)iefc ©af}n betreten, unb felbft bie lieben 
tlltlutheraner ^aben ein ©ingbuch für bie 
3ugenb, in meinem fid) Sieber finben, bie 
rtachgerabe nicht oor bem Hochaltar $u fingen 
fmb. 

2. 3ft aber biefem gegrünbeten Slnfpruch be3 
jugenblidjen ©emüthe3, melier burdfj @inmir= 
fung ber englifch fingenben ©onntagfdjule noch 
tjerfdjärft mürbe, in unferen ©onntagfdjut * ®e* 
fangbüdhern ^Rechnung $u tragen, fo gilt e3 auch 
hier bie ©dfjeibelinie ju finben unb nicht jebe 
eintägige Ira la ra lera = gliege etma beghalb 
tmr$ügttch $u nennen, meil fie etma amei ©tun* 
ben lang in ber nächften englifdjen ©onntag~ 
jchule furrte unb fdjnurrte. 

©3 märe thörid-jt, menn mir, bie mir auf ame* 
rifanifdhem ©oben mirfen, unfere ©onntagfchul* 
©cfangbüdfjer nicht bereicherten mit bem ©eften, 
toa3 unfere englifdfjen greunbe un3 bieten. Stoch 
t^öric^ter aber märe e3, moüten mir ihnen in allen 
©prüngen einfach nachäffen. Un3 ftefjen Oerfd)ie^ 
bene, meiteöebiete offen, unb au3 aßen biefen©e= 
bieten bie fdjönften ©turnen unb beften grüdjte 

fammeln unb fie $u einer nüplicljen, fegen3= 
reifen ©ammlung $u oereinen, ba3 ift mein 
Sbeat eine3 @onntagfchul=©efangbuch3. 

3. SDie befte Sammlung ^ilft jeboch menig, 
menn man nicht bamit betannt ift. Unb in bie= 
fer ©e&iehung fiet)t e3 felbft bei ©uperintenben* 
ten oft munberbar ärmlich au3. SBie aber tann 
man ein ©ud) nüplich gebrauten, ba3 man nidjt 
^um oierten %ty\{ fennt? 

3 um Sefanntmerben mit bem Sonntagfdjü^ 


®efangbuch ratfje ich ba3 2htfcf)affen beffelben 
für’3 |>au3 an. 63 mirb ein ©egen fein für 
bie gamilie. Sie Sugenb mirb frohfinnige 
grömmigfeit barau3 fdjöpfen, ba3 älter mirb 
fich baran ergäben, unb ehe bu bidfj oerfiefjft, 
bift bu befannt mit beinern ©onntagfdjul*®e* 
fangbudj. 

4. SBie halb bie fdjöne 3bee, melche ba unb 
bort fdjon auftaud)te, ein gemeinfchaftliche3 
@onntagfchul=®efangbuch für berfdjiebene beut= 
fcfjc ©enennungen tjerauSaugeben, ftc^ oermirf* - 
iidjen mirb, meig ich nid)t. 

Sa^u gehören Stummer ein3 — in ©inljeit 
oerbunbene ©hriftenmenfehen, ma3 in unferer 
3 eit ja immer mehr unb mefjr angeftrebt mirb. 
Stummer ^mei aber gehören baju — in ©intjeit 
oerbunbene SDtufiter. ©3 finb ja gar liebe, nüfc* 
liehe Sftenfchen biefe SRufifer. SBenn ich mir 
aber etma fed^3 ÜDtufiffteme erfter ©röge benfe, 
bie au3 ben öerfchiebenen Sägern aufammenge* 
fommen, um ein überall gültige3 ©onntagfdjur= 
©efangbud^ ju oerfaffen, fo münfdje id^ bemjeni^ 
gen, ber fie unter einen £ut ju bringen fjat, ben 
@eniu3 t^3 ©etljooen, ©ebutb, mie SDtofe3 fie 
Ijatte, unb bie S'raft be3 |>erfute3. 

©inftmeilen, i^r lieben SOtitarbeiter, lagt un3 
unfere ©onntagfdju^Singbü^er gut gebrauchen; 
tagt un3 fingen, bag ba3 $erj im Kampfe mu^ 
tfjig bleibe, unb im Schmerle nicht unterliege; 
unb einft ftimmen mir im Satcrhau3 in ben 
taufenbftiminigen ©hör ein, empfangen ben Sohn 
ber Xreue, unb ruhen oon unferer oft fo fdjme* 
ren Slrbeit. 




Pas nerkanntr 0enie. 

(3um ©ilbe.) 


8fnr $au§ unb ©erb bon Cculeul. 


as ein Jfäfdjen merben »tU, 
Krümmet geh bei geiten, 
Unb entmicfelt in ber StiO’ 
<£igenthümlich^eiten, 

Pie, »enn ge auch nicht fofort 
3 n bie Kugen fallen, 

Sinb ge hoch, fommt geit unb (Drt, 
Augenfällig Allen. 


0 b bu aud? im gorn entbrenng, 
Spare beine l?iebe; 
lUilhelm, ben bu fo oerfenng, 
^olgt nur einem dnebe, 

Peffen er geh felber faum 
Hechenfchaft Fann geben; 

IPas je^t nur ein füger draum, 
IPtrb ein reiches £eben. 



ITTutter, fannft es nicht oergehn, 
lüilhelm’s HTngciren. 

PTochteg ihn oiel lieber fehn, 
Seinen (Sriffel führen, 

PenFg: idj »ill bir Pur unb IHoll 
HTit ber Huthe jeigen, 

XDenn’s ITTugf ja geben foll 
XDill ich bir *»as geigen. 


IPilhem, pfeife nur b’rauf los, 
Uü^e toohl bie Stunben, 

3 ft je^t beine ZToth auch grog, 
Balb ift’s übermunben. 

HTutter, bie bidj jetjt oerfennt, 
IPirb eing felber laufchen, 
IDenn oon beinern 3ngrument 
JTlelobien raufchen. 


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414 


Jlas onhanntr (Senir. 



3 a, fle wirb ftcfj föniglidj 
3^rcs Sohnes freuen, 

H)enn fte einftens fielet btdj 
3n ber Künfkler Heiden, 


Unb rote ZUles ftdj beeilt, 

Dir ben Kranj 3 U reidjen, 

Der mit Hedjt roirb 3 ugetlfeilt 
Dir unb beinesgleidjen. 











(%ifUid)t ^ufrtebrn^eit unb ftbentfnubr. 


415 


<ll)rtlmd)e jlufrtrftriißeit unb febcnöftreubr. 

gär $au6 nnb ©erb non Ortaoriuä. 


„fifreuet eucf) in bem $erm aHeiuege, unb 
aocrmal fagc icf): greuct eucf)." 

©f>il. 4, 4. • 

©hriftlicße 3ufriebenßeit unb wahre SebenSfreube 
finb fo üintg mit einanber oerwoben unb oerwacßfen, 
baß ber ©efip beS einen ohne ben ©enuß beS anbern 
faß rein gar nicht benfen läßt. ©3 gibt SJtenfcßen, 
bie fich fcßmeicheln, baß fie jufrieben finb — auf rie* 
ben mit ihrer SebenSlcme unb ©rrungenjcßaften, 

i ufrieben mit ihrer (Stellung au ihren Steoenmen* 
djen unb ihren SluSficßten für bie 3utunft, — al s 
ein eS mangelt ihnen ber ©eweiS ihrer 3 u frieben* 
beit, bie wahre SebenSfreube. Slnbere wieber bemü* 
gen f!cß fröhlich a u fein unb baS Seben wirtlich a u ge¬ 
nießen ; fie ßanbeln nach hem SJtotto: „greut euch 
beS Sehens, weil noch ©lümlein blüht, ©flüdet 
bie Stofen, eh’ fie oerblüß’n." 3 U 3 e ' tcn b a * aU( b 
ben Slnjcßein, als ob fie fich lönigltcß freuten, leiber 
aber fehlt ihnen ber rechte ©runb unb ©oben ber 
jjreube,—bie cfariftlic^e 3ufriebenßeit. 3ßre greuben 
jinb Seifenblafen, bie wohl aum inneren ©ntjüden 
auffteigen unb in allen garben beS SüßteS prangen, 
aber ach — ber erfte ftarte SBinbßauch beS Sebent in 
feinem ©rnfte gerftört biefelben ohn’ ©rbarmen unb 
läßt ihnen nicht« als Xropfen ber ©itterfeit aurücf. 

$>a eS ber Xäufcßungen im menjcßlicßen Seben fo 
biele gibt unb nur wenige Hoffnungen ber greube fich 
oerwirtlichen unb fogar biefe einen bittren Stacßge* 
fehmaef ber Sünbe mit ficß> führen, wollen manche 
SJtenfcßen fich auf ben ©runbfap ber alten ßeibnifeßen 
Weisheit ftetten, welche forbert, baß ber SJtenfcß lieh 
felber genug fein foU; baß er unter allen Umftänben 
eine unerfgütterlicße Selbftgenüge behaupten foU, 
um fo bie Quelle ber Sufriebenßeit unb greube in 
feiner eigenen ©ruft ju tragen. 

©rfaßrung aber hat gelehrt, baß baS $beal ber 
Selbftgenüge einfach ifluforifcß ift: Äein SJtenfcß tann 
in fich leiber bie Quelle ber 3ufrtebenheit unb greube 
feßaffen; bie-©rtlärung beS Herrn bletbt unüerbrücß* 
ließ feft ließen: „$)ie ©ottlo Jen haben feinen griebeit" 
3ef. 48, 22. 

©ineS ber fcßlagenbften ©eifpiele, wie ber SJtenfcß 
im ©efifc oieler ©orreeßte unb ©enüffe fich befinben 
mag, ohne 3ufriebenßeit an genießen, weil bie Seele 
nicht in (Sott ruht, liefert 3°!? ann SBolfgang ©oetße. 
tiefer gürft ber beutfeßen $icpter waroom weltlichen 
Stanbpunlt aus betraeßtet, einer ber glüdlicßften 
SJtenfcßen, ben bie ©rbe je getragen. $er Sohn rei* 
eher ©Item, mit ben ßerrlichften©aben DeSSeibeSmtb 
beS ©eifteS auSgerüftet, halb au* ber intime g-reunb 
beS gürften $arl Äuguft oon SÖeimar unb ein ge* 
feierter dichter feines ©olteS, genoß er an (£bre unb 
Stußm, an greube unb Suft, an ©influß unb SJtacßtin 
einem acßtaigjährigen, in ber güHe oon ©efunbheit 
unb &raft oerbramten Sehen, waS nur ein Sterblicher 
münfeßen tann. Sein Stame lebte auf Silier Sippen, 
fein 9tußm war in gana ©uropa oerbreitet, er hatte 
raum einen SSunfcß, ben er näßt auch Hätte beliebi¬ 
gen fönnen. — Unb boeb bat biefer große geiftreieße 
SJtann am Slbenb feines Sehens einft oetannt, baß er 
bei aller güUe Oon ©lücf in feinem ganaen Sehen nießt 
awei auf einanber folgenbe Stunben wiffe, in benen 
er baS befeligenbe ©efühl wahrer unb ootttontmener 
©efriebigung gehabt habe. —SUS ©oethe noch jünger 
War unb mit feinem greunbe, bem H^og, öen &«ßer 
ber greube noeß mit Pollen 3ügen tränt unb im Strom 


beS ©ergriügungSlebenS baßintrieb, ba rang fich einft 
in einem Slugenblicf ber StiUe auS jeinem Heraen wie 
ein aum Hinimel emporfteigenber SeufaerToS: 

bu üom ^tmmcl bift, 

SllleS ßetb unb Scbnteracn ftiUcft, 
ber boppclt clenb ift. 
doppelt mit (Srquitfung fütteft; 

$C<f), ich bin bc« Xretbcn« mübe — 

2Baä iott aa’ ber ©djmera, bie ßuft? 

Süßer Triebe, füßer Triebe, 

Uomm, ac^ fomm, in meine ©ruft !" 

©S wirb ferner erzählt, baß ©räfin gulianna biefen 
$erS oom großen 3)tcßter auf einem 3 ß U e l gefd)rie= 
ben fanb, beffen Stücf feite unbefeßrieben War. Sie feßrieb 
als vlntwort barauf bie töftltcßen Söorte beS H ei ßin- 
beS: „2)en grieben ßinterlaffe icß eueß; meinenJJrie* 
ben gebe icß eueß. Stießt gebe icß eueß wie bie 28elt" 
3 oß. 14, 27. 3n biefen Sorten finben wir bie reeßte 
Antwort auf bie grage, wo ift 3 u f r i e öenßeit unb 
reube au finben? ©ei 3efu allein finbet baS mübe 
eiy Stuße unb ©rquictung. 

Somit berußt bie gufriebenßeit unb ber großfinn 
eines ©hriften oor Mem barauf, baß er ein Äinb 
©otteS ift, unb baß bei allem Söecßfel ber$tnge biefer 
3eit, welcßer ja mißt auSbleiben tann, ©ott unb ©ot¬ 
teS SteicßSfacße ißm genug ift, unb baß er fieß felber 
nur in fomeit genügen tann, als fein Seben in ©ott 
gewuselt ift. SluS biefem ©runbe tann ein begna* 
bigteS finb ©otteS aafrieben fein unb fieß allewege 
freuen. 

Hier ßanbelt eS fieß alfo nießt um einen gemiffeit 
©efiß, ober um ein gewiffeS Xßun, fonbern* um Das 
Sein. 

9US bie jünger froßlocfenb bem Herrn bie SRitthei- 
lung maeßten, Daß aueß bie Xeufel ihnen untertßan 
feien, erwiberte §efuS: „2)ocß Darüber freuet eueß 
nießt, baß eueß bie Xeufel untertßan finb in meinem 
Siamen; freuet eueß aber, baß eure Stamen 
im Himmel ge fcßrieben finb." 

Stur Söenigen ift eS gegeben, flcß in biefem Seben 
bureß außerorbentlicße Xßaten auSauaeicßnen. H in 8 c 
nun bie SebeitSfreube oom befonberen $ßun ab, wie 
©iele müßten freubenleer etnßergeßen! Slber ein 
waßreS finb ©otteS au fein, ift ©orreeßt Silier oßne 
SluSnaßme. Sicß in bem Herrn a« freuen allewege 
unb unter allen ©erßältmffen aßfräben ^u fein, ift 
jebem ©inaelnen in SluSficßt geftellt. Xie ©runb- 
fprache imHeraen beS finbeS ©otteS hüben bieSBorte 
Slfaph’S: „Senn iA nur bieß ßabe, fo frage icß nießt 
naeß Himmel unb ©rbe. SBenn mir gleidq Seih unb 
Seele oerfeßmaeßtet, jo bift bu boeß, ©ott, allezeit 
meines H cr } en ^ & ro fi mein Xßetl" $f. 73,25.26. 

^)ie biblifeße Slnweifung aur waßren unb bleibenben 
greube ift feßr einfach unb beftimmt. ©ßriftuS ßat 
bie ©ebeutung ber cßriftlicßen ^rrf^tebenbeit in fol- 
genbem SluSfprucß fdjarf beaeidßnet: „Sracßtet am 
erften naeß bem Steicß ©otteS unb feiner ©ereeßtigfeit, 
fo wirb eueß folcßeS SllleS (aum Seben 3 u 9 e ^örige) 
aufaüen" SJtatth. 6, 33. S)iefeS SBort gefu begreift 
nidßt allein bie gorberung ber Siebe au ©ott unb ben 
SJtenfcßen in fieß, fonbern beaeießnet augleicß auch bie 
SebenSregel, oßne welche wir in einen inneren SBiber* 
fprueß, ber ade ©emütpSruße unmöglich macht, oer» 
wicfelt werben. 

©an^ in bemfelben Sinn fpraeß ber Herr au Sßaulo: 
„Saß bir an meiner ©nabe genügen, benn meine fraft 
ift in ben Scßmacßen mächtig" 2 ©or. 12, 9. ®iefe§ 


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416 


Äljrtfllidje jJufriebrnljfit unb febrnsfrrubr* 


Bort bringt uns jum SBemußtfein, ba^, fomie mit on 
nichts Anberem unS fönnen genügen laffcn, als an 
©ott, bem pöcpften ©ut, biefeS pöcpfte ©ut, feine 
©nabe, unS auch mirflicp genügen joU, 

bringen mir nun biefen ©runbjap, fiep, an ©otteS 
©nabe genügen $u laffen, in Anmenbung auf unfer 
mirflicpeS Seben unb feine mannigfachen Buftänbe, fo 
betagt er, baß ein jeber (Sprift fiep foH an jeinem 93e* 
rufe unb an feiner SebenSlage genügen laffen. ©eine 
Bufriebenpeit UJ1 b greube foH er nicht in bem gern* 
hegenben unb Außerorbentlicpen fuepen, fonbern in 
bem, maS nahe liegt. Man foü fich alfo an b a S 
halten unb an b e m erquiefen, maS man überall pa* 
ben fann, nämlich: an bem reichen Menfcpenleben 
unb an bem munberöollen Seben ber Statur rings 
umher. 

(SS gibt gemiß ber SebenSmufif genug in allen Sa* 
gen, menn mir nur ftitle mären unb ein geneigtes Ohr 
*um öören hätten, ihre Harmonie mürbe tu unfer 
£er* Dringen unb uns erfreuen! 

An ber ©nabe ©otteS unS genügen laffen, bebeutet 
aber auch, baß mir unS üben in ber Eingabe an 
©ott, unb unS in baS 93emußtfein hineinleben, baß 
eine üoUfommene ©lüdfeligfeit einmal in bem gegen* 
märtigen $afein unmöglich ift, unb baß mir baS ooü* 
fommene ©ut nur in ber Hoffnung befipen. 

Aber mitten in aller (Srgebung foüen mir eine un* 
begrenzte 2)anfbarfeit lernen für baS unauS* 
fprechlid) Siele unb Mannigfache, maS ©ott unS ge* 
fepenft hot unb noch fd)entt, joelcpeS opn’ all’ unjer 
Serbienft unb Bürbigfeit auS feiner üäterli$en ©ute 
unb Sarmher^igfeit unS gitflicfet. Sin bieje Pflicht 
ber 3>anfbarfeit erinnert *ßauluS in ben Borten: 
,,©eib banfbar in allen Gingen, benn baS ift ber Bille 
©otteS in (Spnfto gefu an euep" 1 £peß. 5,18. Se* 
tümmerniß, ©orge unb Unaufnebenpeit mit bem Se* 
benSfchidfal hoben fehr oft ihren ©runb in Unban!* 
barfeit, in einer ©efinnung, melche nur immer Sin* 
fprücpe machen, niept aber banfen rnitL $)anfbarfeit 
Dagegen ift ein ftill quetlcnber SBorn ber greube, ja 
ein fepirmenber unb helfenber (Sngel. „Ber $)anf 
opfert, ber preifet mich, unb baS ift ber Beg, baß ich 
ihm acige baS Seil ©otteS" Sf- 50, 23. 

Benn ein (Sprift einer traurigen, berjmeifluuaS* 
bollen ©timntung nachhüngt, bie thn in feiner Xrub* 
fal überfällt, menn er babei nicht ©nabe erfleht bon 
©ott sum männlichen unb mutigen ftampf miber 
bie Anfechtung; menn er feinen ^immlifchen Sater 
nicht bittet, ihm $raft unb Xroft ju fepenfen, bamit 
er im ©tanbe fei, ^u allen Qeiten frötjli«* au fein in 
feinem Jperrn; bann öerunehrt er bie erhobenen unb 
gemaltigen unb eblen Kräfte, bie mahreS (Spriften* 
tpum gemährt unb bie ba^uangetpan finb, einen Men* 
fepen auf^urichten unb ihn in ben feiten ber fepmer* 
ften §eimfucpung glürflicp su machen. $aß ift ber 
mupm ber ©nabe ©otteS, baß biefelbe baS &erj über 
alle Sctrübniß erhebt, baß man mit bem Propheten 
auSrufen fann: „Ob Dergeigenbaumgleich nichtmirb 
grünen, unb mirb fein ©emäcps fein an ben Bein* 
jtöcfen; ob bte Arbeit am Oelbaum fehlet, unb bie 
Acfer feine Nahrung bringen; ob bie ©epafe merben 
geriffen auS ben £urberi, unb merben feine Öiinber in 
ben ©tällen fein, fo miU ich niicp bennoch freuen beS 
§erru, unb fröhlich fein in bem ©ott metneS §eilS, 
benn ber £>err öerr ift meine ftraft, baß ich finge ouf 
meinem ©aitenfpiel" $ab. 4,17—19. 

Siele Menfchen mürben öor bem Abgrunb ber 
©chmermutp, in melden fie fich üerfenfen, bemahrt 
fein, hätten fie nur ein §erfl faßen fönnen, ©ott ju 
banfen. 

Aus bem ©efagten ergibt eS ftch, baß bie mahre unb 


mefentlidbe greube eines ©haften in bem $errn be* 
ftept. Bir unterfepeiben aüerbingS amifepen griebe 
unb greube in ber ©emeinfdwft beS $erm. griebe 
ift baS innere Beugniß bofür, baß bie Serfopnung 
mit ©ott in unferm Serben bolfoogen ift, unb mir 
£>eil unb ©nabe bei ipm gefunben hoben, greube 
bagegen bebeutet nicht allein, baß ber ©egenfap auf* 
gepöben unb ber innere Biberfpruch gelöft ift, fonbern 
auch, baß mir leben unb meben in ber neuen befeli* 
genben SebenSfüüe. 

(Sin £>erj, baS ben £erm fennt; ein Bille, ber 
bem öerm untermorfen ift; ein ©eift, ber in ©ott, 
ber Onetle aller mähren greube unb ©lücffelig* 
feit, ruht, bilbet ein Königreich in fich felber. $ie 
greube eines folchen (SpararterS hängt nicht bon irbi* 
fepen Serhältniffen ab, fonbern ift über aue mechfel* 
bollen ©reigniffe biefeS SebenS fo erhaben, baß fie 
nicht auf bie $5auer geftört merben fann. Bo biefe 
greube tu ©ott baS ©emüth burchbringt, ba hot ber 
Menfch bie reelle (Smpfinbung, nidht bloS feiner Ser* 
[öhnung mit ©ott, fonbern feines SebenS in ©ott. 
AüerbingS fann fich biefe (Smpfinbung ouch in Xhrä* 
nen auSfprechen, meil foldje greube fo Sieles in Dem 
Innern beS Menfchen fchmiljt unb auflöft, maS bisher 
in bemfelben noch fpröbe unb berhärtet mar. „AIS 
bie traurigen aber aüejeit fröhlich/ 1 ift eine Seieich* 
nung, bie ber Apoftel $auluS gibt. Unb er felbft lie* 

S ert oabon ben fdjönften SemeiS. gn feiner mieber* 
lolten Außorberung an bie Shilihb e ri fich im £>errn 
^u freuen, thut fich ferne gehobene ©timmung funb, 
bie auch bie jehmerften ©djicffalSfchläge in feinem ©ott* 
bertrauen nicht $u erfchüttern bermögen. 3)aS greu* 
bengefühl, baS ihn erfüllt, ift baS ©efüt)l beS bem 
Märtprertobe entgegen gehenben chriftlichen gelben, 
ber bie ©ache, für Die er gefämpft hot, im 3:obc ge* 
monnen meiß. 

Bie ift eS hoch etmaS ©roßeS um biefe Bufrieben* 
heit unb greube! Ber mollte fie nicht beßjjen! Bir 
rufen baper Allen, bie ba flagen,baß fie nicht äurrech* 
ten greube gelangen fönnen, mieber unb mieber $u: 
Serfenfet euch nur tiefer unb tiefer in ben grieben 
©otteS; lernet nur inniger unb betulicher banfen: he* 
maprt euch ein gläubiges, fröhliches, parmlofeS §erj; 
fucht auf eurem Bege bie fleinen Slumen beS©lücfeS 
§u finben, erfüllet eure ©eelen immer mehr mit ftau* 
nenber Anbetung ber Siebe unb §ulb ©otteS — unb 
ipr merbet fröhlich merben. 

Bapre Religion ift eine Religion ber greube. ©ie 
befeelt nicht bloS uufer gnnerfteS, fonbern bcrflärt in 
einem gemißen Maße auch ^oS Aeußere unb ^rbifche. 
Mit 9ted)t bat man ben fepr merfmürbigen umftanb 
heröorgehooen, baß gopann (Salüin fo im (Srnft beS 
(SbriftentpumS aufging, baß ber Bug ber greube, ber 
fiep nach Außen offenbart, faft gänzlich fehlte. Ob* 
gleich Salüin mieberpolt größere Steifen gemacht, ob* 
gleicp er feinen Bopnfip tn ber fepönften unb praept* 
üotlften Umgebung gefunben patte, am ©enferfee, in 
ber 9täpe ber Alpen, bennoch futbet fiep in feinen üie* 
len Sriefen niept eine einzige ©teile, in melcper bie 
©cpönpeiten ber Statur auep nur ermähnt merben. (SS 
ift als märe für ipn bie 9tatur gar niept ba. 

gn Sutpcr bagegen tritt unS ein re(pteS Silb eprift* 
lieber 3ufriebenbeit unb SebenSfreube entgegen. Bie 
§aplreicp unb heftig bie Anfechtungen auch fein moep* 
ten, bennoep blieb bie greube am $>errn feine ©tärte, 
unb ber jeberjeit buripfcplagenbe, fiegenbe ©runbton 
feines SebenS. Unb biefe tiefinnerhepe greubigfeit 
breitete fiep auep über fein ganjeS Seben auS naep al* 
len ©eiten pin. Mitten unter feinen meltgefcpicpt* 
licpen Arbeiten unb Kämpfen mar er im ©tanbe im 
häuslichen greife mit feinen Srinbem ju feperjen unb 


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(Sin kleiner Heft irr lUanhrnftube. 


417 


au fielen. $a« tleine j>än«cben burfte oft auf be« 
»ater« dürfen reiten, ©einem Äat^en unb ben $in* 
bern fdjrteb er auf feinen Steifen ©riefe, bie bon £>u* 
mor unb SEBifc fprubelten. $ie greubigteit unb griffe 
feine« ©eiftet trat auch flu Sage in feiner Siebe au ben 
frönen fünften, namentlich $ur heiligen SJiuftia, in 
meiner er ein SBorfpiel ber SBonne be« ewigen Seben« 
au üernehnten glaubte, ©benfo erfüllte feine tinbliche 
Siebe jur Statur fein $er$ mit greube. Ser Mnblicf 
be« Sternenhimmel« fonnte ihn begeiftern unb erbe* 
ben. Sin feinem ©arten batte er große greube. 6« 
ttrnr ihm eine Suft ben biühenben Slpfelbaum au be* 
trauten ober eine fdjöne ©lume ju pflüden. yn aU 
Jen biefen Gingen hatte er eine reine greube, weil 
fein §er$ ^ufrieben in ©ott ruhte. 

Oft bemerfte er, alle« biefe« mürbe bodb noch weit 
fdjöner fein, wenn nic^t bie ©ünbe baAWifcben gefom* 
men märe. SBoljl bem, ber biefe Sufnebenhett unb 
Seben«freube fennt unb unter allen Umftänben be« 
Seben« burdj ©otte« ©nabe ^u bewahren weift. 


Warum btt lettfel üttiidjfn in 
Httlje läßt. 


in angefeßener SRidjter in ©irginia 
ßatte einen treuen ©Hatten, fparrt), 
ber mit ©ferben gut umjugeßen 
mußte, ©o fam e3, baß £arrp faß 
auf aßen 2lmt§reifen ben Stifter Httfcßirte, 
»nenn biefer in öerfeßiebenen ©täbten ju ©eridjt 
fißen mußte. Unterwegs ließ fieß ber £>err gern 
in ein ©efpräcß mit bem feßwarjen föutfcßer ein; 
unb gar oft tarn biefer auf einen ©egenftanb, 
über ben ber ütidjter feine eigenen ©ebanfen 
ßatte, nämlidj auf ben © I a u be n. 

$arrß war ein einfältiger ©ßrift, ber frifdj* 
»eg tton ©ßrifto jeugte. ©inmal aber fagte er 
ju feinem £>errn, weiß) ein ftßwadjer jünger er 
tiorf) immer fei unb wie ißn ber Seufel oft üer* 
fueße unb ißm ÜReße ftette. 

darüber lächelte ber SRicßter. „2Ba3 ? mit 
bir gibt fid) ber Seufel fo ttiel ab, unb bu biß ein 
fo frommer 9Renfcß ? Sa ift’3 bei mir anberä. 
3 <ß bin ja lein feßr ©läubiger, aber mit mir 
ma<ßt er fieß gar nießtö ju feßaffen. ©rHäre mir 
ba3, wenn bu fannft." $arrß fragte bebenflicß: 
,,©inb ©ie ganj gewiß, mein £>err, baß ber 
Teufel ißnen nießtä tßut?" 

„®anj gewiß,'' fagte ber Dticßter. Ser ßat 
mir noeß nie bie geringße 9totß gemaeßt. ©ben 
beßwegen weiß iiß audj gar nießt, ob e 8 nur ei* 
nen Teufel gibt.“ 

$arrß blieb babei: „ 3 dl weiß, baß e3 einen 
Seufel gibt, unb er rnneßt mir oß nur gar ju 
ßeiß.“ 

9tadj ein paar lagen ging be 3 9ti<ßter3 Steife 


ju ©nbe. Stuf bem Heimwege ließ er Wieber* 
ßolt ben SBagen galten, um an einem Sacß milbe 
©nten ju fließen. Saju feßließ er fieß leife ßin* 
ter ben Uferbamm, feuerte mit ©cßrot unb töb* 
tete jWei ober brei, wäßrenb ttietteießt ebenfo 
ttiele nur tterwunbet würben. Sann warf er 
bie ©üeßfe Weg unb griff naeß ©teinen ober 
©teden, um bie oermunbeten Sögel ooßenbS 
tobt }u feßtagen. Sie tobten ließ er mittler* 
weile unbeaeßtet liegen. 

§arrß faß bie ganje Seit auf bem ©od unb 
faß ber 3agb ju, wäßrenb er bie ißferbe feftßielt. 
2113 ber Stießter enblid) wieber einftieg, unb bie 
©eute unterbraeßte, !am bem ft'utfcßer ein guter 
©ebanfe. ©r ßub an: 

„fierr, wie ©ie fo im SBaffer ßerumtappten, 
ben oermunbeten ©nten naiß, fiel mir ein, war* 
um ber Teufel m i r fo arg nacßßeßt unb 3 ß= 
nen nid)t. ©ie finb wie bie tobten ©nten; 
ber 3äget weiß, bie laufen ißm ni(ßt batton, 
barum läßt er fie in Stuße. 3^ ^in wie ein 
angeßßoffener ©ogel unb fudße. Wie icß ißm 
enttomme, beßwegen ift er ßinter mir ßer unb 
wirft unb feßlägt barauf lo3, baß er mi<ß fange. 
SBarten ©ie nur! 2ßenn ©ie einmal bie Flügel 
lüpfen unb jeigen, baß ©ie tton ißm Weg* 
fommen möcßten, bann wirb er fid) fo ttiel mit 
3ßnen ju feßaffen maeßen, Wie mit mir. 9ti(ßt£ 
für ungut.“ 

Ser Sticßter War feßr ftiß auf bem übrigen 
fpeimmeg. @r befann fieß auf aßerlci ©rfaß* 
rungen unb tarn am ©nbe ju bem ©eßtuß, fein 
armer ©Hatte werbe woßl ben reeßten ©runb ge* 
funben ßaben. ©r maeßte fieß nun an bie ©ibel 
unb la3 fie mit anbern Stugen al 3 bi3ßer. Ser 
arme ©Hatte Würbe bem ßodjgebilbeten Stidjter 
ein einfältiger SBegWeifer. 


(fin hiniier Jjjelfc ber ironhnt= 
flube. 

> 3|lr. ©ntft 93ranb, ber befannte Stettiner 
Jfrp Slr^t, ber burc^ feine ^altmafferbe^anb^ 
^ lung be« S^p^u« einwi Slanten toeit über 
bie ©renjen be« beutfc^en%eic^e« ^inau« ge= 
mac^t ^at, oeröffentlic^t in ber „Seutfdjen mebi^ 
jifc^en SBoc^enfcprift" in einer Sfteilje non 9luf- 
fäfcen feine in ben lebten 3 [a^rett gewonnenen 
©rfoprungen. 2 lu« benfelben geljt unwiberleg^ 
li^ Ijernor, ba§ bie SBafferbefjanbtung be« Ii y 
pl)u« noc^ wie nor bie befte ®orau«fid^t für ei= 
nen günftigen Verlauf ber Krant^eit bietet. 
®r. Sranb t)at unter 342 ®pp^u«tranfen fei¬ 
ner ^au«ärjtli^en ^ßraji« nur einen oertoren, 



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418 


drlbfben, aber nidjt ||er}beben. 


unb er lägt fich burch feine ©chmierigfeitett ab¬ 
halten, bie SSBafferbefjanblung überall an$umen= 
ben. 3um Semeife, bag felbft baS ^äufigfte 
$mbermg, bie Slrmuth, fein unübermiitblicheS 
ift, erzählt er folgenbe rührenbe ©efcfjtcgte, bie 
in meiteren Greifen befannt $u merben nerbient. 

Slm 14. %ylI\ 1875 mürbe Sranb nadj ber 
engften ©trage Stettins, ber Splittgaffe, ju 
einem fecgS jährigen t^p^n^franfeti Stnbe in 
eine nier Xreppen hoch gelegene SBohnung, bie 
aus einer ©tube unb einer bunflen Kammer 
beftanb, gerufen. Sin alten, tauben, bertrüp* 
peiten Sßütterien, bie ©rogmutter, bann ein 
fdjmächlich, aber intelligent auSfehenber Snabe 
Don elf fahren, unb eine eben foldEje ©djmefter 
non gtoölf fahren maren um bie ffranfe, bie 
©Item auger bem £aufe auf Slrbeit. ,,^i 
machte," fo erzählt Sranb, „bie $inber mit bet 
Äranfljeit ihrer ©chmefter befannt unb oerlangte, 
fie falle nach ber Kinberheilanftalt gebracht 
merben, ba bie ©Item, meil genöthigt, auger 
bem #aufe 93*ob 5 U oerbienen, fich um bie 
pflege nicht befümmem fönnten unb bie 
SBohnung jum Kranfenflimmer nicht geeig* 
net fei. Sa fam ich aber fehlest an. Ser 
elfjährige Snabe erflärte mit einer ©ntfcfjie^ 
benheit, bie mir imponirte, feine ©chme- 
fter fofle unter feinen Umftänben in’S ®ran!en- 
haun; er, ber fleine Surfte, münfehe, bag fie 
mit SBaffer behanbelt mürbe, unb nur beghalb 
habe man mich unb feinem anbern gerufen. 
Sie Situation amüfirte mich; boch ntachte ich 
ihn auf bie ©chmierigfeit ber pflege, beS Sem- 
peraturmeffenS, beS SabenS 2C. aufmerffam. 
„Schabet aßeS nichts/' mar bie Slntmort; jei* 
gen ©ie nur, maS meine ©chmefter unb ich b n 
thun höben, ©ie faßen mit mtS jufrieben fein!" 
Unb ttmhrlidj, ich toar jufrieben. 9?iemalS ift 
ein Sinb beffer gepflegt morben als biefeS ®inb 
aus bem Slrbeiterftanbe oon feinen elf- unb 
ätoölfjährigen ©efdijmiftern! ®S mürbe regel- 
mägig gebabet, gemeffen, ernährt, baS Uranien* 
buch geführt — burch Sag unb SRacht. $n 
SEBochen fam ber fleine ßJiann nicht aus ben ffleü 
bem. Unglücflichermeife erfrantte ©nbe $uli 
auch bie ©dhmefter, bie bis bahin treu bei ber 
pflege geholfen, tfenfaflS am SpphuS, mit 
Semperaturen-übeÄl ° C. ©r hatte alfo amei 
ju pflegen! Unb nun fommt, maS mohl noch nie 
bagemefen, bag, als auch er am 8. Sluguft mit 
einer Slbenbtemperatur oon 40 ° C. erfranfte, er 
fidh boch nicht ju Sette legte, fonbern, mit bem 
IpphuS in ben Slbern, feine ©efchmifter unb ftch 
meiter babete — aße brei ©tunben — unb nur 
$ur Stacht jmifchen ben Säbern geh nieberlegte. 
©lüdlichermeife mar bei ihm ber XpphuS nur 
ein leichter. Slm 20. Sluguft mar er entfiebert, 


bie beiben anbern ©efchmifter am 25. Ser fleine 
£elb — es ift mohl in ber Orbnung, bag fein 
Siame genannt mirb — heigt g r a n $ SBitte 
unb ift heute Suchbruder. 

Sr. Sranb {)at fich bie ®ranfenbücher jum 
Stnbenten aufgehoben — fürmahr ein fdjöneS 
©rinnerungSblatt aus einer gefegneten Xhä' 
tigfeit! 


(frbbebm, aber nidjt |et|brbett. 

f. 46, 1—3. ©ottel ftiitber fjaben eine 
fefte 3uDerfid)t. Slnbere 2Renfdjen bauen 
fo gut fie fönnen, aber wahre @läu= 
bige grünben fid) auf ben gell bei £>eill. 3h ce 
3 uber}id)t liegt ganj unb gar außerhalb ihrer 
fetbft. 3 n biefem $falm ftetji nichts oon i^rer 
eignen lugenb, lapferfeit ober SSeiä^eit. ®er 
f)eibnifcf)e s Dt oral ift rühmte fic^, roenn aud) bie 
6 rbe felber in Stüde jerbrä^e, fo toürbe er 
furchtlos unter ben Stummem fielen. 2lber 
ber ©laubige E>at ein bemütbigereö, obwohl 
mat)rere§ Sßertrauen. 0b aud) bie SBelt unter» 
ginge, fo ift er unoerjagt; unb bieä rü^rt nic^t 
oon feiner eignen Setbftgenügfamteit I;er, fon= 
bem oon ©ott, ber feine 3uoerfidjt unb Starte 
ift. Sr ift furdjtloä, nidjt auä angebomer §erj» 
^aftigfeit ober natürlicher Jeftigfeit be3 SBiüenö, 
fonbern toeil er einen ©ott hat, ber ihn fchiifet 
unb aufrecht hält. SBenn er ba§ Ungtüd nicht 
fürchtet, fo ift e§, toeil er ©ott fürchtet, unb 
©ott allein. Unfer Sßfalm beginnt mit ©ott 
untTenSef mit ©ott — „®er ©ott QafobS ift 
unfer Sdjuß." SBir mögen oon SRatur fo fcf)üd)= 
tem toie bie Kaninchen fein, aber ©ott ift unfere 
3 uöerfidjt, mir finb oon SRatur fo fchmach mie ein 
jerbrocheneö SRohr, aber ©ott ift unfere Starte. 
2 Bir miffen nie, maä Starte ift, bi§ unfere ei» 
gene Schwachheit un§ baju treibt, ber Mntadjt 
ju oertrauen; mir oerfteljen nie, mie ficher un» 
fere 3uflucht ift, bis eö an jeber anbern 3ufl«<ht 
fehlt. SBenn bie @rbe erbebt unb ba$ SJieer 
müthet unb mailet, unb mir fowohl oom Sanbe 
mie oom 3Jteer fortgetrieben werben, fo oerber» 
flen mir uni in ©ott. 3hr, bie ihr ftart in euch 
felber feib, träumt oon Starte, Wo nur Schwäche 
fich finbet; ihr fucht ben Sebenbigen bei ben 
lobten unb fefte 3u>wficht unter ber „Sitelfeit 
ber ©itelfeiten." ffienn wir ben 3Ruth in uni 
felber fuchen, fo wirb er uni in ber Stunbe ber 
Prüfung fehlen. SBenn bie @rbe fich bewegt, 
fo finb bie mächtigften 3Ränner bie erften, bie 
fchaubem; bie größten Prahler werben bie ärg» 
ften geigtinge. Unfre 3 u üerficht unb unfer 
griebe müffen beibe oom $erm tommen. 

(Spurgeon.) 



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Huf unb jlitbrr. 


419 


^uf und Hiebet. 

Sine geienftgefgiibte an* Vmerifn. gär #su» unb #ttb bearbeitet b«n ©enricn«. 

II. 


„Sag 1 nicf)t öom ßeben, bafe ein ©lücf e« fei, 
tCutb nufjt ein Unglüct, ober eine ßaft; 

©etin bu e* faaft, bift 2)u in ®ir nict)t frei 
Unb roeifet noef) nicftt- wo« 3?» am ßeben fjaft. 
$)a« ßeben, ba« in ©abrbeit fo ju nennen, 

§ ft eine « r b e i t, bie $ir aufgeaeben; 

14 folcbe mag’ e4 freubig jn erreitnen 
Unb $i(p jum TO e i ft e r roürbig au erbeben. 

Ouliud Jammer. 

gS war taum ein^Socpe oergangen, feit ©noep unb 
$aul naep DompfinSOille getommen waren unb fepon 
batten ftcb beibe üotlftänbig eingeroöpnt. ©S mar 
gnoep noch nicht fcpwer geworben, in einer ber große- 
ften ber Oielen Sttüplen Arbeit zu finben, welcpe ben 

t luß meilenweit befeßten, ber bie ©tobt in jtuei 
heile tpeilte; unb ©aul war als Schüler in ber Dorf* 
fcpule aufgenommen, ©ein liebenSmürbigeS Sefen 
gewann ipm baS Jperz beS SeprerS unb maepte ihn be* 
liebt bei feinen SJUtfcpülern. 

„griff ein prächtiger ©urfepe, obwohl er ganz anberS 
iff, als alle onbem jungen," fagte ber ©ohn beS ©utS* 
perrn, ein trauStöpffger, Heiner Unholb, ber bie tleine 
Seit ber ©Aule nach feinem ©efallen regelte. 

Saul moepte große gortfepritte, als er aber baS 
zwölfte 3 apr erreicht hotte, ftanb er an ber ©ren*e 
beS SiffenS, welches ber alte Seprer, ber fiep Sohr für 
3 apr in bemfelben Oiunblauf bewegte, feinen ©cpü* 
lern oermitteln tonnte. . 

„Senn man -feine ©cpule befugt, ©ater/' fagte 
Saul, „bann fühlt man etwa fo, als ob man auf einem 
Salbpfabe hingeht, welcher urplößliep an einem »b* 
grunbe enbet, ber jebeS Seitertommen unmöglich 
maept." 

DieS entfepieb. ©no<p napm ©aul fort auS ber 
Dorffcpule. 

gmen ©tonat fpöter ftanb ©aul’S Sßame auf ber 
Siffe ber neuen ©epfiler ber »fabemie. Sir über* 
fpringen einen geitraum oon brei fahren. Sßacp »b* 
lauf biefer 3 *tt & cr tteine, lernbegierige ftnabe, 
welcher oorfünf 3aprenmit bemalten ©pil über baS 
©ebirge gefahren, zu einem großen fcplanten Qüng* 
ling perangewachfen. 3n ©nocp’S klugen war er im* 
mer noch ein ftinb, obwohl er fiep innerlich unb äußer* 
licp f° fepr oeränbert patte. 3 n feinem ©efiepte ftanb eS 
beutlicp gefeprieben, baß er über ben ©erg berlfrnb- 
peit hinüber mar unb gefepen patte, baß es auf „ber 
anbern ©eite" niept nur fepöne fomtige Partien, fon* 
auep buntele, büftere ©läße gab. »ber bie geheim* 
nißöollen Sinien, mittelft beren bie ©eele Feinheit 
ber ©ebanten auf bie ©tim unb »ufrieptigteit oe$ 
^erjenS in ben furcptlofen, offenen ©lief ber »ugen 
gezeichnet, ließen eS aHcp erfennen, baß ber Jüngling 
boep baS Sicpt im »uge bepalten unb nicht oergefjen 
patte, oon wannen eS tommt* wenn fiep amp bie 
„©epatten beS ©efängniffeS" um ipn lagerten. 

©aul war ein aufgewetffcer, lernbegieriger ftnabe 
unb feine natürliche ©igentpümlicpteit war ber »rt, 
baß er mepr geneigt war, zu hören, als zu fpreepen. 
©ein großes 3^cpentalent, baS fidp mit iebem Qapre 
mepr entwicfelt patte, erregte bie »ufmertfamfeit 
»Her, bie mit ipm in ©erüprung tarnen. ©r würbe 
eS nicht mübe, immer neue ©rizzen z« entwerfen. 
SebeS freie ©lattin feinen ©cpulbücpem, alles ©apier, 
baß er erpafepen fonnte, bebeefte fein ©leiftift mit ben 


©tizzen oon Blattpflanzen unb alten, oon SftooS 
überzogenen gelfengruppen. Die pope unangeftri* 
epene poljwanb, welche ben 9Jtüplenpof umfcploß, 
trug in tupnen ^oplenftricpen ©äume, öügel, unb 
bie Ufer ber ©uept oon DompfinSüiUe. 5n ber lep* 
ten 3eit war noch ein Äunftwer! pinzu getommen, baS 
bie ©emunberung aller ©efepauer erregte — baS »b* 
bilb ber neuen JJabrif, bie fiep am gnbe beS Dorfes 
erpob. 

„Sie paft Du eS nur angefangen," fragten bie 
9Jtüplenarbeiter immer wieber, „baß baS winzige 
Ding ba genau fo ausfiept, wie bie große ^obrif ?" 

©aul wußte eS niept zu erflären; baS ©epeimniß, 
wie baS anzufangen ift, war ipm felbft noep niept tlar 
geworben. 

Die 9Jtüplenarbeiter betrachteten biefc ungefcpulten 
»nfänge ©aul’S mit großem ©tolz. ©ie patten eine 
gewiffe raupe »npänglicpfeit für ben mutterlofen 
Knaben, ber ipnen 2 luen zu gepören fepien. Qeber 
neue ©reis, ben Saul in ber »labemie gewann, rief 
ein gemeinfameS §roploden peroor; fle triumppirten 
laut, baß „ipr ^nabe eS wieber einmal ben oornep* 
men Seuten ^uoor getpan habe." 

©aul’S ©efäprten zu biefer Reit feines ßebenS, wa¬ 
ren bie acptungSmertpeften ber ufeüplenarbeiter. ©eine 
fein angelegte, eble Siatur pielt ipn oon ber ©er* 
mifepuna mit allem, waS unfein ober gemein war, zu* 
rücf; beßpalb wirfte ber böfe ginfluß niept fo tief auf 
ipn ein. Dahingegen war er niept oerwaprt oor man* 
epem Sort, baS gefproepen würbe, ©r mußte bie 
Feuerprobe ber Broeifel in F r u 0 ^u unb ©emerfungen 
burepmaepen. gr pörte oft, wie bie @yjjt en 5 ©otteS, 
als eines liebreiepen ©aterS, oon ben 9ftännern ber 
»rbeit, bie mit ber ©orge um baS täglicpe ßeben 
fämpften angefoepten würbe; aber tief in feinem 
Kerzen hafteten bie Sorte feiner SJhitter: „©ergißeS 
nie, ©aul, „© o 11 i ft bie Sieb e." 

Unb boep — trob ber lebhaften grinnerung anbiefe 
Sorte unb trob oeS tiefen, unerfcpütterlicpen ©er* 
trauenS feines ©aterS auf biefen liebreiepen ©ott, 
regte fiep immer unb immer wieber bie F r ufle üt bem 
Knaben: 

„Sie tommt eS, baß ©ott bie Stenfcpen fo oiel lei* 
ben läßt, wenn er fie wirfliep liebt?" 

Die Sftüplenarbeiter, welcpe jahrelang in bem rotp 
angeftriepenen ßolzfcpuppen am Ufer ber ©uept gear* 
beitet patten, betrachteten mit großem ©toh bie 
maffioe 5 <*brit mit bem tpurmgleicpen ©epomfteine, 
welcher feinen rauepenben Stunb auf ben friebüollen 
Fimmel rieptete, ber, wie ©aul fiep auSbrüdte, „boep 
gerabe fo blau unb leucptenttlieb, als ob gar fein 
SRaucp ju ipm aufftiege." 

Der ©au biefer Faorif unb bie für ipren ©eruf auf 
©cpulen perangebilbeten Seiter berfelben, patten Dom* 
tinSüille aus einem rupigen Dorfe zu einer geräufcp* 
ooßen ©tabt umgefepaffen. ©torgenS, ©tittagS unb 
»benbS ertönte bie gewaltige ©lode mit fsarfem 
^lang, welcpe bie »rbeiter z« iprer »rbeit rief, ober 
ben Feierabenb oertünbete. Der fcpriüe, mißtönenbe 
Saut erftidte faft baS leifere ©eläute ber tleinen 3Re* 
tpobiftentapeße, bie in ber Säpe ftanb. 

Unter ben neuangetommenen Arbeitern befanben 
fiep äJtänner aus allen ©egenben beS SanbeS; einige 


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420 


Huf uni Jlieler. 


toaren fagar über baS 2Reer herüber gefommen, uni) 
loenn ber hohe ©cbornftein an ben babplontfcben 
Sburm erinnerte, fo brauten bie berfdjiebenen ©pra* 
<ben, welche gefprodhen würben, unb bte berfdgebenen 
©onfeffionen ber Scanner eine aSerwirrung beröor, 
bie mit SRecht eine babplonijcbe genannt werben tonnte. 
$$on bem „grieben auf ©rben unb ben SRenfdjen ein 
löoblgefallen/' ben bie tleine ©emeinbe, welche ©onn* 
ubenbS unb SLRittwocbS in ber SRetbobiftenfapetle ^u* 
fammen tarn, erflehte, tonnte febr wobl gefagt werben: 
„Ser SSinb bläfet, wo er wiU." 

„aßir müffen warten, eS wirb fid> mit ber 3eit fd)on 
machen/' fagte ©noch &u Sßaul, als beibe an etnem 
trüben §erbftabenb bon ber ©etftunbe jurüdfebrten 
unb burd) bie unruhigen ©tragen jibntten, in wel* 
<ben ftreitenbe SRänner, lärmenbe ftinber, beUenbe 
$unbe unb weinenbe grauen burdjeinanber fdjrieen 
unb t)in unb ber liefen, um bie bürftige 5Rabläeit $u 
taufen ober au berühren, bie auf morgen nod) hätte 
auSreicben fouen. 

„3a, ja," fubr ©noch fort, — aber feufjte tief bei ben 
^Sorten — „wir müffen warten unb wachen, unb wenn 
eS auch lange währt, wie ber SBäcbter in ben langen 
fBinternäcbten auf ben bämmernben SRorgen wartet, 
benn eS ftepet gefdbrieben: ,,©S ift 3eit, ben Jperrn ju 
fuchen, bis Dag er fomme unb regne über euch ©ereep* 
iigteit, baS ift eine Sßerbeigung, $aul." 

fßaul fpracb bie aßorte, als fie in baS $auS traten, 
©in 2Rann, ber mit lauter ©ttmme in ber §auSgur 
fang: 

Jbtö ßeben auf ßrben ift fo fdjroer, 

Siel beffer, »er nicht geboren n>är’," 


- bor ihnen über bie ©d)WeUe. 

£S war ber neue 9luffeber in ber gabrit, ein 3Rann, 
ber baS ©einige wobl gelernt batte unb in ©üdjern 
wobl a3efdjeib wugte. ©r trat in baS offene Korber* 
äimmer, beffen Sb^r nur angelebnt war. 

fBaul blieb unentfebieben geben; er t^atte offenbar 
ßuft, auch in baS 3* mm ^r ju geben. 

f ,3eb würbe eS nicht tbun," fagte fein Sater. ,,©S 
bringt Sir feinen aSortbeil, au hören, was ber 2Rann 
fagt" 

fßaul jögerte. ©r war fein Äinb mehr. Sßarum 
wollte fein Sater ihn gurücfholten? aßaS tonnte eS 
ihm febaben, wenn er fid) ein aßeildjen mit bem Spanne 
unterhielt? 

©ein ^)erj lehnte fid) einen Slugenblict gegen feinen 
®ater auf. ©r fühlte fich berfud)t, feinem aSater nicht 
$u geborenen, ©noch faf| ficb nicht nach ibnt um, er 
rief ihm nicht ju, baß er ihm folgen möge, als er ben 
©obn fo unentfcbloifen fab- Unb fßaul ? — @S war 
bielleicht auf jeinem ©efiebt au lefen, benn er batte 
ein febr auSDrudSbolleS ©efiept, unb er ftanb in bem 
boUen ©cbeine ber ßampe, fo bag ber 2Rann, ber bor* 
bin au ihm gefprodjen batte, ihn feben tonnte. 

„aöarum bleibft Su braugen fteben, a3urfd)e?" 
fragte biefer, „nur herein! Sentft Su, wir efjen bon 
ber berbotenen gruept beS „aSaumeS ber ©rtenntnig," 
bag Su Sieb fo befiru#? Su tommft ja eben bon 
ber Kirche her, wo Sir baS „©ute" präfentirt würbe, 
wagft 2)u ed nun niept, auch einmal bon bem $erbo= 
tenen ju nafeben?'' 

5)iefe aBorte forberten ^?aul betaut; bennoch ftanb 
er unentfcploffen. 3lcb, er wugte nicht, bag bie ©nt= 
febeibung ber nächften Minuten feinem ganzen nach' 
perigen fieben feine gärbung geben foUte, aber bebor 
ficb am anbern Sage bie ©onne geneigt batte, batte 
er eä erfahren. 

„herein, $aul!" rief eine anbere, weniger raub 
fliitgenbe ©timme. „SBir bereben un§ eben über 
einen ©treit mit ben gabrifleuten unb wollen bie 


grage entfdjeiben. ©ie fagen. e^ gibt feinen Fimmel 
unb feine §ölle, aber wir SJcübkaarbeiter pnb ge* 
neigt, uns einftimmig auf bie anbere ©eite $u 
fcblagen.^ 

fßaul horchte begierig. @r ftieg bie Sbür aan§ auf 
unb trat in ba3 3i mmer > öaöbon Sabacfgrau^ erfüllt 
war, unb in welchem alte unb junge 9Rünner auf ein* 
anber einrebeten. 

„Ser SRaud) ift taum $um ÄuSbalten/' fagte ein 
9Rann. „Oeffne ba^ genfter, fßaul; Su btft ja ge* 
rabe auf bem aßege." 

Sßaul tbat, wie ihm gebeigen war. ©r lehnte ficb 
eine äRinute läng hinaus, benn ber Slaud) tbat feinen 
Slugen web. — UnwiDtürlich bliefte er empor, über ben 
hoben ©cbornftein biaioeg. ©in Heiner ©tern bliefte 
bureb bie aßolfen. Sie xBorte, welche bie a5auerfrau 
auf bem $$erge ju ihm gefprochen, fepien er öergeffen 
au haben, benn er batte feit langer $cit nicht mehr 
oaran gebacht; nun glaubte er fie wteber ju hören: 
„Vielleicht tann beine SRutter Sich auch feben!" — 
©r glaubte wieber burch bie bunfle fRadft $u fahren, 
wie oor langen gabren; glaubte wieber feinen Äopf 
an bie ©djulter feines Katers ju lehnen unb hinauf 
^u Mieten ju ben funfelnben ©temen, oon benen 3act, 
ber gubrmann gefagt batte: ,,©te feben aus, wie bie 
$lugen ber 3Renjd)en, bie gejtorben finb unb bie auf 
uns bernieber bilden." — 

©mneü, ohne ficb jn befinnen, bahnte fid) ?aul fei* 
nen aßeg $u ber Sbur unb berlieg baS gintiner. 

„aßo willft Su bin, $aul V" ertönte eS oon mehre* 
ren ©eiten; aber er antwortete nicht. 3fn jwei 
©äfeen fprang'er bie Sreppe hinauf. 

©r nahm ficb nicht 3^it ju fragen, warum er je|t 
ber SJerfucbung auSwich, bie ihm noch °or einigen 
SJtinuten fo berlodenb erfchienen war; unb wenn er 
ficb gefragt hätte, fo würbe er es nicht gewugt haben. 
3ßenn aber bie „Dort oben" wiffen, was hier unten 
auf ©rben borgebt, bann batte fetter an jenem fttbenb 
eine jjroge greube, bann wugte fie, bag baS©ebet: 
„©rlofe uns bon bem Uebel," baS ge bor langen 3fab 5 
ren an ber aßiege ihres ©äuglingS für benfelben ge* 
betet, in biefer ©tunbe ©rbörung gefunben. 

$aul unb ©noch rebeten an biefem $lbenb lange 
mit einanber. Ser ©obn geftanb feinem aSater ohne 
SRüdbalt ben halben Ungeporfam ber Spat unb ben 
gangen Ungeborfam beS öerjenS, unb ©noch nmrbe 
eS plöplich tlar. bag fßaul fein Äinb mehr fei @r 
erwiberte bie Vefenntniffe fßaul'S, bie ihm baS Un* 
recht nicht berfdjwiegen, baS er wäbrenb ber lebten 
aSocpen in ©ebanten unb Sbun begangen, wie ein 
9Rann bem anbern ju antworten pflegt, beffen SReife 
er anertennt; aber er unterlieg eS nicht, bäterlidhe 
aßorte beS 9latbeS unb ber ©rmutpigung einsugeep* 
ten, bie fßaul nie wieber oergag. 

„§aft Su fchon baran gebacht, bag Su morgen 
fed)S$ebn gahre alt wirft?" fragte ©no* bann. 

©r holte bte alte 33ibel herbei unb fdjlug baS Vlatt 
um, baS bie gamiliennaebriebten enthielt, unb Stoter 
unb ©obn lafen ^ufammen fßaul’S tarnen unb ©e* 
burtStag, ber unter bem tarnen bon aSater unb SRut* 
ter gefeprieben war. aßäbrenb $aul bie ©dbriftjüge 
aufmertfam betrachtete, gog ©noch’S 2luge hinüber 
auf bie anbere ©eite beS SölatteS. aßie Deutlich er* 
innerte er fich ber ©tunbe, in welcher er ben tarnen 
auf biefem aSlatte bezeichnet, in welcher er §efter als 
feine junge ©attin in fein £auS eingefübrt batte. 

©ine einfame Salgterje brannte auf bem Sifdje 
unb gab bem 3immer ein ungewiffeS 3*oielidbt; unb 
aSater unb ©opn fagen lange ^ufammen unb fpradjen 
bon bergangeiten feiten, ©noch erjäb^e fßaul biel 
aus feinem früheren ßeben, biel bon feiner äRutter, 


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£uf unii |liebec. 


421 


ba# ber £nabe oergeffen patte. mar ein tiefem« 
fte# ©efpräd) unb e# rnäprte fo lange, bi# bie % alg« 
ferje niebergebrannt mar. 55a# lefete, Heine 55od)t- 
enbe, ba# noch in bem flüffigen lala be# ßeucpter# 
ftpmamm, flaaerte bin unb ber, al# ob e# ficb gegen 
ba# Berlöfcpen meprte unb vnocp fcplug ba# anbere 
Blatt um, auf meinem hefter’# Barne auein beneid)« 
net mar; — ba# Blatt, ba# noch auf bie Barnen oon 
Bater unb ©opn martete, bebor bie gamiliencproni! 
ipren Bbfcpluß fanb. 

6ie blidten beibe hin; — ba# glämmcpen fladerte 
mieber empor, unb (Enocp böcfte ficb nieber, um e# 
mit ber Unten #anb bor bem ßuftjuge ju fcpüpen, 
ber burd) ba# geöffnete genfter brang, mäprenb er 
mit ber redeten ipanb bie Bibelblatter umfcplug, bi# 
er ba# bielgelefene Kapitel ber (Epiftel 8t. gopanni# 
fanb. 

v 6ieb. Baul," fußte er, „hier ift bie ©pur deiner 
Honen ginger; bie# pfleiteft 55u un# an jenen längft 
»ergangenen Sonntag * Bacpmittagen oorjulefen, — 
und—deiner Butter unb mtr." 

3a, Bauljap ben fcpmupigen gled auf bem rneißen 
Banbe oe# Blatte#, bicpt neben ben SSorten: „@ o 11 
ift bie ßiebe." 

Bber nun flatterte ba# tleine fiicptcpen notb einmal 
beb auf unb ba# 3irnmer marin tirfe# 55untel gebüßt 

«fjcb bente, mir finben unfern 2ßeg," fagte (Enocp. 

Borficptiataftete er mit ben hänben oor fid) bin, 
bi# er oa# Bett erreicht butte, baß in einer (Ede ftanb. 
Baut folgte ipm. 

6ie fcbliefen lange am anbem 9Rorgen; fo lange, 
baß (Enocp taum nodjSht fanb, nach gemopnter SEBeife 
ein Kapitel au# ber Bibel $u lefen unb ein ©ebet ju 
forecpen, beoor er an feine Arbeit ging. 55ie große 
gabritglode fiel mit fcparfem Älana in bie ßRorgen* 
anbacpt unb mahnte ©noch jur feile, $aul butte 
mehr Seit. Bad) beenbigtem grüpftüd ging er noch 
einmal hinauf in ba# tleine Srnimer; nid^t um feine 
fiettion iu überhören, fonbern, um ein menig jmifcpen 
ben ©cpäpen hemm ju framen, bie in ber alten, blauen 
£ifte ruhten. 

(Er jog bie alte Schiefertafel mit ben trummen Li¬ 
nien peroör, bie feine Heine #anb gezogen patte, unb 
bie nie abgemifcbt morben maren; unb mäprenb er fie 
betrachtete, traten ipm bie beßen Xpränen in bie Äu* 
gen. ©ein ®erj mar noch bernegt oon ben guten Bor« 
jofeen, bie er gefaßt unb oon oer Unterrebung am 
gestrigen Bbenb, bie fo oiele, halb oergeffene (Ertnne* 
runaen mieber mach in ipm gerufen hatte. 

„3cp möchte etma# tpun," bacpte er, „ba# meinem 
Bater angenehm märe, unb möchte e# ipm behaglicher 
machen tonnen!" 

(Er fap fiep um, unb jum erften 2Rale fiel e# ipm 
auf, mie unbepaglicp ba# gimmer mar, mie oerfepieben 
oon bem SBopnjimmer be# Heinen ßanbpaufe#! 

„(E# tann niept anber# fein, baepte $aul, meil mein 
Bater jeben Pfennig feine# ferner oerbienten ßopne# 
hingibt, um mir eine gute ©cpulbilbung ju oer* 
fepaffen." 

(Er napm ben Bod feine# Bater# auf unb ping ipn 
mieber an ben Bagel tn bem (Eabinet auf, oon mel* 
epem er ipn peruntergenommen patte, um $lap für 
ben aufgefcplagenen $)edel ber alten iftfte JU finben. 
6# mar oer ©onntag#rocf feine# Bater#, aber er mar 
fo abgetragen, fo faoenfepeinig an ben (Ellenbogen unb 
an ber £atue. 

$aul mürbe ganj traurig. ßangfam unb mit oiel 
fepmererem Xritt, al# fonft, ging er bie Xreppe pin* 
unter unb burep bie Borpaße, langfamen Schritte# 
ber Btabemie $u. 

55er alte Ofen in bem ©aale ber Btabemie mar ge* 


hei$t; bie ©cpüler unb ©cpülerinnen patten fiep in 
feiner Bäpe gruppirt, um bie SBärme aufeufangen r 
bie er au#ftrömte. ©ie riefen *ßaul ^ aU( p f omÄ 
men, al# er in ba# 3immer trat. 

Bein, e# mar ipm niept möglich. mußte fid* 
nicht ju ertlären, ma# ipn brüdte, aber er tonnte an 
biefem SRorgen niept feperjen, niept oergnügt fein. 

(Er banfte unb opne fiep umjufepen, ging er naep» 
feinem 

(Etma# fpäter tarn ber ßeprer — ein junger 9Rann,. 
ber erft oor menigen gapren feine ©tubien ooßenbet 
batte unb taum älter au#fap, al# oiele feiner ©cpüler. 
55ie ©lode ertönte unb Bße napmen ipre Bläbe ein ;. 
ein Kapitel nu# ber Bibel mürbe gelefen unb etn für* 
je# ©ebet gefproepen. 9hm mürben bie Aufgaben 
uberpört. (Ein unterbräche# ©emurmel erfüßte ba# 
3immer. ®ie feineren Stimmen ber9Räbcpen pobea 
ffd) oon ben tieferen Äepßauten ber Änaben ab, in. 
bem Stonpf mit ber (Eonjugation eine# Berb# ober im 
ber Sufammenjäplung einer langen Summe. 

©o ging e# mopl länger al# eine ©tunbe. 55ie 
©tabtglode patte bereit# jepn gefcplagen, ba mürbe 
laut unb paftig an ba# ©cpuljimmer geflopft. 

Baul fupr oon feinem ©ifce empor, obmopl er fonft 
niept neroö# mar, unb mar über fein *ßult pintoeg* 
gefprungen, beoor ber ungebetene 9lnfömmlmg, ein 
9Ruplenarbeiter, noep gefragt patte, ob $<*«1 gofter 
pier fei. 

Xobtenbleicp trat er bem Btanne entgegen. 

„Scpnefl, fepneß!" rief er atpemlo#, „ift meinem 
Bater ein Unfaß jugeftoßen?" 

5)ie Aufregung in bem ©dbuljimmer patte fiep naep* 
menigen Bhnuten gelegt, yaul mar fort. (Er patte 
niept gemartet, bi# oer 3Kann bie einftubirte Bebe ge* 
palten, bie er fiep auf bem SBege oon ber 9Rüple bi#' 
nadb ber 9ltabemie überpört patte, unb mittelft beren 
er $aul oorbereiten moute. 

^©rfchrede 55icp nicht," patte er gefagt, „eine gaß* 
tpur in bem neuen ftnbau ift eingebroepen. 55ein 
Bater — ging gerabe — barunter meg unb — unb — 
rneißt bu—nun ja—bie ßaft preßte ipm faft benÄtpem 
au#; aber icp benfe, e# mirb fi^ äße# maepen — er* 
feprede 5)icp nur niept." ' 

55er, bem biefe SBorte galten, mar fepon bie ©traßr 
pinunter unb ber £eprer unb bie erfeprodenen Scbfi* 
ler maren bie 3upörer. 9Rit einem ungefepidten Bei* 
gen be# ftopfe# oerabfepiebete fiep ber ©preeper, al#^ 
er feinen 3>rrt^um gemaprte, unb trat feinen Büd* 
jug an. 

Beoor Baul ba# hau# erreichte, patten fie ben blu* 
tenben unb jerquetfepten 9Rann bie kreppe pinauf* 
getragen, bie er oor menigen ©tunben im ooßen Befip. 
feiner männlichen ©tärfe unb ftraft pinunter gegan* 
gen mar. 

ßiebreiep unb fanft patten bie raupen &rbeit#män^ 
ner tpre pülflofe, ftöpnenbe Bürbe auf ba# Bette ge* 
legt unb fiep geräufcplo# entfernt, um fiep ber beforg* 
ten, angftooflen©ruppe beijugefeßen, bie fiep oor bem 
^)aufe angefammelt patte. (E# mar eine bunte ©ejeß* 
fcpaft. grauen liefen pänberingenb pin unb per, Äin» 
ber orüdten fiep mit angftooßen ©eflcptern in bie ©de, 
unb bie ßRänner flüfterten fid) mit gebämpften ©tim* 
men bie ©injelpetten be# gaße# ju. 

©ie rniepen aße jurüd unb mamten einen SBeg frei, 
al# fie fßmü tommen fapen. ©elbft ber alte Ärjt, 
ber mit porter Stimme aße au# bem Sommer be# 
Fronten getrieben, pieß fßaul mit fanfter Stimme 
„perein ju fommen" unb fepeuepte ipn auep niept ju* 
rüd, al# er fo nape an ba# Bett trat, bajj bie rotpen 
Xropfen, bie oon ben SBunben floffen, feine ^>anb be* 
rüprten. 


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422 


JUif unb {lieber. 


„toter, toter," fagte $aul leife, „fennft $)u mich 
nicht,—deinen $aul?" toer eS fam feine totwort; 
bie weißen Sippen blieben feft gefdpoffen; bie f$we* 
ren togenlieber hoben fid) nicht empor. 

$ie Stunben zogen langfam ooriiberunb ber trübe 

t erbfttaa boU wegen uno SBinb näherte fich bem 
benb. Xiefe Stille herrfchte in bemÄranfenjimmer; 
nichts ftörte fie, als bie leuchenben, fcpweren to)em* 
söge beS Sterbenben unb baS leife liefen ber Uhr, 
bie fo unbarmherzig baS unaufhaltjame SBeiterfchrei* 
ten ber Reit anzeigte. 

$aul batte baS ©ett nicht öerlaffen, er hotte fein 
SBort gesprochen nach ber erften, flehenblichen grage, 
unb totnanb hotte eS öerfudjt, ihn hinweg führen zu 
wollen, benn ber tozt hotte bem tränten nur noch 
ganz furze SebenSf rift zugefprodjen. toer baS geben 
mar noch nicht gewichen, als bie Turmuhr bie SJiit* 
ternadmtunbe berfünbete. 

„©r ift beffer," bachte ©aul, als ber tozt baS Sicht 
nahm unb fo hielt, baß ber bolle Schein beffelben auf 
baS ©efid)t beS Seibenben fiel, benn ©noch öffnete 
feine togen unb bewegte feine Sippen, als ob er fpre* 
chen wollte. ©S foftete ihm große tofttenguna unb 
eS bauerte eine SBeile, bis bie abgebrochenen, faft un* 
berftänblichen SBorte tarnen: 

„©in ©ater—ber—©aterlofen," fagte er. — SBieber 
fämpfte ber Äranfe* unb immer fdjwächer unb ange* 
ftrengter tarnen bie tohemzüge, enblicb flüfterte er mit 
einer Stimme, bie fo leife unb fremb tlang, als ob fie 
aus weiter gerne fäme: 

„tohe—©eimgehen—§err gefuS—Scpneeflocfe — 
unb—ber Heine ©aul." 

©r lächelte. — ©S war ein feligeS Sädjeln, — unb 
flfifternb.mit weniger toftrengung tarnen bie SBorte: 
„©in toter—ber toter—lofen." 

©in Schatten—ein tiefer Schatten fchlich über baS 
©eficht. $5ie falte ßanb, welche ©aut in ber feinen 
hielt, würbe noch fälter. $ie ginger, welche ©aurs 
ginger fchwach umfdjloffen, löften fich, unb lautlofe 
StiUe folgte. 

©ine holbe Stunbe fpäter führten fie ©aul hinaus. 
,,©r ift tobt — ©aul gofter ift nun ein SBaife," 

K bie Stornier zu ben ängftlich©erfammeltenoor 
mSthür. 

$)er tozt, ber eben bie kreppe herunter fam, hörte 
bie SBorte, unb laut unb beutlich, fo laut, baß ©aul 

i te in bem Rimrner oerftehen tonnte, in Welchem er 
ich befanb, — fagte ber Stonn ber SBiffenfchaft: 

„toin, ©aul gofter ift feine SBaife, benn ©noch 
gofter'S ©ott ift ein toter ber ©aterlofen." 

Unb bie ^auSthür fchloß fid) hinter bemalten $)oc* 
tor, benn feine tobeit in biefem fiaufe war aethan. 

„$>ie Stacht bringt unS bie Sterne unb oaS Seib 
läßt unS treue $heilnahme erfennen." 

toch ©aul empfanb baS in ben erften fchweren 
Stunben. SBobin er blicfte, ftreeften fich ihm bereit* 
willig helfenbe §änbe entgegen, bernahm er theilneh* 
menbe, liebeöoüe SBorte. toer, ach, fie tonnten ihn 
nicht tröften. Selbft bie leßten SBorte, bie fein ©ater 
gefprochen hatte: „©in toter ber ©aterlofen," waren 
ihm ein leerer Älang. 

Schweigenb, bewegungslos ftanb ©aul neben bem 
weiß überbeeften ©ette, m welchem ber falte Seib fei* 
neS toterS lag. 

©r hielt bie alte gamilienbibel in feiner §anb. ©r 
fchlug bie ©lätter um, bie er bor fo Wenigen Stunben 
noch mit feinem toter gelefen hotte, unb er laS bie 
©erfe, welche, wie er fepr wohl wußte, feinem toter 
unb feiner ©iutter theuer unb Werth gewefen waren. 
Rftm erfchienen fte talt unb bebeutungSloS, benn eS 
ift ©hnftuS, nicht bie ©ibel, welcher tröftet, unb ©aul 


fah nicht zu bem $emt empor. SBie fo mancher mülj* 
feltge unb belabene unb h^enSfrante Stonfd), ber 
beS XrofteS beburfte, fo fudpe ©aul Xroft, inbem er 
bie heilige Schtift zur §anb nahm; aber wie jene, fo 
bergaß auch er, baß bie §anb beS ©laubenS 
fiep on ben £errn holten muß, bebor bie 
SBorte ber Schrift ihre Sföacht üben 
fönnen. 

SBer bon uns hätte baS nicht fchon an fich erfahren? 
SBer hätte noch nicht bie ©ibel aufgefchlagen in feiner 
toth, unb fich bann zogenb gefagt: „tobere, Seib* 
tragenbe, Sünbige unb tothbürftige haben hieriroft 
gefunben, warum finbe ich 'hu nicht? 3^ le f e 
biefelben SBorte, aber fie tröften mich niait!" 

?lch, eS ift nur bie eine Antwort: — „Sticht bie hei* 
lige Schrift, ©hriftuS felbft thut unS noth, 
er, ber ber Schrift erft ihren SBerth, ihre 
SBeihe gibt." 

So ging eS $aul; äußerlich war er ru^i^; feinen 
tiefen Schmerz fcblofß er feft tn fein §erz ein. tor 
einmal ließ er fich uon bemfelben übermannen, unb 
baS war an bem 4age, an welchem er bie gebämpften 
dritte ber Scanner auf ber kreppe hörte, bie baS pin* 
weg trugen, was ihm in bem rleinen Rimmer oben 
heilig war. 

3lm 3Rorgen nach bem Unglücf gab eS !aum einen 
grühftücfStifch in StomptinSüille, an welchem bie trau* 
nge ©efchichte nicht erzählt unb theilnehmenbantoul 
goftergebacht würbe. Äber wie berfchieben waren 
biete SBorte! 

Squire Sublow, ber Sßräfibent ber ton! öon Xomp* 
finSOiUe, fdjüttelte ernft ben Äopf unb fagte: „®S ip 
ein fchlimm $ing für ben gungen, er tennt feinen 
SWangel, wenn auch f^tn Skater nur ein SRühlenarbei* 
ter war. ©noch gofter’S Rechnung wirb halb abge* 

S floffen fein; er pot feine großen ©rfparniffe in ber 
anf, weil er aüeS für tours Unterricht h'ugegeben 
hat. $)er arme S3nrfche ift über feinen Stanb erho* 
ben, eS wirb ihm nun um fo fernerer werben." Unb 
wieber fchüttelte ber Squire feinen $opf unb fah noch 
emfter aus, als zuoor. 

grau ©lafe, bie grau beS tobofaten, ber gerabe 
gegenüber wohnte, blicfte ihre eigenen &inber ber 
iweihe nach an unb wifdpe fich l>i c immer wieber h«> 
borquellenben ^h r onen ab. ,,^)er arme 3unge!" 
feufjte fie, „er ift fo einfam unb berlaffen." 

Siebfofenb ftrich fie mit ber ßanb über bie Stirn 
ihres SWanneS. „Sieber SRann, 7 ' bat fie fchmeichelnb, 
„tönnten wir ihn nicht bie erften SBochen wenigftenS 
Zu unS einlaben?" 

Sic füßte bie galten, bie fich auf ber Stirn beSto* 
bofaten bilbeten, unb fie füßte bie Sippen, um bie 
totmort zu berhinbern, bie er baftig geben wollte. 
,,©r hot Weber toter nodb SJtutter," fagte fie weich. 
„Sieber Storni, fiel) bod) S)eine Äinber an!" 

Schluchzcub hing fie an feinem §alfe unb ber 2lb* 
bofat blicfte fie an, feine Söhne unb 4öd)ter, unb er* 
wiberte freunblidj: „Xhue, was 2)u nicht laffen fannp, 
liebe grau, ©ott fegne ®icfa!" 

3)er toffeher in btr aWübie zögerte nicht, bie to* 
orbnung für baS ©egräbniß ^u treffen. 

„Sagt bem 3ungen, ba| thm feine Soften ange* 
regnet werben follen," beftimmte er. „©noch fjofler 
war immer ein guter, ehrlicher Stonn unb ein tüchti* 
ger Arbeiter; baS ©enngfte, was wir für ihn thun 
fönnen, ift, ihn anftänbig ju begraben." 

tomit glaubte ber toffeher feine Pflicht gethan zu 
haben unb frühftücfte mit gutem ftppetit. 

®er ©eiftlicfae beS Ortes lehrte an biefem SKorgen 
nach einer mehrtägigen towefenheit nach $aufe zu« 
rücf; feine ©attin trat ihm mit ihrem ftinbe auf. bem 


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^uf unb Jlitbtr. 


423 


Arm in ber Jpaugtpür entgegen unb teilte ipm bie 
traurige Aacpricpt mit. 

„$u mirft $)icp bocp erft augrupen mollen ?" tagte 
fie fanft aber bocp etmag empfinblicp, baß ber ©ater 
ftd) niept 3üt napm, fein Irinfe *u begrüßen. 

„$eg Sfenfcpen ©opn ift niept gerontmen, bgß er 
fiep bienen laffe," unb „ber $necpt ift nicht größer, 
benn fein §err," entgegnete ber mürbige äftann unb 
ging ftuJBaul. 

$ur 2Rittagg*eit berfammelten fiep bie 2Jtüplenar* 
beiter auf bem Sifiplenpofe, befpracpen bag traurige 
©reigniß unb bie ^ufunft Saul’g. 

„Sam merben mtr fepen, mag in bem jungen ftecft," 
fagte einer. ©in jmeiter erjäplte 3üae hon ©nocp’g 
fceräenggüte unb ein britter, melcper ©emalt über bie 
®enge patte, rief alle jufammen unb fpracp: 

„$ört micp an, gpr äßämter! gcp meine, biefer 
$ob muß und heranlaffen, ben langen ©treit mit ben 
gabrifleuten ein für allemal aufeugeben. ©nocp be* 
pauptete immer, eg fei eine ©ünbe, ju benten,mie fie; 
eg laffe fid) niept be^meifeln, baß eg einen Simmel unb 
eine $öue gäbe unb einen ©ott, ber ben ©einen bei* I 
ftepe tn ihrer Xobegftunbe. ©hrpa b e n n i epH i uf-ihn 
gepört, alg er lebte, laßt ipn uug hören, nun er tobt 
tft; bag petßt — icp meine — ein ©lief in fein ©eficpt 
muß ung ubeneugen, benn eg ift frieblicp, mie bag 
©eficpt eineg ©äuglingg." 

Aucp ber junge Seprer ber Atabemie fucpte Saul 
auf; er fagte niept hiel, aber er brürfte ipm marm bie 
§anb. 

3)ie liebreiche, fanfte grau ©late trat ipm naper, 
alg irgenb gemanb. ©ie bracpte ihm Serbftblumen, 
fcpöne, fchneeroeiße Aftern. „§ier, $am. fcpmürfe ihn 
Damit," fagte fie, unb bann ging fie fort, benn fie 
patte ein ncptigeg ©erftänbniß für Saul’g ©unfcp, 
allein ju fein, Aber fpöt am Abenb tarn fie nocp ein* 
mal, fepte fiep neben ihn unb ergriff mütterlicp feine 
$ünbe. ©ie forberte ipn niept auf, „fiep ju erpeitern " 
mie grau Renting getpan patte, ©te fpraep liebe* 
holl, enift ju ipm. 

„Sieber ^5aul," fagte fie, „beben!, mie lange $ein 
©ater auf bem raupen, minterlicpen ©teere umper ge* 
toorfen mürbe—allein, opne $)eine Sttutter—unb bann 
freue ®icp, baß er plöfelid) in einem #afen lanben 
burfte, ber hon ©onnenfepein geföttigt unb mit ben 
föftlicpften grühlinggblumen üoerfäet ift." 

$ag ©ilb gefiel ©aal. ©ein ©cpönpeitgfinn er* 
quitfte fiep baran; feine fünftlerifcpe Statur foa bie 
©orte begierig ein, aber Xroft gaben fie ipm niept. 

„Xröften !ann nur ©priftug," fagte ber Saftor, alg 
er mit g*au ©late jufammen bie ©traße pinab ging, 
auf roelcper bie braunen, troefenen ©lätter hin uno 
• per flogen, bie ber geftrige ©türm hon ben vjmeigen 
geriffen. 

3)te beiben langen Jage, rnelcpe bem ©egräbniß 
boran gingen, gaben Saul SDtuße jum Staepbenfen. 
3uerft oliatc er ructmartg unb erinnerte fiep lebpaft 
unb beutlicp an herfepiebene üeine Umftänbe aug fei* 
ner Äinbpeit — aug ber glüefliepen 3eit, in melcper 
feine SDtutter nocp lebte; unb fo herfunfen mar er in 
biefe ©rinnerung, baß er einige SJtale gan$ nape bei 
fiep, in bem füllen herbunfelten 3immer ipre ©timme 
ju pören glaubte, bie ipm lei je auflüfterte: „©ott ift 
Die Siebe." ©ertoirrt, faft erfeprodfen fupr er je* 
begmal $ufammen, benn er patte bag traurige 93e* 
mußtfein, biefe ©orte niept mit ganzem ^erjen 
fpreepen iu fönnen. Unb boep — ,,3Jtutter fagte, fie 
feien mahr, unb fie mußte eg," baepte er. „Stein 93a* 
ter ermapnte midp oft, an biefen ©orten feft $u pal* 
ten, menn eg auep nocp fo bunfel um rniep fei, unb — 
metn 9Sater mußte, „an men er glaubte." 


93on ber 93ergangenpeit gingen ^3aurg ©ebanfen 
fcpneU ^u Siünen für bie 3 u i un T* ü^cr. 

©ag follte er nun tpun, allein in ber ©eit? biefe 
grage brängte fiep ipm immer unb immer in angft* 
holler ©orge mieber auf. 

©eine ©orgen maren nuplog, benn „ber 93ater ber 
93aterlofen" patte ipm fepon ben ©eg bereitet, ben er 
gehen foUte. 5)ag erfupr Sßaul halb naefaper. 


Der Suffeper ließ ihm fagen, eg fei eoen ein ^?lap 
in ber SDtüple für iqn frei; er tonne genug herbienen, 
um feinen Sebengunterpalt $u beftreiten, unb bie 
SDtüplenarbeiter brängten ipn, bie ©teile an$unepmen. 
gn ber gabrif tonnten fie einen SBurfdjen brauepen, 
ber fäpig genug mar, bie flieepnungen ju füpren, unb 
fie maepten $aul bag Anerbieten, fogleicp ^u tommen. 
©quire Sublom nannte bieg „ein felteneg ©lücf für 
^aul." 2)ie gute grau Sölate lub ipn auf’g greunb* 
liepfte ein, ju tprem SOtanne ^u tommen unb herfpraep 
ipm pinreicpenbe 93efcpöfügung, ba ber Abhofat be* 
ftänbig 3)otumente paoe, bie abgefeprieben merben 
müßten. Aucp ber alte $oftor geigte fiep millig, ipn 
bei fiep auf^unepmen. „gn bem gungen fteeft bag 
3eu$ ju einem tücptigen uftanne," fagte er. ®r patte 
eine gemiffe 3uneigung ^u ^ßaul gefaßt, beffen ©elbft* 
beperrfepung unb herftänbigeg SBerpalten in ben lan* 
gen, fepmeren ©tunben ber ^rantpeit feineg 93aterg, 
er mopl bemerft patte. 


$aul mußte, baß erjii 
entfeheiben mußte. SBig 


leiip naep bem ©egrabniß 
, „ apin herlangte Shemanb 

eine Antmort hon ipm. @r mar bantbar für alle biefe 
gütigen Anerbietungen, aber — tonnte er eine berfel* 
ben annepmen? ©ar eg ipm möglicp, bie Hoffnung, 
ein flJtaler ju merben, aufyugebcn ? 

£), biefe Hoffnung! 3)iefeg fepnfücptige ©erlarmen. 
—©ie tonnte eg fiep hermirtlicpen, ba er toeber ©elb 
nodb gremtbe patte, ipm ju pelfen. 

$aul maepte fiep feine g[llufionen. ©r mußte, baß 
meber ©quire fiublom, nocp ber Auffeper, ber Abho* 
tat unb ber $oftor ipn hetfftanben; mußte, baß fie 
meber 93erftänbniß für Äunft unb SWalerei patten. 
Unb menn er nun ablepnte, mag fie ihm gütig anboten 
—mie mürben fie eg aufnepmen V ©ag fagen. menn 
er, ber ©opn eineg flttüplenarbeiterg, bauaep ftTebte, 
ein Zünftler ju merben? 

©g mar ein unfreunblicper $ag, alg ftep ber lange 
3ug ber fcproarggefleibeten Scanner burep bie ©traßen 
bemegte,um ipren tobten Äameraben baglepte©pren* 
geleite ju geben, unb bort, an bem taplen ©ergab* 
qange, ber peute nocp öber augfap alg fonft, gur mfupe 
u betten big jum großen Auferftehunggmorgen. ©on 
er fltebe beg ©rebtgerg hemapm $aul nieptg, alg bie 
©orte: ,,©ott ift bie Siebe." 

©oUte er biefe ©orte immer pören, opne fie felbft 
hon ganzem ®ewen fagen $u fönnen? 

©r baepte uno baepte unb plöpltcp fah er empor 
unb fanb, baß er faft allein an bem frifepen ©rabe 
ftanb. 

S'tein, nocp niept allein. £err ©rah, ber junge Sep* 
rer ber Atabemie, mar bei ipm geblieben, gept er* 
griff er ©aul’g öanb unb füprte ipn pinmeg. 

^)err ©rap füprte Saul auf einen ©eitenmeg, ber 
hon ber ©traße abbog unb burep gelber unb ©iefen 
neben ber ©u^t hinhef, benn er tonnte eg Saul nad)= 
füplen, baß er ftep allein in ber fltatur augenblictlidp 
mopler füllte, alg unter bem3 u fpnicpe ber SJtenfcpen. 
Aber er herfäumte eg niept, gelegentlicp ein ©ort hon 
bem ©irten ©otteg in ber Sfatur $u reben. 

„©icp Saul," fagte er unter anberm, ,,menn ©ott 
bie Silien auf bem gelbe unb bie ©ögel tn ber Suft 
herforgt, follte er 2)icp hetgeffen?" 

©r martete niept auf etne Antmort; er ftelltenur 


t 


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424 


(Srfammtcinbrudi Irr fünften internationalen $onntagfd)nl=flonoention 


bie troftreiche grage unb fing bann an, bon $aul’$ 
gufunft gu rebcn. 

©aul wußte nicht, wie e3 gefdjah, aber fo ganj na* 
türlid) unb wie bon felbft oerftänblid) erzählte er bem 
greunbe bon feinem Hünftlertraum unb bon ber Hei* 
nen (Schiefertafel mit ben frommen Sinien, beren 
Steimmg feine Butter gleich erfaßt unb bie fie baS 
©ilb bon ben „grünen s 2luen unb ben frifchen SEBaf- 
fern" genannt hatte. 

(So leicht wirb e3 ber wahrhaftigen Xheilnahme, ba$ 
Vertrauen ber Jugenb $u gewinnen. 

„3$ glaube, td) fann ®tr helfen, $aul," fagteßerr 
©rat), als jener fdjwieg; unb wa$ er nun er^lte, 
nannte ©aul ein merfwurbigeS 3 u f am wtcntreffen, ber 
junge Sehrer aber eine liebreiche gürforge ©otteS. 

§err ©rap hatte an biefem SÄorgen einen ©rief 
bon einem UniberfitätSfreunbe erhalten, einem fünft* 
berftanbigen unb funftltebenben Spanne, ber ihm mtt* 
theilte, baß er einen jungen SJtann fuche, ber Suft, 


(gortfepung folgt.) 


Henntniffe unb ©enie befipe, um in ba8 Atelier einefc 
Xplographen (^olabilbner unb ©d)riftenfchnetber)ein* 
jutreten, unb baß er ihm bantbar fern wolle, wenn er 
ihm einen ©d)üler ^uweifen tönne. 

ßerr ©rah la$ ©aul bi* ©teile beä ©riefet bor r 
fagte, baß er ftd) morgen eine Antwort holen wolle 
uno berabfeßtebete fia), als fie ba3 #au8 ber grau 
JenfinS auf Umwegen erreicht hotten. 

©aut ftieg bie Xreppe hinauf unb betrat ba3 ein* 
fame ©emad), ba3 nun fo bbe, fo berlaffen war. ©r 
faß bie halbe S'tad^t im feunfeln. Haum berftänblich 
flüfterte er bie ©Sorte feinet fpätern©lauben8befemtt* 
niffeS. bie er in biefer 9tad)t unb in bielen nachfolgen* 
ben s Jcäd)tcn nur $u ftammeln bermochte: 

,,©ott ift bie Siebe" —„©in ©ater ber 
©aterlof en." 

©ber felbft bie jögernb, taum berftänblid) gefpro* 
eßenen «Borte ber ©erheißung tröfteten ihn. ©r 
fdjlief ein unb fdjlief friebboU wie ein Hinb. 


Q— 

m Q 


fammtcinbrudi ber fünften internationalen $onntagfd)uUtfoittieiition, 

— gehalten in — 

@()icaflo, nom 1. ßis 4. §uni 1887. 

9fir $att0 unb ©erb bon 3o|. 3. Heller. 

Welche ba3 ©onntagfchulwerf 
al$ eine fleinlid^e, unbebeu= 

Slnftatt unb at3 Siebenfache 
anjdiauen, unb bie fidj $u jung ober 
ju alt, ju reich oberju gelehrt bün* 



!en, um als Sehrer in ber ©onntagfdjule 311 ar- 
beiten unb ba3 ©Ser! förbent $u Reifen, würben 
bon folcher ©inbilbung Wafjrfcheinlich furirt 
worben fein, wenn fie einigen ©erfammlungen 
ber internationalen ©omttagfchul = ©onbention, 
Welche hier in ©ipung War, beigewohnt hätten. 

©3 haben in ©hicago fdjon biele Sonbentio* 
nen getagt, aber Wohl noch leine, Welche in 93e* 
jug bem 3 *°^ un ^ ^ em 3 i c ^ ber Harmonie 
unb ber ©egeifterung, mit biefer ©omttagfchul* 
Serfammlung einen Vergleich auShalten lönnte. 

©3 machte auf Jebermamt einen gefegneten 
unb faft überwältigenben ©inbrud, taufenbe 
©onntagfehularbeiter in ber geräumigen $alle 
Satterp ®. berfammelt $u fehen. ®elegaten 
Waren anwefenb aus allen Staaten unfere£ ge= 
fegneten SanbeS, fowie aus ben brittifchen ©ro* 
binnen. ®ie ®elegaten repräfentirten 106,084 
©onntagfchulen, 1,159,438 @onntagfchul*Sehrer 
unb 8,471,416 ©onntagfehüler. 

©£ hat fid) too hI fetten ereignet, Wo bie $ 0 * 
ben unb fiebern, bie Speichen unb 5trmen, bie 
©eiehrten unb Ungelehrten, bie jungen unb 
©Iten, fo einig unb brüberlid) beifammen faßen, 
Wie e3 hier ber gaü war. 31u3 ben berühmt 
teften ©rebigern biefer Sanbe^, au^ ©oubemeu^ 


ren unb ©enerälen, aug Uniberfität^präfibenten 
unb ©rofefforen, au§ ®bbo!aten unb Sterjten^ 
au3 allerlei ©efchäft^leuten, au^ alten unb jun¬ 
gen 3Rännem aus bem Slrbeiterftanbe, fowie 
aug SRüttem unb Jungfrauen, beftanb biefe 
benfwürbige Serfammlung. Jn ^eiliger Se^ 
geifterung unb in fünfter ©intracht faßen bie 
laufenbe beifammen, unb jebeS £erj fchlug für 
eine große ©adje. Jn ben ©ebeten unb ®e- 
fangen, in ben keben unb ©efdjtüffen hotte man 
nur einen großen 3 *^ ' m * ® u Ö e ul1 ^ 9 a ^ $$ 
eine Wunberbare „Sinigleit im ©eiftc" hmb. 
®a^ ©lüd unb Säohlergehen—bie SRettung unt> 
^Bewahrung ber gugenb bon ©ünben unb Safter 
aller 2lrt, War ba§ h crr l^ e 3' e l un ^ ^ cr e ^l e 
3wed, ben ein Jeher im Sluge hatte. 

©in anbereS erfreuliche^ fttityn War bie 
®hatfache, baß biefe belegirte Serfammtung 
au^ Sftepräfentanten ber berfeßiebenen firchlichen 
®enominationen jufammengefeht war. $ier 
einigten ftdj alle unb ftanben jufammen auf einer 
gemeinfamen ©lattform, nur einen Jloed unb ein 
3iel im 3luge habenb. 

®urch bie ©onntagfchule, ober bur^ bie in= 
temationalen ©onntagfchul - Seftionen, ift ber 
S3eg unb ba« aRittel gefunben worben, bie ^rift- 
liehen ®enominationen einanber näher ju brin* 
gen, unb fie unter bem großen Raupte ber Sirche- 
3 U bereinigen. ®iefe§ ift unftreitig ein großer 
©ieg unb Jortfchritt auf lircßlichem ©ebiete. 
Stuf biefe Säeife lernen fich bie früher bon ein- 


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J 




grljaltrn in (f^irago, oom 1. bis 4. 3uni 1887. 425 


anbet getrennten unb abgefdjloffenen Stiften 
nun fennen, achten unb lieben, unb man barf 
ioofjl, Halbem ber Seg nun gebahnt, noch grö* 
feere Dinge in biefer Sejiehung in 3>ßunft er* 
warten. Sei biefer Versammlung fanb bad 
Scfjrifttüort hoch einmal feine änwenbung: ,,©d 
wirb ein $irt uttb eine beerbe fein." 

©in anbered erfreuliche^ 3eidjen ber ©onn* 
tagfdjularbeiter, ift ifcire ©elbftüerläugnung unb 
Opferwißigfeit, mit welcher fie bad uneigen* 
nüfeige Serf betreiben, ©erabe biefer fßunft 
ift ein fd^lagenber Seweid, roie ernft ed ihnen ift 
mit ber ärbeit unb wie fefer ihnen bad Sohl 
ber Qugenb am $erjen liegt. 9ticf)t nur per* 
riefeten biefe 1,159,438 ©onntagfchul * Sehrer, 
roie allgemein befannt, ihre ärbeit in ber Sonn* 
tagfdjule frei unb umfonft, fonbem fie laffen ed 
fid) nod) nebenbei gar manchen Dollar toften, 
um bie Sinber ju befchenlen, unb bad ©onn* 
tagfchulroerf auf anbere Seife ju förbem. 

Ser jaljlt bie grofeen Soften, welche burdj 
eine ©onoention, wie biefe, oerurfaefjt werben? 
Dad ©elb fommt houptfäd)li«h aud ben Dafdjen 
ber ©onntagfchuI*ärbeiter. @d ift erftaunlich, 
mit welcher greubigfeit bie Verfammlung eine 
toßefte toon $12,000 erhob, um in gufunftbad 
©onntagfchulwerf noch beffer unb erfolgreicher 
treiben ju fönnen. 

Der 3wecf, bie Sichtigfeit unb Siotljwenbig* 
feit biefed Serf ju förbern unb audjubreiten, 
Würbe non allen ©eiten betrachtet unb ju ernfter, 
treuer ärbeit aufgemuntert, ©d läfet fich oudj 
faum eine anbere Bewegung unb ärbeit auf fitt* 
lichem ©ebiete benfen, welche an Sichtigfeit ber 
Arbeit, bie in ber ©onntagfdjule gefchicht, gleich 
geftcllt werben fönnte. 

Der ©onntagfchul*8ehrer befafet fich mit ben 
roichtigften Dingen unb Sattheiten, welche 
überhaupt erflärt werben fönnen. 

©r legt ©runb unb ftreut ©amen für bie 3«' 
funft. @r fucht burdj feine Arbeit bad ju be* 
jWetfen, wad einen jungen unb alten ßRenfchen 
wahrhaft glücflidj, frieblich unb lebendfroh ma= 
hen fann. Dad ©onntagfchulwerf, wie ed in 
ben lefeten fahren in ein ©tabium getreten unb 
eine äudbehnung erreicht hot, übt ohne 3roeifel 
heut ju Dage einen grofeen, wenn nicht ben 
gröfeten ©influfe aud auf bem focialen, mora* 
lifdjen unb religiöfen ©ebiete. Saum finb ed 
100 Safere, feitbem biefe ^nftitution burch ®ot* 
ted gnäbige guferung in’d Seben gerufen worben 
ift, uno heute ift biefed Serf faft ber mächtigfte 
gaftur, bie ßJtenfchheit fittlich ju beeinfluffen unb 
ju beffern. Senn biefed gottgefällige unb ber 
SRenfdjheit fo fegendreidje 3nftitut in ben nach* 
ften fahren foldje gortfehritte macht, wie bad in 
ben lefcten fünfjehn fahren ber 2faH war, 


bann bürfen Wir grofee Dinge in ber 3ufunft 
erwarten. 

Durch biefe benfwürbige ©onoention würbe 
fo fdjön bargefteßt unb tonnte ber ©dßüffel ge* 
funben werben, Wie bie grofee fociale ober focial* 
inbuftrieße grage, welche in unferer 3 e ** faft 
aße ©emütfjer befchäftigt, am beften gelöft Wer* 
ben fann. £ier fafeen taufenbe SRenfdjen, per* 
fefeieben in Sllter unb ©efchlecfet, in ©taub unb 
ämt, in ©rjieljung unb Pon perfchicbenen 9fa* 
tionalitäten abftammenb, wie Srübcr frieblich 
beifammen. Der Dagelöhner fafe neben bem 
Sapitaliften, ber ©olbat neben bem ©eneral, 
ber Sanbmann neben bem ©efchäftdmann; aße 
finb gefommen, um eine eble Sache förbern ju 
helfen. 

Sad hat biefed aber afled möglich gemacht? 
©rftend hot bie ©elbftfucht, biefed ©runbübel 
auf biefer fünbigen ©rbe, feinen ergiebigen So* 
ben bei biefer ©onoention gefunben. Seber 
bie Gleichen noch hie ärmen tarnen, um ju ge* 
Winnen, fonbem nach Vermögen ju geben. 3um 
änbern tarnen bie Seute ju einem eblen 3mecf 
jufammen. ©inanber ju helfen, waren fie be* 
reit, bamit ein guter ©runb gelegt werben fann, 
auf bem bad Wahre ©lücf ber Firmen unb ber 
Reichen aßein beruht. 3« biefer Sejicfjung ift bie 
©onntagfchulfadje, Wie fie heute betrieben wirb, 
ein gar mächtiger gaftor auf focialcm ©ebiete. 
Der ©efchichtöfdjreiber, Welcher über fociale 
Siffenfdjaft in 3«funft fchreibt, oerfehlt in ber 
|>auptfache fein 3iel, wenn er ber ©onntagfchul* 
Bewegung biefen Slop nicht einräumt. Die 
focialen Uebel unb ©d)äben unferer 3eit fönnen 
nur bann grünblich geheilt werben, wenn bie 
ajfenfdjen auf fittlid)=religiöfem ©ebiete einanber 
begegnen, an cferiftlichen ältären fich hie fpänbe 
reichen, unb mit einanber für einen grofeen fitt* 
liehen 3wecf leben unb arbeiten. — ©o lange 
3 eber nur für fich felbft lebt, bie ©elbft* 
fud)t im $erjen grofe jieljt, ben beffer Semittel* 
ten beneibet ober gar bitter hafet, Wirb ed auf 
focialem ©ebiete nicht beffer,. wohl aber fchlint* 
mer. ©ich für änbere ju oerläugnen, um ihr 
wirfliched Sohl fich 8« befümmern unb babei 
©ott fürchten unb lieben, bad aßein hübet ben 
Sitt, burch welchen bie SJtcnfchheit oerbunben 
unb oerbrübert werben fann. 9lur bann unb fo, 
fönnen SReiche unb ärme einanber bulbenb, lie* 
benb, frieblich unb einig jufammen leben, äße an* 
bern Sege unb ßRittel, bie grofee fociale grage 
jum Seften ber SDienfcfiheit ju löfen, Werben fich 
auch in 3ufunft ald ein gehlfdjlag erweifen, 
wie bied in ber Vergangenheit jebedmal ber gaß 
war. 

Durch anarchiftifched Sühlen, burch äufleh* 
nung gegen ben ärbeitdgeber unb bad Sapital, 


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426 


Per Jlitt am fffingplfrft^ 


Wirb bie Kluft nur immer gröfeer, bie fociale 
grage nur berttricfelter unb bafjer bie Söfung 
immer fchwieriger. ©in ©eift, wie ber, weicher 
in biefer ©onoention Weiße, mufe über bie Seute 
tommen, wenn eS in beit gefeßfchaftlichen ftrei» 
fen beffer »erben foß. 

©S liefe ficf) aud) gar nichts SlnbereS erWar» 
ten, als bafe Seute, welche fo uneigennützig unb 
mit foldjer Selbftoerleugnung unb SluSbauer 
ber fittlid)=religiöfen ®rjiet)ung ber IJugenb tfdj 
bingeben, bafe folcfee Stenfdjen auch in aßen an» 
bern moralifcben gragen gefunb finb. SEBenn 
man bie Sifte ber Delegaten burcfelieft, ba finbet 
man eine Stenge Samen oon Stännern unb 
grauen, welche in ber ©rjiebungSfache, in ber 
Sonntags» unb EJemperenj» unb anbern mo= 
ralifc^en gragen fcbon längft eine beröorragenbe 
Stellung eingenommen haben, ©an} befonberS 
festen bie Verfantmlung autb ein £>erj unb eine 
Seele in ber iemperenjfrage ju fein. 3)er 3u» 
bet unb ©ntbufiaSmuS, welcher in ber Verfamm-- 
tung loSbrad), als ©eneral ©linton 83. giSf, 
(ein Siethobift), als einftiger ©ouoerneurS» 
©anbibat ber ißr obibitioniften in Sew 
^erfeb ber Verfammlnng oorgeftedt »urbe, »ar 
einem ©turmwinb ähnlich. Siebt otjne ©runb 
nimmt unb mufe ber ©onntagfchul=8ehrer eine 
folcfee Stellung in biefer grage einnebmen, benn 
bie Unniäfeigfeit ift befanntermafeen ein fdjrerf» 
lieber Verberber, nicht nur ber Sitten, fonbem 
auch bet jungen. 

$afe baS Sommittee oon ben beften Sebnern 
beS SanbeS feine SluSWafel traf, mufete Gebern 
einteuefeten, »clcber ben Seben laufdjte. Stit 
©efefeirf unb Saft unb mit einer grofeen Söegei- 
fterung würbe bie wichtige grage ber Sonntag» 
fcfeularbeit bebanbelt unb bargeftellt. 2Bie baS 
Ubeoretifche mit bem Vraftifcfeen oerbunben, bei 
©rofeen unb ben Kleinften anjuwenben fei, 
würbe grünblich erörtert unb burch Veifpiele 
bargeftellt. ®em Seo. St. SBbarton oon Slla» 
bama feine Sebe „über bie SBicfetigfeit beS in» 
ternationalen SonntagfcbulwerfeS," bem ©)r. 
$urlbut (Stetbobift) aus Sew Werfet) fein Vor» 
trag über „bie Sotfewenbigteit ber ©rßefeung 
unb Vorbereitung ber Sonntagfcbul»Seferer," 
nnb bem V r °f- ©cfeouffler oon Stern Dorf feine 
Sebe über „Klaffenunterricht" waren allein 
wertb, eine lange Seife }U machen, wenn einem 
nämlich bie ©onntagfdjulfache am §erjen liegt. 

$en ©efang barf ich auefe nicht oergeffen ju 
erwähnen. SBelch’ eine Starfit unb Segen liegt 
hoch im Singen, wenn man oon $erjen jum 
^»erjen, unb im (Seift unb in ber SBaferbeit geift» 
liehe Sieber fingt unb fingen hört! ißrof. ©gell 
leitete ben taufenbftimmigen ©efang, welcher 
mit Orgel unb Slaüier begleitet würbe. $er 


©efang raufchte unb braufte burch ben weiten 
Saum ber $afie Wie grofeeS SBafferraufcben. 
SBenn auch ein junger, fchmarjer |»err neben 
mir fo begeiftert würbe, bafe er jutefct im „l)ö= 
bern," ja im „aßerfeöchften ©bor" mitfang, fo 
ftörte baS Weber bie Harmonie noch mir ben 
Segen. 

SBer biefer ©onoention beiwohnte, wer bie 
^Berichte unb Seben t|örte, auf ben mufe ber 
©inbrurf gemacht worben fein, bafe baS Sonn» 
tagfchulwer! eine herrliche, fegenSreicbe, wichtige 
unb notbwenbige Bewegung ift, Welches Werth 
ift, bafe ficf» jeber gute Stenfcfe auf irgenb eine 
SBeife baran beteiligt, inbem er burch ©ebet, 
Slrbeit unb ©elb ber grofeartigen Bewegung ju 
immer gröfeeren Siegen oerhilft. 


Per Pitt am Pfiugllfrjtf. 

fefür gauS unb gerb ((arbeitet bau 91. ©rite. 

er Sonnabenb oor '(Bfingften war angebro» 
eben; aus bem genfter beS finftem Slmt» 
haufcS blidte ber junge SlctuariuS in ben fri» 
fchen Storgen hinaus, ber erquirfenb über bie 
©rbe aufging. 3fn ben naben ©ärten ertönten 
bie Sieber bet Sacbtigallen; auf bem Strome 
fpielte ber Storgenwinb mit ben SBimpetn ber 
oorüberjiebenben Skiffe. Sie Sanbftrafee ent» 
lang eilten SEBanberer bem beiden Hage entge» 
gen unb fangen ihr Siorgenlieb; oon ben Kir» 
efeenthürmen ber benadfebarten Dörfer haßte baS 
©todengeläute }ur Verfünbigung beS morgen» 
ben gefteS unb hoch über biefen SebenSbilbem 
hinweg jogen glänjenbe SBolten ruhig ihre un» 
befannte Vafen, als wollten fie bie ©ipfel ber 
blauen33ergebeS£intergrunbeS feftlicfe fefemüden. 

„Sei mir gegrüfet, bu fcböneS, heiliget geft,'" 
fpraefe ber SlctuariuS leife, „ju welchem bie Sa» 
tur fidj felbft mit Vlütfeen unb Staien fchmürft, 
bie milbe, Würjige Suft, wie ber fpa liefe ©otteS, 
äße SBefen erquidt, unb SlßeS, was Obern hot, 
ben |>errn ber fierrlicfefeit lobt. 0, bürfte ich 
hoch nur bieSmal bie bunfle Stube hinter mir 
oerfcfeliefeen unb hinauSjieben in bie fchöne Su» 
feenweit, fo Weit mich meine Sehnfucfet trägt!" 

aSährenb ber junge Staun fich mit biefen ©e» 
banfen befchäjtigte, trat ber Oberamtmann in’S 
©omptoir, wunfebte feinem ©ebülfen einen guten 
Storgen unb fagte: „greunb, Sie haben lange 
unb fleifeig hinter bem Schreibpult gefeffen; 
legen Sie jeftt bie gebet aus ber £>anb, bie 
Sitten bei Seite unb feiern Sie morgen ju 3h rer 
©rbolung baS fßfingftfeft in ber freien Satur. 
3b« Stide hoben oft fchon febnfüchtig hinaus» 
gefchout; ich höbe Sie beobachtet unb oerftanben. 



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Per ||ro|e^ Mm kn (Sfclf Schotte«. 


427 


©efteigen ©ie mein fßferb unb nehmen Sie 
überbie« nocp bie« ©efpann gücpfe mit auf bie 
Steife, — e« wirb ©ie niept fteden taffen!" unb 
hiermit jäptte et ihm fecp« glänjenbe ©uguftb’or 
auf ben Zifcp unb rief jurn genfter tjinaixö: 
„gopann, fattte ben ©raunen, unb gib aud) bie 
§alfter mit; bet #err Stctuariu« foU in einer 
©tunbe auf einige läge oerreifen!" 

Zer junge SRann nopm ©efcpenf unb Stner» 
bieten be« gütigen ©beramtmann«, wie man 
fiep leicht benfen fann, fepr banfbar an, beftieg 
halb barauf ben ftattlicpen ©raunen unb ritt 
fröplicp ber fädpfifcpen ©tpmeij ju. ©, mie er» 
freute itjn ber Slnblid ber enoac^enben Statur, 
mie tonnte er fiep nicfjt fatt feilen an Xpal unb 
©erg, an gelb unb ©Salb unb ©trom! „3a," 
rief er mit inniger Srpebung au«, ,,ba« ift ba« 
heilige geft, h>o bu, ©ater im $immet, beinen 
©eift immer noch über bie ©Seit auägiefjeft!" 

Sr entwarf in ©ebanten einen Steifeplan, er 
überlegte. Wo er übernachten, roo er greunbe 
aufjuchen unb fie jur ©egteitung mitnehmen 
»olle, benn geteilte greube fei hoppelte greube. 
„Stuf ber ©aftei," baepte er, „wirft bu mit ihnen 
fiepen, oerfunfen in ba« ©nfepauen ber reijen» 
ben, erhabenen Staturbitber, bann wißft bu ben 
Stmfetngrunb allein hinabfteigen unb in ber tie» 
fen Sinfamfeit bort felig fein, wiHft enblich in 
©chanbau bie lieben ©efepwifter, bie 
bu f<hon fo lange nicht mehr gefepen b»aft, wie» 
berfinben unb in ihrem trauten ©reife gar früh» 
liehe unb herrliche ©tunben oerleben." 

©o war er fdjon einige ©tunben weit geritten, 
als er an einem Keinen, einzeln liegenben ©aft» 
häufe anhielt, bamit auch ber ©raune — fein 
eble8 Stoff — bei bem ©fingftfefte Wohl gepflegt 
»erben möge, ©in junge« ©täbepen fragte höf» 
lieh noch feinem ©egepr, brachte ihm bann ©rob 
für ba« ©ferb, unb fdjöpfte felbft ©Soffer au« 
bem ©runnen. ©Säprenb fie ben Simer bem 
©raunen oorhielt, bemertte ber Stctuariu«, baff 
bei aller fcheinbaren greunblicpfeit bennoch Xprä» 
nen in ihren Stugen ftanben, bie fte ju üerbergen 
fuchte. 

„Zu bift ja betrübt, mein liebe« $inb," 
fprach er fanft unb tpeilnapmöooß, „bringt Zir 
benn ba8 ©fingftfeft teine greube?" Za« 
Stäbchen tonnte nicht antworten. Za fuhr ber 
güngting fort: ,,©ieh’, »ie fchön unb heiter ift 
ber Zag — ich bin froh unb möchte auch gerne 
8ße« um mich fröhlich feljen. ©diente mir bein 
©ertrauen, nenne mir Zeine Stotp, Oielleicht fann 
idh bir helfen." 

Za« Stäbchen fchüttette leife mit bem §aupte, 
unb fing laut an ju weinen. „Sich," fprach fie 
enblich, „bort fehlest mein armer btinber ©a» 
ter an Brüden; er fiept ba8 Sicht nicht mehr, | 


ba« ihn erwärmt; für ihn gibt e8 fein geft, 
benn auch bie n o t p b ü r f t i g ft e Srquüfung 
feplt. Zie feiten finb brüdenb, bie SJtenfcpen 
finb hart; unb ob ich gleich Jur möglicpften Sr» 
fparnifc fogar bie SJtagb oerabfepiebet habe unb 
nun felbft alle ipre Zienfte üerriepte, e8 pilft 
mir boep niept«. ©cpulb päuft fiep auf ©cpulb, 
eine Stotp folgt ber anbern, unb heute früh po» 
ben fie un8 fogar bie lepte Sup abgepfän» 
bet. Zer ©ater weif} noch Sticpt8 babon; eben 
al8 ©ie tarnen, oerlangte er etwa« warme SDtilcp 
— icp tonn ipm nur ba« falte ©runnenwaffer 
reichen." 

„Zu lieber ©ott," fprach ber Slctuariu« für 
fiep, „bein |>immel ift ooß peitern ©onnenglan» 
je«, beine Srbe ood ©lütpe unb ©efang unb 
bieje« fromme §er$ foH in Kummer, ipre Slugen 
in Zpränen aufgepen unb ipr alter, blinber ©a» 
ter foß barben ? — geh bin gur rechten ©tunbe 
getommen! 8ebt mopt, ipr blauen ©erge! lebe 
wopl, bu mächtiger ©trom! jpier ift meine 
©fingftreifebeenbigt, unb piemit 
brüdte er ber erftaunten gungfrau 
bie fecp« ©olbftüde in bie §anb 
unb ritt fröplicp oon bannen. 

@e»ifj ein ebler, felbftfucptölofer güngling, 
ber, um im ©tanbe ju fein ein paar arme SJten» 
fepenfinber ju erfreuen, fofort bereit war, auf 
ein lang erwartete« ©ergnügen ©erjicpt ju lei» 
ften. ,,©5a« taufenb," rief ber ßpef be« $au= 
je«, at« er ben Slctuariu« am anbern Storgern 
in ber ^irepe traf, „Woher benn fepon wieber?’ 
©ie foflten ja reifen in ©otte« freie, fepöne ©Seit: 
unb niept pier §u $aufe fipen!" 

„Si, icp Pin auch gereift," erwiberte ber junge.- 
SDtann, „icp pabe oiel ©cpöne« unb ^errlicpe«- 
gefepen, weit mepr, at« icp geglaubt unb gehofft 
patte. Stepmen ©ie meinen Zanf für bieje 
Steife," unb bei biefen ©Sorten feptug er fein 
©efangbuep auf unb ftimmte frop unb anbäeptig 
mit ber oerfammelten ©emeinbe in ba« ©fingft» 
lieb ein: 

„ttornm, beil’ger ©eift, auf uns berab, 

Zu bift bie fdjönfte §immel«gab’ 

Unb aller guten ©oben Quell, 

Zu mad)ft bie §erjen rein unb peß." 


Per Jrojefj um be» (ffete Sdjatlfit. 

gär $•»# unb ©erb »on B. g. 

©rojeffiten ift fo tpöriept unb albern, 
at« „©ürge gehen," jumat für Septere ge» 
feprieben ftept: „©Ser ©ürge gept, mufj bejap» 
len," unb — „Sin Starr ift, »er ©ürge gept." 
©o foriept bie ©eprift, unb fo war’« fepon in 
©atomo’8 geiten. 


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428 


Per Prafcfj utn bet flffel« S^attra. 


SEBaS nun obigen Eßrojef} betrifft, fo ift, tote’« 
oft gefehlt, bie ©ad)e fjeute noch nicht ganj 
beigetegt. Senn bie ©riechen oerftanben ben 
|>anbel fo gut, als bie berühmten |)anlee8, mit 
© e b u I b unb — © e I b ju beenbigen. 

Ser ©treit entftanb, toie gewöhnlich, auS bet 
geringfügigen 93erantaffung. Ser 3af)narjt 
©truthion, gebürtig aus SRegara, hatte f«h 
fd)on oor ^afjren unter feinen SanbSteuten in 
Stbbera £>äuäticti niebergetaffen. 2tuf feinen 
Steifen führte er 3 a h n P u l° e r» Sinfturen unb 
Oerfchiebene ©eheimmittct mit fich, bie allem 
Unheil ber SJtenfdjen abljatfen — freilich für 
fchwereS ©elb. Saju hatte « eine ©felin, 
welche ben gewichtigen ©rieten, bie Sipo» 
the!e unb SebenSmittel tragen mu§te. Sa bie» 
felbe aber türjtich erfranfte, mietete er einen 
©fei fammt bem ©feltreiber Slnthraj. 

Stun beabfidjtigte ber Soltor nach ©eranien 
ju SRarfte ju reiten. Sa bie Sonne ihm un= 
terWegS aber gewaltig jufe|te, ft ieg er ab, 
unb fejjte fich ein wenig in beS 
©fei8 ©cbatten. 

Slber Slntbraj proteftirte bagegen unb fpradj: 
„Soctor, ich oermietbete ihnen ben 
©fei, aber nicht feinen ©chatten. 
3cf) oerlange bafür, wa8 Stecht ift.“ — Sa ber 
©treit fid) in Shätlichfeiten ju Wanbein fchien, 
unb eben beibe §ihföpfe waren, War beren 93er» 
nunft rafch jur Steige gegangen, ©omit Würbe 
oon ber Steife abgeftanben unb beibe marfdjirten 
nach Slbbera jurüd. Sa ber Ireiber ftärfer 
fchien als ber ©eiehrte, fam’8 ju feiner ©d)lä» 
gerei. Stber Slntfjraj eiferte: ,,©o Wahr mir 
i(3riafcu8 unb meinem ©fei gnäbig ift, ich will 
fehen, Wer mir ben ©chatten meines @fel8 ab» 
trofcen will!“ 

Stun ftürmten fie oor ben Stifter Eßh'fipp* 5 
be8 unb beibe erfdjienen al8 Kläger. Sa aber 
ba8 SEBürbighaupt fich juerft auf be8 SoftorS 
©eite ju neigen fchien, unb ben ©chatten al8 
ein „Slccefforium“ erfannte, fiel ihm 2lntf)raj 
in’8 SSJort, unb fchrie, bafj er nichts üon ihren 
Strien unb Drien oerftehe, bah « ob«» beim 
3cu8, fein Stecht oerlange. 

Ser Stichler wollte nun, ber Soltor foHe bem 
©feltreiber eine holbe Drachme für ben ©enufj 
beS @cf)atten8 bejahten. Ser ©eiehrte machte 
eS aber noch fchlimmer, unb fchrie fich h c H«, 
bah er ihm nichts fchulbe unb behhotb nichts 
geben werbe. 

SBährenb biefer gediterei tarnen jwei ©hfo» 
phonten (StechtSoerbreher), welche bie ©trei» 
tenben noch unoerträg(id)er ftimmten, jumal fie 
mcrften, bah h* er „e t W a 8 j u m a ch e n" fei. 
Sa eS aber injwifchen Sunlet geworben, würbe 
ber ©fei in ben ftäbtifchen SRarftaH gebracht, 


unb gemäh ben ißrioitegien Slbbera’S einftweilen 
gefüttert. 

93atb fprad) bie ganje ©tabt oon bem benf» 
Würbigen Eßrojcfj, benn ber befagte ©fei hotte 
bereits feinen ©Ratten ganj auf Slbbera gewor» 
fen. Sebermann hiclt’S mit einer Partei, bie 
©inen mit bem Soltor, bie Slnbem mit Sluthraj, 
bie Qnbifferenten aber hielten’8 fogar mit SReifter 
Sangohr! 

Stun fam ber ©treit oor bie „2 0 © h r e n» 
SR ä n n e r" in ber §alle ber StemefiS. Siefe 
weifen 93öter fahen oier SRonate 
ob beS ©felS ©Ratten, unb SRorgenS 
fodte bie ©ache enbgültig beigelegt Werben. Sie 
ganje ©tabt lief herbei. 

©truthion gehörte jur bamatigen ©djufter» 
gilbe, Weit man bie SBunb» unb 3ahnärjte als 
SRenfchenflicfer hielt. Ser 3 u ttftmeifter er» 
Härte: Sah er jtch eher mit feiner Sthte erfteche, 
als bah er bie Siechte feiner 3unftoerwanbten 
fo gröblich berlehen taffe, unb bas oon einem 
©feltreiber! 

Slnthraj aber Wuhte, burd) SBeiberlift unb 
Stänfe, ben Oberpriefter für feinen ©Ratten ju 
gewinnen. 

SRiltiaS, ber ©erichtS»Steferent, fahte nun 
baS „Safür unb baS Sawiber" jufammen, 
unb fd)toh nach längerer logifcher Siebe alfo: 
„Sah ber 93 e f t a g t e beS befagten ©chattenS 
fich ju. bebienen befugt gewefen; ber Slag er 
aber fei abjuweifen unb höbe bie ©eridjtSfoften 
ju jat)len.“ 

9lber ber ftägerifd^e ©plophant empörte fich 
gegen bieS Urtheit unb nannte eS ungerecht unb 
wollte berowegen an ben löblichen ©enat ap» 
peHiren. 

©omit trat ber Eßrojefj in fein britteS @ta» 
bium. Sie Sache Würbe ernft. Sie ©tabt 
theitte fich nun in jwei Parteien, unb beren 
9EBi|eleien Waren enbtoS. ^ebermann Wuhte 
jur einen ober jur anbern Eßartei gehören. 
„SEBenn eS ja ©ineS oon 93eiben fein foH,“ fpra» 
cf>en bie Qjnbifferenten, „fo Wirb hoch jeber btaoe 
fierl lieber ein ©fei, als nur ein ©chatten fein.“ 
Saljer fragten fi<h bie auf ber ©trafje 93egeg» 
nenben: „Sift bu ein ©chatten ober ein ©fei?" 

SaS ©cfilimmfte aber War, bah bic lieben 
9EBeiber fich ouch ju ben beiben Parteien fchtu» 
gen, unb bie ©atten ju £>aufe entWeber jur 
©fei» ober ©chatten = ißortei gehörten. Unb — 
junge Samen, welche es mit bem ©(hatten Ijiet* 
ten, wiefen oft, aus 9tntbipatt)ie, ihre Siebhaber 
ab, weit fie — „@fet“ feien! 

Sie Äanjlei oon Stbbera hatte nichts Serar» 
tigeS in ben atten IßrotofoQen finben fönnen. 
Unb auch ber ©enat lanbete halb am ©nbe fei» 
ner UBeiSheit an. Sie ©onne fchien ftiü ju fte» 


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Per |fro|eß um be* dfel« $cpaUrtt. 


429 


pen unb ben „©eliebten" festen ber SJtonb om 
©rbteiepen, benn eS famen „Weber §ocp* 
jeiten noi| § e i r a t p e n" mehr oor. ©8 
Waren baS fcplimme 3«ten. 

Slur ber ©fei fraß unbefümmert fein gutter, 
benn er würbe auf ©taatsfoften gefüttert unb 
pflegte feiner SJtuße; unb boef» war er noch fein 
oerbreeperifeper Slnarcpift, fonbern nur ein fcpulb« 
lofer, bummer ©ocialift. 

®aS erpißte SBotf wollte nun fogar baS Statp« 
paus ftürmen. ®a befeploß ber Senat, ben 
©rojeß bem Statt) ber 400 jür ©ntfepeibung 
oorjulegen. 

®cr ©rojeß um beS ©fetS ©Ratten patte ber 
ganzen Stepublif bie Slupe geraubt, benn alle 
©efdjäfte famen in’S ©toefen. Sift, Klugheit 
unb ©elb jerftoben in SticptS oor ber popen 
Sranbung ber plaßenben ©eifter. ©iibticp napte 
ber lag ber ©ntfepeibung. Slber Obermann 
trug feinen ®olcp unter ber lunica, anbere pat« 
ten fiep mit ©töcfen bewaffnet, unb bie SBeiber 
Ratten fogar ben ©efenftiel im Äuge! „SBenn 
uns niept Siecht jugefproepen wirb," feprien Sin« 
tfjraf ,,©cpatten"«3!reunbe, „bann werben wir 
und 9tecpt ju fepaffen wiffen." 2Ba8 aber bie 
ersten Seute oor 2000 $apren traten, f)nt 
fiep auch fepon, ju üerfepeebenen SJtalen, pier ju 
Sanbe ereignet. ®ie ©ergangenpeit fpielt fiep 
oft in ber ©egenwart. 

®ie 400 nahmen ihren ©laß oor bem lern» 
pel beS Slpoßo, umgeben üon bem müffigen 9Solf. 
®er benfwürbige 5ag ber ©ntfepeibung würbe 
mit SJlufif eingeleitet. ®ie ©riefter = Partei 
machten barüber allerlei SBiße, wie: „®ie§ 
Stbagio tönt ja, als ob eS bem 3 a hnbrecper 
©trutpion unb Dteifter Knieriemen feinem ©cpuß« 
patron ju ©rabe fingen foflte." „®ie ganje 
SRufif," meinte ein Slnberer, „oerbiene üom 
©chatten gemacht unb oom ©fei gehört ju wer« 
ben." ©olche troefenen SBiße hielte« bem jo« 
oiaten SSölfletn baS ©lut Warm, unb ftimmten 
baS ganje ©ubüfurn in eine natürlich fomifche 
Saune, unb benahmen jugteiep ber ©arteiwutp 
ben giftigen Slerger unb 3orn. 

Slacpbetn ber ©räfibent bie ©ißung eröffnet, 
rebete ©trutpon’S ©achoerwalter juerft; er 
fthrie gewaltig, unb hielt unter aßerlei ©rimaf« 
fen unb lächerlichen ©eberben feine lange Siebe, 
wofür ihm baS ©olf großen ©eifaß jullatfcpte. 
Süttpraj’S ©ertpeibiger fprach furj unb üer= 
blfiffte baS ©olf, inbem er ihnen fagte, baß aße, 
bie eS mit bem 3apnfticfer hielten, oon ben ©eg« 
nungen beS XempelS auSgefcploffcn feien. 

®er h«h e Statp mußte feplimme ®inge hören, 


Wie: „®er Kläger pat gefehlt, ber ©erflagte 
hat gefehlt, bie ©pfoppanten hoben am Weiften 
gefehlt, unb ebenfaflS baS erfte bis auf baS leßte 
©eriept;—barum überlaffe ich e $ euch ju urtpei« 
len, wie es euch bie ©ötter eingeben werben." 
Sllfo rief beS 3opnarjte8 ©ertheibiger. 

Sich, ou<h ber hohe Siath, faß unter beS ©felS 
©chatten! Unb felbft ber ©fei war auch noch 
nicht fetter geworben. ®er ©taßmeifter ftrie« 
gelte unb befränjte ben Sangohr unb führte ihn 
bem Slpoßoplaß entgegen. ®ie ©affenbuben 
machten einen §eibentärm, Wie üblich, alfo baß 
ber hohe ©cricptspof ftußte unb geftört würbe. 

SHit bebäeptigem ©epritt näherte fiep bie Ur« 
fache biefeS ©rojeffeS. „®a," rief ©iner, „ba 
fommt ber ©fei felbft!" — „@r wirb ben Sticp« 
tern Wohl ju einem SluSfprucp Oerhelfen," be« 
merfte ein Slnbcrer. Unb ein dritter fchrie: 
„®er hot uns ju©runbe gerichtet! 3cp moßte 
bie SEBölfe hätten ihn gefreffen! Stuf, ber fofl 
uns bie 3 ft he bejahlen!" Unb im ©türm 
fiel afleS über ben unfchulbigen ©fei h er , bis 
erbalb in mehr als ^unbert ©tücfc jerriffen 
war. 

Unterbcffen büßten bie Solche ber ©pfophan« 
ten, oerbargen fie aber fdjnefl, als ipr ©fei fo 
rafcp oertpeilt War. ®amit war ber „gorbifepe 
Knoten" gelöft. 

„®an! bem ^immel," rief ber Sorfißer la= 
epenb, „mit aßer unferer SBeiSpeit pätten wir 
ber ©aepe leinen fcpidlicheren SluSgang geben 
lönnen. ®er unfdpulbige ©fei, ber Slnlaß bie« 
feS enblofen ißrojeffeS, ift nun baS Opfer ge« 
worben. ®aS ©ol! pat fein SJlütpcpen an ipm 
abgtlüplt. 

„®a nun ber ©fei felbft niept mepr ift, fo ift 
au^ fein ©epatten niept mepr. ®aper trage idp 
nun barauf an, baß bie ganje ©felsfacpe piemit 
abgetpan fei; baß bie Koften aus ber ©tabt« 
rente bejaplt; baß ben beiben Ipeilen ewiges 
©cpweigen auferlegt, unb bem ©fei auf Staats« 
loften ein ®enhnal errieptet werbe, uns unb 
unfern Slacptommen jur ewigen ©rinnerung: 
wie leiept eine große unb berüpmte Stepublif 
fogar um eines ©fets ©epatten ju ©runbe ge« 
rieptet werben fönne." 

®iefer ©orfcplag Würbe einftimmig ange« 
nommen. Unb oon ba an lebte baS ©olf oon 
Slbbera opne fßrojeffe in großem 
grieben. Unb wer flug ift, maepe es auch 
alfo. ®cnn burep ©epaben foßten ja bie 9)len« 
fcpenlinber gewißigt, wenn auep niept reiep wer« 
ben. ÜJlöcpte eS Dnfel ©am’S Knaben beffer 
ergepen unb bamit ©unftum! 




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430 


Pit Sdirififpradje. 


• oä Sebürfniß, feine ©ebanfen mit* 
jutljeilen, bat fich beit SJtenfchen 
fcEjott früh fühlbar gemacht. ®ie 
urfprünglidje gorm War jebenfallö 
bie Urabition, ber Sater erjäf)lte 
feinem ©ohne, wa« ber ©roßoater ibm erjäfalt 


Pie Sdjriftfprndje. 

gär Qaui «ab §ert tum Otto 8tieber|ut|. 


nachbem fie burch einen größeren ober geringe* 
ren 3wifcijenraum oon anberen finoten auf ber* 
felben ©chnur getrennt waren, je nachbem fie 
ferner in garbe mit anberen i'ibereinftimmten, 
ober baoon abwichen, war ba«, maö fte bebeu* 
teten, vielfältig oerfdjieben. 


hatte. 2)a3 üJlittel war bei aller ©chwierigfeit in 

Slber felbft bei feßr rohen ißötlern finbet man ber ßufammenfehung hoch fo ooüfommen, baß 
fefter ftcßenbe Ntittel ju einer Ueberlieferung, bie fämmtlidjen, baö Neid) betreffcnben Stnorb* 
ohne ba8 lebenbige Sßort. ®ie alten Norweger nungen unb Nachrichten, auf biefe SBeife Der* 
unb gölänber hatten eine Schrift, bie Nutien* jeidjnct waren; bie ©celenjaljl, bie ganje ©ta* 


fchrift, welche in ber Siegel baburd) gebilbet tiftif, bie 3ahl ber Serbinbungen, ber ©eburten, 
würbe, baß fie auf oierecfig gefdjnißten ©täben ber Sobeöfälle, bie 3°ht ber Drtfchaften unb 
©infchnitte oerfdjiebener 31 rt machten, gerabe bie Seöötferung berfelben, bie Sefteuerung unb 
ober fchräg, gang querüber laufenb ober nur außer biefem Sillen noch bie fämmttichen hifto* 
jum ißeil, ober fich an einanbet fchließenb, ß<h rifcfjen Nachrichten, Welche irgenbwie bie fßrie* 
Oerbinbenb in jufammen gefegten Reichen. fterfdjaft ober baö HerrfdjerhauS intereffiren 
Stuf folche SSeife brachten fie 15 ober 18 bie* tonnten, ober überhaupt für ben ©taat oon ir* 
fer h e >wor, welche ben Suchftabert ent* genb welcher SBichtigfeit waren, jeichncte man 

fprachen, Wobei natürlich bie ihrer Sprache in biefer SSeife auf. 

fremben, wie j unb h unb bie Unterfchiebe jmi* 2)ie Ntejifaner waren barin nod) weiter bor* 
fdjen harten unb weichen. Wegblieben. gekritten: fie hatten eine allgemein oerftänb* 

3« biefen Nunen fchrieben bie alten dichter liehe Silberfcfjrift; eS waren nicht Hieroglyphen 
ihre Sagen fowohl als bie ©efchichte ihrer £>err* wie bie egpptifchen, welche einen ©perber jei<h* 
fdjet nieber, unb fie fdjnitten fie nicht bloß in nen unb bamit einen König meinen: cö Waren 
$olj, fonbern fie meißelten biefelben in Stein, gemalte ®arfteHungen ber Xhatfichen in einer 
unb mir haben ber älteften Urtunben oon gö* foldjen Neihenfolge anfeinanber, baß man barauö 
lanb ntandje, welche auf biefe SSeife oerfaßt finb. bie ©efchichte herlefen tonnte. 

3n Norb=Slmerita hatte man unter ben ©in* ©iS läßt fich 3 ema nb auf einem Silbe ©etb 
geborenen ein ^ülfömittel anberer Slrt; eine auöjaljlen, auf bem baneben ©teßenben fchüttet 
Serbinbung oon K'orallenfchnüreu oerfchiebener er eö in einen Seutel unb fiedt ihn in feinen 
garbe unb ©röße, welche SBampum genannt ©ürtel. Stuf einem dritten fiel)t man ihn am 
würbe, machte eö möglich, vielerlei Nachrichten SBanberftabe nach H au ? e eilen; auf einem oier* 
mitjutheilen, Serfammlungen ju berufen unb ten Silbe wirb er oon Ntännern beraubt; ba3 
Stnorbnungen ju treffen, welche in weiten Ärei* fünfte Silb jeigt, baß man ißn beraubt, erfcßla* 
fen ©eltung haben füllten. gen, benn er liegt tobt am Soben. ©eine ©öljne 

©ämmtliche Häuptlinge unb Nlebijinmänner, tommen baju, ertennen ihn unb tragen ihn nach 
bie Slerjte ober tauberer, waren in bie Serfer* H au i e - ®’ e Söhne begehen bie Seichenfeierlich* 
tigung unb in bie Söfung biefer SBampumö ein* feiten; herbei feljen fie einen Niann, ber be3 
geweiht. SaterS Äleib, unb einen anberen, ber be$ Satcrä 

Noch Diel jufammengefeßter, aber auch oiel SBanberftab trägt, 
reichhaltiger, war ein anbereS ©pftem oon SJlit* ©in neueö Silb jeigt fie gefangen, unb wie* 
theilungen, welche man auf bem ©ebirgölanbe beb ein neueö geigt fie um ihr Seben bittenb, 
oon @üb*21merifa fannte unb brauchte, fomeit fie haben alfo bie Xljat eingeftanben. 
baö Neich ber gnfaä ging. ®ieö ift bie Klagefdirift, welche ben ganjen 

©ö war ein ftarfer, mehr als zollbreiter ©trei* ßergang ber Sache getreulich barftellt; biefe 
fen feften Saftjeugeä, an Welchem eine große Klagefchrift wirb nun bem Nieter nebft ben 
Slnjahl oon ellenlangen, oerfchiebcnfarbigen unb beiben ©efangenen übergeben, unb er hat nach 
nach einer gemiffen Negel georbnete Schnüre ©rmittelung ber Semeiöftüde unb nach Nbfjfl* 
herabhing, man nannte fie OuipoS; bie Schnüre rung ber 3 eu 8en baö Urtheil ju fprechen. ©ine 
waren beftimmt, eine jebe wieber einfach ge* jwar fdhwierige, aber bodj auch oollfommene 
fchlungene knoten aufjunehmen. ©ie mürben flate unb faßliche 5)arfteHunggWeife, bei SBeitein 
in ©ruppen auf einer ©chnur oertheitt, unb je beffer, als bie räthfeihafte ber alten ©gppter« 


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Pie &d)riftfprad)e, 


431 


tocIcE)e eine Steife non Kombinationen nötfpg 
macht, oon benen möglicherweife manche falfdj 
fein fönnen, jebenfaßS aber oiele jmeibeutig finb. 

Sie ©rfinbung unferer Sdhriftfprache, bie Sr» 
finbung ber SBudtftabenfdjrift, ift ein Xriumpf) 
ober bet Xriumph beS menfcfilicben ©eifteS. 
San mufj fich oorfteßen, was baS für eine 9luf= 
gäbe ift. Sie ©efammtmaffe aller Klöne unb 
Saute, bie ©efammtfüße aßer ber Silben unb 
Sorte mit oierunbiWanjig einfachen 3 e 'djen S u 
geben, ift feine Äteinigfeit; eS gehört ein mun» 
berbarer Sdjarffinn baju, um bie oerfchiebenen 
unb bocf) fo fefjt einfachen, fo fehr wenigen Xöne, 
welche baS Sort bilben, herauSjuhören. 

3ejjt, Wo mir toiffen, bafj fich äße ©praßen 
in fold^er Seife behanbeln taffen, ift baS nicht 
weiter fchwierig, unb wenn man einem jungen, 
aufgemecftcn Sanne, ber niemals lefen gelernt 
hat, ben ©egriff ber Suchftaben beibrächte unb 
ihm aufgäbe, bie 3<*§t unb ben Slang ber Such» 
ftaben aus ber ihm geläufigen Sprache tyxaui* 
jufinben, fo mürbe er baS mit einiger Sähe 
wohl tbun fönnen, oiefleidjt ein paar ju oiel 
ober ju wenig, baS ©anje aber bodj Wohl jiem» 
lieh richtig angeben. 

©ber in jener alten 3rit, Welker muthmafc» 
lieh jene ©rfinbung angchört, lautete bie grage 
anberS, unb wie fchwierig fie fei, erfahren wir 
eben aus ben eghptifdjen |»ieroglpphen, ben af» 
fprifdh=babplonifchen Sarftcßungen unb aus ber 
Schrift ber Kh'nefen, bie feine ©hnung baoon 
haben, bafj man aße Sorte burch fo wenige unb 
fo einfache Reichen geben fann. Sie haben bef;= 
halb auch nicht für jeben ©udjftaben, fonbern 
für jebe Silbe unb ben bamit gegebenen begriff 
ein bcfonbereS 3 e '^ e « feftgefept, baher ihre 
©chriftfprache auch fo Diele Reichen als Sorte, 
unb ba biefe Sprache fehr mortreidh ift, gegen 
ober über 80,000 haben foß. 

SaS am ftcherften oor bem Untergange einer 
Sprache fdjüjjt, fdjeint ihre Siteratur j$u fein; 
wenig ober gar nichts miffen Wir oon ber Site- 
ratur ber Kgppter nnb ©ffprer. Sie jmeifels» 
ohne oiel ältere inbifche Sprache, bie fogenannte 
heilige, hat fich erhalten, benn fie hat eine SU 
teratur. 

Sir finb nun noch riet Weiter; wir haben 
nicht nur eine foldje, fonbern Wir haben auch 
gleich ben Shinefcn ein Sittel fie ju oeroielfäl» 
gen; wir haben ben ©ücherbrucf. 

Siefer hinbert ben Untergang ber literarifchen 
Serfe beinahe ooßftänbig—beinahe, nicht ganj, 
Wie ei fcheinen möchte—benn bie berühmten KU 
jeoirfdien unb ©Ibinifchcn Srucfe (Sanutio, 
mit ©ornamen ©IbuS, legte 1488 in ©enebig 
eine Srucferei an; nach biefem ©ornamen wer» 
ben feine Srucfe albinifdje genannt) finb fo fei» 


ten geworben, baff fie bie foftbarften, tljeuerften 
3ierben ber größten ©ibliothefen finb. Sie 
©eroielfältigung burch ben Srucf hat alfo fchein» 
bar nichts weiter bewerlfteßigt, waS bie ©er» 
oielfältigung burch baS ©bfehreiben nicht auch 
gethan hätte; im ©egentheil achtete man ba» 
mals, als bie ©ü<her, b. h- bie abgetriebenen, 
ein nur fehwer §u erringenbet Schafc waren, biefe 
©ücher höher unb bewahrte fie beffer. 

Sie Siteratur aber hat bie Sprache erhalten. 
Sie hebräifche Sprache ift uns burch bie ©ibel 
unb einige Wenige anbere Schriften erhalten ge» 
blieben. 

Sie fämmtlichen lateinischen Sichter finbet 
man häufig in einem einzigen ©anbe oerfam» 
melt, welcher ben Xitel: “corpus omnium 
poetarum latinorum” (Serfe aßer lateini» 
fchen Sichter) führt. 

©udfj ohne ben Srucf finb biefe Schriften unb 
mit ihnen bie lateinifdhe Sprache uns erhalten 
worben, unb aus biefen Serien, fowie aus ben 
uns hinterlaffenen t)iftorifrf)en Schriften—afleS 
jufammengenommen noch nicht fo umfangreich, 
als bie Serfe mancher einzelner Sfhriftftefler 
neuerer 3rit—lernt unfere ^ugenb bie flaffifche 
Sprache, fowie aus ben oiel fcltcner geworbenen 
Schriften ber ©riechen bie Sprache ber alten 
£>eflenen. 

®S ift beWunberungSWürbig, baß bei ben ge» 
ringen Sittein, Welche man jur ©eroielfälti» 
gung hatte, bie flaf jifdje Siteratur fich überhaupt 
hat erhalten fönnen. San fchrieb nur ab, unb 
jwar fchrieb man mit lauter ©nfangSbucbftaben, 
welche ihrer ©cfigfeit wegen nur langfam ju 
bilben finb. 

San fchrieb auf höljcrne Xafeln, bie mit 
Sachs überzogen Waren, ober auf Sh' ct häute, 
welche befonberS in ber Stabt ©ergamoS gut 
unb jmecfmäfjig jubereitet Würben, baher ber 
©ante ©ergament. 

Sic SflhPter hatten fchon ©flanjenpapier, 
Welches aflerbingS feine Stetjnlidifeit mit bem 
hatte, was wir jefct fo nennen, Wohl aber ben» 
felbcn 3wecf erfüllte, nämlich ben, eine fjarbe 
in beftimmten 3ügen aufjunehmen unb ju be» 
wahren. 

SaS ©apier würbe auS bem Saft beS ©app» 
ruS=SchilfeS gemacht. 

SiefeS Saterial mar ei oorjugSmeife, beffen 
man fich in fpäteren 3ritnt bebiente. San fin» 
bet eS am häufigften in ben ©räbern ber alten 
©gppter, hoch auch bie ©riechen unb SRömer be» 
nufcten eS in fpäterer 3rit. 

Sährenb nun baS Saterial Wechfelte, blieb 
bie ffunft ber ©eroielfältigung auf ihrem ur= 
fprünglichen Stanbpunft. San oerftanb nur 
abjufchreiben; ein ©olf jeboch, welches Qahr» 


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m 


jöinke unb jlad)rid)trn für JUbritrr. 


taufenbe lang ganj unbefannt War, unb toetc^cS 
noc^ je fct für gciftig beföränft gehalten wirb, ift 
allen anberen hierin bei SBeitem oorangegangeti, 
baö©ljinefijdje,Wcldf)c3bieSBeroielfältigunßburcfy 
ben ®rud fdjon fefjr lange gefannt t)at, nur al* 
terbingä nicf)t mit beweglichen Ippen, fonbem 
mit tafeln, roeldje eine ganje ©eite füllen. 

$er ®ortl)eit unferer ®rucfmett)obe liegt 
barin, bajj Wir nicpt tafeln mit einer fo unb fo 
großen Slnjaljl non SSorten, fonbem baff wir 
einzelne 53ucf)ftaben, welche ju SSorten jujam» 
mengefügt unb bann ju ©eiten ttereinigt Werben, 
!urj, ba fj wir bewegliche Uppen befipen. 

SDiefc ©rftnbung ift erft etwa 400 ^aljre olt, 
obwohl baö Slbbrutfen non Siegeln auf 2Bacf)3 
unb non Stempeln auf SJtetaH fd)on taufenbe 
tton fahren ttorher in Suropa bcfannt war. 

Uaß unfere Sprachen untergehen, fdjeirit, au3 
allem biefem ju urteilen, nicht Waljrfcf)einlidj 


unb nicht möglich; ber ©ücfierbrucf fcpüpt ba» 
gegen niet fidlerer als bie Sßeroielfältigung burch 
Slbfdjriften. 

SBemt auch Jur 3 c 't beS Sicero eine runbe 
©lechlapfel, im ©tanbe 10—12 Stollen (biefe 
fjorm hatten bamalö bie ©ücher) aufjuneljmen, 
fchon eine SBibliotbef (Sücherfammlung) piefj, 
fo ift ein (gelehrter, ber 1000 ©ücper befijjt, 
noch immer beleihen genug, baä SBort SBiblio» 
the! ju nermeiben, unb e8 alö einen ju pomp* 
haften ©Ijrentitet abjuleljnen, wenn Qemanb 
biefen Stuöbrud gebrauchen füllte. 

35ie 1000 Siicper foften jefct wahrfcheinlich 
nicht fo niel als bem lacituö feine 10 ober 12 
ißergamentroßen unb finb hoch ein bei SBeitem 
größerer ©d»ufc gegen ben Untergang einer 
Siteratur unb ein niel größerer Stfjap in 93c= 
treff beä ©ebraucfyeö, als eben jene Stollen ba* 
malö waren. 


- ■ « ^ Cg3l » * - 

^iitße unb 'gladjirid)fen für Jlrfieüer. 


Ser gute, aber unangenehme Wann, ©r mar 

ein guter Wann, unb er hatte ein guter Seljrer fein 
fönnen, benn er befaß hinlängliche feenntniffe ber hei* 
Iigen ©djrift. 2tuS irgcnb welcher Urfadje jebodj 
liebten iljn bie Knaben in ber klaffe nicht. Sie©d)üch* 
temen fürchteten ftdj bor ihm, mährenb bie grechen 
thaten, maS fie tonnten, um ihn ju quälen. SicS 
fuchte er als einen Sheü her ih m äuerfannten Seiben 
gebulbig zu ertragen. 

Oft feufzte er laut unb ferner in ber ©egenmart 
ferner felaffe unb marnte fie ernftlidj bor ben fdjrecf* 
lid^en golgen ihrer böfen $anblungen. Sie einige 
äBtrtung aoer mar bie, baß bie gurchtfamen noch ängft* 
lieber unb bie grechen noch ungenirter mürben. (Sr 
hatte noch nie thre Siebe gemonnen. 

Ser gute Wann faßte Die Pflichten beS SebenS in 
jehr trübfeliger SBeife auf. ©eiten nur lächelte er 
unb menn eS je borfant, fo gefdjah eS auf eine fo ge* 
fühflofe Slrt, baß eS eher einem auferlegten Smang, 
als bem lebhaften SluSbrucf freubiger ©efühie gleich 
tarn. ©ineS recht herzhaften SacfjenS hatte er fi<h 
feit ben Sagen feiner Kinbtjeit nicht mehr erfreut, 
©on ben eigentlichen greuben beS ©hriftenlcbenS ge* 
noß er nur menig, mäljrenb er ben ©ruft beS SebenS 
im böcßften ©raoe empfanb. Sie ©rntahnung beS 
$poftelS: „greuet euch, unb abcrmal fage ich euch, 
freuet euch/ 4 tonnte er nie recht berftehen: er tonnte 
fich ba nie recht hineinfinben. Siefe Welt mar ihm, 
mie er oft bezeugte, ein mahreS3arnmcrthal,mährenb 
er fclbft biel beitrug, biefelbe in feiner Umgebung un* 
freunblkh zu machen. 

©ein ©rebiger ertannte ihn als einen fehr mürbigen 
unb ernftlid)cn ©harafter, fühlte jeboch in feiner Um* 
gebung nie recht bequem. Konnte eS bod) auch nicht 
anberS fein, benn jebeS Wal, menn er ihm begegnete, 
mußte er oon einem traurigen ©orfommniß, baS fich 


nicht hätte ereignen füllen, zu erzählen. (Sntmeber 
mar etn guter SBruber irre gegangen, ober bie ©e* 
meinbe litt an ber ©chminbfucht, ober bie SSerfamm* 
lungen mürben Heiner, ober bie Kirche hatte baS 
geuer bcrloren, baS fie bor bierjig ^ah^en hatte, als 
er fich bleiben anfehloß. (Sr Iteß eS jebeS Wal ben 
^Prebtger gut genug merfen, baß er an biefen trauri* 
gen^uftänbenbiel©chulb fei; menn berSßrebiger bieS 
unb jenes thäte, fo mürbe eS beffer merben. 

©eine ©efudje in ber $rebigermohnung maren 
molfcnreiche 8eiten. Ser $rebiger mochte fich eben 
freuen über beutliche Reichen bon zunehmenbem @rnft, 
tm ©eifte mochte er fmon eine Sluflebung beS SBerfeS 
©otteS nahe beborftehenb erblicten, ba tarn gerabe 
biefer gute ©ruber mit ber bunflen ©ritte mieber,unb 
brachte eS mit feinem „©rabgeläute" auch mieber fer* 
tig, baß aus bem fterzen beS armen ©rebigerS bie 
greube berfchmanb. Oft blieb er an ber Kiräjenthür 
fteljen, um bem ©rebiger etmaS in'S Ohr zu flüftern, 
mobei aber felbftberftänblich nie ein SBort ber Slner* 
fennung gefagt mürbe, eS mar immer baS altgebacfene 
gammerlieb. Wanche bunfle ©tunbe mürbe auf 
folche unüberlegte unb unnöthige SBeife bem ©rebiger 
berurfacht. 

©S ift möglich für einen fonft guten Wann fdjrecf* 
lieh unangenehm zu fein. ©S erforbert auch biel @e* 
bulb, Saft unb ©nabe, mit foldjen Seuten znrecht z“ 
fommen, unb um fie felbft bor bem gänzlichen „©er* 
fauern" za bemahren. 

Wollen unb Können. Unfer Können im Seben 

« in großem Waße bon unfermSBotlen ab. Sa# 
iS oft gebrauchte ©prichmort: SBiUenSfraft— 
Wege feßafft. ©ntfdjloffenheit ift eine ber §auptbe* 
bingungen alles ©rfolgeS. Wan tarnt mit einer Saig* 
ferze burch ein biaeS eichenes ©rett fließen, menn 


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tffinhe unb JJadjridjtrn für Htbtittr. 


433 


ba« ©eweßr fdjatf genug geloben ift; unb ein unfcßein< 
barer SBurm fann ein foI<ße« ©rett burchboren, wenn 
erlange genug fortfährr. ©elbft eine ftäßlerne ©pip- 
fuget wirb wirfung«lo« bon bem ©rette abpraflen, 
wenn bie Kraft feßlt, welche bie daiglerge treibt ober 
bie 2lu«bauer, welche ber SBurm enttoicfelt. $oße 
©cgabung, angeborene dalente gleichen ber ftäßlernen 
©pipfugef. ©ntfcßloffenßeit unb dßatlraft in einem 
©tanne bon geringen ©oben unb fdjwäcßlichem Kör¬ 
perbau ftnb Wie bte Kerge, welche bie Kraft be« ©ul- 
bet« treibt; ber fdjlicßte,hart arbeitenbeSJtann gleicht 
bem nagenben unb boßrenben SBurm. Keiner hat fo 
wenige unb fo geringe gäßigfeiten, baß er auf ©rben 
nicht« ©roße« gu leiften üermöcßte, wenn er nur dßat- 
traft unb ©eharrlicßteit befißt an bie Arbeit gu geßen, 
felbft wenn ißm ©oben unb Talente mangeln. 

©i|n(e nnb Hinte, die ©onntagfcßule fteßt in 
bireftem ©erbältniß gur Kirche, ©ic tft ba« Mittel, 
woburdj bie Kinber für bie Kirche borbereitet werben 
follen. Qn ber ©onntagfcßule wirb bie ©ibcl gelehrt, 
unb religiöfe ©inbrüefe werben auf bie ©ergen ber 
Kinber gemacht. die Kirche ift ber au«©läubigen 
beftehenoe Seib be« ©errn. Oftmal« fet)lt e« aber an 
ber regten ©ermittlung gwifchen ber ©cßule unb ber 
Kirche; e« fehlt oft baran, Die Kinber, welche bie 
©aßrßeit ber meiigion in ber ©cßule tennen gelernt 
haben, gu ber praltifcßen Erfahrung biefer Wahrheit 
gu bringen, bamit fie al« belehrte ©fteber in bie Kirche 
ausgenommen werben fönnen. 

©« gibt daufenbe bon jungen Stuten, welche in ber 
©onntagfcßule aufwaeßfen unb wieber au« ber ©onn- 
tagfcßule ßinau«macßjen, ohne in nähere ©erbinbung 
mit ber Ktrcße gu fommen. ©iele Kinber ber ©omt- 
tagfcßule bleiben ber Kirche gänglicß unbefannt. die 
©eamten in ber Kirche finb oftmal« gang aubere ©er- 
fonen, al« bie ©eamten unb Selber ber ©onntagfcßule, 
weßhalb ihnen bie Kinber gang unbefannt bleiben 
mögen. ©« wirb auch oft bon ©eiten ber ©eamten 
ber ©cßule unb bereitem nicht genug barauf gebrun- 
gen, baß bie Kinber bem ©otte«bienfte ber Kirche bei¬ 
wohnen, auch berfäumen oft bieSehrer ba«©ine, wa« 
notß ift, genügenb herborguheben unb ihren Hinbern 
an*« ©erg gu legen. 

©ine ©auptttrjache, warum fo biele©onntagfchü!er 
ber Kirche oerloren gehen, liegt ohne gweifel barin, 
baß bie Kirche in ihren fogenannten „©jtraanftren- 
gungen" c« berfäumt, ben Hinbem ber©onntagfißuie 
oa« gebüßrenbe ^ntereffe gu feßenfen. die befonbe- 
ren ©erfammlungen werben meiften« Slbenb« gehal¬ 
ten, wenn bie SJteßrgaßl ber Kinber ber©chule wegen 
nicht beiwohnen fann. Slucß berwenbet bie Kirche 
oftmal« ihre gange Kraft, bie unbefehrten ©taffen 
unb bie noch unbefehrten Kircßenglicbcr gu erreichen, 
währenb bie Kinber faft gänglicß außer Sicßt gelaffen 
werben. 

©« gibt in ben ©onntagfcßulen oft folche, bie in 
ber©ibel wohl unterrichtet unb auch &ont heiligen 
©eifte erleuchtet finb, bie aber nie unter ben bireften 
©influß ber Kirche, ber ©rebigt be« SBort«, ber ©e- 
bete unb ©efemttniffe ber ©lieoer ber Kirche gebracht 
werben, ©te finb nicht fern Dom SReicße ©ottc« unb 
hoch werben fie nicht hincingeführt. SBir möchten 
hier gang befonber« barauf brtngen,baß man fieß fol- 
eßer ©cbüler mit befonberent ftntereffe unb auf gang 
birelte SBeife annehme, ©or Mem follten bie Seß- 
rer felbft unbebingt belehrte ©erfonen fein. dann 
bürften auch einmal im SRonat bie gewöhnlichen Ue- 
bungen abgefürgt werben unb eine.lurge Seit mit fur- 
gen ©ebeten gugebraeßt werben. 5luf oiefe SBeife 
fönnte man Die Sluflebung ber Kirche auch in bie 
©onntagfcßule oerlegen. Sie Kleinften möchten ent- 


laffen, ober, wo e« angeht, in abgefchloffenen Sim- 
ment behalten werben, fo baß man feine ooUe Äuf- 
merffamfeit denjenigen fchenlen lann, bie fie am 
meiften bebürfen. vluf folche SBeife möchte man 
SJtamße gu ©ßrifto führen, bie fonft nie erreicht wer¬ 
ben mögen. 

dann bleibt aber noch eine wichtige ©fließt übrig, 
©obalb folcße ©erfonen belehrt finb, fouten fie unter 
bie befonbere ©flege ber Kirche gebracht werben, ©ie 
fönten mit erfahrenen ©haften in ©ebet«- unb ©e- 
fennftunben gufammen fommen bürfen, man mag 
ihnen ihre eigene ^ugenboerfammlung anberaumen, 
wo fie mehr ungentrt dßeil nehmen werben, babei ift 
e« aber äußerft ßeilfam auch mit älteren ©erfonen 
gufammen gu fommen, beten reichere ©rfaßrung ben 
jungen ©hrtften gu großem Stupen gereichen wirb. 

Neigungen. 3ft e« fießerer unb bortßeühafter, 
feinen Stetgungen gu folgen, anftatt ihnen gu wiber- 
fteßen unb fiep felbft gu oerlcugnen? die meiften 
SJtenfcßen ßanbetn, al« ob fie e« glaubten. Steun ©er¬ 
fonen au« geßn werben behaupten, einen perfönlicßen 
©enuß ober eine Siebling«gewoßnßeit brauche man 
nicht oßne befonbere ©rünbe aufgugeben, wäßrenb 
vielleicht nur ©iner erflärt,man müffe feinen Sfetgun- 

§ en nid^t folgen, ohne gu wiffen, warum, ©ewiß erfor- 
ert e« mehr ©harafterfeftigfeit, fieß felbft gu oerleug¬ 
nen, al«feinen ©cigungen gu frößnen; unb boeß geben 
fieß bie meiften Sttenfcßen mit ber ©rflärung gufrieben, 
fie würben ißre Siebling«gewohnßeiten ja gerne aufge- 
ben, wenn fte nur eine ©otßwenbigfcit bafür einfeßen 
fömtten, wäßrenb e« ißnen nießt tm draum einfällt, 
ba« gu begrünben, Wa« fie gerne tßun. Nei¬ 
gung unb ©fließt ftimmen nur feiten in ipfen 3lnfor- 
berungen überein, unb wer feine ©fließt erfüllen will, 
fann nießt immer feinen Neigungen folgen, grcilicß 
ift e« weit leichter, ba« gu tßun, wa« man w ü n f <ß t, 
al« ba«, wa« man f o 11, aber gerabe beßßalb füllte 
man um fo gewiffenßafter gu SBerfe geßen unb Swecf 
unb ©runb feiner $anblung«weife auf ba« ©enauefte 
prüfen, eße man feinen Steigungen folgt. 

„©in i<ß übergeugt, baß e« meine ©fließt ift, SBcin 
unb dabaef aufgugeben, jo follte e« augenblicflicß ge- 
feßeßen. daffelbe gilt oom Kartenfpiel, oom dang, 
oom dßeaterbefucß unb manchen anberen ähnlichen 
Siebling«gewohnßeiten ber SJtcnfcßen. 

SBie oerfeßieben würbe fieß ba« Seben ber meiften 
©ßriften geftalten, wenn fte ein für alle Sttal nur ba« 
tßäten, wa« ißnen ©fließt gebietet, anftatt fieß gu wei¬ 
gern, bem gu entfagen, wa« fie ißrer Meinung naeß, 
nießt aufgugeben brauchen. 2tber—aber—feinen Stei¬ 
gungen folgen ift fo leicht unb fieß felbft oerleugnrn 
ift fo feßwer. da liegt ber ®aafe im©feffer. 

Sur ©eaeßtung in ber ©onutagfißule. .^olgenbe 
©unfte follten tn ber ©etreibung oe« ©onntagfcßul- 
werfe« im Sluge beßalten werben. 

1. der Spftf ^ er ©onntagfcßule ift nießt nur bie 
Kinber gu ©ßrifto gu füßren, fonbern aueß bureß ent- 
fpreeßenbe Anleitung bet ©ßrifto gu erßalten. 

2. Sebc Seflion follte ben Kinbem ©ßriftum unb 
feine Siebe gu ben SJtenjcßen offenbaren. 

8. die ©onntagfcßule unb bie Kircße follten auf*« 
©ngfte mit einanber oerbunben fein. 

4. Swetfbienlicße Steuerungen follten eingefüßrt 
werben, babei ßat man fidj jeboeß Oor gweifelßaftcn 
©erbefferunaen, wobureß bte ©cßule in ißrer regel¬ 
mäßigen Arbeit geßinbert werben möchte, gu hüten. 

5. da« geiftlicße Seben ber ©cßüler muß immer bie 
$atiptjache fein, bann fooielSJtetßobe unb SJtafcßinerie 
al« notßwenbig fein mag. 

6. die gange gamilie, ©item unb Kinber, follen, 


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434 


2onntogfif)ul’,frbtiennu 


fo »eit »ie möglich, beibe« ber Sonntagfcßule uitb 
bem ©otteSbienft beimoßnen. $ie Äinber füllten um 
bebingt mit in bie $ireße genommen »erben. 

7. 0ucße auch bie ihnber für bie 33etftunbe gu 
intcrejfiren. ES fängt Stiemanb gu früh an gu 
beten. 

8. $ie Sekret finb bie ©eßülfen be« prebiacr« unb 
follten al« folcße bie23crant»ortlicßteit tßrer Stellung 
fühlen. 

9. $er Prebiger al« $irte, bcibeö ber Sämmer 
unb ber Schaft foüte eS al« ein $heil feiner Sir* 
beit betrachten, in ber Sonntagfcßule gegenmärtig 


gu fein, um mit Statß unb $ßat ^ cm oorangu- 
ßelfen. 

10. ©roße Porficßt fottte gebraucht »erben in ber 
Slnftettung oon Seßrern. Pean höbe lieber »eniger 
klaffen unb gute Seßrer, al« oiele klaffen mit unfä* 
ßigen unb »eltlicb gefinnten Seßrern. 

11. 9flan tbue oefeßrte ftinber mit Ermacßfenen gu* 
fcfntmen gu befonberen ftHaßoerfammlungen. 2Ute 
unb Sunge ergangen ficß gegenfeitig. 

12. 2Ran gebrauche ben Pibelforfcßer unb bie übri* 
gen HülfSmittel ßauptfäcßlicß gu Haufe; in ber Sonn* 
tagfcßule gebraute man bie Pibef. 




§otiniagf(f;uC - ^eftttotten. 


Sonntag, 7. 2luguft. Scfu« tu 

17. ©on ber fleit an fing ^cfu§ an &u »rebigen: unb au fagen: 
Zbut ©uge, ba« $immclreicp ift nabe herbei aefommen. 

18. KU» nun ffefu# an bem ©aliläifdjen Werre ging, fab er 
Atoeen ©rüber, ©imon, ber ba heigt ©etru*. unb Äubream, fei*' 
nen ©ruber; bie toarfen ihre «Rehe in ba* Weer, benn ft* »aren 
ftifcher. 

19. Unb er f»rach au ihnen: Sfolget mir na(b; id) toiD euch au 
ffltenfcfjenfifchern machen. 

20. ©alb bcrlicgen fie ihre ©ege, unb folgten ibm nach. 

21. Unb ba er oon bannen mciter ging, fab er an>een anbere 
©rüber, 3atobum, ben ©obn ftebebäf, unb äfoftannem, feinen 
©ruber, im Schiffe, mit ihrem ©ater, 3ebebäo, bag fie ihre ©ege 
ffieften; unb er rief fie. 


S er ©ntnfcgefeanfe: „StoS Polt, ba« in 
faß, hat ein große« Sicht gefeßenättattß. 

4,16. 

Seit. 3m Frühling unb Sommer be« 3aßre« 28. 
Heber ein 3aßr fett ber lefcten Settion. 

Einleitung. Stacß berPerfucßmtg lehrte 3efu«gu» 
rüd nach Petßabara, »o*3oßamte« ber Xäufer noch 
»irfte. ®iet »urben gaßanni« 3ünger mit 3 e fum 
belannt. Einige berfelben befueßen 3cfum, Serben 
gläubig unb folgen tßm naeß ©aliläa. $u $ana 
oerrießtet er fein erfte« SBmtbcr an beröoeßgeit. 3 m 
2tpril be« 3aßre« 27 befueßt er ba« Paffaßfeft gu 3e* 
rufalem, reinigt ben Tempel unb hat eine Unterre- 
bung mit StilobemuS. 3m Sommer unb £erbft 
»eilt er in 3u&äa. 3m ^fcegember ift er »ieber in 
©aliläa; auf bem SBeae trifft er ba« SBeib am 3 a * 
tob«brunnen. 3 n ©aliläa heilt er ben Soßn be« 
Hauptmann« oon Slapemaum. 3nt SWärg 28 »oßnt 
er bem gmeiten Paffaßf efte in 3erufa!em bei unb heilt 
ben Sttann in PetßeSba. Um biefc geit »irb 3°9 a n* 
ne« ber Käufer in« ©efängniß gelegt. 3 e fu« eilt gu* 
rücf naeß ©aliläa, »irb in Siagaretß üer»orfen (Sut. 
4,14—30), »orauf er Äapemaum gu feinem HeimatßS* 
orte »äßU (SJtattß. 4,18). 

Erflärung. 

P. 17. 2)ie 9Meberlaffung 3efu gu Äapernaum in 
Obergaliläa »irb mit Siecht al« ein neuer Slbfcßnitt 
in feiner öffentlichen SBirtfamteit begeießnet. Pacß 
biefem Perfe gu fcßließen, beginnt jept ba« eigentliche 
Perlünbtgen be« Himmelreich«, »ogu er nun aueß 
feine 2lpoftel beruft. S)ie vluff orberung: Xßut 
Puße, ßat einen ßößeren Sinn, al« in ber Prebigt 


©aliläa. SJtattß. 4,17—25. 

22. ©alb »erliegen fie ba* ©chiff unb ihren ©ater, unb folgten 
ihm nach. 

28. Unb ftefu« ging umher im ganaen ©alil&ifchen 2anbe, 
lebrete in ihren ©djulen, unb »rebigte ba* ©»angelium »on bem 
©eiche, unb hciletc allerlei ©euche unb ftrantheit im ©olt. 

24. Unb fein ©erficht erjAaÜetc in ba* ganae ©hrienlanb. Unb 
fie brachten au ihm aUerlct Krönte, mit mancherlei ©euchen unb 
Dual behaftet, bie ©efeffeiten, bie ffltonbfüchtigen, unb bte @idjt* 
brüchigen; unb er machte fie alle gefunb. 

25. Unb e* folgete ihm nach utd ©olt* au* ©aliläa, au* ben 
gehn ©täbten, »on Rufalem, au* bem jübifchen fianbe, unb »on 
jenfeit be* ftorban*. 


3oßannc«, unb mit bem 2lu«ruf: ba« H' mm el* 
reieß ift naße ßerbeiaelommen, ift ba«SKef* 
fia«reicß oertünbigt, in »elafe« man nur bureß »aßre 
©uße — SinneSänberung — unb lebenbigen ©lauben 
an Eßriftum eingeßen tann. 

®. 18—22. $>a« galiläifcße SKeer, aueß See©ene* 
garetß genannt, ift naeß 3ofepßu« fecß« Stunben lang 
unb et»a gmei Stunben breit unb »irb oom 3*>rban 
bureßftrömt. Ooale ©eftalt, gefunbe«, frifeße«, flare« 
SBaffer, Steicßtßum an Srifcßen, oon 500 bi« 2000 guß 
ßoßen ©ergen beirängt unb feine tiefe Sage, 535 guß 
unter bem SftitteUänbifcßen SRecr; ba« 2ule« geießnet 
ißn au«; noeß mehr ber ©egenfa^ feiner jefcigen 23er* 
öbung gu bem Stäbte* unb giicßerleben, ba« ißn aur 
3cit3.efa feßmüdte; oor allem aber ba« e»ige ©e* 
bäcßtniß ber 2Birtfamleit be« H^nrn an jeinen beleb* 
ten Ufern. 

Simon, tiefer Slame ift abgeleitet oon Simeon 
unb ift gleicßbebeutenb mit Erßörung. ® e t r u « be* 
beutet gel«. 21 n b r e a « heißt auf oeutfeß männlich. 
3ßr Heimatß«ort »ar naeß 3*>ß. 1, 44 ^etßfaiba. 

„3cß roill euch gu SWenfcßenfifeßern nta* 
dben,^ b. ß. ißr fallt mit Hüt9 e muig, ^lugßeit unb 
2iu«bauer SWenfcßenfeelen au« bem 3Reer be« »eit* 
ließen 23erberbenS für mein Sleicß gemimten. 3a^ 
lobu« unb ga^anne« gnb eoenfall«augenolid* 
ließ bereit 2llIeS, 23ater, Scßifr unb Sle^ gu oerlaffen 
unb 3efum nacßgufolgen. teelch* ein ©eifpiel be« 
unbebtngten ©eßorfam«! ^)aß 3efu« gifeßer gu fei* 
ner 3üngerfcßaft beruft, anftatt ©elcßrte, bemeift, baß 
fein Steiiß nießt oon biefer SBelt ift, unb mißt bureß 
Potentaten fortgepflangt unb erhalten »irb. ^iefe 
unaeleßrten gifeßer »aren oßneSrorifel am empfäng* 
licßften für bte erhabenen Seßren oom SWejftaSreicß. 


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SonntagrdjuUIrlriionm. 


435 


8.23. 24. 3>iefe Stelle t)at etroa3Uebcrficf)tUd)e3 
unb aibt und eine ©efammtanfepauung ber SBirtfam* 
tat 3efu in ©aliläa überhaupt. 

3ejud ging ein in bie jübijepe Orbnung unb Sitte, 
inbem er in oer SBeife eined reifenben IRabbi in ben 
Spulen auftrat. Der Urfpruug biefer Spnagogen 
!ann niept genau beftimmt »erben. bekannt ift jebod) 
ipr eigentlicher 3»ecf. Sin jebem Orte, »o 3dracli* 
ten auep nur in mäßiger gab! beifammen »opnten, 
bilbeten biejelben eine ©emeinbe. Die ©emeinbe 
tarn nicht nur gufammen, um angubeten, fonbern ed 
foflten burep biefe fabbatplicpen gufammentünfte 
bauptfäcpliip auf bie religiöfe ©rgiepung bed SSoIted 
pinge»irtt »erben, ©d »urben ©efep unb Propheten 
oorgelefen unb erklärt, bamit bad gange SSolt, 9Rän» 
ner unb grauen, Starnepme unb ©eringe in beftänbi- 
ger fienntniß bed göttlichen SBiflend erhalten unb im* 
mer auf’d Skeue barin Untermieten »urben. Die got» 
tedbienftlichen ftanblungen felbft: ©ebet, Scpriftlefen 
unb $rebigt> »urben nicht t)on ftänbigen Beamten, 
fonbern in freiem SBecpfel non allen piergu befähigten 
©emeinbegltebern audgeübt. Daper fepen »irftefud 
an allen Orten, »opin er nur fommt, in ben Spna- 
goaen fofort bad SBort ergreifen, um gu „lehre n." 

Die Sinkünbigung, baß bad fReicp ©otted gefommen 
fei, »ar etn entjebeibenbed SBort 3efu, bem bie pro* 
Opetifcpe ©eglauoigung nicht fehlen burfte. Daper 
heilte er alle Trante unb ©epaftete. Durcp biefe 
SBunbertpaten bemied 3efud, baß er jeber ©rantpeit 
unb jebem ©ebreepen gemachten fei unb bekräftigte 
bamit fein SBort. ®icfc menfchenfrcunbliche $anb* 
lungen »aren S3e»eid feiner göttlichen Scnbmtg. 

®. 25. Schon jept bilben fiep eigentliche SBanber* 
jüge oon folcpcn, bie bem fcerrn äußerlich nachfolgen. 
5)ie erften kamen begreifltcpemeife aud©aliläa felbft, 
aber auch aud ben gepn ©täbten (Dcfapolid), ja felbft 
aud jjerufalem, unb aud bem jübifepen Äanbe unb 
aud $aräa. gur Seit ©prifti 1001 ^etapolid ein 
gfoar nicht geograppifcp, »opl aber politifch eine ©in* 
heit bilbenber S3unb folcper Stäbte, mit übermiegenb 
arieepißper ©eoölferung, unter benen ©abara unb 
$efla bie »ichtigften »aren. 

9ra!tifi|e ©ebanfen. 

3efud in ©aliläa. 

I. ©r predigte bad ©oangeltuut. 

3efud beginnt fein SBcrk nach 16 unter einem in 
Unmiffenheit unb Saftern oerfunlenen Statte. SBie 
aber begann er fein »ichtiged SBerk? Ueberall pre* 
bigte er jept bad ©oangelium oom Reiche ©otted. 
Ueberall »irb bie Statfcpaft, baß eine neue gciftliche 
Äeicpdorbnung ba fei, bemommen. 

©ein Statt auf ©rben ift fo »ieptig, ald bad bed 
ebangelifcpen SSrebigerd; ipm »ibmete ber $err fein 
ganged öffentlicped Seben. ©r »ar ein unbergleicp* 
licper fßrebiger; erprebigte gemaltig, »ie einer, ber 
Autorität pat, unb nicht »te bie Scpriftgeleprten. 
©d bat nie ein SRenfcp gerebet, »ie biefer SRenfcp. 
Die ^rebigt ift immer noep bad Mittel, beffen ©ott 
fiep ftetd am meiften bebient pat, um Seelen gur @r* 
kenntniß ber SBaprpeit gu bringen unb ©läubige gu 
ftärten. 

Der 3npalt feiner SSrebigt ift kurg unb treffenb. 
Die 9tatp»enbiateit ber 33ußc ift bad erfte, »ad allen 
SRenjcpen eingefepärft »erben muß. Sille finb fepul* 
big üor ©ott. Sille müffen fiep gu ipnrbekepren, »ol* 
len fie felig »erben. Äepnltcp Staulud gu Sltpen. 
©ott pafg»ar bie geit ber Unmiffenpeit uberfepen, 
nun aber gebietet er allen SRenftpen an allen ©nben 


S3uße gu tpun. SBapre Stoße ift ber ungertrennlicpe 
©efäprte bed jeligmacpenben ©laubend. 

II. ©r beruft feine «acpfolgcr. 

©otted ©nabenruf ergebt an jeben SRenfcpen. Sille 
follen gu jünger 3 c fu gemacht »erbtn. ©priftud be* 
rief fiaj einen »eiteren unb engeren 3nngertreid. 
gum »eiteren ©reid feiner 3ünger gehörten alle, bie 
an ipn glaubten; gum engeren ©reid gehörten bie 
Bpoftel. 3n ber Sektion »erben einige berfelben 
nampaft gemacht. Daß 3efnd ungelcprte Seute unb 
Saien gu Slpoftel beruft, geigt, »ie er bureb fepmaepe, 
oor ber SBelt beraeptete Öerkgeuge feine 9teicpdfacpe 
audbreitet. SBenn gleich biefe jünger mit fleifcplicpen 
SorfteUungen Pont Himmelreiche erfüllt »aren,»elcpe 
fie abtpun mußten, um bte Sepre ©brifti reept begrei* 
fen gu können, fo »aren biefe boep oermöge ihrer 
Sembegierigteit unb kinblicpen Eingebung an ©priftud, 
ald ihren SJceifter unb güprer, tein fo unübermiitbli* 
<ped ^inberniß, »ie eine fd)on fertige S3ilbung. Da 
fie bem öJöttlidpen, in beffen täglichem Umgänge fie fiep 
entmickelten, in kiublicper Siebe fiep pingaben, »ar 
bied auch befte unb ficberfte Spittel für fie, burep 
ben übetmiegenben ©influß feined in ipr innered Se* 
ben aufgenommenen S^ilbed in ihrer gangen Denk* 
»eife immer mepr oerklärt gu »erben. 

©ott beruft feine ftneepte, bie bad ©oangelium oer* 
künbigen follen, mit einem biretten föuf bed heiligen 
©eifted. SBären bie Sehren, bie ©priftud unb feine 
Slpoftel oerkünbigten niept oon Oben per, »ürbe bie 
cbriftlicpe Religion fie nie auf ©rben paben audbrei* 
ten können, „©ine Religion, bie ben fReicpen, ©roßen, 
©eleprten nidpt fcpmeicpelte, eine Religion, »elcpe ben 
fleifcplicpen, fünblicpen Steigungen bed SJtenfcpen kei* 
nen SSorfchub leiftete, eine Sfceligion, beren erfte Sep* 
rer arme gifcperleute, opne fReicptpum, opne Stang, 
opne SRacpt »aren, — eine folcpc fReligion pätte me 
©ingang unb gortgang auf ©rben crpalten können, 
»äre fie niept oon ©ott gemefen. 

III. ©r peilt allerlei ©raufe unter bem ttolf. 

Die SBunber bed £errn, bie pier berichtet »erben, 
fmb SBunber ber ©nabe unb Siebe. 3 c f u 3 ift umper 
gegogen unb pat ©uted getpan. Diefe SBunber gei¬ 
gen und bie SRacpt unferd §errn. ©r pat fid) kräftig* 
iicp beroiefen in ben Dagen feined gleifcped, ald ber 
Sopn ©otted burep geiepen, SBunber unb mancherlei 
©räfte. ©r konnte ©ranke burep eine bloße S3erüp* 
rung peilen, ©r konnte böfe ©eifter burep ein SBort 
audtreiben. Sludfä^ige konnte er gefunb ntaepen unb 
Dobte ermeefen. Der Slrgt, bem kein kötperlicped Sei¬ 
hen gu fcprner gu peilen »ar, pat aber auep bie SRacpt, 
alle unb jebe ©rantpeit ber Seele gu peilen, ©d gibt 
kein gerfcplagencd ^)erg, no^ gebepmütpigten ©eift, 
bad er niept peilen, ed gibt fein oer»unbeted ©e»iffen, 
bad er niept gefunb maepen kann. Diefe SBunber gei¬ 
gen und bad ©rbarmen unb SRitgefübl unfered ©r- 
löferd. ©r fließ keinen oon fich, oer fiep ipm napte. 
©r maepte Sl 11 e gefunb opne Sludnapme. ©r patte 
ein lautepenbed Opr, eine pülfreiepe ßanb, ein mit- 
leibiged für alle Seibcnben unb S3elabenen. ©ott* 
lob. ©r ift berfelbe, geftern, peute unb in alle ©»ig* 
feitl ©r ift peute fo mittig unb bereit gu helfen, »ie 
er »ar, ald er in ©necptdgeftalt einperging. 3ft er 
bein Slrgt unb Reifer naep Seih unb Seele? Ser- 
trauft bu biep ipm unb pat er biep oon beiner Sünben- 
kranfpeit gepeilt? 

©nbeutungen für ©taffen. 

1. Scpilbere 3efu SBirken feit feinem Sluftritt bid 
gu biefer Sektion naep ber Oben gegebenen ©inleitung. 
2. giepe einen Vergleich gmifcpeit bem Sluftritt 3o* 


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436 


SoitntagfdjuUffhHonra. 


banne« be« Xäufer« uitb 3efu«. 8. ©ehe auf bcn i 
&nhalt bcr $rebigt 3?fu bon bcr ©uße ein. 4. ©Beife 
barauf hiu, wo ^efu« feine Startfolge* fanb unb be* 
rief unb wie bieje augenblitflich fjolge leiftetcii. 5. 


©rfläre, warum e« nöthig mar, baß 3efu« feine fßre* 
bigt mit ©Bunbern begleitete. 6. SJtache eine Sin* 
menbung.toon ber Unberänberlichteit.Sefu, ber h*ufe 
noch heilen fann. 


IH—«HK-o—M 


Sonntag, 14 Huguft. 2>tt ©cligprcifmigcn. SRatty 5,1—16. 


1. Sa et aber ba« Soll fab; güty et auf einen ©erg unb fefete 
fid), unb feine jünger troten $u ißm. 

2. Unb et tbat feinen ®Junb auf, lefjrete ge, unb forad): 

3. ©elig gnb, bie ba aeiftlicf) arm gnb; benn ba« fiimmetreid) 
ig ißt. 

4. (Selig gnb, bie ba leibtragen; benn ge fallen getröftet 
»erben. 

5. ©elig gnb bie©anftmütßigen; benn ge »erben ba«ttrbreid) 
begben. 

6. (Selig finb. bie ba hungert unb bürget nach ber ©eredjtigteit; 
benn fie fallen fatt »erben. 

7. ©eltg finb bie ©armßeraigen; benn ge »erben ©armherjig* 
!eit erlangen. 

8. ©elig gnb, bie reine« $eraen«finb; benn ge »erben Sott 
f (bauen. 

9. ©elig gnb bie griebfertigen, benn ge »erben ©otte« ftinber 
heißen. 


10. ©elig gnb, bie um ©ercdjtigteü »iUen »erfolgt »erben; 
benn ba« Himmelreich ift ihr. 

11. ©elig feib ihr, »enn euch bie 9Renfd)en um meinet »iUen 
fämüßen unb »erfolgen, unb reben allerlei Uebel« »iber euch, fo 
ge baran lügen. 

12. ©eib fröhlich unb getroft, e« »irb euch im Fimmel »ohl 
belohnet »erben. Senn atfo haben ge »erfolget bie fßropheten, 
bie bar euch ge»efen gnb. 

13. 3ßr leib ba« ©al§ ber ©rbe. ©o nun ba« ©al* bumm 
»irb, »omit foH man faljen? Qi ift au nichts hinfort nüfce, benn 
ba« man es hmauSfchütte, unb laffe e« bie Seute aertreten. 

14. 5fbr feib ba« Sicht ber ©eit. Qi mag bie ©tabt, bie auf 
einem ©erge liegt, nicht berborgen fein. 

15. 9Wan jünbet auch nicht ein Sicht an, unb fefct e* unter einen 
©djeftel; fonbern auf einen Seuchter, fo leuchtet e« benen allen, 
bie im ßaufe gnb. 

16. Wlfo läget euer Sicht leuchten bor ben Seuten. baß ge eure 
gute ©erte fehen, unb euren ©ater im $immcl greifen. 


©iMififter ©runbgebanfe, „$>ie ©nabe unb ©Bahr* 
heit ift burd)3efum ©^riftum geworben." 3oh. 1, 17- 

Einleitung, ©in anbere« Sah* ber ©Birffamfeit 
3efu ift berett« öerfdjnmnben feit ber lebten fieftion. 
$>a« ©oangelium oom Steife ©otte« ift ohne Unter* 
brechung oerfünbigt worben. ®ie unb ba gefrtphen 
große 2Bunber. &u«fapige würben gereinigt, ©idjt* 
brühige gebeilt. SJtattpau« war t>om Zollamt aum 
jünger 3efu berufen worben. ®ie $^arifäer fin* 
gen an, fid) gegen ftefum aufjulebnen. ©eranlaf* 
fung ^iexu mürbe ba« Slehrenaueraufen am ©abbath 
unb bie Teilung ber öerborrten $anb, wa« gegen bie 
öffentliche Meinung bon ber©ebeutung be«©abbath« 
ging. ©on 3erufalem, wo ftefu« bem feiten ©af* 
Jahfeft beigemohnt, lehrte er nach ©aliläa jurüif, wo 
er feine awölf Slpoftcl öffentlich berief unb einfepte. 
Sluf feiner Steife burch ©aliläa folgt ihm eine große 
©olf«menge, bor welcher er auf etnem ©erge, nicht 
weit bon Äapernaum, feine tounberbare ©ergprebigt 
hielt. 

Erflärung. 

©. 1.2. 28ieberholt fah 3efu« $3olt$haufen um 
fich her berfammelt, feinen Sieben jfu laufen. $ier 
aber mar bie$ im befonberen ©tnne ber gall. @r 
feftt fich batjer na* morgenlänbifcher ©itte, um fei* 
nent befonberen 3ft n 0erfrei3 in bertraultcher SBeife 
bie entmidelte Sehre bom Himmelreiche borjutragen. 
Stuf bem $erg ©tnai, bem ©erg beä ©efehe«, mürbe 
allen Uebcrtretern ber ©ebote ©otteS giuc§ unb ©er* 
bammniß geprebigt. Stuf biefem ©erge aber, bem 
fogenannten ©erg ber ©eligfeiten, berljeißt ©hriftuö 
allen hciläbcgierigen H^rjen bie ©eligfeit. 

©.3. ©eiftlich arm, b. h- arm im ©eifte, nicht 
an Aeitlicßen ©ütem. Sticht ber SJtangel an geiftlichen 
©iitern, fonbern ba« ©emußtfein unb ©efuhi biefe« 
SJtangel« ift ©egenftanb ber ©eligpreifung. 2lrm ift, 
mer nicht fo biel hat, al« er burchau« braucht, ©eift* 
Uch arm ift, mer nicht hat, wa« er braucht, um bor 
©ott beftchen au fönnen. 28er feine ©ünben ertennt 
unb einficht, baß ihm Sitte« fehlt, wa« ihn bor ©ott 
gered)t machen fönnte, ber ift felig au preifen, meil er 
bereit unb roiüig ift, ©hriftum im ©lauben au ergrei* 
fen, moburch er ein ©ürger im ©nabenreidje ©otte« 
mirb. 


©.4. Seibtragenbe finb biejenigen, bie über 
ihre ©ünben trauern, bie ben SBiberfprud) be« feligen 
Seben« in ©ott, ba« fie führen fönnten, mit bem un* 
feligen 3uflanb, au welchem fie bie ©ünbe berurtheilt 
hat, fdjmeralich empfinben. ©ie finb felig gepriefen, 
meil ihre Steue fle aur ©mpfängniß ber burch ben 
©lauben erreichbaren ©nabe führt. Um foldjer Seib- 
tragenben mißen fam 3efu« in bie 2Belt, welcher fie 
tröftet mit ©ergebung oer ©ünben unbUraft ihrfieib 
tragen au fönnen. 

©.5. ©anftmüthtg ift r mer burch erlittene« 
Unre^t nicht au leibenfchaftlichcn SSorten unb öanb* 
lungen gcreiat mirb — alfo feine Stad)* übt. ©anft* 
müthig tft ferner, mer ©ebulb hat mit ben ©chmöchen 
unb ©ebreehen feiner SWitmcnfchen unb feinen ©Billen 
nicht um jeben ©rei« burchfepen will, ©anftmüthig 
ift, mer auf barfche« Sieben gelinbe ermibern fann. 
©anftmüthig ift, mer feinen etgenen ©Bitten in ©otte« 
©Bitten gefangen gibt, unb fein bon Statur tropige« 
Hera burd) ©otte« ©nabe umfdjaffen läßt, ©anft* 
müthige b e f i p e n ba« ©rbreid) burch ©enügfamfeit. 
©ie genießen, ma«©ott ihnen fchenft, in weit höherem 
©inn al« bie $inber biefer ©Belt. Sitte« ift ihnen, 
unb ©anftmuth beflpt aulept bie Erbe, in welcher ©e* 
rechtigfeit wohnet. 

©. 6. Huuger unb ®urft ßnb bie ftärfften 
Triebe unferer Statur, welche, einmal erregt, immer 

f ieftiacr aüflreten, bi« fie geftittt werben. Unter bie* 
enthübe fchilbert^efu« ba«©erlangen be« ermedten 
Heraen« nach ©ott. ©« gibt fich nicht aufrieben, bi« 
e« in ©ott feine Sluhe gefunben hat. Epriftu« ftittt 
alle« ©erlangen ber ©eele nach ihui. „3<h Werbe 
fatt fein, wenn ich erwache nach beinern ©iloe." 

©. 7. ©armheraig ift, wer beim Slnblid ber 
Stoth, nicht blo« innerlid^ bewegt wirb, fonbern bereit 
ift, alle«, Wa« in feinem ©ermögen liegt, au tpun, 
um ber Stoth au fteuem. 28er fo leiblich uub geiftlich 
©armheraigreit eraeiget, ber mirb auch ©armheraig* 
feit erlangen am Sage be« ©erid)t«. 

©. 8. Steine« Heraen« ift, mer bie hergebenbe 
unb bon aller ©eflecfung reinigenbe $raft be« ©lute« 
3efu Gh ri f** an fich erfahren hat. ©olcße flauen 
©ott in ber ©d)öpfung in ben ©Begen ber göttlichen 
©orfehung, in ben ©nabenmittein unb einft hon Sin* 
geficht au Slngeficht im Hiuimel. 


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2 onntagfdjuUftktioiirtt. 


437 


©.9. griebfertig ift, wer jroifchen ©treiten* 
ben grieben zu ftiften bcrctt ift. ©« meint mehr, al« 
frieb|am fein; e« meint grieben machen unb erhalten, 
wo bemfelben ©efahr broht. Diefe feigen © o11 e « 
ft inber, weil fie fein (Sbenbiib finb. 

8. 10—12, Um ©ereeptigf eit willen ber* 
folgt werben, wie Reju« ©hriftu« berfolgt wor* 
ben tft, fid) in Seiben. Notp unb Dob nicht bon Refu 
abmenbig machen taffen, bat ben £>immel pm Sohn. 
SBenn man über euch Sägen au«fagt. freuet euch, feib 
fröhlich unb getroft! Der Sotyn bleibt nicht au«. ©« 
märtet eud), wenn ihr treu bleibt, ein tjerrlidjer ©na* 
benlopn. 

8. 13, öie hm ©atz bie ©peifen fdjmadhaft 
macht unb bor gäulniß bewahrt, fo follen Srinber 
©otte« burdj bie tbnen gef^entte Straft be« b e Uigen 
©eifte« Seben unb öaprhcit um fid) b er berbreiten 
unb bie bem fittlidjen ©erberben anbeimgefaUene 
öelt bor bem gütlichen Untergang bewahren, wie 
ba« bei ©obom*« Untergang erficptlicp ift. 

Dumm werben heißt bie Straft unbSGÖüaeber* 
lieren unb ift gleicbbebeutenb mit bem Verluft ber 
©nabe ©otte« unb ber Straft be« heiligen ©eifte«. 
2Bo bie« ftattfjnbet, wirb ber ©h*ift bon ber öclt ber* 
achtet unb gleicbfam mit güßen getreten. 

8.14—16. Sicht ber ©Seit nennt Refu« feine 
3ünger, b. b- fic finb Sichtträger, bon Refu angezün* 
bet. ©ie follen alfo nicht in ihrem eigenen Sichte 
glänjen, fonbern in ©h ri ft°> ber ©onne ber ©eredj* 
tigfett, bie ficb in ihnen, wie bie natürliche ©onne in 
ben Dhautropfen, Jpicgelt. öie eine auf bem ©erge 
liegenbe ©tabt wettbin gefeben werben tarnt, fo follen 
bieStinber be« Sicht« leudjten in ihrer Umgebung, 
©in Sicht wirb nicht angezünbet, um unter ein ©efäß, 
fonbern auf einen Seudjter gefteüt zu werben; bann 
ftrablt e« Sillen, bie im §aufe finb. Sllfo bot e« ficb 
auch mit bem ©haften; er foU ficb nicht hon ber ©e* 
feflicbaft ber Ntenf djen jurüctjieben, fonbern mitten 
unter ipnen fein Sicht leuchten taffen jum ©egen ber 
SRenfdjen unb zum ©reife ©otte«. 

©rtftif^e ©ebanfen. 

Die ©eligpmfnngen. 

I. Der ©htfengang. 

Untere Scftion berichtet, wie bie jünger gefu unb 
ba« ©olf getommen waren, um au« bem SNunbe be« 
großen ©roph^tan bon Nazareth bom ©otte«reiche ju 
hören. 3^ rc ®rioartung würbe nicht getäufefat. ©o* 
halb er feinen 9Nunb öffnete, floß berfelbe üoer bon 
©eligpreifungen berer, bie an biefent Reiche Dheil 
haben, ©r tagt nicht, baß feine Ruhörer biefe feligen 
aßenfebenttnber feien: aber er oefdjreibt bte ©igen* 
thümlichfeit berer,welchee« finb,bamit fieficbprüfen, 
ob fie e« feien, bie an bem ©otteäreich Sintheil ha* 
ben. ©r rümpft nicht gegen ihre ©orfteüung bom 
©otteöreidj, er erörtert nicht, ob biegülle irbifepen ©e* 
gen« unb zeitlicher ©üter, bie fie ficb bon bemfelben 
oerfprechen, fontmen werbe ober nicht; aber er nennt 
bie geiftlicpen ©üter, bie ba« öffentliche in bemfelben 
finb, bamit fie fich fragen, ob fie an bem Neid), baß 
biefe ©üter bringt Dheil höben wollen unb fiep feltg 
fühlen in ihrem Vefip, wie er bie felig preift, bie fie 
befipen. 

--MH— 


©hriftu« zeigt un« h' cr ben ganzen Qnhalt ber 
riftlidjen Religion, ober ben ©harorter be« wahren 
hriften, unb zwar nach fetter ftufenweifen ©ntwide* 
lung, hoch fo, baß in jeber folgenben ©tufe bie erfte 
©tufe fich nüeber in einer neuen ©eftalt finbet, in je* 
ber nadrfolgenben alle hörigen aufbewahrt unb in ber 
lepten alle gefammelt finb tn ber ©eftalt be« hollen* 
beten Seben«. Der ©ebantengang ber ©eligpreifun* 

§ en lägt ficb folgenbermaßen zufammenfteüen: Slu« 
em Vewußt|ein ber inneren ärmuth geht ber 
©cpmerz be^ ©djuIbbewugtf eins herbor. Dar* 
au« bie ©eftnnung einer fanftmütpigen De* 
m u t h. Dann erft hat bie ©eele ben rechten $ u n* 
ger unb Dürft nach ©erechtigfeit unb in 
oem Sftafje, al« biefe« Verlangen befriebigt ift, wirb 
bie erbarmenbe Siebe gegen fttnbere erzeugt; 
er wirb reine« Kerzen« unb beftrebt fiep bcn 
^rieben, ben er felbft genießt, auch Änbem mitzu* 
theilen. ^[ber bie xBelt herfteht biefe« ©treben nicht, 
barum fügt ber §err h in ö u # ^aß jene griebfertigen, 
welche bie ©ereebttgfeit bereit« befipett, um ber©erech* 
tigfett unb um feiner felbft willen hon ber öelt her* 
fepmäht würben unb burch foldje Verfolgung hinburdh 
m ben ©efip ber ewigen ©eligfeit gelangen werben. 
II. Der poße Serif her ©eltggepriefenen. 

1. 3efu jünger unb Nachfolger follen ein ©alz 
ber © r b e fein, welche« ber ©linbenfäulniß berfel* 
ben aufhült. Durch Verfolgungen ber öelt fotien 
bie Srinber ©otte« gleid)fam recht zubereitet werben 
al« ertjaltenbc« ©alz, um „ben Dob zu herzehren, ber 
gäulmß zu wehren unb ba« Seben zu mehren." Da« 
©alz hat etwa« ©eißenbe« unb Slngreifenbe« an fich, 
aber auch etwa« Siebliche« unb ©djmaefhafte«, baher 
biefer Vergleich. 

2. ©ollen gefu Nachfolger ein Sicht ber öelt 
fein, welche« bie ©ünbenfinftemiß berfelben aufhält, 
©o wie ber Vergleich ber Slinber ©otte« mit ©alz 
auf bie mehr nach gnnen hin wirfenbe unb Seben er* 
haltenben ©influß be« ©hangelium« auf bie öelt an* 
fpielt, fo wirb unter bem Vergleich mit Sicht, bie 
mehr nach $lußen gehenbe, Seben erweefenbe öirfung 
ihre« öorte« unb öanbel« angezeigt, woburdj nicht 
fie, al« Sichtträger, fonbern ber Vater im §immel 
al« Sichlfpcnber gepriefen werben fofl. Da« Sicht 
hat etwa« ©inbringenbe« unb ?lufbeefenbe«, aber au^ 
etwa« ©rquiefenbe« unb Velebenbe«; fo auch bie bom 
§erm au«gerüfteten öerfzeuge unb Arbeiter in fei* 
nem öeinberg. 

«Inbeutungen für Ätafen. 

1. Verfolge ben©ang ber öirffamfeit gefu bi« zur 
Vergrebe. ©iehe ©inleitung biefer unb ber leptcn 
Seftton. 

2. Riehe ben Vergleich ziehen ben Sehren Refu 
unbberöelt: Refu« lehrt: ©rfenne beine Nrmuth. 
Die öelt; Drage ben Stopf hoth- 3e(u«: Drage Seib 
um beine ©ünben. Die öelt: trinf, fei fröhlich, 

gefu«: fei fanft, bemüthig, finblti in beinern Veneh* 
men. Die öelt: behaupte bein Nedht, ftehe bor Nie* 
manb zurüd. Refu«: fuche ©erechtigfeit. Dieöelt: 
©uche©elb! 

3. Reige ben unbewußten ©egen ber Srinber ©ot* 
te« für bieöelt nach ben Vilbern bon©alz unb Sicht. 

» » 4— -- 


Sonntag, 21. «uguft. ^cfllJ Ultb bfli ©cfc^. TOattK 5,17-26. 


17 foHt nicht ntfUjnen, baß i(p (jetommen bin, ba§ ©efe« 
obct'bte Propheten aufaulöfcn. 3$ bin nidjt getommen aufau* 
löfen, fonbern au erfüHert. 

18. »enn ich eu£ h toahrtiep: ©i* ba| Fimmel unb $rbe 


a ergebe, mirb nicht a erg eben ber tieinfte ©uchftabe, noch ein Xitel 
oom ©eiche, bi* baß e* alle* grfebebe. 

19. ©er nun eine* bon bieien fleinften ©eboten anflöfet, unb 
lehret bie Scute alfo, ber mirb ber ftleinfte hnßen im Fimmel* 


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438 


$onniaijfd)ul*!HtttonMt. 


rridje; »er cd aber tljut unb lehret, ber wirb grob bci&en im Him* 
melreupe. 

20. ®enn ich fage eu$: lei benn eure ®ece(htigteit beffer, 

benn bcr ®ehrtftgelehrten unb $honi&er f )'o »erbet ihr nicht in 
ba? Himmelreich tommen. 

21. £*br habt gehört, bafc au ben lllten aefagt ift: $u loUft 
nicht tobten: mer aber töbtet, ber iotl be? »eriajta ichulbig fein. 

22. 3ch aber fage euch: ®er mit feinem ©ruber jüruet, ber ift 
be? ©ericht« fdjulbig; meraber au feinem ©ruber fagt: fRadja, 
ber ift beä SRatb« ichulbig; toer aber fagt: $u fRarr, Der ift be« 
höQifchen fjeuer* ichulbig. 


28. Sarum, mann bu beine ©abe auf brat Ältare opferft, unb 
toirft aUba nngebent, ba| bein ©ruber etroa« miber bich habe; 

24. ®o Iah aUba bor bem Ultare beine ©abe, unb gehe aubor 
hin, unb berföhne bich mit beinern ©ruber; unb alöbann toram, 
unb opfere beine ©abe. 

25. Sei miUfertig beinern ©iberfadjer halb, bietveil bu noch bei 
ihm auf bem ©ege hi ft, auf bah bich ber ©iberfaeßer nicht bet« 
malein« fiberantmottc bem Widfter, unb ber fRid)ter überanttvorte 
bich bem Wiener, unb merbeft in ben Herter getoorfen. 

26. 0<h fage bir: ©abrlidj, bu wirft nicht bon bannen berau«- 
fommen, hi® bu auch ben lebten Heller belieft. 


©iblifdjcr ©rnnfcgefcanfe. „Sßr follt nicht »äß- 
nen, baß ich gefommen bin, ba« ©efeß ober bic ©ro- 
p^eten aufauiöfen. 3$ bin nicht gefommen aufau¬ 
iöfen, fonbern au erfüllen/' SRattß. 5,17. 

©rflarung. 

©. 17. 3 n ben Porten: „3ßr follt nicht 
» äßnen," liegt offenbar, ba& gemiffe falfcßeBnftcß- 
ten über bie (Stellung 3 c f u 8 um ©efep unter bem 
©olfe oorßanben toaren. Viele mochten bie falfcße 
Hoffnung hegen, ber Mteffta« »erbe fte oon ber ftren- 
gen Beobachtung unb fdbmeren BP 1 **)* beo ©efeße« 
frei machen unb ba« 9Mejfia«reich in feinem irbifchen 
©lana, ohne fjforberung oon ©uße, herbeifuhren. Än- 
bere mochten ihm borgetoorfen hoben, er toofle ba« 
©efeß. abfeßaffen, »eil er ihre aum ©efeß ßütaugef üg- 
ten Mtenfcßenfaßungcn nteßt anerfannte. 

Ser 2lu«brucf: „Saß ich gefommen bin," ift 
ein öinrnei« auf feine ©»igfeit mit bem ©ater. Senn, 
»er lommt, ift feßon oorher bage»efen. Unter ,,©e» 
feß unb ©ropßeten" if* baö ganje alte Scfta* 
ment ju ocrjtehen, »eiche« in bie a»ei fiauptbeftanb- 
theile oon ©eoot unb Verheißung ^erfüllt. „Muf- 
5 u l ö f e n" heißt au nießte machen, abaufeßaf?en. Saau 
»ar 3efu« nicht gefommen, fonbern au „e r f ü 11 e n," 
b. ß. oeftätigen unb in Mu«fußrung ju bringen burch 
©ort unb Sßat im ooüfommenen ©inne be« ©orte«. 

©. 18.19. f ,©aßrlicß." 8 um erften 9Mal ßö- 
ren »ir biefe etbliche ©rflärung, »omit ßßriftu« bie 
unmanbelbare Sauer be« ©efeße« berfichert. 9Mofe« 
unb bie ©ropßeten burften nur fagen: ,,©o fprießt 
ber §err." Mber hier fprießt ber §err felbft, al« ber 
einige ©efeßgeber unb Micßter, ber ben gugang in ba« 

t imntelrei^ öffnet ober oerfchließt. ,,Vi« baß 
immel unb ©rbe Oergehen," »ill fagen,bi« 
jum Untergang ber SBelt »trb ba« göttliche ©efep 
nidftt im ©eringften feine ©ültigfeit Oerlieren. $a« 
fleinfte 00,11 ©efep, ja nicht ein #äfchen 

eine« ©udjftaben«, b. h* nicht eine einzige gorberung, 
bie ©ott im alten Xeftament geftellt Ijat, »irb aerge* 
ben. S)a« ©efep »irb alfo feine bi« $ur enblichen 
Ver»irflicbung aller feiner Vorfchriften hinau«rei* 
chenbeVeroinblichfeit nicht oerlieren, fo lange ^immel 
unb ©rbc befteben. 

©teht bie ©ültigfeit be« göttlichen ©efeße« unOer* 
önberltdb feft, fo muß auch Demnach gelehrt »erben. 
©3er ba« nicht tf)ut, fonbern „© i n « ü o n b i e f e n 
flein ft en ©eboten auflöfet — ber »irb 
berßleinfte beißen i m ^ i m nt e l r e i ch e, b. ß. 
ber ift ein ungefepiefter fiehrer. §ier ßanbelt e« fidb 
nicht um ba« ©eligroerben, fonbern um bie gäßigfeit 
ju leßren. „2Ber e« aber th«t unb lehret," 
b. ß. wer in ber Älraft eine« neuen Seben« bie ©ebote 
alle hält unb bie fieute h°Uen leßrt, ber »irb 
„©roß heißen," b. i. ein rechter fießrer fein. 

C. 20. 3” biefen SBorten »ill 3cfu« fagen: 3)ie 
©ereeßtigfeit, oon ber icß rebe, ift nicht bie ber $h<m* 
föer unb ©chriftgclcßrten, »eher biefe mtt ißrer feif* 
fen«hcucßeici, noch jene mit ißrer ©elbftgerecßtigfeit 


fommen in bti« ^immelreicß. ©ott feßauet nießt auf 
ba« fteußerlicße, fonbern auf’« §er£. 

V. 21. 22. /,3ßr ßabt gehöret" burdj ba« 
Vorlefen au« bem ©efeß, „baß au ben 8Uten" 
oon 2tlter« her, „gefagt ift; bu follft nießt 
t ö bten." ©3er töbtet, fällt bem ©ericht anßeim, b. 
ß. bem au« fieben Verfonen befteßenben untergerießt, 
5 SJtof. 16, 18. „3cß aber fage eu^": 1. ©er 
feinem Vruber ahntet, ber ift ber göttlichen ©träfe 
oerfallen. 2. ©3er in feinem Qoxn feinen ©ruber 
fRacha, b. h. ^augenießt« nennt, ber ift be« ßoßen 
IRatß« fcßulbig unb oerbient au« ber ©emeine oor 
©otte« Slngeftcßt au«geftoßen au »erben. 8. ©er 
aber feinen ©ruber al« Marren, b. ß. Unfinniger, lee¬ 
rer Stopf, fcßilt, ber muß an ben £)rt ber ©erbamm* 
niß fommen. 

©. 23. 24. §ier maeßt bcr ßerr eine praftifeße 
2(n»enbung oon Sem, »a« er in oem Oorigen ©erje 
gefagt ßat. ©enn alfo ein folcße« fernere« Urtßeil 
Derer »artet, bie 3°nt unb §aß ßegen, mit »elmer 
Sorgfalt foüte bann 3*&er uöer fuß »ad^en, um Mn* 
bem feine Veranlagung aum gorn au geben unb J.'be 
gerechte Stlage, bie irgenb 3^manb gegen un« ßat, au 
entfernen l 3)ie ßeiligfte Jmnblung foll unterbrochen 
»erben, um bie ©erjcbulbung ohne ©eräug »ieber 
gut au maeßen. 3äHt Dir beim Opf^raltar ein, baß 
Sein ©ruber et»a« »iber bieß ßabe, fo laßMÜe« fteßn 
unb liegen, geße ßin unb oerfoßne bieß mit betnem 
©ruber unb fomme bann mit betnem Opfer, ba« oor 
©ott ©ertß ßaben »irb. 

©. 25. 26. £>ier füßrt ber ßerr ben ©ebanfen be« 
oorigen ©erje« »eiter au«. Mach römifeßen Mecßt 
tonnte ber Kläger ben ©erflaaten oor ba« ©ericht 
fußren, bamit über biefen ber urtheil«fprucß gefällt 
»erbe, aber unter»eg« »ar eine Vergleichung a»ifcßen 
beiben möglich, ©o, »iß ber ^eilanb leßren, fei bu 
auf bem ©ege uim ©ericht ftet« bereit aur Mu«glei* 
cßung unb aur Stiftung unb Haltung be« 3^öen« 
mit Deinem Mebenmenfcßen. SDenn: einmal oor bem 
©ericht ©otte« angefommen, ift fein ©ertrag meßr 
möglich. 

ßtaftifiße ©ebanfen. 

Sie Stellung 3efu gnm altteffamentfiißen ©efeß. 

I. 39 er mißt gefommen ba« ©efeß aufjulöfen. 

©ie e« ba« ©mnbgefeb jeber gefnnben gefcßicßtli» 
eßen ©ntmicfelung ift, nicht auflöjenb unb reoolutio* 
när aufautreten, fonbern neufeßanenb unb umbilbenb, 
fo fann oor MUem-ßßriftu«, Der VoDenber ber gött¬ 
lichen #cil«offenbarung, ber oorbercitenben Offenba- 
rung«[tufe gegenüber nießt ein Meue« bringen, »o- 
bur^ ba«Mlte abgefebafft, fonbern nur eine«, »oburdj 
e« in feinem »aßren ©efen realifirt »irb. fjeierli^ 
oerbürgt 3^fu« bie unoerbrü^licße ©ültigfeit be« 
göttlichen ©efeße«, oon bem nießt ber fleinfte 3fßeil 
eine« ©ueßftaben« oergeßen barf, fo lange bie ©eit 

Ö t. ©o »ießtig ift tßm bie Erfüllung be« gaiuen 
eße«, baß er Bie ©ebeutung, »elcße ber ©maelnc 


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Sonntagfd)ul*£rhtitiiri!, 


439 


im @otte«reid)e erlangt, bamad) bemißt, wie er ftd) 
gu ben fdjettibat lleinften ©eboten im ©efeße fteflt. 
4)a« ©efefe ift ein organi f$e« ©atige, unb nur beroer- 
fteßt bie ©rfüflung beffelben, weldje ba« ©otte«reid) 
bringen fofl, ber ba« ©ingelne unb f leinfte im Ru- 
fammen|iiig be« ©an*en gu roürbigen weiß. ;Rn 
Cer« 17—19 geigt ber Herr, baß berjenige, ber biefen 
Rufammenhang oertennt. unb, wenn aud) im ©ingcl- 
nen unb Äieinften, mit Rerfiören beginnt, ber geigt 
eine geiftige Unreife, welche aud) im ©otte«reidje ißn 
nur eine fetyr geringe Vebeutung erlangen lägt; „ber 
ift ber Sleinfte im Himmelreiche." SBer aber bie Ver¬ 
gangenheit berjteljt, ber üerfteßt auch ©egenwart, 
unb weiß auch tn l|r in geßre unb geben ba« Siechte gu 
treffen, ©in ©olcßer „wirb groß Reißen im Himmel- 
reich." @« ift einfach unbentbar, baß $efu« tn f eincr 
%mt«thätigfeit bamit hatte anheben tonnen, fiäj ge= 
gen ba« altteftamentliche ©efep gu erklären. 4ll« tgn 
g. V. ber reiche äJtann frug, wa« er thun müffe, um 
ce« ewigen geben« gewiß gu fein, hot Qefu« ihn an bie 
©ebote'©otte« oerwiefen unb lauter altteftamentliche 
©efepe«roorte aufgejaljlt (gut. 10, 25. 28). Unb al« 
er am ©nbe feine« geben« feine furdjtbarften ©el)e= 
rufe ben ©efepe«leljrern feiner Reit in*« ^ngeficht 
fchleuberte, bol er fein* Statjänger angewiefen, uüe«, 
wo« fie al« Au«leger SWofi« lehren, gu thun unb gu 
halten (Wa tth. 23, 2. 8). 

II. 3ef»i iH gefommen, ba« liefet git erfaßen. 

3efu« war fich bewußt, nur bie tiefften Slbficßten 
be« göttlichen ©efepgeber« oerftetyen, wenn er mit 
feinem „3ch aber fage euch," bie &rt, wie fein 
heiliger ©ifle im ©otte«reich erfüllt fein miß, gang 
entfdjieben gur ©eltung bringt (Ver« 22). 

liefen ©egenfaß feiner filuffaffimg be« ©efeße« gu 
ber ber ©cßnftgeleßrten bringt 3efu« Ver« 21—26 
gur Slnfcßauung. $a« 8ied)t«gefcß be« alten Vunbe« 
berbietet ben SMorb, weil ba« eine Sßatfünbe ift, bie 
e« aßein beftrafen tonnte. ©enn bie trabitioneße 
©efeße«leßre bentfünften ©ebote bie Änmerfung hin* 
gufügte, baß ber Sftörber bem gotalgeridjte gu über* 
weifen fei, welche« bie ®eridjt«barreit übte, fo war 
bagegen burdjau« nicht« einguwenben. ©enn man 
aber oiefem Verbot nidjt«2lnbere« tjingumf ügen wußte, 
al« biefe Vermeifung bor bie richterliche Vehörbe, fo 
nährte man ben ©ahn, al« ob ba« Verbot ©otte« nur 
gegen biefe äußere Xßatfünbe gerichtet fei. 3efu« 


—HK- 


aber ertlärt, baß im ©otte«reich, wo aße burch bie 
bäterliche gicbe ©otte«, bie fich b u ihnen ßerabläßt, 
Vrüber geworben finb, f<hon bie Romgefinnung, au« 
welcher ber SJtorb ßerborgeßt, ebenfo ftrafbar fei. wie 
biefer felbft. Hatte SRofe«, nach jübifdjer Äuffaffung 
be« ©efeße« nur ben Sttorb berboten, fo hot ©ßriftu« 
auch fchon feine Ouefle, ben £oß unb Rorn, al« ftraf¬ 
bar unb berbammung«mürbtg in ben filugen ©otte« 
bargefteflt. 

©benfo beranfchaulicht Refu« e« an bem menfcßli» 
djen $Recht«gange, ber Verbrechen gleichen ©rabe« oor 
biefelbe ©eri<ht«barleit berwetft, unb fdjwerere Ver¬ 
brechen bor ein höhere« ©ericht, wie ber, welcher bem 
Rome Staunt gibt unb fich baburch gum ©djimpf- unb 
©cßmäßwort hinreißen läßt, noch bie! ftrafbarer fei. 

$efu« erfüllt ba« ©cfeß, inbem er auf ben tiefften 
©inn beffelben eingcht. ©r miß nicht gwifcßen Ver¬ 
gehungen unterfcheiben, für Welche bie menfchliche 
©träfe genügt, unb welche ber göttlichen berfaflen, 
fonbem er Wifi geigen, wie ba« bon 9Jtenfd)en oft fo 
leicht genommene Rome«wort bor ©ott noch ftraf- 
würbiger fei, al« bie noch &or bem 2lu«brud) bewahrte 
Romgefinnung, obwohl biefe fcßon an fich ber fdjmer- 
ften ibatfünbe be« SJiorbe« gleich gu achten ift unb 
bamit oer fcßwerften ©träfe berfäut. 5)er Vergleich 
be« V. 25 mit gut. 12, 58 geigt, Wie, ?ben weil ber 
Rorn fo ftrafbar ift, ber, welcher ihn erregt bot, aßc« 
thun muß, um ben gürnenben Vruber gu befanftigen. 
©er Da« berfäumt, wirb gulcfct bem göttlichen Ror* 
ne«feuer in ber ^öfle berfaflen. 

fcubeutuugen für Ulaffen. 

1. 5)a« ©efeb be« alten Vunbe« war auf fteinerne 
Xafeln gefchrieben, (S^riftud fcßreibt fein ©cfep auf 
bie Xafcl be« $ergen« burch ben heiligen ©eift. 2. 
©ar $efu3 fo befltffeit ba« ©efep gu erfüflen, fo fofl- 
ten Wir e« nicht weniger fein. 8. ©djärfe befonber« 
ben Äinbern bie Vebeutung ber Verföhnlichfeit unb 
giebe ein. 4. ©cßilbere ben Rom al« ©rregunp be« 
öergen«, bie fich burch 3Rime ©ort unb ©ebcrbe funb 
thut. 

Qlluftration: Unter bitteren Spänen fagte 
einmal ein Räbchen: „Reh höbe biele« bergeffen, 
wa« in ben bergangenen fahren borgefaflen ift, bie 
gornigen ©orte aber, bie ich meiner lieben, feligen 
Butter gcfprochen höbe, werbe ich itiemal« bergeffen 
tönnen." 


4 -»- 


©onntag, 28 . «uguft gröOTmiflfelt ©(^anentfaltitng. mtth. 6, 1 - 15 . 


1. $abt UM auf eure Älmofen, ba| ibr bie ni*t gebet bor ben 
finiten, baft ipr bon ihnen gefeben »erbet: ibr habt anberd feinen 
fiobn bei eurem Vater im $immel. 

2. fBann bu nun Sfmofen gibft, foKft bu nicht lagen bor bir 
bofaunen, mie bie Heuchler tbun in ben @cbulen unb auf ben 
(Haffen, auf baft fle bon ben fieuten gebriefen »erben. KBabrlicb, 
idj fage euch: @ie haben ihren fiobn babin. 

8. fBann bu aber fillmofen gibft, fo lab beine linte ^anb nicht 
toiffen, »a4 bie rechte thut, 

4. Hut bab bein Slmofen berborgen fei, unb bein Vater, ber in 
ba* Verborgene fiebt, »irb bir’* berge!ten-öffentlich. 

5. Unb »ann bu beteft, foOft bu nicht fein »ie bie Heuchler, bie 
ba gerne fteben unb beten in ben ©chulen, unb an ben (Säen auf 
ben (Haffen, auf bafj fle bon ben fieuten gefeben »erben. Vtabr* 
lieh, i* tage euch: ©ie haben ihren fiobn babin. 

6. SBann aber bu beteft, fo gebe tn bein ft&mmerTein, unb 
fcbliefc bie 2büre Au, unb bete *u beinern Vater im Verborgenen: 
unb bein Vater, ber in ba* Verborgene flehet, »irb bir'« berget* 
ten öffentlich. 


7. Unb »ann ihr betet, foQt ihr nicht biel blabpern, »ie bie 
$eiben; benn fie meinen, fle »erben erhöret, »enn fte biele (Borte 
machen. 

8. $arunt follt ihr euch ib n *n nicht gleichen. (Euer Vater »eiff, 
»a* ihr bcbflrfet, ehe benn ihr ihn bittet. 

9. Sarum foUt ihr alfo beten: Unfer Vater in bem $immel. 
Sein Warne »erbe gebeiliget. 

10. Sein Weich tomme. Sein (BiUe gefchebe auf (Erben, »ie im 
$immel. 

11. Unf er täglich Wrob gib un« beute. 

12. Unb bergib un« unfere @chulben, »ie »ir unfern ©chulbi- 
gern oergeben. 

18. Sfubce un« nicht in Verfuchung, fonbem ertöfe un« bon bem 
Uebel. Senn bein ift ba« Weich, unb bie Straft, unb bie herrlich* 
feit in (Emigfeit. filmen. 

14. Senn fo ihr ben BRenfchen ihre fehler bergebet, fo »trb 
euch euer bimmlijcber Vater auch bergeben. 

15. (Bo ibr aber ben fiRenfchen ihre Rebler nicht bergebet, fo 
»irb euch euer Vater eure &eb!e? auch nicht bergeben. 


bülifOtr (SntnbgttMnfr. „Sin 3Renf* fielet, 
toa« »ot klugen ift, ber §err ober fielet bo8 fjerj an." 
1 Sam. 16, 7. 


Srfiirnng. 

8.1. „9llmofen" peigt nad) bem ©runbtejt ei» 
gentlit^ ©ere^tigteit, »eil bie 3ubcn unter u>e- 


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410 


$onntogfd)ul*<frkttoNni. 


recptigleit bejonberS Sllmofen geben, berftanben, fam 
biefeS SBort tn ben De£t. 3*fu3 WtU bomit jagen: 
„Sichtet wopl barauf, baß ihr niept oor ben Seuten 
(SuteS tput, um bon ihnen gefepen zu werben; fonft 
habt ihr feine ©elopnung bon eurem ©ater im 
§immel." 

Stuf bie ©erberbniffe ber falfcpen Auslegung beS 
©efepeS—fiepe hörige Seftion — folgen bie ©erberb* 
niffc beS religiöfen DpunS, baS fiep bloS im Sleußeren 
funbgeben will Sllmofengeben unb ©eten waren bie 
§auptformen, in welken bie ^parifäer ipreftröm* 
migfeit zur 6cpau trugen, bor welker 3*fuS in bie* 
fern Slbjcpnitt entfepieben warnt. 

©. 2—4. Opne bie©barifäer zu nennen.pat 3*fuS 
bodj bttfe eigentlich im Sinn, bie bei aller ©ewetfung 
ihrer gröntmigfeit, welche hoch fcheinbar baS SBopU 
gefallen ©otteS erzielen wollte, nur barauf fapen,baß 
fie bon ben SJtenfcpen gefepen werben. SBie ber Schau 
ber ^ofaune bor bent ©oiaunenbläjer hergeht, fein 
kommen anlünbigenb, fo fuepen fie ©eräufcp unb 
Stuffcpen ju machen mit ihrem praplerifcpen Sllntofen* 
geben in ben Synagogen unb auf ben ©affen, wäp* 
renb bie wahre SÖohltbätigfeit im ©erborgenen gibt, 
fo baß bie Sin!e nicht einmal weiß was bie Rechte 
tput. Der himtnltfcpe ©ater aber, ber in baS ©er» 
borgene fielet, wirb bie SBopltpätigfeit, bie aus wah¬ 
rer Stäcpflenliebe entfpringt, überfcbwcnglicp fegnen 
unb offenbar bergelten mit zeitlichen fowohl, als geift* 
liehen unb ewigen Segnungen. 

©. 5. @ine anbere Seite biefer falfchen ©ereeptig* 
feit ber ©parifäer war ihr ©ebet. 3n ben Spnago* 
gen, wo Vieler Slugen auf fle faben, fteUen fie ftch pin, 
um bie Bfnbrunft iprer Slnbacht flauen zu laffen, unb 
an ben (ötraßeneefen, wo ber©er!epr am lebpafteften, 
laffenjie fiep bon ber ©ebetSftunbe überrafeben, nm 
ihre ©ünttlicpfeit in ber ©inbaltung bcrfelbcn bor 
Miller klugen zu beweifen. SBelch* ein fcpänblicper 
SWißbraudj biefeS ©nabenmittelS! 

©. 6—8. Der $err will hier fagen, ber achte ©ete* 
hat eS mit feinem ©ater im §immel zu thun, er ber 
fcpließt ftdh baher in fein Kämmerlein, um auch nicht 
bon ber Neugier überrafept zu werben. DaS öffent* 
liehe unb gemeinfcpaftliche ©ebet wirb hier nicht un* 
terfagt; eS ift hier bon ber Stellung beS ©inzel- 
n e n zu ©ott bie Siebe. Der ächte ©eter macht auch 
nicht biel ©Sorte, noch plappert er in feinem ©ebet 
wie bie Reiben, bie ben SBertp beS ©ebetS nach ber 
Sänge unb bem Särm bemeffen. 3m ©ebet panbelt 
eS fiep niept um biele ©Borte: — ,,©uer ©ater weiß, 
WaS ihr bebürfet, ehe benn ihr ihn bittet/' — fonbern 
um bie Eingabe an ©ott unb ben ©lauben, ber ba 
empfängt. 

©. 9—13. 3m „Unfer ©ater" zeigt ber §err 
ben güngern, wie man eine gan$e, unenolicpe güHe 
oon cpriftlicpen Anliegen in wenige, fcplicpte ©ebetS* 
Worte zufammenfaffen fann. ©S fpriept alle mög¬ 
lichen Anliegen eines ©eterS, eine ganze ©Belt bon 
©ebürfniffen aus in ber gebrängteften, einfachen unb 
reinften Raffung, unb ift fo einer ©crle oergleichbar, 
in welcher fid) baS Sicht beS ganzen Rimmels fpiegelt. 
©S ift ber zufammengezogenfte ©efammtauSbrucr 1. 
aUer göttlichen ©erpeißungen; 2. aUer menfchlichen 
©cbürfniffc unb Seufzer; 8. aUer chriftticpen SebenS* 
regungen unb 4. aller priefterlicpcn SebenSweipungen. 
©US ©anzeS betrachtet, enthält baS ©ebet beS fcerrn 
nur e i n e n ©ebanfen, bie Sepnfucpt nach bem ©eiche 
©otteS, in bem alle ©ebctc ber Kinber ©otteS aufge* 
hen. ©Iber biefer ©ebaute wirb nach ^tüei Seiten hin 
aufgefaßt; einmal in©eziepung auf baS ©erhältniß 
©otteS zu ben Sttenfcpen (©itle 1—3), fobann in ©e* 


iepung auf baS ©erhältniß ber ©tenfepen zu ©ott 
©itte 4—7). 3n ber Sobpreifung fpriept fiep bie ge* 
wiffe Hoffnung ber ©rhäruitg beS ©ebets aus, bie in 
bemSöcfen beS unoeränberlidjen ©otteS fei ber begrün* 
bet ift. 3n biefem©ebet gibt unS^cfuS nicht em be* 
ftimmteS, unter allen ©ebetSumftänben feftzuhulten* 
beS gormular, obwohl eS gIS ©iuftergebet eine blei* 
benbe Änwenbung finbet in ber Ktrche. ©S ift biel¬ 
mehr eine göttliche ©eleprung, welche ©itten tm ©e» 
bet allgemein gut, allgemein nötpig unb allgemein 
erpörlich finb. 

©. 14. 15. SBelcpeS ©ewiept SefuS barauf legt, 
baß bie©cfinnung ber ©rbarntung, welche ©ott gegen 
ben Sünbcr offenbart, auch bon bem SttenfAen gegen 
ben SRenfchen gehegt werbe, zeigt biefer SluSfpruch. 
©in unberfähnliches §erz ^at nie auf ©ergebung bon 
©ott zu hoffen. 3ft eS möglich, baß bu beinen ©äf¬ 
ften nicht wieber bergeben mollteft, währenb bu bocp 
fo oft unb biel ber ©ergebung bon ©ott bebürjtig 
bift! 

Vraftifile ©ebanfen. 

^aS ©ebet. 

I. 8öa$ ift baS ©ebet« 

1. ©S ift eine ©rpebung beS $erzenS zu 
©ott im §immel. 

Der äepte ©eter erhebt fiep über ben Kreis beS 
Sichtbaren unb ©ergänglicpen unb oerfept fiep in bie 
©Seit beS ©eifteS, in bie ©emeinfepaft beS Unficptba- 
ren unb ©wigen. 3m ©ebet fuept baS öerz un¬ 
mittelbare ©ereinigung unb SebcnSgemeinfcpaft mit 
©ott. DaS ©ebet ift eine ©egegnung ber Seele mit 
ber ewigen Siebe. Darum leprt uns 3*fuS beten: 
„Unfer ©ater in bem §immel." 3ot ©ebet 
nopen wir uns ©ott, bergeffen alles ©nbere für bie 
Reit unb berieten uns im ©eift in feine unmittelbare 
Scäpe. SBie feierlich unb ergreifenb muß uns im @e* 
bet ber ©ebanfe werben: ©ott ift nahe, er fiept uns, 
er fennt unfer ©erz, er weiß, was wir begehren unb 
wie wir eS bor ipm meinen! 

2. ©S ift ein ©efpräcp beS ßerzenS mit 
©ott. 

DaS ©ebet ift mepr als ein bloßes Dcnfen an ©ott, 
eS ift ein Stehen mit ipm, wie ein SJlgnn mit feinem 
ftreunbe rebet. SBir fepütten unfer §erz bor ipm 
auS; wir banfen ipm für empfangene SBopltpaten; 
wir fiepen zu ipm in beftimmten ^Borten, bie bem 
Buftanb beS $erzenS ©uSbrud berlcipen. SSir haben 
ipm ein ^erzenSanliegen zu fagen, wir machen unfer 
Sünbenbetenntniß m aller Demuth bor ipm. DaS 
©ebet ift eine pofttibe Sacpe unb niept ein unbeftimm- 
teS Denfen an ipn opne Bioec! unb 3*cl. 

ift unfer tieffte« Seinen, 

Cb lautlod ober aubflebrüeft 

ftn ©orten, ©eufsern, dürfen, 3:bränen; 

(Sin tjeilin 3cu'r, bad und burchjüdt. 

(Siebet ift fttageton im ©ebe, 

(Ein Mlferuf aud tiefer 

(Ein @etmfiid)tdblict aur ^immerdböbe, 

©enn Sciemanb fiebt unb bört al« ©ott." 

3. ©S ift ein Slneignen unb ©rgreifen 
©otteS. 

DaS ©ebet ift ein Opfer, eine birefte Uebergabe an 
©ott. Darum leprt uns 3 c fu4 beten: „Dein 
Stame werbe geheiligt. Dein Steicp fomute. 
Dein SBille gefepepe auf ©rben wie im 
$ i m m e 1." Opne ötngabe an ©ott tann biefeS niept 
ftattfinben. 9Ber in feinem ©ebet fein Opfer bringt 
'fiepe obige ©itten), ber betet niept wirflicp. SBerficp 


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Jroutnffttung. 


441 


in bad SJieer ber emigen Siebe üerfenfen miß, muß 
aud fi$ felbft ^crou^ircten. 9htr bann fömten mir 
©ott in und aufnehmen, menn mir und ihm zugleich 
hingeben. 2lber btefed {Opfer ber Hingabe unb bed 
©ehorfantd ift nur bann ein lautered, menn ed ein 
Cpfer ber Siebe ift. 2Beil und aber btefed Vermögen 
ber Siebe abgeht, tommen mir im ©ebet p ©ott 
burch $efum ©hnftum, ber unfergüYjprecher bei bem 
Sater ift unb burch ben mir (Störung finben. 

II. ffiarnm beten mir? 


1 . SBci 1 bad ©ebet eine natürliche 
©acge ift. 

©d ift ebenfo natürlich für ben SRenfchen unter g«- 
miffen Serijältniffen bad Her$ p ©ott p erheben, 
ald ed für unflre Sungen ift, ficfa audpbehnen, um bie 
frifche Suft, melche mtr pm Seben fo nothmenbig be- 
bürfen, einpathmen. 2Bie leicht tft ed für bad un- 
fdptlbige $inb, ein ©ebet p lernen, unb mie gemiffen- 
haft ift ed in ber ©rfüßung biefer Aufgabe! Znftinft- 
mägig faft ertennt ber SttenfA bie ©f fften* eined hö- 

S jeren 2Befend an, p melchem er in feiten ber $rang- 
al unb SRoth um Hülfe unb Xroft nabt. 28emt fid) 
auch ber SJtenfA in feinem begehrten ©inn über bie 
©fiftenj einefc mähren unb lebenbigen ©otted hinaud- 
philofophirt, unb bad 5)afein beffelben frech leugnet, 
fo bleibt ed benitod) maljr, bag bad ©ebet eine natür- 
liehe ©ache ift. 


2 . 2Beil bad ©ebet ein 23ebürfnig ift. 

$ad IHnb ©otted muß beten, ©d hebt unmißfür- 

lid) feine 2lugen auf p ben Sergen, oon mannen 
Hülfe fommt. ©d hat leibliche Scbürfniffe: „Unfer 
täglich ^Btob gtb und heute." ©d h<U aeift* 
liehe ©ebürfniffe: „S?ergib und unfere ©<hul- 
b e n" :c. ©d fteht in groger ©ef apr: „g ü b r e und 
nicht in Serfucguna, fonbern erlöfc und 
Oon bem Uebel" £}arum nimmt ed feine Zu¬ 
flucht p ©ott. 2Bad bad 2Baffcr bem gif ch, mad Die 
Suft bem Sogei, mad ber Obern bem 2)tenfchen, bad 
ift bad ©ebet bem Äinbe ©otted. ©ott ift ben ©ei¬ 
nen bie einzige Ouelle bed ©egend, bed Sehend, bed 
Sichted unb ber Siebe; aud biefer reichen, unerfegöpf- 
liehen Cucße p nehmen ©nabe um ©nabe, ift Se- 
bürfnig. 

3. 2 Beil bad ©ebet eine Pflicht ift. 

2 Bie leicht oergeffen mir im ©cmiihl unb ©etümmel 
unsrer irbifchen Serhältniffe bte Pflicht bed ©ebetd! 
$arum ermahnt ftefud, bag man allezeit beten unb 
nicht lag merben fou, unb '.jkulud milf, bag mir an 
allen Orten heilige Hänbe p ©ott emporheben, ohne 
3orn unb Zweifel, ©elbft ba, mo im ©lauben ge¬ 
betet mirb, bleiben gemiffe ^inbemiffc $u betämpfen, 
bte bad Inhalten am ©ebet^ur Pflicht machen. Unfere 
üerborbene 9tatur ift bent ©efep ber ©chmere gleich, 
bad und immer pr ©rbe herabjiehen unb ben 2luf* 


fchtoung ber ©eele p ©ott hinbern miH. Ununter¬ 
brochen fteigen ÜReoelbünftc aud unferm fünblichen 
gleifche auf, melche bie ©önne ber ©eredjtigteit oor 
unferm inneren Sluge oergüßen. $te ©onne fteht tu 
gemohnter Klarheit am Himmel, aber unfere irbifdje 
Ätmojphäre ift ed, melche fie unfern Slugen Oerbirgt, 
©benfo hier; ba mug bad ©ebet ald ernjter 2Biüe fteg 
ermeifen, melAer hinburch bringt unb ben SRebel ber 
Zmeifel jerrcigt. $ie SerAe fteigt ftngenb bem Fim¬ 
mel p, aber menn fie aufhort, ihre glugel p rühren, 
fallt fie pr ©rbe nieber. ©benfo hier: ©ebete finb 
bie ©chmingcn ber ©eele, bie und hirnmelmärtd tra¬ 
gen, aber ohne ©ebet uerfinfen mir in Qerftremmg, in 
trbifche 28ünfcge unb finnliche ©enüffe. 

III. 8Ba* uübt bad ©ebet? 

1 . 2Bir gaben Zutritt $u ben ©naben- 
gütern ©otted. 

2 )arum fpricht gefud: 7 ,Sittet, fo mirb euch geg£ 
ben. ©udjet, fo merbet tgr finben. klopfet an, fo 
mirb euch aufgetgan. $ad ©ebet ift ber ©cglüffel 
pr ©chaptammer ©otted. ©d ift bad Xelepljon, bie 
Serbinbungdlinie gmifchcn ber ©rbe unb bem Fim¬ 
mel. 28er gläubig bittet, empfängt reichen ©egen 
öon ©ott. 


2 . 2Bir merben anberd, ald mir Oorher 
gemejen finb. 

28er im ©immcl mohnt, mirb hintmlifch gefinitt. 
28er oft mitZ^fu im ©ebet üerfchrt, empfängt ©hnfti 
©haratter unb ©eift. Söer im ^ciligthum ©otted 
mohnt, auf beffen 2lntlip ftrahlt ber ©lan^ ber un- 
fichtbaren ÜSelt mieber. 28er oft mit ©ott rebet, 
mirb ein Sertrautcr bed öerrn; ba fliegen bie inneren 
OueUen ber anbetenben Semunberung in frommer 
Xantbarreit. ©o mirb bad ©ebet p einem ^ropg, 
moburch ber 28anbel heilig unb bte ©eele rein unb 
reif mirb für ben §immel. 

3. 2Bir mirfen beftimmenb auf ©ott 
ein. 

$)ie ©renge bed ergörlichen ©ebetd, fofern man 
nach bem 28iflen ©otted betet, ift ber ©laube. $nrd) 
bad ©ebet mirb auf badSeben bed einzelnen 9Jtenfchen 

« , ald auf biegöttlichc28eltregierungeingemir!t. 

^ etliche Statbfchlug tft fein unbeugfamed ©efaief- 
fal, fonbern ein fliathfchlug, melier in feiner 2lud- 
führung bebingt ift burch bie freien Jpanblungcn ber 
9Jtenfchen. Ztt ben menfehlichen ^anblungen aber, 
melden ber göttliche 2tati)fd)lug Rechnung trägt, ge¬ 
hört auch bod gläubige ©ebet. ©o mie ber©hrif* 
burch bad ©ebet ein anberer mirb, ald er oorher ge- 
mefen mar, fo merben auch feine Umgebungen unb 
Serhältniffe mehr ober meniger üeränbert. 2luf biefe 
2 Beifc mirb eine neue Safid, eine anbere ©runblage 
gefchaffen, auf meiner ber allmächtige ©ott operiren 
unb $mge thun fann, bie ohne bad ©ebet bed Äinbed 
©otted nicht audführbar mären. 




§frauen}etfuug. 


^urch ^öflichteit in 28ort unb 9ttiencn, 
Äommt auA ber 2lermfte burch bie 2Belt, 
®ie biefer Sftünje fich bebienen, 

®ie faufen oieled ohne ©elb; 

^rum möge Qeber höflich fein, 

©d toftet ntchtd unb onngt oiel ein. 


©in entfiel IBort an bie grauen über Mifftonl* 
arbeit. (©ine 2lnfprache am JJahredfeft bed 9ttinne- 
apolid 3>ueig ber 2ludmärtigen grauen-SRiffiond ©e- 
jeUfAaft ber 9W. ©. Äirche üon ocr Sorfiperin 9Wrd. 
©mtlp Huntington SJtiller. grei ind^eutfAe 
übertragen oott gr. Äopp.)—„28ährenb mir und freuen 


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442 


ftournjeüung. 


über bcn gortgang bcr grauemttftifjtoti im Allgemein 
nen, möchten mir fragen: 28o finben mir b i e ft i r cp e, 
beren ©lieber alle zu ihrer ^flicpt ermacpt, alle 
©ott gemeint uitb alle mopl unterrichtet finb über 
biefen fo mistigen Üpeil cpriftlicper $pätigfeit? 2öo 

t inben mir bie©emcinbe,in melier bic geibcnmiffion 
id) beS ©ebetö, beS StacpbenfenS unb ber Opfermil* 
ligteit ber ©lieber in gleichem ttftaße, mie anbere fircp* 
lid^en Unternehmungen erfreuen fann, unb mo baS 
ttJHffionSgelb niept mit SSiberftreben, fonbern mit 
greubigtcit gegeben mirb, unb mo felbft perfönlicpe 
©enüffe gerne entbehrt merben, um bie Wotp ber gei* 
ben*u ltnbem? 

2Bo finben mir bic ©enteinbe, beren meiblicpc 3ttit* 
glieber für bie ttWiffionSfacpe mit berfelbcn Vegeifte* 
rung arbeiten, mie für eine ftircpcnorgel, einen neuen 
Xeppid) ober einen mit greScomalerei gegierten Äir* 
epenfaal? 

SftaS tonnen mir tpun, biefe untpätigen grauen in 
ber ftirche für biefe mieptige ©aepe zu begeiftern ? $enn 
biefe finb eS, meiere bem kommen beS SReicpS ©otteS 
im SBege fiepen, unb nicht bic, melcpe fiep außerhalb 
ber Kirche befinben. ©S finb mept bie parten 
3Jtärfcpe unb bie gegenüberftepenben mächtigen geinbe, 
bie ben ©ieg her Armee ©Ijrifti unmöglich madjen, 
fonbern bie unentfehiebenen unb halbherzigen ©ol= 
baten. 

Um bie lauen ftircpenglieber ju überzeugen unb 
für bie SRiffionSarbeit zu geminnen, müssen alle ge- 
oel in Vemegung gefegt, unb fie müffen mit heiligem 
©rnft unb mtt großer ©ebulb unb Sangmutp bear* 
beitet merben. ©in mächtiges gülfSmittel zu biefem 
3med ift bie © o n n t a g f d) u l e. Unter einer metfen 
Anorbnung tonnten bte Diertcljährlichen ©onntag* 
fchulfefte zu Vorträgen unb Uebungen benüpt merben, 
burch melcpe mehr gerzen erretept unb er me ich t 
mürben, als burch bie Anftrengungen auf ber Stanzel. 
ättänner unb grauen, bie nicht in Die Kirche gebracht 
merben tönnen, felbft menn bie berebteften 3)ciffionS* 
prebigten gehalten merben, fipen mit feuchten Augen 
unb bebenben Sippen ba, menn ihre eigenen kleinen 
gürbitte einlegcn für bie, melche noch in ginfterniß 
unb XobeSfcpatten beS geibentpumS fifeen. 

©oüen zu gaufe unb in ber gerne ©rfolge erzielt 
merben, fo muffen bie 3eh«ten unb S)anfopfer reich* 
lieh unb regelmäßig Pon jeber chnftlichen gamilie auf 
ben Altar beSgerrn gelegt merben, unb nicht nuroon 
einzelnen liberalen ©ebern. Jene grauen, bie fid) 
bis jebt noch uicht für eure SRtffionSDerfammlungen 
unb TOffionSnacpricpten intcreffiren, tönnen burd) 
eure ©ebete unb perfönlicpe Arbeit erreicht merben. 
Unermübliche Anftrengung Don eurer ©eite mag bic 
©ine unb bieAnbere nach unb nach zum Sefen, gören, 
Stacpbenfen unb ©eben bemegen. ©in Vu<p ober ein 
SBlatt tn ihre ganb gelegt, mag bie ©aat einer reichen 
©mte merben; nur barf fid) unfer ©ifer burch bie 
Derfchicbencn ginberniffe, melche ber geinb in ben 
28eg legen mag, nicht Dampfen laffen. Vliden mir 
mit Sftacpbenfen etliche Japre zurüd m bie Vergangen* 
heit, unb bebenfen, melcpe 6cpmierigfeiten bereits 
übermunben finb, fo merben mir mit neuem Sftutp er* 
füllt. $enn obmohl mir immer noch reben oon ber 
„anbem©eite berSBelt," fo muß eS jebem ^Beobachter 
beS gortfcprittS ber ©ioilifation Har merben, baß es 
balb teine „anbere ©eite" mehr gibt; benn SSölter 
unb Stationen, bie früher einanber fern ftanben, finb 
naljezufammcn gerüdt burch bie munberbaren Vanbc 
gemcmfchaftlicher 3ntereffen. 3apan, Qnbien, ©pina 
unb bie Qnfeln beS SJkereS fmb nicht länger mehr 
Stegionen buntlcr©age. $ie $pore iljrer heiligen 
©tabte finb heute für Die ganze ÄJelt geöffnet. Von 


bem SJtittelpuntt bis an bie äußerften ©renjen beein* 
flußt ber ganbel unb ber gortfehntt ber ©ioilifation 
icne mächtigen Sänber, unb überall, mo baS ©Dange* 
lium fo munberbaren ©ingang fanb, öffneten fich Die 
chriftlichcn grauen für ihre SJcijfion bie Xpüren. 

£ie gamilic, bie in cprifilichen Sänbern bie gaupt* 
ftüpe ber Kirche unb ber ©ioilifation ift, muß Dieses 
in allen Säubern merben. Xenii maS früher burch 
^rebigten unb Unterricht in biefen Sänbern gemirft 
mürbe, Dernicptctcn in ber gamilie uitmiffenbe l^cib* 
nifepe SRütter mieber, ba fie ihren Äinbem ihr eigenes 
Vilb aufprägten. 5)ie Slbfchließung ber grauen feit 
Dielen ©enerationen mad)t fdjon ben ©ebanfen an eine 
^erlehung biefer ©itte zu einem entfeplichen für jebe 
©mpßnbung oeS 3 ar lß e fuhl^ c l ncr orientalijehen 
grau, unb nur ihre chriftlicpe ©epmefter Dermag in 
iene abgefchloffene ©ehaufung zu bringen, um thr baS 
iBrob beS SebenS zu brechen unb Sicht in jene finftere 
Ä laufe zu bringen. 3h re ©u* 10 l° nu b* c f e ucrfcplof* 
fene 4hüre öffnen, ihr guß barf über jene Derbotene 
©dimclle treten, ihre Sippen tönnen bort bie 5öotj<haft 
oon bcr Siebe ©otteS in ©hriito erzählen; unb ihr 
inniges 9)titgefül)l, ihre unerschöpfliche ©ebulb, ihr 
unerschütterlicher ©laube füllt—inbem fie ihrer heib* 
nifepen ©cpmefter ben ©egen beS ©DangeliumS bringt 
— ipre eigene ©ecle mit neuem ©egen, ihre ©inficht 
unb ©rfaprung nimmt bei biefer Siebesarbeit zu, unb 
fie tritt in immer innigere ©emeinfepaft mit iprem 
SJteiftcr, für ben unb mit bem fie trculicp arbeitet. 
Sichren lefenb hinter ben ©cpnittern, zufrieben mit 
bem 3 u fprucp beS SJIeifterS: ,,©i, bu fromme unb ge* 
treue Uftagb!" ©efegnet unter ben grauen ift bie 
iprem SBeruf getreue Arbeiterin in bergrauenmiffion. 
Unb bie grauenmiffionS * Vereine finb geftiftet, um 
biefe felbftocrleugnenben g-rauen unb Jungfrauen 
burep ihre Arbeit unb ©oben, burd) ipr SJhtgefüpl 
unb ©e6et zu unterftüpen. 

Saßt unS niept ängftlicp fein, baß bie cpriftlicpen 
grauen um biefer ermeitertcn Xhötigfeit mitten ipre 
peimath unb ihre Äinber Demachläffigen merben. 

Aber „baS Seben ift mehr benn bic ©peife, unb ber 
Scib mehr benn bie Älcibung." llnfere Äinber mer* 
ben leben, menn mir längft im ©rabe ruhen. Jpr 
Seben ift für etmaS $öpereS beftimmt als für 3$er* 
gnügen, ©ffen, Irinfcn unb feine Äleibung; unb mäh* 
retib in biefer Beziehung bie gürforge ber liebenben 
Butter nie ermübet, foUte fie niept burep ihr eigenes 
SBeifpiel ipre Sieblinge ju einem höheren, eoleren unb 
befferen Seben anlcitenr SÖie Ijertlicp ift eS, menn 
ftd) Äinber erinnern, baß bie ©pmpatpie iprer SJlut* 
ter fo umfaffenb mar mie baSÄJeltatt, baß ipregänbe 
zu jebem guten SBer! bereit, unb fie in aufopfember 
Siebe ftets mittig mar, bie Saften ber ©epmaepen zu 
tragen. 

xie 3*it ift gefommen, mo Derftönbige tt^enfepen 
bie alte Don 4idfenS erborgte ©pottrebe„$ie ihre 
eigenen unglüdlicpen gamilien Demacpläfjigen unb ipre 
©Ompatpie an geibenmiffionen Derfchmenben /# —ent* 
fdiiebcn zurüefmeifen. Jcp fab Diele gamilien jäm* 
merlicp üernacpläffigt Don leicptfinnigen,mobefüchtigcn 
grauen, bie ftinber unmiffenbern ©efinbe überlaffen, 
mäprenb ipre äftütter fiep im Xpcater unb ber Oper 
oergnügtenKnaben unbeaufsichtigt bem SSerberben 
anpeimfattenb in ber ropeften ©efettf^aft ber ©tra* 
ßenjungen, mäprenb bie Mütter gänzlicp unb auS* 
fchließlicp mit iprem eigenen $up unb ^efuepen be* 
fdsäftigt maren;—aber noch nie eine SDtutter, 
bie ipre päuSlicpen Pflichten Dcmacplffigte, um ttJHf* 
fionS * Versammlungen beizumopnen. $ie oermapr* 
lofcfteit unb unglüdlid)ften gamilien, melcpe icp je 
fanb, finb bie, mo bic Atütter eS als ipr natürliches 


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Jraurnffitung. 


443 


Siecht betrachteten, auf oben angeführte SScife ihre 
3 eit $u oergeuben. Qd) bin für nichts mehr banfbar 
au ©ott, als für chriftliche gamilien, in benen bie 
»leinen oon Anfang an gelehrt werben: „2£ir Aße 
finb ©otteS Mitarbeiter.'' ©S ift nicht ber SSille 
©otteS, baß einige ^erfonen AßeS aufopfern unb an* 
bereAidjtS; mir 5UIe haben Arbeit unb joUten ein* 
anber aufmuntern, biejelbe ju tfjun. 

Aud) habe i<h Ä'tnber bon Miffionaren beobachtet, 
bie oofl ^örtlicher Anhänglidjfcit — mahrfcheiitlid) in 
golge ihrer abgefchloffenen Stellung inmitten Des 
©cibcntbumS—herzlich für einanber forgten, unb in 
inniger Siebe an einanber höngenb,mit großem gleiß 
ftubirten, unb bie hrrjbrechenbe Trennung oon ihren 
SUern mit bem Muth acht chriftlicher gelben ertrugen. 
Bei biejer Beobachtung febmer^te eS mich tief, annef)* 
men ^u müffen, baß biefe Opfer flum Xb c *l nothmen* 
big imb, metl chriftliche Mütter oft Qagre lang ihre 
Äraft unb fteit unb ^aufenbe oon Dollar« in thörich* 
temftleiberpufc an fich unb ihren Äinbern nuploS oer* 
fdjmenben; fo aud) für foftbare AuSfchmüdung ihrer 
©äufer unb baS Beloben ihrer Xifdje mit töftlichen 
Speifen unb Scderbiffen, bie oor unb nach bem ©enuß 
nur ben Seib befchmeren, fid) gar $u oieh Arbeit unb 
fojten machen. Stellen mir uns bei biejer Sebent 
roetfe unferem ©emiffen Oor, fo müffen mir uns ein* 
gefteben, baß mir einen großen Xbeil biefer Arbeit 
unb Mühe um ber eigenen ©hre unb ber guten Mci* 
nung unferer SRadjbarn mißen uns auferlegt haben. 

traurig für baS ©hriftentbum, b a S in bem vtahen 
beS lageS, ben bie heiligen Propheten, Apoftel unb 
Märtyrer ju f eben begehrten, foträgen^jerAcnS 
iß $u glauben unb ju arbeiten, unb fo geneigt ift, 511 
jroeifeln unb fich ä u entfdjulbigen. 

Man hbrt häufig ben ©inrnanb; „B3ir haben jo 
öiel au thuu!" können mir benn oon unferer tägli* 
d)en Munbe nicht etmaS entbehren? SSic nahe müffen 
mir ber ©migfeit fommen, epe mir ftifle ftchen unb 
emftlicb fragen: „B$aS ift baS 3iel unb ber Qmed un* 
fereS Sebent?" „Bon meinem Stuben fmb biefe 
$inge, bie unfere 3eit unb ©ebanten fo fepr in An* 
fprueß nehmen?" „28ürbe unfer Seben ein mirflicpeS 
©lüd entbehren, menn mir meniger für uns felber 
leben mürben?" 

Mir finben hoch 3 e *t für $)inge, an benen mir Suft 
unb greube haben. 3 um ßefen, menn mir uns 
mehr auSbilben moßen, ober menn eS uns Bergnügen 
macht. gür bie f d) ö n e n $ ü n ft e, menn mir bafür 
begeiftert finb. gür Bcrgnügungen, meun un* 
fere ©cr$en fich barnad) [ebnen. 2>arum, 0 Seele, 
höre auf bie Stimme, bie Dir eines $agcS bie ernfte 
grage Oorlegen mirb: 

„©0 ift bie fjrrudjt t>oit beineS flebenS (Saat? 
Berloren baff bu beine Seit. 

©erfäumt baft bu bie ttroigteit, 

©a« paft bu 5 um ©ctoinn babon ?" 

0, ihr grauen, in biefen $agen eures ©influffeS, 
tn biefen Xagen ber fdbönften Ausbeuten für bie Aus¬ 
breitung beS ßteichcS ©hrifti über bie ganje ©rbe, in 
biefen tagen eurer großen Berantmortlicpieit fpielet 
nicht, träumet unb fäumet nid)t, legt nidjt bie ©änbe 
in ben Scpooß, oertänbelt ni*t eure 3 e *t mit ütfeben* 
hingen; gehet mutbig an bie Arbeit, tpue jebe in ihrem 
Iheil nach beften Kräften ihre ooße $flid)t, baß menn 
ber ©err fornmt, unb eine nach ^ er labern oon ber 
Arbeit abruft, er ihr baS 3eugmß geben tann: „S i e 
bat getpan, maS jie fonnte." 

$or’le über bie Änaben. 3>er ßnabc unb 
feine Mutter, Qemanb jagte, baß menn ©ott einen 
großen Mann braucht, fo fteht er fich erft nach ber 


Mutter um. $er©influß ber Mutter auf ihren Sohn 
ift faum *u befchrciben. tic chriftliche Mutter, bie meiß, 
baß ber©harafter unb bie ©cmütßSanlagen ihres ftin* 
beSfchroielooit ihr abhängen, mirb mit meiSlidjerBor* 
ficht unb unter üiel gläubigem ©ebet fo auf baS ©e* 
müth beS ÄinbeS einmirten, baß eS gar nicht fchrner 
ift, eS 5 U erziehen. 

Mütter flogen oft, baß bie Knaben fo fchrner ju er* 
Riehen finb, unb fie legen beßhalb bie Änabenenie* 
hung beinahe ganj in bie £>änbe beS BaterS. ©ine 
Mutter, bie baS rechte Bcrhältniß Amifchen ihr unb 
ihrem Sohne fennt, mirb baS nie notljig höben. ©S 
befteht eine befonbere Siebe beS SohneS ju ber Mut* 
ter unb ber Mutter $u bem Soljne. Unb mohl ber 
Mutter, bie biefe Macht ber Siebe fennt, unb meiß 
biefe Siebe in bem Sohne flu erholten. 

£)ieS gefdjiebt baburdh, baß man ben Sohn Oer* 
hätfchel unb ipm ben SBißen läßt; im ©egentljeil 
—mährenb bie Mutter mit ber einen ©anb bie 3“gd 
beS ©ehorfamS Jdparf hält, führt fie ipn mit ber an* 
bem mit ^örtlicher Siebe. Qd) bebaure eine Mutter, 
melche bie Strafe, bie ber 3 u nfic oerbiente, auffdjie* 
ben mußte, bis ber Bater heintfommt. @ine Mutter 
gibt ftd) bamit eine große Schmähe. — ©ib ihm bie 
Strafe felbjt,unb nach ber Strafe rebe mit üjm aüein, 
unb bie thronen, bie folgen, merben fein, mie ber 
Stegen. ©S mirb bie gemünfehte grucht bringen. 

Um einen guten Knaben 511 erziehen, ift eS oor Al* 
lern nöthig, feljr frühe an^ufangen. Qm erften ©r* 
machen beS finblichen AuffafienS ihm oon ber Siebe 
Qefu au erzählen, SBahrpeitSltebe unb afle fdjöncn 
iugenben in baS junge ©emüth ^u pflanzen, fich an 
feinen Spielen au intereffiren,unb menn er älter mirb, 
ihm mit feinen Seftioneu ju helfen, ihm leiblich bie nö* 
tpige pflege au geben, unb ihm $u rathen in berSBahl 
feiner greunoe. ^aS Aßermichtigfte jebod) ift, oiel ^u 
beten, unb ich glaube, eS mirb einer betenben Mutter 
gelingen, einen guten ftnaben gu erziehen. 

Solch gut erlogener itnabe mirb leine Mutter über 
afleS lieben. Qch fomt mir auf biejer SSelt faum et* 
maS Schöneres Deuten, als bie Siehe beS SobncS 511 
feiner Mutter. ©S ift ein Stüd ©immelblau auf 
biefer armen SSelt. 

Solche Siebe mirb eine Schußmehr für ihn fein in 
ben Stürmen unb ben Berjuchungcn beS SebenS. 
2?ie Sehren unb ©inbrüde ber Mutter auf fein ©e* 
müth merben nie gan^ üermifcht merben. 

5)er liebe ©ott pelfe uns Müttern, benn, mo ift bie 
Mutter, bie nicht ihre große Scproachheit fühlt! SJod) 
miffen mir, mo mir $raft betommen fönnen. 

Äalbfkifdjlaib. Saß bir beim gleifcher 3 ^Pfunb 
gutes ftalbfleifch mit einem halben )ßfunb gefabenen 
Schmeinefleifch fein paden. SRoße ein 5)upenb Sräder 
fein unb menge eS in baS gleifch nebft Amei ©iem unb 
Salj unb Pfeffer, gormire einen Saio barauS, be* 
ftreiche bcnfelben oben mit Butter jiemlich bid unb 
[treue fein ^geroßte ©räder barüber. ©ieße ctmaS 
fochenbeS SBaffer in bie Pfanne unb laß eS eine 
Stunbe baden. Man muß eS öfter begießen. 3)ie* 
fer Saib ift gut—heiß ober falt. 

©ine gute ©rbfenfnppe. Man fcfct ben Suppen* 
fnochen ober Suppenfleijch ju ber gemöhnlichen 3?it 
auf baS geuer. Binbe baS Suppgrün unb eine gelbe 
3tübe in einen ticinen Bünbel unb laffe eS mit bem 
gleifd) fochen. Sffehme eS bann berouS, menn man 
baS Uebrigc in bie Suppe tput. ©tlidjc gute helfen 
unb eine Mußfatenblüthc geben ber Suppe guten 
©efcßniad. ©ine Stunbe, ehe man bie Suppe fertig 
haben miß, fefct man bie grünen ©rbjen auf, ungefähr 


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444 


Pif neue beutfdje Jteditfdjuibung. 


ein $int unb lägt fie in ein wenia 0al$waffer allein 
fodjen. SBenn fie n?eid) finb, giegt man baS SBaffer 
ab unb tput fie tn bie (Suppe, bann nimmt man S3ro* 
famen ein $int unb mengt etwas Butter hinein unb 
jwei (gier, 0al^ unb Pfeffer, unb mad)t bann ganj 
lieine klöfjcgen barauS, ungefähr fo groß wte eine 
Heine Sufunb tgut fie aud) hinein in Die 0uppe unb 
lägt eS 5 SKinuten todjen. 

©ric$flö§igcu. 9ttan fegt ein Bint SQUlchauf baS 
geuer mit ein Hein wenig 0aU. SBenn bie Sttild) am 
Slodjen ift, rügrt man fo Diel ©rieSmegl hinein, bis 
eS fo bicf ift, bag eS fid) oon bem ©ef<$irr loS fcgält; 
nun nimmt man eS ab Pom geuer unb lägt eS etn tue* 
nig abfüglen. SllSbann rügrt man Pier @ier baran, 
eins nad) bem anbem, bis man alle Pier gut gineim 


gerührt gat, nun formirt man mit bem kocglöffel 
fletne klofje, bie man in baS fodjenbe SBaffer legt. 
3Jtan thut ein wenig 0aU in baS SBaffer unb lägt fie 
}egn Minuten Jocgen. Sftan fann biefe klöfjcgen aueg 
tu bie 0uppen brauchen. 

Um baS flBafigen $n erlebtem. SBenn man fann, 
ift eS gut, bie SBafcge ben &benb juPor einjuweicgen. 
2 Ran fcgneibet gute 0eife in ben keffel unb nimmt 
etliche ©tfide S3oraj baju, fo grog toie eine große 
SBallmiß unb lägt eS mit ber 0etfe auflocgen. Sach* 
ger oertgeüt man biefeS in fo Ptel Segenwajfer als 
nötgig ift, bie SBäfdje ehuuweicgen. SSan fann aud) 
etwas ©oray in ben Steffel tl)un, wenn man bieSBäfcge 
fodjt. S3oray ift baS allerbefte SBafcgpuloer. @S fdja* 
bet ber feinften SBäjcge niegt unb macgt fie geU unb 
weig. 


- * -«-Heg) »« " ■ - 

Pie neue beitlfdie ikdjtfdjrctbung. 

gfir ©aus unb gerb bon Sgeofeor Obinga in Berlin. 


xfrJlaS ©oetge’fdge SBort: ,,2)a fteg’ icg nun, 
cPA I icg armer $gor, unb bin fo ffug als wie 
EJiJ supor," lägt ficg in gewiffem ©tune aueg 
gaI| auf bie neue beutfcge Secgtfcgreibung 

°e)* anwenben. ftcg gäbe mid)—aus nage* 
1 iegenben ©riinben—lange mit berfelben befcgäf* 
tigt unb fo oft icg am ©cgluß einer Prüfung ber 
igr ju ©runbe liegenben Segeln angefommen 
bin,War2Rancgerlei übrig geblieben in ber neuen 
©djreibung, — bie als Pereinfacgte begegnet 
Wirb — baS icg in bie Perfcgiebenen Slbfäge ber 
Segeln niegt einreigen fonnte. 

©ben wegen biefer UnPoUftänbigfeit unb Um 
Poüfommengeit ber neuen Secgtfcgreibung ift 
fcgon mandgeS fcgarfe SBort ginüber unb gerüber 
gepflogen aus bem Säger ber Vertreter ber 
SBiffenfcgaft unb bocg ift fein gortfcgritt gefcgafft 
worben. 

®ie neue Secgtfcgreibung fott eine Pereinfacgte 
fein; bodj glaube icg, bag wir baS Sedfjt gaben, 
biefen ©afc, trogbem ign ber SJtinifter *ßutt* 
famer feiner &\t auSgefprocgen, auf feine §alt= 
barfeit gin ju prüfen. SSor mir liegen bie im 
Aufträge beS SWinifteriumS ber geiftlicgen Um 
terrid^tS= unb SSebicinat * Stngelegengeiten ger= 
ausgegebenen Segeln für bie neue beutfcge Secgt- 
fcgreibung, wo icg auf ©eite 4 lefe: ,,©runbfa§ 
ber beutf^en Secgtfcgreibung: ©ejeicgne jeben 
Saut, ben man bei richtiger unb beutticger 9luS- 
fpracge gört, burd^ baS igm jufommenbe Qeu 
egen."—S)aS Wäre ganj einfaeg; aber gefegiegt 
eS aueg? Sefen wir einige Weiter unten: 
„3uweilen wirb and) ein Saut niegt bur(g ben 
Sucgftaben be$eicgnet, ber igm junäcgft jufommt. 
©o f^reibt man Slbt, §anb, obwogl man 9lPt, 
6ant fpriegt." SBir fegen bie einfaege ©efegiegte 


fängt an, fdfjwierig ju werben. Qdfj fönnte eine 
gan^e Seige Pon folcgen 2luSnagmen Pon ber 
Segel anfügren, benn faft jebe biefer Segeln be= 
fipt SluSnagmen. !gnbeffen fo lange fi(g biefet- 
ben auf berartige Bade, Wie bie angefügrten be- 
f(gränfen, gegt eS noeg. ©cgwierig, fegr f^Wie= 
rig wirb eS gingegen, Wenn Wir uns an bie 
®urcgmufterung bergrembwörter maegen. 
®a lefen Wir jum S3eifpiel: 93enefij, SoPije, 
^ßolijei, Serjett—unb baneben ©oncept, Slufpi* 
eien, ®ocent, präciS. Unb Wie erflärt bie neue 
Secgtfi^reibung biefen SBecgfet beS j unb c? — 
©S geigt: „3n pieien gälleu fegwanft ber ®e* 
braueg," unb „bureggegenbe, einfadge Segeln 
laffen fieg niegt auffteöen." 

Unpraftifcg ift fie, biefe neue Secgtfcgreibung, 
ju biefem Sefultate finb aueg bie meiften unferer 
beutfegen ©praegferfeger gefommen. SlHerbingS 
erfennen wir biefelbe immer als einen ©^ritt 
naeg PorWärtS an, aber trog all bem ©Uten, baS 
Wir an igr rügmen fönnen, ift fie boeg baS niegt, 
Was fo Pielfaeg igr naeggefagt Worben ift; fie 
ift niegt e i n f a eg. 

3ft nun biefe Secgtfcgreibung allgemein im 
©ebraueg in Sorb unb ©üb, in Oft unb SBeft? 
keineswegs. $aS unter bem officieHen litel: 
neue beutfcge Secgtfcgreibung ge* 
genbe SBörterPerjeiegnig ift nur 
in ^ßreufcen gültig. 

SltS Por einer Seige pon Qagren—eS mögen 
reieglieg 12 3 a g rc g er f c i n —ber Suf naeg 93er* 
einfadgttug ber ©direibung erfd^otl, war eS 
93reufjen gewefen, ba§ bie grage juerft ju erle* 
bigen fuegte. ©S ftellte eine Seige Segeln feft. 
Unterbeffen gatten bie bairifegen ©cgulmänner 
ebenfalls eine Secgtfcgreibung ausgearbeitet, bie 


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Hu# btt 3til. 


443 


nach mancherlei Stenberungen auSgegeben tmirbe. 
Sie war im ®ro|en nnb ©anjen ber preuhifdjen 
ähnlich, unb wie« nur einige Slenberungen auf non 
geringerer ©ebeutung, Wie j. ©. SRorij ftatt 2Ro= 
rij, Siteratur ftatt Sitteratur. Sie ©erfd)ieben« 
heiten waren fo unbebeutenb, bafj burchau« lein 
Jgtinbernig für ©enufcung bairifcfjer Sehrbücher 
in ©reuten oorhanben War unb umgelehrt. 

Stwa« Weiter in ber äuffteüung einer oerein» 
fachten Schreibung gingen bie Schweizer, wenig» 
ften« in einjelnen Kantonen. So wirb an ei» 
nigen Orten—tun ftatt tljun (preujjifch), ©erta 
ftatt ©ertfja getrieben, wie überhaupt ba« ©e» 
ftreben toar, ba« th ganj auSjumerjen unb ein 
ein'achcS t bafür ju fefcen. 

Manchen ging aber auch biefe Ste^tfchreibung 
nicht Weit genug, unb ba aKbelannt in unferer 
$eit fo oiel burd» ©ereine gefchafft wirb, fo ent» 
ftanb auch ein ©erein — für bereinfachte ©echt» 
fchreibung, ber auch halb fein eigene« Organ be= 
fa§. Siefe Seute gingen nun rabilal ju SBege; 


ba« b Würbe ganj abgefchafft, ba« th auch; 
ebenfo ie für ein lange« i; turj ?WcS würbe 
einfach: man fdjrieb fater, fane (für gähne), 
fereinSfane (SereinSfühne), ®ib (für Sieb), 
iib (lieb) unb fo fort. — (Sine 3eit lang mach 5 
ten bie Seutdjen großes Sluffehen; inbefc — eS 
ging oorüber. Ob ber ©erein h eute no< $ 
ejiftirt, Weih ich nicht. 

$a« größte Slnfehen befifct trofc ihrer Man» 
gelhaftigleit, bie neue beutfcfje 9tecf)tfchreibung 
für ©reujjen. ©ie ift im ©ergleich jum Ue» 
brigen bod) noch ba« ©efte, Wa« geleiftet Wor» 
ben ift. 

SUlerbing« werben leine SRegetn im ©tanbe 
fein, eine Sprache, bie fid) hiftorifch int Saufe 
ber 3ahrhunberte jur heutigen Schreibung au«» 
gebilbet hat, plö&lid) in ber Schreibung ju änbern. 
©i« bie wenigen ©eränberungen, bie bisher 
gemacht würben, bem ©oll in gleifd) unb ©lut 
übergegangen finb, werben fd)on wieber neue 
notf)Wenbig fein. 




JUts ber Seit 


Cf^tn fAtoetaettber Genfer. 3ttan fofltc nicht ben* 
fen, baß ber 5Rann auf bem 3$ilbc, welcher fo ruhig 
unb nadjbenfcnb bafipt, wie ein ^aftor in ber ©tu* 
bierftube, fdjon fo große ©d)lad)tenpläne au«gcbad)t 
habe, beten Slu«fübrung ©trönie 33lut« Iofteten! 

©o fipt ber ©djwciger im bcutjdjen $Reid)«tag, 
©ipung nad} ©ipung, Qabr ein unb Sabr au« — bt« 
etwa« auffömmt, ba« ihn anregt unb in fein gad) 
fdjlagt. 35ann ergebt er fid) rußig, tritt langfam unb 
bebäebtig,, wie c« einem beinahe 90jährigen geziemt, 
mm <ßlafe ber Oiebner unb beginnt mit ßhwacber 
©timme fein Argument. gm <5aale wirb e« mäu«* 
djenftille. 2)ie Ölbgcorbnetcn brängen fi<h lautlos um 
ben Sprecher SRoltte, ber Schweiger unb Genfer re* 
bet, ber muß etwa« ju fagen haben. — gebeä feiner 
©orte finbet 2lufnähme; felbft bie politjchen ©egner 
mögen feine Argumente unb ^oQcn bem SRanne bie 
größte ^fcßlung. 

Gr ift in feinem Auftreten ba« gerabe ©egentßeil 
bon 33 i«mard, toclcber feinen ©egnern gegenüber fteßt, 
wie ein fiöroe. 38er inbeffen barau« fchlöffe, baß 
SRoltfe weniger entfeßiebener fei, al« ber Giieme, ber 
täujdjt ftd). §n bem paftormäßig au«febenben SReijb«* 
gelbmarfcbau lebt ein unbeugfamer SBille unb baut* 
mert ein nie raftenber ©eift, ber gewiß feßon jeßt 
manch* jutünftigen $frieg«plan audaebaeßt bat. 

^offentlid) wirb ber gricbe noef) lange erhalten, 
©eit Öeneral S3oulanger nid)t mc^r £rieg«minifter in 
granfreid) ift, ^aben auc^ bie 9lengftlid)en me^r Qu* 
trauen, baß be« Kriege« ©affen fdjmeigen werben. 
@ott gebe e« in ©naben. 

8 Ba0 ^tirfer über bie $erftänbigung jwifeben 93i«* 
mard unb bem $apft fagt. 

G« ift in lefcter Reit fo oiel unreife« 3 eu 9 öber 


ben beutfdjen ©t)ftemwed)fel unb ba« ®erpltniß 
jwifc^en 9iom unb Äirdjc gefebrieben unb gebrudt 
worben, baß e« intcreffant unb wichtig ift, einen 
9Rann $u bören, weldicr mitten im Stampfe ftetjt, unb 
bie göbigteit, fowie ©elegenbeit bat, bie ©ad)en ju 
beurtbeilen, unb bem man wabriicb nidjt naebfagen 
fann, er fei nicht gut ebangelifd). 

©töder bat tür^licb in Berlin bor ben Gbriftlid)* 
focialen einen Vortrag über ba« $b emö 0 ct>altcn: 
5)eutfcblanb unb »tom. 

5)er 9iebner glaubt nubt, wie fo manche boeb* 
weife 3 eitung«fd)reibcr, baß ber beutfdje 9 ieid)«bau* 
meifter nad^ Sanoffa gegangen fei, fonbem wünfdjt 
nur, baß bie eoangelifebe Äircbe fidb fortan ebenfall« 
obne ©taat«einmifcbung felbft regieren bürfe. 

QeDod) — laffen wir ©töder felbft reben: 

„gn bem langen oielbunbertjäbrigen ^ampf ^wi* 
feben jRorn unb 5)eutfcblanb — fo führte ber SRebner 
ungefähr au«—ift wieber einmal ein größere« Greig* 
itiß eingetreten, über welche« ficb ein Urtbeil ju bilben 
fchwer ift, bejonber« für ben fcblicbten SRann: c« fiebt 
au« wie fird)licber ©treit, aber fiebt man näher ju, fo 
ftedt babmter bie Sßolitif, nicht nur bie beutube, fon* 
bem auch bie europäifebe. Gine fpätere 3^ü wirb 
erft bofl erfennen, worum e« ficb bunbelte, warum un* 
fere Regierung einen fo fcbnellen ©pftemwecbfel boü* 
iogen bat. 9Ran fab wohl fd)on im oorigen gabre 
oie ©chatten oorau«, in ber äußeren ^olitif wie oon 
ben Greigniffen in Maiern, unb ba fuebte man ju 
einem fcbnellen grieben mit fRom ju gelangen. 35aß 
bie ©acbe fo fcbnell üormärt« ging, oerbanft man bem 
Greigniß in Maiern, gürft 53t«mard bat e« ja felbft 
au«gefprod)en, baß bie große $olitif babei im ©piele 


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446 


^us brr $rit. 



(Straf Wollte 

ift. $ie (Erneuerung bcS VünbniffcS mit Oefterreich 
unb Qtalieit fptelte mot)l aud) mit. $aS eigentlich 
treibenbe unb brängenbc Slflotib aber mar, beut föul* 
turfampf, mie er mar, ein (Enbe *u machen, moacgen 
aud) ber eifrigfte ^roteftant nichts haben fann. (Emen 
mirflicßen bauernben Trieben mit iHom merben mir 
ia nicht haben, bet ift unmöglich, eS fei benn, baß 
^cutfdjlanb gan;* tatholijdj mürbe, aber hoch einen 
V>affcnftiUftanö, unb aud) biefer ift crmünfd)t. (ES finb 
auf beiben Seiten bicl gehler gemacht morben. 5)er 
SpüabuS, baS UnfehlbarfeitSbognta — es maren im* 


I ! 



im fteidjätaß 


mcr !ird)lid)e $)inge, bie aber hoch auch ihre SSirfun’ 
en auf baS politifd)e Seben äußerten, unb baS mar 
ebenflidj! aber eS mar fcßmer für ben Staat, biefe 
unfidjtbaren 33irfungen $u fontrofliren unb einju* 
greifen, ohoe au beriefen. Seitens beS Staats aber 
ift ber große gehler gemacht, baß er biel *u feßr in 
baS innertirchlicpe Sieben eingriff. ^ebenfalls hot ber 
Staat bie Verpflichtung, erlaffene ©efefe fo an honb« 
haben, baß fie nidjt unnöthig bie ©emtffen beriefen. 
$aß baS auftjören fofl, fann uns nur freuen. 

SScniger erfreulich aber ift nun bie &rt, m i e ber 


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©ffeiie Jfofl. 


447 


Kampf aufgört. SBir gaben immer gemünfegt, man 
möge bie gan^e SRaigefepgebung aufgeben unb ein 
neues ©ebaube bon ©ruttb aus auf bauen. ©in Stüd 
nach bem anbem atyubrecgen, fo bag fcglieglicg nur 
krümmer übrig bletben unb man !aum au* reegt 
meig, maS gilt, baS ift niegt angenehm. ^ürft 
marcf, ber als Diplomat eS lieber mit ben Kabinetten 
als mit bem Parlamentarismus $u tgun gat, bat fid) 
aud) lieber mit bem Papft als mit bem Parlament 
eingelaffen, unb barin gat er ja SRecgt, menn erjagt: 
SBaS Reifen tircglicge ©efefcc, mit benen ber Papft 
nid)t einoerftanben ift? §abe i<g ihn erft, fo mirb 
aud) baS Zentrum, mirb auch baS fatgolifcge Polt 
nac^folgen. Unb barin gat fid) gürft PiStnaref in ber 
£gat aueg nicht Perrecgnet. 

„@S ift aber niegt reegt, mit bem galf'fcgen Sgftem 
ber fatgolifcgen Kircge gegenüber $u brechen, ber eban- 
gelifegen Kirche gegenüber aber niegt. $aS fieht fo 
aus mie eine Pieoerlage beS Staates gegenüber Rom, 
mie ein ©anoffa, maS es übrigens niegt tft, benn beibe 
Steile gaben nacggegeben, fonbern ein bemugter 
Spftemmecgfel. ©S ift ein glüeflieger Umftanb, bag 


Papft unb $anj$ler baS Pebürfnig gaben fid) ju per* 
ftänbigen; baS ^ntereffe beS papftcS ift baoei ebenfo 
grog megen ber tmmer mehr geroortretenben 3 ügel* 
iofigfeit unb Unbotmägigfeit ber ©cntrumSpreffe. 
$aS ©entrum bat babei eine fegmere Rieberlagc er* 
litten, unb ber umftanb, bag ber Papft fie igm bereit 
tet, rnaegt fie bebeutenb. Pericgminben mirb baS 
©entrum aber niegt, benn eS gat gefegnterft, mie füg 
eS ift, bureg baS ^.ufammenfaffett aller fatgolifcgen 
Kräfte einen ©influg in Preugcn unb $cutfcglanb ju 
üben, unb eS mirb fid) biefeS Pergnüncn meiter gön* 
nen, menn aud) in etmaS anberer Söeife. ©cbemü* 
tgiat aber ift eS bod), unb baS ift gut. Ob eS aud) 
fonft beffer roerben mirb? Rebner jmeifelt baran. 
$aS Pergältnig $mifcgen Tcutjcglanb unb ber rörni* 
fd)en Kurie ift niegt allein burchbie Uebcreinftimmung 
beS PapfteS unb beS gürften PiSinarrf bebtngt, fon* 
bern mehr nod) burd) baS Pergältnig ber ©oangeli* 
fegen unb Katgolifen. Unb fo lange biefeS Pergält* 
nig fein beffcreS mirb, fo lange mirb oon grieben im 
Polfsleben menig $u fpüren fein." 


- » ■ « 8C83 8^ * - 

^fen< 2?ofl. 


Sur grofren (fnttufligung gereicht eS uns, bureg 
üiele 3 ufcgriften 511 erfahren, bag unfere ßefer nie $u* 
friebencr mit £>auS unb f>erb gemefen finb, als in ge* 
genmärtiger $rit. 2 öir ]inb namentlich bantbar, ju 
miffen, bag unfere SRonatSfcgrift niegt mehr als an* 
genehmer Racgtifcg anaefehen mirb, fonbern als ein 
Pebürfnig, meldjeS in ber gamilie, in ber Sonntag* 
fcgule unb in fonftiger fircglicger Arbeit eine 2Riffion 
erfüllt. 

&ucg für bie SBinfe unb Ratgfcgläae finb mir auf* 
richtig bantbar. Ob mir fie alle in Ausführung brin* 
gen tonnen, miffen mir niegt. Slber überlegt unb 
buregbaegt foü jeber Perftänbige Rath unb Porfcglaa 
merben. 2Bir fegen eS als einenigreunbfcgaftSbienft 
an, menn ein guter, brüberlicger SSinf gegeben mirb, 
unb gaben bureg folcge SBinfe fegon gar SRantgeS 
gelernt. 

„$rr neue Süben als SRiffionSfetti" Cguni fceft) 
bom ©bitor ift forgfältig unb mit Pegierbe gefefen 
morben. ©S finb ntdjt nur allein magre, fonbern jeit* 
gemage unb mistige Söorte. SBorte, in meldjen ber 
§err bem Schreiber bie ®anb geleitet ^at. Qfene Pe* 
leuc^tung jeigt SBa^r^eiten uno X^affac^en, bie nic^t 
5 U früt) aufgenommen merben tönnen. 

®aS weitere Petreiben beS SRiffionSmerteS im 
Süben füllen mir rec^t ^enlic^. $ie grage ift nun 
—mann unb mie [oß baS SBerf ©otteS über ben gro* 
gen Süben auSgeoeljnt merben? 

9luf btefe grragefinbet nun mancher ber lieben fiefer 
mo^l halb eine Slntmort, inbem man fagt: ,„ 3 l)r 
Prüber, it)r mügt eS eben t^un/' unb baS ift aud) 
fomeit redjt. 9tur fann jjdj ber Schreiber eines Seuf* 
^erS nic^t ertoeljren. 4)iefcS Unternehmen bebarf 
tüchtige Kräfte, SRänner boll ^eiligen ©eifteS unb 
botl bon SRiffionSeifer; eS bebarf äRijfionare unb 
SRifftonarinnen, bie eben um gefu mieten hingchen 


in’S meite, merte ©mtefelb. 3 tüor ift & jo fein ipin* 
auSgchen als mie in frembe Satibcr, aber immer per* 
langt eS groge SelbftPerleugnung, um neue ^RiffionS^ 
gebiete aufjunehmen, um Seelen für ben §errn ju 
geminnen unb neue ©emeinben 511 grünben. Söenn 
ich an biefeS SSert im neuen Süben beute, fo fteigen 
bie ^elbengeftalten unb Pioniere beS beutfdhen s iRe* 
thobiSmuS Por mir auf, unb biegrage ftebt bal)inter: 
§aben mir benn aud) heute nod) foldje SRämter, bie 
bie piäpe ber Pater einnehmen, menn cS an ben 
SRann geht? Qd) glaube, mir bürfen bie grage mit 
ja beantmorten, fo bag, menn biefeS 2Bert aufgenom* 
men merben foü, ber foerr aud) bie SSerfjeuge ba^u 
hat, bie miUig finb, hiuäugchen mit bem Porfap unb 
©ntfcplug—für gefum geh icg 9lUeS hin. 

BiefeS PormärtSbringen forbert aber aud) SRittel, 
ja Piele Ausgaben finb Damit perbunben. $a mug 
nun bie Äircge helfen unb cingreifen, fonft geht cS 
niegt, unb baS ©ebet ber Stinber ©otteS Darf nicht 
fehlen, benn an ©otteS Segen ift 9WeS gelegen. 

Ohne ©efahr ^u gegen in biefer Sa$e, märe eS 
PieHeicgt ber beftc 3Beg, menn bie fübli^e'beutfcge 
©onferenj einen fRem Orleans 55iftrift organifiren 
mürbe, um bie Staaten fiouifianna, SRiffifftppi unb 
Alabama aufjunegnten. 

Xie ©entral ©onferenj bat fchon eine alte@emeinbe 
in RafhPiüe, Xennefjee. ®aS fönnte für bie näcgft* 
liegenben Staaten baS Zentrum merben. Pon bort 
tonnten ein ober jmei ©onferen^ * SRiffionare aus* 
gegen, bie Stäbte unb Settlements befuegen mürben, 
mo fid) unfere beutfegen SanbSleute nieberlaffen. $ie 
St. SouiS ©onferenj fönnte für ben Staat SlrfanfaS ' 
einen 2Riffionar auSfenben. So mürbe menigftenS 
ein Anfang aemaegt in biefer guten Sache. 

$ag ber vluffegmung ber fublicgen Staaten jeben 
Xag gröger mirb, geigte Xr. fiiebgart’S Peleucg* 
tung, unb bag bie beutfege ©migration fieg megr unb 


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448 


©flfrne M 


mepr ben ©übftaaten zujiept, ift ganz naturgemäß 
unb einfacp, benn baS fianb fommt erft feit rurjer 
geit fo reept in ben ©tarft unb überall ocrlangt man 
ben beutfepen garnier unb bietet ipm unter ben gün- 
ftiaften ©ebingungen baS fianb junt Äauf an. 

gabrifen merben gebaut, ©ergmerfe merben geöff* 
net, unb unfere Äircpe tl)ut mopl, wenn fle in gett 
baS ©iiffionSmerf mit ©rnft in biefen (Staaten be- 
treibt. Xer öerr unfer ©ott pelfejemcm gion. 

©renpam, tej. SB m. © fä f f 1 e. 

ln 3. (SK 3. unb Anbere. Xie Xiara, bie brei- 
faepe ffrrone teS ©apfteS, ift baS ©pmbol ber brei- 
faepen H*rrf<paft ber köpfte über bie leibenbe, ftrei- 
tenbe unb triumppirenbe feirepe! Ufo eine päpftliepe 
Anmaßung. 

Duälgciflcr. @8 ift meit letzter im Sehen, einen 
grrtpum ju begehen, als feine ©aepe rec^t au tpun, 
benn eS gibt nur einen nötigen SBeg, aber fepr 
Diele oerfeprte SBege. XaS gilt auep oon ben leibigen 
Xrucffeplern, ber Dual ber ©eßer unb bem ©epreaen 
ber ©bitoren. ©on ben Xagen beS alten beutfepen 
©unbeS, in ben einmal eine „eilenbe SReichSarmee" 
aufgeboten mürbe, melcpe bie ßberfläcplicpreit ober 
ber SBiß beS ©eßerS in eine „elenbe iReicpSarmee" 
oermanbelte, bis auf bie ©egenmart, in melcper ber 
unglüefliepe Herausgeber eines ©roDinzial-©latte 8 in 
einem rüprenben ©aeprufe einen einflußrcicpen Abon¬ 
nenten an „allgemeiner SiebeSfcpmäcpe" fterben läßt, 
mar bie forgfältigfte ©orrectur niept im ©tanbe, fie 
gönjlid) ju oerbannen. — Auep „HouS unb $erb" be- 
anfpruept in biefern Sinne — feine ©oUfommenpeit. 
Xroß ber größten ©orgfalt unb ber genaueren Xurcp- 
fiept merben fiep hier unb ba gepler einfcpleicpen. 
Xoep mirb eS unfer ©eftreben fein, unfere ©tonatS- 
feprift auep in biefer SRicptung ju einem ©tufterblatt 
ju maepen, melcpeS in äept oeutjeper AuSbrucfSmeife 
unb in flarer, fehlerfreier ©d)rift feinen fiefern 
bie größte ©tannigfaltigfeit an unterpaltenben, er- 
baultcpen unb beleprenben Artifeln bietet. — Sollte 
unS troßbem pier unb ba einmal „etmaS ©tenfcßli- 
cpeS" begegnen, fo bitten mir unfere freunblicpen Se- 
fer, zu bebenfen, baß grren ntenfcpliep ift, unb baß eS 
auep bem reblicpften ©emüpen niept immer gelingt. 

Xer gamilirnfreunb für ©t. ©aul unb ©ftnnea- 
poliS pat eS fepon mit ber fünften Stummer auf aept 
©eiten gebracht. Unb—hübfcp gebruefte unbinbaltS- 
reiepe ©eiten finb eS. ©lücf uno ©otteS ©egen! 

©ebrauep be$ ©ibelforfAetS. ©epon oft pat HuuS 
unb Herb erflärt, baß ber ©ibelforfcper am ©üßlicp- 
ften unb ©eften gebraucht merbe, menn ßeprer unb 
©cpülexfju Haufe barin forfepenunb in ber Sonntag- 
fcpule bie ©ibel gebrauepen. 

XieS ift baS gbeal, baS giel. 

SBenn man eS jeboep niept auf einmal erreiepen 
tann, muß man baS ftnib auep niept gleicp mit bem 
©abe auSfcpütten unb eS als eine Art Xobfünbe er- 
flären, menn ber ©ibelforfcper in ber ©cpule benüßt 
mirb. Xerlei Xeflamation mag im Augenblid reept 
fcpön Hingen, reiept aber im praftifepen fieben niept 
meit. 

gum ©eifpiel: ©onntagfepul - fieprer unb ©cpüler 
fouten bie fieftion $u H au l e fo gut burepforfepen, baß 
fie in ber Schule fein anberHülfSmittel nötpig paben 
als bie ©ibel. Aber mic — menn nun niept ooer nur 
fepr oberfläcplicp geforfept mirb f ift eS in biefern gaH 
benn niept beffer, menn man etn Hilfsmittel in ber 


t anb pat, anftatt mit ber ©ibel in ber Hanb oowt 
unbertften in Xaufenbfte ju fapren? 

XaS fiepren unb gragefteHen ift eine Äunft, bie fiep 
Atoar jeber einigermaßen aneignen fann, menn man 
fiep bie gepörige SDtüpe gibt. XBirb jeboep niept gleiß 
angemanbt, fo ift eS gemiß beffer, menn man menig- 
ftcnS bie gebrueften gragen oor fiep pat. 

Auep über ben ©ormurf, baß baS internationale 
©onntagfepul * ©pftem bie ©ibel aus ben ©onntag- 
©epulen oerbränge, ift fepon oft ©rflörung gegeben 
toorben. XaS ©pftem oerbrangt bie ©ibel niept, fon- 
bem bie fieute oerriepten biefe Arbeit. Xrofebem aber 
ift nie mepr mirflidpe ©ibelfenntniß unter auem ©olf 
oerbreitet morben f als feitbem biefeS ©pftem beftept. 
Unb obgleich eS niept ooQfommen ift, fo pat eS ftep 
boep fepon gapre lang bemäprt, unb bie ©inmenbun- 
gen bagegen merben immer geringer. 

$ie neue bcutfepe Aceptfepreibuna. H au ^ un ^ 
Herb ift fepon jum Deftem gefragt moroen. marurn bie 
neue beutfepe fRecptfcpreibung niept eingefüprt merbe, 
unb einige greunbe haben fogar gebaept, baS fei ein 
Seiepen, baß unfer SÄagewin meit pinter ber geit fei 
SBir finb aus guten ©rünben niept mit Üfoeiien- 
ftiefeln oorangefepritten. Xie neue beutfepe SReept- 
fepreibung ift feineSmegS eine in Xeutfcplanb allge¬ 
mein gültige. Preußen pat eine ©tetpobe, ©aiern, 
SBürtemberg, bie ©cpmeift unb Oefterreicp eine anbere. 

Hier ju fianbe mirb HaoS unb Hetb oon ©orb- unb 
©übbeutfepen fomopl, als oon oielen ©cpmeijern unb 
Oefterreicpem gelefen, bie baju noep faft inSgefammt 
in ber alten SRecptfcpreibung unterrichtet muroen. 

AuS biefern ©runbe ift HooS unb Herb beim Alten 
geblieben. Um uns aber ganj genau 5 U überzeugen, 
mie eS braußen mit ber berußmten neuen beutfmen 
fReeptfepreibung ftept, paben mir einen unferer ©cit* 
arbeiter in ©erlin, melcper bie „© f r a cp e" ftubirt, 
beauftragt, einen unparteiifepen Artifel über bte neue 
beutfepe ©ceptfepreibung zu oerfaffen. Xiefer Artifel 
ftept in biefer ÜRummer, unb ftimmt mit unfern guten 
©rünben. 

SBenn ganj Xeutfeplanb, Xeutfep - Defterreiep unb 
bie beutfepe ©epmeij einmal eine allgemein gültige 
beutfepe IRecptfcpreibung eingefüprt paben, bann ift eS 
für bie Xeutfepen in ben ©er. Staaten an ber geit, 
nacpAumachen, maS alSbann niept bloS in ben Leitun¬ 
gen, fonbern auep in ©epul-, fiefe- unb ©efangouepern 
au gefepepen bat. ©iS iu biefer geit aber tpun bie 
Xeutjepen in oen ©er. Staaten rnopl baran, bie 9tecpt- 
fepreioung beizubepalten, bie für fie bie allgemein ge- 
bräucplicpfte ift 

Angenommene Artifel : fReligiöfe ©rziepung. — 
XieJßioniere Opio’S. — gn mie meit ift ©priftuS unS 
ein ©orbilD ?—©cpmäbijme ©pronifa.—Xer Stirepen- 
gefang. — ©tanton.—gnfeigruppe im ©t. fiorenz.— 
©taept unb ©egtn ber ©emoonpeit—©ic-©ic.—©lau- 
bereien über ©iailanb. — ©oprifepe AUertpümer. — 
grauenbübung. — fiebenbiger ©laube unb ©eelenret- 
tung.—Xie bcutjkpe ©praepe unb bie ^Reformation.— 
©efellfepaftliepe ©ebürfniffe unferer gugenb.—©piel- 
rnann’S ©oefie.—SBinona.—©emiHfommnungSgruß. 

3n bem Artifel über Sirepen unb £ircpen-©töbel 
(guli ©ummer) ftept—„eS ift n 0 cp zu münfepen, baß 
jene guten, alten 3 eiten mieberfepren;" follte gerabe 
unmefeprt peißen—„eS ift niept z u loünfepen." 

©epon Aum taufenbften ©?al paben mir gemünfept, 
baß bie Xrucffepler einmal im ©runb beS ©tcereS 
mären; aber immer noep münfepen mir. 


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AMIN-EEL 3 E N AM MI S G I S 3 IPPI 




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Xi' 

t 

Jerlin 
anb be= 
u polten. 
t ©lieber, 
„ÜDlajeftät, 
mg’ er bet 

„3n ber 
tettburn ?" 

Ujujlflnb j 

- auf ber 


Google 




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<$«!§ «tfc 

din tlluftrtrtes Jamilienblott. 


3fünf§e$nfet ^an&. §*pfmßer 1887. 'gleunfes <Äeft. 


jÜirb bir Hielt befer ober fdjledjter 1 



i fyßf 

^l-vjocf) nicht lange ^er traf ich auf 
ber ©ifenbahn einen intereffanten 
Schottlänber, metcher mir um fo 
iittereffanter Oorfam, toeil er ein 
auggefprodjener ©dhmarj = ©utfer 
(peffimift) ift. Utichtg mar ihm 
recht in biefer SBelt. 

SBir fuhren an ber Unioefität 
Delamare in 0f)io tmrbei: „Se* 
ben Sie/' fagte er, „hier mie brü= 
ben in ©uropa merben titerarifche 
«yungerleiber (Proletarier) cr^o* 
gen, bie bom SBiffen leben mollen, bag fie nicht 
befifcen unb bom ©et)irn gehren möchten, bon 
meinem Slrtifel fie nicht biel traben/' 

Der 3 U 9 fttufte an einem 2Balbfirdf)lein bor- 
bei. ,,©e|en Sie/' fprad) ber Schotte, „fo un* 
bebeutenb ift bie ff irdje in ©uropa. ©ie ift bag 
Slfdienbröbet, mährenb ihre ©tieffchmefter, ber 
Staat, jum Dan^e geht. Unb in ben Sereinig^ 
ten Staaten mirb’g halb auch nicht biel beffer 
fein, bie ©rofc unb ffteinpotitiler merben bie 
ffirche halb in bie ©de gebriitft haben." 9llg 
er barauf aufmerffam gemacht mürbe, mie bag 
unfeheinbare ff ircf)lein im 2id)t ber Sonne ben> 
lieh glänze, ba antmortete er gefaxt (eg mar 
alfo): „ga, bag ift bag SlbenbrotJ), äRorgen* 
rott) unb äJtittag finb längft borbei, bie 2Jtenfd)= 
heit fährt gen SWitternacht, unb mit ber SBelt 
geht eg fdhief." 

$at ber 2Rann, haben feine ©efinnunggge- 
troffen Stecht? S a nnb nein. ®ie hätten boll- 
fommen recht, menn auf bem Statt ber SBelt* 
gefehlte nur Sünbe getrieben ftünbe. Da 
©ott, ber $err, jebodh quer über bag ©ünben* 
blatt mit golbiger Schrift ©nabe getrieben 
hat, unb bie ©nabe mächtiger gemorben ift, alg 
bie Sünbe, fo merben bie fdEjmar^galtigen pt)i* 
tofophen fd)lie&tid) hoch nicht recht bemalten. 

©ie begehen ben geiler, immer nur bie Sünbe, 


Gtottor. 


ober eigentlich bag baraug entfprungene ©lertb 
anjufdjauen, unb feiert bie ©nabe ©otteg unb 
ihre SBirfungen gar nicht ober nur im Dämme* 
licht. 

Daft bieg eine fchiefe SBeltanfidht ift, braucht 
man nicht ju bemeifen. Slber ©uteg haben 
biefe ©chmarjgalligen hoch bemirft. ©ie finb 
bem Dufel entgegengetreten, in melden ung 
manche fepr gefdjeibte Seute miegen moöen, unb 
in metchem man träumt, bafj biefe SBelt bie benf* 
bar befte fei, unb biefelbe nichtg SBeitereg be* 
biirfe, alg ber natürlichen, fortfchrittlichen ©nt* 
midetung, um bie ©rbe ^itm unerreichten Para* 
biefe umjufchaffen. 

SBir fehen—bie einen meinen, bie SBett fei in 
ber £>anb beg Söfen unb barum müffe eg immer 
fchlechter mit berfetben gehen. Die 9lnbern 
mähnen, bie gütige gee*@ntmidelung habe bie 
SBelt in ber £>attb unb barum müffe eg mit ber* 
felben t)on einer Stofentaube in bie anbere gehen. 

Sehlgefchoffen. 

Die SBett ift meber bem S3öfen ant)eimgege* 
ben, noch liegt fie in ber £anb ber rofigen ©nt* 
mitfelungg*gee. 

©in preuf$ifd)er Sdhutbub hat einft auf bie 
biegbejügliche grage eine befferc 9lntmort gege* 
ben, alg niete biefer fchmarjgalligen ober rofen* 
launigen Philofophen. 

ffommt ’mal ber alte grifc nahe bei Serlin 
nach feiner ©emohnheit in eine Schute unb be* 
fiehtt bem Schulmeifter eine Prüfung ju halten. 
Dem fährt’g mie bag 3Wcrtein in bie ©lieber, 
er ermannt fid) jebodh unb frägt: „Söiajeftät, 
mag ift gefällig ?" „©eograph^/ fang’ er bei 
Serlin an," antmortct ber ffönig. 

„9llfo—mo liegt Sertin, ffinber?" „Sn ber 
Pronin^ Sranbenburg." „Unb Sranbenburg ?" 
„Sn Preußen." Preußen — in Deutfd)tanb; 
Deutfd)tanb — in ©uropa; ©uropa — auf ber 
©rbe; bie ©rbe—in ber SBelt. 


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450 


ÜKrb bie Prlt beffer ober fdiledjter? 


,,©ut gemacht/' fagt ber alte grip; aber jept 
fagt mir noch ein£: „SBo liegt bie SDSelt ?" 

$em Schulmeifterlcin mirb’3 angft unb bang. 
Stber feine 3[ungen3 finb gut einejerjirt. Einer 
berfelben, ein prächtiger Sodenfopf, fteht auf, 
faltet bie £>änbe, fdjaut bcm SRonardjen frifch 
in’3 Stngeficht unb fagt mit flarer Stimme: 
„öerr Sättig, bie SBelt liegt in ©otteS 
ftaab,"- — 

2)a leuchtet ein Strahl ber Stührung im Slug’ 
beS alten grip. Er legt feine £>anb auf be£ 
Knaben $aupt, fc^aut ben Sdmlnteifter eine 
SBeile an unb geht fcpmeigenb piuau». 

Seine Boltair’fdje SBei^heit h a tte auf biefe 
Slntmort auch feine triftige Entgegnung. 

SBir aber fagen: ©ott fei $anf, baß bie SBelt 
in ©otteä |>anb liegt! $a lag fie, ba biefelbe 
al£ bie benfbar befte SBelt au£ feiner £>anb f)cr> 
öorging; ba lag fie, al3 bie Sünbe bie benfbar 
fcf)techtefte SBelt barauä gemacht hotte; ba liegt 
fie heute, ba ba3 £eit mit ber Sünbe, ginfter- 
niß mit Sicht ftreitet, unb eben beßmegen, toeil 
bie SBett in ©otteä |>anb liegt, mirb ba£ Enbe 
nicht SBeltüernichtung, fonbem SBeltauferftehung 
fein. 

1 . Bonbiefent, bem 0 ffenbarung£ftanbpunft 
au§, ift ju beurteilen, ob bie SBelt fchledjter 
ober beffer mirb. Sille Slnfchauungen unb 3ted) s 
nungä = Ejcmpcl, bie ben großen SBettenlenfer 
außer Sicht laffen, machen bie Stecfmung ohne 
ben SBirtt) unb müffen fich jebeämal in’3 9Birr= 
fal verlieren. 

2. Um bie pfrage, ob bie SBelt fchledjter ober 
beffer mirb, einigermaßen richtig beantmorten 
Zu fönnen, müffen mir un3 t>or Sittern fragen: 
SBetdjeä fin$> bie ©ebanfen, bie Slbfichten ®otte£ 
mit ber SBelt; ma£ ift ©otteä SBeltplan? 

Erfd)rid nicht, lieber Sefer. E3 fott feine 
Oeriüidette SluSeinanberfepung folgen. @otte£ 
Slbficht mit ben SRenfchen ift eine ganz einfache; 
fie ftefjt gleich auf ben erften Blättern ber |>eit. 
Schrift gefchrieben unb heißt: „ßaffet un£ SRen^ 
feßen machen, ein Bilb, ba£ un3 gleich fei. © o 11 
fdjuf ben SRenfchen i h nt 5 um Silbe, 
ZumBilbe©otte3 fchufer ißn." 5)a3 
ift alfo ber 3 ^ecf ©otte§, baß ber erfte SRenfch 
unb alle feineStachfommen nach Oben, ju ©ott 
gerichtet feien. 3 h m > bem Slttmäcfjtigen unb 

f ettigen ähnlich, füllten fie mit hiutmlifchen 
räften auägeftattet, immer tiefer in bie ©e= 
heiinniffe @otte§ einbringen unb ftetä innigere 
Beziehungen zu ihm anfnüpfen. 

®ie Spotfoche, baß bie Sünbe mit ihrem 
Elenb unb ihrer Stoth bie SRenfchen au§ biefer 
Bahn fchteuberte, hot ©ott nicht üon feinen ©e- 
banfen gebraut. Er hot bie ©rlöfung ge= 
ftoffen unb in 3efu ©htifto ift ben SRenfchen 


bie SRöglichfeit geboten, ihre Beftimmung zu 
erreichen. 

2 ) iefer Beftimmung gemäß fott ber SRenfch 
mit bem SRenfchen äd)t brüberlidje ©emeinfehaft 
hoben. Er fott ein ©lieb einer großen bur<h 
Siebe üerbunbenen gamilie fein. ,,©ott mitt," 
fo fagt SRartenfen in feiner chriftticßen Sitten- 
lehre, „einen ientpel aus lebenbigen Steinen 
haben, einen lempel, ber in tiefer, heiliger Ser- 
borgenheit burch bie feiten hiuburcf) mächft, 
aber erft aläbamt, menn bie ©eftalt biefer SBelt 
Oergeht, menn ber Sag anbricht, in unoeräm 
berlinern ©tanze, in emiger ^errtidjfeit auf¬ 
gehen mirb. Saß mir in üottern Sinne beä SBor- 
teS, ftatt blinbe SBerfzeuge zu fein, Oielmehr 
©otteS SRitarbeiter an biefem Sempclbau mer- 
ben, barin befteht unfere lepte unb hödjfte Be= 
ftimmung." 

ßu biefer Beftimmung gehört atterbingä auch, 
baß ber SRenfch $>erv merbe über bie Statur, 
unb fortfehreite in Erfenntniß berfelben, benn 
e£ ftehet gef<hrieben: „SRachet fie eu^ untere 
tßan unb h^rrfchet über fie." 

Seboch ift ßeptere^ eigentlich SRittel zum 
^auptzmed. 

3 . Stach biefen großen ©runbgebanfen ©otteS 
haben mir alfo zu bemeffen, ob bie SBelt im 
Stüdfchritt ober $ortfd)ritt begriffen ift. 

®ie SBelt mag in Erforfdiungen, Erfinbun^ 
gen unb SBiffenfd)aften nod| fo fehr ooranfeßrei^ 
ten, unb fomit ba^ „machet fie euch unterthan" 
erfütten, unb im lepten ©runbe bod| fchled)ter 
merben. 

3) aö Ehnftentpum mag äußere gortfeßritte 
machen unb bie SBelt hoch im Stüdfchritt be¬ 
griffen fein. Septpin fah i^ eine Tabelle, auf 
melier mittelft garben, ^oh^u, Strichen unb 
Barren ber ungeheure (!) gortfd)ritt be3 
Ehnftenthumö Oom zweiten ^ufyrfjunbert 

auf unfere Qtit bargeftettt mar. Sta — bachte 
ich, ba fönnte ja Einer nach Slbam 3tie§ ganz 
gut auärechnen, mann ba§ taufenbjährige Steich 
fommt. 3 a mohl — menn gtnei ®inge nid|t 
mären: ^unt Erften ber Unterfdjieb ztuifchen 
äußerlichem SBachSthum unb innerli(her ©ott- 
ebenbilbli^Ieit. 3 u nt ^tueiten — bie gähren- 
ben SRäd^te ber $ötte, bie fd)on mehr aU 
einmal einen $fut)t auö einem f^einbaren ?ßa- 
rabiefe machten. 

Sie z u beantmortenbe grage lautet: 3ft 
mahrzunehmen, baß bie SRenfchen in SBirflich* 
feit in innigere Beziehungen zu ©ott treten; 
mirb ber Stame 3 e fu Ehrifti erhöhet; ift ber 
lebenbige ©taube im SBadjfen; gebest bie ächte 
SRenfchenliebe unb Oerbinben fich bie SRenfchen 
Zu gemeinfamer gottmohtgefättiger Xhötigfeit; 
ma^en mir un3 bie gortfehritte in Entbedun- 


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üirb bie Pelt brflTer ober fd|led)ter? 


451 


gen unb SBiffenfchaft im ©eiftc ©otteS 
nufcbar? 

SBcnn fo — fo ift bie SEBett im großartigen 
gortfchritt begriffen. 

Aber Sitten, ma£ Von ©ott abzieht, maS baS 
göttliche ©benbilb trübt ober zertrümmert, ben 
Kamen ©hrifti erniebrigt, ben ©lauben >*;,.■• i, 
bie ©anbe ber SJlenfchenliebe lodert, ^ m 
SK enfcßen ba^iit führt, beS SBeltallS C t:. 
vermeintlicher Alleinherrfdjer zu ntißbr 
baS ift Kiidfchritt. 

4. SBie fteljt es nun — mirb bie SEßt.? '' 
ter ober beffer? 

@S ift von 3fet)er gar langfam gegangen um 
ber ©ermirflichung ber ©otteSgebanlen. ©in* 
mal — meil ber große ©ott Kiemanben bie 
3mang3jade anlegt, fobann — meil baS ©öfe 
eine fo furchtbare 9Jtacht ift, baß mohl fein 
Stenfcß einen rechten Segriff Von ber ©röße 
biefer SKacßt hat. 

Siertaufenb 3a^re mürbe ber ©intritt beS 
$eils in bie SKenfchenmelt Vorbereitet, unb heute 
geht’S mit bem Sieg beffelben notf) fo langfam, 
baß mancher ©iner bereit ift, bie glinte in’S 
fforn zu merfeit unb zu fagen: „2Ba3 nüfct beim 
all’ bie SRitarbeit in ©otteS 9teicß, laßt uns zu¬ 
marten, maS ber $err tßun mirb." 

Unb bod) finb — menn mir in ber ©efcßidjte 
ber 9Renfcßljeit blättern, heute bie vermirflichfeit 
©otteSgebanfen flarer in berfelben zu lefen, als 
Vor gahrhunberten. ©S ftefjen Verljältnißmäßig 
mehr 2Renfd)en unb ©ölfer in inniger ©e^ 
Ziehung zum lebenbigen ©ott als je; ber Karne 
©hrifti mirb in ber ganzen SBelt geprebigt unb 
erhöbet; eS giebt verhältnißmäßig mehr SRen^ 
fdjen, bie ben lebenbigen ©lauben befaßen als 
je; bie SÖtenfahenliebe tßut troß ben teuflifcßen 
Ausbrüchen ber Selbftfncht unb beS paffes 
©roßthaten mie nie zuvor. 

gefuS ©ßriftuS ift heute nicht bloß „Sognta- 
ti!," fonbern eine Stacht, bie fich überall im ge= 
fetlfcjhaftlichen ßeben funb tßut. *J5ra!tifaheS 
©hriftenthum ift bie ßoofung unferer 3eit. SaS 
SKenfcßenleben gilt etmaS, mährenb eS nod) vor 
menig ^ahrßunberten nur etmaS galt, menn 
eS ein „hocßmohlgeboreneS" mar. Saufenb unb 
abertaufenb ber Scften aus ben cßriftlichen ©öl= 
fern betätigen fich für baS SBoßl ber ärmeren 
©olfsflaffen, ber ©efangenen, ber ffrajifen, ber 
©efatlenen unb £eruntergefommenen. 


<ßcrfönliche greißeit, biefe ©runbanlage beS 
SRenfcßen aus ber |>anb ©otteS, mirb heute 
von ben ©efeßen ber meiften chriftlicßen ©ölfer 
anerfannt. SBo mar fie vor fünfßunbert ^aßren ? 

Unb mit berfelben §anb in £anb geht ©e^ 
miffenS* unb ©laubenSfreibeit. 

i.V ,T >iv li . ‘ - t ,' v 1 . 


; t 1<*- ''KM • " ’Ki . 1 < 



Eruier oeö ^bgrunoe, Dte Den ©oben unter- 
mül)lenb, Job unb ©erberben verbreiten 
möchten. SBir erfennen namentlich, baß ein 
gar finfterer, umftürzenber ©cift burch ba^ 
|>au3 unferer ©egenmart geht, ber recht 
mohl einen fürchterlichen Sluöbruch he^orbtin- 
gen fann. 

Unb gerabe bie von ©ott gemoüte p e r f ö n - 
li(he Freiheit mirb in mahrhaft furchtbarer 
SBeife in ihr ©egentheil — in grerf^^eit unb 
SBillfür Verfehrt. bie Arbeiterfrage ift ber 
fatanifche ©eift eingebrungen. $ie fittlichen 
©olf^fchäben finb groß, ßafter unb ©erbrechen 
thum ma^en fich breit, unb ber Unglaube un¬ 
tergräbt in mancherlei ©eftalt ben chriftlid)en 
©oben. 

®iefe ©rfcheinungeit mad)ett un^ nicht irre. 
®a^ SBort ©otte§ z^ßi biefelben an. $a£ 
©ute, mie ba^ ©öfe fommt zur Keife; ba3 ©ute 
burchläuft ben geiftigen ©ntmidelung^gang ber 
©erflärung, ba£ ©öfe ben teuflifchen @ntmide= 
lung^gang ber ©ernichtung. 

Ünfere 3^it ift eine 3^it ber ©cheibung unb 
©ntfeheibung. SBeil im Keiche ber Wahrheit, 
im Ausbau beS KeicheS ©hrifti, großer gort= 
feßritt zu ßnben ift, meil bie mähren ^üuger 
©hrifti nicht vergeblich arbeiten, eben beßmegen 
Zeigt fich e ^ue ftarfe ©emegung ber ©eifter ber 
Untermelt. 

SBaS ift unfere Aufgabe? Sie liegt flar auf 
ber £anb. SBir hüben unabläffig zu arbeiten, 
fo lange eS Sag ift. Ser ©lid auf bie tro^ige 
©egnerfd^aft barf uns nicht fchreden; baS gort- 
f^reiteu beS ©uten foß uns ermuthigen, unb im 
Aufblid zu 3h m , ^ em Anfänger unb ffioüenber 
unfereS ©laubenS, miffen mir, baß unfere Arbeit 
nicht Vergeblich ift in bem £>errn. 



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452 


Jto Sdpümitmtyt unfern Jlreiigerhinber. 


Per $d)uluutemd)t unferer prebigerkin&er. 

(gfcitor. 


ftr * ^ ^' cr öott ^ er t ft 1 1 e n 
Krziehung bie SRebe fein. ®ie 
mirb meiftenS im #aufc beforgt unb 
- 5 mar ^n ^ßrebigerpufern toenig- 

v* [tenS fo gut als anbersmo, ober auch 
noch um ein paar ®rab beffer. (gelingt eS 
bann nicht immer, mie Sater unb äRutter eS 
münfehen, fo mufe man baS nicht mir SRichtS, bir 
*Ridf)tS auf bie fBrebigerredjnung fchreiben. 

Aber, mie gefugt, mir reben tjeute nicht oon 
ber djrifttidjen ©rjie^ung, fonbern Oom © cf) u 1* 
u n t e r r i ä) t ber Sßrebigerlinber. 

Könnten unferefßrebiger in einer Drtfdjaft, 
ober nur in ein unb bemfetben Kountp 
ober ©taut fo lange Oermeilen, bis ihre Kinber 
ben not^menbigen Unterricht in ben greifd)ulen 
genoffen* ^aben, fo böten fidf) nicht größere 
©chmierigleiten, als bei anbern ßeuten. Ober 
meun unfere fßrebiger betreffs beS ©inlommenS 
fo geftellt mären, baf) fie ihre Kinber eine 3 e ü 
lang in ßehranftalten unterhalten tonnten, fo 
märe hierburdj geforgt. 

Aber eS mirb auch fai ber größten, aufopfemb- 
ften ©parfamteit nur menigen unferer fßrebiger* 
gamilien gelingen, ihre Kinber in ßehranftalten 
Zu unterhalten, menn fie bie Koften bafür gaitj 
Zu beftreiten hüben. 

$em erfolgreichen Unterricht unferer fßre= 
bigerlinber in ben fßubli!fd)ulen fteHt fich baS 
beftänbige 3iehen hiubemb in ben ffieg. 

®iefeS |>inbemif3 ift beim beutfehen 3tcife= 
prebigtamt ein oiel bebeutenbereS als beim eng* 
iifchen. ®ie englifchen Konferenzen liegen jept 
meiftenS innerhalb ber ©rennen eines Staates, 
unb oft finben fich brei unb mehr Konferenzen 
in einem unb bemfelben Staate. S)ie Kinber 
ber englifchen SReifeprebigcr erfahren befchatb 
bei Umzügen leinen bebeutenben SBechfel im 
©chulfpftem, Schulbüchern :c. 

Setreffs ber beutfcheit Konferenzen ift eS an- 
berS. ®ie ©renzen ber Kentral beutfehen Kon¬ 
ferenz berühren z* ©. nicht meniger als acht 
Staaten. Aehnlid) oerhält eS fich mit ber öft= 
liehen unb anbern beutfehen Konferenzen. 

®aS ©pftem beS Schulunterrichts, bie Schul¬ 
bücher, bie ßehrmethobe finb in ben Oerfd)iebe- 
nen Staaten burdEjauS nicht gleid). 2)ie ©rfor- 
berniffe beS SReifeprebigtamteS gebieten aber 
öfters Umzüge, bie ben ©chut-Unterricht bebem 
tenb ftören. 2Ran lommt mit 4—6 f<hulpflid)ti= 
gen Kinbem plöplicf) in einen anbern Staat, mo 
ganz anbere ©df)uloerhältniffe h^rrfchen, anbere 


SRethoben üblich finb, unb anbere ©djulbüdjjer 
gebraucht merben. Ohne Serfchulbung oon ir* 
genb einer ©eite lann eS ba leicht Oorlommen, 
bafc Kinber eine ober Klaffen zurücfgefefct 
merben. ©efchieht biefeS burch bie Umzüge zmei 
ober breimal mährenb ber Schulzeit, fo trifft eS 
fiel) teid)t, bafj Kinber ber SReifeprebiger 15 ober 
16 3ahre alt merben, ohne baS gelernt zu h a * 
ben, maS man bem Alter nach ermarten foHtc. 

3 <h hübe lein *ßh a utafiebilb gemalt, fonbern 
nach bem ßeben gezeichnet. 

SRiemanb ift mof)I im Allgemeinen mehr bar- 
auf bcbad)t, als ber SRcifeprebiger unb feine 
©attin, ihren Kinbem ben beftmögtichen Schul¬ 
unterricht z u oerfchaffen. Son leinen anbern 
Kinbem ermartet bie SEBelt mehr ©rtenntnift, 
als oon ben Kinbem ber fßrebiger. „2BaS," 
rief einer meiner alten ßehrer oft fpottmeife 
einem *ßrebigerfohn z u , bejfen ßettion öfters 
„hintte," „maS, eines Pfarrers Kinb, unb hoch 
fo bumm!" 

S)ie ÜRenfdjen ermarten, bafc <ßrebigertinber 
tüchtig unterrichtet feien, unb finb zu biefer Kr* 
martung ber lanbläufigen Anficht nach bered)* 
tigt, obmohl auch h^ er loie überall Oiel unberedj* 
tigte Anfprüche gcltenb gemacht merben. 

333 ie jeboch foßen bie Sleifeprebigcr unter ben 
gegebenen Serhältniffen für tüchtige Schulbil¬ 
dung ihrer Kinber forgen? SRir ift’S mie ein 
SBunber oor ben Augen, baf) 0erhältni6mä§ig 
fo Oiele berfelben fic| re^t gute Kentniffe am 
eignen unb ich lann bieS nur ber barmherzigen 
©nabe ©ottcS unb ber 2:reue ber Kltem zu- 
fchreiben. 

®a§ jeboch bebeutenbe ßüden Oorhanben finb, 
unb fi(| äRangel offenbart, mer moüte eS leugnen ? 

ffiie biefem 3Wangel abzuhelfen fei, biefe grage 
hat fdjon manchen meitfichtigen, marrnherzigen 
SRann befd)äftigt. 

©ine ber erften Unternehmungen ^ohuuneS 
SBeSlep’S mar bie ©rünbung einer Schule. „Qd) 
mug ni<ht bloS," f^reibt er, „ein diriftlicheS 
Kofiegium für’S Soll grünben, fonbern bazu 
fehen, bag bie Kinber meiner Sßrebiger, biefer 
armen SBanberer, gut unterrichtet merben." 

Unb er fah bazu unb grünbetc bie KingSmoob 
Schule. Sie mar oiele Qahre lang bie ßaft 
feines ßebenS, unb er gab lange 3 C ^ Alles, 
maS er erübrigen lonnte, biefer Schule. Später 
halfen bie reichgemorbenenSBeSlepaner mit grofc 
artigen ©aben. §eute ift KingSmoob eine 
Schule, mie man ihresgleichen in ©nglanb fo 


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$fbrrrhi?;en aus brat JlorbrotJttn. 


453 


teilet nict>t finbet. SSoit j»ei bis breifjunbert 
fßrebigerfinbern »erben bafelbft unentgeltlich er» 
jogen, inbem felbft bie ffoft be$al)lt wirb, unb 
tcon ben tüchtigften £el)rem in allen gädjern beS 
SBiffenS, in alten unb neuen Sprachen, in Sölufit 
unb äRalerei in unübertrefflicher SBeife unter» 
richtet. S)iefe ffingSttoob » Schule ift für bie 
SBeSlehaner in Snglanb jum großen Segen ge» 
»orben. fRüfcliche Saien, mächtige fßrebiger, 
getreue aJliffionare, fdjtagfertige SRebafteure unb 
tüchtige $rofefforen finb in Schnuren aus ihr 
heroorgegangen. Ser SBeSletjanifche 2Retf)o» 
biSmuS Wäre ohne biefe Schule taum baS ge» 
worben, WaS er fe^t ift, unb wenn SBeSlep 
nichts vollbracht hätte, als bie ©rünbung biefer 
Schule, fo hätte er ficf) allein baburdj als weit» 
fichtiger ©eneral im ffirdjenlager beroiefen. 

gn ben Ser. Staaten liegen bie Serf)ältniffe 
j»ar etroaS aitberS als in ©nglanb. Unb boch 
bieten manche englifche Sehranftalten ffinbern 
ber SReifeprebiger aus oben angegebenen Ur» 
fachen befonbere Sortheile. 

^uch mehrere unferer beutfchen Sehranftalten 
thun meines SBiffenS baffelbe, unb jtoar mit 
Vodern 9techte. 

®o<h, foüte nicht noch utel» gefchehen? 
Schreiber biefeS hulbigt j»ar feineSmcgS bem 
Slnfinnen, gebermann guten Schulunterricht 
gleichfam auf bem fßräfentirteder umfonft unb 
für ÜRichtS aufjubrängen, fonbern ift ber 2Rei» 
nung, bafj ffemttniffe viel tjöfjer gefdjäht toer» 
ben, wenn ©Item unb ffinber auch Opfer bafür 
bringen. 

$och — auch biefe Opferbarbringung hol 


ihre ©rcnjen, unb ich »erbe babei immer an ben 
alten Sßater Saplor in Softon erinnert, »elcher 
einmal über biefeS Sh etn a tebenb, fagte: „Sie 
9teu = Snglänber haben es mit ihren Opferftu» 
benten fo »eit gebraut, baß in ben Slboofaten» 
unb 'S oftorftu ben, fo»ie auf ber ffanjel, be» 
häutete ©eiftlein ftet>en, bie fo „üeropfert" finb, 
ba§ fie faum einen lauten Son Von fich geben 
tonnen." 

gm oorliegenben gälte hanbelt eS fich um 
SchutbilbungS»@elegenheit foldjer ff inber, bereu 
©Item um beS fperrn unb ber ffirche »iden ein 
aufopfernbeS SBanberleben üon Staat ju Staat 
führen, nnb beffhalb nicht in ber SBeife für ben 
Unterricht ihrer ff inber Sorge tragen fönnen »ie 
Slnbere, bie beftänbig an einem fßlajje »ohnen. 

SBirb, fann gemanb et»aS triftiges einmen» 
ben, »enn bie ffirche unfern fReifeprebigern, in 
bem ebten Seftreben, ihre ffinber gut ju unter» 
richten, ct»aS hülfe? 3Rir bäucht, es fodtc fich 
gebermann barüber freuen. Sagt un§. biefe 
wichtige grnge in SrufteeStcerfammtungen ber 
Slnftalten, fo»ie fonftig priöatlich unb öffentlich 
frifch unb franf befprechen; lagt uns auf SRittel 
unb SBege finnen, bamit halb jebem unferer 
beutfchen fReifcprebiger — nicht ohne jegliches 
Opfer oon feiner Seite — »enigftenS bie 2Jlög» 
lichfeit geboten ift, feinen ff inbem ben gehörigen 
Schulunterricht ju oerfchaffen. 

SBäre folche ßülfe ein entwürbigenbeS Sltmo» 
fen? ffeineS»egS. @S ift ein Sribut, »eichen 
»ir ben gegebenen Serhältniffen bringen, eine 
»eife SDtafcregel, bie in mancherlei fpinfidjt oiele 
gute grucht bringen wirb. 




fci>rrf!tt??cn am bem Horbmefleit 

8rür #au$ nnb gerb Hott Garl 3. Kliert. 


idjt naef) fjofjer 2llpenfirm, rno bie fcf)ncege- 
gefrönten Sergriefen wie 2Bad)poften be3 
SBeltatlS ftet)en; nid^t fru ben SJterfmür* 
bigfeiten be£ ?)ofcmitetljal3 mit feinen mächtigen 
gelämänben unb äBaffcrfäden, führen biefe 
len unb Silber ben Sefer. SBarum fo meit, 
menn ba3 Sdjöne, ©rfjabene unb SDlcrfmürbige . 
fo naf)e liegt? gfinbet man ni<f}t überall etma» • 
für ©eift unb £erj ? meint man nur int* I 

mer ber Siatur unb bem ©eifte etmaä ablaufcfjcn ! 
fönnte! Umfonft ^or^t man ni<f}t, menn man 
©mpfinbung f)at für be3 SBeltallä großen 
3Reifter§ SBerfe. 


„©djmeigt, ifjr ©inne! $iefe beil’ge ©tätte, 

2 Bo mein ©eift, entbunben feiner £üüc, 

©id) ber reinften ©eligfeit erfreut; 

2 öo er auf ber Knbadjt leifen ©Amingcn 
©trebt *um $$ater ber ^atur ^u bringen, 

©ei bureb feinen ©rbentanb entmeibt." 

„©orgenlo^, ficb felbft ^urücfgegeben, 
stimmt er au§ bem engen, bumpfen fieben 
Unberborben feinen ftiden ©inn; 

93oCt ißertrau’n, bergeffenb feiner ©cbraitfen, 
©cbmingt er fi(b im 9ieict)c ber ©ebanfen 
Siö ^um ^öcbften afler ©eifter bin." 

So beuft man mit bem Siebter, menn man 
hier auf ljol)er gelfenburg, an 300 gu§ über 


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454 


Ifrüerfki^en aus bem Jgorbroeflen. 



ben SBafferypiegel bc« mächtigen SWtffiffi^pt^ 
Strom«, bcr ©infamfeit in bic 2lrme faßt. 

£ier, in ber ^eimatfj ber rotten ©eher, bic 
auf fledjtenbebecften Reifen blüht, unb, mit 
Säuseln in ben Klüften unb Stiffen feftgeflam* 
mert, ben ©türmen ber ^ahrhunberte Srofc 
geboten — t)ier ift ein SJtuheptäfcdien für ben 
finnenben ©eift. Utidht« ftört bie Stille. 
9lur muntere Sögel hüpfen hie unb ba in ben 


3toeigcn ber lebensnahen ©eher; ein Schmetter* 
ling im bunten ©etoanbe fitest bie ©üfeigfeit im 
Welche ber Stume; $u ben güfjen regen fid^ 
©ibechfen, bie fid) in ben ©onnenftrahlen haben, 
©onft ift 2lße« ruhig untrer, als feiere bie 9ta* 
tur ihren ©abbath. 

SBie bie ©ebanfen eilen! Qnxüd gur Qe\t 
be ©oto’S, toelcher mit feinem ritterlichen©efolge 
$um erften 8Ral in 1541 biefen Stiefenftrom, ber 
511 itnferen ftitften fließt, bettntnberte. ©r bleibt 
bettmnbemStoerth• 3ft er nicht, mit feinen Sie* 
benftüffen, 35,000 Steilen fchiffbar? 91 och uor 
^nmn^ig fahren tonnte man beit eintönigen 9tuf 
be« glöfiet« l)ören, ber, im ©inftang mit bem 
©eplätfdjer beS großen fientruber«, in ben 
©fluchten ber Serge miebcrl)aUte. $a* ntar 
bem Seben am »iiffiffippi eigen. ®och ba- ift 
«tteS anber- getuorben. ®er raftlofe ©eift ber 
©egenmart hat Sangemeile auf bem glofe mit 
ber Strömung ju geljen; eS muff mit ®ampf» 
traft getrieben toerben. 2 )af)er ficht man nun 
baä teudjenbe fcamnfföiff bas glofs öor ft<f> 


ft man auf ber rechten ©eite beS glufieö. 
im ©trom liegen bic fricblicfjcn Qfnjeln. 
meibet fid) bas Singe an ben ©efilben 
in’S. SDtcilcnmcit jdjroeifen bie Stufe 
Serge, Spüler, ülirdjen, ©Rillen, ©5t» 
efen, farmen, ftabrifen, — Silles liegt 
idjöncr Seppid) auögcbrcitct ba, bis ber 
: ©cpleier ben Süden binbert, Weiter $tt 
Sod) mir tniffen: aud) tiiutev bem 
'letperfdjlcicr fctjlt beS £>ücf)ften Segen, 


$cr 9Rabdjenfelfen am SRifjUftypt. 


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?tber0rf#m am brat Jiorttoeftra. 


455 


fjäßrt matt ftromab* ober aufmärtS, meid}’ 
ein feltfameS Silb entrollt fiel) oor beit Slugen! 
gilt *ßanorama oßne gnbe! 3 n fefa/ reich an 
Äßora uitb SBeiben; ©anbbänfe ßocß aufge^ 
fpült ober betrügerifdß unter bem SBafferfpiegel 
öerbedt; auf beiben ©eiten ßoße gelfenufer, 
abtoecßfelnb mit tiefen ©chludßten, too ba3 ®un= 
fei unter bidßtem Saubbacß feiten oorn £icßt 
öerfdßeudßt mirb. $ie Hütte be3 biebern Sltfer* 
mann3, ©täbte, in benen regeä Seben entfaltet 
toirb, bie au3 bem Saubtoer! ßeroorragenben 
ßircßtßürme, beerben oon Stinbem unb ©cßa* 
fen, rußig grafenb — Sllleä beutet auf bie ©e= 
gentoart beä cioilifirten SRenfcßen, auf bie ©eg* 
nungen be3 ©oangeliumS. SBetcße Umtoäljun' 
gen sießn an unferm ©emütß oorüber! SRodß 


ungeftört. Siele feiner Srüber toaren feßon 
mcitcr toeftmärtä gerütft. 

ßb ißm meßt bie SBatoa—bie toilbe ©anä — 
auf ißrent jäßrlicßen gluge baran erinnerte, baß 
auch er halb toeiter müffe, toeil baä Sleicßgeficßt 
ißn gar hart brängte? SBie meßmütßig rnag’3 
ißm getoefen fein, ba3 Sanb feiner Sugenb unb 
bie ©räber feiner Säter oerlaffen ju müffen. 
SBär’3 äRancßem nußt ebenfo lieb, toenn *ßaugutf 
— ber lob — in’S SBigtoam geflaut hätte, 
um ißn nach bem feligcn Sagbgebiet $u bringen? 

®iefe SBilbniß ift ^um ©arten getoorben. 
$a3 SBigtoam hat ber Slodßütte be3 SlnfieblerS, 
unb hernach bem gemütßlicßen Heim beä toeißen 
3Ranne3 Sßlafc machen müffen. SBie oeränbert 
SlUeö! $urcß einen 3 a wberf(^lag? 3a, bureß 



9m Vtiffiffiwi. 


üor fünfzig 3aßren feßaute ber „rotße 9Rann" 
Oon biefer gelfenburg hinab. 

®a3 ßanb um ißm her unb jenfeitä be3 
StuffeS mar fein 3<tgbgebiet. Ungeftört tonnte 
er feiner alten SBeife nach leben. SRocß ftörte 
ißn ber fcßriHe <Pfiff ber fiofomotioe meßt. SRocß 
fomtte er fein 9Ronbamin — 9Rai£ — pflanzen, 
toelcßeS er als eine befonbere ©abe beS ©itfeße 
HRanito — beS großen ©eifteS — anfal). 

3)aS maren tooßl für ißn ertoüufcßte 3eiten, 
in melden er bei ftiller SRacßt bem unheimlichen 
9tuf ber ftofofoßo — ©ule — laufcßte; obet; 
am füllen Suw^&enb bie äBamatßctfie — 
geuerfliege — bemunberte; ober auch in bem 
Simpeln beS SlbenbtoinbeS — feinem SRinne; 
mama — bie Stimme beS großen ©eifteS $u 
oemehtnen bad)te. $odß lange blieb er nicht 


ben 3<ntberfd)lag ernfter harter Arbeit, gebul* 
bigen Harrens unb inbuftrieöer Sßätigfeit! 

$ie ©ebanfen eilen oon ßrt ju ßrt, üon ©e= 
genftanb $u ©egenftanb. — ^tie unb ba fieht 
man nod| baö einfame ©rab eine3 ^Jioitierg, 
ber oor oier^ig 3 rt t) ren c i nc ^eiinftätte im 
SBeften auffuchte. ßb er mohl fein 3iel erreicht ? 
ßber h<U er feine Hoffnungen müffen mit itt’3 
©rab nehmen? SBer meiß! ®a§ ©rab hält ©et 
heintniffe, bie e^ nicht hergiebt. ®ann benfr 
man, allein ruhen, ift auch rußen, menn nur 
maßr ift, ma§ fo oiele ©rabfteine fagen: „H^e- 
rußt in ©ott." H at nidßt einer ber erften 
Pioniere be^ SRetßobi^mug, ber regfame 
$r. Sofe, feine Stußeftätte in ber Siefe be3 
SReere^ gefunben? 

9Ran finbet fieß faunt nod| jureeßt. Unb boeß 


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456 


üintita, eine 3nbiantr*£egtitlk. 


finb bcr Qapre niept oiele, bic amifcpen „9lmto 
Saaumat" urtb bent 3ept liegen. ©emiffe SRerR 
male pabcn fiep bem ©emütpc fo eingeprägt, 
bafj ein 931icf auf jene ©egenb genügt, um tau* 
fenb ©ebanfen macpaurufen. — Sort ftept noep 
baS leibpafte SlodtfcpulpauS, in meinem ber 
®nabe faß unb oerfucpte, fiep burcp baS £abp* 
rintp beS „©inmaleinS" pinburcp 5 U arbeiten. 
Ser SRorboftminb pfiff burcp bie Deffnmtgen ber 
SBänbe, bafj bie £>aare um ben ®opf flogen. 
SaS ging SllleS —ging’S jept noep?— 3u* 
genblicpe Sraumbilber, mo feib ipr? SBie niete 
finb oermirflicpt? — SBie oiele niept? 

Sollte eine SSlocfpütte eine ©efcpicpte paben? 
SBarunt niept? ©inb benn bie großen — unb 
Reinen ©eifter allein an <ßaläfte gebannt?— 

Sort, unmeit im SBalbe, ftept eine einfame 
^iitte mit einer Spür unb einem falben genfter. 
2BaS, menn ber enge Staunt reben tonnte? 
Sen Stamen beS ehemaligen SefiperS mollen 
mir mit bem SRantet beS ©cpmeigenS $ubecfen, 
aber bie ffltoral möcpte nüplicp fein. §ier ift 
baS Sibetmort erfüllt: „Ser ©eia ift eine SBur* 
gel alles UebelS" unb „Sie fammeln, unb mif* 
fen nicf)t, mer eS paben mirb." 

Ser ©eltfante mar ein gunggefetle non etma 
50 3apren. Sropbem ereignete fiep pier baS 
Unerhörte, bafc er menigftenS brei ober nier 
3apre ftiöftanb, unb 36 3apre alt toor! Sie 
Reine aufammengefeprumpfte ©eftalt quälte fich 
jahraus jahrein mie ein ©Rane. Sie greife 
für fein £>ola tnaren nie hoch genug, bis er enb= 
lieh ben niebrigften ^SreiS für baS auSgemitterte 
SDtatcrial nehmen ntufjte. Sagte man: baS ift 
meijj-, fo behauptete er fteif unb feft, eS fei 
fepmara. 9Jlif$trauen gegen alle 2 Jtenfcpen. @0 
nerfchrumpft fein SleufeereS, fo eingefepruntpft 
fein inneres. Son ©ott mochte er nichts mif* 
fen. ©intabung 511 m ©otteSbienft im obigen 
©chulhaufe, fchlug er ab. „Sie Seute mollen 
nur mein ©elb - finb alle feuchter." ©0 ner= 
gingen 3 a h re * ®urcp ©ntbeprungen gefepmäept, 
ging’S fchnell mit bem ©reis bergab. 3Rüpfam 
fcpleppte er fich bapin. 

,/DZancper £>unb lebt beffer als er/' pflegte 
man au jagen. SRanpat iptt, eine SBocpe mopl, 
nicht gefepen. Neugierige ©cpulfinber mollen 
in bcr SJtittagSftunbe ben alten — mal be¬ 
fugen. Sie Spür ift oon gnnen leicpt oerbar^ 
rifabirt. ©iner ^toingt ben $opf burcp bie 
Dcffnung unb fiept, mie er auf feinem elenben 
Säger liegt. 

©S mar fpät am Stacpmittage als einige s Racp= 
barn perbeieilten, um naepaufepen. Sic Spür 
mirb aufgebroepen. SBelcp’ein Slnblicf! ©praep^ 
loS lag ber ©leitbe ba, fepeinbar in bem lepten 
perben SobeSringen. 6 r ftöpnt unb aerrt. 


SBaS ber gelitten, meife ©ott allein. Sie raupen 
SBänbe finb blutig, unb bie abgeriffenen gingen 
nägel geugen oon einem fcprecRicpen Sfatnpf unb 
©nbe. @S mar noep Sag, aber picr mar’S 
oollenbS SRacpt gemorben.—@S mar noep Sicpt, 
aber pier lagerte fiep eine biefe ginftemife — 
„baS Sunfel ber ginfternifc in ©migfeit." 

9luf feinem ©ut oon öierjig Slcfem, auf mel- 
epem SJlancper pätte bequem leben tömten, ift er 
mopl in ber lepten Äranfpeit oerpungert. Unter 
feinem Säger fanb man einen Saften mit ©olb, 
Silber unb anberen ©elbarten. £ier unb bort 
oerfterft, fanben 9?acpbam ©egenftänbe, bie 
ihnen abpanben gefommen. SBelcp’ eine Sepre! 
Urtpeilen mollen mir niept, aber — ift eS niept 
fdpreettiep ? 

©ente menben mir uns pinmeg oon biefer 
©cprecfenSftätte unb mcilen noep einen 2tugen* 
blidf in einem anberen Slocfpaufe. SBie oft er= 
fcpoö ©otteS Sob innerhalb jenen SBänben! 3n 
ben ©rbauungSftunben fang man, naep einer 
SKetobie, ein englifcpcS unb beutfcpeS Sieb. SBer 
ni(pt in englifeper ©praepe beten fonnte, ber be^ 
tete in ber 9JZutterfpracpe. 

Unb ©ott fegnete feine Sinber. — gn mei* 
nem ®ebäcptni§ lebt no^ frifcp bie ftiUe, freunb^ 
liepe, fromme |>auSmutter. Sie SeibenSjeiten 
blieben auep biefem anfprud^Slofen §eim niept 
fern. Sangfam fieepte fie bapin. Stupig unb 
gelaffen parrete fie auf ben Nuf ipreS SZeifterS. 
SaS SeibenSlager mar jum ^immelsoorpof 
gemorben. Sie ©epnfucpt mueps mit jebem 
SeibenStage. 

„3cp möcpte heim, mich äiept’S jum 5öaterpaufe 

©nblicp piefe eS: ,,©S ift genug." Sann 
mar’S ÜJZittagSpeHe in ber ©eele, als fie bie 
$üllc oerlie^, um emig in jenem obem Sicpte 
für immer ben £errn 3 U loben. 

3 a, baepte icp, ob in ber S 3 locfpütte ober im 
^Salaft — baS Sterben ift boep unterfd|ieblicp. 

SaS finb fo ©ebanfen, bie, mie ©eifter aus 
oergangenen Sagen, auf bcr gelfenburg mir 
jUflogen. 


HHnomi, ritte InDinncr = ^rgettOe. 

giir @aud unb §erb mitgctpeilt bom Sor’Ie. 

inona mar ein inbianifcpeS SRäbcpcn, unb 
gepörte ju bem ©tamme Safota. 3 n 
jebem ßcitatter unb unter allen 93 ölfern 
finbeu mir äepte grauen, bie fiep burep Unfdhulb 
unb Steinpeit ipreS ©paraftcrS auSaeicpnen, unb 
na<p §öperem fuepen, meldpe ©parafteraüge feine 
ÜDZacpt beS |)eibentpumS auSlöfd[|en fann. 

©ine folcpe Jungfrau mar SBinona, bie bilb=. 



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— »lg 




SBnuma, eine 3nbianrr*£rgenbe. 


457 


fdjöne SBinona. ©ie batte Diele Semerber. 
©a mar (ein Krieger, melier nicht ftolg gemefen 
märe, bie fdjötte SBinona in feinen SBigroam ein' 
guführen. 

Slber Seiner fanb ©unft in ihren Singen, 
©ie fab e£ ja täglich,baß biegrauen ihres ©ol- 
feS bloße ©ttaoinnen maren. Sebft ber grauen* 
arbeit mußten fie bie gange Slrbeit ber SRänner 
thun, baS gelb befteQen, bie £>äute gerben, baS 
$olg harten, SBaffer tragen, fo baß ibr armer 
Süden gefrümmt mar Don ben fchmereit Saften. 
SBährenbbem lagen bie Srieger im Schotten unb 
pflegten ber Ruhe. 

SBinona mar ein Sinb ber 9tatur. ©ic liebte 
eS, bie ©Inmen auf ben ^Jrairien gu flicken unb 
in ihrem leichten Sahn fid) auf bem SRiffiffippi 
gu fdiauteln. gn ber Sacht liebte fie es, nach 
bem ftembefäeten $immel 51 t bliden, unb fie 
glaubte, bie Sterne mären Slugen ber ©nget. 

SBinona, obgleich ein :gnbianermäbchen, mar 
boch leine £eibin. ©ie mar bie treue ©d)üle* 
rin Dffeo’S, beS älteften Propheten it)reSStam= 
nteS. ©r belehrte fie über ben alleinigen @ott, 
unb liebte fie mie ein ©ater. 

SllS Dffeo noch fehr jung mar, tarn ein alter, 
meiner 9Rann gu feinem Stamme, um biefen ar^ 
men, in ber SBilbniß lebenben ignbianern Don 
bem alleinigen ©ott unb bem Sünberpeilanb gu 
fagen. ©ie Steiften moHten SichtS babon hö= 
reu unb ©icle mißhanbelten ben guten SRann, 
allein ber junge Dffeo liebte ihn unb nahm feine 
Sehre gu £ergen. 

©er meiße SSann blieb bei ihnen, bis er 
ftärb, unb nachbem er gur Suf)e gelegt mar, 
mürbe Dffeo ber Sehrer feinet ©olfeS. SÜS 
SBinona mit Dffeo befannt mürbe, mar er alt 
unb fchmad); er hatte nie an ben Kriegen feinet 
Stammet genommen, beßtjalb Derachtcten 
ihn bieSrieger unb haßten ihn in ihrem £>ergen. 
©ie armen grauen liebten ihn, benn er fagte 
ihnen oon einem Sanbe, mo fie crlöft Don allen 
Seiben unb ©rangfalen biefen SebenS für im¬ 
mer frei unb glüdlid) fein füllten. 

$auptfäc$!i<h nahm SBinona biefe Sehren mit 
großer Segierbe auf, benn ihr geiftigeS ©ebnen 
ging meit über baS ^rbifdje hinauf. SBenn er 
ihr baS ©lüd ber Seligen Dormalte, fo meinte 
fie Dor greuben, unb menn er ihr erzählte Don 
ben glüdlichen SBeißen, bie in einer anberen 
|)immelSgegenb mohnten, unb bie ben allein^ 
gen ©ott anbeteten, fo fprang fie Dotier Se^ 
geiftentng auf unb rief: „Saß mich gu ihnen 
gehen, mein ©ater." 

©ie faß täglich gu ben güßen ihres SehrcrS 
unb fümmerte fic| nicht um ihre Dielen ©e= 
merber. 

Stber einer fanb ©nabe bei ihren ©ttern unb 


fie befahlen SBinona, baß in bem SRonb ber fah 
lenben ©lätter, menn ber gange Stamm fich auf* 
machen mürbe nach ben mefttichen <ßlainS, um 
bort ben Sßuffalo gu jagen, baß fie bann müßte 
bie $anb beS ©oopunfah nehmen als feine grau. 

©ie $eit !am, alles mar befchäftigt fich auf 
bie große $agb oorgubereiten. Dffeo mürbe 
mit ben Sitten unb Sranfen gurüdgelaffen. „Sch 
Derlaffe bich nicht, mein ©ater," rief SBinona, 
als er ihr ben Segen gum Slbfcßieb geben moUte. 
©ie Stunbe gum Slufbrud) mar getommen. 

„Stern ber ©rairie," riefen hunbert Stimmen, 
„mo bift bu?" UeberaH mürbe SBinona gefugt, 
aber oergebenS. 

ßulefct fagten bie ©uchenben: „Unltaha, ber 
©ott beS gluffeS, nahm fie hinüber in baS Sanb 
ber Seligen." Unb ein allgemeines SBeinen 
unb SBehflagen erfolgte. 

©oopunfap, ber ftolge Krieger, mar mie um* 
gemanbelt, ber ftolge Schritt Dermanbelte fich 
in einen langfamen unb bie Suft mieberhatlte 
Don feinem fläglid^en @el)eul: „SBinona, SBi¬ 
nona, motlte ich toäre auch tobt, mie bu." 

SBinona mar nicht tobt, Don einem getfen im 
SRiffiffippi faß fie ihren Stamm fortgiehen nach 
bem fernen SBeften. SU» bie lefcte ©eftalt in 
ber gerne Dcrfchmanb, ftieg SBinona herab unb 
ging gu bem SiBigmam Offeo’S. 

„SBarum Dergogeft bu, meine ©ochter," rief 
ber gute SRann, ,,id) bin gu Richte mehr nü£e, 
als gu fterben." 

„©erbeute es mir nicht," fagte fie, „ich muß 
bei meinem ©ater bleiben." 

©in fcßredlid) talter SBinter mar es, ber Don 
ben ©ispaläften beS SorbenS h.evniebeijblie^. 
©ie Sitten unb ffranten ftarben eins nach bem 
anbern, bis gule^t nur Dffeo unb SBinona übrig 
blieben. 

©3 nahm bie gange Sraft biefeS ftarfenSRäb* 
djenS, ihrer beiber Seben gu erhalten, ©ie be- 
hing ben SBigmam mit ©h^rhäuteu, melcße fie 
mit eigenen £>änben gegerbt hatte. SRit ihrer 
fteinernen Sljt fpaltetc fie ba^ |>otg, melche^ fie 
Dor bem ©rfrieren bemahrte. Sie machte Deff= 
mtngen in ba^ hart gefrorene ©i3, um bie gifche 
mit ihrem Slnodjenhafen herauf gu holen, metche 
ihr tägliche^ Rahrung^mittel maren. 

©» mar felbft für ein ^nbianemtäbcheu ein 
fehr hartem Seben unb hoch tlagte fie nid)t. 
©egentheit mar fie fehr froh, baß ihr ein paar 
Stunben blieben, mo fie bei bem geuer gu ben 
güßen if)re3 SefjrerS fißen unb hören tonnte 
Don bem Sanbe, mo bie ©hinten nid)t oermetten, 
mo emiger grü^ting ift. 

Stber Dffeo mar am Sterben, ©er fchmadje 
SebenSbod)t mar am ©rlöfdjen; fein £>erg f)\n$ 
an feinem geglichen fi inbe; er backte an ihr 


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458 


9a< ieftonent eint* 8tfiin»tr». 


©cbidjal unb er »einte, benn er mußte, bag 
»penn igr Sater jurüdfebren unb fie am Beben 
finben würbe, bag il)re ©träfe |"d)redtid) fein 
würbe. 

„SRein St inb," faßte er, „Wenn id) nicfjt mefjr 
bin, fo fei nid^t traurig, benn id) werbe um bid) 
fein, ©o halb bu fieljft bic Srbbceren blühen, 
gebe ber aufgebenben ©onne entgegen, gebe ju 
bem »eigen 2Ranne, bort wirb man bir oon 
bem alleinigen ©ott fagen." 

Dffeo ftarb. (Singebütlt in ibr beftcS ißelj» 
wert legte ibn SBinona in ben Schnee jur Stube. 

©o halb fie bie erften S8tütt>en ber (Jrbbeere 
fab, machte fie ficb auf bie Steife, ber aufgel)cn= 
ben ©onne entgegen, ©ie toanberte mit einem 
üertlärten Bädfjeln babin. 'fSlöblid) bört fie 
einen fdgredlicbcn ©ebrei. 3b r ^>erj ftoeft itjr 
in bem Seibe, benn fie fennt nur ju gut bie 
©timme. 3)er ftolje Xoopunfal) tommt im 
©cbnedfibritt auf fie ju. SBinona ftanb am 
Ufer beS ÜRiffiffippi, nabe babei ragte ein b°be* 
Reifen empor, ©ie fab, bag loopunfab immer 
näher tarn. „Srbarme bicb meiner, o SJater im 
£>immel," rief fie, unb mit auSgeredten 8lr= 


men lieg fie ficb hinunter in bie bunfle glutg. 
—©erabe als Xoopunfab feinen StreiS erreichen 
wollte, oerfdjwanb fie oor feinen Singen. SBil- 
ber wie je erfdjoU fein Stuf: „SBinona, SBinona." 
(Sr erjäblte bem beindebrenben ©tamm ihr 
©cbicffal. loopunfal) War oon nun an ein fin= 
fterer 2)1 amt unb tapferer Krieger. 

SBinona ertrant nicht. 811$ fie ficb fidjer 
glaubte, febwamm fie an ba$ Ufer unb Wanberte 
ber aufgebenben ©onne entgegen, bis fie bie 2ln= 
fieblnngen ber SBeigen erreichte. 

3 b r lieblicher Eb ara fto uub bie Steinheit 
ihrer ©eele, fowie ihre groge ßembegierbe ge- 
wannen ihr überall bie ^erjen. 

©ie würbe eine ausgezeichnete ©chülerin unb 
nachher ßebrerin ihres eigenen SSolfeS. ©ie 
{ehrte nie ju ihrem eigenen ©tamm jurüd. ©ie 
unterrichtete bie ©tämme in ber ©egenb beS 
grogen Stiagara, wo ihr Slnbenfen lange oerehrt 
Würbe. 

2lHe, bie ben nörblichen SRiffiffippi hinauf» 
fahren, werben ben Qungfrauenfelfen fegen, unb 
auch bie fdjöne ©tabt SBinona, bie ju ©gren beS 
3nbianer»2RabchenS alfo geigt. 




§as Ürftnrneiit eines „Murners.“ 


SRadfet nidft Diel fteberlficn, i 
©treibt auf feinen Seubenftein: 
.,®iejer ift ein OTenfcf) fletDffen, 
unb baö tjei&t ein Stampfer fein!" 

f eß fannte ißn feit einigen Rohren. ® r wohnte 
einem gflur mtt mir, faft ißür an Xßür. 3d) 
hörte ißn jeben borgen langfam, mtt feftem Stritte, 
bie Xreppe binabfteigen, unb jeben Slbeub, furj naeß 
fecßS Uljr, horte icß, mieer mieberin fern Heiner Qm* 
mer trat. 

©in aJtann, im ©eginn ber günfjig, ßocß, breitfcßul* 
terig, mit auSbrucfSooflcn, energijeßen 3ügen, bereu 
entfcßlofjener (Smft bureß melancßolifcße, träumerifcß 
bliefenbe klugen anjießenb gemilbert mar. $)aju ein 
Heiner, jarter meiblicßcr aJtunb unb eine oerjcßleierte 
Stimme, mie fie attenfeßen mit traurigen (Srinnerun* 
gen eigen ift 

Cb er folcße (Erinnerungen hatte, mußte id) nießt. 
3 d) mußte überhaupt menig ober oiclmeßr gar nicßt$ 
oon ißm. ©egegneten mtr uns im Xreppenßaufe, 
ma§ nteßt eben häufig oorfam, fo mecßfelten mtr, mie 
e3 unter Stacßbarn gebräuchlich ift, ein paar gleicßgüU 
tige, banale Lebensarten. Slbcr feine ftifle, ttt fid) ge= 
feßrtc 5lrt, meldje fo feltfam mit feiner s Jkrföitlid)fcit 
fontraftirte, joa mid) immer oon feuern unb immer 
ftärfer an. 3$ hätte gern meßr oon ißm erfahren, 
aber er mich allen 3lnlnüpfungSpunfteit aus, unb id) 
mußte mid) mtt ber Hoffnung begnügen, baß irgenb 
ein gufafl ben Scplcicr, ber über bem einfamen, ein* 
fieblerifdjen geben unb Treiben beS Cannes lag, liif= 
ten mürbe. 

3>er 3 u faU, melcßer ißm bie Sippen erfdjloß unb 
mir ben (Einblicf in bas innere eines ber ebelften 


SKenfchen, benen ich je in meinem Seben begegnet bin, 
gemährte, trat in ber oorigen SBoche ein. @r roirb 
ißu mit bem geben bejahen, unb 2)aS, maS er mir in 
ber fttßen aibenbftunbe, bie ich, on feinem ©ette fipenb, 
oerbraeßte, oon bem Gingen unb Streben feiner 3üng* 
lingS* unb aKanneSjaßre erjäßUe, ift fein Xeftament. 

Sin plöblicßer, heftiger Scßlaganfall hatte ben 
attamt ju ©oben gefällt, unb bie aierjtc geben feine 
Hoffnung, baß er bem ßeben erhalten bleibe. 
Segentßeil, fie geben genau bie 3 a *) 1 *> er ^ a 9 c an, 
naq beren Lblauf baS ußtmerf fttu fteßen mirb. (Sr 
mirb ben näcßften Sonntag nießt erleben. 

(Sr ßat nur menige ©efannte, unb menn icß in ben 
lepten Xagen in fein gimmer getreten bin, ßabe icß 
ißn allein, nur in ©efeßfeßaft etnrö mürrifd)en £ran* 
fenmärterö, gefunben. (Sr fühlt, baß e3 mtt ißm ju 
(Snbe geßt. (Sr ließt ber Äataftropbc mit ber rußigen 
©efaßtßeit be^ 3Betfen entgegen. $n ben erften Sa» 
gen, naeßbem ba^ tücfifcße Selben ißn ergriffen hatte, 
lag er ftifl mit gefcßloffenen klugen in ben meißen&ij* 
fen jeineö bürftigen Sagerö. 5lber geftem, aB icß 
mieber an fein ©ett ßerantrat unb ißn naeß feinem 
©cßnben fragte, minfte er mir, mid) ju fepen. 

„Sie maren feßr freunblicß ju mir/' fagte er, naeß* 
bem icß feiner ©itte ftolge geleiftet hatte, mit leifer, 

| faum oerftänblicßer Sttmmc ju mir, „unb icß miß 
Qßnen heute jum Xanf für ba^ ©ute, ma^ Sie mir, 
bent &rentben, ermiefen ßaben, (Stmaö iagen, baä Sie 
oft an mieß jurüefbenfen laffen mirb. ^Ser Slampf 
feßeint für mieß oorüber ju fein,—unb icß banfe telott 
bafür!" 

(S3 mar feßon faft ganj bunfel int gimmer. Scßnee 
unb Stegen flatfcßten an bie Scheiben; bie ©orte be§ 


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Pas Srßanunt tints „ffiräumfw.“ 


459 


jterbenben Sttanneg rangen fieß müßfatn unb in langen 
Sßaufen non feinen bleicßen Sippen. 


„ÜRein ©ater mar ein alter, eßrlicßer Abolitionift," 
tagte er, „jeber geit bereit, für bie große ©aeße ber 
©flaücnbefreiung mit feinem ©lute einpfteßen unb 
bafür ©elb ßerpgeben, fo oiel er, unb oft meßr, alg 
er tonnte. gcß ßabe in meiner $inbßeit oft beiße 
Xßränen über bie armen Wegerfinber üergoffen, unb 
manchen ©trumpf geftrieft, bamit bie tleinen jeßtoar* 
$en Äerle nicht barfuß laufen foUten. 

„Aber alg icß aept gaßre alt mar, ba lourbe mir 
tlar, baß eg noeß öiel feßlimmere ©flaoerei auf biefer 
drbe gibt, alg biejenige, unter toelcßer bie Weger lit* 
ten, unb baß meine arme, gute ÜRutter unter geffeln 
litt, melcße fie p ©oben brüeften. ÜRein ©ater mar 
ein gartner uno fie mußte bag ganp gaßr fieß ab« 
plagen unb quälen, big ißr Würfen trumm unb ißre 
ibänbe laßm mürben. Wie nannte fie aueß nur einen 
Srnt ißr ©igen, jebeg ©rfpamife mürbe ber großen, 
heiligen ©aeße gemeiht, unb fie gab eg gerne. ÜRein 
©ater mar oon ©ßrafter aug nießt bögartig. (Sr mar 
nur, mie jmei drittel alter mir befonnten garmer 
fmb, ängftlicßer um feine Sßiere alg um fein SBeib 
beforgt. üfteine 9Rutter mar eine aroße, feßlante 
grau, mit einem leießten ©cßritt unb Augen, fo tlar 
roie ein ©acß. 

„Alg icß acßjeßn gabre alt mar, ftarb fie. gcß 
tooütf nicht garmer meroen, unb beforgte ben tleinen, 
meinem ©ater geßörenben ©tore. gn ber ©tunbe, 
in toelcßer icß pm leßten SRale ißre ©timme ßörte, 
fügte icß p ißr: „SBag icß nießt für Sicß tßun tonnte, 
Butter, miü icß oerfueßen, für bte arbeitenben grauen 
im Allgemeinen p tßun, fo lange icß lebe." 

„gcß ßabe, mag icß meiner fterbenben Butter in bie 
ertaltenbe §anb gelobt ßabe, p ßalten üerfueßt unb 
bin barüber ein bettelarmer ÜRann gemorben. gcß 
mußte, eg ift oft genug ber eigene geßler ber grauen, 
toemt fie ißre gungen nießt leßren, unjelbftfücßtig unb 
rüdficßtgboli p jein, aber in ütelengäuen ift©etooßn« 
ßeit, Srabition unb bag ©efeß gegen fie unb maeßt eg 
ißnen unmöglicß, bie betten p prbreeßen, bie fie felbft 
gefcßäftig für bte fommenbe (Generation feßmieben. 

Sroß all* meiner Sräume unb pßilantropifcßen 
Xßorbeiten lebte boeß ber Srang in mir, möglicßft 
öiel ©elb p oerbienen, gcß berlteß bag $eimatßborf 
in meinem einunbsmanäigften gaßre unb ging naeß 
?ßilabelpßia. Alg meine tleinen ©rfparnifje aufae« 
äeßrt toaren, gelang eg mir, in einer ©eifenfabrif un« 
tertunft p finben. Ser ©igentßümer, ein alter Cuä« 
ter, mar ein guter ©efannter meineg infltoifeßen oer« 
ftorbenen ©aterg gemefen. (Sr gemann gutrauen p 
mir, gab mir ©elegenßeit, mieß ßeraufparbeiten; 
naeß menigen gaßren mar icß Sßeilßaber an bem gro* 
|en ©erninn abmerfenben ©efcßäfte unb ßatte, menn 
tcß nur mollte, für mein ganpg tünftigeg Sehen aug* 
fleforgt. 

Aber jener ©eßmur, ben icß meiner 3Rutter gelobt 
atte, ließ mir feine SRuße. SerCluäfer mar ein cßren* 
öfter SRann. ©r glaubte naeß eßrlicßem ©emifjcit 
leine menf(ßlicßen mie gefcßäftlicßen fßfließten ganfl 
unb ooü p erfüllen. SBenn ©ie je in einer ©eifen* 
fabrit maren, miffen ©ie, mie eg ba augfießt. ^ie 
“Üume, in melcßcn bie ©eife abgetüßlt unb gefeßnit^ 
ten mirb, fittb bijßt mit 9Räbcßen gefüllt, ^ie Un= 
f c .naen bezogen ein ©eßalt üon brei big fünf Sollarg 
bie ®ocße unb mußten oon fieben Ußr SCRorgeng big 
feeßg Ußr Abenbg arbeiten. Sie Auffeßerin mar ein 
Ptdcßtigeg (Gcfcßöpf; fie ßatte Äopf unb £erft auf bem 
reeßten glede. @g mar, ©ie bürfen eg mir glauben, 


teine leichte Aufgabe, unter ben fortmäßrenb plap* 
pernben, feßmäßenben, lärmenben SRäbcßen Drbnung 
p halten, aber ber gelang eg. 

unb gegen Abenb muroen aueß bie milbeften unb 
auggelaffenften biefer jungen (Gefcßöpfe ftill unb lenf= 
fam. ©ie maren eben oig auf ben Sob ermübet. 
©ie foUten moßl nießt mübe fein naeß einer Arbeit, 
mie fie ißnen täglicß aufgebürbet mürbe! 3eßn ©tun« 
ben lang oßne Aufßören $eßn ©funb feßroere ©eifen« 
maffen oon einem Sifcß ^um anbern fcßlcppen über 
einen ©oben, ber oon ben Abfällen fo glatt mar, mie 
eine blante (Sigfläcße, bag maeßt mübe, glauben ©ie 
mir! ©obalb bie ©eife abgefühlt mar, mußte fie mit 
©apier ummicfelt unb in ©cßacßteln eingepaeft mer« 
ben, fünf ^funb in ber SRinute, 300 ©tunb in ber 
©tunbe. Sie äßenbe ©oba in ber ©eife färbt perft 
bie SRägel orangegelb, unb frißt fieß bann tn bie gin« 
gerfpißen ein, big biefelben ju bluten anfangen. 

,4>ier unb ba feßrie ©ine auf, bag fam aber nur 
ielten oor. ©g maren tapfere, beßer$te SRäbcßen. 
9Rein £>er* tßat mir meb, menn icß fie Abenbg aug 
bem Arbeitgraum ßeraugfchleicßen faß, fo mübe, fo 
gebeugt, alg menn gar fein Öeben in ißnen märe. ÜRur 
SBenige ßielten längere geit aug. Sie (Getoanbteren 
fueßten irgenb einen ©eruf, ber ißnen einen größeren 
©rmerb fieberte, bie Unfähigen, melcße mir entlaffen 
mußten, gingen nur p oft unter, gcß füßlte, mir 
hatten eine moralifcße ©erpfließtung gegen bie armen 
Singer, icß Jagte mir Sag unb vfaeßt, mir müffen 
ißnen, bie für ung arbeiten, ein beffereg, menfeßen* 
mürbigereg Soog bereiten; fürjere Arbeitgjeit, beffere 
Sößne, irgenb ein Antßeil an bem ©erbienftc, melcßeg 
ißrer |)änbe Arbeit ung einbringt. 

„greunb ^ßeter, mein ©artner, fcßüttelte ben ÄopJ, 
alg tcß ißm oon meinen ©emiffengbiffen fpraeß. '©ie 
leben gut genug/ mar bie Antmort, 'Su mußt Sir 
feine foaialiftifeßen ©rillen in ben $opf feßen." 

'gcß meiß 9cicßtg oon ©ojialigmug/ fagte icß. 'gcß 
miü nur ©ereeßtigteit unb Su miUft fie aueß. gür 
bie menfcßlicße unb gerechte ©eßanblung ber feßmar« 
pn ©rüber unb ©eßmeftem ßaftSu gefampft, marum 
miUft Su ben meißen ©eßmeftem ißr fRecßt oorent* 
ßalten 

„'Sag ift Unfinn/ ermiberte ^ßeter. 

„gcß hielt noeß eine geit lang aüg, icß lief mit mei* 
nem Äopfe gegen biefe Sftauer oon Unüerftanb unb 
©igennuß, big $opf unb ®era munb unb franf maren. 
Sem alten Ouäfer mar eg genug, baß er pünttlicß be« 
^aßlte unb feinen Stunben gute Saare lieferte. Unb 
alg icß ißm eilieg Saaeg jagte, baß, menn er feinen 
armen, unterjochten Arbeiterinnen feinen Antßeil am 
©erbienft gemäßre, berfelbe gleicßfam auf SRaubfhftem 
beruße, antmortete er rußig: 'gcß miü Sicß nießt 
jmingen, länger an bem SRaube Sßeil p neßmen. 
©eße Seine SBege unb fueße Sir einen Darren, ber 
naeß Seiner oerriieften ajteiobic tan^t/ 


Ser Ä'ranfe feßmieg erfeßöpft einige Minuten, icß 
riiefte ißm bag Eiffen preeßt. Sag grelle ßießt einer 
fiampe blißte in biefem Auaenblicfe in bag bunfle 
gimmer, icß faß bei ißrem ©eßeine, mie bie Augen aug 
bem bleicßen Antliß beg ©terbenben in munberbarem 
©lanp ßeraugleucßteten. jftaeß einer furpn $aufe, 
beren ©tiüc nur bureß bag leife Sief, Sacf ber Ußr 
unb bie feßmeren Atßempge beg Uranien unterbrochen 
mürbe, fußr er fort: 

„gcß ging unb fueßte. gcß fam naeß Wem $ort 
unb ba icß bag ©efcßäft genau fanute, fanb icß halb 
gentanben, ber mieß gern alg Affocie in feine girma 
aufnaßm. Ser 9Rann mar ein menig älter alg icß 


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460 


ßat Srftamrnt eines „Sräiuntrc.“ 


unb fcpien über baS ©ooperatiofpftem ttrie id? zu ben* 
fen. ©S festen aber nur jo, benn als id) meine3been 
öermirtlicpen wollte, fließ id) auf benfelben Siber* 
ftanb tote in ppilabelppia. 

„34 lebte nue ein ©tnfiebler. XeS XageS über im 
©efepäfte, benüßte icp bie Nächte, um bie gange focial* 
öfonomijepe grage burepzuftubiren unb immer flarer 
lourbe mir, baß eme Mitbetpeiligung ber arbeitenben 
Strafte am ©eminne unoermeiblicb fei. 34 mar in 
feiner ©ile. 34 begriff, baß bie geutc aud) für bie 
cooperatioe Qbee erft erzogen merben müffen. Aber 
id) jagte mir, probiren gebt über ©tubiren. 34 
berfuepte einige anbere ©eifenfabrifanten für meine 
Pläne ju gemmnen, aber DergebenS, id) prebigteüber* 
all tauben Obren. 

„Einige Arbeiter maren mir bon ppilabelppia nach 
Nem ?)ort gefolgt, ©ie mußten in tenementbäufem 
mobnen, ba bie ©enoffenfcpaftShäufer, mie fie bort 
jebeS ©emerf bat, hier fehlten. Um bem abjupelfen, 
mietbete icb ein großes $auS unb richtete baffelbe be* 
baglicb ein; id» felbft bemobnte nur ein fleineS ßim* 
mer, möbrenb ich alle anberen Näume beu Arbeitern 
unb Arbeiterinnen *ur Verfügung fteüte. ©in 3ün* 
mer mürbe jum gefefaal beftnnmt, unb jroeimal in 
ber Socpe pielt ich bort Vorlefungen über allgemein* 
belehrenbe ©egenftänbe. 

„gür bie grauen unb Mäbchen richtete id) ein Hei* 
neS ©peifezimmer ein, bamit ftc nicht auf bie Neftau* 
rants angemiefen maren. ©in roärmenber Ofen, ein* 
fadjc Xifcpe unb ©tiible, aber gutes, nahrhaftes ©ffen 
Zu ben biUigften ^crftellungSfoften.... Aber eS 
ging niept. Senn ben Räbchen etmaS nicht fd)mecfte, 
fo marfen fie eS auf ben Poben, ergingen ficb in 
Schimpfereien unb ich fah balb ein, baß id) fo nicht 
meiter fommen mürbe. SaS ich ihnen fagte, mar in 
ben Sitib gebrochen unb nur feiten fanb ich in ihnen 
ben Sinn unb baS Perftänbniß bafür, baß id) eS gut 
unb ehrlid) mit ihnen meine, ©ie moUten fürjere 
Arbeitszeit unb mehr ©elb, baS mar AUeS. Mit ben 
Scannern ging eS beffer unb fie fpradjeit oft ernftlid) 
mit ben grauen. Aber alS ein fcpledjteS ©efcpäftS* 
jahr fam, fagte mein Partner: '©S ift ein »erloreneS 
Spiel, eS ift beffer, $)u aibft eS auf/' 

,,©r trat aus bem ©efepäfte aus unb id) berfuepte 
mein Jg>eil allein. 3)ie beften geute blieben bei mir, 
mir arbeiteten hart, bie Seife, melcße mir lieferten, 
mar gut, unb mit einigen ©orten machte ich Diel ©elb. 
Aber auf bie 3>auer fonnte ich mit 3 e nen, melcpe 
©chuubmaare lieferten, nicht fonfurriren. Mein ©elb 
fcpmolz unb ein Pranb,—angelegt burd) einen Arbei* 
ter, melden id) megen jahrelanger Unehrlid)feit ent* 
lafjen hatte—machte Allem ein ©nbe. Mein Unglücf 
ftieß nur auf ©epabenfreube. geh hatte ben Nuf, ein 
geinb ber gabrifanteu zu fein, meil id) mich bemühte, 
meinen Arbeitern bie Prinzipien ber ©ooperation zu 
lehren unb hierfür ju mirfen, mo immer id) fonnte. 
3d) hatte bafür mit folcpcr Anftrengung aller meiner 
Strafte, meines ganzen SefenS gearbeitet, baß ich für 
irgenb eine anbere greube bcS gebenS feine 3eit ge* 
funben hatte, 34 hatte meber Seib noch Stinb, ich 
molltc cS nicht leicht haben unb fuepte mein ganzes 
©lücf nur barin, meine Mitarbeiter glücflich z u ma* 
d)en. „$er Träumer," höhnten Alle, bie mid) fann* 
ten, achfelzudeitb, menn bie Nebe auf mich fam. 

„Nach bem Vranb mar ich ein Schiffbrüchiger. 34 
nahm eine Stellung in einer ©eifenfabrif an, oerließ 
fie aber fdjon micber nad) einem Monat, benn id) 
fonnte bem betrüge nicht zuftimmen, unb betrug mar 
in jebem pfunb Seife, meld)eS oerfauft mürbe, geh 
berfuepte es anbersmo, mit bemfelben Nefultat. ©in 
greunb fagte zu mir: 


,/©ei fein Narr, 3)u tannft nicht gegen ein ©pftern 
anfämpfen/ 

„'34 merbe fämpfen unb menn ich »erhungern 
füllte, geh oerfaufe meine Seele nicht um einen 3u* 
baSlohn. $)ie Reit fommt, menn biefe Verrottung 
aufp'ört. Unb ich habe eS meiner fterbenben Mutter 
gelobt/ 

,,'®u berfeperzeft 5)ein ©lüd/ riefen mir meine 
Vefannten zu. '$öre auf unfere bernünftigen 
Natpjcpläge. Sir leben in ber Seit, nid)t in uto* 
pien/ 

'Sir leben in ber §öUe, bie mir felbft für 3eber* 
mann gemacht haben/ fagte ich, v öie einzige, mirfliche 
Seit ift bie Seit, melcpe auf Sahrheit unb ©ereep* 
tigfeit gegrünbet ift. AtteS Anbere mirb fich als falf<p 
ermeifen/ 

„Um meine ©runbfäfce zur Xpat merben zu laffen, 
habe ich toeiter gefänipft, raftloS unentmegt; ich habe 
AUeS ocrloren unb in einem Armenfarge merben fie 
mich hinauSfchleppen. 34 pn&e bie lebten 3<4 rc 
gebarbt, unb id) banfe ©ott, baß ber Stampf nun oor* 
über ift." 

©eine Stimme nahm einen feften, faft freubigen 
Stlang an, ber bleiche Mann fah in bem gerabc feine 
bunflen Augen treffenben Sampenfchein mie ein Pro* 
Phet aus, ber mit ©etjerblicfen in eine glücflid)e 3^ 
funft fdjaut. 

„Sagen ©ie ihnen," fuhr er fort, „mein Sehen fei 
nur fepeinbar ein oerfehlteS gemefen, ich habe meinen 
9Jad)folgem ben Seg gebahnt, ©ooperation mirb 
fommen. ©ie muß förnmen. ©S ift baS 9?aturgefep. 
©S ift ber einzige pfab, meldjer aus bem ©eftrüpp 
herausführt, in meinem mir manbern unb fämpfen 
unb fterben. 3^ mürbe taufenb geben freubig ba* 
hingeben, menn ich öie Männer unb grauen, bie eS 
leicht unb gut im geben haben, lehren fönnte, mie 
melje, mie bittermehe bieArmutp tput. 3^ rc Unmif* 
fenpeit ift ipr glud). geprt eS ihnen, fo Diel fie fön* 
neu, für bie Armen, bie .^eimatplofen zu forgen, fiept 
fie an, ju iprem eigenen ©egen, zu beffern, zu helfen! 
glept fie an, zu ftiioiren, mie §ülfe gebracht merben 
fann, fiept fie an, niept einfach z u fagen, baß ®ülfc 
unmöglid) ift, fonbern zu benfen, zu ftubiren, zu grii* 
beln, unb bann zu tpun, maS in ihrer Mad)t ließt. 
©S ift mein leftteS Sort,—ein armes Sort, aberport 
eS! Arbeitet bafür, fterbt bafür, menn eS nötpig ift, 
benn bie Hoffnung eines Mannes, baS geben eines 
Mannes, menn immer er meiß, maS mapreS geben ift, 
fann nur auf biefem Streben anfent!" 

Xief erfepüttert briiefte ich ipnt bie ,*panb. ©r fpraep 
fein Sort mehr. 3cp fap, mie er bie Augen fdjloß, 
unb nach menigen Augenblicfen hörte id) an feinen 
Atpemzügen, baß er eingefcplafen mar. 

3d) ftanb leife auf unb ging, ipn ber Sorge beS 
SärtcrS überlafjenb, in me n Rimmer. 34 fepte 
mid) an baS genfter unb bliefte hinaus. 3)aS llnmet* 
ter patte aufgepört, unb ein paar Sterne blieften, 
freunblicp grußenb, auf bie Stabt perab. ©S mar 
ftitt unb fricblidp um mid) per,— aber mein £>erz mar 
Doll zum 3<*fPringen. Sirb baS Vermächtniß beS 
fterbenben Mannes bort in bem Nebenzimmer Der* 
pallen in ber meiten Ocbe, — fruchtlos, ungepört, mie 
bie Stimme bcS PrebigerS in ber Süftc? Ober mirb 
baS ©amenforn auf einen fruchtbaren Voben fallen 
unb eine föftlicpe Saat zeitigen, fegenbringenb für 
fonimenbe ©enerationen? Ser fann eS fagen V £>of* 
fen mir, baß ber Mann nicht umfonft gefämpft unb 
geftrebt pat. Unb ber ©laube an bie 3ufunft ber 
Mcnfcppeit flüftert uns zu, baß er niept in einer $äu* 
fepung oon pinnen gepen mirb! 

VelL 3oum. 


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JU* StantoM's frbrn. 


461 


JCuö Stauton’ö f eben. 

Srur $au6 uub ftcrti non 9t. Vlubbemauu. 


f ic ber Slame Sincoln mit bcr ©efämpfung 
ber Slebellion auf baS ^nnigfte öerbun- 
ben ift, fo auch bcr 5Rame ©tanton; ba- 
her ift eine ©fizze feinet Sebent aus je* 
ner bebrängten 3eit gemig millfommen. 

gr mar bamalS ungefähr fünfzig Qaljre alt, 
bis ©rau beS ©arteS unb |>aareS Tieg ihn aber 
älter erscheinen. gr mar non Heiner, gebrun* 
gener ©eftalt. Sie ©time mar öoH, bie garbe 
ber Slugen, bic man faft immer mit einer Söriöe 
bemaffnet fanb, mar braun, ©eine ©brache 
toar langfam unb gemeffen, unb feine Stimme 
batte er fo tmUfommen in feiner ©ernalt, bag er 
Zu jeber 3eit irgenb ein ©efiibl in fie hinein 
legen fonnte. ©eine ganze grfcheimmg mar 
ftolj unb mürbeooll, unb gar mancher hod)= 
müthige ©efudjer, ber in gebieterifchem Sone 
bor ben 3Rinifter trat, fchlich fich Heinlaut aus 
feiner ©egenmart hinmeg. 

gS fam häufig öor, bag ©oten Pom <ßräfi* 
benten fich geberbeten, als ob bie ©räfibenten* 
SBürbe auf ihnen ruhe. $Run, folcge Herren 
tarnen beim ftriegSminifter übet an. Sa ent* 
fpann fich mohl ein 3toie0efpräch mie baS fol* 
genbe: 

„3Rein $err, bic ©ache mirb ihre grlebigung 
finben." 

„SBann, £err 3Rinifter?" 

„Äann’S noch nicht fagen, merbe Sie aber 
baöon in S'enntnig fefcen, menn ich eS fü r nötgig 
finbe." 

„?lber ich nerftanb ben ^ßräfibenten, bie ©ache 
fofle fofort erlebigt merben." 

„geh habe fein folcheS ©erftänbnig ernpfan* 
gen." 

„3BaS! ©ehorcht man in biefent Separte* 
ment nicht ben befehlen beS *ßräfibenten?" 

„3ch merbe nicht mit ^hnen baS ©erhältnig 
biefeS SepartementS zum ©räfibenten erörtern." 

„Sehr mohl ich merbe bem ©räfibenten mit* 
theilen, baß feine beftimmten ©efet)le feine ©e* 
achtung finben." 

„■äJtadjeit ©ie, bag ©ie." braufte 

bann ©tanton auf. 

aReiftenS genügte ein SBort, ein ©lief,. um 
§errn ©tanton in |mrnifch zu bringen, Sann 
flog bie ©rille bie ©tirn hinauf. SaS aiuge 
flammte unb bie ©eficptSmuSfeln gueften. Ser 
Slang ber Stimme mar fdjärfer, ohne bag fie 
lauter mürbe. Slber fchnett mie er gefommen, | 
legte fich ber Sturm aud) mieber. |>atte er in 
ber grregung 3emanb Unrecht getban, bann 
mar er auf’s Sleugerfte bemüht, eS fo Diel als 


möglich mieber gut ju machen. Unb fein erfin* 
berifcheS $erz fanb 9Rittet unb SBege, ben ©e* 
leibigten auS$ujöf)nen. 

Siefe Dtei^barfeit lägt fich mohl jumeift auf 
feine zerrüttete ©efunbheit zurüdführen. gr 
litt ferner unb beftänbig an Slfthma, moran er 
auch ftarb. 3tueimat hatte er bei feiner airbeit 
einen grftidungSanfaH, bennodj mollte er nichts 
öon Urlaub miffen. „©arneS," fagte er ge* 
möhnlid), „erhalte mich am Seben, bis bie 9te* 
beHion üorüber ift, bann mill ich ntir 9tuhe gön* 
neu." Unb manchmal fügte er traurig hinzu: 
„vielleicht eine recht lange." 

SeS aRinifterS Seiner mar im zweiten 
©toefmerfe gelegen. gS mar höchft einfach aus* 
geftattet. gS ftanb mit einem ßimmer, baS 
Sincoln vielfach benupte, in ©erbinbung. 9Sie 
fo manches ernfte unb büftere ©efpräd), mie fo 
manchen Seufzer, haben biefe 3immer öernom* 
men. £ier beriethen bie z^ei 3Ränner über 
9Rittel unb SBege, baS brohenbe ©erhängnig 
abzumenben. Cb $err ©tanton an jene Sage 
badjte, ba er, über ben ©arg beS Sßräfibenten 
gebeugt, in bie fchmerzlichen SSorte ausbrach: 
„Sich, teurer greunb, eS ift nun feiner, ber mir 
©eredjtigfeit miberfahren lägt, feiner, melcger 
ber SBelt fagen fönnte, melch’ bange ©tnnben 
mir mit einanber burcglebt haben." 

Um neun Uhr begann bie airbeit im $epar= 
tement, unb ba 9liemanb mugte, mie halb ber 
SRinifter ba fein mürbe, befleigigte fich 3eber 
ber *ßünftlicf)feit. ©or bem ©ebäube fdjon 
harrte feiner ein ganzes |>eer üon Sittfteüern. 
3Rit geübtem ©lief mählte er bie heraus, beren 
gad befonberS gile z« haben fchien. ^haen 
ertheilte er fofort ©efdjeib, bie Slnbern mugten 
im gmüfangSziinnter märten. Sie ©eoorzugten 
maren in ber Siegel franfe ©olbaten, ober 
Kranen unb 3Rütter, melche oermunbete ©olba= 
ten pflegten, ©egen baS Sllter zeigte er ftetS 
finbliche ©hrfuregt. 

^>err ©tanton mar leutfelig, bennoch mar eS 
ihm unmöglich, bie vielen hunberte von täglichen 
©efudjen perfönlich entgegen z« nehmen. Sie 
minber midjtigen hatte golonel Harbin abzufer^ 
tigen. fchmierigeren gälten hatte er fich beS 
SRinifterS ©efet)le zu holen. 

©unft elf Uhr trat biefer in’S gmpfangSzim= 
mer. 3 un äd)ft mufterte er bie Slnmejenben, 
hörte bann ben ©eridjt beS aufiiehthabenben 
Offiziers unb fobann minfte er bie gtnzelnen 
Zu fich heran. 3 ue rft bie ©olbaten, bann bic 
einfach gefleibeten grauen, bic 8lnt>ermanbte oon 


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462 


%u* Stanton’s feben. 


©olbaten zu fein fd)ienen. ©ing ein ©olbat an 
£ rüden ober geigte er fonft Reichen üon ©chmädje, 
bann trat ber 2Rinifter zu itjm. SBenn if)m ein 
gatl oon befonberer Sfu^eic^nung öorfant, bann 
fprad) er fi<h barüber mit einigen treffenben 
SSorten lobenb aus, unb forberte zur $Rad)ah* 
mung auf. 

dreimal jebe 2 Bod)e machte er auf bent 
SRarfte ©infäufe. Die 93erfäufer maren in ihrer 
©pmpathie geteilt, |>err ©tanton üerftanb e3 
aber, fein ©efpräd) Sebem unzupaffen. ©3 
machte ihn Vergnügen mit ben füblid) ©efinnten 
ZU ftreiten. 9luf ade mögliche SBeife fudjten fie 
if)n auszufragen, um fobann bie SRachricht in’S 
SRebeHen * Säger zu fenben. Der geriebene 9lb- 
üofat mar jebod) biefen Seuten 311 überlegen 
unb gar manches folgenfchmere ©eheimnifc hat 
er ihnen abgetodt. Dies mar aud) moljl bie 
Urfache, marum er fid) gern mit biefen Seuten 
abgab. 

^m Safjre 1864 befahl ©tanton, baf$ feinb= 
liehe gähnen fortan nur üon bem, ber fie er* 
oberte, in SBaffyington überreicht mcrben fodten. 
3ur feftgefepten ©tunbe traten bie Dapfern in 
ben ©aal, mofelbft fie ben 2Rinifter mit einer 
2lnzal)t heroorragenber $erfönlid)feiten Oer- 
fammclt fanben. Die galjne in ber ,f>anb, trat 
©iner nad) bem 2 lnbern oor unb erzählte bie 
®efd)id)te ber ©rbeutung. ©tanton unterlieft 
eS nicht, mieberholt feiner Semunberung 2luS- 
brud zu geben. |>atte ber ©olbat geenbet, bann 
brüdtc ber 9Rinifter ihm marrn bie £anb unb 
ftellte ihn jebem ber 2lnmefenben oor. SRachbem 
alle Bahnen überreicht morben maren, erhielt 
ber ©eneral-Stbjutant 93efel)t, jebem ber 9Rän- 
ner einem Urlaub auf breiftig Sage mit freier 
©eförberung in bie £eimatf) unb zurüd, auSzu- 
ftetlen. Dann abermaliges fterzlidjeS £)änbe- 
fcftütteln unb bie Sieger, oermirrt unb oer- 
fd)ämt unb begeiftert, eilten ber £>eimatlj zu. 

3n ber 93eurtf)eilung anberS Denfenber mar 
er meitherjig; nicht eines SRanncS politifche 
2 lnfd)auungen, fonbern beffen glcift unb Düd)= 
tigteit gaben bei ihm ben SluSfdjlag. ©0 j. 93. 
erfuchte ihn im 3 af)re 1809 einer feiner frühe- 
ren ©lerfS, ^perr ©tanton möchte fid) hoch für 
ihn beim <ßräfibenten ©rant um eine 9lnfteÖung 
oermenben. Die 93itte mürbe fehr Irlich auf* 
genommen. Da plapt ber 93ittftel!er treuherzig 
i)erauS: „Sie miffen ja, baft ich immer ein mar* 
mer 2lnt)änger beS 9Rc©leHan mar." 9Ran 
tonnte beutlich bemerfen, baft £>err ©tanton un- 
angenehm berührt mürbe; bennoch ermibcrte er 
ruhig: „Das ift 3h re Suche, ©ie höben mir 
treu gebient, unb mann immer ichfunn, merbe 
id) 3hucn bchülflich fein." Dann nahm er leb= 
haft ben abgebrochenen gaben beS ©efpräcftS 


mieber auf unb halb hutte jeber ben unangenefc 
men 3 mifchenfaH oergeffen. 

Den Slbootaten tonnte er niemals üerleugnen. 
Dücfttigfeit als 9ted)tSgelehrter mar ihm gegen- 
über bie beftmögtichfte ©mpfeljlung. ©r hörte 
eS gerne, menn man beS tleinen 93tedjfchilbeS 
oor feiner ehemaligen ©efdjäftsftube gebachte. 

Da ftiirmt eines DageS ein h^roorragenber 
Senator in fein 3tmnter, fodjenb oor 30 ™ ge¬ 
gen ben ©eneral-Quartiermeifter. „©tanton," 
bonnert er, „mie tönnen ©ie, als 9lboofät, bie¬ 
fen 9ReigS in feinem 9lmte laffen! ©r achtet 
meber ©efefc noch ©crechtigfeit." 

©tanton entgegnete troden: „Saffen ©ie’^ 
gut fein. Sein SBort gegen SReig^. ©r ift ber 
nüplichfte SD^ann meiner Umgebung, ©r tljut 
aderbing^ gar manche Dinge, bie id) nicht tljun 
mürbe, aber er ift ja auch fein Stböofat." 

„9Barum benn, \n aller Söelt, laffen ©ie ihn 
biefe Dinge thun?" 

„ffieil irgenb 3^ntanb fie thun muf$," lautete 
bie lafonifche 5lntmort. 

Daö ^afchen unb Sagen nach leeren Diteln 
tonnte er nicht üerftehen. ©r tonnte fich feinen 
93 reüet 93 rigabe=©eneral beuten, (einen ©eneral, 
ber meber Slutorität, noch ®erantmortlichfeit, 
noch ©ehult al^ folcher hat). 

911^ gegen baö ©nbe be^ Sriegeä ber Drud 
Zu ftarf mürbe, ba öffnete er bie Dh üren bit* 
fen ©hren, fo meit er tonnte. ®r fagte gemif- 
ferma^en: „SReine Herren, fytx ift©tma3, ba^ 
feinen SBertl) hnt unb nichts foftet; man nehme 
fo oiel, e^ beliebt." ©in ©lerf beforgte bie 
Arbeit beä „ 93 reoetiren§." 

©0 leicht mürbe e3 bamit genommen, ba| 
einige 6 lerf£ ftch anheifchig malten, einen 
meraben, ber feine ©ntlaffung al£ Sieutenant 
genommen, z«m 93rigabe=©eneral aüanciren zu 
taffen. Schon hatte er feine fßatcnte al^ Sreoet^ 
©apitain, ^9Rajor unb =Oberft=Sientenant in ber 
Dafche, aU bem gelben 5lngft mürbe, bie ©e- 
f^ichte möchte herauf fommen. 211 ^ reiche $er^ 
manbte ihn fo mit ©hren überhäuft fahen, grif¬ 
fen fie in bie Dafche, tauften ihm ein blühenbe£ 
©efdjäft unb oerhalfen ihm zu einer reichen |>ei- 
rath. Sr feinerfeitö h Q t fich immer feinen hohen 
©hren mürbig benommen. 

©tanton hutte fich burd) eigene S'raft empor¬ 
gerungen unb feine Suufbaljn al^ 9lbootat mies 
glänjenbe ©rfolge auf, be^hulb fann man 
nur natürlich finben, bag er fotche ©nergie, fol- 
d>e^ ©etbftoertrauen unb folgen ©rnft ^cigt. 
Der firieg mar ihm gteidjfam ein riefiger $ro- 
Zef$, ben er um jeben ^}rei3 für feinen Klienten 
fiegreich z u bringen müffe. Drohbem 
grollte er nur menigen ber fRebettenhäuptlingc. 
SBie fo manchen ©onföberirten hut er geholfen! 


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fflauberet über Ptailanb oon (ftnem, bet nie bort man 


463 


ginem verarmten 9Jtanne in füblid^ett Sienften 
geftattete er, eine mertljoofle Vibliotfjef nach bem 
Siorben $u bringen, ja er oerhalf ihm noch 3 U 
einem öort^eilf>aften Verfauf berfelben. @0 
fönnten oiele ähnliche 93eifpiele angeführt 
merben. 

©r mar tief religiös angelegt, ©ein ©taube 
an Sßräbeftination unb fpeciefle Vorfehung ging 
fo meit, baß man ihn hätte beS gataliSmuS 
geißelt fönnen, märe fein geben minber tf)ätig 
unb fräftig gemefen. ©r mar baoon feft über= 
$eugt, baß ©ott bie Union in’S geben gerufen 
habe, um burch fie feine *ßläne in Ausführung 
$u bringen. Unb mährenb er beßhalb einerfeitS 
nie an bem enblidjen ©ieg ber Union jmeifelte, 
fo betrachtete er bie SRebeflion anberfeits als ein 
Kämpfen gegen ©ott, baljer auch moht fein 
furchtbarer ©ruft gegen bie Urheber biefeS Um 
glücfS. Aber auch in @ach en ^ er fReligion, trop 
feinet retigiöfen ©iferS, mar er bulbfam unb 


meitherjig gegen AnberSgläubige. Sie fa^ 
tholifche Kirche, bie burch ben Krieg im ©iU 
ben hart mitgenommen mürbe, oerbanft ihm 
fehr oiet. 

*ßotitif mar ihm jumiber, bie Sürben feinet 
Amtes tafteten ferner auf ihn. ©r hoffte auf 
eine SRichterfteße im ©upreme=©ericht unb ohne 
gmeifet hätte er bort ©roßeS geteiftet. Ser 
Ißräfibent ßincotn ftarb jebodj 5 U früh, unb 
überhaupt mar $u ber 3 ^it fein förperlicßer 3 m 
ftanb fo gebrechlich, baß er fich um feine irbifche 
3ufunft menig befümmerte. AIS bie Anflage 
gegen Sßräfibent ^olptfon ohne SBirfung blieb, 
oerließ $err ©tanton baS KriegS^Separtement, 
gebroden an ©efunbheit unb arm an ©elb. 
©etbft baS eine |jauS, baß er befaß, mar ferner 
oerfchutbet, aber erft bei feinem lobe mürbe 
bieS offenbar, ©erne hätten feine pfreunbe ihm 
früher geholfen, fein ftolseS ©cßmeigen hatte cS 
nicht $ugelaffen. 




piaubcrci über JKatlattb tioii (finein, bet nie bort war 


©eehrter $err Dr.! 

2Jl a i l a n b ?! ©inen Artifet über 9Rai= 
taub?! ©ie miffen, ich bin fonft fein Unmenfch 
unb gern $u aßen literarifcßen ©roßthaten be¬ 
reit, aber — 2Railanb ?! 2BaS meiß ich Aermfter 
Oon SRaitanb. Sch hatte, als ich Shren Brief 
mit ber ehrenben Aufforberung gelefen, ein @e= 
fühl ber Seftommenheit, ähnlich bem beS mei- 
ianb SefunbanerS, ber im Spanien aufgeforbert 
mürbe, eine pragmatifche Sarfteflung ber §uffU 
tenfriege $u geben unb ber oon biefem mettge* 
fchichttichen ©reigniß auch nichts, abfotut 
n i ch t S meiter mußte, als bie rührenbe ©d)ul= 
meifter- unb Kinbergefchichte, bie fich burch baS 
mnemotechnifche |jülfSmittel beS unfterblichen 
VolfSliebeS: „Sie ^uffiten $ogen oor 9laUm= 
bürg :c." feinem ©ebächtniß unauSlöfchlid) ein- 
geprägt. 

ÜJiir ging’S faft noch fchtimmer. Sä) burch- 
mühtte bie geographifchc SRuntpelfammer meiner 
©chut s ©rinnerungen — unb fanb nichts als: 
„SJiailanb, ©tabt in Dberitalien, meitanb £aupt 
beS tombarbifchen ©täbtebunbeS, burch Kaifer 
Stothbart bem ©rbboben gleichgemacht unb mit 
©alj beftreut. Später, b. h- am 1200 ’rum, 
mieber aufgebaut unb ber ^meifethaften ©hre 
theithaftig, £>auptftabt beS oon Kaifer SBenjet 
begrünbeten £erjogthumS gleichen SRantenS ju 
fein. |>eute fdjlechtfinnige ^rooin^ialhauptftabt 
beS Königreichs Italien." 

SaS ift baS gan^e Knochengerüft meiner in 


Schuljahren ermorbenen 2BeiSf)eit. SBie aber 
füllte ich Aermfter aus biefen mageren @ubftan= 
jen ein fchmacfhafteS Stagout bereiten, baS ©ie 
3 h*en gefern in gorm eines „populären 2 lrtu 
felS" oorfe^en fönnten? 

3 ch lief jur SBibliothef, um bei „^emptootf," 
„©ottfchaH" unb aß’ ben anberen gelehrten 
Herren, bie je über biefen ©egenftanb gefchtie^ 
ben, nacf)$ulefen. Slber SlßeS, maS befagte ge^ 
lehrte Herren über 9Kailanb gefchrieben, mar fo 
unfterblich langmeilig, baß eS mirflich SBaffer in 
ben 3lhein, maS fag’ ich, ©ulen nach älthen, maS 
fag’ ich, ^eiligenbilber in ben $om oon SDiai- 
lanb tragen h^ 6 r moflte ich üerfucheit, biefer 
Unfterblichfeit burch Veröffentlichung in „£auS 
unb |)erb" noch einer ©fle jusufe^en. 

2 tber bie 9toth blieb unb — moher nehmen 
unb nicht ftchlen! 

®a enblich, mie bie 9toth am ©roßten, fam 
bie ^itlfe in ©eftalt eines alten greunbeS unb 
©tubiengenoffen. 3 l| fäßig, fo fagt man, aber 
es giebt ja für ben in gläubigen ©ottoertrauen 
SBanbelnben feinen 3 u faß, mar biefer fjreunb, 
ber eben erft oon Deutfcßlanb jurücfgefommen, 
auf ber ®urchreife bei mir eingefehrt, unb ba 
mir uns fo oiel ju erzählen, mißig meiner ©in- 
labung gefolgt, etliche Sage bei mir 3 U bleiben. 
3fm gauf ber Unterhaltung ermähnte er auch 
ganj beiläufig einer gahrt burch ben ©ottharbtS= 
Sunnel, bie er gemacht. ®aS fuhr mir mie ein 
Vliß burch bie italienifdje Stacht meiner ©ebanf en. 


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464 


JHaubmt ttbrr INailanb non (Sittern, btr nie bort war. 



9HaUänt>er $om. 


„®ott^arbt^2unne(! pop taufenb, fo roarft 
$u audj in Italien ?" frug icf) erregt. „Serftept 
fid), am föanbe," mar bie lafonifdje 5fnttt)ort. 

in SRailanb?" forfcf)tc ic^ toeiter. „®o; 
loffafer $ont, mit taufenb ©tatuen befept, fiept 
au* mie ein ©tacpetfdpmein au£ SKarmor, Sri* 
utnppbogen, ßorfo, berühmte garbenffejrerei Don 
fieonarbo ba Sinei, felbftrebenb, 2lfle3 gefepn, 
brillante ©rinnerung, aber — treuer; Seejftea! 
niiferabel, 3 2ire opne, 4 Sire mit gmiebeln." 


„SJtenfcp, ®ngef in 2Renfd)engeftaIt, beriete, 
er^äpie, foQ einen populären Slrtifel über SRai* 
lanb fepreiben unb toeift noep nid)t einmal, roie* 
nie! eine, Sire naep unferent ©elbe ift. Sericpte, 
erftäre. ' 

©o, toertper £err Dr., jept miffen ©ie unb 
bie fiefer SpreS gefc^ä^ten SfatteS, mie bie 
feltfame Ueberfcprift biefeö “ Articulo ” ju üer^ 
ftepen. 2Ba3 icf) noep toeiter $u berieten pabe, 
ift ben münblicpen 9RittpeiIungen meinet greum 


















































Jllöuberfi Uber Stoilonb oon ©inet», ber nie bort tuar. 


465 


beS entnommen, ber bie „populären Serhäft* 
niffe" ©taitanb’S aus eigener 9tnfchauung fennt. 

©taitanb macht gan$ ben ©inbruef einer mo* 
benten ©roftftabt. @ie contraftirt üortheithaft 
gegen bie mittet* unb fübitalienifc^en Staub* 
nefter, fetbft gegen baS einige Stont, beffen ge* 
mattiger SßeterSptap ringsum üon ©chmufcmin* 
fein jeber Slrt umgeben ift. Sie ©tragen finb 
nic^t üon langweiliger ©erabtinigfeit, aber 
meiftenS breit unb reinlich. Stur um ben Som* 
pfap herum giebt eS noch ein Sabprinth üon 
©affen, ©äfecheu, SBinfetn unb <ßläpen, in inet* 
chen fief) ber greinbe teicht üerirren fann. Sa* 
gegen Riehen fich üom Som nach aßen Sh oren 
bie $auptüerfehrSabern ber ©tabt. Ser mitt* 
tere Sheil biefer ©tragen Wirb in ber Stegei 
„Eorfo/'ber nach ben Shoren liegenbe, „SBorgo" 
genannt. 


ift eS, 8 lbenbS nach ber £>ipe beS SageS üor 
bem großen chinefifchen Äaffeefjaufe ju fifcen, 
eine ©ranita $u fchtürfen, ben klängen ber ©tu* 
fi! $u laufchen unb bie bunte SSeft 51 t fef)en, bie 
hier traumhaft üorübermanbett, mätjrenb bie 
untergehrnbe ©onne bie fernen Sannen unb bie 
näheren matbartigen ©ruppen hoher ftaftanien* 
bäume üergolbet. 

„Sft eö Wahr/' unterbrach ich hier meinen 
greunb, „baft bie italienifchen ©täbetjen unb 
grauen in ber Sieget pübfcher finb, als bie un* 
ferer 3onen ?" „$ts Stege! möchte ich baS faum 
behaupten/' war feine Antwort, bie lieblichen 
©eftalten, bie mir auf ben ©enrebitbent ber 
©later antreffen, finb, menn fie überhaupt bem 
mirftichen Seben entnommen, hoch nur bie 9luS= 
nahmen. Soch tä§t fich nicht leugnen, bafj fich 
üor Sillen bie ©tailänberimten burch ein graciö* 



Äuf ben $äd)ern SJtailanb*. 


Ser gtänjenbfte, baS mobern*itatienifche Se* 
ben äumeift jur ©chau tragenbe, ift entfehieben 
ber ©orfo Sittorio ©manuete. $ier raffeln bie 
eleganten 3 **^ unb Sierfpänner, in benen bie 
feine SBett „fpa$ieren liegt"; h' er brängt fich 
baS *ßubtifum in bie öffentlichen ©ärten; hier 
bieten bie in materifche Sumpen gefteibeten 
Stumenmäbchen ihre buftenbe SBaare feit; hier 
bettamirt ober fingt ber Wettergebräunte, üer* 
fchmifet tächetnbe ©affenbarbe feine jmeibeutigen 
aber immer Wittfontmenen SSeifen. •Äurjum, 
wie bie bunten Scherben im SateibeSfop, fo 
brängt fich hier baS buntfarbige Seben ber 
©tabt in ftetem SBechfet ju immer neuen, inter* 
effanten ©ruppen jufammen. 

©in im hofften ©rabe eigenartiger ©enufi 


feS SSefen auS^eichnen — fie ho^en meift fein* 
gefchnittene ©efichter unb eine hohe, fchtanfe 
©eftalt, auch Wiffen fie auf bie aller einfachfte 
S33cife, ohne bie meift nur entftettenben |ntlfS* 
mittet ber ©tobe, baS §ln$iehenbe ihrer ©rfchei* 
nung $u erhöhen. Stnftatt ber fupp«nteller* unb 
btumentopfartigen gornten, bie man hier $u 
Sanb Samenhüte nennt, trägt bie ©tailänberin 
einen einfachen fchwarjen ©c$teier, ber je nach 
Vermögen mehr ober Weniger reich unb fdjön 
ift. Slber fetbft ber Slermften fteht ihr bäum* 
Wollener ©dreier, ber üon einer Stofe ober ßa* 
metie im üppigen btaufcf)Warjen $aar feftge* 
hatten Wirb, Wahrlich gan$ anberS, ats bie meift 
fo albernen gormen, mit benen unfere Samen 
ihren ©cheitet bebeefen. Secfet, bie meift 

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466 


piaubrret Uber fHailanb oon (Sinem, brr nie bort mar. 



um fo meljr mit fiunlofent 3ierratlj betaben, je 
fixier ber £opf ift auf bem fie liegen. 

2 lud) ben unoermeiblidjen Stypenbij, baS 
(Scfyoofjfinb, ober beffer baS enfant terrible 
unfererSDtoberoelt, tjabe idj in ÜDtailanb mofjtbei 
gremben, nid)t aber bei ächten äKailänberinnen 
getroffen. SSMdjen ©inbrud melntefyr bieS 
fdjauerttdje ^nftitut auf ben unöerborbenen 9la= 
iurfinn ber s JDZaitänberinnen mad)t, mürbe mir 
flar, als id) einft eine SRutter ju itjrer Softer 


Sie ffird>e Santa ©laria beQa ©rajia. 

fagen hörte, ba gerabe eine grernbe mit großem 
Slppenbij twrbeiwebelte: „®anfe $u ben ^»ei¬ 
ligen, ftinb, baß ®u $eine ©efunbljeit ßaft." 

„$och nun, um mit einem Schritt Dom @rfja= 
benen jurn Säuerlichen, ober beffer umgefeßrt, 
ju fommen, fo fag mir jefot, was ®u bom $om 
Weißt," frug id). 

5;er Xom, ei ber 55om ift offenbar eine 
„fotoffale ©rfinbung," aber unpraftifd). ©an} 


aus SOtarmor gebaut, leuchtet er mit feinen 
4000 ^eiligen - Statuen ganj gefpenfterßaft in 
bie monbßeüe Statut hinein, ©in 9tiefen»3)lau» 
foleunt unter bunfelen ©rabßügetn. ttm Sage 
ift ber ©inbrud ein etwas freunblidjerer. $enfe 
$ir 2 Kailanb als braunen, faftigen grudjtfuchen, 
fo fteHt ber ®om gleichfam bie in 3 Uf f er 9 ll i5 
ausgeführte ißerjierung bar. 9 Renfdjen, bie für 
berlei Süßigfeiten ©efeßmad haben, fönnen fid) 
beim auch für ben ®om ganj fchredlidj begei» 
ftern — hoch ift eS mir immer borge» 
fommen, als fei biefe SBegeiftcrang 
mehr eine bom fiunft » Konbitor ge» 
machte, als eine natürlich gemachfene. 

Sßiele ©efucher ftubiren fi<h borher 
im §otet alte SBegeifterungSrufe unb 
©ntjüdungSauSbrüche nach ©äbefer’S 
SReifehanbbuch grünblich ein unb bie 
ftumrne ?lnbad)t, bie man auch in ben 
SDtienen unb ©eberben Bieter ju le» 
fen glaubt, ift am ©nbe nichts weiter 
als ber StuSbrud einer refignirten 
SScrftimmung über bie hohen 2 rinf= 
gelber, jn beren freiwilli» 
g e r Spenbe man überall genötigt 
wirb. 

©S läßt fief» nicht leugnen, baß baS 
innere beS $omS großartige, ja 
wahrhaft bejaubernbe Partien h a h 
aber baS ©anje macht bod) ben ©in» 
brnd eines freifenben 93ergeS, ber ein 
SHäuSlein geboren, ©inen geniaban» 
gelegten ÜDienfdjcn, ber anftatt feine 
reichen ©aben unb Einlagen jur 
Schöpfung eines feiner würbigen 
SKeiftertoerfS ju gebrauchen, biefelbeit 
in taufenb nichtSfagenben Spielereien 
oerjettclt unb jerfplittert, fann ich 
nur bebauern, nicht aber ans öoUem 
§erjen bewunbern. So geht’S mir 
mit bem 35om öon SRailanb. 

®ie 4000 Baden, bie man Dom 
2 )ach auS gen $immet ragen fieht, 
finb 4000 SBilbfänlen Wuuberlidjer 
^eiliger, bie man aber oon unten 
ohne ^Bewaffnung beS SlugeS gar 
nicht als Solche erfennen fann. Seit» 
famer SBiberfprud). ©in fßantfjeon 
für Äünftler, bie unbefannt unb unberühmt 
bleiben Wollen. 

geh fonnte mich beS fefeerifthen ©ebanfenS 
nicht erwehren, baß es hoch oiel gefcheibter fein 
würbe, biefe Figuren herunter ju nehmen — 
ber ®om mürbe baburdj nur gewinnen — unb 
fie naäj 9 lmerifa ju ejportiren, wo fie anftatt 
ber gräulichen ^nbianer» unb Üieger»graben 
oor unferen ©igarrenläben aufgeftellt unb ge» 


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piaubrrri iibrr Plailanb oon üinrnt. brr nie bort mar. 


4G7 



fceitfmal be3 Seonarbo ba Sind. 


büljrenb bemunbert Werben fönnten. — „Du 
bift ein Spötter erwiberte id>, unb fcheinft bem 
©runb?a|j bei ächten Slmetilanerl ju bulbigen, 
ber feine melfmännifdje Ueberlegen|eit baburcf) 
{u {eigen fitest, baß er fief) non 9ti<htl im» 
p o n i r e n 1 ä fjt." 

„Sagbal nicht, @buarb,"wat feine Antwort, 
„ich bin non ÜRatur ebenfo bcwunberunglluftig 


unb begeifterunglfäljig, wie jtber Slnbere, nur 
mu| mir auch bie Schönheit, ber ich meine S3er= 
ehrung barbringen fall, all eine naturwüchfige, 
äcf)te, ungefiinftelte entgegentreten. ®er 9Kai» 
länber $om aber fommt mir not wie ein alte! 
äRäbchen, in beffen diigen man oUerbingl noch 
Spuren ehemaliger natürlicher.Schönheit ent= 
beefen tann, bal aber nun barauf aul ift, burch 



































































468 


|Ilaubrrei über JUöilonb oon <5in tm f ber nie bort mar. 



nifdje Qfnfd^rift, bie natürlich für afle ©migfeit 
reichen foflte, barauf meißeln taffen, als ober 
bie ßerrfrfjaft ber Oefterreicher in SDlailanb ge¬ 
brochen, ba mürbe fofort bie alte Schrift abge- 
frafct unb eine neue italienißhe barauf gefegt, 
ioelcße ben pomphaften ©intritt ber Sieger, 
Napoleon III. unb Sictor ©manuell, auf baS 
Seroilfte feiert. Son bem armen granj ift 
feine Siebe mehr. Sie oerbiinbeten ®?onarcheit 
unb fonftigen gelben beS SleliefS jebod), bie 
fdjon feit bem gaH Slapoleon I. hi« 
in SRarmor auSgehauen, toaren ju fo; 
übe gearbeitet, als baß man fie ebenfo 
hätte befeitigen fönnen. So bleibt cS 
benn bent benfenben Sefdjauer über; 
laßen, SDlctternich, Saifer gran$, bie 
Sieger oon Seipjig u. f. m. mit ben 
neuen ^ufcßriften in ©inflang 311 brim 
gen. ©lütflicher SBeife ift bie Sprache 
ber Sculptur ettoaS unbeutlicf) unb 
baS für alles Unoerftanbene erft recht 
fchroärmenbe ^Subüfum erbltcft auf 
ben SReliefS nichts SütbereS, als Sol; 
baten, bie fidj in ben paaren liegen 
unb finge SKänner, toeldje bebattireu 
unb ^Japierbogen in beit £änbcn 
halten. 

£u ben befonberen SEunberlichfci; 
ten biefeS XriuntphbogcnS gehört 
außerbem noch, baß berfelbe, ringsum 
oon eifernen ©ittern untjogen, jebeu 
Surdjgang unmöglich macht. Lucus 
a non lucendo. 

„2Bie gefiel Sir benn baS meltbe= 
rühmte 'Slbenbntahl' beS Seonarbo 
ba Sinei?" 

3 in höchften ©rab bebauerli<h,gan$ 
£>artmann * Schopenhauertid), mit 
einem SBort — ganj fchauerüd)! 

„2BaS, toie! Slun hört aber hoch 
bie ©emüthüchfeit auf. SaS herrliche 
©entälbe, oon bem uns feßon jebe, 
einigermaßen auSgeführte Sopie ent; 
jücft; unb bie Senner behaupten, baß 
|ie alle miteinanber bent Original 
ned) nicht baS SBaffer reichen?!" 

©emach greunb, baS thun fie auch 
nicht. 9Jlir aber fehlt gütlich bie 
fühne Siinftlerphantafie, bie aus biefen traurig 
gen SReften, bie Su in bem ftaflähniießen fRefec^ 
torium ber Santa SDiaria beHa ©racia Sirche 
crblidft, bie ehemalige $errlid)feit, menigftenS 
in abstracto, loieber aufjttbauen oerfteht. 
©benforoenig toie ich cS oermag, mir aus einer 
abgebrochenen SRarmornafe mit einer SBarge 
b’rauf, mittelft ber Sßhontafie einen ganjen ©i* 
cero;Sopf ju fonftruireti. 


finnlofen Schmucf unb albernen ßRobetanb feine 
Stun^eln ju oerbergen." 

Sroifcheit munberüch unb betounberungStoür- 
big ift in meiner Slnfchauung eine große Sluft 
befeftigt, bie ich nicht fo ol)ue SBeitereS über= 
fpringen fann. ^d) fann mir nicht helfen. 
SSunberlid) finb bie hochberühmten SehenStoür= 
bigfeiten SRailanbS allerbingS — aber entjüdt, 
erfreut, begeiftert hoben fie mich nicht. 

Slimm „^um Sleiftift" ben berühmten Xri- 


SJtaiifluDcr $)amr. 

umphbogen, ben Arco della pace, ben Sla; 
poleon I. aus lauter greube über bie Soßeit- 
bung ber Simplonftraße ju bauen anfing unb 
ben Saifer gran$ ooßeubete, — er erfchien mir 
nach näherer ^Betrachtung unb aufmerfjamem 
Stubium ber 5?nfchriften nur als ein hödßt 
merfroürbigeS Senfmal menfchücher SRicber; 
traeßt unb beS SJedjielS aßer Singe. Saifer 
gran$ h fl üe fich als Sauherr eine fchöne tatei* 


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JJIaubrrri über IKailanb oon (Sinrm, brr nie bort mar. 


4ft!) 



innere be3 SKailattber 2)om#. 


3 cß cinpfanb beim 2tnblid biefer traurigen 
©erüßmtßeit nicßt§ als einen großen 3orn, ein- 
mal über bie ©arbarei ber oerftänbnißlofen 
SOWncße oon Slnno bagumal, toelcße bie3 einzige 
ftunfttoerf fo oerfatlen ließ, anbererfeitä über 
ba3 ßoße Sittree, mofür man nun bocß nicßt» 
Sektes ju feßen betam. 

fließt oiet beffer erging e3 mir in ben beiben 
$auptgallerien ÜRailaitbä, ber f. g. ©rera unb 


Stmbrofia. befinben fieß ßier allerbingä bie 
©emälbe eines ßuini, ©arofato, fogar baS fei® 
nem bibtifcßeni ßßarafter gan$ unäßnlicße ©itb 
beS ©aolo ©erouefe oon ber $ocß$eit ju Kana. 
©affoferatoS müttertieße 9Kabonuen, ©onifa- 
cioS ginbung 3RofeS — furjum SBerfe, bei be* 
ren Sefcßreibung fieß bie S'unftfcnner üon gaeß 
noeß ßeute üor ©nt^üden auf ben $opf ftetten. 
3 cß oerfpürte jeboeß, eßrticß geftanben, bnreß* 





























































4T0 


fronen = jJilbung. 


aus feine Suft ein ©leicfjeS *u tljun. — ©aS 
©injige, was mit in biefen ^eiligen fallen 
einigermaßen imponirte unb gntereffe erwecfte, 
mar bie 60,000 ©änbe unb ü6et 10,000 ©la= 
nufcripte ftarfe ©ibliotfjef bet 3fmbrofiana. 
darunter finb einige fefjr mertl)Oolle©alimp)efte, 
ein SBirgit mit ©etrarcaS Jpanbfdjcift, grag» 
mente ber alten ©otljenbibel beS UlfilaS. 2luch 
Don jwei bet berühmteren grauen QtalienS fin» 
ben fich ßiet Steliquien: ©riefe bet Sucretia 
©orgia an ben Sarbinal ©embo unb eine 
„blonbe" Socfe bet meift fcßmarj gemalten ©ün= 
berin. SBelcfjen SBertlj aber I)at fchließjidj ber 
alte ©lunber für ben wiffenSburftiqen Seidjauer, 
ba bie ftrenge ©eget f)eißt: „SlllenS. befeh’n, 
aber nifdjt anfaffen." 

,,©a b^ben wir’S," erroiberte icf), ,,©u bift 
eben bocf) ein achter ©of)n unfereS enorm pra!= 
tifchen StmerifaneröolfeS, baS, Wie Dr. ©. in 
feinem '©liehet unb Jonathan' fo richtig fagt, 
bei jebem ©eirnß fofort ben ©ewinn berechnet, 
ben eS barauS jicljen fann. SEBaS nicht ” use- 
ful” ift, hat auch ©ir, wie eS fdjeint, feinen 
SBertlj, unb barum fürchte ich, ift ©ir auch bon 
deiner gangen italienifcfjen Steife, in ©onber» 
beit oon allen Herrtidjfeiten ©lailanbS, nichts 
Weiter geblieben, als ein großer Sterger über 
baS foftfpietige unb oon deinem ©tanbpunft 
aus hö^ft fragwürbige ©ergnügen." 

©odj nicht, war feine Antwort, ich habe aller» 
lei Südliches gelernt, bin innerlich reicher ge» 
worben unb e i n praftifdjer Stußen meiner Steife 
ift ja fcßon ber, baß ich ®ir Stoff gu ©einem 
„populären Strtifel" geben fonnte. Slber wäre 
baS auch 2lHeS nicht, ©laitanb Wirb mit hoch 
ftets unoergeßlid) bleiben, ich habe borl (StwaS 
gefehen, WaS mich wahrhaft begeiftert unb ent» 
giidt unb wa§ mir, fo lang ich lebe, unbergeffen 
bleiben wirb. 

„Unb baS wäre?" frug ich begierig. 

©ie aller ©efdjreibung fpottenbe, parabiefifdj 
fchöne SluSficßt, bie man oon ber 3inne beS 
©omS aus hat. 

geh fönnte feine SBorte finben, um ©ir biefe 
Sanbfcßaft gu befchreiben. SBenn ich bie Stugen 


fdjlicße, taucht baS unenblidje ©anorama groß, 
fdjweigenb, übcrwältigenb wieber oor meinem 
©eifte auf. SBieber fdjteßen oon allen ©eiten 
lange ©traßenreifjen Weit hinaus in ben liebli» 
eßen ©arten ber Sombarbei, wieber erheben fich 
ftolge kuppeln unb 3innen, riefige ©härme 
über bieS Häufermeet, wieber fahren unb ren» 
nen bie ©lenfdjen, Stmeifeu oergleichbar, haftig 
ba unten bnr<h einanber, in ängftlichem Sagen 
nach ©enuß unb ©ewinn, wäbrenb wir uns frei 
fühlen oon aller ©orge unb Siimincrtichfcit. 

©a thürmen fich brühen im Storben bie fchnee» 
gefrönten Häupter ber Sllpen. ©a finb jeßt 
alle bie ©räger ber ©amen, bie mein ©e» 
müth oon Sugenb auf mit ©ehnfudjt erfüllt. 
(N. B. ©leine ©lütter ftammt aus ber Schweig 
unb ich glaube, baS „©djweigerheimweb" ift 
erblich.) ©a ift ber Sieftor unter ben ©ergen, 
ber alte ©lont ©lanc, ba ber ©implon, ber 
©lönte Stofa, ber ©lont ©eniS unb ber brei 
Ströme näljrenbe ©ottharbt, beffen crpftaK» 
reichen Sau fie burchgraben haben, um ihre Sofo» 
motioen burch baS ignnerfte ber Sllpenwelt gu 
jagen. 

3wifdjen ©lailanb unb ben ©rägern beS ewi» 
gen ©<hnee3 beljnt fich bie herrliche ©rianga, 
ber parabiefifche ©arten ber Sombarbei, bie boch 
fclbft ein ©arabieS ift. gm ©üben fiehft ©u 
bie ßertofa oon ©aüia unb bie ©hürme biefer 
©tabt unb hinter ihnen wieber in unenbticher 
Sette ein rauljgegacfteS, blaues ©ebirge, bie 
Stäuber bergenben Slpeninen. 

,,4palt greunb, feine weitere Sritif," rief ich, 
als ich plö&lidj Wieber baS fpöttifdje 3uden um 
feine ©lunbwinfel bemerfte, „biefe ©djilberung 
Wirft öerföfjitenb; ich Werbe fie meinem articulo 
als gemütl)liche “back porch” anbauen, ba» 
mit fich ber geneigte Sefer nach beS SefenS Saft 
unb H'l e baraüf auSruhe, meinetwegen auch 
einfchlafe unb träume Oon ben sperrticfjfeiten 
©lailanbS, bem ©arabiefe ber lombatbifdjen 
Sbene, baS er wohl fo Wenig, wie ber ©crfajfer 
je gefehen hat noch feilen Wirb. 

©lit aller Hochachtung ghr 

Heinr. SB. ©eibert. 




f r oii eit = fHl bun g. 


(Ein Vortrag, gehalten tior brm Sunfc ber öcrcaner non Sräulcin ßouife ^ot^toeiler ««b ^em C^itar 
auf Änfa^cn fär $au0 unb $crb ubcrlaffcn. 


[ ir leben in einem 2anb unb in einer 3dt 
ber raftlofen 2f)ätig!eit. $ie SKenf^eit 
ift in einem intenfinen SRingen unb Sagen 
begriffen, ©ei ber großen 2Jief)rf)eit ift e3 ein 
Sagen nad^ bem S*bifcfyen unb Vergänglichen. 


9lur SBenige in ber großen SDtaffe ftreßen nach 
toirflich hohen, eblen Rieten. Unter biefen 28 e^ 
n i g e n füllten ficherlich bie fein, bie befemteit, 
nicht nur bem fWamen nach, fonbern in ber Ih®t 
Shnfti Sünger ju fein. S^ re folltcn 


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Irauewftilbung. 


471 


^ofje fein, fotcf»e, bie fie felbft unb mit itjnen Sin» 
bete emporjieljen roetbcn. , Slnftatt mit bem 
geitgeift fortgejogen $u werben, füllten fie ben» 
felbert befämpfen. 

®ie gugenb ift auch in biefet Schiebung un= 
fere Hoffnung, unb eS ift unfere ^fticf)t, fie 
aufs ©efte auSjurfiften für ben Stampf um baS 
Stecht 

©8 gilt ^ier, bog Sille, grauen mie SJtänner, 
$anb onlegeit, unb bie grage tritt nun auf: 
SBaS für eine SluSrüftung—93i(bung—bebürfen 
unfere SDiäbdjen? SBir ontroorten: So oiel fie 
erlangen fönnen, je mehr, je beffer. 

Stur ju oiele Seutfdje meinen, ei fei genug, 
wenn ein äJtcibdjen bie |>auSarbeit eerfteljt, Wenn 
fie nur arbeiten !ann. ®a 8 ift aber n irfj t ge¬ 
nügend. SBir wollen jeboef) nicht eine ©ilbung, 
bie fie nur jur 3Jtobepuppe macht, bie fie nur 
befähigt ben Sörper ju fermüden, nur baS §u 
bieten, was bem Slug’ unb bem Ohr gefällt, fon 
bem eine ©ilbung, bie fie fähig macht, ihren 
©eruf im flehen recht ju erfüllen, eine @e» 
h ü l f i n ju fein, bie ba hilft, bie SWenfchheit ju 
beffem, ju erheben. 

®amit ift nicht gefagt, bag fie bie alten ünb 
neuen Sprachen, bie höhere ©tathematif :c. oer» 
ftehen mufj, obwohl folcfie Senntniffe felbft bei 
einem ©täbchcn nicht ju oerachten finb, noch bie 
Beit in Aneignung berfelben jugcbracht, als 
oerloren 511 betrachten ift, aber jebc beutfehe 
gungfrau unferer Kirche in biefem ßanbe, follte, 
wenn möglich, ben uotlen Stufen unferer öffent¬ 
lichen Schulen geniegen; eine ©ewanbtheit im 
(Gebrauch, fomie ffenntnig oon bet beutfehen 
unb englifcgen Sprache haben, fowie, wenn ir» 
genbwie möglich, einige ©efanntfehaft mit ben 
SBiffenfdjaften ber SBelt» unb fliteraturgefcljichte, 
unb Wenn baju begabt, auch etwas ber feinen 
®ünfte, aber über SllleS einen ädjt chrifttich ge» 
bilbeten ©harafter. 

9tun fommt aber bie grage: SBoju ba# für 
ein ©läbcfjen ? für eine grau? SBoju $eit unb 
Selb oerfegwenben für ba«, wag ihr fpäter 
©idjtS nügen wirb? ©in ©täbchen fott Soeben, 
©aefen, SBafdjen, Stäben lernen. ®aS fotl fie 
auch, unb angenommen, jebe grau hätte nur 
folche Arbeit ju tfjun, was aber nicht ber gaU 
ift, brauchte fie bei guter ©Übung beSljalb eine 
fchlechtere Söchin ober Haushälterin ju fein ? 
SBürbe fie nicht biefeS mit mehr ©erftanb unb 
Umfieht tgun fönnen? Stach berfelben Siegel 
mügte ber ein fdjlechterer Saufmann fein, ber 
mehr benn eine rein faufmännifche ©ilbung hat. 

Obwohl in ben lebten gafjren oiel gefagt 
würbe in ©ejug auf grauenrechte, obwohl heute 
Saufenbe oon grauen ihren ßebenSunterhalt in 
Stellungen finben, bie ihnen oor Surjem noch 90113 


oerfcgloffen waren, fo ift unb bleibt bennoch ihr 
höchftcr unb wichtigfter ©eruf ber ber ©rjie» 
hung, ob baljeim ober braugen. ®aju ift fie 
oon ©ott beftimmt; unb ift fie in biefem treu, fo 
wirb ihr ©influg auf baS h er °nwachfenbe @e» 
fchlecht ftärfer, bleibenber unb wirfiamer fein, 
als alle anbern. gn ihrerHanb liegt jum 
grogen ©heil bie 33tacht ben ©harafter ju bilben. 

SBaS geht über ben ©inb uef, ben ber Um» 
gang einer frommen, gebilbeten SJtutter auf baS 
finblicge ©emüth macht, unb ben befänftigenben, 
milbernben ©influg, ben fie auSübt auf ben le= 
benSfrogen, erwaegenben Sinn ber gugenb. 

@S ift bie früh« Umgebung, bie bem ©ha» 
rafter einen unberwifchlicfien Stempel aufbrüeft. 

©eht in bie Strafanftalten für junge ©er» 
breher, unb ihr finbet 95 ©rojent ber Sträf» 
linge fommen aus Heimathen, wo ©tüffiggang, 
Irunfenljeit unb Unwiffenheit herrfdjtcn. 

3)urch ffiorbilb unb ©rjiehung ober beffer 
bnreh SJtaitgel an ©rjiehung finb fie geworben, 
WaS fie finb. 

®enfen Wir ben Unterfdjieb, ben bie ©egen» 
Wart einer dgrifttid) gebilbeten ©lütter gemacht 
hätte in biefen |>eimathen! 

Slber nicht nur ber häusliche SreiS bietet ber 
grau ©elegenheit als ©rjiefjerin ju wirten; 
als fichrerin finbet fie ein weites gelb, gn 
ben greifdjulen unfereS ßanbeS arbeiten* über 
300,000 ßehrer, Wooon mehr benn 60 ©rocent 
©tarnen finb. gn ben jetpi Stäbten erften 
StangeS finb mehr benn 90 ©rocent ber ßehrer 
©Samen. Sollten wir als beutfehe 3Jtethobiften 
nicht ftärfer oertreten fein unter ben ©eften bie» 
fer Arbeiter als wir eS finb ? SBelche 3Jtacht 
liegt nicht in ber $anb einer treuen ßehrerin ? 
SBie manches Iper 3 würbe nicht fdjon burch eine 
Solche auf gan* anbere ßebenSwege gebracht? 

gft nun bie grau ein folch’ groger gactor in 
ben ©rjiehungSfräften, beibeS in fpeiniatt) unb 
Schule, oon Welch’ unberechenbarer SBichtigfeit 
ift eS, bag fie baju auf’s ©efte auSgerüftet fei! 
©S ift gefagt Worben, bie grau lege baS gunba» 
ment unb erbaue bie SBänbe beS ©garafterS. 
©ebarf eS nun eines faegfunbigen SWeifterS, um 
einen ©au aus Salf unb Stein fo aufjufügren, 
bag er feft flehe unb bem Sluge gefalle, wie oiel 
mehr bebarf eS gäfpgfeit unb ©erftanb, um 
f 0 1 <h e n ©au aufjuführen ? SBie notljwenbig, 
bag nicht nur unfere ßehrerintten, fonbem bie 
©lütter, bie Schweftern, Sille, unter beren ©flege 
baS Sinb ftegt, nicht nur Sfhulbilbung, fonbern 
eine egr ift liehe Schulbilbung gepaart mit 
feftem ©harafter befigen, fo bag ihr ©influg 
ein oerebelttber, ein erfjebenber fein wirb. 

®er ©harafter iitug gebitbet, ent» 
Wicfelt aufgebaut werben, ©r ift nicht 


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472 


f rauen = Pilbung« 


ein Grgeugniß ber Siatur, unb mit Ginprägung 
ber erften ©runbfä^e fann nidjt gu frii^ ange* 
fangen werben. 9luf bem Schooß ber SJtutter, 
in ber öeintath, erhält baS Kinb bic erften 2ef) s 
ren, bie cS entweber aufwärts führen werben, 
einem hohen, göttlichen $beal entgegen ftrebenb, 
ober abwärts, hintneg non bem, Was berSReitfch 
fein fodte—ein Gbenbilb ©otteS. ®ie ©runb* 
fä£e, bie SebenSgewohnljeiten ber gamilie bil* 
ben bie SUmofphäre, bie baS geifttidje SBachS* 
tt)um beS KinbeS beförbert in ber einen ober 
anbern s Jiid)tung. 

©tüdlich baS Kinb, baS SJtutter, Sdjwefter, 
Sehrerin hat, bie als h°h e§ Qfteal bienen. 3 d) 
fage als hohes,benn eingbeal muß ein hohes, ein 
immer höher tuerbenbeS fein, um bem 3*oec! gu 
bienen. 

$a fagt aber 3 emanb, ja einen feften, chrift- 
licken Gharafter foüen unfere Söchter haben,— 
aber bagu braucht man feine befonbere Schul- 
bilbung. 

GS ift Wahr, man fann ohne biefetbe einen 
folgen Gharafter befifcen; aber bie Aneignung 
non Kenntniffen ift ein SJtittet gur Sefeftigung 
beffelben. Schon bie SiSciplin, ber ein Schüler 
unterworfen ift, ift ein SRittel bagu, unb fobalb 
bie Stubien ben engen Kreis ber Kinberjal)re 
Übertritten haben, bienen fie bagu, ben Slid 
gu erweitern, hinter bem Such ft oben ben 
©eift ju oernehmen; bie ^Bereicherung beS 
SBiffenS erwedt junger nad) mehr; bie innere 
©ebanfenwelt anberer wirb aufgethan; man 
lernt, baß eS noch eine anbere, größere S33ett 
gibt, als bie, in ber Wir unS bewegten unb bie 
uns fo allumfaffenb erfdjien; man lernt f)am 
beln, nicht fo Oie! auf Slnfporu beS ©efüIjlS, als 
nach Ueberlegung unb ©runbfap; man lernt 
uachbenfen, ein nötigeres Urtheil fäüen, Urfachcn 
unb folgen in Setracht giehen. 2lüeS bieS ge* 
hört gur Silbung, unb wer bieS befipt, ift beffer 
im Stanbe, Slnbere recht angufeiten in Grlam 
gung ihrer Sitbung. 

Ratten wir in unferem Sanbe mehr folche acht 
chriftlidj gebilbete grauen, fo würbe bie jepige 
©eneration ftärfer unb erfolgreicher fein im 93 e- 
fämpfen mancher Uebel beS lageS, unb bie foim 
menbe ©eneration Würbe eine reinere unb beffere 
fein, a(S bie jepige. 

Saßt unS als beutfdje SJtethobiften hierin um 
fere $flid)t erfennen unb thun, nicht müffig ba* 
ftehen, gufrieben, Wenn nur unfer Schiff nicht 
untergeht im Strubel beS unS umgebenben 33er* 
berbeuS. 

SB i r haben eine SR i f f i o n an unfer $olf; 
wenn wir berfelben gerecht werben Wollen, rnüf* 
fen Wir wohl gerüftet in ben Kampf treten, benn 
ber geinb in gorm ber ©ottoergeffenheit, beS 


Unglaubens rüdt mit allen ihm gu ©ebote fte* 
henben Mitteln in’S gelb. 

®iefer Kampf wirb nicht in einem ober gehn 
fahren beenbet fein. Gr wirb währen fo lange 
bie Sünbe SRadjt hat am SRenjchen. GS gilt 
um bie Steinigung, ben Slufbau einer Station. 
GS ift bie Pflicht ber Kirche nicht nur felbft 
j e p t gu fämpfen, fonbern ihre heranmadjfenbe 
gugenb f o gu ergiehen, baß fie wie ein SJtann 
in bie Sdf)ranfen treten Wirb. Unb bieS muß 
vielfach non ber grau gefächen. 

9lber baS SBerf ber 3 u g e n b ergiebung ift 
nicht baS eingige gelb, Wo grauen non Silbung 
nöthig finb. gragt unfere <ßrebigcr, ob ihnen 
in bem SR an g ei an folchen grauen nicht ein 
großes $inberniß in ber ©emeinbearbeit in ben 
SBeg tritt? SBie oft hören Wir nicht bie Klage: 
SBir fönnen feinen SRiffionS- ober Schweflet 
öerein haben, wir haben Stiemanb oorangugcljen; 
in wie Dielen Sonntagfchulen ift nicht ein gäng* 
lieber SRangel an intelligenten Sehrfräften. ®ieS 
foüte nicht fo fein. SBir m ü f f e n bie nötigen 
Kräfte ergiehen, heranbilben. 

®ann, welchen Ginfluß fef)en wir oft üon einer 
einzigen betefenen, intelligenten grau, bie ben 
©eift Ghfifti befifct, auf einen gangen Kreis am 
berer auSgehen? Gin Weites gelb beSSBirfenS 
breitet fich oor ber grau aus. 3n ber ^eirnatf), 
ber Sd)ule, ber Kirche unb ©efedfehaft fod fie 
eine SRadjt fein, empor gu gieljen, gu beffern, gu 
helfen, gu retten. 

SBiü bie Kirche nun gurüdftehen? 3h re 
löchter ohne bie nötige Stüftung hinauSfenben? 
ßber wid fie ihre ^5flid)t erfennen unb thun? 

3h*> meine früheren SRitftübenten, ihr *ßre* 
biger unb Sehrer, ihr Säter unb SRütter, Wodt 
ihr eS nicht meinen Schweftern flar machen, baß 
fie nicht nur eine gefchidte $anb unb ein War* 
nteS $erg, fonbern auch einen feften Gharafter, 
einen gebilbeten ©eift nöthig haben, um bie 
Stellung eingunehmen, bie Slrbeit gu tl)un, bie 
ber £err ber Grnte für fie hat? fteigt ihnen 
bie §öhe unb bie ©röße biefeS göttlichen ®e* 
rufS; geigt ihnen Wie ©ott fagt: $ a n b e 11 
mit eurem fßfunb, bis ich fomrne. Sie wer* 
ben bann fchon fehen, Was ihnen mangelt unb 
fehen fie bieS, fo fommt baS Streben, bieS SJtam 
gelnbe gu erfepen unb fie Werben fragen: „SB 0 
unb wie fann ich bieS thun?" 5)aS 28 0 
fodte für unS beutle SRethobiften feine fchWere 
grage fein, finb wir hoch glüdlich im 83efife meh' 
rer er Sehranftalten. 

3n biefen Slnftalten finben Wir ein fähiges 
Sehrerperfonat, einen Unterricht im ®eutfchen, 
wie er in englischen Schulen nidht gu finben ift. 
2 )icfe Ütnftalten finb ein Ih e ^ ber Kir^e, unb 
ber methobiftifche, chriftliche ©eift fodte fiöherlich 


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fotjola unb btt Brfuitentrbtn, 


173 




hier ju ©aufe fein, Wie wir ihn nicht finben fön* 
ncn in ©taatsfchulen, ober in benen anberer 
Benennungen. 

äber bei Sielen Wirb baS SB i e eine Wirtlich 
fdpoierige grage fein. 

ffltandjer Sater fönnte Wohl feine Xochtcr auf 
2 , 3 ober mehr ^afjre in bie Slnftalten fenben, 
wenn er nur wollte, unb er würbe fchon io o U 
I e n, wenn er nur ben 9lu&en"einfähe. 

GS gilt ber Äirdje bie Uebeqeugung bei$u= 
bringen, baß eine gute Sifbung nicht nach Sha* 
(ern zu fcf>ä^en .ift, baß bieS eine beffere 2luS* 
fteuer ift, als ©elb unb ©elbeswertfj für bie 
Sochter. 

Sann aber finb Siele gänjlidj auf fich felbft 
angewiefen unb werben fagen: GS ift mir un* 
möglich eine «Schule zu befugen. 

Slber warum follten unfere beutfchen SKäbc^en 


Zurücffdjrecfen bor bem, was fdjon Saufenbe 
ihrer englifchen ©chweftern gcttjan b«^en, b. h- 
fich felbft bie ÜJlittel erroerben? ©inb fie nid)t 
ebenfo fähig? Sefi^en fie etwa weniger SBil* 
lenSfraft, bon ber es htifft, baß fieSBege fcf)afft ? 
D nein, unb WaS gethan tourbe, faun wieber 
gefcf)ef>en. SBaS burd) ©parfamfeit unb ©elbft* 
oerleugnung erworben Würbe, wirb bcfto I)öf>er 
gefdjäfct unb beffer berwerthet werben. Unfere 
beutfdjen SRäbdjen finb nicf)t Weniger fällig ihren 
Srübern ebenbürtig zur ©eite 311 ftel)en, als an* 
bere. SBarum follten fie zurüefftehen? SBarum 
nic^t fich borbereiten, bie ihnen gebührenbe ©tel* 
lung im Seben einzunehmen? ffliöge bie 3 eit 
halb fommen, baß nicht nurbaS beutfehe SBallace 
Goltegium, fonbern auch bie übrigen Slnftalten 
unferer Kirche, bie .ßahl ihrer weiblichen 
linge oerjehnfacht fehen unb nodj mehr. 





fojjola unb ber lefuitenorben. 

$ür #att* ttttb ©erb bearbeitet bon GregoriuS. 


feinem fianbe Guropa’S hat ftch fo lange 
wie in Spanien bie Gefimtung erhalten, 
welche bie zweite ©älfte bcS SWittelalterS 
eparafterifirt. 3 n golge ber gewaltigen, 
mehrhunbertjahrigen Bewegung ber 
$reu 3 $üge hatte im Slbenblanoe ftdq eine 
mpftifepe, fehwärmertfepe grömmigfeit auf baS Gnafte 
mit bem fühnen, untcrnepmungSluftigen Geifte oeS 
ftittertpumS Perbunbeit. 

Siefe eigentümliche Kultur, bie nicht ohne Größe 
unb SReiz war, unb ber wir bie fepönften Schöpfungen 
beS Mittelalters oerbanfen, war allerorten unter bem 
Einfluffe beS mächtig fiep entwicfelnben bürgerlichen 
GewerbSlebenS unb bor ben erfolgen einer fühlen 
fürftlicpen ^ntereffenpolitif berfcpwunben. 

SlnberS in Spanien. SieS fianb, burd) feine geo* 
graphifche Sage bem Mittelpxmft europäifeper Vil* 
bung weit entrüdt, burd) ben hohen SBafl ber ffbre* 
näen bon berfelben gefcfjieben, war wenig bon icnen 
neuernben Bewegungen berührt worben. Bis zum 
enbe bcS fünfzehnten gaprpunbertS war eS unab* 
läffig mit bem feampfe gegen bie mohammebanifd)en 
SRauren unb Araber befdjäftigt, ber, Ütaffen* unb 
GlaubenSfrieg zugleich, allen Unternehmungen unb 
Qfttereffen ber Spanier eine ftarfe religiöfe gärbung 
berliep. 

Surch eine eigentümliche gfigung, in ber bie©anb 
ber göttlichen Borfebung nicht zu bertatnen ift, fiel 
bie Sinnahme bon Granaba, bie enbgültige SluStrci* 
bung ber SWoSlemin bom Boben ber ©albinfel unb 
baimt bie Sefdjließung ber Slraberfriege zufammen 
mit ber ©ntbeefung Slmerifa% mit bem Seginn einer 
fReihe bon gahrten unb Eroberungen, bie oefonber« 
bazu beftimmt waren, bie Reiben einer neuen SBelt 
Zum Ehriftentbum zu belehren. 

gnbem ber Ebelmann, ber Solbat, ber Entbecfer, 
ber Eroberer für feine eigene Ehre, für bie Ehre fei* 
ned ftönigd unb feines $aterlanbe£ fämpfte, ftritt 


er zugleich für bie Ehre gefu unb ber heiligen 3ung* 
frau. 

Söie treu fpiegelt fich bod) biefe fatholifche unb 
mpftifchc Dichtung be3 ritterlichen ÖJcifteS bei ben 
Spaniern ab in ber Siteratur ber bamaligen $eit! 
3ft nun unter biefen Umftänben üermunberlid), ba& 
ein $>auptmann ft'arrö V. ber Stifter eines religiöfen 
OrbenS geworben ift, ber bazu beftimmt war, baS 
Äriegerthum mit ber Religion zu üerbinben unb mit 
allen Söaffen bieöegner beS (Glaubens zubefämpfen? 

Son Snnigo (3gnaz) i^opez oon JRecalbe würbe im 
$ahre 1491 auf bem Schlöffe fiopola in ber baSfi* 
fehen SSroüinz ©uipuzcoa geboren. Seine gamilie 
war eine ber angefehenften beS üanbeS. Sie genon 
mit einem anberen Eefchlechte beS au3fd)ließlid)en 
^ribilegS, bei ber Shronbeftetgung eines neuen 9tto* 
narchen unb anbern außerorbentlicpcn Gelegenheiten, 
namentlich z u bem feierlichen Sitte ber l*ehnShulbi* 
gung, einberufen zu werben. 

Sgnaz, ber Süngfte bon breizehn Äinbern, foUte 
fich als Solbat uno Höfling burt bie SBelt halfen; 
feine literarifche Erziehung würbe beßhalb flar fehr 
bernachläffigt. SBirflid) biente er zuerft als $age 
bem Könige gerbinanb, bem fatholifd)en, bann als 
Knappe bem ©erzöge üon S^ajara. 

Sein romantifcher Geift unb fein junges ©erj wa* 
ren zumeift bon ritterlidhen 3been erfüllt; fiiebeS* 
abenteuer, SBaffenthaten, IfriegSruhm, per fön liehe Ei* 
telfeit, ber SBunfd), mit feinen SBaffen unb ^Sferben 
zu glänzen — baS waren bie Gegenftänbe, bte feine 
EinbilbungSfraft bcfd)äftigten. Ein lebhafter Ehr* 
geiz trieb ihn an, fich tu allen biefen Singen bor feinen 
Genoffen auSzuzeid)nen. 

Sie Same feines ©erzenS wählte er unter ben 
Brinjeffinnen oeS f önigShaufeS; fie war mehr als 
Gräfin ober ©erzogin, geftanb er biele ftahre fpäter 
einem feiner Vertrauten. 

Ser ftmabiS bon Gallien mit feinen glänzenben 


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474 


fotjola itnb bet Srfwtrnorbfti. 


Witter* unb fiicbe^tljatcn mar feine bebonugte 
Seftüre. 8 u 9 lc ^ aber max er ^tfrißcr Äatßolif. 
©r bicßtete eine Stoman^e $u ©ßren beg heiligen 
Betrug, ben er alg feinen befonberen ©cßußpatron 
betrachtete. 

Älb im 3 aßre 1521 & ie Sfronjofen SRabarra angrif* 
fen, fieberte ber £eraog bon wajara bie §auptjtabt 
feampclona bureß eine Heine Befafcung, in ber auch 
Sopola eine Compagnie befehligte. ©r zeichnete fleh 
hier burch feinen jähen 2 Rutß aug. Älg nach ©in* 
nähme ber ©tatt, bie granjofen bie halb eingefeßoffene 
©itabeüe ftürmten, ftanb er ßelbenfüßn auf ber Brefcße, 
big ißm eine $ugel bag rechterem jerfeßmetterteunb 
jugleicß ein ©teinfplitter ben linfen guß traf. 

*fcie ©panier ftreetten bie ©affen. Uebrigeng be* 
hanbelten bie ©icacr ben Xapfern mit großer ©cßo* 
nung unb ließen ihn auf fein naheg bäterlicßeg ©chloß 
bringen. 

Seiber befanb fieß bamalg bie ©unbarjneifunft 
noch in ihrer ftinbßeit. $ie Beßanblung bon .ggnaj’ 
©unben mar fetjr ungefeßieft; bie Änocßen mürben fo 
fcßlecßt jufammengefügt, baß man ben guß jmeimal 
mieber breeßen mußte! ©Hefe harter üerßmberten 
nießt, baß ber Äermftc auf immer ßinfenb blieb, ©r 
litt unfagbare ©eßmerjen, bie er jeboeß mit ßeroifeßer 
©ebulb ertrug. 

©ährenbber langen Monate feiner ftranfßeit fueßte 
er im Sefen ein Mittel bie Sangemeile ju berfeßeueßen 
unb fo biel alg möglich feine Scibeit ju bergeffen. 
©elbftberftänblicß forberte er junäcßft SRittcrromane; 
ba aber folcße fieß nießt in bem ©cßloffe borfanben, 
fo gab man ißm bag „Seben ©ßrifti" nnb bie „Blu* 
men ber ^eiligen" in fpanifeßer ©praeße. 

9Rcßr unb meßr feffelten ißn biefe für ißn neuen 
©toffe. $ie äRartßrien unb munberbaren $ßaten 
ber ^eiligen, jumal beg ©>ominifug unb beg granj 
bon Äffin, erfeßienen balb feinem abenteuerluftigen 
unb burch ©eßmerj unb gieber erregten ©eifte meßt 
minber rußmbott unb nacßaßmunggmertß, alg bie 
gelben ber faßrenben Witter. 

©ein ftetg ftarfer unb lebenbiger ©ßrgeij manbte 
ßcß alfo naeß biefer SRicßtung. Änfangg ftritten noeß 
m feinem §erjen bie früheren ©inbruefe, bie rüter* 
ließen BorfteUungen, bie Siebe JU feiner $ame mit 
ben neuen ftbecn; aber biefe fiegten boeß meßr unb 
meßr ob. ©r glaubte, baß ©t. Beter, an ben er fieß 
befonberg mit feinen ©ebeten gemanbt, ißn bureß un* 
mittelbare $a*mifcßentunft bon bem $obe gerettet 
ßabe. 

Äucß mußte er fieß moßl überzeugt ßaben, baß feine 
fcßlecßt geßeilte ©unbe, bie ißn für ben Öteft feineg 
Sebeng *um Linien berurtßeilte, ißm bie mihtärifeße 
Saufbaßn für immer berfeßloß. ©0 entfeßieb er fieß, 
ber geiftlicße ©olbat ©ßrifti, ber Jungfrau, beg ßei* 
ligen betrug JU merben; aber nießt ein aemößnli- 
eßer ©olbat, fonbem ein £auptmann ber cßrifilkßen 
SMilij. 

©r ßoffte, inbem er bureß SRüßen, gaften unb ©a* 
eßen im tarnen ©otteg ©atan unb ©olle befämpfe, 
im ftimmel jenen ©laiu unb jene Weicfie JU aeminnen, 
bie Ämabig unb feineg ©leießen bureß ißre SRittcrtßaten 
fieß auf ©rben eroberten. 

9Ran fießt ßier, baß mieberum bie enge Berfcßmel* 
jung beg ritterlichen ©eieng mit bem SRßftijigmug, 
befruchtet bon brennenbem ©ßrgeij, ben ©ntfeßlüffen 
Sopola’g ißren Urfprung gab. iRicßt SReue, nicht bag 
Bcbürfniß, bureß bag Opfer feineg ganjen SBefeng 
Ännäheruna an ©ott ju fueßen, führten &gnaj jurn 
©infieolerlebpn—fonbern ber ©unfeß, fieß unter allen 
SRenfcßen bureß $ßaten augjujeicßnen gleich ben©un* 
bern ber ^eiligen, beren Biographien er foeben ftu* 


birt ßatte, ißnen an fflußm unb Berbienften äßnlicß 
5 U merben. 

Oßne ©iffen feiner gamilie beeilte er fieß, im 
9 Kär 5 1522, feinen ©ntfd^luß unmiberruflicß &u ma* 
eßen, inbem er bie ©elübbe ber ^eufcßßeit unb ©nt> 
ßaltfamteit ablegte. 

gn bem XommitanerTlofter beg ©tabteßeng 9Wan* 
refa unterjog er fieß ben ßörteften Prüfungen, ©r 
geißelte fieß täglich brei SOTal, er betete Inienb unun* 
terbroeßen fieben ©tunben lang, er meßrte 5Racßtg ge^ 
maltfam ben ©eßlaf ab. ©r näßrte fieß augfcßließltcß 
bon Brob itnb SSaffer. 

©0 ßoffte er eg ben ^eiligen gleicß ju tßun, in beren 
3 aßl bereinft aufgenommen ju merben, er inbrünftig 
begehrte. Äber je ärger er feinen Körper peinigte, 
um )o fränfer mürbe feine ©inbübung. ©r füßlte 
feine ©enugtßuung, feinen 3!roft; im ©egentßeil, er 
ber^meifelte baran, jemalg bie göttUcße ©nabe unb 
ben ßimmlifeßen 9fußm erlangen 5 U tönnen, ba bie 
Saft feiner ©ünben aQ^u groß fei. ©r meinte $ag 
unb 9facßt unb enblicß füßlte er fieß berfueßt, fieß aug 
bem genfter feiner 3 ^ 5 « (türjfa; aur ber ©ebanfe 
ßielt ißn ^urücf, baß er bamit eine neue ©ünbe bege* 
ßen mürbe. 

©g ift gemiß bon ßohem Qfntereffe, in mie berfeßie* 
bener SGßcifc Sutßer unb ^gnaj bon Soßola fieß aug 
biefer trüben Sage befreiten. 

£er Xeutfcße, ber mit füßlerer ©inbilbunggfraft 
auggerüftet unb zugleich ^ßeologe bon Beruf mar, 
tröftete fieß mit ber Seßre bon ber boUtommenen ©r* 
löfung bureß ©ßriftug, bie er in ber Bibel fanb. 

$er fanatifeße unb eßrgei^ige ©panier, beffen ©e^ 
ßirn mit abenteuerlichen Witter- unb §eiligengefcßicß« 
ten boügepfropft mar, ßatte Biftonen. ©r meinte ju 
bemerfen, baß bie finftem ©ebanten ihm bom Teufel 
unb feinen Dämonen, bie guten BorfteUungen aber 
bon ©ott unb feinen ©ngeln eingeflößt mürben, ©r 
glaubte 3 c f ud un & Jungfrau $u feßen. ©r jaß 
aueß ben ieufel unter bergorm einer fcßiHernben 
©eßlange, aber ie meßr er betete, befto blaffer unb 
ßäßließer mürbe oag 9ieptil. 

©eich* tiefgreifenber Unterfcßieb jmifeßen bem ©e* 
fen beg ©ittenberger 9Röncßeg unb bem beg Ägjeten 
bon SRanrafa! 

Sutßer begnügte fieß bamit, fieß auf ©otteg ©ort 
au ftü^en, bag aller ©eit offenbar mar. 3 gnaj ber» 
langte mpftifeße Bifionen, bie nur in feiner eigenen 
©inbilbunggfraft lebten unb bie aug ißm ein bebor» 
reeßteteg unb unter Millionen augermäßlteg ©efen 
machten. 

1523 reifte 3fgnaj naeß 3erufalem. ®a er fteß je* 
boeß bort bon oen Häuptern ber Äircße abgemiefen 
faß, feßrte er $urücf. ©r ßatte fieß überzeugt, baß er, 
um irgenb einen 3 roecf ju erreichen, borßer umfaffenbe 
ftenntniffe ermerben müffe, unb fo mibmete er fieß 
bem ©tubium.— 3 ivei 3 apre ßinbureß arbeitete er in 
Barcelona; bann oejueßte er bie philofopßifcßenBor* 
lefungen an ber Uniberfität Älcala unb enblicß bie 
tßeologifcßen ©urfe in ©alamanea. 

tiefer 9Rann mit eifemem ©illen, mit einer ©nt* 
feßloffenßeit, bie nießtg entmutßigte, fe^te fieß auf bie 
©cßulbant im Älter bon 33 $aßren l 
Äber noeß inmitten biefer borbereitenben Befcßäf* 
tigung gab er Äinbem, fomie 9Rännem unb grauen 
aug bem Bolfe ftatecßigmugftunben unb prebigte auf 
öffentlicher ©traße. ©cßon ßanbelte er mie ein ©et* 
tenßäuptUng. ©r mußte fromme Berfonen, befon* 
berg Xamen für fieß ju geminnen, bie, bon feinem 
9Rpft^igmug unb feiner marmen, ßinreißenben Be* 
rebtfamfeit gefeffelt, ißn mit ©efeßenfen überßäuften. 
©nblicß ßatte Sopola feinen näcßftcn 3mecf erreicht; 


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foqola unb brr 3rfuitrnerbfn, 


475 


am 15. Auguft 1534 grünbeten feine ©efäprten mit 
ipin ben neuen Orben. 

Sie legten baS breifüdje ©clübbe 1er Äeufcppeit, 
Armut!) unb eines geiftlicpen ÄteuzzugeS nach ©a« 
läftina zur ©efeprung ber NtoSlemin unb zur Unter* 
ftüpung ber armen, ftjrifcpen Epriften ab. später 
mürbe baS ©elübbe unbebingten ©eporfamS bei* 
gefügt. 

2 >er militärifcpe ©eift, ber in Sopola niept erlofcpen 
mar, liefe ihn ben üollfommenen, greuzenlofen, blin* 
ben ©eporfam als bie oorzüglicpfte aller $ugenben 
betrachten, öopola mürbe auf Lebenszeit als ©ene* 
ral beS OrbenS erroäplt unb ihm eine unbegrenzte 
©eroalt übertragen. „Sie füllten in beut ©cneral 
EpriftuS mie anroefenb unb perfonifizirt üerepren." 
3 u ben brei gemöpiilidjen ©elübben fügten fie nod) 
etn oierttö: „ 3 hr ßeben bem beftänbtgen $ienft 
Eprifti unb ber$äpfte zu mibmen; auSfdjltcfelid) bem 
fierrn unb bem römifchen <ßontifej als Stefloertreter 
©otteS auf Erben, zu fropnben, fo bafe fie verpflichtet 
feien, fomeit eS möglich, unmittelbar unb ohne irgenb 
eine 3ögerung auszuführen, maS ber gegenmärtige 
$apft ober fpäter feine Nachfolger ihnen befehlen 
mürben/' 

Enblid), am 27. (September 1540 mürbe ber Orben 
Zur ©efelljchaft 3efu päpftlid) beftätigt. 

fiopola mar in ber £pat bazu geeignet, bem 3 c* 
fuitenorben oorzuftehen. Ntan fehe nur feine aus* 
brucfSüoüe ©pofiognomie, baS hagere unb hoch traf* 
tig gebaute ©efiept, bie breite, fcpbn gemölbte Stirn, 
He tleinen, aber liftigen Augen, bie fräftig gebogene 
Nafe, ben energifcpen s IRunb,beffen ooü peroortretenbe 
Unterlippe nod) bie tnühfam gebänbigte Sinnlidifeit 
anzeigte. 3 gnaz bon fiopola befafe bie bor allem 
nöipige Xugetib, um ein grofecS unb michtigeS Unter* 
nehmen glüdlicb Z u leiten; er mar feft bon ber ©üte 
ber Sache überzeugt, bie er bertheibigte. 

Er glaubte fid) bon ©ott ermählt,um beffengeinbe 
zu bernichten unb bie Ntacpt unb baS Anfepen ber 
»irepe mieber herzuftcllen. „3)aS Vertrauen auf 
©ott mufe fo groß fein, bafe man nid)t zögern bürfte, 
baS INeer aut einem Brette za burepfahren, menn 
man fern Schiff hat." 

Er hatte in fiep jeben anbern ©unfd), jebeS anbere 
gntereffe erftirft, als ben, ©ott, b. p. ber römifepen 
iurepe, zu bienen. 3 n biefer Sache entfaltete er eine 
AuSbauer, eine Xhatfraft, bie fich burd) nichts ermü* 
ben ließen. „$ie Arbeiter im ©einberge beS §errn 
bürfen ftetS nur einen guß auf bem ©oben haben, 
ber anbere mufe erhoben fein zur gottfepung ber 
Neife." 

Er ertrug mit ftolzer ©eringfepäpung alle Anftren* 
gungen unb Entbehrungen, ben Spott unb bie ©e* 
leibigung ber ©eit. Neben biefer großen Aufgabe 
ab eS für ihn fein anbcrcS gntereffe, aber eben befe* 
alb opferte er il)r jebe anbere Nütfficpt. „$er ©er* 
Ziept auf feinen eigenen ©iüen ift mehr rnertp, als 
tobte mieber zu beleben." 

Ein bemunberungSmerther ©runbfap, fruchtbar an 
»nichtigen folgen! 3« einem folchen Streite fannte 
er feine gurept: ,,Äcin Sturm ift fo übel mie bie 
©inbftille unb fern geinb fo gefährlich, als feinen 
geinb zu haben." 

Aber biefe Sache fd)ien ggna* fo heilig unb babei 
bon fo unoergletcplicper ©tcpttgreit, bafe er alle 9 Kit* 
tel für gut pielt, um ihr zu btenen unb fie zu beför- 
bem. „Vorzügliche Klugheit," fagt er felbft, „oereint 
mit mittelmäßiger fceiligfeit, ift mehr rnertp, als grÖ* 
feere #eiligfeit mit nicberer Klugheit." 

Sinb nicht aQe moralifchen 3rrthümer, in melchc bie 
3 efuiten oerfaflen, im Heime in biefen ©orten ent* 


halten, bie fo öermunberlid) oon Seiten eines NfanneS 
flingen, ber fich ehemals mpftifeper grömmigfeit er* 
geben hatte? 

SNan meife, bafe bie 3 e fuiten ftetS ausgezeichnete 
Seelenfänger gemefen finb. „Ein guter Seelenjäger 
mufe zuerft viele Sachen ftittfcpmeigenb hingehen laf* 
fen, als menn er fie gar nicht bemerfte; fpäter, menn 
er fich erft beS ©iuenS bemächtigt hat, fann er ben 
Xugenbfcbüler lenfen, mohin ec miü." „9Jtan mufe 
nidjt gleid) Zuerft ben in meltlicpen gutereffen üerfun* 
fenen fieuten bon geiftlichen Angelegenheiten fpre* 
epen; baS hiefee ohne Höher unb Sodjpeife fifchen zu 
moUen." 

fiopola fap bei benen, bie fid) anboten, meniger auf 
bie natürliche ©üte, als auf bie geftigfeit beS Epa* 
rafterS unb ©efcpicflicbfeit für bie EJefcpäfte, benn er 
mar ber Meinung, bafe bie, mcldje nicht für bie öffent¬ 
lichen Angelegenheiten fich eigneten, auch nicht für bie 
©efeflfepaft paßten. 

Hein ©ort oon religiöfcm ©eruf, oon ächtergröm* 
migteit als ©ebingung für bie, meiche beizutreten ber* 
langten; ©erftanb unb fiebenSflugpeit, ein pübfcpeS 
Aeußcre—baS ift AUeS, maS fiotjola forbert! ©emife 
fefer bezcichnenb für ben Eharafter beS heiligen 3gnaz 
unb ber ©efeflfepaft, bie er gegrünbet hat. 

Eine folcpe aus Neligiofität, Entfagung, ganatiS* 
muS, fiift, mitber unb unbebenflicpcr Spatfraft zu* 
fammengefepte ©erfönlicpfcit mirb uns beut zu Sage 
menig fpmpatpifch fein, mo mir greimutp unb©eraö* 
heit als bie roidbtigften moralifchen Erforbcmiffe eines 
NtanneS betrachten. 

©eld)’ ©eßenfap z*t)ifchen gfluaz unb ber nupen 
Ehrlid)feit feines oon ihm oerabfdjeuten ©egnerS, 
jenes nieberjächftfdjen 5öauernfohneS fiuther, beffen 
ganzes ©ert er hatte zerftören mollen! 

Suther’S Scelenfampf ging oon bem tiefen ©efüljl 
ber Sünbe unb ber Jl<crDammnife aus, bafe fid) mit 
oernichtenber Energie aufbrängte, ber beS 3gnaz oon 
bem eitlen Drange, in glänzenber Nacheiferung bie 
berühmteften ^eiligen zu überbieten; felbft fein Sün* 
benfehmerz hatte feinen tieferen ©runb. fiuther rang 
fid) burd) feine Anfechtungen mit ber ©affe beS gött* 
liehen ©orteS, 3gnaz fdjmelgte in^ifionen unb ^pau* 
tafien; fiutberS ©eminn mar bie ©eredjtigfeit unb 
ber griebe beS ©laubenS, ber unerfdjütterlich auf 
©otteS ©ort unb bem Serbienft Ehrifti ftanb; gfluaz* 
53eftrebunaen liefen in ber unbebingten u.ntermerfung 
unter bie Autorität beS römifdben Stuhles aus uno 
feinen grieben fanb er in ber Selbftgered)tigfeit beS 
eigenen »BerbienfteS. 

ES ift oon unberechenbarer ©ebeutung, bafe gerabe 
in bem 3eitpuntte f mo ber ©roteftantiSmuS nad) allen 
Seiten fid) ausbreitete, ein fird)tid)er Serein in ber 
römifchen Kirche entftanb, ber oon einem ©eifte 
biirdjbrungen, oon einem ©iüen gelenft, oon glei* 
djem ©ehorfam im Renten mie im ftanbeln befcelt, 
bie Vertretung ber tatholijchen 3ntereffen zum einzi* 
gen 3mecf feiner Xpatigfeit mählte unb fich unbebingt 
bem römifchen Stuhle unterorbnete. 

ggnaz ftarb am 30. gult 1556 im Alter oon 65 
3ah*en. ©r batte fich auf feinem Sterbebette fagen 
fönnen, bafe fein ©erf über alles Ermarten hinaus 
elungen mar. $ein Stifter eines religiöjen OrbenS 
atte noch »uährenb feines fiebenS feine Schöpfungen 
fo gebeipen fepen. Seine Scpüler maren fepon über 
Die oier Erbtpeile oerbreitet unb aller Orten in rüpri* 
ger % pätigfeit. 

Allein, menn er geglaubt patte, pauptfäcplich auf 
bie $eper mirfen zu tonnen, fo patte er fiep boep ge* 
täufcht ®ie ©efeUfcpaft 3 efu blühte oorzüglicp in 
ben füblicpen fiänbern, beren Necptgläubigfeit nie 


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476 ^cbrtriiigtr Glaube unb Grtfolg in btt Setltnrritung. 


malS ernftlid) gefäßrbet morben. 3 n Stalicn bcfanb | f)cit. Salb mit bcn Königen gegen bie Hölter, halb 
fid) ber Sftittclpunft beS OrbenS, üon ber ^eiligen mit beit Golfern gegen bie Könige üerbünbet, hoben 
Stabt aus Verbreitete fid) berfclbe über bie Erbe unb | bie gefutten nur einen Qiuccf gefannt, ber tat^olifd^en 
bat fid) bereits in allen fiänbern fühlbar gemadjt. — Äircße in ber ganzen Welt pm Siege zu üerßelfen. 
$n bie Einzelheiten btr ©efd)icßte ber Jgefuiten ein* | Sflaüe feiner ©efetlfcßaft gegenüber, fühlte fid) ber 
zugehen, ift uufereS Orts nicht. 1 Qefuit nach duften geftiipt unb üertßcibigt burch bie 

$aS ift alfo baS Werf ^gnaj üon Soßola; eine be* I $aufenbe feiner Srüber. Er mußte, baß ein J>eer 
munbernSmertße, großartige, einheitliche unb furcht 5 1 hinter ihm ftanb, ihm beizufteßen, unb ihn aus jeber 
bare Schöpfung, eine friegerifeße Sttafcßine, bie JJaßr* i Sfotß zu retten. Er feheute fich üor feiner Aufgabe, 
hunberte tjinbureß niemals ißre 25ienfte üerfagt, viel* ! unb mar bereit auf irgenb einem erlaubten ober üer* 
mehr ftctS auf baS fträftigfte gemirft bot miber jebe i botenen Wege fein $iel zu erregen, benn er banbeite 
Reform ber Stircße, miber jebe $ulbfamfeit in ben nach bem fcßrecflicßen ©runbfap: $er Qtvcd ^eiltgt 
Slnfcßauungcn unb im Sieben, miber jebe ©eifteSfrei* i baS Mittel. 




^ebenbiger ©laube unb Erfolg in ba: Sfclenrcltuug. 


f ie Sfotßmenbigfeit lebenbigen ©laubenS an bie 
Wahrheiten ber heiligen Schrift ift ein fo ein* 
leucbtenbeS Erforberniß zum Erfolg in ber 
Scclenrettung, baß ber ScmeiS auf ber §anb 
liegt.—Unter Seelenrettung aber üerfteßen mir baS 
Wtrfen, moburd) bie Seelen üon ber Sünbe, bem 
glud), berfiuft unb Stacht ber Sünbe errettet merben. 
Unb ba nur Einer ift, ber üon Sünben retten fann — 
nur Einer, beß Sfame $cfuS meil er fein Solf 
felig macht oon ber Sünbe, baher ift Seelenrettung 
iunöcßft baS Sefanntmacßen ber Seelen mit «gefuunb 
baS zu il)m Seiten unb güßren, baß fie burd) Süße 
ZU ©ott unb ©lauben au Qefum bie Vergebung unb 
Steinigung üon ber Sünbe erlangen; unb baß fie fo* 
bann angeleitet merben, burd) bcn ©lauben bciEßrifto 
ZU bleiben, in feiner Erfenntniß unb ©nabe zu maeßfen, 
um zubereitet unb erhalten zu merben zum emigen 
fiebeu. 

$ie Seelenrettung ift moßl zunädjft baS Wer! beS 
breieinigen ©otteS — unb hoch hot cS ißm gefallen, 
SWcnfcben als Weifzeuge, als Mitarbeiter zu gebrau* 
eßen—Sftcnfcßen burd) Menfcßen zu retten. Unb bie 
efantmte ftireße, ein jebeS ©lieb bcrfelben foU ißm 
ierin bcßülflicß fein, $u ißr fprtcßt ber §err: „gßr 
feib baS Sicßt ber Welt—barum laffeteucrSicßtleucß* 
ten üor ben fieuten. $aS Himmelreich ift gleich einem 
Step, baS in’S SÄeer gemorfen ift, bamit man allerlei 
©attung fängt. 3)er ©eift unb bie Sraut fpreeßen: 
äomm! Unb mer eS ßöret, ber fpreeße: $omm!" 
Unb boeß ßat ber Herr feine fcnedjte, bie fßrebiger bcS 
EüangeliumS, fpezieü bazu berufen. 3u ißnen fprid)t 
er in Sonberßeit: „gcß miß eueß zu Menfcßenfifcßern 
maeßen. ©letdjmie mieß ber Satcr gefanbt ßat, fo 
fenbe icß eud). $arunt gehet hiu in alle Welt unb 
prebigt baS Eüangelium aller Kreatur." 

$od), mer ift hierzu tücßtig. Stur mer beS lebenbi* 
gen ©laubcnS tßeilßaftig geroorben unb in bentfelben 
fteßt unb mirft. 

gerne fei eS freiließ üon mir, üerftanben fein zu 
rnollen, als ob bem Srcbiger beS EüangeliumS SticßtS 
fonft, als lebenbiger ©laube nötßig fei; ober als ob 
icß, auf ftoften beS lebenbigen ©laubenS, etma ber 
Unmiffenßeit ober Dummheit baS Wortrebenmoflte; 
benn ber ©runbfaßber römifeßen ftireße: „$ie Un* 
miffenheit ift bie Mutter ber grömmigfeit," ift eine 
große finge unb baS©egentßeil ift bie Wahrheit. XaS 
maßre Eßriftentßum ift ja göttliches fiießt, oaS fiießt 
ber Welt, unb je meßr eS um fieß greift, je meßr er* 
medt cS ben WiffenSburft unb erleud)tet bie Hölter. 
$aßer finb aueß bie eüangeiifcßcn Sölfcr bie Sölfer 


ber Wiffenfcßaften; unb baßer tommt eS, baß aueß 
bie gorberungen an baS ^Srebigtamt immer größer 
merben, ja, baß eine miffenfcßaftlicße Silbmtg faft zu 
ber unentbehrlichen SluSrüftung geßört. Siele unfeiS 
©efcßlecßtS haben baS Wiffen, ba fie aber bureß So* 
pßiftereien irre geleitet finb, fo gilt eS, baß ber Sßre* 
biger ben ©rtcdjen ein ©rieeße merben tann, bamit er 
ißrer etlicße felig maeße. 55enn nur, inbem z. S. baS 
beutfeße H?c* Slmto ’70 fogleicß über ben Sfßein mar* 
feßirte unb ein jeber Offizier eine $arte granfreicßS 
hatte, tßatfäcßlicß mit bem Xerrain ber Scßlacßtfclber 
beffer befannt mar, als bie granzofen felbft, fonnten 
fie fo ßerrlicße Siege feiern. 

gür ben Srebiger beS EüangeliumS ift eine grünb* 
lidje SluSbilbung nötßig, um ißn üor Eiufeitigfeitunb 
Serirrungcn zu bemaßren: benn grömmigteit oßne 
Wiffenfcßaft artet leießt in ©ef üßlSbufelei unb Scßmär* 
merei auS, fomte Wiffenfcßaft oßne grömmigteit in 
StationaliSmuS unb Unglauben fidß üerirrt. 

So ift aber ganz befonberS für bcn Srebiger un* 
ferer 3<*it eine reine, grünbli^e ^ßeorie ber Wahr* 
ßeiten ber heiligen Sajrift nötßig, benn unfer Solt 
nimmt zu an Erfenntntß berfelben, menn aueß leiber 
oft nießt in bem ©rabe an ©nabe. Wie foU aber ber 
Stebiger als |>irtc feiner ©emeinbe üorfteßeit, fie auf 
grüne Sluen füßren unb meiben, menn er felbft ni<ßt 
tiefer eingebrunaen ift in bie ©eßeintniffe beS SReicßeS 
©ottcS unb als HouSüater SlUeS unb SicueS aus bem 
guten Scßope feines Herzens ßerüorbringen fann. 
feein ^Srebigcr munbere fich baßer, menn bte $rebigten, 
momit er üor zehn ober zwanzig 3oßren große Er¬ 
folge erzielte, jept feinen 3ußörern, als abgebrofeße* 
neS Stroß, nießt munben moüen, menn er biefelben 
nießt mcntgftenS umgegoffen unb burd) neuentbeefte 
gunbgruben, mit neuen Scßäpen göttlicher Erfennt¬ 
niß bereichert bat. 

$ocß fo notßmenbig alle Erfenntniß, fonberlicß bie 
ber Wahrheiten ber heiligen Scßrift zum Erfolg in 
ber Seelenrcttung ift, fo ift eS boeß ganz befonberS 
unb üor Slllem ber lebenbige ©laube an biefe Wahr¬ 
heiten. $enn ber lebenbige ©laube ift ja baS eigent¬ 
liche Ertennen ber göttlichen Wahrheit. — Ober maS 
anberS ift ber lebenbige ©laube, als ein in fid) er¬ 
bringen unb fid) bureßbringen laffen üom Sid)te ber 
göttlichen Wahrßett; ein Ergreifen unb fieß Slneignen 
ber bureß biefe göttliche Waßrßeit angebotenen ©nabe; 
ein in fieß unb burd) fid) mirfen laffen ber göttlichen 
$raft ber Waßrßeit. £enn bie Wahrheiten ber hei¬ 
ligen Sdjrift befteßen nießt nur in Worten, finb nicht 
bloß feßöne Sßeorien, fonbern finb göttlicße WeiSßeit 


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lebenbigft (glaubt unb (irfolg in brr Stflfurritumj. 


477 


unb göttliche $raft; finb göttliche Realitäten, bic ober 
nur burd) ben lebenbigen Glauben erfaßt unb erfolg 
ren werben fönnen. 

Somit muß ein geber, ber Erfolg in ber Seelen* 
rettung haben will, bor etilem bie beioen (Großmächte, 
bie Sunbe unb bie ©nabe an fid) erfahren unb gleich- 
fam burchlebt hoben. Sad meint nun freilich nicht, 
baß genianb oor feiner Belehrung, fonberlid) wenn 
er ©rfolg ald Seelenretter haben foll, ein Rudbunb 
ber Sünber gewefen fein miiffe.—Qm ©egentpeil, bie 
©efchichte ber ftirepe beweift, bünft’d mich, jur ©e* 
nüge, baß ber |>err nur audnapnidmeije einen 9Ren* 
fepen, ber ein berluberted geben hinter fid) pat, gum 
9Renjd)enfifd)er beruft, bielmehr feine Rüftjeuge aud 
ber unberborbeneren ftlafje, bie ein aewiffenhafted, 
fittlidjed geben geführt unb „ein gut Qeugniß hoben 
bon benen, bie braußen finb," auderwäplt. 

Rber bennod), ob fie, wie Saul bon Marien, nach 
bem ©efepe unfträflicp gelebt, müffen fie auch, wie er, 
burch grünbliche ©rleucptung unb ©rwetfung bed 
ligen ©eifted, bie Sünbpaftigfeit unb SJcacpt ber 
Sünbe, in ber SBerborbenpeit bed eigenen foerzend, 
grunblid) erfannt unb erfahren hoben; müffen, wie 
er, in göttlicher Sraurigfeit über bie Sünbe unb mit 
herzlichem Verlangen nach ©rrettung bon berfelben 
aber im SBewußtfcm bed eigenen gänzlichen Unber* 
mögend, zu bem Rngftfcprei aud tiefftem Kerzen ge* 
tommen fein: ,,3d) clcnber Rtenfcp, wer wirb mich 
erlöjen non bem geibe biefed Sobcd?" 

Rur fold)’ grünbliche ©rwetfung führt auch 
grünblicper Belehrung unb ift Paper bei Men uötpig, 
fonbcrlid) ober bei Solchen, welche Rnbere bon ber 
Sünbe überzeugen unb retten füllen. Ober wie foU 
ein SBlinber einem Mnben ben Weg geigen? Wir 
tonnen ja nur gid)t geben, in foweit wir felbft gid)t 
haben. 

Sann gilt’ö aber auch, baß ein Seelcnrctter wirtlich 
erfahren hot: „Wo aber bie Sünbe mächtig geworben, 
ba ift hoch bie ©nabe noch biel mächtiger geworben." 
Saß er burch ben ©lauben an 3efum ©priftum eine 
beutlicße. Höre unb lebenbige Erfahrung bon ber er* 
löjenben unb reinigenben ©nabe in feinem SÖIute an 
feinem Kerzen gemacht hat, unb baß burd) bie-Rtit* 
theilung unb Saufe bed heiligen ©cifted bad Rite ber* 
gangen unb Med neu geworben ift. Saß er nun mit 
$aulo freubig betennen fann: „Qdj tenne ihn, bem 
ich geglaubt habe; benn er ift aud) mir erfdjienen, 
hat fiep auch mir gcoffenbarct. So wir benn finb ge* 
recht geworben burd) ben ©lauben, fo haben wirgrie* 
ben mit ©ott burch unfern £>ertn gejum ©hriftum. 
Wir hoben ben finblid)cn ©eift empfangen, burch wel* 
chen wir rufen: Rbba, lieber Steter! Serfelbe ©eift 
gibt 8eugniß unferm ©eift, baß wir ©otted ftinber 
“mb." 

Siefc grünbliche ©rfaprung bon ber reinigenben 
unb cameuernben Rtacpt ber ©nabe ©otted in ©prifto 
ift bie ©runbbebingung zum ©rfolg in ber Seelen* 
rettung. Saper aud) mit Recht unfere ftirepe bied 
jur erften grage bei ber Prüfung berer macht, welche 
ba glauben bont heiligen ©eifte jum $rebigtamte an* 
getrieben au fein: „flennen fie ©ott ald einen ©ün* 
ben bergeoenben ©ott? SBobnt bie giebe ©otted in 
ihnen?" Unb wohl unferer flirepe, wenn fie auf bad 
©iferfücptigfte barüber wacht, baß ein ieber ^rebigt* 
amtecanbibat aud grünblide- Erfahrung bcutlid) 
$eugniß hinüber geben fann. Wehe ihr, wenn je ir* 
genb etwas Rn bered, unb wäre ed bad Wiffen aller 
©epeimniffc, ober bad Reben mit ©ngelzungen, biefe 
©teile einnehme. Senn, wie ber §irte, jo bie beerbe. 
Rur wahrhaft belehrte Sßrebigcr werben auch auf 
grünblidjc ©efeprung ihrer ßupörer bringen unb wer* 


ben aud) folcpe ald Siegel ihred Rmted bom §errn 
empfangen. 

Socp gilt’d für jebed ftinblein in ©hrifto, baß ed bei 
ihm bleibe, ja baß ed begierig fei nach her bernünfti* 
gen lautern Rtild), auf baß ed burch biefelbe zunehme 
unb wachfc in ber ©nabe unb ©rfenntniß Qefu ©brifti. 
Unb mad)t ein jolcp’ heftänbiged unb gleicpmäßiged 
Wacpfcn unbiöölligerwaben nur einen normalen unb 
wahren (Steiften au?, »oie oielmehr ift folcper für und 
Zum ©rfolg in ber ©edenrettung erforberlid)? Ober 
wie fönnen wir Rnbere tiefer hineinführen in bie 
ööpen unb Siefen ber ©nabe unb©rfenntniß ©otted, 
fo fie nicht und felbft burch Erfahrung erfdjloffen finb? 
SBie wollen wirRnberezum^ünglingd* unb Rtanned* 
alter in (Sbrifto anleiten, fo wir )elbft Swerggeftalten 
finb unb bleioen? 

Unb ift wohl nicht hier oft ber ©auptgrunb bed fo 
beflagendwertl)en Mangels am ©rfolg ber Seelen* 
rettung zu fuchen? ^a, ift biefed nicht meift ber 
©runb zu allen ©infcitigfciten unb SSerirrungen — 
fonberlid) auch zu ber fogenannten moberuen, ober 
gortjd)rittd*Sheologie? 3ft ^od) bie Religion oor* 
nehmlich ^erzendfadje—unb ber Rfenfd) fann ini lep* 
ten ©runb glauben, mad er will,wonach fein öerz ge* 
lüftet. So fommt ed bor Mem baraur an, ob unfer 
öerz richtig, einfältig, reblich ift; ob wir und twn ber 
Wahrheit ber heiligen Schrift immer mehr burdjbrin* 
gen unb heiligen laffen, bamit bad §erj feft werbe. 
3Bo md)t, fo leiben wir ©d)iffbruch am ©lauben unb 
Schaben an unferer Seele, unb werben bon pofitiben 
Wahrheiten ber Schrift auf fpeculatioc berfaHen unb 
wenn wir nicht am ©nbe in gräuliche grrtljümcr ge* 
ratpen unb ber güge glauben, fo wirb bod) unfere 
^Sofaune einen unbeutlid)cn Son geben — unb wer 
wirb fid) bann zum ftrieg rüften? .^aben wir z* 
burch anflebenbe Sünben, bie wir nicht ablegen wol* 
len, ober burd) neue $erfd)ulbiingen, bie wir nicht 
reumüthig befennen unb und reinigen laffen wollen, 
in etwad bie ööfle zu fürchten, fo werben wir geneigt 
fühlen, wenigftend bie ©wigfeit berfelben zu leugnen, 
unb Wenn md)t bie Wieberbringung aller Singe, fo 
bod) ein moberned gegfeuer, nod) einen ^orbtrei* 
tungdort im genfeitd zu glauben — unb ba wir nicht 
mehr wiffen, weil wir’d eben nid)t wiffen wollen, baß 
ber §err zu fürchten ift, fo fahren wir, wie gutfjer 
hier zwcibeulia jagt, fd)ön mit ben geuten—unb bad 
meint fobann fern janft, prebigen ihnen, wonad) ihnen 
bie Ohren jüden. Soch fo wollte ^aulud offenbar 
nid)t üerftanben fein, fonbern entjdjieben im ©egen* 
tpeil. §atte er ja aud) foebeu ein ganz anbred ©oan* 
gelium üerfünbet, 2. ©or. 5, 10 lefeu wir: „Senn 
wir müffen alle offenbar werben üor bem Rid)terftul)l 
©h^ifti, auf baß ein geglidjer empfange, nachbcm er 
gcljanbelt qat bei geibed geben, ed fei gut ober böfe." 
unb fährt nun fort: Sieweil wir benn wiffen, baß 
ber §err zu fürchten ift, jo bringen wir in bie geute; 
ober wie ed bie englifche Ueberfepung hat: “we per- 
suade men.” Uno er wiU bamit fagen: Sieweil wir 
biefe göttliche Wahrheit burd) ben ©lauben ald Rea* 
lität erfannt unb erfaßt haben, baß biefed geibed ge* 
ben unfere einzige ©nabenfrift unb Sorbereitungdjeit 
ift; baß bem 9Rcnfd)en gefept ift, einmal zu fterben 
unb barnad) bad ©eriept, bor bem wir alle offenbar 
werben müffen, unb weldjcd bie ewige ©ntjdjeibung 
für einen geben wirb; jo fuepen wir auch 

bie geute bon oiefer Wahrheit zu überzeugen unb zu 
überführen. 

Unb gerabe hierin lag bad ©eheimniß feined fo 
wunberbaren ©rfolgd in ber ©eelenrettung. ^nbem 
er fagen fonnte: „Siewoil wir benfelben ©eift bed 
©laubend haben (naepbem gefeprieben ftept: N gcp 


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478 


Per Srotmnlcrjuuge non Untietam. 


glaube, barum rcbe 140/ fo glauben wir au4, barum 
fo reben wir audj." Gaffer fonnte er audj jagen: 
„$lber, o ein treuer ©ott, baff unjer ©Wort an eu4 
nic^t 3a unb SRetn gewejen ift." „$enn wir finb 
nicht wie etlicher ©iele (ober, ald fo ©iele), bie bad 
SEBort ©otted oerfälfchen; jonbem ald aud fcauterfeit, 
unb ald and ©ott, oor ©ott, reben wir in ©ffrifto."— 
Unb baher fonnte er auch fagen: „34 öermag Med, 
burch ben, ber mich mächtig macht, ©tyriftud." Ser* 
mag Med p thun, p oerleugncn, zu leiben, ohne 
miibe p werben; achte felbft meinfieben nichttheuer, 
bamit i4 mein Mit audri4te unb ald treuer geuge 
©otted erfunben werbe. Unb fiehe, begtjalb fonnte 
er bann auch rühmen: „Mer ©ott fei gebanft, ber 
und allezeit Sieg gibt in ©ffrifto, unb offenbart ben 
©eruch feiner ©rfenntnig burch und an allen Orten/' 
$)er ©laube, ber lebenbige, war ed unb ift ed, ber 
ber Sieg ift, ber bie ©Welt uberwunben ffat unb über* 
winbet; ber ©laube, ber bad ©öangelium p einer 
feligmachenben ©ottedfraft macht; nur bad im ©lau* 
ben oerfünbete ©öangelium wirb auch in ben §er*en 
ber §örer ben ©lauben werfen unb ftärfen. 2Ran 
wirb und ja gar halb abbören unb abfühlen, ob wir 
wirtliche Mgenpugen finb, ober ob wir nur üom 
örenfagen reben. $arum nur, wenn wir „ald aud 
ott, oor ©ott in ©ffrifto reben, ©ott offenbar finb," 
tonnen wir auch hoffen in ben ^erpn unferer §örer 
offenbar p fein. 

Unb ob auch ffie unb öuein lebloferSBegweifer, ber 
noch pr SRotff ben rechten ©Weg anpigt, ©inige ocr* 
anlaffen mag, benfefben p betreten—unb ob ed ©ott 
gefallen mag, audnahmdweife unb zeitweilig burch 
einen ffalbgläubigem ©ileam p wetffagen unb fein 
©olf $u fegnen—ei, tann er boäj, wenn’d ihm gefällt, 


felbft eine ©felin reben machen—fo finb ed im Mge* 
meinen bod) nur bie burch ben ©lauben bem #aud* 
herm p ©ffren gereinigten unb geheiligten ©efäge, 
bie ihm braucht unb p adern guten ©Wert bereit 
finb. 

So fteht hoch ald SRegel feined 9?eiched feft, bag er 
nur bem ©efenntnig: „©Wir haben erfannt unb ge* 
glaubt, baff bu bift ©hriftud, ber Sohn bed lebenbigen 
©otted," bie Scfflüffcl feined SReicbed übergibt; nur 
bem ©etenntnig: „$err, bu weifft aUe Singe, bu 
weigt auch, baß *4 bt4 Ifeb höbe," bad ©Weiben feiner 
fiämmer unb feiner Schafe anüertraut, bag er nur 
Mgenpugen p ©erfünbigern feined ©oangeliumd 
beruft, unb bag nur folcfacr Qeugnig, bie ba tagen 
tonnen: „©Wir haben ni4t oen tlugen gabeln gefolgt, 
ba wir eu4 funb getöan haben bie Sftaft unb $ufunft 
unferd föerrn 3^fu ©btifti; fonbem wir haben feine 
§errli4teit felbft gefehen. So finb wir nun ©ot* 
f4after an ©ffrifti Statt, benn©ott oermabnete bunh 
und, fo bitten wir nun an ©hrifti Statt: Raffet eu4 
üerföhnen mit ©ott," ben Hörern bur4’d £>er$ gehen 
wirb. 

$ag nur bad ©Wort ©otted, bad aud bem §er&en 
fomrnt, in wel4em ed bur4 ben ©riffel bed heiligen 
©eifted mit giammenf4nft gef4rieben fteht, auch p 
ben §er*en ber §örer bringen wirb unb jwar leben* 
big unb frättig, unb f4ärfer benn fein 5weif4neibig 
Sajwert uno bur4bringct, bid bag ed j4eibet Seele 
unb ©eift, auch SRarf unb ©ein unb ein dtoffter ber 
©ebanfen unb Sinne ber §erpn wtrb. 

©d bleibet babei: *Rur, wo wir fo!4ed thun, im 
lebenbigen ©lauben bie ©Wahrheiten ber heiligen 
S4nft üerfünben, werben wir und felbft unb bie, fo 
und hören, felig ma4en. 




Per trommlrrjuit0e von Jtntietam. 

Uns bem <£nalifi|eu für 6au« unb 6trb. 


werbe mit Sühnt bebedt gurüdfehren, 
•dBI tfjeure SRutter," Jagte' Stöbert Detmar. 
„'Senfe nur, bie gange Kompagnie, auef) 
Kapitän ^arrifon, Jagt, bafe icf) ein aus» 
gezeichneter Drommter bin. Du toürbejt bie 
alte Trommel faum mieber erfennen." 

„Sie fteht nicht mehr fefjr Jchön au«," ent» 
gegnete bie ÜJtutter, mit einem ©crfuche gu lä* 
cf)eln. „Du hätteft fie anftreichen Jollen, So* 
bert." 

„SDtir ijt eS gleich, Wie fie auSfieht. 88aS 
Wohl ©rofeoater Jagen toürbe, wenn er fie hören 
fönnte? geh benfe, er würbe fidj in bie (Schlacht 
oon ©ermantown gurüdoerfefct glauben. 8113 
bort bie ©ritten ben ©ieg fajt Jehon in |>änben 
hielten, frodj ©rofeoater hinter bie ©tettung ber 
JJeinbe unb fing an, feine Irommel fo taut als 
möglich $u Jchtagen. $ie ©ritten wähnten fich 
im Süden angegriffen unb begannen ju fliehen. 
®ro§Dater aber erhielt oon ©enerat ffiafhington 
eine gotbene ÜRebaiüe. ©ieh, h*er ift fie. 3dj 
benfe fie an biefem Sanbe, fo lange ich lebe, ju 


tragen. Slber ich ntug je^t fort. £ebe Wohl, 
SJtutter." 

Sine ftüdjtige Umarmung, ein Kufj, begleitet 
oon einem furjen „(Sott fegne Dich, mein Sohn," 
unb ber Sohn fdjieb oon feiner Stutter, um 
feine fßflicht in bem Kriege gu erfüllen. 

©o oergingen SBochen unb 9Jtonate. 9tn» 
fangS famen häufig ©riefe aus bem Säger an 
bie emfame SBittWe, angefüüt mit ben ©dptbe» 
rungen ber Kämpfe unb ÜJtärfche. 

3 n einem berfetben fjief5 ti : 

„Du hätteft unfer Segiment in ber ©chtacht 
bei Sntietam fehen fotlen. ©enerat äRc&teDan 
ritt, an ber Sinie oorbei. Kr tobte bie Dapfer» 
feit ber ©otbaten. Da fam er auch gu mir, ber 
ich niübe an einem ©aum lehnte. 

'2Bie heifet Du, mein ©ohn?' fragte er. 8tt8 
ich ihm meinen Samen nannte, lächelte er. 
'äBie, Du bift Oberft Detmar’S 1 Snfet? ftdj 
hörte oft oon Deinem ©rofeoater, unb noch nie hat 
ein befferer 9Jtann unter bem ©ternenbaitner 
gefochten/ 


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In @rommltrjuuge oon Jlntirtam. 


479 


34i a b, mie ber©eneral nnd) meiner Hrommel 
blitfte, unb erjäfelte ihm, bafe mein ©rofeoater 
fie in ber <&d)laä)t bei ©ermantoton getrogen 
hatte. '34 höbe Hi4 h*ute beoba4tet, Stöbert, 
Hu toirft bem Stamen, ben Hu trägfe, feine 
S4onbe ma4en/ SIIS er mcgritt flogen aQe 
SJtüjjen in bie Suft, unb bie |>o4rufe ber Sol» 
baten fd^ienen bie Säume unb ©üfcfee ringsum 
ju erfehüttern." 

Später aber blieben bie ©riefe and, unb Un= 
ruf)e ergriff baS ®tuttert)erj. 


@4on feit jtoei Klagen unb 9tä4ten lagerte 
baS öierte Stegiment ber feinbtic^en Stellung 
gegenüber in einer Steife bon @rblö4ern. 3mi= 
f4en beiben Parteien lag ein offenes gelb, auf 
ioel4em bie einjige Wafferqueße ber ©egenb 
fprubelte. Hie Äugeln ber geinbe flogen un= 
abläjfig herüber, fo bafe eS ein gemagteS Unter» 
nehmen gemefen märe, ben freien Staunt ju über» 
f4reiten. HieSeute oerfu4ten baS trübe Waf» 
jer eines Sumpfes ju trinfen, mel4eS fi4 bei 
ihrer Stellung befanb, aber fie manbten fe4 
halb mit ©fei öon bemfelben meg. (Einige 
ftranfe unb ©ermunbete mäljten fid) auf bem 
©oben unb jammerten na4 Waffer. 9lu4 bie 
®efunben Ratten bie dualen beS HurfecS ju er» 
tragen ; benn bie gelbflafefeen maren geleert unb 
lagen überall jerfereut untrer. 

„34 flotte mir öorgenommen, bem ©ranbt) 
}u entfagen," murmelte ein Solbat, melier 
fraftloS unb erfehöpft im ©rafe lag, „aber i4 
lann eS ni4t mehr auSfjaltcn. ©ib mir meine 
gelbflafehe, ©iß; eS ift guter Slum barin. 34 
»ill felbft trinfen, unb bann rei4e fie bei ben 
Seuten herum. (ES mirb ben Hurft toohl für 
eine Weile feiflen." 

Ha liefe fi4 eine flare Änabenftimme hören: 
„Würben Sie ni4t einen Hrunf frifefeen Waf» 
ferS biefem brennenben Stoffe öorjie|en, Äor» 
poral?" 

„HaS mürben mir Sille, rnenn mir’S hoben 
lönnten," mar bie Slntmort. 

. „34 t»ifl 3^nen SEBaffer genug Oerfdjaffen, 
toenn Sie mir bafür erlauben moUen mit bem 
Sranbh ju tfeun, maS i4 miß," fagte Stöbert 
näljertretenb. 

„@ern, mein 3unge," entgegnete ber Solbat. 
„34 miß nti4 gern baoor bemaljren laffen mci» 
neu S4»ur ju bre4en unb baS Iperj meiner 
alten SÖiutter." 

Hie glafehe ergreifenb, gofe Stöbert ben 3 n = 
halt auf ben ©oben aus. Hann f41euberte er 
bas ©efäfe oon fe4, inbern er oor fedj ffe” mur» 
melte: 

„0 ©ater, ©ater, bafe iäfi jemals »ergeffen 


fönnte!" Hie ©rinncrung mar in ihm aufge» 
fliegen an ben Hag, ba man feinen ©ater als 
2ei4e h e ‘ m gebra4t hatte, melcfeer oon einem 
©enoffen beim Hrinfgelage niebergef41agen 
morben mar unb geftorben mar mit einem gludje 
auf ben Sippen. 

„34 mag ni4t benfen, bafe ©ater foflte oon 
uns auSgefct)toffen fein im Stimmet. 34 miß 
beten für ihn, Hag unb Stacht; oicßeidfe mirb 
©ott ihn bann—" 

„Waffer 1 Waffer!" unterbra4 ihn eine un= 
gcbulbige Stimme. 

H)a manbte Stöbert fi4 um unb ergriff fo oiele 
oon ben glafehen, mie er tragen fonnte. Hann, 
efee no4 3emanb burdfedjaiite, maS er beabfe4 5 
tigte, oerliefe er bie Sinie unb rannte über baS 
gelb auf bie duefle ju. ©in Scfeniter oon Äu» 
geht, oon ber feinbli4en Seite her» begrüfete 
ihn. Seine greunbc oerfu4ten, burcf) lebhaftes 
geuer auf bie Stellung ber geinbe, bie Stuf» 
merffamfeit berfelben oon bem Änaben abju» 
lenfen, ohne inbeffen gliidlid) in ihrem ©crfu4e 
ju fein. Stöbert aber erregte mohlbeljalteen 
bie duefle, bereu Ummaflung ihm für ben Slu» 
genblid Sdjufc gegen bie Äugeln ber Stebeßen 
gemährte. 

©alb hatte er bie glafehen gefüßt unb trat 
ben Stücfmeg an. Sluf’S Steue fcfeofl baS Ära- 
4en ber S dpi fee über baS gelb. Slngfeoofl be» 
oba4teten bie ÜnionSfolbaten ben moderen Äna» 
ben, unb aus man4cm $crjen flieg ein inbriin» 
feiges ©ebet auf für feine Stellung. Ha plöfc» 
lief) ftodtc Stöbert unb fuhr mit ber $anb na4 
bem Äopfe. 

„@S ift aus mit ifem!" liefe fjd) eine Stimme 
hören. Slber nein; langfam tarn ber Änabe 
näher unb erreidjte bie Steflung feiner greuube. 
Hie ©läffe feines SlntlifceS unb baS aus einer 
Wunbe an ber S41äfe nieberrinnenbe ©lut Oer» 
lünbeten beutli4, bafe er fein Seben für feine 
Äameraben geopfert hatte. 

„Stöbert, SRobert, marum hafe bu baS gethan ?" 
fagte berÄapitän mit jitternber Stimme, inbern 
er an ber Seite bcS Sterbenben nieberfniete. 

„34 tonnte fie nicht leiben feljen — tonnte 
nicht fehen, mie gierig fie baS ©ift trinfen," 
fagte ber Änabe, inbern er auf ben Äranfen 
geigte, ber mit Wohlbehagen baS fühle Waffer 
tränt unb bie |>anb fegnete, bie eS ihm oerfehafft 
hatte. 

„Sehen Sie, Äapitän, bort ift ber gled, too 
i4 ben Stoff meggofe, ber ihn getöbtet haben 
mürbe," fuhr Stöbert na4 einer Weile fort. „D, 
i4 bin glüdli4, bafe i4 baS Waffer mohlbefjal» 
ten heobra4te. SJteine SJtutter mirb um nri4 
meinen; i4 bin ihr ein jigeS Äinb, aber fie mirb 
ni4t tabeln, maS id) tfeat. SJteine Hrommel, 


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480 


J)ie weiße Jtofe. 


Sen!" Wanbte er fic^ ju einem fonnoerbrann- 
ten Solbaten, ber mit tgränenbcn Slugen neben 
igm ftanb. ©r täfelte, als feine $anb bie ge= 
liebte Trommel berührte. 

„Siegten Sie mid) ein wenig auf, Kapitän," 
flüfterte er. $ann ergriff er bie 3cf)lägel unb 
fdjlug ben Slnfang ber Seoeille. Salb aber ließ 
er bie fpänbe finfen unb lernte fieg mit mübem 
Seufjer an be? 8‘apitän’S Scgulter. 

„Siebe, alte Trommel," fagte er leife. „$er 
©rofjDater nannte mid) immer feinen 2rommler= 
jungen. 3dj fomme ffltutter!" fugr er fort, 
als antworte er einem fernen Stuf. (Sann anf= 
fagrenb, rief er: „Satcr! Sater! Siegertieg, 
baS ift mein Sater! Sift 2)u gier, SRutter? 
(gcß fann (Sieg niegt fegen — icg bin fo falt unb 


mübe. Suffe mid), bamit icg fdglafe," fcglog er 
flüftemb. 

(Ser Snpitän fügte mit bleicgem Slntlig unb 
tgränenben Singen bie Sippen beS fterbenben 
ft'naben, welker lächelte, als fügle er ben fiuß 
feiner SJtutter. 

„@r fegtäft," fagte ber ßapitän leife. 

Scgweigcnb ftanben bie Solbaten im ffreife, 
bann aber reichten fie fidj bie $änbe über ber 
Seicge unb gelobten, bag in 3ufunft nie wieber 
ein (tropfen beroufcgenbcS ©etränfe über igre 
Sippen fommen fofle. 

Sie gaben igren ScgWur gegolten, unb ber 
(Srommlerjunge, weteger fein Seben für fie 
opferte, gat in igrer Stanbgaftigfeit ein (Senf» 
mal, baS für immer ftegen wirb. 


rril rffi fb 


Pie weiße Pore. 

8rür $au6 nnb $erb bou H. St. 


f eg, ©rogmutter, erjägl’ mir borg, warum ber 
alte, freuttblidj auSfegettbe SDtann, ber 
gier brüben in bem grogen (pnufe fo ein» 
fam wognt unb ben man nur fiegt, Wenn er jurn 
$aufc ©otteS gegt, warum er wogl fo einfam 
geworben ober geblieben ift. 

(SaS will id) tgun, fagte ©rogmüttcrcgen, ber 
gat fegwere, trübe Sage gititer fieg, ber gat Diel 
lernen unb beten müffen; aber er gat ben Sieg 
batwn getragen. 

$cg entfinne mitg jener 3eit noeg fo gut, Wie 
geute. (Ser $err SRatg war ein ftol-jer unb 
garter äJtann, ber eS niegt gelernt gatte, fieg Dor 
©ott ju beugen unb begwegen Würbe er in eine 
garte Segule gefegidt. ®r gatte fegr groge 
Släne mit feiner einzigen, wunberfegönen £od)= 
ter, beren $erj eben fo gut War, wie igre ©c= 
galt fegön, unb bie igr $erj einem armen Stu= 
benten, bem Sogn einer SBittwc, geftgenft gatte, 
unb wie §ermeS um bie $anb feiner 6Ua an» 
gielt, ba flucgte unb wetterte ber fperr 9tatg, 
bag cS folcg’ ein Scgwarjrod fieg erlaubt gäbe, 
feine Slugen ju feiner (Socgter ju ergeben. 

Sßenn er nnr arm gewefen, baS wäre notg ju 
oerjeigen; aber ^ernanb, ber baS SBort ©otteS 
Derfünben wollte—ba« war unergört. (Sr, ber 
SRatg, ber an feinen ©ott glaubte, ber nie betete, 
ber ooii göttlitgen (Singen nidjtS gören fonnte, 
er foßte ber Scgwiegertmtcr eine« folcgcn Wer¬ 
ben—untnöglid)! 

Unb fo würben Seibe gerieben. Stubent 
JpermeS ging fort. Sebodj gatte er Süa per» 
fprodjen, über’S ^agr wieberjufegren. Sie 
gatten Slbfcgieb genommen auf ber Sanf im 


©arten, Wo bie Dielen Weigen SRofeit blügten, 
Wo fie fo oft gefeffen unb erjäglt Don jufiinfti» 
gen 3citen unb Don beg Silles notg gut werben 
fönnte. Sie gab igm jum Slbfcgieb eine weige 
Stofe, bie fie Seibe fo fegr geliebt unb fo finb 
fie gefcgicbcn. 

Unb bann War §ermc8 über’S 3agr wieber 
gefommen, um feine ©Ha ju fegen unb fuegte 
juerft bie Sanf im ©arten auf. ©r hörte leife 
fpretgen. Sene Sanf War fortgenommen, ein 
fieincr tpügcl ergob fieg, wo fie geftanben. (Sort 
fniete ein SJtann unb betete leife. Seine SSan- 
gen Waren eingefallen unb fein fpaar war weig 
geworben. Seife unb unbemerft beugte aueg 
ipcriucS feine Snicc, er wugte, bag unter bem 
f>iigel fein SiebftcS unb Seftcö rügte. 

©in Slid gatte genügt unb beibe Stornier 
gatten fieg erfannt. Sie gietten fidj nmfcglun» 
gen unb leife flüfterte ber Sleltere: 3ldj, mit fo 
furchtbarem SJtittel gat mieg ©ott beten gelernt. 
I)ocg id) will niegt flogen. Sie ift gefegieben 
mit einem Segen für mieg auf ben Sippen unb 
$ir foßte icg fagen, bag ei bort ein SBieber* 
fegen gibt, wo feine Sgränen megr fein Werben. 
3gren Sarg habe icg mit lauter weigen Stofen 
fegmüden müffen, als Slnbenfen an ben, ben igre 
Seele geliebt. 

* * * 

9lun, mein liebeg Sinb, gäbe icg $ir erjäglt, 
wer jener alte, freunbtiige SJtann ift, ber ©uteS 
tgnt, wo er fann, unb gilft, wo ei feglt. ©r 
gat grieben gefunben, er ift bereit einjugegen 
in jenes beffere Sanb. Stögen audg wir Sitte 
beten gelernt gaben. 


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Huf uub Itirbfr, 


481 


Jluf unb Hiebrr. 


(fiat S((cutgcfi|ii|t( an« Hmtrifa. gär $uit0 nnfi fttrU bearbeitet Don genrieu«. 



8 

rott ftrieb an feinen greunb ©üiot. die 
/ää\ y-js- (g te u e ü, Qr n0( jj n i^ »ergeben, unb bie 
Antmort fe&te gleich bie ©ebingungen 
feft. ©aul’S Stellung foüte ntd)t bie 
eines gemöbnliten fiehrliitgS fein, aber 
er foüte fid) berpflicßten, biS nach au* 
rücfgelegtem einunbamanaigften gabre bei feinem 
fiehrherm au bleiben unb eine jähriite Vergütung 
haben, bie bei ber größten Sparfamfeit oieüeic^t für 
feinen Unterhalt unb feine ftleibung auSreiten mürbe, 
dahingegen foüte er neben ber praftiften Ausübung 
feines ©erufeS frei Unterricht in aücn für bie ftunft 
erforberlichen Steigen höben, ein ©ortl)eil, ber burd) 
©elfe gar nicht aufaumiegen mar. 

£err ©rat) eilte fogleicb mit bem ©riefe $u ©aul, 
befbrach ben 3 n h al t mit ihm t>on aüen Setten unb 
berfäumte nicht, es gan* befonberS hcrboraufeebeit, 
baß bie Annahme biejer SteÜung angeftrengte Arbeit 
unb große Selbftberleugnung in fid) jtließe. 

„Aber $aul," fügte er lächelnb l)iuau, „baSjenige, 
maS merth ift, gemonnen ju merben, ift auch beS 
fampfeS merth. Um etmaS Rechtes ju erlangen, 
ipuß etmaS Rechtes eingefept merben. ©ergiß baS 
nicht, menn du baS Anerbieten annehmen millft,benn 
biefe SBatjrheit, bie fit bei jebem Streben geltenb 
macht, gilt gana befonberS in bem Streben beSluitft* 
lebenS. Unb noch einS:— Unfere SJtitmenften fonnen 
uns nur nach bem beurteilen, maS mirthun, 
in ben Augen unferS §errn unb SJteiftcrS hat utifer 
dhun, als foldjeS, feinen SSerth; er ftäfet eS 
nach bem, maS mir finb; benit unferdhun 
ift bie SBirfung unfereS intterit Sein’S." 

©aul fah fo eifrig au $errn ©rat) empor, baß ber 
junge Sehrer ein ©latt ans feiner ©rieftafte riß unb 
feinen ©leiftift feerboraog. 

„Qch min dir ben ganaen Sap auffchreiben," fagte 
er: „bieüeitt geben dir bie Söortc droft unb ©rntu* 
tpigung, menn eS dir eines dageS begegnen foüte, 
baß bie Unterftäpung deiner Arbeiten dich besagt 
macht/' 

*ßaül legte baS ©latt forgfältig jufammen unb 
fdjob eS in bie alte ©rieftafte, bie fernem ©ater ge* 
hört batte. 

Seme Abfitt, dompfinSoiüe a« berlaffcn, rief bon 
aüen Seiten großen SBiberjprud) herbor. 

Squire fiublom nannte eS eine beflagenSmerthe 
dhorheit, leichte Arbeit unb guten fiopn für eine 
Stellung hiuAugcben, in melter fdjledjte ©eaaplung 
unb fchmere Arbeit an ber dageSorbnung au fein 
fteine. 

der Auffeher in ber 2ttül)le matte ein finftcreS 
©cfitt unb 30g bie Augen aufammen. 

„du mirft eS bereuen, laß dir bon oerftänbigen 
Leuten rathen." 

Aber ©aul blieb ftanbhaft. 

die üplenarbeiter fpraten hin unb her; fie tonn* 
ten gar nicht begreifen, maS in ber fremben, großen 
Stabt aus ihm merben foüe. 

„SBeßbaib miüft du gehen ?" fragten fie bormurfS* 
boU, „bie SRühle mar hoch gut genug für deinen 
©ater." 

Aber menn ihre Stimmen aut tauh unb berbrieß* 
lieh tlanaen, ihre^eraen maren bot freunblit gefinnt. 

Am Abenb oor $aul’S Abreife berfammelten fie 


II. 


fit aüe in bem beften Qinimer ber grau gcnfinS. 
Sie hatten eine fleine Sammlung beranftaltct; Aie* 
manb hatte fit gefteut ober aud) nur geaögert, bon 
feinen ftmer errungenen ©rfpartiiffen baau beiau* 
tragen. 

„(SS ift nitt biel," fagten fie, als fie'©aul bie ©abe 
überreichten, „aber mir meinen, du mirft eS bot ge* 
brauten fönnen." 

©aul meigerte fit entftieben, baS ©eftent anju* 
nehmen, obroohl er tief gerührt mar unb eS nad) fei* 
nem SSertb a u ftäpen mußte. 

7 ,Äein 933ort mehr, gunge," Jagte ein alter ÜJfann 
mit meißern Haupthaar, ber ein befonberer greunb 
feines ©aterS gemefen mar, du mußt es nehmen. 
3Btr geben eS dir um deines ©aterS miüen, unb ba 
barfft du dit nid)t meigern. (Sr mürbe dit aut 
nitt hinaus geltet haben in bie meite SBelt unb in 
bie große, frembe Stabt ohne einen Aothpfennig." 

©aul fonnte fit nitt länger meigern. 

(SS mar ein trüber borgen, ber ben Abfticb bratte. 
die SJfühlenarbeiter maren fämmtlkt) an baS ©itter 
gefommen, um ©aul not einmal bie £>anb au fd)üt* 
teln, als er fit nun anftiefte, nat bem ©aljnhofe — 
benn ber gortjtritt ber geit hatte fid) aut h^r gel¬ 
tenb gematt — au gehen. 

$aul magte es nitt, ben ©lief nat bem fahlen 
©eraabhange au menben, an mcltem fit baS neue 
©rao befanb, baS bor faum einer 28ote gegraben 
mar. 

(Sr bemühte fit aut, uitt au fehen, mie hier unb 
ba ein Arm empor gehoben mürbe, unb ber arobe 
SHocfärmel über ein $aar Augen fuhr, baS ber $h r a s 
nen nitt mehr gemohnt mar. 

die alte blaue $ifte hatte er grau ©late, ber grau 
beS Aboofaten, in ©ermabruug gegeben. (Sr naljm 
nur feine töleiber mit fit, bie alte gamilienbibel, bie 
fleine Stiefcrtafel, einige ©ilbten, bie er gemalt, 
unb amei ober brei ©ütcr, meltc ihm feine Sjfitfcbü* 
ler geftenft hatten, um ihm ihre dheilnahme au be* 
meifen; benn bie gugenb unb Aüe, bie not fein 2eib 
erfahren, fteuen ffch> l l)" SKitleib in SBorten au jeigep. 

©in alter dornifter, ben £>err©rat) für a*enilit 
unbraud)bar erflärte, umftloß feine ganaen ©efip* 
thümer, unb baS ©eftent ber Äfühlcnarbeiter mar 
alles, maS ©aul fein nennen fonnte an ©elb. 

daS dunfel beS AbenbS mar bereits angebroten, 
als ber (Sfpreßaug Die Stabt erreitte. $aul mar 
burtauS nitt bermirrt, mie man hätte annehmen 
foüen, als er ben großen, gebieteriften üttann anre* 
bete, ben er nat §errn ©rab’S ©eftreibung als 
einen ©oli$iften erfannte, unb ber fogleit bereit mar, 
ihn aurett a u meifen. 

©r führte $aul burt mehrere, tageSheü erleuttete 
Straßen. Auf einem freien $lape blieb er ftehen. 

„©chen Sie bon hier bis an bie erfte ©efe," fagte 
er, „bann biegen Sie linfS, unb menn Sie not an 
amei ober brei ©efen borüber finb, mirb eine Art Aüee 
rdmmcn; ba fragen Sie, benn ba mirb mohl baS 
§auS ungefähr fein." 

der ©oliaeibiener hatte feine $flitt erfüüt unb 
manbte [it um au anbermeitigen Stiftungen. 

länger als eine Stunbc mar $aul umher gelaufen, 
ba ftanb er enWit bor einem hohen, rothen Stein* 
häufe, baS ihm mie ein ©efängmß bortam. ©r aog 


36 


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482 


Huf unb Jiitbft. 


bic ©lode. Sine nadjläffigc grau mit prriffenetn 
bleibe öffnete bie Xl)ür. 

„SBolpt ^ter grau gorbe3?" fragte $aul. 

„geh bin grau gorbe3," entgegnete fie. ,,©inb ©ie 
bcr iunge §err oomfianbe, für melden tjier im£aufe 
ein 3immer gemietet mürbe?" 

fßaul bejahte bie grage. ©ie blidte oeräd)tlich auf 
ben flehten Xornifter, ben er trug. 

„gft ba3 ba3 gan*c ©epäd, ma3 ©ie bei fich füh* 
ren?" fragte fie. ffsaul begnügte fich mit einem ftopf* 
niden. „Xa3©rferiimmer ift für ©ie beftimmt," fuhr 
bie grau fort; „folgen ©ie mir, id) roill ©ie hinauf 
führen." 

©ie nahm eine Sampe üon bem Xifdje in ber §au3* 
flur unb ft^ritt ooran. Xie kreppen mollten fein 
©nbe nehmen, ©nblid) öffnete grau gorbe3 eine 
Xt)ür, unb fßaul trat auf bie ©d)melle be3 flehten, 
itidjt cinlabenb au3fel)enben gimntcrd. Xie bumpfe 
9ltmofpböre, bic ihm au3 bemfelben entgegen brang, 
brohte ipn faft p erftiden. 

„Xie8 ift ba3 ©emad)," fagte grau gorbe3, iitbem 
ie ftd) auf ben einigen ©tutjl fepte, um 2lthcnt p 
djöpfen. „geh habe mich Oerpflichtet, ghnen, mie 
ben übrigen fiemohnern biefe3 £auje3, bao grübftüd 
p liefern; auf meiterc 2 ttal)l 5 eiten laffe id) mid) nie* 
mal3 ein. SBettn ©ie aber b.^ute 2lbcnb etma3 ju 
effen münfchen, bann miß icb eine 9lu3nahmc machen, 
kommen ©ie hinunter in bie Stüdje, bic all’ biefen 
Xrcppen Ju güfjcn liegt; ba in bcr Xiefe merben ©ie 
mid) finben; teb bin nur feiten abmefenb." 

Xic grau lad)te, aber opne gröl)lid)feit; e3 mar 
ein hohler, furpr, fc^arfer Xon. Xann erhob fie fid), 
um p geben; aber fte brebte fid) nod) einmal um, um 
fßaul’3 ©efiebt p prüfen, ba8 an biefem 2lbcnb recht 
ernft unb traurig mar, unb bie $erlaffenbeit mieber* 
fpiegclte, bie er titnerlicb empfanb. grau gorbe3 er* 
fannte bie8 unb mar gerührt. 

,,©ie müffen nicht jo traurig fein," fagte fie bann; 
„e3 mirb gljnen fd)on gefallen, menn ©ie fid) gemöbnt 
ljaben." 

lieber lachte fie. @3 mar berfelbe turp, fd)arfe 
unb bohle $on, aber bicfe3 2Jfal lag etma3 mie ein 
unterbrüdter ©eufpr in bemfelben. 

„Wein, e3 ift nicht fo," antmortete fßaul: unb nun 
fab er bie grau an, mie fie iljn poor angefehen hotte, 
unb er fanb etma$ in ihrem ©efidjt, ba3 ihm Xbeil* 
nähme einflöfjte. Ohne fid) P befinnen, nahm er 
ba8 fdjüpenbc Rapier oon ben Blumen, bie er in ber 
£aub trug, unb bie ihm grau $late beim 2lbfchiebe 
oon Xompfin30ifle gegeben hotte. 

„SDtögen ©ie bie ßälfte hoben?" fragte er. 

©ie ftredte ihre oefchmupte 2lrbeit3hanb au3, bie 
Blumen in ©mpfang p nehmen, greunblid), lieb* 
reich befab fie btefelben. ©tma8 ©länpnbe3, ba3 
einem Xhautropfen glich, fiel auf bie reine meifje Elfter. 
©3 mar eine Xijränc. 

©3 hotte nod) nicht fieben gefcblagcn, a!3 Sßaul am 
anbem borgen am Xifdje faß unb ein Kapitel au3 
ber alten gantilicnbibel 1«3. „SBenn ich onch nicht 
ba3 empfinbe, ma3 mein 3$ater unb meine SJcuttter 
entpfanben, fo min ich bod) Öa3 fiefen nicht unterlaß 
ien," bachte er. Xann ging er hinunter, um mit fcd)3 
ober fieben jungen Sperren, ba3 grübftüd p tbeilen, 
■ ba3 grau gorbc3 tn ihrem ^orber^immer feroirt 
batte. 2113 er fiep 00 m Xifcpe erhob, trat einer bcr 
sperren, beffen ©eftept ihnangepaen hotte, auf ihn $u. 

„2öcnn ©ie," fagte er freunbtiai, „mie ich annebnte, 
ber junge SJtann finb, ben ^err ©ilbert, ber Xplograpb, 
ermartet, bann mirb c8 mtr greubc machen, in Sb rcr 
©efcllfchaft nach bent ©tabltffcment ju geben, geh 
bin in bemfelben befd)äftigt." 


$aul banfte unb nahm feine ©fi^en, bie er, fterrn 
©rap'3 9tatb jufolge, bei ftd) führte unb folgte feinem 
Begleiter. 

©ie hotten nicht meit p gehen, fßaul’d neuer 
greunb fepritt ihm burch bie $>au3flur Ooran unb öff* 
nete bic Xbür ju einem fleinen ©mpfang3jimmer. 

„SBarten ©ie hier, bi3 §err ©ilbert fommt," fagte 
er, „er pflegt pünftHd) um neun Uhr hier p fein." 

©r reichte bie $anb pm ©rufe unb eilte binmeg. 

$aul blidte neugierig umher unb fragte fid) oer« 
munbert, ob e3 mirflich möglich fei, bafj bie fdjönen 
güuftrationen in einem büfterit t>oufe hinter ©tein* 
mauern entmorfen fein fönnten. 9?ein, e3 mar nicht 
benfbar. 

$aul*3 ©rübeleien mürben burch ben (gintritt be3 
ßerrn ©ilbert unterbrochen, ©r mar ein ältlicher 
|>err, mit angenehmem, au3brud3ooUem ©efiept, bej* 
jen leutfeligc3, freunbliche3 2Befen $aul augenblidlid) 
anheimelte unb ibu hoch ben groben Unterfd)ieb ber 
gefenfd)aftlid)en ©teUung feinen Sugenblid oergeffen 
lieb, ber tj)n oon feinem sörobberm trennte. 

|>err ©ilbert befprach alle3 oföthige mit ^aul, aber 
bie Unterhaltung toar in menigen Minuten beenbigt. 

„golgen ©ie mir," fagte er bann, „ich to\U gh ncn 
2llle3 getgen, gofter." 

©3 mar bao erfte 9Jfal, bab ^Saul fich „gofter" nen* 
nen hörte. X)a3 2Bort legte fich mie ein grofthaud) 
über fein ^erj. 

„28irb midb 2fiemanb ie micber qjaul nennen," 
ba^te er, al3 er $crrn ©ilbert burch ben langen ©or* 
ribor folgte, ber p ben 2lrbeit3räumen be8 £>aufc3 
führte. 

„fßaul — Heiner ^aul!" fo hotte ihn feine SKutter 
genannt, ©eine ©rmnerung trug ihn plöplich meit 
hinmeg — nad) bem flcincn Öanbljauje am Ufer be3 
©ee3 unb oon bort in ba3 alte, fletne gintmer im 
§aufe ber grau gcnfin3. SBicber ftanb er neben fei* 
nem SSater am Xifcbe, fah, mie berfelbe mit ber $>anb 
ba3 niebergebrannte i*id)t oor bem fiuftpge jd)üpte 
unb la3 in bem unruhig auffladeritöen fitchtfchein bie 
ßiebe3morte: 

,,^aulu3, ein Änedjt gefu ©hrifti." 

©3 mar nur eine 9Jhnute. Xie gluthen bc8 ©e* 
mütbc3 pflegen immer fo fchneU jurüd p meidjen, 
mie fie ^ran raufchen. gn ooücr ©ammlung ging 
fJSaul mieber neben §enn ©ilbert burd) ben ©orribor, 
beantmortete bie an ihn gerichteten gragen mit fefter 
©timme unb hörte aufmerfjam auf bie ©rflärung 
bcr oerfdjiebenen gmeige ber Arbeit, melchc in ben 
oerfd)iebenen Sfäumen au3geführt mürben. 

©8 mar fo 0iele3, ba3 ffaul intereffirte. ©ein 
au8brud30oüe8 ©efidjt mar bunfel geröthet, al3 er 
mit $>erm ©Ubert in ba3 ©mpfang3jintmer prüd* 
lehrte. 

,,©inb ba3 ghre ©fijpn?" fragte ßerr ©ilbert, 
inbem er bie $anb nad) bem fleinen Ißaquet aue* 
ftredte, ba3 ^?aui auf ben Xifd) gelegt hatte. „©3 ift 
redit, baß ©ie fie mitgebrad)t haben." 

©erabe, al3er fie burchfehen roollte, mürbe bieXhür 
geöffnet unb ßerr ©Uiot trat ein. ©r mechfelte einige 
freunblicbe, aber eilige SSorte mit fßaul unb trat 
bann p §errn ©ilbert, um mit bemielben bie Blätter 
p prüfen, ©eibe fepienen fpaul’3 ©egenmart oöüig 
oergeffen p haben. 

,fghr greunb ©rat) hat 9ied)t," fagte ^err ©ilbert; 
biefe ungefd)ultcn 3cichnungen meifen auf ein bebeu« 
tenbe3 Xalent hin. 2)er güngling hat tn fi©, ma3 
ben Zünftler macht." 

„ga," entgegnete iperr ©Uiot, inbem er ein $tott 
empor hirtt, „fehen ©ie bie3 Oerrätherifche fletne 
Xing! Unfertig unb flüchtig mie e3 ift, fagt e3 hoch 


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Hilf unb jlirbrr. 


483 


tnel au$." — (5$ war ein ©erfucp, ben ©aul an einem 
glüeflicpen $age beS berfloffenen gapreS gemacht patte, 
ueppige ©ppeuranfen fcplangen fiep, etne ©tüpe fu* 
epenb, um eine bom ©lip getroffene ©iepe, beren 
©tamm mit ©irfenmooS unb SRinbenfleepte bebeeft 
war. ®ie grüne $ecfe legte fiep fo feft unt ben ge* 
fpaltenen Xpeil, als wolle fie mit tiebreiepem ©emü* 
pen bie XobeSwunbe bebeefen, bie ber ©lip gefcplagen. 

$ie beibett Herren betraepteten bie©fijzc lange unb 
fcpmeigenb, aber plöfelicp erinnerte fiep Herr ©übert 
an ©aul, fap fiep naep ipm um unb fagte: 

,,©ie tönnen jept gepen. kommen ©ie morgen 
früp, um gpre Arbeit anzufangen. 2)er §err bort 
tm Hinterzimmer"—er gab mit bent ginger bie Sficp* 
tung an—„wirb ©ie anweifen/' 

Sttit freunbliepem ftopfniefen berabfepiebete er©aul 
unb wenbete fiep wieber ben ©fizzen unb §errn @1= 
Iiot zu. 

&m anbem borgen tpat ©aut gofter mit gutem 
©rnft unb Suft unb Siebe ben erften ©epritt auf ber 
feproer zu erfteigenben ©tufe eines ftünftlcrlebenS. 

©S ift niept unfere Sfbficpt, ipm wäprenb ber näcp* 
ften fünf gapre ©epritt für ©epritt zu folgen; wirbe* 
gnugen unS, baS s Jtötpigfte zu beriepten. 

©epon naep Ablauf ber erften zwölf Sttonatc patte 
err©ilbert bie Ueber^eugung gewonnen, baß ©aul’S 
fizzen nur leife gingerzeige beS Qeiepentalente^ 
feien, mit melepem er fo überreiep begabt war, unb 
baß er ipm burep feine 3eüpnungen auf Holzplatten 
größere unb wertpboUere $ienfte leiften tönne, als 
burip ©rabiren. ©o mußte ©aul alle feine Kräfte unb 
feine ganze ßeit wäprenb ber näcpften feep-3 Sttouate 
tem ©tubium ber ©erfpectibe unb gorm wibmen. 
Herr ©ilbert wußte, baß baS Kapital, welcpeS er auf 
biefe SBetfe anlegte, ipm reiepe 3infen tragen werbe; 
benn Regeln unb Slnmutp Des ©tricpeS war alles, 
was ©aul beburftc. 9iatur, biefe SRutter ber Stuuft, 
patte ipn bon ber früpeften $inbpeit an auf’S ©efte 
unterrieptet unb er war ipr geleprrger ©chüler gerne* 
fen. 33aS geringfte Kleeblatt unb baS fletnfte©änfe* 
blümcpen fanb ben reepten ©lap in ben anmutpigen 
©tijzen, welcpe er zeiepnete. 

©S war ein müpfeligeS, einförmiges Seben, baS er 
füprte, aber fein ©ntjcpluß, ein äftaler zu werben, 
wanfte niept einen Slugenblicf. 

$iefe langen gapre ber Arbeit auf Holzplatten, wo 
er nur mit bem ©leiftift bemoofte gelSftücfe, grüne 
SBalbwinfel, graziöfe Ulmen, ftattlicpe giepten unb 
arte ©lumen peroor zauberte, welcpe bie SSonnc al* 
er ©efepauer waren, obwopl faum einer je naep ber 
fionb fragte, welcpe bie zarten Qeicpnungen entwor* 
fen, waren eine gute ©orfcpule für ©aulS fünftigen 
©eruf. 

©aul blieb im Haufe be* g*au gorbeS wopnen unb 
Zwar in bemfelben tleinen, pocpgelegenen gintmer, in 
welcpeS fie ipn am erften Sage jeinerSlnfunft gefüprt 
patte; unb er früpftücfte mit ben übrigen©ewopnern 
m grau gorbeS ©orberzimmer, wie er eS am erften 
borgen getpan patte. 

„SBenn ©ie ein anbereS 3iiunter zu paben wün* 
fepen," patte fie im Saufe beS gapreS mepr als ein* 
mal gefagt, „ein größeres, als baS ghrige, ober eine 
Xreppe niebriger liegenbeS, fo foUen ©ie eS für ben* 
felben ©reis paben, weil ©ie fo rupig finb unb mir 
jo wenig SRüpe maepen." 

&ber ©aul patte eS jebeSmal bantenb abgelepnt. 
„gep wfinfepe feine ©eränberung; iep füple miep 
reept bepaglidj oben." 

©t patte fiep an baS tleine 3 immer gewöpnt; eS 
war ipm peunatplicp unb lieb geworben, unb er tonnte 
ben Himmel fepen, wenn er amgenfter ftanb. SBieoft 


war er wäprenb ber erften gapre frierenb unb pungrig 
unter bie bürftige ©ettbeefe in baS harte ©ett ge* 
feplüpft, patte ftunbenlang opne ©eplaf gelegen unb 
fiep boep niept palb fo einfam gefüplt, als unten in 
ber HauSgefellfcpaft. $cnn er fonnte ia bie ©terne 
oon leinem ©ette aus fepen unb fonnte immer unb 
immer wieber bie SBorte wieberpolen, welcpe bie 
©auerufrau auf bem ©erge zu ipm gefagt, unb welcpe 
ber Slnblicf beS ©terncnpimmelS in ipm waeprief: 
„ s iBer weiß, bietleicpt fann $eine SJfutter 3)icp auep 
fepen,"—„unb mein ©ater auep," pflegte er jebeSmal 
pinzu zu fepen. 

ÄIS er älter würbe, faß er oft, bis tief in bie fttaept 
pinein bei ©üepern unb glugfepriften, welcpe bie un* 
tlaren gorfepungen bepanbelten, mit benen ber Un¬ 
glaube in fecferÖ5roßiprccperei unb opne bie geringfte 
©epeu ©eiftern eines gewiffen ©cplageS zu imponiren 
pflegt, ©aurs na^ ©rtenntniß ringcnber©eift patte 
fepon als Änabe mit größter ©egierbe gelaufdft, wenn 
bie unwiifenben ©füplenarbciter in XompfinSoillc fiep 
über biefelben gragen pin unb per ftritten. 

3)ie „neuen ipeorien" zogen ipn an — bie neuen 
unb boep fo alten; bie ipnt fo oerlocfenb entgegen 
leuepteten, aber niept „einen ©ater ber ©ater* 

l o f e n" fonbern-eine S e e r e zeigten! ©o rei* 

zenb biefe Theorien waren, fo würbe er boep bnrep 
oie golbene itette ber ©ebete feiner Butter immer 
wieber feft gepalten an bem 9lnfergrunbe „© oft i ft 
Sieb e." 

©aul patte niept oiele greunbe in ber ©tabt. H crr 
©ilbert, H err @uiot unb ber ©rebiaer ber Kapelle, 
beren fonntäalicpe©otteSbienfte unbvlbenbbetftunben 
er gelegentlidp zu befuepen pflegte, maepten ben gan* 
Zen ÄreiS aus. $ber er patte noep einige ©efannte, 
benen er unb bie ipm frcunblicp geftnnt waren. ^)ie 
alte grau, an beren ©erfaufStijcp er täglicp gegen 
Mittag trat, um fiep fein zweites grüpftücf zu polen, 
war immer erfreut, wenn fie ipn fap unb eS war eine 
2lrt ©efanntfepaft zwifepen ©eiben entftanben. „(Sr 
pateinen fo offenen ©lief unbein fo gutes ©efiept; 
in feinem H cr 8 en ^ ann nicptS ©öfeS wopnen," pflegte 
fie zu iprer 9facpbarin zu lagen, wenn fie bie große* 
ften unb fepönften 5lepfel für ipn auSfucpte unb bie 
auSgebacfeitften ©röbepen für tpn zureept legte. ®aS 
fleine, lapme SlÄäbcpen, baS unter bem ©ortal eines 
Hotels ftanb, im grüpling unb ©ommer ©eilepenber* 
faufte unb im ^erbft unb SBinter baumwollene 
©ptpen unb ©tecfnabeln, freute fiep täglicp auf fein 
kommen. (Sr mußte Borgens unb 5lbenbS an ipr 
üorüber unb erlaubte fiep mitunter baS ©ergnügen, 
einige ©eilepen zu taufen. $ie kleine wußte niept, 
wie fauer er bie ©fennige berbient patte, bie er ipr 
mit freunblicpen SBorten unb freunbliepem Säcpeln 
gab, unb ©aul tonnte eS niept wiffen, welcpe (Srmu* 
tpigung feine SBorte für baS fleine, lapme ©täbepen 
waren. 

©eine SKitarbeiter in Herrn ©ilbert’S ©tabliffement 
unb feine TOtbewopner \n grau gorbeS* H a u)e lieb* 
ten ipn alle, unb wenn wir fie zu feinen greunben 
Zäplen wollen, bann Dürfen wir au^ grau gorbeS 
niept bergeffen. 

©ie patte fiep feit jenem 9lbenb, an welcpem ©aul 
fie zuerft gefepen, fepr zu iprem ©ortpeil beränbert. 
©on ^facpläffigteit war nicptS mepr an ihr zu fepen; 
fie trug niept langer zerriffenc Kleiber, ©ie war fau* 
ber uno nett; ipre fcpriUe ©timme patte fiep gefänf* 
tigt unb baS furze, troefene, feparfc Sacpen ertönte 
niept mepr. ©ie fang zuweilen ein palb bergeffeneS 
unb fcprner wieber erinnertes Sieb iprer Äinberjapre 
ober einen ©efangbucpberS, ben fie in ber Slbenbbet* 
ftunbe gelernt, welcpe fie auf ©aul’S 9fatp befuepte, 


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484 


&uf unb Jliebft, 


unb in melier fie oon unferm fierrn unb fieilanb ge* eilig Oerliefj er ba« 3immer, beffen ©injamfeitibm 
t)ört unb e« fe^r au fielen genommen batte, bag er noch oor rnemg Minuten fo begebren«mertb gefd)ie* 
nicht nur au feiner au«ermäblten3üngerfcbaargefagt, nen unb ging fort in bem ^ci%en Verlangen nach 
fonbem e« allen Wlenfcben ohne unterfebieb, auch ben menfcblidjer ©emeinjdjaft. 

Geringen unb ©ünbigen jurief: „3b* feib meine 3Wit feinen ©ebanfen befebäftigt unb ohne feinen 
greunbe, jo ibr tbut, ma« ich euch gebiete.'' ©dritten ein 3*el Au fegen, ging er burd) bie ©trage 

,,3d) bemühe mich/' fagte fie eine« Menb« au ihm, unb fanb ficb plöphcb oor ber tleinen ftapette mieber. 
„eine befjere grau au merben, unb 3bnen, fierr gofter, Surd) bie halbgeöffnete brangen bie Älange 
mug leb öofür banten, benn ©ie ermeeften juerft ben eine« Slircbenliebe«, ba« feine SJiutter oft §u fingen 
SBunfd) in mir. SBifjen ©ie noch/' fegte ©ie breifter pflegte. (Sr fühlte ficb f*eubig bemegt; fein fierA er* 
bin^u, ,,al« ©ie an jenem Menb tarnen, febentten ©ie meiterte fid); e« mar, al« ob ein SJconbftrapl bureb 
mir auch ©lumen. Sie tleinen, Aorten Singelcben bie mitternächtliche Suntelbeit bricht. ©« tarn ibm 
faben mieb fo freunblicb an, unb al« ich bie Sreppe faft üor, al« ob er oon einer gütigen fianb hierher ge* 
herunter ging, glaubte ich, in meinem firnen eine führt fei. „©in ®ater ber SBaterl ofen," flfi* 
©timme au Oernebmen, bie mir jurief: „©ott febieft fterte er unmiUfürlicb. „3«bJoiü bineingeben," Pachte 
fie bir!" 3d) h^tte feit 3abren reine Sölume gefeben, er bann, „oietleicbt finbe ich, ma« teb fuepe; oieüeicgt 
melcbe braugen in freier Suft unb im ©onnenfebein ift gemanb ba, ber mir helfen tarnt." 
gemachten mar. ©ine 28od)e lang erhielt ich fie frifd) mb, bie ganje 3eit über hotte ja ber ©ine neben 
unb febön, unb Sag für Sag fpracben fie au mir unb ihm geftanben, ber it)m helfen tonnte; hotte ber ©ine 
führten mich jurücf in bie Sage meiner Qugenb; unb gemartet — auf ba« leifefte, faum oerftänblicbe glü« 
al« fie bann meltten, bemühte ich mich Oergeblich, Me ftern: „fierr, hilf mir!" 

©ebanfen au üerfcpeucbtn, melcbe fie in mtr angeregt Sie $rebigt mar faft $u ©nbe, al« $aul eintrat, 
hatten. Sa tarn ber Söinter, ein talter, froftiger Sie ©emeinbe fag laufcbenb. ©r fcblicb ficb auf ben 
SBinter. ©ine« Menb«—ich erinnere mich, al« ob e« gugfpigen a« einem leeren ©ig in ber Wäge ber 
geftern gemefen märe —fragten ©ie mich, ob ich nicht Spür; bann bliefte er auf. ©« mar ein frember *|3re* 
einmal tn bie Menbbetftunbe geben mollte, bie in ber biger, ben <ßaul nie gefeben; er fpracb eben bie ©cplug* 
Kapelle an ber ©efe ber ©trage gehalten merbe; ich morte: 

mochte nicht „Wein fagen, begpalb ging ich- 3<b ging „$ein ©onnenftrabl fann einen tobten ©egenftanb 
oft unb immer öfter^länger al« ein 3ab*r unb jebe«* bedeuten, ohne mehr ober meniaer bon bemfelbcn 
mal mürbe mir bie ©tunbe lieber, ©ie miffen, fierr Aurücfgemorfen werben. ^lUe Farben ber SBelt — 
gofter, ma« ich bort hörte. Sort mürbe mirjum bie tiefe $läuc be« Mtger«, bie herrlichen garben ber 
erften Wlal bon unferem fierrn gefu ©brifto erzählt, Sölumen, ba« bunte ©efieber ber ®ögel, bie gläiuen* 
melchcr bie Sttübfeligen unb SBclabenen au ficb ruft ben glügelbetfen ber 3ufeften, finb nicht«, äl« »nt* 
unb ihnen ©rquiefung unb Wuge für ihre ©eelen ber* rnorten, melcbe bie ©cpöpfung bem ©otte gibt, ber 
fpriept." feine ©onne fipicft, fie ju befebeinen. Sie ©eele ant* 

grau gorbe« febmieg plöglid), ober nach einigen mortet ©ott in einer Söcije, melcbe ihrer etgenften 
Mgenblicfen fügte fie mit feltfam flingenber ©timme Watur angemeffener, höher al« ber Mtper, herrlicher 
unb faft flüftemb pmAU: al« ©lume, ober SJogel, ober ftnfett ift, benn fie ift 

„3cb bemühe mich, au ihm au fommen, aber—ach, ber ÄbglanA ber fieiligteü ©otte«, — feine« 93ilbe«, 
fierr gofter, ich bin eine groge ©unberin." ba« Atoar gebrochen unb gefcbäbigt,mie berßicbtftrabl 

^aul jefcte ficb au ihr. Obmohl er nod) augerhalb ber ©onne auf ben ©emäffern, immer aber ein mabr* 
ber Sbür be« ©lauben« ftanb, mar er bod) fefir be* hoftiger SBicberfchein ber ©lorie be« fierrn in bem 
megt. ©r erzählte ihr bie alte, alte ©ejdjicbte bon Ängefirfjte ftefu ©hnfti ift. Siefe SerpfHcbtung ift 
©htifto unb jeiner bergebenben Siebe, bie ihm feine feine fiärte, feine ungerechte 3umuthung, fonbem 
WJutter fo oft erzählt hotte, loenn er an ihrem Änie nur Siebe, ©ie ip bie liebreiche Äntmort, bie her* 
gelehnt, unb bie er in fpätern 3 fl hren bon feinem A^^arme ©rmiberung, meldje bie ©eele bem ©ott 
$atergehört. gibt, ber fie ertöfet hot. „3h* foUt mein 

„Me«, ma« ©ie au tbun haben, grau gorbe«, fo vlntlifc fueben — barum fuebe ich auch, fierr, bein 
fagt man," — [ie mar fo eifrig, ju hören, ma« er Mtlij." 

jagen moUte, bag fie bie beiben unficbem SSorte gar ©in ©ebet folgte, bann mürbe ber ©egen erteilt 
nicht beachtete, bie jo febmer auf $aul’« eigene« fierA unb barauf Aerftreute ficb bie ©emeinbe. 
fielen unb gegen ihn Aeugten—„ift, bag ©ie ihm ber* Sßaul folgte ber SJtenge. 9ttit unruhigem, ftürmi* 
trauen unb ihn lieben, mie ein Äinb feinen ©Uern febem fielen hotte er ba« ©ottc«hau« betreten; nun 
oertraut unb fie liebt." hatten ficb bie SBogen gelegt unb Wube unb grieben 

Sieje lepten SBorte fpracb ^Saul feft unb mit Ueber* maren eingefehrt. 

Aeugung, benn er mugte nur au gut, mie man feinen ©r eilte in jein 3immer Aurücf, trat an ba« genfter 
irbiicben ©Itern oertrauen unb mie man fie lieben fann. unb öffnete e«. ©r ftanb lange unb bliefte binau«,— 
Mer—plöplicb fam e« mit Wtacbt über ihn, bag er biuauf nad) bem fiimmel; unb bie ©terne faben 
c« ja blo« oom fiörenfagen mugte. ©r ftanb auf unb freunblicb ju ihm beniieber. Seife, aber beutlicb, flü* 
ohne ficb unuufeben, eilte er hinauf in fein 3inimer. fterte er feinen Warnen,— ben Warnen, ben feine SWut* 
©ein Äopf fcpmerAte unb fein fierA flopfte unruhig, tcr in ber heiligen ©ebrift für ihn gefuebt hatte: 

Spiele gragen brängten ficb in feinem ©eifte, bie er <ßaulu«, ein Unecht 3*fu ©brtfti." 
nicht beantmorten tonnte. SBclcbe« Wecht hatte er, fo Ser milbe, oon Süften burcpmürAte Sufthoucb be« 
AU grau gorbe« au reben,—er, ber fein fierA nie mirf* jungen grüpting« ftrid) leife über feinen ©cbeitel unb 
lieb feinem fieilanbe gegeben, obmohl er fein Seben* mehte ba« fiaar oon feiner ©tim Aurücf. ©« mar 
lang oon ber Siebe unb SBarmberAigfcit beffclben ge* ihm, al« empfange er bie Saufberührung be« heiligen 
hört hatte? 2Sie fonnte er ihr fagen, bag fie nidjt« ÖJeifte«, melier ihm an biefem Menb ba« fierA ®ot* 
AU thun höbe, al« nur bem fierrn oertrauen? te« offenbart hotte. 

„Wein, id) fann e« nicht länger au«l)alten!" rief $aul ftanb lange am genfter, unb al« er e« enblidj 
er laut unb h^fMg; „ich mug enblid) miffen, ma« ich oerlieg, maren SBolfen herauf gezogen, bie ba« Sidht 
glaube." ber ©teme üerhüttten. Ser leife Suftpaucb mar au 


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*uf «üb jlitlrr. 


485 


einem falten Stacbtminbe angefcbmollen, aber in feinem 
$erzen berrfepten Stube unb griebe—, bergriebe, mel* 
djer böb er ift alä alle Vernunft. ©r mar eingezogen, 
ald bie ©timme bed $errn bureb t>ad $unfel ferner 
©ecle gebrochen mar, mit bem ©ebot: ,,©d merbe 
Sicht!" 

Unb — ed marb Siebt. 

fßaul ermaebte am anbern SJcorgen mit einem leid)* 
teren §erzen, ald er feit gabren gehabt batte, obmoljl 
er fid) bieUeicbt noch nie fo peiß nach ©ater unb SKut» 
ter gefepnt, ald an biefem borgen. 

©r lad bad Kapitel in ber©ibcl, melcbcd fie in jener 
glütflicpen 3<üt, ald fie nod) alle zufammen in bem 
flcinen Sanbpaufe mobnten, am böufigften gelefen 
batten, unb er legte feine SRannedljanb auf ben glctf, 
meldjen, mie ihm fein ©ater erzählt, feine ftinberfin* 
ger zurürf gelaffen, unb bann burdjlebte er fte im 
©eifte noch einmal, biefe gapre,—biefe, bon ber©ünbe 
befletften gapte, in melden er fid) menfcbltdjer ©cid* 
bett jugemenbet batte unb nicht bem ©orte bed $errn. 

^unterließen fie auch einen glccf in ber ©efepiebte 
feined Sehend, mie bie Berührung feiner Sinberpanb 
auf bem ©ibelblatt? — $iefe grage beTfd)eucpie für 
einen Äugen blief bad Siebt unb ben grieben aud feinem 
$erzen. — Äber nur für einen Äugenblitf, benn ber 
berpeißene Sröfter, ber ©eift©otted, melcber ein©eift 
aüed Ürofted ift, führte ihm, bem neuen Änfömmliug 
m ber §ürbe bed guten Wirten, bad Sroftmort zu: 
,,©enn eure ©ünbe gleich blutrotb ift, fo foll fie boeb 
iepneemeiß merben, unb roemt fie gleich ift mie Stofin* 
färbe,' fo foll fie bo<b mie ©olle merben/' 

„®ei§ wie ©d)nef, Welch’ ein Bcrfprcdjcn 
gur baö fcbwerbelab’nc $era! 
ttamT$ bie 6ccf im @laubeu fafien. 

Stammt ber griebe, weicht ber 6d)mera." 

einige Minuten fpäter ertönte bie grüpftüddglode 
unb ©aul eilte hinunter, ©r mcdjfelte ein fröl)licbed 
Säbeln mit grau gorbed, ald er feinen ©ip cinnabm, 
ein Säcpeln, melcbed berebter ald alle ©orte berrietp, 
baß er im perfönlicben ©lauben bem fterrn Qcfud 
oertraute. 

Äber ©aul mußte febr mopl, baß bad neue Scben 
ein Seben bed Äantpfed fein mußte; baß er bon äu* 
jjem, unb bielmepr noch bon ben fcplaucrcn geinben 
tmgnnem angegriffen merben mürbe; er mußte auch, 
baß er immer oon fid) felbft ab* unb zu feinem $ct* 
lanbe auffeben, baß er ftd) in jeiner großen ©epmaeb* 
beit unb £>er$endnotb immer neue Straft bon bem 
§errn holen mußte. 

©in Raufen Sütanufcripte, bie illufirirt merben foll* 
ten, lag auf bem Sifdje in feinem Ärbeitdzimmer, 
melcbed feine ©efäprten halb fcperzenb, halb fpöttelnb 
fein „Atelier" nannten, ©d mar ein tlciner Staunt, 
taum fedjd guß im Ouabrat, ber burdj eine leichte 

t oUmanb bon bem ©orzimmer getrennt mürbe; ein 
ijd), ein poper Ärbeitdftupl, berfebiebene Etappen 
mit geiebnungen, einige 6ft$$en unb Änfidjten bon 
Sömpfindoille, — bad mar bte ganze Äudftattung. 

©aul nahm ein fleiited ©latt Rapier unb fuebte bie 
©anuferipte bureb, um etmad zu finben, baß beffer 
mit feiner ©timmung parmonirte, ald bie fröhlichen 
bebeutungdlofen ©ilber eitted ©ilberbudjed, an mel» 
ehern er geftem gearbeitet batte, ©d mar ein bunt 
burepeinanber gemürfelter Raufen, ben fein ©leiftift 
berjieren foHte: — ein ftinbermärchenbud), ein jarted 
Siebedgebidjt, eine einfache ©aQabe, eine bäubereicbe 
Äeifebejcpreibung unb mehrere §cfte eined ©efd)id)td* 
merfed lagen auf einanber getbürmt. ©anj unten 
anb er bie ©oUecte ber englijcben fiircbe, bon einer 
cbönen, feften #anb gefebrieben. ©in ©egleitfcprei* 
>en gab bie Änmeifung, baß bie ©ebete mit fpmbo* 


lifeben ©lumen unb ©lättern umgeben merben foU* 
ten, mäprenb bie entgegengefepten leeren ©eiten mit 
paffenben, auf bie ©ebete bezüglichen .gfluftrationen 
Zu begehen feien. Slnorbnung unb ?ludfübrung ma* 
ren bem ©eniud bed Eünftlerd überlaffen, benn ber 
©eift, melcber bad ganze SÖert geplant, unb bie §anb, 
meldje cd bid bal)m geförbert ^atfen, „ruhten nutt 
aud bon ihrer Slrbeit." ©aul mahlte ben „Öfter* 
morgen" zu feiner erften gfiuftration. ©r batte eben 
einige ©triebe auf bad ©apier gemorfeit,ald eme©ot* 
febaft bon $errn ©ilbert fam, bie ipn in bad ©pred)* 
Zimmer befd)ieb. ©r folgte berfelben ohne gögerung 
unb ohne zu ahnen, mad biefe SJtorgenftunbe für ihn 
bereit btflt. 

„3dj habe meine ©üdjer nacbgefcblagen," fagte öerr 
©ilbert nach ber ©egrüßung, „unb ßnbe, baß Qb« 
Sebrzeit SKitte Stoocmber aogelaufen fein mirb; jept 
finb mir im SKai, alfo haben mir bid babin nodi fedid 
SRonate." 

©aul oerbeugte p«b zwft'nimenb unb ßerr ©ilbert 
fuhr fort: 

,,©d macht mir ein ©ergnügen, gofter, Sbnen mein 
boüed Sob audfprechen zu tönnen. 3dj habe ©ie bie 
gabre über febärfer beobachtet, ald ©ie fid) benfeu, 
unb ich meiß, mie tapfer ©te geftrebt, feine ©dmibcit 
ZU machen, mie fleißig unb getreulich unb forgfältig 
©ie 3bre ©fliebten erfüllt haben. SSenn ich ©ie bef* 
fenungeaebtet ohne jegliche Unterftüpuug bon meiner 
©eite fäntpfen ließ, fo gefebab bad nicht aud ©leid)* 
gültigteit, fonbern in gotge bed beftimmten ©emußt* 
feind, baß ed 3b n ^n forberlicber fein, ©ie zu einem 
tüchtigeren SJtann unb Stünftler machen mürbe, menn 
©ie ertämpfen mußten, mad ©ie begehren, ald in 
einen für ©ie bereit gehaltenen ©lap gemächlich hinein 
zufchlüpfen. gept liegt bie ©adje anberd. ©ie ba* 
ben mir bemiejen, baß ich 3bnw kpt halfen fanu, 
ohne Qhnen zu fdjaben. Sfun jagen ©ie mir offen, 
meldje ©länt ©ie für bie gufunft entmorfen haben." 

^Ter alte ®crr fab freunblicbz u bem jungen 2Ramte 
hinüber, ber ihn noch bureb ben offenen, geminnenben 
Äudbrud feined ©cfidjtcd, bad freunblicpe Sächeln unb 
jprcdjenbe Sluge, an ben rotbmangigen günglina er* 
tnnertc, meldjer bor fünf fahren auf berfelben ©teile 
geftanben hatte, ©aul antmortete in menigen, aber 
gut gemähten ©orten, baß er im £erbft, menn er 
bad Sieept habe, über feine 3eit z« berfiigen, in ben 
Sttorgcn* unb Äbenbftunben ©üdjer zu iüuftriren ge* 
bente unb einige ©djuler zum Unterrichten im 3 eic b s 
nen z« befommen ioffe. ©ei einiger ©parfamfett 
merbe er bamit bie SJtittel geminnen, felbft ben nötbi* 
gen Unterricht in ber Celmalerei nehmen zu tönnen, 
ber ihn befähigen merbe, ein Oelgemälbe zu beginnen. 
$urct) ®errn ©Uiot’d ©influß unb ©üte hoffe er, baf* 
felbe in bie näcbfte grüblingdaudfteUung au bringen, 
unb" — fügte er mit einem Sächeln b^W bad aud 
Hoffnung unbgurd)t zufammengejepf zu fein f^ien— 
„oiclleicbt einen Äänfer zu finben." 

$ic greunblid^fcit unb ^b^tuahme, meldje ®crr 
©ilbert ihm zeigte, ließen ©aul bie ihm naturgemäße 
3urüdbaltung oergeffen unb offen fpredjen oon bem 
Jranm feiner Qugenb, einige ^apre nach ©uropa zu 
geben, um in bem ©cburtdlanbc ber SJtalcrei, in ber 
©tabt ber Äunft, feine ©tubien boOenbeu zu tönnen. 
Slber er fuhr erfebroden zufammen, ald er audgefpro* 
eben, mad er innerlich genährt. $ie garbe mich aud 
feinem ©cfichte unb bie Sebbaftigreit aud feiner 
©timme; ed legte fid) mie Stebel über feine Äugen, 
©ie bie ©erübrung einer eifig falten $anb, fo traf 
ihn bie grage: „©ad bann?"—©enn er nun zurütf* 
febrte in fetn ©atcrlanb, — mit ©rfolg gefrönt, zu* 
rüdfebrte, — benn ^paul mar jung unb ben gugenb* 


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486 


Huf unb JUrber. 


träumen fehlt ber ©rfolg niemals! —wer mar ba, 
ißn zu bewiflfommnen, fid) feines ©rfolgeS zu freuen? 

Seine ©ebanfen trugen ii>n—leicßt unb fcßnefl, wie 
©ebanfeu zu fliegen pflegen — hin zu bem einfamen 
©rabe an bem oben ©ergabßang, unb zu bem anbern 
in bem gejcßüpten ©infei neben bem murmelnben 
©acße, unb tief unb fcßmerzlid) empfanb er eS, baß 
biefe beiben ftiflen §ügel bie einzige §cimath waren, 
bie er in ber weiten, weiten ©eit trotte. Äber er em* 
pfanb eS au<ß mit feligem ©eben, baß er, woßin er 
aucß geljen unb wo er aud) weilen mochte, er eine gei* 
ftige jpeimatß hatte, feit er fein §er$ bem $errn 3efu 
gegeben. 

Jperr ©ilbert ahnte oiefleicßt etwas bon bem, was 
in ©auPS Seele oorging, benn er war ungewöhnlich 
gütig unb freunblicß. 

„XaS ift ein guter ©lan, gofter," fagte er, ,,id) pro* 
pßczeiße 3hnen ©rfolg, wenn Sie fo fortfahren, wie 
bisher; unb wenn Sie bann zurüdfeßren mit einem 
Wanten, ben bie ©clt fcnnt unb ehrt, bann werben 
Sie in Slmerita freunblid) wiflfommen geheißen wer* 
ben, unb—wie oiele Sie auch freubig begrüßen mögen 
— Wiemanb wirb eS herzlicher thun, als id). $oer 
nun ©ertrauen um ©ertrauen. Such ich höbe ©läne 
für Sie gemacht, bie im©anzen mit ben Qhrigen über* 
einftimmen. §ören Sic, ob Sie zufrieben ftnb. Xie 
fed)S flRonate, in bcnen Sie mir noch oerpflichtet finb, 
fcßcnfe id) 3hnen; oon nächfter ©odje an bezahle ich 
bie Srbcit, bie Sie für muß thun." 

£crr ©ilbert machte eine ©aufe unb zog eine noch 
Oerficgelte ©apierrofle ßcroor. 

„XieS9Ranufcript," fagte er,„foU itfuftrirt werben. 
3cß oertraue eS Shrem ©cniuS unb 3h rc r Sorgfalt 

an, unb zahle 3ßuen bie Summe oon-. Suf 

biefe Srt werben Sie im Stanbe fein, ben begehrten 
Unterricht in berSnwenbung berOelfarben fdjon jept 
zu nehmen unb — wer weiß, ob Sie nicht feßon ein 
©ilb für bie ^erbftauSftefluug fertig haben fönnen!" 

©aul ftammelte oerwirrt feinen Xanf, aber §err 
©ilbert unterbrach ihn. 

„3d) bin noch nicht zu ©nbe, warten Sie. 9Rcine 
Wichte, gräulein SRurrat), wünfeht einigen Qeichnen* 
unterricht zu nehmen, unb ich habe Sie als Seßrcr 
empfohlen. 34 gebe 3ßuen heute Wachmittag frei, 
bamit Sie 2Ruße haben, fidi ber SRutter Oorzufteuen. 
§ier ift bie Sbreffe." — 

©r reichte ©aui eine ©ifitenfarte hin. — ,,©aS nun 
3hre Sulunft betrifft, fo behalte id) mir oor, fpäter 
weitläufiger mit 3ßucn barüber zu reben. geben* 
falls wirb eS mir greube machen, 3hnen bie URittcl 
iur Erfüllung 3ßreS europäifeßen XraumeS oorfeßie* 
ßen zu bürfen." — ©r lächelte freunblid). — „3uoor 
aber mäßen wir feßen, wie 3ß* ©emälbe in ber SuS* 
ftcllung aufgenommen wirb, benn, wer@elb leiht, be* 
gibt fleh in Sclaüerei; ich barf 3hncn beßßalb nur 
bann etwas oorftreden, wenn ich feße, baß Ste eS zu* 
rüderftatten tonnen. Xazu fommt, baß Sie in ber 
&anbßabung beS ©infelS unb ber ©alette noch feine 
Uebung haben unb möglicher SBeife unerwartete 
Schwierigfeiten finben." 

„3a," entgegnete ©aul, „eS ift möglich." Sber er 
glaubte nicht an biefe Wtöglidjfeit, er war oielmeßr 
überzeugt, baß bie Farben ißn zum Schaffen begeiftem 
würben. 

„©eßen Sie jept an 34 rc SJioraenarbeit zurücf," 
fagte $err ©ilbert mit einer üerabfeßiebenben $anb* 
bewegung, als ©aul eS nod) einmal oerfudjte, feinen 
Xant in ©orte zu tlciben. 

(Sr war faum meßr als eine halbe Stunbe oon fei* 
ncni SrbcitStifcße entfernt gewejen, aber wieüiel hatte 
ißm bie furze $eit gebracht! (Sin Sugcnblicf — wie 


belaben fommt er mit ©aben, bie für ein SRenfcßen* 
leben auShalten! ©in Sugenblkf—er brüeft ber Seele 
ben Stempel beS©lürfeS ober beS Schmerzes auf, baß 
feine fpätern3aßre im Stanbe finb, ihn zu oerwifeßen, 
unb hoch ift eS nur — ein Slugenblicf! 

2US ©aul biefen ©ebanfen nachhing, würbe er fo 
bewegt, baß et mit unfießerer §anb feinen Äranj um 
bie Oftercoflecte zu winben begann. ©S war oieueidjt 
auch baS Slnbenfen an bie einfamen ©räber in ber 
gerne, baS wieber mächtig in ißm würbe, als er bie 
©orte beS WuferfteßungSmorgcnS laS—©orte, welche 
ißm wie ein blumiger ©fab erfdbienen, ber oon ber 
Sonne erleuchtet, zu bem fianbe führt, in welchem — 

„$ad Äinb bie ©tutter tvirb finben 
Unb bie Butter auch ba* Äinb." 

©aul’S ©leiftift hatte bie OftercoUecte mit einem 
ftranz oon ©pßeublättern unb Wtärzblümcßen um ge* 
ben, mit ben fleincn, unbebeutenbcn©lümcßen, welche 
fid) beffer zu einem Sinnbilbe beS gebulbigen SSar* 
tenS als ber froßlodenben greube eignen, welcße bem 
Öftermorgen angeßört. ©r faß baS ein, als er ben 
fertigen Äranz betrachtete unb beeilte fid), großäugige 
ftrofuS ßineinzufteefen; bie tapfem, fleinen ©lütßcn, 
welche fid) in ben früßeften ßenztagen ißren ©eg burd) 
bie gefrorene ©rbe baßnen unb ben SRenfcßennnbem 
Zurufen, fi^ z u freuen, weil bie bunte ©eit ber ©lü* 
tßen unb ©lumen balb waeß fein wirb oom ©inter* 
fcßlaf. 

„Sie haben 3*) ren Äranz für Stabtbewoßner ge* 
maßt," fagte §err ©üiot, ber unbemerft eingetreten 
war unb über ©auPS Schulter auf bie Qeicßnung 
bliefte. ,,©r trägt ben Stempel ber lepten fünf 3aßrc, 
gofter; eine Reit, in welcher Sie bie grüßlingSblu* 
men nur burd) eiferne ©itlerftangen gefeßen, welche 
einige enge ©lumenbeete umfcßließen unb ben unoer* 
meibli^en §intergrunb oon ©auSmauern haben. &a* 
ben Sie bie füßen Äinber beS grüßlingS Oergeffen, 
beren zarte gar ben ben glänzenben §aud) ber ©erlen 
ßaben, bie ber Ccean uns feßenft; — bie wilben ©lu* 
men, welcße ©iefen unb gelber feßmüefen zur Slufer* 
fteßungSzeit? §aben Sie Oergeffen, baß unter ben 
weifen ©lottern am ©ergabßang unb an ber fianb* 
ftraße lieblich buftenbe ©lümcßcn waeßfen?" 

„©ergeffen? £ nein, gewiß nießt," antwortete 
©aul. ©r fcßloß bie Wugen eine Secunbe lang, um 
bie Schnecglödcßen unb ©eilcßen beffer zu feßen, bie 
er oor langen 3aßren in ©alb unb glur gefugt. 

„©er fie jemals gefueßt ßat, fann ff? uicßt oergef* 
fen," fußr er fort. „3di glaube eSiept zu hören, wie 
oerfinftßaud) bureßbießweige ber©albbänmeftreift, 
bie fid) in wenigen Xagen feßon mit ber zartgrünen 
SRobe befleiben foUen. 34 glaube bie füßle, feußte 
©erüßrung ber oorjäßrigeit ©lätter ju füßlen, welcße 
wir zur Seite feßoben, Wenn wir bte füß buftenben 
©lümcßen fueßten." 

„kennen Sie ben ©erS, ber baS auSbrücft, waS Sie 
ba jagen?" fragte §crr ©Uiot weießer, als ©aul ißn 
je hatte fpreeßen hören. 

©aul maeßte eine oemeinbe ©ewegung unb £)err 
©fliot fagte: 

„0, ac^ fletroft btf fieben« bunfle ^ßfabf, 

$ic £icbe boeb fann abnuna^ooU e* frb'it: 

©o 9Rc^fc^)cnflU0 , nur welre ©Idtter ftnbct, 
fiäßt ©lum' unb ©lütbe ©ottf« ®nab’ erftelpn." 

©eibe feßwiegen einige 3?ft lang, bann begann$err 
©fliot ein ©efpräcß über ©aul’S Unterrebung mit 
^)erm ©ilbert. 

©auPS ©leiftift hatte wäßrenb bem nießt gerußt. 
9Rit rafeßen Strießen z*id)nete er baS ©ilbeßen auf 
bie leere Seite, welcße. ber mit ben grüßlingSblumen 
umwunbenen OftercoUecte entfpraeß. ©S war ein 


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487 


einfaches ©ilbcßen. ©in Äitabc wanbeite jur ©acht* 
^eit über eine etnfame ©bene; aber er blitfte födjelnö 
Aum §immel empor nadj bem ßeUen Stern, beffen 
Sicbtftraßl auf bie ©turne fiel, welche er in ber jpanb 
hielt unb ben ©tattern beweiben einen gewiffen©lanft 
»erließ. 3a, eS mar ein einfaches ©ilbeßen — ein fo 
einfaches, baß fieß §err ©fliot über ben eifrigen &u3* 
bruef in ©aul’S ©epeßt rounberte, ber fieß über feine 
Arbeit ßinab beugte. ©r mußte eS nicht, baß ©aul 
in biefer ©fijje—nur ^alb »erftänblicß unb ihm felbft 
nicht bewußt—bie ©mpfinbungen au^ubrüefen ftrebte, 
toelche fein §er$ bewegten; unb $err ©Uiot begriff 
auch nicht, waS ©aul beranlaßte, in bie (Scfe be3©lat* 
teS, in welche ber Zünftler feinen tarnen ju fchreiben 
pflegt, mit ganj feinen ©ueßftaben bie Sorte hinein* 
jumalen: „©in ©ater ber ©aterlofen." 

§err ©üiot mar an biefem borgen nicht ohne 
Spmpatßie mit ©aul, obwohl er bon benen, welche 
ihn tonnten, ein ©tarnt ber Seit genannt würbe. 
Äufmerffam berfolgte er ©aul’S ©leiftift, bis ber 
lefcte Strich beenbigt mar. ©3 war gerabe £U rechten 
geit, benn in biefem ttugenblicf »erfünbigte eine be* 
nachbarte Xßurmußr mitjwölf fcßarfenScßldgen, baß 
bie „©ußeftunbe" angebrochen fet. ©aul legte ©lei* 
ftift unb ©apier jur Seite. 

„$)eute arbeite ich nicht mehr/' fagte er: „aber fügte 
er mit einem Säcßeln auf baS ©ilbeßen ßinju: „baS 
ift feine Arbeit, fonbern ©ergnügen." 

©r begleitete §errn ©Üiot hinaus auf bie Straße 
unb bis auf ben freien ©Iah, an welchem fieß ihre 
Sege trennten. 

„Sie müffen 3ßrem alten greunbe unb Seßrer 
3ßre guten ftuSfidjten melben," fagte $err ©lliot 
beim WbJdjiebe. 

„3hrem alten greunbe!"—Sie angenehm Hangen 
bie Sorte in ©auPS Ohren! ©r hatte fo wenige 
greunbe unb eS machte ihn oft fo traurig, oenfen $u 
müffen, wie wehige; beim bie geit hatte in $omV* 
tinSoiüe Diele ©eränberungen ßeroorgebraeßt. 

„Sie würben taum ein betannteS ©efleßt treffen, 
wenn Sic burch unfere Straßen gingen/' feßrieb grau 
©late—bie ißr freunblicßeSgntereffe an ihm bewahrte 
— in ihrem lebten ©riefe, „©iete ber ©lüßlenarbei* 
ter finb geftorben unb an bem ©ergabßangeaurSRuße 
gebettet, einige finb weiter gezogen, um eintröglidje 
Stellen *u finben. &ucß unfer ©rebiger unb feine 
grau finb in eine größere ©farre übergefiebelt, ob 
tn ein glüdlichereS Xaßeim, weiß ich nießt $u ent* 
feßeiben." 

Jperr©raß hatte bie Ätabemie feßon bor gaßren 
üerlaffen, aber ©aul wußte, baß er fieß freuen würbe, 
bon ißm *u hören. 

„3<ß will ©eiben jeßreiben, grau ©late unb Jperrn 
©rap, will ihnen metne©täne unb^tuSflcßten mitthei* 
len—bie große unb herrliche ©aeßrießt, baß icß ettblidß 
grieben gefunben ßabe." 

„Ob fie woßl," baeßte er weiter, „fieß beßßalb für 
mieß, ben einfamen bertaffenen Saifenfnaben, fo in* 
tereffirten, weilSßrifti Sorte in ißren ßer^en lebten: 
„SaS ihr getßan habt einem unter biefen geringften 
meiner ©ruber, baS habt ißr mir gethan ?" ©S war 
ißm ein lieber ©ebanfe. ®ie ©üte unb greunblicß* 
feit, welche fie ißm erwiefen, war ißm noeß nie fo 
tßeuer gewefen, als jeßt, wo er fie als einen Xribut 
ißrer Siebe ju bem öerrn ertannte. 

©on biefen ©ebanfen erfüllt, erreichte er grau gor* 
beS £>au3. $ie würbige £)ame war feßr erfeßroefen, 
ißn fo früh aurütftoramen ju feßen, unb er hatte ißr 
bie ©efeßießte feiner Unterrcbung mit ©errn ©ilbert 
unb feine Slbficßt, grau ©lurrap einen ©efueß machen 
SU wollen, noeß nießt ßalb er$Ößlt, als fie in gefcßäft* 


Srljrn. 


ließet grauen*Seife feßon bie Xreppe hinauf eilte, um 
feinen fialsfragen unb §anbmancßetten einen mütter* 
ließen ©lid $u jeßenfen. 

©aul ertannte es banfbar an, berfießerte aber, baß 
9We3 ui befter Orbnung fei, bennoeß erregte eS »iel* 
leicßt jum erften ©tal in feinem Seien etwas ©eben* 
fen, baß fein befter ©otf etwas abgetragen war. 

gortf. folgt. 


Skljm. 


S telj nicht 9111 e«, auch wenn bu 9Iße« fiehft. 

$ein Sehen fei aber eilte £>anb, bie in 
'• öerfdjiebenc gädßein betriebene Säch» 
lein fleißig fammelt, unb ba§ SRefultat baöon 
gut rechten $eit unb ant regten Ort entrne» 
ber unter bier Slucjen ober bor ber gangen 
gamilie ober Schule auf’s 2apet bringt. 
3ene fSrädjlein müffen bir 9tuffdjlufj über ben 
S^arafter beä ffinbeS, baä SSerfjättniß biefer 
ober jener fjanblung geben; unb »oenn bu al8 
Sef)rer fleißig fiefjft unb fleißig merfft unb flci» 
ßig famntelft, unb bal aud) über bie @cl)ule unb 
bie Sdjuljabre ^inauä tfjuft, fannft bu einen 
Sdjaf bon Senntniffen, ©rfenntniffen unb felbft 
göttlicher SBeiä^eit fammeln. 

Slber mir fagten: ©ief) nicht Sltteä, aud; menu 
bu 9111 eä fiehft: miß fagen: ©cßlage nicht nach 
jeber äRüde; tßue olä ob bu bieä unb baä unbe* 
beutenb ®erfet)lte nicht miffeft, nicht gefeiien ha» 
beft. ®cr Seßrer macht fich läd)erlid|, ber ’kb 
Ui miß gefeßen hoben, ma« er nicht gefeljen 
hat ober baS er nicht recht gefeljen bat; 
aläbann thuit, als ob er richtig gefehen, tljut 
ihm, feiner 9lutorität unb feinem 9tnfehen un= 
geheuten (Sintrag. fDian lann, fagte un§ ein» 
mal ein Seljrer, nicht aße (Knaben) in ein 
SBocfähorn jagen. 

Uebrigenä je fd)8rfer unb Wacher bein 9luge, 
befto beffer. ®iele Sehrer unb SSäter fehen 
freilich gar nichts; fie gehen mit berbunbenen 
9lugen burch bie Schule unb baS ^auS, unb eS 
ift oft unfaßlich, Wenn man folche fpricht, Wahr» 
gunehnten, wie Wenig fie gefehen haben. Daß 
ein Solcher bon ben Äinbern gehnmal über bie 
Ohren gehauen, hinter’« Sicht geführt wirb, ba« 
ift gewiß, unb baß bie Ungegogenheit ba wirb 
überßanb nehmen, ift auch gewiß. Schorfe« 
©eficfjt unb fdjorfer 3Ker!« ift eine ®abe ®otte« 
für jeben Setirer, unb jeben ^au«bater, unb man 
foßte fie beibe hoben. 

911« ein bielfdjmahiger Schiller in eine anbere 
Schule berfefct würbe, ergähtte berfelbe nachWe» 
nigen lagen gu §aufe: „2>er Sehrer hot über» 
aß 9lugen: an ben (Sßbogen, an bem 9tücfen; 
er fietjt 9lße«." Un« ergötze ein ffreunb eine 
intereffante ®efchicf)te, bie bei fßfarrer 93lunt 


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488 


Cäglidie JUffdjlu»}« unb wir fte ;u (ragen! 


t»arb fttf> juflftragen. 3)emfelben würbe ein 
oerwilbertcr finabe übergeben, in ber Hoffnung, 
er möchte if)n juredft bringen, ©alb feien nun 
bie i]eute beS $aufe3 gefomnten unb hätten be= 
richtet, man habe alle Stühle auf ben $opf ge= 
[teilt im ©aal gefunben; bann tuieber, bie ©ier 
im £>üt)nerftaH feien fort unb ein ©efangbuef) 
liege an beren ©teile, ©lumljarb antmortete: 
„Saßt boef) fein. 3ft nid)t etwas oon biefem 
bübifd)en ®eift audj in Such, ba$ fid) ein toenig 
freut über foltfje $)ittge. 2Kad)t man bie ©adje 
intereffant unb wichtig, fo ift ber föijjel, ben bie 
©ünbe Wollte, befriebigt unb bie SBieberljolung 
ift fieser, ©o aber wirb’S iljm oon felbft ocr» 
leiben"—unb fo gefetyafj eS and). 

©b- ^if^aufer. 


föagUdje JCnffdjtuugcn, unb wir 
fie |U tragen! 

gfir $tttd und #crb and dem (itigUfdjeit ttderfefct 
dom $or’lc. 

n einem ftiden, ländlichen ®orfe, an ben 
Ufern eines prächtigen Stromes, motjnte 
Anna ^effrieS, eine arme unb mehr als oer* 
toittmete grau, benit ihr Sötann üerlor furg nach 
ihrer £eirath ben ©erftanb. 

®a fie feine ©ermanbte hatte, fo mar fie fuh 
felbft iiberlaffen unb eS ging ihr gu ßeiten fef)r 
hart, benn fie mar eine f<hmäd)liche <ßerfon unb 
mufjte oft Sage lang im ©ette liegen, in melier 
3 eit fte bann gang oon ber $ülfe ihrer Sßach* 
bant abhängig mar. 

AIS ich fie fennen lernte, mar fte alt unb ge¬ 
brechlich unb lebte gang oon ber 9Rilbthätigfeit 
chriftliä^gefinnter greunbe. Dbmoljl fie arm 
mar, fo fonnte man hoch nicht leicht einen banf- 
bareren unb freubigeren ßhnfteit finden, als fie. 
9tie hörte man fie flogen, im ©egentheil mar 
bie ftünbtiche Sprache ihres §ergenS: Sobe ben 
f>ernt meine Seele unb oergifj nicht, maS er bir 
©uteS gethan hat. 

Sie hatte in ihrer 3ugenb eine giemlich gute 
Schnlbilbung erhalten, auch ^atte fie gute na¬ 
türliche Anlagen. 

Aber baS Sefte oon Adern mar ihr tief chrift- 
licher Sinn unb ihr unerfchütterlicheS ©ottoer* 
trauen. 2)ieS Oerürfachte, dag man fie gerne 
befugte, unb ich felbft fand eS oft gut, in bie 
befcheibene £ütte eingutreten, unb guguhören, 
mie gütig fie ber liebe ©ott geführt hatte. 

AIS ich einmal meine ©ertounberung auS- 
fprach, mie fie in ihren ©erhältniffen immer fo 
glücflich unb gufrieben fein fönne, gab fie mir 


bie Antmort: „Siehe, ich vertraue einfach auf 
©otteä £ülfe, unb er ift fo gut mie fein 28ort, 
feine ©erheifjungen finb 3a unb Amen. Ade 
meine Sorgen merfe ich einfach auf ben #erm 
unb er forget für mich/' 

„föonnteft ®u immer fo $eine 3 uftucht jum 
§errn nehmen," fragte ich fie. 

„D nein, meit entfernt," fagte fie, „eS mährte 
eine lange 3eit unb durch hatte ©roben ging eS, 
bis ich bahin fam, oööigeS ©ertrauen in ©ott 
gu fepen. SBenn eS ®ir lieb märe, bie ©efchidjte 
einer armen grau gu hören, fo mitt ich crs 
gählcn, mie ich bagu fam." 

Natürlich mar i<h begierig gu hören unb mun¬ 
terte fie auf, mir gu ergäben. 

„9iun benn," begann fie, „ich hatte gute unb 
fromme ©Itern, melche mich ^ er gurcht beS 
$errn ergogen unb mich anhielten, baS SBort 
©otteS gu lefen. ®er ©eift ©otteS mirfte auch 
in meiner frühen 3 u 9 en b an meinem bergen. 
9Jleine ©Itern maren nicht reich an irbifchem 
©ut. 9Reine SDiutter jeboch lebte ein mahreS 
©laubenSleben, unb übermanb alle §inberniffe 
beS fiebenS unb ftarb felig unb triumphirenb. 
3n ihrem Seben hatte ich einen Haren ©emeiS, 
mie gnädiglich ber liebe ©ott benen hilft, bie 
auf ihn oertrauen. 

„Seboch, in meiner 3 w 0 tnb mar ich oft ftanf 
unb hatte oiel gu leiben, maS mich fehr oer- 
briefelich unb ungufrieben machte. 3 <h benfe 
jept öfters, boft meine 9Jtutter gu folgen Qeiten 
nur gu gut mar; aber eS mar ihr liebreiches 
£erg, unb fo mürbe ich oergogen. 3 fh fonnte 
mich über jebeSleinigfeit ärgern unb über jebeS 
Ungemach Hagen, ja ich befann mich öfters, et* 
maS gu finden, morüber ich meinen Unmillen 
auSlaffen fonnte. 

„dReine dRutter backte ohne 3 ro eifel, bie$ 
rühre oon meiner Äranfheit l)*t, unb trug eS 
mit ber größten ©ebulb. dRanchmal jeboch 
madjte fie mich in oder ©üte aufmerffam auf 
mein fünblicheS Senehmen unb meine Unbanf* 
barfeit gegen ©ott unb ermunterte mich, bie 
fleinen täglichen Anfechtungen als mein tätliches 
Sreug, um 3 cfu miden, gebulbig gu tragen. 

„ 3 U biefer 3 ^it mar eS, mo ©ott, um 3 c f u 
miden, mir meine Sünben oergab; ©ott hatte 
mir meine Sünben gegeigt, unb ich fattb 3efum, 
ben Sünben oergebenben §eifanb. 3^ fah, 
mie ich mich gegen ©ott üerfünbigt hatte mit 
meinem ungufricbcnen SBefen, unb ftrebte nun 
mit oder Sftacht oon biefem Uebel erlöft gu mer- 
ben. 3ch h^Il an mit gläubigem ©ebet. SBenn 
mirflidje Seiben famen, üerfuchte ich fie mit ®e* 
bulb gu tragen, unb an ben gu gebenfen, ber fie 
mir gefdjicft hatte. 

„ 3 n biefem ©eftreben fanb ich fl*o&en 


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Huf brr PtU&f. 


489 


ben unb SRuße. Salb barottf fomcn große unb 
fernere £ eiben Aber mich, bie mid) früher ganj 
jerbrüdt hätten. 

„3Rein lieber Soter ftarb ptö^tic^, unb mir 
moren auf uni felbft angetoiefen. SJurje 3eit 
nachher machte mir gameb geffrieb, ein junger 
3Rann non tabettofem ©ßarafter, fpeiratßban» 
träge. SBir mürben oerßciratßet. Salb nach» 
her oerlor er feinen Serftanb unb mein ©lüd 
oertoanbelte fich in ben größten Scßinerj. 9Reine 
liebe SRutter erfranfte ju berfelben ßeit unb ich 
muffte meine übe $eimatß Oerlaffen, um ihr ab» 
jutoarten. 3cß rief jum #errn um Straft, unb 
er gab jie mir. '0 Anna/ fagte meine 2Rutter 
ju mir, 'iießft ©u, bieb ift, toab ich immer 
fagte. 9lun fommen bie Beiben mie SBaffer» 
flutßen über ©Aß; aber fei nur getroft, ber |>err 
mirb mit ®ir fein, oerherrliche feinen IRamen 
baburcß, baff ®u ®icß gebulbig in feinen 28t l» 
len ergibft. (Sr hat mir gnäbiglich burch alle 
SBibermärtigfeiten biefeb Bebens hinburcß ge» 
hoffen unb nun nimmt er mich heim jur emigen 
9tuße/ 

„AIS mein 2Rann unb meine SRutter fo auf 
einmal oon mir genommen mürben, hätte man 
meinen füllen, baß ich fl an S oon meinem Scßmcrj 
nbermältigt morben märe, aber fremb, mie eb 
fcheinen mag, ich füllte mich munberbar getra» 
gen unb genoß einen großen grieben. SDleine 
SRutter hatte oiel fär mich gebetet in ihren leß» 
ten lagen, unb ich fanb großen ©enuß im ©e» 
bet, uni ei feßien, alb ob ber ftarle ©taube 
meiner ÜRutter über mich Kirne. 3cß fühlte bie 
gemiffe Serficherung, baß ber $err mir helfen 
roerbe. 

„Unb fo gefeßah eb auch, bie §ülfe Jam immer 
unb ber $err fdjicfte mir greunbe unb ©ömter 
unb ei hat mir an IRicßtb gemangelt. ©er liebe 
©ott gab mir fo Oiel ©efuttbßeit, baß ich nt ich 
für lange 3eit felbft oerforgen lonnte nnb noch 
etrnab übrig hatte für bie Ausbreitung beb SRci» 
cfjeS ©otteb. 9lun feit ich alt unb gebrechlich 
bin, forgt ber £>err für mich. 3$ finbe täglich 
großen ©enuß barin, bem lieben ©ott täglich 
meine Sorgen, groß ober ffein, oorjubringen 
unb er hilft mir. §ch fühle ganj ficher in fei¬ 
nen $änben. 

„Siebe greunbin," fagte biefe betagte Sheiftin, 
„gehe meinen SBeg, mache ®ir felbft leine Sor» 
gen unb fuche fie auch nicht unb mach’ bie mirf» 
liehen Anfechtungen nicht größer, alb fie mirflich 
finb. $Rimm bie, bie ®ir oon (Statt gefanbt 
finb, ju ©einem Seften, frage ihn um SBeibßeit 
unb Äraft, fie ju tragen, ©raue auf (Statt unb 
er mirb helfen, baß ®ir Alles }um Seften bie» 
nen muß." 

(Sb finb fchon gaß« oergangen, feitbem bie 


irbifeße £>üHe oon Anna fteffrieb jur Stuße ge» 
braeßt mürbe unb ißt erlöfter (Steift ju ben SBoß» 
nungen ber Seligen einging. HRögen mir bie 
Beßren, bie fie uns buteß ißr Beben geleßrt, nicht 
oergeffen, fonbern unb befleißen, unfere 2lnfccß» 
tungen mit ©ebulb ju tragen unb unb im ©lau» 
ben unb (Stattoertrauen üben. 


& u f bfr riidtc. 

©iagefanbt oon g. 

b mar an einem fdjönen SRaimorgen. 
Auf ber großen Srüde in Bonbon 
ßerrfeßte regeb Beben. (Sine SRenge 
gußrmerle fußren ßin unb ßcr, unb 
bie gußgänger arbeiteten fich mit großer äRiißc 
burcß’b ©ebränge unb maren froß, menn fie mit 
ßeiter fpaut unb unbefcßäbigten ©afeßen baoon» 
gelommen maren. 

gn ben SRifcßen, bie bureß bie borfteßenben 
feiler gebilbet mürben, hatten fteß eine äRenge 
rämer niebergelaffen, bie mit großem ©efdjrei 
ben Sorübergeßenben ißre SBaaren anpriefen; 
ßier oerfaufte ein altes 2Bcib Drangen, ba ein 
junges SRäbcßen Slumenfträuße, bort ßanbelte 
ein SRann mit gingerßüten, Scßeeren unb 
SDleffent. 

3n einer ber SRifcßen ftanb ein ÜRann, ber 
©olbftüde anbot. 

,,.§ier, meine Herren," rief er, fo laut er 
lonnte, „laufen Sie gute ©olbftüde, bab Stüd 
ju jeßn Pfennigen — nur jeßn ^ßfettniße bab 
Stüd gute ©olbftüde, birelt oon ber löniglicßen 
ÜRünje. Senußen Sie boeß bie ©elegenßeit 
unb laufen Sie ©olbftüde, jebeb Stüd jtoartjig 
ÜRart mertb, ßunbert ßmanjigmartftüde für 
jeßn 9Rarf." 

Aber Alle eilten oorbei unb nahmen toenig 
tRotij oon ber oerlodenben ©inlabung, ßöcßftenb 
lacßte ßie unb ba ein Sorübergeßenber ben bum» 
men fpaufirer aub, ber auf fo plumpe SBeife bab 
Kuge fßublilum ju prellen fueßte. 

„gßr ßabt ba (Sure Pfennige ßübfcß glänjenb 
gemacht," fagte ber ©ine, „menn 3ßr oier Stüd 
für jeßn tßfettnige geben motlt, maeßt 3ßt oiel» 
leicßt beffere ©efcßäfte." 

,/Reßmt (Sud) oor ber Ißolijei in Äcßt," meinte 
ein Anberer, „eb lann (Such noeß fcßlecßt geßen, 
menn 3ßr biefe Supfermaare öffentlich für ©olb 
aubgebt." 

©er Srämer ßörte biefe Semerlungen mit 
großem ©feießmutß an. ©r fußt fort, feine 
SBaare anjupreifen, unb ßatte babei moßl Acßt 



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490 


Ulf bet drücke. 


auf feine fogenannten ©olbftüde, bie er auf 
einem Sragbrett auSgebreitet hatte. 

©nblid) fdjien ein Käufer ju fommen. 

„D, ©ater," fagte ein Heiner ftunge, 
baS finb bie Finger, bie ÜJiutter immer hoben 
mill. 3rf) habe oierjig Pfennige bei mir, bie 
irf) für meine gute ßenjur befam; für bie fönnte 
ich ber ÜJiutter nun gerabe üier ©olbftüde 
taufen." 

„©ift ein guter Qunge, ©an S," entgegnete 
ber ©oter, „aber fiel), mit fotzen ©olbftüden 
fönnte bie ÜJiutter nicht uiel anfangen, Sie 
finb nur nachgemodjt. ÜJian befommt tuof)( oft 
für gutes ©elb filierte SBoare, aber nie für 
Wenig ©elb gutes ©olb. Somtn, taufe etwas 
SlnbereS für unfere ÜJiutter." 

'Sie $ eiben gingen vorüber, unb ein anberer 
ÜJiann näherte fid) unb flaute oerlangenb nach 
ben ©otbftütfen. 

„SBenn fie bod) nur äd)t wären," feufjte er, 
„jwanjig ©tüd würben mir aus ber ülott) f)eU 
fen; ja, wenn mir gemanb jWanjig ©olbftüde 
geben wollte! Slber Wenn aud) üRancßer meljr 
als fo toiel übrig fjat, benft er bod) nicht baran, 
fie wegjufdjcnfen." ©eufjeub ging er weiter. 

Sann näherte fid) ein feingefleibeter junger 
ÜJiann unb befaß bie ©tüde aufmerffam. 

,,©inb gut nachgemacßt," murmelte er, „ob 
idj’S Woßl Wagen fotl ? 93ieüeid)t, baß eS nid)t 
benterft würbe unb id) fönnte bamit Wieber all 
baS Verlorene gewinnen. Slber nein, bie Slu» 
gen beS SanfßalterS feßen fcfjarf, unb wenn eS 
entbcdt würbe, Würbe idj ein für allemal oom 
©pieltifcß weggejagt." 

©o fpred)enb, fdjlenbcrte er Weiter, um irgenb 
einen SBucßerer um ©elb ju erfucßen. 

„SBie fpät ift’S?" fragte nun ber ©aufirer 
einen ÜJiann, ber fdjon lange 3eit in feiner Üläße 
ftanb unb if)n, bie Ul)r in ber ©anb, aufmerffam 
beobachtete. 

„©in Viertel oor jwölf Uhr," War bie Snt» 
wort. „Sie hoben nun noch genau fünfzehn 
ÜJiinuten 3 c ü- Slber ich glaube, ba fommt bod) 
enblidj ein Säufer." 

SBirflidj blieb ein gut gefleibeter Slrbeiter 
oor bem ©aufirer fteljen unb nahm eines ber 
©olbftüde in bie ©anb, inbem er es Oon allen 
©eiten betrachtete. 

„SaS heiße ich gut betrogen," bemerfte er, 
„ich will ein ©tüd für meinen Keinen jungen 
mitnehmen." 

@r legte feine gehn Pfennige hin, erhielt ba» 
für ein ©olbftüd unb ging Weiter. Slber immer 
unb immer wieber muffte er feinen Sauf be» 
trachten. SaS glänjenbe Sing fah Wirflich 
einem äd)ten ©olbftiid ju ähnlich. 

,,©S ift ja natürlich nicht ädjt, aber ich Will 


eS boch im näcßften ©olblaben bem ©olbfchmieb 
jeigen." 

Set ©olbfchmieb nahm baS ©elbftüd in bie 
©anb, Wog eS unb fagte: „SaS ift ein gutes 
3 wanjigmarfftüd." 

„SSarum nicht gar," fchrie ber Slrbeiter faft 
entfett, „befeßen ©ie’S boch ein ©iScßen genauer." 

„ÜJleint 3h r Wohl, icf) fönne fein wirflicßeS 
©oib unterfdjeiben ?" entgegnete ber ©olbfchmieb 
berieft, „auf ber ©teile gebe ich ©ucf) jwanjig 
einzelne ÜJfarfftüde bafür." 

Slber ber Slrbeiter hörte fdjon nichts mehr. 
Schnell Wie ber SBinb eilte er aus bem Saben 
burcf) bie ©traße, bie er eben gefommen war, 
bis et atßemloS bei bem ©feiler anlangte, Wo 
ber ©aufirer geftanben hotte. Slber ber war 
fort, unb an feiner ©teile ftanb ein ÜJläbcßen, 
baS ©onigfuchen oertaufte. 

„3Bo ift ber ÜJiann, ber foeben hier ©olbftüde 
üerfaufte?" 

„SBeiß nicht," war bie Slntwort, „als ich bor 
fünf ÜJiinuten hcrfam, war ein ÜJiann hier mit 
einem Sragbrett, aber er ging gleich weg mit 
feinem grcunbe, eben als es jwölf Uhr fchlug." 

©«Heießt hoben unfere Sefer bie ©rflärung 
biefer feltfamen ©efdjicßte fdjon errathen. $wei 
reiche ÜJlüffiggänger hatten eine SBette gemacht, 
WaS ber ©rfolg fein Würbe, wenn man hunbert 
©olbftüde, baS ©tüd ju jeßn Pfennigen, pr 
lebhafteften SageSjeit auf ber Sonboner ©rüde 
oertaufte. Ser ©ine glaubte, fie würben SlUe 
im erfteit ÜJloment getauft werben, ber Slnbere, 
baS ©ubtifum würbe gar feine Ülotij baoon 
nehmen. SB« hoben baS SRefultat bereits ge» 
gehört: ein einziges ©tüd Würbe getauft unb 
bieS oon einem ÜJlanne, ber felbft feinen ©lau» 
ben an ben SBertlj feines SaufeS hatte. 

@S mag uns feltfam erfcheinen, baß bie ßeute 
fo Wenig UnterfcßeibungSgabe befaßen. Slber wir 
machen ja (eiber noch immer biefelbe traurige 
©rfahrung. Ser ©err bietet unS in feinem 
SBort baS föftlichfte ©olb an, aber ©iele achten 
gar nicht barauf. Slnbere hoben ihren ©pott 
bamit, höhnen unb läftern: eS ift gar fein ©olb. 
SBaS ihr ©otteS SBort nennt, baS finb mcnfdjlidje 
Schriften, wie anbere auch. SOlandje hoben ein 
©efüßl baoon, baß biefeS ©olb fie oom ©erber» 
ben erretten fönnte, unb boch greifen fie nicht p, 
Weil eS ihnen am rechten ©ertrauen fehlt. Sie 
eS aber annehmen, lernen erft nach unb nad) ben 
unermeßlichen SBertlj ber empfangenen ©abe 
recht erfennen. Sod) bie 3eit, in ber uns bie 
himmlifchen ©cßäfce angeboten Werben, ift eine 
furje! wer gleichgültig baran oorbeigeßt, Wirb 
bereinft auch noch 3 lir ©rfenntniß ißreS SBertßeS 
gelangen, aber—o feßredließer ©ebanfe!— erft 
Wenn eS p fpät ift, fie p erlangen. 


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Sonntogf^uUlrhtianrn, 


491 


g>onnf<mfdhtf- Jefütotten. 


Sonntag, 4. Sept. 


©ottocrtraucn. siatty e, 24 - 34 . 


34. Stfemanb rann jWfien ärrrrn bienen. (Entweber er wirb 
einen baffen, unb ben anbern lieben; ober er wirb einen anbaiu 
aen, unb ben anbern Derachten. 3hr föunt nicht (Statt bienen unb 
bem Mammon. 

25. $arum faqe ich nid): ©oraet nicht für euer fieben, wa« ihr 
effen unb trinfen loeTbet; auch ntd)t für euren tteib, wa« ihr am 
fliehen werbet. 3ft nicht ba« Seben mehr, benn bie ©peife? Unb 
ber Seih mehr, benn bie Jfleibuno ? 

28. Sehet bie 8ögel unter bem $immel an; fie fäen nicht, fic 
ernten nicht, ffe fammeln nicht in bie Scheunen: unb euer bimim 
Iifcher ©ater ndhret fie hoch, ©eib ihr benn nicht Diel mehr benn 
fie? 

27. ©er ift unter euch, ber feiner Sänge eine (Elle auf eben mdge, 
ob er gleich barum forget? 

28. Unb warum forget ihr für bieftleitung? Schauet bic 
Sitten auf bem ftelbe, wie fie machten: fie arbeiten nicht auch 
fpinnen fie nicht. 


29. ^ch fage euch, baß auch ©alomo in aller feiner $erli«hteit 
nicht beflctbet gewefen (ft, ata berfelben eine. 

80. ©0 benn (Sott ba« (Sra8 auf bem gelbe alfo tleibet, ba« 
hoch heute ftehet, unb morgen in ben Cfen geworfen wirb: füllte 
er ba« nicht Dielmehr euch tbun ? 0 ihr Äleingldubigen! 

81. $arum follt ihr nicht forgen unb fagen: ©a« werben wir 
effen? ©ad werben Wir trinfen? ©omit werben wir und 
jlcibcn ? 

82. 9?ach folchem allem trachteten bießeiben. $enn euerfeimm- 
liieher ©ater weife, bafe ihr befe alle« beburfet. 

83. brachtet am erflen nach bem Striche (Sötte«, ünb nach teiner 
©erechtigfeit; fo wirb euch folche« ade« aufallen. 

84. $arum forget nicht für ben anbern ©Sorgen, benn ber mor= 
genbe $ag wirb für ba« ©eine torgen. (E8 ift genug, bafe ein ieg= 
lieber lag feine eigene ©läge habe. 


8tftltf4rr ©rnnbaebanfe: eure Sorge wer¬ 

fet auf tßn, benn er forget für eueß." 1 $etr. 5. 7. 

Einleitung, $>ie ©erbinbung unferer Seftion mit 
ben oorßergeßenben Werfen ift flar; 3 efud batte bad 
Seßäpefammeln im §immel bem Scßäßefammeln auf 
Erben gegenüber gefteUt unb gezeigt, baß bad ^erj 
üom Scßofee, bem Erfolg bed Strebend unb bent ©egen- 
ftanb ber Siebe nießt getrennt fein fann. 3ft ber Scßab 
etmad ^rbifcßcd, fo wirb bad öerfl baran bongen unb 
irbifcß gefinnt fein. 3ft ober ber Scßafc pimmlifdjer 
SJatur, fo toirb auch bad §era bintntlifcb gefinnt fein. J 
858er nun feinen Sinn blöd auf bad Sammeln irbifeßer | 
Scßäpe richtet, beß Sluge, ald bed Seibed Seucßte, toirb 
üerßnftert werben, baß er bie ©ütcr im etoigen Sicßt 
toeber ertennen, noeß biefelben für fkß fießern fann. 

Erflärung. 

©. 24. $ur<ß ein ©lcicßnißwort ftetft Qefud bie 
Unaudfüßrbarfeit p>ei Herren bienen p tooüen, ßin. 
Ein Sflaoe, toill er fagen, beffen $er$ bei feinem 
§erm fein muß, fann pgletcß nießt zweier Eigentßum 
fein, toeil feine Zuneigung, jobalb fie fieß einem Sln- 
bern pwenbet, tn §aß gegen ben Erften fieß oertoan- 
beln muß. $ad gcftßalten an ber Slnßänglicßf eit für 
ben Einen, müßte pr ©eraeßtung bed Anbern füßren, 
ber $icnft oßne Siebe begehrt. $ie Slnwenbung 
liegt auf ber $anb. ,, 3 ßr tonnet nießt <55o 11 
bienen unb bem SÄammon." SMammon joll 
naeß Einigen ber Stame bed ©otted bed SReicßtßumd 
bei ben Sßrern getoefen fein, ©ott gegenüber er- 
ßßemt ber irbiieße 9?eicßtßum, ald ©erfon gefaßt, Wie 
ein ©öpe, unter toclcßetn ©olb, Silber unb SUIed, toad 
man bamit erwerben fann, wie 5 . ©. 9?uße, Eßre, finn- 
licßed Vergnügen ?c. oerftanben wirb. 338ir mäßen 
und entfeßetben, we I cß e m wir bienen wollen. 

©. 25—27. 8Bie leießt taueßt unfrerfeitd ber Ein- 
toanb auf: Slber wir müffen boeß leben -- Staßrung 
unb SUeibung ßaben—unb follen feine Sorge für bad 
irbifeße Sludfommen tragen? tiefem Einwanb be¬ 
gegnet ber $err, inbem er unter ©cltenbmacßung fei® 
ner^lutßorität — „ 3 cß aber fage eueß" — bad 
toürbtge ©erßalten waßrer ffinber ©ot^fd naßer 
feeießnet. 

„Sorget nießt." Eßriftud oerbietet nießt bie 
gewiffenßafte gfürjorge unb treue Arbeit, wclcße ber 
rechtmäßige ©eruf forbert, fonbern bie O u a l f 0 r g e, 
bie immer grübelt unb ängftlicß naeßbenft unb bad 


£>er$ in ©efümmerniß ßin- unb ßerpßt mit ber ban- 
genben fjrage über Speife, Xranf unb Reibung. 

8G8ir füllen nießt ängftlicß befümmert fein um unfer 
$afein, ald ob ©ott nießt forge. $)er bad ©rößere, 
Seib unb Seben, gegeben, wie foUte ber nießt aueß 
bad ©cringere, ben ba$u nötßigen Unterhalt, gewäh¬ 
ren? $ad Seben ift meßr benn bie Speife. 2Btr be- 
fümmern und nießt, ob wir am anbern 9Äorgen aueß 
noeß leben unb unfere ©lieber ßaben werben. 8Bir 
fepen cd getroft ooraud. 2Bic tßöricht alfo, über oiel 
untergeorbnetcre ^inge fieß fo ^u befümmem! 8Bad 
hülfe nnd benn bie 9faßrung unb ^leibuug oßne bad 
Seben? 

„Seßet bie ©ögel." Qnx Stärfung unferd 
©laubend weift fjefud auf bie in ber Seßöpfung open 
oorliegenbe gürforge ©otted für bie ©ögel, bie nieptd 
für ißren Unterhalt tbun, bie fo $u fagen abgelöftoon 
ber Erbe unb ißren 9eaßrungdqueüen erfeßetnen unb 
boeß fo ßeiter unb fingenb bureß bie Säfte feßweben. 
®cr SKenfeß ift oiel meßr wertß ald ein ©ogel. 
5)arum forget nießt. 3ßr fönnt boeß nießt eured Se¬ 
hend Sänge, b. b. 3eit, feine Elle, b. ß. aueß nur einen 
fleinen Xßeil, ßin^ufügen. So beftimmt gemeßen 
bad Seben in feiner Sänge ift, fo beftimmt gemeffen 
ift aueß bie ©erjorgung beffelben. 

©. 28—30. ©erwerfließer noeß ald bie S^a^rungd- 
forgen finb bie Äleiberforgen. 85Bie eitel ift ber 
©fenfeh, will Qefud fagen, ber aud bem Äleibe, ber 
bemütljigenben 3)eefe meiner ©löße, einen ©egenftanb 
bed ©runfed maeßt! 

Salomo’d ©errlicßfeit, welcße ald bed Älci- 
berfeßmuefed aalt, fommt ber Seßönßeit ber Silie nießt 
gleieß. $ie ©lumen w a cß j e n mit ißrem nießt blöd 
angeßängtenfleib; barum ift bie Statur in ber©lume 
feßöner, ald ber präeßtigfte ©ub, ben man erft auf- 
ßeften muß. Unb boeß, wie feßneu üergeßt biefe öerr> 
ließfeit! SBetyt in ©aläftina ber heiße, bon ber 8ßüfte 
fommenbe 8Btnb nurjtoei Xage lang ßeftig, fo üer* 
borrt SUled auf ben 8&icfen, wad nteßt tiefe SBur^el 
ßat, cd wirb p §eu, unb bei bem §ohmangel in eini¬ 
gen ©egenben fogleicß pr Neuerung benüßt. 

©. 31. 32. Ed ift ©runbjaß bed ^eibentßumd nur 
naeß bem p traeßten, wad pr ©efriebigung ber ftnn- 
ließen ©egierben gereicht. ®ie ©ßarifäer rüßmten 
fieß aüed §eibnifeße rein abgeftoßen p haben. Slber 
3[efud pigt, baß fie auf ißren eftremen 858egcn, wop 
bie Qualforge ju reeßnen ift, wieber in bad £eiben- 


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492 2onnto$r4ul>|rbliitiriK« 


tßum jurficffommen. Sollten toir mit ber maßren 
©rfenntiß ©otteS mib mit ber ©ibel in ber £>anb eS 
ben Reiben nacßtßunV 

©.33.34. „Xracßten am erften," b. ß. oor 
allem anberen. grüße im Seben, in ber feßönen 3u* 
genbzeit, mit Anmenbung aller Kräfte unb ©elcgeu* 
beiten, bie ©ott gibt, nad) bem SReicße ©otteS unb ber 
©ereeßtigfeit, bie bor ©ott burd) 3 e f um fcbriftum 
gilt. TaS brachten nach bem SReicßc ©otteS fcßließt 
ba$ brachten nach beffen Segnungen in fieß. Siebe 
bie ©ergprebigt überhaupt. Söeil bie ©ottfeligfeit 
bie ©erßeißung bie f eS unb beS aufünftigen Sebent 
bat, mirb ^[Oeö fonft SRötßige zufallen. 

gum Schluß ber toieberbolten Unterfagung ber 
Sorge in Dichtung auf ben fommenben Xag, toirb 
noch bemerft, baß eS Sache jebeS mcitcren Tages fei, 
bie ibm eigentßümlicßen Sorgen felbft ju tragen unb 
baß für jeben oorbanbenen Xag baS eigene Unbeil, 

t lage, fein binreicbenb Xßeil fei- ®S toirb aljo bie 
orge nur, fofern fie SRißtrauen in ©otteö fürforg* 
licßeS SiebeStuaUeit, nicht aber fofern fte rechtmäßige 
©efümmemiß über baS ju tragenbe Uebel ift, unter* 
faßt. 

©raftifdje ©ebattfett. 

©ottbertranen. 

©ertrauen auf ©ott ift ein §auptbeftanbtbcil beS 
cßriftlicßen ©laubenS uitb offenbart fid) in böfliger 
gut)erficht auf feine SBeiSßeit, SD?ad)t unb bäterlid)c 
gürforge. Tie ©egriffe oon ©lauben unb ©ertrauen 
finb nap’ oertoanbt. TaS ©ertrauen auf ©ott tonnte 
als martenber ©laube bezeichnet merben. Ter©laube 
ift bie ©runblage beS ©ertraucnS unb gebt bcmfelben 
boran. Ter ©Taube ift attio, tbätig; oaS ©ertrauen 
berbält fteß paffib. Ter ©lauoe nimmt, greift ju; 
baS ©ertrauetf gibt ficb bin unb ßarrt auf ©ott. 

1. ©ott bertrauen b^i64 ibn tennen. 
Ohne nähere ©etanntfeßaft fann man feiner ©erfon 
©ertrauen febenfen. 2Bir müffen enttoeber bureb per* 
jönlicßen Umgang unb Erfahrung ober burd) gute 
©mpfeßlung mit einer ©erjon befannt merben, ehe 
mir berfelben unfer ©ertrauen fd)cnten tonnen, ©in 
$inb bertraut ficb nur feinen ©Itern unb greunben 
an, bie eS fennt. ©benfo hier. SBcr ©ott bertrauen 
miß, muß ißn tennen gelernt hoben. Turd) bie ©er* 
gebung ber Sünben im ©lute ©brifti rnirb ber ©runb 
Zur rechten ©etanntfebaft mit ©ott gelegt. 2Bo ©er* 
gebung ber Sünben ift, bot bie Seele © c f a tt n t* 
fchaft mit ©ott. 

2. ©ott bertrauen ßeißt ihn lieben. 
SBir mögen mit einer ©erfon befannt merben unbbon 
ihrer SRecßtfcßaffenßeit überzeugt fein, fcljlt aber bie 
guneiaung unb Siebe zu ihr, fo ift cS nteßt möglich, 
tßr botteS ©ertrauen zu fdfenfen. ©benfo l)ier. ©3ir 
mögen ©ott tennen gelernt hoben burd) fein SBort, 
ohne in ein ©erbältmß ber Siebe zu iljui eingetreten 
zu fein. SRur mer ben §crrn fennt unb liebt, 
bcfijjt toaßreS ©ottbertrauen. Tarum foQen mir 


©ott lieben über ADeS. „Tie Siebe ift bon ©ott unb 
mer lieb bot, ber ift bon ©ott geboren unb fennet 
©ott. SBcr nießt lieb bot, ber fennet ©ott nicht, benn 
©ott ift bie Siebe/' Seelenbetanntfcßaft unb Seelen* 
bermanbtfchaft finb baßer ©runbbebinguugen beS 
©ottbcrtraucnS. 

3. ©ott bertrauen beißt ficb i4nt ohne 
allen SR ü tf ß a 11 ergeben, ©ur mo bie Seele 
in bie 8Ruße beS tieferen ©laubenSlebenS eingebrun* 
gen, ift baS ©ertrauen zu ©ott m einem neßttgen 
©erßältniß. „SRcine Seele ift ftille zu ©ott, ber 
mir hilft" SBaßreS ©ottbertrauen grünbet ficb 
fomit auf bie richtige ©rfenntniß beS ©erßäUniffeS 
^u ©ott, baS mir einnebmen follen. iBir follen 
m ber ©emeinfebaft ©otteS burd) ©ßriftum blei* 
ben. TaS fann aber nur, mer fid) bem §errn 
böllig ergibt. 

4. ©ott bertrauen beiß* Z u frieben fein 
mit feiner güßrung. Taß maßreS ©ottoer* 
trauen nießt bloS ©ezug ßat auf baS $>eil ber Seele, 
fonbern auch auf alle ©erßältniffe beS Alltagslebens, 
feßen mir in unferer heutigen Seftion. Oft bilbet man 
ficb fälfcßli* ein, man ßabe ©ertrauen auf ©ott in 
geiftlicßen Angelegenheiten, mäßrenb cS außerorbent* 
ließ fdjmcr hält, ißm in ben ©orfommniffen bcS ge* 
möbnlicßen irbifeßen SebenS ©ertrauen zu feßenten. 
Cffcnbarlid) ift bieS ein 3^tßum. 2Bie fönnen mir 
©ott bertrauen für baS SBicßtigfte, rnenn mir ißm baS 
SJhnbermicßtige nicht anbertrauen (fieße Seftion). 
©ottbertrauen fcßließt burcßauS nießt in fid), baß mir 
rei fein müffen bon Mangel, Äranfßeit unb Sciben, 
onbern bloS, baß mir bon aller peinlichen Sorge in 
©ejitg auf bie gufunft frei feien, inbem mir unfere 
Hoffnung ganz ouf ©ott fepen unb zufrieben finb mit 
feiner gußrung. 

5. ©ottbertrauen fcßließt alles Selbft* 
bertrauenauS. Selbftbertrauenßatjeinen©runb 
in ber Selbftfucßt. Ter ©igenmifle führt uns in oiele 
Tßränenpfabe unb bunfle Tßäler hinein, ©erzogt* 
ßeit beS Herzens ßat Taftlofigfcit im Titnfte ©otteS 
Zur golge. Ungeßorfam macht uns ftrafbar unb 
HRurrfinn führt zunt Abfall bon ©ott. 2Bcr ©ott 
bertraut, leiftet ©erzießt auf alles Selbftbertrauen. 

gu biefem ©ottbertrauen tommen mir nnr burd) 
ben ©eßorfam beS ©laubenS, beffen Anfänger unb 
©oüenber QefuS ©ßriftuS ift. 

„ficer bi(ß qu§ !—Cr loirb bi* füllen; 
iblicf auf if)n!—Cr toirb bid) fhUen; 

©cbtocia’!—So jagt rr feinen ffiiUen; 

SBtffe mdjte!—So lemft bu ibn." 

Binfenborf. 

Anbeutungea für Waffen. 

SBarum follen mir nießt forgen? 

1. SEBeil eS tßöricßt ift. ®. 25—30. 

2. SBeil cS ßeibnifcß unb fünbli^ ift. ®. 31. 32. 

3. Ä3cil mir unS für ©otteS IReicß borbereiten fol* 
len. ©.33.34. 


Sonntag, 11. September. ©olbtnc 

1. Stiebtet nießt, auf bafj ibr nießt geriebtet werbet. 

2 . ^enn mit welcherlei (Dericbt tbr riebtet, werbet ibr gerichtet 
werben; unb mit welcherlei Vtafje ißr meffet, wirb eueb gemeffen 
werben. 

3. $3a« fiefift bu abeT ben SpIitteT in beinrt ®ruber8 Äuge, 
unb wirft nießt gewähr be$ ©alten in beinern Huge? 

4. Ober wie barfft bu fagen ju beinern ©ruber: fealt, ich will 
bir ben Splitter au« beinern Slugc sieben? Unb fieV> ein ©alte 
ift in beinern Äuge. 


Siegeln. swatti». 7 , 1 - 12 . 

5. $u ^euebler, jiebe am erften ben ©alten au* beinern Äuge: 
barnacb beftebe, wie bu ben Splitter au* beine* ©ruber* Buge 
ftiebeft. 

6. Bbr iotlt ba* deiligtbum nicht ben ^nnben geben, unb eure 
©erleti füllt ihr nießt bor bie Säue werfen, auf bafc fic biefelbi* 
gen nießt vertreten mit ihren Bügen, unb fteß wenben unb euch 
jerr eigen. 

7. ©ittet, fo wirb eueß gegeben; fueßet, fo werbet ißr finben 
tlopfet an, fo wirb eueß aufgetßan. 


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3 oftnta$fd}ul*frkti 0 itra. 


493 


8. $)fitn toer Da bittet, ber empfängt; unb wer ba fudjet, ber 11. ©o benn ibr. bic ibr bcaj arfl fetb, fdnnrt bennoeb euren 

ftnbet: unb wer ba antlopH, beni wirb aufgetban. Äinbern gute öaben geben; wie oiclmebr wirb euer ®ater im 

9. «Beleber ift unter eud) SKenfcbeit, io itm fein ©obn bittet um #immel ©ute« geben benen, bie if)n bitten? 

«rob, ber ibm einen Stein biete? 12. «Ue« nun, bafe ibr wollet, ba§ eudj bie ßeute tbun feilen, 

10. Ober fo er ibn bittet um einen ftifdj, beT ibm eine Schlange ba« tbut ibr ihnen: ba« ift ba« ©eie& unb bie Propheten, 
biete? 


©iblifißfr ©ruabgebanfe : „Med nun, wad ißr 
wollt, baß eucß bie Seute tßun follen, bad t^ut ißr 
ißnen." SRattß. 7,12. 

Einleitung. 

gn biefer Settion begegnet gefud bent aud felbftge* 
rechten llebermutß ßerborgeßenben falfcßen % ß u n 
ber ©ßarifäer in etnigen feiner ßauptfäcßlichften, ber 
Erweiterung bed SReicßed ©otted ßinberlicßen ©eftal* 
ten. 25agu Qeßörcnb rechnet ber $err bad Siebten 
über Mbere ®. 1—5. 3Ran lefe Sut. 6, 37—42, unb 
bad unüberlegte unb borfcßnelle ©erfahren mit ben 
©ütern bed SReicßed ©otted,®. 6, welcßcdmtr fcblimme 
golgen nach fi(b gießen lann. 25urcß ©ebet gu ©ott 
fallen wir bor beiben grrtßümern bewahrt bleiben 
unb in ben Stanb gefept werben, ben SRäcßften gu be* 
banbeln wie und felbft. ®. 7—12. 

Erflärnng. 

®. 1. unb 2. „$R i d) t e t n i cß t." 25ad hier unter* 
fagteSHicßten ift nicht bieMwenbung bernicnfchlichen 
gäßigfeit ju beurtbeiien, wooon tfcfud goß. 7, 24 
farießt: „mießtet nicht nach bentMfeßen, fonbem rieh* 
tet ein reeßted ©cricßt," ober ©aulud 1 Eor. 2,15: 
„25er ©entließe aber richtet alled, unb wirb Don SRie* 
manb gerichtet/' &ier ßanbelt ed fich gunäcßft um 
jened auf Selbftüberfcßäfeuitg beruhenbe, abfcßäßige 
©erurtßeüen, wie ed im urtbeil ber ©ßarifaer über 
bad ntdßt fo gefepedfunbige ©olf — fiche goß. 7, 49, 
fowie in ber lanbläufigen ©ergleicßung ber ©eiben 
mit ©unben unb Unreinen ßerDortrat, ®. 6. 25amit 
ift alfo nicht bad befebeibene ^ribaturtßeil gemeint, 
auch nicht bad pflichtmäßige ober amtliche ©utachten, 
bad man auf ©efragen abgugeben hat; um allcrroe* 
nigften bad urtßeilfprecßen bed fliießterd, fonbern Diel* 
mehr bad unbefugte Murtßetlen, welched ohne ©flicht 
unb ©ernf, fowie ohne Siebe gefchieht. 

©Ser richtet, wirb gerichtet werben. 2Ber lieblod 
unb fcßonungdlod in feinem Urtbeil über Mbere ift, 
lann niebtd ©effered oon ihm erwarten, unb fept fich 
ber ©efaßr aud, bem ©cridhte ©otted anheim gu fal* 
len. 2Sie oorfießtig füllten wir baher fein in unferm 
Urtbeil über Mbere! 

©. 3—5. Splitter ober ©pruntßeilcßen meint fo 
Diel ald ein Heiner gehler, ©alle ift ein großer geh* 
ler. gefud erweift bie SRicßtberecßtiaung gu SRicßten 
baraud, baß bei bem ihm eigenen Mfßebendmacßen 
Don fleincn gehlern unb Mängeln ein fdjwerer Scßabe, 
wie g. ©. bie gegen fich unb anbere blinb ntadjenbe 
Sieblofigteit, nicht ald Unrecht erfannt wirb, gefud 
geigt, baß bad traurige am lieblofen SRicßten barin 
befteßt, baß ed blinb macht gegen eigene geßler, bie 
oft groß fein mögen, unb jeßarffießtig gegen bie gebier 
Mberer. ©tan bleibt aber nid)t bei bem ungerecß* 
ten Urtbeil faßen, fonbern fährt fogar felbftgerecßt gu, 
um feinen ©ruber gu ftrafen unb ißn Don feinem flei* 
neu geßler $u befreien, oßneauf fidE) felbft $u feßauen. 
5)ad erflärt gefud ald äeßt pbqrijäifche ©eucßelei. 
?lld reeßted ©erfahren gibt gefud an: 3 uer f* “^ ers 
winbe beine ©elbftgcre^tigfeit, laß bein ©er^ Don 
©ruberliebe erfüllt werben, bann—befiche, b. h- über* 
lege, wie bu ben ©ruber Dom grrtbum feined Söeged 
gureeßt füßren fannft. 


©. 6. SEBäßrenb gefnd lieblofed Spießten Derbietet, 
forbert er ein gefunbed Urtßeil in unferm Umgang 
unb ©erhalten ©ottlofen unb ©erörtern ber ©Taßr* 
ßeit gegenüber, welche er ald unrein barfteDt, baßer 
ber ©ergleicß mit©unben unb ©äuen. ©Jer mit bem 
©erlenfcßaß bed göttlichen SBorted, welcher im ©eilig* 
fßum ©otted gefunben wirb, unbebaeßt umgeßt unb 
fieß unnötßigerweife groben ©ünbern preidgtbt, wirb 
Don ißnen griffen, b. ß. ©otted SReicßdjacbe unb ©ot* 
ted Äinber werben ©cßaben leiben. 

®. 7. $!ie ©erbinbung mit ben Dorßergeßenben 
©erfen liegt barin, baß man bie große ©efaßr erfennt, 
in falfcßed SRicßten gu Derfallen. SBer aufrichtig ift, 
füßU fieß feßwaeß unb ratblod gegenüber berfelbcn. 
^arurn bie ftnmeifung: ,,©ittet, fueßet, flopfet 
an!" ®iefc SBorte brüden eine Steigerung aud, 
worin bie s Jtotßwenbigfeit bed Anhaltend am ©ebet 
betont wirb. 38 en wir bitten follen, berfteßt fieß 
Don felbft, ebenfo um w a d — bad geigen bie Dorßer* 
geßenben ©erfe, um ben ©eift ber Siebe. $ad © i t* 
t e n brüeft einen SRangel aud, ber gefüßlt wirb. $em 
©ucßen liegt ein ©erlorened unb bem 21 ntlopfen 
ein ©erfcßloffened gu ©runbe. 

®. 9—11. 8 ur ©efeitigung jebed Rweifeld an ber 
grudbtbarteit bed ©ebetd wirb nicht allein bie gufage 
ber Erßörung unter audbrücflicßer ©ejießung auf je* 
ben e i n g e l n e n ©eter wieberßott: „^fcenn, wer ba 
bittet" :c., ©. 8., fonbern aueß auf bie Uamöglicßfeit 
ßingewiefen, baß ©ott, ald ber in aller ©egießung 
über bie s JRcnfcßen crßabene, Dollfommcne, ßimmlif^e 
©ater bem ©eter etrnad 2lnbercd, ald gute, gum Qiele 
füßrenbe©abengeben fönne. 2)enn felbft femmenfeß* 
ließer ©ater, würbe trop feiner ©ünbßaftigfeit feinem 
©oßnc einen Stein ftatt ©rob, ober eine Schlange 
ftatt gifcß gur 97aßrung entbieten. Eltern wiffen 
alfo ©uted unb ©öfed für ißre f inber gu unterfeßei* 
ben unb fie geben ißnen nur bad ©ute. — 2Bie Diel 
meßr wirb ber ©ater im ©immel nur ©uted geben 
benen, bie ißn bitten! 

©. 12. gn ©egug auf unfer ©erßalten gegen ben 
ÜRäcßften foucn wir bad 9Raß ber ©eßanblung am 
eigenen Siebedbebürfniß abnehmen. Med, Wad ißr 
wollt. $)iefe „golbene fRegel" ift gewiß leicht Der* 
ftänblicß, anertannte SBeife billig unb bernünftig unb 
ßöcßft ßeilfam. Oberflächlich erscheint fie leicßt, unb 
ift boeß fo feßwer! gn allen Sagen unb ©erßältniffen 
ficß in bie llmftänbe bed SRäcßften gu Derfepcn unb 
ißn bann f o gu beßanbeln, wie wir und felber beßan* 
beln würben, waßrlicß, baß ift göttlich groß, ^ad ift 
bie Erfüllung bed ©efeped unb ber ^ropßeten, benn 
bie Siebe ift bed ©efeßed Erfüllung. 

Vraftifiße ©ebanfen. 

lieber bad ftidjten. 

©on öeinrieß bem Secßften unb feinen Stätßen wirb 
ergählt, baß fie am Xobcdbett bed tarbinald ©eau* 
fort fieß befanben, ald berfelbe fein ©eftänbniß maeßte, 
an ber Ermorbung Don ©lofter mitfcßulbig gu fein. 
Scßaubcrerregenb foUen bie Enthüllungen bed Äar* 
binald gewefen fein. 25er Äönig bot Med auf, Dom 
fterbertben ^arbinal ein 3 eic ^ en ber'Jteue unb ber 
Don ©ott empfangenen ©ergebung gu empfangen. 


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494 


Sonntogfd|uUfrhtionrtu 


2UIcin eS war oergeblicp. ©r ftarb opnc Sieue unb 
opne Hoffnung auf ©nabe, ©tner bcr Slätpe rief 
auS: „fern folcpeS oerftotfteS ©er^ in ber ©tunbe beS 
XobcS ift ©eweiS eines fcprerflicken ScbenSwanbelS l" 
$cr $önig aber antwortete: „©utpalten wir uns 
jebeS Urt^eilS; benn wir finb alle ©ünbcr!" 
tiefer SluSfprucp beS Königs iüuftrirt ben ©auptge* 
bauten, ber fiep wie ein rotper gaben burcp baS ganje 
©ewebe biefer Scftion pinburdföiept. ©S panbelt fiep 
niept allein baruui, baß wir uns beS UrtpeilS entpal* 
ten foUen; benn fein UrtpeilSfprucp wäre $u part ge* 
wefen über ben Äarbtnal auSgefprocpen $u werben, 
fonbern barum panbelt eS fiep, baß wir ftetS beben* 
fen foUen, baß wir ©ünber finb. liefen ©ebanfen 
wollte QejuS ben ^ßparifäern flar maepen, welepe bie 
©ünberin au ipnt braepten. ©ie war gewiß fepulbig 
unb beburfte ber Vergebung, ben Klägern aber rief 
gefuS au: „©flcper unter euep opne ©ünbe ift, werfe 
ben erften ©tein auf fie!" 4>ie ©auptwur^el aller 
wapren Religion ift bie ©rtenntniß, baß wir ©ünber 
finb oor ©ott unb feiner oergebenbeit Siebe ftetS bc* 
bürftig finb. Xiefe ©rfenntniß füprt uns sunt Streuse 
©prtfti, wo allein ©nabe unb ftraft erlangt werben 
fannju einem ©anbei in ber Siebe gegen ©ott unb 
ben Siebenmenfcpen. Stur oon biefem ©tanbpunfte 
aus finb wir im ©tanbe bie golbene Siegel beS ©errn 
SU befolgen, ©rfenntniß ber eigenen ©ünbpaf* 
tigteit unb X an! hart eit gegen ©ott für $crge* 
bung ber©ünben ift baSöcpetniniß in ber prattifepen 
SluSfüprung berfelben. 

©epen wir auf ben gnpalt ber Settion ein. 

I. ©er riiptet, wirb gerietet werben. 

©ie traurig ift eS boep, in pocpmütpigeS SRicpten 
Slnberer su oerfatlen, wobei man woplgefäUig auf 
ipre ©ünben unb gepler perabblitft, um baburdb fei* 
nen ©anbei in’S poepfte Sicpt ju fteflen, wie a. SB. ber 
parifäer im Tempel. 3efus nennt baS unberufene 
uffptiren frember gepler unb baS lieblofe Slburtpei* 
len über ben fittlicpen ©ertp beS Stäcpften ein Sticp* 
ten, bem er mit g l e i cp e m ©eriepte bropt. — ©r er* 
innert baran, wie ber ©ebante, hier oon SJienfcpen, 
unb einft oon ©ott mit gleicpem SJtaße gemeffen su 
werben, bem feiner eigenen ©cpwäcpeit Gewußten 
alles Sticpten grünblicp oerleiben muß. $enn eS 
wirb ein unbarmpcrjigeS ©eriept über ben ergepen, 
ber niept $5armpersigfeit getpan pat! 

II. ©S ift poipft ftpwierig, reept §u riipten. 

ftn einer ©ifenwertftatt fann eS oorfaUen, baß ein 
Slroeiter jum näcpften Arbeiter eilt mit ber Sitte, 

—■ -» M —«H 


ihm in ber ©ntfernung eines ©ifenftücfcpenS aus bem 
Siuge bepülfliep ju fein, ©efept ben gatt, biefer Sir* 
beiter pat ein noep größeres ©tablftücf in feinem 
Sluge — was fann er tn biefem gaue tpun? ©ewiß 
ift, baß er au er ft für bie Steinigung feines SlugeS 
jorgenmußf ©rft, wenn biefeS gefepepen ift, fann 
er feinem Mitarbeiter bepülflidp fein. ©0 leprtgefuS, 
baß wir niept im ©tanbe finb Slnberer gepler su 
bejeitigen, fo lange wir an noep größeren ©cpäben 
leiben. 

III. Steiftt ju riipten renn jnr $fltdjt werben. 

©S ift ein großer Unterfcpieb au fiepen ^wifepen 
falfcpem unb reeptem Sticpten. ©enn wir alfo ben 
halfen aus unferm Sluge gezogen paben, wirb eS *ur 
Sflicpt, uns umsufepen, wie wir ben ©plitter auSbeS 
SruberS Sluge entfernen mögen, SJian lefe $ur nä* 
peren ©aflärung folgenbe ©teilen: Matt©. 18, 15: 
1 ©or. 9, 22; 1 Sim. 4,10; 3af. 5,19. 20; ©aL 6,1; 
Slöm. 15,1. 2. 

IV. Maßfiati beS reipten ©cridjteS ift bie go(* 
bene Siegel. 

$iefe entpält baS reepte SSerpalten gegen ben Stäcp* 
ften unb fönntc folgenbermaßen umgefeprieben wer* 
ben: ©aS bu niept willft, baS man bir tpue, baS tbue 
bu einem Slnbern auep nidjt. Unfer Segeprcn foll 
Maßjtab fein für unfer ©ewäprcn. S)aS Stecht ber 
SRenfepen an uns pat feinen Anwalt in unferer Sruft. 

©S ift boep etwas ©roßcS um biefe golbene Siegel! 
gn iprer genauen *8eobad)tung erfüllen wir ©otteS 
©efep. vlber wie fcpwer ift tpre Aufgabe! ©iflft 
bu eS genau Oerftepen, fo merfe bir golgenbeS: 
©enn bu beinen Sruber belcibigt unb biep gegen ihn 
oerfeplt paft, fo oerfefte biep etnfaep an feine ©teue 
unb frage, was bu wopl in einem folcpem gallc er* 
warten würbeft. — ©teile biefelbe gorberung an bidp 
unb tpue Slbbttte; ober: ©enn bu beinern Släcpften 
s 43öfeS nadjgercbet paft, was möcpteft bu wopl, baß 
er bir tpun foUV — ©epe pin unb tpue beßglcicpen. 
Ober bein Stäcpfter ift in großer Stotp. ©aS würbeft 
bu in einer folcpen Sage erwarten? ©epe pin unb 
leifte baffelbe! 

V. $urd) baS ©eiet erlangen wir ftraft naip 
ber golbenen Siegel $u panbeln unb ju Wanbein. 

Söitte! ©uepe! Älopfcan! SDer pimmlijepe ®ater 
fann unb wirb uns nur ©uteS geben, wenn wir an* 
palten am ©ebet. 

- -M4-- 


Sonntag, 18. €ept. gticriid|e SßflrtUtngCn. SRatt^. 7,13—29. 


18. ©ebet ein burdj bie enße Pforte. 2)cnn bie Pforte ift tocit, 
unb ber ©ea ift breit, ber ftur Sicrbammnife abfübret; unb ihrer 
finb biete, bie barauf roanbeln. 

14. Unb bie Pforte ift enae, unb ber ©eß ift fd»mal, ber aurn 
ßeben führet; unb weniße finb ihrer, bie ihn finben. 

15. Sehet eud) bor, bor ben falfcfieu Propheten, bie in S(f)ofe= 
tleibem ju euch fomnten; inwenbia aber finb fie reifeenbe ©ölfe. 

10. nn ihren grumten foüt ihr fie erfennen. Äann man aud) 
Trauben leien non ben Bornen, ober ftiißen bon ben Nifteln? 

17. 2Ujo ein icßlither ßuter ©aum bringet ßutc grüdjte; aber 
ein fauler fcaum briußet arße grüdjtc. 

18. ©in ßuter ®aum taun mept arße fruchte bringen, unb ein 
fauler ©anm fann nid)t gute ftriupte bnnßen. 

19. ©in icßlidjer ©aum, ber nicht flute grüepte bringet, wirb 
abgehauen unb m'ö ^euer geroorien. 

520. SJarum an ihren ^rfithten follt ipr fie erfennen. 

21. ©e werben nicht «lüc, bie ju mir iahen: #err, ^err! in ba8 
Himmelreich lommcn; fonbern bie ben ©iUm thun meinet ©a= 
ter® im Himmel 

22. ©* werben bicle au mir faßen an jenem läge: $trr, H^r! 
haben wir nicht in beinern tarnen gewetffaget V Haben wir niept 


I in beinern Kamen Teufel auSgetricben? H aben *b*r niept in bet* 
| nent Kamen bicle Spaten getpan? 

23. $aitn werbe ich ihnen befennen: ftdj habe euch noep nie er* 
Taniit, weiepet alle bon mir, ipr Uebeltpater! 

24. $arutn wer biefe meine Utcbe pörct unb tput fie, ben ber* 
gleiche icp einem flugen Kfanne, bcr fein H<*u4 auf einen gflfen 
bauete. 

25. a^a nun ein ©lahregen fiel unb ein ©emäffcr Eam, unb wc* 
beten bic©tnbe, unb ftieBen an bad Hau«; fiel e$ boep niept, benn 
c* mar auf einen Seifen gegrünbet. 

26. Unb wer biefe meine »cbe pörct, unb tput fie niept, ber ift 
einem tpöriepten Klanne gleicp, bcr fein Hau* auf ben Sanb 
bauete. 

27. $a nun ein ©lapregen fiel, unb tarn ein Qemftffer unb we* 
beten bie ©ittbc, unb ftieBen an bad Hau«, ba fiel e£, unb tpat 
einen grofeen &aß. 

| 28. Unb ci begab fttp, ba ftefu« biefe Kebe boßenbet patte, ent 1 

fepte fiep ba« ®olf über feiner ^epre. 

I 2». Xeiin er prebigte gewaltig, unb niept Wie bie Scpriftge* 
I leprten. 


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JomttagfdjuUfeldionfn, 


495 


ViMifiper ©ntnbgeDonfe, „(Sin jeglicher Vaum, 
ber nidjt gute grücpte bringet, wirb abgepauen, unb 
ins geuer geworfen." Vtattp. 7,19. 

©rfläntng. 

V. 13 ii. 14. „©epet ein/' Unter Pforte" 
oerftepen wir ben Anfang beS cpriftlichen SebenS, bie 
Vuße unb Vefeprung. ©ie toirb „eng 4 ' genannt, toeil 
fie fcpwer zu finben ift, unb toir nur pinburd) fommeu 
tonnen, wenn toir alles Eigene, bie ©ünbe, ©elbftfucpt 
unb SBeltluft zurücflaffen, bemt toer nicht Willem ab* 
fagt, !ann nicht gcfu günger fein, „©chmal" toirb 
ber „2Beg" genannt, toeil bie Pilger auf bemfelben 
nicht nach ihrem eigenen ©utbünfen. fonbern nach 
©otteS ©eboten toanbeln follen. ©otteS heiliger 
SSiHe ift gleicpfam ber gaun, ber ben 2öeg begrenzt, 
tiefer SBeg ift ber 2Beg ber ©elbftoerleugnung unb 
ftreuzeSaufnabme, auf welchem eS nicht ohne &ampf 
abgeht. ©S ift ber 2Beg, auf toelchem gefuS unS oor* 
anging. 

$er 2Beg zum Verberben aber ift tocit unb geräu* 
mia, ohne alle ©infcpränfung. 

gn biefer ©cpilberung bcS §errn mögen toir unS 
Zwei ©täbte einanber gegenüber bentcn. 2luS ber 
einen geht man aus, in bie anbere fofl man eingehen. 
55ie ©tabt beS WuSgangS ift bie alte SBelt, über Welche 
baS©ericpt tommt; bie ©tabt beS ©ingangS ift baS 
Himmelreich, in welches fiep bie ©eelen ^inein retten 
follen. 2Ber baS thun will, barf nicht nttt bcr 2Renge 
auf bem breiten SBegc gehen, fonbern muß burch btc 
enge Pforte bcr Vuße unb SBeltentfagung in baS 
SHeicp ©otteS einbringen. 

V. 15. Nichts Mit bie Seute mehr bom rechten 
Anfang beS chriftlicqcn SebenS ab als falfcpe ^rophe* 
ten ober falfche Lehrer, bie bem ©ünber fchmeidjeln, 
baS ©ewiffen einlullen unb ber Wahrheit wiberftre* 
ben. ©ie fornmen in „©cpafsfleibern" b. p. fanft, 
nacpficptig unb mit bem ©chein großer ^eiliafeit, in 
SBirflicpfcit aber fiitb fie „reißenbe SBölfe" b. p. voller 
VoSpeit unb lauern Darauf, ©chaben anzuriepten. 
tiefer SluSbrucI bezeichnet nicht bloS bie milbc, fanfte 
ftußenfeite, fonbern beftimmt auch bie ©priftlicpfeit— 
baS SammeSgeWanb, währenb bie reißenben SBölfe 
inwenbig, niept bloS bie oerberbliche ©efinnung be* 
zeichnen, fonbern bie alte geinbfdjaft, ben inneren 
feiberfpruep gegen wahres ©hriftentpum. 

V. 16—20. gur ^urepfepauung beS täufepenben 
ShiSfepenS unb Verhaltens biefer falfchen Propheten 
in ihrem äußeren ©tfer um ©ott, gibt gefuS ein fiepe* 
reS ©rtennungSzeicpen in ben grüßten an. 2ln ihren 
SScrfen unb bem ©influß, ben fie auSüben, finb fie 
ZU erfennen. $>ie gulänglicpfeit biefeS SDtaßftabeS 
erläutert gefuS aus Der Unmoglicpfeit auch Mn bem 
DerSBeinrcbe an ©eftalt napefommenben, in Valäftina 
oielfach angetroffenen 2)omarten Xrauben zu ernten, 
ober üotvbcr bett geigen nach ber ©eftalt ihrer gruept 
oergleicbbaren Niftel geigen zu pflüden. ^cfiid will 
fagen: 4öirb man au# oon einer $ornenfrucbt auf 
Den SBeinftod fchließcn? Xrauben* unb geigen finb 
eble grüchte. gm Verpältniß zu folc^er gruept aber 
oerhalten fid) bie falfchen Lehrer wie Bornen unb 
Nifteln. 3Bie grücpte eines guten VaumeS gut, bie 
eines faulen VaumeS fchlecpt unb oerfrüppelt finb, fo 
muß eS auch mit bem SBanbel unb ©influß eines Sei)* 
rcrS unb jebeS SJtenfcpen überhaupt fein. $ie $>ro* 
hung in’S geuer geworfen $u werben, fchließt ben 
Verhift ber ewigen ©eligteit m fich. 

V. 21—23. ©S genügt aber nicht, burch bie enge 
Pforte einzugehen unb zu gefuS zu fagen: Herr, Herr. 


$azu gehört ferner, ben SBiflen beS Vaters im Ipim* 
mel zu thun. Viele werben eS einft in biefem ©tüd 
oerfehlt haben. Unter biefen werben folcpe fein, bie 
geltenb machen werben, baß fie bie Oon ihm auSge* 
tjenben ©nabengaben unb Äräfte in feinem tarnen 
benupt unb fich bienftbar gemacht haben zur Verrieb* 
tung oieler 4paten. Unb hoch fennt ber Herr biefe 
nicht. SBarum nicht ? SBeil man ben SBunberglau* 
ben unb bie ©abe oer Söeiffagung befipen unb üben 
fann, ohne feligmachenben ©lauben m haben. 9flan 
lefe 1 ©or. 13,1—3. Unter biefen Vielen haben wir 
bejonbcrS ©olcpe zu Oerftehen, welche einmal ben fe* 
ligmacpenben ©lauben befaßen unb fich ber Straft 
wahrer ©ottfeligteit erfreuten, aber biefe ©nabe wie* 
ber Oerloren hatten, beffenungeadjtet aber hofften 
fclig zu werben. 5Bir fcprecflicb ift bcr ©ebanfe, ge* 
fum einmal ertannt zu haben unb in feinem tarnen 
erfolgreich gewefen zu fein im Reiche ©otteS unb zu* 
lept Dennoch oerloren zu gehen! 

©. 24—27. $urdj eine hödjft padenbe ©leicpniß* 
rebe oon ben zwei Vauherrn führt gefuS baS bamit 
angefünbigte tünftige ©efchid berer, bie feine SBorte 
wirtlich hören unb thun unb berer, bie fie nur äußer* 
ließ aufnehmen, oor. 

gur gefchmeibigen Ausmalung ber großen ©ntfdjei* 
bung beS lepten 4agcS benupt er nämlich baS Vilb 
eines ingolge oon©ewittern anfchwcllenbcn ©ebirgS* 
ftromeS, befjenglutpen bie Neubauten an feinen Ufern 
bebrohen. ©r zeigt, wie 38mb unb SGBaffer bem auf 
ben gelfcn feftgegrünbeten Haufe nicht gefährlich wirb, 
wohl aber ben ooOigcn 3tum beS leichtfertig ouf weg* 
fpülbaren ©anb erbauten HaufeS herbeifuhrt, ©r* 
ftereriftin ber ^Inwenbung biefeS VilbeS ber Wirt* 
liehe Vollbringer beS SBorteS ©otteS, währenb £ep* 
terer ber bloße Hörer beffelben ift. $er „gelS" ift 
gefuS ©hriftuS jelbft. „©anb" ift WuSbrucf äußer* 
lieber 2Berfgered)tigfcit ober flüchtiger religiöfer ©e* 
fühle. $aS „Vauen" ift bie©orge für baS jenfeitige 
Üeben. Söer „hört unb tput" hat lebenbigcn ©lau* 
ben, ber burch bie Siebe tljätig ift. SBer „hört unb 
nicht tbut" hat einen aewiffen ©lauben ohne neues 
Seben. „Sßlaprcgen, 9Binb unb ©ewäffer" finb bie 
irübfale unb Verfilmungen, bie baS auf ©anb er* 
baute HauS untcrwühlen unb bebropen, bis eS zulept 
ftürzt unb oon feiner ©tätle weggefd)wcmmt wirb, 
wäprenb baS auf ben gelS errichtete Haus allen ©e* 
fahren unb ©türmen £rop bietet. 

®. 28. 29. 2)er©inbrucf biefer SRebe war ein über* 
wältigenber, benn er rebete als einer, ber Autorität 
patte. 

©eDanfen. 

©rnfle föarnnngen. 

I. Vor falfihem föcge. V. 13.14. 

©S gibt eine weite Pforte unb einen breiten 2Beg, 
auf bem oiele Sflenfcpen wanbeln. liefen falfmen 
SBeg hat ber SRenfch nicht erft zu betreten; er befin* 
bet fim leiber burep Öen ©üttbenfall jepon auf bem* 
felben unb eilt bem ewigen Verberben entgegen. Vor 
biefem SBege warnt gefuS. Saß euch nicht oon bem 
©trom ber s JKenge fortreißen unb hinwegfehwemmen. 
SDurch ©inneSänoerung unb bie SReugeburt im ©eift 
bringt burep bie enge Pforte auf ben fcpmalen 2Bcg, 
ber zum ewigen Seben führt. 

II. Vor faffd|en Seprcni. V. 15—20. 

2Bie wir unS fepon hüten follen oor bem mächtig 
ergreifenben ©influß, ber oon bem großen Haufen ber 
Verirrten auSgept, fo noep oielmepr oor bem ©influß 


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496 


SonntagfdjuUf’cktionfn. 


ber jtoar Keinen, aber boeß mächtigen ©ebaar bon 
falfcßen Seßrcnt, bie amar beit ©djein ber ©ottfelig* 
feit haben, aber bie Straft berfelben berleugnen. ©Bir 
foflen bie ©cifter prüfen, ob fte bon ©ott finb. Um 
trüglicße? Sfennaeicßen ift bie grueßt, bie fie ßerbor* 
bringen. An ber grueßt erfennt man ben ©aum. 

III« 8or faffibem ©cfettiten. 8. 21—23. 

Aber e? fontmt nicht nur barauf an, baß mir un? 
bor falfcßen Seßrern hüten unb un? ben einzigen rech* 
ten Seßrer unb Seiter mahlen, ben ©ott gefanbt bat 
unb ihn al? folgen in ©Borten anerfennen, fanbern 
e? gilt, ihm auch £U folgen unb ben Villen be?©ater? 
im §intniel au tßun, lote er ihn erfüllen lehrt. Xa? 
faljeße ©efenntmß, ba? auf leere?, toenn gleich noch 
jo fromm flingenbe? ©ejeßmäp ßinau?läuft, fann 
nid)t? nüpen. ©? ift nicht genug immer „fcerr, §err," 
gejagt au haben, ©? ift ntebt genug, im tarnen gefu 
oiele Xßaten getßan au haben. ©Jur bie traft mab* 
rer ©ottfeligteit, nur ba? treue, gebulbige unb ftiue 
©Berf eine« beftänbigen ©cßorjam? gegen ben ©Billen 


be? ©ater?, nur ba? rechte Xßun, btt ©otte?bienft be? 
ganaen Sehen?; nur ba? treue ©eßarren in ber ©nabe 
bi? an ba? ©nbe fiebert beit ©ingang in ba? ^immeb 
reich. 

VI. 8or falfdprr fciißerßctt. 8. 24—27. 

3fn einigen Stücfen maren [ich beibe ©aumeifter 
gleich; betbe ßörten ©otte? ©Bort; beibe erfannten 
bie ©cotßmcnbigteit au bauen; beibe führten ein@e* 
böube auf; betbe fühlten {ich fidler in ihrem ©e= 
bäube. Xer große geßler aber mar, baß ber eine 
©aumeiftcr ohne ©orfidjt unb Ueberlegung au ©Bcrfe 
öing. 

Hubeutungen für Waffen. 

1 . Xer Seßrer gebe juerft eine Ueberficßt be? gm 
fammenßang?. 2. ©rfläre bie ©ebeutung eine? ©Bar* 
nung?aeicßen?. 3. ©eße auf bie berfeßiebenen ©Bar* 
nungeit ber Seftion naher ein. 4. ©Racße eine Am 
menbung nach „Sßraftifqjen ©ebanfen" in biefer Sef« 
tion?bearbeitung. 


«-HIN- 


©onntag, 25. ©ept. äWäftigfdt&ScfttOlt. «Rom. 13, 8-14. 


8. Sfib 9lieitianb nicht« fchurbifl, benn baft ihr euch unter ein* 
anber liebet, benn n>cr ben «nbern liebet, ber gat bas GJejeb er= 
füllet. 

9. $cnn bad ba ßcfaflt ift: $u follft nicht ebebrccfien; bu follft 
nicht töoten; bu follft md)i fteblen bu follft nicht falfcf) S^ugniB 

g eben; bidj foll nicht aelüften; unb fo ein anber ölebot mehr ift; 
ad wirb in biefem Worte berfaffet: 3)u ioüft beinen fltächften 
lieben a 14 bich feltft. 

10. 2)ie Sieoe Üjut bem föächften nicht« ©öfed. So ift nun bie 
Siebe bed ©efcfcedCSrfnatiHfl. 

11. Unb weil wir ioidje* wiffen, nämlich bie $eit, bafe bie 


Stunbe ba ift, aufjuftchen bom Schlafe; fintemal unterteil jffct 
näher ift, benn ba wir ed ßlaubten; 

1«. $ie Wacht ift berganaen, ber Xag aber herbei fletommen: 
So laffet und oblegen bte Werte ber ftinfternife, unb anleflen bie 
Waffen bed Sicht«. 

13. Saftet und chrbabrlich Wanbcln, ald am läge; nicht in ftref- 
fen unb Saufen, nicht in Hämmern unb Unjudjt, nicht in $aber 
unb Weib; 

14. Sonbern jieftet an ben §errn Bcfum Chrift, unb wartet 
be« ßcibed, bah alio, baty er nicht geil werbe. 


©ibttfißer runbgebanfe. ,,^ie Siebe tßut hem 
«Räcßften nießt? ©öfe?. ©o ift nun bie Siebe be? ©e= 
fepc? ©rfüllung/' 31öm. 13,10. 

Seit. $>ie ©piftel an bic SRömer mürbe um ba? 
Qaßr be? 4)errn 58 ober 59 gejeßneben. 

Ort. Siorintß. 

flutor. $er Hpoftel $aulu?. 

©eftimmung. 2ln bie ©laubigen au 3tom. 

©rflantng. 

©. 8. „©eib «Riemanb nießt? fcßulbig" 
mill fo biel fagen: SBerbet .gebermann geregt in eu* 
rem §anbcl unb Sanbel. ©? ßanbelt fieß ßier um 
bie ©tellung be? einaelnen «ütetifcßen aunt «Rädjften, 
ben er im pribatlicßen ©erfebr unb Umgang gebüßt 
renb berüdfießtigen foO. ©iner ©cßulbigteit aber 
föntten mir un? nie böUig etitlcbigen; e? ift bie 
^fließt ber «Räcßflenlicbe. 4ie ©rfüllung be? ©efepc? 
befteßt barin, baß mir beit «Räcßftcn lieben. 

8. 9. 10. gn biefen ©erfen mirb ber gnßalt ber 
jmeiten ©efepe?tafel miebergegeben, melcße bon um 
fern Pflichten gegen ben ^ebeumenfeßen ßanbelt. 
ißaulu? ßölt fieß in ber ©cßilberung ber Siebe gegen 
ben «Räcßften ftreug am äBorte ©otte?. Um beutlicß 
ßerborßeben au fönnen, ma? bie Siebe praftifcß auf* 
gefaßt in fieß jcbließt, aeigt er, ma? fie naeß bem ©efep 
nicht tbun barf. «Rdmlicß: ©ie tßut bem «Räcßften 
nießt? ©öfe?. «pofitib betrachtet ift ba? ©efcp©otte? 
in bem einen SBort berfaffet: „Xu follft beinen 
ften lieben al? bieß felbft." Xarummiebcrßolt©aulu?: 
,,©o ift nun bie Siebe be? ©efepc? ©rfüllung." 


8 .11. „©3eil mir folcße? mif fen," nämlicß 
bie ©fließten ber Siebe unb ©erccbtigfeit, nach Stap. 
12 unb 13, fomie bie StYirae ber geit unb bie SBicßtig- 
feit be? 9lugenblitf?. ©iir ßaben feine ©tunbe au 
berlieren; e? ift ßoße geit aufaumaeßen unb ben ©rnft 
ber geit au erfennen. SBarumV Xa? ^eil, bie^eil?* 
aeit ift jept nüßer, al? mir aßnten. Xer „©cßlaf" ift 
ein guftanb ber SRuße unb falfcßen ©ießerßeit, ber 
Xrägßett unb ber Xräumerei. „Blufmacßen" ßeißt 
ßier, aunt ©emußtfein feiner Aufgabe unb ^fließt a« 
gelangen unb feine ©erautmortlicßfeit gegen ©ott a« 
erfennen. SRancße ©cßriftau?leger beaießen biefe 
©teile auf ba? ameiteStommen ©ßrifti, bem manfeßon 
au ber ^Iftoftel geit feßnfüd)tig eutgegenjaß. 

8. 12. „Xie «Racßt ift bergangen," b. ß. 
bie geit ber Unmiffenßeit, bic ©ott überjeßeit ßat, ift 
borbei. Xa? SReidj ber ©nabe ©otte? ift auf ©rben 
angebrochen. Xarum bie amiefaeße ©cßlußfolgernng. 
9Rtt bem Einbruch be? Xag? be? ^)eil? foüeit bie SBerte 
ber ginftemiß abgelegt merben. „©? ift genug, baß 
mir bie begangene geit be? Seben? augebraeßt ßaben 
itaeß ßeibitijcßem ©Billen, ba mir manbelten in Unzucht, 
Süften, Xrunfenßeit, grefferei, ©auferei unb greu* 
ließen Abgöttereien" (1 ©etr. 4, 3). Unter „©Baffen 
be? Sicßt?" ift beibe?, ber Iparnifcß ©otte? aum Stampf 
unb bic SUeiber be? §eil? unb ber ©ereitfeßaft an ber> 
fteßen, menn ber §err fommen mirb. 

8. 13. „©ßrbarlicß manbeln" meint, mie 
fieß'? geaiemet im bollen Sicßt be? ©bangelium?. 
Xenn: „Xie ^Racßt ber ©ünbe ift bergaitgen unb 
ber bolle Xag be? §ctl? feßeinet jept." Xa? Sicßt, 
ba? ben einaelnen ©Renfcßen erleuchtet, foU al? Sicßt 


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JBoiintagfdiuUJVhHonfn. 


497 


bienen, Slnbern ben ©eg gu ©ßrifto gu geigen. Tex 
©anbei beS ©ßriften foll ehrbar fein im DoUen ©tnn 
beS ©ortS. 9Ran fou ficß nicht ber ©eit gleich fteflen, 
fonbem erneuert fein im ©eifte beS ©emütßeS. gn 
Heiligung unb ©breit foll man manbeln unb feine 
©üroe bemabren. $ieS fcßlicßt brei $inge anS: 

1. SltteS ©innlicße: „greffen unb ©aufen;" 2. MeS 
Unreine: , Kammern unb Ungucßt;" 3. alles Seibcn* 
fcbaftlicbe: „§aber unb Reib." 

ö. 14. $aS Oblegen ber ©erte unb ©affen ber 
ginfterniß ift ber einlcitenbe ©cßritt gu einem gott* 
gefälligen Seben. ©er gute Xage haben »in, ber 
behüte feine Bunge ^or ©öfem unb feine Sippen, baß 
fie nicht falfcb reben; er laf fe Dom ©Öfen unb thue 
©uteS, er juche grieben unb jage ihm nach- ©ir 
foflen ben fterrn gefum ©hriftum angießen, nicht als 
unfere Rechtfertigung, bieS ift gefcheßen, ba toir an 
ihn gläubig mürben, fonbern in ber Heiligung. $enn 
©ßriftuS ift uns nicht allein gemacht gur Weisheit unb 
©ereeßtigteit, fonbern auch gur Heiligung unb ©rlö* 
fung (1 ©or. 1, 30). ©ir gießen ©ßriftum an, meitn 
mir gefinnet finb, mie er auch mar. Uitfer $eit* 
!en, ©oflen, Reben, $ßun unb Raffen muß fiep 
nach bem ©orbilb geftalten, baS er unS hinterlaffen 
hat. ®ieS fchlicßt ben »eiteren ©ebanten in fuß, in 
»ie »eit mir ben 2lnf orberuitgen beS SeibeS Rechnung 
tragen bürfeit. ©ir foflen beS SeibeS märten, ihn 
pflegen unb nähren, babei ihn aber in beftimmte 
©eßranten batten, bamit er nidjt geil, b. ß. über* 
müthig, mouüftig »erbe. 3»n biefem ©inne feßrieb 
©auluS: „geh betäube meinen Seib unb gähnte ißn, 
baß ich nicht vlnbcren prebige unb felbft oermerflicß 
»erbe/ 4 

Vraftifdje ©ebanfen. 

Kä&igfcit mirb gefordert burd> ba# ©efefc ber 
Siebe. 


I. $rr richtige ©ntnbfafc. 8—10. 

„©eib Riemanb nichts fcßulbig,"b. ß. be* 
gaßlet alle eure ©cßulben, fommt allen euren ©er* 
oinblicßteiten nach unb löfet fie auf, bis auf bie ©ine, 
ber ihr euch nie entlebigen fönnt: „T aß ihr e u cß 
unter etnanber liebet/' 4icS ift ftehenbe 
©fließt burch baS aange Seben ßinbureß. ©inen ähn* 
liehen ©ebanten orüdt berfelbe Slpoftel in feinem 
©chreiben an bie ©orinther auS: ,,©)aS ©iffen bläfet 
auf, aber bie Siebe beffert," 1 ©or. 8,1. 3)aS ©iffen 
aflein tßut’S nicht, bte Siebe beffert. ©ir mögen 
miffen, baß biefe ©peife ober jenes ©etränt uns per* 

» nichts feßabet, aber um ber Siebe gu ben HJcen* 
Denen es großen ©chaben bringt, haben mir eS 
einfach gu laffen, unb uns gu enthalten. ©auluS 
fagt: ,,gcß habe rS MeS Rtacbt, aber eS frommet nicht 
ittfleS." gjß bürfte mir felbft gegenüber erlauben, 
©ein unb©ier gu trinten. 2lber biefe Freiheit möchte 
aeratßen }u einem Slnftoß ber ©eßmaeßen unb ber 
feßmaeße ©ruber möchte ©chaben leiben ober gar um* 
tommen. 

2>aS märe nicht nur ein ©ünbigen gegen ben ©ru* 


ber, fonbem ich mürbe baburch an ©hrifto fünbigen, 
ber für ihn geftorben ift. 

II* $ie midjtige 3eitßeriobe. ©. 11.12. 

1. ©S ift 3cit, baß mir gum bölligen ©emußtfein 
beS fcßrcdlicßen SafterS ber Xrunffucßt ermaeßen. 
©iehe bie grueßt berfelben in ber gantilie, unter ber 
gugenb, unter bem ©olt beS SanbeS. ©ie Diele ©er* 
brechen ermaeßfen berSrunffucßt; mie Diel ©igentßum 
mirb gerftört, mie manches Seben oertürgt, mte man* 
cßeS 4alent minirt, mie manche Seibenfcßaft getoedt, 
mie Diele Seibeit ergeugt! 

2. ©S ift 3eit, baß mir ertennen, Don melcßef $rag* 
meite bie ©aloonS unb ©irtßfcßaften unfereS San¬ 
beS finb. 

©iehe ißren ©influß im politifcßen ©efen beS San* 
beS, auf bte ©efellfcßaft uitb auf bie ftireße. 

3. ©S ift 3^tt/ baß mir bie Aufgabe ber ftireße unb 
ber ©onntagfcßule ertennen, ber Unmäßigteit ent* 
gegen gu mirten. Äein ©ßrift, tein ©onntagfcßiiler 
foute einen ©aloon betreten. 3° ben ©aloon gehen 
heißt im Ratße ber ©ottlofeu gu manbeln unb gu 
fißen, mo bie ©pötter fijjen. Tie Ra<ßt ift Derganacn. 
3eit unb Umftänbe in ber ©olitif beS SanbeS, in oen 
©cfcßäftSDcrhältniffen, in ben golgen ber $runtfud}t 
im Slflgcmeincn ßat ficß fo geftaltet, baß eS nießt län* 
ger geht für ben Gßriften, fteß ber ©eit gleich gu ftel* 
len. Rein ab! fei Sluer Rtotto! 

111 . $ie ©rmaßnitttg. ©. 12—14. 

1. Sege ab bie ©erte ber ginfterniß. 
Öabe niAtS gu fdjaffeit mit Unmäßigteit unb Xrunt* 
fueßt. ©eße in teinen ©aloon. ©ermietße bein 
©rnnbeigenthum nießt gu 3ro«fm ber Xrunfenßeit. 

2. Sege an bie ©affen beS Sidjts. 3* ct ) e 
an ben gangen ^arnifcß ©otteS, um biefen böfen 

E einb betäntpfen gu tonnen, ©teßc feft auf ber 
eite beS Rechts, beS SicßtS unb ber ©aßrßeit. 
$ritt entjeßieben auf gegen ben geinb ber ©ntßalt* 
famteit. 

3. © a n b l c e ß r b a r l i cß, mie ficß’S gegiemet am 
Dollen Xage beS ^>eilS. 9Rad)c bidß beineS ©ctennt* 
niffeS unb beineS ßoßen ©crufeS mürbig. ©ei ein 
SRann! ©ei confequent im ©ort unb ©anbei! 

4. 2K e i b e a 11 e S _© ö f e. ©o ©öüerci getrieben 
mirb, „©aufen unb greffen," mo ©olluft gu ©aufe 
ift, „Eammern unb Ungucßt," mo SeibeiUcßaften ßerr* 

S jen, „§aber unb Reib," ba fei beineS ©leibenS nießt. 

ebenfe ftetS: ,,©öfe ©efeufeßaften Derberben gute 
©itten." 

5. 8 ieße an benßerrn gefum ©ßriftum. 
Saß es bein ©eftreben fein, in ißm erfunben gu »er* 
ben. Tie greube am §erm fei beine ©tärfe. ©arte 
gmar beineS SeibeS, aber fo, baß ^IfleS, maS bu tbuft, 
ob bu iffeft ober trinteft, ober maS bu tßuft, gur ©ßre 
©otteS gereichet. 

ttnmerfung. ©enn eine ©onntagfcßule eine Rtif* 
fionS-Seftion Dorjießt,, mag eine folcße naeß Rtattß. 
4,12—16 auSgefußrt »erben. 



86 


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498 


itcniiUhomtnnungsgrufj. 


5äett)iff6ommttun^örtt§ 

für bie Cfftubenten oom 2TCt. pieafant Collegium. 

($uett für Scnor utib ©a# ober Sopran unb Vit.) 


ITTagig beroegt. 


- 


SBorte unb SRujtl botx %v. 9fl u n $. 






























































Bfniillbommnung«gru| 


499 




2 . Unb §eil Ciidj, ®(ild unb Stgcn, 
©tubenten alter 3eit, 

2 )ie 2#r auf allen S&egeu 
ftierfyergefommen feib. 

©ar längft entjdmntnb’uen 3<^iten 
©egegnet Guer ©lief, 

2 )er ©c^ule ©liirf unb greuben, 
3 ^r batft au fie 3 itriicf. — 


3. Styr fya&t geftrebt, gerungen 
Dtacfj ebler ättiffenfebaft, 

£>abt manchen ©ieg errungen 
2 )urcb fefle SSillensfraft. 
Sttillfommen b’rum, tyr ©rüber 
Ser ©c^iile G^r’ unb 3wr, 

Gucfy tönen uufre lieber, 
SötUfommen feib ityr fjicr. 


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500 


frmun}eituiu}. 


gfrattenjeifuitfl. 


©in grauenaug’, auS Welchem nintmcr 
(Sin ©trahl Der reinen Siebe bricht, 

Ser 9Jlnfd)el gleiches ohn’ ^erlenjchmtmer, 

Sem £>immel ohne Sonnenlicht. 

SaS Sor’le üicr SRnfif. 933er liebt nid)t ßftufif! 
©ewißlich ift ber Sttetifch su bebauern, ber ben©enuß, 
bcn bie liebe SOlufita für ben SPtenfchen bat, nidjt 
jdjägen fann. SRufif tft eine £)immclSgabe, etwas, 
bas ber liebe ©ott bem 9flenfdjen gab, um bic Steife 
bitrd) biejeS Sljränenthal 51 t erheitern. Sen ©enuß 
äu bejchrciben, melden bie 9Jtufir manchem 9Renfd)en 
bietet, ift gcrabe$u unmöglich, Senfe nur an bcn ar- 
men iUinben in feiner ewigen 9tad)t, fann Qemanb 
bcfdjreibcn, was SJtufif für ißn ift? 

s Jtun ift cS aber eine traurige ©rfahruna, baß bie 
cbelftcn ©euiiffe, bie ber liebe ©ott bem Uttenfchen 
bereitet, oft feljr mißbraucht werben, unb fo wirb audj 
bic SJtufit leiber nur suoiel im Sienft ber ©ünbe ent¬ 
weiht. 

©in anberer 9)tißbrau^ ber 9Rufif ift in unfern 
Sagen, Nichts wirb fo übertrieben getrieben, als 
Üütufif. üßor fahren flurüd waren eS bte wohlhaben- 
bcn ücute, bic ftd/S erlaubten, bie liebe 9Jtufifa ju er¬ 
lernen. 

$>eut $u Sage ift eS fo weit gefommen, baß eS eine 
Sebensaufgabc $u fein fdjeint, äJtufif 51 t erlernen. 
$>enn wir bic ©r^ietjung unferer Söchter beut 511 
Sage betradjten, fo ftitb cS nantenllid) swei Singe, 
wcldje bic 2 lufmerffamfeit in Slufprud) mbuten: 1 ) 
einen feinen ©afe baden 311 lernen, unb 2 ) ftlaoier ju 
fpiclen. ©5 tüirb fet)r oft gar nicht nach bem Salent 
besftinbeS gefragt, bie gute ©itte oerlaugt cS einmal, 
baß unfere Söd)ter ftlaoier fpielcn, Salent ober fein 
Salent. SBie manche Sftutter labet fid) Sabre lang 
eine Saft auf. Sic Söchter müffen fpiclen lernen, ob 
fic wollen ober nicht, unb baS muß tiigltd) getrieben 
werben, fo baß bic arme ÜJfutter mehr wie einmal 
Wünfdjt, fie Ijätte nie ein ftlaoier gefelfen unb baS 
Äinb and}, ^arttm fid) unb bieftinocr jo $u quälen, 
nur baß man in ber URobe ift, unb — was wirb wirt¬ 
lich bamit be^wedt? 93ießct«ht madjen bie Söchter 
etlidje Qal)re©ebrauch baoon, unb wie oiclc, naebbent 
fie oerheirathet fittb, rühren oft feine 9fr>te mehr an. 

5Bo fein natürliches Salent oorhanben ift, unb man 
cS fo ^u jagen erzwingen muß, tft bas Jtlaüierfpiclen 
weiter 9ttd)tS wie 3<utun:luft unb ©elbocrluft. 2lud) 
ift cs für fchwädjliche Äinber eine höchft jdjäblidjc 
Ucbung. SaS ©erabejigen unb baS bewegen ber 
kirnte )d)abet bem SHüdgrat fchr. 933enn euer Söd) s 
terlein fein bejonbereS Salent jeigt, fo treibt fie ttidjt 
au’s s 43taito; laßt fic lieber fpielcn in ber frifdjeit £uft, 
fo baß il)r Körper ftarf wirb. SaS fommenbe ©e- 
jdjledjt hat ©efunbhcit oiel nötiger wie Sftufif. 

Natürlich, wo Salent borljanbett ift, unb ein Stinb 
ein großes Verlangen hat, SDtufif ju lernen, wäre eS 
gewiß llnrcd)t, foldjeS Salent nicht 3 uentwitfeln,benn 
eS tft etwas jeljr ©d)öneS, eine junge Same $u treffen, 
bic etwas s Jicd)tcs gelernt hat, unb bie eS oerfteht, mit 
©cift unb Üeben oor^utragett. 9lud) ift eS fd)ön, wenn 
bic wertiger Saleiitoollen fid) bamit begnügen wür¬ 
ben, itirdjenntclobien unb ©onntagfcpul - Sieber $u 
lernen, jo baß matt in ber gamilie fingen fann, beim 
s Jhd)ts ift jdiötter unb erheblicher, als ©efaitg in ber 
gamtlie. 


Sann gibt eS noch eine SJtufif, bie 9)?uflF^ bie baS 
gefchulte Ohr in ber SRatur bemimmt: SaSSRaufchen 
beS Blattes, baS Murmeln ber Ouefle, baS ©eplät* 
jeher beS 93adjeS, baS ©efumme ber <3 n f e ^ n / 

©efang ber S3ögel unb noch taufenb anbere ©timmen 
mehr. 933elch’ ein ©enuß tft baS für ein ©emütb, baS 
empfänglich tft für bie ©dhönheit ber SRatur! ©S ift 
bie vlufaabe einer jeben 3Hutter baS junge ©emüth 
aufmerfjam ju machen auf bie fd)önen unb großen 
9£erfe ©otteS. ©in auf biefe9Seife erlogener äfeenfeh 
wirb s JÖhtfif haben unb hören, wenn er auch felbft feine 
Note fennt. 

ftinfeflttfifjftratett. SWan läßt fich ein fleifd)ige3 
©tüd geben, ©s braucht baS theuerfte nicht ju fein, 
benn $leifch auf bie folgenbe 9Seife gefo^t, wirb 
weid) unb aut, wenn eS auch baS Söefte nicht ift. 3Jfan 
fann 3—4 93funb nehmen, auch utehr ober weniger. 
s J?achbcm eS mit einem reinen Such gut abgerieben ift, 
werben mit einem fd)arfen9Heifcr©mfchnitte gemacht 
unb längliche ©pedftüdchen hrndn geftedt. Sann 
wirb cS gut mit ©aI 5 unb Pfeffer eingerieben. 9tun 
thut matt gett unb etwaä 93utter in einen eifernen 
Sieffel unb läßt nun baS gieifch auf aßen ©eiten gelb 
braten, bann gießt man fdjnell fo oiel fodjenbeS SBaf- 
fer baran, um baS gieifch halb ^u bebeden. 9tun fann 
man nad) belieben ©ewür^e baran thun, etliche hel¬ 
fen, Sorbeerblätter, eine gelbe 9tübe, bie SRinbe oon 
fchwarjent S3rob. 9Ran laßt e£ feft jugebedt etliche 
©tunben gan^ langfam fochen. 9Ötan gteßt baS gett 
üon ber ©auce ab unb gießt noch fodjenbeS 933affer 
baran. ©iißer 9tahm macht bie ©auce fehr gut. 

©eftadenc ABerffchnitten. 3Rait nimmt altgebadene 
93ädcrwcdchen unb reibt bie äußere Strafte ab, fchnei- 
bet fic entzwei unb legt fic in eine breite Pfanne, in 
weldjcr man ^uoor ein *|3int 9Rild) unb ein ©i unb 
ein wenig ©alj oerrührt l)öt. ©S ift gut, wenn fte 
eine ©tunbe in biefem liegen fönneit. $un fejjt man 
reichlich gett auf in ber 93ratpfaitne unb läßt fiefdjön 
gelb baden, ©he nt an fie in basgett thut, tunft man 
fte erft in bie abgeriebeiteit SBrofamen, sule^t beftreut 
man fte mit 3ucfer. SiefeS ift fehr gut mit frifdjer 
grucht ober auch getrodneter gracht. 

Srmhtmuuß. 2luS aflen grüßten fann man folgen- 
beS grudjtmuuß machen: SRachbem bie grad^t ober 
Leeren bereitet finb ^um Stochen, fegt man fie ohne 
3uder mit nur bem nötigen 933affer auf unb läßt fte 
gati£ weid) fo^en. Natürlich muß man fortwährenb 
rühren. s Jtun thut man erft ben 3 uder hinein unb 
läßt eS unter fovtwährenbem führen noch eine hölbe 
©tunbe fochen, manchmal aud) länger, je nach ber 
9lrt ber grucht. 9)tan fann 3 ucfer hinetnthun nach 
©efchmad, ober auch M ^ßfunb ju einem $funb 
grucht. SiefeS ©ingefochte muß man in gläferne 
Staunen thun unb jufiegeln. 

©ttoa§ für Äranfe. ©in $funb ßammfleifch, ein 
Cluart 933affer; laß baS gicifch ungefal^en tn bem 
SBaffer fochen bis es in ©tüde {erfaßt, nimm baS 
gieifd) heraus unb thue etliche Söffel oofl eingemeich- 
ten 9teis Ijiuein. 2aß eS eine halbe ©tunbe langfam 
fochen, rühre oier Söffel ooß SRilcb mit ein wenig 
| ©al§ unb Pfeffer unb fein gehadter ^eterfilie baran . 


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$ntum;ettuti$. 


501 


uni> lag eS fünf Minuten fochen. SieS ift gut mit 
frifdjen ©räcferS. 

©etranf Hon eingefodjttn grudjtfaften fürflrunfe. 

Himbeer*, fjohannisbeer* ober Äirfdffaft mit Gaffer 
bermifd)t, ist oefonberS in gieberfranfheiten ein an* 
genehmes, bent Äranfen fehr zuträgliches ©etränf. 

Äranfen&cfudje. ©iner ber erften «erzte Seutfd)* 
lanbS, Sr. ©aul Sief, in Stuttgart, tjat ein geaalt* 
boüeS SBud) über „ftranfeitpflege" geschrieben, bem 
mir ben nadjftetjenben «rtifel entnehmen, meil er aud) 
auf unfere ©erhaltniffe pagt. 

„Sie häufiafte Urfache zu innerer, gemütlicher ©e* 
unruhigung für ben Uranien finb leiber bie Fronten* 
befuge. Siefe bom ftranfenzimmer fern zu halten, 
ift in unzähligen gäUen bie Hauptaufgabe, menn 
griebe unb Nufje in bemfelbcn mohnen fofl. Ntan 
fann mopl sagen, bag meitauS in ber Ntehrzahl ber 
gäOe ber ©efueb einem ernftlich Oranten mehr ©dja* 
ben als Hilfen bringt, ©elbftbcrftäublid) gilt biefer 
©ap nicht bei leichteren, befonberS bei lauge [ich hin* 
riepenben ©rtranfungen, bei «ugenübeln, hugcrlidjen 
Öeiben u. bal. 

S ierbei ift ber Sfranfe feiner geiftigen ^Beschaffenheit 
menig bom ©efunben berfchiebcn, fann oberbarf 
fich nicht befegäftigen, toie er gerne möd)te; ba finb 
bann ©efudje bon greunben, Die neue geiftige Slnre* 
gung bringen, über manche fepmere ©tunbe hinüber* 
helfen, bon grogem SBertpe, unb zmar um fo gröge* 
rem, je berlaffener unb oereinzelter ein foldjer STran* 
fer fonft ift, mie bieS bci«rmutl} gemöhnlich ber galt, 
«berauch folche ^Besuche mirfeu nur tool)lthätig, menn 
man eine ilranfenunterhaltung mirfheh zu führen 
berfteht. «tiberS liegen bie Sachen beigieberfranfen, 
überhaupt bei ficuten, meldje bon ihrer ftranfheit 
auch geiftig erjagt unb niebergemorfen finb. Hier 
gilt ohne gtueifel ber ©ap, bag ein ftranfcttbefudj — 
ich Spreche hier nicht bon solchen, bie ihr ©cruf an’S 
Äranfenbettc führt — in bielen gäüen mehr ©djaben 
als Nupen bringt, gft ber ©ejudi bem Traufen un* 
angenehm — unb mie feiten finb ©efudje, bie nur an* 
genehme (Sinbriicfe zurücflaffcn!—bann liegt ber©d)a* 
ben auf ber Hanb; ift aber ber ©efud) in ber Spat 
nur miüfommcn unb ift berfelbe nicht ton einem bem 
Fronten am nächften StepenDen auSgef üljrt, fo s'trcngt 
er benfclben unmillfürlid) an; ber ftranfe hält fich 
fchon ganz anberS im ©ette, richtet fich auf, hört unb 
Spricht ganz anberS, als menn er nur mit ben ihn 
$flegenben berfehrt—aüeS Singe, bie eisten ftörenben 
unb jchmächenben ©influg hinterlaffen. 

Namentlich «benbbefudje, etma bon 5 Uhr an, finb 
ftrenge zu ineiben; fpricht berftranfe aud) fein 28ort, 
hört er nur zu, fo ift hoch bie Nachtruhe gefährbet 
unb für biefe mug eine Pflegerin bor allen Singen 
forgen. Schlaf ift für biele llranfe bie befte «rznei 
unb baS befte StärfungSmittel. (Sin berliner «rzt 
fagt Darüber: „©Sährenb fein Unberufener zu einem 
Äranfen eintreten foüte, rnirb gegen biefe erfte Negel 
ber Achtung, melche mir unfern franfen NJitmcnichen 
fdjulbig finb, nur zu oft gefehlt. 

Noch biel mehr aber, als Durch ih r ©rfdjeinen, ber* 
fünbigen bie Nienfchen fich an ben franfen Durch ihr 
©efpräd). ©tatt ihnen ihre Sljeilnahme geräufd^loS 
unb in menigen ©Sorten auSzubrücfen, fepen fie fich 
Zu ihnen unb fdjmapenStunbenlang nicht über gleich 
gültige Singe, fonbem über tötanfheiten: mie biele 
SWenjchen ähnliche Sriranfheiten gehabt, mie biele Daran 
geftorben, mie biele ber Slrjt berloren, Der ihn beljan* 
Delt, mie fchledjt bie SNebiztn mirft, mie ganz anberS 
baS mirfe, maS ber unb ber iCrzt gethan, u. s. * 


Haben fie ben armen Fronten auf biefe ©Seife um 
feine ©emüthSrulje unb um fein ©ertrauen zu bem 
«r*t, um feine Hoffnung unb um feinen ftärfenben 
Schlaf gebracht, bann haben fie baS am näajftenSage 
alles borauSgemugt, unb fo mirb Jchmählid) bernid)* 
tet unb gerftort, maS ber Äranfe mühfam aufzubauen 
fucht. 

©toper baS fommt? fragt man bielleicht. Nun 
eben baton, bag eS z u biele Seute. gibt, bie bor Sange* 
meile nicht miffen, maS fie anfangen foHen unb zu 
menig gelernt haben, um fich mie berftänbige Nienfdjen 
ZU betragen. 

2BaS bei ©rmaepfenen ber ©efuch, ift bei $inbem 
ba§ Spielzeug. Sie (Sltern mouen oft in guter 9lb* 
ficht ihr !ranfe§ Srinb unterhalten unb bringen ihm 
allerlei ©pielfachen, aber ba Da« Ä’inb nur aufgeregt 
mirb, menn bie gebrachten ©pielfachen fo biel Neiz 
haben, bag fie bad ©efühl be^ StranffeinS betäuben, 
anbere befannte Sachen aber nicht berüdfichtigt, fo 
geht fchon Daraus h^oor, bag man fich babor zu hü* 
ten hat. Nicht mmber bor S3ilberbüchern unb ben 
fie erflärenben ©efchidjtcn. Einige SNütter liebtofen 
ihre tränten ftinber immer, ftreicheln fie, tüffen fie 
unb zmar um fo häufiger unb anhaltenber, je gröfier 
bie ©efafir ift, ba fann man nun mopl fagen, bag 
nicht baS tränte Äinb bie Hauptperfon ift, fonbem bie 
Nhitter mit ihrer 5lngft unb ©efümmemig um ihr 
geliebtes H'inb. 

(SS ift in ber Sh Q t für einen, ber eS nicht mitcrlebt 
hat, unglaublich, melche Siefen bon Shorheit unb 
fiieblofigfeit fich bei Sefuchen am Äranfenbett offen* 
baren, bon ben oben befprochenen Singen an bis 
herab zu ben Sroftgrünben:' „ga, ja, folche Schmer* 
Zen hat meine ^öafe aud) gehabt unb eS ift bann ber 
Strebs barauS entftanben," ober: „Siefen H u ften 
fenne id), mein $ater hat gahre lang fo geduftet, bis 
er bann fdjminbfüchtig gemorben ift." Nicht leicht 
ift eine ©teile ber heiligen Schrift fo häufig in baS 
©egentheilbon bem berfehrt morben, maS fie bezmeeft, 
mie baS SBort: „geh bin front aetoefen unb ihr habt 
mich befucht. SSaS ihr gethan habt einem biefer mei* 
ner geringften trüber, baS habt ihr mir gethan." 
$on maS für Äranfenbefudjen ift ba bie Nebc, unb 
mie berhalten fich 3 « biefen SSorten bie groge SNeljr* 
Zahl öer ^rantenbcfuche, mie fie jefet gemacht merben! 
Öft in ®ezug auf Septere nicht biel eher an baS an* 
bere SBort ber ©dhrift zu benfen: „Sie SNenfchen 
muffen Nechenfchaft geben bon einem jeglichen un* 
nüpen SSort, baS fie gerebet haben?" 

©or ungefähr 6 fahren ging eine Annonce Durch 
biele meftlidje Leitungen, in mclchcr Nanci) SBacaco* 
.nah, eine hübf^e, junge ©quam bon ber SNiami Ne* 
feroation, einen meigen ©atten fuegte. 211S ihreNtit* 
gift gab fie 200 SlcreS an, melche fie bem glücflichcn 
&emahl überfchrciben mürbe. Unter ben bielen ein* 
gegangenen Offerten mählte fie (SharleS Han, einen 
djarafterlofen Öurfchen, Der fie gleich nach ber Hod) s 
Zeit mifihanbelte unb ihr ©elo bergeubete. $ept hat 
bie ^uöianerin bie ©djeibungSflage gegen ihn ein* 
gereicht. 

«u« ber Äfidje. ©in Unglücf, baS in ben beften 
gamilien bortommen fann, ift baS «nbrennen ber 
Speifen. Sie junge Köchin hüte fich ja iu biefem 
galle ben ©djaben mieber gut machen zu mollen Durch 
Hinzugiegen bon glüffigteit, moburd) fid) Der brenz* 
liehe ©ejebmaef ber ganzen Ntaffe mittheilt. SaS 
©eridjt mug fofort in einen anberen Sopf unb bann 
erft mieber mit ber entfprechenben glüffigteit zum 
geuer fommen. — ©etrifft baS ©efegief einen ©raten, 


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502 


fnuunfrttuiig. 


fo gilt baS gleiche Berfapren, nur muß mieber etmaS 
gett bagu genommen merben unb oon bem braunen 
Elnfap an ber Pfanne fo oiel als möglich gerettet mer* 
ben, um ben Beiguß zu einem fcpmadpaften ju rna* 
eben. Born traten felbft muffen alle oerbrannten 
©teilen entfernt merben. 

Bei manchen ©peifen tann baS Einbrennen oerpü* 
tet merben, menn fie nid)t gerührt merben, toie 5 . B. 
bei bem SReiS, ber erft bann geneigt ift, fiep an ben 
Sopf anzufefcen, toenn burep öfteres Untrüpren bie 
Körner zerfallen unb bie biepte Piaffe ficb z u Boben 
fe&t. 

Dienftboten bor 100 Sapren! EReine ©roß* 
mutter mar plöplicp EBittme gemorben; fie patte oier 
unerzogene Kinber, baoon 2 ©öpne in 33. auf ber 
©cpule. ©ine alte ERagb, melcbe bie Kinber alle febon 
bom erften Sage an gefannt unb gepflegt, gehörte fo* 
jufagen mit zur gamilie. BWein ber plöplicpe Sob 
ocS gamilienoberpaupteS änberte garBielcS, unb oor 
allem gebot cS ©roßmutterS Kajfe, ficb uun ohne 
ERagb bepelfen zu lernen. ©incSSageS, eS mariepon 
bämmerig unbKatprin, bieERagb/kfpann in ber ©tube 
— begann bie (Großmutter: „Katprin, cS mirb nun 
EWancpcS anberS merben müffen." — ,„ga, ja, glaub’S 
mohl," ermiberte biefe, emfig metterjpinnenb. ,,gd) 
muß mich recht eiitfcpränfen, bie gungen foften oiel 
unb icb muß fepen, mie id) maS oerbienc."—Katprine 
nieft nur mit bem Kopfe, immer fpinnenb. 

Sa rafft ficb ©roßmutter auf, baS eittfcbeibenbe 
EBort zu jpreepen: „Katprin, id) faitn ©ud) auep niept 
mehr bebaiten, icb erübrige nidjt jooiel, um ©ud) ben 
£opu zu bezablen." ERit einem 5Rud hielt nun baS 
©pmnrab füll unb überrafept, ja faft zürnenb, fiept 
bie alte ERagb zur fterrin pinüber: „© 0 ," fagt fie, 
„unb mer foU benn ben .ftauSpalt beforgen, beit gun* 
gen bie EBäfcpe mafeben unb nad) 33. tragen? (Glaubt 
gpr benn, baß ich meine Kinber oerlaffe? SaSmerb’ 
id) mopl bleiben laffen. gpr braucht mir nicptS zu 
geben, id) merbe fpmnen unb bamit oerbienen, maS 
ich brauche, rniü’S ©ott, nod) etmaS mehr." 

©erübrt nahm ©roßmutter bie ©etreue bei ber 

§ anb, uub fie blieben zufantnten, bis an ihr feligeS 
nbc. 

«u$ bem Valais bed beutfeben Kronprinzen. Sie 

grau Kronprinzeffin ift ganz $>auS?rau, bie trop ihrer 
EiepräfentationSpflicpten unb iprerGteigungzurKunft, 
bie ficb ja m einem umfaffenben eigenen ©chaffen unb 
im häufigen Befud) unfercr ERufcen unb EltclierS zu 
erfenuen gibt, noch immer Qeit finbet, ihrem §auS* 
halt in mufterpafter EBeife oorzufteben. Ser Qu* 
fd)iiitt biefeö fcauSpalteS ift burcpauS bürgerlich, EllS 
äd)te §auSfrau achtet bie grau Kronprinzeffin befon* 
berS barauf, baß peinlidjfte ©auberfeit in ihrem 
^)aufe perrfdit. Sie Sienerfcpaft meiß, baß ipre^er* 
rin febarf unb genau prüft unb cS niept oerfepmäpt, 
hier unb ba mit ben gingern über ERöbel unbEBänbe 
ZU fahren, um zu prüfen, ob aud) ber ©taub gehörig 
abgemifebt fei. gft baS SRcinigungSmcrf nicht zur 
Qufriebeitpeit ausgefallen, fo folgen ©trafprebigten 
mie in jeber anberen EBirtpfcpaft. 

Sie Seinmatibfarnmer ftept unter ber befonberen 
Eluffiept ber ©eploßperrin, melcpe ipre bieSbezüglicpcn 
©d)äpe nach rechter bcutjcper Elrt pütet unb erpält. 
Küche unb Keller merben bejuept unb bie SinerS ge* 
nau feftgeftellt. Sen Qettel, nad) melcpem ber $of* 
fourier jeben borgen bie Bebürfniffe für bie fron* 
prinzliche gamilie in ^otSbant einpoit, Pflegt bie 
Pope grau jeben oorpergepenben Elbenb felbft aufzu* 
ftellen unb bie Singe, melcpe auf bemfelben oerzetep* 


net finb, Oerratpen, baß fiep bie zufiinftige beutfepe 
Kaiferin fogar mit ben internften Kücpenangelegen* 
peiten befaßt, ©elbft über ben Berbraucp oon Kaßee 
unb Qucfer pat bie Herrin beS neuen fßalaiSein macb s 
fameS Eluge, benn auf jenem 3 cttc l fpiclen au* bie 
Eteubefteüungen in ben oorermäpnten Elrtifeln reine 
unbebeutenbe Dtotle. ©runbfäplicp mirb übrigens 
mäprenb beS fßotSbamer ElufentpaltS nur oon borti* 
gen Kaufleuten getauft, fo baß biefe bie Elnmefcnpeit 
ber popen öerrfepaften im fReuen Calais ganz befon* 
berS zu fepapen miffen. Elm 30. bezto. 31. eines jeben 
ERonatS merben bie fRecpnungen eingereiept unb fepon 
am näcpften Sage, bem 1. beS folgenben ERonatS, 
folgt bie 33ezaplung. 

©ü§'fauer eingcmaipteS ober ©meetpirfelfi. Qu 

7 ESfunb gruept 3 s ßfunb Qucfer, 1 v jint guten ©ffig, 
1 Unje Ecelfen, 1 Unze ganzen Qimmt, 1 Unze ERuS* 
fatblütpe; nimm ben Quder unb ©ifig unb baS ©e* 
mürz, binbe in ein bünncS Sucp, foepe biefeS in einem 
porzelanenen $afen zu einem ©prup, natürlich üer* 
hoppelt man ben Quacr unb ©ffig unb ©etoürz naep 
ber ERcnge ber gruept, bie man pat. fRacpbem nun ber 
©prup gut getod)t, ungefäpr 5 bis 10 ERinuten, fo 
tput man bie gruept hinein, baS fepönfte ift bie gruept 
ganz pineutgetpan. Birnen uub Bfifficpe fcpält man 
fepr fcpön, läßt an ben Birnen ben ©tengel b’ran; 
Bflaumen unb Holzäpfel braucht man natürlich niept 
ZU fdjäleit. ERan läßt bie gruept toepen, bis man 
ein BefenreiS burepfteden laitn, nun tput man bie 
gruept in gläferne ©inmacpclannen, padt fie oorfiep* 
tig pmein unb läßt ben ©prup noep eine EBeile locpen, 
bann füllt man ipn über bie gruept unb fiegelt eS zu. 
Sic Bflaumen unb Holzäpfel finb ganz auSgejeicpnet 
im EBinter mit ©cflügel ober irgeno melcpent Braten. 

©rüne ©urfen einzumaepen. Sie feauptfaepe bei 
allem ßinmaepen ift, bie gruept ober baS ©emüfe fo 
frifcp mie möglich zu befomnten, bann guten (Sffig 
unb bann alles oorfieptig getpan. 

©epr oiele Seute laufen all ipr ©ingemadjteS unb 
glauben, cS märe gerabe fo billig, mie man eS felbft 
maepeu fann. SaS mag oiefleiept EldeS fo fein, aber 
bei ben oielett gälfcpungen unb ©ift, baS jept fo päu* 
ßg gebraucht mirb, ift man eS feiner gamilie fcpulbig, 
mo immer möglich, baS©inmacpen felbft zu tpun,unb 
mo möglich ben ©ffig auep felbft zu maepen. Ellfo zu 
ben ©urlen jeßt. 

Etintm bie ERittelfleinen, lege fie etlicpe ©tunben 
in falteS EBaffer, bann mafepe fie mit etner Bürftc 
ober Sucp ganz rc *u, lege fie in große, fteinerne §afen 
unb gieße eine ftarle ©alzbrüpe barüber, eS* muß ein 
@i tragen; laß fie in biefem 24 ©tunben liegen. Etun 
leg fie in frifcpeS EBaffer einen halben Sag, bann 
nimm beinen porzellanenen £>afen, lege ben Boben 
unb ©eiten 00 H frifeper SBeinblättcr, bann fülle über 
palb 00 U guten ©ffig. <Run mer oiel ©emürz liebt, 
fann nepmen unb baS ©egentpeil menig. ERan !ann 
nepmen Sill, rotpen Bfeffer, EJteerrettig, ©elerie* 
famen, ganzen Qimmt, Etcüen, fDtuSfatblütpe. ERan 
briept unb padt baS ©emürz fein zufammen, unb tput 
melcpeS baoon in ben Keffel pinem mit z*uei Saffen 
braunem Quder. fRacpbem nun biefer (Sffig foepenb 
peiß ift, füllt man ipn an mit ©urfen, bedt fie mit 
EBeinblätter zu unb läßt fie tücptig heiß merben, läßt 
fie aber niept foepen. SaS EBeicpmerben mirb baburd) 
oerpütet, baß man ein fleincS ©tüdepen Elloe pin* 
eintput. 

Etacpbem fie bureppipt finb, bringt man fie in ©im 
madjfannen unb füllt ben Keffel mieber auf. ©0 
fahrt man fort, bis man fie alle burep pat. 

Bun gießt man biefen ©fftg meg, unb fept frifepen 


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503 


mit etwad 3 uc * cr unl) 2 U° e ÖU f- übrige 
nmr$ bertheüt man in bie ©läfer, füllt bann jebed 
©lad mit focpenbem ©ffig uub fiegelt ed ju. Tied 
ift ein wenig müpfam; aber ed lohnt fiep, benn bie 


$icfled finb audge$eicpnet. 34 fiegle aüed ©inge* 
machte ju. Tie ©mmaepfannen finb billig, ©d oer* 
birbt einem fticptd unb man pat bann aud) nid^t bie 
Sttüpe, immer nadföufehen. 


jH/Ol 

’BLÖJ 


nfie unb ''Hadjridjfen für jlrßetfer. 


Äinbertocrfammlangcn. 3 « ber 3 uli*Kummer 
bon jpaud unb £erb wirb ein ©egenftanb angeregt, 
ber SÖertt) ift, baß er weiter befproepen unb Verfuaje 
angefteüt werben. Von Stinberberfammlungen ober 
©ytra*ltinbergottcdbienften ift bort bie Utebe. Tad 
Vebürfniß wirb wohl allgemein erfannt unb gefüllt, 
baß in religiöfer Veaiepung nod) mehr für unfere 
ftinber getpan werben foüte. 3 ^ ber ©onntagfcpule 
pat man unb finbet man niept bie notpwenbigegeit, 
wie richtig bemerft würbe, um aUed bad au lehren, 
wad nötpig ift, fowie bie Stinber an bie stirepe gu 
gewönnen. 

©d wirb in befagtem Slrtifel auf eine englifcpe ©e* 
meinbe pinaewiefen, welche in ber SBocpe ©ytra©ot* 
tedbienfte für bieStinber pabe. ©d wirb nun gefragt, 
ob eine ähnliche ©inrieptung in unfern beutfajen ©e* 
meinben gweaentfprecpenb unb praftifcp ausführbar 
Ware —bad fei eine grage, bie ber emftcn ©rwägung 
bebürfe. 

3 <p Will hiermit ben SonntagfcpuN Arbeitern unb 
3 ugenbfreunben mittheilen, baß bie ^ortlanb 2loe. 
©emeitibe in©picago benVcrfud) gemacht hat, ©ytra* 
SHnberberfammlungen gu halten. (Seit gebruar b. 3- 
ift ein foldjer Stinbergottedbienft bei und eingeführt 
unb wirb bid jept jeben greitag 2lbenb gehalten. Tie 
Verfammlung befteht aud ©onntagfcpülern oon 8 bid 
14 3apren. tiefer Äinbergottedbienft wirb geleitet 
ähnlich, wie ed in jener engltfcben ©emeinbe gejepiept, 
auf welche in bem Slrtifel pinaewiefen wirb. 

Tie Sörübcr 9tau unb geller, welche ald giihrer 
•jldjer Verfammlungen geeignet finb, leiten ab* 
wechfelnb bie Verfammlungen. Natürlich muß ber 
Vrebiger an folchen Verfammlungen aud) ein 3nttr* 
effe getgen, beiwohnen unb Thcif nehmen, fo oft ed 
ihm möglich ift. 

V3ir beginnen mit ©efang unb ©ebet. ©in Vibel* 
abfepnitt wirb gelefen unb pauptfäcplid) in einer für* 
gen föcbe biblifche ©paraftere gefcpilbert. Sauge unb 
troefene ©rflärungen unb Sludlegungen müffen oer* 
mieben werben, Sturge unb intereffante Shnberge* 
fepiepten. bon guten ober böfen $inbern, bürfen ge* 
wohnlich bei folchen Verfammlungen nicht fehlen, 
wenn 9t0e aufmerffam bleiben follen. ©d wirb ben 
ftinbern bei jeber Verfammlung ein ober einige mid)* 
tige Vibelberfe gum Suchen währenb ber 2öocpe 
aufgegeben; folcpe, welche bie betreffenbe ©teile ge* 
funben, reichen ed fcpriftlicp ein, welched abgelefen 
wirb, häufig wirb bann auch an biefe ©d)riftftellen 
bie 9tebe angefnüpft. ©ine turge Reit wirb auch gum 
Vetcn angewanbt. ©ine Slngapl Slinber beten fo gut 
fie fönnen. Tie©ebete finb turg, aber herzlich- $a* 
lürlich wirb öfterd gefunden. Ueber eine ©tunbe 
wirb bie Verfammlung nicht gehalten. 38ir haben 
foldjed Vebürfniß befonoerd nach unfercr anhaltenben 
Versammlung empfunben, baher haben wir ben Ver* 
fuch gemacht, unb bidher ging ed gut unb würbe und 


gum ©egen. ©oUten anbere ©emeinben fotd)e Ver* 
Sammlungen haben, fotlten fie bon {ich hören taffen, 
bamit man bon etnanber lernen fann. 

3 oh. 3 - Heller. 

föad eine fluflebuttg bebrütet, ©ie bebeutet: 

©ine tiefere ©rfenntniß oon ©ott. 

©in ooUfommenered Sferftäntmifj in Söejug auf un* 
fer SSerhältnife ju ipm. 

©in gröfcered Verlangen feinen heiligen SBiOen $u 
thun. 

©in innigered ©efühl bon ber göttlichen ©egen* 
wart. 

©ine größere Siebe für ©otted 2öort. 

©inen ftärferen ©lauben an feine Verheißungen, 
©ine willigere Unterorbnung unter feine Sehren, 
©ine größere Siebe ju all ben berorbneten ©naben* 
mittein. 

©in größered Verlangen s Jtupen aud benfelben $u 
Rieben. 

©rößeren ©enuß im berborgenen ©ebet. 

9Jtehr ©laube urtb Freiheit im ©ebet. 

©ine größere ©ewiffenhaftigfeit hiaf^tlich ber 
tätlichen Verpflichtungen. 

©ine größere Siebe $u unb innigere ©emeinfehaft 
mit ben ©ef^wiftem. 

©ine bölligere SBeipe 311 ber und angewiefenen 
Arbeit. 

©in größered Verlangen biellnbefehrtenjuShrifto 
ju führen. 

©rnftlidjered ©ebet für bad kommen bed 9teid)ed 
©otted. 

©ine ©ehnfucht nach einer bölligeren ©eiftedtaufe. 
©rößere Siebe unb größeren ©rnft für bad SSerf 
bed §errn 3 efu ©hrifti im Mgemeinen. 

glätte machen, ©in Sttann ift mit Rapier unb 
Vleiftift befchäftigt, ein §aud $u jeiepnen. ©r mißt 
bie ©röße ber girnmer unb überfchlägt bie Soften 
unb bie erforberhdje Qcit jur ^erfteUung bed ©ebäu* 
bed. ©r macht Vlane. 

©in Sanbmann geht gebanfenbofl über bad Sanb 
unb beftimmt über bie #rt bed $u jiehenben ©etrei* 
bed, wählt feine Sämereien, fowie ben entfpredjenben 
Voben für biefelben. s 2luch er macht Vlane. 

©in ©eneral, umgeben bon feinen Gruppen, ftubirt 
in feinem fjelbguartier bie Starten, bie ipm bie&ennt* 
niß bed feinblicpen Sanbed bermitteln. ©r macht 
ebenfalld <ßläne. 2 öad fönnte er auch wopl ohne 
^läne in einer entfepeibenben ©cplacpt audriepten! 

Ter SBinter napt heran, mit ipm fommt bie Reit 
ber fpe^ießen Arbeit im SReicpe ©otted. 28ie ratpfam 
ift ed ba, ben Teäember=©rfolg bon 5Robemberplänen 
abpängig ju machen! ©ine ©tunbe gefunbe Ueber* 
legiHig mag bie ©rnte berboppeln, bie man in ben 
naepften brei Monaten erwartet. 


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504 


IBinlie unb jladjridjten für Arbeiter, 


©ei eg nun eine neue Sehrmethobe ober ein fpe* 
giefler Singriff in ber Slrbeit ber praftifdjen ©eelen* 
rettung, fei eg eine Sieihe bon ©erfnchen, bie (Singel* 
nen betner Älaffe gu retten, ober Doch für eine ge* 
miffe Slrbeit beffer gu befähigen—trag immer eg ift — 
irgenb einen $lan joflte fich jeber Arbeiter in ber 
©onntagfchule unb SHrcbe machen. ©ie bie oben ci* 
tirten ©eifpiele, fo lege ©läne für erfolgreiche Arbeit. 
Sege ein guteg ©eleife unb bann log bie $)ampffraft 
nicpt fehlen—ber ©rfolg mirb nicht augbleiben. 

SRatufie fieute glauben etmag ©roßeg gu thun, toenn 
fie ihre ©djulben pünftlich begaffen, mährenb fie in 
xöahrheit hoch nur ihre ©fliegt erfüllen. Unb bie 
nämlichen Scute, (unb anbere mit ihnen) glauben 
noch größere Slnerfennung gu berbienen, menn fie flei* 
ßig gur Kirche gehen uno im ©einberg beg §errn 
tbatig finb, ober mit anberen ©orten — „bem heben 
©ott bag ©eine geben." 

2 )iefe Neigung, toelche bem menf$lichen-©barafter 
fo eigen ift, mirb treffenb ißuftrirt in ber ©rgäljlung 
bon einem fleinen Knaben, ber eineg Slbenbg, nad)bem 
er fein ©ebet gefprod)en, bon feiner Sftutter gelobt 
mürbe: „$u btft ein guter Sunge," fagte fie gu ibut, 
„ein recht guter 3unge!"—Seiber blieb an ben fol* 
genben Slbcnoen bag ermartete Sob aug gum großen 
ßßißbergnügen beg kleinen. 2>od) er mußte fich gu 
helfen unb fügt je£t aug eigenem Slntriebe feinem 
©ebete regelmaßg einen fleinen Slnhang bei: „Simen. 
$>u bift ein guter 3unge, ein recht guter 3onge! 
Sßtamma!" 

Seiber bejehränft fid) biefe Neigung gum ©elbftlob 
unb gur ©elbftgefäßigfeit nicht nur auf bie kleinen, 
könnte man bie ©mpfinbungen mancher älterer 
ficute nach einer reich gefegneten ©etftunbe ober nach 
einem guten ^Beitrag gur äßiffiong * ©oflefte genauer 
prüfen, fo mürben fie fid) in bielen gäßen nur menig 
bon bem ©elbftlobe beg$inbeg unterfcheiben: „®u 
bift ein guter 3unge, — ein recht guter 3unge! 
2 Jtamma!" 

3efug miß Arbeiter für feinen ©einberg, Unechte 
unb Sftägbe für feinen 4)ienft. 3efw8 meiß, men er 
haben miß unb gu meldjern ©5ienft. ©r miu, baß alle 
feine Wiener ©emeinfehaft mit ihm höben unb bon 
feinem ©eift befeelt fein foßeji. ©ir fotlen miffen, 
mogu ung 3efug beruft unb mag er höben miß, baß 
mir thun faßen; unb biefem S3eruf faßen mir ung 
mibmen, unb bag fotlen mir thun. ©ir foUen miffen, 
mo er ung höben miß, unb bort fotlen mir fein. 0b 
mir bann feft unb unbemeglid) ftehen fotlen mie ein 
geig, ober mie ein $onnergfinb boranbringen in re* 
formatorifd)er $hätigfeit, ober jo geräufchiog mirfen, 
baß nur ber §err unfere $reue unb ßfüfelichfeit fennt 
—mir merben ben Slntheil am Slufbau feineg Steicheg 
unb feineg enblidjen ©iegeg höben, ben er ung guge* 
bacht höt. 

©er hier im fiefren ©rfolg höben min, muß fid) 
feinem Berufe gänglich mibmen unb meihen. — £in* 
gäbe an eine ©adje macht einen SRann mächtig unb 
erfolgreich. 93etradjte g. 53. ben Knaben, ber mit fei* 
nem ftameraben Greifet jpielt. ©ährenb er ben fei* 
nigen mit ber §anb empor hält, beobachtet er 
mit fd)arfcm 53lid ben mirbelnben Streifei feineg ©cg* 
nerg, ben er treffen miß. 3n einem ©inne gielt er 
nicht, ja er fdjaut nid)t einmal auf ben ftreifel in fei* 
ncr §anb, aber feine gange Slufmerffamfeit ift auf bie 
53emegungen beg Äreifelg üor ihm gerichtet unb £anb 
unb Slrm merben Don bem Verlangen feineg Qnnern 
beherrfcht—gu treffen, ©ein ©rfolg richtet fid) nach 


bem ©rnft, mit bem er bie ©ache angreift, unb bu 
©ntfchloffenheit, mit ber er, ohne gurd)t Dor TOßlin* 
gen, ben fiinberniffen begegnet.—$iefelbe Siegel gilt 
ui iebem ©irfunggfreife. 

©einem Berufe leben, gänglid) unb augfchließlich 
leben, bag ift eg, mag ung in unferer Slrbeit greubig* 
feit, ©efchid unb Straft Derleiht. ©er mehr an fi<h 
unb fein ftntereffe benft, alg an bie Slufgabe, bie er in 
ber ©eit gu löfen hot, mirb nur menig ©rfolg aufgu* 
meifen hoben, fei er ein öffentlicher Siebner, ber eine 
michtige ©ache Dertritt, ober ein einfacher fßribat* 
mann, ber in einem gejefligen Greife gur Unterhai* 
tung ber ©efeßfehaft beitragen miß. ©uiem getheü* 
ten bergen mangelt ©efd)icflid)feit unb Ihraft. — foin* 
gäbe unb ©eihe ift ber $reig aßeg mähren ©rfolgeg 
im Seben. 

$c§ Äinbfg ßiebegmerf. fterr Sl. befudjtc eineg 
Xaaeg eine franfe grau, melch? in ber SSorftabt einer 

J [roßen ©tabt lebte. S3eim ©intreten in’g 3immer 
ah er ein f lein eg 9Jiäb<hen am 33ett ber arm en grau 
nieen; hoch ftanb eg foaleid) ouf, alg eg ben fremben 
§errn hereinfommen jap unb berließ bag Qimmer. 
„©er ift bieg ftinb?" fragte $err Sl. 

„Sich," fagte bie franfe grau, „fie ift ein Heiner 
©ngel, unb fomntt oft au mir, um mir aug ihrer 53i* 
bei oorgulefen unb mich 8« tröften. ©oeben hot fie 
mir adjtgehn föreuger mitgebramt." 

S>err Ä. gemann Durch biefe ßftittheilung ein^nter* 
effe für bag fleine 9ftäbd)en. ©r fragte, mie fie mit 
bem ©orte ©otteg befannt gemorben fei, unb mer fie 
gelehrt höbe, fo freunblid) gegen arme Seute gu fein, 
©r erfuhr nun, baß fie eine ©chülerin ber ©onntag* 
fchulc in jenem ©tabttl)eile fei. $a er in feinem 
§ergen bag Räbchen lieb gemonnen hötte, ging er 
emeg ©onntagg in bie ©djule unb fragte nach feiner 
fleinen greunbin. ©ie mar gang furihtfam, alg fie 
gerufen mürbe. Slber ©err 8. rebete fie freunblid) 
an unb erfunbigte fid), ob fie bag fleine aftqbdjen fei, 
melcpeg manchmal bie franfe grau befuchc unb ihr 
aug ber 53ibelüorlefe? ©ie fagte ja, unb Jperr Sl. 
fragte meiter: ,,©ie bift bu Denn gu bem ©ebanfen 
gefommen, mein ^inb?" 

,,©g fteht ja in ber 53ibel: v ©in reiner unb unb^ 
flecfter ©ottegbienft Dor ©ott, bem Söater, ift ber, bie 
©ittmen unb ©aifen in ihrer Xrübfal befuchen!'" er* 
miberte bie fleine ©onntagjd)ülerin. 

„§aft 5)u ber grau auch ®*lb gebracht ?" fragte 
£err Sl. meiter. 

„3a," ermiberte fie. 

„unb moher hotteft bu biefeg?" 

„2)ag habe id) alg ^Belohnung für einen ©otengang 
erhalten," mar bie fd)üd)terne Äntmort. • 

$ennft bu in beiner ©djule auch ein fleineg Stab* 
d)en, bag eg ebenfo macht? Unb ba fange mit ber 
grage an: ©in idfg? unb fann ich’g? ©enn bann 
bie erfte Slntmort „Siein" ift, fo laß bie gmeite ein 
freubigeg „3a" fein! 

$u mißt beine Äinber forgfältig unb gemiffenhaft 
ergiehen; aber marum benimmft bu bid) fo gemiffen* 
log gegen beine $ienftboten? 2)ein gangeg ®aug 
muß bem §erm bienen, menn eg ein dhriftlidjeg fein 
foß. ©chon Slbraljam befahl feinen Stinbem unb fei* 
nem gangen &aufe, beg $erm ©ege gu holten, unb 
gu thun, mag recht unb gut ift. ©elbft bem Sleußern 
beg |>aufeg fieht man eg oft fdjon an, meß ©eifteg 
Äinb ber ift, ber Darinnen mohnt. 

Ißur ber fauu ©ott recht toben, ber fid) felber 


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(fin üluftrirtts $amUienblati 


3Fünfjeljnf«r ^anö. 


©ftfoßer 1887 . 


Jeßnfes #«fi. 


lÜeiitt du nori) eine Mutter 


ftierau ber ©taf)fftid). 


111 ^ n °^ 

So banfe (Sott unb fei 3 U* 

am 

Dir ift bie aüerbefte Haft 

^ 3 n 5 reu ^’ un & i a n0£ *? 

(Trägt ftd? bodj leichter letb 
unb fjarm 

So lang’ bidj nod? tyr HmV umfdjlieget; 

2ln ifjrem fje^en liebemarm 
Die bitt’re gäijre fanfter flieget. 

£s giebt Fein £jer3 auf biefer IDelt, 

Dag bir fo treu unb feft ergeben. 

(Es liebt btdj metjr, als (Sut unb (Selb, 

(Es liebt bidj mefjr, tuie’s eigene leben. 

® Kinb, ferlägt biefes ^er3 bir nodj, 


So mag bte gan 3 e Welt bid? fließen, 

Der befte Sdjag Derbleibt bir bodj: 

D’rum ban!e<Sott auf beinen Knieen. 

IDenn biefes £jer 3 einft ftiüe ftefjt, 

IDenn taub im (Eob ber ITTutter ®tjren: 

Dann tuirft bu uriffen, adj, tuie Diel 
Du an ber ITTutter tjaft oerloren. 

IDenn hinter ifyrem Sarge bu 

(Einft fenfft ben Blicf, ben tfyränennaffen, 

I?inab, fftnab in (Srabes Huff, — 

Dann, Kinb, bann bift bu erft oerlajfen. 

Die Sdjolle ftnfet bumpf tftnab.- 

IDelf, tuenn fie fprädf’ mit lautem (Eone: 

Du grubft ber ITTutter felbft bas (Srabl 
^ür liebe gabft bu £jag 3 um lofjnel 
Dodj felig, tuenn’s im Tje^en fpridft: 

3dj trug bie ITTutter auf ben ßänbcu 
ZTun tDofjnt fte toolft in <Sottes lidft 
Unb rnirb Don bort mir Segen fenben. 


®, Ijaft bu nodj betn ITTütterlein, 

So banfe (Sott auf beinen Knieen, 

Unb möge liebe mafjr unb rein, 

<$tir fte in beinern Tje^en glühen. 

Unb fyaft tfjr T}er 3 fo Iiebemarm, 

3e bu berüljrAnit rauhem <Juge, 

(Seif fftn unb fdjling’ um fte ben Urm, 
Derföljn bidj tfjr mit einem Kuffe. 




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506 


Pit 3agb nadj brat Cliitfc. 


Pie |agb nad) betn CBliidt. 

(Eine (Erjäfylung aus bem beutfd?»amerifantfcfyen Ceben. 

für §auf nnb #erb non Göttlich 2Bo$lgemnt|. 


I. 

„2Ber fann baS ©lüd erhafdjen, roer eS finben? 
llnb wer bewahrt eS, wenn er’S ^at ? 

SS febwebt ein Stttyem in ben SBinbert, 
llnb (cfywimmt im Strom ein grünes Statt." 

Ungewöhnliche Aufregung ^errfc^te am 
19. Stprit 1861 in ber Stabt Saltimore, 3Rarp* 
lanb. 

Ser Rigger*<ßräfibent, wie ßincoln non bem 
Saltimorer ^ßöbel genannt würbe, ^atte 75,000 
ÜJtann einberufen, um bie SunbeShauptftabt ju 
befchüpen nnb bie ausgetretenen ©übftaaten ^ur 
SunbeSpflicht $u jWingen. Ser Telegraph 
hatte gemelbet, bag baS öerhagte 2RaffachufettS 
bereits brei Regimenter unter Sutler nach 
SBafhington abgefanbt habe. 

$eute, am 19. Stpril 1861, foßte eines biefer 
Regimenter butch Saltimore non einem Sahn* 
hof ^um anbern Riehen, unb per Sifenbalpt wei* 
ter fahren. 

„2Bir werben’S ben $anfeeS h^ife machen," 
rief am 9Rorgen beS genannten SageS ein ftäm* 
miger, beutfdier 9Re$ger im Sutaw*2Rarft fei* 
nen ©enoffen $u. „Sie $anteeS foßen fich um 
ihre hölzernen SRugfatnüffe, aber nicht um bie 
Rigger befüntmem. Stenn aber SBafhington 
befchüfct werben fofl, fo finb bie äRarplänber 
auch noch ba, unb toir brauchen bie $anfeeS 
nicht." 

Ser Stämmige fprach in feiner rauhen Steife 
bie ©efinnung oieler taufenb Saltimorer aus 
allen ©tänben unb klaffen aus. SaS h^igblü* 
tige 9Rarplanb War in Stoflung gerathen. $n 
ber Saltimore ©trage, am Sroabwap, unb na* 
mentlich in ben an bie Sai gren^enben fchmufci* 
gen ©affen, ftanben an aßen ©tragen *Srfen 
©ruppen, bie mit h e f^9 er ©eftifulation bie 
SageSereigniffe befpradjen unb einanber burch 
Srohungen gegen bie JJanfeeS erbitten. 

Unb eS blieb nicht bei Drohungen. 3ener 
Sag fahr tote empörte SolfShaufen auf bie mu* 
thigen SRänner Reu*SnglanbS ftürjten, unb fie, 
bie ihrer Pflicht genügt unb bem Ruf beS erften 
Staatsbeamten folgten, mit ©teinen unb ©chüf* 
fen empfingen. £>ier flog baS erfte Slut im 
grogen RebeflionSfriege. SS war bie SluSfaat 
einer fchretflichen SobeS*Smbte. 

Srüben aber, oom gort 9Rc §enrp h era b, 
wehte hehr unb majeftätifch baS Sternenbanner, 
unb WteS öon blutigem Slufruhr hinaus tn’S 
groge ßanb ber greien — hinauf $um $immet. 


Unter benen, bie in jener Rächt beS Stuf* 
ruhrS in ben bamalS noch fpärlich erleuchteten 
©tragen ihren Heimweg fuegten, treffen wir 
einen jungen SRann, unb ba er gerabe an einem 
ßaternenpfoften am Sroabwap ftehen bleibt, 
um fich bie wogenben äRenfcgenhaufen an$u* 
fehen, fo ift uns geftattet, ihn ein wenig näher 
5 U betrachten. 

Sr hat ein fremblänbifcheS SluSfehen. Ser 
fur$e, einfache Rotf unb baS Läppchen, baS er 
fchief auf bem ßorfenfopf trägt, finb gewig nicht 
in Snterifa entftanben, fo Wenig Wie ber anbere 
Slnjug. Ser Jüngling fteht in ©ebanfen Der* 
loren ba, bis er burch bie ©chimpfworte einiger 
Sorübereilenben aus feinen Sräumereien ge* 
werft wirb. Sr hat nichts baöon oerftanben 
als „butfeh." Sber bie ©chimpfrebe Warb mit 
fo grimmiger Seracfjtung auSgeftogen, bag er 
eitigft weiter ging. Sie ©chimpfenben gehörten 
3 U jenen berüchtigten freiwiüigen geuerleuten, 
bie bamalS faft fämmtlich $ur fönoWnothingS* 
Partei hielten unb jeben SingeWanberten grünb* 
lieh hagten. 

Qn ber San! ©trage, in bie er eingelenft, 
tritt ber junge SRann in feinen „©afthof" ein. 
SS ift ein fleineS §auS mit einer fegmn^igen 
Sierfchenfe unb einigen ^iwmern, bie ju oer* 
mieten finb. SS ift baS befte $oteI, baS er 
für billiges ©elb finben fonnte, benn Weber ba* 
malS noch h eu te hat eS bie fonft fo grogartige 
amerifanifege SJohlthätigfeit baju gebracht, bie 
fo nothwenbigen chriftlichen Verbergen in gro* 
gen ©täbten ju grünben. 

3n ber Sierftube geht eS bunt $u. Slfle 
Sifche finb bicht befefct. Sichter SabadSqualm 
füßt ben nieberen Raum, unb ber Sarnpf mit 
ben g)anfeeS ift ©egenftanb beS ^t^igert ©e* 
fpräcpS. 

„$aßoh Shriftian," fo begrügt SReifter Rup* 
recht, ber SJirth, ben neuen Snfömmling, „auch 
braugen gewefen, wo bie blauen Söhnen flogen? 
baS ift für einen ©rünen ein muthig ©tütftein." 

„Sin weit Dom ©chug geblieben, SReifter 
Ruprecht, unb habe nichts gewagt," fagt ©hri* 
ftian beleihen unb fefct fic| in eine leere Srfe, 
benn $u Sett mochte er noch nicht, unb bie Sier* 
ftube War baS einzige erwärmte ^iuiuter, bag 
ihm offen ftanb. 

Sie ©äfte Waren in ben ,3 c ititöuften aßge* 
fammt gar Wohl bewanbert unb Wugten ganj 
genau, Wo unb wie SlßeS enben Würbe. 


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litt 3agb nadj brat Clttih. 


507 


„3e|}t gef)t ber Xanj loS," fc^rie ber große ©hriftian $eß, bem ©inwanbererjungen in 
SJlehger, ber beS SRorgenS baS SBort auf bem ber ©de, aber wirbelte eS im Kopf ob biefer 
ÜRarft geführt, „unb ich fag’ eud), wenn unfere Sieben. @r mar über’S große SSaffer gefönt* 
gungenS hinter biefe DanfeeS fommen, fo ift’S men, um baS ©lüd ju fud^en unb hatte eS bis 
als ob ein großer Stier ein burnmeS Schaf jefct nicht gefunben. Unb — roie fottte er eS 
padt." finben, ba fo Siele barnad) jagen! 3m Kriegs» 

„3a," meinte ein oerfchmifct auSfeljenber fturm jwar hat fchon SDiancher fein ©lüd ge» 
SBinfelaboofat, ber fid) in biefer Kneipe feine macht, aber auch MeS oerloreu. 

Kunbfchaft fndhte, „aber unfer SKartjlnnb muß „SBirb mohl lang’ mähren, bis bu’S ©lüd 
auch mit. ©8 muß ju ben Sübftaaten hinüber, finbeft," jagte ©hriftian ju fid), als er hinauf ju 
®ort gehört ei hin, bort mirb ei unb feine feiner Kammer ging, „unb ant ©nb’ fommt’S 
Sürger groß werben. Unb Wenn ei einmal gar nich^^bk." 

brüben ift, bann Werbet ihr Waä ju fef)en be= ©r war efAd)er Seute Kinb. draußen im 
fommen. SRartjlanb muß ber ©dftein im neuen -JUMtaffat in eism Dörfchen, nahe ber babifdjen 
Sübbunb Werben, unb gar mancher ©iner, ber «uptftabt, ftanb feine Stiege. ®ort War ber 
bisher nur ben $ornenpfab gewanbelt, wirb 'toter Wohlbcftallter Sdml deiner, unb waltete 
bann ju ©lüd unb hohen ©Ijren fommen." Unb femcStamtcS mit gemiffcnhaftem ©ifer. Slber 
babei blidte ber $err Stbbofat Wohlgefällig an a 1 liberaler fallt er mit ben Sehörbcn nicht 
fid) hinab. gut auS. 3 n feiner gugenb hatten’S ihm bie 

„3a," fo nahm ber behäbige ©öder ber «Rach» „üirfitfreuubc" angethan, in ben Sturm fahren 
barfdjaft baS SBort, „unb Saltimore muß bie achtunbbierjig unb neununboierjig fam er mit 
^auptftabt beS neuen SunbeS Werben. geh fag’ fnappcr Üfotl) ohne ©efängniß baoon, mürbe 
eud), ÜRontgomerl) in Sltabama, wo jejjt bie aber im ©ohfiftorium „marfirt," unb feither 
füblid)en Sperren jufammen fommen, ift nur ein gehörte er jur 2BiberfprudjS Partei, bie fo jiern* 
elenbeS fReft im Sergleich mit unferer Stabt, lid) mit 'Ment unjufrieben ift. 
bin bagemefen. 2lud) SRichntonb unb 9?eW 0r» ®ie ftiHe unb fromme grau Sd)ul »Sofjrerin 
leanS finb nichts bagegen. SBartet nur, Wir litt unter ben amtlichen SJtaßregelungen ihres 
erleben’S noch Stile, unb unfer SBeijen Wirb SJtanneS nicht wenig. Slber fie hatte eine Slrjenei 
blühen." für allen Summer. 2)ie fanb fie in ihrem ©e* 

„Stecht gemacht, $err Sädermeifter," fpradj betS=Kämmerlein, baS gar fleißig benäht Würbe, 
3faaf, ber ^anbelSjub, Welcher mit Stufgebot einmal, Weil fie immer Wieber ju ©ott fommen 
feines ganzen ffltutljeS jur Schenfe gegangen mußte, unb fobann, Weil fie gemeinfchaftlich mit 
War, weil er badjte, in ber ©rfjißung ber ©e» ihrem ffltanne nicht beten fonnte, nod) burfte, 
müther fei oieüeicht ein $anbel $u fließen, benn ber war ja ein „greifinniger," ber in ber 
„Stecht gemacht; ju machen a ©efchäftdje, ift bodj „Schule" unb bem „gortfdjritt" bie SBclterlö* 
baS beft; WaS geht uns an bie tpoliti?; fann fung fud)te. 

ma baoo lewe ? Stmer ebbeS ju »erbiene, boju StlS bie grau Schul 5 Sehrerin nod) Sürger* 
fin ba bie arme Seit. Sie fotle raufe, bie fperra, meifterS ©iSbeth war, ba fannte fie baS Set» 
für uns ift fomme bie geit, ju forge für unfre Kämmerlein auch noch nicht. Slber bie Sorgen 
alte läge." ber $eit unb bie Irübfal richteten ihre Slugen 

„ißoh taufenb," fuhr ber riefigftarfe Shntieb* himmelwärts. Pfarrer $enl)öfer, ber bamalS 
jafob bajWifdjen, „was feib i|r für ein ©e= in jener ©egenb gewaltig prebigte, würbe ihr 
fdjledjt ? ®er ©ine will ben jlfanfeeS ben ©ar= jum h’umtlifchen SBegweifer. Seim $erm 
aus machen, ber Slnbere ein großer IjSolitifuS Scf)ul=2ef)rer wirfte baS SBort biefeS mächtigen 
werben, ber dritte mit SJtarpIanb unb Salti» SolfSprebigerS gerabe baS ©egentheil. @r 
more groß fein unb unfer gub’ Will, Wie im» warb immer ingrimmiger unb rabifaler. So 
mer, madje a ©efchäftche. 2Bo aber bleibt benn geljt’S eben; bem ©inen wirb’S ein ©erudj jurn 
baS Sanb unb bie Union unb baS ganje Soll? Seben, bem Slnbern ein ©erudj jum lobe. 

3ch fag’ eud), ihr werbet euch > n hie ginger Sie liebten fid), biefe ©heleute, troß biefeS 
fchneiben. 3h aber unb Piel anbre ehrliche inneren 3wiefpaltS unb erjogen ihre Kinber fo 
®eutfche in ber Stabt unb im Sanb, bin für gut fie’S oerftanben. Siel geberlefenS Würbe 
Uncle Sam, unb Wenn bie alte Schriebe bar« babei nicht gemacht unb Sederbiffen gab eS feine, 
über ju ©runb geht." SBenn ©hriftian mit Sdjwefter Sertha unb ben 

®amit ftanb er auf, ftemmte bie mächtigen ©Item bann unb Wann nach hem 0ert<hen 2Bol* 
gäufte in bie $üfte, ftellte fich twr bie Herren fertsweier burfte, wo eS Sauermilch unb fhwe» 
hin, um ju fehen, ob fich ©iner rühre, unb ging reS Sdjwarjbrob gab, baS war ein hoh et ® e ' 
hinaus, als fie ihn bloß Perbuht angucften. benftag; ging’S aber einmal nach ©tupferich 


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508 


Jlie 3agb nad) bem (Stildu 


ober Sangenfteinbacß in’g „©ebirg," fo mucßä 
ber ©hriftian in einer 9?acßt um einen gangen 
3ott. 

@inft burfte er mit bem Sater, beg fßfarrerg 
©ßriftoph unb beg ©ürgermeifterg SKidjel über 
©ttlingen unb Staftatt in’g SJZurgthal nad) 
©eritgbadj, unb Don ba über’g ©berfteiner 
Schlößchen nach ©aben^Saberi manbent. Saoon 
gehrte unb rebete er menigfteng fünf ^aljre 
lang, obrooßl bie „Steig" per Kopf nicht meßr 
alg einen preußifcßen Sbaler foften burfte. Sie 
SDtutter hatte fecßg äRonatc lang für beit ©ßri 
ftian gefpart, unb mar mie verjüngt, alg bie 
Steifenben per ©teßmagcu uau ihrer großen 
Sour gurüdfamen. 

©ie hätte eg gar gu gern gefeiten, menn if)v 
„©ingiger" ©farrer ober Iateinifrf>er Sc! 
ober menigfteng bocß Sorffdjulnteifter hätte 

merben fönnen. Ser Sater jeiHtfß fuhr’hart 
gmifeßen biefe SBünfcße unb fagte: „$fti£ ba. 
SBag Orbentlicßeg fönnen mir ißn nicht ftubiren 
taffen, mir haben ja fanm genug, um bag Seben 
gu friften. Unb fo ein ©ungerleiber oon einem 
Sorffcßulmeifter foß ©hriftian nicht merben. 
©anbmerf hat golbnen ©oben; ift’g nicht hier, 
fo ift’g brüben in Slmerifa, mo ^eber fein ©lüd 
machen fann, menn er miß. 2Bir aber haben 
Settern unb Safen brüben, fo fann’g bem ©ßri' 
ftian nicht fehlen/' 

@o fam ber Qunge gu einem Sifcßlermeifter 
f in bie Stefibengftabt, mo eg für bie Sehrjungen 
bie befannten bünnen Srobfchnitten, bie feinften 
SBurftfcßeibcßen unb recht üiele fßüffe giebt; 
menigfteng bantalg; öiefleießt ift’g jefct anberg, 
vielleicht auch nicht. 

Stadjbem ber ©hriftian aug ber Sehre mar, 
fam bag ©lüd noch nicht fogleich angerüdt. 
©chulmeifter ©eß aber rebete immer heutiger 
unb beftimntter non bem ©lüdglanb 3lmerifa. 
©r mar in feinen jungen Sagen im Sörfdjen 
SBaflborf bei ©eibelberg angefteßt gemefen, mo 
Safob Slftor geboren mürbe, ber nachmatg in 
Stern $orf fo viel 9teichth um gefammelt, baß 
er felbft nicht mußte, mie Diel er hatte. Sag 
fonnte bem ©hriftian nud) getingen. SBarurn 
benn nicht? 

Ser ©err ©chulmeifter ©eß befaß bie Unab= 
ßängigfeitg = ©rflärung ber Ser. Staaten unb 
bie ©onftitution ber Union in guter beutfeher 
Ueberfejjmtg unb mußte barin mehr ©efeßeib 
alg gar mand)er Slmerifaner. „Sag finb 
©chriftftiide," fagte er öfterg feiner ©Igbeth 
in’g 0h r r „gegen melche fo ein ©rlaß tmm groß' 
hergoglicßen ©onfiftorium ein reißt hölzern 
Sing ift." 

Ser SJtutter aber mürbe eg* immer meßer 
um’g ©erg, benn fie fah bie 3eit fommen, ba fie 


ihren „©ingigen," ben ©hriftian, merbe über’g 
9)teer giehen taffen müffen. Slucß ihn hatte bag 
2lnterifa=gieber erfaßt, ©g gog ihn heraug aug 
bem Kleinftaat, hinüber in’g große Steicß ber 
freien. 

©o fam eg benn, baß er eiiteg SDtorgeng ge= 
rüftet ftanb, bie Steife über’g große SBaffer an* 
gutreten. 

Sie SJtutter hatte beinahe bie gange Stacht 
auf ben Kniecn gugebraeßt. Unb alg fie nun 
heranfd)ritt, bem ©ohne ben ©egen gu ertheilen, 
ba mar fie viel gefaßter alg man hätte erroarten 
fönnen. @ie hatte oom himmlifcßen Sater bag 
nötßige SJtaß ber Kraft erhalten. 

„3iehe mit ©ott, mein @oßn," fagte fie, in= 
bem fie fegnenb bie ©änbe auf ©ßriftiang ©aupt 
legte; „ber SJtutter ©ebet mirb hieß begleiten, 
unb ich habe öom ©errn bag Serfprechen, baß 
bu glüdfelig merben mirft." 

©cßon beinahe ein 3aßr mar ©hriftian in 
ben Ser. Staaten umher gereift unb hatte bag 
©lüd immer noch nicht gefunben. 

^efct faß er oben in feinem Kämmerlein in 
ber Sanf Straße gu Saltimore mit heißem 
Kopf, unb fucfjte ©rfrifeßung in ben ©riefen ber 
©ttem, bie er öor ein paar Sagen erhalten. 

Ser Sater fchrieb: 

Sieber ©ßriftian \ 

©ei guten äftutßg! Sem SJtutßigen gehört 
bie SBelt. Su haft gmar fd^limme ©rfahrungen 
gemacht mit ben pennfploanifdEjen Settern unb 
Safen, melche bir nicht fogleich halfen moflten, 
ben SBeg gunt ©lüd gu finben. ©g foß ein gar 
gäheg, langfameg ©efchlecht fein, bag ©efchled)t 
ber beutfehen ^Sennfploanier, fagen meine geo= 
graphifchen ©anbbücher. Siefleicht baeßten bie 
Settern, ber ©hriftian ift ung ja nicht nah g e * 
nug oermanbt unb miß ung am ©nbe feßröpfen. 

3dj lobe beinen ©ntfehluß, oon ©altimore 
na^ fßhilabelphia gu gehen unb bort nochmalg 
bei einem anbern Setter angufragen, ob er bir 
nicht ein SBenig behülflid) fein miß. 

Su fannft unb miflft ja arbeiten. Ser Setter 
foß nur helfen, baß eg fchnefl oormärtg geht, 
unb bag muß hoch ein Seichteg fein in einem fo 
großen, reichen Sanbe mie Slmerifa. 

Stun, gel)ab bich mohl. 3ch bin recht froh, 
baß bie SKutter fo ruhig ift, unb fo gefaßt oon 
bir fpreeßen fann. ©ie mirb eg ja noch einfeheit, 
metdi’ großeg ©lüd eg mar, baß bu hinüber 
gingft. Sein liebenber 

Sater. 

Sie Sftutter fchrieb: 

äflein tßeurer ©oßn! 

©ei gang unbeforgt um mieß. Sein Slbfcßieb 
hat mir gmar tiefen ©eßmerg nerurfaeßt, ber 
©err ftärfte mich jeboeß fo mä(ßtig unb munber; 


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Pflege unb ffirjieljung bes feibes als dirifllidje Pflicht. 


509 


bar, bafj ich eS beinahe nicht begreifen unb faf* 
fen fann. :gdj derftehe bie SBorte ber 93ibet 
Dom Sorgen unb non ber |)ülfe in ber Srübfal 
taufenb 9Rat beffer als je, unb fann fo finblich 
Zu ©ott beten, mie ein Kinb mit bem SSater 
fpricht, ber dor ihm fteht. 

©eftern hatte ich baS ©lüd, ein menig mit 
Pfarrer £enhöfer fpredhen zu bürfen. ©r ift 
hochbetagt unb fdjmach nach bem Seibe. Stber 
feine Slugen leuchten mie (Sterne. „<Seib nur 
getroft, graule/' fagte er, ,,unfer Herrgott fütjrt 
baS 83ud) mit jeber (Seele, unb er führt eS gut 
unb unfehlbar. ’© ift alles pünftlid) aufge* 
fchrieben, maS $h r moßt. Unb metl g^r ni£ 
moßt, als bafc euer ©hriftian felig merbe, fo 
müftt eS arg her gehen, menn’S nicht fo !äm." 

Sich ja, ©hriftian, baS ift baS ©lüd, baS id) 
oon ©ott für Sich unb uns Sille erflehe. Unb 


benfe Sir, Seine ©dfjmefter 93ertf)a ^ilft mir 
babei. Kürzlich, als ich mieber in’S Kämmer¬ 
lein ging, fa|te fie mich bei ber ipanb unb fagte: 
„9Rutter, barf id) manchmal auch mit?" 

Sßie gern id) fie mitgenommen habe! ©eit 
Seinem Slbfdjieb ift fie ganz ftißegemorben, unb 
lieft oiel mehr als fonft im ©ibelbud). @o 
flehen mir zufammen zu ©ott unb Ijören jebeS 
2Ral baS Slnten dom |)immel. 

Ser liebe SSater leibet diel, miß eS aber nid)t 
merfen laffen. ®S brüdt ihm faft baS £>erj 
ab, bafi Su fort bift; er meint jebod), baS 
©liitf niiiffc in ber meiten SSelt gefucbt merben 
iutf> ba gebe eS eben Srennung. 3d) jebod) 
mm, bafj cS tief im ^erjen brinnen fein mufj, 
fojfr fucht man eS oergeblich in aßen 3Belt= 
ttjeilen. 

Seine betenbe SRutter. 


(gortfefcung folgt.) 




Pflege mb <$r;id)utt0 bt$ felbe0 öl0 djnftlidje Pflli^t. 

mtox. 


„Slber ber geiftliche Seib ift nictjt ber erfte, fonbern 
ber natürliche, öarnad) ber geiftlid)e." 1 ®or. 15, 46. 

SRieinanb befürchte, bafj ipauS unb $erb ben 
$impferlid)en Seuten baS SBort reben mirb. ©S 
finb gar bebauernSmertf)e 9Renfchenfinber, biefe 
3impferli<hen, bie fid) immer einbilben, es feljie 
ihnen etmaS — im Sein, im Kopf, im 9Ragen. 
©ie machen fich unb Slitbern baS Seben gar 
fauer. Sehen fie ein paar 2Bölfcl)en am Fim¬ 
mel, bann fagen fie: „Sept fommt mieber bie 
bunftige Suft, unb bann frieg ich bie9Rigräne." 
Kommt ein frifd)eS Süftchen f)e*angezogen, fo 
fdjreien fie nach fieben Halstüchern, unb foßen 
fie mal ein toenig ejtra Sorfpann leiften, fo 
meinen fie, ba foße man nur gleich ihren ©arg 
befteßen, benn baS fönne ein fchmacber ©terb* 
lieber gemife nicht auShalten. Slm liebften fehen 
fie’S, menn ein Stnberer ihre Slrbeit tljut unb 
noch ein Slnberer ihr ©ejantmer anhört. 

Solchen Seuteplagern rebet §auS unb £>erb 
baS SBort nid)t; fie oergäfleit fid) unb andern 
baS Seben unb mer eine ©eneralfur für fie er- 
finbet, ber ift ein großer Softor, auch ir»enn er 
baS Siplom nicht hat. 

Sie meiften biefer Slrt 3ammerer aber mä¬ 
ren heute frifchen URuthä unb frohen ©innS, 
menn fie gelernt hätten, ihren Seib nicht bloS 
äu pflegen unb ju fdjüpen, fonbern auch ä u er¬ 


ziehen unb abzuhärten. Unb müfjte ich nicht, 
ba§ bie SiebeSmühe vergeblich ift, fo mürbe idh 
fagen, mein Kapitel gilt namentlich ihnen, ©ie 
merben fid) aber mit tiefer ©ntrüftung megmeit- 
ben unb fagen: ©o ein Stcbafteur hat gut fpre- 
chen; er !ennt eben bie Seiben ber SRenfchhcit 
nicht. 

91 un—nteinetmegen. QnaßerSemuth fchreib’ 
ich hoch. Sießeicht mirb ©ineS oor ber ßim* 
pferlichfeit bemahrt unb baS märe fchon etmaS. 

Sann aber gibt eS nebft dielen gintpferlichen 
auch Saufenbe, bie ohne Sicht unb Slufmer!fam= 
feit mit ihres SeibeS ©efunbheit häufen, als 
märe fie ein SlmboS, mit bem man irgenb maS 
anfangen fann; als märe in unferem irbifchen • 
§auS eine underfiegliche Kraft- unb©efunbheits= V 
queße aufgeftapett, bie man nur immer fo am ( 
Zapfen fönne, Ohne fie zu fchüpen unb zu näh- / 
ren. gür bie miß ich ein paar Paragraphen ' 
fchreiben. 

Son ben Safterhaften, bie, mie in tofler Sob= 
fucht ihres SeibeS Kraft derfchleubern, fei nicht 
bie Siebe, fonbern don ©htiflenmenfeheu, in 
ber ©rziehung ihrer Kinber, ober in ihrer eige= 
nen ©ehanbtung gegen ben Seib auf bie eine 
ober anbere SBeife fünbigen, unb beitfclben — 
ben Sempel ©otteS—nicht pflegen unb nid)t er^ 
Ziehen. 


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510 


Pflege ttnb (Stjieljuiij bes feibe* als i^ripUi^e Pflidjt 


I. 

Seben Slbenb, menn ich hon meiner Slmtg- 
ftube nach #aufe gebe, begegnet mir eint Schaar 
Knaben unb SRäbcben, bie aug ben gabrifen 
!ommt. @g fittb noch ganj junge SJtenfcben- 
finber. Sieten berfelben aber fc^aut febon bie 
ßebengmübigfeit unb SJtattigfeit aug ben trüben 
Sttugen unb bem gelblichen Stngefidjt, unb nicht 
menigen auch ber ßeicßtfinn unb bag ßafter. 

SBofjer !ommt biefe SJtattigfeit, biefe geringe 
©ntmidelung begKörperg? Son aß^u früh* 
zeitiger gabrifarbeit, baber, ba| biefer junge 
Körper nicht £rit batte, fid^ JuJpM^nuub $u 
entfalten. SJtancben befonberäf^HpMaiten 
Kinbem gefehlt fein förperlicber 
foldjeSlrbeit; anbere aber berfümmt^^iuVitr' 
butten. Unb bieg ift eine ©ünt$, ju^ 

genbticbe ßebett bat bag Siecht ju jbwjlr ©nt* 
fattung unb Kräftigung, alg jur ffirfüßung 
fünftiger ^ßftid^ten nötljig ift. 

„£at gut reben," f)öre ich fagen, „jene Kim 
ber gehören eben 5 U ben Slrrnen unb müffen um 
bag tägliche SBrob ringen; ihre ©Item fönnen 
ben fiebengunterbalt für bie fernere gamilie 
nicht mehr erfeßmingen, unb manche biefer Kin* 
ber ernähren auch bie bermittmete, fdjtoad) ge* 
morbene SJtutter." 

3 ugegeben, baß in gemiffen gatten bie Stotß 
gebieterifcß bie Kinber aß$u fräße ^ur ferneren, 
ben Körper fcßäbigenben Strbeit treibt, fo liegt 
eS bod) auch auf ber §anb, baß foteße Slrbeit 
häufig geforbert mirb, nur um immer unb im* 
mer mieber ©etb jur Sparfaffe ober in ben Sau* 
herein tragen ju fönnen. 

©ine ungpfeßidtere, meniger toßnenbe, fünb* 
licßere Kapitalanlage aber gibt eg nicht, alg bie, 
metebe auf Koften ber ©ntmidelung eineg SJten* 
fdßenteibeg genießt, ber Dom ©d)öpfer beftimmt 
ift, Sücßtigeg in ber SEBett unb für’g Steicß ©ot* 
teg ju leiften. 

©o menig ©Item ein Siecht haben, ißre Kinber 
$ubertt>öf)nenunb 5 u oerjärteln unb fiejomit für’g 
ßeben untauglich ju machen, fo menig hüben fie 
ein Stecht aug ihren Knaben unb SJtäbcßen ßaft* 
thiere 51 t machen, bie hon feinertei gugenb etmag 
miffen, nicht etma um bag Siotßmenbige f^erbei- 
jufdjaffen, fonbem, mie eg in bieten gälten ge* 
flieht, um bie Sßaler ju hermehren. 

II. 

„Sßflege beg ßeibeg," bag foHte man mancher 
SJtutter mit großer ©chrift an alle hier SBänbe 
beg $aufeg feßreiben, bamit fie’ö immer hör 
Slugen hübe. 

„Söarurn beg Seiber pflegen," fagen bie gm 
ten, aufopfernben SJtutter, „mir leben für unfere 
Kinber unb SJtänner, für ben £aug()a(t unb bag 


Sieicß ©otteg; bie grau barf nicht felbftfüchtig 
fein, fonft ift fie feine ächte grau." 

SBoßlgefprochen. Silber fie bat auch km 
Siedet in fortmäßrenbem SBürften, Sßußen, Keß* 
ren, Sorgen, SEBafdjen unb Stbrnüßen ihre Sei= 
begfraft hör ber $eit *u berühren, bag fie enb^ 
lieh trofc be^ beften SBiHen^ nicht mehr fann unb 
ben übrigen feine ©tüfce mehr ift. 

ift ein ©räuel hör ©ott unb ben äßem 
fdjen, bag fo manche junge unb ältere SRütter 
ihre im ©chaufelftuhl unb mit Sifitenma= 
chen hertänbeln; e3 ift aber auch mahrhaft fünfc 
lieh, bag fo hiele anbere, namentlich beutfehe 
grauen in unerfättlichem SSirthfchaften ihre©e^ 
funbheit untergraben, anftatt bur<h hemünftige^ 

f au^hulten mit ben ßeibeäfräften fich iO^en 
inbem ju erhalten. 

„®ie Stacht ift eine heilige Stuhegeit," fo 
foöte ber ©nget ber ©efunbheit manchem Stacht^ 
fd^märmer immer mieber in’§ Db* blafen, mel= 
eher 3 tnar nicht braufjen hemmflunfert, aber bi§ 
1 Uf)r unb 2 Uhr ©torgenä bei ber ßampe jifet, 
ftubirt ober auch eine StoheHe lieft. V 
„’© ift fo ftiU," fagt er, „bie ©ebanfen foim 
men ungerufen unb man fann fo ungeftört lefen." 

Sa mobl, biefe ©tiHe unb Ungeftörtheit hat 
©olt in ©naben gefchenft, bafj bein ßeib ruhe, 
bein 9tuge fich erhole, ©ehim unb Sterben fich 
ftärfen. 3 )u aber herfef)reft ©otteS Drbnung, 
unb machft bie Stacht jum läge, jünbeft ein 
elenb Stachtlämplein an unb läffeft bich, menn 
bu’§ herntagft, hom großen Sonnenlicht big 9 
Uhr SJtorgeng im Sett beleuchten! 2Bie merben 
beine Sttugen, Sterben unb SRugfeln baburch ge= 
ftärft merben!? • 

„®eine ©timm^Drgane finb nicht aug 3Ref= 
fing," fchrieb SBegtep einft einem Sßrebiger, 
„fonbem gar jarte ©ebitbe. ^anbhabft bu fie 
orbentlicf), fo fannft bu recht moljt gmeimal beg 
Sageg prebigen, fchreift bu aber SBodhen lang 
barauf log unb hämmerft bie Kanzeln entgmei, 
fo mirft bu halb menig mehr taugen für’g Steich 
©otteg." 

gn gegenmärtiger 3 rit arbeiten biete SJiem 
fchen unter £ochbrudf unb mit Sampf nur um 
beg ©rmerbeg mißen. §ier in ben Ser. ©taa^ 
ten gönnen fich ffl&ft menige berer, bie eg 5 U 
etmag gebracht, bie gemütbliche Stube beg hon 
ben 3 infen lebenben ©uropäerg. „Sormärtg," 
heißt bie ßojung, ob bag ©ehim aug einanber 
reißt, bie Sterben lahm unb bie SJtugfetn matt 
merben, immer nur Sormärtg—bem ©rmerb 3 U. 

Sft folche $e^jagb hernünftig, fittlich, chrift 
(ich? SWuß fold)’ nerhenaufreibenbeg Sreiben 
fchließlich nicht bie Station entfräftigen, unb 
fann eine entfräftete Station bie ihr gepellten 
Sllufgaben in rechter SBeife erfüßen ? 


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pflege unb (Sqieljung b» fttb» aU djriftlixfje Jlflidjt. 


511 


III. 

SBer feinen Seib gehörig pflegt, ber wirb 
benfelben auch richtig e r } i e | e n, benn bieg 
gehört jur rechten pflege. 

Der Körper ift !ein gleichgültig ju beljanbeln» 
ber beg SKenfchen; ber Seib ift aber auch 
nicht bag $ödjfte. ©r ift SBerf jeug beg ©eifteg, 
bag |>aug beg geiftlicfjen Seibeg; ein Wiener für 
höhere 3wede unb barf beghalb nie ber befyerr- 
fchenbe ©rogmeifter »erben, fonft ift’g »eit ge» 
fehlt. 

Der SSater, welcher fein Kinb nicht gewöhnt, 
ben Seib ju jähmen unb ju jiehen, fonbera eg 
jur geinfdjntederei, jum fßraffen unb gaulen» 
jen erjieht, thut womöglich noch größere ©ünbe, 
atg ber, welcher beg Kinbeg Körper unter ber 
gabrif»Slrbeitglaft oerbutten lägt. gg ift mun» 
berbar, welch’ willigeg unb höchft brauchbareg 
SBerfjeug ber Körper unter Oerniinftiger ©rjie» 
hung unb ©ewöhnung werben fann! 

Daufenbe werben jum Seifpiel oon Schlaf» 
lofigfeit geplagt, bie fich recht wohl eineg guten 
©efjlafeg erfreuen lönnten. 

Damit ift nicht gefagt, bag jebe Strt ©ehlaf» 
loftgfeit einfach burch einen SEBiflengalt ober ©e» 
»öhnung gebannt werben lann. 

Die ©rjieljung beg Körperg thut feboch auch 
in biefer öejieljung fehr Oiet. geh fenne j. 58. 
fßrebiger, bie fich früher nach aufregenber Sonn» 
taggarbeit big Montag SRorgen wadjenb auf 
bem Säger wäljten. |>eute fchlafen fie jeben 
Sonntag Slbenb um 10 Uhr ruhig unb im grie» 
ben. ©ie lernten, bie ©ebanfen unb ©efühle, 
bie fie mäfjrenb beg ©onntagg tief bewegten, am 
Slbenb auf bie ©eite ju legen, ©ie rufen ©ott 
um 9luhe an; fie helfen bem erregten Seib oiet» 
leicht burch Talteg SBaffer, unb fielje ba — ber 
Körper hot fich in ben ©ehorfam beg ©eifteg 
unb beg SBilleng begeben unb legt fich S ur 9tuhe. 

©am goneg fagt, er habe genug ju benfen 
unb ju forgen beg Dageg, unb wenn er fein Sa» 
ger auffuche, fo habe er fich baran gewöhnt, all 
fein Denfen in bie ©de ju legen unb in ©otteg 
Slrm ju fchlafen. 

Stur baburch ift eg ihm unb anbem möglich, 
bag ju leiften, wag fie ooKbringen. 

Sehnlich oerhält eg fich mit bem ©chmerje, 


ber ung oft aug ber einen ober anbern Urfadw 
burchjudt. Dag ift ein Kapitel, über Weld>eg 
ich nur mit bem grögten gartgefühl fprechen 
fann, benn ich weife, wooon ich rebe. Slber fo 
jufammen ju brechen braucht unfer Seib auch 
oom grögten ©chmerje nicht, bag berfelbe ju 
ber ung gcfteHten Aufgabe untauglich wirb. 
Der oon ©ott burchbrungene ©eift Wirb 
2Jt e i ft e r, unb fann bie Seibegfräfte ftäf)len, 
bag fie aughalten. 

Slnberg fann ich wir bag Scharren unb ben 
Triumph ber äJlärtprer unter ben furchtbarften 
dualen nicht benfen. 

derjenige SJtenfd) nun, welcher alfo feinen 
Sjib redhtmägig pflegt unb erjieht, fann 
ifjtn, wenn bie Slnforberung herantritt, auch 
mrfnchntal ganj Stugerorbentlicheg jumuthen. 
Denn bag SBerfjeug ift burch bie gehörige fßflege 
tüchtig gemacht unb mittelft ber ©rjiehung un» 
ter ben ©eift geftellt. 

Stlg ©oethe einft in fabelhaft hirjer 3 «t eine 
fchwere Slrbeit ooUenbete, unb gefragt würbe, 
wie bieg jugegangen, ba antwortete er: ,,gdj 
hab’ einen gefunben Seib erhalten, ben pflege 
id). SDtein ©eift hot bem Seib gefagt, eg feien 
24 ©tunben im Dag unb ber Seib mar gehör» 
fam. freilich—mug ich auch wieber pflegen." 

gafob Slftor, ber ju 3«iten ber Stothwenbig» 
feit munberbare Slugbauer unb Slrbeitgfraft im 
©efchäft entfaltete, fagte: „©ewöhnlich gehe ich 
um 10 Uhr ju ©ett, effe genügenb unb holte 
meine Kräfte jufammen, warum fotlte ich bann 
nicht auch ein wenig baooit einfefjen fönnen, 
Wenn ber Slnfpruch herantritt?" 

SBeglep, ein mahreg SKufter in biefer Sejie» 
hung, fonnte mit ftaunengmerther 3 ähigleit aug» 
bauern, fo oft eg notljwenbig war, Weit er ben 
Seib pfleg te unb er jog. \ 

greilich finb nicht alle SJtenfchen mit fo guter 
©efunbheit auggerüftet wie bie eben ©enannten. 
@g wirb immerhin Schwächlinge unb Kranfe 
geben. Dahingegen fann gebermann feinen 
Seib pflegen unb erjiehen, unb wenn eg mehr 
Seute gäbe, bie fich im grafte bie fßflege, bie 
©rjiehung unb ßöhmung beg Seibeg angelegen 
fein liegen, fo gäbe eg auch wehr gefunbe, frölj» 
liehe unb jum Sebengberaf auggerüftete 2Ren» 
fchenfinber. 



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512 


Podjt uttb Segen bet 6rtool)nl)rtt. 


jtor golbetteit Ijodjjeit btt ©rofteltmi. 



Sftein Sflütterchen fd)icft flinf 
mid) her 

Hunt heut’gen fteftegtage, 

3Beil ©ure golb’ne ^odj^eit mar’, 
3)afj id) ©ud) ©rüge jage. 

5ld), ©rofjmama! nun feh’ idjja 
$en ©olbfran^ 2>ir im §aare, 
Unb aud) beim lieben ©rofcpapa 
©old)’ ©träufedjen ich gemahre. 

Unb feljet beib’ fo freunblid) 
aug — 

$)ag thut Mr freilid) immer — 
$od) ^eut, meint ©ure fleine 
s Jttaug, 

©ei’g fo ein eigner ©djimmer! 

3)ag fommt mol)l, meil ©ud) 
biefen Stag 

3)er liebe ©ott njout’ jchenten! 
0 fündig :$ahre! id) oermag 
©o lange md)t $u benfen! 

9?un lebet fröhlich immerzu 
Söie beut’ in unfrer 9ttitte, 

2 )u liebeg, golbneg Brautpaar 
$u! — 

$)ag ift ftiein*©lgdieng ©itte. 

&*. 


JIad)t ttiib Segen 

fcer (Beroofynfyeit. 

gär tote jungen firfer 6t« §au# 
unö §cr6 non SB. Ö. Sölfntr. 

„©emohnheit" ift eigentlich 
ein fehr gemöhnlidjeg Söort. 2Ber 
aber metft, mag bamit alleg ge* 
fagt mirb? „^römmigfeit" ift 
aud) ein gemöhnlid)eg SBort; 
hoch, bafc btele Seutc fie oft im 
SJhtnbe führen unb gar nid)t 
miffen, mooon fie eigentlich 
fchmafcen, haben mir 2ltle fdjon 
oft beobachtet. Unb fo gel)t’g 
mit Dielen anbern SBörtern. 
9lber manchmal ereignen fich im 
3 ftenfd)enleben ’&inge, bie einem 
foldje unbegriffenen begriffe 
recht flar unb begreiflich machen. 
Uno id) möchte bie freunblidjen 
Sefer erfuchen, mir*u geftatten, 
ihnen einmal jum heften ju ge* 
ben, mte ich begreifen lernte, mag 
eigentlich bag Söort „©emohn* 
heit" bebeute. SBenn’g ein $i& 
d)en lang mirb, berliert bie ©e* 
bulb nicht. 

©g finb nun ein halb Xufcenb 
3 al)re her, alg ber liebe ©ott in 
feiner SBeigheit mich in bie 
















































































































































































Pad|t unb Sfgrn bft #ftooljnl)fit. 


513 


£d)ule naljtn unb in’$ Sruff^Goüegc i'djicfte. $af* 
felbe war nid^td mehr unb nichts weniger als eine 
ameritanifche fjrarrn, unb hatte bebeutenbanbereGin* 
ncptungen alSbaSGt)mnafium, welches id) in Deutfeh* 
lanb befudjt hatte. 

$ier ging’S Sernen nun wieber loS, aber tu anbe* 
rem Stpl als „braußen." Sftein erfteS Stubium war 
§aferbinben. Wie aeiftreid) baffelbe ift, will id) 
hier nicht erörtern, aber Üebung bietet es genug, we= 
nigftenS für Sfriochen unb 9JtuS!eln unb bejoitberS 
für 5 ^ Stücfgrat. 3 U meinem großen Seibwefen mußte 
td) balb etne traurige Gntbecfung machen; unb bie 
war, baß mir für meine neuen pra!tifd) ; öfonomifd)cu 
Stubien bie unentbehrliche „iöorbübung," bie notp* 
wenbigfte Qualification fehlte,—unb bie beftet)t mei= 
nem bejdjetbenen Dafürhalten nad) in nichts Gerin¬ 
gerem, als recht biefem JeD für bie^änbe unb herben 
Schwielen bazu. Die fehlten mir leiber — leiber. 
Unb fo fani eS benn, baß meine §änbe fchon am erften 
läge anfingen, in recht fdjmerzhnfter Weife fid) zu 
bauten, wohl ertennenb, baß beutfd)eS Gomnafiaften* 
§anbleber für biefe amerifanifchen Gjercitien nicht 
tauge. DaS mar etn unliebfamer s $roceß unb oerur* 
fa^te baS Vergießen mancher SMutS* unb — beleiht 
meine Slufrichttgfeit — auch einiger Dhränentropfen. 

GS warb auch bieSmal auSSlbenb unb borgen wie« 
ber ein Dag, wenn gleich auch ein fehr langer, unb 
*war ber erfte meiner garmerei. Slber fdjon an bie= 
fern erften ging ich zagenb unb flagenb zu meinem 
lieben Sehrmeifter, beut betagten garmer, unb ließ 
ihn einen Ginblid thun in meine $>äitbe unb bamit in 
meine Seiben. Wunberbar — an jenem Slbenb ge* 
bachte ich lebhaft ber oergangenen 3eiten, ber vorigen 
Jtopre, oieUeicht ebenfo lebhaft wie Slffapt) ^f. 77, 6. 
Dabei feufzte ich einmal über*S anbere: „geh fann’S 
nicht auShalten, ich fann’S nicht ertragen; ich heute, 
ich muß wieber fort oon euch," unb smar bom tiefften 
^erjenSgrunb. 

3um Glücf gehörten bie Ohren, bie biefe Seufzer 
hörten, nicht etnem hartherzigen Spanne, fonbern 
einem barmherzigen Ghriftenmenfd)en an. Der fchaute 
mid) unter feinen bufdjigen, fd)on ergrauten Slugen* 
brauen h^rbor gar treuherzig an, fo baß mir fd)on 
ber SMict ein gut Dljeil meiner Schmerzen nahm, unb 
bann begann er in feinem böhmiid) ; beutfd)=amerifa= 
nifdjen Dialett mich äu tröften: „DaS ift eben unge* 
wohnte Arbeit, mein gunge; bod) halt nur aus, bu 
wirft baS fchon gewohnt werben. s J3aß nur mal auf, 
wie bie Gewohnheit bir beine öänbe zurecht 
jtufeen wirb.'" 

$)abei nahm er mich beim Slrm unb führte mich 
hinaus, um mir bie wunben $änbe z u berbinben. 
DaS berftanb er bortrefflich. Seine Salbe war pri* 
mitio unb billig. Gr hatte fie Weber oom Slrzt noch 
Slpothefer. DaS Sabaratorium, in welchem fie täglich 
in großen Quantitäten frifd) fgbrizirt würbe, befetnb 
fich auf ber garm. Doch werbe ich Öen lanbläufigen 
ftuSbrucf bafür nicht gebem berrathen. ^ebenfalls 
befaß jene Salbe eine herrliche linbernbe Wirfung. 

feie weich mir an jenem Slbcnb mein Säger büntte, 
gehört ja wohl nicht hierher; auch baS nicht, baß id) 
trop ber §ipe fdjlief, wie feiten zubor. Gbenfo bürfte 
ich ®on rechtswcaen, bem Dhema nad) z u urteilen, 
berfdjWeigen, baß fich ein alter SBibelfprud) an jenem 
Slbenö mtr wieber unb immer wieber fo lebhaft in’S 
Gebädjtniß unb bor bie Seele brängte, baß id) fd)ließ= 
lieh nicht mehr wiberftehen fonnte, fonbern feiner brin* 
genben SRahnung nach langer, langer $e\t zum erften 
feale wieber gojge leiftete; baS war ber alte Spruch 
$falm 50,15: „Stufe mich an in ber Stoth, fo will id) 
bich erretten, unb bu foUft mich greifen/* 


^uch wollte id) eigentlich nicht gebermann wiffen 
laffen, baß ich am nächften borgen meinen armen 
föänben ihr SooS nod) ’malzu linberit fud)te, inbem 
id) aus meinem Koffer em $aar Glacehanbfcbuhehcr- 
borfud)te, bie „braußen" als Sdjup gegen Sonnen« 
branb gebient batten, um fie jept baS jpaferbinben zu 
lehren. Dod) fchon um Mittag hingen fie als Jepen 
an ben öänben. 5Jd) warf fie fort unb griff energifd), 
allen Schmerz berbeißenb, in bie Garben ein, unb pht s 
lofoppirte über—G e w o h n h e i t: „3Sirft bu baS je 
gewohnt werben, wie ber Älte fagtV Dann muß bie 
Gewohnheit ©unber Wirten tonnen/' 

Unb fie hat SSunber gewirtt. Der ,9llte" (oerzeih' 
mir, mein lieber trüber, biefenburfd)ifojen9luSbrucf, 
’S ift nicht bös gemeint) hat Siecht befommen. Stach 
wenig s JÜtonaten war bicfeS gell fammt Schwielen in 
ben £>änben; id) war bie Slroeit gewohnt, war bie 
SebenSweife gewohnt, war bie Seute gewohnt 
unb war ein regelrechter garmer unb hatte oiel ge= 
lernt. 

3a, ich würbe noch biel mehr gewohnt. Soz- 
S3. baS Kirchlein, in welches ich am nächften Sonntag 
mit meinen ^auSgenoffen ging, unb in welchem mir 
Anfangs SlüeS fo armfelig unb ungewohnt erfdjien, 
mitfammt ben SSrebigcrn, bie bort ohne Dalar unb 
S3äffd)en ihres Slmtes warteten, unb Anfangs meine 
St)mpatl)te gar nicht recht genoffen; id) würbe SlfleS 
gewohnt. Septere gewannen fopar berart mein 93er= 
trauen, baß idj mich bon ihnen fuhren ließ, wohin fie 
mich führen wollten —nämlich iu Ghetto. ^>ab’ ba« 
her fchon oft gebad)t: ,,Söem Gott will rechte Gunft 
erweifen, ben fdjicft er in bie weite 5Belt." 

DaS ift meine Gefd)ichte, unb baS finbbie Umftänbe, 
bie mir auf ben begriff „Gewohnheit" etwas Sicht 
werfen. Seither habe ich über biefeSSBort öfters ein 
wenig nad)gebad)t unb bin zu ber Ginficht gefommen, 
baß tn ber Gewohnheit eine große Stacht unb ein 
großer Segen liegt. 

I. 

3hre Sftadjt behnt bie Gewohnheit über jeben 
Sftenfchen aus. Schon in feinem zorteften $inbeS* 
alter fdjlägt fie ihn in feine geffeln. SBer baS be« 
zweifeln wollte, ber beobachte etnmal bie 93abpwelt. 
3ft cS nicht Dhatfadje, baß oiele auS ihr j. 58. ftetS 
auf ber rechten, anbere bagegen nur auf ber linfen 
Seite liegen woüen; baß SSiele fchlafen beim größten 
Särm, waprenb Slnbere bie tieffte Stille forbem; baß 
ein großer Dpeil ber ftinberwelt nur einfchlafen will, 
lauft gefchaufelt in einer SBiege, wäljrenb Slnbere baS 
Slngenebme, refpectioe Unangenehme eines foldjen 
SchautelinftrumenteS nie fennen lernen? 

feaS hat biefe fleinen Weltbürger fdjon fo anfpruchS^ 
ooU gemacht? Die Gewohnheit pat’S gethan* Die 
Gewohnheit ferner lehrt bie ^inber Weber einfchlafen 
nod) ben GßlÖffel ergreifen, ohne öorher ihre ^änb« 
d)en gefaltet unb gebetet z« h a &en; Weber etwas Der« 
langen noch empfangen, ohne barum zu bitten unb 
bafur zu banfen. Die Gewohnheit madjt fie gehör* 
fam unb ungehorfam. 

Welche anbere 2Jtod)t ferner als bie Gewohnheit 
fönnte manchem {leinen §eißipom bie Schule wohl 
erträglich ober gar lieb machen? Wie proteftirt er 
juerft gegen ben Sdjulbefud). Wie wehmütig wirb 
ihm z» SJcuthe, wenn er auf ben Sdjulbänfen feiner 
fleineren, glücklicheren Gefchwifter baheim ober im 
freien gebenft, ober wenn ü)r heiterer Qubel gar zum 
Sdjulfenfter herein an fein Ohr fdjlägt. Weber 
greunblichteit noch ©trenge beS SehrerS oermag ihn 
bie geraubte Freiheit Oergeffen machen. Doch balb 


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514 


|Had|t unb SStgen brr Setttol|nI)tii 


ift er gelähmt unb gctröftct—burch bie ©ewohnheit. 
3)ie ©ewohnpeit macht feine ginger gefäidt unb lehrt 
ihn baS Schreiben; fie übt fein ©ebädjtniß unb bilbet in 
erjietjerifcfyer Teife feine «Sitten. Sie lehrt ihn ein 
fmnbroerf ober ©efdjäft. Sie arbeitet an ber Gilbung 
feinet ©harafterS. kur#, fie trägt diel ba#u bei, aus 
bem Ntenfchen baS #u machen, waS er toirb. 

gn ben aflergeringfügigften Gingen unb Verrich¬ 
tungen unfereS ßebenS jucht fie ihr Tort mit#ureben. 
Achten wir #. V. auf unfere Vorliebe für manche Stei¬ 
fen. Tie hat fie unS ba in ihrer ©ematt! „Tat be 
Vur nich fennt, bat ett hei nicp," fagt Dag Sprichwort, 
unb in ber Xhat natjm’S unS lange 3 ^ unS an 
manche ©erichte #u gewöhnen. Unb — jchmedt’S an 
SNutter’S Xifd) nicht immer noch am beften ? 

2aS ba neultch ein Heines ©ejdjichtchen, baS idb hier 
als Veleg bafür #um Veften geben will. — ©in Sftann 
beirgtbete biejweite grau; biefe föchte ihm alles nach 
Tunfdb, nur ©rüpe fonnte fie ihm nie #u Xanf berei* 
ten. .gebeS 9Nal, wenn btefe Speife auf ben Xifdj 
fam, feufate er: „Tenn ich bo<h einmal wieber folche 
©rüpe befäme, wie meine felige grau gelocht hat." 
XaS oerbroß bie gute Hausfrau fehr; fie braute alle 
Variationen an, bereu eine rechtfdjaffene ©rüpe fähig 
ift, aber bie klage blieb biefelbe. ©mft, als fie wie¬ 
ber einmal einen neuen Verfuch machte, würbe fie 
ootn Äochen äbaerufen, unb als fie jurücf fam, war 
bie ©rüge angebrannt. Qaghaft fepte fie baS ©erid)t 
auf ben Xifch. XeS NtanneS s <ßngeftcht aber oerflärte 
fich, unb er rief frcubig auS: ,,©nb lieh einmal folche 
©rüpe, Wie meine felige grau immer gelocht hat!" 

Xodj weiter. Um bie Vtacht ber ©ewohnheit noch 
ferner #u oerfolgen, machen wir eine Meine Veobadj* 
tumjStour burch oerfchiebene ©riftenjfphäreit. 

Xritt mit mir ein in einen fürftlichen ober tönig- 
liehen Valaft. 3Nan wirb überrafcht oon bem, was 
baS 9luge fieht. Xaufenb Hänbe waren tljätig, H'unft 
unb Tijfenfchaft wirften aufammen, um eine herrliche 
menfchltche 9Ftefiben^ #u fdjaffen. ©S ift gelungen. 
Xie Wiener laufen ab unb ju. Xie 0rbonan#en unb 
Türbenträger empfangen ihre9lubien#en. gebe Ve- 
arüßitng, jebe Unterhaltung, ja iebe Vewegung ge- 
fchieht nach ben genauen Vorfchriften ber ©tiquette. 
SlfleS fteif unb formell, könnteftbu bid) wohl fühlen, 
bu kinb beS SanbeS, in ber Stellung, tn ber Umge¬ 
bung, in bem Nod jo hoher Verfönitd)feiten? Nim¬ 
mermehr! Tir würben uns halb fehnen nach unfern 
Vergen, nach unferer greiheit, nach ber behaglichen 
Nuhe unfereS traulichen §eimS. — Xodj jene hohen 
Herren finb gan# jufrieben mit ihrem SooS. Xie ©e- 
wohnheit hat fie gefault. 

Unb fönnten wir aus folgernJßalaft uns oerfepen 
laffen in bie Urwälber unfereS TeftenS unb fönnten 
eintreten in eine jener hiftorifdjen Vlodpütten, bie in 
ihrem einzigen 3immer eine große gamilie nebft al¬ 
lerlei oierfüßigem ©ethier beherbergen, beren SNöbel, 
auS klöpen unb behauenen Vaumftammen beftehenb, 
fo gar primitio finb, beren Tänbe unb Xede Som¬ 
mer unb Tinter einen freien SluSblid #um §immel 
geftatten, beren Speifefammer jahraus unb jahrein 
laum etwas 9litbereS #u fehen befommt als Tilb, 
gifepe unb grobgefchroteneS Telfchfornmehl, unb 
würben bie Vewohnerfoldjer Hütten mitleibig fragen, 
was ihnen eine fo armfelige ©£iften* benn eigentlich 
erträglich mache, fo würben wir ber Antwort entneh 3 
men: @S ift bie ©emohnheit. 3a, bie ©eroopnheit 
ift felbft für folche Jütten bie Xl)ür, burch welche 
©lüd unb gufriebenheit ihren ©in#ua halten. 

Tir treten mit einanber ein in bie Stubierftubc 
eines ©eiehrten. 9lße Tänbe finb mit Vüchern be- 
bedt. Vapierberge thürmen (ich in jeber ©de. Teich’ 


ein Tirrwar oon gelehrt auSfehenben gnftrumenten 
unb Separaten! Xide golianten finb auf bem Xifcpe 
aufgepäuft unb oerftecren faft ben ©eift biefeS Him¬ 
melreichs, ben ©elei)rten, ber in gebüater Stellung, 
bie VriUe auf ber Na je, feine greube baran hat f oon 
früh bis fpät bie fnarrenbe geber über oergtlbieS 
Vapier gleiten ju laffen. @r fieht Weber bie lachenbe 
Sonne noch ben blüpenben grübling burch ^aS gen- 
[ter, noch riecht er ben buftigen Vraten burch bit @ß- 
ftubenthür. Seine Sinne finb auf ©blereS gerichtet. 
2lber waS macht bem armen SNanne folch* ©ücher- 
wurmleben fo angenehm?—bie ©ewobnhcit. 

3Bo foU id) euch noch hinführen? Vielleicht in baS 
©abinet beS 3ahnar$teS N. N. ©r ift befannt als 
ein mohlwoUenber, jartfühlenber H err * Unb hoch 
waltet er hier in feinem Sanctum wie ein Unmenfch. 
kaltblütig geht er mit bem gammergefchrei feiner 
Vatienten um, als rnär’S ihm eine angenehme SNufif. 
$BaS ftumpft ihn fo gegen bie Sleußerungen menfeh- 
lichen Schmerzes ab?—bie ©ewohnheit. 

ÜBir weilen jept ein wenig an irgenb einer beliebi¬ 
gen Straßenede unferer ©roßftabt, bie ba faft ohne 
vluSnahme befept finb oon jenen traurigen ßofalen, 
bie wie ©itergejchnmre unfer VoUSleben oergiften 
2öaS finb baS für ©ejtalten, bie bort hineinwanfen 
unb heraustaumeln? @S finb SNenfchen, bie förper- 
lich unb geiftig bereits ruinirt finb burch ben Vefudj 
jener Safterhöhlen. $lber WaS ^ieht fie benn wieber 
unb immer wieber bort hinein trop taufenb Tarnun¬ 
gen, trop ber Xpränen ihrer Teiber unb kinber unb 
Oiefleicht trop ihrer eigenen beffern Ueber^eugung ?— 
©S ift bie Ntacht ber ©ewohnheit. 

$och biefe großeNta^t ber ©ewohnheit fließt 
auch einen großen Segen in fich- Tie baS $um 
Xheil fchon auS bem ©efagten erhellt, jo jeugt unfer 
tägliches Seben oon biefem Segen. 

Xie ©ewohnheit hat unfererArbeit, unferem Veruf 
baS Harte unb Schwere genommen unb uns gelehrt, 
2llteS mit einer gewiffen fieichtigfeit unb Suft äu thun; 
unb ift baS nicht ein Segen ? —Sollte ich j- v. jeben 
Sonntag jwei 9Nal mit einem folchen 3 l ltern unb 
3agen, mit einer folchen gurdjt, fteden ju bleiben, 
auf bie kanjel gehen, wie baS baS erftc 8Nal ber gau 
war, fo hätte ich entweber baS V^higen fchon längft 
aufgeben muffen, ober ich hätte mich nach gerabe tränt 
geängftigt. 3lber bie ©ewohnheit war fo freunblich, 
mir biefe Slngft ju nehmen. So ift’S in jebem Veruf. 

Täre ber ©elehrte, überhaupt ber fdjreibenbe unb 
geiftig arbeitenbeVtenfch feine fiebenSweife, baS Sipen 
:c., ntept gewöhnt, fo hätten wir feine Tiffenfdjaft. 
Täre ber Är^t nicht bie Seiben ber SNenfchheitgewohnt, 
wir hätten feine ruhige, fidjere Helf^Shanb. ©inge ber 
3ahnant nicht fo faltblütig mit feiner 3°nge unb mit 
bem ©efchrei ber Vatienten um, eS würben noch meh r 
3ähne abgebrochen, bie eigentlich heraus follten. Unb 
würbe ber Arbeiter fich* nicht an feine Arbeit gewöh* 
nen tonnen, fein SooS wäre ein unerträgliches. 

Xoch ber oolle ©rnft, bie ganje Xiefe beS SegenS 
ber ©ewohnheit, ober befjer ber ©ewöhnung fommt 
erft bann jur ©eltung, wenn wir ihr ßi<ht auf unfern 
kummer unb Schmer^ faßen laffen. 

Tie herbe wüthet berSchmer^ Anfangs, wie blutet 
bie frifd) gefdjlagene Tunbe. ©r jeheint fein Opfer 
nieberbrüden, eS aflmählig Oerjehren $u woßen. Xoh 
bie 3eit gewöhnt an Schmer# unb kummer. Xie 
Tunbe oernarbt. Tohl oergißt man bie uns ©nt- 
riffenen nie, wohl #iebt eine ftifle Xrauer auch hei fpä- 
terer ©rinnerung an fie burch nnfer ©emütb, aber ipr 
ift baS Herbe, baS Vittere genommen. Tohl weiß 
icb ferner, baß ©ott eS ift, ber unfern kummer ftiflt. 


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Saufen) Snfrln im #oren)Hroui. 


515 


Doch ift niept bie ©ewöpnung mit ein 9J!ittel, woburcp 
er e3 tput? 

Unb womit foflteer, ber liebreiche ©ott, bie tröften, 
bie nicht an ihn glauben, bei benen baher ber Droft 
be$ ©oangeltumS nicht haftet? Säßt er fie ohne Sin* 
berung? 0 nein! Die ©ewöpnung tft bei ihnen baS 
fegenSreicpe Ducp, mit welchem ©ott ihre ipränen 
trocfnet. 

gaft mehr noch als baS männliche fcheint mir baS 
weibliche ©efchlecht oft ben füllen, reichen Segen ber 
©ewöhnung erfahren zu bürfen. ©S tft eine traurige 
ÜBahrljeit, baß baS erhoffte ©lud oon unzähligen 
weiblichen fßerfonen nicht oerwirHicpt wirb. Dau* 
fenbe unb aber Daufenbe treten jährlich an ben Drau* 
altar, oertrauenSooll ihre $anb bem ©rwäplten ge* 
benb, befeelt oon ben fünften, berechtigften §offnun* 
gen. Doch fie hatten fich getäufdjt in ihrer s 4Sapl. 
Sticht gar lange, fo fommt ber ©atte eines SlbenfcS 
heim in beraufcptem 3uftanbe. Die erften SBermutpS* 
tropfen fallen tn ihren ©lüdSbecher, aber nicht bie 
lepten. 3[ eöer anbere Siaufcp beS ©atten tropft neue 
hinein. Die ^erzen entfremben fich- Slrmutp unb 
©lenb ziehen etn. Droftlofigfeit unb baS ©efühl ber 
tiefften Unglüdfeligfeit bemächtigen fich beS armen 
SBeibeS. SSaS ift eS aber, baS fie im Saufe ber $eit 
noch ^urücf^ölt bom Scplunbe ber Verzweigung? 
©S ift ©otteS $anb. Slber er thut eS, ~ wenigftenS 
bei Denen, bie ihn noch nicht näher fennen, burcp ein 
unftchtbareS Vänbcpen, burch ben „Segen ber ©e* 
wohnpeit." 

3 pren ©egen gewährt bie ©ewopnheit bem Änaben 
unb güngling in feinem Streben nach popen nitb er* 
pabenen fielen, „gung gewohnt, alt getpan." Qft 
er frupe gewöhnt an gleiß, an ©intpeilung ber 3eit, 
an ftete (Öebantentpätigfeit, an ©hrlicpfeit unb ©c* 
Wiffenpaftigfeit, an Dreue unb SBaprpuftigfeit, an 
Sittfamteit, Vefdjeibenpeit unb aJZäßigfeit, welch’ ein 
Segen baS für ihn! Unbepinbert fann er fiep bann 
feiner großen Arbeit pingeben; feine ftänbe finb frei 
unb ungebunben, ja fie ftnb geftüpt unb geftäplt burcp 
ben Segen folcp’ ebler ©ewopupeiten; unb wie im 
freien gluge ber Wbler ber leucptenben Sonne, |o 
mag er feinem popen, ipm entgegenftrapleuben 
Zuftreben. 

Docp ein ©ebiet gibf eS, auf bem bie ©emopnpeit 
nicht zu fiaufe ift, etnen Äampf, eine Arbeit, worin fie 
unfere £>anbe niept ju üben, einen Sauf, wozu fie un* 
fere güße niept zu ftäplen oermag. DaS ift baS ©e* 
biet beS wapren ©priftentpumS; baS ift ber ftampf 


wiber bie Sünbe unb alle geinbe unferer Seele; baS 
ift bie Arbeit am eigenen Kerzen unb im Söeinberge 
unfereS ©otteS; baS ift ber Sauf nach bem oorgefted* 
ten 3tele, naep bem pimmlifipen fletnob. . 

Dtefe getfiltcpen Dpätigfeiten lernen wir nie ge* 
wopnpeitSmäßig oerricpten. Sieerforbem bie gleiche 
Sorgfalt, bie gleiche Söacpfamfeit oon ber erften 
Stunbe unfereS ©priftentpumS bis zur lepten. ©in 
2J?enjcp, ber ein unb biefelbe Arbeit 20, 30 ober 
50 3apre getpan pat, er tput fie jepon meepanifep. 
©in anberer, ber ebenjo lange täglich benfelben SBeg 
gegangen wäre, er fänbeipn fepon im Schlafe, ©inem 
©priften aber gilt bie 9Jtapnung beS §errn bis zum 
lepten Momente feiner ©rbenWaüfaprt, bie bie jün¬ 
ger in ©etpfemane erhielten; unb biefelbe lautet: 
„3S«d)et!" unb eine anbere SJtapnung: „Sßer ba fte* 
pet, ber febe wopl kü, baß er niept falle." Diefe 
pöcpfte, biefe ebelfte Dpätigfcit beS SJtenfcpen allein 
entziept fiep bem ©ewopnpettSmäßtgen. Sie erfor* 
bert unjere üolle $raft unb ©nergie. 

$ann man nun wopl ben Segen berechnen, ber bar* 
aus entfpringt, wenn auch für biejett unfern erften 
unb pöcpften, für biefen gciftlicpen Veruf unfere £>änbe 
ungebunoen finb, b. p. wenn wir frei finb oon allen 
Saftern unb Übeln ©ewopupeiten? f>aben wir’S boep 
fepon oft bemerft, wie bie alten fcplecpten ©ewopn* 
peiten, wie bie früpere Unmäßigteit, ber Seicptfinn 
ober bie Unfittlicpfcit fepon manchem Säufer nach bem 
ptmmlifcpen ft’leinob wie Stepe auf feinem Söege wa* 
ren, in bie fein guß fiep täglich zu oerwideln bropte. 
©roß bagegen ift bie ftülfe für ipn, wenn er fepon 
oon geper gewopnt war an’S ©ebet, an ben fttrepen* 
befuep, an eine religiöfe Den!* unb foanblungSweife 
u. f. w. Solche ebeln ©ewopnpeitcn fmb wie freunb* 
licpc ftänbe, bie ipm manchen Stein beS SlnftoßeS aus 
bem $Bege werfen. 

Scheint uuS biefer Umftanb nicht zuzurufen: „Siepe, 
achte auf betne ©ewopupeiten!?" gawopl! Singe* 
ficptS unferer oielen irbifchen Slufgabeit unb Vflicpten, 
SlngeficptS unfereS zeitlichen ©lüdeS unb Söoplerge* 
penS, SlngeficptS beS ©lüdeS ber tpeuren ^erfonen, 
bereu Seben oielleicpt mit bem unfrigen zufammen* 
getnüpft fein unb werben mag, SlngeficptS ferner un* 
fereS geiftlicpen Veruf eS, unferer pimmlifcpen Aufgabe: 
©ott unfere ^er^en zu heiligen unb ipn zu oerperr* 
licpen, ja SlngeftcptS unferer ewigen Seligteit laffet 
unS aepten auf unfere ©ewopnpeiten,—laffet unS bar* 
auf jepen, baß bie TOadpt ber©ewopnpeit für unS fiep 
wanble zum — Segen. 




fauffttb Infelii im St. forenjltrom. 

Sur $au0 unb $erb hon 9C. glammauu. 


ftuf ber ganzen Erbe gibt eS Slicpts, welcpeS 
W ber erhabenen ©cpönpeit ber „Daufenb ' 
^nfeln" gleicpfäme/' fagte ber burep feine | 
Borlefungen fo Woplbefannte Stebner unb gor= -j 
f^r, Qofeph © 00 !, unlängft, naepbem er gerabe I 
üon einer SReife um bie SBeit zurüdgefeprt war. j 
Unb ein Stnberer, ber oiel gereift ift, fepreibt 
üon ben „Daufenb : „SZacpbem icp ben 1 


0cean oerfepiebene SDtale burepfreuzt pabe, ift 
Suropa mit feinen ©een unb griffen, Sergen 
unb Xpälern mir fepr befamtt geworben. Slber 
naep 3 a P^ langem Steifen in unferm eigenen 
Sanbe, wie in anbern Säubern ber @rbe, nadp- 
bem icp ipre fßraept unb $errlicpfeit gefepen, 
pabe icp SZicptS gefunben, WelcpeS bie t)oll!om= 
mene ©cpönpeit ber „Daufenb Unfein" über= 


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516 


Saufenb Snfrln im St. fotenjftarm. 


trifft. SBeber Sugern noch Sugano fann fich 
Dergleichen mit biefer lieblichen ©ruppe non 
fiebenjel)n Saufenb Unfein, melche mie ©bei- 
fteine auf bem Sufen biefeS crpftallt)eden 2 Baf= 
fers glänzen/' 

„2Bo finb beim bic 'Saufenb Unfein'?" h^e 
ich einen meiner Sefer fragen. 

Sun, fie finb gar nicht meit non uns entfernt. 
Sicht in einem anbern SSelttheile, fo baß man 
eine foftfpielige, lange Steife 311 SSaffer unb $u 
2 anb, mit mancherlei ©efdjmerben Derbunben, 
machen müßte, um bahin 5U gelangen, Sie ge* 
hören pm Ibeil $u unferm eigenen Sanbe. 
Unb meil fo ©iele, bie ©rholung bebiirfen unb 
fuchen, nicht über bic Stittel ober bie $eit $u 
oerfügen haben, meite, überfecifd)t Steifen gu 


fonbern auch ein f e h r eigenthümlidjer ©trom. 
Ueber 2000 Steilen lang, hat er einen gad non 
burchf(hnittlidj mehr als fechS per Sieile, 
maS bie Schifffahrt auf einzelnen ©trecfen beS 
©tromeS fepr erfdjmert, ja $um 2heil gan$ un¬ 
möglich macht. ®a ift $unt ©eifpiel bie ©trecfe 
jmifchen bem ©rie* unb Ontario * ©ee, mo er 
unter bem Samen Siagara gluß befannt ift, 
unb mo er auf einer Sänge non 35 Steilen einen 
Sali non 350 guß, alfo burchfchnittlich gerabe 
10 guß per Steile hat. Sicht mcit non feinem 
©influffe in ben Ontario ©ee bilbet ber Strom 
auf biefer ©trecfe bie roeltbefannten Siagara* 
gäde, mofelbft er mit einem Stal etma 150 guß 
unter großem ©etöfe in bie jähe Siefe hinab* 
ftürjt. 



©ine ^nfclgruppe im ©t. fiorenj. 


machen, fo mögen fie eS einrichten tönneu, mie 
nach anbern ©rhoiungSpläpen, fo auch einmal 
eine Seife nach ben „ilaufenb Unfein" 311 ma* 
chen. 21 uch hier finbet baS SBort 21 ntoenbung: 
„SBarum in ber gerne fdjmeifen, 

SSÖenn baS GJutc liegt fo nat)!" 

$och oben an ber norböftlidjen ©renje ber 
©ereinigten Staaten bilbet für eine lange ©trecfe 
ber große ©t. Sorenjftrom bie ©cheibelinie gtoi= 
fd)cn uuferem Sanbe unb ben brittifcpen ©e* 
fifcuugcn. ©ntfpringenb im nörblichen Sheile 
beS ©taateS Stinnefota, nimmt er feinen Sauf 
unter ocrfchiebenen Samen unb Derbinbet unferc 
berühmten großen ^ulanbfeen ©uperior, $uron, 
©rie unb Ontario mit einanber. 

Sicht allein ift ber ©t. Sorenj ein großer, 


Qn feinem oberen Saufe ift ber ©t. Soreng* 
ftrom an manchen Steden Diele Steilen breit, 
toäf)renb meiter unten, unb befonberS nahe fei¬ 
ner Stünbung in bie @t. Sorenfl ©ai, baS 
Strombett manchmal fehr eng unb fd)mal ift. 
©beitfadS ift auch bie Siefe beS Stromes fehr 
unregelmäßig unb Derfdjieben. 

©erabe ba, mo er aus bem Ontario ©ee Ijer* 
auStritt unb Don mo aus er bann unter bem be* 
ftimmten Samen ©t. Sorengftrom bem Dcean 
entgegenfließt, gerabc ba befinben fid) bie „lau* 
fcub Qnfelu/' 

51 tt biefer ©tede ift ber ©t. Sorenj etma ^elpt 
Steilen breit; unb biefe fchöne jgnfelgruppe er* 
ftredt fid) über biefe gan^e ©reite üom amerifa* 
nifchen bis 511m canabifdjen Ufer, bis $u einer 


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J 











Saufend Snfrln im St. foren;fhrom, 


517 



gntfernung bon 
über bier$ig ÜReilen 
ftromabroärtä. 

©Smujjbonborn- 
herein berftanben 
werben, bafj bie 
3 ahl biefer gnfelit 
fich feineäwegä auf 
eintaufenb be- 
fdjränfi, unb baft 
ber Stame „Sau- 
fenb Unfein" nur 
ein unbeftimmter 
Segriff ift. St)at- 
fädjtidje ^ö^Iung 
hat ergeben, baf$ 
fich im Sanken auf 
biefer ©trecfe 1692 
grofje unb Heine 
3 nfeln befinben. 

Stirgenbä bietet 
bie Statur eine grö- 
&ere SDtannigfaltig- 
feit unb erhabenere 
Schönheit al£ in 
biefem fiabprinthe 

bon Sanb unb SBaffcr, Reifen unb Säumen, 
©ebüfch unb Slumen. Ser erholungfuchcnbe, 
mübe Stabiler finbet h^r SHuhe ©enufj in 
ber 3urücfgejogenheit bon bem Särm unb Sret- 
ben beä Seben'd. Sem Semunberer ber großen 


8anbunflS*»fa& am 


Xaufenb 3nK!n»3sarf 


2)er 3rtfel * ®ee. 

Söerfe ©otteö in ber Statur jeigt fich h icr eine 
folche güüe unb SOtannigfaltigfeit, baft er Sßo- 
chen unb ©tonate lang fich baran erbauen unb 
ergäben fann. 

Natürlich finb biefe Snjeln fehr berfchieben. 

^ier gibt e£ grofte 
^nfeln unb fleine 
^nfelchen aller Slrt 
unb gorm. ©in^elne 
haben einen ©teilen 
weiten Jföchenraum, 
anbere bagegeu fiitb 
nur wenige gujjgrofj. 
©tanclje geigen ben 
herrlidhften Saum- 
unb ^flau^euwuch^, 
währenb anbere ihre 
gan$ naeften unb faf) 5 
len Sföpfe aus ber 
großen SBaffermaffc 
herborftreefen. Sie 
Oberfläche bielerber- 
felben befteht aus 
©attb ober 6rbe, 
währenb biele wie- 
bentm nur eine mehr 
ober minber fefte 
gelSformation bil- 
ben. Slber gerabe 
biefe SDtannigfaltig¬ 
feit unb Serfdjieben- 


O 

























































518 


Saufenb Bnfrln im SL Jotenjfhrotn. 


heit ift eS, bie uns immer auf’8 9teue feffelt unb 
intereffirt, wäßrenb wir auf ben weiten unb 
fcßmalen SBafferftraßen gwifcßen ben Unfein 
baßinfaßren unb gelegentlich einer ober ber an» 
bern berfelben einen furgen Sefucß abftatten. 

3 Jtit Siecht hat man oft bie Haufenb gnfeln 
„baS Senebig SImerifa’S" genannt. 0ßne 
Soot geht eS nicht. ©eWößnlicß ift bie ©ntfer» 
nung gu weit ober baS SBaffer ift gu tief, als 
baß man oon einer Qnfel gur anbern gelangen 
fönnte, oßne ein ©cßiff gu benu|en. Unb gaßr» 
geuge aller SIrt gibt eS ja bie SJtenge. 

§ier finb bie großen ®ampffcßiffe, welche 
regelmäßige gaßrten machen oom SanbungS» 
plaße am Ufer nadj üerfdjiebenen ^nfeln. 
finb auf 3 Sequemfte eingerichtet unb haben ge» 


nügenb Staunt für mehrere ©affagiere. ®ort 
Wieberum liegen niebliche Heine pachten, bie 
tßeilS Ißriüatperfonen gehören, tßeilS für einen 
mäßigen ©reis gu oermietßcn finb. Unb brü» 
ben finb allerlei ©egel» unb SRuberboote bis gum 
leichten Sanoe herab. 

$a eS ftellenweife in (folge ber ©tromfdjnel» 
len, Klippen unb ©anbbänfe für ben in biefen 
SBafferftraßen Unlunbigen gefährlich ift, fo en» 
gagirt man beffer einen SJtann, ber mit geübter 
§anb un§ fidjer oon einem fßla|c jum anbern 
fährt. Sludj ift ©efaßr ba, baß, wenn wir nicht 
genau belannt finb mit ber ©egenb, wir uns 
oon unferer ©ntgücfung ßinreißen taffen, bis 
wir fo weit in biefe gnfelwelt uns hinein oer» 


irrt haben, baß Wir ben rechten SBeg nicht mehr 
finben fönnen. 

SBer fich mit gifcßfang Oergnügen Will, ber 
hat hier bie befte (Gelegenheit, ©elbft ber 9t eu 
ling im gifcßen wirb nicht gang erfolglos einen 
Serfudj machen. $ier gibt’S große unb Heine 
gifdje aller Slrt. SDtan muß natürlich bie fßläfee 
fucßen unb bie oerfcßiebenen ÜJtetßoben beS gi» 
fcßenS fennen, um eine recht große Seute heim» 
gubringen. 

SSon größtem gntereffe ift eS für ben Statur» 
forfcßer, wahrguneßmen, wie im SBaffer unb auf 
bem ©runbe überall Seben ficß geigt, fowoßi 
animalifcßeS wie oegetabilifdjeS Seben. ®aS 
SBaffer ift crt)ftanßell unb burchficßtig, fo baß 
wir oon unfernt Soote aus beobachten fönnen, 
wie bort unten in ber 
liefe SlUeS lebt uiib 
webt. 

Ober gießen wir 
oor, an einer gnfel 
angulegen unb in bem 
Scßntten ber Säume 
unS niebergufeßen? 
SBetcße ©tiHe hier 
überall um unS her! 
SBelcß’ ßerrlicße ©e» 
legenßeit bietet fuß 
unS, Setrachtungen 
angufteöen über bie 
©röße, SBeiSßeit unb 
Siebe beS ©cßöpferS 
aller Singe! SBie 
Wirb unfer ^>erg un» 
wiHfürlidj ßimmelan 
gegogen! Unb biefe 
fräftigenbe, frifcße 
Suft, bie wir einatß» 
men! Siefer balfa» 
mifcße Suft, ber uns- 
überall entgegen» 
meßt! Sa oergeßen 
bie Sage nur gu fcßnett, fo baß wir eS faft be» 
bauern, wenn wir uns wieber trennen müffen 
oon biefem lieblichen, ftillen fßlafce. 

Sein SBunber, baß biefe wilb»romantifcße 
©egenb mit ißren herrlichen gagbgrünben unb 
ißren fifcßreicßen ©ewäffern oon ben Ureinwoß» 
nem unfereS SanbeS fo gefcßäßt würbe, baß fie 
biefelbe ben „©arten beS großen ©eifteS" nann» 
ten, unb baß fie ficß nur nach oergweifelten 
Sümpfen mit ben eingewanberten SBeißen oon 
biefer lieblichen ©egenb trennen fonnten. 

Obgleich biefer Sßeil beS @t. Soreng fcßon 
oor meßr als 350 gaßren entbedt würbe, fo 
oergingen bocß oiele §aßre, bis bie SBeißen ftd» 
in biefer ©egenb anfiebelten. Stoch oiel länger 



Slnfidjt boit ber Sjriebridj * 3nfel. 


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Saufenb 3nfeln int St. forenjftrom. 


519 


bauerte eS bis 
man bie 9tatur= 
fdjönheiten biefer 
3 nfelgruppe 
red)t f djäfcen 
lernte unb ®e= 
brauch b a ö o n 
machte. 3 ftand)e 
ber ^nfeln finb 
jefct bebaut unb 
mährenb ber 
Sommermonate 
bemohnt. Sßiete 
berfelben, mit 
ben barauf er* 
richteten prädjti* 
gen SßiHaS, aus* 
geftattet mit al* 
tem Üui'uä unb 
allen Sequent* 
lidjteiten, finb 
ba§ ©igentljum f 
berSteidjen. 2ln* J 
bere !JnfeIn finb § 
oon ©efellfchaf* § 
ten ermorben, £ 
melche burch ben @ 

Setrieb non $0» § 
tels ober burch £ 
ben Serfauf oon Ir 
Sauplätjen fidh ~ 
baburch b e r e i* 
ehern. 

5 )ocf) ift eS, 

©ott fei ®anf, 
nicht allein teib= 
liehe @rf)otung, 
bie ben hier mei* 
lenben ®efudjent 
geboten mirb. 

Einige 3meige 
ber chriftlidjen 
fi“ir<he benufcen 
fchon feit länge* 
reu fahren bie 
Sortheile, bie 
biefe ©egenb bie* 
tet, um auch h* er 
für ben fperrtt ju 
toirfen. Unter 
biefen nimmt ge* 
genmärtig b i e 
„Saufenb Qnfeln * SagerPerfammlungS = ©efeH* 
fchaft" ben erften ®la§ ein. $er ißlaj}, befannt 
als „Xaufenb 3(nfeln*®ar!," ift gelegen auf SBellS 
3 nfel, einer ber grö|ten unb fdjönften Unfein 
biefer ©ruppe. 



£>ier toerben »ährenb ber Sommermonate 
religiöfe SSerfammlungen aller 91 rt gehalten. 
Sonntagfchul- unb SJtäfjigfeitS * ©onoentionen, 
»iffenfchaftliche Serfammlungen unb SagerPer* 
fammlungen medjfeln mit einanber ab. $ie 


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520 


Pie beutfdje Spradje unb bit Ptformation. 


©efeUfcfiaft ftet)t in Sßerbittbung mit bet 3DletI)o= 
biftenfirdje. ®cr ißat! umfafjt ootle taujenb 
Steter Sanb. Siele fcfjöne ©ebäube für ben a ü- 
gemeinen ©ebroudj fowof)! ald aucfj Diele grö= 
|ere unb Heinere ißriDatwoljnungen finb errietet 
Worben. 

3ebed ^aljr benüjjen öiele 2aufcnbe ber ©lie¬ 
ber ber ^irdje unb Slubere biefe fdjöne ©elegen- 
l>eit, tjier leiblidj unb geiftlid) erquicft unb ge» 
ftärft ju Werben. 

Unb wir freuen und, bafj foldE) liebliche ißlätjc 
auf ©rben in Slnfprud) genommen Werben Don 
ber Sirene ßfjrifti jur Setreibung bed Sßerted 
©otted, fo bafs man oon ifjnen mit Siecht unb in 
SSa^rbeit erfahren unb fagen fann: „SSie fjeilig 
ift biefe ©tätte! §icr ift nicjjtd Slnbered, benn 
©otted §aud unb l)ier ift bie Pforte bed £im= 
meid!" 


Pie ftrulftye Sprodje unb bie $e= 
fortnation. 

gffir ftanS nnP $erb non Xljeobor Obinga. 

C. eit ber ©infübrung beS E^riftent^umö batte 
(0 bie beutfdje Sprache manche SBanblung 
burdjlebt; bie miebtigfte biefer SBanblungen 
ift ber Uebergang beS Slltbeutfdjen in baS 9Rit* 
telbeutfdje. Unter Sefcterem haben mir aber 
nicht etma eine grofte, baS gan^e Seutfdjtanb 
umfaffenbe ©chriftfpradje $u oerfteben; burefc 
aus nidE)t, mir unterfefjeiben auch ^ier mittet 
bodjbeutfcb unb mittetnieberbeutfdj, mit ihren 
oerfebiebenen bialeftifdjen fflbftitfungen. greilidj 
faßt man bie großen ©ruppen ber 2Rinnefänger, 
mie Leinmar, SBaltber non ber ©ogelmeibe, 
SRitbart, Sannbäufer unb ber ©pifer, mie ©ott* 
frieb non Strasburg, Sßolfram non ©feben* 
badj, ^artmann non 21ue k., als mittelbod)* 
beutfehe Sichter aufammen, inbeffen febreibt boeb 
jeher in feinem Sialeft, er gebraucht bie feinem 
SolfSftamm eigentümlichen SBenbungcn unb 
Lebensarten. Sie 3eit ber genannten Siebter, 
ca. 1100—1250 nad) ©brifto, fönnen mir als 
bie ©lütbe^eit mittelalterlicher ^ßoefie unb Siebt 
funft bezeichnen; nach 1250 tritt eine 2lrt ©er* 
faß ein, baS ßpigonentbum beginnt feine $err= 
febaft. SaS einfate unb natürliche — unb 
eben barum fdjöne — ber SRinnefänger mirb 
oon biefen noch %u übertreffen gefuebt; ba fie 
feine neue SBeifcit finben fönnen, mobein fie an 
ben alten herum unb ihre Sichtungen merben 
gefünftelt unb baber gefdjntadloS unb unfebön. 
SaS oolfsliebmäfcige, bafe immer baS Sdjönfte 
ift, fdjminbet. — 


3 u gleicher 3eit fangen bie ©ürger an, fub 
mit ber Sid)tfunft $u befebäftigen, unb bie {Ritter 
unb ©eiftlicben, bie bis baber faft auSfdjtie&lidj 
biebteten, zu oerbrängen, überaß, in ganz 
Seutfcblanb, entfteben bie Schulen ber 3Rei* 
fterfinger, bereu befanntefter Vertreter $anS 
©adjS ift. — 

9Rit ben SReifterfingem nähern mir uns bent 
21uSgange beS 15. jgabrbunbertS unb höben hier 
eine Semegung zu betrachten, bie als befonbere 
görberin ber beutfdben Sprache zu betrachten 
ift: ben Humanismus, ©iele fprechen 
bem H um aniSmuS jegliche ©ebeutung für bie 
beutfehe Siteratur ab unb halten ihn fogar für 
antinational. SieS ift inbeffen feineSmegS ber 
gaß, im ©egentbeil berhilft er gerabe burch fein 
Hochhalten beSSateinifchen berbeutfehen Sprache 
gum Siege. So miberfpruchsooß biefer ©a& 
auch Hingen mag, er ift maljr. ©S ift fein 3^et 
fei, ba| Sutber bei ben Hwwaniften in bie Schule 
gegangen ift. — Sie beutfehen Humaniften tre^ 
ten oon Oomherein mit nationalen Slnfprüdjen 
auf unb bieS nationale Streben rief baS fdjein- 
bar antinationale heroor: eS mar baS Streben, 
baS Seutfdjtbum oom ©ormurfe beS ©arbaren= 
tbumS §u reinigen. Unb baS mar unferen @e= 
lehrten ber bamaligen 3eit nur baburdb möglich, 
bafi fie lateinifdj fd^rieben, ba fonft ihr Luf unb 
ihre SRühe umfonft gemefett märe. Sie mußten 
bie Sprache mählen, in ber bie gelehrte SBelt 
bamaliger 3 C ^ aug Q ß eit ^Rationen fich untere 
hielt, unb biefe Sprache mar baS Sateinifcbe. 
Hierin haben fie auch geleiftet, maS fie ju leiften 
oermochten, unb fie riefen eine grofce ©emegung 
heroor. ©iner ihrer bebeutenbften ©ertreter, 
ber befannte Ulrich Oon H u tten, eine SieblingS* 
geftalt beS beutfehen ©oueS, mar ber erfte ber 
Humaniften, ber in beutfd^er ©pradbe fchrieb. 
©r gab bie meiften feiner Schriften latehtifdj 
unb beutfeh heraus: lateinifeh für bie ©eiehrten, 
bie nicht beutfeh oerftanben; beutfeh für baS 
©olf, um eS über bie brennenben gragen ber 
3 eit auf^uflären. 

SBir betreten nun, nachbem mir furj bie ©or- 
länfe betrachtet haben, baS eigentliche ©ebiet 
unfereS Sh ema S unb betrachten bie beutfehe 
Sprache unb bie Leformation. 3 uer ft faffen 
mir bie oerfchiebenen glugfehriften Suther’S 
in’S 2tuge. 2tuch biefe finb bebeutenb für bie 
©ntmidelung ber Sprache: fie gelangten in oiel 
taufenb ©jemplaren unter baS ©olf, ebenfo mie 
fein SatedfjiSmuS unb feine ©ibel*©rflärungen. 
Sod) ocrfchminben aße biefe fleinen Schriften 
gan^ oor bem großen 9Reiftermerf Suther’S, 
feiner ©ibelüberfefcnng. 

©S ift eine burdjauS falfche — miemohl oiel 
üerbreitete — 21nficht, als ob Suther’S lieber* 


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% brid)tlid)heih 


521 


fefcuitg bic erfte mar: eS ejriftirten fdjon lange 
vor Cutter verriebene Ueberfefcungen einseiner 
Ifjeile, eine Ueberfe^ung beS 5)BfalterS, ber 
©Triften beS neuen XeftamenteS u. f. tu., aber 
alle biefe Ueberfejjungen enthielten nur X^eile 
ber ©ibel unb maren nicht im reinften ®eutf<h 
getrieben. ßuther’S Verbienft bei feiner ©i= 
beiüberfejjung für bie beutfche Sprache beruht 
vor MHem barauf, bafe fte in muftergültigem 
®eutfch gefd)rieben unb fämmtliche Xheile ber 
Vibel umfaßte. Suther hat bei feiner Ueber* 
fefcung bekanntlich bie fäd)fif<he ffan^leifprache 
gebraucht unb hi^ei hoch zugleich alle 2IuS* 
briide vermieben, bie für anbere VolfSftämme 
vielleicht ferner verftänblich maren. ®te gan$e 
©ibel erfdjien suerft 1534 unter beut 2itel: 
„Viblia, b. i. bie gaumte h e ^9 e ©grifft 
SJeubfch. SRartin ßuther SBittenberg, £>S. ßufft 
1534." in fedjS ©änben; — bann folgten SluS* 
gaben von 1535, 1536, 1539 unb 1540. — 
Unb feitbem erfdhien bie ©ibel in unjähligen 
Auflagen. 

©ebeutenb für bie Spraye ift ferner ßuther’S 
Ih^tigfeit für bie Schulen. Schon bie §uma* 
niften hatten eine Schul = fRefomt angebahnt, 
Suther griff thätig ein unb reformirte auch im 
©chulmefen grünblich. SamalS mar bie Sd^ul- 
pflege ganj mit bem religiöfen Seben verbun* 
ben; bie meiften Schulen lagen in ben £>änben 
von Xheologen. Suther forgte in Sachfen ba* 
für, baft foldhe Sehrerftellen mit gutgefdjulten, 
tüchtigen SKännem befefct merben; unb glaube 
ich nicht fehl jn gehen, menn ich behaupte, bafj 
auch ber Ümftanb viel jur Verbreitung ber 
Sprache, bie in ber beutfchen ©ibel gegeben 
mar, beitrug unb fie, — ohne bafe eS bamalS 
eine« DtegierungSerlaffeS beburfte, mie eS tyutt 
ber gatt märe — jur allgemein anerfannten 
machte. 

Unb feitbem hat fich bie beutf<he Sprache fort* 
entmideit bis ju ihrer gegenmärtigen §öhe. 
2Bir haben baS, maS Suther noch nicht hatte, 
moju er erft ben ©runb legte, um micf) biefeS 
ÄuSbrudeS ju bebienen, eine allgemeine beutfche 
Schriftfprac|e. Saneben aber — unb baS er* 
mähne idj mit greuben — blühen bie verrie¬ 
benen ©ialefte fort als bie ©lumen unb ©lütten 
beS großen ©artenS unferer Sprache, freilich 
giebt eS Viele, bie lächeln mitleibsvotl, menn 
ein Sdjmob’, mie fie ben biebem Sübbeutfchen 
nennen, fein gut Schmöbifch fpricht, ober menn 
ber Sachfe fein „gemieblidjeS" Sädjfifch tebet, 
fie befpöttein ben Schmeijer, menn er in 
Schmp$erbütf<h feiner Sehnfudjt nach ben hei* 
möglichen ©ergen Suft macht, ober ben biebem 
Jtieberbeutfchen ober Briefen, menn er in hei s 
mathlichen ßauten fich nach bem äReereSftranbe 


fehnt; laf$ bicf) nicht irre machen, rebe munter 
unb vergnügt im heimatlichen ®ialeft, fchreib 
aber fein hochbeutfdj, unb miffe, bafe bie ver¬ 
riebenen heutigen ©ialefte bem ©eiehrten viel 
bieten jur ©rflärung alter formen unb alter 
SSorte, bie er ohne baS oft nicht erflären Jönnte 
unb bie ihm fonft noch mehr ff opf jerbrechen ver- 
urfachen mürben, als es fo fchon ber fjall ift. 


JUtfMMtyMl 


ICä ift bod» eine bel)mütt(igenbe SBaljrheit für 
*r ung Eltern unb Sekret, bafj bie beften unb 
nachhaltigen Samenförner unferer Erjiehung 
unabfidjtticf) in bie $erjen unferer Ißflegebefoh* 
lenen gefallen finb, gerabe in Momenten, ba 
roir eg nicht beabfic|tigten, ja nid>t ahnten, 
roäljrenb bagegen, wenn Wir meinten, einen 
recht flugen Staatgftreidj auSgefüljrt ju haben, 
baffelbe für bie gemütliche Entroidlung beg 
Äinbeg burdjaug fpurlog oorüberging, ober 
bielleicht gar bag ©egentljeif toirfte. 

3 «, wir glauben, bafj Unabfic^tli^leit im 
S3ene{jmen, in SKienen, mit einem SBorte, eben 
baS ftiHe ®afein ber ißerfönlidjfeit b«8 ©rjie^erg 
biel metjr t^ut, alg bie Ermahnungen unb 
SSorte. $ie 3ugenb hat ein fdjarfe« äuge auf 
bie fleinften ®inge ihrer SSorgefe|ten unb ein 
SKifeton §wif^en SSort unb SBanbel enttäufcht 
bitter ba§ ©emüth be8 Äinbeä. ES ift baher 
ein nicht }u faffenber Unftnn, einer gewiffen ge= 
genwärtig fid) breitma<h«tben S^ute, audh ohne 
ben ©tauben an einen perfönlichen ©ott mit 
bem ffinbe §u beten, ba baS ©ebet eine ftttlidh 
ftärfenbe ftraft an fich befi^e. 3)iefe 9tbfi<ht= 
iichfeit beim ©ebete mit bem ffinbe wirb halb 
genug entbedt, jum wenigften bom ßinbe her» 
auggefühtt fein unb eg Wirb entweber am ©ebet, 
ober im gtüdticheren ffaDe am Erjieljer, ber 
mit feinem ^ciligthum fpielt, einen Efel be» 
fommen. 

Steligion im 3Runbe eineg retigionglofen 
Sehrerg ober SSaterg ift bie gemeinfte SSerath» 
tung ber 3 u 9 e nb, ungefähr Wie ,3udjt bon 
einem juctjttofen Sehrer unb SBater nur ber 
gauftfchtag beg ©tärtcren gegen ben Schwäche* 
ren ift. So fdjlägt bie absichtliche SBeigheit 
folcher ßeute, bie feine fie fetbft erjiehenbe, hei* 
iigenbe unb burchleuihtenbe ©runbfä|e haben, 
in bie h°htft e un ^ hoben tofefte Ihorheit unb 
©efchmadlofigfeit um. 

Ein bon Sittlichen unb religiöfen ©runbfäfcen 
getragener unb bur^brungener ßehrer berhält 
fich ib feinen fiinbern, wie eine $enne §u ihren 


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522 


Huf unb girier. 


Südjlein. 2Bo er auger ber Schule in ihrer 
Fähe erlernt, ba fammeln fie fid^ gleich näher 
um ihn, unb rnenn er faum ^e^u SBorte ge- 
fprocgen, fo bilbeu fie fchon einen engen ®reig 
um ihn unb tauften auf jebeg berfelben. Sittel 
ift fdjön unb intereffant am Sefjrer; feine 93e= 
Regung, fein SRienenfpiet, feine Stellung ent¬ 
geht ihnen, Slfleg mirft auf fie. SBie bie Süd)* 
lein bei ber £enne, fo füllen fie fiel) 2llle iüof)I 
in beg Sehrerg Fähe. Still unb geiftig — 
feufcf} unb bodj mächtig mirft fein ®afein auf 
fie ein. ©o entfielt fchlieglich ein ziemlich ritf^ 
tigeg 93itb in ber Seele beg ©dfjülerg öom Seh* 
rer f ein 93ilb, bog biet tiefer erfaßt ift, afg ein 
©rmadfjfener eg erfaßt hat; unb ung mürbe eg 
nicht gleichgültig fein, mag bie 3Ref)raaf)l unfe* 
rer Schüler bon ung benfen unb fagen ; bag ift 
meift jutreffenber alg bag, mag ber Sdjul^n- 
fpeftor fagt. 

ffienn bie SRenf^eit bodj.nur einmal jur 
©inficht fäme, bag man bag, mag man 
ift, auch mirft, bag Urfadje unb SBirfung 
einanber entfpredhen unb oft genau entfpredhen. 
©in ganzer SRann macht einen ganzen ©inbrutf 
unb ein falber macht eben einen falben ©in¬ 


bruef. Unb fo ift’g beim Sehr* unb £augbater* 
2lmt. ©in ^ot)ler Sehrer macht einen fohlen 
©inbruef, magft meinetmegen fagen einen ©in¬ 
bruef ber Hohlheit, unb ein eitler, geefiger unb 
haltlofer Sehrer hinterlögt in ben Seelen feiner 
Schüler eben bag 93ilb ber ©itelfeit unb £alt- 
lofigfeit, unb mag er fie hunbertntal beg ©egen= 
tfjeilg überzeugen moüen; mie eben im ®egen= 
theil ein fittlich reiner <harafterfefter 9Rann ben 
©inbruef unb bie ©inficht beg fittlich reinen 
charafterfeften ffiefeng macht; unb beffen Schüler 
befommen einen befferen begriff fittlicher Fein¬ 
heit unb geftigfeit, alg bie befte Äatechefe ihnen 
beizubringen bermag. 

„Fid£)tg," fagt ein SBeifer, „erzieht beffer, 
alg bie ©egenmart eineg trefflichen ÜRenfcfjen, 
er braucht nicht zu boziren unb zu prebigen, 
fein ftiUeg Tafein ift eine Sonne, bie märmt 
unb leuchtet/' 0 Sehrer, o SSäter, fchlagen 
mir an bieSruft! äRerfen mir ung, mag mir 
bor ben Slugen ©otteg finb,bagfäenmir. 

So läge benn zulefct bag ©eheimnig ber ©r= 
Ziehung in unferer ©efinnung unb ber innerften 
2lrt unfereg Seing. 

©hr. Sifchhaufer. 





Jlnf unb Hiebet. 

(Sine 8ebend§ef(|u|te and Äracrifa. gnr fand tut* #erb bearbeitet bon genriend. 

II. 


g mar ein meiter SBeg zu grau 2Rur* 
rat)’g .fraufe, ein meiterer, alg ©aul 
geglaubt tjatte, bennod) flößte eg ibm 
ein f)albe^ Bebauern ein, alg er bei 
einem Vergleich ber meitbin fdbeinen* 
ben £>augnummern mit ber vlbreffe 
auf ber Fifitcnfartc, bie er empfangen, fab, bag er 
fein $id halb erreicht batte. 

©r batte mobl feiten einen längeren Spajtergang 
an biefer Xagegzeit gemacht. Tie furzen SRittagg* 
ftunben unb Die Sonntage raaren feine einzige freie 
3 eit, begbalb batte er bie'bolle Schönheit eineg grüt)= 
itngg*Fachmittagg noch nicht im freien genoffen. 
Fun mar ihm jeber Schutt ein Vergnügen, ©g mar 
ein föftlicher Sag; — einer jener frühen Senztage, 
melche felbft ber Stabt ben$eiligenfd)ein eineg milben 
©lanzeg geben, ber alleg Unfhöne augfchliegt. 

„geh freue mich," badete er, „bag ber Fimmel fo 
Tlar ift, obmobl ich meig, bagSBolfen fommen merben." 

©r ftanb bor grau SRurratj’g ^aufe, bag einem 
©alafte glich, $>ag Oeffnen ber Thür, ber ftlang fei* 
uer Stimme, alg er nach Stau SRurrat) fragte unb 
bem Wiener feine Starte gab, unb ber Flid beffelben, 
ber fogleich ben abgetragenen Fod, bie geflidten 
Stiefel unb geftopften fcanbfchube zu bemerfen fdjien, 
bie grau gorbeg für regelrecht erflärt batte, rief 
©auf etmag unangenehm m bie ©egenmart zurüd. 
9lber ber ©influg alleg beffen mag er geflaut unb 


mag feine Seele mit liebreicher Fereitmilligteit in fich 
aufgenommen; — ber blaue fcimmel, bie fnogpenben 
Fäume unb fproffenben ©raghalme — hatten ihre 
SBirfung auf ©aul nicht berfeljlt. @r mar gleichfam 
geftählt unb in ber rechten Stimmung, OTeg freunb* 
lieh aufzunebmen unb ftch burch 9achtg ftören zu 
laffen. 

$aul glaubte einen S3Ucf in ein 3 a uberlanb z« 
tbun, alg er bem leife auftretenben Wiener burch bie 
lange §aHe folgte unb ^lide in bie ju beiben Seiten 
geöffneten 3immer fallen lieg, bie ipm eine Slugftat* 
tung z^tßten, oon beren Fracht er nie auch nur ge* 
träumt hatte. $ag aemilberte Sicht, bag Durch Sie 
reichen Vorhänge fiel, ber füge SDuft bon Flumen, 
ber ©efang bon Fögeln in bergolbeten Stäfigen, er* 
böbte ben magijehen Feiz. Sfa, eg mar etne SBelt, 
melche feine 2lehnlichfeit mit jener hatte, in ber er 
lebte unb arbeitete. Öber er mugte, bag er nur um eine 
Stragenede zu biegen brauchte, um aug bem ©ereile 
biefer Schönheit, btefer ©rächt unb biefeg ©lanzeg zu 
fein, unb elenbe, bunfle, traurige Käufer zu finben, 
in melden arme, franfe Seute fümmerlich lebten unb 
litten unb ftarben, in beren armfeligeg ®afein faum 
je eine Flume gef ommen unb ein Fogel gefunaen hatte. 

Tiefer Vergleich mar ibm unbermutpet gefommen; 
er zitterte bor 9lngft. konnte bie alte, zmeifelboüe 
grage: „gft ©ott em@ott ber Siebe ?" in feine Seele 
zurüdfebren ? — 


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»uf unb Pteber. 


523 


grau SBurrat) war eine zarte, bleiche Xante, Die 
eine weiche ©timme hatte unD leife fprad); eine jener 
feinen (Srjd)einungen, welche wtr nur in Den Raufern 
Der Bomehmen unD Reichen finben. Me#, wa# fie 
umgab, oon Den feiDenen £>au#f<huben unD Den feßwe* 
ren galten ihre# hellgrauen ©etbenfleibe# — Da# Diel 
iu foftbar War, um zu raujdjen — unD Den blaßrothen 
Bänbern, welche Durch ba# ächte ©pipengeweoe ihre# 
$äubd)en# flimmerten, paßte zu Der graziöjeu Sin* 
muth ihrer Bewegungen unD bilDete jenen Beiz, Der 
eben fo unerflärbar ift, wie Der Xuft Der Blumen. 

©ie erhob fid) oon ihrem ©ifce, al# Baul eintrat 
unD bot ipm Die $anb mit jener namenlofen Einmuth, 
Welche ba# (Sigenthum#red)t oottenbeter §erzen#bil* 
Dung ift, Die jtcf) Durch ©elb unb Fracht unD ©lanz 
niemals erwerben läßt. Söir Me wiffen ba# unD 
Wir erfahren e# immer oon feuern, wenn fie un# 
ohne Dte Umgebung fcfjöner ft’leiber unD perlen unD 
guroelen entgegen tritt, ©o ftanD auch Baul Dor 
grau SBurrat) — ein wahrer gentleman in feiner 
Ärt unD SBeife unD trofc feiner vlrmuth uuD Biebrig* 
!eit; ein gentleman Durch Die Feinheit feinet Xen* 
len# unD Xhun#, Die tiefe Wahrheit feine# (Smpfin* 
Den# unD Die BilDung feine# $erzcn# unD ©emütl)#, 
mit eben Dem Bed)t, mit welchem fie, Die reiche, an 
allen fiuyu# De# Seben# aewöhnte groll eine lady war. 

„Bitte, feßen ©ie ftd), #err gofter," jagte fie 
freunDlich, inbem fie fid) in Den rothen Blüfd) 3 Slrm* 
feffel nieDerließ, Deffen purpurne gärbung Die Sin* 
muth ihrer gigur noch mehr ßeroortreten ließ. Ob* 
Wohl fie Baul nicht au beobachten fd)ien, entging ihr 
in Söirflid)feit Doch «ine feiner Bewegungen, al# fie 
nun eine Unterhaltung über $unft, SBufif unD Baejie 
einleitete. Baul hörte ihr wie oer^aubert *u. 9Ba# 
fte fagte, war ihm nicht neu, aber Wie fie e# jagte, Da# 
entzüdte ihn. (Sr glaubte einen reijenben Bogel fin* 
gen zu hören, unD wenn Dem melobifd)en Xonfall 
auch Dietteid)t Die tieferen bloten fehlten, welche Dem 
Dollen $lang $alt geben, fo war Da# Gtonje Doch 
WunDerbar fuß unD entjüdenD. 

Xie Äunft bilDete Den Uebergang ju Dem eigent* 
liehen Qwede Don Baul’# Befud). 

„6# ift fo freunDlich Don Shnen, §err gofter," 
fagte fie, „Daß ©ie fid) Der Blühe unterziehen wollen, 
meine Xod)ter zu unterrichten." 

Boul war Derwirrt. „greunblid) Don Shnen." (Sr 
fanD e# freunDlich unD gütig Don grau SBurrat), Daß 
fie ihm Den Unterricht tprer Xochter anoertraute unD 
er fprad) Da# auch au#; aber fte Rüttelte beharrlich 
Da# $aupt in jener befonbern SEBeife, welche Da# Bri* 
Dilegium feiner, an ©efetligteit gewöhnter Xamen ift 
unD ließ e# nicht zu, Daß er ihr feinen Xanl au#fpre* 
chen Durfte. Xann würben Die ©tunben feftgefefct, 
Da# jponorar nur leicht berührt unD Sille# Derab* 
rebet. 

„<S# wirb gut gehen, ich fltueifle nicht Daran, $err 
gofter," fagte grau SBurrat). ,,©ie erlauben un# 
alfo, ©ie nächften SBontag, elf Ubr, erwarten 
Dürfen. SBeine Xochter, gräulein Slgne#, wirb ftd) 
freuen, ©ie ju fehen. SBenn ©ie nun/' fuhr Die 
Xante fort, „noch «ne ©tunbe Don .ghrer foftbaren 
Seit zur Berfügung haben, — wa# ich nicht recht 
weiß, Da ©ie fo oejdjäftigt finb, Die reizenben fleinen 
©fizzen zu entwerfen, welche Die SBonne Der müffigen 
Seute ftnb —, Dann möchte ich ©ie bitten, fich einmal 
utifere ©emälbegalerie anzufehen. Xarf ich ©ie bit* 
ten. Die ©lode zu ziehen?" 

Baul erhobjtch wie im Xraume. ^nftinttmäßig 
folgte er Der Sutweifung, welche ihm Die Slugen Der 
Xame gaben; aber er wagte e# faum, Die f oftbare 
©djnur, welche Don ©olb unD Burpurfeibe gebreht 


war, zu berühren. Xer alte Xieiter erfd)ien fogleich 
mit einer tiefen Berbeugling. 

„gühren äie §erm gofter in Die ©emälbegalerie, 
Benjamin," fagte grau SBurraq. „Sch benfe," fügte 
fie lädjelnD zu Baul hinzu, „Sie Werben Da# Mein* 
fein meiner Begleitung Dorzieben; Die ©emälbe wer* 
Den Shncn Die angenehmfte ©efellfdjaft fein." ©ie 
reichte ihm rnieber Die weiße, mit Juwelen gefchmüdte 
$>anb zum Slbfchiebe, bat ihn, Die BerabreDung für 
nächften SBontag elf Uhr nicht zu oergefjen, unD — 
feine UnterreDung mit Der Domehmen Xame hatte 
ihr (Snbe erreicht. 

©ie hatte recht, er Dermißte feine ©efeflfdjaft, al# 
er zwifdjen Den ©emälben hin unD her ging unD eine 
©tunbe Derlebte, Die nicht genußreicher hätte fein 
fönnen. 

Xie Xage, welche zwifchen feinem Befud) unD Dem 
Biontage lagen, an welchem $aul gräulein Bturrap 
Die erfte Unterrid)t#ftunDe ertheilen follte, gingen 
fdjnell Darüber. SU# er Die breiten ©anbftcinftufen 
hinauffchritt, Die zu Dem ^aufejfüljrten unD Dem al* 
ten Benjamin Durch Die große Borhalle folgte, Der* 
mochte er faum zu glauben, Daß eine Söodje Dergan* 
gen war, feit er hier gewefen. (Sr würbe in Daffelbe 
ßimmer geführt, wie Damal#, fo fanD er auch jept 
grau Bturrat), welche fich utit Der ihm fchon befann* 
ten greunblid)feit unD Slnmuth Don ihrem ©ifce er* 
hob, um ihn zu begrüßen. 

Bach einer furzen Unterhaltung bat fie Baul, ihr 
in Da# Bibliothefzimmer zu folgen. 

„Bteine Xochter erwartet un# Dort," fagte fie. 

Baul mochte e# fich felbft nicht geftehen, wie fehr 
er fich Dor Der Begegnung mit gräulein Bturrat) 
fürchtete. SBit halbem SöiDerftreben folgte er ihrer 
Btuttcr, Die ooranging. (S# war ihm etwa# fo Beue#, 
fo Ungewohnte#, mit xamen oertehren zu füllen. (Sr 
hatte Die Bewohner unD Bewohnerinnen Diefer 
Brad)tgebäube an Der Meeftraße für fo fonnige, 
feenhafte (Srfcheinungen gehalten, Daß er e# faum ge* 
wagt au# ehrerbietiger gerne zu ihnen empor zu 
flauen, wenn fie in ihren glänzenben (Squipagen 
Durch Die ©traßen gefahren unD hier unD Dort oor 
einem Bufetoöen au#geftiegen waren, Deffen ©djau* 
fenfter DieB^oDufte Dergeenwelt au#gehängt hotten. 
Bun follte er in fo nahe Berührung zu einigen Der* 
felben treten! (Sr oergaß e# feinen Mgenblid, Daß 
gräulein SBurrat) nur ihren 3 c i$5 nle 9 rer i n 
fab, Dennoch hatte er Den ganzen ^Borgen mit pein* 
licqer Slufregung an feinen fwäbigen Bod unD an 
feine unfeinen Bcanieren gebacht. 

Slber Da# gräulein half ihm über feine Berlegen* 
heit weg, inbem fie ihn freunDlich begrüßte unD theil* 
nahm#boll anfal). 

Xer Unterricht nahm feinen Slnfang. @# würben 
nur wenige SBorte zjpifchen Sehrer unD ©chülerin 
gewechfelt, unD auch grau SBurrat), welche lefenb in 
Der genftemifche faß, blidte nur zuweilen Don ihrem 
Buche auf, um eine unbebeutenbe Bemerfung zu 
machen. 

Baul entbedte fchon in Diefer erften ©tunbe, baß 
fich Slgne# SBurrat) nicht nur in Der äußern (Srfchet* 
nung, fonbem auch im (Sharafter wefentlid) Don threr 
SButter unterfchieb, aber fie befaß Denfelben feinen 
Xaft unD Daffelbe Demuth#Dolle feefen, welche# e# 
Mmen unD Beichen, unD Bomehmen unD ©eringen, 
leid)t machte, mit ihr zu Derfehren, obwohl fte nicht 
Diel fprad) unD faft zurüdhaltenb war. Bach 93een* 
Diaung Der Unterricht#ftunDe grüßte fie Baul freunb* 
lidp unD fagte leife: ,,©ie wollen fo gütig fein, SBitt» 
woch wieber zu fommen, §err gofter?" 

®r ging zurüd nach ®errn ©ilberf# ©tabliffement, 


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524 


Huf unb Jliebft. 


in »eifern er noch immer fein Heines Arbeitszimmer 
batte; unb als er burch bie ©tragen fchritt, in melden 
fid) bie äJtenfchen brängten, unb bie Sagen bin unb 
her fuhren, fragte er fidj immer unb immer mieber : 
„Sem gletcht fie bod)?" 

©r mußte eS nicht — er, ber eS gemobnt mar, mit 
fdnteßem ©lief Umriß unb gorm ber ©eftalt unb ben 
ieifeften garbenmedjfel beS ©eficptS in fid) aufjuneh* 
men. §atte fie blaue ober braune Augen? @r tonnte 
eS nicht fagen. ©r mußte nicht einmal, öon melcher 
garbe baS fd)öne mellige $aar mar, mie bie Sippen 
geformt maren, melcbe Vtlbung bie ©tirn geigte; 
aber baS mußte er mit Vcftimmtljeit, menn et fie an* 

» münfehte er ein befferer Sttenjcb Z u fein, münfehte, 
jene $ahre beS buntein 3*oeifelS unb beS ßftiß* 
trauenS in bie Siebe ©otteS aus feinem Seben meg* 
gemifebt merben fönnten, meil ihre jungfräuliche Un* 
fchulb unb Feinheit bie ©ehnfucht nach einem hohen, 
eblen ©treben in ihm meefte. 

©o tarn eS ganz oon felbft, baß Agnes SJhirrap 
fchon nach turzer 3eit als töntgliche §errin in ber hei* 
ligen ©itabefle feines ernften jungen fcerzenS thronte, 
in melchem fie bis an baS ©nbe feines SebenS, neben 
ber ©rimterung an feine ßJhitter, lebte unb regierte.— 

,©etleibet mit ben »teilen, bie fie ^atte 
Unb mit ben lußenben, bie er iljr lieb." 


©S mar ein neues, föftlicheS Seben, baS Seben, 
meines Vaul gofter mährenb ber nächften ßttonate 
führte. ©S mar etn Seben, baS rein unb boH mit bem 
lieblichen grühling unb mit ber tiefen friebboßen 
©djöne beS ©ommerS harmonirte; benn ote Unter* 
ridhtsftunben mürben nicht abgebrochen, als grau 
ajhtrrap unb ihre Xocbter, gleich ihren ©tanbeSge* 
noffen unb greunben, oie heiße, ftaubige ©tabt mit 
ber erquiefenben griffe iörcS SanbfipeS öertaufchten. 

„9tidht mahr, Jperr gofter, ©ie fefcen bie ©tunben 
fort unb haben bie ©üte, zmeimal bie Socf)e nach un * 
ferer Vißa zu tommen ?" bat grau äRurrap in ihrer 

i ieminnenbften Seife. ©ie legte eine Äaffenanmei* 
ung infeine £anb, bie mehr als hinreichenb mar, bie 
urjen ©ifenbahnfahrten zu beeten. 

Saul hatte fern Verlangen, bie Vitte abzulehnen, 
©r mar jung, unb baS neue Seben mar fo reizboll, fo 
bcrlocfenb, baß er ben $ampf nicht ahnte, melcher fid) 
einfteßte, menn — 


„-tt« ift fin ßena tiefinnen, 

win (Heiftefcleu* für immerbar. 

2>u füfclft in bir bie Ströme rinnen 
$er em’ßen ^ugenb, munberbar. 


ift bie löftlidjfte ber (Haben, 

2>ie (Hott bem SRenfdjenberaen flieht, 

$ie eitle Sclbftfudjt au begraben, 

^nbern bie Seele glüht uno liebt." 

Saul arbeitete in jener geit angeftrengt, aber er 
empfanb nicht, baß eS eine Anftrengung mar, benn 
bie Arbeit machte ihm Vergnügen. gn ben borgen* 
unb in ben Aoenbftunben entmarf er bie Vleiftift* 
ftizzen zu ben gfluftrationen ber Sucher, unb bie Xa* 
geSzeit oermenbete er, um fein ©emälbe für bie 
jperbftauSfteUung zu beenbigen. $ie UnterrichtSftun* 
ben, melche er Agnes SRurrap gab, marfen einen 
Sicptfdbein auf bie angeftrengte Aroeit, melche fie un* 
terbradjen. 

AgneS mar eine fehr gelehrige ©chülerin. 

,,©ie merben baib AueS miffen, maS ich ©ie lehren 
tann" fagte Soul an einem Vormittage beS Auguft’S 
ZU ihr. 

JD nein/' entgegnete fie eifrig, „nicht AßeS." 

Saul mußte, maS fie fagen mollte, benn er hatte ihr 


außer bem 3ei<hnen noch anbere Untermeifung ge* 
geben. 

©anz natürlich unb ohne eS felbft zu miffen, hatten 
fie bie fragen berührt, melche ben äftenfdjengeift fo 
bielfach befajäftigen. ©ie hatten bon Soefie unb ©e* 
fehiepte gefproepen, unb baS hatte fie ganz unbermertt 
ju bem gebracht, baS mie eine malbbebecfte Anhöhe 
tn ber fanbigen ©bene ober mie ein grünes ©ilanb m 
ben giuthen beS SeitmeereS, Augen unb ©eift er* 
quieft unb jebe nach Sahrheit unb ©rtenntniß rin* 
genbe ©eele zur SRuhe brittgt unter bem ^©chatten 
eines mächtigen Seifen/' Senn fie bon btefen tiefe* 
ren Vebürfntffen beS ©eifteS gerebet, pflegte AgneS, 
melcher eS leichter mürbe, bon oem ©inen zu bem An* 
bereu über zu gehen, ein Sieb zu fummen, baS Saul 
ben Seg bahnte, bon bem zu reben, maS feine ©eele 
erfüllte. 

2)aS junge Sttäbchen laufchte eifrig unb mit Suter* 
effe auf bie einfache ©efcbichte beS bethlehemifchen 

S irten, ober auf bie ©rzäplung bon bem berlomen 
ohne, ber reueboß au feinem Vater zurüeftehrte unb 
bon bemfelben bemiutommnet mürbe, „als einer, ber 
tobt mar, unb mieber lebenbig gemorben ift;" ober 
auf ben Verid)t bon bem §auSbater, ber in ein fernes 
Sanb zog, nadjbem er AUbor feine ©üter ben getreuen 
unb ungetreuen Unechten anbertraut hatte. Unb 
Saul erzählte gut. @S mar munberbar, mit melcher 
Vegeifterung er fpradj, unb melcher Sortreichthum 
ihm zu ©ebote ftanb, menn er bon bem §errn Sefu 
ober bon ber Sibel erzählte, mährenb er im Auge* 
meinen fo fparfam mit Sorten umging. 3umeifen 

« er aud^ mohl bon bem Sanbe, in melchem feine 
;r unb fein Sater nun bei bem £errn maren; 
aber bon ber himmlifchen ©chönheit fprach er nicht 
oft, benn er empfanb, maS mir Aße empfinben, menn 
mir uns bemühen, einen unferer SKitmenfchen zur©r* 
fenntniß beS §errn zu bringen: — bie ©efahr, ©eelen 
für ben §immel zu gemimten, um beS ©immelS mil* 
len, ftatt fie au ben Süßen Neffen zu bringen, ber ge* 
fagt hat: „kommet!" nicht um bie öerrlichteit unb 
ben grieben zu erlangen, fonbern: „kommet!" meil 
@r gebietet: „kommet her zu mir!" — zu bem ©e* 

a ten, bem Verachteten unb AnSgeftoßenen ber 
en. 

©S mar munberbar, mie btefe beiben jungen, fo ber* 
fepieben erzogenen unb in fo berfchiebenen Verhält* 
niffen lebenben Sefen einanber halfen unb |örberten f 
mie ihre ©eelen zu einanber fprachen unb ftdj in ein* 
anber fanben. Surben ihre ©efchirfe burch einen 
golbenen gaben an einanber gefnüpft unb mar biefe 
Verfnüpfung nothmenbig, um bie befonbere unb 
eigenartige ©ntmicflung ihrer ©haraftere zu boßen* 
ben? — Sir miffen eS nicht, benn feine $h c °rie fann 
baS „Sarum" ber greunbfehaft unb Siebe ergrünben, 
unb feine Sh^ofophic bermag eS, bie feltfamen ^ie* 
roglbphen ber ©eele zu entzin^u, melche bem ©inen 
ein unlösbares ßfäthfel, unb bem Anbern bie einfachfte 
unb naturgemäßefte X^atfac^e finb. 

©ie maren biel aßetn. grau SWurrap fühlte ihre 
Tochter geborgen hinter ber beftimmten ©renze oer 
©emohnpeit unb gefeßfchaftlichen ©teßung, bie fo oft 
ben molfenlofen §orüont ber Siebe begrenzt: fie mar 
feft überzeugt, baß tpre Tochter Saul gofter nicht 
einen Augenblicf in einem anberen Sichte als in bem 
eines 3ricl)enlehrerS, ber ihr ein gütiger hilfreicher 
greunb gemorben, fehen fönne. Unb fie irrte fid) auch 
nicht, gn Vezug auf AgneS hotte fie recht, unb an 
Saul badjte fie ntcht. Agnes fah mtrflich nicht mehr 
in ihm; fie ahnte nicht einmal, baß feine ©efühle für 
fie anberer Art feien, bis eS zu fpät mar, ungesehen 
Zu machen, maS fie unmiffentlich gefehlt hotte. ©S 


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3Luf unb llirber. 


525 


war ©aul’S Eigenthümlichfeit, oon bem, was ibn am 
tiefften berührte, nur wenig iu reben, beßhalo oer* 
gingen SBochen, beoor NgneS Den wenigen, nur balb 
oerftänblichen SBorten, welche er zuweilen fallen lieg, 
größere ©ebeutung beilegte. dennoch würbe ft* in* 
ftinftmäßig ernft unb gebanfenoofl, wenn fie über biefe, 
ihr unoerftänblid) bletbenben Einbeulungen leicht hin* 
wegging unb baS Eefpräd) auf anbere Eegenftänbe 
leitete. 3)ieS batte ©aul ertennen laffen müffen, baß 
fie ihn nicht liebte: aber er mar jufrieben in ber ®e* 
genwart unb ließ (ich ohne gurd)t ober Hoffnung auf 
Den glatten Eewäffern ber ©lücffeligfeit Einträgen. 

$er ©ommer näherte fich feinem Enbe, toie jeher 
anbere ©ommer. $aul hatte NgneS bie lefcte Unter* 
richtSftunbe erteilt. ES war ein fdjöner fonniger 
Nachmittag unb grau Nhtrrap lub $aul ein, mit tljr 
unb ihrer Üochter einen ©paziergang zn machen. ©ie 

e hin unb h^r in ben breiten, fchöngepflegten 
;, welche bie ©lumenbeete burchichmtten unb 
um ben grünen Nafengrunb liefen, ober fie ruhten fich 
aus auf ben funjtlofen ©änfen, bie hier unb bort im 
©chatten herrlicher Ulmen unb (Sichen Erquicfung bo* 
ten. 3 n ber gerne erblicften fie bie Xhürme unb 
$ uopeln ber ©tabt unb bie blaßblaue ßinie beS noch 
entfernter fleh hinziehenben OceanS; aber ber©orber* 
grunb geigte grüne gelber, bewalbete Nnhöhen unb 
terraffenformiae ©ärten, burch welche fich fcßmale 
Sanbwege fchlangelten unb an Denen bie breite £anb* 
ftraße oorüberfütjrte. Ueberatl grüßten gefchmacfoolle 
Villen, ho^giebeligeSanbhäujerunb heu angeftrichene 
Eebäube burch bie grüne Umhüllung. , 

ES war ein glürflicher Nachmittag für ©aul, ob* 
wohl er feinen Nugenblicf bergaß, Daß eS ber lebte 
war, ben er in ©efeufchaft ber tarnen unb in biefer 
Umgebung berlebte. 

Rommen ©ie/' bat NgneS, „ich wiU gh nen etwas 
zeigen, baß Shuen beffer gefaüen wirb, als biefegern* 
W“ 

grau SNurrah that feinen Einfpruch unb *ßaul 
folgte ber Jungfrau, bie in ihrem weißen Ntouffelin* 
tleibe bor ihm auf bem fchattigen ©eitenpfab hin* 
fchritt, welcher fich neben grünen SBeinranfen unter 
bem jchüfcenben ßaubbache ber ©äume hinfchlängelte. 

$aul fprach nicht, gn feinem Eerzen bewegten fich 
Erinnerungen an feine SJtutter. 

UnmiUfurlich fuhr er jufammen, als fich eignes 

K nach if)m umfah, unb in bem eigentümlichen 
..nach, ben fie anzunehmen pflegte, wenn fie fich 
Belehrung bon ihm erbat. 

„Eerr gofter," fagte fie, „flößen Ahlten bie ©äume 
eine ähnliche Empfntbung ein, als mir? .gd) finbe 
eS fo traurig, beulen zu müffen, baß fie früher ober 
tyäter unter ben ©chlägen ber Nft fallen, ober in 
einen anbem ©oben oerpflanzt werben, ber berfchie* 
ben bon bemjenigen ift, in welchem fie ihr ganzes 2 e* 
ben binburch gewürfelt haben. ES flößt mir ein tie* 
feS ©ebauern ein, Denn tch fann mir nicht benfen, baß 
ber neue ©oben ihnen je heimatlich wirb. 28aS fa* 
gen ©ie Dazu, $err gofter?" 

©ie lächelte, aber ihr fiächeln fdjmanb, benn *ßaul’S 
©timme hatte einen fdjarfen, faft bittem $lang, als 
er antwortete: 

,,©ie haben recht, gräulein Nturrap,"Jagte er, „ein 
neuer ©oben muß ber ©lume wie bem ©aume fremb 
bleiben." 

Er fdjwieg einige Nugenblicfe, bann fprach er wie* 
ber, aber eS fdjien ihm einige Nnftrengung zu foften. 

„3dj fenne nichts in ber ganjen Natur," jagte er, 
„baS fleh fo febr als ein ©pmool emften ©trebenS 
eignet, wie ber ©aum. Er zeigt gleichfam in nach* 
brücfltchfter SBeife baS ©erlangen, feine gweige fo 


weit als möglich über ben ©ereidj feiner SBurjeln 
auSfluftrecfen, bie eng begrenzt in ber Erbe feft gegal* 
ten werben. ftft baS ni^t etn ©ilb beSSNenfchen, ber 
bei aller fcheinbaren greiheit beS SBiUenS Doch ebenfo 
feftgehalten wirb?" 

3n bem $one unb in ber ganzen SBeife ©aul’S lag 
wieber eine gemiffe ©itterfeit, als er biefe grage auf* 
warf. ?lber eignes berührte fie gar nicht; ihre ®uf* 
mertfamfeit war anberwettig inSfnfpruch genommen. 

„©eben ©ie, 0 , fehen ©te bieS berborgene ?ßläh* 
chen, ^)err gofter!" rief fie eifrig, „ftönnen ©ie fich 
ein entjücfenbereS Erbenflecfchen benfen?" 

Eine ©iegung beS SöegeS batte fie plö^lich in bie 
wilbe Nbgefchieoenheit eines ShaleS gebracht, in wel* 
chem bie Natur nach SBiüfür ju h er *W*u fchien. 
©ufchwerf unb Unfraut aller Nrt wucherte in Üppig* 
fter güUe auf einem ©oben, ber in ben früheften fienj* 
tagen oon ©lumen überfäet war. Ein feister gluß 
fchlich träge unb mit faurn oemebmbarem ©eräufch 
m feinem ©ette fort. SBeiben unb gichten, um wel^e 
fich wilbe SSeinranfen fchlängelten, befegten baSUfer. 
^eflleurfftenbe Silien ruhten auf ihrem runben, grü* 
nen ©lättergrunbe auf ber Oberfläche ber SBafferS, 
baS fteHertweife burch üppiges ©d)üf unb fchilfartige 
©räfer oerbeeft war. Heber ben gluß hinaus lag eine 
grüne ©Mefe, auf welcher gelbe Ningelblumen unb 
Ntaßliebchen in reicher güue blühten. Ein großer 
gelSblocf, welcher als Erinnerung an baS ferne$ahr* 
hunbert ber ©teinperiobe bienen fonnte, lag mitten 
in bem gluffe unb ftreefte feine jerflüfteten Ecfen 
weit über ben Söafferfpiegel empor. Äein grünes 
©latt lehnte fich ©chufc fuchenb an baS altersgraue 
Eeftein; feine ©pur oon 9NooS war 5 U fehen. Ä'ahl 
unb naeft unb öbe, ein trauriges ©ilb ber ©erlaffen* 
heit, lag ber ©teilt wie angewurzelt. Nber in ber 
©palte feiner ©pifee, welche in früher Ntorgenftunbe 
oon ber ©onne gefügt würbe, hatten ber ^erbftwinb 
unb bie Eewitterftürme beS ©ommerS oon zufammen 

g ewehten, weifen ©lättem unb ©taub ein Ncftchen 
ereitet für baS ©amenfom, baS oieüeicht auS bem 
©chnabel ber ©ogelmutter gefatten war, bie ihren 
hungentben Äinbern baS gutter h^iuigetragen. Ne* 
gen unb ©onnenftrahl h a tten baS Hörnlein gepflegt 
unb jum keimen gebracht, unb nun fproßten aus ber 
©palte auf ber ©öh e **3 gelfcnS grüne, glänzenbe 
©lätter, in berenNtitte fichetne btäuTichrotbe ©locfen* 
blume, in ootlenbeter ©chönheit, auf fchlanfem ©ten* 
gel wiegte. 

„0, iehen ©ie, fehen ©ie, öerr gofter," rief NaneS, 
ganz entzücft bie §änbe zufammenfAlagenb, „felbft 
Der öbe, unfruchtbare gelfen hat eine ©lume!" 

ga, s ^aul fah eS, unb über fein ®efid)t flog baffelbe 
Oerjchleierte Sächeln, baS HgneS am erften Xage ihrer 
©efanntjehaft gefehen hatte. 

25ie 5)ämmerftunbe war nahe, als fßaul gofter unb 
SlgneS Nturrap ben Heimweg antraten. $er rofiae 
Nnhauch, ber ben Horizont oerfchönte, erblich mepr 
unb mehr; fchimmembe Seuchtfäfer oerließen ihre 
©erfteefe in bem ©ufchwerf unb fchwirrten hin unb 
her; immer tief ere ©chatten legten fich über baSErün 
ber Sßiefen; ein Duftiger ©chleter fenfte fich über bie 
nahe fianbfehaf t unb bie gerne oerbarg fich unter bem 
oioletten Sftantel beS QtmeluhteS. 

grau SNurrap tarn ihnen entgegen unb fdjalt fte 
fcherzenb wegen ihres langen Ausbleibens. 911S fie 
mit eiligeren ©dritten bie ©iüa erreicht Jatten, War 
eS hohe 8 e ü für©aul, nach Der ©tabt zuruefzufehren. 

„Nun werbe ich nicht wieberfehen, bis gh^ ®e* 
mälbe feinen $laj in ber §erbftauSfteHung gefunben 
hat," fagte $gneS mit ihrem lieblichften Sabeln, als 
eT fich oerabfwiebete. Unb ©aul? — 


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526 


&uf unb {lieber. 


Sangfam unb nacpbenflicp fcpritt er burcp bie fiep 
impier tiefer fenfenbe Sömmerung auf bem ABcge 
naep ber ©tabt pin. ©in ftiflcr »Jneben perrjcpte m 
feinem Reiften, obrnopl er eben erft oon Agnes gefcpie* 
ben mar unb noep oor furjer 3eit bittere ©ebanten 
in fiep beperberat patte, benn- 

(53 mar fepr fpät, als er fein ©rferftübcpen erreichte, 
aber er ging niept aur Stube. ©r aünbete fein Sicpt 
an, napm ein grogeS 33latt Rapier aus feiner 3eicpen= 
mappe unb setdjnete, bis baS erfte Morgengrauen ben 
öftliepen ^orijont erhellte unb bie fcplafumfangene 
©tobt begrüßte. Aber mie er fiep auep bemüpt unb 
gearbeitet patte, — eS mar fein ©emälbe unter feiner 
§anb entftanben. Stur ein einfamer, fapler gelfen 
mar ju fepen, ber öbe unb nadt im ©epatten lag, mäp* 
renb ein ©onnenftrapl auf feiner ©pipe ruhte, unb 
bie perriiepe SBlume fügte, bie auf grünen Sölättern 
in ber ©palte beS greifend tpronte. 

„Morgen/' fagte fßaul palblaut, „morgen min icp 
eS coloriren." 

Unb als er noep fpraep, mar ber Morgen fepon ge= 
fommen. 

SBenn $aul mugte, bag an jenem fonnigen Siacp- 
mittage, ben er mit Agnes Murrap in ber fepönen 
Statur unter buftenben Sölumen unb in einer oon bem 
©ummen ber ^nfeften unb bem ©efange ber SBöael 
belebten guft oerbraept patte, ein ©tmaS in fein £e* 
ben gefommen mar, baS ipn nie mieber oerlaffen foHte, 
fo patte er menigftenS feine Muge, barüber naepau* 
benfen unb ben Sraum einer golbigen 3ufunft A u 
träumen, benn bie ©onne patte am folgenben Mittag 
noep niept bie £öbe iprer Afapn erretept, als er fiep 
oon unermarteten Söegebenpeiten umringt fap. 

AIS er aum grüpftuef pinunter fam, fanb er unter 
feiner ©eroiette ein Söillet oon fterrn ©ilbert, ber ipn 
naep feinem foaufe befepieb, unb jmei Briefe, einen 
oon grau lölafe in SompfinSüiHe unb ben anbem 
oon £>errn ©rap. 

Siefe Briefe maren bie Antmorten auf fpaul’S 3u* 
fepriften, melcpe er oor einigen Söocpen abgefcpicft 
patte, unb in melcpen er ben greunben oon bem grie* 
ben gefeprieben, ber fein £cra erfüllte, feit er fiep gana 
©prifto ergeben unb in bemfelben bie ©emigpeit patte, 
bag ©ott fein SBater mar. Söeibe brüeften ipm ipr 
Söebauern aus, erft fo fpät auf eine Stacpricpt antrnor* 
ten au fönnen, bie fie fo perjlicp erfreut pabe. grau 
SBIare feprieb, mie fie au fpreepen pflegte,—gütig, müt* 
terlicp, ooll marmer Speilnapme. 

öerrn ©rap’S 23rief mar fepr eng gefeprieben unb 
umfagte meprere SBlätter. fßaul fteefte ipn in feine 
Safcpe unb baepte: „3<p miü ipn in ber Mittags* 
ftunbe lefen, menn icp mepr3eit pabe." 

©S mar noep früh am Morgen, als er bie ©lode 
an §errn ©ilbert’S $au3tpür aog. ©r mürbe fogleicp 
in baS elegante ©grimmer gefuprt, in meldjem er 
fterrn ©ilbert allein fanb, ba feine gamilie, mie alle 
Semopner biefeS ©tabttheilS, bie ©tabt bereits oer* 
laffen unb ipren Sanbaufentpalt genommen patte. 

,,©ie merben fiep gemöpnen muffen, gofter," fagte 
er naep freunblicper s 43egrügung, „meine Aufforbe* 
rungen, *u mir au fommen, als bebeutungSoolle $or= 
aäitge für $hre 3ufunft au betraepten. Sefen ©ie 
oieS; eS miro gpnen erflären, meSpalb icp ©ie ju 
fpreepen münfepte" 

©r reiepte *ßaul einen SBrief, ber eine fremblän* 
bifepe ^oftmarfe trug, unb beobaeptete mit Qntereffe 
fein auSbrudSOoUeS ©efiept mäprcnb beS SefenS. 

Ser SBrief mar aus Stom, oon einem greunbe unb 
ftunftgenofjen §errn ©ilberfS. ©r patte einige be* 
fcpäbigte unb palb oerbliepene ©emälbe aus früperen 
Saprpunberten erftanben, bie ju copiren einen gefepid* 


ten Maler unb gebulbigen Arbeiter erforberte, mel* 
eper mit Suft unb Siebe an bte Slrbeit ging unb feine 
gange Äraft unb fein ^erj pineinlegte; niept um üiel 
©elb ju oerbienen, fonberti um ber $uuft einige 
mertpooHe ^arfteUungen aus ben früpeften 3^iten ju 
erpalten unb mieber $u fepenfen. 

„SöaS benfen ©ie?" fragte $err ©ilbert, als $aul 
ben förief gebanfenooH jufammen faltete unb jurüd* 
gab; „paben ©ie Suft, bie Arbeit $u übentepmen?" 

fßaul Ärgerte mit ber Slntmort, unb ^>err ©ilbert 
bemerfte eS. 

„gep laffe gpnen bis peute Slbenb feepS Upr 93e* 
benfjett. gep merbe bann immer noep Muge pabeit r 
meine Slntmort ju fepreiben, bie mit bem moraenben 
2)ampffcpiff abgeben mug. SSenn ©ie ben Sluftrag 
ablebnen, miü icp meinem greunbe einen Zünftler 
empfeplen, ber bereits in SRorn ift; menn ©ie fi^ am: 
Slnnapme entfcpliegen, brauepen ©ie Oor Anfang Sfo* 
oember nicht abjureijen; ©ie paben alfo genügenb 
3eit, gpr ©femälbe für bie SluSftellung au beenbtgen r 
unb iem ©cpidfal ju erfapren. Ueberlegen ©ie bie 
©aepe ernftltcp, gofter, eS ift ein Anerbieten, melepe^ 
niept alle Sage gemaept mirb, oom fünftlerifcpen 
©tanbpunfte betraeptet, obmopl bie 33ejablung Ange* 
ficptS ber müpeooüen Arbeit niept glönjenb au nennen 
ift. SBaS ©ie ^u gprer AuSftattung unb Sfetfe bebür* 
fen, miU icp mit greuben üorfepiegen." 

fßaul oerabf(piebete fiep, ©r fonnte fein fleineS 
Atelier niept betreten, in melcpem er bie Morgenftun* 
ben bei ber Arbeit au ©erbringen pflegte; eS $og ipn 
naep ber Abgefcpiebenpeit feines ©rferaimmerS. ©r 
munberte fiep über fiep felbft, mie er auep nur einen 
Augenblid lang zögern fonnte, ein Anerbieten änju* 
nepmen, baS ipm bie Sermirfliepung feines lebenS* 
längliepen SraumeS oerpieg. 2ßie tarn baS?—SBürbe 
er gezögert paben, menn er Agnes Murrap nie gefe¬ 
iten hätte ? jo fragte er fiep. 

©ein '©lief fiel auf bie ©leiftiftffijje^ bie er in ber 
lefeten Sfacpt oon bem 5ben gelfen unb ber einfamen 
S3lume gemaept patte, bie auf ber ©pipe beffelben 
blüpte. Söar bieS ©ilb ein ©pmbol feines SebenS? 
SBaren ber furge ©ommer unb bie fepneU oerpfloae^ 
nen UnterricptSftunben, tpelcpe er mit Agnes oerlebt, 
bie einzigen ^erjenSPlütpen, bie er fennen follte? 
Mupte er ben meiten Ocean bur^freujen, unb fie nie 
— nie mieberfepen? 

^aul mar jung, unb bie gugenb feines ^eqenS 
unb ©eifteS malte ipm eine anbere 3ufunft auS: — 
bie Sfüdfepr naep Amerifa, mit ©pren unb ©rfolgen 
belaben unb freunblicp oon Agnes miUfommen ge* 
peigen. 

„Aber," rief er plöplicp, „baS Seben ift emfter, at£ 
biefe fnabenpaften *ßpantaften!" — ©r bemüpte fiep r 
ber Unmöglicpfeit entfeploffen in’S Auge ^u fepen, bag 
er Agnes jemals mepr fein fönne, als er ipr jept mar, 

Sennocp-mann märe eS ber ftugenb jepon leiept 

gemorben, fiep felbft ein einfameS Scben Au^ufprecpen? 
feann märe eS ipr leiept gemorben, oon einem fugen 
Sraume umfangen, ju fagen: „Sfein, eS fann niept 
fein?" 

©S mar jßaurs ganzer ©igentpümlicpfeit entgegen, 
lange unentfepieben au bleiben. „ABarum fann icp 
miep niept entjepeiben?" rief er laut unb ungebulbig. 
„§ier mirb mir geboten, maS icp mein geben lang fo 
peig beaepvt pabe, — mie fann icp jögem, eS anau* 
nehmen?" 

Acp, ^Baul mar in feiner Unentfcpiebenpeit nur mie 
mir Alle finb, menn eS fiep um unfere irbifepen SBün* 
fepe panbelt! 2Bie Äinber, fo ftreden mir bie ^>anb 
aus naep einem neuen ©epap, unb menn unferpimmli* 
feper ®ater uns benfelben reiept, bann paben mir uns mie 


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Huf unb jSttbrt. 


527 


bie fiinber, oor ©ifer erglüpenb, fcpon einem anbem 
©epape jugemenbet, ber uns begehrenSmertper er* 
fdjeint, als ber, meiner uns unfepäpbar bünfte, fo 
lange er außerhalb unfereS «ereidheS lag. 

Qn biejem &ugenblicf erinnerte fiep $aul an §errn 
©rap’S «rief. ,,©r hilft mir üiefleiept," backte er. 
©r artete niept barauf, baß baS ©onnenlicpt bon fei* 
nem genfter mid) unb *pn an bie fepnefle glucpt beS 
Vormittages erinnerte; er bachte nicht an feine 2lr* 
beit, unb oergaß fogar für eine furje ©tunbe bie fünf* 
jährige Trennung. ©r füllte fiep mieber bicht neben 
feinem frühem Sehrer, als er bie eng befchriebeiten 
Vlätter laS, melcbe baS alte ©priepmort mahr mach* 
ten: „©in «rief ift ein halber Vefucp." 

foerr ©rap fttelt ihm feine *ßrebigt, bennoch mußte 
er «aul bie Pflicht einjufepärfen, bie ©oben, melcpe 
ihm ©ott gegeben, burep ben rid^tigen ©ebrauep bon 
©eift unb iperj unb fianb ju meipen unb ju heiligen, 
unb im $ienfte beS $errn 3efu ©prifti unb ju ferner 
©pre ju bermenben. 

,,©ie tonnen ihn in bem bon 3Pnen ermählten «e* 
ruf/' fo fchrieb §err ©rat), „als 3^ r en öerrn unb 
SWeifter befennen, benn felbft bie geringste ©fuje, 
melcpe «Sie entmerfen, legt etn geugnift ab bon oer 
S&aprhaftigfeit unb Feinheit 3preS 5)entenS unb 
ftanbelnS. ©rmägen ©ie rnopl, melchen ©influß bie 
Iftalerei feit gaprpunberten auf <perj unb ©eift ber 
SRenfdjen hotte, ©eit bie Seinmanb lebenbig mürbe 
bon ben 3)arftellungen heiliger ©egenftänbe, mar fie 
ein leidjt oerftänblicpeS ©cprtftmort, baS ©eiehrte unb 
Ungelehrte ju lefen berftehen." Unb mie öerm 
©rat/S ©efpräcpe mit <ßaul ftctS ein leucptenbeS äöort 
bon tiefer geiftiger «ebeutung ju enthalten pflegten, 
fo fehlte baffelbe au* feinen Schriftlichen SRittpeilun* 
gen nicht. „SBiffen ©ie toopl," fo fragte er, „baß bie 
erfte $>arfteflung unfereS $eilattbS, bie in ben 2lnna= 
len ber Shinftgefgjichte oerjeiepnet ift, ihn als ben gu* 
ten Wirten erscheinen lieg?" 

«aul legte ben «rief nieber; er glaubte baS fylüftcrn 
beS guten foirten ju bernehmen: „geh bin bie Spür 
ju ben ©chafcn; jo 3emanb burep mich eingehet, ber 
mirb felig merben, unb mirb ein* unb auSgehen 
unb mirb SBeibe f in ben." 

„©in* unb AuSgehen" — hinaus in bie meite, in bie 
unruhige, gefcpäftige Söelt, in melier ber föampf ber 
Seibenfcpajten, ber Tumult miberftreitenber «eftre* 
bungen unb felbftifchen ©hrgeijeS fich an einanber 
reiben, einanber brängen, — tonnte er ba „SBeibe fin* 
ben?" «erupigenb, mie bie «erüprung einer fühlen 
§anb auf bie brennenbe ©tirn, fo tarn $aul bie @r* 
innerung an baS SBort beS *ßialmiften: „SJer £err 
behüte beinen SluSgang unb beinen ©ingang." 3 a, 
ber £>err mirb bid) metoen auf einer frifefaen, grünen 
Äue;—er mirb biep „auf bie befte SBeibe führen, auf 
ben hohen «ergen in 3Srael"—biep, ben müben «il* 
ger, ber auf fein ©eheiß ,,auSgept." 

„©ingehen"—$aul tonnte fich &on ben «Sorten nicht 
trennen; leife mieberholteer fie immer mieber. $ie* 
feS „©ingepen" mußte baS ©intreten in bie ©emein* 
iepaft mtt bem §erm bebeuten, ber bie «tenfcpenjeele 

e unb fieper ju ben „frifepen «Saffern unb grünen 
i" geiftiger ©rnäprung führt. 

$aul bachte lange unb ernftlicp nach, unb als er 
bann §erm ©ratj’S «rief mieber in bie §anb nahm, 


batte er fich entfchloffen, „hinaus ju gehen" auf bem 
feeg, ber ihm gejeigt mar. 

£er ©dbluß beS «riefeS lautete: 

„3ebenfaÜS ruht eine pope Söürbe auf bem 0011 
3pnen gemählten «eruf. ©r trägt ben bebeutungS* 
oollen „bunten föoet," ben bie Siebe beS «aterS bem 
3 ünger ber Sritnft umhängt; ber $unft, bie fich be* 
mübte, feine Sehren ju oerbreiten, feit bie erften 
©>arfteüungen beS chriftlicpen ©laubenS oon ben 
SHänben unb ben Werfen ber römijehen Äatatomben 
nieberblicften, melche in fpäteren Xagen Älbfter unb 
Kirchen fchmüdten." 

„Slber oergeffen ©ie eS nicht, nur ber mahrhaftige 
©eniuS fann ben ©eniuS begeiftera." 

^er Sörief fcbloß mit ber ehrerbietigen ®inmeifung 
auf baS beftänbige ©mpfinben ber ©emeinfehaft mit 
bem „©eifte," meldjeS in Sßaul gemeett morben mar, 
als ber §err feiner ©eele bie gäpigfeit Oerliehen, baS 
©djöne ju fct>en. 

,,©ie tonnen fich einfam fühlen," fchrieb §err 
©rap; „baS frühe SRoraengrauen unb bie Slbenb* 
fchatten finb 3h ncn ©efährten. Xie Vlüthen unb 
ftnoSpen beS grühlingS, bie fatlenben Vlätter unb bie 
erbletchenben «lumen beS ^erbfteS, bie golbigen Sicht* 
ftrahlen beS §odjfommerS, unb bie ernften Farben 
beS minterlichen Rimmels, merben ju 3h*em |)erjen 
fprechen, menn ©ie in Ottern ihn fehen unb burdj 9ll* 
leS ju ihm emporblicfen." 

„?lch," fagte ^aul laut, als ob er burch baS 9luS* 
fprechen ber SSaljrheit baS ©iegel auf ben «rief fei* 
neSjrcunbeS brüefen mollte, „menn i<h immer fo füh* 
len fann, bann muß mein Seben ein „9luS* unb ©in* 
gehen" an ber $anb 3^fu ©nrifti fein, bann fann id) 
fagen: 

„©ie ein ©ilanb in bem 6trome, 
j&on ben SBogen milb erfrfjrerft, 

9lm gebeiliaten ©eftabe, 

mit ©(unten nng$ bebeeft, 

E nn're Kube ftet« beroabret: 

0 in ©ott baS ßcrj auib rubt: 

Unb ba* fieiben, ba* öergebet, 

©tebrt ben grieben, bebt ben ®lutb." 

„©in «ater ber «aterlofen!" — „©in 
©ott ber Siebe!" — „3a, ich bin gemiß, er mirb 
mich oerlaffen, er mirb mir helfen, btefen fjrie* 
ben ju bemahren," flüfterte «aul. ©in Säcbeln flog 
ücrflärenb über fein ©eficht, aber eS oerjog fich & alb 
unb ein ©chatten folgte ihm nad). «aul mar jung; 
baS Seben erfepien ipm fo reijenb, unb bie Siebe — 
feine Siebe für s 2lgneS SRurrat) — flagte laut unb 
fchmerjooH: „SBarum millft 3>u fortjiepen in ein 
frembeS Sanb ?" 

5 lber feine ©ntfefteibung mar getroffen;—er mollte 
„$inauSgehen." «eoor bie £h urmu *J r fejhftc 
(Stunbe oerfünbigte, hatte ^ßaul ^perrn ©ilbert feinen 
©ntfcpluß mitgetheilt. 

Später in oen 5lbenbftunben fpraep er mit grau 
gorbeS. 

,,©S ift mir," fagte er, „als ob icp heute für immer 
meine gagenb abgeftreift habe. S)aS tommt mopl 
baper, baß icp nun baran benten muß, mein «ater* 
lanb ju oerlaffen unb ein neues Seben unter fremben 
SRenfcpen anjufangen." 

3a, baS mar eS; unb— eS mar noch etmaS ^InbereS. 


gortfepung folgt. 




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528 


Bit Spielmann's Jtoefie bts flftttelalter». 


Per <$ebuU 0 :(Ngfl. 



s 3teljt ein jHfler €ttgel 
Durch biefes €rbenlan&, 
gum droft für (Erbenmärtgel 
E?at thn ber ^err gefanbt. 

3n feinem Blirf ift ^rieben 
Unb mtlbe, fanfte E?ulb, 

0 folg’ ihm ftets ijienieben, 
Dem €ngel ber (Sebulb 1 


Sum ©ilb. 


<£r macht 311 Iinber EDehmuth 
Den Ijerbflen Seelenfchmer3, 
Unb taucht in jtiüe Demuth 
Das ungeflüme|^er3. 

<2r mad?t bie finft’re Stunbe 
UUmählig uneber hell, 

<2r feilet jebe IDunbe 
<S>cw\%, roenn auch nicht fd?neü. 


<£r fül?rt bidj immer treulich 
Durch alles CErbenleib, 

Unb rebet fo erfreulich 
Don einer fdjönern geh. 
Denn urillfi bu gan3 re^agen, 
£jat er bodj guten IHuth; 

<Er hilft bas Kreu3 bir tragen 
Unb mad?t noch Ellies gut. 


<2r 3Ürnt nicht beinen (Dränen* 
EDenn er bid? tröften null; 

<£r tabelt nicht bein Sehnen. 

Hur mad?t er’s fromm unb {litt. 
Unb roenn im Sturmestoben 
Du murrenb fragft: marum ? 

So beutet er nach oben, 

IHilb lächelnb, aber ftumm. 


<£r hat für jebe ^rage 
Hicht Untmort gfetch bereit, 

Sein IDahlfpruch h e *S^ : ertrage, 

Die Huhftatt ift nicht rneit I 
So geht er bir 3ur Seite 
Unb rebet gar nicht uiel, 

Unb benft nur in bie EDeite, 

Eln’s fchöne, grofje, giel. Spitta. 





Pie $ptflinanii'0 por|ie bcs JöittrldUers. 

gür $a«0 unb §erb bearbeitet ton 8. ©. 


bie ÜJtitte be8 zwölften ^aferbun» 
bertg fjatte Tief) auf beit £>eerftrafeen 
unb 28egen beä Slbenblanbeä ein be= 
wegteä Beben entfaltet. Sieben ben 
SEßagen beä $anbeläntanneä,ber feine 
SBaaren oon einet Stabt jur anbeten führte, 
jog ber SRittet auf ftotjem Stoffe oft in 3ef)be, 
bod) auch im frieblidben Sienfte bet SJtinne 
(Siebe) unb fßoefie. gromme Sdjaaren oon 
pilgern unb SBaüfaljrern waren ebenfalls leine 
fettene Srfdjeinung. Ober ei begegneten bem 
SBanberer eine Sdfjaar anberet SSilger, an ber 
Spifce ebte Herren in einfacher Sracbt, auf ben 
SJtantel ein rotfjeä Kreuz geheftet, hinter ihnen 
Knappen, SJtöncbe unb Seute aller 2lrt, bie oon 
ber ^eimattj nad) bem fernen Often ziehen. ©g 
finb bie Kreuzfahrer. 

©ar oft mag bem Steifenben eine Sdjaar fro* 
ber, lebengluftiger ©efeäen begegnet fein, 2llt 
unb 3>ung in wunberlidjfter ÜJtifcfjung. SJtan 


nannte fie bie „oambe liute," fatjrenbe Seute. 
Sie zogen oon Stabt ju Stabt, oon Ktofter ju 
Klofter, fingenb unb fpielenb, ungefähr fo wie 
bie fafjrenben Künftler, Seiltänzer tc. in 2Jlit* 
teleuropa Oon Ort z« Ort wanbeln, um ihre 
Künfte fetjen zu taffen. 

Sie waren bie ©riinber beä beutfdjen Sßoll& 
gefangä. Selbftertebteä unb Selbfterfaljreneg 
war ber Stoff ihrer Sieber. SiamentoS tritt 
meift ihre fßoefte auf, bie frifd) unb tebenbig, 
lernig unb Iräftig war. Siefe „oambe liute" 
waren weit tjerumgefommen, fie folgten ben 
Kreuzbeeren unb brauten orientalifdje Sagen 
unb Slbenteuer beim aus bem SRorgentanbe. 
Sa3 bebeutenbfte ©ebidbt ift bag Sieb Oom Kö* 
nig Stotber. 

Sieben biefen Wanberaben Sängern gab ei 
auch Wanbembe ©eiftlidbe. Unb Wer weife noch 
jefct etwa« oon ihnen? 23er lennt ifere Sieber 
unb SBeifen? Ser ©elebrte, oieOeicfet audb ber 


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(5rbiili>. 


529 



{$> e i> u f 5. 



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530 


$ie äpiflmaim's potfit bf« JRittelalter*. 


©tubent, bcr fidg bafür intereffirt, einmal etmag 
non feinen Slgnen gu gören; ben Slnberen aber 
ift ber Dame eineg Saganten, eineg ©oliarben, 
rote biefe ©eiftlidgen ficg nannten, !aum befannt. 

Sie fagrenben ©eiftlicgen bidgteten unb fan* 
gen in lateinifc^er Sprache, Sie blicften auf 
bie fagrenben ©olfgfänger oeräcgtlicg gerab. 
ggr Orben mar nie! göger unb ebler; in igm 
fanben ficg bie fein gebilbeten ©cgolaren gufain= 
men, bie if>re SBeiö^eit in allen Sanben gefam~ 
melt Ratten. 

©g maren Seute aug alten Nationen beg 
Slbenblanbeg. ©erügmte Segrer ber £ocgfcgule 
oerfcgmägten eg nidgt, ficg bem Orben beigugäg* 
len; bagu nocg ein buntgemifcgter Stngang ooit 
entlaufenen SDöncgen, ©rieftern unb SKagiftern. 

^n igrem Sebengroanbel Ratten fie eg gu 
einer folgen greigeit unb Ungebunbengeit ge* 
bracgt, baf$ enblicg bie ©oncilten ein fräftigeg 
©eto gegen igr gügeUofeg Sreibeit einlegen mu^ 
ten. ©ecger, SSürfel unb Siebe maren igre 
Seibenfcgaften. SBie tonnte auch bei igrem un= 
ftäten SSanbem ein rugiger unb frommer Se^ 
bengmanbel möglich fein? 

Dacgbem fie in granfreicg bie SBiffenfdgaft 
gefugt, in ©arig bie Sgeologie, in Drleattg unb 
Dgeiing bie meltliigen SBiffenfcgaften ftubirt 
Ratten, gogen fie ogne Sorge unb ogne Summer 
umger, fein anbereg ©efiptgum bei ficg, alg 
einen fecten, unoermiiftlicgen grogfinn unb ihre 
Sieber. ÜKit biefen beibeit ©ütern ausgerüstet. 
Hopften fie an bei ben £>öfen ber ©ifcgöfe unb 
Siebte, unb fucgten bie ©unft unb greigebigfeit 
if>rer £örer feiten ocrgebeng. SBege bem, ber 
ignen etma eine gute Slufnagme oerfagte, benn 
halb oerbreitete ein freies Sieb meitgin bie 
®unbe oon feinem ©eig unb Stolge. ©0 man* 
berten fie benn mancgeg gagr umger, big fie 
beg unruhigen Sebcng überbrüffig ober burcg 
SlUer unb wranfgeit gegmungen, Slufnagme in 
ben ftiüen Räumen eineg Älofterg fugten, um 
gier ben ermatteten Körper unb bie reuige Seele 
5 U pflegen. 

Dicgt menigen aber trat bag ©ilb igrer ©er= 
gangengeit in fo reigooßen 3ügen immer mieber 
oor Stugen, bag fie, oonSegnfucgt nacg ber fügen 
greigeit erfagt, eineg fcgönen Sageg ärgerlidt) 
bie Sutte oon ficg marfen unb entflogen.—Slug 
igreit ©ebidgten megt ein fräftiger £aucg unoer= 
fälfdjter Datur, eine gütle öcgt bicgterifcgen 
©eifteg, ber nie in ber bumpfigen ©cgulftube 
gebeigt, fonbem ben nur bag mirflicge Seben 
mit feinem bunten SSecgfel entfalten fann. gür 
Scgerg unb ©ruft, für greube unb Srauer, für 
auggetaffenen Ueberinutg unb 3 orn finben fie 
bie recgten, ftetg ooll unb rein Hingenben Söne. 
©or Slllem menben fie ficg mit einer berben Sa* 


tire gegen bie ©eiftlidgfeit, ber fie unfittlicgen 
Sebengmanbel unb ©dglemmerei oormarfen, ja 
felbft gegen Dom. 

Unter biefen ©trafgebidgten ftegt bie „Sipo* 
falppfe beg ©otiag" oben an. Ser Sicgter 
mirb im Sraum in ben $immel oerfefct. Sort 
lägt ign ein ©ngel bag'Sudg ber Offenbarung 
mit ben fieben Siegeln fcgauen. Sag erfte (Sie¬ 
get beg ©ucgeg tgut ficg auf unb ber Sicgter 
lieft bag erfte Kapitel 00 m Seben ber ©ifcgöfe. 
Statt bag ©ol! gu fügren, oerfügren fte eg; 
ftatt treue Wirten igrer ©dgafe gu fein, oergeg* 
reit fie biefelben. Sarauf giegen bie SSolfeit 
ficg finfter gufamnten, ber gange £immcl erbebt 
unb unter Sonner unb ©lip tgut ficg bag gmeite 
Siegel auf. ©g entgält bie Sünben ber @rj- 
bifcgöfe. Unb fo gegt eg meiter in ben fieben 
Siegeln, in meldgem bie Safter beg ®leru£ ogne 
Sdjeu genannt merben. 

$n einem femigeit Siebe über ben Untergang 
Stom’g Hagt ber Sinter: SBege bir SRom! 
gcg flege um beinen Untergang big ©erecgtig^ 
feit unb grömmigfeit neu erftegen. 0, igr 
©faffen! gat bie $öllc Oerbient, meil 

er Sgriftug ein SJial oerfauft gat; igr aber, 
bie igr täglid) feinen Seib oerfcgacgert, roie 
merbet igr geftraft merben. 

Sie maren bager ©orarbeiter ber Defor¬ 
mation. 

Debft biefen ©trafgebicgten oerfafeten bie ©a- 
ganten eine Slngagl meltlicger Sieber, bie reicg 
finb an guten ©ebanfen unb oon poetifcgem 
SBertge. ©egleiten mir einmal einen unftäten 
©aganten auf feiner SBanberung. Sürftig be¬ 
tteibet, galb erfroren fommt er gu einem Slbt 
unb fingt fein traurigeg ©etteöieb: 

„5Bertggefd)äpter £>err D. D. 

Stirft’ icg mogl mit Sitten 
Um ein flein ©iaticum 
@uer ©naben bitten? 

©on St. SJtartin’g ©orbilb lagt 
Suren Sinn ertucden: 

Deicgt bem grembling ein ©etoanb 
Seinen Seib gu beden." 

©in Stnberer fegrt reuig bei einem ©rälaten 
ein, feinen Sdgup unb feine ©unft gu erflegen, 
unb entgüüt in ber ©eidgte feine ©ergangengeit: 

„feiger Sdjam unb Deue ooll, 

©Silbern ©rimm gum Daube, 

Scglag’ id^ ooder ©itterfeit 
Sin mein |>erg f bag taube: 

SSinbgcfcgaffen, feberleicgt, 

Soden mie oon Staube, 

©leid)’ icb lofer Süfte Spiel, 

©leicg’ icg einem Saube!" 

Ogne micg um bie 3 u ^ft i u fümmern, bin 
icg burcg bie Sanbe geftreift, immer nacg gu^ 


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dUs irr fdjroäbifdjen Äljtoniha }ut JJeit brr paurrnkriegr. 


531 


genbart auf bent breiten SBege ber ©ünbe. 2lucf> 1 
bem ©piel t)ab’ id) gefrö^nt: 

„Socty fo oft Dom ©pieftifd) td), 1 

93lan! unb blofj gefdjieben, 

|>ob im jftroft beS Seiber mir 1 

Sn ben ©eift $u fleben: 1 

$er£ unb flieber famt id) traun, 

Sann bie beften fdjmieben." 

Unb nacfjbem er fid) nod) einmal Don ganzem 
£er$en ber trauten ©rinnerung Angegeben, gibt 
er feinen feften SBiflen !unb, ein neues fleben $u 
beginnen. 


®iete biefer Sieber leben auch je$t noch, roenn 
aud) mannigfach geänbert, in ben beutfcfyen ©tu* 
bentenliebern fort. Sie fur$e Sarftellung bürfte 
gezeigt h^ben, tote in ben Sichtungen ber SSa* 
ganten nicht nur manche für ben ®efd)td)t3* 
fchreiber bebeutfame 3üge fich finben, fonbern 
toie auch ein guter Sf)eil ächten, bidjterifdjen 
©eifteä in ihnen niebergetegt ift. Sie beutfdje 
fliteraturgefchichte ift ein reidjer ©djafc fürföeift 
unb $er$. 


- ■ - 

Jlti0 brr fdjttmbifdKii filjromka |ur Jeit Der Pauetiikrtegr. 

gut Dauä ntib §erb mitgctljeitt ttom $or’le. 


f ürttemberg war in bem fünfzehnten Saljr* 
hunbert ein glüdlid)eS Sänbcßen. Siel* 
fad) .burdjfreujt Bon Heineren ^errfchaf* 
ten, jog fid) baS 2anb an beiben Ufern beS 
RedarS hinab, wie-ein fdjöner, mannigfaltiger 
©arten. 

'Jod) biefeS ©lücf mährte nicht lange unb in 
biefem ©arten bet Ratur mar ber arme Rtann 
gebriieft unb mifjhanbelt. ©lüdlid) mar baS Soll 
unter ber Regierung ©ber£)arb’S im Sart, bodß 
it)m folgte fein ungleichartiger Setter, ber jün* 
gere ©berßarb, welchen wegen feines Übeln Re¬ 
giments, „Weil er nur mit lieberlichen, fchledjten 
Suben ßguShielt," unb folch Unwefen trieb, baß, 
Wie Äaifer 9Kaj fich auSbrüdte, „baoon ju reben 
erbärmlich Wäre," fd)on nach zwei fahren feine 
Sanbftänbe abfeftten, bah er iw ©lenb umtarn. 
Sin feiner ftatt fam ein SerWanbter, ein &inb, 
in beffen Ramen fedjS Q-aßte lang eine fpartb 
öoH gamilien=2lrifto!raten regierte. 

SBiber bie Serträge, wiber bie weife Orb* 
nung ©berharb’S im Sart, bem bie Siebe ju 
feinem Sol! ben Süd in bie 3ufunft fdjärfte, 
unb ber noch julefjt bie SRegierungSfä^igfeit 
»om achtzehnten auf baS jwanzigfte §ahr hin* 
aufgefeßt hatte, würbe Ulrich, ein fechjefjnjäh* 
riger ftnabe, oom fi'aifer ijnb ber Sanbfcßaft 
für ooUjährig erflärt unb tn feine |>anb baS 
Ruber beS SanbeS gelegt. Seufjenb gab ihm 
baS Sol! baS Sob, bah er in SujuS unb ©lanj 
feinen Sorgänger weit hinter fich taffe. San* 
lettiren unb Stornieren, gaftnachtfpiet e unb 931 um= 
mereien, Särenjagen unb StiegSzüge, Reifen 
in’s SluSlanb unb Suftbarteiten jeber Slrt wa* 
ren ber girtel, in bem er fich bewegte. 

@S fchmeichelte ihm, gtohe ©rafen unb fjer* 
reit in toftfpietigem ©olb unb großer ßahl als 
feine Rätfje unb Wiener, mächtige ReichSfürften 


als feine ©äfte an feinem tleinen $erzogSf)ofe 
Zu fchen. Rieht minber toftfpielig waren feine 
Sänger unb Pfeifer, feine 3fäger unb galtner, 
fein aJlarftall unb £mnbe. 

SIIS Ulrich bie Richte beS ffaiferS, bie Saient* 
fürftin ©abina, Ijeimljülte, im ^at)re 1511, 
Zählte man über 7000 öornehme ftocßzeitSgäfte, 
unb bie oierzehntägigen geftlicfjteiten waren fo 
auherorbentlich prachtooH, bah Siele bafür fjiel* 
ten, man füllte mit biefen unmenfchlidjot Soften 
ein ganzes Sanb Bertßan hoben. Slber biefer 
ungeheure Slufwanb War nur ber Slnfang zw 
einem noch öerfchwenberifcf)em .pofleben, baS 
einen lag in ben anbern fort lärmte unb praßte. 

Solchem $of unb folcfjer Regierung War baS 
Sol! preisgegeben. Sille Soften muhte es allein 
tragen, bie fcoibiener, gorftmeifter .unb gorfl= 
!ned)te hatte ber Herzog altem $er!ommen unb 
Sertrag zumiber Bon allen Steuern, SBacßten 
unb großnen befreit, unb zubem, bah baS Sol! 
alle Saften allein trug, fah eS fich täglich noch 
an feinem ©igentßum unb feiner ©ßre mihhan* 
beit, gelbeinwärts burchßeßten mit Roffen 
unb $unben bie Reifigen unb SBaibleute bie 
Sieder unb Sßeinberge beS SürgerS unb beS 
Säuern, Welche fchon unter ber Unzahl beS SBil* 
beS, befonberS ber wilben Schweine empfinblich 
litten. 

$er SEBeingärtner, beffen Steingarten im 
ßerbfte Bon ben Sögeln ben gröfjten Schaben 
litt, mürbe, wenn er einen Sogei fing, ohne 
Rachficht geftraft; unbarmherzig, Wenn er ein 
fdjäbiicheö SBilb fchofj. Qn SBalb unb ^olz, 
in SBeibe unb gifchwaffer würben ben ©emein* 
ben ihre alten Rechte nerfümmert, unb fürftliche 
Wiener unb Höflinge eigneten fich 1 e ^ft zu, waS 
an Ru^ungen ben ©emeinben gehörte. ®ie 
frommen Stiftungen für bie dürftigen z^gen 


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53 i 


Hu» btt fd)n)cibifd)tn (Jljroniha ;ur Int brr lauernkriege. 


herjoglidje Slmtleute für fich ein. Selbft baS 
&b|otj, baS Don SllterS h er ben Stirnen gehörte, 
oerfteigerten bie gorftmeifter unb jogen baS 
©elb in ihre Seutel. gn bie ©emeinbeämter, 
Welche bie ©emeinben fetbft ju beferen baS ©ed)t 
Ratten, festen, ohne jid) um bie (£infprac£»e ju 
fümmern, bie Höflinge ober bie oberften Sanj» 
teiljerren itjre Wiener ober Solche, bie cs itjncn 
mit ©etb jahlten, unb alte ©emeinbebeamten, 
Dom Schulreif? unb fRathSfdjreiber bis jum 
©üttel, $f)orwart unb SJlehner herab, tourben 
am |>of ober in bet Sanjtei gemalt. 2)ie her» 
möglichen ©eamten aber betrachteten ihre Stern 
ter bloS als ©rwerbSqueüe. Sie waren ni<f>t 
nur beftedjlich, fonbern fie forberten ©efdtenle 
unb roaren ho<hfaf)renb unb graufam hart gegen 
baS ©olf. Würbe gegen fie Don bem armen 
HRann bei ber Sanjlei in (Stuttgart geftagt, fo 
hörte man bie Slage nicht an ober ertbeitte fei» 
nen ©efdjeib barauf. 

3Wöif gafyre fcbon bauerte fotcbeS Treiben 
im Württemberger Sanbe. Stile Soffen Waren 
geteert, alle öffentlichen ©etreibefäften, ade Set» 
ter. gär einen Srieg ober eine fjpungerSnotf) 
wäre SticbtS mehr Dorbanben gewefen. Unb 
baju batte Ulrich noch eine baare SRitlion Schul» 
ben gemacht. Unermehlicf) für feine 3 c 't unb 
fein Sanb! $5ie lebte gewöhnliche ©infommenS» 
quelle war auSgefcf)öpft, ber Srebit bahin. Seine 
©ünftlinge erfanben neue Steuern unb Stbga» 
ben: ehe er baS ©eringfte Don feinem Stufwanb 
fidj abbräche, fotlte lieber baS Sanb auSgefaugt 
Werben. 

5)aS ©olf, welchem biefe unb anbere Sdjahun» 
gen aufgelegt würben, pflegte Don feinem erften 
4?erjog ju fagen, wenn ©ott nicht ©ott wäre, fo 
mägte ihr ©bertjarb Herrgott fein, unb feine 
Eingebung an feine gürften batte baffetbe jur 
3ietfdjeibe beS WifceS ber ©achbaroölfer ge» 
macht. Stber biefeS ©olf muffte in biefer $eit 
erfatten, unb ber mifcbanbette unb bungernbe 
Sauernftanb Württembergs muhte in biefen 
lebten fieben fahren Ulrich’S für ÜDtänner unb 
©töne, bie fich mit ber Stufregung unb S3efrei» 
ung biefeS StanbeS befcbäftigten, ein anjieljen» 
ber unb empfänglicher ©oben werben; Waren 
hoch ganje Streden beS SanbeS, wie baS 3aber» 
gau unb baS fRemSthat, fcbon mit ben ©rud)= 
rainern in ©erbinbung. 

Wenn man Don bem $ohenftaufen hernieber» 
fteigt, gelangt man in ein witbeS, faft büftereS 
t£bal, baS bieSRemSburchflieht. Wenige Stunben 
Weiter heben fich an feinen Ufern bie freunblidj» 
ften fRebentjüget bin. #ier im ©emSthale war 
«S nun, Wo fich feit bem Sabre 1503 eine ge» 
beime ©erbrüberung ber ©auern ju bilben an» 
gefangen hatte. Sie beftanb fort unter ber 


äRaSfe eines ©auernfcherjeS, unb war unter 
bem ©amen „ber arme Sonrab" befannt. Stur 
Slrbeiter würben aufgenommen, bie eS fich Don 
Sag ju lag fauer werben liehen; ÜRänner, bie 
noch ein ©efübl bafür batten, bah fie am Slbenb 
nach beS £ageS Strbeit feinen So|n ihrer SRühe 
fanben, als ben Stnbtid ihrer Sinber, bie nach 
©rob fhrieen, ihre Weiber, bie mit hohlem 
Stuge fie anftarrten, unb manchmal ihrer |>er» 
ren, bie mit Stotj unb $obn auf fie herab 
fahen. 

®urth einen $anbfd)lag lieh ber £>auptmann 
in bie ©erbrüberung angetoben. Sluch ein 
gähntein hatte bie ©rüberfdjaft im fRentSthal; 
baS gäbnlein aber, wie ihre Sofung unb ©läne, 
waren geheime Slrtifel ber ©ingeweihteften. Sie 
wuchs Don lag ju Sag an 3af)l nnb breitete 
fich batb über mehrere Stemter aus. 

gahre lang oernahm bie ^Regierung feine 
Sunbe Don biefem Spiele, ju fe£>r mit Slnberem 
befdjäftigt, um ein aufmerffameS Stuge auf baf» 
felbe ju richten. Unb hoch hörte man bereits 
weit unb breit bie ©ebenSart: „®er ift auch mit 
uns ein armer Sonrab." 

3>er |>auptfijj ber ©erbinbung war ©eutetS» 
bach, bie bebeutenbften ©ingeweihten aber fahen 
ju Sdjornborf. Wie an anbem Orten eine fefte 
Stabt, fo fotlte ben ©emStljalern biefe als 
Stüfcpunft ihrer ©ntwürfe bienen, wenn eS an 
ber 3eit wäre. 

ghr ßauptmann wohnte jn SeutetSbach, ein 
aufgewedter Sopf, ©uter Don Dier Sinbern, fein 
©ame war ©eter ©eih- 

StlS barauf jene ©turne ber ginanjfunft, bie 
©erbrauchsfteuer, welche man juerft bei bem 
gteifche probiren motüe, in gtor treten fotlte, 
fchlug ber ©eihpeter in ber ©erfammtung Dor, 
mit bem terringerten ®ewid)t bie Wafferprobe 
ju machen. „Schwimme eS oben, fo fotte ber 
fjperjog ©echt haben, ftnfe eS unter, fo haben fie 
©ecf)t." ®er ©orfchtag fanb groben Stnftang 
in bem Derfammetten armen Sonrab 

©S War gerabe Samftag oor Dftern, am 15. 
Stpril in ber SDtorgenftunbe. Stn biefem Sage 
fotlte baS neue ©ewicht jum erften SRate ge» 
braucht Werben, ©inljeüig jog ber Raufen nach 
bem SRathShauS unb holte bie bafetbft aufbe» 
wahrten trommeln unb ©feifen. ©on ba ging 
eS jur ÜRejig. ®'er ©eihpeter nahm barauS 
bie neuen ©ewicfjte unb hing fie ein paar feiner 
©efeüen um. ®ie frömmeln würben gefchla» 
gen, bie ©feifen erttangen, fo ging eS hinaus 
an bie ©emS. 2Rit jebem Schritt fchwoll ber 
Raufen an. Stm gluffe nahm ber ©eihpeter 
feinem ©efeüen baS ©ewicht ab unb Warf eS m 
baS Waffer mit ben Worten: „fiaben bie Sau» 
ern ©echt, fo faü ju ©oben, hat ber £erjog 


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ttljrifHt(t)rr ©Item 2d)ulbigkeit. 


533 


fRed)t, fo jcpmimm empor!“ Sie ©ewicptfteine 
fanlen nasp ihrer Strt p ©oben, unb aßeg Soll 
jubelt: „SBir haben getoonnen!" Eftocf) fegt 
heifet ber Ort in ber SRemg bie SBage. 

Stuf folcpen gtnanjWig gehörte ein folcf»er 
Sot!gwi|, beffen Sartaftifcheg man nicht über» 
fepen barf, über bem täufcpenben Scheine beS 
Srofligen. So ift ber §nmor beg fcpwäbifcpen 
Solfeg. Siefer fcpeinbar tolle SchWabenftreicp 
War oon ben Serbünbeten toohl berechnet. Un= 
oertoeilt pg auch ber ©eifepeter unb fein Sin» 
häng über bie SRemg nach $eppacp unb tnicber» 
holte bie SBafferprobe, unb mährenb er bag 
Hat hinab ging, jog Schlecptling ©laug, ein 
anberer Singeroeiljter ber Serbinbung, bag 
Hai hinauf unb tpat baffelbe. 

(gortfepung folgt.) 


(Upiftlidier Cfltetu Sdjulöigkfit. 


1. 3 nt © h r e n. @g follen alle (hriftlichen 
©Item ihre $inber hoch, treuer unb Werth ach» 
ten, nämlich für ©otteg ©oben unb ©efcpente, 
Wie fie Saoib Sf- 127 nennt unb ber Patriarch 
3a!ob bafür erlennt, wenn er bem ©fau auf 
feine ff rage: SBer finb biefe? antwortet: ©g 
finb Sinber, bie ©ott beinern Unecht befcheeret 
hat. #ält man nun bagjenige hoch, Wag einem 
ber römifche Äaifer ober fonft ein hoher £>err 
oerehret hat, Wie oiel pöper fofl man bann bie 
ftinber halten, bieWeil fie ein ©efcpen! beg aller» 
höchften $errn finb. Sieg oergeffen biejenigen 
©Item, bie gar ungebulbig Werben, wenn ihnen 
©ott oiel ßinber befcheert; fie halten bafür, 
bafe ihnen bie Äinber bag Srob oor bem SDtunb 
hinwegnehmen. D ihr lieben ©Item! wer weife, 
wer einem bag Srob oor bem SOtunb hinweg» 
nimmt. ®g effen ebenfo halb bie ©Item mit 
ben Sinbem, aig biefe mit ben ©Item. SBag 
©ott befcfeeert, giebt er um ber Sinber willen, 
fagt #err Sutperug. Qa, wo oiele Äinber finb, 
nämlich fromme ®inber, ba finb oiele Sßeter; 
wo oiele Seter finb, oiele Saterunfer; wo oiele 
Saterunfer, ba ift auch oiel Segen. 

2. 3 m 9? ä p r e n. ©g fotlen alle cpriftti» 
<hen ©Item ihren noch unerpgenen ftinbera 
Nahrung unb Unterhalt oerfcpaffen. SBer bie 
Seinigen nicht oerforgt, ift ärger alg ein Reifee 
unb hat ben ©lauben oerleugnet, fpricpt ijjau» 
lug 1 Jim. 5. 3°» er ift nicht nur ärger alg 
ein fpeibe, fonbem ärger alg ein unoeraünftigeg 
Sieh, benn bie Sögel ernähren nicht nur ipreg» 
gleiten, Wie bie Störche, bie lauben unb an= 
bere Sögel ihren jungen Speife ptragen unb 
jte äfcen, fonbem fie haben auch je P Beiten bie 


fleinen föinber ernährt, wie benn ©prug, ber 
hernach ber Ißerfer Äönig geworben, alg man 
ihn in einen SBaib getragen, oon einem Wirten» 
hunb foll ernährt worben fein. Sieg oergeffen 
biejenigen lieberlichen ©Item, bie ihre Kinbcr 
oiel lieber anbem ßeuten Oor bie Spür fcpiclen 
unb fie bag Settelbrob fammeln taffen, alg bafe 
fie begehrten, biefelben mit ©hren p ernähren, 
©hriftlicpe ©Item füllen ihren Stübern bie noth» 
wenbige SRaprung unb Unterhaltung berfcpaffen, 
hoch aber pfchauen, bafe fie biefelben nicht 
ftracfg an gute Sifelein gewöhnen, fonbem fol» 
gen ber ÜJtutter S'aifer SKajimiliang, bie ge? 
fagt: „©eWöpne mir meine Sinber nicht p gu= 
ten Sagen; WiH ©ott fie ihnen befcpeeren, fo 
werben fie fiep ihrer halb gewöhnen fönnen— 
unb jenem alten Sater, ber p feinen Sinbern, 
alg er ihnen Slnfangg Scpwarjbrob auflegen liefe 
unb fie weifeeg haben Wollten, gefügt: „ßffet 
bag Scpwarjbrob oor, Wie ich auch getpan, bag 
SBeifebrob wirb im Stlter befto beffet fchmecfen, 
wenn ©ott eg euch befcpeeren wirb." 

3. Sollen bie ©Item ihre Sinber lehren, 
©ineg Sinbeg $erg ift Wie eine Schreibtafel, 
auf welche man fcpreiben fann, wag man will, 
unb Wag man brein fcpreibt, bag bleibt. Schreibt 
man ©uteg ober Söfeg in ber Sinber $erjtäf* 
lein, fo bleibt’g auch barin. SBie man einen 
Knaben gewöhnt, fo läfet er nicht baüon. 
Sprüche 22. Sa fotlen nun bie ©Item ihre 
ftinber lehren, tpeilg felbft, unb jWar mit SBor» 
ten unb SBerlen. SWit SB o r t e n: Sobalb bie 
Äinber anfangen ju laßen, foß man fie auch 
pm Seten angewöpnen, Weil ihm ©ott aug ber 
unmünbigen Sinber Sötunb ein 2ob prichten 
wiß. Sf. 8, 2. — 2Jtit SB e r! e n : Safe fie 
ihnen mit gutem ©jempel oorgehen, weil, wie 
bie Sitten fungen, auch jwitfcpern lernen bie 
jungen. Unb weil burcp gottlofeg Seben bie 
3ugenb geärgert wirb, fo bag SBep oemrfacht. 
ÜJiattp. 18. 0 barum: SBenn ja bie gottlofen 
©Item ihrer felber nicht fcponen woßen, foßen 
fie bocp ihrer Sinber oerfchonen. Span fie, 
Wag fiep gebüprt unb fcptägt ein &inb barüber 
um, fo haben fie babei ein guteg ©ewiffen, bafe 
fie bag 3hre getpan. Speilg foßen bie ©Item 
ipre Sinber lepren laffen anbere, unb fie fteifeig 
in bie Schule unb ßinberlepre fcpicfen; bag ift 
ipnen oiel nüplicper, alg Wenn fie ihnen grofe 
©elb unb ©ut pinterlaffen. Unb tönnen eg bie 
©Itern, bie hierin läffig finb, nimmermehr bei 
©ott oerantworten. Unb hat fperr fiutperug 
pieroon alfo geurtpeilt: ©in fi'inb in feinem 
^atecpigmug oerfäumen, fei ja eine fo grofee 
Sünbe alg eine gungfrau fcpänben. 

4. Soßen bie ©Item ihren ffinbem bag 

Söfe wehren. (Siachbar.) 


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534 


Parmljctiigiirit 


^jUrmßerjicjlieit 

.(SJlatt^. 5, 7,9, 39. 142, 5.) 

5>u«ff mtf ^iano- ober ^rflef-^egfeifung. 


(Setragen, bod? begeiftert. 


unb SJtufil bon 3« $. SBallfifc^. 

-K- 




























































3. ©og*, gebentft bu nicht ber Beute, 

2He — erlöft — einft liefen fein, 

$o<& — bon feuern 0atan4 SBeute — 
©tno jefct üoHer ©eeleupein ?! 

„Äuf ben gall giebt’S fein elfteren," 
— ©o Reifet ihrer ©eele 2Ba^n — 

Uttb toerjweiflungSDolI fie flehen : 
e ,m, Wer nimmt fid? meiner au ?!" 


4. ©eele, fannft bu ba hodj f$toeigen, 
ßannft bu ftumm boriibergeb’n, 
fcörft bu nicht ben 3ammer*fteigen 
Terer, bie baS §eil nic^t feh’n? 
frab’ (Erbarmen, ^ab’ ©rbarmen, 
feie betn öeifanb bit aetfyau; 
:,:*D?öchteft bu, gleich 3bm erwärmen, 
SRimm ber ©iiiwerWelt bich an! 


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536 


|ift gegen Hg, ober bes Jfapjifg ^od^feitereifr. 


m W der «rofjejte! 

9titget|ri(t hon gr. fr. 

d) War beute jeEjr mißgelaunt aufgeftanben. 
„Sari!" rief ich meinem Wiener, „je^t fag’ 
id) bir pm brüten SStal, bu fotleft mir eine 
©djubbürfte taufen. Summfopf! bummer 
Sbier!" fo brummte icf) laut. @r erroiberte 
fein Sßort, — bad ift fo feine fromme Slrt, bie 
mid) oft noch am meifteu ärgert. (Heftern febon 
batte er gefdjroiegen, beute roieber. Gr ift boeb 
fonft fo pünftticb, bacfjte ic£), wad treibt er nur ? 
„@eb," polterte icb, „unb bot’ ein Such, i<b 
muß gepulte ©tiefe! haben." SERein 3orn üer» 
ging, atd icb fab» mit melcbet Sorgfalt er ficb 
mühte, ben ©taub oon meinen ©tiefein Wegp* 
reiben, unb pm 3«d) en ber »erföfinung legte 
icb bie #anb auf feine ©cbulter. Ser ©ebanfe 
überfam mich babei, wie fonberbar ed boeb fei, 
baß ed Seute gebe, bie für Selb Sünberen bie 
<Sd)ui)e pujjen. — »eint SBorte „®elb" fuhr 
mir’d wie ein »lifc bur<b ben ©inn, baß icb 
meinem Wiener febon lange fein ©elb mehr ge* 
geben habe. „Qobaun," frag icb, unb jog mei* 
nen guß prücf, „baft bu ©elb ?" 

©in leifed Säbeln pg um feine Sippen. 


„Stein £>err," ermiberte er, „feit acht lagen 
habe icb leinen Sreupr mehr, unb Med wad 
mein mar, für 3f) re Meinen Sludgaben oer* 
braucht." 

„Unb bie »ürfte?" baft bu fie baram nicht 
geholt?" 

©r lächelte mieber. @r hätte fagen fönnen: 
„ich bin fein bummed Sbter, fein Summfopf, 
Wie ©ie ed bunbert SDtal p 3brem treuen Sie* 
ner fagen. 3 fl blen ©ie mir bie 23 £b fl ler, 
10 ©rofdjen, 4 Pfennige, bie ©ie mir fcbulbig 
finb, unb i d) hole gleich bie ©ürfte." Mer 
mein 3af)cmn febmieg, um feinem iterrn p er» 
fparen, über fiel) errötben p müffen. ©ott fegne 
ihn! »bilofopben! if|r©briften! habt ihr 
bad getefen? 

„Sa, gobann," fagte ich, „bol’ nun bie 
ȟrfte." 

„Mer wollen ©ie benn mit einem febwarjen 
unb einem Weißen Stiefel fteßen bleiben ?" 

,,©eb," befahl ich, „bol’ bie »ürfte unb laß 
einstweilen ben ©taub auf bem Stiefel." 

Md bie Spre hinter ihm in’d ©ebloß ge* 
faden, nahm ich bad Such unb pußte forgfältig 
ben linfen ©ebub, auf welchem Sbränen ber 
Steue glänjten. Maestre. 




fift gegen £ ift, oder des poplteo Jpod^eitoreife. 


P apft ©lernend VII. febwärmte aud SSotitif 
für bie :gbee, feine junge Stiebte, Satba* 
rina oon SRebici, an granj I. oon granf» 
reich p oerbeiratben. Sied oerurfadjte bem 
Steformationdfeinb, Sari V., oiel Summer unb 
Slerger, unb ber Spanier gab fidj alle erbenf* 
liebe SRübe, biefe unglücfdfcbwangere #eiratb 
p oerbinbern. 

Mer ed war Med umfonft. Stacbbem Sari 
unb ©lernend ficb lange gebalgt, bat ber Saifer 
pm Mfdjieb für brei feiner »rälaten um ben 
rotben $ut, aber ber heilige »ater geruhte ihm 
nur einen p gewähren. Sogleich nabte ber 
franjöjtfcbe ©efanbte mit berfelben »itte für 
ben »ifcbof oon Orleans, wad rafd) gewährt 
mürbe. |>ierburcb ermutigt, erbat er pgleicb 
ben Sarbinaldbut für ben »ißbof oon SBorcefter. 
Sad war aber Sari p oiel, baß ber granpje 
für ben fefcerifcben »ritten bat, unb reifte ooll 
3orn nach ©panien prücf. 

granj münfeßte eine Unterrebung mit bem 
»apfte auf franjöfifcbem »oben. „SBoblan," 
fpradb ©lernend, „ich werbe nach Soulon, SJtar* 


gür §au8 unb §ttb hon B. $otfi|. 


feiHe ober über bie ©äulen bed ^erfuled 
audgeben, — eben um feine gamilie auf granf* 
reiche Sbron p heben. SRarfeitte, bie ©tabt 
ber »boföer, follte ber Summet*»lab ber ©ete» 
monie Werben. Ser heilige »ater War über» 
glüeflieb, unb feine Meine Stiebte, bie »raut, 
ftrablte oor greube, inbem fie ficb halb auf 
granfreicbd Sb 10 « ju fefcen gebaebte. Ser 
SEBürfet fiel, — aber nach 40 fahren folgte jene 
berüchtigte »artbolomäud»3ta§t unb beren lange 
Seicben»»rojeffionen, febrieen, Wie Meid »lut, 
um bed |>immeld Stäche. — 

$ie 3 u fammenlunft bed »apfted mit bem 
Sönig (Dltober 1533) würbe für bad ©oange» 
lium oerbetblidber, ald fämmtlicbe »feile ber 
©orbonne. Md Heinrich bed VIII. $eiratb mit 
Stnna »olepn befannt geworben, forberte ber 
Saifer Sari, ood ©tolj, baß feiner Saute, ber 
Sönigin (^einri^d üoriged SBeib), ©ereebtig* 
feit miberfabre. SIbcr ©lernend batte bie eng* 
lifebe Mgelegenbeit febon 3°b re lang b<nge= 
fdjleppt, unb üertagte eine eilig pfammen 
gerufene ßonfiftorial * »erfammlung mit ben 


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fift gegen $\% ober bes faffin fodjjeitereife. 


53? 


Sorten: „Steine Herren, mer bie gafjrt nad) 
SRarfeille mitmachen milt, mag fic^ sur Stbreife 
rüften." — 

®ie rhobifcfeen ©ateeren ftanben fcfeon bereit. 
Sfber bie ©panier öerfucpten mit Sift unb ©e- 
malt ben *ßapft bon biefer gefährlichen £>ocf)= 
Seitsreife absuhalten. SUS aber ber liftige 6 te- 
mene bie Ueberliftung merfte, unb er eben 
abfotut jur ^ochjeit moflte, nahm er fich einfach 
bor, auf fransöfifchen Schiffen nach granfreicf) 
ju fahren. Dun manbte f;ch ber Kaifer an bie 
bamalS gefürchteten Sdjmeiser, melche mit 
SBaffengemalt beS fßapfteS ^rojeft aufhatten 
fotlten. Slber beS SßapfteS Sift unb gransenS 
flingenbe Stünje, berurfacfete bie $elbetier ruhig 
SU bleiben, um bie „Cappeler SBunben" ait^^et= 
len su laffen. 

Kart’S Stinifter tannten beS SßapfteS 3 a 9 5 
haftigfeit, unb raunten bem heiligen Später in’S 
Ohr: „(Sure ^eitigfeit nehme fich in Steht, bafe 
Sie nicht unter Slauer’fdjen Giraten geratheit." 
®aS brachte ben Sebemaitn aufeer gaffuitg; 
beim fchon fah er fich im ©eifte nach Sltgier eitt- 
führt, unb baS märe für einen s $apft ja fürefe* 
terlich! — 

®asu Jam gans Dom in Stufruhr. ®ie SBet- 
fen unb ©hibettinen mürben bor ©t. ^Beter bei¬ 
nahe h an bgemein. Ktöftem, Kirchen unb 
öffentlichen *ßtäpen mürben Stimmen taut, ben 
heitigen Vater ja nicht in’S berrätherifche granf- 
reich gehen su taffen. Sin grancisfaner ent- 
flammte baS bemegtidje Votf boit einer Stein- 
®anf h^rab: „Suther, gmingti uitb Defotam- 
gab fiitb ©olbaten beS sßitatuS; fie höben 
ßhriftum gefreusigt! Unb, o Ungtücf, bieS Ver¬ 
brechen mieberfjolt fich in VariS burch Schüter 
beS SraSmuS!" — Dun moflte Siemens mit 
ber „f l e i n e n Käthe" borthin eiten, moht 
um jene ffreujigung ju berhüten. — 

®er *ßapft reifte nach $ifa. „^ch gehe fetu, 
um Europa ben grieben 51 t geben, unb ben Sä¬ 
ttig bon Snglanb mieber auf ben rechten SBeg 
ju bringen." Offenbar hatte Element, mie ber 
SSJotf in ber gäbet, fich in geborgte Kleiber ber- 
mummt. 3 n Dissa ftieg er unb baS „junge 
ÜR ä b ch e n " aufs Schiff. „Seht," rief baS 
Votf, „baS ift bie Urfacfje biefer fonberbaren 
Steife eines ^ßapfteS nach granfreidfj! SBenn es 
fich um baS SBoht ber Kirdf>e hanbette, mürbe 
ElemenS nicht fo biet thun; aber eS hanbett fich 
barum, eine Stebici auf ben ®h*on 8 U fepen!" 

©0 fegelte bie fransöfifd^e gtotte mit bem 
*ßapft unb ber „jungen grau" ab, geführt bon 
bem ^ersog bon Sllbanp. $h*e ^auber-Stittet 
unb 2iebeS-®ränfe maren baS feine ©ift, morauf 
baS fßapftthum rechnete, um bie borgefchrittene 
Deformation in granfreich 8 U ertöbten. ®ie 


vierzehnjährige Königs - Vraut Rupfte auf bem 
Verbecf, bei bem ©ebanfen, an ihre grofee 3u* 
Junft. — ®er ®ob, mornit bieS ©efchöpf einen 
gef)eimnifebotlen Vertrag gemalt s u höben 
fepien, fottte fie auch halb auf ben ©ipfet ber 
Stacht führen. 

®ie päpfttidje gtotte hötte eine fehr günftige 
gafjrt. Unterbeffen ptanirte ber „Unfehl¬ 
bare," bie SBett mieber in ben rechten ©ang 
SU bringen. ®enn ®eutfchtanbS Suther 
unb SngtanbS achter $ e i n r i ch litten il)m 
fc^on biet Sorgen gemalt. Dun aber mirb er 
feine Katharina mit bem Sohn beS Kö¬ 
nigs bon granfreichS berheirathen, mit gran- 
SenS §ütfe bem Sonsit tropen, ats auch ben 
DeformationS - ©etüften |>att gebieten. „Unb 
bamit ^ 3 unftum!" ®iefe ©ebanfen erfüllten 
mährenb ber gahrt beS 5ßapfteS Seele. 3US 
§od)s^itS - ©efchen! hatte er eine VuHe gegen 
granfreichS Keper in ber Safche, metdt)e grans 
boltftrecfen folt. Unb alfo gtitt bie Slorb 
f^mangere giotte in ben £>afen bon S'tarfeitte 
ein. — 

©ans Guropa mar in fangen unb Vangen 
ob biefer ßufammenfunft. ®er fchtaue ©raS- 
muS suefte bie Stchfetn unb machte barüber lau¬ 
ter grageseid)en. „SBaS mich betrifft," fchrieb 
Vucer an Sturm, „fo münfehe ich ^m l>^ 8 ^u, 
bah baS fßapfttt).um über ben Raufen gemorfen 
mürbe; aber .. ich fürchte fehr, ba| eS fich 
mieber aufrichtet." — 

Slm 2. Oftober s °9 Siemens in ber Stabt 
ber Vhofäer ein. ®aS Volf mar in fieberhafter 
Stufregung, ©otteS Stetibertreter in ihren 
äRauem su fehen. „®aS ift berjenige, ber nie 
irrt," lispelte man fich in bie Ohren. ®er 
^ßapft lächelte ob fotcher ^utbigung. „D granf¬ 
reich," rief er entsücft, „bu bift in ber ®höt bie 
ältefte Xodjtcr ber Kirche." 

Stber grans ui^t fehen. ®S mürbe 

Stbenb. EtemenS moüte fich eben sur Duhe le¬ 
gen, ba erfchien ber König, — berfteibet unb 
gans allein. SBoHte er Siemens fonbiren? 
2 Bie bem auch fei. grans lehrte sufrieben su* 
rüdf; benu Siemens berfpradh ihn Stiles, um — 
nidfyts su batten. — 

Stm nächften ®age tiefe fich ber $apft unter 
grofeem ^Bomp in bie Kattjebrate tragen. ®er 
Vifcfeof bon ^ariS hielt bie VemiHfommnungS- 
Debe. ®ann begannen bie Eonferensen. 

SDBeber König noch ^ßapft fparten Vetheue- 
rungen, Dänfe noch Sügen. „®er ht. Vater 
berfiihr mit fo biet Slrglift," frfjreibt ©uiccar- 
bini, „bafe ber König baS gröfete Vertrauen in 
ihm fe^te." Um bie SDZifeheirath s u entfehäbi- 
gen, beburfte grans eine Kleinigfeit, er forberte 
bie ^ersogthümer Urbino unb äJtaitanb, tJSifn 


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538 


£ift gegen $i% ober bes ^apftes $od)jtitsreife. 


unb ©enua unb nod) fünf fleinere baju. Der 
Italiener oerfprad) iljm DlleS. 211S Siemens 
fat), bafe granz feinen ©erfidjerungen fo leicht 
glaubte, bie er bor hier SEBochen bem Kaifer 
Karl oerfprad): „Die galten ju Wol» 
len," roar feine peiligfeit fehr erfreut, unb 
liefe feine Dichte Katharina holen. 

Dod), bamit man bem ©apft nicht oortoerfe, 
er fei etwa nur megen einer pochzeit nach granf» 
reich gezogen, liefe er, um fein Spiel ju beeten, 
bie Bulle öffnen unb fdEfeeuberte fie gegen bie 
Kefcer granfreiefes. ©fit biefem pod)zeitS»®e» 
fdjent tuollte Siemens feiner Dichte bie 2Beit)e 
geben unb granz jum Kreuzes Witter plagen. 
Du SeHat) bisputirte mit bem ©apft unb be= 
fdjroor ihn, bie Deformation nieffe mit ©eroalt 
ju befämpfen. Slber man liefe ihn fchroafcen. 
Denn cS Ifeefe, biefe Bulle fei nur eine blofee 
gorm unb weiter nidjtS. So täufdjten einanber 
©apft unb König unb MeS mürbe eine lofe 
©Ijrafe. Unb beS ©apfteS Dichte roar ein 
„Janaer ®efd)enf." “Timco Danaos 
et (lona ferentes.” 

Snblid) roar bie Diplomatie fertig. Das 
©räutefeen tarn. Die ©linifter beiberfeitS hat» 
ten ben ®fee=Sontraft aufgefetfe. 2US fo nebenbei 
nod) oon einem ©rautfehah bon 100,000 Dha» 
lern geljanbelt tourbe, bemerfte granjenS 
Scfea^meifter: „Das ift fehr wenig für eine 
foldje ©erbinbung!" „Sicherlich," entgegnete 
Strojji, ein Diener beS Siemens, „aber be» 
benten Sic Wolfe, bafe bie grau perzogin bon 
Urbino brei Dinge bon unfdiäfcbarem 2Uertt)c als 
©fitgift mitbringt: ©enua, ©failanb unb Dea» 
pel." Dorf) glänzten biefe Dinge nie an pein» 
ridjS II. Krone. — 

Snblicfe, — enblid) begann bie pompöfe Sere» 
monic. Die junge, bor greube ftraffeenbe 
©raut, trat bor mit fünftem Säbeln auf ihren 
Sippen, ifer paupt roar mit ©lumen, ©olb unb 
©crlen gefcfemüctt; — aber — in ihrem ©e» 
folge toar ber flob, ber ©f o r b bon 
Z e t»« Daufenb ©roteftanten graut» 
reitfeS. Der Dob bebiente fie felbft bann, als 
fie feine Schläge aufzuhalten roünfcffee, ber, in» 
bem er ben Dauphin traf, fee jur ©emahlin beS 
Df)ron=®rben machte, inbem er ihren Schwieger» 
©ater ereilte unb fie jur Königin frönte, inbem 
er rafdj ihren ©atten unb ihre Söhne baffen» 
raffte unb fie bamit jur unumfehränften perrin 
oon granfreich erhob; — um bann als 3fabelt 
gegen bie ©roteftanten mit golter, Oual unb 
Dob ju roüthen. — ©oll Danfbarfeit gegen bie» 
fen uitfcligen Dlliirten foKte ihm baher bie glo» 
rentinerin, 40 3af)re fpäter, in einer Sluguft» 
nadfe, auf ben Strafeen ju ©ariS, eine fatanifefee 
Suftbarfeit oeranftalten, ein ©lutbab ber ©ro» 


teftanten, baS ju ©h r£n beS DobeS gefeiert 
roerben foQte. — 

Doch ftanb Katharina bon ©febiei noch als 
unfdhulbig ©fäbcf)en am SUtar, zwar etwas jit» 
ternb, benn fee roar noch f c h r i un 9- ® er ©apft 
nolljog felbft bie Drauung. granfreichS Slbel 
War zugegen, oon jahUofen Kerzen beleuchtet. 
Die ©febicierin legte ihre blaffe panb in bie 
Kraüenljanb Heinrichs oon ©alois, roetcher ber 
Deformation halb jegliche greitjeit, unb granf» 
reidjS Duhm unb Eroberungen burefe einen un» 
glücklichen gricben entreifeen fottte. Dann gab 
Siemens VII. biefen beiben tragifehen ©atten 
feinen apoftolifehen Segen. — 

Die She war gefchloffen. Sin ©tifc glänzte 
in ihrem ©lief, Dber er roar ber greube einer 
ppäne gleich, welche oon gerne ©täber entbeeft, 
um fech an bereit Seichnamen ju fättigen; ober 
einer Digerin, bie bon ihrer pöljle aus Deifenbe 
entbeett, auf welche fie loSftürjt, um ihren ocr» 
jetjrenben Stntburft ju ftiücn. Unb baS War 
beS ©apfteS Dichte, bie granfreich bergiftete. 

„Siemens greube roar unbegrenzt," fchreibt 
©uiccarbini, „unb aus Danfbarfeit befeffeofe 
er, ben König „SarbinalShüte für bier franjö» 
fifefje ©ifchöfe ju oerleifjen." Der elfjährige 
Dbet bc ShatiKon roar einer ber mit bem rothen 
put ©efchmiidten, er War ein ©ruber beS un» 
fterblichen Eolignp, ber port beS franjöfefehen 
©roteftantiSmuS. ©oll Danf für biefe Sarbi» 
nal-Segiinftiguug feferieb ber König an ben ©i» 
fchof bon ©ariS: „Dafe man, ba baS ©er» 
brechen bes lutherifdjen Keherthums zunehme, 
ben ©rojefe ber Kefeer beginnen unb ju Snbe 
führen tnüffe." — SS fdjeint, bieS toar ber 
Dachtifch ber ©afeliSfen»|>ochjeit unb bie erftc 
SBirfung beS Slementinifd)en Segens. 

DeS Königs Sdjtoeffer SDargaretl)a, roar bis» 
her bie Dährerin beS ©roteftantiSmuS. Dber 
bie oerftedten 3ufammenfünfte gefielen ihr nicht 
recht, fee wollte, bafe bie ebangelifdje Sehre burdj 
bie Kirchen, unb nicht bur<h Scheunen ober 
Speicher in’S Königreich bränge. Sie roünfchte 
für granfreidh eine Deformation, Wie ettoa in 
Snglanb, mit Beibehaltung ber Srjbifchöfe, 
Kathebrale unb Kutte. 3lber g e f u D c i d) 
ift nicht bon biefer SBelt. 

2llle SBelt roar fetjr gefpannt, Welche grüefete 
ber geheime ©ertrag oon ©ar le Due gtoifchen 
granz unb ©hilipp bon Reffen an’S Sidjt brin» 
gen Werbe. SS würbe halb flar, bafe SBürttem» 
berg feinen Herzog toieber befam unb bamit baS 
peil ber Deformation im ©cfolge. SBie toohl ber 
Dferologe Sichtenberg an ©Mandfehon feferieb: 
„Dem Söroen (peffen) wirb eS an pülfe fehlen, 
unb er wirb oon ber Silie (granfreich) ber» 
laffen roerben." — ©ielatidfehon freute feöh her* 5 


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Jet ^ttegeugefaag. 


539 


lieg, bog bcr äßacebonier ©gilipp (oon Reffen) 
ber Deformation fo gute Sienfte leiftete; aber 
oon granz unb Sari ermattete et für Seutfcg= 
lanb nie etrnaS (Mutes. 

211S granjen’S Keger=@bi!t in ©aris befannt 
würbe, traft beffen ein 3eber, ber bureg bie 2luS= 
fage jmeier 3 eu ? en beS SutgertgumS überführt 
mürbe, augenblidticg oerbrannt metben füllte, 
ba flog 3°h n Saloin oerfleibet nacf) ©trajj= 
bürg. Unb mer niegt oon ben ©roteftanten 
flog, mürbe oon ben Scgergen bet Sorbonne er= 
griffen. Unb als Douffel, SJtargaretgaS Kap» 
lan, audj ergriffen murfle, zog fie fieg naeg ©earn, 


an bie ©grenäen jurüd. Sin einem Slbenb tour» 
ben 300 in bie Sonciergerie abgefügrt. Unb 
bis auf ßubmigS Sragonaben mürben 140,000 
©roteftanten getöbtet unb 500,000 ber beften 
Untertganen aus bem Sanbe oertrieben, um beS 
GroangeliumS roitlen. Unb baS ©lut oon 9lber= 
taufenben oon SDtärtgrern brüdt geute noeg baS 
fegöne granfreieg, Spanien unb Italien. 2Bag= 
renb Sänber, melcge ©otteS SEBort annagmen, in 
„ben Jütten © e m S mognen" unb „ben 
Trieben 3efu" geniefjen. Senn „SBer 
rnieg egrt,ben mill icg mieberegren, 
fpridgt ber £err!" 




Per pifdjrugefang. 

gür $au6 unb §trb oon griebriig SRuuj. 


/fcs gibt mogl auf ©rben feine menfcglicge I 
Sunft, auf bie in unfern Sagen megr 3eit 

* unb Kraft oermenbet mirb, als auf bie Son» 
funft. ©ie ift bie SKobefunft unferer 3eit, ber 
oerzogene Siebling unferer geutigen tnobernen 
©efeßfegoft, benn überall finben fid) »gre begei= 
fterten jünger unb ©eregrer. 2Rit Decgt nennt 
fie ©oetge bie „fegönfte Offenbarung ©otteS." 

211S folcge gat fte audj baS ©griftentgum feit 
feinen Uranfängen in Sienften gegabt unb fie 
ju einer geiligen Sunft geabelt. Senfen mir I 
untere ©liefe nur auf einen 3>oeig ber Siregen» 
mufif — auf ben Sircgengefang unb betraegten: 

1. fein SEBefen, 

2. feine ©ebeutung unb 

3. feine ©flege. 

*lfo erftens: ©BaS bcr ftirdjeitgefaiig ift 
unb toas er fein foll. 

SBir SKenfcgen finb fägig bie uns begerrfegen» 
ben unb treibenben ©mpfinbungen unb ©efügle 
auf mannigfaege SEBeife auSjubrüden. Sie megr 
ober minber treue SBiebergabe berfelben gängt 
ganz oon bem SReiegtgume unb ber ©tannigfal» 
tigfeit ber unS ju ©ebote ftegenben ©praegmit» 
tel ab. Unfer gemögnlicger ©erfegr mirb bureg 
SEBorte oermittelt. 

©reift jeboeg Suft ober ©egmerj ftärfer in bie 
Zarte ©aite unfercS ©emütgeS, fegmellen bie 
SEBogen unferer ffimpfinbungen göger unb göger, 
bann gebt fieg unb fenft fid) unfere Stimme in 
rptgmifegen unb melobiiegen Sönen. 3 n bie 
leeren SBortformen giefjt fid) baS geuer unferer 
©efügle unb bureg fegöpferifegen Obern fegeinen 
fie belebt unb befeelt z« merben. ©on biefer 


gehobenen ©praege ruft ©egiller begeiftert aus: 
„Sie Sunft, o ütenfeg, gaft bu allein!" Unb 
ein anberer Siegter fingt ebenfo mar mie fegön: 

„SJögel haben nidit® als löne, 

SBorte hat ber Sltcnfeh allein." 

3 gm nur ift’S möglieg, SEBort unb Son in ein 
unzertrennliches ©anje ju oerbinben unb aus 
ber innigen ©erntäglung beiber fliefjt beS ©am 
gerS lebenatgmenber ©efang. 

©egon in bem eben auSgefprocgenen SEBefen 
beS ©efangeS liegt fein göttlicher Urfprung unb 
feine geilige ©eftimmung. 2luS ben überftrö» 
menben religiösen ©mpftnbungen muegfen jene 
alten Urgefänge geroor, beren Senfmäler mir 
in ÜKirjam’S ©iegeSgefang, in ben gerrlicgen 
©falmen ic. finben. 

Sie jübifegen Sempelgefänge mit igren feier» 
liegen, recitatioen SBecgfelcgören maren es aueg, 
bie baS Ggriftentgum gerübernagm in feine ftil» 
len ©otteSbienfte unb in bie alten gönnen neues 
geben gofj. 3g nen entfprofj ber cgriftliegeKir» 
egengefang, ber fieg uns barfteHte als ber b e= 
geifterte SluSbrud beS egri ft liegen 
©emügteS in feinem ©lauben unb 
$offen, Sulben unb ©egnen. 

3n feinem SEBefen unb in feiner ©ntmidlung 
im Sauf ber 3agrgunberte, zeigt fieg unS ber 
Sircgengefang als ein ©olfSgefang unb 
baS mug er fein, menn er ©emeinbegefang fein 
foß. Slbcr bamit noeg niegt genug, er ift oor 
aßem ein heiliger ©olfSgefang, ein religiös 
fer ©efang. ©eine ©eftimmung ift: für baS 
©ol! unb für ben cgriftliegen ©otteSbienft. 

hiermit finb fegon feine #aupteigenfcgaften 
beftimmt. SEBie afleS Sautere, SBagre unb ©r» 


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540 


J)rr IKrdjetigefang. 


habene immer in einfachem, prunflofem ©emanbe 
erfdjeint, fo fott auch ber geiftliche ©otfSgefang 
ebenfo einfach, fdjlid)t, natürlich unb ungefün* 
fielt fein, mie baS ©epräge fircfyttdjer SBürbe 
unb Söeihe an fiep tragen. 

3um ©eifpief jene alten SReformationStieber. 
Saum maren fie gebieptet, fo mürben fie fepon 
oor allen X^iiren unb in allen Käufern gefun* 
gen, mie auf glügeln beS SBinbeS eilten fie burep 
alle Sanbe unb eroberten bie |>er$en. Sie ma* 
ren oolfstpümlicp unb burcpglüpt oon bem ©eift 
jenes meltüberminbenben ©laubenS, ber ©apft 
unb $ötte trotte im ©ertrauen $u bem, ber baS 
gelb bemalten mirb. 3 m cbelften Sinn beS 
SöorteS maren jene SReformationSlieber geift* 
licpe ©olfSgefänge unb nocp bilbet unfer beut* 
feper ©poral bie Srone im Sircpengefange. 
Sreffenb eparafterifirt ihn ein SRufiffritifer: 
,,©ei aller ©infalt unb Unfcpulb, non met* 
eper ©rpabenpeit unb SBahrpeit im SluSbrud! 
Sie paben oft mapre £>eitigengeficpter biefe 
©poräle." 

2. Sie ©ebeutung beS mal)ren ßirdpeu« 
gefangeS im ©otteSbi’eufte. 

gm ©emeinbegefange, bem eigentlichen Sir* 
epengefang, tritt uns bie Sermirflicpung jenes 
hohen, chriftlichen ©ebanfeitS entgegen, baf$ mir 
Stile ©riefter unb |>auSgenoffen ©otteS finb. 
gn fünften, einleitenben Säuen beginnt bie Dr* 
gel unb führt baS Sieb oor unfer gnnereS, bann 
fällt bie ©emeinbe ein unb in braufenben SIN 
forben gleich einem mächtigen Strome fließt ber 
©efang majeftätifcp bahin. ®rof$ unb Stein, 
Öleich unb Slrm, |>err unb Snecpt finb burch bie 
Stacht ber Säue an einanber gefettet, ©ruber* 
banbe umfcplingen fie, „ein |>er$ unb eine Seele," 
fo bringt bie ©emeinbe auf glügeln beS ©efan* 
geS empor Dor b'eS Stilmächtigen Spron. 

Sie Dielen Stimmen in eine oereinigt lobent 
mie eine mächtige gtamme himrnelmärtS; Sor* 
gen unb ©rämen, Summer unb Schmerlen mer* 
ben oergeffen; göttliche ©egeifterung erfüllt bie 
Seelen unb bie ^erjen öffnen fich mie bie ge* 
fchtoffenen SlumenfnoSpen in ben Strahlen ber 
golbenen Storgenfonne. 

Slun ift ber ©oben Oorbereitet, ber Säemann 
mag jept feinen ebten ©amen ftreuen. 

SBunberbar ift ber ©influfc, ben ein fold)’ in* 
niger, mahrcr, feuriger ©efang im $aufe beS 
§errn auSübt. ©on ihm fann man oott unb 
mahr beS SicptcrS SSorte in ©eltung bringen: 

„S8er fann beS Sängers Raubet löfen, 

SÖer fernen Sönen miberfteh’n? 

SBie mit bem Stab beS ©ötterboten 
©eherrfcht er baS bemegte $er$." 


Unb baS gilt nicht allein üom ©emeinbe* 
gefange, auch bie höhere Sunft hat Speil baran. 
3ßaS bie lieblich buftenben ©lumen $auS unb 
©arten finb, baS ift ber chriftliche Sunftgefang 
im ^eiligtpume beS $errn. $at er fich einer 
tüchtigen Seitung ju erfreuen, melche bie perr* 
licpen Scpäpe ber proteftantifepen Sircpenmufif 
<$u mürbigen oerftept, fo ift ber ©influfj, ber oon 
hier auSgeht, ein tiefer unb meitgreifenber. 
Sticht nur geminnen bie ©otteSbienfte an Studie* 
hungSfraft unb Sieblicpfeit, fonbern auch ©eift 
unb §er$ oon Sänger unb ©emeinbe merben 
oerebelt, ber ©inn für baS $ope, ©rpabene unb 
Schöne mirb gemedt unb baS SBicptigfte: mir 
geminnen bie gugenb. 

Surcp biefe anmuthenbe, bie gugenb erfreu* 
enbe Spätigfeit ermeden mir in ihr Suft unb 
Siebe ^u ben ©otteSbienften, fie mirb baburch 
^ur ©flege ber 2Jlutterfpracpe angehalten, unb 
bie golge ift bie ©rhaltung ber gugenb für bie 
Sircpe unb barauf ift bie 3«fnnft unferer meiften 
©emeinben gebaut. 

StuS biefer großen ©ebeutung beS Sirtpen* 
gefangS fließt unfer britter ©unft: 

Sie 2Bid)tig!eit utib Wotpmenbigfeit einer 
forgfättigen pflege befjelbeit. 

SBenn auch ber Untergrunb für einen gefun* 
ben, geglichen ©olfSgefang f<han oorhanben ift, 
nämlich ein gefunbeS,mahreS©hriftehtpum, trofc 
bem bleibt immer als feine erfte ©ebingung: 
pflege, ©ott hat baS herrliche äBerfyeug jurn 
©efang in uns hineingelegt; tief im ©erborge* 
nen fepfummert bie göttliche ©abe. Unfere 
Pflicht ift es nun fie $u meden unb auSpbilben 
5 U beS Schöpfers Sob unb ©reis. 

SSir Seutfche bürfen ein menig ftolj fein, benn 
baS beutfepe Sol! ift oor Sittern ein fittgenbeS 
©ot!, unb biefen unbeftrittenen 9tuf)m haben 
mir unfern beutfehen Sd)utmeiftern unb ihrem 
allzeit thätigen Saftftod ju Oerbanfen. SBie 
aber $r. Siebhart in feinen „©ebanfen über 
ein ©efangbuch" richtig bemerft, fo haben mir 
in unfern ©emeinben hier $u Sanbe feine folgen 
©chulmeifter hinter uns unb finb barum ge* 
^mungeit, motten mir ben Sirdhengefang nicht 
oerfommen unb oerfümmem laffen, feine ©flege 
felbft in bie §anb ju nehmen, benn in nur me* 
nigen gälten bürften mir eine geeignete ©erfon 
hie^u oorfinben. 

5feber ©rebiger fottte befehalb mehr ober me* 
niger mufifalifdie ©itbung haben unb fein theo* 
logifcper Stubent unferer 3^it fottte in’S praf* 
tifche Seben hinaustreten, opne eine genügenbe 
StuSbitbung in biefer Dichtung erlangt p haben. 
Sie fotten feine Sünftler merben, aber fähig fein 


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Sinniger Jank. 


541 


ben geistlichen ©efang in einer toürbigen SEöeife 
pflegen ju tönnen, wie bie Sirdjenorbnung eä 
unä jur heiligen Pflicht macht. 

SBollen mir trgenbmie etluns erreichen, fo ba= 
ben mir mit ber Jugeitb ju beginnen. Schon 
in ben Unterrichtsjahren Dom 10. big jum 15. 
Jahre follte ber ©runb zu einem guten ©efange 
gelegt merben. GeS finb bann fomohl bie fjeite= 
ren, lebengfrifctjen ©efänge ber Sonntagfcfjute 
ju üben, mie auch ber einfach ernfte ©efang ber 
©enteinbe. So herangezogen unb herangebil» 
bet, merben mir nicht nur einen ausgezeichneten 
©emeinbegefang befommen, foubem auch iw ben 
Jünglingen unb Jungfrauen genügenb tüchtiges 
ÜRaterial finben, um bie höh et£ Sun ft ju berücf* 
fichtigen. 0rt unb Umftänbe, eigene SluSbil- 
bung unb Jähigfeiten ntüffen hier felbft miffen, 
„mag nnb mie." 

Ülie füllten mir aber bie mistige Sebeutung 
ber heiligen ÜJlufifa gering fcfjägen. Sie ift 
eine ÜRacijt im Seben gemotben. ÜBar bie Kir= 
chenmufif bie ÜJtutter ber melttichen, fo ift nun 
bag Kinb über bie ÜJtutter hinauSgemachfen. 
Sie SBelt Dertoenbet Diel mehr Jeit unb Kraft 


unb SBermögen, um biefe herrliche Kunft für ficf» 
auSjubeuten, mährenb bie Kirche heutigen SageS 
betteln gehen muh, Opernarien unb frioole ©af 
fenmelobien entlehnt jum Sienfte im Xetnpel 
beS Allmächtigen. 

Jene alten, feurigen ÜJtelobien, bie in ben 
©locfhütten unb Kirchen unb ßagerDerfamm» 
tungSgrünben unferer Sßäter erfüllten, mo finb 
fie? Sie finb Derftummt. Unfere Jugenb 
iennt fie faum mehr, fie fann biefer fräftigen 
$auSmannSloft feinen ©efchmacf mehr abgemin* 
nen, meil ihr mufifalifcher ÜJtagen üermöhnt unb 
oerzogen ift burch jene fügen Secfereien unb 
Jurfcrmaaren, jenen faft* unb fraftlofen ©efän= 
gen, bie mie eine Jlut unferfianbüberfchmemmt 
haben. §inmeg eilen bie flüchtigen Xöne über 
bie tiefften SBahrheiten unb erljabenften ©eban* 
fen, um ja bent Zeitalter beg SampfeS gerecht 
ju merben. 

Jroh, herjlich froh bürfen mirzmar fein, baff 
unfer fräftigerer beutfcher ©eift ficf) noch nicht fo 
meit üerirrt hat, obwohl ber oerflachenbe, leichte 
©eift unferer geit a ud) auf unfern Kirdjengefang 
tiefe Schotten getoorfen hot. 


o 


Sinniger Pank. 

lui Um fiele» Don Otto S^iilfre. 


gfcie ©efdf)irf)te, bie ich erjählen mill, ift burch* 
|y aug anfpruchglog unb meber aufregenb 
noch fpannenb. Slber fie fjat amei 93or= 
$üge, melche fie intereffant machen außeror* 
bentlidh geeignet finb; nämlich einmal ift fie 
toahr unb genau fo paffirt, mie ich fie t)ier er* 
jähte, unb ferner ift fie paffirt bor gar nicht 
langer Qeit. ®en 9?amen ber Stabt, roo fie 
fid} augetragen hat, muß ich leiber berfcfjmeigen; 
aber eg ift feljr leidet möglich, baß auch bu, lie* 
ber fiefer, foldEje Seute fennft, mie ben Softor 
®. unb ben $’erm K. unb bießei^t gar obenein 
folche jugenblidje Herren mie ©rieh unb SBalter 
®. unb 9?einf)olb K., bie in biefer ©efcpid^te 
eine fo fe^r bebeutenbe 9toHe fpielen. Unbfomit 
barf ich benn hoffen, baß bu immerhin einiger* 
maßen begierig bift $u erfahren, mag ich ju er* 
5 äplen fyabe. 

Eg ift Siadfjtg jmölf Uhr. 2tn s Jteinholbg 
ftranfenbette machen bie ©Item. Slengftlid) 
laufest bie SRutter auf bie leifen Stt^emjüge beg 
leibenben Ki'nbeg unb mecpfelt bie gigumfehläge 
auf bie fieberheiße Stirn; bange jählt ber Sa* 
ter bie ^ßutgf^läge unb 9ttt)em$üge, bie immer 
fd^netler unb immer fchmä^er merben, big ein 


neuer 2lugbrucp beg 5ßh anta ^ ren ^ vereinten 
Kräfte beiber ©Uem aufbietet, bie faum im 
Staube finb, bag ficf) minbenbe ®inb auf bem 
Sd)mer$englagcr ^u erhalten. 

Soeben ift mieber ein folcher 91nfaH oon ©e^ 
hirnfrämpfen oorüber, ba flüftert bie geängftete 
9Kutter bem Spanne ju: „Unfer Septeg Don 
ben fieben! Unb fei gemiß, eg ftirbt; eg ftirbt 
ung unter ben Rauben noch biefe 9?adE)t. SBol= 
len mir ni<ht noch einmal jumSoftor feftiefen ?" 

,,©r mirb nicht fommen," antmortete ber 
SDtann. ,,©r h a i mir augbrüdlich gefagt: 
fepiden Sie biefe 3tacht nicht; ich h a & e SlÜeg ge^ 
than, mag in meinen Kräften fteht." 

„So laffen mir einen anbem rufen, geh 
merbe ju ®oftor $. fchiden. ®er 3Kann hat 
felbft Kinber unb meiß, mie eg thut, menn @1^ 
tem oor Slngft um ein fterbengfranfeg Kinb 
nicht aug nicht ein miffen; ber ift noch ftetg gern 
ju jebem Slrmeit unb Kranfen gefommen bei 
Sag unb Stacht. Kid^t mahr, ich Triefe fofort 
$u ihm?" 

SBenige SDtinuten fpäter mirb bie SKadjtglode 
bei ®oftor ®. gezogen unb mieber menige 30?i^ 
nuten fpäter tritt ber ©erufene in bag Krauten« 


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542 


Sinniger Pank. 


5 tmnter. 3^ ar ift er ben gansen Sag über me- 
nig oom SBagen gelommen; bie SanbprajriS, 
bie ihm jum großen Speil ^ugefaflert ift, t)at 
ihn bahin unb borthin nteilenmeit geführt unb 
mübe unb mürbe gemacht. Slber jept ift ifjm 
feine SJiübigleit anjufe^en. ©or je^n fahren 
gehörte er ber @tubenten-©erbinbung „SRugia" 
in ©reifsmalb an, bei beren Raufereien er bie 
tiefe Starbe auf ber ©tim baoon trug. Sie ba- 
malS bemäprte fjrifc^e unb Shattraft eignet ihm 
noch ^eute, fie ift ifjnt in ben ärztlichen ©eruf 
gefolgt unb täfjt ihn heute im Sienfte leibenber 
äRenfcfjen faft ebenfo leicht ben Sdf)laf oergeffen, 
mie ehebem im Greife luftiger Surften. 

3Rit gemohnter ©rünblidhteit erforfcht er bie 
©orgefchidjte ber ffranlljeit; er erfragt jeben 
Umftanb, ber irgenb Don ©ebeutung fein tarnt, 
um fich ein Urteil über ben ffranten zu bilben. 
Ser Slthern mirb belaufet, ber RulS gezählt, 
bie ©ruft betlopft, bie Semperatur gemeffen, 
bie lebten SRe^epte, melche fein $err ©oüege 
oerfd)rieben hat, burdhgefehen. ©ange harrenb 
fangen oier Slugen an feinen Sippen. 

Unb eS ift ©uteS, maS biefe Sippen zu fagen 
haben: „Sie ffrifiS ift vorüber; er mirb hof= 
fenttich nicht fterben." 0 meldj’ ein tröftlidjeS 
SBort! mie bemegt unb belebt eS §erz unb 
©inn! SBaS tput eS, bajj noch lange SBochen 
vergehen merben, beoor baS ffinb oöHig genefen 
fein mirb; maS tfjut eS, bafe noch einige Stacht- 
machen OorauSzufeljen finb, bafc bie äufcerfte 
©orfidfjt, bie pünftlidfjfte ©efolgung ber ©or- 
fchriften geforbert mirb.; maS tput eS, baft in 
SuSficht fteht, bie fehlere Soppelfranfheit merbe 
baS ffinb jum ©d^atten abmagem laffen; „er 
mirb hoffentlich nicht fterben," bieS eine SBort 
genügt ber SRutter, um eS in hunbertfadjer 
SBieberljolung im £erzen mieberflingen ju taf¬ 
fen. ©ie eilt hinmeg, bamit ber längft oerfiegte 
Shrönenftrom fief) ungefepen ergiefeen fann: ein 
Sanf ohne SBorte für ben SJiann, ber baS gute 
SBort gefagt hat, zugleich ein Sanf für einen 
Roheren, ber gefagt hot* „3$ bin ber #err, 
bein Slrzt." 

SeS SoltorS SBort erfüllte fich. ©on Sage 
ZU Sage, oon 3Bod)e zu SBoche fchritt bie ©ene- 
fung oor. ©r fah fortan bert ffnaben beS Sa¬ 
ge^ jmei SRal. 3 n ben geifterfjaften Slugen 
regte eS fich aHmäf)lig mieber mie SebenSlraft, 
eS runbeten fich fchon ein menig bie bürren gin¬ 
ger, auf ben eingefallenen SBangen fonnte man 
fchon einen leichten Hinflug oon SRötpe mahr¬ 
nehmen. ©ebulbiger, als fonft mohl achtjäh¬ 
rige ff naben eS z u tpun pflegen, ertrug SJteinhoIb 
fein ff ranfenlager unb befonberS bie Sangemeile 
ber ihm auferlegten Stitpe; unb banfbarer als 
anbere ffnaben feinet SllterS begrüßte er jebeö 


SDtal ben Soctor, menn auch nodj lange fein 
Sächeln fo auSfah, als mollte er ju meinen an¬ 
fangen. Slber noch lebhafter als ihn felbft be- 
megte feinen ©ater bie grage: 2Bie fannft bu 
bem SJtanne eine gan$ befonbere greube machen, 
ber eine fo gan^ befonbere 3Jfühe an uns ge¬ 
menbet hat. 

9lach etlichen SBochen erfchien ber erfte frohe 
Sag, al3 ber Soctor ba3 Slufftehen erlaubte; 
halb barauf ein jmeiter mit einer freilich meh- 
müthigen greube, al§ ber Sifcfjler bie beiben 
ffrüdfen brachte, an benen Steinholb ba3 ©eben 
mteber lernen mugte. ©r lernte e^ unb fteßte 
halb bie eine ffrüde in bie ©de unb einige 3^t 
fpäter auch bit anbere. Ser Soctor fing an 
feltener §u fommen. 

9iun ift e^ eine befannte Shatfache, bafe ©e- 
nefeitbe häufig einen lebhaften Slppetit auf irgenb 
eine befonbere ©peife befommen. @o mar e^ 
auch SReinholb; er oerfpürte ein uttmiber- 
ftehliche^ ©erlangen, ffrebfe ju effen. ®ber 
moher ffrebfe nehmen im ÜRärj? ©ergeblich 
mar alle 9Kübe ber Sßutter, folche aufjutreiben. 

Ser Soctor mnrbe ju 3tathe gejogen. ©r 
mu^te laut lachen über ben feltfamen ©infall 
feines SteconoaleSgenten. „Jungchen," fagte er, 
„ber gifcher RieSfer hat munberuoHe 3 a ^ber 
im ffaften. SBir haben ^cute melche baoon ge- 
geffen. SBie märe eS mit 3anbern? /i 

Steinholb lächelte mehmüthig. „2luf 3anber 
habe ich leinen Slppetit." 

„Slber, 3unge, 3 a nter finb hoch eben fo gut 
SBafferthiere mie ffrebfe, unb fdfjmeden genau 
ebenfo, menn fie mit ffümmel unb Reterfilie ge¬ 
locht merben. Su foüteft eS hoch einmal pro- 
biren." 

„3a, SBafferthiere finb 3 an t> er f natürlich, 
unb fchmeden merben fie mohl ebenfo mie ffrebfe; 
aber ich t)aht bodh blofe auf ffrebfe Slppetit." 
Sabei blieb er. Unb maS ift ju thun gegen 
Qbiofpntrafie? SKichtS. ©S !am alfo SlfieS 
barauf an, bie begehrten fferbthiere an^nfehaf- 
fen, mollte man anberS bem unmiberftehli^n 
Sriebe bcS ffranlen genügen. Unb maS thut 
man nicht, um ein ber SobeSgefahr foeben ent¬ 
ronnenes ff inb §u erfreuen! 

Unb fonberbar, eS foHte bem ffnaben glüdeit. 
Senn nächften SageS mirb mirllich bie erfebnte 
Selifateffe in ©eftalt oon fünfzehn ffruftenthic- 
ren an ber Shür ber grau Soctor angeboten, 
menn auch freilich biefe SBefen hächftenS auf ben 
tarnen ffrebslein Slttfprnch machen lonnten. 

21ud) bie grau Soctor hatte oon bem Ratien- 
ten unb oon feinem Slppetit auf ffrebfe erfah¬ 
ren ; unb jept maren fie auf einmal ba. Sic 
merben felbftrebenb fofort getauft, in ein fförb- 
chen gelegt unb SBalter unb ©rieh Serben be- 


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Sinniger £ank. 


543 


ouftragt, an ber |>anb ber Sinbgmagb ftehenben 
gufjeg bie Srebfe ju SRein^olb $u tragen. 

$u müffteft SBalter unb ©ric| gefehen haben, 
©ie finb ja nun jtnar immer prächtige Serie, 
bie beiben Meinen Soctoren, aber biegmal, 
burcbbrungen von ber SBichtigfett iljreg Sluf* 
tragg, finb fie prächtiger alg je. ©ie machen 
fich fofort auf ben Sßeg, befteflen ihre ßompli- 
mente, ftaunen in gebührenbem 2Rafft über 
Steinholbg freubeftrahlenbe Stugen, fragen unb 
erzählen, mag ihnen fonft einfällt, unb mürben 
jmeifelgohne nicht Verfehlt hoben, auch fogleich 
au berichten, mieviel bie Srebfe gefoftet hoben, 
menn fie bag nur felbft gemufft Ratten. Qn 
#üufe mieber angefommen, fragt fie bie grau 
Soctor vergeblich, mie „eg benn mar/' unb ob 
ber SReinhoIb fich auch gefreut unb ob er fich 
auch bebanft höbe. Slber feltfam, bie jungen 
fcheinen abfolut feine 3eit p hoben, auf folche 
gragen p hören; fie plaubem unb fcpmapen 
immerfort Von einer ungeheuren SPiaffe von Iau= 
ter SanarienVögetn unb bemonftriren voller 
©ntpcfen mit ©eften, mie ber mirfliche, Ieben= 
bige Slffe mürbe gefprungen fein, menn er aug 
bem Saften h^rauggefomnten märe. „SJtutter, 
eg mar hoch gu fdhabe, bafc er nid^t heraug farn." 
Sic ÜJtutter aber ihrerfeitg ift auf$er ©tanbe, 
bag Meine (Sefdjmäp ber jungen ju begreifen 
unb ihm bag minbefte !gntereffe abpgeminnen, 
unb ehe ber ©ater mieber von feinen Sranfen* 
befuchen junicfgefehrt ift, finb Srebfe unb ©ögel 
unb Slffe längft vergeffen. 

2tm anbern SJtorgen, alg ber Soctor mieber 
p Sleinholb fommt, reicht biefer ihm, banfenb 
für bie fchönen Srebfe, mit freubig erregtem 
Slntlij} ein ©ouvert entgegen. 

„Seine ?ß^otogrop^te f mein Qunge, pm Stn^ 
benfen?" fagt ber Soctor, bie SSifitenfarte 
fühlenb; „bag ift ja fehr liebengmürbig von 
bir." 

@r jieht bag ©ilbchen fjenuig. Unb — mie 
er eg anftelft, ift er vor Ueberrafchung feineg 
SBorteg mächtig; unb mie er eg länger unb tän= 
ger anfieht, fühlt er etmag feit lange Unge^ 
mohnteg gmifchen ben Slugenlibern fich regen. 
Senn mag er vor fich hot, ift bag ©ilb feiner 
beiben 3 un 9 en iu eiuer f° trefflichen ^h oto 9 r 0 5 
phie, mie fonft fein 93itb von biefen bemeglichen 
©üben hcrpftellen gemefen ift. Unb nicht bag 
allein ift bag ©dfjöne, fonbern — fo, mie fie 
täglich umherfchmeifen in §aug unb $of unb 
©arten, ber eine mit bem Seberfchurj, ber an= 
bere, ber gerabe etmag $algmeh gehabt hotte, 
mit einem ziemlich nonchotant umgelegten £>alg* 
tuche, fo ftehen fie $anb in $anb ba, bie ©e= 
fichtgpge lebhaft erregt, vor allem bie Slugen 
in unvergleichlicher ßebenbigfeit miebergegeben; 


bag gan$e ©ilbchen in fauberfter Arbeit aug= 
geführt. 

Ser Soctor menbet fich P SReinhoIbg ©ater 
unb fagt: „©ine größere greube, mein lieber 
£err S., hotten ©ie mir nicht machen fönnen. 
Sber fagen ©ie mir hoch nur, mie in aller SBelt 
haben ©ie eg angefangen, bie jungen au bän= 
bigen unb noch baau in aller ©title?" 

£ören mir, mag $err S. Vom vorigen läge 
p erjählen hotte. 

Sllg bie Snaben mit ben Srebfen p 9teinhoIb 
gefommen maren, hotte $errn S. ber ©ebanfe 
burdjpcft: 3 e tft ober nie ift ber Slugenbticf, auf 
ben bu lange gemartet hoft. Dh ne feine ei 9 *ne 
freubige Stufregung p verraten, fagt er au ben 
jungen: „3$ merbe euch etmag ©djöneg aei^ 
gen; fommt einmal mit! 3^ habe einen ganaen 
Vogelbauer voll Sanarienvögel." ®r geigt 
ihnen bie SJiefter. ,,©eht h^r, biefe hoben ©ier 
gelegt, biefe brüten unb jene hoben fchon aug* 
gebrütete 3unge." Sie Soctorgfinber bemun* 
bern Slfleg mit begreiflichem ©rftaunen. 

„Sannft bu ung nicht noch etmag Slnbereg 
aeigen ?" fragt auf einmal ©rieh. 

„©emifft" fagt §err S., bie gute ©elegenljeit 
'bei ber ©timlocfe' ergreifenb, „ich höbe noch 
etmag viel ©djönereg; in ber Oberftube höbe 
ich einen lebenbigen Slffen, ber fipt in einem 
fdjmaraen Saften. Sen merbe ich ’mal heraug^ 
taffen, unb ihr foßt ftaunen, mie ber Hettero 
unb fpringen fann." 

Sie Slngefidfter ber 3ungen glönaen. „3o, 
ben moßen mir fehen." 3Jian fteigt bie Sreppe 
hinauf unb fommt oben an. Sa fteht auch 
fchon ber fdhmarae Saften, morin ber Slffe fifct. 
„3?fct fteflt euch nur h* er on biefe SBanb unb 
pafft genau auf. 3tug biefem Sodfj fommt er 
heraug. 3$ merbe ihn je$t heraugjagen." 

Sie Snaben ftehen mie bie Silbfäulen unb 
vermenben fein Stuge von bem fdfjmaraen Soch 
am Saften. £err S. manipulirt bermeilen an 
bem Saften h erum * ^öer fein Slffe fommt 
heraug. 

„®g ift au fdjabe," beginnt ^err S. nach 
einer SSeile, baf$ bag ungeaogene Sh* er uicht 
heraugfommen miß. „Slber märtet nur, bag 
nächfte Sßal foßt ihr ihn gana beftimmt fehen. 
Unb bu, SDtarie," fo menbet er fich on bie SRagb, 
melche bie Snaben mieber in ©mpfang nimmt, 
„bu halft ben 3Runb." 

9?achbem ^errS. bieg berichtet hot, fährt er 
fort: „3ch mufete bie 3 u ngen biegmal fo neh s 
men, mie fie eben famen. Slber ©ie foßen von 
ihnen im ©onntagganaug fo Viele ©Über hoben, 
mie ©ie nur irgenb moßen." 

„Stein," entgegnet ber Soctor, „bag muß ich 
entfehieben ablehnen, ©erabe fo, mie fie hier 


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544 


$onntagfd|ul*£eliti0nm. 


finb, füllen fie mir eine fd)öne ©rinnerung an 
Sfyren liebenätoürbigen ®an! fein, unb gerabe 
fo finb fie mir am liebften. Unb bu, lieber 
9leinf)otb, foöft aud) meine Sßt)otograpf)ie t)aben, 
fobalb id) 3eit ftabe, mit beinern 93ater auf ba3 
Sltelier ju gefjen unb mir gleichfalls ben 9lffen 
anjufehen." 

®ie ©efd)id)te ift aus. Sie jeigt breierlei: 
einmal, baß eS noch immer Slerjte giebt, bie 


öon $erjen SRenfdjenfreunbe finb, fobann, baff 
eS noch immer SJiettfdjen giebt, bie non fper= 
jen banfbar finb, unb enblich, bajj eS in allen 
©tänben Seute giebt, Welche bie Sun ft oer= 
ftehen, ihrem ®ait! eine feine, finnige gorm 
ju geben. Unb Wenn bu mich einmal befudjft, 
liebet Sefer, fo fannft bu auch in meinem 
üllbum baS S3ilb beS SBrüberpärdjenS parabiren 
fehen. 


- > ol(» »» I - 

§onntag fcOuC - ^£ehttonen. 


©onntag, 2. Oftober. 2)tf ÄflUptmannö ®ldllbe. SRatth- 8, 6—13. 


5. aber fteiud einging JU ßaperttaum, trat ein £auptmatin 
ju ifjm, ber bat ipu, 

6. unb fpradj: perr, mein #ned)t liegt ju #aufe, unb ift gidjt* 
brüchig, unb bat aroße Dual. 

7. 3efu« fpraeg ju ibm: toill fomnten, unb ipn gefunb 

machen. 

8. ®er ßauptmann antwortete, unb fprad): $err, id) bin nic^t 
wertp, ba| bu unter mein 3)acb gepeft; fonbern fprid) nur ein 
SBort, fo wirb mein ftnedjt gefunb. 

9. S)enn idj bin ein ©tenfeg, baju ber Cbrigfeit untertban, unb 
babe unter mir ftriea«fned)te; bodj Wenn id) Tage ju einem: ©epe 
bin, fo gebet er; unb jum anbern, fomm per, fo tommt er; unb 
ju meinem Änedjte: Stpue ba«, fo tbut er'«. 


10. 2)a baä3efu8 pörete,toerwunberte er fidj unb fpradj ju be* 
nen, bie ipm nadjfolgten: ©abrlidj, icb fage euch, folcpen ©lau* 
ben babe tdj in ft«rael niept gefunben. 

11. SIber id) jage euch: ©tele werben fommen bon SJlorgen unb 
bon Äbenö, unb mit abrapam unb Sfaaf unb 3a!ob im Fimmel* 
reiche fiben. 

12. aber bie ßinber be« bleich« werben auSgeftofjen in bie 
äußerfte frinfterniß pinau«, ba wirb fein Reuten unb $&pn* 
Happen. 

13. Unb ftefu« fpradj ju bem $auptmanne: ©ehe bin, bir ge* 
febebe, wie du geglaubet baft. Unb fein Ifiicdjt warb gefunb jm 
berfelbigen ©tunoe. 


Sifrlifdjer ©nmbgebanfe: „©olchen ©lauben habe 
ich in Israel nicht gefunben." Sftatth. 8,10. 

Einleitung. 2)aS ©rcigniß unferer Seftion fällt 
in ben ©ommer beS Stores 28 n. @S rcifjt fiep 
unmittelbar an bie Sergprebigt an. Staifer SibenuS 
regierte zu biefer geit im großen SRömerreicpe. Son* 
tiuS fßilatuS mar Sanbpfleger in Qubäa unb §erobeS 
SIntipoS Regent in ©aliläa. 9?acp Seenbigung ber 
Sergprebigt, melcpe unS fecpS ©onntage im britten 
Siertel beschäftigte, fcprte gefuS nach $apernaum 
Zurücf. $ann fanb bie Teilung beS tränten $necpteS 
auf bie gläubige Sitte feines £errn l)in ftatt. $>ie 
^aralleljtelle, Sut. 7, 1—10, berichtet baS ©reignig 
ausführlicher. 

Erflämng. 

©. 5. 6. Ä aper na um mar eine ber §aupt* 
ftäbte ©aliläaS. §ier fchlug gefuS feinen SBohnfi^ 
auf, nachbem bie Seute oon yla^areih ih« bermorfen 
hatten. 5)ie ©tobt ift fdjon längft eine SRuine. 4)ie 
Srage in Setreff ber Dertlicgteit biefer ehemaligen 
©tabt entfeheibet man in ber neuem geit ^u ©unften 
Zel §um’S. 2luf biefer in ben ©ee oorfpringenben 
Sanbfpipe, etliche englifcpe teilen bon ber $Rüitbung 
beS gorban entfernt, foll fie geftanben hoben. 

tiefer pauptmann mar ein römii^er Offizier, 
melcper etne ^lotheilung bon h^nbert teann befeh 5 
ligte. Söahrfcheinlich bilbeten feine Gruppen bie rö^ 
mtfehe Sefagung in .fapernaum. ©in geborener 
£>eibe, mar er ^um gubenttjum übergetreten. Sluf 
eigene Äoften lieg er ben guben eine ©pnagoae ju 
Äapemaum bauen. Suf. 7, 8. tftobinfon unb SÖilfon 
fanben bei 2:el §um auf bafaltifdjer ©runblage bie 
Riefte einer großen ©pnagoge, bie aus meißem ftalf* 
fteiu erbaut unb mit ©äulen torintt)ifchen ©tplS ge* 


fehmüeft mar. ©S ift bieS mahrfd^einlich bie Sttuine 
ber bon biefem §auptmanne erbauten ©pnagoge. 

Xrat ein §auptmann ihm. SutaS be* 
richtet, er höbe bie Sielte ft en berauben ä u 
ihm gefanbt. bieö ein SBiberfpruch? durchaus 
nicht. SBenn beS Königs Sotfchafter tommt unb 
fpridjt, bann tommt unb fpricht ber Äönig; benn ber 
Sotjcbafter bertritt ben Äönig. 28aS er als beS Äö* 
nigS Sertreter t^ut, baS thut oer ,fönig. Son biefem 
mag bann ber eine Serid&terftatter gatu mahrheitS* 
gemäß fagen, eS fei burd) ben ^önig geschehen, ©in 
anbeter Serichterftatter mag ebenfalls mahrheitSge* 
treu mittheilen, eS fei bom Äönige burch feinen Sot* 
fchofter gefchepen. 5)er Septere ift nur etrnaS aus* 
fül)rli(her als ber ©rftere. 3)er erfteren SRebemeife 
bebient ftch Matthäus, ber lefcteren SutaS. SRatthäuS 
fagt, mer bittenb gu gefu trat; SutaS, ausführlicher 
berichtenb, fagt nicht nur, mer bittenb tarn, fonbern 
auch mie eS gcfchah, nämlich burch bie Slclteften ber 
guben als beS ^auptmannS Sertreter. ^ie ^mei 
©bangelienfchreiber miberfprechen fich alfo nicht. 

S. 7. tiefer ^auptmann mar ein barmherziger 

S err. ©r hotte 2Jätleib mit feinem tränten ©tlaoen. 

ine SRerbenlähmung hotte benfeiben befallen. Um 
jägliche ©chmerzen litt er. 9tod) unenblich barmher* 
Ziger aber ift QefuS. gn ben SBorten „ich mill !om* 
men unb ihn gefunb machen" fpiegelt fid) nicht nur 
bie SBilligfeit ber Siebe, fonbern auch baS 
Semußtfein ber 3Rad)t. ©r mollte unb 
t o n n t.e gefunb machen. £>eßhalb begleitet er bie 
Slelteften fofort. 

®. 8. 9. ©tliche ber Slbgefanbten, roie’S fcheint, 
eilten rafcher ooran unb tünbeten bem öauptmann 
baS kommen Qefu an. SllS er bieS bernahm, ba fer* 


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SonntagfdjuUffhtionra. 


545 


tigte er eine zweite ©efanbtfchaft an 3efu ab. 2)urch 
biefe rebete er bie hier berzeichneten Sorte. Qn ben* 
felben giebt er zwnächft bem ©efüple ieiiter Unmür* 
bigfeit AuSbrutf. 3>emuth, nicht §o<hmuth erfüllt 
ihn. $ann betunbet fich ihnen auch ein unerjchütter* 
lieber ©laube an Qefum als ben unumfehränften Ve* 
berrfeber geiftiger Kräfte. ©r betrachtet ihn äugen* 
febeinlicb als ein höhere^ Seien, bem bienenoe ©etfter 
u ©ebote fteben. i>em Vefehle beS imuptmannS ge* 
oreben feine ©olbaten unb Wiener, ©o tuerben auch, 
meint er, beS £errn Wiener, feien fie Sejcn ober 92a* 
turfräfte, feinem befehle geborgen. Sie mahr unb 
fc^dn ift baS Doch gefprochen! Sie ber &auptmann 
feine Wiener ober Krieger ba* ober Dorthin fenbet, 
unb fie folgen ihm, fo tarnt ber $err Seben ober Z ob, 
©cfunbljeit ober Mranfheit fenben unb fie gehorchen 
ihm. 

®. 10. dreimal fteht in ben ©Dangelien, baß 
3?fuS fid) Dermunbcrt habe, ©inmal bexmun* 
bertc er ficb über ben Unglauben feiner SanbSleute in 
Aazaretlj. Steimel bermunberte er ficb über ben 
©lauben, bem er begegnete, nämlich bei bem fananä* 
ijeben Seibe unb hier beim ^auptmanne. QcfuS mar 
bornehmlich z u bem jübifchen Volte gefanbt. Vei 
i^nen aber fant) er jolch* ftarfen ©lauben nicht, mie 
bei bem §auptmanne. 

ö. 11. 12. $en ©lauben beS römifchen föaupt* 
mannS beutet ber §err als ein Vorzeichen ber gläubig 
merbenben ^eibenmelt. Aus aßen Säubern unb Völ* 
lern merben bie Reiben fommen unb in ©hrifto §eil 
finben. Senige 3ahre fpäter fchon gingen biefe 
Sorte herrlich in ©rfüUung. $urch ben Reiben* 
apoftel unb feine Mitarbeiter mürben in Äletnafien, 
©riechenlanb unb 9?om bie öeiben in ©chaaren für 
ben $errn gemonnen. 3)ie §uben aber, melche ben 
fcerrn bermarfen, oerfielen bem ©ericht. ©eitbem ift 
baS bie IReichSorbnung ©otteS. Ser an ©hriftum 
glaubt, er fei, mer er moUe, ber hat Iheil um £>eilS* 
mahle auf ©rben unb am §ochzeitSmahle im §immel. 
Ser aber beS §eilanbeS ©nabe oerfchmäht, ber Der* 
faßt bem ©eriqte. 

©.18. $eS £>auptmanneS ©laube mirb mit ©r* 
folg gefrönt, feine Vitte gemährt, ©S gefchah, mie 
er*« im ©lauben an 3cfu Allgemalt gefprochen hatte, 
©obalb ber £err baS Sort fprach, mürbe ber ftnabe 
gefunb. @3 mar eine gernheilung. 

®raftifi|e ©dunsten. 

$er gläubige $anptmann. 

1. Ser er toar. 

1. ©in geborner §eibe $n ber Aacht beS 
fceibenthumS hatte er baS Sicht ber Seit erblicft. ‘3n 
ber heibnifchen Religion mürbe er erlogen, ©r hutte 
nicht bie Vorrechte genoffen, melche ben guben Don 

f ugenb auf zu $heil mürben. Aud) mir, bie mir in 
hriftenlänbem baS Sicht ber Seit erblicften, genie* 
ßen meit größere Vorrechte als bie Reiben. ©ott 
mirb unS für ben ©ebraud) berfelben berantmortlich 
halten. 

2. ©in römifcher §auptmann. Xropbem 
mar er ein gotteSfürchtiger Mann. Qn ftapernanm 
mürbe er mit ber jübifchen Religion befannt. $urd) 
biefelbe fam er zur ©rfenntniß beS mähren ©otteS. 
tiefem ©ott biente er nun, obfehon er ein Offizier 
mar, ber im ®ienfte beS römifchen ÄaiferS ftanb. 3n 
jebem ©tanbe fönnen mir ©ott bienen. Obmopl bie 
©olbaten im Allgemeinen irreligiös finb, fo gab’S bodj 
immer rühmliche Ausnahmen. Man bente an ©rom¬ 
mell unb feine ©olbaten, an ©uftab Abolph unb bef* 


ien fchmebifche ©treiter, an 3i et hen, ^abelocf unb 
Reblet) VicarS. 

3. ©in mohlthätiger Mann. SieeSfcheint, 
befaß er bebeutenbeS Vermögen, ©r manbte es zur 
Verherrlichung ©otteS unb $um Sol)l feiner Mit* 
ntenfehen an. ©r baute ben guben ein ©otteSpauS. 
©r ließ fich feine ^Religion etmaS foften. Senn mir 
nicht bereit finb, für unfere Religion Opfer zu briti* 
aen, fo hut biefelbe meber für unS noch für Anbere 
Serth- SaS mir für ©ott unb fein fReid) thun, baS 
fann uns nicht oerloren gehen, ©in Kaufmann, ber 
fein ganzes Vermögen Derloren hatte, mieS auf eine 
fchöne fttrehe unb jagte; „$ie ^chntaufenb Dollars, 
melche ich in biejer Kirche anlegte, merbe ich ni e öer? 
lieren." 

4. ©in barmherziger ^)err. ©r mar nicht 
hartherzig unb gefühllos bem tränten Wiener gegen* 
über. 3hn jammerte beffen 3 u flanb. ©r mollte 
bentfelben §ülfe Derfchaffen, menn irgenb möalich. 
^aS Sefcn ber mähren ^Religion ift Siebe. i)iefe 
Siebe aber ift barmherzig gegen nothleibenbe Menfchen. 
©ie fann nicht einmal graufam fein in ber Veljanb* 
lung ber Xbiere. ©ie mirb nicht gliegen fangen unb 
ihnen bie glügel auSreißen. ©ie fpricht: 

„Cuäle nie ein Jtjicr äum ©ihcri, 

Xenn eä iüblt n>ie bu ben ©dunera." 

II. SaS er fuihte. 

©r fud)t ipülfe beim ^>erm, aber nicht für fich felbft. 
Viele tarnen zum öerrn, um perfönliche Sohlthaten 
ZU empfangen. Anbere tarnen im Qntercffc ihrer 
nächften Anoermanbten. tiefer |)auptmann fucht 
§ülfe für feinen fronten ©flaben. 2)er Vemeggrunb 
mar alfo fein felbftfüchtiger. 

1. ©r bebiente fich ber Aelteften ber 
guben. ©r tpat bieS, meil er Qefum noch nicht 
näher fannte. ©r bachte iebenfaliS, biejer jiibijche 
Sunberthäter tpeile bie Vorurthetlc feines Voltes 
gegen bie AuSlänber. @r mähnte, bie jübifchen Ael* 
teften mürben leichter ©ehör ßnben als er. ©r fannte 
bie §ulb beS ^eilanbeS noch nicht, ber jeben §ülfe* 
juchenben freuitblich anfieht. 

2. ©r fudjte bemüthig. ,,^err, id) bin nicht 
merth, baß bu unter mein £a<h gehlt/' ^aS bie Vot* 
fchaft, melche ber ,'pauptmann bem nahenben ,^)cilanb 
fenbet. Sie befcheiben bentt er Don fich, mte erha* 
ben aber Don 3efu. 2)er Mann, in beffen SRähe fich 
|)unberte brängen, achtet fich nicht roürbig, baß ber 
in fein &auS fomme, melcher nid)t hat, mopin er fein 
§aupt lege. Sie feiten ift biefe $emuth! 3n ©al* 
Din’S ©ommentar ßnbet man feine ©rtlärung ber 
Offenbarung QohanniS. ©efragt, marum er biefe 
nicht erflärt habe, ermiberte er: „3ch habe baS Vud) 
nicht auSgeiegt, meil ich’S nicht berftche." Vicineüi 
fagt: „Aus bem ©chatten fdjließt man auf bie &öhe, 
unb aus ber Xemuth auf bie ©röße beS Mannes/' 

3. ©r fnchtc gläubig, ©r glaubte, mie ge* 
fährlich aud) fein Unecht erfrantt fei, QcfuS fömie ihn 
heilen, ©r glaubte, er tonne ihn heilen, ohne an beffen 
Säger zu treten, er glaubte, menn 3efuS nur baS Sort 
fprcche, fo genüge eS; menn er nur ben Vefeljl er* 
tpcile, fo merbe eS gefdjehen. Sunberboller ©laube, 
befonberS feitenS befjen, ber ein §eibe unb ©öjjen* 
Diener gemefen mar! Auch mir fönnen nur bann et* 
maS Dom ©errn erlangen, menn mir im ©lauben 
Darum bitten. $aS gläubige ©cbet ift Der ©d)lüf* 
fei zur VorratbSfammer ©otteS. Ser biefen ©d)lüf* 
fei hat unb gebraucht, bem mirb fein ©uteS mangeln. 

III. SaS er fanfc. 

1. 3d u 8 preift feinen ©lauben. ©r Der* 
munbert fid) über beffen ©röße unb bezeugt, baß er 


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546 


3onntagfd)uU#rhtionen. 


folgen ©lauben in $Srael nicpt gefunben pabe. 33ei 
bcn ^parifäern fanb $efuS Unglauben. 23eim 53olfe 
fanb er einen 3eicpenglauben. ^3ci ben Qüngern 
fanb er kleinglauben. 2BaS für einen ©lauben finbet 
er bei bir? Vielleicht ein gar fcpmacpeS ^flän^lein, 
baS in jeher ©onnenpifee ber Drübfal üerborret, baS 
ein paar SRegentaae erjäufen tonnen. 2Bie feiten ift 
ber füpne, ftarte ©laube, ber tcie ein 2lbler gerabe im 
SBetter am hocpften fliegt, mie bie ©icpe gerabe im 
©türme bie feurjeln am tiefften fcplägt. 

2. 3efuS gemährt feine $8itte. ©ein 
knecpt wirb gefunb. ©olcpen ©lauben lägt ber^err 
nicpt *u ©cpanben werben. 2Ber fo an ben foerrn 
glaubt, ber erfährt befjen gnabenreicpe Durchhülfe in 
jeber leiblichen ober geistlichen ÜRotp. 


fCnbeutnngen für bie klcinfinbcrflaffc. 

1. ©cpilbere bie eblen ©harafter$üge 
b i e f e S ^auptmannS. ftalte fie ben ©cpfilem 
als na^apmungSmürbige SRufter üor bie Äugen, näm* 
lieh feine bem Unechte ermiefene ©üte: feine Siebe 
jum $Bolfe©otteS; feine Demutp; fein ©laube; feine 
greigebigfeit. 

2. D er ©parafter ©prifti, wie berfelbe in 
biefem ©reigmß $u Doge tritt, ©eine ©ereitmillig* 
feit ju helfen; feine 5Jcacpt, gefunb $u machen; nicht 
engherzig, mie bie Quben. 

3. ©in 33ilb beS .fceilSmegeS. SRüffen $u 
3efu fommen; müffen bemütpig um Vergebung bit* 
ten; müffen herzlich an ihn glauben; müffen feft auf 
feine SkrpeißungSmorte Oertrauen. 


■ * +- W 


©onntag, 9. Oftober. 3'fu0 füllet ben Sturm. SRattp. 8, 18—27. 


18. Unb ba 3fcfuS oicl SoIfS um fldj fab, bieß er hinüber ien= 
feit beö ©leeres fahren. 

19. Unb es trat jju ibm etn Scbriftgelebrtcr, ber fpraef) au ibm: 
©teiftcr, id) mül bir folgen, mo bu btngebeft. 

20. ^fefuS faßte $u igm: S)ie fjürfffc haben ©ruben, nnb bie 
Sögel unter bem $itnmel bnben ©efter; aber beS uRenfcßen 
Sonn bat nicht, ba er fein $aupt ßinlege. 

21. Unb ein anberer unter feinen Sündern fprad) ftu ihm: ßerr, 
erlaube mir, baß ich hingebe, unb auoor meinen SateT begrabe. 

22. «ber 2 e fu$ fprach $u ihm: ftolge bu mir, unb laß bie 
lobten ihre Xobten begraben. 


28. Unb er trat in baS Sdjiff, unb feine jünger folgten ihm. 

24. Unb ftebe, ba erhob fidrein groß Ungeftüm im ©ccere, alfo, 
baß auch bas Schifflein mit ©eilen bebeeft toarb; unb er fchlief. 

25. Unb bie jünger traten au ihm, unb toeeften ihn auf, unb 
fpradjeu: $err! hilf uns, mir oerberben. 

26. $a faßte er $u ihnen: ftbr Äleingldubigen, warum feib ihr 
fo furchtfam? Unb ftanb auf, unb bebrohete ben SBinb unb baS 
©leer: ba toarb es ganj ftiße. 

27. ®ic ©tenfeben aber oertounberten ftd), unb fpradjen: S8aS 
ift bas für ein ©lann, baß ihm ©inb unb ©leer geborfam ift? 


SKMifiper ©rauUgelanfc. „3hr kleingläubigen, 
toarum feib ihr fo furchtfam ?" 'IRattp. 8, 26. 

Einleitung. Die ©efepiepte unferer Seftion fpielt 
im ^erbfte beS ftapreS 28 n. ©pr. ©cpauplap berfel* 
ben ift ber ©ee ©ene*areth unb beffen'Ufer in ber 
sRäpe kapernaumS. 3Rattl)äuS berichtet bie gefepiept* 
liehen ©reigniffe im Seben «gefu nicht in ihrer cprono= 
logifcpen Orbnung. Doper finben mir ©reigniffe in 
feinem ©üangelium an einanber gereiht, bie ber 3eit 
nach nicpt auf einanber folgen. $n feiner Sorberci^ 
tung für ben klaffen unterricht Sollte ber Seprer bie 
^arauelfteüen in Serbinbung mit ber Seftion le- 
fen. ©r finbet fie Sttarf. 4, 35—41; Sut. 8, 22—25; 
Suf. 9, 57—60. 

Erftärung. 

©. 18. ©3 mar ein tpatenreicher Xag für benfterrn 
gemefen. ©r hatte ©unber gemirft, oom ©chiffe au§ 
bie große SSoltemenge burch ©leichnißreben belehrt, 
©r beburfte ber flhthe. ?luch foUte ba3 Sßolf ©elegen^ 
heit haben, über ba8@ehörte nachjubenfen. Daher be* 
fahl er, baß bie jünger nach ber entgegengefepten 
©eite be§ galiläifcheit SReere^ fahren fouten. 

®. 19. Die ©chriftgelehrten maren nicht 

B Dheologen, alg oielmehr ^Juristen ober ©c* 
lehrte. Diefer ©tanb trat erft nach ber 9tücf= 
fepr auö ber babtjlonifd^en ©efangenfehaft im jübi* 
fchen SSolfc h^roor. 3h re Aufgabe beftanb barin, ben 
©uchftaben be§ ©efeßed ^u erforfchen unb fo ^u beu* 
ten, Daß er auf möglichst Diele ^erhältniffe ber©egen= 
mart Slnmenbung fänbe. Die Sehrthätigfeit 
mar ein Dljeil thrc§ 2lmte3. Der Unterricht mar 
münblich- Die ©chriftgelehrten gehörten ber Partei 
ber ^ßharifäer an. ©epalt für ihre richterliche ober 
lehrenbe .Dhätigfeit betamen fie nicht, ©in folcher 
©ejcpe§gelehrter mar% ber hier ju Qefu f am. 

20. Der ©chriftgelehrte hatte fiep bie Nachfolge 
3efu ftu leicht Oorgeftellt. Söährenb Qefud ihn nicht 


abmeift, fo macht er ipn hoch in ftarfen 21u§brücfcn 
auf bie ©epmierigfeiten aufmerffam, mel<he man in 
feiner Nachfolge jinbe. SSenn er, ber 5Ketfter, nicht 
hat, mo er jein £>aupt pinlegen tann, fo bürfen feine 
jünger nichts üöeffereS ermarten. ©o lebenbig f^il* 
bert Der §err bie 3lrmuth f in melche er fich freimiHig 
begab, baß bem ©chriftgelehrten mahrfcheinlid) alle 
Suft, aU jünger mit ipm ^u sieben, üerging. 

21. 22. ©in Slnberer unter feinen 
Jüngern. ©§ mar bie§ offenbar ein jünger im 
engeren ©inne be§ 2Sorte3. Die ©age nennt ben 
^3 h i l i P P u 3. Dagegen menbet Dr. Sange mit Un¬ 
recht ein, $hWpbu3 fei jchoi; biel früher gewonnen 
morben. ©§ hanbelt ftch ja h^r nicht um bte ©emin* 
nung, fonbern um bie Semahrung eined fchon gemom 
nenen 3ünger£. Die ©age mag alfo bod> ^eept ha^ 
ben. Diefer MaQcr mar ein SRelandh o lifer; 
jener ©chriftgelehrte hingegen mar ein © a n g u i n u 
t e r. Die Nachricht oom Dobe feines Katers, welche 
er mahrjcheinlich eben erft empfing, ftimmt ben 9Re* 
lancholtfer fepr traurig. 93on bem $errn erbittet er 
ftch bie ©rlaubniß, hinjugehen unb feinen Sßater sa 
begraben. Die Antwort beS ^errn Hingt fcharf unb 
hart. SBahrfdheinlid) hatte er einen befonoeren ©runb, 
baß er eine.folche ©prache führte. 

Die in berfelben enthaltene Sehre ift eine höchft wich* 
tige. Qn bem ©ehorfam gegen ben Befehl ©hrifti 
gehen alle anbern Pflichten auf; b. h* lebe ^anblung 
muß in ihr richtiges Sßerhältniß sum höchften SebenS^ 
SWerf treten. 

23. 24. SefuS war ein Seprer, ber nicht auf 
bem katheber einer lofalen Unioerfttät faß, fpnbem 
eine manbelnbe ©cpule hatte. Dieselbe war für bie 
Qünget lehrreicher als ber SBejüch beS beften theolo* 
gifepen ©eminarS. §ier füprt fie ber ^>err auf’S 
9fteer unb in ben ©türm, ©ie foücn ba eine anbere 
Seftion lernen. ©S war Slbenb, als fie in’S 9Reer fta^ 
eben. QefuS mar oon ber anftrengenben Slrbeit beS 
DageS mübe. 3nt ^intertpeil beS ©cpiffeS legte er 


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SonntagfdjuUffhtionnt. 


547 


fiep flum raftcnben ©cplummer nieber. ©ein ©aupt 
ruhte auf einer nieberen, mit einem fieberfiffen Derfe* 
benen ©an?, ©alb lag er im tiefen ©eplaf, ben auep 
©turmgepeul unb SBogengebraufe niept ftörten. 

©löplicp unb mit großem Ungeftüm braep ber ©turnt 
herein, mie’$ auf folgen ©ergfeen ju gefebepen pflegt. 
Öemöpnlicp ift ber ©ee ©eneflareth rupig unb fpiegel* 
glatt. SBenn aber bie fälteren fiuftfcpicpten Dom Ser¬ 
mon unb fiibanon auf bie märmere Seeluft burep bie 
©eplucpten perabftürflen, entftepen ©türme, rnelcpe 
bann in bem eingejcploffenen ©Safferfpiegel befto pef* 
tiger rnütpen. gureptbar tobte auep t)icr ber ©türm. 
Die ©Sogen feplugen über ba$ ©cpifflein bin. Den 
3üngem, rnelcpe größtentpeil$ erfahrene ©eeleute ma* 
ren, mürbe e$ aitgft. 

8. 25. 26. Äleinmar berölaube ber günger nocp. 
Deßpalb bemacptigte fiep ihrer biefe pamfepe furcht. 
8or Stuwern patten fie gefepen, mie ber ©err bem 
Änecpte be$ ©auptmann$ auch ou$ ber gerne half. 
Daraus halten fie ben ©epluß fliepeit foUen, bafj er 
auch f cp l a f e n b Über bie ©einen mache unb fie be* 
[epirrne. ©o meit aber maren fie nocp niept. ©ie 
tarnen $u ipmgeftürflt unb meeften ipn mit bem©otp* 
feprei: „Jperr, qilf un$, mir Derberben!" gefu$ läßt 
fiep meefen. (Sr ftept auf unb ftraft fie ipre$ SH e i n* 
g l a u b e n $ meaen. Dann aoer pilft er auch, inbem 
er ©türm unb ©Bogen ftißt. 

8. 27. ©taunen erfüllt 2lße, bie auf bem ©epiffe 
maren. ©ie fiepen bie fiepre au$ bem (Sreigniffe, baß 

S u$ ©faept über ©Sinb unb ©teer pabe. Die fiepre 
ft ift reept. Unb boep ift e$ niept bte reepte fiepte, 
bie fie au$ ber ©efepiepte fliehen, Denn fie Der* 
munbern fiep, baß gefu$ biefe ©taept pabe. ©ie 
hätten fiep Dielmepr munbern fouen, baß fie ©Sinb unb 
©teer fo Diel, hingegen gefu fo menig flutrauten. 

^raftifepe ©ebanfrn. 


Die gaprt mit gefu nber’5 fiebenfttteer. 

I« SSaS fie foflet. 

©er$ 18. @ine ©tengc ©olf$ fap gefu$ um fiep. 
1,400,000,000 fiept er um fiep in unfern Dagen. ©ie 
alle bebürfen flu tprem £eil ber Ueberfaprt über ba$ 
branbenbe ©teer ber ©unbenfcpulb. Die ©tenfepbeit 
patte fein ©epiff mepr. 2lm ©torgen ber 2lu$faqrt, 
tm ©arabiefe fepon patte fie ©epiffbruep gelitten, ©o 
oft ipr auep Don ©ott ©aumeifter gefanbt mürben, 
bte etnen ©otpfapn für ein ®efcple<pt flimmerten 
ober für ein ©olf, fo oft flerfepeflte er auep mieber 
an ben Klippen. Da erfepeint enblicp ber große 
©epiffsbaumeifter Dom ©immel unbflimmert ein ©et* 
tung$fcpiff für bie fcptffbrücpige ©ßenfepbeit. 2luf 
meitem ©teere fäprt’$ einper. gn ber gaqne träat’ö 
ba$ 3eicpen be$ $reufle$. ©on heiligem ©Sinb fmb 
bie ©egel gefüllt, gefu$ felbft fommt in bem ©epiffe, 
flu fammeln, flu bergen, flur ©cimatp flu bringen, bie 
naep Rettung begepren. 2lber ba$ g a p r g e i b muß 
entrichtet merben. ©Sa$ foftet’$? 

1. ©eibftDerlcugnung. ©. 19. 20. Der 
©cpriftgeleprte moUte fofort ©affage nepmen. 211$ 
er jeboep pörte, baß er niept in erfter Kajüte reifen 
fönne, fonbern mit bem Qmifcpenbecf Dorlieb flit nep* 
men pabe, ba Derging ipm bie Suft. Da$ gäprgelb 
bünfte ipm flu poep. ga, wer mit gefu 9tcttung$fcpiff 
fahren mill, ber muß fiep am Qmifcpenbed genügen 
laffen, b. p. er muß ©eibftDerlcugnung üben, (Sr 
fann niept in erfter Äajüte bequem flur ©immel$füfte 
fapren. „Drum ift picr fein föupetag, mie’$ gleifcp 
gern paben mag/' 


2. 0 p f e r. ©. 21. 22. Der günger mußte um 
be$ ©errn mißen auf ba$ Äinbeärecpt, feinen geftor^ 
benen ©ater flu begraben, ©erfliept leiften. 9öer mit 
gefu flum grteben$pafen fapren miß, ber barf bie Dom 
|ierrn geforberten Opfer niept fepeuen. Äbrapam 
mar bereit,Jkinen gfaaf flu opfern, al$ ber §err e$ 
forberte. ©?attpäu$, ber 3oUetnnepmer, mar bereit 
ferne etnträglicpe ©teile bem ©ufe be$ $erm jufolge 
flu opfern. ©etru$, gopanne$ unb 2lnbere ber 2lpoftel 
Derlteßen ipr2lfle$, al$ ber £>err fie flu feiner ©acpfolge 
berief. 2lucp mir fönnen opne Opfer ipm niept folgen. 

3. ©türme. ©. 23. 24. 211$ bie jünger bem 
§errn folgten, ba füprte er fie, menigften$ bie$ntal, 
auf’$ ftürmifepe ©teer. SBolIen mir mit gefu flum 
grieben$pafen fapren, fo müffen mir ber ©türme ge* 
märtig fein. „28ir müffen burep Diel Drübfal in’$ 
©eiep ©otte$ eingepen" (2lpftg. 14, 22). ©oH unfer 
©laubc erftarfen, fo muß er geprüft merben. ©ei 
ben ©epiffern in ben nörblicpen ©teeren erbt fiep bie 
©age fort, fobalb ein ©rebiger ober ©riefter ba$ 
©epiff betrete, pabe man ©türm ju ermarten. 3n 
miemeit biefe ©age auf 2Baprpeit berupe, moflen mir 
bapin gefteüt fein laffen. 28apr aber ift’$, fobalb ein 
©tenfep mit Qeiu in’$ ©epiff tritt, muß er ©türme er* 
märten. Der2lpoftel fagt: „2Me, bie gottfelig leben 
rootlen in (Eprifto Qefu, müffen ©erfolgung leiben." 

II. 8Ba0 fie flipert. 

1. Qefu ©egenmart. ©.24. gefu$, ber ©teuer* 
mann, mar bort im ©cpifflein bei feinen güngern. 
Söenn mir mit ipm fapren, fo finb mir bei ipm unb er 
ift bei un$. SBenn ber ©türm brauft unb bie SBogen 
tofen, fo bürfen mir aetroft jubeln: r ,3cfu$ift beiuit$ 
im ©cpifflein; er mirb*$ niept unterfmfen laffen." @r 
fipt am ©teuer unb lenft be$ ©cpifflein$ fiauf. (Sr 
fennt äße ftlippen, ©trubel unb ©anbbänfe. (Sinft 
mürbe ein ©epiff Don einem furchtbaren ©türm auf 
poper ©ee ereilt. Die ©affagiere flitterten üor2lngft. 
©ie glaubten fepon, ba$ mütpenbe ©teer merbe fie Der* 
fcplingen. Unb biefe gurept mar niept unbegrünbet. 
gn ber Kajüte aber faß ein Änabe rupig ba, al$ ob 
feine ©efapr brope. „gürepteft bu biep benn niept," 
frug ipn ber ©affagiere einer, „©ein!" entgeanete 
ber kleine. „SBarum beim niept?" „©tein ©ater 
ftept am ©teuer," lautete bie 2lntmort. 

lieper nocp bürfen mir in ben geiftlicpen ©türmen fpre* 
epen: „gefu$ ftept am ©teuer." Unb ob berDrubfal 
Söeßeit bi$ an bie ©eele fepmeflen, er finbet boep bie 
©apn." 

2. (5Je b et$flugang. ©.25. 211$ bie ©otp am 
pöcpften geftiegen mar, al$ bie günger ftep niept mepr 
ju ratpen mußten, ba patten fie gefum ganfl in ber 
5täpe. 3 U ipm riefen fie: „£err, pilf un$, mir Der* 
berben!" ©oben mir un$ mit (Sprifto eingefepifft, fo 
ift er un$ aflefleit nape, fann unfere ©itten hören unb 
^emäpren. <5)ebet$flugang fiepert un$ bie gaprt mit 

3. Rettung. ©.26. 211$ bie güngcr um ©ülfe 
baten, ba beeilte fiep ber ©err fie au$ ber 2lngft unb 
©efapr flu retten. Da$ paben bie (Gläubigen beinape 
neunflepn gaprpunberte pinburep erfahren. Söenn 
bu mit gefu flum emiaen grieben$pafen fäprft, fo 
barfft auep bu folcpe ©nabenrettungen reieplid) er* 
fapren. 

,,9Benn aud) in manchen Stürmen 
®cin Sebcnefcfjifflcin fdjmanft; 

35ein ^eilanb mirb bicfi idjirmen, 

SBenn nur bein ©laub' nicht roanft/' 

4. ©iepere fianbung. gm 28. ©er$ peißt’$: 
„Unb er fam jenfeit$ be$ ©?eer$/ / Die ©Sogen be$ 


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548 


SanntagfdiuUffhtiiMrn. 


galiläifdjen 9tteereS tonnten bie Singer nid)t Oer* 
(dringen. $er treue £>err brachte fic mohlbehalten 
an’S Sanb Xie galjrt mit geju fidjert aud) bir enb* 
lid) eine glürflidje Sanbung in ber t)immlijd)en grie* 


bensbudjt. ©ehalte it)it nur in beinern Sdpfflrin. 
£raue ihm, aud) mo bu nid)t ficljeft. Erneuert bann 
aud) beine©arte über basmogenbe unb tobenbe ©teer 
biejeS SebenS hinüber in ben Jpafcn ber emigen $HuI)e. 


-i-4 —»hoho— 


Sonntag, i 6 . cttober. 2)ie ättactyt ber ©iinbentiergebung. srcattij. 9,1-8. 


1. $a trat er in baS ©d}iff, unb fuljr loicber herüber, unb tarn 
in feine ©tabt. 

2. Unb fiehe, ba brachten fie au iljm einen öid)tlrüd)iqen, ber 
lag anf einem ©ette. 3&a nun ^efuS ihren (Glauben lab^fprach 
er 311 bem ÖWd)tbrüd)igen: ©ei getroft, mein ©ohn, beim* «ünben 
l'inb bir vergeben. 

3. Unb feehe. etliche unter ben ©chriftgelehrten faradjen bei 
fid) ftlbft: 2)tefer läftert Öott. 

4. 2)a aber ftefub ehre ©ebanfen fah, ipraef) er: SBarum benfet 
ihr fo $rge* in euren #erjen ? 


5. SBeldjc* ift leichter, 511 fagen: 2>ir finb beine ©ünben berge« 
ben; ober ju fagen: ©tehe auf unb manblt ? 

6. 91uf bafe ihr aber miffet, bafj be$ SHcnidjen ©ohn Stacht 
habe auf erben bie (Sünben 51t bergeben, jprad) er ju bem ©iebt* 
brüchigen: ©tehe auf, hebe beiu ©ett auf, unb gehe heim. 

7. Unb er ftanb auf, unb ging heim. 

8. $a ba$ ©oll ba* iah, bermunberte e* fid), unb pries ©rtt, 
ber folche SJladjt ben Sicnjdjen gegeben höt- 


©iblifdjcr ©runbgebanfr. „$eS ©tenfdjeit Sohn 
Ijat ©fad)t auf Erben bie Sünben gu oergeben." 
©tattl). 9, 6 . 

Einleitung. 3>aS Eoangelium äRatttjäi ift fpfte* 
matijd)er als bie übrigen Eoangelien. Es orbnet bie 
Ereigniffe tm Seben gefu flaffenmeife. $arum 
finben mir biefelben in biefem Eoangelium nicht in 
ihrer d)ronologijd)en Drbnung, b. % in ihrer ^cit liehen 
9lufeinanberfolge. 60 greift unfere heutige Seltion 
in Den grübfommer bes gahreS 28 n. Ehr. gurüd. 
ghre ©c|d)ichte ereignete fid) noch etje bie ©ergprebigt 
gehalten mürbe. Sdjauplap berjelben mar ft aper* 
naum. 

Erflärung. 

©. 1. tiefer ©erS gehört noch jum üorigen ftapi* 
tel. Er bilbet ben Schluß beS bort gulept crgählten 
©orfaUS. $erfelbe fteht mithin in feinem tfujammen* 
l)ang mit unfrer biesmaligen Seftion. 2 ßir bürfen 
nid)t oergeffen, baß bie ftapitel* unb ©erSeintheilung 
ber ©ibel ein rein menfdjlidjeö Sftadjmerf ift. Sie 
alles ©tcnfd)lid)e, fo trägt aud) biefeS Setf bie Spu* 
ren ber Unootlfommenheit an fid). 2>ie Einteilung 
ift, mie rnir’S ^ier jd)en, oft eine feljr miOfürliche, bem 
gntjaltc nid)t entfpredjenbe. §ier mirb bie Üiüdfe^r 
beä §errn auö bem Üanbe ber ©ergefener nad) fta^ 
pernaum berichtet. 

©. 2 . 9Jtartu§, melier aud) biefe£ SBunber mit 
größerer ftusfütjrlidjfeit erzählt, berid)tet, baß gejuö 
fid) gur 3 fit in einem gemiffen $aufe befanb. Esf 
ftanb iraenbmo in Äapernaum. äßem e^ gehörte, 
mirb uns nid)t gejagt. Stfandje finb ber 2 lnfid)t, e^ 
habe bem ©etru$ gehört. Eine 3ftenfd)enmenge um* 
brängte ihn, baß man nicht 9taum hotte aud) braußen 
bor ber 3 :hür. 2 )a tarnen oier ÜJteiifdjen unb brach* 
ten einen ©id)tbriid)igen getragen. Seine ft ran f* 
heit beftanb in einer Zähmung mehrerer, oielleicht 
aller X^eile unterhalb bc^ ftopfe§ in golge eines 
£albfd)lage3. Xaljer rührte feilte offenbare ©ülf* 
lofigfeit. 

®er lag auf einem ©ette. XiejeS ©ett 
mar eine 9ttatrape, mie man fieß berfelbcn gemöhnlid) 
als 9tuhefiffen beim Elfen bebieute. Es mag aud) 
ein gepolfterteS ©eftell gemejeu fein. gcbenfaÜSmar’S 
ein tragbares dtuhebett. ^aS ©ebränge in unb oor 
bem foaufc mar jeboch fo groß, baß bie Präger mit 
bem ftranfen nid)t jfu gefit fommen formten.* 2 )eß* 
halb ließen fie ihn burdh’S ^ad) hinab $u feinen gii* 
ßen. s 2 luf bie platten *3)äd)cr ber morgenlänbij^en 
Käufer tonnte man burch eine oon außen füprenbe 
ireppc tommen. Sie bedten nun baS Xach ab, b. h- 
fie brachen eine größere Ceffnung burd) bie 3 iegel, 


mie £ufaS bemerft, gerabe oberhalb, mo 3efu§ mar 
SSir müffen uns gejum im Dber^immcr bcS §auje$ 
oorfteDen. tiefes ^immer, meil eS baS größte mar, 
mürbe berartigen©crfammlungenberat&t. (Slpftg. 
9, 39 ; 20, 8 ; 1, 13.) 

Qhren ©lauben fah«. 8 un öchft fah er ben 
©lauben beS gid)tbrüd)igen Cannes, glätte er nid)t 
perfönlid) geglaubt, fo mürbe ber ©laube ber Präger 
ihm nichts genügt hoben. $)er ©ichtbrüd)igc hotte 
jebod) ©lauben, beßhalb ließ er fid) ju geju tragen. 
Sein ©laube aber mürbe bom ©lauben ber greunbe 
unterfiüpt. 3 n biefem ©lauben übermanben biefel* 
ben alle ^inbemiffe, melche fid) ihnen in ben SQBeg 
[teilten. 

$eine Sünben finb bir Oergeben. 2)ie* 
fcS Sßort mar baS erfte, meldjeS gcfuS an ihn richtete, 
©ieüeidjt befrembefs bid). $u hötteft mahrfd)einlich 
eher bas 2ßort im 6 . ©erS ermartet. 2lber gefuS fah 
tiefer. 5 )ie ftranfheit mar entmeber eine golge ober 
eine Strafe feiner Sünbe. $er fcerr fab, baß ber* 
jelbc nad) ber ©ergebung feiner Sünbe (Amachtete. 
^cßhalb fprid)t er juerft biefeS 2ßort. 3cach fieib 
unb Seele miö er ihn gefunb machen. 

©. 3. gn ©etreff ber „Sd)rtftgelcbrten" fiet>e bi? 
Ertlärnng unter ©. 19 ber oorigen Üettion. ©ielleicht 
oerriethen fie auf ihrem ©efießte ober burch il)re ©e* 
berben, maS fie bei fid) felbft fprad)en,uämliA: „5)i? a 
fer läftert ©ott." Sie ertannten bemnad), baß ©tacht 
unb 9ted)t Sünben $u oergeben ©ott allein ^utämen. 
gefuS jebod) nahm fie für fich in ^lufpruch- gm 
Sahne, ber §crr fei nur ein SRenfch, folgerten fie, er 
habe fid) ber ©otteSläfterung fchuibig gemacht. 

©. 5. gefuS ift ber öer^nSfünbigcr. Er fah ih« 
©ebanfen. Mancher jiinbigt, inbem er Slubere ber 
Siinbe bcjchulbigt. 5lud) in ©ebanten, mit bem $>er* 
gen tann man fid) öerfünbigen. 

©. 6 . Eine mertmiirbige grage Dies! Natürlich 
meint Der £>err ein Sagen mit Dem Erfolge, Den bie 
Sorte ermärten laffen. Sie hotten offenbar bie $ln* 
fid)t, ber §err höbe baS iieidjtcre gethon anftatt beS 
Sfhmereren. „9Jtachc ben ftranten gefunb, fo motten 
mir glauben, baß bu Sünben üeraeben tannft." ^ieS 
ift ber ©ebanfe, melchcn auch bie ©efferen unter ben 
SWurrenben hotten. 5)aS märe in ihrer Sage nod) 
fein fo 9lrgcS gemefen. 5lber cs gab unter ihnen 
Solche, bie nicht einmal bann glauben molUen, fon* 
bem Ehvifti Sunber als fatani|d)e Sunber läfterten. 
^ie Säfterung ©otteS mar alfo auf ihrer Seite. 

$er $err lagt ihnen nun: ftranfe feilen ift baS 
Seichtere; baS hoben aud) Propheten unb anbere 
Sunbertl)äter gethan. 3lber bie Sünben oergeben, 


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Sonntagfd|ul=£rbtionen. 


549 


wer fantt baS, bem nicht bie Sttacßt ©otteS innemobnt? 

S efuS aber befaß bxefe Üftacßt. Unb bamit felbft feine 
einbe ein geilen haben, baran fie biefelbe erfennen, 
riebt er ju bem ©eläbmten: „©tebe auf, bebe bein 
ett auf unb gebe beim!'' 

$. 7. 2>er ©dämmte ftanb ganjgefunb unb fräftig 
auf unb ging beim, $amit ift bie Sttacht gefu 
ßbrifti, ©unben $u üergeben, oor allem Sklf flar be* 
Wiefen. 

$ra!ttfd)e ©ebanfen. 

Vergebung ber ©ttnben. 

I. $cr ©üubenbergebung bedürftige Ätcnfdj. 

1 . @r mar ein ©elä hinter. ©r fonnte feine 
©lieber nicht gebrauchen, ©eine Sfranfßeit machte 
ihn gärulicb 9ttit feiner 25 b ätig feit mar’S 

auö. SBeld)’ ein ©ilb baS beS geglichen guftanbeS 
afler SJteiifchen. 2)ie ©ünbe ift etne löbnienbe $ranf= 
beit ber ©eele. ©ie oerbunfelt baS ©rfenntnißoer* 
mögen; fie läbmt baS SBiÜenSoermögen; fie Oerßär* 
tet oaS ©efüßlsoermögen. 25urcß bie ©ünbe mirb 
ber 9flenfcb fittlicb unoermögenb, baS ©ute $u ooü* 
bringen, ©on Haus aus jinb mir alle folcbe ©e* 
lähmte. Söenn mir unfer ©lenb erfennen, fo feufjen 
wir: ,,gcß elenbcr Sttenfcb, mer mirb mich erlÖfen oon 
bem Seibe biefeS 25obeS?" (9löm. 7, 24). 25eßßalb 
finb alle ütteufeßen ©ünbenöergebung bebürftige 
SBefen. 

25iefe ©ünbenläßmung muß geheilt merben ober 
fte enbet mit bem emigen 25obe. 2Bie bie feurigen 
Schlangen bie Seiber ber gsraeliten biffen, fo bat Die 
©ünbe unfere ©eele töbtlicb üerwunbet. 25aS ©ift 
rollt bureb alle Xßcile ber ©eele, mie baS ©lut burd) 
bie Äbcrn unferS ftörperS. ©ei bem ©inen treten bie 
traurigen folgen biefer fittlicben ©ergiftung beutli* 
eher ju 25age als bei bem Änbcrn. 25er ©ine macht 
ficb gröberer ©ünben fcbitlbig als ber Änbcrc. ©ei 
ben gsraeliten ftarben alle ©ebiffenen, meldje fid) beS 
göttlichen Heilmittels nicht bebienten. ©o fterben 
unrettbar beS emigen 25obeS alle bie, melcbe baS fiin* 
bentilgenbe ©lut ©ßrifti üerfebmäben. 

2. ©rmarßeilungSoerlangenb. ©r liefe 
fid) beßhalb ju gefu tragen, ©rerfannte feine ftranf^ 
heit unb fueßte Heilung. SBahrfcßeinlicb feufjte er 
unter feiner ©ünbenlaft unb febmaeßtete nad) ©rlö* 
fung bon berfdben. gebenfaÜS bat er bem Herrn 
nicht miberforoeßen, als berfelbe bon feinen ©unben 
rebete, bie ißm bergeben feien. Äud) mir muffen un* 
fere ©ünben erfennen unb befennen, foüen fie unS 

e bergeben merben (1 goß. 1, 8. 9). Pfarrer 
b in SBcißenburg mürbe $u einem franfen 
Schuhmacher gerufen, welcher ein auSjcbWeifenbeS 
Sehen geführt batte. ÄIS er benfelben frug, mie es 
um feine ©eele ließe, ba antwortete ber©d)ul)macher: 
,,©ut." „2)aS freut mich/' fpraeß ber ©farrer, „aber 
habt ihr benn auch euern Xaufbunb bon gugenb auf 
gehalten?" „geh habe bon gugenb auf ein gutes 
Her$ gehabt/' fpraeß berüranfe, „unb ich ßab’S noch." 
, Habt ihr benn nicht gefünbigt?" „ükin!" „2)ann 
feib ihr frommer als ich. $arum bitte ich euch, mir 
boeb ju fagen, mie idj’S machen muß, um felig ju rner* 
ben/' entgegnete ber ©rebiger. 2>aS brachte ben 


franfen außer gaffung. @r erfannte feine ©ünben, 
unb Heinolb fonnte nun weiter mit ihm reben. 

3. ©r mar gläubig, ©r glaubte an ben Herrn 
gefum, barum ließ er fid) ju ihm binbringen. Hätte 
er nicht geglaubt, fo mürbe ber ©laube ber Präger 
ihm nichts genügt haben. 25er p e r f ö n l i ch e ©laube 
an gefum ift bie ©ebingung ber ©ünbenöergebung. 
©r ift ber gunfe, aus bem bie flamme eines neuen 
SebenS mieber im Sttenjcßen angefacht merben fann. 
SBiflft bu ©ergebung bemer ©ünben erlangen, fo mußt 
bu im perjonlichen ©lauben jum Heilanbe fommen. 
23ie bu burch eines Änbern Äuge nicht feben, burd) 
eines Änbern Sungen nicht atbmen fannft, fo fannft 
bu auch nicht burch eines Änbern ©lauben gerecht unb 
felig merben. 

4. ©r batte gläubige greunbe. ©ie nab* 
men fid) feiner an. ©ie halfen ihm, bie in ben 9Beg 
tretenben ©cbmierigfeiten überminben. SSaS tbun 
mir für unfere .unbefeßrten greunbe? fragen mir 
fie ju gefu bi« auf ben Firmen beS ©ebctS? gm 
©lauben foüen unb moüen mir am Heile unferer ftin* 
ber, ©cßüler, ©ermanbte unb greunbe arbeiten. 2Bir 
foüen’S mit bemfelben ©mfte tbun, ben bie Präger 
beS ©icbtbriicbigen an ben Xag legten. $n ber Ar¬ 
beit ber ©eelcnrettung gibfS ja auch ber ©ntmutbi* 
gungen oiele. ?lber fie foüen nicht uns, fonbern mir 
fte überminben. 

II. $er ©ünbentiergcbung ertbeüenbr Hctlanb. 

©r erfebeint hier als ein rechter 2lrjt beS SetbeS unb 
ber ©eele. Oberhofprebiger ©erot fagt febön: 
„25ie alten ÜJtaler fteüten ben H^lanb oft bar, um* 
geben üon einer leudftenben ©lorie oon ©ngeln unb 
Heiligen, ©in neuerer Sftaler hat’S anberS angegrif* 
fen unb mobl noch beffer getroffen, ©r hat ben Sßelt* 
beilanb gemalt fi^enb auf feinem ©tul^lc in milber 
TOajcftät, aber rings um ihn her ein ftreiS oon ©len* 
ben aüer 9lrt, bie hülfeflebenb ju ihm aufblicfen. 25a 
ift eine Butter ju feinen güßeit niebergefunten mit 
ihrem tobten Siinbe; ba ift eine Söittme im Trauer* 
fchleier; ba menbet ein bliitber fein ftarreS Äuge 
ju ihm empor; ba ftcl)t ein jitternber ©reis am 
©tabe gebüdt; ba hebt ein ©efangener feine geffeln, 
ein 92eger feine betten ju ihm auf." $a, gefuS ift 
ein mächtiger Ärjt, H^fer unb Hcüanb. 

1. ©r hat 3Jtacht, baS gjtenfchenberj ju 
l e f e n. ©r laS im H er ö en &eS Äranfen, im H cr if ert 
ber Xräger unb im H er 5 en ber ©dfriftgelehrten. ©ine 
michtige Sehre bieS auch für unS! „Unb ift feine 
Kreatur oor ihm unfichtbar, eS ift aber aüeS bloß unb 
entbedt oor feinen Äugen" (©br. 4,13). 2BaS benfen 
mir in ber ©infamfeit, mo fein ÜJienfd) uns ficht? 
SSaS benfen mir in ber f irche, mo mir oft fo anbäch- 
tig ju fein feßeinen? ©aS benfen mir in biefern Äu* 
gcnblidfe? gefuS weiß, fießt unb merft eS. Äicßt 
nur für unfre SGBorte unb HanWungen, fonbern au^ 
für unfere ©ebanfen finb mir oerantmortlid). 

2 . ©r bat ÜJtacht, bie ©ünben ju oerge* 
ben. Äber er bat biefe SWacßt nur auf ©rben, 
mie er felber 6 fagt. Äuf ©rben merben bie ©ün* 
ben begangen, auf ©rben müffen fie oergeben 
merben. „0, in ben ©ünben fterben ift emigeS Skr* 
berben; benn bort oergibt ©ott feine 
m e ß r." 


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550 


Sonatagf^ul'ftbtümm. 


©ojmtag, 23. Oftober. 

18. Da er foldjeö mit ihnen rebete, Hebe, ba fam ber Oberftcn 
einer, unb fiel oor itjm nieber, unb fprad): &err, meine Docpter 
ift jefct neftorben; aber tomm, unb lege betne $anb auf fie, fo 
luirb ne lebenbig. 

19. Unb 3efu« ftanb auf, unb folgte ihm nad), unb feine jünger. 

20. Unb ftebe, ein 4Beib, ba? Ätuölf Sabre ben Snutgang 
gehabt, trat non hinten $u ihm, unb rübrete feinet Jlleibes 
«aum an. 

21. Denn fie fprach bei ihr fctbft: Möchte ich nur fein Äleib 
anrübren, fo mürbe ichgefunb. 

22. Da manbte Heb 3efus um, unb fab fie, unb fprach: Sei gc^ 
troft, meine Docpter, bein ©laube hat bir geholfen. Unb bas 
3Bcib marb gefunb $u berfelbigen Stunbe. 

23. Unb als er in bcs Dberften $aus fam, unb fab bie Pfeifer 
unb bas (Getümmel bes ®olfs. 

24. Sprach er ^u ihnen: ffieidjet, benn ba? SttägMein ift nicht 
tobt, fonbern es )cf)(öft. Unb fie Perlatbten ihn. 


9Hatfy 9, 18—31. 

25. Äl? aber ba? 8$olt ausgetrieben mar, ging er hinein, unb 
ergriff fie bei ber §anb; ba ftanb ba? HRägbletn auf. 

26. Unb bie* ©erüd)t erfcpaUetc in baffelbige ganje ßanb. 

27. Unb ba 3*1«? Pon bannen meiter ging, folgten ihm jmeeu 
fclinbe nach, bte icprien unb fpraepen: Sich, bu Sohn DaPib?, er* 
barme bid) unier! 

26. Unb ba er beim fam, traten bie ÖUnben au ihm. Unb 3e- 
fus fprach $u ihnen: ©laubet ihr, bafe ich euch folcpe* tbun fann? 
Da ipracben fie $u ihm: £cri, ja. 

29. Da rübrete er ihre Äugen an, unb fprach: Such gefchebe 
nach eurem ©lauben. 

30. Unb ihre Äugen mürben geöffnet. Unb Scfus bebrobete 
fee, unb fprach: ©epet ju, ba§ ed Sticmanb erfahre. 

31. Äber fte gingen au?, unb machten ihn ruchtbar in bemfelbt* 
gen ganzen Sanbc. 


Drei SBunber, 


©iblifdjer ©ntnbacbanfe. „(Sud) gefebebe nad) 
eurem ©lauben." Stfcattb. 9,19. 

ginlettimg. $ie ^ier berichteten Söunber mürben 
im £erbfte 28 n. Ehr. gemirft. ©ie gefd)aben an bem 
$age, melier auf bie ©turmeSnad)t unb bie SRücffetjr 
beS $errtt aus bem fianbe ber ©ergefencr folgte, 
©djauplafj: baS £auS beS SJtattbäuS; auf bemSHege 
gurn unb oom .<paufe beS gairuS; im $aufe beS Qai* 
ruS. 5>aS ©ange fpielt in ft'apcrnainn. Qn betreff 
bergeitiger Regenten fiebe erftc fieftion. 

Erflärung. 

©. 18. 19. gefuS befanb ficb gur 3eit im fcaufe 
beS 3 0 ücinnct)mcr^ SHattbäuS, beS fpäteren ApoftclS, 
meldjer bem £erm 511 Ehren ein ©aftmabl Oeranftal* 
tet batte. Säbrenb bem SJtable batte ber §err eine 
Untcrrcbung mit ben ^barifäern ltnb ftobanniSjün* 
gern, mie nur aus $. 10 bis 17 erfeben. $iefe Unter-' 
rebung mürbe unterbrochen bureb bie Anfunft eines 
©bnagogen * SBorfteberS. Xerfelbe hieß 3airuS. 
(Sftarf. 5, 22; üuf. 8 , 41.) 3b n führte bie 9?otb *u 
gefu. ©eine einige Xodjter, ein gmölf jähriges 9Jcäo* 
men, mar foeben geftorben. 

Xiefer utfann nahm eine betborragenbe ©teile ein. 
AIS ißorfleber ber ©tjnagoge gu Slapernaum mußte 
er ben ganzen ©hnagogenbienft übermacben unb lei* 
tcn. (Sr mar baljcr auch Sßorfifeer beS ^ßreSblfterinrnS 
ber ©tmagogeuälteften. £ier {eben mir ihn als b e* 
bröngten $ a t e r. 2 >aber fällt er offen unb rürf* 
baltSloS gefu gu güßen. @r fdjeut ficb nid)t, oor bem 
ganzen ^olf alö Bettler ju erfebeinen unb beit .<perrn 
bringenb 5 U bitten, bod) tu fein foauS ^11 fommen unb 
5 U helfen. (Sr febeut fid) nicht, babureb fein uitbebing* 
te$ Vertrauen jum §erm an ben Xag ju legen, baß 
er Dom $obc erretten unb feine S^otb ftiüen fönne. 
^efuö erbebt ficb fofort, berläßt bie ©aftgefeUfcbaft 
unb begleitet ben 3 airu^. 

®. 20 . 21 . 3luf bem 28ege nach bem $aufe be§ 
3 atruä brängt ficb eine franfe ftrau an Qefum heran, 
©eit *mölf fahren mar fie leibenb. Httenfcblicbe 
Mittel batte fie nicht unoerfud)t gelaffcn. Qb r Qau* 
Vermögen batte fie ben 5Ier^ten geopfert. $rofc 
atlebem marb ed immer ärger mit ihr. $er Werkte 
Äunft mar erfdjbpft. Qn (Sbnfto glaubt fie enbltcb 
ben rechten Reifer 5 U erbliden. Xa? leüitifc^e ©efef 
oerbietet ihr, 91nbern nabe ju tommeit, bamit fie 9?ie* 
manben unrein madje. ^oeb glaubt fie, bie 3Inriib- 
runa feines ftleibc^ ober aud) nur beffen ©aumß 
roüroe ihre Teilung bemirfen. tiefer © a u m mar 
eine Cuafte ober Xrobbel, melcbe bie 3 ll ^ en / i e 
eine an ben oier beS Ädeibe^, ^ur Erinnerung 

an ba3 ©efeß trugen (4 SJtof. 15, 38 ff.). 


©0 groß auch ber ©laube be3 SBetbe^ mar, fo baf s 
tete bemfelben bod) etmaS Aberglauben an. ®enn 
bie brilenbe üraft, bie in bem (Srlöfer felbft ruhte, 
febrieb fie febon feinem ©emanbe tu. Aber ber §err 
tabelt biefen Aberglauben ber franfen grau m^bt. 
SSer min fie aljo Oerurtbeilen? 

®. 22. gefuö manbte fi^um unb fab,al$ ber^er- 
^enöfünbiger, ba^ unerfd)ütterlicbe Vertrauen ihrer 
©eele. Um bie irrige ®orfteUung be« SBetbe«f in fee* 
treff feiner §eiltraft au befeitigen, fragt ber^errnad) 
SJtarfu^ unb £ufa3, mer ihn angerubri habe. AIS 
Petrus ihn auf baS ©ebrärtge binmieS, ertlärte er be* 
ftimmt, baß ihn Qemanb angerübrt habe, benn er 
merfe, eine fcraft fei oon ihm (alfo nicht oon 
feinem Ätleibe) aus gegangen. AIS ber ®err fie 
mit feinem gnäbigen 33Itde aitfab, ba übermanb fie 
atte falfcbe ©ebam, marf ficb *b f em öelfer ju güßen 
unb legte oor aflem ®olf ein offenes ^nmmß üon ber 
gangen Söabrbeit ab. ®er .^err entließ fie mit bem 
Jroftmortc: „$>ein ©laube bat bir geholfen/' 

©. 23. 24. AIS fie gairi $auS erreichten, läßt ber 
.'derr ^iemanb in baffelbe eintreten als fßetruS, Qa* 
fobuS unb 3°t)anneS. roifl oor bem $)licfe ber 
neugierigen SJtenge lein ©djauftürf auffübren. 3ei* 
eben unb SBunber belehren nicht. gn’S ^>auS tretenb, 
finbet ber §crr, baß bie STobtenflagc bereits begon* 
neu habe, ^m Xalntub beißt’S: „Auc^ ber ärmfte 
QSraelite befteat feiner grau, menn fie ftirbt, ni^t 
meniger als gmei glöteufpieler unb eine Älagefrau." 
ES berrfd)t großes ©etümmel im Xrauerbaufe. 3e* 
fuS fpriebt gu ben Ädagemeibern unb glötenfpielern: 
„Reichet, benn baS 3)tagblein ift nicht tobt, fonbern 
es fdfläft." Um biefer SRcbe mülen 0 erlaßen pe 
ihn. 9?od) b^te finb bie SBunber bcS ^>errn für bie 
Äinber biefer SBelt eine XOorOeit. 

®. 25. 26. 2)aS SJtägblein lag mabrfd)etnlicb im 
obern großen 3«nmer, baS gu foldjen 3meden ge* 
möbnlid) benüpt mürbe, ^er §err treibt äße Aume* 
fenben hinaus. 9htr ber SSater, bie Atutttr unb bie 
brei jünger maren gugegeit. ®ann bringt ber fie* 
benSfürft baS 9ttäbd)en mieber in*S fieben gurüd, aus 
bem [ie oor Burgern erftgefebieben mar. $ie$unbe be$ 
SSunberS burcblief bte gange ©tabt unb Umgegenb. 
9tebft ber Xodjter oeS gairuS bat ber öerr nodb ben 
Qüngling gu 9?ain unb ben fiagaruS aufermedt. i>a« 
burd) bemieS er unmiberfpred)Iid), baß er „bte Auf* 
erftebung unb baS fieben" ift. 

27. ^5)aS SSunber ber ©ltnbenbeilung, meines 
ben ©d)luß unferer fieftionbilbet,mirb oon uRattbäuS 
allein berietet. 2)r. fiange fagt: »3)ie 33linbbeit ift 
ein febr üerbreiteteS fietben tm Slorgenlanbe, na* 


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JonntagfdjuUfrhtionrn. 


551 


mentlicß in ©gßpten, Arabien, *|$aläftina. Xie Urfa* 
eben: ©rette Tßicßtrefleje, 93lifce, ©taub, glugfanb, 
beiße Xage, falte Mächte, ^äufigeö ©cßlaf en im greien." 
Xiefe (inner waren waßrfcßeinlich 93 1 in bgewor* 
bene unb nicht Sölinbgeborene. Xie93linben 
rufen Qefunt laut ald ben ,,©oßn Xaöib’d," b. ß. ben 
Weffiaö an. 

93. 28. 29. Um ißren ©lauben iu prüfen, antwor* 
tet ber £>err ihnen nicht fogleicb- ©rft ald er „heim* 
fam," b. ß. bad oon ihm bewohnte fcaud erreicht hatte, 
winfaßrt er ihrem SBunfcße. Xurcß Anrüßrung ihrer 
Augen macht er fie febenb. 

93. 30. 81. 3efud verbot ben ©ehenbgemorbenen 
aufd ©rnftlicßfte, öffentlich bon ber Teilung zu reben. 
Xied gefeßaß, tßeild um nicht bon ürranfen bermaßen 
überlaufen zu werben, baß er feine Heit behielte, bad 
§eil au berfünbigen; tßeild um bie ©egner nicht bor 
ber beftimmten ©tunbe zu ©ewaltmaßregeln z u 
treiben. 

$ra!tif<he ©ebanfen. 

Xed großen Arztes Äunben. 

I. ©in ©ßnagogcnoorficbcr. 93. 18. 19; 23 
bi» 26. 

tiefer erfte ßunbe ift ein reicher unb angefebener 
Sftann. ©r heißt gairud. gn Xemutß aber fueßt er 
ben fcßlicßten gefud auf. 

1 . ©tn herber ©chmerj beu gt-ihn banie* 
ber. ©ein einziges ftinb, ein z*uölfjährige« 2Jtäb= 
eben, lag in ben leßten Hügen, ald er bad §aud ber* 
ließ unb war wäßrenb feiner Abwefenßeit aeftorben. 
«gebed £aud, fei cd ein ^alaft ober eine öiitte, hat 
fein ftreuz. gebed $erz hat feine $lage. §• rcuz unb 
Seiben machen feinen Unterfcßieb ziuifcßen #och unb 
lieber, ©ie bringen ein in bie pracßtoollen ©emä* 
eher ber Reichen unb in bie bürftigen tftäume ber Ar* 
men. Xurcß fie melbet ber iperr fich bei und an. 
©inb bie guten Xage bpn ihm, welche und zur 93uße 
leiten fotten, fo bie böfen nicht minber. 

2. 3[n feiner Stoth fueßt er ben £errn. 
Aid er ihn fanb, fiel er nicber bor ihm, bat ihn, baß 
er fomme unb bie beilenbe §anb auf bad $inb lege, 
©o fotten wir*d machen. Xie a*otß foU und lehren, 
nach bem £>errn au bliefen. Xurd) greubc ober Seib 
fotten fich auch unfre £er$en unb Raufer ihm erfcßließen. 

3. Xer $err begleitet ihn. atießtöergeblicß 

läßt er biefen Shmben flehen, ©r ift fofort bereit, 
ihn zu begleiten. 3 e i u ^ ift ^eute noch berfelbe mit* 
leibdootte §eilanb. ©r will mit und gehen in’dffrran* 
fenjimmer, in’d Xrauerßaud unb an’d ©terbebett. 
©eine ©egenwart aber erleichtert bed Seibenben Saft 
unb linbert beffen ©eßmerzen. ©ie tröftet bed Xrauern* 
ben ©ine Xante befueßte eine franfe Qung* 

frau. ®iefelbe lag im atorbzimmer bed £aufed. 
Xie Xante fagte: „Xu haft ja hier bie ©onne nicht; 
fein ©träbldjen bringt burch biefe genfter; ber ©on* 
nenfeßein ift fo woßlfyätig für Sfranfe." Xie franfe 
antwortete: „0, meine ©onne ftrömt ju jebem gen* 
fter herein, ja, fogar burch bie ©palten." Xie Xante 
feßaute bermunbert auf. „Qcß meine Hefuni," fpraeß 
bie franfe erflärenb weiter, „er ift bie ©onne ber©e* 
reeßtigfeit, welcße ßier herein feßeint unb alled erßettt." 

-- -fr » 4 


Auf ißrem Angeficßte lag ein folcßer griebe, aud ißren 
klugen ftrahlte folcß* felige greube, baß bie 93efucbe* 
rin bie SBahrßeit ihrer 2ludfage nicht bezweifeln 
tonnte. 

4. S5er£>errerwecft biefeßonberfeßie* 
beneXocßter. ©r ergreift bie £anb bed tobten 
2 Jtäbcßend unb führt fie aud ber s Jtad)t bed Xobed in 
ben ©onnenfeßein bed gebend jurüd. S3ie wenig 
bermögen wir zu tßun beim ©intritt in ein ftranfen* 
unb Xrauerhaud! 333ie feßwer ßält’d oft, baß wir 
bad reeßte 2Bort finben, um ein betrübted §erz z u 
tröften! ©in ^änbebrud ift gewöhnlich alled, wad 
wir bermögen. Xed S^erm öänbebrud ieboeß macht 
lebenbig. königlich ift all fein Xßun. Äöniglicß iffd 
aueß hier. So wirb er alle Xobten einft erweaen 
bureß jeine ©ottedfraft. s J2ur bie ©laubenben wer* 
ben Augenzeugen berfelben fein. Xie Ungläubigen 
werben feine ^errlicßfeit ßier unb bort nicht feßauen. 

II. ©ine zwölfjährige ftranfe. 93. 20—22. 

1 . ©in 93ilb menfchlicßen Seibend. Qn 
bem 9$olfdgebränge gab’d ^ßerfonen in ben ber* 
feßiebenften Sagen mit ben berfeßiebenften 93ebürf* 
niffen. ©o gibt’d in allen SJtenfcßentreifen ßeute, 
beren Seiben nur gefud ßeilen fann, beren 93e* 
bürfniffe nur Qefud befriebigen fann. Aber er 
faitn’d nur, wenn man fieß, wie biejed SBeib, bireft 
an ißn wenbet. Xiefe fieeße grau, bon ftranfbeit ent* 
fräftet, bon Armutß gebrüdt, mit ©eßmaeß belüftet, 
welcße fid) mir fcßüdjtern im 9Solfdgebränge bem 
§errn näßt, ift fie und nießt ein 93ilb jener berfcßäm* 
ten Armen unb befeßeibenen Äreuzträgcr, bie ißre 
©orgcnlaft in ber ©tiUe tragen? 3Jtaßnt fie und 
nießt an fo biel berborgened ©lenb unb unbefannten 
gammer, bon bem bie A3elt nießtd erfährt? 

2 . ©in 33ilb bed fcßücßternen ©laubend. 
3 ßr ©laubc ift ftarf aber fcßücßtem. X)ie ©cßücß* 
ternßeit will fie zarüdßalten, ber ©lanbe aber an 
Hefu ^eilfraft zieht fie z u iß m hin. Xer ©laube 
fiegt enblicß über bie ©Nüchternheit, ©ott Hefud 
und ein Stetter aud leibli^er ober geiftlicßer Vtotß 
werben, fo muß unfer ©laube alle falfcße ©cßam unb 
aftenfeßenfureßt überwinben. 

3. ©in 93ilb ber §eilfraft 3efu. 93eim 
Anrüßren ging wirflicß eine Äraft bon gefu aud, 
bureß welcße bie franfe fofort geßeüt würbe, ©benfo 
ftrömt und bon ^efu eine $raft z u / ö an ber ©ünbe 
ZU reinigen unb zu ßeilen. 2Ber ißn nur im ©lauben 
anrührt, auf ben ftrömt fie über. 

III. Htoet 93Hnbe. ©. 27-31. 

1 . ©ie rufen öffentlich ben £errn ald 
9Keffiad an. Obfcßon leiblich blinb, fo erfennen 
fie in ißm, wad bie jeßenben 93harifäer nic^t erfann* 
ten—ben Stteffiad. 

2 . ©ie befteßen bie ©laubendprobe. 

„©ebulb erhält ein ßnäbifl Ohr: 

©er ftanbhaft bittet, bringt empor." 

3. ©ie empfangen nach ißrem ©lauben. 
,,©ucß gefeßeße naeß eurem ©lauben" — bad ift bad 
©efeß oed geiftlicßen ©mpfangend. tttur mit ber 
©laubendßanb fönnen wir ergreifen, wad ber §err 
und an ©nabe, $eil unb geben anbietet. Xer ©laube 
ift ber SBerbinbungdfanal z^tfeßen ©otted gülle unb 
bed Sftenfcßen geere. 

-fr | 4- -- 


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552 


$onntagfd)ul=#thtioiirn. 


Sonntag, 30. Dftober. @tlltC Itüb 

35. Unb 3ehi« ging umher in alle ©täbte unb Geirrte, Ictjrete I 
in ihren ©d)ulen, unb prebigte ba« Sftanaelimn öon bem Weich, , 
unb peilete allerlei ©eudjeu, unb allerlei wrant&eiten tm Soll. 

36. Unb ba er ba« Soll falje. jammerte ihn befielbigen; benu 
fic mären oerfchntachtet unb aerftreuet, mic bie ©chafe, bie feinen 
Wirten haben. 

87. Xa fpraef) er au leinen Jüngern: Die lernte ift grofe, aber 
menige finb ber Äroeiter. 

38. Xarum bittet ben Herrn ber ©rnte, bah er Arbeiter in feine 
©rnte jenbe. 

1 . Unb er nef leine amolf jünger 31 t fich, unb gab ihnen Wacht 
über bie uufaubern ®eifter, baß ne biefelben au«trieben, unb bei- 
leten allerlei ©euche, unb allerlei ftranfheit. 

2 . Die Warnen aber ber sroölf Slpoftel finb bieic: Xer erfte Si¬ 

mon, aenannt 95etru«; unb Slnbrea«, fein trüber; Oaeobue, 3e= 
bebäi isobn; unb Johanne«, fein ©ruber; I 


Arbeiter* aflattß. 9 , 35 — 38 ; 10 , 1 —s. 

3. ©bilippu«; unb ©artbolomäu«; Xboma«; unb Wattbäu€, 
ber 3 ö ßner; ^acobu«, fclphäi ©ohn; Cebbäu«, mit bem 3 u- 
namen Xbabbäu«; 

4. ©iinoit bonttaua; unb $uba* ^fdjarioth, Welcher ihn üer- 
rietf). 

5. liefe swöl? fanbte $cfu«, gebot ihnen, unb fprach: @ehet 
nicht auf ber $etben Straße, uno sichet nicht in ber ©amariter 
Stabte; 

6 . ©onbem gehet hin su ben berlornen Schafen au« bem £aufe 
3 «rael. 

7. ©chet aber unb prebigt, unb fpreeßet: Xa« Himmelreich ift 
nahe herbei gefommen. 

8 . Wachet bie ftranlen gejunb, reiniget bie ®u«fäbiaen, meefet 
bie lobten auf, treibet bie Xeufel au«. Umfonft habt ibr c« 
empfangen, umlonft gebt e* auch. 


BtMtfißer ©runbgebanfe. „Umfonft ßabt ißr eS 
empfangen, umfonft gebt eS aueß." 2Jtattß. 10, 8. 

Einleitung. Qn bem Bibelabfcßnitte, melier un- 
fere bieSmaltge Seftion bildet, I>aben mit einen Bericßt 
über bie HitSfenbung ber 2lpoftcl. ^ie Scßlußüerfe 
beS 9. Kapitels geben btc©rünbean, rnelcße oen $erm 
SU biejer HuSjeubuttg oeranlaßten. 2>ie ßier berieß- 
teten Ereigniffe faden in ben Spätßerbft beS QaßrcS 
28 n.Eßr. s Jtacßbem QefuS bcnXaubftummenoUtattß. 
9, 32. 33) geteilt ßatte, oerließ er ft'apernaum, ging 
sunäcßft naeß Hasaretß, mürbe ^um ^meiten 2ftal oon 
beffen Bemoßnern üermorfen, machte bann eine Steife 
burd) ©aliläa, beffen Stabte uitb Dörfer befueßenb. 

Erflärung. 

©. 35. 28elcß* ein Bilb oon ber raftiofen Xßätig* 
feit Eßrifti entmirft 2ftattßäuS in biefem Berfe! 2Bir 
erbliden itjn auf feinem großen 2lrbcitSfelbe. Er reift 
oon Stabt su Stabt, oon 55)orf su 3>orf burcß’S ganse 
galiläifeßc iianb. UebcraU umlagern ben göttlicßen 
Lehrer Scßaareti oon ^ußörern, mclcß* feinem SBorte 
laufeßen. Ueberafl umbrängen ben ßimnilifcßcn 2lrst 
bie Seibeitben, roelcße beffen .fpülfe erfaßten mollen. 

B. 36. Huf biefer Stunbreife burd) ©aliläa, burd) 
bie gläusenben Stäbte unb ©emerbSorte, gemaßrte 
Qefiis ben Qamnter beS BolfeS. $er getftltcßc Qu- 
ftanb beffelben mar ein oermaßrlofter. ES gließ einer 
ßirtcnlojen, burd) irren Sauf abgematteten beerbe. 
Es feßlte berfelben an treuen Wirten, um fie auf gute 
HJcibe su füßren unb fie oor beit Wölfen su feßüßen. 
$aS Bolt ßatte rnoßl feine Scßriftgeleßrten unb ^rie- 
ftcr. Sie follten Wirten fein. 2lllein fie fiißrten bie 
Seute nießt *unt §eil. Sie forgten nießt für Seelen* 
uaßrung. $>ieS geiftlid)e Elenb bes Golfes medte 
beS barmßersigen §eila]tbe£ 9)titlcib. 

37. 38. HngeficßtS biefcS jammerooHen Rn* 
ftanbeSaber oersmetfelt ber^err nießt an ber9Jtenfd)'' 
beit. Er erblidt in berfelben oictmeßr ein großes 
E r it t e f e l b, mo eS nur fleißiger £>änbe unb rüftiger 
Arbeiter bebürfe, um oiel grueßt §u feßneiben, üiel 
(Farben w binben, oiele Seelen su retten für ben 
$>errn ber Ernte. Hber bie Ernte ift groß, namens 
ließ in unfern Xagen. bereits ber ganse ErbfreiS 
ßarrt ber Scßnitterßcßeln. 5)er SSölfer Ißüren fteßen 
offen. $er Arbeiter, bie mit ber Seelenrettung entft 
ntaeßen, finb oerßältnißmäßig menige. ^arum foden 
alle ©laubigen ernftlicß um mcitere Arbeiter bitten. 

©. 1. Scßon oor ber Söergprebigt ßatte bie ^8eru* 
fung ber Qroölfe ftattgefunben. Seitbent befanben 
fie )td) in feiner ©efeüjdmft, in feiner Scßule. 
jenbet er fie aus an bie Hrbeit. ^ieS gefeßaß 1. meil 
ein ^ßrebiger baS immer größer merbenbeSBerlangen 


beS Golfes, bie 33otfcßaft beS ©eilS s u ßören, nießt 
beliebigen fonnte; 2. meil baS naßenbe Enbe bes¬ 
ternt es notßmenbig maeßte, bie Hpoftel in ber praf^ 
ttfeßen Arbeit su fcßulen. Eße QefuS fie auSfenbet, 
oerieißt er ißnen SRacßt, b. ß. beibeS Vermögen unb 
SBoflmacßt, SButtber su mirfen. 

©. 2. Stoötf Hpoftel. 3efuS ßatte fieß be= 
fantttlicß einen meiteren unb engeren föreiS oon Hn^ 
ßängern gebilbet. jünger (Scßüler) im meiteften 
Sinn ßeißen alle bie, melcße feiner Seßre©eßör gaben 
unb naeß bem Xobe gefu ben erften $ern ber cßrift^ 
ließen ©emeittbe bilbeten. So rebet feßon ^auluS 
(1 Eor. 15, 6) oor meßr als fünfßunbcrt SBrübern, 
benen ber terr naeß feiner Huferfteßung erfeßien. Qn 
einem engeren Sinne merben bie Siebensig als. 
jünger beS terrn genannt. g[n einem nod) enge¬ 
ren Sinne merben bie groölfc namßaft gemalt. 
3ßnen mirb ber 9Zame Hpoftel beigelegt, tür 
merben bie kanten biefer Q^ölfe genannt. 9Bir ßa- 
ben im neuen Xeftament oier Hpoftelüerseicßniffc: 
baS ßier gebotene; eines in 5ftarfuS 3,16; ferner in 
SufaS 6, 14; enblicß Hpftg. 1, 13. 

Etlicßc Hnbeutungcti über jeglicßen ber Hpoftel 
merben ßier am s $laße fein. 

Simon ift beffer befannt unter bem ißm oom 
föerrn bcigclegten tarnen ^etruS, b. ß. gelS. Er 
ftammte aus Öetßfaiba, mar ein gifeßer, miffionirtc 
unter ben ^uben, feßrieb smei Epifteln (1. unb 2. $3ricf 
s )Setri), erlitt ben äftftrtßrertob am Streuse, baS taupt 
nad) unten gefeßrt. 21 lt b r e a S, ^ctri 93ruber, mar 
ein Soßn beS 3*>na. Er mar einer ber Erften, bie 
an ^furo glaubten unb füßrte feinen trüber sum 
terrn.. ^er Sage gemäß prebigte er unter ben Set)- 
tßcn (beSßalb öereßren bie dtuffeu ißn als ißren 
2lpoftcl), in ©riecßenlanb unb Äleinaften. Er ftarb 
an einem $reuse, melcßeS bie Sorm eines x ßatte, 
beSßalb baS St. HnbreaS ^reus genannt. 

3atobuS ber Heitere ftammte aus 2ietß- 
faiba unb mar trüber ^oßanneS unb 

er empßngen bei ißrer Berufung oom perrn ben Bei¬ 
namen BoanergcS, b. ß. $onnerSfößtte. Er pre¬ 
bigte in ^erufalem unb 3 u ^^a. §erobcS ließ ißn 
entßaupten im 44. 3 0 ^ a n n c *' 

g enannten Bruber, mar ein Soßn beS SebcbäuS unb 
er Salome. Er rnirfte in Äleinafien, namentlicß in 
EpßefuS. ©efeßrieben ßat er baS üierte Eoangelium 
unb brei Epifteln. Qm Qaßre 95 mürbe er auf bie 
Qnfel B^tinoS oerbannt. Später surüdfeßrenb, ftarb 
er laut ber Sage eines natürlicßen $obeS. 

B. 3. BßilippuS, ben man nießt mit bem in 
ber 2lpoftclgefcßicßte ermäßnten ^ßilippuS, Eüange- 
lift genannt, Ocrmecßfeln barf, ftammte ebenfalls aus 
Betßfaiba. Er prebigte in BßtßÖ^« «nb foö in ßo* 


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SotmtagfdJuUffMionro. 


553 


♦ 

hem ®Ucr in ßierapoliS ben Märtprertob erlitten 
haben. B a r 19 010 m ö u 3, in ben ©oaitgelien audj 
9tathanael genannt, ftammte au« Stana tn ©aliläa. 
©r foH in gnbien gemirft haben. ®ie Srabition jagt, 
baß er lebenbig gefchunben unb in oertehrter ©tel* 
lung gefretuigt mürbe. 

MatthauS, aud) Seoi genannt, mar, als ber 
§err itjn berief, 3öllncr in Papernaum. ©r fArieb 
bt »3 feinen Stamen füljrenbe ©üangelium. ^>er ©age 
nad) mirtte er piept tn Äethiopien unb fanb bafelbft 
ben Märtprertob. XljomaS, auch $>pbimu3 ge* 
nannt, mar amctfelSohne ein ©aliläer. $ie fprifepen 
ß^riften nennen ihn ben ©rünber ihrer Stircpe. ©r 
ftarb alö Märtprer. gafobuS, ber jüngere, 
prebigte in ^aläftina, mar Bifcpof in Qerufalem, 
roirtte piept in ©gppten unb mürbe bafelbft getreu* 
jigt. S e b b ä u 3, mit bem gunamen XpabbäuS ober 
auch gubaS, mar ein Bruber gafobi beS jüngeren, 
©r fd^rieb bie ©piftel gubä. 

©.4. ©imon öon Stana, bei SufaS „gelotet 
genannt, mar nad) ©ufebiuS ibentifcp mit bem Bifcpof 
ber gubendjriften ©imeon, melier nach ber fircplicben 
Jrabition gafobo, bem jüngeren, nach beffem Mär* 
tprertobe gefolgt fein fou. gubaS, mit bem ©ei* 
narnen gfcpariotp, fam aus bem Orte Stariot in gu* 
bäa, oerrietp feinen Meifter unb beging ©elbftmorb. 

B. 5. 6 . $)en guben foU oor ÄUem baS ©üan* 
aelium geprebigt merben. deshalb fcplteßt ber §err 
feinen Äpofteln ba3©ebiet ber Reiben unb©amariter 
hier p. 

B. 7. 8 . 2 >aS Himmelreich mar noch nicht ba, aber 
eS mar nabe perangeriieft. ©rft naepbem gejuS baS 
große ©rlofungSmcrf auf ©olgatpa ooUbracpt patte 
unb ber heilige ©cift auSgcgoffen mar, tonnten fiebaS 
Himmelreich als etn ©etommencS oerfiinbigen. 
iefjen Xpüre mar bann für alle HcilSoerlangenbe 
geöffnet. 

©raftififte ©ebanfett. 

©in ©lief auf’s ©rntefeÜL 

I. Äuf bie ©rate. 

1 . Um unfer Mitleib ftumeefen. Ä13 ge* 
fuS über baS mogenbe grucptfelb beS gubenüolreS 
pinfepaute, als er fap, mie bie JJracpt ber armen ©ee* 
len p ©runbe gehe, meil bie jübifepen ©Knitter bie* 
felbe oertoaprloften; ba brach ihm fepier baS große 
HeüanbSper* oor gammer unb Mitleib. 2Bie otel 
feiblicpe3 ©lenb gibt’S boep auch in unfern Xagen! 
2 Bie otel ©ünbemtotp bcrrfc^t in ber28elt! 3 öic oiel 
©eelenfrucpt geht aus Mangel an treuen ©rntearbei* 
tem auf bem Äcfcrfelb ber SBett p ©runbe! 28er 
noch Äug’ unb Her^ pat für Änbre um fid) per, ber 
rnirb nic^t meit p gehen hoben, um Manches p er* 
bliden, maS ihm baS ^erAjd^mer unb baSÄuge feucht 
macht, ©old)’ gemecfteSMitleib aber ift notpmenbig, 
um mit ©ruft am Heile ber Menfcppeit p arbeiten. 

2 . Um unS bie © r ö ß e ber ©rnte ju jei* 

gen. „®ie ©rate tft groß/' mie jur 3 eit f° 

noch h^te. 35ente an bte 3Jtenge ber Ungläubigen, 
melAe oon ©ott, ber ©ibel, bem ©rlöfer unb ber 
tirepe nidht4 mehr miffen mollen. $)enfe an bie 
©djaaren ber Wamenchriften, bie fich mit einer äußer* 
ließen SHrchlidjteit, mit einer tobten gorrn beS ©bri* 
ftenthumS, mit bem bloßen ©djein ber ©ottfeligfeit 


begnügen laffen. ©Jente an bie mimmelnben 2 Riüio* 
nen armer Reiben, melAe nod) in grauenhafte Stacht 
beS ÄberglaubenS gehüut [mb. $ente an bie 1400 
ajtiüionen ©emohner unferer ©rbfugel, pon benen 
noch 1000 9Jtiüionen Reiben, SJtuhammebaner unb 
Quben finb. O mie groß ift bod) bie ©mte! 

3. Um unS jum ©ebete anjufpornen. 
®er Befehl Qefu lautet: „Bittetben$>erra ber ©mte, 
baß er Arbeiter in feine ©mte fenbe." ucicht im tleinften 
IreiS tann ber äRenfch ohne ©ebet recht arbeiten, 
fann er etmaS mirten, ohne baß ber $err ihm treue 
Mitarbeiter fenbet. 2>a3 ©ebet gehört jmar ju ben un* 
mägbaren ©toffen, p ben unberechenbaren Kräften; 
aber baS ©ine fteht ood) unbeftreitbar feft, eS ift eine 
§ülf3macht für baS ©otteSreich auf ©rben. ®er $err 
lehrt uns ia, um Arbeiter für bie ©rnte beten, um baS 
kommen feines SRetcheS flehen. ®aS ©ebet ift nidht 
nur eine 28affe, fonbern eine ganje SRüfttammer 
mächtiger ©efepoffe gegen bie §eere ber ginftemiß. 


II. Änf bie Arbeiter. 

1 . 3)ic Arbeiter müfjen jünger fein. 
28ir ßnben hier, haß ber öerr feine günger in bie 
©rnte fanbte. ©mb mir jünger beS §erm, }o müf* 
feix mir Miffion treiben. 5)er Unglaube baut feine 
MiffionShäufer, meil er feinen ©lauben an feine 
©ache bat, unb meil ihm ber Muth ber Begeifterung 
fehlt. 2)ie jünger beS Jierrn aber müffen beffen ©5erf 
betreiben, ©ie nur fönnenS auch- 9Jur ©erettete 
fönnen Änbere retten. 2 fur ein befehrter B^biger 
fann ben Unbefebrten ben 2Beg p gefu meijen. 2fur 
ein belehrter fieprer fann bie ©cpuler feiner klaffe 
auf bie rechte 2Beife p geju führen. 2Benn ein Blin* 
ber eS mögen foUte, einen Blinben p führen, fo mer* 
ben beibe in bte ©rube fallen. 

2 . 3)ieÄrbeiter müffen oom^errn aus* 
a e r ü ft e t fein. 2 Bir ßnben in untrer Seftion, baß 
gcfuS feinen Jüngern eine gemiffe Macht oerlieh, ehe 
er fie auSfanbte. ©0 muffen auch »ir angethan mer* 


ben mit Straft aus ber 
Arbeiter in beS §errn 


Döhe, menn mir als tüchtige 
£rnte eintreten mollen. $)te 
rechte ÄuSrüftung ift bie Xaufe beS ^eiligen ©eifteS. 
5)aburd) geminnen mir Muth unb Straft jur Ärbeit. 

Änbcntungen für Piaffen. 


1 . ©d}ilbere gefum alSMuftermiffio* 
n a r. ÄIS Miffionar fam ber £err aus bem ^irnmel 
auf bie ©rbe. fiange Steife, länger als oon ben Ber. 
©taaten nach ©hi™, Sapan ober gnbien. Brachte 
große Opfer, ©ah bie Both berJWenfchen. ©ah ben 
Sbgrunb beS BerberbenS, in ben fie unrettbar ftürj* 
ten. $ie unergrünbliche ßiebe feines §erpn 3 bemog 
ihn, pr Stettung herbeipeilen, ©r prebigte ein fcßlidh- 
teS ©öangelium. geigte in einfachen SSorten, morin 
baS Steich ©otteS beftepe unb rnte man hineinfomme. 
©rmieS ben Menfcpen auch leibliche 2BohUhaten. 

S eilte ihre Stranfbeiten. ©i« ©innbilb beS jeitlichen 
egenS, ben baS ©hnftenthum immer im©efolgebat. 
Macht bie Mengen liebeooHer, ehrlicher; Oeroeffert 
ihre Sage. 

2 . X t e ©rnte. ©ie ift groß. ((Siehe „praftifAe 
©ebanfen" erfter Xheil.) 

3. ^ie Ärbeiter. 3ft r e* finb im BerhäUniß 
jur Ärbeit menige. B 3 ir follen bap beitragen, baß 
fiA ihee gahl Oer mehre, a) ^urA^©ebet; b) Är* 
beiter merben; c) Ärbeiter merben. 



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554 


$raurn;eitutig< 


gfrauen^eitung. 


groß* nic^t erft lang: 28a3 fagt bic SBclt baju ? 
feaS bu als recßt erfannt, entfcßloffen tßu! 

SBiUft in bie SWenge bu ängftlnß (fielen, 

SBirft bu moßl fcßmerlicß maS Stecßt’S erzielen. 

$aS Sor’le über grauenocrcinc. ©3 fam mir 

! chon oft ber ©ebanle, toarum man moßl fo menig 
>ört oon bem Söirfen ber grauenoereine, benn baß 
ie beinahe in aßen ©emeinben befteßen, ift eine Xßat* 
aeße, unb e$ märe gerniß oon großem üftußen, oon 
3 ett b u 3 eit ©erießte p lefen, mie unb auf meleße 
feeife btefe Vereine mirfen unb melden Erfolg fie 
ßaben. 

$aß biefe ©ereinepm großen ©egen für eine ©e* 
meinbe finb, mirb Wiemanb leugnen. SBenn eS je 
eine Seit gab, mo Arbeit bie gütle in ber Kircße für 
bie grau p tßun ift, fo ift eS jeßt, unb bureß biefe 
Vereine fann ßaußtfäcßlicß bie SftifftfinSarbeit auf baS 
©efte betrieben merben. 

$>er erfte ©er.uß, beit bie reeßte $ßeilnaßtne jeber 
©eßmefter bietet, ift baS gefeßige unb gefcßmifterlicße 
©erßältniß, baS in bem herein beförbert merben fann. 
©obanit gibt berfelbe unS eine gute (Gelegenheit, un* 
fere greunbe unb 9iacßbarn einplaben, maS oft mit 
gutem (Srfolg beloßnt mirb. 

Slucß ift ber herein eine gute ©cßule, ßaubtfäeßlicß 
ba, mo berfelbe auf rießtige feeife geführt mirb. 

$)ie (Sonftitution beS grauen*9Jitffton3=©ereinS für 
auStoärtige unb cinßeimtfAc Arbeit ift baS ©efte, maS 
man als feonftitution für grauen * Vereine nur mün« 
fdjen fann. SDiefe (Sonftitution feßließt alles in fieß, 
toa$ ein herein mirflitß leiften foß unb aneß fann: 
$)ie Unterftüßung unb gürbitte für bie §eiben*9Jtif* 
fion, bie Arbeit in ber ©emeinbe unb ßaußtfäcßließ 
bie ©erfeßönerung beS ©otteSßaufeS. 

3)ic Kranfenßflege ift ein feßr mießtiger ©unft. 
Söer ßat eS nicht feßon in feßmeren K'ranfßeiten er* 
faßren, mie mangelhaft unfer ©erfaßren p folcßen 
3 eiten ift? 2 Bir füßlett aße inniges Mitgefühl unb 
geßen unb befueßen aueß bie Traufen, maS aoer oft 
mehr feßabet, mie gut tbut. 

(£in feommittee für Kranfenbefucß fann oicl ©uteS 
tßun, inbem eS bamaeß fießt, baß man bie nötßige 
Juilfe fenbet unb abmccßfelnb ber gamilie ßilft in ber 
pflege ber Kranfen, ober aueß fonft, mie eS nötßig 
fein mag. 

$)ie etnßeimifcße SJttffton! SBelcß* ein großes gelb 
für Arbeit ift hier, ßauptfäcblicß in ben großen ©täb* 
ten. Sttan lieft oft oiele unb geleßrte s 2 Irtifel mit ber 
Ueberfcßrift: feie finb bie SJtaffen p erreießen? (Sin* 
faeß babureß, baß man ben (Sinplnen erreteßt. Unb 
—oiele (Sinplite maeßen bie 3Jtaffe. (£3 ift etne trau* 
rige Xßatfacße, baß man in ben großen ©täbten Xau* 
fenbe oon 2Jtenjcßen finbet, benen eS nie einfällt in 
eine Kirche p geßen. ©Sic fann man folcßen SSJten* 
feßen naße fommen? (Sinfacß bureß fregnblicßeS, 
liebeüofleS ©efueßen, unb biefeS fann Wiemanb beffer 
als bie cßriftlicße grau. SHefe Arbeit ift oon ber 
größten feießtigfeit. ©Senn fie nießt oon beit ©eßme* 
ftern ber ©emetnbe fclbft getßan merben fann, follte 
man eine geeignete ©erfon anfteflen, biefe Arbeit 511 
tßun. 

3 n maneßen ©täbten ßaben fieß oerfcßiebcitc ©e* 
nennungen p einem Union*iRifftonS*©erein üerbun* 
ben unb ermäßlen eine©tabtmij|ionarin,beren ©fließt 
eS ift, in ben ärmeren ©tabttßeilen oon £muS p ,§auS 


©efueße p maeßen, SlrbeitSfcßuien für bie Sttäbcßen 
p grunben unb biegrauen einplaben ht bieSJtütter* 
üerjammlungen 511 fommen, mo mit ißnen gerebetunb 
gebetet mirb. $iefe Arbeit bringt ßerrlicße grüeßte. 
©iele ber Sftütter merben in biejen ^erfammlungen 
grünblicb ju (Gott befeßrt. 

Söir 5)eutfcße ßaben gemiß baS befte unb inter* 
effantefte 3JtijfionSfelb. 5)ie Siebe p meinen beut* 
feßen SanbSleuten tft nie größer als auf meinen 3J?if* 
[ionSgängen. ©eiten ßnben mir 58erfommene unter 
tßnen. (Gcgcntßetl finbet man beinaße burtß* 
fcßnittlicß ben beutfeßen ßäuSlicßen ©inn, bie größte 
SKeinlicßfeit. unb bie beutfeße ^auSfrau in ißrem flei* 
ßigen, fßarjamen Söefen. Unb mie oft entquillt ber 
©eufier aus unferer SBruft: ©ott fegne unterbeut* 
jcßeS feolf. 

(Sin anbereS Mittel ber inneren SKiffion finb bie 
alten 3 e ^1^ ri f ten - S3emaßre biejelben auf, um 
fie bann in ben §o 3 pitälern unb ©efängniffen p üer* 
tßeilen. 5)icS ift gemtß eine Arbeit, bie mtr nießt oer* 
fäuinen foflten. feir rniffen bie cßriftlicße treffe faum 
p fcßäfeen. 5luf unfern Xifcßen liegt fo üiel gutes 
Sefematerial, baß man gar nießt an bie benft, melcße 
eS entbeßren. 5öemaßrt bie cßriftlicßcn 3^ifcß^ftcn 
auf unb oertßeilt fie. 

feine anbtre, feßr mießtige Arbeit ift bie, bic ftinber 
in bic ©onntagfdjule eit^ulaben. $urcb nicßtS fann 
man fcßneller etn felternßerA erreießen, als oureß freunb* 
ließe 2:ßcilnaßmc für ißre ftinber. feiele (Sltern finb 
feßon bureß ihre St inber jur Äircße gebraeßt morben. 

$er liebe (Gott ßelfe uns in ber Arbeit als getreue 
Sftägbe bie offenen Xßüren ju feßen, bie jeßt für bie 
cßriftlicßen grauen offen fteßen. 

(Fßicffn^ic. SJtan feßneibet 3—4 Kartoffeln in 
©cßniße unb läßt fie in ©aljtoaffer meieß foeßen. ®aS 
§ußit bratet man mie gemößnlicß. 3)amt maeßt man 
einen ^tctg, in melcßen mau ein menig ©ah unb 1 
ober 2 Söffel 00 H ^acfpuloer mit einem Söttet üoH 
Butter ober gett ßineinreibt. ©obann gießt man 
ein menig 2 ftil<ß barait unb maeßt einen meteßen Xeig. 
^aeßbem ber ^Xcig bünn auSgeroflt ift, belegt man 
eine gemößnlicße'jsubbingfcßüffel mit bemfelben. 9tun 
legt man abmccßfelnb bte Kartoffeln unb baS §ußn 
ßinein unb maeßt eine gute ©auce in bem ©efeßirr, 
in melcßem baS §ußn gebraten mürbe, unb tßut eS 
bap, baS geßörtge ©al$ unb Pfeffer barüber, aueß 
ein menig ©upßengrün. llhtn bebeeft man ba3©an$e 
mit bem übrigen 4eig, in melcßem man (Sinfcßnitte 
maeßt unb baat eS. 

©rüne lomatoeS einpmaeßen. Qu einem $eef 
5:omatoeS neßme fecßS 3«iiebeln, fecßS grüne Pfeffer, 
fdjneibe alles in runbe ©eßeiben unb menge bann 
einen Xßeefopf ooll ©al^ baran unb läßt eS über 
9?acßt fteßen. ^en näcßften borgen brüeft man baS 
©aljmaffer feft ßerauS, unb jeßt eS in einem ßorpla* 
nenen Keffel auf baS geuer mit einer Unp ganzen 
gimmt, 1 Uitje helfen, 1 Xaffe ooll 3 U( * er > 1 ^ n 8 c 
©enffömer, unb genug (Sffig, um baS ©anp p be* 
beefen. Kocßc eS, bis bie iomatoeS meieß finb. 

Ouittcn ^ ©utter. Stacßbem bie Ouitten gefeßält 
unb gereinigt ftnb, merben fie in SBaffer gan$ meieß 
gefotßt. ßtlicße faure 2 leßfel feßaben bem ©efeßmaef 
hid)ts. 9tacßbem bic Stoffe meieß gefoeßt, tßut man 


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Um Hämin. 


555 


ben giufer bannt, % *ßfunb gucfer p einem Vfunb 
grucßt. ©obann lägt man ed nnter fortmäßrenbem 
»üßren fertig Jochen. 


3ffir Rätter. „9lld mir einmal — fo enäßlen ^mei 
fcßmeiaerifcße Stoturforjcßer, bie bor brei Sauren 3$ 5 
lanb bereiften — bon ©cßulen fpracßen, fragten 
mir, mer ed benn auf fi<ß neunte, bie Äinber p 
unterrichten, melcße infolge ber aUp großen Entfer* 
nung ober ber &rmutß ihrer Eltern bie ©cßulen nicht 
befuchen? X)a antmortete und ein gebilbeter ^tr^t 
ber£auptftabt: „3m Filter bon fteben fahren fönnen 
atte unfere Äinber lefen, in ihrer ©brache fcßreiben 
unb rechnen; bon ben ärmften gifcßem ift nicht einer, 
ber nicht einen guten Elementarunterricht im ©inne 
ber ©chmeijer ©chulen genoffen ßat. Unfere ii t* 
ter finb unfere Sehrerinnen, unb bad Vaterßaud ift 
unfere ©cßule. X)er nächfte Pfarrer macht über bie 
gortfcßritte ber Äinber, unb badjenige, mclched nicht 
Vemeife einer genügenben Vorbilburtg liefert, mirb 
nicht pr Eonfirmatton pgelaffeu. SÖurbe ber Pfar¬ 
rer eined ihrer Äinber abmeifen, jo mürbe eine idlän* 
bifcße Sföutter biefe ©chmach faum überleben, fragen 
©ie ben erften beften gtfcßerbub, mer ihn bieGe)cßicßte 
unb Geograpßie feined Vaterlanbed unb bie tarnen 
ber Vögel uno Vlumen gelehrt hat, fo mirb erahnen 
jebedmal antmorten „Sttobr min/' bad heißt: Steine 
SKutter!—SRefpeft bor folchen füttern! 


Xad ©orlefen im gamüienfmfe. Xie Pflichten 
bed Ermerbd unb ber GefeUigfeit laffen in großen 
©täbten ni$t öicl fteit pr Vertiefung bed gamilien* 
lebend übrig. Slußer ben Stoßzeiten gibt ber Xag 


faum eine SJtoßeftunbe ber, melcße Eltern unb $inber 
p gemeinfamem Sludruben unb Gebanfenaudtaufcßen 
oercint. Einzelne gamilien bringen ed aber troß alle* 
bem fertig, mad mtr ald bad befte geiftige Vanb ami* 
fcßen Vater, 2ftutter unb Jeranmacßfenoen finoern 
erfcßeint: fie halten ein ©tunbcßen nach bem 2tbenb* 
brob für gemeinfame Scftüre frei 

Xrautc ©tunben, beren Erinnerung ben aud bem 
Vaterhaud fcheibenben ftinbern ind fernfte Seben 
nacßpßt unb ben alternben Eltern ald etmad $öft* 
liched unb SRüßrenbed berbleibt, menn bie luftige 
©cßaar längft in alle Söinbe geflogen ift, bie fleh jeßt, 
emft unb anbacßtdboll laufchenb, bad Sicht bed erma* 
chenben X)enfend auf ben heben Gefieptem, um ben 
gamilientifcß reißt! 

Ein befonberer Gerninn aud biefen Vorlefungen im 
gamilienfreid ermöchft ber grau bed paufed. Xie 
bielbefcßöftigte, forgenbelabeneSJtutter gibt fießjleiber 
p oft bamit pfrieoen, unter ben fleinlichen Stoßen 
unb Vfagen bed £>audmefend bie geiftigen Veftrebun* 
en, bie auch fie in ißrer 3ugenb entpeften, gan^ p 
egraben. 

Xaßer lommt ed, baß bie ©ößne unb Xöcßter im 
Vemußtjein ißrer jungen ©cßutmeidßeit ben Xon ber 
tiefen, hebeüoüen Verehrung gegen bie Butter, ber 
mir allein ald bad Erfennungdfleicßen eined glücfli* 
eßen, mahrhaft boraeßmen paufed gilt, fo off nicht 
meßr finben. 

S 3cß glaube aber, eine beffere Gelegenheit, mit ber 
eiftigen Entmicflung ber yugenb ©cßritt p halten, 
[rtßeil unb Gefcßmacf frifcfj p bemabren, über bie 
Äleinlic^feiten bed Xaged ficß p erheben, fann bad 
^audmutterefjen nießt finben, ald bie einer gemein* 
famen gamilienleftüre. 


- * - 

Ä m Hämin. 


Xie Siebe tragt aHed. SBenn bu ein Glad bid pm 
SRanbe unb bid pm Ueberfließen mit Vtoffer gefüllt 
ßaft, fo foüteft bu benfen, ed märe nicht möglich, noch 
meßr SBaffer in bad Gefäß p bringen. ©0 nimm 
einmal ein fRofenblatt, melcbed ficß mte eine SJtofcßel 
aufmärtd biegt unb lege ed faeßte auf bie gläcße bed 
SBafferd; ed mirb bom SBaffer getragen, oßne abp* 
fließen. Unb nun fannft bu noch maitcßed Xröpflein 
tn’d fRofenblatt legen, ogne baß bad Glad überftromt. 

SBenn aber bein $en bielfacß in ber Gebulb geübt 
ift unb manchmal ber Gebanfe auftaueßt, je^t fet bad 
Siaß boll, ed geße meßt länger, — fo erinnere bieß an 
bad Sftofenblatt. Xie Siebe ift bad 9?ofenblatt. Segt 
ße ft* in Gebulb bed bergend hinein, jo mag noch 
mancher Xropfen bedUntnutßed o’rüber fommen, bad 
Öen fließtboeß nicht über; unb ber ©prudß ber Vibel 
beßalt recht: „Xie Siebe trägt alled." 

Gin Ungesagter, ber jcßlecßt oertheibigt morben, 
mirb oor oer urtheildfäuung bom mießter gefragt: 
,>$aben ©ie, bebor ber 2Baßrfbrucß erfolgt, nod^ et* 
mad p 3ß rer Vertßeibigung ju fagen?"—„3cß möchte 
nur bitten," ermiberte ber Slngeflagte mit einem un* 
befeßreibließen Vlid naeß feinem ^looofaten hinüber, 
„baß ber ßoße Geritßtdßof bie große gugenb—meined 
Öerrn Vertßeibigerd ald 9Jiiloerungdgrunb in Ve- 
traeßt jieße." 


ÄietfÄel ald »ebner. Emft SRietfcßel, ber ©cßöpfer 
bed Sutßer-Xenfmnld p SBormd, mar moßl ein tücß* 
tiger Zünftler, aber ein fcßlecßter fRebner. 9Bie ed 
ißm mit feiner erften unb lefcten 9tebe erging, er^äßlt 
er felbft: „Vor einer 9toiße bon 3aßren fotlte 3llt* 
meifter 9touch naeß Xredben fommen; bie jungen 
Äünftler meinten, icß ald SRaucb’d ältefter ©cßuler 
müßte bei bem geftmaßle auf ben Gaft ben Xrinf* 
fprueß audbringen. „2lber icß meiß gar nidbt, mie 
man einen Xoaft ma^t." Xie Veleßrung lautete, 
man gebe „ber glüßenben Verehrung einen entfpre* 
eßenben Sludbrucf." 9laucß fam, icß faß ißn an, aber 
etgentlicß faß id) ißn nicht, icß litt mtr an meinem 
Xoaft. Enblicß mürbe ed 9tbenb, icß trug in ber 
Xafcße einen jerfnitterten Entmurf meiner mebe unb 
in meiner Vruft ein rafenb flopfenbed öer^. 3Bie icß 
in ben geftfaal aefommen bin, ift mir beute noch un* 
flar. 3 $ oß nicßt, icß tranf nicht, icß fpraeß nießt, icß 
ftierte nur tn mein, tommenbed Elenb ßinein. Xa 
mürbe icß bor mehreren SDtoßnera brinaenb erfudßt, 
bon feßr eifrigen unb beforgten fogar geftoßen, meine 
Vflicßt ju tßun. 3^ Uingelte mit bem Glafe, icß er* 
hob micß »nb mürbe gemaßr, baß ber erleuchtete 
©aal feßmarj mar. ©cßließlicß pg man micß am 
gracffcßooß nieber. icß benn p lange gefpro- 

eßen? fragte icß ganj entfept. Gar nießt geiprodßen, 
aueß nießt einen Saut, mar bie befrembenbe Änt* 


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556 


Um ftomin. 


mort. Unb bag, fo fefjte KietfAel in föftliAem ®u* 
mor binau, ift bic einige fRebc, bie iA je gehalten 
habe." 

Atabame Stotjjlcbiulc ift ber ©Freden aßer ©lerfg. 
©ie bringt ihre ganae $eit mit „©bopping" *u, ohne 
bod) je ©tmag au taufen. Aig fie fiA neulich roieber 
einmal in einem bon ihr beimgefuAten £aben oßeg 
SRögliAe butte öorlegen taffen, ohne eine Augmabl 
ju treffen, fagte fie fd)lie§lid| a u bem erfAöpften £a» 
oenbeoienfteten: „Haben ©ie noch ©tmag, bag ©ie 
mir nod) niAt gezeigt buben?" —„0 ja," ermiberte 
ber ©efragte, „mir böten noA ben Heller unten. 
SBenn ©ie eg münfc^en, miß id> ibn b'naufbringen, 
bamit ©ie ibn befidjttgen tonnen." 

ffietebeit and bem Salmub. Siel fjleifA — biete 
SBürmer. Siel ©üter—Diele ©orgen. Spiele grauen 
—biet Aberglauben. Siel SBiffenfAuft—biel Seben. 
Siel ©crecbtiafeit—biel Trieben. 

©ine römifche ^rinjeffin fpottete über ben Der* 
macbfenen ßtobbi Qofua: „Ser SBabrbeit giiUe in 
Ijäßlicber §ülle." — ©elaffen fragte gofua: ,,SBorin 
tbr Sater ben SBem aufbemabre?" „Qn irbenen 
trügen," antmortete bag ©belfräulein. ,,©i, marum 
bemabrt ein ftaifer feinen SBein nid)t in golbenen©e* 
fügen?" forfcbte ber föabbi. Sag leuchtete ber©elbft^ 
tlugen ein, unb balb toarb ber SBein in toftbare ©e» 
fägeumgegoffen; aber bie gotge mar, bag er fauer 
mürbe. 

„Su baft mir einen fauren 9tatb gegeben," fuhr 
bie ftolje Römerin ben $11 ben an# $ t efer aber ent-* 
gegnete ibr: ,,©g mar nur eine Antmort auf beinen 
©pott,— v Ser SBetebeit Süße in bögliAer £üüe/" 

Ser Sag ift für*; Arbeit gibt’g biel; bie Arbeiter 
finb träge; ber Siofyt iftgrog; ber Arbeitgeber brängt! 

Sie SßenfAen gleichen ben ©räfern auf bem gelbe: 
Siefe grünen, jene bermelfen.—ftufriebenbeit ift mab* 
rer JjRcicbtbum. SRoab’g Saube fpracb au ©ott: ©ei 
meine Nahrung bitter, mie ein Delblatt au8 beinen 
frönten, unb ntcbt füg mie Honig aug ber SRenfAen 
frönbe. 

SBer ift meife? SBer bon gebermann lernt.—©ie-* 
ben ©igenf Auften gieren ben SBeifen: ©r ergreift nie 
bag SBort jue^t, menn ein ©rögerer jugegen ift; er 
fällt niemals in bie Kebe; er antmortet me boreilig; 
er fragt unb antmortet facbgemäg; er bebanbelt ©ineg 
um bag Anbere in ber 0rbnuna; mag er nid)t meig, 
aeftebt er; er befennt feinen grrtbum. Aber beim 
Sölpel finbet bag ©egentbeil ftatt. 

Stabi ©cbamlai' prebigte: 613 ©ebote enthalten 
bie SfiAer äRofig, 248 affirmatibe, entfprecbeno ben 
©Hebern beg menjAHAen Äörperg, unb 365 itegatibe, 
entfprecbenb ben Sagen beg $abreg. Aber frabafuf 
fagte fie afle in ©mg jufammen: „Ser ©erecbte 
rntrb leben burcb feine Sreue (©lauten)." SB. g. 

Humor unb föip. SBag ift H um °r, unb morin 
unterfcteibet er fiA bon SBig?—öumor ift ein SBort, 
beffen ©eift PA nicht in eine logifAe Sefinition faffen 
lägt, beffen gnbalt aber bag ©egentbeil aßer grioo» 
lität ift. fiumor ift bie tiefe Anfdhauung ber 
SBelt unb Der gnbimbuen bon ber fomifAen ©eite; 
SBip bie flacge AnfAuuung berfelben bon ber fo-* 
mifcgen ©eite. $umor ift bie ^oefie ber $omif, 9Bip 
igre platte Sfrofa, miemobl bie flüchtige ©rfcbeinung, 
melcbe man in ihrer ©in^elbeit SBib nennt, eben fo^ 
mobl Smmor, aB biogen SBip enthalten tann. #u= 
mor ift ba§ ©enie ber Storni! unb barum mehr mit 
ber Xragit beö ßebcnS bermanbt al^ man gemeinhin 
glaubt, meil ba^ ©enie immer uniberfeß ift. $umor 


entftebt, menn ein erhabener ©eift, ber in afle Siefen 
be3 SRenfcbenberjen« einbringt, ber bie ganje Sragit 
unb güfle oer SBelterfcbeinung fagt, e§ berfucgt, bie 
©rfcbeinung beS SebenS unb ber uRenfcben bon ihrer 
fcbmacben, menfcblicb gebrechlichen, lächerlichen ©eite 
iu zeichnen. ®umor ift bag Säcbeln ber Äinblicbteit 
oe^ ©enie^, unb jenem SRofenmunbe ift mie bem 
9Jtunbe beö läcbeluben Äinbeg ba8 SBeinen nicht fo 
fern. Sarum h^t bor Aßen ©bafefpeare §umor, 
unb nur ber ^omifer, ber zugleich entmeber in feinen 
SBerfen ober in feinem ©eifte unb ©er^en Sragiter 
ift, !ann £>umor buben. 


Sanfenbe effen täglich ib* 53rob, ohne nur ein ein» 
jigeö 9Ral ju fragen ober felbft barübcr nadföubenfen, 
in meinem S^erbaltnig fiA ba8 liebe ©etreibe ber» 
mehren bermag. Sttan höre unb ftaune über bie un* 
gebeure gruAtbarfeit eines einigen SBeüenforneS. 
Sfeenn ein folcpeS jährlich 50 $5raer gibt, fo beträgt 
bie ©rnte im 2. gabre 2500, im brüten fcgon 125,000, 
im fecbften 16,125,000,000 unb im amölften gabre 
259,953,125,000,000,000,000 Körner. Audh b^nn er» 
blicft man beutlich bie Unenblicbfeit unb ©röge ©otte4. 

Xit Kegenten ber SRenfdjbeit. Sie aefammte 
S3ebölterung ber ©rbe — ungefähr 1300 ®hßionen 
SRenfchen — mirb bon 12 $aitem, 25 Königen, 47 
gürften, 17 ©ultanen, 12 Äthanen, 6 ©rogbergögen, 
0 ©erabgen, 1 33ice*$önig unb 28 ^räfibenten be* 
herrfAt, abgefehen bon einer grogen Anaabl bon 
Häuptlingen milber ©tämme. 

©in bebenflicber ^anggenoffe. gn einem ^unfe 
ber ^erytgaffe m Söubapeft marcn aö)ei Bimnier im 
brüten Ötod, bie beim Cuartal leer geblieben maren, 
big jum97obcmbertermin, an meinem bie neue Partei 
einaiehen foflte, interimiftifA a u bermietben. ©ined 
Sageg melbete fiA bei ber mit biefer SSermietbung 
beauftragten ^augmeifterin eine ftattliA augfebenbe, 
elegant gefleibete grau uub fragte naA bem ßRonat» 
jing biefer SBohnung. „günfaig©ulben," entgegnete 
Die Haugmeifterin, „aber buben ©ie Äinber ?" ,^cein," 
mar bie Antmort ber 9Jtietherin. „AuA leinen 
feinen Papagei unb fein $labier?" „AuA bag niAt" 
entgegnete bie Sftietberin. „Sann fonnen’g bieSBob* 
nung buben. SBie h^ifeen^g benn?" „©omelie S8e* 
rarbi," entgegnete jene. Sag ©efAäft mar abge» 
maAt unb Die TOetberin jog ein; fie hatte in ber 
Sbat meber $inber, noA Papageien, noA auA ein 
Planier, aber einen grogen, gelbliAeu §unb braAte 
fie beim ©inaieben mit, unb aig bie Huugmeifterin ge 
barüber aur mebe fteßte, ba fie boA gefagt bube, fie 
habe feinen öunb, entgegnete fie trocfen: „Sag ift 
auA fein Huno," unb fo lieg fiA nidbtg mehr bagegen 
tbun. Sie neue Sttietberin mar üorigeng eine ftiße 
^Jserfon, bieStiemanb beläftigte; fie lebte fortmäbrenb 
hinter oerfAloffenen Sbüren, unb eine alte SJcaab, 
bie fie mitgeoracht butte, unb bie ihr bag ©ffen holte, 
mar bag einige menfAliAfe SBefen, bag bei ihr au& 
unb einging. 3fn einer At erfranfte bie SKietberin, 
unb bie 2Jtagb mugte einen Ant holen. Aig berfelbe 
tarn, fanb er ben 3 u ftunb ber Patientin, bie an bcfti e 
gen ©ongeftionen litt bebenfliA, fA^eb ein ßteaept 
unb fanbte bie ßftagb in.bie Apotbete, mäbrenb er bei 
ber Äranfen, bie bag ©emugtfcin oerloren butte, mar» 
te te. @r mar im begriff, berfelben eine ©ompreffe 
auf bie geberglübcnbe ©tirn au legen, aig er plöfcliA 
hinter fiA ein furAtbareg Änurren öernabm unbawei 
mäAtige, phogpboregjierenbe Augen auf fiA gerietet 
fab. 4>em Arate fträubten fiA bie Haare auf bem 


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btt Jtit. 


557 


Äopf e; er trat oom Bette ber Äranfen fturücf, unb 
ba beruhigte ficb baS ^ier wieber, welkes jebodj 
jebe feiner Bewegungen mit ben unheimlich glühen* 
ben Augen üerfolgte. Bon ©ntfepen gelähmt, biett 
fid) ber m^t üollfommen ruhig unb empfanb eS als 
eine ©rlöfung, als bie Btagb wieber aurüeffam. „ge* 
fuS, SLaria!" rief biefelbe, als fie in baSgintater trat, 
„jept pah* i baS jweite 3intmer offen g’lajfen unb ba 
iS ber Lero auS’fouimen !" (sie ging ungefäumt auf 
baS^bier flu, pacfteeS bei einer Borberpfote, fcbleppte 
eS in baS näcbfte 3inimer unb warf bie $bür hinter 
ihm in’S ©chloß. gept war ber Ar^t üon feinem 
©epreefen wieber $u fiep gefommen unb rief: „A?aS? 
habt gpr ba körnen anftatt ber öuitbe?" „Bur an 
anjigen," befepmiebtigte bie Btagb. „Söiffen’S, mei’ 
grau ift bie Söwenoänbigerin ©ora. $ie anberen 


pat’S fepon megg’fcbicft, aber ben Lero, ber noch *u 
jung iS, bat fte oei ficb behalten, bis Wir in oieraepn 
Sagen naebreifen. ©r tbut übrigens gar niy unb bat 
noep weiche ähraUen." $)er Softor rannte baoon, 
ohne bie feirfung feiner Aranei abftuwarten. Sie* 
felbe febeint übngenS oortrefflid) gewefen ju fein, 
benn am näcbften Sage war grau ©ora abgereift, ba 
fie ihren Lero üor etwaigen AuSeinanberfepungen 
mit ber Boüjei bewahren wollte. Sie öauSmeifterin 
war aber bermaßen entfept, als bie hörte, waS für 
einen ©afl fie im Saufe beherbergt batte, baß fie ficb 
üornahm, bei ber üblichen grage an wopnungfuebenbe 
Parteien nach etwaigen Äinbern, §unben, Babageien 
unbÄlaoieren jebeSmal hin^ujufügen: f ,Ober haben’S 
nit epper aar an Söwen? Senn bet ber heutigen 
3eit," fagtjie, „muß man auf alles gefaßt fern." 


- * --- 

Jlus ber Seif. 


Sie omerifanifebe gartet. Sa unb bort hat ficb, 
wenigftenS im kleinen unb ©ebeimen eine amerifa* 
nifebe Bartei gebilbet, bie nebft anberen gweefen auch 
ber ©inwanberung entgegen arbeiten wtU, unb am 
liebften biefelbe gan* oerbieten möchte, unb bebeu* 
tenbe Blätter unb Scanner reben wenigftenS einer 
ftarten Befcbräntung ber ©inwanberung oaS SBort. 

So febr wir baS auch bebauern müffen, unb fo Oiel 
befcpränfteS Urtheil babei auch mit unterlaufen mag, 
fo ift boeb nicht $u Oertennen, baß ber BaterlanbS* 
freunb Urfacbe bat, beforgt ju werben, wenn er ge* 
wiffe klaffen ber ©inwanoerer betrachtet. 

Sie europäifeben Legierungen nehmen burcpauS 
feinen Anftanb, unS Berorecper, Saugeiticptfe, Armen* 
hausier, ßahme unb Ärüppel auf^uhalfen, für welche 
man brühen forgett follte. ©ie fegen Amerifa als 
ben Ort an, wo rechtmäßiger (?) SBcife bie £>efe ber 
europäifeben Beoölterung abgefept werben fann. 
©inb alSbann folcbe untaugliche ©lemente ber ©efell* 
fepaft einmal in unfern (Staaten, fo haben wir bie* 
felben in Armenbäufem, ©eföngniffen unb ©oSpitä* 
lern mit unferm erheben gleiße ^u erhalten* 

Auch bie politifcpen Abenteurer, bie Anarchien 
unb Umftürjler aller Art, bie oon ©uropa pier lan* 
ben, finb eine fehr gefährliche Klaffe, unb eS ift lein 
SSunoer, baß Bebenfen gegen bie ©inwanberung ent* 
fteben, wenn unfere Lepublif als 3 u fl uc btöort für 
Baaabonben, unruhige Äöpfe aller vlrt unb franfe 
©efepöpfe jeber ©orte angefepen unb gebraucht wirb. 

Sie Aboptiobürger unfereS ©taatenbunbeS, bie 
um baS ABopl beS neuen BaterlanbeS beforgt finb, 
müffen ben ja e r e cb t f e r t i g t e n Bebenfen änr bei* 
ftimmen. SDie anarcbiftifchen Bombenwetfcr unb 
SWeuchelmörber, unb bie Ärafehler unb Umftür^ler 
finb faft auSnahmSweife AuSlänber, unb bureb ihr 
freches Xreiben tft bie ganje ©inwanberung in Berruf 
gerathen. 

SBenn fiefy beßbalb ©timmen erheben, bie gegen 
f o l cb e ©inwanberung proteftiren, fo gejiemt eS uns 
nicht, fagen: 35ieS ift ÄnownothinaiSmuS. Aein— 
biefe (stimmen finb ber AuSbrucf berBatertanbSUebe, 
unb eS gebührt ber orbnungSliebenben, eingewanber* 
ten Beoölterung, £anb in ^!anb mit benen *u arbei* 
ten, bie folcbe, bie SBoblfabrt beS ttanbeS untergra* 
benbe Älaffen ferne halten wollen. 


9?ur muß man baS Äinb nicht mit bem Babe aus 
jepütten unb in ben gebier oerfallen, biefe anftößigeit 
©lemente als ben größten Xh^ 1 *>er ©tnwanberung 
unb bie ehrlichen, anftänbigen ©inwanberer als nur 
eine tleine SKinberheit bawuftellen. ©S ift gcrabe 
baS ©egentheil ber gaU: 4)ie große 9Jfehrhett ber 
©inwanberung beftebt nach wie oor aus fleißigen, 
achtbaren ßeuten, bie herüber gefommen finb, recht* 
febaffen ju arbeiten unb gute Bürger beS fianbeS ju 
werben. 

^oihfibitleit unb herfdMebene Kenfcbcnröffen. Auf 

ben erften unb heften UniOerfitäten ©uropaS—in Ba* 
riS, Berlin, Dfforb ?c. ftubiren Angehörige oerfebie* 
bener Bten fehen raffen — Qapanefen, ©hinefen, Beger 
2 C. je. gene ^ocbfcbulen halten eS für eine ebenfo 
intereffante als ebrenbe Xhatfache, baß aUerlei fieute 
aus allerlei SBelttheilen fommen, um ficb hüben unb 
erziehen $u laffen. 

gm Aorben ber Ber. ©taaten bürfte eS faum eine 
£o<hfcbuIe erfter Älaffe geben, bie einen anftänbigen 
jungen Btann wegen ber Hautfarbe einfach aus* 
fließt. 

Unfere Btitbürger in ben ©übftaaten finb jum gro* 
ßen 2:heil noch nicht fo weit üorgefdjritten. ©)ie 
©flaoerei hat ein foldjeS BaffenOorurtheil erzeugt, 
baß noch manches gahrjehnt hingehen mag, btS bie 
lepten ©puren biefeS BorurtpeilS hinweggewifebt finb. 
gn 2Beft*Boint, ber berühmten aRilitairfihuie unferer 
Bepubhf, wirb gegenwärtig ein ber Begerbeoölferung 
beS SanbeS aitgehöriger güngling auf ©taatSfoften 
unb ohne SBiberfprucfi ber anbem 3öflUnge erlogen. 
Aber \n ©eorgia unb anberwärtS halt man eS für 
eine Sobfünbe, wenn Brofefforen folcper ©chulen, in 
welchen Beger gebilbet werben, ihre eigenen Äinber 
mit biefen unterrichten, unb beantragt fdjmä^lid^c 
©trafen für folcpeS Berbrecben.(?) 

©chwulftige B^otefte unb bombäftifebe Lebensarten 
werben folcpe ©efinnungen nicht änbern. ©S gilt 
oielmehr, feft bei ben erfannten ©runbfäpen ju be* 
harren, — bamach ju tpun unb bureb SEBort unb Bei* 
fpiel fo lange auf berartige mittelalterliche Anfcbau* 
ungen einjuwirfen, bis biefelben befferer ©infiebt unb 
Ueberjeugung gewichen finb. 

£enrö George, ber Lew Dörfer Bortämpfer in 
ber Arbeiterfrage ftctlt manchmal unausführbare 


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558 


Jui brr Jett 


£I)eorien auf. Mer öfters faßt er auch unbeftreitbare 
Sabrbeiten, fo zum ©eifpiel rief er füglich ben M* 
beitem zu: „Die arbeitenbe klaffe mirb nichts burd) 
©emalt erzmingen, bis fie tu et 6, tuaS f ie tuill, 
unb tuenn fie einmal meig, maS fie tuill, bann tann fie 
baS Riel auch ohne ©emalttbätigfeiten erreichen. 

(Ein kolonial* ©djulmcifter. (Sine menig oer* 
loctenbe ©djilberung uon bem Seben eines ©cputteb* 
rerS in Kamerun entmirft ber als Setjrer nach Kante* 
run gefanbte tuürttembergifcfye Sekret Kriftatter in 
einem ©riefe an einen ©eminarfreunb in Deutjdjlanb. 
§err Kriftatter fdjreibt u. a.: „-ätteine ©tiefel fcbim* 
mein ieben Dag; meine ©tahlfebern roften. Me 
8—4 Sage tnug id) meine ©acpen e in paar Minuten 
in bie ©omte legen, bamit fie tuieber trodnen. ©leicb 
nad) meiner Mfunft mürbe ich fammt bem ©cbul* 
bauS an ben ttfteiftbtetenben Oerfteigert. Drei Dörfer 
ftreiten fid) um baS ©cbulbauS unb ben ©cbulmeifter: 
Dofoto*Dorf (©ona Duma), 3oS*Dorf (©ona ©rifo) 
unb ©ett*Dorf (©ona Rbfcpo). SefctereS fdjeint am 
meiften MSficpt zu buben, tuet! fein ©efjerrfcber „King 
©eil" am meiften (Slepbantcnzäbne, Seiber unb ©fla* 
uen but, alfo auch am beften bejahen fann. ©fein 
©djulbauS mirb, falls ficb bie Häuptlinge einigen fön* 
nen, in einem Rabre fertig merbert. ©djulen motten 
fie alle, aber befahlen motten fie nicht. Rfit dortig 
©ett batte icb fajon brei ©alaoer (gemütbiiebe ©lau* 
bereien); er febeint ber gefdjeitefte uon allen au fein, 
©ein £auS ift aus beutfebem £olz; fein ©alon, um 
ben teb ibn beneibe, fiebt aus, mie eine beffere Dach* 
fammer. 

lieber Ute ©rüttbuttg einer beutfd)=fcbmeiAerifcben 
©ifcböfl. Rtetbobiften*©emeinbe in Rofario, Republif 
Mgentina, ©iibamerifa, erhält ber ©remer ©uangelift 
uon bem ©rebiger berfelben, ©r. R. ©erber, einen 
©eriebt, melchen unfere Sefer gemig mit herzlicher 
Sreube unb Danf barfeit oernehmen merben. Herr 
©erber, ©obn eines febmeizerifeben ©farrerS, mürbe 
als ©ucbbalter eines grogen £anbelSbaufeS in Ro* 
fario bureb baS Sefen ber beiltgen ©ebrift uor ettua 
Sabren befebrt. „Rdj tonnte," febreibt er u. a., 
„bie mir miberfabrene ©nabe nicht uerfebmeigen, oer* 
lieg meine ©teue unb begann meinen SanbSleuten, 
melcbe in ber Umgebung uon Rofario als ©oloniften 
2 C. angefiebelt finb, baS ©oangeliunt Refu ©brifti za 
oerfiinbigen. ©ie batten bisher jeglicher geiftlicber 
Nahrung entbehrt, man furacb baoon, eine ©emeinbe 
au grünben unb tuomöglicb einen ©farrer aus ber 
©chmeij fommen au lagen. Mer ©elbmangel mar 
nicht bte einziae ©cbmierigfeit. SRan mottte mich 
oorfcblagen. geh äugerte meine ©ebenlen, fo ohne 
Mtorifirungoon ber Kirche ein foldjeS Mit au über* 
nehmen. — Rn biefer ©erlegenbeit richtete ber liebe 
©ott meine ©liefe auf bie bifd)öfl. metbobifdbe $Rif* 
fion, melcbe einen Rmeig in ben Sa ©lata * ©taaten 
unb eine ©tation tn Rofario unterhält. Rcb über* 
manb in ber Kraft beS neuen SebenS in (Sbnfto bie ©or* 
urtbeile, melcbe ich bisher gegen bie „©eften" gehegt, 
um mich menigftenS zu einer ©rüfung ber ©acbe herbei* 
AUlafjen, zu melcbem Rroede ich mit ben bamaligen 
SRifjtonaren in Rofario, ©r. Rof4 unb R. Soob in 
©eroinbutig trat. Die golge biefer „©rüfung" mar 
bie ©rünbung einer SRiffionSgemeinbe aus ben uon 
mit bezeiebneten beutfcb-fcbmeizcrifcben unb beutfdjen 
Elementen unb meine regelrechte Ernennung au bereu 
©aftor bureb ben ©uperintenbenten beS DüftriftS, 
©r. DbomaS ©. Soob, bamals in ttRonteuibeo refi* 
birenb, unb bie RtabreS = ©erfammlungin ©uenoS 
SlpreS uom 9Ronat gebruar 1885/' — ©o baut ber 


Herr noch immer fein Reich, ermedt unb fenbet 9tr* 
beiter in bie ©rnte. 9Röge ©otteS ©egen auf biefer 
neuen ©emeinbe unb ihrem ©aftor ruhen unb fte ins* 
befonbere für alle $)eutfcben unb ©cbmeizer in ©üb* 
amerifa ein ©alz merben! 

@taai£f4ntt>ett dnnlantos unb KmerifaS. §en 

©ofeben, ber britifd)elReicbSfcbapmeifter, bat neulich 
erflärt, bag bie Abzahlung ber ©taatSfcbulb, melcbe 
jährlich um brei 9Riflionen ©funb ($15,000,000) uer* 
minbert mirb, einftmeilen eingefteut merben müffe, 
meil bie Saft zu ferner auf bte ©teuerzabler falle. 
Senn man bagegen bebenft, bag bie ©ereintgten 
©taaten feit ben lepten zwanzig 3 a b^n ihre ©cpulb 
um bie enorme ©umnte uon beinahe 76 SERiflioncit 
Dollars jährlich uerminbert haben unb bag tropbem 
ftcb in unferer ©unbeSfafJe b^ute eine ©umme uon 
über 460 ttRittionen Dollars uorfinbet, bie im fteti* 
aen Sachfen begriffen ift, fo mug baS jeben Slmeri* 
faner mtt ©tou erfüllen. 2)ie Seltgefcbicbte bat 
einen ähnlichen gafl noch nicht bezeichnet, bag in fo 
furzer geit folcbe enorme ©ummen auSaezablt mur* 
ben unb ber ©eftanb ber ©taatSfaffe fiep gleichzeitig 
erhöbt bat. ©elbft gürft ©iSmard erflärte im oeut= 
feben Reichstage, biefe ©cbulbabzabluna ber©ereinig* 
ten ©taaten höre ficb märchenhaft an, fte fei aber ben* 
noch mabr. ©emig finb mir ftolz barauf, unb mit 
gutem Redbte. 

Unfere Rationalfcbulb betrug am 31. ?luguft 1865, 
uier unb einen halben 9Ronat nach bem ©üraerfriege, 
$2,756,431,571. ©ie mar fo ungeheuer grog, bag'eS 
fehlen, mie auch aller Orten erflärt mürbe, unfere 
iTtnber unb ftinoeSfinber mürben fie nicht bezahlen 
fönnen. Senn eS iebodj fo fortgebt — unb marum 
fottte eS nicht?—merben bie SrinbeSfinber beS bama* 
ligen ©efebleöbts menig genug baoon erfahren. 22 
3abre, ztuei drittel etneS 2JfenfcbenalterS, ftnb feit 
bem Kriege oerfloffen, unb bereits ift bie ©djulb auf 
1305 3Rittionen—meniger als bie $älfte—zufammen 
gefcbmolzen. Säbrenb ©nglanb bie ©cbulbenzablung 
uerminbem mug, um feinen ©teuerzablem bie Saft 
au erleichtern, bürften mir eher genötigt merben, bie 
Steuerzahlung tbeilmeife eiitguftetten, meil mir nicht 
miffen, maS mit bem Ueberfcbug in ber Kaffe anzu* 
fangen. McrbingS fönnten mir, mie Mmiral ©orter 
an anberer ©teile anbeutet, in unferer |)anbelSflotte 
für einige ÜRittionen febrnütlicbc©ermenbunggnben. 

2>it erfle beutfehe 3^X0 w Gbina. Säbrenb 
in früheren Reiten oic tn frembe Sänber auSgeman* 
berten Seutfcben feinen febnlicberen Sunfcb batten, 
als ben, möglicbft halb ficb ©pradje, ©itten unb Se* 
benSart ihres jeroeiltgen MfentbalteS z« eigen zu 
machen, ift jept ber $5eutfcbe überall za ber lieber* 
Zeugung gelangt, bag eS eine ©ebanbe ift, fein $cutfcb* 
tbum abzuftretfen, unb eine tetyxe, ber Mgebürige 
btefeS grogen unb berühmten Reiches zu fein. 3)ie* 
fer Mffaffung uerbanft bie erfte beutfebe Reitung, 
„Der Oftafiattfdje Slopb," ihr (Sntfteben; fie ift am 
1. Oftober 1886 zu©cbangbai inSSeben getreten, mit 
ber Aufgabe, baS Organ für bie beutfeben ^tttereffen 
im fernen Often zu fein, ©attz augerorbentlicbe 
©cbmierigfeiten entftanben babitrcb, bag tn ganz ®biua 
feine ©eper au pnben maren, melcbe beutjeb uerftan* 
ben ober aua) nur beutfebe ©ucbftabeit lefen fonnten, 
unb man bat unter biefen Umftänben, ber Roth gehör* 
d)enb, nicht bem eigenen Drieoe, bie Reifung mit latei* 
nifchen Settern bruden müffen; nur ber Kopf, mclcber 
in feiner Sttitte ben lorbeerumfränzten ReicpSabler 
in aufgebenber ©onne zeigt, bat beutfefae ©uebftaben. 
«IS uerantmortlicber Rebafteur, Druder unb ©er* 


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Offene Jfoft 


559 


leger zeichnet B- S* ©runblacb. $er „Oftafiatifcbe 
Slopb" erfcbeint täglich, mit Augnabme ber ©onn* 
unb geiertage, unb roftet für einen 2Ronat 2 Dollar 
ober 8.50 SRarf, für bag Vierteljahr 5.50 $oll. ober 
23.87 2R. r mag nad} unferer Auffaffung etwag treuer, 
inbeffen freier ben bortigen SSer^ältniffen nur ange* 
meffen ift. 3)a3 Rapier ift fefteg, weigeg ©djreib* 
parier, unb ber E5rucf groß unb Har, fo bag bie Bei* 
tung einen angenehmen ©egenfap z u ben englifmen 
unb amerifanifeben 3 e ^ u 50 en ^ bie oft eine luufce 
Augenplagc finb, bilbet. Etwa 2 % ©eiten werben 
bon Bnferaten anggefüUt — bie übrigen \% ©eiten 
bon SRotizen unb Auffäpen, welche meifteng auf 
$eutfdjlanb S3ejug haben. Unter ben Qnferaten 
nehmen bie amtlidjen ©efanntmaebungen ber beut* 
jdjen ftonfuln in ßbina eine berborragenbe ©teile etn, 
tnbem bieie bag 5ölatt fofort ^um offiziellen Organ 
für bie Veröffentlichungen ber Eintragungen tng 
^anbelgregifter getoählt haben, $ie Qnferate finb 
ubrigeng zum Xheil nod} englifcb, in ber fieberen Ue* 
ber^eugung, bag fein $>eutfcber in Ebina oerweile, 
ber nid^t auch englifch berftünbe. Angeboten werben 
bie mannigfaltigften SBaaren: cbinefifcbe ^Raritäten, 
europäifdje töleiberftoffe, Sohlen jc. Speicher gort* 
fchritt in fünfzig fahren, benn bamalg, alfo im 
gahre 1836j)erbot bie djinefifebe ^Regierung ben $>rucf 
aller ebinefifeben SBüd)er cbriftlicben fjnbalteg unb 
legte auf biefe SBeife wenigfteng borläuftg bie ^^ätia^ 
feit beg berühmten beutfäen SRiffionarg ©üfclaff 
boUftönbig lahm, ber bei feiner bezüglichen SBeberr* 
febung ber ebinefifeben ©pracbe mit ihren ^biomen 
bureb bolfgtpümliebe ©rofdjüren einen bebeutenben 
Einflug ficb erworben hatte. 

Äug ben Jorbanlänbern. S)ie oon ^Srofeffor 
©uthe üortrefflicb rebigirte $eitfcbrift beg 
beutfeben V°läftinaberemg hat foeben ihren 
neunten Jahrgang ootlenbet, welcher abermalg bie 
reiebften Seitrage zur Äunbe beg heiligen Sanbeg unb 
Zur Aufhellung oer Sötbel bringt. E)ie weftliebe ^älfte 
bon Valaftina ift ja genau in ben harten jept nteber* 
gelegt, aber bie Sanbfcbaften jenfeit beg Qorbangfinb 
boeb noch febr mangelhaft befannt, unb ba mug eg 
alg hocbWiUfommen geheigen werben, bag in bem 
neueften 93anbe ber Beitfcbrift bom beutfeben ignge* 
nieur ©. ©cbumacber eine genaue ©efebreibung 


ber im Aorbweften beg Xiberiagfeeg gelegenen Sanb* 
febaft 2) f cb o l a n geliefert wirb, bie bereitg im 
5 Vucb SRofeg alg ©olan genannt ift. ©anz neu er* 
j<beint jept bie ©eograpbie biefeg Sanbftricbg, unb 
eine SRenge Ruinen aug jübifeber unb römifeber Seit 
würben entbeeft, p benen noch pblreidbe „Dolmen" 
ficb gefeiten. fReben ©ebuinen unb anfaffigen gella* 
eben wohnen bort nur eingewanberte ifcberFeffen. 
$)ie dürfen halten hier gute glicht, unb ber JReifenbc, 
bem ein Empfeblunggtcbreiben ber ^Regierung pr 
©eite ftebt, fann ficber unb ungehinbert m E)j<bolan 
reifen, wag fonft jenfeit beg Borbang nicht überall 
ber galt ift. Aber auf 9Rüb?al unb Entbehrung mug 
er ficb gefagt machen; Europag Kultur liegt weit hin* 
ter ihm, er mug, wie biefeg auch ©ebubmaiher erging, 
gleich ben SBebuinen leben unb ejfen. Sefctereg nad) 
unfern Gegriffen nicht gerabe fcinfäuberlicb- 2Ran 
höre. Ein ©djaf ober Vocflein, bem ©afte p Ehren 
aefcblacbtet, wirbaufeinermächtigenfupfemen©ctyüf* 
fei, umgeben bon iReig, aufgetragen. 2)ap fnfdj* 
gebaefene Sörobflaben. S)ie ©äfte fnieen nun umbag 
äRahl herum, fahren mit ber £>anb in bag SReigge* 
riebt, formen einen fallen äug oemfelben jufammen 
unb führen biefen mit beneibengwerther ®efchicflich ff 
feit jum 3Runbe. ©ährenb beg Eaueng wirb bie 
triefenbe £>anb ftetg über bie ©d)üffel gehalten—„ba* 
mit niebtg berloren gehe." Sautlofe ©tiüe herrfdjt 
währenb biefeg SSorgangeg, nur bann unb mann un* 
terbroeben bureb bie Bunife beg SSirtheg ober beg 
„Sob fei ©ott" ber ©attgeworbenen. ^ag ©emüfe 
liegt pbereitet in ©cbüffeln um bie SReigfcbale unb 
wirb mitteig ber glaben gegeffen, bag SJcifdb bilbet 
einen ^rang an bem äugeren SRanbe beg meighaufeng. 
Beber ergreift oon bem gleifche fo Diel alg ihm fd)icf s 
li<b fdjeint, beigt etwagab unb legt bag übrige mieber 
an feinen Ort. 

tat ältefle ©türf Elfen begnbet ficb in ber©amm* 
lung beg 33ritifcben SRufeumg in Bonbon. Eg ift ein 
nicht febr ftarfeg ©tücf oon 24 Eentimeter Sänge unb 
10 Eentimeter Breite, bag an ^wei ©eiten oom SRojt 
ftarf angegriffen erfebeint. Ein Englänber fanb baf* 
felbe im 2Rai 1837 in einer ber grogen egpptif^en 
Vbramiben an einer ©teüe, bie nach VoÜenbung beg 
Serfeg burebaug unzugänglich War, fo bag bem Eifen 
ein 2llter oon etwa 4900 Bahnen zugefebrieben werben 
mug. 


- •» fei c - 

Offene ^off. 


ttnfet ©erlag macht ein Slnerbiete'n, meldjeg biel* 

S Vea^tung gnben foQte. B c & cr neue Unter* 
•er für 1888 erhält,? o lange ber^orratb 
reicht, bie Oftober*, ÜRoöember* unb Dezember* 
SHimmem beg Babrgangg 1887 in ben f auf, alfo 15 
§efte für ben $reig eineg Bab^angg! 333ir ^offert, 
bag ficb Xaujenbe biefeg Anerbieten zu SRupe machen. 
3)affelbe bietet gute ©elegenheit zu fammeln, womit 
je|t fdjon begonnen werben fann. 

S für beti neuen Bahrgang (1888) ftnb bereitg um* 
enbe ©orfehrungen getroffen, mobureb berfelbe 
noch intereffanter unb werthöoüer werben wirb, alg 
ber gegenwärtige. E)ie 3 a ^ unferer Mitarbeiter 
bermehrt ficb beftänbig; bieAugwahl ber ©egenftänbe 


fann beute Diel genauer unb paffenber getroffen wer* 
ben alg früher, $ieljäbrige Erfahrung böt gelehrt, 
wag für ben Scferfreig bag Bntereffantefte unb SRüfc* 
liebfte ift; bie ©elegenheit, feine ©tahlfticbe unb gute, 
treffliche ^olzfcbnitte zu befommen, bat eher p alg 
abgenommen. 5turz—wir finb gegenwärtig befferim 
©tanbe alg je, jebem gamilienfreig eine unterhaitenbe, 
fegengreicbe, (briftlicbe SRonatgf^rift zu liefern. 

Eiljo. Aicbtg ift ermunternber im SRebaftiongleben, 
alg wenn bie ©acben, bie gebrueft werben, Ecbog er* 
Zeugen, bag heigt. wenn bie Seute barüber febreiben 
unb fpreeben, uno wenn auch nicht immer überein* 
ftimmenb. 

©olcpe Ecbog beweifen, bag man nicht in bie ßuft 


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560 


«ff tnt M 


geftrichen hot, nicht blog profeffiongmäßig ben ^op 
mit lenbenlahmen ©acpen augfüüte, fonbern folipe 
gfragen behanbelte, bie in bcr Suft liegen, mit benen 
bie SLRenfchen ftd^ befchäftigen unb bie beßhalb jeit* 
gemäß finb. 

®g ift ung in biefem gahre bie große greube ju 
Theil gemorben, fehr oiele foldjer ©cpog $u hören, 
nicht immer juftimmenbe, bag ift rnahr, ober eg ift 
bod) angenehmer, etrnag über bie ©acpen ju hören, 
alg menn fie mie ©eifenblafen in ber Suft verfließen 
unb leinerlei ©djo ermeden. 

Sun Vrairte, ©iS. geh fühle mich befonberg ge* 
brungen, Tir meinen Tanf abjuftatten für bie Artirel 
im ©eotember*©eft beg ©aug unb ©erb. Ter erfte 
Artifel ift oon allgemeiner Vebeutung unb berührt 
eine grage, bie fcpon taufenbmal burd) oiele Köpfe 
gegangen. ©g märe ju münfAen, baß er oon fielen 
gelefen mürbe, befonberg oon ^ßefftmiften unb ©olcpen, 
Die eg „gemüthlid|" nehmen in ber Birdie. 

Ter jmeite Arttfel bot befonbem SBerth für ben 
SReifeprebiger. SBie oft mirb — fage ber Knabe, aug 
ber ©djule geriffen, menn er mitten im Kurfug ift, 
unb muß irgenbmo rnieber „anfliden" in einer anbem 
©chule. SJcan hot fcßon oft gefeufjt: SBag rnirb'g 
mit bem Unterricht unferer Kmber? 3 umfl l eg f° 
oft an Mitteln mangelt, fie irgenbmo hinjufenben tn 
eme unferer Anftalten. könnte etmag in ber SRidj* 
tung gethan merben, fo mürbe mancher ©eufjer oer* 
bannt unb ein Theil ber Saft oom ©erjen genommen 
fein. ©. g. A. 

Aug ©amerott, SRo. Ta Tu, mie ich in ©aug 
unb ©erb fepe, oiel unb oft angegangen mirft, bie fo* 
genannte neue $Rechtf<hreioung emjuführen, fo mtrb 
eg Tir mohl nicht unlieb fein, menn ütele Teiner Sefer 
Tich in Teinem ©ntfcpluß bcftörten unb unterftüpen, 
nämlich ju märten, big alle beutfdjen Sanbe barin 
einig finb. ©g freut mich tjer^lid), baß Tu noch fo 
lange beim guten eilten bleiben miüft, benn mag fie 
jept bie neue fRedjtfchreibung nennen, ift gar feine 
SRechtfchreibung, fonbem eher ©chreiböermüftung. Ta 
mirb Sieb ju Sib, bag ift gar nicht mehr lieb. Unb 
ber Tieb = Tib, ift nicht mehr länger ein Tieb. 
SBenn abergemanb gar behauptet (mie einer im Apo* 
logeten), ihr mürbet mit ber neuen ©cpreibmeife Un* 
terfchreiber geminnen, fo ift er fidjerlich auf bem ©olj* 
meg, benn id) glaube, für jeben einen alfo ©cmonrie- 
nen. mürbet jpr Tupenbe alte oerlieren, benn bie 
Siebe ju ben (Schriften ift nicht fo groß, alg ber SBi* 
bermiue gegen bag glacjjbeutfd). g. ©t. 

fing ©intcrthur, ©djmet*. Ter Vilberfaal an 
ber ©anb ber Seftion, ift ein guteg Mittel, ben Kin* 
bem biefelbe ing ©ebäcptniß einjuprägen. ©Aon 
feit jehn gapren fucpte ich nach einem folgen. Vor 
etma 8 gahren ließ ich mir ben ^öü^erfaal jur ©in* 
ficht tommen, lonnte mtch aber nicht bafür ermärmen. 
SRun bin ich befriebigt, bie Silber finb großentheilg 
fepr aut unb erfüllen ihren g^ed. 

geh gebente näAfteg grühjahr an ber ©onntagfchul* 
©onoention oom Kanton 3üriA über ben Vilberjaal 
Bericht ju erftatten, unb hoffe für benfelben meitere 
Abonnentenju geminnen. ©aug unb ©erb befipe ich 
oom erften ©rfcpeinen an, bie ©djrift ift mir ftetg ein 
mifltommener ©aft. 

SJtit freunblichem ©ruß 

SHubolph Tänblider. 

Tie laugen ttbenbe tommen fcpneU heran, ©orgt 
für gute ßettüre. ©cpafft ®aug unb ©erb an. 3 e i0* 


eg eurem Machbar unb oeranlaßt auA ihn, feine ga* 
milie mit nüßlicpen, intereffanten 3 c üWnften ju 
oerfehen. 

$a£ ^ntrbiden 

für ©aug unb ©erb*Unterfcßreiber(1887)mürbe 
mit folgenben Sörüoem gut gemadjt: 

I. 1—25 SRitglieber. 

g. ©. SKarting, Äömer, SB. ®ölfner. 

II. 26-50 SRitglieber. 

g. SJteper, ©. ©tbder, Sl. ©. ©äbelein. 

III. 51-100 SRitglieber. 

©. SJtenger, glab, SL ©erlacp. 

IV. 101-150 ftitgliefcer. 

©. Slbele, g. ©hrfam, ©. ©. fRobenberg. 

V. 151-200 SRitgliefcer. 

g. S3letfch, g. ©. ©chneiber, g. g. teUer. 

VI. 201-250 SRitglieber. 

g. ©. ©orft, SB. Äetler, ©eo. Slbbidg. 

VII. 251 unb mehr SRitglieber. 

g. SB. fRöder, SB. ^önefe, SJ. Sampertf 

3eituugg*©efehe. SBir erlauben ung, <poftmeifter 
unb Abonnenten auf folgenbe 3eitungggefepe auf* 
mcrffam ju machen: 

1. ^oftineifter finb gehalten, brieflich Anzeige ju 

machen, fallg ein Abonnent feine nicht oon 

ber fßoft abholt unb bie ©rünbe Dafür anpgeben. 
Tie SSemachläffigung einer folchcn Anzeige macht ben 
SSoftmcifter für ben ©d)<Aen beg ©erauggeberg oer* 
antmortliA. 

2. gebe ^erfon, bie eine 3 citun fl bon bcr ^oft* 
Ofßce abholt, ob biefelbe an fie abref|irt ift ober nicht, 
ift für bie Skphlung berfelben oerantmortliA- 

3. SBenn gemanb bie ©iftirung einer 3 e ümtg an* 
orbnet, muß er fogleiA etmaige Stüdftanbe berid)* 
tigcn, anberenfaUg ber ©erauggebcr mit ber 3 u f en * 
bung ber 3 e i tu nö fortfahren fann, big 3 ohl u nß 0 f : 
leiftct morben ift. 

4. SBenn ber Abonnent bie ©iftirung feiner 3^* 
tung anorbnet unb ber ©crauggeber fortfährt, Die* 
felbe ju eypebiren, ift ber Abonnent gehalten, biefelbe 
ju bejahlen im gaüe er fie aug ber $oft* 0 ffice ab* 
holt. Tag©efep ift in biefer ©inficht auf ben©runb* 
fap bafirt, baß ein geber, mag er erhält, auch bejah 1 
len muß. 

5. Tie ©erichte hoben entfliehen, baß bie SBeige* 
nJti 0 / geitungen ober 3 efifchnften aug bem ^foftamte 
abjuholen unb fie ohne Nachfrage barin ju laffen, ale 
pnmft facia 3 eu 0 n '6 beabfi^tigten S3etmgg anju 
lehenift. 

6. SBer brei dummem einer 3 eitun 0 onnimmt, 
mirb alg Abonnent betrachtet unb pot für fech$ 3Ro- 
nate 3ohl u o0 8« leiften. 

Angenommene Arfilel: SBag befipen mir? — SBic 
©ophie bie SRühle rettete.—gefug allein.—Aug ben 
gelblajarethen beg JRebefliongtriegeg.—Tentmürbigc 
Träume. -Vorahnungen oom ©h^flenthum im ©ei 
benthum.—Veerbigungen in Sh* 110 - — S3emharb oon 
©lairoauy. — Tag Knabenalter ©hnfti. — Ter SJtann 
mit ben munberbaren Vüchern. — SBeigpeit aug bem 
Talmub.—Ter amerifanifche Tanffagunggtag.—SBe» 
fen unb Veruf ber cpriftlichen gungfrau.—©aitaba.— 
Tägliche Anfechtungen. 


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J§ii§ ml 4 ttl* 

(fin illuftrirtce Jamilirnblatt. 


^Jünfjeljnfer 'gftank. 'gloueraßcr 1887 . 


elftes j&eft 


Pie |agb und) beut ®liirk. 

€ittc (Er^äfyluttg aus bem beutfd?»amertfanifdjen Ceben. 

gär Saud unb fterb non Gtattlieft SBoglgrmutfj. 


,,9Ramt, mit gugetnöpften Safcpen, 

4)ir tgut Sfciemanb maS gu Sieb’ • 
gonb nrirb nur von fianb getvafegen, 

SBenn bu nehmen miuft, fo gieb." 

fiaSpar ©dgretffug tuar ein reidger, ein fegr 
reifer ffauj. ®r befag Raufer unb gelber, 
Serfcgreibungen unb ©elber bie SRenge; fein 
äntgeil an einer 93anf in *ßgilabelpgia, mo er 
mognte, mar ein großer, unb bie Seute fagten, 
er miffe gar niegt, mie viel er tjabe, maS jeboeg 
gu begmeifeln ift, benn gagr aus gagr ein tgat 
er nicgtS als 3 ä ^ en un ^ SRecgnen, unb ba fottte 
man bodj meinen, er gäbe feinen SReicgtgum 
mogl fdjon gunbert 9D?al gemogen. 

®eS SßorgenS ftanb er auf unb gäglte, unb 
beS SßadjtS träumte er vom ©elb unb von 
len. ©ein ©priegmort lautete: „Spar in ber 
3eit, fo gaft’S in ber 9lotg," unb ber ©ipfel- 
punft feiner $ritif über bie 3^it9^noffen fpipte 
fieg barin gu, bag er fagte, eS fei geut gu Sage 
SRiemanb 'öfumenifeg' (öfonomifeg, fparfam foHte 
eS geigen) unb ^ebermann auger igm unb fei- 
ner Sabette fei ein 33erfdjmenber. 

®iefe Sabette mar igreS 3^ic^enS bie $auS- 
gälterin beS §errn ffaSpar unb ein ©eitenftücf 
gu igm, mie Sanb aus Sanb ein fein gmeiteS gu 
finben. 

@benfo att mie ©dgreeffug, gerabe fo f)ager 
unb fttöcgem mie er, tgeilte fic mit ihrem £errn 
bie §auptgierbe ber äRenfdjgeit — fie mar 'öfu- 
menifdj/ 

©o lebten bie beiben 2llten in bem geräumi¬ 
gen $aufe mit ber fegneemeigen ttftarmortreppe 
in gegenseitigem 33erftänbnig. ®ie alte üülagb 
gatte bie ©efinnung igreS §errn Vottftänbig er* 
erbt, unb er gatte beggalb feines |>ergenS greube 

41 


II. 

unb SBonne an igr. 9lur in einem maren fie 
niegt einig: ©ie mottten meber gufammen, noeg 
mottte eines vor bem anbern fterben, unb boeg 
fonnte ber Xob niegt megr fo fern fein, benn 
93eibe ftanben goeg in ben fiebengiger ^agren. 

Sabette backte: SBenn icg Porter fterbe, maS 
mirb bann aus att ben ©aegen, unb £err ©egred- 
fug meinte: menn icg Porter fterbe, fo mug ber 
SBabette etmaS ginterlaffen merben, unb ba fie 
aisbann nidjt megr unter Slufficgt ift, möcgte fie 
aueg niegt megr 'öfumenifeg' fein. 

©o Verlängerten fieg, mie bie böfen 9tacgbarn 
fagten, bie 93eibett einartber baS Seben, meil fie 
in bem ©terbepunft niegt einig maren. ©onft 
aber beftanb, mie gefagt fein 3miefpalt ber SRa- 
tur gmifegen ignen. 3 m ©ommer liegen fie 
fid) meib r icg Von ben 3RuSfitoS beigen, meil ber 
Slnfauf einiger SSettnepe ^immelf^reienbe 33er= 
fegmenbung gemefen unb im SBinter fagen fie in 
bem fjalbermärmten 3immer unb übten fid) in 
ber £id)tgiel)erfunft, inbem bie fpärlicfyen gett- 
unb Xalgrefte gefc^molgen unb funftgerec^t in 
gönnen gegoffen mürben, benn $err ©cfyretffug 
|atte Iängft baS ©eliibbe gettjan, trop ©aS, ^Je^ 
troleum unb ©leftrigität beim von ben 33ätern 
Vererbten, felbftgemacgten Salglic^t gu bleiben. 

©tili mar eS immer in jenem grogen §aufe, 
fo ftitt, bag mer aufpagte bie magere ^ape ge^ 
gen gören fonnte. Sttenfcg unb 2gier gufegten 
an ber 2gür vorbei; greube fegrte nie über 
jene ©egmette, unb felbft baS Seib mar ein 
grembling, benn bie äRenfcgenfinber im £aufe 
maren fo verfnödgert, bag fie ber ©egmerg gar 
niegt mal anfaffen fonnte. 

grüger mar eS anberS gemefen. ©inft mal= 
tete gier eine riiftige, fromme $auSfrau unb vier 


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562 


Pie 3agb nadj bem Slücfe. 


muntere ffinber, ffnaben unb Sföäbdjen, beleb» 
ten baS je|t fo öbe £>aug. Slber ber 2ob hatte 
fie alte bintueggerafft. $ie böfen ßungen fög= 
ten, ber blauäugigen grau fei baS §erj gebro» 
eben, ob bem unabläffigen ©efeifer beg äRanneä, 
unb ©ott war gnäbig, aud) bie ff inblein mit ber 
SDtutter ju meinen. 

©o roar ffagpar ©chretffufj febon üiele Sabre 
SBitttoer unb badite an nichts 9lnbere8 alg recht 
'öfumenifcb' ju leben. 

©in Heiner ©onnenftrabl war ihm aug fei» 
nem Familienleben geblieben, ©eine grau war 
eifrigeg unb gläubigeg SDtitglieb einer ortf)o» 
bofen ©emeinbe getoefen unb batte nicht nach» 
gelaffen, big aud) fperr ffagpar in ben ©e» 
meinbeoerbanb eingetreten toar. ©o gehörte 
er benn ber cbriftlicben ffirebe an unb hätte 
manche gliicftiche ©tunbe aug biefer SSerbinbung 
für fidf gewinnen tönnen, wäre er nicht in ben 
ff etten beg SWammong gefangen gelegen, ©o 
aber würbe ihm bie ©emeinbe nur 9lnlajj jum 
©dielten, unb er war berfelben ein 9lnftofj unb 
9lergcmifj. 

Orgel, neuer 9tnftridj, ©ingchor, bequeme 
©ifce, fd)öne ffanjel—aüeg bag bief? in feinen 
Slugen bie reine Jöerfchwenbung. ®ag junge 
SBolf war ihm ein ©räuel mit feinem gugertb» 
muth, unb er lam ben jungen Seuten wie eine 
SBogelfcheudje oor. 5)er fßaftor batte längft bie 
Hoffnung aufgegeben, beim £erm ffagpar etwag 
ju erreichen, unb bie ©rmabnungen eingefteHt. 
Unb wenn biefer b> c unb ba mit feinem abge» 
tragenen grauen SRod jum ©ottegbienft tarn, ba 
gingen bie ffinber f<i»eu aug bem SBege, bie 911» 
ten gudten fich einanber öerftänbnifjöoü an unb 
SKeifter ©djredfufi faß wäbrenb ber fßrebigt un» 
beweglich ba wie ein Opferftod. 9licbtg Oer» 
mochte ihn ju rühren; mochte bie ffirebe bau» 
fällig fein, ber 9Jiifftonar in ber $eibenwelt 
9toth leiben, bie Schule 9Jiitte( brauchen, bag 
SSaifeithaug Unterftü|ung bebürfen—Wag ging 
ihn bag an! „SBetin man 'öfumenifd)' wäre," 
pflegte er ju fagen, „bann fiele bie ewige 9fct= 
telei weg; meinetwegen — mich friegen fie 
nicht." 

Unb fie Iriegten ihn auch nicht. Siner jeboch 
batte ihn unb hielt ihn mit feinen ffrallen feft 
—bag ift ber ©eijteufel. 


Sriiben aber in bem Sörflein, wo ber Schul» 
lebrer £efj bag ©cepter fdjwang unb Woher ber 
£>err ffagpar ftammte, hielt man ihn für einen 
ber ©lüdlichften ber ©rbe. 3)ag ©erficht oon 
feinem ungeheuerlichen SReichthum War über bag 
äJleer big jur SRheinebene gebrungen, unb hatte 
aug jebem Jaufenb gleich eine SUtiüion fabricirt, 
fo baff 9tHe, bie im Sörflein auch nur im jwan» 
jigften ©rab fich ber fBerwanbtfdjaft mit ffagpar 
rühmen tonnte, ju ihm alg $u einem ©olbontet 
hinüber nach ißbitabelphia flauten, an welchem 
auch fie 9tntbeil hätten. ®ie ©rbfefjaft muffte 
gerabeju toloffal werben, unb cg würbe gar 
mandjeg 2uftfdt)log auf ben ameritanifchen ©olb* 
onfel gebaut. 

$er aber bachte — h ot 'b m fdjon! 

®r war alg ffnabe mit feinen ©Item augge» 
wanbett unb batte balbigft einen folgen ©inn 
für Sefifc entwidelt, baft er alleg 9tnbere bar» 
über öergafj unb ber ÜBerwanbten im fernen 
ißatertanbc längft nicht mehr gebachte. 

$ieg War ber SBetter, an ben fich Eljriftian 
oon Saltimore aug wenben foüte. §ier in bie» 
fern büftem fpaufe, wo eg einem fröftelte, wenn 
man nur in bie $aüe trat, foüte ber ©nti» 
grantenjunge ben 2Beg jum ©lüd finben, ba 
foüte ber SBegjeiger fielen jum golbigen fßa» 
rabieg. — 

ÜBie wirb bod) MeS enben nod) ? 

Ü3ie wirb fid) 3Ule8 wenben boch? 

— D frage nicht; e8 gibt bie 3eit 
ÜB er weih, bir nur ju balb Sefdjeib. 

Schon manches ©ebnenS bift bu bar, 

2>a8 beiner Qugenb theuer war, 

Unb jebeS 3at)r, baS bir oerftrich, 

SBetrog um eine Hoffnung bich. 

Ü8ie trügeft noch mit feftem SRutb 
$u biefeS flebenS mifjlid) ©ut, 

SJlieb nicht für jeben nächften lag 
©er Ungewißheit Steij bir Wach- 

0 frage nicht, wag werben wirb; 

©eh’ beine ©trage unbeirrt, 

Unb ipenbe ©anf.bem ©otteSgeift, 

$aß bu, wag beiner harrt, nicht weiht. 

|0 folgt.) 



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Srrleljren unb fdjtothnnertfdje jttdjtungen u. f. w. 


563 


Irrlehren unb fdjttmrinertfdje $id)tungen uttferer $eit und) Anleitung 

uon 1 Sittt. 4, 1—3. 

«bitor. 



<3 V£> 


ie angeführte Scpriftftetle beutet 
an, baß mir eg niept mit allen 
in unferer Seit umperfcpmärmen* 
ben „3gmen" au tpmi, fonbern 
ung öomepmlich au befaffen ho* 
ben mit ben in unferen iagen aug 
bem Scpooße ber Kirche beröor* 
gehenben Irrlehren unb fcpmär* 
merifchen Dichtungen. 

2lug üerfcpiebenen Stellen ber 
paulinifcpen Vriefe*) ift gu erfen* 
nen, baß fcpon bie SHpoftel mit 
grrlepren mancherlei 2lrt ju 
tämpfen hatten, unb bie Schmäh 
mer ihnen Diel Dtüpe üerurfacpten. Unb Atror finb 
eg ameierlei Vertehrtpeiten, bie innerhalb ber Kirche 
üon Anfang big h.^ute {ich breit machten: 1. $ie tlü* 
gelnbe, naturaliftifche Dichtung, bie bag ©hriftentpum 
nur mit bem Verftanbe $u erfaffen bemüht ift. 2. $ie 
tränfelnbe, übertriebene Vergeiftiaung chriftlicher 
Sehre, moburcp allerlei Scpmarmgeifterei entftept. 

3ur 93erfehrtheit Dummer eing gehört bie ©nofig 
ber apoftolifchen föircpe, jene aug heibntfchen, jübifdjen 
unb christlichen Veftanbtpeilen Aufammengejepte 2öeig* 
beit, beren Hauptaufgabe eg ift, ben Dtenfcpen burch 
Vernunftertenntniß $eil $u führen, unb melcpe 
bie ©runbmaprljeit ber heiligen Schrift—,,©ott geof* 
fenbart im fjleifch" — berleugnet. 3 U bem unter 
Dummer jtoei berjeichnetem Srrtuahn Jinb unter am 
berm bie bon Manchen in ber apoftolifchen 3 e *t ge* 
{teilten Dnforberungen au rechnen, unehelich $u blei* 
ben, Speife ju meiben, bie mit 3)anlfagung genoffen 
merben tann, ic. 

3mifcpen biefen beiben Klippen, bem alleg mit ber 
£anb betaften moHenben SDaterialigmug, unb bem 
ungefunben Spiritualigmug mürbe bie ftirepe ©prifti 
häufig, mie amifepen Scptla unb ©harpbbig, im Saufe 
ber Saprpunberte hin* unb pergefcpleubert. 

3ft nun bie Seitrichtung ber ©egenmart auch *ei^ 
negmegg eine übertrieben fpirituefle, fonbem im ©e* 

! [entpeil einebebauemgmerth materialiftifche, fo finben 
ich boeb auch heute in ber chriftlichen Kirche noch biefe 
►eiben ©runbüerteprtheiten, beim ein ©£trem erzeugt 
bag anbere. Unb obmohl biefe beiben Dichtungen 
oft in einanber laufen, meil jebe $ur Schwärmerei 
entftetlte ©runbmaprpeit ber heiligen Schrift jur^rr* 
lehre mirb, unb bie im öemünftelnben grrmapn be* 
fangenen Dtenfcpentinber oft recht ppantafieüotle 
Schmärmer finb, fo halten mir ber Ueberficptlicpfeit 
megen bie beiben Hauptabteilungen ber Verirrung 
aug einanber unb reben juerft oon ber natura* 
liftifch öemünftelnben Verftanbegricp* 
tung, unb fobann oon fcpmärmerifchen Ue* 
bertreibungen biblifcher ©runbmapr* 
heiten, mobet mir nicht in’g 2Seite fepmeifen, fon* 
bem im proteftantifch * eöangelifchen feirepenpaufe 
bleiben. 

I. 

Dach bem irrisal (fo heißt bag altbeutfcpeSBortfür 
3rrtpum, melcpeg SEBanberung ohne Steg* unb 2Beg* 
meifer bebeutet) ber öemünftelnben, materialiftifchen 


*) 2 X&eff. 2/ 2—7. 2 lim. 4, 1^4. 1 %im. 4, 7. ftol. 2, 21. 


Dichtung ung umfepauenb, ftoßen mir heut *u Xage 
auf einen poeptönenben aber miberftnnigen Dugbrucf 
—„bie neue Xpeologie." 

Söeil einige üon fDenfcpen öerfaßte tirchliche Ve* 
tenntniffe ber Uebereinftimmung mit ©otteg erman* 
aeln, unb gemiffe Theologen nicht mit bem überein* 
Stimmen, mag man gemöpnlich Decptgläubigfeit heißt, 
glaubt eine SlnAapI fähiger Sttänner, eg fei bie Dotp* 
menbigfeit üorpanben, bag gan^e tpeologifAe Stiftern 
umjufepaffen unb baffelbe üolfgtümlicpen Vorfteflun* 
gen anjupaffen. 

$ie Vemegung ging öon bem calöiniftifchen Semi* 
nar in fttnboöer aug, mo man aflerbinag eine Slnpaf* 
fung beg föircpenbelenntniffeg an bie Vibettepre mün* 
jepengmertp finben mag. 

3u einem einheitlichen Stiftern hat fich biefe neue 
Rheologie noch nidöt entmicfelt, unb man muß bie 
öon ihren Anhängern aufgefteüten ÄnfiAten Aufam* 
menfuchen, um bie $been biefer neuen Offenbarung 
au erfennen. 3nbem mir jeboch hie ipauptföpe in 
Stürze marfiren, muß man ffefa erinnern, baß burch* 
aug nicht 2ltleg, mag unter biefer flagge fegelt, öon 
ben ^rofefforen im Seminar $u Dnboöer auggegan* 
gen ift, benn um ber fo beliebten Senfation miuen, 
haben manche ©rünfdjnäbel bie neue Xheotogie mit 
ihrem irrisal bereichert. 

$er ©runbgebanfe biefer neuen Dichtung ift bie 
Verneinung, ^fcer erfte Sap ber f. g. neuen Geologie 
heißt: 3ch glaube n i d) t. Unb ^mar menbet fie bie* 
fen Sap gleich auf bag gunbament, bag SBort ©otteg 
an, unb tagt: $ie Vibel enthält moljt göttliche 
Autorität; fie ift aber nicht biefelbe, unb eggehört 
bem ©lauben flu, feftäufepen, mag in ber Vibel 
SBort ©otteg ift, unb mag nicht baju gehört.*) 

SBirb burch hiefe Vertehrung ber göttlichen Orb* 
nung, baß ber ©laube aug ber Vrebigt, bie Vrebigt 
aber aug bem ©ottegmort fommt, ber SBiütür Xhor 
unb $hiir geöffnet, fo ift ni$t ju öermunbem, baß 
bie neuen Xh e °f°8ßn, menn fie auch in ©injelheiten 
meit öon einanber abmeichen, im ©anjen bie Vernei* 
nung in allen Tonarten prebigen. 

Xie ^reieinigfeit ©otteg mirb gelöugnet: bie fßer* 
fon ©hnfti entmeber ganj unb gar mit ber Dtenfchheit 
in Deih’ unb ©lieD gefteut, ober hoch fo üertlaufeiirt, 
baß üon feinem göttlichen 3Befen menig mehr ju er* 
tennen ift; bie emige Höllenftrafe beftept nicht mehr; 
ber Deinigunggort, bag fßurgatorium, ftept für Sille 
nach bem Xobe meit offen; bie göttliche ©ereeptigteit 
ift eine bem ©migen angebichtete Härte. ®ie Sepre 
öom Verfüpnunggtobe ©prifti bebarf ber Klärung 
unb Verfeinerung, unb bie Duferftepung beg Seibeg 
mirb fo öergeiftigt, baß nieptg baöon bleiot. 

SBerben biefe unb anbere irrtümliche Sepren auch 
niept alle öon ein unb bemfelben Dnpänger ber neuen 
Xpeologie feftaepalten, fo finben fie fiep bot {ämmt* 
licp in biefer Dichtung. Unb mit einem Vlicf erfen* 
nenb, baß mir eg pier im lepten ©runbe niept bloß 
mit bem alten enalifcpen $eigmug, bem beutfepen 
Dationaligmug vulgaris unb in einigen Scpattirun* 
gen auep mit ber übermunbenen Vermittlunggtpeo* 
logie, fonbern mit ber alten ©nofig, Ver{tanbeger* 
tenntniß*fiehre, ber apoftolifchen 3«t 5 U tpun paben, 

*) $rof. Stearns unb ©riggS im Keüieto. 


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564 


Srrleljrfn unb (djmännerifdje Hidjtungen u. f. tu. 


antworten toir auf bie Slnforberungen biefer f. g. 
neuen SRidjtung, baß fie aufgewärmter, uralter 
Äopl, läng ft au§ bem gelbe acfdjlagene 
£horheitenfinb, unb überlaffen Siefen Qrrwifch 
feinem Scpicffal, ©ott bafür banfenb, baß im ©anzen 
bieebangelifche, beutfcpe Äanzel babon bewahrt 
blieb, unb ihn bittenb, er möge unfer fianb erlöfen 
bon biefem Uebel. 

©ine anbere ©attung, bie ich auf ber Baljn mate* 
rialiftifdjer BerftanbeSrict)tuug finbe, trägt etnen ta¬ 
rnen, ber fie fcpeinbar etner anbern Slbtheilung ju= 
gefeilt. gebocp — auch nur fdjeinbar, benn ber 
Spiritismus ift au* in feiner ebelften ©eftalt 
nichts 3lnbereS, als ber Berfud), mittelft menfcplicper 
Slnftrengung unb Vermittelung baS genfeitS, baS ©e* 
biet ergrünben, meiftem unb gleicpfam mit ben §än* 
ben betaften zu wollen, welches ©ott ber $>err aus 
weifer Sloftcht bem Sterblichen berfcploffen hat, unb 
ibm nur auSnahmSWeife unmittelbare, perfönliche 
©inblicfe gönnt. 

2US rehgtöfeS Spftem ift ber Spiritismus eine 2Ri* 
fdjung mannigfaltiger menfcplicher Meinung, auSge* 
ftattet mit eintgen Hörnlein biblijchcr SSahrpeit. 

$ie für SBerbeAWecfe ober ©clberpreffung heran* 
jtalteten fpiritiftifcpen Scbauftellungen aber müffen zu 
fßeun^ehntheilen bem tafchenfpielerifchen SRummen* 
jdjanj jugctheilt werben, währenb ©inzehntheil biel* 
leicht Xeufclei ift, fo baß baS 2Bort unfereS XeyteS — 
„unb anhangen ben berführerifchen ©eiftern unb 2 eh= 
ren ber Xeufel; burch bie fo in ©leißnerei fiügenrebner 
finb, unb Branbmaple im ©cwiffcn haben," unmittel* 
bare ÄnWenbung finbct 

$a ber Spiritismus öon 2Ritgliebcrn ber ebangc* 
lifch proteftantifdjen Äiirdje auSgtng; ba berfelbc na* 
mentli* unter Äirchengliebern feine 9tepe auswirft, 
unb btefeS ÄrebSgefcpWür im ©eheimen mehr um fich 
frißt als wir unS borftellen, fo gilt eS auch biefer 
unheimlichen ©rfdjeinung gegenüber auf bem 2 öach* 
poftcn au ftehen. 

Slbfepcnb bon bem Ijeibnifch*teuflijchen SRortnoniS* 
muS wollen wir unS m Äiirze noch mit einer Berir* 
rung ber materialiftifch s bemünftelnben Dichtung 
befajjen, bie unS näher angeht. ©S tft bie Sucht, 
bie Kirche in alle mögliche politifd)* 
bürgerliche SBeltpänbel zu bermifchen, 
unb biefelbe mehr z u einer 2 B eit macht 
als zu einer hintmlifchen Ära ft zu ge* 
ft alten. $iefe Sucht entfpringt auS irriger, ber* 
nünftelnber 2luffaffung ber Sehre bom Reiche ©otteS 
auf ©rben. 

4)a wir eS in biefem Bunft mit bem lieben Bruber 

M an $u thun haben, welcher ja unfere greube 
onne ift, fo gilt eS, fein fäuberlid) mit bem 
Änaben zu berfahren unb borficptig cinperzufcbreiten, 
bamit baS Äinb nicht mit bem Babe auSgefdjüttet 
wirb. 

©S fei beßpalb gleich öon bornherein feftgcfteUt, 
baß eS, betreffs aller fittlidjen fragen, ber Äirdje un* 
abweiSlich obliegt, lauten unb beutlichen Xon §u ge* 
ben, unb Saicn unb Brebiger bazu berufen finb, ipre 
Bürgerpflichten au erfüllen. 

So wie aber Öutper als Äinb feiner Reit, unb miß* 
leitet oon feiner ©Eichung, einem großen Qrrthum 
WuSbrucf giebt, wennerfagt: „gm weltlichen SRegi* 
ment, ba jchwingt mein Äurfürft ©eorg baS Schwert, 
unb c S geht u n S fein n i d) t S au;" fo erzeugt 
bie greipeit unfereS SanbeS bie entgegengcfeßte Ber* 
tcbrtheit, bie Äirdje 511111 Xummelplap fepr bieler 
bürgerlichen gepben ju madjen, unb ben gmoapn, 
baß burd) äußerliche StaatSmafd)inerie bem fReicpe 
©otteS auf ©rben zum Siege zu helfen fei. 2>aS heißt, 


man ift bielfach auf ben wahrhaft materialiftijchen 
2 lbmeg geraden, auzu biel $eit unb Äraft auf bie 
SRicptigftetlung bürgerlicher ©inrichtungen zu berwen* 
ben, anftatt fortwährenb ben öauptnacpbrucf auf bie 
SBirffamteit bon gnnen nach «lußen, auf bie Befep* 
rung ber SBelt au legen. 

SSopl wiffenb, baß eS in unferem fianbe. wo ge* 
bermann ein geborener Regent ift. fcpwer fällt, ben 
rechten Mittelweg au finben, unb flar ertennenb, baß 

§ ute ©efepe unb Berorbnunaen zum ©ebeiben ber 
Kirche nothwenbig finb, muß boch baS Beftreben, 
geiflliche unb weltliche Sachen immer unb überall 5 U 
oermengen, unb auf bem politifchen gelbe biele £or= 
beerfränAe für’S fReid) ©otteS fammeln 5 U wollen^ 
als bie franthafte ©rfcheinung oemünftelnber 2 luf* 
faffung bezeichnet werben. 

4)enn unfer SReifter fagt: „SRein Sfteich ift nicht bon 
biefer SSelt. 2 Bäre mein Gleich bon biefer 2 Bett, meine 
Wiener würben barob tämpfen. 2)aS fReic^ ©otteS 
fommt nid)t mit äußerlichen ©eberben; eS ift inwenbig 
in euch. Bon biefem fReich ©otteS fou geprebigt 
werben über bie ganze SBelt, unb bafür fout ipr be* 
ten: 2)cin fReich tomme." 

3n biefem Sinne faßten bie Slpoftel ben ihnen ge* 
gebenen Auftrag auf. Sie [türmten fich zunädjft nicht 
auf bie römifchen ©efepe unb Berorbnungen; ba wä* 
ren fie fcpön angetommcn! fonbern führten eine 
Seele um bie anbere z«m ^eilanb, unb fobalb eine 
bebeutenbe Scpaar zum ÄreuA gefommen, fiel bie 
große SRoma in ben Staub. $n biefem Sinne ruft 
ber große SBeSlep ber Äirdje z«: ,,Seelen zu retten 
ift bein Beruf." Unb in biefem Sinne fcbreibt ber un* 
ermübliche SlSburp in fein Tagebuch: „SÖBenn einmaL 
SRiUionen Kerzen neu unb heilig geworben, fo werben 
wir auch neue unb beffere Ruftänbe hoben." 

II. 

SBerf en wir nun noch e»™n Blicf auffchwärmeri* 
f che Uebertrei bungen bibliidjer ©runb* 
Wahrheiten, fo fei gleich anfänglich gefagt, ba& 
nicht alles Schwärmerei ift, was in ber SBelt bafur ber* 
fcprieen wirb. Selbft ben gewaltigen Genfer BouluS 
nennt geftuS einen Schwärmer, tnbem er fagt, ber 
Slpoftel fei bon Sinnen. Unb zu bem Sanbpfleger 
gefeilt fich fclbft bie chriftlidje ©emeinbe in Äorintp f 
welcher ber Slpoftel fcbreibt: „Bin ich öon Sinnen, 
fo ift’S für ©ott." (2 Äor. 5,13). 

$5aS ©igenfchaftswort fchwärmerifch ift bon 
Sdjwarm abgeleitet, womit man eine fcpwirrenbe, 
burcheinanber wimmelnbe Schaar bezeichnet. Schwär* 
merei iftalfo biejenige Abirrung beS©ciftcS, in welcher 
ber SRenfch ohne feften©runb zu hoben entweber un* 
ftätig nad) berfcpiebenen ^Richtungen bapinflattert, 
ober, ohne Boben unter fich ^u hoben, fchwanfenb 
einem Qbeal Auftrebt. ®enn bie Schwärmerei hot 
immer etwas QbealeS. 2)arin liegt ihre Äraft, benn 
fie ift baburd) berwanbt mit ben fchönften unb höchften 
geiftigen Mächten; aber auch ihre Schwäche, benn, 
ihrem 3&eale Auflatternb, berläßt fie baS gunbament 
gefunben 5)enrenS. ®ie Schwärmerei ift immer fub* 
jeftib unb betrachtet bie ganze SBelt burch ben Schleier 
ihrer Subjettibität, welcher entweber rofenrotp-ober 
fctjwarz fein mag. Solche BetracptungSWeife muß 
©infeitigteit erzeugen, benn ber Schwärmer achtet in 
feiner fubjettioen Ueberfchwänglidjfeit nicht auf bie 
fpröbe unb zähe 2 Rad)t ber wirtlichen SBelt; „unb 
anberS wohl, als fonft in 9Renfchenföpfen, malt fich 
in folcpem Äopf bie Sßelt," woburcp er oft zum wil* 
ben ganatifer wirb. 

9ln fdiwärmerifchen ^Richtungen unb Uebertreibum 
gen biblifcper ©runbwahrpeiten feplt eS auch uniercro 


-Digitized by 


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e- 



Kanada. 


565 


fonft 

nicht. 


fo materialiftifd) * oernünftelnben Skalier 


©S ift zum Veifpiel ja gewißlich wapr, baß ©ott 
©ebete erhört, uttb beute noch wmtberbare dinge 
wirft nadj feinem ©iuen unb ©oblgefaüen. 

©enn aber Sßenfcbentinber fid) einbilben, giemlid) 
jebe tfranfbeit mir nichts bir nichts pinwegbeten au 
fönnen; wenn behauptet wirb, baß ber Dtcpterfolg 
fogenannter ©ebetspeilung bem Unglauben, Qmeifel 
uno Äleinglauben zuzufepreiben fei, unb ftranfe ficb 
weigern, Arzenei einAunepmen, fo ift folcbeS ©ebabren 
ein fchwärmerifcbeS |>inwegflattern oon feftftebenben 
©runDmahrpeiten heiliger ©eprift, wobureb febon Diel 
Verwirrung unb in manchen Ratten Abfall unb Un- 
glücf entftanb. Sutper unb ©eSIep fagen uns ganz 
Beftimmt, baß fte bte ©abe ber ©unberpeilung nicht 
be|i|en, unb eS waren boeb große ©laubenSbelben. 
3 <b weiß oon feinem bebeutenben 9ttann ber eüange- 
lifcb-proteftantifcpen Kirche, welcher folcbe ©abe mir 
nichts bir nichts in Anfprucp genommen batte. 

©irb jeboep biefe f. g. ©ebetspeilung zum §anb- 
wert, unb benüfct man biefelbe zur jcplauen ©elber* 
preffung, fo weroen wir babureb an bte erinnert, fo in 
Heuchelei Süaenrebner finb unb Vranbmaple in ihrem 
©emiffen haben. 

©ieberum ftebet eS auf ©runblage beS ©orteS 
©otteS feft, baß bie Siebe jeben wahren ©haften 
brängen follte, bureb Veijpiel unb ©ort, unb mit al¬ 
len zu ©ebote ftepenben Mitteln für bie ©ntpaltfam- 
feitSfacpe unoerbrücblicb ein}uftepen. 

©irb aber behauptet Wie eS mir in meiner De- 
baftionSerfabrung oon ©eiten beutfeber ©haften febon 
oorgetommen, baß dpee unb Äaffee ebenfalls gefähr¬ 
liche DerocnreiAmittel feien, bereit ©enuß am ©nbe 
au ©tärterem führe, weßbalb man ficb an’S ©affer }u 
halten habe; ober wirb feftgefteHt, baß man felbft tn 
äußerfter Dotpwenbigfeit um beS Wagens willen fein 
dröpflein ©ein trinten bürfe, eS fei benn oon einem 
doftor oerfebrieben; ober wenn Neulinge in ber 
©pracplepre fiep anmaßen zu fagen, baß, fo oft bie 
Vibel oon erlaubtem ©eingenuß rebe, fei unumftöß- 
lieb nur ungegobrener draubenfaft gemeint; ober 
wenn man ertlärt, falls ber £>err 3efu gegoprenen 
©ein beim ipoepzeitsfeft in ©aliläa getrunfen batte, 
feine ©ottbett zu bezweifeln wäre: fo gehören folcbe 
Uebertreibungen tbetlweife zu b e r Stiftung, welche 
bie oon ©ott aefepaffene ©peife üerbietet, tpeilweife 
grenzen fie an ©otteSläfterung. 

dergleichen ©cbmärmereten haben bet großen, fo 
unumgänglich notbwenbigen demperengreform ftpon 
unenblicp mehr gefebabet, als fie je Dupen Waffen 
fönnen. 

Auch betreffs ber tröftlicben unb ^errlidben Sehre 
oon ber Deinpeit beS JperzenS, ber böfltgen Stebe unb 
bem Oollfommenen SDanneSalter in ©brifto $efu finb 
febwärmerifebe Ausartungen au bezeichnen. 

©S ift ja ewig wahr, baß ficb bie in ber ©ieberge* 
burt begonnene Heiligung in oöHiger Heiligung beS 
Äer^enS unb SebenS gipfeln foll unb fann, unb baß, 
jo wir im Sichte wanbeln, wie er tm Sichte ift (bie- 
(er 3 u fammenbang ift wohl zu beachten), baS Sölut 

t efu ©brifti feines ©obneS uns rein macht oon aller 
ünbe. 

Unrichtig unb febwärmerif* aber ift eS, wenn beß- 
wegen baS ©nabenwerf ber ©iebergeburt oerfleinert 
wirb, weil manche Vefenner nicht jum biblifcben 5Raß- 
ftab pinanreiepen. ©benfowobl fönnte man auch bie 
Sehre oon ber oöHigen Jpeiligungüertleinern, ftnte- 
mal eS offenbar ift, baß manche Vefenner berjetben 
weit zu furj fommen. Unrichtig unb fehwärmerifeb 
ift ferner bte Vepauptung, baß man in oer oöUigen 


Heiligung wohl pofitio waebfen, aber negatio nicht 
reiner werben fönne, ober baß ztoifepen berfelben unb 
ber ©iebergeburt eine wirtliche feparfbegrenzte © e - 
f e n S üerfebiebenbeit ftattfinbe, wäbrenb hoch alle 
ßinber ©otteS aus göttlichem ©amen gezeuget finb, 
unb ber Unterfcpieb nur in ber §erzenS- unb SebenS- 
erfaprungficb fennzeichnet. 

dpun fid) aber, wie bieS febon oft bergfall gewefen, 
f. g. ©ebeiligte in fepariftifipen, ber SHripe feinbfelig 
geftnnten ©onoentifeln zufammen, jo ift oieS eine 
Wwärmerifcbe Dichtung, bie öfters in gleißnerifcber 
Sügenrebnerei gipfelte unb in unnennbare dollbeiten 
unb Unfauberfeiten ausartete. 

©cbon ber große ©eSlep batte mit foldjen ©epara* 
tiften zu fämpfen, unb einer berfelben, Sftajw eil, nennt 
ben Verfajfer ber chriftlichen Vofltommenpeit einen 
rationaltftifcben Vernunftmenfcpen. 

©ir fönnten noch oon anberen fcbwärmerifchen 
Dichtungen unferer 3 eit — b- ©• uon ber mit ber Of¬ 
fenbarung getriebenen ©cpmarmgeifterei, oon bem 
VucbfläblicbfeitSfinn beS ropen ©pialiSmuS, üon ben 
©eelenfcbläfern tc. reben. 

da eS jeboeb rein unmöglich ift, allen ©ebwärmem 
aud) nur auf einen Augenblid zu folgen, fo ftetlen 
wir bie Dunbfcpau ein unb betonen fcpließlicb, baß eS 
gegen baS Qrrifal ber SDenfchenüernunft fowobl als 

S egen unflare oerfepmommene ©cbwärmereien fein 
effereS ©cpwert gibt als baS ©ort ©otteS in feiner 
©efammtheit. ^cp betone bie lepten ©orte, Weil 
aus bem ©efammt - Bufammenpang perauSgeriffene 
©cbriftftellen fehr leidpt zur febeinbaren ©ebupwebr 
ber Irrlehre uno ©cbwärmerei werben fönnen. 

Aber in feinem 3ufammenbang ift baS 
©ort als folcbeS ein ftcbereS Mittel, bie ©eifter zu 
prüfen, ob fte Oon ©ott finb. ©inb wir in biefem 
©otteswort gegrünbet, fo werben wir ben materia* 
liftifcb - üernünftelnben Irrlehren gegenüber immer 
wiffen, wie ober waS au antworten, der ©djwarm- 
geifterei gegenüber aber werben wir uns baS 3iel 
nicht üerruefen laffen ,,oon 3[emanben, ber nach etge- 
ner ©apl einpergebt in demutb unb ©eiftlicbfeit ber 
©ngel, beß er nie feinS gefepen pat, unb opne ©aepe 
aufgeblafen ift, unb hält ficb nicht an bem Raupte, 
aus welchem oer ganze Seib Durch ©elenfc unb gugen 
§anbreicbung empfängt, unb an einanber ficb hält 
unb alfo wäcbft zur göttlichen ©röße" ($ol. 2,18 ff.). 


€ a n a 5 a. 

S»r §au« nnb gerb bon 3o|n SS. guter. 

anaba ift eine Serbinbung britifefjer ißro* 
jfe oinjen im SRorben 3tmeri!a§, unb fcfjlie^t 
» in fidj faft fämmttic^e ©efi^ungen ®ro|* 
britannienä auf bem meftlicbcn geftlanb. @3 
erftredt fiel) oon ben Ser. Staaten nörblid) bi« 
jum SiSmeer, unb oon Oft na cf) üffieft Oon SKeer 
ju ÜReer. Sein ©ebiet ift faft fo grof? wie ganj 
Europa, unb foü einen ffläc^eninbalt oon nnge» 
fäf)r fo oielen ober noä) mef)r Ouabratmeiten 
als bie Ser. Staaten ^aben. 

®aS Sanb jä^ft fieben organifirte fßrooinjen, 
nämfief) Ontario unb Omebef, welche jufammen 
baS alte Eanaba bitbeten, SReufdjottlanb, Seu- 
braunfcfjtoeig, fßrinj Ebuarb Qnfet, Sritifcb 


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566 


(J a n o b a. 


Solumbta unb Slanitoba. $a 3 ungeheure 
©ebiet ttörblic^ Oon biefen Wirb bag Sorbweft 
Territorium genannt, unb umfa§t alle britifcfjen 
©efifjungen in Sorbamerifa, außerhalb ber or* 
ganifirten fßrootnjen Sanaba’g unb ber gufet 
Seufunblanb. 

Obgleich oon berfelben (Sröfje Wie bie SSer. 
Staaten, fo bat Sanaba bod) nur etwa ben 
jWölften 5Et»eiI ber SBeoölferung unfereg Sanbeg. 
®ie Stoffe beg Sßotfe« Wotjut in ben fJJrooinjen 
Ontario unb Quebet. 

®ie Seoölferung befielt meifteng aug gran* 
jofen, grtänbern, Snglänbern, Spotten, ®eut* 
fdjen unb ihren Sadjfommen. ®g teben in 
Sanaba mehr Seute fran^öfifcber £>erfunft, atg 
irgenb eineg anberen SBolfeg. 


aug. $ie 8 af)I berfelben ift fo grofj, ba| ein 
Seifenber meinte, eg läme wenigfteng ein See 
auf jebe einzelne ^Jerfon im ganjen Seid». 

®er St. Sorenj glufj bilbet ben grofjen na* 
türlic^en ®tn* unb 9luggang beg Sanbeg. Die* 
fer ^errrlid^e Strom ift für Seefdjiffe fahrbar 
big Siontreal, eine Strede bon 600 Steilen. 
Oberhalb biefer Stabt finb bie befannten 
Stromfdjnetlen beg St. Sorenj. 

Sanaba hat feine foldje Stannigfaltigfeit beg 
Slimag wie manche ßänber oon weit geringerem 
Umfang. Die fßrooinjen öftlid) oon ben geig* 
gebirgen buben lange, ftrenge SBinter, mit oiet 
Schnee; unb furje, Warme Sommer. Sritifd)* 
Solumbia erfreut fi<h eineg milberen Slimag. 
Ter ganje Sorben beg Sanbeg aber, ift ber 



^arromcntS * ©efcäube, Dttatoa. 


gn SJianitoba, SSritifd^ Columbia, unb bent 
Üßorbmeft-Derritorium giebt eg oiete ^nbianer, 
unb im SRorben ©gfimog. 3 n ttr^Ii^rcligiöfcr 
Schiebung ift ßanaba übertoiegenb proteftam 
tifcf}, mit 2lu3nat)me ber ^ßrooina Guebef, toelcfje 
$uerft bon graitjofen angefiebelt mürbe, unb ba* 
|er oorherrfchenb fatfjolifd) ift. 

Stile größeren Denominationen finb oertre¬ 
ten, unb entfalten eine rege unb fegengreidje 
I^ätigteit. ’ Die SJtethobiften $ählen mit 511 
ben ftärfften, beibeg an $al)l unb ©influft. Die 
©ebirge beg Sanbeg finb bie gelfengebirge; bie 
Baurentiner ©ebirggfette, mit ihrer gortfefcung 
big hinauf jum ©ofarmeer; im Storbtoeften 
bc^nen ficb bie ungeheueren grifchtoaffer - Seen 


großen ®ätte toegen für ben Slcferbau toerthlog, 
unb toirb toohl für immer bag ißarabieg ber 
Säger unb ber ©ären bleiben. 

Die ©erthcitung ber großen unb oieten Seen 
rettet bag Sanb oon ben liebeln ber Dürre unb 
ber Unfrucf)tbarfeit. 9tur ein geringer ©rucfy- 
tf)eil beg großen ©ebietg ift toegen SBafferman- 
geig für ben Sanbbau ungeeignet. Dag ©t. 80 = 
ren^tl)al ift eine ©egenb oon ungeheueren 
SBälbern ^apfentragenber unb anberer ©äume. 
2 Bag immer nun bie SEBirfung berfelben fein 
mag, ben SBolfen ihren Stegen ju entlocfen, ge* 
toift ift, fie oerhinbern bie Stugbünftung; be¬ 
halten atfo bie geuchtigleit im ©oben, unb oer- 
forgen bie Ströme unb Quellen beftönbig mit 


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(fonabo. 


567 


SBaffer. — Sritifd)=ßoIumbia ift mit prächtigen 
Sichten * SBälbern bebecft, unb im 9?orbweft» 
Xerritorium foll bie größte unb befte ©egenb 
jum SBeijenbou fein, bie e3 in ber ganjen Sßett 
giebt. SDiefelbe ift eine ©bene über 800 SDlei» 
len lang unb 600 SDleiten breit. 

X)ie Bereinigung ber oerfchiebenen Ißrooinjen 
unter einer ©erfaffung gefd)ah auf beren au3» 
briefliches ©erlangen, bur<h einen Slft be3 eng» 
tifchen ©arlamentS, welchen bie Königin am 
29. SKärj 1867 genehmigte. 

X)ie canabifche ©egierung ift in manchen 
Stücfen eine Aadjbilbung berjenigen ber ©er. 
Staaten, in anberen aber ift fie berfelben oöHig 
unähnlich. 8113 ein ©eftanbtheil be3 britifchen 


meinen. Xfe Senatoren werben oom ©ouoer» 
neur ernannt auf bie Empfehlung feines Sabi» 
net3, unb jwar auf SebenSjeit. Xiefelben 
müffen Untertanen ber Königin, eine gewiffe 
Summe in liegenben unb beweglichen ©ütern 
Werth fein, unb ba3 breifjigfte SebenSjahr er» 
reicht hoben. ®ie ©emeinen Werben burch 
©otlSabftimmung gewählt. X)a3 Parlament 
wirb oom ©ouoemeur jufammenberufeu, fo oft 
er e3 für nothwenbig erachtet. Xiaffelbe hot 
fi<h mit allen allgemeinen Angelegenheiten be3 
©olleS unb be3 SanbeS ju befaffen. ©3 orbnet 
ba3 $anbel3Wefen, bie Schifffahrt, ba8 San!» 
wefen unb 8lKe3, wa3 baju gehört. 

Sür ßofal» unb ©rioat=8lngelegenheiten unb 



©erft ju ©tontreal tm 3uni. 


SBettrei<f)3, rufyt bie fjödjfte Bertolt in ben 
ben ber Königin tjon Englanb, unb ber ©ene* 
rat-©out)erneur, ber einjige t)on ber engtifdjen 
Stegierung ernannte 33eamte in Eanaba, füfjrt 
bie Stegierung in itjrem Starnen. ®er ©ouoer* 
neur toirb oon einem ©efyeimen Statt) ober Ea* 
binet unterftüfct, ba3 au$ 13 ^arIament3=9Jtit* 
gliebem ber ljerrfdfjenben Politiken gartet im 
Sanbe gebilbet, unb Oon ifjnt felbft mit guftim* 
mung beä #aufe3 ber ©emeineit ernannt toirb. 
Sie gefefcgebenbe ©emalt ift einem Parlament 
übergeben, in SSerbinbung mit bem ©ouoerneur, 
bejfen ßuftimmung $u atlen ©efefcen im Stauten 
ber Königin gegeben mirb. Saä Parlament 
jerfätlt in ben ©enat unb ba3 £>au£ ber ©e* 


SSerfjältniffe befiel jebe *ßroötn$ iljr eigenes 
Parlament, unb iljrett eigenen ©ouoerneur. 
Slucf) ift baS @r$ief)ung3mefen @ad£)e ber oer* 
fcf)tebenen *ßroOin$en, toätjrenb bie Steligion 
bem ©etoiffen beS Einzelnen übcrlaffen ift. 

Sie Ernennung ber ©ouoenteure unb Stifter 
ber sßrooinaen, foroof)t als ber Stifter bcS 
oberften SanbeSgeridEjtS, liegt in ben £änben 
ber EentrabStegierung. Siefelbe l)at aucf) aus* 
fdjjliefclicfye ©etoalt über baS §eer. Sie $ßro* 
oht^en als folcfye fjaben feine SJtilij. 

SJtontreal ift bie größte ©tabt in Eanaba unb 
bie £anbelS*2Jtetropole beS SanbeS. ©ie liegt 
auf ber ©übfeite einer breiecfigen 3nfel gleiten 
StamenS, unb sätjtt über 100,000 Sintooljner. 


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568 


danaba. 



Son biefen finb jwei Strittet franjöfifcher 916= 
ftainmung unb etwa btei SBicrtet ffatholifen. 
3h«n tarnen erhielt fie »on einem 750 guß 
boßen Serge, 9Jtont 99eal (fföniglicßer Serg) 
genannt. Sie ift größtenttjeil^ au? ffalfftein 
gebaut, unb mit ihren frönen Xljürmen, ihren 
glänjenben jinnernen Fächern, unb ben mate= 
rifdjen Sanbhäufern auf ihrem erhabenen §in= 
tergrunb, bietet fie betn 9tuge einen reijenben 
9tnbli<! bar. 


SRartt im freien, Montreal. 

S)ie 9totre Stome ffirchc im 933affenplaß ift 
ein gothifiher Sau, 941 guß lang, 135 guß 
breit, unb t)at Sißraum für etwa 12,000 S er ' 
foncn. gn einem ihrer fecfjö Sßürme befinbet fith 
eine ©locfe, beren ©ewicßt über 20,000 fßfuttb 
beträgt. 

hinter bem prachtootten @ericf)t?gebnube liegt 
bas 9Jtar?fclb, ein »ortrefflicher 9ßarabeplaß. 
$a? alte 9tegierung?gebäube unb be? ©eehelben 
-Velfon Stontmal finb ©egenftänbe non gitterefie. 


ÜJtontreal ift reich an ©egenfäßen. SKirgenb? 
fonft in 9lmerifa ftnbet man bie Sergangenheit 
unb bie ©egenwart fo nahe beifammen. 9lm 
gluß, in ber Slähe be? Sonfecour? SDtarfte?, 
rebet 9UIe? »on bem Sehen unb Treiben be? 
19. gabrßunbert?. Son bort au? fieht man 
bie Sictoria = Srücfe, eine? ber größten S)enf= 
mäler ber neuen Srüefenbaufunft, unb ber weit 
au?gebehnten SBerfte entlang, ein Stompffchiff 
nach bem anbem, fo weit ba? äuge reicht. ®el)t 
man aber bie ©affe hinauf, 
welche ju ber feltfamen, roft= 
farbigen Sonfecour? ffirche 
(Sfirt^e ber gnäbigen fpülfe) 
hinführt, fo ift man in ba? 
17. Qahrßunbert jurücf »er= 
jeßt. |>ier trägt äüe? ba? 
©epräge ber alten 3«ten. ©in 
Heine? ©tanbbilb ber heiligen 
Jungfrau auf bem $ach be= 
jeidjnet bie ffirche. fjier fieht 
man bie Sanbleute, oom 
HJtarfte fommenb, ihre fförbe 
oor bie Xhüre hinfefcen unb 
hineingehen, um ihre 9lnbacß= 
ten ju »errichten, hierher 
fommen bie SKatrofen, bie 
eine lange «Seereife glücflich 
»ollenbet haben, um ber 3Jtut= 
ter ©otte? ein Opfer ju brin= 
gen für bie gnäbige $ülfe, bie 
fie ihnen, wie fie glauben, in 
ber $eit ber ©efat)r geleiftet 
hat. 933er ba? innere ber 
ffirchc betrachtet, tönnte glau= 
ben, tr fei in einer uralten 
©tabt ©uropa?, wo bie fJ3farr= 
tirrfje noch nicht burdj allerlei 
Serbefferungen entheiligt wor= 
ben ift. Sto? ©ebäube felbft, 
iammt 9ttlem in unb um ba?= 
felbe, ber ältar, unb bie ein= 
fache, altertl)ümli<he ffanjel, 
finb »iel intereffanter al? bie 
Dtotre S)ame mit ihrer glän= 
jenben Fracht. 

S)ie franjöfifdje Sprache 
wirb in biefem ©tabttßeil allgemein gefprochen, 
unb ber ©nglänber wirb h«ute noch al? 9lu?= 
länber unb ©inbringling angefehen. 

S>er weftliche £f)eil Montreal? ift eine ganj 
anbere ©tabt. $ier Wohnen bie englifchen unb 
fchottifihen ffaufleute in großartigen fßaläften, 
unb »om 17. gaßrhunbert ift 9?icf)t? ju fehen. 

Slber in welkem ©tabttlfeil man fich auch be= 
finbet, nirgenb? ift e? möglich ju »ergeffen, baß 
man in einer römifd)* !att|olifchen ©tabt ift. 


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fi a n o b a. 


56» 



$ier fiebt man eine ©ruppe aus bem Seminar, 
ober eine ?ßrozeffion cbrtftlicber Srüber; bort 
eine Klaffe oon SKäbcben aus ber Schule unter 
ber Sluffic^t oon Können, unb Sirenen, K löfler, 
Spitäler unb Spulen, welche laut baoon zeu* 
gen, baß Korn bie Stabt atS ißr Eigentum in 
Sefcßtag genommen tyat. ES ift beßbalb auch 
fein SBunber, baß bie Klaffe beS SotfeS fe^r 
unroiffenb unb abergläubig ift. 

2)aS Ktima KlontreatS tft großen Extremen 
unterworfen. !gm SBinter ift bie Stabt in 
Schnee unb ©iS gebüßt. 

$er gtuß ift zugefroren, 
bie ©efebäfte ruhen, unb 
ber Serfe^r ftoeft. gm 
Stprit fängt eS an zu 
trauen. ES (Öfen ficb 
bie eifigen öanbe, bie 
MfleS feftbietten, unb 
balb berrfebt Seben über¬ 
all. Klontreat bat einen 
ausgezeichneten £afen, 
unb Seefcbiffe oon 3500 
Sonnengebalt fönnen in 
benfelben einlaufen. 

Ottawa ift bie £aupt^ 
ftabt beS canabifcben 
99unbeS unb Kefibenz 
beS ©enerat * ©ouoer^ 
neurS. ®ie Sanbfdjaft 
in ber näcbften Umge* 
bung ift malerifd) unb 
großartig. ®ie Straßen 
finb breit unb regelmä¬ 
ßig. $ie KegierungS* 
gebäube finb baSSebenS- 
Würbigfte. Siefetben bit= 
ben brei Seiten eines 
SSierccfS auf einer 2tn= 
höbe, 150 guß über bem 
Ottawa, unb fofteten 
nahezu hier Klißionen 
XoßarS. Sie jtnb in 
italienifcb s gotljifcben 
Stt)I aus Sanbftein auf- 
geführt, unb gehören 
mit zu bent ©roßartig= 
ften, baß bie Saufunft in Slmerifa aufzutoeifen 
bat. $er Ecfftein würbe 1860 gelegt, unb zwar 
oom englifeben Kronprinzen. 

Ottawa ift bie |>aupt * Kieberlage für ben 
|)otzbnnbeI auf bem Ottawa unb beffen Keben- 
flüffen. $aS OttaWatbal ift reich an Kußbotz, 
bauptfäcbticb an Weißen unb rotben giebten. 
Sie Stabt Würbe im Sabre 1858 oon ber ftö- 
nigin jum Siß ber canabifcben Kegierung be* 
ftimmt, unb zählt etwa 30,000 Einwohner. 


Toronto ift bie zweitgrößte Stabt in Eanaba 
unb ^auptftabt ber $rooinz Dntdrio. Sie be= 
anfprudjt, ber üRittelpunft ber SBitbung zn fein, 
unb rühmt ficb feiner ausgezeichneten Schulen. 

Ouebef, baS „©ibrattar SlmerifaS," ift eine 
befestigte Stabt unb $auptftabt ber SßroOinz 
Ouebef. Sie Einwohner finb metft fran^öfifd^er 
2tbfunft unb Katbotifen. Sie bnt niete pracf)t- 
Oofle Käufer unb öffentliche ©ebäube. SaS 
3oßamt am Stromesufer ift ein impofanter 
borifeber Sau mit einem Sotn. 


®t)rifüid)e ©rüber bor bem Seminar beä fyeil. ©ulpinuä. 

Kacb Klontreat ift Ouebef ber Wicbtigfte 9Kit= 
tetpunft beS SeebanbetS in Eanaba, unb einer 
ber größten |>otzmärfte anf bem amerifanifeben 
geftlanb. Seine Sage foß bie berrtiebfte in 
ganz ^tmerifa fein, |)inter ber Stabt liegt bie 
fogenamtte „Ebene 2lbrabantS," Wo ber ebte 
©enerat äBolfe bie granzofen unter Ktontcotm 
befiegte, am 13. September 1759, unb Wo beibe 
tapferen güßrer ihren lob fanben. 

3« Kingston fjat bie Kegiernng eine Schule 


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570 


tfanaba. 



jur §eranbitbung bon Armee *0fffsieren, nach 
bem ©tufter ber ©er. Staaten ©tititärfcgute $u 
28eft sßoint. 

Sie ©ebötferung Ganabag befc^äftigt fic^ 
hauptfäcglicg mit bem Sanbbau. 3n Ontario, 
Duebef, unb ©eubraunfcgroeig mirb ber $ 04 = 
hanbet im ©rogen betrieben; unb in ©eufcgott* 
tanb unb $ßrin$ Gbuarb 3 n f c I ber gifegfang. 
Auch merben niete Schiffe gebaut, unb £>anbel 
geführt mit bem Auglanb, namenttidg mit Gng* 
lanb, ben ©er. Staaten unb SEBeffinbien. 


(Eine Strafte im Söimer, äRontreal. 

Sag ©orbmeft * Xerritorium ftet)t unter ber 
©otmägigfeit beg ©ouoertteurg oon ©tanitoba. 
Seine ©eroofjner fiitb nur gering an 3ot)t, unb 
befegäftigen fieg oornegmlicg mit gagen unb 
SBilbfang. 

©emiffe ©egenben Ganabag finb reich an 
©olb, ftupfer, Gifen unb anberem Gr$. 

Ontario ift reiegtieg oerfegen mit Gtfenbagnen. 
©eionberg miegtig für bag gan$e Sanb mar ber 


©au ber Ganaba Pacific Gifenbagn, bie eine 
Sänge non 3,064 ©teilen gat, unb bag Sanb 
non Cuebef big jum Stillen ©teer buregäieht. 

Sie Ganabier finb ein gefunbeg, fräffigeg 
©ol!, mag fie 5 um großen Xgeit ih rer Seffhöf* 
tigung unb bem Ätima ju oerbanfen hoben. Sie 
nöttige Unabhängigfeit Ganabag non Gngtanb, 
unb auch feine ©ereinigung mit ben ©er. Staa* 
ten finb f<gon oft ©egenftänbe ber ©efpreegung 
unter ben sßotitifem gemefen. Soch ift feine 
Augficgt norhanben, bag meber bag Gine noch 
bag Anbere in ©ätbe 
nermirfticht merbe. 
Sie Ganabier miffen, 
bag fie gegentoärtig 
Angehörige eineg ber 
mäcgtigften ©eiche ber 
Grbe finb, unb finb 
ftot$ barauf, bag ge 
an Gngtanbg ©ugm 
unb ©tacf}t Antgeit 
haben, unb feinen 
Schub geniegen. Um 
abhängigfeit • mürbe 
ihnen feine befonberg 
münfäengmertgen 
©ortgeile bringen. 
SEBag bie ©ereinigung 
mit unferer ©epubtif 
betrifft, fo finb bie 
Ganabier bem mo* 
naregifegen fßrinjip $u 
fchr ergeben, atg bag 
fie ohne SEBeitereg um 
fere ©egierunggform 
annehmen mürben. 

Auf ber anberen 
Seite aber behaupten 
fie, in ©ielen repm 
btifanifeger $u fein 
alg mir eg finb. Ga* 
naba hot fein gehen* 
beg $eer. Auch flieht 
eg bort feine beoor* 
äugte filaffe ober Ari* 
ftofratie, bie über bem 
©olfe geht. 3 *°or 
verleiht bie Königin 
oerbienftootteu ©tännern Sitet unb 0rben, aber 
hoch finb eg nur Welehrfamfeit, ©erbienft unb 
©eiegthum, melcge Achtung unb Gingug oer* 
fegaffen, ägntieg mie bei ung. 

Sorb Sanbgbomne ift ber gegenmärtige ©e* 
nerat ©ouoerneur beg Sanbeg. 


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(frimuningen au* ben felblofatet^en be» HebeUionshritges. 


571 


tfrinnenrngen ouö btn frlMafarrfljeit i h» 

(Äaih ben papieren einet fteimifligen ftrattfeitpflegerm.) 


« er ßanonenbonner oon gort ©umter tjer 
lieg fein Scho burdj bag gante Sanb hö* 
ren. 9luch bem Ungläubigften mürbe 
e^ in biefen lagen jur ©emißheit, baß 
bie Station für ihre ©jriftent merbe 
tämpfen müffen. Jaufenbe eilten tu ben 2 Baf* 
fen, um im ^eiligen sßatriotigmug ihr Seben 
tur Stettung beg Vatertanbeg ju magen. 
©täbte, $örfer, bag gante Sanb, legten alg 
erfteg Opfer ihre jungen SRänner, bie Stütze 
unb ben ©tolj ber Station, auf ben 9lltar. 

®ag grfte, mag unfer ftiöeg ®h a t oon ben 
Vorbereitungen jum Kriege fah, mar bie Vit* 
bung einer Kompagnie ©olbaten mit Oberft 
Harttranft, ber eg big jum (Generalmajor 
braute, an ihrer ©pifee. SBir fallen fie im 
©Ratten unferer Väume mit aufgehobener ^anb 
®e|orfant unb ®reue geloben, unb bie Sifte 
biefer gelben jeigt, baß SRandje aug ihnen 
ihren ©djmur mit ihrem ^er^blute befiegeften. 
©ie tarnen unter bag Sontmanbo Vumfibe’g 
unb mo immer biefer ©eneral feine ©djaaren 
führte, ba maren fie babei unb erfüllten auf 
manchem blutigen ©djlachtfelbe ftanbljaft unb 
treu ihre *ßflidjt. 

9llg bie ©olbaten oon ung meg gejogen ma* 
ren, ba taufte in jebem ^erjen ber fehnfüchtige 
SBunfdj auf, in ®tmc*g bie Seiben unb ßntbef)* 
rungen unferer Vertheibiger, bie ja unfere Väter, 
Vrüber unb Söhne maren, linbern 311 tonnen, 
befonberg menn fie fran! ober oerfounbet bar* 
nieber lägen. SBag jebe gamilie erft für ihre 
eigenen greunbe unb Vermanbte unternahm, 
mürbe halb allgemein unb man oereinigte fid) 
ju „£>ülfg - ©efettfdjaften für unfere ©olbaten 
im gelbe." 9ludj id) arbeitete mit ben Patriotin 
fdjen grauen beg Sanbeg. ®enn mer tonnte in 
biefer tiefbemegten 3 *it müffig fein ? 

Unb mar nidjt angeftrengte ®l)ätigteit bag 
befte Heilmittel gegen bie 9lngft ber ©eele, mit 
melier täglich Xaufenbe auf StadEjricfjten üom 
Ärieggfchauptafce marteten? 

©nbiicjh fanb bie ©flacht bei 9Intietam ftatt 
unb bamit mürben bie ©cfjrecfen unb Seiben beg 
ftriegeg ung fo nahe gebracht, mie mir fie nie 
juoor gefüllt hatten, benn bag ©djlachtfelb lag 
Oon unferer lieblichen pennfploanifchen Heimat!) 
nicht feljr meit entfernt, ©edjg grauen aug un* 
ferer SRitte erboten fich, für einige SBodjen hin* 
jugehen unb bie Vermunbeten pflegen tu helfen. 
Huch ich mürbe aufgeforbert, mich ihnen antu* 


fdjließen, aber ich tonnte mich nicht baju ent* 
fließen. ®er ©ebante an bie SBunben unb 
bag Vlut ber SRänner mar mir fo fdjrecflicf),. 
bag ich glaubte, mich nie bamit befaffen ju 
tönnen. 

Valb hernach lehrte mein (Gatte oon einem 
Sefuche beg ©chladjtfelbeg jurücf unb ergäHlte 
in tiefer ©rfchütterung oon ben Seiben ber Ver* 
munbeten, mie fie aug SRanget an Dbbadj, 
SJahrung unb pflege beinahe tu ©runbe gingen 
unb in Straßengräben, Scheunen unb ©täfien 
herum lägen. 3 efct tonnte ich nicht länger 50 * 
gern, fonbern begab mich fofort an bie 9lrbeit r 
Siahrunggmittel, SRebitin, Kleiber, ®elitateffen 
u. bgl. ju fammeln. ®urcf) bie (Güte unferer 
greunbe unb Stad)baren gelang eg ung, einen 
merthooDen Vorrath jufammen tu bringen, 
baju hatten mir noch bag ©lücf, mit bemfelben 
beinahe ohne Stuf enthalt big auf bag ©flacht* 
felb tu gelangen, unb mie miötommen tarn ber* 
felbe! 9lber mag mußte auch mein 9luge erbliden! 
$er Stame 9lntietam mirb für immer in mei* 
nem ©emüthe mit ©^recfengf 5 enen oerbunben 
fein! 

2llg ich sum erften 2Rate burch eineg ber Sa* 
jarethe ging, ba erfüllte mit einem SRale bie 
©emißheit mein H er ä : «®ag ift bie 91 r* 
beit, bie bir (Gott in biefem Kriege 
angemiefenhat; ®u follftfür biefe 
Vermunbeten forgen, gerabe mie 
eg ihre ©attinnen, SRütter unb 
©chmefternthnn mürben, menn fie 
hier feintönnte n." Unb ich roeiß eg ge* 
miß, aug reiner Siebe ju meinem Vatertanbe 
ujtb ju meinem Slächften machte i<f) oor meinem 
©ott bag ©elübbe, biefer 9lrbeit nun meine 
gan^e &\t unb ^raft ju mibrnen. 9 lber ach! 
bie 9lugführung biefeg ©elübbeg mar nid^t fo 
leicht. @0 oiel mar erft noch ju lernen unb eg 
fdjien mir noch lange ftdt ju nehmen, big ic^ 
oon mirtlichem Stufen fein fönnte. Unb bag 
©chmerfte mar, ben ftrömenben Xhränen unb 
faft erftictenbem Schluchten ©inhatt ju gebieten r 
unb inmitten aller ©chredniffe, bie fid^ täglich 
ereigneten, SRuhe unb ©leichmuth ju bemahren. 

9Bir fanben unfere tapferen, Oermunbeten 
Krieger noch immer über bag ganje, hart be* 
ftrittene ©chlachtfelb terftreut. 3 ^ar tu biefer 
3 eit, 6 . Dftober 1862, maren 9lße unter irgenb 
einem Dbbad). 9lber noch mangelte eg feljr an 
geeigneten Slahrunggmittetn unb ärztlichen 


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572 


(ürinnrrungen aus btn Htlbta;arttl)en brs jirbeUtontkriegec. 


4?ülf3mittetn, unb objf on bieje Singe jo jf neü 
mie möglif ^erbeigejanbt tourben, jo reiften 
jie bof nid^t jo halb t)in, bie ganje Stoth ju 
leben. 

Sie „bereinigte ©tonten ©anitätS*©ommif= 
jion" toor in üotler Slrbeit unb tfyat fehr oiel 
(Muteä. SluS fren SJtagajinen ttmrben naf 
aüen Stiftungen f)in borrättje gejanbt, um bie 
größten Seiben ju tinbem. Objf on toir ben 
Herren fremb mären, jo tarnen mir bof täglif 
in fre ©effäftSlotale, unb baten um Singe, 
meid)e mir bei unjern ©efuf en in ben £aja= 
retten nofmenbig fanben, bie mir aber jetbjt 
nif t bejahen. Slber SltleS mürbe uns ftetS mit 
ber größten ©ereitmilligfeit jur bertfjeilung 
anoertraut. 

SBir oom SJtontgomert) ©ountt), ©a., Rotten 
ein gimmer in einem fianje inne, baS an bie 
beutjf e reformirte Sirfe ftiejj. ©3 mar mit 
fi’iften angefüllt unb oon £ajarett)fliegen burf= 
ff märmt, aber mir, b. f). unjer jieben grauen, 
arbeiteten ba ben ganjen lag. gnbem mir 
uns feilten, ging ein 2feil jeben Sag mit 
einem Stmbutanjmagen in’S Sanb, um naf ben 
©errounbeten ju jetjen unb ©olfen, bie es be* 
burften, ein bejonbereS ©ffen ju bereiten, mät)= 
renb bie Slnbern in ber Stühe bajjelbe traten, 
©on meinen fef 3 begteiterinnen btieb eine jmei 
gapre in ben Sajarefen unb jmei leijteten 
burf ben ganjen Sirieg hinburf ihre merthool* 
len Sienfte. 

Slujjer biefer erff öpfenben Slrbeit gab eS nof 
anbere. gn enblojer 3af)l tarnen Seute Ejerbei, 
bie unter Sobten unb bermunbeten naf lieben 
Singehörigen juf ten. gn unjerm fleinen ginn 
mer erhielten jie Slnmeijung, mie jie biejelben 
finben tönnten. SBenn jie fein Unterfommen 
im Orte finben tonnten, jo mürbe ©ffen für fie 
bereitet unb Dbbaf für fie bejorgt. 

Unter biefen fann if eine junge grau nie oer* 
geffen. ©ie tarn in t)öf fter ©ile herbei, meit 
jie erfahren, bafj fr (Matte in ber ©f laft ge* 
mejen jei, aber nur um auSjufinben, bnjj er ff on 
jmei Sage tobt unb begraben jei. SJtan jagte 
fr, bafj er in einem nahen Objtgarten mit Sin* 
bem liege, ©ie aber bejtanb barauf, bafj jie 
f n jetbjt feilen tooHe, um auSjufinben, ob er es 
mirftif jei. SJtit einigen greunben ging jie 
hinaus, bie Seife auSgraben ju taffen. Slber 
in intern quatüollen ©renne ging fr bie Slrbeit 
oiel ju langfam unb mit ifiren eigenen jittem* 
ben fanben grub jie bie ©rbe üon beS ©f lä= 
ferS ©eftalt. SllS enblif bie ©rbe meg mar 
unb bie Sette üon beS Sobten Slngejif t gef)o* 
ben mürbe, mar ein ©litt hinreifenb, fr bie 
©emijjhdt ju geben, baß SllleS SBahfeit jei. 
SJtit biefer traurigen ©etoifj heit feljrte aber auf 


Stube unb ©efajjfeit in fr gequältes $erj ju* 
rücf. ©ie tarn mieber in unjer 3intmer, ffnett 
mürben bie Sorbereitungen getroffen, bie Seife 
naf ©hilabelpljia ju bringen, unb mit berfelben 
reifte jie gleif barauf in fr oeröbeteS tpeim. 

Sie ©eenen, melfe if auf biefem meiten 
©f taftfelbe erbtiefte, merbe if nie üergeffen. 
©olfe, melfe glüeflif genug gemefen maren, 
in eine ©f eune gelegt ju merben, hotten bof 
menigftenS etmaS Stroh unb §eu unter ihren 
jerff metterten ©liebem. SJtanfe litten Sage 
lang mit feinem Siffen unter ihrem Raupte als 
ihrem Enapfad ober etmaS Kleibern, bis enblif 
ber Sob jie oon ihren Seiben erlöfte. Slm ©nbe 
einer ©iajja in Socuft Spring lag brei SüBof en 
lang in ff merem Seiben Sieutenant SBiüiamS 
oon ©onnecticut, bann ftarb er. Stefe ©iajja 
mar feit ber ©flaft bift mit ©ermunbeten 
unb ©terbenben belegt, gm §auje jelbft be* 
fanben jif mehrere ffmeroermunbete Offijiere. 
Sie ©f euer mar gleif falls mit ©ertounbeten 
angefüllt. Unter ihnen befanb jif auf Sieut. 
SJtaine oom 8. Sonn. Stegiment, ben feine ljer* 
beigeeilte ©attin bis jum lebten Slthemjuge auf 
baS SiebeooHfte oerpflegte, gn einem gdte 
lag ein guaoe, eine föugel hatte fein Sinn jer* 
jfmettert, bie ©fulter oerle^t, beibe ©eine 
maren gebrofen unb bie ginger einer §anb 
maren faft ganj meggeriffen. Sennof mar er 
ftetS freubig unb hoffnungSüotl geftimmt unb 
bafte mit bem Seben baoon ju fommen. Stahe 
bei ihm lag ein güngling oon ©entre ©ounf, 
©a., in ber ©ruft oertounbet naf SluSjage ber 
Slerjte nif t töbtlif. gm 28af en unb ©f la* 
fen mar fein ©ebanfe nur „£>eim." ©tetS mie* 
befolte er: „©ringt mif heim ju meiner SJtut* 
ter!" ©on feiner SBunbe fpraf er nie. SllS 
if ihm jagte, if molle ihn oerforgm, unb if 
fenne manfe Seute in ©entre ©ounf, antmor- 
tete er: „D, bann merben ©ie mif ju meiner 
SJtutter bringen!" SJtit jebem ©efuf fah if, 
bafj er halb auSgetitten hoben merbe unb enb= 
lif entff lief er mit benfelben SBorten auf feinen 
Sippen, gn einer elenben ©locftiüttc am ©o-- 
tomac lagen 30 SJtann im gieber auf bem gif= 
hoben, ©tlif e hatten etmaS Stroh, aber fein 
Riffen tonnte gefunben merben unb ihre 9tah= 
rung märe faum gut genug für ©efunbe gerne* 
fen. Unb bof mar bieje jpütte nur eine oon 
oielen. 

SllS if eines SlbenbS in’S Sajareth ging, 
fanb if an ber Shüre einen ©olbaten oom 12. 
St. Stegimente auf einer Sahre liegen; „er 
mar ber einzige ©ohn feiner SJtutter unb jie 
mar eine SBittme.“ Stuf meine grage, ob if 
©tmaS für ihnthunfönnte,antroorteteer: „geht 
nif t, if mif auf ben Softor märten." SllS 


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JBibcrfptUd)e Im leben. 


575 


et etliche ©tunben fpäter Dom OperationStifcß 
genommen toar, fonb icß ißit rußig unb gefaxt. 

gcß jucßte ei ißm für bie SRadßt fo bequem 
als mögticß ju rnacßen unb oerfpracß ißm, am 
SRorgen wieber naeß ißm feßen ju Wollen. SllS 
icß juerft an feine ÜRutter jcßrieb, war es bloS 
bie SRaeßricßt, baß er oerwunbet fei. Stm fol= 
genben Sage batte fieß fein 3uftanb entfliehen 
oerfcßlimmeri, unb er Wußte, baß er ftcrben 
müßte. Slber aueß jefct bacßte er nießt an feine 
fieiben, fonbern nur an feine SRutter unb 
©cßmefter. „D," feufjtc er, „baS wirb meiner 
SRutter baS Her$ braßen, tßeilt eS ißr boeß fo 
fcßonenb als mögticß mit." ÜRacßbem bie Stacß» 
ridjt abgefanbt war, wünfcßte er, baß icß ißm 
gewiffe Kapitel aus ber ©ibel, bie er bejeicßnete, 
lefen unb mit ißm beten füllte. So befcßäftigt, 
eilte bie $eit fcßneö baßin. Sin feinem Säger 
weinte icß für feine SRutter unb ©cßmefter beiße 
Sßränen. ©einaße bis jum teßten Slugenblicfe 
bei ootlem ©emußtfein, ging er rußig unb ge» 


faßt in’S fenfeitige Seben. Slm 13. Dftober 
1862 begleiteten w<r feine Seieße mit einer Slb» 
tßeilung feines ^Regimentes jum ©rabe. ©alb 
barauf !am ein ©rief öon feiner ScßWefter ootl 
rüßrenben SanfeS. $cß bacßte bajumal unb 
benfe eS ßeute nocß, baß folcßeSBorte genügenbe 
Seloßnung finb für SlüeS, WaS icß jemals an 
unfern Solbaten getßan ßabe. 

©inige SRonate fpäter ftanben Wir auf ©er» 
anlaffung ber ScßWefter wieber an feinem ©rabe. 

SBir füllten nocß einen ©lief auf bie Seicße 
Werfen, ob eS aueß wirfließ ißr ©ruber fei. So 
peinlicß aueß bie Sacße War, fo erfüllten wir 
boeß pünftlicß ißren SBunfcß. Sie Seicße würbe 
einbalfamirt, in einen ©arg gelegt unb bann in 
©egleitung meines ©atten naeß Utica, 5R. §)., 
gebraeßt. Siebenbe tperjen empfingen fie ßter 
unb fie würbe nun naeß ißrer leßten fRußeftätte 
gebraeßt. SlbermalS fam ein ©rief mit SSor» 
ten beS SanfeS, föftlicßer als alle ©cßäfee ber 
©rbe. 


gortfefcung folgt. 


4 ^* 


$0ii>frforiid|e im frbeu. 


des wanbelt. SBaS bor einem Qaßr oiel» 
teidßt nocß alle ©emütßer bewegte, WaS 
als ©efeß galt, als begeßrenSmertß mit 
großen Opfern erftrebt, ober als ©cßrecfbilb ge» 
füreßtet würbe — jerplaßt in Kurzem wie eine 
©eifenbtafe, weit barüber baS ©otteSWort ge» 
feßrieben fteßt: SD?eine ©ebanfen finb 
nießt eure ©ebanfen, unb eure 
SBege finb nießt meine SBege, fprießt 
ber Herr. SRan lefe ein altes geitungSblatt 
mit feinen ©efüreßtungen, Hoffnungen, SRei» 
nungen in einer bamalS gerabe ßoeßwießtigen 
SageSfrage unb ßalte bie feitbem eingetretenen 
I ß a t f a cß e n bagegen—welcße SBiberfprücße! 

SBie groß unb unumftößließ gegen alles 
menfeßließe Weinen unb Senfen fteßen aber ba» 
gegen alle großen ©ottcSgebanfen, wie fie in 
feinem SBorte unb je unb je in ber güßrung ein» 
gelner SRenftßen, ganzer Familien unb ganzer 
©ölfer fieß bewäßrt ßaben. Sa lefe icß ein 
SBort, baS Sllban ©tolj 1845 in feinem ,,Ka» 
lenber für 3eit unb ©wigfeit" gefeßrieben ßat. 
SBelcße SBanbtungen in ben 42 Qaßren auf allen 
©ebieten! SBie fremb mürbe uns aus jener 
Seit ein Sägeblatt anmutßen, bieS SBort aber 
beßcilt unangefoeßten feine Sebeutung, benn eS 
grünbet fieß auf ©otteSgebanfen unb nießt auf 
SRenfcßenmeiSßeit. Sarum will icß eS unoer» 


fürjt jur ©eßerjigung weitergeben. @S ßan- 
beit oon fReießtßum unb Slrmutß unb tautet : 

„Sa fäßrt in Sicßtentßal bei ©oben ober bei 
KarlSruß auf ber ^arbt ein ©efpann oorbei 
mit ftoljen Stoffen, unb fi|t ein H^t barin unb 
eine SOtabam, ober ißrer jwei unb brei, ßat eine 
aueß ein feifteS, jornigeS Hünblein auf bem 
©cßooß, unb finb üorneßm gepußt mit ©eiben» 
bamaft unb feinem ©etücß; unb fie ßaben @af» 
tigeS unb ©ewürjßafieS gegeffen unb feinen 
SBein getrunfen, man fießt eS ißnen im ßißigen. 
©efießt an unb ben gejcßwoUenen Slugen. Unb 
ein ©äuerlein jaefert am gelb unb ßat etenben 
gmilcß um bie Senben; unb fein Stößlein fießt 
gar fcßwäcßlicß aus, wie Wenn eS baS ©eblüt 
erfroren ßätte unb ißni feit Sängern feßon eine 
,'puugerfur oerorbnet märe, unb fotl boeß ftreng 
jießen unb baS ©rbreieß aufpflügen. Unb ber 
©urfcß fißt am SBege unb ftopft Steine unb ßat 
ßornige ©cßwielen an ben Hauben unb ein brau» 
neS ©efießt wie ein Spaniol; unb bie ©onne 
brennt ißm feßarf auf ben Kopf, unb er muß 
oiel ©taub fcßluden mit 9taS unb Slugen oon 
©efaßr ber Dielen gußtWerfe. 

SBaS müffen ba bie Seute benfen in ißrem 
©taub unb ©eßweiß unb grober Soft unb gro» 
bem Kleib, Wenn baS üorneßme, glatte ©ferb» 
unb üRenfcßenfleifcß oorbeifutfeßirt! Kann ba 



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574 


ülibrrffirtidje im leben. 


fo ein armer Sropf nicht fdjwarze arabifdje ®e* 
banfen befommen, wenn ihn bie ßJtübigfeit nicht 
am Senfen ^inbert, ©cbanfen gegen baS £anb* 
recht unb bie SBeltorbnung ? 63 fönnte ba 
einer benfen: 3a, warum geht eS benn bei be* 
nen jo fyeHauf, unb ift alle Sage Sonntag bei 
ihnen; nnb unfereiner muß ferner fcfjaffen unb 
hat erft noch baheim nichts ©uteS ju effen als 
©rbnuß unb fchwarz ©rob unb langweiliges 
SBaffer ju trinfen? Srinft man tpe unb ba 
7 einen Stoppen, fo ift eS fc^tec^t ©etränf; unb 
bie grau macht ein graues, runzeliges ©efid)t 
ba^u unb heißt einen gleich einen Sump unb gibt 
einem ©dfjmachreben. Unb fomntt ein Unglüd 
in’S Sanb, ^agelfdjtag, ©raub, Ueberfchwem* 
mung, Kervenfieber, fo padt unb brudt es am 
liebften unb pärteften ben gemeinen SRamt. 
2Jiuß man ba nicht ein engbrüftigeS £>erz befom* 
men unb fleinmüthig ben ffopf Rängen Xaffen 
unb benfen: ®ott ift eben ein Stiefvater gegen 
ben Sirmen unb ben ©auerSmann, unb hat nur 
für reiche Seute ein ©aterfjerz? 

Sarauf gebe ich eine fjanbfefte älntwort, ge* 
gen bie Kiemanb auffommen fann. Sie Reifet: 
©ater unfer, ber bu bift in bcm § i m m e l! 

©ott zeigt feine ©aterfdfjaft erft heß unb offen 
im Fimmel. 3 m |>imtnel ift eS aber nicht, Wie 
einmal ein bierjäfjrtgeS äRägblein gemeint hat. 
SiefeS ffinb hatte einen böfen, jähzornigen ©a* 
ter, ber fdjarf bem Srinfen nachging unb auch 
Sabad fdjnupfte. Sa fd)idte nun ber ©ater 
baS Söd)terlein manchmal fort zum ffrämer, eS 
fotle i^m Sabad holen. SSie eS aber bie ffin* 
ber machen unb vergeßlich finb, fo blieb eS eben 
manchmal ftehen, um zu flauen, wenn anbere 
ffinber am SBege fpielten; fo fam eS bann 
oft fpäter mit bem Sabad nach £>au3. Sa 
fluchte bann ber ©ater unb gab bem ff inbe harte 
SSorte unb Schläge; unb baS ffinb erfchraf unb 
Zitterte fehr unb getraute fich faum zu weinen. 
Kun mürbe eS einmal franf, unb bie SDtutter, 
ber eS auch übel ging, faß am ©ett unb fagte : 
„ffieißt bu was, Sherefele? Stirb bu unb 
bet’ bann im §immcl, baß ich auch halb fterbe 
unb zu bir in ben $immet fomme!" SaS 
franfe ffinb antwortete: „3a, ich WißeS foma* 
chen; ich üet’ bann im Fimmel, baß bu halb 
fommft, unb baß ber ffarl fonimt, unb baf; bie 
SDtarianne fommt." 

Sa fagte bie äRutter: „SSißft bu nicht auch 
für ben ©ater beten, baß er zu bir in ben Fimmel 
fomme ?" Sa bcfann fich ber arme Schelm unb 
fagte: „Kein, ich müßte ihmfonftwieber Schnupf* 
tabad holen unb bcfäm’ bann toieber Schläge." 

So meint oft mancher Wie biefeS Klägblein, 
eS gehe in ber anbcrn SBelt auf eine Slrt auch 
noch, wie auf bicfer; unb Wer es hier immer 


bös hübe unb gegen anbere zurüdftehe, ber gelte 
eben brüben auch nicht viel unb werbe eS auch 
nicht viel anberS hüben. ®laub’ mir: bu Wirft 
gewiß nicht zu furz fomnten; mach’ bu nurbein 
©ach’ recht in ber Sehr* unb gaftenzeit hier Auf 
©rben! 63 fommt auch ber fröhliche Dftertag; 
ber punmlifche ©ater hat bir beine greuben unb 
bein geierfleib unb beine golbene ffrone im $im* 
melsfchrein nur aufgefpart, bis bu mit beinen 
©efchäften in ber grembe fertig bift unb beine 
Seele baS Schurzfell beS SeibeS abgelegt hat. 
SaS ift ganz bumm, Wenn bu meinft, ©ott habe 
ein Weicheres, gleidjfam baumwoßeneS £erz für 
Seute, Welche in breiftödigen Käufern Wohnen 
unb alle Sage zweimal ffaffee trinfen unb viele 
fchöne ffleiber haben unb auf ben ©aß gehen; 
ber 3lrme aber gehöre nur zum SluSfdfjuß unb 
werbe auch im |>immel hö<hften3 nur ein £*n* 
terfafj ober 3luSmärfer. 

ipat nicht ber £erobe3 banfettirt unb ftarf 
äBein gefoffen unb ©ercheS gegeffen, unb haben 
fie ihm nicf)t aufgefpielt unb türfifche SRufif ge* 
macht ? Unb bie Sodjter ber liebertichen ^ero* 
biaS hat vor ihm getanzt unb ©prüng’ gemacht, 
auf baß fein §erz fich ergöfcete in großer gröp* 
lid^feit; unb überhaupt hat biefer $erobe3 mit 
feinem ffebsweib viel ©fjr’ unb Sergnügenheit 
mitgemacht unb auSgeftanben. Unten aber ßpt 
im feuchtenfferferlodh3ohauneS ber Säufer unb 
hat fchlechte Suft unb fdjlecbtcS Sicht unb fcßlechte 
3luSficht; unb feine ©lieber finb angefeffelt mit 
harten ffetten, unb ift nirgenbS ein SluSfommen 
ZU fehen. Unb zutept hört man gußtritte unb 
©eflirr oon ©chlüffeln, unb bie Shür geht auf, 
unb fie fommen herein, ber Scharfrichter mit 
einem ©efeßen ober zwei, unb haben eine SdE)üf* 
fei unb ein Schwert—unb tljun bem 3ohanneS 
©ewalt an unb fchneiben ihm unzeitig baS eble 
£aupt ab unb legen eS in bie ©<f|üffet. ©o ift 
eS gegangen. Söleinft bu Wohl, ber £erobe3 
fei ©otteS ©chooßfinb gewefen, unb ber 3oban* 
neS weggeworfen wie ein verbrauchter Schuh 5 
riemen? ©ewiß nicht. 

©ott ift ein ©ater, ber in bem £immet ift; 
bort erft zeigt fich h e ü? ©ott für ein ©ater, 
unb Wer fein liebes ffinb ift. ©ei barum fein 
Karr unb auch lein 6fel, Wenn eS bir hinberlich 
geht. SSenn ber franfe ©ettelmann auf bem 
löcherigen ©trohfad liegt unb träumt, er habe 
eine ganze ffifte bofl ©elb unb fei ein großer 
£>err, unb um ihn ftehen viele ©ebienten mit 
Sivree unb warten ihm auf mit ©ebratenem unb 
rothem SEBein unb ffirchweihfudfjen, unb Wenn er 
fo Vor ©täfir unb Suft im Sraum heßauf jauchzt, 
baß er ob bem eigenen SBalbgefdfjrei erwacht; 
unb wenn ber föniglidje Jüngling im ©oßblut 
feiner ff raft unb 3agenb einen ängftlichen Sraum 


Digitizechby 




Pentfyari) oon (llainmiu. 


675 


fyat, als fei er fdfjtoer bebrängt unb eingeenget, 
unb jufammenf^reeft unb baoon ertoad^t: fo ift 
ob beS furjen Traumes ber Bettler boef) fein 
großer £err unb nidfjt glüeflief) ^u greifen, unb 
ber Sönigfoljn ob feines fdjtoeren SraumeS noef) 
nid)t im ©lenb, fonbern eS ift ein jeber toaS er 
eben im SBadjen ift. 

Siel), nun ift and) baS ganje (Srbenleben 
überhaupt nur ein furjer Sraum; ber eine tjat 
einen ergöfelidfjen 2raum, ber anbere träumt 
ferner. Aber toaS einer ift, unb toie eS mit 
feinem @cf)icffal auSfieljt, baS. toirb erft offen* 
bar beim Auftoadfjen, toenn ber Borfyang unb 
bie Bettbecfe beS SeibeS abgewogen toirb oon 
ber Seele, unb ber 2ob bie Säben aufmadfjt. 


®arum fage feiner, ©ott fei ein barteiifetjer 
Sater ober ein harter ©ott. SEBemt eS bir übel 
gefyt auf ©rben, fo ift baS nur ein fdjtoerblüti* 
ger Sraum; unb Seib unb greub’ $iehen oor* 
über toie SRorgennebel unb Abenbrotlj. 2Bart’ 
nur ein toenig, fütjr’ bief) gut auf unb folg’ redfjt 
(benn toaS man tljut unb toie man getoorben 
ift, baS aßein ift fein Iraum): bann toirft bu 
einmal inne toerben, toie freunblidj ber $err ift, 
unb toaS er für ein SSaterfjerg f)at, unb baß er 
bir aßeS übermäßig auf 3ütfen gelegt f)at unb 
IjerauSaalßt, toaS bu auf ©rben entbehrt tjaft. 
S)enn ein Augenbtid im £>itnmel ift nteljr, als 
taufenb gafjre im tjödfjften ©lücf auf ©rben. 
Unb biefer ift bir ju gut gefdtjrieben." 





Pernljart) non (Ülairtiau*. 

tta$ Duellen für $auS unb §erb Hon ©regoriuS. 


Jecelin, ber Bater beS ^eiligen Bernharb, 
mar ein burgunbifdjer tJtitter, boller 
ÄtompfeSluft unb Ooß ©laubenS. Sein 
Söeib Aleth, bie Sftutter bon fieben Äin* 
bern, regierte in ber gamilie mit befon* 
berer x&ürbe unb geheiligter Siebe. 
3h rc ©ö^ne, fed)S an ber 3al)l, mürben 
alle bem £erm gemeint; aber BernharD, ber britte, 
mar ihr befonbercr Siebling. ©r mar jd)ön bon An* 
gefleht, hotte einen fchtoächlichen Körperbau, aber einen 
ftarfen, tlaren ©eift, eine gute AuffaffungSgabe unb 
ein ftarfeS ©rinnerungSbermÖgen. Bon gugenb auf 
bemerfte man an ihm ein tief unb*artfühlenbeS, leicht 
gerührtes, ben ©Uern mit inniger grömmigfeit erge* 
beneS ©emüth, melcheS mit Borliebe ben religiösen 
Gingen jugetehrt mar. AIS $nabe mifc^te er fich 
mentg unter feine AlterSgenoffen; fchmeiafam, fin* 
nenb unb in fich gelehrt, blieb er am liebften in ber 
Stiße beS elterlichen foaufeS. Auf ber Schule $u 
©hatißon, mo er ben erften Unterricht empfing, über* 
traf er afle feine ßftitfchüler an ftaffungSfraft für bie 
ßehraeaenftänbe. Sobalb ihm oie heilige Schrift au* 

S anglich mar, laS er fie mit großem ©ifer, unb manche 
füge feiner auf baS SBefen beS ©hriftenthumS ge* 
nchteten grömmigfeit laffen fich burch biefe £hatfadje 
erflären. Bernharb genoß bor aßen ft'inbern bie 
Siebe unb baS ©ebet feiner frommen Sttutter. Sie 
mar eine ftrenge Büßerin, immer bon ßftönchen um* 
geben unb geleitet. Nichts herrlicheres badfte fie fich, 
als au* ben Sohn biefem heiligen Stanbe ju rnib* 
men. Aber bie Bhitter ftarb, ehe er jum Spanne her* 
angemachfen unb ßttönch gemorben mar; aber auch 
nach bem Xobe ber 9Jtutter fchmebte bem jungen 23ern* 
haro iht 93ßh immer mieber bor, unb ftetS bon 
feuernjog eS iljn, ben liebften SBunfch ber Seligen 
iu erfüllen. Seme Söruber jeboch bemühten fich feine 
©ntfdbeibung ju hintertreiben, inbem fie ihm bie firdj* 
liehe SBiffenfihaft als ben für ihn geeigneten ©egen* 
ftanb borhielten. SDoch auf bie 5)auer bermochte 
felbft baS eifrigfte Stubium nicht, jene tiefe Neigung 
ju befeitigen; fie brach unmiberftehlich h^^^or, als er 
einft auf einfamem SBege fich mit Betrachtung feines 
eigenen Sehens befchäfttgte unb feinem inneren Sluge 


bie mahnenbe ©eftalt feiner Sftutter gleich einer @r* 
icheinung fich barfteßte. ©r ging in eine am SBege 
ftehenbe $ird)e unb unter ©ebet unb heißen Spänen 
meihte er fich ©ott unb bem SJtönchthum. Qmeiunb* 
jman^ig gapre alt, erfchien Söernharb im Qfthre 1113 
mit breißig ©efäljrten bor bem Slbte Stephan £ar* 
bing unb oerlangte für biefe Schaar Aufnahme im 
^loiter ©iteau£. SJierfmüibig ift, baß feine fünf 
trüber fpäter feinem Söeifpiel folgten unb bie ÄriegS* 
rüftung gegen bie SftönchSfutte bertaufchten. SBern* 
harb ftellte nun bie gan^eStrenge ber Siegel leibhaft 
in feiner fßerfon bar. Sttit einer ©emiffenhaftigreit, 
melche aßen als ein ßJhifter borleuAtete, berfah er bie 
3)ienfte eines S^obi^en unb 2KöncheS. Qmmerfort 
bie 5^age an fich richtenb: „^ernharb, 33ernharb, 
moju bift bu hierher getommen?“ hielt er fich feinen 
Seruf gegenmärtig. S^on nach jmei fahren reichte 
ber SRaum beS ÄlofterS nicht mehr für bie bielen 9ftit* 
alieber beS OrbenS, man ging an bie ©rünbung einer 
a^önchSfolonie. ©in büftereS, öbeS ST^al im norb* 
meftlichen ©umunb marb ^um Orte unb 33emharb 
jum Slbtc ber Stiftung auSerfeben. ©ernharb nannte 
bie Stiftung ©lairbauy—Schönthal. Anfänglich legte 
ber unmirtphare Aufenthalt ben 93emohnern harte 
©efchmerben auf. 3pre Nahrung beftanb häußg aus 
S3uchenblättem, §aferbrob unb ^irfen. Aßein Bern* 
harb ließ nie ben ßftuth finfen. gn ber ASfefe 
tonnte er fich nicht ©enüge thun. $er Sd^laf fd^ien 
ihm ein SRaub an ber gett, unb nur rnenige Stunben 
gönnte er fich bie SRuhe. Seine Nahrung beftanb auS 
Brob unb ßJtilcfa ober ©emüfe, ftetS machte er mit 
peinlicher Sorgfalt barüber, baß er baS 9flaß ber 
Speifen nicht überfchritt. Seine §üße fdjmoßen, meil 
er ftehenb Zaa unb ytacht im ©ebete anhielt. SBaren 
bie äußeren Anforberungen beS 3)ienjteS erfüßt, fo 
liebte er eS, fich in bie Stiße juriicfjujiehen, um fich 
auSfdjIießlicher bem ©ebet, ber Betrachtung, ber Set* 
türe unb fchriftfteßerifchen Arbeit ju mibmen. 5)ie 
Bibel blieb feine liebfte unb aiihaltenbfte Settüre, 
©em nahm er fie mit fich in bie ©infamfeit beS gel* 
beS unb fealbeS. 3)ort eröffnete fi^ ihm unter ©e* 
bet unb 9tad)benfen baS tiefe, geift* unb gemüthoofle 
Berftänbniß berfelben, bon meichem feine SBerfe jeu* 


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576 


pemljurb oou (Slairuaux. 


gen. ©r pabe, pflegte er fcperaenb feinen greunben 
ju fagen, babei feine Seprer gehabt, als bte ©icpen 
unb Suchen. Obwohl er ein befonberer greunb ber 
Sßatur war, fo fonnte baS, was ipn innerlich lebhaft 
befcpäftigte, ber Außenwelt gänjlid) entjiepen. ©o 
a. ©. ritt er einen Xag lang in ber 9?äpe beS Genfer 
©eeS, aber als man am Wbenb oon bemjelben fpracp, 
patte er nicptS baoon waprgenommen. 

©olcp ernftcS Gingen mit feiner ©flicpt, fo anpal* 
tenbe ©elbftprüfung, fo fräftige ffticfatung beS (Seiftet 
auf ©ott, wie eS fiep bei ©ernparb fanb, oerliep ipm 
jene reiepe cpriftlicpe ©rfaprung unb ftenntniß beS 
menjcplicpen öeraenS, moburep er fiep eignete, ein geift* 
lieper güprerfür anbere ju werben, ©eine s $rebig* 
ten unb ©riefe beroeifen eS, wie feparffieptig er für bte 
ftuftänbe beS ©emütbeS War. 3?n etnfaepen, großen 
3ügen, mit burcpfcplagenber $raft, pflegte er baS 
©oangelium emporjupalten, baß fiep ber 3rvenbe 
baran ^ureeptfinbe. grüpe hatte man baper baS 33er* 
trauen au ipm, baß er oor Slnbern befäpigt fei, ntön* 
epifepe Ängelegenpeiten ju orbnen, unb würben ihm 
fcpoit 1128 baS ^auptgefepäft beim ©ntwurf ber 0r* 
benSregel für bie Xempelperrn übertragen, ©eine 

f rebigten Äeicpnetcn fiep namentlicp aus burep tiefe 
nnigreit, feurige Siebe ju ©prifto, ©rpabenpeit ber 
pttlicpen Slnforberungen an anbern unb fiep felbft, 
Seben in ber peiligen ©eprift, inneres ©erftänbntß 
berfelben unb treffenbe ©eAiepung auf baS praftifepe 
©erpalten feiner 3 eit - hieraus begreift man bie 
SJiöglicpfeit beS ungeheuren ©inbrudS, welchen er, 
wenn er fiep ber ©ingeoung beS SlugenblidS üoerließ, 
auf bie oerfammelten ©olfsfepaaren maepte, ju wel* 
epen ber SRuf feiner §eiligteit oorauSgeeilt war. Sur* 
ben boep bie Xeutfcpen am SRhein, welcpe feine ©praepe 
niept oerftanben, burep bie ©egeifteruna, welcpe auS 
ber abgejeprten ©eftalt fpracp, burep feine ©eberbe, 
einen ©lid f ben Xon feiner ©timme pingeriffen, baß 
ie nieberfnteten unb Xpränen oergoffen. Xem pei* 
igen ©ifer, ber proppetifepen 3uüerftcpt, mit welcper 
er rebete unb panbelte, unb womit bennoep eine fluge 
©enüßung ber Umftänbe oerbunben war, wiberftanb 
niept leiept Qemanb, an welcpen er fiep perfönlicp 


wanbte. 

Xer 9tupm feiner ^eiligfeit unb ©erebtfamfeit, fei* 
ner SeiSpcit unb feines SunberglaubenS oerbreitete 
fiep oon einem $lofter Aum anbern, fepon lange oor 
bem ©egiitn feiner öffeittlicpen Saufbapu. ©eine 
©erebtfamfeit war eine ganA befonbere: patpetifcp, 
feurig, ja leibenfepaftliep, einoringlicp; begierig nadj 
augenbltcfliepett ©rfolgen; oott ntfpinrter ft'üpnpeit; 
ju 3?itcn an proppeti|cpe ©ifionen angren^enb; per* 
auSforbernb, opnegurdjt oor ber ©ein beS ©tärtprer* 
tpumS unb beS XobeS. ©eine Briefe jeugten oon 
unerfeprodener Offenpeit, oou feltenem, gefunben 
©erftanb, oon inännlidjer Sürbe, burcpAogen oon ber 
feiner ©atur eigenen fteftigfeit, woburep ber Umfang 
feines ©erftaitbeS, fowic bte ©injepränfung, welcper 
er burep ©r^iepun^fäpig war, beutlicp §tt Xaac trat. 

Xie erfte große Ipat beS peiligen ©ernparb oeftanb 
barin, baß er gnnocciiA II. auf ben päpftlicpen Xpron 
oerpalf. Xie ^wicjpältige ^Sapftwapl, woburep im 
gapre 1130 gititoceitj II. unb ^Inaclet II. einanber 
gegenübergcftellt würben, war ein ©rcignig, beffett 
Xragweite unb 33cbeutung tlar oor ber Seele beS 
hetligett 33ernparb ftattb. Xer Stampf jwifdjen ben 
beiben rioalifirenben ^äpften bropte ben Untergang 
ber tnittelaltcrlkpen Stircpe. Xcnn ,^wei ^üpfte war 
alcicpbebcutcnb mit AWei ^Bifdjöfeit itt icbem ilircpen* 
jprettgel unb jwei Vlebte tn jebem Älofter. Xu rep 
SouiS VI. oon ^raitfreicp aufgeforbert, maepte fiep 
©ernparb auf ben 38eg ber Ä'ircpenoerfammlung ^u 


©StampeS bei^uwopnen. Unterwegs würbe eS ipm 
burep ©efiepte unb pimmliftpe ©ingebungen fonnen* 
flar, wer oon beiben beS piipftlicpen ©tupleS würbig 
fei. ©r entfepieb fiep baper opne 3 Ö 0 em für Sfnnocenj 
unb war eS feinem ©influfj ^u^ufd^reiben, bag ber 
franjöfifcpe SlleruS fiep ebenfalls, für ftnnocetta ent¬ 
fepieb. Xicfer entfepetbenben ©rtiärung folgten bie 
Könige oon Xeutfeplanb, g^ntreiep unb ©nglanb. 
Xie ©ebenfen beS Königs oon ©nglanb, ßeinrtcp I., 
befeitigte ©emparb perfönlicp unb füprte tpn $u bem 
©apfte nadp ©partreS; er geleitete ignnocenj Aum 
Äaifer Sotpar naep Sütticp, unb feinem ©Sorte gelang 
eS, bie 3(nfprücpe SotparS perab^uftimmen, fo bag 
beibe gürften als Sreuube fepieben. fftaepbem er bem 
©apfte auf beffen Steifen burep grantreiep als Stebner 
unb gürfpreeper ^ur ©eite geftanben, begleitete er ipn 
1133 burep Qtalten naep 5tom. Xer ©ieg war ein 
üollftänbiger. Xer ©ntpuftaSmuS für ©ernparb felbft 
fteigerte fiep ^u einer ßbpe, bie einem in cpriftlicper 
Xemutp minber feft bearünbeten ©eifte bie größte 
©efahr patte werben müffen. Xie Wirten tarnen oon 
ben ©ergen perab, ihn ju fepen unb bie ftol^en ©tai* 
länber legten allen ^epmuct ab, um ipm $u gefallen, 
©türmifcp baten fie ipn, ipr ©r^btfepof ju werben, 
boep er wollte nur als 2lbt ein ©Serfjeug beS göttlicpen 
©SiuenS fein. Xen ©rafen ©Silpelm oon Slciuitanien, 
weleper noep um ber 3?apfteSmahl ben ©ifcpöfen feines 
SanbeS grollte, patten Weber ©ernparb’S ©orftedun» 
gen, noep ber ©ann Aur Stacpgiebigfeit oermoept. ©inft 
pielt ©ernparb in feiner ©egenwart bie ©teffe. SJtit 
ber ©oftie tn ber peiligen ©epale fepritt er burep bie 
in atpemlofer ©eftürjung baftepenbe ©tenge auf ben 
©rafen ju, unb mit flammenbem ©lief forberte er ipn 
im ©amen beS gegenwärtigen ©priftuS $ur ©erföp- 
nung mit bem ©ifcpof oon ©oitierS auf. Xer ©raf 
ftür^te nieber wieoom©lip getroffen; all fein©3iber- 
ftanb war gebroepen. Qft eS ein ©Sunber, wenn oon 
einem ©tanne oon foleper ©laubenStraft, oon folcper 
©ewalt über bie ©emütper, in einer religiös erregten 
3eit Xpaten wunberbarer 2lrt an Uranien auf ein* 
faepe, aniepauliepe Söeife berieptet werben, ia, wenn 
er felbft fiep auf bergleiepen beruft, opne fie irgenb $u 
überfepäpen? ä u oerwunbern, wenn etne be* 

fonnene Äritit es niept unglaublich finbet, baß fiep in 
©ernparb pin unb wieber bie Kräfte ber apoftohfepen 
3 eit erneut paben? 

Xer ©apft im Mittelalter war niept bie pöepfte 
Ä'raft ber ä'ircpe. ^ilbebranb fcpuf unb regierte 
©äpfte, opne bie Seit in ©rftaunen $u fepen. ©ern¬ 
parb oon ©lairoauf war mäeptiger als irgenb ein re- 
gierenbeS §aupt ber Äirepe feiner 3 c 't. Äm ©ewußt* 
fein biefer Macpt unb jugleiep feiner Slufridptigteit, 
f<prieb er Qnnocen^ ©riefe, wie bem epemaligen §o* 
noriuS, bie ooll ernfter 3urecptweifung waren unb 
faft an einen imperatioen ©efepl grenzten, gür feine 
^ßerfon patte er feine Qntereffen; er ließ fiep naep fei¬ 
nem 9lmt noep Stellung gelüften. ©eine Ueberau- 
gungen aber ocr^eprten ipn faft. Xie Äirepe galt tpm 
als bie 9lrcpe beS lebenbigen ©otteS. Unreine ^>änbe 
in ipr au erbliden erregte ihn leibenfcpaftlieper 
©orftetlung unb Stüge oeS ©Öfen, ©elbft, wo fiep 
©ernparb im Unrechten befanb, wie im gallc eines 
clummjer MöncpeS, ben er abfepen ließ — um feinen 
©erwanbten einfüpren au fönnen, wagte maneSfaum 
ipm a u wiberftepen. Sie alle pofittOe Naturen eS 
finb, war auep ©ernparb mißtrauifcp gegen jebe ©e- 
wegung, bie niept oon ipm auSging ober boep unter 
feiner Seitung ftanb. 

Xer Aweite Äampf, in welcpem ©ernparb entfepie- 
benn Stellung au nehmen fiep genöthigt fanb, bejog 
fiep auf ben erften 3u(ammenftoß ber$pilofoppieuni> 


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Pit Sopfjte bie fäiiljU rettete. 


677 


ber Ortbobofie beä äRittelalter«. Die Unioerfitäten 
patten ftd) im zwölften ^aprpunbert ju einer bebeu- 
tenben 9Kacpt auSgebilbet. Ser perborragenbfte 
©cpüler ber bamaligen 3*it war Veter Abälarb bon 

f ariS. Ser ©influß, welcher bon Abälarb unb feiner 
cpule auSging, war für Vemharb beforgnißerregenb. 
Vetbe waren fo öerfcpieben inviatur unb ©ntwialung 
unbjugleicp fo bebeutenb,baß notpwenbig ein Augen* 
blicf eintreten mußte, wo fie fiep im Kampfe begegne* 
ten. Abälarb, ber um 12 $apre her ältere bon bei* 
ben war, batte fcpon als Jüngling fiep ausgezeichnet, 
©r war fcpön, ftolA unb etgenfücptig; $u R^teu war 
er in feiner SRebe farfaftifcp unb bou beißenoen SSifeeS. 
©r war grünblicp unb umfaffenb in feinem SBiffen, 
aber boü VSanfelmutpS in feinen Ueberjeugungen. 
3n feiner ©petulation war er originell, in ber Aus¬ 
legung oermeffen; er war fcpnell tn ber ©ntbetfung 
ber ©d)mäcpen feines ©egnerS, aber ju ungebulbig 
unb beränberlid) in ber Verfolgung eines 3ieleS. ©r 
mar freier unb umfaffenber unb btaleftifcper in feiner 
SBiffenfcpaft, aber Vemharb war tiefer, glutbootter 
unb im «Sorte mächtiger. Von ben fircplicpen lieber- 
liefcrungen gehalten, blieb Vemparb bei AuguftinuS 
Siegel, baß ber ©laube bem ©rfennen borangepe; bon 
bemSrieonacp begrifflicher ©rtenntniß angefpornt, 
behauptete Abälarb mtt AriftoteleS, eS fei nüpücp an 


aüen Singen $u zweifeln, 
©eine Vefttmmung über 


ben ©lauben unb fein 
Verpältniß ^ur Vernunft festen Vemparb rationa* 
liitifcp, ferne £epre bon ber ©ünbe unb ©rlöfung 
fepien ihm palagionifcp $u fein, ©in ©efpräcp, in 
welchem Vemharb fogletdj mit ber VorauSfepung 
auftrat, Abälarb muffe wiberrufen, hotte jur golge, 
baß Abälarb felber berlangte, auf einer ©pnobe ge* 
prüft au werben. SieS gejepah zu ©enS 1140. SaS 
Venepmen Vemparb’S ift pter nicht ohne ©chatten* 
feite. ®r bepanbelte ihn nicht nur unbillig, fonbern 
auch unaufrichtig. Abälarb würbe berurtheilt unb 
Vemharb wußte auch feine Appellation bei bem Vapjte 
fruchtlos $u machen, ©pater unterwarf er ftep 
ber ftirepe, fuchte Vemharb perfönlich auf unb ber* 
föhnte ftcb mit ihm. ©r erhielt baher bom ^Sapfte 
bie ©rlaubniß, bie noch übrtgen Sage feines SebenS 
im Itlofter ©lugnp ju^ubringen, wo er feine ©tubien 
fortfepte, beftänbig laS, häufig betete unb gerne 
fcpwiea. $ätte er hoch nur bte 9flecptfcpaffenheit beS 
©ewiffenS, bie $raft ber ©elbftberleugnung, bie Un* 
erfchrocfenheit unb ©nergie eines unbeugfamen 28il= 
lenS befeffen, bie ber heilige Vemharb befaß! Siefe 
©tücfe, in Verbinbung mit ber ©röße feines ©eifteS 
mürben ihn jum inteHeftueHen fetter granfretcpS 
unb beS mobemen ©uropagemacht hoben! 

Abälarb ftarb in 1142. Srei Sapre fpäter würbe 
Vemharb bom tönig SouiS VII. unb $apft ©ugen 
berufen im $ntereffe beS zweiten Äteu^ugeS $u pre* 


bigen. gn biefer großen Vewegung ftanb mehr auf 
bem ©piel als baS leere ©rab $u igerujalem. ©eit 
Saprpunberten hielten bie ©aracenen unb Sürten 
©uropa in gurept. ©ie hatten ©panien überfallen 
unb bropten granfreiep; (ie befuhren baS mitteüän* 
bifepe äfteer. Sangfam aber fteper mar ihre Verne* 
gung gegen ben Umfturz beS morgenlänbifcpen ©hri* 
ftentpumS. granfreiep erfamtte ferne gefaprbropenbe 
Sage unb Vemharb war bereit für einen ^weiten 
ftteujuug feinen ©influß geltenb <ju machen, unb eSge* 
lang ipm baS Volf für ben 3ng, fur ben Vapft unb für 
fiep ju bem feurigften ©nthufiaSmuS aufjuregen. Sa 
man feinen tn ber Spat niept feiten beftätigten SBeiffa* 
gungen au trauen pflegte, fo erwartete man auch fidper 
ben glüalicpen AuSgang beS Äreu^ugeS, weichen er 
üorauSgefagt hotte. Aber au VemJarb’S unausfprech 5 
lichem oepmerje unb nicht opne fRudwirlung auf feine 
©teüung, war baS ©rgeoniß ein pöcpft unglüdlicpeS. 
Siefe ©rfaprung patte eine erfcpüttembeSBirtungauf 
Vemparb naep Seib unb ©eele. Saufenbe begeiftert 
au paben für einen treujjug, ber mit einer fdbmäp* 
Hcpen Slieberlage enbigte, brüefte tpn faft ju Voben. 
©r war beS Kampfes, ja ÖeS SebenS mübe. @r teprte 
in baS Sil öfter ^urücf, um $u fterben. Sie Vtöncpe 
bon ©lairoauf empßngen ipn mit offenen Slrmen, um 
fiep feiner güprung $u unterwerfen, ©ie fannten ipn 
am Veften. ©ie fapen ipn ben linfen Vacfen bar* 
reiepen, als man ipm auf ben reepten fcplug. ©ie pat¬ 
ten fiep oft um ipn oerfammelt, um im ©ebet getrö* 
ftet au werben, gür fte patte er baS Sieb gebteptet: 
“Salve caput cruentatum” (wobon baS tpeure Sieb 
Vaul ©erparb’S im Sabre 1659: „O^aupt, boll Vlut 
unb SSuuben^ eine $acpbilbung ift) ein Sieb, beffen 
pingebenbe Verehrung Weber burep ben Sauf ber 3eit, 
noep burep eine Uebertragung in eine anbere ©praepe 
jerftört werben tann. 

Vernhorb’S bauembe ©cpwäcpe ging in eine lang¬ 
wierige Äranfpcit über, in welcper er oft fepr erreg¬ 
bar unb unbilltg in feinen gorberungen unb ©rwar- 
tungen war. äftit peißer ©epnfucpt erwartete er ben 
Sob f welcper fiep am 20. Sluguft 1153 einftellte. 

©tne ^Injapl Segenben betreffs feiner 9lutporität 
unb 3Sunberfraft werben immer noch öon feinen An¬ 
hängern er^äplt, unter melcpen folgenbe ben ^aupt- 
jug oiefeS mertmürbigen Cannes am Sreffenbften ^a* 
ratterifirt: Vei feinem Abfcpieb auS ber feelt foü eS 
©atan gelungen fein, ein 9tab beS feurigen SSagenS 
ab^ubreepen, in welchem er im Vegriffe war gen Fim¬ 
mel ju fahren. ,,©ei bu mein 9tab, bu böfer ©eift," 
rief ber unbefiegte Ipeilige aus. Unb fiepe ba! 
©ajneHer als ber Vlip oermanbelte fiep ber ©atan in 
ein Ülab, befeftigte fiep an bte Seicpfel, fing in aller 
Untertpänigfett an mit ben anbem SRäbem feine 
©cpwingungen ju machen unb gab Vemparb in biefer 
entfteüten ©eftalt baS ©eleit in ben $immel! 




|9ie Soppie bie Dtiiljle rettete. 

Ä aäf btm gnglif^m bon 8. 9s#. 


Illnferg lieben ©otte§ ©onne bleibt immer bie 
M, gleite, ©benfo märmenb unb belebenb, 
wie fie beute febeint, befdjien fie ainb bor 
ettoa bunbert fahren eine trauliche ©teile im 
SÖlobamf Ubole, mo am gtufjufer eine alte 
SKiible ftanb. 3 n ib« n glängenben ©trablen 


febienen bie murmelnben glutben unb raftlo^ fi<b 
träufelnben JBellen mit lauter blenbenben ©bei» 
fteinen burcbttnrlt p fein. IBa jeboeb, tuo ber 
©ebatten ber SD?üt)le auf« SBaffer fiel, mar eine 
büftere, bemegung«lofe gtäcbe, roelcber nur bie 
meinen ©djaumftoclen, bie ba« gro|e SRüblrab 


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578 


Pie Sophie bie PUIjle rettete. 


unabläffig an bie Oberfläche beförberte, einiges 
geben oertiehen. 9ln bent jenfeitigen Ufer, 
gerabe biefcr fdjattigen ©teile gegenüber, befan» 
ben fiel) beS SKüßerS S'inber: grifc, Sophie, 
SDiargot unb SInnefe ^erber. 

grifc mar eben bei feiner SieblingSbefdjäfti» 
gung — er pu§te SaterS giinte; bie beiben 
älteren SDtäbdjen ftridten; bie Keine Slnnefe ba» 
gegen famnxelte Slumen unb machte ©träufje. 

,,©o!" fagte grifc, als er ben Sauf i)iib\6) 
blan! gerieben hatte, „nun mögen bie 2BiI= 
ben fommen, ich »erbe fie fefjort ju empfangen 
miffen." 

„S§ft!" mahnte Sophie, inbem fie einen ängft» 
Ii(f»en Süd gegen ben SBalb hinfanbte, ber ben 
hinter ihnen liegeuben £>ügel bebedte. 

Margot bagegen tarnte fjeß auf: „SBaS bu 
boch für ein ^afenfufj bift, ©optjie! ®enfe bir 
nur, grij}, als mir geftern Slbenb Don grau 
SReitf|3 E>eim?etirten, entfette fidü Sophie über 
jeben Saumftumpf. Unb oorigen Sonntag, als 
mir jur Sinberlehre gingen, unterfudjte fie jebe 
SBinbung unb Siegung beS ©tromeS, ob fie 
nicht irgenbmo einen ®rupp SRottj^äute entbede. 
Sein SBunber, bajj fie Sater SI)effelmad)er’S 
gragen nicht beantmorten fonnte. SBie Der» 
brieflich ber arme ÜRann bod; gemefen ift!" 

„®u haft aber beine Aufgabe auch nid)t gut 
getonnt," fagte grifc lädjelnb. 

„gdj? 0 baS ift nichts ßteueS. 3<h bean» 
fprudje auch ganj unb gar nidjt bie ©eleljrfam» 
feit in ber gamilie ju Dertreten. ®er geig heit 
jebod) fofl mich SGiemanb befd^ulbigen, unb mür» 
ben bie SRottipute auf mid) einen Slnfaß machen, 
fo moßte ich mich mit aßer SDtadjt Dertljeibigen, 
auch menn icf) fottft nidjtS hätte als biefe ©trief» 
nabeln." 

„®aS fiefjt bir gteief)!" ermiberte griff, in» 
bem er it»r bie buntlcn Soden ftrid). ,,©s freut 
mief), baff mir bod) menigftenS e i n tapferes 
SRäbdjen in ber gamilie haben. 

©opf)ie mürbe ein Kein menig rotb im ©efidft, 
aber fie fagte ganj ruhig: „3dj »«6» baff ich 
tein Jpelb bin. @S fdfaubert mich, nur an bie 
Qnbiancr ju benten. Unb menn fie mirHidj 
tommen füllten, fo tönte ich taum maS SInbereS 
thun, als beten. 

„^mfdj! eS mirb froftig," bemertte SDiargot, 
inbem fie ihr ©tridjeug jufamtnenlegte nnb ein» 
ftedte. „Seift nur, bie ©onne ift fchon unter; 
eS ift ged bie Sühe ju melten, bort bringt fie 
auch fchon Johann Don ber SSeibe jurüd. Unb 
toenige Slugenblide barauf marfchirten bie bei» 
ben ßJläbchen, mit ©imern oerfehen, bem £>ofe 
ju, mo ihrer bie Sühe mit ooßem guter harrten. 

®aS grofje, runbe XageSlidft oerfchmanb 
tangfam hinter ben entfernten $ügeln. geudf» 


tigfeit Dom giuffe her füßte bie Suft; IjeßeS 
Serjenlicht leuchtete burdj bie offene ihüre ber 
SDlühle, unb im SBohnjimmer bereitete grau 
Berber baS Stbenbeffen. Slflerlei mürjige ®üfte 
tarnen aus ber Südfe heroor unb frffärften ben 
Stppetit beS braoen SDlüflerS, melcher nach an» 
geftrengtem Sagemerf Dor bem fpnufe figenb, 
gemüthlich fein Pfeifchen rauchte, unb mit ftißer 
^ufriebenheit ben DerheiffungSboflen grühtingS» 
muchs in feinem ©arten überbaute. 

@S mar ein friebeooßeS, feierliches Sitb, 
rnohl geeignet, jeglichen ©ebanfen an ©efahr 
unb Sampf ju berfcheudjen, unb heiterer SJluth 
jog in ©ophie’S fjerj ein, atS fie, einen ©imer 
Doß fchäumenber SJlilch in jeber i>anb, leichten 
gujjeS baher tarn. 2US fie jeboch jufäflig ben 
Süd nach bem £>ügel hm richtete, um beffen 
©ipfel gerabe noch bie lebten Strahlen ber 
©onne fpielten, gemann ihr ©eficht plöfftidj 
mieber einen geängftigten StuSbrud, unb eiligft 
bie ©imer nieberfefcenb, rief fie in erfdjrodenem 
giüftertone: 

„Sater! Sater! 2SaS finb benn baS für 
fdjmarje Sßuntte auf bem §ügel bort ? Scheint 
es nicht, als ob fie fich langfam abmärtS be» 
megten?" 

|jerr Berber fprang haftig auf unb fchaute 
febarf in bie Don feiner jodjter angegebenen 
^Richtung. 

„Sinb bie Schafe in ber $ürbe ?" fragte er 
ernft. 

„3atoohl! ber Heine Johann hat fie einge» 
than, ehe er nach £>aufe ging. SBarum Sater? 
fürchteft bu etma ©efahr Don SBölfen ? ©inb 
bie fchmarjen Sßuntte etma SBölfe?" 

„SBölfe? 3° Sinb, 3Siölfe in SDlenfchenge» 
ftalt. SBenn ich nicht irre, finb eS Qnbianer, 
bie bort herabfc|leichen, um unoerfehenS über 
unS herjufaßen. Steh! baS ift eS, toaS id) fchon 
längft gefürchtet habe. ®ie SDlühle moßen fie 
uns Derbrennen, benn fie miffen ganj toohl, ba^ 
bie Slnfiebler für baS SDlahten ihres ©etreibeS 
barauf angemiefen finb. ©ott ftehe uns bei! 
SBir miiffen uns mehren, ©ile, Sophie, fage 
ber SDlutter, bafj fie ®h«ren unb genfter fchliejje. 
SDlelbe griß, ba§ er bie giinten bringe. SBenn 
mir nur etrnaS mehr 3«it hätten, fo mürbe ich 
ihn nach bem gort um 4?ülfe fdjiden; aber eS 
ift ju fpät, er muß ba bleiben, mir ju helfen. 
®odj maS ift bir benn, Sophie, bu fiehft ja aus 
mic ein Seintuch ? 91 ur munter äRäbdjen! 3 uni 
Ohnmächtigmerben ift je§t feine 3eit!" 

®ie nächfte Siertelftunbe mar in ber SDlühle 
eine 3 e it großer Sermirrung. ®ie fdjmeren 
©ichenthüren mürben Derriegelt unb oerbarrifa» 
birt; bie höljernen gäben mürben forgfam be» 
feftigt; giinten unb SKunition mürben bereit 


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ISie Sophie bie IRUfele rettete. 


579 


gelegt. (BaS fehmaefhafte (Sffen bagegen ttmrbe 
talt unb üertroefnete im großen Ä'effel, benn 
©iemanb f»atte mehr junget. Stur bie Heine 
Slnnefe, bie an bem ungewohnten (Burcheinanber 
ein finblich ©ergnügen fanb, berührte be^aglicE) 
eine Schale ©tildj unb ©rob, bie fie üon ber 
©tutter erhalten hatte. ©nblich, als alle ©or= 
feljrungen getroffen waren, unb in banger (Sr 
Wartung bie ®raft ftch berührte, liefen fich 
braunen Schritte bernehmen; ein lautes Klopfen 
erfchoH an ber jL£)üre, unb eine gebieterifche 
Stimme rief: „Sluf, in beS Königs St amen!" 
worauf fperr Berber mit einer beherzten SBei* 
gerung antwortete. So begann benn bie Sela 
gerung ber ©tüt)(e. 

SBaS War unterbeffen aus Sophie geworben ? 
Sie hatte bie Heine ännefe in ein anbereS 3im= 
mer gebracht, wohin feine glintenfugeln bringen 
fonnten, unb währenb fie baS mübeÄinb in ben 
Schlaf fchaufelte, wogte eS unaufhörlich in 
ihrem inneren auf unb ab, ob fie benn nicht 
irgenb etwas tfjun fönnte jur Rettung ber 
©tühle. (BaS ©ebäube war fehr folib aufge* 
führt, unb befewegen liefe fich annehmen, bafe 
bie SBilben fauro im Stanbe fein würben, eS 
nieber ju reifeen; baS jeboch lag nahe, bafe fie 
baS $auS in ©raub fteefen würben. (SS hatte 
feit mehreren Sagen nicht geregnet unb in golge 
baoon war baS fpoljwerf troefen Wie 3unber; 
baju war £>eu aufgefpeichert im angebauten 
Schuppen, nebft anberen brennbaren Stoffen, 
unb bie ©elagerten würben faum im Stanbe 
fein, baS geuer ju befämpfen, wenn fie'fich nicht 
ber ©efaljr auSfefeen wollten, oon ben ^nbianern 
erfchoffen ju werben. 

®aS SBaffer beS gluffeS, baS gerabe unter 
bem fleinen genfter oorüberraufepte, fefeien ihrer 
9ioth ju fpotten. Sranf oor Stufregung legte fie 
baS fchtafenbe Schwefterlein ju ©ette, öffnete 
behutfam baS genfter unb bliefte hinaus in bie 
fühle Stacht. @S war SlHeS ftitl, nur bie gröfhe 
frächjten unaufhörlich. (BaS grofee ©iühlrab 
regte fich nicht. Stuf bem SS aff er lag ber Scfjat* 
ten ber ©fühle wie ein großer, fchwarjer Sied, 
beffen Stänber ber aufgehenbe ©tonb filberhetl 
beleuchtete. 3m juriiefgemorfenen Sichte er* 
bliefte Sophie bie nebelhaften Umriffe oon ihres 
©ruberS Stachen, ber an einem ©foften ber 
Stühle befeftigt war. 

„SBie leicht fönnte ich mich üon hier aus in 
ben Stachen fchwingen," bacfjte Sophie. „(Ber 
©ater hat ja gefagt, bafe bie grauen auf biefe 
SBeife entfliehen füllen, wenn eS 3 um Schlimm* 
fiten fommt. Sieber, guter ©ater! (Sr hält mich 
für feig unb liefe mich nicht babei bleiben, als 
fte bie ©eweljre luben. 3 <h fehäme mich üor 
mir felber. Slber jefct begreife ich ©ater (Thef* 


felmacher’S grage, bie ich üorigen Sonntag nicht 
beantworten fönnte: 'SBaS üerftehft bu unter 
ber göttlichen ©orfehung ?' SBie tröftlich ift es 
hoch, benfen ju bürfen, bafe ein allmächtiger unb 
allgegenwärtiger ©ott immer unb allenthalben 
über uns wacht. D, bafe er boch jefet für uns 
Jörgen möchte!" 

©erabe in biefem Stugenblicf fing unten an 
ber (£E)üre baS ©epolter an, unb bleich unb 
jitternb oor Schrecfen fam ©targot bie (Treppe 
heraufgeftürjt. 

„3e|jt finb fie ba, Sophie," fagte fie, „unb 
ihrer mehr als ©ater annahm, ©lehr benn 
jwanjig habe ich gewählt, als ich burd) bie Sufe 
fchaute. ©ater unb grifc fönnen fie unmöglich 
oertreiben, unb fie werben uns Wohl bie ©fühle 
anfteefen. D, fönnten Wir boch Stachricht in’S 
gort fdjicfen, bafe uns Solbaten ju #ülfe fä* 
men. Slber bamit ift eS oorbei unb wir werben 
SlUe elenbiglich umfommen. 

Sophie, obgleich noch immer blafe, War ruhig 
geworben, „©targot," fagte fie mit fefter 
Stimme, „eS mufe unter allen Umftänben ©ach* 
rieht nach bem gort gefchieft werben unb ich — 
ich will ber ©ote fein!" 

„(Bu! SBaS?" unb für einen Stugenblicf oer* 
gafe ©targot alles Slnbere oor lauter (Srftaunen. 

„3ch Werbe mich hinunter (affen in grifcen’S 
© 00 t unb an’S Ufer rubern, unb bu rnufet mich 
begleiten, um baS gaprjeug jurücf ju bringen. 
3 ittere nur nicht fo; eS ift wenig ©efahr babei, 
benn bie geinbe fcheinen alle auf ber anbern 
Seite beS fpaufeS ju fein." 

„Slber bis jum gort ift eS beinahe }Wei ©tei* 
len, unb felbft wenn bu ungefährbet baS Ufer 
erreichtet, wie wäre eS bir möglich, ben wei* 
ten SEBeg jurücfjulegen unb jeitig $ülfe ju 
fchaffen ?" 

„D, ich »erbe nicht ju gufe gehen, ich 0 >erbe 
reiten; bu Weifet,unfer guter Sdjwarj läuft wie 
ber SBinb." 

„Schwarj! SBie — bem wilben, launifchen 
güilen wollteft bu bich anoertrauen ?" 

„©ewife! SBir oerftehen einanber ganj wohl. 
©tancheS 3ucferbrob unb manchen $pfel habe 
ich ihm üerabreidjt, unb bin ich nur einmal brau» 
feen auf bem SBeibepIafc, fo wirb ein einziger, 
leifer ©fiff ihn herbeifefjaffen. (Boch höre nur, 
wie bie SBilben brüllen! SBir haben fürwahr 
feine 3 £ it J« oerlieren. 3tafdj, ©targot! (Tritt 
leife auf ben genfterranb! 3 efct in ben Sta* 
hen! tpufch! feinen Särm, fein oorfid^tig unb 
bleibe im Statten!" 

Seucpenb oorSlnftrengung gelangten bie ©iäb* 
chen in ben Stachen. Sophie ergriff bie ©über, 
unb in aller Stille ging’S hinüber an’S anbere 
Ufer. 3hre gluckt blieb unbemerft, benn ber 


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580 


J)if cijprifdjen JUhttljUtnrt. 


geinb öetfu^te gerabe einen oereinten Singriff 
auf bie fefte #auSthüre.- 

3 n wenigen Stugenbliden waren fie brüten 
unb ©ophie fprang an’S Ufer. 

„Stun rafd) §urüd, Stargot," flüfterte fie, 
„unb oerf)alte bid^ ja möglidift ruhig. ©inbe 
auch ben Stadien wieber an feinen Ort, benn ihr 
möchtet if)n etwa gebrauten bürfen, was ©ott 
gnäbigft oerljüten wolle! Unb nun lebe Wollt!" 
®inen Slugenblid barauf oerfdjmanb «Sophie int 
$unfel ber Statut. Unter (eifern ©eufjen tu» 
berte Stargot jurüd, befeftigte ben Stadien, ftieg 
in’8 $au8 unb erjäljtte ben ftaunenben eitern 
baS gewagte Unternehmen ber ©djmefter. 

©on büftern ©(hatten umgeben unb jahUofen 
unbefannten (gefahren erarbeitete fich unter» 
beffen (Sophie ihren SBeg burd) h°h e S 9tohr» 
bidid^t unb thauige garrenfräuter h'nburch bis 
hin jur ©teile, wo ©djwarä, baS SieblingSpferb, 
auf ber SBeibe war. ©ie mufete nidht genau, 
wo fie ihn finben würbe; aber währenb fie auf’s 
©erathewohl bahin unb borthin eilte, entbedte 
fie plöjjtich feine grajiöfe, ped^fc^njarge ©eftalt 
in einer oom Stonbe heöbefchienenen (Richtung. 
@r wieherte (aut auf oor greube, als er fie be» 
merlte, unb obgleich er bie 9Jtähne fihüttette 
unb mit bem gufee ftampfte, liefe er fie willig 
auffifcen unb auf ben SBeg am SBalbeSfaum nach 
bem gort hin leiten. 

3n ©ophien’S $erj lehrte neue Hoffnung ein, 
als fie pfeilgefchwinb über ©tod unb ©teine 
bahinfauften. 3 n ber gerne liefe bie ©ule ihre 
melancholifche ©timme hören, unb aus bem 
$idid>t brang hin unb wieber baS ©eheul eines 
SBolfeS herbor. 5)er glufe begleitete fie mit 
feinem monotonen ©emurmet unb in ben Zweigen 
flüfterte ber Staditwinb. ©o oft fie nur tonnte, 
fdjaute ©ophie jurüd, ob fie nicht geuerfdjein 
oon ber Stühle her cntbede, unb feufjte bann 
aus ooHem ^erjen: ©ott fei $anf, noch immer 
finb bie gnbianet nicht in ber Stühle. 

©nblich ftiegen bie Umriffe ber gortmauem 


oor ihr empor, unb ber SRuf ber SBache: „SBer 
ba?" ertönte an ihr Ohr. 

©on bem, WaS bann weiter erfolgte, wufete 
©ophie nie ©enauereS ju erjählen. Stur eine 
bunfle ©rinnerung war ihr geblieben, bafe fte 
erftaunten Zuhörern oon bem Singriff auf bie 
Stühle berichtete, bafe fie um §ülfe bat, bafe eS 
bann bunfel um fie würbe unb mitleibige Sinne 
fte oom ©ferbe nahmen. 

3118 fie wieber junt ©ewufetfein !am, faf) fie 
baS blaffe, mübe unb hoch glüdiidje ©eficfet ihrer 
Stutter über fich gebeugt, währenb bie Keine 
Slnnete am gufeenbe beS ©ctteS in füfeemSchlum» 
mer lag. 

„Stutter," fagte ©ophie mit leifer ©timme, 
„feib ihr alle gerettet, ©ater, grij} unb Sille?" 

„SlKe gerettet, mein tapferes Äinb," fagte 
grau Berber, inbem fie ihrer lochtet einen 
S'ufe auf bie bleiche SBange brüdte, „©ott fei 
2)anf, Sille gerettet! ®ie ©olbaten tarnen ge» 
rabe jur redeten geit, unfere Stunition mar am 
SluSgehen unb bem geinbe war eS gelungen, 
bie tEljüre in ©ranb ju fefcen, als mir 
bie ermunternben 3urufe unferer ©efreier 
hörten." 

„Slber bie Stühle ift boch nicht Oerbrannt?" 

„0 nein! 3?adf|bem bie SBilben oertrieben 
waren, würbe baS geuer fdhneü gelöfdjt. Slber 
ich fchuubere beim ©ebanlen an baS, was ge» 
flehen märe, wenn wir nicht £>ülfe erlangt 
hätten." 

„0, mein Sinb, wie oiel oerbanten wir bir, 
bie wir für fo fchwach unb muthloS hielten! 
SBie feaft bu’S nur fertig gebracht, bid) fo tapfer 
ju ermeifen?" 

,,3d) tfeat eS nicht allein, liebe Stutter. 
hatte £ülfe oon Oben," fagte ©ophie leife. Unb 
Stutter, wenn ich wieber jur ©onntagfdjule 
gehe, werbe ich ganj gewife ben lieben ©ater 
iEheffelmadjer bie grage beantworten fönnen: 
„S'inb, was oerftehft bu unter ber göttlichen 
©orfehung?" 




Pie njprifdjen JUtertl|Umer in bem Utrtropolitan Mufeum, Neutra 1= 
park, iino Jforh. (Cesiiola Collection.) 

Sur $aufi unb ©erb non 91. ©äftelein. 


m norböftlicben Steile be3 berühmten ©en= 
tral-*ßarfe£ ftebt auf einer Keinen Slnf)öf)e 
ein $enfntal alter egpptifcber Kunft, bie 
Dbelifl. Unmittelbar uor biefer alten Säule 
fielet man ein grofjeS ©ebäube, ein ©rgeugnifc 
ber mobemen Saufunft, in beffen inneren biete 


toftbare, alte ©egenftänbe bon SSötfem ber 
grauen SSor^eit aufbettmfjrt finb, bie ben Obeliff 
au Sllter unb SEBertf) nidjt nacfjftetjen. Dbean 
ftefyt bie Sammlung cpprifcber &itertf)ümer, 
auägegraben unb jufammengefteUt bon ©enerai 
bu Seänola. Kein anbereS SDlufeum ber SBelt 


\ 


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fit ctprifdien JLItertt|Qmer. 


581 


lonn fidj einer folgen Sammlung räumen, bie 
fo uiel Sicht auf ben Urfprung unb bie ©ntmicf» 
lung griechischer ©ioilifation mirft. 

SqpruS ift eine fruchtbare, gefdE)ic^tlicf)e gnfet 
in ber norböftlichen ©de beS mittettänbifchen 
SReereS. ®ie ätteften Oeft^ic^täfc^reiber er» 
wähnen biefeS ©ilanb. ©ppem mürbe in ur» 
alter 3«t »on ben Söhnen Qiaöan’S bemohnt 
(1 SJtof. 10. 4). ®en Hebräern mar fie be= 
fannt unter bem Slamen ©hittim, bie alten 
dichter nennen fie Slptrobifia, SJlafaria i$ap= 
toS 2C. 3n öerfchiebenen Steilen beS alten 
2eftamenteS ift non ihr bie Siebe; ebenfalls in 
©gpptenS alten Schriften, im ferner unb auf 
ben babtjlonifchen ©plinbern unb Riegeln ift 
ihr Siame nicht unbefannt. S)ie Fnfel ftanb 
unter fef>r fielen Herren. 3 11 SftofiS 3 e * J war 
©ppern ©gppten tributpflichtig. 2)ann folgten, 
gar oft nach ben blutigften Kriegen, oerfchiebene 
Ijerrfdjer. Slffprer, fßerfer, ÜJieber, Sllejanber, 
3tömer,Spjantiner, 

©enuefen, SBenetia» 
ner, Xürten unb ju» 
lefct bie ©nglänber. 

©)ie Sänge ber gn* 
fei ift 140 SJieilen, 
ber Flächeninhalt 
ca. 3600 Quabrat» /- 
meilen. ®ieSeööl» 
ferung beträgt jWei» 
hunbert taufenb 
Seelen. 3roei$rit» 
tet finb ©hriften ber 
griechif^en Kirche 
unb ein drittel 
gürten. ®er ein» 
jige^tanbelSplah ift 
Samaca, baS alte ©itium. $ier mohnen bie 
©efanbten frember Sänber mit ihrem ©efolge. 
©nglanb, ®eutfdjlanb, Italien, fRufjlanb unb 
Slmerifa finb bafelbft oertreten. £ier lanbete 
am 25. 5)ejember 1865 ber amerifanifche ßon» 
ful SeSnola, bem bie 2llterthumSfunbe oiel $u 
oerbanfen hat. 

Seine SebenSgefchichte ift bie eines 9lben» 
teuererS. SouiS fßalma bi ©eSnola mürbe am 
29. $uli 1832 in lurin geboren. Seine @r= 
jiebung erhielt er in einer italienifchen Süilitär» 
Slfabemie, bie er in 1848 »erlieft, um im öfter» 
reithifcfjttt Kriege ju bienen. ®r machte auch 
ben Krimfrieg mit unb tarn in 1860 nach Stern 
Dorf, um ba fein @lücf ju oerfuchen. Für eine 
geraume 3«t gab er Unterricht in ber franjö» 
fifdjen unb italienifchen Sprache, als aber ber 
Sürgerlrieg auSbradt), ergriff er roieber bnS 
Schmert unb Würbe halb ©eneral. ©ine ber 
lebten SlmtShanblungen oon Slbraljam Sincoln 



©r&ber au ßamaca. 


mar, ©enerat bi SeSnola jum Eonful über 
Eppern ju ernennen. 

©eine Anfunft auf Eppern mar niept fepr an* 
genehm. S)a er als Eonful meitige ober gar 
feine ©efepäfte JU oerrichten hatte, fo begann er 
fofort mit Ausgrabungen. $uerft burchfucpte 
er bie japlreicpen ©rüfte in ber 3täpe Oon £ar* 
naca, fanb jeboep menige ©egenftänbe oon 93e* 
beutung. Eines XageS liefe plöplicp ber ©ou* 
oernenr SSbenabeffenbi jmei feiner Arbeiter 
arretiren unb in’3 ©efängnife merfen, inbem er 
erflärte, eS bürfe Stiemanb Ausgrabungen ma* 
dpen, opne eine befonbere Erlaubnife üom ©ul* 
tan ju paben. SeSnola mar fomit gelungen, 
feine Ausgrabungen einjufteüen. ES entftan* 
ben nun oerfepiebene geinbfeligfeiten, bie bamit 
enbeten, bafe ber ©enerat nach Eonftantinopel 
reifte unb bei bem Sultan *ßroteft einlegte. 
$er ©ouoerneur mürbe abgefefct unb EeSnota 
erhielt bie Erlaubnife beS ©ultanS, bie ganje 

Sfnfet ju burepgra* 
ben. Er mar nun 
oon- aller türfifepen 
Einmifcpung befreit 
unb fonnte fiel) ganj 
ben Ausgrabungen 
mibrnen, maS er 
benn auch tpat. 

©eine erften er* 
folgreicpen AuSgra= 
bungen maefete er 
bei ®ali, bem alten 
^balium, fo be* 
rüfemt in ber grie* 
efeifefeen ©ötterfage. 
Ein gemiffer ©raf 
oon ÜRogue featte 
fefeon Ijier Oerfcfeiebene Entbccfungen gemacht, 
unb baS ©erüdjt oerbreitet, eS fei nicfetS mefer 
ju finben. 

©lüdlicfeertoeife glaubte EeSnola nid)t biefen * 
©eridjten, fonft mären bie ©efeäfee alter feiten 
noefe immer begraben. 3 ue *ft Oermanbte er 
einige SBoc^en baju, baS gelb ju überf^auen 
unb erfeielt bie Ueberjeugung, bafe nicht meit 
oon ber ©tabt ein grofeer ©egräbnifepla^ fei, 
ber noch nie unterfucht mürbe. 9tun ging eS 
auf’S ©rofeartigfte an bie Arbeit, nafjeju jmei^ 
hunbert SRann ergriffen |)ade unb Spaten, unb 
fiehe, feine Sermuthungen maren nicht falfcfe. 
Eine ©ruft nach ber anberen mürbe erfchloffen, 
bie Ueberrefte eines ©efcfelechteS, meines 
2500 3ahre oor ©hrifto gelebt h^tte, blofe ge¬ 
legt, unb eine grofee Anjahl ®afen, Sampen, 
©chüffeln, förüge, löpfe u. f. m. auSgegraben. 

ES maren eigentlich jmei SBegräbnifeptäfce, 
bie er entbeeft hatte, einen über ben anberen. 


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m 


Bit rqprtfdjen JUtrrtljUmtr. 



Sarcopt)Q(j öon Öolßot. 


gr öffnete über 27,500 ©rüfte unb faitb Oiele 
toertßoolle ©egenftänbe ber alten ^pßönicier, bie 
non ber ©efcßidlicßfeit biefeS ©otfeS sengen, 
gm Metropolitan Mufeurn finb niete taufenb 
gfemplare aus biefen alten ©riiften aufbe* 
maßrt. 

Ungefähr fieben Meilen non 3>ali liegt baS 
®orf Atßieno. * 3n ber SNäße Oott Atßieno tag 
baS atte ©olgoi, fo oerrufen megeit ben fcßänb* 
ließen Aptrobite $ienft. |>ier fd^eint eine grie* 
cßifcße ©olonie beftanbcn 51 t ßaben. geSnola 
ftettte aucß ßier öfters ©erfudje an, jebocß oßue 
menig grfolg, bis er fcßließlicß tuieber auf einen 
Scgräbnißpiaß ftieß. $er luertßoollfte gunb 
mar ßier ein ©arcopßag (©teinfarg) auf beffen 
nähere ©efcßreibung mir itnS nicpt eiulaffen 
töniten. 

(Sine fe^r furse ©trecfe oon biefent ©egräb* 
ntßplajj ßatte ber bereits genannte fran^öfifc^e 
©raf einige feine ©ilbfäulen gefunben. 3 >er 
$laß mar jept angebaut unb geSnola notirte 
fid) benfetben einftmeiten, um fpäter bafetbft 
graben su taffen. 3 n 1870 fanbte er einige 
Arbeiter bortßin unb befahl ihnen AuSgrabun* 
gen 511 machen. (Sine 23ocße Oerging, ohne baß 
er etmaS Oon ihnen hörte, bis eines Morgens 
ein ©ote su ihm fam, mit ber üftacßricßt, bie 
Arbeiter hatten einen großen fieinernen fiopf 
gefunben. gr fonnte nicht fofort hingehen, um 
ben gunb 511 befchaucn. ©egen Mitternacht fa* 
men noch etliche ©oten, bie benoteten, baß bie 
ganje ©eoölferung bie Arbeiter überfallen hätte, 
unb munberbare ©egenftänbe fortfchleppte. ®er 
©eneral mar nun gesmungen su gehen, unb 
machte fid) fofort auf ben 2 Seg. ©ein gebiete* 
rifcheS Auftreten oerfcßeucßte bie gingebornen. 
$er coloffale St opf mürbe nach Snnaca gebracht. 
Merfmürbigermcife fanb man nidjtS als biefen 
&opf Oon ber großen ©ilbfäule. 

$ie fortgefe^ten Ausgrabungen an biefem 
Crt ergaben als Diefultat 32 ©ilbfäulen unb 
eine große Aitsaßl ©rueßftiide. S)ie ©ilbfäulen 


oon ©olgoi, meltße alle im ©entral**ßart Mu* 
feum 511 fepen finb, fteüen me.iftentßeilS epprifeße 
SSürbenträgcr Oor. ßeSnola ermarb hierauf 
einen großen Xheil beS umliegenben SattbeS für 
einen billigen $reiS. ©eine nächfte gntbedung 
auf biefem gelbe mar ber Tempel oon ©olgoi, 
unb eine noch größere Ansaßl oon ©ilbfäulen 
in egpptifcßer, affprifdjer unb grieeßifeßer Xracßt, 
nebft oielen Xafeln mit alten ©cßriften bebeett, 
mürben auSgegraben. 

23ie unb mann biefer Xempel serftört tourbe, 
ift unbetannt. £öcßft maßrfcßeinlich bureß ein 
großes grbbeben ober oulfanifdje AuSbrücße. 



Hopf bon ©olgoi. 


®ic aufgefuitbenen ©ilbfäulen finb feßr leßr* 
reid) unb merfen oiel Sicßt auf ®inge oon ßi* 
ftorifeßem SBertße. 

®ie näcßft folgenbe Abbilbung ftellt einen 
epprifeßen ^Sriefter bar. 3)ie £>öße biefer ©ilb* 
faule beträgt fieben guß unb aeßt 30 II. Sie ift 
ein mirflicßeS Shmftmerf. Man betraeßte nur 
bie ©eficßtSsitge, bie galten beS ®leibeS; roie 
auSgeseicßnet gearbeitet! 

AIS bie Sammlung fertig mar unb in Sar* 
naca fieß befanb, erregte biefelbe großes Auf* 
feßen. Napoleon ber britte mollte fic ermerben 


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Pit cijprifdjen JUtrrthttmrr. 


583 



Statue eine« ^rieftcr« bon ©dlgoi. 


für beit Souöre unb jtoar unmittelbar öor ber 
KtiegSerflätung. Auch ©t. Petersburg be= 
toarb fiep um biefelbe. SeSnola ttmrbe fchließ» 
tic^ mittig, fie nact) Sonbon ju fenben, AIS er 
aber baran ging, bie Sammlung ju öerpadfen, 
fam ein türfifdjer pafdja ju it)m unb fagte, er 
habe eine Tepefcpe öon ©onftantinopel erf)al= 
ten, baß eS bem ameritanifdjen ©onful niept er* 
laubt fei, irgenb toelcpe Altertpümer ju Der* 
fchiffen. Ta aber ©eSnola auch als ©onful 
non Sußlanb auf ©ppern angeftettt mar, fo Der* 
fanbte er einfach feine ©epape nicht als arneri» 
lanifcper, fonbern als ruffifeper ©onful. Söloral: 
„Ter $anlee ift fcplauer als ber Xürfe!" 

©eSnola mar noch nicht jufrieben mit feinen 
©rfotgen. $n 1872 unternahm er mit einem 
treuen Tienet eine Seife nach ber ©iibmeft* 
Äüfte ber Qnfel, mo bie alte ©tabt ßurium 


liegt.- Such hier maren fchon öor jepn fahren 
AuSgrabungSöerfucpe gemacht — boch mürbe 
SicptS gefunben. ©eSnola mar mieber ber 
©lücfticpe. 

Er entbeefte eine große fpöple mit langen 
©alerien unb Dielen Unterabtheilungen. Sacp= 
bem ber hinberliche Schutt pinmeggeräumt mar, 
entließ er alle feine Arbeiter unb burepfuepte 
mit einem Pertrauten bie unterirbifepe Schah* 
lammet. Ter erfte gefunbene ©egenftanb mar 
ein Paar Armbänber öon folibem ©olbe. loch 
mertpöotter als baS ©olb mar eine ^infeprift in 
epprifepeu ©cpriftjeichen auf benfelben. Tiefe 
jgnfcprift ift mie folgt: E: TE: A: 1)0: 
RO : TO : PA : PO : BA : ST : LE : O : 
S: 3n griechifch: Erca(v)8pou r»(o) xa<fn(u) 
ßaadeux; — auf beutfd»: (TaS ©igenthum) non 
©teanbroS, König öon PaptroS. 



armfpangc öon ftönig ttteanbro«. 


Tiefer König lebte nach gemiffen affprifepen 
Keilfcpriften 700 gapre öor Sprifti ©eburt. c| 
©eSnola förberte eine große Anjapl mertp» 
tolle ©egenftänbe an’S TageSlicpt. ©S ift un* 
möglich, in einer fo furjen Abpanblung in Gin* 
jelnpeiten ju gehen. Armbänber, gingerringe, 
Ohrgehänge, Pafen, äJliinjen unb öiele anbere 
Tinge lamen jum Porfcpein. 

Opne groeifel ließen auf ©ppern noch Diele 
@cpäpe in ber SKutter ©rbe begraben. Tiefe 
Ausgrabungen merfen auch Diel Sicht auf bib* 
lifche ©egenftänbe. 

Kein Pefucper ton Sem §)or! füllte terfäu* 
men, biefe ©ammlnng $u betrachten. 



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584 


Jluf rntb jlirbrt. 


H«f uni Jfirttt. 

Sitte Sebrulgefditditt ans «merito. gär gauS nnb gtrb bearbeitet ton gmricuS. 

III. 


„©oflt ifjr jagen, tvoHt ifcr toeilen ? 

©oDt ifcr oqne Äampf Die ftron’ ? 

©ill’d ber Sünber helfet haben, 

Vlft beä SRenfdjen reiner ©ohn ?" 

«ibert 8eller. 

„34 glaube, i4 habe heute meine Qugcnb für tm* 
mer non mir abgeftreift," patte Vaulljofter $u grau 
gorbeS gejagt, unb bie näcpften fecps2Bo4en fepienen 
biefen Slusfpru4 JU betätigen; benn obmopl er nur 
burd) oerbältnißmäßig fc^mac^e Vanbe an fein Vater* 
lanb'gefnupft mar unb menig Vorbereitungen ju jei* 
ner Steife $u treffen patte, fo brachte ihm bocp jeber 
Xag mepr Arbeit unb j4ntcrjli4ere ©ernütpSbeme* 
gungen, als fein Vorgänger. 

X)te nächtlichen ©tunben oermenbete er theilmeife 
baju, 3H u ftrationen ju einem Vucpe au entmerfen, 
um bie SJhttel JU einem Vefuche in XompfinSoitle 
unb 38— ju crmerbeit. 

„34 tonn ni4t über ben £5cean fegeln, menn ich 
niept oorher meine §eimatp noch etnmal gefehen 
habe/' fagte er.$u grau gorbeS, unb in feiner ©timme 
lagetmaS, baS einem ©euf jer glich- 

©ie mußte, maS er meinte, ©ie mußte, baß er an 
bie beiben einfamen ©räber ba4te, menn er oon ber 
^eimatp feiner ftinbpeit fpra4 — an bie ©räber, aus 
benen tein ©ruß beS SBiflfommenS ju ihm herauf* 
tönen tonnte. 

Unb Vaul mußte eS au4; aber fein ®erj üer* 
langte mit ungeftümer ©ehnfu4t na4 ber tleinen 
SBaüfaprt. 

,,©S mirb ein Vergnügen für mi4 fein," fagte er, 
„bie ©ebirgSluft mieber athmen JU tönnen, ben SBinb 
mieber Häufchen ju hören, bie Verge mieber ju feben, 
am Ufer beS ©ee’S mieber hin unb her JU gehen, 
unb —" 

□@r bra4 plögikp ab, benn baS tiefe ©ebnen feinet 
§erjenS, bie grage, ob er alles fo mieberfinben merbe, 
mie er eS oor langen 3ahren üerlaffen, 0ermo4te er 
ni4t in SBorte ju fleifcen. ©r oerlor fi4 in ©eban* 
fen unb bemerfte eS ni4t, baß grau gorbeS baS 8i ms 
mer öerlaffen hatte, unb baß bie fc^lafenbe Äafee, bie 
fchnurrenb ju feinen güßen lag, ferne einjige ©efetl* 
f4aft mar. 

3n ben legten Xagen beSDftoberS trat er feine fßil* 
gerfaprt an, früher mar eS ihm nicht mögli4 gemefen, 
meil er fein großes ©emälbe für bie SluSfteüung erft 
fertig haben mußte, unb ein anbereS fleineS Vilb 
auch. 

@r fagte grau gorbeS, baß er in einer SBocpe jurücf 
au fein gebente; aber fchon am fünften Xage oemahm 
Die oermunberte grau ben ihr befannten gußtritt 
mieber in ber §auSflur unb gleich Darauf auch ben 
guruf: 

„34 bin jurücf, grau gorbeS." 

„©obalb jehon?" fragte fie; „eS ift bo4 nkpts 
paffirt ?" 

„0 nein, gar ni4tS, ich habe bie ©a<he nur fcpnel* 
ler abgemacht, als ich oorher geglaubt," entgegnete 
Vaul. 

©r fpraep mie gemöhnlich, unb hoch glaubte grau 
gorbc« eine gemiffe Xäujcpung aus fernen SBorten 
heraus lefen au Dürfen, bie fie OorauS gefehen; benn 
fie hatte tein Vertrauen $u Dem ganjen Vlane gehabt. 


©ie hatte ntc^t Unrecht. X)en ©ee unb bie Verge um 
SB— hatte er jmar unoeränbert gefunben, alles Smbere 
aber fo ganj anberS, baß er ftch fogar 0ergebli4 na4 
Dem ©ppeu umrantten öäuSchen umgefepen, in rnel* 
4em er geboren mar. 5)ie 9ßenf4en unb ihre Ve* 
f4äftigungen unb VerhäUniffe hatten ben munber* 
baren ©influß ber $eit in einer SBeife erfahren, bie 
Vaul mahrhaft oermirrte. StühtS, gar nichts mar 
fo, mie er gebacht; nur bie Statur mar unoeränbert 
biefelbe. 

X)en alten VhÜ fanb er na4 langem ©udjen in ber 
2)orffdtenfe, als einen gebred)li4en, halbtinbif4en 
©reis, ber üon jener gahrt über baS ©ebirge faum 
eine f4ma4e ©rinuerung hatte. 

©r ftieg ben Vergpfab hiuan^u Dem braunen^aufe 
auf ber £>öhe, in mel4em feine SJtutter ihre IHnbheit 
oerlebt, um bie alte Xante berfelben, feine einjige 
Vermanbte ju begrüßen, ©ie mar üor einem 3ahre 
geftorben. 3US er nach einem ©pinnrab unb ©chautel* 
ftuhl fragte, ma4te bie jefeige Vefi^erin beS Kaufes 
ein oerbrießlicheS ©efi4t, fagte mürrif4, baß fte Da* 
oon nichts miffe unb fchlug bie ^auSthür ju. 

Vor Dem $aufe ber grau 3*>neS fanb er einen ihm 
fremben 9ftann mit ^oljfpalten befchäftigt, melcper 
ihm in unfreunblicher SBeife fagte, grau 3oneS fei 
oor langen 3ahren in eine anberc ©egenb beS SanbeS 
gezogen; bie 3ahreSjahl tönne er nicht berichten, er 
fei fein Stechenmeifter. Xann ging er pfeifenb ju 
feiner Slrbeit jurücf unb f4cnfte Vaul feine meitere 
Veachtung. 

Xer mohlmoHenbe, men|4enfreunbliche X)r. Vtiller 
mar ber einjige, ber ihn mit marmem ^änbebruef unb 
herjli4en SBorten begrüßte, ä^ar fanb er üerfchie* 
bene £eute, meI4e fi4 na4 ooflbra4ter XageSarbeit 
SlbenbS am Äaminfcuer in ber©4enfe oerfammelten, 
bie no4 ©noch Hefter unb felbft ben fleinen f^aul 
gefannt hatten; aber ber große Vaul, ber als ein jun* 
ger $err oor ihnen ftanb, mar ihnen fremb unb flößte 
thnen fein gntereffe ein. 

Xer Heine Xantmhügel in ber ©efe, melche baS 
glüßchnt bilbete, mar no4 Da; aber er mar fo oon 
©eftrüpp bemachfen, baß fßaul ihn erft fuchen mußte. 
Von ben Vlumen, melche er unb fein Vater mit heb* 
rekher ©orgfalt gepflanjt, mar feine ©pur mehr oor* 
hanben; Unfraut unb Vufchmerf hatten bie jarten 
Vflanjcn übermuchert unb erftieft. 

Vaul menbete bie Sta4mittagSftunben baju an, 
ben Viag ju fäubern. ,,©S fommt nichts Darauf an," 
fo tröftete er fich bei ber freimillig übernommenen 
Slrbeit, „ob Vlumen tytx blühen ober ob Unfraut 
hier mudhert; nein, eS fommt nichts Darauf an!" 

©r feufjte bo4 unbemußt, benn maS er fleh au4 
oorfpiegelte, um baS mehe©efiihl beS öerjenS ju ftil* 
len, eS märe ihm Doch lieber gemefen, fich ben Vlafc 
oon ber ©onne beftrahlt benfen ju fönnen, ju miffen, 
baß im grühling bie erften Veildpen hier Dufteten, im 
©ommer bie Vlumen erblühten, bie Vögel fangen 
unb bie 3nfeften fepmirrten; baß ber j&erbft ferne 
bunten Vlätter hter oerftreue unb ber SBinter feine 
fepneeige Xecfe über ben lieben glecf ©rbe breite. 

Siein, eS mar nichts in unb um SB—, baS ipn feft* 
hielt, beßpalb trat er fepon am folgenben Xage bie 
Steife naep XompfinSOille an. Slber aep! Xiefer 


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Huf unb Hiebet. 


585 


»efucg war nod) fcgmeralicger. $ie 3 c ü f eincr $l&* 
Wesenheit oon $omptin«öttte trug ein neuere« $a* 
tum; wie gatte er agnen fönnen, bag er fid) in ben 
igm fo belannten ©tragen jo fremb, fo gerjtranf füg* 
len würbe, wie er e« nun tgat! 2Bie bie fcgarfe, oon 
groft burchgauegte Dämmerung ficg über einen fon* 
nig gellen $erbfttag legt, fo legte fidj ba« ©efügl ber 
»ereinfamung unb bei grembjein« über bie ger^cge 

t reube, mit welcher er bei feinem ^erannagen an bie 
tabt bie erften gabriffcgornfteine unb bie Heine 
»ucgt begrügt unb an ba« freunblicge SBillfommen 
gebacgt gatte, ba« igm non alten greunben unb »e* 
rannten *u Xgeil werben würbe. 

grau »late unb $mei ober brei gabrifarbeiteraeig* 
ten fid) unoeränbert, aber bie Uebrigen waren igm 
fremb. ftemt ©rat) oermigte er jcgmerälify unb ba« 
Oeffnen ber alten blauen Stifte, ba« 5lu«eiuanberfal* 
ten ber alten, befannten£leibung«ftücfemareinetrau* 
rige, gerabeweglicge Arbeit 
„gaft tönnte id) Wfinfcgen, niegt getommen $u fein," 
badjte er, al« er am folgenben Sage am »agngofe 
jtanb unb auj bie ftnfunft be« 3uae* iötrte, mtt wel* 
djem er aurudfagren wollte, 5td) ja, ei war fegr 
fdjmeralia), fegr traurig, alle« jo oeränbert, fo gan$ 
anber« $u finben, al« er geahnt; in Sompfin«oille 
fowogl, al« in 2Ö—. ©elbft Der fagle »ergabgang, 
an welchem ba« ©rab feine« »ater« einfam gelegen, 
batte ein anbere« Slnjegen gewonnen. ©r war oon 
©räbern überbedt. 


»aul fuhr bie gan^e s J?ad)t tjinburdj; er fühlte feine 
©rmübung. S)er 9Ronb fegten gell unb tlar. Söenn 
er oon feinem »lag im SÖagen bureg ba« ©eitenfen* 
fter bliefte, bann meinte er bureg ein geenlanb au 
jegweben. ©r baegte niegt baran, bag ficg ber SBagen 
fortbewegte, er War ficg nur bewugt, wie er mit ber 
©cgnelligfeit eine« »ogel« an einem wunberbar fegö* 
nen, ficg urtaufgaUjam entroßenben »anorama oor* 
überflog; bag gefpenftifege Ulmen, fnorrige ©iegen, 
goge 2Balbbäume, fcglanfe, oerjaubert au«jegenbe 
Sannen, igre fräftigen 3weige flet}entlidj naeg igm 
au«3uftretfen fegienen. fnueg ait glüffen feglte e« 
niegt. 2lnmutgtg, wie ein filberne« »aub, jd)iangen 
jte ficg bureg ben SBiefengrunb; igre SBeflen gliperten 
tm äRonbenfcgein unb erjegienen »aul wie tan^enbe 
iRgmpgen. $oge »erge ftredten igre Häupter bem 
Fimmel entgegen unb fagen in ber magijegen »e* 
leucgtung wie buntle SBolfenfcgicgten au«. 

Unbeachtet braufte ber 3^9 an ©täbten unb Sör* 
fern oorüber. S)a« fegwaege ©ego eine« jcgriüen, un* 
garmonifegen »fiffe« war ba« einzige 3eicgen, ba« er 
oon feiner ©egenwart aurütflieg. Äugig unb frieb* 
üoU fag ber SJfonb auf bie immer wccgieltibe ©eene 
nieber. ©r läcgelte freunblicg, gleicgfam mitletbig 
über bte tgöriegte ©rbe unb igre Unruge unb §aft. 

,,©o," baegte »aul, „fiegt unfer gintinlijcgcr »ater 
nieber, fo lädgelt er über feine Stinber, bie ficg oon ber 
unruhigen glutg be« irbifegen Seben« $u gleicher fRuge* 
lofigteit forttretben laffen; fo, gerabe fo, will er bei 
mtr unb mit mir fein. 2öte ber 9ttonb feine liegten 
©traglen in bie bunfelfteit SRigen unb über bie fegärf* 
ften ©pifcen be« ficg meilenwett ginjiegenben geljen* 
getlüfte« jegeinen lägt, fo Witt mein himmlifcger »a* 
ter in meine buntclften unb trübften Sage fein Siegt 
fenben; wenn id) e« nur erfennen fann." 

2Bie ein ermübete« Äinb in ber leifen »ewegung 
ber futterarme $ur fRuge fommt, fo füglte fid)»aul 
beruhigt unb oott grieben«, al« er ginau« bliefte in 
bie Äatur, bie ficg mit futtergüte unfern ©timmum 
gen anpafjt unb un« anfpriegt, wenn wir fie fuegen. 
5)a« tiefe ©egnen naeg freunbfcgaftlicgen, liebreichen 
»anben, ba« jpeimweg naeg »ater unb f utter, wel* 


ege« »aur« §erj fo wunb gemacht. War auf einmal 
geftiflt. ^)er f onb tonnte igm feinen grteben brin* 
gen, bie ©teme unb bte »erge«gögen, bie raufegenben 
»aumwipfel unb ber murmelnbe glug aueg niegt, 
aber bie« alle« oermittelte igm ben fügen $roft unb 
grieben, welcher ign jefet erfüllte, ©r tonnte läcgeln, 
läcgeln felbft oei bem ©ebanten an bie einfamen ©rä* 
ber unb bie alte blaue Stifte, — bie einzige ©rbfegaft, 
bie igm »ater unb f utter an ben Orten ginterlaffcn, 
welcge er feine §eimat nannte. Xiefer, inniger, ftär* 
fer al« je aubor, entpfanb er e« in biefer monbgetten 
iRacgt, bag bie üertrauen«ootten Sßorte feine« fterben* 
ben »ater«: „©in »ater ber »aterlofen," 
unb ber oft wiebergolte 2lu«jprucg feiner f utter: 
„©in ©ott ber ßiebe," eut reiegere«, begegren«* 
wertgere« ©rbe Waren, al« ©olb unb grogartige 40e* 
fipungen. 

„»aulu«, ein Stnecgt 3eju ©grifti." 

„©« war boeg etne föftlicge SScife, meinen tarnen 
ju rnäglen," baegte »aul. ©r glaubte e« $u fegen, 
ba« bürftige ©emaeg; er glaubte fie ju fegen, feine 
jarte, fanftef utter, unb ben ftarfen, fräftigen fann, 
feinen »ater, unb fid) felbft, einen gülflofen ©äugling, 
unb er glaubte tief innerlich bie©ewiggeit ^u empgn* 
ben, bag ba« ©ebet um feine Heiligung, oon »ater 
unb f utter in jener ©tunbe gefproegen, feine 2In* 
martfegaft auf ba« gimmlifege ©rbtgeil bcfiegelt 
gäbe. ®enn tief in feinem Sperren oernagm er bie 
»erheigung: ,,©otte« ©rben unb 9Riterben ©grifti." 

,,£a« Urcu^ 3efu ©grifti!—Söenn icg ju biefem auf* 
bliefe," baegte »aul, „bann mag bie SBelt raufegen 
unb ficg brängen, bann mögen ©pefulationen unb 
Xgeorien lärmen unb fegreien unb ficg brett maegen 
unb alle« mit ficg fortreigen; id) gäbe niegt« $u tgun, 
al«—mieg an biefe« Streuj xu flammem." 

©o fam e«, bag grau gorbc« bei »auf« 3wrücf* 
funft baegte: „©rift noegernfter unb ftittergeworben, 
al« er war." 

3a, er war oielleicgt auch trauriger unb—boeg Oiel 
reieger geworben. 

^>abt igr wogl beaegtet, bag un« bie erfte groge 
greube unb ber erfte groge ©cgmrr^ unjerc« fieben« 
aanj bejonber« bewegt? SBelcg ein ©egmer^ un« in 
fpäteren 3 al ) ren oud) treffen, wie er un« oereinfamen 
mag, e« ift boeg bie erfte fiücfe in unferm öonje, ber 
erfte, leere ©ig an unferm Xijcge, bie erfte ©timme, 
bie für immer oerftummt, wa« un« bie jcgmer^licgften 
Jgränen au«prrgt. 

Unbewugt unb ogne un« tlar barüber ju werben, 
beugen wir un« alle oor biefem Slnfprucge bei ©rften 
—alle, oon bem SCönig auf feinem X grone an, mclcger 
©cepter unb ^rone in ©ebanten feinem ©rftgebornen 
ju gügen legt, bi« $u bem niebrigen »auer, ber mit 
liebreicher »ewtmberung unb mit nie enbenbem ©nt* 
dürfen bie jegmanfenben ©egritte feine« erften Stiube« 
betrachtet. Unb e« ift reegt fo. ttRögen Äönia unb 
»auer alle fpäteren Äinber, bie ignen nod) gefdjciitt 
werben, mit gleicher Siebe aufnegmen unb umfangen, 
e« war boeg ba« erftgeborene, ba« bie »atergefugle 
in igren £>erjen ermeefte. SSenn wir au« biefer göcg* 
ften fRegioit bei @efügl«leben« ginunter fteigeit ^u 
nieberen gormen, fo gnben wir baffelbe. ©)a« erfte 
»lümdgeu, welcge« ber früge £en$ un« beut, begrügen 
wir mit einem Säcgeln, ba« un« felbft bte ftöuigm 
ber ©ontmerblumen niegt $u entloden oermag, unb 
wa« wir bei ber erften Arbeit unterer öänbe, unftre« 
§er^en«, unfere« Stopfe« fügten, ba« füglcn wir bei 
feiner fpäteren Arbeit, unb wenn fie aueg gröget unb 
wertgoofler ift. »aul empfanb bie« buntcl, al« er *u 
fpäter ©tunbe an einem nebligen 9toocmberabcnb 
naeg bem ©ebäube ber Stunftauoftellung ging, in bef* 


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586 


Huf unb jlitbrr. 


fcn Räumen gum crftcn SKale ein ©emälbe bon feiner 
$anb ©lafc gefunben batte. 

„28er e3 mopl anfiept!" fragte er fiep. al3 er an bie 
nieten ©emälbe bacpte, welche an berfelben 2 Banb mit 
bem feinigen gingen, unb benen ber Stempel non 
SJteifterbänben aufgebrücft mar. 2ln einer Straßen* 
ecfe blieb er fielen unb berfucpte e3, im Scheine einer 
©a3lampe noch einmal mieber gu lejen, ma3 £err 
©rap ipm in ©egug auf niept gejcpäfcte SIrbeitenjje* 
fcprieben, unb ma3 er mopl fcpon ein $u|jenb ©cal 
gelefen patte. 

Seine Aufregung an biefem 2lbenb patte nocp 
einen gmeiten ©runb; er mußte, baß 2lgne3 9tturrap 
bei ber ©röffnung ber $unftau3ftellung gugegen fein 
merbe. 

„Ob ipr fein 5©ilb mopl gefiel?'—Sein §erg fcplug 
nocp lauter unb peftiger al3 gubor. ©r badjte aucp 
an ba3 anbere, Heinere ©ib, melcpe3 er gemalt patte, 
feit er bon ipr gefcpieben mar. 9ttit melcper Siebe 
unb greube patte er bie garben aufgetragen unb ben 
2Bieberfcpein be3 molfenlofen £>immel3 auf ben ein* 
famen greifen unb bie 23lume fallen laffen! 

©3 mar bielleicpt fepr tpöriept, aber ©aul patte fiep 
borgenommen, au3 iprem ©enepmen an biefem Slbenb 
feftfteHen gu mollen, ob fie Neigung für ipn pabe ober 
niept. Qmmer unb immer mteber patte er gefagt: 
„Sie liebt miep niept, unb fie tarnt ntiep niept heben," 
unb bennoep fuepte er ein äußere3 öeiepen, um gemiß 
guiein. 

$>ie ©alerien maren notp niept gefüllt, al3 er ein* 
trat; e3 mürbe ipm leiept, fein 23tlb gu finben, ba3 
ipm geringer unb unbebeutenber bortam, al3 je. 
„ÜRiemanb mirb e3 anfepen," bacpte er, al3 er fiep ab* 
menbete, aber feine ©eforgniß berfdjmanb halb, benn 
[ein lunftliebenber Sinn bergaß bä3 eigene 2Bert in 
bem großen ©enuß, melcpen er ben 2 Berten s Änberer 
berbantte. 

©aul irrte fiep. Sein 23ilb gog Diele ©efepauer 
herbei. 2Ba3 fie angog, mußte bielleicpt feiner gu er* 
rlären. ©egenftanb unb 2lu3füprung maren etnfaep 
unb ungefuept. $>er ^auptreig be3©angen beftanb 
in ben ©ebanfen, melcpe e3 anregte, unb in ber eigent* 
liepen Uebereinftimmung ber Farben, bie ipm einen 
3 auber liep, melcper bem $uft gliep, ber bie SRofe 
umpüHt. „©in Sommertag," lautete bie Ueberfcprift; 
ja, bie Seinemanb fepien ba3 eigentpümlicpe 28efen 
eine3 2luguftmittag3 aufgefangen gu paben. 

„Xie3 ©ilb fönnte v 9tupe / genannt morben fein," 
fagte 2lgne3 9Jiurrap, al3 fie etne Stunbe {pater bor 

aul’3 Söilbe mit ipren greunben ftanb. „§aben 

ie je ein ©emälbe gefepen, über melcpem eine folcpe 
fftuhe au3gebreitet mar, mie pier?" fupr fie jort. 
„gep möcpte miffen, ob $err gofter bei btefem ©ilbe 
an bie Qctlen baepte: 

„9tun ruljt in gfreub’aefjüüt unb tiefften ^rieben. 

Der jpimmd unb bie urrbe, loeit unb breit; 

(£« fierrfdjt ein ©tittefein bienicbett, 

Da« feine anb’rc 8eit fo beut. 

©« galten ©abbatprube felbft bie ©tnbe. 

De« SÖacfjcö Murmeln, Sieneufuntmen nur, 
ftlingt, tuie be« ©djlafc« #audj, io Iet« unb milbe." 

„kennen Sie ben Zünftler, gräulein Stturrap?" 
fragte einer iprer ^Begleiter. 

„Ob icp ipn tenne? O—ja!" entgegnete fie. 

Sie patte feine 2lpnung babon, mie fepmer fie ein 
erg bermunbete, al3 fie ben um fie berfammelten 
reunben bie Seben3gefcpicpte ©aulgofter^ ergäplte. 
Sie jpraep gütig, freunblicp; fie nannte ipn ipren 
greunb. ©aul ftanb gang in ber 9täpe, er tonnte je* 
be3 28ort berftepen, unb 2Igne3 fpraep febr laut unb 
bcutlicp. ©3 mar ipm peinlicp, er münfepte fiep meit 


fort, aber er tonnte biefen 28unfcp ni*t bermirflidpn, 
roenn er ben Ärei3 ber Herren unb tarnen, melcper 
bie ©rgäplerin umgab, ntept gemaltfam burepbreepen 
moüte. 

,,©r ift fepr arm," fagte 2lgne3; „fein ©ater arbei* 
tete in einer 9Jtüple, uno feine 9Jtutter mar bie $ocp* 
ler eine3 Sanbmanne3. 2lber fie muß große Siebe 
511 allem Schönen gehabt haben unb aucp ricptige3 
©erftänbniß für baffelbe. ©eibe ©Item ftarben, al3 
er nocp ein $inb mar unb ließen ipn in oölliger 2 lr* 
mutp aurücf. SCftit fecpjepn tarn er naep 9tem 

?)orf in ba3 2ltelier meine3 Ontel3. $ort arbeitete 
er bi3 jefetmit einem gleiß, ber ebenfo bemunberung3* 
mürbig tft, mie bie ©ntbeprungen, melcpe er fiep auf* 
erlegte. Sttein Onfel fagt, icp patte feine 2lpnung oon 
einem folcpen Seben. ®ie ^älfte ber ©äepte menbete 
er an, fiep au3jubilben, unb e3 ift erftaunlicp, melcpe 
$eitntnif[e er ftep ermorben pat. 2 Ran muß ipn über 
SJtufif, ©oefie, ©efepiepte reben pören, unb man mirb 
ipn bemunbern, menn man bebentt, baß er ba3 2Ule3 
ber eigenen 2 lnftrengung berbanft. yfaepfte 5Bocpe 
gept er naep ©uropa, um in Italien einige ©opien für 
meinen Ontel ju beforgen,unb feine tünftlerifcpe2lu3* 
bilbung ju üouenben. 2Ba3 fagen Sie ju folcher ©e* 
parrlicpfeit unb ©nergie? gft e3 niebt etne ©efepiepte, 
bie jur ^aepapmung aufforbert?" fragte fie, inbem 
fie ipr erglühenbe3 ©efiept ju bem §erm erpob, auf 
beffen 2 lrm ftc fiep ftüpte. 

„0 ja—gemiß—reept anerfennen3mertp," lautete bte 
füple ©rmtberung. 

„Sagten Sie niept, er fei nocp jung ?" fragte ein 
bejaprter Zünftler. 

2lgne3 bejapte bie grage, unb ber 2)tann, ber ©in«* 
fei unb ©alette faft ein palbe3 gaprpunbert gepanb* 
pabt patte, trat nocp einmal bor ben „Sommertag." 

,,©)er junge Sttamt jeigt offenbar fepr biel Talent," 
fagte er; „jein S^ame mirb in ber 2 Belt befannt 
rnerben." 

„2lber 2lgne3," fragte eine $)ame, beren 2lugen 
an ©lang mit ipren gumelen metteiferten, „nannten 
Sie ipn niept gpren greunb? 2Bie tommen Sie 
baju ?" 

©aul neigte ficpatpemlo3 bormärt3,um jebe328ort 
ftu pören. 

„2Bie ba3 fommt?" fragte 2lgne3. „O — icp ber* 
banfe ipm fo biel; niept nur bei meinem Reitpnen unb 
2 ftalen, fonbern aucp überpaupt. 3>er ©erfepr mit 
ipm mar ein geiftig anregenber, unb —" 

Sie braep plö^ltcp ab unb fagte nicpt3bon bemgrö* 
ßeren ©ut, ba3 er ipr jugefüprt hatte. 

,,©r ift fo ebel, fo gut," jefcte fie naep einer ©aufe 

^ 3 lber," fiel bie jumelenbebectte S)ame ein, „ift er 
ein ©entleman?" 

„ga, qemiß," entgegnete 2lgne3 beftimmt unb ru* 
pig- ./ÖcP nennc cincn ©entleman au3 tieffter 
Ueber$eugung, obmopl Sie e3 bielleicpt niept tpun 
mürben—gan/i gemiß ni(pt, benn e3 tann bortommen, 
baß er in geflieften Stiefeln unb einem fabenfepeinigen 
9tocfe einpergept." 

Sie patte oiefe 2Borte faum au3aefprocpen, al3 ein 
©eräujcp entftanb. ©in poepgemaepfener junger 9}tann 
—niept eben fcpön in ben 2 lugen biefer ©erfammlung 
—bapnte fiep feinen 2 Beg burep bie ©tenae. ©r ber* 
neigte fiep tief bor 2lgne3, al3 er borüberging, unb 
einen Vlugenblicf fpäter feploß fiep geräufcplo3 bie 
Xpür ber ©alerie ptnter ©aul gofter. 

©arpäuptig ftanb er unten auf ber Straße; ber 
2 Binb mar talt unb feparf, unb berStebel, melier ben 
gangen £ag büfter gemadpt, patte fiep in SReaen ber* 
manbelt, ber in bouen Strömen gur ©rbe fiel, ©aul 


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JUf unb Jfirbrc. 


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fübflg ei nur mechanifch; er fdbritt bie Straße htnun* 
ter, ohne ettoai z u beachten. Tic Uhr ber benachbart 
tcn äirche geigte bic elfte ©tunbe an* bai unaufhör* 
liehe gagen ber ©agen, unb bai ©eräufd) in ben 
©tragen Drang mie oon ferne an fein 0ljr. ©r oer* 
mißte ci nicht, ali ei nach unb nach gertnger mürbe 
unb autefet ganz aufhörte. Unaufhaltfam jepritt er 
toeiter. fealb hotte er ben $em ber ©tabt hinter ftd); 
ber Stegen fiel nod) immer, ber ©inb geulte. Paul 
bemerfte ei niept. 

©i mährte lange, lange geit, bii er enblicp fielen 
blieb unb an ben Stüdmeg Dachte; lange bii er fagen 
tonnte: ,,©i ift beffer fo; ei ift naturgemäß." ,,©etn 
Patet arbeitete in ber SJWi^Ie—tuelc^ ein Stecht habe 
ich, tpr fein *u tooHen ? 

©te ber §erbftminb bie buntgefärbten Plätter hier* 
unb Dorthin ftreut, fo tanzten bie mit gumelen je* 
fcpmüdten Tarnen unb feinen Herren, bie er um Äg* 
nei berfammelt gefepen hatte, oor feinen Äugen pm 
unb her. ©in plößlt<her ©ecpfel tarn über ihn. ©er 
tann bai menfd)licbe $perz ergrünben? ©er bie ©nt* 
toidelung menfcplicher Steigungen begreifen, bie nicht 
in zmei fterzen bie gleiche tft?—Paul empfanb plög* 
lieh, baß ba, roo bor menigen ©tunben ein tiefer na* 
genber ©cpmerz, eine rebellifche Äuflebnung gemefen 
mar, mo er mit fo großer Pitterteit befühlt hatte, baß 
Ägnei Stturrap z u ben Reichen unb Pornehmen biefer 
©eit gehörte, unb er, ber ©ohn bei armen Stühlen* 
arbeiteri, bodb nur zu ben Äroten unb ©eringen 
zählte, nun plöglicp tiefe, ruhige, friebliche ©lüdfelig* 
reit eingetehrt mar. ©ie hatte ihn „ihren greunb" 
genannt, fle hatte getagt „fie Oerbanfe ihm fo biel!" 
Tai mar etmai ©roßei, ^errlichei, ber SJtühe roerth! 

Sangfam, faft erfreut, ging er $urücf burd) bie nun 
ftiüen unb Oerlaffenen ©tragen, in ber ftiflften unb 
bunfelften bon ben hier unb zwanzig ©tunben, benn 
ei mar gerabe ztoifepen SRitternacpt unb bem Sttor* 
gengrauen, unb ali er bapinfepritt, fpraep er jum 
erften SJRale ihren Stamen aui: — „Ägnei — Ägnei 
SRurrat)"—, unb mai er buchte unb fühlte, bai mürbe 
zu einem herzinnigen ©ebet, bai aflei ©ute unb allei 
herrliche für ihr jungei Seben erflehte. 

Tennoqj tonnte er ei nicht hinbern, baß eine Tpräne 
auf bai tleine Pilb mit bem greifen unb ber Plume 
fiel, ali er eine ©tunbe fpäter in feinem ©rferftüb* 
epen ftanb; unb er fchämte fich biefer Tpräne nicht, 
trog feiner jungen SMannpeit. Tai erfte graue Täm* 
merlicht fchimmerteeben burch baigenfter herein unb 
milberte bai Tuntel bei gimmeri. ©r hatte eine 
fterje angezünbet,um beffer fepen zu fönnen, unb bai 
Pilb in oen palbgepadten Steifetoffer zu legen, ben 
er in bem fonnigen gtalieit erft mieber auipaden 
moUte. 

©r fchob bai Pilb in bie leere ©teile, bie er neben 
ber Schiefertafel mit ben trummen Sinien gelaffen 
hatte. Ta tagen fie zufammen: — bie ungefchidte 
geiepnung feiner ftinbpeit unb bai Pilb feinei güng* 
hngialteri. 

©r lächelte, ali er auf beibe nieber fah! — ei mar 
ein traurigei Säcpeln; unb bann fragte er fich: ,,©ie 
mirb bai ©emälbe meiner attanneiiapre fein ?" 

Tie tommenben gahre tonnten fie erft beantmor* 
ten, biefe grage; fie allein tonnten ben ©dreier lüf= 
ten, ber bie gufunft verhüllte. 

Paul’i ©influg machte fich ganz in ber ©title unb 
ohne Äuffepen geltenb; fanft unb nachgiebig im ÄH* 
gemeinen, mürbe er feft unb unbemegltd), menn feine 
©runbfäge in betracht tarnen; er tonnte nie mit ge* 
manb oertehren, opne aut auf benfelben einzumirfen. 
Tai erfannten ferne ©efäprten erft, nachbem er fie 
längft oerlaffen hatte. Ter gute ©ame, ben er burch 


Petfpiel unb ©ort in ihre $erzen geftreut, teimte unb 
trug gruept, menn ei auch nur burch ben guruf mar: 
„©ehe hin unb tpue beigleichen!" 

©i mar an etnem ©onnabenb; ben tommenben 
9ttontag moHte bai ©ebiff bie Änter lichten, auf mel* 
ehern Paul einen pia| für fiep belegt hatte, ©i blieb 
inm beihalb nur mentg geit, unb biefe mar oöüig in 
Änfprudj genommen. 

Tie Pormittagiftunben oerbrachte er mit §errn 
©ilbert, ber ihm noch oerfepiebene Änmeifungen für 
feine Ärbeit zu geben unb ©efcpäftiangelegenpeiten 
mit ihm zu orbnen hatte. Paul ließ fta) ntcht bere* 
ben, eine größere ®orauibezahlung für bie ihm über* 
tragenen Ärbeiten anzunehmen, ali bureßaui nöthig 
mar, um bie ftoften feiner Steife unb bie erfte ©inrich- 
tuna in Stom beftreiten ju tönnen. 

„geh bin an bai Ärmfein gemöhnt," fagte er, ali 
fein Sehrherr ihm eine größere ©umme aufnöthigen 
moHte. 

©egen bai ©nbe feiner Serhanblungen mit §erm 
©ilbert tarn §err ©Hiot, um ihm ©lücf zu ber gunfti* 
gen Äufnahme feinei „©ommertagei" zu münfd^en. 

„SJtan hat bai ©emälbe merth gehalten, ihm einen 
ganzen Paragraphen in ber SJtorgenzeitung zu mib* 
men unb ein Käufer hat fich auch bereiti gefunben." 

3)tit biefen ©orten zah lte cr Hör Paul etne SJtenge 
Äaffenfcheine auf ben Tifch. ©ine angenehme Unter* 
haltung folgte; §err ©ilbert mußte manchen gut ge* 
meinten Stath hinein zu fledbten, unb $err ©Hiot Oer* 
ftanb ei, Paul m jeber ©eife zu ermuthigen. SJtit* 
tag mar längft oorüber, ali bie Sperren gingen, unb 
Paul eilte oergnügt burch bie ©tragen, benn Der Per* 
tauf feinei Pilbei machte ei ihm möglich, einige lang* 
genährte ©ünfehe ju erfüHen. 

©r trat in bie ©ertftätte einei ©teinhaueri, bie 
ihm längft betannt mar. ©ie mar nicht rneit oon bem 
§aufe ber grau Vorbei entfernt, unb er mar gahre 
lang Sftorgeni unb Äbenbi baran oorübergegangen, 
menn er fich an feine Perufiarbeit begeben unb oon 
berjelben jurüdgefommen mar. Dft mar er zögernb 
ftehen geblieben, um bie SKarmorblÖde zu betrachten, 
bie fich unter ben Spänben ber Ärbeiter in hohe ©rab* 
monumente, fcßlichte unb tunftreiche Äreuze unb ein* 
fache Tafeln oermanbelten. ©o mürbe ei ihm jebt 
nicht fchmer zu ßnben, mai er fuchte — zmei einfache 
©ebentfteine für bie ©räber feiner ^eimat. 

Siebfojenb ließ er bie ^anb über ein SJtarmorfreuz 
gleiten. 

„Tiei foH ei fein," fagte er zu bem Sftann, ber bie 
Äufficht führte unb ben feauf leitete. „@i foH nießti 
ali bie ©orte tragen: „©o 11 ift bie Siebe." 

Tann trat er zu einer flüchten, tafelförmigen 
Platte. 

„§ier foH ber Stame meinei Pateri eingegraben 
merben: — „©noch gofter. ©r fchieb um bet ©h^flo 
ZU fein." 

©r zog aui feiner PrieftafdK ein Platt Papier her* 
oor, fdjneb ben Tobeitag feinei Pateri Darauf unb 
bie beiben Äbreffen ber jjrau Plate in TomptiniüiUe 
unb bei Tr. Sftiiler in ©—. Tiefe beiben greunbe 
hatten ihm oerfproepen, bie ©teine fegen laffen zu 
moHen, fafli ber Perfauf feinei ©emälbei ihm mög* 
lieb ntadjen merbe, fie zu fenben. 

y?ad)bem biei beenbigt mar, ging Paul mit erleich 6 
tertem, frohem Kerzen in ücrfchiebene Säben, um noch 
f leine ©tnfäufe zu machen, unb bog bann in eine enge 
©trage einei alten unb armen ©tabtoierteli Pin. 
Palb ftanb er oor bem $paufe, bai er fuchte, lief bie 
Treppe hinauf unb trat, ohne zu Hopfen, in ein arm* 
r ~ ,: iei gtmmer, in melchcm er nicht fremb mar. 
uf etnem ©trohlager, in einer ©de beffelben, lag 


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Huf uni jltefeet. 


Stagba, ba« löhnte SJtäbAen, oon melAem er in frü* 
heren feiten Seiten gelauft, bie er niAt nur mit 
Pfennigen, fonbern auA mit einem liebreichen SäAeln 
befahlt hatte. 

gm grühling mar fie front gemorben. Saul hatte 
fie nicht mehr bor bem portal be« ©otel« gefuhben, 
mo fie Xag für Xag mit ihrem Körbchen geftanben, 
unb er batte nicht geruht, bi« er ihre Sohnung ent* 
bedt. Oft mar er gefommen, fie zu befuchen, unb er 
hotte e« mit Augen gefehen, baß ber Au«fprucb be« 
IKrÄted fich bemahrheiten, unb baß fie feinen Sinter 
megr erleben roerbe. Set jebem SefuAe fanb er ba« 
fleine ©efiAt immer meiner unb büitner gemorben. 
grau gorbe«, bie mütterlich für ^?aul forgte, mar oft 
un^ufrieben geroefen, menn er fich uaA bollenbeter 
Xage«arbeü noch einmal zum Au«gehen angefAidt, 
aber er hatte ftA nicht halten laffen. 

„Senn ©ie fehen tonnten, mie ihr ©efiebt aufleuA" 
tet, fobalb fie mich fieht, unb mie glüdliA fie ift, menn 
ich ihr oon unferm ©eilanb unb oon ©ott, unferm 
Sater, erzähle, bann müßten ©ie, baß biefc SefuAe 
ein Au«ruhen für mich finb,“ pflegte er bei folgen 
©elegenheiten zu grau gorbe« zu fagen. 

Stagba fannte Saul*« ©Arüt, menn fie ihn auf ber 
Xreppe hörte, unb ihr freunbliAer©ruß flog ihm ent* 
gegen, beoor er ba« 3immer betreten batte. 

„0, ©err gofter,“rief fte, „iA muß ghnen erzählen, 
baß ich halb bei gefu im ©immel fein merbe.“ 
„Soljer meißt bu ba«, Stagba?“ fragte Saul. 

,,©ie fagten mir, er merbe mir geben, ma« ich öon 
ihm erbitte, unb ba bat ich ihn, unb nun meiß ich, baß 
er mich balb zu fich nehmen mirb.“ 

Saul bliefte f^meigenb in ba« ftrahlenbe ©efiAt 
be« $inbe«, ba« mit bem ©errn gefu gefprochen batte. 
©« mar ein ©efiAt, melchem bie Sott) unb ba« ©lenb 
ihr ©epräge aufgebrüeft batten. Stit ungetämintem 
©aar lag ba« oernaAläffigte ermachfene $tnb auf fei* 
nem ©trohlager—e« mar an unb für fich fein fchöner 
Anblid, unb Doch tag jefct ein feuchten auf bem ©e- 
ficht, ba« ihm eine eigene ©chönheit gab. ©« mar 
eine Art Serflärung, ber Abglanz jener ©errliAteit, 
zu ber ba« $inb etngehen follte. ©« hatte gebetet, 
mit bem ©errn gefprochen. 

„geh freue mich fo, baß ich e« nun meiß,“ fagte 
Stagba; „ich tann nicht fagen, mie e« mar, aber ich 
glaubte bie Sorte au hören: „Stagba, ich tomme balb.“ 
Xa« Stinb ffreefte bie abgezehrten ©änbe Saul 
entgegen u»b fragte ihn immer mieber, ob er fich auch 
freue. 

„ga, i(h freue mich fchr r " antmortete Saul, unb er 
badjte an ba« Sanb, in meinem e« feinen ©Amerz 
unb feine Xhränen mehr gibt, unb in melchem SJcagba 
balb Sulje ftnben follte. ©r fefcte ficb ju ihr unb er* 
Zählte ihr bie ©efchichte, rnelAe ihm ferne Atutter er* 
Zählt hatte, al« er noA ein $iitb mar, bie ©efdjichtc 
„oon ben grünen Auen unb ben frifAcn Saffern,“ 
unb bann fprad) er oon ber ©lücffeligfeit, rnelche 
Atagba empfinben merbe, menn fie nun immer bei 
©hrifto fein bürfe, bei bem guten ©irten, melier ba« 
„Samnt an feinem ©erzen trägt.“ 

Säbrenb Sßaul fo au bem $inbe fprach unb bie 
©anb beffelben in ber feinen hielt, hatte fich bie $äm* 
merung Ijerabgefenft, unb ba« an ftcfj bunfle gimmer 
mar ganz bunfel gemorben. Saul gemährte e« nicht, 
©r hatte ba« ©efutjl. al« ob ber ©errgeju«, oonmel* 
Aem er jpra<h,in fiAtbarer ©eftalt in bem armfeligen 
gimmer meile, al« ob er bie marmc liebreiAe ©anb 
erfaffe, bie ber ©err, Xroft unb ftülfe fpenbenb, ihm 
au« bem himmlifAen Sanbe entgegenftreefe. 

3Bar e« niAt fo V ©ar ber^err nicht gegenmärtig? 
^a« Äinb mar eingefAlafen. $aul zog leife feine 


©anb zurücf unb legte bie mitgebraAten ©efAenfe fo 
bin, baß SRagba fie fehen mußte, menn fie ermaAte. 
9Jfit befonberer Siebe gab er bem SSilbAen bie rechte 
©teile, ba« er für fie gezeiAnet. ©« mar ber gute 
jpirte, ber ba« ermübete Samm in feinen ftarfen »r* 
men hielt. $aul freute fich im $orau«, benn er mußte, 
baß ba« ®inb bie feebeutung be« Silbe« erfaffen merbe. 

tJtagba’« SWutter mar in ba« Zimmer getreten; fte 
fam oon ihrer beenbeten Xage«arbeit zurud. 

„©ebaffen ©ie ihr jebe mögliche SequemliAfeit, unb 
fagen ©ie ihr, baß iA niAt mieberfomrne, baß mir 
un« aber mieberfehen merben in unfere« Sater« §au«,“ 
fagte $aul. 

©r gab ber grau einen ÄaffenfAein unb ließ fte bie 
28orte mieberholen, bie fie bem ^inbe beftellen follte. 
2)ie grau mar bemegt, unb fte mürbe e« noA mehr, 
al« fiA h n öem J^inbe hinabneigte unb e« füßte, 
benn fie mußte, baß Saul ein ©entleman mar troj 
feiner geflidten ©tiefein unb feine« fabenfAeinigen 
3ftode«. ©ilig oerließ er ba« 3immer, ba« er nie 
mehr betreten foüte. 

©r hatte noch einige SefuAe z u maAen. SBcnige 
^lugenblide meüte er bei ber alten grau, oon melAer 
er fein tägliAc« grühftüd getauft, unb bann mohl 
eine halbe ©tunbe bei bem ^rebtger ber fleinen StirAe, 
bie er mährenb feine« Aufenthalte« in 9?em ?)orf 
befuAt hatte. 3u grau Sturrap unb Agne« ging er 
Zulept. 

©« mar ein furzer SejuA; er mollte fich bei ben 
Xanten oerabfAieben, unb er thate« in ruhiger Seife, 
ftein Sort unb fein Slid oerrieth bie Äämpfe ber 
oergangenen AaAt, unb ihre SeglüdmünfAungen 
über ben ©rfolg feine« ©emälbe« nahm er fo gefaßt 
hin, baß Agne« it)n faft für (JleiAqülttg hielt. AuA 
ihren langen, ernften AbfAteb«blid ertrug er ohne 
ben ©Aatten eine« SäAeln«, ba« ihn oerrathen haben 
fönnte. ©ie oermißte felbft ben 3 U 9» Öen fte bei 
ihrem erften Scgegnen in feinem ©efiAte roahrge* 
nommen, unb ber fie an jenem AaAmittag berührt 
hatte, al« fie mit ihm burA ben ©arten naA öem etn* 
famen gelfen mit ber Slume gemanbelt mar. ©ie 
freute ftA, ih n niAt 8« finben, unb — mar boA trau* 
rig barüber. Semegt ftA bie menfAliA^ Statur im* 
mer in SiberfprüAen? 

,,©r hat feine gugenbliAfcit oerloren, Sfutter; er 
fieht fo ernft au«,“ fagte fte, al« ^aul ba« Sommer 
oerlaffen hatte, unb ein ©Aatten flog über ihre 
3üge. $ut für einen Augenblid; neue SefuAe ta¬ 
rnen, beoor Saul noA ba« ©au« oerlaffen hatte, ©r 
Zögerte einige SRinuten in ber Sorhalle; ba« bemog 
Senjamin, ben alten Xiener be« ©aufe«, ber ein 
freunbliAe« ©efühl für ben jungen 3 ci Aenlehrer 
genährt patte, zu fragen, ob ©err gofter noA etma« 
münfAe, unb ob er etma« für ipn thun fönne. 

„gA möAte gern noA einmal in bie Silbergalerie 
treten,“ entgegnete Saul mit bemegter ©ttntme. 

„Aber e« ift faft bunfel bort,“ antmortete Senjamtn, 
ber fiA fogleiA anfAidte ben Seg zu Zfiqen. 

Saul beaAtete bie Sorte niAt, er meüte auA niAt 
lange in ber ©alerie unb betraAtete auA nur ba« 
Silb be« fnieenben SfäbAcn« mit ben ernften Augen, 
baß er trofc be« herrfAenben XämmerliAt« ganz beut* 
lief fap. 

AoA ein freunbliAe« Sort z u ©enjamin unb 
bann fAloß fiA bie Xhür oon Agne« Shirrap'« 
©aufe zum lebten Stal hinter Saul gofter. ©r hatte 
AbfAieb oon Araenommen, mte eine ©tunbe frutor, 
oon ber fleinen Stagba. @r fühlte fiA fehr ermübet, 
fein ©erz tpat ihm meh; bie große Anftrengung, bie 
e« ihm gefoftet, äußerltch ruhig oor Agne« zu fteben, 
mußte er jept bezahlen, ©r mar noA fo jung unb e« ift 


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(Sine jiad)t im JJudjtbau* }u Aubnrn, Jl. $. 


58 » 


immer eine mühfelige Arbeit auch für ba3 mutbiafte 
§ers, bie Suftfajlöffer niebersuretßen, welche bie 5u= 
genb aufgebaut bat. 

Ä13 er grau gorbe3 §au3 erreicht bötte, mar er 
mieber ruhig geworben; fein ©rferftübcben erregte 
ibm einige Sänalid)leit. @3 war fo oeröbet, fab fo 
troftlo3 au3. $ie ©li^en, mit benen er bie SBänbe 
gefcbmücft — lauter ftetd)nungen bon feiner fcanb —, 
waren fort; ba3 Bücherbrett mar leer. ©r feftte ficb 
an ba3 genfter, ftüfcte ben Äopf mit ber ftanb unb 
fab hinauf sum $immel. SGßie oft ^atte er fo gefeffen 
unb bie ©teme betrachtet! ge^t waren nur wenige 
ju feilen, benn ber §tmmel war Wollig, ,,©ie finb 
aber oodj ba, ba3 weiß ich," bacbte er, „unb ebenfo 
gewiß weiß icb aud), baß ber §err mir je&t fo nab ift 
wie in 3Jfagba’3 Siutnter." ® r badjte an grau 
gorbe3, bie ficb wdbrenb be3 ganzen $age3 auf ein 
rubige3 Beifammenfein am Äbenb gefreut ^atte^ auf 
eine lefcte Unterrebung mit it)m unb er ftanb auf, um 
$u ibr ju geben. ©3 würbe tbm ferner, ba3 genfter 
unb bie fcbmeigfame ©efeOfcbaft ber wenigen ©teme 
ju oerlaffen, bie mit ben fcßnell borübersiebenben 
©Sollen Berfteden fpielten, halb aans unficbtbar waren 
unb bann etnen ©Hans au3ftrablten, al3 ob fie oon 
feiner 2Bolfe etma3 gefeben hätten. 

©r fanb grau gorbe3 in ber jept immer fauber ge* 
baltenen üdje mit ihrer Näharbeit befdjäftigt. Sie 
Sog einen ©tubl für ihn an Den Xifd) unb begrüßte 
ihn mit Den SBorten: „geh habe ©ie erwartet." 

,„3cb bin ju mübe, um Diel su fprecben," antmor« 
tete^ßaul; „barf ich lefen?" 

3br fiäcbeln war bie Antwort, ©ie holte bie Bibel 
bon bem £aminfim3 herunter. 

fßaul blätterte unentfdjloffcn inberfelben; erfebnte 
ficb nach ^roft, nach 9Hube, wußte, baß er beibe3 in 
ber Bibel finben werbe, aber er war ungewiß, wo er 
lefen foDte. 

„§aben ©ie wohl beachtet," fragte er, „baß ba3 alte 
unb ba3 neue Xeftament un3 benjelben Xroft fpenbet, 
aber in gans oerfchiebener SBeife?" 

©r wartete auf feine Antwort, aber er bemerfte ben 
fragenben Blid ber alten grau unb beeilte ficb, ihr 
SU erllären, ma3 er meinte. 

„$)a3 alte Xeftament ftärft mich, weil e3 mir ©ott, 
unfern Bater, ben allmächtigen ©cpöpfer unb ©rbal« 
ter ftimmel3 unb ber ©rbe offenbart. 2öenn ich an 
ihn benfe, bann glaube ich, erhoben su fein über meine 
©orgcn unb ftümmerniffe. ©3 ift etwa3 fo ©roße3, 
jo ©rbabene3 in bem ©ebanfen, baß biefer allmäd)* 
tige ©djöpfer unb Jperr an mich bentt unb auf ba3 
hört, Wa3 ich ihm faöe." 


„Äu3 ber Xiefe rufe icb ©err, su bir." 

fßaul machte eine fßaufe. ©r Dachte an bie Xiefe 
ber Qweifel, in benen er fo lange gefangen gemefen, 
unb grau gorbe3 mifchte ficb eine ihrane au3 ben 
Äugen, benn fie erinnerte ficb ber buntein ©tunben 
ihrer Vergangenheit. Äber Beibe lächelten wieber, 
al3 Baul weiter la3: 

„4u erbörteft meine ©timme. Berbirge beine 
Opren nicht Dor meinem ©eufsen unb ©cbreien. Babe 
bicfc su mir, wenn ich bicbanrufe, unb jpricb: 'gürdjte 
bim nicht !'" 

ßaul jchmieg; er bacbte über ba3 ©eie jene nach, 
bi3 grau gorbe3 ihn unterbrach. 

Bun jagen ©ie mir hoch," bat fie, „wie ba3 neue 
%eftament tröftet." 

„kommet her su mir ÄUe, bie ihr mübfelig unb be* 
laben feib, ich toitl euch erquiden. — ©uer £ers er« 
fdirede nicht unb fürchte ficb nicht. Qd) will eud) nicht 
SBaifen taffen, ich fomme su euch/' 

„$a haben ©ie meine Äntmort. SBenn man biefe 
©Borte Iteft, bann fallen bie eigenen ©orgen unb $üm* 
memiffe wie ©chatten surücf. ginben ©te ba3 niAt, 
graugorbe3? ©mpfinben ©ie nicht, baß bie SBit* 
terfeit be3 ©chmerse3 Weicht, wenn (ich auc b uid)t öcr 
a a n s e 5)rurf oerliert? 5)ie unenoltche bingebenbe 
Siebe ©brifti, ba3 hohe 93eifpiel feine3 Seben3 unb 
2Banbel3, feine3 STbun3 unb 2affen3 wirft bejänfti* 
genb auf jeben ©djmers he3 $ersen3 unb ©cifte3, unb 
fetbft auf ba3 3ßeb be3 Seibe3, wenn wir e3 lefen, Wie 
bie ©Dangeliften berichten." 

$aul jchlug bie 53ibel su unb legte fie an ihren 
$lah jurürf. 

„Sch war ermübet, al3 id) ju Sbuen fam," fagte er, 
„nun habe id) mich geruht. ÖJute 92ad?t." 

„2öa3 ift Sbuen nur begegnet, ^errgofter?" fragte 
bie grau. { ,©ie fcheinen )eit geftern um Diele S a bre 
gealtert su |ein." 

2Ba3 war ihm begegnet? 2Ba3 begegnetun3, Wenn 
id) jene3 ©twa3 in unferm 93licf unb in unferm 2Be* 
en seigt, ba3 nacbbrücflicher, al3 e3 ein Saturn Der« 
mag, nun au3fagt: ,,©r ift ein ann geworben; —• 
fie ift fein ®inb mehr." ©3 fomntt nicht3 barauf an, 
ob wir bie grage beantworten fönnen, ober nid)t, 
wenn wir nur, wie Vaut — 

a 3m Innern füllen unb natb Hufcen seißen, 
unjcr bie tje ©otteö abnt. 

933enn mir nur: 

3fn untrer ffreube auf ibn feb’n, 
gn unjerm @(bmerj au tfjm ijinaeb'n' 

3)ann fehlt unö nictjt Der inn’regrieben, 

©ei aüeni, tuaS »ir tbun Ijienieben/' 


Scfjlufj folgt. 


-- - - 

diue Padjt im Juriitljaus |u üubiint, P. JL 


f tn @cf)ranf t>on (Si^enfiotg, binter beffcn 
Öflo§tf)ürcn ein ®u^enb blanfgenpu^te 
glintenläufe bli|ten, ein Serfc^Iag, in Wef= 
d>m riefige ©tftlüffel für eiferne X^üren, |»nnb= 
f^eHen unb fßiftolen gingen unb ein einfamer 
SBäc^ter, faft un^örbar auf unb ab patrouüirenb 
unb bei jeber SSenbung bttrc^ bie begitterten 
genfter in einen umfangreichen ^of blicfenb, — 


ba8 mar Sitte#, ma# mir im erften Slugenbtict 
auffiel, ai# mic^ SBarben Sanebart eine# Slbenb# 
gegen jebn Ut>r in ba# gimmer be# ^)au#infpef= 
tor# braute unb mich bort fperrn Sam ÜRitter 
mit ber SBemertung »orftettte, icb fei „berur» 
tbeilt," eine Siadjt in bem Stubumer ©efängnig 
jujubringen. 

„Sam," mie ibn Lebemann nannte, mar ein 


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590 


dint Macht im 3ud|tl)ai» ;u Huburn, Jl. Jf. 


breitfd^utteriger SJtann mit entfehtoffenen 3ü 5 
gen ober freunblichen Slugen. ©uperintenbent 
Safer hatte iljn fürztich beförbert unb bie Stach» 
rid^t, bah ein Sefannter be« ©uperintenbenten 
alle ©Reinheiten 'be« berühmten ©efängttiffe« 
ju fehen roünfche, ftac^ette if»n natürlich an, fein 
Sefte« afä güljrer unb Unterroeifer ju tt)un. 

®er Keeper griff nach bem riefigften ber SRie= 
fenfcf>Iüffet in bem ©chranfe unb öffnete eine 
maffioe eiferne 2i)iire. 2Sir gärten, wie ba« 
1£)or mieber mit bumpfem ©eräufd) in ba« 
@cf)loh fiel unb ich muffte, baff ich für bie nädfjfte 
3eit nun oon ber Stufjenmelt fo ooHftänbig qb= 
gefdfjieben mar, als ob ich im bunflen (grabe 
ruhe. 2ßir gingen langfam unb fo leife mir 
tonnten, um bie Schläfer nicht ju mecfen, bie 
eiferne kreppe hinab. ®a§ ©rfte, rna« meine 
Slufmerffamfeit anjog, mar ba« gehlen jebeS 
üblen ©eruche« in ben Sorriboren, meldje mir 
jejjt burdjfcfiritten. Sefudjer oon ©efängniffen 
merben fich meiften« ber mit ffarboifäure ge» 
fdimängerten Suft erinnern, mett£»e ihnen au« 
ben langen bunflen (gangen, auf roeldje bie 3el« 
len münben, athemberaubenb entgegenfdilägt. 
®a« ©efängnifj oon Sluburn befifct fo trefffiifje 
Slbjugöfanälc—ein glühen hinter ber fübtidjen 
ÜJtauer fchroemmt allen Unrath fort — unb bie 
fetten mie fforribore merben fo mufterljaft fau» 
ber gehalten, bafj bie Sttmofphäre ftet« burcfjau« 
frifcf) unb rein erfdjeint. gn bem fpauptge 
bäube, in metchem mir un« befanben, maren 
bie grojjen Oefen, um bie ffüchen unb Speife» 
fäle zu Ijeijen. Son jebem ber beiben ®nben 
be« ©ebäube« laufen jmei ©eitenflügel au«, ber 
ältere mit Staum für ungefähr 400 ©efangene, 
ber neuere 600 Sträflingen Unterfunft bietenb. 
Um neun Uhr muff jeber gnhaftirte fein Sicht 
au«löicf)en unb fein harte« Säger auffudjen. ®a 
fa'nn er fdjlafen ober nadjbenfen, mie er miß. 
©djmere Sltljemzüge unb hin unb mieber ein tie= 
fe§ ©cfjnardEien, maren bie einzigen ®öne, meldfje 
in ber mitternächtlichen ©tiße ber fforribore 
hörbar mürben. Sin bem ©nbe jebe« ©äuge« 
ftanb ein SBädjter. gn ihren gitzfdfjuhen jcf)lür= 
fen fie geräufdjlo« an ben 3eHen öorbei, auf» 
merf jam auf jebe« oerbädhtige Reichen laufchenb. 

geh fcf)lief in biefer Stadst in einem fetjr fom» 
fortabel eingerichteten ©cfjimmer be« oberen 
©tocfroerf«. ©eine genfter maren nicht öergit» 
tert, man überfah oon ihnen au« bie ©ifenbahn» 
ftation unb einige ©tragen be« Orte«. 9ting«um 
tiefe« ©djmeigen, ber ÜJtonb ftanb hell am Stacht» 
himmel unb übergoß mit feinem milben Scheine 
ba« frieblidj fchlummernbe ©täbtchen unb ba« 
ff ongtomerat oon finfteren ©ebäuben, in roelchem 
§unberte unb Slberhunberte Unglüdlidhe ftd) 
auf hartem Säger umhermätjten unb Oon einem 


freieren, gtüdlidjeren ®afein, al« bie ©onne be« 
jungen ®age« beleuchten mirb, träumten. 

günfjeljn Stinuten oor fech« Uhr mürbe ich 
burdfj laute« fftopfen an meiner ®hü re gemedt, 
unb ich beeilte mich, in meine ffleiber ju 
merfen, um bie Sträflinge bei ihrem • ÜJtarfche 
in ben ©peifefaal ju beobachten. ©he ihnen 
ba« grühftücf gereicht mirb, machen fie erft ihren 
SKorgenfpajiergang auf bem $ofe. ffompagnie« 
roeife fommeit bie Siänner in ihren ßebrafoftii» 
men au« ben Iljüren, ber üJtorgenroinb um» 
fpielt ihre in ber zweifarbigen ffteibung fich 
grote«t Oon ber nüchternen Umgebung abheben» 
ben ©eftalten, beren bleiche, meift finftere ©e» 
fichter oon fchlaflofett SSädhten, oon inneren 
furchtbaren ffämpfen, oon üer$meiflung«ooller 
SRefignation erzählen.... 2Ran fennt au« 
hunberten oon ©efdhreibungen ben monotonen, 
tnedjanifchen, h er i et 9 re 'f en) 3en ©efangenen» 
marfcf), mit ber Sicherheit einer geölten 9Jta= 
fchinerie ba« folbatif^e „Stecht«, lin!«, redht«, 
iinf«" übenb, eine gleichfam oon einem fremben, 
be«potifchen, jebe inbioibuede ©elbftbemegung 
nieberjmingenben SBiden getriebene SRaffe. 
©tumnt, ftitt, automatifch beroegte fich ber lange, 
lange 3ug, einer unettblichen, geftreiften Stiefen» 
fchlange ähnlich, burch ben toeiten Oon ber jun» 
gen ©onne befdjienenen §of. Stur bie laufen» 
ben oon Slugen jeigten, bajj in biefen ©eftatten 
noch ein eigene«, felbftftänbige« Seben athme, 
ba| in biefen ftummen (Sträflingen, — fo man» 
eher mirb niemal« mehr bie Sßelt jenfeit« ber 
SJtauern fehen—noch immer heiße, milbe SBünfche 
lobern, bah ein eiferne« Steglement mohl ba« 
geuer in ihrer Sruft, roelche« greoetthaten ge» 
boren, mit Schladen überziehen, aber nicht er« 
löfdjen tonnte_ 

®er ©peifefaal ift ungefähr halb fo grofj mie 
bie #alle im Safement be« ©ooper Qnftitut«. 
gn einer ©de ift eine Keine ißlatform mit einem 
$ult, oon melchem man ben ganjen Staum über« 
fehen fann. ®ie ®afeln ftnb einfache Sretter, 
bie ©i^e gemöhnliche Sänte, mie fie bei ©om» 
merpicnic« unb ©amp SDteeting« gebraucht mer« 
ben. ®a« grühftüd beftanb au« $afh, Srob 
unb ffaffee. geber ©efangene betommt einen 
3innteHer, eine Xaffe unb Söffet au« bemfetben 
SDiaterial unb ein ftumpfe« SJt eff er. Sludfj h* er 
ging Sille« faft geräufdjlo« oon ©tatten. SBäh» 
renb ber ganzen SRahlzeit mürbe fein SSort ge» 
roechfett. 

SSie bei gefangenen 2h* eren « f° ift auch bei 
eingeferferten SJtenfdjen bie ©ffen«zeit bie ge» 
fährlichfte. geh bemerfte, bah jeber ber SBärter 
bie ihm anoertraute Slbtheitung oon ©träftin« 
gen fdharf im Sluge behielt. 2>ie geringfte grif« 
tion, bie leichtefte ÜRihheöigfeit, tann einen Sluf» 


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PenhmUrbige Sräurnr. 


591 


ftanb jur gotge hoben. Sie finb erregbar, Wie 
SBeSpen, unb Wenn fie nur ben ©emeinfinn bte- 
fer gnfeften befaßen, würben fie in einem ewi* 
gen 3uftanbe bon {Rebellion unb eine fortwäh 5 
renbe ©ebroßung aller ©efängnißorbnung fein. 

DaS grühftüd War in einer Siertelftunbe be* 
enbet, ber 3«g bitbete ftdj wieber unb marfchirte 
in bentfelben mechanifch abgemeffenen Dempo 
nach ben SBerfftätten ab. §ier unb ba trat ein 
9Rann aus ber Sinie unb bebor ber lefcte beS 
3ugeS baS 3* mnier öerlaffen bjatte, ftanben auf 
jeber Seite beS DifcheS ungefähr ein holbeS 
Dufcenb Sträflinge in leife geflüsterter Unter* 
Haltung. 

„(Sin ober jwei SKänner aus ber ©ruppe 
oeriaffen beute baS ©efängniß unb bie Einbern 
haben ©rlaubniß, ihnen ©otfchaft an ihre Ser* 
Wanbten mitjugeben," erflärte ber SBarben. 

Sine fubftantieHere ERaljljeit erwartete mich 
in bem 3> mmer bed SBarben. Dann fam 
©am, um mir bie Seute bei ihrer täglichen Sir* 
beit ju jeigen. Durch bie ©ießerei in bie 
©dhuhwaarenfabrif, in welcher bie Schuhmacher 
mit raftlofer Smfigfeit arbeiteten. {Riefige $au* 
fen bon ©tiefein unb Schuhen tagen auf bem 
83oben unb ben ©änfen, um nach bem ©üben 
unb SBeften tranSportirt ju werben. SBir 
burcfjfcfjritten bie Difchlerwerlftätte, bie ©djlof* 
ferei unb gelangten enbtich nachbem ich einen 
erfchöpfenben Sinblicf in baS großartige, in* 
buftrielle ©etriebe biefeS mufterhaft oerwatteten 
©efangenenhaufeS getljan ^atte, in baS ftitle 
unb frieblidje ©ernad}, welches ber 33ibtiothef 
gewibmet ift. 

©in ©efuch in Stubum würbe, ohne baß man 
einen ©lief in biefeS 3iwmer geworfen hätte, 
nicht erßhöpfenb fein. Das Silb, Weites fi<h 
mir bort bei meinem ©intritt oor einigen SBo* 
chen bot, ift noch ffifdj in meiner ©rinnerung. 
Sin einem hohen ©ulte, auf Welches ein Sonnen* 
ftrahl fiel, ftanb ein ältlicher 3Rann in geftreif* 
tem Slnjuge. ®r ift einer ber Wenigen ©efan* 
genen—bielleicht ber einzige—beffen Kopfhaar 
unb ©art nicht gefdjoren finb. ®r war, als 
wir eintraten, mit bem ©ortiren ber für bie 
Sträflinge eingelaufenen ©riefe befchäftigt. 
©eine ©ewegungen finb noch ebenfo fchnett, feine 
{Rügen ebenfo gut, wie bor faft einem halben 
gafjrhunbert, als er feine erften Schritte auf 
ber faufmännifdjen Saufbahn that. ©r arbei* 
tet mehr als irgenb gemanb fonft im ©efäng* 
niffe unb jwar mit einer ©enauigfeit, einer 
©achtenntniß, als Wenn er 3eit feines Bebens 
nichts SlnbereS als ©ibliothefar gewefen wäre, 
gn ungefähr fechS fahren wirb er noch ein ©tat 
aus biefem füllen gimmer in bie taute SBett 
treten, um in ihrem SBirbel als Ungefannter 


unterjutaudjen. ©iS bahin werben ihn bie De* 
pofitoren ber einftmaligen üRarine {Rational 
©an! bergeffen haben, wenn auch ber {Raine ihres 
©räfibenten, garneS D. gifh in ihr ©ebächtniß 
mit unberlöfchlidjen 3^gen -eingegraben ift unb 
bort haften wirb bis jur testen ©tunbe ihres 
SebenS. 

SBenn ber Dermin eines Sträflings fein ©nbe 
erreicht, befommt berfetbe einen neuen Slnjug, 
©affage bis ju feinem ©eftimmungSort, ben er 
angibt, unb ungefähr bier Dollars in baarem 
©elbe. ©o auSgeftattet, wirb er ein freier 
ERann. SBenn er in ben fahren, bie er inner* 
halb ber grauen ERauem jugebracht hot, SBeiS* 
heit gelernt hat, wirb er nach ber Station ge* 
fjen, bort ben nädjften ©ahnjug befteigen unb 
bie ©tabt Sluburn oeriaffen, um nie wieber 
borthin jurüdjuleljren. £at er aber SRichtS ge* 
lernt unb {Ricf)tS bergeffen, fo wirb man ihn 
Wahrfcheintich innerhalb ber nächften bierunb* 
jWanjig ©tunben betrunfen in einer ber jaht* 
reichen Kneipen SlubumS finben, ohne ©elb, 
ohne Obbach, ein Dramp. Unb bann wirb Wie* 
ber, um ben erften junger ju füllen, bie ab* 
fchüffige ©ahn befdpritten, bie nach lurjer 3eit 
in eine 3eöe jenes 3tiefenjud)tl)aufeS münben 
wirb, Welches gleich einem finfteren, brohenben 
SBarnungSjeichen an ber ©ingangSpforte in bie 
SEBelt, in bie nach jahrelangem ©egrabenfein ju* 
rücf julehren fo ferner, fo jammerbotl fchwer ift, 
liegt. (©eil. gourn.) 


ikultttmrMgf träume. 

Bon Julius «. SRulfingtr. 

aS ift ber Draum ? SRan erflärt ben ©e* 
griff „Draum" einfach als „baS SBadjen 
ber Seele bei fdjlafenbent Körper" ober 
„eine fortgefefcte Dhätigleit ber ©eele wäljrenb 
ber Körper im Schlafe auSruht." Die ©eele 
bebarf beS ©chlafeS nicht, fonbern nur ber 
Körper. 

DaS alte Sprichwort: „Dräume finb 
Schäume," mag fich in bieten gälten bewahr* 
heilen ; aber eS gibt auch Ausnahmen, welche 
uns beweifen, baß bie Dhätigleit ber ©eele im 
©chlaf nicht immer nur baS ©robuft einer fdjrna* 
chen, erregbaren, phantaftifdjenElatur finb, fon* 
bern auch oft auf glaubmürbige unb wichtige 
Dhatfadjen beruhen. Die gunftionen beS ©e* 
httnS in ber ^irnidjale eines fchtafenben SBefenS 
beweifen, baß Dräumen ebenfo naturgemäß ift, 
wie Denfen im wachen 3«ftanbe. 

©in gelehrter gorfcher befinirt ben Draum 
als jenen guftanb beS ©chlafeS, in bem ber 



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592 


Jlrahroürbige ®rüu«ne. 


SJtenft äße Gontrote über feinen teibliten Dr» 
ganiämu# öerloren ^at, bet geiftige aber in 
Sljätigfeit ift. 

3 tu Saljre 1821 bot fich eine Gelegenheit, bie 
Statur ber Sräume ooßftänbig p beobachten. 
Gin Stäbchen Don fedjSunbjtoaniig fahren hatte 
in golge einer Ärantheit bie äußere ©timhaut 
unb einen Sheit ber ^irnfdjale oerloren, fo baß 
ba# Gehirn offen tag. SJtan fanb, baß, »nenn 
fie im feften ©djtafe tag nnb nicht träumte, baf» 
fetbe beroegung#lo# in ber $irnftale mhte. 
©obatb fie aber träumte, bewegte fit ba# Ge» 
tjira, unb jwar um fo mehr, je toidjtiger ober 
auftegenber fotdjer Sraum mar. Siefe# liefert 
ben Seroei#, baß bie ©eete im Staunt ihre 
Sljätigfeit mittetft be# Gehirn# fortfe^t, roälj» 
renb fie über anbere SJörpertljeite ihre SJladjt 
oertoren hat. 

Saß Gott Staunte benufct, um baburch jurn 
SJtcnfchen ju reben, um ihn ju roaraen ober p 
ermuthigen, ift nicht allein eine fjppothefe, fon» 
bern eine bibtifch erroiefene Shatfadje. 3 n ber 
heiligen Schrift werben manche Sräume al# 
göttlichen Urfprung# erflärt. 3m 1 Stof. 20, 3 
tefen wir: „9lber Gott !am p Slbinteled) im 
Sraum be# Stacht# unb fprach p ihm: '©iehe, 
bu bift be# Sobe# um be# SBeibe# willen, ba# 
bu genommen, ba fie hoch eine# SOtanne# &l]t 
Weib ift/"—3ofeph fagt 1 SRof.41,25: „Sßa# 
Gott thun will, hat er bem Sh arao angejeigt." 

3m Güangelium SJtatth. 1, 20 Wirb berich» 
tet: „911# 3ofeph aber fotche# im ©inne hatte, 
ba erfchien ihm ein Gttgel im Sraum unb fagte: 
'3ofeph, Soßn Saoib’#, fcheue bidj nicht, SJtaria, 
bein SBeib, p bir p nehmen, benn ba# in ihr 
Grjeugte ift oom heiligen Geifte'." SJtattl). 2, 
12: „Unb ba bie brei Söeifen im Sraumc 2Bei= 
fung erhalten hatten, nicht priidpfehren p 
f>erobe#, jogen fie auf einem anbern SBege heim 
in ihr Sanb." 

Son ben oielen benlroürbigen Sräumen, 
welche un# in ber Gerichte erpljlt werben, finb 
fotgenbe wohl bie merlroürbigften: 

3ohaitn $owarb ißapne, ber Sinter be# 
Weltbetannien unb unfterblidjen Siebe#: “Home, 
Sweet Home,” War oom Glüde nicht begün» 
ftigt. Sie ganje SSelt hat feine Sichtung ge» 
jungen, unb bie SJtetobie hallt heute noch in je- 
bem Sanbe Wieber, er aber War oon ffinbheit 
ein SBanberer unb wußte oft faum, wo er fein 
miibe# jpaupt nieberlegen follte. Sen Gefüh¬ 
len über .jpeimatt) hat er bie fchönften, rüfjrenb= 
ften 9lu#brücfe üerliehen, unb bod) waren ihm 
ber .'pcimnth füßen Steije fremb. 

„fccute Stacßt hatte ich einen Wunberbaren 
Sraum," erjät)tte er einem greunbe, „ich faß 
ein Silb Ootl länblicßen grieben# nnb Steije#. 


Güte Sanbfdjaft mit malerifch abfallenben bü¬ 
geln, laubigen Shälem unb fanft gleitenben 
glüßchen. Sa# Sljat Wimmelte ootl oon Slu» 
men unb Sögeln, hier wogten golbene Saaten, 
bort weibeten Schafe unb Stinber. 3 n ber 
SKitte aber ftanben Heine §äu#<hen, au# web 
chen Sachen unb fröhliche Stimmen ertönten unb 
glüdliche ÜDtenfdjen au#» unb eingingen. G# 
War mein ewige# 3beal oon |jeimath unb meine 
Seele fdjwelgte in bem Silbe, ba# langfant 
meinem Slide entftwanb. Umfonft ftrengte ich 
meine Sinne an, bie fchroinbenben Umriffe feft» 
juhalten, eine große, bunfele SBolfe jog barüber 
hin. 'Sa# bebeutet bein eigene# Soo#/ fagte 
icß, «ob mährenb ich fprach, erfchienen auf ber 
SBolte in glammenlettem bie ÜEBorte, bie ber 
Slßmädjtige einft p einem anbern Sterblichen 
fprach: 'Unftät unb flüchtig foßft bu fein auf 
ber Grbe/ Gntfefct hörte ich mein Urtf>eil unb 
erwachte." 

Ser unglüdliche SRann begrub feufjenb ba# 
Slntlifc in ben £änben. Salb barauf erfchien 
“Home, Sweet Home,” ba# in feiner Schluß» 
ftropße befonber# an ba# Sraumbilb erinnert: 

„gern oon ber trauten fceimatl) pnbeft bu fein ®Iücf; 
©ebt mir ba# Heine, jtrot)bebecfte fiau# jurüd, 

Sie Söglein auch, bie mich nie ängjtlich mieben, 

©ebt fie jurücf, gebt mir ber Seele griebeit. 

Sich £>cimatl|. fuße# SRutterlanb, 

©rreicht fein ferner, frember Stranb. 

3 n 9lbraham Sinloln’# Gharafter wirb feine 
Siebe pr gamilie befonber# gerühmt. Sei all 
feinen fßflic^ten unb Serantwortlichteiten fanb 
in SDtitte ber ©einen er all fein Glücf, unb e# 
gab feiten einen Sonntag 9lbenb, Wo er nicht 
mit SBeib unb fiinb in einem Zimmer be# 9Bei» 
ßen ßaufe# fich oerfammelte. Siebreiche Ge» 
fpräcpe oerlürjten bie geit unb gewöhnlich la# 
er auch ein Kapitel ber heiligen Schrift Dorunb 
erllärte ben Sinbern ba# Gelefene. 

„2ßa# hältft Su oon Sräumen ?" fragte er 
eine# 9lbenb# feine Gemahlin. 

„Sticht#," entgegnete biefe lafonifch. 

„G# ift mir lieb ba# ju hören, benn ich 
träumte neulich in eigentümlicher Sßeife, nnb 
al# ich heute bie Sibel öffnete, fdjlug ich gerabe 
3afob’8 Sraum auf, nnb ta# noch SOtanche#, ba# 
§u meiner Gebantenrichtung paßte." 

„Grphle ben Sraum, lieber Sater," bat ber 
fleine, helläugige Sohn be# ißräfibenten. 

„Sor ungefähr jehn Sagen ging ich fpöt ju 
Sette unb fchtief halb ein. Stun träumte id), 
e# umgebe mich tiefe Stille unb ich hörte ferne# 
SBeinen. Sann War’#, al# ftänbe ich auf unb 
ging bie Sreppe hinab. Ueberaü bie gleite 
Stille, aber immer beuttidjer mürbe SBeinen unb 
SJehtlagen. 3t tarn an ba# lefete 3intmer 


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Pa« beji^rn mit? 


595 


unb trat ein. ©or mir ftanb ein pracbtüofler 
Satafalf, auf bem eine Seiche ruhte. Ueberaß 
Sachen unb eine SJtenge Soll. '333er ift im 
©eißen fmufe geftorben V fragte ich einen Sol= 
baten,—'ber ©räfibent' entgegnete biefer. '©oran 
jtarb er?' MBurcb SJtörberbanb!' Stun hörte 
ich folcb laute? ©ebflagen, baß ich ermatte. 
Sdj konnte nicht wieber einfcßtafen nnb war in 
fetjr gebrfidter Stimmung." 

„liier Üraum ift fc^redtic^," rief ber Sot)n 
erbleübenb, „bat er etwas ju bebeuten, ©ater?" 

„Stein, mein Äinb," läcfiette ber ©räfibent, 
„’g ift ja nur ein Uraum unb mir wollen ihn 
ju oergeffen fucben." 

Unb bodj fcbwanb bei it)m ber ©inbrud bie= 
feg Xraunteg nic^t mieber. Ueberaß fcbwebte 
ibm bie ernfte Üobegfcene oor, ^örte er bag 
©einen unb SBebftagen. Stuf aß’ feinen ©egen 
fürchtete er bie 3Körber§tmb, unb bocb faßte er 
fidj immer wieber: „’g ift nur ein Xtaum." 

9llg in ber 9tad)t beg 14. Slprit 1865 ber 
©räfibent oon 3°b n SBilfeg ©ootb ermorbet 
Würbe, war grau Sinfoln’g erfte ©orte: „Sein 
Iraum war propt)etifc£»." $)amalg oerftanb 
man ttidEft bie SJteinung biefer ©orte; aber fpä= 
ter würbe ber Xraum toiet erjäblt, unb bilbete 
einen Ib e >t beg IDramag, bag ber amerifani* 
fcben Station einen unterblieben Sftärttjrer gab. 


IN* bcfilmt mit? 

f Sür €>«»* mb $ert So* «. ^ 

ürjlicb lag i<b in einer geitung, bat ein 
©anquier in ©ien am 1. SJtai einen 
©ewinn non 150,000 ©ulben gemacht 
batte unb mit feiner grau aug greube 
über fein ©lüd nach ©arig reifte, um 
ficb bort ju oergnügen. @r befugte mit ibr 
bie fomifebe Oper. 

©g mar aber ber 26. SJtai, berfelbe Slbenb, 
wo ber ©lafc oor bem $b e ater bidjt mit SJten* 
fcben befefct war, bie in atbemlofer Spannung 
bem entfeblicben Scbaufpiet jufaben, bag fiep 
oor ihren Slugen entrollte. Slutrotb entflieg 
bem Jbwter ein SJteer Don glommen ju bem 
bunfeln Stad^tbimmel, bie hohe Suppet beg ®e= 
bäubeg löfte ficb uub bag prächtige ©ebäube 
ftürjte praffetnb jufammen. 

Seine ©efaßr abnenb, waren bie Seute Wie 
fonft in bag Ibeater gegangen, um ficb für tbeu* 
reg ©etb eine Stunbe Vergnügen ju erlaufen. 
Sie batten ba gefeffen, Sopf an Sopf im weiten 
3ufcbauerraum, Slfle im ©efeßfdjaftg* unb ©aß* 
Heib auf g Scbönfte gefcbmücft, eine oon Sammt 
unb Seibe, ©olb unb ©betfteinen glänjenbe 


©erfammlung, aflentbalben Steicbtbum, Schön* 
beit, Sebenggenuß, Weiterleit! S)a faßen plö|}* 
lieb mitten im füßen ©efang eineg Siebegliebcg 
gunfen auf bie ©übne. ©leicb barauf erfebaflt 
ber Stuf: „geuer!" 8ßeg ftürjte in DerWor* 
rener $aft ben Stuggängen ju; rücfficbtglog 
brängte Slßeg über gefallene unb jämmerlich 
febreienbe grauen unb Sinber hinweg, ©on 
ber ©aterie unb aug ben oberen Sogen tyvab, 
fprangen ©injelne Derjtueifclt in bag ©arterre 
hinunter, Slnbere öffneten bag genfter unb ftürj* 
ten ficb auf bie Straffe, Wo fte mit jerfdjmetter* 
ten ©liebmaßen aufgehoben würben, ©in ©er* 
fueb ber geuerwebr, in bag brennenbe ©ebäube 
einjubringen, War erfolglog, unb fo fam eg, bat 
man 150 lobte unb SebwerDerwunbete jäbtte, 
unter benen ©iele, big jur Unfenntlicfjfeit ent* 
fteflt, noch am anbem SJtorgen unter ben rau* 
cbenben Irümmern berüorgejogen würben. $ier 
ftreefte ficb ein mit reichem Scbmud oerfebener 
91 rm aug bem Schutt empor, bort lag ein ©aar, 
im fcbmerjlicben Slbfcbieb ficb feft umfcblungen 
baltenb, erftieft unter ©alten—unter ihnen ber 
©anquier aug ©ien, ber einen ©ewinn Oon 
150,000 ©ulben gemacht batte unb ber nun aug 
greube über biefen mit feiner grau bie Oper 
befuebt batte. 

So erjäblt ein mir aug meiner $eimatb nach*/ 
gefanbteg, (iebgemorbeneg ÜbüringerSonntagg*^ 
blatt, unb ich meine, biefe ©efetjicbte ift eine ge*/ 
waltigc ©rebigt für ung ©briften, einmal bie 
grage aufjuwerfen: „Sag befißen wir?" 

©ag tönnen wir wirtlich unfer ffiigen nennen 
in biefer armfeligen ©eit, in ber ung beute 
$ab unb ©ut, morgen bie ©efunbljeit, in furjer 
grift oiefleiebt Slßeg genommen wirb, wag wir 
unfer nennen! Ohne eine Slbnung baüon ju 
haben, haben ficb b* er ^»unberte mit bem ©in* 
trittgbißet bag ©ißet jur Steife in bie ©wigteit 
getauft, unb bie ift lang, ernft unb unermeßlich! 
©ag meinft bu wohl, lieber Sefer, ober bu 
freunblicbe Seferin, in Welchen ©liidgraufcb ficb 
biefer SJtann Wohl eingewiegt haben mag; Welche 
ftoljen Suftfcblöffer er Wohl aufgebaut haben 
mag oon biefetn ©ewinn, ben er für aße feiten 
ju befifcen wähnte; würben wir an feiner Steße 
nicht baffelbe getban haben? ©ott weifet ung 
in feinem erften ©ebote an, wag wir unfer nen* 
nen tönnen, unb jwar nicht blog für biefe $rit, 
fonbern für ßeit unb ©wigteit, inbem er fagt: 
„3<b bin ber ^»err, beitt ©ott !" ©oßen wir 
einmal ftille ftef)en' in bem täglichen ©etriebe 
biefeg Sebeng unb eg einmal nur recht in bag 
§erj faffen, Wag biefeg ©ort Jagen wifl? ®aß 
er ung bamit tein ©olb, fein Silber, feinen 
Saifertbron, fonbern ficb fdbft, bag 9lßerbefte, 
bag Slßergrößefte, wag eg im Rummel unb auf 


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594 


Pretbigungett in Äljiiia. 


©rben gibt, ju eigen gegeben ljat, bie SDtajeftät 
ber SRajeftäten, bie Ätlmacfyt fetbft unb barnit 
eine ©roigfeit notier ©etigfeit? 3 ft bieg fyeut 
ju Sage in aller 333elt jo t>erad)tete ©ebot nid)t 
ein ©oangelium, um beffentmillen mir niefjt auf* 
Ijören foflten $u fingen unb ju banfen, meil fid) 
bie Ällmadjt ung felbft $u eigen geben toiH? 

333 ag fott id) benn nun nad) ber ©rbe fragen, 
menn id) ben^erm beg ©rbüobeng mein nennen 
fann; ioag nun noefy nad) bem $immet fragen, 
toenn id) ben $erm beg ^intmelg Ijabe? 

£), bafe mir bod) lernten, in tieffter ®emutl) 
ung einmal ju beugen oor ber äRajeftät feiner 
Siebe, bie Sllleg nie! $u flein unb ju nichtig er* 
achtet, mag eg auf biefer ©rbe gibt; bie nidjt 
geruhet f)al, atg big fie ung bag Slllerbefte unb 
ÄHerreidjfte ermorben l)at, erftritten unb er* 
fämpft in Ijeifeem Sambfe, auf bafj mir bie emige 
Siebe felbft unfer eigen nennen fönnten in 3*it 
unb ©migfeit! Sluf bafj mir bag unfer eigen 
nennen fönnten, mag emig toäfjrt, mag bleibenbe 
©lüdfeligfeit gemäfjrt unb bleibenbe ©enüge 
beg ^erjeng! 333er benft aber l)eut $u Sage 
Diel an bag 333ort $at)ibg: „®ein 333ort ift föft* 
tiefer, benn Oie! ©olb unb ©über?" 

S 33 enn mir ung nur einmal gemöfjnen moHten, 
meine freunblidjen Sefer unb Seferinnen, mit 
ben inneren Äugen 2 ld)t 51 t fyaben auf bie tägli* 
d)cn Vorgänge, über bie mir fo gleidjgüttig fyin* 
toegfefjen unb lefen, mir mürben bie getoaltig* 
ften ^rebigten in ifjnen finben, bie alle bag 
333ort ©otteg $ur SBaljrljeit madjen: „35}ag 
f)ülfe eg bem SKenfdjen, menn er bie ganje 3Belt 
gemänne, unb näljme @#aben an feiner Seele?" 
Sollten biefe 333orte aber ein flein menig baju 
beitragen, bie oeradjteten aefjn ©ebote, bie ung 
bod) ^um Seben gegeben finb, ein menig mefjr 
mieber ju ©fjren $u bringen, fo märe ber fttoed 
biefer feilen erfüllt. 


Icfuö allein. 

ßfiir #«u9 unb §trb ton #. SR. 

in SDtann erjäßlt üon feinen Steifen l 3$ 
ftanb neulich auf einem ber ßöcßften 'fünfte 
t be» ©ebirgeS. 33o id) ftanb, mar icß in 
ber näcßften Stäbe nur bon feßr offen Reifen um* 
geben, unb ein tiefer Slbgrunb beßnte fi(f> ju 
meinen giißen. 3<ß ßatte baS ©efüßl, als 
fö.nnte ber Sturm mit Seicßtigfeit ßier einen 
SReufdjen ßinabblafcn, mo er einen fieberen Job 
in ben gelfenflüften finben mürbe, unb unmtll* 
fürtieß griff meine $anb naeß einer Stüße. ®a 
fab id), baß ic£| ein rot) aus Stein gemeißeltes 


Ärujifij umfcßlang, meldjeS ßier auf ber ßöcß* 
ften Spiße errietet mar. 

Sdjon beim ©efteigen beS SergeS maren mir 
am SBege bie üerfcßiebetien $eitigenbilber aufge* 
fallen, unb mein ©egleiter, als eifriger ßatßolit, 
ßatte mir halb bon bem ßeiligen 3 °fepß unb 
anberen erjäßlt, bie bort bereit mürben, ©eint 
Slnblid beS gefreujigten §eilanbeS an biefer ge* 
faßröotlften Stelle, tonnte id) bie grage nießt 
unterbrüden: „SBarum fte^tmoßl ^ierber^err 
S^riftuS felber unb nid)t aud^ einer ber Stßu|= 
Patrone mie bort unten?" 

®er einfache ©ergbemo^ner faß mieß eine« 
Slugenbtid überlegenb an, unb fagte bann, an* 
bäcßtig jum ®reuj aufblidenb: 

„3a fcßauen’S, lieber §err, bie Stnberen tön* 
nen bas ßalt njt ftßaffen! ®ie Stelle ßier ift 
eine mäeßtig gefäßrtttß?; menn ßier nießt ber 
fjerr 3 e fuS felber maeßte, tarne gar maneßer 
nit glüdlicß mieber ßeim!" 

3 )er fDtann ßatte reeßt, menn ber $err 3 efuS 
nießt felber madE)te über unfere Seelen, eS tarne 
rnoßl feine meßr ßeim. ®ocß, ©ottlob, baß ber 
£>crr 3efuS immer noeß S3a<ße ßält über bie 
Seinen. „3cß miö fie beßüten, mie meinen 
Augapfel," fagt er. ®afür münfeßt er nicßtS 
meiter ju empfangen, als baß unfer 4?erj nießtS 
liebt alS: 3 eji<^ allein . 


$ferbi$uit$eit in dlftita. 

S«r Mttl &tr» ko« %. OßUnger. 

jj^n feinen SeerbigungSfitten ßält ein ©ol! 
am längften feft. $ie ©otfSßtte ift eine 
ÜRacßt, melcßer nur ber freimütßige, ge* 
faßte ©tenfeß naße ju treten rnagt. ®iefe ©i* 
genfeßaften finb jeboeß nie fo ferner, als bei 
Irauergelegenßeiten an ben jag ju legen. Qn 
©egenmart beS $obeS fommt amß baS 3«nerfte 
— melcßcS ja baS eigentließe Seben eines 
©olfeS ift — jum ©orfeßein. $ier jeigen fuß 
bie erften S'eime, beibeS ber ©ultur unb ber 
Sleligion; namentlicß ift’S ber ©laube an ein 
unfterblitßeS ®afein naeß bem lobe, melcßer 
ßier unb jmar oft bureß feftlicßeS ©egeßen ber 
Seicßenfeier ju einem fießtbaren SluSbrudf tommt. 

liefen ©lauben ßatten bie falten ©ßinefen in 
ganj befonberem 3Raße inne, ift aber leiber ben 
©ßinefen ber 3 eßtjeit, namentlitß ben ©eleßr* 
ten, eineStßeitS feßmeigfatn bureß Uebergeßung, 
anberntßeilS bureß jmeibeutige Seßrfäße im 
Sßftem beS SonfuciuS oerbufftelt morben. S)er 
„ßoeßoereßrte SKeifter" mürbe fuß nie flar be* 
mußt, maS ber SJtenfdß oom pßßfifcßen, nodß 
aueß »om pfßdßologifeßen Stanbpuntt auS be* 


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Peerbignugeu in (S^inn. 


595 


traget ift.—Säfjrenb bie alten ©rieten einer» 
feit« fid| bag ©etrenntfein ber Seele Dom Seib 
nicht benten tonnten; mäßrenb toir ung anberer» 
feitg über ißren Serüf)runggpunH nicht Har 
werben fönnen, finben Wir bei (Jonfuciug Weber 
non ber ©inen noch Dom Anbern einen auch nur 
einigermaßen Haren ©egriff. 3n feinen §än= 
ben fanf oielmehr Aüeg auf bag SRioeau ber 
ÜKaterie ljerab. Allenthalben geigen ficß bie 
Süden feineg Spftemg. Den lob tonnte er 
nicht erHären, über Sünbe unb Seib gab er fei» 
nen Auffcßluß. gfir bag ©ute, bag feine An» 
bänger tßun, fotten fie in biefem Seben ©eloh» 
nung erwarten. „Ser gegen ben fpimmel fün» 
bigt, finbet leinen Ort jum ©ebet." grömmig» 
teit DerWedjfelt et burdjmeg mit äußeren ©ere» 
monien. Durch ben Abnencult allein gibt er 
©eweig Don einem Unfterblidjteitgglauben. Dag 
djinefifdje SSoIf hingegen gibt ißm auf bie man» 
nigfadjfte Seife Augbrud unb gmar gang be» 
fonberg burdj bie bei ©eerbigungen gebrauch» 
liehen geftmahte. 

Dag erfte geft nennen fie — Sein g u m 
©f erbebefteigen. Diefeg geft wirb ge» 
feiert, nachbem ber Sarg gefdjloffen unb auf 
Stühle gefteöt ift. Die ©E»iTtefen haben einen 
reichen Schaft bitblidjer Auctbriicfe, womit fie 
ihrem nadten Dretmühlenleben bag ©eWanb ber 
©oefie angutegen fudjen. Die Stühle, auf 
welche fie ben Sarg ftellen, finb „©ferbe," ber 
Sarg ift „langeg Seben," bie Sanfte (Drag» 
feffet) ift ein „Sagen." Dieg ift um fo auf» 
faöenber, wenn mir bebenfen, baß (namentlich 
in unferm Dljeil beg Sanbeg) faum ein S^inefe 
unter 10,000 je ein ©ferb beftieg, noch einer 
unter 1,000,000 je einen Sagen faß. 

Dag gweite geft Reifet: Sein ber Do» 
beganfünbigung unb Wirb nach ©erlauf 
ber erften fieben »tage(nach ©intrittbegDobeS) 
gefeiert. Mn biefem lag fommen bie ©erftor» 
benen jum ©ewußtfein, ftefjen auf, um fieß gu 
Wafchen unb entbeden — baß fie geftorben finb, 
ba fi<h bie erften Reichen ber ©erwefung feßon 
eingeftetlt haben. Steifen unb Woßtriechenbeg 
Saffer (Safchwaffer) werben neben ben Sarg 
gefteüt. Diefeg (ohne jeboch bag geft gu wie» 
berßolen) Wirb bei ben ©ornehmeren jebe fieben 
Sage big gunt 49 v Dag wieberholt. Die Drei» 
unb S i e b e n g aß l, bie bei ben ©hinten eine 
fo wichtige fRotle fielen, finb noch immer beut» 
liehe Spuren, bie ein frühzeitiger ©erfehr gmi» 
fchen ben ©ßinefen unb einigen anberen alten 
©ulturDölfern auch bei jenen gurüdgelaffen hat. 

Dag britte geft heißt: Sein gur ©ol» 
lenbung ber Drauerfleibung. Die» 
feg geft wirb nach ©erlauf ber gWeiten ober auch 
britten fieben Dage gefeiert unb ift bie gange 


gamilie bei biefer ©etegenheit weiß, bag heißt 
in Iraner gefleibet. 

Darauf folgt nach ©otlenbung ber oierten 
fieben läge: Danffagunggmein, ober 
bag fjeft ber Anerfennung aller §ülfe unb 
Dheitnaßme, welche bie heimgefuchte gamilie 
Don Seiten ihrer greunbe empfangen hat. 

©nblicß: ©eerbigunggwein unmittel» 
bar nach ©eftattung ber Seiche. @g Derfteht 
fid> Don fetbft, baß biefe langwierigen feierlich» 
feiten nur bei ben ©ermögenben unb auch ba 
nur nach bem lob eineg ÜRanneg ober einer 
©roßmutter ftattfinben. 

Die dßinefifeßen ©hriften geben gewöhnlich 
nur bag ©eerbigunggmahl, weidheg ebenfatlg 
alg Danffagunggmaßt bei ihnen gilt. 

©roße Soften unb Schwierigfeiten Derurfacht 
ein aug ber älteften fRaturmiffenfcßaft herge» 
brachter Aberglaube — gengfßui (Wörtlich: 
Sinb» unb Saffer) genannt—bei eßinefifeßen 
©eerbigungen. Da ift’g halb ein ©rab, ein 
.fciug, ein Strom unb Wag fonft, melcßeg bag 
©lüd einer fonft münfehengmerthen ©rabftätte 
entgießt — unb ben ©erftorbenen ftören mürbe. 
Ober eg hat ein Stacßbar, nachbem man eine 
fonft recht günftige ©rabftätte getauft hat, ein 
jmeiteg ©rab fo gebaut, baß bag ©lüd beg 
Ortg ihm guftrömt—er hat Knaben, mir äJläb» 
chen, er wirb reich, wir arm ic. 

Da nimmt man benn gum ©efeft Suflucftt 
unb treibt bie Stage, big beibe Familien nichts 
mehr haben. Sei Seitem bie meiften 9tecßtS' 
ftreite in Sßina haben ' n bem gengfhui=Aber= 
glauben ihren ©runb, Anfang unb — langjäh» 
rigen Sdjleppgang. Abgefehen Don ben $in= 
bemiffen, bie er bem ©erfehr, $anbel unb $n= 
buftrie in ben Seg ftettt, ift er immerhin ber 
foftfpieligfte Aberglaube, ben wir in C£f)ina fin» 
ben. Dennoch muß man auch 'h ni etWag ©uteg 
gugefteßen. Aug gurdjt Dor ihm bleibt man» 
eher ©aum alg 3>erbe beg Dorfeg ftehen, ber 
fonft ber $abfudjt gunt Opfer gefallen Wäre; 
ißm ift eg ßauptfäcßlich gu Derbanfen, baß ©f)' na 
noch immer ein fruchtbares Sanb unb feine 
Sanblpüfte ift. gn ber SRotft Derfauft ber ©h>= 
nefe gelb unb $auS, grau unb föinber, wagt 
eg aber nicht feinen „gengfßui = ©aum" abgu» 
hauen. 

©benfo läftig, wenn auch ni<^t fo foftfpielig, 
ift bie cßinefifche Aftrologie. Diefe ertßeilt je» 
bem gaßr im Spciug, jebem SKonat im 3aßr, 
jebemDag unb jeberStunbe ein gewiffeg Schuft» 
tßier (Dotem) ju- Somit fteßt benn jebe ©er» 
fon unter gewiffen Schufttßieren, je nach bem 
3eitabf<hnitt, in Welchem fie geboren würbe. 
ÜJtit biefen müffen bie Sd^uftthiere ber 3 c 'l 
(^aßr, SWonat, Dag, Stunbe) in welcher ber 


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69(j 


Pus btt fdjniäbif^en flljrmikfi ftir Jfit btt Pauttnkritft. 


©erftorbeite beerbigt wirb, auf öerträglicbem 
gufj fteben, fonft fann er nic^t ruhen. ©S 
bürfte g. S. eine ©erfoit, bie im ^a^r be8 ^>afen 
geboren würbe, nicht im 3 a b r be3 Xigerö beer» 
bigt Werben. 

2 )ie8 ift benn auch ein ©rurtb, warum man 
in ben meiften SSofynungen einen ©arg bereit 
fteben finbet. ©8 tommt oft auf eine fjatbe 
©tunbe an, ob ber ©erftorbene fofort, ober erft 
nach gehn Sauren beerbigt werben barf. ;pier 
Wäre natürlich gu bemerfen, bafj ber ©arg in 
©£)ina nicht aus ©rettem, fonbent aus f^weren 
$oblen gebaut unb fo oerfittet wirb, bafj er 
ooKftänbig luftfeft ift. Sie Seiche fann fomit 
auf unbeftimmte $eit im $au8 bemalten werben 
unb bient ber ©arg nicht feiten als Xifdj, ©an! 
unb fonftigeS fpauSgerätf). 

§auptfacbe bleibt eS immerbin ben ©binefen 
bann uitb fo gu beerbigen, baß er gufrieben ift 
unb ben binterbliebenen Sinbem, b. f>. Knaben 
unb nicht äJtäbcben, ©cwinn unb nicht ©anfe» 
rott, SBoblergeben unb nicht Äranfbeit unb fon» 
ftige Seiben gufchicft. 


Um bie ©eele, b. b- bie ©eele, bie gu ©rabe 
gebt, unterwegs oor feinblichen ©ettelgeiftern 
gu bewahren, ftreut man burchlöcberteS ©apier 
auf bie Straffe oor bem ©arg bin. 2)a bie 
meiften ©eerbigungen früh SKorgenS ftattfin» 
ben, fo gebt man oft beim ffrfibgang wie über 
baS fjerbftlaub im SBalbe bin. 3>ie weiblichen 
SDiitglieber ber gamilie folgen bem ©arg in 
Sänften unb fchreien aus bollern $alfe. 

«Woch beffer bringen es jeboch Solche fertig, 
beren Seruf eS ift, als Xrcfuerfrauen bie Seichen 
ber Reichen gu ©rabe gu begleiten, liefen 
wirb bann ein guter laglobn, je nachbem fte 
ihre ©acbe gemacht (!) haben. 

Unter ben männlichen ©liebem ber garniüe 
gilt eS fo aufgeregt unb gefchäftig gu fein als 
möglich- ®aS gehört gum nau yek, ein SluS» 
brucf, ber faum mit gWangig SBörtem, wie: 
lebhaft, gelungen, luftig, gebrängt ic. 
überfefct werben fann. Somit haben Wir benn 
bei einer djinefiftben ©eerbigung baS ©emachte, 
baS Unnatürliche unb, gang befonberS, baS 
Softfpielige. 




3Ut* bn fd)U)abifd)(ii dljrotiiha jur $eit brr Itouetiihrirgf. 

$ür $ait6 unb &txb mitgetljeHt Dom Sor’Ie. 

(6d|lu6.) 


aCHI eprere gehljahre maren nad) einanber ge* 
mefen, nicht bloS im ©ein, fonbern im 
©etreibe. $er Scheffel 2)infel mar 
Oon bem gemötjnlicfjen fjßreiS oon 21 $r. 

* 5 $1. bis auf 2 gl. 4 Itr. 2 £1. geftie* 
gen, unb $u bem maren gerabe bie Säeinreben 
auf’§ Steue erfroren. 

Qept fotlte ber Sanbmann noch non feinem 
©las ©ein, baS feiten an ihn fam, ein fünftel 
fich abjie^en taffen, am Srob unb gleifdj, bafj 
er a£, meiter bejahen, als er in ©irflichfeit 
erhielt. 

3 ept fprad) ber ©eispeter laut baoon, mie 
man bemaffnet gufammen $iehen müffc, unb er 
fönne fie Oerfichern, menn fie fich jufammen tf)ä= 
ten, merbe fich halb Diel Solls ju ihnen fragen, 
befonberS aus bem ©ebiete ber benachbarten 
SieichSftäbte ©münb unb ©fjlingen, benn 2au= 
fenbe leiben unb füllen mie fie. 

21 m felben Äbenb jogen fie aus £>eppadj, 
©runbach, unb Seutefsbach mit ©epr unb ©af= 
fen nad) ber jmei ©tunben entfernten SImtSftabt 
©chornborf. gmmer mehr Sol! fchlofc fich un= 
termegS an, oor ber ©tabt maren 3000 Säuern. 
Sie forberten bie ©tabt auf, fich ih nen anau- 


f^lie^en, fie mollen bie neuen ©teuern abfdjaf> 
fen, unb il)re alte Freiheit fi^ mieber holen. 
3 n ber ©tabt aber maren Slbelmann üon 2lbel- 
mannSfelben, ber ©tatthalter, unb ©eorg öon 
©eisberg, ber Sogt, beibe beim Sanbüol! fehr 
beliebt. ®iefe gingen ^u ben Säuern h^auS, 
fprachen freunblich mit ihnen, liefen ihnen Srob 
unb ©ein reichlich Oor bie 2h ore führen, unb 
fagten ihnen §u, ba§ fie ihre Sefchmerben oor 
ben ^erjog bringen unb bie Sbbefteflung be^ 
mirfen moSen. 

Unb nachbem fie gegeffen unb gut getrunfen 
hatten, jogen bie Säuern gegen Stacht mieber 
in ihre Dörfer. 

Ulrich mar gerabe auf einer feiner oielen 
SergnügungSreifen, ju Sefuch beim Sanbgrafen 
^ßh^ipp oon Reffen. ®ie brei $auptfünber er= 
fchracfen über biefe Sunbgabe beS Sol!eS, unb 
riefen eilig ben ^erjog jurüct. 2)aS StemSthal 
mar minbftill, als er am 2. SRai fam. ©r fah 
barum in berSemegung nur einen tollen ©treid) 
beS SlugenblidS, in melchem bie Säuern ihre 
Pflicht gegen ihn, ihren £>errn, aus ben Äugen 
gefept. ©r mar überzeugt, bafe feine Stähe, 
fein Änblid ihre ooHfommenfte Steue unb alte 


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Uns Irr ftroSbißbeR 0l)renihii j#t JJeit ber Pauernhriege. 


597 


Untermürfigfeit jur gotge haben mürbe. — Sr 
ritt bacum mit nur acfjtjig ©ferben, ber flein» 
ften 3 a bl feineä gemöbnticben ©efotge«, nadf 
©djornborf, nacbbem er juoor an alte Remter 
au«gefcbrieben, baff er bie neue ©djabung auf» 
beben, unb bie ©efcbmerben auf einem Sanbtage 
unterfucben taffen motte. 

gn ©djotnborf befd)ieb er bie amt«angebäri» 
gen ju ficb, e« fam eine gemiffe 3 abl ohne SBcbr 
unb SBaffen, unb er tjiett eine Siebe an fie, auf 
bemfetben ©tafte, auf roeldjem fie bor ber (Stabt 
am Dfterfamftag ficb gelagert butten. ®ie Sr» 
fcbienenen entfcbutbigten ficb unb baten um ©er» 
jeibung. 

Ulrich oerfpracb ihnen, alte ©träfe falten ju 
taffen, ritt beim unb fcbrieb ben benachbarten 
©eicb«ftöbten, ba| Sitte« im ©em«tl)al gefüllt 
unb getufcbt fei. Ulrich batte fo biete 3 n b re 
herein, ber ©erfaffung unb feinem Sibe junt 
|>obne, feinen Sanbtag einberufen. 3)arum 
traute ©iemanb befonber« an feine jefeige 3u» 
fage eine« Sanbtage«. Unborfidjtig genug batte 
er feine $robung mit fremben ÄriegSoölfem 
laut merben taffen. ®aran hielten fleh bie ©liff» 
oergnfigten unb forberten in ihren ©ebreiben 
alle ©emeinben auf, ficb nicht mebrtoS bem 
©cbmerte ber gremben prei«jugeben, fonbern 
in bie SBaffen ju treten. 

3ugleicb feferieben fie auf bie Untertürfbeimer 
ßirebmeib eine allgemeine ©erfammlung au«, ju 
melcber unter bem Schein be« Äircbmeibbefucbe« 
jebe ©emeinbe ihre äbgeorbneten fenben follte, 
um mit einanber ju tagen unb Slbrebe auf alte 
gälte ju nehmen. Stm beftimmten Sage, ben 
28. ©tai, fanben ficb oiete ©tijjoergnügte Don 
bem ganjen Sanbe her ju Untertürfbeim am 
©eefar ein. (Die Slbgeorbneten ber Slemter 
Söblingen, Seonberg, ©aefnang, SBinnenben, 
©tarbadj, ©larfgröningen, Urach k. fagten ben 
©em«tbatera fpütfe unb 3ai u 8 ju, menn fie 
toSfcblagen. 

©o fefer bie Stufregung über ba« ganje Sanb 
Derbreitet mar, fo maren bie Iriebfebem unb 
gntereffen boeb febr Derfcbieben, meldje an ben 
einjetnen Orten tfeätig maren. ©ei SBeitem 
ber größte 3^fecil mottte nur einjetnen ©efebmer» 
ben, bie oft nur Oertticbe« betrafen, abgebolfen 
rniffen. Ein großer (£büt ftimmte in bie ©e» 
megung ein au« Suft am Särmen, ober Don ben 
Unterbänbtem be« armen ftonrab« b'neinge» 
jogen, ohne ficb Har ju fein, ma« er mottte. 

®er arme Äonrab mar im ©erbältnijj ju ber 
bemegten ©taffe nur eine Heine 3 abt, unb mäb= 
renb er DöHige greiljeit, allgemeine ©teiebbeit 
mottte, maren bie meiften Slnbern fcf)on in bem 
©ebanfen gtüclticb, einige ©echte, einen nur et» 
ma« freien 3 uftanb mieber ju erlangen, ©in 


©tann ber Xalent unb Äopf genug gehabt hätte, 
biefe Derfcbiebenen ^ntereffen ju Dereinen unb 
bie oereinjelten fträfte be« Sanbe« auf einen 
fßunft binjuriebten, hätte ber ganjen ©emegung 
eine anbere, nicht für SBürttemberg, fonbern für 
(Deutfdjtanb erfolgreiche SBenbung geben tönnen. 
aber ein fotefeer fehlte. 

3 m armen ftonrab fanben ficb jmar oiete 
$änbe, bie gefefeieft maren, einjufäbetn unb ju 
meben, Diete Strme, träftig genug jum (Drein» 
fcblagen, aber fein Äopf, ber bie 2 lu«jeicbnung 
gehabt hätte, bie bem ©olfsfübrer unentbehrlich 
ift. (Da« jeigte ficb halb. 

Um Ulrich batte ficb injmifcben ein jiemticbe« 
Ärieg«oolf oerfammett. ©aebbem bie Sanb» 
febaft feine ©cbulbentaft übernommen, mar auch 
fein Srebit mieber geftiegen. Submig Don 
§utten allein, ber al« ©efanbter be« ©ifcbof« 
Don SBürjburg bei bem Xübbtger ©ertrag mit» 
mirfte, lieb au« feinem fpau«fcbabe jebntaufenb 
©ulben bar, momit er reifige ©ötbner anmerben 
fonnte, auch jog ihm auf fputten’« ©etrieb ein 
ftarfe« £>ülf«ootf feine« |>errn, be« ©ifcbof«, 
ju. (Diefer Jütten mar berfclbe, bem Ulrich 
halb barauf jum (Danfe meucbling« feinen ©obn 
erftacb. 

auch bie ©täbte jeigten ficb jefet, ba fie für 
ficb, tua« fie münfebten, berau«gefd)lagen hotten, 
miüiger. ©pinpathte hotten bie ftäbtifeben 
Herren nie für bie ©auem unb ihre Sache ge» 
fühlt. Schon ju anfang ber unruhigen ©etoe» 
gungen maren au« 14 ©täbten abgeorbnete ber 
©brbarfeit ju ©tarbacb jufammengetreten unb 
batten ficb berathen, bem unnüjjen ©otf ber 
©auem itjr tfedriefet gürnebmen mit ernften 
©tittein nieberjutegen. (Die ©täbter eilten 
bem $erjog ju jujieben, bie Xübinger allein 
febon fanbten ihm ein gäbnlein Don fünfbunbert 
moblgerüfteten Unechten, unter bem Sbeln Srnft 
Don gürft at« $auptmamt. ©lit biefen Der» 
einigten ficb bie gäbnlein Don ©atingen, ©tutt» 
gart, Sanftabt unb Äircbbeim, meteben Se^teren 
bei Untertürfbeim Don einem Raufen ©auem 
ber ©afe über ben ©eefar Derfperrt rnorben mar. 

(Da« $ülf«Dotf be« SBürjburger«, breibunbert 
©ferbe, babei fiebenunbfiebenjig Don abet, ta» 
gerte am 29. guli febon ju Saufen am ©eefar. 
©on bem Sburfürften Submig Don ber ©falj 
lief ©adbriebt ein, ba| feine ©eifigen jmifdjen 
bem 26. unb 27. in ©faulbronn anlangen 
merben, unb Don bem ©larfgrafen ©fplipP bon 
©oben, baff feine ©eiter am 27. früh ©forjbeim 
Dertaffen haben, auch be« ©ifcbof« Don Äon» 
ftanj £>ü r f«üolf mar auf bem ©tarfebe. an 
©ölbnem unb Sebn«leuten hotten ficb on bie 
1800 um Ulrich gefammelt. 

$er Sracbfe^ ©eorg Don SBatbburg allein 


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598 


S«nntagfd)uU^rlitianen. 


patte ipm 100 fßferbe, 600 Änecpte unb einiges 
grobeä ©efcpüp gugefüprt. 

Stm 28. 3uli lief bie ©enepmigung beS Ser* 
trage oont $ergog ein, bagu, wie eS fcpeint, eine 
gemeinte ^nftruftion für bie ©einigen, toie ber 
Vertrag gu Ratten fei. 

SlrgloS oertrauenb bent ipnen gelobten grie* 
ben unb ficpem ©eteit, fapen fiep am 31. Quti, 
SRorgenS, bie fidjern SBaiblinger ptoptid) burdtj 
bie Seute ßrnft Don gürft’S Überfällen, unb 
gwar, Wie eine gleicpgeitige, bem $ergog guge* 
eignete ßobfcprift auSbrüdlid) fagt, auf beffen 
Sefepl, ba Singeber aus SBaiblingen felbft bie 
Flamen oerbädjtiger ober ben Säuern oerbün* 
beter SRitbürger angegeigt Ratten. ®iefe mür¬ 
ben gefangen genommen, ipr ©igentpum geptiin» 
bert, ipre Käufer DerWüftet, ein Serfapren, baS, 
wie berfetbe fagt, nacpper überall im Sanbe ge= 
gen bie Slngefcpulbigten geübt würbe. 

®arauf eilten er unb bie pergogticpen SRätf>e 
baS SRemStpat hinauf, überfielen ben burdj ben 
Sertrag, Weidner grieben unb fixeres ©eleit gu* 
fagte, fidler gemachten oberften fpauptmann ber 
Säuern, fpnitS Soßmar oon SeutelPbad), feinen 
SBaibet unb feinen gäpttbrid), banben fie opne 
Weiteres unb führten fie in Setten ©cpora* 
borf gu. 

Stm 2. Stuguft tiefe ber fjergog äße SBepr* 
paften in ber Sogtei ©epomborf, im Stemetpat 
unb aßen umtiegenben gteden auf ben SBafen 
por ber ©tabt Portaben, eS erfcpieuen gegen 
3400, bie Slnbern tarnen nicpt ober flüchteten 
fiep in bie Serge unb SReicpSftäbte. ®er ange* 
gebene .Bwecf ber Sortabung war, ipnen ben 
©ntfepeib beS SanbtagS gu eröffnen. $uerft 
Warb ipnen befopten, ipre SSaffen abgulegen. 
©ie tpaten es, faft lauter Unfcpulbige, Don bem 
fremben unb einpeimifepen Stieg Speer beS £>er= 
gogS oon aßen ©eiten ptöplicp in bie ßRitte ge* 
nommen. 

3fpt taS man ipnen baS ©rfenntnife beS 
SanbtagS oor, WetcpeS atfo lautete: 9tacpbem 


unfer gnäbigfter gürft unb §err, unb auep 
©tabt unb 9tmt ©epomborf, ber Sanbfcpaft baS 
©rfenntnife anpeim gefteßt, bafe, was biefe fie 
peifeen, beS Sübinger SertragS patb gu tpun 
ober gu taffen, babei eS bleiben foße, fo ent* 
fepeiben unb peifeen auf biefe Strtifel pin bie 
Scrufenen Don ber Sanbfcpaft einpeßig, bafe bie 
oon ©epornborf, ©tabt unb Slmt, ben jübinger 
Sertrag auep annepmen, Wie fiep baS naep fei* 
nem gnpatt gebüprt. 

Sept bereuten bie SBeprtofen ipre Seicptgläu* 
bigteit, Utricp ritt ipnen gegeüber, Dom Sopi 
bis gu ben 3epm gewappnet. Stuf feinen SBinf 
ftürgten fiep feine Seifigen auf fie, unb bie, 
wetepe als befonberS tpätig bei ber Semegung 
betannt, eS Waren beren nicpt Weniger atS 1600, 
würben atS feputbig ober oerbäeptig eingegogen. 

Slm SRontag, ben 7. Stuguft, würben bie Sin* 
geftagten auf ben gemöpnlicpen Stop gefüprt, 
Wo unter freiem £immel baS ©eriept gepalten 
Würbe. ®en Sorfip beS ©ericpteS füprte £anS 
Don ©aisberg, ber Sogt Don Stuttgart, ben 
Slnftäger maepte Stonrab Sreunig, ber Sogt Don 
Tübingen, ben Sertpeibiger ©eorg oon ©aiS* 
berg, ber Sogt Don ©epomborf. ©ie warfen 
fiep oor bem fpergog auf bie ffnie, unb baten, 
fie nur mit bem iRecpt gu oerfeponen, fie über* 
taffen fiep bem f>ergog gu gnäbiger ©träfe. 
3)iefcr liefe barauf naep gehaltener Seratpung 
burep feinen Rangier Samparter ipnen erftären, 
bafe er gmar eper geneigt Wäre, baS ftrenge 
Secpt über fie ergepen gu taffen, aber ©ott gu 
Sob unb auf ipre Sitte wofle er fie gu gnäbiger 
Seftrafung annepmen, Wenn fie bem, was er 
ipnen auftege, geporfam naepfommen Woßen, fo 
foßen fie eS mit einem feierlicpen Qa beträftigen. 
$a poben bie fccpgepntpatb £>unbert bie Ringer 
gum glimmet unb fagten mit lauter Stimme 
3 a. ©ie würben mit ©etb geftraft. 

©o enbete ber arme ftonrab, wieber eine 
SBoge, bie fiep braep unb gerftäubte, aber ber 
©trom ging oorwärtS. 


iBrwua-i 


§onntagfcpuf - Jeftftotien. 


(Bonntag, 6. ftoüember. SBcfCttntltifj JlWt SRattt). 10, 82—42. 


32. $arunt, wer ntief? befennet oor beit $Rcnfd)en, ben Win id) 
betennen oor meinem bimmliidten fBatcr. 

33. Skr mid) aber oerleugnet Oor ben < 3Jtcitfd)en, ben Will tdj 
aurf) üerleuflnen Oor meinem bimmliicbeit ißater. 

34. ^br ioüt nicht wälinen, baft ich nerommen fei, ^rieben ju 
enben auf (Srbcn. ^d) bin nid)t flefomiiteti ^rieben fenben, 
onbern bae 2d)tuert. 

35. 2)enn icb bin ßefommen ben Wenftben ju erregen wiber 


feinen fPater, unb bie Xocfjter wiber ihre ^Kutter, unb bie Schnur 
wiber ihre @d)Wieger. 

36. Unb befc 3Renf(ften gfeinbe werben ieine eigene ^>au«genof- 
fett fein. 

37. S3er ®ater ober 9Jlutter mehr liebt, bentt midj, ber ift wei= 
ner nidjt wertb. Unb wer ®obn ober Mochtet meljr liebt, benn 
mitb, beT ift meiner nitbt Wertb. 


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SeHntagfdjuUfrfctÜHrti. 


599 


38. Unb ton nidjt fein Jtreua auf ftA nimmt, unb folgt mir 
■aA, ber ift meiner niot roertt). 

89. ©er fein Sieben finbet. ber mirb e« oerlieren; unb toer fein 
leben »erliert um meinet romen, ber mirb es finben. 

40. ©er euA aufnimmt, ber nimmt mid) auf, unb mer miA 
Mfnimmt, ber nimmt ben auf, ber mid) gefanbt bat. 

41. ©er einen Propheten aufmnimt m eine« Propheten Wa¬ 


nten, ber mirb eine« Propheten £obn empfangen, ©er einen ®e* 
reAten aufnimmt in eine« (SereAten Warnen, Der mirb eine« 
recfjten £opn empfangen. 

42. Unb mer biefer ©eringften einen nur mit einem ©ectyer fal= 
ten ©affer« träntet, in eine« Mnaer« Warnen; maprlicp, tA fage 
euA, e« mirb ipm niAt unbeloijnt bleiben. 


fHMif4er ©nmbaebanfe: „EJarum, mer mid? be* 
lennet oor ben SJtenjchen, ben miü ich betennen oor 
meinem l)immlifd)en Vater." ÜJtatth. 10 , 32. 

©inleitiiM. 3 e it unb Ort tote in ber oorigen Set* 
lion. ier ^nhalt biefer Settion ift eine gortfepung 
ber Untermeifungen, meldje ber £>err ben 3 TOÖl f en 
i^rer 9lu3fenbung erteilte. Sie follten nun junt 
erften SRale allein auSaiepen, um ba3 Eoangelium $u 
prebigen unb Wunber $u toirten. $)iefe, mistige 
wat^fc^lage entpaltenbe Siebe gefu ^erfaßt in b r e i 
£aupta bfepnitte. gm erften Slbfcpnitte (V. 
5—15) fpriept er oornepmlich bon ber bamaligen ©en* 
bung unb ©rebigt. 3m ameiten Slbfcpnitte (V. 
16—23') rebet er bon ber allgemeinen Sttiffion ber 
9tpoftel F mie fie ftch meiter gestalten unb Verfolgun* 
en über bie Slpoftel herabbringen toerbe, nachbem 
er $err bon ihnen gefepieben fein mürbe. $er 
britte Slbfcpnitt (V. 24—42), oon bem unfere Set* 
tion ben leiten Xpril un3 bietet, geht alle Sänger 
gefu an. Er banbeit bon bem beoorftepenben arnpf 
ber 3änger unb bem gemiffen 9lu3gang biefcS ftam* 
pfe3 jum (Bieg. 

©rflärung. 

©. 32. 33. Unfer Epriftenthum foll fein ©epeint* 
*ig ^mifAen un3 unb bem $errn bleiben. 9113 feine 
«Jünger ift e3 unfere Pflicht, öffentlich bor ben SJten* 
feen 5 U betennen burep Wort unb Wanbcl, bag mir 
3 efu angehören, in ü)m unfern $eilanb unb ©eglüefer 
gefunben höben. Wir bürfen un3 nicht mit bem Vor* 
manbe betrügen, bie Steligion fei eine au heilige ©aepe, 
um bamit bor bie Oeffentlicpfeit au treten. @3 ge* 
lügt nicht, bag man mit bem $er^en glaube, man mug 
auch mit bem SJtunbe, ja mit bem SebenSmanbel 3e* 
um betennen. Wie er un3 gilt bor ben SJtenfcpen, fo 
ollen mir ihm bereinft gelten bor bem Vater im^mn* 
mel. Verleugnen mir ihn bor ben Sttenfcpen, fci’3 
mit bem Sftunbe ober mit bem Wanbel, fo mirb er 
nn3 bereinft bor feinem Vater oerleugnen. 9lm gro* 
gen Gerichtstag mirb er bon Sillen, bie ihn auf Erben 
berleugneten, fagen: „ 3 #) tenne euch niept; tpt frib 
nicht meine 3änger; meiepet bon mir ihr Uebel* 
tpäter." 

V. 34. „griebe auf Erben"—fo fangen bie Engel 
im WeipnacptSliebe. E)a3 ift ba3 Enbaiel be3 $om* 
nten3 3 e f u in biefe Welt. Neffen Erreichung aber 
erforbert einen $ampf. $)erfelbe ift pr ©eminnung 
be3 giele3 unbebingt notpmenbig. gtoifchen Wahr¬ 
heit unb 3 *ripum, Sicht unbginfternig ift lein griebe 
möglich. $>ie SJriffion 3 efu ift aggreffib. ©ie höt 
jum nädpften Qtoedt bie ©efiegung be3 SteicpeS ber 
ginftemig unb bie Errettung ber Sftenfcben au3 ber 
©emalt ber ©ünbe unb be3 ©atan3. ^e3halb fenbet 
er ^unächft ba« ©chmert. 5)iefe3 ©chmert ift bie 
geoffenbarte Wahrheit. 

©. 35. 36. $tefe Verfe finb eine Ermeiterung be3 
im Vorigen au3gefprochenen ©ebanten3. $5er eoelfte 
griebe auf Erben ift ber ftau3friebe, bie Familien* 
eintraegt. Wenn biefer Triebe aber auf falfeem 
©runbe rubt, fo mirb ihn ber bei bem einen ober an* 
bem eJrömiliengliebe ein^iehenbe griebe Ehrifti ftören. 
S)er ungläubige Vater mirb ben gläubigen ©otjn, bie 
gebetälofe SÄutter bie betenbe Xodjter, oie antichrift* 


liehe ©chmiegermutter bie chriftliche ©chmiegertochter 
in gehäffiger geinbfehaft oerfolgen, ©o erfüllt fid) 
bann ba3 Wort: „25e3 SRenfchengeinbe merben feine 
eigene £>au3genoffen fein." 

©. 37. Xie Siebe ju Ebrifto mug bie Siebe $u ben 
Vermanbten, ja jelbft bie Siebe ju ben Eltern über* 
miegen. Wenn bie gorberungen ber Eltern ben gor* 
berungen Ehrifti miberftreiten, fo müffeit mir bem 
Septeren mehr gehorchen al3 ben Erfteren. ©eine 
Autorität ift höher unb gröger al3 bie ber Eltern. 
3[efu3 hat mehr für un3 gethan, al3 bie nächften, ja 
bie allernächften Vermanbten. 

©. 38. 3)ie©itte ber Stömer forberte,bag beräum 
^reuje3tobe Verurtheilte fein eigene3 Äreuj jur öin* 
richtung3ftätte trage. Xiefe Xpatfache liegt bem 9iu3* 
fpruche Ehrifti ju ©rnnbe. $a3 Äreuj ift ba3 
©innbilb be3 Seiben3 unb 2)ulben3, namentlich um 
be3 ©lauben3 unb Vetenntniffe3 millen. ©eintreu^ 
auf fich nehmen, heigt nicht blo3 leiben, fonbern mil* 
lig unb recht leiben, ma3 un3 um unfer3 ©lauben3 
mtllen an Ungemach miberfährt, ober ma3 ber ^>err 
ju unfrem £>etl über un3 in feiner Siebe unb Wei3heit 
oerhängen mag. 

©. 39. $a3 Wort Seben in biefem Verfe mirb 
in jtoeifachem ©inne gebraucht. Wer ba3 $reu$ flieht, 
um fein l e i b l i $ e 3 Seben ju erhalten, ber mirb ba3 
anbere, ba3 e m i g e Seben oerlieren. Wer aber um 
Ehrifti millen fein leibliches Seben Oerliert, ber 
mirb ba3 emige Seben finben. 2>ie alten SJtärtprer 
haben ihre XobeStage ihre ©eburtstage genannt. 

©. 40. 41. $er Vater hot gefum gefanbt* 3 e f ug 
fenbet feine 9lpoftel. Wer alfo bie9Jpoftel aufnimmt, 
ber nimmt auf; njer aber gefum aufnimmt, 
ber nimmt ben Vater auf. $a3 „Äufnehmen" meint 

f iier nicht blo3, bag man bie Unechte be3 ^errn aaft* 
reunblich in’3 öau3 aufnebme, fonbern ba3 ®er^ 
auch ^h rer 33 o t f ch a f t erfcpliege. Wer aber be3 
Propheten ©lauben unb bc3 Propheten ©efapr theilt, 
inbem er beffen Votfcbaft annimmt unb bemfelben 
©aftfreunbfehaft ermeift, ber mirb auch be3 Propheten 
Sohn theilen. 

V. 42. Sticht Srinber, fonbern feine jünger mein^ 
ber |>err unter bem 9lu3brucf „biefe ©cringften." E^ 
nennt fie gerin g, meü ihnen 9llle3 abging, ma3 bic 
Welt grog nennt, mie V. Steichtbum, mang unb 
©elehriamteit. Wer nun einem biefer Sänger, meil 
er ein Säwjer ift, einen Vecher falten WafferS reicht, 
ber ehrt Ehriftum in bem Sünger. deshalb foll 
biefe geringfte aller SiebeSthaten nicht unbelohnt 
bleiben. 

$raftif4e ©ebanfen. 

©efenne ben $errn. 

I. tur«h Wort nnb ©anbei. V. 32. 33. 

1 . Wir follen Sefum betennen burch’3 
Wort, ©o haben bie Wärtprer ihn befannt. §ät* 
ten fie nicht oon 3 e f u ßejeugt, fo märe ihnen bie 
SJtärtprerfrone nicht augefallen. äl3 ber hohe Stath 
bem $ etru 3 unb gohanneS ba3 S eu Ö n '6 oon Sefu 
unterfagte, ba fprachen fie: „Wir tonnen e3 ja nicht 
laffen, bag mir nicht reben follten, ma3 mir gefehen 
unb gehöret haben. §at ber ©aum Seben, fo mug 


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600 


SMntagltyulsffkttatni' 


er’S äußerlich geigen. Senn basgrühjahr tommt, fo 
wirb er ©lätter unb ©lütten tretben. gm £erbfte 
wirb er mit grudjt belaben fein, Seht gejuS burdj 
ben ©lauben in unfern bergen, fo wirb unfer SRunb 
Don ihm reben unb geugen. Unfere 3unge *u 
feinem $ienfte ftehen. 

2. Sir follen gefum betennen burch 
ben San bei. Saaten reben lauter als Sorte. 
SRan fann ben £eilanb mit bem ÜRunbe betennen, 
währenb man ihn mit bem SebenSmanbel oerleugnet. 
Sie einft ein gubaS, fo fann man ben $erm mit bem 
SRunbe tüffen, währenb man ihn burch bie $hat Oer* 
rätf). gn unfernt SebenStoanbel follen mir bie $u* 
genben beffen oerfünbigen, ber uns berufen hat oon 
ber fyinfterniß gu feinem munberbaren Sicht. 

3. Sir follen gefum befennen oor ben 
SRenfchen. $>ieS foll gefdjehen ntd)t nur in ber 
©efeHfdjaft ber grommen, fonbern aud) ber ©ottlo* 
fen; nicht nur oor feinen greunben, fonbern oor fei¬ 
nen geinben. $ertuflian, einer ber merfmürbigften 
SRänner beS firchlicheit Altertums, fprad) gu feinen 
Stichtern • Sir fagen’S unb fagen’S öffentlich, frei 
unb oljne ©d)eu, uno aud) unter eurem peinigen tu* 
fen mir mit blutigem unb gerrifjenem Seihe, mir ehren 
©ott in ©hrifto." Unter feinen Umftänben, auch 
nic^t unter ben gefahrbrohenbften, follen mir ihn oor 
ben SRenfchen Oerleugnen. „83 gabre" fagte ber 
greife ©ifcßof ^olpcarpuS gum römifcpen Imperator 
—„83 gahre btene id) meinem ©eilanb unb er hat mir 
nod) nie etwas ©öfeS getpan, fo fann unb min ich ih n 
nicht üerleugnen." 

4. herrlich iJt beS ©etennerS Sohn. ge* 
fuS mirb ihn oor feinem ©ater als fein treuer günger 
anerfennen. $)er SafjrheitSgeuge fommt in fein un* 
befannteS-Sanb. (Sr geht feiner gufunft ber©d)recfen 
entgegen. SRein! bem er gelebt, ben er unerfchrocfen 
oor ben SRenfdjen befannt hat, bem ftirbt er auch, ber 
nimmt ihn auf in bie ewigen Mtten beS griebenS. 
AngefichtS ber ©migteit barf’S keinem bange fein, 
berS h^uteben trcu utit feinem £>eilanb meint. 

II. $imh freubigr Opfer. ©. 34—39. 

Sir befennen ben §errn, menn mir freubig Opfer 
für ihn bringen, gn biefen Werfen merben folche 
Opfer bezeichnet. 

1. Xa§ Opfer falfdjer SRuhe. ©obalb mir 
emftlich anfangen, ein gottfeligeS geben gu führen, 
ift’S au« mit aller falfdjen SRuhe. ®ann gilt’S, einen 
heißen Äantpf miber bie ©ünbe, ben ©atan unb bie 
ungöttliche Seit gu tümpfen. An mibermärtigen 
©türmen unb fdjweren Anfechtungen rnirb’S nicht feh e 
len. 3uerft baS © dj m e r t, bann enblich nach treu* 
geführtem kampf ber emige gr i e b e. 

2. 3)aS Opfer irbifcher Siebe. AU bie 
SRutter beS ©chreiberS biefer 3eilen bem $errn ihr 


§ergaab unb fich ber ÜRethobiften * Kirche anfdjloß, 
ba gab’S eine fchwere Prüfung, ©ie biente gur 3«t 
AU fie baS erfte SRal nach §auS tarn, ba begegnete 
ihr ber ©ater unter ber Xpür unb oerbot igr baS 
|>auS, meil fie, wie er fagte, oom ©lauben abgefallen 
fei. gür eine junge ©priftin mar baS eine fchmere 
Prüfung. Storch beS §erm ©nabe jeboch mar fie 
oermögenb, biefelbe gu beftehen. tfoftete eS ihr au* 
große Srauer unb oiele ih*äuen, fo blieb fie hoch 
bem §eilanbe getreu unb lieferte ben ©emeis, baß fie 
ihn mehr liebe, aU ©ater ober SRutter. S)er #err 
lohnte biefe Sreue unb OpfermiUigteit reichlich. 

3. 3)aS Opfer ber ©equemlichteit. Ser 
in ben S>ienft gefu tritt, ber muß ein Äreugträ* 
g e r merben. Ser ©brifto nachfolgen min, ber muß 
beffen gähne tragen. S)iefe gähne aber ift baS Ihreug. 
Suther hatte in feinem ©iegel eine Stofe unb mitten 
bartn ein §erg, unb in bem ftergen ein ftreug. SHe 
Stofe ift ba3 fmönegreubenleben; bag Äreug tm$er* 
gen (ft baö Äreug (Jhnfti. SRit jebem Abbrucfe fagte 
er gleichfam: „gn ©h^ft 0 ift mir bie Seit gefreugigt 
unb ich ber Seit." 

III. Siebe gn ben ©einen. 93.40—42. 

1. S)ie Siebest hat. SaS mir ben ©einen 
tßun, baS tbun mir bem $errn. Stehmen mir einen 
günger auf unb ermeifen ihm ©aftfreunbfehaft, fo 
haben mir gefum gaftlidj bemirthet. Ser ben burfti* 
aen 93ruber trüntt, ben hungrigen ©ruber fpeifet, ben 
tränten ©ruber befudjt, bem nothleibenben ©ruber 
hilft, ber hat’S bem $>ernt getßan unb hat auch auf 
biefe Seife ein ©efenntniß für gefum abgelegt. 

2. S)cr ©nabenlohn. S)ie ben güngem beS 
§erm ermiefenen SiebeSthaten bleiben nicht unbe* 
lohnt. gefuS fagt nicht, baß mir baburd) einen Sohn 
oerbienen, aber bocf| foH eine jebe berartige Sie- 
besthat in ©naben belohnt merben. 

AnPeutungeu für fcett HUffruunterricht. 

2)ie heutige Settion fteljt im engen 3ufammenhang 
mit ber oorhergehenben. deshalb rufe man biefelbe 
ber f laffe m’S ©ebächtniß gururf. 5)ann hebe man 
bie ^auptgebanten in ber Stebe gefu heröor bis gu 
bem ©erfe, mit Welchem unfre Settion beginnt, gn 
ber ©ntmictlung ber Settion felbft fann man fich *>e3 
unter „praftifdje ©ebanfen" gebotenen ©ntmurfS be* 
bienen. Ober man rebe oon ber g ü n g e r f 4 a f t. 
1. ghre gorberungen. a) ©efenntniß; b) ©nt* 
dgung: ber ©Uem, ©efehmifter ober maS fonft gmi- 
eßen uns unb gefu tritt, felbft bcS eigenen Sehens, 
oUte eS nothmenbig merben, wie bei ben SRartprem; 
c) ftreugeSaufnähme* d) Siebe gu ben föinbem ©ot* 
teS, welche fich ourd) Spaten bewährt. 2. ghre 
© e f a h r e n. a) 5)en §errn gu oerleugnen; b) baS 
irbifche Seben bem ewigen oorgugiehen. 3. ©eloh» 
n u n g. 

M4-- 


©onntag, 13. Stooember. eijrifti ^eugnig 

2. Xa aber ^ofianneä im ©cfänöniffe bie SBcrfe Sbrifti börete, 
janbte er ieiner 3>«nfler jtaeen, 

3. Unb liefe ibm faflen: ^0ift bu, ber ba lammen fod, ober fol? 
leu »air eine?- anbern »üarteu? 

4. autmortete, nnb »pracb ju ihnen: ©ebet bin, unb fa= 
0et 3 p bunni »oieber, tüae ihr »ehet unb höret: 

5. Xie 5ilinbcn icheit, unb bie Sabmeu jeben, bie fcudfäfciflen 
taerben rein, unb bic Tauben hören, bie Tobten fteben auf, unb 
ben Firmen »oirb ba^ (Äbauaelium ßeprebißet. 

6. Unb jelif) ift, ber firf» nicht an mir ärflert. 

7. Ta b»e buiflinflen, fing 3cfus an ju reben ju bem ®olfe Don 


bon 3*l|intne0. n, 2-15. 

fjobanne: ffiaö feib ihr binaud aeßanaen in bic ©iifte ju fehen? 
wolltet ibr ein 9tobr leben, baSber ©inb bin unb ber toebet V 

8 . Ober »oa$ feib ibr btnaud fleflanaen ju feben ? ©oUtet ibr 
einen SWenfcben in Weichen ftleibem »eben ? ©iebe, bie ba weicbe 
ftleiber traflen, fmb in ber Äönige Käufer. 

9. Ober ma^ feib ibr binauä aeflangen ju feben? ©oUtet tbr 
einen ^roubeten feben? '«b tu<bf her auch meljr ijt, 
benn ein Prophet. 

10 . Tenn biefer ift'8, Don bem gefchrieben ftebft: (Siebe, id) 
enbe meinen (Engel oor bir ber, ber beuten ©eg Dor btr bereiten 


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SenntagMukftfe tunen. 


601 


11. gSobrlidj, ich fage euch' Unter alten, bie non ©eibem fle= 
boten finb, ift nicht aufgelommen, ber gröfjer fei, benn Johanne«, 
bet Xänfer; ber aber berßleinfte ift im Himmelreiche, ift ßröfter, 
benn er. 

12. «ber non ben Xaaen Sobanne«. bed Säufer«, bi« bieber, 
leibet ba« Himmelreich ©etoalt; unb Die (Bemalt tbun, bie reiften 
e« £ii ficb. 


18. Senn alle ^robbeteu unb ba« ©efefc haben gemeiffaget bi« 
auf 3obannem. 

14. Unb (jo ihr eS motlt annebmen) ® r ift ©lia«, ber ba fott 
Autfinftig fein. 

15. ©er Obren bat au böten, ber höre. 


©tMifcber ©runfcgetanfe: „©rmarein brennenb 
unb fdjeinenb fitest." Sob. 5, 35. 

€ii»fettttUg. Tag ©reignig unferer fieftion fällt in 
ben ©ommer beg 3 Q breg 28 n. ©hr. Ungefähr fed)3 
SWonatc bor ber Slugfenbung ber Slpoftel fanb eg ftatt. 
Sefug meilte aur 3^it irgenbmo im galiläifcben Sanbe, 
mabrfcbeinlitb in ftapernaum. ©ine ©araüelfteüe 
fmben mir in Suf. 7,18—80. 

©rflarung. 

©. 2. 3. 3°f e ^ u «nennt bie ftefte Sftacbärug 
an ber ©übgrenae ©eräag, alg ben 0rt, ba Sobanneg 
ber Käufer m ber ©efangenfebaft lag. ©r batte im 
©anaen böcbfteng amei Sabre alg ©ugprebtger, ©ro* 

B et unb Käufer aemirft, alg feine ©inferferung ftatt^ 
ib. $erobeg Slntipag batte biefclbe angeorbnet. 
Sobanneg batte ibm eine ©trafrebe gebalten, meil er 
in fünbbafter ©he mit ber ^erobiag, bem SBeibe fei= 
neg §albbruberg «ßb.ilippuä, lebte. Tie ©efangen* 
fdjaft bauerte mobl ein balbeg S a b r unb enbete mit i 
feiner fcblieglicben ©ntbauptung, melcbe SJtatthäug J 
im erften Tbeil beg 14. Äap. berietet. SBäbrenb bie* 
fer ©efangenfebaft fanbte er amei feiner Sünfler a u 
3efu mit bergrage: „©ift bu, ber ba fommen foll, 
ober follen mir eineg Slnbern märten?" 

SBelcbe Urfacbe liegt biefer Srage au©runbe? Tar* 
auf bat man oerfebteben geantmortet. Slug biefen 
Slntroortcn ergeben ficb attw Jpauptanftcbten: 1. Um 
feiner jünger; 2. um feiner felbft millen 
habe gobanneg biefe Stage bureb feine jünger an 
ben §erm gerichtet. Tie entere Slnjicbt mar früher 
bie berrfebenbe. ÜJtänner mie ©tier unb SBatfon pa* 
ben fie bertreten. Tie lefetereSlnfidjt ift^meifelgobne 
bie richtige, fiange unb ©brarb finb unter Slnbern 
Vertreter berfelben. Tie erftere Slnfidjt ift eine bem 
Tejte aufgebrungene ©rtlärung. gefug nebtet feine 
Slntmort an S°hanneg bureb bie jünger unb 
nicht an bie jünger felbft. TieStageentfprang 
aug einer getrübten ©eelenftimmung beg febon feit 
Monaten im ©efängniffe febmaebtenben Sobanneg. 

*. 4—6. «uf bie birefte Srage beg Sobanneg i 
gibt ber §err ibm feine birefte Slntmort. Sluf fein: 
„©ift bu’g?" antmortet S*fug nid^t mit einem: „$cb 
bin’g," fonbern bermeift ihn auf bie bon ibm berrtch* 
teten SBunbertbaten. @g maren biefeg bie ftennaei* 
eben ber ©teffiagmürbe, mie bie ©ropbeten fie gefd)il* 
beit batten (Sef. 35,5. 6; 61, 1). Tarnit mar beg 
Täuferg Srage bejaljenb beantmortet. Tiefe SBunber 
bezeugten, ba| Sefug ber öerbeigene SJieffiag fei. 

„©elig ift Der ficb nicht an mir ärgert." 
3obanneg ftanb in ©efabr, ficb am öerrn ju ärgern. 
@r ftöfet ficb nicht an ber $ e r f o n 5 c fu; er ^meifelt 
nicht an beffen SDfefftanität. Slber bie i>anblungg* 
meife beg $erm ift ibm rätbfelbaft. 3)ag 28erf 
gebt ibnt ju langfam, befonberg ba er nun felbft ficb 
jur Untbatiafeit gejmungen fiebt ®ergebeng bat er 
auf eine baloige unb offene ©rfläruna oeg $errn in 
betreff feiner SJteffiagmürbe gehofft. 3)er ©err 
fpriebt mehr bureb Späten alg bureb SBorte. Unb 
biefe Xbaten fmb feine ©trafmunber, mie bie ber aU 
ten Propheten, fonbern SBobltbaten, bie feinen C£r* 
martungen mabrfcbeinlitb meniger entfpracben, melcbe 
er ficb öon bem |>errn ber Xenne mit ber SBnrffcbau* 
fei in ber ipanb gebilbet batte, ^nnäcbft alfo galt 


ber in biefen freunblicben SBorten gegebene SBinf bem 
Sobanneg; er galt aber aud) feinen Jüngern unb 
yeitgenoffen; er gilt auch ung. 

©. 7. 8. Äaiim haben bie jünger ^ ^äuferg 
ficb berabfebiebet, ba beginnt ber Jperr eine Slnfprad)e 
nn bag $olf, um fofort Den ungünftiaen ©inbruef, ben 
bie Stage möglicbermeife auf bag^ölf machte, auber- 
mifeben unb oeffen (Sbarafter bor jebmeber falfcben 
33eurtbeilung au fd)üpen. 3 e f u ^ beginnt mit ber $er* 
ficberung, Sobanneg fei fein manfelmüthiger SJfenjcb 
gemefen. fc fie ju ihm binaugftrömten m bie SSüfte, 
ba maren fie nicht ju einem 9fo bt gefommen. 5)ag 
SRobr mar eine bohlt, mit©elenfen berfebeneSSflanae. 
®g muebg auf naffem ©oben, mie ©. am Jjorban* 
ufer. biefeg bon jebem Söinbbaucbe in’g ©cbmanfen 

» i 9iobr mar ein trefflidjeg ©innbilb mcnfcb s 
anfelmutbeg. Slucbfeinen SB eich Ung fueb 5 
teri fie braugen in ber SBüfte, fonbern einen SJfann in 
fameelgbaarenem ©emanbe, melcber ficb mit £eu= 
febreefen unb milbem §onig nährte. SBar er bamalg, 
alg er in ber SBüfte prebigte unb taufte, fein SBanfel* 
mütbiger unb SBeicbling, |o merbe er’gaucb fcbmerlicb 
je|t tm Äerfer fein. 

®. 9. 10. Sobanneg mar etmag ©rögereg alg 
alle feine ©orgänger; benn ihm mürbe bag ©orreebt 
au ibeil, ber $erolb beg ©eilanbeg au fein. Sllg 
©abnbreeber beg SJleifiag mar er ber ©ertreter ber 
boebften ©ollenbung beg alten ©unbeg. Um biefe 
%batfadje einaufebärfen, citirt ber §err eine SBeiffa^ 
gung aug 9ftal. 3,1. 

©.11. ©erlacb fagt: „3n ber ©rfenntnig ©btifti 
mar ^obanneg grbger alg alle SJfenfcben, meldie bor 
ihm gelebt batten; aber boeb ift ber fonft an ©oben 
ober Slmt unb ©eftimmung kleinere innerhalb ber 
^riftlicben Äircbe gröger alg Qobanneg." 

©. 12. 3>er «ugbrud „aber bon ben Xagen So* 
banneg big bitbtt'' miH jagen, bag S^auneg ben 
©cbauplafc ber SBirffamfeit berlaffen habe. S c fu3 
beutet mie beiläufig an, bag ber Käufer bie Werfer* 
baft nicht lebenbig berlaffen merbe. „Tag ftimmel* 
reich leibet ©emalt," b. b- bag ^immelteid) bricht mit 
©emalt herein unb greift um ficb- SBcr aber in baf* 
felbe einbringen miu, ber mug eg mit allem ©rnfte 
gleicbfam erftürmen ober erobern. 

©. 13—15. ©i^ aufSobanneg mährte bie ^e* 
riobe ber SBeiffaguna. Tann trat ber Täufer alg 
unmittelbarer ©orläufer beg §eilanbeg auf. ©r ift 
ber 9ttal. 4, 5 ermähnte ©liag. Tie Suben fagten 
biefe SBorte bucbftäbltcb unb ermarteten, ©liag merbe 
bor ber ©rfebeinung beg Stteffiag bom Tobe erfteben. 

©rattif4e ©ebanfeu. 

Sobauneg ber Täufer. 

I. ©eine grage. 

Sllg Sobanneg bon ben SBerfen ©brifti hörte, ba 
fanbte er amei feiner jünger angefum mit ber Srage: 
„©ift bu, ber ba fommen foü, ober follen mir eineg 
anbern märten ?" S c örnfallg ermartete ber Täufer 
gana anbere SBerfe ober Tbaten bon Qefu, alg bie, 
beren $unbe ihn im ©efängniffe erreichte/ ©r a^ri* 
feite nicht baran, bag Qefug ber berheigene SWejfiaS 
fei. Slber bie SBirfunggmeife beg |>errn entfpracb 
nicht feiner Stteffiagibee. Sin bem Thun beg ©erm, 


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602 


StmtagfdiuUfcMirafii. 


in bem er ben Berhetßenen erfennt, wirb er irre. ©S 
war alfo: 

1. (Sine aus Sftißmutl) erwadjfeitbe 
groge. Sftan ^at fdjon gemeint, ber ©otteSmann 

f iabe nicht um feiner felbft, fonbern um feiner ftWei* 
elnben günger willen biefe grage an ben §erm ge* 
richtet. ©ine fold) fünftliche Deutung ift jebod) nicht 
nöttjig. ©otteS Bort malt uns bie 3ftenid)en nicht 
wie fie fein füllen, fonbern wie fie finb. @S $eiat uns 
bie Männer ©otteS, wie j.33. einen Abraham, iftofeS, 
Hiob, $)abib, BetruS unb gohanneS, nicht als flecfen* 
lofe ^eilige, fonbern als mangelhafte, wenn auch 
gläubige ©otteStinber. Aud) bie öorübergebenbe 
fedjwädjc eines Käufers betft eS unS auf. Sie ift ja 
erflärlid). ©eit Monaten faß er auf ^crobeS Be* 

E auf bem einfamen Bergfd)loß 9Kad)äruS im ©e* 
jnife. gm bumpfen Werter ftpenb, gur Unttjätig* 
feit oerurtheilt, bon feinem gefuSfreunbe fcheinbar 
bemachläffigt — iffS benn ba ein Buuber, wenn fein 
©laube ?d)wad), fein $crj fchwer unb bie Bege beS 

S crrn ihm rätselhaft würben? begehrte nicht einft 
liaS in feiner gagtjaftigteit ju fterben? §atte nicht 
Suther in ber ©tnfamfeit ber Bartburg fdjwere An* 
ed)tungSftunbcn? ©rfafjren nicht bie meiften ©hri* 
’ten etwas bon folchen ©tunben ber $untelheit, ber 
chweren Anfechtungen unb ©laubenSproben? 

2. ©ine ftum H errn führenbe grage. 
BaS tljut ber Käufer, als er in feinem bisherigen 
©lauben irre ju werben fürchtet? (SS ift ihm nicht 
einerlei, ob er feinen ©lauben behält ober berliert. 
9ttit feinen Beforgniffen menbet er fid) birert an ge* 
fum. (Sr begehrt nur ein Bort bon ihm, um alsbalb 
wieber aufrecht $u ftehen unb ber ganzen Belt Xv oh 
|u bieten. 

©0 foUen wir*S machen. ©S tommen auch für uns 
fchwere BnifungSftunben. Bir liegen bielleicht auf 
bem ©d)mer*enSlager, wo nicht nur ber fieib, fonbern 
auch bie ©cele matt wirb; wir werben bielleicht burd) 
irgenb einen ©djicffalSfchlag irre an ber Beltregicrung 
©otteS; ober Wir werben Durch einen erfchütternben 
JobcSfall in große Trauer oerfept. Bollen wir ba 
unfere ©eele bor bem gweifel bewahren, fo müffen 
wir wie gohanneS jwet Boten $u gefu fenben. ©ie 

Ä : ©ebet unb Bibelftubium. $>enerften 
fenbe hinauf jum ©nabenthrone ©hrifti. $en 
anbern Boten fenbe hinein in baS geoffenbarte Bort. 
6ie müffen aber $anb in §anb gehen. ©)aS ©ebet 
ift baS ©rubcnlidjt, mit bem wir in bie Xiefe hinab* 
{teigen. 3)aS gorfchen im Bort berleiht bem ©ebete 
glifgel, baß eS emporfteigen tann. $)iefe Boten wer* 
ben bie ©ewißheit bom Herrn bringen. 


II. Herrn Antwort. B. 4—$iefeAnt* 
wort enthält: 

1. ©inen JpinweiS auf meffianifdje 
Beiffagungcn (gef. 85, 5; 61, 1). Auf öieje 
Beiffajungen beutet gefuS hin. $)urd) ihn gehen fie 
in ©rfullung. gebeS ©otteSwort, welches fiep anunS 
ober Anbern erfüllt, foU bem gweifel wehren unb ben 
©lauben mehren, ©olche ©rfiiflungen fmb Del für 
bie ©laubenSlampc. 

2. ©inen Hinweis auf m e f f i a ifi f he 
X h o t en. Seicht burd) eine Iogifche Beweisführung, 
jonbern burd) greifbare Xhatfacpen beseitigt ber $err 
beS XäuferS Bebenfen. ©r berweift ihn auf baS 
©ehbare unb hörbare — auf Xt)atfad)en. 
Xie ©efchichte beffen, waS baS ©hriftenthum in ber 
Belt gethan hat, ift ber fchlagenbfte Beweis für beffen 
Bahrheit. Bor unS liegt bie beinahe gweitaufenb* 
jährige ©efchichte feines fteidjeS mit att’ ben ©egnun* 
gen, bie eS ber 3Jtenfd)heit brachte. Bie biel aeiftlich 
Blinben hat er bie Augen, wie biel geiftlid) Xauben 
bie Ohr p n aufgethan. Bie biel ©ünoer hat er rein, 
wie biel Xobte lebenbig, wie biel Arme reich ge¬ 
macht burd) fein ©bangelium! Beift bie Ungläubi¬ 
gen auf biefe ©rrungenfd)aften. 

3. ©ine Barnung bor bem Aergerniß* 
nehmen, gohanneS ftanb in ©efahr, am Herrn fid) 
ju ärgern. .i)arum läßt gefuS ihm faaen: „©elig 
ift, wer fid) nicht an mir ärgert." An Berfuchungen 
*um Aergernißnehmen fehlt eS auch heute nid)t. 4ie 
ftätbfel in ©otteS Bort, bie Xunfelljeiten in ©ot* 
teS Bcgen, bie wibrigen ©rfahrungen im fieben, bie 
traurigen geiterfdjeinungen, bie Schwachheit beS ei* 
genen fterflcnS unb ber ©igenfinn beS eigenen Ber* 
ftanbeS fönnen fchwere ©tunben bereiten, ©elig, wer 
fid) burd) folche Anfechtungen nicht ärgert am $crrn! 

III. ©hfifH gettgttti non gohanneS. B. 7—15. 

1. Bon feinem ©harafter. ©r war nicht 
wanfelmüthig unb unbeftänbig. ©r glich nid)t bem 
fdjwantenben 9tohr, welches fiep in jebem Binbe wiegt, 
©r war auch fein Beid)ling. ©r ließ fich burch (eine 
Bequemlid)teitSrücffichten in b?r ©rfüuung feiner 
Amtspflichten aufhalten. 

2. Bon feinem Amte, ©r war a) berBorläu* 
fer, b) ber Borftefler, c) ber Xäufer beS öerrn. 3)a* 
burch würbe er ber ©rößte im Alten Bunbe. 

3. Bon feiner ft ü h l i d) f e i t. B. 12. ©eitbem 
er ^u prebigen unb bie ©ünber $ur Buße ju rufen 
anfing, ftrömen bie Sftenfchen herbei, ©r weefte ße 
aus iprem ©ünbcnfchlaf. ©chaarenweife ließen fich 
bie ^eilSöerlangenben taufen. Bollen wir felig wer* 
ben, fo müffen auch wir bem Himmelreiche ©emalt 
thun. 


■l-f—HIH>-M 


©onntag, 20. ftoöbr. 

20. Xa fing er an bie Stäbte 511 fdjelten, in njelcfjen am meiften 
feiner Xbaten gefc^eben waren, unb batten fid) hoch nict)t ge* 
leffert: 

21. ffiebe bir. Clbora^in, Wef)c bir, Setbfaiba! wären folche 
Xbaton ,su It)ro unb 2ibon aejdjetycn, al<J beieueb gef cf) eben finb; 
fie hätten oor Seiten im Sac! mtb tn ber ®fcbe ®n§e getban. 

22. Xecb i<t» faqe eueb: wirb Xbro unb Sibon erträglicher 

ergeben am lüngften (Berichte, benn euch. 

2Ji. llnb bu CSapcritaum, bie bu bift erhoben biäan ben Fimmel, 
bn wirft bis in bie $öfle hinunter geftofjen werben. Xenn fo $u 
Coboma bie Xbatcn geicbchcn wären, bte bei bir gefebeben fiuo; 
fie ftimbc nod) heutiges Xages. 

24 . Xorti ich fage euch: wirb ber Sobomerfianberträglicher 

ergeben am lüngften Werid)te, benn bir. 


Stattl). 11, 20—80. 

25. 3u berfelbigen Seit antwortete ^efu« unb fprach: geh 
preife bief), Sater, unb^err ^tmmeld unb ber (£rbc, baß bu wi¬ 
che# ben «Seifen unb Älugen oerborgeu haft, unb hafr e# ben Un* 
münbiaen geoffenbaret. 

26. Ja, >Bater, benn c« ift alfo wohlgefällig gewefen üor bir. 

27. «Ille Xingc finb mir übergeben non meinem Vater. Unb 
iWtcmanb fennet ben Sol)n, beim nur ber ®ater; unb 9liemanb 
fennet ben Vater, benn nur ber ©ofjn, unb wem e# ber ©ohn witt 
offenbaren. 

28. ßommet her *u mir «Be, bie ihrmühfeligunb beloben feib, 
ich will euch erquiefen. 

29. Nehmet auf euch wein ftoeb, unb lernet bon mir; benn ich 
bin janftmüthig unb bon httfjen bemüthig: fo werbet ihr Stube 
finben für eure ©eelen. 

30. Xenn mein 3och ift fanft, unb meine ßaft ift leicht. 


©eri^t unb ©nabe. 


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Smta$fd)ttl*frMiMun. 


603 


: „kommet l)er jju mir 
alle, bie ißr mü^feltg unb belaben feib, icß Will eucß 
erquicfen.“ SRattß. 11, 28. 

©inleitnng. Unfere Seftion reißt fieß brr Qe\U 
folge nacß unmittelbar an bie bed oorigen Sonntagd 
an. Sie ift faftifcß bte fjortfefeung unb ber Scßlufj 
jener SRebe, weltße 3efu$ bureß bie ©efanbtjcßaft bed 
Xäufcrd Oeranlaßt, att bad ißn umgebenbe ®olt ßielt. 
3eit unb Ort finb alfo biejelben, wie in ber borigen 
Eeftion. 58. 28—30 berietet nur ©attßäud. Weßm 
ließe ©orte, wie bie in JB. 20—27, finben mir Üuf. 10, 
13—16, 21. 22. 

©rflarnng. 

®. 20. „$a fing er an bie Stabte (b. ß. bie 93e* 
moßner jener StäbteUu freiten." $ad meint, er ßielt 
ihnen ißr fünblicßed ©efen unb ißrc $erftodtßeit ber 
ignen fo rcicßlicß erwiefenen ©nabe ©otted gegenüber 
oor. ©r oerfünbigte ißnen bie moßloerbiente Strafe 
an. 3efu3 ßatte tn biefen Stabten üiele ©unber* 
werfe ocrricßtet. $ie 58ewoßner blieben trojbem um 
bußfertig. 

&• 21. 22. ©ßorajin war 3 eit ßftrifti 
eine etwa jmei SReilen oon ftapertiaum gelegene 
Stabt. $n oer ganzen ®ibel ift fie nur jwei 9J?al ge* 
nannt, namlicß gier unb £uf. 10, 13. Sic ift feßon 
längft eine Sfhtine. 33ctf>faiba lag an ber SMüm 
bung bed ^orbanflufjeS in ben See ©enejarctß. ©d 
toar bie ®aterftabt bed ®etrud, Bnbread unb ^jßilip* 
pud. $prud unb Sibon waren jmei berühmte 
Stäbtc $ßöni$iend. Sie lagen beibe an ber Cftfüfte 
bed mittellänbtfcßen 9Jteered unb waren beibe bebem 
tenbe ©anbeldftäbte. $)ie ©ntfernung jwtjcßen bei* 
ben Stabten betrug etwa jmanjig teilen. $ic jm 
bifeßen Stabte, welcße bie ©unbermerfe ©ßrifti 
oeracßteteit, trifft ein größered ©erießt ald bte Reiben* 
ftäbte, benen ein folcßcd SBorrecßt nießt JU Xßeil 
mürbe. $en leßteren Stäbten luirb’^ baßer am iage 
bed ©cricßted erträglicßer ergeßen ald ben erftgenanm 
ten. 3 e größer bie 93orrecßte, befto größer bie $er* 
antmortließfeit. 

©. 23. 24. Slapernaum (fteße 9?äßered über 
biefe Stabt in ber erften fieftion biefed SBievteld) ßatte 
ber £err junt 3JJittelpunft feinet ©irfend in ©aliläa 
gemäßlt. 2lud biefem ©runbe wirb fie &'ap. 4, 13 
„feine Stabt“ genannt 2>iefc Stabt ßatte ber ©err 
alfo oor 2Mem bureß ßoße Sorrccßte audgejeießnet. 
$ureh fein langet ©oßnen bafelbft, feine ©unber 
unb fein ®rebigen ßatte er fie in oorrecßtlicßer löe* 
jießung bid an ben ©intmel erßoben. $a 
aber ißre ©emoßner fo im 9Rammond= unb gleifcßed* 
bienfte oerfunten toaren, baß fie bem SRaßnmorte jur 
®uße unb ©lauben fein ©eßör feßenften, fo foü bie* 
felbe bid in bie $ölle binuntergeftoßen 
werben. 3 ur Steigerung oeö ©rgenfabeö nennt 
3efu3 bie gottlofen StÄbte Sobom unb ©o = 
tnorra. Jütten biefe Stabte biefelbtn ®orrecßte 
genoffen, wie fie Sfripernaum ju Ißeil mnrben, fo 
mären fie, oerfußert 3e)u^, nießt untergegangen. 

©. 25. 26. iiefe SBorte waren eine Antwort: 
1. 2luf 3efu eigene ©ebanfeit in ^Betreff be§ ^)eilö* 
ratßfcßluffeö ©otteö; 2. 2luf bie ©ebanfen, meldje 
bureß feine foeben gefproeßenen ©orte im $er*en ber 
3ubörer maeßgerufen morben waren. Ste baeßten 
moßl: ©arum ßanbelt ©ott fo jjeßeimnißooflV 
©arum gemäßrt er bem einen Crte größere S?orrecßte 
alö bem anbern? „3<ß greife bieß,“ b. ß. idß 
ftimme bir oöflig bet; itß solle bir oon jter^en 93ei* 
faß. ©ö ift $u beaeßten, baß 3 c f u ^ & en ®ater nidßt 
anrebet alöfeinen^errn, fonbem alö ^erm ^>im* 
meid unb ber ©rbe. 


„$aß bu S o l cß e 8,“ b. ß., baß bad ©eil nur ben 
bemütßig SReßmenben gegeben, ben ftol^ ©iberftre* 
i benben entzogen wirb, baß eä ben oon fleift^licßem 
I ©eidßeitdbünfel ©rfüHten oerborgen, aber ben 
1 mit ftnblitßer ©infalt unb Uernbegier ®efeelten g e* 
o f f e n b a r e t i ft. 

®. 27. ^ad Crgan, woburtß ber $$ater fitß offen* 
hart, ift ber Soßn. ©r ift ber Sogod, bad ©ort. 2llle 
Offenbarungen bed ®aterd werben bureß ben Soßn 
üermittelt. ©d gibt feine anbere Offenbarung bed 
! ®aterd ald biefe. ^ie geßeimnißoolle ©ecßfelbe* 
jießung im ©rfennen bed $aterd unb bed Soßned 
weift auf bie ©emeinfeßaft ißred ©efend ßin. Qm* 
feßen ißnen befteßt bie innigfte $erbinbung. 

®. 28. ©ier ieigt nun 3 e f u ^» m e m er ben Söater 
offenbaren will, nämlicß ben ü ß f e l i g e n unb 
3$elabenen, wenn fie ju ißm fornmen. üange 
bemerft: „$er bobßelte 2ludbrucf bejeießnet bie 2lr* 
beitdlaft, 1) ald felbftübernommene, 2) ald aufgebür* 
bete. 33eibed fiel in bem gefeßlicßcn ©efen ber Qu* 
ben jufammen, würbe aber nur oon benen empfunben, 
wcldße bad ©efefc innerlitß naßmen.“ ®ie ©ingela* 
benen finb 2lDe, welcße unter ber ertaunten unb 
g e f ü ß 11 e n fiaft ber Sünbe feufjen. Soltßc will er 
erquiefen, ober rießtiger: „So will icß eud) fRuße 
feßaffen.“ 

©. 29. ©d gilt nießt nur ju 3 c f u 6 U fommen, 
fonbem au<ß fern 3°cß auf fteß ju neßmen, bei ißm 
ald lernbegieriger Scßüler in bie Seßule ju geben. 
Tad 3oeß ©ßrifti auf fieß neßmen aber ßeißt, in allen 
Gingen ber Leitung unb 3ucßt feined ©orted unb 
©eifted fieß unterwerfen. 4lld fießrer jeießnet er fieß 
bureß jwei ©igenfeßafteit aud: 1) 5?ttreß Sanft* 
m u t ß. ©r rteßtet aüerbingd bie, Welcße ju ißm ju 
fommen fieß beßarrlicß weigern; wer aber ju ißm 
fommt, ben nimmt er gnäbig auf. 2) 3>urcß 5£e* 
mutß. 5)ie pßarifäifcßen ©efeßedleßrer waren 
ftreng unb aufgeblafen. 3 e f u ^ ieboeß war ein um 
oergleicßed SMufter ber ^5)emutß. Seelenruße ift 
ber ßerriieße i*oßn, ben 3^fud feinen lernbegierigen 
Scßülem feßenft. 

®. 30. $ad 3 o cß ©ßrifti ift f a n f t, b. ß. ßeil* 
fam. ©r forbert nur bad, wad und jeitlicß unb ewig 
jum ©eil gereießt. Seine S a ft, b. ß. bte oon ißm 
auferlegte $ürbe, ift leießt. ©r legt fie nur bem 
auf, ber ißn liebt, ©r gibt aueß ftraft jum fragen. 

Vrafttfdje ©ebanfen. 

©eridjt uni ©nabe. 

I. Dal ©eridjt. 

1. Qu biefem Seben ergeßt oft feßon 
ein ©erießt über bie SRcnfcßen. 

h. 3n jeitlicßer ®ejießung. Xer feßreef* 
ließe Untergang ber Stabte Sobom unb ©o* 
ntorra, bie Wteberßolte ^erßeerung jener weltbe* 
rüßmten, aber gottlofen ©anbeldftäote Xqrud itnb 
Sibon, unb bad Serfcßminoen oom ©rbboben eined 
©ßorajin, ®ctßfaiba unb äapernaum, oerfünben 
biefe ißatfacße lauter ald ber Bonner in ben ©olfen. 
©d fteßen aueß 33eifpiele genug oerjeießnet oon eittjel* 
nen greolern, bie ein jeitlicßed ©eridßt ereilte. £i* 
baniud, ber feinem faiferlicßcn ©erm 3 u üö n eifrig 
ßalf, bad ©ßriftcntßum aud bem SRönterreidje audjm 
rotten, frug ben frommen Sltßaitafiud ßößnifcß: „©ad 
maeßt benn jeht ber gimmermaundfoßn?“ Terfelbe 
antwortete rußig: ,,©r jimmert beittem Äaiier einen 
Sarg.“ Stacß etlicßen Klagen feßon traf bie SRacßricßt 
ein, baß 3 ulian e ^ ncr Scßlacßt wiber bie ®erfer 
gefallen fei. 

b. 3n geiftlicßer ©ejießung. ^ad©erießt 
ber $ e r ft o cf u n g ergeßt oft über bte, welcße allen 


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604 


SiHnt«gfd}ul»ftbti*»ni. 


SJfapnrufen zant Drop in Unbußfertigfeit beharren, 
rnelcße wiber beffereS äßiffen beharrlich weiter fünbt* 
gen. ©in römischer ©beimann, ber ein großes Ber= 
mögen oerfepwenbet hatte, wanbte fid) in feiner 2 lr* 
muth an ftatfer DiberiuS um §ülfe. Der Äaijer aber 
fagte: „Sie finb 51 t fpät aufgeftanben." ©0 gibt eS 
Sttenfcpen, bie ju fpät 00 m ©ünbenjeplaf auf« 
ftehen. DaS ©eriept ber Berblenbung ergeht 
hier oft über bie „SBeifen unb Älugen." DaS ipeil 
bleibt ihnen oerborgen. 

2 . @3 fommt enblich ein großer ©c* 
rieptstag für alle Unbußfertigen. Sitte 
Böller werben oor ©ht'ifti Sücpterftupl erffeinen. 
2ttenfcpen aus allen 3eitaltern unb allen Säubern 
werben fid) oor biefem peiltgen 9ücpterftupl treffen. 
Die Seute oon ©obom unb ©omorra werben zuiam« 
men treffen mit benjenigen oon DpruS unb ©ibon. 
Die Bewohner biefer ©täbte werben oor ©otteS 9ticp* 
terftuhl biejenigen oon ©poraztn, Betpfaiba unb Ha» 
pernaum treffen, ©ie leben flftte nod). Die zeitlichen 
©ericpte, welche DpruS unb ©ibon zerftörte, hat bie 
©eelen ihrer Bewohner nicht oernichtet. DaS geuer, 
welcpeS ©obom unb ©omorra üermüftete, hat bie 
©eelen beS BolfeS nid)t oerbrannt. 2llle yjlenfcfaen, 
bie je gelebt haben, leben noch. „ 2 Bir müffen s Me 
offenbar werben" u. f. w. 2 Äor. 5, 10. 

3. Der Urtpeilsfprucp u>irb fid) nach 
bem 2Jtaß ber ©chulb richten. Die Skr« 
bammniß ber Seute oon ©porazin unb Betpfaiba 
wirb größer fein als btejentge ber ©inwopner oon 
DpruS unb ©tbon. Qpre Sdjulb ift größer, weil fie 
größere Vorrechte üeriepmäpten. Ueber ftapernaum 
wirb ein Schwereres ©ertept ergehen als über ©obom 
unb ©omorra; benn eS hatte weit beffere ©elegcnpei* 
ten als bie lepteren ©täbte. 3 e größer bie Vorrechte 
finb, bie man üerjepmäpte, befto größer ift bie ©djulb. 
3wei Sftännet machen fiep beS ©inbrucpS unb Dieb* 
ftahlS fchulbig. Der ©ine ift ein §etbe, welcher ©ot* 
teS ©ebote md)t tennr, fonbern in peibntfeper Unwij* 
fenheit aufwucpS. Der Slnbere ift ein SJlenfcp, welcher 
oon frühefter gugenb an unter djriftlichem ©influffe 
ber gamilie, (Sonntagfcpulc unb fttrepe ftanb. 3 ft 
nicht beS Septeren ©chulb größer als bie beS ©r* 
fteren? 


II. Sie ©nabe. 

1 . SS e m wirb fie 5 u D p e 1 1 ? 

a. Den Unmüitbigen. darunter haben wir 
Seute zu oerftehen, welche baS ft'tnbeSgemüth, ben 
ÄtnbeSjinn, befipen. ©ie finb bemüthig, leitfam, lie* 
beooQ, empfänglich, lernbegierig unb ohne galfd). 
Unmüitbige in biefem ©tnne tonnen ©reife fein. 3 U 
ben „SSeffen unb klugen," benen fich bie ©nabe oer* 
fjhließt, tonnen ganz )unge Seute, fogar ftnaben unb 
Räbchen zahlen. 

b. 2 )en z u tpmftommenben. SBermüp* 
felig unb beloben, wer bußfertig unb gläubig zu ^efu 
tömmt, bem wirb bie ©nabe ©otteS zu Dpeil. ©oldje 
labet JfejuS zu fich: „kommet her zu mir," fagt er. 
sticht zu ben ©ngeln gehe; fie tönnen bir nicht helfen. 
9üd)t zum©ejefe gehe; eS hat nur ein BerbammungS* 
urtpeil für bie fiebertreter. sticht zur SSelt gehe; fie 
macht große Besprechungen, aber täufept nur. 3 U 
3 efu aepe; er unb er allem tarnt bid) erretten. 

e. Den oon ihm Sernenben. ©olcpe, wtfepe 
fich z u feinen ftüßen nieberlaffen, wie SWaria einft 
gethan, um feinen SebenSworten zu laufchen. ©olcpe, 
welche als ©cpüler in feine ©d)ule eintreten, nicht um 
etliche Scftionen *u lernen unb bann baoon zu laufen, 
fonbern in berfelben zu bleiben unb für ben §immel 
| zu grabuiren. 

I 2. SEBaS Oerleiht fie? 

a. ^cilSertenntniß. Den„SSeifen unbÄlu« 
' gen" bleibt fie oerborgen. Den wetfen ©riechen war 

baS Äteuz eine Dporpeit. Den felbftgerechten Suben 
war*S ein Slergemiß. SSer aber peilSOerlangenb z« 
$efu fommt, ber finbet, baß ber gefreuzigte ©prifhiS 
„göttliche ftraft nnb göttliche SSeiSpeit" ift. 

b. ©rquidung. ^Diefc ©rquiefung beftept in 
ber Vergebung ber ©ünben, Beruhigung beS ©ewif* 
fenS, unb Befeligung beS öerzenS burd) baS 3eugniß 
ber Äinbfcpaft unb bie Hoffnung beS ewigen SebenS. 
^5)er brnmenbe 3)urft ber armen ©eele wirb gefüllt 
gricbe unb greube ergießen fich in’S ^>erz. 

c. 9t u h e. SBahre ©eelenruhe ift baS höchfte ©ut, 
welches ein fDtenfdjenherz auf ©rben finben fann. 
2 )iefe 9tuhe aber finben wir nur in bem öerzen, in 
welches ©ott feine Siebe auSgegofjen hot. lE)ie Siebe 
treibet bie gurdjt aus. 


-HH.-« 


©onntag, 27. 9toöbr. <3»CfllÄ Ullb tott SJtatth. 12, 1—14. 


1. Hu ber flWa 3elud bureb bie 3aat am ©abbatb; uub 

feine waren qunßrifl, fingen an Stefjren au^uraufen, unb 

afeen. 

2. 25a ba^ bie ^barifäer faben, fbracfjen fie ju ibm: Siebe, 
beinc jünger tbun, ba* fie nirfjt jtemet am Sabbatb ju tbun. 

3. (5r aber fprad) zu ihnen: ^abt ihr nicf)t gelefeu, roa« 2)aoib 
tbat, ba ihn, unb bie mit ibm waren, hungerte? 

4. ffiie et in baö Oiotte^bauö giug, unb afe bie Stbaubrobe, bie 
ihm bod) nicht ziemeten zu effen, noch betten, bie mit ihm waren, 
fonbern allein ben ^rieftern? 

5. Cber habt ihr nicht gelcjen im Öefibe, wie bie ^rieftet am 
Sabbatb im Xempcl ben Sabbatb brechen, unb finb bod) ohne 
Sdjulb? 

6. 3dj f a ö c at,eT C11( h/ ha& bi« ber ift, ber auch gröber ift, benn 
ber Xcmpci. 

T. Wenn ihr aber Wüfjtet, waä bad fei: habe föohlgefaüen 


att ber ©armberzigleit, unb nicht am Cpfer; bittet ihr bie Uu« 
fchulbigen nicht nerbammet. 

8. 35eö Wenfchen Sohn ift ein $err, auch öber ben Sabbatb. 

9. Uttb er ging oon bannen weiter, unb tarn in ihre Schule. 

10. Unb ft ehe. ba war ein ©tenfth, ber batte eine uerborrete 
ßanb. Unb fie fragten ihn, unb fprachen: 3ft & auch recht am 
Sabbatb heilen? fnuf baft fie etne Sache zu ihm bitten. 

11. «ber er fprach zu ihnen: ©elcber ift unter euch, fo er ein 
Schaf hot, baö tbm am Sabbatb in eine @rubc föUt; ber e£ nicht 
ergretfe unb aufqebe? 

12. ©ie biel beffer ift nun ein SRenfcb, benn ein Schaf? Xarum 
mag matt wobt am Sabbatb @ute4 thun. 

18. 35a fprach er zu bem SRenfcbeu: Strecfe beine ^>anb au#. 
Unb er ftredte He au#; unb fte warb ihm wieber gef unb, gleich¬ 
wie bie anbere. 

14. 2)a gingen bie ©harifdet hinaus, unb hielten einen Rath 
über ihn, wie fte ihn umbrächten. 


Biblifdjtr ©runOgcOanfc: „Darum mag man mol)l 

am ©abbat^ ©utcS thun." äRattl). 12, 12. 

©inleitung. Die zwei in uuferer Scftion berkpte« 
ten ©reigniffe trugen fid) zu flfflcu ©itOe beS ÜflonatS 
^Jtai im 28 n. ©pr. ©ie finb noep oor bie 

Bergprcbiat zu fepen. Das crftcrc ©rcigniß fanb 
i)bd))twaprfcpeinlicp io öcr 9täpe ÄapernaumS unb 


baS leptere in biefer ©tobt felbft ftatt. Die Barellel* 
fteüen finb: 9J?arf. 2 , 23—28; 3, 1 — 6 ; Suf. 6 , 1 — 11 . 

* ©rflärung. 

JB. 1. Der pier erwäpnte ©ang würbe jebenfaflS 
naep bem Sttorgengebete in ber ©onagoge gemaept 
DaS rabbinijepe ©efep geftattete ntept, baß man oor 
bemfelben effe, ausgenommen im grolle ber jfranfpeit. 


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605 


3«fuS ging, Don feilten güimem unb Anbern beglei* 
tet, butdj ein SBeijen* ober ©erftenfelb. ©S war um 
bie ©rntegeit; bie grudit war reif. $ie 3ünger fin& 
hungrig. ©ie reißen Aehren ab, reiben bie Körner 
mit oen $änben aus unb effen fie. An unb für fich 
gab biefe fmnblung feinen Anftoß. Stad) 5 SJtofe 
23, 25 Durfte man baS, fofern ber fiunger eS Der* 
langte. 35er $err felbft hat feine lehren abgeriffen. 

B. 2. Unter ben Begleitern 3 C » U waren aud) 
B^arifäer. ©ie tabelten eS, baß bie 3ü n 9 er öw 
© abbatt} Herren auSrauften. ©S fei baS nicht gejep* 
lieh, meinten fie. ©ie hatten ftd) in gef etliche ft lei* 
nigfeitSfrämerei berirrt. SJtan burfte am ©abbath 
niept auf bem ©rafe wanbeln, benn man würbe eS 
jertTeten unb baS wäre eine Art 3>refchen. 9J?an 
burfte feinen fttoh fangen, ^ enn 1001:6 rine $lrt 
^agb. Beim Lüftern ber kühner mußte man bor* 
ftchtig fein, baß feine gruchtförner auf ber ©rbe lie* 
gen blieben, benn fie möchten feimen unb baS wäre 
eine Art ©äen. ©o betrachteten fie baS AeljrenauS* 
raufen unb *auSreiben als eine Vlrt beS ©rntenS unb 
35refcfcenS. ®ie*Bharifäer machen 3>efum felbft für 
baS Betragen ber jünger öerantwortlich. 

B. 3. 4. 35er $err bertheibigt bie JpanblungS* 
weife ber jünger. 3 um Belege führt er einen Bor* 
fall aus ber ©efdjichte 35abib*S an, ber fid) auf feiner 
gludjt oor ©aul ereignete unb 1 ©am. 21, 1—7 er* 
läplt wirb. ©r fchlägt fie mit bem eilten 3eftament. 
©elejen hatten fie wohl, aber geiftloS. 3)ie © ch a u * 
b r o b e würben wöchentlich gewechfelt unb bie abge* 
tragenen fielen ben Briefen jfu. 3 e fa BeweiSfuh* 
rung ift biefe: 3)abib, ben ihr Doch wohl nicht tabeln 
werbet, hat fogar ein Don ©ott felbft berorbneteS ©e* 
remoniai"©efei& gebrochen; meine jünger haben baS 
nicht getßan. durfte nun 3)aDib aus 9?oth Don einer 
göttlichen Anorbnung abweichen, wie Diel mehr meine 
jünger Don eurer menfchlichen ©apung — eine ©aß* 
ung, bie fich nirgenbS im ©efep ßnbet. 

B. 5. 6. 3 U i cner 3ahreS^eit, in ber fich biefar 
Borfall jjutrug, würbe am ©abbath baS britte Buch 
Btofe gefefen, in bem jo Diel Dom Opfern am ©ab* 
bath Dorfommt. 3)ie Briefter mußten am ©abbath 
bie Dpfertljiere fchlachten, bie ©chaubrobe baefen unb 
fonftige mit bem 4empelbienfte berfnüpften Arbeiten 
berricqten. Unb hoch waren fie ohne ©cpulb; benn 
fie thaten, was ju thun Stotp war unb Was baS ©efep 
Dorfcbrieb. 3)er ©inn beS fechften BerfeS ift: ©hriftuS 
ift größer als ber Xempcf: ber Xempel ift größer als 
bet ©abbath; fo ftebet ©hriftuS weit über ben ©ab* 
batb. Mai ben Stenern beS XempelS erlaubt ift, 
muß auch ben Wienern beffen guftehen, ber mehr ift 
als ber 3>mpel. 

B. 7. 8. $er Angegriffene geht gum Angriff über, 
©r ruft ben Angreifern $of. 6, 6 in’S ©ebächtniß. 
@S fehlte ihnen biefe erbarmenbe giebe, welche ©ott 
bor aüen Gingen forbert. tyv ©inn War überhaupt 
nur auf Opfer unb ceremomeflen ©otteSbienft geriet) 5 
tet. AIS §err beS ©abbathS hat 3cfa3 8“ beftimmen, 
waS eS heißt, ben ©abbath 8 U ^eiligen. 

B. 9. 10. Unb tarn m ihre ©chule. gu* 
taS fagt, eS fei an einem anbem ©abbath gewejen, 
wahrftheiniifh am barauf folgenben. Berborrete 
$ a n b. ©ie war burdj baS 3urücftreten ber ©äfte 
Derborrt. Bon jeher hielt man biefe ftrantheit für 
unheilbar. SJtancpe hegen bie Anficht, biefer SJtann 
fei Don ben geinben 3fefu hergeführt worben, um ihm 
eine gafle ju fegen. ©iner Xrabition jufolge foü er 
ein ©tetnmaurer gewefen fein, welcher Qefum bat, 
ihn $u heilen, bamtt er fortan nicht $u betteln nöthig 
habe. 5Die B^arifäer ftellen biejj rage, um einen 
©ruitb jur Älage ju fhtben. 9?ach oer 5Crabition 


foQte einem Oranten am ©abbat^ nur bann $ülfe 
geleiftet werben, wenn fein geben in ©efahr fchwebe. 

B. 11. 12. ^er Berluft eines ©djafeS wäre ge* 
rabe nicht fo groß. $och War’S $ur Reit ©hrifti noch 
geftattet, ein m bie ©rube gefallenes ©d)af hcrauS^u* 
Riehen. Unter ber bi« erwähnten ©rube Derftehe 
man eine auf bem gelbe auSgegrabene ©ifterne, m 
welche bie Xpwre manches 9Jtal ßelen. ©päter haben 
bie Quben auch $erauSjiehen eines in bie ©rube 
gefallenen Xh 1 ^ 6 ^ am ©abbath nicht erlaubt. 3 U 
©hrifti 3riten war’S jeboch noch erlaubt. $aher biefe 
Jrage. £a aber ein SKenfch mehr wertb ift als ein 
©chaf, fo barf man auch an ihm unb für ihn am 
©abbatb SBerte ber Söohlthäthigfeit Derrichten. 

B. 13. ^er iperr forberte Don bem Spanne ge* 
rabe baS, wo$u er in fich felbft leine Äraft befaß. Auf 
beS §errn Befehl hin jeboch übte er gläubigen ©e* 
horfam. $n bemfelben Augenblict ftrömte Straft in 
bie oerborrete unb leblofe §anb. 

B. 14. 3 e f ug ^ Cllte i^ n SBort. 5)ie Äur 
hatte feine folche Arbeit erforbert, wie baS Aehren* 
auSraufen ober baS £)erauS$iehen eines ©chafeS aus 
ber ©rube. Unb bo^ibielten’S bie Dom Borurtheil 
unb ^aßgeblenbeten SJcenfchen für einen ©abbatb- 
bruch. 2«it 3Jtorbgebanfen im ^erjen Derließen fie 
bie ©dgile. 

Braftifdje üebanten. 

Xie tut ©abbat| erlinbtfn tterfe. 

I. ©erfc ber Aott. 

1. Xev Angriff.. 

a. Beranlaßt burd) eine |>anblung ber 

e ünger. B. I. Ohne $u frühfrütfen, waren bie 
ünger mit bem §erm in bie ©pnagoge gegangen, 
um anjubeten. Auf bem Heimwege rauften fie, Dom 
junger geplagt, Aehren aus, rieben bie Äörner aus 
unb aßen biefelben. $iefe öanblung war im ©efepe 
erlaubt (5 SJtoje 23, 25). Bad) biefer ©efepeSDor* 
feprift burfte ber hungrige, wenn er am Aeprenfelbe 
eines Anberen Dorübergmg, fo Diel nehmen, als jur 
©tillung feines ftungerS nöthig war. Bei ben Ara* 
bern h^t ber hungrige heute noch biefcS Bed)t. 

§ a n n a fagt: „9tid)tS überrafd)te mich wehr, als bie 
reiheiten, welche unfere güh*er fich erlaubten, ©ie 
ritten burd) bie Aehrenfelber unb ließen ihre Bfcrbe 
fo Diel Don ber ftehenben grucht freffen als ihnen be* 
hagte. 3m Anfänge fühlten wir, als feien wir Ueber* 
treter unb $)iebe. $)iejeS ©efühl febwanb jeboch t>olb, 
als wir jähen, baß eS unter ben Augen uub mit ber 
3uftimmung ber ©igenthümer gefchal)." 

b. AuSgehenb Don ben Bh ai: Höern. 
B. 2. 3hnen war eS anftößig, baß bie 3^9** & aw 
©abbath thaten. ©ie waren in ein äußerlich ftrengeS, 
aber gan$ geiftlofeS Sormwefen Derfunfen. Xie S war 
namentlich in Betreff beS ©abbathS ber JJalL ©ie 
Waren ©plitterricbter unb litten an ber Xabelfucht. 
$)aS ift eine böfe Ärantheit. ©ie ift fcpwer $u heilen, 
©ol^en geuten fann eS Aiemanb Stecht machen, felbft 
ber liebe ©ott im $immel nicht. 

2. $ie Abwepr. 

a. $)urch 8i°ei Beifpiele. (1) ®aS Bei* 
f p i e l 5) a D i b S. B. 3. 4. 3 c f u ^ will feineSwegS 
ben ©abbath abfehaffen; er will nur bartpun, baß 
Arbeit geftattet fei am ©abbath, wenn wirtliche Stoth 
fie forbert. 3 U &i*f*m Bchufe führt er einen Bor* 
fall aus bem geben $>abibS an, welcher 1 ©am. 21, 
1—7 erzählt ift. AIS bie Stoth ih° trieb, ba trug er 
fein Bebenfen, ben Buchftaben beS ©eremonialge* 
fepeS j^u übertreten. Auf feiner glucht Dor ©aul, 
Dom junger gequält, aß er Don ben ©cpau.broben, 
welche nur bie B n cfter effen burften. @S fiel Stic* 


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606 


3r<rarnftttoM). 


manbem unter ben flStjarifäent ein, biefe ©anblung 
$abib3 au tabeln. Seine jünger Ratten auch nicht 
aus 9Jtuthmillen «ehren abgerifien, fonbern um ihren 
junger ju ftillen. ©ott miU nicht, baß mir am ©omt* 
tage junger leiben. 3öir bürfen uns ©peifen jube- 
retten, allein mir foüten nicht mehr Arbeit thun, 
als bie 9toth erheifcht. «m Sonntage foüte man 
5 . 35. fein 35rob baden, benn baS fann am ©amStage 
gefchehen. 

( 2 ) $) a 3 35 e i f p i e 1 b e r $ r i e ft e r. SS. 5. 
$ad) 4 Sttof. 28, 9 mußten bie Sßriefter am ©abbath 
Amei Hämmer opfern unb frifcheS (heißes, alfo an 
oemfelben gebaaeneS) SSrob auflegen. ©ie hatten 
alfo ber Arbeit mefjr am ©abbath als in ber 2 Boche. 
Unb hoch maren fie ohne ©djulb. ©0 gibt es auch 
heute nod) 97otharbeiten, melcpe 35rebiger unb «nbere 
am ©onntage au thun haben. $er fßrebiger, melier 
mehrere SSefteuungen am ©onntag au beoienen bat, 
muß fein <ßferb anfpamten unb eine Stnja^l oon SJcei« 
len fahren, Seute auf bem^Sanbe, meldje meit-$ur 
ftirdje haben, müffen auch anfpamten unb bahin fah= 
ren. &urd) folcfye Arbeit mirb ber ©onntag nicht 
gcfchänbet, fonbern bie rechte ©onntagSfeier erhielt. 
$)aS bloße ©pajierenfahren am ©onntage hingegen, 
befonberS menn man oabei ben ©otteSbienft ber* 
fäumt, ift ©onntagSfdjänbung. 

b. 4)urch bret ©rünbe. ( 1)3 ef u 3 ift gr ö* 

er aU ber Jempel. 35.6. SBenn ber iempel* 
ienft im «Iten 35unbe bie Arbeit ber ^riefter am 
©abbathe rechtfertigte, fo mirb bie im $)ienfte $efu 
berrichtete Arbeit feine ©ntljeiligung bcS ©onntagS 
fein, benn er ift größer als ber Semmel. «rbett, 
melche in feinem tarnen unb 511 feiner ©t) rc gefc^ic^t, 
ift bie rechte §eilighaltung beS ©onntagS. 

( 2 ) 35armhcriigfett ift ©ott angeneh* 
mer als ein tooter gormenbienft. SS. 7 . 


(3) ©priftuS ift §err über ben ©ab* 
b a t h- SS. 8 . Ätaft biefer #errfchaft bcftiimnt er 
hier, baß alle SGBerfe ber 9foth, menn fie e$ 
mirflich finb, am ©abbathe gefefjltch feien. $er 
©abbath ift ja um beS SKenfchen Sßiüen ba unb nicht 
ber Sftenfch um beS ©abbatpeS millen. 3)er §err 
fefcte biefen Ruhetag ein, bamit er bem SKenfcpe* 
nach Seib, ©eele uno ©eift jurn ©egen unb SBople 
gereiche. 

II. IBerfe ber 35annherjigfctt. 

1 . ©ine gepäffige ftrage. 10 . «nt 
nädjftfolgenben ©abbath tarn ftefuS mieber in bie ©p* 
nagoge. 3)a traf er einen 2 Jtann, ber eine berborrete 
öanb hatte. $ie fßparifäer, melche mieber auf ber 
Sauer lagen, frugen: „Qft eS auch iecht, am ©abbath 
au peilen?" $iegrage mar eine äußerft gepäfftge. 
©ie mürbe gefteUt, um ihn in feiner Siebe au fan* 
gen. ©ie hofften baburch, eine Urfache $ur Silage $u 
ftnben. ©old)’ heimtüdifche «uSfrager gibfS heute 
noch- 

2. ©ine f cp l a g e n b e «ntmort. 35 . 11 . 12 . 
3« feiner «ntmort fcplägt er fte mit Amei fünften, 
bie fie ^ugeben mußten. 1 . SBürben fie baS in ©efapr 
fehmebenoe ©cßaf nicht am ©abbathe retten? 2 . 3 ft 
ein SJienfdj nicht mehr merth als ein ©epaf ? 3 ft e3 
aber red)t am ©abbath ein ©chaf 5 U retten, fann e3 
bann unrecht fein, einem leibenben SJienfchen jur 
^)ülfe 5 U fomnten? 

3. ©ine Teilung am ©abbath. 35. 13. 
$urd) ein SSeifpiel jeigt ber öerr nun, baß man am 
©abbath teilen, überhaupt (öute3 thun bürfe. 3>aS 
ift eine rechte gottgefällige ©onntagäpeiligung, menn 
mir bie «rmen befuthen, bie Äranfen pßegen, bie 
traurigen tröften unb bie Siothleibenben erquiden. 


- * - 

gfrauenjeifuug. 


©lüdferge gugenb! SBanbemb $iehft bu au3; 
©em märft bu in ber ganjen SBelt $u §au3, 

SBenn bann bie Siebe Dich erft bannt unb hält, 

©0 mirb bein $au3 bir beine ganje S55elt! 

Dü Sor’Ie über ©onntagfihttlen. 5)ie ©onntag* 
fdjule unb bie 9Jtutter! Qeber chriftlichen SÄutter 
mirb «Üe3, ma3 ba3 leibliche unb "geiftliche SGBohl 
ihrer ftinber beförbert, Pon größter SBichtigfeit fein. 
Unb jebe SJfutte^ bie ben SBerth ber ©onntagfchule 
fennt, mirb gemtß mit ber ihr $u ©ebote ftchenben 
Wacht an biefem herrlichen SBerf helfen. ©3 mirb 
Stiemanb leugnen, baß bie ©Item, bie fribft regen 
«ntheil an ber ©onntagfchule nehmen, felbft burd) 
biefe3 herrliche S35erf gefegnet merben. Unb jebe 
SJtutter, beren Äräfte e3 erlauben, in ber ©onntag* 
fdjule ju lehren, mirb gemiß mit mir übereinftimmen, 
baß e§ eine ber fd)önften Arbeiten ift, bie mir hier 
auf ©rben thun tönnen. 3 ch fehe e3 al3 eine befon* 
bere ©nabe oon ©ott an, mürbig $u fein, in ber 
©onntagfchule *u lehren; id) fann mir nichts ©d)ö* 
nereS benfen, als eine mohlgeorbnete unb aufmerf* 
fame ©onntagfchule. $er «nblid ber kleinen, ber 
fchöne ©efang unb bie herrlichen Seftionen — mte oft 
nad) ber 9ttühe unb «rbeit mirb mein $era erquidt 


unb geftärft unb ich höbe ©ott gebanft für bie ©onn* 
tagfajule. 

©S fann gemiß nicht ohne großen ©egen für uns 
fein, Sehrer m ber ©onntagfchule $u fein, benn ob< 
mohl «nbere ihre SSibel lefen mögen, fo ift eS hoch 
ganj anberS mtt einem Sehrer. ©r muß fuchen 
unb mie oft ßnbet er bie herrlichften ©chäfee, bie ihm 
mie ftleinobe begegnen unb oft fann er feine ©eele 
laben, mährenb er fich für feine klaffe borbereitet, 
©obann ißt baS Sehren in ber ©onntagfchule ein be* 
mährteS Wittel, jung au bleiben. SfichtS erhält baS 
§er$ fo jugenblich, als ber Umgang mit fönbem, unb 
nur baS öers, baS mit ben Stinbem Jtinb ift, mirb 
etmaS an ben ^inbern be^meden fönnen. 

SBollen mir beßhalb als Wütter, baß unferen Äin* 
bern ber bolle ©egen ber ©onntagfchule jufließe, fo 
müffen mir regen «ntheil nehmen. @3 ift nicht genug, 
baß unfere fttnbcr in bie ©onntagfchule gehen, mte 
ungefähr in einen SHnbergarten, Daß man meiß, fie 
finb für eine 3£ttUmg gut aufgehoben. 0 nein, fie 
follen in ber ©onntagfchule teran gebilbet merben 
*u bibelfeften ©hriften unb tpätigen unb nüßlichen 
©liebem in ber Kirche, benn nur bann fönnen mir 
fagen, baß unfere ftinber ben boKen ©egen ber ©onn* 
tagfchule genießen, menn fie als bibelfefte, uner* 


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fraurojritung. 


607 


fcprodene unb tpätige Triften peran macpfen, ba« ift, €tate£ throb. ift nötiger für bie ©efunb* 

ma« bie Kircpe brauet, unb ba« ift, ma« unfere Kin* beit ber gamilie al« gute« ©rob. Um gute« ©rokzu 
bet brauchen, gegenüber einer fünbigen unb berfüp* baden, muß man gute ßefe höben. $ie folgenbe 
rerifcpen SBelt. £>efe ift fepr gut, ^attptlöc^lic^ bei faltem SBetter: 

greilicp gibt e« auep SJfütter, benen e« unmöglich Sech« Kartoffeln unb eine $anb ooll §opfen jept 
ift, in bie Sonntagfcpule zu gehen, aber e« gibt au<h mau in zmei Cuart SBaffer auf unb lägt e« focpen, 
Diele, bie fiep nur zu fcpnell entfcpulbigen, epe fie e« bi« bie Kartoffeln ganz meiep finb, giege ba« foepenbe 
mit iprem ©emiffen unb bem lieben dfott abgemaept SBaffer Don ben Kartoffeln unb Hopfen über Dier 
paben. Söffel Doll 3Jtepl, gib zmei Söffel boU meigen 3uder 

Unfer Sehen tft fo furz unb toa« mir tpun fo toenig, baju, rühre e« ganz platt, unb meil e« noep laumarm 
unb menn mir mirtliep Sille« tpun, ma« in unjeren ift, rüpre Dier Söffel ooll gute $efe baran unb lag e« 
Kräften fiept, fo paben mir boep gemig noep nie ge* nun gut gäpren, e« tann bi« ben näcpften Zaq fiepen, 
manb gehört, ber am ©nbe feine« Seben« gefagt pat, bann tput man e« in fteineme Krüge unb pfropft e« 
er ober fie hätte au Diel getpan, im ©egentpeil mirb feft zu. $)iefe §efe päU fiep bei faltem SBetter bi*ei 
un« manepe ©erfaumnig Dor ba« ©emütp treten. bi« Dier SBocpen. 2>en Slbenb pDor man baden min 
3)er Butter, ber e« unmöglich ift zu gepen, möcpten nimmt man eine halbe % affe bofl Don ber $efe unb 
mir nur bie« fagen: bu fannft bennoep bepülfliep fein, maept einen Kartoffel*?)eaft, inbem man brei bi« Dier 
SBie balb nimmt ein Seprer mapr, ma« für eine ÜJtut* Kartoffeln foept, ba« foepenbe Kartoffelmaffer giegt 
ter einKinb pat f auep menn er fie nie gefepenpat; man über bret Söffel boU Sttepl, menn e« noep lau* 
bie Kennzeichen ftnb zu bcutlicp. marm ift, rüprt man bie palbe Xaffe DoH §efe baju 

Sefe bie Seftion mit ben Kinbem, ermapne fie, unb lägt e« gäpren. 
aufmerffam unb-artig au fein unb menn fie peim 

fommen, frage fie, ma« fie gelernt pahen. gntereffire 3» ©orjimmer. $er berüpmte Slrzt $r. ÜRcfeger 
biep in Sillen, ma« in ber Sonntagfcpule öorgept, unb in Slmfterbam, ber Dor einigen gäpren auep bie Kai* 
fpreepe nie ©tma« in ©egenmart betner Kinoer gegen ferin Don Oefterreich mit ©rfolg bepanbelt pat, lägt 
bie Beamten unb Seprer berfelben, ma« ipnen Die feinen SRangunterfcpieb bei feinen Patienten gelten; 
ädptung nepmen fönnte. (Sin Seprer mirb niept« mit niept allein, bag fie SlUe in fein §au« fommen müffen, 
einem Kinbe bezmeden fönnen, menn ba« Kinb ipn fonbern fie paben bort auep im SBartefaal gebulbig 
niept aeptet unb 3«trauen 5« ipm pat. au«juparren, bi« bie IReipe an fie fommt. wun er* 

SBenn bie Sonntagfcpulen in reepter Slrt gefüprt, eignete e« fiep einmal, bag unter ben SBartenben eine 
menn fromme unb betenbe Seprer arbeiten für ba« burftig gefleibete grau unb eine einfach, boep elegant 
SBopl ber Kinber unb fie täglicp bem lieben ©ott im au«jepenbe Xante erfepien. Xie erftere manbte fiep 
©ebete Dortragen unb menn fromme SKütter treulich an ipre Siacpbarin unb feufzte: „ga, ba« Sparten ijt 
mitpelfen, ba foüte man boep poffen fönnen, ein front* fcpredlicp, paben Sie oietleicpt auep ein fleine« Kinb 
me« unb gottfelige« ©efcplecpt z« erziepen. Xa« Z u 
malte ber hebe ©ott! „wein." 

„Unb menn man bann peim fommt, ift bie SBop* 
Kartoffel * Sappe opae gleifep. Secp« bi« aept nung noep niept aufgeräumt." 

Kartoffeln merben ganz metep gefoept, al«bann fein ,,Xa« ift bei mir niept ber gall, meine Seute brin* 
geftampft. flfun giegt man fo Diel foepenbe« SBaffer gen Slüe« in Drbnung." 

baran al« man Suppe min, unterbeffen bratet man „3a, aber foepen merben Sie boep felbft müffen?" 

etliepe fein gepadte 3roi*b*ln mit einem Söffel boU „Such niept, ich fpeifc im ©aftpofe." 

2Repl in ©utter unb thut e« zu ben Kartoffeln nebft „SJun, menn Sie fo gar niept« zu tpun paben, ba 

Sali unb Pfeffer unb fein gepaefter ©eterfilie. Xa« fönnten Sie mir mopl Den ©orrang laffen unb mar* 
©elbe Don einem @t rüprt man in ber Suppenfcpüffel ten, bi« icp fertig bin, taufepen mir bie Hummern." 
mit einem Söffel Doll faltem SBaffer unb giegt bann „9Jtit Vergnügen," fagte bie Xante, bie SJiemanb 
bie Suppe langfam baran. anber« al« bie Kaiferin ©lifabetp Don Defterreicp mar. 

^rtcabeDen Don faltem 8teif$. SD^an padt ba« „$ter toirb anip nicht geflatfipt. 44 ©« mirb er* 
gleijep mit einer Rtoiebel ganz fein, nun nimmt man zöpU> bag bie „grau SRatp/' ©oetpe« utter, zu ipren 
etliepe Stüde troefene« ©rob unb meiept e« im SEBaffer &ienftleuten gefagt pabe: „3pr foüt mir niept« mie* 
ein, naepbem e« feft au«gebrüdt ift, padt man e« mit ber enäplen, ma« trgenb Sepreefpafte«, 53erbriegliepe« 
bem gleifcp. flfun nimmt man ein @i, Salz unb ober ^eunrupigenbe«, fei e« in ber Stabt ober in ber 
Pfeffer unb maept fleine flaepe Küeplein barau« unb 9Jacpbarfcpaft ober in metnem $aufe, DorfäUt. gep 
bratet fie im gett fepön gelb. mag ein für alle Ütfal niept« baöon miffen. ©ept e« 

miep noep an, fo erfapre tep e« immer noep zeitig ge* 
©efuDte ftalMbraft. 2Äan lägt fiep beim gleifcper nua. ©ept e« miep gar ntept an, fo befümmert e« 
bie ©ruft zureept maepen, naepbem fie mit einem rei* mi^ überhaupt niept. Sogar, menn e« in ber Strage 
nen Xucp aut abgerieben ift, reibt man ba« nötpige brennte, mo icp mopne, fo miü icp e« auep ba nidpt 
Salz unb Pfeffer baran, bann mirb folgenbe güue früher mifien, al« icp e« eben miffen mug." 
gemacht: ^ine berartige Sepeu Dor bem Unangenehmen unb 

9Kan nimmt alt gebaden« meige« ©rob unb meiept 5lufregenben fönnte ber grogen 3Reprzapl unter be* 
e« im SBaffer ein. 9fa^bem e« gut au«gebrüdt ift, nen, bie foleper Unterhaltung niept abpolb finb, faft 
mirb e« fein gepadt. ein guter faurer Stpfel mitge* mie©leiepgültigfeit,©equemltepfeit ober gar Sepmäepe 
badt, maept ben ©efepmacr fepr gut, bann mirb ein erfepeinen, menn e« niept zugleich befannt märe, bag 
Söffel DoÜ ©utter, ein @i, Salz unb Pfeffer baran bie grau fRatp eine mutpige, tpatfräftige, regfame 
getpan, naepbem e« gut gemengt ift, mirb bie ©ruft grau mar, ber e« an £peilnapme für SOTenfcpen unb 
Damit gefto^ft, bann nimmt man reicpliep ©ntter unb $)inge niept gefeplt pat. 3P*:e oben angeführten 
beftreid^t bie ©ruft unb ftreut ein rnenig SWepl oben SBorte laffen fiep furz m ^ flute, alte Sprüepmort 
barauf, al«bann badt man e« im Ofen, inbem man e« zufammenfaffen: ,,2Ba« icp niept meig, maept miep 
fleigig begiegt unb nur foepenbe« SBaffer baran giegt. ni^t peig" — unb e« tritt in benfelben eine fepr ent* 


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608 


Pinkt unb tJadjridjtfn fttr JUbritrr, 


jcgiebeue unb Domegme Abneigung gegen ÄfleS, maS 
l ö t f cg Reifet, Tage. 2Bte traurtg, bag grauen 
unb aucg Männer (eS gilft nicgtS, eS muß geraut, 
beim eS ift Söagrgeit!) — bie fo benten unb empfin- 
ben, bcrgältnigmägig fo feiten finb! .gagflofe Unan- 
negmlicgfeiten, unenblicger $erbrng, Diele bittre 
SJembfcgaften berbanfen igre ©ntftegung in erfter 
fitnie ober aucg ganj allein, bem biogen, g e b a n * 
fenlofen SH a t f cg, ber noeg gar niegt einmal 
ber bösartige tflatfcb ju fein braucht, tiefer 
aber ift fcglimmer als Tieoftagl, loeil er bem SRäcgften 
nimmt unb Demicgtet, maS Diel megr mertg ift, als 
beffen ganbgreiflicgeS 93eftptbum, nämlicg feinen gu¬ 
ten SRuf unb feine ©gre. deiner ber jllatfcgenben 
bentt baran, toie er ficg gegen baS acgte ©ebot Der- 
gegt, feiner erinnert ficg beS 93ibelmorteS Don „einem 
jeglicgen unnüpen SBorte," für baS mir einft $ur 9fce- 
(genfcgaft gezogen merben foßen. SaDater fagt: 
„Sprich nie etmaS ©öfeS Don einem Sftenfcgen, menn 
bu eS niegt gans gemig meigt, unb menn bu eS gans 
gemig meigt, fo frage bieg: marum etjögle ich eS?" 

3Ber aber ben Sllatjcg niegt meiben miß, um ©otteS 
unb beS SRäcgften mißen, ber foüte ign su nteiben fu- 
egen um feiner felbft mißen unb foflte burdh ben ©ega- 
ben, ber oft genug auf ben ©egmäper felbft suriitf- 
fäßt, flug merben. Ten Untergebenen gegenüber 
begiebt ficg ber ftlatfcgenbe felbft aßer SBürbe unb 
Äcgtung, unb er fann allein bureg baS, maS er fid) nur 
ansugören gerbeilägt, in bie pemlicgften unb befegä- 
menbften Sagen geratgen. 

2Ber ficg ju ben ©ebilbeten reegnet, foßte aud) be- 
benfen, bag er bureg bie pflege beS igm unentbegrlicg 
gemorbenen StlatfcgcS ficg unb feinem Greife baS 
Reugnig groger ©eifteSleere anSfteßt, — benn bie 
Ännagme liegt fegr nage, bag bie 99etreffenben eben 
nicgtS 93effercS ju reben m i f f e n. 

*8on mern ftammt mogl ber ÄuSfprucg ger, bag eine 
gute Untergaltung ficg megr mit T i n g e n, als mit 
ben e n f cg e n bef affen müffe V Ter ign tgat f mürbe 
babei göcgftmagrfcgeinlicg Don ber letber rtegtigen 
SSorauSfe^ung geleitet, bag Don ben Sttenfcgen mei- 
ftenS UngürtfffgeS gefproegen mirb. 3m erften Äugen- 
blitf Hingt bieS SBort als Äufforberung jum ©Uten 

g enommen, ettpa£ unaegeuerlidg unb fegmer auSfügr- 
ar. 33ei nägerer Söetracgtung ift eS aber niegt fo 
fegmer. 9ttan benfe nur einmal an einen Tarnen- 
faffee. Ter begriff einer folcgen Serfammlung ift 
ja Don ber beS „ftlatfcgeS" faft unsertrennlicg gernor- 
ben, mie ber ©praeggebraudg bemeift! ©oflte eSbenn 
gar fo fegmer fein, bie übücgen SieblingSftoffe, als ba 
finb Tienftbotenaefcgicgtcn, bie fjramilienangelegen- 
geiten beS lieben Mcgften nnb ferne ©egmäegen unb 


Tborgeiten, alfo ÄfleS, maS fßerfonen in unfreunb- 
licgem ©inne berührt, fo jiemlidg bei ©eite $u lagen? 
Unb mo ftnb bie Tinge, bie bafür gerangejogen mer¬ 
ben foflen?—9htn, beren bietet eine einzige beliebige 
Kummer Don §auS unb #erb SÜebeftoff bie 
SJfcenge. 

Hutter, gütet eure Jtiutoer ! TipgtgeritiS, bieier 
fcgredlicge ^Bürger, ber unfere fiiebltnge unabläffig 
oebrogt, Derlangt bie peinlicgfte Äufmenf amfeit unb 
Sorfiebt feitenS ber ©Item, menn ber ©efafjr biefer 
ftrantgeit mit ©rfolg begegnet merben fou. $or al¬ 
lem ift eS notgmenbig, bag ben &inbem fdgon bei 
3eiten baS ©urgeln gelernt mirb, ferner bag bie (fi¬ 
tem geh bie 9Kuge negmen, ben $inbem öfter, na¬ 
mentlich menn fie über Unmoglfein Hagen, in ben 
§alS su fegen. 3ft ein ftinb Don TipgtgeritiS befal¬ 
len, fo flagt eS über Eopffcgmersen, eS fiebert unb 
briegt. Tie Äugen gnb matt unb baS gatue SBefen 
beS SrinbeS brüat groge Unluft unb SKattigfeit aus. 
3ept unterfuege man bem $inbe fofort ben §alS unb 
smar nimmt man giersu am beften einen ßoffel mit 
breitem ©tiele unb brüeft bamit bie .fomgenmursel 
gerab. Seiaeit ficg gier auf ben SRanbeln—bie gafel- 
nuggrogen «Bülfte linfS unb redgtS Dom gapfegen 
hinter bem ©aumenbogen — meige, unregelmagige 
Rieden, fo hole man fofort ben Ärjt, ber bann aud) 
im ©tanbe fein mirb, su gelfen. unterlägt man eS 

» en, mie eS leiber nur su oft gefegiegt, bem tfinbe 
beim ©intritt beS gieberS in ben §alS gu fegen, 
bann Dergebt baffelbe ^tvax mieber, baS $Hnb füglt 
ficg fogar fegr halb mieber mögt unb bie ©Uem 
freuen fteg unb glauben f bag eS boeg nur ein leicgteS 
unmoglfein gemefen fet, bag igren ßieblina befaßen 
gäbe, ©cgredlicge Täufcgung! Tie geimtücfifcge ©euege 
TipgtgeritiS greift inbeffen immer mehr unb megr 
um ficg unb gegt auf ben Äegllopf unb ßgmpgbrüfen 
über. 3 c gi treten bie ftranigeitSerfcgeinungen aufs 
9teue su Tage, ber Ärjt mirb gerufen, bpA leiber ift 
er jept nur in ben feltenften gäßen im ©tanbe, ben 
Patienten bem Tobe su entreißen. Tie fürcgterlicge 
ftranfgeit ift fomeit Dorgefcgritten, bag aße 9iettungS* 
berfuege meift Dergeblicg finb. SBäre bagegen gleicg 
beim erften gieberanfaß ber ßalS beS ÄinbeS unter- 
fuegt unb ein Änt gerbeigerufen morben, bann mürbe 
eS ber $unft beffelben ein SeicgteS gemefen fein, bie 
TipgtgeritiSertrantung ju geilen. Tamm begei^ige 
ein 3eber, ber Heine gamiiie gat, bie SBamuna: 
©inem ^inbe ift bei iebem giebexanfall 
ber ^>alS in e.benbefcgriebener 3Beife s« 
unterfuegen. ©efegiegt bieS, bann ift faft jebeS 
IHnb su retten, baS an TipgtgeritiS ertrantt ift 




^inße unb ^aegriegfen für Jirßeifer. 


Tie aefeßfigaftHigen ®ebfirfniffe mtferer Sugenb 
unb tute tonnen biefelben befriedigt tnerben. 

I. £at unfere 3 u 0 en ^ gefeßfcgaftlicge unb tame- 
rabfcgaftlidbe ©ebürfitiffe? ©emiglicg. 

©otteSSBort fagt: ,,©S ift niegt gut, bag ber3Wenfcg 
aßein fei." ©emig ift eS niegt gut, bag baS $inb ber- 
anmaegfe ogne bie ©efeßfdjaft letneSaleicgen, noeg oag 
bie ^uaenb ogne jugenblicge ©efeßfegaft fei. 

Tie focialen Seburfniffe liegen fdgon in ber Statur 
Des ajtenfcgen. Tu finbeft biefelben bei bem ^inbe. 


©S fegnt ficg naeg ber ©efeßfegaft anberer JHnber unb 
menn ein $tnb aänslicg getrennt Don anbem ^inbern 
ersogen mirb, jo gegt tgm ©tmaS ab, melcgeS igm 
niegt bureg bie ©efeßfegaft ©rmaegfener erfept merben 
fann. Tu finbeft biefelben SBebürfniffe bei bem 
©reis, ©r fegnt ficg naeg ©efeßfegaft unb Tgeil- 
nagme unb mie gerne ersägU er bte ©rlebniffe Der- 
aangener 3agre! ©oßte biefeS niegt aueg bei ber 
3uaenb ber fjaß fein? 3^ to <>gl unb smar noeg in 
ergogtem SRage. 


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Pinke unb |Cad)rtd|trn für Arbeiter. 


609 


Daß man ©injelne finbct, welche ©infiebler gewor¬ 
ben, unb Wnbere, lüdehe meufchenfäeu finb, hat ge¬ 
wöhnlich feine Urfad)e. ©« mag biefe« feinen ©runb 
in einem Maturfehler, ober in einer begehrten (5r^ie= 
Ijung ober aud) in einem berfehlten geben haben. 

Die SBelt unb bie alte ©djlange finb fdjlau genug 
betreffs ber gejellfc^aftlic^en Vebürfniffe ber gugenb. 
©ie erlauben berfeiben nicht nur bie©efelljd)aft, fon- 
bern machen biefelbe fo anAiehenb mie nur immer 
möglich, natürlich um ihre oerberbenbringenben 3 roetfe 
ju erreichen. 

Die $trd)e fann in biefer Vejiehung oon ber Söelt 
lernen. Die Kirche füllte in allen Dingen, fomeit e« 
nid)t ftum ©traben gereicht, ber Qugenb in focialen 
ßinfidjten ba« bieten, roa« fie bebarf, unb in biefer 
Seife bie Verfügungen ber SBelt berringern. 

§at mane« hierin nicht oft oerfehlt uno bie^ugenb 
jur ®ird)e hinau«aetrieben, weil man ihr reinweg 
falle« berboten hat? §at man fie nicht oft pnngen 
wollen, bem au entfagen, wa« bod) ber £err in bie 
9 tatur gelegt l)at, unb wa«, wenn recht gebraust, nur 
jum ©egen ber gugenb unb ber S£ird)e hätte gerei¬ 
chen fönnen ? 

II. SBie fönnen biefe Vebürfniffe befriebigt wer- 
benV liefen Vebürfniffen wirb in ©twa« entfpro- 
djen burd) bie gotte«bienftUd)en Hebungen, $n man¬ 
chen ^a^re^eiten finb in manchen ©emeinben biefe® 
faft bie einzigen ©elegenljeiten, welche bie geute be¬ 
nutzen fönnen, um fid) gegenjeitig au fehen. 9tid)t 
baß biefe« ber 3wecf biefer Verfammlungen fein füllte 
urb boch glaube id), baß bie fogenannte'n Vebürfniffe 
in ©twa« befriebigt werben fönnen, ohne ben ©egen 
be« ©otte«bienfte« $u ftören. 

Da« §inweglaffen be« freunbjdjaftlicben £)änbe- 
bruefe« unb eine« freuitblidjen VSorte« bei bem .t>in- 
au«gel)en au« bem ©otte«haufe hat fdjon mehr ©dja- 
ben gethan al« ba« ©ntgegengefeßte. Dabei ift e« 
natürlich nid)t nöttyig, $u fragen, ob ber Vruber ein 
ferb au oerfaufen habe, unb welche« ber geringftc 
rei« fei, ben er bafür nehmen mürbe. 

Dieje Vebürfniffe fönnen weiter befriebigt werben 
burd) literarifd)e Vereine, in welchen man aud) für 
ba« ©ociale ©orge trögt. Dod) fann man biefe Ver- 
eine eher in großen al« in fleinen ©emeinben haben. 

ftber audj in mancher fleinen ©emeinbe mag ein 
foldjer Verein fegenbringenb fein, bod) wo ein foldjer 
Vereinjur ©d)lepperei wirb, ba ftiftet er feinen ©e- 
gen. 9 lud) muß große 2 öad)famfeit geübt werben, 
füllen biefe Vereine $um ©egen werben. 

Slber wie berhält e« fich mit ben gcfeUfc^aftlicfjen 
Slbenbunterhaltungen, gewöhnlich $ a r t i e« ge¬ 
nannt? 9Jun aber behutfam! ©«ift ein Uw 
terfeßieb jwifdjen Partie« unb ^ 3 artie^. ©« hat Vre- 
biger gegeben, welche auf ber Sfanjel unb pribatim 
fepr ftreng gegen fßartie« auftraten, ©nblid) wagten 
e« bie fieute bod) unb madjten'bem V rc ^* 9 er e ^ ne 
Ueberrafcßung (surprise-party), bebauten i^n mit 
einem fd)önen ©efc^enf unb er fagte: „©egen foldje 
Vattie« ^abe idi nid)t« einjuwenben. 1 '' 

SBenn gefeflfdjaftlic^e Slbenbunterljaltungen jur 
regten Qtit gehalten werben, nidjt ju fpät in bie 
9fad)t hinein berlöngert, unb nur joldje Unterhaltung 
gepflegt wirb, welche ein (£hrift mit gutem ©emifjen 
pflegen fann, werben biefelben feinen ©djaben briiu 
gen. Unb fagt 3 eman ö: „Solche Vnrtie« fönnen 
nicht gehalten werben," jo wirb mit 9ied)t geantwor¬ 
tet, baß bann auebniebt« Wnbere« recht gethan werben 
fann. 2 )aß h»^ aKißorauch ftattßnbet, ift wahr; aber 
fdjon ba« Sort Mißbrauch fagt, baß bie ©ache an 
unb für fich unfdjäblich, ja nüplich ift. 

Vringe bie Qugenb bahin, baß fie ^efum lieb h^t, 


bann faac ihr, nun thue nur ba«, welche« jur ©h« 
be« .'oeilanbc« gereicht, unb bu wirft mehr mit ihr 
*u SSege bringen, al« wenn man immer ju ihr fagt: 
„$u mußt biefe« thun unb bu barfft jene« nicht 
tljun." 

IIL 9Jian fann e« bezüglich ber gefcüfchaftlichen 
9 lnfprüd)e auch übertreiben. $ie S€trdje l)at einen 
erhabenen unb heiligen toenn biefer ber- 

gejfen ober beruachlöffigt würbe, fo würbe bie ftirdhe 
m ben Äoth gezogen unb ©otte« ©egen müßte fich 
bon ihr menben. $)aß ba« ©ociale aud) in ber Kirche 
feine Veriicffid)tigung finben füllte, ja ju einem 3JHt 
tel num wahren 3 ^^ öer Äirche gemacht werben 
füllte, ift galt* am VUifcc. $ber wehe ber Äirche, 
welche ba« Mittel ^um 3 ^^ gefell- 

fchaftliche Sebcit rann in einer fold)en SBeife gepflegt 
werben, baß ba« religiöfe baburdh ©dbaben leibet. 
2 )e« ^JJtenfchen Kräfte finb begrenzt. Senn er nun 
bie Strafte, welche er nicht für feine gamilie unb feine 
irbifchen ©ejd)äfte nöthig h a t, ganj bem gefetlfchaft- 
liehen Sieben wibmet, wie fann er bann nod) 3 ett uni) 
Strafte für $)er^en«religion unb 5ttijfion«arbeit ßnben? 

©in s )jfann fagte für^lid} ^u mir: „2öir hatten leb¬ 
ten 2Binter reinen ©rfolg m unfern Verfammlungen, 
troßbem ber fßrebiger hier äöoehen treu arbeitete, 
weil bie jungen fieute fid) auf eine literarifche 2lbenb- 
Unterhaltung borbereiteten." 2Bie traurig! 

Der Stirdje 3®ecf ift, unfterbliche ©eelen ju retten. 
2öa« biefem 3iele hinberlid) ift, muß befeitigt, Wa« 
behilflich ift, füllte benupt werben, ©hriftliche«, fo- 
ciale« Öebcn unter ber 3 « 0 enb fann nur niiplich fein, 
be«halb foüte e« unter bem Vciftanbe©otte« gepflegt 
werben. ©. Jp. Vaab. 

Der englifdje Vrebiger $bbe hatte eine eigenthüm- 
lidje unb bod) bon Qebcrmann leicht ju gebrauchenbe 
3Beife, immer eine bolle Stirche ^u haben, ©r gab ge¬ 
nau ad)t auf biejenigen ©emembeglicber ober bod) 
3 ugel)örigen, meld)e am ©onntag ben ©otte«bicnft 
nicht oejudjten unb warb barin oon jeinen Slelteften 
unterftüpt. ?lm Montag in afler grjjh e fteüte er fich 
bei ihnen ein unb erfunbigte fid) aufo greunblichfte, 
warum fie nid)t in ber Stird)e gewefen feien, ©nt- 
Weber feien fie erfranft, bann bebürfen fie ja feine« 
3 ufprud)« - ober fie feien au« ^amläffigfeit wegge- 
blicben, bann fei’« ja erft red)t feine Vfl'fht, fie ^u er¬ 
muntern unb *u warnen. Anfang« waren bie guten 
Seute über biefe prompte Nachfrage jepr beftür^t, ja 
erbittert, aber e« half; fie hüteten fid) wegjubleiben, 
um nicht gleich am borgen ben Vfarrer im ^aufc ^u 
haben. Unb al« bie ©emeinbe au« ber wahrhaft 
apoftolijdjen unb gewiffenhaften Slmt«führung ihre« 
Vaftor« erfannte, baß c« ihm wahrhaft um ba« ©ee- 
lenifcil feiner Störer ju tl)un fei, tarnen fie auch un- 
gemahut unb mit h^icbem Verlangen, unb .ppbe 
hatte balb bie greube, baß feine ©emeinbe bie fird)- 
lidffte in ber ganzen ©egenb würbe unb feine Äirdje 
fid) füllte, mochten Vkg unb SSetter auch noch fo un¬ 
gültig fein. 

Die Äraft eine« Draftat«. VU« ich, fo erzählt ein 
alter Verbreiter bon Draftaten, burch em Dorf ging, 
bot ich einer alten grau Drattate 511 m Slntauf an. 
©ie wie« mid) mit harten Sorten ab. 3 d) wanbte 
mich um unb warf einen ftu ihrer £au«thür hinein, 
ben ber 2 Binb unter ben iifch trieb. 9Jtann fah 
ihn, hob ihn auf, la« ben Xitel: „Die feltfamen Vor¬ 
theile ber Drunfenßeit," unb fterfte ihn in bie Dafche. 
Jochbein er feine Arbeit berrid)tet hatte, la« er ihn 
burd). 9Ut bem 5lbcnb fehlte er im 2 Birtlj«hau«. 
Den anbern borgen fragten ihn feine Äamerabcn: 


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610 


Um Hämin. 


SBa* £)a)t Su Demi geftern »benb gemalt ? yd) roar 
ju ^aufoiantwortete er, unb habe einen Xraltat ae* 
lefen. Me lobten laut auf unb faxtenju ihm: Xu 
wtllft bod) nicht fromm werben? ©etne 9iad)barn, bie 
gewohnt maren, ihn jeben Menb betrunfen, Iärmenb 
unb fludjenb nad) §aufe tommen zu ^ören, oerwun* 
beiten ftch unb fpradjen: 28aS ift bem gohanneS 
Veter paffirt? Mer oon bem Xage an mieb er baS 
iöirthShauS unb fing an feine ©d)ulben zu bezahlen, 
©eine grau erzählte Men, bie nad) ihm unb ben Ur* 
fachen feiner Veränberung fragten: ©r hat einen 
Xraltat „bie feltfamen Vorteile berXrunlenIjeit"ge* 
lefen. (Einige Seit nachher Jam id) wieber in ben* 
felben Ort unb bot meine XraJtate an. Xie ficute 
fammelten fich um mich- ©iner oon ihnen rief, als 
er bie XraJtate fab, ben 9lnbern ju: XaS ift beräterl, 
ber ben gohann Beter oerrüdt gemacht ^at! 28aS, 
antwortete eine grau, ber foU oerrüdt fein! geh 
wünfdjte, baß bu fo oerrüdt warft, bann würbeft Xu 
mir auch beine ©djulben befahlen, wie er gethan hat. 
Unb barauf erzählte fie mir, wie ber Xraltat, ben ich 
in beS armen 3)tanneS $auS geworfen, baS Mittel 
gewefen, burch welches er oon feiner Xrunlfucf)t ge* 
peilt worben, ©eben ©ie mit mir zu ihm, fprad) fie, 
feine grau wirb ©ie itidpt mehr üerwünfetjen. geh 
folgte ihr. ©obalb wir in baS .£>auS beS ehemaligen 
XrunlenbolbeS getreten waren, fagte fie ju feiner 

? frau: XaS ift ber 9ttaitn, ben Xu fd)on fo lange zu 
eben Wünfchteft. 2BaS, antwortete biefe, finb ©ie 
ber 9JJann, ber ben Xraltat in mein <gauS warf ? ©ie 
fprang auf, brüdte mir her^Ltcp bie £>anb unb fpracb: 
geh bitte ©ie um Verzeihung, baß ich <5te bamalS fo 

g rob behanbelte. ©cfcen ©ie fich unb bleiben ©ie, 
iS mein SJlarm Jommt. Wad) wenigen Minuten Jam 
er. ©ie fagte ihm, wer ich toäre! ©r reichte mir 
feine ipanb unb fprach mit großer Bewegung: ©S 
war eine gefegnetc ©tunbe, in ber ©ie ben Xraftat in 
mein §auS warfen, ©elobt fei ber §err, ber fich 
über mich erbarmte unb mich erlöfet hat! geh war 
arm unb elenb, unb üerbarb mich in ben 2öirthShäu* 


fern; aber bem $errn fei XanJ, ich ftnbe nun meine 
greube in meinem eigenen §aufe, unb eS ift meine 
größte Suft, bie ©nabe ©otteS iu preifen, bie ntid) 
erlöfet hat! — lieber fiefer, ich pabe eine ^tbfiept mit 
biefer ©rzäljlung beS alten SWanneS, nämlich bie, baß 
geber, ber biefeS liefet, ben ©ntfdjluß faffen möge, 
nach Kräften bazu betzutragen, baß biefe geflügelten 
Voten ber ©rlöfung unb beS feligntadjenoen ©oan* 
geliumS mehr unb mehr ©ingang in bie Käufer unb 
in bie $er^en ber 2Jtenfd)en ftnben mögen, ©r wirb 
ohne Rweifel ein gottgefegneteS SBert thun, baS für 
ihn felbft ben reichften ©ejaen in fich fd)lteßt unb bie 
große Verheißung hat: $Bcr ben ©ottlofen belehrt 
oon bem grrthum feines SSegeS, ber hat einer ©eele 
00 m Xobe geholfen unb wirb bebeden bie Sttenge fei* 
ner ©ünben! 9ttöd)teft bu baS nicht wünfehen, lieber 
Sefer? Ru ber Arbeit in ©hrifti SBeinberg finb wir 
Me berufen; wer in biefem arbeitet, bient ©ott, unb 
©ott fpricht: 2Bo ich bin, foll mein Xiener auch fein. 
V$ie leicht finb für wenig ©elb ^mnberte biefer Voten 
beS ©Oangeliums, beren einbringlidien unb zum £er* 
en gehenben©prad)e fich fo leiajt Wtemanb entziehen 
ann, oon ber girma: ©ranSton <fc ©towe in ©mein* 
nati zu beziehen, gür einen Xoüar beJommt man einen 
ganzen Verg. Xann befolbet man gemanben unb 
läßt fie in bie Bahnhöfe unb in bie Käufer oertbeilen. 
Xann weiß ber fiefer, er hat ein SBert hinter ftd),maS 
ihm nachfolgen wirb in bie ©wigteit, benn ©ott 
fpricht: 2öaS ihr gethan habt einem biefer©eringften, 
baS habt ihr mir gethan! 2Bic balb ift bie tum Reit 
hin unb bie liebe, ernfte ©wigleit ift ba! ©r fdjiebe 
cS aber nicht auf, fonbern ttpie eS fogleid); wirb bod) 
in Xeutfchlanb außerorbentlid) oiel hierin gethan unb 
nach ben Berichten ber Xraltat*©efeufchaften finb bie 
©rfolge außerorbentlid) günftige! Viele Xaufenbe 
finb m biefer Söeife Arbeiter in bem SSeinberge 
©hnfti; Reifen mit, baß baS 9teid) ©ottaS Jomnie, 
unb ber freunbliche Öefer biefeo wollte jurüdftehen? 
©r wirb ben größten ©egen burd) feine Vetheiligung 
ernten unb ©ott jum ßopne haben! 


Um Hämin. 


Ubtndjer 9Rcnf4 hat fo oiel 9Jefpett oor einem an* ©pinne, hoch ift auch biefer in feiner urfprünglichen 
bern, baß er ben §ut tief herunter^ieht; aber fo we* ©eftalt nod) ju grob baju, fo baß er, ehe er gebraucht 
nig oor fich felbft r baß er leichtfinnig fiep bie Darren* werben Jann, ^erlegt werben muß. 

Jappe auffefct. geber ©pinnenfaben beftept aus mehreren noch 

feineren gäben unb awar aus acht, wie ja auch unfer 
gcrtheilte ©pinnenfaben. „©0 fein wie ein ©pin* Rwirn aus mehreren gäben jufammengebreht ift. 
nengemebe!" pflegen wir auS^urufen, wenn wir etwas XaS MSeinanberlöfen biefer acht Xh c tie beS ©pin- 
recht RarteS unb geineS bezeichnen wollen; unb in nenfabenS ift aber, wie man fich Renten Jann, eine 
ber ©bat wirb Stfiemanb einen ©pinnenfaben genau äußerft mühfelige Arbeit. 

betrachten Jönnen, ohne über feine geinljeit unb zu c Xa haben nun bie ^Iftronomen in äRelboume in 
gleich über feine ©bcnmäßigJeit zu ftaunen. 3luftralien, wo eine berühmte ©ternwarte beftept, eine 

Xropbeni gibt eS Arbeiten, zu benen felbft ein ©pin* ©pinnenart entbedt, beren gäben nur auS brei Xh^ 1 
nenfaben nod) zu ftarJ ift. len beftehen, alfo oiel leiAter zu zerlegen finb, als bie 

Xie wieptigfte Reit zur Beobachtung gewiffer ©teme gäben ber gewöl)nlid)en ©pinne, 
ift ihr „Xurakang^ b. h- ßtc Reit, m ber fie burch Xicfe ©pinnen werben nun in bem DbferOatorium 
eine, zwijd)en Der ©oitne unb ber ©rbe gebauten, ge* z u Melbourne gehegt unb gepflegt, täglich gefüttert 
raben iiinie htnburd)gel)en. Um bie ©teme nun in unb forgfam oor jeber Vermifcpung mit anbem ©pin* 
biefer Reit reept genau beobachten zu Jönnen, tpcilen nen bewahrt, bamit fie ja nicht ber Joftbaren ©igen* 
bte vlitronomeit bie ©läfcr ihrer gernröhre burd) ein fepaft, bie fie zu ©ehilßnnen ber ^Iftronomen mad)t, 
s Jieh oon feilten gaben in gait^ fleine Vierede ein. oerluftig gehen. 

jfuerzu ift fein gaben, ben D£eii|d)euhanb oerfertigen | ©in etgcntbnmliihel ©rcrjterreglement. öenro 
famt, fein genug, man bcuujjt bazu ben gaben ber l fJJtojer, ber befannte ©chweizer 9ieijenbe, ber fich Nie* 


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Jim fUratin. 


611 


bereit längere Qeit in SSucftara aufftielt, gibt folgen* 
beS luftige föefeftieftten jurn heften: Qm Söucftarioti* 
fc^en figurirte etn feftr gelungenes SJtanöoer: auf ein 
Srompetenfignal fepte ftd) bie Gruppe im Sauf jcbritt 
in Bewegung; auf ein jmeite^ ©ignal bin warf fieft 
bie Rtannfcftaft aur ©rbe nieber, legte lieft auf ben 
Rüden unb fing an, aus SeibeSfräften in bie Suft 
emporauftrampeln. Qcft tonnte mir ben Broed biefeö 
feftr erfteiternb wirtenben SRanöoerS nicht reeftt au* 
recfttlegen, bis mir fpäter ein ruffifefter Offizier, wel* 
efter ber Eroberung ©amarfanbS beigewoftnt ftatte, 
eine glaubmürbige ©rflärung gab. Sie Ruffen muß* 
ten nämlicft ben ©araffeftan, an beffen anberem ©nbe 
bueftariotifefte Xruppen ftanben, bureftmaten; brüben 
angefommen beeilten fic6 bie Muffen auerft, baS SBaf* 
fer aus iftren großen ©#uften fterauSaubefommen, 
inbem fie fieft auf ben SHiicfen legten unb bie ®eine 
gen $intmel ftreeften. Sann griffen fie bie geinbe 
an unb feftlugen fie grünblicft. Sie Sucharioten glaub¬ 
ten nun, biefeS Söemeftrampeln fei ©ajulb am ©iege 
ber Muffen getoefen, unb führten barum biefeS nüp* 
liefte SRanöoer fcftleunigft in iftrer $rntee ein. 

Ser Sentffie ftat einen mertmürbigen Refpett bor 
allgemeinen Gegriffen unb oor abftratten tarnen: 

$. ber ©taat, bie Kird)e, bie 93eftörbe, bie Kaffe, 
bie Stttienaefeßfcftaft, bie öffentliche Meinung, bie 
„fittlicfte SBeltorbnung," baS Committee! 

2(IS im ^aftre 1848 ein SRajor ben Auftrag erftielt, 
baS grantfurter Rumpfparlament aufaulöfen, unb 
ben jperren befaftl, auSeinanbcr au geften, rief iftm 
ber Rbgeorbnete Söme—Kalbe mit großem Pathos 
au: „28ir werben nur ber ©emalt meieften!" Ser 
aRajor ritt an iftn fteran unb fagte iftm in’S Oftr: 
,,©ie Rinboieft, i eft bin ja bie ©emalt!" — 2US bie 
beutfeften Söifcböfe auf bem Jöatifanifcften ©oncil fieft 
gegen ben unfehlbaren $apft auf bie Xrabition — 
aueft ein abstractum — beriefen, ba ertoiberte iftnen 
Pio nono: “ Ma, la tradizione — son Io.” (2lber, 
meine Herren, bie Xrabition bin ieft!) 

Sic ©ifenbaftnen ber ©rbe. SaS offizielle Rreftio 
für ©ifenbaftnmefen bringt eine genaue 3ufammen= 
fteßung beS gefammten ©ifenbaftnnepeS ber ©rbe, bie 
bis jurn Qaftre 1886 reicht. Rad) berfelben ftatte am 
1. Qanuar 1886 baffelbe eine RuSbeftnung oon 
487,740 Kilometern — beiläufig bemerft, tönnte man 
mit ben jum ©aftnbau oermenbeten ©eftienen, felbft 
wenn alle 93aftnen nur eingleifig mären, einen awölf* 
faeften ©eleifering längs beS RequatorS um unfere 
©rbe legen, ba beren umfang nur 40.070 Kilometer 
beträgt. Äucft bis au unferm freunblidjen Trabanten, 
bem SRonbe, müroe baS 9Ratcrial meftr als aus* 
reieften: bie mittlere ©ntfernung auüfcften ©rbe unb 
SRonb ift befanntlicft auf 384,420 Kilometer bereeftnet, 
eS blieben alfo noeft etwa 100,000 Kilometer für 
Hßonbbaftnen felbft übrig. ©in Kurieraug, mit 80 Ki= 
lometer ©efeftminoigteit oon Berlin aus naeft Suua* 
toron abgelaffen, mürbe, allerbingS feinerlei ©tationS* 
aufentftalt aereeftnet, erft naeft 200 Sagen fein Qiel 
erreieften. Sie Oon QuleS SBerne in feiner Reife naeft 
bem 9Ronbe oorgefeftlagene 93eförberungSart per Rie* 
fengranate ftat alfo minbeftenS ben ®oraug größerer 
©eftnefligteit. 

Sureftfcftnittlicft — allerbingS f eft r bureftfcftnittlieft 
berechnet — foftet ber Kilometer $aftn in bem foft* 
fpteligen Europa 298,283 9Rart, in außereuropäifeften 


Sänbern 156,864 9Rart, etmaS mehr als 104 SRifliar* 
ben SRarf finb bemnaeft überhaupt auf ben S3au oon 
©ifenbaftnen oermenbet morben. 9Ran tönnte barauS 
ein mit Broanaigmarfftücfen gefülltes ©olbrößeften 
fabriairen, baS gerabe oom Rorbtap bis aur ©übfpipe 
QtalienS — unb mieber aurüd reieftte. 2Soflte man 
fieft aber ben SujuS erlauben, bie tleine ©umme in 
Beftnmartftiiefen nebeneinanber aufaubauen, fo mürbe 
man bamit ein etwa 10 Centimeter breites ©olbbanb 
runb um ben Slequator fteraufteUen oermögen. Ser 
fd)öne Reifen märe freilieft genau ebenfo leidftt auSau* 
füftren wie bie 93abn naeft bem SRonbe: äße europäi- 
feften ©taateu unb Rorbamerita aufammengenommen 
befipen nämlieft an ©olb in Darren unb SttünAen 
faum oiel meftr als 15 SRiUiarben SRart. Qäftrlieft 
wirb allerbingS naeft ben beften ©eftäfeungen auf ber 
ganaen ©rbe etwa für 550 Rhllionen 3Rart ©olb ge* 
Wonnen, moöon jeboeft faft bie $älfte nieftt in Die 
Rtünaftätten wanbert, fonbern au inbuftrießen Qmeefen 
Kerwen Dung finbet. Roßten wir aber aueft bie ganae 

f robuttion für unfern ©rbreifen benupen unb in ber 
mifeftenaeit felbft auf bie ^erlobungSringe oerjieft* 
ten, fo würbe ber erftere boeft faum oor oieraig Qaft* 
ren ooßenbet fein fönnen. 

König unb Baftnarat. Qn Rom lebt ein ©eiftliefter, 
ber ^ater Orfenigo, ber fteft in feinen iftm Oom geift* 
liefen 33eruf gelaffenen Qreiftunben mit prattifcfter 
3 aftnfteilfunbe befeftäftigt unb ba biefe »Jreiftunbcn 
römifefter ©eiftlicften feftr reicftlidft bemeffen au fein 
pflegen, eS in ber betreffenben Kunft feftr weit ge* 
braeftt ftat. Ramentlieft gefeftäpt ift bie ©ewanbfteit 
beS ^ater Orfenigo in ber ft<mbftabung beS 3 a ftu* 
fcftlüffelS, bie fo groß ift, baß fie eS iftm ermöglicht, 
ben ftartnäcfigften 3 a ft n ftftnteraloS auSauaieftn. 
3Bürbe baS aßein fefton genügen, iftm eine bebeutenbe 
Klientel au fieftern, fo wäcftft biefelbe babureft, baß er 
feine aaftnäratlicften gunftionen unentgeltlidi auSübt, 
gerabeau in’S Riefigc. ©elbft $apft 2eo XIII. ift 
unter feine Kunben gegangen. ©S ift etwa ein ftalbeS 

S aftr fter, baß er fiq bureft ben ^ater oon einem 
toefaaftn, ber feine ©ebulb auf eine ftarte ^robe ge* 
fept ftatte, befreien ließ, ©inige 3^it fpäter würbe 
König ^umbert, ber ebenfaflS ein feftr befefteS ©ebiß 
befipt, m golge einer Qagb bei ©aftel fßoraiano oon 
einem fteftigen 3^ftufeftmera befaßen, unb ba iftm bei 
einem äftiihcben Rnlaß ber weltliche Operateur bei* 
nafte ben Kiefer auSgeriffen ftatte, würbe befeftloffen, 
ben $ater Orfenigo au berufen. 2lßein man ftatte 
beffen religiöfc ©rrupel nieftt mit in Rceftnung geao* 
gen. Ser $ater erinnerte fleh, baß baS päpjtlieftc 
Qnterbitt auf bem Ouirinal laftet, unb moßte fieft 
nieftt in ben föniglicften ^ßalaft begeben, oftne auüor 
fein ©ewiffen beruftigt au haben, ©r fragte alfo 
ben Karbinal * $8ifar um Ratft, ber bie ©aefte als 
bringlieh bem s J8apft referirte. Seo XIII. ließ nun 
barauf bem fßater Orfenigo fagen, baß er oor 'Mem 
bie ^ßflicftten ber Humanität au er(üflen ftabe, unb ber 
SRönch naftm jept feine Operation mit bemfelben 
©eftlüffel oor, ber iftm beim Zapfte gebient ftatte. 
2US er benfelben fpäter einem greunbe zeigte, madftte 
er ftienu bie wipige ^öemerfung: „Sa feben ©ie baS 
SSerbinoungSmittel awifeften ben a»uei SRaeftten. SGBer 
foßte in biefem Jlugenblid glauben, bafj ber gefürch¬ 
tete 3aftn* ©eftlüffel Orfenigo'S für einen SÄoment 
SaS einigen tonnte, was baS ©arantie*©efep ge* 
trennt pat?" 




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612 


Jus ber Jeit. 



Jlus ber Bett. 


Sin Witter ber 9Renf4ett(ie(e. Stür^tid) ftarb in 
Württemberg ein 9Jtann, welcher ftd) obigen Xitel 
reichlich oerbient hat -- ber bctannte ©. Werner. 

©eboren im Qfthre 1808 tourbe er, itachbem er bie 
theologifchen (Syamen beftaitben, SBifar ju Walbborf 
im Cberamt Xubingen. 

$lnt ©rabe einer Sftutter, im Qahre 1834, forberte 
ber junge fßrebiger bie woblljabenben Xorfberoohner 
auf, bie fedjS oertoaiften Stinber,' welche biefelbe 


Haushalt au führen." Xie Haushälterin fdjaffte fid) 
halb fo tüchtig hinein, bafj Werner 2Ruth gewann, 
im Saufe eines QahveS nach unb nach aehn SSerwaifte 
aufaunebmen. 

©egen feine ©emeinbegliebcr führt er feine ftlage; 
im ©egentbcil, er rühmt, ba& fie ihn reichlich mit Öe* 
benSmitteln unterftüfct haben. Xer junge Sßrebiger 
batte ihnen bie pflidjtmä&ige ©orge um bte Slermften 
abgenommen, unb fie bewtefen fid) bafür erfennilicb. 


(9uftnü ©eriier, nadj einer ^hotogrnpljic Poti $ofer in ©tuttflart. 

terliejj, unter ficb ju oertbeilen unb mit beit ihrigen Xem ©enteinbebadhauS würbe ein ©efchog aufgefcfct 
au ergeben, ©r glaubte feine 93itte recht einbringlid) unb biefeS bem 5öüar mit feiner Haushälterin unb 
gemacht au haben unb wartete auf bcn ferfolg; „weil ben Stinbern als „freie Wohnung übergeben.' 4 ©ine 
aber oergeblich, jo crfd)ien cS iljm nötl)ig, jucrft felbft ©tube, eine Kammer, eine ft'üa)e; baS befdjeibenjte 
ft« tbun, was er oon Zubern oerlangte/ 4 , WaifenljauS, baS je efiftirt hat. 

Werner nahm baS fleinjte, ber pflege am meiften 9?id)t lange follte eS fo bleiben. XaS befchcibene 
bebürftige Slinb bei fid) auf, nacbbem bie Sehrerin ©lücf ber gamilic auf bem ©emeinbebacfofen erfuhr 
etner jd)on oortjcr gcgrüitbeten 2lrbeitSfd)itle fiel) be- eine ernfthdje Xrübung burch bie hohem CrtS an ihr 
reit erflärt hatte, „ihm unb feinem Stiube eigenen Haupt gerichtete gragc: ob neben ben Pflichten eines 


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Htu in 3tU. 


61S 


folgen bie beS BicarS genügenb erfüllt toerben tön* 
nen, maS ber fircßlicßen Bepörbe jmeifelhaft erfc^ei* 
nen müffe :c. Koch nufclofem $in uno $er faß ß$ 
SBemer an einem Scßeioemeg gefteflt: entmeber bie 
IHnber ober baS Pfarramt aufaugeben. Kacß reifli* 
eher Ueberlegung fam er a« bem ©ntfcßluß, baß er 
leichter in biefem als bei jenen, bie ißn «ater nann* 
ten, erfept toerben fönne. 3 n biejem Sinne traf er 
feine folgen fernere ©ntfeßeibung. 

Setet erft reifte in ißm ber ©ntfcßluß, eine KettungS* 
anftalt ju grünben, boch nur in befeßeibenen ©renaen, 
fo baß er ßöcßftenS 40 tfinber aufauneßmen gebaute. 

S ur SluSfüßrung biefeS ©ntfcßluffeS ging er nach 
eutlingen. 14. gebruar 1840 50 g SBerner ba* 
felbft ein, Oer jehen nur mit bem allemötßigften $auS* 
ratß unb mit SebenSmitteln für einen SRonat. ©S 
fiel ißm ferner, für feine öffentlichen Vorträge über 
fein immer gleichet ©ßema „bie cßriftlicße Siebtßätig* 
feit" ein paffenbeS Sofal au ßnben, baS er befahlen 
fonnte. ©r mußte fieß oorerft an einem für oiefen 
3 »ecf notßbürffig reßaurirten Scßafftall im frofe 
eines moßlmeinenoen BäcfemtcißerS genügen laffen. 

©Jie #auptforge SBerner’S für feine 40 tmber toar 
nun: moßer nehmen mirBrob, baßbiefe efjenV Ruw 
SBege öffneten fieß ihm: bie Keifeprebigt mit ihren 
©ouetten unb bie ertuerbenbe X^ötigteit ber ftinber. 
@r fcßlug beibe SBege jugleicß ein. ©Jurcß freie religiöfe 
Borträge mußte er eine ©emeinbe ber „merftßättgen 
Siebe um fiep zu grünben, unb ißrerfeitS mußten bie 
^inber barauf loS arbeiten. Schon in biefer Reit 
lernte SBemer ben päbagogifchen SBertß ber Arbeit 
mürbigen. „ÜReine Berforgten," fagt er, „müffen 
möglicßft felbft baS aum Seben Kotßtoenbige ermerben 
unb je e^er, befto beffer bie noch größere ©eligteit beS 
SKitarbettenS für Unbere fennen lernen/' Rn Bleut* 
lingen mürbe bamalS bie ©trieferei unb glecßterei 
lebhaft betrieben unb marf fo Diel ab, baß 00 m Kein* 
gerninn eine Shtß angefefaafft toerben fonnte. 

Nebenher mar auch SBemer’S ^rebigt ni(ht ohne 
praftifeßen (Erfolg geblieben, grauen unb Rung* 
trauen tn Keutlingen grünbeten einen herein, oeffen 
SRitglieber möcßentlidb ein paar ©tunben für SBerner’S 
Anftalt arbeiteten. ©Jer (Erlös ihrer Arbeiten machte 
eS möglich, eine ztoeite $uß anjufebaffen unb etnige 
©runbftüae }U pachten, mit beren Bearbeitung oor* 
zugSmeife bte alteren Knaben befcßäftiat mürben. 
Qm $aßre 1842 flieg bie Röhl ber uon SBemer Ber* 
forgten auf 80, fünf 3 abre fpäter auf 100 . 3 n 
ehern Berhältniß rnucßS bie 3 a ^ 1 unb $ßeilnaßme 
ber greunbe. 

Slber freilich auch bie ©egner ließen nicht lange auf 
(ich märten, unb leiber muß gefagt toerben, baß SBerner 
feine ßeftigften im Greife ber ftrcßlicßen Kecßtgläubi* 
gen gefunben hat. 

(Sr mürbe enblicß hon ber mürttembergifchen ©an* 
bibatenlifte geftrießen, meil er nicht mit «.Hem in ben 
fpmboiifcßen Büchern einoerftanben mar. ©Joch ge* 
lang eS nicht, ihn aus ber &ircße ßerauSaubrängeu. 
Unb—fein SBert gebieß. 

Schon im 3 a ß r 1862 patte baS SRutterßauS 24 
Rmeiganftalten mit 228 ftauSgenoffen, baS heißt fol* 
djen, Die ji<ß biefem SBerfe miometen, 872 Arbeitern 
über 14 3ah re , meift ßehrlinge unb Jungfrauen, 216 
Berforgten, baS heißt folcßen, melche alt, fchma^fin* 
nig, für} — arbeitsunfähig toaren, unb 438 ftinbem 
unter 14 Jahren. 3 u l Q mmen 1754 Berfonen. 

Kur mer nicht arbeiten fonnte, mürbe frei erhalten, 
alle Stnbem mußten fich bureß Bebauung beS VlcferS, 
in ©Aufter* unb anbern SBerfftätten, in ©erbereten 
unb Bapierfabrifen ic. ißr Brob oerbienen. 

©)er oon oiefen Slnftalten auSgeßenbe ©egen fonnte 


nun auch oon ben ©egnern nießt meßr geleugnet mer* 
ben. Slber nun rnoute man entbeeft jgben, baß er 
auch „©ommunift" gemorben fei (baS SBort ©ojialift 
mar noch nießt gebräuchlich), unb baß feine Beftrebun* 
gen aum u m ftur} aller befteßenben Orbnung führen 
müßte, ©inefeßeinbare Begrünbung fanb biefe 2ln* 
flage in ben Beftimmungen beS BereinS „}um Bm* 
berßau^^ (1858), inbem bie fcauSgenoffen beßelben 
ißr gefammteS Bermögen ber Slnftalt jur Berfügung 
}u (teilen hatten. 9Jlan überjaß babei, ober moüte 
überfeßen, baß fieieber 3 «it mieber austreten unb ihr 
©ingebrachtes auruefneßmen fonnten. 

2lber aum Sozialismus ßaben biefe Slnftalten nießt 
gefüßrt. 3 m ©egentßeil trugen fie bazu bei, baß baS 
fcßöneSBürttembergerSanb fein guter Boben für bie 
Umftüraler ift, unb menn bie ganae ^riftließe 
Äircße in gleicher SBeife bie SiebeStßätigfeit be* 
triebe, unb orgattifirte, fo müßte bie foawliftifcße 
©eifenblafe überall plapen. 

SBerner ßatte auch mit gefcßäftlicßen Berlegenßei* 
ten }U fämpfen, unb einmal — im 3aßre 1863 feßien 
eS, baß feine Änftalten, mie bie ©egner fagten, ein 
„@nbe mit ©eßreefen" neßmen mürben. ©Jocß mar 
bie gefcßäftlicße ^rifiS nur oon furzer ©Jauer. ©Jer 
im jaßre 1864 gegrünbete SBcmer*Berein, an beffen 
©pipe mir Kamen 00 m beften ftlange ßnben, über* 
naßm fämmtlicße Slnftalten auf eigene ©efaßr unb 
Kecßnung, oßne fie ißrem ßujnanen 3 toctfe 5 U ent* 
fremben. ©Jie Kegierung felbft. naeß bem Borgange 
beS Senates ber Stabt granffurt, unterftüßte baS 
Unternehmen unter auSbrucflicßer Änerfennung „ber 
langjährigen anerfennenSmertßen Seiftungen 2Berner*S 
jmr bie Firmen." ©cßon im 3o^ re 1869 betrug baS 
Bermögen beS „SlttienoereinS aum Bruberßaufe" naeß 
Äbzug aller Böffioen gegen \% BRiH. SWarf. ©elbft* 
oerftänblicß blieb ©. ferner aueß bie Seele biefeS 
BereinS. 

SBaS bem maeferen SRanne lange 3eit oerfagt ge* 
mefen mar: bie ooüe bantbare Ylnertemtung feines 
gemeinnüpigen SBirfenS, baS brachten ißm reichlich 
bie lepten 3oß*e. ^ie Stabt Keutlingen ift ftol} auf 
ihren „©ßrenbürger," unb mit Kecßt. ©inen ganaen 
©tabttßeil füllen SBemer’S Slnftaiten. ©Jie Bebeu* 
tung berfclbeu ift aber eine meit über Keutlingen unb 
baS SBürttemberger Sanb ßinauSgeßenbe. ©Jie mo* 
berne rationelle Slrmenpßege fußt überall auf ben 
©runbfäpen, bie auerft ©uftao SBemer. aufgefteut unb 
in feinen Slnftalten befolgt hat. SBaS biefe oon äßn* 
ließen aus neuefter Reit unterfeßeibet, ift an erfter 
Stelle ißre päbagogifcße ©enben}. ©Jaßer fein Slugen* 
mert immer meßr auf bie 3 u g cn *> gerichtet mar, um 
fie oor Bermaßrlofung a u bemaßren, mährenb 
bie Slrbeiterfolonien lebiglicß ben ©rmaeßfenen Arbeit 
bieten, bie anbermärts feine au ßnben — behaupten. 
SBie oiele junge Seute SBemer bucßftäblicß gerettet 
ßat, entzieht fid) aller Berechnung. 

gemfteßenbe ßaben gefragt, mie eS möglich fei, baß 
e i n 9Rann eine folcße SlrbcitSlaft ßabe tragen tön* 
nen? Slucß baS ift ebenfo feßmer au fugen mie, mer 
an feine Stelle treten mirb, um ißn au erfepen. 3Ran 
mußte bem SRanne perfönlicß naße getreten fein, um 
einigermaßen au oerfteßen, mie er baS feßeinbar Un* 
mögliche au oermirflicßen mußte, ©uftao SBemer 
ßatte nur ein SebenSaiel: bie Kotß ber Slermften 
au linbem, unb mibmete bem aüe Qtit unb $raft mit 
ebenfo üiel Selbftlofigfeit mie ©nergie. Sin einem 
©age atoölf bis Oteraeßn SBegftunben au geßen, um 
faß ebenfo oiele Rujeiganftalten au befueßen unb 3fa* 
jpraeßen an bie Arbeiter unb Berforgten }U ßalten, 
aalt noeß öcm ©eeßaiger als feine }u große Seiftung. 
©Ja}u mar freilich meßr nötßig alS pßhfifcße nraft. 


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614 


Uns brr Jett, 


©uftao Söerner ging auf in Siebe au ben Ernten, Ster* 
laffenen, Stermatften, unb niept in Söorten — er mar 
ein geinb aller ^prafe, fonbern in Dpaten mußte fie 
auSftrömen. @m Monument „aus ©r* unb ©tein," 
mie bie ©räßn 33. fcpon im gapre 1864 treffenb an'S 
Dberamt Reutlingen fdjrieb, „bebarf biefer SRann 
nid)ter mirb fortlcben in feinen Rterfen. 

Vütnberlp ift geborener Diplomat — baS muß man 

ipm laffen. Das SBenben unb Drepen einer ©acpe, 
um aucp unter fcpmierigen 33 erpältniffen bocp fein 
iel $u erreichen, üerftept er aus bem gunbamcnt. 
uf ber fommenben ©eneral * Sterfamnilung feines 
OrbenS *u SRinneapoliS brohen ipn bie ©egner, an 
ihrer ©pthe unfere eigene Di|triftS*Rffemblt) Ro. 49, 
aus bem ©attel ju peben. Der Reiter aber fommt 
ihnen juoor unb partrt fein $ferb fo gefcpidt, baß es 
{ich rnopl nicht ftörrifch geigen mirb. ©ein günftau* 
fcnb * Dollars * Remtcpen, mit meitreicpenber SRacpt* 
fppäre unb bebeutenbem Einfluß, ift bocp eine ju an* 
genehme ©tellung, um niept mader bafür au fämpfen. 
©o hat er ßcp benn entfchloffen, feine Senben ju gür¬ 
ten unb, ein neumeltlicper Richarb SÖtoenpera, jum 
ftampf für bie heilige irijcpc ©adje in’S gelobte Sanb 
ber ©maragb*3nfel ju jiepen. DaS üerfchafft ihm 
beim $ern feiner Druppen einen gemaltigen ©teilt 
im 33rette. ©erabe biefen Stern hatten feine auSge* 
fprocheneit propibitiwiftifcpen ©elüfte ctmaS fcbeu 
gemacht, aber ber ©ntfcpluß, gegen ben britifdjen So* 
men für Srlanb baS ©cproert ju führen, erobert ihm 
bie bebroptcn ©pmpatpien mit einem ©cplage jurüd. 
Rucp fein *ßrojeft, bie bisherigen Sotal *RffentblieS 
burcp nationale ©emerfS * Diftriftc ju erfepen, ift ein 
überaus fcplauer *ßlan, ber im £)rben oermutplicp 
fräftige Unterftüpung ßnben mirb, aber gerabe bie 
gefährlichftcn ©egner ^omberltfS, ben ^teftgen 
„öonie ©lub" unb feine Anhänger, auf ben ©anb 
fest, ©nblicp laßt ber ©eneral*RrbeitSmeifter burch 
alle glätter oerfünben, baß er ber Arbeit pcr*licp 
mübe fei unb feinen gelbperrnftab nieberjulegen ae= 
benfe — natürlidb nur $u bem 3 med, baß man fiep 
erft recht alle Rtüpe geben fofl, ihn feftjupalten. 
Stemberlp ift eben ein geriebener Diplomat, unb mer 
ipn auf ben ©anb fepen mill, muß fepr früh auf* 
ftepen. 

Der neue Gstgreß, beffen erfte ©ipungnun nahe 
beoorftept, mirb in beiben Käufern 141 Rtitglieber 
haben, bie noch in feinem früheren Kongreß faßen, 
darunter ßnben fiep bicle jüngere Riänner, frifcpeS 
Sölut, oon beren Talenten unb Äenntniffen man ©uteS 
$u ermarten berechtigt ift. ©ine Rnaapl älterer 9Rän= 
ner finb niept mieber gemähU morben. 

Unter ben 141 neuen in beiben Raufern befinben 
fich 49 Rbüofaten, 38 frühere SRitglieber oon ©taatS* 
gefepgebungen unb 32, melcpe eineJpocpfcpule(©otlege) 
abfoloirt haben, alfo Scanner, bei benen fiep Stennt* 
niffe OorauSfepen laffen. DaS burcpfcpnittlicße Filter 
ber neuen Sttitglieber ift 45 gapre. 

Der jüngfte SWann im 50. ©ongreß mirb gameS 
$pelan aus RteppiS fein, ber im Xejember 1856 ge* 
bor n ift. ©ein Steter mar ©enator oon TOiffiffippi 
im ©ongreß ber fonföberirten ©taaten; er felbft pat 
nur fepr fdjroacpc ©rinnerungen an ben 33ürgerfrieg. 
DaS ältefte ber neuen RJitghebcr ift ©eiteral Stenbc* 
oer oon ©alijornien; er ift am 31. **Rörfl 1817 gebo* 
ren, unb mirb alfo, menn er feinen ©ip einninimt, 
über 70 ftttpre alt fein, Filter am näcpften tomntt 
ihm Richter 'JRiles 5Tobt) ©langer oon ©ounecticut, 
melcher um nur fünf Monate jüiigcr ift. ^er Septerc 
unb ©jr*©ouoerneur ^aüieS Oon aJtinucjota fiub un= 


ter ben neuen 9ttitgliebem bie jmei einzigen L L D’s n 
baS peißt ^ottoren beiber Recpte. 

5ln miffenfcpaftlicper ©ilbung nimmt unter ben 
neuen Rtitgliebern ber fepon genannte ®pelan ben 
erften Rang ein. Racpbem er baS „Äentudp SRilitarp 
JJnftitute" mit ©pren abfoloirt patte, jog er naep 
Seipjig, genoß ben Unterricht mehrerer ber erften 
beutfdpen fßrofefforen, bejog bie Unioerfität unb er* 
marb ben ^ottorput ber fPpilofoppie. 3)en gering* 
ften ©rab oon ©cpulbilbung unter ben neuen Wit* 
gliebern pat ginlep oon fEentudp, ein SRitglieb beS 
Kaufes, genoffen: ©r begann, mie er felbft fagt, feine 
Saufbahn mittellos unb opne auep nur baS £urcp* 
jdjnittSmaß oon ©cpulfenntniffen jju befipen, pat ßd) 
aber tropbem rafcp empor gearbeitet, gilt für einen 
„guten fabootaten," mar mehrere SRale Witglieb ber 
©taatSgefefegebung unb pat mehrere ricpterlicpe Rem* 
ter befleibet. 

Unter ber ©efammt^apl ber „Reuen" beßnben ßdj 
neun gemefene Rebellen * ©olbaten unb brei^epn &e* 
teranen beS 33unbeS |>eereS. 2)ie früheren ©onfobe* 
rirten haben einen popen militärifepen Rang niept be* 
fleibet; fie maren SieutenantS uno ^auptleute, teine 
„58rigabierS," ©enator Daniel oon Söirginien mar 
©eneral*Rbjutant ber Xioißon beS Rebellen * ©ene* 
ralS Sabal ©arlp. 5Bon ben Veteranen auf nörbli* 
dper ©eite patte ©eneral Stanbeoer ben pöcpften Rang; 
er ^og als Oberft in ben Slrieg, marb 1862 Angabe* 
©eneral unb 1865 ©cneral*9Rajor. 

®er neue ©enator ©panbler oon Rem ^ampfpire 
mar mäprenb beS iöürgertriegeS Rubitor im glotten* 
Departement unb unter fßrafibent Rrtpur glotten* 
RJinifter. 5öootpman, Riitglieb beS $aufeS oon Opio, 

S iat im f riege baS linfe 93em oerloren, mäprenb Sopn 
ünb, Riitglieb beS Kaufes für Rtinnefota, ben reep* 
ten Rrm oerloren pat, aber niept im Ätieg, fonbern 
burep eine Drefcpmafcpine. Unter ben neuen Rftt* 
gliebern beßnben fiep nieprere, melcpe fiep als ©eprift* 
fteUer oerfuept paben. 

Die ffptoeren Rnflagen gegen bie in ©aftle ©arben 
üertretenen Rem Dörfer ©tammbapnen, melcpe jüngft 
ber fßräfibent ber „Rmerican ©migrant ©omp." oor 
bem S 8 unbeS*©ommi|fär Oret) erhoben patte, ßnb 
jept ber ©ifenbapn * ©ommiffion in SBafpington oor* 
gelegt morben, bie rnopl oor allen Dingen äu ermit* 
teln paben mirb, ob in ©aftle ©arben überhaupt ein 
©ifenbahn*fßool beftept, ber unter bie föeftimmungen 
beS jmifcpenftaatlidjen ^anbelSgefepeS, melcpeS ber* 
artige ^Berbinbungen oon ©ifenbapn * SBertoaltungeu 
auSbrüdlicp oerbietet, fallen mürbe. Die einzelnen 

» ulbigungen finb fepmer genug unb oerbienen bie 
ültigße unterfuepung. Die ermähnten ©apnen 
foüen ben ©inmanberem *u pope fßaffagierpreife be* 
reepnen unb übermäßige gorberungen für ©epädbe* 
förberung ftcllen. ©ine Rnjapl oon Söeifpielen be* 
meifen, baß biefe ©efcpulbigungen nur ju begrünbet 
finb, unb baß bie ©inmanberer in einem unter 
©taatSaufficpt ftepenben ©tabliffement auf’S Unoer* 
fcpämtefte geprellt merben. Docp niept genug bamit, 
beförbert man bie ©inmanberer, trop ber popen 
greife, bie fie japlen, in ben fcplecpteften SBagen, fept 
fie langen S$cr$ögerungen auS, fo baß 5 . 33. bie gaprt 
itacp ©picago oft 60 ©tunben in Rnfprucp nimmt, 
unb berüdficptiat niept ipre SBünfcpe betreßS ber ein* 
Äufcplagcnben Routen ober trennt rnopl gar greunbe 
unb gamilien in toillfürlicper SBeife, inbem man ße 
auf oerfepiebenen Routen naep iprem Reifejiel beför* 
bert. Die ©ifenbapn* ©ommiffion mirb bem roiep* 
tigen ©egenftanb hoffentlich ungefäumt bie Oerbiente 
Rufmerffamfeit fepenfen. 


■ 5d by C - - e 




%u* bet jjfit. 


615 


So ifl’S re4t. Tie gifcperei«grage t>at zmifdjen 
©nglanb unb ben »er. Staaten fcponfepr biel böfe^ 
»lut gemacht. 3efet werben brei ©ommiffäre bon 
©nglanb unb eine gleite Anzapl aus ben »er. Staa« 
ten biefen langwierigen Streit beilegen. So ift*S 
recpt. ©ott wtrb eS lenfen, baß bie Sadje gütlich 
ausgeglichen wirb, unb eS ftept *u hoffen, baß bie 
Seit noch fontmen wirb, baß alle Streittgfeiten z.wi* 
fcpen ben Nationen burep folche ©omntiffionen beige« 
legt werben. Ter gortjcpritt, welcher in ben SJJorb* 
Waffen gemacht wirb, muß enblich ben Krieg praftifcp 
abfcpaffen, unb fchon aus biefent ©runbe wirb matt 
oiefleicpt bie Smiftigfeiten unter ben »ölfern in frieb« 
liehen ©ommijfionen zu {deichten haben. 

Toi bie Temofratcn im höchften ©rabe ungerecht 
finb, wenn fie bem »räfibenten borwerfen, er gebe zu 
biel auf ben „Eumbug" ber ©iöilbienftreform unb 
habe ju biele Wepublifaner in beit Remtern gelaffen, 
baS weifen u. 21. auch bie Elften beS WJinifteriumS beS 

§ ;nnem nach. 3m »ereiep biefeS TepartementS allein 
nb bie naepftepenben »eränberungen borgenommen 
worben. 

©ouberneure bon Territorien: Alle finb 
entlaffen unb überall finb Temofraten an ihre Stelle 
gefegt worben. 

Territorial« Sefretäre: Alle entlaffen unb 
Temofraten eingefe^t. 

»enfionS * Agenten: »on 18 »eamten 17 
entlaffen. 

©eneral * »ermeffer: Sauter neue »c* 
amten. 

WeaifterS ber fianbantter: »on 104 finb 
97 entlaffen unb beren Stellen mit Temofraten befept 
worben. 

©innepmer: 2Bie borftehenb. 
3nbianer«Agenten: »on 64 finb nur 12 
biSper im Amt geblieben. 

Alfo: »on 377 bem Sftinifterium beS Innern unter« 
ftedten »eamten finb 338 ober runb 90 »rozent ent« 
laffen worben. Anbere werben aweifetloS noch ent« 
laffen werben. 3m aUergünftigen 3raÜe halt alfo bie 
TofiS „Reform," welche bie gegenwärtige Abmini« 
ftration oerzapft jo an 10 »rozent. TaS ift boep 
Ziemlich pomöopatpifcp unb bie Temofraten brauchen 
fiep nicht barüber zu beflagen. 

Tic ©cfltttifnng beS über bie fieben ©picagoer 
Anarchisten gefällten TobeSurtpeilS burep baS Ober« 
geriept bon 3HinoiS pat zwar in ben Greifen iprer un« 
mittelbaren »arteigenoffen unb »ereprer großen 
Scprecfen unb grimmige 28 utp erregt, im großen »ub« 
lifum aber patte man raunt eine anbere ©ntfepeibung 
erwartet. Tie fentimentale Stimmung $u ©unften 
ber »erurtpeilten, bie fiep balb nach »eenbtgung ipreS 
»rozeffeS pin unb wieber in ©picago unb oft auch 
anbermärtS funbgegeben, ift eben eine pier bei fenfa« 
tionellen »erbreepen, beren Urpeber bie TobeSftrafc 
erleiben foUen, fepr übliche ©rfdjeinung; fie ift übri« 
genS längft wieber oerfcpwunben unb pat ber nun um fo 
fefter ftepenben Ueberjeugung »lap gemacht, baß baS 
urtbeil, naep ben burchben |epr gemiffentmf t gefüpr« 
ten SRonftrepro^eß z« Tage geförberten Tpatfacpen, 
eben niept anberS lauten fonnte, wenn bie fianbeS« 
aefepe aufrecht erhalten werben foUen. 3 U biefer 
Anfiept gelangte offenbar, nach nocpmalS fepr reiflicher 
»rüfung ber ganzen Angelegenheit, auep baS Ober« 

S eridpt in einfttmmigem ©rfenntniß, inbem felbft ber 
ett Angeflagten günftigft gefinnte dichter bie Abgabe 
eines 9/cinontätS«©utadjtenS unterlafjen, weil, möcp« 
ten beim »rozeß unzweifelhaft auep einige gepler un« 


tergelaufen fein, biefelben boep niept bebeutenb genug 
wären, um eine Umftoßung beS UrtpeilS zu reeptfer* 
tigen. Wad) biefem ©rtenntniß berupt bie lepteEpff* 
nung ber Angeflagten auf ber ©nabe beS ©ouüernciirS. 

Tic ©polera ift au einer folcp fpäten 3o^eeSzeit 
in biefeS Öanb eingejcpleppt worben, baß fein befon« 
berer ©runb borpanbeit ift, fiep »efüreptungen pinzu* 
geben. So weit eS bie Wem »orfer »reffe betrifft, 
pofft fie jeboep mepr bon bem falten SBetter als oon 
ber gäpigleit ber Quarantäne«»eamten, bie Seucpe 
fernzupalten. »on ben Quarantäne« ©ommifjären 
wirb gefagt, baß fie weber gacpfenntntß, noep ©rfap« 
rung tn ber »eranftaltung oon Quarantänen befipen. 
3 Pr einziger»eruf zu bic)em oerantmortlicpen»ojtcn 
Itege in ben »erbienften, bie fie fid) als 2Barb«»oliti« 
fer erworben pätten. »on bem ftäbtifepen Wtebizinal« 
»eamten fagt bie s JJew Dörfer „TinteS": Tiefer »e« 
amte oerbanft feine Stellung feiner befonberen »e* 
rufStücptigfeit, fonbern lebiglicp ber Tpatfacpe, baß 
er unter ben tpätigen »olitifern einer gemiffen gaf« 
tion ber peroorragenbfte Wtann war, ber für ben 
»often geeignet fepten. 

Amerifa iöß bie Sfragc betreffs 
ber TobeSftrafe in ber SBeife, baß eS btefelbe tpeore« 
tifcp zwar beibepält, ipre Ausführung aber burep ju« 
nftifepe Querzüge fo lange pinauSscpiebt, baß ber 
»erurtpeilte barüber eines natürlichen TobeS ftirbt. 
©iner ber brutalften 9J?orbe ber lepten 3uP^ toarber 
beS englifepen Weifenben »reller burep feinen SanbS« 
mann unb Weifegefährteit WtajweD in St. SouiS, im 
April 1885. Ter »törber würbe befanntlicp aus 
2 (uftralien, wopin er geflopen, zurüdgebraept unb im 
9Wai 1886 prozejflrt. Ter »rozeß napm einen ooflen 
Wtonat tn Attfprucp unbenbtgte mit feiner »erurtpei« 
lung zum Tobe. SKan appellirte, unb bie AuSfüh* 
rung beS Spru^S würbe oerfepoben. 3nt 3uni b. 3- 
würbe baS Ürtpeil in pöperer 3 n ftanz beftätigt unb 
bie ^mrieptuna auf ben 12. Auguft feftgefept. 9Waf« 
well beßnbet ftep inzwtfcpen noA immer ganz mopl 
unb SJhmter im ©efängniß. »tan erlangte einen 
Auffcpub burep baS ObcrbunbeSgericpt, welcpeS nun 
ben galt grünblicp zu prüfen pat. Wcan glaubt niept, 
baß bieS oor Ablauf oon ztoei bis brei 3opren gefepe« 
pen fönne. S^t genug, um mittlerweile wieber ir« 
genb einen anoeren ©runb beS Auf fcpubS zu erfinnen. 
©S gept nicptS über ftrenge unb prompte 3 u fttz, aber 
—bei uns ift fie niept zu ipauje. 

Tic biclcti Trußö, bie fiep jept btlben, finb eine 
große ©efapr für baS »ublifiun. E. a & en bie Äorpo« 
rationen baS »olf mit Wutpen gepeitfept, jo werben 
bie TruftS, bie potenzirten ©orporationen, eS mit 
Sforpionen zücptigeit. Tie fünftli^e »ertpeuerung 
aller SebenSbebürfniffe, welcpe 3 roec ^ unb 3' el biefer 
TruftS bilbet, maept ftep fepon in oielett Stäbten füpl« 
bar unb wirb fiep täglicp brüefenber erweifen. »or« 
läufig fiept baS »olf biefem Treiben mit tpeilnapntS« 
lofer mupe zu, wäprenb eS boep fieper angebracht 
wäre, auf Wtittel zur Abpülfe zu finnen, anftatt fi^ 
wie gebulbige Scpafe fepeeren zu laffen. Tenn auep 
gegen biefe Tyrannei gibt eS nod) EüU e - fielen 
©orporationen ift cS auSbrüdlid) oerboten, fiep mit 
anberen zu confolibiren; biefelben paben baper burd) 
ipren ^Beitritt zu einem folcpeu Truft ipren ©porter 
oerwirft. Anberen Korporationen fönnte ber grei« 
brief entzogen werben, weil fie bie ipnen oerliepenen 
©cwalten niept felbft auSüben, fonbern biefelben an 
ein mpftifcpeS ©onfovtium, welcpeS baS ©efep niept 
fennt, abgetreten paben. 


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616 


©ffrtw Jfeß. 


Bei Den JubÜämnJfeitrndjftiftu in $f)ilabelpf)ia 
ift bic Aufmerffamfeit befonber« aufgejaden, mit ber 
töräfibent ©leDelanb ben römifAen ©rjbifAof Don 
Baltimore, ben Äarbinal ©ibbon«, behanbelt hat. 
Ser Sßräfibent ftattete bem ftarbinal einen förmlichen 
93efuA ab unb erfd)ien felbft bei einem ©mpfang, ben 
ein fat^olifc^er $lub p ©fjren be« $arbinal« oeran* 
ftaltet batte* Safür erfdjien ber Äarbinal auch in 
notier Amt«traAt auf ber Sribüne, auf toeldjer ber 
Sßräfibent ber officieuen freier beimohnte unb fpraA 
bei biefer geier fogar ba« Odjlufegebet. Ser römi* 
fdjc SBürbenträger mürbe non ben $olf«maffen mit 
ungeheurem gubel begrüßt unb ber Selegraph be* 
richtete im richtigen fßuffftpl: r ,Al« ber erfte ©eamte 
ber Nation unb ber höAfte ftrdjlicbe SBürbenträger 
im Sanbe einanber bie ©anb reichten, moUte ber iöei* 
fad«jubel fein ©nbe nehmen." 

Sie gbee, baß ein rotier Äarbinal bei ber gubi* 


lüum«feier unterer $erfaffung neben bem ^räftben* 
ten ber SRepuolit flfct unb al« „ljöAften firc^lidjen 
SBürbenträger im Sanbe" fiA aufjpielt, hat recht me* 
nig ©thebenbe«. 

Sa« reiAfte (Beiß Amenta’« mirb bemnäAft in 
ber *ßerfon non Sonna gfabora ©oufino in 9fem 
?)orf ihren SBohnfifc auffdjlagen. ©ie ift eine ©fp ? 
lenin unb ihr Vermögen mirb auf $200,000,000 ge* 
fdjäfct* @i e ift eine SBittme, unaefähr 40 gabre al h 
aber noA feljr hübfA- ©ie beabfiAtigt einen ffalaftin 
SRem ?)ort p taufen ober fiA bauen p laffen unb 
bann fo feenprä$tig einpriAten, mie noA nie in ber 
reichen ©ee* unb ©anbel«ftabt am ©ubfon gefAehen. 

Sie (Borte passid unb patientia (Seiben unb ©e* 
bulb) haben eine SBunel unb — eine $rone. — fRur 
ber tann ©ott rec^t Ionen, ber fidj felber fc^ilt. 




Offene ^cfL 


Sfünfteßn ©efte für ben $rei« eine« gahrgang«! 
Sie« ift e«, ma« unfer Verlag an bietet, ©emiß ein 
fehr liberale« Anerbieten, billiger fann fein gute«, 
fd)ön mit ©ta^lftidjen unb ©olphnitten au«geftatte* 
te« SRagaftin hergeftedt merben. 

gept ift bic befte Reit für ba« ©ammein neuer 
UnterfAreiber. SBir hoffen Saufenbe berfelbeit p 
erhalten. 

©in ©ennß mar e« bem ©bitor be« ©au« unb ©erb, 
außer feiner eigenen, ben ©t. Soui«, SBeftlidjen unb 
©hicago beutfehen ©onferen^en menigften« je einige 
Sage beimoljncn p tonnen. Ueberaü fanben mir 
fyerjlidje Aufnahme, hörten non neuen TOffion«* 
Unternehmungen unb Äircfyenbauten, unb überall 
mürbe ©au« unb ©erb träftig empfohlen. ©« ift 
hauptfächlid) auch h^Aft erfreuliA, baß bie ©onntag* 
fAul*Arbeiter bic in unferer 3Ronat«fArift publip* 
ten $ibedeltionen mehr unb mit größerem SRupen 
gebrauchen al« je. Siefe Seftionen fanben noA nie 
fo niel Beifall al« gerabe jefet, unb f Aon um berjelben 
mitlen füllten alle in ber ©onntagfAule Sehrenben 
,,©au« unb ©erb" halten. 

28ir hoffen auf einen ganj bebeutenben 3umach«in 
ber Unter) Areiberlifte. 

©cgnin, Seja«. ©in SSort bcr Anerfennung ift 
bem Geblichen ©porn p erneuter, gemiffenhafter 
Shatigfeit. ©chon üor einigen Monaten mürbe ich 
mehrfach auf bie Dolle 93efriebigung hütgemiefen, 
me lebe ©au« unb ©erb ben Sefern gibt. Siefe Aeußerun* 
gen brüden meine Dolle lieber jeugung au«, gA mürbe 
aufgeforbert, Sir eine brüberlicbe Aufmunterung p 
fenben. Reifen naA einer Sagerberfammlung unb 
bamit Derbunbene Arbeiten Huberten mich an ber 
Au«fiibrung obiger SBitte. ©eit ber Reit hat ©au« 
unb ©erb febon mieber Ämeimal fein ©rfd)einen ge* 
maAt unb ba bie lebten Aummern bie erften an ©e* 
biegeuheit zc. übertrafen, erging obige Aufforberung 
mieoer an miA* 

Siefe ©timme au« bem ©üben ruft Sir flu: „gahre 
fort in ber betretenen $abn. ©au« unb ©erb gereicht 
un« jur Belehrung unb aUfeitiger ©rbauung. ©« ift 


unfer SBunfAr baß un« ©au« unb ©erb unb fein er* 
fabrener ©bitor erhalten bleibt, ©ott fegne SiA unb 
bie Arbeit, bie bu tbuft, auA in ber Rufunft." 

S. 3W a 11 h ö i. 

Heber bie neue betttfAe BfeAtfibreibnna hat ,,©au« 
unb ©erb" beßbalb etma« gebracht, weil ber SRebaf* 
teur beffelben öfter« aufgeforbert mürbe, biefelbe ein* 
juführen, unb rneil irgenomo felbft einmal tm Srud 
gejagt mürbe, ob e« benn SöequemliAteit ober ber* 
gleichen fei, moburA unfere JRebafteure Deranlaßt 
merben, beim Alten ju bleiben. 

^3ei Weitem bie größte ^Jtehrjahl unferer Sefer 
ftimmt unferem ©ntfcbluß bei, mit ©inführung ber 
neuen beutfAen 5teAt(Areibung ^u märten, bi« bie 
SeutfAen ©inheit in berfelben erhielt haben. 

©o fAnetI—mie man etma ein« f ^mei, brei fagt, geht 
e« übrigen« mit ber ©inführung einer neuen beutfAen 
fReAtfA^ibung niAt. Rur grunbliAen Arbeit aehö* 
ren Dor Adern neue Aiö©* unb SefebüAer, fomie 
neue ftateAtenien unb ^ibüfAc ©efAiAtcn ic., bie 
Don ber gugenb gebraucht merben. Äur^—bie ganje 
Siteratur em unb beffelben Verlag« muß naA «n 
unb bemfelben ©pftem hergeftedt merben. 

Sie tneiften SeutfAen in ben ®er. ©taaten finb in 
ber früheren SReAtfAreibung geübt. Sie neue fReAt* 
fAreibung ift !eine«meg« in gan* SeutfAlanb gültig, 
unb e« mare gemiß boreilig, mouten mir jefct, biefer 
Unfertißfeit gegenüber, unfere Sefe», A^3©* unb an* 
bere 93uAer naA t>cr neuen preußifAen, ober bairi* 
fAen, ober öftreic^ifc©cn, ober fAmeijerifAen 9teAt* 
fAreibung umarbeiten. 

SSürben mir SüAer unb Rcitüngen in Preußen 
ober einem anbern Sanbe SeutfAlanb« bruden, fo 
Derftänbe e« fiA Don felbft, bie bort gebräuAliA^ 
©Areibung ^u benü^en. gn Amerita aber tommen 
bie Seutc au« oder ©erren Sänber jufammen, unb 
ba gilt ba« SBort—©ile mit Söeile. 

Angenommene Artifel: Aderlei pm ^RaAbenten. 
— ©tma« Don ©hriftian gürAtegott ©ellert. — gm 
i ft'aiferhau« p Berlin.—Sa« SeibgeriAt.—©in ^licf 
I in bie Renana« in gnbien. 


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Ätt# ittl Jsffl. 


®i« illuftrirtts $amUi(«bl«tt 


gfünfjefjnfer 'gSanö. J)ejein6er 1887. 





^ |it ber JJadjt 4p- 

(3um ©taljlftt(&.) 


öieae dow uw|angen, 

go bvwh icfv fzi'ubicj oIWe cßawjeii: 
(^etcoot, ic& few j<* wc affcw! 

(^ott idt wt£ wk- <cttc wicfct’ijetc St>uwbc, 
|vc \ax weinen 

SttcwcfV SCiwvttc&yvoort wt^ ew. 


cvrw icfi ecvucrcfv cn^> teioew ‘Swiume, 
o6evt Dovt bem cKiwmeWume 
fic evu'getc Stec*ve mebezscticmn, 
go ic&: CJott voa^fv <jc&fic&c*v! 

^Xyvb mm<j wafw^ wiofv, ifwtc ku, fielet* 
^Et*vb vßvw vncivi 3wWcco cu occtraWvr. 


■afr Cg » »? 


dine 3 UU)ent 0 :<$efd)td)t(. 


So» 91 « non tothen&nrg, ©crfafferitt bet Äahteritt Hott Stettin. 


f ettiger braufte ber Sturm. @r trieb große £>au* 
fen SSolfen gerabe in ben Obenmalb hinein* 
£>aS Stäbtdjen ©enSßeim mar gan$ in ©rau 
gefüllt, Schloß Schönberg tauchte toie ein gelS im 
ifeeer auS ben Sßebelmaffen empor. „fHch," tagten bie 
Seute in bem feßon etmaS p^er gelegenen weichen* 
baeß unb feßoben babei bie Siegel fefter bor bie Jen* 
fter, „toie baS fo totlb baßerbrauft, unb toir Rotten 
bocß erft nocß recht feßöne Xage! 9tun ift’S balb Qeit, 
an SSetßnacßten *u benten." — Slber oben auf ber 
£öbe ging es noch toller au. ©3 mar, als ob bie 
tuilbe jjagb einßerfüßre! $aS biirre §ol$ brach tra* 
eßenb nieber, unb bie gelben ©lütter breiten fieß tan* 
*enb im Greife. JJa baS ift eine unruhige 3«*, menn 
©pätßerbft unb SSinter mit einanber rtngcn. — 2luf 


bem aüerßöcßften unb babei aüerfcßönften fünfte, 
oon bem aus man nach bem Stäbtcßen SinbenfelS 
mit feinen altersgrauen ©urgruinen iu bliefen oer* 
mag, befanb fieß baS ftattUcße ©eßöft beS ©auern 
©untram. 2Jtan faß eS tßm gleich an, baß ber 
©efißer ein moßlßabenber 9ftann mar, benn es lag 
unb ftanb fttfleS fo orbentlicß „in ber Steiß," mie bie 
Seute fagen: man mußte ben ©efißer für einen 
tüchtigen Sftann hörten, unb baS mar er. ©on ©e= 
fießt glich er auf’S $aar jenen fiolftfcßnitten aus bem 
16. yaßrßunbert, melcße uns Die ©tlber ber Stefor* 
mationSmänner oergegenmärtigen, gemaltigc eefige 
föpfe, aus benen bte großen ©ebanten ftart unb le* 
benSfräftig ßeroorgebrochen finb, um gleich auch W* 
Xßat merben, babei oreite Schultern, rnoßl ba$u 


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618 


(Sine ^boent 0 :§efd)id)te< 


gemalt, bie Saft eines harten, unruhigen SebenS, 
üoU blutiger Kämpfe, öoü Hungersnot!) unb ©eucpen, 
gu tragen. $on biefen Tätern batte aud) ber ©unt* 
ram bie ftaplparten 9Dhisr5Tit unb ben ebenfo ftähler* 
nen SSitten, unb er paßte eigentlich nicht in baS heu* 
tige ©efcplecpt, über baS er fiep auch bielfach ärgerte, 
unb baS ihm tm Sauf ber Sabre immer mibermärti* 
ger gemorben mar. $arum lebte er, mie ein tnorri* 
ger ©icpbaum, ber feine gäben SBurgeln in'S ©eftein 
treibt, gern auf ,,feyter Ho*)*/' mie er baS ©epöft 
nannte, trieb fernen Ader* unb Hopfenbau, pieit 
ftreng auf 3ucpt unb ©ittc i m H au fc unb tümmerte 
fich rnenig um baS ©etreibe ba unten, ©r toar in ber 
umgegenb mehr gefürchtet als geliebt. SBeil er reich 
mar, burfte er mitfprecpen im ©emeinberatp, unb baS 
tt»at er auch in berber SXrt unb ohne SRüdficpt. ©)aß 
bie Seute fo oft ihr 2Sort brechen, nicht auSfüpren, 
maS fie berfprochen paben, feine ©tunbe pünftlicp 
inne holten, ©eminn oor stecht fepen unb menn fie 
tönnen, ihren befjfn gmmb betrügen, barüber lachte 
er nicht, fonbern nanme~baS~„ffpufng." ©)aß bie 
Räbchen im Obenmalb faft burcpmeg opne Strang gur 
Xrauung fommen, baoor, meinte er, fpucfe er aus. — 
©r mar ein 9Jtann ber © e b o t e. Sn ©laS unb SRap* 
men gefaßt, hingen fie in ber ©tube über ber guten 
föommobe, unb gumeilcn ftanb er baoor, bie Hänbe 
auf ben SRüden gelegt, unb betrachtete fie moplgefäl* 
lig. ©eine Butter mar eine fltorbbeutfdpe gemefen, 
rauh unb ftreng, eine grau, bereu s J)tunb nicht oiel 
rebete, beren fernere £onb a {, er i 0 g nj arf ^ie j Ur $ r5 
beit, fo auch gu einem berben <ßuff, gleichoiel ob ber 
©etroffene etmaS oerfehlt hotte, ober auch nicht. 
„Unb bie hot mir bie ©ebote beigebracht," pflegte er 
in oertraulichen ©tunffFiTJu ergaben, „noch epe ich 
bie erften Hofen trug. 5)en fleineit StatecpiSmuS hielt 
fie in ber einen, unb eine fcparfe SHutpe in ber an* 
bern Honb, unb baS ift bie Art, mic man etmaS 
lernt." — (Daran bachte er gern gurücf unb that ficfa 
barauf etmaS gu ©ute, baß er ein 3ftann fei, ber auf 
©otteS Söegen gehe; meinte auch, eS fönne ihm nie 
an ©troaS fehlen. 

dennoch hotte eS fich ereignet, baß bie Seute, menn 
er fich einmal £anbelS unl) $ 3 an b e tg halber unter 
ihnen geigte, heimlich, hinter feinem 9^ücfen, mit gin* 
gern auf ihn miefcn, fich allerhanb in bie Dpren h Xs 
fcpelten unb eine fchabenfrohe SUtiene annahmen. — 
©S mar bieS feit bern lebten Sohrgchnt, unb er mieb 
fie beßhalb nur um fo mehr. (Denn ob er fich gleich 
niemals umbaute, entging ihm hoch nichts. 

©ine feierliche ©title perrfchte gemöhnlich auf ber 
Hope; fo auch heut, im !ftoöember beS SopreS 1879. 
(Der ©türm gerriß jefct bie SBolten unb trieb fie in 
geßen an bie ©pipen ber Sergej ein SRauboogel marb 
ficptbar, ber, über ber Xiefe fcpmebenb, fidp tragen 
ließ oom SBirbel ber Süfte unb mit Suft feine milbe 
greipeit genoß. — ©tiUe mar’S aucp brinnen in ber 
(stube, mo bie gamilie beim SJtittageffen faß. ©ie 
bcftanb freilich nur auS ©untram unb feiner grau, 
einem Stnecpt, ber ftarr unb fteif am unteren ©nbe 
beS XifcpeS faß, unb ber 9Jtagb, bie noch in ber Stüche 
pantirte. ‘Der gmeite Stnecpt mar über Sanb gegan* 
gen, feine Seute gu befucpen, benn eS mar ©onnfag.— 
Die grau, roelcpe ebenfo alt fein mochte mie ©unt* 
ram, nämlich an bie 50, batte eine lange, fnochige, 
aber für ipre S a $ re ftarr gcfrümmte ©eftalt; bie 
s 3tafe, fein unb bünn, gog fiep in einem Haten über 
baS fcpmale, melancpohfcpe Angeficpt. Die Sippen 
hielt fie feft gufammengefcploffen, als reue fie jebcS 
3Bort, baS barauS entfcplüpfen fönnte. 

„Die ©uppe taugt nichts," fagte jept ber Söauer, 
,eS mirb alle Dage ftplecpter getoept!" — darauf er* 


miberte bie grau nichts, aber eS gitterte etmaS um 
ihren 9J£unb, mie baS ©efpenft oon einem Säbeln. 
©S mar beinahe, als freue fie fiep, baß ihm baS ©ffen 
oergäHt fei. — 9hm trug bie ©priftine mit feuer* 
rotben Warfen baS meitere ©ffen auf. ©ie mochte 
rnogl fein Dalent paben für bie eble, frauliche Äunft 
beS Kochens. Das fepmamm Alles fo oerbächtig 
burch einanber, unb bie SHöße napmen ft cp aus, mie 
bomben, mit benen man bie Sttauern einer geftung 
gu befepießen pflegt. 

©o faßen fie fcpmeigenb mit einanber unb roürgten 
bie fefttägüAe ©peife hinunter. Der ©untram potte 
fepon eine SBeile an einem befonberS fräftigen Stloß 
bin unb per gegerrt, mie etma ein Söme mit rniber* 
fpenftigem ©epnen* unb S^nocpenmerf umgeht, aber 
nun mürbe eS ipm boep gu oieL „Donnermetter!" 
braep & ouS ipm peroor, unb babei fupr er in bie 
Höpe unb ftampfte mit bern muebtigen ©tupl, auf 
bern er gefeffen, „maS baS für eine 3ucpt ift im Houfe. 
Sfcmn man niept einmal ©onntagS fein gutes ©ffen 
paben? — DaS muß anberS merben!" — Damit 
ging er heftigen ©cpritteS in bie Kammer, gog bie 
Saite ab unb marf ben 9tod über — eS mar tlar, er 
mollte einen AuSgang maepen. — „DaS muß anberS 
merben," mieberpolte er, als er mieber in bie ©tube 
trat, „ober"' — aber eS hörte ipn SRietnanb. ©priftine 
patte fiep moblmeiSlicp aus bern ©taube gemacht, unb 
bie grau fpülte in ber $ü<pe baS ©efcpirr. greilicp 
patte fie bie Arbeit niept nötpig: fie mochte nur niept 
mit ihrem Sftann gufammen fein. 

Verging benn pinauS in ben2Balb: baSXoben beS 
©turmS mar ipm gerabe reept. O mie ipm baS bie 
Söruft erleichterte, m melcper baS H^rg fo peiß unb 
fepmer flopfte. ©S ärgerte ipn fdjon, menn er feine 
grau mit bern traurigen, jehmermütpigen ©efiept nur 
gu fepen befam, unb nun patte fie noch bagu ben 
liJtunb oergogen, mäprenb er palb unb halb um fein 
Wittageffen getommen mar! ©)aS murmtc ipn. »uf 
ben naffen, jcplüpfrigen blättern, melcpe bie tiefen 
©eleife beS 2BegeS auSfütlten, ging er bapin, unb mo 
eine naefte, rotpe ©cpnecte barüber gefroepen fan^, trat 
er niept bei ©eite, fonbern mit ben fepmeren ©tiefein 
gerabe mitten barauf, baß baS arme Xpierlein als 
ein gerquetfepter 93rei hinter ipm blie* 2)ocp mill icp 
niept behaupten, baß er baS mit Slbficpt tpat: bie 
9lugen feines ©eifteS maren naep S nnen gerichtet. 
Xarum fapen aucp bie äußeren migen niept, maS um 
ipn perum öorging. ©eine ©tirn mar finfter. unb 
feine ©ebanten maren ebenfalls finfter. 3)er utfann 
paberte mit feinem ©cpöpfer; cS mar ipm gu 3Kutp 
mie Hiob, ba er fpraep: „SBenn icp aucp gleidjfltecpt 
pabe, !ann icp ipm bennoep niept antmorten." Hiob 9, 
15. — ©r unb fein 2Beib, fie maren freilich opne grie* 
ben; i p r H^rg patte fiep oon ipm gemenoet, ein bit* 
tereS, gebranntes Seib fraß ipr am Seben, unb e r 
fanb bie 2lrt niept, eS mit ipr gü tragen, fiep unb ipr 
baS $reug burep traute ©emeinfepaft gu oerfüßen. — 
5)arum grollte er lieber fort unb fort. $aß ipm, 
bern ©untram, ber oon SftnbeSbeinen an bie ©ebote 
getannt unb gepalten, baS ©lenb über bic ©cproelle 
gefommen, baS tonnte er bern H^o ber Äerrlicpfcit, 
bern Allmächtigen, niept üergebeit. 3)enn ber mar eS 
ibm ja fcpulbig, baß er ipn fegnete unb mehrte unb 
ipm ©pren unb greuben gu Xpeil merben ließ. — 
Aber eS mar boep Alles anberS getommen, als er ftcp’S 
oormalS gebaept. © i e — gab ipm böfe SBorte, mo 
fie tonnte, ober, maS fcplimmer mar, fpraep gar niept 
mit ipm, ließ ben Hou^ftonb verfallen, unb e r ging 
umher, ein einfamer 9ttann, oem fogar bie tletnen 
Äinoer aus bern SSege liefen: fepaute er boep brem, 
mie ein böfeS SBetter. — ©oflte eS benn immer unb 


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(fiiu Hbofnt 0 *§efii)Ut)tf. 


619 


immer fo bleiben, mit jebent 3 .aty* fcßlimmer werben, 
nie eine ©rlöfung fommen, fein $erz feinte fich ba* 
nadb, ob er eS dleid? nicht wußte 
©untram ^atte nicht Rcßt gehabt auf feine ©cßritte, 
war mit ber Reit auf einen benachbarten $jößenzug 
unb in bie SBalber gerätsen, welche nach Sürth hin* 
untergehen, unb ba tarn er nun auf einen $lap, öon 
ba faß man jeitwärtS in’S $ßal unb auf ein lang ge* 
ftredteS $orf, aus bem bie ©pipe beS SHrchtßurmS 
herborragte. 2 )ort hotte er fid) bor Sollen fein 
feeib geholt, baS fc^öne, ehrenfefte Stäbchen, baS ihm 
lieber geworben, wie jeber anbere SRenfcß auf ©rben. 
©agen freilich tßat er’S ihr nicht, aber er blidte hoch 
mit ©tolz auf fte, wenn fie an feiner ©eite ging. Unb 
wie brab unb treu war fie in ihrer Arbeit gewefen 
unb hotte zu feinem jepigen SBoßlftanb biel beigetra* 
gen. üffio war baS hin? ® r feufzte tief, unb nahm 
bie furze pfeife aus bem Rtunbe. $ann wieber lo* 
berte ber ©roll auf: „3cß ßab’S nicht berfehen! §abe 
berlangt, waS bon ©ott unb Rechtswegen mir ju= 

ftanb. 2Ber ©otteS ©cbote nicht holt, bem foü-" 

®icßt hinter ihm erflang plöplid) ein feines ©timm* 
chen, glodenßeu unb aus fieibeSfräften fang eS 
brauf loS: 


„SBie foK id) bidj empfangen 
Unb roie begeg’n id) bir? 

25u, aller SBelt Berlanqen, 
$u, meiner Seele gier! 

C 3efu, ^efu, fefce 
®tir felbft bie ftadel bei, 
2amit, roae bidf ergöfce, 

Wir funb unb miffenb iei." — 


•©er Stauer war auf feinem Rbjap herum gefahren 
unb erblidte auf bem Rlurzelgeflecßt beS nächften 
SöaumeS ein Rtägblein bon acht bis neun fahren, baS 
hatte einen Roof zum ©cßup gegen baS Unwetter 
über ben Jtopf gezogen. 3 n feinem ©cßoß hielt & 
ein Körbchen, gefüllt mit „Reßpfötchen," einer belieb* 
ten eßbaren ©orte bon Rillen. ©S ließ fich ouch in 
feinem ©efang gar nicht ftören, fonbent fuhr fort: 


„2ein Mion ftreut bir Halmen 
Unb qrunc Sroeige Irin. 

Unb id) rotu bir tn «falmen 
(Ermuntern meinen Sinn. 

Wein fcerje foD bir grünen 
3n ftetem 2ob unb $rei$ 

Unb beinern tarnen bienen, 

So gut es lann unb rueiß." 

Saft war’S, als hielte ber §erbftfturm, um baS 
itinb in feinem ©ngclSgefcßäfte nid)t ju ftören, mit 
©raufen inne unb legte fi<ß ißm bejänftigenb zu Sü= 
ßen; aber ber ©untram ftanb noch immer auf feinen 
©tod gelehnt unb ftarrte ber tleinen ©ängeriit gerabe 
in’S Rngeficßt. ©ic blidte ihn mit ben großen, jeßmar* 
*en Rügen zutraulich an. „$orcß," fagte fie, „hören 
©ie nicht bie ©loden? ©ie läuten im Xßal, eS ift ja 
heut ber erfte Rbbent." — „ 2 Ber bift benn bu, unb 
waS hoft bu hier zu fingen ?" fragte er. — „9Rein ©a= 
ter ift Rrbeiter, wir wohnen mit ber Riutter unten in 
©rlenbach. Söir wollten gern waS SSarmeS für uns 
unb bie Äleinen zum Rachteffen. 3)a bin ich gelaufen 
unb habe ©eßwämme gefucht. ©S gibt ihrer noch Ö * 5 
nugimSSalb, unb hier oben fingt cS fich fcßön, ber 
SBmb bazu ift wie eine Orgel. «Benn ©ie wollen, 
fing ich auch noch ben britten S$erS. SBoUen ©ie?" — 
©r nidte ftumm. 

,,©a« paft bu unterlaffen 
8u meinem 2roft unb ftreub? 

UI« Seib unb Seele lagen 
2« ihrem größten fieib, 

$a mir ba« wei* genommen, 
fBo grieb' unb $reube ladit, 

2a bift bu, mein $ei(, fommen 
Unb baft mid) froh gemacht!" 


„2BaS für ein Sieb ift baS?" fagte ©untram. — 
„©in RbbentSlieb. Rbuent heißt Rnfunft." — „3a, 
baS weiß ich/' fiel ihm etwas ein. „flennft bu 
auch bie ©ebote?" — „Rüe," erwiberte fie ftolz, „unb 
auch bie ©rtlärungen. 2Bir lernen fie aus bem $a* 
tecbiSmuS." — ,,^aS ift recht." — ,,©oU ich ®ie ^hnen 
auf jagen?" unb fprang empor unb ftellte fich in ^o* 
fitur, wie ein ©olbat, ber bor feinem geftrengen 
©auptmann ©riffe machen foü. — „2)ie weiß ich Won 
allein," erwiberte er. „Rber tannft bu noch etwas 
RnbereS?" 

„©prücbe? 3;°! ©dböne RbbentSfprüche. Rtutter 
überhört fie uns." — ©ie faltete ihre §änbe, eS war 
ftifl geworben in ben fiüften, unb man hörte wieber 
tn ber S^ne bie ©loden. — ,,©S wirb ein ©tern auS 
Safob aufgehejv unb ein ©cepter auS 33 *ael auf* 
fommen" — 4 9ftof. 24,17, unb: „©ie^c, baS ift mein 
Unecht, ben ich erwählet habe, unb mein ßiebfter, an 
bem meine ©eele SBohlgefallen hot. 3 ch will meinen 
©eift auf ihn legen, unb er foü ben $eiben baS ©e* 
rieht bertünbigen. ©r wirb nicht zanten noch fchreien, 
unb man wirb fein ©efchrei nicht hoten auf ben ©af* 
fen. — $aS zerftoßene Rohr wirb er nicht zerbrechen, 
unb baS glimntenbe $o<ht wirb er nicht auSlöfchen, 
bis baß er führe baS ©ericht zum ©iege." Rtattp. 12, 
18—20. — 3ft baS nicht fdjön? ©oU ich uod) mehr 
herfagen?" 

Rber er wintte ihr abwebrenb, zog einen ^weren 
lebernen ©eutel aus ber £afche unb zählte m ihre 
offene §anb, welche fie ihm flinf barbot, fünf blanfe 
Rehnpfennigftüde. „0 baS wirb Rtuttern freuen. 58a* 
ter ift in Xarmftabt auf Rrbeit; er fommt nur alle 
acht Sage einmalju uns. Rtanchmal bauert eS auch 
länger, unb baS ©elb, waS er uns mitbringt, wirb fo 
rafdj alle." — „XaS glaube i<h wohl; z u wie Diel fetb 
ihr benn?" — „R$ir fütb unfrer achte! 3 $ unb Rtut* 
ter unb bie jecßS kleinen, unb bie effen fcßredlicb Diel! 
Rber nun fönnen wir uns ein fo großes wetßeS 93rob 
taufen. — 3 $ & an * e au ch ^ch 4 Wön!" — „ÜBie heißt 
bu, ftinb?" — „Urfelchen SM^er." 

®amit fefcte fie ißr ilörbcßen gefeßidt auf ben $opf, 
rief ihm Rbieu zu, unb trippelte bureß bie bunt ge* 
färbten 33üfcße rafcß Don bannen, ©r wenbete fieß in 
tiefe ©ebanfen Derfunfen hierhin unb Dorthin. ©nb= 
ließ war eS etwas bämmrig geworben, unb bebor er 
bie ^)öbe erreichte, war ber SBalb in Sinfterniß ge* 
hüllt. 3 [n feinem 0 ßr Hangen immer noeß bie SBorte: 
,,©S wirb ein ©tern aus 3afob aufgeßen," unbjum 
erften SJtal in feinem Seben gebaeßte er biefcS ©ter* 
neS. $aß bamit ber ^eilanb gemeint fei, wußte er, 
aber baß biefer ©tern aueß i ß m aufgeßen unb feine 
Sinfterniß ßell machen müffe, war ißm bis jept fremb 
geblieben, ©r war feiner Don ben mobernen, grob 
gefinnten SRenfcßen, welcße fich in ißrer ©ottlofigfeit 
frei wähnen Don ber Rflicßt ber ©ottfeligfeit; aber 
er war ein SRann beS ©ejepeS. 2)aS „bu jollft" unb 
„bu mußt" hatte feinem ßerrifeßen ©inn zugefagt, unb 
er blieb auf bie ©ebote geftüpt fein üebenlang. Rber 
urplöplicß war ißm biefer ©tab wie ein fpiper 55 orn 
bureß bie $anb unb in’S ^>erz gefahren, unb er hatte 
fich nießt meßr zu helfen gewußt. RHeS um ißn ßer 
unb in ißm war wirr unb rnüft unb finfter geworben. 
— Unb nun hörte er eS aus bem Rfunbc eines armen 
ÄftnbeS. 3a „baS jerftoßene Roßr wirb er nießt zer* 
breeßen unb baS glimmenbe 5)ocßt wirb er nießt auS* 
löfcßen." @r tonnte ben ©prueß nidßt loS werben, 
unb mit einem 9Ral griff er mit ber ^anb naeß bem 
jperzen, unb ein tiefes ©tößnen entrang fieß feiner 
®ruft. — 

58ei ißm zu §aufe war’S unterbeffen aueß etwas le* 
benbiger geworben; S^u ©untram hatte Don einer 


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620 


«ine JU»entHty4i4te< 


«afe aud fiiitbenfel# ©efudi betommen. ®er grobe 
Jbffeetopf ftanb über bem geuer, unb bie grau §ell* 
maier, welche oon «Zatur rebfelig war, Oergaß über 
bem Sdjwäfcen bad Xrinten nid)t. „aöirflid), ed thut 
noth, baß mal eind boit und herüber trottet, um nach 
eud) *u feljen! 3 h* lebt ja hier wie im ftlofter; bein 
«tarnt wirb aud) immer griedarämlicher oon wegen 
bem oielen Älleinfein." — „©efajieht ihm red)t," er* 
wiberte grau ©untram in butnpfem Xone. — ,,«on 
bir begreife i* bad and) nicht, wie man fo gegen fei* 
nen eigenen «tarnt fein !ann. "Damit foUt ia) meinem 
^elimaier tommen: bie Äugen trafct er mir aud. 3 h* 
rebet ja faum ein «Bort mit einanber!" — „Sinb aud) 
teinejungen Seutc mehr!" fagte grau ©untram herb. 
— „«tun ja," rief bie «afe lachenb, „baoon ift nid)t 
* bie SRebe. Äber manieriid) mit einanber umgeben, 
unb fid) oor ben ßeuten Sind bem Änbern feine @h*e 
gönnen, bad ift bod) immer beffer, ald fo wie $unb 
unb $afce unter einem $ad) leben, gur mich wäre 
bad fein Sßlaifir!" 

©)ie grau war an'd genfter getreten unb ftarrte 
hinaud, ihregingerhattenfid) jufammengetrümmt.— 
„«Beißt bu, wie mir ju «tut!) ift, wenn id) meinen 
«tann felje?" jagte fie plöplidj, — „ald ob mir eine 
Spinne über’d feerj läuft/' — „$omm, feg bid) her 
unb fei oernünfttg, erzähle mir, wie fid) bad mit bei* 
nem ©ol)n eigentlich Augetragen bat. «Bir finb noch 
nid)t lange hier in ber ©egenb, unb bie fieute fchwäfcen 
ohnehin jo oiel, unb man weiß ihnen nicht au ant* 
Worten. Qft benn wirtlich ber «Ute baran fd)ulb, baß 
er geftorben unb oerborben ift im fremben £anbe?" 

grau ©untram hatte fid) mit ihren tnod)igen £än* 
ben an bie SBlatte bed Xtfdjed getlammert, ber Ätbem 
tarn pfeifeno aud ihrer «ruft, unb ed fd)ien, ald wolle 
fie an ben «Borten, welche fie miibfam h^rtjorftieß, er* 
ftiden. „ 3 a, er ift baran fcßulb; er allein. «Zein 
«Zorih war gerabe fo einer wie er, nur fdjöner oon 
©eftalt, unb noch ein bidd)en mehr SRumor tonnte er 
machen." — ,,©r hat aber nicht folgen wollen," fagte 
bie «afe. 

„«Bie tonnte er auch immer folgen? — «Bo geuer 
ift, bad will einmal brennen!" — „ 3 <h bin für bad 
golgen," entflieh grau ^eümaier, „man tommt fonft 
nicht aud." — „ 3 a, er mit feinen ©eboten," fuhr bie 
©untram, ohne bie Unterbrechung $u beachten, fort. 
,,©r faat immer, ©ott hätte fie auf eine fteineme ia* 
fei gefajrieben, unb eine fteineme £>anb unb ein ftei* 
nerned §er* hat er baoon betommen." Sie ftieß einen 
Schrei wiloen «Behed aud. — „«tein eigned gieifd) 
unb «lut nadt unb bloß in bie «Belt hinaudgetrieben, 
unb über’d große «taffer gefahren, unb unteraegan* 
gen im tiefen «teer, uno bie gifche haben ed gefreffen. 
0 , o, ich tarnt ed nid)t hinunter würgen! ©ine «Zutter 
oergißt ihren Sohn nid)t, unb ich meine zuweilen, ich 
müßte meineu «erftanb barüber oerlieren." 

„$u," fagte bie «afe, inbem fie bie jammernbe 
grau, wie um fie $ur «efinnung flu bringen, fräftig 
in bie Seite ftieß: „ift benn bad aud) wahr, baß fie 
an einanber geraden finb, hier oor ©untram’d Xhür, 
wie jwei Sttere mit ihren Römern, unb ber Sohn 
hat ben «ater geworfen, unb banach ift er audgeftoßen 
worben unb hat fein ©rbc nicht friegen füllen V" — 
$ie alfo «efragte legte bte in einanber gerungenen 
£>änbe über bie Stirn, fo ald wollte fie biefelbe baoor 
bewahren, baß fie nicht aerfpränge. „Sprich nid)t 
baoon," antwortete fie, „oon fo etwad fann lein 
«teufet) reben. ©d ift meinem «tori^ etwad in ben 
Slopf geftiegen, unb barum tonnte er meptd baoor." 

4)ie «afe ladjte. — „ 3 cp weiß nicht," fagte fie, 
„wad ed ift, aber mit reichet £eute ftinbern ift immer 
etwad lod. ©)ad wirb mit SRahtit aufgefüttert unb 


ebt oon tftnbedbetnen an ftol$ baher tn Purpur unb 
töftlicher Seinmanb, — wie unfer ßerr Pfarrer fagt 
®ad oerträgt bie menfd)lid)e flatur nicht, baoon 
Ich lägt fie aud. äfteine Äinber tommen ftiUer burch 
bie SBclt; ed frägt 9tiemanb nach ihnen, unb fie müf* 
fen ftch ipr «rob allein oerbienen: aber baß fie gegen 
«ater unb äRutter bie fcanb auf hüben, — ©ottfoll 
und bewahren! Sieh h* r /' f* e mütterlicher 
ßtuhmrebigfeit fort, inbem fie eine gälte ihred filei* 
bed jwifchen Daumen unb Seigeßnger rieb, „ben 
9tod hat mir meine Ännette oonged 3 ahr jum beili* 
gen ©h^f* gefchentt. «on ihrem Schweiß hat fie ed 
ftch abgerungen, unb bad Xud) ba ift oon ber «abette. 
0 , man braucht nicht immer biel ©elb $u haben, um 
eine frohe SRutter ju fein!" 

,,©)er ©untram hat ben erften Schlag geführt," 

Ä bie unglüctliche grau leife. Sie harte oon ber 
w m, feßönen SRebe ber grau ^ellmaier tein «Bort 
oernommen, bie fcbrecfliche ©rinnerung, welche jene 
heraufbefchworen, tonnte fte nicht gletd) wieber lod 
werben. 

©ine fteülang herrfchtc tiefe Stille, aber bann un* 
terbrach Die «afe wieber bad Schweigen. ,,3d) glaube, 
ed läutet," fagte fie, „ed ift ia beute Der erfte Äbbent; 
in oier «Bo^en haben wir «Beipnaditen." — „gür un* 
fereind leuchtet tein Stern um 3Beihnad)ten; und 
wär’d beffer, wir hätten bad geft nicht." — „©ott ber* 
geh bir bie Sünbe, «afe! ®u rebeft ja wie eine §ei* 
bin! ftaft bu nicht einen Äbgott gemacht aud beinern 
«üben ? «Beißt, man muß effen, wad man fid) einge* 
broeft hat." — 

Unb grau öellmaier ftrich fich mit beiben $änben 
ben fchönen SRocf glatt, welchen ihr bie Ännette ge* 

ß entt, unb fah babei febr ernfthaft aud unb fehr 
erlid). grau ©untram ftöhnte leife. ^ätte fie fid) 
audAubrüden oermocht, fie würbe gefeufot haben, wie 
ed »iob that ©apitel 16, 2 : „^h* feib aUjumal leibige 
Xrofter!" 

«alb banach that bie «afe ihr % ud) um unb fagte, 
baß fte nun gehen wolle, unb lub grau ©untram 
freunblid) ein, fie auch Wieber ju befudjen, ließ auch 
nidjt nach wit «itten, bid biefe bad «erfpredjen gege* 
ben. Sie hatte ja ohnehin ©intäufe $u machen in 
fiinbenfeld. So ging benn grau ^eümaier enblid) 
bon bannen. — 

©d war heiß in ber Stube geworben, wenigftend 
tarn ed grau ©untram fo oor; fie öffnete bad genfter, 
benn bad «raufen bed Sturmed hatte nadjgelaffen. 
£$m $hal läutete ed noch immer, ad) fo fd)ön, fo hei* 
hg, fo friebebnngenb Hang bad! — ^at SRiemanb 
©rbarmen mit bem blutigen Schmerj eined jerriffe* 
nen «Rutterher^end? ©in peißed Sehnen banach tarn 
plöplid) über bie Ärme. ©rfter ÄbOent! ©rfter Äb« 
oent! grüher war bamit immer ihre glücflichfte 3 eit 
angebrochen im 3 a h^; öa hatte fie heimlich bei bem 
heruntergebrannten Sicbtftümpdjen gefeffen, unb für 

ihren 9ftorifc unb auch für ©untrum gearbeitet- 

unb jefct war ed bie ÄÜerelenbefte. Unb f i e batte (ich 
bod) auch gegen ihren «Rann oerfünbigt, bad fagte ihr 
bad ©ewiffen; hatte in und)riftlid)em, üentoeifelnbem 
Kammer ber §öHe Ihar unb £ 1 ) 0 * geöffnet. «Zun 
brannte ed lichterloh in $aud unb §er$; a*, wer will 
ba löjehen ?! ©inmal nur einen tropfen i roft, ein* 
mal ©rquiefung noch finben! 

^Da polterte hinter ihr etwad ju «oben: ber gug* 
winb hatte einen Stoß «üdjer auf bem @>efimd ool* 
lenbd xum galten gebracht, unb ald fie fich buefte, um 
fie aufaufammeln, fiel ihr bad alte ©efangbud) ihred 
«aterd in bie $änbe. «Bie lange hatte fie Darin nicht 
gelefen! nicht baß fie ed gering fdjäbte; aber ihr, 
bad)te fie immer, tönne nidjtd mehr helfen, „«erfudj 


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(Sine £bBnrti=#ffd)Mjte. 


621 


eg bod) einmal!" ging eg ihr burd) ben ©inn, unb fie 
zünbete bie Sampe an unb fefcte fich nieber, um zu 
lefen.—„2Bie foß id) bich empfangen, Unb wiebegeg*n 

id) bir"-f lad fie unb immer weiter unb weiter, 

unb über bem Sefen brach ihr plöfclich bag §erg. ©in 
©djauer bon frönen riefelte nieber. 

©lg ©untram nad) §aufe fam, war bie grau fdjon 
gu ©ett, er trat biegmal auch nicht fo ftarf auf wie 
gewöhnlich, unb fah, inbem er nad) feinem 9iad)teffen 
langte, bag ©ejangbud) auf bem 4ifch liegen. ©r 
wunberte fid) barüber unb blieb nodj lange TdjlafloS, 
obwohl er bie Dede big ang Äinn hinauf gog. Ueber 
feinem $ad)e ftanb flar unb heß ein befonberg großer 
©tern: beffen ©tragen gitterten fo fanft ^ernieber. 
O ©tern aug Satob, gehe aud) auf über biefe beiben 
Seute! O ©cepter aug ^grael, grüne wieber — mit* 
ten im ©Sinter—, cg ift ia ©boentggeit, unb wir feiern 
bie ©nfunft unferg ©rlöferg! 

-©g pflegt ja bie ©bbentggeit ben ©djnee gu 

bringen, unb tief war er gefaßen im Saljre 1879. $er 
gange Obenwalb lag bann begraben unb fah mit fei* 
nen trbftaflifirten Säumen wie ein 3oubermärd)en 
aug. ©ber eben biefer bebeutenbe ©djiteefaß hinberte 
aud) ben ©erbienft ber arbeitenben Seute. ©on 
$orf gu 3)orf mußten bie ©emeinben fid) burebgra- 
ben. $ag $orf ©rlenbad), am guß eineg bidjtbe- 
wadjfenen ©ergeg gelegen, jd)ien unter ber Saft auf 
feinen $äd)ern faft berfunfen. ©eine ©eroohner bat¬ 
ten ben lag über fdjwer gearbeitet, um bie ©erbin- 
bung mit ber ©hauffee heiguftcßen. 3 ur ©efpergeit 
erft waren fie heimgefehrt. ,,©g ift gut, baß man 
bodj wieber Durch fann," fagten fie, unb ließen fiep 
ben Kaffee, welchen bie grauen auf bem fcerb warm 
gehalten, gut fd)meden. ©ug allen ©ajornfteiuen 
wirbelte ber fRaud), unb bie Suft war fo flar unb fo 
falt, baß er fergengerab aufftieg, wie golbene ©Seih¬ 
rauchwolle gum $immelg=©ether. ©ug bem leßten 
^äugeßen aber im ^orf fam fein fold) netteg ©efräu- 
fei, bei beffen ©nblid bem einfamen ©Sanberer bag 

Ö aufgeht unb bag ©Saffer im ©iunbe gufammen- 
eg war bag ein fletneg, baufäfligeg ^üttdjen, 
in bem ein Arbeiter, einer oon augwärtg, oor Sfrirgein 
feine gamilie untergebradjt, bie aug einer grau unb 
fieben Sfinbern beftanb. ©r war nur jetjr ungern 
aufgenommen worben unb batte besprechen muffen, 
ber ©emeinbe nicht gur Saft gu faßen. Qu ben be¬ 
nachbarten ©täbten t^atte er big bal)in auch guten 
©erbienft gehabt, ben er ©amftagg entweber felbft 
brachte ober feiner grau mit ber ©oft gufdjidte. gn 
ber lefoten Seit aber war beibeg auggeblieben, unb 
eben barum rauchte ber ©chornftein nicht, unb brin- 
nen im ©tübchen fah eg gang bebenflich aug unb 
bereichte auch, fo wie braußen ringg um bag $orf 
ber, eine ungewöhnliche ©tiue. ®ie ftinber ftanben, 
big auf eing, roelajeg nicht ba war, aße um bte But¬ 
ter her, ihre ©ugen blidten fo groß unb mit einer ©rt 
bon ©ngft auf bag abgehärmte ©efiept ber Sftutter. 
$ag ftleinfte aber, bag zweijährige 2ftaried)en, hielt 
einen hölzernen Söffel feftgepadt tn feiner gehaßten 
ftanb, alg müffe eg gleich, gleich bamit loglegen, in 
eine rechte fd)öne, warme ©uppe hinein. 4>od) eg 
war feine borhanben. $er ©chornftein hotte heute 
leine Arbeit gehabt, unb ber fterb auch nicht. 

„©ber ©hitter," fagte jefct ber ©eltefte, ein präch« 

S er, traugföpfiger Sube, „jefet wirb eg mir mtt bem 
arten hoch &u bielbag SOfariechen ließ bie Unter¬ 
lippe tief herabhängen; bon ben anbern Äinbern fin¬ 
gen einige an ju weinen. 3)er grau fiel bie Arbeit 
uug ber $anb — fie hotte big bahin eifrig bei einer 
gliderei gefeffen. ©te gab feine Antwort, aber fie 
warf einen ©lief nach °&en, einen wahren §elbenblid 


beg ©laubeng { unb hoch gemifcht mit irbifcher Oual. 
®ann nahm fte bag ßllariechen auf ben ©chooß unb 
brüefte eg feft an ihre ©ruft. Äch, wenn fie fidj nur 
bag §er$ hötte h^raugreißen lönnen, um mit feinem 
©lut ihre tfinber $u fättigen; fie würbe eg ohne einen 
Saut ber Älage gethan haben. ,.gh* müßt warten," 
fagte fie mit holb erftiefter ©timme. „©chon ben 
ganzen ©ormittag bin id) bei ben Seuten henunge- 
laufen, um ©rob ju fchaffen; aber ber gremben wiß 
ßfiemanb etwag borgen, ©ie meinen, wir hotten 
nicht hereinziehen foflen. §abt nur ©ebulb, ©ater 
fommt gewiß!" — ßttit einem tiefen ©eufjer wenbete 
ber fchöne, ftarfe ©ube fich ab uno fepte fxch gebulbig 
auf ein ©änfehen. ©eine Sippen waren weiß gewor¬ 
ben, faft Wie braußen ber ©djnee; aber er lächelte 
boch noch ein ©igdjen ^u ber SRutter hinüber. „TOr 
ift fchwa^," [agte er unb blieb bann ganfl ftißc. 

„£) $eilano, erbarm bich mein! eg ift ja Slbbent, 
unb bu tommft hernieber, unb wir reden bir bie 
3lrme entgegen!" ßttit biefem ©chrei [anf fte auf 
ihre Sfrtiee; — aber eg gab ihr 9fiemano eine Ant¬ 
wort. 

-Ueber ben lichten blauen ftimmel hotte fich 

eine graue 5>ede zufammengezogen, unb ber ©djnee 
riefelte wieber bid)t unb fein, gmftemiß umhüßte ben 
Obenwalb. gft bag ein £irfd), ber bort feu*enb 
burch bie ©üfdje bricht, ober iffg berguß eineg SJcan- 
neg? ©in 9lrm wirb fichtbar, ber bie Sm^Ö^ jurüd- 
wirft, bon benen ibie ©chneelaft herabfehauert, unb 
bann auch bie ©eftalt beg öerfpäteten SBanbererg. 
©rüfenb fteht er ba unb fchaut fich um. 5lber felbft 
wenn er oon ftinbegbeinen hier gelebt hotte unb ihm 
jeber SEBeg unb ©teg genau befannt gewefen wäre, er 
würbe fiep h cu te fdjweraurechtgefunoen hoben. Sange 
war er fdjon fo gegangen, lange hotte ber©chnee ihn 
umwirbelt, unb bie einzelnen gloden fchienen ihn wie 
feurige gunlen Ireifenbju umfehwirren. $er©chweiß 
ftanb ihm auf ber ©time, feine ftniee gitterten; aber 
nein,—er burfte nicht fdjWach fein; wartete bod) fein 
SBeib auf ihn unb Die fieben &inber. ©r woflte, er 
mußte fich hinburcharbeiten! ©ig an bie ©ruft finit 
er ein unb winbet fich lieber empor unb ftreot unb 
ringt fid) weiter, — bann mit einem 2Kal bricht er 
gufammen, er tarnt wirtlich nidjt mehr, eg ift ihm zu 
üiel geworben.—„$ier alfo fou ich umtommen? Sa 
ber ©chnee wirb auf mich faßen wie ein Seid)entud), 
unb erft wenn er gerrinnt, wenn bie ©eilcheu wieber 
blühen, unb bie 9lmfeln wieber fingen, finben fie 
meine Seiche." 

©g tarnen bie ©Über ber ©eraanaenheit unb reih* 
ten fich antlagenb um ben Ungfüduchen her. ©eine 
wüfte gugenb unb ber Xrofc, mit bem er fich feinem 
ftrengen, aber eblen ©ater entgegengefteßt, wie er 
beffen SudJ* wiberftrebt unb feinen heiligen ©ifer 
mißachtet hatte. Um eineg fdjlechten ßftäbajeng wil¬ 
len war eg bann zum ©d)limmfien gefommen: ber 
©ater hatte ihn nia)t mehr ing §aug laffen woflen, 
unb o, wäre nie bie ©onne aufgegangen über bem 
Xage!—ba waren fie an einanber geraden, unb bon 
blinber SButh übermannt, hatte er fich am ©ater ber- 
griffen. 3)ann bie ©erftoßung unb bag Seben in ber 
jjrembe! 2Bie er fi* gefeint, noch einmal bie Slmfel 
fingen gu hören im Obenwalb! 9ftit bem Heimweh 
tarn bann auch aßmählich bie ©ünbenertenntniß. %a 
fanbte ©ott ber §err ij^m ein frommeg SBeib; — bie 
fd)iechte 5)ime, welche ihn gegen ben ©ater aufgeljefct, 
hatte ihn berlaffen, fobalb er arm geworben; aber 
SWarie, eine SSaife, fdjentte ihm ihre Neigung, ohne 
nad^ arm ober reich gu fragen. Unb alg eg ihnen nach 
einiger 3*ü fdjlecht erging, fagte fie: „3)ag rührt bon 
beg©aterg 3om her, ber ift über ung; barum fom- 


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(föne Hboeats>6efd)iiitfr. 


622 

men mir p nichts!" 3)anacß hatte er feinen guß ge* $jelb auS bem ©treü, faßte feine grau um ben ©als, 
menbet unb mar langfam ber »eimatß näher gezogen, fußte fie, unb bie Xßränen hefen tßm bie 93acfen ßin* 
bie er unter frembem tarnen betrat. SBeib unbffinb unter. — „2Jfutter!" fpraeß er, „nimm bieß pfammen 
ßatte er in ©rlenbacß untergebraeßt. Star ben Stater unb ftirb mir nur jefet nir^t oor greuben; Denn fieße 
fonnte er nießt treten, bis er mieber einen ganzen Start N unfer ©oßn mar tobt unb ift mteber lebenbig gemor* 
auf bem Seibe ßatte, fo meinte er; — er mochte fieß ben, er mar berloren unb ift gefunben morbenr " 
auch moßl freuen unb ber ißm angeborne, ßoehfaß* Stber ein ßftutterßerä fann Diel auSßalftn, unb fo 
renbe Xroß ißm noeß immer jeßmeren inneren ©treit ift aueß biefeS nießt gebroden, als eS feinen SDtariß 
toften. Slber nun Ratten fie ißm ben fauren Starbienft oon©ott prürt empfing: nießt meßr ben alten SJtariß, 
ber barten SBinterarbeit in $armftabt geftoßlen, unb ber fieß an bie Xrdber Der SSelt oerlauft batte, fon* 
ber tiefe ©eßneefaß pgleicß ferneren ©rrnerb unntög» bern einen ©obn, ber in einem neuen Seben manbelte. 
lieb gemaeßt. fodte er bin? ©eint ju SBeib unb Seicht lange, naeßbem fie alle brei mie bie Xräuntenben 
Stinb! rief eS in feinem Innern. Xort mirb Statß um ben ©erb gefeffen, unb ber SJtariß mobl üerpfleat 

« merben! Slber nun, nun lag er hier, mie mieber gan$ p Kräften getommen mar,ßateS fcßücß* 

, er beS SöalbeS, nun foüte er einfam fterben tern an bie Xßür gepoeßt, unb maS rnarS? $)aS Ur* 
uub Derberben!—®a faßte eS ibn mit SJtacßt unb er feieren ift braußen geftanben in feinem Dünnen Stört* 
feßlüg in fieb unb erfannte feine ©eßulb noch einmal, eßen unb bat mit gan* erbärmlicßem Xon gefleht: 
unb bittrer unb ßerpinfeßneibenber, als je pbor. ,,©err ©untrem, o helfen ©ie unS! mir haben fein 
Sugleieß bob er feine Sirme aus bem ©cbnec empor Staob mehr im ©aufe, unb bie Hinber finb feßon gan$ 
unb rief ben ernigen ©ott um Erbarmen an. — Unb feßmaeß !" SBie bann fein Stater berDorgetreten ift, 
ber ©ebnee fiel mit einem SJtal gelinber; eS mar, als unb mie ber alte ©untram bieS fein ältefteS©nfelfinb 
ob unficbtbaren ©cbmingen ibm pr ©eite mebeten. gefügt unb gefegnet, unb mie er alSbalb ben großen 
$)ie Suft marb flar, unb ein Siebt flimmerte Don ©dritten bat anfpannen laffen unb mit bem Urfelcßen 
oben ibm entgegen. ®er Slnblicf Derlieb i^m neue ^inuntergefabren ift naeß ©rlenbacß unb bie ©cbmie* 
Strafte; eS mußten ja 2Jtenfeben Dort in ber ©öße gertoeßter mit ben anbem Itinbem alle mit ßerauf* 
moßnen! ©r rafft fieß auf, menige ©cßritte noiß, unb geholt bat in baS große, fdjöne ©aus auf ber ©öße, 
er befmoet fid) auf ber ©ßauffee; Dor ihm liegt — mie ber Stabe mehr p effen erhalten, als ißm gut 
fein Vaterhaus, ©r tbat einen ©cßrei, taumelte Dor* mar, unb baS SJtarieeßen mit fammt feinem ßölprnen 
märts, fiel enblicß Dor ber ©cßmeUe nieber unb meinte Söffel p einer marmen ©lerfuppe gefommen, eS 
laut. mußte nießt mie, — baS alles muß fieß ber Sefer allein 

©untram faß Drinnen in ber ©tube; er mar gan^ auSmalen. 
allein, bie grau mar mit ber Sliagb naeß SinbenfelS Stur noeß ein SMlb jum ©eßluß. @S ift SBeiß* 
ßinuntergegangen, um SBeißnacßtSeinfäufe p machen; nacßtSabenb; meitßin ftrahlt bie ©öße, Denn feftlicßer 
baS ©efangbueß ßatte er Dor fieß auf bem Xifcße. ©r ©lan$ leueßtet auS aßen genftern. feater ©untram 
laS: „SBie foU icß bieß empfangen, Unb mie begegn’ bat mit eigenen §anben baS feßönfte ^anneßen im 
icß — SBalb gefaßt unb ins £auS getragen. 3JJarie unb 

^ßlößlicß fcßlug im $ofe ber ^unb an, unb als baS ^oriß haben ben ©aum gejeßmüdt, unb nun öffnet 
©cbeß fortbauerte, ftanb er auf unb ging hinaus, ber ©roßbater bie Xßür, unb bie Stinberfcßaar brangt 
®ie %ßör öffnete fich naA innen, ©o ftiu, fo rein, fieß ermartungSboß ßerbei. ®em ©untram mirb baS 
fo erbenfremb rußte Die SBelt in feierlichem ©lanj, öer^ meit, menn er auf bie oier praeßtigen 53uben 
als ginge ber $eilanb Darüber ßinmeg unb rühre fie ueßt, in Denen fein ©tamm fortleben foß, ©ott jur 
faeßt an mit feinen heiligen güßen. 5lber ©untram ©ßre unb ben Sflenfcßen jum ©egen; aber fein Sieb* 
faß bie große ^errlicßfeit nießt, er ftanb Da, mie Dom ling mirb boeß baS Urfelcßen bleiben, baS fromme, 
feliß getroffen: eS lag ja ßier ein ßttann bor feiner gefeßidte Sttäbcßen, feiner ßJtutter ©benbilb. gür 
ißür! Neffen traufeS, fcßmarjeS ^auptßaar ftaeß eine folcße©cßmiegertocßter !ann er nie genug Damen, 
munberlicß ab gegen ben meißen ©cßnee, unb aus ber $>ie ßält bie ©ebote ßoeß in ©ßren, aber ißre ©eele 
5Bruft beS Cannes fam ein ©cßlucß^en, unb Don fei* lebt unb mirb leben aflejeit in Dem füßen ©Dangelium. 
nen Sippen bie SBorte: „$ater, Dergib \ u — 3itternb ®a ift aueß grau ©untrem. Die mieber ein runbeS 
beugte fieß ©untram nieber unb ßob ben Unieenben ©efießt betommt unb baS Sßariecßen guf bem §lrm 
empor mit feinen ftarfen Firmen, unb Da rußten fie trägt. 93afe $eßmaier ift auch ßerübergefommen, 
Söruft an S3ruft, unb eS mar greube im ßimmel Dor um aß baS SBunberbare, maS fieß ^getragen, mit 
ben ©ngeln ©otteS! — grau ©untrem, Die mäßrenb* eigenen klugen p feßen, unb ein ©iScßen lleinlaut ift 
beffen in SinbenfelS ben ©cßneefaß abgemartet, fam fte gemorben, als fie nicßtS mie eitel ©lücf unb 3Bonne 
jeßt langfam Den 93erg herauf; fie ßatte feine Suft an gefunben. &ber eS ßerrfeßt aueß jeßt ein ©ana unb 
bem oougepadten Äorbe, ben ißr bie UJ?agb na(ßtrug. Elang auf ber £öße, baß ber feoftißon. ber foeben 
^eflmaiefS Xödßter maren in Doßem ©taat aueß Da Dorbeifäßrt, Dermunbert ben Äopf menbet unb fuß 
gemefen, hatten gelacht unb gefeßmaßt, unb bie alte noeß lange umfeßaut. Unb fo feierten fie SBcißnacß* 
§)eflmaier ßatte fie, bie reiche grau, oft fo mitleibig ten mit einanber in roahrer ©otteSfurcßt, uub mit 
Don ber ©eite anaefeßen; aßeS baS nagte an ißr mie einem gereinigten, in Siebe Derflärten §erjen. 
ein ßeimlicß freffenber ©cßaben. $lber als fie nun 5)er ©tern auS «gafob fteße aueß fernerhin ob ißrem 
naße bem §aufe maren, ftanb oben ein Sftann unb Raupte; er leueßte ißnen bis überS ©rab ßinauS unb 
Jcßmenfte ben ^)ut. „2Beiß©ott!" fagte bie $irne, laffe ißren Sobgefang ertönen aueß noch in ber feßö* 
„baS ift ber ^>err, er muß aetrunfen ßaben!" unb eS nen ©migfeit: „@ßre fei ©ott in ber^öße, unbgriebe 
mar aueß ber ©untram. Ser ging auf fie p, mie ein auf ©rben, unb an ben ßjfenfcßen ein SÖoßlgefaßen V* 



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3« mit »eit i|! 4gl)ri|lus um ein $erbilb ? 


623 


3» ttttr weit tft CH)rifttt 0 uns ein fJorbilb? 

gär gart unb $trö non 9 . ®atj. 


lernet üon mir, ber.it td) bin fanftmüt&ifl unb bon ^erjen bemßtbiß " SRattb. 11, 29. 


on je her bat man in ber ©djil* 
bcrung oeS ©ljaratterS unb 
gebenS 3cfu als ©orbilb ber 
©tenfchen nach 5 tnei 3tid)tungcn 

S lin geirrt, ©ntmeber hot man 
eine mirflid)e unb oolle 
9Jtenfd)heit in einem fo tjotyen 
©xabe betont, bag man iljn 
oon feiner göttlichen $öl)e her* 
abmürbigte unb unS fo üoß* 
ftänbig gleidjftettte, bag bie 
toefent liehe ©erfdgebenheit 
zmifchen ihm unb unS gänzlich 
oerfchminben mugte, ober — 
man h«t feine ©ottheit bermagenin ben ©orbergrunb 
gegellt, bag man überall nur ein göttliches Thun unb 
Jpanbeln erblicfte, meld)eS uns jmar als ©orbilb bie* 
nen fofl, im lebten ©runbe aber hoch ein für unS un* 
erreichbares Qoeal ift, welches mir alfo mohl bemun* 
bern mögen, aber nicht einzunehmen im ©tanbe finb. 
3mifchen biefen beiben extremen Auffaffungen hohen 
mir bie richtige ©eantmortung ber uns gegellten 
graae zu fuAen. 

SSer baS geben unb SBirfen beS $erm nach her 
©üangelienharmonie forafaltig betrachtet, fann nicht 
umhin, z u bem ©d)Iuffe zu gelangen, bag SefuS 
©hriguS in ber ©efdgdjte beS menfchlichen ©efdjlech* 
teS als ber ©injigartige erfcheiut. ©ein ge* 
benSroanbel mar ein einzigartiger, ©eine geinbe 
fanben fich genötigt, ihm baS 3eugnig Zu geben: 
,,©S hot nie fein SJtenfd) gerebet mie biefer SJtenfd)," 
unb er [elber forberte feine ©egner auf, ihn irgenb 
einer ©unbe zu überführen. — ©S liegt fomit in ber 
Statur ber ©ad)e, bag gefuS ©hriftuS beibeS, unS 
gleich unb oerfd)ieben oon unS fein mugte, um unfer 
©rlöfer unb SSorbilb merben ju fönnen. ©hriftuS 
mugte mahrhaftiger SJtenfd) fein, menfchlichen ge* 
benSentmicflungen unb menfchlichen gebenSbcbingun* 
gen untermorfen fein; benn jonft tönnte er nicht un* 
fer ©orbilb geigen. @r mugte aber auch 0 e r f cfci e* 
b e n oon unS fein; benn fonft tönnte er nicht Ter* 
jenige fein, meinem Alle nachzuftreben hoben unb 
aus beffen ©nabenfüüe mir Sille fdjöpfen foGen. 

©eben mir auf biefe ©ebanfen ein menig näher 
ein. 

I. 

SBorin mar ©hriffuS und gleich? 

1 . SBar 3efuS ©hriftuS magrer SJtenfd). 

AIS folcher hot er alle AltcrSftufen beS menfchlichen 
gebenS oon ber ftinbgeit bis zu ben männlichen 3ah* 
ren burdgaufen unb in jeber berfelbcn ihre ibeale 
©eftalt üermirflicgt, um fie alle zu erlöfen unb zu hei* 
ligen unb unS ein ooflfommeneS SSorbilb ber Stach* 
folge zu hütterlaffen. ©om SBeibc geboren, gehört 
er einem beftimmten gamilienfreife an, unb mie er 
fiefy 1 bemfelben hingibt, zeigt fein langes, ftiüeS ©er* 
harren im eiterigen §aufe. TaS ©anb ber tinb* 
lidhen gtebe zieht ftch burd) fein ganzes öffentliches 
geben bis zum kreuze, in beffen Cual er bie lebte 
©orge eines liebenben ©ohneS erfüllt. SBie er bie 
greunbfchaftSbanbe pgegt, zeigt fein ©ergältnig zum 
engem unb meiteren gungerfreiS unb zu ben StBei* 


bem, bie ihm bis unter fein Äreuz folgten, in fo man* 
eben lieblichen 3 ügen. gn feinem öffentlichen geben 
bieten fich unS biefelben SBahmehmungen bar unb 
Ztoar nach allen ©eiten hin. ©r blieb ein $inb feines 
©olfeS unb erhielt fich ben tlaren ©lief in beffen ©a* 
ben unb ©eftimmung. Ter nationalen ©unbeSoer* 
faffung nach mürbe er unter baS ©efefe gethan burch 
bie ©efchneibung. ©r bleibt bemfelben treu unb 
nimmt Tgeil an ben ©otteSbienften feines ©olfeS. 
©r ift ein fleigiger Tempelbefuajer, unb entrichtet 
felbft bie Tempelfteuer. 3ur hetbnifegen Obrigfeit 
ocrhielt er fi<h m ftrenger ©gichterfüßung als Unter* 
than. @r lieg fid) nicht burd) bie aujTügrerifchen 
Steigungen feines ©olfeS ginreigen. Tie ©ermeige* 
mng beS ©ehorfamS galt ihm als entfdjiebeneS un* 
recht, ©ein Streben ging nicht barauf, fich jener 
©brigfeit zu miberfepen, fonbern unter ihrem ©<hu&e 
ZU mirfen. 

2 . SBar ©h^UtuS als mahrer SJtenf^ ©er* 

fuchungen untermorfen. 

Ter ©erfaffer beS ©bräerbriefeS beridbtet uns, bag 
©hriftuS aüenthalben üerfudht toorben ift. Sßenn ber 
©oangelift gufaS in feiner ©chilbemna ber ©erfu* 
chungSgefdjichte hcroorhebt, bag ber ©erfucher eine 
3eit lang oon ihm toichjo fegt baS mit Stecht üorauS, 
bag bie in ber SSüfte übermunbene ©erfuchung fich 
mährenb feines gebenS immer mieber erneuerte, unb 
jmar nicht nur, als mit bem £>erannahcn feines gei* 
oenS fidh ^ c f u 9°nz ueue Slufaaben gellten, fonbern 
auch, fo oft eS galt, bie grunbfäglichen ©ntfchliegun* 
gen, bie in ber SBüfte gefagt maren, im ©inzelnen 
ourchzufübren. Sluch für ben $erm galt eS, burch 
ftete ©elbftüerleugnung bie SBcge abjumeifen, meldje 
ihm eine ©efriebigung natürlich mentd^licherSSünfche 
oerfprachen unb burm gehorfame ©rgebung in ben 
göttlichen SBiÜen bie ©ntfeheibung für bie richtigen zu 
geminnen. TieS mar unb blieb, mie bei allen SJten* 
fchen, bie fittlidje Aufgabe feines gebenS. 4 

3. ©mpfanb QefuS baS ©ebürfnig ber 
©emeinfegaft mit ©ott unb beS 

© e b e t S. 

gm ©oangelium nach 3t. SJtarfuS lefen mir ©ap 
1, 35: „Unb QtffuS ging in eine müfte ©tätte unb be* 
tete bafelbft." 

Stad) ber ©peifung oon fünftaufenb SJtann fdjagte 
er baS ©olt unb bie junger oon fich unb ging auf 
einen ©erg, um bie Stamt im ©ebet zuzubringen. 
SBenn eS üon ©hriftuS beint: „©ott falbete ihn mit 
bem heiligen ©eifte uno mit &raft" (Slpftg. 10, 38), 
fo fönnen mir eS unS nicht anberS Oorftellen als io, 
bag er in betenber Stimmung mar, als er biefe ©al* 
bung empgng. Slber biefeS finblidje ©ebetSleben 
3efu mug fiq gleichfalls in feiner ©ehorfamSübung 
oerflären. Slu^ für ihn, mie für uns, mar baS©ebet 
eine mahre Aneignung ©otteS, eine ©ereinigung mit 
©ott, eine Aufopferung beS eigenen SBiUenS. Tarum 
offenbarte fich her ©ater feinem ©ohne. AIS 3 c fuS 
bei ber Taufe aus bem SBaffer ftieg unb betete, ba 
that fich her §immel auf über ihm, unb ber heilige 
©eift fam herab auf ihn. ©benfo Reifet eS oon ber 
©erflärung auf bem ©erge, bag, als er betete, mürbe 
QefuS oerfiärt. 



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«24 


3n vir »nt iß Äljtifh» ui» rin jfotbilb? 


fBarin toat «briftnf tterft^ietoctt aan nnfl? 

1 . 28ar fein ®erhältnig §um ©efep eilt 

böllig anbereS, als baS aller attbern 
SNenfdjen ift. 

99 ei anbent SNenfcfcen jeigt fid) nämlich ein SBiber* 
fpruep awifchcn ©otteS fyiligem ©ejefce unb ihrem 
SOBitlen. Die ©rfaprung *eigt bie aflgemeine Herr* 
fepaft ber ©ünbe in bent Ncenfchengefchlechte, uno fo* 
halb baS ©ewiffen erwacht, wirb bie Neue empfunben 
unb baS ©ünbenbetenntnig abgelegt. Hier aber ift 
©incr, ber non feiner Neue weig, fern ©erenntnig ber 
©ünbe abjulegen bat unb nur bon einem heiligen 
©chmer^ über Der SNenfchen ©ünbe unb ©lenb ergriff 
fen wirb. MS eigener ©rfaprung weig er nidjt, WaS 
eS peigt, auf bem ©tanbpunft beS ©efepeS ju fiepen, 
unb unter beffen glucpe gu feufoen. ©in Ntcnfdi, ber 
niept unter bem ©efepe ftanb, barum, weil fein geben 
bie Erfüllung beS ©efepeS felbft war; ein SNenfcp, in 
beffen ©ntwidlung eS $war ein SBachStpum gab. aber 
feinen SBiberfprucft; etn SNenfcp, in bem eS feinen 
gwiefpalt gab awifchen bem 3&eal unb ber SBirtlicp* 
feit, barum, weil er auf jeher ©tufe feiner ©ntwief* 
lung boßig baS war, was er fein fottte; ein SNenfcp, 
in beffen Einbpeit nichts üon einem fünblicben Natur* 
juftanbe mar, beffen ftörenbe N adjwirfung fiep unfepl* 
bar geltenb gemacht hätte in ber ganzen nadjfolgen* 
beit ©ntwidlung — wahrlich, ein foldjer Nienfcp, wie 
3efuS ©hriftuS war, fiept einzig in ber ©efcpidjte ber 
SNenicpheit unb mug als baS grögte SBunber beneid)* 
net werben. 


2. 28 a r 3 e f u S berfepieben bon u n S in ber 
Harmonie feines 2SefenS unb 

r a f t e r S. 

2 Bir finb gewohnt, im Ntenfcpenleben $u unterfepei* 
ben amifepen einfeitigen unb aßfeitig angelegten 9Nen* 
fepen. Qm abfoluten ©inn aber finbet fiep fein par* 
monifeper ©paratter im natürlichen Ntoifcpenleben. 
23ei jebem Ntenfcpen ift nicht bloS tn golge ber©ünbe 
eine Disharmonie oorpanben, fonbem infolge ber fei* 
ner Begabung gefepten ©chranfen, auch eine ©infeitig* 
feit, welche bewirft, bag er fich nicht nach allen ©eiten 
hin frei unb aleicpmägig bewegen fann. 3 n ©hriftuS 
allein erblicren wir ben boaenbeten, harmonifepen 
©paratter. 3n feinem 3uftanbe feines ©efüpllebenS 
begegnet unS etwas DiSparmonifcheS. Unter allen 
Umftänben bewahrt er feine föntgliche 28ürbe unb 
Roheit. 

3 . 28 ar ©hriftuS berfepieben bon unS, in* 
bem er fich in bollfter Harmonie mit 

211 lern rings um ihn her, bie©ünbe 
ausgenommen, befanb. 

fepen ber sÜelt beS ©eifteS*unb ber^atur.^ Die^ftcpt* 
bare Schöpfung mit ben gilien auf bem gelbe unb 
ben Vögeln unter bem Himmel, mit bem 28eiacnforn, 
baS in bie ©rbe fäflt unb ftirbt, mit bem Seinftocf 
unb bem geigenbaum, baS Ntenfcpenleben mit feinen 
mancherlei Quftänben unb ©efepätten, mit bem ©äe= 
mann unb bem gurten, bem Bräutigam unb ber 2kaut, 
bem HauSoater unb bem HauSpalter, bem Kaufmann 
unb bem Wechsler, bem^lrjt unb bemNicpter, bem gelb* 
bauptmann unb bem König—2lfleS wirb ipm jum ©inn* 
bilb für baS Dicid) ©otteS, welches er öen Nienfcpen 
bringen wiü. Ueberall erblicft gefuS ben göttlichen 


©inheitSgebanfen, welcher OTeS, baS ©etftliche unb 
baS Natürliche, baS ©i^tbare unb baS Unfichtbare, 
baS 3frbtfc^e unb baS $immlifche burchbringt unb §u 
einer grogen Haushaltung ©otteS jufammenfagt. 

4. SBar 3^f u ^ i n manchen änberen $unf* 
ten öerfchieben bon unS. 

3hn trieb feine unergrünbliche giebe Dom 
auf bie ©rbe; wir gehen aus ber Säelt ber ©ünbe 

f n öimmel. ©r nahm bie ©eftalt beS fünblichen 
eifw«^ an; wir fotten in fein SBtlb uerflärt werben, 
war ©ott unb wfenfeh in einer ^erfon; wir futb 
arme, f^wache Ntenfchenfinber. ©r hönbelte mit un* 
umfehränfter SBahlfreiheit; wirJtehen unter bem @e* 
fep ber ©ünbe unb finben baS ^ßrincip beS Sböfen in 
unS. ©eine jeitlid^en SSerhältniffe unb Umftanbe 
finb ebenfalls Öerfchieben bon ben unfern unb fönnen 
wir Me Weber in feiner Slrmuth noch in feiner MS* 
fdjlieglichfeit bom gamilienleben ihm folgen, ©eine 
gebenSaufgabe war ebenfalls öerfchieben bon ber un* 
frigen; wtr fönnen eS ihm nicht gleichen, Weber hn 
gepren, noch in feinen SBunbem, bie er berridhtete. 
©owie er in feinem NfefftaSamt als ber abfolute ©in* 
§ige erfcheint, fo ift er auch ber einzige ©ünbenreine. 

III. 

MS bem ©efagten geht beutlidj h^roor, bag wir 
unmöglich bem H^nt 3cfuS ©hriftuS in aßen ©tücfen 

Ö en fönnen. Äein jünger beS H^^nt fann biefelbe 
gäbe löfen. welche er gelöft höt. Mer währenb 
wir nid^t berufen finb, ©hrifti Aufgabe ju löfen, fofl 
hoch ein ^eber bon unS irgenb eine Mfgabe löfen in 
bem Neicpe ©htifti, welche unS burdj unfere ©teßung 
im Neiche ©otteS ober burch unfere befonbere Natur* 
begabung angewiefen wirb. 

DaSi&orbilbliche in©hriftuS, welches 
wir na^ahtnen follen, ift mithin DaSje* 
nige in ihm, w aS fich in willen fortfefcen 
unb nach ^ er ©igenthümlichfeit eines 
3 [eben feine © e ft alt gewinnen folL Slber 
biefeS SSorbilbliche foltert Wir nicht aflein aus feinem 
geben unb Hönblungen erfennen, fonbem auch aus 
feinem SBorte unb aus feinen ©eboten, bie er unS 
fteüt, weil er als SSorbilb beibeS, unfer ©rlöfer unb 
unfer gebrer ift. Dreffenb brüeft fi^ guther über 
biefen ©eoanfen folgenbermagen auS: „2Bir hölten 
bafür, bag eS nicht bon Nöthen fei, alles tgun unb 
ju laffen, waS ©hriftuS grtban unb gelaffen hat; fonft 
mügten wir aud) auf bem Nieere gehen unb alle 3Bun* 
ber thun, bie er gethan hat; Wieberum bie ©he anfte* 
hen laffen, weltlich Negiment laffen, Mer, ^3gug unb 
MeS laffen, WaS er hat laffen anftehen. S3aS er höt 
bon unS gethön unb gelaffen haben, baS höt er nicht 
aßein gethan unb gelaffen, fonbern mit 28orten 
baraufaebeutet, geboten unb berboten, 
wem wir folgen foßen unb wem nicht folgen. Daher 
laffen wir fein ©fcmpel gelten, auch ©hrifti ©rempel 
nicht, wo nicht baS SBort ©otteS babei ift, wel* 
che3 unS beutet, wem wir folgen foßen, unb wem 
nicht folgen/' 

2 Benn baher 3*föS fpricht: „geraet bon mir, benn 
ich bin bemüthig unb bon Hrr^n fanftmüthig," ober 
bei ber gugmafchung feine 3im8 er ermahnt: ,,©m 
Söeifpiel habe ich ewaf gegeben, bag ihr tljut, wie ich 
euch gethan habe/' SBenn ber Npoßel $etruS fdhreibt: 
„©nriftuS hat unS ein Sorbilb gelaffen, bag ihr foßt 
nachfolgen feinen gugftapfen," ober fßauIuS unS $u* 
ruft: „©in 3eglicher fei gefinnet, wie 3*fu3 ©hriftuS 
auch mar," haben wir eine befinitibe Mtwort auf bie 
grage: 3” wie weit ift ©hriftuS unS ein ®orbilb? 


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3n wie weit ift filjriftu» um ein üwrbilb? 


625 


3« »er Qtftanaug otfn Ifl (£|rifht# »ul tiu Sor» 

»fl». 

Unter ©efinnung berftehen wir bic ©runbrichtung 
unferS SBiUenS, in Berbinbung mit oUen ben inneren 
Stegungen unb guftänben, welche auf biefe ©efinnung 
bon ©influß fino, alfo auch mit ©rtenntniß unb ©e* 
fühl, fofern bieje mit bem SBillen eine@inheit bilben. 
Aber ba bie rechte ©efinnung zugleich bie Kraft fein 
muß, ficb felbft in $anblungen auszuprägen, fo be* 
ftimmt ftd^ baS Borbilblidje in ©IjriftuS näher als 
feine #anblungSWeife. 3)enn ©hriftuS hot in 
allen feinen ftanblungen bie allgemeine Siegel auSge* 
brüdt, nad) welcher in allen Angelegenheiten beS Siei* 
djeS ©otteS geßonbelt werben foB. $)ie ©inbcit ber 
©efinnung unb foanblungSroeife nach bem Borbilbe 
©lmfti ift ber Inbegriff eines wahren d>riftlic^en ©po* 
rarterS. 3)arum heißt eS, baß ein jeglicher Sftenfd) 
foB bargefteUt werben boBtommen in ©hrifto 3efu. 

©5aß ©hriftuS unä eigentlich nur in ber ©efinnung 
ein Borbilb fein tarnt, geht auS bem gufammenhong 
aller berjenigen Stellen ^eiliger Schrift herbor, in 
Welchen wir aufgeforbert werben, ihm nacßzufolgen. 
©eben wir zum Schluffe auf bie Betrachtung ber 
bouptfäcplicbften biejer Stellen ein. 

gn ber ffußwaßhuna — 3op. 13, 1—17 — $eigt 
3etuS auf’S Klorfte, baß eS fich nicht um bie SBieber* 
jwlung ber ftußmafcpung hanbelt, fonbern um eine 
Nachahmung beS BcifpielS bemüthigen XienenS, baS 
er ihnen in oerfelben gegeben. §at 3ejuS fich nicht 
gefcßeut feinen Jüngern ben niebrigften Sflaoenbienft 
zu leiften, fo fouen auch fie fid) 5« feinem $ienfte zu 
noch achten, welchen bie Siebe bon benfeiben »erlangt. 
AuSbrücflicf) forbert er, nicht bie fjorm, fonbern bic 
Art feines XpunS nacpzuahmen unb in folchem bemü* 
thigen SiebeSbienft feine Seligfeit zu finben. 

§m 15. Kap. Qfob. fcßilbert 3efuS feine üorbilblic^e 
Siebe auf bie eingeljenbfte SBeife. @r zeigt hier, wie 
feine 3ünger für aB ihre SiebeSübung ein Borbilb in 
ber BoBenbung ber göttlichen Siebe, tn ber Senbung 
feines Sohnes haben. 3efuS forbert in biefer Schil* 
berung eine SiebeSübung nach feinem Borbilbe, bie 
ihr SJiaß nicht nur an bem eigenen Bebürfniß nimmt, 
fonbern bie fich erft genug gethait hat, wenn man fich 
felbft unb Alles, waS man hat, für ben Nächften hin* 

S ehen. An ber Erfüllung bicfeS neuen ©cbotS foH 
bie wahre Qiingerfc^aft bewähren, fte foü baS 
cififc^e Kennzeichen feiner Qüitger jein. 

3n Seiner erften ©piftel fdjreibt 3°honneS Kap. 2 , 
6: „2Ber ba fagt, baß er in ihm bleibet, ber foU auch 
wanbeln, gleichwie er gewanbelt hat," unb BouluS 
ermahnt ©ppef. 5, 2: „Bkmbelt in ber Siebe, gleich* 
wie ©hriftuS uns hat geliebet, unb fich felbft bärge* 
geben für uns, zur ©abe unb Cpfer, ©ott zu einem 
fußen ©erttch." 

3)ie Siebe 3efu in feinem SBanbel auf ©rben hat 
fich ausgezeichnet burcß feine Selbftberleugnunq unb 
ArbeitSliebe, burch feine Sanftmuth, $emuti) unb 
unbebingtenöehorfam. SSenn nun ber ApoftelBau* 
luS uns zuruft: „©in 3eglidjer fei gefinnet, wie 3efuS 
©hriftuS auch war," $hil. 2, 5, fo erflärt er in 
ben f olgenben Berfen, worin bieje ©efinnung beftanb: 
„Speicher, ob er wohl in göttlicher ©eftalt war, hielt 
er eS nicht für einen Staub, ©ott gleich zu fein, fon* 
bern äußerte fich felbft unb nahm KnecptSgeftalt an, 
warb gleich wie ein anberer Sttenich, unb an ©eberben 
als ein SRenfd) erfunben. @r ermebrigte fich felbft, 
unb warb gehorfam biSzum Xobe, ja bis zum Xobe 
am Kreu*." Aehnlich BetruS, welcher im 2. Kapitel 
feines erften Briefes bom Unrecht unb um SBotjlthat 
willen zu leiben rebet, unb hiuzufügt: „$enn bazu 


feib ihr berufen. Sintemal auch ©hriftuS gelitten 
bat für uns, unb uns ein Borbilb gelaffen, baß ihr 

foHt nachfolgen feinen gußftapfen. feelcßer nicht 

ßhalt, ba er gefehlten warb, nicht brohete,baer litte; 
er fteÜete eS aber bem heim, ber ba recht richtet." 3n 
ber ©efinnung alfo ift ©hriftuS uns ein Borbilb. 
©)enfelben ©ebanten brficft 3efuS aus, wenn er SJtattb. 
11 , 28—30 alle Sttühfeligeu unb Belabenen zu feiner 
Nachfolge aufruft, ober im ©leidjniß bom barmherji* 
gen Samariter bie Anwenbung macht: „©ehe hm, 
unb thue beßgleicßen." 

IV. 

SBir bürfen aber bei biefer Betrachtung nicht auße r 
Acht laffen, baß 3efuS ©hnftuS nicht bloS unfer Seh s 
rer unb Borbilb, fonbern auch unfer © r l ö f e r unb 
Seligmacher ift. 

$ie Nachfolge ©hrifti if) baßer beibe«, ein Sehen 
nach ©hrifli Borbilb nnb in ©hrifii Kraft. 

Aiemanb tann bem Borbilbe 3efu nachfolgen, wer 
nicht zubor in ihm feinen Berföhner unb ©rlöfer 
burch ben ©lauben gefunben h<*t, unb burch feine 
©nabe mit Kraft auSgerüftet wirb, feinen SBanbel 
nach ©bnfti Borbilb zu führen unb in feine guß= 
ftapfen zu treten. ©hnftuS muß in uns eine ©cftalt 
gewinnen. Sein Bilb muß auf unfer £erz abgebrüdt 
werben; bann unb nur bann wirb fid) unfer Seben 
nach feiner ©efinnung ausprägen unb geftalten. 
3)arum hot auch 3efuS gefagt: „Bleibet in mir uno 
id) in euch- ©letchwie ber Siebe lann feine ftrucht 
bringen bon fid) felber, ert>Uebe benn am SBeinftorf; 

alfo auch ihr nicht, ihr bleibet benn in mir. SBer 

in mir bleibet unb ich in ihm, ber bringet biele grucht; 
benn ohne mich fönnet ihr SiichtS thun." Qoh. 15, 
4. 5. 

Somit befteßt bie Nachfolge ©ßrifti nicht in einem bi* 
retten Nadjabmen unb ©opiren ©hrifti, fonbern in bem 
©rfülletfein bon feinem ©eift unb feiner Siebe, 
bie fid) in unterer ©efinnung offenbart unb burd) biefe 
in upferen SSortenunb ©erfen, inunfcrem Xhuu unb 
Saffen zur©eltung lommt, benn: „©leidjwie er ift, fo 
finb aud) wir in biefer SSelt," 1 3<>h- 4, 17. ©S ift 
hoch etwas ©roßeS um ©hrifti Borbilb! Qhu er* 
fannt, feinen ©eift empfangen zu hoben unb ihm in 
feinen gußftapfen zu folgen, ift unfer höfhfier SebenS* 
beruf. 2Benn ©hnftuS in SBirflichteit in uns lebet, 
unb unfer Seben im gleifd) ein Seben ift im ©lauben 
an ben Sohn ©otteS, bann werben wir fein 2Bort 
halten unb werben wanbeln, gleichwie er gewanbelt 
hat, benn fein guter ©eift Wirb uns in alle Wahrheit 
leiten. Unb fo lange wir hienieben leben, muß uns 
Qefu Bilb bor Augen ftebn. $>aS ©ebet beS Richters 
geller fei baher ftetS unfre Bitte: 

„®on trir lernen möÄten wir 
deiner 8anftinutf) 9cilbe: 

®lß<^ten äßnli(fi werben bir, 
deinem SJemuttjSbilbe, 
deiner fliHen Xbätigreit, 
deiner armen 9iiebnqteit, 

Xeine« 2öol)ltbun4 Wilbe/' 

Aber böllig bertlärt in werben wir erft 

fein, wenn wir bieS Sterbliche abgelegt unb angezo* 
gen hoben werben bie Unfterbliajfeit. „SJtcine Sie* 
ben, wir finb nun ©otteS Kinber, unb eS ift noch nicht 
erfdjicnen, waS wir fein werben, wir wiffen aber, 
wann eS erfcheinen wirb, baß wir ihm gleich ff in wer* 
ben, benn wir werben ihn feßen wie er ift." 1 3°h* 
3, 2. 3a, wir werben ihn fehen; wir werben ihm 
gleich fein unb wir werben fatt fein, wann wir er* 
wachen nach feinem Bilbe. 


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626 


9m Qfyal Jfo*#emite in Ptittrlhalifaniirn. 


Daö &ljal \)o -- Semite in jHittflkalifonwii. 

9Wit Silbern nach Photographien Criginalanfnahnten unb einem Ueberfid)t8tärt(hcn. 

§ »on 3oad)im 9ta($on. 

a« ©ort j|)o=©emite ift in ber ^nbianer» geltenb macht. $ie foloffale Kutfche, fünfzehn 
fprache bie Sejeicfjnung be« grauen Sä» S er f° nen ^attenb. War öoH, ba ein I^eil be« 
ren, bodj ift ba« It)at, in beffen Umge» ©ege« $mölf Stinenarbeiter unb »Unternehmer 
9 bung ber jottige ©efeüe oft genug oor» mitfuhren, um in ben Sorbergen eine neuent» 
e) fommt, nicht etma nach biefem, fonbern becfte ©olb» nnb ©ilberaber auäjubeuten. ©ed)« 
nach einem großen inbianifchen Häuptling be» tßferbe, bie ber Kutfcher oom hohen Socf tenfte, 
nannt roorben, ber ben Samen be« grauen Sä» festen bie Strebe in Xrab, in ber mir jmifdjen 
ren führte. Si« oor Kurjem mar ein Slu«ftug atlerhanb Sünbetn unb ben recht hintermälble» 
nach bem hoch intereffanten g)o = ©emitethal äu= rifch au«fehenben ©olbiud)em eingepötelt maren. 
ßerft befchmertich- ©eit jmei bi« brei fahren Salb mürbe au« bem ©ege über bie ©bene, 
jeboch ift eine neue, nur 92 Steilen lange gafjr» bie öon flachen ©eilen hier unb bort burdjjogen 
ftraße eröffnet, auf ber im 9lnfd)lujj an ben ift, nur noch eine ©agenfpur, unb felbft an biefe 
Southern Pacific SRailroab, oon Stabera Soft' hielt fich ber Kutfdjer nicht ängftlid), fonbern 
omnibuffe nach bem $h fl l fahren. ®ie ©aifon fuhr anfeheinenb querfetbein. ©enige Steilen 



bauert offiziell oom 15. Stai bi« 15. Dftober, 
fpäter ober früher merben 9?cifenbe nur beför» 
bert, menn bie ©itterung unb ber guftanb ber 
©ege e« geftatten. ©ir »erliefen ©an 3ran» 
ji«!o am 18. Sooembcr unb langten nach faft 
jmölfftünbiger gahrt in Stabera an, einer 
„©tabt" oon 300 ©inmohnem, mo nur mit 
Stühe in bem einjigen ©afthaufe ein Unterfom» 
men ju finben mar. 

9lu«gerüftet mit hohen Scitgamafdjen, großen 
©cfjlappbüten unb bie meiße ©äfche auf ben 
Scbarf an ^aßhentüchern beichränlt, beftiegen 
mir am 20., Storgen« <> Uhr, ben Softroagen. 
6« mar noch buntel unb abfdjeulid) lalt, mie 
meiften« in Kalifornien, ehe bie Sonne itjr Sccbt 


hinter Stabera tarnen mir burch einen $raf)t» 
jaun, ber eine bi« an bie Sorberge reichenbe 
9tanch oon etma 100,000 Slcre« umfdjließt, auf 
ber 15,000 ©tüc! Sieh öertljeilt maren. 

®er Soben ift reich, aber acht Stonate hin- 
burch fo arm an ©affer, baß nur mit Stühe ba« 
Unentbehtlidjfte baoon E)erbeigefc^afft merben 
fann. ©ir maren ber fehnlich erroarteten 8ie= 
genjeit nahe, ba aber fd)on ©ochen lang nicht 
ein tropfen gefallen mar, fo fat) alle« braun 
unb öbe au«, unb eine bießte ©taubroolfe füllte 
faft immer ben ©agen ein. ©ebe^Saum noch 
Strauch, fo meit ba« Sluge reicht! Salb fing 
auch bie ©onne an, ihre Stacht fühlbar ju ma» 
djen, unb mäljrenb am Storgen 3eber ängftlich 


— tized-fey 


- - 4e- 








Pas Qfyai Jfo*$emite in Ptittelkalifsrnini: 


627 



nach wollenen Seden audgefdjaut hatte, war cd 
halb red)t empfinbtidj warm. 

Qn bemfelben ftraffen Stabe, in welchem wir 
angefe^t hatten, würbe nach oierttjalb ©tunben 
bad erfte Selaid erreicht, unb mit fed)d frifdjen 
Sferben, aber bemfelben ®utfd)er, ging ed nun 
in bie Sorberge hinein, hinter benen bie bid 
bahin fichtbare blaue Sette bed fernen $och : 
gebirged fich oerbarg. Serfrüppelte ©idjen unb 
Richten, mehr Süfdjen benn 
Säumen ähnelnb, bebedten 
immer bichter ben fteinigen 
JBoben, ber mit bem feinften 
9Raf)lfanbe abwechfelte unb 
einen ^öüiftfien ©taub er= 
jeugte. Stach fiinfftünbiger 
gahrt fefcte unfer Sutfdjer 
und aud an einem Sreujmeg, 
ba er unfere jmölf äRitpaffa» 
giere nach ber ÜRine hinauf 
fahren wolle unb auf bem 
Stüdweg t)\ev torbei fomme. 

Sticht hunbert Schritte oom 
SBege erhob fich £ in (leined 
3nbionerborf, etwa fieben 
ober acht elenbe, aud Sehm, 

3»oeigen unb rohen Srettern 
erbaute Jütten, jwifd^en bem 
ftruppigen Unterhose. Sie 
SJtänner, bucks genannt, 
waren nicht anwefenb, bafür 
aber mehrere squaios, bad 
heigt grauen, eifrig befdjäf» 
tigt, inbianifched Sorn 
(Staid) jwifchen grogen ' 

Steinen ju jerflopfen. ©ic 
iahen und neugierig an, lie= 
gen fich aber nicht ftören. 

(Sine Slnjahl Sinber jagte 
umher, jiemlidj fdjeu, fo, bag 
mir froh waren, ben 93 eigen 
mieber ju erflettern, biedmal 
betbe ju bem Sutfdjer auf 
ben Sod fteigenb. 

Slllmählidj oerroanbelten 
fid) bie Sorberge in gtoge, 
unregelmägige Süden, bie 
©träucher in hohe, fdjöne 
Säume, wie im fd)önften 
beutfehen SBatbe, Sidjen unb alle Xannenarten, 
oon benflrfdjon hier manche Sewunberung er» 
regten. 3>m ©ehölje, nunmehr faft audfchlieg» 
Itdh and SJtanjanita befteljenb, einem Strauche 
mit eigentümlich blutrothem, fehr gewunbenem 
unb fnorrigem Unterholje unb (leinen, faftigen 
Slättern, h«fd)ten unzählige ©ibechfen unb 
SBadjteln umher. 


Stuf ber ^weiten Station würbe und in einem 
beutfehen ©aftljaufe ein ganj guted SJtittagd» 
mahl oorgefefjt. ©rft nad)bem mir jum brit= 
ten SKate auf ber 68 Steilen langen Sour bed 
erften Xaged Sferbe gewechselt hatten, Würbe 
bie ©egenb wie ber SBalb wirflich fchön. Ser 
SBeg, meift ftetig aufmärtd ftrebenb, fchmiegt 
fich eng ber bijarren Sobenformation an unb 
führt ununterbrochen in hatdbredjenb fdjarfen 


©l ©apitan. 

Surben am 2lbgrunb t)in. gür einen 2Ba= 
gen ift er bequem breit, aber toefje, roenn beren 
■$roei fid) begegnen, aumal mit aefjn unb jttJötf 
^Jferben befpannte £>oIjn>agen, n>ie n>ir beren 
5 tuei in ber Junfetfyeit paffirten an Steden, bie 
mid) nach Jagen nod), bei 2ageSlid)t gefefyen, 
fdjaubern madjten. Jod) am meiften erftaunt 
man über bie Säume, bie immer fjöljer unb fdjö* 


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628 


Pas Qfyal §Jo=5fcftnitt in JNitttlkaüfanitrn. 



ner lrerbcn, je bitter fie ftcfjett. Sott 100 fj-ufj 
fpöfjc, mit 2 bi§ 3 ffuj? im 2>ur<f)meffer, fteigen 
fie aflniätid) bis ju 200 guft unb bariiber, mit 
5 bis 10 Suff im Imrdjtiteffer. Salb tuar es 


2Me %)o;@eiuitf fälle. 


ftodfinftere ‘Iftadit, unb ba ber 9 Jtonb nod) nid^t i 
^'d)icu, mürben ^mei flcine Saternen angcaünbet, | 
bie bie ©orberpferbe nur ahnen ließen. $)er | 
5Seg, ber mit feinen ©cblangenmittbungen, ju- | 


mal im festen Steile, fc^arf bergab führte, mar 
bereite für bie S^egen^eit alle 50 ©djritte mit 
Cuermafferrinnen oerfeben, über bie ber große, 
fo Ieid)t belabene SSageit jebeä 9flal bergeftalt 

binüberbolperte, 
baß mir oft 9Mbe 
batten, nidbt topp 
über hinunter ju 
purzeln. Schön 
unb einzig in ihrer 
Wrt mar bie gabrt, 
aber b r e i 5 e b n 
©tunben einer fol- 
d)en Xour machen 
boeb ben 9ftenfdjen 
fr ob aufatbmen, 
menn er enblid) 
mieber “terra 
firma” unter fid) 
bat, unb fo be- 
grüßten mir benn 
nad) 7 Upr mit 
greuben bie Sieb¬ 
ter nott SlarF* 
,g>oteI ober ©ig- 
treeftation, unfe- 
rem © e ft i nt * 
mungäort für 
biefen Xag, mo 
Philipp nad) ele¬ 
ganter ©orfabrt 
be£ febaumbebeef 
ten ©efpanneS 
enblid) hielt. Sein 
gebiegener Leiter 
famt fein einzeln 
©ferb beffer in ber 
©emalt haben, al3 
er feine fed)fe mit 
bem ©agenfoloß! 
Slarte £otel mar 
fdjon auf bem 
SSinterftanb unb 
fomobl Siicbe mie 
©ebienung bei 
Sifcbe mürbe in 
nidjt all^u erfreu 
lieber ©eife oon 
einem biden Gbi 5 
liefen b e f 0 r g t. 
fftaeb b a ft i g e m 
$lbenbbrob fdjlof* 
fen mir nn£ einer 
©ruppe oon SIngcfeffenen ber näcbften Hinge- 
genb an; ^oljleute, Säger, bie ©ebrüber Glarf, 
fomie unfer ©büipp fanben fieb oor bem großen 
£ol 5 feuer ein, auch ein einfanter ©nglänber 


—Digitized by-' 


Googü 














































Jö® Qfyal |Ja*$emtte in pUttelkaiiformen« 


«29 



tauchte auf, ber fdjon einen Dag bort auf und 
gewartet batte, um nad) bem Dbat beförbert ju 
merben. 

3u unferem ©erbruft mürbe ed fpäter ald 
8 Uhr, ehe mir am anbern SJtorgen aufbradjen. 
Der SBeg ift munberfcbön, anbauernb im pracbt* 
üottften Sßatb, beftebenb 

aud 5 bid 15 guft int 
Durcbmeffer J) a 1 1 e n b e n 
©äuttten ber maitnigiad)* 
ften Slrt: Sehern, Sbel* 
fickten, ©ilberfidjten, ftic* 
fern, unb alle fo fd)ön 
unb fd)lanf, baft man ntd)t 
•ntiibe mirb, an i()nen bin* 
auf 51 t febauen. Der©o* 
ben mar befät mit taufen* 
ben non gid)ten$apfen Pott 
1 bid 2 guft Sänge, bie 
man fortmäbrenb Perfucbt 
ift, ihrer ©röfte halber su 
fammeln, um bie gemäht 
ten im näcbften SJtoment 
für nermeintlicb nod) grö* 
ftere ©jemplare mieber *u g 
oermerfen. Die Strafte 3 
führt, ftetig fteigenb, bei* 5 
nabe auf bem Santtn bed *• 
ßöbenrüdend bin, melcber | 
ficb am linfen Ufer bed «• 
aud bem $0 Semitetbal ~ 
fontmenben Stercebfluffed § 
bin^iebt; 2000 guft tief * 
unter ficb bat man ab unb 
^u einen ©lirf auf bad 
muntere giüftdjcn, bad 
über Seifen $u Dbal eilt, 
mäbtenb gegenüber ber 
bemalbcte Stütfen $u glei* 
eher 4 pöbe ficb erbebt. Qm 
Dbal läuft ^ er alte “trail”, 
b. b- ein enger, rauher 
SBalbpfab, Pott Sterceb 
in’d j) 0 ''@emitetbal, auf 
bem man aber eine ber 
feböttften 9ludficbten ber 
SSclt oerliert — ben ©lief 
Pott ^nfpiration ©oint. 

Dad hohe $olj hemmt 
natürlich nteift bie gern* 
fid)t, unb fontit mar ed 
mahrhaft iiberrafcbenb, ald ber SBeg plö&licb 
auf eine Porfpringenbe SHippe binaudbog, bie 
einen meiten, uttgehinberten Umblicf gemährte. 
SBir batten ©eorg, unfern fe^igen Äutfcfter, 
einen Sieger, an Perfdjiebenen febouen fßunften 
gefragt, ob bied „^nfpiration ©oiut" fei ; morauf 


er Perfchmiht lädEjelnb antmortete, baft mir am 
rechten ©lafc gemift nicht fragen mürben! Sin 
Sluffauchsen ber ©emunberung möchte ich bie 
Stufe nennen, melche bad fo unermartet entrollte 
©emälbe und, ja fogar bem ftoifd)en Snglänber 
entrift. 


Cbfdmn 5 iemlid) fteil aufragenb, maren bie 
Dbalmänbe bed Sterceb bidber bod) ununter* 
broebett pou ^odjmalb betleibet gemefett. £>ier 
mit einem SJtale ermeitert ficb bie Dbalfoble in 
ber Sänge Pott ctma 0 Steilen 311 l bid 1 Steile 
©reite, aber bie SBättbe, 3000 bid 5000 guft 


O 











630 


lla« Qtyal Uo=£fmitf in Stittelkalifonuett. 


tyod), aud blenbenb meinem ©ranit beftefjenb, 
faßen burdjaud fenfreefjt ab, nur feiten einzelnen 
Stiefenbäumen ober Sträucfiern SRiffe ober 2tb= 
fäfce jum gufeen bietenb. ©enau gegenüber 
oon ^nfpiration $oint fpringt, in iljrer gemal* 
tigen ©röfje greifbar na^e erfcfjeinenb, bie fafjle 
©tirn bed @1 ©apitan Dor, Don ber Hjalfotjle 
3000 guf? f)odb ftef} fenfrecfyt ertjebenb toie ein 
SBädjter ber übrigen ^>errlirf)feiten unb ald ber 
Doüfommenfte ®ppud ber Dößig faxten meinen 
©ranitformation. 

3>n rafefjem Irabe unb mit gan^ fcfjtaffen 
bügeln führte und ©eorge Ijinab. Siele be= 
^aubentb fcfjöne Slicfe geroätjrt biefe ®t)alfaf>rt 
bid §um gufje bed ©entinelfelfend, an meinem 
bad Heine beutfefje §ote! Seibig, bad einzig nod) 
offene, liegt, roo mir ettoa um 1 Uljr anlangten 


bie ^Regierung unb feitbem mit ifjrer fpejietten 
©onjeffion. Um nämtief} biefe SRaturtounber 
Dor ber fpefulatiDen Studbeutung ju fdjüfcen, 
tjaben bie ^Bereinigten Staaten bad |)o*©emite= 
tfjal fotuoljl, toie mehrere 3tegionen ber 3tiefen= 
bäume pm ©taatdgut ertlärt, auf bem fein 
sßrioateigentfjum ertoorben toerben fann. 3" 
näcfjfter iRacfjbarfdjaft ift ber Sldfer Sanb mit 
feinem Urtualbe für 2 ®oflard ju fyaben, aber 
bie ©ntfernung Don ber ©ifenbafjn unb bie 
f)en Steuern machen ben SBertfj eined foldjen 
©rtoerbd, toenigftend für bienädjften $el}n Safjre, 
ätoeifelfjaft. ©ine güfle Don äBilbpret, beffen 
3agb bie faft audfcfjliefjlidje Sefcfjäftigung ber 
äRämter bilbet, madjt einen ^auptbeftanbt^eib 
ber SRatjrung aud. gaft aßed Slnbere muß 
neunzig äReilen toeit Don ber ©alpt geholt toep 



2)ie 9Jlaripofaflnippe. 


unb fef)r fteunblidje Slufnaljme fonben. 9luf 
ber finfen X^atfeite ^ietjt fic£( oom Sl Sapitan 
gegen 3| ©teilen lang eine platte, fenfredjte 
n>ei§e ©ranittoanb bin, bie if)rcn 2lbf<f)Iu| in 
bem 2400 Jul hohen Sfounbtoluer ober ÜRount 
SSaffjington finbet, über bem ber 9lort| $ome 
thront. Sttoa halbtoegS wirb biefe SSanb oon 
bem 2)o 3cmitefafl unterbrochen, ber anbauernb 
alle jenfter erbeben matfjt. Sr ftürjt, im ©an= 
jen 2550 Ju| hoch, in brei Slbfä^en oon 1436, 
626 unb 488 Ju| herab. 

Seibig» §otcl ift bas erfte ber menigen ©e= 
tjöfte, »eiche im j!)o=6emitethal fich ju einem 
langgcftrccften Meinen $orf oereinigen. Sille 
Slngefeffenen finb bereits feit oielen fahren 
bort, noc| oor ber 3eit ber 93efifcnaf)me burd) 


ben, unb baljer ift eS billig ju nennen, wenn 
man nur 5 $otlarS pro lag für SBotpiung unb 
Soft ju jaulen tjat. SeibigS festen mtS ein 
einfaches, aber gutes Jrüljftütf oor, unb gegen 
2 Uljr fa|en »ir beibe im Sattel, ben jtoölfjäf) 5 
rigen, ebenfalls berittenen, jungen Seibig als 
Jüljrer, um nod) einen Xtjcil beS I^aleS ju be* 
fi tätigen. 

Jn ettoa fünf ©turnten toar ber $auptpla? 
erreicht, auf beffen einer Seite bie jejjt fdjon faft 
leeren Ställe ber ißoftgefellfdjaft fteljcn, toä^renb 
baS bereits gefchloffene grö|ere §otel unb meb= 
rere ans $ol$ gebaute Käufer bie anberen Sei 
ten begrenzten. 9lac| »eiteren fünf SKinuten 
hörten bie Käufer ganj auf, unb unter bem on= 
bauemben ©etöfe beS $o-SemitefaHeS, ber ben 


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J>a§ ®fjöl in Pittelkalifornim. 


6:u 



genftern be3 ©aftljofS gegenüber Ijerabftürst, 
folgten mir unferem jungen gütjrer auf bem em 
ger roerbenben, mit feinftem ©raS bebedten 
ffiege. SXuf bem redbten Stercebufer aietjt fid) 
bie lange, f>o^e 
©teinmanb fjin, 
toätjrenb mir auf 
unferer ©eite, 
na^bem ber 
©entinel Reifen 
4 >affirt mar, um 
terljalb einer 
3Banb entlang 
ritten, beren 2tb= 
fdjtug ber fdjarf 
öorfpringenbe 
©lacier $oint 
bitbet. £ier, 
etma 3| Steilen 
nom ©ingang, 
gabelt fid) baä 
% f) a I. $ e r 
Hauptarm be3 
Sterceb fliegt in 
geraber Sinie 
amifdjen 9t ortf) 

®ome unb $alf 
3)onte t) e r ö o r, 
mir aber bogen 
im rechten S3im 
fei um bie burd) 

©lacier ^Soint 
gebilbete ©de in 
ein ©eitenttjal 
unb ritten auf 
einem SBalbpfab 
in bie rechte 
Xfyalgabelung 
hinein. ®er hier 
un3 entgegenflie' 
fcenbe 2trm beä 
SOterceb tljeilt 
fidjfetjr balbmie* 
ber in $mei flei* 
nere; gerabeum 
ter ber ©lacier 
<ß o i n t m a n b 
fommt bieSoutl) 

3for! herunter, bie 
mir an bei*©abe* 
lang übcrfdjrit* 
ten,unt,nad)linf£ 
ambtegenb, an 
bie $ernal= unb 


$öt)eber Jfjalumfaffung ju geminnen, um mieber 
auf ber anbern ©eite 2500 gug in ba3 ®eden be3 
obern ober 9teüabafaHe3 tjinabjufteigen. 2in!3 
gegenüber ergebt fid}, mie ein Seil in bie ©abet 


©lief öom ©ladet ©oint« 


Steöabofätte ju gelangen. @3 gilt t)ier,an einer fef)r 
fteilen 28anb, bie bon fünftem $otj bebeeft ift, 
e ine Steigung bon 3000' ju überroinben, b. t). bie 


be3 fSJlerceb eingefetjoben, ber Unterbau bon 
3000 gujj $öt>e, auf bem ber prächtige £alf 
3)ome feine noef) 2000 gufj tjö^ere, bon hier 






632 


J)m QUial $o=2emile in fltitteUtalifomien. 



gefepen, regelmäßig tunbe Kuppel erhebt, auf 
bereu oöHig glatten ©ranitwänben Weber Saum 
nocp Strauß einen fpatt finbet. Qe tiefer man 
in baS Seifen binaffteigt, um fo mehr littet 
fiep baS £>otj unb bie lebten 500 Quß legen bie 
Sferbe auf beinahe glatten, faum mit ©anb be¬ 
deuten Reifen pinabrutfcpenb, jurütE. ®er 
2Beg liegt fo, baß man bet ffäde, beten ®onner 
fcpon lange üentepmbar ift, nicfjt eper anficpttg 
wirb, als bis man baS Seelen wirfliep erreicht 
bat, in beffen Stitte eine Heine #ütte ftebt, in 
ber häufig übernachtet wirb. 2)aS Seien ift 


Eie «gaffijsSäuIe. 

faft runb, etwa \ Steile Weit unb erfepeint wie 
eingelaffen jwifepen feine 2000 Quß hoben gelS» 
wänbe. $ie hintere Sunbung füllt ber Seoaba» 
faß, ber im Slmppitpeater, ^ Steile lang, fich 
hier im lebten ©prunge 605 guß pocp pinab= 
ftürjt, wäprenb öon ber obern ®ante biefeS leb* 
ten SlbfaßcS baS SBnffer unter einem SBinfel 
oon 45 ©rab noch weitere 1000 ftuß über fahle 
Reifen biefem lebten ©prunge jueitt. SinfS 
öon ben ffäüen, bieie oont ^icbeftal beS £alf 
"Sonic trcnuenb, erhebt fi<h 2000 Juß hoch über 


ber Secfenfohle ein tiefiger, blenbenb weißer 
©ranitfegel, baS 6ap of Sibertp. 

Qm Secfen angelangt, ftiegen wir oon ben 
ermübeten ißferben unb Kommen burch herab» 
geftürjte ©ranitblöcfe bis bicht an ben Quß beS 
QalleS. Obgleich auf ein Stinimum tjerabge^ 
minbert, ift bie ftürjenbe SBaffermenge boep au» 
ßerorbentlid) impofant; jeitweife oerpüöt ber 
auffteigenbe SBafferftaub bie QäHe gänjlicp. Qm 
Qrüpjapr unb ©ommer ift baS ganje Seien io 
oon SBafferftaub erfüllt, baß man fich mit 9te= 
genmänteln oerfepen muß, um nicht burch unb 
burep naß ju werben. — ®er furje Spät* 
perbfttag neigte fiep halb feinem Snbe §u, 
unb fomit eilten wir, unferen jungen Qüp» 
rer Wieber aufjufinben, ehe bie h* er io 
furj anhaltenbe Dämmerung ber Sacht 
wic|. ©leicpjeitig mit ben fßferben lang» 
ten wir am ©ammelplap an unb erreich» 
ten ben ©aftpof erft, als es oöttig bunfel 
war. SllS man uns anbern £ageS um 
£6 Uhr SiorgenS weite, wunberten wir 
unS, baß baS ©etöfe beS ?)o»©emite» 
falles aufgepört hotte, aber unfer ©rftau» 
nen wueps, als wir, um 6 Upr bie beftell» 
ten Sferbe befteigenb, beS QaHeS anfiep» 
tig würben, ber über Sacpt ju einem rie» 
figeit ©iSjapfen erftarrt war. Stan 
patte uns bie größte <£ile anbefoplen, unb 
biefer früpe SluSflug oor bem Qrüpftüi 
galt bem Siirrorfee, ber, gegen 4 Steilen 
im ^mupttpafe pinauf, jwifepen bem Sortp 
Some unb bem ,patf ®ome liegt unb 
burep eine ©rweiterung beS Sierccb ge» 
bilbet wirb. 'SieSmat waren wir unter 
ber Seitung eines gewiffen Seal, ber oon 
fßrofeffion Qüprer unb Qäger ift, ein flei» 
neS, fcpmäcptigeS Stänncpen mit eifernen 
Serben unb feinem ©ewerbe, wie uns 
fepien, oöHig gewaepfen. SBir gelangten 
in einer fleinen palbcn ©tunbe an Ort 
unb ©teile. ,j)ier überließen wir bie 
Sferbe fiep felbft unb traten an baS Ufer 
beS oon niebrigem ©ebüfcp eingefaßten 
SBafferS, baS leiber jum Speil oon einer 
bünnen ©isfrufte überzogen, aber immer» 
pin genügenb offen war, um ben SluSflug ju 
einem lopnenben ju machen. $er friipe Stör» 
gen, an bem pier fein ßüftepen Wept, ift bie ge 
eignetfte Qeit, ben Seflej ju fepen, bem ber 
fleine ©ee ben Samen eines „Spiegels“ Oer 
banft. Stuf ber einen ©eite fpringt aus ber ge» 
gen 3000 ftuß popen QelSumfaffung, ben Sopnl 
SlrdjeS, bie SBafpington ©olumn ins Xpal pin» 
ein, über bie fiep Wieberum, 3633 Quß poep, ber 
gänjlicp runbe Sortp S)ome erhebt. Sin biefen 
feptießt fiep ber Stount SöatfinS unb weiter pin 


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Po» Sgal pO'Srmitr in Ptittrlkalifornien. 


633 


ein ber 3Rount §offmann, 7000 gug gocg. firbar ju fein. Siefe gaben eine unglaubliche 
Sen Sgalfcglug Silben bie Sentinel SpircS, Sicgergeit im ffletteru unb manche nocg oben» 
6500 gug i)od), unb bann folgt, jur rccgten brein bie fßaffion, auf bem in möglidgft geringer 
SBanb ginüberleitenb, SloubS Steft mit 5921 S0reite gehaltenen Sauntpfab auf ber äugerften 
gug $öge. 8tn KloubS SReft, bem SRortg Some Äante ju balanciren. 35er erfte Xgeil bcS SBe* 
am SRirror Safe gerabe gegenüber, fliegt ficg gcS fügrt jtoifcgen getsblöcfen ginan, bie oon 
ber berühmte $alf Some, beffen runbe, luppel* oben gerabgeftürjt finb. 
artige Seite uns geftern jugefegrt mar. £>cute ßtroa jrnei drittel beS SEBegeS aufmärtS ift 
crfcgeint er auf feiner 3000 gug gogen ©afiS, ein fleineS ißlnteau, baS feine befonbere Stur io» 
bem Xgal eine {entrechte SBanb oon 2000 gug fität aufrocift unb beSgalb gemögitlicg als Stell» 
|>öge jufegrenb, als menn eine ^albfugcl mit bicgein gemäht mirb. 
bem SOleffer abgetgeilt märe, unb bübct in feiner ßiit ©ranitblocf oon 80 gug ,f)ö()e unb etma 
oon ber Sgalfogle faft {entrechten ßrgebung oon 20 gug im Surcgmeffer, bie Slgaffij - Säule 
4953 gug eine ber grogartigften ©rfcgeinungen (Agassiz Column), balancirt auf einer SafiS 
in biefer SSunberluelt. 3)ie Spiegelung im oon nur 8 bis 10 gug im Surcgmeffer auf ber 
BRirrorfee ift oon augerorbentlicger Schärfe, äugerften föante frei über bem 2000 gug tiefen 
ja, man möchte fagen, fcgärfer als baS Sluge bie Slbgrunbe. SBcinage auf ber §öge erreichten 
©egenftänbe unmittelbar ju erfaffen oermag. mir ben ©nglänber, ber bereite einige pgoto» 
Sin einer Stelle, bie 


gerabe ben Q a l f 
Some miebergibt, ift 
eine befonbere Statur» 
erfcgeinung; burcg 
ein Kombination beS 
ttntergrunbeS ift ein 
Soppelreflej geroor» 
gebracht, ber bie ©c= 
genftänbemieber auf» 
recht ftcöt, fo bag 
man, ins SBaffer fe= 
henb, nicht an bnn 
£>alf Some giitauf» 
f'cgaut, fonbern auf 
ber $öge ju gegen 
fcgeintunb 5000 gug 
tief im ©runbe ben 
SKirrorfee felbft mie 
ein minjigeS Stüd- 
egen ©limmerglaS 

fdjiinmern fiegt. ©egen 7£ Ugr famen mir grapgifege Slufnagmen gemaegt gatte.— ©lacier 
naeg bem ©aftgof jurücf unb mürben bureg ein fßoint oerbanft feinen tarnen mögt ber SluSficgt 
eigenartige^ Scgaufpiel überrafegt, baS ber jjjjo* auf bie ©letfeger ber Sierra ÜReoaba, ift jebodg 
Semitefatl bot. Sie Sonne, bie noeg niegt inS gauptfäcglicg merlmürbig babureg, bag man, am 
Sgal felbft gelangte, befegien bereits bie oberen eigentlichen SluSficgtSpuntt über eine eiferne 
Igeile beS galleS, unb unler igrer mäegtigen Srüftung legnenb, 3257 gug tief oöHig fenf» 
SBirfung begann ber groge KiSjapfen ju fcgmel» reegt ginabfegaut, fo bag ein gemorfener Stein 
jen, unb mie bie SBafier mieber in bie 'liefe bie Sgalfogle erreicht. SBenige Scgritte oon 
rollten, nagm baS@eräufcg ju; anfänglich ffang biefem Ißtage fpringt eine Steinftufe oon etma 
eS mie einzelne Scgüffe, bann mie ein oon 3Jti» 5 gug Surcgmeffer unb 4 gug Dbcrfläcge trolle 
uule ju BRinute heftiger roerbenbeS ©efeegt, bis 20 gug über ben Slbgrunb ginauS. . 83cal be» 
eublicg ber alte Sonnet baS Sgal erbeben gauptet, ber einzige ju fein, ber fcgminbelfrei 
maegte. genug ift, fieg auf bie äugerftc Spige ju fegen 

SnS näcgfte giel mar ©lacier fßoint. Ser unb bie güge über bie ungegeucrlicge Xiefe gin» 
©eg fiigrt an ber SSaitb gmifdgen bem Sentinel» abgängen ju laffen. ßiit gemiffeS Unbcgagcn 
fRod u.ib ©lacier Ißriut in bie $öge, unmittel» befcglicg mieg, ber icg felbft ganj( fcgminbelfrei 
bar ginter $otel Scib g, unb ift mit groger bin, als icg ign unbefangen bi.’S oollbringeu 
Sfunft angelegt, um überhaupt für Eßferoe paf= fag, too baS gcringfte SluSgleiten auf bem 



40 


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634 


Pas @jnt in PUttrlholifornirn. 


glatten, nncftcn gel# fixerer Sab War! Ser 
©nglänber wodte bcn Serfud) macjen, rnujjtc 
aber uad) bem erften Srittt jeil ber Sänge wie» 
ber umfejren Unb gelangte nur mit Wüje 
juriid. 

Dbgteidj ber 5Reft be# Sage# nodj mancje# 
gntcreffante bot, müffen wir bod), uni nicjt ju 
roeitfdjmeifig ju werben, auf feine Scfprecjung 
berjidjten. 

tßir iibernacjteten in “Bigtree - ’- Station 
unb beftiegeit am neideten Worgeu erft um 
10 Ujr unfere Sferbe. Seiber mufften wir uns 
mit ein paar alten SSagenpferben begnügen, ba 
bic befferen Spiere bereit# in bie Sorberge ge» 
fanbt waren. Seutiocj war ba# fReitcn oorju* 
jiejen, ba man ju fßferb an Diele Steden ber 
SSalöung gelangt, bie oom tSege entfernt finb, 
unter tinberen auej an einige ber fdjönften 
Säume. 

Unter ‘ Bigtrecs” muff man fiefj nid)t etwa 
oereinjclte ©jremplare üorfteden, wie jurn Sei» 
fpicl in Seutfdjlaub in einem töalbe eine be» 
fonber# fdjöne alte gieje ober Sucje. tltter» 
bing# Oerjaltm fidj bie “Bigtrees” ber ©röjjc 
naej $u ben oft angefüjrten 5 bi# 15 gaff im 
Surdjmeffcr jaltenben Säumen wie eine foge» 
nannte taufenbjä jrige gieje bei un# jum fünf» 
jigjäjrigen töalbbeftaitbe, im Ucbrigen aber 
hüben bie “ Bigtrees” tBalbungen für fidj. ®# 
gibt in ber 9täje be# ?)o-Semite adein 11 Oer» 
fdjiebenc ©nippen, beren jebe mehrere junbert 
ßremplare be# 9tiefenbaume# enthält. Sie 
beiben berüt)mteften ©nippen finb bie ßalaüc 
ro#gruppe, welche bie jejönften Säume enthält, 
mt# aber ju entfernt lag, unb bie Wari» 
pafogrnppe, ju welcher wir un# auf ben ffieg 
machten. ■- - - 

9tacjbem wir etwa fünf Weiten im Stabe 
juriidgelegt, fameu wir an bie erften “Big¬ 
trees, ” bie, etwa 20 gufj im Surtjmeffer, ge» 
gen 300 gufj jotj, wie Säulen in bie |>öje ra» 
gen. S# beburfte feine# güjrer#, un# ju fagen, 
baff bie# bic rechte Sorte fei, benn ein SBaffer» 
fad oon 3000 gufj §öje ift nicjt erftauntidjer 
al§ einer biefer Säume. “Bigtree” ift bie 
offijiede Sejeidjnung für biefe SBedingtonien, 
beren §olj rötjlicj, aufferorbentlicj leicht unb 
Weid) ift; ba# Baub ift ein feine# ©rün, ein 


3roif<jenbing jmiftjen Stabei unb Saub. Sie 
SRinbe ift bi# oier guff bid, au# feinen rötjlicj» 
braunen geifern beftejenb, unb jeigt auf >er 
Sur<jfdjnitt#flätje bie geinjeit oon furj geftjo» 
renem jßlüfdj, tlucj biefe SRinbe ift al# Surio» 
fität fowol)l Wie jur gertigung oon aderjanb 
tlnbenfen fefjr gefugt, barf aber auf ben 9iefer» 
ontionen nitjt mejr oon ben Säumen genom» 
men werben. Sa# tllter eine# Saume# oon 
30 guff Surdjmeffer beträgt, naej bcn Gingen 
be# §olje# berechnet, 3000 ga jre unb barüber, 
feinenfad# weniger. Ser Samen ift in 3<<pfen 
oon ber ©röffc eine# Sie# enthalten, bie fejr 
fompaft unb in friftjem 3uftanbe oon jettgrü» 
ner garbe finb. Ser geringe SRatjmutj# biefer 
Saumart erflärt fitj jum Sjeil baburdj, baff 
bic Samen befonber# oon ©itjjömtjen gefutjt 
Werben, welcje bie 3 (| bf en nodj grün abbretjen 
unb auffpeitj'crn. 

Siele Säume jaben eigene ÜRanten er jalten, 
jum Seifpiet ber „©raue 9t i eie" (Grizzly 
Giant), ber brei guff über bem Soben 33 guff 
im Surdjmeffer mifjt unb 343 gufj jotj ift; 
feine tiefte beginnen erft 150 gufj oom Soben, 
unb ber unterftc berfetben jnt jetj# guff im 
Surtjmeffer. 

tim gnbe be# gajrweg# gelangten wir ju 
einem Saum, burtj beffen Stamm man einen 
Sunnel gefcjnitten jat, Weit genug, um einer 
ber grofjen fctj#fpännigen Sofffutftjen bequem 
Surcjfajrt ju geftatten; trojbem prangt feine 
®rone im faftigftcn ©rün. 

9tun ritten wir quer Walbein natj bem 9Ra» 
ripofa, bem gröfften iebenben Saum ber ©ruppe, 
beffen Surdjmeffer 36 gufj mifjt; bann famen 
wir an eine „gefadene ©röjje," einen Stamm, 
ber 40 gufj Surtjmeffer jatte, aber beim gal» 
len in mejrere Stüde jerbrotjen mar. Sann 
bratjte unfer güjrer un# naej tSomona ißoint, 
einer au# bem enblofen äBatbe füjn jeroor» 
fpringenben jojen get#fpije, bie einen weiten 
Slid über bie mit Urwalb bebedte ©egenb ge» 
wäjrt. ©egen 4 Ujr trabten wir auf ber 
Straffe naej ber Station juriid unb am näcjften 
ttbenb um 7 Ujr langten wir in Wabera an, 
wo wir noej in berfelben 9?a<jt in ben Scjlaf» 
wagen ftiegen, ber un# nadj So# tingele# brin» 
gen fodte. 



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Erinnerungen aus ben JrlMafarftljm bes ürbellionsbriegrs. 


635 


(Erimtmitijeii ans Öen fdMajardljeit bts $tbt\lmBkxU$ts. 

8&r §an§ nnb §rrl Hon 3. 3. Vlc&mcr, nadb Hm fatitcrm einer freitoiUigen JtautfctMiflcgertft. 

t») II. 


m*** bie Slrmee in ber Umgcgcnb Don 
6)111 ©harpgburg raftete, mürben Diele gie- 
yXr berfranfe in bie Sa 3 aretl)e gebracht. 2lug 
Avfö einjelnen neu angefommenen Stcgimen- 
* 3 tern fanfen gleich ^unberte auf g Krau* 
Jenlager. S)ie Sranfen uitD Scrmuubeten mur^ 
ben nun aug ben ^erftreut Ijeruntliegenben 
piäpen gefammelt unb nach grieberid Gittj gc= 
fanbt. 3d) fetbft teerte für eine fur^e $c\t uad) 
|>aufe juriief. 3 n ^^Üabelpf)ia mohnte ich am 
Stbenb meiner Slnfunft bafetbft in einer be- 
freunbeten gamilie einer ^oebjeit bei. Slber 
inmitten beg entfalteten Sujng unb ©tanje^ 
fonnte ich nicht umbin, unferer armen ©olbateii 
ju gebenfen, bie auf i()rem 2 d)mcr 3 engtogcr lie 
genb, oft am 9totl)menbigften SDiangel litten. 
28ie Diel ÜRotlj t>ättc mit beut geliubert merben 
fönneu, mag f;ier unnüp ocrfdjmeitbet m:trbe. 
©o bald icb fonnte, ftabl id) mief) Don ber ginn-' 
3 enbeit ©efedichaft biitmeg unb begab mid) fo= 
fort an bie Slrbed, Sorräthc für bie Sermun- 
beten ju famnteln. 

®anf bem patriotigmug, ber unter adelt 
Slaffen ber ©efchäftgleutc ()err|d)te, maren 
meine Senkungen Don gutem (Erfolge begleit 
tet. Sei unferer 9tiidfel)r mürben mir ooit beit 
Siebten, unter beren 2 litffid)t mir bisher gear* 
beitet hotten, oiifg greunblidjfte empfangen. 
Unfere Sorrätl)e erflärten fie für unfehäpbar, 
ba fie Slrtifel enthielten, melcbc man fonft nir= 
genbg befomnten tonnte. 

$iefeg 9Rat erhielten mir ein beffereg Sogig. 
©g mar in einem |>aufe nabe ber lutljerifchen 
Sircbe, bag tbeilmeifc Don gieberfranfen befefet 
mar. ©in Heiner Sorplap trennte unfer ftinu 
mer Don einem anbern, in meinem jmanjig 
üRann auf bem gugboben lagen. §ier in einer 
©de lag ein ©rabnirter Dom |)ale ©odege, ibm 
gegenüber ein Slboofat Don pittgburg, il)m 3 u= 
näcbft ber ©ohn eiiteg *ßregbt)tcriancr - Sßrebi- 
gerg, bie Slnbern, öftliche uttb meftlicbe Sftänner, 
bunt burd)einanber gemürfelt unb nur gemöhn^ 
lidbe ©olbaten, aber an intelligent unb ntora= 
lifdbem ©ebalte meit über irgenb einer gleichen 
2 tnjabl SRebeden ftebenb, bie ich jemalg beifam= 
men gefeben bube. 

®ag näcbfte £aug mar in gleicher SBetfe an= 
gefüdt. Salb nach meiner Slnfunft ging ich 
mit etmag Sranfenfuppe in boffelbe hinüber, 
©in Oberft au§ fßittgburg hotte mich erfuebt, 
mich nach Q[emanbem aug feinem SRegimente ju 


erfuitbigen, ben er burdbaug nicht auffiitben 
fonnte. Sllg ich bie £hür c ineg 3 immerg off* 
ncte, fragte ich: „ 3 ft Semanb aug pennfpl- 
Danien hier?" Serghiebene erhoben ihren Sopf 
unb bejahten bie grage. Sldein ein ©olbat, 
ber am uäcbfteu $ur Jfjüre lag, fanf büfter auf 
feine £>attb Dod Stroh jurüd unb murmelte: 
„ich bin aug SRaffadjufettg unb mabrfcbeittlicb 
meint bag, bag ich Don biefer guten ©uppe 
nidjtg befotnmen fod!" 3 $ berichtigte fdjncd 
feinen 3 rrthum ünb fagte, bag bie ©uppe für 
Slde ba fei, unb bag fein Unterfdjieb nach 3taa= 
ten gemacht merben fone, mo Sille ber Sabung 
fo febr bebiirftig feien. S)icfeg mahnte mich für 
Die 3 u fnnft jur Sorficht. ©inige Jage fpä* 
ter mürben fämmtlicbc Sranfe aug jenem 
£>au)c 51 t ung herüber gebracht unb jener SRaf= 
fadjufettg * ©olbat tarn unter meine fpejiede 
prforge. 

Slm 2 G. Oftober 30 g bie Slrmee aug ber Um- 
gegeub Don Slntietaut ab unb halb marcu mir 
mit unfereit Sermittibeien adciit. Son betten, 
bie jiterft unferer pflege anheim gegeben mor- 
ben mareit, ruhten bereitg Diele im ©rabe. 
Unfer fleiiteg ^aug-Sajareth blieb mit Patien¬ 
ten angefiidt, ftarb ©iuer, fo nahm gleich ein 
Slnberer feine ©tede .eiit. 

3)er Dorhin genannte 2Ragad)ufettg * ©olbat, 
£err S., marb nun fehr franf, unb alg id) eineg 
2 Jiorgeitg nach il)iu fag, fragte er mich, ob er 
mir nicht einen Srief nach ber |>eimath in bie 
geber biftiren bürfte. „©emig!" antmortete 
icg. ©° er midh, feine eigene Sriefmappe 
ju holen unb baraug Rapier unb ©ouDcrt 31 t 
entnehmen, batuit bie ©einen gleich f e h e » fod= 
ten, bag ber Srief Don igm fomme. 

3« ruhiger unb gejagter Sßeife, mit einer 
Stimme, fo flar unb beutlich, bag ber Str^t Der- 
munbert Don feiner Strbeit auffegaute, biftirte er 
feine le^te 3lbfd)iebgbotfd)aft an feine grau unb 
Sinber. ©r münfegte, bag mäl)renb er noch 
lebte, eine Sode Don feinen paaren für feine 
grau abgefchnitten mürbe, bann nahm er einen 
SRing Don feinem ginger unb lieg benfelbett für 
feine fleine lodjter beilegen. Stachbent er noch 
über anbere Sleinigfeiten für feine Sinber oer¬ 
fügt hotte, bat er, bag man bag Silb ber ©ei¬ 
nigen, bag ign auf aden feinen SDtärfchen begleit 
tet hotte, unb in beffen Slnblid er fo oft fich 
aufgerichtet, mit ihm begraben möchte. $ag 
mar Sldeg, mag er Don ber tljeuren #eiinath 


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636 


3m 5oif«l)aus ;u Berlin. 


befafi, ©über, Don bene« er aud) im lobe fxcE) 
nidjt trennen Wollte. 

Sann gab er nod) 9lnWeifungen über bie ©er* 
wenbung feines ©igentbumS unb bie Grjieburtg 
feiner Stinber, unb jum Schluffe befahl er in 
Wenigen ernften SB orten bie ©einen ber lieben* 
ben Obforge beS ^immlift^en ©aterS. 34) 
fdjtofe ben ©rief unb befielt ihn na4) feinem 
SBunfdje bei mir, bi« in Wenig Sagen ein jWei* 
ter mit ber ©adjricbt beigefügt werben fonnte, 
bafe er nun ju feiner 9lii£)e eingegangen fei. 
Ser Sob war if)m nid)t unerwartet, obwohl er 
unocrbofft !am. Sen 9lbenb juDor, wäfjrenb 
id[j if)m DorlaS, fcfjlief er ein unb wachte nidjt 
wicber auf. 9lm ©torgen fanb id) feine Seidie 
eingewidelt Dor meiner Sfiüre. Sr erhielt ben 
erftcn ©arg, ber, fo Diel id) weife, im Sajarethe 
gemacht würbe; er beftanb aus rot)en ©rettern, 
ben Ueberreften Don unferen ©adfiften. ©eine 
SBünfdie würben treulich erfüllt unb bie ©il= 
ber feiner Sieben unter feine gefalteten £>äitbe 
gelegt. 

9ta4) einem Sefud) unb Arbeiten in ber $ci* 
matl) ging eS wieber nad) ben Sajaretljen in 
Ülntietam unb grieberid Gitt). 3 n legerer 
©tabt wohnten wir im $aufe einer belannten 
loyalen gamilie. #ier fanbcn wir in ber Sfjat 
eine Sopalität, bie allen ©efafjren füfjn bie 
©time bot. 211S ©tonewall gadfon’S ©d)aa= 
ren burd) bie ©tabt ftrömten, riffen fie baS 
Sternenbanner herunter unb traten eS mit iljren 
güfeen in ben St'otf). SiefeS nid)t anfefien ju 
müffen, fdjlofe bie gamilie Spüren unb genfter 
ju, würbe aber bafür Don ben ©adjbaren an 
bie SRebeHen als Unionsleute üerrattjen. Sod) 
bie geinbe Würben halb jurüdgetrieben unb 
mancfje mufften als ©efangene burd) bie ©tra* 
feen marfcljiren. Sie patriotifcfje $auSfrau aber 
liefe baS geliebte ©anuer aus einem Sadjfenfter 
über bie ©trafee wefjen, bafe bie gefangenen 5Re* 
bellen unter bemfelben binburd) mufeten. ©rim* 
mig brobten fie mit it)rer Stacke, wenn fie wieber 
fämen. 

©tit ©efucbeu ber Sajarethe, bem ©ammein 
unb ©erteilen Don ©orrätljen, Wo foltbe notb* 
wenbig waren, würbe bie 3eit bis jur Sd)(ad)t 
Don griebrid)Sburg bingebradjt. ©o fdmell als 
rnöglid) eilten wir nad) ©irginien unb blieben 
im Sajaretl) beS II. GorpS nabe galmoutb. 
3n ber 9lrmee tonnte man ©ianebeS lernen. 
9tie juoor wufete itb, mit wie Wenig STocbge* 
rätbeu man fid) behelfen !ann, wenn eS bie 
9totl) erforbtrt. Gin Heiner Sagerofcn, ein 
fiaffcctopf, ber eine fjalbe ©aflone fafete, ein 
3 inn!effel unb ein eiferncr Sr fiel war nnfer 
ganjcS ©efdjirr, mit welchem wir für bie S. ran* 
f'n fod)tcn unb woraus täglich 70 ©tann Der* 


forgt würben. 9tber wir ftanben frühe auf, 
unb fo Waren wir jeber 3eit fertig, wenn ber 
Stuf jum Sffen ertönte. 

©ineS ©orfaüeS erinnere ich mich aus biefer 
3eit befonberS lebenbig. Sin Jüngling Dom 
148. ©ennfpfü. ^Regiment war burd; einen 
©lutfturj febr betunter gefommen. ©eine SBär* 
terin fam ju mir, mich ju fragen, ob id) nicht 
Derfucben wollte, ihm ju effen ju geben, ba er 
Don ihr StichtS annehme. 34) bereitete StWaS 
für ihn, unb brachte eS hinein. Sa lag er auf 
feinem Säger, fo weife, wie baS 3elttud). 34) 
jagte ihm, waS bet 9lrjt gefprodjen habe, unb 
bafe ich nichts Weiter Don ihm Oerlange, als bafe 
er ben ©tunb öffne unb hinunter fcblude, was 
idj ihm geben würbe. Sr öffnete bie 9lugen, 
fab mich aufmerffam an, bann, wie jufrieben 
mit feiner ©riifung, öffnete er ben ©tunb unb 
liefe fich füttern. 3wei 3Bod)en lang Derpflegte 
ich il) n unb er fchien ber ©efferung entgegen }u 
gehen. Sann aber mufete ich nach #aufe. Un* 
terbeffen würbe bie @cbladjt üon GtjanceltorS* 
Dille gefchlagen. ©obalb eS nach bet Schlacht 
möglich War, wieber innerhalb ber Sinien ber 
9lrmee ju lommen, Waren wir wieber auf un* 
ferem ©offen. SaS Sajaretb war §wei ©teilen 
weit an ben ©otomac Derlegt worben. 9tatür* 
lieh erlunbigte ich müh gleicf) nach ©eorg. 
„Gr lebt noch, aber er lennt ©iemanben mehr," 
biefe eS. 3<h tonnte es faum glauben unb 
fucfjte ihn auf. „Sennft bu mich noch, ©eorg?" 
fragte ich ihn. 3 e fjt wachte er aus feiner Se* 
tbargie auf unb antwortete: „SBie tönnte ich 
©ie jemals Dergeffen!" Stoch jwei ©Soeben be* 
grüfete mich jeben ©torgen fein mattes Sädjeln 
im Sajaretl), bann tarn fein Snbe, unb Währenb 
ich ihm ©Sorte beS ©taubenS unb ber Hoffnung 
in’S Ohr flüfterte, ging er hinüber in eine bef* 
fere ©Seit. 


$tn Iniffrlfnus ;u Perün. 

gür $auS nnb $crt tan 9hil. 8n$. 

i<ht 3ebermann, ber nach ber bentfdjen 9te* 
fibenj fommt, ift eS tergönnt, bie ©Sohn- 
räume beffen in 9tugenfd)ein ju nehmen, auf 
ben heute bie ganje cioilifirtc SBelt mit ©ewun* 
berung btidt — beS beutfdjen ffaiferS. ©erne 
machten wir bal;er Don ber uns gebotenen ©eie* 
genbeit ©ebraud). Sine unferer Siatoniffen 
pflegt nämlich gegenwärtig ben älteften Siener 
b:3 greifen ©tonarchen, ber feine SBohnung 
ebenfalls im ©alaiS hot, bureb beffen Sermit* 
telung tonnten fämmtliche anwefenbe Siatoniffen 
unfereS ©ereinS (acht an ber 3 fl ht) unb ich 



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3m ltairrtl|<uui fu fJfriin. 


637 


mit meiner 1. grau biefe febendmertben Stäume 
benötigen. 9tatf) feiner 91nmeifung fagten mir 
ben bienfttbuenben Safaieh „ber alte gratij läßt 
bitten, und ein{ulaffen." Stuf biefe ©mpfef)luug 
bin tonnten mir bann frei paffiren, mä^renb 
eine ©enge ©enfdjen, bie aucf) hinein Wollten 
unb {urüd gemiefen mürben, nicfjt begreifen 
tonnten, mober gerabe mir bad Sorrecfjt bat' 
ten, eingelaffen ju merben. ®ad gab und ba 
gleich eine treffliche ^ßuftration Don bem ©itt» 
leramte unfered §eilanbed. 

®a ber $aupteingang jum ißataid nur für 
bie b»b e « l>ertfdjaften ift, unb mäbrenb ber 
Stbmefenbeit bed feaiferd gefcfjtoffen bleibt, fo 
traten mir Pon ber roeftlicben ©eite in baffelbe 
ein. $ier barteten mir in einer Sorbafle, bid 
ein Wiener, ber nun feit 15 fahren auf biefem 
Soften ift, und einlub, ibm {U folgen, mad auch 
ohne gögern gefebab. 

3 uerft betraten mir bie ©affenballe, 
melcbe Don bem ®aifer auch ald ®urd)gangd» 
{immer benufet wirb. £>ier finb benn weift 
©affen unb fßan{er aud alter 3eit, Wie mir 
foldje auch auf ber ©artburg unb anbermärtd 
finben, aufgefteflt. ®iefeiben erinnern und fo» 
fort baran, baff alle §errticbfeit ber ©enfeben 
mie bed ©rafed Slume ift — memento mori! 
fieraudtretenb aud berfeiben, befinben mir und 
im Innern bed $aupteinganged Dom Storben, 
ber Derbättnigmägig jmar einfach gebalten ift, 
aber einen b e b ren ©inbrud auf ben ©intreten» 
ben madbt. — Son ba tommen mir {unädjft in 
bad „äbjutantenjiiumeT," in meinem fief) bie 
bienfttbuenben 9lbjutanten aufjubatten haben. 
•Jtebft Derfcbiebener munberoofler ©emälbe, bie 
©eenen aud bem &rieg unb grieben barfteßen, 
unb einiger unter ©lad gefteßter biftorifeber 
klingen, {ieben eine ©enge etwa 25 Zentimeter 
bober Figuren bie 9lufmertfainfeit auf ficb- $ie= 
fetben finb auf einem, ringd im 3immer herum' 
taufenben ©imd aufgefteQt unb Deranfcbaulicben 
aße ©affengattungen bed beutfeben $ecred 
©ie Derfcbieben finb fie boeb in ©röge unb 
©tärfe, in Uniform unb ftudrüftung, in Ser» 
menbung unb Senennung! Unb boeb bienen unb 
geborgen fie 911 (e einem grogen fierrn unb 
e i n e m g r o g e n 3 m e d. 3fft es tm SReidje 
©otted nicht ebenfo befebaffen mit benen, bie 
ihm bienen? $a, ed foßte Don ©otted» unb 
fRecbtdmegen fo fein, barum ift Dom Uebel, mad 
nicht babin jielt. 

Son biw tommen mir in bad „ßntpfangd» 
{immer,“ in melcbem auch bie ©ratulationen 
entgegen genommen merben. Unter ben Der» 
fdjiebenen ©emälben, melcbe bie ©änbe biefed 
3 immerd becoriren, ald biDerfe Schwerer» 
Sanbfdjaften, Serge unb ©een, ßteapel, Som 


u. f. m., ift eined Don befonberer ©ertroürbig» 
feit unb Sunft. ®offelbe fteßt bad ©oßofeum 
in 3tom bar, mb ift aud lauter ©teineben in 
ben Derfcbiebenften ©röfjen, Farben unb ßtüanccn 
{ufammengefefjt. Ueber aßen biefen Darfteßun» 
gen prangt bie ©abonna mit bem ^cfusfinb 
im 9lrm.— 9ln biefed ßimnter reibt ficb bad 
©iniftev» ober blaue 3intmer, in melcbem bie 
©inifterrätbe abgebalten merben. Sou aß’ ben 
ffioftbarfeiten, bie hier glän{en, finb einige be» 
fonberd ermäbnendmertb, ald: ein Uhren» uub 
ein SbHMonKtooefteßr eine Safe, eine ©ebaale 
u. 91. m. aud munberooßem lasurblauem ©tein 
(lapis lazuri), ber aud Sibirien ftamrnt uub 
an ©ertb bem ©olbe gleich ift. ®iefe ©egen» 
ftänbe finb e.n ©efebent S’aifer 9llejanberd il. 
Don ßtuglanb. 

ffion hier begeben mir und in ben intcreffan» 
teften Xf>ei( bed ißalaid — in bad ,,9lrbeitd» 
{immer“ bed Saiferd. Daffelbe ift burd) bie 
©enge ber ©egenftänbe, bie hier aufgeftapelt 
finb, febr beengt. Seim Setreten beffelbcn be» 
tommt man fofort ben ©inbrud, bafj hier nicht 
nur ein ©onareb, fonbern auch ein liebenber 
unb Dielgeliebter Sater unb ©rogDater fein 
©efen bat. ®ad gan{e 9lrrangement trägt ben 
Stempel bed (familiären, mad äugerft ange» 
nebm auf ben Scfucber mirft. Sou ben ST in» 
bem unb ©nfeln munberuoß audgeföbrte ©a» 
lereien, ^eidjnungen, ©tiderein u. bergt, m. 
nehmen bie ©brenpläfce ein. ©ine ©enge 
Schleifen Don ©ratulationd»Souquetd finb an 
ben ©änbeit aufgebängt, ba ßticbtd meggemorfen 
mitb, bid ed in ficb fetbft {ufammen fällt, ©o 
ift bie Oftereier=©oflection, bie ber greife Sater 
Don feinen föinbern, ©nfeln unb Ur»©nfetn {u 
Oftern jährlich gefebenft befommen bat unb feit 
Sabrjebnten b* er aufbemabrt, äugerft inter» 
effant. 3n>ei riefenb ifte Sleiftifte, Don einem 
Siüritberger ffabrifanten gefebenft, liegen auf 
einem lijcbe. 9luf Sriefbefcbmerern u. bergl. 
®ingen lefen mir Derfcbiebene djrifHicbe ©otto’d. 
9luf einer an einem 2ebnftuf)f ficb befinblidjen 
©cblunimerrofle finben mir bie ©orte in ©eibe 
eingeftidt: ,,3<b liege unb fcblafe gah{ im ffrie» 
ben.“ 3 :l bieiem 3immer befinbet ficb auch bad 
fogenannte „biftorifebe ffenfter," Don bem aud 
ber.•Saifer bie ©ittagd=ißarabe, foroie bie bei 
biefer ©elegenbeit fiep anfammelnbe ©enfdjen» 
menge begrügt. jjier batten mir nun bie ©bre, 
auch ftebeit {u bürfen. 9lnfcbtiegeub an bad 
9lrbeitd{immer finben mir bad Sibliotbet» unb 
©cblaf{immer, welched auf’d ©iufacbfte einge» 
richtet ift. 9tu<b finb biefe 3>atmer nicht ein» 
mal tnpe{irt, fonbern nur mit einem grauen unb 
rätblicben Oelfarbenanftricb Derfeben. 

9luf einer hoppelten, balbrunben. ©armor» 


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638 


Per ameükanifdjr Panhfagung&tag. 


treppe mit reichoergolbetem ©elänber, gelangt 
man 31 t ben oberen ©emächero. Gin Valuten* 
hau« bient al« Surchgaitg, um ju bett t>erfcf>ie^ 
beiten Simnient, Steife* uitb anberen Sälen ju 
gelangen. Sie 2Bof)n- unb Sd)lafräume ber 
.Waiferin liegen gerabe über beneu U)re§ f)obeu 
©emahlS. Mm Mn 3 iet)enbften ift auch ()ier mieber 
ba« MrbeitSaimmer ber ff aiferin. 3toei ©egern 
ftänbe jogen me ne Mufmerffantfeit befonber« 
auf fidj. Gin einfach aber nmnbcrfdjöm gear= 
beitete«, oben in eine ff rotie au«laufenbe« unb 
Port bunfelgrüttem Gpljeu umrangte« ©artdn* 
t)äu3d)en, in beut bic l)of)e grau im SBinter mit 
Vorliebe fich aufhält; unb 3 ioei, Pott ettua fünf 
unb 5 ef)u Gcntimeter Surchmeffcr, auf einem 
golbctten Sreifuß ruf)enbe kugeln au« rcinftem 
ÖergtrftftaH, ein ©ejdjcnf bc« ff aifer« 001 t !ga= 
pan. Sie fittb touubcroott in ihrem reinen 
©lattje unb gleich n 3 tuei giganlifc^en Ztjcni* 
tropfen. — in bent fogenannten Mblerfaal, 
ber auch $u größeren Sitter« (bi« 150©cberfen) 
bient, nimmt ber ff aifer jährlich bieSegiüftung 
unb Imlbignng ber in bie Mrmce tretenben ffa= 
betten entgegen. Sicfc« grül;jat)r füllen c« be* 
ren 300 ÜDtann gemefen fein. Ser Stener Per* 
fidjerte tut« al« Stugenjeuge, fiaifer SBilfjelm 
reiche jebem Gin^clncn bie £xxnb unb erfüttbige 
fich nach feinen ^erfonalien unb ganiitienPer^ 


hältniffen; obtool)l biefe Geremonie reichlich 
5 lpei ©tunben in Mnfprud) genommen habe, jo 
ßabe er bodj mähretib biefer ganjeit Seit ge= 
ftanben. Mn biefem ©aal reifen fich noch oer= 
fchiebette anbere Simmcr unb Säle. Sa« ganje 
Calais tuirb mittelft 2 uftt)eijung gcheijt unb 
nur mit Cet unb Stearin beleuchtet, auSgenom* 
men bie unteren Gorribore, toeldje ©aSbeleud)' 
tung höben. 

SESie ber Sicncr un« Perficherte, ißt ber ff aifer 
jeben Sag ffartoffetfuppe unb bie ffaiferin 
Spinat unb gmar auf ärjtliche Serorbnung. 
Scrfctbe crjählte un« überhaupt mit großer 
Segeifterung SRanchc« au« bem Sßrioatlcben 
ihrer 9ftajcftätcit, fo baß mir untoiUführlich an 
ben MuSfprudj ber fföitigin au« Mrabicn, 1 ff ön. 
10, 4— 9, erinnert mürben. Sine in ben ©e* 
ntächern h*™mflicgcnbc SKotte rief mir aber 
aud) bie crufte Mahnung be« £errn in’« @e* 
bächtniß: „Sammelt euch Schäfte, bie meber bic 
SJtotten noch ber Moft freffen, unb bie bie Siebe 
nicht uathgraben ünb flehten/' unb bamit fdjmim 
bet bentt auch bei foldjett ©ctegenheiteu ba« 
„fich gelüften laßen/' welche« fich fo gerne regt, 
^öffentlich ift c« un« Mllen Pergönnt, bie £>err= 
lichfeiten linferc« hi mni lifdKH fiönig« nicht 
nur 311 feften, fönbern iljrer auch theilftaftig ju 
merben. 


*»fr 


Prr rtmrriltiiiiifdjc pmih(ö0uti06ta0, 

Sfür galt« unb gerb bon 3 . Sdjlagcnhauf. 


j!l auffagmigetage mürben fdjon im früheren Ml* 
%ß Jcrthume gefeiert, unb babei ber ®ottl)eit Opfer 
bargebradjt, entmeber für empfangene SBohl* 
tl)atrn, ober megen Grrettutig au« ©cfaljren. Muf 
bem cnropäiichcit geftlanbc bcfteljeit bie Grnte unb 
perbftfefic, bei meldjem bejonber« bie Sanbbeüölfe* 
rung Öott im Tempel Sanfopfer barbringt für ben 
Segen, melden GJolt au« ber Saat ermrienen ließ. 

Schon irft gahre 1621 hielt bie $lt)inoutb Golonie 
in yjtaffachufctt« einen folchen Sanfjagung«tag. 

Ser erfte Sommer nach ihrer fianbimg mar fehr 
troefen, unb fie erhielten nur eine fpärlichc Grnte, 
menhalb ber Wouoerneur William ^rabforb üier 
ÜJtäun.'r nach Söilbpret auf bie gagb fanbte, bamit 
bie gaii.H’ Golonie fich erfreuen mödjte, nadjbem fie 
bic griiehte ihrer Arbeiten eiugefanimelt hatten. 

Ser erfte öffentliche SantfagungStag in Mmcrifa 
mürbe aber erft 1631 i:t 9J2affad)ufett« ®ap profla* 
mirt unb am 22. gebruar abgchaltcn. 

Sic 2eben«mittel fingen an, au«augehen unb man 
bcid)loff, einen allgemeinen ^uß= unb gafttag ab^u* 
halten, uni bie broi)cnbe £mngcr«notb ab^umenben. 

Guttgc Sage bor bent ermähnten Saturn fam ba« 
längft ermartete Sdjiff bon Gnropa mit ÜebcnSmit* 
teln an, unb au« bent gafttage mürbe ein Sanffa* 
gungetag. Später mürben bon ben GJoubcmeurcn 


ber berfchiebenen Staaten, fomie bom Gongreffe unb 
bem Spräfibentcn $roTlaiuationen erlaffen, m roelcpen 
baö Mblf aufgeförbert mürbe, an einem beftimmteii 
Sage „feinen Sanf gegen GJott au«3ufpred)en, für bie 
mannigfachen empfangenen ©ohlthaten, unb ba« 
^orredjt, eine freie Regierung unb Staat«form ju 
haben/' 

Mber erft burdh Mbraham Sinroln mürbe ber natio* 
nalc San!fagung«tag öffentlich ciitgeführt. Mach bem 
fehmeren Sieg bei ©ettpeburg erlieft er am 15. Suli 
1863 eine ^rollamation, monn er ba« SSolf ber $$er* 
einigten Staaten auffortfrie, am 6. Muguft bie ©c* 
fdjäfte cin^iiftcllen, unb bem „Mümächtigen 311 banfen 
für bie munberbaren Singe, melcfte er an ber Mation 
gethan; nnb zugleich um bat Ginfluft be« h^igen 
©eifte« ju bitten, bamit ber £>aft aufhören uitb bie 
gan^e Mation 311m briiberlichen grieben fturüdgebracht 
merben möchte." Sief er Mufforbcrung Ouicoln’« 
mürbe allgemeine golge geleiftet unb feitbem erläftt 
jebe« gahr ber ^ßräfibent eine Sanffagung« * ^ßrotlü* 
mation, in melcher ber leftte Sonncrftag.be« SORonat« 
Mooember al« Sanffagung«tag beftimmt mirb, unb 
bereit« al« gefeftlidjer geiertag anerfaunt morben ifl. 

9Bir mollen mm näher auf bic ©rünbe cingchen, 
mefthalb ba« amerifanißhe ^olf feinen Sanffagungfr- 
tag mürbig feiern folltc. 


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JJrr omerikanif^t Pankfagungsto;. 


639 


1 . $a8 2anb, t».-ld)e4 un£ ®ott ftiim SBotmft&t 

S ab, ift eilt grogeS 8aitb. 8om SUlantijchen ©teere 
iS §nm Stillen Occau ift eS 3000 Weilen lang, nnb 
Vom Wolfe bis $ur Storbgrenje 1600 Weilen breit, 
©an* Europa ift nur um 5030 geographijehe Weilen 
größer als bie bereinigten Staaten. 

©enn mir bie grogen, für unfruchtbar gehaltenen 
Slädjen unfereS ÖanbeS abred>nen, fo ift oer frucht¬ 
bare Xh ciI beffelben immer noch fo grop all gan* 
Europa, mit SluSnahme StuglanbS. @3 ift eiu 2.utb, 
über meinem bie Sonne nie untergeht- © *itn bie 
gifcher im hphen Stovben, auf ben »eleutian Qnfcln 
oeS SlbenbS ihre Stepe ein*iehen, fo glänzt im Staat 
SRaine bie Sljt ber ©oljfäller in ben Strahlen ber 
aufgebenben Sonne. 

2. ©3 ift ein reichet Sanb, baS unermegliche Sippe 
ttnb @bel'Wetaffe enthält. 

3)er jährliche ©olb« unb Silber «©erninn mirb auf 
76 SRiflionen Dollar« veranfcplagt. Manche Silber- 
Seinen liefern jährlich fo oiel (SDel Wetaü. als erfor« 
berlich märe, bem Sultan baS gelobte ttanb abju« 
laufen. 

2>er ©ifen*©eminn beträgt jährlich 5 Wiflianen 
Tonnen, mährenb Kupfer, ©lei, 3inf unb anbere We- 
falle in verhältnigntägig grogen Quantitäten gefuit- 
ben merben. $ie Kohlenlager merben auf 250,000 
cnglifche Quabrat - Weilen gefepäpt, unb jebeS gapr 
00 Millionen Xonnen auSgegraben. 

$ie riefigften ©älber bebeefen unabfehbare Stre- 
den, mährenb in manchen ©cgenben Kofjlöl unb ©rb- 
gaS in SRenge auSflrömt. 

£urd) bie ©inmanberung mirb ber Steicpthunt beS 
ßanbeS alljährlich um 60 Millionen Dollars oermehrt, 
toährenb fte zugleich uns mertpvolle Kräfte juführt, 
welche bie ©ülfS-Oueflen eröffnen helfen. 

3. ©3 ift auch ein fruchtbares fianb, baS im Süben 
bie ©robufte ber heigen, in ben Wittelftaaten bie ber 
gemägigten unb im hohen korben bie ber falten 3oue 
beroorbringt. ©ir heinifen jebeS gapr in runber 
Summe 475 WiQioneu ©ufpel Seiten ein, 45 Willio^ 
nen ©ujpel ©erfte, 425 SRillionen ©ufpel ©afer, 
21 SRillionen ©ufpel Stoggen, 12 SRillionen ©ufpel 
©uepmeijen, 230 Millionen ©ufpel Kartoffeln, 110 
Millionen ©fnnb SteiS, 90 Millionen ©funb 3ncfer, 
7 SRillionen ©aßen ©aurnmoße unb $anf, glacpS, 
gueferrohr, Qbft u. bgl. m. in entfpreepenber SJtcnge. 

®ie SRatS* Ernte beträgt jebeS gapr ungefähr 
1500 Millionen ©ufpel, mooon auf ben Staat Qfli« 
ltoiS ungefähr 160 WiHioncn ©ufpel fontmen, bie 
auf ©agen geloben einen 3«g geben, 25,000 Weilen 
lang, ber um bie gan&e Erbe henim reichte 
3cbeS 3apr mädift ber Steicpthunt btejcS SanbeS 
um 875 SRißionen XoflarS, baS ift 2J£ WiUionen je* 
ben $ag. 

©runnen unb Quellen fliegen überall, glftffe unb 
-Ströme burdijiehen wie Silbcvfäben bie Staaten, 
vermitteln ben ©erfepr, bemirfen grueptbürfeit unb 
Kühlung, mährenb reiche Stegenfäfle, bie ©erfepieben* 
heit beS Klimas unb ber ©rbarten, eine Wannigfat= 
tigfeit ber ©obencr^eugntffe begiinftigen, mie fein an- 
bereS fianb ber ©rbe fie aufjumeifen oerntag. 

$>er ©ntmicflungSprojeg biefeS SanbeS mar ein 
grogartiger, mie eS in ber gaiuen ©cltgejcpicpic fein 
Scitei ftücf gibt, ©o vor 50 fahren unbttrepbring- 
* liehe urmälber, gefährliche Sumpfe unb unmirtp- 
fdjaftliche ©benen maren, ba finb mie burch 3 a uber- 
jcplag fruchtbare ©eftlbe, Dörfer unb Stäbte mit 
Kirchen, Schulen, ©aläften, gabrifen unb Kunfthaüen 
nitftanDen. Unb hoch ift faum ber Anfang gemacht, 
©enn baS grogartige ©ifenbahnnep bie entfernten 
^nfleblunjen mit ben äRtttelpunftcn bcS ^anbelS 

' 'i 


oerbinhet; bie grogen Strecfen unfruchtbaren SanbeS, 
bie ntetaü- unb mineralreichen ©ebirge tu ben Kreis 
ber Kultur hineingejogen, unb bie grogartigen ©af* 
ferfräfte nupbar gemacht merben, erft bann h«t btt 
©ntmicflung beS 2anbeS ihren vollen Anfang ge« 
nommen. 

4. ®3 ift ein Sanb bürgerlicher unb religiöfer grei* 
heit. 2)a gibt eS feine oebor^ugten Klaffen, bie fich 
baS^rioilegium amnagen, ihren 9Ritbürgern baS po* 
litifch * unb religio je ©laubenSbcfenntnig $u biftiren. 
^lle haben baffelbe Stecht oor bem ©efep unb im bür« 
gediehen ©erfehr. 

©ont Sltlantifchen bis jum Stitten SReere, bon ben 
©eftaben beS ©otfS bis ju ben ©uchten beS StorbenS 
meijt bie gähne ber greiheit unb ©teichberechtigung 
für Sille. 3)a3 ©olt roählt feine ©eamten. ©efepgeber 
unb Stichter felbft, unb nimmt fie bom ©flug, aus ber 
©erfftatt unb Stubirftube. 

5)ie megen ihren Steifen befannt gemorbene Slme* 
rifanerin, gtoriba ©hite, befuchte mätjreitb ihres Sluf* 
enthaltes in Stom auch ben ©apft ©iuS IX. 2113 fie 
bie gemöhnlichen $oneur3 burchgentacbt hatte, jagte 
ber heilige ©ater: „SReine Xochter, 2lUe, melche nicht 
bon fürftlicher ^erfunft ftnb, thun bor mir einen gug« 
faß.“ Wit bitterlächelnbem SOtunbe fagte bie belet« 
bigte Stepublifanerin: „^eiliger ©ater, in Slmerifa 
ftnb mir alle gürften!" darauf ermiberte ber ©apft: 
„Stun, fo empfange ben Segen eines alten ÜÄanneS." 
Ob ber Unfehlbare $mei Segen habe, einen SUten« 
manncS-Segen unb einen ©apft-Segen, barüber lieg 
fich Slntcrifanerin feine grauen öaare machten. 

Sticht nur feinen ©ürgern gemährt biefeS Sanb 
foldje ©orred)te, cS ift auch ein 2lft)l für alle politisch 
unb religiös ©erfolgten. Sobalb fie ihren gug auf 
unjere ©eftabe fepen, fällt jeber ©ann unter bem fie 
ftanben, unb baS groge ©ut ber greiheit, um baS bie 
©belften ber ©rbc beteten, fämpften, bluteten unb 
ftarben, mirb ihnen in bie §änbe gelegt. 

gn ber grogen, fruchtbaren ©bene Sinear mollteu 
bie Stachfommen ber brei Söhne SfoaljS einen ^im« 
melhohen Xhurm bauen, melier ber Wittelpunft 
ein £ gigantijehen ©eltretcheS merben jottte. $a fuhr 
©ott ber ^>err h^rniebcr, unb ocreitelte burch Sprach^ 
oermirrung baS tolle Unternehmen, bag fic in ade 
©dt fich flerftreuten. SemS Stachfommen ^ogeu nach 
SRorgcn unb bcoötfertcn SRittd« unb § 0 $ * ttfien. 
^amS Ktnber pilgerten nad) Süben unb breiteten fid) 
in Qnbieit, Slfrifa unb Slrabien auS, mäljrenb 3aphdS 
Stad)fommenfd)aft nach korben über Klcmaficit unb 
©uropa hin^ogen. 

Stach 4000 fahren fommen fie auf biefem grogen 
©ontmente mieber ^ufammen, Sem im ©^inefen, 
§am int afrifanifchen Steger, unb 3 a Ph^l im Euro¬ 
päer, um am Xempel ber greiheit ju bauen, 3000 
SJteilen lang unb 1600 SReilen breit, in melchem bie 
brei miebemremigten SRenfchenraffen ihre ^anf- 
Opfer p bem breieinigen ©ott emporfchicfen. Unb 
menn bief.er Jernpel einmal in feiner ©ollcnbung 
baft^hf, mirb aus ©litten unb ©aläften, auS Xhü s 
lern unb von ©crgeSpöhen baS Sieb ber greipeit 
erflingen: 

„^cimatfjlaub flroß unb »dt, 

SV dt)rit unb ©ett flcrudljt, 

Wtin bir [inqt. 
lianb bad ben Tätern ©rat 1 , 

9iubc brn ^ilflcrn flal’, 

JBuii jeber ipöti’ herab 
ftrdtjeit extlinflt." 

5. ^)cr glücflidje gortbeftanb beS fianbeS beruht 
auf ber banfbaren Slncrfcnnung ©otteS unb ber ©e« 
folgung feiner ©ebotc. 

- Schon äa3 follte unS junt ^anfe gegen ©ott be 


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640 


Jlrr „$djmcr|«swrg" im ))farr§ariro fu ülsni^. 


wegen, baß er biefed fianb galjThunberte* lang jjtou 
jdjen ben großen Leeren oor ben Wugen ber .©eit 
oerborgen hielt, bid bie großen gbcen oon SMenjchew 
rechten, reltgiöfer unb bürgerlicher Freiheit {ich Vaßn 
gebrochen unb burch bie Vuchbrucfe.funft Verbreitung 
finben fonnten. 

3>ann erweefte ©ott in ber Vruft bed ©oluntbud 
ben $rang, nach öcm ©eften flu fegeln, bem §anbel 
neue Vaßnen ju offnen. Unb er fanb, Wad er weber 
ahnte noch fudjte, eine neue ©eit, beftimmt, eine gm 
fluchtdftötte ber Verfolgten, ein $ort bürgerlicher uub 
religiöser greiheit au fein. 

Unter ben Arabern foü cd eine Sage geben, ©ott 
habe bad Varabicd nicht $erftört, fonbern ben Vlicfen 
ber SKenfchen oerborgen, bamit nicht ein oernichten- 
ber ftrieg um baffelbe entftehe. 

Jütten bie ^Machthaber ber alten ©eit ben fReid)- 
thum, bie grueßtbarfeit unb lünftige ©röße biefed 
fianbed geahnt, fie würben bid auf’d Weußerfte um 
beu Vefjß beffelben gefämpft haben. Slber nun war 
ed oor ihren klugen oerborgen, unb würbe bad (£rb? 
theil etned freien Volfed. 

Xarum follte auch & Q d fianb mit feinen freien gn* 
ftitutionen ©ott geweiht fein. Schon ©olumbud war 
oon biefem ©ebanfen befreit, barum entfaltete er bie 
gähne mit bem $reu$e, pflanzte fie in bie ©rbe, unb 
nahm bad neugefunbene fianb feierlich in Vefiß für 
©ßriftum unb feinen Äönig. 

$ie Vilgeroäter fielen nach glüdlicher fianbung auf 
bte ftnie, unb weihten bad fianb feierlich für fich unb 
ihre Madjlommen flum $ienfte ©otted. 

$)ie ©rünber biefer SRepublif befannten offen ihre 
ftbhängigteit oon ©ott, unb nahmen $u ihm ihre gu* 
flucht in ben herben Kämpfen. 

Sollte bad amerifanifche Volf je ©otted oergeffen, 
bann wirb unfer SReichthum oerfchwinben, wie 
Vabplond, ©hartßagod unb SRomd, unb ber Spruch 


bet weifeften flönigd bed ttlterthumd wirb fid) a:i 
und betätigen: „$tc Sünbe ift ber fieute Ver* 
berben !" 

Abraham fiincoln führte in feiner ^weiten gnau* 
gural*2lbreffe biefe ©ahrheit bem Volte oor bad ©e* 
müth mit ben ©orten: ,,©enn ©ott will, baß biefe 
&riegdplage fortwahre, bid aß’ ber SReidjthum oer» 
nichtet ift, ber burch bie unoergütete Arbeit ber Sfla* 
oen, wäprenb 250gahren aufgehäuft worben ift, unb 
bid jeber Vlutdtropfen, ben bie ^ßeitfe^e fließen 
machte, burch einen anberen, ben bad Schwert oer* 
gießt, befahlt worben ift, fo muß Doch heute, wie oor 
3000 gabren, gefagt werben: ,/Die ©crichte bed §erm 
finb aUefammt wahrhaftig unD gerecht." 

Veim Ueberblicf unferer bürgerlichen unb fojialrn 
guftänbe tritt und allerbingd manched Veforgntß (£v 
regenbe entgegen. $ie communiftifchen unb anar* 
chiftifchen (Elemente brohen burch ihre ©üßlereien bie 
bürgerliche Orbnuug $u gefährben. $ie Korruption, 
bie Unmaßigfeit, bie Sabbathentheiligung unb ber 
^ochmutb greifen an manchen Orten um fich, aber 
mit ber ©clt überwinbenben Äraf11 er Religion wer¬ 
ben wir biefe Utb.’l befeitigen fönnen. 

$ad ©hriftenthum fcßlägt immer tiefere ©urgeln 
im Volfdleben, unb ber ©eift ber ©ahrhrit unb ©e* 
rechtigfeit bricht fich Stoßn. gu Anfang biefed gaßr* 
hunbertd gehörte in biefem fianbe nur eine V*rfon 
aud 15 $ur chriftlichen Äircßc, jeßt ift jebe fünfte fßer* 
fon ein SRitglieb berfeiben, grüher befannten fich 
nur wenige ber ftubirenben gugenb gum Shriften* 
thum, jeßt ift bie weit überwiegenbe gaßl treue 
Kßriftudbefcnner. ^Millionen fjänbe fmb thätig, ber 
©ahrßeit jum Siege $u oerßelfen, unb eben fo oiele 
fterjen beten, baß ©ereeßtigfeit bie (Erbe bebeefe, wie 
bie ©affer bie $iefe bed SKeered. Unb biefe Änftren* 
gungen wirb ©ott mit (Erfolg fegnen, unb biefe Ma* 
tion mit §eil unb Segen frönen. 


*€ 83 * 


Per „Sdftttrrirnoiorg^ im Pfarrgarten ;u idanifj. 


Ufer ber ©dj(ei in ©olftein liegt 
TX, baS Wegen feiner lanbfchaftlicßen 3teije 
betannte ®irtbborf UI ä n i g. gn beni 
bortigen Pfarrgarten mirb ein fd£)maler, mit 
bo()cm Suc^eibaum umfriebeter ©teig ober 
@ang Oon bem jebeSmafigen Pfarrer biä auf 
ben heutigen Sag gejeigt unb bann geroöfjitlid) 
ein an biefen „@c|merjen#meg" — fo roirb er 
noc^ fieute genannt — gefnüpfteS merfroürbige3 
ßreignijj oon bemfefben er^afjU, mefebeä id> 
bemfelbcn ^ier nat^eriä^Ien miß. — Unfern 2e= 
fern ift gewiß bie traurige ©ef^ießte Oon bem 
bänifdjen ©taat^minifter ©raf 3°^° nn Srieb- 
rief) oon ©t tuen fee befannt, ber fid) afö 
©oßn eines ©eiftlidjen ju einer $öf)e im 
©taatsfeben cmporfd)roang, bie nur einigen 
9 fuSerwäf)ltcn ju erreichen befeßieben ift, ber 
aber bann auch einen eben fo jäfjen ©tnrj er» 
lebte unb fein Unternehmen mit bem fcßiinff 
liehen Sobe auf bem ©futgerüft büßen mußte. 


(8 er am 28. Äprif 1772 in Kopenhagen öf= 
fentfich enthauptet Warb, foff fich im Pfarrgar* 
ten jit UfSniß gofgenbeS jugetragen hoben: 
SeS ©rafen Pater, Slbarn ©truenfee, ein frud^t» 
barer theologifcßer ©chriftftelfer, ber eine Steitje 
oon erbaufichen Schriften unb ©rfförungen ber 
Priefe an bie ©afater unb an bie Hebräer hotte 
erfeßeinen (affen, war oon ^affe. Wo er als 
Prebiger Wirfte unb Wo ißm auch fein ©oßn 
geboren watb, im Saßre 1760 afS ©eneraf- 
©uperintenbent Oon ©cßfeSWig = ^offtein unb 
§auptpaftor nach Sfftona berufen worben. 9(8 
er bie Kutbe oon ber Perurtßeifnng feines 
©oßneS jum Sobe erfuhr, eilte et fofort nach 
Kopenhagen, um womöglich biefefbe rücfgöngig 
ju machen. Seiber gelang ißm bieS nicht; bie 
am §ofe einflußreichen gfeinbe beS ©rafen 
©truenfee wollten beffen Sob auf jeben gatl 
bureßfeßen unb fomit mußte ber arme Pater 
| tiefbelrübt bie fRüdreife antreten. ffir ßatte 


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Hbrdjirbftbrirf emrr flftbrnbeii {ttuitrr an iljre Sodjtnr. 


641 


fid) tiod) öorfjer gang genau nadb Seit unb ©tunbe 
ber ©nttjauptung feinet ©oljneä erfunbigt. Um 
termeg« lehrte er bei feinem greunbe, bem ^ßaftor 
gu Ul«niß, ein, um f)ier beit Sag ber jpinridj* 
lang abgumarten. SU« bie ©tunbe natjtc, non 
ber er toußte, baß fein ungfütflicfjer ©ofpt bann 
fterbeu foüte, begab er fid) in ben bortigen *ßfarr= 
garten unb toanbelte, bie Ufyr in ber £anb unb 
ba« Sluge feft auf ba« 3ifferbtatt gerietet, in 
bem oben begegneten ©ange fdjtoeigcnb auf unb 
nieber, bi« ber feiger ifym ben Xob feinet ©ofc 
nr« öerfünbete, in meinem Slugenblicf er toic 
gebrochen niebergefunfen fein fod. — Siirglidfj 
fanb icf) in bem geuitletou ber $eutfdf)en 9to* 
inangeitung gufäßig ein ©ebidjt, tucldje« biefen 
Hergang anfd£|aulic| fdjilbert, unb au« toetd)em 
id£| tyter bie intereffanteften ©teilen folgen taffe. 
G« Reifst bort: 

„-Unb too bie ©ogrn 

Ser ©djlei uralte« grübling«lieb 
Sn« Ufer rauften, roo ben Stegen 
$u ftäupten grüner ©idjnmlb gieljt, 

@ebt einfam, gitternb, angftoou bangenb 
Sa« Slug’, oott namenlofen SBeb’«, 

Slm 3ifferblatt ber Ubr ftarr bangenb, 

Ser greife Steter ©tuenfee’«. 


9tm felbcn Sage, gur felben ©tunbe, 

SJtimite auf Minute rinnt, 

©r tjörf«, — bie SBeüe raufd)t*« bom ©unbe, 

©r bört*«, — c« raufet fic nad) ber $8mb, 

©r füt)lt ber ©rbe S3ruft erbittern. 

Ob auch bie grrübUng«fonne lacbt, 

Senn ^r^olerbanb toiU fred) gerfplittern 
Ser ©tebe munbcrbolle $ra^t! 

9Run gerrt man rob tljn bureb*« ©ebränge — 
SJtinute auf 9ttinutc rann — 

Sie ©lode tönt, — e« Ijöbnt bie 3Renge 
Sein ftolge« Äinb, bu armer SJtann! 

Ser Harren hält am ©lutaerüfte, — 

©r fteigt berau«, er fteigt l)tnan — 
gn« SBcite fdjaut er, gleid) ol« grüßte 
©r Sieb noch einmal, alter SDtenn. 

©abft bu auf bobem ©djloßbaltone 
gm ©lutaetoanb bie Königin? 

©« gutft ipr SJtunb in toilbem ßobne — 

9?un fdjleppt man it>n gum Richtbeil bin, 

©r fniet, — e« blifct ba« S3etl — gu glommen 
gäblobcrnb, mirb ba« ©onnenlicbt, — 

Ser greife Steter briebt gufammen 
Unb birgt in*« 3Roo« fern Stagefidjt. 

SBenn bu, lieber Sefer, einmal ben fßfarr^ 
garten gu Ul«niß befugen fotlteft, bann toanble 
ancb gu jenem ©djmergen«toege, too eine« um 
glütflidjen Sater« £>erg brad&! (<ßfarrf)au«.) 

*€ g3S «* -s - 


Hbftytftobrirf einer flrrbniben Htulter an iljre todjtft 


Siebe (Eocijter! 

©olb unb ©Über f)obe idf nicht; tuaS ich aber 
habe, baS gebe ich bir. ®ie $eit lommt heran, 
ba ich ben SBJeg alles QFteifcheS gehen muß; ich 
fühle, bag mid) ber $err halb heimholen mirb 
iu bie himmlifdhe $eimath, unb bag mir uns 
auf (Erben nimmer fehen merben. 0, lebealfo, 
liebes Kinb, bag mir einft im Stimmet einanber 
als felige Kinber ©otteS mieberfeljen tönnen! 
3ch mug bi<h je|t gurücllaffen in biefer SBelt. 
$u bift aber nic|t allein; bein $err QefuS, ber 
treue |>irt, ift bei bir, ber gefagt hat: jfd) miß 
eudh nid)t SBaifen (affen. ®arum folge beinern 
$eitanb nach in beinern gangen Sehen! 

SBeljatte, maS bu gelernt haft unb bir anüer- 
trauetift; oerfäume nicht, beinen ffatechiSmuS 
gu lefen unb gu lernen, lies fleifjig unb nnbäch> 
tig in ber Sibel, benn fie ift eine Kraft ©otteS, 
felig gu machen alle, bie baran glauben. 

SieS aber auch, fo bu 3 e >t finbeft, manches 
anbere fcfiöne (Buch; ber fDienfd) mug immer 
fuchen unb lernen. (Bergig beine Sieber nicht, 
finge bei ber Arbeit; ein gutes Sieb h“t fchon 
oft ben leufel oertrieben. 

@ete fleigig; ein lag ohne ©ebet ift ein 


@djritt gur $öße. brachte am erften nach bem 
(Reiche ©otteS unb nach feiner ©eredf)tigfeit, fo 
mirb bir aKeS Slnberc gufaOen. 

©ei nicht eitet auf beiuen Seib; bie (Btüthe 
oermellt gar halb. £>änge bein ©etb nicht an 
f|5uh unb Kleiber; fei foarfam! @ i n erfpar» 
ter ihaler macht bir mehr greube, als gehn für 
eitle Kleiber hinauSgemorfene. aber ein ger* 
riffeneS unb fchmu^igeS Kleib an einem 2Räb= 
dien ift ein böfeS Reichen. 

Irachte nicht nach h°^en gingen! ©uche 
nicht in groge ©läbtP gu lommen: toer geh in 
©efaljt begibt, lommt barin um; Xaufenbe jun» 
ger ©eelen haben baburd) Unfchulb, @h re unb 
©cfunbljeit oerloren. 

©ei gurüdhaltenb unb ftolg gegen gubring= 
liehe unb leichtfinnige Seute, gutraulich unb tem= 
begierig bei guten unb rechtfdfKtffenen Seuten. 

(Seine @h re unb Unfchulb ift baS höchfte ©ut, 
barum tage bidj nicht mit ÜRdnnern ein, metche 
oerfprechen unb nicht hatten, metche nur beine 
Unfchulb bir aus bem $ergen fchmeicheln. 

fliehe bie Süfte ber 3ugenb unb alle Sßerfu» 
jungen gu ©ünbe unb ©chanbe. SSenn es 
©otteS SBitte ift, mirb er bir fchon einen ÜRann 


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042 (flniü# oon (Kljrifltan jUrdiifcjott (Stllrrt. 


crfeljen, ber jur regten $eit in aßen ©hren bich 
heimhott. 

©djmeichte Sßiemanb, Iah b i r aber audj nie 
f<f)meicf)eln. 

® e r i ft bei« greuttb, wetdjer bir bic 2BaIjr> 
beit fagt, fetbjt wenn er ernft unb tabelnb mit 
bir fpridjt unb auf gehler unb gefahren bid) 
aufmertfam macht; rocr aber nur f<f)öntf)utunb 
©päfje mit bir macht, ber meint eS nidtjt gut 
mit bir. 

SBerbe ßJiemaub etwas fdjulbig; mache bu 
bir aber burdj greunblid)feit unb Sßohlthateu 
recht niete banfbare Sd)ulbner. 

5)aS SSeib lerne in ber ©title: ©el)e nicht 
niet non ber Strbeit aus bent £>auS. ®emuth 
unb 3nrüc!gejogenbeit ift beS SBeibeS 3ierbe. 

Schwäne nicht unb höre nicht auf ©efchwäfc, 
bann wirb man auch über bicb nichts SBöfeS rc= 
ben tonnen. 9Jebe unb lad>e nie, wobei ©ott 
unb gute SRenfchen nicht jul)ören bürften; tbue j 
nichts, wofür bu ©ott nicht herzlich banfeit faituft. 

©in 2Räbcf)en, non bem bie Scute im $orfe nie! 
reben, ift nicht löblich. 

©ei am tiebften ju $au8 unb bei beinern ©ott. 

®r ift überaß, er weih bicb tooljt ju finben; er 

--- : -a—sK®* 


fieh't auch in bein $erj,—bewahre bich ©ott oor 
©ünben! 

®arum habe allezeit ©ott oor klugen unb im 
4 ?er$en unb hüte bid), bah bu in feine ©ünbe 
wittigft unb ttjueft wiber ©otteS ©ebot. SBenn 
bu fromm bift, fo bift bu angenehm. 

©ete unb arbeite, fo hilft bir ©ott aßejeit! 

Siebe lochter! ©eherjige biefe SSorte, fee 
fommen aus einem tiebeooCen SRutterherjen, 
baS niet für bich gebetet hat. 

SieS biefen meinen testen SSißcit recht oft 
unb tfjue barnach; wenn bu alt fein Wirft, bann 
wirft bu mit Xhräncn erfennen, wie ich recht 
gehabt unb eS gut mit bir gemeint habe. 

©ebe ©ott, bah bu nie eine Sfjräue ber fReue 
über leichtrmnigc ©ünben weinen muht! 

SRadje bem Anbeuten unb guten ÜRamen bei“ 
ueS ©aterS unbbeincr fterbenben SRutter immer 
©hre: bann fann ich leicht fterben. gebe mof)!! 
“55er ,£>err behüte bidf) nor aßem Uebet, er be< 
hüte beine ©ecte! ®er £crr behüte beinen 
^tuSgang unb ©iugang non nun an bis in ©mig* 
teit! Stuten. 

®aS ift baS leftament beiner treuen SRutter. 


(frtwnö noit ©Ijrifliait fürdjtegott (öeUrrt 

%nx $ait* unb §trb non $• 9R. 


epilier unb ©ikpe nennen mir dichter* 
fürften unb in gewiffem Sinne ift 
biefe Benennung eine burepnuä berede 
tigte. 2Bir befipen jebod) unter uitferen 
beutfcpen3)icptern tnanepen niept fö poep 
gepriefenen, ber trobbem nidjt weniger 
mit ©rfolg für bie ©rjiepung beS beutfepen SSolfeS ge= 
wirft pat. Unter fie jäplen mir auep ©priftian 
güreptegott ©eitert, ben öielgeliebteit Scip= 
jiger ^rofeffer, geboren am 4. Qfuli 1715 im Nfarr* 
häufe *u ^ainiepen, unweit greiburg im fäcpfifdjen 
©rjgebirge. Qm §ainicper ftirepenbuepe ift nod) peute 
julefen: „©priftian giirdjtegott, ©priftian ©el* 
lert'3, ^aftoriS aüpier, fünfter Sopn, ift ben 4. $uli, 
Nachmittage %'Z Upr geboren, unb ben 8. biefcä ge- 
taufet worben. 3)ie Niutter ift grau Johanne Sa* 
lome, geb. Schümm.“ Unb barunter fepte ber gute 
SSater: „9lcp $>err, höre mein ©cbet auch für biefen 
Sopn, lag ihn wohlgeraten, fromm uitb ewig felig 
werben.“ 

3)iefe£ ©ebet pat ©ott erhört. Sein (S^^riftian 
gürchtegott wurbe nidjt nur ein *ßrofeffor unb ein 
beliebter dichter, fonbem ein CE^rift. Nod) heute 
fingen wir im Segen feine Sieber im ©otteäpaufe 
unb in ber gantilte. ftep erinnere nur an „$Benn 
id) o Schöpfer beine utfaept, bie 28ei3peit beiner 
28ege, $ie Siebe, bie für s Me wad)t, 5(nbetenb 
überlege,“ an ba$ fepöne „$8ie groß ift be4 NU= 
htaepfgen ©iite, gft ber cm Ntenjd), ben fie nicht 
rüprt?“ ober an fein Niorgcutieb „Nteiit erft* ©ejüpl 


fei $retö unb ®anT, ©rheb* ihn meine Seele." Unb 
wenn einmal ftatt ber pellen Sonne finftere SBolfen 
am ^ufunft^pimmel ftanben, wer pat nidjt ba gerne 
mit tpm gefungen: 

Stuf ©ott unb niAt ouf metnen Äatb 
SBill id) mein ©Iftd ftet^ bauen, 

Unb bem, ber miA geiA^fffn bat 
3Rit ganzer ©eel e trauen. 

©eitert pat jebo<^ biefe Sieber nid)t nur gebiep- 
tet, b. p. uur eben fo mebergefepneben, fonbern er hat 
fie felbft burcplebt. ©inmal fepreibter oon ber erften 
^eit feiner befepeibenen SBirffamlcit, bie er fpäter bie 
alürflicpfte feinet Seben« genannt pat: „©in wenig 
s JNeifjeher SBein mit etwa§ ®rob erquirfte mich brö 
?lbenbÄ, wenn icbmeine Unterweifungen gecubigt patte, 
oft bis ju banfbaren Xpränen." Sold)e 3ufrieben* 
peit unb Xanfbarfeit pat jeboch ber SNenfd) niept au^ 
fiep felbft. 2)ie empfängt nur ber, ber fo ju bauten 
oerftept, wie © e 11 e r t eS getpan pat: 

©ptt beine ©fite reiAt jo feeit. 

So meit bie SBolteu geoen; 

$u trönft un® mit öarmberjigreit, 

Unb eilft uns beijufteben. 

.perr meine ©ura, mein JvIS, mein ^ort, 

Vernimm metn ftletjn, mert auf mein SBort, 

S)enn iA n?iU bor bir beten. 

ftA bitte niAt um Ueberfluft 
Uno ©AÜbe biefer ©rben. 

£4 mir, fo bitrl iA ntu&, 



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(Hroofl von (Hjriftian liirdjtfgott ©fUerl. 


«43 


9?ad) beiner @üte »erben. 

@ib mir nur ©eidbeit unb Bcrftanb 
$id), @rtt, unb ben, ben bu gefanbt, 

Unb mich frltft *u ertennen. 

©o tritt idj benn, $err Bebaotb, 

Änd} nicht um langed Sieben. 
ftm ©lüde 5)cmutq, Wutb tn Wotb, 

$ad toolieft bu mir heben, 
ftit beiner öaub fiept meine Beit: 

Siafe bu mich nur ©armberzigfeit 
Sb'or bir im Xobe finben. 

SefonberS fegcnSreich hat ©eitert gewirft burd) 
feine fabeln. AIS ^ßrofeffor hielt er Sorlefungen 
über bte ©ittenleßre, unb was er ba IaS, bot er wie* 
ber in prächtige Steinte gebracht, bie, was befonberS 
hcroorgeßoben zu werben berbient, Dom Solfe, Don 
ben fogenannten geringen fienten, Derftanben würben. 
Siam hoch neben Dielen anberen AnerfennungSbezeu* 
gnngen auch einmal im falten hinter tin Sauer mit 
einem gewaltigen Diefpännigen guber Srennßolz oor 
feine SBoßuung, baS „fd)WarzeSrett“gefahren, fragt, 
ob er hiev richtig fei, er wolle zu beut gabelmann. 
$ann labet er frifchweg ein Älaftcr nach bein attbern 
ab, bis ber SBagen leer ift unb bittet ©ellert, er 
möge ihm hoch baS ^laifir machen, mit betn £>olz 
feine Stube zu heilen, ihm, bent Sauer, fei auch baS 
erj beim fiefett feiner Erzählungen warm geworben, 
erartige 2anfeSbeweije erhielt ©ellert Siele. 

Aber nicht nur Dom Solle im Allgemeinen war 
©eHert geliebt, unb geachtet, auch bie ©roßen biefer 
©eit bezeugten ihm ihre ©unft. Unter biefen war 
fein ©ertngerer als ber Stönig Don Sreußcn, ber a 11 e 
5J r i p. Seachtet man, baß griebrid) ber ©roße über- 
haupt wenig ©hntpatßie für beutfeße ©elchrte hotte, 
fo ift bie Atterfennung, bie er ©ellert bezeugte, 
um fo bemerfcnSwertßer. 3>od) wie fam©ellert zum 
alten grifc? 3)aS ging fo zu: 3 m Dezember 1760 
wimmelte eS in fieipzig bon preußijdjem St'riegSDolf. 
©S war ja bie 3*it beS fieben jährigen Kriege«. 3 m 

S anuar befueßte ber alte grip feine ©olbaten in ihrem 
Winterquartier. 

$a flopft eS am 18. 3auuar an ©eHertS £ßür 
unb ein Offizirr tritt ein. 

„3ch bin ber SJfajor OuintuS 3ciliu§ unb 
freue mich, ©ie fennen zu lernen, ©e. SJlajeftät ber 
Äönig wünfeßen ©ie zu fprechen unb hoben mich her- 
gefchidt, ©ie zu ihm zu bringen.“ 

„öerr SJJajor, ©ie müffen'S mir anfeßen, baß ich 
franf bin“ — ©ellert war zu jener $eit leibenb— 
•„eS wirb bem Könige mit einem franfen Spanne, ber 
.nicht reben fann, nicht Diel gebient fein.“ 

,,©S ift wahr, ©ie fehen nicht wohl aus, ich werbe 
©ie auch nicht nötigen heute mitzugehen; aber bamit 
machen ©ie fidj Don tem ©ange nid)t loS. 3<h muß 
morgen wieberfommen, unb baSfofort,biS©iemitgc= 
ben fönnen. ©ntfdjließcn ©ie fiep alfo. 3 n einer 
©tunbe will ich lieber uachfragen, ob ich ©ie heute 
ober ein anber SJfal mitnehmen foD.“ 

• 3)er SWajor geht fort; aber zum Unglüd ift §err 
©öbife auch fort; baS war ©eilertS gamuluS, ein 
©tubent, ber bem fßrofeffor in allen fleinen Gingen 
§anbleiftuna tßat. ©o muß ©ellert fid) felbft mit 
Dielen Untftanben einen Sarbier unb eine neue Sr* 
rüfe 'nach bamaliger ©itte) ßerfcßaffen. Um 4 Uhr 
ift er fertig unb geht mit bem pünftlichen SÄajor zum 
Apel’f d) en öauje, baS ber ftönig bewohnte. • 

„3jt ©r ber $rofeffor ©ellert begann ber alte grip 
DaS ©efpräd). 

„3a, 3hra 9Rajeftät!“ 

„Sage ©r mir, warum wir feinen guten beutfehen 
©dhriftfteller hoben?“ 


$er Sflajor antwortete: „3ßro SJtajeftät fehen hier 
einen bor fich, ben bie jjranzofen felbft überfefct 
haben.“ 

S>er$önig: „^aö ift Diel. $>at ©r ben fran^öfi* 
fdjen gabelbichtcr £ a gontaine gelefen?“ 

„3a, 3ßro Stfajeftät, aber nicht nachgeahmt. 3d) 
bin ein Original.“ 

„* 2 ) 0 ^ ift alfo © t n e r; aber warum hoben wir nicht 
mehr gute ©chriftfteller?“ 

„3ßro SRajeftät finb einmal gegen bie SDeutfcßen 
eingenommen.“ 

„Stein, baS fann ich nicht fagen.“ 

„5Bcnigften§ gegen bie beutfdjen ©chriftftetlev. 

„3a, ba$ ift wahr. — 3fl ®r gar nicht oon ©aeßfen 
weggefommen?“ 

„3ch bin einmal in Serlin gewefen.“ 

,,©r foHte reijen.“ 

„3bro SJtajeftät, bazu fehlt mir ©efunbhcit unb 
Strmögen.“ 

„SBad hot ©r benit für eine Äranfheit. ©twa bie 
gelehrte?“ 

„©eil fie 3hro SJtajeftät fo nennen, fo mag fte fo 
heißen.“ 

„3ch höbe fie auch gehabt. 3ch U)iU 3^ n furiren. 
©r muß alle iage ausreiten, alle SBocßen Sthobarber 
nehmen.“ 

„3hre SJtajeftät, biefe für möd)te woßl eine neue 
$ranff)eit für mich fein. SBenn ba^ ^Pferb gefünber 
wäre al§ ich, fo würbe ich & nicht reiten fönnen, unb 
wäre e£ eben fo franf, fo möchte ich oud) nicht fort* 
fommen fönnen.“ 

,,©o muß @r fahren.“ 

„2>azu fehlt mir ba3 Sermögen.“ 

„3a, baö ift wahr, baran fehlt’4 immer ben ©eiehr* 
ten 3)eutfd)lanb$. ©4 finb woßl jept böfe feiten?“ 
„3d) wünfdjte ruhigere 3 citen / unb wenn id) ber 
$£önig Don fßreußen wäre, fo hotten bie 2eutfcßen 
grieben.“ 

,,©o? fteht baö bei mir? §at ©r’4 nicht gehört? 
©4 finb ja brei wiber einen.“ 

,,3d) wieberßole ed noch einmal, ©ire; wollte ©ott, 
©ie gäben uns ben grieben.“ 

„3a, ja!“ fagte ber f önig halb ärgerlich unb fprad) 
bann Don ben grieepifeben unb lateinifchen Richtern; 
ber Sltajor erinnerte ihn baran, baß ©ellert auch 
beutfeße Sriefe herausgegeben höbe. 

„0o?“ fagte griebrtd), „hot ©r auch wieber ben 
stylum curine (kanzlei ; ©tpl) gefchriebcn?“ 

„Ad) ja, 3hro SJtajeftät.“ 

„Aber warum wirb baS nicht anberS? @S ift et^ 
was SerteufelteS. ©ie bringen mir ganze Sogen, 
unb ich öerftebe Stid)ts baoon.“ 

„Söenn cS 3hro SJtajcftät nicht änberit fönnen, fo 
fann id) eS noch weniger. 3^ ^onn nur rathen, wo 
©ie befehlen.“ 

„Stann ©r leine Don feinen gabeln auSwenbig?“ 
r»3ch Zweifle; mein©ebädjtniß ift mir fehruntreu.“ 
„Sefinne ©r fieß, §err fprofeffor, ich toiü unter- 

beffen ßerumgehen.-SJun ßot ©r eine?“ 

„3 a , 3*)ro SWajeftät: ®en SÄaler, unb fofort fing 
©eüert an zu beflamiren, wie folgt: 

@in riugrr ®taler in 9t^en 
3)er minder, roril man itjn bejja^Ite, 

911$ »eil er (Sf)te Cudite, malte, 

£ie3 einen Kenner ein ft ben Ward im ®itbe feljn, 

Unb bat fid) ferne Weinung auö. 

3Jcr ßenner fagt i^m frei beraud, 

^aft ibm bad föilb nicht ganz 0 ^Qen »oQte, 

Uno ba| cd, um recht febön zu fein, 

©eit nunber Äunft oerratljen füllte. 

5)er Waler toanbte ®iele« ein; 

^er ttenner ftritt mit ibm aud O&rflnben 
Unb tonnt ihn bed) nidjt überroinben. 


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614 


(Hroas non (Stjrifltan £iird)tf|olt Srllrtt. 


©leicfj trat ein junger ©cd herein 
Unb nahm baS ßilb in Augcnjchein. 

0, nef er, bei bem erften ©liefe, 
ftßr ©öfter, welch’ ein TOeifterftficfc! 

Aa>, welcher ftuß! 0, Wie aefdjidt 
©mb nicht bie Stägel auSgebrudt! 

WarS lebt burcbauS in biefem ßilbe. 

©ie biele Äunft, Wie üiele ©rächt, 
ft ft in bem £>elm unb in bem Sdjilbe 
Unb in ber Lüftung angebracht! 

35er Waler Warb befchämt, gerüljrrt, 

Unb fab ben Kenner fläglich an. 

Stun, fprach er, bin ich ubeifübret! 
ftbr habt mir nicht &u oiel getpan, 

35er junge @ect war faum hinaus, 

©o ftrich er feinen KriegSgott aus. 

3)er $önig: „Unb bic SRoral?" 

©ellert: 

©emt beine Schrift bem Kenner nicht gefällt, 
©o ift eS fchon ein böfeS fteichen; 

Dccb, wenn fie gar beS Starren Sob erhält, 

©o ift es 3*it fie ausauftreichen. 


Sohätt’ichSufteinßöfewichtAu fein, 

Unb Wflrbe, wär’ fein ©ott, auch teinen König 
fcheu'n: 

Unb meiner würben in bem $eere 
©ewißnoch biele Xaufenb fein. 

Dies, ©rin}, bieS flieht aus fthter Sehre!" 

Äehnlich bem lautet bic gabeloomgreigeift. Solche 
gab e« fchon genug gu ©eifert« Seiten unb ihnen Äl* 
len hot er fie genuomet. 3 ucr ft logt er ben ftoljen 
greigeift feine Sehre üortrogen; barin heißt e« unter 
Äuberem: 


,,©aS heilige Schrift unb Xugntb! lauter Aberglauben! 

iin ©emüiirtiger lacht euch aus. 
golgt ber Statur. Sie ruft; was fann fie anberS wollen, 
AIS baß wir ihr gehorchen foOen? 

35ie fturcht erbacqte ©echt unb ©flicht, 

UnbTchuf ben Fimmel unb bie Solle? 

Seßt bießemunft an ihre Stelle: 

©aS fehl ihr ba ? 3)en Fimmel unb bie #öHe ? 

0 nein! ein WeibifAeS ©cbicht. 

Saßt boch ber CBelt ihr finbifcheS ©efc&Wäße. 

©as jeben ruhig macht, ift icbeS fein ©efr&e; 

Wehr glaubt unb braucht ein Kluger nicht! 


Tex Äönig nidte. ,,5)a« ift recht fdjön; ®r hot fo 
etwa« (Soulante« in feinen feerfen; ba« oerfteh ich 
ÄHe«. $a hot mir aber ©otfeheb eine beutfehe 
Ueberfegung oorgelefen, baoon hob’ ich fein SBort 
oerftanben. — 9Jun, wenn ich h' cr bleibe, fo mug ©r 
öfter« toieberfommen unb Seme gabeln mitbringen 
unb mir wa« s Jlcue« öorlefen." 

„geh weiß nicht, ob ich flöt lefe; ich h a & e fo einen 
jingenben, gebirgifchen ton." 

„ga, wie bie Schicfier. — s Jtein, ©r mug feine ga* 
beln felbft Iefen, fie berliereit fonft biel. Wun, fomnte 
©r halb wieber." 

©eiler t hotte ehrerbietig gefproegen, toie e« bem 
Unterthon geziemt, aber warjr unb ohne Wenfchen* 
furcht, hatte babei auch nicht« auf bie $eutfd)m fom* 
men laffen. Machte ber Äönig auch gering oon ben 
beutfehen ©eiehrten, fo machte ©eUert boch großen 
©inbrud auf ihn. ,,t)a« ift ein gan^ onberer Sfeenfch 
al« ©ott[<heb," fagte er, al« ©eflert weggegangen 
mar; uito am anbern tage über$afel: “C’est le 
plus raisonnable do toua los s&vans Alloinands” 
(er ift ber ^ernünftigfte üoit allen beutfdjen ©eiehr* 
ten). ©r hat ihn ober nicht wieber rufen laffen unb 
©eUert—„geh baegte an ben Wath ©irach«: „dränge 
bich nicht p ben Königen," fchrieb er. 

geh laffe gier noch awei feiner gabeln folgen. 3Ran 
erftegt barau«, wie e« ©eUert meifterhoft gelang, auch 
bem Unglauben entgegen p treten: 

$er fromme ©eneraf. 

©in Spötter ber Weliaion 

Unb auch ein großer ßrina (benn trägt nicht mancher Zljron 
Stoch Spötter ber Religion ?) 

Sprach einft mit einem tapfem ©reife 

Unb ihrem großen greunb, nach fühner Spötter tBeife, 

ßon ihr in einem Xon, aus bem ein Stolzer lacht, 

35er fein ©efeß erfennt, als baS er felbft gemacht. 

„©riita," fpracb ber ©eneral, „Sie fränfen meinen ©tauben 
unb wollen mir, mir altem Sftann, 

$eS ßebenS Xroft, ben Xroft im lobe rauben! 

SBaS bab 1 ich ihnen benn gethan ?" — 

„SiichtS/' nef ber 3rürft, „ftpr feib ein tapfrer Wann, 
fthr feib mein befter Untertban, 

©iS auf ben frommen Aberglauben; 

Siur ben oerlaßt!" — „Stein, ben Perlaß i* nicht/' 

„Auch bann nicht. Wenn ich’* ©ud) befehle?" — 

„Stein, bieS ift wiber fthre ©flicht. 

©ott ift nur üerr oon meiner Seele, 

Unb alle ftürften finb eS nicht." — 

„SBic aber, wenn ich ^err oon eurem Ceben wäre?" — 

„3)ies finb Sie," fpracb ber ©reis; „ich hab es unOerjag 
ftn mehr als einer Sdiladjt für Sie, mein ftürft, gewagt; 
unb jeht wag’ idi'S ©ottes ©Ijre." — 

»Xhor I" rief ber ©rinj, „wie, wenn nun Keiner wäre? 

Bäte, wenn i4) 35idj, baß fteiner ift, belehre?" — 


35ieS war ber BBiß, mit bem in feinem Sehen 
©in ffreigeifl fein Shftem erwies, 

35ie Xugeub Oon bem Xhrone fließ. 

Um nur fein ßafler b’rauf au heben. 

Sein böfeS ßm war ihm ßernunft unb ©ott 
Unb ber am Streune flarb, war oft beS frechen Spott. 


Sein ©nbe fam; unb ber, ber nie gewittert, 

*8arb plößli^ burth ben Xob erfchüttert. 

XaS Scbreden einet ©wigteit, 

©in Sticpter, ber als ©ott ibm fluchte, 

©in Abgrunb, welcher ihn fchon oerfchlingen fuchte, 
Berftörfe baS Shftem tollffipner Sicherheit. 

Unb ber, ber fonft mit feinen hohen Sehren 
Der ganzen ©eit au miberflehn gewagt, 
ging an ber Wagb gebt!Ibig auAuhören, 
unb ließ Oon feinetjrommen SÄagb, 

§ u ber er taufenb Wal „bu chrifllich Xhier" gefagt, 
ich wiberlegen unb betehren. 

So flarf finb eines ^reigeiflS Sehren! 


© c 11 c r t toar e$ horum ftu tguu, feine 3 u ^^ er 
ju ©ott, ju feinem SBorte hin^uführen. 9ttit beweg* 
tem ®eräen, oft mit Xpräiten in ben Äugen, rebete er 
p ben ©tubenten immer mieber bon biefem einem 
Kiele, ©o fagte er einmal: „SJlödjte icg boeg in bie* 
fer ©tunbe auch nur ©inen gewonnen höben, ber mei* 
nen ©rmabnungen folgt, wie alüdlich wollte ich mich 
greifen! y<h, tgeuerfte 3üngiinge, ich trete menfdp 
Sichern Änfel|en nach halb unb biel eher bon bem 
6d)auplah biefe« Beben« ab, al« ©ie; allein in wenig 
gähnen bereinigt un« alle bie ©wiateit wieber. 5Da 
ban?t mir bieueicht einer unter g^nen, fo wie ich 
bem greunbe banten werbe, ber mich ben 3Beg ber 
3Bei«heit geleitet: 


„Da ruft, o möchte ©ott eS geben, 
ßietteidjt auch mir ein ft ü n g 1 1 n g ju: 
Jjeit fei Dir! Denn Du haft mein Sehen, 
Die Seele mir gerettet, Du! 

0 ©ott, wie muß baS ©(ßd erfreuen 
Der Wetter einer Seele fetn!" 


©inen luftigen ©lödmunfd), ben er feiner ©chwefter 
fchrieb, al« fie fich mit $aftor ^ o <h m u t h berloote, 
wollen wir auch ht^^ fefeeit; er enthält manche« 
©eherjigen«werthe für Beute, bie e« ebenfo ma^en 
wie ferne ©chwefter, ba« heigt für folche, bie fich vn * 
loben. 

©r lautet wie folgt: 

* „SÄeine liebe gungfer ©raut! 

Unter ben annehmlichen unb ftnnreichen ^)en!fprü* 
d)en, bie ich immer im SJlunbe führe, ift biefer einet 
ber bornehmften: ©h^ftaub—©epeftanb. ©enn ich 
bamit ben angehenben ©heleuten ba« §erj ein 9i«^ 
d)en fchwer gemacht höhe, fo möle id^ ihnen ein $aöt 


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ÄafUjaus, IPtriljtljaus unb ftneipe. 


645 


wörtliche tauben, bie fid? beim ©turrnminb unter ein 
$acb üerbergen, mit ber Ueberfdjrift: 

Durd) (fintradit unb bunfc Sfirtlidffeit 
Verringert fid| ba* fdjmerfte ßeib. 

Xen ©turmminb taffe i# bon korben bertoebert in 
©eftalt eines großen ©lafebalgS. — teinft mürbe id) 
oon einer ©raut gefragt, ob bcrSflann ober bie grau 
$u ben meiften ©erbrießlidjfeiten Slnlaß gäbe, .gcb 
legte meine ginger an bie 9tafe unb fann lange nad). 
tenblicb bracg id) in biefen $enffprum au$: 

Cft liegt bie Urfad) an bem TOann, 

Ojt ift ote gfrsu and) ©djulb baran. 

©eil fie falj, baß id) fo nadjbenflicb antmorten 
tonnte, mürbe id) »eiter gefragt, moruber toobl bie 
meifte Uneimgteit ^erfäme. ©ttt ber größten ©e* 
fd^minbigfeit fing ieti an: 

®er meifte Strieg, ber meifte Streit 
©ntftebt burtb etne Äleinigteit; 

®ie wirb burd) Unbcfdieibenbeit 
®in ftrieg non bieler VJidjtigfeit. 

3d) habe foId)er giicbtfprücfce nod) Oiel mehr ge* 
macht; allein id) miü fie md)t alle Ijierber fefeen. 
Ätora unb aut, unb im ternfte ju reben, im münjd)e 
teucb $u (furcr tebe oiel ©lütf unb habe bie größte 
Hoffnung, baß teuer ©tarnt nicht übel, unb 3ftr nid>t 
fd)led)t gemailt habt. 2Nacfyt ihm mein ergebendes 
teompliment, unb fagt ihm, baß er einen §crrn ©ru* 
ber an mir friegte, ben er nid)t beffer münfetyen 
tonnte" u. f. m. 

©oroeit ber ©ratulationSbrief. 

teinftmalS mar oon tböridjten ober feinblid)en Seit* 
ten baS ©erüd)t oerbreitet, © e 11 e r t tyabe fid) er* 
bängt, ter trat gerabe in baS Qimmer feinet jungen 


greunbeS © e r n e r, als biefer in einem ©rief an bie 
©einen, bie baburd) betümmert rnaren, baS alberne 
©erebe miberlegen wollte. $cr ©tubent mürbe gan§ 
oerlegen, als ihn ©ellert bei foldjem ©efdjäfte über* 
rafdjte, fo baß biefer i^n fragte, waSer benn febriebe: 
©erner mußte eS enblid) gefteben. $a fagte ©eUert 
ftiü unb feft: „©ebreiben (Sie 3breu greunben inmei* 
nem tarnen: 



Unb an biefem fiernt tebrifto hing ©eUert big an 
fein jeligeS tenbe. Xte SWoral, bie er im geben lehrte, 
quou auS biefer ©emeinfebaft, bie er mit $efuS tebn* 
ftuö batte. Qn feinem langjährigen getben mürbe 
©ellert nur tiefer in Diefe ©emeinfdjaft bineingefübrt 
unb im $obe mar baS füße teoaitgelium fein einziger 
Xroft. 3u feinem ©celforger,$iafonuS ibalemann, 
fagte er auf feinem ©terbebette: ,,$aS ift je gewiß* 
lim toahr unb ein theuer wertheS ©ort, baß teijriftuS 
3efuS rommen ift tn bie ©eit bie ©ünber felig *u 
machen. $)ieS, iiebfter greunb, ift mein ©efenntntß 
auf meinem XobeSbette. &ber mtr ift ©armber^ig* 
feit miberfabren." 

9)tit biefem ©efenntniß ging er in bie felige tewtg* 
feit hinüber am 13. Remter 1769. ©ellert ift febon 
lange tobt, aber er rebet noch, unb toirb noch lange 
forireben flum ©egen ©ieler. $lber, waS fage im: 
©ellert ift tobt? yiein, er lebt, gerne auch bu lieber 
gefer cS ihm oon £>er$en naebfingen: 

2efuö tett, mit i^m audj td), 

Xob, too finb nun beine Sdjrftfcn? 
ör, er lebt unb rnirb auch midj 
Von ben Xobtcn aufermeden. 
tti oerndrt midi in fein ßitbt; 

»icÄ ift meine äutoerfidjt. 




(Sa|ll)au 0 , UHrtl|0i)nti0 unb Hueipe. 


Don 8 • @erier. 


or Sllterä ^otte jebe ongefe^ene gamtlie in 
toeitem Umfang ba unb bort in ©täbten 
unb Dörfern il|te Oaftfreunbe. Uuf Weifen 
fuc^te man fi(^ auf, beherbergte ficb gegenfeitig. 
ffla« nidjt auf biefe äBeife gefchehen tonnte, bad 
mürbe burch eine eble, allgemeine ®aftfreunb= 
fchaft erfeftt, tote mir fie jeftt in unfern egoifti* 
f<hen Seiten faunt mehr für möglich h Q Uen. 
S8ie }U Stbrahamö 3 e ' ten » f° auch jefet gilt ©aft= 
freunbfehaft im URorgenlanb alö eine ber ^aupt= 
tugenben. Such $auluö greift und biefelbe 
herzlich an: „©aftfrei ju fein, oergeffet nicht!" 

IMld mehr gereift, ber SBerfefjr unter ben S3öl= 
fern größer tourbe, fo mußten natürlich Orte 
befchafft merben, an benen auch Unbetannte eine 
Wachthcrberge finben tonnten. SS mar bieS 
Anfangs ein Obbach, baS oor £t)ieren, SDJen= 
fchett unb Unroetter einigen ©djuh bot. Wur 
allmählich ermeiterte es {ich ju bem, maS mir 
jeht Verbergen, ©aft». unb SBirthShäufer nen= 


nen, oon ber geringflen ©efellenherberge an bis 
jum nobeln ©afthof, jur Weichen = ißenfion, mo 
ber grembe ben fiujuS beS Dornehmen Kaufes 
auch in fernen fiaitben trifft. 

SBeldjer gortfehritt! — SäJie bie Hlöfter einft* 
malS eine ^ohlthat rnaren, fo auch biefe §äu* 
fer, beren ebleS Slbbilb mir noch j« Stabt unb 
Saab hie unb ba finben, menn auch immer fei* 
tener, mo nicht Habgier, mo nicht ©petulation, 
mo nicht UrbeitSfdjeu jum betreiben ber ©aft» 
mirthfehaft treibt, fonbern anererbtes ©aftrccht 
bie Pflicht auferlegt, um gutes Selb ben grem* 
ben unb Obbadjlofen gaftlich aufjunehmen unb 
ju pflegen, bah er in ber grembe eine 81 rt hei’ 
mathlicheS 2)ach finbe, als ißilger einen freunb» 
liehen Wuhepuntt. 

0, ich fenne noch — '<h Ie be jc^t Dom fianbe 
—folche Käufer, bie unter ihrem gafttichen Xad) 
ben grembling gerne unb herzlich empfangen, 
aber ben Sump, ben gauDenjer, ben lagebieb, 



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646 


Coftynus, JBirlljsljau« ui.b ftntipe. 


ben gantilienntörber nid)t leiben mögen. ©#' 
gibt nod) foldje ©irtfjShäufer, wo feine 
Warte gefpielt, fein Schnaps auSgewirthct 
wirb, — wo gute Drbnung fjerrfcht, wo feine 
fd)änbtid)en ©orte gebntbet werben, wo Äbenb# 
früh gcjchtojicu wirb, fo baff bie grau, bie arme, 
geächtete ©flaoin be# Säufer#, uin tDlittcrnadjt 
ihn gewifj nicht ba fuchen wirb, ober bie Söluttcr 
beit leidjtfinuigcn Sof)n! 

®a# finb rechte ®afthnufer. ®a wirb’#! 
einem auf Steifen wofjl, ^eimatfjtid^. ®a# ift j 
feine SRörbergrube, wo bie öffentliche Sittlich 
feit gemorbet, begraben wirb. ®a ift’# nicht 
fdjauerl d) wie in ben Kneipen, wo man Kämpfe 
ber Unterwelt gu rieten glauben fönnte. 

2lud| jene anbcre ®inrid)titng fönnen wir gel= 
ten laffcn, Wo je unb je für öffentliche ©efchäfte 
ober für ^Bereinigung gefeöiger 3lrt ein SRaum 
offen ftanb, wo man aud) etwa am geicrabenb 
einmal in ber ©odje gufamineufam unb bie gn= 
tcreffen einer Stabt, eine# ©etueinwejenS, be- i 
fprad). 

Sber Wie haben bie ©irth#haufcr ben Klö» 
ftcrn nachgeeifert nnb finb gasreich gu Un> 
g l ü d S ft ä 11 c n geworben, gu Kneipen, wo 
fid) bie gaußenger, bie lagebicbe, bie ßafter» 
fiteste jufammeitfinbcn! — wo aber aud) gang 
ordentlich angelegte 2Jlen]d)cn cS lernen, ba# 
5)afjeim gering ad)tcn, meiben! — 

„3u UnglücfSftätteu!" — fage i<h. 

®er ©egen be# ßanbe# ift ba# H a u S, bie 
g ä m i l i e. D glütflic^e# Hau#, au f @ott unb 
ßiebeStreue gegrünbet, wo’# nod) gilt: 3 m 
Öften unb ©eften ba^eim ift’# am 
b e ft e n. 

®er ©ater begehrt ba nicht fort, wenn er 
nicht in feine ®icnftpflid)t mujj. ®aljeim ift’# 
ihm Wohl, wo feine liebe ©attin ihn umgibt, 
ber er fein ßcbenSglüd nächft ©ott Perbanft. 
O wenn bod) recht oiele grauen e# wotjl t»er= 
ftünben! ®a# Hau# ift ba# gliidlidje ®ad), 
barunter bie Hausfrau, bie 9Kutter, galtet unb 
ift ihr, al# wär’# eine ©orhaßc be# Himmels. 
2ln folchc# fiau# Wadjfen bie Söhne, bie Södjter. 
®e# Haufe# ©hre ihre @f)re, be# Haufe# ©lüd 
ihr ’©lüd. 

Sich Warum fliugft bu mir Wie citt ®raum 
faft nur noch, bu fd)önc# ßieb »om lieben trau» 
ten H o u f e ? 

®a# SBirtl)#f)au# hat ba# n°u3 gewagt. 
®a# 3Birth#h a u# gleißt ben mageren Kül)en in 
fßharao# ®rauin, welche bie fetten oergehrten 
unb blieben elenb! — ®a# ©irtfjShau# ift ba# 
Unterwaffer, welche# bie gunbamente be# ftatt= 
liehen Haufe# unterfreffen hat. ©chon finb 
Spälte in ber SDtauer. ©alb wirb ber ftotge 
©au gufammenfiiifen. — 


©eh’ in’# ©irth#h«u#. ®ort finbeft bu ben 
3Rann. ®ort fifct ber fwh e ®«amte ber 9tegie- 
ruitg, bort ber ©ewerbämann. ®ort finbeft bu 
ben eleganten jungen Herrn, ben IRentier, ben 
©tubenten, ben ©omrai#, ben „Ärbeiter." — 
©eh’ in’# SBirth#bau#, ba fitjen bie traurigen 
©chatten um beit ®ifch, wie iiu grrenhauS, unb 
fpielen gafj auf ;gah, Spiel auf Spiel. — ®a 
.fifct ber Kuabe fchoit, bie Sigarre im ÜRunb, über 
bem unb unter bem noch fein ^ärdjeit fprojjt, 
ber Knabe! er muff ja früh in’# Himmelreich 
ber SRänner! 

©eh’ ba unb bort in’# ©irth#l)auS! ba ftn= 
beft bu fogar grauen hinter ihrem halben 
Schoppen, — bie ®ienftinagb h*"ter „ihrem 
©ier." 

Hier finbeft bu bie Suljterin, bie mit ihren 
©liden ben ©bemann fängt, ober ben uuerfal)* 
reneu, bod) lüfternen güngling. Hier legt fid) 
»ieterort# ber ©runb gu itantenlofent Unglüd: 
benn wo Hurerei unb (Stjebrud) nach einem erften 
fdjweren gaß eingebrochen ftnb, ba ftirbt ©ott 
im Hergen be# 3Jlanne8, unb e# bleibt nur noch 
ba# 2()ier barin, eblere# ober uneblcre#, ein 
fulturfähige# ober wilbe# ®h>er! 

®a Wachfen bie ®affenmarber heran, ba bie 
®e#poten, welche ein liebliche# Weibliche# SBe- 
fen lebenslang mit türfifcher SSiHfür in freiem 
ßanb beherrfdjen, ba bie ©Iternmörber, ba bie 
Schlangen, welche al# ©erführet unfchulbige 
arme ÜJfäbchen ber ©chanbe, bem ßafter ge= 
Winnen! 

©# ift nicht überall fo. Slber e# ift fo in ben 
meiften 2Birth#häufcrn unb Kneipen in ben 
©er. Staaten. Sie finb gu Unglüd#ftätten ge= 
Worben. 

®a# SBirth#hau# ift ber SBaQfahrt#ort ge¬ 
worben, bahin, wie ju einem heiligen SBaffer, 
bie SUlännerwelt pilgert, ^rgettb ein ©ier» 
ober SBeinfafj ift ba# Stabernafel. ^rgenb ein 
leihte# SDtäbchen ba unb bort ba# attgiehenbe 
^eiligenbilb. ®ie ©pielfarten finb ba# Sre» 
oier, ®abad#qualm ber SBeihraucf)! 

Slber währettb man nach SRaria = ©infiebeln, 
nach ßourbe# nur einmal im 3al)v, ober gar 
nur einmal im ßeben pilgert: in’# 3Birtfj#hauS, 
biefen ©acchu# = lempel, pilgert ber Sllfohot- 
unb ©efetlfchaft#=Sflaöe jeben ®ag. ®en gan» 
gen ®ag ift ber SBatffahrtSort befe|t. 8lm 
9Worgen früh, toenn auf bie Strafe hinau# ge 
lüftet wirb, welcher Hößenbunft, ben bie Sieb» 
habet ®uft heifjen mögen: ©ein, Släfe, ©ier, 
labad, 2Renf^enau#bttnftung — Äße# bunt 
burdjeinanber. ©in fchläfrige#, Perfchienene# 
SJfäbchenangeficht erfdjeint. ©ie anber# fieht 
fie au#, al# am Äbenb! — Qa, ich begreife, 
bah ba# wahr ift, Wa# einÄrgt fürglich gefd)rie» 


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GtafHjaus, Piril) 6 l)ai !0 tmb ftnripe. 


647 


ben h<*t: Kein Stanb meift fo t>ietc Kranfe unb 
3 noalibe auf, mie beseitige ber männlichen unb 
meiblid)en aufmärter in ©aftmirthfchaften. $aS 
ift ja eine {ßcftluft! 

Unb nun fdjon Don NiorgenS neun Uhr au, 
für SKanche ber grühfdhoppen, ber ben Seuten 
üon ber Slrbeit hilft, — um jehn Uhr bic fpätcr j 
Äujftehenben, um elf U()r ber Nentier, unb um 
jroölf Uhr bie 9lbfpitth SHaoen. 

Unb ben ganzen Nachmittag: harten, Kar 
ten, harten. Starten für Kaffee, harten für 
©ier, für SBcin, um einen Kuchen! Spiel um 
beS (Spielet mitten. Spiel um ©elb. 

Unb nun ber 91 benb, ba fängt’S erft recht an. 
Sitte Sofale oott trop gebrüefter 3 eit. ,,©S ift 
beS SürgerS Pflicht, in’S SBirthSpauS 51 t gehen'' 
— halb fönnte man glauben, bah folcheS in ber 
Serfaffung ftelje. „9Ber nicht in’S 2Birth3hauS 
geht, ift fein braoer Sürgcr!" fcheint'S mancher¬ 
orts ju gelten. 

9Natt mill 311 m HRcifter Schufter ober Schrei¬ 
ner, Säder ober Schloffer. — „fommen Sie 
morgen," Reifet eS. $er £>err Nleifler fipt 
eben im 2Birtl)ShauS «nb läfjt £>anbmerf $anb- 
roerf feilt, unb feine ©efetten miffen’S unb bie 
Sehrbuben aud). 

9 Bo ift ber $err ©erichtspräfibent? ber&err 
{Richter? gar auch ber Pfarrer? ber 
£err Sehrcr? ach h^r unb bort märe bic 
grage beffer fo gemenbet: in meinem 28irth^ 
hauS finbe ich 5 U biefer Stunbe ben §errn SÖe* 
amten ? 

Unb Nachts ? menn bu fchlafen mittft, frage 
menigftenS in unferer £>auptftabt nicht nur: 
fahren oiele SDrofd)fen, fiitb oiele Kinber im 
£auS? — frage: mic oiel Kneipen fiitb in ber 
Nähe? — fann ich &or ein Uhr* Nachts auf 
{Ruhe bähten lag um lag ? 

Unb metche fittliche Suft, metche Silbung in 
bem SBirthSheuS'? — 

®a fuhr ich üor einigen lagen in ber ^Soft 
nach @d). ©3 maren neben mir jmei SNänner. 
(Siner, ein frember $anbmerfSrneifter, mar 
baran, mit feinem Söhnlein ihre Sermanbtcn 
ju befugen. Ser anbere, ein junger £>anb* 
tuerfSburfd)e, ber feit jehn fahren fort gemefen 
mar unb mieber einmal fehen mottte, mie’S im 
alten Sörflein fteht. 3ch brachte baS 2hema 
üom 3Birtl)ShauS auf, meil ber Sßaffagier beim 
{ßoftitton oorne gar burftig mar unb überall 
einfehren mottte, mo ein Sdjilb am $auS her- 
auShinfl- 8 cibe hatten eS fein £>ehl, bah auch 
fte oft unb oiel im 2Birtl)ShauS „ju thmt hat¬ 
ten," — bah e^ freilich beffer fei, menn man 
nicht ju oiel gehe. 

„SSürbet 3 hr, befter SNeifter, menn 2 h r ein 
löchterlein hattet, ein liebliches, anfdjaulicheS, 


baS nun fo feine 18—20 gahre wählte, — mür- 
bet ihr ©uer Kiub als 2 lufmärteriit in ein 
SBirthShauS geben?" — „Nie uub nimmer," 
fchrie ber SRann faft mehr als er’S fagte. „Nie 
unb nimmer!" — unb id) begriff feilte ©rünbe, 
mahrlid), leidet begriff ich fie. 

„Unb 3h r f junger SNann, 3 h* feib noch le- 
big, aber angenommen, 3 h* hättet folch’ ein 
Ntägblcin — mürbet 3h* cS nicht geben?" ,,3d) 
fage, mie bort ber #err," antmortete ber froh* 
liehe Jüngling — „nie unb nimmer mürbe ich 
ein Ntäbchen, baS mir gehörte, als aufmärtcrin 
in eine SBirthfdjaft ftetten!" 

0 Soff — unb baS ift beiit £>ciligthum, bein 
^SarabieS, bein Suftort! — bapin jieht cS bid) 
fo, bah Mmn beine Kinber nadj bem SBirthS* 
hauS lechzen unb nid)t märten fönnen, bis aud; 
fie il)r ©elb, ihre 3 eit, ihre Nupe, ihr ©lücf 
oiettekpt in’S XBirtpSpauS tragen, im 2SirtpS= 
hauS laffen fönnen! 

D greunb beS SoffeS! feieft bu mer 
unb mie bu bift, menn bu’S nur mit bem Solf 
gut meinft — fagft bu nidjt auch: es follte 
anberS fein; es ift nidpt gut fo. — Unb, 
follte eS anberS fein, fo fage lieber 
gleich aus tieffter 93ruft, nitnm’S gleich feft oor: 
ff %a t eS muh anberS merbett!" 

Unb muh eS anberS merben, fo mill audh ich 
helfen, maS ich fann, bah eS anberS mirb, aber 
maS fann ich? — 

„ 2 )u fannft oiel, menn bu red)t m i tt ft." 
$aS NtäuSlein in ber Sabel, baS geringe SBe- 
fen, nagt ben ftarfen gefangenen Sömen aus bem 
Neh loS, barin er fid) ^atte fangen laffen. 

Unb meldje glän^enben Seifpiefe meift uns 
bie 5Beltgefdhi<hte baooit auf, maS man oermag, 
menn man einig ift unb recht mitt! ®ie amcri= 
faner finb leibenfchaftliche Ihectrinfer, uub man 
follte glauben, ben liehen fie fid) nid)t nehmen, 
aber maS gefchah anno 1773 in 93ofton, einer 
ipauptftabt Norbamerifa’S, Oon melcher bie 93e- 
freiung ber 2Ser. Staaten oon ©nglaub’S 3och 
ausging ? — als ©nglanb einen unberechtigten 
3 oß ouf ben 2 l)ec legte, ba enthielt fich 
bie ganje Seoölferung lieber üNonate lang bie^ 
feS ©etränfeS, als bah fie eine ihrer greiheiten 
um eines ©enuffeS mitten geopfert hätte. Unb 
©nglanb h<*t eS erfahren, maS eine Nation 
fann, auch flache — benn bie Ser. Staa* 
ten hatten bamalS menig mehr als brei 3Jiittio- 
neu fflemohner, — menn fie e r n ft l i ch frei 
merben mill. 

©S fommt barauf an, ob mir f r e i m e r * 
ben mollen, ob mir, menn nöthig, uns 
audh ein 0 p f e r auflegen fönnen. 

So fann jebeS oon uns halfen, melcheS ein- 
fteht, bah baS SBirthShauSleben bei uns ju 


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648 


Pos ein frtunbli^ts Port dermal). 


einer K r a n! h e i t gemorben ift, bie geteilt 
lücrben fotlte. 

Siebete idf ju ben $ohen biefer SBelt, fo 
mürbe idj fagen: SDteine Herren ©voßeäthe, Sie« 
gierungSrätße unb 0berrid)ter, — meine #er« 
ren ©ejirfS« unb ©emeinbS«Seamten, — meine 
Herren ©eiftlichen unb Sehrer, — legen Sie 
fiel)’3 als erfte Slufgabe oor, Stiles ju thun, ba« 
mit unfer Colt fidf bem SEBirthShauS mieber 
mel;r ab«, bem $auäleben mieber jumenbe! — 
0 bleiben mir felber fleißig baljeim unb erfttl« 
len recht treu unfere häuslichen Pflichten! ©e« 
möhnen mir unS-uub bie Unferigen baran, baß 
baS größte ©lücf baljeim, nic$t im ÜBirtliS« 
häufe ift. — 

Unb mir ^auädäter, fugen mir eS oft unferen 
|>au3genoffen, baß mir im SBirtljShaufe SBiete« 
oerlieren: ©clb, 3eit, fjrieben, Kunben, ®e« 
miffenbaftigfeit, Sitteneinfalt, Steinljeit! — 

Unb bie mertljen Hausmütter unb älteren 
©rüber unb Scbroeftern, mie diel fönnen mir 
tbun in ©rmahnung unb ©elchrung, in 3ud)t 
unb Siebe, baß ben SRännern beS Kaufes unb 
ber 3 ll genb baS ®aheim mieber lieb unb an« 
jiebenb mirb! — 

0 mir Sille, berfaumen mir nichts, mobureh 
unfere 3eit, bie öffentliche Stimme, mieber für 
©ingejogenbeit, ©enügfamfeit, 91 rbeitfamfeit, 
häusliche unb polizeiliche Ordnung gcroonnen 
ioerbin fann?* üBir merbeu bierin einmal eine 
große ©eranttoortung ju übernehmen haben für 
uns unb für unfere Umgebungen. 

®aS mirb bodj feine grofje Siinbe fein, benft 
freilich ÜRaucljer, baß ich 9lbenb für 91benb ein 
©las Söier im ÜBirthSljauS trinfe! 9(ber er 
benft nicht, bajj er ju £>aufe manches SRü^licfje 
tbun, manches Scfjäbliche meiben fönnte. ©r 
benft nicht, bafj fein ©eifpiel auch auf Bie 2ln* 
beren mirft, auf SJiandje auch, welche bann nicht 
baffelbe SRaß ju beachten miffen, ober beren 
©erljältniffe eS ihnen noch wehr jur ©flicht 
machen, babeirn ju bleiben, mie ihm. 


Unb moüt 3br, Schulfreunbe, miffen, marum 
baS SchulbouS nicht mehr mirft? — $a* 
äöirthähauä mifdjt baS Schulbau* 
b u r d). — „SBaS ich gelernt im SchulbauS, 
oerlernte id) im 2Birtf)3hau3!" muß mancher 
arme Sflaoe beS SEBirthSljauSlebenS flagen. 

$ie namenlofe Stobbeit in unferem ©oll oer« 
banfen mir bem 2Birtb*bauS jum großen, wenn 
nicht jum größten 

2 )ie ©eröbung oieler ©otteSljäufer in dielen 
©emeinben derbanfen mir ben äBirlbSbäufetn; 
benn — mo bie SßirtljShäufer ftch füllen, ba 
leeren fidj bie Kirchen. Unb mo bie Kirchen fid) 
leeren, ba nimmt 3 u <btlofigfeit unb Stobbeit 
überljanb. 

0 liebe Sefer alle, bebenft, maS ihr nun ge« 
lefen. 3 cf) b fl Be nicht leichthin gefprodjen. 
Sängft lag’S mir ferner — unb Sielen mit 
mir — auf bem £>etjen. — §elft fämpfen ben 
guten Kampf für baS 2Bol)l uufereS SolfeS! 

* * * 

Unb maS b fl be ich ®ud) ju fagen, bie 3b r 
noch betet, bie 3b r felber bem JEBirtljShauS« 
leben ferne ftebt ? 

1 ) Stiebtet nicht! $er ®eift ber 3eit 
hat eine gewaltige aRadjt unb reißt SRanche 
mit, bic’S nicht beffer miffen unb fönnen. 

2 ) Schlafet nicht! SBer ba glaubet, er 
ftebe, ber fetje ju, baß er nicht fade. 

3) ©rmattet nicht! ©ctet, o betet, baß 
jenes SBort beS SlpoftelS unter uns fid> er« 
fülle: ©eraußhet euch nicht mit SBein, barau* 
ein fyiü öS SEBefen folgt, fonberu merbet doll 
©eifteS. 

4) St uh et nicht, bis eS in bem befpro« 
ebenen Stücf in öitrer Umgebung beffer gemor« 
ben. ©ruft unb Siebe machen erfinberifeh! 

0, ©ott mollc ficb unfere* SolfeS annehmen, 
baß oon gnnen heraus — mie ber ©letfcher bie 
SJtoräne auSftößt — burch neuermachenben re« 
ligiöjen Sinn unb fittlichen ©rnft folcheS Hebel 
oon uns hinauSgethait merbc! 




J#ö 0 ein freunMid)(0 IHort umnag. 


08r $üu* unb 0erb bau Äun« Spörri. 


TI egeS Seben fjerrfdjte auf bem SRarftplaß 
einer fleincn norbbeutfehen Stabt. ®a 
mar feilgcboten, maS man brauchte unb 
nicht brauchte, maS mißlich ift unb fdjöu unb 
gut. tttmaS abfeit* dom ©ebränge ftanb, an 
eine ©artenmauer gelehnt, ein SDtann mit einer 

5)reborgel unb fpielte unerinüblich feine ge« 
behnten 33eifen. SSenige ber gefchäftig bahiu« 


eilcnben Käufer nahmen ftch 3 e *t bem Stra« 
ßeumufifanten einen ©lief jujuroerfen, unb noch 
fcltener griff eine $anb in bie lafcße, um bem 
türmen einige ©fennige in bie SRüßc ju (egen. 
®er SJtann bettelte ja nicht, felbft nicht mit 
flchenbeit ©liefen; ba* Sicht biefer Slugcn mar 
crlofchen. Sich, baS SJtenfchenhcr^ ift meift ju 
hart, ju feßr eingenommen oon fich felbft unb 


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Btuci ^ttüfttenltämpfcr, Me cut«fiehämpft haben. 



















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Pa« ein fteunbltd)f$ Part orrmag. 


649 


feinen Stngrfegenfjeiten, um bie teife Sprad)e 
beg ©lenbg, biefe Srauerliebe* ohne SBorte ju 
öerfteheu. 3)tan ift ja froh, non ©ittenben in 
Stulje getaffen 3 U merben, froh, feine Singen bem 
Jammer ju oerfchließen, ben man bocf) nicht aug 
ber SBelt fdjaffen tann. Sag mochte ber btinbe 
Orgelmann auch erfahren ^aben. ©in bitterer 
$ug lag um feinen SKunb; eg mar alg mollten 
biefe Sippen recht feft fidf) fließen, um nicht 
ju oerrathen, mag in bem gepreßten ^er^en 
fämpfte. 

©ben ging ein noch junger, freunblich aug* 
feßenber $err an bem 3 Kanne üorüber, unb fein 
ernfteg Sluge blieb an i£jm haften, ©r ftanb 
ftitle unb bticfte in bag alte, fummeroofle, ja 
finftere Slngefidjt, big bie SDleiobie $u ©nbe 
mar. 

Slrmer SKann, fragte er mit meidjer (Stimme, 
ift eg lange t)er, feit Sie nid)t mehr fe^en fön* 
nen? — 3 a, fcf)on eine 3leif|e non Sauren; eine 
Sranfljeit 30 g fid) auf bie Slugen. — SBie be* 
baure id) Sie, fagtc ber junge SRann, unb mar* 
meg äRitleib liegt in feiner Stimme, ©rlau* 
ben Sie mir noch eine grage. Sieben Sie 3*' 
fum ©hriftum unb fennen Sie ifjn alg 3^ rcr 
Seele Sicht? 

Ser 93linbe fdfjmieg. Sieben hatte er tängft 
oerlernt unb beten half ja bod^ nidjt. Sa er* 
tannte ber grager in bem Slrmen einen hoppelt 
©linben, unb fein marrneg, non £eilanbgliebe 
öofleg £erj (lang burd) feinema^nenbenSBorte: 
Suchen Sie alg ein Verlorner ben ^eilanb, ber 
gefommen ift, Sünber felig $u machen; bann 
mirb eg in 3 h nen ßtdjt merben, ob auch 3 h r 
äußeret Singe gefchloffen bleibt, ©ott fegne 
Sie! 

©ine Spenbe fäßt in ben $ut, unb bie Stritte 
ner^aßen. 

©ine SBeile ftanb ber ©linbe ruhig, faft hatte 
er feine Sretjorgel nergeffen. 3^ m toar’3, alg 
müßte er immer noch ber freunblidjen Stimme 
tauften, meldje meljr, alg bie ihm faurn uer* 
ftänblidjen SBorte, an fein $ev$ gebrungen mar, 
tiefen ©inbrud fjinterlaffenb. S 0 hatte lange 
SRiemanb ju ihm gefprochen. Sie ganje SBelt 
außer feinem Stübchen* mar if)nt gteid^güttig 
unb hart oorgefomtncn. Ser $aber in feinem 
3 nnem gegen ©ott unb SJtenfdjen hatte fein 
$er 5 nerfdjloffen; er tonnte fid) nicht in bieg 
buntle, untätige Seben finben, ju bem er, ber 
fleißige Slrbeitcr, feit lange oerurtheilt mar. 
©r hatte gefchafft unb gefpart, auch ^umeilen im 
©reife ber ©ameraben fid) beluftigt; er mar 
feiner grau too^l fein liebeooßer, aber aud) fein 
harter -Kamt geroefen, ba—mitten im gemohn* 
ten Sreiben fam bie eiferne |>anb ber ©ranfheit 
über ifjn unb jerftörte fein ©lüd. Oft Hopfte 


feiger bie 9toth an feine $l)üre; hoch fonnten 
bie ©eiben fnapp unb ehrlich burd)fommen mit 
bem fdjmalen Serbienft ber grau unb ben me* 
nigen Pfennigen, meld)e bie Srehorgel ein* 
braute. Slber eg maren bunfle 3 a ^ re # bi* lang* 
fam an ihnen tmrüberjogen; bag umbüfterte 
©emütf) beg SKanneg brüdte audj aßen SWutl) 
ber fc^üc^ternen grau nieber unb naljm it)rer 
treulichen pflege jenen ®uft, ben ©taube unb 
Siebe aud) in ber Irübfal mof)ttf)uenb aug- 
ftrömen. 

Stlg er ^eute f)eimfam, mar er ftifler fioc^ atg 
fonft, unb erft nacß einigen Sagen er^ä^lte er 
feiner grau bon bem freunblichen ^errn, ber 
mit il)m gefpro^en ^atte. „®r fagte fo Slefyn- 
lid^eg, mag bu mal bon ber ©erfammlung er= 
3 äf)lteft, in bie bu mit ber neuen -Jtadjbarin ge¬ 
gangen bift, SKarie, xä) fonnt’g nic^t red)t ber- 
fte^en. Slber bie Stimme, bie Stimme! menn 
ic^ bie boc^ mal mieber l)ören bürfte! Sag 
muß ein guter 9Jtann fein, ber fo fpradj." 

SBod^en bergingen; ijoffenb ging ber Drgel- 
mann in ben menigen Sagen, menn bie Sonne 
burdj bie $erbftnebel brang, an feine SKauer 
am SKarftpla^, bod^ bie Stimme (jörte er nic^t 
mieber. Silber munberbar—er mar milber ge* 
morben in feinem ganzen t SBefen; ber eine 
Slang d^riftlid^er Siebe Ijalte einen Stiegel in 
feinem ^er^en jurüdgefd^oben. 

Siefe Stimmung mod)te aucfj bie Urfad^e fein, 
baß er ben miebertjolten ©itten feiner grau enb- 
lid^ nad^gab unb fidf) eineg Stbenbg mit i^r auf* 
machte in bie ©erfammlung ber SKetfyobiften* 
gemeinbe, melc^e fie feit ®ur$em mit bürftenbem 
^er^en befudjte. Sie famcn ettoag fpät; alg 
fic^ bie S^üre öffnete, lag foeben ber fßrebiger 
bie auggegebenen Sieberoerfe. Ser Drgelmann 
ftanb ftifl, ^aftig faßt er ben Slrm feiner grau 
unb fagt fjatblaut: SKarie, bag ift er, bag 
ift bie Stimme! 3ft ^ euer ^ßrebiger? 0, 
ben miß idj ^ören, mag er fagt, muß mafjr fein. 

Unb er tjordjte unb t)orc^te. Ser graue 
Sopf neigte fid) halb unb Sfjränen, ©uß* unb 
9teuet^ränen rannen aug ben erlofd^enen Slugen, 
benn feine Sünbe trat oor fein ängefidfjt, fein 
bittereg SKurren unb Sluflefynen, fein Seben o^ne 
©ott. Surdb jene Stimme d^riftlid^er Siebe 
Ijatte ©ott fein ^er^ aufgetl)an; nun fonnte ber 
Same beg göttlichen SBorteg, burch biefelbe 
Stimme an feine Seele bringenb, auf ein mol)l 
jubereiteteg Slderfelb faßen unKgrudht bringen. 
Sie fproßte halb lieblich empor; aügbemaJtnr* 
ren mürbe Sanf; bag finftere Sdjmeigen Oer* 
manbelte fich in bag Singen unb Spielen eineg 
ertöftcn ^erjeng. SBieber fyattt ©ott in eine 
Sunfelheit hinein gefprodhen: @g merbe Sicht. 
Unb eg marb Sicht. 


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650 


3luf unb jlicbft, 


0, mer fann Jagen, toetcge Schöpfungen noch 
jcfct ut’d Seben treten unter folgern SRufe, 
Schöpfungen, bie noch fortbauern, menn bie er* 
fdjaffenen Sicgtförper nid^t mehr finb. 2Bir 
aber, motten mir nicht beffer lernen, §anblanger 


biefed Sicht unb Seben mirfenben ©otted $u fein 
unb im ®ienfte feiner Siebe alle und gefdjenf' 
ten ©aben $u oermertgen, menn ed auch nur c ^ nc 
Stimme märe, in melcger greunblichteit unb 
Siebe Hingt? 




JUif und Pieber. 

• Gtoe ßebcnögefigiigtc aud ttmerifa. gfir §aitd unb fterb bearbeitet non öenrieud. 

(Scglug.) 


eib gg* je früh aufgeftanben, früher ald bie 
Sonne, unb habt ggr gefegen, mie ber öftlicge 
£>orijont in bioletten unb golbenen garben er* 
glüht, mägrenb ber hohe ©immeldbogen feierlich frieb* 
boll erfegeint unb hoch fo herrlich, gleicgjam ald ob er 
fid) bemugt märe, bag er „berXräger bed fommenben 
£agedglan*ed ift?" 

ftabt 3h r bie liefen unb gelber gefehen, menn 
ber Xgau bie ©lumen unb ©räfer öerfilbert, menn 
bie Natur ihr geierfleib trägt, unb bie Vögel in ber 
Suft ihr Soblieb anftimmen gur Ggre ©otted bed 
Vaterd? 

V3enn ggr bad Med gefehen habt, bann mißt ggr 
aud), bag bie fommenben Stunben biefen ©lang oft* 
inald trüben, bag fie bie glängenben Ügautropfen oon 
ben Vlumen unb blättern nehmen unb ben ©cfang 
ber Vögel üerftummen loffen; aber bie fegöne ©rin* 
nerung an bie thauige grtfdje bed Borgens üermag 
und bie Ntittagdfonne nicht gu rauben, melcge Verän* 
berung fie auch in ber Natur bemirft. 55>iefe Grin* 
ncrung muß fie und laffen; mir halten fie feft, mie 
bad Wnbenfen an ben fügen $uft ber Veilcgen unb 
Lilien, bie mir in unferer IHnbgeit pflüeften. $)ad 
©ebäcgtnig an bie golbige Stunbe, melche bie Nacgt 
mit bem frühen Xage bereinigt, fann und nicht ge* 
nommen merben; fte bleibt bie 3 u flucht unfered ftcr* 
gend, menn mir matt unb mübe unb öergagt jtnb, 
menn bie fengenben Sonnenftrahlen bed Niittagd und 
erfcplaffen, ober bie Stürme biefed Grbenlebend und 
hin unb herreigen. 

So erinnerte fiA aucg^aul in fpäterer Qeit ftetd an 
bie frühe Stunbe bed heuern Sabbatgmorgend, mel* 
eger bem unfreunblicgen Sonnabenb folgte. „Gd 
mirb ein fo fneblicher 'Nugetag' fein," baegte er, unb 
bann befcgloft er Vormittagd in bie Kirche gu gehen 
unb am Nachmittage Ntagba noch einmal gu befuegen, 
um ihr felbft bad Sebemogl gu fagen, bad er geftern 
ber Butter aufgetragen hatte. 

5lber biefe $läne joUten nicht audgefügrt merben. 
9lld bad erfte ©locfengcläute bon mehr ald gunbert 
ftiregen ber Stabt bie s JNenfcgen ermahnte, fiA gu 
ihrem Kirchgang bereit gu machen, flopfte grau gor* 
bid an *ßaurd igür unb überreichte igm ein killet 
bon bem Äapitain bed Scgiffed, auf melcgem er feine 
Ueberfagrt beftellt hatte. Gd enthielt nur menige, 
mit Vleiftift gefcgricbene SBorte, bie <ßaul aufforber* 
ten, um cif llhr an Vorb gu fein, ba „bie Seejung* 
frau" ben günftigen SBtnb oenufcen unb ^eute noch 
ihre hinter lichten merbe. 

Nun folgte eine unruhige Stunbe. $ic legten 
Vorbereitungen mugten in groger Güc gemacht mer* 
ben; ©aul jagte grau gorbed unb einigen greunben, 
bie mie er in ihrem £>aufe mognten, Sebemogl, unb 


ald bie ©locfen gum gmeiten Ntale ertönten, unb bie 
Ntenfdjen benfelben golge leifteten, ging ©aul gofter 
ginaud, um mieber einmal ein neued Seben unter 
gremben anaufangen. 

3«t 3eit oer Dämmerung buregfegnitt bad Scgiff 
bie tiefen, blauen glutgen * oer ferne Sanbftricg ber 
$eimatb mürbe mit jeber Stunbe fegmäeger, unb felbft 
bad nieoriger liegenbe unb bem SNeere gugeftreefte 
Ufer oerfegmanb enblicg, unb unbemerft unb langfam 
fenfte füg bie Sonne tiefer, bid fie bem ©lief oer* 
fegmunben mar. 3)ie unenblicge SBafferfläcge unb 
ber blaue $immel begrügten einanber ogne ^inbemig. 

„Sanb auger Siegt!" Jagte ber Ga^itain ju $auL 

Gr oermeilte noeg einige Mugenblicfe bei igm unb 
fpraeg mit igm; bann blteb ^aul allein. Gr fonnte 
fieg nugt oon bem Verbecf trennen, bid bad SNeer oöl=« 
lig in SDunfel gegüllt mar. 

Gd fam igm fo feltfam, fo munberbar Oor, bag er 
nun auf bem unenblicgen, atlantifcgen Dcean fdgmebte 
unb oor faum oierunbgmangig Stunben noch bei grau 
gorbed in ber fücge gefeffen unbigr oorgelefen batte. 
Gr feglog bie klugen unb laufcgte auf bad 3lnfcglagen 
ber SSeüen an bie Scgiffdfeiten. Gd mar ein ange* 
negmed, berugigenbed, niegt unmelobifcged ©eräufeg, 
bad feine Sinne einfegläferte, aber feine ©gantafie 
anregte : bie fieg mit immer neuen ©ilbem trug. 
Söogl etne Stunbe lag er fo, bann baegte er glöplicg 
an bie ftircgenalocfen, unter beren ©eläute er am 
Ntorgen feinen SSeg na* bem $afen gemacht gatte. 

,,5Sie fegön," fagte er leife oor fieg gin, „bag ed bie 
lefjte Sanbmuftf mar, bie icg görte unb bag iA ben 
Na cgtlangber) eiben mit mir auf bad Nteer negmen 
fonnte. üb mogl," ba^te er meiter, „bie Seele bie 
Grinnerung an ben lepten Xon, ber in igr fterblicged 
Ogr fiel, mtt jicg nimmt, menn fie oon ber Grbe gm* 
über fAmebt tn bad gimmlifcge Sanb? Ob mogl alle 
SBeAfel biefed Sehend fo plö&licg fommen, mie biefer, 
— aueg ber le§te groge Söecgfel, ber bie Seele aud 
biefem Seben in bad anbere emfügrt? SGBirb ed fo 
fein, ald ob mir aud einem 3immer m bad anbere, bad 
näcgfte eintreten, — aud bem bunfeln 3^mmer ber 
Sünbe, Nngft unb Notg in bad Siegt unb bie enblofe 
greube bed oberen ©emaeged, in bad $aud bed Va* 
terd, bad öiele SBognungen gat?" 

„Viele SBognungen!"—?aul ba^te über bie SBorte 
nadg. ©ejog Jid) ber Plural gier auf bie 3ogl ober 
auf bie Verfcgtebengeit?— 2Bar ed ein groged ^aud, 
badNüen offen ftegt, melcgie bureg bieXgür, Ggriftum, 
eingegen, ober mar ed ein eigened $aud für jeben 
Gin^elnen? 

Noch anbere ©ebanfen bemegten fiA in feinem 
©eift, ©ebanfen, melcge gu ©ebeten mürben, in benen 
ber Name Slgned SJlurrag neben bem Namen ber 



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Huf unb Jfirbrt. 


651 


fleinen ©Ragba, beS armen Dermachfenen, franfen $in* 
beS, ©lafc fanb; benn mäbrenb er betete, mürbe bie 
©cßeibemanb ber gefeüfcbaftlichen Stellung beiber 
täwäcber unb öertäwanb ganz, mie Porten oaS fefte 
£anb bem ©lief entfdjmunben mar. 

$ber eS mar ber ©Rame Signet—©laneS ©Rurrap — 
ben er zule$t flüfterte, unb als feine Seele bie „£>im* 
melsleiter" binaujftieg, bie zu bem großen „©cpa&* 
häufe ©otteS führt," ba gab eS feinen ©djafc unb 
feinen ©egen, nichts Schönes unb nichts SieblicbeS, 
melden unb welches er nicht für ©IgneS erfleht l>ätte. 
Unb als er betete, ba empfanb er eS auch tief inner* 
lidj, baß „Nichts im §immel ober auf ©rben" ben 
anbem tarnen,—„ben ftarfen tarnen Neffen bin bem 
tann," ber gefagt bat: ,,©o il)r ben ©ater etwas bit* 
ten werbet in meinem tarnen, fo mirb er eS euch 
geben." 

«Run mar eS grieben in «ßaul’3 Kerzen. ©Bie ein 
ermübeteS $inb über feinem ©ebete einfcblöft, fo 
fc^Iief ©aul ein, mäbrenb er noch betete; unb baS 
©d)iff berfolgte feinen ©Beg bie ganze lange «JRacbt 
binbureb in ben glutben beS OceanS. 

S«ie Sage, melcbe nun folgten, maren t>oU bon ©e* 
nüffen für «Paul. ©eine, baS ©djöne liebenbe ©eele 
mar tief beroeat bon ben ©Bunbern unb ben §err* 
Ikpfeiten beS ©ReereS, melcbe ibm jebe ©tunbe in 
neuem ßid)te jeigte. 

©ein ©leiftift mar immer in ©emegung, mäbrenb 
ber rubiflen ©tunben feiner ©eefabrt. ©Ritunter 
wagte er sogar ben ©erfud), bie Dom ©türm gepeitfcb £ 
ten ©Sogen zu fairen, unb bie ©Bellen mit bem mei* 
ßen ©ebaum, ber bem ©Reere ben ©Inblicf eines uner* 
meßlicben ©cbneefelbeS gab. 

©S betrübte ihn faft, als bie ©Ratrofen anfingen, 
bon ber ©Räbe btä §afenS zu reben unb eS mar ihm 
faft bebauerlicb, als er an einem ©Rorgen, etwa fünf 
feoeben nach feiner ©Ibreife bon ©Rem J)orf, ben ©iuf 
bernabm: — „fianb in Sicht! —" ©S mar eine fo 
friebooHe, fo ruhige Reit gemefen, ber Fimmel fdjien 
ihm fo nabe gefommen ju fein, baß er nicht anberS 
als traurig fein tonnte, nun fie oorüber mar. 

Ser ©apitain mar ein freunblicber, warmherziger 
©Rann, Seeleute finb baS gewöhnlich. S)er perr* 
liebe ©Inblid bon ©Reer unb §immel, ben fie in immer 
neuer «Pracht unb boeb unberänbert bor fich haben, 
febeint in geheimnißboller ©Beife ihre Jperjen zu er* 
weitem unb 511 erwärmen. 

3)ie ganze ©cbiffSmannfcbaft batte «Paul lieb ge* 
Wonnen unb fleh befonberS für ihn intereffirt. ©ein 
Beicbentalent berührte bie romantifebe ©eite ihrer 
©Ratur. 

©ine eigentümliche greunbfebaft batte Spaul mit 
einem mettergebräuiiten alten ©Ratrofen gefcbloffen, 
auf beffen ©Irmen bie geheimnißbollen ^ieroglppben 
frember Ä'üftenftricbe emtätowirt maren. Sem ©e* 
Sichte beS alten ©RanneS maren bie ©puren bon ©Binb 
unb ©Setter aufgebrüeft unb in feinem Kerzen wucherte 
baS Unfraut abergläubiger ©efürebtungen unb ©ln* 
febauungen, bie er auf feinen abenteuerlichen galp 
ten auf Dem ©Reere unb unter ben ©Rationen berfchie* 
bener ©immelSftricbe eingefammelt unb beherbergt 
batte, ©anft Wie ein Sfinb batte er eines ©onntagS 
jugebört, mie Spaul einem tränten Schiffsjungen baS 
fünfzehnte Äapitel beS ©oangeliumS Sucä borgelefen 
batte. 

©Im ©Ibenb beffelben SageS, als «Paul auf bem ©er* 
beef ftanb unb bie ©teme beobachtete, trat ber alte 
©Ratrofe ju ihm. 

„junger £>err," fagte er, inbem er ftä bemühte, 
feine raube Stimme ju bämpfen, „wollen ©ie mir 
noch einmal bie ©efdjicbte bon bem ©djaf erzählen, 


bie ©ie beute ©Rorgen borgelefen? ©ie müffen leife 
fpreeben, baß meine Äameraben eS ni^t hören, unb 
ben Anfang fönnen ©ie überfpringen; teb glaube, ben 
weiß ich. SaS bon bem ginben möchte teb noch ein* 
mal hören." 

©aul mar fogleicb bereit. Seife fpracb er: — 

„Unb wenn er eS gefunben bat, fo legt er eS auf 
feine ©täfeln mit greuben. Unb wenn er beimfommt, 
ruft er feine greunbe unb ©Radiant unb fpridbt zu 
ihnen: greuet euch mit mir, benn ich habe mein ©djaf 
gefunben, baS oerloren mar. Qcb fage euch, alfo mtrb 
auch greube im foimmel fein über einen ©ünber, ber 
©uße thut." 

„SaS finb munberbare ©Borte," fagte ber ©Rann nach 
einer «Paufe. ©r erhob feine ©lugen zu ben ©temen, 
bie ©aul beobachtet batte, unb biefer fpracb z u ibut 
in einem Sone, ber noch leifer, noch weicher mar, als 
Zubor: 

„©Roch böb^t hinauf, als zu ben ©ternen müßt 3?b r 
bliefen, wenn 3 bt ben guten Wirten feben wollt." 

$>er alte ©eefabrer berftanb^ maS «paul meinte unb 
wer üermag eS zu fagen, maS er m biefer ©Rächt fab! $>aS 
©luge beS ©laubenS braucht oft nur eine ©Rinute, um 
ihn zu fjnben, unfern öerrn unb $eilatib. 

5)er ©Ute zögerte niept länger neben «Paul; er batte 
genug gehört; ja, er fpracb taum noch mit ihm, bis 
an bem Sage, wo fie lanbeten. 

©aul ftanb mieber auf bem ©erbeef, als ber alte 
©Ratrofe zu ihm trat unb ihm eine munberlicb ge* 
formte, buntfarbige ©Rufcbel reichte: 

„©Rehmen ©ie bieS, junger §err," fagte er, „als ein 
Slnbemen an einen alten ©eentamt, ber ben bort 
Oben nicht bergeffen will." 

©r fcbüttelte «Paul’S §anb mit ©Bärme unb blidte 
ihn üotl an, bann lehrte er ficb um, pfiff ein ©Rotrofen* 
lieb unb ftieg bie Sreppe biuunter. 

©aul gofterS ©eereifc mar beenbet. ©ine ©tunbe 
fpäter fepte er ben guß auf ein frembcS Öanb. 

©Bir wollen unS nicht babei aufbalten, ©aul auf 
feiner ©Reife bureb ein frcmbeS fianb unb unter frem* 
ben «©ölfern zu folgen; uns genügt eS, zu miffen,baß 
ihm jebe ©tunbe neue, herrliche ©enüffe brachte unb 
ipm immer neue ©cbönbeiten einer reichen ©Ratur bor* 
führte, bie feine fünftlerifcbe ©eele entzüdten. Sie 
Sage flogen mit «2BinbeSfcbnelligteit borüber; f*on 
maren ©Soeben berftrichen, feit er bem freunbUcpen 
©apitain unb ben guten ©Ratrofen ber „Seejungfrau" 
öebemobl gefagt, als er eines ©RoraenS feinen ©ih in 
ber bereits boll gebrängten «pojtfutfcbe einnabm, 
Welche eben im ©egriff mar, bon ©ibita ©eccia nach 
©Rom abjufabren. 

©S loftete ©aul einige Slnftrengung, bie Aufregung 
ZU beherrschen, welche fein §erz in Schnellere ©eroe* 
gung fehle, als eS nun gewiß mar, baß er fo halb fdjon 
oie Staot feiner Sräume betreten fofite; benn wenn 
er auch tief bon ber ©Babrbeit burchbrungen mar, baß 
fttlleS, maS unS umgibt, unb ieber Ort, an bem mir 
weilen, unS ©Inregung zum ©achbenfen, ©enuß unb 
greube für ©eift unb jgerz bringt, fo empfanb er hoch 
lebhaft, mit melier ©Sürbe unb öeiligfeit unb mit 
welchem geheimnißbollen Raubet Die ©ergangenbeit 
jeben ©tetn ber ©tabt betreibet, welcher er fich jebt 
mehr unb mehr näherte, unb bie unebnen SBege ber 
©ampagna, auf benen bie föutfcbe fo gemütblich htu 
unb her rumpelte, Waren ihm ©Rerlzetäen für fein 
«Rachbenlen. 

Ser Sag nabte fich feinem ©nbe, als ber ©Sagen 
eine langfam auffteigenoe §öbe erreicht batte, welche 
«Paul einen flüchtigen Schimmer beS SomeS ber ©e* 
terSürche gemährte, mäbrenb bie ©tabt felbft noch 
nicht fieptbar mar. ©Iber nur einen Schimmer, benn 


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652 


JUf uni) jlirtft. 


gleich barauf rummelte bie alte ^ßoftfutfcpe wieber 
über bte oerlaffene ©ampagna bapin. 

5112» fie fiep ber ©tabt näherten, würbe bie ©trage 
belebter; fie mußten einige Minuten lang palten. 
9 Jocp eine turje ©trecfe, unb $aul mußte, — baß er 
in 9 tom mar, in ber ewigen ©tabt; int ©cpatten ber 
Kuppel ber berüpmten Äatpebrale, bie eben von ben 
©traplen ber untergehenben ©onne vergolbet mürbe; 
in ber Hörweite ber ©loden aus ber luftigen £öpe. 
*ßräcptig getleibete Männer, grauen unb Stinber 50 * 
gen gruppenroeife an ipm vorüber, naep bergroßen 
$ia^a pin, in beren Mitte ber alte egtjptifcpe ObeliSf 
ftept, unb wie eine warnenbe ©epilbmaepe aus längft 
vergangener Seit, mit bem langen mageren ginger 
gen §imntel jeigt; wo bie gontainen fpielen unb 
raufepen unb ipre hopen SSafferfäulcn, ber geit 
fpottenb, pin unb perfcpütteln, baß fie in taufenb unb 
abertaufenb glänjenben Xropfen verftäuben. 

©S waren föftlicpe Xage, biefc Sage, melcpe nun 
folgten, ©tunbenlang manberte fßaül unter gefun* 
feneit ©äulen, verfallenen Xriumppbogen unb Sem* 
pelruinen umper; ftunbenlang ftanb er mit Hopfen* 
oem öerjen unb eprerbietigem 9lnfcpauen vor ben 
Shwftmerfen, melcpe Scaler unb 93ilbpauer gefepaffen; 
unb tn ben üRäcptcn woben föunft uitb ©cpbnpeit unb 
Slltertpum bie träume, aus benen er beim erften 
Morgengrauen ju neuem 9lnfcpauen ermaepte. 

$ber warum bie SBunber unb ©cpönpeiten von 
SRom, ber „ewigen ©tabt" — wie fie mit SRecpt ge* 
nannt wirb — betreiben, mit beren unerfepöpmepen 
©cpäfeen ber ftunft unb ©efepiepte wir burep $ücper 
unb Silber betannt gentaept ftnb. 

$aul manberte bon Ort $u Ort, bott ©traße $u 
©traße, bon s ßalaft $u *ßalaft. 2 ln bie Arbeit, bie er 
ben folgenben Montag beginnen fotlte unb bie er 
niept fruper beginnen tonnte, weil baS Heine Atelier, 
baS er gemietpet patte, niept früher frei würbe, baepte 
er niept. ©r lebte gan$ für ben Vlugenblicf unb biefer 
war mit bem ©epauen a£T beS ©cpönen unb $errli* 
epett auSgefütlt. 

Sen ©mpfeplungSbrief, melcpen $err ©ilbert ipm 
gegeben, patte er bem 93efiper ber ©emälbc überreiept, 
Die er copiren foHte. 

©S war ein bejaprter Zünftler, ein einfacher gut¬ 
herziger Mann, ber fiep fogleicp für fßaul intereffirte. 
SpeifS war eS *ßaulS gugenb, bie ipn an^og, bann 
aber auep bie ipm vertraute ©praepe, bie er naep lan* 
gen Qapren gern wieber pörte, unb beren fiep $aul 
gern bebiente, wo fie berftanben würbe, weil er beS 
gtalienifcpen noep nid)t ganz mäeptig war unb mit 
großer Siebe an feiner Mutterfpraepe ping. ©0 patte 
$aul gleiep einen freunblicßen Menfcpen gefunben, 
bem eS ein Vergnügen war, feine ©epritte ifi biefen 
müffigen Sagen zu leiten unb ein Atelier zu finben, 
baS in einem ©tabttpeil, in melcpem viele Zünftler* 
werfftätten waren, unb ganz in ber SRäpe ber Sßtazza 
93arbarint lag. 

©S war ein befcpeibeneS ©emaep, baS $aulS be* 
fepeibenen Slnfprüchen genügte, aber ben SRacptpeil 
patte, baß eS viele kreppen podj lag. ©S war taum 
anjunepmen, baß bie Söefucper ber ftünftlermerfftätten 
*u ebener ©rbe, bie entweber taufen wollten, ober 
Denen eS Vergnügen maepte, bie Zünftler wäprenb 
iprer Arbeit zu befuepen, fiep fo poep berfteigen Wür* 
ben; aber baS patte für jept feine 99ebeutung, weil 
$aul Monate lang mit ©opiren zu tpun patte. 

SaS Heine gtmmer Putte öom erften ?lugenbliet 
an etma£ öeimatplicpeS für *ßaul. ©r feprieb eS fei* 
ner Sage au, benn nngSum wopnten Maler unb 53ilb* 
pauer — Männer unb grauen — bie aus aller Herren 
Sauber picr jufammen getommen waren, um iprer 


geliebten ftunft ju leben. — „®ietteiept," baepte $oul, 
„ift mir ber Heine SRaum auep beßpalb fo bepagliep, 
weil er fo poep liegt." 

©r trat an baS genfter unb bliefte pinauf zu bem 
tiefblauen |>immel, ber fiep oben fo frieblicp unb 
freunblicp über bie große ©tabt breitete, wie über 
bie ©räber feines Katers unb feiner Mutter in bem 
fernen Sanbe feiner ©eburt 

„Unb," baepte er weiter — benn er war jung — „eS 
ift ber fepöne, blaue $intmel, ju melcpem &gne$Mur* 
rap emporblidt." 

tiefer ©ebanfe vauberte ein Säepein um feine Sip* 
pen unb baS war etwas ©elteneS geworben, feit er 
feine Arbeit in 9iom angefangen patte; benn eS mar 
ein müpfeligeS, arbeitSvoUcS Seben, baS er führte. 

IHbcr eS trug feine grüepte. 9?ocp war eS niept gan$ 
ein gapr, feit er Slmerifa verlaffen unb fdjon patte er 
bie lepte ©opie für öerm ©ilbert voüenbet unb ben 
lepten Dollar feiner ©cpulb bejaplt. 

„gep bin frei — frei!" jubelte er, „nun bin iep niept 
länger ein gefangener $ogel, ber in feinem Ääßg 
fingt, aber unfäpig ift, baS ©itterwerf ber borgffeprie* 
benen Arbeit iu burepbreepen." 

MitleibSvoU baepte er an bie bunten gefieberten 
©änger, bie gefangen finb, obwopl fie in vergolbeten 
Käfigen fingen. 

Söieber war ein gapr berftriepen. ©in fepöner 
Senvmorgen bliefte bie ©rbe auS fonnigen Slugen an. 
^Saul paefte garbenfaften unb ©ftvvenmappe unb bie 
uotpigften ^leibungSftüefe in feinen Xoraifter, fepnallte 
ipn auf ben fRüefen unb feploß bie Xpür feines gim* 
merS m ber Slbfiept pinter fiep fic erft in ber 
®erbftjeit wieber öffnen p wouen. SBoplaemutp 
manberte er pinauS in ben ©onnenfepein, ber $immcl 
unb ©rbe vergolbete. SDie Suft war bon Seilcpen* 
buft bureppauept, ber SSiefengrunb mit Anemonen ge* 
fcpmüdt unb ftiU unb unbemegliep wie eine blaue 
Xrift bepnte fiep baS perrliepe mitteüänbifcpe Meer 
unter bem berflärenben SBieberfcpein beS itahenifd^en 

S immels aus. Unb ben ganjen langen ©ommer $og 
aul pin unb per an bem feponen Ufer unb bann weit 
pinein in baS Sanb ber fepneegefronten ©erge unb 
blüpenben STpäler burch Sanbf^aften, bie fepon unb 
lieblicp unb poefievoH finb, wie baS Sieb eines $>icp* 
terS bon ©otteS ©naben. 

fRicpt ein einiges Mal wäprenb beS ganzen, langen 
©ommerS würbe $aul gofter von bem falten $rucf 
beS Mangels berüprt. ©etne ©rieftafepe war immer 
gefüllt. 3Bie unennüblicp fein 93leiftift auep war, 
©fiwen bon ©ppreffen ober Linien, von fernen 
$öpeiuügen unb napen Sanbfcpaften auf baS Rapier 
ju vaubem, bie Xouriften veigten fiep eben fo uner 
müblicp, fie ju erwerben. ©0 fam eS, baß ^aul fei* 
neS feiner SRaturbilber in ber ©fiwenmappe ber* 
waprte; benn wenn er fie auep niept vum Verlauf 
bot, fo gab er fie boep gern fort, wenn er gebeten 
würbe. 

Unb als ber ©ommer bapin war — biefer föftliepjle, 
genußreiepfte, alücflicpfte ©ommer feines SebenS — 
unb $aul naep 9lom vurücffeprte, ba braepte er einen 
pübfepen ©elbborratp mit, bie gruept feiner naturge* 
treuen ©fivven; eprenpaft erworbenes ©elb. 

3lber pier müffen biejenigen unferer Sefer, welepe 
uns biSper gefolgt finb, um eine bergnügtiepe Unter* 
paltung für müffige ©tunben ju paben, bieS 93ucp ju* 
feplagen unb vur ©eite legen unb eS niept wieber auf* 
nepmen; benn als $aul gofter wieber in SRom unb 
in fein Atelier eingejogen war, trat baS Seben, baS 
wirfliepe, mahrpaftige Seben, baS fiep wie ein gaben 
burep unfere ©rjäplung feplingt, — mtt feinem ganzen 
©rnft, feiner ganzen vollen ©dpwerc an ipn peran unb 


Digitizechby 






Huf an) Jiirtrr, 


653 


laftete mit finfterm $rude auf ipm. 3)ie ©epatten, 
bie fiep aügemacp um ipn fammelten, Derbicpteten fid) 
immer mepr, unb bie trüben, falten SBinterabenbe, 
bie bem fonntgßen, licptooUßen Sommer feinet Se* 
beng folgten, mürben bunfler unb immer bunfler, 

bte enbltcp für Jßaul großer-bie SJiorgenrötpe 

eine^ anbem gfrühlingg pcraufbämmerte, bag $)unfel 
burcpbracp unb afleg licpt machte. 

(gg mar ein 2 ftonat oor feeipnacpten. $n ben 
©traßen SRomg brängte fid) eine bunte 2 Renfd)en^ 
menge auf unb nieber. ©efang unb Sftufif erfcpalltc 
Dom 2Jtorgen big ^um abenb, aber nur roenig abge* 
riffene $öne ober oereinjelte SRacpflänge ßaplen fiep 
hinauf in Saulg ©infamteit. Sergeblicp lauste er 
auf ben ©cpritt eiueggremben; Sftiemanb fam. $en* 
noep arbeitete er unocrbroffen unb doU Siebe meiter 
unb l)ielt bie Hoffnung feft, baß fid) für fein halb 
Dollenbeteg ©entälbe ein Käufer ftnben roerbe. aber 
bag täglicpe Seben trat mit unberminberten anfprü* 
epen an ipn peran, unb (ein ©elboorratp fcpmanb oon 
$ag ?$u Xag. 

„Sie. mü()en «gpren ©tpl anbem,“ netten feine 
jungen Kollegen, bie ©elb oerbienten. „Sie müffcn 
ipn bem allgemeinen ©eftpmatf anbequemen. $ie 
Sremben, roelcpe jept in 9iom finb, finb feine $unß* 
tenner. Sftalen ©ie Silber, bte ipnen gefallen, unb 
©ie roerben ©elb oerbienen. Xie mentgen Kenner 
halten fid) an bie berühmten Sftcißer $u ebener (£rbe. 
2 Bag finb mir flttaler anbereg,“ fügten fic Reiter la* 
cpenb pin^u, „alg ßcute, melcpe bte gretfjeit paben, 
ben ©epatten iprer eigenen Spantafiegebilbe nacp$u* 
jagen ?“ 

aber für Saul patte bie $unft eine tiefere 23ebeu* 
tung, alg feine leicptpcraigen ©efäprten fid) träumen 
ließen; ipm mar fie fo pocppeilia, baß eg ipm unmög* 
Itcp mar, ein 58ilb. bag er einmal entmorfen, auep nur 
burd) einen überflüffigen ©trid) ober eine unricptige 
©cpattirung $u Derunglimpfen. 

$5icfeg ©treben, feinen 9 ttitmenfcpen burcp bie 
#unft ftenntniffe $u Dermitteln, legte ihm eine fcpmere 
unb f eierlicpe Serantmortung auf, unb feine SBetracp* 
tungggabe patte fiep mit ben Sapren fo berfeinert 
unb oeroolltommnet, baß er gar niept malen tonnte, 
ahne ben geringften ©ragpalm unb bie gemöpnlicpftc 
2 Öiefenblume fo naturgetreu alg mögliip $u maepen. 

„ 2 fur mapt, nur naturgetreu,“ fagte er fid) oft, 
„unb menn icp auep längere 3 eit pr Sollenbung mei¬ 
neg ©emälbeg nötpig habe, unb menn auep-“ 

©eufyenb braep er ao. l£r pob bie s 45rieftajcpe ent* 
por, bte jeben Xag leiepter mürbe, unb er blidte in 
ben ©piegel, ber ipm gegenüber ping unb tonnte fiep 
niept oerpeplen, baß fein ©efiept bünn unb blaß mar, 
unb fein äuge mübe unb matt (£r patte fo menig 
unb fo unruptgen ©eblaf. 

2 lber enbltcp ftanb fein fertigeg 93ilb auf ber ©taffe* 
lei — eine Sanbfcpaft. $ie marme grärbung eineg 
italienifepen §immelg mürbe noch erhöpt burep einen 
reiepen brillanten ©lumenflor. ®er Sicptglan* fepien 
bureppauept*u fein Don bem erften apnen ber fiep 
naljenben abenbfepatten. ©g tag eine erpabene 
SBurbe, eine geiftige Söebeutung über bem ©anjen, 
unb boep mar eg nur bie etnfaepe ©ompofition eineg 
©egenßanbeg, ber fepon oft Don Zünftlern aller Sän* 
ber gemäplt mürbe. 

(gtn $reu$, bag am SBege ftanb. 3 U & cn Stißen 
beffelben murjelte eine Jfüue blauer Jöergißmeinuicpt. 
Einige lange ©tengel reiepten empor 5 U bem ©tamm 
beg ^reujeg unb bie blauen, bcbeutunggDoHen 
23lütpen fmmiegten fiep an bag §ol$. 

®or bem tfrenge lag ber ^erbromene ©epaft einer 
gemeißelten ©äule, bie noep ben ©qmuef eineg maf^ 


fioen cortntpifcpen ©apitalg trug unb Dieüeicpt ein 
Xpeil eineg präeptigen Xempelg gemefen fein moAte. 
hinter bem $reu$e unb ben ^tntergrunb beg @Je* 
mälbeg bilbenb, erpoben fiep blaue Serge, unb blü= 
penbe $päler breiteten fiep ju ipren güßen aug. @g 
mar eine fonnige, frifd^e, rei^enbe 9Belt, auf melcper 
bag äuge mit Vergnügen rupte, menn eg Don ben 
Xempelruinen, bem 2Berf Don s JO?enfcpenpanb, pin* 
überfebroeifte, unb fiep an ben glän^enben Sölumen 
fattgefepen patte; benn ein ftiüer ^rieben, eine bie 
©eele anpetmelnbe SRupe, umpüllte bte „emigen 
33erge.“ Äein 2 öeg führte ju benfelben pin; ber 
enge, gefcplungene gußpfab, ber btept an bem Äreuje 
Dorüberlief, mar ber einzige 3 u 9 an 9^ un ^ nu f tiefem 
Sfuöe lag ber ©epatten beg ÄreuAeg, — fo lang, fo 
poep, baß er fiefa in bem Siepte oerlor, bag milb unb 
meiep über ben frieboollen bergen rupte. 

2 )acpte Snnl großer, alg er btefc ferne ©ebirggreipe 
malte, an bie ^öibeloerfe, bie er am jfrtie feiner 9J£ut* 
ter gelernt: — „Um ^erufalem per finb Serge, unb 
ber $err um fein 2 ^olt per,“ unb „Qcp pebe meine 
äugen auf ju ben bergen, Don melcpen mir §ülfe 
fommt“—? 

^aepte er, alg er bag ^reuj malte, an „bag Samm 
©olteg, melcpeg ber 2 Belt ©ünbe trägt?“ 

"UBar fein $er^ fo leiept unb frop babei, mie ber 
5 luß, ber plöpli^ aug bem ©epatten in bag ©omten* 
liept fpringt? 

2öir mi)jen eg niept. Äein ^erj Derntaa bie ©e^ 
beimttiffe etneg anberen ^erAeitg ju lefen; aber $aulg 
©efiept mar oon einem glücfliepen Säepein erpcüt, alg 
er oor feinem Doflenbeten ©emälbe ftanb. 

$en folgenben unb Diele folgenbe Xage man* 
bertc Saul großer burep bie ©traßen 2tontg unb Don 
Slap üu Slap, überall pin, mo er einen Käufer für 
fein ©emälbe ju ßnben poffen tonnte. 

@r fanb feinen. 2)ie 2öeipnacptgjeit mar Dorüber. 
©ein ©emälbe mar immer, ttoep unoertauft; feine 
Srtcftafcpe mürbe immer leiepter, enblid) ganj leer. 

aig alle anßrcngungeit opne ©rfolg blieben, alg 
bie ^oßnung bläffer mürbe unb ju f^minben begann, 
feprieb Saul an iperrn ©ilbert’g grreunb, ber fd)on 
lange Don 9iom abmefenb mar. aber bie 2Socpen ta* 
men unb gingen unb braepten ipm leine antmort. 

SBag foute er tpun — er, ber grernbe in bem frem* 
ben Sanb? 2öo foHte er £ülfe fuepen? 

2) ie Stotp gab ipm ben Ütfutp, au ben Äünßlern ju 
gehen, beren atelierg jju ebener ©rbe lagen unb Dtel 
befuept maren unb fie &u fragen, ob fie ipm feinen 
Käufer für fein©emälbe jumetfen tönnten. aber bie 
fleißigen SMänner an ber ©taßelei napmen fiep niept 
Reit, ju ihm aufeublicfen unb jju fepen, mie blaß unb 
forgenDoll fein ©efitpt mar. ©ie pörten nur, baß er 
mit ruptger, fefter ©timme fpraep unb antmorteten 
gelaffen: „^ein, mir paben felbft noep unoerfaufte 
Silber.“ 

3) ag mar ju Diel für Saul Softer; er lonnte niept 
meiter fragen. @r mar ßoi$ unb empßr.blicp, ein 
äepter ©opn amerifa’g, ber „lieber ßerben alg betteln“ 
moepte. 6 , menn er gefragt pätte! @g maren marin* 
per^tge SWänner unb grauen unter ben Zünftlern, bie 
ju ebener @rbe mopnten. 

Unb bie Xage tarnen unb gingen, können mir 
ung munbern, baß fie in iprem Sauf eine ©tunbe 
braepten, in melcper eg in Saulg ©eele bunfel mürbe 
— fepr bunfel? 3 ß eg feltfam, baß er ^meifelpaft oor 
feinem ©entälbe ftanb, bag Shemanb taufen moflte, 
unb laut augrief: „Sß cg all’ ber SJtüpe mertp!“ 

2 Bag ipn boym trieb, er mußte eg felbft niept — aber 
er polte bag ©emälbe feiner Sugenbjapre — Öen bü* 
ftern Seljen mit ber etnfamen Slume — unb ßeüte 


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654 


Huf unb $ifbrc. 


eS neben bie Staffelei. Unb er polte auep bie Heine 
Scpiefertafel mit ben frummen Sinien unb fteflte fie 
an bie anbere Seite. $>a ftanben fie nun äufammen 
— bie ©emälbe feiner $inbpeit, feiner Qiinglingö^eit 
unb feiner ManneSjapre, unb- 

Er ging hinunter auf bie ©trage, in bie buntlen 
©tragen tum SRom. ES mar SRacpt. Unb mieber trat 
fie ipm entgegen, bie grage: „Qft eS all* ber Müpe 
mertp?“ . 

Er mar falt unb hungrig, acp, — unb er mar jung! 
ES mar eine fcpmierige, eine bunfle grage, unb eine 
ferner *u beantmortenbe, unb eS mar eine bunfle, 
fcproere *Racpt. 

5)aS erfte Morgengrauen lichtete bereits ben öftli* 
eben $immel, beoor er ben geinb befämpft unb be* 
fiegt gatte, ber ficb mit ber ftälte unb bem junger 
unb ber geftorbenen Hoffnung ^erangcfd^licbcn, — 
ben geinb, ber ficb 1™* ein Wx Scplacht bereiter $rie* 
er in Doller SRüftung in bie Eitabelle feines ©laubenS 
ineingeftoblen patte. 

ißaul gofter ging jurücf in fein Atelier. lieber 
ftanb er oor feinen brei ©emälben. „Ein ®ater 
ber SBa ter lo f en,“ — ,,©ott bie Siebe“ 
flüfterte er meicb. 

Sieber pörte er fie auSfprecpen, bie grage, aber 
bon einer anbern Stimme als ber feinigen: „gft eS 
aH* ber Müpe mertp ?“ 

EtmaS, mte baS friipe Slugeucpten beS jungen Mor¬ 
gens naep bunfler Mttternacbt, jog burep baS Heine 
bunfle Qintmer; unb leife unb nielobifcp unb lieblicp, 
mie baS fßlötfcpern ber Sellen an bent blumigen Ufer 
eines niebrig liegenben, fchönen EilanbeS, erflanaen 
Diele Stimmen: „ga, aü’ ber Müpe mertp!“ — Unb 
bann — mie flocfige Sollen an einem Sommerpim* 
mel, fo jogen bie Erinnerungen feines SebenS pin oor 
feinem geistigen 2luge in rafdber SReipenfolge oorüber. 
Er glaubte mieber ein $inb $u fein — ein $inb, baS 
oermunbert fragte, ob e§, menn es ein Mann gemor* 
ben, tief genug graben fönne, um bie fepönen garben 
ju gnben? 

atte er fie gefunben? 

nb er glaubte mieber ein $nabe ju fein — ein 
$nabe, ben baS Verlangen bcfeelte, bie SergeSpbpen 
u erfteigen, um pinüber bltden ju fönnen, unb $u 
epen, maS „auf ber anbent Seite“ fei. 

$atte er fte erfliegen? 

Unb bann — feine ©emälbe, bie garben, bie fcpö* 

nen föftli<pen garben-?UleS mürbe bläffer unb 

bläffer unb oerfeproamm in einanber. 

Sar ipr Sert ooflbraept? 

55>ie Stimmen fupren fort ju fingen, — melobifcp 
unb lieblicp. Er glaubte bie Stimme ber fleinen 
Maaba *u erfennen, melcpe immer mieberpolte: 

„gep oin bapeim bei Eprifto." E)ann fiel eine an* 
bere Stimme ein, — er glaubte ben alten Seemann 
fummen $u pören: „greuet Eucp, freuet Eucp.ber 
gute §irte pat einen Sünber gefunben, melcper v3uge 
tput!“ — *Run fam grau gorbeS in iprer gemopnten 
2öeife: „gep mar mübe, mübe unb matt, nun pabe 
tep SRupe gefunben unb Erquicfung — fRupe in 
Eprifto.“ — Äber lauter uub lieblicper unb füger unb 
rcijenber als Sille, pörte er SlgneS fingen — SlgneS 
Murrap: „Er mar mein greunb, er palf mir, — —“ 
unb ^ßaul mugte, bag fie baepte: „Er er^äplte mir 
Don unjerm £>errn gefu Eprifto.“ 

Unb mieber flüfterte s ßaul — aber biefeS Mal fepr 
leife, fepr jepmaep: „gft eS all’ ber Müpe mertp?“ 

XaS jjimmer füüte fiep mit lüften, bie bem Seip* 
rauep gingen, melcper bem golbenen Seipgefäg ent* 
Jtrömt; bie leife, melobijcgc ©efangmeife mürbe ool* 
ier, parmonifeper; fie fcpmoU $u mäeptigen Slccorben 


an unb in bie perrlicpe Mufit fielen alle Stimmen, 
bie Dorper einzeln erflungen, ju bem jubelnben Epor 
jufammen: „ga, 00' ber Müpe, all* ber Müpe mertp, 
oenn bu paft eS getpan aus Siebe $u unferm §errn 
gefu Eprifto!“ — 

f aul mugte, bag bieS eine SSifion mar; er mugte, 
fie oiefleiegt fam, rneil er gtg fo feproaep, fo matt, 
fo opnmäcgtig füplte — fo fepmaep, bag er nur fcprnan* 
fenb naep bem Xifcge ju gepen oermoepte. SSor bem- 
felben fegte er fiep nieber; er legte bie gefalteten 
£>änbe auf ben Xifcp, unb auf bie ßänbe ben Äopf; — 
aber jubor fcplug er bie alte S3ibef auf. ES mar pell 
gemorben in bem gimmer — bie Sonne mar aufge* 
gangen — er laS bie erften Sorte beS fRömerbricfeS: 

„SSauluS, ein ßneept $efu ©prifti; —“ 
unb Die Sonne fupr fort $u fepemen, ben lieben, Um* 
gen Xag pinburep. 

Sie ftanb fepon poep am §immel, eS mar Mittag, 
ba — ertönten bie Scpritte auf Der fcpmalen Xrepbe, 
auf melcpe $aul gofter fo lange oergeblicp gelaufcpt 

! iatte. $a, nun famen fie, aber nun — mar eS $u jpät 
ür ipn. Er pörte fie niept mepr. 

ES mar ber Zünftler, §errn ©ilberf S greunb, mel¬ 
cper erft in ber SRacpt ^uoor naep IRom jurücfgefeprt 
mar, unb nun mit einem Käufer für baS fertige @e* 
mälbe au $aul eilte. 

^ie Herren Hopften an bie Stubentpür — einmal, 
jmeimal, breimal. 

Ä'eine Stimme rief: „^erein!“ — 

Sie öffneten bie $pur. Sie ftanben auf ber 
ScpmeUe unb fapen pinein in baS gtmnmr. 

Sie fapen bie Staffelei unb bie brei ©emälbe, unb 
fie fapen ben Sonnenftrapl, melcper fepräg burep baS 
gimnter fiel unb baS ^auptgemälbe, baS in ber Mitte 
ftanb, baS $ reu $ unb bie friebootten ©erge mit feinem 
Dollen ©lan$ übergog. Unb fie fapen auep ben 5ifcp, 
auf melcpem bie wieftafepe lag, bie fo bünn, fo leer 

mar, unb-baS aufgefcplagene emige ©ucp. 

Sie fapen auep ^aul, beffen £opf oor bem S3ucp auf 
ben gefalteten öänben rupte. 

E« mar ein EtmaS in bem SlUen, baS ipnen ein epr* 
furcptSDoHeS Scpmeigen auferlegte. Sie ftanben 
einige Slugenblicfe unbemeglicp; bann flüfterten ge 
leife: „StiU! — er fepläft!“ 
ga, fie patten SRecpt — $aul gofter f cplief, unb ge— 
maren ju fpät aetommen, ipn aufgumeaen. 

Xen anbern ;£ag mar baS Heine Atelier mieber ju 
oermietpen. 5)en anbern £ag mürbe im Scpatten 
ber „emigen Stabt auf ben geben §ügcln“ ein neues 
©rab gegraben. 

3>en anbern Xag, als $aul gofter fein S3rob mepr 
brauepte, fepmang fiep fein ©eniuS poep empor unb 
gelangte ^u popen Epren. Qn ber Sluction, melcpe 
Die amerifanifcpe ©efanbfipaft oeranftalten lieg, 
mürbe SlfleS, maS ißaul je fein genannt — feine ge* 
ringfügigften Sf^en, feine 53erfucpe unb unbeenbw* 
ten ©emälbe ju ben pöcpften greifen Derfauft. ES 
mar feinen EoKegen unb ©efäprten auf bem Äampf* 
plag ber Äunft ferner, baS flemfte Slnbenfen für gep 
ju erftepen; benn SlfleS, SlöeS — felbft fein ißinfel unb 
garben unb Rapier, ja, feine alten wleibungSftücfe, 
braepten Diel ©elb ein. 

So mar er boep gefrönt — gefrönt als Maler unb 
Zünftler, in ber stabt ber Shmft, — gefrönt Don 
Äünftlern unb ftunftoerftänbigen. 

Sar eS gu fpät? 

Sar ber ißreiS, ben er be^aplt, ju poep? 9fein, nein, 
benn — 

„©er ba rein in feinem Streben, 

Unb eö treu im Äämpfen meint, 

Sejjen ©irfen beffen ßeben 
Kroger, reiner auep erfdjeint» 


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•otte* JDrrh unii u«fn JUeth. 


«55 


[q. e« Ija&en ba« erfahren 
tärtürer unb fromme fc^on, 
cne au3erroäl)lte Sdjaaren, 
tebenb uor bed #öd)ften Ihren, 

Die au« bunfelit JtamyfdMiäajten, 
ttufpeftiegen fmb jurn fiicfjt, 

Selig nun ju feiner Strebten 
©djau’n be« #errn Stngefidjt. 

Xreue« fiteben, treue« morgen, 

Leblich Schaffen, Dag für lag, 

Xreulicfi Jpoffcu auf ben 'Dtorgen, 

Ob«e fioijn niebt bleiben mag. 

S a, bie £anb, fie mag ermüben, 
ttb baä $er$ mag traurig fein, 

?lber bennodj — füßen ^rieben 
©ie§t jefjon l)ier ber #err hinein. 

Unb e« tönet inöcbt’gen Schatte«, 

Denn e« fpridjt ber jperr ba« ©ort: 

„©er hier übemmibet Wie«, 

©oll ererben Stile« bort." 

„333er übertotnbet, ber ttnrb eg 5lUeg ererben; unb 
id) tuerbe fein ©ott fein unb er ttnrb mein ©ofyn 
fern/' 

„©ei getreu big in ben Xob, fo ttriH tc§ bir bie 
$rone beg ßebeng geben/' 


(Botte* JUferk unb unfer JÜterk. 


ie ©Triften finb nicf)t Jetten, welche behaup¬ 
ten, nicht? für ben |>errn t^un ju fönnen. 
®ie ©inen werben burdj 2>ie?, bie Stnberen 
burdj gene? in Slnfpruch genommen, unb bie 
3at)I berer, Welche fiel) ganj bem $ienfte be? 
$errn weiten, ift gering. Unb unter biefen, 
wie Siete bfirfen fid) ba? geugnifj geben, bafj 
fie tljun, wa? fie fönnen ? — Uebrigen? fommt 
e? bem §erra weniger auf ba? an, Wa? wir 
t fj u n, al? auf ba?, Wa? wir f i n b. 5)ie 
®ie ©efinnung, mit welcher wir unfere Strbeit 
»errieten, ift in manchen Sejiehungen wichtiger 
atS unfere Arbeit fetbft. älber bie ©efinnung 
erlangen wir nur burcf) bie ©rneuerung unfere? 
ganjen SBefen?. golgenbe? mag erflären, wie 
bie? ju öerftehen ift. ©ine SJtagb, bie fief) be* 
feljrt hatte unb bie man fragte, woran fie er* 
fenne, tajj ihre Sefeljrung eine wahre fei, ant* 
Wortete: „®aran, baff ich jefjt unter ber 
Strohmatte fege." ©in üom ©eifte ©otte? er* 
(euchteter Slotar fagte: „gefct erlernte ich, ^ a 6 
ich nicht auf ber SBelt bin, um Sitten ju machen, 
fonbem um ©ott burdj meine Stften ju greifen." 
Itiue ein jebe? nur ba? Seine in feinem SBir* 
fung?freife, fei e? auch noch fo gering, unb ©ott 
wirb au? bem kleinen biel maxien, fo wir treu 
gewefen. 

„gh* habt nur ©fägbe in euren ißrebigten," 
fagte einft ju SBe?letj einer feiner ©egner. ©r 
antwortete ruhig: „2afjt bie ©lägbe fich öon 
#erjen befehren, unb ihr werbet feljen, baff fie 
baju beitragen, bem ©bangetium bis in bie an* 
gefehenften gamilien ben SBeg ju bahnen." 
Si? bor Kurjem ftanb an ber Spifce zahlreicher 


chriftlicher ©efetlfchaften in ©ngtanb ein SBtann, 
2orb ShafteSburt), ber bon jung unb alt, reich 
unb arm, bon ben gemeinften wie bon ben l)och s 
gefteHten 2euten al? ein Wahrer ©hrift unb ein 
SSohtthäter ber ©lenfehheit angefehen würbe. 
Unb biefer ©fann biente bem $errn bon feiner 
Kinbheit an. SBer aber hat ihn junt $erm ge* 
führt? SBer hat mit ihm gefungen unb gebetet, 
al? er ein junger Knabe war, wer hat in feinem 
£erjen unau?löfcf)liche ©inbrüefe hinterlaffen ? 

— ©ine bemüthige Kinb?magb, eine jener burch 
SBeSleg’S ^Srebigten belehrten ÜJtägbe. — 

SBa3 mir thun, entfpricht bieüei^t nicht un* 
feren SBünfchen, allein eä foö uns genügen, ju 
miffen, bafi ber, welcher unä unfere Aufgabe an* 
gemiefen, wei|, baf? fie beftimmt ift, feine iRath* 
fchläge auSjuführen. 

Seim Sau eine? ©otteShaufe? gibt e? Ser* 
richtungen untergeorbneter 9lrt, bie aber beffen* 
ungeachtet nicht entbehrt werben fönnen. SBenn 
wir beim großen Stcidjöbau ©ottc? baju ber*. 
wenbet werben, nur Sacffteine ju tragen, fo 
fotten wir un? nicht beflogen unb nicht meinen, 
e? wäre fdjöner, an ber Slu?fchmücfung be? 
.yaupteingange? arbeiten ju bürfen. 3« feinem 
Reiche weift ber $err einem geben feine Stelle 
unb fein SBerf an, unb bie Ueberjeugung foll 
un? mit »tuf)e unb Sertronen erfüllen: ©teilt 
©ott unb Sater hat mir nicht nur geboten ju 
arbeiten, fonbem er fümmert fich auch um bal, 
ma? ich thue, unb Sitte? foll baju beitragen, 
mein innerfte? SBefen für bie ©wigfeit ju be* 
reiten. 

®ie Sorfteljerin eine? Äranfenhaufe? fragte 
eine mit Slrbeit überhäufte Schwefter: „9lun, 
mein arme? Äinb, wie geht e??"—„81^," ant* 
wortete biefe betrübt, „id) bin nur gut genug, 
um »on ber Spcifefüdje in bie SBafchfü^e, unb 
öon ber SBafchfüche in bie Speifefüche ju gehen." 

— ,,©anj rec|t, meine Tochter," antwortete bie 

im SDienft ergraute Oberin, „nnb öon ber Küche 
in ben glimmet ift nur ein Stritt; benfe oft 
baran!" — ga, SBafch* unb Speifefüche fönnen 
eine Sorfchule für ben Fimmel fein. , 

Unfere ©emeinfehaft mit bem $errn heiligt 
alle unfere SJtühen unb all’ unfer Kreuj. ®r 
hat ba? ®reuj für un? getragen, er trägt auch 
bie Krone für un?. Sotten wir nicht froh J e ' n / 
baff gefu? un? für Sille? in feinen S)ienft 
nimmt, unb fönnen wir ihm nicht öon ganzem 
£>erjen fagen: ©fache au? mir ma? bu witlft, 
unb ftelle miöh, Wohin bu e? für gut finbeft, 
überall wo idh mich nü^lich machen fann. Ob 
ich bid) thätig fein batf, ober um beinetmil* 
len jur Seite geftellt ober getreten werbe, — 
ich Sille? bir anheim! — 

SBenn bie ©hriften gelernt haben werben, fo 



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656 


$otn ((eiligen Abenbtnoljl juriithgetoiefm. 


Zu panbeln, nicpt tpren ©igenmillen, fonbern 
beit ©Sitten beS pimntlifcpen 33aterS z u erfüllen, 
bann mirb nt an nicpt mehr fo biete traurige unb 
niebergefdplagene (gefiepter unter ißnen erblicfen, 
bann roirb geber mit ergebenem, ja, mit freu* 
bigem Sinn fein ©3erf bottbringen, ttmS eS 
auch fei. 


Pom peiltgeii ^benbmai)! tutttdt- 
gnuicfcn. *) 

®on Albert Saitbettberger. 

n bem fdjönen ©Sürttemberger Sanb regierte 
im Anfang beS 18. gaprpunbertS ber Herzog 
r\*J ©berparb ßubmig, ein gürft, ber be* 
fonberS im Anfang feiner Regierung, ba er 
^fp nicht ohne gute ©igenfcpaften mar unb eine 
v2> fromme ©rziepung erhalten patte, ju man* 
# cpen Hoffnungen berechtigte, ber aber üon bem Dage 
an, ba er in bie Hänbe ber fcplimmen ©räfin ©priftine 
SBilpclmine üon~©räücnip fiel, bem Sanbe unfäg* 
lieh biel Her^eleib unb ©erberben brachte. ©ergebenS 
mantten unb baten ihn feine treuen greunbe, oor 
allen ber maefere ^ofmarfcfjall gorftner, üergebenS 
baS ftonftftorium unb feine Hofprebiger, als ber ücr* 
bienbete Herzog 0 ar f eme fromme ©emaplin üerftieß, 
um bie ©räüemfeTalS rechtmäßige ©emaplin anerfeit* 
nen zu laffen. $Jtit bitteren Dpränen fteute ihm feine 
ausgezeichnete ©iutter, ©tagbalena Sibpüa, fein Un* 
redjt oor, unb bie oberfte tircpliche ©cpörbe erflärte, 
mie fie mit tiefem Herjeleib unb. inniger ©etrübniß 
ber Seele üon biefem «Schritt bcS Herzogs üernom* 
men hotte, ga baS ftonfiftorium gebot bem H°f s 
Yaplan 2Jt alb laue, als berfelbe anfragte, mie er 
fid) zu üerhalten habe, menn er berufen merbe, bem 
Herzog baS heilige Abenbmapl z u wichen, „er folle 
fein ©emiffen bemahren, üon ©prifti 2öort unb ©e* 
fehl nicht meiden, fonbern thun, mte eS einem gemif* 
fenhaften, rechten ©otteSgelehrten juftebe." So magte 
eS SJtalblanc, bem Herzog baS heilige Abenbmabl zu 
üermeigem, unb baS Stonfiftorium rechtfertigte biefe 
muthige Dpat in einem befonberen ©rlaffe. ©benfo 
mürbe auch bie ©räüenip üom heiligen Abenbmaple 
auSgefchloffen. gn eben biefem gapre, eS mar baS 
gaßr 1708, hatte bie Atutter biefer ©räfin (fie mar 
an einen mecflenburgifchen ©beimann üerheirathet, 
ber fpäter als Hauptmann in mürttembergifepe 
Dienfte getreten mar) ihren Sip im fchönen Schlöffe 
in Uratp üon bem Herzog sugemiefen erhalten. Dort 
hatte cinft ber fromme ©berparb im ©art mit feiner 
trefflichen ©emahlin ©arbara üon Atantua als regie* 
renber gürft geroohnt, bis er feine SRefibenz nach 
Stuttgart üerlegte. Heute noch erinnert fo SJtancpeS 
an feinen einftigen Aufenthalt, z* bie ©alnte, fein 
fiieblingSbaum, ben er nach feiner SRütffepr aus bem 
heiligen Sanbe überall im Schlöffe an ben SSänben 
beS golbenen SaaleS anbringen ließ, fomie fein mutpi* 


*> 3)icfe tuaüre ffrfdjidite fjat Ulbert Sianbcnbrnjet im Stutt= 
flarter <§onntan*blatt ocröffrntlicfjt. 3)ic ©cfdjtdTte ber Äfirdje 
Imt ju allen Beiten fleußt, mie Diel ein treuer Secijorgcr auf baä 
6t'iel feftte, menn er einem ftorfjqcftcnten ober 9?cid)en bn§ bei= 
liqe ’&bcnbmabl öernmqert bat. 9lucf) birt ju fianbe bat mancher 
^Saftor ftcb fdion großen Born unb t)iel ftcinbfcligteit auqcflogrn, 
menn er einem Wemeinbc^orftcber ober cinflußreuben Öemeinbc^ 
Witfllieb in® ©croifien rebetc, unb tont beiligeu Äbenbmabl ab* 
batten mußte. bie Ireue erbölt ben Sobn. 


ger SBahlfprud): "Attempto,“ b. h« idhtoag’S! unb 
fein ausgezeichnetes, in Del gemaltes ©tlb hängt, üon 
bem tfönig ^arl gefchenft, btS auf btefen Xag tn bie* 
fern fchönen, üongremben üiel befugten Saal. ®ort 
mar auch *> er unüergeßliche, hocheble H er 5 og © h r i * 
ft o p h geboren. 

@S mar greitag üor fppngften. grau üon ©räüenib 
mar fchon lange nicht mehr oeim heiligen Abenbmahl 
gemefen; fie hatte üernommen, baß ihre Xochter unb 
ihr Schmiegerfohn, ber regierenbe H er $°9» weil fie 
bem fianbe folch Aergemiß gegeben hatten, üon bem* 
felben auSgefchloffen morben rnaren, unb moüte nun 
feßen, ob man eS in Urach au* ihr gegenüber magen 
mürbe, fie üom Xifdje beS H c rrn zorüefzumeifen. 
9ticht als ob fie felbft ein befonbereS Verlangen bar* 
nad) gehabt hätte, auch fie mar üppig unb üerfepmen* 
berif*, leichtfertig unb ftolz, mie ißre Xocpter, unb 
bie Uracher ®üracrf*aft ertrug nur mit HRüpe ihren 
hochfaprenben, ftch über alle SRechte unb gute Sitten 
hinmegfe^enben Sinn, ber üon maprer, lebenbiger 
grömmigfeit feine Spur zeigte, damals befleibeten 
baS geiftlicpe Amt eines ?ßrebigerS ber 2)efan @. U. 
SimonS unb ber 3)iafonuS ©eorg $)aüib 3 o r e r. 
^)er fepon hochbetagte $)efan mar in golge plo^licher 
©rfranfung an’S ®ett gefeffelt, unb fo mar bie Sei* 
tung ber geiftlicben AmtSaefchäfte unb baS fßrebigt* 
amt ganz hem oei ber (Seineinbe fepr angefepenen 
^)iafonuS übertragen. Am Donnerstag ?loenb oor 
^fingften überbrad^te ein ®ote ber grau üon ©räüe* 
nip bem DiafonuS ein Schreiben, morin ipm biefelbe 
anzeigte, fie gebenfe am greitag zur Reichte unb am 
barauffolgenben fßfingftfefte zum heiligen Abenbrnaple 
ZU gehen. ? ,gd) fann ber hochmoplgeborenen grau 
üon ©räüenip,^ fo antmortetc ber mutpige ©eiftlicpe, 
naepbem er Die Sache in ernfte ©rmägung gezogen 
patte, in bem Briefe, ben er bem ©oten mieber mit* 
gab, „nur bann biefeS Sftapl ber ©erjöpnung unfereS 
Herrn unb HeilanbeS reidjen, menn fie ipre Sünben 
mahrhaft bereut unb Alles, maS in ihren Kräften 
fiept, tput, um ipre Docpter üon unferem gürften zu 
entfernen unb fo bem großen Aergemiß, baS fie un¬ 
terem ganzen eoangelifcpen Sanb unb ©olf gegeben 

E t, zu fteuern. Sollten Sie fiep beffen meigem/' 
fcploß er ben ©rief, „fo mürben Sie baS heilige 
abl boep nur zum ©eriept unb nidpt zum Segen 
empfapen, ba Sie bann felbft an bem ©Öfen Dpeü 
nepmen, baS burep gbre Docpter über unfer ganzes 
Sanb fommt." 

SSutpfcpnaubenb laS bie ©belfrau ben ©rief, „geh 
mitl ihm zeigen, m e r Herr im ßanbe ift, er foU eS mir 
büßen, bei ©ott!" rief fie aus. ©leicp am greitag 
borgen ließ fie anfpannen unb fuhr, fo fcpnefl bie 
üier foftbaren, ipr üom Herzog gefepenften leicptfüßi* 
gen fßferbe zu laufen üermoepten, üon Urach aus in 
einer ber perjoglicpen $aroffen, bie ipr im ©cploß 
ftetS zur ©erfugung ftanben, auf bem fünften Aöege 
naep Stuttgart. Der Herzog befanb fiep gerabe bort 
in feinem Schlöffe (für gemopnlich meilte er bamalS 
in bem üon ipm neu aegrünbeten SubmigSburg, boep 
mar baS prächtige Schloß nocp niept ganz auSgebaut, 
unb fo mußte er eben fo lange fiep nocp tn Stuttgart 
aufpalten.) 

©ben mar mieber eine geftlicpfeit, bie große Sum* 
men üerfcplingen foHte, für bie ©fingftfeiertage üon 
ibm mit feinen ©beüeuten auSgemacpt morben. gran* 
Zofifcpe Sitte unb ©tobe berrfepte nämli^ bamalS un* 
umfepränft am Hofe; Der Herzog patte fiep eine 
©arbc*Sdjmabron üon berittenen Abeligett errieptet, 
fein DfßziertorpS mimmelte üon ftolzen ©amen auS 
aller Herren Sänbem. ge lauter fiel bie Stimme be$ 
UnmiuenS über ber ©rftüenip üerberblicpe Herrfcpaf 


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Jlom ^eiligen £bfnbmal)l furUifcgemiefen. 


657 


unb über beit fdjmacßen £erpg im ßortbe erßob, 
befto erfmberifcßer mar bie ©raftn in ber Wnorbnung 
Uon allerlei ©rgößlicßfeiten, bamit ber £erpg im 
Xaumel beS Vergnügens bie Klagen unb baS Murren 
feiner Untertßanen nicßt ßöre. (Sr faß eben beim 
©piele, ba brachte ißm ein tn reiche Fracht gefleibeter 
Vebienter ein Vriefcßen uon ber ©räfin. ©r öffnete 
eS rafcß; eine bunfle RontcSrötße lagerte fieß auf fein 
©eficßt, unb mit bem guße auf bent Voben ftampfenb, 
rief er auS: „$aS ift boeß unerhört, baS muß ftreng* 
ftenS beftraft merben; ber Mann foÜ mir*S mtt feinem 
Äopfe büßen! — $d} lomme gleicß tuieber, meine 
Herren, fpielen ©ie einftmeilen nur rußig meiter," 
rief er aus, — „icß muß bie grau bon ©räuenig, bie 
bon Urach fam, gefcßmutb begrüßen, ba fie foeben im 
©cßloffe uorfußr unb micß in einer mistigen ©acße 
um ©eßör erfucßt." 

©r eilte fort unb fam naeß einer halben ©tunbe 
tuieber prücf; er ^atte bie nötßigen Vefeßle gegeben, 
um ben aueß ißm, mie er glaubte, angetanen fcßrnc* 
ren ©cßimpf p rächen, unb begab fieß, tuieber rußiger 
gemorben, als ob nichts gefcßeßen tuäre, an’S ©piel, 
baS er bis Mitternacht fortfegte. — 

©in fchöner *ßfingftmorgen mar angebrochen, bie 
©onne mar über bem fcßönen ©rmSthal in ißrer 
leucßtenben Fracht aufgegangen, bie Vöglein fangen 
fo fcßön auf ben Qmeigen, bte ©arten maren in Der 
berrlicßften Vlütße, TOeS atßmete neues, mit bem 
lieblichen grüßling fid) üerjüngenbcS Seben. $a er* 
hoben ficß bie Vemoßner beS ©täbtcßenS Urach öom 
Säger, unb auch int &aufe beS $>iatonuS 3mrer regte 
eS fieß. ©r hatte fid) mit grau unb ftinbem eben an 
ben Xifcß gefegt, bie große Vibel aufgefcßlagen unb 
ben fcßönen 23. Vfaltn, feinen SieblingSpfalm, gele* 
fen: „3)er fterr ift mein $irte, mir rnirb nichts man* 

S 'n ic." ©ben moüte er fid) pr Morgenfuppe ßin* 
en, bie fcßon bamßfenb auf bem Xijcße ftanb, um 
bann noeß für ferne Vfingftprebigt uorpbeteiten 
— plögiicß fprengten fünf herzogliche ©enbarmen auf 
fchaumbeberften $ferben heran unb hielten uor bem 
£aufe. Vermunbert feßauten bie Vürger UracßS p, 
unb baS ©erüeßt beS UeberfaüS üerbreitete fieß mie 
etn Vlifeburcß bie ©tabt. 

3)er Offizier ftürmte mit fporenflirrenben ©tiefein 
bie kreppen beS VfarehaufeS ßtnauf unb rief, in baS 
fBoßnaimmer eintreteno: „§err $iafonuS, i* ßabe 
ben Vefeßl, im tarnen beS §erpgS ©ie, meil ©ie ber 

f rrau uon ©räuenig baS Slbenbmaßl uermeigert ba* 
en, gefangen p nehmen unb augenblicflicß auf oie 
geftung fooßen * SReuff en p bringen. — ‘Storum fom* 
men ©ie fogleicß mit uns— „uBie ©ott miH, er foü 
aueß im bunflen Xßale mein güßrer fein," rief Qoux 
mutßig auS, mäßrenb feine grau unb $inber jam= 
mernb ißn umftanben. 3 u 9 le * c & P0 cr ra i ( ft hi* für 
bie Steife nötßigen Kleiber an. 9iicßt einmal &\t ließ 
man ißm, nur ben Morgenimbiß noeß p fieß p neß* 
men. @r umarmte feine meinenbe grau unb bie pr* 
ten ffinber ßer$licß unb rief tßnen p: ,,©eib nur ge* 
troff, icß hoffe mit ©otteS ®ülfe balb mieber bei eueß 
p fein. $er ben Daniel aus ben SRacßen ber fiömen 
gerettet hat, mirb aueß mieß in $ürp erretten." @r 
gingbie kreppe hinab unb marb uon ben Leitern in 
oie Mitte genommen f bie ihn nötßigten, neben ißren 

{ ferben, fo fcßneU feine güße eS erlaubten, bureß bie 
traßen ber ©tabt bem obern $ßore ppgeßen. 5)aS 
^bor aber mar bereits gefcßloffen unb feßon hatten 
fteß auch uerfeßiebene Vürger, baS ©emeßr in ber 
fianb, uor bemfelben mit brobenben Mienen aufge* 
fteflt, um nötßigenfaHS mit ©emalt ißren geliebten 
©eelforger ben fiänben jener SRciterfcbaar ju entrei* 
ßen. $)a manbte ber Offizier rafcß fein fßferb unb 


fprengte bem unteren Xßore p. tiefes ftanb noch 
offen unb mar uon feinen bemaffneten SBürgetn be* 
fegt. ©0 gelang eS ißnen, bureß baffelbe p entfom* 
men unb uon ßter aus einen anbem 2öeg nad) bem 
^)oßen*9?euffen einjufeßlagen. ^er ©efangene fonnte 
uor Mübigfeit faum nod) mit ben ^ßferoen ©cßritt 
ßalten: ba fam auf einmal ein ihm befonberS rnoßl* 
moHenoer Vürger, ber auf einem tßferbe ben Leitern 
naeßgefprengt mar, bei ißnen an unb bot fein $ferb 
bem $>iafonuS pm SRitt naeß ber Vurg an, meil er 
fonft p fehr erfeßöpft mürbe, ©erüßrten ^erjenS 
naßm berfelbe, ba aueß ber VefeßlSßaber ber SReiter 
feine ©inmenbung erßob, baS $ferb an, reießte ißm 
pm Slbfcßieb bie öanb unb bat ißn, fie möchten boeß 
aueß feiner gebenfen im ©ebete uor ©ott, baß balb 
bie ©tunbe feiner ©rlöfung feßlage. „©emiß, ßoeß* 
mürbiger ßerr," rief ißm berfelbe pm Slbfcßicbe p, 
„mir ttraeßcr Vürger merben gemiß 2lüeS tßun, um 
©ueß balb aus bem ©efängniß prücfpbringen. Möge 
es unS ber OTmäcßtige gelingen laffen!" veaeß einem 
befcßmerlicßen fRitte uon etma ©tunben maren fie 
auf bem ©ipfel beS £oßen = SReuffen angefommen. 
©in ßerrlicßer JRunbblirf eröffnete fieß ßier noeß ein* 
mal bent &uge beS ©efangenen; mie ein ©arten ©ot* 
teS lag baS fißöne Sanb in feinem Vlütßenmeere uor 
ißm auSgebrettet. Vielleicht mar eS baS legte Mal, 
baß er baffelbe feßaute, ßatte ißm boeß ber Offizier 
mitgetßeilt, mie erbittert ber $>erpg über ißn fei, 
baß er eS gemagt ßabe, ber ©belfrau uon ©räuenig 
baS ßeilige 5lbenbmaßl oßne triftigen ©runb p oer* 
meigem, unb mie uieüeicßt fein ßeben auf bem ©piele 
fteße. ©r mürbe nun uor ben $ommanbanten ber 
geftung gefüßrt, ber ißn alSbalb, ohne meitereS Ver= 
ßör, bureß feine ©olbaten in bie ©emölbe, bie als 
©taatSjjefängniffe bienten, ßinabfüßren ließ. 91n 
einem ©eüe mürbe er in ein bunfleS Verließ ßinab* 
gelaffen unb balb befanb er fieß in einer finftem 3efle, 
in bie rneber ©onne noeß Monb ßineinfeßeinen tonnte. 
2Baffer unb Vrob mürbe ißm p Xßeil. 2)a mag er 
aber Uor Sltlem im ©ebet mit feinem ©ott fid) geftärft 
ßaben, unb feine ©eele mürbe plegt immer frtebli* 
d^er unb rußiger, fo baß er getröftet auSrief: „2BaS 
betrübft bu bieß, meine ©eele, unb bift fo unrußig in 
mir? imtte auf ©ott, benn icß merbe ißm nod) ban- 
fen, baß er meines SlngeficßtS öülfe unb mein ©ott 
ift." ©rmübet fdßlief er enbli^ ein unb tßat einen 
langen, füßen ©eßlaf. — 

unterbeffen hatten bie Vürger in Uracß fi^ß uer* 
fammelt unb SRatß gehalten, maS p tßun fei $>a 
befcßloffen fie, alfobalb eine ©efanbtfcßaft, aus ben 
Mitgliebern beS SRatßS unb ben angefeßenften Vür* 
gern befteßenb, naeß Stuttgart an ben ©erpg p fen* 
ben, um bie greilaffung ißreS ©eiftlicßen p erbitten. 
9fodß am ^fingftfeft* Nachmittag maeßten fie fieß auf 
ben 2Beg, um menigftenS bis am anbern Vormittage 
in ber ^auptftabt beS SanbeS p fein, ©lüefließ bort 
angefommen, befcßloffen fie, juerft eine Slubienj beim 

S erpg naeßfueßen p laffen. ©ie traten in ben 
cßloßßof unb manbten fieß an bie 3Bacße, bie fie an* 
melbete. $>a marb ißnen jeboeß ber Vefcßeib, ber 
fierpg ßabe jegt feine 3 e *i fie uorplaffen, er beab* 
(icßttge, in einer ©tunoe auf einige Sage in ben 
©eßönbueß p reifen, um bort eine große 3 a 9& ö^P s 
halten. Ohneßin fei er feft entfcßloffen, bieSmal fei* 
ner ßerpglicßen Ungnabe freien Sauf p laffen, unb 
fei auch grau ©räßn uon ©räuenig auf’S Xieffte em* 
pört üoer bie ißr angetßane Vefcßimpfung. 4)ie ©e* 
fanbtfcßaft mußte moßl, mie groß für ißren ©eelforger 
bie ©efaßr mar, menn eS nießt gelang, ißn rechtzeitig 
aus feinem Werfer p befreien; mar bod) maneßer 
©taatSgefangene in biefen furchtbaren ©efängniffen 


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658 


Pit 3a$b nad| Hem @lttdt. 


fd)on umgefommen, opne baß ein öafyn weiter nach 
ihm gefragt hätte. ©o entfd)loffen fte fich benn, als* 
halb zu ber Butter beS Herzogs, ber eblen 3ttagba* 
iena ©ibpfla, ju gehen unb fic um ihre gütige gür* 
fprache zu erfudjen. ©ie trafen bic fromme grau 
eben bei itjrer 2Jtorgenanbad)t, trugen ihr, ba fie fo* 
gleid) bei tpr borgelaffen mürben, baS ©efdjehene bor 
unb baten inftänbig um ihre gürbitte. Xief bewegt 
hörte bie gürftin igr Anliegen, unb nad)bem fie baS* 
fclbe iljr warm an’S H er 5 gelegt Ratten unb §u ©nbe 
waren, rief fie auS: ,,©S ift ein fernerer, biefleid)t 
oergcblicper Stritt, ben ich ^eute bei meinem ©oljn 
tljue; ber liebe ©ott famt allein fein ^erjerweidjen: 
was aber bie Xhränen unb Bitten einer uJtutter auf 
baS H er 5 eines feohneS nod) bermögen, baS will id) 
gerne noch einmal oerfudjen. SBartet nur, bis id) 
wieber zurüdfomme, unb ©ud), fo ©ott will, gute S3ot* 
jdjaft bringe.“ ©ie oerließ baS ©emad). lieber eine 
ijalbe ©tunbe berftrid), feit bte Herzogin in’S gintmer 
ihres ©otjneS geeilt war, eine lange, bange geit, bie 
ber Uracher ©efanbtfdjaft bie ©nt|d)eibung über ihre 
Sitte bringen fotlte. ©üblich tarn bie fromme grau, 
milbe lädjelnb, ein ljerjoglidjeS ©djreiben in ber 
Honb, auf bem bon bem Herzog felbft gefdjrieben 
ftanb, 25iatonuS gorer fei fogleid) auS bem ©cfäng» 
niffe ju entlaffen unb tn feine SBohnung nad) Urad) 
prüd^ubegleiten. 

„3h* wißt nidjt, meine Sieben,“ fagte bie Herzogin, 
„Weid)’ feigen unb fdjweren ft'ampf id) bieSmal mit 
meinem ©ol)ne zu tämpfen hatte, ba bie ©räoeniß 
unb ifyre iodjter ihren ganzen ©ittfluß aufboten, unb 
mir ftd) in ben SBeg (teilten. 2Jteine flehentlichen 
Sitten prallten Anfangs alle an ihm ab, wie ber <ßfetl 
am ehernen ©diilbe. Vergebens erinnerte ich ih« an 
feine ©ohneSpflidjten, bergebcnS fteüte i<$ ihm bie 
fromme ©rziehung bor klugen, bie er einft in feiner 
gugenb erhalten, bergebenS befdhwor id) ihn, hoch 
bas SBohl feiner Untertanen als SanbeSOater im 
Sluge $u behalten unb nicht bie Herzen ber ihm fo 
getreu ergebenen Uradjcr Sürgerjcpaft alfo zu erbit* 
tern. $)a tjab’ ich zuleßt, als alles Bitten unb giehen 
umfonft fchien, meine Honb aufgehoben unb wie in 




göttlicher ©ingebung gefproepen: v gäflt beS waderen 
gorer’S ©aupt, fo fomrnt fein S3lut über bid), unb an 
jenem großen Sage beS ©eridjtS wirb ber gerechte 
©ott auf bein &aupt auch bieje fchwere ©chulb noch 
legen unb eS zerfdjmettern/ $a erblaßte ber gürft: 
N 9cein, liebe Butter, baS foß nicht fein, ich weiß, idj 
bin auch ein fterblicher, fünbiger SRenfd) unb bebarf 
an jenem großen ©eridjtStage ber göttlichen ©nabe 
unb Vergebung in ooßem Sttaße. $arum fei bir biefe 
beine flei)entlid)e 33itte gewahrt/ Unb fo gab er mir 
biefen greilaffungSbefepl mit feinem herzoglichen 
©iegel. — gejjt aber eilet, meine Sieben, um euren 
©efangenen prüd$uführen unb ihn wieber in ben 
©d)00ß feiner trauernben gamilie unb feiner um ihn 
jaaenben ©emeinbe zu bringen.“ 

SJtit ben innigften unb wärmften ®anfeSerguffen 
berließen bie Slbgefanbten bie Herzogin äftutter unb 
reiften in ©ilmärfchen boH großer greube bem Hohen* 
Neuffen au, wo ber $ommanbant nach SorroetS beS 
herzoglichen SefehlS ihren lieben ©eelforger aus bem 
&urgoerließ wieber heraufzuziehen unp ihnen zurüd* 
Zugeben befahl. $er ©efangene aber hotte im bunt* 
len Werfer einftweilen im ©ebet reichen Xroft, ©rge* 
bung unb neue $raft gefunben, unb als für ihn bie 
©tunbe ber ©rlöfung tarn, ba bäuchte il)m StdeS wie 
ein Xraum, fo rafch waren bie ©rcigniffe einanber ge* 
folgt, fo fchnetl hotte il)n ©ott in bie irübfal ht nem ' 
unb wieber aus berfelben berauSgefüljrt. SBie im 
Xriumphzog würbe er nad) Urad) zurüdbeglcitct, bie 
©loden würben bei feiner &n!unft geläutet unb bie 
ganze ©emeinbe öerfammelte fid) zu einem 2)anfgot^ 
teSbienft in ber $irdje. 3US er feine grau unb feine 
$inber wieber in bie 9lrme fchloß unb afle bie öielen 
treuen greunbe erblidte, bie hrrbeiaefommen wa* 
ren, um ipm ju feiner glüdlichen Süüafehr bon $er* 
Zen ihre ©lüdwünfcpe barzubringen, ba rief er 
bon innigem $ante befeelt aus, ben $Mid nach 
Oben geachtet: 

„ftommt, Iqfet uns fröljltc^ fingen: 

©ott bat es ÄtleS loobl bebaut 

Uitb nfleS, «Des red)t gemalt! 

©ebt unf’rem ©ott bie <£lue." 


Pie |a$b und) bem (ßtüdt. 

€tne €r3ät)lung aus bem beutfd? • amerifanifd^en leben. 

Sur $au* unb fierb hon ©ottUeb äföahlgemnth. 

III. 


“Tramp, tramp—the fcoys are marching.” 

©S tüor gut, bofe Stjriftian nic^t tourte, was 
feiner in $|(Jf)i(abelpl)ia beim Setter ©tredtfu^ 
unb feiner Sabett fjarrete. 

3)er 3unge fc^rieb bon Soltimore ans einen 
recht fd)ön gefegten Srief an ©aSpar, ben ©olb= 
Cnfel. 

6r flagte ihm ott’ fein Seib unb fagte ihm 
bon att’ feinen Hoffnungen, bie bisher immer 
Zu Sßoffer geworben. ®r fpradh nicht um Un= 
terftü^ung an, benn einige üftothbfennige aus 
ber Heimath waren immer noch ba, fonbern bat 
nur, ber H err ^Setter mög’ ihm gütigft ben 


SBeg bahnen Reifen, auf bem eS rafch Vorwärts 
gehe, benn ber Sater im heimathlichen ®orfe 
wolle, ba§ fein ©ohn fchnett unb unberrüeft fein 
©Itid mache. 

Unb ba ber Qunge burch bie bei ben fßenn^ 
fhlbaniern gemachte Erfahrung geWifeigt wor^ 
ben, fefcte er auch noch $ err ©treeffuh 
brauche fich feine 9Rüf)e machen mit Antwort' 
fchreiben. ®er ©dhreiber Werbe adhtunbbierzig 
©tunben nach ?tbfenbung beS SriefeS fich felbft 
auf ben SBeg machen unb fich öorfteHen. 

SS war als ob ein ©ewitter über EaSparS 
HauS gefommen, ba biefer Srief eintraf. ®er 


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Pit Sagb nad| bem tSIilck. 


659 


©riefträger Hopfte überhaupt nur feiten an ber 
bfiftern ©efjaufung an, unb hatte er mal etwa« 
in bem @ulert»9ieft, wie er’« nannte, abjugeben, 
fo war’8 was ganj ©eWöljnlicheS, wie j. ©. eine 
ÜRotij 00 m 9totar. greunbeSbotfchaft unb $er» 
jenSbriefe Perloren ficfj nimmermehr in EaSpar 
StrecffufjeS $auS! 

21 ber ba war ein ©rief oon einem Einwan» 
bererjungen, ber — Statt) unb Shat brauchte, 
ber am Enb’ gar was foften mochte, ben man 
julefet auch rtocf) aufnehmen muffte! 

©einahe war EaSpar 00 m (Schlag getroffen 
Worben. SBenigftenS faß er eine $eit lang 
fprachloS unb gefpenfterbteid) mit bem ©rief in 
ber §anb auf bem Stuhl. 

Snblicf) hotte fich ber @t)renmann 00 m töbt= 
liehen Sd)recten foweit erholt, bah er mit 21 n= 
ftrengung — ©a-be-tte — auSftofjen tonnte. 

Sie !am unb guefte ihren tobtbleidjen .fjerra 
unb ÜReifter fo „oergelftert" an, baff man nicht 
wu^te, wem ber Sdjrecf mehr in Sie ©lieber 
gefahren — bem EaSpar ober ber ©abett. 

3«boch — Strecffufj fchnappte wieber nach 
Suft unb ftiefc heraus: „©abett — ’S ift was 
paffirt!" 

„Unb was benn?" 

„Ein Einwanbererjunge will fommen, foll 
ihm helfen» foll 2Bcge bahnen unb ©orfpann 
leiften, unb wir wiffen boch felbft nicht, Wie 
ehrlich burch biefe böfe SBelt fommen." 

„Oh — einer oon ben ©efreunbten oon 
braufjen, wo man meint, unfere Straßen feien 
mit ©olb gepftaftert!" 

„3a, einer non benen — wirb aber nij brau«, 
ber alte EaSpar lägt fich nicht fangen." 

©abett ftubirte ben ©rief, ber ihr gereicht 
Würbe, unb brach enblich baS Schweigen, in» 
bem fie fagte: „Ser 3unge fönnte perwanbt 
Werben. 3 m tpauS ift manches baufällig unb 
er ift Sifdjler; mühten boch halb Qemanb ha= 
ben unb baS foftet ©elb." 

©eim lebten SBort funfeiten bie füugen beS 
EaSparS wie bie einer Älapperfdjlange. 

Ser „üfumenifetje" Sinn ber ©abett hotte 
bem Ehriftian bie Shüt geöffnet, konnte er 
ja boch benüjjt werben. 

So fam er benn, ber Ehriftian $eh, baS 
©tücf im $au8 beS ©etterS ju fuchen. ES 
wehte ihn §War ganj froftig an, als er fo oor 
bem $errn EaSpar ftanb unb ein Ejramen bar» 
über ablegen muhte, WaS er fönne unb was er 
* Wolle, unb namentlich — ob er auch „öfume» 
nifch" fei. 

®ber es war offenbar ein reiches §au3, in 
baS er geraden unb ba fonnte eS ja für bie 
3ufunft nicht fehlen. — 

Unfer greunb merfte jeboch halb, bah ber 


SBeg jum ©lücf ein feljr fteiler unb fteiniger 
fein müffe. Ser Kaffee, ben er SRorgettS be» 
fam, war jämmerlich bünn, bie ©robfdjnitten 
burdjfichtig, unb fliefen unb tetbeffern muhte er, 
inbem alte Shüren unb ©retter, bie auf bem 
Speicher herumlagen, oerarbeitet würben. 

HJian bürfe baS Sauererfparte nicht an bie 
J^oljhänbler wegwerfen, meinte ber EaSpar. 

So gingen mehrere ©Jochen oorüber, unb ber 
junge Schreiner » ©efeHe warb oon Sag ju Sag 
mifjmuthiger. Er hotte gehofft, halb nach 
^»aufe berichten ju fönnen, bah ber ©lücfsweg 
betreten fei. Unb wie weit war er gefommen ? 
deinen Eent hotte ihm ber EaSpar bis jeßt ge» 
geben, benn er fagte, eS wäre Sünbe, ein fo 
junges ©lut ju nerberben. Sie ©abett guefte 
ihm beftänbig auf bie ginger — in ben SlrbeitS» 
ftunben, ob eS auch oorwärts gehe, beim Effen 
— wie Diele ©robfcfjnitten ber junge SJtenfd) 
aufjehre. 

Sa warb eS bem Ehriftian ganj weh “nt’3 
£»crj unb er fchrieb an feine ©lütter: 

Siebe ©lütter! 

„3<h bin im £>au3 beS ©etterS EaSpar. ES 
ift ein grojjeS ©ebäube mit l)oI)eit Stiegen unb 
langen ©ängen, unb oielen Zimmern, bie aber 
faft alle feft oerfchloffen finb. 3^1 fühl’ ganj 
einfam unb Pertaffen, benn Sinber finb feine 
ba unb ber £>err ©etter unb feine alte £au3» 
hälterin fpredjen nur bann, wenn fie mir fagen, 
was gearbeitet Werben, unb bah ich nicht fo 
•Jlägel unb Seim perbrauchen foll. 3<h reparire 
nämlich 2(uhen unb 3 nncn om £>auS, unb ich 
Ijab’ mein Sebtag für feine fo griesgrämige 
©lenfdjen gearbeitet. Ser £>err ©etter fagt, 
er hob’ 3ahre lang fchloer für baS Seine ge» 
arbeitet unb gifpart unb müffe jejjt ba*u fehen, 
bah er für feine alten Sage Etwas höbe. Unb 
bod) ift er fcf)on fo alt, bah er gewifj nicht mehr 
oiel braucht, wäljrenb er fehr Diel hat. 

„SBenn bieS aber baS ©lücf ift, fo ift’S ein 
armfetigeS. 21 ud) habe id) noch nicht baS fleinfte 
Stücflein banon gefehen, benn ©etter EaSpar 
hat mir noch feinen Sohn gegeben. 2Ba3 ich 
thun foll, weih i<h eigentlich nicht, ©leib’ ich 
hier — fo werb’ ich melancholifch, geh’ ich weg, 
fo weih ich nicht Wo hin. Sraujjen in ber SSelt 
rumjort eS gewaltig, unb eS foü einen groben 
Ärieg jwiftfjen bem Süben unb ©orben 'geben. 

„Seiten Sonntag war ich m it bem ©etter 
auch in ber Kirche. SaS War aber ein gar 
fteifer ©otteSbienft. — Ser ©farrer fprach bie 
ganje ©rebigt hinburch 00 m Saframent unb wie 
man fich inbiefer böfen,unruhigen3eit nurbaran 
halten foüe. Unb gefangen würbe — nochmal 
fo fdjläfrig als bei uns. Unb Su weiht ja, bah 
ber ©ater oft fagte, eS fei jurn ©egweifeln, wie 


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litt Sngb nadj bem (Sliidt. 


6R0 

langfam bie Säuern fingen, unb baft er fie nicht 
borroärtg belegen fönne, auch trenn er alle Sie* 
gifter an ber Orgel jiefje. 

„©lüdlich finb btefe Kirchengänger nicht ge* 
wefeu. $cr Setter fdjlief ganj feft, unb riete 
2litbere fchliefen auch. Unb wer nicht fchlief, ber 
machte ein ganj berfchtafeneg ©eficht. 9Ug ber 
Pfarrer aber bag lefcte ©ebet abgelefen ^atte, 
ba fchienen fie alte froh ju fein, gingen binoug 
unb rebeten bom SBetter, bom ©efdjäft unb bon 
ben 3eitläuften. 

„®a ift Sater ipentjöfer boch ein ganj anbe* 
rer SRann. ®er padte bie Seute unb jagte einem 
®inge, bie man nie bergaft. 3ch bcn!e jeftt noch 
oft an bag unb jeneg, Wag er in ber ^ßrcbigt 
brachte. ©elbft ber rationatiftifchc fßrebiger in 
unferem ®orfe brauften hotte boch oft ©twag 
für’g ©efüht unb tieft einen nicht fo fatt, wie 
unfer Sfarrer hier. 

„Sjjq) bitte $ich, liebe 9Rutter, mir ju rathen, 
Wag ich ttjun foH. 

S)ein tiebenber Sohn." 
©ftriftian erbat fich cineg 9lbenbg bie ©rlaub* 
nift jum Sluggang, um biefen Srief fieser auf 
bag S°ftomt ä u bringen, bie ihm beim auch ntit 
ÜRurren gegeben würbe. 

@o fam er jum erftenmat allein in bag ®e* 
Wiit)t ber großen ©tabt ?ß^ilabelphi a - 
Unb eg ging gar tumultreich h er in jener 
3eit. $er 9iebellengeneral Seauregarb hotte 
auf bag gort ©umter im ©ftarlegtoner §afen 
gefchoffen (12.—14. Slpril 1861), benn ©üb* 
©arolina unb anbere ©übftaaten hotten ihren 
Stugtritt aug bem norbamerifanifcften Staaten* 
bunb erflärt unb gebahrten fich alg fouberäne 
Ütepubtifen, benen bag gort gehöre. 

S)ie Sefchieftung beg gortg ©umter ent* 
ftammte bag $erj beg amerifanifchen Sottet im 
Siorben fowoht alg im ©üben. 3m SRorben, 
weit fich bie ©üblinger unterftanben, auf bie 
gtagge ber Ser. Staaten ju fchieften; im @ü* 
ben, weil jene Kanonenfchüffe bag Signal gaben, 
frifchweg ju ben SBaffen ju greifen unb bie ber* 
meintlichen SRechte beg ©übeng ju berttjei* 
bigen. 

$eute hot man Jaurn mehr einen Segriff bon 
ber im grühjaftr 1861 herrfdjenben Slufregung. 
Sie fonft fatten unb berechnenben 9teu=®nglän* 
ber waren wie ein gtammenmeer, unb ein ba* 
maliger SRebafteur, ber fdjon tängft tjeimgegan* 
gen, gab ihren ©efüftlen wohl ben richtigen 
Slugbrud, inbem er wäftrenb einer in Softon, 
9Raff., gehaltenen SRebe augrief: „SKitbür* 
ger, bie Slütfte unferer 9Rannf<haft wirb 'hiu ? 
unter' gehen unb bag rebeltifche ©efinbet, bag 
unfcre gtagge gefchänbet, in bem erften 3 u fam* 
menftoft bom ©rbboben fegen." 


@o fchnelt ging’g aber nicht, obgleich tau* 
fenbfacheg §urrah biefen Slugruf allerchriftlich* 
fter ©efinnung belohnte, benn bie ©übtinger 
waren eben auch ba unb gebauten mit ben ?)an= 
feeö eben fo leicht fertig ju Werben, „günf 
?)anfeeg", rief ein |>eißfpom in ber $auptftabt 
©üb*©arolina’g aug, „ftnb faum einem unferer 
3ungeng gemachten." 

Seibe Iheile täufchten fich. 

Ser ©üben War bermöge ber ©rjieBjung feiner 
Sebölferung unb anberer Umftänbe jebenfaflg 
beffer borbereitet jum Krieg, als ber SRorben, 
biefer aber befaft mehr nadjholtige Kraft unb 
Slugbauer. 

©etbft ber Weitfichtige, eble ^Jräftbent Sin* 
coln täufchte fich, inbem er in feiner $roflama* 
tion bom 15. Slpril 1861 nur 75,000 2Ramt 
jur Unterbrüdung beg Slufftanbeg forberte. — 
©g waren 1^ 3RiHionen ÜRänner ba^u nöthig. 

®och bie 75,000 2Rann waren fo plöfelich ba, 
aU feien fie au§ ber ©rbe geftampft worben. 

3n allen ©täbten, Dörfern unb gteden be3 
^Rorben^ fprang bie junge SRannfchaft ^u ben 
SBaffen. 

9luch Shtfobetphia jag unb SRadht au£ 
Wie ein grofted Heerlager. 

©hriftian ^peft !am jenen 9tbenb, atä er ben 
Srief für bie ferne 9Rutter jur Soft trug, mit* 
ten in bie 2lu3brüche ber patriotifchen ©rpebung 
hinein. 

Sor ber 3nbepenbence*£alle brannte ein rie* 
figeä SBachfeuer, ba^ fortwährenb mit Safran* 
$en genährt würbe. $ie öffentlichen 
waren mit gadetn erleuchtet. Sor unb in ben 
Säerbeämtern ging eg h oc ^ h er - 
ber belebteften Straften Waren fchnetl Stebner* 
büftnen errichtet Worben, oon benen au£ bie 
SDienge enthufiagmirt würbe. Sieb unb SRuftl 
50 g man in ben $)ienft beg Saterlanbeg. 3)ie 
Irompeter muftten fich beinahe bie Sunge aug* 
blafen, unb bie patriotifchen ©efänge Wieber* 
holten fich gum h^nbertften 3Ral. SRie warb 
bag amerifanifche SRationallieb taufenbftimmi* 
ger unb begeifterter gefungen, alg am SRorgen 
beg 16. Slpril 1861, ba auf bem 9ßlai&e h^r 
ber 3 n ^ c P c nbence * ^alle $u S^obel^hiö bie 
SKenge nicht mübe würbe jur Wehenben giagge 
hinaufeu jubeln: 

„O fagt, fömtt ihr fehn in beg üRorgenrothg 
©trahl 

SBag fo ftolj wir im febeioenben ^benbroth 
grüßten? 

3)ie Sterne, bie Streifen, bie roehenb bom 
SBaH, 

3n bem töbtlichen Kampf ung ben 9lnblict ber^ 
fußten? 

3a, eg wehe bie gähn in herrlicher Sradjt, 

Seim Seuchen ber Somben burch bunfele 
SRad)t. 


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$ic Sagt» nadj bem (tlttik. 


661 


O, fagt, ob ba# Sännet mit Sternen befä’t 
Ueber’m Sanbe ber freien unb Sraoen tiod) 
met)t?" 

©chaaren oon ®cf)ulfinbern gogen mit gaf)= 
nett unb ©annero alter Slrt burd) bie (Straften 
unb fangen: 

„fjeimattjtanb grofj unb »eit, 
greiheit unb ©ott gemeint, 

Stein §erj bir fingt. 

£anb, bas ben Sötern ©rab, 

8tupe ben Sägern gab, 

Son jeber ßöb’ herab 
greiheit erfiingt." 

Unfer junger greunb au# bent beutfeften 
(Dörflein mar wie in einer onbern SBelt nl# er 
burch biefe im patriotijehen Slufjauchjen ju= 
belnbe SDtcnge fdjtitt. 

SEaren ba# bie j!)anfee#, bie ba# ©lüd im 
Dollar ertennen füllen, bie nur regnen, ftan= 
betn unb erwerben? SBahrlich — baüon fot) 
unb hörte er jejjt nicht eine ©plbe. 3iun war 
ba# ©aterlanb ba# t)5cf)fte 3iel, bie Eingabe 
baran — ber SebenSjwed, bie flagge — ba# 
©lüd#fhmbol. 

„SBir opfern Sitte#," fo rief einer ber begei» 
fterten Stebner, „£>ab, @ut unb ©lut, unjere 
©öfpte unb unfere perfönlitfte ^ufunft für bie 
Sfettung unb Erhaltung ber Union; ©ott unb 
alle gute 3Renft$en auf Erben finb auf unferer 
©eite unb e# !ann nur einen 8lu#gang geben — 
unb biefer SluSgang fteiftt ©ieg unferer groften 
Sache. SBer für bie eintritt, fteljt für ba# 
2Eol)l ber SDtenfdjljeit, für ba# ©lütf ber 2Jten» 
fcfteiifirtber ein, unb wirb felbft einer ber @lücf= 
lidfjften werben, ob er lebe ober fterbe." 

„Sllfo," fagte S^riftian ju fidj, „f)ier ift 
nicht ber Dollar ber ©djlüffel jum ©lüd wie 
beim ©etter Ea#par. 2Bem man nur folgen 
fott, Wer nur recht hat? SEahr ift’# — ftier 
Wet)t eine anbere ßuft, tjier ift’# warm unb bort 
in bem groften, büftern $oufe talt; ftier ftnb 
SJtenfcften, bie ©lut unb £>erj haben, unb ich 
werbe mir oon Seinem mehr fagen laffen, ber 
Stmerifaner fei nur ein $anbel#jube, beffen 
gröftte# ©lüd barin heftest, böljerne 2Jlu#fat= 
nüffe an ben ÜDtann ju bringen." 

3Jtit folgen ©ebanlen ging ber junge 33tann 
heim. 

(Dort fefcte e# ein fleine# SEettcr wegen fei» 
ne# langen Ausbleiben#. Da# $erumftreidf)en, 
meinte ©etter EaSpar, fei gefälirlid) unb fofte 
fdjlieftlid) auf eine ober anbere SEeife ben foft» 
barften Artifel — ©etb. Unb er Wolle feine 
©traftenlungerer im §aufe Ijaben. 

Umfonft Würbe bie ungewöhnliche Aufregung 
ber ©tabt jur Entfchulbigung oorgefchoben. 
„Sticht# ba," fagte EaSpar, „mit bem bummen 


$eug. SRan hätte bie ©üblinger machen laffen 
fotten. Qe^t Wirb’# nur ein rieftg ©elb foften 
unb Wir, bie ehrbaren ©ärger, müffen jagten." 

Der Ebriftion baeftte in ben folgenden SBo» 
djen an faft nicht# al# bie ©eenen, bie er jenen 
Abenb auf ben ©traften gefeften unb fummte 
fortwäftrenb: „^eimatftlanb, groft unb weit :c." 

21 u# biefem patriotifd)en ©imuliren unb ben 
(Träumereien oom ©lüd beffen, ber fid) bem ©a= 
terlanbe opfert, Würbe er burd) einen ©rief oon 
ber lieben SJtutter aufgewedt. ©ie feprieb: 

33tein lieber ©^riftian! 

„(Dein ©rief hat mich erfcfjredt unb erfreut, 
©rfeftredt, weit bu ba in ein |)au# geraden 
bift, wo e# bir in SBaftrheit nicht Wohlergehen 
fann. Erfreut, weit id) barau# erfefte, baft mein 
©ebet crfjört wirb unb (Du (Dir bon bem ©eij 
nicht bie Augen oerblenben läffeft. 

„gd) bin mit deinem Schreiben hinüber ge» 
gangen naeft ©pöd ju ©ater $ent)öfer, um ju 
hören, wa# er ju ber ©athe fagt. 

„'(Da# ift ganj gut, graule/ fo fpratft er, 'baft 
ber ©hriftian Slugenjeuge ift, baft an unb für 
fid) im Dhaler feine greube ftedt, unb baft ba# 
©lüd oon Qnnen herau# fommen muft. Slber 
gar gu lang fott er in bem froftigen £>au# nicht 
bleiben, fonft möcht’# it»n hoch halb frieren, 
©rüftt ihn ftftön oon mir unb fagt ihm, ber alte 
^»enhöfer werb’ halb bort fein, woher ba# 
wahre ©lüd fommt/ 

„Er ift fehr fchwach unb alt geworben, unfer 
©ater $enhöfer, ba# oiele ©rebigen unb manche 
anbere bef^weriiehe Slrbeiten, haben feine Siäfte 
aufgejehrt. SEenn idE) ihm aber in bie Slugen 
fdjaue, fo meine ich, bie ewige Egugenb fehe bar» 
au# herau#. 3^ bin recht geftärft oon biefem 
©wigfeit#menf^en weggegangen unb fdjreibe 
biefen ©rief mit fröhli^em £>erjen. 

„SEa# e# boch für ein ©egen ift, bei folgen 
33teufd)en ju fein! SBenn fie einen nur anfehen, 
Wirb’# un# Wohl. 3^ h°ff e / ®u triffft auch 
nodf) folche Seute im groften Slmerifa. 

„Unfer lieber ©ater wirb immer einfilbiger. 
Er hatte Wa# ganj Slnbere# oon (Deiner fReife 
über’# 93teer erwartet unb fämpft männlich, baft 
wir feine (Däufdjung nicht Wahrnehmen fotten. 
2Bir fehen’# ihm aber an, Wa# ihn quält, unb 
gehen — (Deine ©chwefter ©erttja unb ich — 
befto häufiger in’# Sämmerlein, wo unfer lieber 
©ater im fpimmet, Wie ^enftöfer fagt, feine 
golbigen ®<häfce auff^lieftt. 

„Sticht Wahr, 3)u beteft boch au< ^/ “ob ge» 
brauchft (Deine beutfdhe ©ibel, in welche ich ben 
(Denffpruch gefdEprieben, fleiftig ?" 

(Deine liebenbe ÜDiutter. 

33tit bem ©ibelgebraud) hotte e# gute SBege 
unb mit bem ©eten auch. SBie fonnte ich baju 


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662 


Sonntagfd|ttU|ehtioiten. 


fontmen, fragte ©briftian — bei bem Untrer* 
reifen unb vollenbg jejjt — in biefem vom ©eij 
verzauberten §aufe, ba ift ja gar feine Suft, in 
ber man beten fönnte! 

9tber meit braufeen im beutfdjen Sörflein 
Ratten feine SJtutter unb feine ©chmefter ge= 
lernt, mag eg Reifee, anzubatten im ©ebet. ©ie 
mufeten, bafe bag Sieb von ber ©migfeit in beg 
©obneg unb ©ruberg £erz fcbtummere, unb bafe 
eg nur gemecft merben müffe, um in jubetnbe 
Sftelobie augjubrec^en. 

©orläuftg brang bieg Sieb gmar noch nidjt 
burd). ®ie Sucht nach äufeerem Sßobtergehen 
unb bie ©igluft im £>aufe ©agpar^ brängten eg 
Zuriicf. 

®ag ©erhältnife jmifc^en ihm unb feinen 
£>auggenoffen mürbe ein immer mifelidjereg unb 
er mar mit ben beiben 8Hten moht ein fo unju* 
friebeneg t 3Renfchenfinb, alg man eg in ber gro* 
feen ©tabt ^i(abelpf)ia finben fonnte. 

SBurbe eg bem S^riftian gar ju arg im gro* 
feen, falten £>aufe, fo ging er fjinaug in bie 
Straßen ber ©tabt, mitten hinein in’g fioc^mo^ 
genbe, amerüanifchc Seben. 2)a gab’» immer 
Viel zu feben unb $u ^ören. 

S)ie 75,000 fjreimifligc, bie ?ßräfibent Sin* 
coln berauggerufen, batten fidj mit ben mcnigen 
regulären Jruppen meifteng um bie |>auptftabt 
aSafbington gefcbaart unb brannten vor ©e= 
gierbe, hinunter nach ©irginien zu jiebett, um 
ber Rebellion ben ©araug zu machen. 

3bre ©egierbe mürbe erfüllt — nicht aber 
ihre Hoffnung. Sei bem feiger fpricbmörtli- 


eben ©allein ©ull Sftun erhielten bie jmar be* 
geifterten unb tapferen, aber menig geübten 
Sftilizen ber Union eine tüchtige ©cblappe 
(21. 3ulil861) üon ben beffer vorbereiteten 
©üblingern unter ©eneral Seauregarb. 

3efct erfannten auch bie £offnunggreichften, 
bafe eg ficb nicht um einen militärischen ©pa* 
jiergang nach ber fübtichen |>auptftabt Stich' 
monb, fonbern um einen blutigen ©ürgerfrieg 
banble. 

®er Kongreß ber Union rief 500,000 SJiann 
unter bie SBaffen. Unb meit entfernt, burch bie 
©ull Stun s ©cblappe entmutbigt zu fein, ftanb 
ber ganze Storben mie ein SDtann, für bie Sr* 
baltung ber ©unbegverfaffung auf. 

®ie ©eenen vom Slpril mieberbolten ficb in 
verboppettem 9Kafee. ®ie ©lütpe bet Sugenb 
fprang zu ben SBaffen; ÜDtütter fegneten ihre 
©öbne für ben „heiligen" Srieg, auf allen San* 
jeln murb für ben ©ieg ber Union gebetet, be* 
geifterte Stcbner entflammten ben sßatriotigmug. 
©g mar eine 3eit, mie fte feit 1776 nicht mehr 
bagemefen, in melier bag ©aterlanb 4Meg galt, 
unb in melcher auch Siete, bie erft förmlich von 
©uropa gefommen mären, erfafet mürben, unb 
©lut unb Seben für bie Sache ber Union bar* 
brachten. 

Sluch unferen ©briftian erfaßten bie h oc h s 
gebenben SBogen unb er fragte ficb Von lag ju 
Sag ernftlicber, ob er nicht braufeen, im vielbe* 
megten amerifanifeben Seben, eher zum $\tk 
fomme alg bei ben Verfnöcherten SDtenfcben im 
großen, froftigen £>aufe. 


(gortfepung folgt.) 


- » ^Cg3|n c - 

§otmt<tgfdiuC- Jeßtionen. 


Sonntag, 4. ©ejember. (SltidjIUfj-.tlOm ©äettianit. TOattl). 13, 1—9. 


1. «n bcmfelbigen Xage ging 3efu* aus bem $aufe, unb fefcte 
fieß an baS ©teer. 

2. Unb eS berfammeltc fieß bicl ®oIt8 su ißnt, alfo, baß er in 
bas Schiff trat, unb faß, unb alles Öolf ftanb am Ufer. 

3. Unb er rebete ju tbnen mancherlei bureß ©leiißniffe, unb 
fpraeß: Sieße, eS ging ein Säemann aus ju fäen. 

4. Unb inbem er faete, ftel etliches an ben ©eg: ba tarnen bie 
3?ögcl, unb fraßen es auf. 


5. (Etliche« fiel in bas Steinigte, ba e« nießt Diel (Erbe batte; 
unb ging balb auf, barum, baß es nießt tiefe (Erbe batte. 

6. 9Us aber bie Sonne aufaing, bermelfte eS, unb btetoeil es 
mißt ©nwel batte, marb eS burre. 

7. (EtlitßeS fiel unter bie 5)ornen; unb bie S)ornen tuueßfen 
auf, unb erftieften es. 

8. (EtlitßeS fiel auf ein aut ßanb, unb trug Spießt, etliches 
ßunbertfdltig, etlicßcS fecßsigfältig, etlicßeS brctßigfältig. 

9. ©er Oßren ßat au ßören, ber ßöre. 


©iblif^er ©runVgeVante: ,,^er ©ame ift bag 
SBort ©ottcg. M Suf. 8,11. 

drHärttttg. 

©.1. ©g mar im ftrübßerbfte beg ^aljreg 28. 
3efug tjattc in einem §aufe ber ©tabt ftapernaum 
neleprt. ^ie SHutter unb ©rüber Ratten ipn bafelbft 


aufae|ud)t. (ffl^attb. 12, 46—500 9(n bemfelben $age 
marg, alg er bag §aug verliefe unb ficb an’g ©teer 
fepte. gur Qcit ©bnfti mar’g gebräuchlidb, t>afe ber 
9tabbi, b. b- Sebrer, ficb fe&te, tväbrenb feine ©cbüler 
ftanben. 

©. 2. gefug batte noch nicht lange am HRecreg 
ftranbe gefeffen, alg er ficb öon Ö^ofeen ©olfg* 


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3e«ntagfdjuMrfetianrn. 


663 


maffe umringt fah- 3u bicfcr Seit mar er bei bem 
Volfe fehr beliebt. ©r fuhr auf ben ABogen bcr *ßo= 
oularität einher. $ie UJtenge Prangte fid) flu feinen 
Vrebigten herbei. Wenige Monate fpäter fal) er fid) 
nur nod) bon feiner flehten güngerfdioar umringt. 
$er §err trat in ein Sd)iff, n>a^rfd)etnlicb ein ben 
3üngern gehörenbeS fjifcfjerboot. Am Storbcnbe beS 
galiläifd)en VteercS gibt’S Vädje, melche fi<h in’S 
wer ergießen. 3 n ber Sflünbung eines folgen 
VacheS lag mahrfdjeinlid) baS gifdjerboot aeanfert. 
Auf beiben Ufern ftanben ober faßen nad) belieben 
bie S^börer. 

V. 8. 3efu3 fing nun an in ©leidjniffen au reben. 
Vei bicfer ©elegenbeit gab er ad)t foldjer ©leicßniffe. 
Sieben finben mir in biefem Kapitel unb ba$ Achte 
berichtet nur UJtarfuS. $aS © l e i d) n i ß, mie eS in 
ber Vibel Aunt Vorfdjein fommt, rcbet üon einer 
geiftlid)en Wahrheit unter einem Sinnbilb ber Statur 
ober menfdjlidjen ©rfahruna. ©S unterfcßeibet fid) 
bon ber g a b e l, melche in ihren Sehren bie SBahrbeit 
ber Statur berieft, inbem fie XIjiere unb leblofe ©e» 
genftänbe als benfenbe, urttjeilenbe, unb rebenbe ABe* 
fen barfteüt. 3>aS ©leidjniß aber bcrgleidjt immer 
eine ABaljrheit mit einer anoern ober mit einer ber 
ABirflid)feit entfprecßenben Dichtung. ©S unterfdjei* 
bet fid) auch bon ber h * h e, melche Dichtung als 
Styatfadje barfteüt; bieS ttjut bie Parabel nie. ©S 
unterfdjeibet fid) bom Sprüd)mort, inbem eS 
bramatifd) ermeitert, maS gemiffe Arten bon Sprüd) s 
Wörtern bünbig auSfprechen. 

ABarutn bebiente fid) 3 e fuS in fei» 
nem Sehramte be$ © l e i d) n i f f e S? 1. 
ABeil flmifchen bem ttteidje ber Statur unb beS ©eifteS 
Harmonie befte^t. Sie haben beibe einen ge» 
meinfcßaftlichen Urheber unb entmicfeln fic^ nach ben» 
felben ©efepen. ABaS ficß im irbifdjen 9?eid)e ftnbet, 
baffelbe finbet feine Analogie im t)immlifcßen SReidje. 
$aS Staturreid) fleugt bom ©otteSreid). 2. ABeil baS 
©leicbniß beibeS enthüllt unb b e r f) ü 111. ©3 
enthüllt bie ABahrheit, inbem eS biefelbe in einen 
burdjfidjtigen Schleier ^üüt, melier baS unter it)tn 
Verborgene für aüe Aufrichtigen erfennbar macht. 
©3 b e r h ü 111 biefelbe, inbem eS fie bemjenigen ber» 
birgt, welcher nur auf baS ©emanb unb bie Schale 
fielet. ®ie Verhüttung ber ABahrheit beS Himmel¬ 
reiches bor ben Augen unb Ohren ber fid) berftocfen* 
ben 3uben mar ber V. 13—15 bon igefu felbjt ange» 

S ebene ©runb, meßhalb er in ©leimniffen rebe. 3. 
Beil baS ©leidjniß im ©emanbe Heiner ©rflählungcn 
unb lieblicher Vilber geeignet ift, bie Aufmerffamfeit 
au feffeln, fid) bem ©ebädjtniffe einfluprägen unb fo 
Die göttliche Wahrheit nur um fo ftcherer in’S $erfl flu 
fenfen. 

V. 4. $er S ä e m a n n mar junäcßft 3-efuä felbft 
(V. 37)j fein ©intritt in bie SEBelt mar ein AuSgehen 
ium Satn. 3m meiteren Sinne ßnb Alle, melche bie 
ßeilSmahrheiten burch ^8°^ unb SBaitbel berbreiten, 
Säeleute. 5)er Säemann befäet ba3 gan^e gelb, 
^a gab'3 nun b i e r e r l e i Voben. 2)er e r ft e Vo* 
ben, auf ben ber gute Same fiel, mar ein h a r t e r 
g u ß m e g. 3 m aftorgenlanbe finb bie gelber nid)t 
umAäunt. Jpart an benfelbett fyex, oft mitten burd) 
biefelben h*ubur*, führen bie Söege. Veim Säen 
fällt ba oft ber Same auf ben hartgetretenen 28eg. 
©r bleibt natürlich auf ber Oberfläche liegen. $)te 
Nahrung fuchenben Vögel lefen ihn auf. 2)amit 
jeichnet3 e f uS eine klaffe bon Suhö rcn, > wir 
fpäter unter „praftifchen ©ebanten <r näher betrachten 
merben. 

©. 5. 6. 3)ie $ m e i t e Art Voben, auf ben ber 
Same fiel, mar fteinidjt, b. h- ein fteinid)ter ©runb, 


mit einer bünnen ©rbfchidjte bebeeft. tiefer Same 
ging rafd^er auf als ber anbere, meil ber troefene gel» 
fen bie Sonnenmärme angog, moburd) bte Gebens* 
teime fd)netter gemeeft mürben. T'erfelbe gelfen 
jebod) machte eS ber Saat unmöglich, ABur^el ju fd)la» 
gen. Unter bem Sonnenbranbe berfiegte bie geud)* 
tiafeit fehr raf^. 2)ie feimenbe Saat mürbe baher 
bürre, fobalb bie Sonne in ihrer bollen $raft fie be* 
fchien. 5)amit jeichnet ber ^err eine zweite 
klaffe bon 3 u hörern, melche mir fpäter uns ge» 
nauer anfeben merben. 

©. 7. 4)ie b r i 11 e Art bon Voben, auf ben ber 
gute Same fiel, mar ein ©rbreid), in bem bie 2)ornen 
üppig mudjerten. $a£ Sanb mar nur halb bebaut. 
$ie $)ornen maren nicht grünblich auSgerottet. Sie 
tarnen ber guten Saat jubor unb entzogen ihr üuft 
unb Sicht Sie berührten bie geuchtigfeit, erftietten 
bie Saat, baß fie nicht jur Steife gelangte. Vilb baS 
bon einer anbern klaffe bon Suhprern. 

V. 8. $ie bierte. Art Voben, auf ben ber 
Same fiel, mar gutes Sanb. ©S mar gehörig be» 
baut. ©S hatte bie erforderliche Xiefe, geuchtigfeit 
unb ©üte. 5)eßhalb mud)S bie Saat unb trug Diel* 
faltige grud)t. iamit ^eic^net ber ^err eine bierte 
klaffe bon Sahärern, bie mir auch naher tennen ler» 
neu motten. 

V. 9. $>ie Ohren finb uns gegeben, bamit mir fie 
gebrauchen, namentlich gebrauchen, um auf bie 
Stimme unfercS ©otteS $u laufdjen. 3 e & e gäbiafeit 
fchließt ihre entfprechenbe Vcrantmortli^feit ui fich. 

Vraftif4e ©ebanfen. 

Vielerlei Saatgrunb. 

I. 3**fretener ©runb. AIS ber Säemann feinen 
guten Samen auSftreute, ba fiel „etliches an ben 
33eg." 2)er 2Beg ift hartgetreten burd) bie gußgän» 
ger unb guhrmerfc, melche über benfelben hingingen. 
©S gibt fielen, bie einem folchen 28ege gleichen. Sie 
finb u n e m p f ä n g l i d) für ben Samen beS SBorteS. 

1. 2)aS §erj ift, bilblich gerebet, ein 
9B eg. Ueber biefen ABeg fliehen gemiffe ©ebanfen, 
melche benfelben hart treten. 4)a finb fl. V. bie melt» 
lieben ©ebanfen unb Sorgen. Sßo biefe bie Seele er¬ 
füllen, ba finbet baS SÖort ©ottcS feinen SRaum. 
ABenn bie Aufmerffamfeit gänfllid) auf fichtbare unb 
Aeitlidje 2)inge gerichtet ift, fo haben bie geiftlid)en 
Wahrheiten feinen Steij. Wie baS 3^fuSfinblein fei¬ 
nen SHaum in ber Verberge fanb, fo finbet fein £e* 
benSmort feinen Sfaum in folgern fierjen. Apache 
ein ttJfaßgefäß oott Spreu unb eS bleibt felbftoer* 
ftänblid) fein Sfaum für ben ABeiflen. Solche SJfen» 
fd)en oerfdjließen ihre ^erflen gegen bie Sidjtftrahlen 
göttlicher Wahrheit. 

©in 5Dtann hatte Dierflehn 3®hre lang eine gemiffe 
Äirdje regelmäßig befucht. ©nblich erfranfte er. $er 
Vrebiger befuchte ihn unb hatte halb herauSgefunben, 
baß berfelbe noch unbefetfrt fei. @r brang in ihn, 
baS Jöeil flu fuchen unb nicht flu ruhen, bis er beffelben 
gemiß gemorben fei „3ft benn baS möglich?" frug 
er. 2:arob erftaunt, fprad) ber Vrebiger: „§aft bu 
nidft fchon gahre lang meine $ird)e befucht ?“ „ga» 
mohl," fagte ber ftranfe, „allein ich erinnere mid) 
nicht, mährenb biefer ganflen Seit eine ^rebigt gehört 
flu haben." 5)eS VrebigerS ©rftaunen mud)S. „Was 
miUft bu benn bamit fagen? Vierjehn 3ahre lang 
faßeft bu unter bem Schau göttlicher Vrebigt unb haft 
feine ^ßrebigt gehört? ABte ift nur baS möglich?" 
„XaS mitt im bir fagen," entgegnete ber 8 raufe, „fo= 
halb ber Vrebiger feinen Xejt oorlaS, fing ich an, 
mich in mein ©ejd)äft flu oerfenfen. 34 brachte eS 
halb flu einer folchen gertigfeit, baß ich mährenb ber 


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664 


Sonnta9fii|ul*ffhtionrtu 


^rebigt bie Perridjteten ©efchäfte ber oerfloffenen 
SBoche noch einmal bot meinem ©eifte«blicfe oorüber- 
giehen lieg, unb bann meine $läne für bie fommenbe 
feodje entmarf. 3n golge beffen habe ich, fofern ich 
mid) gu erinnern meiß, in all’ biefen Piergehn fahren 
feine tßrebigt gehört" 

2. $$ ö g e l freffen ben ©amen, herauf 
ben garten £>ergen«meg fällt. 9?adj ber 
©rflärung be« $errn $. 19 Perfinnbilblichen biefe 
SBögel „ben Argen" b. b. ben Xeufel. 2)erfelbe ift 
ein fleißiger ftirdjenbefuajer. 2Bo immer ein treuer 
©otte«fned)t ba« ©Pangelium in feiner Sauterteit ber= 
fünbigt, ba ift ©atan gugegen, ba liegt er auf ber 
Sauer, um ben ©amen gu rauben au« ben §ergen ber 
3uhörer. $er gerftreuenben, ben guten ©amen fref* 
fenben ©ebanten bebient er fid) b^rju. 

II. @tetiti4ter ©muh. ©« ift bie« eigentlich ein 
mit einer bünnen ©rbjcbichte bebecfter fjelfengrunb. 
5)er ©ame gebt rafdj auf, allein in ber ipifce perbor- 
ren bie garten ^älmleiti. 3)amit geidptd 5$efu« bie 
oberfläcblicben 3ubörer. 9)tan fmbet fie 
meiften« unter ben f. g. ©efühl«menfchen. $)iefe 
Sriaffe Pon 3 u b örern bubet etnen ©egenfafc gu ber 
erftermäbnten. ©ie finb fehr empfänglich für bie 
SBabrbeit. Allein e« fehlt ihnen bie erforberlicbe 
^Tiefe. ©ie finb mettermcnbifch. ©in ©olcßer mar 
Sion ig ©aul. ©r begann febr Perfpredjenb, aber e« 
hielt nicht ©tanb. ©in ©olcber mar $erobe« Antipa«, 
ein oberflächlicher ifJenfd), melcßer ben Käufer gern 
hörte, beffen ©rntahnungen tbeilmeife befolgte unb 
ihn gegen bie gcinbfeligfeiten ber iperobia« fchüftte. 
Unb hoch ließ er benfelben enblid) enthaupten, ©olche 
ßeute gab c« unter ben ©alatcrn, mie au« s $auli 
©piftel an biejelbcn ©ap. 5, 7 erhellt, ©in ©olcber 
mar ber reiche Qüngling. 

Aud) heute noch gibt e« junge unb ältere ßeute, bie 
Diel oerfprecbcn unb mcnig holten. 2ttan fann nicht 
fagen, fie feien gang hört, ©ie nehmen ba« SBort an¬ 
fänglich mit greuben auf. ©ie hören gern eine $re* 
bigt, befonber« menn unterbaltenbe ©efchidpen barin 


oortommen. ©ie tönnen balb meinen, menn man 
ihnen emftlicb an’« £erg rebet. Aber gur Reit ber 
Anfechtung fallen fie ab. SBenn e« h e *& begeht, 
menn e« gilt unter ferneren Kämpfen unb großen 
Opfern fern SSerfpredhen gu holten, bann holten fie 
leiber nicht ©tanb. 

III. Unreiner ©ranb. Auf biefem ©runbe ging 
ber gute ©ame auch auf. Aber bie Bornen fcboffen 
ebenfall« üppig empor. $amit merben biejenigen 
guhörer begeidjnet, bereu $ ergen get^eilt 
unb. ©ie roollen ©ott unb bem äRammon bienen. 
&er ©err aber fpricht: „Aiemanb fann gmeen Herren 
bienen." $)ie« SBort bleibt mahr in alle ©rotafeit. 
2öo man ©ott nicht über alle 2)inge fürchtet unb liebt, 
ba fällt ba« ©amenforn göttlichen teorte« unter bie 
Bornen, roeldje baffelbe erfticfen. ©olche Bornen 
finb bie ©orgen biefer SBelt. $)ie ftrage: 
2öa« merben mtr effen, tnnfen unb momit un« flei* 
ben? erfticft fo oft bie eine Präger 2Ba« foü ich 
thun, baß ich fcHg merbe? ©olche Konten finb nach 
3$. 22 ber 9t e i d) t h u m. $ie ba reich finb, mer* 
ben oft ftolg unb hoffen lieber auf ben ungemiffen 
9teid)thum al« auf ben lebcnbigen ©ott. 3?n folgen 
bergen fann ba« SBort ©otte« nicht madjfen unb 
Frucht bringen. ‘Sie Konten be« SReidjthum« er* 
fticfen baffeloe. $)a ift e« nothmenbig, baß man mit 
©ichel unb §acfe ba« Unfraut au« bem §ergen«lanb 
entferne. 

IY. ©utcr ©runb. $)amit merben biejenigen Qu* 
hörer begeicßnet, meldje nicht nur §örer be«2Bor- 
t e« finb, fonbern auch X h ö t e r. tiefer gute $er- 
gen«boben ift nicht h o r t, fonbern l o cf e r; er ift 
nicht oberflächlich, fonbern tief; er ift nicht 
Dotier Bornen unb Unfraut, fonbern rein, 
©ute« Sanb, ba« finb bie frommen öergen, mie 9Ra* 
ria ein« hotte, bie gu 3[efu güßen faß; ober mie ber 
junge Ximotheu«, ber ©cpüler be« Apoftcl« $aulu«. 
2Bie fteht’« mit beinern §ergen? 3fi ^ gute« Sanb, 
SBoben, auf bem ©otte« 3ßort gute unb vielfältige 
grucßt trägt? 


—HH»- 


©onntag, 11. $egember. UttftÜllt (Ulf bCItt 3Jfatth. 13, 24—30. 


24. ®r leate ihnrn ein anbere« ©leifbnifi üor, unb fpraef): 2)a« 
^immelrei^ ift fllcid) einem Wenigen, ber guten Samen auf fei» 
nen 9Wer fäete. 

25. ?>a aber bie ßeute fdjliefen, fam fein fjeinb, unb fdete Un» 
traut ipifcf>en ben SBci^en, unb ging babon. 

26. 5)a nun bad Ärauf mud)$, unb Ofrucbt brachte; ba fanb ftd) 
auch baö Untraut. 

27. 3>a traten bie Itnedbte au bem ^auSbater, unbfpracben: 
4>crr, Ijaft bu nicht guten Samen auf beincu ®cter geidet? SBo* 
her hat er benn ba« Unfraut? 


28. (Sr aber fbrach au ihnen: S)ad hat ber fteinb gethan. la 
fprachen bie Unechte: ÄBiuft bu benn, bafj tbir hingehen, unb (4 
auagdten ? 

29. (Sr aber fbrach: Kein! auf ba§ ihr nicht sugteich ben ©ei* 
aen mit au^raufet, fo ihr ba? Unfraut audgdtet. 

80. ßaffet beibe? mit einanber luacbfen f bi? au ber (Smte; unb 
um ber Smte 3«t miß. ich du ben Schnittern fagen: Sammelt 
ubor ba? Unfraut, unb binbet e? in lbünblein, bah man c? bet* 
renne; aber ben ©eiaen fammelt mir in meine Scheuren. 


©ißUfihcr ©runhaehanfe: ,/Sie ©rntc ift ba« 
©ube ber Söelt. ®ie ©chnitter finb bie ©ngel." 
^Jtatth. 13, 39. 

(finlritung. 3 e ^ un ö Ort mie in ber Porigen ßef* 
tion. 3m gifdferboote fipenb, fährt 3 e f u ^ fort, ba« 
«olf burd) ©leidjniffe gu lehren. 

©rflärung. 

14. ^Sa« §i mm eireich, darunter ha* 
ben mir bie neue Drbnung ber 2)ingegu 
Perftehen, bereit Aufrichtung ©hriftum in biefe SSelt 
brachte. ©« ift ba« 9teid) ber ©nabe, in bem er al« 
toömg ber ihm bolbigcnbcn 9ftenfd)ettfeelen regiert. 
AJenn alle 5Jienfcpen auf ©rben fid) ihm PöDig meilien 
mürben, fo mürbe bie ©rbe ein i m m e l r e i d) 
merben. ^Sa« aber ift ba« ©nbgiel bc« ©rbreich«. 


| © i n e m 9JI e n f dj e n. 3 n ^ em ®leicbniß Pom 

Piererlei Acfer burfte man neben ©briftum geglichen, 
ber ba« JÖort ©otte« lauter Perbreitet, Perftchen. 
^ier aber ift ber ©äemann be« SJlenfchen ©ohn, wie 
au« $. 37 fich ergiebt, unb fonft IRiemanb. © u t e n 
©amen. 3 n oorigen ©leichniife mar ba« SBort 
©otte« ber ©ame; hier pnb e« bie feiebergeborenen 
— bie ftinber ©otte«. ießhalb tönnen mir auch hier 
unter bem ©äemann nur ©hriftum oerftehen, benn 
nur er fann bie SWenfchen mtebergebären. A u f f ei¬ 
ne n A cf e r. ©«ift mertmürbig, baß bie meiften 
älteren Au«leger bie Kirche al« ben Acfer begeidinen, 
ba bodj ber §err felbft 88 fagt: „5)er Acfer ift bie 
3Belt." Xaburd) geriethen fie in eine fdjmierige Sage 
in betreff ber ftirchengudjt. ®en Sefu« gebietet bei- 
be«, SBeigen nnb Unfraut, bi« gur Smte fteljen gu laf- 


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SonntagMukfrktiratn. 


665 


fen. SBäre ber Ader bie Kirche, fo bürftc feine &ir* 
d)en$ucht geübt werben. 

©. 25. Ta bie Seute ferliefen. Tie 
meiften älteren Ausleger oerftehen unter „Seuten" 
bie ©rebiger, unb baS ©Olafen ift ihnen ein ©ilb üon 
beren Siachläffigfeit, ber jufolge ©ottlofe fich ein* 
fdjleidjen unb tpre ^^lebren oerbreiten. TaS wollte 
ber §err aber nicht üerftanben höben; benn er fagt 
nicht: „Ta bie Unechte fdjliefen." ©ie werben üiel* 
mehr oom §erm als bie ©aat ©ewachenbe bärge* 
{teilt. „Ta bie Seute fchliefen" meint einfach „ j u r 
Si a d) 1 5 e i t." TaS ift gewöhnlich bie geit, welche 
bie Sftenfchen benüpen, um ihren SRitmenjchen $u 
fdjaben. 

Ter g e i n b ift ber Teufel, wie wir auS ©. 39 er* 
{eben. Tr. Sange bemerft $u biefer ©teile trefflich: 
SRit Stecht höt man biefe ©teile als eine ber ftärfften 
©eweife bafür angeführt, baß ShtiftuS nicht aus 
Accomobation, fonoern auS eigner Offenbarung bie 
Sehre oom Teufel aufgeftellt Jjabe. £>ier fommen 
nämlich folgenbe Momente in ©etracht; 1 ) Ter Teu* 
fei wirb genannt nicht im ©leidjniß, fonbern in ber 
©rtlarung, bie baS ©leidjniß auf hebt, alfo buAftäb* 
lieh P oerftehen ift; 2) ©r wirb genannt im Streife 
ber oertrauten jünger oeS $errn, nicht etwa oor bem 
©olf; 3 ) ©r wirb genannt als ber eigentliche perfön* 
liehe Urheber unb SRittelpuuft beS böfen Steiges im 
©egenfap au bem perfönlichen SRenfchenfohn als bem 
SRitteLpuntt unb Urheber beS öimmelretchS." 

© ä e t e U n t r a u t. ©ö ift hier ein bem ©etrei**| 
befelb eigcnthümlicheS Unfraut gemeint. 3 m ©ne* 
(hifchrn peißrS ^iflanion, im Sateinifchen Colium 
temulentum, beutfeh Solch ober ©chwinbelforn. ©3 
ift ein auSgearteter SBeüen. Anfänglich fic^t er bem 
©Seiten fehr ähnlich. 2 Benn er jeboep reif wirb, jeigt 
{ich ber Unterfdjieb recht beutlich; benn bie Störner 
finb fdhwärglidh unb manchmal behaart. Ter ©enuß 
beS Solcß3 wirft heraufdjenb unb nachtheilig auf ©e- 
hirn unb SRagen. 

®. 26. ©rft bann, als bie §alme g r u ch t tru* 
gen, entbeefte man ben Solch, b. h- baS Unfraut. Ter 
Solch fah bem SSeijen fo ähnlich, baß man auf beffen 
©orhanbenfeirt erft bann aufmerffam würbe, als baS 
Steifen beS ©Seitens begann, ©o rann man bie wahre 
Hoffnung üon ber falfcgen, bie ächte grömmigfeit oon 
Der unäemen nur an ben g r ü dj t e n erfennen, nicht 
aber an § a l m u n b 331 a 11 , b. h- om ©etenntniß. 

©. 27. Ter £>eilanb gibt uns feine Teutung in 
Setreff ber $ n e <h t e. TarauS ift wohl ber ©ajluß 
berechtigt, baß fie nur erwähnt werben, um ber Ab* 
runbung beS ©leichniffeS willen. UebrigenS ift bie 
oon ben Unechten gestellte grage fepon oft aufge* 
taucht — bie grage: SBoher fommt baS ©öfe? 

©. 28. TaS h^t ber geinb gethan. 
TaS ©öfe in ber ©Seit hat nicht ©ott $um Urheber. 
@3 ift bie au3geftreute ©aat eine3 gcinbeS. Tiefer 
geinb ift ber Teufel. ©Me ber Teufel, ber hoch em* 
mal ein heiliger ©ngel war, au einem geinbe ©otte3 
würbe, barüber fchweigt bie ©ibel. 3hm aber fchreibt 
fie bie Einführung ber ©ünbe in bie SRenfdbenwelt 
iu. .Turch ihn würbe bie SRenfchenwelt $um gall ge* 
bracht. AHe3 menfehlich ©öfe ift nur ©aat unb AuS* 
fluß einer bereits beftehenben grunbböfen 33erföniich s 
feit. Ter Urfprung be3 Söfen fällt nicht bem 9Jten* 
f^en anheim. 

ö. 29. Tie Unechte, welche bem $erm gern bie¬ 
nen möchten, fragen, ob fie ben Solch auSgäten follen. 
©r aber oerbieterS ihnen. Unter biefem üerbotenen 
AuSgäten haben wir nidht bie öanbhabung ber 
SHrchen^t ju oerftehen, üermitteift ber bie Söfen 
in Sehre unb feanbel, wenn fie fich nic^t beffern wol 


48 


len, oon ber fichtbaren Stirche auSgefchloffen werben 

S llen. ©3 ift barunter ein nicht fowohl auf ba3 
ö f e al3 auf bie © e r f o n ber ©Ofen abgefebenes, 
eigentliches unb oöuigeS AuSrotten, etne ri<h* 
terliche ©eftrafung ber Uebertreter $u Oer* 
fteben. 

©. 30. 9Jlan lefe in ©erbinbung mit biefem ©erfe 
bie burd) ben $crm felbft gegebene ©rflärung in ©er* 
fen 39 bis 43. 

9raftif4e ©ebattfett. 

TaS große ©aatfelb. 

Tiefes © a a t f e l b ift bie SGBelt, wie 3«f u ^ felber 

B : „Ter Ader ift bie SBelt" Alfo nicht bie SHrcije, 
>ern bie gefammte SKenfchenwelt ift hier gemeint, 
gür bie gan$e Söelt ift 3 e f u ^ geftorben. ©ie gehört 
ihm, benn er hat fie erfchaffen unb erlöft. ©ie ift 
fein Ader, ©eine SieoeSabficht ift’S, biefelbe ju 
einem wogenben SBeijenfelb ju machen. Tarum foU 
baS ©üangelium auf ber ganzen ©rbe, fo weit fie oon 
ajienfchen bewohnt ift, üerfünbigt werben. 

I. Tie AuSfaat. 1. ©ie wirb burd} ^ tx» ei 
©äemänner be ft eilt. Ter erfte ift ber 
rechtmäßige ©igenthümer beS ©aatfel* 
b e S. ©S ift JjefuS ©h r ifta^. ©r allein tann bie ©ün* 
ber wiebergebären, ihre unreinen ©erjen reinigen unb 
fie $u Äinbern ©otteS machen, ©r gab baS SGBort ber 
SSahrheit, weites ber ©ame ber SBiebergeburt ift. 
©r fenbet ben ^eiligen ©eift, ber biefen ©amen im 
Sttenfchenherjen belebt unb fruchtbar macht, ©r ift 
©rünber unb ßaupt feiner fftrdje, bie er als große 
§eil3anftalt in Die SBelt fe^te. 3h r ßab er ben Auf* 
trag, in alle SBelt $u gehen unb baS ©oangelium aller 
©reatur ^u prebigen. ©r wedt in ihr baS ©erlangen, 
unfterbliche ©eelen ^u retten. 3 n feiner ©orfehung 
gibt er berfelben offene Thüren unb leitet fie jum 
©ebraud) ber rechten Mittel, um ihren Auftrag äu er¬ 
füllen. SBir fehen alfo, in ber AuSfaat beS ©uten ift 
er baS A unb 0, ber ©rfte unb ber Se£te. 

Ter zweite ©äemann ift ein tüdif eher gein b. 
Ueber feinen Stamen läßt uns ber £>err nicht im Un* 
gewiffen. ©S ift ber Teufel. @r ift ein ©inbring* 
ling, ber bie Tunfelheit ber Stacht benüpt, um auf 
boshafte SBeife feine ©erberbenSfaat in eines grem- 
ben Ader ju fäen. ©r ift em geinb ©otteS unb ber 
SJtenjcben. ©ein ©treben geht barauf hinaus, bie 
SJtenjchen fo teuflijeh $u mad&en, wie er eS ift. @r ift 
ber Urheber beS ©Öfen in ber SJten fehen weit, ©ott 
fchuf ben SJtenfchen nadh feinem ©ilbe; ber Teufel be* 
fchäbigte bieS ©benbilb ©otteS, inbem er bie SJten* 
{Aen *ur ©ünbe üerführte. ©ott fepte bie erften 
SJcenfchen in’S ©arabieS, bamit fie ben ©otteSgarten 
bebauen unb bewahren füllten. Ter Teufel ruhete 
nicht, bis er fie aus bem ©arabieS hinausgebracht 
hatte. 

2. 3weierlei ©ame. TeS SJtenfAen ©ohn 
fäet guten ©amen. Tie ftinber beS meichS finb 
ber gute ©ame. 3 e &*r SJtenfch, ben ber $err burch 
feinen ©eift erneuert unb baburd) jm einem ^'inbe 
©otteS macht, ift ein üon ihm in ben Ader biefer SBelt 
geftreuteS ©amenforn. 2Bir ©hriften follten beffen 
ftetS eingebent fein. SBir follen nicht uns felber leben, 
fonbern jum ©reife beffen, ber uns erlöfete. Unfer 
©eruf als auSgeftreuter ©ame ift ber, fnidjtbar $u 
fein. 2Bir jouen unfere SJtitmenfchen bem ©ünber* 
heilanbe ^uführen. 3Sir follen ein guter ©ame fein, 
benn jebeS ©amenforn erzeugt gruept nad) feiner 
Art. Apfelförner probujiren Apfelbäume, ©alatfa* 
men ©alat, 2Bei$entömer SBeijen. ©o hat fidj’3 in 
geiftlichen Tingen. 2öir höben bie Tenbenj, baS $u 
ptobujiren, was wir felber finb. 3ft unfer ©hnften- 


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666 


SoraiagfibHl'frltHflua. 


tßum ein mangelhafte«, fo werben mir bazu beitragen, 
baß e« anbere mangelhafte ©haften gibt. Sinb mir 
mahrhaft fromm, fo merben mir bazu beitragen, mahre 
grömmtgfeit zu oerbreiten. &ch, mie groß ift unfere 
©erantwortlichfeit. 

0er Teufel fäet Unfrant. 0a« Unfraut aber 
finb bie $inber ber ©o«heit. 0er 0eufel mar’«, ber 
unter ben zwölf güngern einen ©erräther erweefte, in 
fein £>er* fuhr unb ihn zurfureßtbarften Sünbe miber 
feinen sfeifter üerleitete, jebod) nicht, ohne befjen 35er* 
antmortUdjfeit aufzubeben. @r mar 1 «, ber in ber 
erften, in ber ftraft frifchen ©lauben« unb in ber 
©iuth ber erften Siebe ftehenben ©emeinbe ben 2lna* 
nia« unb beffen 2öeib bethörte, baß fie ben ^eiligen 
©eift ju betrügen Juchten. Unb menn mir bie fieben 
Senbfcßreiben tn ber Offenbarung Johanne« ober auch 
bie ©rtefe ber Slpoftel lefen, fo fehen mir, mie ber 
böfe geinb oon Anfang an Unfraut unter ben SBei^en 
fäete. 

II» 0a« gBaiMtbttm ber Saat. 9ta<ß ber Slnwet- 
fung be« Herrn fou beibe«, ba« Unfraut unb ber 2Bei* 
ien, bi« zur ©mte nebeneinanber fteben unb waeßfen. 
golgenbe ©rünbe fönneit bafür zur ©eltung gebraut 
meroen: 

1.28 e i l bieÄnechtefich feh^ leicht irren 
unb ftatt be« Unfraut« ben eblen 3Bei* 
Zen au«raufen fönnen. 0a« Unfraut, Oon 
bem ber £crr hier rebet, fieht bem SBeizen fehr ähn¬ 
lich. $8ie oft halten ©Itern bie gehler ihrer ftinber 
in ihren Anfängen für 0ugenben unb freuen fich bar* 

--H-f 


über! 2Bie manche Sünbe fieht für ba« unerfahrene 
Äuge einer Xugenb gleich unb mirb oiefleiebt atefolcße 
aepriefen! 0a wiß ber ©etz al« Sparfamteit, ber 
Seichtfinn al« ©utmüthigfeit, bie Unfeufchheit al« 
Siebe bezeichnet merben. Slnbererfeit«, mie oft fielet 
ba«, ma« mirftich ebler SBetzen ift, unferem Sluge bem 
Untraute gleich! 

2. 2Öeil Söcizen unb Unfraut oft auf 
bem $Beltacfer innig mit einanb er üer* 
wurzelt finb. 2Bie manche« ©Itemherz ift mit 
bem gottlofen Äinbe, mie manche« ©attenherz mit bem 
ungläubigen ©atten, mie manche« fromme ©ruber* 
ober Scßwefterherz ift mit bem gottlofen ©ruber ober 
ber leichtfertigen Scßwefter bureß irbtfeße ©anbe oer* 
fnüpft! 

3. 3Beil ba« Untraut um be« ©Setzen« 
©Billen ftehen bleiben muß. 0ie ©efeßießte 
ber cßriftlicßen Kirche mürbe bie feßönften ©orbilber 
unb ßerrlichften 0haten entbehren, menn nicht bie 
Äinber be« Deich« mitten unter ben £inbern ber ©o«* 
heit leben unb manbeln müßten. 

4. 333eil ber Herr langmütig unb 
r e u n b 1 i ch i ft. ©r miß nteßt ben 0ob be« Sün- 
er«, fonbern baß er fich belehre unb lebe. &u« bem 

Schächer mag noch ein fcinb be« ©arabiefe«, au« bem 
fchnaubenben Saulu« noch ein ©aulu« merben. 

III» 0ic Inte. 0a« ift ba« ©nbgerießt. 0a mirb 
ber §err felbft bie Sonberung üorneßmen 9Jtit um 
fehlbarer ©emißheit mirb er ©Beizen unb Unfraut 
Tcßeiben. 

—» » »* -- 


Sonntag, 18. 0ezember. Untiere (üHeidjitiffe. s»atti). is, 8i— 33 ; 44 — 52 . 


31. ©in aitberfB ©leidjnifi legte er iftnen bor, unb fpradj: 3)aB 
Himmelreich ift gleich etnem senftorne, baB ein SRenfch nahm, 
unb fäete e« auf feinen atfer. 

32. ©eiche« ba« Uleinfte ift unter aßen ©amen; mann e* aber 
erroächft, fo ift e# ba« ©röfjefte unter bem Uohl, unb mirb ein 
Waum, ba« bie Cögel unter bem Himmel fommen, unb mobilen 
unter feinen ftroetgen. 

33. Sin anbere« ©feiebnii rebete er ihnen: 3)aB $imntel= 
reich ift einem Sauerteige gleich, ben ein ©eib nahm, unb ber= 
mengete ihn unter brei Sd)effel SRehl, bi« bafj eB gar burchfäuert 
marb. 

44. übermal ift gleich ba« Himmelreich einem be^borgenen 
Schafte im aefer, melcben ein SReufch fanb, unb berbarg ihn unb 
ging bin bor ftreuben über benfelbigen, unb berfaufte aue«, ma« 
er patte, unb taufte ben Äcter. 

45. abermal ift gleich ha« Himmelreich einem Äaufmanne, ber 
gute perlen fuchte. 


46. Unb ba er eine föftliche jBerle fanb, ging et hin, unb ber* 
taufte alle«, ma« er hatte, unb taufte biefelbige. 

47. abermal ift gleich ba« Himmelreich einem 9tefce, ba« in 1 « 
SRecr gemorfen ift. Damit man allerlei ©attung fänget. 

48. ©enn e« aber boft ift; fo aiehen Tte e« herau» an ba« Ufer, 
fifcen unb lefen bie ©uten in ein ©efd§ aufammen, aber bie 3au= 
len merfen fic mcg. 

49. aifo mirb e« auch am ©nbe ber ©eit gehen. i>ie (Engel 
merben auBgeben, unb bie $öfen bon ben ©erechten fcheiben 

5C. Unb merben fie in ben 8f«ücrofen »erfen: ba mirb H^len 
unb ^lihntlappen fein. 

51. Unb 3efu« fptach ju ihnen: Habt ihr ba« alle« berftanben? 
Sie fpracben: 3«, $trr. 

52. 3)a fprach er: Starum, ein ieglicfier ©chnftgclehrter. jura 

t immelrcuhe gelehrt, ift gleich einem HauBbater, ber au« feinem 
ebafte 9teue« unb alte« perbor trügt. 


fBt&Iifdjtr ©ntttbgefiottfe: Jllfo totrb e« auch am 
©nbc Oer 333elt gehen. 0ie ©ngel werben au«aehen 
unb bie ©Öfen Oon ben ©erechten fchetben." ßJcatth. 
13,49. 

©tnleititttjt* 0ie ©leicßniffe, welche wir heute 
betrauten wollen, fpra* ber ^err an bemfelben 0age, 
wie biejenigen, welche ©egenftanb ber z^ei oorigen 
Seftionen waren. 3lber fie würben nicht aße an bem* 
felben Orte unb zu benjelben 3“hifrem flerebet. 0ie 
©leichniffe oom oielerlei 2lcfer, oom unfraut unter 
bem SBeizen, welche wir ßhon ftubirt hoöen, oom 
Senffom unb üom Sauerteig, welche am Anfang un¬ 
terer heutigen Seftion ftehen, fprach er am ßtteere«- 
ftranbe zum ©ölte. 0ie anberen ©leichniffe biefer 
Seftionen unb bie ©rtlärung be«jenijgen über ba« 
Untraut unter bem SBeizen gab er tn etnem £aufe zu 
ftapemaum im engeren güngerfreife. 

©. 31. 32. 0ieje«©leichniß enthält brei ©runb- 
gehanten. 1. 0er f letne 2lnf anj be«9lei* 
Ae«©otte« aufbem^lcfer berSBelt. 0iefer 
fleine Anfang tritt un« «unächft in ber © e r f on be« 


ßjfenfchenfohne« entgegen — feiner ©eburt; fei¬ 
ner niebrigen fKbftammung; feiner gurüctgezogenljeit 
bi« zum breißigften Sebenojahre; ferne« furjen Sehr* 
amte«; feiner wenigen armen unb ungelehrten 9ut* 
hänger; feine« fdbmachooßen 0obe« am ^reuz. 

0tefer tleine Anfang tritt un« auch in ber ©rün- 
bung ber Kirche entgegen. Ohne ßtang unb 
Stanb, ohne Stacht ober©emalt hnt^efu« mit zwölf 
fchlicfaten Äpofteln feine Kirche gegrünbet 0ie fehe 
©hnfti butte einen geringen unb unfeßeinbaren Än* 
fang, wahrenb bie »teiche unb Unternehmungen ber 
SBelt mit aroßem Scßaugepränge beginnen. Sfße au« 
bem ©lauoen an ©h^ftum entfpringenben Mnftalten, 
wie z* SHffion«oereine, firdjltcße ©erbinbungen, 
9teligion«auflebungen unb Deformationen hatten eine 
fenffomartige ©ntwicfelung oom kleinen «um 
©roßen. 

2. 0er fießere, aber alimählige gort* 
gang be« fReicße« ©otte«. 3efu« jtanb zuerft 
aßein; bann tarnen bie 3wölfe; bann bie Siebenzig; 
bei ber Himmelfahrt waren e« tn gerufalem 120; am 


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SonntagfdjuUffhtionen. 


667 


erften ©fingftfefte mürben 3000 ^injuget^an; unb nach 
©pftg. 6 war fie nodj größer. Mcp brei 3ah*hun« 
berten überfcfyattete bte ,ftrsf)e fchon ben bamald be« 
fannten 3Beltfreid, bad römifcfte fReid). 

3. Ser große unb fegendreiche Umfong 
bed fReiched S^rifti. gn heißen Sänbem, tote 
gubäa, erreicht ber Senfftraucft einen im tälteren 
Älima nie gefannten Umfang. Sr. ^oofer fanb einen 
Senfftraucp im gorbanttyale, welker gehn guß t)od) 
toar. Sie unter ben gleißen bed Senfftrauchd moh« 
nenben ©ögel finb ein ©tlb ber im weiche ©otted 
Schuft, SRufte unb ©rquiefung ftnbenben äRenfcpen. 

©. 33. Ser Sauerteig unter ben guben 
beftanb anB einem im hohen ©rabe ber ©ährung be« 
ftnblichen ftlümpcpen Seig. Ser in ben ©robteig ge« 
mengte Sauerteig feftt bte gange Waffe in ©ährung. 
3 n biefem ©leichniffe ift bad SBeib etn Sinnbilb ber 
göttlichen SBirffamteit in ber SRenfdjenmelt. Sad 
äRehl bebeutet bad menfc^tic^e $ety, ber Sauerteig 
oerfimtbilblicht bad ©üangelium. Sad ©leicpniß oom 
Senflorn geigt und bie audbeftnenb e $r a ft bed 
©oangeliumd. Sad ©leidptiß oom Sauerteig ift bad 
©üb oer bad inn ere 3R enf eben perg burep« 
bringenben ßraft beffelben ©üangcliuntd. 

©. i4. gm Mertpume gab’d feine Santen, in 
benen man fein ©etb gur Mjbemabrung nieberlegen 
tonnte. ©d gab nod) menig ©efepäfte, in bie man ed 
profitabel anlegen tonnte. So mußten bie ©etbbe« 
Ober felbft für bte fixere Mf bemaprung ipred ©elbed 
Sorge tragen. Sad einfaepfte unb fteperfte Mittel 
mar bad ©erbergen beffelben im Scpooße ber ©rbe. 
Starb nun ber Scpaftüergräber plöftlicp, tarn er um’d 
fieben, fo nahm er, ba ipm ber ©ergungdort allein 
betannt mar, bad ©epeimniß mit in y d ©rab. gu* 
Saufe ber ^aprtaufenbe ging fo mancher Schafe oer« 
loren. Später mürben folche Schäfte gufäUig oft ge« 
funben. gm SRorgenlanbe felbft in unfern Sagen ift 
ein berartiged ©reigniß burepaud nieptd Ungemöpnlt« 

t ed. Stuf biefem ©ruttbe rapt uttfer ©leicpniß. Ser 
epaft ift gefud. Ser Mer ift bie ftircpc. Sent 
fleifcpl’lcpen Mge ift er Oerborgen. 2Bifl man ihn 
erlangen, fo muß man alled Sünblicpe preidgeben. 

©. 45. 46. Unter bem Kaufmann mirb und ein 
um bad pöcpfte ©ut beforgter 2Renfcp oeran« 
fcplagt. Sad Himmelreich mirb pier mit einer t o ft« 
baren © e r 1 e oerglicpen. Sie ©erle ift tein ©r« 
geugniß ber SRenfcpenpanb. gn ber $iefe bed 9Ree« 
red mirb fie gebilbet. Sie Scpöpferhanb bed aümei« 
fen ©otted btlbet fie. So ift bad Heil in ©prifto eine 
Spat bed allgütigen ©otted. Ste ©erlen merben 
bauptfädjlid) tn Oftinbien gefunben in Mfternfcpaa« 
len. gprer Schönheit unb Seltenheit rnegen finb fie 
merthoolL Siefer SBertp fteigt je nach ber ©röße. 

©. 47—50. ©on einem Äug« o b er Scp lep p* 
n e ft ift hier bie SRebe. ©d ift bted ein SReft größter 
©attung. Sie finb manchmal eine halbe 9Reile lang. 
Unten haben fie ©leifugeln, melcpe fie hinabgiehen, 
unb oben finb fie mit $orf üetfehen, um bied ©nbe 
oben gu halten, ©d fann über eine große SBaffer« 
fläche gegogen merben unb nimmt alle bort befinbli« 
chen gifcpe in fich auf. 

25ad 9Reh ift bie Kirche, melch.e ben Auftrag hat, bad 
©oangelium aller ©reatur gu prebigen. Sad 9Jteer 
ift bie SDRenfchenmelt. 35ie ©inlabung in*d ß^ntel« 
reich fofl Men gebracht merben, ohne Unterfdpeb ber 
garbe, Stanbed, SUterd ober ©efchlechted. 35ad Sam« 
mein gefdneht burch miffionirenbe SRenfchen. 3 n bem 
ÜRefce, b. p. ber Kirche, gibfd ©ute unb ©öfe. 9lm 
Schluß ber gegenmärttaen Orbnung ber $inge finbet 
eine Scheibung ftatt. Siefelbe merben bie mit gött« 
lieber ©oHmacpt hiergu audgerüfteten ©ngel beforgen. 


©. 51. 52. Äuf bed Herrn grage betheuem bie 
jünger, baß fie Med oerftanben baben. 35ann gibt 
ihnen 3.efu3 noch c * n ©leicpniß, melched ihnen, ald oen 
gufüuftigen Sehrern bed ©olted, fpegieü galt, ©inen 
gum Hüttmelretch gelehrten Schriftgelehrten üergleicht 
er mit einem Haudoater, melcher aud feinem Schafte 
ÜReued unb ^tlted audgibt. 

$raftifc|e ©ebanfen. 

Sad Himmelreich ift gleich. 

I. ©inem Btnfism. 3)iefed ©leid^niß hat eine 
allgemeine unb eine befonbere ©ebeutung. 

1 . Sie allgemeine ©eb eu tung. ©d Oer« 
finnbüblicht badlEBachdthum ber Kirche. Sßie gering 
mar beren Mfang. 3 e f ug mar in ben klugen ber 
SBelt ber oeraeptete SJRagarener. Seine Moftel maren 
geringe unb ungelehrte Scanner. 3^ re ©robarungd- 
maffe mar bad fcftlichte, in ben Mgen ber äBetttinoer 
unanfehnliche Söort. Sie ©egner jeboeft maren reich, 
angefehen unb mächtig. Sie geinbfehaft ber Söelt 
mar bitter. Unb bodj hat fich bie £irrf)e audgebreitet, 
ift gu einem ©aume aemorben, ber in unfern Sagen 
feine Mfte über alle Sänber ber ©rbe audoreitet. 

2. Sie befonbere ©ebeutung. ©d oer« 
finnbilblicht auch bad geiftliche Seben bed ©ingelnen 
in feinem SBacbdthum. Ser Mfang ift oft fepr un« 
fcheinbar. ©in SBort, ein ©ebante, ein flüchtiger Saft 
ift oft bad fleinfte Senf!ömchen, melcfted im Saufe ber 
geit bad gange $erg erfüllt unb überfepattet. ©eim 
oerlorenen Sohne meefte ber H un Ö er bieSuße; bie 
©uße bemirfte ben ©ntßhluß, gum ©ater heimjuteh^ 
ren mit einem reuigen ©etenntniß; ber ©ntfchluß 
reifte gur thatfächlichen ©üeffehr unb biefe ©üeftehr 
mürbe gum ©aum, an bem bad befte $leib. ber gin« 
aerring, bie Schuhe, bad gemäftete Ätalb, oed ©aterd 
Siebe unb Haud mie grüeftte muebfen. 

II. ©inem Sauerteig. Ser Sauerteig in biefem 
©leidjniß ift ein ©ilb: 

1 . Sed Hintmelreiched in ber SBelt. Sad 
üom Herrn tn bie 9ttaffe ber Sftenfchheit eingepflangte 
Himmelreich mar eine 3eitlang oerborgen. Sei« 
nem innerften SBejen nach ift ed heute noch ein üiel« 

B üerborgencd. ©d machte unb macht menig 
fehen. Mein ed mirlt in ber Stille, ©d mirb fort« 
fahren gu mirten in aller Stille, aber mächtig 
Med burÄbringenb, bid bie große SJtaffe ber 2ftenjch« 
heit gum Herrn betehrt ift. Sann merben bie SRetcpe 
ber 28elt bie ©eid^e unfered ©otted unb feined 
©hriftud merben. 

2 . Ser ©nabe ©otted im Hergen. Sie 
fentt fich in’d bußfertige unb gläubige öerj un & h?irb 
für bie SBelt bte geheimnißoolle Quelle bed neuen 
Sehend. Sie burd)Ortngt nach onb nach fl He ©ermö« 
gen ber Seele unb alle Srräfte bed 9Renfmen. 

III. ©inern Uerborgenen Schaft. Ser Schaft ift 
ein ©ilb ber Heilsfegnungen in ©hrtfto. 
Ober beffer noch, ber Schaft ift © h riftu d felbft. 

1 . ©d ift ein geifttiefter, himmlifcher 
S ch a ft. 3rbifcfte Sa)äfte bereichern nur ben äußern 
9Renfcpen; biefer Schaft aber bereichert bie Seele. 
Sie Seelen ber ©ottlofen finb arm unb elenb 
troft bed irbifdjen ©eichthwmd, ben fie befiften mögen. 
Senn mit biejem fReicßthume fönnen fie ntcht bie ©e« 
bürfniffe ber Seele ftiUen. Sie tönnen ©rob taufen 
für ben äußern SRenfchen, aber teine Speife für oie 
Seele; Kleiber für ben Körper aber tein ©emanb, um 
bie ©löße ber Seele gu beeten. 

2. ©d ift ein oie Seele beglüefenber 
Schaft. Sie Schäfte ber ©Seit fönnen bie Seele 
nicht glücflid) machen. Sed größten jReichthumd un« 
geachtet bleibt biefelbe ruhelod, unbefriebigt unb 
hungrig. Siefer Schaft jeboeft beglüeft bad 3Ren« 


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668 


Sanntagf^ul'fehtienen. 


fd>enl)eM, beitn er fättigt beffen junger unb ftittt 
beffen Sepnen. 

IV. einet föftlicpcn ©crlc. SRit einer großen, 
mateflofen ©erle üergleicpt ber $err ba« §immelretd). 
Die ©erle, biefe« befcpeibene unb bocp fo eble gumel, 
biefe Docpter be« SReere« mit ihrem fanften, teufeben, 
gletcpfam thränenfeuepten unb ooep mieber pimmlifcp 
üerflärten fiiept, ift ein fc^öneö ©ilb be« reinen ©lüde«, 
be« milben grieben« unb ber überirbifepen (Seligfeit, 
melcpe im SReicpe ©prifti *u finben ftnb. Diefe ift bie 
töftlicpe fperte, bie alle SRenfcpen ertoerben tonnen. 
Den Slrmen ift fie niept gu toftbar, ben SReicpen niept 
gu moplfetl. Den ftinbern ift fie niept *u ferner, ben 
9Rännern niept gu gering. gpr 2B*rtp bleibt in ©ot* 
te«* unb SRenfcpenaugen immer berfelbe in geit unb 
©migfeft. 

©fer biefe löftliepe ©erle paben min, b e r m u ß f i e 
f u cp e n. „Sucpet, fo merbet ipr finben" — fo lautet 
bie ©erpeißung ©otte«. 9Ran barf teine 9Rüpe 
fepeuen. Die ©erlenfifcper fefcen oft ipr Sehen auf« 
Spiel, menn fie in bie SBogen be« SReere« pinabtau* 


en, um biefe foftbaren Äleinobien gu geminnen. Die 
auffeute gogen einft toeite unb gefährliche Straßen, 
um ne gu fudjen unb gu ertoerben. So barf man auep 
bie SRüpe be« ernften Sucpen« nicht fepeuen, toiflman 
gefum unb in ibm ©ergebung ber Sunben, Sehen 
unb Seligfeit finben. 2Ran barf ficb burdb bie unaepten 
©erlen ber SBelt nicht blenben laffen. ©er nach bie- 
fen ftrebt, ber toirb bie töftlicpe ©erle ni*t finben. 

V. ©inem giutitepe. Die cbrifllicbe ©emeinfepaft 
ift ein rettenbe« «Rep, melcpe« in ba« 2Reer ber 9Ren* 
fcpenmelt gemorfen toirb, fo lange bie ©nabeiueit 
bauert, ©ott toitl, baß allen SRenfcpen geholfen 
toerbe. De«palb öffnet er be« Himmelreiche« Dpür 
allen SRenfcpen unb labet fie ein, ja nötbigt fie, per* 
eingutommen. 9Bie ba« fluanep aber allerlei gtfepe, 
gute unb faule, gufammenfaßt, fo fommen auch in ber 
iRettungäanftalt, ber Äircpe, allerlei SRenfcpen jufam* 
men. Mi großen ©ericpt«tage finbet enblicb bie 
S i cp t u n g ftatt. Die SRamencpriften, Scpeincpriften, 
Uncpriften unb SBibercpriften merben bann oon ben 
mapren ©priften für immer gefepieben. 


•►M—HIH.—W 


Sonntag, 25. Dezember. 2ßett)nadjW=£fftion. 


Situ« 2, 11—14 


11. 2)enn e* ift erfd)ietten bie ßeilfame ©nabe ©otte* allen 
SRenfcpen. 

12. Unb aü($tt0t un*,. bafi ttrir foHen toerleugnen ba* ungött* 
liebe SBefen, unb bie »eltlidjen Süfte, unb jütptig, geregt unb 
gottielig leben in biefer SBelt, 

13. Unb »arten auf bie felige Hoffnung unb ®rf<peinung ber 


$errtt<f)feit be* großen (Sötte* unb untere* $ri(anbe* 3fefu 
ttprifti; 

14. $er fidj felbft für un* gegeben bat, auf bafi er un* erlöfete 
üon aller Ungereebtigleit, unb reinigte ibm felbft ein ®olt gu» 
©igentbume, ba* fleißig »äre gu guten XBerten. 


©ibliftpcr ©runhgehanfc: ,,^lfo hat ©ott bie 
SBelt geliebt, baß er feinen eingeborenen Sopn gab, 
auf baß alle, bie an ipn glauben, niept oerloren toer* 
ben, fonbern ba« emtge Seben paben/' ,3op. 3,16. 

<finleitung. Da biefer Dag ber oon ber cpriftlicpen 
ftirepe gefeierte ©brifttag ift, |o foflte ber i*eprer bil= 
ligermeife biefe ©prifttagS=ßeftion einleiten mit etli= 
epen ^emerfnngen über bie gefcpicptlicpe Dpatfacpe ber 
©eburt 3efu. Daper fepen toir etliche einfcpläglicpe 
Dpatfacpen pierper in ber Hoffnung, baß fie bem 
ftrebfamen Seprer fiep nüplicp ertoeifen toerben. 

. ©priftu« mürbe geboren im 3apre 750 naep ber 
©rbauung fRom«. Der 3lbt Dionpfiu« ©figuu«, bem 
mir bie cpriftliAe geitreepnung üerbanten, begann bie* 
felbe mit bem 3fapre 754. ©r napm irrigerroeife an, 
3 efu« fei in biefem Qapre geboren. Dem aber ift 
nicht alfo. Herobe«, ber ©roße, ftarb Anfang« 2lpril 
750. 28äre alfo 3efu« 754 geboren, mie unfere eprift* 
liepe 3eitrecpnung üorau«fept, fo pätte S^önig Herobe« 
niept mepr gelebt. Mein er mar noep in Q-erufalem, 
al« bie SBeifen au« bem «Dlorgenlanbe bafelbft anfa* 
men. ^iitpin f anb bie ©eburt ©prifti üor bem Slpril 
be« gapre« 750 ftatt. Unfere geitreepnung foHte alfo 
mit bem letztgenannten «gapre unb niept mit bem 
gapre 754 beginnen. Daburcp entftept bie fepeinbar 
miberfprucp«oolle Mgabe, baß Spriftu« im gapre 4 
üor ©prifti geboren mürbe. Sie ift jeboep mapr. 2ln* 
ftatt 1887 foHten mir 1891 fepreiben. 

gefu« mürbe in 33 e t p l e p e m, ber alten Daoib«* 
ftabt gubäa«, geboren. Seine ©Item maren jeboip 
niept in ^etplepem, fonbern ju «Rajaretp im galiläi* 
fd)en fianbe ju H au K- ^ er römifepe Ä'aifer Mguftu« 
(fein eigentlicher 37ame mar Oftaoian) oeorbnete in 
feinem gangen SReicpe eine Slegiftrirung ber «Ramen. 
Diefelbe mar notproenbig gur 53efteuerung unb 2lu«= 

S gum ßrieg«bienfte. Dicje 3$crorbnung brachte 
unb SRaria naep föetplepem, iprem beiber* 
i Stammorte. 

Hat man einer 33erfammlung ctma« ©roße« gu 


fagen, melcpe« für Me üon ©ebeutung ift, fo muß 
Stille in berfelben berrfepen. 211« bie fSrüHe ber geit 
getommen mar, ba patte ©ott berSBelt etma«©roße« 
gu fagen. Daper bemirfte er in ber 9ttenfcpenmelt 
eine breifaepe Stille. 

1 . ©«perrfepte $rieg«ftille. ©in mun 
berbarer gug ber ©efepiepte iff«, baß in bem ©eburt«- 
japre be« ipeilanbe« tm großen SRömerreicpe, mo bie 
SBaffen fo feiten rupten, teme Ärieg«fae!el brannte. 
De« Jh:ieg«gotte« Dempel mar gefcploffen. ©in ©e* 
mei« ba«, baß ber Himmel«perr ^ en ©rbenüölfern 
„Stille" geboten patte. 

2 . ©«perrfepte Stille ing«raeL ©ott 
patte bie« ©olf gebemütpigt. ©in römifeper Äaifer 
feprieb eine Scpafcung an« im jübtfepen ©ol!e. gn 
ben Stammorten tprer ©orfabren mußten alle ga* 
milien fiep fammeln. Mcb nad) ©etplepem tarn ber 
arme gimmermann gofep^ mit 2Rana, feinem üer* 
trautem SSeibe. Sie maren beibe au« bem ©efcplecpte 
Daüib«. Diefe« ©efcplecpt mar jeboep perabgefoim 
men. ©« faß längft niept mepr auf bem Dprone. 
g«rael’« ©röße mar bapin. Die geiten ber Demü^ 
tpigung aber paben in ©otte« H au 3°rtmung einen 
pqben SBertp. gn folepen Dagen ruft ber H^ : 
„Seib ftill unb laufepet!" 

3. ©« perrfepte Stille in ber Statur. 
«Racpt lagerte auf gubüa*« ©efielben, al« ber H«lönb 
erfepien. 2lm Dage gept be« SRenfeben gange fRiep* 
tung ptnau«, in ber «Racpt aber gept fie pmein. Hm 
Dage üergeprt er feine Prüfte, in ber «Racpt fammelt 
er fie ein. 2lm Dage- arbeitet H<m& wwb 9Runb, in 
ber 97aept H^rg unb Opr. 2öie Deutlich pört man in 
ber«Racpt! Die «Racpt ruft: „Stille! ber Herr miü 
reben!" Unb ma« rebete er burep feinen Himmel«* 
boten in jener peiligften ber 97äepte? „güreptet eueb 
niept! Siepe, icp üerfünbige euep große greube 
u. f. m. £uf. 2,10—12. 

2 Bir üerbinben ba« ©rllärenbe unb ©raftifepe in 
biefer ßeftion mit einanber. 


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SoimtogfdjuUfehtümfiu 


660 


Sie nei|tt«4tlief6eemng Mittel. 

I. St! Hküntaijtlgefgen!. Unfere fieftion be* 
Zeichnet Diefe^ ©efcpenf mit beit ©orten: „©S ift er* 
fcpienen bie peüfame ©nabe ©otteS allen Vienfcpen." 
SieferSafc gleißt einem grünen gweig. gebeS Söort 
ift eine gruajt beS $eilS. 

1 . Sie ©nabe ©otteS ift erf cpienen. ©nabe! 
©eld)’ ein föftlicpeS ©ort ift baS! ©eitbern unjer 
©efcplecpt ein fünblicpeS mürbe, gibt*« fein ©ort, baS 

» er flänge für*S ©ünbenopr, als biefeS. ©ie ift 
anna in ber ©üffe, ber Spau auf ber bürren 
$lue, baS Sabfal beS geängftigten ©etoiffenS, ber 
©tab im bunflen Spal unb ein weiches Dtttpefiffen im 
Sobe. ©ie ift ber SRegenbogen, melier bie ©ünber* 
weit überfpannt. ©ie ift ber Sinter, welcher unfer 
©cpifflem tn ben ©türmen beS ©emiffenS unb ben 
glutpen beS ©cpulbgefüplS nicht untergeben läfet- 
Ser fünbige ßttenfcp ift ber ©erbammntß oerfaflen. 
©ie fcaifer MuguftuS eine ©cpafcung anorbnete, fo 
fc^ö^te aud) ©ott bie ganze attenjcpenmelt unb fanb, 
baß fie inSgefammt ©anterott ift. ©ie mangelte beS 
3tupmS, ben fie oor ©ott haben foßte. Slßein ©ott 
oerbammte ni^t. ©r brachte ein ßÄittel zur Sedung 
in Slntoenbung, welches einerfeitS für ben ©ünber 
überrafcpenb unb befcpämenb ift, anbererfeitS aber 
auch fräftig geeignet, bemfelben jum $eil unb zur 
Heiligung zu oerpelfen: ©ott ließ ©nabe erfcpei» 
nen. SaS große ©eipmachtSgefchenf ©otteS ift feine 
©nabe in ©grifto. <Sie ift baS größte © e b ü r f* 
niß beS fchulbigen aWenjcpen — baS erfte unb lepte, 
baS pöcpfte unb tteffte ©ebürfniß. 

2. Sie peilfame ©nabe ©otteS ift erfcpienen. 
©ir bürfeti baS ©ort „heilfam" nicht zu oberflächlich 
auffaffen. SJtan rebet oft üon einem peilfamen Statt), 
einer heilfamen Erfahrung unb einer heilfamen Slr^nei. 
SaS ©ort in biefent ©inne gefaßt, entfpricpt nicht 
ber ©ebeutung, bie eS in unferer ©tefle bat ©S 
meint eigentlich „rettenbe" ©nabe, ©ie fcpließt in 
fich bie Vergebung ber ©ünben, ben grieben ©otteS, 
bie ©otteSfuibfcpaft unb baS ewige fieben. Siefe 
rettenbe ©nabe ift eine ©rüde, bie nicht auf morfcpen, 
irbifcpen Pfeilern ruht. Stein, baS eine ©nbe ruht 
auf bem unenblidben ©erbicnfte ©hrifti, baS anbere 
©nbe auf ben Verheißungen beS untoanbelbaren 
©otteS. Siefe ©nabenbrücfe überfpannt ben fchauer* 
liehen Slbgrunb beiner imb meiner ©chulb. ©ie ift 
fo ftarf gebaut, bie Vf«ler ftehen fo feftgegrünbet, baß 
wir uns berfelben getroft anoertrauen bürfen. ©ie 
wirb unS fieperüber bie ©epauertiefe hinüberführen 
in baS Sanb ber ©eligfeit. ©ißft bu fie betreten? 

3. Sie heilfame ©nabe ©otteS ift e r f ch i e n e n. 
©ie ift in bie ©rfcheinung getreten, leiblich*ficptbar 
geworben, ©ie hat fich uerförpert. „SaS ©ort warb 
gleifcp", Wie Johannes fagt. gn ber 3K e n f cp w e r* 
bu ng gef u ift bieS geschehen. Ser^err ift in unfer 
©efcplecpt getreten als bie perfonifizirte ©nabe. Sie 
©nabe ©otteS erfchien in bem Äinbe, welches zu 
©etplepem geboren würbe unb in ber ftrippe lag. 
Sa würbe eS ©eihnachten auf ©rben unb bie frohe 
©eipnachtSbotfcbaft erflang: „©iepe, ich fcerfünbige 
euch große greube! ©uch ift h eut e ber $eilanb gebo* 
ren." Ueber bie ©etplepemSfrippe ging bie ©naben* 
fonne auf, unb leuchtet nun ber armen ©rbe im ©er* 
föpnungSlicpte. gn bem ©priftgefepenfe ruhet bie 
ganze güfle ber göttlichen ©nabe. Slfle ©trahlen beS 
alten unb neuen SeftamentS laufen in biefem ©unttc 
gufammen. 

SaS ©hriftfeft ift bie ©eele ber heiligen ©chrift. 
©in Steger, Welcher fich eine $3ibel taufen woßte, tarn 
gu einem SRiffionar mit ber Stttte, er möchte ihm hoch 


baS 33uch oertaufen, in welchem getrieben ftehe: 
„Sllfo hat ©ott bie ©eit geliebt, baß er feinen einge* 
borenen ©ohn gab/' Ser Sieger hatte Siecht, ©r 
benannte bie ©ibel nach ißtem wem unb ©tem. Sie* 
feS bilbet ben Sütgetyunlt ber heiligen ©d)rift. 

4. Sie heilfame ©nabe ©otteS ift erfdjienen 
allenSRenfchen. ©ott hat bie gan^e ©eit ge» 
liebt, nicht etwa nur einen ©tamm. bie ©eit hat 
er ©hriftum gefanbt, nicht einem Volte nur. ©r 
würbe in einem ©intelchen ber ©rbe geboren, wo 
Slfrita unb Slfien fich berühren unb bie Slnfuhrten 
©uropa'S nahe finb. ©r würbe au einer 3eit gebo* 
ren, wo ein $aifer baS ©cepter über bie berrlid)ften 
Sanber breier ©rbtheile führte. gSraelitifche Wirten 
tarnen unb beteten ihn an. ©eife aus ber §eibenwelt 
hulbigten ibn als ben neugeborenen ftönig unb brad)= 
ten ihm ©efchente bar. ©ott miß, baß aßen SJten* 
fdjen geholfen werbe; baher gab er an jenem erften 
©hrifttage ber gefammten SÄenfchheit baS große 
©eihnachtSgefchent. 

II. Ser ©eihnaihtlbatt!. ©ute Äinber finb baut* 
bar ben lieben ©Itern unb greunben, welche fie am 
©hrifttage befchettfen. ©ie bauten md)t nur mit 
©orten, fonbern auch niit bem Seben. ©o foßen auch 
mir SJtenfchen unferm himmlifchen ^ater mit SJRunb 
unb fieben bauten für feine unauSfprechlicbe ©eit)* 
nachtSgabe. Son bem Sant oermittelft unfereS 2e* 
benS rebet ber©djluß unferer Settion. ©rift oierfach: 

1. Ser ©ünbe fterben. „Unb Aücbtiget 
uns." Sabei bürfen wir nicht an ©träfe oenten. gn 
oieten ©teßen ber heiligen Schrift bebeutet „äüdjti 5 
gen" unb „Züchtigung" erziehen unb ©r*ie* 
b u n g. Siefe Vebeutung hat baS betreffenbe ©ört* 
lein hier. Sie ©nabe ©otteS in ©hrifto erziehet 
uns, „baß Wir foßen üerleugnen baS ungöttliAe ©e* 
fen unb bie weltlichen Süfte." ©enn ber SÄorgen 
graut, bann Riehen fich bie müben Spiere, welche in 
ber Sunfelpeit ber StaAt brüßenb unb raubenb ipr 
©efen trieben, in ihre ©djlupfmintel juriid. ©enn 
laue grüpUngSwinbe über bie ©een unb glüffe me* 
pen, bann fprmaen bie S3anbe beS ©interS, baS ©iS 
fängt an ju traepen unb p breepen. ©enn bie grüp* 
lingSregen faßen unb bie ©onne warm bie ©rbe tüßt, 
bann oerrottet, maS oom tobten ©raS unb £aub noA 
übrig ift. ©über finb bieS oon bemjenigen $er$en, 
in bem bie ©onne ber ©nabe aufgeht. ©S entbrennt 
ber tampf wiber baS ungöttlicpe ©efen unb bie weit* 
licpen £üfte. SaS Stacptgeflüchte ber ©ünbe muß 
fliepen. 

2 . Sem $errn leben. „Züchtig, gerecht unb 
gottfelig leben in biefer ©eit." Z ü cp t i g foßen wir 
leben. SaS pat ©ejug auf ben tleinen ^auSpalt im 
§er$en. SaS ©ort bezeichnet niept aßein bie feeufcp* 
peit, fonbern überhaupt ben ftißen, mäßigen ©inn, 
ber bem innern ©elüft Qüget anlegt unb Siegel oor* 
fepiebt. ©o ein Äinblein waepfen fofl, ba muß eS 
ftifle fein, ©oß ©priftuS in beinern ^erften rupen 
unb waepfen, jo müffen bie milben ©ebanten oon Un* 
feufchpeit, ^abgier, Qovn unb ^oepmutp auSgetrieben 
werben, ©ie fbnnen niept mit tpm unter einem Sacpe 
bleiben. — © e r e cp t foßen wir leben. SaS pat ©e* 

ug auf ben ©erfepr mit unfern SNitmenfcpen. ©ir 
ollen bem Stäcpften fein Unrecht tpun. ©ir fol* 
en gebem baS ©eine geben. Stebli^ unb opne galjcp 
foßen wir fein in einer ©eit üoß Süde unb UngereA 5 
tigfeit. — ©ottfelig foßen wir leben. SaS pat 
©e$ug auf unfere ^erAenSfteßung zu ©ott. ©ir foßen 
unS zu ©ott palten, feinen ©iuen tpun, fein ©ort 
palten unb nach feinem ©oplgefaflen leben. 

3. gleißig fein zu guten ©erfen. Sar* 
um pat fiep $efuS für uns bapingegeben. Sarum 


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670 


in Jett, 


erlöfet er uns Don aller Ungerechtigfeit unb reinigt 
un8 oon bem Unflath ber Sünbe. 'Jftcht fable, fon* 
bern fruchtbare Zäunte ber ©eredjtigfeit jouen wir 
fein. 2Bir follen SttoaS tyun fürXen,ber jo Diel für 
uns gettyan bat. 

4. 8B arten auf. bie felige ®rf Meinung 


unfereS $ e i l a n b e S. Xie erften Strahlen beS 
Borgens finb eine SBeiffagurta auf ben bellen Xag. 
Xie Änfunft in ber Wiebrigfeit toeifjagt auf 

feine Slnfunft tn ber £errlicbfeit. greueft öu bid) 
auf jenen großen Xag ? $aft bu toie *ßauluS feine 
©rfdjeinung lieb ? 


- » -^§C838 o * - 

Jlus ber J$eit 


Uufere „XrtmpS“ finb eine eigene ©attung, bie i 
man, f o to i e f i e bei u n S i ft, nur in ben gelegne* | 
ten 83er. (Staaten finbet. Xraußen in ©uropa gibt I 
eS auch Sanbftreicber, ©agabonben unb Stromer; 
aber ©enSbarmcn, ©üttel, ©ürgermeifter unb 2lmtS* 
leute finb bocb gar bittere Jeinbe biefer ©agabonben. 

Unfere fegenSuoHe gluren (eben feine ©enSbarmen, 
unfere Dörfer toiffen Don feinem ^Büttel; Amtleute unb 
<ßoli*eibiener finb bierjulanb Stöenjchen, benen ein füh* 
lenb £er$ im ©ufen fchlägt. Sie brucfen oft ein Sluge ju, 


$ie $räftfcentcnretfe hat lieber ein ©eifpiel bafür 
geliefert, toie närrifcb unfer ©olf loerben tann, trenn 
eS ftcb barum banbeit, bie Sfceugierbe $u befried 
bigen. 

m ift ja recht billig, baß ein freies ©olt feinen 
erften ©eamten poch ebrt unb ihm alle StchtunaSbe* 
meife erzeigt. 2lber folcb närrifcheS Xbun unb Xrei* 
ben, mie eS unter anberm in ©hicago Dorgefommen, 
ift bocb ntebr ein Sfanbal als ein ©hreiueugniß. ©in 
Raufen SBarbpolitifer rannte ben Sßraftbenten faft 



$rr entwtfdjte $anffagunfl«braten. 


unb feben oft mit beiben nichts, trenn eS ficb barum 
banbeit, fo einen armen Schelm *u faffen. 

„Xarum — hoch lebe Slmerifa!" rief förmlich fo ein 
„trämpifcper" SBanberer auf ber §auS unb öerb*Stube 
aus, als er fab, baß er feinen gtoecf nicht erreichen 
fonntc, unb ging hinaus mit bem flaffifchen ©Sorte: 
„3<b * iet ) c *> er Freiheit entgegen/' 

Xafj bie XrampS eine fianbplage finb, toeiß ^eber* 
mann. ftaft 9tiemanb aber tuiti ettoaS DrbcntlicpeS 
gegen biefelben tt)un, unb fo trirb cS trolil nodb eine 
«Beile beim Sllten bleiben. 


um unb tjfrau ©lebelanb mußte Dor biefer öorbe 
fchneU in etn gimmer beS ©almerbaufeS ju ©hicago 
in Sicherheit gebracht trerben. 

Söenn Sincoln ober ©Bafhington anftatt ©lebelanb 
burth bie ©er. Staaten gereift toären, ba ließen fld) 
folcheWeußerungen bahin erflären, baß baS©olf ©tön* 
ner fehen moHte, bie ,,©efd)ichte gemacht ha* 
b e n." ^n biefem ftalle aber finb biefe XoUheiten ber 
reinen Stfeugierbe ftu*ufchreiben, benn toirfich ©e* 
beutenbeS hat biefer ©räfibent bis jefct ja nicht geleiftet, 
unb aus fttiecherei hat baS amerifanifche ©olf fich 


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3Uu bet Jrit. 


671 


audj niegt gcacnfcitig faft tobt ßebrüdt, um bcn gemicß* 
tigcn $etrn ©leoelanb unb feine junge graup flauen. 

©enn toir fo fämpfen unb ftreiten, um unfern $rä* 
fibenten anpguden, fo foQten toir aucß nicßt ment fo 
biel über bie 2)eutfcßen lochen, toenn fte ißren Katfer 
unb feinen BteicßSJanjler eßren. $iefe Männer gaben 
unter ©otteS güßruna ben Sauf ber ©eltgefcbicßte 
befhmmt, unb ba lägt ficß allenfalls nocß etmaS fegen 
unb fagen. 

lifo -r- nur gemacß mit ber Serbommung ber beut* 
fegen ©peicßellederei. ©iner unterer guten fjreunbe unb 
Sefer aus einer meftlicßen ©roßjjtabt, melcßer uns 
türjlicg megen eines IrtifelS über iBiSmard eine tücß* 
tige republtfanifcße *ßßilippi!a fegidte, foU brei ©tun« 
ben lang auf ber ©trage geftanben gaben, um enb* 
lieg — $errn ©leoelanb anpguden. 

*Ra — baS gebt ben $auS unb f>erb*2Rann nießtS 
an; aber brei ©tunben toürbe er nicßt auf ber ©trage 
Soften gegen, um enblicg ben beutfegen Kaifer, ben 
SöiSmard ober irgenb einen anberen SRenfcßen *u fegen. 

tRo4 ein Sriitmplpg eines früheren $rä"fibenten 
ift p oerpießnen — ber beS Qeff. 3)aoiS. 3” aRacon, 
©eorgia, moßin er oor megr als 22 hagren als ©e* 
fangener gebraegt mürbe, berfammelten fieg bie alten 
mebellen*©olbaten am SRittmocß, ben 20. Oftober, 
nochmals, um igren frügeren OberbefeglSgaber p be* 
grüßen. 

$ie Steife oon ©eauooir in Souifiana, bem ©oßn* 
ftfee beS^eff* 35aOtS, naeg Flacon unb prüd geftaltete 
fid) *u etnem mirflicben Xriuntpßpge. gn SWacon 
feibft ftteg ber ©ntßufiaSmuS auf eine felbft oon ben 
gigiaften füblicgen fceißfpornen niegt ermartete §öße. 
iaufenbe unb aber Xaufenbe Veteranen ber SRebeHen* 
Irmee maren aus allen Xgeilen beS ©übenS pfam* 
men aefommen, ©ouoerneure ber ©übftaaten ntten 
mit iprem ©eneralftab an ber ©piße beS ungeheuren 
gugeS, SRebettenflaggen rnegten inmitten ber ©terne 
unb ©treifen. ©S mar ein bem Söertgeibiger ber 
eftremen ©taatSrechte gerollter, ungegeuerer Xribut. 

©elcß ein Unterfcgieb jmifegen bem SRittmoch im 
Ottober 1887 unb jenen SRaitaaen 1865, ba geff. 
$aoi£ als ©efangener, auf befjen ©efangennaßme 
$100,000 gefegt maren, oon 3Racon naeg ©aoannag 
unb oon ba naeg ber geftung SRonroe gebraegt mürbe. 

©aßrlicß — fo maS fann nur in unferem grogen, 
freien, generöfen Imerifa pafftren! 

Ser lg König ? gn ben feiten ber ©flaoerei gieg 
eS: ©aummolle ift Köntg — unb bor bem mußte 
fuß baS gange Sanb, Herren unb SSolf, Knecßte unb 
SRägbe beugen, unb mer eS niegt tbat, mar ein San* 
beSoerrätger. ©o ging’S fort — bis biefer Königs* 
ftugl in bem blutigen ®ürgerfriege pfammenbraeß. 

$)ann mürbe 2B eigen gum König gemaeßt. ©r 
begerrfegte ben ©eltmarft. ©elbft ©nalanb ßulbigte 
bem amerifanifegen ©eigen. $)ocß — oeute beließen 
bie Hölter gar oiel JBrooftoff oon IRußlanb unb Oft* 
inbien, ©eigen ift niegt megr König. 

3unäcgft fam bte SReiße an baS l i e b e SS ie g, unb 
man rfbete oon ©attle*Königen unb Königinnen — 
bie armen SRenfcßen! groft, ©egnee unb ©inter* 
ftürme gaben arge öerßeerungen in biefem König* 
reiche angeriegtet. ©S ftegt niegt megr in erfter 
SReiße Kummer eins. 

2R o n o p o l ift König, f o lautete bie meitere Sofung, 
bie man görte, unb geute gört man noeg oon ©ifenbaßn* 
fönigen, Xeiegtapgenfönigen, ©ergmerffönigen unb 
anberen ÜRajeftäten. ©iele Oon ignen finb gef allen; 
manege oerfaulen im ©rabe; ber„oierte" ©tanbpo&t 
an bie 5gore beS SRonopolS, mie einft §anibal an bte 
Xgüren momi, unb eS mirb benSeuten auf bemSRo* 
nopol*Xgron bange — menn fie noeg b’rauf ftgen. 


5Rein — Korn ift König, tönt eS jebt oon 3>atota 
unb bem norbmeftliegen goma ger. ©ir oerforgen 
bie ©eit mit Korn; bann fann bie ©taflfütterung 
eingefügrt merben unb mir brauegen ben ©ombog 
niegt megr, meleber meinte, König gu fein, ©ir gaben 
einen ©alaft in ©iou; ©itg auS lauter Korn gebaut, 
©er ben gefegen gat, ber rneijj, baß Korn König ift. 

©ie lange mirb eS mägren, bis mieber etmaS 2inbe* 
reS obenauf ift unb oom ©olfe „angebetet" mirb ? 
gm ©uege ber ernigen ©agrgeit aber fteget gefegrieben: 

„$er $ e r r ift König immer unb emigltcß. äRaeget 
bie Xgore meit unb bie Xgüren in ber ©eit goeg, baß 
ber König ber ©gren eingtege." 

^er öttmbug OeS ©pirttiSmuS ift mogl fegon gun* 
bertmal bloßgelegt morben, unb immer mieber laffen 
fieg Seute begumbuggen. 2)ie ©eit miü eben begum* 
buagt fein. 

KurgUcg fanb mieber eine folcge ©loßlegung ftatt, 
bie luen f melcge niegt mit aller ©emalt blinb fein 
mollen, bte lugen öffnen foUte. 

©in reieger iftann, ein ^)err ©epbert in ©ennfgloa* 
nien, oermaAte ber bortigen ©taatS*Unioerßtät eine 
bebeutenbe Summe gur ©rünbung einer ©rofeffur 
ber © ß i l o f o p ß i e, mit ber ©ebiimung, baß ein 
aus geleßrten SRännem befteßenbeS ©ommittee alle 
9Roral* unb SReligionSfpfteme. unb oorneßmlicß ben 
©piritiSmuS, genauerer ©rüfung untermerfen unb 
fobann gu entf^eiben gäbe, melegem ©pftem ber neue 
„UnioertitätSftußl" gufaHen folle. 

3)ie öerren beS ©ommitteeS gaben fieg alle er ben f* 
licßeHRüße, auf ben ©runb beS ©piritiSmuS gu fom* 
men unb gu entbeden, ob berfelbe mirfliehe ©erbin* 
buna mit ber ©eiftermelt begmede. %aeg langer unb 
müßfamer Irbeit tarnen fie gu bem ©egluß, baß alles, 
maS ihnen im ©piritiSmuS oorgefommen, alles, maS 
bie heften unb berüßmteften SRebien ihnen unb Inbe* 
ren oorgemaegt, bie reine ©autelei fei unb oon ge* 
manbten Xafcßenfpielernnaeggeagmt merben fönne. 

©omeit baS ©ommittee, melegeS felbftoexjtänblieg 
baS ©ermäebtniß niegt gur ©rünbung einer jpiritifti* 
f(gen ©rofeffur oermenbet. 

f rüßer gat §auS unb ^)erb baS Urtgeil abgegeben, 
mogl neun 3^gntel ber fpiritiftifegen ©rf^einun* 
en ber Xafegenfpielertunft unb oielleugt ein 3^ n l cl 
er Xeufelei gugefegrieben merben möge, öeute fei 
biefe ©eurtßetlung bagin abgeänbert, baß mogl neun* 
unbneungig jounbertftel ©autelei unb oieUetcgt ein 
§unbertftel Xcufelei ift. 

9er international Gongtet gegen ben Vtfftbraud) 
geiftiger Getränfe, welcher in (Europa regelmäftig feine Sah* 
reflft&ung hdlt, ift auch ein 8«djen ber 8eit, unb anwr ein fc^t 
bebeutfame«. 

®tanfiefjt hoch in ber ganzen ©eit ein, baß, jpDen niegt Wir* 
Honen wtenfegen unb enblicg ganje Cötter |u Orunbe gegen — 
bie $errfcgaft be$ Stönig« tlltogol gebrochen werben mufj, unb 
baj| eä ^fliegt ber Regierungen tft, biejer ^errfegaft ju fteuem. 

$er bieäjdgrige ©ongreg warb auf ©cgwei^erboben, tn SiWdj/ 
aegalten. Unb wad tbun bie ffantondreaierungen ? Sie fegiefen 
RegierunaSrätge ald Wbgeorbncte jum (Eongreg, wenigfienS bie 
ftantoneSem unb^ürieg. ©oift'dreAt, anbei gatte bon re^ubli* 
faniieger ©eite fein fcglaaenberei Argument gegen bie gter&u* 
lanbe in ben politifegen Bettungen aufgefögrte einfältige Dufelei 
oon ber perfonlicgen Freiheit gebraegt werben tonnen, ati eben 
bie igeilnagme fegwetaerifeget Regierungen an bieiem ©ongrefe. 

©ebr amüfant wirtte ei. bag fierr % goman, ber ©efretär bei 
Äm. Srauerbunbei, aueg bei biefem Songreg war unb in einem 
längeren Rortrag beweifen wollte, bag bieXrunffucgt in Rmerita 
gauptfäcglicg bureg oertegrte ©teuergefege gerborgrrufen wor¬ 
ben, unb bureg fpdter erfolgte goge Refteuerung bei ©cgnappfei 
unb nur geringere Refteuerung ber gegogrenen (Getränte ber 
©egnappioerbtaueg aurudgegangen fei. ©iejen Rücfgangjcgrieb 
ber ^err nur in gana geringem iRage bem (Einflug oer Zempc* 
rena=@efeHfcgaften au. 

9emgem&g wäre ber ameritanifege Rrautrberbanb eine fogute 
®tdgigreiti*@cfellf(gaft, ati man fieg wünfegen tann. 

(Etn anberer ttmerifaner — Äerr Rlalini — wugte ei beffer unb 
{teilte bie wahre ©adjlage fo lcglagenb bar, bag ^err xgoman 
Darauf beraiegtete, weitere Rortrftge oor bem Songreg au galten. 


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672 


Offene ffefl. 


Offene 'goft. 


%n nufere lieben gefer. $ie leßte Kummer beS 
gaßrgangS 1887 ift fertig unb gebt hinaus in bie 
feclt. 

Unfer Berlog mirb jeboeß an alle gefer bie Januar* 
unb gebruar*vcummern für 1888 fenben, bamtt geber 
gehörig %tit hot, feine Unterfcßrift zu erneuern. 

Martin, baß mir einen ber alten gefer Derlieren, 
benten mir faum, hoffen Dielmebr zuberficßtlicß, baß 

t auS unb ©erb in jebe gamüie fo oiel Unterhaltung, 
ußen, Belehrung unb Segen gebracht habe, baß biefer 
©auSfreunb nicht entbehrt merben fann, unb auch bem 
vtaeßbar freunblicß angeboten mirb. 

^er Berlag mie bie Stebaftion merben alle Kräfte 
einjeßen, bamit ©aus unb ©erb feßmuefer unb nüßli* 
eher als je in feinem 16. gaßrgang in bie 2Belt t>in* 
auö^iehe, um als populäre cßriftlicße gamilien* 
fchrtft in taufenben beutfeßen Raufern feinen $lap 
ju finben. 

©au« unb ©erb foß acht cßriftlicß unb acht beutfeß 
fein, ohne einen Augenblicf zu oergeffen, baß mir pm 
Bcrbanbe beS amenfanifeßen BolfeS gehören. 

uufire toertßen AKtarbeiter miffen heute beffer als 
je, melche Xßemata au^umählen unb mie biefelben in 
faßlicher, paefenber SBeife bar^ufteßen finb. 


©ute, frgcnSrciißc Erzählungen müffen in einer 
DolfStßüntlimen gamilienfcßrift reichlich Aufnahme 
finben. ES freut uns, baß bie Erzählung „Auf unb 
lieber" oon Dielen ©unberten mit fo großem duften 
gelefen roorben. Eine anbere Erzählung mürbe im 
Oftober*©eft begonnen unb eine Anzahl fürzercr lie* 
gen für ben 16. Jahrgang bereit. 

©eftßußtltfbeS aus ftireße, Sttiffion unb Biographie 
mar m ©aus unb ©erb immerbar hinlänglich Der* 
treten unb mirb auch ferner gebührenbe Beachtung 
finben. 

geitfragen merben faft in jebein ©eft fürzer ober 
länger erörtert unb befproeßen. 

2>ie graucutfituna ift eine gieblingSabtßeilung 
Dieler ©auSfrauen uno Stäbchen gemorbeit. 


$en Sonntagfcßularbcitcrn merben AuSarbeitun* 
gen ber Sonntagfcßul gettionen geboten, mie fie auf 
io gebrängtem ;Raume nirgenbS beffer unb prattifcher 
Zu jtnben finb. Außerbem erhalten unfere TOtarbei* 
ter in ber Scßule noch Zieles in ©aus unb ©erb, maS 
ihnen birett in ihrem kirnte ßüft. 


Aifgf)ftfßnete Stahl fließe unb titele gute f>o(^ 
feßnitte liegen für ben neuen Jahrgang bereit, unb 
©ott gebe geilten Segen bazu, baß mir im gaßre 1888 
mcnigftenS 1000 neue Unterfcßreibcr geminnen. 


Xic Artifel iu ©aus unb ©erb finb beinahe aße 
Cngina! Artifel unb für biefe ÄtouatSfcßrift Derfaßt. 
Ataiicßc berjelbett finb Umarbeitungen größerer 
Scßriftftücfc au* anberen Sprachen, momit jicß un* : 
fere Mitarbeiter Diele SRitßc gegeben ßaben. 


Xaufenb Unterfdjretber gutoadjs ttn gaßr 1888! 1 
gft OaS unmöglich? durchaus nicht. ES gilt nur im | 


35urcßfcßnitt jebe einzelne gifte um zwei bis brei Un* 
terfeßreiber zu Dermeßren, maS in ben meiften gäüen 
möglich ift. Einige giften finb z>oar fo Doßftänbig, 
baß nur mit etmaS 9ftüßc ein JReiiuumacßS Don jirei 
bis brei zu erhalten fein mirb. Bei Den meiften giften 
foßte eine Bermeßrung nicht aßzu feßmierig fein. 
Eine Anzaßl biefer giften ift fogar bermaßen mager, 
baß man benfen foßte, eS fei leidpt, noch oon fünf bis 
zeßn Abonnenten auf bem betreffenben gelbe zu er* 
palten. Aljo— 1000 gumacßS im Qfaßr 1888 fei un* 
fere gofung. 

3)azu geßört: 

1 ) 4)aß mir momöglicß feinen einzigen alten gefer 
Derlieren. 

2 ) 3)aß mir auf jebem gelbe mehrere unb auf man* 
eßen gelbem zeßn Abonenten gemi tnen. 

ftafttibge, SBinoua Co., SRütu. SBertßer Bruber 
in Eßrifto. Seit 13 gaßren ift ©auS unb ©erb in 
meiner gamilie ein gern gefeßener ©aft geroefen; 
Obgleich ich megen ber armen Ernte, bie ja aueß ein 
ganb *$rebiger reeßt mit füßlt, meine 3*itfihriften 
einfeßränfen muß, fo miß icß boeß oerfueßen, ©auSunb 
©erb zu beßalten. permann Meinert. 


„gebciltger ©taube unb Erfolg in ber Seelen* 
rettung." — tiefer gute, in ber September^ummer 
publizirte Artifel mürbe Don 3teo. E. SBunberlicß ber* 
faßt. $urcß ein Berfeßen mürbe ber SRame in ber 
SeptemberMummer meggelaffen. 

Xie ebangetifeße Miau) hat baS Programm für 
bie ©ebetSmocße für DaS gaßr 1888 Deröffentlicßt unb 
folgenbe Xßemata merben ooraefcßlagcn: Sonntag, 
ben 1. Januar, guf. 21, 28; 1 B^tr. 4, 7; 3Rontag,’ 
ben 2. Januar, Xanffagung; X)ienftag, ben 3.3anuar, 
Befenntniß; Mittmocß, ben 4. fjonnar, ©ebet für bie 
gamilie; Xonnerftag, ben 5. Sunuar, ©ebet für bie 
Äircße ©otteS; greitag, ben 6. ganuar, gurbitte für 
Miffionen; Samftag, ben 7. ganuar, gurbitte für 
Nationen; Sonntag, ben 8. ganuar, ^ßrebigt, 1 Eor. 
15. 68. Xiefe Xßemata merben zur aßgemeinen An* 
naßme Dorgefd)lagen, bamit bie ©ebete DeS BolfeS 
mährenb ber SBocße einmütßig fein mögen, aber bie 
oerfeßiebenen Berßältniffe oerfeßiebener gänber, wo 
biefe Berfammlungen gehalten merben, mögen eine 
AuSbcßnung ober Beränberung in einzelnen ©egen* 
ftänben erforbern. 

geber neue Unterfihretßer für ©aus unb ©erb er* 
hält, fomeit ber Borratß reießt, bie Oftober*, 5tooem* 
ber* unb Dezember Hummern 1887. Alfo 15 Aum* 
mern für ben B r *iS eines gaßrgangS. gept ift bie 
befte geit, neue Abonenten zu fammeln. 


geber ölte UttterfAreiber erßält bie ganuar* unb 
gebruar*Wummern für 1888. ES ift alfo ßinreießenbe 
geit zur Berooßtommnung ber giften Dorßanben. 
2öir bitten äße gefer beS ©aus unb ©erb boeß ja ißre 
Unterfcßrift zu erneuern. 


Angeuommette Artifel. Sufob Bößme. — güßre 
uns meßt in Berfucßung. — Sie in ber alten Stein* 
fireße bie Erroecfung begann. — ganb unb geute in 
$orea. — ©efeßießte einer gincoln * Xepefcße. — Xer 
©eilanb ift geboren. — Ein Blicf in’S gelobte ganb.— 
Xer griebenSfürft. 




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